W. U. Eckart, C. Gradmann A¨rzte Lexikon
W. U. Eckart C. Gradmann (Hrsg.)
A¨rzte Lexikon Von der Antike bis zur Gege...
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W. U. Eckart, C. Gradmann A¨rzte Lexikon
W. U. Eckart C. Gradmann (Hrsg.)
A¨rzte Lexikon Von der Antike bis zur Gegenwart
3. vollsta¨ndig u¨berarbeitete Auflage Mit 84 Abbildungen
Prof. Dr. W. U. Eckart Institut fu¨r Geschichte der Medizin Universita¨t Heidelberg Im Neuenheimer Feld 327 69120 Heidelberg Prof. Dr. C. Gradmann Institute of General Practice and Community Medicine Frederik Holsts hus Kirkeveien 166 0450 Oslo, Norway ISBN-10 3-540-29584-4 ISBN-13 978-3-540-29584-6 3. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar Dieses Werk ist urheberrechtlich geschu¨tzt. Die dadurch begru¨ndeten Rechte, insbesondere die ¨ bersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der U der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfa¨ltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfa¨ltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zula¨ssig. Sie ist grundsa¨tzlich vergu¨tungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de ª Springer Medizin Verlag Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wa¨ren und daher von jedermann benutzt werden du¨rften. Produkthaftung: Fu¨r Angaben u¨ber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewa¨hr u¨bernommen werden. Derartige Angaben mu¨ssen vom Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit u¨berpru¨ft werden. Planung: Dr. Rolf Lange, Heidelberg Projektmanagement: Hiltrud Wilbertz, Heidelberg Umschlaggestaltung: design & production, Heidelberg Satz: Mitterweger & Partner, Plankstadt Gedruckt auf sa¨urefreiem Papier SPIN: 11572060
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Vorwort der Herausgeber Ein biografisches Lexikon der Medizingeschichte, das im Taschenbuch¨ rztinnen und A ¨ rzten aus sa¨mtlichen Epochen format 727 Eintra¨ge zu A der Geschichte seit der Antike vereinigt, ist sicherlich ein Wagnis. Liegen doch in der Medizingeschichte, namentlich der deutschen, Werke weit gro¨ßeren Umfangs vor: allen voran August Hirschs fu¨nfba¨ndiges Lexikon der hervorragenden Aerzte aller Zeiten und Vo¨lker (2. Aufl. 1929–35 [1884–88]). Auch belegt die Popularita¨t und nach wie vor große Zahl biografischer Arbeiten – von der Individualbiografie bis zum mehrba¨ndigen Lexikon – ein kontinuierliches Interesse der Medizingeschichte an ihren hervorragenden Protagonisten. ¨ rztelexikon bescheiIm Anschluss an diese Tradition verfolgt das A dene, aber auch eigene Ambitionen: Mehr als 70 Jahre nach der Publikation des letzten umfangreichen Nachschlagewerkes, Isidor Fischers Bio¨ rzte der letzten fu¨nfzig Jahre graphischem Lexikon hervorragender A 1 (1932/3) , erscheint es sinnvoll, den a¨lteren Forschungsstand auch ¨ rztinnen und A ¨ rzte zu aktuaim engen Rahmen der hier biografierten A ¨ lisieren und gegebenenfalls zu erga¨nzen. Ziel des Arztelexikons ist es, seinen Benutzern einen raschen Zugriff auf den Stand des Wissens u¨ber die behandelten Personen zu geben und den Einstieg in eine eingehendere Bescha¨ftigung zu erleichtern. Das 1995 in erster Auflage er¨ rztelexikon liegt nun in seiner dritten, deutlich erweiterten schienene A und u¨berarbeiteten Auflage vor. Gegenu¨ber der zweiten Auflage sind 28 Eintra¨ge hinzugekommen. Einer umfassenden Neubearbeitung eines der großen Lexika soll damit keinesfalls vorgegriffen werden.2 Auch darf das hier pra¨sentierte Wissen, schon seiner Auswahl wegen, nicht als Spiegel der Geschichte der Medizin oder gar als die Sache selbst gesehen werden. Dies klarzu-
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Fischers Lexikon wurde mittlerweile von Peter Voswinkel fortgefu¨hrt und der erste Band dieser Bearbeitung ist erschienen: Biographisches Lexikon der hervorragenden ¨ rzte der letzten fu¨nfzig Jahre von Isidor Fischer †, Berlin und Wien 1932–1933, A Nachtra¨ge und Erga¨nzungen. Hildesheim: Olms 2002. Fu¨r die antike Medizin ist mit dem von Karl-Heinz Leven herausgegebenen Buch „Antike Medizin. Ein Lexikon“ (Mu¨nchen: Beck 2005) ju¨ngst ein fu¨r die Zukunft unverzichtbares Standardwerk erschienen. V
Vorwort
stellen erscheint wu¨nschenswert, weil die Tradition der Biografik in der Medizingeschichte nicht unproblematisch ist: Indiziert doch die Beliebtheit und schiere Menge biografischer Arbeiten, dass – zumindest in der Vergangenheit – das Geschichtsbild von Medizinern und Medizinhistorikern in der Annahme einer weitgehenden Identita¨t des Faches mit seinen ‘hervorragenden Protagonisten’ ruhte. Die methodische Entwicklung der Geschichtswissenschaft hat auch fu¨r die Geschichte der Medizin zu einem anderen Versta¨ndnis der wissenschaftlichen Biografik und ihrer Bedeutung gefu¨hrt: Im Versta¨ndnis der Herausgeber leistet sie heutzutage einen ebenso begrenzten, wie unverzichtbaren Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte. Sie bearbeitet deren personale Dimension – im Rahmen einer methodisch differenzierten Geschichtsschreibung.3 Innerhalb der Eintra¨ge Repra¨sentativita¨t herzustellen, erwies sich als schwer und das nicht nur ihrer relativ geringen Anzahl wegen: Hat doch der Begriff des ‘hervorragenden’ Individuums resp. Arztes durch die Zeitla¨ufe eine nachhaltige Erosion erlitten. Er ist mithin als Ordnungskriterium kaum noch tauglich. Die Herausgeber haben daher versucht, Kriterien zu entwickeln, die eine explizite Begrenzung und Schwerpunktsetzung innerhalb des knappen Rahmens ermo¨glichten. Neben dem allgemeinen Kriterium der Aufnahme verstorbener Personen stand die Entscheidung, die in der Moderne durch ein Universita¨tsstudium der Medizin regulierte Professionszugeho¨rigkeit zum zentralen Auswahlkriterium zu machen. Die zusammengetragenen Biografien vermitteln insofern eine akademische Sicht der Medizin. Maßstab ist die Geschichte des „Main stream“, der in die naturwissenschaftlich orientierte Medizin des 18. bis 20. Jahrhunderts mu¨ndet. Bei Letzterer, der modernen Medizin, wurde bewusst der Schwerpunkt des Werkes ¨ rztinnen und A ¨ rzte aufgenommen, gesetzt. Prinzipiell wurden solche A die aus ihrer Profession heraus einen besonderen Beitrag zur Medizin, zur Kultur und zur Politik ihres Zeitalters geleistet haben. Es versteht sich, dass das Kriterium der Professionszugeho¨rigkeit mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Moderne an Wert und Pra¨zision einbu¨ßt 3
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Gradmann, Christoph. Nur Helden in weißen Kitteln? Anmerkungen zur medizinhistorischen Biographik in Deutschland. In: Biographie schreiben, hg. V. Hans Erich Boedeker. Go¨ttingen: Wallstein 2003, S. 243–284.
Vorwort
und dementsprechend flexibel gehandhabt werden musste. Um die Problematik eines – schon der relativ geringen Zahl der Eintra¨ge wegen – prinzipiell unabgeschlossenen Korpus zu begrenzen, erfolgte die Aus¨ rztinnen und A ¨ rzte in wahl und Gewichtung der aufgenommenen A enger Abstimmung mit der Autorengruppe. Drei wichtige konzeptionelle Erga¨nzungen erwiesen sich als notwendig: In Ausnahmefa¨llen war es unumga¨nglich, auch Nicht-Mediziner aufzunehmen, deren Beitrag fu¨r eine bestimmtes Medizinkonzept von u¨berragender Bedeutung war. So fanden etwa Rene´ Descartes und Louis Pasteur Aufnahme. Zudem wurden bewusst solche Personen beru¨cksichtigt, die in anderen als medizinischen Feldern Bekanntheit erlangten, deren erworbene medizinische Ausbildung aber biografisch bedeutend war. So fanden etwa die Schriftsteller Arthur Conan Doyle, Alfred Do¨blin und andere Aufnahme, nicht aber Friedrich Schiller, dessen medizinische Ausbildung, da ohne gro¨ßeren Wiederhall in seiner Dichtung, als medizinhistorisches Kuriosum gelten muss. Daru¨ber hinaus verdienten in der Sicht der Herausgeber und Autoren noch drei ¨ rztinnen, deren Beitrag Personengruppen versta¨rkte Beachtung: a) A zur Medizin noch nicht zureichend bekannt ist; b) solche Mediziner und Medizinerinnen, deren Vertreibung oder Ermordung in der NSDiktatur nicht selten eine unvollsta¨ndige Anerkennung ihrer Leistung durch die Historiografie nach sich zog; und c) fu¨r die dritte Auflage wurden gezielt solche Eintra¨ge neu aufgenommen, die die Vorgeschichte der sogenannten molekularen Medizin und die Geschichte der Humangenetik betreffen. Mit den Artikeln u¨ber Max Delbru¨ck, Jacques Monod, Linus Pauling und andere reicht der durch das Lexikon behandelte Zeitraum jetzt bis an das 21. Jahrhundert heran. Das editorische Prinzip des Lexikons beinhaltet neben der Angabe der bekannten allgemeinen Lebensdaten und einer gemeinversta¨ndlichen Beschreibung der a¨rztlichen oder anderweitigen Leistungen den Hinweis auf wichtige Werke der Biografierten. Gegenu¨ber der zweiten Auflage wurde der Text korrigiert und um 28 neue Lemmata erweitert. Fu¨r die einzelnen Eintra¨ge zeichnen jeweils mit Namensku¨rzeln die neunundsiebzig Autoren des Lexikons. Zwei Register erschließen das Korpus der Eintra¨ge: Ein Namensregister der in den Artikel genannten Personen sowie ein chronologisches Verzeichnis der Eintra¨ge, aufsteigend nach Datum des Geburtstages angelegt. Personen, bei denen nur VII
Vorwort
das Geburtsjahr(hundert) bekannt ist, sind den jeweiligen Namensgruppen nachgestellt. Unser Dank gilt zuna¨chst den Autorinnen und Autoren fu¨r Beitra¨ge und Kritik sowie dem Springer-Verlag fu¨r seine Initiative. Ganz besonders gilt er Judith Behre und Gabriel Neumann, ohne deren tatkra¨ftigen Einsatz bei der Bearbeitung des Manuskriptes an diese Neuauflage kaum zu denken gewesen wa¨re. Heidelberg, im April 2006
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Wolfgang U. Eckart Christoph Gradmann
Inhaltsverzeichnis Artikel von A–Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abku¨rzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 ¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge . . . . . . . . . . 369 Die A Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Verzeichnis der Autorensiglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
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Abulkasis
Abderhalden, Emil (* 9. 3. 1877 Oberuzwil, † 5. 8. 1950 Zu¨rich). Stud. der Med. in Basel; 1902 Ass. bei Emil Fischer; 1908 o. Prof. fu¨r Physiol. an der tiera¨rztl. Hochschule in Berlin; 1911 bis 1945 o. Prof. fu¨r physiol. Chemie und Physiol. in Halle; 1946 bis 1947 o. Prof. fu¨r physiol. Chemie in Zu¨rich. A.s Arbeitsgebiete waren Eiweißchemie, Erna¨hrung und Stoffwechsel. In Theorie (Hg. der Zs. Ethik) und Praxis (Bund zur Erhaltung und Mehrung der dt. Volkskraft) vertrat A. eine von der Lebensreformbewegung beeinflußte Ethik. Als Pra¨sident der Leopoldina (1932–1950) begrenzte A. die Instrumentalisierung der Akad. durch den Nationalsozialismus. Nk. Abulkasis. Abu¯’l-Qa¯sim Hala¯f ibn al‘Abba¯s az-Zahra¯wı¯ († ca. ˘1010). ˙ Leibarzt der Kalifen ‘Abd ar-Rahma¯n III. und Hakam II. in Cordoba; ˙starb um 1010. Sein Hauptwerk At-Tasrı¯f (= „Die Verordnung“) kam 1519 ˙als Liber theoricae necnon practicae Alsaharavii in den Druck und wurde maßgebend fu¨r die Entwicklung der abendla¨nd. Chir. Das Werk greift auf antike Autoren zuru¨ck, bringt aber auch zahlreiche eigene Beobachtungen. An spa¨tantiken Quellen wurden ! Oreibasios und ! Paulos von Aigina verwertet, an indischen Quellen Susˇruta. Bes. Bedeutung erlangte die 30. Abh. des Tasrı¯f mit dem Titel Al-‘amal bi-l-yad ˙ (= „Die Behandlung mit der Hand“). Die Chir., basierend auf der Anat., wird systemat. und gleichrangig in ihrem theoret. und prakt. Anteil abgehandelt. Die Nahttechnik wird ebenso beru¨cksichtigt wie eine komplizierte Verbandstechnik. Abgehandelt werden die Ligatur der Arterien, die Kompression, die Blutstillung, Anwendung
von Ka¨lte wie auch pflanzl. Styptika zur blutfreien Operation. Neben dem Eingriff mit dem Messer tritt die Kauterisation, wobei bestimmte Brennstellen, analog den Moxes aus der chin. Med., angegeben werden. Der Schmerzbeka¨mpfung dienen neben dem Glu¨heisen Ka¨lte und Kompression, ferner Schlafschwa¨mme, die mit Opium, Mandragora, Hyoscyamus infiltriert wurden. Bes. Beru¨cksichtigung fand in den arab. wie auch lat. Ausg. das Instrumentarium: Hunderte Zangen, Trepane, Sonden, Messer, Brennkegel, Schnapper oder Spekula. Na¨hrklistiere wurden mittels einer Tierblase eingegeben, an die ein silbernes Ro¨hrchen angesetzt war. Erwa¨hnt wird nach indischen Meth. eine Ameisennaht, die bei Darmwunden Verwendung fand. A. kennt den Steinschnitt ebenso wie eine Varizenbehandlung durch Exzision mit kleinen Schnitten, die Polsterung von Schienenverba¨nden ebenso wie die Fensterung beim komplizierten Bruch. Beim Bruch des Schambogens wurde zur Hebung der Bruchstu¨cke eine Schafsblase in die Vagina eingefu¨hrt und dann aufgeblasen (= Kolpeurynter). In der Trad. antiker Lehrbu¨cher wird die Geburt in Ha¨ngelage beschrieben, ferner die Verwendung von Schlingen zur Extraktion. Unter dem geburtshilfl. Instrumentarium findet sich eine Zange mit gekreuzten Lo¨ffeln, die eine kreisfo¨rmige Kopfkru¨mmung bilden. Der Tasrı¯f, bereits im 12. Jh. von ! Gerhard ˙von Cremona u¨bers., beeinflußte die italischen und frz. Chir.schulen des 13. und 14. Jh. Zur Autorita¨t wurde A. bei Roger von Parma, ! Lanfranc und Wilhelm von Saliceto. Unter dem Namen des ! Guy de 1
Ackerknecht, Erwin Heinz
Chauliac wurde seine Chirurgia 1497 zu Venedig gedruckt; eine weitere Ausg. erschien 1541 in Basel. Werk: De chirurgia, Arabice et latine, Ed. J. Channing, Vol. I u. II, Oxonii 1778. Schi.
Ackerknecht, Erwin Heinz (* 1. 6. 1906 Stettin, † 18. 11. 1988 Zu¨rich). A. stud. ab 1924 Med. in Freiburg, Kiel, Berlin, Wien und Leipzig. A., der in dieser Zeit Kommunist war, prom. 1931 bei ! H.E. Sigerist u¨ber Beitra¨ge zur Geschichte der Medizinalreform von 1848 (Sud. Arch. 25 [1932]). 1933 emigrierte A. nach Paris, ¨ bersetzer med. Lit. und lebte als U stud. Ethnologie. In diese Zeit fa¨llt auch seine Lo¨sung vom Kommunismus. Vor der dt. Invasion in die USA geflohen, arbeitete A. 1941–45 an der Johns Hopkins Univ./Baltimore und wurde nach zwei Jahren am Museum for Natural History Prof. fu¨r Gesch. der Med. an der Univ. of Wisconsin. Hier entstanden zwei seiner bedeutendsten Werke, die Biographie Rudolf Virchow: Doctor, Statesman and Anthropologist (1953) und die Short History of Medicine (1955). A. wechselte 1957 an die Univ. Zu¨rich, wo er auch nach seiner Emerit. 1971 lebte. Von seinen spa¨ten Werken ist bes. Medicine at the Paris Hospital 1794–1848 (1967) zu nennen. Bemerkenswert an A. war seine Fa¨higkeit, bisweilen harte politisch-moralische Urteile auf einwandfreier wissenschaftlicher Grundlage zu fa¨llen. Gr. Acquapendente, Girolamo Fabrizio d’ (* ca. 1533 oder 1537 Acquapendente/Aquila Tuscia bei Orvieto, † 20. 5. 1619 Padua). Von Acquapendente (Oberlatium) nach Padua umgezogen, besuchte er 2
Fabrizio d’ Acquapendente (1533/37–1619)
die dortige Univ. 1559 prom. er in Med. und Phil. Drei Jahre nach dem Tode seines Lehrers ! G. Falloppia erhielt er den Lehrstuhl fu¨r Anat. und Chir., den er bis 1613 behielt. Die langja¨hrige akad. Ta¨tigkeit von A. ist mit Vorfa¨llen u¨bersa¨t, die sein streitsu¨chtiges und ungestu¨mes Temperament bezeugen: von seinen Studenten wurde er beschuldigt, zu wenig Zeit fu¨r die Didaktik zu verwenden, er beleidigte dt. Studenten, wegen eines Streites mit dem Med. Prof. E. Rudio mußte er bewaffnet gehen. Dafu¨r gru¨ndete er das anat. Theater (1592– 95). Er war Arzt von Carlo de Medici, P. Sarpi und G. Galilei. Obwohl seine Neigung zur ! galenischen Naturphil. ihn dazu verleitete, im beobachteten Sachverhalt einen Beweis (statt dessen morphologischer Feststellung) fu¨r seine theol. und phil. Ideen zu suchen, machen ihn seine hervorragenden anat. Beschreibungen zu einem
Adams, Hope Bridges
der bezeichnendsten Anat. der Spa¨trenaissance. Im Laufe der Jahre plante er ein Totius animalis fabrica theatrum, das aber nie verwirklicht wurde. An dessen Stelle vero¨ffentlichte er zwischen 1600 u. 1618 einige als Kapitel des obengenannten Werks gedachte Abh. Es handelt sich um Schriften u¨ber den Gesichtssinn, die Stimme und den Geho¨rsinn, die Tiersprache, die Venenklappen, die Muskeln, die Knochen, den Verdauungsapparat, die Muskelbewegung. Lehrer von G. Casserio und ! W. Harvey, blieb er trotzdem der galenischen Auffassung des Blutflusses verbunden. Besonders wertvoll sind seine biol. und embryol. Arbeiten. 1604 vero¨ffentlichte er De formato foetu, wo er durch 34 Stiche das intrauterine Leben des Fetus von verschiedenen Tierarten illustrierte. Er beschrieb die Fetusmembranen, die Plazenta, die Geba¨rmutter, die Nabelschnur mit ihren Gefa¨ßen, das Venensystem, den Arteriengang und das foramen ovale. In De formatione ovi et pulli, posthum erschienen, werden die Grundlagen des Ovismus gesetzt: Er stellte darin fest, daß sich einige Insekten nicht durch Verwesung, wie Aristoteles meinte, fortpflanzen, sondern aus Eiern. Das Eidotter entsteht in der oberen Geba¨rmutter. Vom Ovarium abgelo¨st, kommt es in den Eileiter, wo es, von den Blutgefa¨ßen gena¨hrt, die Membranen und das Eiweiß entwikkelt. Die Befruchtung des Eis und der Geba¨rmutter erfolgt durch Ausstrahlung, aus der geistigen Kraft des ma¨nnl. Samens. A. schrieb auch Operationes chirurgicae (1619), denen zwei Stiche von einem Gera¨t fu¨r die Behandlung von Frakturen und Mißbildungen beigelegt sind.
Werk: Opera omnia anatomica et physiologica, Leipzig 1687 u. Leiden 1738. Tre.
Adams, Hope Bridges (* 16. 12. 1855 Hallifort b. London, † 10. 10. 1916 Mu¨nchen). 1882 Heirat mit dem Arzt Otto Walther, 2 Kinder (1884 u. 1886), Scheidung, seit 1896 in 2. Ehe mit dem Arzt Carl Lehmann verheiratet. 1873 ging A. nach Dresden, begann 1876/77 ihr Stud. an der Univ. Leipzig, wo sie spa¨ter auch Med. studierte. 1880 legte A. als erste Frau in Deutschland das Staatsexamen in Med. ab, zwar ohne offizielle Erlaubnis, aber unter gleichen Bedingungen wie ihre ma¨nnl. Kommilitonen. Prom. in Bern u¨ber die Ha¨moglobinausscheidung in der Niere. Hospitanzen in Wien u. London. Seit 1881 praktizierte A., zuna¨chst in Dublin, dann in Frankfurt/M. 1904 wurde ihr Staatsexamen durch einen Beschluss des Bundesrates anerkannt, A. erhielt 1906 die Appr. In den 1890er Jahren betrieb A. zusammen mit ihrem Mann in Nordach im Schwarzwald ein Lungen¨ rztin in Mu¨nsanatorium. Seit 1896 A ¨ rztin und Frauchen, seit 1906 prakt. A ena¨rztin. A. war sozialpol. engagiert u. besaß viele Kontakte im sozialdemokrat. Milieu, u.a. zu August Bebel u. Klara Zetkin. 1914 Verfahren wegen illegaler Abtreibungen, das jedoch eingestellt wurde. Neben einem Gesundheitsratgeber fu¨r Frauen vero¨ffentl. A. zahlreiche pol. Schriften u. Fachaufs. Im Ersten Weltkrieg engagierte sich A. in der Friedensbewegung. Werk: Das Frauenbuch. Ein a¨rztlicher Ratgeber fu¨r die Frau in der Familie und bei Frauenkrankheiten, Stuttgart 1896; Die Gesundheit im Haus. Ein a¨rztliches Hausbuch fu¨r die Frau, Stuttgart 1898. Sa 3
Addison, Thomas
Addison, Thomas (* April 1793 Long Benton/Engl., † 29. 6. 1860 Brighton). A. stud. von 1812 bis 1815 Med. in Edinburgh. Seit 1824 war er Arzt am Guy’s Hospital in London. A. geho¨rt heute zusammen mit R. Bright und ! T. Hodgkin, die wie er an Guy’s Hospital in London ta¨tig waren, zu den bekanntesten Vertretern der Krkh.med. Englands der ersten Ha¨lfte des 19. Jh. Hauptmerkmal dieser Med. war, wie in der Pariser Schule dieser Zeit, eine exakte klin. Beobachtung, in die auch neue Techniken der Befunderhebung, z.B. mit Hilfe des Stethoskops, integriert wurden und die man mit den Befunden der pathol. Sektion nach dem Tode verband. A. vero¨ffentlichte eine Reihe von Abh. u¨ber Erkenntnisse, die er mit dieser Herangehensweise gewonnen hatte, so u¨ber die Fettleber, die Appendizitis, die Lungenentzu¨ndung, die Schwindsucht, das Xanthem u.a.m. A. gilt als Erstbeschreiber des klin. Bildes der heute sog. „pernizio¨sen Ana¨mie“. Sein Name verbindet sich jedoch mit einem anderen Krankheitsbild (M. Addison): 1855 publizierte er einen Bericht u¨ber diese Krankheit, die mit Ana¨mie, bronzefarbenen Hautverfa¨rbungen, Schwa¨che und niedrigem Blutdruck einhergeht und die er auf dem Boden einer Reihe von Sektionen auf pathol. Vera¨nderungen der Nebennierenrinde zuru¨ckfu¨hren Schl. konnte. Adler, Alfred (* 7. 2. 1870 Wien, † 28. 5. 1937 Aberdeen). A. stud. in Wien Med. und wurde 1895 prom. Zuna¨chst interessierte er sich bes. fu¨r Augenheilkunde, ließ sich dann aber als praktischer Arzt nieder. Nach der Vero¨ffentlichung der 4
Traumdeutung von ! Freud lernte A. diesen kennen und wurde sein Schu¨ler. Allerdings entwickelte er mit der Zeit eigene Ansa¨tze, was ihn 1911 dazu bewog, sich von Freud zu trennen und eine eigene Schule zu begru¨nden. Diese Lehre wurde zuna¨chst „Freie Psychoanalyse“, spa¨ter „Individualpsychologie“ genannt. 1915 stellte er mit dieser neuen Lehre ein Habil.gesuch, das allerdings vom damaligen Leiter der psychiatr. Klinik, dem stark naturwiss. orientierten ! J. Wagner v. Jauregg, massiv angegriffen wurde. Die Individualpsychol. beruht darauf, daß jeder Mensch eine absolut einzigartige Perso¨nlichkeit ist und einem individuellen Lebensplan folgt, also zukunftsorientiert lebt. Die Gestaltung dieses Lebensplanes ist von vielen Faktoren abha¨ngig, die allerdings auch krankmachend („neurotisie-
Alfred Adler (1870–1937)
Aetios von Amida
rend“) sein ko¨nnen. Eine Grundlage ist die Annahme, daß eine Minderwertigkeit in einem organischen System („Organminderwertigkeit“) Ursache fu¨r die Entwicklung bes. Fa¨higkeiten in diesem Bereich sein kann. Dasselbe wird auch fu¨r seelische Strukturen angenommen. Wesentl. Bedeutung kommt auch den Einflu¨ssen der Umwelt, in der das Individuum lebt, zu. Das Bedu¨rfnis, in einer Gemeinschaft zu leben, wird als elementar betrachtet. A. widmet sich daher besonders der Erziehung und ist wesentl. an der Entwicklung der Wiener Reformpa¨d. der zwanziger Jahre beteiligt. Aufgrund seiner sozialist. orientierten polit. Einstellung ist er bemu¨ht, seine Lehre auch einem prakt. Nutzen zuzufu¨hren, z.B. in der Einrichtung von Erziehungsberatungsstellen („Elternschulung“ wird als „Neurosenprophylaxe“ verstanden) und psychoanalyt. orientierten Kinderga¨rten fu¨r Arbeiterkinder. A. ging auch davon aus, daß die Unterdru¨ckung der Frau, besonders in der damals herrschenden Gesellschaftsordnung, zur Zersto¨rung ihrer Selbstachtung fu¨hrt und daraus fatale Folgen fu¨r die Erziehung der Kinder erwachsen. Er betrachtete die Entfaltung der weibl. Perso¨nlichkeit als absolut notwendig fu¨r die seelische Gesundheit der Frau, wobei diese nicht auf ihre Rolle als „Frau und Mutter“ festgelegt werden sollte. Raissa Epstein, die A. 1897 geheiratet hatte, hatte in Zu¨rich und Wien stud., konnte aber nicht prom. werden, da es in Wien noch keine Prom. fu¨r Frauen gab. A. hatte vier Kinder, zwei seiner drei To¨chter wurden Akademikerinnen. Er starb auf einer Vortragsreise, noch vor der na-
tionalsozialistischen Machtu¨bernahme 1938. Werk: Studie u¨ber die Minderwertigkeit von Organen, 1907; Individualpsychologie in der Schule, 1920; Liebeserziehung und deren Sto¨rungen, 1926; Menschenkenntnis, 1927; Schwer erziehbare Kinder, 1927. Ho.
Aetios von Amida (1. Ha¨lfte 6. Jh. n.Chr.). Byz. Arzt aus Amida am Tigris (heute Diyarbakır) stammend, zur Zeit Justinians I. (527–565) in Konstantinopel. ¨ berA. verfaßte ein in der spa¨teren U lieferung Tetrabiblon genanntes umfangreiches med. Hb. in 16 B., kompiliert aus ! Galenos und ! Oreibasios, ferner auch ! Archigenes, ! Soranos, ! Rufus u.v.a. Das Tetrabiblon geht ein auf Materia medica, Dia¨tetik, Diagnose und Prognose, Krankheiten a capite ad calcem, darunter Augenleiden (B. 7), Gifte und Gegengifte, Chir., Geburtshilfe und Gyna¨kol. In dem auf die a¨rztl. Praxis ausgerichteten Werk fehlt die Anat. A. beru¨cksichtigt als erster byz. Arzt in gro¨ßerem Maße Wundermittel und abergla¨ubische Rezepte. Werk: Montano, J.B. u. Cornarius, J. (lat.), Basel 1535; Cornarius, J., Basel 1549; Krit. ediert: B. 1–8: Olivieri, A. (Hg.), Aetii Amideni libri medicinales 1–4; B. 5–8, CMG 8, 1. 2, Leipzig u. Berlin 1935/1950; Hirschberg, J. (dt.), Die Augenheilkd. des Aetios von Amida (B. 7), Leipzig 1899; Zerbos, S. (Hg.), Athena 23 (1911), 265–392 (B. 9); Daremberg, Ch. u. Ruelle, E. (Hg.), Œuvres de Rufus d’Ephe`se, Paris 1879 (repr.: Amsterdam 1963), 85–126 (B. 11); Costomiris, G.A. (Hg.), Paris 1892 (B. 12); Zerbos, S. (Hg.), Athena 18 (1906), 241–302 (B. 13); ders. (Hg.), Athena 21 (1909), 3–144 (B. 15); Zerbos, S. (Hg.), Leipzig 1901 (B. 16); B. 10 u. 14: griech. nicht ediert. Le. 5
Agote, Luis
Agote, Luis (* 22. 9. 1868 Buenos Aires, † 12. 11. 1954 Buenos Aires). Der argentin. Arzt A. wurde als Sohn eines bekannten Politikers geb. Er stud. an der Univ. Buenos Aires und prom. 1893. 1905 wurde A. Prof. fu¨r Innere Med. und gru¨ndete 1911 das Modell-Inst. fu¨r klin. Med. (Instituto Modelo de Clı´nica Me´dica). A. war vor allem an der Ha¨matol. interessiert und hat, zuna¨chst in Tierversuchen, danach auch am Menschen, daru¨ber jahrelang geforscht. 1914 fand A. heraus, daß Blut durch In-vitro-Beigabe von Natriumcitrat ungerinnbar wird. Am 9. November 1914 fu¨hrte er in Buenos Aires die erste erfolgreiche Citratblutu¨bertragung Ac. der Welt am Menschen durch. Albers-Scho¨nberg, Heinrich Ernst (* 21. 1. 1865 Hamburg, † 4. 6. 1921 Hamburg). Einer der Begr. der Radiol.; er starb an Ro¨ntgenscha¨digungen, unter denen er viele Jahre schwer zu leiden hatte. Seit 1895 prakt. Arzt in Hamburg, gru¨ndete A. 1897 ein priv. Ro¨ntgeninst., war seit 1903 Facharzt der Ro¨ntgenol. am Krankenhaus St. Georg, erhielt 1907 den Prof.-Titel. 1919 wurde A. als erster dt. Fachvertreter o. Prof. der Ro¨ntgenol. an der Univ. Hamburg. Seit 1897 gab A. als erste dt. radiol. Fachzeitschrift die Fortschritte auf dem Gebiete der Ro¨ntgenstrahlen heraus. 1903 vero¨ffentlichte A. sein einflußreiches Lb. Die Ro¨ntgentechnik, dessen 5. Aufl. 1919 erscheinen Wil. konnte. Alexander, Franz (* 22. 1. 1891 Budapest, † 8. 3. 1964 Palm Springs). Med.stud. in Go¨ttingen und Budapest, Prom. 1913, seit 1921 Ass. am Berliner 6
psychoanalyt. Inst., 1930 Emigration nach Amerika, 1932 Dir. des neugegr. Inst. fu¨r Psychoanalyse in Chicago, 1938 Prof. fu¨r Psychiatrie an der Univ. of Illinois, 1956 Leiter der psychiatr. Forschungsabt. am Mount Sinai Hospital in Los Angeles und Prof. fu¨r Psychiatrie an der Univ. of Southern California. Der Psychoanalytiker A. gilt als einer der Begr. der mod. psychosomatischen Medizin. Durch zahlreiche klin. und exp. Studien, u.a. zu gastrointestinalen Krankheiten (zuerst 1934), Hyptertonie, Anorexia nervosa und Asthma bronchiale, versuchte er die These von der Spezifita¨t psychogener Organkrankheiten zu untermauern. Daneben entwickelte er die Freudsche Psychoanalyse u.a. durch die Meth. der „Vektoranalyse“ und die Einfu¨hrung von Kurzanalysen weiter. Er vero¨ffentlichte zahlreiche Arbeiten zur Gesch. der Psychoanalyse, zur Kriminalpsychol. und Soziol. Werk: The influence of psychologic factors upon gastrointestinal disturbances, Psychoanal. Q. 3 (1934), 501–39; Roots of Crime (mit Healy, W.), New York 1935; Psychological aspects of medicine, Psychosomat. Med. 1 (1939), 7–18; Our age of unreason, Philadelphia u. New York 1942; Psychoanalytic Therapy, New York 1946; Psychosomatic Medicine, ibid. 1950; Psychosomatic Specifity (mit French, T. u. Pollock, G.), Chicago 1968; Geschichte der Psychiatrie, Zu¨rich 1969. Bro¨.
Alexander, Leo (* 11. 10. 1905 Wien, † 20. 7. 1985 Boston). Leo A. war der Sohn des Wiener Otiaters Gustav A., der 1932 von einem Patienten ermordet wurde. Nach dem Stud. der Med. in Wien (Dr. med.
Alibert, Jean Louis Marc Baron
1929) bildete er sich in Frankfurt als Neurologe fort. 1933 befand er sich am Peiping Union Med. College in China, von wo aus er direkt nach Amerika u¨bersiedelte. Hier war er in Boston und an der Harvard Med. School bescha¨ftigt. 1936 unterstu¨tzte er den gema¨ßigten Bericht der American Neurological Association u¨ber eugenische Sterilisierung’. 1941 wurde er als ao. Prof. an die Duke Univ. berufen und ging mit dem Duke 65th Hospital nach England, wo er als Berater zum Thema der geistigen Gesundheit von Flugzeugbesatzungen ta¨tig war. Er stellte grundlegende Berichte u¨ber die dt. Experimente zur Ho¨hen- und Ka¨ltemed. zusammen. Im Nu¨rnberger ¨ rzteprozess erwies er sich von NoA vember 1946 bis August 1947 als energischer und kenntnisreicher Berater der Anklage. Bei dieser Gelegenheit formulierte er gemeinsam mit A. Ivy und J. Thompson grundlegende Beitra¨ge zum Schutz von Versuchspersonen in Humanexp. Spa¨ter praktizierte er als Psychiater und Neurologe in Boston. A.s Versta¨ndnis der Psychiatrie war enzyklopa¨disch und verband neurobiol. und psychoanalyt. Zuga¨nge. Er sorgte dafu¨r, dass Opfer der dt. Humanexp. aus Kriegszeiten in Boston behandelt wurden und beriet R. J. Lifton bei dessen Bescha¨ftigung mit den NS-Medizinern. Werk: The Treatment of Shock from Prolonged Exposure to Cold, Especially in Water, Combined Intelligence Objectives Subcommittee, Target Number 24 Medical CIOS C-2 Division, Shaef rear, July 1945; Medical Science under Dictatorship, New England Journal of Medicine 241 (1949), S. 39-47; Objective Approaches to Treatment in Psychiatry, Springfield 1958. Wdl.
Alexandros von Tralleis (* ca. 525 Tralleis/Lydien, heute: Aydin, † ca. 605 Rom). Byz. Arzt. Arztsohn und Bruder des Anthemios, des Architekten der Hagia Sophia. A. verfaßte auf der Basis von ! Aetios ein med. Hb., Therapeutika, in 12 Bd., das a capite ad calcem die Krankheiten abhandelt. Hinzu kommen Schriften u¨ber Eingeweidewu¨rmer (Peri helminthon) und Augenkrankheiten (Peri ophthalmon). A. zielt auf die med. Praxis, wagt gelegentlich Kritik an ! Galenos und verwendet Amulette und Wundermittel, weil sie bei den Kranken erwu¨nscht seien und man damit auch Erfolge habe. Werk: Puschmann, Th., Original-Text und ¨ bers., 2 Bd., Wien 1878/79 (repr.: AmsterU dam 1963); ders., Nachtra¨ge, Berlin 1887 (repr.: Amsterdam 1963). Le.
Alibert, Jean Louis Marc Baron (* 12. 5. 1766 Villefranche de l’Aveyron, † 4. 11. 1837 Paris). A. gilt als Begr. der frz. Dermatol. 1792 nahm er das Stud. der Med. in Paris auf. Zu seinen Lehrern geho¨rten u.a. ! Pinel, ! Bichat, Portal und ! Fourcroy. Nach der Prom. (1799) arbeitete er seit 1803 am Pariser Hoˆpital Saint-Louis. Bedeutend ist sein Versuch einer klassifikatorischen „Nosologie naturelle“ der Hautkrankheiten (Familiae, Genera, Species). 1818 wurde er Leibarzt Ludwigs XVIII., 1821 Prof. der Therapie an der Pariser Ecole de Me´decine. Werk: Descriptions des maladies de la peau, Paris 1806–1827; Nosol. naturelle ou les maladies du corps humain, distribue´es par familles, ibid. 1817–1825. Eck. 7
Allende, Gossens Salvador
Allende, Gossens Salvador (* 27. 7. 1908 Santiago de Chile, † 11. 9. 1973 Santiago de Chile). Stud. Arzt und Freimaurer, in bu¨rgerl. Elternhaus geb., gru¨ndete die Sozialist. Partei Chiles und verschrieb sich ab 1933 der Politik. Seitdem bekleidete er diverse Posten, etwa den des Gesundheitsministers in der Volksfrontregierung von 1936, ehe er 1970 als erster Marxist nach freien Wahlen das von ihm seit 1952 angestrebte Pra¨sidentenamt erlangte. Sein Versuch eines chilen. Weges zum Sozialismus fand mit dem Milita¨rputsch 1973, bei dem er den Freitod wa¨hlte, ein gewaltsames Ende. Loe. Alpini, Prospero (* 23. 11. 1553 Marostica, † 16.6./23.11.1616 Padua). Bes. wegen seiner botan. und drogenkundl. Arbeiten war A. im 16. und 17. Jh. außerordentl. gescha¨tzt. Nach dem Stud. in Padua begleitete A. 1580 als Leibarzt den Konsul Venedigs, Giorgio Emo, nach Kairo. Auf dem Weg dorthin unternahm A. schon auf den griech. Inseln botan. Studien, ¨ gypten fortsetzte. Nach die er in A dreija¨hrigem Aufenthalt zuru¨ck in Padua, wurde er zum lettore dei semplici ernannt und leitete auch den Botan. Garten der Univ.
Diss. Ueber die Ohrschmalzdru¨sen (Koellikersches Lab., Wu¨rzburg). 1888 Appr. als Arzt, bis 1895 Ass.arzt an der Sta¨dt. Irrenanstalt Frankfurt (E. Sioli), 1895–1902 Oberarzt ebd. Nach halbja¨hrigem Aufenthalt in Hei¨ bersiedelung nach Mu¨nchen delberg U (Klinik links der Isar) mit ! Kraepelin. 1904 Habil. (Psychiatrie, Mu¨nchen) Histologische Studien zur Differentialdiagnose der progressiven Paralyse. 1904–12 Leiter des anat. Lab. (Psychiatr. Klinik Mu¨nchen). Nach Gaupps Berufung nach Tu¨bingen 11/2 Jahre Oberarzt der Klinik. Seit 1912 Ord. und Klinikdir. (Psychiatr. und Nervenklinik Breslau). 1915 Tod (Ura¨mie, Herzversagen; seit 1912 Endocarditis lenta). Wiss. Verdienste durch Beschreibung klin. Charakteristika spezif. Hirnerkrankungen mit nachfolgender Darstellung der bei Autopsien gefundenen histopathol. Vera¨nderungen. Erforschung der Morphol. der progressiven Paralyse in ihren Grundzu¨gen (klin. stationa¨re, foudroyant verlaufende, juvenile, senile Paralyse, Lis-
Werk: De balsamo dialogus, Venedig 1591; De medicina Aegyptiorum libri quatuor, ibid. 1591; De plantis Aegypti liber, ibid. 1592; De medicina methodica libri tredecim, Padua 1611. Eck.
Alzheimer, Alois (* 14. 6. 1864 Marktbreit/Bayern, † 19. 12. 1915 Breslau). Psychiater, Neurohistopathol., Sohn eines Notars. Nach humanist. Gymnasium in Aschaffenburg Med.stud. in Berlin, Tu¨bingen, Wu¨rzburg. 1887 8
Alois Alzheimer (1864–1915)
Andral, Gabriel
sauer Form, paralyt. Anfall, meningoenzephalit. Typ, Endarteriitis der kleinen Rindengefa¨ße). 1906 erste Beschreibung der nach A. benannten pra¨senilen Hirnatrophie (37. Versammlung der su¨dwestdt. Irrena¨rzte in Tu¨bingen). Wesentl. Beitra¨ge zur Kenntnis der extrapyramidalen Erkrankungen. Studie u¨ber Chorea Huntington mit Nervenzellausfa¨llen in Corpus striatum, regio subthalamica, Thalamus, Pons, medulla oblangata. Entdeckung zweier besonderer Gliaformen (heute A.-I- und A.-IIGliazellen genannt) bei der Westphal-Stru¨mpellschen Pseudosklerose. Beitra¨ge zur Epilepsieforschung. Beschreibung ausgedehnter Nervenzellvera¨nderungen im Status epilepticus; bereits 1898 Ru¨ckfu¨hrung der epilept. Demenz auf Nervenzelluntergang in der Hirnrinde. Beitra¨ge zur Kenntnis der pathol. Neuroglia und ihrer Beziehungen zu Abbauvorga¨ngen im Nervengewebe. Durch Anwendung mo¨glichst vieler Fa¨rbemeth. zur Eingrenzung der chem. Natur der Gewebsbestandteile erste Versuche einer Histochemie des zentralen Nervensystems. A. war Mitbegr. und -hg. der Zs. fu¨r die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 1911–15. Aus seiner Schule gingen einige beru¨hmte Wissenschaftler hervor: N. Achucarro, F. Bonfiglio, S. Casamajor, U. Cerletti, H. G. Creutzfeldt, B. Domokow, A. Faworsky, F. Fulci, A. Jakob, F. Lotmar, L. Merzbacher, L. Omorokow, G. Perusini, S. Rosental, T. Simchowicz. Werk: Histologische und histopathologische Arbeiten u¨ber die Großhirnrinde mit besonderer Beru¨cksichtigung der pathologischen Anatomie der Geisteskrankheiten (mit Nissl, F.), 6 Bd., 1904–18; Monographien aus dem Gesamtgebiete der
Neurologie und Psychiatrie (mit Levandowsky, M.). B.-S.
Ammon, Otto (* 7. 12. 1842 Karlsruhe, † 14. 1. 1916 Karlsruhe). Der Ingenieur und Journalist wandte sich als Privatgelehrter seit 1883 anthropol. Forschungen im Rahmen der anthropol. Kommission des Karlsruher Altertumsvereins zu. Die in Karten, Kurven und Tabellen dargestellte Aufnahme der Wehrpflichtigen und Mittelschu¨ler Badens (1890) schuf die erste Anthropol. eines dt. Landes, galt meth. lange Zeit als vorbildlich und erbrachte 1904 den Dr. h.c. der Freiburger med. Fak. Polit. den Alldeutschen nahestehend und entschiedener Gegner der Sozialdemokratie, setzte A. sich fu¨r den Bauernstand ein, befu¨rchtete aber eine unaufhaltsame „Arierda¨mmerung“. Mehrfach aufgelegt und u¨bersetzt wurde Die Gesellschaftsordnung und ihre natu¨rlichen Grundlagen (1895) als „Entwurf einer Sozial-Anthropologie“. Werk: Der Darwinismus gegen die Sozialdemokratie, Hamburg 1891; Natu¨rliche Auslese beim Menschen, Jena 1893; Zur Anthropologie der Badener, Jena 1899. v. Bru.
Andral, Gabriel (* 6. 11. 1797 Paris, † 13. 2. 1876 Chaˆteauvieux). A. ist der bedeutendste Vertreter der zweiten Generation der Pariser Schule der klin. Med. Nach Stud. (Paris), Prom. (1821) und Habil. (1824) war er an der Pariser Med. Fak. zuna¨chst Prof. der Hyg. (1828) und der Pathol. (1830), bevor er 1839 die Nachfolge ! Broussais auf dem Lehrstuhl fu¨r Allg. Pathol. und Therapie antrat. 1866 gab er seine Lehrstellung auf. 9
Andreae, Tobias
A. hat sich als Internist besonders um die Analyse der „krankhaften Individualita¨ten“ bemu¨ht. Seine induktive Krankheitstypologie basierte auf dem klin. und pathol.-anat. Vergleich. Hier orientierte sich A. am Vorbild ! Morgagnis, wa¨hrend er sich bei der semiotischen Deutung der Krankheitszeichen am Lebenden in der Nachfolge ! Laennecs verstand. Gegenu¨ber der Konzeptvielfalt seiner Epoche verhielt sich A. als Eklektiker. In seiner auf chem. und mikroskop. Untersuchungen basierenden Ha¨matol. interpretierte A. das Blut als semiotisch bedeutsames Gewebe des Organismus. Er gilt daher auch als Mitbegr. der frz. Ha¨matol. Werk: Clinique me´dicale, Paris 1823; Traite´ d’anatomie pathologique, ibid. 1829; Essai d’he´matologie pathologique, ibid. 1843. Eck.
Andreae, Tobias (* 11. 8. 1633 Bremen, † 5. 1. 1685). Geb. in Bremen, stud. A. in Leiden, Groningen und Duisburg, wo er 1659 zum Dr. med. et phil. prom. wurde. Nach Lehrta¨tigkeit am Bremer Gymnasium wurde A. 1662 in Duisburg Prof. der Med. 1669 wechselte er auf Empfehlung des Anatomen de Bils, dessen Leichenkonservierungsmethode A. verteidigte, nach ’s-Hertogenbosch. 1674 berief ihn der Große Kurfu¨rst an die Univ. Frankfurt/ Oder, von 1681 bis zu seinem Tod lehrte er als Prof. der Phil. im friesischen Franeker. A. vertrat in Phil. und Med. cartesianische Positionen. Werk: Disp. explicans naturam & phaenomena cometarum, Duisburg 1659; Breve extractum in cadaveribus bilsiana methodo praeparatis, ibid. 1669; Bilanx exacta Bilsianae & Clauderianae balsamationis, Am10
sterdam 1682; De impossibili mundi aeternitate, Franeker 1684. Ba.
Andry de Boisregard, Nicolas (* 1658 Lyon, † 14. 5. 1742 Paris). A. wurde zuna¨chst Theol.prof., stud. danach ab 1690 Med. bis zur Prom. 1693 in Reims. 1697 erfolgte seine Aufnahme in die Pariser Med. Fak., wo er 1701 Ass.prof. bei A.M. Denyau am Colle`ge de France, 1702 Mitarbeiter am Journal des Savans wurde. 1724 zum Dekan der Med. Fak. gewa¨hlt, betrieb A. eine aggressive Politik gegen die von ihm verachteten Chir., deren operative und publizist. Selbsta¨ndigkeit er von Fak. und Regierung einschra¨nken ließ. A., ein streitbarer und intriganter Charakter, starb in Paris. Ein Jahr vor seinem Tod vero¨ffentlichte er einen Ratgeber fu¨r Mu¨tter, wie sie ihre Kinder vernu¨nftig und gesund erziehen sollten. Mit dem Titel dieses Werkes schuf A. den Terminus „Orthopa¨die“, der heute ein chir. (!) Spezialfach bezeichnet. Werk: L’Orthope´die ou l’art de pre´venir et de corriger dans les enfans les difformite´s du corps, 2 Bd., Paris 1741. Ba.
Antonius Musa (1. Jh. v.Chr.). Bruder des Euphorbos, des Arztes Ko¨nig Jubas II. Schu¨ler des ! Asklepiades von Bithynien und Leibarzt des Augustus, rettete er diesem 23 v.Chr. mit einer Kaltwasserkur das Leben. Urspru¨nglich Sklave, dann Freigelassener des Marcus Antonius, erhielt er fu¨r jene Therapie (die bei einem anderen beru¨hmten Patienten, Marcellus, scheiterte) zahlreiche Ehrungen, u.a. den goldenen Ring eines ro¨m. Ritters. Zwei ihm zugeschriebene pharmakol. Traktate (verloren, nur ein-
Aretaios
zelne Rezepte u¨berliefert) sind in ihrer Hh. Autorschaft umstritten. Aranzio, Giulio Cesare (* 1530 Bologna, † 7. 4. 1589 Bologna). Seit 1548 Stud. in Bologna, Prom. 1556, kurz danach Prof. fu¨r Med. und Chir. (spa¨ter Anat.) in Bologna. Nach A. wurden der schon vorher bekannte Ductus venosus und die Noduli der Semilunarklappen benannt. A. beschrieb zuerst den Musculus levator palpebrae superior und die Ammonsho¨rner des Hippocampus. Er pra¨gte den Begriff des Aquaeductus cerebri. Als Chir. soll er bereits Rhinoplastiken durchgefu¨hrt haben. Werk: De humano foetu, Rom 1564; De tumoribus, Bologna 1571; Observationes anatomicae, Basel 1579. Bro¨.
Archagathos (3. Jh. v.Chr.). Der ro¨m. Tradition zufolge der erste griech. Arzt, der in Rom praktizierte (Plinius, Historia Naturalis 29, 12 nach Cassius Hemina). Im Jahr 219 v.Chr. sei er von der Peloponnes nach Rom gekommen, mit dem ro¨m. Bu¨rgerrecht privilegiert und auf Staatskosten mit einer Praxis ausgestattet worden. Als vulnerarius (Wundarzt) ta¨tig, habe er sich wegen seiner chir. Radikalita¨t den Namen carnifex (Henker) zugezogen und eine anhaltende ro¨m. Abscheu vor ¨ rzten bewirkt. griech. Med. und A ¨ berlieferung ist fragDie feindselige U wu¨rdig, der Name A. (‘Guter Anfang’) vielleicht legenda¨r. Schon die Umsta¨nde der Aufnahme in Rom (Stadtarzt nach hellenist. Vorbild) verweisen auf eine weit fru¨here Ta¨tigkeit ¨ rzte in Rom. Hh. griech. A
Archigenes aus Apameia (um 100 n.Chr.). A. wirkte als bekannter griech. Arzt in Rom. Von der pneumatischen Schule herkommend, war er Eklektiker. A. widmete sich insbes. der Pulslehre, bei der er allerfeinste Unterteilungen vornahm. Von seinen zahlreichen Schriften sind nur Fragmente, vor alWil. lem durch ! Galen, erhalten. Arcolano [Hercolano, De Arcolis], Giovanni (* 1390–93 Verona, † 1458 Ferrara). Stud. und med. Prom. in Padua, 1412– 1427 Prof. fu¨r Logik, spa¨ter Phil. und schließlich praktische Med. in Bologna, danach „lettore“ der Med. an der Univ. von Padua, seit 1433 an der von Ferrara, wo er 1455 die Ehrenbu¨rgerschaft erhielt. Als erfahrener Kliniker und Chir., als Mitentdecker der antiken und ma. Med.trad. sowie als Schu¨ler eines von der persischarab. Med. bestimmten Lehrbetriebs erwarb sich A. einen bis ins 16. Jh. ungeschma¨lerten Ruf als Arzt und Gelehrter. Seine Hauptwerke sind die 1480 in Padua erschienene und bis 1560 ha¨ufig wiederaufgelegte Practica Medica sowie die 1489 erschienene Expositio in primam fen. quarti CanoRu¨. nis Avicennae. Aretaios (ca. Mitte 1. Jh. n.Chr.). Der den Pneumatikern zugerechnete A. imitiert sein großes Vorbild ! Hippokrates, indem er dessen ionischen Dialekt in anachronist. Weise in seinen med. Schriften verwendet, die dadurch fu¨r uns – wie auch fu¨r seine Zeitgenossen – schwer zuga¨nglich sind. Wa¨hrend eine Reihe von Werken (darunter die Chir.) verloren ist, besitzen wir 8 Bu¨cher u¨ber akute 11
Arnaldus von Villanova
und chron. Krankheiten mit ausfu¨hr¨ tiol., Klinik licher Ero¨rterung von A und Therapie (wichtig u.a. seine Ausfu¨hrungen zu Epilepsie, Manie und Diabetes). In ihnen wird ungewo¨hnliches Mitgefu¨hl fu¨r den Kranken deutlich; seine Darstellung der Krankheitsbilder gilt noch im fru¨hen 19. Jh. als vorbildlich. ¨ bers.), Die auf uns geWerk: Mann, A. (U kommenen Schriften des Kappadociers Aretaeus, Halle 1858 (mit Vorsicht zu benutzen); Auszu¨ge: AH sowie Quellen zur Geschichte der Epilepsie, Bern 1975, 21–4. Fi.
Arnaldus von Villanova (* ca. 1240 vermutl. in Katalonien, † 6. 11. 1311 bei einem Schiffbruch vor Genua). Arzt und Theologe. Von Dominikanern erzogen, stud. A. ab 1260 Med. und Theol. in Montpellier und Neapel. Er ließ sich 1276 in Valencia als Arzt nieder und wurde u.a. als Leibarzt aragonesischer Herrscher (Peter III., Jacob II.) bekannt. Ab 1291 lehrte A. in Montpellier. Hier entstanden A.s bekannte med. Schriften, so das Parabole medicationis, das Regimen sanitatis und sein theoret. Hauptwerk, das Speculum medicinae. A.s eigene Schriften, seine Textkommentare zu ! Galen und ! Hippokrates, seine Aphorismensammlungen u.a. zeigen ihn als u¨berzeugten Anha¨nger eines eher konservativen Galenismus. Zu ¨ bers. A.s Leistungen geho¨ren auch U und Bearbeitungen arab. Lit., so des De viribus cordis von ! Avicenna sowie die vermutlich erste eigensta¨ndige milita¨rmed. Schrift des MA, das Regimen Almarie. Das A. lange Zeit zugeschriebene Brevarium practicae gilt dagegen mittlerweile als pseudoepigraph. A. war eine zentrale Perso¨n12
lichkeit fu¨r die in Montpellier vollzogene Rezeption der arab. und antiken Phil. der Med. Als praktizierender Arzt weniger bedeutend, erlangte A. vor allem durch spektakula¨re Heilerfolge, insbes. seine Therapie gegen Nierensteine – er erkannte vermutlich bereits die Bedeutung des Mineralwassers – Beru¨hmtheit. A.s Interessen entwickelten sich nach 1290 unter Einfluß der Franziskaner in theol.-myst. Richtung. Sein 1299 abgeschlossener eschatol. Tractatus de adventu antichristi brachte ihn in Konfikt mit der Pariser Univ. und spa¨ter auch mit der pa¨pstl. Kurie. In seinen letzten Lebensjahren errang A. große Bedeutung als Vermittler im geistigen und religio¨sen Leben der Zeit. A. war gleichzeitig Arzt und myst. Philosoph. In seinem Werk sind Rationalita¨t und Mystik verbunden. So sehr er an die Tatsa¨chlichkeit und Ordnung der physischen Welt glaubte, so entzog sich fu¨r ihn doch deren Begru¨ndung dem Rationalen, Kenntnis davon war nur durch Zufall oder Erleuchtung zu erlangen. Mo¨glicherweise hat diese Heterodoxie A. im 15. und 16. Jh. den Ruf eines Alchimisten sowie ein umfa¨ngl. Corpus einschla¨giger pseudoepigraph. Werke eingetragen. Diese haben bis in ju¨ngere Zeit sein Bild als Arzt und Wissenschaftler verfa¨lscht. Werk: Mehrere gedruckte Gesamtausg. im 16. Jh.; A.s med. Schriften: Arnaldi de Villanova Opera medica omnia, 15 Bd., Barcelona 1975 ff. Gr.
Aschheim, Selmar (* 1. 10. 1878 Berlin, † 15. 2. 1965 Paris). Zusammen mit ! Zondek beschrieb A. 1927 den Follikelhormongehalt
Aschoff, Ludwig
im Schwangerenharn sowie die fru¨hzeitige Diagnose der Schwangerschaft aus dem Urin. Daru¨ber hinaus unternahm A. grundlegende experimentelle Forschungen zu den hormonellen Beziehungen zwischen Hypophysenvorderlappen und Ovar sowie zur hormonellen Therapie. Nach Stud. und Ass.zeiten in Berlin, Freiburg, Hamburg, Mu¨nchen und Berlin 1930 Lehrauftrag an der Univ. Berlin fu¨r sein Forschungsgebiet; 1931 Honorarprof. Bis ihn die Nationalsozialisten 1935 seines Amtes enthoben, war er Laborleiter der Univ.frauenklinik an der Charite´. A. emigrierte 1937 nach Frankreich und setzte seine Forschungen am Pariser Centre National de la Re´cherche Scientifique fort. Werk: Die Schwangerschaftsdiagnose aus dem Harn auf Grund von 1000 hormonalen Harnuntersuchungen, Basel 1930. Eck.
Aschoff, Ludwig (* 10. 1. 1866 Berlin, † 24. 6. 1942 Freiburg i.Br.). Stud. der Med. 1885–1890 in Bonn, Straßburg und wieder in Bonn, wo er 1889 bei dem Pathol. Hugo Ribbert (1855–1920) prom. wurde. 1890–1891 Arbeiten am Inst. fu¨r Infektionskrankheiten bei ! Koch in Berlin sowie in Wu¨rzburg bei dem Anat. ! Koelliker. Ass. bei den Pathol. und ! Virchow-Schu¨lern ! F. v. Recklinghausen in Straßburg (1891–1893) und Johannes Orth (1847–1923) in Go¨ttingen (1893–1903), wo er sich 1894 habil. und auch apl. Prof. wurde. 1901–1902 wiss. Arbeit am JennerInst., an der Tropical Medical School in London und Liverpool, am PasteurInstitut in Paris unter ! Metschnikow.
1903 Ord. fu¨r Pathol. an der Univ. Marburg, 1906 an der Univ. Freiburg bis zur Emeritierung 1936. Wa¨hrend des Ersten Weltkrieges war A. beratender Pathol. beim Heer und Organisator der sog. „Kriegspathologie“ im Dt. Reich. A. gilt als der renommierteste dt. Pathol. in der ersten Ha¨lfte des 20. Jh. Grundlage seiner Arbeiten war die Beru¨cksichtigung der allg. Pathol. A. strebte danach, Virchows Forderung nach einer pathol. Physiol. zu erfu¨llen; nachdem er in den Jahren bis 1904 streng morpholog. Untersuchungen durchgefu¨hrt hatte, gelang ihm mit der Monographie seines Schu¨lers Sunao Tawara (1873–1952) u¨ber das Reizleitungssystem des Sa¨ugetierherzens im Jahre 1906 (Aschoff-Tawarascher Knoten) der entscheidende Durchbruch zu einer Verbindung zwischen Struktur und Funktion, der die folgenden Arbeiten in seinem Fach maßgeblich beeinflussen sollte. Es schlossen sich an u.a. Forschungen zur Atherosklerose des Gefa¨ßsystems, zur Cholelithiasis, zur Thrombose und Untersuchungen u¨ber die Dynamik der Zellfunktion. Dabei wurde die morpholog. Pathol. zur Biochemie, Physik und Pathochemie in Beziehung gesetzt. Nach dem Ersten Weltkrieg baute A., der viele Schu¨ler in seine Arbeiten einband, die begonnenen Forschungen weiter aus. Sie fu¨hrten u.a. 1924 zur zusammenfassenden Darstellung der Lehre vom „reticulo-endothelialen System“ (Zellsystem, das durch Speicherung, Phagozytose und Immunko¨rperbildung charakterisiert ist). A. bemu¨hte sich stark um Kontakte zum Ausland, so zu Japan, erhielt viele internat. Ehrungen und war Mitglied zahlreicher wiss. Gesellschaften. 13
Aselli, Gaspare Werk: Vorwort zu Tawara, S., Das Reizleitungssystem des Sa¨ugetierherzens, Jena 1906; (Hg.), Pathol. Anatomie, ibid. 1909 (21911; 81936); Das reticulondotheliale System, Ergeb. Inn. Med. Kinderheilkd. 26 (1924), 1–117; Ein Gelehrtenleben in Briefen an die Familie, Freiburg i.Br. 1966. Pr.
Nach A.s physiol. Theorie besteht der Ko¨rper aus unsichtbaren Teilchen, die sich durch unsichtbare Poren im Ko¨rper bewegen. Wenn diese Bewegung behindert oder beschleunigt wird, erkrankt der Ko¨rper. Die Therapie erfolgt durch Beseitigung der Sto¨rung.
Aselli, Gaspare (* 1581 Cremona, † 14. 4. 1626 Mailand). Stud. in Pavia, a¨rztl. Ta¨tigkeit in Mailand, 1612–1620 oberster Chir. der span. Armee in Italien. A. entdeckte 1622 die mesenteriellen Lymphgefa¨ße wa¨hrend der Vivisektion eines Hundes, der eine fettreiche Mahlzeit genossen hatte. Durch vergl. Experimente mit versch. Tierarten wies er nach, daß der Nahrungssaft (Chylus) u¨ber die mit Klappen versehenen „venae lacteae“ (Milchvenen) zu den mesenteriellen Lymphknoten geleitet wird. Fa¨lschlicherweise nahm er an, daß der Chylus von dort in die Leber fließe, wo er in Blut verwandelt werde. Erst ! Pecquet widerlegte diese antike Lehre 1647 durch die Kla¨rung der Funktionsweise des Ductus thoracicus. A.s Forschungen wurden 1627 posthum in Mailand vero¨ffentlicht und rasch rezipiert. Das Buch entha¨lt zur Differenzierung der versch. Gefa¨ßarten die ersten farbigen Holzschnitte in der Geschichte der Anatomie.
Wil.
Werk: De lactibus sive Lacteis venis quarto vasorum mesaraicorum genere, Mailand 1627 (repr.: Leipzig 1968, Mailand 1972). Bro¨.
Asklepiades von Bithynien (* 2.Jh. v.Chr. Prusias ad Mare, † vor 91 v.Chr.). A. wirkte als angesehener griech. Arzt in Rom. Von seinen zahlreichen Schriften sind nur Fragmente durch Zitate anderer Autoren erhalten. 14
Asklepios. Griech. Heilgott und myth. Stammva¨ rzte; gema¨ß der spa¨tantiken ter der A ! Hippokrates-Vita des (Ps.-)Soranos soll Hippokrates den A. zu seinen Ahnen geza¨hlt haben. Seit dem spa¨ten 5. Jh. v.Chr. bezeichnet der Ausdruck Asklepiades („Asklepiosju¨nger“) den Arzt. In der homerischen Ilias wird A. als Heros und „trefflicher Arzt“ bezeichnet. Der spa¨ter entstandene Mythos sieht ihn als Sohn Apollons und einer sterblichen Frau. Seit dem spa¨ten 6. Jh. v.Chr. sind Kultsta¨tten des A. nachweisbar. In den Asklepieia, die bis in die Spa¨tantike bestanden, suchten die Kranken in einem Tempelschlaf (enkoimesis/incubatio) Heilung. In Epidauros waren Tafeln mit Heilungsberichten im Tempelbezirk aufgestellt. Dargestellt wurde A. seit dem 4. Jh. v. Chr. meist als reifer, ba¨rtiger Mann mit verschiedenen Attributen, darunter die Schlange, die ¨ skulapsich um seinen Stab ringelt („A stab“). In Tochtergru¨ndungen, die von Epidauros ausgingen, gelangte A. in Form einer Schlange. Im Heiligtum von Epidauros wurden zahme ungiftige Schlangen (u. andere Tiere) gehalten, die auch in den Krankenheilungen auftauchen. Antike Beobachter nannten verschiedene Gru¨nde, warum die Schlange (griech. ophis bzw. drakon) dem A. zugeordnet war: Die Schlange wurde mit dem Mythos
Auenbrugger, Johann Leopold, Edler v.
des Gottes verbunden, d.h. sie sollte in seinem Leben eine Rolle gespielt haben; andere deuteten sie symbolisch als Zeichen der Verju¨ngung – so wie die Schlange ihre alte Haut abstreift, bedeutet Heilung durch den Gott Erneuerung. Die zahme, milde Schlange des A. sollte weiterhin die Milde des A. verko¨rpern. Die Schlange galt zudem als scharfsichtig u. wachsam, Eigenarten, die ein Arzt beno¨tigt. Schließlich symbolisierte die Schlange auch Heilkraft, wurden doch Pharmaka aus Schlangenfleisch hergestellt. Moderne Deutungsversuche sehen in der Schlange ein relativ spa¨tes, fu¨r die Ausformung des Kults durch Epidauros spezifisches Attribut, oder werten die Schlange als Zeichen fu¨r den chthonischen (erdverbundenen) Charakter des A., der aus einem tiergestaltigen Erdda¨mon hervorgegangen sei. In der Spa¨tantike wurde der soter („Heiland“) A. von den christlichen Apologeten als Da¨mon beka¨mpft u. ihm die Gestalt des universellen „Heilands“ Christi gegenu¨bergestellt. Die parallelen heilkundlichen Bezu¨ge beider Gottheiten spiegeln die No¨te u. Bedu¨rfnisse der spa¨tantiken Lebenswelt wider. Die Ikonographie Jesu Christi du¨rfte jedoch kaum durch Bildwerke des A. beeinflußt worden Le. sein. Assaf ha-Yehudi. A. wird die a¨lteste med. Schrift in hebr. Sprache zugeschrieben. Eine hist. Person dieses Namens ist nicht bekannt. Mo¨glicherweise handelt es sich um eine rein epigraph. Zuschreibung. Die enzyklopa¨d. Schrift Sefer asaf ha-rofe ist aus verschiedenen Schriften unterschiedl. Alters zusammengestellt und stammt wahrschein-
lich aus dem o¨stl. Mittelmeerraum des 10. Jh. n. Chr. Sie basiert auf der griech., besonders der hippokrat. Med., die sie jedoch – als einzige bekannte Schrift – teilweise mit ju¨d. theol. Ideen in Verbindung bringt. Schl.
Astruc, Jean (* 19. 3. 1684 Sauve/Dept. Gard, † 5. 5. 1766 Paris). A. stud. Med. in Montpellier bis zur Prom. 1703. Nach Lehrta¨tigkeit in Toulouse (1710) und Professur in Montpellier (1716) wurde er 1728 Generalarzt beim Herzog von Orle´ans, 1729 erster Leibarzt des poln. Ko¨nigs August II. (der Starke). 1730 ernannte ihn Ludwig XV. zum Leibarzt, 1731 erhielt er den Lehrstuhl fu¨r Arzneimittellehre am Colle`ge Royal in Paris. A., der phil. von ! Descartes und Malebranche beeinflußt war, verfaßte ein sechsba¨ndiges Standardwerk u¨ber Geschlechtskrankheiten, in dem er u.a. den amerik. Ursprung der Syphilis postulierte, sowie ein Buch u¨ber gyna¨kol. Leiden. Werk: De morbis venereis libri sex, Paris 1736–1740; Maladies des femmes, ibid. 1761. Ba.
Auenbrugger, Johann Leopold, Edler v. (* 19. 11. 1722 Graz, † 17. 5. 1809 Wien). Sohn eines Gastwirtes in Graz. Stud. der Med. in Wien, Prom. 1752; Schu¨ler ! Swietens. Zuna¨chst als Sekundararzt, spa¨ter als Primarius am Spanischen Spital in Wien ta¨tig. Er gilt als Erfinder der Perkussion. Allerdings war es zu dieser Zeit bereits u¨blich, den Bauch durch Beklopfen zu untersuchen. A.s Verdienst war es, diese Methodik auch auf die Brust anzuwenden. Tatsa¨chlich du¨rfte dieser 15
Auerbach, Leopold
Idee das Beklopfen von Weinfa¨ssern zugrunde liegen. Es wurde durchgefu¨hrt, um durch den Klopfschall der Fa¨sser die Menge des Inhaltes festzustellen. A. hatte als Gastwirtssohn damit fast ta¨glich zu tun gehabt und hierin eine bemerkenswerte Geschicklichkeit erworben. Fu¨r ihn du¨rfte es demnach naheliegend gewesen sein, diese Methodik auch am Menschen anzuwenden. Seine Beobachtungen besta¨tigte A. durch Obduktionen seiner verstorbenen Patienten. Seine neue Untersuchungsmeth. verfeinerte er schließlich durch Exp. an Leichen, indem er z.B. die Lungen mit Wasser fu¨llte und anschließend den Klopfschall beurteilte. Diese Vorgehensweise, die klin. Beobachtung in Verbindung mit dem Versuch, die Ergebnisse durch Obduktio-
Leopold Auenbrugger (1722–1809) 16
nen und Experimente an Leichen zu verifizieren, war zu jener Zeit relativ neu und wurde bes. an der ersten Wiener Schule gepflegt. Nachdem A. sieben Jahre lang seine neue Untersuchungsmeth. verfeinert hatte, schrieb er seine Erkenntnisse in einem Buch Inventum Novum nieder. Dieses war jedoch nicht sehr weit verbreitet, so daß die Perkussion zu Lebzeiten A.s wohl nur im engeren Kreis der Wiener ¨ rzte praktiziert wurde, daru¨ber hinA aus jedoch kaum bekannt war. Erst durch ! Haller wurde ihre Bedeutung erkannt, ! Corvisart verhalf ihr zum Durchbruch. Wenig beachtet ist die Tatsache, daß A. sich auch mit Geisteskrankheiten bescha¨ftigte und Ansa¨tze fu¨r deren Behandlung entwickelte. Werk: Inventum novum ex percussione thoracis humani ut signo abstusos interni pectoris morbos detegendi, Wien 1761; Experimentum nascens de remedio specifico sub signo specifico in mania virorum, ibid. 1776. Ho.
Auerbach, Leopold (* 28. 4. 1828 Breslau, † 30. 9. 1897 Breslau). Geb. und aufgewachsen im ju¨d. Getto von Breslau. Med.stud. in Breslau, Leipzig und Berlin. Enge Freundschaft mit dem Physiol. und Bakteriol. ! Cohn. Prom. 1849. Verdiente seinen Lebensunterhalt seitdem als prakt. Arzt in Breslau. Parallel hierzu ca. 50 Publ. u¨ber neuro- und muskelphysiol. sowie embryol. Themen. Entdecker des Plexus myentericus (1862) und der Kapillarendothelzellen (1864–65), Erstbeschreiber der morphol. Vorga¨nge in der befruchteten Oozyte (1874). Priv.doz. (1863) und ao. Prof. (1872) in Breslau. Eine weiterfu¨hrende Karriere wurde durch seine Pt. ju¨d. Herkunft erschwert.
Averroes
Avenzoar. Abu¯ Marwa¯n ‘Abd al-Malik ibn Abı¯ l-‘Ala¯’ Zuhr [d.i. Ibn Zuhr, latinisiert zu Avenzoar] (* ca. 1084 Cordoba, † ca. 1162). Geb. als Sohn des Arztes Abu¯ l-‘Ala’ Zuhr in Cordoba, wirkte als Leibarzt im Dienste der Almoraviden, spa¨ter der Almohaden; wurde unter ‘Abd al-Mu¯’min (1130–63) Wezir. Neben einem fu¨r den Laien gedachten Traktat Die knappe Darstellung bezu¨glich der seelischen und ko¨rperlichen Instandsetzung (Ms. Escorial 829) verfaßte A. als Hauptwerk den Kita¯b at-Tais‹i¯r fı¯ l-muda¯wa¯t wa-t-tadbı¯r (= Die Wegbereitung bezu¨glich der Therapie und Dia¨tetik). Der Trad. nach werden die einzelnen Krankheiten „a capite ad calcem“ abgehandelt; ein bes. Buch ist der Fieberlehre, den Krisen und den Epidemien gewidmet; der Anhang bringt eine Rezeptsammlung. Im Stud. der pathogenen Prozesse glaubte A. eher eine Quelle des med. Fortschritts zu finden als in einer spekulativen Nosologie. Wir verdanken ihm die Entdeckung der Kra¨tzmilbe sowie die ku¨nstl. Erna¨hrung bei Schlundla¨hmung mittels einer Magensonde oder eines Na¨hrklistiers, wobei er sich einer Tierblase mit angesetztem silbernen Ro¨hrchen bedient. Auch gibt er detaillierte Beschreibungen seiner Knochenstudien am Kada¨ ber den Wert seiner Lehrschrifver. U ten hat sich sein beru¨hmtester Schu¨ler, Ibn Rusˇd, gea¨ußert: „Um zu wohlfundierten Kenntnissen in der Medizin zu gelangen, muß man nur die Werke des Ibn Zuhr mit Sorgfalt lesen; sie sind wahrhaftig eine Schatzkammer. Denn er hat alles gewußt, was nur dem Menschen auf diesem Gebiete zu wissen erlaubt ist.“ Der Taisı¯r, bald schon ins Hebr. und Lat. u¨bers.,
begru¨ndete die Autorita¨t des A. in der Schi. lat. Scholastik. Averroes. Abu¯’l Walı¯d Muhammad ˙ ibn Ahmad ibn Muhammad ibn Rusˇd ˙ [latinisiert zu˙ Averroes] (* 1126 Cordoba, † 10. 12. 1198 Cordoba). Stud. alle Fa¨cher der Jurisprudenz und bekleidete hohe Staatsa¨mter in Marra¯kusˇ und Cordoba. Kam 1182 als Leibarzt an den Hof des Almohaden Yu¯su¯f nach Marra¯kusˇ und erhielt den Auftrag, die Schriften des Aristoteles und dessen spa¨tantiken Kommentators Alexander von Aphrodisias zu erla¨utern; bereits bei Thomas von Aquin gilt A. durchweg als „commentator“, wa¨hrend Aristoteles als „philosophus“ zur Geltung kommt. Beru¨hmt wurde seine Streitschrift gegen G˙azza¯lı¯, der Kita¯b al-taha¯fut at-taha¯fut (= Zersto¨rung der Zersto¨rung; lat.: destructior destructionis), der ihm seiner liberalen Gesinnung wegen eine Verbannung einbrachte mit spa¨terer Rehabilitierung. Unter seinen med. Werken finden sich Kommentare zur Fieberlehre des ! Galen und zu ! Avicenna, ferner kleinere Werke u¨ber Arzneimittel. Sein bedeutendstes Werk aber ist der Kita¯b al-kullı¯ya¯t fı¯t-tibb (= Buch der Versammlung), der˙ ˙als Colliget oder Liber universalis de medicina die Med. des Abendlandes weitgehend beeinflußt hat. Das Werk umfaßt neben Anat., Physiol. und Pathol. eine systemat. Semiotik, ferner die Nahrungs- und Heilmittellehre sowie die Hyg. und Therapeutik. In seinen Galen-Kommentaren wird Kritik an Galen deutlich, so in einem Traktat u¨ber die Elemente, u¨ber die Symptome von Krankheiten wie auch in 17
Avicenna
seiner Fieberlehre. Ha¨ufig zitiert wird Galen auch in seinem Theriak-Traktat mit dem Titel Maqa¯la fit-tirya¯q. Seine breiteste Wirkung erzielte A. in den fortschrittl. italisch-fra¨nkischen Phil.schulen der Spa¨tscholastik, die unter dem Namen „lat. Averroismus“ Epoche machten. Seiner Lehre nach galt die Welt in ihrer materiellen Substanz als ewig und in einem sta¨ndigen Werdeprozeß; sie sei unerschaffen, und es sei nicht ersichtlich, warum sie einem Ende zugehen solle. Die Vernunft der Weltseele bedient sich nur der Einzelseele, die mit dem Tode vergeht. Der Intellekt ist demnach u¨berindividuell, nicht an eine Person gebunden, was noch von Leibniz als „sententia perniciosa“ empfunden wurde. Als biol. Ma¨ngelwesen kann der Mensch sich aber auch u¨ber seine rationalen Mo¨glichkeiten zu einem automomen Wesen aufschwingen, ein Gedanke, der am Ausgang des MA zum entscheidenden Impetus einer wiss. Emanzipation wurde und nicht zuletzt die Lehre von der „doppelten Wahrheit“ Schi. initiiert hat. Avicenna. Abu¯ ‘Alı¯ al-Husain ibn ‘Abd Alla¯h ibn Sı¯na¯ ˙al Qa¯nu¯nı¯ (* 980 Afsˇana in der pers. Provinz Hura¯sa¯n, † 1037 auf einem Feldzug ˘ ’Ala¯’ ad-Daula). des Breite Ausbildung in Grammatik, Physik, Jurisprudenz und Phil. in Buha¯ra¯, wo sein Vater hoher Staatsbe˘ war. Mit 17 Jahren bereits wuramter de er zu Konsultationen beim Sultan Mansu¯r in Buha¯ra¯ hinzugezogen. A. ˘ erbt ˙ein bedeutendes Vermo¨gen und beginnt ein unstetes Wanderleben an pers. Ho¨fen, wo er als Staatsmann, Arzt und Astronom wirkt. In reifen Jahren wird er Wezir des Sˇamsad18
Daula abı¯ Ta¯hir, des Emir von ˙ Hamada¯n. Des Hochverrats ange¯ klagt, muß er flu¨chten, wird gefangen und zu Festungshaft verurteilt. Nach abenteuerl. Flucht gelangt er nach Isfaha¯n, wo ihm ‘Ala¯’ ad-Daula ibn Dusˇmanza¯r eine bleibende Wirksta¨tte bietet. Schon zu Lebzeiten erhielt A. den Titel eines „rajı¯s“, was der Ehrwu¨rdige, der Erhabene, der Fu¨rst bedeutet, und als „princeps medicorum“ ist A. in die lat. Lit. eingegangen, als unangefochtene Autorita¨t fu¨r ein halbes Jahrtausend. Die Med. sah A. als eine exemplar. Disziplin fu¨r das Zusammenwirken verschiedenster Wiss., da sie von ihrem anthropol. Gesamtaspekt her ein wesentl. Interesse an allen anderen Wiss. hat. Dabei erha¨lt die Heilkunst ihre Prinzipien von den Naturwiss., ihre Zielpunkte von der Metaphysik als „philosophia prima“. Zentralproblem seiner „Metaphysik“ ist die ¨ bels Theodizee, die Existenz des U in einer vom gu¨tigen, allma¨chtigen und allwissenden Gott geschaffenen Welt. Da Gott nun ewig ist, die Welt aber zeitlich, muß der Mensch sein Schicksal in sich selbst austragen; seine Wu¨rde liegt allein in seiner sittlichen Verantwortung. A.s System liegt ein u¨berlegenes formales Gliederungsprinzip zugrunde: die Einteilung aller Wiss. in spekulative und prakt. Teile. Dabei hat „Theorica“ zum Ziel, den Verstand aktuell denkend zu machen, wo¨rtlich: daß der Verstand „in actu“ erscheint, als „entelecheia“, als Wirklichkeit, wie man sie nur durch Aneignung rein spekulativer Erkenntnisform gewinnt. Neben der Rationalita¨t der Sprache und ihrer poetischen Scho¨nheit ist es vor allem die enorme Assimilati-
Avicenna
onskraft, die den Geist des avicennischen Schrifttums pra¨gt. Diesen Geist atmet vor allem seine phil. Hauptschrift, eine achtzehnba¨ndige Enzyklopa¨die der Wiss. mit dem Titel Kita¯b asˇ-Sˇifa¯’ (= Das Buch vom Heilen der Seele oder Buch der Genesung), als Liber sufficientiae im 12. Jh. von Ibn Da¯wu¯d und Dominicus Gundissalinus an der Schule von Toledo u¨bersetzt. Hier schon bezeichnet A. als das materiale Objekt der Med. den menschl. Organismus, als ihr formales Objekt die Gesundheit. Krankheit hingegen wird eher als „modus deficiens“ verstanden. Genesung verspricht das Werk nicht zuletzt von den Krankheiten des Zweifels und der Verzweiflung angesichts unserer zweifelhaften Erkenntnis u¨ber das Wesen der Dinge. Fu¨r die Entwicklung der arab. wie auch abendla¨nd. Heilkunde wichtig
Avicenna (Abu¯ ‘Alı¯ al-Husain ibn ‘Abd Al˙ la¯h ibn Sı¯na¯) (980–1037)
wurde sein med. Hauptwerk Alqa¯nu¯n fit-tibb (= Satzung, Regel, Ge˙ Heilkunde). In den beisetzwerk˙ der den ersten Bu¨chern bringt A. nach Anat. und Physiol. die Arzneimittellehre. Das dritte Buch behandelt nach ! galenischem Schema die Krankheiten von Kopf bis Fuß. Das vierte Buch befaßt sich mit der Fieberlehre, das letzte schließt mit den Heilmitteln (Materia medica). Im Buch I, Fen. 3, erla¨utert A. eingehend, was er unter Theorie der Med. versteht. Es sind die unvera¨nderl. Prinzipien (amru’l-ahla¯t), denen sich die Sa¨ftever˘ ˙ (al-quwan) und das Kra¨fteha¨ltnisse potential (asna¯fu’l-amrad) des Orga˙ ˙ nismus anpassen. Von dieser physiol. Basis her sind die „Gru¨nde fu¨r die Krankheiten“ zu verstehen, ihre Ursachen (al-asba¯b) und ihre Erscheinungen (al-‘ara¯d). Die „Practica“ dient ˙ der Anleitung zur Bedemgegenu¨ber wahrung oder Wiederherstellung der Gesundheit. Morphol. und Physiol. bauen sich dabei auf die ! galenische ¨ berlieferung auf; nur vereinzelt, so U bei der Osteol. oder der Sinnesphysiol., lassen sich eigene Beitra¨ge nachweisen. Beachtung verdienen auch seine Beitra¨ge zur Chir.; beschrieben werden die Tracheotomie bei Fremdko¨rperverschluß, die Behandlung von Mastdarmfisteln mittels Unterbindung, Verfahren zur Reposition des luxierten Steißbeins oder des Oberarmkopfes oder auch die Kindesentwicklung bei abnormen Geburtslagen. Als eine alle Therapie begru¨ndende und begleitende Lebenskunde begreift A. die Dia¨tetik, die neben der Stilisierung des privaten Lebens auch einer Zivilisierung der o¨ffentl. Lebensbereiche zu dienen hat. Auch in diesem Sinne begreift A. die phil. orientierte 19
Babinski, Joseph Franc¸ois Fe´lix
Med. als eine allg. Kulturwissenschaft. Der „Canon medicinae“ erhob den Anspruch, der Abschluß des heilkundl. Wissens zu sein, und wurde so zur Autorita¨t eines vollen Jahrtausends. Das Riesenwerk mit einer Million arab. Wo¨rter zeigt eine mustergu¨ltige Ordnung, eine Untergliederung bis ins kleinste und in jedem De¨ bersicht. tail eine bewundernswerte U Nicht von ungefa¨hr konnte es fu¨r Generationen zum Gegenstand des med. Unterrichts wie auch weiterfu¨hrender Kommentare werden. Werk: Ibn Sı¯na¯, Kita¯b al-Qa¯nu¯n fit-tibb, ˙˙ Roma 1593; Avicenna, Liber Canonis, Translatus a G. Cremonensi in Toledo ab arabico in latinum, Venedig 1597. Schi.
Babinski, Joseph Franc¸ois Fe´lix (* 17. 11. 1857 Paris, † 29. 10. 1932 Paris). Geb. als Sohn poln. Flu¨chtlinge. Stud. in Paris, 1885 Diss. u¨ber Multiple Sklerose, 1885–87 Chef de clinique an der Salpeˆtrie`re unter ! Charcot, 1890 Me´decin des Hoˆpitaux, 1892 Scheitern des Versuches, Professeur agre´ge´ zu werden. Daraufhin leitete B. bis zu seiner Pensionierung 1922 die neurol. Klinik des Pariser Hoˆpital de la Pitie´. B. wurde durch die Konfrontation mit den Hysterie-Patienten Charcots gepra¨gt. Zur Abgrenzung von hysterischen und organischen Symptomen wandte er sich dem Stud. der Reflexe zu. Den Großzehenreflex (B.-Reflex, 1896) brachte er 1898 mit Pyramidenbahnscha¨digungen in Verbindung und beschrieb 1903 das Zehenspreizpha¨nomen. Bei der Hysterie fehlten nach B. Reflexsto¨rungen. Sie werde durch Suggestion verursacht und ko¨nne durch Gegensuggestion geheilt werden (1917). B. erkannte die Be20
Joseph Franc¸ois Fe´lix Babinski (1857–1932)
deutung der Muskelspindeln und unterschied neurogene von myogenen La¨hmungen. Mehrere Krankheiten werden mit dem Namen B.s in Verbindung gebracht: die Dystrophia adiposogenitalis (B.-Fro¨hlich-Syndrom, 1900/01), eine besondere Verlaufsform der Spa¨tsyphilis mit Robertson-Pupille (B.-Vaquez-Syndrom, 1901), eine Scha¨digung der lateralen Medulla oblongata (B.-Nageotte-Syndrom, 1902) und die Anosognosie bei Parietalhirnla¨sionen (Anton-B.Syndrom, 1900/14). B. fu¨hrte die Kopfneigung nach galvanischer Ohrzu-Ohr-Durchflutung auf einseitige Ho¨rsto¨rungen zuru¨ck (B.-Pha¨nomen). Er entwickelte Meth. zur Lokalisation von Wirbelkanaltumoren (erste frz. Operation 1911) und schuf die Grundlagen fu¨r die klin. Diagnostik von Kleinhirnerkrankungen (1913).
Babinski, Joseph Franc¸ois Fe´lix
Med. als eine allg. Kulturwissenschaft. Der „Canon medicinae“ erhob den Anspruch, der Abschluß des heilkundl. Wissens zu sein, und wurde so zur Autorita¨t eines vollen Jahrtausends. Das Riesenwerk mit einer Million arab. Wo¨rter zeigt eine mustergu¨ltige Ordnung, eine Untergliederung bis ins kleinste und in jedem De¨ bersicht. tail eine bewundernswerte U Nicht von ungefa¨hr konnte es fu¨r Generationen zum Gegenstand des med. Unterrichts wie auch weiterfu¨hrender Kommentare werden. Werk: Ibn Sı¯na¯, Kita¯b al-Qa¯nu¯n fit-tibb, ˙˙ Roma 1593; Avicenna, Liber Canonis, Translatus a G. Cremonensi in Toledo ab arabico in latinum, Venedig 1597. Schi.
Babinski, Joseph Franc¸ois Fe´lix (* 17. 11. 1857 Paris, † 29. 10. 1932 Paris). Geb. als Sohn poln. Flu¨chtlinge. Stud. in Paris, 1885 Diss. u¨ber Multiple Sklerose, 1885–87 Chef de clinique an der Salpeˆtrie`re unter ! Charcot, 1890 Me´decin des Hoˆpitaux, 1892 Scheitern des Versuches, Professeur agre´ge´ zu werden. Daraufhin leitete B. bis zu seiner Pensionierung 1922 die neurol. Klinik des Pariser Hoˆpital de la Pitie´. B. wurde durch die Konfrontation mit den Hysterie-Patienten Charcots gepra¨gt. Zur Abgrenzung von hysterischen und organischen Symptomen wandte er sich dem Stud. der Reflexe zu. Den Großzehenreflex (B.-Reflex, 1896) brachte er 1898 mit Pyramidenbahnscha¨digungen in Verbindung und beschrieb 1903 das Zehenspreizpha¨nomen. Bei der Hysterie fehlten nach B. Reflexsto¨rungen. Sie werde durch Suggestion verursacht und ko¨nne durch Gegensuggestion geheilt werden (1917). B. erkannte die Be20
Joseph Franc¸ois Fe´lix Babinski (1857–1932)
deutung der Muskelspindeln und unterschied neurogene von myogenen La¨hmungen. Mehrere Krankheiten werden mit dem Namen B.s in Verbindung gebracht: die Dystrophia adiposogenitalis (B.-Fro¨hlich-Syndrom, 1900/01), eine besondere Verlaufsform der Spa¨tsyphilis mit Robertson-Pupille (B.-Vaquez-Syndrom, 1901), eine Scha¨digung der lateralen Medulla oblongata (B.-Nageotte-Syndrom, 1902) und die Anosognosie bei Parietalhirnla¨sionen (Anton-B.Syndrom, 1900/14). B. fu¨hrte die Kopfneigung nach galvanischer Ohrzu-Ohr-Durchflutung auf einseitige Ho¨rsto¨rungen zuru¨ck (B.-Pha¨nomen). Er entwickelte Meth. zur Lokalisation von Wirbelkanaltumoren (erste frz. Operation 1911) und schuf die Grundlagen fu¨r die klin. Diagnostik von Kleinhirnerkrankungen (1913).
Baer, Karl Ernst von Werk: Sur le re´flexe cutane´ plantaire dans certaines affections organiques du syste`me nerveaux central, Compt. rend. Soc. Biol. 3 (1896), 207–8; Du phe´nome`ne des orteils, Semaine me´d. 18 (1898), 321–2; Tumeur du corps pituitaire sans acrome´galie, Rev. Neurol. 8 (1900), 531–3; He´miasynergie, late´ropulsion et myosis bulbaire avec he´mianesthe´sie et he´miplegie croise´e, Rev. Neurol. 10 (1902), 358–65; De l’abduction des orteils, Rev. Neurol. 11 (1903), 728–9 u. 1205–6; Contribution a` l’e´tude des troubles mentaux dans l’he´miple´gie organique ce´re´brale (anosognosie), Rev. Neurol. 22 (1914), 845–8; Hyste´rie-pithiatisme, Paris 1917; Re´flexes de de´fense, Brain Cogn. 41 (1922), 148–84. Bro¨.
Baelz, Erwin (* 13. 1. 1849 Bietigheim/ Schwaben, † 31. 8. 1913 Stuttgart). Nach Med.stud. in Tu¨bingen und Leipzig (u.a. bei ! Wunderlich) 1870/71 Feldunterarzt im dt.-frz. Krieg, in Leipzig Pathol. bei E. L. Wagner, 1872 Prom. 1876 als Ass. bei Wunderlich, Habil. mit der Schrift ¨ ber akuten Gelenkrheumatismus, U im gleichen Jahr Berufung an die Med.-chir. Akad. (seit 1886 Med. Fak. der Kaiserl. Univ.) in Tokio fu¨r Physiol. und innere Med. Neben akad. Lehre sowie klin. und poliklin. Ta¨tigkeit Arbeit im japan. Gesundheitsamt. Beratender Arzt im japan. Kaiserhaus, Leibarzt des Kronprinzen. B. heiratet die Japanerin Hatsu (Hana) Arai. 1889 Chokunin (ho¨chster Beamtenrang fu¨r Ausla¨nder in japan. Regierungsdiensten). 1902 Ehrenpra¨sident des ersten großen med. Kongresses in Tokio. Nach insgesamt 26 Jahren Beendigung der Lehrta¨tigkeit in Japan, 1905 Ru¨ckkehr nach Deutschland. 1907 Pra¨sident der neugegr. Gesellsch. fu¨r Tropenmed., Forschungs¨ gypten und Pala¨stireisen u.a. nach A
na. 1908 ein letztes Mal in Japan, dabei Gru¨ndung der B.-Stiftung (Gedenkmu¨nze und Geldbetrag fu¨r beste Arbeiten zur „physikal. Therapie“ an der Univ. Tokio). B. half als Hochschullehrer und Forscher (bes. u¨ber in Japan verbreitete Infektionskrankheiten), der mod. japan. Med. den Weg zu bereiten, und verfaßte als einer der ersten anthropol. Arbeiten u¨ber die Japaner (bes. die Ainu); er fo¨rderte das Badewesen (z.B. die Nutzung der heißen Quellen von Kusatsu), die Verbesserung der o¨ffentl. Hyg. und die Besinnung auf die trad. japan. Kunst der waffenlosen Selbstverteidigung (B.s Schu¨ler Jigoro Kano entwickelte aus Elementen von Jiu-Jitsu und Tai-Jitsu den Kampfsport Judo). B. war vorurteilsloser, engagierter Mittler zwischen dt. und japan. Kultur. Bereits 1907 Denkmal fu¨r B. im Garten der Univ. Tokio; Gedenksteine in Kusatsu, Hayama und Bietigheim. B.-Archiv im Stadtarchiv Bietigheim. Werk: Versch. Artikel in med. und vo¨lkerkundl. Zss.; Die Krankheiten der Atemorgane mit spezieller Ru¨cksicht auf Japan, Tokio 1890; Lehrbuch der inneren Medizin, 3 Bd., ibid. 1900. Kst.
Baer, Karl Ernst von (* 28. 2. 1792 Jerwen [Estland], † 16./28.11.1876 Dorpat). V.B., Edler von Huthorn, wurde auf dem Gut Piep im Kreise Jerwen in Estland als viertes von zehn Kindern des Magnus Johann v.B. (1765–1825) und seiner Ehefrau Juliane Louise (1764– 1820) geboren. Nach Privatunterricht und Besuch der Ritter- und Domschule in Reval stud. v.B. Med. an der Univ. in Dorpat; 1814 Prom. mit seiner Ar21
Baer, Karl Ernst von
beit De morbis inter Esthonos endemicis (erneut Stuttgart 1938). In Wien, Berlin und Wu¨rzburg setzte v.B. sein Stud. fort, durch ! Do¨llinger wurde er zu vergl. anat. und embryol. Studien angeregt. 1817 erhielt v.B. die Stelle eines Prosektors bei ! K.F. Burdach in Ko¨nigsberg. 1819 wurde er zum Extraord. fu¨r Zool. und 1822 zum Ord. fu¨r Naturgesch. und Zool. ernannt; gleichzeitig war er Dir. des Botan. Gartens und Initiator des Zool. Museums. In Ko¨nigsberg blieb v.B. bis 1834, wurde zum Dekan der Med. und auch zum Rektor der Univ. gewa¨hlt. Hier verheiratete er sich 1820 mit Auguste v. Medem (1799–1864); eine Tochter und fu¨nf So¨hne wurden in dieser Ehe geboren. 1834 begab v.B. sich nach St. Petersburg, war ordentl. Mitglied fu¨r Zool. an der Petersburger Akad. der Wiss. und von 1841 bis 1852 Prof. fu¨r Vergl. Anat. und Physiol. an der MedikoChir. Akad. 1862 schied v.B. aus der Petersburger Akad. der Wiss. aus und kehrte nach Dorpat zuru¨ck. Bereits in seiner Zeit wurde v.B.s wiss. Bedeutung erkannt; wiss. Gesellsch.
Karl Ernst von Baer (1792–1876) 22
und Akad. wa¨hlten ihn zu ihrem Mitglied, eine Insel erhielt seinen Namen. 1827 entdeckte v.B. bei der Untersuchung der Eiersto¨cke einer Hu¨ndin das Ei des Sa¨ugetiers. Daru¨ber hinaus gelang ihm eine Fu¨lle zool. und v.a. embryol. Erkenntnisse. In den folgenden Jahren traten ethnograph., geograph. und archa¨ol. Studien in den Vordergrund; v.B. gilt auch als Begr. der Anthropol. in Rußland. Zahlreiche Forschungsreisen wurden von v.B. bis ins hohe Alter unternommen – ins europ. Ausland und in versch. Gegenden des russ. Reiches. Auf den Expeditionen wurden von ihm Probleme der Fischerei, der Versandung von Flu¨ssen und der Verbreitung von Pflanzen und Tieren erforscht. Nach dem „Baerschen Gesetz“ haben russische Flu¨sse von Norden nach Su¨den und von Su¨den nach Norden aufgrund der Erdrotation auf der rechten Seite ein eher steiles und auf der linken Sei¨ ber ein allte ein eher flaches Ufer (U gemeines Gesetz in der Gestaltung der Flußbetten, 1860). Seit 1839 war v.B. Mithg. der bedeutenden Beitra¨ge zur Kenntniss des Russischen Reiches und der angra¨nzenden La¨nder Asiens (Nachdr. Osnabru¨ck 1968–70). Dem Darwinismus stand v.B. krit., aber nicht feindl. ge¨ ber Darwins Lehre, 1876). genu¨ber (U Umwandlung der Arten soll innerhalb gewisser Grenzen mo¨glich sein, ebenso aber auch Neubildung ohne lebendige Vorformen. Die Abstammung des Menschen vom Affen lehnte v.B. ab, ebenso verwarf er Darwins Selektionstheorie. Die Artenvielfalt der organ. Natur werde offensichtlich auch von Teleologie bestimmt. Die Lebensprozesse manifestieren nach ihm die „Gedanken der Scho¨pfung“, Naturer-
Baglivi, Giorgio
kenntnisse sta¨rkten den pantheist. Glauben, der atheist. Materialist stehe vor der Natur „wie der Hotentotte vor einer Partitur Beethovens“, der wahre Naturforscher sei dagegen „ein ru¨ckwa¨rtsgekehrter Prophet“. Werk: De ovi mammalium et hominis genesi, Leipzig 1827 (dt. Leipzig 1927; frz. Paris 1829; engl. Isis 47 [1956], 117–53); Ueber die Entwickelungsgeschichte der Thiere, Beobachtung und Reflexion, Bd. 1–2, Ko¨nigsberg 1828 u. 1837; Stieda, L. (Hg.), Bd. 3, Ko¨nigsberg 1888 (Nachdr. Bru¨ssel 1967; frz. Paris 1836; russ. Moskau 1950/ 53); Reden, gehalten in wiss. Versammlungen, und kleinere Aufsa¨tze vermischten Inhalts, Bd. 1–3, St. Petersburg 1864–1876 (Braunschweig 21886); Nachrichten u¨ber Leben und Schriften des Geheimraths Dr. K.E.v.B., mitgetheilt von ihm selbst, St. Petersburg 1866 (Braunschweig 21886; Nachdruck Hannover 1872; russ. Moskau 1950; engl. Canton/Mass. 1986); Boegner, K. (Hg.), Entwicklung und Zielstrebigkeit in der Natur, Schriften, Stuttgart 1983. Eng.
Baerensprung, Friedrich Wilhelm Felix von (* 30. 3. 1822 Berlin, † 26. 8. 1864 Hornheim bei Kiel). Geb. als Sohn des Oberbu¨rgermeisters, stud. B. ab 1840 Med. in Berlin und Halle, wo er sich 1848 habil. Nach Ta¨tigkeit als prakt. Arzt (1850–1853) in Halle wurde er 1853 Leiter der Abt. fu¨r Syphilitiker an der Berliner Charite´, 1856 ao. Prof. der Med. Fak. sowie Chef der Hautklinik. Seit 1863 selbst unter Progressiver Paralyse leidend, ertrank B. 1864 wa¨hrend eines Klinikaufenthaltes in Hornheim bei Kiel durch suizidalen Sturz ins Wasser. B. arbeitete u¨ber Thermometrie (1851/52), wies 1861 die Spinalganglienerkrankung bei Gu¨rtelrose nach und beka¨mpfte die QuecksilbertheraBa. pie der Syphilis.
Baginsky, Adolf (* 22. 5. 1843 Ratibor/ Oberschlesien, † 15. 5. 1918 Berlin). Mitbegr. des Faches Kinderheilkunde. 1872 Niederlassung als prakt. Arzt und Ero¨ffnung einer Poliklinik in Berlin. Durch eigene Stud. Spezialisierung auf Kinderkrankheiten. Habil. 1882. B.s Ruf als Kinderarzt beruhte auf der engen Verzahnung von pa¨diatr. Forschung und ihrer Anwendung in der Praxis. Bes. Interesse hegte B. fu¨r die Schulhyg. und die Sa¨uglingsfu¨rsorge. Zusammen mit A. Monti Gru¨ndung des Archivs fu¨r Kinderheilkunde. Ho¨hepunkt seines Wirkens war die mit Unterstu¨tzung ! R. Virchows 1890 begonnene Errichtung des Kaiser und Kaiserin Friedrich-KinLi. derkrh. in Berlin. Baglivi, Giorgio (* 8. 9. 1668 Dubrovnik, † 15. 6. 1707 Rom). Mit zwei Jahren Waise, wurde B. in seiner Heimatstadt von den Jesuiten erzogen, spa¨ter zog er nach Lecce um und wurde dort von Pietro Angelo Baglivi adoptiert. Er stud. Med. in Neapel und Salerno, 1668 war er in Pisa, wo er mit ! L. Bellini in Verbindung kam. Nach drei Jahren Ta¨tigkeit in versch. ital. und dalmatinischen Krkh., wa¨hrend derer er weiter auf dem Gebiet der empir. Phil. forschte, kam er 1691 nach Bologna, wo er Ass. von ! Malpighi wurde. Zusammen mit Malpighi erprobte er Infusionstechniken, nahm Tiersektionen vor, experimentierte mit Giftstoffen, erforschte die Funktionen der Dura, fu¨hrte mikroskop. Beobachtungen durch. 1692 begab er sich nach Rom zu Malpighi, der im Jahr zuvor pa¨pstl. Leibarzt geworden war. Bei dessen Tod, 1694, nahm er die Autopsie seines Lehrers vor. 1695 23
Baglivi, Giorgio
Giorgio Baglivi (1668–1707)
wurde er zum pa¨pstl. Physicus ernannt und im folgenden Jahr bekam er den Anat. Lehrstuhl an der Univ. Sapienza in Rom. Im gleichen Jahr (1696) vero¨ffentlichte er das Innozenz XII. gewidmete De praxi medica. 1697 Mitglied der Royal Society, dann der Academia Naturae Curiosorum und der Sieneser Accademia dei Fisiocratici, war er im Briefwechsel mit den gro¨ßten Klinikern seiner Zeit, u.a. ! Valsalva, ! Ramazzini, J.G. Berger. ¨ bergang zur Seit 1700, nach seinem U Lehrstelle fu¨r Medicina theorica, konzentrierte er sich fast ausschließlich auf mikroskop. Forschungen u¨ber die Struktur der Muskelfasern, die Eigenschaften des Blutes, des Speichels und der Galle. Ergebnis seiner Beobachtungen: das Werk De fibra 24
motrice (1700) und mit Erweiterungen das Specimen (1702). Vor seinem Tode konnte B. noch die Ausgabe seines Opera Omnia (1704) erleben. B. schließt jede spekulative Denkweise in der med. Praxis aus. Er schla¨gt einen auf klin. Beobachtung, physiol. Experimentation, vergl. Anat., autoptische Analyse gestu¨tzten Hippokratismus vor. Er empfiehlt in seiner De praxi medica Ipekakuanhawurzel in der Behandlung des Ruhrfiebers, beschreibt mit großer Geschicktheit die Tanzwut, die Apoplexie, die Lues, den Typhus und die Gicht. B. unterscheidet die Rippenfellentzu¨ndungen in sicca und humida, setzt die Ursache der bo¨sartigen Fieber in die Blut- und Lymphenvera¨nderung, beschreibt die Helminthiasis. De praxi stellt eine geglu¨ckte Kombination von hippokrat. Solidarismus, iatrophys. Med. und biochem. Experimentalismus dar. De medicina statica von Santorio widmet er einen wertvollen Kommentar und eine Reihe von Aphorismen, durch die er die fu¨hrende Rolle der biochem. Zusammensetzung der Flu¨ssigkeiten im Organismus betonen will. In der Behauptung, der Gesundheitszustand entspreche einem phys. Gleichgewicht von Fasern und Flu¨ssigkeiten, fu¨hrt er in die Path. dieselben Elemente ein, die fu¨r die Lehre der alten Methodisten charakterist. waren. In der Physiol. war er ! Hallers Vorla¨ufer: Er erkla¨rte, die Muskelfasernbewegung sei nicht nur durch einfache Reize, sondern auch durch die Vera¨nderung der Flu¨ssigkeiten verursacht. Sehr genau erkennt B. den histol. Unterschied zwischen Muskel- und Membranfasern, u¨berscha¨tzt aber die Bedeutung der Fasern fu¨r den Gesundheitszustand. Nach B.s
Balint, Michael
Meinung gibt es eine doppelte Quelle der Lebensflu¨ssigkeit: eine vom Herzen aus durch das Gefa¨ßsystem, eine andere von der Dura mater durch das Nervensystem wirkende. Die Nervenflu¨ssigkeit, von der Pia und Dura erzeugt, fließe durch die Nerven und errege Muskelbewegung und Empfindung. Folglich gebe es zwei Arten von Krankheiten, die flu¨ssigkeitsbedingten, die auf das Herz und das Blut zuru¨ckzufu¨hren sind, und die nervenbedingten, die von der Dura und von der Nervenflu¨ssigkeit herkommen. Solche gewagten physiol. und physiopathol. Spekulationen stehen in deutlichem Widerspruch zu seinen klaren Essays der prakt. Med., die ihn als einen der ¨ rzte bedeutendsten und gelehrtesten A seiner Zeit kennzeichnen. Werk: Kuhn, C.G. (Hg.), Opera omnia medico-practica et anatomica, 2 Bd., Leipzig 1827–8. Tre.
Baillie, Matthew (* 27. 10. 1761 Shots/ Schottland, † 23. 9. 1823 London). Engl. Arzt und Pathol.; Neffe von ! John und ! William Hunter. Ausbildung vornehmlich bei William Hunter in dessen Anat.schule in London. B. hielt nach dem Tod Hunters 1783 anat. Vorlesungen und stellte eine Sammlung von ca. 1200 pathol. Pra¨paraten zusammen. 1787 Arzt am St. George Hospital, ab 1799 nur noch in eigener Praxis ta¨tig, verfaßte B. viele Beitra¨ge zur Pathol., v.a. 1793 ein Lb. der pathol. Anat., das Sektionsbefund und klin. Symptomatik verband. In mehrere Sprachen u¨bersetzt, war es bis ca. 1838 weit verbreitet. Werk: The morbid anatomy of some of the most important parts of the human body, London 1793. Pr.
Balint, Michael (* 3. 12. 1896 Budapest, † 31. 12. 1970 London). Seit 1914 Med.stud. in Budapest, Dr. med. 1920, Aufenthalt in Berlin 1921–24: psychoanalyt. Ausbildung bei ! H. Sachs. Sachs, Stud. der Biochemie, Phil. und vergl. Sprachwiss., 1924 Dr. phil. und Wechsel nach Budapest, erste psychoanalyt. Seminare ¨ rzte, 1935–39 Nachfu¨r praktische A folger von ! S. Ferenczi als Dir. des Budapester Psychoanalyt. Inst., 1939 Emigration nach England, 1950 beratender Psychiater an der Tavistock Clinic in London, dort Beginn der ¨ rzte (BaAusbildungsseminare fu¨r A lint-Gruppen), 1968 Pra¨sident der Brit. Psychoanalyt. Gesellsch. B. wurde bekannt durch die psychoanalyt. Arbeit mit Gruppen prakt. ¨ rzte an der Tavistock Clinic in LonA don. Unter der Anleitung eines ge¨ rzschulten Therapeuten sollten die A te Erfahrungen im Umgang mit den Patienten austauschen, um so die Kommunikation im Arzt-PatientenVerha¨ltnis zu verbessern und die Wirksamkeit der „Droge Arzt“ (B.) zu erho¨hen. Das Modell der „BalintGruppen“ erwies sich als sehr erfolgreich. Heute gibt es Hunderte von ¨ rzte, Studenten, PflegeGruppen fu¨r A personal und Therapeuten. Als Psychoanalytiker fu¨hrte B. den Begriff der „Grundsto¨rung“ ein. Es handelt sich dabei um eine Sto¨rung der fru¨hkindl. Mutter-Kind-Beziehung vor der Periode des Spracherwerbs. Entgegen der herrschenden Theorie vom „prima¨ren Narzißmus“ ging B. dabei von einer „prima¨ren Objektliebe“ aus. Werk: The Doctor, His Patient and the Illness, New York 1957 (dt. 1965); Mit E. Balint, Psychotherapeutic Techniques in Medicine, London 1961 (dt. 1963); Primary 25
Bamm, Peter Love and Psychoanalytic Technique, London 1965 (dt. 1966); Mit O.P. Ornstein u. E. Balint, Focal Psychotherapy, London 1972 (dt. 1973). Bro¨.
Bamm, Peter (eigentlich Curt Emmrich) (* 20. 10. 1897 Hochneukirch/ Kreis Neuss, † 30. 3. 1975 Zollikon bei Zu¨rich). Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, Stud. der Med. und Sinologie in Mu¨nchen, Go¨ttingen und Freiburg, Med. Prom., 1926–34 Weltreisen als Schiffsarzt, in den 30er Jahren Facharzt fu¨r Chir. in Berlin, 1940–45 Stabsarzt im Zweiten Weltkrieg. B.s erfolgreichstes Buch wurde „Die unsichtbare Flagge“ (1952), ein autobiograph. „Bericht“ seiner Ta¨tigkeit als Stabsarzt an der Ostfront. B. wollte nachweisen, daß es im Zweiten Weltkrieg durchaus Menschlichkeit (im Sanita¨tswesen) gegeben habe. Dennoch akzeptierte er resignierend den Krieg als unver¨ bel. meidl. U Werk: Ex ovo: Essays u¨ber die Medizin, Hamburg 1948; Die unsichtbare Flagge, Mu¨nchen 1952; Eines Menschen Zeit. Autobiographie, Zu¨rich 1972. Bro¨.
Bang, Bernhard Laurits Frederik (* 7. 6. 1848 Sorø, † 22. 6. 1932 Frederiksborg). B. stud. Human- und Veterina¨rmed. in Kopenhagen (BA 1872, Dr. med. 1880). Ab 1879 Dir. an der Kgl. Veterina¨r- und Agrarschule (Veterinaer og Landbohøjskole) in Kopenhagen, 1887 Prof. fu¨r pathol. Anat. ebd. B. wurde durch seine Arbeiten zur Bakteriol. der Tiererkrankungen bekannt. Seine Arbeiten zur Rindertuberkulose ermo¨glichten effektive Techniken der Beka¨mpfung der Krankheit durch Isolation befallener Tiere. 1897 entdeckte 26
B. den Erreger der sog. Bang-Krankheit, Brucella abortus. Werk: Selected Works, London u. Kopenhagen 1936. Gr.
Bang, Ivar Christian (* 28. 10. 1869 Gran/Norwegen, † 11. 12. 1918 Lund/ Schweden). Stud. Med. in Oslo (1888 bis 1895). Anschließend Fortbildung bes. in chem. und physiol. Richtung. Nach kurzer Praxis (1900–02) ab 1902 Prof. fu¨r klin. Chemie in Lund (1904 Ord.). Bekannt wurde B. bes. durch mikroanalyt. Arbeiten zur Chemie des Blutes. Er entwickelte u.a. eine zuverla¨ssige und sparsame Meth. zur Bestimmung des Blutzuckers sowie noch heute gebra¨uchl. Meth. zur Mikroanlyse des Harns. Werk: Der Blutzucker, Wiesbaden 1913; Methoden zur Mikrobestimmung einiger Blutbestandteile, ibid. 1916; Lehrbuch der Harnanalyse, ibid. 1916. Gr.
Banting, Sir Frederick Grant (* 14. 11. 1891 Allison/Ont., † 21. 2. 1941). Mitentdecker des Insulins, Nobelpreis dafu¨r (mit J.J.R. Macleod) 1923. Obwohl naturwiss. schlecht ausgebildet, hatte B. 1921 die Idee, welche, von einem Forscherteam an der Univ. Toronto umgesetzt, zur Entdeckung und kurz darauf auch zur klin. Anwendung des Insulins fu¨hrte, womit erstmals eine gezielte Behandlung des Diabetes mo¨glich wurde. 1923 erhielt er die erste kanad. Professur fu¨r med. Grundlagenforschung in Toronto, wo er ab 1930 das Banting Institute leitete; Erhebung in den Adel 1934; Tod bei Flugzeugabsturz u¨ber NeuFi. fundland 1941.
Barnard, Christiaan Neethling
Barbeck, Friedrich Gottfried (* 10. 10. 1664 Duisburg, † 28. 12. 1703 Duisburg). Stud. an der Duisburger Univ. als Schu¨ler von ! T. Andreae in der Med. und von J. Clauberg in der Phil. Ende 1668 besuchte B. die med. Fak. in Leiden, um die Vorl. von ! F. Sylvius zu ho¨ren. Wieder in Duisburg, wurde er Phil.- und Med.-Prof.; er behielt dieses Amt bis zu seinem Tode. B. fu¨hrte die Phil. von ! Descartes an der med. Fak. der Univ. Duisburg ein, die sie als erste akad. Institution aufnahm, und integrierte sie in die iatrochem. Med. von Sylvius und in die claubergische Physik und Theol. Er hinterließ 36 geTre. druckte Diss. Bardenheuer, Franz Bernhard Hubert (* 12. 7. 1839 Lamersdorf/Rheinland, † 13. 8. 1913 Lamersdorf). Stud. Med. und prom. 1864 in Berlin, ab 1865 Ass.arzt bei W. Busch (Chir.) in Bonn, bei O. Becker und G. Simon in Heidelberg, danach ein Jahr in Paris, London und Wien. Wa¨hrend des Krieges 1870/71 dirig. Arzt der chir. Station des Garnisonslazaretts in Ko¨ln. B. wurde 1871 wieder Ass.-arzt bei Becker, ließ sich 1872 in Ko¨ln nieder, wo er 1874 (bis 1913) Nachfolger von O. Fischer als Chefarzt der chir. Station des Bu¨rgerhospitals wurde. B. erhielt 1884 den Prof.titel, wurde 1895 Geheimer Sanita¨tsrat und 1905 Geheimer Medizinalrat. Leitung der Akad. fu¨r prakt. Med. (1904–07). Neben den Jahresberichten aus dem Bu¨rgerhospital vero¨ffentlichte er zwischen 1875 und 1907 mindestens 14 Monographien sowie zahlreiche Beitra¨ge in den Verhandlungen der Dt. Gesellsch. fu¨r Chir. Bahnbrechende
Arbeiten auf dem Gebiet der Frakturentherapie und Extensionsbehandlung (B.’sche Verba¨nde). Werk: Die Drainierung der Peritonealho¨hle, 1881; Die Behandlung der Vorderarmfrakturen durch Federextension, 1890; Die Technik der Extensionsverba¨nde bei der Behandlung der Frakturen und Luxationen der Extremita¨ten (mit Graessner, R.), 1905; Die allgemeine Lehre von den Frakturen und Luxationen mit besonderer Beru¨cksichtigung der Extensionsverfahren, 1907. Mo.
Barnard, Christiaan Neethling (* 8. 11. 1922 Beaufort/Su¨dafrika, † 2. 9. 2001 auf Zypern). Internist, Chirurg, erster Herztransplanteur; B., Sohn eines protestant. Missionars, erhielt nach d. Studium der Med. u. med. Prom. in Cape Town (1953) seine chir. Ausbildung wa¨hrend eines Aufenthaltes in den USA (1953-55) an der Univ. von Minnesota (seit 1955), wo er auch seine ersten Herzoperationen durchfu¨hrte. Zuru¨ck in Kapstadt (1958, Master of science in surgery, PhD) arbeitete B. zuna¨chst als Praktiker, wurde (1960) Dir. der Med. School der Univ. Kapstadt und 1962 ao. Prof. fu¨r Thoraxchir. Seit 1963 unternahm B. Tierversuche zur Vorbereitung der Herztransplantation. Am 3. Dezember 1967 gelang B. erstmalig die Transplantation eines menschl. Spenderherzens; der Patient erhielt das Herz einer kurz zuvor verstorbenen D. A. Darvall. An der Operation wirkte ein dreißigko¨pfiges Team mit. Dieser Sprung ins kalte Wasser (B.) machte ¨ rzte ihn zu einem der popula¨rsten A des 20. Jh.; 1983: Aufgabe der Operationsta¨tigkeit als Folge einer schweren Arthritis; stattdessen Engagement fu¨r 27
Barthez, Paul-Joseph
herzkranke Kinder in der ChristianB.-Foundation, Forschungen zu Alterungsproblemen, Engagement fu¨r selbstbestimmtes Sterben. B. war auch bekannt als blendend aussehender Mediziner und bekennender Erotomane. Mit drei Ehefrauen hatte er sechs Kinder. Werk: The treatment of tuberculous meningitis, MD thesis, Cape Town 1953; The aetiology of congenital intestinal atresia, PhD thesis, Cape Town 1958; The aortic valve – problems in the fabrication and testing of a prosthetic valve, Master of Science in Surgery thesis, Cape Town 1958; Mein Weg als Arzt und Mensch [Autobiographie], Gu¨tersloh 1971; Glu¨ckliches Leben, wu¨rdiger Tod: Der weltberu¨hmte Herzchirurg pla¨diert fu¨r Sterbehilfe und das Recht auf Freitod, Bayreuth 1981; Das zweite Leben: die Erinnerungen des weltberu¨hmten Herzchirurgen Christiaan Barnard [Autobiographie], Mu¨nchen 1994. Eck.
Barthez, Paul-Joseph (* 11. 12. 1734 Montpellier, † 15. 10. 1806 Paris). Der Mitbegr. (! Th. de Bordeu) des frz. Vitalismus hatte zuna¨chst in Montpellier Med. stud. und war 1761 dort zum Prof. der Physiol. berufen worden. Nach Aufgabe dieser Position (1778) stud. er Rechtswiss. und siedelte 1781 nach Paris u¨ber; dort wurde er als Leibarzt des Herzogs von Orle´ans zuna¨chst Mitglied der Akad. der Wiss. und 1785 Kanzler der Pariser Univ. Nach polit. Schwierigkeiten (1785) im vorrevolutiona¨ren Frankreich kehrte er 1789 nach Montpellier zuru¨ck, wo er bis zu seinem Tode lehrte. B. brachte den Vitalismus in Montpellier zur Entfaltung und entwickelte, ausgehend von ! Hallers Sensibilita¨t und Irritabilita¨t, ein eigenes vitalisti28
sches Krankheitskonzept. Die Einheit des Ko¨rpers ist Leistung des Principe de Vie, das alle Teile des Organismus durch Sympathie verbindet. Das Principe de Vie regiert ein Kra¨ftesystem, dessen Grundkra¨fte (forces radicales) Lebenssta¨rke und -schwa¨che bestimmen, wa¨hrend seine Teilkra¨fte (forces agissantes) die Funktionen der Organe leiten. Werk: Oratio Academica de Principio Vitali Hominis [31. Okt. 1772], Montpellier 1773; Nouveaux e´le´ments de la science de l’homme, ibid. 1773. Eck.
Bartholin, Caspar (junior) (* 10. 9. 1655 Kopenhagen, † 11. 6. 1738 Kopenhagen). Geb. als Sohn des ! Thomas B. in Kopenhagen. Dort Prof. fu¨r Physik und Anat. 1677. B. beschrieb 1677 die Glandulae vestibulares majores des weibl. Genitales und 1684 den Ausfu¨hrungsgang der Glandula sublingualis. Beide Strukturen wurden nach ihm benannt. Werk: De ovariis mulierum et generationis historia epistola, Rom 1677; De ductu salivali hactenus non descripto, Kopenhagen 1684. Bro¨.
Bartholin, Caspar (senior) (* 12. 2. 1585 Malmo¨, † 13. 7. 1629 Soro¨). Med. Prom. 1610 in Basel, in Kopenhagen 1611 Prof. der Eloquenz, 1613 Prof. der Med. und 1624 Prof. der Theol. Beru¨hmt machte B. sein Lb. Anatomicae Institutiones (1611), in dem er den anat. Wissensstand seiner Zeit pra¨gnant zusammenfaßte. B. begru¨ndete eine Gelehrtendynastie, die u¨ber Jahrzehnte die Kopenhagener Univ. beherrschte. Werk: Anatomicae institutiones corporis humani, Wittenberg 1611. Bro¨.
Bartisch, Georg
Bartholin, Thomas (* 20. 10. 1616 Kopenhagen, † 4. 12. 1680 Kopenhagen). Geb. in Kopenhagen als Sohn von ! Caspar B. (senior). 1637–40 Stud. in Leiden bei de Wale, 1641–43 anat. Studien in Padua bei ! Vesling, 1645 med. Prom. in Basel, 1646 Ru¨ckkehr nach Kopenhagen, dort 1649 Prof. der Anat. 1656 Aufgabe der experimentellen Studien, 1661 Befreiung von allen akad. Pflichten und Ru¨ckzug auf ein Landgut, 1670 Vernichtung seiner Bibliothek durch Feuer. Wa¨hrend des Stud. in Leiden ließ sich B. durch de Wale zur Herausgabe der va¨terlichen Institutiones anatomicae (1641) anregen. Im Anhang erschien zum ersten Mal in einem Lb. eine Darstellung der Blutkreislauflehre ! Harveys in Form zweier Briefe de Wales an B. 1652 besta¨tigte B. die Existenz des von ! Pecquet entdeckten Ductus thoracicus beim Menschen. In Leber und vorderen Gliedmaßen eines Hundes, spa¨ter auch beim Menschen, wies er Gefa¨ße mit wa¨ßrigem Inhalt nach, die er als „vasa lymphatica“ bezeichnete. Die Gefa¨ße entleerten ihren Inhalt in das veno¨se Blut. B. schloß daraus in seinen Vero¨ffentlichungen von 1653 und 1654, daß er ein bisher unbekanntes physiol. System entdeckt hatte: das Lymphgefa¨ßsystem. Da die Leber nach B. keine Chylusgefa¨ße enthielt, betrachtete er sie nicht mehr als Sta¨tte der Blutbildung, sondern nur noch als Exkretionsort von Galle und Lymphe. Nach seinem Ru¨ckzug auf das Land gab B. 1658 die erste da¨n. Pharmakopo¨e heraus. Auf die Organisation des da¨n. Gesundheitswesens (kgl. Dekret 1672) gewann er großen Einfluß. 1673 fu¨hrte er die Hebammenpru¨fung in Kopenhagen ein. Von 1673 bis zu
Thomas Bartholin (1616–1680)
seinem Tod gab B., der mit vielen Forschern in Europa korrespondierte, die erste wiss. Zs. Da¨nemarks heraus: die Acta medica et philosophica Hafniensia. Werk: Institutiones anatomicae, Leiden 1641 (dt.: Wallner, E., Neuverbesserte ku¨nstliche Zerlegung des menschlichen Leibes, Nu¨rnberg 1677); De lacteis thoracis in homine brutisque nuperrime observatis, Kopenhagen 1652 (dt.: Gru¨n, H., Diss., Bonn 1986); Vasa lymphatica nuper hafniae in animalibus inventa, Kopenhagen 1653; Vasa lymphatica in homine nuper inventa, ibid. 1654; Dispensatorium Hafniae, ibid. 1658; Epistolarum medicinalium centuria 1–4, ibid. 1663–1667; Acta medica et philosophica Hafniensia, 5 Bd., ibid. 1673– 80. Bro¨.
Bartisch, Georg (* 1535 Ko¨nigsbru¨ck, † 1606/07 Dresden [?]). Geho¨rt zu den wenigen handwerklich ausgebildeten Starstechern, Steinschneidern und Wunda¨rzten, die uns ein bedeutendes literar. Werk hin29
Basedow, Carl Adolph von
terlassen haben. Unter seinen Lehrern war Abraham Meyscheider. B. ragt durch sein operatives Ko¨nnen, seine Belesenheit und Berufsauffassung weit aus der Menge der reisenden Starstecher und Steinschneider seiner Zeit heraus. Kurfu¨rst August v. Sachsen ernannte ihn zum Hofokulisten. B.s Leben und Werk ist gekennzeichnet durch soziale Mobilita¨t, Bildungsstreben, literar. Ehrgeiz, Wunsch nach Verbesserung der fachl. Qualifikation und der Hebung des Berufsethos sowie scharfe Abgrenzung von Kurpfuschern. B. war vor allem in Sachsen ta¨tig, kam auf Reisen aber auch bis Magdeburg, Breslau, Prag und sogar nach Wien. In seiner Vorrede zum Augendienst (1. Aufl. 1583) erkla¨rt B., daß es sich um das erste von 10 Bu¨chern, die er zu schreiben gedenke, handele. Außer der Schrift u¨ber die Augenheilkunde wollte er noch Traktate u¨ber verschiedene chir. Themen (Blasensteinschnitt, Behandlung von Nabel- und Leistenbru¨chen sowie Versorgung von alten Scha¨den, offenen Wunden etc.) verfassen. Nur zwei Werke sind uns im Druck bzw. im Manuskript u¨berliefert: Das Kunstbuch (1575) und der Augendienst. Letzteres ist das erste Lb. der Augenheilkunde in Ju¨. dt. Sprache. Basedow, Carl Adolph von (* 28. 3. 1799 Dessau, † 11. 4. 1854 Merseburg/Saale). Sohn eines Regierungspra¨sidenten, Gymnasium, Med.stud. in Halle, Paris. 1821 Med. Diss. Commentationes in novam amputationis cruris panniculat. encheiresin (Halle). 1822 Appr. als prakt. Arzt, Operateur und Geburtshelfer; Niederlassung als prakt. 30
Arzt in Merseburg. 1823 Heirat, drei Kinder. 1830–32 bes. Einsa¨tze in Magdeburg anla¨ßlich einer Choleraepidemie. 1834 Kreisphysikus. 1841 Ernennung zum Sanita¨tsrat. 1854 Tod infolge einer bei der Obduktion eines an Fleckfieber Gestorbenen erfolgten sept. Infektion. Verdienste als Arzt, med. Schriftsteller, in der Gesundheitspolitik. Entdeckung der Vergiftungen, die durch Ausdu¨nstungen bzw. Gebrauch arseniksaurer, im Kupferoxyd enthaltener gru¨ner Farben entstehen (rheumat. Beschwerden, Blutkrankheiten, Schwindel). Danach allma¨hl. Verbot der Anwendung. Verfechter der Lichtund Freiluftbehandlung (Landverschickung als allg. roburierende Behandlung mit Luftvera¨nderung). 1846 Entdeckung (mit K. Hahn) des sog., durch Reinheit imponierenden, Wunderbrunnens bei Lu¨tzen (Tafelwasserquelle). Publ. verschiedener chir.-kasuist. Beitra¨ge, z.B. in ! Graefes und ! Walthers Journal der Chirurgie, ! Hufelands Journal, ! Siebolds Journal fu¨r Geburtshilfe. Beru¨hmtheit durch die Arbeit Exophthalmus durch Hypertrophie des Zellgewebes in der Augenho¨hle (Caspers Wschr. fu¨r die gesamte Heilkd. 6 [1840], 197–204, 220–8). Beschreibung von vier Patienten mit Exophthalmus, Struma, Palpitationes cordis (spa¨ter als „Merseburger Trias“ bezeichnet). Anfu¨hrung weiterer, von den bisherigen Beschreibern nicht oder nur nebenbei erwa¨hnter Symptome: Unruhe der Patienten, Abmagerung, Schwitzen, Dyspnoe, Ha¨ndezittern, Durchfa¨lle, Hunger, bei Frauen Amenorrhoe. B.s Arbeiten blieben zuna¨chst ohne Widerhall; der Driburger Badearzt
Bassi, Agostino Maria
schlaffes Herz mit insuffizienten Klappen; verkleinerte Auga¨pfel; langausgezogene Nervi optici, Augenmuskelschwa¨che; retrobulba¨re Fettmengen. B. fu¨hrte damals bereits Jodtherapie B.-S. durch.
Carl Adolph von Basedow (1799–1854)
A.T. Bru¨ck erkla¨rte die Erkrankung bei fu¨nf flu¨chtig beobachteten Patienten als vorwiegend hysterisch bedingt („Buphthalmus hystericus“). In nachfolgenden Jahren hauptsa¨chl. Krankheitsbeschreibung in England. Noch 1848 zitierte der Kliniker E.H. Henoch ¨ ber ein mit (Berlin) in seiner Publ. U Struma und Exophthalmus verbundenes Herzleiden nur engl. Autoren mit Betonung, daß diese Krankheit bisher noch von keinem dt. oder frz. Arzt beschrieben worden sei. Einige Monate spa¨ter zweite Mitteilung B.s in Caspers Wschr. fu¨r die gesamte Heilk. 14 (1848), 769; Verteidigung des geistigen Eigentums, nochmalige Zusammenstellung der Symptome der Krankheit „Glotzaugenkachexie“; gleichzeitig Beschreibung der ersten Sektion eines Patienten: strumo¨se, enorme Schilddru¨se; erweitertes,
Bassi, Agostino Maria (* 25. 9. 1773 Mairago/Italien, † 6. 2. 1856 Lodi). Stud. der Med., Physik, Chemie und Rechtswiss. an der Univ. von Pavia. Seine Lehrer waren A. Scarpa, A. Volta, ! G. Rasori und ! Spallanzani. 1758 Prom., danach Leiter der Provinzialverwaltung in Lodi unter der napoleon. Besatzung. 1807 Beginn der Experimente an Seidenraupen. Hinsichtlich der damals am weitesten verbreiteten Seidenraupenkrankheit („mal del segno“) kommt B. zu dem Schluß, daß diese auf gesunde Raupen durch den Kontakt mit toten Raupen oder mit den Ha¨nden bzw. Kleidern des Zu¨chters u¨bertragen werden muß. Durch mikroskop. Beobachtungen konnte B. nachweisen, daß die Krankheit durch parasita¨re Pilze (heute: Beauvaria bassiana) hervorgerufen wird. Die toten Raupen waren von einer Fu¨lle kleinster Sporen besetzt. Aus diesen Beobachtungen entwickelt B. in seinem Buch Del mal del segno (1835/36) eine allg. Kontagienlehre, nach der versch. Krankheiten von Pflanzen und Tieren durch pflanzl. Krankheitskeime oder Parasiten verursacht werden. Mo¨glicherweise wu¨rden Krankheiten des Menschen, wie Pest, Pocken, Syphilis, Cholera ebenfalls durch pflanzl. Mikroorganismen hervorgerufen. B. empfiehlt als Gegenmaßnahmen die lokale Desinfektion, die Vermeidung des Kontaktes mit Infizierten, das Auskochen von 31
Baudelocque, Jean Louis
Kleidung und Gegensta¨nden, die mit Infizierten in Beru¨hrung kommen. Er schla¨gt die Quaranta¨ne sowie anti- und asept. Maßnahmen vor. Fa. Baudelocque, Jean Louis (* 30. 11. 1745 Heilly/Picardie, † 1. 5. 1810 Paris). B. stud. in Paris Med., erhielt seine geburtshilfl. Ausbildung bei F.L.J. Solayre`s de Renhac (1737–72) und wurde dessen Nachfolger am Colle`ge de Chir. in Paris. B. entwickelte die Lehre von der Geburtsmechanik weiter und fu¨hrte zur Feststellung der Beckenmaße den Meßzirkel ein. Der a¨ußere Bekkendurchmesser (Conjugata externa) ist als B.s Diameter nach ihm benannt. B. vervollkommnete die Verfahren der Wendungen zur manuellen Extraktion des Kindes. Vehement nahm er gegen eine extensive instrumentelle Geburtshilfe, insbes. gegen die Symphyseotomie, Stellung. Als Leiter der beru¨hmten Pariser Maternite´, an der seinerzeit ja¨hrlich fast 2000 Geburten stattfanden, widmete sich B. besonders der Hebammenausbildung und verfaßte ein weitverbreitetes geburtshilfl. Lb. B. beeinflußte mit seinen auf einen natu¨rl. Geburtsverlauf gerichteten Meth. die weitere Entwicklung der Geburtshilfe in Europa maßgeblich. Werk: Principes sur l’art des accouchements, Paris 1775 (51821); L’art des accouchements, 2 Bd., ibid. 1781. Schn.
Bauer, Karl-Heinrich (* 26. 9. 1890 Schwa¨rzdorf/Oberfranken, † 7. 7. 1978 Heidelberg). B. stud. von 1909 bis 1914 Med. in Erlangen, Heidelberg, Mu¨nchen und Wu¨rzburg, wo er 1917 prom. Nach Assistenz in der Freiburger Pathol. 1918/ 32
19 arbeitete B. von 1919 bis 1932 in der Chir. Univ.-Klinik in Go¨ttingen, wo er sich 1923 habil. und 1927 ao. Prof. wurde. 1933 u¨bernahm er den Breslauer Lehrstuhl fu¨r Chir., von 1943 bis zu seiner Emerit. 1962 war er Dir. der Chir. Univ.-Klinik in Heidelberg. 1945 wurde er erster Heidelberger Nachkriegsrektor. B.s wiss. Hauptinteresse galt dem Krebs; 1928 beschrieb er die Tumorentstehung als genet. Mutation von Ko¨rperzellen. 1949 publ. er Das Krebsproblem, die erste umfassende dt.sprachige Darstellung dieses Gebietes. 1972 konnte B. die Ero¨ffnung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg als Abschluß seines Lebenswerkes betrachten. Trotz seiner Verdienste um die Univ. Heidelberg nach 1945 muß B.s Engagement fu¨r die Rassenhyg. ebenfalls gesehen werden: Schon 1923/24 hielt er eine Vorl. u¨ber Rassenhyg., und 1934 kommentierte er das „Gesetz zur Verhu¨tung erbkranken Nachwuchses“ systemkonform aus chir. Sicht. Werk: Rassenhygiene und ihre biologischen Grundlagen, Leipzig 1926; Mutationstheorie der Geschwulstentstehung, Berlin 1928; Vom neuen Geist der Universita¨t, ibid. 1947; Das Krebsproblem, Berlin 1949. Ba.
Bauhin, Caspar (* 14. 1. 1560 Basel, † 5. 12. 1624 Basel). Nach dem Besuch der Lateinschule und des Pa¨dagogicums seiner Vaterstadt begann B. 1572 ein Med.stud., das er nach Aufenthalten in Oberitalien (Padua, Bologna, Florenz) und Frankreich (Montpellier, Paris) 1581 mit der Prom. abschloß. 1582 wurde B. zum Ord. fu¨r Griech. an der Univ. Basel ernannt; 1589 erfolgte
Baur, Erwin
seine Berufung zum Ord. fu¨r Anat. und Botanik. 1614 wa¨hlte der Baseler Magistrat B. zum Stadtarzt und Prof. der Prakt. Med. Neben der a¨rztl. Praxis hielt B. im Rahmen der Medizinerausbildung o¨ffentl. Sektionen und botan. Exkursionen ab und trieb auch die Errichtung des Baseler Theatrum anatomicum und des Hortus medicus (1589) voran. B.s anat. Arbeiten fanden in den Werken De corporis humani fabrica Libri IIII (Basel 1590) ihren Niederschlag. B. erweist sich als Systematiker und Nomenklator, verband indes eigene Beobachtungen nicht mit der tradierten Lehrmeinung. Seine botan. Werke wenden sich vornehmlich der Arzneimittellehre zu. Die 1598 zu Frankfurt am Main erschienene Ausgabe der Opera omnia (Basel 21674) des ital. Arztes Pietro Andrea Mattioli (1500– 1577) ragt unter den zahlreichen Mattioli-Ausgaben des 17. und 18. Jh. hervor. Die verbesserte B.sche Ausg. von
! J. Theodors New vollkommentlich Kreuterbuch (Frankfurt/Main 1618) fand durch mehrere Ausgaben (21625; 31664; 41687; 51731) weite Verbreitung. B.s botan. Hauptwerke, Phytopinax seu Enumeratio plantarum ab herbariis nostro seculo descriptarum (Basel 1596) und Pinax Theatri botanici (Basel 1623) erstellen, auf eigenen Beobachtungen beruhend, eine polynom. Nomenklatur des PflanzenM.-J. reichs. Baumes, Jean Baptiste Thimote´e (* 20. 1. 1756 Lunel, † 19. 7. 1828 Paris). B. hat am Ende des 18. Jh. versucht, ein med.-chem. (iatrochem.) Konzept zu entwerfen, das an die bedeutenden chem. Fortschritte seiner Zeit anknu¨pfte. Nach seiner Theorie des Organismus sind bestimmte chem. Hauptelemente (Sauer-, Wasser-, Stick- und Kohlenstoff, Phosph. u.a.) Grundbestandteile des Ko¨rpers. Diese verbinden, verdra¨ngen oder kombinieren sich entsprechend ihrer chem. Affinita¨ten. Krankheiten sind vornehmlich Sto¨rungen des Wa¨rme-, Sauerstoff-, Wasser-, Stickstoff- und Phosphorhaushaltes (Calorigenesen, Oxygenesen, Hydrogenesen, Azotenesen, Phosphorenesen). Entsprechend chem. waren die Therapien. Werk: Traite´ Ele´mentaire de Nosologie, contenant une classification de toutes les maladies, Montpellier 1806. Eck.
Caspar Bauhin (1560–1624)
Baur, Erwin (* 16. 4. 1875 Ichenheim/ Baden, † 2. 12. 1933 Berlin). Als Arzt und Botaniker prom., gilt B. als einer der Begr. der wiss. Genetik in Deutschland. Seit 1914 vertrat er den ersten Lehrstuhl fu¨r Vererbungswiss. an einer dt. Hochschule (Landwirt33
Bayle, Gaspard-Laurent
schaftl. Hochschule/Berlin). Wurde bekannt durch Arbeiten zur Vererbung des Gartenlo¨wenma¨ulchens sowie u¨ber Chima¨renbildung bei Pelargonium. 1928 Leiter des KWI fu¨r Zu¨chtungsforschung, heute umstritten wegen seines Engagements in der eugen. Bewegung und seiner Beteiligung am ‘Baur-Fischer-Lenz’, dem ersten Lb. fu¨r ‘menschl. Erblichkeitslehre und Rassenhyg.’ Werk: Einfu¨hrung in die experimentelle Vererbungslehre, Berlin 1911; Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene (mit Fischer, E. u. Lenz, F.), Mu¨nchen 1921; Untersuchungen u¨ber das Wesen, die Entstehung und Vererbung von Rassenunterschieden bei Antirrhinum majus, Berlin 1924. Kr.
Bayle, Gaspard-Laurent (* 18. 8. 1774 Vernet, † 11. 5. 1816 Paris). Der Nachfolger ! Corvisarts an der Charite´, Lehrer und Freund ! Laennecs, Beschreiber der generalisierten Parese, hatte nach Theol. und Jurisprudenz in Montpellier Med. stud.; nach milita¨ra¨rztl. Dienst und Hospitalta¨tigkeit in Nizza ging er 1798 an die E´cole de me´d. in Paris. Dort wurde B. 1801 mit einer nosol. Studie prom.; als Interne arbeitete er unter Corvisart an der Charite´ und folgte dort 1805 seinem Lehrer als me´decin d’hoˆpital nach. B. wurde Quartierarzt Napoleons (1808) und Ludwigs XVIII. Er war ein exzellenter Praktiker und zugleich der fu¨hrende Theoretiker der pathol.-anat. orientierten Pariser Schule. Seine Nosographie orientierte sich, wie bei ! Pinel, nicht an Symptomen, sondern an La¨sionen. In seiner beru¨hmten Abhandlung u¨ber die Phthisis (1810) unterschied er vierzig Unter- und sechs Hauptgruppen die34
ses nosologischen Komplexes: je eine tuberkulo¨se, granulierende, melanotisch-anthracotische, ulzerative, kalzifizierende und kanzero¨se. B. verstarb im Alter von 41 Jahren an der Schwindsucht. Werk: Conside´rations sur la nosologie, la me´decine d’observation et la me´decine pratique, Paris 1801; Recherches sur la phthisie pulmonaire, ibid. 1810; Bayle, A.L.J. (Neffe) (Hg.), Traite´ des maladies cance´reuses. Eck.
Bayliss, William Maddock (* 2. 5. 1860 London, † 27. 8. 1924 London). Physiol. am University College in London, seit 1912 Prof. fu¨r Allg. Physiol. Von 1890 bis 1909 arbeitete er eng mit ! E.H. Starling zusammen, so daß wichtige Publ. unter beider Namen erschienen. B. stellte Untersuchungen an zur Elektrophysiol., bes. des Herzens, zur Innervation des Gefa¨ßsystems und zum Druckverhalten des Blutes in den Gefa¨ßen sowie zur Darmta¨tigkeit und ihrer Innervation. B. und Starling zeigten 1902, daß die Abgabe von Pankreassekret nach Reizung der Duodenalschleimhaut mit Sa¨ure durch eine bestimmte Substanz, Sekretin, stimuliert wird. Die Sekretion von Dru¨sen wird demnach also nicht nur u¨ber das Nervensystem, sondern auch chem. reguliert. Daraus leiteten die beiden Physiol. ein allg. Konzept der Steuerung von Ko¨rperfunktionen durch spezif. wirksame Stoffe ab. Fu¨r diese „Botenstoffe“ pra¨gte Starling 1905 die Bezeichnung „Hormone“. B. befaßte sich außerdem mit der Aktivita¨t von Enzymen unter versch. Bedingungen. Er zeigte ferner, daß das Verdauungsenzym Trypsin aus einer Vorstufe durch Abspaltung eines Teils des Stoffes unter Einwir-
Bechterew, Wladimir Michajlowitsch
kung von Pankreassekret aktiviert wird. Außerdem bescha¨ftigte er sich mit dem osmotischen Druck kolloidaler Stoffe und deren Gleichgewichtszustand u¨ber einer semipermeablen Membran und gelangte zu der Folgerung, daß beim Ersatz von Blutvolumenverlusten der kolloid-osmotische Druck beru¨cksichtigt werden mu¨sse. Sein 1914 vero¨ffentlichtes Buch Principles of General Physiology wurde viel beachtet und gilt als Klassiker. Schl.
Bechterew, Wladimir Michajlowitsch (* 1. 2. 1857 Sarali/Gouvernement Wjatka, † 24. 12. 1927 Moskau). Russ. Neurologe und Psychiater, geb. als Sohn eines Beamten. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Wjatka trat er mit 16 Jahren in die Med. chir. Akad. (spa¨ter Milita¨rmed.) zu St. Petersburg ein. 1878 beendete er das Stud. und blieb als Ass. an der Akad. in der psychiatr. Klinik. Im Jahre 1884 wurde B. zur Weiterbildung ins Ausland geschickt. Er vervollsta¨ndigte sein Wissen in der exp. Psychol. bei ! Wundt und u¨ber die Gehirnstruktur bei Flechsig. Letzteren bezeichnete er als seinen Lehrer auf dem Gebiet der Gehirnanat. In dieser Zeit begann er seine Monographie Grundlagen des Studiums der mikroskopischen Anatomie des Menschen und der Tiere zu schreiben, welche im Jahre 1888 in St. Petersburg erschien. 1885 wurde B. an den Lehrstuhl fu¨r Psychiatrie der Univ. Kazan berufen. Hier reformierte er den klin. Unterricht in der Psychiatrie, gru¨ndete ein psychophysiol. Labor und rief eine „Gesellschaft fu¨r Neurol. und Psychiatrie“ ins Leben. Er erforschte die Funktionen des Gehirns und des-
sen Einfluß auf die vegetativen Funktionen. 1893 nahm B. die Berufung an den Lehrstuhl fu¨r Geistes- und Nervenkrankheiten an der Milita¨rmed. Akad. in St. Petersburg an. Hier errichtete er eine spezielle Klinik fu¨r Nervenkrankheiten mit einer neurochir. Abt. Die Ergebnisse seiner hirnmorpholog. Forschungen publizierte er in den Jahren 1896–1898 in dem Werk Die Leitungsbahnen im Gehirn und Ru¨ckenmark. Im Jahre 1908 gru¨ndet B. aus Privatmitteln ein psychoneurol. Inst., welches nach der Oktoberrevolution in Rußland in die Psychoneurol. Akad. mit mehreren unterstellten Inst. umgewandelt wurde. Die Leitung dieser Akad. u¨bernahm B. als anerkanntes Haupt der Petersburger neuro-psychiatr. Schule. Zu den wichtigen Verdiensten B.s za¨hlt die Erforschung des Hirnbaus im Zusammenhang mit seinen physiol. und psych. Funktionen. Diese Synthese wurde besonders anschaulich in dem Werk Grundlagen der Lehre von Gehirnfunktionen (1903–1907) dargestellt. Eines von B.s wichtigsten Forschungsgebieten war die objektive Psychol. Auf der Suche nach neuen Lo¨sungen in der theoret. Psychol. ersetzte B. die Psychol. durch die sog. Reflexologie. In der Arbeit Kollektive Reflexologie (1921) erkla¨rte B. Erscheinungen der objektiven und subjektiven Welt, darunter auch des sozialen Lebens, mit Hilfe von in der anorgan. Welt herrschenden Gesetzen. Dieses mechanist. Herangehen B.s rief heftige Kritik sowjet. Wiss. hervor. B.s Namen tragen von ihm erstmalig beschriebene Symptome und Krankheiten, so z.B. B.-Ischiaszeichen oder 35
Beckurts, Heinrich
B.-Krankheit (Spondylarthritis ancylopaetica). Werk: Awtobiografija, Moskwa 1928. De.
Beckurts, Heinrich (* 23. 8. 1855 Braunschweig, † 25. 9. 1929 Braunschweig). Seit 1874 Stud. der Pharmazie an der TH Braunschweig, 1876 Dr. phil. der Univ. Jena, 1880 Priv.doz. fu¨r Pharmazie in Braunschweig, 1886 o. Prof., 1899 Medizinalrat, 1902 Geheimer Medizinalrat, 1900–04, 1912–14 Rektor, Dr.-Ing. e.h.; B. entwickelte Braunschweig zu einer Hochburg der Pharmazie und Nahrungsmittelchemie mit Wirkung als Wissenschaftler und Organisator weit u¨ber Braunschweig hinaus. Umfangreiche Vero¨ffentlichungen. Werk: Handbuch der praktischen Pharma¨ rzte und zie fu¨r Apotheker, Drogisten, A Med.-Beamte, 2 Bd., 1887/89; Grundzu¨ge der pharmazeutischen Chemie, 1912. v. Bro.
Beda Venerabilis (* 673/4 bei Wearmouth, † 26. 5. 735 Kloster Jarrow). Mo¨nch und Gelehrter. B. wurde mit 19 Jahren in Jarrow Diakon, mit 30 ebd. Priester. B., der nahezu sein gesamtes Leben im Kloster Jarrow verbrachte, ist neben ! Isidor v. Sevilla eine der herausragenden Perso¨nlichkeiten der fru¨hma. Mo¨nchsmed. Mit seinem enzyklopa¨d. Werk trug ¨ berlieferung antiker B. zur monast. U Texte bei. Der Nachwelt wurde er besonders durch die Historia ecclesiastica gentis anglorum (731) bekannt. In seinen naturwiss. Schriften u¨berlieferte B. u.a. med. Kenntnisse. Med.geschichtl. von Bedeutung ist seine wahrscheinl. 703 abgeschlossene 36
Schrift De natura rerum, die Isidors gleichnamige Kosmologie sowie ! Plinius’ Naturalis historia rezipiert. Darin finden sich auch Angaben zu Seuchen und Wunderkuren (Kap. 10). B.s Beschreibungen sind, im Unterschied zu Isidor, weniger allegor. als durch Bemu¨hen um Empirie gekennzeichnet. Werk: De natura rerum, in: Jones, C.W. (Hg.), Corpus Christianorum seu nova Patrum collectio, Bd. 123 A, Paris 1975, 189– 234. Gr.
Beer, Georg Joseph (* 23. 12. 1763 Wien, † 11./21. 4. 1821 Wien). Mit 12 Jahren trat B. als anat. Zeichner in den Dienst von J. Barth, trennte sich aber nach 7 Jahren von ihm, absolvierte dann ein Med.stud., ließ sich 1785 als Augenarzt nieder und ero¨ffnete 1786, dem Jahr seiner med. Prom., eine Privataugenklinik in Wien. 1806 wurde diese durch kaiserl. Dekret in eine o¨ffentl. „Augenheilanstalt fu¨r Arme“ umgewandelt. Ebenfalls 1806 wurde die Stelle eines Armen-Augenarztes fu¨r B. geschaffen. Damit hatte er sich neben den Armen-Augenkranken auch denen im Allg. Krankenhaus und im Waisenhaus, Findelhaus sowie im Gefa¨ngnis zu widmen. 1802 habil. sich B. in Wien und erhielt 1812 den neu begr. ersten Lehrstuhl fu¨r Augenheilkunde als o¨ffentl. ao. Prof. 1818 erfolgte die Umwandlung in eine o. Prof. B. hat wa¨hrend seiner Ta¨tigkeit eine Vielzahl vor allem von Chir. zu augena¨rztl. Operateuren ausgebildet, u.a. F.P. Ritterich (Leipzig), J.N. Fischer (Prag), F. Jaeger (Wien), C.F. v. Graefe (Berlin) oder W. Mackenzie (Glasgow). Seine hauptsa¨chl. Wirkung lag in seiner Lehrta¨tigkeit, sowohl unmit-
Behring, Emil von
telbar in den klin. Einrichtungen als auch auf literarischem Gebiet. Die 1799/1800 publ. Bibliotheca ophthalmologica stellte ein „Repertorium aller bis zum Ende des Jahres 1797 erschienenen Schriften u¨ber die Augenheilkunde“ dar. B.s wiss. Hauptwerk sind die zwei Bd. der Lehre von den Augenkrankheiten, als Leitfaden zu seinen o¨ffentlichen Vorlesungen (Wien 1792). Hier wie in vielen anderen Publ. wird die exakte Beobachtungsgabe B.s erkennbar. Seine wiss. Arbeiten fanden durch die Zeitgenossen eine sehr unterschiedl. Beurteilung; die zweite Aufl. seines Lb. aus den Jahren 1813ff. wurde jedoch als hervorragende Leistung anerkannt. Auf physiol.-anat. Gebiet war B. streng seiner Zeit verhaftet, was z.B. in seiner Systematik der Augenkrankheiten zum Ausdruck kam. Seine Differenzierungen der Starformen und ihre genaue Beschreibung brachten jedoch auch wesentl. neue Erkenntnisse. Auf operativem Gebiet versuchte B., die intrakapsula¨re Entfernung der getru¨bten Linse als Routineoperation zu entwickeln, verließ spa¨ter aber wieder diesen Weg. B. geho¨rt mit seinen Leistungen zu den Wegbereitern einer wiss. Ophthalmol. und ist der unmittelbare Ausgangspunkt der „Reform der Augenheilkunde“, die mit den Namen ! A. v. Graefe, ! F.C. Donders und ! H. Helmholtz verbunden ist.
Fah.
Behring, Emil von (* 15. 3. 1854 Hansdorf, † 31. 3. 1917 Marburg). Der ‘Retter der Kinder’, im Ersten Weltkrieg der ‘Retter der Soldaten’, wurde am 18. 1. 1901 in den pr. Adelsstand erhoben und erhielt am 30. 10. 1901 fu¨r seine Arbeiten u¨ber Serum-
therapie und besonders fu¨r deren Anwendung gegen Diphtherie den ersten Nobelpreis der Med. Schon am 15. 1. 1895 war dem damals noch aktiven pr. Stabsarzt (Sanita¨tsoffizier im Rang eines Hauptmanns) vom Pra¨sidenten der frz. Republik das Offizierskreuz der Ehrenlegion verliehen worden. Dem 5. Sohn von 12 Kindern eines westpr. Dorfschullehrers ermo¨glichte nach dem Besuch des Gymnasiums in Hohenstein (Ostpr.) 1874–78 das Kgl. med.-chir. Friedrich-WilhelmsInst. (Pe´pinie`re) das Stud. der Med. an der Univ. Berlin auf Staatskosten gegen eine neunja¨hr. milita¨ra¨rztl. Dienstverpflichtung nach dem Examen. An der Pe´pinie`re hatten auch ! Helmholtz, ! Virchow, ! Leyden, ! Gaffky, ! Loeffler, ! Kirchner und ! E. Wernicke ihre Ausbildung erhalten. Nach der Prom. 1878 und Appr. 1880 veranlaßte das Erlebnis einer schweren Diphtherieepidemie in Schlesien den Truppenarzt, sich mit der Beka¨mpfung von Infektionskrankheiten zu befassen. 1887 unter Ernennung zum Stabsarzt an das pharmakol. Inst. der Univ. Bonn kommandiert, wurde er von Karl Binz in die neue Forschungsrichtung der Bakteriol. eingefu¨hrt, die – nach der Entdeckung des Tuberkelbazillus durch ! Koch (1882) und 1884 der Erreger von Diphtherie durch Loeffler, von Wundstarrkrampf durch ! Nicolaier, von Cholera durch Koch und von Typhus durch Gaffky – darauf abzielte, gegen die Infektionskrankheiten mit chem. Mitteln (Chemotherapie) vorzugehen. B.s aus einer genauen Kenntnis der Gesch. der Med. gewonnene Idee der passiven Immunisierung, die Infektionserreger durch ¨ bertragung des im Ko¨rper erzeugU 37
Behring, Emil von
ten, in der Abwehr gegen die Bakterien natu¨rl. Gegengiftes (Antitoxin) zu beka¨mpfen, bildete den Ausgangspunkt der a¨tiol. oder Blutserumtherapie. 1889 als Ass. an das Kochsche Hyg.inst. in Berlin abkommandiert, entwickelte er 1890 in Zusammenarbeit mit seinem Studienfreund E. Wernicke die ersten wirksamen Heilseren gegen Diphtherie und mit ! Kitasato gegen den Wundstarrkrampf. Bis zum ersten erfolgreichen Versuch 1893 am Menschen, der erst durch die von ! Ehrlich entwickelten – und spa¨ter laufend verbesserten – Anreicherungsmeth., Meß- und Pru¨fverfahren des Serums mo¨glich wurde, starben in Deutschland an Diphtherie ja¨hrlich mehr als 50000 Kinder, d.h. jedes zweite Kind. 1893 Titularprof., 1894 ohne Habil. von seinem Schutzherrn im Kultusministerium Friedrich Althoff gegen den Willen der Med. Fak. als unbesold. ao.
Emil von Behring (1854–1917) 38
Prof. der Hyg. und Bakteriol. und Leiter des Hyg. Inst. nach Halle versetzt, wurde B. 1895 in gleicher Eigenschaft der Marburger Fak. aufgezwungen und dort zum o. Prof. und Geh. Medizinalrat unter Verabschiedung aus dem Sanita¨tskorps ernannt. Zur Lehrentlastung stellte ihm das Ministerium einen ao. Prof., die Stabsa¨rzte Prof. E. Wernicke, dann Prof. Bonhoff, zur Seite. Forscher und Unternehmer in einer Person, nahm B. die industrielle Herstellung seiner Sera selbst in die Hand. Die Hoechster Farbwerke ermo¨glichten ihm, vermittelt durch Althoff, gegen das mit A.s jurist. Hilfe vereinbarte Recht des Alleinvertriebs zu staatl. festgesetzten Preisen die Errichtung privater Forschungsanlagen. Aus ihnen ging 1904 nach Ablauf des Vertrags mit Hoechst unter Investition der 150800 Schwedenkronen (2 Mio. DM) des Nobelpreises und staatl. Gelder die Firma Behring-Werk OHG hervor. B. war inzwischen als ehrenamtl. Stadtrat von 1898–1917 durch Landerwerbungen fu¨r Forschungssta¨tten und Serumtiere zum gro¨ßten Grundbesitzer in der Gemarkung Marburg geworden. Ziel war u.a., das Diphtherieserum durch die von Althoff gewu¨nschte Senkung des Preises auf die Ha¨lfte fu¨r die a¨rmeren Klassen erschwinglich zu machen, da sich der Plan einer staatl. Serumfabrik nicht realisieren ließ. 1914 Behringwerke GmbH, 1920 AG., 1929 Eingliederung in die IG Farben, 1952 Neugru¨ndung als Tochter von Hoechst, sind die Behringwerke AG heute mit 3100 Mitarbeitern das finanzsta¨rkste Unternehmen Marburgs. B. war besessen von der Idee, wie in der Nobel-Vorl. angeku¨ndigt, nach den gleichen Prinzipien im Wettlauf
Bell, Charles
mit Kochs Tuberkulin ein Heilserum gegen die Tuberkulose zu entwickeln. Am Ende zerru¨tteten die na¨chtelange, der Serumreinigung und dem Ausbau der Schutzimpfungsmethode gewidmete, gegenu¨ber der Tbc jedoch erfolglose Laborarbeit, die Unfa¨higkeit zur scho¨pfer. Pause, Konflikte und Anfeindungen (er wurde niemals Mitglied der Berliner Akad.) seine Gesundheit. In der Folge fu¨hrten phys. und psych. Zusammenbru¨che 1907 zu einem dreija¨hrigen Sanatoriumsaufenthalt. Eine neue Phase erstaunl. Produktivita¨t gipfelte 1913 in der Bekanntgabe seines Impfstoffes TA (Toxin-Antitoxin-Gemisch) fu¨r die vorbeugende aktive Diphtherieschutzimpfung. Sie wurde 1937 in Deutschland generell eingefu¨hrt. Den Siegeszug des Tetanus-Antitoxins im Weltkrieg in Form der prophylakt. Injektion hat B. noch erlebt. Vor dem Triumph der aktiven Immunisierung beendete der Tod das Wirken des mit Auszeichnungen u¨berha¨uften Ehrenoder korrespond. Mitglieds von 35 wiss. Gesellsch. und Akad. von Petersburg bis Mexiko. Der Ehe des 42ja¨hrigen umfassend gebildeten und phil. beschlagenen Forschers mit der 20ja¨hrigen Tochter des Verwaltungsdir. der Charite´ und seiner Frau ju¨d. Herkunft, Else Spinola (1876–1936), entsprossen 6 So¨hne. Hitler erkla¨rte sie 1934 zu Edelariern, nachdem man B. wegen Verunreinigung german. Bluts durch das Tierblut-Serum verleumdet und der Stu¨rmer geschrieben hatte, B. habe sein eigenes Blut ‘versaut’. Zu Paten wa¨hlte B. ! P. P. E. Roux, Loeffler, Wernicke, Althoff, Ro¨ntgen, ! Metschnikow. Den 50. Jahrestag der Entdeckung der Serumtherapie gestaltete der na-
tionalsozialist. Staat 1940 zu einer spektakula¨ren Feier (Die Welt dankt Behring, 1942) mit Gelehrten aus 23 Nationen und einer Gedenkbriefmarke. Die 100. Wiederkehr der Geburt von Ehrlich und B. beging die junge Bundesrepublik mit Feiern in Marburg und der Frankfurter Paulskirche, einer internat. wiss. Tagung in Ho¨chst und einer Briefmarke, die beide vereinte. Werk: Die Blutserumtherapie, 2 Bd., Leipzig 1892; Die Geschichte der Diphtherie, ibid. 1893, Neudr. 1972; Einfu¨hrung in die Lehre von der Beka¨mpfung der Infektionskrankheiten, Berlin 1912; Gesammelte Abhandlungen, Bonn 1915. v. Bro.
Bell, Sir (seit 1832) Charles (* 2. 11. 1774 Edinburgh, † 28. 4. 1842 Florenz). Abschluß des Edinburgher College of Surgeons 1799; Ass. an der dortigen Royal Infirmary, 1804 Umzug nach London, Chir. des Middlesex Hospital und der School of Great Windmill Street. 1836 Chair of Surgery in Edinburgh; weniger berufl. Erfolg als Anerkennung durch Ko¨nigshaus und Royal Society (Medaille 1829) wurde B. zuteil. Wegen der New Anatomy of the Brain mit ! Harvey verglichen, gab er 1829 als deren Erscheinungsjahr 1811 an, wobei ! Magendie 1822 die Unterscheidung in motorische und sensible Ru¨ckenmarkswurzel als experimentelle fu¨r sich reklamierte. B. wollte damit den Funktionsunterschied von Groß- und Kleinhirn beweisen, um durch einen generellen Hylomorphismus die Diskussion u¨ber die Beziehung von mind, motion und sense zu matter abzulo¨sen. Die neu scheinende Perspektive im ganzen Werk B.s lo¨ste aber im fru¨hen N.-D. 19. Jh. Mißtrauen aus. 39
Bellini, Lorenzo
Bellini, Lorenzo (* 3. 9. 1643 Florenz, † 8. 1. 1704 Florenz). 1663 wurde er Dr. der Med. in Pisa, wo er als Schu¨ler von ! G.A. Borelli stud. hatte, dann Anat.prof. 1662 schrieb er das Werk, das ihn beru¨hmt machte: Exercitatio anatomica de structura et usu renum. Sein gro¨ßtes wiss. Verdienst besteht in der Entdeckung der sog. Nierenkana¨lchen (Bellinis Kana¨lchen), die in die Nierenko¨rperchen mu¨nden. Damit bewies er die Verbindung zwischen dem Kana¨lchen- und dem Gefa¨ßsystem. Außerdem erkannte er intuitiv den Filtermechanismus des Harns. Werk: Opera omnia, Venedig 1707.
Tre.
Benn, Gottfried (* 2. 5. 1886 Mansfeld/ Westprignitz, † 7. 7. 1956 Berlin). Nach Phil.-, Theol.- (1903–05) und Med.stud. (Prom. 1912) Serologe und Pathol. in Berlin. Expressionist. Gedichtsammlung Morgue (1912). Als Schiffsarzt nach Amerika, dann Milita¨rarzt im Ersten Weltkrieg. 1917–35 Praxis fu¨r Haut- und Geschlechtskrankheiten in Berlin. Weitere Gedichte und Prosa. 1932 Mitglied der Pr. Akad. der Ku¨nste. Voru¨bergehendes Eintreten fu¨r den Nationalsozialismus, Oberstabsarzt. Spa¨ter schwere Angriffe in NS-Bla¨ttern gegen B., 1938 Ausschluß aus Reichsschrifttumskammer, Schreibverbot. 1945 wieder Arzt in Berlin. Umfangreiches Spa¨twerk. 1951 Georg-Bu¨chner-Preis, 1952 Bundesverdienstkreuz. Werk: Doppelleben (Autobiogr. Schriften), Wiesbaden 1950. Kst.
Berengario da Carpi, Jacobus (* ca. 1470 Carpi/Modena, † 24. 11. 1530 Ferrara). Stud. in Bologna, am 3. 8. 1489 Dr. fu¨r Med. und Phil., Chir.-prof. an der Alma Mater, blieb bis 1526 in Bologna. Nach Ferrara u¨bergesiedelt, starb er dort. B. beschrieb den Blinddarm, die Thymusdru¨se, das Herzklappensystem, verschrieb das Quecksilber fu¨r die Behandlung der Lues. Er war einer der ersten, der in der Anat. die prakt. Erfahrung der u¨berlieferten Trad. vorzog. B.d.C. verneinte das rete mirabile und behauptete, daß die Stellknorpel des Kehlkopfes paarig Tre. angelegt seien. Berger, Hans (* 21. 5. 1873 Neuses a.d. Eichen, † 1. 6. 1941 Jena, Freitod). Mediziner, Psychiater. Med.stud., Staatsexamen und Prom. (1897) in Jena, dort Habil. in Psychiatrie 1901. Prof. an der Univ. Jena 1905, ebd. Ord. und Dir. der Psychiatr. Nervenklinik 1919–1938. Rektor 1927/28. Begr. der Elektroenzephalographie. Ihm gelang als erstem die Ableitung der elektr. Hirnstro¨me vom unverletz¨ ber das Elektrenkephaloten Kopf: U gramm des Menschen (Arch. Psychiatrie 87 (1929), 527–570). Einflußreiche Arbeiten zur Neuro- und Psychophy¨ ber die ko¨rperlichen A ¨ ußesiol. (u.a. U rungen psychischer Zusta¨nde, 1904; Untersuchungen u¨ber die Temperatur des Gehirns, 1910; Vorlesungen u¨ber ¨ ber die LokalisaPsychophysiologie, U tion im Großhirn, 1927). Mithg. des Mk. Arch. fu¨r Psychiatrie. Bergmann, Ernst von (* 16. 12. 1836 Riga, † 25. 3. 1907 Wiesbaden). B. wurde in einer aus Deutschland stammenden lettischen Pastorenfami-
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Bergmann, Gustav von
lie geboren. 1854–60 Med.stud. in Dorpat. 1860 dort Prom. und danach Ass.arzt an der Dorpater chir. Univ.klinik bei G. Adelmann und G. ¨ ttingen. Nach seiner Habil. von O 1863 war er bis 1871 Priv.doz. der Chir. in Dorpat. 1865 ging er auf eine la¨ngere Studienreise, die ihn u¨ber Ko¨nigsberg und Breslau nach Wien, Mu¨nchen, Heidelberg, Hannover und Leipzig, schließlich auch nach Berlin fu¨hrte. Er nahm als Feldchir. an drei Kriegszu¨gen teil: 1866 an der Schlacht bei Ko¨niggra¨tz im pr.o¨sterr. Krieg, 1870/71 am dt.-frz. Krieg als Leiter eines Lazaretts in Mannheim und 1877 wa¨hrend des russ.-tu¨rk. Krieges in der russ. Donauarmee. 1871 wurde B. als Nachfolger seines Lehrers Adelmann zum Ord. fu¨r Chir. in Dorpat berufen, folgte aber 1878 einem Ruf auf den chir. Lehrstuhl der Univ. Wu¨rzburg. 1882 wurde er als Nachfolger von ! B. v. Langenbeck zum o. Prof. und Dir. der I. Chir. Univ.klinik in Berlin berufen, wo er den eben vollendeten Neubau des Klinikums in der Ziegelstraße u¨bernahm. Seine milita¨rchir. Erfahrungen schlugen sich in wiss. Studien u¨ber die Wundbehandlung, u¨ber neue antisept. und konservative therap. Verfahren (Sublimatgaze und Gipsverband) bei offenen Frakturen, insbes. des Kniegelenks, nieder. B. entwickelte die Listersche (chem.) Antiseptik weiter, indem er der Austrocknung des Wundgebiets durch physikal. Maßnahmen den Vorzug gab. Gemeinsam mit seinem Schu¨ler ! C. Schimmelbusch bemu¨hte er sich erfolgreich um die Durchsetzung der Aseptik mittels Dampfsterilisierung. Neben dem Ausbau zahlreicher anderer Operationsmeth. (u.a. Appendektomie, Hy-
Ernst von Bergmann (1836–1907)
¨ sophagusoperatiodrozelen- und O nen) hat sich B. vor allem Verdienste um die Hirnchir., zu deren Mitbegr. er geho¨rt, erworben. B. war in den a¨rztl. Kompetenzstreit um die Behandlung des dt. Kaisers Friedrich III. einbezogen, dessen to¨dl. Erkrankung er richtig als Kehlkopfkarzinom diagnostiziert hatte. Werk: Die Lehre von den Kopfverletzungen, Stuttgart 1880; Die chir.Behandlung der Hirnkrankheiten, 1888. Schn.
Bergmann, Gustav von (* 24. 12. 1878 Wu¨rzburg, † 16. 9. 1955 Mu¨nchen). Sohn des Chir. Ernst v. B. Ausbildung in Physiol. Chemie in Straßburg und Frankfurt a.M. (! P. Ehrlich), in Innerer Med. in Basel (F. v. Mu¨ller) und Berlin (F. Kraus). 1916 o. Prof. 41
Bernard, Claude
der Inneren Med. in Marburg, 1920 in Frankfurt a.M., 1927 Berlin, 1946– 1953 (!) Mu¨nchen. G. v. B. bescha¨ftigte sich mit „vegetativen Sto¨rungen“ („vegetativen Stigmatisierungen“), v.a. mit den „Dyskinesien“ des Magen-Darm-Kanals (z.B. „spasmogenes Ulcus“). Seine „funktionelle Pathol.“ basiert auf der psychosomat.-ganzheitl. Vorstellung, daß am Beginn einer Krankheit nicht die la¨dierte Struktur stehe, sondern die gesto¨rte Funktion. Werk: Seele und Ko¨rper in der inneren Medizin, Frankfurt a.M. 1922; Mithg., Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie, Berlin 1925–1932; Funktionelle Pathologie, Berlin 1932, 21936; Mithg., Handbuch der Inneren Medizin (mit etlichen Beitra¨gen von G.v.B. als Verf.), 2.-4. Aufl., Berlin 1925–1931, 1934–1944, 1951– 1960; Ru¨ckschau. Geschehen und Erleben auf meiner Lebensbu¨hne (Autobiogr.), Mu¨nchen 1953. Sie.
Bernard, Claude (* 12. 7. 1813 St. Julien, Beaujolais, † 10. 2. 1878 Paris). B.s Werk wird vielfach als Fundament der naturwiss. Med. angesehen. B. war nie als Arzt ta¨tig, sondern widmete sich nach Abschluß des Med.stud. unter Anleitung ! F. Magendies der exp. Physiol., als deren wichtigster Begr. er gilt. B. gab der Disziplin einen eigenen konzeptionellen Rahmen und hatte entscheidenden Anteil an ihrer institutionellen Etablierung. Von Magendie u¨bernahm er als Hauptmeth. die Vivisektion. Eines seiner Hauptinteressengebiete ergab sich aus der Frage, was mit der Nahrung im Ko¨rper geschieht. B. zeigte, daß die Nahrungsbestandteile im Ko¨rper nicht nur ab-, sondern auch umgebaut werden und legte damit die Grundlage fu¨r das Konzept des 42
Stoffwechsels. In diesen Zusammenhang fallen eine Reihe von Entdekkungen. So zeigte B. die Rolle der Galle und des Pankreassaftes bei der Verdauung auf. Die Feststellung, daß unabha¨ngig von der Erna¨hrung im Blut Zucker zu finden ist, lenkte B.s Aufmerksamkeit auf ein lohnendes Forschungsgebiet: Mittels neuartiger und a¨ußerst geschickt angelegter Versuche wies er nach, daß die Leber Zucker herstellen und in den Kreislauf abgeben kann (Konzept der „Inneren Sekretion“). In Form des Glykogens fand B. in der Leber eine Speichersubstanz fu¨r Zucker, deren Aufbau und Abbau je nach Bedarf des Organismus geregelt wird. Die Beobachtung, daß die gezielte Verletzung bestimmter zentralnervo¨ser Strukturen (piquˆre diabe´tique) zu einer Erho¨hung des Blutzuckerspiegels bzw. zum Auftreten von Zucker im Urin fu¨hrt, ließ B. eine zentrale Steuerung dieser Funktion durch das Nervensystem postulieren. Neben weiteren Forschungen zur Erna¨hrung, die auch die Produktion und Regulation der tierischen Wa¨rme mit einschlossen, war die nervo¨se Steuerung von Ko¨rpervorga¨ngen ein weiteres Hauptthema B.s. Die wichtigste Meth. zur Erforschung von Nervenfunktionen war die ku¨nstl. Unterbrechung der Nervenleitung sowie die galvanische Reizung. In diesem Kontext entwickelte B. u.a. das Konzept der antagonist. nervalen Steuerung von Herzta¨tigkeit und Gefa¨ßweite. Auch auf diesem Gebiet war er Erstbeschreiber zahlreicher Pha¨nomene (vasodilatator. Nerven, Innervation der Stimmba¨nder, Funktion von Hirnnerven usw.) und entwarf nu¨tzl. Konzepte (z.B. die „lokale Zirkulation“).
Bernheim, Hippolyte Marie
Hatte B.s Aufmerksamkeit zuna¨chst der Erforschung konkreter Fakten im Labor gegolten, so widmete er sich mit der Zeit mehr und mehr der Synthese seiner Beobachtungen und a¨ußerte sich programmat. zu grundsa¨tzlicheren Fragen. Durch die Anwendung von Konzepten, die letztendl. auf der Vorstellung einer Zweckgerichtetheit beruhten, erga¨nzte B. seine antivitalist. Forderung, daß alle Lebensvorga¨nge chem. und physikal. zu erkla¨ren sind. Das wichtigste von B. entwickelte derartige Erkla¨rungskonzept war das des „milieu inte´rieur“ – die Aufrechterhaltung bestimmter lebensnotwendiger Bedingungen im Inneren des Organismus im Austausch und gleichzeitiger Abgrenzung gegenu¨ber der Umwelt. Besonders B.s 1867 vero¨ffentlichte
Claude Bernard (1813–1878)
Schrift Introduction a` l’e´tude de la me´dicine expe´rimentale fand große Beachtung bei Medizinern und Philosophen in aller Welt und gilt noch heute als relevant. Ziel von B.s „Allgemeiner Physiologie“ war es, die grundlegenden Gesetze der Lebenspha¨nomene zu bestimmen – eine Zielrichtung, die B. schließlich u¨ber das Gebiet der Physiol. hinaus zur allg. Biol. fu¨hrte. Mittel zum Erkenntnisgewinn ist bei B. die Verbindung von rationaler Argumentation und Empirie, verko¨rpert im gezielten Experiment, das der ¨ berpru¨fung vorgefaßter Hypothesen U dient. Seine Meth. war nicht die passive Beobachtung, sondern der aktive Eingriff. Sein Ziel war es, durch eine bewußte Vera¨nderung der Versuchsbedingungen mittels chir. oder tox. Eingriffe in den lebenden Organismus die Lebensvorga¨nge nach Belieben hervorrufen oder verhindern zu ko¨nnen. Unterschiede der beobachteten Pha¨nomene sind dabei ausschließl. durch Unterschiede in den Versuchsbedingungen zu erkla¨ren („experimenteller Determinismus“). Da sich nach B. physiol. und pathol. Vorga¨nge qualitativ nicht unterscheiden, sollen die exp. gewonnenen Einsichten die Basis der wiss. Med. sein. B. erfuhr zahlreiche Ehrungen und ist eine der beru¨hmtesten Perso¨nlichkeiten der mod. Med. Sein Werk gilt noch heute als Richtschnur fu¨r WissenSchl. schaftlichkeit in der Med. Bernheim, Hippolyte Marie (* 24. 4. 1840 Mulhouse, † 1919 Paris). Internist und elsa¨ssischer Patriot. 1879 Titularprof. fu¨r innere Med. an der Univ. Nancy; anerkannte klin. Forsch. Ab 1882 Bescha¨ftigung mit 43
Bert, Paul
dem Hypnotismus durch Kontakt zu ! A. Lie´beault. B. gilt als Gru¨nder der Schule von Nancy und setzte die wiss. Anerkennung der Hypnose als therap. Instrument in einer Kontroverse mit der Schule von ! Charcot durch. Nach 1900 prakt. Anwendung der Hypnose in Pa¨dagog. und Psychohyg.; 1909 Pra¨sident des Internat. Vereins fu¨r med. Psychol. und Psychotherapie. Werk: De la suggestion et de ses applications a` la the´rapeutique, Paris 1885. Schr.
Bert, Paul (* 19. 10. 1833 Auxerre, † 11. 11. 1886 Hanoi). Wissenschaftler und Politiker. Ass. bei ! C. Bernard. Seit 1868 Prof. fu¨r Zool. und Physiol., 1869 Nachfolger Bernards als Prof. fu¨r Physiol. an der Sorbonne. Seit 1870 zugleich Politiker. Abgeordneter, Minister, 1886 Gouverneur in Indochina. Trat ein fu¨r antiklerikale Reformen, bes. im Bildungsbereich, und eine „nationale Regeneration“ Frankreichs. Heute v.a. beachtet wegen der Anwendung der Transplantation als Methode, um physiol. Fragestellungen u¨ber die Beziehung von Geweben und ihrer Umwelt zu erforschen. Neben zahlreichen anderen Untersuchungen zur Biol. und Physiol. publ. er 1878 ein umfassendes Werk zu Problemen der Beziehung von Luftdruck und Organismus, das ihn zum Klassiker der Luftfahrtmed. Schl. gemacht hat. Berzelius, Jo¨ns Jakob (* 20. 8. 1779 Wa¨fversunda [Va¨versunda], † 7. 8. 1848 Stockholm). Zuna¨chst nahm B. ein Med.stud. an der Univ. Uppsala auf, ehe er von 1802 bis 1806 Adjunkt am Chir. Inst. 44
zu Stockholm wurde. Naturwiss. Experimente fu¨hrten dazu, daß B. 1807 als Prof. fu¨r Chemie an die Feldscherschule in Stockholm berufen wurde. Nach 1831 wirkte er nur noch fu¨r die Schwed. Akad. der Wiss. als Naturforscher. B. entdeckte die Elemente Selen, Cerium und Thorium sowie neue Fluor- und Schwefelverbindungen. 1812 stellte er die elektrochem. dualistische Theorie auf, die postulierte, daß alle Stoffe aus Teilchen mit positiver und negativer Elektrizita¨t zusammengesetzt seien. 1814 entwarf er eine erste Atomgewichtstabelle mit der Angabe der relativen Atomgewichte, die sich auf Sauerstoff bezogen. Die heute noch gu¨ltige Formelsprache der Chemie und die chem. Symbolik hat B. richtungweisend durchgesetzt. B.s zahlreiche und weitverstreuten Publ. stellt Arne Holmberg, Bibliographi o¨ver Berzelius, Uppsala und Stockholm 1933– M.-J. 1953, zusammen. Best, Charles Herbert (* 27. 2. 1899 West Pembroke, Maine, † 31. 3. 1978 Toronto). B. gilt als einer der Entdecker des Insulins. Bereits als junger Med.stud. gelang es ihm 1921 in Zusammenarbeit mit ! F.G. Banting, J.B. Collip und J.J.R. MacLeod in Toronto, einen Extrakt aus Pankreasgewebe herzustellen, mit dem die blutzuckersenkende Wirkung der inneren Sekretion des Organs u¨berzeugend am Versuchstier dargestellt werden konnte. Das Verfahren wurde weiterentwickelt, so daß innerhalb kurzer Zeit eine Substanz zur Verfu¨gung stand, die sich zur effizienten Behandlung des Diabetes eignete – das Insulin. Als Banting und MacLeod 1923 dafu¨r den Nobel-
Bichat, Marie-Franc¸ois-Xavier
preis erhielten, teilte Banting seinen Anteil am Preis mit B. Noch wa¨hrend seiner Studienzeit wurde B. die Leitung der Massenherstellung von Insulin u¨bertragen. B. erweiterte sein im Stud. erworbenes Fundament einer Ausbildung fu¨r die wiss. Forschung durch einen Aufenthalt an Forschungsinst. in Europa, bes. am National Institute for Medical Research in London, was den Erfolg seiner weiteren Forschungsta¨tigkeit fo¨rderte. 1929 wurde er Nachfolger MacLeods auf dem Lehrstuhl fu¨r Physiol. in Toronto. Neben der Erforschung der Insulinwirkung widmete er seine Studien weiteren Problemen des Kohlenhydratstoffwechsels, der Sportphysiol. und der Sehfa¨higkeit bei Nacht und arbeitete u¨ber Cholin, Heparin und Schl. Glucagon. Bichat, Marie-Franc¸ois-Xavier (* 11. 11. 1771 Thoirette-en-Bas/Lyon, † 22. 7. 1802 Paris). Frz. Chir., Anat. und Pathol. Privatunterricht u.a. bei dem Vitalisten ! P.-J. Barthez (Univ. Montpellier). 1782– 1790 Besuch des jesuit. Colle`ge de Nantua bei Lyon, nach 1790 des Seminars Saint-Ire´ne´e in Lyon. Seit 1791 Anat.- und Chir.- Kurse am dortigen Hoˆtel Dieu bei dem Anat. Marc-Antoine Petit (1766–1811). 1792 als Heereschir. dienstverpflichtet, nahm B. 1793 wa¨hrend der Frz. Revolution auf seiten der Royalisten an der Verteidigung Lyons gegen die republikan. Belagerer teil. Nach Ta¨tigkeit in Poncin, Grenoble, Bourg und wieder Poncin ging B. 1794 infolge des Druckes der Republikaner nach Paris. Hier wurde er Schu¨ler und Gu¨nstling des Chir. ! Desault am Hoˆtel Dieu. Seit 1797 gab B. private Anat.-Kurse in
Marie-Franc¸ois-Xavier Bichat (1771–1802)
der Rue de Carmes, ab 1802 am Colle`ge de Liseaux. 1796 Mitbegr. der Socie´te´ Me´dicale d’Emulation, ab 1799 Mitglied der neu gegr. Socie´te´ de Sante´ de Paris, ab 1800 Sekreta¨r der Socie´te´ de l’Ecole de Me´decine de Paris. 1801 Me´dicin expectant am Hoˆtel Dieu. Obwohl B. nie an einer o¨ffentl. med. Institution lehrte, kann er als Mitbegr. der exp. Physiol. und damit der naturwiss. Med. gelten. Auf dem Hintergrund einer vitalist. Lebens- und Krankheitslehre entwickelte B. seine Gewebelehre. Bau und Funktion der Organe sind danach abha¨ngig von den Gewebetypen, aus denen sie bestehen, wobei B. 21 Gewebeformen unterschied. Ohne das Mikroskop benutzt zu haben, leitete B. mit seiner Gewebepathol. von ! Morgagnis Or45
Bidloo, Govert
ganpathol. zu ! Virchows Zellularpathol. u¨ber und trug damit wesentlich zur Entwicklung der mod. Histol. bei. B.s wiss. Werk, das Anat., Physiol., Pathol. und prakt. Med. beru¨hrt, pra¨gte die Med. der Pariser Schule des fru¨hen 19. Jh. noch entscheidend mit, u.a. die Arbeiten ! Laennecs, der die Gewebelehre B.s versta¨rkt mit der klin. Diagnostik in Beziehung setzte. Werk: Traite´ des membranes en ge´ne´ral et diverses membranes en particulier, Paris 1800; Recherches physiologiques sur la vie et la mort, ibid. 1800; Traite´ d’anatomie descriptive, 5 Bd. (unvollendet), ibid. 1801– 1803; Anatomie ge´ne´rale, applique´e a` la physiologie et a` la me´dicine, 4 Bd. (in 2), ibid. 1802. Pr.
Bidloo, Govert (* Ma¨rz 1649 Amsterdam, † April 1713 Leiden). B. absolvierte in Amsterdam ab 1670 als Schu¨ler von F. Ruysch zuna¨chst eine Chir.lehre, ging dann nach Frankreich und Deutschland und stud. seit 1682 bis zur Prom. Med. in Franeker. Nach der Publ. seines Hb. der Anat., dessen exzellente Abbildungen von G. de Lairesse ! W. Cowper 1698 ohne Quellenangabe u¨bernahm, wurde B. 1688 Lektor der Anat. und Chir. in Den Haag. 1694 erfolgte seine Ernennung zum Prof. der Med. und Chir. in Leiden, wo er bis zu seinem Tod amtierte. 1701/02 war B. Leibarzt seines Go¨nners William III. in London. Werk: Anatomia corporis humani, Amsterdam 1685. Ba.
Bier, August (* 24. 11. 1861 Helsen/ Waldeck, † 12. 3. 1949 Sauen u¨ber Beeskow/Brandenburg). B. stud. unter dem Einfluß von ! C. Ludwig und ! F. v. Esmarch in Berlin, 46
Leipzig und Kiel Med. 1886 appr. und 1888 Dr. med., war er Ass. von Esmarch an der Kieler Chir. Klinik. Bereits 1889 habil. (1894 ao. Prof.), wurde er 1899 nach Greifswald, 1903 nach Bonn und 1907 gegen den entschiedenen Widerstand der Fak., aber auf Betreiben F. Althoffs als Nachfolger ! G. v. Bergmanns nach Berlin (Chir. Univ.-Klinikum Ziegelstraße) berufen. B. versuchte vergeblich, den Neubau des veralteten Klinikums zu erreichen, schuf aber durch seinen Einfluß unter Abordnung von Mitarbeitern anderer Kliniken und Institute eine „kleine medizinische Stadt“, in der er sein integratives Konzept einer „physiol. Chir.“ zu verwirklichen suchte. Nach der kostspieligen Berufung ! F. Sauerbruchs nach Berlin (1928), der nach einem Klinikneubau auf B.s Lehrstuhl wechseln sollte, und der damit verbundenen Verla¨ngerung der Amtszeit B.s, wurde seine Klinik infolge ihrer Kostspieligkeit und angesichts der Wirtschaftskrise unter heftigen polit. Protesten von rechts 1932 geschlossen. 1933 mit nationalsozialist. Propaganda in Anwesenheit B.s neu ero¨ffnet, blieb sie fachlich bedeutungslos, wurde jedoch politisch zum Zentrum von Hitlers Begleita¨rzten. B.s wiss. bedeutsamste Leistungen lagen in der Einfu¨hrung der Lumbalana¨sthesie (1899) bzw. der aktiven Hypera¨mie (B.sche Stauung), der Entwicklung eines Behandlungskonzepts der Knochen- und Gelenktuberkulose in der Heilsta¨tte Hohenlychen und der Herausgabe der Chirurgischen Operationslehre mit H. Braun und H. Ku¨mmel (1912/14; 6. Aufl. 1933/34), wa¨hrend sich die B.sche Amputation oder die Venaesthesie nicht behaupten konnten.
Billroth, Christian Albert Theodor
Die Ta¨tigkeit als Marine-Generalarzt a` la suite und die Erfindung des Stahlhelms im Ersten Weltkrieg sowie die Gru¨ndung der Dt. Hochschule fu¨r Leibesu¨bungen (1920; Rektorat bis 1932) zur Pflege der Ko¨rperertu¨chtigung der dt. Jugend als Kompensation fu¨r die 1919 abgeschaffte allg. Wehrpflicht bewegten sich im med.-polit. Grenzbereich. Hinzu kam B.s Eintreten fu¨r d. „Siegfrieden“ im Ersten Weltkrieg, die Beteiligung an der dt.nationalen Prof.politik gegen die Weimarer Republik und der Wechsel von der Unterstu¨tzung Hindenburgs in der Reichspra¨sidentenwahl (1925) zu der Hitlers (1932). Die teleol. Betrachtungsweise in der Med., med.phil. Versuche (1926/28) in neohippokrat. Sinn, B.s zwiespa¨ltige Funktionalisierung der Homo¨opathie, sein „herakli-
August Bier (1861–1949)
tisches Experiment“ im privaten Forst auf Gut Sauen und sein „biol. System“ in den Spa¨tschriften (Die Seele, 1939, 11. Aufl.1951; Das Leben, 1951) standen mit den polit. Tendenzen im Einklang. Der NS-Staat zeichnete ihn dafu¨r 1937 mit dem Nationalpreis aus, was nicht verhinderte, daß er auch von der sowjet. Besatzungsmacht geehrt und zum humanist. Erbe der DDR-Milita¨rmed. geza¨hlt wurde. Die einzige Biographie von B.s Schu¨ler Karl Vogeler (A.B. Leben und Werk, Mu¨nchen - Berlin 1941) ist – zeitbeHu. dingt – ho¨chst unzuverla¨ssig. Bilharz, Theodor Maximilian (* 23. 3. 1825 Sigmaringen, † 9. 5. 1862 Massaua/A¨gypten). Nach der Gymnasialzeit in Hechingen stud. B. in Freiburg/Br. (1843) und Tu¨bingen (1845), dort bes. unter ! W. Griesinger. Nach der Staatspru¨fung (1849) erneut in Freiburg, wurde er 1850 anat. Prosektor und begleitete noch im gleichen Jahr Griesinger als Ass. nach Kairo. Dort entfaltete er eine reiche Sektionsta¨tigkeit. Frucht der pathol. Studien war u.a. die Entdeckung des Erregers der Schistosomiasis (Bilharziose). In der Zool. beschrieb B. 1857 das „elektrische Zentralorgan“ sowie die Nervenund Ganglienzellen des Zitterwelses, was bes. ! E. Du Bois-Reymond begeisterte und der jungen Elektrophysiologie wichtige Impulse gab. Eck. Billroth, Christian Albert Theodor (* 26. 4. 1826 Bergen auf Ru¨gen, † 6. 2. 1894 Abbazia). Erstes von fu¨nf Kindern einer Pastorenfamilie. Als B. fu¨nf Jahre alt war, starb der Vater, spa¨ter auch seine Geschwister, an Tuberkulose. Sehr fru¨h 47
Billroth, Christian Albert Theodor
zeigte sich seine große musische Begabung. Er besuchte zuna¨chst das Gymnasium, spa¨ter die Univ. in Greifswald, war allerdings, wie er selbst sagt, ein „Schu¨ler unter Mittelma¨ßigkeit“. Er stud. Med. zuna¨chst nur, um einen bu¨rgerl. Beruf zu erlernen. Lieber wa¨re er Musiker geworden. Als sein Mentor Wilhelm Baum eine Prof. fu¨r Chir. in Go¨ttingen antrat, folgte B. ihm. Dort wurde er in die Prof.kreise eingefu¨hrt und entwickelte schließl. doch noch großes Interesse an der Med., bes. an der Chir. Nach dem Tod der Mutter wechselte er nach Berlin, wo er Schu¨ler von ! B. v. Langenbeck und ! L. Traube war. 1852 wurde er in Berlin prom. und arbeitete zuna¨chst bei A. v. Graefe. Um seine Ausbildung zu komplettieren, besuchte er die damals fu¨hrenden Zentren Wien und Paris. Anschließend ließ er sich in Berlin als praktischer Arzt nieder. Da Patienten ausblieben, nahm er eine Stelle als Ass. an der Klinik Langenbecks an. Hier widmete er sich nicht nur der Chir., sondern auch der pathol. Histol. 1856 wurde B. als Dozent fu¨r Chir. und pathol. Anat. habil. Eine Berufung als Prof. fu¨r pathol. Anat. nach Greifswald lehnte er ab. Wenig spa¨ter ging er als Prof. fu¨r Chir. nach Zu¨rich. Er fand dort guten Boden fu¨r seine Forschungsschwerpunkte und die Mo¨glichkeit, sich als Lehrer und Erneuerer des Studienbetriebs zu entfalten. Daru¨ber hinaus trat er in intensiven Kontakt mit wiss. Gro¨ßen seiner Zeit. Mit bes. Interesse widmete er sich der postoperativen Wundbehandlung, und es gelang ihm nachzuweisen, daß Wundfieber auf Infektionen der Wunden beruhen, die nicht durch Luft, son48
dern durch Kontakt mit „kleinsten Lebewesen“ hervorgerufen werden. Diese Vermutung untermauerte er durch mikroskop. Untersuchungen, die auch die Forschungen ! R. Kochs beeinflußten. Jedenfalls forderte B. fu¨r seinen Wirkungsbereich „Reinlichkeit bis zur Ausschweifung“ und hatte damit auch Erfolg. Wesentl. Bedeutung hatten auch seine regelma¨ßigen Publ. zur Ta¨tigkeit seiner Klinik, in denen neben Statistiken auch Berichte u¨ber geglu¨ckte und mißlungene operative Neuerungen erschienen. In diesem Zusammenhang forderte er die Beobachtung von Patienten u¨ber mehrere Jahre nach ihren Entlassungen. Einige Berufungen an dt. Univ. lehnte er ab, jene in die „Weltstadt“ Wien nahm er 1867 jedoch „mit großer Freude“ an. Er wurde auch Dir. des „Operationszo¨glingsinst.“, einer staatl. Einrichtung zur Weiterbildung von Chir. Hier konn¨ rzte drei Jahre ten sieben graduierte A lang auf Staatskosten stud. Aus dieser Elite stammen seine beru¨hmten Schu¨ler. Obwohl wesentl. Neuerungen, v.a. in der Magenchir., auf ihn zuru¨ckgehen (z.B. erste Pylorusresektion 1881, die er aber von seinen Schu¨lern vero¨ffentlichen ließ), machte er sich vor allem als Lehrer einen Namen. Von seinem Schu¨ler Gersuny wird berichtet, daß er an den Festen der Studenten teilnahm und sich um perso¨nlichen Kontakt mit ihnen bemu¨hte. Die Verbesserung des Gesundheitswesens war ihm ein großes Anliegen. So gab er wesentl. Anregungen fu¨r den Bau der Krankenanstalt Rudolfinerhaus, die auch heute noch als Musterspital gilt, und die Einrichtung der Schule fu¨r weltl. Krankenschwestern an diesem Haus, da er von der Wich-
Bircher-Benner, Maximilian Oskar thologie und Therapie in 50 Vorlesungen, 1863; Untersuchungen u¨ber die Vegetationsformen der Coccobacteria septica, ¨ ber das Lehren und Lernen der me1876; U dicinischen Wissenschaften an den Univ. der deutschen Nation, Wien 1876; Die Krankenpflege im Hause und im Hospital, ibid. 1879. Ho.
Theodor Billroth (1826–1894)
tigkeit einer optimalen Krankenpflege u¨berzeugt war. Um die Reform des Med.stud. bemu¨hte er sich in seinem ¨ ber das Lehren und Lernen der Buch U medicinischen Wissenschaften an den Univ. der deutschen Nation (1876). Seine Thesen blieben jedoch nicht unwidersprochen, unter anderem auch die darin enthaltenen dt.national-antisemit. Bemerkungen, die vor dem Hintergrund des zeittypischen Wiener Antisemitismus zu sehen sind. Neben seiner a¨rztl. Ta¨tigkeit widmete er sich intensiv dem Musikleben und pflegte Freundschaften mit Ku¨nstlern wie Johannes Brahms. Das war wohl mit ein Grund, warum B. weitere Berufungen ablehnte und Wien treu blieb. Werk: Chirurgische Klinik, Erfahrungen aus den Gebieten der praktischen Chirurgie, Zu¨rich 1860–67, Wien 1868–70 u. 1871–76; Die allgemeine chirurgische Pa-
Binswanger, Ludwig (* 13. 4. 1881 Kreuzlingen, † 5. 2. 1966 Kreuzlingen). Begr. der daseinsanalyt. Psychiatrie. Prom. bei ! C. G. Jung. Von 1914– 56 Dir. des psychiatr. Privatsanatori¨ ber ums „Bellevue“ in Kreuzlingen. U eine Auseinandersetzung mit dem Problem der Subjektivita¨t in der Psychol. gelangte B. zur phil. Pha¨nomenol. Deren Ansatz machte er – zuna¨chst auf Heidegger, spa¨ter auf Husserl fußend – in seinen psychopathol. Stu¨ ber Ideenflucht (1933), Schizodien U phrenie (1957) u.a. fu¨r eine unvoreingenommene Schau auf die Welterfahrungsweisen Geisteskranker fruchtbar. B. ero¨ffnete damit neue Perspektiven auf die krankheitsspezif. Umordnungen im Innenleben psychot. Ps. Kranker. Bircher-Benner, Maximilian Oskar (* 22. 8. 1867 Aarau, † 24. 1. 1939 Zu¨rich). Beeindruckt von ! A. Forel und G. von Bunge schloß sich B.-B. wa¨hrend des Stud. der Med. in Zu¨rich der Abstinenzbewegung an. 1891 Praxis in Zu¨rich; 1897 Privatklinik am Zu¨richberg. Die dort praktizierte Dia¨tetik fand durch den Wendepunkt (Zs. und Buchreihe) weite Verbreitung. B.-B. bemu¨hte sich um die Verbindung von Naturheilkunde und wiss. Med. und fo¨rderte deren prakt. Umsetzung am Rudolf-Heß-Krkh. B.-B. 49
Blackwell, Elizabeth
gilt als ‘Klassiker der Naturheilkunde’ (Brauchle). Werk: Werden des neuen Arztes (Autobiogr.), Dresden 1937. Nk.
Blackwell, Elizabeth (* 3. 2. 1821 Counterslip/Bristol, † 31. 5. 1910 Hastings/England). ¨ bersiedlung der Familie in Nach der U die USA (1832) Stud. der Medizin (ab 1847) am Geneva Medical College/ N.Y. Abschluß des Studiums 1849. B. war die erste Frau in der Geschichte der Vereinigten Staaten, der es gelang, zum Stud. an einer med. Fakulta¨t zugelassen zu werden und dieses erfolgreich abzuschließen. Es folgten bis 1851 Weiterbildungsaufenthalte auf dem Gebiet der Geburtshilfe in Paris und London. 1857 gru¨ndete sie in einem Armenviertel New Yorks das New York Infirmary for Women and Children. 1868 wurde diese Einrichtung auf maßgebliche Initiative B.’s hin um das Woman’s Medical College erweitert. Damit wurde einer der ersten anerkannten med. Studienga¨nge speziell fu¨r Frauen geschaffen. B. gilt heute als Wegbereiterin einer modernen medizinischen Ausbildung fu¨r Frauen. Werk: The Human Element in Sex: A Medical Enquiry into the Relation of Sexual Physiology to Christian Morality, London 1894; Pioneer Work in Opening the Medical Profession to Women, London/N.Y. 1895; Scientific Method in Biology, London 1898; Essays in Medical Sociology, 2 vols., London 1902. Die.
Blalock, Alfred (* 5. 4. 1899 Culloden/ Georgia, † 15. 9. 1964). Stud. bis zur Prom. 1922 Med. an der Johns Hopkins Univ. in Baltimore. Nach chir. Weiterbildung (Johns Hop50
kins 1923–1925, Vanderbilt Univ. ab 1925) wurde B. 1938 Prof. in Vanderbilt. Von 1941 bis 1964 war er Dir. des Department of Surgery an der Johns Hopkins University. Der Pionier der kardiovaskula¨ren Chir. entwickelte 1943/44 gemeinsam mit der Kindera¨rztin ! H. Taussig die B.-TaussigOperation, eine ku¨nstl. Anastomose zwischen Arteria subclavia und Arteria pulmonalis zur besseren Oxygenierung des Aortenblutes als palliative Therapie der Fallot-Tetralogie. Nicht mehr gebra¨uchlich ist die ebenfalls palliative B.-Hanlon-Operation (1948) zur Erzeugung eines ku¨nstl. Vorhofseptumdefekts bei Transposition der Ba. großen Arterien. Blankaart [Blancardus, Blankaert], Stephaan [Stephan, Stephanus, Steven] (* 24. 10. 1650 Middelburg, Zeeland/Niederlande, † 23. 2. 1702 Amsterdam). Arzt, Anat., Chir., Pharmakologe. Apothekerlehre 1668–1671; Med.und Phil.stud. in Franekeradeel/Niederlande 1671–1674; dort med. und phil. Prom. 1674, Niederlassung als praktischer Arzt in Amsterdam, wo er bald zu großem Ruhm und Ansehen kam. Erwarb sich bedeutende Verdienste in den Niederlanden und Europa um die Verbreitung med. Wissens durch viele, in die wichtigsten europ. Sprachen u¨bers. Werke. Vero¨ffentlichte 1679 das Lexicon Medicum graeco-latinum, das frz., engl. und dt. u¨bers. und zum maßgebenden Wo¨rterbuch der Med. im 18. Jh. werden und viele Aufl. erleben sollte. (Dt. Ausg. Neues Medicinisches Wo¨rterbuch, worinnen erkla¨ret sind alle in Lateinischer, Teutscher und Franzo¨sischer Sprach u¨bli-
Blaschko, Alfred
Franzoßen, 1689); Anatomica practica rationalis, 1688 (ein Kompendium der Pathol., in dem er 200 Kasuistiken mit ihren autopt. Befunden schildert); De Nederlandschen herbarius ofte kruidboek de voornaamste kruiden, tot de medicyne, 1698; Konstkamer der ChiMk. rurgie, 1702.
Stephaan Blankaart (1650–1702)
che Medizinische und Chirurgische Kunstwo¨rter, l683). Von 1680 bis 1688 gab er in Amsterdam das erste med. Journal in den Niederlanden heraus (Collectanea medico-physica, oft Hollands Jaar-Register der Genees- en Natuurkundige Aanmerkingen van gantsch Europa). Weitere bedeutende Werke: Borgerlijke Tafel om lang zonder ziekten en gezond te leven, Amsterdam 1683; Nieuw licht der Apothekeren, 1683; Verhandelinge van de opvoedinge en ziekten der Kinderen, 1684; Van de podagra en vliegende Jigt, 1684; Venus belegerd en ontset, 1684 (dt.: Die bela¨gert und entsetzte Venus, Das ist Chirurgische Abhandlung der sogenanten
Blaschko, Alfred (* 4. 3. 1858 Freienwalde an der Oder, † 26. 3. 1922 Berlin). B. spezialisierte sich nach Abschluß des Med.stud. auf Dermatol. und Venerol., wo er zu einem der fu¨hrenden Facha¨rzte in Deutschland wurde. In Berlin leitete er eine der gro¨ßten priv. Polikliniken. Seine Bescha¨ftigung mit der Lepra gab 1896 den entscheidenden Anstoß fu¨r die Leprabeka¨mpfung in Ostpreußen. In seiner Forschung befaßte sich B. daru¨ber hinaus mit Berufsdermatosen und der Prophylaxe von Geschlechtskrankheiten. Neben seiner a¨rztl. Ta¨tigkeit war B. in den gesundheitsund sozialpolitischen Diskussionen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik engagiert. Polit. stand er dem revisionist. Flu¨gel der Sozialdemokraten um Eduard Bernstein nahe. 1902 gru¨ndete er zusammen mit ! Neisser und anderen die „Dt. Gesellschaft zur Beka¨mpfung der Geschlechtskrankheiten“ (DGBG). Als Generalsekreta¨r und nach Neissers Tod 1916 auch Pra¨sident, war B. die treibende Kraft in der DGBG, deren Hauptaufgabe die Aufkla¨rung der Bevo¨lkerung u¨ber die Gefahren der Geschlechtskrankheiten war. In der Diskussion u¨ber das 1927 verabschiedete Gesetz zur Beka¨mpfung der Geschlechtskrankheiten gab B. mit die Sa. entscheidenden Anregungen. 51
Bleuler, Paul Eugen
Bleuler, Paul Eugen (* 30. 4. 1857 Zollikon, † 15. 7. 1939 Zollikon). Stammt aus einer ba¨uerl. Familie aus der Na¨he Zu¨richs. Lange Zeit war es in der Schweiz nur sta¨dtischen Bu¨rgern erlaubt zu stud. So mußten sich die Bewohner la¨ndl. Gebiete meist mit ¨ rzten zufriedengeben, die den BeA du¨rfnissen der ansa¨ssigen Bevo¨lkerung ha¨ufig mit Unversta¨ndnis begegneten. Die „Verzopftheit“ und Arro¨ rzte wurde vielfach kriganz dieser A tisiert, vor allem von jenen ba¨uerlichen Schichten, die sich Bildung angeeignet hatten und das Verbot zu stud. als schmerzlich empfanden. B. stammte aus einer solchen Familie und geho¨rte zu den ersten Bauernso¨hnen, die nach der Gru¨ndung der Univ. Zu¨rich zum Stud. zugelassen wurden. Aus dieser Herkunft ist seine krit. Hal¨ rztestand zu tung gegenu¨ber dem A verstehen und sein Interesse an etwas ‘abwegigen’ Wiss.-bereichen sowie seine eigenwillige Ausdrucksweise. 1881 beendete er sein Stud. und war zuna¨chst in der Irrenanstalt Waldau bei Bern ta¨tig. Es schlossen sich Auslandsaufenthalte in Paris (bei ! Charcot), London und Mu¨nchen an. Danach war er zuna¨chst als Ass.arzt an der psychiatr. Anstalt der Zu¨rcher Klinik, Burgho¨lzli, ta¨tig. Spa¨ter u¨bernahm er die Leitung der psychiatr. Anstalt Rheinau, wobei er auch die Angestellten und die Bevo¨lkerung der Umgebung als Allgemeinarzt betreute. 1898 wurde er als Prof. fu¨r Psychiatrie nach Zu¨rich berufen und u¨bernahm die Leitung der Klinik. Sein wesentl. Interesse galt der Erforschung der Schizophrenie, die von ihm den Namen erhielt. Hierbei bediente er sich der Psychoanalyse, die durch seine Ta¨tigkeit in der Schweiz 52
Paul Eugen Bleuler (1857–1939)
‘salonfa¨hig’ wurde. In seinem Buch Das autistisch-undisziplinierte Denken in der Medizin u¨bte er teilweise ¨ rzteheftige Kritik am ‘gelehrten’ A stand und an u¨berholten Einstellungen zur Med. Werk: Affektivita¨t, Suggestibilita¨t, Paranoia, Halle 1906; Die Psychoanalyse Freuds, Verteidigung und kritische Bemerkungen, in: Jb. f. Psychoanalyt. u. psychopathol. Forschungen, Leipzig u. Wien 1911; Lehrbuch der Psychiatrie, Berlin 1916 (mehrere Aufl.); Das autistisch-undisziplinierte Denken in der Medizin und seine ¨ berwindung, Zu¨rich 1919 (mehrere U Aufl.). Ho.
Bloch, Iwan (* 8. 4. 1872 Delmenhorst, † 19. 11. 1922 Berlin). Dt. Dermatovenerologe, Sexualwissenschaftler und Med.hist., als solcher
Bluhm, Agnes
Autodidakt und ohne Schu¨ler, besaß zuletzt eine Privatbibliothek von ca. 80000 Ba¨nden; ungewo¨hnlich produktiver und erfolgreicher Autor von literar. Glanz; erhielt als Jude keinen Lehrauftrag an der Univ. Berlin und lehnte es ab, sich taufen zu lassen. B. pra¨gte 1907 den Begriff „Sexualwissenschaft“, in der er med.-naturwiss. und anthropol.-ethnol. Aspekte vereinigt sehen wollte. B. war 1913 Mitbegr. der „Aerztl. Gesellschaft fu¨r Sexualwiss. und Eugenik“, ab 1917 deren Vorsitzender. Die Zeitschrift fu¨r Sexualwissenschaft (1914–19) gab B. ab 1917 alleine heraus. Als Med.hist. verfocht B. vehement den amerik. Ursprung der Syphilis (gegen ! K. Sudhoff). Werk: Der Ursprung der Syphilis, 2 Bd., Jena 1901/1911; Das Sexualleben unserer Zeit in seinen Beziehungen zur modernen Kultur, Berlin 1907; Die Prostitution, Bd. 1, Berlin 1912, Handbuch der gesamten Sexualwissenschaft in Einzeldarstellungen, Bd. 1; Loewenstein, G. (Hg.), Bd. 2/1, 1925. Le.
Blome, Kurt (* 31. 11. 1894 Bielefeld, † 10. 10. 1969 Dortmund). Ab 1939 stellv. Reichsgesundheitsfu¨hrer. Med.stud. in Go¨ttingen, Unterbrechung wegen Kriegsdienst. Niederschlagung der Novemberrevolution in rechtsradikalen Untergrundorganisationen. 1921 Appr. in Rostock; Facharztpraxis fu¨r Hautleiden bis 1934. 1931 Eintritt in die SA und in die NSDAP. 1935 Ernennung zum Gescha¨ftsfu¨hrer der Reichsa¨rztekammer. 1937 Berufung in den Vorstand des Reichsausschusses fu¨r Krebsbeka¨mpfung. Ab 1939 stellv. Reichsgesundheitsfu¨hrer, stellv. Leiter des Hauptamtes fu¨r Volksgesundheit der
NSDAP und Leiter der Fachsparte fu¨r Bevo¨lkerungspolitik, Erb- und Rassenpflege im Reichsforschungsrat (RFR). Einsatz fu¨r die Errichtung eines zentralen Krebsforschungsinstituts. 1943 Ernennung zum Bevollma¨chtigten fu¨r Krebsforschung im RFR. Geheimauftrag u¨ber die Folgen des Einsatzes biol. Waffen. 1947 Frei¨ rzteprozess. spruch im Nu¨rnberger A 1948 Facharzt fu¨r Haut- und Harnleiden in Dortmund. 1951 wegen o¨ffentl. Proteste gescheiterte Anwerbung durch Army Chemical Corps (chem. Kampffu¨hrung US-Army). Werk: Mit Lasch, C. H., Krebskrankenstatistik in Mecklenburg, Deutsches Aerzteblatt 68 (1938), S. 95-98; Freiheit der Forschung und Wissenschaft. Grundsa¨tzliches zur Frage des a¨rztlichen und wissenschaftlichen Nachwuchses, Deutsches Aerzteblatt 68 (1938), S. 242-248; Krebsforschung und Krebsbeka¨mpfung, Die Gesundheitsfu¨hrung 11 (1940), S. 406-412, Arzt im Kampf. Erlebnisse und Gedanken, Leipzig 1942. Co.
Bluhm, Agnes (* 9. 1. 1862 Konstantinopel, † 12. 11. 1943 Beelitz). ¨ rztinnenB. geho¨rte zur ersten dt. A und Forscherinnengeneration vor Einfu¨hrung des Frauenstud. in Deutschland. Nach dem Med.stud. in Zu¨rich (1884–90) ließ sie sich als ¨ rztin nach ! Lehmus und dritte A ! Tiburtius in Berlin nieder, arbeitete in der von ihnen aufgebauten Klinik ¨ rzte, behandelte mittelloweiblicher A se Frauen in einer Poliklinik und trat fu¨r den gesundheitlichen Schutz von Arbeiterinnen ein. Dabei betonte sie seine rassenhyg. Bedeutung fu¨r die zuku¨nftige Generation. Ab 1900 widmete sie sich rassenhyg. Forschungen an Ma¨usen u¨ber die erbscha¨digende Wirkung des Alkohols. B. geho¨rte 53
Blumenbach, Johann Friedrich
1905 zu den Gru¨ndern der Dt. Gesellschaft fu¨r Rassenhyg. und wurde Mithg. des ARGB. Die These von der Stillunfa¨higkeit als Rassemerkmal oder direktes Resultat va¨terl. Alkoholismus verneinte sie schließlich, interpretierte sie aber als Degenerationssymptom. Ab 1919 pru¨fte sie am KWI fu¨r Biol. im Tierexp. den Einfluß von Alkohol auf die Vererbung, wofu¨r sie 1932 die Leibnizmedaille erhielt. Innerhalb der Frauenbewegung vertrat B. die Ansicht, prima¨re Aufgabe der Frauen sei eine eugenisch motivierte Mutterschaft. Fu¨r unheilbar Kranke forderte sie „Euthanasie“. Große offizielle Anerkennung im Nationalsozialismus. Werk: Hyg. Fu¨rsorge fu¨r Arbeiterinnen und ihre Kinder, in: Weyl, T., Hb. d. Hyg. 8, Jena 1894, 83–110; Stillfa¨higkeit, in: Grotjahn, A. u. Kaup, I., Handwo¨rterbuch sozialer Hyg., Leipzig 1912, 555–70; Die rassenhyg. Aufgaben des weiblichen Arztes, Berlin 1936; Zahlr. Art. im ARGB. Sto¨.
Blumenbach, Johann Friedrich (* 11. 5. 1752 Gotha, † 22. 1. 1840 Go¨ttingen). B. kann als Begr. der wiss. Anthropol. sowie der vergl. Anat. bezeichnet werden. Seine Arbeiten auf dem Gebiet der Naturgesch., Anat. und Physiol. fanden internat. Anerkennung, so daß viele seiner Schriften in mehrere Sprachen u¨bersetzt und in vielen Rezensionen besprochen wurden. B. als ein Vertreter von aufkla¨rerischem, aber auch naturphil. Gedankengut war als sehr angesehener Gelehrter seiner Zeit Mitglied von 55 nat. und internat. Gesellsch. B. entstammt einer protestant. Lehrerfamilie aus Gotha. In Jena und Go¨ttingen stud. er Med. Seine Diss. De ge54
neris humani varietate nativa (1775) war sowohl der Grundstein zu seiner Karriere als auch zu einer neuen wiss. Anthropol. und daru¨ber hinaus der Ausgangspunkt einer der bedeutendsten Scha¨delsammlungen (Collectionis craniorum diversarum gentium decades 1791–1820, 1791–1828). B. hielt seit Oktober 1775 med. Vorl.; 1776 ao. Prof.; 1778 o. Prof. fu¨r Anat. an der Go¨ttinger Univ., an der er bis zu seinem Tode wirkte. B. reiste – fu¨r seine Epoche ungewo¨hnlich – wenig, stand aber im lebhaften Briefwechsel mit den bekanntesten Perso¨nlichkeiten seiner Zeit (Lichtenberg, J. Blanks, ! G. Cuvier, Kant, Goethe). Von Beginn seiner wiss. Laufbahn an wandte B. seine Aufmerksamkeit dem Aufbau einer naturhist. Samml. mit Exponaten aus aller Welt zu. Ebenso bescha¨ftigte er sich mit den Grundla-
Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840)
Boerhaave, Herman
gen der Biol. und Med. Ganz im Sinne der Aufkla¨rung vertrat er die Ansicht, daß es einer neuen theoret. Bestimmung des Forschungszieles, der damit verknu¨pften Meth. und der daraus folgenden phil. Konsequenzen bedu¨rfe. B. definierte – an Kant orientiert – den Organismus als einen architekton. zweckma¨ßig organisierten Ko¨rper, dessen mechanist.-teleolog. Prinzipien durch die vergl. Meth. erkennbar werden. Innerhalb dieses Konzeptes definierte er die Begriffe des „Bildungstriebes“ (Nisus formativius) und des Nahrungstriebes. Wie Kant in der Kritik der Urteilskraft (1790) betont, hat „in Ansehung der Theorie der Epigenese niemand mehr [als B. geleistet], sowohl zum Beweise derselben als auch zur Begru¨ndung der a¨chten Principien ihrer Anwendung“. Die konsequente Anwendung der vergl. Meth. hat B. nicht nur zu wichtigen Detailerkenntnissen (Erstbeschreibung des Schnabeltieres, Besta¨tigung der Arbeit Goethes zum Zwischenkieferknochen) gebracht, sondern ihn auch befa¨higt, als Lehrer erfolgreich zu sein (A. von Humboldt). Werk: Handbuch der Naturgeschichte, ¨ ber den BilGo¨ttingen 1779 (121830); U dungstrieb und das Zeugungsgescha¨ft, ibid. 1781; Institutiones physiologicae, ibid. 1787; Handbuch der vergleichenden Anatomie, ibid. 1805. Lo.
Bock, Hieronymus [Tragus] (* 1498 Heidelsheim bei Bretten, † 21. 2. 1554 Hornbach). Von den Eltern zum geistl. Stand bestimmt, trat B. fru¨hzeitig zur Reformation u¨ber. 1523 lebte er in Zweibru¨cken als Schulmeister und ging 1533 als Prediger nach Hornbach (Saar), wo sein botan. Interesse er-
wachte, das sich in dem 1539 in Straßburg gedruckten New Kreutterbuch niederschlug. Der ersten, nicht illustrierten, folgte 1546 eine weitere, durch Holzschnitte von David Kandel erga¨nzte Ausgabe. Nach Intermezzo als Leibarzt am Hof Philipps III. von Nassau-Saarbru¨cken (1550/1) starb B. 1554 in Hornbach. Die 1552 in Straßburg erschienene lat. ¨ bers. des Kreutterbuch (De stirpium U ... commentariorum libri tres) hatte nur wenig Erfolg. Die vielen Ausg. des Kreutterbuch, die seit 1577 von Anm. des Melchior Sebizius (1539– 1625) begleitet wurden und fast ausnahmslos zu Straßburg erschienen, zeigen die Beliebtheit dieses Werkes. Die ca. 700 beschriebenen Pflanzen, darunter auch neu entdeckte Spezies, sind nach morphol. Gesichtspunkten geordnet. Dabei zeigt sich B.s gute Beobachtungsgabe und die Aufnahme von Volksglaube und volkstu¨ml. ¨ berlieferung. B.s Beschreibung der U regionalen Flora trug zur weiten Verbreitung seines Werkes bei; wiss. Verdienste liegen in der Beobachtung der Pflanzen und ihrer naturnahen BeM.-J. schreibung. Boerhaave, Herman (* 31. 12. 1668 Voorhut/Leiden, † 23. 9. 1738 Leiden). Unter den großen und beru¨hmten ¨ rzten des 18. Jh. war B. unzweifelhaft A der bedeutendste und wirkma¨chtigste. Er allein machte die med. Fak. der Univ. Leiden von 1701 bis 1738 zum Mekka der Heilkunst. Der Mann, der selbst nie einen ordentl. med. Studiengang durchlaufen hatte, wurde Lehrer Europas und Reformator der med. Ausbildung. Auf dem Ho¨hepunkt seines Wirkens ho¨rten zweitausend Studenten aus aller Welt seine 55
Boerhaave, Herman
Herman Boerhaave (1668–1738)
med., botan. und chem. Vorlesungen und genossen den von ihm paradigmat. zur Blu¨te gebrachten Unterricht am Krankenbett im St. Caeciliagasthuis. Mit dieser Frequenz Studierender lag Leiden doppelt bis dreifach so hoch wie die beru¨hmtesten Fak. der Zeit. B. verko¨rperte die Leidener Med. nicht, weil er drei von fu¨nf med. Lehrstu¨hlen innehatte, sondern weil er das unumstrittene Haupt einer Schule war, die die europ. Med. im Zeitalter der Aufkla¨rung beherrschte. Es ist oft versucht worden, B.s weitreichende und tiefgreifende Wirkung zu erkla¨ren. Seine Perso¨nlichkeit, seine hohen Qualita¨ten als Denker, Naturforscher, Arzt und Lehrer, seine Schu¨ler (! Linne´, ! van Swieten, de Haen, ! Haller, ! La Mettrie, Monroe, Gaub), seine wenigen und doch immer wieder aufgelegten, kommentierten und diskutierten Schriften erkla¨ren allein seinen außergewo¨hnl. Erfolg nicht. 56
Ein beru¨hmter Satz B.s lautet: „Die Erforschung der letzten metaphys. und der ersten physikal. Ursachen ist fu¨r einen Arzt weder no¨tig, noch nu¨tzlich, noch mo¨glich.“ Dieser Satz B.s ist ha¨ufig mißverstanden worden in dem Sinne, als bedeute er die Absage an die Metaphysik und Physik des ! Descartes; B. habe phil. und grundlagentheoret. Fragen als fu¨r die Med. bedeutungslos und scha¨dlich erkla¨rt. Doch ist das Gegenteil richtig. B. erkla¨rt die Frage nach den letzten metaphys. und ersten physikal. Ursachen nicht fu¨r irrelevant, sondern fu¨r gelo¨st und damit fu¨r erledigt, soweit es die Med. betrifft. Er akzeptiert in diesem Satz das cartesian. Weltmodell und damit das mechanist. Versta¨ndnis des Organismus als notwendige theoret. Voraussetzung fu¨r eine empir. Naturforschung. Die Annahme, daß der Ko¨rper „res extensa et motus“, d.h. ein Mechanismus sei, ist keine Hypothese, sondern ein evidentes Axiom fu¨r alle Naturerkla¨rung u¨berhaupt; dieses Axiom ist die notwendige Bedingung dafu¨r, daß der komplizierte Bau der Natur-Maschinen durch die Erfahrungswiss. erforscht werden kann. Weil die Himmelsmechanik Newtons die mechanist. Interpretation der Natur als richtig erwiesen hat, ko¨nnen die metaphys. und physikal. Grundfragen der Med. als erledigt erkla¨rt werden. Der Sieg des technomorphen Modells des Organismus ermo¨glicht die Physiol. und damit die Med. als Erfahrungswiss. B.s Wirkung besteht in dieser Lehre. Will man sie zusammenfassen, lassen sich vier Aussagen machen: 1. B. etabliert die Med. als neuzeitl. Erfahrungswiss., die sich meth. an der klass.
Bonhoeffer, Karl
Mechanik Newtons orientiert. 2. B. setzt das technomorphe Modell des Lebendigen als Grundmuster fu¨r alle theoret. Med. durch. 3. B. akzeptiert die meth. Trennung von Leib und Seele, ohne deren – unerkla¨rbaren – Zusammenhang zu leugnen, verweist den Arzt jedoch eindeutig an den Ko¨rper als das vorrangige Untersuchungs-, Erforschungs- und Behandlungsobjekt. 4. B. begru¨ndet das nach Gegensta¨nden, Inhalten und Abfolgen bis heute im Grundriß gu¨ltige Curriculum fu¨r die a¨rztl. Ausbildung und macht die Klinik endgu¨ltig und unwiderruflich zur Lehr- und Forschungssta¨tte des Arztes. Werk: Institutiones medicae, Leiden 1708; Aphorismi de cognoscendis et curandis morbis, ibid. 1709; Elementa chemiae, 2 Bd., ibid. 1732; Introductio in praxin clinicam, ibid. 1732; B.’s Orations. Translated with introductions and notes by KegelBrinkgreve, E. and Luyendijk-Elshout, A.M., ibid. 1983. Toe.
Bohn, Johannes (* 20. 7. 1640 Leipzig, † 19. 2. 1718 Leipzig). Geb. als Kaufmanssohn. 1658–63 Stud. in Leipzig und Jena, 1663–66 Studienreise, 1666 Ru¨ckkehr nach Leipzig, wo B. bis zu seinem Tod blieb. Med. Prom. 1666, Prof. fu¨r Anat. 1668, fu¨r prakt. Med. 1691, Dekan der Med. Fak. 1700–18. B. fu¨hrte als Anha¨nger einer mechanist. Physiol. bedeutende Exp. durch, z.B. zur Kla¨rung der Herz- und Milzfunktion, der Nierendurchblutung (Perfusion mittels Boylescher Luftpumpe) und der Zusammensetzung von Verdauungssa¨ften. Er relativierte die Bedeutung chem. Reaktionen in der Physiol. und bezweifelte das Vorhandensein einer Nervenflu¨ssigkeit.
B. korrespondierte mit den fu¨hrenden ital. Forschern (! Malpighi, ! Bellini) und schrieb unter dem Einfluß von Zacchias zwei große Werke u¨ber forensische Med. (1689, 1704). Werk: Exercitationes physiologicae XXVI, Leipzig 1668–77; Circulus anatomico-physiologicus, ibid. 1686; De renunciatione vulnerum, seu vulnerum lethalium examen, ibid. 1689; De officio medici duplici, clinici nimirum ac forensis, ibid. 1704. Bro¨.
Bonet, The´ophile (* 6. 3. 1620 Genf, † 29. 3. 1689 Genf). Arzt in Genf, 1656–66 Stadtarzt in Neuf-Chaˆtel und Leibarzt des Herzogs von Longueville. Seine zukunftsweisende Absicht der Reform der med. Praxis nach Erkenntnis durch „Erfahrung“ verwirklichte B. mit Kompendien a¨rztl. Beobachtungen und Ratschla¨ge (u.a. Mercurius compilatitius, 1682) und mit dem Sepulchretum anatomicum (1679), der ersten systemat. Zusammenstellung der bisherigen Ergebnisse der pathol. Anat. Er bezeichnete letztere als Fundament einer neuen Krankheitslehre und wies damit ! G.B. Morgagni den Weg zur Ku. klin.-anat. Methode. Bonhoeffer, Karl (* 31. 3. 1868 Neresheim, † 4. 12. 1948 Berlin). Nervenarzt., stud. 1887–92 Med. in Tu¨bingen, Berlin und Mu¨nchen. Als Ass. bei ! C. Wernicke 1897 in Breslau habil., o. Prof. in Ko¨nigsberg, Heidelberg, Breslau und ab 1912 in Berlin Leiter der psychiatr. und nervena¨rztl. Abt. der Charite´. Einer der fu¨hrenden Nervena¨rzte der Zeit. Nach Arbeiten u¨ber Alkoholismus und Aphasien leistete B., u.a durch Untersuchung der sog. „Kriegsneurosen“, Beitra¨ge zur 57
Bontekoe, Cornelis
Beschreibung der Psychosen als psychogene Erkrankungen. Zeitgesch. Bedeutung erlangte er zusammen mit seinem Ass. J. Zutt als Gutachter im Reichstagsbrandprozeß von 1933. Gr. Bontekoe, Cornelis (* 1647 Alkmaar/ Niederl., † 3. 1. 1685 Berlin). Stud. in Leiden, Prom. bei ! F. Sylvius, a¨rztl. Praxis in Alkmaar, Den Haag, Amsterdam und Hamburg, 1683 Leibarzt des Kurfu¨rsten in Berlin. Der „Teedoktor“ B. wendete das neue Getra¨nk als Allheilmittel an, daneben auch Kaffee und Tabak. Er verband als Anha¨nger ! Descartes’ und Sylvius’ iatrophysikal. mit chemiatrischen Vorstellungen. Werk: Tractaat over het excellente Kruyd Thee, ’s Gravenhage 1678; Alle de [...] worken, 2 Bd., Amsterdam 1689; Grund-Sa¨tze der Medicin, Frankfurt u. Leipzig 1691; Oeconomia animalis, Bremen 1692. Bro¨.
Bordeu, The´ophile de (* 22. 2. 1722 Izeste, † 23. 11. 1776 Paris). Zusammen mit seinem Schu¨ler ! P. J. Barthez hat B. den frz. Vitalismus begru¨ndet. Seine med. Karriere begann nach Stud. in Montpellier und Paris 1749 mit einer Anstellung als Leiter der Pyrena¨enba¨der. Seit 1752 lebte und lehrte er wieder in Paris. B.s med. Konzept gru¨ndete auf der Annahme, daß die aufeinander angewiesenen Organe des Ko¨rpers vom Dreigestirn des Lebens (Tripodium vitae: Magen, Herz, Gehirn) regiert wu¨rden. Nerven und Dru¨sen koordinierten durch das Blut die unterschiedl. Funktionen des Ko¨rpers, besonders dessen Sekretion. Jeder Teil des Organismus besitze eine vita propria, das Gehirn ebenso viele Areale wie der Ko¨rper Organe. Jedes Organ produ58
ziere wie in einem Laboratorium eine ihm typische Substanz und sezerniere diese ins Blut, wodurch schließlich dessen Charakter maßgeblich gepra¨gt wu¨rde. Werk: Chylificationis historia, Montpellier 1742; De sensu generice consideratio, ibid. 1742; Recherches anatomiques sur les diffe´rentes positions des glandes, Paris 1767; Recherches sur les maladies chroniques, ibid. 1775; Analyse me´dicinale du sang, 2. T. d. Recherches sur les Maladies Chroniques, ibid. 1775; Recherches sur le tissu muqueux, ibid. 1775; Oevres Comple`tes, Bd. 1, ibid. 1818. Eck.
Borelli, Giovanni Alfonso (* 28. 1. 1608 Neapel, † 31. 12. 1679 Rom). In Neapel geb., war er als Math.-prof. in Messina (1639–56), in Pisa (1656– 67) und wieder in Messina (1667– 72) ta¨tig. Aus polit. Gru¨nden verbannt, suchte er Zuflucht in Rom, wo er starb. B.s außerordentlich weiter Ta¨tigkeitsbereich erstreckte sich auf Astronomie, Epidemiol., Math., Physik und Physiol. Er war Galileianer, Schu¨ler von T. Campanella und B. Castelli; als Physiol. vertrat er die Iatromechanik, als Physiker eine math. Theorie, die auf der Korpuskel¨ bernatur der Materie und auf der U einstimmung von Bewegung und Leben gru¨ndete. Werk: De motu animalium, Rom 1680–81. Tre.
Borgognoni, Tedorico (* ca. 1205 Parma oder Lucca, † 1298 Bologna). Bischof und Chir., Sohn von Ugo de Luca Borgognoni, ein Pionier der ital. Chir. Um 1226–30 Beitritt zum Dominikanerorden. 1262 Bischof von Bitonto, 1270 Bischof von Cervia, residierte aber sta¨ndig in Bologna, wo
Boveri, Theodor
er unterrichtete und als Chir. praktizierte. B. kam durch den Einfluß seines Vaters zur Chir., in deren Ausu¨bung er gema¨ß der Aussagen der Zeitgenossen großes Geschick bewies. Sein Hauptwerk ist Cyrurgia seu filia principis (1266/67). In diesem Traktat greift B. die Hauptlehren seines Vaters auf und fu¨gt Erfahrungen aus seiner Praxis hinzu, wie z.B. die Verbesserung der „Schlafschwa¨mme“, die vor bestimmten Eingriffen als Narkosemittel angewendet wurden, und v.a. die Infragestellung der antiken Praxis der Wundbehandlung gema¨ß pus bonum et laudabile. Die von B. vorgeschlagene, Eiterbildung vermeidende Behandlung wurde vom frz. Chir. ! Guy de Chauliac kritisiert. Die doppelte Karriere B.s als Mann der Kirche und als Chir. muß erstaunen, da Papst Innozenz IV., der sein Beichtvater war, im Jahre 1215 Angeho¨rigen des Klerus die Ausu¨bung der Heilkunde Ra. verboten hatte. Borst, Maximilian (* 19. 11. 1869 Wu¨rzburg, † 19. 10. 1946 Murnau). Dt. Pathologe; Stud. der Medizin in Wu¨rzburg u. Mu¨nchen, Habil. 1897 Wu¨rzburg, 1904 o.Prof. Med. Akad. Ko¨ln, 1905 Go¨ttingen, 1906 Wu¨rzburg, 1910 Mu¨nchen. B. geho¨rte zu den renom. dt. Pathologen in der 1. Hlfte. d. 20.Jh. Im 1. WK organisierte er in Bayern die „Kriegspathologie“. B. bescha¨ftigte sich mit Fragen der allg. Pathol., bes. aber mit dem Krebsproblem und stellte die Vera¨nderung des Zellcharakters als wesentl. Ursache des Krebses heraus. In den 30er Jahren geho¨rte B. zu den internat. anerkannten Krebsexperten. Im 2. WK war er beratender Pathologe der Wehrmacht. B. blieb strenger Morphologe u. es ge-
lang ihm nicht, den Umschwung zur physiolog. Medizin des 20. Jh. mitzuvollziehen. Werk: Die Lehre von den Geschwu¨lsten, 2 Bde, Wiesbaden 1902. Pr.
Botallo, Leonardo (* ca. 1519 Asti, † ca. 1587 Chenonceaux oder Blois). Med. Prom. in Pavia, spa¨testens seit 1544 Milita¨rchir. bei den frz. Truppen in Italien, dann Leibarzt der frz. Ko¨nige in Paris. Nach B. wurden das Foramen ovale des Herzens und der Ductus arteriosus benannt. Beide Strukturen waren schon ! Galen bekannt. B. beschrieb lediglich 1564 im Anhang von De catarrho ein persistierendes Foramen ovale, ohne dessen Funktion beim Fo¨tus zu erkennen. Er hielt das Foramen fu¨r die gesuchte Passage des Blutes vom rechten ins linke Herz. In der gleichen Schrift illustrierte er als erster ausfu¨hrlich eine Hufeisenniere und beschrieb die allerg. Rhinitis (Heuschnupfen). B. glaubte an den u¨berragenden therap. Wert des Aderlasses. Als Chir. trat er wie ! Pare´ fu¨r eine milde Behandlung von Schußwunden ein. Werk: De curandis vulneribus sclopettorum, Lyon 1560 (dt.: Nu¨rnberg 1676); De catarrho commentarius, Paris 1564. Bro¨.
Boveri, Theodor (* 12. 10. 1862 Bamberg, † 15. 10. 1915 Wu¨rzburg). Stud. der Med. u. Zool. mit Schwerpunkt vergl. Anat. in Mu¨nchen. 1885 Prom. an der Mu¨nchner Phil.-Naturwiss. Fak. mit einer Arbeit u¨ber Beitra¨ge zur Kenntnis der Nervenphasern. 1886-1891 Lamont-Stipendium mit freier Forschung am Zool. Inst. in Mu¨nchen. In dieser Zeit auch etliche Studienaufenhalte an der Zool. Sta59
Bovet, Daniel
tion Neapel. 1887 Habil. f. Zool. und Vergl. Anat. 1891-1893 Ass. am Zool. Inst. der Univ. Mu¨nchen bei R. Hertwig. 1893 o. Prof. fu¨r Zool. u. vergl. Anat. in Wu¨rzburg. V.a. Arbeiten im Schnittfeld von Zellenlehre, Entwicklungsgesch. u. Genetik. Besondere Bedeutung haben Arbeiten zur Chromosomenindividualita¨t und -anomalie, Befruchtung, Vererbung und Zytogenetik sowie zu entwicklungsgeschichtl. Fragen von Gamenten und embryonaler Differenzierung. Werk: Zellenstudien I-VI, Jena 1887-1907; Das Problem der Befruchtung, Jena 1902; Zur Frage der Entstehung maligner Tumoren, Jena 1914. Pl.
Bovet, Daniel (* 23. 3. 1907 Neuchaˆtel, † 1992 Rom). Nach der Prom. in Med. arbeitete B. von 1926–46 am Pasteur-Institut in Paris. Danach gru¨ndet er in Rom am Instituto Superiore di Sanita` ein Zentrum fu¨r therap. Chemie, das er 1964 verla¨ßt, um sich der Lehre zu widmen, zuna¨chst an der Univ. von Sassari, spa¨ter an der Univ. von Rom. Unter Leitung von E. Fourneau und in Zusammenarbeit mit F. Nitti und J. und T. Trefouel entdeckt B. die antibakteriellen Eigenschaften der Sulfone. Die Entdeckung des farblosen Sulfonamids durch die Arbeitsgruppe am Pasteur-Instit. beendete das chemotherapeut. Monopol der Bayer-Gruppe, denn die in Paris verwendete chem. Verbindung, deren Formel seit langem bekannt war, konnte nicht durch ein Patent geschu¨tzt werden. Fu¨r seine nachfolgenden Arbeiten u¨ber Antiallergika und synthet. curarea¨hnliche Substanzen erhielt B. 1957 den Nobelpreis fu¨r Med. 60
Werk: Autobiographie, in: Scienziati e tecnologi contemporanei, Mailand 1975; Une chimie qui gue´rit, Paris 1990. Fa.
Braid, James (* 1795 Fifeshire/Schottland, † 25. 3. 1860 Manchester). Med.stud. in Edinburgh um 1820, zuna¨chst Praxis in den Bergwerken bei Lanarkshire (Schottland); spa¨ter Niederlassung als Chir. in Manchester. Spezialist fu¨r chir. Orthop. und Operation der Augenmuskulatur. Am 13. Nov. 1841 Teilnahme an „magnet. Sitzung“. Exp. Untersuchung des magnet. Schlafs; Entdeckung der Augenfixationsmeth. B. fu¨hrte die Auslo¨sung des „nervous sleep“, fu¨r die er erstmals den Begriff „hypnosis“ (Hypnose) gebrauchte, auf die innere Konzentration der Versuchsperson zuru¨ck. Breite therap. Anwendung der Hypnose; Technik der Autohypnose. „Braidismus“ beeinflußte frz. Hypnoseschulen und wurde in Deutschland von W. Th. Preyer wiederentdeckt. Werk: Neurypnology, London 1843. Lit.: Gould, A., A history of hypnotisme, Cambridge 1992. Schr.
Brandt, Karl (* 8. 1. 1904 Mu¨hlhausen/ Elsaß, † 2. 6. 1948 Landsberg/Lech). B. stud. 1922–29 in Jena, Freiburg und Berlin Med. Als Ass.-arzt am Krkh. „Bergmannsheil“, Bochum, im Ma¨rz 1932 der NSDAP und SA beigetreten, kam B. im April 1933 durch einen Zufall mit Hitler in Kontakt und wurde im Fru¨hjahr 1934 dessen 1. Begleitarzt. 1933 mit seinem Lehrer Georg Magnus an das Chir. Univ.-Klinikum nach Berlin u¨bersiedelt (hier Sept. 1940 Hon.-Prof. fu¨r Chir.), wechselte er 1934 zur SS, in der er schnell zu hohen Ra¨ngen aufstieg (April 1944
Breuer, Joseph
Gruppenfu¨hrer und Generalleutnant der Waffen-SS). B. wurde 1939 mit der Organisation der Patientento¨tungsaktion (Aktion T 4) beauftragt. Er erlangte im Juli 1942 als „Generalkommissar des Fu¨hrers fu¨r das Sanita¨ts- und Gesundheitswesen“ in Konkurrenz zu ! Conti die zentrale Machtstellung in der Gestaltung des dt. Gesundheitswesens (u.a. zentrale Koordination der Menschenversuche in KZs, Bau von Notkrankenha¨usern, „Bettenaktion Brandt“). Sept. 1943 zentraler Leiter des gesamten med. Vorrats- und Versorgungswesens und Koordinator der med. Forschung. August 1944 als „Reichsbeauftragter fu¨r das Sanita¨ts- und Gesundheitswesen“ Hitler unmittelbar unterstellt und oberste Reichsbeho¨rde. Nach Intrigen von M. Bormann Okt. 1944 als Hitlers Leibarzt entlassen, Ma¨rz 1945 verhaftet und zum Tod verurteilt, Vollstreckung durch H. Himmler aber hinausgezo¨gert. Wurde im Nu¨rn¨ rzteprozeß angeklagt, im Auberger A gust 1947 zum Tod verurteilt und in Hu. Landsberg/Lech hingerichtet. Bretonneau, Pierre Fide`le (* 3. 4. 1778 St.-Georges-sur-Cher, † 18. 2. 1862 Passy). Der bedeutendste Vertreter der Pariser Schule der Klin. Med. in der frz. Provinz. Krankheitsspezifita¨t und Kontagiosita¨t kennzeichneten seine Auffassungen. B. meinte, daß man Entzu¨ndungen nicht nur im Hinblick auf den Gewebetypus (! Bichat), sondern auch im Hinblick auf spezif. Ursachen unterscheiden ko¨nne. Hieraus ergab sich sein Bemu¨hen um eine spezif. Behandlung, ein besseres Versta¨ndnis
der Ansteckung sowie der spezif. Immunita¨t. Von dieser Grundauffassung hat sich B. bes. bei der Beschreibung des typhoiden Fiebers (Dothie´nente´rie) und der Diphtherie leiten lassen, die Tours zwischen 1816 und 1821 heimsuchten. Beide definierte er als Erkrankungen kontagio¨sen Ursprungs. Bei der Diphtherie setzte er erfolgreich die Tracheotomie ein. Nach dem Stud. an der Pariser E´cole de Sante´ (1798–1801) arbeitete er zuna¨chst als officier de sante´ in Chenonceaux und wurde 1815 (-1838) Dir. des Krkh. in Tours. Werk: Des inflammations spe´ciales du tissu muqueux et en particulier de la diphthe´rie, Paris 1826; Dubreuil-Chambardel, L. (Hg.), Traite´s de la dothine´nte´rie et de la spe´cifite´, ibid. 1922 (posthum). Eck.
Breuer, Joseph (* 15. 1. 1842 Wien, † 20. 6. 1925 Wien). Sohn einer ju¨d. Familie. Der Vater hatte sich aus bescheidenen Verha¨ltnissen zum Religionslehrer der ju¨d. Kultusgemeinde hochgearbeitet. Nach dem Abschluß des Gymnasiums konnte sich B., auf Anraten seines Vaters, ein Jahr lang der Allgemeinbildung widmen. Anschließend stud. er in Wien Med. Die Arbeiten im Labor von ! E. v. Bru¨cke beeindruckten ihn sehr und wurden zur Basis seiner physiol. Interessen. Nach seiner Prom. 1867 wurde er Ass. des Internisten Johann v. Oppolzer. Besonders stark faszinierten B. einige Auffa¨lligkeiten der Atmung. Seine Beobachtungen teilte er dem Physiol. Hering mit, der mit B. gemeinsam Untersuchungen begann. Das Ergebnis war die Entdekkung der Steuerung der Atmung u¨ber den Nervus Vagus. 1868 habil. er sich. 61
Broca, Pierre Paul
Nach dem Tod Oppolzers ero¨ffnete B. eine Privatpraxis, die von vielen Beru¨hmtheiten, wie Marie v. EbnerEschenbach, E. v. Bru¨cke oder ! Th. Billroth besucht wurde. Daru¨ber hinaus fu¨hrte er seine physiol. Forschungen bei Bru¨cke weiter. Das Angebot ! Billroths, wieder an der Univ. zu arbeiten, schlug er aus. Er widmete sich der Erforschung der Funktion der Bogenga¨nge und erkannte ihre Bedeutung fu¨r den Gleichgewichtssinn. Im Lab. Bru¨ckes lernte er auch den damals noch stud. ! Sigmund Freud kennen. Es entstand eine lange Freundschaft und gute Zusammenarbeit. B. gab Freud wichtige Denkansto¨ße fu¨r die Entwicklung der Psychoanalyse. B. hatte bei der Behandlung einer hyster. Patientin Hypnose als Therapie eingesetzt. Er bemerkte, daß psychosomat. Sto¨rungen verschwanden, wenn das auslo¨sende Erlebnis in der Hypnose nochmals erlebt und abreagiert werden konnte. Daraus entwickelte er die Meth. der Katharsis. Seine Beobachtungen teilte er Freud mit, der diesen Ansatz weiterverfolgte. Gemeinsam vero¨ffentlichten sie die Studien zur Hysterie. Da ihm die Schicksale der betroffenen Menschen zu nahe gingen, wollte er sich nicht mehr mit der Psychotherapie befassen und schickte diese Patienten zu Freud. Er selbst blieb lieber weiterhin praktischer Arzt. ¨ ber die Funktion der Bogenga¨nge Werk: U des Ohrlabyrinths, 1874; Studien u¨ber die Hysterie, 1895; Curriculum vitae fu¨r die Wiener Akademie der Wissenschaften, Wien 1923. Ho.
Broca, Pierre Paul (* 28. 6. 1824 Sainte Foy-la-Grande, † 8. 7. 1890 Paris). Sohn eines hugenott. Arztes und einer Pastorentochter. Nachdem er ein Jahr 62
lang als Math.lehrer ta¨tig gewesen war, begann er 1841 das Med.stud. in Paris, das er als brillanter Student in außerordentl. kurzer Zeit 1849 mit der Prom. abschloß. Seine steile berufl. Laufbahn fand seit 1853 ihre ¨ bertragung Fortsetzung in der U versch. Lehrstu¨hle an der med. Fak. von Paris sowie in der Ta¨tigkeit als Chir. an den renommierten Hospita¨lern der Hauptstadt. Neben der Aufnahme in die Acade´mie de Me´decine 1866 und der in seinem Todesjahr erfolgten Wahl als Vertreter der Union Re´publicaine zum Senator auf Lebenszeit wurden ihm weitere zahlreiche Ehrenbezeugungen zuteil. Die Schwerpunkte des produktiven Forschers lagen auf zwei Arbeitsfeldern: der Med. und der Anthropol. Mit dem Namen B.s, der zur chir. Behandlung von Hernien und zur Erforschung von Tumoren bedeutende Beitra¨ge geleistet hat, verbinden sich heute v.a. seine Gehirnforschungen. Durch die Entdeckung des motorischen Sprachzentrums verhalf er der Lokalisationstheorie zum Durchbruch, die bestimmten Teilen der Hirnrinde jeweils spezif. Funktionen zuordnet. Seinem Interesse fu¨r das menschl. Gehirn folgte B. ebenfalls in seinen anthropol. Studien. Dagegen spielten die ethnol. und linguist. Recherchen eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt seiner Forschungen stand die Entwicklung standardisierter Meth. und techn. Instrumente zur Vermessung von Scha¨deln, derer sich spa¨tere Rassentheoretiker bedienen sollten. Trotz der skept. Haltung von Kirche und Regierung, die B.s positivist. Arbeiten mit Mißtrauen begegneten, gelang es ihm, die Socie´te´ d’Anthropolo-
Broussais, Franc¸ois Josef Victor
zu Gelenkerkrankungen (Diseases of the Joints, 1818) einflußreich. Daneben kam er als Physiologe zu wichtigen Erkenntnissen. So erkannte er, daß die Atmung nicht als solche fu¨r die Produktion tierischer Wa¨rme verantwortlich ist. Werk: Hawkin, C. (Hg.), The Works of Sir B.C.B., 8 Bd., London 1865. Gr.
Paul Broca (1824–1890)
gie (1859), die Revue d’Anthropologie (1872) sowie die Ecole d’Anthropologie (1876) mitzubegru¨nden. Dieser Pionierleistung verdankt die Anthropol. in Frankreich ihre Institutionalisierung und Etablierung als Wiss. Loe.
Brodie, Benjamin Collins (* 8. 6. 1783 London, † 21. 10. 1862 Torquay). B. begann mit 18 Jahren ein Med.stud. in London, wurde ab 1805 Chir. am St. Georges Hospital, im selben Jahr Mitglied am Royal College of Surgeons. 1808 Ass. Surgeon und Aufnahme der Lehrta¨tigkeit. 1819 Prof. fu¨r vergl. Anat., 1928 Leibchirurg Georgs IV., 1834 geadelt, 1844 Pra¨sident des Royal College of Surgeons. B. war eine zentrale Figur des med. Establishments seiner Zeit. Fu¨r die Chir. waren vor allem seine Arbeiten
Brodmann, Korbinian (* 17. 11. 1868 Liggersdorf/Hohenzollern, † 22. 8. 1918 Mu¨nchen). Stud. in Mu¨nchen, Wu¨rzburg und Berlin, 1895 med. Appr. in Freiburg. Bei ! Vogt in der Nervenheilanstalt Alexanderbad Entscheidung fu¨r die Neurol. Nach psychol. Studien und pathol.-anat. Arbeit zu ! Binswanger nach Jena, dann an die Frankfurter Irrenanstalt. 1901 Berufung an das Neuro-biol. Lab. in Berlin und Redaktion des Journal fu¨r Psychologie und Neurologie. Berliner Med. Fak. weist die Habil.schrift B.s zuru¨ck. 1910 ao. Prof. in Tu¨bingen, 1916 Prosektor in der Irrenanstalt Nietleben bei Halle, 1918 Ruf an die neugegr. Forschungsanstalt fu¨r Psychiatrie in Mu¨nchen. Hervorragender Vertreter der vergleich. Zytoarchitektonik der Großhirnrinde. Werk: Vergleichende Lokalisationslehre der Großhirnrinde, Leipzig 1909 (repr.: Leipzig 1985, mit Nachw. u. Lit.ver-zeichn. v. Winkelmann, E. u. Seidel, K.). Kst.
Broussais, Franc¸ois Josef Victor (* 17. 2. 1772 bei St.-Malo, † 18. 11. 1838 Paris). B. stud. zuna¨chst am Hoˆtel Dieu in St.Malo und an der E´cole de Chirurgie Navale in Brest. Als Schiffschirurg schuf er sich die materiellen Voraus63
Broussais, Franc¸ois Josef Victor
setzungen fu¨r sein abschließendes Stud. in Paris, wo er 1802 prom. wurde. Nach anfa¨nglicher Dienstzeit im Service de Sante´ Militaire war er seit 1814 als Prof. am Val de Graˆce ta¨tig; 1831 wurde B. zum Prof. der Allg. Pathol. an der Pariser Univ. berufen. Seine Bedeutung und Bekanntheit beruht v.a. auf der Zugeho¨rigkeit zur Fu¨hrungsgruppe der Pariser Schule der Klin. Med. B. war in dieser Gruppe Protagonist der neuen, organbezogenen, lokalist. La¨sionslehre (toutes les maladies sont locales); zum anderen propagierte er die sog. physiol. Doktrin, die sich wesentlich auf den therap. Blutentzug stu¨tzte. Als Anha¨nger des ! Brownianismus verstand B. die meisten chron. Krankheiten als Folgeerscheinungen von Irritationen, Reizungen und Entzu¨ndungen des Magen-Darm-Traktes (Gastro-Ente´rite). Diese mu¨sse man durch Dia¨t, schlei-
Franc¸ois Josef Victor Broussais (1772–1838) 64
mige Arzneitra¨nke (Ptisane), besonders aber durch Blutegel heilen. Entscheidend fu¨r einen der Hauptaspekte der Therapie B.s, die exzessive Blutentleerung, ist der Umstand, daß B. selbst vera¨ndernd in das System Browns eingriff. Anders als bei Brown wird bei B. fast jede Erregungssto¨rung als gesteigerte Reaktionsbereitschaft des Organismus, der Einzelorgane und damit als sthenischer Zustand erkla¨rt. Alles ist Reizung, Irritation; diese geht zwar immer von einem bestimmten Ort aus – bei B. meist vom Gastrointestinaltrakt – teilt sich aber durch Sympathie auch anderen Organen und schließlich dem ganzen Organismus mit. Die Schlußfolgerung: Jede Therapie muß in erster Linie entzu¨ndungshemmend, abschwa¨chend, ma¨ßigend sein. Damit ru¨ckt die entleerende Therapie u¨berma¨chtig in den Vordergrund, freilich nicht mehr als reinigende, sondern eben als antiphlogist. Therapie. Die Popularita¨t seiner Meth. kann an der Zahl der nach Frankreich importierten Blutegel gemessen werden. Allein 1827 waren es 33 Millionen, die an den Franzosen Tag und Nacht saugten. In einer Sitzung wurden zwischen 20 und 50 Blutegel angesetzt. Durch seine eigenwillige Theorie und Praxis hat B., ohne sich dessen bewußt zu sein, dem ontol. Krankheitsbegriff ein pathophysiol. Konzept gegenu¨bergestellt. Werk: Histoire des phle´gmasies ou inflammations chroniques, Paris 1808; Examen de la doctrine me´dicale ge´ne´ralement adopte´e et des syste`mes modernes de nosologie, 4 Bd., ibid. 1816–34; Traite´ de physiologie applique´ a` la pathologie, ibid. 1822; Cate´chisme de la me´decine physiologique, ibid. 1824. Eck.
Brown, John
Brown, John (* 1735/1736 Preston oder Lintlaws, Buncle/Berwickshire, Schott, † 7. 10. 1788 London). Die Bekanntheit seiner Vita du¨rfte auf die Wirksamkeit des „moral portrait“ seines ersten Biographen Thomas Beddoes (The Elements of Medicine of John Brown [...] with a Biographical Preface, London 1795) zuru¨ckzufu¨hren sein, das dieser explizit ohne Kenntnis von Daten entworfen hat. Von B. selbst ist wenig bekannt. Sicher ist, daß ein Joannes Bruno als Verfasser der Elementa Medicinae (Edinburgh 1780) firmiert, der auch deren 2. Aufl. (1784) – erweitert um die ‘asthenischen’ Krankheiten und unter betra¨chtl. Vera¨nderungen, insbesondere der Umschreibung der Praefatio – herausbrachte, und daß das Titelblatt der um Anmerkungen vermehrten Elements of Medicine (London 1788) die Autorschaft B.s implizit reklamiert. Auch war ein J.B. fu¨r die Chemie-Vorl. ! Cullens 1762–63, vielleicht auch 1763–64, eingeschrieben. Ein Joannes Bruno wurde in Leiden im Sept. 1776 immatrikuliert und ein John Brown war Pra¨sident der student. Royal Medical Society Edinburgh’s 1773–74, 1776–77 und 1779– 80; in St. Andrews schließlich wurde am 21. 9. 1779 ein J.B. durch Examen zum M.D. prom., was die vergebliche Suche nach einer Diss. B.s erkla¨ren ko¨nnte. 1785 soll B. in E. Mitbegr. der Freimaurerloge The Roman Eagle gewesen sein; evtl. auch Mitglied der Society of Scottish Antiquaries. Alles Weitere bleibt der Fabel des ersten Biographen verhaftet, dessen Ansinnen die Illustration der die Person bzw. Lehre B.s auszeichnenden Hybris ist. Diese zeige sich in der jugendl. Konversion von einer presbyterian.
John Brown (1735/36–1788)
Sekte, den Seceders, zur Church of Scotland aus gekra¨nktem Stolz, im Aufku¨ndigen seiner Hauslehrerstelle, in seiner Undankbarkeit Cullen gegenu¨ber, im Abbruch des Theol.stud. aus gemutmaßter atheist. Gesinnung wie in der Obskurita¨t seiner med. Studien, in der Ungeregeltheit seiner Lebensfu¨hrung (der Exzeß von Alkoholund Laudanumkonsum habe seinen finanziellen und phys. Ruin – Schuldgefa¨ngnis und Tod – herbeigefu¨hrt), die die seiner Lehre widerspiegele. Laut der biographischen Neuinszenierung der praefatio 1784 habe er die eigene Gicht nicht als durch den Exzeß verursacht, sondern durch ihn behandelt gesehen. Die spa¨teren angelsa¨chs. Biographen bezogen Position durch Umwertung dieser Vorgaben – die Laufbahn des ‘armen Webersohns’ dient ! William Cullen B. 1804 als Exempel der sozio65
Brown-Se´quard, Charles Edouard
polit. und akad. Unterdru¨ckung – oder durch deren anekdotische Ausschmu¨ckung. Fa¨lschlich wird seine Wirkung auf die nordital. habsburg. Provinzen (Moscati, Frank u.a.) sowie den dt.-sprach. Raum seit Girtanner (! Weikard, Pfaff bis hin zu ! Ro¨schlaub und Schelling) reduziert, seine Lehre auf die Opposition von asthenischen und sthenischen (= phlogistischen) Krankheiten verku¨rzt, die aus derselben ko¨rperl. Eigenschaft in ihrer Relation zur Umwelt, der Erreg¨ bers. der engl. excitability, barkeit (U ihrerseits die der lat. incitabilitas), hervorgingen, was eine Simplizita¨t der Behandlungsarten durch Zufuhr oder Entzug von Stimuli ermo¨gliche. Diese Verku¨rzung ist gleichzeitig sinnentstellend, indem sie in B.s Lehre ¨ berho¨hung der eine willkommene U Irritabilita¨t ! Hallers ins Metaphys. kolportiert; und dies, obwohl die neuen Anha¨nger der irritability trotz der ¨ hnlichkeit ihrer Konscheinbaren A struktion mit der B.schen die unmittelbaren Gegner der excitability gewesen sein du¨rften, zumal die incitabilitas ausdru¨cklich gegen das Modell einer Lebenskraft (vis insita, cf. Elementa 1784, I, § 326 f.) gerichtet war. Hierbei ist die durch B.s Ablehnung der Nosologie – begriffen als auf der bloß formalen Differenz der Symptome beruhendes System von Klassifizierungen (vgl. die praefatio 1780, die den Schlu¨ssel zur Auseinandersetzung mit Cullen liefert) – und durch sein begleitendes Postulieren einer neuen Eigenschaft der Materie, die in rein mechan. Weise ihre Belebtheit erkla¨ren sollte, hervorgerufene Bestu¨rzung in Großbritannien verdeckt worden und das Problem der Einordnung des Werkes in die aufkei66
mende Auseinandersetzung um den Newtonianismus in Vergessenheit geraten. Dies hat sich in dem Bedu¨rfnis der Publ. von exeget. Werken niedergeschlagen, die B.s Werk unter terminol. Umformung fu¨r die verschiedenen Parteien zu vereinnahmen suchten und die, ob signiert (Jones, Robert, An Inquiry into the State of Medicine, on the Principles of Inductive Philosophy, E. 1781) oder anonym (Observations on the Principles of the Old System of Physic [...] by a Gentleman conversant in the Subject, E. 1787) erschienen, letztlich dem „author of the original work“ zugeschrieN.-D. ben wurden. Brown-Se´quard, Charles Edouard (* 8. 4. 1817 Port-Louis, † 2. 4. 1894 Paris). Nach der med. Prom. 1846 in Paris wurde B.-S. von Pierre Rayer protegiert und arbeitete im Hoˆpital de la Charite´. Nach Abschluß seiner Studien reiste er, praktizierte als Arzt in den USA und kehrte 1855 nach Paris zuru¨ck. Als Arzt am National Hospital lebte er von 1860–63 in London. 1861 wurde er in die Royal Society aufgenommen. Seiner Profession mu¨de, verließ er London zuna¨chst in Richtung Paris, danach nach Boston, wo er an der Harvard Medical School Physiol. und Pathol. lehrte (1864– 67). Nach einem weiteren Jahr in Paris, wo er vergleichende und exp. Pathol. unterrichtete (1869), reiste B. durch Amerika, England, Frankreich und die Schweiz (Genf). Nach dem Tod ! C. Bernards wurde er 1878 Prof. am Colle`ge de France. B.-S.s Hauptentdeckung war die Kreuzung der Nervenbahnen. 1849 konnte er nachweisen, daß eine halb-
Bru¨cke, Ernst Wilhelm von
seitige Durchtrennung des Ru¨ckenmarks spast. La¨hmungen, eine Hypera¨sthesie der korrespondierenden Seite und eine Herabsetzung der Empfindung auf der Gegenseite unterhalb des Schnittes hervorruft. Diese Entdeckung wurde durch klin. Beobachtungen besta¨tigt und erwies sich als u¨beraus nu¨tzlich fu¨r die Diagnose von neurol. Verletzungen, insbes. bei Ru¨ckenmarkstumoren. 1852 wies B.-S. die Existenz der Vasokonstriktoren nach. Indem er eine Reizung des Sympathikus vornahm, konnte er die Existenz der sog. vaso-motorischen Nerven nachweisen, die fu¨r die lokale Blutversorgung verantwortlich sind. Andere wichtige Untersuchungen B.S.s betreffen die ku¨nstl. Auslo¨sung von epilept. Anfa¨llen durch Schnitte im Nervensystem (1856). 1862 zeigte er, daß die Durchtrennung des Vagus eine Erweiterung der Herzkranzgefa¨ße zur Folge hat. Er war Gegner der Theorie von der zerebralen Lokalisation, und er erarbeitete ein Konzept der nervalen Inhibition durch die u¨bergeordneten Nervenzentren. B. war ein Pionier der Endokrinol. 1856 zeigte er im Tierexperiment, daß die Entfernung der Nebennieren durchweg zum Tod der Tiere fu¨hrte, konnte aber das ¨ berleben der Tiere durch BluttransU fusionen sichern. Sein bedeutendster wiss. Beitrag auf dem Gebiet der Endokrinol. besteht in der Theorie, daß die Zellen u¨ber eine innere Sekretion miteinander verbunden sind, wobei es sich um einen vom Nervensystem ga¨nzlich verschiedenen Mechanismus handeln muß. Werk: Autobiogr. in den Bemerkungen u¨ber die wiss. Arbeiten von BrownSe´quard, Paris 1883. Fa.
Bruce, (Sir) David (* 29. 5. 1855 Melbourne, † 27. 11. 1931 London). B. diente von 1884–89 als brit. Sani¨ gypten und auf Malta, ta¨tsoffizier in A wo er 1887 den Erreger (Micorococcus bzw. Brucella melitensis) und 1905 die ¨ tiol. des Maltafiebers (Febris unduA lans melitensis) entdeckte. In Zululand (Su¨dafrika) fand er den nach ihm benannten Erreger der Viehseuche Nagana (Tsetse-Krankheit der Pferde und Rinder), das Trypanosoma brucei. Seine dritte Entdeckung, die ¨ tiol. der Schlafkrankheit (The der A presence of trypanosoma in sleeping sickness), mußte er sich nach heftiger wiss. Kontroverse 1903 mit Aldo CaEck. stellani teilen. Bru¨cke, Ernst Wilhelm von (* 6. 6. 1819 Berlin, † 7. 1. 1892 Wien). Der Physiol. B., Sohn eines Malers, stud. ab 1838 Med. in Berlin und Heidelberg. 1842 Prom. in Berlin bei ! Joh. Mu¨ller, dessen Ass. B. 1843 wurde; nach Privatdozentur 1844 (ebd.) 1848 ao. Prof. in Ko¨nigsberg und 1849 o. Prof. in Wien. Zusammen mit ! E. Du Bois-Reymond, ! H. v. Helmholtz und ! C. Ludwig war B. Protagonist der sog. ‘organischen Physik’ von 1847, die gegen den Vitalismus die Begru¨ndung der Physiol. auf naturwiss., physikochem. Grundlage betrieb. Du BoisReymond u¨ber das gegen die romantische Physiol. Gerichtete und dezidiert Antimetaphysische dieser Gruppe: „Bru¨cke und ich, wir haben uns verschworen, die Wahrheit geltend zu machen, daß im Organismus keine anderen Kra¨fte wirksam sind als die gemein physikalisch-chemischen; ...“. B. begann mit Arbeiten zur Physikochemie osmot. Prozesse (De diffusione 67
Brunfels, Otto
Der a¨sthet. interessierte und gebildete B., der auch u¨ber Dichtung und Bildende Kunst publizierte (Bruchstu¨cke aus der Theorie der bildenden Ku¨nste, 1877), erhielt zahllose Orden und Auszeichungen, so die Erhebung in den erbl. Adel und den pr. Orden Pour le me´rite. Werk: Neue Methode der phonetischen Transcription, 1863; Die physiologischen Grundlagen der neuhochdeutschen Verskunst, 1871; Vorlesungen u¨ber Physiologie, 2 Bd., Wien 1873/74. Gr.
Ernst Wilhelm von Bru¨cke (1819–1892)
humorum per septa mortua et viva, 1842). Seine Anat. Beschreibung des menschlichen Augapfels (1847) war Voraussetzung fu¨r Helmholtz’ Ophthalmoskop. In seiner Wiener Zeit wandte sich B. u.a. der Physiol. des Sprechens zu (Grundzu¨ge der Physiologie und Systematik der Sprachlaute, 1856), arbeitete in diesem Zusammenhang auch u¨ber phonet. Transkription sowie physiol. Grundlagen von Lyrik. Alle Interessengebiete des u¨beraus vielseitigen B. sind kaum aufzulisten. So kla¨rte er die Farbwechsel des Chama¨leons und arbeitete zur Blutgerinnung. Im Anschluß an Max Schulzes Lehre des Protoplasmas als wesentl. Bestandteil der Zelle konnte B. a¨ltere mechanist. Vorstellungen u¨ber die Zellstruktur korrigieren (Die Elementarorganismen, 1861). Wichtig sind B.s Arbeiten u¨ber die Physiol. der Verdauung (Beitra¨ge zur Lehre von der Verdauung, 1869), durch die er zum Pionier der Enzymforschung wurde. 68
Brunfels, Otto [auch: Otho] (* um 1489 Mainz, † 23./25. 11. 1534 Bern). B. wuchs in Mainz auf. Nachdem er 1508 oder 1509 zum Magister Artium prom. worden war, stud. er Theol. Nach seinem Eintritt in die Mainzer Kartause ging er nach Straßburg, wo er 1514 die Priesterweihe empfing. Ulrich von Hutten verhalf B., der sich inzwischen der Reformation zugewandt hatte, im Sommer 1521 zur Flucht aus dem Kloster. Von November 1521 bis Fru¨hjahr 1522 war B. im Dienst Ulrich von Huttens Pfarrer in Steinheim (Main). Seit Juli 1522 fu¨r einige Zeit als Pfarrer in Neuenburg (Breisgau); Ostern 1524 erwarb er das Straßburger Bu¨rgerrecht. 1528 wurde er als Lehrer an der ehemal. Karmeliterschule angestellt. In dieser Zeit bescha¨ftigte er sich mit med. und botan. Studien, die zu den ab 1530 erschienenen Herbarum vivae eicones fu¨hrten. 1532 immatrikulierte sich B. in Basel und prom. zum Dr. med. Ab 1533 Stadtarzt in Bern, starb B. dort bereits im folgenden Jahr. B. verdankt seinen Ruf vor allem seinem umfangreichen botan. Werk. In den Herbarum vivae eicones (Straßburg 1530–1536) mit naturgetreuen Pflanzenabbildungen des Hans Wei-
Brunschwig, Hieronymus
ditz (vor 1500 – nach 1536) untersuchte B. die Ansichten der antiken Autorita¨ten zur „res herbaria“. Die dt. Bearbeitung Contrafayt Kreuterbuch (Straßburg 1532) kann als erstes Kra¨uterbuch mit wiss. Anspruch gelten; es erlebte bis 1546 mehrere AusM.-J. gaben. Brunner, Johann Conrad (* 16. 1. 1653 Dießenhofen/Thurgau, † 2. 10. 1727 Mannheim). B. stud. von 1669 bis 1672 in Straßburg Med. Nach anat. Weiterbildung in Paris, London, Oxford, Amsterdam und Ta¨tigkeit als Praktiker und Forscher (mit ! J.J. Wepfer und ! J.C. Peyer) wurde B. 1686 als Prof. der Anat. und Physiol. nach Heidelberg berufen. Von 1685 bis 1727 war er zudem Leibarzt des Pfa¨lz. Kurfu¨rsten, weshalb er von 1693 bis 1716 in Du¨sseldorf, von 1720 bis 1727 in Mannheim lebte, wo er auch starb. B. war Anatom und exp. Physiologe; er entdeckte u.a. die Glandulae duodenales (B.sche Dru¨sen), die exokrine Pankreasfunktion sowie Mißbildungen des Zentralen Nervensystems. Werk: Experimenta nova circa pancreas, Amsterdam 1683; De gland. in intest. duodeno, Heidelberg 1687. Ba.
Bruno von Longoburgo (* um 1200 in Longobucco/Kalabrien). Ital. Chir., stud. in Bologna bei Ugo ¨ bersiedlung dei Borgognoni. Nach U nach Padua vero¨ffentlichte er dort 1252 seine grundlegende Chirurgia magna sowie wenig spa¨ter die praktisch orientierte Chirurgia parva. Erstere wurde 1265 vom Sohn seines Lehrers, Tederico, plagiiert. Die Chirurgia
magna ist als Abschluß der ! Abulkasis-Rezeption der salernitan. Schule wichtig. Durch zahlreiche landes¨ bers. und fru¨hneuzeitliche prachl. U Drucke entfaltete sie große Wirkung. Gr.
Brunschwig, Hieronymus (* ca. 1450 Straßburg, † 1512/13 Straßburg). Der aus Straßburger Bu¨rgergeschlecht stammende B. (Familie Saulern) nahm nach seiner Ausbildung zum Wundarztgesellen an den Burgunderkriegen teil und wirkte nach 1474 bis zu seinem Tod in Straßburg als Stadtwundarzt. Sein wohl bedeutendstes Werk Buch der Cirurgia. Hantwirckung der wund artzny wurde 1497 in Straßburg gedruckt. Es richtet sich an Lehrlinge und Gesellen der Wundarznei, aber auch an den chir. interessierten Laien. Ein 1500 in Straßburg erschienener Liber pestilentialis za¨hlt auch die Syphilis zu den pestartigen Krankheiten. Das Kleine Destillierbuch (Liber de arte distillandi de simplicibus), 1500 in Straßburg erschienen, kann als fru¨hes Werk zur Destillationstechnik gelten, das Abbildungen von Pflanzen und Kra¨utern, die zu „gebrannten Wa¨ssern“ verarbeitet werden konnten, entha¨lt. Das Große Destillierbuch (Liber de arte distillandi de compositis), 1512 gleichfalls in Straßburg gedruckt, wendet sich dem Gebrauch und der Zubereitung der Composita zu. Beide Destillierbu¨cher stellen den Ausgangspunkt fu¨r weitere Werke dieser Gattung im 16. Jh. dar. B. hat auf vorgeformtes Textgut zuru¨ckgegriffen und exzerpierte bekannte Arzneibuchlit. (so Ortolf von Baierland). M.-J. 69
Buchheim, Rudolf
Buchheim, Rudolf (* 1. 3. 1820 Bautzen, † 25. 12. 1879 Gießen). Nach Stud. an der Medico-chir. Akad. Dresden und der Med. Fak. Leipzig, hier 1845 zum Dr. med. prom. Zuna¨chst Geburtshelfer, gleichzeitig Redakteur des Pharmazeutischen Zentralblatts und Mitarbeiter an Schmidt’s Jahrbu¨chern der Medizin. 1846 Berufung nach Dorpat, dort erstes experimental-pharmakol. Labor und erstes pharmakol. Inst. der Welt. In Dorpat Betreuung von 90 meist experimentellen Diss., bedeutendster Schu¨ler Oswald Schmiedebergs. 1867 Ruf nach Gießen, dort neben Pharmakol. Lehre in Pharmazie und Pharmakognostik. Werk: Lehrbuch der Arzneimittellehre, Leipzig 1854–1856, 21859, 31878; Ueber die Aufgaben und die Stellung der Pharmakologie an den deutschen Universita¨ten, Arch. experiment. Pathol. Pharmakol. 5 (1876), 261–78. Kst.
Bu¨chner, Georg (* 17. 10. 1813 Goddelau/Hessen, † 19. 2. 1837 Zu¨rich). B. entstammte einer alten hess. Arztfamilie; begann 1831 ein med.-naturwiss. Stud. in Straßburg. Die dortige Med. Fak. entsprach B.s Interesse an phil. Fragen in Zusammenhang mit den Naturwiss. Die gesellschaftl. Machtverha¨ltnisse jener Zeit und die sich daraus ergebenen polit. Umwa¨lzungsversuche (Juli-Monarchie, Bauern- und Handwerkeraufsta¨nde) fu¨hrten zur Politisierung B.s. 1833 immatrikulierte er sich als Med.stud. an der Gießener Ludoviciana. Gleichzeitig bemu¨hte er sich um Kontakte zur dortigen revolutiona¨ren Bewegung. B. wurde 1834 zum Mitbegr. der ‘Gesellschaft fu¨r Menschenrechte’ (1. fru¨hkommunist. Geheimgesellsch. 70
Deutschlands) und war Mithg. des Hessischen Landboten (revolutiona¨re Flugschrift). 1835 mußte B. nach Straßburg emigrieren. Beendet dort sein med. Stud. mit einer Abhandlung u¨ber das Nervensystem der Barben und wird damit von der Phil. Fak. der Univ. Zu¨rich prom. Nach Abhaltung einer Probevorlesung u¨ber Scha¨delnerven erha¨lt B. die Zulassung zu einer Priv.dozentur. Der Dramatiker B. griff 1835 mit der Vero¨ffentlichung von Dantons Tod in die polit. Lit.debatte ein und za¨hlte seitdem zur Gruppe ‘Junges Deutschland’. 1836 arbeitete B. mehr oder weniger gleichzeitig an seinen phil. Vorl. u¨ber ! Descartes und Spinoza, an zwei Dramen (u.a. Woyzeck) und einer Komo¨die. Noch in seinen letzten Briefen an seine Verlobte Minna Jaegle´ leugnete er die Schwere seiner Krankheitsbeschwerden – er stirbt an Typhus. Werk: Dantons Tod, Frankfurt/Main 1835; Lenz, in: Telegraph fu¨r Deutschland, hg. v. K. Gutzkow, 2 (1839) Nr. 5; Leonce und Lena, Leipzig 1842; Woyzeck, Leipzig 1920. Wei.
Bu¨chner, Ludwig Friedrich Karl Christian (* 29. 3. 1824 Darmstadt, † 1. 5. 1899 Darmstadt). Stud. auf Wunsch des Vaters Med. in Gießen, Straßburg, Wu¨rzburg, Wien, ohne fru¨here phil. Studien aufzugeben. Diss. 1848 u¨ber Nervensystem, dann prakt. Arzt in Darmstadt, ka¨mpfte 1848 auf seiten der Revolution. Ab 1852 Ass.arzt in Tu¨bingen, Habil. 1854, Priv.doz. an Univ. Tu¨bingen. B. mußte akad. Laufbahn infolge der heftigen Kritik an seinem Werk Kraft und Stoff (1855, 21. Aufl., in 15 Sprachen u¨bers.) aufgeben. Danach Ta¨tig-
Caelius Aurelianus
keit als Arzt und Schriftsteller in Darmstadt. 1872/73 Vorl.-reisen in Nordamerika sowie innerhalb Deutschlands. 1881 Gru¨ndung des „Deutschen Freidenkerbundes“. B. ist neben C. Vogt und J. Moleschott der bedeutendste Vertreter eines reinen Materialismus im 19. Jh. Werk: Natur und Geist, Frankfurt 1857; Der Mensch und seine Stellung in der Natur, Leipzig 1869; Der Gottesbegriff und seine Bedeutung in der Gegenwart, Leipzig 1874; Das ku¨nftige Leben und die moderne Wissenschaft, Leipzig 1889; Am Sterbelager des Jahrhunderts, Gießen 1894; Darwinismus und Sozialismus, Leipzig 1894; Im Dienste der Wahrheit, Gießen 1891; Kraft und Stoff (15. Aufl. mit Gesamtbibl.). Mo.
Bufalini, Maurizio (* 4. 7. 1787 Cesena, † 31. 3. 1885 Florenz). Stud. an der Univ. Bologna, danach Lehrstuhl fu¨r klin. Med. Anschließend lehrte er am Instituto Superiore in Florenz. B. erlangte große Beru¨hmtheit als Kliniker; er war Gegner von ! Rasoris Theorien u¨ber ! Brownianismus, die er im Saggio sulla dottrina della vita (1813) analysierte. Gema¨ß B. kann das Leben nicht getrennt vom Ko¨rper betrachtet werden, sondern ist Ergebnis der physikal.-chem. Vorga¨nge im Organismus. Krankheiten werden nicht von Reizmangel bzw. Reizu¨berflutung bestimmt, sondern sind komplexes Resultat verschiedenster Ursachen. Die Aufgabe des Arztes besteht darin, prima¨r durch Beobachtung deren Zusammenwirken zu analysieren. B.s Hauptwerk ist die Abhandlung Fondamenti della patologia analitica (1819), in der die Bedeutung einer strikten Faktenanalyse hervorgehoben wird. Wa¨hrend der zweiten großen Cholerapandemie der Jahre
1854–55 zeigte sich B. als Kontrahent des Arztes Betti – Vorsteher der Lazarette in der Toskana – hinsichtlich der gegen die Epidemie zu ergreifenden Maßnahmen. B. war Mitglied der Accademia dei Lincei und wurde 1860 zum Senator des Ko¨nigreiches Italien Fa. ernannt. Burdach, Karl Friedrich (* 12. 6. 1776 Leipzig, † 16. 7. 1847 Ko¨nigsberg). ¨ rzB. geho¨rt zu den bedeutendsten A ten in der Zeit der Romantik. Schon bevor er 1811 als Prof. fu¨r Anat. und Physiol. nach Dorpat berufen wurde, hatte er in etlichen Werken seine am „Absoluten“ Schellings und dem „Urpha¨nomen“ Goethes angelehnte Idee von Naturwiss. entfaltet. Im Gegensatz zu rein empir. Naturbeschreibung bedeutet Naturwiss. die Erkenntnis der Lebenserscheinungen als Ausdruck eines absoluten Prinzips, das die Einheit der Natur garantiert. Als Prof. in Ko¨nigsberg fu¨hrte er dieses Programm ab 1813 durch, wobei er Morphol., Biol. und Physiol. als Leitwiss. verstand, was in der Physiologie als Erfahrungswissenschaft (6 Bd., 1828–40) zum Ausdruck kam. Seine wichtigsten wiss. Beitra¨ge lieferte B. zur Neuroanat.; mit der Anthropologie fu¨r das gebildete Publicum (1837) schrieb er ein repra¨sentatives Werk des pr.-biedermeierlichen Bildungsbu¨rgertums. Werk: Ru¨ckblick auf mein Leben: Selbstbiographie, Leipzig 1848. Hg.
Caelius Aurelianus (fru¨hes 5. Jh. n.Chr.). ¨ bertragung der Erhalten ist seine lat. U akuten und chron. Krankheiten des ! Soranos in 3 bzw. 5 Bu¨chern, die 71
Caelius Aurelianus
keit als Arzt und Schriftsteller in Darmstadt. 1872/73 Vorl.-reisen in Nordamerika sowie innerhalb Deutschlands. 1881 Gru¨ndung des „Deutschen Freidenkerbundes“. B. ist neben C. Vogt und J. Moleschott der bedeutendste Vertreter eines reinen Materialismus im 19. Jh. Werk: Natur und Geist, Frankfurt 1857; Der Mensch und seine Stellung in der Natur, Leipzig 1869; Der Gottesbegriff und seine Bedeutung in der Gegenwart, Leipzig 1874; Das ku¨nftige Leben und die moderne Wissenschaft, Leipzig 1889; Am Sterbelager des Jahrhunderts, Gießen 1894; Darwinismus und Sozialismus, Leipzig 1894; Im Dienste der Wahrheit, Gießen 1891; Kraft und Stoff (15. Aufl. mit Gesamtbibl.). Mo.
Bufalini, Maurizio (* 4. 7. 1787 Cesena, † 31. 3. 1885 Florenz). Stud. an der Univ. Bologna, danach Lehrstuhl fu¨r klin. Med. Anschließend lehrte er am Instituto Superiore in Florenz. B. erlangte große Beru¨hmtheit als Kliniker; er war Gegner von ! Rasoris Theorien u¨ber ! Brownianismus, die er im Saggio sulla dottrina della vita (1813) analysierte. Gema¨ß B. kann das Leben nicht getrennt vom Ko¨rper betrachtet werden, sondern ist Ergebnis der physikal.-chem. Vorga¨nge im Organismus. Krankheiten werden nicht von Reizmangel bzw. Reizu¨berflutung bestimmt, sondern sind komplexes Resultat verschiedenster Ursachen. Die Aufgabe des Arztes besteht darin, prima¨r durch Beobachtung deren Zusammenwirken zu analysieren. B.s Hauptwerk ist die Abhandlung Fondamenti della patologia analitica (1819), in der die Bedeutung einer strikten Faktenanalyse hervorgehoben wird. Wa¨hrend der zweiten großen Cholerapandemie der Jahre
1854–55 zeigte sich B. als Kontrahent des Arztes Betti – Vorsteher der Lazarette in der Toskana – hinsichtlich der gegen die Epidemie zu ergreifenden Maßnahmen. B. war Mitglied der Accademia dei Lincei und wurde 1860 zum Senator des Ko¨nigreiches Italien Fa. ernannt. Burdach, Karl Friedrich (* 12. 6. 1776 Leipzig, † 16. 7. 1847 Ko¨nigsberg). ¨ rzB. geho¨rt zu den bedeutendsten A ten in der Zeit der Romantik. Schon bevor er 1811 als Prof. fu¨r Anat. und Physiol. nach Dorpat berufen wurde, hatte er in etlichen Werken seine am „Absoluten“ Schellings und dem „Urpha¨nomen“ Goethes angelehnte Idee von Naturwiss. entfaltet. Im Gegensatz zu rein empir. Naturbeschreibung bedeutet Naturwiss. die Erkenntnis der Lebenserscheinungen als Ausdruck eines absoluten Prinzips, das die Einheit der Natur garantiert. Als Prof. in Ko¨nigsberg fu¨hrte er dieses Programm ab 1813 durch, wobei er Morphol., Biol. und Physiol. als Leitwiss. verstand, was in der Physiologie als Erfahrungswissenschaft (6 Bd., 1828–40) zum Ausdruck kam. Seine wichtigsten wiss. Beitra¨ge lieferte B. zur Neuroanat.; mit der Anthropologie fu¨r das gebildete Publicum (1837) schrieb er ein repra¨sentatives Werk des pr.-biedermeierlichen Bildungsbu¨rgertums. Werk: Ru¨ckblick auf mein Leben: Selbstbiographie, Leipzig 1848. Hg.
Caelius Aurelianus (fru¨hes 5. Jh. n.Chr.). ¨ bertragung der Erhalten ist seine lat. U akuten und chron. Krankheiten des ! Soranos in 3 bzw. 5 Bu¨chern, die 71
Caius [Keys, Kaye, Key], John
sich durch detaillierte Klinik und vor allem auf physikal. Maßnahmen basierende Therapie auszeichnet und bis Ende des 18. Jh. hoch gescha¨tzt wurde; das MA benutzte meist die Fassung unter den Namen des Aurelius und Aesculapius (Escolapius). Ebenfalls fu¨r den fru¨hma. Lehrbetrieb wichtig waren die nicht vollsta¨ndig erhaltenen Medicinales responsiones, eine Zusammenfassung von Differentialdiagnose, Klinik und Therapie in Frage-und-Antwort-Form. Werk: CML VI (lat.-dt.). BTML, 61–81, A14–22. Fi.
Caius [Keys, Kaye, Key], John (* 6. 10. 1510 Norwich, † 29. 7. 1573 Cambridge). Stud. der artes seit 1529 in Cambridge, 1532 Baccalaureus, 1535 Magister, Med.stud., seit 1539 in Padua; Prom. 13. 5. 1541 ebd.; Ernennung zum ‘dialectices Graecae professor’, 1542 Fortbildungs- und Bibliotheksreise nach Italien; Ru¨ckkehr u¨ber Basel und Deutschland nach England; seit 1545 auf Veranlassung von Heinrich VIII. anat. Demonstrationen vor der „United Company of Barbers and Surgeons“ in London; Dez. 1547 Zulassung als Mitglied des von T. Linacre gegru¨ndeten „London College of Physicians“, 1551–73 Mitglied seines Rates, nach 1555 mehrmals dessen Pra¨sident. Als Autor einer vielgeru¨hmten Schrift u¨ber den engl. Schweiß, als Erbe des engl. Hippokrates T. Linacre, als Philologe und Stilist, als Entdecker, Hg. ¨ bers. ! galen. und ! hippound U krat. Texte, als Zoologe und Epidemiologe, Standesfunktiona¨r und Ausbildungsreformer, als Chronist des College of Physicians und der Acade72
mia Cantabrigiensis konnte C. entscheidende Impulse fu¨r die Professionalisierung, Institutionalisierung und Reformierung der Med. im Sinne des Renaissancehumanismus im England des 16. Jh. geben. Werk: De libris suis, London 1570.
Ru¨.
Calmette, Le´on Charles Albert (* 12. 7. 1863 Nizza, † 29. 10. 1933 Paris). Bedeutend wurde der Bakteriologe und Immunforscher durch die Entwicklung des Tuberkulose-Impfstoffs BCG (Bacille-Calmette-Gue´rin) zusammen mit seinem Mitarbeiter Camille Gue´rin 1915/16. Erste klin. Versuche wurden 1921/22 unternommen. Auch die Entwicklung der ersten antitoxischen, polyvalenten Seren gegen Schlangengifte um 1900 geht auf C. zuru¨ck. 1886 war der Schu¨ler ! Pasteurs und ! Roux’ prom. worden; bald darauf wurde er Dir. der Pasteur-Inst. in Saigon (1891) und Lille (1895), 1917 Sous-Directeur des Pasteur-Inst. in Paris. 1930 starb in Lu¨beck eine große Zahl von Kindern aufgrund eines herstellungsbedingten BCG-Impfzwischenfalls (sog. „Lu¨becker Totentanz“, vgl. Artikel ! J. Moses). Werk: Les venins, les animaux venimeux et la se´rothe´rapie anti-venimeuse, Paris 1907; L’infection bacillaire et la tuberculose chez l’homme et chez les animaux, Paris 1936. Eck.
Canano, Giovanni Battista (* 1515 Ferrara, † 29. 1. 1579 Ferrara). C. stud. in seiner Heimatstadt Med. und wurde dort Prof. der Anat. Als Leibarzt von Papst Julius III. nach Rom berufen, wurde C. 1559 nominell zum Oberpriester von Ficarolo (Dio¨-
Carossa, Hans
zese Ferrara) ernannt. Spa¨ter wirkte er wieder bis zu seinem Tod als Erster Stadtarzt in Ferrara. Bereits 1547 sah er mit A. Lusitanus die Venenklappen der Vena azygos und fu¨hrte an ihnen Stro¨mungsexperimente durch. C. war somit ein Wegbereiter der Blutkreislauftheorie. 1572 publizierte er eine Muskelanatomie. Werk: Musculorum humani corporis picturata dissectio, Ferrara 1572. Ba.
Canstatt, Carl Friedrich (* 11. 7. 1807 Regensburg, † 10. 3. 1850 Erlangen). Geb. in Regensburg als Sohn eines ju¨d. Arztes, stud. C. Med. von 1823 bis 1828 in Wien und von 1828 bis 1829 unter ! Scho¨nlein in Wu¨rzburg, wo er 1829 prom. wurde. 1831 ließ er sich in Regensburg als Prakt. Arzt nieder. 1832 erforschte er die Choleraepidemie in Paris; in Hoelarts bei Bru¨ssel leitete er 1832/33 ein Cholera-Hospital. Nach erneuter Prom. in Lo¨wen 1833 praktizierte C. bis 1837 in Bru¨ssel. 1838 wurde er Amts- und Gerichtsarzt in Ansbach, 1843 nahm er einen Ruf als o. Prof. der Inneren Med. nach Erlangen an. Nach langja¨hrigem Leiden starb er an Lungentuberkulose. ¨ bergang von C. stand fachlich am U der „Naturhist. Schule“ ! Scho¨nleins zur naturwiss. Klinik der zweiten Ha¨lfte des 19. Jh. Seit 1842 gab er den Jahresbericht u¨ber die Fortschritte der gesammten Medicin in allen La¨ndern heraus. Werk: Ueber Markschwamm des Auges, Wu¨rzburg 1831; Die Cholera in Paris, Regensburg 1832; Die Krankheiten des ho¨heren Alters, Erlangen 1839; Specielle Pathologie und Therapie, 4 Bd., ibid. 1841–1846. Ba.
Cardano, Girolamo (* 24. 9. 1501 Pavia, † 21. 9. 1576 Rom). Nach ersten Studien in Pavia erwarb C. 1526 den Dr. med. in Padua. Praktizierte in Saccolongo nahe Padua bis 1534, danach Prof. der Math. in Mailand, 1534 Ruf auf den Lehrstuhl fu¨r Med. an der Univ. Pavia, wo er bis 1560 lehrte. Nachdem C.s Sohn des Giftmordes an seiner Frau u¨berfu¨hrt und hingerichtet worden war, verließ C. Pavia und ging 1562 nach Bologna, wurde jedoch 1570 wegen Ha¨resie von der Inquisition arrestiert, 1571 von Papst Pius V. rehabilitiert. C.s noch unerschlossenes Werk wurde 1663 in zehn Folioba¨nden von Charles Spon in Leiden vero¨ffentlicht. Sein universeller Geist bescha¨ftigte sich mit med., math. und techn. Fragen. Nach ihm wurde die „Cardanische Aufha¨ngung“ (Kardanwelle) benannt, die er, obgleich seit der Antike bekannt, ausfu¨hrlich beschrieb. Einen ¨ berblick u¨ber sein Leben gab C. in U dem von Gabriel Naude´ in Paris 1643 hg. Werk De propria vita. M.-J. Carossa, Hans (* 15. 12. 1878 Bad To¨lz, † 12. 9. 1956 Rittsteig bei Passau). Seit 1897 Med.stud. in Mu¨nchen, Leipzig und Wu¨rzburg, Prom. 1903, praktischer Arzt in Passau und Nu¨rnberg 1903–14, Bataillonsarzt 1916–18, 1918–29 Arztpraxis in Mu¨nchen, seit 1929 freier Autor bei Passau. C. thematisierte in seinem Erfolgsroman Der Arzt Gion (1931) die Grenze zwischen a¨rztl. Beruf und perso¨nl. Gefu¨hlen. In Ruma¨nisches Tagebuch (1924) schilderte er seine Eindru¨cke als Sanita¨tsoffizier im Ersten Weltkrieg. C.s Orientierung an vorgeblich zeitlos gu¨ltigen Werten hinderte ihn nicht, 73
Carrel, Alexis
Kriegstote als mythische Blutopfer zu rechtfertigen und sich vom Nationalsozialismus vereinnahmen zu lassen. Werk: Ruma¨nisches Tagebuch, Leipzig 1924; Der Arzt Gion, Leipzig 1931; Sa¨mtliche Werke, 2 Bd., Frankfurt a.M. 1962; Tagebu¨cher, ibid. 1986. Bro¨.
Carrel, Alexis (* 28. 6. 1873 Sainte-Foy bei Lyon, † 5. 11. 1944 Paris). C. stud. in Lyon Med. (1900 Doctorat en Me´decine). Als Prosektor der Anat. in Lyon und Chirurg entwickelte er die End-zu-End-Anastomose von Blutgefa¨ßen (1902). 1904 nach Chicago ausgewandert, ging C. 1906 an das Rockefeller Inst. of Med. Research in New York, dem er bis 1939 angeho¨rte. 1912 Nobelpreis fu¨r „Arbeiten u¨ber die Gefa¨ßnaht und die Transplantation von Blutgefa¨ßen und Organen“. C. wandte sich dann der Entwicklung der Zellkultur-Methode zu, als deren Begr. er – nicht ganz zu Recht – gilt. In zunehmendem Maße „mehr ein Philosoph und Mystiker denn ein produktiver Wissenschaftler“ (Corner 1964, S. 340), vero¨ffentlichte C. 1935 in New York Man, the unknown (frz. 1935; dt. 1936), das in Deutschland als Rechtfertigung der nationalsozialist. Rassenhygiene und auch der sog. „Euthanasie“ verstanden wurde. 1941 gru¨ndete C. mit Unterstu¨tzung der Vichy-Regierung und der dt. Besatzungsbeho¨rden in Paris die Fondation franc¸aise pour l’e´tude des proble`mes humains. Im Aug. 1944 entlassen, starb C. bereits im Nov. Eine krit. Diskussion dieser spa¨ten Aktivita¨ten zur „Neuerschaffung des Menschen“ begann erst in den Hu. letzten Jahren. 74
Carus, Carl Gustav (* 3. 1. 1789 Leipzig, † 28. 7. 1869 Dresden). Ab 1814 Prof. fu¨r Geburtshilfe (Dresden), ab 1827 ko¨nigl. Leibarzt. Versuchte eine Integration von Wiss. und Kunst, von fundierter Empirie und spekulativer Naturphil. Machte den von Goethe aufgenommenen Entwicklungsgedanken fruchtbar fu¨r eine vergleichende Anat. und Psychol. Postulierte die Existenz eines unbewußten Seelenlebens. Als Maler bestand zeitweise eine große Na¨he zu C.D. Friedrich. Werk: Von den Ur-Theilen des Knochenund Schalengeru¨sts, Leipzig 1828; Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele, Pforzheim 1846. Roe.
Cˇechov, Anton Pavlovicˇ (* 29. 1. 1860 Taganrog, † 15. 7. 1904 Badenweiler). ˇ . wurde als Sohn des Kaufmanns A.P.C Pavel Egorovicˇ (1825–98) und seiner Ehefrau Evgenija Jakovlevna, geb. Morozova, (1835–1919) geboren. Nach ˇ . von 1879– dem Schulbesuch stud. C 84 Med. in Moskau; die geplante Diss. u¨ber Das Medizinalwesen im alten Rußland blieb unvollendet. Trotz seiner Entscheidung 1886 fu¨r die Liteˇ . das a¨rztliche Handeln nie ratur gab C ganz auf. Ab 1879 erschienen seine ersten Erza¨hlungen und journalist. Artikel. 1884 kam es zum Ausbruch einer Lungenerkrankung, 1897 erfolgte der erste schwere Blutsturz mit Einlieferung in eine Klinik mit der Diagnose Lungentuberkulose („ich lebe nicht, ich vegeˇ den begehrten tiere“). 1888 erhielt C Pusˇkinpreis, 1900 wurde er zum Ehrenmitglied der Kaiserl. Akad. der Wiss. ernannt, aus der er 1902 wieder
ˇ echov, Anton Pavlovicˇ C
ˇ . eine Reise zur austrat. 1890 fu¨hrte C Strafkolonie auf der Insel Sachalin durch. Von 1892–97 hielt er sich vor allem auf seinem Landgut Melichovo su¨dlich von Moskau auf, engagierte sich bei der Cholerabeka¨mpfung. Ab 1898 lebte er u¨berwiegend in seinem Landhaus im monda¨nen Kurort Jalta, seinem „warmen Sibirien“ (heute ˇ .museum), traf dort auch mit L.N. C Tolstoj und M. Gorkij zusammen und setzte sich fu¨r die Entwicklung von Sanatorien ein, von denen eines heute seinen Namen tra¨gt. In Jalta spielt auch die beru¨hmte Erza¨hlung Die Dame mit dem Hu¨ndchen (1899). Hinzu kamen Reisen nach West- und vor allem Su¨deuropa. ˇ . mit der 1901 verheiratete sich C Schauspielerin Olga Leonardovna Knipper (1868–1959), die auch in seinen Stu¨cken Die Mo¨we, Drei Schwestern, Onkel Vanja, Kirschgarten und ˇ . an LunIvanov auftrat. 1904 starb C genschwindsucht in Badenweiler, sein Grab befindet sich auf dem Friedhof des Neu-Jungfrauenklosters in Moskau. ˇ .s Ruhm geht auf seine Erza¨hlungen C und Dramen zuru¨ck, die in zahlreiche Sprachen u¨bersetzt wurden; ihr Thema sind Scheitern von Hoffnungen und Beziehungen, Nihilismus und Werteverfall, Gleichgu¨ltigkeit, aber ebenso Wille zur Wahrhaftigkeit, Ablehnung von Heuchelei, Gewalt und Lu¨ge. Einer gewissen Handlungsarmut entspricht ein Reichtum an Stimmungen, Gedanken, Gespra¨chen – „Angst habe ich vor denen, die zwischen den Zeilen eine Tendenz suchen“ (1888). Der med. Ausbildung und a¨rztl. Praxis wie dem Geist der ˇ . eine Naturwiss. seiner Zeit maß C große Bedeutung fu¨r sein lit. Schaffen
Anton Cˇechov (1860–1904)
bei („Die Medizin ist meine gesetzliche Ehefrau, die Literatur meine Ge¨ rzten und Paliebte“, 1888). Neben A tienten, Therapie und Hospita¨lern kommen sozialpolitische Ursachen von Krankheit und Therapie wie ebenfalls Darwinismus, Eugenik, Euthanasie zur Darstellung. Der als Diss. von der Moskauer Fak. nicht angenommene Bericht Die Insel Sachalin (1893/94) erregte mit seinen krit. Schilderungen u¨ber die hyg.med. Verha¨ltnisse („die wahre Ho¨lle“) ¨ ffentlichkeit, fu¨hrte aber nur zu die O bescheidenen staatl. Reformen. Werk: Sobranie socˇinenij, Bd. 1–12, Moskau 1956; Das erza¨hlerische Werk in 10 Bd., Zu¨rich 1976; Briefe 1877–1904, Bd. 1–5, ibid. 1983; Die Insel Sachalin, Reisebericht, ibid. 1987. Eng. 75
Celli, Angelo
Celli, Angelo (* 1857 Cagli/Italien, † 2. 11. 1914 Monza). Ass.arzt am Hyg.-Inst. in Rom 1883. 1886 Gru¨ndung eines Tollwutlabors am Hyg.-Inst. in Palermo. 1887 Ru¨ckkehr nach Rom, wo er bis zu seinem Tode lehrte. Begr. der Hyg. in Italien, doch auch als Anat., Kliniker, Sozialmed., Abgeordneter, Politiker, Journalist und Malariaforscher ta¨tig. Unmittelbar nach der Begru¨ndung der Bakteriol. durch ! Pasteur und ! Koch begann er deren Verfahren anzuwenden. 1884 entdeckte er auf diese Weise zusammen mit Marchiafava den Erreger der cerebrospinalen Meningitis. C. betrieb Forschungen u¨ber die Ruhr und die Piroplasmen, die – von Smith und Killborne entdeckt – schwere Epiphytosen auslo¨sten (sog. Texasfieber). 1889 gab er die Annali d’igiene heraus. 1898 gru¨ndete er zusammen mit den beiden Abgeordneten Giustino Fortunato und Leopoldo Franchetti die Gesellsch. zur Erforschung der Malaria, von der maßgeblich die Beka¨mpfung dieser Krankheit in Italien ausging und die 14 umfangreiche Berichte daru¨ber herausgab. C. gru¨ndete in der Gegend um Rom, einem Gebiet, das sehr stark von Malaria heimgesucht wurde, Beratungsstellen zur Verbesserung der hyg. und allg. Lebensbedingungen der Bevo¨lkerung. Seit 1883 hatte C. zusammen mit Marchiafava u¨ber Malaria geforscht. Sie entdeckten den Lebenszyklus der Parasiten und fu¨hrten den Terminus Plasmodium als Bezeichnung der intrazellula¨ren Formen der Parasiten ein. Nach den großen Entdeckungen von ! R. Ross und ! B. Grassi zielte C.s Kampfstrategie gegen die Malaria auf die Vernichtung der Anophelen 76
und insbesondere auf die Gabe von Chinin als Pra¨ventivmittel. In Cerveletta bei Rom gru¨ndete er ein Malaria-Forschungszentrum. Als Abgeordnetem gelang es C. von 1892 an, im Parlament Gesetze einzubringen, die die staatl. Verteilung von Chinin an die Bevo¨lkerung festlegten (Chiningesetze, 1901–04). Diese Gesetze fu¨hrten zu einer grundlegenden Verbesserung der hyg. Bedingungen in den Malariagebieten von ganz Italien. Sein posthum vero¨ffentlichtes Buch u¨ber die Gesch. der Malaria in der Gegend von Rom gilt als klass. hist. Analyse der Wechselwirkungen zwischen Malaria und der o¨konomischen und sozialen Entwicklung dieFa. ser Region. Celsus, Aulus Cornelius (1. Jh. n.Chr.). Verfaßte in der Regierungszeit des Kaisers Tiberius (also vor 37 n. Chr.) eine ausfu¨hrliche Darstellung versch. Wissensgebiete von prakt. Bedeutung (Artes). Auf die Landwirtschaft folgten 8 Bu¨cher De medicina; nur dieser Teil ist erhalten. In seiner Einleitung bietet Celsus eine Darstellung der Med.gesch.; B. 1 behandelt die gesunde Lebensfu¨hrung und Prophylaxe, B. 2–4 innere Erkrankungen (wohl z.T. in Abha¨ngigkeit von ! Asklepiades), B. 5–6 Arzneimitteltherapie und Krankheiten an der Ko¨rperoberfla¨che, B. 7–8 die Chir. Der schlichte, aber hervorragende lat. Stil (deshalb heißt C. Cicero medicorum) und die hohe Qualita¨t des Inhalts (beachtlich z.B. die Blasensteinoperation, Gefa¨ßunterbindung, Amputation, Fruchtzerstu¨ckelung, Starstich) haben C. von der Fru¨hrenaissance bis ins spa¨te 19. Jh. starke Beachtung seitens der praktizierenden
Chagas, Carlos Ribeiro Justiniano
¨ rzte gesichert; auf Benivieni und ! A Vesal hat er als Stilist am sta¨rksten gewirkt, bis heute ein Vorbild der med., vor allem der anat. Fachsprache. Wu¨ßten wir nicht, daß die u¨brigen Teile der Artes von Zeitgenossen als ebenso vorzu¨glich eingescha¨tzt wurden, fiele es uns leicht, in C. einen Arzt zu sehen; diese Ta¨tigkeit du¨rfte er zwar kaum berufsma¨ßig ausgeu¨bt haben, doch wahrscheinlich ist die Behandlung von Angeho¨rigen seines Hausstandes und seiner Freunde. Da zwischen dem Corpus Hippocraticum und seiner eigenen Zeit kein med. Werk vollsta¨ndig erhalten ist, ist C. die wichtigste Quelle fu¨r die Med.gesch. des Hellenismus. Werk: CML I. BTTML, 122–140, A34–38. Fi.
Cesalpino, Andrea [auch: Cesalpinus] (* 6. 6. 1519 Arezzo, † 23. 2. 1603 Rom). C. stud. Phil. und Med. in Pisa, wo er 1551 zum Dr. med. prom. wurde. 1555 ernannte man C. dort zum Prof. der Med. und Dir. des Botan. Gartens. 1592 wurde er zum Leibarzt Papst Clemens VIII. ernannt und gleichzeitig zum Prof. der Med. an die ro¨m. Sa¨ mter, die er bis zu pienza berufen, A seinem Tode innehatte. C. befaßte sich in seinen med. Werken, insbes. in den Quaestionum peripateticarum libri V (Venedig 1571) mit Fragen des Kleinen Blutkreislaufes und der Herzklappen, obgleich er nicht zu den Ergebnissen ! Harveys vordringen konnte. Vor allem aber der Materia medica und der Botanik galt C.s Interesse, das seinen Niederschlag in dem Werk De plantis libri XVI fand, das 1583 in Florenz
herauskam. In diesem Werk legte C. seine theoret. Ausfu¨hrungen zur Botanik im Anschluß an Aristoteles und Theophrast nieder, wobei er morphol. und systemat. Gesichtspunkte beru¨cksichtigte. C. gilt als erster Systematiker der Botanik, dem indes zeitgeno¨ssische Wirkung versagt blieb, wohingegen ! Linne´ auf viele seiner Angaben M.-J. zuru¨ckgriff. Chagas, Carlos Ribeiro Justiniano (* 9. 7. 1879 Oliveira/Brasilien, † 8. 11. 1934 Rio de Janeiro). Der brasilian. Bakteriol. wurde als Sohn einer angesehenen Familie geboren. Nach dem Abitur bei den Jesuiten stud. C. in Ouro Preto, Sa˜o Paulo und Rio de Janeiro. 1904 begann er seine Arbeit als Ass. des Manginhos-Inst. unter der Leitung des Bakteriol. ! Oswaldo Cruz (1872–1917). Drei Jahre spa¨ter nahm C. eine Stelle als Arzt auf dem Land (Lassance) an und bescha¨ftigte sich mit Studien u¨ber Malaria und andere endemische Krankheiten. Vor allem interessierte er sich fu¨r den Zusammenhang zwischen blutsaugenden Insekten bei Mensch und Tier und dem endem. ¨ ber seine Exp. sind Kretinismus. U wir durch die Protokolle gut informiert. Im Jahre 1913 identifizierte C. den ¨ bertra¨ger Panstrongylus megistus als U einer bis dahin unbekannten Art von Parasiten: „Zwanzig oder dreißig Tage nach dem Insektenstich wurden im peripherischen Blut eines Affen der Art Callitrix penicillata Trypanosomen mit unterschiedlicher Morphologie und von jeder Art der Gattung Trypanosom in gro¨ßerer Menge gefunden.“ Die ersten Schritte waren erfolgreich, doch um seine Theorie zu be77
Chain, Sir (seit 1969) Ernst Boris
weisen, mußten weitere Exp. am Menschen durchgefu¨hrt werden. „Wir begannen dann mit einer neuen Phase unserer Arbeit. Wir kannten die Entwicklung der Geißeln in Tieren, d.h. wir wußten, wer der Zwischenwirt war, und auch in den u¨bertragenden Insekten. Der Endwirt war aber noch unbekannt. Wir suchten danach systematisch nach Parasiten im Blut von Patienten aus denjenigen Hu¨tten, in denen man eine gro¨ßere Anzahl blutsaugender Insekten der Art P. megistus gefunden hatte. In diesem Punkt kamen wir zum großen Erfolg, als wir die parasitische Natur einer neuen menschlichen Infektionskrankheit feststellen konnten.“ C. nannte seine Entdeckung Trypanosoma Cruzi nach seinen Lehrer Oswaldo Cruz. Allerdings hat C. anfangs seine Entdekkung als eine parasita¨re Entzu¨ndung der Schilddru¨se interpretiert. Heute ist die C.-Krankheit ein Synonym der amerik. Trypanosomiasis mit akuter Myokarditis, chron. Kardiomyopathie und Vergro¨ßerung der Hohlorgane wie z.B. des Megao¨sophagus und des Megakolon. Werk: Nova tripanozomiase humana. Estudos sobre a morfologia e o ciclo evolutivo se Schizotrypanum cruzi n. gen. n. sp. agente etiologico de nova entidade morbida do homem, Mem. Inst. Oswaldo Cruz 1 (1909), 159; Neue Trypanos., in: Arch. f. Schiffs- und Trop.hyg., 1909,120–122. Ac.
Chain, Sir (seit 1969) Ernst Boris (* 19. 6. 1906 Berlin, † 12. 8. 1979 Castlebar). Chem., Bakteriol. 1924–28 Chemiestud. Univ. Berlin. 1930–33 Forschungsarbeit (chem. Abteilung des Pathol. Inst., Charite´). 1933 Phil. Diss. Enzymatische Esterbildung und 78
Esterspaltung. 1933 Emigration (London). Bis 1935 Forschungsarb. (Sir William Dunn School of Biochemistry, Cambridge); Dr.diplom der Univ. 1935–48 Doz. (chem. Pathol., Univ. Oxford). 1939 brit. Staatsbu¨rgerschaft. 1945 Nobelpreis fu¨r Med. und Physiol. mit ! A. Fleming und ! W. Florey (Aufkla¨rung der Wirkung und Struktur des Penicillins). 1948 Heirat, drei Kinder. 1948–61 Dir. des Internat. Forschungszentrums fu¨r chem. Mikrobiol., Instituto Superiore di Sanita, Rom. 1961–73 Prof. fu¨r Biochemie, Dir. des Imperial College of Science and Technology (London). Ehrenwu¨rden zahlreicher nat. und internat. Inst. Wiss. Verdienste: Beschreibung des enzymat. Charakters von Lysozym und des betreffenden Substrates (Beginn der Aufkla¨rung der chem. Natur bakterieller Zellwa¨nde, ihrer enzymat. Hydrolyse und Synthese). Untersuchung der von Mikroorganismen produzierten antibakteriol. Substanzen auf ihre chem., biochem. und biol. Eigenschaften (mit W. Florey). Gewinnung von Rohpenicillin aus Schimmelpilzextrakten und Reinigung der labilen Wirksubstanz. 1940 Entdekkung der Penicillinase (ein den Wirkstoff hydrolysierendes und dadurch B.-S. ineffektivierendes Enzym). Chajes, Benno (* 14. 11. 1880 Danzig, † 3. 10. 1938 Ascona). Arzt, Arbeitsmediziner, Sozialhygieniker. Stud. in Freiburg und Berlin Med. bis 1903, anschließend Ass. an der Charite´ in Berlin, dann an der Privatklinik von ! Blaschko. Dermato-venerol. Weiterbildung am Hospital St.Louis in Paris und in der Urol. in Berlin. Geho¨rte zum Kreis um Eduard
Charcot, Jean-Martin
Bernstein. 1911 Niederlassung in Berlin mit Privat-Klinik fu¨r Geschlechtskrankheiten und Urol. Stadtverordneter der SPD in Scho¨neberg 1915–20, Mitglied des pr. Landtages 1928–33. Doz. fu¨r Sozialhyg. an der TH Charlottenburg 1919–33; als ao. Prof. Nachfolger ! Grotjahns an der Berliner Univ. Ma¨rz 1933 Flucht in die Schweiz, anschließend nach Pala¨stina, wo er sich an der Organisation der Krankenversicherung und des Krkh.wesens beteiligte. Ch. war ein begeisterter Lehrer. Der Schwerpunkt seiner Arbeit Stu¨. lag in der Arbeitshyg. Charcot, Jean-Martin (* 29. 11. 1825 Paris, † 16. 8. 1893 Paris). Seit 1848 war C. als Arzt am beru¨hmten Pariser Krkh. Salpeˆtrie`re ta¨tig und bescha¨ftigte sich v.a. mit chron. inneren und geriatr. Krankheiten. 1870 wurde er gleichzeitig zu seiner klin. Ta¨tigkeit Prof. fu¨r pathol. Anat. an der Pariser Univ. Darin zeigt sich als typisches Merkmal der frz. Med. des 19. Jh. die Verbindung von Pathol. und klin. Med., das Bemu¨hen, „Sitz und Ursache der Krankheiten“ (so ! G. B. Morgagni bereits 1761) schon beim lebenden Patienten (v.a. durch eine topograph. orientierte Diagnostik mit Perkussion und Auskultation) festzustellen. C. nannte dies die „anat.-klin.“ und „nosograph. Methode“. Seit Ende der 1860er Jahre bescha¨ftigte sich C. zunehmend mit neurol. Krankheiten. 1881/82 wurde er auf den eigens fu¨r ihn geschaffenen „Chaire de clinique des maladies nerveuses“ berufen und damit zum ersten Lehrstuhlinhaber fu¨r Neurol. ¨ rzte aus ganz Europa kau¨berhaupt; A men nach Paris, um sich bei C. neurol. fortzubilden.
In den 80er Jahren des 19. Jh. vollzog sich bei C. eine zweite Akzentverschiebung hin zu den Neurosen, v.a. der Hysterie. Fu¨r die Entstehung der Hysterie gab es im 19. Jh. drei Theorien: Uteruskrankheit (dies bereits in der Antike), Gehirnkrankheit (seit ! T. Willis) oder Psychogenese (ansatzweise schon bei Platon). Das Fehlen eines pathol. faßbaren Substrats brachte C. dazu, daß die „Sphinx“ Hysterie „zu drei Vierteln als psychisches Leiden aufgefaßt werden muß“ (C. 1887; dt. 1894) und daher auch bei Ma¨nnern auftreten kann. Allerdings erkannte C. nicht die therap. Tragweite seiner Hinwendung zur Psychogenese. Dies blieb ! S. Freud vorbehalten, der 1885/86 bei „Meister C.“ hospitierte und zwei Bu¨cher von ihm u¨bersetzte (mit sehr krit. Anmerkungen!). Fu¨r Freud (und ! Breuer) wurde dann die Hysterie zur Modellkrankheit der Psychoanalyse.
Jean-Martin Charcot (1825–1893) 79
Chargaff, Erwin
C. wandte auch die Hypnose an, allerdings nicht so sehr als eine psychotherap. Methode (! Bernheim in Nancy), sondern eher im experimentellen Sinn zur Erzeugung von hyster. Symptomen. Daher wurden Bernheim und die „Schule von Nancy“ und nicht C. und die „Schule der Salpeˆtrie`re“ Scho¨pfer der Suggestionstheorie der Hypnose. C., der 1868 die Geschichte „un agent de critique“ genannt hat, sammelte als ku¨nstlerisch interessierter Arzt histor. Darstellungen der Hysterie und gab sie (mit P. Richer) 1887 heraus (dt. 1988). C. fu¨hrte außerdem die Fotografie als Meth. der klin. Dokumentation und als didakt. Meth. im Unterricht (Projektion von Diapositiven) ein. Werk: Oeuvres comple`tes, Tome 1–9, Paris ¨ bers.; 1886–90 (nicht vollsta¨ndig, keine U meist wird nach den Einzelausgaben zi¨ bers.), Klinische Vortra¨tiert); Fetzer, B. (U ge u¨ber Krankheiten des Nervensystems, Stuttgart 1874; Neue Vorlesungen u¨ber die Krankheiten des Nervensystems, insbesondere u¨ber Hysterie. Autorisierte dt. Ausg. v. S. Freud, Leipzig u. Wien 1886; Poliklin. Vortra¨ge, u¨bers. v. S. Freud, Leipzig u. Wien 1894; Schneider, M. (Hg. u. Nachwort), Die Besessenen in der Kunst, 1887 (mit Richer, P.), Go¨ttingen 1988. Sie.
Chargaff, Erwin (* 11. 08. 1905 Czernowitz/Bukowina ehem. zu O¨sterreich-Ungarn, heute Ukraine, † 20. 06. 2002 N.Y.). 1923-28 Stud. der Philol. u. Biochem. in Wien, 1928 Prom. in Chem. 19281930 Research Fellow Yale Univ., 1930-1933 KWI. f. Biochem. Berlin. 1933 bis 1935 Wechsel ans Inst. Pasteur Paris, 1935 Emigration nach N.Y., Ta¨tigkeit an der Columbia Univ., 1952 dort o. Prof. fu¨r Biochem. 80
u. Dir. des Biochem. Inst. Seit 1944 Arbeiten u¨ber DNA und ihre vier Basen (Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin), Formulierung der Chargaff-Regeln, die besagen, dass die vier Basen stets in Paaren auftreten und die der Grundstein fu¨r die Aufkla¨rung der DNA-Struktur wurden. Grosse o¨ffentl. Bekanntheit durch wissenschaftskrit. Schriften. Werk: Chemical Specifity of Nucleic Acids and the Mechanisms of Their Enzymatic degradation, Experientia 6 (1950), S. 201209.; Serious Questions. An ABC of Sceptical Reflections, Boston, Basel, Stuttgart 1989. Pl.
Chauliac ! Guy de Chauliac Cheyne, John (* 3. 2. 1777 Leith, † 31. 1. 1836 Sherington/Buckinghamshire). Arztsohn aus Leith, verwandt mit George Ch.; nach Stud. der Med. und Chir. in Edinburgh (MD 1795) wurde er zuna¨chst fu¨r vier Jahre Milita¨rchirurg, anschließend fu¨r zehn Jahre Ass. beim Vater (1801–02 Vero¨ffentlichung der Essays on the Diseases of Children, Edinburgh). Ab 1809 Arzt in Dublin, zuna¨chst am Meath Hospital, spa¨ter als Prof. der Med. am College of Surgeons, bis er nach vier Jahren vom Generalstatthalter der brit. Krone zum Arzt des House of Industry ernannt wurde. 1831 zog er sich nach Sherington zuru¨ck. Durch die nach ihm und Adam Stokes benannte, von ihnen zuerst beschriebene pathol. period. Atmung ist sein Name gela¨ufig N.-D. geblieben. Christmann, Federico Enrique Bruno (* 30. 12. 1898 La Plata, † 18. 4. 1986 La Plata). Der argentin. Chirurg wurde als Sohn eines dt. Kalligraphen geboren. Nach
Clusius, Carolus
dem Abitur am Gymnasium der Univ. La Plata (Colegio Nacional de la Universidad de La Plata) stud. C. Med. in Buenos Aires und prom. 1924. 1925 verbrachte C. ein Wanderjahr in der Schweiz und in Deutschland, wo er ! Sauerbruch und andere beru¨hmte Chirurgen besuchte. 1933 wurde er Prof. der neu gegru¨ndeten Chir. Klinik der Univ. La Plata. Beeinflußt durch seine europ. Erfahrungen fu¨hrte C. in Anlehnung an die dt. Trad. eine der wichtigen und fortschrittlichsten chir. Schulen Argentiniens in seiner Zeit. Seine Chirurgische Technik erschien im Jahre 1929 (weitere Aufl. bis zur Gegenwart) und hat bis heute Einfluß in vielen med. Fak. Su¨damerikas. Werk:Die Entlassung desChirurgs,Rev.Soc. Cir. La Plata, Nr. 4 (1976), S. 497–510. Ac.
Claude, Albert (* 1899 Longlier/Luxemburg, † 1983 Bru¨ssel). Schulabbruch mit 12 Jahren u. Lehre in der Stahlverhu¨ttung; zw. 19141918 Geheimdienstmitarbeiter in Belgien, nach Kriegsende Stud. der Ingenieurwiss. u. Med. in Lu¨ttich, dort Prom., 1928/29 Gastwiss. am Inst. fu¨r Krebsforsch. in Berlin (Charite´), 1929-1949 Prof. am Rockefeller-Inst. in N. Y., danach Direktion des JulesBordet-Inst. fu¨r Krebsforsch. der Freien Univ. Bru¨ssel. 1974 erhielt C. den Nobelpreis fu¨r Physiol. oder Med. fu¨r seine Arbeiten auf dem Gebiet der strukturellen u. funktionellen Organisation der Zelle. Werk: A fraction from normal chick embryo similar to the tumor producing fraction of chicken tumor I., Proc. Soc. Exp. Biol. Med. 39 (1938), S. 398-403. Sth.
Cleyer, Andreas (* 27. 6. 1634 Kassel, † 20. 12. 1697 Batavia/Java). Der Lizentiat der Med., Botaniker und Apotheker C. war der erste europ. Naturforscher, der in Japan umfassende Studien zur Flora japonika und zur Drogenkunde durchfu¨hren durfte. Mit der Niederl. Ostind. Kompanie kam C. 1666 nach Batavia, wo er als Apotheker, Lazarettwa¨rter und Justizrat diente. 1682/83 und 1685/86 arbeitete er als Vorsteher der niederl. Faktorei in Nagasaki, der einzigen westl. im Japan jener Zeit. Trotz strengster Bewachung gelangen ihm dort wichtige botan. Studien. Nach der endgu¨ltigen Verbannung aus Japan zuru¨ck in Batavia, widmete er sich auch der malaysischen Botanik. Die chin. Pulslehre lernte C. aus Ms. des jesuit. Chinamissionars Michael Boym kennen, die er bearbeitete und 1685 herausgab. Chr. Mentzel vero¨ffentlichte Briefe und Berichte seines Korrespondenzpartners C. in den Miscellanea der Leopoldina. Werk: Specimen medicinae sinicae, Frankfurt 1682; Briefauszu¨ge in: Miscellanea curiosa, Dec. II, 1 (1682) bis Dec. III,5/6 (1697/98), Leipzig u. Nu¨rnberg 1683– 1700. Eck.
Clusius, Carolus [Charles de l’Ecluse, de l’Escluse, Lescluse, Le´cluse, Lescluze, Le´cluze] (* 19. 2. 1524 Arras, † 4. 4. 1609 Leiden). C. stud. ab 1546 in Lo¨wen alte Sprachen und Jurisprudenz. Nach Zwischenstationen in Marburg und Wittenberg stud. C. ab 1550 Med. und Botanik in Montpellier. Nach Ta¨tigkeit an verschiedenen Orten berief ihn Kaiser Maximilian II. als Leibarzt nach Wien und beauftragte ihn mit der Anlage seines botan. Gartens. 81
Cohn, Ferdinand Julius
Hier begann seine Karriere als Botaniker, die ihn nach Frankfurt a. Main (1587) und 1592 auf den Lehrstuhl fu¨r Botanik der Univ. Leiden fu¨hrte. C.s Beschreibung der o¨sterr. und ungar. Flora kam 1583 unter dem Titel Rariorum aliquot stirpium per Pannoniam, Austriam et vicinas quasdam provincias observatum historia heraus. C. wich vom Nutzenprinzip der Kra¨uterbu¨cher ab und stellte die botan. Eigenarten der beschriebenen Pflanzen heraus. Als erster Beschreiber der Alpenflora sowie als Verbreiter und Zu¨chter von Zier- und Nutzpflanzen, z.B. Kartoffel, Primel und Roßkastanie, kann C. als einer der Wegbereiter der neuzeitl. Botanik anM.-J. gesehen werden. Cohn, Ferdinand Julius (* 24. 1. 1828 Breslau, † 25. 6. 1898 Breslau). Botaniker und Bakteriologe. Sohn eines ju¨d. Kaufmanns, ab 1842 Studium insbes. der Botanik in Breslau. Als Jude dort zur Prom. nicht zugelassen, prom. C. 1847 in Berlin. 1850 in Breslau habil., dort ao. Prof. (Botanik) 1859, 1866 Dir. des Inst. fu¨r Pflanzenphysiol., o. Prof. 1872. C. ist Mitbegr. der Bakteriol. und Mikrobiol. Er begann mit Arbeiten zur Entwicklungsgeschichte von Algen und Pilzen, etwa u¨ber die Geschlechtlichkeit und Fortpflanzung einzelliger ¨ ber Vergleiche pflanzl. und Algen. U tierischer Zellstrukturen kam er zur Bakteriol. 1872 entwickelte er ein auf Darwin aufbauendes wiss. Klassifikationsschema fu¨r Bakterien. Gegen die freie Zellbildung (Pleomorphie) vertrat C. engagiert die Theorie der Vermehrung von Bakterien durch Zellteilung. In mehreren Schriften be82
ta¨tigte sich C. als erfolgreicher Popularisator. Bekannt wurde er auch als fru¨her Fo¨rderer ! R. Kochs, dem er 1876 zur Publ. seiner ersten Ergebnisse verhalf. Werk: Untersuchungen u¨ber die Entwicklungsgeschichte der mikroskopischen Algen und Pilze, Nova Acta Leopold. 24 (1854), 103–256; Untersuchungen u¨ber Bacterien, in: Beitra¨ge zur Biol. der Pflanzen 1, Nr. 2 (1872), 127–224; Die Pflanze, Breslau 1882. Gr.
Cohnheim, Julius (* 20. 7. 1839 Demmin/Pommern, † 15. 8. 1884 Leipzig). Seit 1868 o. Prof. der pathol. Anat. in Kiel, seit 1872 in Breslau, seit 1878 in Leipzig. C. lieferte grundlegende Beitra¨ge zur Entzu¨ndungslehre, so 1861 mit seiner Berliner Diss. De pyogenesi in tunicis serosis, 1867 mit seiner Abh. Ueber Entzu¨ndung und Eiterung und 1873 mit der Monographie Neue Untersuchungen u¨ber die Entzu¨ndung (C.sche Emigrationstheorie der Leukozytendiapedese). Beru¨hmt wurde C. durch experimentelle Forschungen. 1863 beschrieb er in seiner Arbeit Ueber den feineren Bau der quergestreiften Muskelfaser die C.schen Muskelfelder. Bedeutend waren auch seine Abh. zur Infarktlehre und zur Entstehung von Geschwu¨lsten. C.s Allgemeine Pathologie (2. Aufl., Berlin 1882) stellte eines der ersten Standardwerke zu diesem Gebiet dar. Werk: Gesammelte Abhandlungen, Berlin 1885. Wil.
Colombo, Realdo (* ca. 1510 Cremona, † 1559 Rom). Geb. als Apothekersohn, siebenja¨hrige Lehre bei dem venez. Chir. Lonigo, 1538–41 Stud. der Chir. in Padua.
Conring, Hermann
1543 korrigierte C. ! Vesal o¨ffentlich und zog sich dessen Feindschaft zu. 1544 wurde er Nachfolger Vesals als Anat.prof. in Padua, wechselte 1545 nach Pisa, 1548 nach Rom an die Sapienza. Im Todesjahr (1559) vero¨ffentlichte C. sein einziges Werk De re anatomica. C. wurde beru¨hmt durch die Beschreibung des Lungenkreislaufs. Er stellte durch Vivisektionen fest, daß die Lungenvenen entgegen der antiken Theorie Blut enthielten, nicht Luft zur Ku¨hlung des Herzens. Das Blut stammte nach C. aus dem rechten Herzventrikel, floß u¨ber die Lungenarterie in das Lungenparenchym und von dort in die Lungenvenen. Die Passage durch nicht existente Poren in der Herzscheidewand eru¨brigte sich. C. ordnete als erster die Phasen der Herzaktion richtig zu, woran spa¨ter ! Harvey anknu¨pfte. An der Rolle der Venen als Verteilungsorgane des Blutes hielt C. jedoch fest. Werk: De re anatomica, Venedig 1559 (dt.: Schenck, J., Anatomia, Frankfurt 1609). Bro¨.
Conolly, John (* 27. 5. 1794 Market Rasen/Lincolnshire, † 5. 3. 1866 Hanwell). Engl. Psychiater. Med.-stud. in Glasgow und Edinburgh 1818–1821, hier 1821 Prom. Versuche, sich als prakt. Arzt niederzulassen 1821–1838, unterbrochen von einer Prof. fu¨r Med. an der neu gegr. Univ. London 1827– 1830. Ab 1839 leitender, 1844–1852 konsultierender Arzt des Hanwell Asylum, fu¨hrte C. hier das von Robert Gardiner Hill (1811–1878) entwickelte Prinzip des „non-restraint“ (Behandlung ohne Zwang) ein und propagierte es mit Erfolg. Nach 1852 Leiter von Privatasylen.
Werk: An inquiry concerning the indications of insanity, London 1830; The treatment of the insane without mechanical restraints, ibid. 1856. Pr.
Conring, Hermann (* 9. 11. 1606 Norden/Ostfriesland, † 12. 12. 1681 Helmstedt). Der aus einer luth. Pfarrerfamilie stammende C. bezog 1620 die Univ. Helmstedt. 1625 ging er nach Leiden, wo er bis 1631 Med. und Naturwiss., aber auch Politik und Staatskunde stud. Nach seiner Berufung zum Prof. der Naturphil. in Helmstedt im Jahre 1632 erwarb er 1636 die Dr.grade der Med. und Phil. 1637 sprach man ihm eine med. Prof. zu, 1650 erhielt er eine Prof. fu¨r Politik (politices sive civilis philosophiae). Trotz vieler Rufe an auswa¨rtige Univ. und Fu¨rstenho¨fe blieb C. bis zu seinem Tode in Helmstedt. C., der als einer der fu¨hrenden Polyhistoren des 17. Jh. gilt, befaßte sich neben Jurisprudenz und Rechtsgeschichte auch mit der Med. Eine fru¨he Rezeption der Entdeckung des Blutkreislaufes durch ! W. Harvey gibt sich in dem Werk De sanguinis generatione et motu naturali (Helmstedt 1643) zu erkennen. Wirkma¨chtiger wurde das 1648 zu Helmstedt erschienene Werk De hermetica aegyptiorum vetere et paracelsicorum nova medicina. Hier behauptet C., daß die, wie er sie nennt, Sekte des ! Paracelsismus den Namen der Hermetiker erheuchelt habe und stellt im Anschluß an Isaac Casaubon (1559–1614) die Echtheit des Corpus Hermeticum in Frage. Im folgenden wendet sich C. gegen die paracelsischen Lehren, vor allem die Naturphil. Hohenheims und seine Theorie der „Tria prima“, 83
Constantinus Africanus Cassinensis
Hermann Conring (1606–1681)
die C. als absurd bezeichnet. 1669 erschien eine zweite, verbesserte Ausgabe dieses Werkes, die C. dem frz. Finanzminister J. B. Colbert widmete, da C. von 1663 bis 1673 eine ja¨hrl. Gratifikation Ludwigs XIV. erhielt. In der Schrift De Bibliotheca Augusta, die 1661 zu Helmstedt erschien, lieferte C. einen ersten bedeutenden Beitrag M.-J. zur Bibliotheksgeschichte. Constantinus Africanus Cassinensis [sein arab. Name blieb unbekannt] (* zw. 1010 und 1015 Nordafrika, † ca. 1087 Benediktinerkloster Monte Cassino). Erwarb sich eine umfassende Bildung auf Reisen, wobei er als Drogen- und Kra¨uterha¨ndler bis weit in den Orient kam. Im Alter von 39 Jahren kehrte er nach Nordafrika zuru¨ck, wurde der Zauberei verda¨chtigt und floh nach Su¨ditalien. Um 1075 erscheint C. an der Med.schule in Salerno, wobei die Art seiner Ta¨tigkeit wie auch sein ¨ bertritt zum christl. Glauben ungeU 84
kla¨rt blieben. Unter Abt Desiderius tritt er in das Kloster Monte Cassino ein, vermutlich als Laienbruder und kaum als Mo¨nch (monachus). Nach einer weiteren, speziell fu¨r die literar. Bedu¨rfnisse der Schule von Salerno konzipierten dreija¨hrigen Studienreise ließ C. sich endgu¨ltig in Monte Cassino nieder, um die ihm wichtig erscheinenden med. Schriften aus dem Arab. in das Lat. zu u¨bersetzen. Der in der neueren Wiss.gesch. erhobene Vorwurf des Plagiats bei den oft ¨ bersetzungen kann nach freizu¨gigen U Einsicht in die handschriftlich vorliegenden Fassungen nicht la¨nger aufrechterhalten werden. C. verstand sich selber als „coadunator“, „compilator“ oder „abbreviator“. Fu¨r die mit dem 12. Jh. einsetzende Assimilationsbewegung der griech.-arab. Med. hatte C. eine vorbereitende, fu¨r die unmittelbare Entwicklung der Med.schule von Salerno eine maßgebende Bedeutung; mit ihm setzt das ein, was man als „Hochsalerno“ bezeichnet hat. Wieweit er als „orientis et occidentis magister“ (so Petrus Diaconus) oder gar als „Lehrmeister des med. Abendlandes“ gelten darf, mag offen bleiben. Werk: Liber pantegni, in: Opera Ysaac, Lyon 1515, Basel 1536/39 (= Hb. nach Haly Abbas); Viaticum (= Reisebuch fu¨r ˇ azzar); Megatechne ¨ rzte nach Ibn al-G A (nach Galens De methodo medendi); ferner: De stomacho, De melancolia, De oculis, De coitu sowie Beitra¨ge zur Articella. Gesamtausgaben: Andreas Turinus (Hg.), Opera omnia Ysaac, Lyon 1515; Constantini opera, Apud Henricus Petrus, Basel 1536/39. Schi.
Conti, Leonardo (* 24. 8. 1900 Lugano, † 6. 10. 1945 Nu¨rnberg). Der praktische Arzt trat 1927 in Berlin der NSDAP bei und geho¨rte 1929 zu
Cornarius, Janus
¨ B. SS-Mitden Gru¨ndern des NSDA glied seit 1930, wurde er 1932 fu¨r die NSDAP in den pr. Landtag gewa¨hlt. 1936 organisierte C. den med. Dienst der Olympiade in Berlin. Hitler ernannte C. 1939 zum ‘Reichsgesundheitsfu¨hrer’ und beauftragte ihn als Staatssekreta¨r im Ministerium des Innern mit der Leitung des gesamten o¨ffentl. Gesundheitswesens. Durch die Ernennung ! Karl Brandts, des Leibarztes Hitlers, zum Reichsbeauftragten fu¨r das Sanita¨ts- und Gesundheitswesen wurde C. 1943 faktisch entmachtet. Am 6. 10. 1945 erha¨ngte er sich in seiner Zelle in Nu¨rnberg. Kr. Coolidge, William David (* 23. 10. 1873 Hudson/Mass., † 3. 2. 1975 New York). Physiker, Stud. am Massachusetts Inst. of Technology ab 1895, Auslandsstipendium und Prom. zum Dr. phil. Leipzig 18. 8. 1899 (Diss.: Dielektrische Untersuchungen vermittelst elektrischer Drahtwellen); Ass. am M.I.T. bei Withney, dem spa¨teren General-Electric-Forschungsabt.dir., der ihn nachholte; 1930 Dir. der Forschungsabt., 1940 Vizepra¨sident. Bahnbrechend wirkte seine Entwicklung der ersten Ro¨ntgenro¨hre mit Wolframwendelglu¨hkathode. 83 Patente zeugen von seinem Erfindungsgeist; im Ersten Weltkrieg ersann er zusammen mit I. Langmuir das erste U-Boot-Detektorsystem. Seine Leistungen wurden vielfach geehrt (z.B. Verleihung von Edison- und FaraN.-D. day-Medaille). Cori, Gerty Theresa (* 15. 8. 1896 Prag, † 26. 10. 1957 Glendale/Missouri). Stud. ab 1914 Med. in Prag, wo sie 1920 prom. Nach Heirat mit Carl F.
¨ bersiedlung Cori 1920 gemeinsame U nach Wien und 1922 in die USA. C. wurde dort, im Team mit ihrem Mann, eine bedeutende Biochemikerin. Am New York State Inst. for Malignant Diseases/Buffalo (bis 1931) und an der Washington University School of Medicine in St. Louis/Missouri sowie als Prof. fu¨r Biochem. an ders. Univ. ab 1947 arbeite C. mit ihrem Mann zum Kohlenhydratstoffwechsel und zur Funktion der Enzyme im Organismus. Fu¨r ihre Arbeiten erhielten beide gemeinsam 1947 den Gr. Nobelpreis fu¨r Med. Cornarius, Janus [Hainpol bzw. Haynpol, Heypol, Haynpo¨ll, Hampol, Haynpul, Hagenbut, Hanbut], Janus [Johann] (* 1500 Zwickau, † 16. 3. 1558 Jena). Sohn eines Schuhmachermeisters und va¨terlicherseits zur Theologie bestimmt, stud. C. mit Hilfe eines Stipendiums seiner Heimatstadt Zwickau an der Artistenfakulta¨t in Leipzig (Baccalaureat 1518) und Wittenberg (Magister artium 1521), um sich dann dem Medizinstudium zuzuwenden, das er 1523 mit dem Lizenziat abschloß. Bis 1529 folgten Wanderjahre (gesichert sind Aufenthalte in Lu¨beck, Rostock, Lo¨wen, Basel), in denen sich C. zum Prototypen eines humanistischen Philologenarztes weiterbildete, der auch ku¨nftig seine praktische Ta¨tigkeit als Stadtarzt in Zwickau (zwischen 1530 und 35 drei Jahre lang; 1546–57), Nordhausen (1535–37) und Frankfurt a. M. (1538–42) zeitlebens mit intensiver Lektu¨re antiker med. Autoren theoretisch zu untermauern trachtete. Akad. Ehren wurden C., der zahlreiche Schriften der griech.-ro¨m. Antike und Patristik, 85
Cornaro, Luigi
u.a. das gesamte Corpus Hippocraticum, edierte und ins Lateinische u¨bersetzte, erst 1542–46 als Professor fu¨r Medizin in Marburg und 1558 als 1. Dekan der neu gegru¨ndeten Med. Fak. der Univ. Jena zuteil. C. war zweimal verheiratet und hatte aus zweiter Ehe drei So¨hne, von denen zwei eben¨ rzte wurden. Ru¨. falls A Cornaro, Luigi (* 1467 Padua, † 26. 4. 1566 Padua). Als angesehener Paduaner Bu¨rger geho¨rte C., zusammen mit dem Arzt ! G. Fracastoro, dem gelehrten Kreis um Kardinal Pietro Bembo an. C.s bes. Interesse galt praktisch und theoret. der Wohlta¨tigkeit gegenu¨ber seiner Stadt, vor allem der o¨ffentl. Gesundheitspflege. So etwa ließ er unweit der eigenen Villa Su¨mpfe trockenlegen. Seine Vorstellungen, wie durch ein besonderes dia¨tet. Regimen die Gesundheit verbessert und das Leben verla¨ngert werden ko¨nne, legte er in seinen Discorsi della Vita Sobria nieder, von denen aber zuna¨chst nur der Trattato della Vita Sobria (1558) erschien. Dem Prinzip folgend, daß sich jedermann selbst der beste Arzt sein ko¨nne, entwickelte C. sein autobiogr. orientiertes Gesundheitsregimen in italien. Versen. Die popula¨re Schrift erfreute sich bald gro¨ßter Beliebtheit, erschien 1613 in lat., danach ¨ bersetauch in vielen landessprachl. U zungen. Die Discorsi insgesamt (Trattato, Compendio, Littera, Amorevole Esortazione) erschienen zuerst 1627 Eck. in Mailand.
86
Corti, Alfonso Giacomo Gaspare (* 22. 6. 1822 Gambarana bei Pavia, † 2. 10. 1876 Corvino San Quiricio bei Casteggio). Einer der Pioniere der mikroskop. Anat. C. stud. ab 1841 Med. in Pavia und spa¨ter in Wien, wo er 1847 prom. Er arbeite als mikroskop. Anat. in Bern, Paris, Wien und Wu¨rzburg und lebte ab Mitte der 1850er Jahre auf seinem Landgut in Mazzolino. C., dessen bes. Interesse dem Zusammenhang von Struktur und Funktion galt, wurde beru¨hmt durch seine anat. Beschreibung der Geho¨rschnecke Recherches sur l’organe de l’ouie des mammife`res (1851), deren Bestandteile nach ihm benannt sind (Cortisches Organ etc.). Die Beschreibung wurde zur Grundlage der ! Helmholtzschen Resonanztheorie des Ho¨rens. Außerdem fu¨hrte C. die Rotfa¨rbetechnik in die mikroskop. Anat. Gr. ein. Corvisart des Marest, Jean Nicolas (* 15. 2. 1755 Dricourt bei Vouziers/ Champagne, † 18. 9. 1821 Courtevoie bei Paris). Napoleons bevorzugter Leibarzt geho¨rte zu den fu¨hrenden Ko¨pfen der anat.-pathol. orientierten Pariser Schule der klin. Med. Sein bes. Interesse galt der Klinik der Brusterkrankungen (Herz, große Gefa¨ße, Lungen). C. hat die bereits von ! L. Auenbrugger 1761 beschriebene Meth. der Perkussion wiederentdeckt, dessen Schrift neuu¨bers. (1808) und die Meth. in die klin. Diagnose eingefu¨hrt. Seine Karriere hatte 1794 mit der Ernennung zum Prof. an der im gleichen Jahr gegru¨ndeten Med. Klinik in Paris begonnen. Seit 1807 war er Leibarzt
Crede´, Carl Siegmund Franz
Jean Nicolas Corvisart des Marest (1755– 1821)
Napoleons, nach dessen Sturz rangho¨chster Arzt des frz. Medizinalwesens. Zu C.s Schu¨lern geho¨rten u.a. ! Bayle, ! Bretonneau, ! Dupuytren, ! Laennec und Cuvier. Werk: Essai sur les maladies et les le´sions organiques du coeur et des gros vaisseaux, ¨ bers. u. Paris 1806; Corvisart, J.N. (U Komm.), Nouvelle me´thode pour reconnaıˆtre les maladies internes de la poitrine par la percussion de cette cavite´, ibid. 1808. Eck.
Cotugno, Domenico (* 29. 1. 1736 Ruvo bei Bari, † 6. 10. 1822 Neapel). Stud. und prom. in Neapel, wo er im Anschluß Prof. fu¨r Anat. wurde; C. arbeitete zugleich am Ospedale degli incurabile, wo er Sektionen vornahm. Sein wichtigster wiss. Beitrag war die Zusammenfassung von Einzelbefunden der Anat. und der Physiol. In seiner Diss. De aquaeductibus auris
humanae internae (1761) baute er auf den Arbeiten von Duverney und ! Valsalva auf und nahm Erkenntnisse von ! Helmholtz vorweg, indem er das Vestibulum, die Bogenga¨nge und das kno¨cherne Labyrinth des Innenohrs beschrieb und eine Resonanztheorie entwickelte. In De ischiade nervosa (1764) unterschied C. den arthrit. und den nervo¨sen Typus des Ischias; der Ischiasnerv wurde nach C. benannt. Auch beschrieb er erstmalig die Zerebrospinalflu¨ssigkeit im Detail (von Valsalva bereits 1692 entdeckt). C. wies erstmals die Existenz von Eiweißko¨rpern im Harn nach und wurde als ital. Begru¨nder der Tuberkuloseprophylaxe bekannt. Auf seinen Reisen lernte C. 1765 Fa. ! G.B. Morgagni kennen. Cowper, William (* 1669 Alvesford, † 8. 3. 1709 London). Der Entdecker der nach ihm benannten Dru¨sen, die an den ma¨nnl. Geschlechtsorganen vieler Sa¨ugetiere (auch beim Menschen) in die Harnro¨hre mu¨nden, erbrachte bedeutende Leistungen als Anat. und Chir. C. war daru¨ber hinaus auch ein begabter Zeichner. Daher za¨hlt sein Hauptwerk, ein Lb. u¨ber den Muskelapparat (London 1698) mit seinen Abbildungen und Entdeckungen sowie Korrekturen veralteter Anschauungen zu den wertvollsten seiner Zeit. Mit einem Lb. der Anat. geriet C. jedoch in den Ruf, nur ein Plagiat von ! G. Bidloo publiKo. ziert zu haben. Crede´, Carl Siegmund Franz (* 23. 12. 1819 Berlin, † 14. 3. 1892 Leipzig). Med.stud. in Heidelberg und Berlin, hier 1842 Prom. Geburtshilfliche Ausbildung am Berliner geburtshilflichen 87
Crick, Francis Harry Compton
Univ.-Inst. bei D.W.H. Busch (1788– 1858), bei dem er sich 1850 habil. War von 1852 bis 1856 als Leiter der Berliner Hebammenschule an der Charite´ und der mit ihr verbundenen Geba¨rabteilung sowie einer dort von ihm gegr. gyna¨kol. Abt. ta¨tig. 1856 wurde er als Nachfolger von J.C.G. Joerg (1779–1856) nach Leipzig berufen, wo er bis 1887 das geburtshilfl. Ordinariat innehatte. Hier richtete er neben einer gyna¨kol. Abt. in der Geba¨ranstalt eine geburtshilfl.-gyna¨kol. Poliklinik ein. C. war von 1853 bis 1869 Mithg. der Monatsschrift fu¨r Geburtskunde und Frauenkrankheiten und des daraus hervorgegangenen Archivs fu¨r Gyna¨kologie. Besondere Verdienste erwarb er sich um die Leitung der Nachgeburtsperiode mit dem von ihm inaugurierten „C.schen Handgriff“ (Expression der gelo¨sten Plazenta, 1853) und mit der Einfu¨hrung der Prophylaxe der gonorrhoischen Neugeborenen-Blennorrhoe durch Eintra¨ufelung einer 1%igen Silbernitratlo¨sung post partum (1879). Werk: Die zweckma¨ßigste Methode der Entfernung der Nachgeburt, Berlin 1881; Die Verhu¨tung d. Augenentzu¨ndung der Neugeborenen, ibid. 1884. Schn.
Crick, Francis Harry Compton (* 08. 06. 1916 Northampton/UK, † 28. 07. 2004 San Diego/California). Schulzeit in Northampton und London. 1937 bis 1940 Stud. der Physik u. Math. am Univ. College London, dort 1937 BSc. u. Beginn eines Promotionsprojekts, das durch Kriegsausbruch 1939 unterbrochen wird. Im Zweiten Weltkrieg Wissenschaftler bei der brit. Admiralita¨t im Bereich magnet. wie akust. Minen. 1947 quit88
tiert er den Dienst, um Biol. am Med. Research Council der Cambridge Univ. zu studieren. 1951 Bekanntschaft mit J.D. Watson. Ab 1952 gemeinsam mit Watson und M. Wilkins Entwicklung des Doppel-Helix-Modells fu¨r DNA. 1953 vielbeachtete Publ. des Modells. 1954 Prom. zum Ph.D. im Fach Biol. mit einer Arbeit u¨ber X-ray Diffract.: Polypeptides and Proteins. 1959 Gastprof. an der Harvard Univ. u. Gastwiss. am Rockefeller Inst. for Med. (jetzt Rockefeller Univ.) in N.Y. Im gleichen Jahr Wahl zum Fellow of the Royal Society. 1960 nach Ru¨ckkehr an die Cambridge Univ., full Prof. ebendort. Gemeinsam mit Watson und Wilkins erha¨lt C. 1962 den Nobelpreis fu¨r Physiol. oder Med. fu¨r Entdeckungen u¨ber die Molekularstruktur der Nukleinsa¨uren und ihre Bedeutung fu¨r die Informationsu¨bertragung in lebender Substanz. 1969 Mitglied der Leopoldina. Ab 1977 Wechsel der Forschungsricht. und Schwerpunktsetz. im Bereich der Neurobiol., Kognitions- u. Bewusstseinsforsch. als distinguished Res. Prof. am Salk Inst. in La Jolla/California sowie als ao. Prof. fu¨r Psychol. u. Chem. an der Univ. of California, San Diego. Werk: Mit Watson, J. D., Molecular Structure of Nucleic Acids. A Structure for Deoxyribose Nucleic Acid, Nature 171 (1953), S. 737-738. Pl.
Crookes, Sir (seit 1897) William (* 17. 6. 1832 London, † 4. 4. 1919 London). Chemiker. 1848 College of Chemistry (London), 1854 Leiter des Radcliffe Observatoriums (Oxford), 1855 Lecturer on Chemistry (Chester Training College). Ab 1859 Hg. der Chemical
Cullen, William C.
News. Dort 1861 Bericht u¨ber seine spektroskop. Entdeckung eines gru¨n strahlenden, deshalb Thallium genannten Stoffes; 1863 Mitglied der Royal Society, Pra¨sident 1913–1915. 1866 Vorschlag von Phenol und Kresol gegen Rinderpest. Der Bau des Radiometers, dessen Ra¨der C. durch Lichtabstoßungskra¨fte bewegt glaubte, und des radioaktive Teilchenstrahlung sichtbarmachenden Spinthariskops, die Behauptung eines fourth state of matter aufgrund von Kathodenstrahlro¨hrenversuchen wollen wie seine Großbritannien schockierenden Spiritismusexperimente die Wirklichkeit eines mit Spontaneita¨t begabten materiellen Kontinuums N.-D. aufzeigen. Cruveilhier, Jean Baptiste (* 9. 2. 1791 Limoges, † 10. 3. 1874 Sussac/Limoges). Frz. Pathol. und Arzt. Med.stud., Prom. (1816) in Paris, dann prakt. Arzt in Limoges. 1824–25 Prof. fu¨r Chir. und Anat. in Montpellier und Paris. Dort erhielt C., einer der ersten klin. Pathol., 1836 den neu gegr. Lehrstuhl fu¨r pathol. Anat. C. betrieb als Schu¨ler von ! Dupuytren chir. orientierte pathol. Anat., war hauptsa¨chlich Kasuistiker und makroskop. Diagnostiker. C.s wiss. Werk, dessen Kern ein viel beachteter Atlas der pathol. Anat. bildete, wurde durch die Zellularpath. in den Hintergrund gedra¨ngt. Werk: Anatomie pathologique du corps humain, 2 Bd., Paris 1829–1842. Pr.
Cruz, Oswaldo Gonc¸alves (* 5. 8. 1872 Sa˜o Luı´s de Paraitinga/Sa˜o Paulo, † 11. 2. 1917 Rio de Janeiro). Brasil. Hygieniker; begru¨ndete (1901) das spa¨ter nach ihm ben. staatl. Insti-
tut f. Tropenpathol. u. Serumforschung (Instituto Serotera´pico Federal) in Rio de Janeiro, dem er seit 1902 als Dir. vorstand; 1897–1908, seit 1903 als Diretor-Geral de Sau´de Pu´blica, erfolgr. Kampagnen gegen Bubonenpest, Gelbfieber (1896: 3902 Tote in Rio; 1904: 51), Pocken (1908) u. Malaria besonders in der Einwanderermetropole Rio. C. hat die Serumprophyl. in Bras. eingef. u. Gesundh.exped. ins Innere Brasil. (Amazonasgebiet) untern. Nach C. wurde der von seinem Schu¨ler ! C. Chagas entdeckte Erreg. d. ChagasKrankheit (Trypanosoma cruzi) beEck. nannt. Cullen, William C. (* 15. 4. 1710 Hamilton bei Glasgow, † 5. 2. 1790 Kirknewton bei Edinburgh). Seit 1751 Prof. der Med. in Glasgow, wo er aber tatsa¨chlich Chemie als Lehr- und Forschungsgebiet wahrnahm, seit 1755 Prof. der Chem. und Med. in Edinburgh. Seit 1757 hielt C. klin. Vorl., seit 1761 a¨ußerst beliebte Lehrveranstaltungen u¨ber Materia medica. C. war ein ausgezeichneter Lehrer und ein weithin gesuchter Arzt, wie seine ungewo¨hnlich umfangreiche Korrespondenz belegt. Bereits seine Synopsis nosologiae methodicae (1766), eine trockene, starre, dem ! Linne´schen System vergleichbare Klassifizierung der Krankheiten, machte ihn bekannt. Auch u¨bte er mit seinem vierba¨ndigen Werk First Lines of the Practice of Physick, for the use of students (1776–89) großen Einfluß auf die Med. seiner Zeit aus; es bildet den Beginn der Neuralpathol. Nach C. werden alle Krankheitsvorga¨nge vom gesteigerten oder verminderten Tonus des Nervensy89
Cushing, Harvey Williams
stems hervorgerufen, das von einem Fluidum erfu¨llt und stets in Bewegung ist. C. widmet sich in diesem Werk besonders der Gicht, die fu¨r ihn eine Erkrankung des Nervensystems ist und vom Gehirn ihren Ausgang nimmt.
scha¨tzten ! Sir William Osler. Bibliophile und med.hist. Neigungen zeichneten C. lebenslang aus; bekannt wurde bes. seine Biobibliographie ! A. Wil. Vesals (1943).
Werk: Works of W.C., 2 Bd., 1827.
Czerny, Adalbert (* 25. 3. 1863 Szczakowa/Galizien, † 3. 10. 1941 Berlin). C. stud. seit 1881 in Prag; 1888 Prom. Weiterbildung an der Prager Landesfindelanstalt unter A. Epstein; Habil. 1893; 1894 Extraord. der Pa¨diatrie in Breslau, 1906 pers. Ord. Hier setzte er den Bau der Kinderklinik durch („Breslauer Schule“). Von 1910 bis 1913 war C. Ord. der Pa¨diatrie in Straßburg, von 1913 bis zu seiner Emerit. 1932 in Berlin. 1936 vertrat er den Lehrstuhl in Du¨sseldorf. Seine Arbeiten betrafen Histol. und Embryol., kindl. Tumoren, Sa¨uglingserna¨hrung und Schlaf; die Bezeichnungen „Erna¨hrungssto¨rung“ und „exsudative Diathese“ (1903) stammen von ihm.
Wil.
Cushing, Harvey Williams (* 8. 4. 1869 Cleveland/Ohio, † 7. 10. 1939 New Haven/Conn.). Begr. der mod. Hirnchir. Seit 1896 Ass. bei ! W. Halsted am Johns Hopkins Hospital in Baltimore, 1900–1901 in Europa, seit 1901 wieder bei Halsted. Seit 1912 Prof. der Chir. an der Harvard Univ. in Boston, seit 1933 Prof. der Neurol. an der Yale Univ. in New Haven, seit 1937 dort Dir. of Studies in the History of Med. C. verfolgte schon fru¨h das Ziel, Patienten mit Hirntumoren durch Operation zu heilen, doch ha¨uften sich in Baltimore zuna¨chst die Mißerfolge. 1910 gelang es C., den Generalstabschef der Armee der USA durch Operation von einem Meningeom des Hinterhauptlappens zu befreien. Seitdem konnte C. seine Operationsergebnisse so entscheidend verbessern, daß die Sterblichkeitsrate im Jahre 1931 nur noch bei knapp 7% lag, wie C. aus seinem sorgfa¨ltig gefu¨hrten Operationsverzeichnis zeigen konnte. C. vero¨ffentlichte zahlreiche Monographien u¨ber Hirntumoren, so 1912 seine erste u¨ber Tumoren der Hypophyse, 1938 seine hervorragendste u¨ber Meningeome. 1932 beschrieb C. das nach ihm benannte C.-Syndrom, ¨ tiologie allerdings komplidessen A zierter ist, als C. annahm. 1926 erhielt C. den Pulitzer-Preis fu¨r seine Biographie des von ihm hochge90
Werk: Der Arzt als Erzieher des Kindes, Leipzig u. Wien 1908; Des Kindes Erna¨hrung, Erna¨hrungssto¨rungen u. Erna¨hrungstherapie (mit Keller, A.), ibid. 1906– 1918; Pa¨diatrie meiner Zeit, Berlin 1939. Ba.
Czerny, Vinzenz von (* 19. 11. 1842 Trautenau/Bo¨hmen, † 3. 10. 1916 Heidelberg). 1866 prom. in Wien, seit 1868 Ass. von ! Billroth, 1871 Priv.doz. der Chir. in Wien, seit 1871 o. Prof. der Chir. in Freiburg/Br., seit 1877 in Heidelberg. 1906 ließ sich C. emerit., um die Leitung einer von ihm gegr. Spezialklinik fu¨r Krebspatienten (Samariterhaus in Heidelberg) zu u¨bernehmen, der ein Inst. fu¨r experimentelle Krebsforschung angegliedert war. Bei der Einweihung fand auf C.s Veranlassung
De´jerine, Jules Joseph Werk: Aus meinem Leben (Autobiogr. mit Personalbibl.), Ruperto-Carola 41 (1967), 214–36. Wil.
Vinzenz von Czerny (1842–1916)
hin die erste internationale Konferenz fu¨r Krebsforschung in Heidelberg und Frankfurt a. M. statt. C. hat grundlegende Beitra¨ge zur Chir., insbes. Bauchchir., geleistet. Bereits 1870 gelang ihm als erstem die Totalexstirpation des Kehlkopfes am Hund und ebenso die Wiederherstellung von dessen Fa¨higkeit zu bellen. ¨ sophagusre1877 fu¨hrte C. die erste O sektion bei einem Karzinompatienten und 1878 die erste vaginale Totalexstirpation des Uterus durch. Die Lembert-C.sche Darmnaht ist nach ihm mitbenannt. In seiner Krebsklinik verfolgte C. eine chir.-radiol. Kombinationstherapie, doch wurde auch die Chemotherapie erprobt. Das Krebsforschungsinst. verfu¨gte zudem u¨ber eine biol.-chem. Abt. C. starb an einer Leuka¨mie, die er sich wahrscheinlich durch seinen intensiven Umgang mit ionisierenden Strahlen zugezogen hatte. Nach C. wurde der Wissenschaftspreis der Dt. Gesellsch. fu¨r Ha¨matol. und Onkol. benannt.
Davy, Sir Humphrey (* 17. 12. 1778 Penzance/Cornwall, † 29. 5. 1829 Genf). Nach Lehre bei einem ApothekerChir. und intensiven Selbststudien wurde D. 1798 Chemiker an der „Pneumatic Institution“ des Arztes Th. Beddoes. Die von D. entdeckte ana¨sthesierende Wirkung des Lachgases (1800) blieb vorla¨ufig unbeachtet. 1801 Lehrauftrag an der Royal Institution; 1802 Prof. der Chemie; 1820 bis 1827 Pra¨sident der Royal Society. D. fand mit Hilfe der Elektrolyse mehrere chem. Elemente. Er gilt als Begru¨nder Nk. der Agrochemie. De´jerine, Jules Joseph (* 3. 8. 1849 Genf, † 26. 2. 1917 Paris) und Augusta (* 15. 10. 1859 San Francisco, † 5. 11. 1927 Paris). J.J.D.: Med. Prom. 1879 in Paris, 1886 Agre´ge´, 1887–94 Chefarzt am Biceˆtre, 1894–1911 an der Salpeˆtrie`re, seit 1901 Prof. fu¨r Geschichte der Medizin, spa¨ter fu¨r Pathol. interne, 1911 fu¨r Neurol. J.J.D. heiratete die Amerikanerin Augusta Klumpke, die erste weibl. Interne des Hoˆpitaux de Paris. Nach ihr wurde die untere Armplexusla¨hmung benannt. Gemeinsam verfaßten die D.s das bahnbrechende Lb. Anatomie des centres nerveux. J.J.D. vero¨ffentlichte zahlreiche neuropathol. Arbeiten u.a. zur motor. Aphasie, zum ThalamusSyndrom, zur diphther. Pseudotabes, zur neuralen Muskelatrophie und zur olivopontozerebella¨ren Atrophie. Er untersuchte den emotionellen Ursprung nicht organisch bedingter Sto¨91
De´jerine, Jules Joseph Werk: Aus meinem Leben (Autobiogr. mit Personalbibl.), Ruperto-Carola 41 (1967), 214–36. Wil.
Vinzenz von Czerny (1842–1916)
hin die erste internationale Konferenz fu¨r Krebsforschung in Heidelberg und Frankfurt a. M. statt. C. hat grundlegende Beitra¨ge zur Chir., insbes. Bauchchir., geleistet. Bereits 1870 gelang ihm als erstem die Totalexstirpation des Kehlkopfes am Hund und ebenso die Wiederherstellung von dessen Fa¨higkeit zu bellen. ¨ sophagusre1877 fu¨hrte C. die erste O sektion bei einem Karzinompatienten und 1878 die erste vaginale Totalexstirpation des Uterus durch. Die Lembert-C.sche Darmnaht ist nach ihm mitbenannt. In seiner Krebsklinik verfolgte C. eine chir.-radiol. Kombinationstherapie, doch wurde auch die Chemotherapie erprobt. Das Krebsforschungsinst. verfu¨gte zudem u¨ber eine biol.-chem. Abt. C. starb an einer Leuka¨mie, die er sich wahrscheinlich durch seinen intensiven Umgang mit ionisierenden Strahlen zugezogen hatte. Nach C. wurde der Wissenschaftspreis der Dt. Gesellsch. fu¨r Ha¨matol. und Onkol. benannt.
Davy, Sir Humphrey (* 17. 12. 1778 Penzance/Cornwall, † 29. 5. 1829 Genf). Nach Lehre bei einem ApothekerChir. und intensiven Selbststudien wurde D. 1798 Chemiker an der „Pneumatic Institution“ des Arztes Th. Beddoes. Die von D. entdeckte ana¨sthesierende Wirkung des Lachgases (1800) blieb vorla¨ufig unbeachtet. 1801 Lehrauftrag an der Royal Institution; 1802 Prof. der Chemie; 1820 bis 1827 Pra¨sident der Royal Society. D. fand mit Hilfe der Elektrolyse mehrere chem. Elemente. Er gilt als Begru¨nder Nk. der Agrochemie. De´jerine, Jules Joseph (* 3. 8. 1849 Genf, † 26. 2. 1917 Paris) und Augusta (* 15. 10. 1859 San Francisco, † 5. 11. 1927 Paris). J.J.D.: Med. Prom. 1879 in Paris, 1886 Agre´ge´, 1887–94 Chefarzt am Biceˆtre, 1894–1911 an der Salpeˆtrie`re, seit 1901 Prof. fu¨r Geschichte der Medizin, spa¨ter fu¨r Pathol. interne, 1911 fu¨r Neurol. J.J.D. heiratete die Amerikanerin Augusta Klumpke, die erste weibl. Interne des Hoˆpitaux de Paris. Nach ihr wurde die untere Armplexusla¨hmung benannt. Gemeinsam verfaßten die D.s das bahnbrechende Lb. Anatomie des centres nerveux. J.J.D. vero¨ffentlichte zahlreiche neuropathol. Arbeiten u.a. zur motor. Aphasie, zum ThalamusSyndrom, zur diphther. Pseudotabes, zur neuralen Muskelatrophie und zur olivopontozerebella¨ren Atrophie. Er untersuchte den emotionellen Ursprung nicht organisch bedingter Sto¨91
Delage, Yves
rungen, bezeichnete sie als „funktionell“ und pra¨gte den Begriff der „Psychoneurose“. Zahlreiche neurol. Syndrome tragen den Namen J.J.D.s. Werk: J.J.D. u. A.D.-K.: Anatomie des centres nerveux, Paris 1895/1901; J.J.D.: Se´miologie des affections du syste`me nerveux, ibid. 1914. Bro¨.
Delage, Yves (* 1854 Avignon, † 1920 Sceaux). Bacc. e`s-sciences und Bacc. e`s-lettres, Med.stud. in Paris, dort med. Prom. 1880 u. nat.wiss. Prom. 1881, ao. Prof. in Paris, Caen, Luc sowie 18861920 Titularprof. fu¨r Zool. an der Sorbonne. Er war Schu¨ler von L. Duthiers, der die zool. Station von Roscoff in der Bretagne leitete. D. arbeitete vergl.-anat., embryol. u. physiol. – etwa u¨ber Larvenstadien von Sacculina, die Entwicklung von Schwa¨mmen und in med. Hinsicht bes. zum Endolymphsystem des Innenohrs. Ferner trat er als Befu¨rworter der „Parthenogenese“ ! J. Loebs hervor, untersuchte Regenerationsprozesse an Seeigeln und publ. auf dem Gebiet der Theoretischen Biologie. Werk: La structure du protoplasma, les theories sur l’he´re´dite´ et les grands proble`mes de la biologie ge´ne´rale, Paris 1895. Sth.
Delbru¨ck, Max Ludwig Henning (* 1906 Berlin, † 1981 Pasadena/California). Sohn einer weitla¨ufigen pr. Gelehrtenfamilie, nach Anregung K. F. Bonhoeffers Stud. der Astronomie in Tu¨bingen, Berlin, Bonn u. Go¨ttingen, unter dem Eindruck eines Berliner Vortrags von W. Heisenberg und intensiver Diskussionen mit V. F. Weisskopf aus Go¨ttingen wechselte D. 1928 zu Theor. Physik und wurde 1930 von 92
M. Born prom. Seine Postdoc-Zeit fu¨hrte ihn zu J. E. Lennard-Jones nach Bristol, zu N. Bohr nach Kopenhagen u. zu W. Pauli nach Zu¨rich, bevor er 1932-1937 am Berliner KWI fu¨r Chemie als Ass. von O. Hahn u. L. Meitner seine Arbeit zu theor. Fragen der Physikal. Chem. fortsetzte. Ein Rockefeller-Stip. ermo¨glichte D. einen mehrja¨hrigen Forschungsaufenthalt am Caltech in Pasadena, Calif., wobei er sich mit Beginn des Zweiten Weltkriegs entschied, in den USA zu bleiben und von 1940-1947 eine Stelle als Physik-Doz. an der Vanderbilt Univ. in Nashville, TN anzunehmen. Von 1947-1977 arbeitete er als Prof. fu¨r Biol. am Caltech in Pasadena. Hatte sich D. bereits in Berlin mit biophysikal. Fragestellungen bescha¨ftigt – etwa in gemeinsamen Arbeiten mit ! N. V. Timofe´eff-Ressovsky u¨ber den Zusammenhang von Ro¨ntgenstrahlung und Genmutationen, so blieb sein biol. Interesse im Umfeld der Drosophila-Forsch. von ! T. H. Morgan und unter dem Eindruck der quantenphysikal. Konzeptionen in E. Schro¨dingers Essay Was ist Leben? vital: Gemeinsam mit E. Ellis wandte er sich den Bakteriophagen zu, die er nun als ada¨quates Modell fu¨r molekulargen. Unters. begriff. Seine Forsch. zur physikal. Oberfla¨chenstruktur, enzymat. Aktivita¨t sowie rekombinanten Vererbungsweise von BakteriophagenwieauchseineVerbreitung molekularbiol. Methoden, die Organisation ja¨hrl. Sommerkurse in Cold Spring Harbor und die enge Vernetzung seiner Phagengruppe brachten D. hohe wiss. Anerkennung ein. Nach J. D. Watsons und ! F. Cricks Entdeckung der DNA-Doppelhelix sowie begleitet von der Ahnung, mit der
Descartes, Rene´
Phagenforsch. keine entscheidenden Antworten auf das biophysikalische Komplementarita¨tsproblem gefunden zu haben, wandte sich D. 1953 sinnesphysiol. Fragestellungen zu. So untersuchte er etwa den Phototropismus des Pilzes Phycomyces auf basale Reiz-Reaktionsschemata hin. Obwohl ihm hierbei bahnbrechende Antworten auf die Grundfrage nach der biophysikalischen Komplementarita¨t verwehrt blieben, trug er doch wissenschaftspol. in der BRD maßgeblich zu einer Neuorientierung der Genetik, zum Aufbau des Ko¨lner Inst. fu¨r Gen., 1961-1963, und zur Gru¨ndung der Univ. Konstanz bei. Zus. mit A. D. Hershey und S. Luria erhielt D. 1969 den Nobelpreis fu¨r Physiol. oder Med. fu¨r die Aufkla¨rung der Vermehrungsmechanismen u. genetischen Struktur der Viren. Werk: Mit Timofe´eff-Ressovsky, N. V. und ¨ ber die Natur der GenmuZimmer, K. G., U tation und der Genstruktur, Nachr. Ges. Wiss. Go¨ttingen, Math.-Phys. Kl., 6. FachGr. 13 (1935), S. 190-245; dies., Zur Frage u¨ber einen ‘direkten’ oder ‘indirekten’ Einfluss der Bestrahlung auf den Mutationsvorgang, Biol. Zentralbl. 57 (1937), S. 233-248, Bacterial Viruses or Bacteriophages, Biol. Rev. 21 (1946), S. 30-40; Genetik und die Synthese ‘lebender’ Substanz, MNU 15 (1962), S. 241-243; A Physicist Looks at Biology, Trans. Conn. Acad. Arts. Sci. 38 (1949), in: Phage and the origins of molecular biology, hg. von J. Cairns u.a., Cold Spring Harbor 1966, S. 173-190; A Physicist’s Renewed Look at Biology: Twenty Years Later, Science 168 (1970), S. 1312-1315, Mind from Matter?, Am. Scholar 47 (1978), S. 339-353. Sth.
Desault, Pierre Joseph (* 6. 2. 1738 Vouhenans, † 1. 6. 1795 Paris). D. stud. Med. in Paris als Schu¨ler von Petit, prom. 1776 mit einer Arbeit De
calculo vesicae [...] zum Dr.med. und arbeitete danach als Chir. am HoˆtelDieu. 1782 wurde D. zum Chefchir. an der Charite´ ernannt, 1788 am Hoˆtel-Dieu, und lehrte ab 1795 als o. Prof. an der Pariser chir. Klinik, an deren Errichtung er beteiligt war. 1776 wurde D. Kandidat der Acade´mie de chirurgie, 1783 Mitglied. Sein wiss. Interesse galt besonders der Frakturbehandlung. D. fu¨hrte den nach ihm benannten Verband bei Clavicula-Fraktur ein. In Zusammenarbeit mit Chopart entstand sein wiss. Hauptwerk Traite´ des maladies chirurgicales et des ope´rations qui leur conviennent. 1791/92 gab D. in 4 Bd. das Journal Ko. de chirurgie heraus. Descartes, Rene´ (* 31. 3. 1596 La Haye, † 11. 2. 1650 Stockholm). Mit 8 Jahren im Jesuitenkolleg in La Fle`che, wo er bis 1612 blieb. Anfang 1618 begab er sich nach Breda, wo er sich in die Armee des Moritz v. Nassau meldete. In der Nacht des 10. 11. 1619, wa¨hrend seines Aufenthaltes in der Na¨he von Ulm, entdeckte er „Das Fundamentum einer wunderbaren Wissenschaft“. In den Jahren 1620– 27 lebte er in Frankreich. 1628 wieder in den Niederlanden, wo er, abgesehen von kurzen Unterbrechungen in versch. Ortschaften, bis 1649 blieb. Im Februar 1649 wurde er von der Ko¨nigin Christine von Schweden nach Stockholm gerufen, wo er am 11. 2. 1650 starb. D. war nie Arzt, noch hatte er je regula¨r Med. stud. Er nannte sich einen dilettant. Anat., und trotzdem ist sein Einfluß auf die Physiol. und auf die mod. Med. enorm. 1629 begann er, sich mit der Anat. zu bescha¨ftigen, 1632–3 schrieb er L’Homme, postum 93
Deventer, Hendrik van
Rene´ Descartes (1596–1650)
1662 auf lat., 1664 in der originalen frz. Fassung erschienen. In diesem Werk beschreibt er die Funktionen des menschl. Organismus ausschließlich mit den Prinzipien der Mechanik. Es handelt sich mit Recht um die erste Abh. u¨ber mechan. Physiol. Die Funktionen des Organismus werden mit der einzigen Hilfe von Ko¨rpereigenschaften, d.h. Ausdehnung und Bewegung, erkla¨rt. Jede psych. und geistige Eigenschaft wird streng ausgeschlossen. Aus dieser Voraussetzung wird sich weiter die mechan. Med. entwikkeln. D. erkennt zwar die Kreislauftheorie von ! Harvey an, aber er kritisiert seine Physiol. des Herzschlages: sie braucht, zur Erkla¨rung der aktiven Phasen der Herzbewegung, die Einsetzung einer unbekannten, die Prinzipien der Ausdehnung und der Bewegung nicht beachtenden Kraft, d.h. einer nicht mechanischen Kraft. Er schreibt den Herzschlag einer Ga¨rung 94
zu, welche in den Herzkammern verweilt und die Ausdehnung und das gleichzeitige Einlassen des Blutes in das Arteriensystem bewirkt. Dieselben Nervenstrukturen bewirken Lokomotion und Sinneswahrnehmung. Die Seele sitzt in der Zirbeldru¨se, und von dort aus leitet sie den Fluß der spiritus animales u¨ber die Nerven in die Muskeln, oder sie empfa¨ngt dort, u¨ber dieselben spiritus, die Leibesempfindungen. D. erarbeitete auch eine Theorie der unfreiwillig-automat. Bewegung. 1647–48 verfaßte er die Description du corps humain, wo er seine embryol. Ideen darstellt. Er entwickelte eine epigenet. Theorie, die dem ma¨nnl. Samen wie dem weibl. Ei denselben Anteil in der Fetusbildung zuschreibt. In den 1649 vero¨ffentlichten Passions, einem Werk, das Med., Therapie, psychosomat. Med. und Moral umfaßt, stellte er eine Gesamttheorie der Beziehungen zwischen Leib und Seele dar. Werk: Adam, Ch. u. Tannery, P., Oeuvres ¨ ber den de D., 13 Bd., Paris 1897–1913; U Menschen (1632) sowie Beschreibung des menschlichen Ko¨rpers (1648) nach der ersten frz. Ausg. v. 1664, u¨bers. u. mit einer hist. Einl. versehen v. K.E. Rothschuh, Heidelberg 1969. Tre.
Deventer, Hendrik van (* 16. 3. 1651 Den Haag, † 1724 Voorburg). D. stud. 1672–74 in Hamburg Therapie und Pharmazie. Seit 1675 praktizierte er im fries. Wiewerd als orthop. Chir. und seit 1679 auch als Geburtshelfer. 1688 lud ihn Ko¨nig Christian V. zur Vorfu¨hrung seiner orthopa¨d. Apparate nach Kopenhagen ein. 1694 wurde D. in Groningen zum Dr. med. prom. und wirkte danach als Geburtshelfer in Den Haag. D. beschrieb
Dietl, Joseph
als erster pra¨zise das enge weibl. Bekken. Neben der Geburtshilfe betrieb er in Voorburg, wo er 1709–24 lebte, eine angesehene private orthopa¨d. Anstalt.
en Methoden, Berlin 1829–34; Die Durchschneidung der Sehnen und Muskeln, ibid. 1841; Die operative Chir., 2 Bd., Leipzig 1844–49. Schn.
Werk: Operationes chirurgicae novum lumen exhibentes obstetricantibus, 2 Bd., Leiden 1701/1724. Ba.
Diepgen, Paul (* 24. 11. 1878 Aachen, † 2. 1. 1966 Mainz). Med.-hist. in Freiburg i.Br., Berlin und Mainz. 1897–1902 Med.stud. in Tu¨bingen, Leipzig, Bonn und Freiburg, dort gyna¨kol. Ausbildung bei ! A. Hegar. 1906–29 als Gyna¨kologe in Freiburg ta¨tig. Nach einem Gesch.stud. bei H. Finke 1908 phil. Prom. 1910 in Freiburg Habil. fu¨r Gesch. der Med. 1920 Hon.-Prof. fu¨r Med.gesch. in Freiburg. 1929–46 Ord. fu¨r Gesch. der Med. in Berlin und Dir. des Inst. fu¨r Gesch. der Med. und der Naturwiss. 1947 zuna¨chst Gastprof., spa¨ter Ord. fu¨r Gesch. der Med. in Mainz. Wiss. Arbeiten bes. u¨ber die Med. des MA, die Gesch. der Volksheilkunde und der Gyna¨kol.
Dieffenbach, Johann Friedrich (* 1. 2. 1795 Ko¨nigsberg, † 11. 11. 1847 Berlin). Med.stud. nach einem abgebrochenen Theol.stud. und Teilnahme am antinapoleon. Befreiungskrieg 1816–20 in Ko¨nigsberg. 1820 wechselte er, um den Verfolgungen als Burschenschafter zu entgehen, nach Bonn, wo er bei ! Ph. F. v. Walther chir. ausgebildet wurde. Auf einer Studienreise lernte er in Paris die Chir. ! G. Dupuytren und ! D. J. Larrey kennen. 1822 Ru¨ckkehr nach Wu¨rzburg, wo er 1823 prom. Ab 1824 war er in Berlin zuna¨chst praktischer Arzt und Ass. an der chir. Abt. der Charite´ bei J.N. Rust. 1829 wurde D. Leiter dieser Abt. Bes. Verdienste erwarb er sich um die wiederherstellende Chir., die er um zahlreiche neue Methoden bereicherte. Er za¨hlt zu den Begr. der mod. plastischen Chir. 1832 Ernennung zum Prof. an der Charite´. Gru¨ndete im gleichen Jahr eine Krankenwartschule. 1840 Berufung zum Ord. und Nachfolger von C. F. v. Graefe an der Berliner Chir. Univ.klinik. Beru¨hmtheit erlangte er durch den Ausbau von Operationsmeth., die auf Sehnendurchtrennungen beruhen (Klumpfuß-, Schiefhals- und Schieloperationen). Nahm ab 1839 zahlreiche Schieloperationen am Menschen vor. Werk: Chirurgische Erfahrungen, besonders u¨ber die Wiederherstellung zersto¨rter Teile des menschlichen Ko¨rpers nach neu-
Werk: Geschichte der Medizin, 2 Bd., Berlin 1949–58. Schn.
Dietl, Joseph (* 24. 1. 1804 Podbuze/ Galizien, † 1878 Krako´w). Med.-stud. in Wien, seit 1832 PolizeiBezirksarzt im Wiener Stadtteil Wieden, ab 1841 Primararzt des dortigen Krkh., 1851 Ruf auf die med. Lehrkanzel der Univ. Krakau, 1865 von dieser Stellung durch das Wiener Erziehungsministerium anla¨ßlich seiner Wahl zum Rektor zwangssuspendiert, 1866–74 Pra¨sident der selbstverwalteten „Republik“ Krakau. D. arbeitete auf den Gebieten der pathol. Anat., klin. Chemie und Balneol., er fo¨rderte mod. Krkh.-strukturen und bescha¨ftigte sich mit hyg. Fragen, z.B. der Weichselregulierung. Auf po95
Diokles von Karystos
lit. Gebiet setzte er sich fu¨r univ. Selbstverwaltung und spa¨ter fu¨r eine nationale poln. Selbsta¨ndigkeit in Erziehungsfragen ein. D. war neben ! J. Skoda und ! C. Rokitansky der begabteste Vertreter der neuen Wiener Schule. Im dt. Sprachraum wurde er v. a. bekannt durch eine 1845 publizierte programmatische Schrift, in der er den Vorrang der med. Wissenschaft vor der Praxis verfocht. Die Therapie sei so lange hintanzustellen, bis das Wissen um die pathol. Anat. und Chemie aller Krankheiten vollsta¨ndig sei. D. untermauerte seine Skepsis gegenu¨ber der traditionellen Therapie u.a. durch eine statistische Untersuchung zur Scha¨dlichkeit des Aderlasses in der Pneumonie. D. bezog damit Partei fu¨r die relativ rechtlose Gruppe der Univ.prof. gegen die standespol. wesentlich sta¨rkere ¨ rzte Wiens, die Fraktion der prakt. A als sog. Doktorenkollegium die wichtigsten Funktionen der Wiener med. Fak. kontrollierten. Statt starker zentralistisch-autorita¨rer Strukturen sollte die Selbstverwaltung der Univ.doz. und damit die Position der neuen Wiener Schule gesta¨rkt werden. Die naturwiss. Methodik bot dazu ein demokratisch-liberalen Kreisen geeignetes ideol. Modell. Obwohl die neue Wiener Schule 1848 durch pol. Reformen die Oberhand gewann, geriet D. in der dt. Rezeptionsgesch. zu einer ambivalenten Figur. Der Vertreter der konkurrierenden physiol. Schule, ! C. A. Wunder¨ rzte lich, beschuldigte die Wiener A des therap. Nihilismus, ein Stigma, das letzlich im Zuge der Heroisierung der Leistungen Skodas und Rokitanskys v.a. D. anhaftete. Durch sein Kra96
kauer Engagement fu¨r eine nationale poln. Eigensta¨ndigkeit machte sich D. schließlich auch in Wien polit. unbeliebt. In Polen wird er hingegen noch heute als Nationalheld gefeiert. Werk: Praktische Wahrnehmungen nach den Ergebnissen im Wiedner-Bezirkskrankenhause, Zs. Ges. Aerzte Wien 1/2 (1845), 9–26, 99–113, 186–204, 304–29, 431–65; Anatomische Klinik der Gehirnkrankheiten, Wien 1846; Der Aderlass in der Lungenentzu¨ndung, ibid. 1849. Wie.
Diokles von Karystos (4. Jh. v.Chr.). Griech. Arzt, Zeitgenosse des Aristoteles, im Altertum hoch angesehener med. Denker. Der Einfluß aristotel. Gedankenguts auf D.s med. Forschung, verfochten von W. Jaeger, ist umstritten, zumal von D.s Schriften nur kurze Fragmente u¨berliefert sind; auch die doxograph. Abschnitte der Bru¨sseler Hs. (Wellmann 208–234 = Vindicianus de semine) mu¨ssen mit Vorsicht bewertet werden. Große Bedeutung erlangte die in Briefform gehaltene kurze Gesundheitslehre fu¨r Ko¨nig Antigonos (lat. als Brief des ! Hippokrates u¨berliefert und bearbeitet), wahrscheinlich ein Pseudepigraphon. Werk: Brief (griech.-dt.) AA5, 394–407, (lat.) BTML, 321–40. Van der Eijk, P.J., D. of C.: A Collection of the Fragments with Translation and Commentary, Studies in Ancient Medicine 22-23, Vol. 2, Leiden/ Boston 2000-2001. Fi.
Dioskurides, Pedanios [lat. Dioscorides] (1. Jh. n.Chr.). Aus Anazarbos in Kilikien im su¨dwestlichen Kleinasien (ta¨tig Mitte 1. Jh. n.Chr.), griech. Milita¨rarzt unter den Kaisern Claudius und Nero sowie beru¨hmtester Pharmakologe des Al-
Dioskurides, Pedanios
tertums. Ausgebildet wohl in Tarsos, dem bedeutendsten Zentrum botan.pharmakol. Forschung im ro¨m. Reich, und weitgereist, verfaßte er als Praktiker aufgrund von Autopsie und unter Heranziehung der umfangreichen a¨lteren Lit. sein Hauptwerk peri hy´leˆs iatrikeˆs (lat.: De materia medica) in fu¨nf Bu¨chern, eine Arzneimittellehre, die bereits ! Galen nach Vollsta¨ndigkeit und Gru¨ndlichkeit als maßgebliches Hb. anerkannte. Das zweite unter dem Namen des D. u¨berlieferte Werk, ¨ ber die einperi haploˆn pharma´koˆn (U fachen Heilmittel) wird nun meist als echt betrachtet; weitere unter D.s Namen firmierende Texte verdienten eine eingehende Pru¨fung. Die Materia Medica, die ca. 1000 Arzneimittel erfaßt (813 pflanzl., 101 tierischen, 102 mineral. Ursprungs) und 4740 med. Anwendungen bietet, gliedert sich zuna¨chst in fu¨nf Hauptteile: 1. Genußmittel und pflanzl. Nahrungsmittel; 2. tierische Stoffe; 3. unmittelbare Arzneistoffe; 4. Getra¨nke (Weine); 5. Mineralien. Gegen die zuvor u¨bliche alphabetisch oder nach a¨ußerlichen Merkmalen geordnete Behandlung des gesamten Arzneistoffes bietet D. hierbei erstmals eine Systematik nach der qualitativen Verwandtschaft bzw. med. Wirksamkeit der einzelnen Arzneimittel (wobei auch Magisches nicht fehlt). Vorbildcharakter fu¨r spa¨tere Kra¨uterbu¨cher bis in die fru¨he Neuzeit hatte mehr noch D.s Methode der Pflanzenbeschreibung: Name der Pflanze und Synonyme, Herkunft, botan. Beschreibung, med. Eigenschaften, Zubereitung und Anwendung, gegebenenfalls auch Hinweise auf Lagerung, Aufdekkung von Fa¨lschungen u.a¨. Bereits die a¨lteste und wichtigste u¨berlieferte D.-
Handschrift, der prachtvoll illustrierte ¨ NB) „Wiener D.“ (Cod.med.gr. 1, O von 512/13 n. Chr., bietet zudem (ebenso wie spa¨tere Handschriften) kunsthist. wichtige Abb. der besprochenen Heilpflanzen. Strittig ist aber, ob D. selbst seinem Werk schon Illustrationen beigab, ein Verfahren, das auf Krateuas (ca. 100 v. Chr.) – neben Sextius Niger (ca. 30 n. Chr.) Hauptquelle des D. – zuru¨ckgeht und den Erfolg des D. in MA und Renaissance entscheidend mitbestimmte. Unabha¨ngig davon wirft die moderne Identifikation der von D. beschriebenen Pflanzen erhebliche Probleme auf. Die Arzneimittelkunde des D., in zahllosen, immer wieder neuen Bearbei¨ bersetzuntungen, Paraphrasen und U gen (lat., syr., arab., engl., hebr., tu¨rk. u.a.) verbreitet, behauptete fu¨r u¨ber 1600 Jahre uneingeschra¨nkt ihre autoritative Geltung in Abendland und Orient auf dem Gebiet der Pharmazie, der Pflanzen- und Drogenkunde und ist als eines der einflußreichsten Werke in der Gesch. der Med. und Pharmakol. u¨berhaupt zu betrachten. Wichtigste klass. Quelle fu¨r die mod. botan. Terminologie, verlor das Werk des D. und sein Anordnungsschema erst mit der Durchsetzung der botan. Nomenklatur ! Linne´s seinen u¨berragenden wiss. Einfluß. Der Aufstieg der organ. Chemie im 19. Jh. hingegen verdra¨ngte seine Nutzung auch aus der Alltagspraxis von Kra¨uterkunde, pharmazeut. Herstellung und Anwendung. Werk: Berendes, J. (u¨bers. u. erkl.), Des P. D. Arzneimittellehre, Stuttgart 1902 (repr.: 1987); Wellmann, M. (Hg.), Pedanii Dioscuridis Anazarbei De materia medica, 3 Bd., Berlin 1906/14 (repr.: 1958); Faksimile 97
Do¨blin, Alfred u. Komm.: Gerstinger, H., D., Codex Vin¨ sterr. Natiodobonensis Med. Gr. 1 der O nalbibl., 2 Bd., Graz 1965/70. Hh.
Do¨blin, Alfred (* 10. 8. 1878 Stettin, † 28. 6. 1957 Emmendingen). Stud. Med. in Freiburg i.Br. und prom. dort bei ! Hoche zum Dr. med., arbeitete in den Jahren 1905–1930 als Psychiater, erst als angestellter Arzt, spa¨ter, ab 1911, in eigener Praxis in Berlin. 1929 erschien Berlin Alexanderplatz. Dieser expressionistische Großstadtroman machte D. international bekannt. D., Mitglied der Pr. Akad. der Scho¨nen Ku¨nste, mußte 1933 als ju¨d. Sozialist emigrieren. ¨ ber Frankreich (1936 frz. Staatsbu¨rU gerschaft) gelangte er 1940 in die USA. 1946 Ru¨ckkehr nach Deutschland. Seine im Exil und nach 1945 entstandenen zeitkrit. Werke fanden in der Bundesrepublik nur wenig Beachtung. D. geho¨rte 1949 zu den Mitbegru¨ndern der Akad. der Wiss. und Lit. in Mainz. Werk: Die drei Spru¨nge des Wang-lun, Berlin 1915; Berlin Alexanderplatz, Berlin 1929; Pardon wird nicht gegeben, Amsterdam 1935; Hamlet oder die lange Nacht nimmt ein Ende, Berlin 1956. Wei.
Do¨derlein, Albert (* 5. 7. 1860 Augsburg, † 10. 12. 1941 Mu¨nchen). 1884 prom. in Mu¨nchen, dann Ass. bei P. Zweifel in Erlangen und Leipzig, 1887 habil. in Leipzig mit der Abh. Spaltpilze in den Lochien des Uterus und der Vagina gesunder und kranker Wo¨chnerinnen, mit der D. zu einem der Begru¨nder der gyna¨kol. Bakteriol. wurde. Der von ihm entdeckte Bacillus vaginalis wurde nach ihm D.sches Sta¨bchen benannt. D. fu¨hrte den Gummihandschuh in die Geburtshilfe ein. 98
1897 wurde D. o. Prof., zuerst in Groningen, dann in Tu¨bingen, 1907 in Mu¨nchen. D. war ein gla¨nzender Operateur; sein Leitfaden fu¨r den geburtshilflichen Operationskurs (1893, 20. Aufl. 1950) fand weite Verbreitung. Zugleich setzte sich D. fu¨r die Strahlentherapie Wil. der Karzinome ein. Dodoens, Rembert [Dodonaeus] (* 29. 6. 1517 Mechelen, † 10. 3. 1585 Leiden). D. (eigentl. Rembert van Joennckema) stud. in Mechelen und Lo¨wen, wo er 1535 die Lizentiatur erlangte. Bis 1546 besuchte er Italien, Deutschland und Frankreich. Nach Mechelen zuru¨ckgekehrt, trat D. eine Stelle als Stadtarzt an. D. ging 1575 als Leibarzt der Kaiser Maximilian II. und Rudolf II. nach Wien, kehrte 1580 u¨ber Ko¨ln in die Niederlande zuru¨ck und wurde 1582 Prof. der Med. an der Univ. Leiden. Sein Hauptwerk Commentariorum de stirpium historiae imaginum, 1559 in Antwerpen gedruckt, erschien 1554 in einer niederl. Version als Cruydeboeck, das ha¨ufig u¨bersetzt und nachgedruckt wurde. Seine med. Werke erreichten nicht die Bedeutung der botan. Schriften, unter denen insbesondere die Stirpium historiae pemptades sex sive libri XXX (1583) herausragen. In seinen Werken beschreibt D. erstmals die Flora Nordflanderns, wobei er sich um eine systemat. Aufgliederung des PflanzenM.-J. reiches bemu¨hte. Do¨llinger, Ignaz [Johann Joseph] (* 24. 5. 1770 Bamberg, † 14. 1. 1841 Mu¨nchen). Bedeutender Lehrer der vergl. Anat. und Physiol. in seiner Zeit. D. selbst
Domagk, Gerhard
trat weniger durch sein wiss. Werk hervor als durch seine Ideen zur Embryol. (Epigenese, Keimbla¨ttertheorie) und vgl. Anat., die von seinen Schu¨lern erfolgreich umgesetzt wurden (! K. E. von Baer, H. Chr. Pander, E. d’Alton, ! L. Scho¨nlein). D., Sohn eines Prof. fu¨r Med., stud. in Bamberg, Wu¨rzburg, Pavia und Wien Med. Seine Lehrer waren G. Prochaska, ! P. Frank und A. Scarpa. Er prom. 1894 und wurde zwei Jahre spa¨ter Prof. der Med. in Bamberg; 1803 Prof. der Anat. und Physiol. in Wu¨rzburg und ab 1823 Nachfolger von S. Th. So¨mmering in Landshut (Mu¨nchen). Dort ku¨mmerte er sich vor allem um den Aufbau des Anat. Inst. und wurde 1827 Sekreta¨r der math.-physikal. Klasse der Bayr. Akad. der Wiss. 1805 erschien der Grundriss der Naturlehre des menschlichen Ko¨rpers. Es folgte 1806 eine wichtige Auseinandersetzung mit der Naturphil., der er zuna¨chst positiv, spa¨ter ablehnend gegenu¨berstand (Ueber den jetzigen Zustand der Physiologie). Infolge seiner eigenen Untersuchungen propagierte er eine auf Beobachtung und Experiment beruhende Med. Durch seine anat. und embryol. Studien entwikkelte D. eine hohe Kunstfertigkeit im Mikroskopieren und in der Herstellung von Injektionspra¨paraten. Lo. Domagk, Gerhard (* 30. 10. 1895 Lagow/Mark Brandenburg, † 24. 4. 1964 Mu¨nster). D. wurde als Sohn eines Lehrers geboren. Nach seinem Med.stud. in Kiel wurde er 1921 mit der Diss. Beeinflussung der Kreatininausscheidung durch Muskelarbeit zum Dr. der Med. prom. 1924 habil. sich D. in Greifswald bei W. Groß fu¨r das Fach ‘Pathol. Anato-
mie’ mit dem Thema Untersuchungen u¨ber die Bedeutung des retikulo-endothelialen Systems fu¨r die Vernichtung von Infektionserregern und fu¨r die Entstehung des Amyloids. Nach seinem Wechsel an die Univ. Mu¨nster 1925, wo er 1928 zum ao. Prof. ernannt wurde, erfolgte 1927 die Berufung an das chemotherap. Inst. der IG-FarbenIndustrie Elberfeld. Nach dem Tode seines Leiters Wilhelm Roehl (1881–1929) wurde das Inst. geteilt und D. zum Leiter der Abt. fu¨r exp. Pathol. und Bakteriol. ernannt. Dort gelang ihm 1932 der Nachweis der chemotherap., antibakteriellen Wirkung des 4–Sulfonamid-2’, 4’diaminoazobenzol-Hydrochlorids, das danach Prontosil genannt wurde. Die Ergebnisse dieser und weiterer Untersuchungen wurden erst 1935 vero¨ffentlicht. 1939 wurde D. fu¨r die Entdeckung der antibakteriellen Wirkung des Prontosils der Nobelpreis fu¨r Physiol. oder Med. verliehen, den er aber aufgrund eines Verbotes der Nationalsozialisten erst 1947 entgegennehmen konnte. Weitere Forschungen auf dem Gebiet der Sulfonamide erbrachten den Nachweis der therap. Wirkung des Ulirons (1938), dessen Derivate auch Wirkung bei Anaerobierinfektionen zeigten und zur Entwicklung des Supronals fu¨hrten. Durch die Entdeckung der tuberkulostatischen Wirksamkeit der Thiosemicarbazone (Conteben, 1947) und des Isonicotinsa¨urehydrazids (Neoteben, 1952) lieferte D. einen wichtigen Beitrag zur Chemotherapie der Tuberkulose. Ein weiteres Forschungsgebiet war die Chemotherapie von Tumoren. D., der 1951 Ritter des Verdienstordens pour le me´rite wurde, war Ehren99
Donders, Frans Cornelis
Donders, Frans Cornelis (* 27. 5. 1818 Tilburg, † 24. 3. 1889 Utrecht). Niederl. Physiol. und Augenarzt, 1835–1840 Med.stud.; 1842 Prom. zum Dr. med.; 1848 ao. Prof. an der Med. Fak. der Univ. Utrecht; bis 1862 vor allem als Augenarzt ta¨tig, 1858 Leiter einer o¨ffentl. Augenklinik; 1863 o. Prof. fu¨r Physiol. Neben tierund sinnesphysiol. Forschungen v.a. bekannt durch ophthalmol. Arbeiten, so u¨ber Akkommodations- und Refraktionsanomalien des menschl. Auges, u¨ber Astigmatismus sowie FarbFah. sinn.
Gerhard Domagk (1895–1964)
doktor der Univ. Bologna, Buenos Aires, Co´rdoba, Gießen, Lima und Mu¨nster. Er war auswa¨rtiges Mitglied der British Academy of Science und der Royal Society (1959) sowie Ehrenmitglied der Dt. Gesellschaft fu¨r Dermatol. (1960). 1955 erhielt er das Große Kreuz des zivilen Gesundheitsordens von Spanien, 1956 den Paul-EhrlichPreis der Univ. Frankfurt sowie 1960 den Japanischen Verdienstorden der Aufgehenden Sonne. Nach Beendigung seiner Laufbahn in der industriellen Forschung kehrte D. an seine alte Univ. Mu¨nster zuru¨ck, die ihn 1958 zum o. Prof. ernannt hatte. Werk: Ein Beitrag zur Chemotherapie der bakteriellen Infektionen, Dtsch. Med. Wschr. 61 (1935), 250–3; Chemotherapie der Tuberkulose mit den Thiosemicarbazonen, Stuttgart 1950. Kr. 100
Down, John Langdon Haydon (* 18. 11. 1828 Torpoint bei Plymouth, † 1896 Teddington). Med. stud. in London seit 1853, Prom. 1859, Arzt am Earlswood Asylum fu¨r geistig Behinderte in Redhill/Surrey, 1869 Gru¨ndung eines Heims fu¨r geistig behinderte Kinder in Teddington. D. klassifizierte 1866 geistig Behin¨ bereinstimmung ihderte nach der U res Gesichtsausdruckes mit fu¨nf ethnograph. „Typen“. Der von ihm als „mongolischer Typ der Idiotie“ beschriebene Symptomenkomplex erwies sich 1959 als eine Chromosomenaberration (Trisomie 21). In den sechziger Jahren wurde der Begriff „Mongolismus“ durch das Eponym „D.Syndrom“ ersetzt. Werk: Observations on an Ethnic Classification of Idiots, London Hospital Clinical Lectures and Reports 3 (1866), 259–62. Bro¨.
Doyle, Arthur Conan (* 22. 5. 1859 Edinburgh, † 7. 7. 1930 Crowborough/Sussex). Der geistige Vater von Sherlock Holmes stud. Med. und arbeitete bis
Driesch, Hans Adolf Eduard
1891 als Arzt. Mit der Figur des exzentrischen Detektivs und seines Adlatus Watson schuf D. die Gattung des mod. Kriminalromans. D.s Detektivgeschichten sind wie ein Puzzle aufgebaut; ohne das Beobachtungsvermo¨gen und die Kombinationsgabe des Meisterdetektivs wu¨rde der Ta¨ter im dunklen bleiben. D.s Plan, seinen Serienhelden Sherlock Holmes sterben zu lassen, um sich anderen schriftstellerischen und hist. Projekten zuwenden zu ko¨nnen, scheiterte am Protest seines Publikums. Weniger bedeutend sind D.s Science-Fiction-Erza¨hlungen, von denen freilich der Roman Die verlorene Welt (1912) zu den Klassikern des Genres za¨hlt. 1902 wurde D. in den Adelsstand erhoben. Werk: The adventures of Sherlock Holmes, in: Strand Magazin 1892; The great Boer War, 1900; Hound of Baskerville, in: Strand Magazin 1902; The land of mist, 1926; The casebook of Sherlock Holmes, Strand Magazin 1927. Wei.
Driesch, Hans Adolf Eduard (* 28. 10. 1867 Bad Kreuznach, † 16. 04. 1941 Leipzig). Biologe, Philosoph. Als Sohn einer wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilie studierte D. nach seinem Abitur 1886 in Freiburg (bei A. Weismann) und Jena (bei E. Haeckel) Zool. In Jena traf er auf C. Herbst, mit dem er im Laufe seines Lebens viele Forschungsreisen u.a. mehrfach zur Zool. Station Neapel unternehmen sollte. Prom. 1889 bei Haeckel. Angeregt durch die Versuche W. Rouxs, dem es 1888 gelungen war, durch Abto¨ten einer Frosch-Blastomere (Frosch Embryo im Zweizellstadium)
halbe Embryonen zu gewinnen, wandte D. sich von der Phylogeny ab und der exp. Embryol. zu. Er wiederholte die Versuche Rouxs mit Seeigelblastomeren, to¨tete dabei aber keine der Zellen ab, sondern trennte sie durch Schu¨tteln. Aus dem Umstand, daß er keine halben, sondern zwei normale Embryonen gewann, schloß er auf die Unrichtigkeit der Mosaiktheorie Weismanns und Rouxs, nach der im Keim die spa¨teren Anlagen schon strukturell pra¨disponiert vorliegen. Vielmehr ging D. von einer prospektiven Potenz der Zellen aus, die es ihnen ermo¨glichte, sich anders zu entwickeln als prima¨r vorbestimmt. Bis 1909 fu¨hrte D. noch zahlreiche a¨hnliche Versuche u.a. zur Funktion des Nukleus bei der Entwicklung durch. Nachdem D. bis 1891 noch versucht hatte, Entwicklungsprozesse mechanist., physikochem. u. mathemat. zu erkla¨ren, entwickelte er ab 1892 zunehmend vitalistische Theorien. Er postulierte ein den maschinellen Prozessen u¨bergeordnetes ganzheitl. Prinzip, welches er mit dem Aristotel. Begriff Entelechie zu umschreiben versuchte. D.s ¨ berleBescha¨ftigung mit naturphil. U gungen verdra¨ngte bald seine exp. Forschungsarbeiten, so daß er sich 1909 zwar in der naturwiss. Fak. habil., aber kurz darauf in die phil. Fak. wechselte. 1907-08 war er Gifford-Lecturer in Aberdeen. 1912 wurde er ao. Prof. in Heidelberg. 1919 folgte er einem Ruf auf die Prof. fu¨r systemat. Phil. nach Ko¨ln, 1921 ging er nach Leipzig. 1933 wurde er als den Natsoz. weltanschaul. und pol. unliebsamer Gelehrter emerit. D. gilt als der sta¨rkste Vertreter des Neovitalismus seiner Zeit. 101
Dryander, Johannes Werk: Der Vitalismus als Geschichte und Lehre, Leipzig 1905; Entwicklungsmechanische Studien. I. Der Werth der beiden ersten Furchungszellen in der Echinodermenentwicklung. Experimentelle Erzeugung von Theil- und Doppelbindungen. II. Ueber die Beziehungen des Lichtes zu ersten Etappe der thierischen Formenbildung, Zeitschrift fu¨r wissenschaftliche Zoologie 53 (1891), S. 160-184. Fg.
Dryander, Johannes [Eichmann] (* ca. 1500 Wetter/Lahn, † 20. 12. 1560 Marburg). Nach Stud. in Erfurt, Bourges und Paris wurde D. 1533 in Mainz prom. und 1535 nach Marburg berufen. Dort fu¨hrte er im gleichen Jahr seine erste von drei Anatomien durch, die dritte in Deutschland u¨berhaupt (1517 und 1518, Straßburg). 1537 stellte er seine anat. Erfahrungen in Anatomiae, hoc est corporis humani dissectionis pars prior vor. Die von Thomas gefertigten Holzschnitte stehen zwischen den schematischen des MA und denen der ! Vesalschen Fabrica. Mit Vesal verwickelte er sich in einen Plagiatsstreit. Achtmal war er Rektor der Marburger Univ. Er leitete die Klo¨ster Haina und Merxhausen in Landeshospita¨ler u¨ber. D. war ein begabter Lehrer und fru¨her Vertreter der med. Volksaufkla¨rung. In dt. Sprache vero¨ffentlichte er 1527 das New Artznei und Practicierbu¨chlin... und 1542 den Arznei-Spiegel, um „dem gemeinen armen Mann zu dienen, Trost und Hilfe der Arznei in No¨ten mitzuteilen“. Er will die Menschen vor betru¨gerischen Heilern schu¨tzen und gibt in der Art eines Fragebogens Anweisungen, was der Arzt u¨ber den Kranken von diesem oder den Angeho¨rigen wissen 102
muß. Mit dem gleichen Ziel beteiligt er sich an der Medizinalgesetzgebung Ht. des Landes. Dubini, Angelo (* 8. 12. 1813 Mailand, † 28. 3. 1902 Mailand). Nach seiner Prom. an der Univ. von Pavia begann D. seine Karriere am „Ospedale Maggiore“ von Mailand. Nach einer Reise nach Frankreich und England (1841–42) nahm D. seine Arbeit als Ass.arzt in Mailand wieder auf, wo er 1865 zum Primararzt und Leiter der neubegru¨ndeten dermatol. Abt. wurde. Aufgrund seines Lehrauftrags in Pavia zwischen 1839 und 1841 u¨ber die Auskultation begann D. mit der Anwendung der Beobachtungsmed., die – angeregt von ! Morgagni – in den Pariser Krankenha¨usern von ! Corvisart und ! Laennec weiterentwickelt wurde. Bei einer Autopsie im Jahre 1838, die er streng nach den Vorgaben der anat.-pathol. Schule durchfu¨hrte, gelang es ihm, einen bis dato unbekannten, intestinalen Wurm (Ankylostoma duodenale) zu isolieren (Vero¨ffentlichung 1843). Seine Beschreibungen sind u¨beraus exakt. Sie fanden Eingang in sein Werk Entozoografia (1850). D. unterstrich die Ha¨ufigkeit des Auftretens des Erregers bei jeder 5. Autopsie, ohne indessen dieser Tatsache eine spezifische Pathogenizita¨t zuzuschreiben. Der Beweis der Pathogenizita¨t wurde 1882 mit Hilfe einer epidemiol. Untersuchung an den Bauarbeitern des St.-Gotthard-Tunnels durch ! Grassi, C. und E. Parona, Perroncito, Bozzolo und Pagliani erbracht. 1846 vero¨ffentlichte Dubini die erste Beschreibung der Chorea electrica Fa. (Dubini Chorea).
Du Bois-Reymond, Emil Heinrich
Dubois, Jacques [Jacobus Sylvius] (* 1478 Louville bei Amiens, † 13. 1. 1555 Paris). Als siebentes von fu¨nfzehn Kindern eines armen Webers geboren, stud. D. seit 1514 in Paris vor allem lat. Philol. und Anat. Anschließend lehrte er dort sehr erfolgreich und vor großer Ho¨rerschaft ! hippokratische und ! galenische Med., bis dem aus Geldmangel noch nicht Prom. dies verboten wurde. 1527 immatrikulierte er sich daraufhin in Montpellier und erwarb dort 1529 das Baccalaureat sowie 1531 das Doktorat. Seit 1535 las D. am Pariser Colle`ge de Tre´guier, 1550 wurde er Prof. am Colle`ge Royal, wo er neben Anat. auch Pharmakol. und Botanik lehrte. D. sezierte als einer der ersten Anatomen Menschenko¨rper anstelle von Schweinen, benannte Muskeln mit Namen statt mit Zahlen, erfand die Injektion von Farblo¨sungen in Blutgefa¨ße, entdeckte einige Venenklappen und beschrieb das Peritoneum anat. korrekt. Als orthodoxer Galenist erkla¨rte er jedoch seine von den klassischen Lehrtexten abweichenden Entdeckungen als anat. Anomalien. Er beka¨mpfte deshalb auch seinen Schu¨Ba. ler ! Vesal. Du Bois-Reymond, Emil Heinrich (* 7. 11. 1818 Berlin, † 26. 12. 1896 Berlin). Physiologe. D., dessen Familie aus dem schweiz. Neuchaˆtel kam, stud. ab 1837 in Berlin und Bonn. 1843 Dr. med. in Berlin, 1846 habil. und 1855 ao. Prof. ebd., 1858 o. Prof. fu¨r Physiol. in Berlin. Seit 1851 Mitglied der Pr. Akad. der Wiss., ab 1867 Sekreta¨r ders., 1869/70 und 1882/3 Rektor der Berliner Univ.
D. geho¨rte seit 1839 mit ! E. Bru¨cke, und ! H. Helmholtz zum Kreis der Schu¨ler ! Joh. Mu¨llers, die gemeinsam mit ! C. Ludwig gegen den Vitalismus die Physiol. als naturwiss. Disziplin begru¨ndeten. D.s bes. Interesse galt der Elektrophysiol. 1842 gelang ihm der Nachweis der tierischen Elektrizita¨t am Muskel (Abriß einer Untersuchung u¨ber den sogenannten Froschstrom, 1843). Ab 1848 folgten die Untersuchungen u¨ber thierische Elektricita¨t. Im Vorwort des 1. Bandes wurde das gegen den Vitalismus gerichtete Erkenntnisinteresse der ‘organischen Physik’ von 1847 formuliert, „daß dereinst die Physiol. ganz aufgeht in die große Staatseinheit der theoret. Naturwiss.“. Auch wenn sich D.s Versta¨ndnis des Muskelund Nervenstroms als unzutreffend erwies, hat er das Gebiet der Elektrophysiol. auf dem Niveau der Physik seiner Zeit neu begru¨ndet. Großes Interesse brachte D. elektr. Fischen entgegen, mit denen er sich seit seiner Diss. Quae apud veteres de piscibus electricis existant argumenta (1843) ha¨ufig befaßte. Zu D.s Leistungen geho¨ren zahlreiche von ihm selbst entwickelte Untersuchungsmeth. und -apparaturen. Erst ein eigens entwikkelter Versta¨rker ermo¨glichte den Nachweis des Nervenreaktionsstroms. D., seit 1858 Mu¨llers Nachfolger in Berlin, konnte 1877 dort ein eigenes physiol. Inst. gru¨nden. Der hochgebildete D. war einer der fu¨hrenden kulturellen Repa¨sentanten seiner Zeit. Bes. nach 1877 bestimmte er in zahlreichen Reden die erkenntnistheoret., histor. und gesellschaftl. Stellung der neuen Naturwiss. Der Antimetaphysiker D. zeigt sich erkenntnistheoret. als skeptischer Mate103
Dupuytren, Baron Guillaume
Emil Du Bois-Reymond (1818–1896)
rialist, der sich der Grenzen des Naturerkennens (1872) bewußt war – in pra¨ berhebxi aber auch mit philistro¨ser U lichkeit, in der er Goethes Farbenlehre als „totgeborene Spielerei eines autodidaktischen Dilettanten“ ansah. Ty¨ berschwang pisch auch pathetischer U und gelegentlich ru¨der Nationalismus, so im Krieg 1870/71 oder in der Apostrophierung der Berliner Univ. als „geistiges Leibregiment“ des pr. Ko¨nigs. Werk: Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik, 2 Bd., Leipzig 1875–77; (Hg.), Reden, 2 Bd., Berlin 1912. Gr.
Dupuytren, Baron Guillaume (* 5. 10. 1777 Pierre-Buffie`re/Limousin, † 8. 2. 1835 Paris). Der Leibarzt der franz. Ko¨nige Ludwig XVIII. und Karl X. geho¨rte zu den her104
ausragenden Diagnostikern und Chir. seiner Zeit. Die chir. Fa¨higkeiten des brillanten operativen Technikers basierten auf gru¨ndlichen anat., exper.physiol. und pathol. Kenntnissen. Durch D. gelangte die von ! Desault begru¨ndete anat. Orientierung der Pariser Schule zur vollen Entfaltung. Aus a¨rmlichen Verha¨ltnissen stammend, hatte D. ehrgeizig seine Karriere betrieben. Vermeintliche Feinde beka¨mpfte er ru¨cksichtslos mit Intrigen. Ungeliebt als Mensch, fand er als Arzt und Chir. Hochachtung. Neben der Krankenhausarbeit soll er ja¨hrlich bis zu 10000 Patienten behandelt haben. Nach dem Stud. der Anat. und Chir. in Paris wurde er dort 1794 Prosektor und hielt bereits Vorlesungen. 1801 war er Leiter der Pathol. Anat., 1802 zweiter Chir., 1808 Leiter der chir. Abt., 1812 Lehrstuhlinhaber fu¨r operative Chir. und 1815 Chefchir. am Hoˆtel-Dieu. Besonderes Interesse galt der Gefa¨ß- (Aneurismen-) und Extremita¨tenchir. Nach D. ist die Beugekontraktur der Finger infolge Verha¨rtungundSchrumpfungderPalmaraponeurose (D.’sche Kontraktur) benannt. Werk: De la re´traction des doigts par suite d’une affection de l’apone´vrose palmaire, ope´ration chirurgicale qui convient dans ce cas, in: J. univ. hebd. me´d. chir. prat. 5 (1831), 352–65; Lec¸ons orales de clinique chirurgicale, 4 Bd., Paris 1832–1834; Traite´ the´ore´tique et pratique des blessures par armes de guerre, 2 Bd., ibid. 1834. Eck.
Eberth, Carl Joseph (* 21. 9. 1835 Wu¨rzburg, † 2. 12. 1926 Berlin). Geb. als Sohn eines Kunstmalers, stud. E. in Wu¨rzburg von 1853 bis 1859 Med. Danach Ta¨tigkeit als Prosektor unter ! Koelliker und Habil. 1862 war E. Priv.doz. am Anat. Inst. in
Dupuytren, Baron Guillaume
Emil Du Bois-Reymond (1818–1896)
rialist, der sich der Grenzen des Naturerkennens (1872) bewußt war – in pra¨ berhebxi aber auch mit philistro¨ser U lichkeit, in der er Goethes Farbenlehre als „totgeborene Spielerei eines autodidaktischen Dilettanten“ ansah. Ty¨ berschwang pisch auch pathetischer U und gelegentlich ru¨der Nationalismus, so im Krieg 1870/71 oder in der Apostrophierung der Berliner Univ. als „geistiges Leibregiment“ des pr. Ko¨nigs. Werk: Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik, 2 Bd., Leipzig 1875–77; (Hg.), Reden, 2 Bd., Berlin 1912. Gr.
Dupuytren, Baron Guillaume (* 5. 10. 1777 Pierre-Buffie`re/Limousin, † 8. 2. 1835 Paris). Der Leibarzt der franz. Ko¨nige Ludwig XVIII. und Karl X. geho¨rte zu den her104
ausragenden Diagnostikern und Chir. seiner Zeit. Die chir. Fa¨higkeiten des brillanten operativen Technikers basierten auf gru¨ndlichen anat., exper.physiol. und pathol. Kenntnissen. Durch D. gelangte die von ! Desault begru¨ndete anat. Orientierung der Pariser Schule zur vollen Entfaltung. Aus a¨rmlichen Verha¨ltnissen stammend, hatte D. ehrgeizig seine Karriere betrieben. Vermeintliche Feinde beka¨mpfte er ru¨cksichtslos mit Intrigen. Ungeliebt als Mensch, fand er als Arzt und Chir. Hochachtung. Neben der Krankenhausarbeit soll er ja¨hrlich bis zu 10000 Patienten behandelt haben. Nach dem Stud. der Anat. und Chir. in Paris wurde er dort 1794 Prosektor und hielt bereits Vorlesungen. 1801 war er Leiter der Pathol. Anat., 1802 zweiter Chir., 1808 Leiter der chir. Abt., 1812 Lehrstuhlinhaber fu¨r operative Chir. und 1815 Chefchir. am Hoˆtel-Dieu. Besonderes Interesse galt der Gefa¨ß- (Aneurismen-) und Extremita¨tenchir. Nach D. ist die Beugekontraktur der Finger infolge Verha¨rtungundSchrumpfungderPalmaraponeurose (D.’sche Kontraktur) benannt. Werk: De la re´traction des doigts par suite d’une affection de l’apone´vrose palmaire, ope´ration chirurgicale qui convient dans ce cas, in: J. univ. hebd. me´d. chir. prat. 5 (1831), 352–65; Lec¸ons orales de clinique chirurgicale, 4 Bd., Paris 1832–1834; Traite´ the´ore´tique et pratique des blessures par armes de guerre, 2 Bd., ibid. 1834. Eck.
Eberth, Carl Joseph (* 21. 9. 1835 Wu¨rzburg, † 2. 12. 1926 Berlin). Geb. als Sohn eines Kunstmalers, stud. E. in Wu¨rzburg von 1853 bis 1859 Med. Danach Ta¨tigkeit als Prosektor unter ! Koelliker und Habil. 1862 war E. Priv.doz. am Anat. Inst. in
Ehrlich, Paul
Wu¨rzburg. 1865 erfolgte seine Berufung als Extraordinarius der Pathol. Anat. nach Zu¨rich, 1869 wurde er zum Ord. ernannt. 1881 ging E. als Prof. fu¨r Histol. und Vergl. Anat. nach Halle, 1893 bis 1895 vertrat er dort die Anat., und von 1895 bis zu seiner Emerit. 1911 leitete er das Pathol. Inst. Danach lebte E. bis zu seinem Tod in Berlin. Als fru¨her Vorka¨mpfer der Bakteriol. entdeckte E. 1879 den Typhuserreger Salmonella typhi. Zu¨rich verdankt E. die Errichtung des Pathol. Inst. Werk: Die Organismen in den Organen bei Typhus abdominalis, Virch. Arch. 81 (1880), 58–74. Ba.
Economo, Constantin von (* 21. 8. 1876 Triest, † 21. 10. 1931 Wien). E. wirkte vornehmlich in Wien in der psychiatr. Klinik ! Wagner v. Jaureggs, dessen Nachfolger zu werden er 1928 ablehnte, um weiterhin Hirnanat. zu betreiben. Bekannt wurde E. 1917 mit der Erstbeschreibung der epidem. „Encephalitis lethargica“, deren unterschiedliche klin. Verla¨ufe und pathol.-anat. Vera¨nderungen er aufkla¨rte. Seit 1912 auch mit cytoarchitektonischen Untersuchungen des Cortex bescha¨ftigt, erstellte er die bis dahin gru¨ndlichste Landkarte der menschl. Hirnrinde. Den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Fortschritt der menschl. Kultur und der biol. Entwicklung des Gehirns faßte E. in sein Konzept von der „progressiven Cerebration“, der Annahme, daß sich gewisse Teile der Hirnrinde in der Evolution des Menschen gerichtet entwickelt ha¨tten („OrthogeHg. nese“). Egas Moniz ! Moniz
Ehrlich, Paul (* 14. 3. 1854 Strehlen/ Schlesien, † 20. 8. 1915 Bad Homburg). E. entstammte einer alteingesessenen ju¨d. Familie. Sein Vater Ismar war Lotterieeinnehmer, und u¨ber seine Mutter Rosa war er mit dem Breslauer Pathol. ! C. Weigert verwandt. E. stud. Med. in Breslau, Straßburg, Freiburg und Leipzig. Noch als Student gelang ihm im Wintersemester 1875/ 76 in Freiburg die Differenzierung der Mastzellen von den Plasmazellen, die kurz zuvor von ! Waldeyer entdeckt worden waren. Aufgrund dieser Arbeit wurde E. unmittelbar nach seiner Prom. 1878 als Oberarzt an die I. med. Klinik von Friedrich v. Frerichs (1819–85) nach Berlin berufen. In diese Zeit fallen die farbanalyt. Untersuchungen E.s: seine Arbeiten zum weißen Differentialblutbild, die Entwicklung der Diazo-Reaktion und der Aldehyd-Probe im Harn, die Vitalfa¨rbung von Nerven durch Methylenblau und schließlich der Nachweis der Sa¨urefestigkeit und die Fa¨rbung des Tuberkelbazillus (1882), unmittelbar nach dessen Entdeckung durch ! Koch. E., der 1882 zum Titularprof. ernannt worden war, habil. sich 1887 mit einer Arbeit u¨ber Das Sauerstoffbedu¨rfnis des Organismus. In der Folge wurde er zum ao. Prof. und leitenden Anstaltsarzt der Charite´ ernannt. 1890 berief ihn Koch an sein Inst. fu¨r Infektionskrankheiten. Fu¨r die dort durchgefu¨hrten Arbeiten auf dem Gebiet der Immunol. und Serumtherapie wurde E. 1908 zusammen mit ! Metschnikow der Nobelpreis fu¨r Med. verliehen. Ausgehend von der auch seinen farbanalyt. Untersuchungen ¨ berlegung, daß zugrunde liegenden U bestimmte Gewebe eine besondere Affinita¨t fu¨r bestimmte chem. Verbin105
Ehrlich, Paul
dungen aufwiesen, was wiederum Ru¨ckschlu¨sse auf die chem. Natur des Gewebes zuließ, entwickelte E. seine beru¨hmte Seitenketten-Theorie. Danach sollte die Entgiftung von Antigenen durch Bindung an spezifische Seitenketten des Zellproteins geschehen, die auch der Ort fu¨r die physiol. Reaktionen des Zellmetabolismus sein sollten. Diese Theorie, wenn auch spa¨ter widerlegt, u¨bte eine bedeutende heuristische Wirkung auf E.s chemotherap. Arbeiten sowie auf die Entwicklung der Immunologie ganz allgemein aus. An Kochs Inst. hatte E. zusammen mit ! Behring an der Entwicklung des Diphtherieheilserums gearbeitet und dabei erstmalig Meth. zur Wertbestimmung und Standardisierung von Seren entwickelt. Dafu¨r wurde ihm 1896 die Leitung des neugegr. Inst. fu¨r Serumforschung und Serumpru¨fung in Berlin-Steglitz u¨bertragen.
Paul Ehrlich (1854–1915) 106
Das Inst. wurde 1898 nach Frankfurt am Main verlegt und in ‘Institut fu¨r experimentelle Therapie’ umbenannt. In die Frankfurter Zeit fallen E.s chemotherap. Arbeiten, die seinen Nachruhm begru¨ndeten und 1909 zur Entwicklung des Syphilistherapeutikums Salvarsan fu¨hren sollten. Mit dem Salvarsan bzw. dem spa¨teren Neo-Salvarsan stand zum ersten Mal ein synthet. Mittel zur Verfu¨gung, das gezielt Syphiliserreger vernichten konnte, ohne gleichzeitig den Gesamtorganismus schwer zu scha¨digen. E.s letzte Lebensjahre waren vom Streit um das Salvarsan u¨berschattet. Durch unsachgema¨ße Anwendung war es zu Zwischenfa¨llen bei der Behandlung gekommen. E. wurde zum Opfer einer antisemit. Kampagne und als ‘ju¨disch-kapitalistischer Verbu¨ndeter’ der Farbenindustrie denunziert. Der Krieg beendete den Streit. Am 20. 8. 1915 verstarb E. an den Folgen eines Schlaganfalls in Bad Homburg. E. war Mitglied von 81 Akad. und wiss. Gesellschaften. Die pr. Regierung hatte ihn 1911 zum Wirklichen Geheimen Staatsrat mit dem Titel ‘Exzellenz’ ernannt. 1914 wurde er als o. Prof. an die Univ. Frankfurt berufen. Die Nationalsozialisten versuchten die Erinnerung an seinen Namen und sein Werk auszulo¨schen. Seine Frau und seine To¨chter wurden in die Emigration getrieben. Heute vergibt die Paul-Ehrlich-Stiftung ja¨hrlich am 14. Ma¨rz, dem Geburtstag E.s, den Paul-Ehrlich-Preis. Werk: Farbenanalytische Untersuchungen zur Histologie und Klinik des Blutes, Berlin 1891; Gesammelte Arbeiten zur Immunita¨tsforschung, ibid. 1904; Abhandlungen u¨ber Salvarsan, 4 Bd., Mu¨nchen 1911– 14. Kr.
Eiselsberg, Anton Frhr. von
Eijkman, Christiaan (* 11. 8. 1858 Nijkert, † 5. 11. 1930 Utrecht). E. erwarb seinen Dr. med. 1883 in Amsterdam, ging als Milita¨rarzt nach Java und Sumatra, kehrte aber nach zwei Jahren krankheitshalber zuru¨ck. Eine Ausbildung als Bakteriologe bei J. Forster in Amsterdam und ! Koch in Berlin fu¨hrte zu seiner Teilnahme an der niederl. Beri-Beri-Expedition nach Indonesien (C. A. Pekelharing, C. Winkler), da man eine mikrob. ¨ tiologie der Krankheit annahm. A 1887–96 Dir. des Lab. in Weltevreden (Batavia) und Leiter der Med. Schule ¨ rzte zur Heranbildung inla¨ndischer A in Indonesien. Hier entdeckte er die gegen Beri-Beri schu¨tzende Wirkung von ungescha¨ltem Reis (Eine Beri Beri-a¨hnliche Krankheit der Hu¨hner, in: Virch. Arch. 148 [1897], S. 523– 32), obwohl er sie im Sinne einer toxischen Wirkung fehlinterpretierte. Nach Holland zuru¨ckgekehrt, war er 1898–1928 Prof. fu¨r Hygiene und Gerichtliche Med. in Utrecht. 1929 Nobelpreis zusammen mit F. G. HopHu. kins. Einthoven, Willem (* 21. 5. 1860 Somarang/Java, † 28. 9. 1927 Leiden). Med.stud. in Utrecht, dort Prom. 1885, seit 1885 Prof. fu¨r Physiol. in Leiden. E. pra¨gte 1895 den Begriff des „Elektrocardiogramms“ (EKG). Er verbesserte zuna¨chst das Kapillarelektrometer Wallers und beschrieb 1901 sein neukonstruiertes Saitengalvanometer, das eine genauere Aufzeichnung der Potentialschwankungen ermo¨glichte. Die Einfu¨hrung bipolarer Extremita¨tenableitungen und die Bezeichnung der Wellen des EKGs mit den Buchstaben P bis T erfolgte 1903. Klinische EKGs wurden zuerst 1906 mittels einer
Kabelverbindung zwischen E.s Labor und dem Leidener Univ.klinikum abgeleitet. 1924 erhielt E. fu¨r seine Forschungen den Nobelpreis. ¨ ber die Form des menschlichen Werk: U Elektrocardiogramms, Pflu¨gers Arch. 60 (1895), 101–23; Un nouveau galvanome`tre, Archives ne´erlandaises des sciences exactes et naturelles 6 (1901), 625–33; Die galvanometrische Registrierung des menschlichen Elektrokardiogramms, Pflu¨gers Arch. 99 (1903), 472–80; Le te´le´cardiogramme, Archives internationales de physiologie 4 (1906), 132–65. Bro¨.
Eiselsberg, Anton Frhr. von (* 31. 7. 1860 Steinhaus bei Wels/Obero¨sterr., † 25. 10. 1939 St. Valentin/Obero¨sterr.). Aus einer obero¨sterreichischen Adelsfamilie stammend, ohne „medizinische Vorbelastung“. Besuchte das Gymnasium im Benediktinerstift Kremsmu¨nster, Stud. in Wien, Wu¨rzburg, Zu¨rich und Paris. Stud. bei ! Billroth am Operationszo¨glingsinst. und wurde dessen Ass. Habil. 1890 u¨ber Tetanie nach Kropfoperationen. Drei Jahre spa¨ter Berufung als Ord. fu¨r Chir. nach Utrecht, anschließend nach Ko¨nigsberg und 1901 an die 1. Chir. Klinik in Wien. Im Ersten Weltkrieg widmete er sich auch der Kriegschir. und organisierte Chir.gruppen fu¨r den Einsatz im Feld. Mit ! Holzknecht entwickelte er ein Ro¨ntgengera¨t fu¨r das Aufsuchen und Entfernen von Fremdko¨rpern, die fu¨r das freie Auge nicht sichtbar sind. Werk: Chirurgie des Halses, der Brust und des Bauches, Wien 1900; Ersatz des Zeigefingers durch die zweite Zehe, Arch. f. klin. Chir. 61, H. 4, Berlin 1900; Die Krankheiten der Schilddru¨se, Stuttgart 1901; Die Fremdko¨rperentfernung unter Ro¨ntgenstrahlen, Wien 1918; Lebensweg eines Chirurgen (Autobiographie), Innsbruck 1940. Ho. 107
Eisenbart [Eysenbarth], Johann Andreas
Eisenbart [Eysenbarth], Johann Andreas (* 27. 3. 1663 Oberviechtach, † 11. 11. 1727 Hannoversch Mu¨nden). Wanderarzt und Chir. Nach zehnja¨hriger Lehrzeit in Bamberg Gehilfenpru¨fung als Medicus und Operator. Fu¨hrte Operationen bei Hodenbruch, Wasserbruch, Kropf, Star aus (von Prof. ! L. Heister 1753 als mustergu¨ltig beschrieben), erfand Nadel zum Starstechen und Polypenhaken. Nachweis seines Wirkens an 65 Orten, Privilegien von zehn Fu¨rsten. Das Volkslied Ich bin der Doktor E. (erstmals 1818 gedruckt) beschreibt ihn als marktschreierischen Quacksalber. Mo.
Elsholtz, Johann Sigismund (* 26. 8. 1623 Frankfurt/Oder, † 19. 2. 1688 Berlin). Promotion 1653 in Padua, seit 1656 Hofmedicus beim brandenburgischen Kurfu¨rsten in Berlin. E. fu¨hrte seit ¨ rzte intra1661 als einer der ersten A veno¨se Injektionen und Bluttransfusionen zu therap. Zwecken durch. In seinem Buch von 1667 findet sich die erste Abbildung einer Injektion. Werk: Anthropometria, Padua 1654; Clysmatica nova: oder newe Clystier-Kunst, wie eine Arzney durch ero¨ffnete Ader bey zu bringen, Berlin 1665 (lat.: Berlin 1667, repr.: Hildesheim 1966). Bro¨.
Erasistratos (* ca. 330 v.Chr., † ca. 250 v.Chr). Griech. Arzt; stammte aus Iulis auf Keos (Kykladen); sein Lehrer war der Arzt Chrysippos von Knidos; daß E. in Athen bei Theophrastos stud. hat, ist unwahrscheinlich. Wiss.theoret. war E. freilich, ebenso wie sein ihm in vieler Hinsicht vergleichbarer Zeitgenosse ! Herophilos, aris108
totel. gepra¨gt, und wahrscheinlich war das fru¨hhellenist. Alexandreia auch seine Hauptwirkungssta¨tte. Nach einer beliebten Legende soll E. als Hofarzt in Antiocheia am Orontes (heute tu¨rk. Antakya), der Hauptstadt der Seleukiden, im Jahr 293 v. Chr. die Diagnose des liebeskranken Prinzen aus dem Puls gestellt haben. Daraufhin habe der Ko¨nig seinem Sohn Antiochos die eigene Frau, die Stiefmutter Stratonike, abgetreten. Diese Geschichte wurde auch mit anderen be¨ rzten verbunden. ru¨hmten A E. fu¨hrte Vivisektionen an Tieren, wahrscheinlich auch an Menschen durch (! Herophilos). E. beschrieb erstmals den Bau und die Funktion der Herzklappen und erkannte den Pumpmechanismus des Herzens, war aber weit entfernt von der Entdeckung des Blutkreislaufs, verglich ¨ rzte, er doch, wie andere antike A das Gefa¨ßsystem mit einem Bewa¨sserungsnetz, in dem das Blut in der Peripherie verbraucht wu¨rde; zudem nahm E. an, die Arterien enthielten nur pneuma („Luft“), worin er spa¨ter von ! Galen ausdru¨cklich widerlegt wurde. Wie Herophilos erforschte auch E. das Gehirn und die Nerven. Seine Physiol. basierte auf einer korpuskularen Theorie, die vermutlich auf den aristotel. Philosophen Strato von Lampsakos (Vorsteher des Peripatos 287/86–269/68 v.Chr.) zuru¨ckging. Danach bestand alles aus kleinen, unsichtbaren Teilchen und leerem Raum, wobei das Prinzip des horror vacui gro¨ßere Hohlra¨ume verhinderte und physiol. wirksam wurde. E. erkla¨rte auch den Stoffwechsel mechanistisch und sah als Ursache von ¨ berfu¨llung“), Krankheit plethora („U Blutandrang, was in der Folge das
Erdmann, Rhoda
Wirken des Lebenspneumas in den Arterien behindern sollte. Hiergegen verordnete E. Nahrungsentzug, selten Aderlaß. ! Galen, der den E. scharf kritisierte, weil dieser die Vier-Sa¨fteLehre ablehnte und einer Art Solidarpathol. anhing, scheint noch vollsta¨ndige Werke des E. gelesen zu haben, von denen keines u¨berliefert ist. Eine Schule der Erasistrateer bestand in Rom bis in das 2. Jh. n.Chr. Werk: Garofalo, I. (Hg.), Erasistrati fragmenta, Pisa 1988; neue Ausg. d. Fragmente durch H. v. Staden in Vorber. Le.
Erastus (Erast), Thomas (* 7.5.1524(?) Baden/Aargau, † 1. 1. 1583 Basel). E., Arzt und Theol. zugleich, wurde 1558 auf den zweiten Lehrstuhl der med. Fak. der Univ. Heidelberg berufen. In d. Med. bekannt d. seine scharfe Polemik gegen ! Paracelsus (1572/ 73, Basel) erlangte der Zwinglianer E. in der Theol. durch seine 1569 gegen die kalv. Kirchenbannbestrebung gerichtete Auffass., daß auch die Kirche der Staatssouverenita¨t ganz unterworfen sei („Erastianismus“), eine Grundlage der staatsrechtl. Rechtfert. im Engl. d. 17. Jh.; Mit seiner Schrift u¨ber das Brotbrechen beim Abendmahl, hat Erastus die Einfu¨hrung des Heidelberger Katechismus unterEck. stu¨tzt. Erb, Wilhelm Heinrich (* 30. 11. 1840 Winnweiler/Pfalz, † 29. 10. 1921 Heidelberg). Stud. der Med. in Heidelberg, Erlangen und Mu¨nchen. Promotion bei Buhl in Mu¨nchen. Ab 1862 Ass. bei ! Friedreich in Heidelberg, wo er habil. wurde. 1880 folgte er einem Ruf an die Poliklinik in Leipzig. Von dort
kehrte er 1883 als Friedreichs Nachfolger nach Heidelberg zuru¨ck. 1907 wurde er emerit. und lebte bis zu seinem Tode in Heidelberg. E. war eine der tragenden Sa¨ulen der Heidelberger Neurol. Schule, die wesentlichen Anteil an der Entwicklung und Etablierung des Faches Neurol. hatte. Aus diesem Bereich stammen auch seine bis heute gu¨ltigen wiss. Untersuchungsergebnisse. Sie fu¨hrten zu neuen Erkenntnissen, die bis heute mit seinem Namen verbunden sind: Erbsches Pha¨nomen (1), Erbscher Punkt (2), Progressive Muskeldystrophie Typ Erb (3). E. geho¨rt zu den Entdeckern der Sehnenreflexe (4) und hat sehr fru¨h die peripheren Paralysen eingehend analysiert (5). Nur wenige Forscher seiner Zeit und bis zum heutigen Tage haben auf dem Gebiet der neuromuskula¨ren Erkrankungen gleiche Bedeutung erreicht. Werk: Arch. Psychiat. u. Nervenkrankh. 4 (1873), 271–316; Verh. des naturh.-med. Vereins zu Heidelberg, N.F., 2 (1874–77), 130–7; Dtsch. Zs. Nervenheilkd. 1 (1891), 13–94 u. 173–261; Arch. Psychiat. u. Nervenkrankh. 5 (1875), 792–803; Dtsch. Arch. Klin. Med. 4 (1867), 535–78. Kn.
Erdmann, Rhoda (* 5. 12. 1870 Hersfeld/Hessen, † 23. 8. 1935 Berlin). Biologin. Nach Lehrerinnenexamen und Arbeit als Volksschullehrerin Prom. zum Dr. phil. Mu¨nchen 1908. 1909 Oberlehrerinnenexamen. 1908– 13 Mitarbeiterin am Robert-KochInst. fu¨r Infektionskrankheiten. Danach Doz. Yale University, wo E. die aktive Immunisierung gegen Hu¨hnerpest entwickelte, und Rockefeller Institute for Medical Research (Princeton). 1918/19 Untersuchungshaft und Internierung in den USA. Ab 109
Erxleben, Dorothea Christiane
1919 Leiterin der auf Betreiben von J. Orth neugegr. Abt. fu¨r experimentelle Zellforschung am Krebsinst. der Charite´ Berlin. 1920 Habil. Biol., 1923 Venia legendi Med., 1924 nichtbeamtete ao. Prof. Med. Fak. Berlin. E. ist Begru¨nderin der experimentellen Zellforschung in Deutschland. Zahlreiche wiss. Vero¨ffentlichungen, sowie Praktikum der Gewebepflege (Berlin 1922, 2 1928), Begr. und Hg. Archiv fu¨r experimentelle Zellforschung (1925ff). 1933 aus allen Funktionen entlassen. Bl. Erxleben, Dorothea Christiane , geb. Leporin (* 13. 11. 1715 Quedlinburg, † 13. 6. 1762 Quedlinburg). Erst in ju¨ngster Zeit wird unter Einfluß der Frauengesch. die Arzttochter E. neu entdeckt. Der Vater, dem die ungewo¨hnl. Begabung seiner Tochter aufgefallen war, sorgte durch Privatunterricht fu¨r ihre allg. und med. Ausbildung. Dank ihrer Kenntnisse erhielt sie 1741 von Friedrich II. eine Zulassungsgenehmigung fu¨r das Med.stud. an der Univ. Halle. Die Prom. erfolgte indes erst 1754 nach der Heirat mit dem Diakon Johann Christian E. 1742 und den anschließenden Erziehungsjahren, in denen sie fu¨nf Kinder gebar. Durch die Prom. wurde E., die bis zu ihrem Tod erfolgreich in Quedlinburg praktizierte, zur ersten stud. ¨ rztin im dt. Sprachraum. Die ungeA wo¨hnl. Frau, die von den Gegnern des Frauenstud. sagte, „sie verdienen nicht, daß man ihrer achte“, hatte sich durchgesetzt. Es sollte jedoch weitere 146 Jahre dauern, bis ihr an der Univ. Halle eine weitere prom. ¨ rztin folgte. A Werk: Gru¨ndliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom 110
Studieren abhalten, Frankfurt u. Leipzig 1749 (repr.: Hildesheim u. New York 1977); Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen ... Heilung der Krankheiten, Halle 1755. Loe.
Escherich, Theodor (* 29. 11. 1857 Ansbach, † 15. 2. 1911 Wien). 1881 in Mu¨nchen zum Dr. med. prom., erwarb E. bei K. Gerhardt in Wu¨rzburg seine Ausbildung in Innerer Med. und sein Interesse fu¨r Pa¨diatrie. Nach Aufenthalten in Paris und Wien lernte er in Mu¨nchen bei W. Frobenius die Bakteriol. kennen und war 1885–90 Ass. H. v. Rankes am Haunerschen Kinderspital. 1886 Dozent fu¨r Kinderheilkunde, wurde er 1890 Dir. der Kinderklinik in Graz (1894 Ordinarius) und 1902–11 in Wien. Zu seinen Schu¨lern geho¨rten: ! M.v. Pfaundler, ! E. Moro, F. Hamburger, ! C. v. Pirquet, B. Schick und A. v. Reuß. Auf allen Gebieten der Pa¨diatrie ta¨tig, ist ihm vor allem die Einfu¨hrung der Bakteriol. in die Kinderheilkunde zu danken (1885 Entdeckung des Bact. coli commune; heute: Escherichia coli), ebenso wegweisende Forschungen u¨ber Erna¨hrungsphysiol. bzw. -pathol. der Sa¨uglinge und die Kinder-Tetanie (1890), die Begru¨ndung der Sa¨uglingsfu¨rsor¨ sterreich sowie der Bau der dage in O mals internat. vorbildlichen Wiener Kinderklinik (1911), deren Ero¨ffnung Hu. er nicht mehr erleben konnte. Esmarch, Johannes Friedrich August von (* 9. 1. 1823 To¨nning/SchleswigHolstein, † 23. 2. 1908 Kiel). E. za¨hlte neben Billroth und ! E. v. Bergmann zu den bekanntesten Chir. des 19. Jh. Er war vor allem an der Lo¨sung prakt. Probleme interes-
Estienne [Stephanus], Charles
siert, wie z.B. mit seiner 1873 entwikkelten Meth. der „ku¨nstlichen Blutleere“ oder dem „Verbandspa¨ckchen“ fu¨r die Soldaten (1870). E. wurde als Sohn eines Landphysicus geboren, stud. Med. in Go¨ttingen und Kiel und prom. 1848. Seine chir. Ausbildung erhielt er bei ! Langenbeck und ! L. Stromeyer. Ab 1854 leitete er die Chir. Klinik und wurde 1857 o. Prof. fu¨r Chir. in Kiel; 1866 Geheim. Rat. E. war in erster Ehe mit der Tochter Fr. Stromeyers, in zweiter Ehe mit einer Tante Kaiser Wilhelms II. verheiratet; 1887 in den erbl. Adelsstand erhoben. E. war als Milita¨rarzt im Deutsch-Da¨nischen Krieg (1866) und als Generalarzt der Reserve im Deutsch-Franzo¨sischen Krieg ta¨tig. Er gru¨ndete den Deutschen Samariterverein (1882). Seine milita¨ra¨rztl. Erfahrungen sind in dem preisgekro¨nten Handbuch der kriegschirurgischen Technik (1877) zusammengefaßt. Zu seinen bedeutendsten Schu¨lern za¨hlen ! A. Bier und G. Neubert. ¨ ber die ku¨nstliche Blutleere bei Werk: U Operationen (Samml. klin. Vortra¨ge 58), Leipzig 1873. Lo.
Esquirol, Jean Etienne Dominique (* 3. 2. 1772 Toulouse, † 12. 12. 1840 Paris). Nach einem durch die Revolution abgebrochenen Theol.-stud. wandte sich E. der Med. zu, die er in Toulouse und Montpellier stud. 1800 in Paris, schloß er sich ! Pinel an, dessen Me´decine Clinique (1802) er niederschrieb. E.s ganze Aufmerksamkeit galt der Psychiatrie. Bereits 1801 gru¨ndete er ein priv. Sanatorium, blieb aber an der Salpeˆtrie`re, die er seit 1810 unter Pinel leitete. Sein 1819 vero¨ffentlichter
Bericht u¨ber die inhumane Situation der frz. Irrenasyle beeinflußte die Reform der Psychiatrie in Frankreich ebenso wie seine Mitwirkung am frz. Irrengesetz von 1838. Seit 1823 war er Generalinspekteur der med. Fakulta¨ten, seit 1826 Dir. der Anstalt Charenton, seit 1828 Mitglied des Conseil de Salubrite´. E. ist neben Pinel Begr. der mod. Psychiatrie. Werk: Des e´tablissements des alie´ne´s en France, Paris 1819; Alie´nation mentale, ibid. 1832; Des Maladies mentales, ibid. 1838. Eck.
Estienne [Stephanus], Charles (* ca. 1505 Paris, † 1564/65 Paris). Geboren als Sohn des beru¨hmten Pariser Buchdruckers Henri E., der sich fru¨h dem Luthertum zuwandte, hatte sich Charles zuna¨chst einer humanist. Schulbildung (Griech. bei Jean Lascaris) unterziehen mu¨ssen und war dann zu Studien der klass. Philol. nach Padua gezogen (1530–34); bes. Botanik, Gartenbau und Med. interessierten ihn und veranlaßten ihn zu ersten kleineren Publ. Zuru¨ck in Paris, stud. er, ohne immatrikuliert zu sein, zuna¨chst die artes (Baccalaureus: 1540), dann Med. (Prom. 1542). Dem Stud. folgte eine Lehrta¨tigkeit (lector ordinarius) als Anat. (1544–47) an der Med. Fak. in Paris. In die 1540er und fru¨hen 1550er Jahre fallen zahlreiche botan. und agrar. Publ.; in der Med. ist es besonders sein ! Galen in manchen Punkten korrigierendes Werk De dissectione partium corporis humani libri tres, das seinen Ruf mehrt. Das mit neuen Holzsschnitten illustrierte Werk betont die Autopsie und gleicht in mancher Hinsicht der Anat. ! Vesals. 111
Ettmu¨ller, Michael
Als 1550 sein Bruder Robert, des Protestantismus bezichtigt, nach Genf floh, u¨bernahm E. die Druckoffizin, widmete sein ju¨ngstes Werk (De nutrimentis, 1550) dem Inquisitor Guillaume de Bailly, zog sich aus der Med. auf humanist. Studien und – glu¨cklos – auf verlegerische Aktivita¨ten zuru¨ck. 1560 wurde er – tief verschuldet – angeklagt, das Erbteil der Kinder seines Bruders veruntreut zu haben. Die Kerkerhaft (seit 1561) im Pariser Chaˆtelet u¨berlebte E. nur wenige Jahre. Werk: De re hortensi libellus, 1535; Seminarium, 1536; Anatomia, 1536; De dissectione, 1545; De nutrimentis ad Bayllium, 1550. Eck.
Ettmu¨ller, Michael (* 26. 5. 1644 Leipzig, † 9. 3. 1683 Leipzig). Prom. 1666 in Leipzig, dort 1681 Prof. fu¨r Botanik, Extraord. fu¨r Chemie und Anat. E. war Anha¨nger der Iatrochemie. Er beschrieb 1668 die Indikationen fu¨r intraveno¨se Injektionen. Werk: Chirurgia infusoria, Leipzig 1668; Chimia rationalis ac experimentalis, Leiden 1684. Bro¨.
Eustachi, Bartolomaeo (* 1500–1510 San Severino Marche/Ancona, † 27. 8. 1574 Fossombrone). ¨ ber seine ersten Lehrjahre ist uns U wenig bekannt. Fest steht nur, daß er eine hervorragende humanist. Bildung genossen haben muß, da er Griech., Hebr. und Arab. sehr gut beherrschte. Wahrscheinlich stud. er an der Univ. Sapienza in Rom. Um 1540 war er in seiner Heimatstadt als Arzt ta¨tig; 1547 wurde er Leibarzt von Karl Julius della Rovere, dem Bruder des Herzogs von Urbino. Zwei Jahre spa¨ter finden wir ihn in Rom, wo er an 112
der Sapienza Anat. unterrichtete. Auf einer Reise mit della Rovere starb er in Fossombrone. E. war einer der bedeutendsten Anat. der Renaissance. Er sezierte Erwachsene, Feten und Neugeborene; als erster befaßte er sich eingehend mit der Odontoiatrie. E. beschrieb das Herz und den Brustgang. 1554 vero¨ffentlichte er die Opuscula anatomica, eine Sammlung von vier Studien u¨ber Renum structura, Auditus organis, Vena quae azygos dicitur, Dentibus. Seine Arbeit u¨ber die Nieren entha¨lt die erste Beschreibung der Nebennierendru¨sen sowie eine detaillierte Nierendarstellung. In seiner Abh. u¨ber das Geho¨rorgan werden die tuba, die Eustachische Ro¨hre, der tensor tympani und der Steigbu¨gelmuskel geschildert. Hervorragend sind auch seine Beschreibungen des Venensystems, der Hohlvenenklappen, der Zahnstruktur. Den Opuscula beigelegt sind eine Verteidigung von ! Galen und 8 von den 47 anat. Tafeln, die fu¨r sein geplantes Werk De Dissensionibus ac controversiis anatomicis gedacht waren, das aber erst 150 Jahre spa¨ter vero¨ffentlicht wurde. Die u¨brigen 39 Tafeln, die lange Zeit als verloren galten, wurden erst Anfang des 18. Jh. wiedergefunden und von Papst Clemens XI. gekauft, der ! Lancisi beauftragte, sie zu vero¨ffentlichen (1714). Auch wenn der Atlas von E. nicht die erste mod. anat. Tafelsammlung darstellt, genoß er großen Erfolg dank seiner techn. Kunstgriffe, wie der Nebeneinanderstellung zweier Ko¨rperteile und der Tafelnumerierung, so daß die Identifizierung der anat. Ko¨rperteile erleichtert war. Die Bilderfolge, den ma. anat. Traktaten gema¨ß, folgt einem veralte-
Fabricius Hildanus, Wilhelm
ten Kriterium: von der Beschreibung der verga¨nglichen (Bauch) zu der der unverga¨nglichen Teile (Knochen). Die Abbildungen sind allerdings nicht homogen, einige davon sind detailliert, andere dagegen allgemein. Die beschra¨nkte Zahl der verfu¨gbaren Leichen wa¨re vielleicht eine mo¨gliche Erkla¨rung hierfu¨r. Werk: Opuscula anatomica, Venedig 1564; Tabulae anatomicae Bartholomaei Eustachi quas a tenebris tandem vindicatas, Rom 1714. Tre.
Fabricius Hildanus, Wilhelm (* 25. 6. 1560 Hilden/Niederrhein, † 14. 2. 1634 Bern). Gilt nach ! Sudhoff (1914) als der „erste wirklich große deutsche Chirurg“. In Hilden am Niederrhein geboren, ging er bei dem Neusser Wundarzt J. Du¨mgen in die Lehre und wurde spa¨ter Gehilfe des herzogl. Wundarztes C. Slotanus in Du¨sseldorf, eines Schu¨lers von ! Vesal. Zur weiteren Ausbildung begab er sich nach Metz und Genf, wo er Gehilfe des bekannten Chir. Jean Griffon wurde. In Genf lernte er auch seine spa¨tere Ehefrau und Ass. Marie Colinet kennen. Nach der Ru¨ckkehr in die Heimat praktizierte er zuna¨chst in Hilden und dann in Ko¨ln (1593–1599), wo er gegen Ende seines ersten Aufenthaltes gezwungenermaßen der Barbierzunft angeho¨rte. Aktenma¨ßig belegt ist, daß ihm im Jahre 1599 von den dortigen Amtmeistern die Behandlung eines Kindes, das eine Gangra¨n am Finger hatte, entzogen wurde. Bei seinem Weggang aus der Domstadt verschenkte er drei Skelette an ¨ rzte und Wunda¨rzte, die dort ta¨tigen A da viele seiner Kollegen, wie er es aus-
dru¨ckte, „ihr Lebtag keines gesehen hatten“. In seiner Ko¨lner Zeit verfaßte er auch das Bu¨chlein Vom heißen und kalten Brand (Ko¨ln 1593), das insgesamt 12 Ausgaben erlebte. Nach einem kurzen Aufenthalt in Lausanne ließ er sich 1612 in Payerne (Peterlingen) im schweiz. Waadtland nieder. In dieser Zeit erschienen die frz. und lat. Ausgabe seines obengenannten Buches. 1615 zog er nach Bern, wo er bis zu seinem Tod die Stelle eines Stadtarztes innehatte. F. wird aufgrund der auffa¨lligen Parallelen im Lebens- und Berufsweg ha¨ufig auch der ,‘deutsche ! Pare´’ genannt. Von seiner in den genannten Orten, aber auch ambulatorisch ausgeu¨bten chir. Praxis legt insbes. die Summe seiner wunda¨rztl. Erfahrungen Zeugnis ab, na¨mlich die Observationem et curationem chirurgicam centuriae sex (1606–41). Sein
Wilhelm Fabricius Hildanus (1560–1634) 113
Fabricius Hildanus, Wilhelm
ten Kriterium: von der Beschreibung der verga¨nglichen (Bauch) zu der der unverga¨nglichen Teile (Knochen). Die Abbildungen sind allerdings nicht homogen, einige davon sind detailliert, andere dagegen allgemein. Die beschra¨nkte Zahl der verfu¨gbaren Leichen wa¨re vielleicht eine mo¨gliche Erkla¨rung hierfu¨r. Werk: Opuscula anatomica, Venedig 1564; Tabulae anatomicae Bartholomaei Eustachi quas a tenebris tandem vindicatas, Rom 1714. Tre.
Fabricius Hildanus, Wilhelm (* 25. 6. 1560 Hilden/Niederrhein, † 14. 2. 1634 Bern). Gilt nach ! Sudhoff (1914) als der „erste wirklich große deutsche Chirurg“. In Hilden am Niederrhein geboren, ging er bei dem Neusser Wundarzt J. Du¨mgen in die Lehre und wurde spa¨ter Gehilfe des herzogl. Wundarztes C. Slotanus in Du¨sseldorf, eines Schu¨lers von ! Vesal. Zur weiteren Ausbildung begab er sich nach Metz und Genf, wo er Gehilfe des bekannten Chir. Jean Griffon wurde. In Genf lernte er auch seine spa¨tere Ehefrau und Ass. Marie Colinet kennen. Nach der Ru¨ckkehr in die Heimat praktizierte er zuna¨chst in Hilden und dann in Ko¨ln (1593–1599), wo er gegen Ende seines ersten Aufenthaltes gezwungenermaßen der Barbierzunft angeho¨rte. Aktenma¨ßig belegt ist, daß ihm im Jahre 1599 von den dortigen Amtmeistern die Behandlung eines Kindes, das eine Gangra¨n am Finger hatte, entzogen wurde. Bei seinem Weggang aus der Domstadt verschenkte er drei Skelette an ¨ rzte und Wunda¨rzte, die dort ta¨tigen A da viele seiner Kollegen, wie er es aus-
dru¨ckte, „ihr Lebtag keines gesehen hatten“. In seiner Ko¨lner Zeit verfaßte er auch das Bu¨chlein Vom heißen und kalten Brand (Ko¨ln 1593), das insgesamt 12 Ausgaben erlebte. Nach einem kurzen Aufenthalt in Lausanne ließ er sich 1612 in Payerne (Peterlingen) im schweiz. Waadtland nieder. In dieser Zeit erschienen die frz. und lat. Ausgabe seines obengenannten Buches. 1615 zog er nach Bern, wo er bis zu seinem Tod die Stelle eines Stadtarztes innehatte. F. wird aufgrund der auffa¨lligen Parallelen im Lebens- und Berufsweg ha¨ufig auch der ,‘deutsche ! Pare´’ genannt. Von seiner in den genannten Orten, aber auch ambulatorisch ausgeu¨bten chir. Praxis legt insbes. die Summe seiner wunda¨rztl. Erfahrungen Zeugnis ab, na¨mlich die Observationem et curationem chirurgicam centuriae sex (1606–41). Sein
Wilhelm Fabricius Hildanus (1560–1634) 113
Falloppia, Gabriele
reichhaltiges Beobachtungsmaterial kleidete er, wie es dem wiss. Stil der Zeit entsprach, in Briefform. Die Ausgabe seiner Opera Omnia (Frankfurt a.M. 1646), die er noch fu¨r den Druck vorbereitet hatte, erlebte er nicht mehr. An weiteren wichtigen Schriften aus seiner Feder sind noch zu nennen: New Feldtartzneybuch von Krankheiten und Scha¨den, so im Krieg den Wunda¨rzten gemeinlich fu¨rfallen (Basel 1613) und Von der Fu¨rtrefflichkeit und Nutz der Anatomy (Bern 1624). In der Geschichte der Chir. nimmt F. einen bedeutenden Rang ein, da er mehrere Operationstechniken verbesserte (u.a. Brust- und Gliederamputationen, Steinschnitt, chir. Eingriffe am Auge) und große Erfolge in der Frakturbehandlung und bei orthopa¨d. Maßnahmen erzielte. Vor allem aber liegt seine Leistung darin, daß er die klin. Beobachtung in die Chir. einfu¨hrte und dabei auf seine ausgezeichneten Kenntnisse der Anat. zuru¨ckJu¨. greifen konnte. Falloppia, Gabriele (* ca. 1523 Modena, † 9. 10. 1562 Padua). Aus einer a¨rmlichen Familie stammend, war F. zuna¨chst zum geistl. Stand bestimmt, ehe er das Med.stud. aufnahm. 1544 fu¨hrte er in Modena eine erste o¨ffentl. Sektion durch. 1545 stud. er Med. in Ferrara, wo er seit 1547 auch Materia medica lehrte. Von 1548–51 lehrte F. Anat. in Pisa, ehe er 1552 in Ferrara den Dr. med. erhielt. Bereits 1551 hatte man F. den Lehrstuhl fu¨r Chir. und Materia medica an der Univ. Padua angeboten. Hier fu¨hrte er in den folgenden Jahren zahlreiche Sektionen durch, deren Erkenntnisse in dem 1561 zu 114
Venedig gedruckten Werk Observationes anatomicae mu¨ndeten. F. gibt sich als Anha¨nger ! Vesals zu erkennen, der sich bemu¨hte, die Beobachtungen seines Vorbildes zu erga¨nzen und zu verfeinern. Daneben las F. jedoch auch u¨ber Heilba¨der (1556) Metalle und Fossilien. (1557). Ha¨ufig wurde er von Padua zur Krankenbehandlung gerufen, so 1552 nach Rom, um den Bruder des Papstes Julius II. zu behandeln, und 1560 nach Frankreich zur Behandlung eines venetianischen Diplomaten. Die Opera omnia erschienen 1606 zu Venedig in drei Ba¨nden. Sie enthalten neben F.s anat.-chir. auch die naturkundl. M.-J. Schriften. Fanconi, Guido (* 1. 1. 1892 Poschiavo/Graubu¨nden, † 10. 10. 1979 Zu¨rich). Nach seiner Ausbildung in Lausanne, Mu¨nchen, Bern und Zu¨rich (Staatsexamen 1918) war F. zuna¨chst am Pathol. Inst. der Univ. Zu¨rich, sodann am Physiol. Inst. der Univ. Bern und schließlich am Kinderspital Zu¨rich ta¨tig. Die pa¨diatr. Lehrjahre wurden durch kurze Studienaufenthalte bes. in Halle bei ! Abderhalden sowie in Wien bei ! v. Pirquet und Wenckebach unterbrochen. 1926 Oberarzt in Zu¨rich; 1929 bis zu seiner Emerit. (1962) Dir. der Zu¨rcher Kinderklinik. F. za¨hlt zu den bedeutendsten Pa¨diatern des 20. Jh.; er beschrieb u.a. 1927 die spa¨ter nach ihm benannte konstitutionelle Blutarmut (F.-Ana¨mie), 1935 die zystische Fibrose (Mukoviszidose), im gleichen Jahr die Funktionssto¨rung der proximalen Nierentubuli als Ursache des F.-Syndroms sowie 1952 die Phosphorverluste im Urin als Ursache der vitamin-D-resistenten Eck. Rachitis.
Fernel, Jean
Ferenczi, Sandor (* 1873 Miskolc/Ungarn, † 24. 5. 1933 Budapest). Vater war Buchha¨ndler und Verleger, 10 Geschwister. Gymnasium in Miskolc, Stud. der Med. in Wien. Wa¨hrend seiner Studienzeit hatte er keinerlei Kontakt zu ! Freud. 1896 wurde F. prom., anschließend kehrte er nach Ungarn zuru¨ck und ließ sich zuna¨chst als prakt. Arzt in Budapest nieder. Gleichzeitig war er auch als Spitalsarzt bescha¨ftigt, wobei er sich bes. mit Neurol. und Psychiatrie befaßte. Daru¨ber hinaus war er als Gerichtsgutachter in psychiatr. Fragen ta¨tig. Freuds Traumdeutung erschien ihm zuna¨chst als zu unwiss., spa¨ter jedoch entwickelte er reges Interesse an der Psychoanalyse. Er begann eine Korrespondenz mit Freud, aus der sich eine tiefe Freundschaft entwickelte, die fu¨r beide von großem geistigen Nutzen war. F. wurde einer der bedeutendsten Schu¨ler Freuds und initiierte die Gru¨ndung der internat. psychoanalyt. Vereinigung. In die Kontroverse zwischen Freud und ! Jung, die zur ersten Abspaltung einer neuen Schule fu¨hrte, war er massiv involviert und wies Jungs Ideen schließlich in einem Aufsatz o¨ffentlich zuru¨ck. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs mußte F. seine Budapester psychoanalyt. Praxis aufgeben, wurde als Milita¨rarzt einberufen, konnte aufgrund seines Alters jedoch im Land bleiben. Somit hatte er die Mo¨glichkeit, weiterhin den Kontakt mit Freud zu pflegen und seinen Studien nachzugehen. 1918 erhielt F. den neugeschaffenen Lehrstuhl fu¨r Psychoanalyse an der Med. Univ. Budapest, den ersten dieser Art. Unter dem Regime Horthy wurde dieser Lehrstuhl jedoch wieder
abgeschafft, und F. kehrte in seine psychoanalyt. Praxis zuru¨ck, die er bis zu seinem Tod weiterfu¨hrte. Ab der Mitte der zwanziger Jahre entfernte sich F. allerdings von der Schule Freuds, anfangs aufgrund von unterschiedlichen Ansichten zu techn. Problemen, 1932 geriet er jedoch in offenen Widerspruch zu seinem Lehrer. F. schrieb seine Arbeiten hauptsa¨chlich in ungar. Sprache. Erst in neuerer ¨ bersetzungen, die Zeit erschienen U seine Bedeutung fu¨r die Psychoanalyse zeigen. Werk: Sex in psychoanalysis, New York 1950; Balint, M. (Hg.), Schriften zur Psychoanalyse, 2 Bd., Stuttgart 1972. Ho.
Fernel, Jean (* 1497? Montdidier, † 26. 4. 1558 Fontainebleau). In Montdidier geb., zog F. mit seiner Familie schon fru¨h nach Clermont und besuchte seit 1519 das Colle`ge de St. Barbe zu Paris, wo er den M. A. erwarb. Einerseits durch Krankheiten am Stud. gehindert, andererseits aber auch die Naturkunde seiner Zeit gru¨ndlich erfassend, begann F. nach 1524 Phil. in Paris zu lehren und nahm gleichzeitig dort ein Med.stud. auf. 1527 vero¨ffentlichte er das Werk Monalosphaerium (Paris 1527), dem die Cosmotheoria (Paris 1528) folgte. Beide Werke zeigen F. als Anha¨nger astrolog. Theorien, verbunden mit eigenen Beobachtungen. Nachdem F. 1530 die „Venia practicandi“ erhalten hatte, wurde er bald ¨ rzte zu einem der beru¨hmtesten A Frankreichs. Dies fu¨hrte dazu, daß Ko¨nig Heinrich II. versuchte, ihn an den Hof von Fontainebleau zu ziehen, was F. ablehnte, um weiterhin in Paris praktizieren und lehren zu ko¨nnen. 115
Fetscher, Rainer
in die Heilung der Krankheiten einbezogen. F. erweist sich als Kenner des Neuplatonismus wie des Aristotelismus und versucht in seinem Werk einen Ausgleich zwischen den phil. Systemen der Zeit. Zwar verwirft er magische Vorstellungen und Da¨monenglauben, gesteht aber den Gestirnen im Rahmen trad. Astrologievorstellungen durchaus noch einen EinM.-J. fluß zu.
Jean Fernel (1497?–1558)
Nachdem er 1534 zum Prof. der Med. an der Sorbonne ernannt worden war, gelang es Heinrich II. erst 1556, ihn endgu¨ltig als Leibarzt nach Fontainebleau zu verpflichten. Seit 1536 arbeitete F. an seiner Schrift De naturali parte medicinae, die 1542 erschien. In diesem Werk wie auch in der 1554 zu Paris vero¨ffentlichten Medicina wandte sich F. erstmals den biol. Grundlagen der Med. zu, die er namensgebend als „Physiologie“ bezeichnete. Obgleich seine eigenen Entdeckungen und Beobachtungen ihm kaum Nachruhm ha¨tten sichern ko¨nnen, erwies sich die Einfu¨hrung des Physiol.-Begriffes als pra¨gend fu¨r das spa¨te 16. und 17. Jh. In dem bereits 1548 zu Paris herausgekommenen Werk De abditis rerum causis libri duo setzte sich F. mit denjenigen Stro¨mungen der Med. auseinander, die unter dem Einfluß der neuplatonischen Renaissance auch die esoterischen Wiss. 116
Fetscher, Rainer (* 16. 10. 1895 Wien, † 8. 5. 1945 Dresden). Med.stud. in Wien. Kriegsteilnehmer und danach Pazifist. 1921 Dr. med., 1922 Ass. am Hyg.-Inst. der TH Dresden unter Ph. Kuhn, 1923 Habil. 1925 Priv.doz. und 1928–33 ao. Prof. am Pa¨dagog. Inst. der TH Dresden. Arzt in Ehe- und Sexualberatungsstellen der AOK Dresden. F. betrieb eugen. Forschung und sammelte Daten fu¨r erbbiol. Karteien. 1933 Entlassung. Aufbau einer Privatpraxis und nach Kriegsbeginn zunehmend Kontakt zu Widerstandsgruppen. Bei dem Versuch, mit sowjet. Truppen Kontakt aufzunehmen, von der SS erschossen. Werk: Grundzu¨ge der Erblichkeitslehre, Dresden 1924; Der Geschlechtstrieb, Mu¨nchen 1928; Rassenhygiene – eine erste Einfu¨hrung fu¨r Lehrer, Leipzig 1933. Wdl.
Feuchtersleben, Freiherr Ernst von (* 29. 4. 1806 Wien, † 3. 9. 1849 Wien). Stud. der Med. und oriental. Sprachwiss. in Wien; 1834 Dr. med.; danach prakt. Arzt, Dichter und Publizist. 1844 o. Prof. fu¨r Psychiatr. und Dekan der med. Fak. Wien; Einsatz fu¨r demokra. Studienreformen und Lehrfreiheit. 1847 Vizedir. der med.-chir. Studien und Vorsitz des Professorenkollegiums der med. Fak. 1848 Unterstu¨t-
Finochietto, Enrique
zung des Studentenaufstands; mit Beginn der polit. Restauration Ru¨ckzug ¨ mtern. Sein aus akad. und polit. A med.psychol., anthropol. und pa¨d. Werk ist der geisteswiss. Grundlegung der Med. gewidmet und stieß bis 1900 auf große o¨ffentl. Resonanz. Werk: Zur Dia¨tetik der Seele, Wien 1838. Schr.
Fibiger, Johannes Andreas Grib (* 23. 4. 1867 Silkeborg, † 30. 1. 1928 Kopenhagen). Der Vater war Arzt, starb aber, als F. noch jung war. Als Student in Kopenhagen interessierte sich F. fu¨r Bakteriol. Er bekam 1890 den M.D. und nach Studien mit Carl Jul. Salomonsen 1895 den Ph.D. fu¨r seine Studien u¨ber Diphtherie. 1900 wurde er Prof. und Dir. des Inst. fu¨r Pathol. in Kopenhagen. Nach Forschungen u¨ber Tbc fand F. Spiroptera (runde Fadenwu¨rmer) in Krebs-Tumoren. Dies fu¨hrte zu exp. Krebsstudien. Danach entwickelte F. eine Theorie der exogenen Krebsverursachung. 1926 erhielt F. den Nobelpreis fu¨r Med. Werk: Investigations on the Spiroptera Cancer, Copenhagen 1918–19; Investigations on Spiroptera carcinoma and the Experimental Induction of Cancer, Nobel Lecture, Dec. 12 1927, in: Nobel Lectures in Physiology or Medicine, Bd.2, Amsterdam 1965, 122–52. Wdl.
Finlay, Carlos Juan (* 3. 12. 1833 Camagu¨ey/Kuba, † 20. 8. 1915 La Habana). Der kubanische Arzt wurde als Sohn europ. Eltern geboren. Sein Vater Edward hatte Med. an der Univ. Edinburgh und spa¨ter an der Univ. von La Habana stud. und war von Europa nach Su¨damerika gekommen, um mit
Bolivar fu¨r die Unabha¨ngigkeit Venezuelas zu ka¨mpfen. Carlos besuchte Gymnasien in Frankreich und England und stud. Med. am Jefferson Medical College in den Vereinigten Staaten, wo er 1855 prom. Als er kurz nach einer Cholera-Epidemie 1868 nach La Habana zuru¨ckkehrte, machte er dort seine ersten wichtigen wiss. Beobachtungen. 1874 verfaßte F. mit einem Bericht u¨ber ¨ tiologie der Gelbfieber fu¨r die Kudie A banische Wiss. Akademie seinen ersten Artikel u¨ber die Krankheitsursache. Nachdem er antike Maya-Manuskripte stud. hatte, vertrat er die Meinung, daß die Krankheit mo¨glicherweise durch Mu¨cken u¨bertragen werden ko¨nnte, und identifizierte die Gattung Culex fatigans – heute als Aedes aegypti bekannt – als dafu¨r verantwortlich. 1881 verfaßte F. seinen beru¨hmtesten Bericht fu¨r die Akademie unter dem Titel Die Mu¨cke, hypothethisch als Gelbfieberu¨bertra¨gerin betrachtet (El mosquito hipote‹’ticamente considerado como el agente propagador de la f. amarilla). Auf die Anerkennung seiner Forschungsergebnisse mußte er allerdings 17 Jahre lang warten: 1898 wurden drei amerik. Bakteriologen wa¨hrend des Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien mit der Armee nach ¨ rzte Walter Kuba geschickt. Die A Reed, James Caroll und Jesse Lazear besta¨tigten F.s Theorien und unterstu¨tzten ihn in der ganzen Welt. Ac. Finochietto, Enrique (* 13. 3. 1881 Buenos Aires, † 17. 2. 1948 Buenos Aires). Argentin. Chirurg, der zusammen mit seinem Bruder und Kollegen Ricardo (1888–1962) eine der beru¨hmtesten 117
Finsen, Niels Ryberg
chir. Schulen Lateinamerikas gru¨ndete und mehr als 40 Jahre lang fu¨hrte. F. stud. an der Univ. Buenos Aires und prom. 1906. Anschließend verbrachte er bis 1909 Wanderjahre in Europa, wo er ! T. Kocher (1841–1917) und R. Leriche (1879–1955) besuchte. 1918 wurde F. Chefarzt des RawsonStadtkrkh. in Buenos Aires. Er erreichte zwar nie großen akad. Ruhm, wurde aber von den Prof. aller argent. Univ. als Lehrmeister und Skalpellvirtuose anerkannt. F. erfand chir. Instrumente und Gera¨te, die nach ihm benannt sind, wie z.B. den Ac. Interkostal-Trennapparat. Finsen, Niels Ryberg (* 15. 12. 1860 To´rshavn/Fa¨ro¨er, † 24. 9. 1904 Kopenhagen). F. entwickelte die nach ihm benannte Meth. der Kohlebogenlicht-Behandlung (F.licht, F.lampe) bei Hauttuberkulose (Lupus vulgaris) u.a. Hautkrankheiten, auch als Ganzko¨rperbestrahlung (F.bad); durch Bergkristallinsen mit guter Durchla¨ssigkeit fu¨r die Ultraviolettstrahlung wurde das Bogenlicht konzentriert. 1903 wurde F. der Nobelpreis fu¨r Med. zugesprochen. ¨ ber die Anwendung von conzenWerk: U trierten chemischen Lichtstrahlen in der Medizin, Leipzig 1899. Eck.
Fischer, Alfons (* 12. 12. 1873 Posen, † 18. 5. 1936 Karlsruhe). F. geho¨rte zu den Begr. und Definitoren der sozialen Hyg. Nach Med.stud. (1893–98) und Assistenz in versch. Inst. (Bakteriol. Danzig, Pathol. Frankfurt) und Klinika (Danzig, Heidelberg) ero¨ffnete F. 1902 eine Praxis in Karlsruhe. Er forderte neben der 118
phys. eine soziale Hyg. zur Beseitigung gesellschaftl. Krankheitsursachen. National-sozial engagiert, setzte er sich zunehmend fu¨r gesundheitspolit. Maßnahmen ein. Der 1907 von ihm initiierte Verein zur Einrichtung einer zuna¨chst genossenschaftl. Mutterschaftskasse fu¨r eheliche und uneheliche Mu¨tter strebte einen gesetzl. Mutterschutz an. Die 1916 von F. gegru¨ndete Badische Gesellschaft fu¨r soziale Hyg. unterstu¨tzte dieses Ziel und setzte sich auch fu¨r Familienversicherung, hyg. Volksbelehrung und die Einrichtung sozialhyg. Inst. ein. Analog dazu formulierte F. 1918 das gesundheitspolit. Programm der DDP. Bei der Einrichtung sozialhyg. Lehrstu¨hle wurde F.s Definition der sozialen Hyg. als eigensta¨ndiges Gebiet zugrunde gelegt, er selbst u¨bte sein Engagement weiterhin nebenberuflich aus. Das von ihm 1915 postulierte und 1928 bekra¨ftigte Recht auf Gesundheit vera¨nderte er 1925 um eine „Gesundheitspflicht“. In seiner Gesch. des dt. Gesundheitswesens suchte F. neben den sozialen nach kulturhyg. Gesetzma¨ßigkeiten. 1935 erhielt F. als „Nichtarier“ Vero¨ffentlichungsverbot. Werk: Grundriß der sozialen Hygiene, Berlin 1913; Geschichte des deutschen Gesundheitswesens, ibid. 1933; Sozialhygienische Mitteilungen (als Hg. von 1916–35); Zahlreiche Art. in Hb. u. Zeitschriften. Sto¨.
Fischer, Eugen (* 5. 6. 1874 Karlsruhe, † 9. 7. 1967 Freiburg i.Br.). Untersuchungen an Mischbevo¨lkerung in Dt.-Su¨dwestafrika von 1908 begru¨ndeten seinen Ruf als fu¨hrender Anthropologe in Deutschland in der
Fleming, Sir (seit 1943) Alexander
1. Ha¨lfte des 20. Jh. Sie waren der Ausgangspunkt seiner Anthropobiol., in der er beschreibende Anthropol. und Erbbiol. vereinigte. Ihr zufolge bildeten gleichermaßen ko¨rperl. und geist. Eigenschaften die unvera¨nderlichen Klassifizierungsmerkmale menschl. Rassen. Mit seiner auf eine wertende Rassenkunde reduzierten Anthropol. half F., die nationalsozialistische Bevo¨lkerungs- und RassenpoLi. litik wiss. zu legitimieren. Fischer, Hans (* 27. 7. 1881 Ho¨chst a.M., † 31. 3. 1945 Mu¨nchen, Freitod). Chemiker. Chemie- und Med.-stud. Marburg, Mu¨nchen. 1904 Phil. Diss. Beitra¨ge zur Kenntnis der 4–oxy-1,2– Toluylsa¨ure (Marburg). 1907 Appr., 1908 Med. Diss. Zur Kenntnis des carcinomato¨sen Mageninhaltes (Mu¨n¨ ber Urobilin chen). Habil. Physiol. U und Bilirubin (Mu¨nchen). 1915 Venia legendi. (Physiol., Mu¨nchen), 1916 o. Prof. (Med. Chemie) Innsbruck, 1918 Wien. 1921 Ord. (Org. Chemie, TH Mu¨nchen), Inst.dir. 1930 Nobelpreis fu¨r Chemie (Synth. des Ha¨mins 1928). 1935 Aufkla¨rung der KonstitutiondesChlorophylls;Synth.deralphaKomponente vorangetrieben (von seinen Schu¨lern vollendet). Arbeiten u¨ber B.-S. Porphyrinkrankheiten. Fischer, Isidor (* 20. 9. 1888 Wien, † 13. 1. 1943 Bristol). F. stud. in Wien und wurde 1892 zum Dr. med. prom. 1897–1921 leitete er ein Ambulatorium, das Frauenkrankeninstitut Charite´ in Wien. 1914 habil. er sich fu¨r Gesch. der Med. mit einer Geschichte der Geburtshilfe in Wien (1909). Bekannt geworden ist F., dem wir mehrere Arbeiten zur Gesch. der Frauenheilkunde verdanken, vor
allem als Hg. und Verfasser des Biographischen Lexikons der hervorragenden ¨ rzte der letzten fu¨nfzig Jahre [1880– A 1930] (2 Bd. 1932/33; ND 1962). Mit ihm setzte er die biogr. Lex. von ! A. Hirsch und ! J. Pagel fort. Seine letzte große Arbeit, die Geschichte ¨ rzte in Wien der Gesellschaft der A 1837–1937 (1938), deren Bibliothekar er war, konnte, da F. Jude war, nur noch anonym erscheinen. Er floh unter Zuru¨cklassung seiner Arztpraxis, Bibliothek und ganzen Habe nach England, wo er 1943 in Bristol in Armut v. Bro. und Verlassenheit starb. Fleck, Ludwik (* 11. 7. 1896 Lwow/Polen, † 5. 6. 1961 Ness-Ziona/Israel). Seit 1921 Arzt, Mikrobiol. und Serologe in Lwow. 1942 Deportation, 1943 KZ Auschwitz, 1944 KZ Buchenwald. Nach dem Krieg Immunol. und Mikrobiol. ¨ bersiedin Lublin und Breslau. 1957 U lung nach Israel. F.s Bedeutung liegt vor allem in seiner erkenntnistheoret. Lehre. Anhand des Bildes des Syphilis in der Med. zeigt F., daß auch naturwiss. Erkenntnis auf Vorannahmen u¨ber den Gegenstand beruht. Diese sind, wie auch die wiss. Tatsache selbst, soziales und hist. Produkt eines „Denkkollektivs“, welches einen bestimmten „Denkstil“ pflegt. Werk: Scha¨fer, L. u. Schnelle, T. (Hg. u. Einl.), Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einfu¨hrung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv (entha¨lt Kurzbiogr.), Frankfurt a.M. 2 1993 (zuerst erschienen 1935). Schl.
Fleming, Sir (seit 1943) Alexander (* 6. 8. 1881 Lochfield/Schottland, † 11. 3. 1955 London). Bakteriologe, Sohn eines Farmers. Nach Erziehung (Grundschule, Kil119
Fleming, Sir (seit 1943) Alexander
marnack Akad.) 1895–97 Stud. am Regent Street Polytechnic Inst., London, kaufma¨nnischer Angestellter. 1901–06 Med.-stud. (St. Mary’s Hospital Medical School, London). Qualifikation als Arzt, Fellow of the Roy. Col. of Surg. 1906–14 Ass. fu¨r Bakteriol. (Impfabt., St. Mary’s Hospital, London, Sir A. Wright). 1914–18 Hauptmann (Royal Army Medical Corps); Ta¨tigkeit in Sir A. Wright’s Lab., Kasino von Boulogne. Seit 1918 Dozent fu¨r Bakteriol., St. Mary’s Hospital Medical School. Pathol. (Abt. Venerol., St. Mary’s; Londoner Lock Hospital). Spa¨ter Dir. der Abt. fu¨r systemat. Bakteriol. und stellvertr. Dir. der Impfabt. (St. Mary’s). 1919 (und 1924) Hunterian Prof. (Royal College of Surgeons). 1928–48 Prof. fu¨r Bakteriol. (Univ. London). 1944 Fellow of the Royal College of Physicians. 1945 Nobelpreis fu¨r Med. und Physiol. mit ! H. Florey und ! E. B. Chain (Aufkla¨rung der Wirkung und Struktur des Penicillins). Bis 1954 Vorsitzender des Wright-Fleming-Inst. fu¨r Mikrobiol. Fortsetzung der Forschungsarbeiten im Inst. bis zum Tode. Viele Ehrengrade brit. und ausla¨nd. Univ. Die Begegnung mit Sir A. Wright, dem bedeutendsten brit. Bakteriol., lenkte F.s Wege ebenfalls in die Bakteriol. Als Ass. unter Wright konnte er Erfahrungen und Kenntnisse zur bakteriol. Technik und klin. Pathol. sammeln. Wiss. Verdienste: Arbeiten zur Bakteriol. septischer Wunden, zu Bluttransfusionen, Influenza; Entdeckung des Lysozymes, eines antibakteriol. wirkenden, in einigen Ko¨rperausscheidungen vorkommenden Enzyms. 1928 Entdeckung des Penicillins. Auf einer der Luft ausgesetzten Agrarplattenkultur von Staphylokokken ent120
wickelte sich ein Pilz (Penicillium notatum). F. bemerkte, daß sich die Staphylokokkenkolonien um den Pilz herum auflo¨sten. Geschichtemachende Publ. im British J. of Experimental Pathology 10 (1929), 226–36: „Ein gewisser Typ von Penicillin produziert in Kulturen eine potente antibakterielle Substanz. Das aktive Agens ist leicht filtrierbar, der Name ‘Penicillin’ wurde den Filtraten der Bouillonkulturen des Pilzes gegeben. Die Wirkung ist sehr kennzeichnend fu¨r pyogene Kokken und die Diphtheriebakterien. Penicillin ist nicht toxisch fu¨r Tiere und nicht reizend. Es interferiert nicht mit der Leukozytenfunktion in gro¨ßerem Maße als normale Bouillon. Es ist anzunehmen, daß es ein effizientes Antiseptikum fu¨r die a¨ußere Anwendung oder Injektionen bei mit Penicillin empfindlichen Bakterien infizier-
Sir Alexander Fleming (1881–1955)
Flemming, Walther
ten Ko¨rperregionen sein ko¨nnte.“ Fast 10 Jahre wurde von F.s Entdeckung und ihren Mo¨glichkeiten wenig Notiz genommen. F. versuchte die externe Anwendung des Penicillinfiltrates bei menschl. Wunden. ! H. Florey und ! E. Chain, Oxford, konnten 1939 Penicillin als stabiles TrockenB.-S. pulver isolieren. Flemming, Walther (* 21. 4. 1843 Sachsenberg bei Schwerin, † 4. 8. 1905 Kiel). Sein wiss. Werk steht ganz im Zeichen der Faszination seiner Generation durch die Zelle. Seit der Begru¨ndung der Zellenlehre (! Schwann/Schleiden 1839) hoffte man, sie als den „Sitz des Lebens“ zu entschlu¨sseln. F.s Beschreibung der Mitose (1879) im Zellteilungsprozeß ist seine bedeutendste und mit seinem Namen verbundene Leistung. Auch fanden von F. entwickelte Fixierungs- und Fa¨rbetechniken sowie seine Untersuchungen an der lebenden Zelle Eingang in die histol. Lehrbu¨cher. Seine Erkenntnisse u¨ber den Zellteilungsprozeß waren wichtige Voraussetzungen fu¨r die Entwicklung der Chromosomentheorien und der Genetik im 20. Jh. ¨ rzF. entstammt einer brandenburg. A tefamilie. Sein Vater, C.Fr. Flemming (NDB 5, 241), war ein bekannter Psychiater. F. wuchs in Sachsenberg bei Schwerin auf. In Go¨ttingen, Tu¨bingen und Berlin stud. er Med. und prom. 1868 in Rostock mit der Arbeit Der Ciliarmuskel der Haussa¨ugetiere. Sein Interesse fu¨r die Histol. wurde durch F.E. Schulze, der selbst Schu¨ler des beru¨hmten Max Schulze war, geweckt. F. habil. 1870 in Rostock mit dem Thema Bindesubstanzen und Gefa¨ßwandungen bei Mollusken. Nach
Forschungs- und Lehrta¨tigkeiten in Rostock, Amsterdam und Prag wurde er 1873 ao. Prof. und dann 1876 als o. Prof. fu¨r Anat. nach Kiel berufen. Der unverheiratet gebliebene, ausschließlich der Wiss. zugewandte F. lehrte bis zu seiner aufgrund eines schweren neuromuskula¨ren Leidens erfolgten Entpflichtung (1902) in Kiel. F. za¨hlt zu den ersten wirklichen Spezialisten auf seinem Gebiet und wurde einer der fu¨hrenden Histo- und Zytologen Deutschlands. Forscher aus aller Welt lernten bei ihm. V. a. seine Arbeiten zur indirekten (Mitose) und direkten Kernteilung (Amitose) fanden in Fachkreisen unmittelbare Anerkennung; weniger seine „Filiartheorien“, womit er hauptsa¨chlich die damals noch nicht entdeckten Mitochondrien identifizierte. Voraussetzung fu¨r seine Entdeckung der Mitose war ein gru¨ndliches Stud. des Protoplasmas. Mit einer kritischen Pru¨fung der Meth. der Fixierung, Fa¨rbung und Einbettung unter Anwendung der verbesserten Zeissschen Mikroskope gelang es F., genauer die Struktur des Protoplasmas zu untersuchen, deren vielfa¨ltige Organellen er aber noch nicht kennen konnte. Mit seinen mikroskop. herausragenden Arbeiten an der lebenden Zelle beschrieb er erstmalig bisher unbekannte Prozesse ¨ quatorialplatte, (A monozentrische versus dizentrische Phase). V. a. konnte F. als erster aus der Fu¨lle der Einzelbeobachtungen charakterist. Stadien der Zellteilungen ableiten. Werk: Beitra¨ge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen, Arch. mikrosk. Anat. Entwicklungsmech. 16–18 (1879– 1881); Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, Leipzig 1882. Lo. 121
Florey, Howard Walter
Florey, Howard Walter (* 24. 9. 1898 Adelaide/Australien, † 21. 2. 1968 Oxford). Engl. Pathol. 1922 Stipendium an der Univ. Oxford; 1924–26 weitere Ausbildung an der Univ. Cambridge, in den USA und im London Hospital, ab 1927 als Pathol. in Cambridge, 1931 Prof. fu¨r Pathol. in Sheffield, 1935 in Oxford. F. gelang zusammen mit dem Biochemiker ! Chain 1940 die synthet. Herstellung von gereinigtem Penicillin, dessen Großproduktion – forciert durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – 1941 einsetzte. ! Fleming, F. und Chain erhielten 1945 den Nobelpreis. Werk: F. u.a., Penicillin as a chemotherapeutic agent, in: Lancet 118 (1940), Bd. 2, 226–8; F. u.a., Further observations on penicillin, in: Lancet 119 (1941), Bd. 2, 177– 89. Pr.
Flu¨gge, Carl (* 9. 12. 1847 Hannover, † 12. 10. 1923 Berlin). F. stud. in Go¨ttingen, nahm 1870 als Arzt am dt.-frz. Krieg teil und ließ sich vorerst als prakt. Arzt nieder. 1874 Ass. in Leipzig (F. Hofmann), 1878 in Berlin habil., erhielt er 1881 in Go¨ttingen eine Abt. fu¨r chem. und hyg. Untersuchungen, aus der 1883 das erste selbsta¨ndige Inst. fu¨r Hyg. in Preußen hervorging. Seit 1885 Ord., wechselte er 1887 nach Breslau und 1909–21 nach Berlin. Von der Hyg. ! Pettenkofers gepra¨gt und die Lehren ! Kochs aufnehmend, wurde er zu einem spezif. Vermittler dieser beiden Richtungen in Deutschland, einer Synthese, die ihn zur Sozial- wie Rassenhyg. fu¨hrte. Seine Verdienste liegen im Stud. der Tro¨pfcheninfektion (bes. der Tuberkulose), in Arbeiten zur Raumdesin122
fektion mit Formaldehyd, zu Wasserversorgung, Wohnungsklima, Milchsterilisierung sowie epidemiol. und prophylakt. Fragen. Mit Die Mikroorganismen (1886, 3. Aufl. 1896, engl. und frz. u¨bers.) legte er ein erstes ¨ bersichtswerk der Bakteriol. vor, U sein Grundriß der Hygiene (1889, 11. Aufl.1940) blieb u¨ber Jahrzehnte StanHu. dardlehrbuch. Foerster, Carl Friedrich Richard (* 15. 11. 1825 Lissa, † 7. 7. 1902 Breslau). F. geho¨rte zu den bekanntesten dt. Augena¨rzten seiner Zeit. Sein 1867 zu¨ ffentlichkeit vorgestelltes erst der O Perimeter geho¨rt noch heute zum Instrumentarium der Ophthalmol.; in der Choleraforschung hat er einen kontagionist. Standpunkt vertreten und bereits fru¨h auf die Bedeutung des Wassers als „Tra¨ger des Choleragiftes“ (1873/74) hingewiesen; nach dem Stud. (1845–49) in Breslau, Heidelberg und Berlin arbeitete er zuna¨chst am Allerheiligenhospital. in Breslau, konnte sich 1857 an der dortigen Univ. fu¨r Ophthalmol. habil. 1863 wurde er dort Extraord., 1873 Ord. seines Faches; seit 1894 war er auf Lebenszeit Vertreter der Univ. Eck. Breslau im pr. Herrenhaus. Foe¨s [Foesius], Anuce [Anutius] (* 1528 Metz, † 8. 11. 1595 Metz). F. lernte zuna¨chst in Metz und Paris alte Sprachen. An der dortigen Univ. stud. er bei Jacques Houllier, Jacques Goupyl u.a. Med. Als Baccalaureus kehrte er (1552?) nach Metz zuru¨ck, um das Amt des Stadtarztes zu u¨bernehmen, das er bis zu seinem Tode innehatte. F. beteiligte sich an der Etablierung der griech. Med. Als Student hatte
Forel, Auguste Henri
ihm die Ru¨ckbesinnung auf die ! hippokrat. Med. als Entwicklungsmo¨glichkeit fu¨r die praktische Med. eingeleuchtet. Die Umsetzung dieses Programms kro¨nte F. 1595 mit einer in Frankfurt erschienenen Gesamtedition des Corpus Hippocraticum, deren griech. Text zwar auf ! Cornarius ¨ bers. je(1538) zuru¨ckgeht, deren lat. U doch die zahlreichen Anmerkungen (201 allein fu¨r Morb II) beru¨cksichtigt, in denen F. die Textvorlage korrigiert. Bis zu der Edition von ! E. Littre´ (erschienen 1839–1861) blieb seine Absolutissima artis Medicae encyclopaedia unu¨bertroffen und findet gerade heute wieder sta¨rkere Beru¨cksichtigung. Ru¨. Folin, Otto Knut (* 4. 4. 1867 Asheda/ Schweden, † 25. 10. 1934 Boston). Physiol. Chemiker. 1890 Einbu¨rgerung USA. Chemiestud. Minnesota. 1892 BSc. Prom.stud. (Organ. Chemie Chikago). Phil. Diss. On Urethanes, 1898 (Chikago). Stud. Physiol. Chemie (Uppsala, Berlin, Marburg). 1898–99 Industriechemiker in Chikago, dann ao. Prof. West Virginia (Analyt. Chemie). 1900–07 Forschungschemiker Mc Lean Hospital fu¨r Geisteskrankheiten (Waverley, Mass.), Einrichtung eines Lab. 1907–09 ao. Prof. Harvard Medical School, Cambridge (Biol. Chemie), 1909–34 Hamilton Kuhn Prof. ebd. Arbeiten u¨ber Entwicklung von Labortechniken, Beitra¨ge zur Kenntnis des Intermedia¨rstoffwechsels der Proteine, Kohlenhydrate. B.-S. Fontana, Felice (* 15. 4. 1730 Florenz, † 10. 3. 1805 Florenz). Beru¨hmter Anat., besser bekannt unter dem Namen Abbe´ Fontana. F. wurde durch seine physikal. und physiol. Arbeiten zum Schlangengift (1781)
bekannt, die den Anfang der mod. Untersuchungen u¨ber Giftschlangen markieren und zugleich beispielhaft fu¨r die experimentelle Meth. im 18. Jh. sind. Seine Untersuchungen zur Reizleitung (zusammen mit Caldani) und zur Fortpflanzung hatten einen regen wiss. Austausch mit Charles Bonnet zur Folge. F. fo¨rderte als einer der ersten die Verbreitung der chemikalischen Meth. Lavoisiers in Italien (Memoria sulla decomposizione dell’acqua, 1785). Er untersuchte die Bildung und Regeneration der Nervenstra¨nge und publ. 1792 eine Lettera sopra il sistema degli sviluppi, die den Anfang einer lebhaften, zwanzig Jahre wa¨hrenden Debatte mit ! Spallanzani zusammenfaßte. F. arbeitete mit einer mikroskop. Meth. auf der Basis von durch Sa¨uren oder Basen gefa¨rbten Geweben, die er zwischen zwei Platten preßte. So konnte er 1781 in der Epidermis des Aals Zellkern und Zellko¨rper beobachten. F. gru¨ndete in Florenz ein bekanntes Museum fu¨r Physik und Naturgesch. Fa.
Forel, Auguste Henri (* 1. 9. 1848 Morges/Schweiz, † 27. 7. 1931 Yvorne/ Schweiz). 1866–71 Med.-stud. in Zu¨rich; Spezialist fu¨r Ameisenforschung; 1872 Prom. zum Dr. med., 1873–78 Ass. an der Kreisirrenanstalt Mu¨nchen bei B. v. Gudden; 1877 Habil., 1879–98 Dir. der Psychiatr. Heilanstalt Burgho¨lzli und o. Prof. fu¨r Psychiatrie an der Univ. Zu¨rich. Dort widmete sich F. der Psychotherapie, der Hirnforschung (1886 Beschreibung des Neurons) und der Abstinenzbewegung. 1898 Ru¨ckzug aus dem akad. Leben. Privatgelehrter, Internat. Engagement 123
Forßmann, Werner
fu¨r Sexualreformen, Pazifismus und Gleichstellung der Frau.
¨ ffentl. nannte ihn 1801 zum Dir. des O Unterrichts.
Werk: Der Hypnotismus, Stuttgart 1889 (121923); Die sexuelle Frage, Mu¨nchen Schr. 1905 (131920).
Werk: Me´decine eclaire´e par les sciences physiques, Paris 1791; Philosophie chimique, ibid. 1792; Syste`me des connaissances chimiques, ibid. 1801. Eck.
Forßmann, Werner (* 29. 8. 1904 Berlin, † 1. 6. 1979 Schopfheim). Seit 1922 Med.stud. in Berlin, Prom. 1929. F. fu¨hrte 1929 als chir. Ass. am Auguste-Victoria-Heim in Eberswalde im Selbstversuch die erste Rechtsherzkatheterisierung durch. Nach starken Anfeindungen gab F. die experimentelle Med. auf und erhielt u¨berraschend 1956 den Nobelpreis fu¨r Med. Werk: Die Sondierung des rechten Herzens, Klin. Wschr. 45 (1929), 2085–7; Selbstversuch, Erinnerungen eines Chirurgen, Du¨sseldorf 1972. Bro¨.
Fourcroy, Antoine Franc¸ois (* 15. 6. 1755 Paris, † 16. 12. 1809 Paris). Einer der bedeutendsten Wissenschaftler in der Epoche der Frz. Revolution. Nach dem Stud. der Med. widmete er sich unter Bucquet mit großem Erfolg der Chemie. Buffon ernannte ihn 1784 zum Lehrstuhlinhaber fu¨r Chemie am Jardin du Roi. Befreundet mit Lavoisier, wurde F. zum Protagonisten der neuen Chemie, deren Bedeutung fu¨r die Med. er betonte. Seine chem. Analysen der Ko¨rperflu¨ssigkeiten deuteten bereits auf die Entwicklung der Laboratoriumsmed. des 19. Jh. Die Reform des frz. Unterrichtswesens ist F.s Werk. Seit 1792 befaßte er sich als Mitglied des Nationalkonvents mit Ausbildungsfragen; auf seine Anregung hin wurden 1794 per Dekret die e´coles de sante´ zu Paris, Montpellier und Straßburg gegru¨ndet, auf denen die reformierte frz. Med. fußte. Napoleon er124
Fracastoro, Girolamo (* ca. 1478 Verona, † 8. 8. 1553 Incaffi). Ital. Arzt, Gelehrter und Humanist. Der Patriziersohn F. stud. seit den fru¨hen 1490er Jahren in Padua zuna¨chst Math., Astron. und Phil., danach Med.; 1502 wurde er conciliarius ana¨ rztomicus. Seit 1505 geho¨rte F. der A teschaft von Verona an, wo er nach 1509 lebte. Bei seinen Zeitgenossen wegen seiner Gelehrsamkeit hoch angesehen, wurde F. von Papst Paul III. 1545 als Arzt des Konzils von Trient berufen; seine Warnung vor einer Typhusepidemie bewirkte 1547 die Verlegung des Konzils nach Bologna. F. verfaßte Schriften zur Med., Astron., Dichtungstheorie, Naturphil. und Psychol. Med.hist. bes. interessant sind sein Ansteckungskonzept und seine Syphilisschrift. In De contagionibus et contagiosis morbis et eorum curatione libri III (Venedig 1546) entwarf F. das Konzept von unsichtbaren spezifischen „Krankheitssamen“ (seminaria, eigentlich: „Pflanzsta¨tten“), die fu¨r die anstekkenden Krankheiten Pest, Pocken, Typhus u.a. verantwortlich sein sollten. Die seminaria des F. sind allerdings nicht als Vorahnung der modernen Mikrobentheorie anzusehen. F. entwickelte seine Theorie ausgehend von einem Sympathia-Antipathia-Konzept, das auf Lukrez (1. Jh. v.Chr.) und u¨ber diesen auf die Atomisten zuru¨ckzufu¨hren ist (was F. allerdings verschweigt). F. vereinigte so
Frank, Johann Peter
in seiner contagio-Vorstellung phil. Gedanken, teils aus a¨lteren Quellen gescho¨pft, mit empir. Beobachtungen. Er unterschied drei Arten der Anstekkung: eine durch Beru¨hrung, eine durch den sog. „Zu¨ndstoff“ (fomes), eine auf Distanz. Die in ihrer Form und Ausarbeitung neue Theorie des F. hatte in der Praxis freilich geringere Folgen, weil die unsichtbaren Krankheitssamen sich den Therapiemo¨glichkeiten seiner Zeit entzogen. In seinem 1530 in Verona erstmals erschienenen Lehrgedicht Syphilidis, sive morbi gallici libri III in 1346 Hexametern pra¨gte F. das Kunstwort Syphilis fu¨r die als neu empfundene Geschlechtskrankheit, indem er einen Mythos schuf: Der erste Kranke, der gegen den Sonnengott gefrevelt habe und deshalb erkrankt sei, sollte Syphilus geheißen haben. F. sah die natu¨rl. Ursache der Syphilisepidemie seiner eigenen Zeit in einer astral bedingten
Girolamo Fracastoro (ca.1478–1553)
Luftvera¨nderung. Das Lehrgedicht beschreibt eindru¨cklich den Verlauf der Krankheit und die Versuche der Syphilis-Therapie einschließlich des neu entdeckten Guajak-Holzes, wobei beila¨ufig die Eroberungspraxis der Europa¨er in der Neuen Welt in den Blick gera¨t. Das nach antiken Mustern gestaltete Syphilis-Gedicht ist durch die Authentizita¨t der Beobachtungen zugleich lehrreich und war seit seiner Vero¨ffentlichung stets hochgescha¨tzt. Die große Bedeutung des F. fu¨r die Seuchenlehre liegt insgesamt mehr auf dem theoret. Gebiet, da seine Erkenntnisse fu¨r die zeitgeno¨ssische Therapie kaum Ansatzpunkte bieten konnten. Auch F. betrachtete die Flucht vor der Pest fu¨r sich selbst als beste Prophylaxe. Werk: Opera omnia, Venedig 1555; Fossel, ¨ bers.), Hieronymus Fracastoro. Drei V. (U Bu¨cher von den Kontagien, den kontagio¨sen Krankheiten und deren Behandlung (1546), Leipzig 1910; Weidmann, G.E. (dt. ¨ bers.), De sympathia et antipathia liber U unus, Med. Diss., Zu¨rich 1979; Eatough, G., F.s Syphilis. Introduction, Text, Translation and Notes, Liverpool 1984; Wo¨hrle, ¨ bers.), G.F., Lehrgedicht u¨ber G. (Hg. u. U die Syphilis, Bamberg 1988. Le.
Frank, Johann Peter (* 19. 3. 1745 Rothalben, † 24. 4. 1821 Wien). Als eines von 14 Kindern in Rothalben (bad. Herrschaft Gra¨fenstein) geb. Urspru¨ngl. fu¨r den geistl. Stand bestimmt, stud. F. bei den Piaristen in Rastatt und den Jesuiten in Bouquenon, bis er 1763 in Heidelberg sein Med.stud. aufnahm. Nach einem Studienaufenthalt in Straßburg erwarb er in Heidelberg 1766 den Doktorhut. Seine Ta¨tigkeit als frei niedergelassener Arzt in der lothring. Heimat seines Bruders blieb nur ein kurzes Zwi125
Frank, Johann Peter
schenspiel, sein weiterer Werdegang fu¨hrte ihn an diverse Univ. und in den Dienst verschiedener Fu¨rstenha¨user: von 1769–72 bad. Hofarzt und Hebammenlehrer in Rastatt; 1772–75 Physikus (d.h. Amtsarzt) in Bruchsal; 1776 Leibarzt des Fu¨rstbischofs von Speyer, dort ab 1778 Lehrer fu¨r das Hebammenwesen, fu¨r Anat. und Physiol.; 1781 Aufnahme in die Mainzer Akademie der Wiss.; 1784 Ruf an den Go¨ttinger Lehrstuhl fu¨r prakt. Med. als Nachfolger E.G. Baldingers und Mitglied der dortigen Sozieta¨t der Wiss.; 1785 Wechsel nach Pavia als Nachfolger S.A. Tissots in der Leitung der Klinik von Pavia, 1786–88 mit der Reformierung des lombard. Gesundheitswesens betraut; 1795 Ernennung zum Dir. des Wiener Krkh. und Vorstand der Klinik; 1804–07 Prof. der med. Klinik an der Univ. Wilna; 1807–8 Leibarzt des russ. Kaisers in St. Petersburg wie auch Prof. der med. und chir. Akad.; aus gesundheitl. Gru¨nden Ru¨ckkehr zu seiner Tochter nach Freiburg (Breisgau); nach deren Tod und vergebl. Anwerbungsversuchen Napoleons erneuter Umzug nach Wien 1811, dort Leibarzt Maria Louises bis zu seinem Tod. Wa¨hrend seine med. Schriften relativ unbekannt geblieben sind, verbindet sich mit F.s Namen sein monumentales, in sechs Bd. von 1779 bis 1821 enstandenes Werk u¨ber die Medicinische Policey, das im Kontext der damals aktuellen „Policeywissenschaft“ (der Lehre von der inneren Staatsverwaltung) zu sehen ist. Dieses Opus wird auf die dt. Gesundheitsreformer wie etwa ! F.A. Mai einen nachhaltigen Einfluß ausu¨ben. Von der zeittyp. ¨ berzeugung ausgehend, daß die U Glu¨ckseligkeit des Staates in einer ge126
nu¨genden Anzahl arbeits-, reproduktions- wie auch wehrfa¨higer Staatsbu¨rger/innen beruhe, entwickelte F. in seinem Oeuvre fu¨r alle erdenklichen Lebensbereiche einen Katalog staatl. Steuerungsmaßnahmen, die der Sicherung des Allgemeinwohls dienen sollten. In F.s Augen hatten sich diese auf „alles, was von der Erzeugung an bis zum Tode und zur Beerdigung die o¨ffentl. Gesundheitsverwaltung betrifft“ zu erstrecken und dabei die „natu¨rl. Ordnung“ zu beru¨cksichtigen. Der reformerische Ansatz dieses Konzepts liegt darin, daß Krankheit und Armut nicht mehr allein als gottgegeben oder selbstverschuldet, sondern als sozial bedingt betrachtet werden. Somit wird fu¨r die Bu¨rger sowohl ein Recht auf Gesundheit (die Aufhebung gesundheitsscha¨dlicher Lebensbedingungen, der Anspruch auf med. Minimalversorgung) als auch eine Pflicht zur Gesundheit („vernu¨nftige“ Lebensfu¨hrung zum Zwecke des Allgemeinwohls) begru¨ndet wie auch umgekehrt fu¨r den Staat eine Fu¨rsorgepflicht fu¨r und ein Disziplinierungsanspruch u¨ber seine Bu¨rger formuliert. Die F.schen Reformvorstellungen haben in der sozial- und med.hist. Forschung zu gegensa¨tzl. Interpretationen gefu¨hrt. Betrachten die einen F. als Vorla¨ufer der Sozialmed., in der die kranken und verarmten Staatsbu¨rger von einem Netz sozialer Fu¨rsorge aufgefangen werden, unterstreichen andere die totalita¨ren und eugenischen Zu¨ge in F.s Entwurf: „Bu¨rgerl. Engagement wider adlige und kirchl. Reaktion, aufkla¨r[e]rischer Erziehungsfanatismus und polizeystaatl. Dirigismus sind die entscheidenden Tra¨ger seiner [F.s] Zivilisationspro-
Freud, Sigmund
Berlin-Neuko¨lln ernannt. F. kam 1931 als Nachru¨ckerin in den Pr. Landtag, trat aber noch im gleichen Jahr wegen der Tolerierungspolitik der SPD gegenu¨ber der Regierung Bru¨ning und dem Nationalsozialismus zur SAP u¨ber. 1933 mußte F. Deutschland verlassen und emigrierte u¨ber Prag und Paris in die USA (1936). Nach einer Ausbildung in Psychiatrie sowie in Psychoanalyse bei Harry Stack Sullivan ero¨ffnete F. eine Privatpraxis fu¨r Psychiatrie in New York und arbeitete daneben als beratende Psychiaterin fu¨r den Jewish Family Service. Werk: § 218 streichen – nicht a¨ndern, Berlin 1931; Background for Tomorrow, New York 1953. Kr.
Johann Peter Frank (1745–1821)
grammatik“, die auf einem „universalen Rassismus“ beruht (C. Barthel). Welche Interpretation auch immer als die u¨berzeugendere erscheinen mag, nicht zu vergessen ist, daß es sich in F.s Medicinischer Policey um eine Utopie auf der Ebene des Gesundheitsdiskurses handelt, deren Umsetzung, wie neuere Forschungen zeigen, auf vielfa¨ltige Schwierigkeiten stieß. Werk: System einer vollsta¨ndigen medicinischen Polizey, 6 Bd., Mannheim u.a. 1729–1827; Lesky, E. (Hg.), Akadem. Rede vom Volkselend als der Mutter der Krankheiten, Leipzig 1960. Loe.
Frankenthal, Ka¨te (* 30. 1. 1889 Kiel, † 21. 4. 1976 New York). Seit 1918 Mitglied der SPD, wurde F. 1925 Stadtverordnete in Berlin und 1928 zur Stadta¨rztin fu¨r den Bezirk
Freud, Sigmund (* 6. 5. 1856 Freiberg/ Ma¨hren, heute Pribor, † 23. 9. 1939 London). F., ein Sohn des ju¨d. Kaufmanns Jakob F., gibt u¨ber dessen Familie an, „daß sie lange Zeit am Rhein (in Ko¨ln) gelebt hat, aus Anlaß einer Judenverfolgung im vierzehnten oder fu¨nfzehnten Jahrhundert nach dem Osten floh und im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts die Ru¨ckwanderung von Litauen u¨ber Galizien nach dem deutschen ¨ sterreich antrat“. Mit seiner Familie O kam F. mit drei Jahren nach Wien, begann hier 1873 mit seinem Med.-stud. und forschte ab 1877 im Physiol. Labor von ! Bru¨cke. Nach seiner Prom. (1881) verlobt er sich mit Martha Bernays (1882), arbeitet als Arzt am Allgemeinen Krkh. in Wien, wo er auch seine (selbstexperimentellen) Kokain-Studien durchfu¨hrte (1884). Er erhielt im September 1885 eine Privatdozentur und unternahm anschlie127
Freud, Sigmund
ßend eine Studienreise zu dem weltberu¨hmten Neurologen ! Charcot, dessen Arbeit ihn nachhaltig mit der Problematik von Hysterie und Hypnose konfrontierte. 1886 ero¨ffnete F. eine nervena¨rztl. Praxis und heiratete seine Braut nach vierja¨hriger Verlobungszeit. (Das ju¨ngste ihrer sechs Kinder, Anna F. [1895–1982], begleitete ihn lebenslang und setzte – als anerkannte [Kinder-]Psychoanalytikerin – sein Lebenswerk fort.) 1889 reiste F. zu dem Internisten ! Bernheim nach Nancy, dem Begr. der suggestiven Psychotherapie, dessen Schu¨ler er auf diesem Gebiet wurde. 1891 zog F. in die Wohnung Berggasse 19 in Wien, in der er bis zu seiner von den Nazis er-
Sigmund Freud (1856–1939) 128
zwungenen Emigration 1938 lebte und arbeitete. 1895 erschienen die mit dem Wiener Arzt ! Breuer gemeinsam verfaßten Studien u¨ber Hysterie, die zum Ausgangspunkt der Psychoanalyse wurden. 1896 starb F.s Vater; als „Reaktion“ darauf wandte sich der Sohn – selbst von schweren, mo¨glicherweise psychosomat. Sto¨rungen heimgesucht – der selbstanalyt. Traumdeutung zu. Ein Ergebnis davon war, daß F. 1897 die „Verfu¨hrungstheorie“ (Lehre vom pathogenen sexuellen Trauma) bei den Abwehrneurosen durch den ¨ dipuskomplex“ (Lehre von der pa„O thogenen sexuellen Wunscherfu¨llung) ersetzte. Die Traumdeutung (1900), F.s Hauptwerk, in dem dieser sein neurophysiol. Wissen mit seiner psychol. (Selbst-) Erfahrung kombiniert, begru¨ndet die Psychoanalyse. Diese versteht sich von Anfang zugleich als kritische Analyse gesellschaftl. Pha¨nomene, wie F. paradigmatisch in der Abhandlung Zur Psychopathol. des Alltagslebens (1901) belegt. Ab 1902 tagte die „Psychologische Mittwoch-Gesellschaft“ in F.s Wohnung, der erste Vorbote der sog. („orthodoxen“) F.schen Schule; 1908 fand in Salzburg der erste Internationale Psychoanalytische Kongreß statt; 1910 wurde das Zentralblatt fu¨r Psychoanalyse und 1912 die Zeitschrift Imago gegru¨ndet. Schon bald nach Gru¨ndung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (1910; Pra¨sident ! C.G. Jung), kam es zu den ersten Zerwu¨rfnissen (F.: „Abfallbewegungen“): ! A. Adler, W. Stekel, C.G. Jung, der 1914 als Pra¨sident der IPV zuru¨cktrat, und spa¨ter weitere Schu¨ler verlassen F.s Gemeinde, um z. T. eigene Schulen zu gru¨nden.
Friedreich, Nikolaus
In den Jahren 1915 bis 1919 konsolidiert F. seine Lehre in theoretischer und v.a. behandlungstechnischer Hinsicht. Seine 1917 vero¨ffentlichten Vorlesungen zur Einfu¨hrung in die Psychoanalyse und deren Neue Folge (1933) umreißen systematisch sein Lehrgeba¨ude. In Jenseits des Lustprinzips (1920) fu¨hrt F. den „Todestrieb“ als Gegenspieler zum „Eros“ ein. Diese Modifikation seiner Trieblehre ist fu¨r die meisten Psychoanalytiker bis heute unverdaulich geblieben. 1923 wird ein Krebs am harten Gaumen diagnostiziert, der bis zum Lebensende F.s 33mal operiert wird. Er stirbt vom Krebs gezeichnet im Londoner Exil nach einer Morphium-Injektion, die ihm sein „Leibarzt“ Max Schur, wie vereinbart, verabreicht. Werk: The Standard Edition of the Complete Psychological Works of S.F., 24 Bd., London 1953–74; Freud, A. u.a. (Hg.), Gesammelte Werke, 18 Bd., 4.-8. Aufl., Frankfurt/M. 1976–1983, Nachtragsbd. 1987; Beitra¨ge zur Kenntnis der Cocawirkung, in: W. Med. Wschr. 35 (1885), 129–33; Zur Auffassung der Aphasie. Eine kritische Studie, Wien 1891; Die infantile Cerebralla¨hmung, in: Nothnagel, H. (Hg.), Specielle Pathol. u. Therapie, 9. Bd., 3. Th., 2. Abt., Wien 1897. Scho.
Freudenberg, Karl (* 11. 10. 1892 Berlin, † 14. 1. 1966 Berlin). Arzt, Medizinalstatistiker, stud. Med. in Wien und Prag. Als o¨sterreichischer Milita¨rarzt nahm er am Ersten Weltkrieg teil. Danach Math.stud. in Berlin mit Prom. 1926. Er wurde schnell bekannt, da er Probleme sowohl unter med. als auch unter math.-statist. Gesichtspunkten erfolgreich bearbeitete. Sowohl in der Bevo¨lkerungsstatistik als auch bei anthropometr. und epide-
miol. Gesichtspunkten lieferte er wichtige und methodisch gut abgesicherte Untersuchungsergebnisse. 1928 wurde er von der Med. Fak. in Berlin habil. Er arbeitete auch fu¨r ¨ rzteversicherung. 1935 wurde die Dt. A ihm die Lehrbefugnis entzogen, 1939 emigrierte er. 1946 medizinalstatistischer Berater der amerik. Milita¨rregierung in Hessen. 1949 Prof. an der FU Berlin; internat. anerkannter SachverStu¨. sta¨ndiger. Friedreich, Nikolaus (* 31. 7. 1825 Wu¨rzburg, † 6. 7. 1882 Heidelberg). F. stammte aus einer Arzt-Familie. Sein Großvater war Dir. der med. Klinik in Wu¨rzburg gewesen und sein Vater Prof. fu¨r Allg. Pathol. F. stud. Med. in Heidelberg und Wu¨rzburg, wo er prom. und habil. wurde. Wa¨hrend seiner Wu¨rzburger Zeit bestand enge Zusammenarbeit mit ! Virchow, dessen Nachfolger er 1856 wurde. Jedoch schon 1858 u¨bernahm er die Heidelberger Med. Klinik und die Prof. fu¨r spezielle Pathol. und Therapie und blieb dieser Aufgabe bis zu seinem fru¨hen Tode verpflichtet. Wa¨hrend dieser Ta¨tigkeit zeigte sich eine besondere Vorliebe fu¨r das Gebiet der Nervenkrankheiten. Seine Arbeiten u¨ber die Heredita¨re Ataxie begru¨ndeten seinen Ruhm. Weltweit wird das Krankheitsbild als F.sche Krankheit bezeichnet. Mit seinem Buch u¨ber progressive Muskelatrophie, u¨ber wahre und falsche Muskelhypertrophie hat er den Anstoß fu¨r die Differenzierung der Muskelkrankheiten gegeben. Besondere Aufmerksamkeit widmete er auch den Herzund Kreislaufkrankheiten. Werk: Virch. Arch. 26 (1863), 391–419, 433–59; 27 (1863), 1–26; Hirschwald, Berlin 129
Froriep, Robert Friedrich 1873; Virchow’s Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie, 11861, 21867; Virch. Arch. 68 (1876), 145–245. Kn.
Froriep, Robert Friedrich (* 21. 2. 1804 Jena, † 15. 6. 1861 Weimar). Pathol. und Anat., Med.stud. (Diss. 1828) und Ausbildung als wiss. Zeichner in Bonn. 1832 Habil. in Berlin, 1833–46 ao. Prof. fu¨r chir. Anat., sowie Anat.-Lehrer an der Berliner Akad. der Ku¨nste, insbesondere als Prosektor an der Berliner Charite´. Daneben auch als prakt. Arzt ta¨tig. F.s. Hauptverdienste liegen in der Sta¨rkung der Prosektur an der Berliner Charite´, in der Verbreitung ausla¨ndischer med. Kenntnisse im dt.sprachigen Raum und in der Anregung seines Schu¨lers ! R. Virchow zu wiss. Arbeiten. Werk: Pathologisch-anatomische Abbildungen aus der Sammlung der ko¨niglichen Charite´-Heilanstalt zu Berlin (Liefer. 1 u. 2), Weimar 1836/1837. Pr.
Frosch, Paul Max Otto (* 15. 8. 1860 Berlin, † 2. 6. 1928 Berlin). Stud. Med. in Leipzig, Wu¨rzburg und Berlin, Prom. 1887. Ass. von ! R. Koch an der Wiss. Abt. des Inst. fu¨r Infektionskrankheiten, 1897 Ord. fu¨r Bakteriol. (Berliner Tiera¨rztl. Hochschule), 1899 Vorstand der Wiss. Abt. des Inst. fu¨r Infektionskrankheiten, 1908 o. Prof. der Hyg. (Berliner Tiera¨rztliche Hochschule). Bedeutende Arbeiten zur Seuchenbeka¨mpfung und Epidemiol. Mit ! F. Loeffler Entdeckung der Filtrierbarkeit des Maul- und Klauenseuchenvirus (Berl. tiera¨rztl. Wschr. 7/1 [1899]; Arch. wiss. prakt. Tierheilkunde 51 [1924], 99–122). Arbeiten zur Morphol. und Zu¨chtung des Lungenseuchenerregers (heute Mykoplasmen) 130
(Arch. wiss. prakt. Tierheilkd. 49 Mo. (1923), 34–48, 273–82). Fuchs, Konrad Heinrich (* 7. 12. 1803 Bamberg, † 2. 12. 1855 Go¨ttingen). Med.stud. in Wu¨rzburg und Ass. ! Scho¨nleins. 1831 Habil., 1833 Leiter der Poliklinik und Prof. fu¨r Pathol. in Wu¨rzburg, ab 1838 Prof. und nach 1843 alleiniger Leiter der Med. Klinik in Go¨ttingen. Fu¨hrender Vertreter der Naturhistorischen Schule, Verfechter des klinisch-nosol. Standpunktes. Neben seinen Lehrbu¨chern u¨ber Erkrankungen der Haut (1840/41) und zur Speziellen Nosologie und Therapie (1845–1848) verfaßte er hist.-epidemiol. Arbeiten z.B. u¨ber Angina maligna, Scharlach und Croup (1828), die Arabische Lepra (1831) und das Heilige Feuer im Mittelalter (1834), das er als Mutterkornvergiftung identifizierte. Seine statist. Untersuchungen u¨ber die Krankheits- und Sterblichkeitsverha¨ltnisse Wu¨rzburgs (1831) und die Krankheiten der Handwerker (1835) geho¨ren zu den ersten dieser Art. Bl. Fuchs, Leonhart (* 17. 1. 1501 Wemding/Kreis Donauwo¨rth, † 10. 5. 1566 Tu¨bingen). F. nahm an der Univ. Erfurt das Stud. auf, betrieb aber nach der Erlangung des Bakkalaureats eine Lateinschule in seiner Heimatstadt. Von 1519 bis 1521 stud. F. alte Sprachen an der Univ. Ingolstadt und widmete sich nach Erlangung der Magisterwu¨rde im Jahre 1521 dem Med.stud. Den Dr. med. erwarb er 1524; im gleichen Jahr verließ er Ingolstadt aus Glaubensgru¨nden, um in Mu¨nchen als Arzt zu praktizieren. 1526 kehrte F. zwar voru¨bergehend als Med.prof. nach Ingolstadt zuru¨ck, verließ jedoch
Fu¨rbringer, Paul
als u¨berzeugter Lutheraner 1528 die kathol. Stadt. Es folgten Aufenthalte in Ansbach und wieder in Ingolstadt, ehe Herzog Ulrich von Wu¨rttemberg (1487–1550) F. 1535 nach Tu¨bingen berief. Hier entstand die Mehrzahl seiner med. und botan. Werke, wobei sich F. aber auch um die Neuordnung und Verwaltung der Univ. ku¨mmerte. Die med. Verdienste von F. liegen zum einen in der konsequenten Ablehnung des „Arabismus“ in Med. und Pharmazie, zum anderen in der Verbreitung der anat. Kenntnisse von ! Vesalius, die er in seinem Werk De humani corporis fabrica ex Galeni et Andreae Vesali libris concinuata verbreitete. Als erstes umfangreicheres botan. Werk von F. erschienen die De historia stirpium commentarii insignes (Basel 1542), denen im folgenden Jahre die dt. Bearbeitung unter dem Titel New Kreuterbuch (Basel 1543) folgte. Wa¨hrend der Text sich humanist. gibt, ragen die Holzschnitte der Maler Heinrich Fu¨llmaurer und Albrecht Meyer sowie des Formschneiders
Leonhart Fuchs (1501–1566)
Veyt Rudolf Speckle u¨ber andere Produktionen der Zeit heraus. Gegen ihre weite Verbreitung in Nachdrucken setzte sich F. erbittert zur Wehr. 1545 gab F. die mit den dt. bzw. lat. Pflanzennamen versehenen Holzschnitte in Oktav unter dem Titel La¨bliche abbildung und contrafaytung aller kreuter bzw. Primi de stirpium historia commentatorum tomi vivae Imagines, gemeinhin bezeichnet als Der kleine Fuchs, heraus. Die Feinheit der Pflanzenholzschnitte des New Kreuterbuch wie des Kleinen Fuchs la¨ßt sie zu den besten des 16. Jh. za¨hlen. Zudem bemu¨hte sich F., in den Abbildungen das Entstehen der Pflanze von der Blu¨te bis zur Frucht zu verdeutlichen und ihre Gesamtheit durch die Einbeziehung der Wurzeln in das M.-J. Pflanzenbild zu betonen. Fu¨rbringer, Paul (* 7. 8. 1849 Delitzsch bei Leipzig, † 21. 7. 1930 Berlin). Internist, Sportmediziner. Stud. der Med. in Jena und Berlin; 1872–74 Ass. am Pathol. Inst. in Jena, dann bis 1877 Ass. bei ! Friedreich in Heidelberg und Habil. fu¨r Arzneimittellehre 1876. Ab 1879 ao. Prof. und Leiter der Distriktspoliklinik in Jena, seit 1880 dort auch Amtsphysikus. 1886– ¨ rztl. Dir. des Sta¨dt. Krkh. am 1903 A Friedrichshain in Berlin; Mitglied des Medizinal-Kollegiums fu¨r Berlin und die Mark Brandenburg. F. bescha¨ftigte sich mit pharmakol. und hyg. Fragen (u.a. der Ha¨ndedesinfektion), der Sexualpathol. sowie der Klinik der Infektionskrankheiten, der Klimatherapie und Balneol. Werk: Zur Wirkung der Salcylsa¨ure, 1875; ¨ ber Spermatorrhoe und Prostatorrhoe, U 1881; Die Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane, 1884, 21890; Die Sto¨run131
Gaffky, Georg Theodor August gen der Geschlechtsfunktionen des Mannes, 1884, 21901. Stu¨.
Gaffky, Georg Theodor August (* 17. 2. 1850 Hannover, † 23. 9. 1918 Hannover). Dt. Hygieniker. Med.stud. in Berlin, dort 1873 prom., 1875 med. Staatspru¨fung. Milita¨rarzt, dann 1880 an das Kaiserl. Gesundheitsamt zu ! R. Koch als einer der ersten Schu¨ler und Mitarbeiter abkommandiert. 1883/84 unter Kochs Leitung Teilnehmer der dt. Expedition zur Erfor¨ gypten schung der Cholera nach A und Indien, die zur Entdeckung des Choleraerregers fu¨hrte. 1884 gelang G. als erstem die Reinzu¨chtung des Bauchtyphuserregers („GaffkyEberth-Bazillen“; Salmonella typhi). 1885–88 war G. Mitglied des Kaiserl. Gesundheitsamtes. 1888 als o. Prof. der Hyg. an die Univ. Gießen berufen, setzte G. sich fu¨r die regionale Beka¨mpfung der Infektionskrankheiten ein (Gru¨ndung einer Untersuchungsstelle fu¨r ansteckende Krankheiten und des ersten chem. Untersuchungsamtes fu¨r die Provinz Oberhessen). Auch betrieb er als Stadtverordneter (1895–1904) Gesundheitspolitik, die sich u.a. in der Einfu¨hrung der Kanalisation in Gießen auswirkte. G. blieb weiterhin reichs- und weltweit seuchenhyg. aktiv: 1892 als Berater wa¨hrend der Hamburger Choleraepidemie und 1897 als Leiter der dt. Pestexpedition nach Indien. 1904 wurde G. Nachfolger von Koch als Dir. des Inst. fu¨r Infektionskrankheiten in Berlin und wurde in dieser Position 1913 emerit. G., der neben seinen Beitra¨gen zur Infektionsbeka¨mpfung und Expeditionsberichten auch zu allgem. Fragen 132
der Hyg. publ., trug insgesamt wesentlich zu den Erfolgen der Bakteriol. und damit zu dem Aufstieg des Faches der Hyg. bei, das in G.s. Zeit zu einer der dominierenden med. Disziplinen wurde. Werk: Zur Aetiologie des Abdominaltyphus, in: Mitt. d. kgl. Gesundheitsamtes Berlin 2 (1884), 372–420; Bericht u¨ber die Tha¨tigkeit der zur Erforschung der Cholera im Jahre 1883 nach Egypten und Indien entsandten Commission (unter Mitwirkung von Dr. R. Koch), Berlin 1887. Pr.
Galenos (* 129 n.Chr. Pergamon, † 199/200/216 n.Chr. Rom oder Pergamon). G.s Biographie zu schreiben wurde von einem der besten Galenkenner unserer Tage, Vivian Nutton, als ein Puzzlespiel mit fehlenden Teilen bezeichnet. Bausteine bestehen hauptsa¨chlich aus den Selbstaussagen G.s (v.a. in den Schriften De ordine librorum suorum ad Eugenianum, De libris propriis, De praecognitione ad Epigenem [178 n.Chr.], De anatomicis administrationibus und De propriis placitis ), die wegen ihrer zeitweiligen Unzuverla¨ssigkeit und autobiograph. Stilisierungen durch epigraph. und literar. Zeugnisse zu verifizieren und in den zeitgeschichtl. Kontext zu ru¨cken sind. Der Stand dieses detektivischen Kombinationsspiels ist z. Zt. etwa folgender: G. wurde wahrscheinlich im Spa¨tsommer 129 n.Chr. in Pergamon (Ku¨hn VI, 287: De sanitate tuenda lib. IV; Ku¨hn VIII, 132: De locis affectis lib. II), der Hauptstadt der Provinz Asia minor, als Sohn eines Architekten und Mathematikers, der in der Suda Nikon (RE XVII,1, 507f.) heißt und dessen Frau, die G. im Ru¨ckblick ex-
Gaffky, Georg Theodor August gen der Geschlechtsfunktionen des Mannes, 1884, 21901. Stu¨.
Gaffky, Georg Theodor August (* 17. 2. 1850 Hannover, † 23. 9. 1918 Hannover). Dt. Hygieniker. Med.stud. in Berlin, dort 1873 prom., 1875 med. Staatspru¨fung. Milita¨rarzt, dann 1880 an das Kaiserl. Gesundheitsamt zu ! R. Koch als einer der ersten Schu¨ler und Mitarbeiter abkommandiert. 1883/84 unter Kochs Leitung Teilnehmer der dt. Expedition zur Erfor¨ gypten schung der Cholera nach A und Indien, die zur Entdeckung des Choleraerregers fu¨hrte. 1884 gelang G. als erstem die Reinzu¨chtung des Bauchtyphuserregers („GaffkyEberth-Bazillen“; Salmonella typhi). 1885–88 war G. Mitglied des Kaiserl. Gesundheitsamtes. 1888 als o. Prof. der Hyg. an die Univ. Gießen berufen, setzte G. sich fu¨r die regionale Beka¨mpfung der Infektionskrankheiten ein (Gru¨ndung einer Untersuchungsstelle fu¨r ansteckende Krankheiten und des ersten chem. Untersuchungsamtes fu¨r die Provinz Oberhessen). Auch betrieb er als Stadtverordneter (1895–1904) Gesundheitspolitik, die sich u.a. in der Einfu¨hrung der Kanalisation in Gießen auswirkte. G. blieb weiterhin reichs- und weltweit seuchenhyg. aktiv: 1892 als Berater wa¨hrend der Hamburger Choleraepidemie und 1897 als Leiter der dt. Pestexpedition nach Indien. 1904 wurde G. Nachfolger von Koch als Dir. des Inst. fu¨r Infektionskrankheiten in Berlin und wurde in dieser Position 1913 emerit. G., der neben seinen Beitra¨gen zur Infektionsbeka¨mpfung und Expeditionsberichten auch zu allgem. Fragen 132
der Hyg. publ., trug insgesamt wesentlich zu den Erfolgen der Bakteriol. und damit zu dem Aufstieg des Faches der Hyg. bei, das in G.s. Zeit zu einer der dominierenden med. Disziplinen wurde. Werk: Zur Aetiologie des Abdominaltyphus, in: Mitt. d. kgl. Gesundheitsamtes Berlin 2 (1884), 372–420; Bericht u¨ber die Tha¨tigkeit der zur Erforschung der Cholera im Jahre 1883 nach Egypten und Indien entsandten Commission (unter Mitwirkung von Dr. R. Koch), Berlin 1887. Pr.
Galenos (* 129 n.Chr. Pergamon, † 199/200/216 n.Chr. Rom oder Pergamon). G.s Biographie zu schreiben wurde von einem der besten Galenkenner unserer Tage, Vivian Nutton, als ein Puzzlespiel mit fehlenden Teilen bezeichnet. Bausteine bestehen hauptsa¨chlich aus den Selbstaussagen G.s (v.a. in den Schriften De ordine librorum suorum ad Eugenianum, De libris propriis, De praecognitione ad Epigenem [178 n.Chr.], De anatomicis administrationibus und De propriis placitis ), die wegen ihrer zeitweiligen Unzuverla¨ssigkeit und autobiograph. Stilisierungen durch epigraph. und literar. Zeugnisse zu verifizieren und in den zeitgeschichtl. Kontext zu ru¨cken sind. Der Stand dieses detektivischen Kombinationsspiels ist z. Zt. etwa folgender: G. wurde wahrscheinlich im Spa¨tsommer 129 n.Chr. in Pergamon (Ku¨hn VI, 287: De sanitate tuenda lib. IV; Ku¨hn VIII, 132: De locis affectis lib. II), der Hauptstadt der Provinz Asia minor, als Sohn eines Architekten und Mathematikers, der in der Suda Nikon (RE XVII,1, 507f.) heißt und dessen Frau, die G. im Ru¨ckblick ex-
Galenos
pressis verbis mit Xanthippe verglich (Ku¨hn V, 41: De propriorum animi cuiuslibet affectuum dignotione et curatione), geboren. Sein „a¨ußerst leidenschaftsloser, gerechter, rechtschaffener und menschenfreundlicher“ Vater (Ku¨hn V, 40: De an. aff. dign. et cur.) wurde sein erster geistiger Mentor und veranlaßte den vierzehnja¨hrigen Sohn, Philosophen der etablierten Schulen der Platoniker, Aristoteliker, Epikureer und Stoiker in der Stadt zu ho¨ren (Ku¨hn V, 41f.: De an. aff. dign. et cur.; Ku¨hn X, 561: Methodi medendi lib. VIII; Ku¨hn X, 609: Meth. med. lib. IX). Legitimiert durch einen Traum (Ku¨hn X, 609: Meth. med. lib. IX; Ku¨hn XIV, 608: De praecogn.; 78 CMG V 8,1 Nutton) bestimmte Nikon den Sechzehnja¨hrigen altersgerecht dann aber zur Med. Seine ersten med. Lehrer in Pergamon waren der Empiriker Aischrion, der Hippokratiker Stratonikos, ein Schu¨ler des Rufus Sabinos (Ku¨hn V, 119: De atra bile), sowie Satyros (Ku¨hn XIX, 57: De ord. libr. suor.), unter dessen Leitung das beru¨hmte pergamenische Asklepieion erneuert wurde (Ku¨hn II, 224–225: De anat. admin. lib. 1; 92 Garofalo, vol. 1; Anth. Pal. IX, 656; vgl. Aristeid. 3. 8–9). Die Wertscha¨tzung des Satyros und seiner Lehre bewog G., der nach dem Tode seines Vaters im Jahre 149 n.Chr. (Nikon starb, als G. 20 Jahre alt war; Ku¨hn VI, 756: De bonis malisque sucis.; vgl. Die Inschriften von Pergamon II 370 Nr. 587) wohlhabend und unabha¨ngig war, seine weiteren Lehrer in der Schule von Quintus zu suchen, der auch Satyros entstammte (Ku¨hn II, 225: De anat. admin. lib. 1; 92 Garofalo, vol. 1). So begannen Wander- und Lehrjahre, die ihn
nach Smyrna, Korinth und Alexandria fu¨hrten, wo er vier Jahre lang blieb (De alimentorum facultatibus libri III, I 25,2; 258 CMG V 4,2 Helmreich) und die im Ro¨m. Reich einzigartig gute Gelegenheit osteol. Studien am menschl. Skelett nutzte (Ku¨hn II, 220: De anat. admin. lib. 1; 86 Garofalo, vol. 1). Die genauen Aufenthaltszeiten an den jeweiligen Orten sind strittig. Pelops wurde sein zweiter einflußreicher Lehrer der Med. und vor allem der Anat. in Smyrna (Ku¨hn II, 217: De anat. admin. lib. 1; 80/82 Garofalo, vol. 1; Ku¨hn VIII, 194: De loc. aff. lib. III; Ku¨hn XIX, 16: De libr. propr.), sein phil. Lehrer war der Mittelplatoniker Albinos (Ku¨hn XIX, 16: De libr. propr.). In Korinth wollte G. Numisianus ho¨ren (Ku¨hn II, 217: De anat. admin. lib. 1; 82 Garofalo, vol. 1), was ihm wegen dessen plo¨tzlichem Tod jedoch nicht gelungen sein du¨rfte. Jedenfalls setzte G. seine Suche nach den Lehren des Quintus (†ca. 145 n.Chr.), der, so seine Klage (Ku¨hn XV, 68: In Hipp. De natura hominis comment.; 36 CMG V 9,1 Mewaldt), wie Sokrates und Pythagoras keine Schriften hinterlassen hatte, in Alexandria fort, wohin er 151, 152 oder 153 n.Chr. gelangte. In Alexandrien wurden jedoch nicht, wie erwartet, Sohn (Heraclianus) und Schu¨ler des Numisianus fu¨r seinen weiteren Werdegang wichtig, sondern der um zwei Generationen a¨ltere Anat. Marinus, der durch Zootomie (v.a. Affen) die alexandrin. Trad. fortgesetzt hatte und den G. als gro¨ßten Anat. seit den Zeiten eines ! Herophilos zu scha¨tzen lernte (In Hippocratis epidemiarum 2. 4. 1 comment. 4; 312 CMG V. 10. 1 Pfaff). Achtund133
Galenos
zwanzigja¨hrig (Ku¨hn XIII, 599: De compositione medicamentorum per genera lib. III), also vermutlich im Jahre 158 n.Chr., kehrte G. in seine Heimatstadt zuru¨ck und trat die Stelle eines Gladiatorenarztes an (Ku¨hn XIII, 599: De comp. med. per gen. lib. III; Ku¨hn XVIII/2, 567: De optimo medico; 105 CMG Suppl. Or. IV Iskandar). Viermal wurde er in diesem Amt, das auf sieben Monate befristet war, besta¨tigt. 161 n.Chr., im Jahre des Regierungswechsels von Antoninus Pius zum Doppelprinzipat von Mark Aurel und dessen Bruder Lucius Verus, brach G. nach Rom auf, das er u¨ber Lemnos und Thessaloniki im Spa¨tsommer 162 n.Chr. erreichte. In den vier Jahren seines ersten Romaufenthaltes gelang es ihm, seine a¨rztl. Praxis auf die prominentesten Kreise der Hauptstadt auszudehnen. So berichtet G., wie er einen Landsmann, den Peripatetiker Eudemos, von einem Quartanafieber heilte (Ku¨hn XIV, 613f.: De praecogn.; 82 CMG V 8, 1 Nutton), wie auch von der erfolgreichen Behandlung der Frau des Konsuls Flavius Boethus (Ku¨hn XIV, 641ff.: De praecogn.; 110 CMG V 8,1 ¨ ffentliche anat. DemonNutton). O strationen, die von hohen Staatsbeamten und Mitgliedern der kaiserl. Familie besucht wurden, mehrten seinen Ruf (Ku¨hn XIV, 629: De praecog.; 98 CMG V 8,1 Nutton), der auch den Kaisern zu Ohren kam. Doch zuna¨chst verließ G., der in zahlreichen Polemiken seinem Namen („Friedrich“) keine Ehre gemacht hatte und Sehnsucht nach seiner Heimat verspu¨rte (Ku¨hn XIV, 622, 624: De praecogn.; 92 CMG V 8,1 Nutton), in der 1. Ha¨lfte des Jahres 166 n.Chr. noch einmal Rom in Richtung Perga134
mon, wo er zwischen Sept. 166 und Sept. 167 n.Chr. eintraf. Damit war er zugleich der Pest entronnen, die der aus dem Partherkrieg (161–166 n.Chr.) zuru¨ckkehrende Lucius Verus mit seinen Soldaten nach Italien eingeschleppt hatte. Doch die Antoninen, die sich bereits zu den Donaukriegen ru¨steten, forderten G. kurze Zeit darauf als Leibarzt an (Ku¨hn XIV, 649f.: De praecogn.; 118 CMG V 8, 1 Nutton; Ku¨hn XIX, 17f.: De libr. propr.), so daß dieser sich auf den Weg ins Winterlager nach Aquileia aufmachte. Der plo¨tzliche Tod des Lucius Verus in Altinum (Anfang 169 n.Chr.), dessen Leichnam Mark Aurel nach Rom begleitete, ließ auch G. wieder dorthin gelangen, wo ihn der Kaiser als Leibarzt des achtja¨hrigen Prinzen Commodus zuru¨ckließ. So lebte G. von 169 n.Chr. vermutlich bis zu seinem Lebensende, das mit der Suda gemeinhin auf 199 oder 200 n.Chr., jedoch schon in arab. Trad. ¯ mirı¯) ins dritte Jh. (al-Sijista¯ni, al-‹A n.Chr. datiert wurde und mit Berufung auf De theriaca ad Pisonem auf nach 204 n.Chr., im Lichte von De propriis placitis und seiner Rezeptionsgeschichte vielleicht auf 216 n. Chr. aufgeschoben werden muß, in Rom. G. wird wa¨hrend dieses zweiten Romaufenthaltes neben seinem a¨rztl. Wirken vor allem seine schriftstellerische Arbeit fortgesetzt haben, wenn man bedenkt, daß etwa 330 (!) Schriften unter seinem Namen u¨berliefert (allerdings einschließlich der pseudogalenischen Schriften), viele verloren oder nur in arab. Trad. erhalten sind und einige bei einem Brand des Templum Pacis in Rom im Jahre 192 n.Chr. (Cassius Dio LXXIII, 24,1; Herodian I,14,2) vernichtet wurden.
Galvani, Luigi
Das Corpus Galenicum wurde zum wichtigsten med. Schriftenbestand der Spa¨tantike, zur Grundlage des Galenismus, der noch die Med. des MA und der Renaissance bestimmte und ¨ bers. die syr., durch entsprechende U pers., arab., hebr. und scholast. Med. pra¨gte. Sein Patron wurde zum Inbegriff des Arztphilosophen, zum bedeutendsten Hippokratesexegeten und zum wichtigsten Lehrer der sog. Ru¨. alten Med. Gall, Franz Joseph (* 9. 3. 1758 Tiefenbrunn, † 22. 8. 1828 Montrouge). Wirkte zuna¨chst als praktischer Arzt in Wien. Durch seine Hirn- und Scha¨dellehre beru¨hmt geworden, erhielt G. 1801 Vorlesungsverbot wegen Materialismus-Verdacht, woraufhin er Wien verließ und ausgedehnte Demonstrations-Reisen durch Europa unternahm. 1809 ließ er sich in Paris nieder und schrieb, z.T. gemeinsam mit ! Spurzheim, seine großen Werke zur Anat. des Gehirns, in der er sich als Meister erwies. Bereits in den Anatomisch-philosophischen Untersuchungen (1791) spekulierte G. u¨ber eine Lokalisierung der seelischen Fa¨higkeiten in verschiedenen Hirnregionen. 1798 entwickelte er ein Forschungsprogramm, dessen Ziel darin bestand, Sitz und Ursache der verschiedenen geistigen Eigenschaften, Neigungen und Talente des Menschen in unterschiedlichen und unabha¨ngigen Organen im Gehirn zu lokalisieren (Organologie). Die Korrelierung zwischen Auspra¨gung bzw. Wo¨lbung der Scha¨delform und geistigen Qualita¨ten (Phrenologie) brachte G. den Vorwurf der Scharlatanerie ein. Fu¨r G. aber waren Hirn-
struktur, Hirnfunktion und menschl. Verhalten drei verschiedene Aspekte einer einheitlichen, naturalist. Lehre vom Menschen, von der er sich Auswirkungen auf Psychiatrie, Sittenlehre, Erziehung und Gesetzgebung versprach. Der epochale Wandel, fu¨r den G. repra¨sentativ war, bestand darin, daß die Psychol. sich nun nicht mehr an phil., sondern an anat.-phyHg. siol. Kategorien orientierte. Galvani, Luigi (* 9. 9. 1737 Bologna, † 4. 12. 1798 Bologna). G. erlangte am 14. 7. 1759 die Dr.wu¨rde in Med. und Phil. Nach einer neunja¨hrigen Ta¨tigkeit als Chir. und Anat. wurde ihm die Erlaubnis erteilt, Med. zu unterrichten. 1769 kehrte er zur Anat. zuru¨ck, wo seine Vorl. wegen der zahlreichen anat. Vorfu¨hrungen besonders gescha¨tzt waren. 1771 Mitglied des med., 1772 des phil. Collegiums, 1782 ernannte ihn das wiss. Inst. Bologna zum Prof. fu¨r Geburtshilfe, und 1780 wurde ihm von der Univ. der Titel Anatomicus emeritus verliehen. 1797 wurden ihm wegen seines verweigerten Eides auf die cisalpinische Republik das Vermo¨gen und das Amt entzogen, so daß er gezwungen war, sich an seinen Bruder um Beistand zu wenden. G.s erste Forschungsta¨tigkeit bezog sich auf die Knochen-Morphologie, -Chemie und -Pathologie, danach vero¨ffentlichte er Arbeiten u¨ber die Membrana pituitaria, die Nieren und u¨ber das Geho¨r der Vo¨gel. Besonders wertvoll ist seine Abh. u¨ber die Anat. des Ohrs, die er um viele vergleichende Analysen und Beschreibungen des Gefa¨ß-Nerven-Muskelsystems des Ohres bereicherte. Anfang der siebzi135
Gebsattel, Victor Emil Freiherr von
ger Jahre konzentrierte sich G. auf die Nervenphysiol. Zwischen 1772 und 1774 hielt er verschiedene Vortra¨ge u¨ber die Muskelbewegung der Fro¨sche, u¨ber die Wirkung von Opiaten auf das Nervensystem und u¨ber die ! Hallersche Irritabilita¨t. 1780 fu¨hrte er ein Experiment aus, dessen Ergebnis sich sehr stark auf seine spa¨teren Forschungen auswirkte: Er setzte einen Elektrizita¨tsleiter auf die Wirbelsa¨ule eines sezierten und auf eine Glasplatte gelegten Frosches und beobachtete, daß sich die unteren Glieder zusammenzogen. Die selbstversta¨ndliche Schlußfolgerung, daß die Kontraktionsintensita¨t von der Entladungssta¨rke abha¨ngt, schien ihm unzureichend in Hinblick auf den Umstand, daß sich die mit einem Eisendraht beru¨hrten Glieder auch dann zusammenzogen, wenn
Luigi Galvani (1737–1798) 136
kein Strom floß. In De viribus electricitatis stellte G. seine auf Experimenten fundierte gesamte Theorie der tierischen Elektrizita¨t dar. Nach zahlreichen Experimenten mit Bogen aus verschiedenen Stoffen konnte G. nachweisen, daß die Zusammenziehungen nur bei einigen Stoffen stattfanden, infolgedessen stellte er fest, daß das Eisen ein guter Stromleiter ist, Glas hingegen ein schlechter. Diese Schlußfolgerung zog G. in eine heftige Auseinandersetzung mit A. Volta, der die gesamte auf die tierische Elektrizita¨t gebaute Theorie G.s bestritt und der weiterhin meinte, die Zusammenziehungen hingen nur von den verschiedenartigen Stoffen ab, mit denen die Nerven in Verbindung kommen. Werk: De viribus electricitatis in motu musculari commentarius, Bologna 1791; Opere edite ed inedite, ibid. 1841; Memorie ed esperimenti inediti, ibid. 1937. Tre.
Gebsattel, Victor Emil Freiherr von (* 4. 2. 1883 Mu¨nchen, † 22. 3. 1976 Bamberg). Neben ! L. Binswanger Begr. der anthropol.-personalen Psychiatrie und Psychotherapie. Stud. bei Scheler, stand in Kontakt mit ! V. von Weizsa¨cker. Prof. in Freiburg und Wu¨rzburg. G. entwickelte anthropol.-hermeneut. Verstehenszuga¨nge zu den origina¨ren Welten neurot. und psychot. Kranker unter Zuhilfenahme existenzphil. Interpretationen vor dem Hintergrund von Tiefenpsychol. und kath. Theol. Er zeigte insbes., wie u¨ber Willensund Glaubensakte auch Vorga¨nge personaler Entscheidungsbildung an der Entstehung seelischer VerformunPs. gen beteiligt sein ko¨nnen.
Gersdorff, Hans von
Gegenbaur, Carl (* 21. 8. 1826 Wu¨rzburg, † 14. 6. 1903 Heidelberg). G. gilt als bedeutender vgl. Anat. G. stud. ab 1845 Phil. und Med. in Wu¨rzburg und prom. 1851 zum Dr. med.; 1850–52 Ass. im Julius-Spital, 1852 Stud. wirbelloser Meerestiere bei ! Koelliker und ! Virchow. 1854 Habil. fu¨r Zool. und Physiol. in Wu¨rzburg, wurde 1855 ao. Prof. fu¨r Zool. und 1858 o. Prof. fu¨r Anat. und Zool. in Jena; die Zool. gab er 1863 an den eng befreundeten ! Haeckel ab. Von 1873 an o. Prof. fu¨r Anat. in Heidelberg. Mit Haeckel war er Befu¨rworter des Darwinismus in Jena. Sein Weggang nach Heidelberg bedeutete eine Distanzierung vom Darwinisimus Haeckelscher Pra¨gung. Werk: Grundzu¨ge der vergleichenden Anatomie, Leipzig 1859; Grundriss der vergleichenden Anatomie, ibid. 1874; Lehrbuch der Anatomie des Menschen, ibid. 1883; Erlebtes und Erstrebtes, ibid. 1901; Gesammelte Abhandlungen von C.G., 3 Bd., ibid. 1912. Wdl.
Gerhard von Cremona (* ca. 1114, † 1187). Neben ! Constantinus Africanus der ¨ bers. med. Texte von bedeutendste U Autoren der Antike und des islam. Kulturkreises aus dem Arab.; darunter am einflußreichsten die des Canon medicine ! Avicennas, des Liber almansorius des ! Rhazes und einiger ! Galenschriften, die in die Articella aufgenommen wurden. Alle diese Werke bestimmten den Univ.unterricht fu¨r Jahrhunderte. Nicht weniger ¨ bers.ta¨tigkeit – in wichtig war G.s U Toledo, wo sich Orient und Okzident trafen – fu¨r die exakten Naturwiss. und die Phil.; Einzelheiten seiner Arbeitsweise bedu¨rfen noch genauerer
Aufkla¨rung. Sein Verdienst um terminol. Exaktheit, erkennbar auch ¨ berarbeitungen a¨lterer bei seinen U ¨ bersetzungen, ist bedeutend. InwieU weit er sich der Hilfe von Mitarbeitern bediente, ist umstritten, ebenso die Existenz von ihm selbst verfaßter Fi. Schriften. Gersdorff, Hans von (* um 1455 evtl. Sachsen oder Lausitz, † um 1529). Bu¨rger und Wundarzt in Straßburg. War in den Burgunderkriegen (1476/ 77) als Feldscher mit den Straßburger Truppen u.a. in Granson, Murten und Nancy. Als seine Lehrer bezeichnet er den Wundarzt Herzog Siegmunds von ¨ sterreich bzw. den kaiserl. Wundarzt O Nicolaus. Beru¨hmt wurde G. durch sein Feldtbuch der Wundartzney (Straßburg 1517), dessen zahlreiche Nachdrucke und Neuaufl. von der großen Popularita¨t dieses Werkes zeugen. Es fußt teilweise auf der Chirurgia magna des ! Guy de Chauliac, entha¨lt aber auch einige selbsta¨ndige Abschnitte (u.a. u¨ber die Behandlung von Antoniusfeuer und Schußverletzungen, Amputationstechniken,orthopa¨d.Eingriffe). Er empfahl z.B., nach der Entfernung der Kugel die Schußwunde mit warmem Hanfo¨l auszuspu¨len, um so einer Vergiftung vorzubeugen. G.s Feldtbuch ist nicht nur eine geschickte Kompilation aus ma. Chir.bu¨chern, sondern basiert auch auf der großen Erfahrung des Straßburger Wundarztes. Nach eigenen Angaben hat er im Spital seiner Heimatstadt u¨ber 100 Amputationen erfolgreich durchgefu¨hrt. Beru¨hmt sind auch die bereits der ersten Auflage des Feldtbuchs beigegebenen Holzschnitte des Straßburger Malers Hans Wa¨cht137
Gessner, Konrad
lin, die zur „Standardillustration in der dt. Chir.“ (R. Herrlinger) geho¨Ju¨. ren. Gessner, Konrad [Gesnerus] (* 26. 3. 1516 Zu¨rich, † 13. 12. 1565 Zu¨rich). Der aus einfachen Verha¨ltnissen stammende G. konnte 1530 durch Huldrych Zwinglis Vermittlung ein Stipendium seiner Vaterstadt erhalten. Nach dem Tode Zwinglis war G. fu¨r ein Jahr in Straßburg, ab 1532 an der Univ. Bourges, um dort Theol. ¨ ber Paris und Straßburg zu stud. U kehrte er 1534/35 nach Zu¨rich zuru¨ck, ho¨rte aber zur gleichen Zeit in Basel Naturwiss. und Med. 1537–40 war er als Prof. fu¨r Griech. an der Akad. von Lausanne. In diese Jahre fallen erste noch der philol. Meth. verpflichtete Vero¨ffentlichungen zur Naturkunde. 1540 ging G. nach Montpellier, spa¨ter nach Basel, wo er den Dr. med. erlangte. Nach schlecht bezahlter Anstellung in Zu¨rich wurde G. 1554 zum Stadtarzt ernannt. 1558 erhielt er eine mit Pfru¨nden ausgestattete Chorherrnstelle. Als Arzt und Naturforscher war G. weit u¨ber die Grenzen der Schweiz bekannt. 1565 starb er an der Pest. G.s Leistungen, die sich neben der Naturkunde auch auf die Philol. erstrecken, sind bis heute noch nicht u¨berschaubar. Wirksam wurde G.s Bibliotheca universalis (2 Teile, Zu¨rich 1545 und 1548), eine bibliograph. ¨ bersicht zu den Werken a¨lterer U und zeitgeno¨ssischer Autoren. Die Historia plantarum, die G. als Botaniker ersten Ranges ausweist, konnte zu Lebzeiten nicht mehr vero¨ffentlicht werden. Die Historia animalium (Zu¨rich 1551–1558) stellt eine Synthese 138
philol. Textaufarbeitung und eigener oder fremder Beobachtung dar. Noch zu Lebzeiten G.s erschienen die ersten Ba¨nde einer dt.sprachigen Adaption der Historia animalium M.-J. (Zu¨rich 1563–89).
Gilbertus Anglicus [G. de Aquila] (ca. 1. Ha¨lfte 13. Jh.). Sein Hauptwerk ist das 7 B. umfassende Compendium medicine (B. 1: Fieber, dann Heilmittel vom Kopf bis zu den Fu¨ßen), das (meist auszugsweise) auch landessprachig weit rezipiert wurde und bereits im Thesaurus pauperum des ! Petrus Hispanus herangezogen wird. Die vielbenutzten Urinverse seines Lehrers Gilles de Corbeil kommentierte er. Werk: Getz, F.M., Healing and Society in Medieval England. A Middle English Translation of the Pharmaceutical Writings of G.A., Madison/Wi. 1991. Fi.
Gleich, Lorenz (* 1798, † 3. 3. 1865). Der bayr. Milita¨rarzt G. ist einer der Protagonisten der Naturheilkunde um die Mitte des 19. Jh. G. arbeitete als a¨rztl. Dir. der Naturheilanstalt in Mu¨nchen und war Vorsitzender des dort 1848 gegru¨ndeten „Vereins zur Fo¨rderung der Naturheilverfahren“. G.s Bedeutung liegt in der begrifflichen Systematisierung. Er fu¨hrte – neben anderen Termini – 1849 den Begriff „Naturheilkunde“ ein und brachte damit die Entwicklung von den Wasser- zu den Naturheilverfahren, von der Hydriatrik zur Physiatrik, begrifflich zum Ausdruck. Werk: Dr. Gleichs Physiatrische Schriften, Mu¨nchen 1960. Gr.
Goldschmidt, Richard Benedict
Glisson, Francis (* ca. 1597). Seit 1617 Stud. in Cambridge, 1634 med. Prom., 1635 Mitglied des Royal College of Physicians, 1636 Physikprof. in Cambridge, nach dem Bu¨rgerkrieg Arzt in London. G. schrieb der Materie „Irritabilita¨t“ zu. Insbes. die Muskeln, aber auch das Blut seien zur Wahrnehmung eines Irritators (z.B. einer Nervenvibration) und zur Reaktion auf ihn befa¨higt. 1650 vero¨ffentlichte G. mit mehreren Koautoren eine Studie u¨ber die Rachitis, deren Namen er pra¨gte. Er beschrieb die Anat. der Leber (1654). Die Capsula fibrosa perivascularis erhielt seinen Namen. Werk: De rachitide, London 1650; Anatomia hepatis, ibid. 1654; Tractatus de natura substantiae energetica, ibid. 1672; Tractatus de ventriculo et intestinis, ibid. 1677. Bro¨.
Godlewski, Emil jr. (* 12. 08. 1875 Holosk Wielki b. Lwow, † 25. 04. 1944). Embryol. und Biol. Nach Beginn eines Stud. der Landwirtschaft Wechsel zur Med. Prom. durch K. Kostanecki 1899. 1900 Ta¨tigkeit am Inst. fu¨r deskriptive Anat. in Mu¨nchen (bei Prof. K. W. v. Kupffer) und anschließend in Siedmiogrod (Siebenbu¨rgen) bei Prof. I. Apathy. 1906 Prof. f. Embryol. in Krakau. 1914 Unterbrechung aller Forschungsta¨tigkeiten und Einzug in die o¨sterreich. Armee. Dekan der Krakauer Univ. 1917/1919 sowie 1931/ 1932. Zwischen 1920 und 1921 war G. Leiter des Kommissariats fu¨r den Kampf gegen Epidemien. 1924 wurde er in den Senat der poln. Republik gewa¨hlt. Von 1901 bis 1937 unternahm G. zahlreiche Reisen an die Zool. Forschungsstation in Neapel. Hier fu¨hrte er Studien zu Regeneration und
Wachstum durch. Sein Hauptinteresse galt der Frage nach dem Stimulus fu¨r regenerative Prozesse und den beteiligten Ursprungszellen. Dabei untersuchte er v.a. die Rolle von Nervengewebe und Epidermis. Werk: Bibliography of Emil Godlewski, Jr. 1875-1944, Folia Biologica 23 (1975), S. 195198. Fg.
Goldschmidt, Richard Benedict (* 12. 04. 1878 Frankfurt/Main, † 24. 04. 1958 Berkeley/California). Biol., Genetiker. Ab 1896 Stud. der Med. und Zool. in Heidelberg u.a. bei O. Bu¨tschli und ! C. Gegenbaur. 1898 Wechsel nach Mu¨nchen, Stud. u.a. bei R. Hertwig. 1902 Prom. zum Dr. phil. bei Bu¨tschli, ab 1903 Ass. bei Hertwig. Habil. 1904 im Fach Zool. 1909 Ernennung zum ao. Prof. fu¨r Zool. in Mu¨nchen. 1914 Wechsel auf die Position des Abteilungsleiters fu¨r Genetik der Tiere an das KWI fu¨r Biol. in Berlin. Auf einer Japanreise vom Ersten Weltkrieg u¨berrascht, reist G. in die USA, um einer mo¨glichen Gefangennahme durch die Briten zu entgehen. Dort Forschungsarbeiten an der Yale Univ. und im Meeresbiol. Labor Woods Hole. 1917 Internierung als feindlicher Ausla¨nder in den USA. ¨ bernahme der 1919 Heimreise und U Position des 2. Dir. des KWI. 1935 wird G. von den Natsoz. wegen seiner ju¨d. Herkunft zur Emigration in die USA gezwungen. 1936 Prof. fu¨r Genetik und Zool. an der Univ. of California. Nachdem G. seine wiss. Karriere mit Forschungen zu Zytol., Befruchtungsvorga¨ngen und Embryol. begonnen hatte, wandte er sich der Exp. Gen. zu. V.a. in diesem Bereich entwickelte G. verschiedene Theorien, die ga¨ngigen Konzepten widersprachen, wie 139
Goldstein, Kurt
z. B. zum Crossing Over ohne Chiasmatypie, zu Makromutationen oder zur fehlenden Korpuskularita¨t der Gene. So gilt G. heute als herausragender, aber kontrovers diskutierter Wissenschaftler. Werk: Crossing over ohne Chiasmatypie?, Genetics 2 (1917), S. 82-95; Theoretical Genetics, Berkeley 1955. Fg.
Goldstein, Kurt (* 6. 11. 1878 Kattowitz, † 19. 9. 1965 New York). Geho¨rte zu den bedeutendsten Vertretern einer holist. Neurol. Von seinen Lehrern – ! C. Wernicke, ! Oppenheim und L. Edinger – u¨bernahm G., daß bestimmte psych. Ausfa¨lle auf spezif. Hirnla¨sionen basieren. Daru¨ber hinaus aber definierte er in Anlehnung an J. v. Uexku¨lls Umweltlehre Gesundheit als Balance zwischen Individuum und Umwelt. Krankheiten, z.B. Hirnverletzungen, hoben dieses Gleichgewicht auf und fu¨hrten zu einer „Katastrophenreaktion“ des Organismus, der dann versucht, ein neues Gleichgewicht herzustellen. Mit dem Blick auf die Gesamtsituation des gesunden und des kranken Organismus nahm G. gemeinsam mit dem Psychologen A. Gelb psychol. und psychopathol. Untersuchungen an Hirnverletzten vor, wobei der sozialmed. Aspekt der Rehabilitation Teil des Programms war. G. wirkte bis 1933 in Frankfurt a.M. und Berlin, nach der Vertreibung durch die Nationalsozialisten lebte er ab 1935 in den USA, wo er die meiste Zeit eine Privatpraxis in New York betrieb. Hg. Golgi, Camillo (* 7. 7. 1844 Corteno, † 21. 1. 1926 Pavia). Nach Alumnat von Lovere (Bergamo) Med.stud. in Pavia, Praktikum bei Ce140
sare Lombroso, 1865 Prom. mit Arbeit ¨ tiol. der Geisteskrankheiten, u¨ber A Ass. bei Lombroso, seit 1870 Forschungen zur Neuroglia. 1872 Oberarzt in der Pia casa degli incurabili in Abbiategrasso. Unter primitivsten Arbeitsbedingungen 1873 Entwicklung der „Reazione nera“ (Silberimpra¨gnierung zur Darstellung der Nervenzellen samt Fortsa¨tzen). Zahlreiche neuroanat. Publ., 1875 Berufung als Extraord. fu¨r Histol. nach Pavia, 1876 anat. Ordinariat in Siena, dann in Turin, 1877 zuru¨ck nach Pavia, dort 1881 o. Prof. der allg. Pathol. Beschreibung der Golgi-Zellen und des Golgi-Apparates, der corpuscoli nervosi terminali musculo-tendinei und der Golgi-Mazzonischen Ko¨rperchen im Perimysium, Weiterentwicklung der Metallimpra¨gnierungsmeth. G. unterstu¨tzte die Auffassung von der Kontinuita¨t der Nervenfortsa¨tze („rete nervosa diffusa“) und war damit Gegner der u.a. von ! Ramo´n y Cajal vertretenen Neuronentheorie. 1906 gemeinsam mit Ramo´n y Cajal Nobelpreis fu¨r Med./Physiol. „in Anerkennung ihrer Arbeit u¨ber die Struktur des Nervensystems“, Ehrendr. der Univ. Cambridge und Oxford. – Archivalien (Briefwechsel, Ehrungen, Manuskripte) im Museo storico der Univ. Pavia. Werk: Opera omnia, 3 Bd., Mailand 1903; Bd. 4, ibid. 1930. Kst.
Gottstein, Adolf (* 2. 11. 1857 Breslau, † 3. 3. 1941 Berlin). Arzt, Epidemiologe, Gesundheitspolitiker. Med.-stud. in Breslau, Straßburg, Leipzig. Staatsexamen 1880, war Ass.arzt in Breslau und ließ sich 1884 in Berlin als prakt. Arzt nieder.
Graefe, Albrecht von
Bildete sich in der Bakteriol. bei Carl Friedla¨nder, Oskar Liebreich und ! R. Koch weiter, wandte sich dann epidemiol. Studien zu, wobei er u.a. unter epidemiol. Gesichtspunkten in die Auseinandersetzungen um das Diphtherieserum eingriff. Auf der Grundlage seiner epidemiol. Studien beteiligte er sich an der sozialhyg. Diskussion. 1906 wurde er unbesoldeter Stadtrat und 1911 besoldeter Stadtmedizinalrat in Charlottenburg, der reichsten Stadt Preußens, die viele Einrichtungen der Gesundheitsfu¨rsorge schuf. Als Ministerialdirektor u¨bernahm er 1919 die Leitung der Medizinalabt. im pr. Volkswohlfahrtsministerium bis zu seiner Pensionierung 1924. Es gelang ihm, neben den Ordnungsaufgaben auch Leistungsaufgaben im pr. Gesundheitswesen einzufu¨hren. Als ¨ rzte des o¨fAusbildungssta¨tte fu¨r die A fentl. Gesundheitswesens schuf er in Breslau, Charlottenburg und Du¨sseldorf Sozialhyg. Akad. Seine Bedeutung fu¨r das Gesundheitswesen seiner Zeit kann nicht u¨berscha¨tzt werden, da er sowohl theoret. als auch in der Praxis erfolgreich wirkte. Werk: Allgemeine Epidemiologie, Leipzig 1897; Geschichte der Hygiene im 19. Jahrhundert., Berlin 1901; Das Heilwesen der Gegenwart, ibid. 1925; Autobiographie u. Bibl. bis 1925, in: Die Med. der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 4, Leipzig 1925, 53–91. Stu¨.
Graaf, Reinier de (* 30. 7. 1641 Schoonhoven, † 17. 8. 1673 Delft). Stud. in Utrecht und Leyden bei ! F. de la Boe¨ (Sylvius) und L. van Hoorne sowie in Paris und Angers, wo er 1665 prom. Wiss. und prakt. a¨rztl. Ta¨tigkeit in Delft und Paris. Tierexp. Studien
u¨ber den Pankreassaft sowie zur Injektionstechnik in der Gefa¨ßanat. und u¨ber die fru¨he Embryonalentwicklung. G. hat große Verdienste um die Erforschung der Anat. der menschl. Geschlechtsorgane, insbesondere des Ovars und des Eileiters. Er beschrieb als erster die spa¨ter nach ihm benannten Follikel im weiblichen Ovar. Werk: De mulierum organis generationi inservientibus, Leiden 1672; Opera omnia, Leiden 1686. Schn.
Graefe, Albrecht von (* 22. 5. 1828 Berlin, † 20. 7. 1870 Berlin). G. wurde als Sohn von C.F. v. G. geboren. Im Wintersemester 1843 begann er ein Med.stud. an der Univ. Berlin. Zu seinen Lehrern geho¨rten u.a. ! L. Scho¨nlein, ! J. Mu¨ller, J. Ch. Ju¨ngken, ! E. du Bois-Reymond und ! R. Virchow. 1847 wurde G. mit dem Thema De bromo ejusque praesipuis praeparatis prom., legte 1847/48 sein Staatsexamen ab und bestand 1848 die Pru¨fung als Arzt, Operateur und Geburtshelfer. Im Herbst 1848 begab er sich auf eine wiss. Studienreise nach Prag (F. Arlt), Paris (A. Desmarres, J. Sichel), Wien (F. und E. Jaeger) und London (W. Bowman, G. Critchett; ! Donders). Ausgeru¨stet mit dem neuesten Wissensstand in der Ophthalmol., ero¨ffnete G. am 1. 11. 1851 seine augena¨rztl. Praxis in Berlin. 1852 habil. er sich an der Ber¨ ber die liner Univ. mit der Arbeit U Wirkung der Augenmuskeln als Priv.doz. 1866 wurde er – bereits schwerkrank – zum o. Prof. ernannt, 1868 u¨bernahm er nach dem Ru¨cktritt J.Ch. Ju¨ngkens die Leitung der Augenklinik der Charite´. 1870 verstarb G. an 141
Grassi, Giovanni Battista
Ord. fu¨r Augenheilkunde hervorging. Zur Verselbsta¨ndigung des Faches trug auch das 1854 erstmals von G. herausgegebene Archiv fu¨r Ophthalmologie bei, das als Albrecht von Graefes Archiv fu¨r Ophthalmologie noch heute zu den Standardfachzeitschriften der Augenheilkunde geho¨rt. 1857 fand der erste Kongreß der spa¨teren „Deutschen Ophthalm. Gesellschaft“ (seit 1920 so benannt), dessen Initiator G. war, in Heidelberg statt. Lehrbu¨cher hat G. nicht verfaßt. Seine entscheidenden Arbeiten brachte er vor allem auf den Heidelberger Zusammenku¨nften und durch die Publikation im Archiv an die Facho¨ffentlichFah. keit. Albrecht von Graefe (1828–1870)
den Folgen einer Lungentuberkulose. G. geho¨rt gemeinsam mit Donders und ! Helmholtz zu den Begr. der mod. Augenheilkunde. Die prakt. Einfu¨hrung des von Helmholtz entwickelten Augenspiegels, G.s bahnbrechende Arbeiten zur operativen Heilung des Glaukoms durch die Iridektomie, die modifizierte Kataraktoperation als Vervollkommnung der Operationstechnik sind dafu¨r nur einige Belege. Die sich formierende Augenheilkunde brachte er mit anderen med. Disziplinen dadurch in Verbindung, daß er Zusammenha¨nge zwischen Augenleiden und inneren oder neurol. Erkrankungen wie Diabetes, Nierenleiden oder Hirntumoren aufdeckte. Wa¨hrend der Ta¨tigkeit in seiner Privatklinik schuf er eine wiss. Schule, aus der die Mehrzahl der spa¨teren 142
Grassi, Giovanni Battista (* 27. 3. 1854 Rovellasca bei Como, † 4. 5. 1925 Rom). Nach dem Stud. der Med. an der Univ. von Pavia u¨bernahm er den Lehrstuhl fu¨r Zool. und vergl. Anat. an der Univ. von Catania (1883–96) und danach bis zu seinem Tod den fu¨r vergl. Anat. in Rom. Er war ab 1887 korrespondierendes, ab 1897 Vollmitglied der Accademia dei Lincei und von 1908 an Senator des Ko¨nigreiches Italien. Seine ersten wiss. Anmerkungen betrafen die Bienen und ihre Parasiten. Er untersuchte die erho¨hte Sterblichkeitsrate der Katzen in seiner Heimatstadt und fand ein bis dahin noch unbekanntes Entozoon als Ursache. Nach seinem Doktorat in Med. 1878 verbrachte G. zwei Jahre in Messina, wo er mit N. Kleineberger zusammenarbeitete und eine Monographie u¨ber Chaetognathen schrieb, eine Tierart, deren Klassifizierung besonders diffizil war. Anschließend ging G. nach
Griesinger, Wilhelm
Heidelberg zu ! Gegenbaur und Otto Bu¨tschli, um sich dort mit dem Wirbelkanal von Fischen zu bescha¨ftigen. In Catania hatte er zwei neue Arten des Fadenwurms und den Taenia nana entdeckt, dessen Verbreitung er zeigen konnte. Er fertigte eine umfangreiche Studie u¨ber Termiten an, in der er 21 neue Arten beschrieb sowie deren embryol. Entwicklungsstadien, Vererbung, Lebensbedingungen und Verhalten. Hierfu¨r erhielt er von der Royal Society die Darwin-Medaille. Weitere Beitra¨ge G.s sind die Untersuchung zur Reblaus und zu den Entwicklungsstadien des Aals. Sein wiss. Hauptwerk betrifft die Malaria. Nach Untersuchungen mit Feletti zu den Parasiten der Malaria (1887–91) konnte G. zwischen Juli 1898 und Juni 1899 teils allein, teils in Zusammenarbeit mit A. Bignami und G. Ba¨ bertragung der stianelli die mit der U menschl. Malaria verbundenen offenen Fragen lo¨sen. Dank der Entdek¨ bertragungsmechanismus kung des U des Proteosoma beim Culex pipiens durch ! R. Ross konnte G. in den ¨ berMoskitos der Art Anopheles die U tra¨ger identifizieren. In seiner Abh. Studi di uno zoologo sulla malaria (1900) faßt er seine Entdeckungen zusammen und macht Vorschla¨ge zur Krankheitsbeka¨mpfung. Diese Publ. markiert den Beginn einer heftigen Kontroverse zwischen G. und R. Ross, die sich verscha¨rfte, als Ross 1902 den Nobelpreis erhielt. Ab 1916 untersuchte G. verschiedene biol. Eigenschaften der Anopheles und fu¨hrte Experimente zur Malariaprophylaxe durch, und zwar insbes. in Fiumicimo, wo die Malaria weit verbreitet war und wo er auch bestattet Fa. werden wollte.
Grierson, Cecilia (* 22. 11. 1859 Buenos Aires, † 10. 4. 1934 Buenos Aires). ¨ rztin wurde Die erste lateinamerik. A als Tochter von brit. Einwanderern geboren. Sie absolvierte ein pa¨dagog. Stud. und arbeitete ab 1872 als Landlehrerin. Um 1883 wechselte sie zur Med. und prom. 1889 in den Fachgebieten Geburtshilfe und Gyna¨kol. 1894 kandidierte G. – infolge ihres weibl. Geschlechts erfolglos – fu¨r den Staatl. Hebammen-Lehrstuhl. 1899 verbrachte sie ein Jahr in Europa, wo sie am Internat. Frauenkongreß in London teilnahm und sofort zur Vizepra¨sidentin des Kongresses ernannt wurde. Zuru¨ck in Buenos Aires, gru¨ndete G. im Jahre 1900 den Argentin. Frauenrat. 1912 erschien ihr Buch Sorge fu¨r die Kranken (Cuidado de enfermos). G. ist heute als eine Pionierin der Sozialmed. Argentiniens anerAc. kannt. Griesinger, Wilhelm (* 29. 7. 1817 Stuttgart, † 26. 10. 1868 Berlin). Der aus Stuttgart stammende G. war auf internist. und psychiatr. Gebiet ta¨tig, wobei seine psychiatr. Ansichten teilweise sehr umstritten waren. Mit seinen Jugendfreunden ! Wunderlich und ! Roser teilte er spa¨ter die gleichen programmat. Auffassungen zur physiol.-wiss. Umgestaltung der damaligen Med. Beginn des Stud. der Med. 1834 in Tu¨bingen, wo er mit Wunderlich und Roser in einer Burschenschaft mit „politischer Fa¨rbung“ aktiv war. Wa¨hrend des Stud. bescha¨ftigte sich G. außerhalb der Kollegien mit der Physiol. von ! J. Mu¨ller und mit ! Andrals Traite´ d’anatomie pathologique. Nach einem Streich im Zusammenhang mit den Aktivita¨ten des Corps bekam G. 143
Griesinger, Wilhelm
1837 fu¨r ein Jahr das Consilium abeundi. Er wechselte nach Zu¨rich, obwohl der Besuch der dortigen Univ. vom Bundestag verboten worden war. Hier stud. er bei ! Scho¨nlein, dessen klare klin. Lehr-Demonstrationen G. beeindruckten. 1838 nach Tu¨bingen zuru¨ckgekehrt, legte er seine Examina ab und prom. mit einer Arbeit u¨ber den Garotillo (Diphtherie). 1839 ließ er sich nach seinem Stud. fu¨r kurze Zeit in Friedrichshafen am Bodensee nieder und ging 1840 als Ass.arzt an die Irrenanstalt Winnenthal. Nach einem nur zweija¨hrigen Aufenthalt verfaßte er sein Lehrbuch u¨ber die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten (1. Aufl. 1845). Im Herbst 1843 wurde er nach einer Studienreise (Wien und Paris) Ass. in Tu¨bingen bei Wunderlich. Er wirkte als Priv.-doz. und arbeitete an dem seit 1842 bestehenden Archiv fu¨r physiologische Heilkunde mit, das er von 1847 bis 1849 herausgab. In verschiedenen Artikeln formulierte er die drei Grundpfeiler der von ihm vertretenen Med.: Physiol. im weiteren Sinne, pathol. Anat. und Kritik des Bestehenden. 1847 ao. Prof. fu¨r allg. Pathol., Materia medica und Gesch. der Med. Wa¨hrend der 1848er Revolution zuna¨chst engagiert auf der „entschiedenen Linken“; spa¨ter aber trat er gegen die radikalen Umwa¨lzungsbestrebungen der su¨dwestdt. Demokraten auf. 1849 nahm er einen Ruf nach Kiel als o. Prof. fu¨r Pathol. und Therapie an, entschied sich jedoch bereits im Fru¨hjahr 1850 fu¨r ein Angebot des Vi¨ gypten, als dessen zeko¨nigs von A Leibarzt, Dir. der med. Schule in Kairo und Pra¨sident des a¨gypt. Medizinalwesens ta¨tig zu werden. 144
Nach seiner Ru¨ckkehr 1852 arbeitete er die dort gemachten Erfahrungen auf, die in seinen Beitrag u¨ber die Infektionskrankheiten im 2. Band des von ! R. Virchow herausgegebenen Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie 1857 eingingen. 1854 o. Prof. an der Med. Klinik in Tu¨bingen und ab 1859 versta¨rkte Beta¨tigung im Bereich der Irrenfu¨rsorge. 1860 wechselte er nach Zu¨rich, betreute das Kantonhospital und die Irrenanstalt, deren Neubau er planen durfte. In Zu¨rich arbeitete er an der Neuaufl. seines Lb., die 1861 erschien und jetzt ein Kapitel mit der entschiedenen Befu¨rwortung des Non-Restraint-Prinzips, der vom Zwang freien Behandlung der Geisteskranken, enthielt. Mit der Annahme des Rufes nach Berlin auf den neu gegru¨ndeten Lehrstuhl fu¨r Psychiatrie 1865 war die zusa¨tzliche
Wilhelm Griesinger (1817–1868)
Groddeck, Georg
Einrichtung einer Station fu¨r Nervenkranke und die Leitung der med. Poliklinik verbunden. 1866 vero¨ffentlichte er mit ! Pettenkofer und Wunderlich das Cholera-Regulativ. 1867 gru¨ndete er die „Berliner med.-psychol. Gesellschaft“ und das Archiv fu¨r Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 1868 starb G. nach mehrmonatiger Krankheit an einem perityphlit. Abszeß. G.s Werk umfaßt verschiedene Gebiete: Auseinandersetzung mit der zeitgeno¨ssischen Med., Arbeiten zur Arzneimittellehre und Gesch. der Med. und schwerpunktma¨ßig seine Abh. zur inneren Med. und Pathol. sowie zur Psychiatr. und Neurol. Die beiden letzten Gebiete sah er immer als eine inhaltlich begru¨ndete Einheit an. In seinen ersten Arbeiten polemisierte er stark gegen eine ontol. Krankheitsauffassung, die Krankheit als eine wesensma¨ßige Selbsta¨ndigkeit auffaßte. Fu¨r G. war Irresein in einer Erkrankung des Gehirns begru¨ndet. Sein psychiatr. Bestreben war darauf gerichtet, eine Psychopathol. zu konstruieren, die seelische Prozesse mit den Erkenntnissen der damals neuesten Neurophysiol. erkla¨ren sollte, wobei G. weder einen Positivismus noch einen Determinismus intendierte. Sein Beitrag zu „psych. Reflexaktionen“ (1843) parallelisierte die auf der Ru¨ckenmarksebene ablaufende „Empfindung und Bewegung“ mit den im Gehirn stattfindenden Aktionen der „Vorstellungen und Strebungen“. Dementsprechend beschrieb er Irresein als la¨ngerdauernde und besondere „Alienierung“ von Vorstellen und Streben. Auch soziale Aspekte gingen in seine Psychiatrie ein. Zwar faßte G. die Seele als Summe aller „Gehirnzusta¨nde“ auf, doch gestand er ihr
eine zeitgeschichtl. und biograph. Dimension zu. G. bemu¨hte auch eigensta¨ndige psychol. Betrachtungsmuster, die er unter Ru¨ckgriff auf Herbart in sein Konzept einbaute. Psychol. war fu¨r G. eine empirische Beobachtungsund Naturwiss., die auf der „Mechanik der Gehirnaktionen“ basiere. Fu¨r G. bestand zwischen gesunden und krankhaften Seelenzusta¨nden nur eine gradweise Verschiedenheit; er widmete sich auch denjenigen psych. Auffa¨lligkeiten, die heute als „Zwangsneurosen“ beschrieben werden. Den Geisteskranken gestand er die allg. Menschenrechte zu und ließ sich in der Therapie von dem obersten Grundsatz der „Humanita¨t“ leiten, wobei er die Notwendigkeit des „Individualisierens“ betonte. Den therap. Einsatz von Arbeit unterstu¨tzte er. Er konzipierte eine neue gestaffelte Form der Anstaltsversorgung mit dem Stadtasyl fu¨r die akut und dem Landasyl fu¨r die chronisch Kranken mit der Mo¨glichkeit der familialen Pflege und der „agricolen Kolonie“. Werk: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, Stuttgart 21861; Gesammelte Abhandlungen, 2 Bd., Berlin 1872. Schm.
Groddeck, Georg (* 13. 10. 1866 Bad Ko¨sen, † 11. 6. 1934 Schloß Konau/ Schweiz). Seit 1885 Med.stud. in Berlin, Prom. 1889 bei ! E. Schweninger, 1890–91 Ass. Schweningers, 1891–96 Milita¨rarzt in Brandenburg und Weilburg, 1896–1900 Leitung von Sanatorien Schweningers in Berlin und BadenBaden, 1900–34 Leitung eines eigenen Sanatoriums in Baden-Baden. G. gilt 145
Grotjahn, Alfred
als einer der Pioniere der psychosomat. Med. Der Schu¨ler Schweningers kritisierte heftig die naturwiss. Med. und befu¨rwortete zuna¨chst unter der Leitung des autorita¨ren Arztes eine individuelle Therapie. Im Ersten Weltkrieg setzte G. sich mit der Psychoanalyse ! Freuds auseinander und wandte sie erstmals auf organ. Leiden an. Im Zentrum seines eher aphorist. Denkens stand der Begriff des „Es“, den Freud von G. u¨bernahm, aber umdeutete. G. verstand unter dem Es eine allg. Lebenskraft, die Psyche und Ko¨rper umfaßte. Krankheit war demzufolge ein Versuch des Es, unbewußte Triebkonflikte zu lo¨sen. Diese Thesen zusammen mit der Annahme einer fundamentalen Bisexualita¨t des Menschen isolierten G. innerhalb der psychoanalyt. Bewegung. Er orientierte sich zeitlebens am einzelnen Patienten und lehnte jede Systembildung ab. Nach seinem Tod geriet der seinerzeit weltberu¨hmte G. in Deutschland fu¨r Jahrzehnte in Vergessenheit. Werk: Psychische Bedingtheit und psychoanalytische Behandlung organischer Leiden, Leipzig 1917; Der Seelensucher, Leipzig/Wien/Zu¨rich 1921; Das Buch vom Es, Leipzig/Wien/Zu¨rich 1923; Der Mensch als Symbol, Wien 1933; G./S.Freud: Briefe u¨ber das Es, Mu¨nchen 1974; Werke, hg. im Auftrag der G.G.-Gesellschaft, Basel/ Frankfurt a. Main 1987ff. Bisher erschienen: Vortra¨ge, 3 Ba¨nde. Zahlreiche Taschenbuchausgaben. Bro¨.
Grotjahn, Alfred (* 25. 11. 1869 Schladen am Harz, † 4. 9. 1931 Berlin). G. stud. in Greifswald, Leipzig, Kiel und Berlin Med. und ließ sich 1896 in Berlin als prakt. Arzt nieder. Als Student in sozialist. Zirkeln und der 146
Ethischen Gemeinde aktiv, geho¨rte er jedoch nur bis 1901 und wieder 1919–24 der Sozialdemokrat. Bewegung an (1921–24 MdR). Von der (ju¨ngeren) Hist. Schule der Nationalo¨konomie (G. Schmoller) gepra¨gt, entwarf er seit 1904 Konzeptionen einer „Sozialen Hygiene“ (u.a.: Soziale Pathologie 1912, 1915 bzw. 1923; Handwo¨rterbuch der Sozialen Hygiene 1912 mit ! I. Kaup). Im Widerspruch zur damals vorherrschenden Idee einer „Sozialen Med.“ scheiterte 1905 ein Habil.versuch in Berlin, wa¨hrend er sich zugleich an der Gru¨ndung der „Gesellschaft fu¨r Soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik“ beteiligte und 1906–14 deren Zeitschrift fu¨r Soziale Medizin herausgab. Mit der von ihm angestrebten, aber erst 1910/ 11 in Deutschland generell durchgesetzten Umbenennung des Fachgebietes in Soziale Hyg., seiner fu¨hrenden Beteiligung an der (Berliner) „Gesellsch. fu¨r Rassenhygiene“ und ! C. Flu¨gges Hilfe war 1912 die Habil. in Berlin erfolgreich. 1915–20 in der Berliner Gesundheitsverwaltung ta¨tig, wurde er 1920 durch polit. Druck der pr. Regierung erster Ord. fu¨r Soziale Hyg. in Deutschland und erhielt 1928 ein bescheidenes Seminar fu¨r sein Fach an der Univ. Berlin. G.s ausgepra¨gte eugenisch-rassenhyg. Ideen (Hygiene der menschlichen Fortpflanzung, 1926) wurden besonders nach 1945 lange Zeit verharmlost, sein Nahverha¨ltnis zum nationalsozialen Liberalismus F. Naumanns ab ca. 1900 gegenu¨ber dem nur kurzfristigen sozialist. Engagement vergessen, wozu seine oft verfa¨lschende Autobiographie (Erlebtes und Erstrebtes. Erinnerungen eines sozialistischen Arztes, Hu. 1932) nicht wenig beitrug.
Gue´rin, Jules Rene´
Gruber, Max (von) (* 6. 7. 1853 Wien, † 16. 9. 1927 Berchtesgaden). G. prom. 1876 in Wien zum Dr. med., war Ass. der Med. Chemie bei F. C. Schneider und erhielt dann seine Ausbildung bei ! Pettenkofer, Voit und Naegeli in Mu¨nchen. 1882 in Wien fu¨r Hyg. habil., wurde er 1884 Extraord. in Graz, 1887 in Wien (1891 o. Prof.) und 1902–23 Dir. des Hyg.Inst. in Mu¨nchen. Von der Pettenkoferschen Hyg. kommend, wandte sich G. der Bakteriol. zu, um schließlich im Gegensatz zu ! Kochs Konstanz- und Spezifita¨tsauffassung eine holistisch gedachte Immunol. zu favorisieren, wobei ihm 1896 mit H. Durham die Entdeckung der Agglutination (Mu¨nch. med. Wschr. 43 [1896], 285f.) gelang. Als begabter Polemiker hatte er sich bereits 1885/86 mit J. Ko¨ro¨si-Budapest u¨ber den Zusammenhang von Armut und Infektionskrankheiten gestritten, 1896 mit ! R. Pfeiffer u¨ber die Bedeutung ! Pasteurs bzw. Kochs, wa¨hrend er 1901/03 ! Ehrlichs Seitenkettentheorie heftig angriff. G. wandte sich unter dem Einfluß Nietzsches und Wagners nach 1870/71 dt.nationalen Studentenzirkeln und teilweise sozialist. Gedankenga¨ngen zu (W. J. McGrath, Dionysian Art and Populist Politics in Austria, New Haven 1974). 1891–1902 am deutschnationalen Flu¨gel der Wiener „Fabier“ bzw. Sozialpolitiker engagiert und fu¨r seine hyg. Sachpolitik zu Bu¨ndnissen mit den antisemit. Christlichsozialen K. Luegers bereit, fu¨hrten oberfla¨chliche Kontakte G.s zum radikalen Flu¨gel der Wiener Frauenbewegung zur Bescha¨ftigung mit Fragen der Prostitution und der Hygiene des Geschlechtslebens (1904). Von hier aus wandte sich G.
der Bevo¨lkerungspolitik bzw. Rassenhyg. zu, deren prominenteste akad. Galionsfigur er ab 1907 wurde. 1908 in Bayern geadelt, wurde G. im Ersten Weltkrieg mit rassenhyg. Gesundheitsprogrammen und exzessiven Siedlungspla¨nen „im Osten“ zum aggressiven „Siegfriedenspolitiker“ und Vorsitzender der Deutschen Vaterlandspartei in Bayern (1917/18). 1919 Mitgru¨nder der Dt.nationalen Volkspartei in Bayern, war er 1923/ 24 ein zwiespa¨ltiger Beobachter und Zeuge des „Hitler-Putsches“ und -Prozesses (F. Kudlien, in: Med. hist. Hu. J. 17 [1982], 373–89). Gue´rin, Jules Rene´ (* 11. 3. 1801 Boussu, † 1886 Paris). Von Geburt Belgier, stud. G. in Paris Med. und prom. 1826. 1828 wurde er Eigentu¨mer und Redakteur der Gazette de sante´, die er 1830–72 als Gazette me´dicale de Paris federfu¨hrend herausgab. Als Journalist Urheber des med. Feuilletons, warf er hier a¨rztl. Standesfragen auf, ka¨mpfte fu¨r Reformen, namentlich der med. Ausbildung, im Sinne der Unterrichtsfreiheit und wirkte als Berichterstatter und Mitglied vieler Ministerial-Kommissionen zur Vorbereitung von Gesetzen. Neben seinem Eintreten fu¨r eine „Soziale Med.“ im Jahr 1848 hatte er schon 1834 das orthopa¨d. Institut im Chaˆteau de la Muette in Passy gegru¨ndet, aus dem die Vielzahl seiner orthopa¨d. Arbeiten hervorging, wa¨hrend er sich sein Leben lang auch mit Fragen Hu. der Cholera befaßte.
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Guevara Serna, Ernesto (Che´)
Guevara Serna, Ernesto (Che´) (* 14. 6. 1928 Rosario/Argentinien, † 9. 10. 1967 Higueras/Bolivien). Arzt, Politiker, Revolutiona¨r; Med.stud. (1947-1952) und Prom. zum Dr. med. (1953) in Buenos Aires/Argentinien; Arbeit an einer Bolivian. Leprastation (1953); danach Aufenthalt in Guatemala; 1955 Arbeit am General Hospital von Mexico City u. erstes Zusammentreffen mit Fidel Castro; zus. mit kubanischen Revolutiona¨ren Ausbildung in Guerilla-Kriegsfu¨hrung. G. wird nun Che genannt. Von Mexiko aus nimmt G. 1956, erst als Arzt, spa¨ter als Kommandeur, an der Invasion Kubas teil. Nach dem Sturz des Diktators Fulgencio Batista y Zaldı´var (1901-1973) leitender Wirtschaftsberater und Ideologe der neuen kuban. Regierung. 1962 Verhandlungen mit der UdSSR u¨ber Raketenlieferungen an Kuba (Kubakrise); 1964/65 Zerwu¨rfnis mit Castro u¨ber wirtschaftl. Fragen; 1966 Ausreise nach Bolivien als Guerilla; am 9. Okt. 1967 wird Che´ Guevara bei einem Gefecht mit der bolivian. Armee verwundet, gefangen genommen und erschossen. Seine Leiche wird 1997 entdeckt u. nach Kuba u¨berfu¨hrt. Eck. Guillemeau, Jacques (* 1550 Orle´ans, † 13. 3. 1613 Paris). Frz. Chir. und Geburtshelfer, Schu¨ler von ! A. Pare´, dessen Werke er in ¨ bers. herausgab. Zuna¨chst mehrlat. U ja¨hrige Ta¨tigkeit als Feldchir. 1581 als Chir., Okulist und Geburtshelfer am Hoˆtel-Dieu in Paris. Diente drei frz. Ko¨nigen als Leibchir. An Pare´ anknu¨pfend, machte er sich um die verbesserte Versorgung der Schußwunden und die operative Aneurismentherapie sowie in der Geburtshilfe 148
um die Propagierung der Wendung des Kindes auf die Fu¨ße bzw. nunmehr auch auf den Kopf verdient. Bereits in seinem Chir.buch von 1594 widmete er der operativen Geburtshilfe ein eigenes Kapitel. G. beschreibt u.a. die Uterusruptur als Geburtskomplikation bei engem Becken und ero¨rtert theoret. die Mo¨glichkeit des Kaiserschnitts an der Lebenden. Sein 1609 erschienenes Lehrbuch der Geburtshilfe, das sich sowohl an Hebam¨ rzte und Chir. wenmen als auch an A det, erlebte bis 1642 weitere Aufl. und geho¨rte zu den besten seiner Art in der 1. Ha¨lfte des 17. Jh. Werk: La chirurgie franc¸oise, Paris 1594; De l’heureux accouchement des femmes, ibid. 1609. Schn.
Guillotin, Joseph Ignace (* 28. 5. 1738 Saintes, † 26. 5. 1814 Paris). Sohn eines Rechtsanwalts. 1756 Eintritt in den Jesuitenorden, 1763–70 Med.stud. in Paris. Dort als Arzt des Bruders Ludwigs XVI. und als Mitglied der Pariser Sanita¨tskommission sowie des Aufsichtsgremiums u¨ber die med. und pharmazeut. Fak. ta¨tig. Sein vernichtendes Gutachten u¨ber den Mesmerismus, sein Engagement fu¨r die Pockenschutzimpfung sowie sein Einsatz fu¨r die Gru¨ndung der Acade´mie de Me´dicine sind gegenu¨ber der Maschine, die nach einem Spottvers seinen Namen tra¨gt, in Vergessenheit geraten. Das Fallbeil, dessen Einfu¨hrung G. als jakobin. Abgeordneter des Dritten Standes am 20. 1. 1790 in einem legenda¨ren Gesetzesentwurf zur Reformierung der Todesstrafe forderte, war weder eine Neuerfindung noch das techn. Werk G.s.; es wurde 1792
Guy de Chauliac
nach ausla¨nd. Modellen vom Arzt Louis entwickelt. Die Einfu¨hrung der Ko¨pfmaschine, die G. als Ausdruck der Gleichheit (die Demokratisierung des Adelsprivilegs auf ehrenhafte Hinrichtung durch Enthauptung), des Fortschritts (der gesetzma¨ßigen, durch einen Henker nicht erreichbaren Pra¨zision) und der Humanita¨t (der mo¨glichst schnellen und schmerzfreien To¨tung) verstanden hatte, erwies sich als zweischneidige Angelegenheit: als Instrument, das in der Frz. Revolution traurige Beru¨hmtheit erlangen und den Namen des philanthrop. gesinnten Politikers Loe. und Arztes belasten sollte. Gu¨tt, Arthur (* 17. 8. 1891 Michelau/ Westpr., † 2. 3. 1949 Stade). 1914-1917 Milita¨rdienst; 1918 Allgemeinpraktiker in Popelken; 1919 zum Dr. med. prom.; 1924 Kreisfu¨hrer der Deutschvo¨lk. Freiheitsbewegung; seit 1926 Medizinalrat in Marienwerder (Westpr.) und Wandsbeck (Schleswig-Holstein). 1932 Eintritt in die NSDAP. Mai 1933 Ministerialrat im Reichsinnenministerium, Vorsitzender des Sachversta¨ndigenbeirats fu¨r Bevo¨lkerungs- und Rassenpol. des Reichsinnenministeriums und ab 1934 Leiter der Abteilung fu¨r Volksgesundheit. Als solcher zusta¨ndig fu¨r die Durchfu¨hrung des NS-Sterilisierungsgesetzes und Mitverfasser des offiz. Kommentars zum Sterilisierungsgesetz. Pra¨sident des pr. Landesgesundheitsrates. Seit November 1933 SSObersturmfu¨hrer im Stab Reichsfu¨hrer SS; seit 1935 Leiter des Amtes fu¨r Bevo¨lkerungspol. u. Erbgesundheitslehre in diesem Stab; Mitarbeiter der SD. Pra¨sident der Staatsakad. des o¨ffentl. Gesundheitsdienstes in Pots-
dam. 1936 im Reichsausschuss zum Schutze des dt. Blutes. 1939 Jagdunfall und Eintritt in den Ruhestand. 1949 Selbstmord. Werk: Dienst an der Rasse als Aufgabe der Staatspolitik, Berlin 1934; Der Aufbau des Gesundheitswesens im Dritten Reich, Berlin 1935; Blutschutz und Ehegesundheitsgesetz 1936; Personalakte Gu¨tts, BAB/ 1501 Pers./6875-I,II,III. Co.
Guy de Chauliac (* Ende 13.Jh. Chaulhac/Loze`re, † 1368). G. stud. in Montpellier, Bologna, wahrscheinlich auch in Toulouse und Paris Med., erwarb 1325 den med. Magistergrad, praktizierte in Avignon und Lyon, diente verschiedenen Pa¨psten als Leibarzt, war Priester in seiner Heimatdio¨zese Mende, erhielt 1344 ein Kanonikat in Lyon, 1353 ein weiteres in Reims und wurde 1367 Kanoniker in Mende. G.s Werk la¨ßt sich in drei Bereiche gliedern: Die Fru¨hschriften bestehen aus ku¨rzeren Texten zu den verworfenen Tagen, zur Pestbeka¨mpfung und zum Bruchschnitt; die um 1330–50 entstandene Chirurgia parva entha¨lt chir. Rezepte in streng indikationsbezogener Anordnung; das 1363 abgeschlossene Inventarium seu collectorium chirurgiae (Chirurgia magna) gilt als das maßgebende Werk der spa¨tma. und fru¨hneuzeitl. Wundarznei. Die umfassende, klar gegliederte Darstellung, die auf gru¨ndl. Quellenkenntnissen und fu¨nf Jahrzehnten prakt. Erfahrung beruht, machten dieses Opus, das um 1500 die einschla¨gigen Werke von Roger Frugardi und ! Lanfranc von Mailand in den Hintergrund dra¨ngte, zum fu¨hrenden Fachbuch bis ins 18. Jh. hinein. Auch die landessprachl. Rezeption war enorm. 149
Guyton-Morveau, Louis-Bernard Werk: Joubert, L. (Hg.), Chirurgia magna Gvidonis de Gauliaco, Lyon 1585 (Neudr.: Darmstadt 1975, mit einem Vorwort von Keil, G.). Zi.
Guyton-Morveau, Louis-Bernard (* 4. 1. 1737 Dijon, † 2. 1. 1816 Paris). Kein Med., sondern Jurist, Wissenschaftler, Magistrat, Industrieller und Lehrer. Stud. der Rechte in Dijon, neben seiner Ta¨tigkeit als Anwalt Stud. der Botanik und Chemie. 1776 Gru¨ndung der Ecole de chimie in Dijon, wo er die „Ele´ments de chimie the´oretique et pratique“ lehrt. G. schreibt mehrere Artikel u¨ber Chemie in der Encyclope´die me´thodique und in der Encyclope´die de Diderot et d’Alembert. 1782 reformiert er die Nomenklatur in der Chemie; 1787 vero¨ffentlicht er zusammen mit Lavoisier, Berthollet und ! Fourcroy La Me´thode de nomenclature chimique. Im Bereich der Med. schla¨gt er die Ausra¨ucherung (nach ihm „guytoniennes“ benannt) zur Desinfektion der Luft vor (Traite´ des moyens de de´sinfecter l’air, 1801). Hierdurch sollten die Krankheitserreger ausgefa¨llt werden. Diese „Desinfektionsmethode“ wurde vor allem in den Gefa¨ngnissen und Krankenha¨usern von Dijon angewandt. G. war unter den ersten Mitgliedern des Institut de France. Er lehrte Chemie an der Ecole Polytechnique, deren Dir. er zweimalig war. G. setzte sich auch fu¨r die milita¨rische Nutzung wiss. Erkenntnisse ein. Wa¨hrend der Frz. Revolution ist er Deputierter im Konvent und Pra¨sident des 1. Wohlfahrtsausschusses. Seine Karriere wird 1805 durch die Mitgliedschaft der Ehrenlegion geRe. kro¨nt. 150
Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August (* 16. 2. 1834 Potsdam, † 9. 4. 1919 Jena). H. war der fu¨hrende Verteidiger des Darwinismus in Deutschland. Sohn eines Juristen, stud. H. Med. von 1852 bis 1858 in Berlin (bes. unter ! Joh. Mu¨ller, der in ihm Interesse an niederen Meerestieren erweckte), Wu¨rzburg (unter ! Koelliker und ! Virchow) und Wien. 1856 wurde H. Ass. am Inst. Virchows. Nach Forschungen u¨ber Radiolaren mit ! Gegenbaur in Italien wurde H. 1861 Priv.doz., 1862 ao. Prof. fu¨r vergl. Anat. in der med. Fak. in Jena und erhielt die Leitung des Zool. Museums. 1865 wurde er o. Prof. fu¨r Zool. an der phil. Fak. Als Verfasser von Arbeiten u¨ber Radiolaren war H. ein eifriger Verbreiter des Darwinismus. Er suchte, die Embryol. und Zellenlehre in Einklang mit Darwins Evolutionstheorie zu bringen: daraus entstand 1874 die Gastraea-Theorie und das Biogenet. Grundgesetz. Er pra¨gte viele embryol. Grundbegriffe. 1877 kam es zum Bruch mit Virchow u¨ber die Einfu¨hrung des Darwinismus im Schulunterricht. 1900 Initiator eines Preises u¨ber Natur und Staat. H. wandte sich nun immer mehr dem Pantheismus zu, ru¨ckte vom Materialismus ab. 1906 Begr. des Monistenbundes, des Phyletischen Museums 1908 und des Phyletischen Archivs in der Villa Medusa. 1905 zum Ehrenmitglied der Dt. Gesellsch. fu¨r Rassenhyg. ernannt, wurde H. zunehmend zum Verteidiger eugen. Maßnahmen. Werk: Die Radiolaren, Berlin 1862; Generelle Morphologie der Organismen, 2 Bd., ibid. 1866; Natu¨rliche Scho¨pfungs-Geschichte, ibid 1868; Anthropogenie oder
Guyton-Morveau, Louis-Bernard Werk: Joubert, L. (Hg.), Chirurgia magna Gvidonis de Gauliaco, Lyon 1585 (Neudr.: Darmstadt 1975, mit einem Vorwort von Keil, G.). Zi.
Guyton-Morveau, Louis-Bernard (* 4. 1. 1737 Dijon, † 2. 1. 1816 Paris). Kein Med., sondern Jurist, Wissenschaftler, Magistrat, Industrieller und Lehrer. Stud. der Rechte in Dijon, neben seiner Ta¨tigkeit als Anwalt Stud. der Botanik und Chemie. 1776 Gru¨ndung der Ecole de chimie in Dijon, wo er die „Ele´ments de chimie the´oretique et pratique“ lehrt. G. schreibt mehrere Artikel u¨ber Chemie in der Encyclope´die me´thodique und in der Encyclope´die de Diderot et d’Alembert. 1782 reformiert er die Nomenklatur in der Chemie; 1787 vero¨ffentlicht er zusammen mit Lavoisier, Berthollet und ! Fourcroy La Me´thode de nomenclature chimique. Im Bereich der Med. schla¨gt er die Ausra¨ucherung (nach ihm „guytoniennes“ benannt) zur Desinfektion der Luft vor (Traite´ des moyens de de´sinfecter l’air, 1801). Hierdurch sollten die Krankheitserreger ausgefa¨llt werden. Diese „Desinfektionsmethode“ wurde vor allem in den Gefa¨ngnissen und Krankenha¨usern von Dijon angewandt. G. war unter den ersten Mitgliedern des Institut de France. Er lehrte Chemie an der Ecole Polytechnique, deren Dir. er zweimalig war. G. setzte sich auch fu¨r die milita¨rische Nutzung wiss. Erkenntnisse ein. Wa¨hrend der Frz. Revolution ist er Deputierter im Konvent und Pra¨sident des 1. Wohlfahrtsausschusses. Seine Karriere wird 1805 durch die Mitgliedschaft der Ehrenlegion geRe. kro¨nt. 150
Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August (* 16. 2. 1834 Potsdam, † 9. 4. 1919 Jena). H. war der fu¨hrende Verteidiger des Darwinismus in Deutschland. Sohn eines Juristen, stud. H. Med. von 1852 bis 1858 in Berlin (bes. unter ! Joh. Mu¨ller, der in ihm Interesse an niederen Meerestieren erweckte), Wu¨rzburg (unter ! Koelliker und ! Virchow) und Wien. 1856 wurde H. Ass. am Inst. Virchows. Nach Forschungen u¨ber Radiolaren mit ! Gegenbaur in Italien wurde H. 1861 Priv.doz., 1862 ao. Prof. fu¨r vergl. Anat. in der med. Fak. in Jena und erhielt die Leitung des Zool. Museums. 1865 wurde er o. Prof. fu¨r Zool. an der phil. Fak. Als Verfasser von Arbeiten u¨ber Radiolaren war H. ein eifriger Verbreiter des Darwinismus. Er suchte, die Embryol. und Zellenlehre in Einklang mit Darwins Evolutionstheorie zu bringen: daraus entstand 1874 die Gastraea-Theorie und das Biogenet. Grundgesetz. Er pra¨gte viele embryol. Grundbegriffe. 1877 kam es zum Bruch mit Virchow u¨ber die Einfu¨hrung des Darwinismus im Schulunterricht. 1900 Initiator eines Preises u¨ber Natur und Staat. H. wandte sich nun immer mehr dem Pantheismus zu, ru¨ckte vom Materialismus ab. 1906 Begr. des Monistenbundes, des Phyletischen Museums 1908 und des Phyletischen Archivs in der Villa Medusa. 1905 zum Ehrenmitglied der Dt. Gesellsch. fu¨r Rassenhyg. ernannt, wurde H. zunehmend zum Verteidiger eugen. Maßnahmen. Werk: Die Radiolaren, Berlin 1862; Generelle Morphologie der Organismen, 2 Bd., ibid. 1866; Natu¨rliche Scho¨pfungs-Geschichte, ibid 1868; Anthropogenie oder
Hahnemann, Christian Friedrich Samuel Entwicklungsgeschichte des Menschen, Leipzig 1874; Der Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft, Bonn 1892; Die Weltra¨thsel, ibid. 1899; Fu¨nfzig Jahre Stammesgeschichte, Jena 1916. Wdl.
Hahnemann, Christian Friedrich Samuel (* 10. 4. 1755 Meißen, † 2. 7. 1843 Paris). H. nahm als Sohn eines Porzellanmalers 1775 das Stud. der Med. in Leipzig auf, das er in Wien fortsetzte. Nach kurzer Zeit als Hauslehrer in Hermannstadt (Siebenbu¨rgen) erlangte er 1779 den Dr.grad in Erlangen. Wanderjahre in Mitteldeutschland (Hettstedt, Dessau, Gommern, Dresden) schlossen sich an; 1805 ließ sich H. als Arzt in Torgau nieder. Nach dem Erscheinen des Organon der rationellen Heilkunde (Dresden 1810), in dem H. die Grundsa¨tze seines neuen med. Systems der Homo¨opathie niedergelegt hatte, zog er nach Leipzig, wo er sich 1812 habil. Streitigkeiten mit den Leipziger Apothekern um die Selbstzubereitung von Arzneien ¨ rzte (sog. Disdurch homo¨opath. A pensierrecht) veranlaßten H., 1821 nach Ko¨then zu ziehen. Hier baute er eine umfa¨ngliche homo¨opath. Praxis auf und schloß sein vierba¨ndiges Werk Die chronischen Krankheiten [...] (Dresden 1828–30) ab. 1835 zog H. mit seiner zweiten Frau Me´lanie d’Hervilly nach Paris und praktizierte dort bis zu seinem Tod als homo¨opathischer Arzt. ¨ berWa¨hrend der Bearbeitung und U setzung von ! William Cullens Abhandlung u¨ber die Materia medica (2 Bd., Leipzig 1790) hatte H. bei ¨ berpru¨fung der Ansichten Culder U lens seinen homo¨opath. Grundsatz „similia similibus curentur“ durch
Selbstversuche gefunden und stellte ihn 1796 als Fundament der Lehre der Homo¨opathie in ! Hufelands Journal der practischen Arzneykunde vor. Im Gegensatz zur zeitgeno¨ssischen Med. war die Homo¨opathie vorwiegend auf das Arzneimittel bezogen. Die Arzneien wirken nach H. durch ihre Kraft (Dynamis), die durch stetes Verdu¨nnen (Potenzieren) gesteigert werden kann. Die Verordnung homo¨opath. Mittel erfolgte bei H. stets individuell und wurde in zahlreichen „Krankenjournalen“ festgehalten. H.s Lehre von der Homo¨opathie, die er in zahlreichen Aufsa¨tzen verteidigte, hinterla¨ßt auch im 20. Jh. ihre Spuren, wobei Befu¨rworter und Gegner sich nach wie vor unverM.-J. so¨hnlich gegenu¨berstehen.
Christian Friedrich Samuel Hahnemann (1755–1843) 151
Haller, Albrecht von
Haller, Albrecht von (* 16. 10. 1708 Bern, † 12. 12. 1777 Bern). H. gilt zu Recht als der letzte Universalgelehrte Europas. Der Berner Patrizier vermochte noch die ganze geistige Welt seiner Zeit souvera¨n zu beherrschen. Er vereinigte in seiner Person den gedankentiefen Dichter, der der dt. Sprache das Feld der poetischen Metaphysik eroberte, den Botaniker, der fu¨r die Geographie und natu¨rl. Taxonomie der Pflanzen Bleibendes leistete, den Anat., der die Angiol. und Topographie bereicherte, den Physiol., der die moderne Physiol. als Erfahrungswiss. begru¨ndete, den Univ.lehrer, der in Go¨ttingen, erstmals in der dt. Univ.gesch., die Verbindung von Forschung und Lehre institutionalisierte, den Rezensenten, der die med. Lit. von Jahrhunderten sammelte und in mehr als 12000 Rezensionen kritisch sichtete, den Staatstheoretiker, der gegen die absolutist. Wirklichkeit wie gegen die revolutiona¨ren Tendenzen seines Zeitalters das Bild von der besten Staatsform zur Geltung zu bringen suchte, den Nationalo¨konomen, der Rechtssammlungen anlegte und die Land- und Forstwirtschaft verbesserte, den Theol. schließlich, der seine ganze Autorita¨t als weltberu¨hmter Naturforscher einsetzte, um die Wahrheit der christl. Religion gegen die Einwu¨rfe Voltaires zu verteidigen. Doch nicht „die Alpenlast der Gelehrsamkeit“, die H. nach Herders Worten zu tragen fa¨hig war, erst die Kraft, mit der er die Fu¨lle und Vielfalt seines Wissens zur Einheit und zur Wirkung brachte, macht H. zur sa¨kularen Gestalt. Das fru¨h verwaiste Wunderkind wurde mit 14 Jahren zu einem befreundeten Arzt gegeben und bezog mit 15 152
Jahren die Univ. Tu¨bingen, um Med. zu stud. 1725 ging H. nach Leiden zu ! Boerhaave, wo er am 23. 5. 1727 prom. wurde. Er setzte seine Ausbildung in London, Paris und Basel fort, ließ sich 1729 in Bern als Arzt nieder, folgte 1736 einem Ruf an die neugegr. Univ. Go¨ttingen auf den Lehrstuhl fu¨r Anat., Chir. und Botanik, verließ 1753 heimwehkrank Go¨ttingen, das er beru¨hmt gemacht hatte, wurde Rathausammann in Bern, 1758 Salzdirektor in Roche und kehrte 1764 als Mitglied des großen Rates und Privatgelehrter nach Bern zuru¨ck. Nicht als Lieblingsdichter der dt. Aufkla¨rung, nicht als fru¨h ausgezeichneter Botaniker und Anat., schon gar nicht als Chir. – er hat die Chir. nie praktisch ausgeu¨bt –, sondern als Entdecker der Irritabilita¨t und Sensibilita¨t, als experimentierender Physiol. hat H. Epoche gemacht und die Physiol. und Biol. als Erfahrungswiss. begru¨ndet. Ein cartesian. Weltmodell,
Albrecht von Haller (1708–1777)
Halsted, William Steward
eine sensualist. Erkenntnistheorie und der Primat der empir. Meth. wirken bei H. im Verein mit der Einsicht in den noch unvollkommenen Wissensstand der Physiol. dahin, daß fu¨r ihn Physiol. nichts anderes sein kann als „Anatomia animata“, als Lehre „von den Bewegungen, die eine beseelte Maschine beleben“. Die Fa¨higkeit zur Eigenbewegung und die Fa¨higkeit, zu empfinden, sind die entscheidenden Merkmale der „belebten Maschine“. Als H. nach jahrelangen Experimenten 1753 die Entdeckung der Irritabilita¨t der Muskelfaser und der Sensibilita¨t der Nervenfaser bekanntmacht, ¨ berzeugung, die zwei weist er der U sentlichen Grundkra¨fte des Lebendigen gefunden zu haben, die dieses gegen die Welt der toten Ko¨rper ebenso abgrenzen wie gegen die immaterielle Welt der Seele. Als H. sich in den Jahren 1750–52 u¨ber den Charakter der lebenden Kra¨fte endgu¨ltig klar wurde, gab er die unter dem Eindruck der verblu¨ffenden Regenerationsleistungen des Organismus bereits akzeptierte Vorstellung wieder auf, daß es in der belebten Natur auch bildende, also planende, steuernde Kra¨fte geben ko¨nne, und kehrte zur mechanist. Theorie der pra¨formierten Generation zuru¨ck. Er war und blieb Mechanist. Daß seine Irritabilita¨tslehre unmittelbar zum Grundmuster fu¨r ein vitalist. Versta¨ndnis des Lebendigen wurde, hat H. nie akzeptiert. Werk: Versuch Schweizerischer Gedichte, Bern 111732; Enumeratio methodica stirpium Helveticae indigenarum, Go¨ttingen 1742; Icones Anatomicae, 8 Fasz., ibid. 1743–54; Primae lineae physiologiae, ibid. ¨ bers.); De partibus 1747 (viele Aufl. u. U corporis humani sensibilibus et irritabili-
bus, in: Commentariis Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis, Bd. 2, ibid. 1753, 114–58; Elementa physiologiae corporis humani, 8 Bd., Lausanne 1757–66; Usong. Eine morgenla¨ndische Geschichte, Bern 1771; Bibliotheca Botanica, 2 Bd., Zu¨rich 1771–72; Briefe u¨ber die wichtigsten Wahrheiten der Offenbarung, Bern 1772; Alfred, Ko¨nig der Angel-Sachsen, Go¨ttingen u. Bern 1773; Epistolarum ab eruditis viris ad Albertum Hallerum scriptarum pars I. Latinae, 6 Bd., ibid. 1773–75; Fabius und Cato, ein Stu¨ck der ro¨mischen Geschichte, ibid. 1774; Bibliotheca chirurgica, 2 Bd., Basel 1774–75; Bibliotheca anatomica, 2 Bd., Zu¨rich 1774–75; Briefe u¨ber einige noch lebende Freygeister, Einwu¨rfe wider die Offenbarung, 3 Bd., Bern 1775–78; Bibliotheca medicinae practicae, 4 Bd., ibid. 1776–88; Einiger gelehrter Freunde deutsche Briefe an den Herrn von Haller. Erstes Hundert von 1725–51, ibid. 1777; Sigerist, H.E. (Hg.), Briefwechsel mit Johannes Gessner (1728–77), Berlin 1923; Hintzsche, H. (Hg.), Briefwechsel mit Giambatista Morgagni (1745–68), Bern 1964; ders. (Hg.), Briefwechsel mit Ignazio Somis (1754–77), ibid. 1965; ders. (Hg.), Briefwechsel mit Marc Antonio Caldani (1756–76), ibid. 1966; ders. (Hg.), Briefwechsel mit Auguste Tissot (1754–77), ibid. 1977; Sonntag, O. (Hg.), Weitere Briefwechsel mit Charles Bonnet (1754–77), ibid. 1983. Toe.
Halsted, William Steward (* 23. 9. 1852 New York, † 7. 9. 1922 Baltimore). Nach Stud. der Med. in New York und zweija¨hrigem Studienaufenthalt in Europa seit 1880 in New York ta¨tig in chir. Praxis, Lehre und Forschung. H. entdeckte die Leitungsana¨sthesie (1884) durch Injektion von Cocainlo¨sungen. Seit 1890 an der Johns Hopkins Medical School in Baltimore; 1892 Prof. der Chir. H. vervollkommnete das asept. Regime durch Einfu¨hrung von Gummihandschuhen (1890). Die Betonung des Zusammenhangs 153
Haly Abbas
zwischen Physiol. und Chir. sowie ein durch H. eingefu¨hrtes Ausbildungssystem waren von nachhaltigem Einfluß Nk. auf die Chir. in den USA. Haly Abbas. ‘Alı¯ ibn al-‘Abba¯s alMagˇu¯sı¯ (um die Mitte des 10. Jh.). Arzt beim Buyidenherrscher ‘Adud ˙ ad-Daula (949–982). Sein Hauptwerk tra¨gt den Titel Ka¯mil as-sina¯‘a at˙ ˙ ˙ als „Liber tibbı¯ya, in der lat. Scholastik ˙regius“ verbreitet. Von ! Constantinus Africanus wurde es als Liber pantegni in die Schule von Salerno eingefu¨hrt. Das Werk kam bereits 1492 zu Venedig in den Druck, ein zweites Mal, mit lexikal. Erla¨uterungen, 1523 in Lyon. Unter Berufung auf antike Quellen wie ! Hippokrates, ! Galen, ! Oreibasios und ! Paulos sowie unter kritischer Abgrenzung gegen arab. Autorita¨ten verspricht H. „ein vollkommenes Buch u¨ber die Kunst der Med.“, das sowohl die „Bewahrung der Gesundheit“ als auch die „Wiederherstellung der Kranken“ enthalten sollte. Berichtet wird erstmals u¨ber die klin. Ausbildung in Akad. und Spita¨lern, ferner u¨ber die Lebensbedingungen der Patienten, die Begleitung der Schu¨ler durch ihre Lehrer, die Beobachtung der Krankheitsverla¨ufe, nicht zuletzt u¨ber die nachfolgende Lektu¨re der Autorita¨ten. Hierbei hatten geschulte Grammatiker zu assistieren, die auf korrekte Textinterpretation und eine saubere Aussprache zu achten hatten. Neben der „ratio“ wird besonderer Wert auf das „experimentum“ gelegt, wenngleich die Spekulation durchweg u¨berwiegt. Das „Ko¨nigliche Buch“ des H. galt lange als die arab. Grundschrift der Heilkunde, ehe es vom Canon medicinae des Avicenna verdra¨ngt wurde. 154
Werk: ‘Alı¯ ibn al-‘Abba¯s al-Magˇu¯sı¯, Ka¯mil as-sina¯‘a at-tibbı¯ya (al Kita¯b al-Malakı¯), ˙¯ la ˙¯q 1294.˙ ˙ Bu Schi.
Hansen, Gerhard Henrik Armauer (* 29. 4. 1841 Bergen, † 12. 2. 1912 Bergen). Der Norweger H. markiert mit seiner Entdeckung des Mycobacterium leprae (Hansens Bazillus) im Jahre 1873 den Beginn der Bakteriol. Seine Kultivierungsversuche mit dem reaktionstra¨gen Erreger schlugen indessen ¨ berfehl. Auch ethisch problemat. U tragungsversuche mit dem Erreger wurden von seinem Entdecker durchgefu¨hrt. H. hat sich zeitlebens fu¨r die Leprafu¨rsorge in Norwegen eingesetzt. Das Norwegische Lepragesetz (1877/85) und mit ihm der schnelle Ru¨ckgang der Krankheit in seinem Land gehen auf ihn zuru¨ck. H.s wichtige Rolle bei der Verbreitung des Darwinismus in Norwegen ist wenig bekannt. Werk: Undersøgelser angaaende Spedalskhedens Aarsager, 1874; On the Etiology of Leprosy, 1875; Bacillus leprae, 1880. Eck.
Hartmann, Adele (* 9. 1. 1881 NeuUlm, † 15. 12. 1937 Mu¨nchen). Seit 1906 Med.stud. in Mu¨nchen, das sie nach 10 Semestern mit sehr gutem Erfolg abschließt, 1912 appr., 1913 summa cum laude prom. bei S. Mollier in Mu¨nchen mit der Diss. Zur Entwicklung der Bindegewebsknochen. 1913–22 Ass. an der Anat. Anstalt in Mu¨nchen. Am 27. 11. 1918 als erste Frau u¨berhaupt in Deutschland habil. mit der Monographie Die Entstehung der ersten Gefa¨ßbahnen bei Embryonen urodeler Amphibien bis zur Ru¨ckbildung
Harvey, William
des Dotterkreislaufes (noch bevor durch die Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 die Habil. von Frauen grundsa¨tzlich ermo¨glicht wurde); 1919 Priv.doz. fu¨r Anat., seit 1920 im Beamtenverha¨ltnis, seit 1923 auf einer gehobenen Ass.stelle. 1924 ao. Prof.; seit 1932 Konservatorin der Anat. Anstalt mit zusa¨tzl. Lehrta¨tigkeit an der Kunstakad. Mu¨nchen (Anat. fu¨r Kunststudenten). Die Schwerpunkte ihrer zahlreichen wiss. Arbeiten lagen auf dem Gebiet der embryonalen Entwicklung von Amphibien und der Anat. menschl. Organe, bes. der Milz. Eine bes. Hochschulkarriere hat A.H. nicht gemacht, da sie sich von Mu¨nchen nicht trenWil. nen wollte. Harvey, William (* 1. 4. 1578 Folkestone/Kent, † 3. 6. 1657 London oder Roehampton). 1593–99 Stud. in Cambridge, 1599– 1602 in Padua, Med. Prom. 1602 in Padua, seit 1604 prakt. Arzt in London, 1607 Mitglied des Royal College of Physicians, 1609 Arzt am St. Bartholomew Hospital, 1615 Lumleian lecturer des Royal College, 1618 Leibarzt Ko¨nig Jakobs I., 1625 Ko¨nig Karls I., 1636 Teilnahme an einer Gesandtschaft zu Kaiser Ferdinand II. in Regensburg mit Abstecher nach Italien, nach Ausbruch des Bu¨rgerkrieges 1642 in engem Kontakt zu Karl I. in Oxford bis zu dessen Gefangennahme 1646, Ru¨ckkehr nach London und Wiederaufnahme einer bescheidenen Praxis, 1657 Tod durch Schlaganfall. H. wurde beru¨hmt durch die Entdekkung des Blutkreislaufes. Aristotelisch beeinflußt, ging H. von einer go¨ttlich geschaffenen, immanent aktiven, le-
benden Materie aus, die sich beim Menschen prima¨r im Blut manifestiere. Aus dieser monist., vitalist. Konzeption la¨ßt sich H.s Methodol. ableiten: die Hinwendung zu Beobachtung, Experiment und Neubenennung der Dinge der Natur unter Ablehnung okkulter Instanzen (spiritus) zwischen Gott und lebender Materie. Zwischen den anat. Vorl. von 1616 und der Vero¨ffentlichung von De motu cordis 1628 gelang H. die Aufkla¨rung des großen Blutkreislaufes. Er ging von Untersuchungen zum Herzschlagvolumen aus, die es nahelegten, daß eine große Menge Blut von der Vena cava zur Aorta fließen mußte. Als brauchbare Lo¨sung des Problems bot sich nur ein zentripetaler Blutfluß in den Venen an, der in der ! galenist. Med. geleugnet wurde. An dieser Stelle griff H. die zeitgeno¨ssisch be-
William Harvey (1578–1657) 155
Hata, Sahachiro
liebte Kreislauf-Metapher auf und formulierte so sein radikal neues Konzept des Blutkreislaufes vom linken Herzen u¨ber die Arterien und Venen zum rechten Herzen. Die experimentelle Besta¨tigung gelang durch Vivisektionen verschiedener Tiere, vor allem Ausblutungs- und Abbindungsversuche. In De generatione animalium (1651) faßte H. die Ergebnisse seiner embryol. Untersuchungen zusammen. Der Zeugungsvorgang bestand nach H. ¨ bertragung einer immateaus der U riellen „Fruchtbarkeit“ des Samens auf die mu¨tterl. Materie. Der Embryo entwickle sich dann autonom u¨ber das Zwischenstadium „Ei“, wobei die Organe in definierter Reihenfolge aus dem urspru¨ngl. Blutstropfen in Erscheinung traten. Diese Konzeption der „Epigenesis“ setzte sich nach H. zuna¨chst nicht gegen die Pra¨formationslehre durch. Dagegen wurde H.s Entdeckung des Blutkreislaufes trotz anfa¨ngl. Kritik bald akzeptiert und zur Grundlage der neuen mechan. und chem. Med.konzepte. Werk: Exercitatio Anatomica de Motu Cordis et Sanguinis in Animalibus, Frankfurt/ Main 1628 (dt.: To¨ply, R. Ritter v., Die Bewegung des Herzens und des Blutes 1628, Leipzig 1910; engl.: Whitteridge, G., Oxford 1976); Exercitatio Anatomica de Circulatione Sanguinis, Ad Joannem Riolanum, Cambridge 1649 (engl.: Franklin, K.J., Oxford 1958); Exercitationes de Generatione Animalium, London 1651 (engl.: Whitte¨ bers.), ridge, G., Oxford 1981); Willis, R. (U The works of W.H., London 1847; Whitte¨ bers.), Prelectiones Anaridge, G. (Hg. u. U tomicae Universalis (Ms., 1616) und De Musculis (Ms., 1619), ibid. 1964; dies. ¨ bers.), De Motu Locali Animalium (Hg. u. U (Ms., 1627), Cambridge 1959; vgl.: Keynes, G., A bibliography of the writings of Dr. Bro¨. W.H., Winchester 31989. 156
Hata, Sahachiro (* 23. 3. 1873 Tsumo, Ken Shimane/Japan, † 22. 11. 1938 Tokio). H. wandte sich nach Abschluß des Med.stud. 1896 und Ass.zeit an der Univ.klinik in Okayama der mikrobiol. Forschung an ! Kitasatos Inst. fu¨r Infektionskrankheiten in Tokio zu. 1907–08 arbeitete er in Berlin bei ! v. Wassermann und 1909–10 bei ! Ehrlich in Frankfurt a.M., mit dem er zusammen das Salvarsan zur Syphilistherapie entwickelte. Nach Japan zuru¨ckgekehrt, ging er wieder an das Inst. fu¨r Infektionskrankheiten in Tokio. Wa¨hrend des Ersten Weltkriegs baute H. in Japan die Salvarsanproduktion auf. 1920 wurde er Prof. fu¨r Mikrobiol. an der med. Fak. der Keio-Univ. in Tokio und 1922 Mitglied des Zentral-Gesundheitskomitees des jap. Innenministeriums. Sa. Head, Henry (* 5. 8. 1861 London, † 9. 10. 1940 Hartley Court). H. verbrachte nach dem Stud. in Cambridge zuna¨chst 2 Jahre bei dem Physiol. E. Hering in Prag mit Untersuchungen zur Physiol. der Atmung. 1890 prom. er mit einer Arbeit u¨ber hypersensible Hautzonen bei verschiedenen Erkrankungen der Bauchorgane („Headsche Zonen“) und befaßte sich auch in der Folgezeit mit der Sensibilita¨t bzw. deren Sto¨rungen. H. wirkte als klin. Neurologe in London und vertrat neben Marie, ! Goldstein, Monakow u.a. eine holistische Richtung, die psych. Qualita¨ten wie z.B. Sprache nicht auf eine Analyse sensomotorischer Vorga¨nge in einzelnen Hirnregionen reduzieren wollte. Statt dessen nahm H. eine klin.-psychol. Einteilung der Aphasien (verbal, syntakt., nominal, semant.)
Hebra, Ferdinand von
vor, die aber nicht mit der anat. Lokalisation u¨bereinstimmte. Durch seine Einfu¨hrung psychol. Testverfahren in die Untersuchung der Aphasie machte H. jedoch klar, daß die Neurol. der ho¨heren Hirnfunktionen auf fundierte psychol. Kenntnisse als diagnost. Hilfsmittel nicht verzichten Hg. konnte. Heberden, William (* 1710 London, † 17. 5. 1801 London). Stud. und Lehrta¨tigkeit in Cambridge. H. geho¨rte zu den bekanntesten und ¨ rzten des bedeutendsten Londoner A 18. Jh. 1802 erschien die Summe seiner a¨rztl. Beobachtungen Commentarii de morborum historia et curatione, spa¨ter Commentaries on the History and Cure of Diseases. Die Methodik steht in der Trad. des engl. Empirismus, der Analyse zusammengesetzter Erscheinungen und induktiver Schlu¨sse. Sie ha¨lt sich von Theorien frei und fu¨hrt zu genauen Beschreibungen, die bis heute ihre inhaltl. und formal-didakt. Gu¨ltigkeit bewahrt haben. Am bekanntesten ist die klassische Beschreibung der Angina pectoris in einem Vortrag im Royal College of Physicians in London am 21. Juli 1768: „Es gibt eine Brustkrankheit, die durch heftige und eigentu¨mliche Symptome gekennzeichnet ist. Sie ist bemerkenswert wegen der mit ihr verbundenen Gefahr und gar nicht so außerordentlich selten... Ihr Sitz und das mit ihr verbundene Gefu¨hl des Erwu¨rgtwerdens (strangling) und der Angst mo¨gen zutreffend als Angina pectoris bezeichnet werden.“ Heberden beobachtete etwa 100 Krankheitsverla¨ufe und fand bei Sektionen auch die typ. Verkalkungen der Aorta und ihrer Klappen.
Als erster beschrieb H. die erbsgroßen harten Kno¨tchen neben den Fingerendgelenken (Polyarthrose) und grenzte sie als nichtentzu¨ndlich von den Gichtknoten und Schwellungen der chron. Polyarthritis ab. Er erkannte deren gutartigen Charakter. Auch beschrieb H. den Zusammenhang von Pharyngitis, Arthritis und Veitstanz, die heute nach ! Scho¨nlein-Henoch benannte anaphylakt. Purpura, den Zusammenhang von Nierensteinen und Infektionen der Harnwege, Schu¨ttelfro¨ste nach Gallenkolik, Nachtblindheit, Bradykardie bei Gelbsucht. Mit Benjamin Franklin, der ihn wegen seiner Blasensteine konsultiert hatte, verfaßte er einen Bericht u¨ber die Erfolge der Kuhpockenimpfung in England und Amerika. Werk: Some Account of the Success of Inoculation for the Small-pox in England and America (mit Franklin, B.), London 1759; A Letter from Dr. Wall to Dr. H., Med. Trans. 3 (1785), 12–24; Some Account of a Disorder of the Breast, Med. Trans. 2 (1786), 59– 67; Commentaries on The History and Cure of Diseases, London 1802. Ht.
Hebra, Ferdinand von (* 7. 9. 1816 Bru¨nn, † 5. 8. 1880 Wien). Außerehel. Sohn eines Milita¨rbeamten, der ihn spa¨ter adoptierte. Gymnasium in Judenburg/Steiermark und Graz, Stud. der Med. in Wien. Nach seiner Prom. war er kurzfristig am Inst. fu¨r Staatsarzneikunde (heute gerichtl. Med.) ta¨tig. Schließlich wechselte er an die Med. Klinik ! J. Skodas. An dieser gab es einen eigenen Raum, in dem Patienten mit Hautausschla¨gen untergebracht waren. Hebra zeigte an diesen „Krankheitssymptomen“ besonderes Interesse. Skoda u¨berließ H. daraufhin die „Kra¨tzesta157
Hegar, Alfred
tion“ und gab ihm somit die Anregung, sich mit „Hauterscheinungen“ zu bescha¨ftigen. Auf der Basis des bei Skoda erlernten kritisch-beobachtenden Denkens, einem Merkmal der Denkweise der zweiten Wiener Schule, entwickelte H. zuna¨chst eine Klassifizierung von Hautkrankheiten. In seiner ersten Ar¨ ber die Kra¨tze bewies H., daß beit U diese Krankheit durch Kra¨tzmilben hervorgerufen wurde und daß sie durch Entfernung der Milbe und deren Eier heilbar wa¨re. H.s Theorien riefen großes Interesse hervor, und er konnte die Grundlage fu¨r das Versta¨ndnis von „Ausschla¨gen“ als eigene Hautkrankheiten aufbauen. 1844 habil. er sich, ein Jahr spa¨ter wurde er zum „ordinierenden Arzt fu¨r Ausschlagskranke“ ernannt. 1848 wurde im Zuge einer liberaleren Univ.politik nach der Ma¨rzrevolution und auf Initiative der progressiven Professoren ! Rokitansky und Skoda eine eigene Abt. fu¨r Hautkrankheiten eingerichet. 1869 wurde H. zum Prof. ernannt. Weiters entwickelte er das Wasserbett, das bei Verbrennungen und schweren Hautkrankheiten eingesetzt wurde. H. wird ha¨ufig als Neubegr. der Dermatol. bezeichnet. ¨ ber die Kra¨tze, Wien 1844; Atlas Werk: U der Hautkrankheiten, ibid. 1845. Ho.
Hegar, Alfred (* 6. 1. 1830 Bessungen, † 5. 8. 1914 Oberried). Med.-stud. in Gießen, Heidelberg, Berlin und Wien, hier Prom. 1852. Zuna¨chst praktischer Arzt und Geburtshelfer in Darmstadt. Wiss. Arbeiten u¨ber die Plazenta, die Krankheiten des Fo¨tus sowie u¨ber operative Gyna¨kol. 1864 Berufung zum Prof. fu¨r 158
Geburtshilfe als Nachfolger von O. Spiegelberg nach Freiburg i.B., wo er bis 1904 als Ord. wirkte. H. geho¨rt zu den Mitbegru¨ndern der mod. operativen Gyna¨kol. Mit der konsequenten Anwendung antisept. und asept. Meth. in Geburtshilfe und Gyna¨kol. erreichte H. bedeutsame Erfolge bei der Beka¨mpfung des Kindbettfiebers und in der operativen Therapie. Mit seinem Namen sind die H.-Stifte zur Dilatation des Uterushalskanals, der H.sche Nadelhalter sowie in der Geburtshilfe die H.schen Zeichen der Fru¨hschwangerschaft verbunden. Zahlreiche Arbeiten zu geburtshilfl. Themen und zur Vervollkommnung von gyna¨kol. Operationsmethoden. Mit seinem Schu¨ler R. Kaltenbach verfaßte er das erste Lb. der operativen Gyna¨kol. Im Rahmen seiner sozialgyna¨kol. Studien wandte er sich auch eugen. Fragestellungen in der Gyna¨kol. zu. In der Gesellschaft fu¨r Rassenhyg., deren Ehrenmitglied er war, geho¨rte er zu den entschiedensten Vertretern rassenhyg. Gedankengutes. Werk: Operative Gyna¨kologie (mit Kaltenbach, R.), Stuttgart 1874; Zur gyna¨kologischen Diagnostik, 1876; Der Geschlechtstrieb, eine social-medicinische Studie, Stuttgart 1894. Schn.
Heinrich von Mondeville (* ca. 1260, † nach 1325). Stammte wahrscheinlich aus Emondeville (De´partement Manche), wurde in Paris in der Chir. ausgebildet und diente ab 1298 als ko¨nigl. Leibchir. H. v. M. lehrte Med., Anat. und Chir. in Montpellier und ab 1306 in Paris. Aus dieser Unterrichtsta¨tigkeit heraus entstand sein Werk Chirurgia.
Hellpach, Willy Hugo
Von den fu¨nf konzipierten Teilen konnte er bis zu seinem Tode nur die Anat. und die Wundbehandlung abschließen. H. v. M. erkannte die Vorteile einer eiterlosen Wundbehandlung, verbesserte die Meth. zur Blutstillung, der Fremdko¨rperentfernung und der Verbandstechnik und benutzte fu¨r anat. Demonstrationen einen ku¨nstl. Scha¨del und Schautafeln, die er zu einer 13-Bilder-Serie aus a¨lteren Vorlagen entwickelte. Inhaltlich spiegelt das Chirurgia-Fragment gediegenes Fachwissen wider, das reichlich mit Eigenerfahrung durchsetzt ist, u¨ber den kasuist. Bereich hinausgreift, auf Soziologisches eingeht und den gesellschaftl. Hintergrund miteinbezieht. Seine weitschweifigen, der scholast. Meth. verpflichteten Distinktionen verleihen dem Torso etwas Schwerfa¨lliges. Da er nie gedruckt wurde, blieb ihm eine gro¨ßere Wirkung versagt. Auch in der landessprachl. Rezeption sind lediglich Versatzstu¨cke belegt. Zi.
Heinroth, Johann Christian August (* 17. 1. 1773 Leipzig, † 26. 10. 1843 Leipzig). Geb. als Sohn eines Chir., Stud.beginn 1791, Prom. zum Dr. med. 1805. 1811 (erster dt.) ao. Prof. fu¨r psych. Therapie, 1819 (erster dt.) o. Prof. fu¨r psych. Heilkunde. H. verstarb am 26. 10. 1843 in Leipzig. H. versuchte die Psychiatrie anthropol. zu fundieren. Der Leib war fu¨r ihn – letztlich wesensgleiches – Organ der Seele. Der rigide moral. Charakter seiner theozentr. Menschenlehre fu¨hrte allerdings dazu, daß er psych. Krankheit in bedenkl. Weise Bz. als „Su¨nde“ betrachtete.
Heister, Lorenz (* 19. 9. 1683 Frankfurt/Main, † 18. 4. 1758 Bornum). Einer der bedeutendsten Chir. des 18. Jh. Stud. in Gießen, Amsterdam, Leiden und Harderwyk, wo er 1708 prom. wurde. Zu seinen Lehrern geho¨ren G. Chr. Mo¨ller, ! G. Bidloo, F. Ruysch, ! H. Boerhaave und B. Albinus sen. Als Feldarzt in holla¨nd. Diensten erwarb er prakt. Erfahrung in der Wundarznei und fu¨hrte auch Obduktionen durch. Ab 1709 hielt er in Amsterdam Anat.vorl., wurde aber bereits kurze Zeit spa¨ter nach Altdorf berufen, wo er als Prof. fu¨r Anat., Chir., theoret. und prakt. Med. wirkte. 1719 erschien in Nu¨rnberg sein beru¨hmtes Werk Institutiones chirurgicae, das bald ins Dt. und in andere Sprachen u¨bers. wurde und mehrere Aufl. erlebte. 1720 wurde er an die Univ. Helmstedt berufen, wo er bis zu seinem Tod nicht nur Anat. und Chir., sondern auch Botanik unterrichtete. H. trug eine bedeutende botan. und anat. Lehrsammlung zusammen und verfu¨gte u¨ber eine ungewo¨hnlich große Privatbibliothek (ca. 12000 Bd.). Er besaß auch eine umfangreiche Sammlung von chir. Instrumenten. H. war ein wichtiger Schrittmacher der wiss. Chir. in Deutschland. Die landessprachl. ¨ bers. seiner Lehrbu¨cher richteten U sich insbes. an die noch handwerkl. ausgebildeten Wunda¨rzte, HebamJu¨. men und Geburtshelfer. Hellpach, Willy Hugo (* 26. 2. 1877 Oels, † 6. 7. 1955 Heidelberg). Psychologe, Politiker. Ab 1895 Stud. der Med. und Psychol. in Greifswald und Leipzig (Dr. phil. in Leipzig 1900, Dr. med. in Heidelberg 1903), 1906 habil. fu¨r Psychol. in Karlsruhe. 159
Helmholtz, Hermann Julius Ferdinand von
Wissenschaft, Journalismus und Politik waren bei H. eine Einheit. Durch die Interdisziplinarita¨t Leipzigs (K. Lamprecht, ! W. Wundt) gepra¨gt, wurde H. durch teils popula¨re Schriften zu den Grenzbereichen der Psychol. bekannt. In Nervenleben und Weltanschauung (1906) und Geophysische Erscheinungen (1911) lieferte er Beitr. zu Sozial- und Umweltpsychol. H., der im Ersten Weltkrieg u¨ber Kriegsneurosen arbeitete (Kriegsneurasthenien, 1919), wurde durch das Kriegserlebnis zum Politiker. Ab 1919 Mitglied der DDP, vertrat er diese u.a. als bad. Unterrichtsminister (1922–25), bad. Staatspra¨sident (1924), Kandidat fu¨r die Reichspra¨sidentenwahl (1925) und MdR (1928– 30). Vom parlamentar. System entta¨uscht, zog H. sich 1930 aus der Parteipolitik zuru¨ck, blieb aber als polit. Publizist aktiv. Als Prof. fu¨r Psychol. in Heidelberg (ab 1930) arbeitete er im weiteren Feld der Kulturpsychol. (Einfu¨hrung in die Vo¨lkerpsychologie, 1939; Kulturpsychologie, 1953). Werk: Wirken in Wirren, Lebenserinnerungen 1877–1925, 2 Bd., Hamburg 1948– 49; Fu¨hr, C. (Hg.), Hellpach-Memoiren 1925–1945, Ko¨ln 1987. Gr.
Helmholtz, Hermann Julius Ferdinand von (seit 1883) (* 31. 8. 1821 Potsdam, † 8. 9. 1894 Charlottenburg). Wintersemester 1838/39 Eleve des Kgl. Med.-Chir. Friedrich-Wilhelms-Inst. Berlin (Pe´pinie`re); mu¨ndl. Examen im Juni 1842; 1842/43 Unterchir. an der Charite´ in Berlin; 2. Nov. 1842 Dr. med., Berlin; 1843–48 Escadronchir. und Milita¨rarzt in Potsdam; Febr. 1846 Staatspru¨fung als Arzt und Wundarzt am Friedrich-Wil160
Hermann von Helmholtz (1821–1894)
helms-Inst., Berlin; 1848 Lehrer der Anat. an der Kunstakad. und Gehilfe der Anatomisch-Zootomischen Sammlung Berlin; 1849 etatma¨ßiger ao. Prof. fu¨r Physiol. und Pathol. Ko¨nigsberg; 1852 o. Prof. Ko¨nigsberg; 1855 o. Prof. fu¨r Physiol. und Anat. Bonn; 1858 o. Prof. und Dir. des Physiol. Inst. Heidelberg; Sommersemester 1871 o. Prof. fu¨r Physik Berlin; 1887 Pra¨sident der Physikal.-Techn. Reichsanstalt Charlottenburg. Das Forschungsgebiet von H. erstreckte sich von der Math. und Physik u¨ber die Physiol. und Psychol. bis hin zur Musik und Phil.; zur Formulierung des Energieerhaltungsgesetzes fu¨hrten ihn 1847, unabha¨ngig von ! J.R. Mayer, Untersuchungen zu Stoffwechsel und Wa¨rmeentwicklung bei Muskelta¨tigkeit. Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit gelang ihm 1852. Zur ophthalmol. Diagnostik und Physiol. trug H. durch die Erfin-
Helmont, Johann Baptist van
dung des Augenspiegels, die Konstruktion des Farbenmischapparates (additive Farbmischung) und die Erkla¨rung der Nahanpassung des Auges (H. Theorie) bei. In der Physik bestimmte H. zuerst die Wellenla¨nge des UV-Lichts und (mit Abbe) die Leistungsgrenzen des Lichtmikroskops. Zeitgleich forschte er in der Akustik (Luftschwingungen in offenen Ro¨hren). Arbeiten zur Hydrodynamik, zur Theorie der Elektrodynamik und zur Thermodynamik (1. Hauptsatz der T.) schlossen sich an. H. wurde durch seine math. ausgearbeiteten Untersuchungen u¨ber klimat.-physikal. Naturpha¨nomene zum Begr. der wiss. Meteorol. Seine erkenntnistheoret. Arbeiten widmete H. den phil. Konsequenzen des naturwiss. Erkenntniszuwachses. Werk: (Sammelwerke:) Wissenschaftliche Abhandlungen von H.v.H., 3 Bd., Leipzig 1882; Popula¨re wissenschaftliche Vortra¨ge, 3 Bd., Braunschweig 1865–76; Vortra¨ge und Reden, 2 Bd., Braunschweig 1884; ¨ ber die Erhaltung der (Monographien:) U Kraft, Berlin 1847; Handbuch der physiologischen Optik, 3 Bd., Leipzig 1856–67; Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage fu¨r die Theorie der Musik, Braunschweig 1863; Vorlesungen u¨ber die elektromagnetische Theorie des Lichts, hg. v. A. Ko¨nig u. C. Runge, Hamburg 1897; Vorlesungen u¨ber theoretische Physik, 6 Bd., Leipzig 1897–1907; Dokumente zur Erfindung des Augenspiegels durch H.v.H. im Jahre 1950, hg. v. E. Egelking, Mu¨nchen 1950. Eck.
Helmont, Johann Baptist van (* 12. 1. 1579 Bru¨ssel, † vor dem 30.12.1644 Bru¨ssel). H., aus fla¨m. Landadel stammend, stud. zuna¨chst Phil. und wandte sich dann dem Stud. der Med. in Lo¨wen zu, wo er 1599 zum Dr. med. prom.
Johann Baptist van Helmont (1579–1644)
Nach dem Stud. begab sich H. auf Reisen, die ihn 1602 und 1604 auch nach London fu¨hrten. Nach seiner Ru¨ckkehr lebte er in Villevorde bei Bru¨ssel als Privatgelehrter mit eigenem Laboratorium. In vielerlei wiss. Querelen verstrickt, in die er einige Bemerkungen gegen die Societas Jesu hatte einfließen lassen, erfolgte 1625 die Verurteilung durch die Inquisition zu Hausarrest unter Aufsicht bis zum Jahre 1636. Da sich das Inquisitionsverfahren jedoch bis 1642 hinzog, konnte H. nur wenige Ergebnisse seiner wiss. Untersuchungen vero¨ffentlichen. Eine erste Sammlung der fru¨hen Schriften kam 1659 in fla¨m. Sprache unter dem Titel Dageraat zu Amsterdam heraus, gefolgt von dem umfa¨ngl. lat. Gesamtwerk, das sein Sohn Fran161
Henle, Friedrich Gustav Jakob
ziscus Mercurius van Helmont (1614– 99) 1648 als Ortus medicinae in Amsterdam zu Druck gebracht hatte. Unter der Leitung von Christian Knorr von Rosenroth (1636–89) wurde der Ortus ins Dt. u¨bers. und erschien 1683 unter dem Titel Aufgang der Artzey-Kunst in Sulzbach. Van Helmont gilt als der Begr. der pneumat. Chemie, der vor allem auf Robert Boyle (1627–91) entscheidenden Einfluß ausu¨bte. H. forderte, Stoffe wie Luft oder Wasserdampf von solchen Da¨mpfen zu unterscheiden, die durch Verbrennung erzeugt werden. Seine Beobachtung, daß Kohle beim Erhitzen in einem verschlossenen Gefa¨ß in Schwaden aufging und aktive Ausdehnungskra¨fte entwickelte, fu¨hrte zu H.s Begriffpra¨gung „Gas“. Obgleich eng neuplaton. Ideen verbunden, wies H. im Anschluß an Francis Bacon (1561–1626) immer wieder auf die entscheidende Rolle des Experiments in der Naturwiss. hin. Sein „Versuch mit dem Weidenbaum“ ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß H. Ausgangsstoffe und Endprodukte bei chem. Prozessen M.-J. wog. Henle, Friedrich Gustav Jakob (* 19. 7. 1809 Fu¨rth, † 13. 5. 1885 Go¨ttingen). Aufgewachsen als a¨ltestes Kind eines ju¨d. Kaufmanns in Fu¨rth, Mainz und Koblenz, mit der Familie 1821 zum evangel. Glauben u¨bergetreten. 1827 begann H. in Bonn mit dem Med.stud., das er nach einem Zwischenaufenthalt in Heidelberg 1830– 31 mit der Prom. De membrana pupillari ... unter ! Joh. Mu¨ller 1832 abschloß. Nach Staatsexamen wurde er 1834 Prosektor bei Mu¨ller, der inzwi162
schen nach Berlin berufen worden war. H. habil. 1837 mit der Arbeit Symbolae ad anatomiam villorum intestinalium und wurde 1840 als o. Prof. fu¨r Anat. und Physiol. nach Zu¨rich berufen. 1844 ging er mit dem Kliniker und Freund ! Karl Pfeufer nach Heidelberg und 1852 folgte er einem Ruf als o. Prof. fu¨r Anat. nach Go¨ttingen, wo er 1858 die Nachfolge Mu¨llers nach Berlin ablehnte. H. war ein Vertreter jener Generation zwischen der dt. Naturphil. um 1800 und der streng naturwiss. Physiol. ab 1850. Er lehnte zwar jede deduktionist. Spekulation ab, gestand aber organ. Prozessen eine Eigensta¨ndigkeit zu. H. beharrte auf dem meth. Forschungsansatz einer physiol. Pathol., die vom Krankenbett aus die Ergru¨ndung der Krankheitspha¨nomene anzustreben habe. Ausdruck hierfu¨r war die mit K. Pfeufer gegr. und hg. Zeitschrift fu¨r rationelle Medizin. Die 1840 in den Pathologischen Untersuchungen vero¨ffentlichte Schrift Von den Miasmen und Contagien sollte fu¨r die spa¨tere Bakteriol. bedeutsam werden. Mit der fortschreitenden disziplina¨ren Trennung von Anat. und Phyiol., die sich in der spezifisch exp. Technik der physikal.-chem. Physiol. um ! Du Bois-Reymond und Liebig manifestierte, verstand sich H. immer mehr als reiner Anatom. Seine mikroskop. Bearbeitung der Bichatschen Gewebelehre begru¨ndete die mod. Histol. H.s morphol. Ansatz war durch ein naturhist. Beobachten und Vergleichen bestimmt, dem sich die Erstbeschreibungen der Darmepithelien, der inneren Haarwurzelscheiden, der gefensterten Gefa¨ßmembran oder der H.schen Schleife der Nierenkana¨lchen verdanken.
Herophilos
Jakob Henle (1809–1885)
H. fu¨hrte schon in Berlin das Mikroskop als diagnost. Instrument in die Lehre ein, indem er offene Untersuchungskurse durchfu¨hrte. In der mikroskop. Technik, die H. ausfu¨hrlich in der Allgemeinen Anatomie (1841) darstellte, sah er die Mo¨glichkeit einer Demokratisierung der Wiss. H.s erste Ehe bzw. das Bildungsexperiment, dem er die Zu¨richer Na¨herin Elise Egloff unterwarf, ging in die zeitgeno¨ssische Lit. ein (vgl. B. Auerbach, Die Frau Professorin, und G. Keller, Regine, im Novellenzyklus Das Sinngedicht). Werk: Pathologische Untersuchungen, Berlin 1840; Allgemeine Anatomie, Leipzig 1841; Handbuch der rationellen Pathologie, Braunschweig 1846–53; Systematische Anatomie, ibid. 31871–79; Hoepke, H. (Hg.), Briefe und Briefwechsel, Heidelb. Jb. 5 (1961); 7 (1963); 8 (1964); Sud.Arch., Beih. 11 (1970). He.
Herbst, Curt Alfred (* 29. 05. 1866 Meuselwitz, † 09. 05. 1946 Heidelberg). Embryol. Stud. der Zool. in Genf bei C. Vogt 1886-1887, danach in Jena u.a. bei E. Haeckel. Prom. 1889 bei A. Lang. In Jena lernt H. ! H. Driesch kennen, die Beiden unternehmen in der Folge zw. 1889 u. 1901 etliche Forschungsreisen u.a. nach Ceylon, ¨ gypten. PD der Zool. 1901 in Java, A Heidelberg. 1919 Nachfolger O. Bu¨tschlis auf dem Lehrstuhl fu¨r Zool. in Heidelberg. Seit 1891 Forsch. zur Embryonalentwicklung v.a. an Seeigeln. H. fand eine sichere Methode durch Entzug von Calcium aus Meerwasser Blastomeren ohne Zersto¨rung der einzelnen Zellen zu trennen. Auch gelang es ihm, den Einfluß von Ionen auf die Morphogenese nachzuweisen. Dies war die Grundlage seiner Theor. der Auslo¨sung, die besagt, daß intraembryonale Reize und Umweltstimuli Entwicklungspotenzen im Embryo freisetzen. H. geho¨rt zu den Begru¨ndern der chem. Embryol. Werk: Formative Reize in der tierischen Ontogenese. Ein Beitrag zum Versta¨ndnis der tierischen Embryonalentwicklung, Leipzig 1901. Fg.
Herophilos (* ca. 330/20 v.Chr. Chalkedon, † ca. 260/50 v.Chr.). Griech. Arzt. Lehrer des H. war Praxagoras von Kos (4. Jh. v.Chr.), die Insel des ! Hippokrates geho¨rte zum Einflußbereich der Ptolemaier; Ptolemaios II. (s.u.) war dort 309 v. Chr. geboren. Mo¨glicherweise war H. zeitweise auch in Athen; Wirkungssta¨tte des H. war das fru¨hhellenist. Alexandreia, wo wahrscheinlich auch ! Erasistratos ta¨tig war. H. teilte die Med. in die 163
Herophilos
Kenntnis der Gesundheit, der Krankheit und der Dinge, die zu keinem von beidem geho¨ren (d.h. der a¨rztl. Maßnahmen und der Heilmittel). Anders als Erasistratos hing H. der Viersa¨ftelehre an. Die spa¨tere Doxographie reihte H. unter die logikoi, ¨ rzte, die kausale d.h. „rationalist.“ A Theorien aufstellten; hierbei ging H. aus von den phainomena, denen er durch empeiria („Erfahrung“ bzw. „Beobachtung“) nachspu¨rte. Die Pharmaka bezeichnete H. nach einem bekannten Wort als „Ha¨nde der Go¨tter“ (theon cheires). Hervorzuheben sind die anat. Untersuchungen des H.: Er erforschte das Gehirn, entdeckte den Unterschied zwischen sensorischen und motorischen Nerven, benannte das Duodenun, beschrieb erstmals korrekt die menschl. Leber und die ma¨nnl. und weibl. Fortpflanzungsorgane. H. o¨ff¨ rzte nete, anders als ! hippokrat. A vor ihm und nach ihm, systemat. menschl. Leichen und vollzog auch, so ! Celsus, Vivisektionen an zum Tode verurteilten Verbrechern. Bereits die Leicheno¨ffnung bedeutete einen Tabu-Bruch fu¨r die Griechen; diese Praxis war nur in einer hist. Ausnahmesituation, dem fru¨hhellenist. Alexandreia, einer „frontier city“, mo¨glich, was wahrscheinlich wiss.theoret. und kulturell-polit. Gru¨nde hatte. Zum einen stand H. in der Trad. des Aristoteles, dessen Phil. eine Sa¨kularisierung des Ko¨rpers bewirkte. Zum anderen wurde H. von den der Wiss. aufgeschlossenen Ptolemaiern gefo¨rdert, vermutlich von Ptolemaios I. Soter (323–283/82 v.Chr.), dem Gru¨nder der Bibliothek, und von seinem Sohn Ptolemaios II. Philadelphos 164
(283/82–246 v. Chr.), die ihm auch die Verbrecher fu¨r die Experimente u¨berließen. Die Ptolemaier brachen selbst ¨ gypgriech. Tabus, indem sie die in A ten u¨bliche Geschwisterehe vollzogen. Vielleicht wirkte auch der uralte Brauch der Mumifikation, obwohl er nichts mit Med. zu tun hatte, fo¨rdernd auf Leichensektionen ein. Die mit a¨rztl. Ethik nicht vereinbaren Vivisektionen von Menschen, ferner die Tatsache, daß ! Galen sie in seinen erhaltenen Schriften nicht erwa¨hnt, und einige Unstimmigkeiten hinsichtlich der anat.-physiol. Entdeckungen des H. haben in der mod. Forschung gelegentlich dazu gefu¨hrt, das Zeugnis des Celsus zu bestreiten. Mit dem Tod von H. und Erasistratos endeten die Leichensektionen, ohne bei den Griechen je wieder aufgenommen zu werden. Gru¨nde hierfu¨r waren wahrscheinlich das Erstarken religio¨ser Bedenken und der wachsende Einfluß genuin a¨gypt. Kultur in Alexandreia, außerdem die Entstehung einer neuen med. Denkrichtung: Ein abtru¨nniger Schu¨ler des H., Philinos von Kos, gru¨ndete Mitte 3. Jh. v.Chr. die Schule der Empiriker (Empeirikoi), die sich polem. gegen die Herophileer wandten und aus wiss.theoret. Gru¨nden Sektionen ablehnten. Hinzu kam, daß man sich nun der philol. Exegese der unter dem Namen des Hippokrates u¨berlieferten Schriften zuwandte. Die Werke des H. wurden im Hellenismus und z. T. wohl bis in die Spa¨tantike tradiert und benutzt, erhalten sind aber nur Fragmente. Sicher bezeugt sind folgende Schriftentitel: Anatomika, Peri sphygmon ¨ ber Pulse“), Maiotikon („Hebam(„U menkunst“), Diaitetikon, Therapeutika, Pros tas koinas doxas („Gegen all-
Heubner, Otto Johann Leonhard
gemeine Lehren“), wahrscheinlich ¨ ber Auauch Peri ophthalmon („U gen“), vielleicht auch ein Buch Pros to Hippokratous prognostikon („Gegen das Prognostikon des Hippokrates“). Galen scheint neben doxograph. Schriften der herophileischen Schule noch komplette Abhandlungen des H. gekannt zu haben. H. gilt heute als der erste und bedeutendste alexandrinische Vertreter der wiss. Med. Nachdem seine Leistung in der Antike durch rivalisierende Schulen und spa¨ter durch die Autorita¨t Galens verdunkelt gewesen war, wurde er in der Renaissance wieder hochgescha¨tzt und als „! Vesal der Antike“ angesehen. Eine nu¨chterne Einscha¨tzung der Bedeutung von Person und Werk des H. ist erst seit wenigen Jahren durch die neue magistrale Ausgabe der Fragmente (mit Kommentar) mo¨glich. Werk: Staden, H.v., Herophilus. The Art of Medicine in Early Alexandria, Edition, Translation and Essays, Cambridge 1989. Le.
Hertwig, Oscar Wilhelm August (* 21. 4. 1849 Friedberg/Hessen, † 25. 10. 1922 Berlin). Nach Stud. der Med. und Zool. 1875 Priv.doz. fu¨r Anat. und Entwicklungsgesch. Univ. Jena, 1878 ao. Prof., 1881 o. Prof. fu¨r Anat. Univ. Jena, 1888 o. Prof. fu¨r Anat. und Entwicklungsgesch. Univ. Berlin und bis 1921 Dir. des Anat.-biol. Inst. H. entdeckte den Befruchtungsvorgang (1875) und untersuchte die Beziehungen zwischen Zelltheorie und Vererbungslehre. Seine Kritik des Sozialdarwinismus stu¨tzte sich auf biologist. Argumente. Werk: Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte, Jena 1886/88, 101915; Allg. Biol., Nk. ibid. 1893/98, 71923.
Herxheimer, Karl (* 26. 6. 1861 Wiesbaden, † 6. 12. 1942 Theresienstadt). Med.stud. in Freiburg, Straßburg und Wu¨rzburg, Prom. 1885, Facharzt fu¨r Hautkrankheiten in Frankfurt a.M. 1887; Dir. der Sta¨dt. Hautklinik 1894; Ord. fu¨r Dermatol. an der Univ. Frankfurt a.M. 1914; Emerit. 1930; Herbst 1941 Deportation als Jude nach Theresienstadt, wo er 1942 starb. H. beschrieb 1902 die nach ihm und A. Jarisch benannte negative Reaktion, die bei der Syphilistherapie durch freiwerdende Toxine der zerfallenden Erreger (Treponemen) auftritt. Werk: Zusammen mit E. Hoffmann: Ueber eine bei Syphilitischen vorkommende Quecksilberreaktion, Dtsch. Med. Wschr. 28 (1902), 895–7. Bro¨.
Heubner, Otto Johann Leonhard (* 21. 1. 1843 Mu¨hltroff/Vogtland, † 17. 10. 1926 Loschwitz bei Dresden). Med.stud. in Leipzig, seit 1866 Ass. ! Wunderlichs, 1867 Diss. u¨ber prakt. Erfahrungen wa¨hrend einer Leipziger Choleraepidemie, 1868 Habil. fu¨r Innere Med., 1876 Leiter der Distriktspoliklinik in Leipzig. Nach der Gru¨ndung eines Ambulatoriums fu¨r kranke Kinder wurde 1891 das erste Kinderkrkh. in Leipzig ero¨ffnet, dessen Bau H. mit der finanziellen Unterstu¨tzung eines privaten Vereins betrieben hatte. Im gleichen Jahr wurde H. Prof. fu¨r Kinderheilkunde in Leipzig. 1894 nahm er den Ruf auf das erste dt. Ordinariat fu¨r Kinderheilkunde an der Berliner Charite´ an. Auch dort setzte er den Neubau einer Kinderklinik durch, die 1903 ero¨ffnet wurde. 1913 zog sich H. in den Ruhestand zuru¨ck. 165
Heubner, Wolfgang Otto Leonhard
rienzufuhr pro Gewichtseinheit mo¨glich wurde. 1909 beschrieb H. zusammen mit Herter erstmals die chron. Verdauungsinsuffizienz im Kindesalter, die heute als Zo¨liakie bezeichnet wird. ¨ ber eine Methode, den metalliWerk: U schen Percussionsschall mit großer Deutlichkeit zur Wahrnehmung zu bringen, ¨ ber Arch. d. Heilkd. 10 (1869), 326–8; U die Hirnerkrankung der Syphilitischen, ibid. 11 (1870), 272–300; Die luetischen Erkrankungen der Hirnarterien, Leipzig 1874; Zur Aetiologie und Diagnose der epidemischen Cerebrospinalmeningitis, Dtsch. Med. Wschr. 22 (1896), 423–4; Sa¨uglingserna¨hrung und Sa¨uglingsspita¨ler, Berlin 1897; Lehrbuch der Kinderheilkunde, Leip¨ ber schwere Verdauungsinzig 1903/6; U suffizienz beim Kinde, Jb. fu¨r Kinderheilkd. 1909. Bro¨. Otto Heubner (1843–1926)
Nach der Einfu¨hrung der „Sta¨bchenperkussion“ zur besseren Diagnostik des Pneumothorax (1869) beschrieb H. 1870 die Endarteriitis obliterans der Hirngefa¨ße bei Syphilis, noch heute H.sche Erkrankung genannt. Nach 1876 bescha¨ftigte sich H. mit den kindl. Infektionen, bes. den Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes. Er erkannte die Notwendigkeit einer Verbesserung der Sa¨uglingserna¨hrung, betonte den Wert des Stillens und setzte sich fu¨r die Schaffung gu¨nstigerer sozialer Verha¨ltnisse ein. Im Fru¨hjahr 1895 gelang ihm als erstem der Nachweis von Meningokokken im Liquor Lebender. H. bestimmte 1897 zusammen mit ! Rubner den Gesamtstoffwechsel von Sa¨uglingen, wodurch die Errechnung des nach H. benannten altersabha¨ngigen Energiequotienten fu¨r die Kalo166
Heubner, Wolfgang Otto Leonhard (* 18. 6. 1877 Leipzig, † 26. 11. 1957 Heidelberg). Pharmakologe. Als Sohn des damaligen Internisten ! Otto H. geboren, besuchte er die Thomasschule in Leipzig und das Joachimsthalsche Gymnasium in Berlin; Med.stud. in Go¨ttingen, Berlin, Straßburg und Marburg. Ass. bei O. Schmiedeberg in Straßburg, 1903 Prom. Ass. bei R. Willsta¨tter, danach wieder bei Schmiedeberg und 1907 Habil. fu¨r Pharmakol. 1908 Berufung auf den Lehrstuhl fu¨r Pharmakol. in Go¨ttingen, dort auch 1927 Rektor. 1929 ging er an die Med. Akad. Du¨sseldorf, 1930 nach Heidelberg und 1932 nach Berlin, wo er auch als Dekan wirkte. 1949 an der Univ. in Ostberlin emerit. 1949 baute er an der FU Berlin das Pharmakol. Inst. auf und u¨bernahm das Dekanat, 1953 emerit. H. war ein u¨berzeugter Anha¨nger der naturwiss. Med., be-
Hildegard von Bingen
scha¨ftigte sich insbes. mit der Pathol. des roten Blutfarbstoffes, pra¨gte den Stu¨. Begriff „Allobiose“. Heurne (Heurnius), Otto van (* 8. 9. 1577 Utrecht, † 24. 7. 1652). H. stud. Med. in Leiden bis zur Prom. 1601. Nach dem Tod seines Vaters Jan van H. (1543–1601) wurde er fu¨r die na¨chsten gut 50 Jahre dessen Nachfolger als Prof. der Med. in Leiden; seit 1617 unterrichtete er auch Anat. H. fu¨hrte den klin. Unterricht in Leiden ein, der dort seit 1636 im St.-Caecilia-Hospital als „Collegium medicopracticum“ in Kooperation mit den Stadta¨rzten abgehalten wurde. Eine entsprechende, bereits 1591 im Namen der Med. Fak. erfolgte Initiative seines Vaters war ohne positive Resonanz von seiten der Univ.verwaltung geblieben. Werk: Historiae et observationes quaedam rariores ex praxi et diario, Genf 1679. Ba.
Hildegard von Bingen (* 1098 Gut Bermersheim bei Alzey, † 1179 Kloster Rupertsberg bei Bingen). In jungen Jahren der Klausnerin Jutta von Spanheim anvertraut (1106), ausgebildet in Liturgie, Bibeltexten und Teilen der „Artes liberales“. Nach Juttas Tod (1136) „magistra“ einer rasch anwachsenden Klostergemeinde. Baut zwischen 1147 und 1152 ein eigenes Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen und gru¨ndet (1165) ein Filialkloster in Eibingen oberhalb Ru¨desheim. Entfaltet in reiferen Jahren ein reichhaltiges schriftl. Werk, in dessen Mittelpunkt eine visiona¨re Trilogie steht. Zehn Jahre schrieb sie am Liber Scivias, einer Glaubenslehre, die Kosmol. und Anthropol. mit der Theol. ver-
knu¨pft. Zwischen 1158 und 1163 entstand der Liber vitae meritorum, Wechselgespra¨che der Tugenden und Laster nach der Tradition der Psychomachia des Prudentius. Als reifes Hauptwerk gilt der Liber divinorum operum, das „Buch der Gotteswerke“, das Ursprung und Schicksal der Heilsgeschichte zeigt. Von der Visionstrilogie deutlich abgesetzt, entstehen zwischen 1150 und 1160 die naturkundl. und med. Schriften, die offensichtl. Kompilationen aus volkskundl. Erfahrungen, antiker ¨ berlieferung und benediktin. Trad. U darstellen. Das nicht erhaltene Originalwerk trug den Titel Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum, wurde bereits im 13. Jh. aufgeteilt in Physica (= Liber simplicis medicinae) und Causae et curae (= Liber compositae medicinae). Wa¨hrend die Physica eine fu¨r den Volksgebrauch bestimmte Naturkunde und Heilmittellehre darstellt, in die durchlaufend eigene Beobachtungen eingeflossen sind, verbindet Causae et curae die antike Kosmol. und Humoralpathol. mit der christl. Scho¨pfungs- und Erlo¨sungslehre. Das Krankheitskonzept beschreibt detailliert den jetzigen Notstand des Menschen (destitutio) als Verfehlung des heilen Urstandes (constitutio) mit Hinweisen auf den heilsgeschichtl. Endstand (restitutio). Hierzu dient in erster Linie die dia¨tet. Lebensordnung, wobei H. in einer eigenen „Explanatio regulae“ die benediktin. Lebensfu¨hrung mit dem antiken Topos der „res non naturales“ zu verbinden weiß. Aufsehen erregte H. bereits bei den Zeitgenossen nicht nur durch ihre literar., sondern auch polit. Aktivita¨ten. Eine erste Missionsreise mit o¨ffentl. 167
Hinselmann, Hans
Predigten fu¨hrte H. zwischen 1158 und 1161 nach Mainz, Wu¨rzburg, Ebrach und Bamberg, eine zweite (1160) u¨ber Trier nach Lothringen; dokumentiert ist 1163 eine Predigtfahrt u¨ber Siegburg und Ko¨ln ins Ruhrgebiet; eine letzte (1170) fu¨hrt sie u¨ber Maulbronn und Hirsau nach Zwiefalten. Neben einem ausgedehnten Briefwechsel mit geistl. und weltl. Oberen hat H. einen Liederzyklus mit eigenen Kompositionen hinterlassen, u¨berliefert als Carmina Hildegardis. In engster Verbindung mit diesen fu¨r eine Frau des MA außergewo¨hnl. Aktivita¨ten stehen ihre verwaltungstechn. und klosterpolit. Leistungen. Dem Kloster Rupertsberg verschafft sie einen eigenen Schutzbrief durch Kaiser Barbarossa; beru¨hmt wurde das Kloster durch seine mod. Bauweise: mit durchdachten hyg. Anlagen und fließendem Wasser in allen Arbeitsra¨umen. Der Chronist weiß zu berichten, daß alle Kranken von ihr „Ratschla¨ge fu¨r ihre ko¨rperl. Gebrechen“ erhielten; selbst ju¨d. Gelehrte kamen, um mit H. zu diskutieren, und „sie widerlegte sie durch ihr eigenes Gesetz“. In allem legte sie „eine gesunde Lehre an den Tag“. H. begegnet uns als eine hochgebildete Perso¨nlichkeit, die ihre Theol. ebenso beherrscht wie die zeitgeno¨ss. Phil., eine souvera¨ne Kennerin vor allem des Alten Testaments, der Naturkunde ebenso kundig wie der Heilkunde, vertraut mit Ackerbau und Fischzucht, in allem besorgt um das Heil der Seele wie des Leibes. Werk: Scivias, in: S. Hildegardis Opera omnia, Patr. Lat. 197, col. 383–738; Hildegardis Scivias. Ed. A. Fu¨hrko¨tter, coll. Angela Carlevaris, in: Corpus Christianorum Conti168
nuatio Mediaevalis 43 et 43 Serie A, Turnholti 1978; Liber Divinorum Operum, in: Patr. Lat. 197, col. 739–1038; Liber Vitae Meritorum, in: Pitra, J.B. (Hg.), Analecta sacra, tom. 8, 1–224; Kaiser, P. (Hg.), Hildegardis Causae et curae, Lipsiae 1903; Physica, in: Patr. Lat. 197, col. 1117–352; Acker, L.v. (Hg.), Hildegardis Bingensis Epistolarium, Pars prima 1–90, Turnholti 1991; Dt. Hildegard-Ausgabe in 7 Bd., Salzburg 1954–79. Schi.
Hinselmann, Hans (* 6. 8. 1884 Neumu¨nster, † 18. 4. 1959 Hamburg). Nach Med.stud. 1908 Prom. in Kiel. Gyna¨kol. Ausbildung in Jena bei M. Henkel sowie in Gießen und Bonn bei O.v. Franque´. Dort 1912 Habil. 1921 zum ao. Prof. ernannt, u¨bernahm er 1925 die Leitung der geburtshilfl.gyna¨kol. Abt. und spa¨ter der Frauenklinik in Hamburg-Altona. Wiss. Studien u¨ber die Histol. der Plazenta und deren choriales Gefa¨ßsystem, u¨ber die Entstehung der Blasenmole sowie zur Pathogenese der Eklampsie. Hauptarbeitsgebiet wurde spa¨ter die Fru¨herkennung des Kollumkarzinoms durch die Kolposkopie. Erarbeitete ein diagnost. Schema der histol. Fru¨hdiagnostik und Therapie der Pra¨kanzerosen („gesteigert atypisches Epithel“) am a¨ußeren Muttermund durch Konisation. Seit 1929 setzte er zur routinema¨ßigen Vorsorgeuntersuchung das von ihm 1924 entwickelte Kolposkop ein. Werk: Die Eklampsie, 1924; Die Kolposkopie, 1954. Schn.
Hippokrates (* ca. 460 v.Chr. Kos, † ca. 370 v.Chr.). H. wurde, will man der durch ! Soranos (175 CMG IV Ilberg) in der 2. ¨ berHa¨lfte des 1. Jh. festgehaltenen U lieferung glauben, am 27. Tag des Mo-
Hippokrates
nats Agrianus im 1. Jahr der 80. Olympiade, d.h. 460/459 v.Chr., auf der Insel Kos geboren. Als sein Vater gilt Herakleides, die Mutter soll Phainarete gewesen sein. Als Lehrer werden durchweg sein Vater und Herodikus genannt. H. soll zwischen Larissa und Gyrtone begraben worden sein (Vita Hippocratis secundum Soranum: 175–178 CMG IV Ilberg; Suidae. Ed. Adler, 662–663; Tz. Chil. Ed. Kiessling, 276–277; Bru¨ssel-Vita. Ed. Scho¨ne, in: RhM 58, 1903, 56–66). ¨ berlieferung (Plato, Die vorhellenist. U Pr. 311b-c, Phdr. 270 c-d; Aristot., Pol. VII, 1326a 14–16; Anon. Lond.) sagt dem Hippokratesbiographen nicht viel mehr, als daß dieser schon im 4. Jh. v.Chr. ein beru¨hmter Arzt gewesen ist und den Lesern der Schriften Platos und Aristoteles’ als Inbegriff des Arztes galt. Pra¨zisere Auskunft u¨ber sein Leben ließe sich geben, wenn gesichert wa¨re, welche der unter seinem Namen u¨berlieferten Schriften von H. selbst stammen. Doch solange die sog. hippokrat. Frage, der „Glaubenskrieg“ um Authentizita¨t, Datierung und Schulzugeho¨rigkeit der mehr als 60 im C.H. u¨berlieferten Schriften, nicht fu¨r eine einzige Schrift sicher gekla¨rt ist, muß eine Rekonstruktion der Vita des H. durch sein Werk scheitern. ¨ berlieferungslage Die bescheidene U zum hist. H. wurde jedoch zu allen Zeiten und schon wa¨hrend der Formierung des C.H. im Hellenismus mit Legenden und Anekdoten angereichert, deren Kernaussagen eher ein Licht auf ihre Verfasser bzw. Entstehungszeiten als auf den hist. H. selbst werfen, wenngleich sie als Bestandteile des C.H. jahrhundertelang ¨ berlieferungen als vermeintl. hist. U ausgeschrieben wurden und traditi-
onsbildend gewirkt haben. So soll H. in 20. Generation Nachkomme von Herakles, in 19. von ! Asklepios gewesen sein, bei Gorgias von Leontini und Demokrit stud., die Bibliothek seiner Heimatinsel Kos angezu¨ndet, den Makedonen Perdikkas von einer inzestuo¨sen Liebe zu seiner Mutter befreit, seinen Zeitgenossen Demokrit, den die Abderiten wegen seines permanenten Lachens fu¨r verru¨ckt hielten, gesund gesprochen und mit ihm korrespondiert haben, Hilfeleistung gegenu¨ber den Persern, die unter einer Pest litten, verweigert, stets eine Kopfbedeckung getragen haben, ba¨rtig und kahlko¨pfig gewesen sein und in fast bibl. Alter von 85, 90, 104 oder 109 Jahren gestorben sein. All diese Legenden, die im Laufe der Jh. um unza¨hlige vermehrt und in immer neuen Varianten erza¨hlt, u¨bersetzt, kommentiert, versifiziert, illustriert und funktionalisiert wurden, dienten der lebendigen Vergegenwa¨rtigung des Patrons des C.H., dessen authent. Physiognomie man bis auf den heutigen Tag immer wieder von antiken Bu¨sten bzw. Rundplastiken, koischen Mu¨nzen oder Mosaiken herleiten zu ko¨nnen glaubt. Als Rvsoy et’ Resg´ y wurde die so geschaffene Rezeptionsfigur zum spiritus rector der hippokrat. Schriftensammlung erkla¨rt und mit Berufung auf deren Inhalte gleichsam zum Erfinder der Med., zum Begr. der Heilkunst als professioneller a¨rztl. Praxis stilisiert, als der „Go¨ttliche“ zum Christus medicus, als der „Gute“ zur moral. Leitinstanz der Med. und zum Kodifikator der sittl. Normen a¨rztl. Handelns, als der „Große“ zur hist. Gro¨ße und zum Archegeten der gesamten Med., als der „Weise“ zum 169
Hirsch, August
Mitwisser einer geheimnisvollen und ra¨tselhaften Natur, als der „Wahrheitsliebende“ zum Idol selbstkritischer med. Forschung. Die unza¨hligen Legenden sind als Gesellungen mit oder Distanzierungen zu diesem a¨rztl. Idealtypus zu dechiffrieren und in den Rahmen der Diskurslagen ihrer Entstehungszeiten zu stellen. In den Metamorphosen ihrer Wirkungs- und Interpretationsgesch. spiegelt sich abendla¨nd. Med.-, wenn nicht Kulturgeschichte. Ihr „Held“ wird zum Projektionsfeld med. Utopien aller Zeiten, zum Gegenbild des „Beutelschneiders“, „Halbgottes in Weiß“ und „unbestraften Mo¨rders“, wenngleich er einer der ju¨ngsten Legenden zufolge fu¨r einen (benevolenten) Paternalismus in der Med. verantwortlich sein soll, an dessen Verabschiedung – dies ein Novum in der abendla¨nd. Med.gesch. – sich die tru¨gerische Hoffnung auf ein „posthipRu¨. pokrat. Zeitalter“ knu¨pft. Hirsch, August, vor der Taufe Aron Simon (* 4. 10. 1817 Danzig, † 28. 1. 1894 Berlin). Nach dem Stud. der Med. in Leipzig und Berlin zuna¨chst prakt. Arzt und Armenarzt in Elbing und Danzig, wandte sich H. mit dem Ziel, Kolonialarzt zu werden, in zahlreichen Arbeiten dem Auftreten und der Verbreitung von Krankheiten zu. Das große Handbuch der historisch-geographischen Pathologie (1859–64, 21881–86, 3 Bd., engl. 1883–86), das in erster Aufl. im Anschluß an das Handbuch fu¨r spezielle Pathologie und Therapie von ! Virchow erschien, machte H. schlagartig in weiten Kreisen bekannt, wurde zum Standardwerk aller Tropena¨rzte und Hygieniker und ver170
schaffte ihm 1863 die Berufung zum o. Prof. der „Pathol. und medicinischen Gesch. und Lit.“ auf den seit 1850 verwaisten, 1834 fu¨r J.F.K. Hecker (1795–1850) errichteten Lehrstuhl an der Univ. Berlin. Der Ruf wurde vom „Konfliktministerium“ Bismarck spektakula¨r gegen die widerstrebende Fak. durchgesetzt, um dem naturwiss. Materialismus und mit ihm verbundenen politisch-liberalen Tendenzen entgegenzuwirken, obwohl, wie Virchow im Nachruf schrieb, „dieser Mann aus derselben Schule stammte, aus welcher die sog. Materialisten stammten, und daß er den Studierenden weder speculative Phil. noch Orthodoxie“ beigebracht habe. Die Med.gesch. verdankt H., der zu den namhaften Hygienikern der vorbakteriellen Zeit geho¨rte, außer dem Hb. eine Geschichte der Augenheilkunde (1877), zahlreiche Einzeluntersuchungen und Beitra¨ge zur ADB, die nach der Absage Virchows im Auftrag der Mu¨nchener Histor. Kommission verfaßte Geschichte der med. Wissenschaften in Deutschand (1893, ND 1965) und das von ihm hg. Biographische Lex. hervorragender Aerzte aller Zeiten und Vo¨lker (6 Bd. 1884–88, 21929–35, ND 1962). v. Bro. Hirsch, Rachel (* 5. 11. 1870 Frankfurt/ Main, † 6. 10. 1953 London). Die Tochter eines Rabbiners war die erste Med.prof. in Preußen, die dritte im dt. Kaiserreich. Nach dem Med.stud. an den Univ. Zu¨rich (1898), Straßburg und Leipzig wurde sie 1903 in Straßburg mit einer Diss. u¨ber die Lehre von der Glykolyse ¨ rztin appr. Seit 1903 prom. und als A war sie an der Charite´ in Berlin ta¨tig, zuna¨chst an der Zweiten Med. Klinik
Hirszfeld, Ludwik
unter Kraus, seit 1908 als Leiterin der Poliklinik. 1913 wurde ihr der Prof.titel verliehen. R. H. entdeckte u.a. das Vorkommen von großkorpuskula¨ren Nahrungspartikeln (z.B. Sta¨rkeko¨rnchen) in Blut und Urin. Das Pha¨nomen stieß zuna¨chst nur auf Unglauben, konnte aber 1960 wiederentdeckt werden („R.-H.-Effekt“). 1919 verließ H. die Charite´ und ero¨ffnete eine Praxis im Berliner Westen. Trotz wachsender Repressionen durch das NSRegime emigrierte R. H. erst 1938 nach England, wo sie ihren Lebensun¨ bers. beterhalt als Laborass. und U stritt. R. H. starb in einer NervenheilEck. anstalt bei London. Hirschfeld, Magnus (* 14. 5. 1868 Kolberg, † 14. 5. 1935 Nizza). H. gilt als einer der Pioniere der Sexualwiss. und Befu¨rworter der Emanzipation der Homosexuellen. Sohn eines philanthrop. gesinnten Arztes. Stud. der Phil. in Breslau 1887–89, danach Med. in Straßburg, Berlin, Mu¨nchen und Heidelberg. Prom. Berlin 1892. Prakt. Arzt in Magdeburg 1894–96 und danach in Berlin. Er formulierte eine biol. Theorie der Homosexualita¨t. 1897 war er einer der Begr. und Pra¨sident des Wiss.-Humanita¨ren Komitees fu¨r Abolition des Strafgesetzes gegen Homosexualita¨t. 1907 war H. Gutachter im Harden-Prozeß. Ab 1907 zunehmend Kooperation mit der Frauenbewegung, bes. mit H. Sto¨cker: zusammen organisierten sie 1911 den Ersten Internat. Kongreß fu¨r Mutterschutz und Frauenreform in Dresden. 1919 gru¨ndete er das Inst. fu¨r Sexualwiss. in Berlin, organisierte dort 1921 die Internat. Tagung fu¨r Sexualreform und 1928 die Weltliga fu¨r Sexualreform. H. erarbeitete
sich internat. Ruf fu¨r seine sexualwiss. Ta¨tigkeit. Das Jahr 1933 sah die Zersto¨rung des gro¨ßten Teils des Inst. und H.s. Exil in Frankreich. Werk: Hg., Jahrbu¨cher fu¨r sexuelle Zwischenstufen, 1899–1923; Die Homosexualita¨t des Mannes u. des Weibes, Berlin 1914; Geschlechtskunde, 5 Bd., Stuttgart 1926– 30; Autobiogr., in: Encyclopaedia Sexualis, London 1935, 317–25; Racism, ibid. 1938. Wdl.
Hirszfeld, Ludwik (* 5. 8. 1884 Warszawa, † 7. 3. 1954 Wrocl/ aw). Als Sohn einer im Kulturleben des oppositionellen Warschau engagierten ju¨d.-poln. Familie ging H. zum Stud. ins Ausland, nach Wu¨rzburg bzw. Berlin, wo er 1907 mit einer Arbeit u¨ber Ha¨magglutination bei U. Friedemann bzw. ! M. Rubner prom. 1908– 11 am Inst. fu¨r Krebsforschung in Heidelberg, etablierte er mit E. v. Dungern die Erkenntnis der Erblichkeit der Blutgruppen. Seit 1911 Ass. in Zu¨rich bei W. Silberschmidt, hier 1913 fu¨r Hyg. und Immunita¨tsforschung habil., begab er sich 1914 mit seiner Frau Hanka Hirszfeldowa auf den serbischen Kriegsschauplatz. In Thessaloniki entdeckten beide unter der Vielzahl ausla¨nd. Soldaten die differente Verteilung der AB0–Blutgruppen in unterschiedl. ethnischen Gruppen, den Ausgangspunkt der Seroanthropol. (Serological differences between the blood of different races, in: Lancet 1919, II, S. 675–679). ¨ ber Wien im Nov. 1919 nach WarU schau zuru¨ckgekehrt, u¨bernahm H. hier das Direktorat des Inst. fu¨r Serumforschung, nach ! L. Rajchmans Abgang nach Genf auch jenes des Epidemiol. Inst. Im 1926 neugeschaffenen Staatsinst. fu¨r Hyg. wurde H. Vi171
¨. His, Wilhelm d. A
zedir. und Leiter der Hauptabt. fu¨r Bakteriol. und exp. Med.; seit 1924 lehrte er an der Freien Hochschule Warschau, ab 1926 auch an der Warschauer Univ. Immunol. H.s Konstitutionsserologie und Blutgruppenforschung (Berlin 1928) verko¨rperte in dieser Zeit die nu¨chterne Tatsachenforschung, welche den mit der Blutforschung einhergehenden Rassenspekulationen zunehmend die Begru¨ndung zu entziehen versprach. 1939 von dt. Besatzungsbeho¨rden entlassen, 1941 ins Warschauer Ghetto deportiert, dort Leiter des bakteriol. Labors bzw. Vorsitzender des Gesundheitsrates der Ghettoverwaltung, flu¨chteten die Hirszfelds nach den Deportationen des Sommer 1942 aus dem Ghetto und u¨berlebten bis zum August 1944 in sta¨ndig wechselnden Verstecken, wa¨hrend ihre Tochter 1943 an Tuberkulose starb. Noch 1944 Prof. und Prorektor der MarieCurie-Skl/ odowska-Univ. in Lublin, wurde H. im Sept. 1945 Dir. des Inst. fu¨r Med. Mikrobiol. der Med. Akad. in Wrocl/ aw (Breslau) bzw. 1952 Leiter des Inst. fu¨r Immunol. und Exp. Therapie der Poln. Akad. Hu. der Wissenschaften. His, Wilhelm d. A¨. (* 9. 7. 1831 Basel, † 1. 5. 1904 Leipzig). Nach Med.-stud. in Basel, Bern, Berlin (bei ! Joh. Mu¨ller und ! R. Remak) und Wu¨rzburg (bei ! Virchow) 1854 Dr.examen in Basel (Diss. Zur Histologie der Cornea). Anschließend in Paris bei ! Brown-Se´quard und ! Bernard und Ass. bei ! Graefe in Berlin. 1857 als o. Prof. der Anat. und Physiol. nach Basel. 1872 nach Leipzig als Ord. fu¨r Anat. 1875 Ero¨ffnung des nach H.s Pla¨nen erbauten anat. Inst. Arbeiten 172
u¨ber Cornea, Lymphsystem, Ha¨ute und Ho¨hlen des Ko¨rpers, Embryol., method. Entwicklung (Schnittserien, Fotografie histol. Pra¨parate., His-Steger-Modelle). 1886 Entdeckung der Neuroblasten (wesentl. Argument fu¨r Neuronentheorie). Identifizierung und Rekonstruktion von Skelett und Antlitz Joh. Sebastian Bachs. Im Redaktionsausschuß der Anat. Gesellsch. fu¨r Nomina anatomica. Mitbegr. des Archiv fu¨r Anthropologie, d. Zeitschrift fu¨r Anatomie und Entwicklungsgeschichte (ab 1878 Anatomische Abteilung des Archivs fu¨r Anatomie und Physiologie), der Anatom. Gesellsch. (1886) sowie der Internat. Assoziation der Akademien. Werk: Anatomie menschlicher Embryonen, 3 Bd., Leipzig 1880–85; Zur Geschichte des menschlichen Ru¨ckenmarkes und der Nervenwurzeln, Abh. d. kgl.-sa¨chs. Gesellsch. d. Wiss., math.-physikal. Cl. 13 (1887), 477–514; Die anatomische Nomenclatur, Nomina anatomica, Leipzig 1895; Johann Sebastian Bach, Forschungen u¨ber dessen Grabsta¨tte, Gebeine und Antlitz, ibid. 1895; Die Entwicklung des menschlichen Gehirns wa¨hrend der ersten Monate, ibid. 1904; Ludwig, E. (Hg.), Lebenserinnerungen und ausgewa¨hlte Schriften (Hubers Klassiker, Bd. 6), Bern u. Stuttgart 1965. Kst.
His, Wilhelm d. J. (* 19. 12. 1863 Basel, † 10. 11. 1934 Riehen bei Basel). Wurde als Sohn des Anat. ! W. His d. ¨ . geboren. Von 1883–88 stud. er in A Genf, Leipzig, Bern und Straßburg Med. und prom. 1889 in Leipzig. Anschließend war er als Ass.arzt an der Med. Univ.klinik in Leipzig bei Heinrich Curschmann (1846–1910) ta¨tig, wo er sich 1891 habil. 1895 erfolgte seine Ernennung zum ao. Prof. in Leipzig. Von 1901 bis 1902 wirkte
Hoche, Alfred
er als Oberarzt an der Med. Klinik des Krkh. in Dresden-Friedrichstadt. 1902 wurde H. als Ord. fu¨r Innere Med. nach Basel und 1906 nach Go¨ttingen als Nachfolger von Wilhelm Ebstein (1836–1912) berufen. Bereits 1907 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl ! Ernst von Leydens (1832–1910) an die I. Med. Klinik der Charite´ nach Berlin, wo er zugleich dem Senat der Kaiser-Wilhelms-Akad. fu¨r das milita¨ra¨rztl. Bildungswesen angeho¨rte. 1914–18 nahm er am Ersten Weltkrieg als beratender Internist an der Ostfront teil. 1918/19 wurde H. zum Dekan der Med. Fak. und 1928/29 zum Rektor der Berliner Friedrich-Wilhelms-Univ. gewa¨hlt. Zu seinen wiss. Hauptleistungen geho¨rt die Entdeckung des nach ihm benannten Hisschen Bu¨ndels als Teil des atrioventrikula¨ren Reizleitungssystems des Herzens (1893). Auch auf klin. Gebiet widmete er sich der Erforschung von Herzrhythmussto¨rungen. So beschrieb er die Pathogenese der mit Kra¨mpfen, Bewußtseinssto¨rungen und Bradycardie einhergehenden Adams-Stokeschen Anfa¨lle und pra¨gte den Terminus Herzblock. Weitere Studien galten dem Harnsa¨urestoffwechsel und der internist. Ro¨ntgendiagnostik. Der ro¨ntgenol. erkennbare und diagnost. verwertbare Winkel zwischen ¨ sophagus und Magenfundus ist O mit seinem Namen verbunden (Hisscher Winkel). H. war Mithg. des Deutschen Archivs fu¨r klinische Medizin. Seine weitgespannten soziokulturellen Interessen regten ihn zu med.hist. Studien an, fu¨hrten ihn aber aufgrund seiner konservativ-nationalen Grundeinstellung auch zu entschiedenen rassenhyg. Positionen.
Werk: Die Ta¨tigkeit des embryonalen Herzens und deren Bedeutung fu¨r die Lehre von der Herzbewegung beim Menschen, Leipzig 1893; Geschichte der medicini¨ ber schen Klinik zu Leipzig, ibid. 1899; U die natu¨rliche Ungleichheit der Menschen, Rektoratsrede, Berlin 1928. Schn.
Hitzig, Eduard (* 6. 2. 1838 Berlin, † 20. 8. 1907 St. Blasien). H. arbeitete nach dem Stud. in Berlin und Wu¨rzburg als niedergelassener Arzt und war auf Elektrotherapie spezialisiert. Sein klinisch motiviertes Interesse fu¨r exp. Hirnforschung fu¨hrte ihn, gemeinsam mit dem Anat. Gustav Fritsch, zu bahnbrechenden Untersuchungen, in denen es gelang, durch elektr. Stimulation bestimmter Cortexareale Bewegungen der Gliedmaßen zu evozieren (1870). Als Psychiater kaum erfahren, wurde er 1875 auf den Lehrstuhl fu¨r Psychiatrie in Zu¨rich und als Dir. des Burgho¨lzli berufen, 1879 wechselte er in gleicher Funktion nach Halle bzw. an die Provinzial-Irrenanstalt Nietleben. H. war Vertreter der Gehirnpsychiatrie, widmete sich aber auch prakt. Belangen: 1897 vero¨ffentlichte er gemeinsam mit seiner Frau Etta (geb. Ranke) eine Kostordnung der psychiatrischen Hg. und Nervenklinik.
Hoche, Alfred (* 1. 10. 1865 Wildenhain bei Torgau, † 16. 5. 1943 BadenBaden). Stud. in Berlin und Heidelberg, ab 1890 Ass. bei Fu¨rstner an Psychiatr. Klinik, dem er nach Straßburg folgt, dort 1891 Habil. 1899 ao. Prof. ab 1902 Ord. fu¨r Psychiatrie in Freiburg, lehrte spa¨ter auch Neuropathol. Zuna¨chst Arbeiten 173
Hodgkin, Thomas
auf anat. Gebiet (Struktur der motor. Innovationswege, Verlauf des Gowersschen Bu¨ndels, Fasern des ovalen Hinterstrangfeldes, Bau der Ganglienzellen); auf physiol. Gebiet Untersuchung zentraler Sehvorga¨nge. Auf klin. Gebiet Arbeiten u¨ber Fru¨hdiagnose der progressiven Paralyse (1890), Differentialdiagnose zwischen Epilepsie und Hysterie (1902). Gegner der Psychoanalyse ! Freuds. Insbes. Interesse an forensischer Psychiatrie, Gerichtsgutachterta¨tigkeit. H. trat o¨ffentl. fu¨r die Freigabe der Vernichtung sog. lebensunwerten Lebens ein. Seine eugen. Arbeiten wurden im NS-Regime zur Rechtfertigung der Euthanasie Geisteskranker herangezogen. Werk: Beitra¨ge in: Lehrbuch der Psychiatrie, 1904; Handbuch der gerichtlichen Psychiatrie (mit Aschaffenburg, G. u.a.), 2 1909; Handbuch der Psychiatrie; Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie 17, 1926; Die Geisteskranken in der Dichtung, 1939; Grote, L.R. (Hg.), Med. in Selbstdarstellungen, Bd. 1, Leipzig 1923, 1–24. Mo.
Hodgkin, Thomas (* 17. 8. 1798 Pentonville bei London, † 4. 4. 1866 Jaffa, auf einer Orientreise). Engl. Kliniker und Pathol., 1817–19 Apothekergehilfe in Brighton, 1819– 20 Schu¨ler an der Medical School des Guy’s und St. Thomas Hospital in London. 1820–1823 Med.stud. an der Univ. Edinburgh und Prom. 1823, unterbrochen von einja¨hrigem Studienaufenthalt in Paris (1821–22). 1823–25 Reise nach Frankreich und Italien. Seit 1825 Mitglied des Royal College of Physicians, wurde H. 1826 pathol. Anatom und Curator des Museums in St. Guy’s Hospital Medical 174
School und hielt 1828 die erste Vorl. u¨ber pathol. Anat. in England, die auf ! Bichats Gewebepathol. und ! Lae¨nnecs Auskultation beruhte. 1832 beschrieb H. als erster die Lymphogranulomatose (Hodgkin-Krankheit; maligne Erkrankung des lymphat. Systems). Aufgrund seiner sozialen und sozialmed. Aktivita¨ten als Qua¨ker und Philanthrop erhielt H. keine Stelle als Arzt am St. Guy’s Hos¨ mter 1837 pital; er legte daher seine A nieder und betrieb philanthrop. und ethnol. Aktivita¨ten und Studien. Werk: On some morbid appearances of the absorbent glands and spleen, in: Med.-chir. Trans. 17 (1832), 68–114; Lectures on the morbid anatomy of the serous and mucous membranes, 2 Bd., London 1836. Pr.
Hoffmann, Erich (* 25. 4. 1868 Witzmitz/Pommern, † 8. 5. 1959 Bonn). H. besuchte die milita¨ra¨rztl. Akad. in Berlin, wo er 1892 prom. Als Milita¨rarzt erhielt er 1900 ein Kommando an die Hautklinik der Berliner Charite´ (E. Lesser), wo er sich 1903 habil. 1908 Extraord. in Halle, 1910 in Bonn, 1918 o. Prof., wurde er unter dem NS-Regime 1934 zwangsweise als Dir. der Hautklinik entlasssen und 1936 emerit. Auf vielen Gebieten der Dermatol. bewandert und zu Fragen jenseits seiner Fachgrenzen Stellung nehmend, lag der Ho¨hepunkt seines Schaffens in der ihm mit ! Schaudinn gemeinsam gelungenen Entdeckung der Spirochaeta pallida als Syphiliserreger (Ma¨rz 1905). Werk: Hoffmann, E., Wollen u. Schaffen bzw. Ringen um Vollendung. Lebenserinnerungen aus einer Wendezeit d. Heilkunde.1868–1932 bzw. 1933–1946 (1948/49). Hu.
Holzknecht, Guido
Hoffmann, Friedrich (* 19. 2. 1660 Halle/Saale, † 12. 11. 1742 Halle). Seit 1678 Med.stud. in Jena, Prom. 1681 unter dem Iatrochemiker ! Wedel, nach kurzer Lehrta¨tigkeit in Jena prakt. Arzt in Minden, 1683 Studienreise nach Holland und England, dort Begegnung mit Boyle, Ru¨ckkehr nach Minden, 1685 Garnisonsarzt, 1686 Hofarzt und Landphysicus, 1687 Landphysicus in Halberstadt, 1693 Berufung zum ersten Prof. fu¨r Med. an der neugegr. Univ. Halle, fu¨r deren med. Fak. H. die Statuten entwarf, 1709–1712 Hofrat und Leibarzt des pr. Ko¨nigs Friedrich I. in Berlin, danach bis zu seinem Tod Prof. in Halle, 1734 nochmals fu¨r mehrere Monate in Berlin als Leibarzt Ko¨nig Friedrich Wilhelms I. H. unternahm in seinem Hauptwerk Medicina rationalis systematica erstmals den Versuch, die gesamte Med. aus dem mechan. Prinzip der Bewegung abzuleiten. Er betrachtete den Menschen als eine hydraulische Maschine, zusammengesetzt aus Ro¨hren, in denen verschiedene Flu¨ssigkeiten zirkulierten. Als Krankheitsursachen kamen vor allem Tonusvera¨nderungen der Gefa¨ßwa¨nde in Betracht, von H. als Spasmus bzw. Atonie bezeichnet. H.s Therapie war fu¨r ihre Milde beru¨hmt, Ba¨der und einfache Medikamente standen im Vordergrund. Noch heute bekannt sind die schmerzlindernden „Hoffmannstropfen“, die H. seit 1706 unter dem Namen „Liquor anodynus“ in Eigenregie vertrieb. Neben einer a¨rztl. Pflichtenlehre, dem Medicus politicus, und grundlegenden Arbeiten u¨ber Mineralquellen beschrieb H. 1716 erstmals eine Kohlenmonoxydvergiftung durch Holzkoh-
lenfeuerung. Als praktischer Arzt, Gelehrter und Univ.lehrer genoß H. bis ins 19. Jh. gro¨ßtes Ansehen. Werk: Fundamenta medicinae, Halle 1695 ¨ bers.], London u. (engl.: King, L.S. [U New York 1971); Medicinae rationalis systematicae tomus prior [-secundus], Halle 1718–20; Medicina consultatoria, ibid. 1721–39; Observationum physico-chemicarum selectiorum libri III, ibid. 1722; Medicus politicus, Leiden 1738 (dt.: Leipzig 1753); Opera omnia, Genf 1740 (Suppl.: Genf 1754, 1760). Bro¨.
Hofmann, Caspar (* 9. 11. 1572 Gotha, † 3. 11. 1648 Altdorf). Med. Prom. 1605 in Basel, 1606 „Pestarzt“ in Nu¨rnberg, seit 1607 Med.prof. in Altdorf. H. war ein prominenter Gegner ! Harveys, der H. auch durch einen Besuch 1636 nicht umstimmen konnte. Der gelehrte H. plante zur Verteidigung der Humoralpathol. eine Neuausgabe der Schriften ! GaBro¨. lens, die unvollendet blieb. Hofmann, Moritz (* 20. 9. 1622 Fu¨rstenwalde, † 20. 4. 1698 Altdorf). Med. Prom. 1645 in Altdorf, dort seit 1649 Prof. fu¨r Med., 1653 auch fu¨r Botanik. H. stud. ab 1641 in Padua Anat. unter ! Vesling und entdeckte dort beim Truthahn den Ductus pancreaticus, den er fu¨r ein Chylusgefa¨ß hielt. Die Struktur wurde spa¨ter nach ! Wirsung benannt, der sie zuerst beim Menschen beschrieb. H. betrieb in Altdorf den Bau des anat. Theaters und die Gru¨ndung eines Bro¨. chem. Laboratoriums. Holzknecht, Guido (* 3. 12. 1872 Wien, † 30. 10. 1931 Wien). Sohn einer Wiener Beamtenfamilie. Besuchte das Gymnasium des Bene175
Hoppe (seit 1864 H.-Seyler), Ernst Felix I.
diktinerstifts in Seitenstetten/Niedero¨sterr., anschließend Stud. der Med. in Wien, Straßburg und Ko¨nigsberg. Prom. in Wien 1899. Als Student erlebte er die Entdeckung der Ro¨ntgenstrahlen mit, da einer seiner Lehrer in enger Verbindung zu Conrad Ro¨ntgen (1845–1932) stand. H. arbeitete nach seiner Prom. an der Klinik ! Hermann Nothnagels. Um das Interesse seines Ass. H. an der jungen Ro¨ntgentechnik zu unterstu¨tzen, ließ Nothnagel ein freigewordenes Gera¨t an seiner Klinik aufstellen. Bald entstand eine eigene Ro¨ntgenstation unter seiner Leitung und schließlich das Zentralro¨ntgeninst. am Allg. Krkh. Hier entwickelte H. die ersten Strahlenmeßgera¨te und gru¨ndete die erste Schule fu¨r den radiolog.-techn. Dienst. 1917 erhielt er die Prof. fu¨r Radiologie. Er gilt als Pionier der radiolog. Forschung und starb an Strahlenscha¨den als Folgen seiner Forschungsta¨tigkeit. Werk: Die Einstellung zur Ro¨ntgenologie, Wien 1927. Ho.
Hoppe (seit 1864 H.-Seyler), Ernst Felix I. (* 26. 12. 1825 Freyburg, † 11. 8. 1895 Wasserburg). Physiol. Chemiker. Med.stud. Halle, Leipzig, Berlin. Unterarzt Kaiser Alexander Garde-Regiment. 1850 Diss. ¨ ber die Struktur des Knorpels und EiU niges u¨ber das Chondrin. 1851 Appr. 1852 geburtshilfl. Pru¨fung. Prakt. Arzt (Berlin). 1854–56 Prosektor, Dozent anat. Inst. Greifswald. 1856 Prosektor pathol. Inst. Berlin (! Virchow); Leiter des chem. Lab. 1860 ao. Prof. (Med.) Berlin; 1861 ao. Prof. (angewandte Chemie) Tu¨bingen, dann Ord. 1872–95 o. Prof. (Physiol. Chemie) Straßburg. Arb.: Hb. der phy176
siologischen und pathologisch chemischen Analyse; H.-S.s Zeitschrift fu¨r Physiologische Chemie. Chemie des B.-S. Blutes. Horney, Karen, geb. Danielsen (* 16. 9. 1885 Hamburg, † 4. 12. 1952 New York). Verheiratet mit Oscar Horney 1909 bis nach 1930. Med. Staatsexamen Berlin 1911, Prom. Berlin 1915. 1913–18 Ass. bei H. Oppenheimer und Mitglied der psychoanalyt. Gruppe um K. Abraham. 1919–32 Psychoanalyt. Praxis und Lehrta¨tigkeit am Berliner Psychoanalyt. Inst.; 1932 stellvertr. Dir. Chicago Inst. of Psychoanalysis. Neben eigener Praxis 1934–41 Lehranalytikerin am N.Y. Psychoanalyt. Inst. 1935– 52 Doz. New School of Social Research N.Y., 1941–52 Vorsitzende und Ehrenpra¨sidentin Am. Inst. of Psychoanalysis. Ihr Buch New Ways of Psychoanalysis (N.Y. 1939, dt.1951) und ihre Kritik an ! Freuds Ansichten u¨ber die weibl. Psyche fu¨hren zu heftigen Kontroversen, 1941 zu ihrem Ausschluß aus dem N.Y. Institute. Ihre Vorstellung, daß die psych. Geschlechterdifferenz nicht biol. determiniert, sondern soziokulturell geformt sei, ero¨ffnet neue Wege der Ichpsychol. und der weibl. Bl. Psychoanalyse. Horsley, Victor (* 14. 4. 1857 Kensington/London, † 16. 7. 1916 Amara bei Bagdad). H. war ein innovativer und erfolgreicher engl. Chir., arbeitete aber auch auf dem Gebiet der experimentellen Physiol. Wegen seiner bahnbrechenden Eingriffe am Gehirn und am Ru¨kkenmark gilt H. als Pionier der Neurochir. Bekannt ist er auch fu¨r seine Ex-
Hrabanus Maurus
perimente am Affen, mit denen er die These untermauerte, daß der endem. Kretinismus, das Myxo¨dem und die Symptome nach chir. Entfernung der Schilddru¨se auf dem Mangel an einer spezifischen Funktion dieser Dru¨se beruhen. Auch die Funktion der Hypophyse versuchte er mit Exstirpationsexperimenten zu ergru¨nden. H. war fu¨r seinen Kampf gegen Alkohol- und Tabakgenuß bekannt und engagierte sich fu¨r soziale Reformen, so fu¨r das Frauenwahlrecht und fu¨r eine kostenlose med. Versorgung Schl. der Arbeiter. Houssay, Bernardo Alberto (* 10. 4. 1887 Buenos Aires, † 10. 9. 1971 Buenos Aires). Der argent. Physiol. wurde als Sohn frz. Einwanderer geboren. Anders als seine Bru¨der, die nach Frankreich zuru¨ckgeschickt wurden, um zu stud., besuchte H. das Gymnasium und dann die Univ. in Buenos Aires. Er stud. zuna¨chst Pharmazie und arbeitete wa¨hrend des Stud. in der Apotheke des Frz. Krankenhauses in Buenos Aires. Nach seiner Prom. im Jahre 1904 betrieb er weitere Med.studien. Der bereits als Student an Tierversuchen interessierte H. legte 1911 seine Dr.pru¨fung ab, publ. jedoch schon 1910 seinen ersten Artikel u¨ber die Hypophyse. Die wichtigsten Ergebnisse seiner Beobachtungen und Erfahrungen vero¨ffentlichte er 1924 in seiner klassischen Arbeit u¨ber die Therapie der Diabetes mellitus bei einem schon pankreatektomierten Hund (H.’s dog) durch Entfernung der Hypophyse. H. betrieb weitere wichtige physiol. Forschungen u¨ber die Nierenregulierung des Bluthochdrucks und auch u¨ber die peri-
pheren Sexualhormone und die Geburtshelferkro¨te. Nach dem Zweiten Weltkrieg entließ die argent. Regierung H. aus dem Univ.dienst. Er wurde jedoch zum Dir. des privaten Inst. fu¨r Biol. und Experimentelle Med. ernannt, wo er internat. Unterstu¨tzung und Anerkennung bekam. 1945 erschien die erste Aufl. seiner Fisiologı´a Humana, die bis heute in vielen Med. Fak. Su¨damerikas benutzt wird. 1947 erhielt H. den Nobelpreis fu¨r Physiol. fu¨r „die Entdeckung der Rolle des Hypophysenvorderlappens im Metabolismus der Zucker“ und kehrte 1955 als Prof. fu¨r Physiol. an die Med. Fak. der Univ. Buenos Aires zuru¨ck. Nach 1956 bescha¨ftigte er sich v. a. mit der Gru¨ndung des Consejo Nacional de Investigaciones Cientı´ficas y Te´cnicas (Argent. Forschungsrat). H. publizierte mehr als 800 Artikel und wurde von 28 Univ. der Welt zum Ehrendr. ernannt. Werk: Fisiologı´a Humana, Buenos Aires 1951. Ac.
Hrabanus Maurus (* ca. 780 Mainz, † 4.2.856 Winkel/Rheingau). Mo¨nch, Lehrer, Abt und Erzbischof in Fulda und Mainz. H. wurde 801 in Fulda Diakon, erhielt 814 dort die Priesterweihe und wurde 822 Abt des Klosters Fulda. 841/42 aus polit. Gru¨nden als Abt zuru¨ckgetreten, wurde er nach seiner Rehabilitierung 847 Erzbischof von Mainz. Den Beinamen „Maurus“ erhielt H. von Alkuin, bei dem er in Tours lernte. H. ist vor allem als Reformator des klo¨sterl. Unterrichtes und Verfasser von zahlreichen Bibelkommentaren, Lehrschriften und Werken zur kirchl. 177
Hua Tuo
Praxis bekannt geworden. Seinen Ruf als Gelehrter begru¨ndete der 821 abgeschlossene Commentarium in evangelium Matthei libri VII. Von med. Bedeutung ist die zweiundzwanzigba¨ndige Enzyklopa¨die, die Physica sive de universo. Sie entha¨lt in Buch VI eine Aufza¨hlung der menschl. Ko¨rperteile auf lat. und dt. und geho¨rt damit zu den Anfa¨ngen der dt.sprachigen med. Terminol. In ¨ bersicht von Buch XVIII wird eine U Krankheiten und Arzneimitteln gegeben. Beides sind fast wortgetreue Wiedergaben der entsprechenden Stellen bei ! Isidor von Sevilla. Werk: Migne, J.-P. (Hg.), Patrologiae cursus completus, series latina, Bd. 107–112, Paris 1844ff. (Abdr. der ersten gedr. Ausgabe: Ko¨ln 1626–27). Gr.
Hua Tuo, Großja¨hrigkeitsname: Yuanhua (* ca. 150 Peiguoqiao, Provinz Anhui/China, † ca. 208). H. scheint sich als Arzt in verschiedenen med. Disziplinen beta¨tigt zu haben. In die Gesch. nicht nur der Heilkunde ist er indes als der gro¨ßte Chir. der chin. Gesch. eingegangen. Es gibt heute Gru¨nde anzunehmen, daß Hua Tuo aus einer u¨berseeischen Emigrantenfamilie stammte; und unbestreitbar ist, daß die ihm zugeschriebenen Leistungen ein meth. Fremdko¨rper und eine vo¨llig isolierte Erscheinung im Gefu¨ge der chin. Heilkunde waren Po. und geblieben sind. Huangfu Mi, Großja¨hrigkeitsname: Shian, Pseudonym: Xuanyan Xiansheng (* 214 Provinz Gansu, † 282). Bis zu seinem 40. Lebensjahr ein angesehener Gelehrter und Literat, dessen Sammlungen von Biographien bedeutender Perso¨nlichkeiten seiner Epo178
che bis heute erhalten sind. Dann wandte er nach einem erlittenen Schlaganfall und der u¨ber Jahre unbefriedigenden Rekonvaleszenz seinen ganzen Forscherelan der klassischen Med.lit. zu, genauer den darin enthaltenen Theorien zur Leitbahnlehre und Aku-Moxi-Therapie. Auf Grund seiner eigenen Erfahrungen und Versuche und aus meth. ¨ berlegungen vollendete er schließU lich im Jahr 265 den Systematischen Aku-Moxi-Klassiker (Zhenjiu Jiayijing). Dieses Werk umfaßt 12 Abteilungen mit insgesamt 128 Abschnitten. Es behandelt das sinarteriol. System (die „Leitbahnlehre“) so, wie sie bis zum heutigen Tag verbindlich ist; des weiteren sind die Mehrzahl der Foramina (Reizpunkte) auf den Leitbahnen definiert und detaillierte Hinweise zu ihrer Wirkqualita¨t, Lage und zur Technik und den Kautelen von Akupunktur und Moxibustion Po. an diesen Punkten gegeben. Huelsenbeck, Richard (* 23. 4. 1892 Frankenau, † 20. 4. 1974 Muralto/Tessin). H. za¨hlte zu den fu¨hrenden Propagandisten der internat. Kunst- und Lit.richtung des „Dada“; mit Hans Arp, Hugo Ball, Emmy Hennings, Tristan Tzara, Marcel Janco u.a. geho¨rte er zuna¨chst (1916) dem Zu¨richer „Cabaret Voltaire“ an, das sich, unter dem Eindruck des Weltkrieges, als Podium des Protestes gegen den „Wahnsinn der Zeit“ (Arp) verstand, eigentlich nur „ku¨nstlerische Unterhaltung“ bieten wollte, sich indessen rasch durch die Konfrontation mit dem provozierten Publikum zum „Tummelplatz verru¨ckter Emotionen“ entwickelte (Ball). Gegen das Bildungsbu¨rgertum einge-
Hufeland, Christoph Wilhelm
stellt, das sie fu¨r den Kriegswahnsinn verantwortlich machten, verließen die Dadaisten alle ga¨ngigen Kunstformen und a¨sthet. Wertmaßsta¨be und entwickelten provokative Antiprogramme mit Lautgedichten, Gera¨uschkonzerten, Text- und Wortmontagen, die von spontaner Kreativita¨t geleitet waren. In dieser Fru¨hphase des Dada entstanden H.s Schalaben, Schalabai, Schalamezomai (1916) und Phantastische Gebete (1916, 21920). 1917–20 geho¨rte H. mit W. Herzfelde und J. Heartfield, G. Grosz, W. Mehring u. a. zu den Ko¨pfen des Berliner Dada. Hier entstanden En avant Dada (1920) und Dada siegt (1920). H. hatte zuna¨chst Med.stud. und war nach seinem kunst- und kulturkritischen Engagement u.a. als Schiffsarzt der Hapag, als Reiseschriftsteller und Journalist ta¨tig. 1936 emigrierte er nach New York, wo er als Arzt und Psychoanalytiker ta¨tig war. Werk: Mit Witz, Licht u. Gru¨tze, Autobiogr., 1957; Sexualita¨t u. Perso¨nlichkeit, 1959. Eck.
Hueppe, Ferdinand (* 24. 8. 1852 Heddesdorf bei Neuwied, † 14. 11. 1938 Dresden). H. erhielt seine Ausbildung an der milita¨ra¨rztl. Bildungsanstalt und prom. 1876 in Berlin. Als Milita¨rarzt von Rastatt 1879 ans Kaiserl. Gesundheitsamt kommandiert, zuna¨chst in ! Pettenkoferschem Geist geschult, trat H. mit ! Loeffler und ! Gaffky in die Gruppe um ! Koch ein, in dessen Biographie er fa¨lschlicherweise immer als unbedeutende Randfigur behandelt wird. 1885 im Fresenius-Inst. in Wiesbaden als erster Schu¨ler Kochs
selbsta¨ndig, faßte er dessen Methodenlehre 1885 als erster mit internat. Ausstrahlung zusammen. In immer scha¨rferem Kontrast zu Koch und dessen wie auch Pettenkofers und ! Virchows Lehre synthetisierend, gelangte er, 1889 als Extraord. der Hyg. nach Prag berufen, zu einem „biol.-energet. Krankheitskonzept“ – teilweise in phil. Anlehnung an E. Mach. 1893 auf der Nu¨rnberger Naturforscherversammlung ausformuliert, diente ihm sein probabilist.-anti-ontol. Krankheitsbegriff, mod. Konzepten nahe verwandt, nur zur Rechtfertigung eines neuen Ontologismus der angeborenen Anlagen und Rasseneigenschaften als Krankheits-„Ur-Sachen“. Von H. St. Chamberlain und Wilhelm II. gescha¨tzt, dienten seine Philippika gegen Kochs „Injektionskrankheiten des Labors“ und seine Sportbegeisterung der Naturheilkunde zur Rechtfertigung. Mit seinem folgenlosen Handbuch der Hygiene (1899) zum ausgesprochenen Rassismus, zur Rassenanthropol. und -hyg. gelangt, hatte sich dennoch mit Bail, Weil, Felix, Weleminsky, Salus und Breinl eine Gruppe begabter – teilweise ju¨d. – Immunol. um ihn gebildet. Auch nach Kochs Tod ohne Hoffnung auf einen ¨ sterRuf an eine pr. Univ. und in O reich polit. gescheitert, zog er sich Hu. 1912 nach Dresden zuru¨ck. Hufeland, Christoph Wilhelm (* 12. 8. 1762 Langensalza, † 25. 8. 1836 Berlin). H. wurde als Sohn einer thu¨r. Arztfamilie geboren. Er stud. von 1780 bis 1783 Med. in Jena und Go¨ttingen, wo er 1783 unter Anleitung von G. Ch. Lichtenberg mit einer exp. Arbeit u¨ber biol. Wirkungen der Elektrizita¨t 179
Hufeland, Christoph Wilhelm
Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836)
prom. Danach war er bis 1793 als Landarzt in der va¨terl. Praxis in Weimar, spa¨ter, wie sein Vater, als Hofarzt und schließlich als herzogl. Leibarzt ta¨tig. Fru¨he Bekanntschaft u.a. mit Goethe, Schiller, Wieland und Herder. Wirkte von 1793 bis 1801 als Prof. an der Univ. in Jena. Seit 1795 gab er das Journal der praktischen Arzneikunde und Wundarzneikunst heraus (ab 1808 Journal fu¨r praktische Heilkunde, bis 1863 erschienen 83 Ba¨nde). Weithin bekannt geworden war er vor allem durch seine Vorl. u¨ber die Verla¨ngerung des menschl. Lebens, die 1796 erstmals in Buchform erschienen und spa¨ter unter dem Titel Makrobiotik zahlreiche Aufl. erlebten. 1801 folgte er nach dem Tode Christian Gottlieb Selles (1748–1800) einem Ruf als Leibarzt der pr. ko¨nigl. Familie nach Berlin. Damit war zugleich das Direktorat des Collegium medico-chi180
rurgicum, der seit 1724 bestehenden milita¨r- und wunda¨rztl. Ausbildungssta¨tte, und die Position als erster Arzt der Charite´ verbunden. In Berlin entfaltete er zahlreiche prakt.-med. und gesundheitspolit. Aktivita¨ten. Neben eigener umfangreicher a¨rztl. Praxis bemu¨hte er sich um das Berliner Armenwesen und fo¨rderte die ! Jennersche Kuhpockenimpfung. Auf seine Initiative wurde 1802 eine Berliner Impfanstalt ero¨ffnet. 1806 begleitete er als Leibarzt nach der Schlacht von Jena und Auerstedt die kgl. Familie auf ihrer Flucht nach Ko¨nigsberg und Memel. 1809 Ru¨ckkehr nach Berlin, wo sich indessen seine erste Frau von ihm getrennt hatte. Erst sieben Jahre spa¨ter ging er eine zweite Ehe ein. H. war 1810 an der Gru¨ndung der Berliner Univ. beteiligt und wurde deren erster Dekan der Med. Fak. und Prof. der speziellen Pathol. und Therapie. 1810 richtete er fu¨r den prakt. a¨rztlichen Unterricht die erste Poliklinik fu¨r unbemittelte Kranke in Berlin ein. Er verfaßte eine Armen-Pharmakopoe und gru¨ndete eine Med.-chir. Gesellschaft (seit 1833 „Hufelandsche Gesellschaft“). Wa¨hrend des Befreiungskrieges 1813/14 hielt er sich wiederum mit dem Hofe in Schlesien (Breslau) auf. Weitere wiss., sozialmed. und gesundheitserzieherische Publ. 1830 Gru¨ndung der „Hufelandschen Stiftung“ ¨ rzte und 1836 der fu¨r notleidende A Stiftung zur Unterstu¨tzung der Arztwitwen. Ab 1830 zunehmendes Augenleiden und dysurische Beschwerden. 1836 erscheint als Verma¨chtnis seiner u¨ber fu¨nfzigja¨hrigen a¨rztl. Erfahrungen das „Enchiridion medicum“.
Hunter, William Werk: Die Kunst, das menschliche Leben zu verla¨ngern, Jena 1796 (ab 31805 unter dem Titel: Makrobiotik oder Die Kunst ...); Enchiridion medicum, oder Anleitung zur medicinischen Praxis, Verma¨chtnis einer 50ja¨hrigen Erfahrung, Berlin 1836 (51839); Selbstbiogr., Stuttgart 1937. Schn.
Hunain ibn Isha¯q (* 808 al-H¯ıra, † 873 ˙ ˙ . nach anderen ˙Zeugnissen 877) Sohn eines Apothekers. Nestorian. Christ, stud. in Bagdad bei Yu¯hanna ibn Ma¯sawaih und unternahm ˙weite Studienreisen, um seine Kenntnisse im Griech. zu vollenden. Reiche ¨ bers.ta¨tigkeit als Hofarzt des Kalifen U al-Mutawakkil; maßgeblich beteiligt waren daran sein Sohn Isha¯q ibn ˙ ˇ alHunain und sein Neffe Hubais ˙ A‘sam. In Bearbeitung griech. Texte schrieb H. Kommentare zum Eid des ! Hippokrates, ferner zu dia¨tet. und therap. Schriften des ! Galen. Unter den selbsta¨ndigen Traktaten rangiert an erster Stelle der Kita¯b al mudhal fı¯t-tibb (= Einfu¨hrung in die ˙unter ˙ ˘ Medizin); dem Titel Isagoge Johannitii wurde die Schrift zu einem der beliebtesten Unterrichtsbu¨cher des hohen MA und fand Eingang in das klassische Unterrichts- und Pru¨fungsbuch, die Articella. Maßgeblich beeinflußt wurde die ma. Augenheilkunde durch die Zehn Bu¨cher u¨ber das Auge, worin H. neben einer Theorie des Sehens die Behandlung der Augenleiden bringt. Im Vordergrund steht die systemat. Kompilation aus ! Galenos, ! Oreibasios und ! Paulos von Aigina, die weite Verbreitung fand und im lat. MA unter dem Titel Liber de oculis Constantini viel benutzt wurde. Andere ophthalm. Schriften sind nach dem Frage-Antwort-Schema u¨berliefert. Schi.
Hunter, John (* 13. 2. 1728 Long Calderwood/Schottland, † 16. 10. 1793 London). Seit der Mitte des 19. Jh. wird H. als Begru¨nder der wiss. Chir. angesehen. H. kam 1748 von Schottland nach London und war zuna¨chst als Anat.lehrer am priv. Inst. seines Bruders William ta¨tig. Spa¨ter gelangte er zu hohem Ansehen, war Armee- und Hospitalchir., hatte eine lukrative chir. Praxis und ein eigenes Lehrinst. mit einer weltberu¨hmten Sammlung von Pra¨paraten. H.s Ruf als Begr. der wiss. Chir. beruht auf seiner regen Forschungs- und Publikationsta¨tigkeit, bei der er anat., physiol. und pathol. Fragestellungen mit der Chir. verband – eine Aktivita¨t, die im Kontext mit dem Betrieb des Schl. Lehrinst. zu verstehen ist. Hunter, William (* 23. 5. 1718 Long Calderwood/Lanarkshire, † 30. 3. 1783 London). Engl. Chir., Anat. und Geburtshelfer. 1762 Leibarzt der Ko¨nigin. 1769 Anat.prof. an der Royal Academy. Mit der Gru¨ndung seiner Anat.schule in London 1746 leistete H. einen wesentl. Beitrag zur Integration der Anat. in die med. Ausbildung nach dem Pariser Vorbild. Errichtung und Unterhalt eines privaten anat. Museums unter hohen Aufwendungen. Auch Ta¨tigkeit in geburtshilfl. Praxis und wichtige Forschungen auf diesem Gebiet. H. wirkte durch seine Schu¨ler, vor allem seinen Bruder ! John H., fort. Werk: The anatomy of the human gravid uterus, Birmingham 1774. Pr.
181
Hyrtl, Joseph
Hyrtl, Joseph (* 7. 12. 1810 Eisenstadt/ Burgenland, † 14. 7. 1894 Perchtoldsdorf bei Wien). Med.stud. in Wien seit 1829, med. Prom. 1835, Prof. fu¨r Anat. in Prag 1837, in Wien 1845, vorzeitige Aufgabe des Lehramtes 1874. H. wurde beru¨hmt durch seine Lb. der Anat. und topograph. Anat. Besonders widmete er sich der vergl. Anat., speziell des Innenohres der Sa¨ugetiere. Ein weltweiter kommerzieller Erfolg wurden seine Korrosionspra¨parate, die er durch die Injektion von erstarrenden Substanzen in die Hohlra¨ume produzierte. In den fu¨nfziger Jahren kam es zum Streit mit ! Bru¨cke, da H. die Vorrangstellung der Morphol. vor der Physiol. behauptete. Als polem. Gegner der physiol. Vivisektion mit vitalistischen Tendenzen wies er in einer Rektoratsrede 1865 auf die Gefahren des Materialismus fu¨r Kirche und Monarchie hin. H. galt als einer der gla¨nzendsten anat. Lehrer des 19. Jh. Nach 1874 bescha¨ftigte er sich mit der Geschichte der anat. Fachsprache und beeinflußte die Nomenklaturkommissionen von Basel und Jena entscheidend. Werk: Lehrbuch der Anatomie des Menschen, Prag 1846; Handbuch der topographischen Anatomie, Wien 1847; Die materialistische Weltanschauung unserer Zeit, Wien/Leipzig 1865; Die Corrosions-Anatomie, Wien 1873; Onomatologia anatomica, Wien 1880. Bro¨.
Ibn an-Nafı¯s. ‘Ala’ ad-Dı¯n ‘Alı¯ ibn abı¯ l-Hazm al Qurasˇ¯ı, gen. Ibn an-Nafı¯s (* ˙ca. 1210 Damaskus, † 1288 Kairo). Ausgebildet am Bimarista¯n an-Nu¯rı¯, Schu¨ler von Muhaddib ad-Dı¯n ‘Abd ¯ ar-Rah¯ım ibn ‘Alı¯.¯ Wirkte in Kairo ˙ 182
am Na¯sirı¯-Spital und wurde Chef ˙ A ¨ rzte ¨ gyptens (Ra’ı¯s at-tibba¯’ der A ˙ ˙ geMisr). I. hinterließ ein unvollendet ˙ bliebenes Kompendium (Kita¯b asˇSˇa¯mil fı¯s-sina¯‘a at-tibbı¯ya), ferner ˙˙ ˙¨ ber Augenheilkunde. ein Buch˙ u Auf die Nachwelt wirkte sein ! Avicenna-Kommentar (1828 in Kalkutta gedruckt), in welchem er seine Theorie des Lungenkreislaufs begru¨ndete. Erhalten blieben ferner Werke zur Jurisprudenz und zur Theol., so der „Fa¯dil ˙ ibn Na¯tiq“, ein Gegenstu¨ck zum „Haiy ˙ ¯ n“, dem „Robinson“ des˙ Ibn ibn Yaqza Schi. Tufail. ˙ Imhotep [Ij-m-htp, Imuthes] (ca. 2600 ˙ v.Chr.). ¨ mter und Inhaber ho¨chster polit. A Hofra¨nge unter Ko¨nig Djoser (3. Dyn., um 2600 v. Chr.), beru¨hmt als Baumeister von dessen Stufenpyramide in Saqqaˆra. Zuna¨chst als Weiser des Altertums zitiert und verehrt, steigert sich seit dem Neuen Reich Imhoteps Ruhm besta¨ndig, bis er in der Spa¨tzeit in einem organisierten Kult seine Fixierung und offizielle Anerkennung findet. Als Nothelfer ist er fu¨r viele Wu¨nsche zusta¨ndig, dabei ist der med. Bereich nur einer unter mehreren. Obwohl seine hist. Existenz feststeht, ist eine tatsa¨chliche a¨rztl. Ta¨tigkeit nicht nachweisbar; ihre Annahme entspringt spa¨terer Gleichsetzung mit Asklepios und dem Wunsch nach mo¨glichst weit zuru¨ckreichender hist. LegitimaFi. tion. Ingenieros, Jose´ (* 24. 4. 1877 Palermo, † 31. 10. 1925 Buenos Aires). Der argent. Psychiater und Philosoph wurde als Giuseppe Ingenieri in Palermo (Italien) geboren. Im Alter von 8
Hyrtl, Joseph
Hyrtl, Joseph (* 7. 12. 1810 Eisenstadt/ Burgenland, † 14. 7. 1894 Perchtoldsdorf bei Wien). Med.stud. in Wien seit 1829, med. Prom. 1835, Prof. fu¨r Anat. in Prag 1837, in Wien 1845, vorzeitige Aufgabe des Lehramtes 1874. H. wurde beru¨hmt durch seine Lb. der Anat. und topograph. Anat. Besonders widmete er sich der vergl. Anat., speziell des Innenohres der Sa¨ugetiere. Ein weltweiter kommerzieller Erfolg wurden seine Korrosionspra¨parate, die er durch die Injektion von erstarrenden Substanzen in die Hohlra¨ume produzierte. In den fu¨nfziger Jahren kam es zum Streit mit ! Bru¨cke, da H. die Vorrangstellung der Morphol. vor der Physiol. behauptete. Als polem. Gegner der physiol. Vivisektion mit vitalistischen Tendenzen wies er in einer Rektoratsrede 1865 auf die Gefahren des Materialismus fu¨r Kirche und Monarchie hin. H. galt als einer der gla¨nzendsten anat. Lehrer des 19. Jh. Nach 1874 bescha¨ftigte er sich mit der Geschichte der anat. Fachsprache und beeinflußte die Nomenklaturkommissionen von Basel und Jena entscheidend. Werk: Lehrbuch der Anatomie des Menschen, Prag 1846; Handbuch der topographischen Anatomie, Wien 1847; Die materialistische Weltanschauung unserer Zeit, Wien/Leipzig 1865; Die Corrosions-Anatomie, Wien 1873; Onomatologia anatomica, Wien 1880. Bro¨.
Ibn an-Nafı¯s. ‘Ala’ ad-Dı¯n ‘Alı¯ ibn abı¯ l-Hazm al Qurasˇ¯ı, gen. Ibn an-Nafı¯s (* ˙ca. 1210 Damaskus, † 1288 Kairo). Ausgebildet am Bimarista¯n an-Nu¯rı¯, Schu¨ler von Muhaddib ad-Dı¯n ‘Abd ¯ ar-Rah¯ım ibn ‘Alı¯.¯ Wirkte in Kairo ˙ 182
am Na¯sirı¯-Spital und wurde Chef ˙ A ¨ rzte ¨ gyptens (Ra’ı¯s at-tibba¯’ der A ˙ ˙ geMisr). I. hinterließ ein unvollendet ˙ bliebenes Kompendium (Kita¯b asˇSˇa¯mil fı¯s-sina¯‘a at-tibbı¯ya), ferner ˙˙ ˙¨ ber Augenheilkunde. ein Buch˙ u Auf die Nachwelt wirkte sein ! Avicenna-Kommentar (1828 in Kalkutta gedruckt), in welchem er seine Theorie des Lungenkreislaufs begru¨ndete. Erhalten blieben ferner Werke zur Jurisprudenz und zur Theol., so der „Fa¯dil ˙ ibn Na¯tiq“, ein Gegenstu¨ck zum „Haiy ˙ ¯ n“, dem „Robinson“ des˙ Ibn ibn Yaqza Schi. Tufail. ˙ Imhotep [Ij-m-htp, Imuthes] (ca. 2600 ˙ v.Chr.). ¨ mter und Inhaber ho¨chster polit. A Hofra¨nge unter Ko¨nig Djoser (3. Dyn., um 2600 v. Chr.), beru¨hmt als Baumeister von dessen Stufenpyramide in Saqqaˆra. Zuna¨chst als Weiser des Altertums zitiert und verehrt, steigert sich seit dem Neuen Reich Imhoteps Ruhm besta¨ndig, bis er in der Spa¨tzeit in einem organisierten Kult seine Fixierung und offizielle Anerkennung findet. Als Nothelfer ist er fu¨r viele Wu¨nsche zusta¨ndig, dabei ist der med. Bereich nur einer unter mehreren. Obwohl seine hist. Existenz feststeht, ist eine tatsa¨chliche a¨rztl. Ta¨tigkeit nicht nachweisbar; ihre Annahme entspringt spa¨terer Gleichsetzung mit Asklepios und dem Wunsch nach mo¨glichst weit zuru¨ckreichender hist. LegitimaFi. tion. Ingenieros, Jose´ (* 24. 4. 1877 Palermo, † 31. 10. 1925 Buenos Aires). Der argent. Psychiater und Philosoph wurde als Giuseppe Ingenieri in Palermo (Italien) geboren. Im Alter von 8
Isidor von Sevilla
Jahren kam er mit seinem Vater nach Argentinien. I. stud. Pharmazie und Med. an der Univ. Buenos Aires und prom. im Jahre 1900. Schon sehr fru¨h bescha¨ftigte er sich mit Psychiatrie und Kriminol. und folgte den Theorien des Italieners Cesare Lombroso (1836–1909) vom „geborenen Verbrecher“. 1902 wurde I. Dozent des Inst. fu¨r Neuropathol. und Dir. des Archivs fu¨r Psychiatrie und Kriminologie (bis 1913). 1904 publ. er das Buch Hysterie und Suggestion und wurde 1907 Pra¨sident der Argent. Med. Gesellschaft. Vier Jahre spa¨ter wurde I.s Weg zum o. Prof. der Rechtsmed. seiner liberalen Ideen wegen unterbrochen. Es folgten seine definitive Entfernung aus der Med. Fak. und eine Reise nach Europa, wo er die Univ. Paris, Lausanne und Heidelberg besuchte. 1914 kehrte I. nach Argentinien zuru¨ck und gru¨ndete das „Phil. Seminar“ der Univ. Buenos Aires. In diesem Jahr erschien das bekannte Buch Der mittelma¨ßige Mensch (El hombre mediocre). Ab diesem Zeitpunkt begann I., mehr als Philosoph und Schriftsteller denn als Psychiater zu arbeiten. Er machte Schule und wurde Fu¨hrer des argent. Positivismus. 1920 erschien sein Hauptwerk: Irrsinn in Argentinien. Viele seiner Bu¨cher wurden ins Dt. u¨bersetzt. Werk: Gesamte Werke in 20 Bd. (span.: Obras completas en 20 tomos), Buenos Aires 1958. Ac.
Isaak Judaeus (* ca. 850 A¨gypten, † 950 Tunesien). Ju¨d. Arzt und Phil. Der in lat. Quellen als „Isaak Judaeus“ bezeichnete Ishaq ben Solaiman al-Israeli ist auch unter
dem Namen Isaac Israeli bekannt. Geburts- und Sterbedaten I.s sind unsicher und werden in der Lit. unterschiedlich angegeben. I. lebte zuna¨chst in Kairo, spa¨ter in Al-Qairawan (Kairouan) im heutigen Tunesien. I.s arab. verfaßte Schriften wurden ins Hebr. und Lat. u¨bersetzt. Sie geho¨ren zu den ersten med. Werken, die durch ! Constantinus Africanus dem lat. Westen zuga¨nglich gemacht wurden. I.s med. Schriften finden sich spa¨ter in ¨ rzte des handlichen Lb. der akad. A MA und za¨hlten zum festen Bestandteil des Unterrichts- und Pru¨fungsprogramms der großen med. Schulen Europas. I. hatte somit einen betra¨chtl. Anteil an der Vermittlung griech. und arab. med. Lehren an das lat. Abendland. Sein Liber de febribus za¨hlt zu den bedeutendsten Abh. der arab. Med. zur Fieberlehre. Wichtig sind auch die Urinschrift Liber de urinis und die durch ! Petrus Hispanus kommentierte Erna¨hrungslehre De dietarum universalium et particularium. Auch in der Philosophie war I. von Einfluß. Er gilt als einer der herausragenden Neoplatoniker des 10. Jh. Seine Wiss.systematik und seine Abh. u¨ber die Elemente wurden von ! G. von Cremona u¨berSchl. setzt. Isidor von Sevilla (* ca. 560, † 636). Bischof von Sevilla, einer der bedeutendsten Vermittler antiker Bildung an das MA. Med. von Bedeutung ist außer einigen Kapiteln in De natura rerum (bes. 39: De pestilentia) und Buch 2 der Differentiae das Sammelwerk Etymologiae, und zwar Buch 4 (Med.), Buch 11 (Anthropol.) und Buch 17 (Landwirtschaft, darin die Pflanzenkunde). Relevante Passagen 183
Itard, Jean E´tienne Marie Gaspard
aus diesen Werken sind ha¨ufig selbsta¨ndig u¨berliefert. Wie der Titel Etymologiae deutlich sagt, gilt der Worterkla¨rung (Ableitung und Definition, nach z.T. bekannten med. Autoren) I.s hauptsa¨chl. Interesse; weder theoret. noch prakt. Kenntnisse werden vermittelt, vielmehr ko¨nnen I.s Definitionen die Lektu¨re von Spezialschriften u¨berhaupt erst ermo¨glichen. Einige wenige seiner Verse bescha¨ftigen sich mit der Hausapotheke, der Deontol. und der Kra¨uterkammer; sie stehen auch in med. Hss. wie dem Lorscher Arzneibuch. Werk: Isidori Hispalensis Etymologiarum sive originum libri 20, 2 Bd., Oxford 1911; Beeson, Ch.H., Isidor-Studien (Verse), Mu¨nchen 1913 (Nr. XVI-XXIV = 163–166); Fontaine, J., Isidore de Se´ville, Traite´ de la nature (lat.-frz.), Bordeaux 1960; Sharpe, W.D., Isidore of Seville: The medical writings, Philadelphia 1964 ¨ bers. v. Buch 4, 11), Trans. Amer. (engl. U Phil. Soc. 54, 2; Andre´, J., Isidore de Se´ville, E´tymologies Livre 17, Paris 1981 (lat.-frz.); Schu¨tz, H.A., Die Schrift (!) De Medicina des Isidor von Sevilla, Diss. ¨ bers. v. Buch 4 med., Gießen 1984 (dt. U d. Etymologiae). Fi.
Itard, Jean E´tienne Marie Gaspard (* 1774 Oraison, † 5. 7. 1838 Paris). Geb. in Oraison (Provence), begann I. nach der Schule eine Banklehre. Um sich dem Milita¨rdienst zu entziehen, gab er vor, Mediziner zu sein, was zu seiner Verwendung als Unterarzt in einem Milita¨rspital fu¨hrte. Als unerwartet talentierter Operateur wurde I. bald Chirurgien interne am Pariser Hoˆpital d’instruction, 1798 Chirurgien aide-major des Val-de-Graˆce und 1801 Arzt des Pariser Taubstummeninst. (Institution des sourds et muets), das er bis zu seinem Tod lei184
tete. Seine 1821 erschienene grundlegende otiatrisch-audiologische Monographie enthielt 172 Krankengeschichten. Relativ erfolglos blieben I.s intensive Ho¨r- und Sprechu¨bungen mit taubstummen Kindern. Seinem Inst. vermachte er 160 000 Francs. Werk: Traite´ des maladies de l’oreille et de l’audition, Paris 1821. Ba.
Jackson, John Hughlings (* 4. 4. 1835 Providence Green/Yorkshire, † 7. 10. 1911 London). J. knu¨pfte als Neurologe an die Evolutionstheorie Herbert Spencers an. Er faßte das Gehirn im Sinne einer hierarch. Organisation auf und nahm drei evolutiona¨re Stufen der sensomotorischen Mechanismen an. Voraussetzung fu¨r ein Versta¨ndnis der pathol. Erscheinungen des Nervensystems ist eine inhibit. Kontrolle der niedrigeren Stufen durch die ho¨heren. Bei La¨sionen sind die klin. Symptome Ausdruck der niedrigeren, nicht von der La¨sion betroffenen Levels, die nun keiner Kontrolle mehr unterworfen sind. Auf dieser Basis lieferte J. wichtige Erkenntnisse u.a. zu Epilepsie, motorischen Sto¨rungen und Aphasie. J. stellte Hirnfunktionen in einen biol.-physiol. Kontext, betonte aber auch die Bedeutung einer gru¨ndl. klin. Untersuchung. J. wirkte zeitlebens in London, war hoch angesehen, Hg. aber kein Schulbildner. Jaspers, Karl (* 23. 2. 1883 Oldenburg, † 26. 2. 1969 Basel). Die Handbuchetikettierung als polit. und Existenzphilosoph vernebelt eher die Bedeutung von J., dem es in Abgrenzung zur Existentialphil. Martin Heideggers nicht um die „Exis-
Itard, Jean E´tienne Marie Gaspard
aus diesen Werken sind ha¨ufig selbsta¨ndig u¨berliefert. Wie der Titel Etymologiae deutlich sagt, gilt der Worterkla¨rung (Ableitung und Definition, nach z.T. bekannten med. Autoren) I.s hauptsa¨chl. Interesse; weder theoret. noch prakt. Kenntnisse werden vermittelt, vielmehr ko¨nnen I.s Definitionen die Lektu¨re von Spezialschriften u¨berhaupt erst ermo¨glichen. Einige wenige seiner Verse bescha¨ftigen sich mit der Hausapotheke, der Deontol. und der Kra¨uterkammer; sie stehen auch in med. Hss. wie dem Lorscher Arzneibuch. Werk: Isidori Hispalensis Etymologiarum sive originum libri 20, 2 Bd., Oxford 1911; Beeson, Ch.H., Isidor-Studien (Verse), Mu¨nchen 1913 (Nr. XVI-XXIV = 163–166); Fontaine, J., Isidore de Se´ville, Traite´ de la nature (lat.-frz.), Bordeaux 1960; Sharpe, W.D., Isidore of Seville: The medical writings, Philadelphia 1964 ¨ bers. v. Buch 4, 11), Trans. Amer. (engl. U Phil. Soc. 54, 2; Andre´, J., Isidore de Se´ville, E´tymologies Livre 17, Paris 1981 (lat.-frz.); Schu¨tz, H.A., Die Schrift (!) De Medicina des Isidor von Sevilla, Diss. ¨ bers. v. Buch 4 med., Gießen 1984 (dt. U d. Etymologiae). Fi.
Itard, Jean E´tienne Marie Gaspard (* 1774 Oraison, † 5. 7. 1838 Paris). Geb. in Oraison (Provence), begann I. nach der Schule eine Banklehre. Um sich dem Milita¨rdienst zu entziehen, gab er vor, Mediziner zu sein, was zu seiner Verwendung als Unterarzt in einem Milita¨rspital fu¨hrte. Als unerwartet talentierter Operateur wurde I. bald Chirurgien interne am Pariser Hoˆpital d’instruction, 1798 Chirurgien aide-major des Val-de-Graˆce und 1801 Arzt des Pariser Taubstummeninst. (Institution des sourds et muets), das er bis zu seinem Tod lei184
tete. Seine 1821 erschienene grundlegende otiatrisch-audiologische Monographie enthielt 172 Krankengeschichten. Relativ erfolglos blieben I.s intensive Ho¨r- und Sprechu¨bungen mit taubstummen Kindern. Seinem Inst. vermachte er 160 000 Francs. Werk: Traite´ des maladies de l’oreille et de l’audition, Paris 1821. Ba.
Jackson, John Hughlings (* 4. 4. 1835 Providence Green/Yorkshire, † 7. 10. 1911 London). J. knu¨pfte als Neurologe an die Evolutionstheorie Herbert Spencers an. Er faßte das Gehirn im Sinne einer hierarch. Organisation auf und nahm drei evolutiona¨re Stufen der sensomotorischen Mechanismen an. Voraussetzung fu¨r ein Versta¨ndnis der pathol. Erscheinungen des Nervensystems ist eine inhibit. Kontrolle der niedrigeren Stufen durch die ho¨heren. Bei La¨sionen sind die klin. Symptome Ausdruck der niedrigeren, nicht von der La¨sion betroffenen Levels, die nun keiner Kontrolle mehr unterworfen sind. Auf dieser Basis lieferte J. wichtige Erkenntnisse u.a. zu Epilepsie, motorischen Sto¨rungen und Aphasie. J. stellte Hirnfunktionen in einen biol.-physiol. Kontext, betonte aber auch die Bedeutung einer gru¨ndl. klin. Untersuchung. J. wirkte zeitlebens in London, war hoch angesehen, Hg. aber kein Schulbildner. Jaspers, Karl (* 23. 2. 1883 Oldenburg, † 26. 2. 1969 Basel). Die Handbuchetikettierung als polit. und Existenzphilosoph vernebelt eher die Bedeutung von J., dem es in Abgrenzung zur Existentialphil. Martin Heideggers nicht um die „Exis-
Jaspers, Karl
tentialien“ des Daseins als Fundamentalontol. ging, nicht darum, „das Sein selbst zu denken“, sondern um „die wesenhafte Einheit des Menschen“. J.s Phil. gru¨ndet auf existentiellen humanen Grenzsituationen, mit denen er lebenslang aufgrund seiner nur durch strengste Disziplinierung bewa¨ltigten Bronchialkrankheit konfrontiert war, und denen er im Verlauf seiner psychiatr. Vorbildung naturwiss.-systemat. nachspu¨rte. Das Med.stud. 1902–08 in Berlin, Go¨ttingen und Heidelberg mu¨ndete in die Prom. u¨ber Heimweh und Verbrechen und die Appr. 1909 mit dem Spezialgebiet Psychiatrie. 1913 habil. sich J. in Heidelberg mit der Schrift Allgemeine Psychopathologie. In diesem Kontext erschienen seine Schriften u¨ber den Eifersuchtswahn (1910), u¨ber Methoden der Intelligenzpru¨fung (1910), u¨ber Trugwahrnehmungen (1912) und u¨ber Wahnideen und Krankheitsfa¨lle (1913). Grundsa¨tzl. Bedeutung erlangt das Freiheitsproblem 1919 in seiner Psychologie der Weltanschauungen im Sinne einer verstehenden phil. Psychol., in enger Verbindung mit dem Soziologen Max Weber, zu dem seit 1909 eine intensive perso¨nl. Bindung bestand und dessen strenge wiss.theoret. Begriffsbildung den jungen Mediziner nachhaltig beeinflußte. Der Nervenarzt und der Philosoph J. sind nicht zu trennen, da es ihm immer um „Grenzsituationen“ in den konkreten Erfahrungen des Menschen geht, um dessen innerste „Existenz“, und weil solches Philosophieren nur in der „Kommunikation“ mit anderen Menschen geschieht. Da J. eine „natu¨rl. Universalita¨t in der Aneignung der mod. Wissenschaft“ (Hans Georg
Gadamer) besaß, verstand er Phil. nicht als Spezialdisziplin, vielmehr befa¨higte ihn sein tiefes Eindringen in die Probleme der mod. Wiss. zu einer bohrenden Auseinandersetzung mit der gro¨ßten Gefahr fu¨r den Menschen, daß er „in der Philosophie und in der Wissenschaft im wo¨rtlichen Sinne vor sich selbst davonla¨uft“ (Richard Wisser). Den Ausgangspunkt seines Denkens legte J. in seiner dreiba¨ndigen Philosophie 1932 nieder, doch eine breitenwirksame Ausstrahlung erfuhr bereits sein kleines B. Die geistige Situation der Zeit von 1931. „Faktisches Dasein“, „Klarheit des Wissens“ und „Selbstsein in seinem Glauben“ seien dabei zu beachten, und auf allen drei Ebenen diagnostizierte J. eine grundlegende Krise, als Staatskrise angesichts mangelnder Akzeptanz der De-
Karl Jaspers (1883–1969) 185
Jenner, Edward
mokratie, als Kulturkrise, da alles Geistige einem unaufhaltsamen Zersetzungsprozeß ausgesetzt sei, und als Krise des Menschen selbst. Das immer an der „Existenz“ des einzelnen Individuums orientierte Denken von J. erwies somit die Kraft zu einer umfassenden Wahrnehmung kultureller Widerspru¨che im Prozeß der Mod. und zugleich eine eminent polit. Dimension. So mußte fu¨r J., der gegen den Widerstand des Fachvertreters Heinrich Rickert 1922 auf den zweiten Lehrstuhl fu¨r Phil. in Heidelberg berufen wurde und der seit 1910 mit der Ju¨din Gertrud Mayer verheiratet war, die NS-Zeit zur Existenzgefa¨hrdung werden. 1937 entlassen, erhielt J. 1943 Schreibverbot und durfte einem Ruf nach Basel nicht folgen. Der Einmarsch der Amerikaner bewahrte das Ehepaar vor der Deportation. 1948 nahm er den Ruf nach Basel an, bis zu seinem Tod ha¨uften sich hohe Ehrungen. Als polit. Philosoph begleitete er die junge Bundesrepublik von Beginn an „mit Hoffnung und Sorge“ in der Verantwortung fu¨r „geschehende Geschichte“. Von der Schuldfrage (1946) u¨ber Die Atombombe und die Zukunft des Menschen (1956) bis zur aggressiven Polemik Wohin treibt die Bundesrepublik? von 1966 blieb ¨ rgernis, stellte er J. ein fruchtbares A sich dem Risiko, „Politik mit der Existenz zu verbinden“. Werk: Existenzphilosophie, Berlin u. Leipzig 1938, 41974; Nietzsche und das Christentum, Hameln 1947; Ursprung und Ziel der Geschichte, 1949; Die großen Philosophen I, 1957; Philosophie und Welt, Mu¨nchen 1958; Hoffnung und Sorge, 1965; Saner, K. (Hg.), Autobiographische Schriften, Mu¨nchen 1967. v. Bru. 186
Jenner, Edward (* 17. 5. 1749 Berkeley/Gloucestershire, † 26. 1. 1823 Berkeley). Wundarzt in Berkeley und London. Fu¨hrte die Pockenschutzimpfung in ¨ bernahme die wiss. Med. ein durch U popula¨rmed. Wissens um Pockenimmunita¨t nach einer Kuhpockeninfektion. Erstes Experiment 1796. Nach Erstvero¨ffentlichung (1798) anfangs kritisch aufgenommen, konnte sich die Innovation durchsetzen. J. lebte weiterhin hoch geehrt. Seine „Vakzination“ lo¨ste die „Variolation“ mit Menschenpocken ab, konnte die a¨ußerst verbreitete Seuche zuru¨ckdra¨ngen und als bislang einzige Infektionskrankheit bis heute eliminieren. Die zahlreichen Biographien sahen J. meist polarisiert als Genie oder Scharlatan (Baxby). Angesichts der Wirkung seiner Innovation wurde und wird J. zum Heroen einer effizienten naturwiss. Med. stilisiert, wa¨hrend Kritiker auf J.s Vorga¨nger verweisen, Fehler in J.s Vorgehen (benu¨tzter Impfstoff), Theorie (Wirkungsdauer, Herkunft der Vakzine), Beweisfu¨hrung etc. hervorheben. J.s Verdienst liegt statt in Entdeckung und Beweisfu¨hrung darin, der Idee dieser Immunisierung Aufmerksamkeit verschafft Wo. zu haben. Jessenius, Johannes [Jan Jessensky´] (* 27. 12. 1566 Breslau, † 21. 6. 1621 Prag). Med.stud. in Wittenberg, Leipzig und Padua 1583–91, Prom. 1591, 1594 Prof. fu¨r Chir., dann fu¨r Anat. in Witten¨ bersiedlung nach Prag berg, 1602 U auf Wunsch Kaiser Rudolfs II., große Privatpraxis, 1608–13 Leibarzt des Ko¨nigs bzw. Kaisers Matthias in Wien,
Jung, Carl Gustav
1617 Rektor der karolin. Univ. in Prag, nach dem Prager Fenstersturz im diplomat. Dienst der bo¨hm. Sta¨nde, Begleiter des „Winterko¨nigs“ Friedrich von der Pfalz, nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 Gefangennahme und Hinrichtung zusammen mit hohen bo¨hm. Wu¨rdentra¨gern im Juni 1621. Neben seinem polit. Engagement, das ihn zum tschech. Nationalhelden werden ließ, machte sich J. um die Einfu¨hrung mod. anat. Meth. in Wittenberg und Prag verdient. Er fu¨hrte einige anat. Leichensektionen durch, darunter die erste in Prag u¨berhaupt im Jahr 1600. J. ka¨mpfte auch fu¨r die Gleichberechtigung der Chir. mit der Med. Werk: Institutiones chirurgicae, Wittenberg 1601; Anatomiae Pragae, Anno MDC abs se solenniter administratae historia, Prag 1601; De cavenda tollendaque peste [...] consilium, Prag 1606. Bro¨.
Johannes Zacharias Aktuarios (* ca. 1275, † nach 1328). Byz. Arzt, aktouarios (kaiserlicher Hofarzt) in Konstantinopel; verfaßte ein med. Hb., Therapeutike methodos, in 6 B., basierend auf ! Galen und ¨ rzten. spa¨teren griech. und arab. A Hinzu kommen ein Kompendium der Harnlehre und eine Schrift u¨ber das „Lebenspneuma“ (psychikon pneuma) und der darauf bezu¨glichen diaita. ¨ bers., lat.), Venedig Werk: Mathis, C.H. (U 1554; Ideler, I.L. (Hg.), De spiritu animali, Physici et medici graeci minores, Bd. 1, Leipzig 1841 (repr.: Amsterdam 1963), 312–86; ders. (Hg.), De urinis, Bd. 2, 1842, 3–192; Therapeutike methodos, griech. nur B. 1 u. B. 2; ders. (Hg.), De diagnosi, Bd. 2, 353–463. Le.
Jung, Carl Gustav (* 26. 7. 1875 Kesswil/Schweiz, † 6. 6. 1961 Ku¨snacht). 1895 bis 1900 Stud. der Med., Jura und Phil. in Basel; 1900 2. Ass. von ! Bleuler an Psychiatr. Heilanstalt Burgho¨lzli der Univ. Zu¨rich; 1904 Dr. med. mit Arbeit u¨ber Okkultismus. Ab 1904 diagnost. Assoziationsstudien mit Hilfe physiol. Parameter; Interpretation als exp. Beleg fu¨r die Verdra¨ngungstheorie ! Freuds. 1905 Habil. Anstellung als Oberarzt am Burgho¨lzli. 1906 Kontakt zu Freud; o¨ffentl. Verteidigung der psychoanalyt. Neurosenlehre; ab 1907 Engagement in psychoanalyt. Bewegung. J. galt als Nachfolger Freuds. 1909 Vortragsreise mit Freud in die USA; psychotherap. Privatpraxis in Ku¨snacht (Zu¨richsee); 1910 1. Pra¨sident der Internat. Psychoanalyt. Vereinigung; Redakteur des Jahrbuchs fu¨r psychoanalytische und psychopathologische Forschungen. 1911 von Freud abweichende Auffassung des Libido- und Symbolbegriffes; 1913 Ru¨cktritt als Priv.-Doz. an der Univ. Zu¨rich und endgu¨ltiger Bruch mit Freud; 1914 Ausscheiden aus der psychoanalyt. Bewegung. Zwischen 1913 und 1919 durchlebte J. eine perso¨nl. Krise, die er scho¨pferisch durch Selbstbehandlung und durch Konzeption seiner Variante der Tiefenpsychol. (komplexe oder analyt. Psychol.) lo¨ste. Nach 1920 Privatgelehrter und Oberhaupt einer psychotherap. Schule von internat. Ruf; 1921 Vero¨ffentlichung seiner Perso¨nlichkeitstypol. (Extraversion und Introversion); 1923 Literaturpreis der Stadt Zu¨rich; Ausbau der Lehre vom kollektiven Unbewußten auf der Grundlage ethnol., religionswiss., anthropol. und phil. Studien von Tra¨u187
Jung, Johann Heinrich [Jung-Stilling]
men, Mythen, Symbolen und o¨stl. Meditationstechniken. Ab 1928 philol. Analyse alchimist. Texte zum Nachweis archetyp. Strukturen des Unbewußten; Forschungsreisen nach Amerika, Afrika und Asien. 1933 bis 1939 Vorsitz der von Deutschland dominierten Internat. a¨rztl. Gesellsch. fu¨r Psychotherapie; umstrittener Einsatz fu¨r „Arische Psychotherapie“. 1935 Titularprof. fu¨r Allg. Psychol. an der TH Zu¨rich; 1944 bis 1945 o. Prof. fu¨r Med. Psychol. an der Univ. Basel; 1948 Gru¨ndung des C. G. Jung-Inst. als Ausbildungssta¨tte fu¨r Psychotherapie in Zu¨rich. J. wurde von mehreren Univ. zum Ehrendoktor ernannt. Im Mittelpunkt der Psychotherapie J.s steht die lebenslange Individuation (differentielle Entfaltung der Perso¨nlichkeit aus dem Unbewußten). Als Hauptmeth. gelten Traumanalyse, Imagination und bildnerische Gestaltung. J. versuchte das Wesen des Psychischen in der Kompensation von Gegensa¨tzen wie z.B. zwischen den Archetypen Anima und Animus zu erfassen, welche seines Erachtens den unbewußten gegengeschlechtl. Typus jedes Menschen verko¨rpern. Werk: Gesammelte Werke, 20 Bd.; 3 Bd. Briefe, Olten 1971ff. Schr.
Jung, Johann Heinrich [JungStilling] [genannt J.-Stilling] (* 12. 9. 1740 Grund, † 2. 4. 1817 Karlsruhe). Arzt, Schriftsteller und Wirtschaftswissenschaftler. 1770–72 Stud. der Med. in Straßburg. Bekanntschaft u.a. mit Goethe. 1772–78 praktizierte J. in Elberfeld und wurde in Folge vor allem als Ophthalmol. (Staroperationen) bekannt. Ab 1778 Prof. fu¨r 188
¨ konomie und Kameralistik in KaiO serslautern und Heidelberg, ab 1802 Hofrat in Karlsruhe und vermehrt pietist. Publ. J., der ca. 2000 Staroperationen vornahm (auch nach 1778), hat Gr. dazu versch. Schriften verfaßt. Just, Ernst Everett (* 14. 08. 1883 Charleston/S.C., † 27. 10. 1941 Washington). Biologe. Besuch des Dartmouth College. Nach Beginn eines geisteswiss. Stud. entwickelte J. zunehmendes Interesse fu¨r Biologie. Besuch der Kurse von W. Patten (1881-1931). 1907 Abschluss des Stud. mit Auszeichnung. Beginn einer Lehrta¨tigkeit (Engl.) an der Howard Univ., der einzigen amerik. Univ., an der J. als Amerik. afrikan. Ursprungs unterrichten konnte. 1910 Ass. Prof. of Biol. Seit 1909 Arbeiten mit F. R. Lillie in dem Meeresbiol. Labor Woods Hole v.a. zur Fertilisation. 1916 PhD. in exp. Biol. Um rassist. Diskriminierung in den USA zu entgehen, reiste J. ab 1929 regelma¨ßig fu¨r Forschungsaufenthalte nach Europa (Zool. Station Neapel, 1929, 1933-35; KWI fu¨r Biol. in Berlin unter M. Hartmann 1930, 1931; 1938¨ ber die 1940 Zool. Station Roscoff). U Europaaufenthalte relative Abkehr von der amerikan. Scientific community. J. leistete wichtige Arbeiten zur Rolle des Ektoplasmas u. der Zelloberfla¨che bei Befruchtungsvorga¨ngen. Werk: The Biology of the Cell Surface, Philadelphia 1939. Fg.
Kaempfer, Engelbert (* 16. 9. 1651 Lemgo, † 2. 11. 1716 Lieme bei Lemgo). Stud. der Med. in Krakau, Ko¨nigsberg und Uppsala, 1683 Reise als schwed.
Jung, Johann Heinrich [Jung-Stilling]
men, Mythen, Symbolen und o¨stl. Meditationstechniken. Ab 1928 philol. Analyse alchimist. Texte zum Nachweis archetyp. Strukturen des Unbewußten; Forschungsreisen nach Amerika, Afrika und Asien. 1933 bis 1939 Vorsitz der von Deutschland dominierten Internat. a¨rztl. Gesellsch. fu¨r Psychotherapie; umstrittener Einsatz fu¨r „Arische Psychotherapie“. 1935 Titularprof. fu¨r Allg. Psychol. an der TH Zu¨rich; 1944 bis 1945 o. Prof. fu¨r Med. Psychol. an der Univ. Basel; 1948 Gru¨ndung des C. G. Jung-Inst. als Ausbildungssta¨tte fu¨r Psychotherapie in Zu¨rich. J. wurde von mehreren Univ. zum Ehrendoktor ernannt. Im Mittelpunkt der Psychotherapie J.s steht die lebenslange Individuation (differentielle Entfaltung der Perso¨nlichkeit aus dem Unbewußten). Als Hauptmeth. gelten Traumanalyse, Imagination und bildnerische Gestaltung. J. versuchte das Wesen des Psychischen in der Kompensation von Gegensa¨tzen wie z.B. zwischen den Archetypen Anima und Animus zu erfassen, welche seines Erachtens den unbewußten gegengeschlechtl. Typus jedes Menschen verko¨rpern. Werk: Gesammelte Werke, 20 Bd.; 3 Bd. Briefe, Olten 1971ff. Schr.
Jung, Johann Heinrich [JungStilling] [genannt J.-Stilling] (* 12. 9. 1740 Grund, † 2. 4. 1817 Karlsruhe). Arzt, Schriftsteller und Wirtschaftswissenschaftler. 1770–72 Stud. der Med. in Straßburg. Bekanntschaft u.a. mit Goethe. 1772–78 praktizierte J. in Elberfeld und wurde in Folge vor allem als Ophthalmol. (Staroperationen) bekannt. Ab 1778 Prof. fu¨r 188
¨ konomie und Kameralistik in KaiO serslautern und Heidelberg, ab 1802 Hofrat in Karlsruhe und vermehrt pietist. Publ. J., der ca. 2000 Staroperationen vornahm (auch nach 1778), hat Gr. dazu versch. Schriften verfaßt. Just, Ernst Everett (* 14. 08. 1883 Charleston/S.C., † 27. 10. 1941 Washington). Biologe. Besuch des Dartmouth College. Nach Beginn eines geisteswiss. Stud. entwickelte J. zunehmendes Interesse fu¨r Biologie. Besuch der Kurse von W. Patten (1881-1931). 1907 Abschluss des Stud. mit Auszeichnung. Beginn einer Lehrta¨tigkeit (Engl.) an der Howard Univ., der einzigen amerik. Univ., an der J. als Amerik. afrikan. Ursprungs unterrichten konnte. 1910 Ass. Prof. of Biol. Seit 1909 Arbeiten mit F. R. Lillie in dem Meeresbiol. Labor Woods Hole v.a. zur Fertilisation. 1916 PhD. in exp. Biol. Um rassist. Diskriminierung in den USA zu entgehen, reiste J. ab 1929 regelma¨ßig fu¨r Forschungsaufenthalte nach Europa (Zool. Station Neapel, 1929, 1933-35; KWI fu¨r Biol. in Berlin unter M. Hartmann 1930, 1931; 1938¨ ber die 1940 Zool. Station Roscoff). U Europaaufenthalte relative Abkehr von der amerikan. Scientific community. J. leistete wichtige Arbeiten zur Rolle des Ektoplasmas u. der Zelloberfla¨che bei Befruchtungsvorga¨ngen. Werk: The Biology of the Cell Surface, Philadelphia 1939. Fg.
Kaempfer, Engelbert (* 16. 9. 1651 Lemgo, † 2. 11. 1716 Lieme bei Lemgo). Stud. der Med. in Krakau, Ko¨nigsberg und Uppsala, 1683 Reise als schwed.
Kerckring, Theodor
Legationssekreta¨r nach Persien, dort 1684 Arzt in der Holla¨nd.-Ostind. Kompanie, 1688 Reise u¨ber Indien, Java und Thailand nach Japan, 1690 bis 1692 Arzt der holla¨nd. Handelsstation Deshima bei Nagasaki, nach der Ru¨ckkehr 1694 med. Prom. in Leiden, seit 1698 Leibarzt des Grafen zur Lippe. K. sammelte eine Fu¨lle von med., botan., geograph. und landeskundl. Informationen bes. u¨ber Japan. Er beschrieb die prakt. Anwendung von Akupunktur und Moxibustion, den Madenafuß (Aktinomyzetom) und die Wirkung zahlreicher Heilpflanzen. Sein 1727 posthum vero¨ffentlichtes Japanbuch stellte fu¨r Jahrzehnte die wichtigste westl. Quelle zu Japan dar. Werk: Amoenitatum exoticarum politicophysico-medicarum fasciculi V, Lemgo 1712 engl. aus d. Nachl.: Scheuchzer, J.G. ¨ bers.), The History of Japan, Lon(Hg. u. U don 1727; dt.: Dohm, C.W. (Hg.), Geschichte und Beschreibung von Japan. Aus den Originalhandschriften des Verfassers, Lemgo 1777/9 (repr. 1964); Mss. im Brit. Museum. Bro¨.
Kaposi, Moritz (* 23. 10. 1837 Kaposva´r/Ungarn, † 6. 3. 1902 Wien). Seine Abh. u¨ber die Hautkrankheiten (1880) za¨hlt zu den bedeutendsten Werken in der Dermatol. Zwischen 1898 und 1900 vero¨ffentlichte er eine Sammlung von Anmerkungen zur Dermatol. Der Name K.s bleibt mit der Beschreibung des Sarkoms als multipel, idiopath. und ha¨morrhag. (1872) untrennbar verbunden. Diese Beschreibung wurde 1876 in ! Virchows Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie aufgenommen. Traurige Beru¨hmtheit erlangte K. durch das ha¨ufige Auftreten des nach ihm benannten Sarkoms bei der 1981 zuerst als eigensta¨ndiges
Krankheitsbild beschriebenen Immunschwa¨che AIDS. K. hat daneben mehrere andere Hauterkrankungen beschrieben und diese erstmalig unter systemat. Gesichtspunkten behanFa. delt. Kaup, Ignaz Anton [Igo] (* 11. 1. 1870 Marburg/Steiermark, † 25. 3. 1944 Mu¨nchen). Ein Schu¨ler ! v. Grubers, war K. 1912–17 und 1920–35 ao. Prof. fu¨r Sozialhyg. an der Univ. Mu¨nchen. Ende des Ersten Weltkriegs war K. maßgeblich an der Neustrukturierung der o¨sterr. Medizinalverwaltung beteiligt. K. bescha¨ftigte sich bes. mit Gewerbehyg. und Berufskrankheiten, sozialer Fu¨rsorge und Rassenhyg. Fu¨r Reihenuntersuchungen entwickelte K. eine genormte Methodik, den „Kaupschen Index“ fu¨r die Ko¨rperfu¨lle. Zusammen mit ! Grotjahn war K. Hg. des grundlegenden Handwo¨rterbuchs der sozialen Hygiene (2 Bd., Leipzig Sa. 1912). Kerckring, Theodor (* 1640 Hamburg, † 2. 11. 1693 Hamburg). Schulbesuch in Amsterdam zusammen mit Spinoza, Med.stud. in Leiden unter ! Sylvius, praktischer Arzt in Amsterdam, Mitglied der Royal Society in London, seit 1678 Resident des Großherzogs von Toskana in Hamburg. K. beschrieb die nach ihm benannten Plicae circulares des Du¨nndarmes und die Vasa vasorum beim Pferd. Im Rahmen der Embryol. stud. er u.a. die Osteogenese und verlegte den Ort der Konzeption vom Uterus in das Ovar. Werk: Spicilegium anatomicum, Amsterdam 1670; Anthropogeniae ichnographia, ibid. 1671. Bro¨. 189
Kerner, (Andreas) Justinus (Christian)
Kerner, (Andreas) Justinus (Christian) (* 18. 9. 1786 Ludwigsburg, † 21. 2. 1862 Weinsberg bei Heilbronn). K., Sohn eines Oberamtmannes, verbrachte seine fru¨he Kindheit in Ludwigsburg (Bilderbuch aus meiner Knabenzeit, 1849). 1804 nahm er sein Med.stud. in Tu¨bingen auf, wo er und sein Freund Ludwig Uhland einen Kreis von schwa¨b. Romantikern um sich sammelten. Hier entstand eine Reihe seiner Gedichte, die seinen Ruf als „Dichterarzt“ der Romantik begru¨ndeten. Demgegenu¨ber wurde K.s Bedeutung als Arzt, Natur- und Seelenforscher zumeist unterscha¨tzt. 1808 prom. er mit einer Diss. u¨ber das Geho¨r (Observata de functione singularum partium auris). Nach kurzer Ta¨tigkeit als Badearzt (Das Wildbad im Ko¨nigreich Wu¨rttemberg, 1811) wurde er nach Zwischenstationen in Welzheim (ab 1812) und Gaildorf (ab 1815) schließlich 1819 Oberamtsarzt in Weinsberg, wo er bis zu seinem Tode – ab 1851 im Ruhestand – lebte. (Das „Kernerhaus“ ist heute ein Museum.) Als Med. hat K. auf zwei Forschungsgebieten herausragende Leistungen vollbracht: (a) die klin. Erstbeschreibung der „Wurstvergiftung“ (Publikationen 1817, 1820, 1822); (b) die tiefenpsychol. Erforschung des „Somnambulismus“ mit K.s Hauptwerk, der Seherin von Prevorst (2 Bd., Scho. 1829). Kielmeyer, Karl Friedrich (* 22. 10. 1765 Bebenhausen, † 14. 9. 1844 Stuttgart). Aus einfachen Verha¨ltnissen kommend, wurde K. an der Karlsakad. in Stuttgart ausgebildet und beendete hier 1786 das Med.-stud. Bereits wa¨h190
rend des Stud. unterrichtete er Naturgeschichte. An der inzwischen zur Univ. erhobenen Hohen Karlsschule in Stuttgart wurde K. nach einer Studienreise nach Go¨ttingen zu ! Blumenbach, J.F. Gmelin und G.C. Lichtenberg 1790 Lehrer fu¨r Naturgeschichte und 1792 o. Prof. fu¨r Chemie. Nach deren Auflo¨sung 1794 wurde K. 1796 als o. Prof. fu¨r Chemie und Botanik nach Tu¨bingen berufen und 1817 als Dir. der kgl. wiss. Sammlungen nach Stuttgart versetzt. K. war einer der ersten Vertreter der vergl. Naturgeschichte, der es u¨ber entwicklungsgeschichtl. Vorstellungen gelang, das stat. Klassifikationstableau in eine funktionale Systematik zu u¨berfu¨hren. K. hat kaum publiziert. Weithin bekannt wurde seine 1793 gehaltene und publ. Rede Ueber die Verha¨ltnisse der organischen Kra¨fte. Analog dem physikal. Kraftbegriff formulierte K. hier die Idee von organ. Kra¨ften, um die Entwicklungsreihe physiol. Funktionen zu beschreiben. Diese Vorstellung begr. einerseits die morphol. Physiol., wurde andererseits aber auch in der fru¨hen Naturphil. Schellings (Weltseele) rezipiert. Werk: Organische Kra¨fte, Stuttgart 1793 (repr.: Marburg 1993); Holler, F.H. (Hg.), Gesammelte Schriften, Berlin 1938. He.
Kienbo¨ck, Robert (* 1. 11. 1871 Wien, † 9. 8. 1953 Wien). Der Sohn einer Juristenfamilie besuchte das Gymnasium des Schottenstifts in Wien. Stud. der Med. in Wien, 1895 Prom. Anschließend Studienaufenthalte in Heidelberg, London und Paris. Als Hilfsarzt an der II. Med. Klinik zeigte er großes Interesse an der Radiol. 1904 wurde K. fu¨r das neuge-
Kitasato, Shibasaburo
schaffene Fach Ro¨ntgenol. habil. und u¨bernahm die Leitung des in Wien ersten Ro¨ntgeninst. an der Poliklinik. 1925 erhielt er eine ao. Prof. fu¨r sein Fach. Nach der nationalsozialist. ¨ sterreich wurde Machtu¨bernahme in O er entlassen und widmete sich seiner Privatpraxis. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bemu¨hte sich K. um den Wiederaufbau der radiol. For¨ sterreich. Er gilt als Pioschung in O nier der Ro¨ntgendiagnostik und der Dosimetrie. Werk: Lehrbuch der Radiologie, Wien 1907; Ro¨ntgendiagnostik der Knochen- u. Gelenkskrankheiten, Berlin 1941. Ho.
Kirchner, Martin (* 15. 7. 1854 Spandau, † 11. 11. 1925 Berlin). Seit 100 Jahren der erste Arzt an der Spitze der pr. Medizinalverwaltung, setzte K. die Lehren seines Lehrers ! R. Koch in die Praxis der staatl. Gesetzgebung um. Nach Stud. der Gesch., Phil., dann Med. in Halle Ausbildung zum Milita¨rarzt zeitgleich mit ! Behring an der Pe´pinie`re in Berlin, 1878 Dr. med., 1880 Appr., bis 1896 Truppenarzt, u.a. 1887 Stabsarzt am Hyg.-Inst. Kochs in Berlin, 1894 Priv.doz. fu¨r Hyg. TH Hannover, 1896 Referent Althoffs im pr. Kultusministerium fu¨r Beka¨mpfung der Infektionskrankheiten, daneben 1900–11 a.o. Prof., Univ. Berlin, 1911–19 Leiter der pr. Medizinalverwaltung. Wesentlich K.s Werk sind das pr. Kreisarztgesetz 1899, die Neuordnung der a¨rztl. Ausbildungsordnung 1901, die Seuchengesetzgebung 1900/05 sowie die Einfu¨hrung der Zahna¨rztekammern 1912. Nach 1919 Stadtverordneter in Berlin, Abgeordneter im pr. Landtag. Umfangreiche Vero¨ffent-
lichungen zur Milita¨rgesundheitspflege, Hyg. und Seuchenbeka¨mpfung, Impfgesetzgebung; Mithg. des Klinischen Jahrbuchs, ab 1912 der Zeitv. Bro. schrift fu¨r Tuberkulose. Kitasato, Shibasaburo (* 20. 12. 1852 Oguni/Pra¨fektur Kumamoto, † 13. 6. 1931 Nakanojo). K. besuchte die Med.schule in seinem Geburtsort und setzte, von dem Niederla¨nder Prof. C. G. van Mansvelt gefo¨rdert, seine Ausbildung in Tokyo fort, wo er 1883 zum Igakushi prom. wurde. Im Bu¨ro des o¨ffentl. Gesundheitsdienstes in Tokyo und als Ass. des aus Deutschland zuru¨ckgekehrten Prof. M. Ogata ta¨tig, soll er bereits 1884 den Comma-Bazillus als Choleraerreger im Mikroskop demonstriert haben. 1885–92 bei ! R. Koch in Berlin, setzte K. einige Meilensteine in der Bakteriol.: 1889 beschrieb er die Kulturmethode des anaeroben Rauschbrandbazillus, im selben Jahr die Reinkultur des Tetanuserregers Clostridium tetani; 1890 vero¨ffentlichte er mit ! Behring u¨ber die Diphtherie- und TetanusImmunita¨t und zeigte, wie das Immunserum zur Behandlung von Infektionskrankheiten dienen kann, gleichsam der Anfang der Serologie. Mit der Entdeckung des Tetanustoxins waren die Grundlagen fu¨r aktive bzw. passive Schutzimpfung gelegt. Bei seiner Ru¨ckkehr nach Japan erhielt K. den Grad eines „Igaku Hakushi“ und 1892 ungewo¨hnlicherweise den pr. Prof.-Titel. Mit privater Unterstu¨tzung gru¨ndete er das Lab. Shirokane bei Tokyo als Inst. fu¨r Infektionskrankheiten, das 1899 von der Regierung u¨bernommen, dem Innenministerium unterstellt und mit einer staatl. Impfanstalt und dem Serum191
Klebs, Edwin
¨ rzge, bei der Gru¨ndung der Japan. A tegesellschaft wurde er 1923 ihr erster Pra¨sident. Er war der Scho¨pfer des Privatsanatoriums Yojoyen und wurde 1924 in den Adelsstand erhoben. Der auf Einladung K.s erfolgte Besuch von R. Koch in Japan (1908) und die Errichtung eines Schreines zu Ehren seines 1910 verstorbenen Lehrers sollten die guten dt.-japan. Beziehungen Hu. symbolisieren.
Shibasaburo Kitasato (1852–1931)
inst. erga¨nzt wurde. Von der Regierung 1894 zu dem Pestausbruch in Hongkong entsandt, identifizierte er Pasteurella pestis als den Pesterreger – nur wenige Tage vor ! Yersin, der ihn schließlich in Reinkultur zu¨chten konnte. Vielfach als japan. Delegierter auf internat. Kongressen und Auslandsreisen, wurde K. 1907 Mitglied der Kaiserl. Akad., 1911 zum Pra¨sidenten der internat. Pestkonferenz gewa¨hlt, 1917 als Mitglied ins Oberhaus berufen. Mit seinen Schu¨lern ! K. Shiga und ! S. Hata pra¨gte er die japan. Bakteriol. Als 1914 das Inst. fu¨r Infektionskrankheiten der kaiserl. Univ. in Tokyo angegliedert und dem Unterrichtsministerium unterstellt wurde, trat K. mit vielen seiner Mitarbeiter aus Protest von seinem Amt zuru¨ck und gru¨ndete das priv. Kitasato-Inst. Als Dekan und Prof. d. Bakteriol. leistete er ab 1919 einen Beitrag zur Ausgestaltung des med. Unterrichts in der Neuorganisierung der privaten KeioGijuku-Univ. Als Vorsitzender des Zentral-Sanita¨tsamtes ab 1920 fo¨rderte K. die o¨ffentl. Gesundheitspfle192
Klebs, Edwin (* 6. 2. 1834 Ko¨nigsberg, † 23. 10. 1913 Bern). K. stud. ab 1852 Med. in Ko¨nigsberg, Wu¨rzburg, Jena und Berlin, wo er 1857 prom. wurde. 1859 zuna¨chst Ass. der Physiol. in Ko¨nigsberg, seit 1861 der Pathol. Anat. in Berlin bei ! Virchow. 1866 folgte K. einem Ruf als Extraord. fu¨r Pathol. Anat. nach Bern, wo er 1867 Ord. wurde. 1872 wechselte er nach Wu¨rzburg, 1873 nach Prag und 1882 auf den Lehrstuhl fu¨r Pathol. Anat. nach Zu¨rich, den er bis 1893 innehatte. Nach kurzen Aufenthalten in Karlsruhe und Straßburg ging K. 1894 in die USA, wo er von 1895 bis 1896 ein Sanatorium und ein bakteriol. Labor in Asheville (North Carolina) leitete. Von 1896 bis 1900 wirkte er als Prof. der Pathol. am Rush Medical College in Chicago. Seit 1900 unterhielt K. ein privates Labor in Hannover, von 1905 bis 1910 lebte er in Berlin. 1911 zog er nach Lausanne und 1913 wieder nach Bern, wo er im selben Jahr starb. K. war ein fru¨her und extremer Vorka¨mpfer der Bakteriol., der irrtu¨mlich fu¨r die Identita¨t von Bakterien und Krankheitswesen eintrat. Dadurch geriet er seit 1877 in Gegensatz zu Virchows Zellularpathol. 1873 beschrieb
Koch, Robert
K. Bazillen auf diphther. Bela¨gen. Weitere Forschungen betrafen die TuBa. berkulose und deren Therapie. Klein, Johann K. (* 25. 3. 1788 Deutschhause, † 1. 4. 1856 Wien). Gyna¨kol. Med.stud. in Wien. Seit 1819 Prof. fu¨r Geb.hilfe in Salzburg und ab 1822 Prof. fu¨r prakt. Geb.-hilfe in Wien. Von Bedeutung ist K. insofern, als er an der geburtshilfl. Abt. der Univ.-klinik in Wien Sektionen an Leichen einfu¨hrte. Dies fu¨hrte zu einem markanten Anstieg der Ha¨ufigkeit des Kindbettfiebers und damit zu ! Semmelweis’ Arbeit an der Kla¨rung der Ursachen desselben. K. veranlaßte als Vorgesetzter von Semmelweis dessen EntGr. lassung. Knaus, Hermann Hubert (* 19. 10. 1892 St. Veit an der Glan/Ka¨rnten, † 22. 8. 1970 Graz). Med.stud. seit 1912 in Wien und Graz, Prom. 1920, Ass. an der Univ.-Frauenklinik in Graz 1923–34, 1927 Habil., 1934–45 Leiter der Frauenklinik der Dt. Univ. Prag, 1945–50 Frauenarzt in Graz, 1950–60 Leiter der gyna¨kol. Abt. des Sta¨dt. Krkh. Wien-Lainz. K. wies den Zeitpunkt des Eisprungs (Ovulation) 14 Tage vor der Regelblutung nach. Er entwickelte eine nach ihm und dem Japaner Kiusako Ogino benannte Meth. der Empfa¨ngnisverhu¨tung, die auf der Berechnung der „fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau“ basiert. K. erreichte die Anerkennung dieser „K.-OginoMethode“ durch die kathol. Kirche. Werk: Eine neue Methode zur Bestimmung des Ovulationstermines, Zentralblatt fu¨r Gyna¨kol. 53 (1929), 2193–203. Bro¨.
Koch, Robert (* 11. 12. 1843 Clausthal/ Harz, † 27. 5. 1910 Baden-Baden). K. gilt als eine der bedeutendsten Perso¨nlichkeiten der Med.gesch. Sein Ruhm beruht auf seinen grundlegenden Beitra¨gen zum Aufbau der Infektionslehre – nach wie vor eine der Grundlagen mod. Med. K. kam von der Med. her, seine Herangehensweise war morphol. und wurzelte in der botan. und zool. Betrachtungsweise, nicht in der Chemie wie im Falle ! Pasteurs oder ! Pettenkofers. K.s Lebensweg begann unauffa¨llig. Von 1872 bis 1880 war er Kreisphysikus der Kreisstadt Wollstein in der pr. Provinz Posen. In diese Zeit fallen K.s erste wichtige Arbeiten. Seit 1873 bescha¨ftigte er sich mit dem Milzbrand. Obwohl bekannt war, daß man Milzbrand durch das Blut erkrankter Tiere u¨bertragen kann, war die Rolle eines bakteriol. Erregers umstritten. K. wies zuna¨chst den Erreger im Mikroskop nach, u¨bertrug die Bakterien von erkrankten Schafen auf Kaninchen, wo er sie im erkrankten Tier wiederum mikroskop. sichtbar fand. Neben der Weiteru¨bertragung auf weitere Tiere entwickelte K. Meth. zur Kultivierung der Erreger außerhalb des Organismus und beschrieb schließlich den gesamten Lebenszyklus des Milzbranderregers. Dadurch, daß K. zeigen konnte, wie der Milzbranderreger als Endospore im Boden u¨berleben und anschließend im Organismus wieder aktiv werden kann, konnte die Erregertheorie eine lu¨ckenlose Argumentationskette aufweisen. K.s Demonstration seiner Funde vor ! F. Cohn und ! J. Cohnheim 1876 in Breslau endete mit einem Triumph. In Wollstein bearbeitete K. mit seinen neu entwickelten Meth. das 193
Koch, Robert
Problem der Wundinfektion. 1880 wurde er nach Berlin als Regierungsrat und Leiter der bakteriol. Abt. des neugegr. Kaiserl. Gesundheitsamtes berufen. Dort arbeitet er nun erstmals mit Ass. zusammen. K.s Mitarbeitern und Schu¨lern sind eine Reihe der bedeutendsten Entdeckungen der Bakteriol. zuzuschreiben. K.s mo¨glicherweise wichtigster Beitrag zum Aufbau der Disziplin war seine Meth. zur Gewinnung von Reinkulturen, die um 1881 entwickelt wurde. Basis der Trennung und anschließenden Weiterzu¨chtung individueller Arten von Mikroorganismen war die Erfindung halbfester Na¨hrbo¨den in Form von flachen Platten. Mit den neuen Techniken widmete sich K. Untersuchungen zur Sterilisierung und Desinfektion. Die Identifizierung des Tuberkelbazillus 1882 brachte K. Weltruhm. Es gelang ihm, die Bakterien spezif. anzu-
Robert Koch (1843–1910) 194
fa¨rben, sie im erkrankten Gewebe nachzuweisen, zu isolieren und – technisch sehr anspruchsvoll – in Reinkultur, d.h. ohne andere Keime und ohne eventuell noch anhaftende Krankheitsprodukte, zu zu¨chten. Die anschließende Inokulation am Versuchstier rief dort wiederum eine Tuberkuloseerkrankung hervor. Damit hatte K. die ihm zugeschriebenen, aber erst spa¨ter formulierten „K.schen Postulate“ erfu¨llt. Sie gelten als u¨berzeugende Argumentation dafu¨r, daß ein spezif. Krankheitserreger die Ursache einer spezif. Krankheit ist. Noch im selben Jahr konnte K. auf dem Boden von Untersuchungen in ¨ gypten und Indien bei der Cholera A so u¨berzeugend fu¨r den kausalen Zusammenhang von Bakterium und Erkrankung argumentieren, daß er, obwohl die „K.schen Postulate“ nicht vollsta¨ndig erfu¨llt waren, als „Entdekker“ des Choleraerregers gefeiert wurde. 1885 wurde K. Prof. fu¨r Hyg. an der Med. Fak. und erhielt die Leitung des neuerrichteten Hygiene-Instituts der Berliner Univ. K.s u¨berragender Ruf litt, als das von ihm 1890 entwickelte Tuberkulin (ein Extrakt aus Tuberkelbazillen) sich nicht als spezif. Heilmittel, sondern lediglich als ein diagnost. Hilfsmittel erwies. 1891 konnte K. mit einer Reihe von Mitarbeitern das neue Inst. fu¨r Infektionskrankheiten in Berlin beziehen. Das Inst. war u¨beraus reich ausgestattet und war, nach dem Vorbild des Inst. Pasteur in Paris, nicht der Univ. angegliedert. Damit genoß K. einen privilegierten Sonderstatus in der Wiss. Nach zahlreichen Reisen, auf denen er sich hauptsa¨chlich der Untersuchung von Tropenkrankheiten widmete, trat K. 1904 in den Ruhe-
Korczak, Janusz
stand. 1905 wurde seine fu¨hrende Rolle mit der Verleihung des Nobelpreises anerkannt. Die verbleibenden Jahre seines Lebens nutzte K. zu weiteren ausgedehnten Reisen. K. war zusammen mit Pasteur, mit dem er seit 1881 wegen meth. Differenzen und Priorita¨tsstreitigkeiten in einem a¨ußerst angespannten Verha¨ltnis stand, der Begru¨nder der mod. Bakteriol. und Mikrobiol. Werk: Schwalbe, J.G. (Hg.), Gesammelte Werke von R.K., Leipzig 1912. Schl.
Kocher, Theodor (* 25. 8. 1841 Bern, † 27. 7. 1917 Bern). Chirurg. K. stud. in Bern Med. und folgte 1865 dem Internisten A. Biermer nach Zu¨rich, wo er mit ! Th. Billroth bekannt wurde. Nach einer Studienreise durch Europa trat er 1866 beim Chir. G.A. Lu¨cke in Bern als Ass. ein, habil. sich (1866) und ero¨ffnete 1869 eine private Praxis. 1872 wurde K. Ord. fu¨r Chir. und Dir. der chir. Klinik am Berner Inselspital. Diesem Amt blieb er trotz mehrerer Berufungen bis zum Lebensende treu. Daß das Spital 1884 einen Neubau beziehen konnte, war wesentlich K.s Verdienst. Durch seine Repositionsmeth. der Schulterluxation (1870) wurde K. fru¨h bekannt. Als Pionier der Listerschen Antisepsis beteiligte er sich tatkra¨ftig an ihrer Weiterentwicklung zur Asepsis. Mit exp. und statist.-evaluativen Studien fo¨rderte K. alle wichtigen Gebiete der Chir. Fu¨r seine Arbeiten u¨ber die Physiol., Pathol. und Chir. der Schilddru¨se erhielt er 1909 den Nobelpreis. K.s System einer „gefahrlosen Chir.“ ist niedergelegt in seinem Hauptwerk Chirurgische Operati-
onslehre (1892–1907, 5 Aufl.), die großen Wert legt auf Asepsis, fachgerechte Narkose, Schonung der Gewebe, sorgfa¨ltige Blutstillung, VolumenerBo. satz usw. Koelliker, Rudolf Albert Ritter von (* 6. 7. 1817 Zu¨rich, † 2. 11. 1905 Wu¨rzburg). Geb. in Zu¨rich, Med.stud. in Zu¨rich, Bonn und Berlin. Dort beeinflußt durch ! J. Mu¨ller und ! J. Henle. 1842 Prosektor am Anat. Inst. in Zu¨rich unter Henle. Habil. 1843 mit einem embryol. Thema. 1844 ao. Prof. in Zu¨rich, 1847 Ord. fu¨r Physiol. und vergl. Anat., 1866 fu¨r Anat., Mikroskopie und Entwicklungsgesch. in Wu¨rzburg. Etwa 300 Publ. u¨ber Anat., Histol., Physiol. und Embryol. Gilt als Begr. der systemat. Histol. und mod. Embryol. Schuf die Grundlagen der Neuronentheorie, indem er nachwies, daß Axone Fortsa¨tze von Nervenzellen sind. Werk: Erinnerungen aus meinem Leben (Autobiogr.), Leipzig 1899. Pt.
Korczak, Janusz [Ku¨nstlername; urspr. Henryk Goldszmit] (* 22. 7. 1878 Warschau, † 6. 8. 1942 [der Tag, an dem K. ins Vernichtungslager Treblinka ging]). Poln. Kinderarzt, Pa¨dagoge und Schriftsteller. Stud. Med. in Warschau. 1905 appr., danach als Milita¨rarzt im Russ.-Japan. Krieg. Leitete ab 1907 ein ju¨d. Waisenhaus in Warschau. Nach milita¨ra¨rztl. Ta¨tigkeit im Ersten Weltkrieg ab 1919 Leiter von Heimen fu¨r verwaiste und verwahrloste Kinder in Warschau. Unter großen Opfern sorgte K. noch unter dt. Besatzung und im Ghetto fu¨r seine Schutzbefoh195
Korn, Alejandro
lenen und ging gemeinsam mit ihnen in das Vernichtungslager Treblinka. K. hat als Reformer der Kinderpa¨d. seinen Ideen auch als Schriftsteller in programmat. Schriften (Jak kochac dzieci, 1919/20, dt. Wie man ein Kind lieben soll, 1967) und Romanen (Karol Macius Pierzwszy, 1922, dt. Ko¨nig Ha¨nschen I., 1988) Ausdruck verliehen. K. wurde 1972 posthum mit dem Friedenspreis des dt. BuchhanGr. dels ausgezeichnet. Korn, Alejandro (* 3. 5. 1860 San Vincente/Argentinien, † 9. 10. 1936 La Plata). Der argent. Arzt und Phil. wurde als Sohn eines pr. Milita¨rarztes geb., der 1855 nach Argentinien gekommen war. 1877 begann K. Naturwiss. zu stud., wechselte aber nach kurzer Zeit zur Med. und prom. 1883 mit seiner Diss. Irrsinn und Verbrechen. Anschließend wurde K. Land- und Polizeiarzt in La Plata und 1897 Dir. des Spitals fu¨r Geisteskrankheiten von Melchor Romero. Ab diesem Zeitpunkt und bis zur definitiven Abwendung von der Med. entfernte sich K. immer weiter von der Praxis und interessierte sich mehr und mehr fu¨r Phil. 1906 nahm er eine Stelle als Prof. fu¨r Gesch. der Phil. an der Univ. La Plata an, wo er seine phil. Ideen u¨ber die Freiheit bis zu seiner Emerit. im Jahre 1930 lehrte und vero¨ffentlichte. Sein Exlibris lautet: Lateinischer Geist, deutsches Herz (Mente Ac. latina, corazo´n germano). Kosmas und Damian (vermutl. 3./4. Jh. n.Chr.). ¨ rzte und ApoHeilige; Patrone der A theker; nach der Legende (syr., griech., arab., georg. und lat. u¨berliefert) wur¨ rzte K. und D. unter Diokleden die A 196
tian (284–305) als christl. Ma¨rtyrer hingerichtet. K. und D. wurden in Kyrrhos (N.-Syrien) oder Aigai (Kilikien) lokalisiert, sie hießen Anargyroi („die kein Geld nehmen“) wegen ihrer karitativen Ta¨tigkeit; kirchl. Kult ist seit dem 4. Jh. bezeugt. Im 9. Jh. gelangten Reliquien nach Westeuropa (u.a. Essen, Hildesheim). In der Kunst des spa¨ten MA werden K. und D. mit a¨rztl. Tracht und Attributen dargestellt, u.a. Harnglas und Salbenbu¨chse. Von den ihnen zugeschriebenen Wundern ist das verpflanzte Mohrenbein besonders spektakula¨r. Le.
Kossel, Albrecht (* 16. 9. 1853 Rostock, † 5. 7. 1927 Heidelberg). Arbeitsschwerpunkte des Biochem. und Physiol. waren die Zell- und Eiweißforschung; er entdeckte die Nukleinsa¨uren und als deren Bestandteile die Purine und Pyramidine sowie das Histidin; fu¨r seine Zellkernforschungen erhielt er 1910 den Nobelpreis. K. wurde als Sohn des Bankdir. und pr. Konsuls Albrecht K. in Rostock geb.; nach Med.stud. in Rostock und Straßburg war K. zuna¨chst Ass. am Physiol.-Chem. Inst. in Straßburg; dort wurde er 1878 prom. und 1881 fu¨r Physiol. Chemie habil.; seit Okt. 1883 Vorsteher der Chem. Abt. des Physiol. Inst. Berlin, dort 1883 Habil. fu¨r Anat. und Physiol.; 1887 ao. Prof. in Berlin, 1895 zuna¨chst o. Prof. fu¨r Hyg., dann fu¨r Physiol. und Dir. des Physiol. Inst. in Marburg; 1901 Dir. des Physiol. Inst. Heidelberg; 1910 Nobelpreis fu¨r Med.; 1923 Emerit.; 1920 Gru¨nder und Leiter (1924–1927) des Heidelberger Inst. fu¨r Eiweißforschung.
Kraepelin, Emil Werk: Die Gewebe des menschlichen Ko¨r¨ ber pers, 2 Bd., Braunschweig 1889–1891; U die chemische Beschaffenheit des Zellkerns (Nobel-Vortrag), Berlin 1910; Protamine und Histone, Einzeldarstellungen aus dem Gebiet der Biochemie, Bd. 2, Leipzig u. Wien 1929. Eck.
Kraepelin, Emil (* 15. 2. 1856 Neustrelitz, † 7. 10. 1926 Mu¨nchen). Wa¨hrend des med. Stud. changierte K. mehrfach zwischen Wu¨rzburg (Ass. von F. v. Rinecker), Mu¨nchen (Mitarbeiter Bernhard v. Guddens) und Leipzig; entscheidend beeinflußt von ! Wundts Experimentalpsychol. Bereits fru¨hzeitig auf klin. Psychiatrie festgelegt, lehnte K. in der forens. Psychiatrie die Vergeltungstheorie im Strafrecht aus irrena¨rztl. Sicht ab. Wundts Vo¨lkerpsychol. regte ihn spa¨-
Emil Kraepelin (1856–1926)
ter zu einer transkulturellen Psychiatrie an, gestu¨tzt auf seinen ungewo¨hnl. Reisedrang. Eine unruhige Karriere fu¨hrte K. nach etlichen Zwischenstationen 1886 auf eine psychiatr. Prof. in Dorpat und 1891 auf das Ord. in Heidelberg. Hier gelangen Durchbru¨che in der klin.-psychiatr. Diagnostik (Za¨hlkarten), eine neue, nicht nur die Symptomatik, sondern auch Krankheitsursachen beru¨cksichtigende psychiatr. Systematik, insbes. durch die von K. entwickelten Krankheitsbezeichnungen ‘Dementia praecox’ und ‘manisch-depressives Irresein’, sowie therap. Erfolge durch Dauerbad und beruhigende Medikamente. Trotz enger perso¨nl. Verankerung in Heidelberg nahm K. 1904 den Ruf nach Mu¨nchen wegen der dort gu¨nstigeren klin. Arbeitsbedingungen an. Die hier von K. und seinen Schu¨lern begr. „Mu¨nchener Schule“ galt weltweit als psychiatr. Zentrum. Die 1917 von K. im Krieg mit Unterstu¨tzung eines USMa¨zens gegr. „Dt. Forschungsanstalt fu¨r Psychiatrie“ (mit einer klin., einer hirnpathol., einer serol. und einer geneal. Abt.) wurde spa¨ter von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft u¨bernommen und besteht als Max-PlanckInst. fu¨r Psychiatrie fort. K.s Begru¨ndung einer Pharmakopsychol. und exp. Psychopathol. weist auf Wundts Anregungen in Leipzig zuru¨ck. Sein allerdings auch biograph. begr., nachgerade fanat. Kampf gegen den Alkohol, sein Engagement fu¨r Schulpsychol. und -hyg. und seine wegweisenden Beitra¨ge zur Arbeitsmed. (psych. Arbeitskurve, Ermu¨dungsexp.) belegen die Fernwirkung Wundts. Sein streng biologist. Ansatz brachte den „Eklektiker mit somati197
Krafft-Ebing, Richard Frhr. von
scher Tendenz“ (! Ackerknecht) in Opposition zur Psychoanalyse. So sehr K.s streng positivist.-exp. Szientismus die Psychiatrie als klin. Wiss. vorantrieb, war seine Perso¨nlichkeit durch Widerspru¨che und Grenzu¨berschreitungen gekennzeichnet. Reisedrang und intensive literar. Produktion korrelierten mit dem strengen Methodiker; Analogien zwischen psychiatr. Diagnostik und polit. Prognostik gaben dem im Weltkrieg deutschnational exponierten Gelehrten ein schillerndes Gepra¨ge. Fachwiss. Leistung und Teilhabe an der polit. Kultur dt. Gelehrter sind im Fall K. untrennbar und zugleich ungewo¨hnlich spannungsreich verwoben.
nahm zuna¨chst die Leitung der I., spa¨ter der II. Psychiatr. Klinik. K. wurde durch seine Arbeiten u¨ber mentale Sto¨rungen im Zusammenhang mit Auffa¨lligkeiten in der Sexualita¨t bekannt. Auf ihn gehen Begriffe wie Sadismus, Masochismus oder Fetischismus zuru¨ck. Er bemu¨hte sich um exakte und langfristige Beobachtungen seiner Patienten, mit denen er auch nach deren Entlassung aus der Anstalt in Kontakt blieb. Seine Forschungen beruhen auf mehreren tausend Krankheitsfa¨llen. Mit seinen eher deskriptiven Ansichten stand er allerdings im starken Gegensatz zu der sich entwickelnden psychoanalyt. Schule ! Freuds.
Werk: Die Abschaffung des Strafmasses, ¨ ber den Einfluß acuter Krankheiten 1880; U auf die Entstehung von Geisteskrankheiten, 1881; Psychiatrie, 1883, 81909–15 in 4 Bd.; Zur Hygiene der Arbeit, 1896; Alkohol und Jugend, o.J. (um 1908); Lebenserinnerungen, Berlin 1983. v. Bru.
Werk: Grundzu¨ge der Criminal-Psychologie auf Grundlage der deutschen und o¨sterreichischen Gesetzgebung, 1872; Lehrbuch der Gerichtlichen Psychopathologie, 1875; Lehrbuch der Psychiatrie, Stuttgart 1879/ ¨ ber gesunde und kranke Ner82 (7 Aufl.); U ven, 1885; Psychopathologia sexualis, 1886. Ho.
Krafft-Ebing, Richard Frhr. von (* 4. 8. 1840 Mannheim, † 22. 12. 1902 Graz). Stud. der Med. in Heidelberg und Zu¨rich. Prom. 1863 in Heidelberg. Studienreise nach Wien, wo er ! Rokitansky, ! Skoda und Johann v. Oppolzer kennenlernte. Zuna¨chst arbeitete er in der Anstalt fu¨r Geisteskranke in Illenau (Baden), spa¨ter ließ er sich als Neurologe nieder. 1872 erhielt er die Prof. fu¨r Neurol. in Straßburg, ein Jahr spa¨ter die Lehrkanzel fu¨r Psychiatrie in Graz, die mit der Stelle des Dir. der Landesirrenanstalt verbunden war. So konnte er an zahlreichen Patienten deren Geisteskrankheiten stud. Im Anschluß daran wurde er nach Wien berufen und u¨ber-
Krebs, Sir Hans Adolf (* 25. 8. 1900 Hildesheim, † 22. 11. 1981 Oxford). Der Sohn eines ju¨d. HNO-Arztes stud. Med. in Go¨ttingen, Freiburg, Berlin und Mu¨nchen. 1924 wurde K. in Hamburg prom. 1925 stud. er bei P. Rona an der Chem. Abt. im Pathol. Inst. der Berliner Charite´, worauf er 1926–30 Ass. bei ! O. Warburg am KWI fu¨r Biol. in Dahlem war. Nach kurzer Ta¨tigkeit am Sta¨dt. Krkh. Altona (1930) arbeitete K. 1931–33 in Freiburg bei S. Thannhauser, wo er sich 1932 fu¨r Innere Med. habil. 1933 als Jude von der Univ. Freiburg entlassen, ging K. als Rockefeller-Stipendiat zu F.G. Hopkins an das Biochem. Inst. der Univ. Cambridge. 1935 wurde er Doz. fu¨r
198
Krehl, Ludolf von
Pharmakol. an der Univ. Sheffield, 1945 Prof. und Dir. des dortigen Biochem. Inst. 1953 erhielt K. zusammen mit F. Lipmann den Nobelpreis fu¨r Physiol. oder Med. in Wu¨rdigung seiner 1937 publ. Entdeckung des Zitronensa¨urezyklus („Krebs-Zyklus“). 1954 wechselte er als Prof. fu¨r Biochemie und Fellow des Trinity College an die Univ. Oxford. 1958 wurde K. von Ko¨nigin Elizabeth II. geadelt, 1966 Ehrenbu¨rger der Stadt Hildesheim. Nach der Emerit. 1967 lehrte er als Gastprof. fu¨r Biochemie an der Londoner Royal Free Hospital Medical School. Seit 1939 war K. brit. Staatsbu¨rger. Werk: Citric acid in intermediate metabolism in animal tissues, Enzymologia 4 (1937), 148–56. Ba.
Krehl, Ludolf von (* 26. 12. 1861 Leipzig, † 26. 5. 1937 Heidelberg). Seit 1881 Stud. in Leipzig, Heidelberg, Jena und Berlin, 1886 Prom. in Leipzig, 1886–92 Ass. an der Med. Univ.klinik Leipzig, 1888 Habil. fu¨r Innere Med., 1892–99 Dir. der Poliklinik in Jena, 1899 Ord. und Dir. der Poliklinik in Marburg, seit 1900 in Greifswald, 1902 Dir. der Med. Klinik in Tu¨bingen, 1904 in Straßburg als Nachfolger von ! Naunyn, 1907 in Heidelberg als Nachfolger von ! Erb, 1914–18 beratender Internist und Leiter eines Seuchenlazaretts im frz. Montme´dy, 1930 Emerit., 1930–37 Dir. des Pathol. Forschungsinst. im KWI fu¨r Med. Forschung in Heidelberg. K.s Bedeutung liegt darin, im Zeitalter der naturwiss. Med. wieder die Einzigartigkeit des kranken Individuums betont zu haben. Noch vor dem Ersten Weltkrieg stellte er das lokalist. Krankheitskonzept durch die
Aufnahme des Begriffes der Konstitution in Frage. Fu¨r K. erkrankte immer der ganze Mensch in seiner sozialen Umwelt. K. verwickelte sich aber in einen fu¨r ihn unauflo¨sbaren Widerspruch. Auf der einen Seite bezweifelte er zunehmend, daß alle Lebensvorga¨nge auf Unbelebtes zuru¨ckgefu¨hrt werden ko¨nnten und glaubte an den Einfluß einer go¨ttlichen Macht auf das Unbewußte. Auf der anderen Seite hielt er an der streng naturwiss. Methodik seiner „Pathologischen Physiologie“ fest und hoffte sogar auf die zuku¨nftige Lo¨sung aller Therapieprobleme durch ihre Perfektionierung. Dieser Utopie stand zuletzt unverso¨hnt die Forderung einer rigorosen Sittlichkeit des Arztes gegenu¨ber, der durch sein Verhalten den Therapieerfolg entscheidend beeinflusse. Der Patient sei zwar fu¨r seine Krankheit selbst verantwortlich, mu¨sse aber nach den sittl. Maßsta¨ben der autoritativen Arztperso¨nlichkeit gefu¨hrt werden. Diese Position entsprach K.s elita¨rem, konservativ-antiintellektuel-
Ludolf von Krehl (1861–1937) 199
Kretschmer, Ernst
len Denkstil. Als akad. Lehrer pra¨gte K. u.a. ! V.v. Weizsa¨cker und ! R. Siebeck. Werk: Grundriß der allgemeinen klinischen Pathologie, Leipzig 1893 (21898– 12 1923 unter dem Titel: Pathologische Physiologie; 131930/31/33 - 141932/32/34 unter dem Titel: Entstehung, Erkennung und Behandlung innerer Krankheiten, 3 Bd.); Die Erkrankungen des Herzmuskels und die nervo¨sen Herzkrankheiten, in: Nothnagel, M. (Hg.), Spezielle Pathol. und Therapie, Bd. XV/1, Wien 1901; Krankheitsform und Perso¨nlichkeit, Leipzig 1929; Der Arzt, Stuttgart u. Leipzig 1937; Krehl, E. (Hg.), Feldpostbriefe von L.K. an seine Frau, Leipzig [1939]. Bro¨.
Kretschmer, Ernst (* 8. 10. 1888 Wu¨stenrot bei Heilbronn, † 8. 2. 1964 Tu¨bingen). K. stud. ab 1906 in Tu¨bingen Geisteswiss., dann Med. in Mu¨nchen und Hamburg. ! Kraepelin und ! Nonne beeinflußten seine Hinwendung zur Psychiatrie. Fachausbildung bei R. Gaupp in Tu¨bingen, dort 1913 Prom., 1918 Habil. u¨ber Der sensitive Beziehungswahn. 1926 Ord. in Marburg, 1946 Ru¨ckkehr nach Tu¨bingen. 1959 Ru¨ckzug aus klin. Ta¨tigkeit, Fortfu¨hrung seiner Arbeiten an von ihm gegr. Forschungsstelle fu¨r Konstitutions- und Arbeitspsychol. K.s Werk liegt das Konzept vom gesetzl. Zusammenhang zwischen Ko¨rperbau und charakterl. Grundstrukturen (Konstitutionstypen des Athleten, Leptosomen, Pyknikers) zugrunde (Ko¨rperbau und Charakter, 1921; Konstitution und Psychose, 1926; Der Tonus als Konstitutionsproblem, 1941). Werk: Zur Kritik des Unbewußten, 1919; Medizin. Psychol., 1922; Geniale Menschen, 1927; Das Ende des Rassenwahns, 200
1945; Goethe als Patient, 1948; Der schizophrene Mensch und seine Behandlung, 1961; Kretschmer, W. (Hg.), E.K.: Psychiatrische Schriften 1914–62 (mit Bibliogr.), 1974. Mo.
Kriton ! Statilius Crito, T. Krukenberg, Peter (* 14. 2. 1787 Ko¨nigslutter, † 13. 12. 1865 Halle). 1837 Geheimrat; Kliniker. Med.stud. Univ. Go¨ttingen. 1810 Med. Diss. De cancro bulbi oculi humani. Weiterbildung in Berlin: ! J.C. Reil, L. Heim. 1813–14 freiwilliger Ja¨ger im Lu¨tzowschen Korps, Divisionsarzt; Abschied. 1815 pr. Staatsex. Berlin; ao. Prof. (Therapie, Halle). 1816 Gru¨ndung einer ambulatorischen Klinik, 1822– 56 o. Prof. (Halle), Klinikdir. 1861 Ru¨ckzug aus der a¨rztl. Praxis. Wegbereiter der naturwiss. orientierten Med. (Aufbau auf anat.-physiol. Grundlage). Wenige Publ., mu¨ndl. Unterweisung der Schu¨ler. 1816 Entwurf einer ¨ bers. von Allg. Therapie. 1840 U Thomsens Werk u¨ber Entzu¨ndung. B.-S.
Kruse, Walther (* 8. 9. 1864 Berlin, † 1. 9. 1943 Leipzig). Med.stud. in Berlin und Freiburg; 1888 Prom., danach prakt. Arzt und Ass. bei ! R. Koch. 1889 Leiter des bakteriol. Labors der zool. Station ¨ gypNeapel. 1892 Studienreise nach A ten; 1895 Ass. am Hyg.-Inst. Breslau, 1896 Habil., 1899 Ord. am Hyg.-Inst. Bonn. Hier entdeckte K. 1900 unabha¨ngig von ! K. Shiga den Erreger der Dysenterie. 1913 Berufung an das Hyg.-Inst. in Leipzig; dort 1934 emerit. und verstorben. Bakteriologe, Kommunal- und Rassenhygieniker; u¨ber hundert Publ., darunter: Allge-
La Mettrie, Julien Offray de
meine Mikrobiologie, Leipzig 1910; Die Deutschen und ihre Nachbarvo¨lKa. ker, ibid. 1929. Kußmaul, Adolf (* 22. 2. 1822 Graben bei Karlsruhe, † 20. 5. 1902 Heidelberg). Stud. in Heidelberg, Staatsexamen 1846, 1848–9 bad. Milita¨rarzt, 1850– 53 Landpraxis in Kandern, Stud. in Wu¨rzburg bei ! Virchow und Prom. 1854, Habil. in Heidelberg 1855, 1859 Ord. fu¨r Innere Med. in Erlangen, 1863 in Freiburg/Br., 1876 in Straßburg. K. beschrieb 1866 erstmals die Periarteriitis nodosa. 1867 fu¨hrte er das Magenauspumpen bei Magenausgangsstenose ein und unternahm erste gastroskop. Versuche. 1874 analysierte er den nach ihm benannten Atmungstyp der diabet. Azidose. 1877 erschien ein großes Buch u¨ber Sprachsto¨rungen. Auf K.s und L. Eichrodts Vero¨ffentlichung von Gedichten unter dem Pseudonym „Biedermaier“ (1855–57) geht die gleichnamige Epochenbezeichnung zuru¨ck. ¨ ber eine bisher nicht beschriebene, Werk: U eigentu¨mliche Arterienerkrankung, Dtsch. ¨ ber Arch. Klin. Med. 1 (1866), 484–518; U die Behandlung der Magenerweiterung, ibid. 6 (1869), 455–500; Zur Lehre vom Diabetes mellitus, ibid. 14 (1874), 1–46; Die Sto¨rungen der Sprache, Leipzig 1877; Jugenderinnerungen, Stuttgart 1899; Czerny, V. (Hg.), Aus meiner Dozentenzeit, Stuttgart 1903. Bro¨.
Laennec, The´ophile-Rene´-Hyacinthe (* 12. 2. 1781 Quimper, † 13. 8. 1826 Kerbouarnec). Die Einfu¨hrung der Auskultation in die klin. Diagnostik (1819) und die Erfindung des Stethoskops (1819) durch
L. begru¨ndeten die mod. Klin. der thorakalen Erkrankungen. Wa¨hrend die erste Ausg. seines Traite´ de l’auscultation (1819) v.a. der Meth. selbst und der Herstellung von Beziehungen zwischen den physikal.-diagnost. Zeichen (Auskultation, Perkussion) und der jeweiligen anat.-pathol. La¨sion gewidmet war, stellt die erweiterte zweite (1826) eine hervorragende Beschreibung thorakaler Krankheitseinheiten unter Beru¨cksichtigung von Diagnostik, Pathol. und Behandlung der Thoraxerkrankungen dar. Als erster hat L. der Tuberkulose den Charakter einer eigensta¨ndigen Krankheit zugewiesen und die pra¨zise makroskop.-pathol. Beschreibung der Tuberkeln geleistet. L. arbeitete zuna¨chst am Hoˆpital Beaujon (1806), dann am Hoˆpital Necker (1816) und war seit 1822 Prof. fu¨r Klin. Med. an der Charite´ sowie am Colle`ge de France. Sein entschiedener Royalismus, aber auch seine gegen die Schule ! Broussais’ gerichteten med. Auffassungen haben ihn vielerlei Anfeindungen ausgesetzt. L. starb an der Tuberkulose. Werk: Traite´ de l’auscultation me´diate et des maladies des poumons et du coer, Paris Eck. 1819, 21826.
La Mettrie, Julien Offray de (* 19. 12. 1709 St. Malo, † 11. 11. 1751 Berlin). Med.stud. in Paris, 1733 in Leyden unter ! Boerhaave. Nach Frankreich als ¨ bers. Boerhaaves zuru¨ckArzt und U gekehrt, zwangen ihn seine phil. ¨ rztesatiren 1747 ins Schriften und A niederl., 1748 ins Berliner Exil. Dort lebte er bis zu seinem Tod als Leibarzt Friedrichs II. und Mitglied der Akad. der Wiss. Von den Zeitgenossen als 201
La Mettrie, Julien Offray de
meine Mikrobiologie, Leipzig 1910; Die Deutschen und ihre Nachbarvo¨lKa. ker, ibid. 1929. Kußmaul, Adolf (* 22. 2. 1822 Graben bei Karlsruhe, † 20. 5. 1902 Heidelberg). Stud. in Heidelberg, Staatsexamen 1846, 1848–9 bad. Milita¨rarzt, 1850– 53 Landpraxis in Kandern, Stud. in Wu¨rzburg bei ! Virchow und Prom. 1854, Habil. in Heidelberg 1855, 1859 Ord. fu¨r Innere Med. in Erlangen, 1863 in Freiburg/Br., 1876 in Straßburg. K. beschrieb 1866 erstmals die Periarteriitis nodosa. 1867 fu¨hrte er das Magenauspumpen bei Magenausgangsstenose ein und unternahm erste gastroskop. Versuche. 1874 analysierte er den nach ihm benannten Atmungstyp der diabet. Azidose. 1877 erschien ein großes Buch u¨ber Sprachsto¨rungen. Auf K.s und L. Eichrodts Vero¨ffentlichung von Gedichten unter dem Pseudonym „Biedermaier“ (1855–57) geht die gleichnamige Epochenbezeichnung zuru¨ck. ¨ ber eine bisher nicht beschriebene, Werk: U eigentu¨mliche Arterienerkrankung, Dtsch. ¨ ber Arch. Klin. Med. 1 (1866), 484–518; U die Behandlung der Magenerweiterung, ibid. 6 (1869), 455–500; Zur Lehre vom Diabetes mellitus, ibid. 14 (1874), 1–46; Die Sto¨rungen der Sprache, Leipzig 1877; Jugenderinnerungen, Stuttgart 1899; Czerny, V. (Hg.), Aus meiner Dozentenzeit, Stuttgart 1903. Bro¨.
Laennec, The´ophile-Rene´-Hyacinthe (* 12. 2. 1781 Quimper, † 13. 8. 1826 Kerbouarnec). Die Einfu¨hrung der Auskultation in die klin. Diagnostik (1819) und die Erfindung des Stethoskops (1819) durch
L. begru¨ndeten die mod. Klin. der thorakalen Erkrankungen. Wa¨hrend die erste Ausg. seines Traite´ de l’auscultation (1819) v.a. der Meth. selbst und der Herstellung von Beziehungen zwischen den physikal.-diagnost. Zeichen (Auskultation, Perkussion) und der jeweiligen anat.-pathol. La¨sion gewidmet war, stellt die erweiterte zweite (1826) eine hervorragende Beschreibung thorakaler Krankheitseinheiten unter Beru¨cksichtigung von Diagnostik, Pathol. und Behandlung der Thoraxerkrankungen dar. Als erster hat L. der Tuberkulose den Charakter einer eigensta¨ndigen Krankheit zugewiesen und die pra¨zise makroskop.-pathol. Beschreibung der Tuberkeln geleistet. L. arbeitete zuna¨chst am Hoˆpital Beaujon (1806), dann am Hoˆpital Necker (1816) und war seit 1822 Prof. fu¨r Klin. Med. an der Charite´ sowie am Colle`ge de France. Sein entschiedener Royalismus, aber auch seine gegen die Schule ! Broussais’ gerichteten med. Auffassungen haben ihn vielerlei Anfeindungen ausgesetzt. L. starb an der Tuberkulose. Werk: Traite´ de l’auscultation me´diate et des maladies des poumons et du coer, Paris Eck. 1819, 21826.
La Mettrie, Julien Offray de (* 19. 12. 1709 St. Malo, † 11. 11. 1751 Berlin). Med.stud. in Paris, 1733 in Leyden unter ! Boerhaave. Nach Frankreich als ¨ bers. Boerhaaves zuru¨ckArzt und U gekehrt, zwangen ihn seine phil. ¨ rztesatiren 1747 ins Schriften und A niederl., 1748 ins Berliner Exil. Dort lebte er bis zu seinem Tod als Leibarzt Friedrichs II. und Mitglied der Akad. der Wiss. Von den Zeitgenossen als 201
Lancisi, Giovanni Maria
Exzentriker verspottet, findet heute L.M.s Phil., die den Geist als Funktion der Materie deutet, wachsendes Interesse. Werk: Oeuvres philosophiques, 2 Bd., Paris 1987. Loe.
Lancisi, Giovanni Maria (* 26. 10. 1654 Rom, † 20. 1. 1720). L. lernte bei den Jesuiten im Collegio Romano, spa¨ter stud. er an der Sapienza, wo er mit 18 Jahren den Dr.titel fu¨r Med. erlangte. 1675 Ass. im S. Spirito Krkh., 1678 Mitglied des Collegio Piceno, 1684 Anat. Prof. an der Sapienza. 1688 wurde er pa¨pstl. Oberarzt. L. war Leibarzt von drei Pa¨psten (Innozenz XI., Innozenz XII. und Clemens XI., der ihn zum Protomedicus machte). Passioniert sammelte er viele Bu¨cher und med. Ms., die er dem S. Spirito schenkte, er war mit sehr vie¨ rzten im Briefwechsel (! Vallislen A nieri, Pacchioni, ! Baglivi, ! Malpighi, Berger, ! Fr. Hoffmann, ! Swieten, Tozzi u.s.w.) und vero¨ffentlichte die anat. Tafel von ! Eustachi und die Metallotheca von M. Mercati. L. war ein großer Gelehrter: Anat., Physiol., Chir., Literat, Botaniker, Med.hist., Naturalist. Er war bes. an der Verbreitung eines mod. med. Ausbildungsmodells interessiert. In De recta medicorum studiorum ratione (Rom 1715) schla¨gt er ein auf zwei Pole – Krankenhaus und Bibliothekgestu¨tztes curriculum studiorum vor. Der Schu¨ler wohnt zweimal ta¨glich dem Krankenbesuch des Protomedicus und zweimal monatlich den anat. Vorl. bei. Die Bibliothek ist der Ort, wo der Schu¨ler mit den Disziplinen der neuen Naturphil. vertraut wird, dort lernt er Chemie, Botanik, 202
Zool., Geometrie. Er ha¨lt das Stud. der mikroskop. Anat., der Math., der theoret. Med. und der Phil. fu¨r u¨berflu¨ssig. Damit will L. die Dichotomie zwischen der experimentellen, in den Akad. ausgeu¨bten, und der theoret., in den Univ. unterrichten Med. u¨berwinden. Die wiss. Bedeutung von L. dru¨ckt sich vor allem in seiner Ta¨tigkeit als pathol. Anat. und Epidemiol. aus. In De motu cordis et aneurysmatibus (posthum erschienen, Rom 1728) analysiert er die Herzhypertrophien, die Herzstenosen und die kardiovaskula¨re Syphilis. Als Epidemiologe erforscht er die Influenzapandemie der Jahre 1708–09 und die Rinderpest, die zwischen 1711 und 1713 ganz Italien verseuchte. Was die Scabies betrifft, ist L. gegen die Ansteckungstheorie, im Falle der Rinderpest ist er aber dafu¨r, denn er erkennt, zusammen mit G.C. Bonomo und G. Cestoni, deren parasita¨ren Ursprung an. Sein Widerstand gegen die Miasmatheorie wird deutlich in seinen Abh. u¨ber das Sumpffieber formuliert. In De noxiis paludum effluviis (Rom 1717) a¨ußert L. die Meinung, daß die Su¨mpfe nichts anderes als Brutsta¨tte fu¨r die Mu¨cken seien, welche sehr kleine Insekten tragen, die das Blut verseuchen. Er beobachtet die Mu¨cke, deren Stachel und Saugapparat und reproduziert im Labor ihre Entwicklungsphasen, analysiert das Blut der Erkrankten auf der Suche nach den ‘animalcula’ und schla¨gt die Sanierung der ro¨m. Tre. Campagna vor. Landry, Jean Baptiste Octave (* 10. 10. 1826 Limoges, † 1865 Paris). Das Syndrom der akuten aufsteigenden Ru¨ckenmarkla¨hmung ist als L.s
Landsteiner, Karl
Paralyse noch heute mit dem Namen des bedeutenden frz. Neurol. verbunden. Bereits wa¨hrend des Stud. in Paris hatte sich L. mit Nervenkrankheiten bescha¨ftigt und hieru¨ber auch 1854 seine Diss. angefertigt. Nach Heirat Aufgabe der akad. Karriere zugunsten der Leitung eines lukrativen E´tablissement hydrothe´rapeutique in Auteuil, wo er als erfolgreicher Nervenarzt ta¨tig wurde. 1859 vero¨ffentlichte L. den 1. Band seines Traite´ complet des paralysies, in dem er drei Typen der Nervenla¨hmung beschrieb: (1.) aufsteigend, ohne sensor. Sympt., (2.) aufsteigend mit gleichzeitiger aufsteigendener Gefu¨hllosigkeit, (3.) generalisiert mit sensor. Aberrationen. L. starb als angesehener Neurologe, begeisterter Alpinist, Geologe und Kristallograph an der Cholera. Werk: Conside´rations ge´ne´rales sur la pathoge´nie et les indications curatives des maladies nerveuses, Diss., 1854; Me´m. sur la paralysie du sentiment d’activite´ musculaire, 1855; Traite´ complet des paralysies, 1. T., 1859. Eck.
Landsteiner, Karl (* 14. 6. 1868 Wien, † 26. 6. 1943 New York). L.s Vater starb, als sein Sohn sieben Jahre alt war. L. besuchte ein o¨ffentl. Gymnasium und stud. Med. in Wien. Wie einige andere Med.studenten meldete er sich zum freiwilligen Milita¨rdienst am Garnisonsspital in Wien, wofu¨r er das Stud. nicht unterbrechen mußte. Die exp. Forschung im Labor von Ernst Ludwig faszinierte ihn besonders. 1891 wurde er zum Dr. der Med. prom. Anschließend hospitierte er an der 2. Med. Klinik, deren Leiter großes Interesse an med. Chemie zeigte und L. dahingehend fo¨rderte. L. erweiterte seine Kenntnisse
in der Chemie schließlich in Wu¨rzburg bei Emil Herrmann Fischer, in Mu¨nchen bei Eugen v. Bamberger und in Zu¨rich bei Arthur Hantzsch. Zuru¨ck in Wien, wurde er Operationszo¨gling an der 1. Chir. Klinik (! Billroth). Nach Abschluß dieser prakt. Ausbildung wandte er sich wieder der Theorie zu und erhielt eine Ass.stelle am Hyg.inst. bei ! Gruber, wo er sich bakteriol.-serol. Studien widmete. Nachdem Gruber Wien verlassen hatte, wechselte L. ans Pathol. Inst., wo er sich weiterhin seinen Forschungen widmen konnte. In einer Arbeit aus dem Jahr 1900 erwa¨hnte L. in einer Fußnote die Vermutung, daß es sich bei der Interagglutination menschl. Blutproben um eine physiol. Eigenschaft handle und nicht, wie bisher angenommen, um eine pathol. Reaktion. Auf dieser Annahme basierten nun seine weiteren Untersuchungen, die ihn zur Entdeckung der vier klass. Blutgruppen und der Erkenntnis fu¨hrten, daß im Serum eines Individuums jenes Agglutinin fehlt, das gegen die eigene Blutgruppe gerichtet ist (Landsteiner-
Karl Landsteiner (1868–1943) 203
Lanfranc von Mailand
sche Regel). Somit war die theoret. Basis fu¨r die unscha¨dl. Bluttransfusion geschaffen. Auch anderen Bereichen der Pathol., bes. der Erforschung der Poliomyelitis widmete sich L. in dieser Zeit. 1903 erfolgte die Habil. fu¨r pathol. Anat., wenige Jahre spa¨ter wurde L. zum Prof. ernannt. Aufgrund der schwierigen finanziellen Lage nach dem Ersten Weltkrieg und der du¨rftigen Mo¨glichkeiten fu¨r weitere Forschungen verließ L. 1919 Wien und ging zuna¨chst in die Niederlande. Zehn Jahre spa¨ter wurde er ans Rockefeller Inst. in New York berufen, wo er sich hauptsa¨chlich der Immunol., Serol. und Genetik widmete. 1930 erhielt er fu¨r seine Entdeckung der Blutgruppen, deren Grundlagen erstmals in der Fußnote von 1900 erwa¨hnt worden waren, den Nobelpreis. 1941 gelang ihm, bereits als Emeritus, gemeinsam mit seinen Schu¨lern der Nachweis des Rhesusfaktors. Werk: Zur Kenntnis der antifermentativen, lytischen und agglutinierenden Wirkungen des Blutserums, Wien 1900. Ho.
Lanfranc von Mailand (* ca. 1245, † vor 1306). Er stud. in Bologna Med., lernte Chir., ließ sich um 1270 in seiner Heimatstadt als Wundarzt nieder, wurde aufgrund seiner Beziehung zu den Ghibellinen verbannt, wirkte um 1290 in Lyon und seit 1295 in Paris, wo er sein Konzept einer wiss. und praxisbezogenen Chir. realisieren konnte. Unter dem Schutz der Med. Fak. bot er Vorl. mit prakt. Operationsu¨bungen an, die internat. Ruf erlangten und Frankreich ab dem 14. Jh. in der Chir. eine Vormachtstellung sicherten. 204
L. hat zwei Lehrschriften verfaßt. Den Libellus (opusculum) de chirurgia (Chirurgia parva), ein gedra¨ngter Leitfaden der „großen Chirurgie“, der um 1293/94 entstanden ist, sowie den Liber de chirurgia (Ars completa totius chirurgiae, Chirurgia magna), der 1296 abgeschlossen wurde. Letzterer beginnt mit einem Hymnus auf Paris, setzt sich mit Fragen zur Ausbildung und Standeskunde auseinander, behandelt die wichtigsten wunda¨rztl. Indikationsbereiche und endet mit einem chir. Antidotar. Beide Werke wurden u¨ber einen langen Zeitraum hinweg – vor allem auch landessprachig – breit rezipiert. Bis 1575 (! Pare´) standen sie an der Spitze der chir. Lb. Zu den herausragenden Neuerungen L.s za¨hlen die Resonanzprobe zum Nachweis von Scha¨delfrakturen, die Empfehlung der Nervennaht und eine silberne Schlundsonde zur ku¨nstl. Erna¨hZi. rung. Langenbeck, Bernhard (von [1864]) (* 8. 11. 1810 Padingbu¨ttel, † 29. 9. 1887 Wiesbaden). 1835 mit der Diss. De retinae structura penitiore in Go¨ttingen prom.; 1836 Fortbildungsreise in das westl. Ausland; 1838 Habil. fu¨r Physiol. und pathol. Anat. in Go¨ttingen, 1841 ao. Prof. Seit 1842 o. Prof. der Chir. in Kiel, von 1848 bis 1882 in Berlin. als Dir. des klin. Inst. fu¨r Chir. und Augenheilkunde. Danach lebte L. in Wiesbaden. 1848 Leitung des chir. Sanita¨tswesens im Krieg Schleswig-Holsteins gegen Da¨nemark, 1864 im dt.-da¨n. Krieg, daher Ernennung zum Generalarzt und Erhebung in den Adelsstand; als Generalarzt Teilnahme an den Kriegen von 1866 und 1870/71.
Lase`gue, Charles
L. begr. die experimentelle Chir. So erzeugte er bereits 1840 ein Lungenkarzinom durch intraveno¨se Injektion von Krebszellen. Durch seine Erfolge bei der Blutstillung ero¨ffnete L. dem operativen Vorgehen neue Bereiche. Er erfand zahlreiche Instrumente und entwickelte viele neue Operationsverfahren, vor allem in der Knochen- und Gelenkchir. und in der plast. Chir. L. operierte mit gro¨ßter Pra¨zision, und seine klin. Vorl. und Demonstrationen wurden sehr geru¨hmt. Dementsprechend gewann L. viele bedeutende Schu¨ler. 1860 begr. er mit ! Th. Billroth und A. Gurlt das Archiv fu¨r klinische Chirurgie. 1872 veranlaßte er die Gru¨ndung der Dt. Gesellsch. fu¨r Chir., deren Pra¨Wil. sident er bis 1885 war. Langerhans, Paul (* 25. 7. 1847 Berlin, † 20. 7. 1888 Funchal/Madeira). Erstbeschreiber der nach ihm benannten immunaktiven Zellen der Oberhaut und der „L.schen Inseln“ – Zellgruppen in der Bauchspeicheldru¨se, die u.a. das antidiabet. Hormon Insulin in den Kreislauf abgeben. L. beschrieb die Inseln in seiner unter Anleitung ! Virchows in Berlin verfaßten Diss. 1869, erfuhr aber nie ihre funktionelle Bedeutung, die erst nach seinem Tod bekannt wurde. Nach einer kurzen Zeit in Leipzig wurde L. erst Prosektor, dann Extraord. fu¨r pathol. Anat. in Freiburg/Br. Seit 1874 lebte L. auf Madeira. Er bescha¨ftigte sich neben den med. auch mit Schl. zool. Forschungen. Larrey, Jean Dominique (1809 Baron) (* 8. 7. 1766 Beaude´an/Hautes-Pyre´ne´es, † 1. 8. 1842 Lyon). Der bedeutendste frz. Milita¨rchir. seiner Zeit hatte seine Ausbildung zu-
na¨chst bei seinem Onkel in Toulouse, dann in Paris erhalten. 1787 ging er als Wundarzt der frz. Marine nach Nordamerika. Nach der Rev. arbeitete er zuna¨chst (1792) als zweiter Arzt am Hoˆtel des Invalides in Paris, dann als Chirurgien aide-major bei der Rheinarmee, wo er zur schnelleren Versorgung der Verwundeten sog. fliegende Ambulanzen (Ambulances volantes) einfu¨hrte. 1796 ist L. als Prof. an der E´cole de me´decine militaire Val-de-Graˆce in Paris, 1798 Officier de Sante´ en chef der a¨gypt. Expedition. Nach der Prom. zum Doktor der Med. in Paris (1802) wurde er von Napoleon zum Inspecteur ge´ne´ral du Service de Sante´ des Arme´es ernannt. Auf dem Schlachtfeld von Wagram wurde er 1809 zum Baron erhoben. 1812 geriet er kurz in russ. Gefangenschaft. Der Sturz des Kaiserreichs schadete seiner Karriere nicht. Die Acade´mie de Me´decine nahm ihn 1829 auf. L. hinterließ ein reiches literar. Werk und gilt als Begr. der mod. Kriegschir. Sein Augenmerk galt der schnellen Wundversorgung, den Schußverletzungen, Resektionen und bes. Ampu¨ gypten beschrieb er 1802 tationen. In A die Conjunctivitis granulosa (Trachom) als contagio¨se Erkrankung. Werk: Me´moires sur les amputations des membres a` la suite des coups de feu, Paris 1797; Me´moires sur l’ophthalmie re´gnante en Egypte, Le Caire an IX, 1802; Me´moires de chirurgie militaire, et campagnes, 4 Bd., Paris 1812–17; Clinique chirurgicale, 5 Bd., ibid. 1830–36. Eck.
Lase`gue, Charles (* 5. 9. 1816 Paris, † 20. 3. 1883 Paris). Geb. in Paris. Dort auch Med.stud. und Prom. (1846). Nach einigen Jahren als 205
Laveran, Alphonse Charles Louis
Polizeiarzt wurde er 1854 Hg. der Archives de Me´decine Ge´ne´rale und 1862 Priv.doz. fu¨r Neurol. und Psychiatrie. 1869 erhielt er den Lehrstuhl fu¨r Klin. Med. am La Pitie´ Hospital/Paris. Publ. etwa 115 Beitra¨ge mit den Schwerpunkten Neurol. und Psychiatrie, Gesch. der Med. und Inneren Med. Gilt als Erstbeschreiber des Exhibitionismus, der folie a` deux und (zusammen mit W. Gull) der Anorexia nervosa (1873). Das Lase`guesche Zeichen wurde nicht von ihm, sondern von dem Serben L.K. Lazarevic erstmals Pt. beschrieben (1881). Laveran, Alphonse Charles Louis (* 18. 6. 1845 Paris, † 18. 5. 1922 Paris). L. hat am 6. Nov. 1880 beim Stud. des Sumpffiebers in Konstantine (frz. Algerien) im Blut fiebriger Soldaten den Erreger der Malaria (Plasmodium malariae) entdeckt. Nach ihm wurde der Erreger zuna¨chst Laverania malariae bzw. Laveranscher Ko¨rper genannt. Spa¨ter bescha¨ftigte er sich mit dem Stud. der Schlafkrankheit (Trypanosomiasis) und der Leishmaniosen (z.B. Kala-Azar). 1907 wurde L. fu¨r seine Forschungen zur Pathol. der Protozoen der Nobelpreis zuerkannt. L.s Karriere begann nach Stud. und Prom. (1867) in Paris 1874 als Prof. fu¨r Milita¨rhyg. am Val-de-Graˆce; von 1878 bis 1883 war er im Dienst der frz. Armee in Algerien. 1895 wurde L. Mitglied der Pariser Akad. der Wiss., 1895 deren Ehrenmitglied. Eck. Lehmus, Emilie (* 30. 8. 1841 Fu¨rth, † 17. 10. 1932 Gra¨fenberg/Erlangen). ¨ rztinnen in Als eine d. ersten A Deutschland hatte L. in d. Diskussion um d. Ausu¨bung des Arztberufs durch Frauen Vorbildfunktion. Bis 1870 206
Lehrerin. Im selben Jahr Immatrikulation als erste deutsche Med.studentin in Zu¨rich. Prom. „Summa cum laude“ Februar 1875. Fortbildung in d. Universita¨ts-Entbindungsanstalt in Prag, darauf an der Kgl. Entbindungsanstalt u. Frauenklin. in Dresden bei F. v. Winckel. 1876–1900 Niederlassung als „Arzt fu¨r Frauen u. Kinder“ in Berlin ohne deutsche Appr. Gemeinsame Privatpraxis mit ! F. Tiburtius, die sie aus Zu¨rich kannte. Mitbegru¨nde¨ rztin der Poliklin. rin u. leitende A ¨ rzte fu¨r Frauen u. Kinder weiblicher A in Berlin 1878, an die sich 1881 eine Krankenpflegeanstalt fu¨r unbemittelte Frauen anschloß. Dort arbeitete sie ab 1890 zusammen mit ! A. Bluhm. Mit Tiburtius engagierte sie sich fu¨r den Sanita¨tsverein fu¨r Lehrerinnen u. Erzieherinnen (1878–1885), ab 1889 auch fu¨r den Kaufma¨nn. u. gewerbl. Hilfsverein fu¨r weibl. Angestellte. 1900 Ende der a¨rztl. Ta¨tigkeit Gan. aus gesundheitl. Gru¨nden. Leishman, William (* 6. 11. 1865 Glasgow, † 2. 6. 1926 Glasgow). Fu¨r die Tropenmed. ist L. durch seine 1900 in London erfolgte und 1903 vero¨ffentlichte Entdeckung des Erregers der Kala-Azar in der Milz eines aus Indien zuru¨ckgekehrten Soldaten bedeutend. ! R. Ross hat die Gruppe der von Leishman entdeckten Protozoen der Klasse Mastigophora (Trypanosomatidae) „Leishmania“ genannt. Tatsa¨chlich hatte bereits 1898 der russ. Milita¨rarzt Borowski den Ereger der Orientbeule (Leishmania tropicalis) entdeckt. L. hat nach seinem Stud. in Glasgow seit 1886 als Sanita¨tsoffizier im brit. Kolonial- und Milita¨rdienst gearbeitet, zuletzt als Generalleutnant im brit. Kriegsmini-
Leubuscher, Rudolf
sterium; L. war Mitglied und langja¨hriger Pra¨sident der Royal Society of Tropical Medicine and Hygiene. Werk: On the possibility of the occurence of trypanosomiasis in India, Br. med. J. 2 (1903), 1376. Eck.
Lenz, Fritz (* 9. 3. 1887 Pflugrade/ Pommern, † 6. 7. 1976 Go¨ttingen). 1912 med. Prom. in Freiburg i.Br. 1919 Habil. fu¨r das Fach Hyg. in Mu¨nchen. 1923 Berufung nach Mu¨nchen auf den 1. Lehrstuhl fu¨r Rassenhyg. in Deutschland. 1933 Leiter der Abt. fu¨r Eugenik im KWI fu¨r Anthropol. in Berlin und Prof. fu¨r Rassenhyg. an der Univ. Berlin. 1946 Ord. fu¨r menschl. Erblehre in Go¨ttingen. L. war in der Weimarer Republik der profilierteste Theoretiker der Rassenhyg. Fu¨r ihre Ziele warb er in seiner Menschlichen Auslese und Rassenhygiene (1921, 41932), in zahlreichen Hb.artikeln und Aufsa¨tzen unter Fachleuten und Laien. Mit dem Begriff „Rasse“ identifizierte er sowohl beliebige Fortpflanzungskreise als auch Systemrassen. Er ging von einer konstanten Rassentypol. aus, die auf ko¨rperl. und eng mit ihnen verbundenen geistig-seelischen Merkmalen beruhte, wobei er letzteren im Gegensatz zu den u¨brigen Rassenhygienikern eine ungleich ho¨here Bedeutung zumaß. In seiner Vorliebe fu¨r die nord. Rasse spiegeln sich die Vorurteile seiner Gesellschaftsschicht gegenu¨ber nichtbu¨rgerl. Sozialschichten wieder. Trotz seiner ideol. Na¨he zum Nationalsozialismus gelang es L. nicht, im Dritten Reich die auch institutionell sichtbare Anerkennung zu finden, die manchen seiner Kollegen Li. zuteil wurde.
Lesky, Erna geb. Klingenstein (* 22. 5. 1911 Hartberg, † 17. 11. 1986 Innsbruck). Nach d. Besuch d. Akad. Gymn. in Graz Studium d. Med. in Wien; 1936 Promotion; 1940–45 Heima¨rztin im NSV-Mutter- u. Kinderheim Igls; 1957 Privatdozentin fu¨r Gesch. d. Med. in Wien; 1962 apl. Prof.; 1960 Direkt. d. Wiener Inst. f. Gesch. d. Med. dort. L. war korresp. Mitglied der ¨ sterr. Akad. D. Wissensch. u. MitO glied der Deutschen Akademie d. Naturforscher Leopoldina zu Halle. Zahlreiche Publikationen bes. zur Wiener Medizin d. 18. u. 19. Jh. Werk: Die Zeugungs- und Vererbungslehren der Antike und ihr Nachwirken, 1951; Arbeitsmedizin im 18. Jahrhundert, ¨ sterreichisches Gesundheitswesen 1956; O im Zeitalter des aufgekla¨rten Absolutismus, 1959; Die Wiener geburtshilflich-gyna¨kologische Schule, 1961; Ignaz Philipp Semmelweis und die Wiener Medizinische Schule, 1964; Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert, 1965; Purkyneˇs Weg, 1970; Die Aufkla¨rung in Ost- und Su¨dosteuropa, 1972; Wien und die Weltmedizin, 1974; Medizin auf Ab- und Seitenwegen, 1976; Sozialmedizin, 1977; Meilensteine der Wiener Medizin, 1981. Eck.
Leubuscher, Rudolf (* 12. 12. 1821 Breslau, † 23. 10. 1861 Berlin). Einer ju¨d. Familie entstammend, stud. er 1840–44 Med. in Breslau und Berlin, 1844 Prom. 1845–46 Ass. an der Provinzial-Irrenanstalt in Halle. 1847 Armenarztpraxis und Leiter eines Choleralazaretts in Berlin. 1848 Habil. in Berlin und psychiatr. Vorl. an der Univ. 1848/49 gibt L. mit ! Virchow die Wochenschrift Die medicinische Reform heraus. Ab 1849 Ta¨tigkeit an der Charite´ und am Berliner Arbeitshaus. 1856–59 Prof. und Dir. der Med. Klinik an der Univ. Jena. 1859–61 als 207
Leyden, Ernst von
ao. Prof. wieder in Berlin ta¨tig. Wiss. Studien u¨ber Psychiatrie und deren somat. Grundlagen sowie Arbeiten auf sozialmed. und arbeitshyg. Gebiet. Werk: Grundzu¨ge zur Pathologie der psychischen Krankheiten, Berlin 1848; Handbuch der Medicinischen Klinik, 2 Bd., Leipzig 1859/61. Schn.
Leyden, Ernst von (* 20. 4. 1832 Danzig, † 5. 10. 1910 Charlottenburg/Berlin). Kliniker, Internist. Stud. ab 1849 an der Berliner Universita¨t Medizin, 1853 prom., 1863 habil. mit einer Arbeit u¨ber Ru¨ckenmarkserkrankungen. Ordinariate in Ko¨nigsberg (1865), Straßburg (1872) und Berlin (1876). Der Schu¨ler ! L. Traubes bemu¨hte sich als einer der fu¨hrenden Klinker seiner Zeit darum, Diagnostik und Therapie in der Klinik weiterzuentwickeln. Er war Mitbegru¨nder der Zeitschrift fu¨r klinische Medizin (1879) und des Vereins fu¨r Innere Medizin (1881). Seit den 1890er Jahren war L. Befu¨rworter der Lungenheilsta¨ttenbewegung zur Beka¨mpfung der Tuberkulose und konnte schließlich 1903 an der Berliner Charite´ die erste Krebsabteilung in einem deutschen Krankenhaus einrichten. Werk: Die graue Degeneration der hinteren Ru¨ckenmarksstra¨nge, Berlin 1863; Klinik der Ru¨ckenmarkserkrankungen, 2 Bd. Berlin 1874–76; Lohde-Boetticher, C. (Hg.), Lebenserinnerungen, Stuttgart; Leipzig 1910. Gr.
Li Gao, Großja¨hrigkeitsname: Mingzhi; Pseudonym: Dongyuan; unter letzterem am bekanntesten als Li Dongyuan (* 1180 Zhending, Provinz Hebei, † 1251). Sproß einer wohlhabenden Literatenund Gutsbesitzersfamilie, scheint ihn 208
perso¨nl. Schicksal – die Krankheit und der Tod seiner Mutter – schließlich zur gru¨ndl. Bescha¨ftigung mit der Med. bestimmt zu haben. Er schließt sich mehrere Jahre hinduch als Schu¨ler dem ! Zhang Yuansu an und zieht sich dann auf das Land zuru¨ck, wo er als Privatgelehrter („Literatenarzt“) die Med. nur bei schwer zu behandelnden Patienten praktiziert, im wesentl. aber seine Zeit der gedankl. Aufarbeitung und theoret. Kla¨rung seiner Studien und Beobachtungen widmet. Die Ergebnisse schlagen sich erst in seinen letzten Lebensjahren und auf Dra¨ngen seiner eigenen Schu¨ler in Schriften nieder, zuna¨chst im Neiwaishan Bianhuolun (Abhandlungen u¨ber die Kla¨rung von Mißversta¨ndnissen im Hinblick auf innere und a¨ußere La¨sionen), 1231 abgeschlossen, 1247 gedruckt; 1249 in den Abhandlungen u¨ber Lienal- und Stomachorbis (Piweilun). Auf letzterem Werk gru¨ndet bis in die Gegenwart sein Nachruhm; es wurde zur Grundlage einer eigenen therap. Richtung, der sog. „Suppletion der Erdphase-Schule“ (Butupai). Der Autor legte dar, daß eine Vielzahl jener Sto¨rungen, die man als Infektionen, Seuchen, konstitutionelle Schwa¨chen, Permotionen einzustufen und zu behandeln pflegt, tatsa¨chlich auf einer angeborenen oder erworbenen Labilita¨t der zentralen Assimilationsfa¨higkeit beruhen (Erdphase = Integration und Assimilationsfunktion). Er belegte diese Theorie mit ausfu¨hrl. klin. Material und entwickelte auch einige bis heute klass. Rezepturen wie das Decoctum Suppleens Centrum Augmentans Qi (Buzhong Yiqitang). Ein nicht geringer Teil seiner med.literar. Hinterlassenschaft wurde erst
Lie´beault, Ambroise-Auguste
posthum (1276) vero¨ffentlicht unter dem blumigen und irrefu¨hrenden Titel: Verborgene Scha¨tze des Zimmers der Wunderblume (Lanshi Yicang). Darin finden sich neben 283 Original¨ berlegungen rezepten Li Dongyuans U zu Krankheitsbildern wie jenen der Anorexie, Sitis diffundens, der Ophthalmol., Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, der Gyna¨kol., zu Potenzund Fruchtbarkeitssto¨rungen, GePo. schwu¨ren, zur Pa¨diatrie. Li Shizhen, Großja¨hrigkeitsname: Dongbi, Pseudonym: Binhu (* 1518 Qizhou, Provinz Hubei, † 1593). Die Heilkunde war in der Familie zumindest seit der Generation des Großvaters vertreten, der als „Schellenarzt“ u¨ber Land ziehend seinen Unterhalt verdient hatte. L. S. glaubte zuna¨chst trotz seiner schlichten Herkunft auf dem Weg der klass. Gelehrsamkeit eine Karriere gestalten zu ko¨nnen; er bestand zwar die untere und mittlere, nicht aber die letzten Beamtenpru¨fungen. Doch sollten die Jahrzehnte der Disziplin in den klass. Studien schließlich seiner einmaligen wiss. Ambition und Leistung zugute kommen: Er setzte sich das Ziel, die zu seiner Zeit mindestens dreizehnhundertja¨hrige Trad. der Arzneimittellehre empir. zu sichten und nach rational systemat. Gesichtspunkten neu zu gliedern. Dieser Aufgabe widmete er nicht nur mehr als fu¨nf Jahrzehnte des eigenen Lebens, auch die Kra¨fte seiner Schu¨ler, Kinder und sogar Enkel waren schließlich am Zustandekommen des monumentalen Werkes beteiligt, das im Jahr 1578 unter dem Titel Bencao Gangmu: Systematische Pharmokopoe in Einzeldarstellungen vollendet wur-
de. Es bietet nach ausfu¨hrl. meth. Einleitungen umfassende Arzneimittelbilder zu 1892 offizinellen Drogen und dazu u¨ber 10000 Rezepturen. Erst drei Jahre nach seinem Tod, im Jahr 1596, konnte das Werk dank einer kaiserl. Subvention in Druck gehen. Li Shizhen hat seine Revision auf etwas begru¨ndet, das man heute „klin. Beobachtung“ und „empir. Feldforschung“ nennt: Zuna¨chst hat er zu allen klass. bekannten und offizinellen Arzneimitteln in seinem unmittelbaren Wirkbereich alle Beobachtungen aufgezeichnet und bewertet, mit einigen Arzneimitteln auch Selbstversuche angestellt. In spa¨teren Jahren hat er wiederholt durch viele chin. Provinzen regelrechte Forschungsreisen unternommen und dabei bei allen Bevo¨lkerungsschichten, z.B. bei Fischern, Bauern, Handwerkern, Ja¨gern nach deren Beobachtungen gefragt. Auf diese Weise wurden viele in der pharmakol. Trad. gedankenlos weitergetragene Legenden und Irrtu¨mer bereinigt und die Arzneimittelbilder um neue Facetten bereichert. Die Weite des heurist. Horizonts von L.S. kommt auch in anderen Schriften, etwa in den Binhu Moxue: Pulsstudien des Li Shizhen oder in den Qijing Bamokao (Untersuchungen zu den unpaarigen Leitbahnen) zum Ausdruck, die wesentl. Beitra¨ge zum Thema der Sphygmol. und der Leitbahnlehre (SiPo. narteriol.) beisteuern. Lie´beault, Ambroise-Auguste (* 1823 Favie`res/Dep. Meurthe-et-Moselle, † 1904). L. stud. von 1844 bis 1850 Med. in Straßburg. Nach vierzehnja¨hriger Ta¨tigkeit als Landarzt in Pont-Saint-Vin209
Liek, Erwin
cent, wo er sich bereits theoret. und prakt. mit Magnetismus bescha¨ftigte, ging er 1864 nach Nancy, um sich ausschließl. dem Stud. des Hypnotismus zuzuwenden. L. erzeugte den hypnot. Schlaf, in dem der Patient mit dem Arzt in „Rapport“ bleibt, durch Suggestion. Lange als Außenseiter bela¨chelt, u¨bernahm jedoch ! H. Bernheim 1882 L.s Meth. in die „Schule von Nancy“, und 1889 stud. ! Freud bei L. Hypnosetechnik. Werk: Du sommeil et des e´tats analogues, Paris 1866; E´tude sur le zoomagne´tisme, ibid. 1883. Ba.
Liek, Erwin (* 13. 5. 1878 Loeben, † 11. 1. 1935 Berlin). Die popula¨re konservativ-standespolit. Schrift Der Arzt und seine Sendung (1925) begr. den hohen Bekanntheitsgrad ihres Verfassers in der Weimarer Republik und fo¨rderte die schnelle und breite a¨rztl. Akzeptanz der NSIdeologie. Fu¨hrerschaft und Priestertum, ethisch-sta¨nd. Handeln, biologist. Denken charakterisiert den Arztberuf. Eugenik und Euthanasie werden befu¨rwortet: L. will nicht „Idioten und Epileptiker in Musteranstalten pflegen, wa¨hrend gesunde, arbeitsfreudige Volksgenossen weder Obdach noch Nahrung finden“ (1926). Dem Wohl des „Volksko¨rpers“ steht eine „sozial minderwertige Erbmasse“ entgegen. L. stud. Med. in Freiburg/Br. und Ko¨nigsberg; dort Prom. 1902. Nach Ass.jahren in Greifswald, Wiesbaden ¨ bernahme einer chir. und Danzig U und gyna¨kol. Privatklinik; Verkauf der Klinik 1931, Niederlassung als Schriftsteller in Berlin Westend. Die Machtu¨bernahme der Nationalsoziali210
sten begru¨ßt Liek (1933): „Gewaltig sind die Erfolge, die unsere fu¨hrenden Ma¨nner schon jetzt fu¨r sich buchen ko¨nnen: Abwehr und Vernichtung des Marxismus, Verneinung des Gleichheitswahns, Beseitigung der Parteien, Kaltstellung der Schwatzparlamente, Einigung des dt. Volkes, Abbau der Arbeitslosigkeit [...], schon das genu¨gte, der Revolution von 1933 einen Ehrenplatz in der dt. Gesch. zu sichern“. L. stu¨tzt das NSEngagement fu¨r eine naturheilkundl. orientierte „Neue dt. Heilkunde“, lehnt aber die Leitung des RudolfHeß-Kankenhauses (Dresden) aus gesundheitl. Gru¨nden ab. Werk: Gegen die Sprachverwilderung im a¨rztlichen Schrifttum, Mu¨nch. Med. Wschr. (1920); Irrwege der Chirurgie, Arch. f. klin. Chir. 128 (1924); Die Entseelung der Heilkunde, Mu¨nch. Med. Wschr. (1925); Der Arzt und seine Sendung – Gedanken eines Ketzers, 1925, 101936; Arzt und Volksgesundheit, Mu¨nch. Med. Wschr. (1926); Das Wunder in der Heilkunde, 1930, 4 1951; Der Kampf gegen den Krebs, 1934. Eck.
Linne´, Karl von (seit 1761) (* 23. 5. 1707 Ra˚shult, † 10. 1. 1778 Uppsala). Stud. Med. Lund 1727, Uppsala 1728, Prom. 23. 6. 1735, Harderwijk; 1735– 37 Botaniker des hortus hartecampensis Cliffords bei Amsterdam; 1738 Praxis in Stockholm; 1739 Admiralita¨tsarzt; 1742 Prof. fu¨r Bot., Mat. medica, Semiotik, Dia¨tetik und Naturgesch. in Uppsala nach Professurentausch mit Ro´sen. Die Gro¨ße des Botanikers L. hat die zahlreichen (79 Titel, ausschließl. der kleinen Abh. auf schwed.) med. Werke – u.a. die viel rezipierten Genera morborum (Uppsala 1763), die Clavis medicinae (Stockholm 1749) und
Lister, Joseph Lord
die damals gescha¨tzte Materia medica (Stockholm 1749 und Leipzig 1772) – vergessen lassen; rehabilitieren wollte man den Med. L. durch Verweis auf die große Schu¨lerschar, den Einfluß auf das schwed. Medizinalwesen, auf die Popularisierung seiner dia¨tet. und veterina¨rmed. Abh. und die – anders als die pathol. – doch wertvollen pharmakodynam. Schriften. Jenseits der Tatsache aber, daß er sein Leben der scientia naturalis geweiht und die Med. nur als Zweig dieses fundamentum betrachtet hat, als bloßen Beweis u.a. ihres usus, ist das med. Corpus L.s vom u¨brigen Werk in allen Anteilen vo¨llig durchdrungen: von seiner Auffassung der exanthemat. Fieber als contagium ex animalculis (in Analogie zu Mu¨nchhausens Entdeckung an Pilzen), u¨ber seine vom Pflanzenbau abgeleitete Sicht des Organismus als aus medulla¨rer (belebende Funktion) und kortikaler (erna¨hrende Funktion) Substanz zusammengesetzt, die seine Klassifikation der Krankheiten und die der Pharmakopo¨e begru¨nden sollte, bis hin zum Interesse am Werk ! Sauvages und dessen Verarbeitung – u¨berall zeigt sich dieselbe Notwendigkeit einer inspectio durch Unterscheidungsmerkmale und einer impositio nominum, um zu erkennen, i.e. um die Integrita¨t des zersprengten Garten Eden der Db. Scho¨pfung zu rekonstruieren. Lister, Joseph Lord (* 5. 4. 1827 Uptonhouse/Essex, † 10. 2. 1912 Walmer/Kent). L. stud. von 1846–52 Med. in London. 1853 ging er nach Edinburgh, wo er Ass. des Chir. J. Syme, seines spa¨teren Schwiegervaters, wurde. Erste naturwiss. und med. Forschungen zur Ge-
fa¨ßphysiol. und zu den fru¨hen Entzu¨ndungsstadien. 1855 Dozentur fu¨r Chir. in Edinburgh. 1860 Berufung zum Prof. an der Univ. Glasgow und ein Jahr spa¨ter zum Nachfolger von Syme auf dem chir. Lehrstuhl in Edinburgh. 1867 erste Vero¨ffentlichungen u¨ber sein „antiseptisches Prinzip“ der Wundbehandlung mit Karbolsa¨ure. 1877 Berufung an das King’s College in London auf den Lehrstuhl fu¨r Chir., den er bis 1893 innehatte. 1891 wurde er Leiter des nach dem Vorbild des Pariser Pasteur-Inst. gegru¨ndeten British Institute of Preventive Medicine, das spa¨ter seinen Namen erhielt. L. befaßte sich, angeregt durch die mikrobiol. Forschungen ! Pasteurs, mit ¨ tiol. und Prophylaxe Problemen der A der Wundinfektionen in der chir. Praxis. Als antisept. wirksame Substanz wandte er zuna¨chst bei offenen Knochenbru¨chen und spa¨ter bei allen Operationswunden die Karbolsa¨ure als 5%ige Lo¨sung zur Hautdesinfektion des Wundgebietes sowie auch zur antibakteriellen Behandlung des chir. Instrumentariums und des Nahtmaterials an. So konnte er die bereits 1846 durch ! Semmelweis in die Geburtshilfe zur Pra¨vention des Kindbettfiebers eingefu¨hrte chem. Antisepsis, die L. anfangs nicht bekannt war, erweitern und vervollkommen. Theoret. begru¨ndete L. sein antisept. Vorgehen mit Pasteurs exp. gewonnener Erkenntnis, daß Mikroorganismen fu¨r die zur Wundentzu¨ndung fu¨hrenden organ. Zersetzungsvorga¨nge verantwortlich seien. L. hat auch Verdienste um die Vervollkommnung der operativen Technik. So verwandte er u.a. anstatt der bis dahin u¨blichen Seidenna¨hte zur Gefa¨ßunterbindung 211
Littre´, E´mile
Joseph Lister (1827–1912)
karbolsa¨uregetra¨nkte Catgutligaturen, fu¨hrte zur Verminderung der Gefahr der Wundinfektion sekretableitende Wunddrainagen ein und arbeitete verbesserte Operationsmeth. in der Amputations-, der Blasen- und Knochenchir. aus. Werk: The collected Papers, 2 Bd., Oxford 1909. Schn.
Littre´, E´mile (* 1. 2. 1801 Paris, † 2. 6. 1881 Paris). Frz. Lexikograph, Journalist, Philosoph (Anha¨nger und Freund des Positivisten A. Comte), Arzt und Herausgeber des ! Hippokrates. Nach einer gru¨ndl. Ausbildung in den klass. Sprachen ergriff L. das Med.stud.; der plo¨tzl. Tod seines Vaters 1827 und deswegen fehlende Mittel erlaubten ihm nicht, es ganz zu Ende zu bringen, so daß er seinen Lebensunterhalt zuna¨chst als Lehrer und Publizist ver212
diente (er schrieb – auch in spa¨teren Jahren – fu¨r med. wie fu¨r allg. polit. Zeitschriften); gleichwohl war er Zeit seines Lebens theoret. und prakt. auf med. Gebiet ta¨tig. In der Weite seiner Interessen und seiner Wirkung (nicht jedoch an med. Bedeutung) ist er seinem ju¨ngeren Zeitgenossen ! Virchow vergleichbar; wie dieser wirkte er in spa¨teren Jahren als Politiker. Die Aufnahme in die Acade´mie Franc¸aise 1871 (wo ihm nach seinem Tode ! Pasteur nachfolgte) stellte den Gipfel der zahlreichen Ehrungen dar, mit denen sein Werk Anerkennung fand. Das monumentale, von ihm allein erarbeitete frz. Wo¨rterbuch (1863–72) begann zu erscheinen, nachdem seine griech.-frz. kommentierte Gesamtausgabe der hippokrat. Schriften (9 Ba¨nde, 10. Band Index, 1839–61) vollendet war; als solche ist sie bis heute nicht ersetzt. Ihr Wert besteht in der erstmals meth. abgesicherten Benutzung von (allerdings nur Pariser) Handschriften und a¨lteren Editionen, L.s Einleitungen und seiner eleganten ¨ bersetund gleichzeitig textgetreuen U zung. Werk: Me´decine et me´decins, Paris 1872 (Aufsatzsammlung). Fi.
Liu Wansu, Großja¨hrigkeitsname: Shouzhen (* 1120 Hejian, Provinz Hebei, † 1200). Nach seinem Heimatort auch als Liu Hejian apostrophiert. L.W. war zuna¨chst lange Jahre als Arzt ta¨tig, gelangte schließlich in Anknu¨pfung an klass. Theorien zu neuen Erkenntnissen u¨ber die Agenzien der Krankheiten. Aus seinen Anweisungen fu¨r die Behandlung calor. Krankheiten ent-
Loeb, Jacques
wickelte sich schließlich die „Frischende Schule“ der chin. Med. Bei dieser lag das Hauptgewicht der Maßnahmen auf der Stu¨tzung der Struktivita¨t. Unter seinen Schriften ist auch ein Traktat u¨ber die Drei Diffusionen (Sanxiaolun), zu denen auch der diabet. Symptomenkreis geho¨rt, eine Sammlung von Paradigmen zur Behandlung von Algor laedens (Shang¨ ber seine Schu¨ler und han Zhige). U u¨ber ! Zhang Yuansu stand er mit anderen Neuerern des med. Denkens Po. in Verbindung. Loeb, Jacques (* 07. 04. 1859 Mayen / Rheinland, † 11. 02. 1924 Bermudas). Physiol., Biol. Nach einem Stud. der Med. in Berlin begann L. seine wiss. Laufbahn in D. unter dem Hirnphysiol. F. Goltz (1834-1902) in Straßburg. Im Anschluß an seine Prom. setzte L. seine hirnphysiol. Studien unter N. Zuntz (1847-1920) an der Landwirtschaftl. Hochschule Berlin fort, bevor er 1886-1888 als Ass. von A. Fick (1829-1901) in Wu¨rzburg ta¨tig war. Hier lernte er den Botaniker J. Sachs (1832-1897) kennen. Die von Sachs durchgefu¨hrten Forsch. zur exp. Pflanzenphysiol., v.a. zur Reizphysiol., beeinflussten Ls. weitere Arbeiten in entscheidender Weise. L. u¨bertrug Sachs’ an Pflanzen entwickelte Konzepte auf Motten und versuchte experimentell ihre Hinwendung zu Lichtquellen physikal. und chem. zu erkla¨ren (Tropismustheor.). Wa¨hrend eines Forschungsaufenthaltes in der meeresbiol. Forschungsstation von Neapel in den Jahren 1889 und 1890 weitete L. diese Erkla¨rungsversuche auf Meerestiere, ihre Regeneration
nach Verletzungen und ihre embryonale Entw. aus. Es gelang ihm z. B., verlorene Ko¨rperteile in Tubularien und Planarien durch morphol. u. physiol. ungleiche zu ersetzen (Heteromorphose). Erkenntnis leitend war dabei fu¨r L. das Ideal des techn., dem Ingenieur a¨hnlich in Lebensvorga¨nge eingreifenden Biol., das er unter dem Einfluß des Physikers E. Mach (1838-1916) entw. hatte. L. sah als ju¨d. Forscher keine Berufsperspektive an einer dt. Univ. Dieser Umstand und die Heirat mit der Amerikanerin A. Leonard fu¨hrten zu seiner Emigr. in die USA im Jahre 1891. Hier entw. L. sich zu einem der fu¨hrenden Wissenschaftler seiner Zeit, der die exp. Biol. nachdru¨cklich ¨ ber Bryn Mawr, Chicago gepra¨gt hat. U u. Berkeley kam er 1910 an das Rockefeller Inst. f. Med. Research, an dem er bis zu seinem Tode 1924 forschte. L.s bekannteste Entdeckung, fu¨r die er mehrfach fu¨r den Nobelpreis nominiert wurde, ohne ihn je zu erhalten, war die so genannte ku¨nstl. Jungfernzeugung (artifizielle Parthenogenese). L. war es gelungen, Seeigeleier durch Vera¨nderung der sie umgebenden Salzlo¨sung ohne Einfluß von Spermien zur embryonalen Teilung anzuregen. In spa¨teren Jahren wandte L. sich auf der Suche nach den physiko-chem. Grundlagen aller Lebensprozesse der Kolloidchem. zu. Er erkannte die Bedeutung von H+-Ionen in physiol. Vorga¨ngen und beschrieb das osmot. Verhalten von Proteinen analog zu F. Donnans (1870-1956) Theorie. Werk: Studies in General Physiology, Chicago 1905; The Mechanistic Conception of Life, Chicago 1912; Proteins and the Theory of Colloidal Behavior, New York 1922. Fg. 213
Loeffler, Friedrich
Loeffler, Friedrich (* 24. 6. 1852 Frankfurt/Oder, † 9. 4. 1915 Berlin). Med.stud. in Wu¨rzburg und am Berliner milita¨ra¨rztl. Friedrich-WilhelmsInstitut. Hier 1874 Prom. Nach milita¨ra¨rztl. Dienst 1879 Kommandierung an das Kaiserl. Gesundheitsamt in Berlin. Zusammen mit ! G. Gaffky ab 1880 Mitarbeiter von ! R. Koch. 1886 Habil. fu¨r Hyg. am FriedrichWilhelms-Institut. 1888 Berufung auf den neuerrichteten Lehrstuhl fu¨r Hyg. in Greifswald. 1913 Dir. des Inst. fu¨r Infektionskrankheiten in Berlin als Nachfolger von Gaffky. 1884 Mitentdecker des Diphtheriebazillus und seines Toxins. Bereits 1882 fand er den Erreger der Rotzerkrankung und spa¨ter den des Schweinerotlaufs sowie den Ma¨usetyphusBazillus. 1898 entdeckte er gemeinsam mit P. Frosch den Erreger der Maulund Klauenseuche, das erste filtrierbare „ultravisible“ Virus. Damit geho¨rt L. zu den Begr. der Virol. als selbsta¨ndigem mikrobiol. Wiss.-zweig. Weitere Verdienste hat L. um die mikroskop. Untersuchungsmeth. (L.-Fa¨rbung, L.Platte) sowie um allgemeinhyg. (Desinfektion) und kommunalhyg. Fragen (sta¨dt. Kanalisation u.a.). Er initiierte und leitete die spa¨ter nach ihm benannte Tierseuchen-Forschungsanstalt auf der Insel Riems bei Greifswald. Werk: Vorlesungen u¨ber die geschichtliche Entwicklung der Lehre von den Bakterien, Leipzig 1887; Filtrierbare Virusarten, in: Friedberger, E. u. Pfeiffer, R. (Hg.), Lb. der Mikrobiol., Bd. 2, Jena 1919, 1091– 1155. Schn.
Lorenz, Adolf (* 21. 4. 1854 Weidenau/ Schlesien, † 12. 2. 1946 Altenberg). Sohn eines Sattlermeisters. Erhielt einen Freiplatz am Gymnasium des 214
Benediktinerstiftes St. Paul im Lavanttal/Ka¨rnten. Nach seinem Med.stud. und der Prom. wurde er in das „Operationszo¨glingsinstitut“ (! Billroth) der I. Chir. Klinik aufgenommen. Als L. wegen eines Karbolekzems seine Laufbahn als Chir. aufgeben sollte, regte sein Lehrer Eduard Albert ihn an, sich mit der konservativen Orthopa¨die zu bescha¨ftigen. In der Folge entwickelte L. mehrere unblutige Therapieformen der Orthopa¨die. Beru¨hmt wurde er durch seine Behandlung der angeborenen Hu¨ftgelenksdysplasie. Bis ins hohe Alter blieb er ein begeisterter Sportler. Großvater des Verhaltensforschers ! K. Lorenz. Werk: Ich durfte helfen (Autobiographie), Wien 1949. Ho.
Lorenz, Konrad (* 7. 11. 1903 Wien, † 27. 2. 1989 Wien). 1922–28 Med. stud. in New York und Wien, 1928 med. Prom., Ass. am Anat. Inst. der Univ. Wien, 1933 phil. Prom. in Zool., 1937 Habil. fu¨r Anat. und Tierpsychol., 1940 Ord. fu¨r vergl. Psychol. in Ko¨nigsberg, 1941–44 Heerespsychologe, dann Milita¨rarzt in Posen, 1944–48 sowjet. Kriegsgefangenschaft, 1951–57 Leiter der Forschungsstelle fu¨r Verhaltensphysiol. der MaxPlanck-Gesellschaft in Buldern/Westfalen, 1961–73 Dir. des MPI fu¨r Verhaltensphysiol. in Seewiesen. L. gilt als Begr. der vergl. Verhaltensforschung (Ethol.). Die jahrelange Beobachtung von Fischen und Vo¨geln (Grauga¨nse) fu¨hrte ihn 1937 zur heute noch gu¨ltigen Definition einer Instinkthandlung als unvera¨nderl., ererbter Bewegungsfolge. L. sah die Instinkthandlungen als arterhaltend an. Deshalb alarmierte ihn die Beobach-
Louis, Pierre Charles Alexandre
tung des Verfalls dieser Handlungen bei Haustieren. Unter dem Einfluß des Sozialdarwinismus diagnostizierte L. auch beim „zivilisierten“ Menschen eine „Verhaustierung“. Großstadtleben und Industrialisierung fu¨hrten angeblich durch Scha¨digung des Erbgutes zur Degeneration. L., Mitarbeiter des Rassenpolit. Amtes der NSDAP, unterstu¨tzte die nationalsozialist. Rassenpolitik. Er forderte die Ausmerzung „Minderwertiger“ und propagierte die Orientierung am u¨berzeitl. Scho¨nheitsideal der griech. Kunst. Nach dem Krieg beharrte L. auf seinem Kulturpessimismus. Er schuf die Grundlagen der evolutiona¨ren Erkenntnistheorie (1973), engagierte sich in der Umweltbewegung und warnte bis zuletzt vor einer o¨kol. Katastrophe. 1973 erhielt er den Nobelpreis fu¨r Med. ¨ ber den Begriff der InstinkthandWerk: U lung, Folia biotheoretica, Ser.B, 2 (1937), 17–50; Die angeborenen Formen mo¨glicher Erfahrung, Zs. fu¨r Tierpsychol. 5 (1943), 235–409; Er redete mit dem Vieh, den Vo¨geln und den Fischen, Wien 1949; Das sogenannte Bo¨se, Wien 1963; Die Ru¨ckseite des Spiegels, Mu¨nchen 1973; Die acht Todsu¨nden der zivilisierten Menschheit, Mu¨nchen 1973; Der Abbau des Menschlichen, Mu¨nchen 1983. Bro¨.
Lorry, Anne Charles (* 10. 10. 1726 Crosnes, † 18. 9. 1783 Bourbonne-lesBains). Geb. als Sohn eines Pariser Prof. der Jurisprudenz, stud. L. in Paris unter ! Astruc und Ferrein Med. bis zur Prom. 1748. Der elegante L. wurde zum Arzt der Pariser High Society (u.a. von Voltaire und den Richelieus); 1774 war er Konsiliarius am Sterbebett Ludwigs XV. L. war Mitbegr. und Vizepra¨sident der Socie´te´
Royale de Me´decine. Aufgrund seines extravaganten Lebensstils und nach einem Schlaganfall 1782 geriet er in finanzielle Schwierigkeiten; er starb als Staatspensiona¨r in Bourbonne-lesBains. Außer mit neurophysiol. und psychiatr. Themen bescha¨ftigte sich L. besonders mit der Dermatol. 1777 vero¨ffentlichte er als erster Franzose eine Monographie u¨ber Hautkrankheiten, die durch ihre klare Gliederung (Phy¨ tiol.) und durch pra¨zise siol., Pathol., A nosol. Beschreibungen bekannt wurde. Werk: De melancholia, 2 Bd., Paris 1765; De morbis cutaneis, ibid. 1777. Ba.
Louis, Pierre Charles Alexandre (* 14. 4. 1787 Aı¨/Champagne, † 22. 8. 1872 Paris). L. bemu¨hte als erster die math.-statist. Auswertung großer Mengen vergleichbarer Krankheitspha¨nomene und Einzelkrankheiten, um zu generellen Aussagen u¨ber den Charakter bestimmter Krankheitsentita¨ten zu gelangen. Anwendung fand diese me´thode nume´rique etwa bei der Analyse der Phthisis (1825), beim typhoiden Fieber (1829) oder im Nachweis der Sinnlosigkeit und Gefahr des Aderlasses bei der Pneumonie (1835). Die Meth. hatte konstitutive Bedeutung sowohl fu¨r die klin.-statist. forschende Med. als auch fu¨r den Entwurf idealtypischer Krankheitsbilder. Die Klinik war durch die Einfu¨hrung der statist. Beobachtungsmeth. zum Objektreservoir der forschenden Med. geworden, zum Sammelbecken nicht nur von Fa¨llen und Zeichen, sondern von Fa¨llen als Zeichen. Nach Stud. und Prom. (1813) in Paris hatte L. bis 1820 Rußland bereist. Da215
Lower, Richard
nach arbeitete er zuna¨chst am Hoˆpital de la Charite´, dann am Hoˆpital de la Pitie´, spa¨ter am Hoˆtel-Dieu. Aus Tausenden von Kasuistiken und Autopsien zog L. die Schlußfolgerungen fu¨r seine beru¨hmten, gegen ! Broussais gerichteten Arbeiten u¨ber die Phthisis und die typhoiden Fieber (1834) sowie u¨ber die Entzu¨ndungskrankheiten (1835), in denen er u.a. den Unsinn des u¨berma¨ßigen Aderlasses bei diesen Krankheiten betonte. Werk: Recherches [...] sur la phthisie, Paris 1825; Recherches [...] sur la maladie connue sous les noms de fie`vre typhoı¨de, ibid. 1829; Examen de l’examen de M. Broussais relativement a` la phthisie et a` l’affection typhoı¨de, ibid. 1834; Recherches sur les effets de la saigne´e dans quelques maladies inflammatoires, ibid. 1835. Eck.
Lower, Richard (* 1631 Tremeer/Cornwall, † 17. 1. 1691 London). Seit 1649 Stud. in Oxford, Prom. 1665, seit 1666 a¨rztl. Praxis in London, 1667 Mitglied der Royal Society, 1675 des Royal College of Physicians. L. erkla¨rte in Tierexperimenten den Farbunterschied zwischen veno¨sem und arteriellem Blut durch nitro¨se Partikel, die dem Blut durch den Luftkontakt wa¨hrend der Lungenpassage beigemengt wu¨rden (1669). Er fu¨hrte 1665 die erste erfolgreiche Bluttransfusion beim Tier durch. Werk: Diatribae Thomae Willisii [...] de febribus vindicatio, Oxford 1665; Tractatus de corde, London 1669; De origine catarrhi, ibid. 1672. Bro¨.
Lubarsch, Otto (* 4. 1. 1860 Berlin, † 1. 4. 1933 Berlin). Dt. Pathol. 1885 Ass. am Inst. fu¨r Physiol. in Bern, 1885–87 Ass. an den pathol. Inst. in Gießen und Breslau, 216
1887–89 wiss. Arbeiten u.a. am Pathol. Inst. in Berlin (! Virchow); 1889–99 Ass. an den Pathol. Inst. Zu¨rich (1890 Priv.doz.) und Rostock (1894 ao. Prof.), 1899–1907 Prosekturen in Posen, Lichterfelde/Berlin und Zwikkau/Sachsen; 1907–14 Prof. fu¨r Pathol. an der Akad. fu¨r prakt. Med. in Du¨sseldorf; 1914–17 o. Prof. an der Univ. Kiel; ab 1917 o. Prof. an der Univ. Berlin, dort Ende Ma¨rz 1928 em. L. war im ersten Drittel des 20. Jh. einer der renommiertesten dt. Pathol., v.a. durch die Beru¨cksichtigung von Fragen der allg. Pathol. in Forschung und Lehre sowie von Fragen, die u¨ber den med. Bereich hinausgingen. L. versuchte, die Bakteriol. in sein Fach zu integrieren und lieferte ferner unter starker Beru¨cksichtigung der Konstitutionspathol. zahlreiche wiss. Einzelbeitra¨ge zu fast allen Gebieten der Pathol. Seine problemat. Haltung gegenu¨ber dem ju¨d. Glauben, von dem er sich lossagte, und seine polit. Beta¨tigung in der DNVP als Anha¨nger der Monarchie machten ihn in der Weimarer Zeit zu einem der umstrittensten Fachvertreter. Werk: Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie (mit Henke, F.), 12 Bd., Berlin 1924–52; Ein bewegtes Gelehrtenleben. Erinnerungen und Erlebnisse, Berlin 1931. Pr.
Ludendorff, Mathilde, geb. Spieß (* 1. 3. 1882 Wiesbaden, † 24. 6. 1966 Tutzing). Die Ehefrau (1923) des pr. Generals Erich L. stud. Med. in Freiburg, Berlin und Mu¨nchen (Prom. 1913). Neben ihrer Ta¨tigkeit als niedergelassene Nervena¨rztin beteiligte sie sich an der o¨ffentl. polit. Diskussion im Ersten Weltkrieg und engagierte sich
Ludwig, Carl Friedrich Wilhelm
in der Frauenemanzipation. Seit 1916 bescha¨ftigte sie sich mit Phil. und strebte nach der Verbindung von Phil., biol. Entwicklungslehre (Darwin, ! Haeckel) und rassist.-antisemit. Weltanschauung zu einer dt.vo¨lk. Glaubenslehre. In den zwanziger Jahren geho¨rte sie dem Kreis der militanten rechtsradikalen Republikgegner um ihren Mann an. Den von ihm 1925 urspru¨nglich zur Fo¨rderung der dt. „Wehrhaftigkeit“ begr. „Tannenbergbund“ formte sie zu einer „dt.-german. Religionsgemeinschaft“ um. 1930 gru¨ndete sie den Verein „Deutschvolk“ (1933 wieder verboten), 1937 den „Bund fu¨r dt. Gotterkenntnis“; dieser wurde wegen seiner antisemit. Tendenz erst 1961 (!) als verfassungsfeindl. eingestuft und aufgelo¨st. Werk: Der asthenische Infantilismus des Weibes, Diss. med., 1913; Das Weib und seine Bestimmung, 1917; Erotische Wiedergeburt, 1919; Des Weibes Kulturtat, 1920; Deutsche Gotteserkenntnis; Statt Heiligenschein oder Hexenzeichen mein Leben, 6 Bd., 1932–68 (Autobiogr.). Eck.
Ludwig, Carl Friedrich Wilhelm (* 29. 12. 1816 Witzenhausen an der Werra, † 27. 4. 1894 Leipzig). L. pra¨gte mit seiner Auffassung der Physiol. ebenso die Forschung ab 1870 wie vor ihm ! J. Mu¨ller. Mit ¨ ra des ForschungslaL. begann die A bors, der apparativen Med. und der Physiol.-Schulen. Weit u¨ber 200 Schu¨ler aus aller Welt sind bei L. ausgebildet worden. Besonders fu¨r junge ausla¨nd. Wiss. war ein Aufenthalt am L.schen Inst. oft Voraussetzung fu¨r die eigene Karriere. L. wurde als Sohn eines Rittmeisters a.D. geboren. Nach dem Stud. der
Med. in Marburg und Erlangen wurde durch die Bekanntschaft mit den Chemikern Bunsen und Liebig sein wiss. Interesse geweckt und beeinflußt. Nach der Prom. 1840 wurde L. ab 1841 Ass. und Prosector bei H. Nasse und L. Fick in Marburg. Seine Habil.schrift De viribus physicis secretionem urinae adjuvantibus erschien 1842; 1846 wurde er ao. Prof. Im gleichen Jahr vero¨ffentl. L. seine Erfindung des Kymographion, des ersten brauchbaren Gera¨tes, um physiol. Prozesse – hier Blutdruck-Kurven – aufzuzeichnen. Seit 1848 bestand eine enge Freundschaft mit ! Du Bois-Reymond, ! Bru¨cke und ! Helmholtz. Von 1849–55 war L. o. Prof. fu¨r Anat. und Physiol. in Zu¨rich. In dieser Zeit erschien sein Lehrbuch der Physiologie. 1855–65 u¨bernahm er die Prof. fu¨r Physiol. und Zool. an der milita¨ra¨rztl. Akad. in Wien. 1865 erhielt er den Ruf auf das Ord. fu¨r Physiol. in Leipzig. Mit der Ero¨ffnung des nach seinen Pla¨nen erbauten Inst. fu¨r physiol. Anat. (1869) begann L. konsequent seine Vorstellungen von der kausalanalyt. Physiol. in der Erforsch. des Herz-Kreislauf-Systems, der Atmung und des Stoffwechsels zu verwirklichen. L. war – mit Unterstu¨tzung des begabten Inst.mechanikers Baltzar – a¨ußerst erfindungsreich in der Entwicklung neuer Registrierungsverfahren, wie z.B. der Stromuhr zur Messung der Stromsta¨rke oder des Plethysmographen zur Messung der Stro¨mungssta¨rke des Blutes. Ebenfalls trug L. durch seine neurophysiol. Arbeiten zur Kenntnis der nervo¨sen Steuerung der Herzta¨tigkeit und der Dru¨sensekretion bei. Er und seine Schu¨ler publ. teilweise epochema217
Magendie, Franc¸ois
Carl Ludwig (1816–1894)
chende Untersuchungen in den Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. Zu den bedeutendsten Ludwig-Schu¨lern geho¨ren u.a. J. Bernstein, H.P. Bowditch, J. Czermak, ! J. Cohnheim, O. Frank, E. Mach, ! I.P. Pawlow, M. v. Frey. Sowohl die amerik., die engl. als auch die russ. Physiol. wurde durch L.s Schu¨ler gepra¨gt Lo. oder erst aufgebaut. Magendie, Franc¸ois (* 6. 10. 1783 Bordeaux, † 7. 10. 1855 Sannois/Paris). Frz. Experimentalphysiologe. Med.stud. in Paris, gab schon seit 1803 als Prosektor anat. Unterricht. M. wurde 1808 prom. und zum Prosektor der Med. Fak. Paris ernannt. In dieser Eigenschaft hielt er Vorl. in der Anat. und Physiol.; M. war auch als Arzt ta¨218
tig und betrieb exp. Physiol. mit Hilfe der Vivisektion am Tier, deren wesentl. Vertreter er zu Beginn des 19. Jh. war. 1836 wurde M. Prof. der Physiol. und der allg. Pathol. am Colle`ge de France sowie Vizepra¨sident der Acade´mie des Sciences und Arzt am Hoˆtel Dieu. M. trug wesentlich zur Begr. der naturwiss. Med. bei, indem er sich vom Vitalismus abwandte und das Experiment in die Physiol. und Med. einfu¨hrte. Als Hauptstu¨tzen beider Wiss. sah er die Physik und die Chemie an. Beide lieferten nach M. die meth. und inhaltl. Grundlage der Physiol. Auf diesem Hintergrund war Pathol. fu¨r ihn physiol. Pathol. In Abkehr von med. Systemen seiner Zeit lieferte M. zahlreiche Einzelbeitra¨ge auf vielen Gebieten der Physiol. sowie im Bereich der Pathol. und Pharmakol. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bildete die Neurophysiol.: So gelang ihm 1822 die genaue Charakterisierung der Vorderwurzeln des Ru¨ckenmarkes als motorische, der Hinterwurzeln als sensorische Nerven (! Bell-Magendie-Regel); 1827 lieferte er die erste eindeutige Beschreibung der Zerebrospinalflu¨ssigkeit. M. wirkte insbes. durch seinen beru¨hmten Schu¨ler ! C. Bernard fort. Werk: Quelques ide´es ge´ne´rales sur les phe´nome`nes particuliers aux corps vivans, Bull. des sciences me´d. de la Soc. me´d. d’emulation de Paris 4 (1809), 145–70; Pre´cis e´le´mentaire de physiologie, 2 Bd., ibid. 1816–1817; Expe´riences sur les fonctions des racines des nerfs rachidiens, J. physiol. exp. pathol. 2 (1822), 276–9; Me´moire sur un liquide qui se trouve danse le crane et le canal verte´bral de l’homme et des animaux mammife`res, J. Physiol. exp. path. 5 (1825), 27–37; Lec¸ons sur les phe´nome`nes physiques de la vie, 4 Bd., Paris 1836–1838. Pr.
Magendie, Franc¸ois
Carl Ludwig (1816–1894)
chende Untersuchungen in den Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. Zu den bedeutendsten Ludwig-Schu¨lern geho¨ren u.a. J. Bernstein, H.P. Bowditch, J. Czermak, ! J. Cohnheim, O. Frank, E. Mach, ! I.P. Pawlow, M. v. Frey. Sowohl die amerik., die engl. als auch die russ. Physiol. wurde durch L.s Schu¨ler gepra¨gt Lo. oder erst aufgebaut. Magendie, Franc¸ois (* 6. 10. 1783 Bordeaux, † 7. 10. 1855 Sannois/Paris). Frz. Experimentalphysiologe. Med.stud. in Paris, gab schon seit 1803 als Prosektor anat. Unterricht. M. wurde 1808 prom. und zum Prosektor der Med. Fak. Paris ernannt. In dieser Eigenschaft hielt er Vorl. in der Anat. und Physiol.; M. war auch als Arzt ta¨218
tig und betrieb exp. Physiol. mit Hilfe der Vivisektion am Tier, deren wesentl. Vertreter er zu Beginn des 19. Jh. war. 1836 wurde M. Prof. der Physiol. und der allg. Pathol. am Colle`ge de France sowie Vizepra¨sident der Acade´mie des Sciences und Arzt am Hoˆtel Dieu. M. trug wesentlich zur Begr. der naturwiss. Med. bei, indem er sich vom Vitalismus abwandte und das Experiment in die Physiol. und Med. einfu¨hrte. Als Hauptstu¨tzen beider Wiss. sah er die Physik und die Chemie an. Beide lieferten nach M. die meth. und inhaltl. Grundlage der Physiol. Auf diesem Hintergrund war Pathol. fu¨r ihn physiol. Pathol. In Abkehr von med. Systemen seiner Zeit lieferte M. zahlreiche Einzelbeitra¨ge auf vielen Gebieten der Physiol. sowie im Bereich der Pathol. und Pharmakol. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bildete die Neurophysiol.: So gelang ihm 1822 die genaue Charakterisierung der Vorderwurzeln des Ru¨ckenmarkes als motorische, der Hinterwurzeln als sensorische Nerven (! Bell-Magendie-Regel); 1827 lieferte er die erste eindeutige Beschreibung der Zerebrospinalflu¨ssigkeit. M. wirkte insbes. durch seinen beru¨hmten Schu¨ler ! C. Bernard fort. Werk: Quelques ide´es ge´ne´rales sur les phe´nome`nes particuliers aux corps vivans, Bull. des sciences me´d. de la Soc. me´d. d’emulation de Paris 4 (1809), 145–70; Pre´cis e´le´mentaire de physiologie, 2 Bd., ibid. 1816–1817; Expe´riences sur les fonctions des racines des nerfs rachidiens, J. physiol. exp. pathol. 2 (1822), 276–9; Me´moire sur un liquide qui se trouve danse le crane et le canal verte´bral de l’homme et des animaux mammife`res, J. Physiol. exp. path. 5 (1825), 27–37; Lec¸ons sur les phe´nome`nes physiques de la vie, 4 Bd., Paris 1836–1838. Pr.
Maimonides, Moses
Mai, Franz Anton (* 16. 12. 1742 Heidelberg, † 20. 4. 1814 Heidelberg). 1766 beamteter Arzt und Doz. in Mannheim. 1785 Prof. fu¨r Geburtshilfe in Heidelberg. Propagandist und Praktiker der med. Volksaufkla¨rung. Zahlreiche medizinalpolit. Reformvorschla¨ge. Gru¨nder einer fru¨hen Krankenwa¨rterschule in Mannheim (1781). Als patriot., zivilisationskrit. Katholik verfocht M. eine affektive, autorita¨re, moral.-religio¨se Gesundheitserziehung. Werk: Stolpertus, ein junger Arzt am Krankenbette, 3 Bd., Mannheim 1777–98; Unterricht fu¨r Krankenwa¨rter, ibid. 1782; Med. Fastenpredigten, 2 T., ibid. 1793–94. Wo.
Maimonides, Moses (* 30. 3. 1135 Co´rdoba, † 13. 12. 1204 Kairo bzw. Fustat). M., der auch Arzt war, ist der bedeutendste ju¨d. Religionsphilosoph des MA. In der rabbin. Lit. ist er als RAMBAM (Abku¨rzung fu¨r Rabbi Moses Ben Maimon) bekannt. Seine med. Lehren band er in eine ethisch orientierte Lebensordnung ein. Nach dem Fall von Co´rdoba an die Almohaden 1148 mußte die Familie M.s die Stadt wegen religio¨ser Verfolgungen verlassen. In den Jahren 1160 bis 1165 hielt sich M. in Marokko auf, be¨ gypten niederließ, vor er sich 1166 in A zuna¨chst in Alexandria, spa¨ter in Fustat nahe Kairo. Er wurde religio¨ser Fu¨hrer der Juden Kairos, zeitweise vielleicht auch Oberhaupt der ju¨d. Ge¨ gyptens. Ab etwa 1170 war meinden A er aus wirtschaftl. Gru¨nden als Arzt ta¨tig. Seine Klientel kam aus den vornehmen Familien, er war Leibarzt eines Wesirs des Kalifen Saladin und spa¨ter Hofarzt bei Saladins Sohn und Nachfolger.
1180 vollendete er seine mischne thora („Wiederholung des Gesetzes“) – eine Systematik der bibl. Gebote und Verbote und der sich daran anknu¨pfenden religio¨s-gesetzl. Entscheidungen. 1190 schloß er den beru¨hmten Fu¨hrer der Unschlu¨ssigen (more nevuchim) ab. Viele seiner Briefe, teils privat, teils als Antworten auf religio¨se Anfragen verfaßt, sind erhalten und erga¨nzen unser Bild des Phil. und Theol. M.s med. Schriften sind in Arab. verfaßt. Sie bestehen aus Kommentaren zu antiken Autorita¨ten wie ! Hippokrates und ! Galen, Schriften zu therap. Einzelfragen, Anleitungen zur Regelung der Lebensweise und einem Glossarium mit Pflanzen- und Drogennamen. Im MA am weitesten verbreitet waren M.s Aphorismen. Sie basieren auf den Lehren des Galen, zeigen aber auch, wie M.s med. Schriften insgesamt, eine gewisse Eigensta¨ndigkeit. Die 1500 Aphorismen befassen sich, themat. gegliedert in 25 Abschnitte, mit Themen aus der Anat., „Physiologie“ und „Pathologie“, Zei¨ tiol. sowie der allg. und chenlehre, A speziellen Therapie. In seinen med. Schriften stu¨tzte sich M. grundsa¨tzl. auf die physiol. und pathol. Lehren ¨ bers. entdes Galen, die er arab. U nahm. Wichtig waren ihm jedoch ¨ rzte. auch die Lehren der arab. A M.s Med. muß in Verbindung mit seinen theol. Schriften betrachtet werden. Fu¨r ihn weist die Med. mit ihren Beziehungen zur Ethik und Hyg. die Wege zur Weisheit. Wie alle Wiss. kann sie zu einem tieferen Versta¨ndnis der Thora beitragen. So wie M. grundsa¨tzl. die freie Entscheidung des Menschen als Basis fu¨r die Anleitung nach den Geboten Gottes sah, so war fu¨r ihn auch in der Med. ein aus219
Major, Johann Daniel
gewogenes Machtverha¨ltnis von Arzt und Patient von grundlegender Bedeutung. Gesundheit ist wichtig, stellt jedoch keinen Selbstzweck dar, sondern dient der sittl. Vollkommenheit. Im Vordergrund steht bei ihm nicht so sehr die Heilung, sondern die Erhaltung der Gesundheit. M. faßt die Erhaltung der Gesundheit als eine prinzipielle Forderung der ju¨d. Religion auf. Dieser Forderung kann man gerecht werden durch eine sorgfa¨ltige und ausgeglichene Lebensfu¨hrung im Sinne der antiken sechs „Res non naturales“. Der Arzt ist folglich nicht nur im Krankheitsfall zu konsultieren, sondern auch sonst zur Anleitung fu¨r ein gesundes Leben. M. galt als Prototyp des ju¨d. Phil. im MA und erlangte Bedeutung u¨ber die ju¨d. Religionsgemeinschaft hinaus. Sein Fu¨hrer der Unschlu¨ssigen wandte sich im Gegensatz zur mischne thora an eine intellektuelle Elite im Judentum. Sein Ziel war es, zu zeigen, wie es mo¨glich sei, sich im Licht der aktuellen Phil. – das war fu¨r M. die damalige Form des Aristotelismus – als Jude weiterhin an den traditionellen Schriften zu orientieren. M.s Ansichten wurden zu seiner Zeit als radikal empfunden und waren im Judentum nicht unumstritten. Sein Fu¨hrer der Unschlu¨ssigen gilt als Modell einer Verbindung von Wiss. und Religion und machte M. zum „Klassiker des Rationalismus“ in der ju¨d. Religionsphil. In dieser Funktion war M. ein besonders wichtiges Vorbild fu¨r die ju¨d. Aufkla¨rung, deren Vertreter ihre Hinwendung zur außerju¨d. Gedankenwelt mit M. rechtfertigten. Werk: M. Medical Writings. Transl. and annotated by F. Rosner, 4 Bd., Haifa 1984– 90. Schl. 220
Major, Johann Daniel (* 18. 8. 1634 Breslau, † 3. 8. 1693 Stockholm). Stud. in Wittenberg und Leipzig, 1660 Prom. in Padua, a¨rztl. Praxis in Wittenberg, Stadtarzt in Hamburg, 1664 Mitglied der Academia naturae curiosorum, 1665 erster Prof. fu¨r theoret. Med. in Kiel. Der Polyhistor M. fu¨hrte ¨ rzte intraveno¨se als einer der ersten A Injektionen an Tieren durch. Er veranstaltete die erste Leichensektion in Kiel 1666. Werk: Prodromus inventae a se chirurgiae infusoriae, Leipzig 1664; Chirurgia infusoria, Kiel 1667. Bro¨.
Malpighi, Marcello (* 10. 3. 1628 Crevalcore bei Bologna, † 29. 11. 1694 Rom). 1646 Stud. in Bologna, wo er 1653 Dr. der Phil. und der Med. wurde. 1656–59 Prof. fu¨r theoret. Med. in Pisa. Dort lernte er ! Borelli kennen, der ihn in die 1657 von Leopold von Toscana gegru¨ndete Accademia del Cimento einfu¨hrte, deren Mitglieder, Anha¨nger Galileis, eine Experimentalforschungsmethode vertraten. Der dreija¨hrige Aufenthalt in der Toskana war fu¨r M.s Bildung maßgebend: in dieser Zeit entwickelte er den Begriff der Anatomia subtilis, der auf zwei grundlegenden Elementen beruht: die anat. Struktur der Materie und die Anwendung des Mikroskops bei der Untersuchung von organ. Strukturen. 1662–66 war er Med. Prof. in Messina, Ende 1666 erhielt er von der Univ. Bologna eine Prof. fu¨r prakt. Med. 1691 wurde er zum pa¨pstl. Oberarzt in Rom ernannt. Das Werk, das ihn weltberu¨hmt machte, war De pulmonibus (1661): durch das Mikroskop entdeckt er,
Manson, Sir Patrick
Marcello Malpighi (1628–1694)
daß die Lungen keine fleischigen Strukturen darstellen, sondern ein Aggregat von durch ein Kapillarennetz gestu¨tzen Alveolensa¨cken. Damit identifiziert er das Arterien- und Venensystem der Lungen und liefert so den letzten Beweis fu¨r den Blutkreislauf. In De lingua (1665) beschrieb M. die unter der oberen Zungenschicht netzfo¨rmige Schleimhaut und drei verschiedenartige Papillen; in De cerebro (1665) stellte er fest, daß die weiße Hirnsubstanz histol. ident. mit der Nervenstruktur ist; in De cerebri cortice (1666) postulierte er die Dru¨senstruktur der grauen Substanz. Von diesem Strukturmodell angezogen, weil es ihm eine atomist.-iatromechan. Erkla¨rung der Sekretion erlaubte, theorisierte M. deren Ausbreitung im ganzen Organismus (De structura glandularum 1688). Mit Erfolg wandte er die Fa¨rbungstechnik an den Nieren an, um die Nierenkana¨l-
chen, die Afferentes-Gefa¨ße und die arteriae interlobulares hervorzuheben. Er entdeckte die nach seinem Namen benannten Ko¨rperchen und weitete sein Forschungsgebiet auf die Ha¨matol., die Embryol. und die vergl. Anat. aus. In De polypo cordis (1666) beobachtete er rote Blutko¨rperchen (Erythrozyten). In seinen Werken u¨ber die Seidenraupe (De bombyce, 1669) und De formatione pulli in ovo (1673) erforschte er die Entwicklungsphasen des Embryos, entdeckte mancherlei anat. Strukturen, leistete einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der epigenet. Theorien. De anatome plantarum (1675–79) weist eine glu¨ckliche, an der Anat. angewandte Kombination von anatomia subtilis, Embryol. und vergl. Anat. auf. Darin wird außerdem behauptet, daß Entwicklung und Wachstum mechanisch zu erkla¨ren seien. M. stand im Briefwechsel mit ganz Europa, insbes. mit den Mitgliedern der Royal Society. Werk: Opera omnia, London 1686; Opera posthuma, ibid. 1697; Consultationes, Padua 1713. Tre.
Manson, Sir Patrick (* 3. 10. 1844 Cromlet Hill/Schottland, † 9. 4. 1922 London). Der bisweilen als „Vater der Tropenmed.“ bezeichnete schott. Arzt hat durch eine Vielzahl von Entdeckungen und klin. Beschreibungen (bes. Filarien-Krankheiten) die Fru¨hphase der Tropenmed. bereichert. U.a. beschrieb er die Tinea nigra (1872), den trop. Durchfall (1880), entdeckte Sparganum mansoni (1883), Filaria hominis (1891), sah das Trypanosoma gambiense (1900), unterschied zwi221
Marat, Jean Paul
schen Schwarzwasserfieber und Malaria (1893) etc.; seine wichtigsten tropenmed. Leistungen waren die erfolgreiche Erprobung einer spezif. Fa¨rbemethode (Borax-Methylen; MansonFa¨rbung), mit der die von ! Laveran entdeckten Malariaplasmodien besser stud. werden konnten, die Entwicklung der Malaria-Moskito-Theorie (1894) und schließlich der Nachweis ¨ bertragung von Malaria tertiana der U durch die Anopheles-Mu¨cke. Das klass. Experiment fu¨hrte er 1900 u.a. an seinem eigenen Sohn durch. M. inspirierte und fo¨rderte seinen Schu¨ler ! Ross. Nach dem Abschluß des Stud. in Aberdeen (1860) arbeitete M. zuna¨chst in chin. Diensten auf Formosa, dann in Hongkong (1883–90), wo er 1886 die Medical Society und 1887 die Medical School of Hongkong gru¨ndete. 1890 verließ er China und praktizierte in London. 1897 wurde er a¨rztl. Berater des brit. Kolonialministers J. Chamberlain, 1899 gru¨ndete er die London School of Tropical Medicine. Viele Ehrungen wurden ihm zuteil: 1900 Royal Society, 1903 Sir, Ehrendr. in Oxford (1904) und Cambridge (1921). Werk: Tropical Diseases: A Manual of the Diseases of Warm Climates, London 4 1907. Eck.
Marat, Jean Paul (* 24. 5. 1743 Boudry, † 12. 7. 1793 Paris). Geb. als Sohn eines zum Calvininismus konvertierten und in die Schweiz ausgewanderten span. Arztes; am 12. 7. 1793 von Charlotte Corday erstochen. Med.stud. in Paris, Aufenthalt in England, Schottland, Irland und Holland bis zum Eintritt in den Dienst 222
der Leibwache des Grafen d’Artois als Arzt 1777–84. Seine med. und phil. Schriften traten gegenu¨ber seinem polit. Engagement zuru¨ck: als Befu¨rworter der Hinrichtung Ludwigs XVI. und Gegner der Girondisten war M. fu¨r die hohen Blutopfer der Frz. Revolution mit verantwortlich. Werk: Hartig, A.I. (Hg.), Ich bin das Auge des Volkes, Berlin 1987. Loe.
Marfan, Jean-Bernard-Antoine (* 23. 6. 1858 Castelnaudary, † 1942). Frz. Pa¨diater; Arbeiten u.a. u¨ber Typhus (1894), Diphtherie (1905), Rachitis (1930). Bekannt wurde er durch Studien u¨ber Oxydase und Lipase in der Milch (1902), sein Lb. zur Sa¨ug¨ bers. lingserna¨hrung (1899; dt. U 1902/04), fu¨r das er den Preis der frz. Akad. der Wiss. erhielt, sowie mit der 1896 erfolgten Erstbeschreibung der Dolichostenomelie (Bull. soc. me´d. hoˆp. 13 [1896], 220), heute auch bekannt als „Marfan-SynFah. drom“. Markus, Adalbert Friedrich (* 21. 11. 1753 Arolsen, † 26. 4. 1816 Bamberg). M. wirkte seit 1778 in Bamberg, 1781 ¨ bertritt vom Judentum zum KathoU lizismus. Leibarzt des Fu¨rstbischofs von Wu¨rzburg und Bamberg, hohe ¨ mter in der Medizinalverwaltung A und Leitung einer Medizinalreform. 1787 Einrichtung des Bamberger „Allgemeinen Krankenhauses“, wo unter M.s Leitung Krankenversorgung, Ausbildung und Forschung verbunden wurden. Das Krkh. wurde beru¨hmt als Vorbild eines neuen Typs von Krankenanstalt. Nachdem M. zuna¨chst ein begeisterter Anha¨nger des ! Brownianismus war, vertrat er
Mead, Richard
seit 1800 mit ebenso großer Begeisterung die naturphil. Med. Schellings, zu deren Verbreitung er entscheidend Schl. beitrug. Mauriceau, Franc¸ois (* 1637 Paris, † 17. 10. 1709). M. erhielt als Wundarzt eine gediegene geburtshilfl. Ausbildung am HoˆtelDieu in Paris. Dort u¨bte er bald eine große und u¨beraus erfolgreiche geburtshilfl. Praxis aus. Spa¨ter war er auch am beru¨hmten Collegium von Saint-Coˆme ta¨tig. 1668 vero¨ffentlichte er ein großes, auf eigenen Erfahrungen beruhendes geburtshilfl. Werk, das noch zu seinen Lebzeiten in fu¨nf Aufl. sowie in lat., dt., ital., holla¨nd. ¨ bers. erschien. und engl. U M. beschreibt u.a. ausfu¨hrlich das Krankheitsbild der Eklampsie und empfiehlt dabei eine aktive und rasche Geburtsbeendigung. Er weist auf die Gefa¨hrlichkeit der Placenta-praeviaBlutungen hin. Bei Lageanomalien und gesto¨rtem Geburtsverlauf empfiehlt er die Wendung auf die Fu¨ße und die anschließende manuelle Extraktion des nachfolgenden Kopfes (M.-Levret-Veit-Smelliescher Handgriff). M. schilderte als erster die (mißglu¨ckten) Versuche H. Chamberlens mit dessen lange geheimgehaltener Geburtszange. M. hat bis weit in das 18. Jh. hinein die Entwicklung der wiss. Geburtshilfe in Europa beeinflußt. Werk: Les maladies des femmes grosses et accouche´es, Paris 1668. Schn.
Mayer, Julius Robert (* 25. 11. 1814 Heilbronn, † 20. 3. 1878 Heilbronn). Stud. Med. in Tu¨bingen von 1832–37. Nach Prom. u.a. als Schiffsarzt gereist,
ließ er sich 1841 als Arzt in Heilbronn nieder. Auf seinen Reisen gemachte physiol. Beobachtungen brachten M. als einen der ersten dazu, das physikal. Gesetz der Erhaltung der Kraft ¨ ber die quantitative zu formulieren (U und qualitative Bestimmung der Kra¨fte, 1841). ! Helmholtz, der das Gesetz spa¨ter exakt math. faßte, erkannte M.s Priorita¨t ausdru¨cklich an. Werk: Weihrauch, J.J. (Hg.), Kleine Schriften u. Reden v. R.M., Stuttgart 1893. Gr.
Mayow, John (* Dez.1641, getauft: 21.12.1641 Bray/England, † 16. 9. 1679 London). Seit 1658 Stud. in Oxford, nach 1670 a¨rztl. Praxis in Bath, ha¨ufige Aufenthalte in London, 1678 Mitglied der Royal Society. M. stellte die Theorie auf, daß durch die Atmung lebensnotwendige feine Luftpartikel (spiritus nitro-aerius) ins Blut gelangten und dort mit schwefligen Blutanteilen in Form einer Fermentation reagierten. Die „explosive“ Interaktion der Partikel mit den spiritus animales bewirke die Herzkontraktion. Werk: Tractatus duo, quorum prior de respiratione, alter de rachitide, Oxford 1668; Tractatus quinque physico-medici, ibid. 1674. Bro¨.
Mead, Richard (* 11. 8. 1673 Stepney, † 16.2.1754 wahrscheinl. London). Stud. in Leiden unter dem Iatrophysiker Pitcairne und wurde 1695 in Padua zum Dr. med. et phil. prom. Ab 1703 am St. Thomas’ Hospital und nach 1714 in priv. Praxis in London, wurde er einer der prominentesten ¨ rzte Englands. Fellow der Royal SoA ciety (1703) und des Royal College of Physicians (1716), 1717 Vizepra¨sident 223
Meckel, Johann Friedrich d. J.
der Royal Society, 1727 Leibarzt Georg II. Polit. war M. ein Whig. In seinem Mechanical Account of Poisons (1702) erkla¨rte M. Vergiftungen mit der Wirkung spitzer Giftpartikel aufs Blut, revidierte aber 1745 seine Theorie zugunsten einer Wirkung auf das „Nervenfluidum“ in Analogie zu von Gray beschriebenen elektr. Effekten. Weitere Schriften u.a. u¨ber den Einfluß der Newtonschen planetaren Anziehungskra¨fte auf verschiedene Krankheiten und Pra¨ventivmaßnahmen gegen Pest auf kontagionist. Basis. Werk: Medical Works of R.M., London 1762. Ml.
Meckel, Johann Friedrich d. J. (* 17. 10. 1781 Halle/Saale, † 31. 10. 1833 Halle). M. stud. Med. in Halle und Go¨ttingen bei ! J.C. Reil und ! J.F. Blumenbach, 1802 Diss. De cordis conditionibus abnormibus. Nach Tod des Vaters (1803) erbte M. eine große anat. Sammlung. Er arbeitete als Anat. in Paris, wo er Lamarck, Saint-Hilaire, A.v. Humboldt und G.L.C. Curvier traf, dessen Lec¸ons d’anatomie compare´e er ins Dt. u¨bers. Seit 1804 gab er eigene Schriften u¨ber die Varieta¨ten des Harnsystems sowie eine Abh. aus dem Nachlaß seines Vaters (Uterus duplex) heraus. Auf Empfehlung Reils 1805 Berufung zum ao. Prof. in Halle, 1808 Berufung zum Ord. fu¨r Anat., pathol. Anat., Chir. und Geb.hilfe. 1809 ¨ ber die Divererschien seine Arbeit U tikel am Darmkanal (Reils Archiv fu¨r Physiologie 9, 421), die ihn als Anat. beru¨hmt machte. Werk: Handbuch der pathologischen Anatomie, Bd. 1, 1812; Bd. 2, 1816/18; Handbuch der menschlichen Anatomie, 4 Bd., 1815; Tabulae anat.-pathologicae 1817– 224
26; System der vergleichenden Anatomie I-IV, 1821–33. Mo.
Meibom, Heinrich (d. J.) (* 29. 6. 1638 Lu¨beck, † 26. 3. 1700 Helmstedt). Geb. am 29. 6. 1638 in Lu¨beck, Sohn des Helmstedter Med.-prof. und spa¨teren Lu¨becker Stadtarztes Johann Heinrich Meibom. 1655 Aufnahme des Stud., zuna¨chst in Helmstedt, spa¨ter in Groningen und Leiden, Studienreisen nach Italien, Frankreich und England. 1663 in Angers Prom. zum Dr. med., 1664 in Helmstedt ao., 1665 o. Prof. der Med. Gleichzeitig Leibarzt der Herzo¨ge von Braunschweig-Wolfenbu¨ttel. 1678 erhielt M. zusa¨tzl. die Prof. fu¨r Gesch. und Dichtkunst. Der Schwerpunkt von M.s Arbeiten lag auf dem Gebiet der Anat. Er entdeckte 1666 die nach ihm benannten Dru¨sen der Augenlider (De vasis palpebrarum novis epistola ad V. CL. D. Joelem Langellottium, Helmstedt 1666), spa¨ter das „blinde Loch“ in der Zunge (foramen Meibomii). Ferner stellte M. Untersuchungen u¨ber die Gefa¨ßklappen an und trat fu¨r die ! Harveysche Blutkreislauflehre ein. Auf dem Gebiet der Gesch. setzte er das Werk seines Großvaters Hein¨ .) fort. Wie dieser widrich M. (d.A mete er sich bes. der niedersa¨chs. und der Reichsgesch. und trat mit Tri. Quelleneditionen hervor. Mengele, Josef (* 16. 3. 1911 Gu¨nzburg, † 7. 2. 1979 Bertigoa/Brasilien). Ausbildung zum Anthropol. (Dr.phil. 1935) und Erbbiol. (Dr.med. 1938). Seit 1937 Ass. von ! Verschuer in Frankfurt a.M. und Berlin. Nahm als SS-Arzt in Auschwitz 1943–45 in Zusammenarbeit mit dem KWI fu¨r An-
Mesmer, Franz Anton
thropol. in Berlin erb- und rassenbiol. Untersuchungen an Zwillingen und Zwergwu¨chsigen vor, ebenso qualvolle In-vivo-Experimente und Sektionen nach ihrer To¨tung. Er fu¨hrte diese Ta¨tigkeiten mit derselben Besessenheit durch wie die Selektionen an der Rampe, bar jeden menschl. Mitgefu¨hls. Nach 1945 aus Deutschland geflohen, lebte er in Su¨damerika bis zu Li. seinem Tod unentdeckt. Menie`re, Prosper (* 18. 6. 1799 Angers, † 7. 2. 1862 Paris). Med.stud. in Paris seit 1819, Prom. 1828, Ass. von ! Dupuytren am Hoˆtel Dieu, seit 1838 Chefarzt des Pariser Taubstummeninst. M. beschrieb 1861 die nach ihm benannte Krankheit mit der Symptomentrias: anfallsartiger Drehschwindel, einseitige Ohrgera¨usche und Schwerho¨rigkeit. Er lokalisierte das Syndrom in den Bogenga¨ngen des Gleichgewichtsorgans (Labyrinth) und fu¨hrte es auf eine Entzu¨ndung zuru¨ck. Werk: Sur une forme particulie`re de sourdite´ grave de´pendant d’une le´sion de l’oreille, Gazette me´dicale de Paris 16 (1861), 29. Bro¨.
Mercuriale, Girolamo (* 30. 9. 1530 Forli, † 13. 11. 1606 Forli). Theoretiker, Lehrer und Praktiker. Stud. Med. in Bologna, danach lehrte und praktizierte M. in Padua, Venedig und Pisa. Seine Schriften handeln von Gymnastik (De arte gymnastica libri sex, 1569), Hyg., Heilbehandlung im allg., Toxikol., Kinderheilkunde, Sa¨uglingspflege, Otol., Ophthalmol., Dermatol. und Infektionskrankheiten. 1573 behandelt er erfolgreich Kaiser Maximilian, 1576 beka¨mpft er die Ra. Pest in Venedig.
Mesmer, Franz Anton (* 23. 5. 1734 Iznang/Bodensee, † 5. 3. 1815 Meersburg). M. besuchte als Sohn eines Ja¨gers von 1744 bis 1750 das Jesuiten-Gymnasium in Konstanz, stud. dann Phil. und Theol. in Dillingen und setzte 1754 die theol. Studien in Ingolstadt fort. Ab 1759 stud. er in Wien Jura, dann Med. und prom. 1766 mit einer lat. Diss. u¨ber den Einfluß der Planeten auf den menschl. Ko¨rper. Bald darauf ließ er sich – nach Heirat einer reichen Witwe – als Arzt nieder. Als Liebhaber der Musik pflegte er u. a. Umgang mit Willibald Gluck, Leopold und Amadeus Mozart, dessen Singspiel Bastien und Bastienne 1768 in M.s Garten uraufgefu¨hrt wurde. Auf Anregung des Wiener Hofastronomen Maximilian Hell setzte M. 1774 Stahlmagnete in der Patientenbehandlung ein und „entdeckte“ eine noch viel feinere (Heil-)Kraft: den sog. „thierischen“ bzw. „animalischen Magnetismus“ (d.h. „Lebensmagnetismus“). Auf spektakula¨ren Reisen demonstrierte M. sein Ko¨nnen als „Magnetiseur“ und suchte nach einem Skandal wegen der angebl. Heilung der blinden Pianistin Paradis Zuflucht in Paris, wo sein Salon in den Jahren vor der Frz. Revolution zur gesellschaftl. Attraktion wurde. Ungeachtet aller Kritik durch die wiss. Autorita¨ten, die die unbezweifelbaren Effekte auf die Einbildungskraft (Suggestion) zuru¨ckfu¨hrten, hielt M. an der Theorie einer kosmischen „Allflut“ („Fluidum“) fest. Diese ko¨nne durch das „Magnetisieren“ auf den kranken Organismus, in dessen Nervensystem, u¨bertragen werden: durch sog. „Striche“ mit der Hand, durch Blick, durch den „magnetischen Ku¨225
Metschnikow, Ilya Illich
bel“ (ein imagina¨rer Akkumulator), versta¨rkt durch Musik (M. improvisierte auf der Glasharfe) und Wandspiegel. Der Mesmerismus, beflu¨gelt durch die romant. Naturphil. und den „Somnambulismus“, wurde zum Ausgangspunkt fu¨r die mod. Psychotherapie und Tiefenpsychol. Er hat bis heute nachwirkende Spuren im Kulturund Geistesleben hinterlassen. Werk: Dissertatio physico-medica de planetarum influxu, Wien 1766; Me´moire sur la de´couverte du magne´tisme animal, Genf 1779 (dt.: 1781); Pre´cis historique des faits relatifs au magne´tisme animal jusqu’en avril, London 1781 (dt.: 1783); Wolfart, K.C. (Hg.), Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen. Theorie und Anwendung des thierischen Magnetismus als allgemeine Heilkunde zur Erhaltung des Menschen, Berlin 1814. Scho.
Metschnikow, Ilya Illich (* 16. 5. 1845 Ivanovka/Gouvernement Charkow, † 15. 7. 1916 Paris). Nach dem Stud. der Physiol. und Zool. an der Univ. von Charkow setzte der fru¨h von den Theorien Darwins begeisterte Zool. in Westeuropa (auf Helgoland, in Giessen bei R. Leuckart, in Frankfurt, in Neapel bei A. Kovalevsky, in Go¨ttingen und Mu¨nchen, wo er ! v. Siebold traf) seine Studien und Forschungen fort. Ein Stipendium des russ. Ministeriums fu¨r Kultur und Erziehung hatte ihm Auslandsstudien ermo¨glicht. 1867 kehrte er nach Rußland zuru¨ck, um sich an der neugegru¨ndeten Univ. von Odessa zu habil. und als Doz. fu¨r Zool. zu lehren; 1870 wurde er zum Prof. ernannt. Kurze Zeit spa¨ter erhielt er einen Ruf nach St. Petersburg auf den Lehrstuhl fu¨r Zool.; diese Zeit wurde durch Forschungsaufenthalte 226
im Ausland, besonders in Messina, unterbrochen. 1872 kehrte er nach Odessa zuru¨ck und u¨bernahm dort Lehraufgaben in Zool. und Anat.; besonders aber reizte den bald beliebten Lehrer die Gelegenheit, am Schwarzen Meer seine in Messina begonnenen Forschungen zur marinen Zool. fortzusetzen. Der Aufenthalt in Odessa sollte indessen nicht von langer Dauer sein. Die wachsenden polit. und sozialen Unruhen im zarist. Rußland wu¨hlten den Wissenschaftler auf. Als schließlich nach der Ermordung Zar Alexanders II. (1881) weitere staatl. Repressionen folgten, verließ M. Rußland 1882 nach Messina. Nur noch kurz sollte er 1886/ 87 nach Odessa zuru¨ckkehren, um dort das Direktorat des neugegr. Inst. fu¨r Bakteriol. zu u¨bernehmen. Die neuen Forschungsthemen erstreckten sich auf die Phagozytose, Streptokokkeninfektionen (bes. Erysipel) und das Ru¨ckfallfieber. Aufdringl. Journalisten, Schwierigkeiten ¨ rzteschaft und ein mit der lokalen A Angebot ! Pasteurs, an dessen Pariser Inst. u¨berzuwechseln, veranlaßten M. schließlich, Odessa und Rußland zu verlassen und endgu¨ltig nach Paris u¨berzusiedeln. 1887 begann die Zusammenarbeit zwischen Pasteur und M., dem die Leitung der Abt. fu¨r mikrobiol. Morphol. u¨bertragen wurde. M.s wichtigster wiss. Beitrag betrifft die Phagozytose, die er erstmals 1883 in Messina beobachten konnte und in demselben Jahr auf einem Kongreß in Odessa beschrieb. Die Theorie M.s (Traite´ de l’immunite´, 1903), daß Bakterien durch bestimmte Zellen (Phagozyten) zersto¨rt werden ko¨nnen, rief eine starke Gegenerschaft auf den Plan, war
Meyer, Selma
Ilya Illich Metschnikow (1845–1916)
doch zu seiner Zeit noch die Lehrmeinung vorherrschend, daß die Immunita¨t gegen infektio¨se Krankheiten von bestimmten chem. Eigenschaften des Blutes abha¨ngig sei. In der Folgezeit wurde die Theorie einer zellula¨ren Immunita¨t, wie sie M. vorgeschlagen hatte, nach einer langen wiss. Debatte letztendlich akzeptiert, wobei beide Abwehrmechanismen heute als komplementa¨r angesehen werden, die Phagozytose jedoch als Hauptabwehrmechanismus gegen heftige Infektionen gilt. M., der seine embryol. und immunol. Theorien verallgemeinerte, schlug schließlich – in seiner spa¨ten Schaffensphase – als Meth. zur Lebensverla¨ngerung eine bestimmte Erna¨hrungsform zur Aufrechterhaltung der Darmflora vor. M. wurde 1908 zusammen mit ! Ehrlich fu¨r seine Arbeiten zum Immunsystem mit dem Nobelpreis fu¨r Physiol. und Med. ausFa. gezeichnet. Mette, Alexander (* 15. 1. 1897 Lu¨beck, † 4. 12. 1985 Berlin). Med.-historiker und Gesundheitspolitiker. Med.stud. 1916–23 in Berlin, Heidelberg, Mu¨nchen, Halle (1927 Prom.), 1923–25 Ass.arzt an Nerven-
kliniken in Chemnitz und Leipzig, 1926–28 psychoanalyt. Ausbildung. M. praktizierte 1928–45 als Nervenarzt in Berlin und lehrte ab 1933 als Doz. am Inst. der Internat. Psychoanalyt. Vereinigung. 1935 wurde sein Buch Die tiefenpsychologischen Grundlagen des Tragischen, Apollinischen und Dionysischen (1934) von der Gestapo beschlagnahmt. 1945 Beitritt zur KPD, Mitwirkung am Aufbau der Gesundheitsverwaltung in Thu¨ringen, 1949 Vorl. in Jena u¨ber Sozialpolitik, ab 1954 als Prof. mit Lehrauftrag fu¨r Psychotherapie an der HU Berlin, 1950–62 Abgeordneter der Volkskammer, 1952–56 Cheflektor des Verlags Volk und Gesundheit, 1956 Leiter der Hauptabt. Wiss. und 1957 stellvertretender Vorsitzender des Wiss. Rats im Ministeriums fu¨r Gesundheitswesen, 1958–63 Mitglied des ZK der SED. 1959–65 erster Ord. fu¨r Med.gesch. in der DDR, konnte er das Inst. fu¨r Gesch. der Med. und Naturwiss. zur Keimzelle marxist. Med.historiographie entwickeln. Er begr. (mit Gerhard Harig) die NTM-Schriftenreihe fu¨r Gesch. der Naturwiss., Technik und Med. (1960ff.), ab 1965 die Gesellsch. fu¨r Gesch. der Med. in der DDR und gab mit Irena Winter das erste marxist.-leninist. Lehrbuch fu¨r Gesch. der Med. (1968) in dt. Sprache heraus. Werk: Sigmund Freud, Berlin 1956, 31958; I.P. Pawlow, Mu¨nchen 1958, Berlin 59. Hg.: Z. Psychiatrie, Neurologie u. med. Psychologie 1949ff.; Bibl. (193 Titel), NTM 8 (1971) 4–13. v. Bro.
Meyer, Selma (* 9. 6. 1881 Essen, † 11. 11. 1958 New York). Ausbildung als Pianistin mit Musiklehrerinnenexamen (1908), Abitur 227
Meyerhof, Otto
1910, Med.stud. in Berlin 1910–17. Ass. bei ! A. Czerny in Berlin und ! Schlossmann in Du¨sseldorf, wo sie 1924 als erste Frau fu¨r das Fach Kinderheilkunde habil. und 1927 zur ao. Prof. ernannt wurde. Bis 1929 leitete M. die Infektionsabt. der Du¨sseldorfer Kinderklinik, war zugleich Leiterin des Auguste-Victoria-Hauses fu¨r Sa¨uglinge und Kleinkinder und ab 1927 Doz. an der Westdt. Sozialhyg. Akad. Internat. anerkannte Forschungen zur Aetiol. des Scharlachs und zu haematol. Vera¨nderungen durch Umweltgifte. 1929 ließ M. sich in eigener Praxis nieder. Wegen ihrer ju¨d. Abstammung wurde ihr 1933 die Lehrbefugnis und 1938 die Appr. entzogen. 1939 Emigration nach New York, wo sie ab 1940 erneut eine pa¨diatr. Praxis Bl. aufbaute. Meyerhof, Otto (* 12. 4. 1884 Hannover, † 6. 10. 1951 Philadelphia). Noch als Ass. am Physiol. Inst. der Univ. Kiel wurde M., zusammen mit A.V. Hill 1922 der Nobelpreis fu¨r Med. verliehen. Das Nobelkomitee wu¨rdigte seine biophysikal. Untersuchungen zur Energieumwandlung im Muskelgewebe. In spa¨teren Jahren widmete sich M. neben der Bioenergetik des Muskels vor allem der Enzymregulation des Stoffwechsels, der Biochemie der Glykolyse sowie den phosphorylierten Energielieferanten des Intermedia¨rstoffwechsels (ATP). Als M.-Quotient wird das Verha¨ltnis von anaerobem Abbau und aerobem Wiederaufbau bezeichnet. M. wurde 1884 in Hannover als Sohn eines ju¨d. Kaufmanns geb. Nach dem Stud. der Med. in Freiburg, Berlin, Straßburg und zuletzt Heidelberg bestand er dort 1908 sein Staatsexamen; 228
Prom. 1910. Inspiriert durch die zellphysiol. Experimentalforschung ! O. Warburgs in Heidelberg arbeitete M. 1910/11 an der Stazione Zoologica (Neapel) u¨ber den Biochemismus befruchteter Seeigeleier; von 1912 bis 1924 war er Ass. am Physiol. Inst. in Kiel, wo er sich 1913 habil. Als wiss. Mitglied des KWI fu¨r Biol. forschte M. seit 1924 in Berlin-Dahlem, von wo er 1929 als Dir. der physiol. Abt. am KWI fu¨r Med. Forschung nach Heidelberg berufen wurde. Die 1929 verliehene Lehrbefugnis als Honorarprof. wurde ihm auf Betreiben der NSStudentenschaft 1935 aus rassischen Gru¨nden vom Rektor der Univ. entzogen. Zwischen 1938 und 1940 war M. auf der Flucht, die ihn u¨ber die Schweiz, Frankreich und Spanien in die USA (Philadelphia) fu¨hrte, wo er 1951 starb. Werk: Beitra¨ge zur psychologischen Theorie der Geistessto¨rungen, Diss. med., Go¨ttingen 1910; Zur Energetik der Zellvorga¨nge, habil. med., ibid. 1913; Atmung, Thermodynamik des Muskels und Theorie der Muskelarbeit, Handbuch der Physiologie, Springer, 1925; Die chemischen Vorga¨nge im Muskel, Berlin 1930. Eck.
Mikulicz-Radecki, Johannes von (* 16. 5. 1850 Czernowitz/Bukowina, † 14. 6. 1905 Breslau). Stud. von 1869–75 in Wien Med., war Volonta¨rass. an der chir. Klinik ! T. Billroths, habil. sich 1880, folgte 1882 einem Ruf an die Univ. Krakau, wurde 1887 Leiter der Chir. Univ.klinik in Ko¨nigsberg und nahm 1890 einen Lehrstuhl fu¨r Chir. an der Univ. Breslau an. M. entwickelte brauchbare Verfahren ¨ sophagoskopie und wichtige zur O Operationstechniken bzw. -hilfsmit-
Mitscherlich, Alexander
tel, so eine spezielle Peritonealklemme bzw. Spornquetsche (M.-Klemme) und verwandte erfolgreich eine Tamponade, die bei gro¨ßeren und tieferen Wundho¨hlen das Sekret aufsaugt und das Wundbett fu¨r eine Sekunda¨rheilung offenha¨lt (M.-Tamponade). Von seiner breiten wiss. Wirkung zeugen weitere mit seinem Namen verbundene Eponyme wie „M.-Krankheit“ und die „M.-Aphthen“. Schließlich initiierte M. die erfolgreichen Forschungen zur Unterdruckkammer durch seinen Schu¨ler ! F. Sauerbruch. ¨ ber die Anwendung der Antisepsis Werk: U bei Laparatomien mit besonderer Ru¨cksicht auf die Drainage der Peritonealho¨hle, Arch. f. klin. Chir. 27 (1881), 111–50; Neubildungen des Rachens und des Nasenrachenraumes, in: Heymann, P. (Hg.), Hb. der Laryngologie u. Rhinologie, Bd. 2, Wien 1897, 341–445; Die Krankheiten des Mundes (mit Ku¨mmel, W.), Jena 1898. Zi.
Mitscherlich, Alexander (* 20. 9. 1908 Mu¨nchen, † 26. 6. 1982 Frankfurt a.M.). Als Sohn des Fabrikanten und Chemikers Harbord M. (Großvater Alexander M. und Urgroßvater Eilhard M. waren Chemiker und Univ.-Prof.) wuchs A. M. als Einzelkind „in einer ziemlich unglu¨ckl. Kindheit“ in Hof auf. Ab 1928 stud. er Gesch., Kunstgesch. und Phil. in Mu¨nchen und Prag und erlebte antisemit. Ausschreitungen gegen ju¨d. Studenten. Der Versuch einer Prom. u¨ber Luther-Biographien des 19. Jh. scheiterte 1932 am Tod des Betreuers P. Joachimsen und an der Weigerung von dessen Nachfolger K. A. v. Mu¨ller, die Betreuung von Arbeiten zu u¨bernehmen, die „unter ju¨d. Leitung“ begonnen worden waren.
M. brach sein Gesch.stud. ab, ero¨ffnete 1932 in Berlin eine Buchhandlung und stud. nebenbei Med. Seit 1933 wurde seine Buchhandlung wiederholt von der SA boykottiert. 1935 entging er knapp der Verhaftung, da er rechtzeitig nach Zu¨rich emigriert war. 1937 wurde er an der dt.-schweiz. Grenze verhaftet und acht Monate in Gestapohaft festgehalten. 1938 vero¨ffentl. M. in der u.a. von Th. Mann hg. Exilzeitschrift Maß und Wert die Erza¨hlung Ulysses Umfahr (unter dem Pseudonym Michael Dreher) und die polit. Glosse Deutsche Zweifel an Europa (anonym). Nach seiner Freilassung stud. er in Heidelberg Med.; 1941 prom. er bei ! V. v. Weizsa¨cker (Zur Wesensbestimmung der syna¨sthet. Wahrnehmung). Danach war er Ass. bei ihm an der „Nervenabt. der ! Ludolf-Krehl-Klinik“ und seit 1943 Leiter der neurol. Ambulanz. ! Freud wurde „die sta¨rkste geistige Herausforderung“ im Leben von M. Vor und nach Kriegsende hatte er intensiven Kontakt zu ! K. Jaspers, den er – zu M.s großer Entta¨uschung vergeblich – von seiner „frenet. Verachtung“ der Psychoanalyse abbringen wollte. Von Mai bis Juli 1945 war M. Gesundheitsminister der „Regionalen Zivilregierung fu¨r Saar, Pfalz und Rheinhessen“. Trotz seiner „elementar-polit. Begabung“ (H. Becker) erkannte der „Volkspa¨dagoge“ (J. Habermas) M., „daß das Arztsein mein endgu¨ltiger Beruf sei“. Die polit. Komponente dieses „Arztseins“ wurde 1946/47 deutlich, als der junge Priv.doz. M. (er hatte sich gerade mit der Arbeit Vom Ursprung der Sucht habil.) zusammen mit dem Med.studenten F. ¨ rzteMielke im Auftrag der Westdt. A 229
Moll, Albert
kammern offizieller Beobachter und Berichterstatter beim Nu¨rnberger ¨ rzteprozeß war. M. und Mielke beA mu¨hten sich in den von ihnen hg. Dokumentationen (1947 Das Diktat der Menschenverachtung; 1949 Wissenschaft ohne Menschlichkeit; 1960/ 1978 Medizin ohne Menschlichkeit) jedoch nicht nur um eine jurist., sondern auch um eine psychol. und ethische Aufarbeitung der Med.verbrechen des Nationalsozialismus, was M. vielfa¨ltige Vorwu¨rfe als „Nestbe¨ rzteschaft (etwa schmutzer“ der dt. A von ! W. Heubner, H. Rein, ! F. Sauerbruch) einbrachte. 1949 gru¨ndete M. in Heidelberg die „Abt. fu¨r Psychosomat. Med.“ und wurde ihr erster Leiter; 1952 apl., 1958 ao. Prof. Intensive Kontakte von M. zu emigrierten Psychoanalytikern in England und USA (! M. Balint, E. H. Erikson, H. Kohut, P. Heimann) und die Gru¨ndung der Zeitschrift Psyche (die er von 1947 bis zu seinem Tode mitherausgab) trugen dazu bei, die Psychoanalyse im dt. Sprachraum, wo sie entstanden, aber wa¨hrend des NS vertrieben worden war, wieder heimisch zu machen. M. hatte aber nicht nur wesentl. Anteil an diesem „hartna¨ckigen Kampf um die Repatriierung der Psychoanalyse“ (H.-M. Lohmann) und an der Aufarbeitung der Med. im Nationalsozialismus, sondern auch an der beginnenden Etablierung der Psychoanalyse in der Med. und Psychol. an den dt. Univ. 1960 wurde M. (zuna¨chst nebenamtl., seit 1967 hauptamtl.) Dir. des „Inst. und Ausbildungszentrums fu¨r Psychoanalyse und Psychosomat. Med.“ in Frankfurt a.M., das seit 1967 „Sigmund-Freud-Institut“ heißt (1929–33 230
bestand bereits das „Frankfurter Psychoanalyt. Inst.“). Aufbau und Leitung dieses Inst. war Ho¨hepunkt im Leben von M. Außerdem wurde er 1967 o. Prof. fu¨r Psychol. an der Phil. Fak. der Frankfurter Univ. (mit einer Zweitmitgliedschaft in der Med. Fak.). 1969 bekam M. den Friedenspreis des dt. Buchhandels. Werk: Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellsch., 1963; Die Unwirtlichkeit der Sta¨dte, Anstiftung zum Unfrieden, 1965; Die Unfa¨higkeit zu trauern (mit M., Margarete), 1967; Die Idee des Friedens und die menschliche Aggressivita¨t, 1969; Ein Leben fu¨r die Psychoanalyse. Anmerkungen zu meiner Zeit (Autobiogr.), 1980; Menne, K. (Hg.), Gesammelte Schriften, Bd. 1–10, Frankfurt a.M. 1983 (mit einer Gesamtbibl. der Schriften A.M.s, chronol. Verzeichnis der Publ. u. Vortra¨ge, zusammengest. v. Pabel, I., Bd. 10, 623–671). (Der Nachlaß von A.M. befindet sich im A.M.Archiv in der Stadt- u. Univ.bibl. Frankfurt a.M.). Sie.
Moll, Albert (* 4. 5. 1862 Lissa/Posen, † 23. 9. 1939 Berlin). Nach d. Studium in Breslau, Freiburg, Jena, Berlin u. seiner Diss. bei ! R. Virchow (1885) unternahm M. eine ausgedehnte Europareise mit Besuch psych. Kliniken. Kontakte zu ! Charcot in Paris und ! Lie´bault u. ! Bernheim in Nancy. An d. Schule v. Nancy (hypn. Therapie) richtet M. seine psychother. Praxis in Berlin (seit 1887) aus. M. wurde erfolgr. Gerichtssachversta¨ndiger bei Delikten im Zusammenhang mit Hypnose und Suggestion, im Ersten Weltkr. beratender Arzt in psychiatr. Fragen. M. war bedeutender Verfechter d. wissensch. Psychotherapie, u. a. Mitbegru¨nder der Berliner Gesellschaft f. Experimentalpsych. (1888); er profilierte sich daneben als Sexualforscher u.
Monod, Jacques Lucien
org. 1926 den Internat. Kongeß fu¨r Sexualforschung in Berlin. M. agierte als a¨rztl. Ethiker in der Neisser-Affaire u. war als Entlarver von ‘Hellsehern’ popula¨r. 1933 wurde ihm (1896 vom ju¨d. Glauben z. ev. Kirche konv.) die Approb. entzogen. M. starb verarmt in Berlin, nachdem er die Emigration abgelehnt hatte. Werk: Der Hypnotismus, 1889, 51924; Die kontra¨re Sexualempfindung, 1891 (franz. 1893, engl. 1931); Der Rapport in der Hypnose, 1892; Untersuch. u¨b. Die Libido sexualis, 1897; das nervo¨se Weib, 1898; ¨ rztliche Ethik, 1902; Das Sexualleben A des Kindes, 1908 (engl.1913); Beru¨hmte Homosexuelle, 1910; Handbuch der Sexualwissenschaften, 1912, 31926; Prophezeien und Hellsehen, 1922; Der Spiritismus, 1924; Polizei und Sitte, 1926; Psychologie und Charakterologie der Okkultisten Moll, Albert. Stuttgart, 1929 Ein Leben als Arzt der Seele [Autobiogr.], 1936; Eck.
Mondino de Luzzi (* ca. 1275 Bologna, † 1326 Bologna). Besuchte die Med. Fak. in Bologna als Schu¨ler von ! Taddeo Alderotti. Dort verbrachte er wahrscheinlich sein ganzes Leben. Mit seinem Anat.lb. Anatomia mundini haben sich die Med.studenten 200 Jahre lang ausgebildet. Das Buch ist keine theoret., trad. Beschreibung der Anat., sondern eine Sammlung prakt. Sezieru¨bungen. Es handelt sich also um das erste aus dem MA stammende Anat.werk u¨ber das Sezieren. Auch verbessert M. die ! galen. Beschreibungen und bezieht sich auf die arab. Med. Werk: Anatomia Mundini, Padua 1475. Tre.
Moniz, Egas (* 29. 11. 1874 Avanc¸a/ Portugal, † 13. 12. 1955 Lissabon). Eigentlich Anto´nio Caetano de Abreu Freire Egas Moniz. 1891–99 Stud. in
Coimbra, 1900–02 in Bordeaux und Paris (bei ! Babinski), Prof. fu¨r Neurol. in Coimbra 1911–45 und in Lissabon 1911–45, 1900–17 Abgeordneter im portugies. Parlament, 1919 Vertreter des Landes bei den Pariser Friedensverhandlungen. M. fu¨hrte 1926 die erste zerebrale Angiographie am Lebenden durch. Er glaubte an die organ. Verursachung von Psychosen und wurde zum Begr. der Psychochir. 1935/36 entwickelte er die Meth. der Leukotomie bei Geisteskranken, einer Durchtrennung von Nervenverbindungen des Frontallappens mit dem Rest des Gehirns. Fu¨r die heute umstrittene Operationsmethode erhielt M. 1949 den Nobelpreis. Werk: L’Ence´phalographie Arte´rielle: Son Importance dans la Localisation des Tumeurs Ce´re´brales, Rev. Neurol. 2 (1927), 72–90; Essai d’un Traitement Chirurgical de Certaines Psychoses, Bull. Acad. Me´d. 115 (1936), 385–92; Tentatives ope´ratoires dans le traitement de certaines psychoses, Paris 1936. Bro¨.
Monod, Jacques Lucien (* 10. 02. 1910 Paris, † 31. 05. 1976 Cannes/ Frankreich). Schulzeit in Cannes. 1928 Stud. d. Naturwissenschaften an der Univ. Paris. 1931 Lizenzat (licence) an der Faculte´ des sciences in Strasbourg. 1932-1934 Mitarb. im Laboratiore d’evolution des eˆtres organise´s in Paris, 1934 wiss. Expedition nach Gro¨nland mit P. E. Victor. 1936 einja¨hriges Rockefeller-Stip. und Aufenthalt bei T. H. Morgan, Begru¨nder der Fruchtfliegen-Genetik am California Institute of Technology, Pasadena. Nach der Ru¨ckkehr Bescha¨ftigung mit der biochem. Funktion von Proteinen u. Enzymen in Bakterienkulturen. 1941 Promotion zum D.Sc. mit einer Arbeit u¨ber Re231
Montessori, Maria
cherches sur la croissance des cultures bacte´riennes. Nach dem Zweiten Weltkrieg m. aktiver Teilnahme am frz. Widerstand, ab 1945 Laborleiter unter A. Lwoff am Inst. Pasteur, Paris. 1954 Direktor der Abt. Biochimie cellulaire ebenfalls am Inst. Pasteur. In dieser Zeit Arbeiten am Problem der Messenger-RNA gemeinsam mit F. Jacob u. Entw. des Operon-Modells zur Gensteuerung am Bsp. des Lactose-Operons (Lac-Operon), wobei ein Operon eine Funktionseinheit auf der DNA, bestehend aus Promotor, Operator u. (Struktur-)Genen ist, die ein oder mehrere Proteine synthetisiert. 1959 Ernennung zum Prof. fu¨r die Chemie des Stoffwechsels an der Sorbonne, Paris. 1965 gemeinsam m. Jacob u. Lwoff Nobelpreis fu¨r Physiol. u. Med. fu¨r ihre Entdeckungen auf dem Gebiet der gen. Kontrolle der Synthese von Enzymen und Viren. 1967 Professur fu¨r Molekulare Biol. am Colle`ge de France; 1971 Direktor des Inst. Pasteur. M. hat sich ha¨ufig zu gesellschaftlichen und philosoph. Fragen gea¨ußert, etwa mit seiner Zufallshypothese von der Entstehung des Lebens. Werk: Mit Jacob, F., Genetic Regulatory Mechanisms in the Synthesis of Proteins, Journal of Molecular Biology 3 (1961), S. 318-356; Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der modernen Biologie, Mu¨nchen 1971 (Original: Le hasard et la ne´cessite´. Essai sur la philosophie naturelle de la biologie moderne, Paris, Le Seuil, 1970). Pl.
Montessori, Maria (* 31. 8. 1870 Chiaravalle, † 6. 5. 1952 Noordwijk-aanZee). ¨ rzAls erste promov. (1896) italien. A tin unterrichtete M. zuna¨chst an einer staatl. Lehrerbildungsanstalt (1898– 232
1901) fu¨r geistig behind. Kinder, seit 1900 auch an d. Univ. Rom, dort Lehrstuhl. fu¨r Anthropol, 1904–1907. Einsatz fu¨r Frauenemanz. und Abschaff. d. Kinderarbeit. Am 6.1.1907 Ero¨ffnung eines Kinderhauses mit Schule fu¨r 3–6ja¨hrige Arbeiterkinder. M.s pa¨dag. Ansatz: dem Kind eine ungehemmte Entwicklung von Innen zu ermo¨glichen, denn es besitze einen indiv. „Bauplan“, der sich in sensitiven Perioden als Entwickl.schub realisiere. Seine Selbstta¨tigkeit fu¨hre es durch Lernen am Gegenstand zu Selbsta¨ndigkeit und Selbstkontrolle. M.s Konzept beeinflußte bes. die Vorschulerziehung und verbreitete sich in den Eck. M.-Schulen weltweit. Morgagni, Giovanni Battista (* 25. 2. 1682 Forli, † 5. 12. 1771 Padua). M. stud. in Bologna und prom. 1701. Bereits die ersten anat. Studien (insbes. am Kehlkopf), die M. zusammen mit seinem Lehrer und Mentor ! A. M. Valsalva durchfu¨hrte und 1706 als ersten Teil seiner Adversaria anatomica vero¨ffentlichte, fu¨hrten zu seiner Aufnahme in die Kaiserl. Akad. der Naturforscher („Leopoldina“) im Alter von 26 Jahren. M. u¨bernahm ein Jahr lang Valsalvas akad. Lehrverpflichtungen in Bologna, verbrachte anschließend zwei weitere Studienjahre in Venedig (u.a. bei dem Anat. Giandomenico Santorini [1681–1729]) und u¨bte zwischen 1709 und 1711 erfolgreich die a¨rztl. Praxis in seinem Heimatort Forli aus. 1711 erhielt M. den Lehrstuhl fu¨r theoret. Med. in Padua. Seine Vorl. in diesem Fach erschienen in den Opera postuma, 1964–1975. Bereits M.s Antrittsprogramm Nova institutionum medicarum idea (1712; Neued. 1982) forderte Kritik an den
Mori, Ogai
hergebrachten med. Lehren und wu¨rdigte die Leichensektion als Mittel der pathol. Forschung. 1715 folgte dann der ersehnte Ruf auf den traditionsreichen Paduaner Lehrstuhl der Anat., den M. als weithin angesehener Univ.lehrer und Mitglied aller wichtigen wiss. Gesellschaften fast 60 Jahre innehatte. In den Teilen 2–6 seiner Adversaria anatomica (1717–19) bewies sich M. als ausgezeichneter Kenner der gesamten Anat. und souvera¨ner Kritiker seiner Kollegen und Vorga¨nger. Er bezog zu einer Unzahl strittiger Einzelheiten Stellung (u.a. aus der Anat. der Tra¨nendru¨se, des Schlundes, der Milz, des Darmes und der Geschlechtsorgane), die er genauer untersuchte und treffender beschrieb. Sein Alterswerk De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis
Giovanni Battista Morgagni (1682–1771)
(2 Bd., 1761 (Repr.: 1961; dt.: Michler, M. (Hg.), Sitz und Ursachen der Krankheiten, aufgespu¨rt durch die Kunst der Anatomie, Teilausg., 1967) beruhte zum einen auf der krit. Sichtung der im Sepulchretum (1679 und 1700) des ! T. Bonet zusammengetragenen Obduktionsbefunde der vergangenen zwei Jh., in denen der „anat. Gedanke“ bereits mehr und mehr hervorgetreten war, zum anderen auf dem nachgelassenen Beobachtungsgut Valsalvas, den eigenen lebenslangen klin. und pathol.-anat. Studien und der lebhaften Korrespondenz mit hervorragenden Med. und Naturforschern (u.a. ! H. Boerhaave, ! A. v. Haller, ! G. M. Lancisi und ! L. Spallanzani). Dem krit. Empirismus verpflichtet, demonstrierte M. an zahllosen Einzelbeobachtungen in vorbildl. Weise die Lokalisation des Krankheitsgeschehens im Obduktionsbefund und die Herleitung der Krankheitssymptome und des Krankheitsverlaufs aus der anat. Organvera¨nderung heraus. Diese Analyse war weitgehend frei von den theoret. physiol. Systemen der Zeit und zeigte u¨berzeugend die Mo¨glichkeiten der klin.-anat. Forschungsrichtung auf, die dann zu Beginn des 19. Jh. an den Kliniken in Paris, London und Wien große Fortschritte in der Pathol. brachte. Nach M. wurden u.a. die Morgagni-Ventrikel im Kehlkopf und die retrosternale Form der Zwerchfellhernie benannt. M. hinterließ eine Autobiogr. (A. Pazzini u. M. Galeazzi [Hg.] 1957). Ku. Mori, Ogai [Ku¨nstlername, urspru¨nglich: Rinato Mori] (* 1862 Tsuwano, † 29. 7. 1923). Jap. Arzt und Dichter. Sohn eines Arztes, stud. O. Med. in Tokyo (1877–81) 233
Moro, Ernst
und trat danach mit dem Ziel eines Studienaufenthaltes in Deutschland als Milita¨rarzt im Fach Hyg. in die japan. Armee ein. 1884–88 war O. im Auftrag der Armee in Deutschland und stud. in Leipzig, Dresden, Mu¨nchen (bei ! M. v. Pettenkofer) und Berlin (bei ! R. Koch). O. befaßte sich mit Fragen der Erna¨h¨ ber die diuretische Wirkung rung (U des Bieres, 1887), experimenteller Hyg. (Experimentelle Untersuchungen u¨ber die giftige Wirkung des Anilindampfes, 1889) sowie Bakteriol. ¨ ber pathogene Bacterien im Kanal(U wasser, 1888.) Nach seiner Ru¨ckkehr nach Japan arbeitete O. an der milita¨ra¨rztl. Akad., die er ab 1893 als Generaloberarzt leitete. 1894 wurde er Chefarzt des Gardecorps und 1907 Generaloberstabsarzt und Leiter des Sanita¨tscorps. Beru¨hmt wurde O. nach der Jh.wende als Schriftsteller, dessen Werk durch den Versuch der Vermittlung trad. japan. Werte mit westl. Kultur gepra¨gt Gr. ist. Moro, Ernst (* 8. 12. 1874 Laibach [Ljubljana], † 17. 4. 1951 Heidelberg). Stud. der Botanik und der Med. in Graz; 1899 Dr.med., 1899–1906 Ass. an den Univ.-Kinderkliniken in Graz und Wien; Habil. 1906; 1906–11 Priv.doz. und Oberarzt Univ-Kinderklinik Mu¨nchen; 24. 1. 1911 etatma¨ßiger ao. Prof. und Dir. der Univ.-Kinderklinik Luisen-Heilanstalt Heidelberg; 22. 3. 1919 ao. Prof. Heidelberg; 1. 9. 1926 planma¨ßiger o. Prof. Heidelberg; 30. 10. 1936 Emerit. aus „Gesundheitsgru¨nden“. Die Forschungen des fu¨hrenden dt. Pa¨diaters erstreckten sich auf nahezu alle Bereiche des Fachgebietes, bes. 234
auf die Erna¨hrung und Verdauung des Sa¨uglings. M. beschrieb die Sta¨rkeverdauung durch ein spezielles Pankreasferment und die sog. „endogene Infektion“ des Sa¨uglingsdu¨nndarms. Mit Gyo¨rgy und Witebsky fand er die „Exzemantiko¨rper“. Die „rohen Apfeltage“ (Durchfallbehandlung) fu¨hrte er ebenso ein wie den Buttermehlbrei. Er beschrieb die „Nabelkoliken“, die „habituelle Hyperthermie“ und pra¨gte die Begriffe „erstes Trimenon“ und „biol. Fru¨hjahr“. Die Tuberkulin-Reaktion (bei BCG-Geimpften oder TBC-Kranken) und der fru¨hkindl. Umklammerungsreflex (M.Kellersches Pha¨nomen) tragen seinen Namen. ¨ ber das Verhalten ha¨molyt. SerumWerk: U stoffe (1908); Tuberkulose und Skrofulose (1931); Ekzema infantum und Dermatitis seborrhoides (1932). Eck.
Morton, Thomas William Green (* 9. 8. 1819 Charlton (Massachusetts), † 15. 7. 1868 New York). Zahnarzt, Stud. am „Col. of Dental Surgery“ in Baltimore. 1842 Praxisero¨ffnung in Boston. Tod am 15. 7. 1868 in New York. M. gilt als Pionier der ¨ thernarkose. Nach Zusammenarbeit A mit dem Chemiker Jackson erprobte er Schwefela¨ther als Ana¨sthetikum im Tier- und Selbstversuch. Am 30. ¨ ther erfolgreich 9. 1846 setzte M. den A bei einer Zahnextraktion ein, am 16. 10. 1846 demonstrierte er die Wirkung erstmals o¨ffentl. bei einer chir. Operation. 1847 Monographie: Remarks on the Proper Mode of Administering Sulphuric Ether by Inhalation. Spa¨ter Streit mit Jackson um die Priorita¨t ¨ thers als Anbei der Entdeckung des A Tri. a¨sthetikum.
Mu¨ller, Johannes Peter
Moses, Julius (* 2. 7. 1868 Posen, † 24. 9. 1942 KZ Theresienstadt). Naturheilkundl. Arzt und Politiker. ¨ rzteSymbolfigur linker Med.- und A kritik der Weimarer Republik. MdR 1920–32 (SPD). Vielfa¨ltiges u.a. publizist. Engagement fu¨r Sozialhyg., Patientenrechte. Hg. der Zeitschrift Der Kassenarzt (1924–33). Vorausschauende Warnung vor der NS-Med. Als Jude und Sozialdemokrat nach 1933 in NS-Deutschland politisch, beruflich und perso¨nlich verfolgt. M. starb nach seiner Deportation an Hunger und Entkra¨ftung. Werk: Der Totentanz von Lu¨beck, Radebeul 1930. Wo.
Mu¨ller, Johannes Peter (* 14. 7. 1801 Koblenz, † 28. 4. 1858 Berlin). M. ist eine der interessantesten Perso¨nlichkeiten der Med. und Biol. des ¨ bergang 19. Jh. Sein Werk begr. den U von der naturphil. beeinflußten hin zur naturwiss. orientierten Med. Seine beru¨hmten Schu¨ler ! Helmholtz, ! Du Bois-Reymond, ! Bru¨cke, ! Virchow und ! Schwann schufen auf der Grundlage seines Werkes die mod. naturwiss. exp. Med. M.s grundlegende Arbeiten aus der Anat., Physiol. und Pathol. sowie eine Fu¨lle von Beobachtungen und Forschungen in der Systematik und der Zool. machten ihn zu einem der einflußreichsten Med., Zool. und Meeresforscher in der vordarwinist. Zeit. M. wurde als Sohn eines Schuhmachermeisters in Koblenz geboren. Schon in der Schulzeit erfuhr M. Fo¨rderung durch den spa¨terhin einflußreichen pr. Kulturpolitiker Johannes von Schulze. M. begann 1819 an der Bonner Univ. Med. zu stud. Dort er-
hielt er eine noch von der Naturphil. beeinflußte Ausbildung (! Ph. F. v. Walther). Ein fu¨r M. wichtiges Jahr bei ! K.A. Rudolphi in Berlin (1823/24) gab ihm die entscheidende Ausrichtung seiner Interessen an der Anat. und Physiol. M. prom. 1822 mit einer Arbeit u¨ber die Bewegungsgesetze der Tiere (De phoronomia animalium). Ein Jahr zuvor hatte er bereits einen Univ.preis fu¨r seine Untersuchungen u¨ber die Atmung des Fo¨tus (De respiratione foetus) erhalten. Unmittelbar nach seinem Staatsexamen (1824) habil. M. und wurde Doz. fu¨r Anat. an der Bonner Univ. (1826 ao. Prof.; 1830 o. Prof.). Seine akad. Antrittsvorl. (1824) ist eine der bedeutendsten Reden des 19. Jh. Darin formulierte M. seine erkenntnistheoret. Position, die Leitlinie fu¨r seine weiteren Forschungen werden sollte. Vor allem die Beziehung von Wiss. und Phil., Beobachtung und Experiment wurden von M. neu definiert, so daß sie Ausgangspunkt einer naturwiss. Med. und einer dem Experiment folgenden biomed. Forschung werden konnte. 1826 publ. M. zwei ihn internat. bekanntmachende sinnesphysiol. Werke. Neben einer Fu¨lle von Detailbeschreibungen der Anat. der Tieraugen wird hier von M. das „Gesetz der spezif. Sinnesenergie“ formuliert, an das spa¨ter sein Schu¨ler Helmholtz seine Untersuchungen anschloß. 1830 erscheinen zwei anat. bedeutsame Werke: Bildungsgeschichte der Genitalien mit Beschreibung des „M.schen Ganges“ und das Werk u¨ber die Dru¨sen (De glandularum secernentium). 1831 gelingt M. der exp. Nachweis der sensor. und motor. Anteile der Spinalnerven und im gleichen Jahr 235
Mun˜´ız, Francisco Javier
das Mittelmeer, die Ost- und Nordsee war. Ab 1850 bescha¨ftigte M. das bis dahin vo¨llig unbekannte Plankton. Sein Werk umfaßt 267 Einzelvero¨ffentlichungen. Diese immense Leistung war nur mo¨glich, da er in seiner Familie einen ausgleichenden Gegenpol fand. Die Wirkung M.s auf eine ¨ rzten und ganze Generation von A Forschern ist auf seine außergewo¨hnl. wiss. Leistungen, seine Begabung als Lehrer, aber auch auf seine erkennt¨ berlegungen zur Med. nistheoret. U zuru¨ckzufu¨hren.
Johannes Mu¨ller (1801–1858)
wie M. Hall (1834) formuliert er die Reflexlehre. Ab 1833 wurde M. Nachfolger Rudolphis auf dem Lehrstuhl fu¨r Anat. und Physiol. in Berlin. In seinem kurz danach hg. Handbuch der Physiologie (1834–40) legte M. sein Konzept einer physiol. Forschung dar, das die nachfolgende Generation von Anat., Physiol. und Zool. entscheidend beeinflußte. Außerdem propagierte er seine Vorstellungen als Hg. im Archiv fu¨r Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin. Der Schwerpunkt seiner Forschung verlagerte sich Ende der 30er Jahre von der Physiol. hin zur reinen und vergl. Anat. und Systematik. Damit gelangen M. weitere wichtige Entdeckungen, wie z.B. die des Amphioxus lancelolatum. An der Systematik und der Entwicklung der Stachelha¨uter arbeitete M. u¨ber 15 Jahre, was Anlaß vieler Reisen an 236
Werk: Ueber die phantastischen Gesichtserscheinungen, Koblenz 1826; Vergleichende Physiologie des Gesichtssinnes, Leipzig 1826 (darin d. Antrittsvorlesung von 1824); Handbuch der Physiologie fu¨r Vorlesun¨ ber gen, 1. u. 2. Bd., Koblenz 1834–40; U den feineren Bau der krankhaften Geschwu¨lste, Bericht der Kgl. Pr. Akad., Berlin 1836, 107–13. Lo.
Mun˜´ız, Francisco Javier (* 21. 12. 1795 San Isidro/Argentinien, † 7. 4. 1871 Buenos Aires). Der argent. Milita¨rarzt und Pala¨ontol.stud. in Buenos Aires, prom. 1822 und war ab 1825 Chir. der argent. Armee. Diese Ta¨tigkeit unterbrach M. 1828, als er als Landarzt bei den Indianern arbeitete. Hier bescha¨ftigte er sich zuna¨chst mit Schutzmitteln (Pokkenschutzimpfung), dann mit Pala¨ontol. Er entdeckte in dieser Zeit bis dahin unbekannte Fossilien, wie z.B. den Smiloden Bonaerensis und das Hippidium neogaeum (1844). Zuru¨ck in Buenos Aires, wurde M. 1855 zum Dekan der Med. Fak. ernannt. Er starb 1871 an Gelbfieber, als er die Verbreitung einer Epidemie der Krankheit in Buenos Aires beAc. ka¨mpfte.
Neisser, Albert
Nasse, Christian (* 18. 4. 1778 Bielefeld, † 18. 4. 1851 Bonn). Geb. als Sohn eines Arztes. Seit 1797 Stud. der Med. in Berlin. Wechsel nach Halle und Prom. bei ! Reil (1800). Nach a¨rztl. Ta¨tigkeit in Bielefeld nahm N. 1815 einen Ruf nach Halle an. 1819 Wechsel nach Bonn, wo er bis zu seinem Lebensende wirkte. N. war ein vielseitig ta¨tiger Arzt, der u.a. die Auskultation, Perkussion und Temperaturmessung propagierte. Er betonte die Bedeutung des Sektionsbefundes fu¨r die Med., bearbeitete Themen aus dem Bereich der Gewerbemed. und war in der o¨ffentl. Gesundheitspflege aktiv. N. hatte auch starke psychiatr. Interessen. U.a. gru¨ndete er mehrere psychiatr. Zeitschriften. N. suchte – wie sein großer Widersacher ! Heinroth – die Psychiatrie anthropol. zu fundieren. Nach seinem „synthetischen Dualismus“ seien Leib und Seele nur vereint, nicht jedoch eins. Sie ko¨nnten zumindest gelegentlich auch unabha¨ngig voneinander reagieren. Wa¨hrend in der Seele Affekt, Schuld oder Su¨nde entstu¨nden, ko¨nne nur im Leib Krankheit entstehen. N. war also in bezug auf ¨ tiol. „Somatiker“, wobei er die die A Ursachen der psych. Krankheit in einem Kopf-Brust-Bauch-Modell anordnete. In bezug auf die Therapie schlug N. jedoch – hier mit Heinroth vergleichbar – einen eklekt. „psyBz. chisch-somatischen“ Weg vor. Naunyn, Bernhard (* 2. 9. 1839 Berlin, † 27. 7. 1925 Baden-Baden). Sohn eines Bu¨rgermeisters, stud. N. in Berlin Med. bis zur Prom. 1862. Ass. bei Frerichs (1863–69, Habil. 1867), Prof. fu¨r Innere Med. in Dorpat (1869–71), Bern (1871–72), Ko¨nigs-
berg (1872–88) und Straßburg (1888–1904). Seit 1904 lebte er in Baden-Baden. N. fu¨hrte das exp. Arbeiten in die Innere Med. ein, er bestritt den Vorrang der Pathol. Anat. Seine Forschungen betrafen den Diabetes mellitus sowie die Hepatol.; er pra¨gte 1906 den Begriff „Azidose“ fu¨r den diabet. Stoffwechsel. 1872 gru¨ndete N. mit ! Klebs und Schmiedeberg das Archiv fu¨r experimentelle Pathologie und Pharmakologie, 1896 mit ! Mikulicz die Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. Seit 1869 forderte N. die exakte Wiss.lichkeit der Med. in Diagnose und Therapie. Werk: Klinik der Cholelithiasis, Leipzig 1892; Der Diabetes mellitus, Wien 1898; Gesammelte Abhandlungen 1862–1908, 2 Bd., Wu¨rzburg 1909; Erinnerungen, Gedanken und Meinungen, Mu¨nchen 1925. Ba.
Negri, Adelchi (* 2. 8. 1876 Perugia, † 19. 2. 1912 Pavia). Stud. in Pavia, Prom. 1900, Ass. ! C. Golgis, 1905 Habil., 1909 Lehrauftrag fu¨r Bakteriol. N. entdeckte 1903 die nach ihm benannten intrazellula¨ren Einschlußko¨rperchen in Nervenzellen des Ammonshorns bei Tollwut. N. hielt die Ko¨rperchen fu¨r ein pathogenes parasita¨res Produkt. Kurz danach wurde von anderen Forschern ein Virus als Erreger identifiziert. Werk: Contributo allo studio dell’eziologia della rabia, Boll. Soc. med.-chir. Pavia 1903, 88 u. 229 (dt.: Zs. Hyg. Infekt. Krankh. 43 (1903), 507–28). Bro¨.
Neisser, Albert (* 22. 1. 1855 Schweidnitz, † 30. 7. 1916 Breslau). N. spezialisierte sich nach Med.stud. und Prom. 1877 auf Dermatol. und 237
Nelaton, Auguste
Venerol. Noch als Ass.arzt in Breslau entdeckte er 1879 den Erreger der Gonorrhoe, den Gonokokkus. Ermo¨glicht wurde die Entdeckung durch die neue Fa¨rbemethode von Bakterien mit Anilin und das von ! Koch 1877 entwickelte Ausstrichverfahren. Da¨ tinach bescha¨ftigte sich N. mit der A ol. der Lepra. Ihm gelang 1880 der endgu¨ltige Nachweis, daß der von ! Hansen 1873 beschriebenen Lepra-Erreger tatsa¨chlich die Lepra u¨bertrug. Mit Hansen kam es daraufhin zum Streit, wer der Entdecker des Lepra-Erregers sei. Nach der Habil. in Leipzig 1880, wurde N. 1882 ao. Prof. fu¨r Dermatol. an der Univ. Breslau und 1907 erster o. Prof. Deutschlands fu¨r Haut- und Geschlechtskrankheiten. 1902 gru¨ndete N. zusammen mit ! Blaschko und E. Lesser die „Dt. Gesellschaft zur Beka¨mpfung der Geschlechtskrankheiten“ (DGBG), deren Pra¨sident er wurde. Neben der Gesundheitsaufkla¨rung der Bevo¨lkerung hatte es sich die DGBG als Aufgabe gesetzt, neue gesundheits- und sozialpolit. Strategien zur Beka¨mpfung von Geschlechtskrankheiten durchzusetzen. N. setzte sich dabei fu¨r die Ablo¨sung der inef¨ berwachung fektiven sittenpolizeil. U von Prostituierten durch eine rein med. ein (Die Geschlechtskrankheiten und ihre Beka¨mpfung, 1916). Seit den 1890er Jahren bescha¨ftigte sich N. mit der Syphilisforschung. Angeregt durch die zeitgeno¨ssischen Bemu¨hungen, Impf- bzw. Heilseren zur Beka¨mpfung von Infektionskrankheiten einzusetzen, versuchte N., eine Serumtherapie auch gegen Syphilis zu entwickeln. 1898 kam es wegen Versuchen, die er dabei an Krkh.patientinnen, z.T. noch Kinder, durchgefu¨hrt 238
hatte, zum Skandal. N.s Ruf als Wiss. hatte jedoch keinen Schaden genommen. Nachdem ! Metschnikow ¨ bertragung und ! Roux 1903 die U von Syphilis auf Affen gelungen war, setzte N. seine Forschung 1905 und 1906/07 auf der Insel Java an Affen fort. Er bescha¨ftigte sich jetzt mit dem Syphiliserreger, von dessen Entdeckung durch ! Schaudinn und ! Hoffmann er u¨berrascht wurde. N. intensivierte daraufhin erneut seine Suche nach einer Schutzimpfung gegen die Syphilis. Die Ergebnisse der schließlich erfolglos abgebrochen Exp. faßte er 1911 in seinem Werk Beitra¨ge zur Pathologie und Therapie der Syphilis zusammen. N.s Forschungen fu¨r eine Serotherapie gegen Syphilis legten jedoch die Grundlage fu¨r die Entwicklung eines Verfahren zur Serodiagnose von Syphilis (! v. Wassermann). Der nationalliberale N. war einer der bedeutendsten dt. Dermatol. und Venerol., der eine ganze Generation von Sa. Med.studenten pra¨gte. Nelaton, Auguste (* 11. 6. 1807 Paris, † 21. 10. 1873 Paris). N. stud. in Paris Med., war Schu¨ler von ! Dupuytren und prom. 1836 mit einer Arbeit u¨ber Knochentuberkulose. 1851 wurde er o. Prof. an der Chir. Klinik, 1856 Mitglied der Acade´mie de me´dicine und 1867 der Acade´mie des sciences. Popula¨r wurde N. durch das Auffinden einer Kugel im Fuß Garibaldis. Zu seinen Leistungen geho¨rt die Erfindung eines elast. Katheters aus Kautschuk zur Urindrainage, die Verbesserung der Operationsmeth. bei Nasenplastik und Blasensteinschnitt sowie der Aneurysmabehandlung. Zu seinen wesentl. Schriften za¨h-
Neumann, Salomon
len die 5 Bd. Traite´ de pathologie chirurgicale (Paris 1856–58) und seine Beitra¨ge zu Rapports sur les progre`s Ko. de la chirurgie (Paris 1867). Neuburger, Max (* 8. 12. 1868 Wien, † 15. 3. 1955 Wien). In Wien als Sohn eines Kaufmanns aus Hamburg/Mu¨nchener ju¨d. Bu¨rgertum geb., wurde N. nach der Prom. 1893 mit einer neurol. Diss. von ! Th. Puschmann in Wien 1898 fu¨r Med.gesch. habil. und testamentarisch mit der Fortfu¨hrung von dessen Handbuch der Geschichte der Medizin (3 Bd. 1902–5, ND 1971) betraut. 1904 unbesoldeter ao. Prof., Lebensunterhalt als Spitalsarzt und eigene Praxis. 1914 gru¨ndete N. in za¨hem Ringen in Wien das zweite Medizinhist. Inst. der Welt (nach ! Sudhoff 1906 in Leipzig). Im Josephinum, der von Joseph II. gegr. milita¨ra¨rztl.chir. Akad., erhielt es 1920 seine heutige, ab 1960 unter ! E. Lesky (1911– 86) wiedererstandene Heimstatt. 1917 Dr. phil. und zum weltweit einzigen o. Prof. fu¨r Gesch. der Med. ernannt (Sudhoff folgte 1919), fanden N.s Vero¨ffentlichungen (17 B., 180 Aufs.) fru¨h internat. Anerkennung. Seine Geschichte der Medizin (2 Bd. 1906/11, engl. 1910/25) ist nicht u¨ber das MA hinausgelangt, u¨bertraf aber „alle ihre Vorga¨ngerinnen an Tiefe des historischen Verstehens und plastischer Wiedergabe“ (Sudhoff). Nach 1918 trat N. vor allem als Hist. der Wiener Schule hervor. Zum 60./ 80. Geb. erschienen umfangreiche internat. Festschriften. Im Jahr seiner Wahl zum Fellow der Royal Society (1939) floh der 71ja¨hrige kurz vor Ausbruch des Weltkriegs nach England, wo er im Wellcome Museum
Forschungsmo¨glichkeit fand. 1948 zog er zu seinem in Buffalo praktizierenden Sohn, 1952 kehrte er nach Wien zuru¨ck. ! Sigerist feierte Sudhoff und N. als die beiden med.hist. v. Bro. Fu¨hrer seiner Generation. Neumann, Caspar (* 14. 9. 1648 Breslau, † 27. 1. 1715 Breslau). N. ist der erste Vertreter der polit. Arithmetik in Deutschland. Stud. der Theol. und der Math. in Jena 1667 bei Johann Musa¨us und Erhard Weigel. 1678 im Kirchendienst in Breslau, 1697 Inspektor des dortigen Schulwesens. N. lehrte an den beiden Gymnasien Theol. „Die Natur ist ihm die Hauptoffenbarung Gottes, der seine Scho¨pfungsordnung in Zahlen entzifferbar macht“ (H. Scho¨ffler). Sein Beitrag zur Med. ist die Auswertung der Breslauer protestant. Kirchenbu¨cher von 1687–91 fu¨r bevo¨lkerungsstatist. und epidemiol. Zwecke: Todesfa¨lle mit Angabe der Geburtsjahre. Die Ergebnisse schickte er an G.W. Leibniz: Reflexiones u¨ber Leben und Tod bei denen in Breslau Geborenen und Gestorbenen. Durch Vermittlung des Zahlenmaterials von Leibniz an die Royal Society konnte Edmund Halley daraus die ersten brauchbaren Sterbetafeln erstellen. N.s Meth. wirkte im Versicherungswesen, der Demographie, in den Staatstafeln (Leibniz), der med. Statistik und der Ht. Epidemiol. fort. Neumann, Salomon (* 22. 10. 1819 Pyritz/Pommern, † 20. 9. 1908). Sohn einer ju¨d. Kleinha¨ndlerfam. Med.stud. in Berlin und Halle, wo er 1842 prom. Danach Studienreise nach Wien und Paris; ab 1845 fast ein halbes Jh. niedergelassener Arzt, 239
Nicolai, Georg Friedrich
Wundarzt und Geburtshelfer in Berlin. Mit ! R. Virchow, ! R. Leubu¨ rzten stand scher u.a. fortschrittl. A N. an der Spitze der demokrat. Medizinalreformbewegung um 1848/49. Wegweisend seine Schrift Die o¨ffentliche Gesundheitspflege und das Eigentum (Berlin 1847), derzufolge die Gesundheit unvera¨ußerliches ho¨chstes Gut aller sei. Davon abgeleitete prinzipielle sozialmed. Forderungen sind vielerorts noch heute aktuell. Eine praxisrelevante Frucht dieser Bestrebungen war der mit Ludwig Bisky am 1. Mai 1849 gegr. Gesundheitspflegeverein der Berliner Arbeiterverbru¨derung, der als „Berliner Gesundheitspflegeverein“ 1853 verboten wurde. Seit 1859 Stadtverordneter, arbeitete N. in verschiedenen Gremien fu¨r die Verwirklichung seiner Auffassung von der Med. als einer sozialen Wiss. Er vero¨ffentlichte u¨ber 60 Publ. N. wurde Ehrenbu¨rger von Berlin. Bedeutsam neben der Reformschrift von 1847: Zur medicinischen Statistik des preußischen Staates, Berlin 1849; Der Arzneiverbrauch in der sta¨dtischen Armenkrankenpflege Berlins, ibid. 1855; Die Berliner Volksza¨hlung vom 3. Dez. 1861, Bericht ..., ibid. Ka. 1863; Dass. 1864 ..., ibid. 1866. Nicolai, Georg Friedrich (* 6. 2. 1874 Berlin, † 8. 10. 1964 Santiago de Chile). Sohn des getauften Priv.-doz. der Chemie, 1848er-Barrikadenka¨mpfers und Journalisten G. Lewinstein und einer Lehrerin, wurde N. nach Stud. in Paris, Schiffsarzt 1901/02 in Ostasien, Stud. bei ! Einthoven in Leiden, ! Pawlow in St. Petersburg, 1907 Priv.doz. an der Univ. Berlin. 1908 Arbeit bei Dohrn in Neapel, 1909 Titular.240
prof., Oberarzt und bekannter Herzspezialist bei Fr. Kraus an der Charite´, mit dem er 1910 das erste und fu¨r lange Zeit maßgebende Lb. u¨ber das Elektrokardiogramm vero¨ffentlichte. Die Karriere setze N. aufs Spiel, als er im Herbst 1914 als Chefarzt der Herzstation eines Milita¨rlazaretts gegen den Aufruf der 93 ,An die Kulturwelt!’ in einem mit Einstein verfaßten Aufruf an die Europa¨er protestierte und in Vorl. als Kriegsgegner hervortrat. Sein in der Festungshaft geschriebenes, in Deutschland verbotenes Anti-Kriegs-Buch Die Biologie des Krieges (Zu¨rich l917, 21919, 4Darmstadt 1985) wurde, in fast alle Kultursprachen u¨bers., zum Kultbuch des internat. Pazifismus. Im Juni 1918 flu¨chtete der zum „gemeinen Soldaten“ Degradierte mit einem Milita¨rflugzeug nach Kopenhagen. 1920 entzog die Univ. Berlin dem zum ao. Prof. der Physiol. ernannten nach Tumulten nationalist. Studenten die venia legendi. 1922 nahm N. trotz fu¨hrender Positionen in der Friedensbewegung aus Verzweiflung an der Zukunft Deutschlands einen Ruf an die Univ. Co´rdoba an und wurde als Physiol. und Soziol. an vier Univ. Argentiniens und Chiles mit 10 Bu¨chern in span. Sprache zum Mentor der jungen Gev. Bro. neration eines Kontinents. Nicolaier, Arthur (* 4. 2. 1862 Cosel/ Oberschlesien, † 29. 8. 1942). N. stud. Med. in Heidelberg, Berlin und Go¨ttingen, wo er 1885 prom. wurde. Ass. und 1897–1900 Oberarzt der Med. Klinik in Go¨ttingen, wurde er hier 1890 fu¨r Innere Med. habil., 1901 nach Berlin umhabil. und war 1921–33 nichtbeamteter Extraord.
Nissl, Franz
1884 entdeckte er den Wundstarrkrampf-Bazillus (Dtsch. med. Wschr. 10 [1884], 842–4), 1892 die Ursache des Kopftetanus (Virch. Arch. 128 [1892], 2–19); fu¨hrte 1894 das Urotropin in die Therapie ein und zeigte mit Dohrn die Wirkung des Atophan bei Gicht und Rheumatismus. 1933 von den Nationalsozialisten der Lehrbefugnis beraubt, entzog er sich der DeHu. portation durch Selbstmord. Nicolle, Charles (* 21. 9. 1866 Rouen, † 28. 2. 1936 Paris). Nach Med.stud. in Paris ab 1893 Fakulta¨tsmitglied in Rouen und Arbeit am dortigen Hospital. Auf Empfehlung seines Bruders, des Mikrobiol. Maurice Nicolle (1862–1932) besucht er 1892 Kurse am Pasteur-Inst. Im gleichen Jahr wird er als Nachfolger Adrien Loirs Dir. des Pasteur-Inst. von Tunis. Hier erforscht er das Fleckfieber unter Beru¨cksichtigung der Rolle von La¨usen. 1928 Nobelpreis fu¨r Med. fu¨r ¨ bertra¨die Entdeckung der Laus als U ger des Fleckfiebers. N. unterscheidet das epidem. auftretende Fleckfieber (exanthem. Thyphus), verursacht durch Rickettsia prowazeki und u¨bertragen durch La¨use, sowie einen sog. murinen Typus, hervorgerufen durch Rickettsia mooseri und sporad. auf den Menschen u¨bertragen durch den Rattenfloh. 1932 u¨bernimmt N. den Platz im Colle`ge de France, den zuvor schon Beru¨hmtheiten wie ! Bernard, ! Magendie und ! Laennec innegehabt hatten. N. publ. sowohl Bu¨cher u¨ber Infektionskrankheiten (Destin des maladies infectieuses) als auch zum Wiss.prozeß (Biologie de l’intervention) und zu ethischen Problemen, etwa u¨ber das Exp. am Menschen (L’expe´rimentation en me´dicine). Fa.
Niketas (zwischen 9. und 11./12. Jh., vermutl. 10. Jh.). Autor der byz. Med. N. wurde als Verf. eines Codex chir. Texte (Laurentianus 74. 7) bekannt. Er entha¨lt Exzerpte von ! Hippokrates, ! Galen sowie anderen antiken und fru¨hbyz. Autoren. Die Texte befassen sich alle mit Chir. Einer der la¨ngsten Ausschnitte gibt das 6. Kapitel u¨ber chir. Operationen der Epitome des ! Paulos von Aigina wieder. Der N.-Codex war gleichermaßen als Lehrschrift und Hb. fu¨r die med. Praxis intendiert und illuGr. striert. Nikolaos Myrepsos [„Salbenkoch‘‘] (13. Jh.). Byz. Arzt, vielleicht unter Johannes III. Dukas Vatatzes (1222–54) aktouarios (Hofarzt) in Nikaia; verfaßte ein im griech. Text bisher nicht ediertes Dynameron (Rezeptsammlung) mit ¨ berliefe2656 Rezepten. In der lat. U rung floß es zusammen mit dem von Nicolaus Salernitanus (12. Jh.) verfaßten Antidotarium. Die lat. ¨ bers. des Dynameron (von ! L. U Fuchs, 1549) war bis ins 17. Jh. offizielle Pharmakopo¨e in Paris. ¨ bers., lat.), Basel 1549. Werk: Fuchs, L. (U Le.
Nissl, Franz (* 9. 9. 1860 Frankenthal, † 11. 8. 1919 Mu¨nchen). 1885 prom. in Mu¨nchen, Ass. bei B. v. Gudden, seit 1889 Arzt an der Sta¨dt. Irrenanstalt in Frankfurt/M. unter E. Sioli; dort Zusammenarbeit mit ! A. Alzheimer. Seit 1895 Ass. bei ! Kraepelin in Heidelberg, 1896 Habil. in Heidelberg, 1901 ao. Prof.; seit 1904 als Nachfolger Kraepelins o. Prof. der Psychiatrie und 241
Nitze, Maximilian
Dir. der Heidelberger Psychiatr. Univ.-Klinik; als N.s Oberarzt wirkte der mit ihm befreundete K. Wilmanns, der sein Nachfolger wurde, als N. 1918 Leiter der Histopathol. Abt. an der von Kraepelin gegru¨ndeten Dt. Forschungsanstalt fu¨r Psychiatrie in Mu¨nchen wurde. N. widmete sich zuna¨chst besonders der Erforschung der Innenstruktur der Nervenzellen; 1890 fu¨hrte er die nach ihm benannte Fa¨rbemethode mit Methylenblau oder Toluidinblau ein und entdeckte die basisch fa¨rbbaren Bestandteile des Nervenzelleibes, die nach ihm N.sche Schollen (N.Ko¨rper, N.-Substanz) genannt werden. Seit 1904 gab N. zusammen mit Alzheimer Histologische und histopathologische Arbeiten u¨ber die Großhirnrinde mit besonderer Beru¨cksichtigung der pathologischen Anatomie der Geisteskrankheiten heraus. Im ersten Band konnte er die fu¨r die Progressive Paralyse typ. Gewebsvera¨nderungen der Großhirnrinde nachweiWil. sen. Nitze, Maximilian (* 18. 9. 1848 Berlin, † 22. 2. 1906 Berlin). N. stud. Med. in Heidelberg, Wu¨rzburg und Leipzig, wo er 1874 prom. Bis 1878 war N. Ass. am sta¨dt. Krkh. in Dresden, ging dann nach Wien und war ab 1880 als „Arzt fu¨r Harnund Blasenkrankheiten“ in Berlin ta¨tig. Fu¨r dieses Fach war er auch habil. Seine bedeutendste Leistung besteht in der Einfu¨hrung des Cystoskops, das 1877 von ihm in Dresden erstmals an einer Leiche demonstriert wurde. N. trug in der Folgezeit wesentlich zu dessen techn. Weiterentwicklung bei. Die Mehrzahl seiner Publ. ist 242
der sich entwickelnden Cystoskopie gewidmet. 1889 legte er den erreichten Wissensstand in seinem Lehrbuch der Ko. Cystoskopie dar. Nocht, Bernhard (* 4. 11. 1857 Landshut/Schlesien, † 5. 6. 1945 Hamburg). Der erste Dir. des Hamburger Inst. fu¨r Schiffs- und Tropenkrankheiten war eine der bedeutendsten Perso¨nlichkeiten der dt. Tropenmed. Nach dem Stud. am Med.-chir. Kaiser-Friedrich-Inst. in Berlin war N. 1882–93 zuna¨chst als Milita¨rarzt ta¨tig, 1887–90 u.a. am Hyg. Inst. der Univ. Berlin unter ! Koch. Nach erfolgreichem Einsatz bei der Beka¨mpfung der Hamburger Cholera-Epidemie wurde er dort 1893 Hafenarzt. Gru¨ndung des Hamburger Inst. fu¨r Schiffs- und Tropenkrankheiten (1900). Neben zahlreichen nat. und internat. Nebena¨mtern gab N. der dt. tropenmed. Forschung und Lehre entscheidende Impulse. 1919 wurde er an der neugegr. Hamburger Univ. zum o. Prof. fu¨r Tropenhyg. berufen. Seit 1923 war N. Mitglied, seit 1927 Vizepra¨sident der Hyg.kommission des Eck. Vo¨lkerbundes. Nonne, Max (* 13. 1. 1861 Hamburg, † 12. 8. 1959 ebd.). Neurologe. N. studierte Medizin in Freiburg, Berlin und Heidelberg, wo er 1884 den Dr. med. erlangte. Nach Ta¨tigkeit als Assistenzarzt in Heidelberg und Kiel ließ sich N. als Allgemein- und Nervenarzt in Hamburg nieder. Ab 1869 leitete er eine Abteilung am Eppendorfer Krankenhaus, die er sukzessive zur Neurologischen Universita¨tsklinik ausbaute. An der neugegru¨ndeten Hamburger Universita¨t erhielt N. 1919 ein Extraordinari-
Nothnagel, Hermann
at, das 1925 in eine ordentliche Professur umgewandelt wurde. N. war maßgeblich an der Entwicklung der Neurologie zur selbsta¨ndigen Disziplin beteiligt, zeitweiliger Hg. der Dt. Zs. f. Nervenheikunde und Vorsitzender der Ges. dt. Nervena¨rzte. Er arbeitete u¨ber syphilitische Erkrankungen des Nervensystems, neurologische Scha¨digungen durch Alkohol und war an Definition der sog. Kriegsneurosen als psychogene Sto¨rung im Ersten Weltkrieg maßgeblich beteiligt. Therapeutisch wandte er in diesem Falle neben Suggestivmedizin (Hypnose) auch brutale Kuren wie Elektroschocks und Zwangsexerzieren an. N.s sozialdarwinistisch gepra¨gtes Menschenbild zeigte sich darin, daß er, obwohl kein Nationalsozialist, die sog. Euthanasie geistig KranGr. ker ausdru¨cklich befu¨rwortete. Northrop, John Howard (* 1891 Yonkers/New York, † 1987 Wickenburg/ Arizona). Stud. der Chemie und Zool. bei ! T. H. Morgan an der Columbia Univ. in New York, Prom. 1915, seit 1915 wiss. Zugeho¨rigkeit zum Rockefeller Inst. fu¨r Med. Forschung in New York, wo er bis 1924 zus. mit ! J. Loeb arbeitete. Im Ersten Weltkrieg leistete N. seinen Milita¨rdienst als chem. Forscher, wobei er sich von 1917-1918 an der Entwicklung einer fermentativen Herstellungsmethode von kriegswichtigem Aceton beteiligte. 1924 wurde N. vollwertiges Mitglied des Rockefeller Inst., 1949-1959 Prof. fu¨r Bakteriol. und Biophysik an der Univ. of California in Berkeley. Nachdem er sich in seinen fru¨hesten Arbeiten vor allem der Biochemie der Kohlenhydrate verschrieben hatte,
wurden die Mikrobiol. der Bakteriophagen und die Erforschung biochem. Enzymeigenschaften zu seinen Hauptforschungsgebieten. 1929/30 glu¨ckte N. die Isolierung des im Magensaft vorkommenden Pepsins, dem diejenige von Trypsin, Chymotrypsin, Ribonuklease usw. folgte. Entsprechend wurde ihm 1946 gem. mit J. B. Sumner und W. M. Stanley der Nobelpreis fu¨r Chemie verliehen. Ihre Arbeiten zur Reindarstellung von Enzymen und Virusproteinen gelten als wichtige Vorbedingung fu¨r die weitere Aufkla¨rung der Struktureigenschaften dieser biochem. Substanzen und waren ein entscheidender Schritt fu¨r das med. Versta¨ndnis viraler Tumorgenese. Werk: Crystalline enzymes: the chemistry of pepsin, trypsin, and bacteriophage, New York 1939; Enzymes and the Synthesis of Proteins, in: The chemistry and physiology of growth, hg. von A. K. Parpart, Princeton, NJ 1949, S. 398-403; Infectious Macromolecules, Arch. Biochem. Biophys. 1 (1962), Suppl., S. 7-11. Sth.
Nothnagel, Hermann (* 28. 9. 1841 Alt-Lietzego¨ricke/Mark Brandenburg, † 7. 7. 1905 Wien). 1863 Prom. in Berlin, Schu¨ler von ! L. Traube, 1865 Ass. ! E. v. Leydens in Ko¨nigsberg, 1866 Habil., 1868 Umhabil. nach Berlin, 1870 nach Breslau; seit 1872 o. Prof. fu¨r Materia medica und med. Poliklinik in Freiburg/Br., seit 1874 o. Prof. der speziellen Pathol. und Therapie und Dir. der med. Klinik in Jena, seit 1882 in Wien. N. fu¨hrte das physiol. Exp. in die Klinik ein, wobei er als Voraussetzung genaue klin. Beobachtungen und anat. Befunde forderte. Nach ihm benannt sind die N.sche Akroparaesthesie und das N.sche Syndrom (= oberes 243
Oberheuser, Herta
Nucleus-ruber-Syndrom). Herausragende Arbeiten sind: Angina pectoris vasomotoria (1867), Handbuch der Arzneimittellehre (1870), Topische Diagnostik der Gehirnkrankheiten (1879), Die Erkrankungen des Darms und des Peritoneum (1898) und Die Technik der Diagnose (1905). Seit 1894 gab N. das vierundzwanzigba¨ndige Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie heraus. Aus N.s beru¨hmter Wiener Antrittsvorlesung sind die Sa¨tze „Die Klinik stellt nicht Krankheiten, sondern kranke Menschen vor“ und „Nur ein guter Mensch kann ein großer Arzt sein“ immer wieder zitiert worden. Wil.
Oberheuser, Herta (* 15. 5. 1911 Ko¨ln, † 24. 1. 1978 Linz am Rhein). Staatsexamen 1936; Prom. Dr. med. 1938. Mitgliedschaft im BDM seit 1935, ab 1937 Mitglied der NSDAP und des Nationalsozialistischen Deut¨ rztebunds. Von 1938 bis 1940 schen A Ta¨tigkeit an der Hautklinik Du¨sseldorf. Ab 1940 Facharzt fu¨r Haut- u. Geschlechtskrankheiten an der Univ. Du¨sseldorf. 1940–43 Lagera¨rztin in Ravensbru¨ck. Danach in der Klinik Hohenlychen mit fortbestehenden Beziehungen zur Ravensbru¨ck. Dort Durchfu¨hrung von Sulfonamid-Experimenten und Knochentransplantationen vornehmlich an weibl., pol., poln. Ha¨ftlingen. 1942–43 Zusammenarbeit mit Prof. Karl Gebhardt in Hohenlychen; Beteiligung an Sterilisationsversuchen und to¨dlichen Injektionen. Festgenommen 1945. Als einzige ¨ rzteFrau angeklagt im Nu¨rnberger A prozess 1946–47. Verha¨ngtes Strafmaß 20 Jahre, inhaftiert in Landsberg. 1951 Verminderung der Strafzeit auf 244
10 Jahre. Entlassung am 5. April 1952. 1958 Entzug der a¨rztlichen Appr. Von 1952 bis 1960 Privatpraxis in Schleswig-Holstein. Werk: Zuckungs- und Wulstschwelle des musculus retractus abdominis des Frosches und ihre Beeinflussung durch Narkose, Diss., Bonn 1937. Wdl.
Oken, Lorenz (* 1. 8. 1779 Bohlsbach bei Offenburg, † 11. 8. 1851 Zu¨rich). L. Ockenfuß, ab 1803 Oken, stud. von 1800–04 Med. in Freiburg und habil. sich 1805 in Go¨ttingen. 1803 erschien im Geist der Naturphil. Schellings der Grundriß des Systems der Naturphilosophie, dem zahlreiche weitere Beitra¨ge mit der Ausarbeitung des eigenen naturphil. Standpunktes folgten. In Die Zeugung von 1805 wurden ‘Infusorien’ zur Basis aller Organismen erkla¨rt. In diese Zeit fielen auch seine Studien zur Entwicklung des Darms beim Hu¨hnerembryo. 1807 kam es durch Fu¨rsprache Goethes zur Berufung als ao. Prof. fu¨r Med. nach Jena. Seine Wirbeltheorie des Scha¨dels (1807) lo¨ste einen weitbeachteten Priorita¨tsstreit mit Goethe aus. Seit 1812 Prof. fu¨r Naturgesch., gab er 1817–48 die enzyklopa¨d. Zeitschrift Isis heraus. Teilnahme (1817) am Wartburgfest und Bericht in der Isis fu¨hrten zu Gerichtsverfahren und der Aufforderung zur Einstellung der Isis. O. gab die Prof. in Jena auf, kehrte aber nach Aufenthalten in Mu¨nchen, Paris und Basel 1822 als Privatperson nach Jena zuru¨ck. 1822 gru¨ndete er die noch heute aktive Gesellschaft dt. Naturforscher und ¨ rzte. 1827 wurde er als Prof. fu¨r PhyA siol. nach Mu¨nchen und 1832 nach Zwistigkeiten mit der Regierung und
Oberheuser, Herta
Nucleus-ruber-Syndrom). Herausragende Arbeiten sind: Angina pectoris vasomotoria (1867), Handbuch der Arzneimittellehre (1870), Topische Diagnostik der Gehirnkrankheiten (1879), Die Erkrankungen des Darms und des Peritoneum (1898) und Die Technik der Diagnose (1905). Seit 1894 gab N. das vierundzwanzigba¨ndige Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie heraus. Aus N.s beru¨hmter Wiener Antrittsvorlesung sind die Sa¨tze „Die Klinik stellt nicht Krankheiten, sondern kranke Menschen vor“ und „Nur ein guter Mensch kann ein großer Arzt sein“ immer wieder zitiert worden. Wil.
Oberheuser, Herta (* 15. 5. 1911 Ko¨ln, † 24. 1. 1978 Linz am Rhein). Staatsexamen 1936; Prom. Dr. med. 1938. Mitgliedschaft im BDM seit 1935, ab 1937 Mitglied der NSDAP und des Nationalsozialistischen Deut¨ rztebunds. Von 1938 bis 1940 schen A Ta¨tigkeit an der Hautklinik Du¨sseldorf. Ab 1940 Facharzt fu¨r Haut- u. Geschlechtskrankheiten an der Univ. Du¨sseldorf. 1940–43 Lagera¨rztin in Ravensbru¨ck. Danach in der Klinik Hohenlychen mit fortbestehenden Beziehungen zur Ravensbru¨ck. Dort Durchfu¨hrung von Sulfonamid-Experimenten und Knochentransplantationen vornehmlich an weibl., pol., poln. Ha¨ftlingen. 1942–43 Zusammenarbeit mit Prof. Karl Gebhardt in Hohenlychen; Beteiligung an Sterilisationsversuchen und to¨dlichen Injektionen. Festgenommen 1945. Als einzige ¨ rzteFrau angeklagt im Nu¨rnberger A prozess 1946–47. Verha¨ngtes Strafmaß 20 Jahre, inhaftiert in Landsberg. 1951 Verminderung der Strafzeit auf 244
10 Jahre. Entlassung am 5. April 1952. 1958 Entzug der a¨rztlichen Appr. Von 1952 bis 1960 Privatpraxis in Schleswig-Holstein. Werk: Zuckungs- und Wulstschwelle des musculus retractus abdominis des Frosches und ihre Beeinflussung durch Narkose, Diss., Bonn 1937. Wdl.
Oken, Lorenz (* 1. 8. 1779 Bohlsbach bei Offenburg, † 11. 8. 1851 Zu¨rich). L. Ockenfuß, ab 1803 Oken, stud. von 1800–04 Med. in Freiburg und habil. sich 1805 in Go¨ttingen. 1803 erschien im Geist der Naturphil. Schellings der Grundriß des Systems der Naturphilosophie, dem zahlreiche weitere Beitra¨ge mit der Ausarbeitung des eigenen naturphil. Standpunktes folgten. In Die Zeugung von 1805 wurden ‘Infusorien’ zur Basis aller Organismen erkla¨rt. In diese Zeit fielen auch seine Studien zur Entwicklung des Darms beim Hu¨hnerembryo. 1807 kam es durch Fu¨rsprache Goethes zur Berufung als ao. Prof. fu¨r Med. nach Jena. Seine Wirbeltheorie des Scha¨dels (1807) lo¨ste einen weitbeachteten Priorita¨tsstreit mit Goethe aus. Seit 1812 Prof. fu¨r Naturgesch., gab er 1817–48 die enzyklopa¨d. Zeitschrift Isis heraus. Teilnahme (1817) am Wartburgfest und Bericht in der Isis fu¨hrten zu Gerichtsverfahren und der Aufforderung zur Einstellung der Isis. O. gab die Prof. in Jena auf, kehrte aber nach Aufenthalten in Mu¨nchen, Paris und Basel 1822 als Privatperson nach Jena zuru¨ck. 1822 gru¨ndete er die noch heute aktive Gesellschaft dt. Naturforscher und ¨ rzte. 1827 wurde er als Prof. fu¨r PhyA siol. nach Mu¨nchen und 1832 nach Zwistigkeiten mit der Regierung und
Oreibasios
Amtsenthebung an die neugegr. Univ. in Zu¨rich berufen, die ihn zu ihrem ersten Rektor wa¨hlte. Natur und Geist sind nach O. urspru¨nglich identisch, Leben besitzt Geltung fu¨r die gesamte Natur, Entwicklung darf aber nicht real, sondern muß phil. verstanden werden. Werk: Beitra¨ge zur vergleichenden Zoologie, Anatomie und Physiologie (mit D.G. Kieser), Bd. 1–2, Bamberg 1806–07; Lehrbuch des Systems der Naturphilosophie, Bd. 1–3, Jena 1809–11, 21831, 31843; Allgemeine Naturgeschichte fu¨r alle Sta¨nde, Bd. 1–13, Stuttgart 1833–42. Eng.
Oppenheim, Hermann (* 1. 1. 1858 Warburg/Westfalen, † 22. 5. 1919 Berlin). Fu¨hrender Neurol. ju¨d. Glaubens, der sich fu¨r die Selbsta¨ndigkeit der Neurol. einsetzte. 1906 Vorsitzender der von ihm mitgegr. Gesellschaft Dt. Nervena¨rzte (Zusammen mit ! W. Erb). Stud. in Go¨ttingen, Berlin, Bonn. Von 1883–90 Ass. bei ! C. Westphal an der Nervenklinik der Charite´ in Berlin, 1886 Habil. Trotz des einstimmigen Votums der Berliner Med. Fak. wurde O. nicht zum Prof. e.o. ernannt, bekam 1893 eine Titularprof., legte aus Unmut u¨ber die Nichternennung 1898 seine Dozentur nieder. Seit 1891 Fu¨hrung einer bedeutenden Privatklinik mit erfolgreicher Praxis und umfassender Forschungsarbeit. Mit seinem Namen ist die Myatonia congenita verbunden. Arbeiten auf allen Gebieten der organ. und funktionellen Nervenkrankheiten. Formulierte 1889 die Lehre der „traumatischen Neurose“, die 1916 von Neurol. und Psychiatern einhellig zuru¨ckgewiesen wurde. Vero¨ffentlichte 1894 das Lehrbuch der Nervenkrankheiten,
das als Standardwerk 1923 in der 7. Schm. Aufl. erschien. Oreibasios (* ca. 325 Pergamon, † nach 395). Byz. Arzt; nach Stud. in Alexandreia begleitete O. 355 den spa¨teren Kaiser Julian Apostata (361–63) als Leibarzt und Bibliothekar nach Gallien; nach 361 wurde O. Quaestor von Konstantinopel; er teilte wohl Julians Neigung zum alten Go¨tterglauben, weswegen er nach dem Tod des Kaisers zuna¨chst einige Zeit verbannt war; ca. 375 du¨rfte O. nach Konstantinopel zuru¨ckgekehrt sein. O. verfaßte auf Wunsch Julians ein med. Exzerptenwerk in 70 Bd. (Iatrikai synagogai), von denen ca. 25 Bd. erhalten sind; der Plan des Werkes umfaßte allgemeine Dia¨tetik, Materia medica, Anat., Hyg., Krankenpflege, Diagnostik und Prognostik, alle Formen der Therapie; O. stellte jeweils die entsprechenden Textpassagen ¨ rzten“ zusammen, aus den „besten A um ein auch fu¨r die Praxis taugliches Hb. zu schaffen. Hauptquelle fu¨r O. war ! Galen, sein pergamen. Landsmann, daneben benutzte er auch ! Dioskurides, das Corpus Hippocraticum, ! Rufus v. Ephesos u.v.a; durch O. haben sich zahlreiche Zitate aus den Werken anderweitig verlorener med. Autoren erhalten. O. faßte das umfangreiche Exzerptenwerk nach 390 kurz zusammen in der seinem Sohn gewidmeten Synopsis pros Eustathion in 9 Bd.; die Chir. ließ er hierbei aus. Einige Jahre spa¨ter widmete O. dem heidn. Rhetor Eunapios die Euporista („Leicht zu beschaffende Heilmittel“) in 4 Bd., die einen Auszug aus der Sy245
Osiander, Friedrich Benjamin
nopsis darstellen. Es handelt sich um eine Art med. Hausarzneibuch fu¨r den gebildeten Laien. Die Selbsta¨ndigkeit des O. zeigt sich in allen drei Werken in der souvera¨nen Auswahl und Zusammenfu¨gung seiner zahlreichen Quellen. Mit O. beginnt die Hochscha¨tzung Galens; in diesem Sinne war O. wegweisend fu¨r spa¨tere byz. ¨ rzte, wie ! Aetios von Amida und A ! Paulos von Aigina. Die beiden ku¨rzeren Werke (Synopsis und Euporista) wurden im 6. Jh. in Norditalien ins Lat. u¨bers. Werk: Raeder, J. (Hg.), Oribasii Collectionum medicarum reliquiae, Bd. 1–4, CMG VI 1, 1. 2.; VI 2, 1. 2., Leipzig u. Berlin 1928–1933; ders. (Hg.), Oribasii Synopsis ad Eustathium. Libri ad Eunapium, CMG VI 3, Leipzig u. Berlin 1936; Daremberg, ¨ bers.: Ch. u. Bussemaker, U.C. (Hg.), lat. U uvres d’Oribase, Bd. 5, Paris 1873, 799–927; Bd. 6, ibid. 1876, 1–402 u. 403–626. Le.
Osiander, Friedrich Benjamin (* 9. 2. 1759 Zell, † 25. 3. 1822 Go¨ttingen). Stud. ab 1775 in Tu¨bingen Med., wo er 1779 prom. Zuna¨chst als prakt. Arzt in Kirchheim unter Teck niedergelassen, wandte er sich bald einer geburtshilfl. Ausbildung bei G.F. Sigwart in Tu¨bingen sowie in Straßburg bei G.A. Fried ¨ . in Kassel d.J. und bei G.W. Stein d.A zu. Hier erwarb er sich die Grundlagen fu¨r eine ausgefeilte geburtshilfl. Technik, besonders bei der Zangenentbindung. 1792 wurde er als Prof. fu¨r klin. Med. und Geburtshilfe an die Univ. Go¨ttingen als Nachfolger von J.H. Fischer, unter dessen Leitung dort ein akad. Entbindungsinst. errichtet worden war, berufen. Nachdem er das allg. Klinikum aufgegeben hatte, leitete er bis 1822 nur noch die Geba¨ranstalt. 246
O. wurde zum Protagonisten der operationsfreudigen frz. Schule in Deutschland. Mit seiner der geburtshilfl. Intervention den Vorzug gebenden „Entbindungskunst“ wurde nahezu die Ha¨lfte der von ihm geleiteten Entbindungen durch operative Eingriffe beendet. Damit geriet er in Gegensatz zu der von J.L. Boer in Wien propagierten natu¨rl. Geburtshilfe der engl. Schule. O. beschrieb erstmals den Ausstoßungsmodus bei der zentralen Plazentalo¨sung und entwickelte eine Reihe von geburtshilfl. Instrumenten. Werk: Lb. d. Hebammenkunst, Go¨ttingen 1796; Lb. d. Entbindungskunst, 3 Bd., 1799/1825. Schn.
Osler, Sir William (* 12. 7. 1849 Bond Head/Ontario, † 29. 12. 1919 Oxford). Kanad. Kliniker und Pathol. 1867 Theol.stud. an der Univ. Toronto; 1868 Wechsel zum Med.-stud., zuna¨chst in Toronto, dann an der McGill-Univ. in Montreal, dort 1872 MD mit Auszeichnung. Nach zweija¨hrigem Fortbildungsaufenthalt in Europa von 1874 bis 1884 als Lehrer an der McGill-Univ. und als Pathol. und Kliniker am Montreal General Hospital ta¨tig. O. fu¨hrte eine kleine Privatpraxis; war ferner auch literar. sehr produktiv. 1884 Fellow des Royal College of Physicians und Wechsel an die Univ. of Pennsylvania/Philadelphia. Ab 1889 Leitung des Johns Hopkins Hospitals und der Medical School/Baltimore. O. verband erfolgreich theoret. und prakt. Ausbildung und erwarb internat. Anerkennung als Forscher und Doz.; 1892 vero¨ffentlichte O. sein einflußreiches Werk The Principles and
Owen, Sir Richard
Practice of Medicine. Ab 1905 bis zu seinem Tod Regius Prof. der Med. in Oxford. O. geho¨rte in seiner Zeit zu den bekanntesten Medizinern des nordamerik. Kontinentes. Sein Hauptverdienst liegt in der Verbindung von klin. Arbeit und der Ta¨tigkeit des Pathol. im Sektionssaal und bildet die Grundlage fu¨r seine med. Beitra¨ge, so u.a.: 1901 die erste vollsta¨ndige Beschreibung der „Rendu-Osler-Weber-Krankheit“ (multiple erbl. Teleangiektasien an Haut und inneren Organen mit Blutungsneigung); 1909 die erste klin. Beschreibung der subakuten bakteriellen Endokarditis nach Beobachtung subkutaner roter Schleimhautkno¨tchen („Osler-Kno¨tchen“) 1888. O.s großes Interesse fu¨r Med.gesch. schlug sich u.a. in dem posthum 1921 hg. Werk The evolution of modern medicine nieder und ist durch die Bibliographie von O.s Bibliothek
mit u¨ber 7500 Ba¨nden noch heute dokumentiert. O. beeinflußte stark die Entw. der med. Ausbildung in Engl. u. den USA. O.s Charakter sowie sein großes Wissen u¨ber das med. Schrifttum, seine Allgemeinbildung sowie sein literar. Stil begu¨nstigten nach seinem Tod die Entstehung eines Osler-Mythos, der ein kaum u¨berschaubares Schrifttum zu seiner Person hervorbrachte. Werk: The Principles and Practice of Medicine, New York 1892; On a family form of recurring epistaxis, associated with multiple telangiectases of the skin and mucous membranes, Johns Hopk. Hosp. Bull. 12 (1901), 333–7; Chronic infectious endocarditis, Qu.. J. Med. 2 (1908–09), 219–30; The evolution of modern medicine, New Haven 1921. Pr.
Ould, Sir Fielding (* 1710 Galway/Irland, † 29. 11. 1789 Dublin). Sohn eines engl. Offiziers, arbeitete O. 1729–34 als Anat. Prosektor in der Dubliner Trinity College Medical School und stud. anschließend in Paris bei Gre´goire Geburtshilfe. Seit 1738 war er als lizenzierter Geburtshelfer in Dublin ta¨tig. 1742 schrieb O. sein beru¨hmtes Lb. 1759 wurde er gegen den Widerstand des College of Physicians Nachfolger von B. Mosse als Leiter der Dublin School of Midwifery. Hier wirkte er bis zu seinem Tod. O. gilt als Mitbegr. der Lehre von der Geburtsmechanik. Werk: A Treatise of Midwifery, Dublin 1742. Ba.
Sir William Osler (1849–1919)
Owen, Sir Richard (* 20. 7. 1804 Lancaster, † 18. 12. 1892 London). Med. Ausbildung in Lancaster, Edinburgh und London, dort unter Anleitung des Chir. J. Abernethys. Seine 247
Pagel, Julius Leopold
steile Karriere fu¨hrte u¨ber den Posten des Kurators der Hunterian Collection, verschiedener renommierter Lehrstu¨hle fu¨r Anat. und Physiol. zum Leiter der naturkundl. Abt. des British Museum. Bekannt v.a. durch die Debatte, in der das Evolutionskonzept des von ! G. Cuviers gepra¨gten und von der dt. Naturphil. beeinflußten Pala¨ontol. zu den Evolutionstheorien T.H. Huxleys wie auch C. Darwins Loe. in Widerspruch stand.
und hat nach dem Urteil Neuburgers der Gesch. der Med. vielleicht mehr Ju¨nger und Freunde geworben, als die gesamte u¨brige mediko-histor. Lit. der letzten Dezennien. Den Lebensunterhalt verdiente sich P. als Kassenarzt und Armenarzt. Ein Sohn und eine Tochter wurden in Auschwitz ermordet, dem Heidelberger Priv.doz. fu¨r Pathol. und Gesch. der Med., ! Walter P., gelang die Flucht v. Bro. nach England.
Pagel, Julius Leopold (* 29. 5. 1851 Pollnow/Pommern, † 31. 1. 1912 Berlin). Nach der Prom. 1875 bei dem Berliner Med.hist. ! A. Hirsch mit einer Diss. u¨ber die Geschichte der Go¨ttinger medizinischen Schule im 18. Jahrhundert von diesem ab 1885 zur Mitarbeit am Biographischen Lexikon hervorragender Aerzte aller Zeiten und Vo¨lker herangezogen, habil. sich P. 1891 fu¨r Gesch. der Med., wurde 1898 zum Titularprof. und 1901 zum ao. Prof. ernannt. Als ungetauftem Juden blieb ihm das Ordinariat verwehrt, obwohl er neben ! Sudhoff und ! Neuburger, mit dem er das große, von ! Puschmann geplante Handbuch der Geschichte der Medizin. (3 Bd. 1902– 5, ND 1971) herausgab, zu den Pionieren des Faches geho¨rte. Seine Einfu¨hrung in das Studium der Medizin (1899), sein Biographisches Lexikon hervorragender Aerzte des 19. Jahrhunderts (1901), seine Darstellung der Med. im MA (im Hb. 1902) geho¨ren zu den Standardwerken der Zeit. Die lebendig geschriebene, in Form von 25 Vorl. abgefaßte Einfu¨hrung in die Geschichte der Med. (1898) gab zum ersten Mal eine erscho¨pfende Darstellung der Heilkunde des 19. Jh.
Pagel, Walter (* 12. 11. 1898 Berlin, † 25. 3. 1983 London). Als namhafter Pathol., dessen Mitarbeit an dem Werk Pulmonary Tuberculosis (London l937, 41964) ihm internat. Anerkennung einbrachte, hat P. u¨ber 450 B., Aufsa¨tze, Rezensionen, meist zur Med.gesch., vero¨ffentlicht, fu¨r die der Vater ! Julius P. das Interesse weckte. 1922 Dr. med. Univ. Berl., habil. sich P. nach klin. Ta¨tigkeit in Berlin, pathol. Ass. in Tu¨bingen und kurzer Ass.zeit bei ! Sigerist in Leipzig 1930 in Heidelberg fu¨r Pathol., Anat. und Med.gesch. 1933 stellungslos und a¨ngstl. gemieden, emigrierte er nach kurzer Ta¨tigkeit bei ! Calmette am Inst. Pasteur nach England, wo er nach Ablehnung einer Stelle in New York und Prof. in Nanking als Pathol. an Londoner Krkh. ohne akad. Stellung und trotz schwerer Krankheiten in Fortsetzung seiner Studien u¨ber ! van Helmont (Einfu¨hrung in die philosophische Medizin des Barock, 1930) bahnbrechende Werke zur Med.gesch. der fru¨hen Neuzeit, insbes. zur ! Paracelsismusforschung, vero¨ffentlichte: Paracelsus: An Introduction to Philosophical Medicine in the Era of the Renaissance (1958, repr. 1982, dt. 1962, frz. 1963);
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Pagel, Julius Leopold
steile Karriere fu¨hrte u¨ber den Posten des Kurators der Hunterian Collection, verschiedener renommierter Lehrstu¨hle fu¨r Anat. und Physiol. zum Leiter der naturkundl. Abt. des British Museum. Bekannt v.a. durch die Debatte, in der das Evolutionskonzept des von ! G. Cuviers gepra¨gten und von der dt. Naturphil. beeinflußten Pala¨ontol. zu den Evolutionstheorien T.H. Huxleys wie auch C. Darwins Loe. in Widerspruch stand.
und hat nach dem Urteil Neuburgers der Gesch. der Med. vielleicht mehr Ju¨nger und Freunde geworben, als die gesamte u¨brige mediko-histor. Lit. der letzten Dezennien. Den Lebensunterhalt verdiente sich P. als Kassenarzt und Armenarzt. Ein Sohn und eine Tochter wurden in Auschwitz ermordet, dem Heidelberger Priv.doz. fu¨r Pathol. und Gesch. der Med., ! Walter P., gelang die Flucht v. Bro. nach England.
Pagel, Julius Leopold (* 29. 5. 1851 Pollnow/Pommern, † 31. 1. 1912 Berlin). Nach der Prom. 1875 bei dem Berliner Med.hist. ! A. Hirsch mit einer Diss. u¨ber die Geschichte der Go¨ttinger medizinischen Schule im 18. Jahrhundert von diesem ab 1885 zur Mitarbeit am Biographischen Lexikon hervorragender Aerzte aller Zeiten und Vo¨lker herangezogen, habil. sich P. 1891 fu¨r Gesch. der Med., wurde 1898 zum Titularprof. und 1901 zum ao. Prof. ernannt. Als ungetauftem Juden blieb ihm das Ordinariat verwehrt, obwohl er neben ! Sudhoff und ! Neuburger, mit dem er das große, von ! Puschmann geplante Handbuch der Geschichte der Medizin. (3 Bd. 1902– 5, ND 1971) herausgab, zu den Pionieren des Faches geho¨rte. Seine Einfu¨hrung in das Studium der Medizin (1899), sein Biographisches Lexikon hervorragender Aerzte des 19. Jahrhunderts (1901), seine Darstellung der Med. im MA (im Hb. 1902) geho¨ren zu den Standardwerken der Zeit. Die lebendig geschriebene, in Form von 25 Vorl. abgefaßte Einfu¨hrung in die Geschichte der Med. (1898) gab zum ersten Mal eine erscho¨pfende Darstellung der Heilkunde des 19. Jh.
Pagel, Walter (* 12. 11. 1898 Berlin, † 25. 3. 1983 London). Als namhafter Pathol., dessen Mitarbeit an dem Werk Pulmonary Tuberculosis (London l937, 41964) ihm internat. Anerkennung einbrachte, hat P. u¨ber 450 B., Aufsa¨tze, Rezensionen, meist zur Med.gesch., vero¨ffentlicht, fu¨r die der Vater ! Julius P. das Interesse weckte. 1922 Dr. med. Univ. Berl., habil. sich P. nach klin. Ta¨tigkeit in Berlin, pathol. Ass. in Tu¨bingen und kurzer Ass.zeit bei ! Sigerist in Leipzig 1930 in Heidelberg fu¨r Pathol., Anat. und Med.gesch. 1933 stellungslos und a¨ngstl. gemieden, emigrierte er nach kurzer Ta¨tigkeit bei ! Calmette am Inst. Pasteur nach England, wo er nach Ablehnung einer Stelle in New York und Prof. in Nanking als Pathol. an Londoner Krkh. ohne akad. Stellung und trotz schwerer Krankheiten in Fortsetzung seiner Studien u¨ber ! van Helmont (Einfu¨hrung in die philosophische Medizin des Barock, 1930) bahnbrechende Werke zur Med.gesch. der fru¨hen Neuzeit, insbes. zur ! Paracelsismusforschung, vero¨ffentlichte: Paracelsus: An Introduction to Philosophical Medicine in the Era of the Renaissance (1958, repr. 1982, dt. 1962, frz. 1963);
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Papanicolaou, George Nicholas
William Harvey’s Biological Ideas (1967); J. B. v. Helmont: Reformer of Science and Medicine (1982). Posthum erschienen The Smiling Spleen: Paracelsism in Storm and Stress (1984) sowie Religion and Neoplatonism in Renaissance Medicine (1985). Die Univ. Heidelberg ernannte P. 1956 zum ao. Prof., die Univ. Basel 1961, Heidberg 1966 zum Dr. med. h.c., die Univ. Leeds 1968 zum D. Litt. h.c.; Ehrenmitglied der Brit. Academy 1976 und vieler Gesellsch., Tra¨ger zahlreicher Auszeichnungen. v. Bro. Paget, Sir James (* 11. 1. 1814 Great Yarmouth/Norfolk, † 30. 12. 1899 London). Chir.-Ausbildung ab 1830, zuna¨chst als Chir.gehilfe in P.s Geburtsort Yarmouth, ab 1834 als Stud. am St. Bartholomew’s Hospital in London. P. stud. die theoret. Fa¨cher Anat., Physiol. und Pathol. 1835 gelang zusammen mit ! R. Owen die erste Beobachtung von Trichina spiralis im menschl. Ko¨rper. Nach Ende des Stud. weiter am St. Bartholomew’s Hospital ta¨tig, fu¨hrte P. dort ab 1847 Operationen durch und wurde schließlich 1861 als leitender Chir. angestellt. 1858 Chir. der Ko¨nigin Viktoria, 1863 des Prince of Wales, 1865 Mitglied des Royal College of Surgeons, 1875 Pra¨sident, 1883 Vizepra¨sident der Univ. London. P. geho¨rte in der 2. Ha¨lfte des 19. Jh. zu den renommiertesten engl. Chir. Er beschrieb zuerst den nach ihm benannten Tumor der weibl. Brustdru¨se, ferner die Knochenkrankheit „Osteitis deformans“. P. trug maßgeblich zur Entwicklung der wiss. Chir. und der klin. Pathol. bei, indem er Sektionsbefund, mikroskop. Analyse und Experi-
ment in die Ausu¨bung seiner Ta¨tigkeit einbezog. Am Ende seines Lebens war er hochgeehrt und Mitglied mehrerer wiss. Gesellsch. Werk: On disease of the mammary areola preceding cancer of the mammary gland, St. Bartholomew Hosp. Rep. 10 (1874), 87–89; On a form of chronic inflammation of bones (osteitis deformans), Med.-chir. Trans. 60 (1877), 37–64; 65 (1882), 225– 36. Pr.
Panizza, Oskar (* 12. 11. 1853 Kissingen, † 30. 9. 1921 Bayreuth). P., urspru¨ngl. Nervenarzt, galt wegen seiner bissig-krit. Gedichte, Dramen, Pamphlete und Satiren gegen Religion, Kirche, Papst und Kaiser Wilhelm II. als einer der scha¨rfsten Zeitkritiker des Fin de sie`cle. Wegen seiner „Himmels-Trago¨die“ mit dem Titel Das Liebeskonzil wurde er 1895 in Mu¨nchen zu einem Jahr Gefa¨ngnis verurteilt. K. Tucholsky hielt ihn fu¨r den „frechsten, ku¨hnsten, den geistreichsten und revolutiona¨rsten Propheten seines Landes“. P. starb 1921 in einer Nervenheilanstalt in Bayreuth. Werk: Du¨stere Lieder, 1886; Londoner Lieder, 1887; Da¨mmerungsstu¨cke, 1890; Aus dem Tagebuch eines Hundes, 1892; Visionen, 1893; Der teutsche Michel und der ro¨mische Papst, 1894, neu: Prescher, H. (Hg.), 1964; Der heilige Staatsanwalt (Komo¨die), 1895; Das Liebeskonzil, 1895; Dialoge im Geiste Huttens, 1897; Das Haberfeldtreiben im bair. Gebirge, 1897; Psichopatia criminalis, 1898; Nero (Trago¨die), 1899; Ruch, H. (Hg.), Visionen d. Da¨mmerung, 1914. Eck.
Papanicolaou, George Nicholas (* 13. 5. 1883 Kymi, † 19. 2. 1962 New York). Wurde in Kymi auf der Insel Euboea (Griechenland) geboren und stud. in 249
Paracelsus
Athen Med. Weitere biol. Studien und 1910 Prom. in Mu¨nchen. 1913 Auswanderung nach den USA. Zuna¨chst am Pathol. Inst. des New York-Hospital ta¨tig, wurde er von 1916–23 Mitarbeiter des Department of Gynaecology der Cornell Univ. Bereits 1917 im Zusammenhang mit Studien zur Ovarialfunktion erste Vaginalabstrich-Untersuchungen bei Frauen, die zur Beurteilung der hormonellen Situation und bald auch fu¨r die Krebsdiagnostik verwertet wurden. 1923 Ernennung zum Ass.- und 1937 Associate-Prof. an der Cornell Univ. New York. Hier 1947 zum Prof. und Leiter des Department of Clinical Anatomy berufen. Nach Arbeiten u¨ber Mo¨glichkeiten der Zellabstrichuntersuchung zur Karzinomdiagnostik an verschiedenen Organen fand die von P. begr. Zytodiagnostik rasch Anerkennung. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sie sich besonders in der Gyna¨kol. neben der von ! H. Hinselmann eingefu¨hrten Kolposkopie als weitere Meth. der Fru¨hdiagnostik des Uteruskarzinoms durch. Werk: New Cancer Diagnosis, 1928; Diagnosis of uterine cancer by the vaginal smear, 1943. Schn.
Paracelsus ! Theophrast von Hohenheim Pare´, Ambroise (* ca. 1510 Laval/ Mayenne, † 22. 12. 1590 Paris). Der wohl bekannteste Wundarzt des 16. Jh., ha¨ufig als „Vater der mod., wiss. Chir.“ geru¨hmt, wird meist mit drei wesentlichen Beitra¨gen in Verbindung gebracht: mit der Ablehnung ¨ ls bei der Schußwundenkochenden O versorgung, mit der Einfu¨hrung der 250
Gefa¨ßligaturen bei Amputationen anstelle der Kauterisation und mit der bereits von ! Soranos propagierten intrauterinen Wendungen des Ungeborenen (z.B. „Wendung auf die Fu¨ße“) in der Geb.hilfe. Keine dieser „Erfindungen“ war wirklich originell. Entweder variierte P. bereits bekannte Verfahren oder er erlo¨ste sie aus der Vergessenheit. P.s prinzipielle Bedeutung liegt in der neuen krit. Einstellung zur alten Chir. und in der Betonung der eigenen Erfahrungsbildung („comme l’expe´rience le monstre“) beim Prozeß des chir. Handelns und des med. Erkenntnisgewinns, wo mo¨glich mit, aber auch gegen die antiken oder zeitgeno¨ss. Autorita¨ten. Der Wundarzt P. war kein gebildeter Humanist, des Griech. und Lat., wenn u¨berhaupt, nur ma¨ßig ma¨chtig, wohl aber ein aufmerksamer und krit. chir. Praktiker im Zeitalter des Humanismus. Nach seiner Ausbildung, vielleicht in Angers oder Vitre´, ging er nach Paris und setzte seine Studien am HoˆtelDieu fort, wo er an vielen Sektionen teilnehmen konnte. Seit etwa 1536 arbeitete P. unter Mare´chal Montejan als Kriegschir. und nahm an der frz. Italien-Expedition teil. Wa¨hrend der Schlacht bei Turin soll dem Feldchir. das nach der Lehre des Giovanni da Vigo zur Kauterisation vergifteter ¨ l ausgegangen Schußwunden no¨tige O sein. An seiner Stelle applizierte P. einen Wundbalsam aus Eigelb, Roseno¨l und Terpentin. Am na¨chsten Morgen ging es den so Behandelten besser ¨ l Kauterials den mit kochendem O sierten. P. entschloß sich, die Ersatzmethode beizubehalten. Unterbrochen durch Teilnahmen an milita¨r. Kampagnen entfaltete P. seit 1539 in
Parkinson, James
mia, Einhorn und des geheimnisvollen Bezoar-Steins der La¨cherlichkeit preis und provozierte so einen heftigen Streit mit der Pariser Fak.; andererseits stand er dem Hexen-, Da¨monen- und Monstrenglauben seiner Zeit durchaus nahe. P. publizierte ausschließlich in seiner Muttersprache. Er war ein krit. Eklektiker in der Wundarznei des 16. Jh. Die prinzipielle Bereitschaft, auch etablierte Verfahren bezu¨gl. ihrer Nu¨tzlichkeit krit. zu hinterfragen, charakterisiert ihn. Als Motto wurde ihm die Aussage „Je le pensai, Dieu le guarit“ zugesprochen.
Ambroise Pare´ (ca. 1510–1590)
Paris seine chir. Praxis. 1552 wurde er von Henri II. zu einem seiner chirurgiens ordinaires und spa¨ter von Charles IX. zum premier chirurgien ernannt, in welcher Funktion er auch Henri III. diente. 1554 wurde er in das Chir.-Kollegium (Colle`ge de St. Coˆme) aufgenommen. P. hat seit den 1550er Jahren eine blu¨hende Praxis bei Hof und in der Stadt Paris gefu¨hrt und die Chir. seiner Zeit um vielerlei kleinere Neuerungen, bes. Instrumente bereichert. Auch zur Prothetik konnte er durch neuartige Konstruktionen beisteuern (Korsett, ku¨nstl. Harnro¨hre, Klumpfußstiefelchen fu¨r Kinder, ku¨nstl. Ha¨nde, Arme und Beine). In der trad. Wundarznei blieb P. der Sa¨ftekonzeption mit ihren entleerenden Meth. verbunden. Im Bereich der magischen Med. waren seine Auffassungen hingegen ambivalent. Einerseits gab P. 1582 den verbreiteten Gebrauch von Mu-
Werk: La me´thode de traicter les playes faictes par hacquebutes et autres bastons a` feu, Paris 1545; Briefve collection de l’administration anatomique, ibid. 1550; Dix livres de la chirurgie, aveque le magasin des instruments necessaire a` icelle, ibid. 1564; Discours, a savoir, de la mumie, de la licorne et de la peste, ibid. 1582; Les oeuvres, ibid. 1575, 21579, 31582, 41585; Malgaigne, J.-F., Oeuvres comple`tes d’A.P., revues et collationne´es sur toutes les editions, 3 Bd., ibid. 1840–41. Eck.
Parkinson, James (* 11. 4. 1755 Hoxton/London, † 21. 12. 1825 London). Ausbildung als Chir. beim Vater, 1784 Pru¨fung, Aufnahme einer a¨rztl. Praxis, 1787 Mitglied der Medical Society in London, polit. Engagement fu¨r eine Parlamentsreform, Vero¨ffentlichung zahlreicher regierungskrit. Pamphlete in den neunziger Jahren, Ta¨tigkeit in einer privaten Irrenanstalt, 1807 Mitbegru¨nder der Geol. Gesellschaft Londons. P. etablierte 1817 in seinem Essay on the Shaking Palsy das nach ihm benannte Krankheitsbild als nosol. Entita¨t. Die einzelnen Symptome (z.B. Tremor, Muskelschwa¨che, Propul251
Paschen, Enrique Frederico Mauricio
sionsneigung) waren zuvor verschiedenen Krankheiten zugeordnet worden. P. beschrieb 1812 erstmals in England eine perforierte Appendicitis. Er setzte sich fu¨r eine effektivere Kontrolle der Irrenanstalten zum Schutz der Patienten ein und verfaßte daru¨ber hinaus geol. und pala¨ontol. Werke. Werk: The Chemical Pocket-Book, London 1800; Medical admonitions to families, ibid. 1801; Organic Remains of a Former World, 3 Bd., ibid. 1804–11; Mad-houses, ibid. 1811; An Essay on the Shaking Palsy, ibid. 1817. Bro¨.
Paschen, Enrique Frederico Mauricio (* 30. 12. 1860 Tacubaya/Mexico, † 22. 10. 1936 Hamburg). P. wurde bekannt durch den ersten mikroskop. Nachweis (1906) des Vakzineerregers der Pocken (P.sche Ko¨rperchen). Sein erster Virusnachweis fand erst Mitte der 20er Jahre allg. wiss. Anerkennung. 1890–1911 Ass. der Hamburger Staats¨ berpru¨fung der impfanstalt; 1911–12 U Pockenimpfungen im Kaiserl. Schutzgebiet Togo; 1912 Prof. in Hamburg. Werk: Was wissen wir u¨ber den Vakzineerreger, Mu¨nch. Med. Wschr. 53 (1906), 2391–3. Eck.
Pasteur, Louis (* 27. 12. 1822 Dole, Jura/Frankreich, † 28. 9. 1895 Chaˆteau Villeneuve-l’E´tang bei Paris). P. gilt als einer der Begr. der mod. Med. Er kam jedoch nicht aus der Med., sondern von der Chemie. Im Gegensatz zu ! R. Kochs morphol. Ansatz betonte P. die physiol. Betrachtung von Mikroorganismen. In der Chemie hatte er seine ersten Erfolge mit wichtigen Beitra¨gen zur Begr. der Stereochemie. Auch P.s na¨chstes 252
Arbeitsgebiet, das Pha¨nomen der Ga¨rung (seit 1857), war nicht prima¨r med. ausgerichtet. P. fu¨hrte Ga¨rungsprozesse, und im Schluß daraus auch andere organ. Fa¨ulnisprozesse einschließl. der Eiterung von Wunden, auf die Aktivita¨t spezif. Mikroorganismen und nicht auf rein chem. Vorga¨nge zuru¨ck. P.s Aufmerksamkeit galt grundlegenden Fragen wie der Beziehung von Mikroorganismen und ihrer Umwelt, er zielte aber immer auch auf die Lo¨sung prakt. Probleme. So bescha¨ftigte er sich erfolgreich mit Verbesserungen der Wein-, Essig- und Bierherstellung (Pasteurisierung) sowie der Seidenraupenzucht. Von der Betrachtung der Ga¨rung gelangte P. zu der umstrittenen Frage der Mo¨glichkeit einer spontanen Entstehung von Leben. In mehreren langwierigen Disputen (1860–79) gelang es Pasteur schließlich, die Mehrzahl seiner Zeitgenossen davon zu u¨berzeugen, daß Mikroorganismen nicht von selbst entstehen ko¨nnen, sondern immer Folge einer „Ansteckung“ sind. Als besonders u¨berzeugend gelten noch heute seine beru¨hmten Versuche, in denen er den Inhalt eines Gefa¨ßes, das so eingerichtet war, daß zwar die Umgebungsluft, nicht aber die darin enthaltenen Keime eindringen konnten, unbegrenzt keimfrei hielt und erst nach Zutritt keimhaltiger Umgebungsluft Mikroorganismen nachweisbar waren. Erstmals 1877 wandte sich P. einem med. Thema zu, dem Milzbrand. Er stu¨tzte Kochs bakteriol. Theorie durch eigene Beitra¨ge, ging dann aber, charakteristischerweise, zur prakt. Anwendung u¨ber. P. schwa¨chte lebende Milzbranderreger durch Kultivierung
Pauling, Linus Carl
P. hatte seit 1888 sein eigenes außeruniv. und wohlausgestattetes Forschungsinst. Zahlreiche Ehrungen zeugen von der Bedeutung, die man ihm schon zu Lebzeiten zumaß. Werk: Vallery-Radot, R. (Hg.), Oeuvres de Pasteur, Paris 1922. Schl.
Louis Pasteur (1822–1895)
unter erho¨hter Temperatur ab und konnte so 1881 in einem aufsehenerregenden Feldversuch in Pouilly-leFort demonstrieren, daß Tiere, die zuvor mit dem abgeschwa¨chten Erreger infiziert worden waren, nicht mehr an der Infektion mit dem Originalerreger starben. Anschließend u¨bertrug er das Prinzip auf den Menschen, und zwar anhand der Tollwut. Er hielt sich nicht mit einer Darstellung des Tollwuterregers auf, sondern begann gleich, einen Impfstoff zu entwickeln, zuna¨chst u¨ber eine Abschwa¨chung durch Kultivierung in verschiedenen Tierarten, schließlich auch durch In-vitro-Kulturen mit ZNS-Gewebe. Die erste erfolgreiche Impfung eines infizierten Kin¨ ra nicht des 1885 ero¨ffnete eine neue A nur der Tollwutimpfung, sondern fu¨r dieses Behandlungsprinzip generell.
Patin, Guy (* 31. 8. 1601 Houdan/ Beauvais, † 30. 3. 1672 Paris). Sohn eines Landverwalters, besuchte P. die Schule in Beauvais, ehe er 1610 in das „Colle`ge de Boncourt“ zu Paris aufgenommen wurde. Ab 1622 stud. er Med. und prom. 1627. Nachdem sein Freund ! J. Riolan d. J. (1580–1657) sich zuru¨ckgezogen hatte, erhielt P. 1654 den Lehrstuhl fu¨r Med. am „Colle`ge Royal“. Hier erwies er sich als strenger Gegner des ! Paracelsismus und jeglicher Neuerung in der Med. Spo¨ttisch als Doktor der drei ,S‘ ( Saigne´e, Sirop, Sene´ = Aderlaß, Sirup, Sennazubereitungen) apostrophiert, galt P. als konservativster Med. seiner Zeit. Sein wichtigstes Werk erschien 1643 in Paris unter dem Titel Traite´ de la conservation M.-J. de la sante´. Pauling, Linus Carl (* 28. 02. 1901 Portland/Oregon, † 19. 08. 1994 Deer Flat Ranch/California). Schulzeit in Oregon, ab 1917 Oregon Agricultural College in Corvallis, 1922 Bachelor of Science (B.Sc.) in Chemical Engineering. 1922 bis 1925 Graduate student am California Institute of Technology in Pasadena (Caltech), 1925 Promotion zum Ph.D. (Thema: The Determination with Xrays of the Structure of Crystals) im Hauptfach Chemie, Nebenfa¨cher Physik u. Mathematik. 1926 Guggenheim 253
Pauling, Linus Carl
Stip. u. Studienaufenthalt in Europa. Bei Ru¨ckkehr nach Pasadena 1927 Assistant Professor of Theoretical Chemistry. 1930 Arbeiten zur Quantenmechanik bei A. Sommerfeld, Inst. f. Theoretische Physik Mu¨nchen. 1931 Full Professor, wiederum Caltech, Pasadena. 1933 Wahl zum ju¨ngsten Mitglied der National Academy of Sciences. 1934-1937 erste Unters. der chem. Struktur von Ha¨moglobin gefo¨rdert durch die Rockefeller Foundation. 1937 Director of the Gates Laboratory and Chairman of the Division of Chemistry and Chemical Engineering, Caltech Pasadena. Ab 1940 intensivere Arbeiten an med. Fragen, v.a. an Problemen der Spezifita¨t biochemischer Interaktionen auf zellula¨rer Ebene u. der Rolle von Antigenen u. Antiko¨rpern in der Immunantwort. Gleichzeitig Entwicklung des Pauling Oxygen Meter, das zuna¨chst in UBooten u. Flugzeugen zur Bestimmung der Sauerstoff-Sa¨ttigung von Atemluft zum Einsatz kommt, spa¨ter ¨ berwachung der vor allem zur U Atemfunktion von Fru¨hgeborenen. In dieser Zeit auch Arbeiten an Explosiv- und Raketentreibstoffen (z. B. Linusit). Wa¨hrend des Zweiten Weltkrieges Entwicklung von synthetischem Blutplasma fu¨r Verwundete, spa¨ter genutzt fu¨r zivile Blutersatztherapie. 1940 Vorstellung des Konzepts der molekularen Komplementarita¨t, durch das P. das Ineinandergreifen von Moleku¨len in Organismen erkla¨rt u. das er als Grundlage aller Lebensvorga¨nge versteht. 1946, sieben Jahre vor J. Watson und ! F. Crick, Postulat, daß das Erbmaterial aus zwei komplementa¨ren Stra¨ngen besteht und dass Krankheit molekular bedingt ist. Gemeinsam mit H. Itano 254
Pauling, Linus Carl
1948 erstmalige molekulare Erkla¨rung der Sichelzellana¨mie. Nach Einsatz der amerikanischen Atombomben am 6. und 9. August 1945 in Hiroshima u. Nagasaki widmet sich P. der ¨ chtung von MassenvernichtungsA waffen. Nachfolgend Einschra¨nkungen seiner Reisefreiheit durch die US-Beho¨rden, die erst zur Verleihung des Nobelpreises fu¨r Chemie 1954 aufgehoben wurde. 1958 u¨berreicht P. dem damaligen Generalsekreta¨r der Vereinten Nationen, D. Hammarskjo¨ld, eine von 11 000 Wissenschaftlern aus aller Welt unterzeichnete Petition zur Einstellung der Atomwaffenversuche. Fu¨r sein Engagement fu¨r das Zustandekommen des Atomtestabkommens im Jahre 1962 erha¨lt P. 1963 den Friedensnobelpreis (fu¨r das Jahr 1962). Ab 1960 Arbeiten zu molekularen Grundlagen psychiatrischer Erkrankungen (Orthomolecular
Pawlow, Iwan Petrowitsch
psychiatry), die spa¨ter in ein umfassendes Konzept orthomolekularer ¨ ffentlichkeit Med. mu¨nden. In der O wurde er in diesem Zusammenhang vor allem als Verfechter von Vitamin-C-Gaben bekannt. 1973 gru¨ndete er an der Stanford University das Institute of Science and Medicine um das Konzept der orthomolekularen Medizin voranzutreiben. Bis kurz vor seinem Lebensende trat P. fu¨r Gesundheitsaufkla¨rung sowie die internationale Friedensbewegung ein. Neben zwei ungeteilten Nobelpreisen wurden P. eine weitere Reihe hoher Ehrungen und Auszeichnungen zuteil. Werk: The Theoretical Prediction of the Physical Properties of Many-Electron Atoms and Ions, Mole Refraction, Diamagnetic Susceptibility, and Extension in Space, Proceedings of the Royal Society of London. Series A, Containing Papers of a Mathematical and Physical Character 114 (1927), S. 181-211; A Theory of the Structure and Process of Formation of Antibodies, J. Am. Chem. Soc. 62 (1940), S. 2643-2657; Experientia 6 (1950), S. 201209; Orthomolecular Psychiatry, Science 160 (1968), S. 265-271. Pl.
Paullini, Christian Franz (* 25. 2. 1643 Eisenach, † 10. 6. 1712 Eisenach). Stud. in Kopenhagen, Wittenberg, England, Prom. in Leiden, 1673 Arzt in Hamburg, 1675 Leibarzt und Historiograph des Bischofs in Mu¨nster, 1678 des Herzogs in Wolfenbu¨ttel, seit 1689 Stadtphysicus in Eisenach. Der Dichter, Historiker, Arzt und Naturforscher P. wurde beru¨hmt durch sein Buch u¨ber die Heilsame DreckApotheke (Frankfurt/M. 1696), in dem er volksmed. Heilmittel wie Bro¨. Urin und Kot empfahl.
Paulos von Aigina (7. Jh.). Byz. Arzt, wirkte vermutlich in Alexandria, als die Stadt von den Arabern erobert wurde (642); sein med. Hb. (pragmateia) besteht aus sieben Bd., von denen die beiden ersten (I: allg. Hyg. und Dia¨tetik, II: Fieberlehre) aus dem Sammelwerk des ! Oreibasios scho¨pfen. In den folgenden B. (III: Krankheiten a capite ad calcem, IV: Hautkrankheiten und Wu¨rmer, V: Tierische und pflanzliche Gifte und Gegenmittel, VI: Chirurgie, VII: Arzneimittel, alphabetisch) zieht P. ! Galen und andere Autoren heran, als ju¨ngsten ! Alexandros von Tralleis. P. sieht seine Epitome als Parallele zu den zeitgeno¨ss. jurist. Kodifikationen und verzichtet bewußt auf eigene Theorien, fu¨gt allerdings Beobachtungen aus der Praxis hinzu. Bd. III (Krankheiten) wurde im fru¨hen MA ins Lat. u¨bers., aber sein Einfluß war gering. Bei den arab. Med.hist. des MA war P. als al-qawa¯balı¯ („fu¨r Hebammen zusta¨ndig“) bekannt. Ins Arab. u¨bers. durch ! Hunain b. ˙ seinem Isha¯q, finden sich Zitate aus ˙ ¨ Hb. bei spa¨teren arab. Arzten. ¨ bers., dt.), Paulos’ von Werk: Berendes, I. (U Aegina, des besten Arztes sieben Bu¨cher, Leiden 1914; Heiberg, I.L. (Hg.), Paulus Aegineta, Bd. 1–2, CMG IX 1. 2, Leipzig u. Berlin 1921–1924. Le.
Pawlow, Iwan Petrowitsch (* 27. 9. 1849 Rjasan’, † 27. 2. 1936 Leningrad). Bedeutender russ. Physiol., erster Nobelpreistra¨ger unter den Gelehrten Rußlands. In der Familie eines Geistlichen in Rjasan’ geb., besuchte er zuerst eine geistliche Schule und ein geistliches Seminar. Von 1870–75 stud. er in der naturwiss. Abt. der Physikal.-math. Fak. der Petersburger 255
Pecquet, Jean
Univ. Nach dem Stud. bekam P. die erste Anstellung als Ass. des Lehrstuhls fu¨r Physiol. an der Med. chir. Akad. und nahm ein zusa¨tzl. Med.stud. an der genannten Akad. auf, welches er 1879 mit Auszeichnung beendete. Von 1878–90 arbeitete P. im Physiol. Lab. des russ. Klinikers S.P. Botkin. P. teilte die von B. vertretene Idee des ¨ berzeusog. „Nervismus“ sowie die U gung B.s von der Notwendigkeit der weiteren Anna¨herung der klin. Med. und exp. Physiol. P. entwickelte neue Meth. und Modelle physiol. Experimente. 1879 legte er einem Hund eine sta¨ndige Bauchspeicheldru¨senfistel an und erforschte im Dauerversuch am lebenden Tier die komplexen Vorga¨nge der Verdauung. Seine mehrja¨hrige Arbeit auf diesem Gebiet wurde 1904 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Im Jahre 1884 wurde P. zwei Jahre nach Deutschland geschickt und arbeitete in den Laboratorien von R. Heidenhain in Breslau und dann bei ! C. Ludwig in Leipzig. Nach der Ru¨ckkehr setzt P. seine im Ausland begonnenen Forschungen zum Blutkreislauf und der Verdauung fort. Ihm gelang der Versuch mit der Scheinfu¨tterung des Hundes und die Entdeckung der die Pankreassekretion regulierenden Nerven. 1897 erscheinen die Vorlesungen u¨ber die Arbeit der Hauptverdauungsdru¨sen. 1890 wurde P. zum Prof. an der Milita¨rmed. Akad. Petersburg berufen. Er leitete zuerst den Lehrstuhl fu¨r Pharmakol. und ab 1897 fu¨r Physiol. 1907 wurde P. zum ordentl. Mitglied der Akad. der Wiss. Rußlands gewa¨hlt. Seit Beginn dieses Jh. bescha¨ftigte P. sich mit der Ta¨tigkeit der ho¨heren Abschnitte des Zentralen Nervensy256
stems. Die materialistische Lehre P.s von der ho¨heren Nerventa¨tigkeit, die Lehre von den sog. „bedingten Reflexen“, die erst im Laufe des individuellen Lebens erworben werden, wurde zu einer der wichtigsten Entdeckungen unserer Zeit auf dem Gebiet der Hirnphysiol. Seine Forschungen setzte P. auch nach der Oktoberrevolution fort. Im Jahre 1921 wurden die Arbeits- und Lebensbedingungen P.s per Dekret des Rates der Volkskommissare abgesichert. In der Na¨he von Leningrad entstand ein spezielles wiss. Zentrum, das sich hauptsa¨chlich mit dem Stud. der ho¨heren Nerventa¨tigkeit bescha¨ftigte und als „Hauptstadt der bedingten Reflexe“ galt. 1923 erschienen die Zwanzigja¨hrigen Erfahrungen des objektiven Studiums der ho¨heren Nerventa¨tigkeit (des Verhaltens) der Tiere. Die bedingten Reflexe, und 1927 die Vorl. u¨ber die Arbeit der Großhirnhemispha¨ren. Bis ins hohe Alter setzte P. seine Forschungen fort. Werk: Pickenhain, L. (Hg.), Sa¨mtliche Werke, 6 Bd., Berlin (Ost) 1953–1956. De.
Pecquet, Jean (* 9. 5. 1622 Dieppe/ Frankreich, † Febr.1674 Paris). Seit 1646 Stud. in Paris, seit 1651 in Montpellier, Prom. 1652, Ru¨ckkehr nach Paris, Leibarzt der Marquise de Se´vigne´, Teilnahme an Transfusionsexperimenten der Acade´mie des Sciences 1666/67. P. entdeckte 1647 als Student durch Vivisektion beim Hund den Ductus thoracicus und die spa¨ter sog. Cisterna chyli. Er wies nach, daß der verdaute Nahrungsbrei nicht in die Leber, sondern u¨ber den Ductus in die Vena cava superior und dann ins Herz gelangt.
Pettenkofer, Max von Werk: Experimenta nova anatomica, Paris 1651. Bro¨.
Petrus Hispanus (* nach 1210, † 1277). Als Verfasser der Summule logicales (Hb. der Dialektik) und anderer phil. Werke einer der einflußreichsten Philosophen des MA, Lehrer der Med. in Siena, pa¨pstl. Leibarzt und ab 1276 selbst Papst (Johannes XXI.). Der Thesaurus pauperum ist eine beliebte umfangreiche Sammlung von Heilmitteln aus zahlreichen Quellen (nicht jedoch, wie aus dem Titel oft irrtu¨mlich geschlossen wird, eine Armenpharmakopo¨e!) mit weiter landessprach. Rezeption und zahlreichen Drucken ab 1476(!). Er kommentiert die in der Articella enthaltenen Schriften und die Werke des ! Isaak Judaeus; wenig originell sind seine Augenheilkunde und seine Aderlaßregeln. Werk: Da Rocha Pereira, M.H., Pedro Hispano, Obras me´dicas, Coimbra 1973. Fi.
Pettenkofer, Max von (* 3. 12. 1818 Lichtenheim bei Neuburg/Donau, † 10. 2. 1901 Mu¨nchen). P. ging nach der Schulausbildung als Apothekerlehrling in die Mu¨nchener Residenz-Apotheke zu seinem Onkel Franz Xaver Pettenkofer (1783–1850) und stud. im Anschluß an die Lehrzeit Pharmazie und Med. in Mu¨nchen. 1843 bestand er die Appr.pru¨fung als Apotheker und wurde zum Dr. med. prom. Weitere Studien in Wu¨rzburg bei J. J. Scherer und Gießen bei J. v. Liebig folgten, ehe er 1847 a1s ao. Prof. fu¨r med. Chemie an die Mu¨nchener Univ. berufen wurde. 1850 ernannte man P. zum Kgl. Bayerischen Hof- und Leibapotheker und Vorstand der Residenz-Apotheke. In den folgenden Jahren wandte sich
Max von Pettenkofer (1818–1901)
P. jedoch von der Pharmazie zunehmend der Med. zu. Seit 1853 o. Prof. fu¨r med. Chemie, entwickelte P. seine grundlegenden Theorien zur Hyg. Dabei bescha¨ftigten ihn Fragen der Kanalisation, der Heizung, Ventilation und Lu¨ftung ebenso wie Untersuchungen zum Grundwasser und zur Funktion der Kleidung. Seine Schriften Boden und Grundwasser in ihren Beziehungen zu Cholera und Typhus (1869) und Ueber den Werth der Gesundheit fu¨r eine Stadt (1873) machten P. bald als fu¨hrenden Hyg. bekannt. Die von ihm 1883 gegr. Zeitschrift Archiv fu¨r Hygiene diente ihm in der Folgezeit als Sprachrohr fu¨r seine seuchenkundl. und seuchenpolit. Arbeiten. Weitere Forschungen zur Verbreitung und Verhu¨tung von Cholera und Typhus ließen das med. Fachgebiet Hyg. entstehen, das P. an dem 1879 ero¨ffneten Hyg. Inst. der Univ. Mu¨nchen als erster vertrat. P. blieb den bakteriol. 257
Peyer, Johann Conrad
Theorien und Forschungen seines Kollegen ! R. Koch gegenu¨ber zeitlebens skeptisch. Diese Ablehnung der wiss. Bakteriol. a¨ndert aber nichts an P.s grundlegenden Leistungen auf dem Gebiet der Hyg., die ihm zur Mitgliedschaft in der Leopoldina (1859), zum erbl. Adel (1883) und zum Titel Exzellenz (1898) verhalfen. Von einer unheilbaren Krankheit befallen, beM.-J. ging P. 1901 Selbstmord.
Werk: De glandulis intestinorum, Schaffhausen 1677; Merycologia, Basel 1685. Ba.
heilkunde war. Von Escherichs pa¨diatr. Bakteriol. ausgehend, arbeitete P. auf allen Gebieten der Pa¨diatrie. Mit ! A. Schlossmann gab er 1906 das Handbuch der Kinderheilkunde heraus (2. Aufl. 1910–12, 3. Aufl. 1923/24, 4. Aufl. 1931; 2 engl. Auflagen 1908 bzw. 1912–14). Von Mu¨nchen aus begr. er eine weitverzweigte Pa¨diaterschule in Deutschland, zu der ! E. Moro, Th. Go¨tt, A. Uffenheimer, J. Husler, E. Benjamin, R. Degkwitz, B. de Rudder, O. Ullrich, A. Wiskott, G. Weber und H. Mai geho¨rten. Schon fru¨h in einem biologist. Sinne an Konstitutionsfragen, der Diathesenlehre, der Neugeborenen-Physiol. und Ko¨rpermaß-Studien an Kindern interessiert, fo¨rderte P. aber auch sa¨uglingsfu¨rsorger. und psychotherap. Ansa¨tze seiner Schu¨ler und bedauerte nach 1918 den dt. Ru¨ckstand in der Rachitisprophylaxe bzw. Diphtherie-Schutzimpfung gegenu¨ber dem westl. Ausland. In den vom Nationalsozialismus favorisierten Vererbungsfragen zunehmend kritisch eingestellt, legte P. 1935–43 fu¨nf große, detailliert statist. gearbeitete „Studien u¨ber Fru¨htod, Geschlechtsverha¨ltnis und Selektion“ vor, die den Abschluß seiHu. nes Lebenswerkes bildeten.
Pfaundler, Meinhard von (* 7. 6. 1872 Innsbruck, † 20. 7. 1947 Piburg bei Oetz/Tirol). P. stud. in Innsbruck und in Graz und prom. 1896 zum Dr. med. Als Schu¨ler ! Th. Escherichs 1900 in Graz fu¨r Kinderheilkunde habil. folgte er seinem Lehrer 1902 als Extraord. und Vorsteher der Grazer Kinderklinik nach, bis er 1906 ans Haunersche Kinderspital nach Mu¨nchen berufen wurde, wo er 1912–39 Ord. der Kinder-
Pfeiffer, Emil (* 1. 3. 1846 Wiesbaden, † Juli 1921 Wiesbaden). Balneol., Pa¨diater. P. stud. Med. in Bonn, Wu¨rzburg und Berlin, wo er 1869 prom. In Folge ließ er sich in Wiesbaden nieder, wo er sich um die Entwicklung des dortigen Ba¨derwesens verdient machte (Wiesbaden als Curort, 1887; Die Badecur in Wiesbaden, 1919; etc.). P. war von 1883– 1913 Hg. der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft fu¨r Innere
Peyer, Johann Conrad (* 26. 12. 1653 Schaffhausen, † 29. 2. 1712 Schaffhausen). P. stud. ab 1673 Med. in Basel, Schaffhausen (bei ! J.J. Wepfer, 1675–77) und Paris (bei J. Duverney, 1677– 79). Seit 1680 Arzt in Schaffhausen, u¨bernahm er spa¨ter eine Lehrstelle fu¨r Eloquenz (1690) und Logik (1693) am dortigen Collegium, die er bis zu seinem Tode innehatte. Mit J.J. Wepfer und ! J.C. Brunner bildete P. die anat. orientierte Schaffhau¨ rzteschule. 1677 beschrieb er die ser A Folliculi lymphatici aggregati im Ileum („P.-Plaques“), ein Organ der Lokalimmunita¨t.
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Pinel, Philippe
Med. sowie der Verhandlungen der Gesellschaft fu¨r Kinderheilkunde von 1890–1906. Das P.sche Dru¨senfieber (Mononucleosis infectiosa) ist nach ihm benannt (Jb. fu¨r Kinderheilkd., Gr. N.F. 29 (1889), 257). Pfeiffer, Richard (* 27. 3. 1858 Zduny/ Provinz Posen, † 1945 Bad Landeck/ Schlesien). P. absolvierte die Kaiser-WilhelmsAkad., wurde 1880 zum Dr. med. prom. Bis 1889 Milita¨rarzt, wurde er 1887 zu ! R. Koch ans Berliner Hyg.-Inst. kommandiert, 1891 fu¨r Hyg. und Bakteriol. habil. sowie Vorsteher der Wiss. Abt. des Inst. fu¨r Infektionskrankheiten. 1897 mit der Dt. Kommission zur Erforschung der Pest in Indien, 1898 mit Koch zur Malariaforschung in Italien, wurde er 1899 Ord. in Ko¨nigsberg und 1909–25 in Breslau. Neben einer Vielzahl von Beitra¨gen zur Bakteriol., Immunol. und Protozool., sticht P. als letzter direkter Koch-Ass., der ein Ord. erhielt, durch seine vielfa¨ltige Zusammenarbeit mit und Fo¨rderung von ju¨d. Bakteriol. wie C. Fraenkel, B. Proskauer, E. Friedberger, C. Prausnitz, W. OettinHu. ger und H. Lubinski hervor. Pfeufer, Karl von (* 22. 12. 1806 Bamberg, † 13. 9. 1869 Mu¨nchen). Stud. ab 1824 Med. in Erlangen und Wu¨rzburg, wo er 1831 prom. Als Schu¨ler und spa¨ter Ass. ! Scho¨nleins war der eng mit ! Henle befreundete P. einer der Protagonisten der Einfu¨hrung naturwiss. Meth. in die klin. Med. Gemeinsam mit Henle gru¨ndete er 1844 die Zeitschrift fu¨r rationelle Medizin, die bis 1869 erschien. Nach Praxis in Mu¨nchen wurde P. 1839 als Nachfolger Scho¨nleins Dir. der
Med. Klinik in Zu¨rich. 1844 und 1852 folgten Professuren in HeidelGr. berg respektive Mu¨nchen. Pietro d’Abano (* 1257 Abano/Italien, † 1315 Padua). Nach Abschluß seiner Studien in Padua unternahm P. zahlreiche Reisen. In Konstantinopel kaufte er die Werke von Aristoteles und ! Galen, die damals noch nicht u¨bers. waren. Ende des 13. Jh. unterrichtete er in Paris, wo er seine wichtigsten Arbeiten verfaßte. Ab 1307 lehrte er in Padua. Seine Reputation ist mit dem 1472 vero¨ffentlichten Werk Conciliator verbunden. Hier versucht P. die Konflikte zwischen Phil. und Med. einzugrenzen, indem er die wichtigsten Problembereiche einer scholast. Analyse unterzieht, und zwar zu einer Zeit, in der die Med. versucht, ihre Unabha¨ngigkeit von der Theol. zu erlangen. P. vero¨ffentlichte einen Kommentar zu den Problemata des Aristoteles sowie eine Edition der Materia medica des ! Dioskurides. P. interessierte sich insbes. fu¨r Magie und Astrol. und glaubte, daß die Natur durch die Himmelsko¨rper beeinflußt wird. Folglich sollte sich der Arzt bei der Bestimmung des Zeitpunktes von Operationen oder der Verabreichung von Medikamenten nach der gu¨nstigsten astrol. Konstellation richten. ¨ bernatu¨rl. Erkla¨rungen lehnte er U ab, glaubte aber an die Heilkra¨fte bestimmter Menschen, die ihnen durch die Natur verliehen worden seien. Fa. Pinel, Philippe (* 20. 4. 1745 Roques/ Gemeinde Jonquie`res, † 25. 10. 1826 Paris). Stud. am Colle`ge des Pe`res de la Doctrine Chre´tienne in Lavaur, ab 1766 259
Pinel, Philippe
Philippe Pinel (1745–1826)
am Colle`ge d‘Esquille in Toulouse. Hier 1767 Magister in Artibus und Stud. der Theol., Phil. und Math. 1770 Wechsel zur Med. Febr. 1773 Baccalaureus, Dez. 1773 Lizentiat und Dr.examen. 1774–78 Stud. in Montpellier, bes. Einfluß durch ! Barthez. P. verdient Lebensunterhalt als Hauslehrer. Erste med. Vero¨ffentlichungen unter Anwendung strenger Beobachtung und der analyt. Methode auf die prakt. Med. Ende 1778 nach Paris, hier gibt er Math.unterricht, redigiert med. Artikel, seit 1784 Hg. der Gazette ¨ bers. von ! Cullens Instide Sante´. U tutions of Medicine und kommentierte Neuaufl. der Opera omnia von ! Baglivi. Seit 1786 Hausarzt an einem Privatsanatorium fu¨r Geisteskranke, der Maison Belhomme. Bekanntschaft mit Pierre Cabanis und 260
u¨ber die Socie´te´ d’Auteuil mit Antoine Laurent Lavoisier, Antoine Condorcet und Benjamin Franklin. Als Befu¨rworter gesellschaftl. und med. Reformen begru¨ßt er die Revolution von 1789, ist aber gegen den Terreur und hilft polit. Verfolgten. Seine Verhaftung befu¨rchtend, zieht er sich als Arzt ins Biceˆtre (Anstalt fu¨r geisteskranke Ma¨nner) zuru¨ck und erwirbt Erfahrung im Umgang mit den Patienten. Obwohl die beru¨hmte „Kettenabnahme bei den Irren im Biceˆtre“ Legende ist, setzt sich P. fu¨r die humane Behandlung der nun als Kranke akzeptierten Irren ein (nach Dora Weiner ist der „Zeitgeist“ wesentl. Faktor in dieser Etappe der Entwicklung der Psychiatrie). Eigentliches Verdienst P.s ist die Einteilung des Anstaltsraumes, die vergl. Beobachtung der Kranken und die daraus resultierende Klassifikation der Geisteskrankheiten. P. wird Prof. fu¨r „Pathol. innerer Krankheiten“ und fu¨r „med. Physik und Hyg.“, im Mai 1795 leitender Arzt (me´decinchef) an der Salpe´trie`re (Asyl fu¨r weibl. Geisteskranke). 1798 Nosographie philosophique (beeinflußt durch ! Boissier de Sauvages und Cullen), 1801 Traite´ me´dico-philosophique. Aus seiner Klassifikation der Geisteskrankheiten, seiner Anstaltsreform und dem „traitement moral“ schuf P. die Grundlagen der frz. Psychiatrie, deren Institutionalisierung sein Schu¨ler ! Esquirol fortsetzte. Als Arzt und Lehrer erfolgreich und geachtet, u¨berstand P. alle polit. Vera¨nderungen, war beratender Arzt Napoleons und bis zum Tod an der Salpe´trie`re ta¨tig. Sein Grab befindet sich auf dem Pariser Friedhof Pe`re-Lachaise, sein Denkmal vor der Salpe´trie`re.
Platter, [Plater] Felix Werk: Nosographie philosophique ou me´thode de l’analyse applique´e a` la me´decine, Paris 1798, 51818; Traite´ me´dico-philosophique sur l’alie´nation mentale, ibid. Kst. 1801 (21809).
Pirogow, Nikolai Iwanowitsch (* 10. [25.] 11. 1810 Moskau, † 23. 11. [5. 12.] 1881 Wischnja/Ukraine). Med.stud. 1824–28 in Moskau und Dorpat. 1832 dort Prom. Weitere Ausbildung in Berlin, Go¨ttingen und Wu¨rzburg u.a. bei C.F. v. Graefe und ! J.F. Dieffenbach. 1836–40 Prof. fu¨r Chir. in Dorpat, 1841–47 Prof. fu¨r Anat. und Chir. an der medicochir. Akad. in St. Petersburg. 1857 in Odessa und spa¨ter in Kiew als Chir. ta¨tig. Verdienste um die Einfu¨hrung der ¨ thernarkose und Organisation des A Hospitalwesens in Rußland. Wurde mit der von ihm eingefu¨hrten Gefrierschnitt-Technik zum Mitbegr. der topograph. Anat. Ausarbeitung neuer Operationsmeth. bei Fußamputationen. Werk: Klin. Chir., Petersburg 1854; Grundzu¨ge der allgemeinen Kriegschirurgie, Leipzig 1864. Schn.
Pirquet v. Cesenatico, Klemens Freiherr (* 12. 5. 1874 Hirschstetten bei Wien, † 28. 2. 1929 Wien). Stud. der Theol. in Innsbruck (abgebrochen) und der Phil. in Lo¨wen (Bacc. der Phil.), schließlich der Med. in Wien, Ko¨nigsberg und Graz mit der Absicht, Psychiater zu werden. Prom. 1900 in Wien. Danach Volonta¨r, spa¨ter Sekundararzt und Ass. am St.-Anna-Kinderspital (zu dieser Zeit Kinderklinik). Habil. fu¨r Kinderheilkunde 1908, danach wurde er als
erster Prof. fu¨r Kinderheilkunde an die Johns Hopkins Univ. in Baltimore/USA berufen. Spa¨ter o. Prof. in Breslau, ab 1911 Leiter der Kinderklinik in Wien. P. gab den Anstoß fu¨r die Einrichtung einer heilpa¨dagog. Station an seiner Klinik und die Etablierung der Kinderneuropsychiatrie als Spezialfach. Durch seine Verbindungen in die USA konnte er nach dem Ersten Weltkrieg die Erna¨hrung hungernder Kinder in Wien durch o¨ffentl. Ausspeisungen organisieren. Er war Pra¨sident der Union Internationale au Secours des Enfants und des Komitees fu¨r Kinderschutz im Vo¨lkerbund. In seinen Forschungen widmete er sich vor allem den Infektionskrankheiten. Im Zusammenhang mit Diphtherieimpfungen hatte er allerg. Reaktionen des Organismus nach der Immunisierung durch Krankheit oder Impfung beobachtet (Serumkrankheit). Verschiedene ungefa¨hrl. Immuntests, z.B. der cutane TBC-Test (P.-Probe), gehen auf P. zuru¨ck. Gemeinsam mit seiner Frau veru¨bte P. aus ungekla¨rten Gru¨nden Selbstmord. Werk: Klin. Studien zur Vakzination und vakzinalen Allergie, 1907; Allergie, 1910; System der Erna¨hrung, 1917–20; Lex. d. Erna¨hrungskd. (mit Mayerhofer, E.), 1923–5; Kinderheilkd. u. Pflege des gesunden Kindes fu¨r Schwestern und Fu¨rsorgerinnen (mit Nobel, E.), 1925 (21928); Allergie des Lebensalters, p.m. 1930. Ho.
Platter, [Plater] Felix (* Okt.1536 Basel, † 28. 7. 1614 Basel). P. wurde 1536, „in demselben Jahre“, wie er in seiner Autobiographie schreibt, „in welchem der hochgelehrte Herr Erasmus von Rotterdam 261
¨. Plinius d. A
im Juli verschied“, geboren. 1552 immatrikulierte sich der fru¨h zur Med. hinneigende Fu¨nfzehnja¨hrige in Montpellier im Rahmen eines von seinem Vater aus finanziellen Gru¨nden arrangierten Studentenaustausches und erwarb dort 1556 das Baccalaureat. Anfang 1557 reiste P. auf einem Umweg u¨ber Paris, um die Gro¨ßen der dortigen Univ., Louis Duret, Jacques Goupyl und ! Fernel, zu erleben, in seine Heimat, wo – nach bestandener Dr.pru¨fung – die Verma¨hlung mit seiner Jugendliebe lockte. Prom. am 20. 9. 1557 und bald darauf Hochzeit mit Magdalena Jeckelmann. Schon nach kurzer Zeit geho¨rte P. zu ¨ rzten in Basel. den angesehensten A Seit 1560 bis zu seinem Tode lehrte er als Prof. der prakt. Med. an der Basler Univ., 1571 wurde er zudem zum Stadtarzt berufen. Auf ca. 700 Konsultationsreisen dehnte er seine Praxis weit u¨ber die Grenzen der Stadt aus. Noble Klientel trug ihm ein Vermo¨gen ein. Etwa 300 Sektionen veranstaltete P. in Basel, wo nur ! Vesal vor ihm seziert hatte. Fu¨nf Pestzu¨ge begleitete P. als Arzt. Er initiierte die Anlage eines botan. Gartens sowie eines anat. Theaters und richtete entsprechende Lehrstu¨hle ein. Von seinen zahlreichen Werken wurden vor allem seine Praxis medica (1602–08), die erstmals ein nosol. Klassifikationsmodell in die Pathol. einfu¨hrt, sowie seine Observationes, die als Summe seiner a¨rztl. Erfahrung in seinem Sterbejahr 1614 erschienen, beru¨hmt. Sie legen Zeugnis ab von einem Arzt, Ehemann, Musiker, Freund, Kollegen, Sammler, Forscher, Lehrer und med. Schriftsteller, dessen Leben gehalten zu haben scheint, was sein Vorname versprach. 262
Werk: Lo¨tscher, V. (Hg.), Tagebuch (Lebensbeschreibung) 1536–67, Basel u. Stuttgart 1976. Ru¨.
Plinius d. A¨. [Caius P. Secundus] (* 23/24 n.Chr., † 79 n.Chr.). Ro¨m. Milita¨r, Autor und Naturforscher. Aus wohlhabender Ritterfamilie in Novum Comum (Como) stammend, dient er als Offizier 47–52 in Germanien, dann – nach voru¨bergehendem Ru¨ckzug ins Zivilleben – ¨ gypten, Galseit 67 in Juda¨a, Syrien, A lien, Afrika und Spanien. Zuletzt Admiral der ro¨m. Flotte in Misenum, leitet P. beim verheerenden Vesuvausbruch vom 24. 8. 79 Evakuierungsmaßnahmen und stud. zugleich das Naturereignis. Den Asthmatiker kostet dieser Einsatz das Leben (s. die beru¨hmte Schilderung seines Neffen, Plinius d.J., ep. 6,16). Neben seinen Amtspflichten unaufho¨rlich mit der Lektu¨re oder der Abfassung von Bu¨chern bescha¨ftigt, schrieb P. zahlreiche Werke, u.a. u¨ber die Kriege der Ro¨mer in Germanien, eine Zeitgeschichte, Abh. zu Kavallerietaktik, Rhetorik und Grammatik. Hauptwerk und allein erhalten ist seine letzte Schrift, die Naturgeschichte (Historia naturalis) in 37 Bu¨chern. Diese gewaltige, enzyklopa¨d. Naturkunde verarbeitet, wie P. sich in der Vorrede ru¨hmt, 20 000 Exzerpte aus 2000 Bu¨chern; aber auch eigene Beobachtungen sind enthalten. Der Stoff ist nach Sachgebieten geordnet: Buch 1 entha¨lt das Register der 473 Quellenautoren, es folgt eine allg. ‘Weltkunde’ (2), dann die Beschreibung der Erde: Europa, Afrika und Asien (3–6), die Behandlung des Menschen (7), der Tiere (8–11), der Pflanzen (12–19),
Ploetz, Alfred
der Heilmittel aus dem Pflanzen- (20– 27) und Tierreich (28–32), schließlich die Mineralien (33–37) mitsamt der bildenden Kunst und ihrer bedeutendsten Scho¨pfungen. Als Kompilation eines Buchgelehrten und Antiquars la¨ßt die Naturkunde (moderne) wiss. Selbsta¨ndigkeit, Kritik und Arbeitsweise vermissen, spiegelt aber das ro¨m. Wiss.versta¨ndnis, das auf die Vermittlung prakt. Kenntnisse und nutzbaren Allgemeinwissens zielt; zudem stellt sie eine unscha¨tzbare Quelle des Wissens und ebenso der Kultur- und Geistesgesch. jener Zeit dar. Leitidee des Werkes ist die Entfaltung der Natur in ihren vielfa¨ltigen Bezu¨gen zum Menschen. Fu¨r P. gipfelt das wohlta¨tige Wirken der Natur in der Bereitstellung wirksamer Heilmittel jeder Art. Deren Beschreibung – viel Volksmed., auch Magisches sowie wiss. griech. Med. (die er aber ablehnt) – widmet er mehr als die Ha¨lfte seines Werkes. Insbes. die heilkundl. Teile der Naturkunde werden spa¨ter vielfach rezipiert: U.a. entsteht im 4. Jh. ein bearbeiteter Auszug, die sogen. Medicina Plinii, die im MA zur Physica Plinii (spa¨ter auch: Plinius Valerianus) erweitert wird. Bis ins 18. Jh. erfreute sich die Historia naturalis ho¨chster Wertscha¨tzung und galt als natur- wie heilkundl. Autorita¨t. Werk: Jan, L. u. Mayhoff, K. (Hg.), C. Plini Secundi Naturalis historiae libri 37, 5 Bd., Leipzig 1875–1909; Ko¨nig, R. u.a. (Hg.), C. ¨ ., Naturalis historia. Plinius Secundus d. A Naturkunde, lat.-dt., Mu¨nchen u. Zu¨rich 1973ff. (bisher 26 Bd. mit 32 von 37 Bu¨chern erschienen). Hh.
Ploetz, Alfred (* 22. 8. 1860 Swinemu¨nde/Pommern, † 20. 3. 1940 Herrsching). P. gilt zusammen mit ! W. Schallmayer (1857–1919) als Begr. der Eugenik in Deutschland. Geboren als Sohn eines Seifenfabrikanten, stud. P. Volkswirtschaft, Biol. und Med. in Breslau, Bern, Basel und Zu¨rich, wo er 1890 zum Dr. der Med. prom. wurde. Wa¨hrend seines Stud. bewegte sich P. in Kreisen radikaler Studenten, die von den sozialist. Ideen Bebels und Kautskys, aber auch von den biologist. Vorstellungen der Lebensreformbewegung beeinflußt waren. Zu seinem engeren Umfeld geho¨rten seine spa¨teren Mitstreiter in der ‘Eugen. Bewegung’ ! A. Bluhm und ! E. Ru¨din, dessen Schwester er heiratete. Beeinflußt von dem Zu¨rcher Psychiater ! A. Forel gru¨ndete P. 1890 den ‘Verein zur Beka¨mpfung des Alkoholgenusses’, zu dessen Mitgliedern neben Forel auch der Psychiater ! Eugen Bleuler und der Erna¨hrungskundler ! Max Bircher-Benner geho¨rten. Nach seinem Stud. arbeitete P. einige Jahre als prakt. Arzt in den Vereinigten Staaten. Nach Deutschland zuru¨ckgekehrt, vero¨ffentlichte er 1895 sein Hauptwerk Die Tu¨chtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen. Sein Anliegen war, die Erkenntnisse des Darwinismus und seine Konsequenzen fu¨r die menschl. Gesellschaft, wie P. und die Sozialdarwinisten sie sahen, mit den humanen Idealen, besonders dem Sozialismus, zu verso¨hnen. Das sollte die neue Wiss. der ‘Rassenhygiene’ leisten, vergleichbar der einige Jahre vorher von Francis Galton (1822–1911) in England und unabha¨ngig von P. begru¨ndeten Eugenik. Aber P.s Bezeichnung 263
Politzer, Adam
fu¨r die neue Wiss. sowie seine Neigung zu ‘nordischer’ und ‘ariophiler’ Schwa¨rmerei deuteten schon die unheilvolle Richtung an, in die die dt. Rassenhyg./Eugenik sich bewegen sollte. Ab 1904 gab P. das Archiv fu¨r Rassenund Gesellschaftsbiologie heraus, das zum Sprachrohr der dt. eugen. Bewegung werden sollte, und 1905 gru¨ndete er die ‘Dt. Gesellschaft fu¨r Rassenhyg.’ als erste eugen. Gesellschaft der Welt. Nachdem P. in zweiter Ehe eine Fabrikantentochter geheiratet hatte und finanziell unabha¨ngig geworden war, errichtete er in Herrsching bei Mu¨nchen ein privates Forschungsinst., aus dem aber keine bedeutenden wiss. Entdeckungen hervorgingen. P. wirkte vor allem als Propagandist und Organisator der dt. eugen. Bewegung. In den zwanziger Jahren geho¨rte er zusammen mit seinem Schu¨ler ! Fritz Lenz (1897–1976) zur nordischvo¨lkisch orientierten Fraktion der dt. Eugeniker. Die Nationalsozialisten feierten ihn als Nestor der rassenhyg. Bewegung. P. starb am 20. 3. 1940 in Herrsching. Werk: Die Tu¨chtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen. Ein Versuch u¨ber Rassenhygiene und ihr Verha¨ltnis zu den humanen Idealen, besonders zum Socialismus, Berlin 1895; Die Begriffe Rasse und Gesellschaft und die davon abgeleiteten Disziplinen, in: ARGB 1 (1904), 2–26. Kr.
Politzer, Adam (* 1. 10. 1835 Albertirsa/Ungarn, † 10. 8. 1920 Wien). 1859 Prom. in Wien, Studienreise nach Wu¨rzburg, Heidelberg, Paris und London. 1861 habil. fu¨r Ohrenheilkunde in Wien. 1863 beschrieb P. seine Behandlungsmethode des Tu264
benkatarrhs mit Hilfe des P.-Ballons, die nach ihm „politzern“ heißt. In demselben Jahr wurde er zum Armen-Ohrenarzt der Stadt Wien ernannt. 1864 gru¨ndete er mit ! A.F. v. Tro¨ltsch und H. Schwartze das Archiv fu¨r Ohrenheilkunde. 1871 unbesoldeter Extraord.; seit 1872 zusammen mit J. Gruber Dir. der neugegr. Wiener Univ.-Ohrenklinik, der ersten dieses Faches in der Welt. 1894 perso¨nlicher o. Prof. der Ohrenheilkunde in Wien, seit 1897 alleiniger Vorstand der Klinik, 1907 emerit. Besonders bekannt wurde P. durch seine Zehn Wandtafeln zur Anatomie des Geho¨rorgans (Wien 1873), sein Lehrbuch der Ohrenheilkunde (Stuttgart 1878–82, 51908), seinen Atlas der Trommelfellbilder (1896) und seine Geschichte der Ohrenheilkunde Wil. (1907–13). Pregl, Fritz (* 3. 9. 1869 Ljubljana/Slowenien [damals Laibach/Krain], † 13. 12. 1930 Graz). P. stud. in Graz Med. (Dr. med. 1894) und arbeitete 1892–1903 am Physiol. Inst. bei Rollett, dessen Lehrkanzel er 1903/04 supplierte. Daneben trieb er chem. Studien, arbeitete bei Skraup, Hu¨fner, Ostwald und E. Fischer. Einen Lehrauftrag fu¨r Physiol. Chemie hatte er am Grazer Med. Chem. Inst. bei K. B. Hoffmann, dem er nach Habil. (1900) und der Berufung ans Med.Chem. Inst. in Innsbruck (1910) auch 1913–30 nachfolgte, wobei er mehrere Berufungen ausschlug. Um 1910 begann er mit der Ausarbeitung der organ.-chem. Mikroelementaranaylse (zuerst in ! Abderhaldens Handbuch der biologischen Arbeitsme-
Psellos, Michael
thoden, Bd. 5), fu¨r die er 1923 den Nobelpreis fu¨r Chemie erhielt. Vgl. Die qualitative organische Mikroanalyse, Hu. Berlin 1917, 3. Aufl. 1930. Pre´vost, Jean Louis (* 1. 9. 1790 Genf, † 14. 3. 1850 Genf). P. stud. Theol., danach Med. in Paris und Edinburgh, Prom. 1818. Nach Stud. der Chir. und Geburtshilfe in Dublin niedergelassener Arzt in Genf. Physiol. und chem.wiss. Studien. 1824 Untersuchungen am befruchteten Froschei (Anfa¨nge exp. Embryol.) mit J.-B. Dumas (Sur la ge´ne´ration, Ann. d. scien. nat. 1, 1ff., 167ff., 274ff.; 2, 100ff., 129ff.; 3, 113ff.). Ab 1828 Untersuchungen zur Formation und Zirkulation des Blutes (Me´m. de la soc. du phys. et d’hist. nat. de Gene`ve, 4, 60ff.) und zur Beschaffenheit von Herz und Gefa¨ßen (Observations sur le de´veloppement du coeur Mo. chez le poulet, 1847). Prinzing, Friedrich (* 3. 4. 1859 Ulm, † 20. 1. 1938). Seit 1885 in Ulm als Arzt ta¨tig, daneben 1895–1929 Bahnarzt, wandte P. sich als Autodidakt der med. Statistik zu, da nur eine Beherrschung von Nationalo¨konomie und Sozialwiss. fruchtbare Ergebnisse in der anthropol. Hyg. verspreche. Mitglied und Ehrenmitglied dt. und internat. statist. Gesellschaften, Mithg. des Deutschen Statistischen Zentralblatts, seit 1932 Mitglied der Leopoldina, deren Pra¨sident ! Abderhalden P. als „Fu¨hrer auf dem Gebiet der med. Statistik“ ru¨hmte. Werk: Trunksucht und Selbstmord, Leipzig 1895; Handbuch der medizinischen Statistik, Jena 1906, 21930–31; Die zuku¨nftige
Aufgabe der Gesundheitsstatistik, Karlsruhe 1920; Die Meth. der med. Statistik, Berlin u. Wien 1928. v. Bru.
Prowazek, Stanislaus Edler von Lanow (* 12. 11. 1875 Neuhaus/Bo¨hmen, † 17. 2. 1915 Cottbus). P. stud. seit 1895 Naturwiss. in Prag und Wien, wo er 1899 zum Dr. phil. prom. wurde. Nach Ta¨tigkeiten am Wiener Zool. Inst., der Zool. Station in Triest, bei ! P. Ehrlich, ! R. Hertwig und ! F. Schaudinn wurde P. 1905 provisorischer Abt.leiter fu¨r Protozoenkunde am Kaiserl. Gesundheitsamt in Berlin. 1907 publ. er mit L. v. Halbersta¨dter die Entdeckung des Trachomerregers (Chlamydia trachomatis). Seit 1907 war er Leiter der Zool. Abt. am Hamburger Inst. fu¨r Schiffs- und Tropenkrankheiten. 1913/14 erforschte P. das Fleckfieber, dem er ein Jahr spa¨ter in Cottbus selbst erlag. Der Erreger des Fleckfiebers wurde spa¨ter Rickettsia prowazeki genannt. Werk: Zur Aetiologie des Trachoms, Dtsch. Med. Wschr. 33 (1907), 1285–7. Ba.
Psellos, Michael (* 1018 Konstantinopel, † Ende 11. Jh.). Byz. Polyhistor und Phil. am Kaiserhof. P. war med. gebildet und verfaßte auch med.-theoret. Traktate, so eine metrische Paraphrase (Ponema iatrikon) des Handbuchs von ! Paulos von Aigina und eine Didaskalia pantodape („Lehre u¨ber allerlei Gegensta¨nde“), worin auch naturwiss. Probleme ero¨rtert werden. Interessant sind die in seinem Geschichtswerk (Chronographia) enthaltenen Krankengeschichten der zeitgeno¨ss. byz. Kaiser. In der Trauerrede auf seine als Kind gestorbene Tochter 265
Purkyneˇ, Johann Evangelista
Styliane sind wahrscheinlich die Pokken zu erkennen (vermutlich fru¨heste europ. Schilderung der Krankheit). Werk: Vollst. bei Volk, R. (s.u.).
Le.
Purkyneˇ, Johann Evangelista (* 18. 12. 1787 Libochovice/Bo¨hmen, † 28. 7. 1869 Prag). Jan E.P. kam als erster von drei So¨hnen des Gutsverwalters Jozef P. (1753– 93) und seiner Ehefrau Rozalia Purkynova, geb. Safra´nkova´ (1756–1834), zur Welt. Nach dem Schulbesuch trat P. dem Piaristenorden bei, war geistl. Lehrer in einem Piaristen-Gymnasium, stud. 1806–07 Phil. zuna¨chst am piarist. Inst. im ostbo¨hm. Litomysl und spa¨ter nach Verlassen des Ordens 1807–09 in Prag. Nach dreija¨hriger Hauslehrerta¨tigkeit entschied er sich 1812 zum Med.stud., das er 1818 mit der Diss. Beytra¨ge zur Kenntnis des Sehens in subjectiver Hinsicht abschloß (Druck 1819, 21823). 1819 folgte die Einstellung in Prag als Ass. und Prosektor bei dem Anat. Georg Ilg (1771–1836) und dem Physiol. und Ophthalmol. Josef Rottenberger (1760–1834). 1822 kam es zu einem Besuch bei Goethe. 1822 nahm P. an der Gru¨ndungsversammlung der Ge¨ rzte sellschaft dt. Naturforscher und A teil. 1823 erfolgte die Berufung auf die Prof. fu¨r Physiol. und Pathol. an der Univ. in Breslau. 1827 verheiratete sich P. mit Julie Rudolphi (1798– 1834), einer Tochter des Physiol. ! Karl Asmund R., die 1835 im Alter von 35 Jahren an Typhus verstarb; zwei To¨chter waren 1832 der Cholera erlegen, zwei So¨hne blieben dem Vater erhalten: der Botaniker Emanuel P. (1832–82) und der Maler Karel P. (1834–68). 266
Johann Evangelista Purkyneˇ (1787–1869)
1839 gelang P. die Einrichtung des ersten selbsta¨nd. Inst. fu¨r Physiol., wozu ihm bereits 1828 der Phil. Hegel geraten hatte. Polit. Neigungen und Liebe zum Vaterland ließen P. 1850 einen Ruf an die Prager Univ. annehmen, wo er erneut ein Inst. fu¨r Physiol. gru¨ndete. Neben den naturwiss.med. Studien setzte sich P. seit den fu¨nfziger Jahren v. a. fu¨r den naturwiss. Unterricht an Schule und Univ. sowie die Ausbreitung der tschech. Sprache ein. Zahlreiche Akad. und Gesellschaften wa¨hlten ihn zu ihrem Mitglied. Physiol. hieß fu¨r P. auch Anat., Histol., Embryol. und selbst Psychol., Anthropol. und Phil. („Die wahre Physiologie hat ihr Daseyn erst durch die Philosophie“). Wesentl. Entdeckungen v. a. in der Sinnesphysiol., Histol. und Embryol., gewonnen u¨ber neue Techniken, Tierexp. und Selbstbeobachtungen, gehen auf ihn zuru¨ck: Keimbla¨schen (Zellkern) im Hu¨hnchenei und seine Ent-
Qian Yi
wicklung (1825), P.-Sansonsche Spiegelbilder (1823), P.-Aderfigur (1825), P.-Pha¨nomen (1825), Schwindelgesetze (1820/25), pharmakol. Zusammenha¨nge (1820–35); Flimmerbewegung in den Schleimha¨uten von Eileiter und Respirationsorganen (1834/35), Analogie von pflanzl. Zelle und tier. „Ko¨rnchen mit Kern“ (1837), P.-Fasern (1846, periphere Fasern des Herzleitungssystems), P.-Zellen (1847, einziges efferentes Neuron der Kleinhirnrinde). Bei aller Kritik an der romant. Naturforschung pla¨dierte P., in dessen Bibliothek sich die Werke aller großen Phil. befanden, stets fu¨r eine Verbindung von Phil. und Naturwiss., wolle man sich nicht „alles Denkens enthalten und bei der disparatesten Empirie blo¨dsinnig beharren“ (1847). Werk: Opera omnia, Bd. 1–13, Prag 1918– 1985; Jedlicka, J. (Hg.), Jana E.P. korespondence, Bd. 1–2, ibid. 1920–25; Thon, J. (Hg.), Ba´snicky glosa´r J.E.P., Prag 1959; Kruta, V., Beginnings of the scientific career of J.E.P. Letters with his friends from the Prague years 1815–1823, Brno 1964. Eng.
Puschmann, Theodor (* 4. 5. 1844 Lo¨wenberg/Schlesien, † 28. 9. 1899 Wien). Nach dem Stud. der Med. in Berlin, Mu¨nchen, Prom. in Marburg 1869, a¨rztl. Ta¨tigkeit in Kairo und im dt.frz. Krieg, Staatsex. in Mu¨nchen, klin. Ausbildung in Wien ließ sich der med.hist. interessierte P. als Psychiater in Mu¨nchen nieder, besuchte engl., frz. und ital. Archive und Bibliotheken, ehe er sich 1878 in Leipzig fu¨r Gesch. der Med. habil. und als Nachfolger Romeo Seligmanns (1808–92) auf die von diesem
1850 begr. Wiener Lehrkanzel fu¨r medicinische Geschichte und Epidemiographie 1879 als ao. Prof., 1888 o. Prof., berufen wurde. Durch P. erlangte die Wiener Lehrkanzel internat. Ruf. Mit seinem Buch Die Medizin in Wien wa¨hrend der letzten 100 Jahre (1884) hat er nicht nur die Gesch. einer der bedeutendsten Med.schulen Europas erschlossen, sondern u¨berhaupt in Wien die med.hist. Archivforschung begru¨ndet. Seine Geschichte des medicinischen Unterrichts von den a¨ltesten Zeiten bis zur Gegenwart (1889, Neudruck 1966, engl. 1891, Neudruck 1966) ist bis heute durch kein dem mod. Stand hist. Forschung entsprechendes Werk ersetzt. Der Univ. Wien vermachte P. Vermo¨gen und Bibliothek (im Wert von knapp 1 Mio. Mark heutiger Wa¨hrung) zur Gru¨ndung eines Museums fu¨r Med.gesch. Die mit dem Vermo¨gen seiner Frau (5 Mio. Mark heutiger Wa¨hrung) gegr. Puschmann-Stiftung ermo¨glichte 1905/06 die Errichtung der Prof. und des ersten Inst. fu¨r Med.gesch. der Welt in Leipzig durch ! v. Bro. Sudhoff. Qian Yi, Großja¨hrigkeitsname: Zhongyang (* 1032 Yunzhou, Provinz Shandong, † 1113). Fru¨h verwaist, durch Verwandte aufgezogen und schließlich in der Med. ausgebildet. Schon fru¨h Interesse an der Kinderheilkunde, in der ihm nicht nur beachtl. Heilerfolge, sondern grundsa¨tzl. meth. und theoret. Erkenntnisse glu¨ckten. In mittleren Jahren erreichte sein Ruf die Hauptstadt; nach Konsultationen am Bett der Prinzen und des Thronfolgers wurde 267
Qian Yi
wicklung (1825), P.-Sansonsche Spiegelbilder (1823), P.-Aderfigur (1825), P.-Pha¨nomen (1825), Schwindelgesetze (1820/25), pharmakol. Zusammenha¨nge (1820–35); Flimmerbewegung in den Schleimha¨uten von Eileiter und Respirationsorganen (1834/35), Analogie von pflanzl. Zelle und tier. „Ko¨rnchen mit Kern“ (1837), P.-Fasern (1846, periphere Fasern des Herzleitungssystems), P.-Zellen (1847, einziges efferentes Neuron der Kleinhirnrinde). Bei aller Kritik an der romant. Naturforschung pla¨dierte P., in dessen Bibliothek sich die Werke aller großen Phil. befanden, stets fu¨r eine Verbindung von Phil. und Naturwiss., wolle man sich nicht „alles Denkens enthalten und bei der disparatesten Empirie blo¨dsinnig beharren“ (1847). Werk: Opera omnia, Bd. 1–13, Prag 1918– 1985; Jedlicka, J. (Hg.), Jana E.P. korespondence, Bd. 1–2, ibid. 1920–25; Thon, J. (Hg.), Ba´snicky glosa´r J.E.P., Prag 1959; Kruta, V., Beginnings of the scientific career of J.E.P. Letters with his friends from the Prague years 1815–1823, Brno 1964. Eng.
Puschmann, Theodor (* 4. 5. 1844 Lo¨wenberg/Schlesien, † 28. 9. 1899 Wien). Nach dem Stud. der Med. in Berlin, Mu¨nchen, Prom. in Marburg 1869, a¨rztl. Ta¨tigkeit in Kairo und im dt.frz. Krieg, Staatsex. in Mu¨nchen, klin. Ausbildung in Wien ließ sich der med.hist. interessierte P. als Psychiater in Mu¨nchen nieder, besuchte engl., frz. und ital. Archive und Bibliotheken, ehe er sich 1878 in Leipzig fu¨r Gesch. der Med. habil. und als Nachfolger Romeo Seligmanns (1808–92) auf die von diesem
1850 begr. Wiener Lehrkanzel fu¨r medicinische Geschichte und Epidemiographie 1879 als ao. Prof., 1888 o. Prof., berufen wurde. Durch P. erlangte die Wiener Lehrkanzel internat. Ruf. Mit seinem Buch Die Medizin in Wien wa¨hrend der letzten 100 Jahre (1884) hat er nicht nur die Gesch. einer der bedeutendsten Med.schulen Europas erschlossen, sondern u¨berhaupt in Wien die med.hist. Archivforschung begru¨ndet. Seine Geschichte des medicinischen Unterrichts von den a¨ltesten Zeiten bis zur Gegenwart (1889, Neudruck 1966, engl. 1891, Neudruck 1966) ist bis heute durch kein dem mod. Stand hist. Forschung entsprechendes Werk ersetzt. Der Univ. Wien vermachte P. Vermo¨gen und Bibliothek (im Wert von knapp 1 Mio. Mark heutiger Wa¨hrung) zur Gru¨ndung eines Museums fu¨r Med.gesch. Die mit dem Vermo¨gen seiner Frau (5 Mio. Mark heutiger Wa¨hrung) gegr. Puschmann-Stiftung ermo¨glichte 1905/06 die Errichtung der Prof. und des ersten Inst. fu¨r Med.gesch. der Welt in Leipzig durch ! v. Bro. Sudhoff. Qian Yi, Großja¨hrigkeitsname: Zhongyang (* 1032 Yunzhou, Provinz Shandong, † 1113). Fru¨h verwaist, durch Verwandte aufgezogen und schließlich in der Med. ausgebildet. Schon fru¨h Interesse an der Kinderheilkunde, in der ihm nicht nur beachtl. Heilerfolge, sondern grundsa¨tzl. meth. und theoret. Erkenntnisse glu¨ckten. In mittleren Jahren erreichte sein Ruf die Hauptstadt; nach Konsultationen am Bett der Prinzen und des Thronfolgers wurde 267
Quesnay, Franc¸ois
er an die Kaiserl. Med.akad., schließlich als deren Pra¨sident berufen. Die Ergebnisse eines sechzigja¨hrigen Wirkens als Kinderarzt, unter denen die klass. Therapien fu¨r Masern, Keuchhusten, Pocken, Ventus Pavo¨ tiol. ris, Erbrechen verschiedener A zu finden sind, wurden ein Jahr nach seinem Tod 1114 unter dem Titel Wesentliches zur Symptomatik und Medikation der Pa¨diatrie (Xiaoer Yaozheng Zhijue) vero¨ffentlicht. Po. Quesnay, Franc¸ois (* 4. 6. 1694 Merey bei Montfort l’Amaury, † 18. 12. 1774 Versailles). Q. stud. an Univ., Colle`ge de SaintCoˆme, Hoˆtel-Dieu, 1718 Mag.-Chir. Wundarzt in Nantes, Chir.-major am dortigen Hoˆtel-Dieu. Erregte Aufsehen durch die gegen Sylva gerichteten Observations sur les effets de la saigne´e (1730, 1750); Abkehr von der Lehre des dreifachen Nutzens des Aderlasses (Evacuation, Derivation, Revulsion). Der Ort des Aderlasses sei gleichgu¨ltig. Leibarzt der Marquise de Pompadour und Ludwigs XV.; sta¨ndiger Sekreta¨r der Acad. der Chir. Neben physiol. und chir. Untersuchungen Arbeiten zur Nationalo¨konomie. Vertreter der Physiokraten und EnzykloMo. pa¨disten. Quetelet, Lambert Adolphe Jacques (* 22. 2. 1799 Gent/Belgien, † 17. 2. 1874 Bru¨ssel). Math. und Astronom. Q. initiiert die internat. Zusammenarbeit auf den Gebieten der Astronomie, Meteorol., Geophysik, Statistik. Ab 1825 besonderes Interesse an Statistik der Gesellschaft; in seinem Hauptwerk Sur l’homme et le de´veloppement de ses fa268
culte´s, essai d’une physique sociale (1835) wendet Q. neue Erhebungstechniken und Auswertungsmeth. im Bereich der vergl. Statistik an, kulminierend in der Beschreibung des „Durchschnittsmenschen“ („l’homme moyen“). 1845 erwa¨hnt er erstmalig die Normalverteilung am Beispiel der Ko¨rpergro¨ße von Soldaten, die er als Naturgesetz einscha¨tzt. Seine Auswertungen von Kriminalstatistiken zeigen, daß sich die Ha¨ufigkeiten der Vergehen mit geringen Schwankungen in bestimmten Zeitperioden konstant wiederholen. Q. ha¨lt die Strukturbedingungen von Politik und Gesellschaft fu¨r die Ursachen der Kriminalita¨t. Daher kann Kriminalita¨t nur durch die Vera¨nde¨ korung der sozialen Verha¨ltnisse (O nomie, Erziehung) wirksam beka¨mpft Fa. werden. Rabinowitsch-Kempner, Lydia, geb. Rabinowitsch (* 22. 8. 1871 Kowno, heute: Kaunas/Litauen, † 3. 8. 1935 Berlin). Biol. russ. Herkunft. Prom. Bern 1894, 1894–1903 Mitarbeiterin von ! R. Koch, zugleich 1896–99 Doz. am Medical Women’s College Philadelphia. 1899 bis zu dessen Tod 1920 verheiratet mit Dr. med. Walter Kempner, 3 Kinder. 1903–20 Mitarbeiterin von J. Orth am Pathol. Inst. der Charite´, 1912 Prof., 1920–30 Leiterin des bakteriol. Labors am sta¨dt. Krkh. Berlin-Moabit. Internat. bekannt als Tuberkuloseforscherin, bes. ihre Arbeiten zur Prophylaxe bei Sa¨uglingen durch Kontrolle der Milch. Seit 1913 Hg. der Zeitschrift fu¨r Tuberkulose und Tuberkulose-Bibliothek. Zahlreiche wiss. Vero¨ffentlichungen, popula¨re Vortra¨ge, Engagiert in der Frauen-
Quesnay, Franc¸ois
er an die Kaiserl. Med.akad., schließlich als deren Pra¨sident berufen. Die Ergebnisse eines sechzigja¨hrigen Wirkens als Kinderarzt, unter denen die klass. Therapien fu¨r Masern, Keuchhusten, Pocken, Ventus Pavo¨ tiol. ris, Erbrechen verschiedener A zu finden sind, wurden ein Jahr nach seinem Tod 1114 unter dem Titel Wesentliches zur Symptomatik und Medikation der Pa¨diatrie (Xiaoer Yaozheng Zhijue) vero¨ffentlicht. Po. Quesnay, Franc¸ois (* 4. 6. 1694 Merey bei Montfort l’Amaury, † 18. 12. 1774 Versailles). Q. stud. an Univ., Colle`ge de SaintCoˆme, Hoˆtel-Dieu, 1718 Mag.-Chir. Wundarzt in Nantes, Chir.-major am dortigen Hoˆtel-Dieu. Erregte Aufsehen durch die gegen Sylva gerichteten Observations sur les effets de la saigne´e (1730, 1750); Abkehr von der Lehre des dreifachen Nutzens des Aderlasses (Evacuation, Derivation, Revulsion). Der Ort des Aderlasses sei gleichgu¨ltig. Leibarzt der Marquise de Pompadour und Ludwigs XV.; sta¨ndiger Sekreta¨r der Acad. der Chir. Neben physiol. und chir. Untersuchungen Arbeiten zur Nationalo¨konomie. Vertreter der Physiokraten und EnzykloMo. pa¨disten. Quetelet, Lambert Adolphe Jacques (* 22. 2. 1799 Gent/Belgien, † 17. 2. 1874 Bru¨ssel). Math. und Astronom. Q. initiiert die internat. Zusammenarbeit auf den Gebieten der Astronomie, Meteorol., Geophysik, Statistik. Ab 1825 besonderes Interesse an Statistik der Gesellschaft; in seinem Hauptwerk Sur l’homme et le de´veloppement de ses fa268
culte´s, essai d’une physique sociale (1835) wendet Q. neue Erhebungstechniken und Auswertungsmeth. im Bereich der vergl. Statistik an, kulminierend in der Beschreibung des „Durchschnittsmenschen“ („l’homme moyen“). 1845 erwa¨hnt er erstmalig die Normalverteilung am Beispiel der Ko¨rpergro¨ße von Soldaten, die er als Naturgesetz einscha¨tzt. Seine Auswertungen von Kriminalstatistiken zeigen, daß sich die Ha¨ufigkeiten der Vergehen mit geringen Schwankungen in bestimmten Zeitperioden konstant wiederholen. Q. ha¨lt die Strukturbedingungen von Politik und Gesellschaft fu¨r die Ursachen der Kriminalita¨t. Daher kann Kriminalita¨t nur durch die Vera¨nde¨ korung der sozialen Verha¨ltnisse (O nomie, Erziehung) wirksam beka¨mpft Fa. werden. Rabinowitsch-Kempner, Lydia, geb. Rabinowitsch (* 22. 8. 1871 Kowno, heute: Kaunas/Litauen, † 3. 8. 1935 Berlin). Biol. russ. Herkunft. Prom. Bern 1894, 1894–1903 Mitarbeiterin von ! R. Koch, zugleich 1896–99 Doz. am Medical Women’s College Philadelphia. 1899 bis zu dessen Tod 1920 verheiratet mit Dr. med. Walter Kempner, 3 Kinder. 1903–20 Mitarbeiterin von J. Orth am Pathol. Inst. der Charite´, 1912 Prof., 1920–30 Leiterin des bakteriol. Labors am sta¨dt. Krkh. Berlin-Moabit. Internat. bekannt als Tuberkuloseforscherin, bes. ihre Arbeiten zur Prophylaxe bei Sa¨uglingen durch Kontrolle der Milch. Seit 1913 Hg. der Zeitschrift fu¨r Tuberkulose und Tuberkulose-Bibliothek. Zahlreiche wiss. Vero¨ffentlichungen, popula¨re Vortra¨ge, Engagiert in der Frauen-
Ramazzini, Bernardino
bewegung (z.B. Bund fu¨r Mutterschutz), Begr. des Vereins zur Gewa¨hrung zinsfreier Darlehen an studierende Frauen (1899). 1934 aus allen FunkBl. tionen entlassen. Rajchman, Ludwik Witold (* 1881 Warschau, † 1965 Paris). R. stud. in Krakau Med. (1906 Dr. med.). Von der „Ethischen Bewegung“, der Poln. Sozialist. Partei und der russ. Revolution von 1905 beeinflußt, wurde er 1906 wegen polit. Engagements verhaftet. Danach am Inst. Pasteur in Paris, 1909/10 Ass. am Lehrstuhl fu¨r Veterina¨rmed. in Krakau, ging er 1910–13 ans Royal Institute of Public Health in London. 1914–18 als Bakteriol. beim Medical Research Council, engagierte er sich in der poln. Exilpolitik und organisierte 1918/19 die Staatl. Zentralanstalt fu¨r Seuchenbeka¨mpfung in Warschau und 1919–31 deren Ausbau zur Staatsanstalt fu¨r Hyg. und Hyg.-Schule mit Hilfe der Rockefeller Foundation. 1919–21 Koordinator der internationalen Seuchenbeka¨mpfung in Polen und der UdSSR, wurde er 1921–39 Dir. der Hygienesektion des Vo¨lkerbundsekretariats, trat aus Protest gegen die Appeasement-Politik zuru¨ck. Danach als internat. Berater und in der polnisch. Exilpolitik ta¨tig, war er 1943 Mitgru¨nder von UNRRA und 1946–50 Vorsitzender des Executive Board der UNICEF in Paris, wovon er wegen des Koreakriegs und des Konflikts u¨ber die Vertretung Chinas zuru¨cktrat. 1950–65 wirkte er aber als stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats des Centre Internat. Hu. de l’Enfance.
Ramazzini, Bernardino (* 5. 11. 1633 Carpi, † 5. 11. 1714 Modena). R. hat mit seinem bedeutendsten Werk, der De morbis artificium diatriba, eine erste grundlegende Schrift zur Arbeitsmed., mit vielen Beispielen auch zu den Berufskrankheiten der Frauen, verfaßt. Er gilt deshalb auch als „Vater der Gewerbemed.“. Daru¨ber hinaus sind seine meteorol.-epidemiol. Jahresbeschreibungen Modenas (1690–95) neben kleineren seuchenhyg. (auch veterina¨rmed.) Schriften fru¨he Beispiele fu¨r die Staatsepidemiol. des aufgekla¨rten Absolutismus. R. ist insgesamt ein Klassiker der vorbakteriol. Epidemiol. und Hyg. Von 1652 bis 1655 stud. R. in Parma Phil., von 1655 bis 1659 Med. (Prom. 21. Februar 1659). Nach a¨rztl. Ta¨tigkeit in Rom unter Antonio Maria Rossi (1588–1671), in Canino und Carpi, wo er der literar. Vereinigung Degli Apparenti angeho¨rte, wechselte R. 1671 nach Modena. 1682 wurde er dort von Herzog Francesco II. d’Este zu Prof. medicinae theoricae ernannt und mit dem Aufbau einer med. Abt. der Accademia San Carlo beauftragt. Zusammen mit Francesco Torti (1658–1741) hat R. dort bis zur Jahrhundertwende med. Vorl. gehalten. R. war ein entschiedener Gegner des in seiner Zeit und Region (Malaria) verbreiteten Chininmißbrauchs und geriet u¨ber dieses Thema in heftigen Streit mit Torti. Besonders arbeitete er in den 1690er Jahren an einer Beschreibung der bekannten Berufskrankheiten. 1700, seine gewerbemed. Schrift De morbis artificium diatriba war mit großem Erfolg im gleichen Jahr erschienen, berief ihn die Republik Venedig zum Prof. medicinae (Antrittsvorlesung: 12. Dezember 269
Ramo´n y Cajal, Santiago
1700). Er starb an seinem 81. Geburtstag auf dem Weg ins Kolleg an den Folgen einer Gehirnblutung. ! Morgagni obduzierte R. und ließ das Protokoll der Obduktion abdrucken (De sedibus et causis morborum, Epist. Anat. Medica III Art. 8). Die Mitgliedschaften in der Academia Caesareo-Leopoldina naturae curiosorum (! Hippokrates III., 1693), in der ro¨m. Accademia degli Arcadi (1706) und in der Kgl. Pr. Societa¨t zu Berlin (1706) belegen sein internat. Ansehen. R. korrespondierte mit den ¨ rzten und Gelehrten bedeutendsten A seiner Zeit, unter ihnen ! Vallisnieri, Morgagni, ! Lancisi und Leibniz. Werk: De constitutione anni M.DC.LXXXX, Modena 1690; De constitutione anni M.DC.XXXXI, ibid. 1691; De fontium Mutinensium [...] tractatus physicohydrostaticus,ibid.1691;Deconstitutionibusannorum 1692, 93, et 94, ibid. 1695; Ephemerides Barometricae, ibid. 1695; De morbis artificium diatriba,ibid.1700;Oratiosecularis,Venedig 1700; De contagiosa epidemica, Padua 1712; De peste viennensi, ibid. 1713; Dissertation epistolaris de abuso chinae chinae, ibid. 1714; Opera omnia, Genf 1716. Eck.
Ramo´n y Cajal, Santiago (* 1. 5. 1852 Petilla/Arago´n, † 17. 10. 1934 Madrid). Med.stud. in Zaragoza, Arzt im Bu¨rgerkrieg und in Kuba, 1875 Ass. am Anat. Inst. in Zaragoza, Verwendung der Golgischen Silber- und Entwicklung der Goldimpra¨gnierungsmethode. 1884 Prof. fu¨r Anat. in Valencia, 1887 in Barcelona. Seit 1892 Prof. fu¨r Histol. am Forschungsinst. der Med. Fak. Madrid. Mit ! His und ! Forel Begr. der Neuronentheorie. 1906 mit ! Golgi Nobelpreis fu¨r Med./Physiol. Begr. der span. neurohistol. Schule (Hortega, Tello, Achucarro, Lorente de No´). 270
Werk: Studien u¨ber die Hirnrinde des Menschen, Leipzig 1900–06; Recuerdos de mi vida (Autobiogr.), Madrid 1907–17; Ebenso in: Grote, L. (Hg.), Die Med. d. Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 5, Leipzig 1925; Die Neuronenlehre, in: Bumke-Foersters Hb. d. Neurol., Bd. 1, Berlin 1935, 887– 982. Kst.
Rascher, Sigmund (* 12. 2. 1909 Mu¨nchen, † 26. 4. 1945 Dachau). Vater Anthroposoph u. Arzt; Medizinstud. in Freiburg/Brsg. u. Basel, Staatsex. u. Prom. 1936 in Mu¨nchen. 1937/38 DFG-Forschungsstip. (Pathol., kristallographische Krebsdiagnostik; MMW 1936, 1939). 1933 NSDAP, 1936 SA, ab 1937 Dienst bei d. Luftwaffe, ab Mai 1939 SS-Ahnenerbe. Grausame, oft to¨dlich verlaufene Humanexperimente im KZ Dachau: Ab 1941 Ho¨henversuche, ab 1942 Ka¨lteversuche, ab 1943 Versuche zur Entwicklung eines Blutgerinnungsmittels (Polygal, MMW 1944). Wegen Kindsunterschiebung mit seiner Ehefrau 1944 verhaftet, im KZ Buchenwald inhaftiert u. im April 1945 im KZ Dachau erschossen. In spa¨teren Publ. oft als pseudowiss. bezeichnet, stießen R.s Versuchserg. 1945 auf reges Interesse bei den d. Al¨ rztelierten. Obwohl die Nu¨rnberger A prozesse die ethische Dimension d. Verwertung d. in verbrecherischen Humanexp. gewonnenen wiss. Erkenntnisse thematisierten, begann eine breitere Diskussion erst mit BeMs./Nm. ginn der 1970er Jahre. Rasori, Giovanni (* 20. 8. 1766 Parma, † 15. 4. 1837 Pavia). Nach Erlangung des Doktorats in Pisa wurde R. Nachfolger von A. Scarpa (1747–1815) an der Univ. Pavia. Als Verfechter des Brownianismus modi-
Redi, Francesco
fizierte er die Theorie des „Contra-Stimulus“. Nachdem er 1796 dreißigja¨hrig den Lehrstuhl fu¨r Pathol. an der Univ. von Pavia u¨bernommen hatte, entwickelte er seine Kontagienlehre, die ihn als einen Vorreiter der Mikrobiol. ausweist. Bei den Krankheitserregern handle es sich um „mit Leben ausgestattete Gebilde“, die drei Haupteigenschaften besitzen: sie vermehren sich unendlich, wenn sie ein fu¨r ihre Entwicklung geeignetes Milieu finden; sie reproduzieren sich ohne eine Vera¨nderung ihrer Spezies; sie vermehren sich durch ihr Erbgut. Als die Franzosen Mailand einnahmen, erhielt R. in der Cisalpinischen Republik einen Posten im Ministerium Tardini. Wegen seiner polit. Einstellung verbrachte er zwei Jahre im Gefa¨ngnis von Mantova. Sein Gesamtwerk wurde 1837 zusammen mit einer einleitenden Biographie von G. del Fa. Ciappa ediert. Rawson, Guillermo (* 25. 6. 1821 San Juan/Argentinien, † 2. 2. 1890 Paris). Der argent. Hygieniker und Politiker wurde als Sohn eines amerik. Arztes geb. Nach seinem Abitur bei den Jesuiten wurde R. Med.stud. an der Univ. Buenos Aires und prom. 1844. Seit 1854 bescha¨ftigte er sich mit Politik: Zuna¨chst war R. Abgeordneter im Parlament von San Juan, wurde 1862 Senator im Parlament und kurz danach Innenminister von Argentinien. 1873 wurde der Lehrstuhl fu¨r Hyg. und Sozialmed. in der Med. Fak. Buenos Aires gegru¨ndet. R. wurde der erste Ord. und ka¨mpfte als Politiker und Prof. gegen Hunger, mangelnde Bildung, Armut und soziale Ungerechtigkeit. 1876 erschien sein demograph.
Werk Lebenswichtige Statistik der Stadt Buenos Aires, und 1880 gru¨ndete Ac. R. das argent. Rote Kreuz. Recklinghausen, Friedrich Daniel von (* 2. 12. 1833 Gu¨tersloh, † 26. 8. 1910 Straßburg). Dt. Pathol. 1858–64 Ass. am pathol.anat. Inst. in Berlin unter ! R. Virchow. 1865–72 o.Prof. der pathol. Anat. in Ko¨nigsberg und Wu¨rzburg, ab 1872 in Straßburg, dort 1906 emerit. R. schuf eine neue Grundlage fu¨r die Entzu¨ndungslehre, indem er die zwischen Blutgefa¨ßen und Bindegewebe wandernden Zellen als Leukozyten identifizierte. R. kla¨rte ferner die resorbierende Funktion der Lymphgefa¨ße im Peritonealbereich und gilt v. a. als Erstbeschreiber der nach ihm benannten Neurofibromatose („R.Krankheit“), einer generalisierten Nervenerkrankung. R. schuf ferner eine Synopsis verschiedener deformierender Knochenerkrankungen und ihrer Grundlagen. Werk: Die Lymphgefa¨sse und ihre Beziehung zum Bindegewebe, Berlin 1862; Ueber Eiter- und Bindegewebsko¨rperchen, in: Virch. Arch. 28 (1863), 157–97; Ueber die multiplen Fibrome der Haut und ihre Beziehung zu den multiplen Neuromen, Berlin 1882; Die fibro¨se oder deformirende Ostitis, die Osteomalacie und die osteoplastische Carcinose in ihren gegenseitigen Beziehungen, Festschr. Virchow, ibid. 1891. Pr.
Redi, Francesco (* 18. 2. 1626 Arezzo, † 1. 3. 1697 Pisa). 1647 Dr. der Med. in Pisa. Er begab sich nach Florenz, um dort die Med. auszuu¨ben, kam in Verbindung mit den Schu¨lern von Galilei, den Gru¨n271
Reich, Wilhelm
dern der Cimento, und wurde Leibarzt des Großherzogs von Toscana. Als Begr. der Helminthol. anerkannt, unterscheidet er den Regenwurm (lumbricus terrestris) von ascaris lumbricoides und beweist die Unhaltbarkeit der Theorie der generatio spontanea (1668). Er analysierte auch das Ottergift und verfaßte Consilia. Werk: Opera omnia, Venedig 1712.
Tre.
Reich, Wilhelm (* 24. 3. 1897 Dobrzcynica/Galizien, † 3. 11. 1957 Lewisburg/ USA). Bereits als Med.-stud. Aufnahme in die Wiener Psychoanalyt. Vereinigung. 1922–30 Ta¨tigkeit am psychoanalyt. Ambulatorium in Wien. Ab 1928 Mitglied der Kommunist. Partei, 1929 Mitbegr. der Sozialist. Gesellsch. fu¨r Sexualberatung und Sexualforschung. Grundsa¨tzl. theoret. Differenzen und der Versuch, die Psychoanalyse unmittelbar im Sinne marxist. Politik nutzbar zu machen, fu¨hrten 1933 zum Ausschluß aus der um gesellschaftl. Anpassung bemu¨hten Internat. Psychoanalyt. Vereinigung. Gleichzeitig wurde die Proklamation befreiter Sexualita¨t von der KP als Ablenkung von notwendiger polit. Aktion aufgefaßt. Auch R.s Auffassungen u¨ber Die Massenpsychologie des Faschismus (1933) widersprachen der offiziellen Parteilinie und veranlaßten den Ausschluß aus der KP. Im Exil (ab 1934 Norwegen, ab 1939 USA) entwickelte R. eine biol.-kosmol. Theorie einer universalen Lebensenergie (Orgon). Diese versuchte er mit speziellen Apparaten (OrgonAkkumulatoren) zu speichern und therap. anzuwenden. 1954 erfolgte in den USA eine Anklage wegen eines 272
Verstoßes gegen den „Food and Drug Act“, die mit seinem Orgon-Akkumulator in Zusammenhang stand. R. wurde 1956 zu zwei Jahren Gefa¨ngnis verurteilt und starb dort. R.s naturalist. Deutung psychoanalyt. Konzepte eliminiert den psychol. Charakter des ! Freudschen Triebbegriffs. R. sieht die Ursache der Neurosen ausschließlich in einer Sto¨rung der genitalen Sexualita¨t. Ziel der Therapie ist die (Wieder-)herstellung der Orgasmusfa¨higkeit. Wa¨hrend Freud auf die zentrale Bedeutung reaktualisierter fru¨hkindl. Konflikte hinweist, betont R. die aktuelle Stauung der Sexualenergie. Auch die Idee einer prima¨ren Aggression oder eines Todestriebes wird von R. abgelehnt. Die Sto¨rung der genitalen Sexualita¨t ist nach R. durch a¨ußere Zwa¨nge bedingt. Das neurot. Symptom wird als Ausdruck einer gesellschaftl. erzeugten neurot. Charakterstruktur aufgefaßt. Der zuna¨chst metaphor. gebrauchte Begriff der Charakterpanzerung wird zunehmend konkretist. gedacht, die Therapie wandelte sich von der Psychoanalyse zur Psychotechnik mit Massage und Applikation der Orgon-Energie. R.s fru¨he Thesen u¨ber Abwehr und Charakterstruktur wurden von der Psychoanalyse assimiliert. Elemente aus der spa¨teren Phase seines Werks fanden Eingang in unterschiedl. Richtungen der Gespra¨chstherapie und Ko¨rpertherapie. Die gesellschaftspolit. Aspekte im Werk R.s wurden zur Zeit der Studentenunruhen wieder vermehrt diskutiert. Werk: Die Funktion des Orgasmus, Wien 1927; Geschlechtsreife, Enthaltsamkeit, Ehemoral. Kritik der bu¨rgerl. Sexualreform, Wien 1930; Charakteranalyse, Kopenhagen u.a. 1933. Roe.
Remak, Robert
Reil, Johann Christian (* 20. 2. 1759 Rhaude/Friesland, † 22. 11. 1813 Halle). Nach einigen Jahren prakt. a¨rztl. Ta¨tigkeit 1787 als Prof. fu¨r Therapie an die Univ. Halle berufen, in Halle auch Stadtphysikus; seit 1797 Hg. des Archivs fu¨r Physiologie; 1810 Prof. fu¨r klin. Med. an der Univ. Berlin; Vorsitzender der Wiss. Deputation fu¨r das Medizinalwesen beim pr. Ministerium des Innern; bei der Inspektion von Lazaretten nach der Vo¨lkerschlacht bei Leipzig an Typhus erkrankt und wenig spa¨ter in Halle gest. In seinen theoret. Auffassungen war R. von den naturphil. Ideen Spinozas und Schellings gepra¨gt, er nahm eine „Lebenskraft“ im Organismus an; eigene bedeutende anat. Untersuchungen des Gehirns und der Nerven, u.a. zur Struktur des Kleinhirns, breite Darstellung eigener klin. Erfahrun¨ bergen; R. gab durch die 1803 publ. U legungen zur Anwendung der „psychischen Curmethode“ Anregungen zur Entwicklung der Psychiatrie und zur Reform der Irrenbetreuung in Deutschland. Von R. stammende Gedanken zu einer Allgemeinen Pathologie sind posthum (1815) publ. worden. Werk: Ueber die Erkenntnis u. Cur der Fieber, 5 Bd., Halle u. Berlin 1799–1815; Rhapsodieen u¨ber die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerru¨ttung, Halle 1803. Tho.
Rein, Friedrich Hermann (* 8. 2. 1898 Mitwitz, † 14. 5. 1953 Go¨ttingen). Stud. Wu¨rzburg u. Mu¨nchen, dort Prom. 1923, 1926 Habil Freiburg/ Brsg., 1932 Go¨ttingen, dort 1946 Rektor der Univ., 1952 Direkt. Inst. f. Physiol. am MPI f. med. Forschung Heidelberg.
R. entwickelte u.a. die Thermo-Stromuhr zur Messung der Stro¨mungsgeschwindigkeit des Blutes. Nach 1933, obwohl kein NSDAP-Mitglied, einer der fu¨hrenden, international anerkannten Luftfahrtmediziner (u.a. beratender Physiologe b. Chef d. San.wesens der Luftwaffe und Leiter der Go¨ttinger Außenstelle des Luftfahrtmed. Forschungsinst. des Reichsluftfahrtministeriums). Nach 1945 Streit mit ! A. Mitscherlich u¨ber R.’s Rolle im Dritten Reich. 1952 Gru¨ndungsmitglied der MPG in der brit. Zone. Mitglied von vier Dt. Akadem. d. Wiss. und vieler ausla¨nd. Med. Gesellsch. Werk: Einfu¨hrung in die Physiologie des Menschen, 19. Aufl. 1977. Nm.
Reisel, Salomon (* 24. 10. 1625 Warmbrunn/Schlesien, † 21. 11. 1701 Stuttgart). 1645–52 Stud. in Straßburg und Basel, Prom. 1657, Leibarzt verschiedener Grafen, 1674 Mitglied der Academia naturae curiosorum, seit 1679 Leibarzt der wu¨rttemberg. Herzo¨ge in Stuttgart. Der Iatrophysiker und fru¨he Anha¨nger ! Harveys wurde bekannt durch seine Statua humana circulatoria (1674), ein erstes Modell des Blutund Sa¨ftekreislaufes, das er aus dem Prinzip des Siphons (Hebers) entwikkelte. Werk: Statua humana circulatoria, in: Miscellanea Curiosa, Decuria I, Annus IX/X fu¨r 1678/9, Observatio I; Sipho Wu¨rtembergicus, Stuttgart 1690. Bro¨.
Remak, Robert (* 30. 7. 1815 Posen, † 29. 8. 1865 Bad Kissingen). Berliner Neurohistol., Embryol., Pathol. und klin. Elektrotherapeut. 273
Remak, Robert
Geb. in Posen als Sohn des ju¨d. Kaufmanns S. M. Remak. Ab 1833 Stud. der Med. in Berlin, bes. bei ! J. Mu¨ller. Schon vor dem Staatsexamen erste Vero¨ffentlichungen zur mikroskop. Struktur des Nervensystems. 1839 Appr. 1843 Anfrage bei dem pr. Kultusminister Eichhorn zur Mo¨glichkeit, sich als Jude zu habil., was abgelehnt wurde. Ab November 1843 bis 1849 Ta¨tigkeit als nichtangestellter Ass. bei ! J.L. Scho¨nlein an der med. Klinik mit der Aufgabe, die mikroskop.pathol. Untersuchungen durchzufu¨hren. 1847 Habil. als erster ju¨d. Wiss. an der med. Fak. Berlin nach besonderer Genehmigung des Ko¨nigs Friedrich Wilhelm IV. Wa¨hrend der 1848er Revolution engagiert fu¨r die Freiheit und Unabha¨ngigkeit Polens, im „Demokratischen Klub“ und in der univ. Opposition aktiv. Ab 1849 Ta¨tigkeit in eigener Praxis und Forschung u¨ber neurohistol. Fragen und zur Embryol. Eine Anfrage ¨ bernahme des Lehrstuhls wegen U fu¨r pathol. Anat. in Krakau (1850) lehnte R. ab; dafu¨r versta¨rkte Bemu¨hungen um Prof. e.o. in Berlin. Trotz mehrmaliger Unterstu¨tzung der Fak. keine Ernennung wegen seines „mosaischen Glaubens“; erst 1859 Berufung zum Prof. e.o. Bereits 1856 Konkurrenz mit ! R. Virchow um den neugegr. Lehrstuhl fu¨r path. Anat. in Berlin (Platz zwei der Liste hinter Virchow). Ab 1855 versta¨rkte Hinwendung zur Behandlung der Nervenund Muskelerkrankungen mit Hilfe der Elektrotherapie. Vero¨ffentlichung einer Monographie zur Galvanotherapie 1858, die 1860 ins Frz. u¨bers. wurde. R.s Versuche, an der Berliner Charite´ eine eigene Station zur Erprobung seiner elektrotherap. Meth. zu erhal274
ten, scheiterten. In den letzten Lebensjahren zunehmende gesundheitl. Komplikationen aufgrund eines Diabetes mellitus. 1865 Tod in Bad Kissingen wa¨hrend eines Kuraufenthaltes. R. war bestrebt, anat. Gegebenheiten ¨ berlegungen zu mit funktionellen U verbinden und den Bezug zur Pathophysiol. herzustellen, wobei er sich des Mikroskops und teilweise auch des einfachen „pathol.“ Tierexp. bediente. Das wiss. Werk des internat. hochgescha¨tzten Forschers weist eine beeindruckende Vielfalt auf: 1) Auf neurohistol. Gebiet konnte er den Ursprung der Nervenfaser aus dem Ganglion feststellen und das Axon beschreiben. 2) Im Rahmen seiner embryol. Studien differenzierte er die drei Keimbla¨tter. 3) Seine Arbeiten zur Entstehung kernhaltiger Zellen fu¨hrten ihn bereits Anfang der fu¨nfziger Jahre zu der Aussage, daß Zellen durch Zellteilung entstehen. Schon vor R. Virchow formulierte er die These, daß diese Art der Zellentstehung auch fu¨r die pathol. Gewebe gelte, wobei er seine Ergebnisse aber nicht zu einer umfassenden Theorie ausbaute. 4) Mit seinen prakt.-klin. Arbeiten zur Elektrotherapie u¨ber Muskel- und Nervenkrankheiten bereicherte er nicht nur die therap. Erfahrungen, sondern leistete auch viele Beitra¨ge zur Differentialdiagnostik neurol. Erkrankungen. Sein enthusiast. Eintreten fu¨r den „galvan.“ Strom stieß teilweise auf heftige Vorbehalte seiner Kollegen. Werk: Diagnost. u. pathogenet. Untersuch. in der Klinik des Geh.-Rats Scho¨nlein, Berlin 1845; Ueber ein selbsta¨ndiges Darmnervensystem, ibid. 1847; Untersuchungen u¨ber die Entwickelung der Wirbelthiere,
Rhazes ibid. 1855; Galvanotherapie der Nerven- u. Muskelkrankheiten, ibid. 1858. Schm.
Rhazes. Abu¯ Bakr Muhammad ibn ˙ ¯ zı¯ [= der Zakarı¯ya¯, genannt ar-Ra Mann aus Raiy, Provinz Hura¯sa¯n] ˘ . (* 865 Raiy, † 925 Raiy oder Bagdad) Latinisiert zu Rhazes, galt er als einer der maßgebenden Autorita¨ten der lat. Scholastik. Nach Studien in Musik und Chemie widmete er sich unter Ibn Zain at-Tabarı¯ der Med., leitete ˙ ˙ Raiy und wurde nach ein Spital in Bagdad berufen. Als Konsiliarius besuchte er zahlreiche Fu¨rstenho¨fe, unter anderem den Hof des Samaniden Abu¯ Sa¯lih Mansu¯r ibn Isha¯q, des Be˙ ˙ der ˙ Provinz H˙ura¯sa¯n. herrschers ˘ Eine arab. Quellensammlung, der Fihrist, fu¨hrt unter dem Namen des R. 116 Bu¨cher und 29 Abh. auf; nach dem arab. Med.hist. Ibn abı¯ Usaibi’a¯ soll er 257 naturphil. und med. Schriften verfaßt haben. Unter seinen Werken rangieren an erster Stelle die med. Arbeiten, so eine Sammlung von Exzerpten zur Physiol., Pathol. und Therapie, bereichert durch empir. Beobachtungen aus der eigenen Praxis. Als Hauptwerk imponiert der Kita¯b al-ha¯wı¯ fi’-tibb (Buch der Zusammen˙ fassung der˙ Medizin). Unter dem Titel Continens wurde das Sammelwerk von Abu¯’l-Faragˇ ibn Sa¯lim in Salerno ins Lat. u¨bers. Fru¨he Drucke erschienen 1486 zu Brescia, 1500, 1506 und 1509 zu Venedig. In krit. arab. Ausgabe erschien das Werk in 20 Ba¨nden zwischen 1955 und 1968 in Hyderabad. Als Quellen dienen neben ! Hippokrates und ! Galen ! Oreibasios, ! Aetios von Amida, ! Paulos von Aigina sowie Auszu¨ge aus a¨lteren arab. Autoren, etwa aus Texten seines Lehrers Ibn Zain at-Tabarı¯. Der Liber ˙ ˙
continens ist als geschlossenes System einer Gesundheitsordnung und Krankheitslehre (de sanitatis tutela, de egritudinum curatione) komponiert und zielt nach klass. Trad. auf das Ganze der Heilkunde. Systemat. Charakter tra¨gt auch das zweite Werk, der Kita¯b al-Mansu¯rı¯, ˙ gewidmet dem Samaniden-Herrscher Abu¯ Salih al Mansu¯r ibn Isha¯q. Als Li˙ ˙ wurde˙ das Werk ber ad Almansorem in Toledo ins Lat. u¨bers.; sein 9. Buch (Liber nonus) diente zahlreichen ¨ rztegenerationen als das klass. Pru¨A fungsbuch. Der Liber medicinalis ad Almansorem (Ed. Mediolani 1481) bringt in den drei ersten Bu¨chern die klass. Anat. und Physiol.; das vierte Buch entha¨lt eine allg. Gesundheitslehre, im fu¨nften Buch verbunden mit der Kosmetik und im sechsten Buch mit einem „Viaticum“; das sechste und siebente Buch ist der Chir. und Toxikol. gewidmet. Der beru¨hmte Liber nonus bringt die Spezielle Therapie („De curatione aegritudinum, quae accidunt a capite usque ad pedes“); das zehnte Buch ist der Fieberlehre gewidmet. In seinem Kita¯b al-Mansu¯rı¯ bringt R. umfangreiche Kapitel ˙u¨ber Struktur und Funktion des Auges und der Ohren, der Knochen, Muskeln, Gefa¨ße und Nerven, ferner ganzer Organgruppen wie Gehirn, Herz, Leber, Nieren und Genitalien. Er geht dabei – wie Galen – teleol. vor, indem er aus Anat. und Physiol. die Weisheit des Scho¨pfers darzulegen versucht. Zu einem auch in der lat. Scholastik beliebten Schulbuch wurde das Werk Kita¯b al-gˇudarı¯ wa-l-hasba ˙ die˙ ¨ ber die Pocken und Masern). In (U sem Liber der variolis et morbillis gibt R. neben empir. Beobachtungen und 275
Richet, Charles Robert
dia¨tet. Ratschla¨gen eine detaillierte Beschreibung der Symptome. Pocken und Masern werden als nosol. Einheit gesehen und als Infekte diagnostiziert. Die Therapie beruht auf einer Befo¨rderung des Exanthems; prognost. ungu¨nstig sind die fettfarbigen, gru¨nen oder violetten warzena¨hnlichen Blattern. Als ein Spa¨twerk ist der Kita¯b alMursˇid (Der Fu¨hrer) anzusehen. Im Prolog fordert R. eine mo¨glichst systemat. Einfu¨hrung in die Med., die dann auch als Wegweiser fu¨r Studenten dienen ko¨nnte. Das Werk bringt 377 Aphorismen in 37 Kapiteln, ferner Lit.hinweise fu¨r Kollegen und Studenten sowie eine Apol. der Heilkunst. Neben weiteren Schriften zur Diagnostik, zur Dia¨tetik und Sexualhyg. verdienen seine Kampfschriften gegen die Kurpfuscher Beachtung, so ein ¨ ber Buch mit dem arabesken Titel: U die in der medizinischen Kunst wohnenden Umsta¨nde, welche die Herzen der meisten Menschen von den acht¨ rzten abwenden und den barsten A niedrigsten zufu¨hren, sowie die Verteidigung des achtbaren Arztes in allen Punkten und in all seinem Tun. ¨ rztebiographie hat Ibn abı¯ In seiner A Usaibi‘a (†1269) das Urteil u¨ber sein ˙ Gesamtwerk wie folgt zusammengefaßt: „Rhazes war einsichtsvoll, versta¨ndig, liebenswu¨rdig gegen die Kranken und bemu¨ht, ihnen auf jede Weise zu helfen. Mit anhaltendem Eifer erforschte er die Geheimnisse der Medizin und suchte die verborgensten Wahrheiten zu entdekken.“ Die mod. R.-Forschung erlaubt noch keine abschließende Beurteilung, vor allem, was seine Kritik an Autorita¨ten und seine eigensta¨ndigen Beitra¨ge be276
trifft. Wir haben in ihm weder einen „zweiten Galen“ (so schon seine Zeitgenossen) zu sehen noch einen Promotor der „Klinischen Medizin“. Werk: Ar-Ra¯zı¯, De variolis et morbillis, Cura J. Channing, London 1766; Greenhill, W.A. (Hg.), A Treatise of the Smallpox and Measles, London 1847; Opitz, K. (Hg.), Ar¨ ber die Pocken und Masern, Ra¯zı¯ (Razes), U Leipzig 1911; Kita¯bu’l-Ha¯wı¯ fi’t-tibb (Con˙ tinens of Rhazes), Vol. I-XX, ˙HyderabadDeccan 1955–1968. Schi.
Richet, Charles Robert (* 26. 8. 1850 Paris, † 4. 12. 1935 Paris). R. stud. Med. in Paris; Dr. med. 1877, Prof. agre´ge´ 1878, o. Prof. fu¨r Physiol. in Paris 1887. R. begann u.a. mit Arbeiten zur Wa¨rmeregulation tier. Organismen (La chaleur animale, 1889). Ab ca. 1880 arbeitete R. auch mikrobiol. zusammen mit He´ricourt u.a. an Blutseren gegen Tuberkulose. Aus der Immunforschung heraus entdeckte R. die von ihm so benannte Anaphylaxie (R. et al., L‘anaphylaxie, 1911) und wurde 1913 dafu¨r mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. R. verfolgte vielfa¨ltige wiss., kulturelle und polit. Interessen und war engagierter Pazifist. Werk: Grote, L.R., Die Med. d. Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 7, Leipzig 1928, 185–219. Gr.
Ricketts, Howard Taylor (* 9. 2. 1871 Findley/Ohio, † 3. 5. 1910 Mexico City). Pathol., stud. ab 1890 an der NorthWestern Univ. und der Univ. of Nebraska, ab 1894 an der Medical Schoool der North-Western Univ., dort 1897 M.D. 1902 associate Prof. fu¨r Pathol. an der University of Chicago. R. begann mit Arbeiten zur Blastomykose. Bekannt wurde R. durch seine Ent-
Riolan, Jean (junior)
deckung der nach ihm benannten Rikkettsien, die u.a. Typhus verursachen. Auf einer Forschungsreise 1910, auf der er den Unterschied von Typhus und Fleckfieber kla¨rte, verstarb R. Gr. an Typhus. Ricord, Philippe (* 10. 12. 1800 Baltimore, † 22. 10. 1889 Paris). Der bedeutende frz. Syphilidol. des 19. Jh. ist v. a. bekannt durch die Definition der drei Syphilisstadien, die Unterscheidung zwischen Syphilis und Gonorrhoe, die genaue Beschreibung des Vaginal- und Urethralschankers und das nach ihm benannte Vaginalspekulum. R. kam 1820 nach Paris und stud. bes. unter ! Dupuytren und Lisfranc, prom. 1826; nach verschiedenen Anstellungen in den USA und in Frankreich wurde er 1831 zum ersten Chir. des Hoˆpital du Midi fu¨r Syphilitische ernannt, dem er bis 1860 vorstand. Seit 1850 war er Mitglied der Acade´mie de me´dicine, 1852 Leibarzt des Prinzen Napole´on, 1869 Chirurgien consulte´ des Kaisers, 1870/71 Pra¨sident der Lazarette im belagerten Paris. Werk: Monographie du chancre, Paris 1837; Traite´ pratique des maladies ve´ne´riennes, ibid. 1838; Clinique iconographique de l’Hoˆpital des Ve´ne´riens, ibid. 1851; Lettres sur la syphilis, ibid. 1851; Lec¸ons sur le chancre, ibid. 1858. Eck.
Rindfleisch, Georg Eduard von (* 15. 12. 1836 Ko¨then/Anhalt, † 6. 12. 1908 Wu¨rzburg). R. stud. von 1855 bis 1860 Med. in Heidelberg, Halle und Berlin, wo er unter ! Virchow prom. wurde. 1861 in Breslau habil., 1862 Doz. fu¨r Pathol. Anat. und Prosektor in Zu¨rich, 1864 erfolgte dort seine Ernennung zum Ex-
traord. 1865 wechselte er als Ord. fu¨r Pathol. Anat. nach Bonn, 1874 nach Wu¨rzburg, wo er 1906 emerit. wurde und 1908 starb. Außer durch Forschungen u¨ber Tuberkulose und Blutbildung wurde R. durch seine neovitalist. Naturphil. (Selbstorganisation, Einheit von Kraft und Stoff) bekannt, die er 1895 auf der Lu¨becker Naturforscherversammlung vorstellte. Werk: Lehrbuch der Pathologischen Gewebelehre, Leipzig 1867–1869; Elemente der ¨ ber Neo-VitalisPathologie, ibid. 1883; U ¨ rzte, mus, in: Verh. d. Ges. Dt. Naturf. u. A 67. Versammlung Lu¨beck 1895, T. 1, Leipzig 1895, 111–30. Ba.
Riolan, Jean (junior) (* 15. 2. 1580 Paris, † 19. 2. 1657 Paris). Stud. in Paris, Prom. 1606, seit 1613 Prof. fu¨r Anat. und Botanik, am Colle`ge Royal Prof. fu¨r Med., 1633 Leibarzt der Ko¨niginmutter Maria von Medici, 1638–41 Reise nach England und Begegnung mit ! Harvey. R. galt seit seiner Anthropographia von 1626 als einer der angesehensten Anat. der Zeit. Als streitbarer Anha¨nger der ! galenist. Med., Beka¨mpfer der ! Paracelsisten und Verteidiger der konservativen Pariser Schule versuchte er vergeblich, die trad. Humoralpathol. mit den Entdeckungen Harveys, ! Pecquets und ! Th. Bartholins zu harmonisieren. So akzeptierte er den Blutkreislauf nur unter Ausschluß des pulmonalen und portalen Gefa¨ßsystems. Trotz der Entdeckung der Chylus- und Lymphgefa¨ße hielt er an der zentralen Bedeutung der Leber im Organismus fest. Die Meth. der Vivisektion lehnte er als uneth. und artefaktanfa¨llig ab. In den letzten Lebensjahren griff er seine Gegner mit zahlreichen Polemiken an. 277
Ritgen, Ferdinand August Maria Franz von
Jean Riolan (1580–1657) Werk: Anthropographia et osteologia, Paris 1626; Encheiridium anatomicum et pathologicum, ibid. 1648; Opera anatomica, ibid. 1649; Opuscula anatomica, varia et nova, ibid. 1652; Opuscula nova anatomica, ibid. 1653. Bro¨.
Ritgen, Ferdinand August Maria Franz von, seit 1839 von (* 11. 10. 1787 Wulfen, † 14. 4. 1867 Gießen). Lehrer der Geb.-hilfe, Naturforscher. Stud. Land-, Bau- und Geniewesen, ab 1806 Heilkunde (Mu¨nster). 1808 Diss. De balneorum effectu et usu (Gießen); Amtswundarzt zu Beleke. 1809 Heirat, 1 Kind; Erlaubnis zur Ausu¨bung der Inneren Heilkunde; Amtsphysikus zu Stadtberge, bis 1811 zu Medebach. 1814 o. Prof. (Geburtshilfe, Chir., Med. Fak. Gießen), Dir. der Entbindungsanstalt; Medizinalrat (Referent fu¨r Medizinal-Angelegenheiten, Oberhessen). 1817 o. Prof. 1821 Regie278
rungsrat (Referent fu¨r Landes-Bauwesen). 1823 Ehrendr. (Phil. Fak. Gießen). 1824 Stadtarmenarzt; Leiter des Bu¨rgerhospitals; Einrichtung einer chir. Klinik. 1825/26 (1837/38) Rektor der Univ. Gießen. 1835–41 Stadtabgeordneter (2. Landtagskammer). 1836 Prof. (Med. Polizei). 1837 Prof. (Psychiatr.), Niederlegung der Prof. fu¨r Chir. 1846 Geheimrat. 1853 2. Heirat. 35 Titel und Mitgliedbzw. Ehrenmitgliedschaften. Tra¨ger mehrerer Verdienstkreuze. Wiss. Verdienste: Begr. der klin. Geburtshilfe an der Univ. Gießen. Verbreitung der aus England stammenden Meth. der ku¨nstl. Fru¨hgeburt. Konstruktion von Zangenmodellen. Verbesserung des Kaiserschnittverfahrens. Umfassender Dammschutz (R.-Handgriff). Erforschung des Geburtsmechanismus bei Scha¨dellage. Bezeichnungen Beckenenge und -weite in die Geburtshilfe eingefu¨hrt. Verbesserung der Studentenausbildung. Seit 1826 Mitredakteur der ZeitB.-S. schrift fu¨r Geburtskunde. Rivie`re (Riverius), Lazare (* 1589 Montpellier, † 1655 Montpellier). R. stud. dort bis zur Prom. 1611 Med. Von 1622 bis 1655 war er in Montpellier Ord. fu¨r Prakt. Med.; Rufe nach Toulouse und Bologna lehnte er ab. R. war einerseits Anha¨nger von ! Harveys Theorie des Blutkreislaufs, andererseits fu¨hrte er alchemische (! paracelsistische) metallische Heilmittel zur rationalen internen Therapie in die Schule von Montpellier ein. Nach ihm benannt ist die „Potio Riverii“, ein kohlensa¨urehaltiges Wasser mit Zitronensa¨ure und NaHCO3 gegen Magenbeschwerden.
Rokitansky, Carl von Werk: Praxis medica, Paris 1640; Observationes medicae, ibid. 1646; Institutiones medicae, Leipzig 1655. Ba.
Rodenwaldt, Ernst (* 5. 8. 1878 Berlin, † 4. 6. 1965 Ruhpolding/Obb.). R. erhielt seine Ausbildung an der Kaiser-Wilhelms-Akad. in Berlin und prom. 1903 zum Dr. med. Nach milita¨ra¨rztl. Ta¨tigkeit, einer Spezialausbildung am Inst. fu¨r Schiffs- und Tropenkrankheiten Hamburg und Ablegung des Kreisarztexamens, 1909–12 als Regimentsarzt in der dt. Kolonie Togo. R. war dann zum Reichskolonialamt kommandiert und 1915–18 beratender Hyg. der V. Tu¨rk. Armee. 1919 in Heidelberg fu¨r Hyg. habil., verzichtete er 1921 auf die Venia legendi und ging in den koloniala¨rztl. Dienst von Holla¨nd. Ostindien, wo er bis 1934 wirkte. Mit kolonialer „Rassenhyg.“ und dem „Mischlingsproblem“ (Die Mestizen von Kisar, 2 Bd., Batavia 1927) bescha¨ftigt, spielte er als Vertreter Holla¨nd. Ostindiens im „Ausschuß zum Stud. der Rassenmischungen beim Menschen“ der „Internat. Vereinigung rassenhyg. Organisationen“ eine prominente Rolle. 1932–33 Mitglied der NSDAP, 1934 Ord. der Hyg. in Kiel, 1935 als Nachfolger von E. Gotschlich in Heidelberg, gab es um geplante Berufungen als Rassenhyg. nach Mu¨nchen bzw. als Leiter eines Reichs-Inst. fu¨r Erbforschung in Berlin-Dahlem, die er ablehnte, 1936 betra¨chtl. Konflikte. 1941 auch den Ruf nach Straßburg ablehnend, hatte er als beratender Tropenhyg. der Heeresfu¨hrung und Leiter des Tropenmed. Inst. der milita¨ra¨rztl. Akad. eine ma¨chtige Stellung. Im Okt. 1945 auf amerik. Befehl in Heidelberg entlassen und im April
1948 „aus Altersgru¨nden“ emerit., hatte er 1948–50 erneut den Lehrauftrag fu¨r Hyg. und war vertretungsweise Leiter des Hyg. Inst., worauf er im Nov. 1951 erneut emerit. wurde. In enger Zusammenarbeit mit ! H. Zeiss entwickelte er in der NS-Zeit das Konzept der Geomed., woraus nach Geheim-Publ. zu Kriegszwecken (1942, mit Zeiss und H. Jusatz) mit US-amerik. Unterstu¨tzung 1952–61 der „WeltHu. Seuchen-Atlas“ hervorging. Rokitansky, Carl von (* 19. 2. 1804 Ko¨niggra¨tz/Bo¨hmen, † 23. 7. 1878 Wien). ¨ sterr. Pathol. Stud. der Phil. ab 1818, O der Med. ab 1821 in Prag, ab 1824 Med.stud. in Wien, 1828 med. Prom. und unbesoldeter, ab 1829 besoldeter Praktikant an der pathol.-anat. Lehrkanzel. 1832, nach dem Tod von Johann Wagner (1800–32), kommissarischer Leiter des Lehrstuhles und Kustos des Museums; 1834 ao. Prof. der pathol. Anat. und Prosektor des Wiener Allg. Krkh. 1844 o. Prof.; 1848 Mitglied der Wiener Akad. der Wiss. (1869 Pra¨sident); 1850 Vorsit¨ rzte in zender der Gesellsch. der A Wien; 1863 Hofrat und Ministerialreferent fu¨r die Med.; 1867 Mitglied des Herrenhauses; 1870 Mitglied der Pariser Akad. der Wiss.; R. trat 1875 aus Altersgru¨nden von seiner Prof. zuru¨ck. R. gilt als Begr. der Zweiten Wiener Schule, in der die pathol. Anat. die zentrale Rolle einnahm: Ausgehend von der Pariser Schule institutionalisierte R. die Verbindung von pathol.-anat. Befund und klin. Symptomatik in Form der heute noch u¨blichen Arbeitsteilung zwischen Pathol. (Sektion) und Kliniker (Krankenbehandlung). 279
Rolfinck, Werner
Theorie wurde von ! R. Virchow, dem spa¨teren Begr. der Zellularpathol., scharf kritisiert und rezensiert und daraufhin von R. in der Neubearbeitung seines Werkes gestrichen. Insgesamt geho¨rt R. mit seiner Arbeit dennoch zu den Begr. der heutigen naturwiss. Pathol. Die Wiener Med. gelangte v.a. durch R., der sich auch um das med. Unterrichtswesen ku¨mmerte, wieder zu großem Ansehen. R. wirkte ferner durch zahlreiche Schu¨ler fort. Werk: Handbuch der pathologischen Anatomie, 3 Bd., Wien 1842–46 (Bd. 1, 1846; Bd. 2, 1844; Bd. 3, 1842; Neubearb.: 1855–1861); Lesky, E. (Hg.), Selbstbiographie und Antrittsrede, Wien 1960. Pr. Carl von Rokitansky (1804–1878)
R. konnte im Rahmen seiner in die Tausende gehenden Sektionen unter Beru¨cksichtigung chem. Analysen zahlreiche, v.a. makroskop. Einzelergebnisse der speziellen Pathol. fu¨r sein Fach erarbeiten. Diese stellte er in seinem dreiba¨ndigen Handbuch der pathologischen Anatomie (1842– 46), seinem wichtigsten Werk, zusammen und ordnete sie zum ersten Mal nach anat. Gesichtspunkten. Das Problem, Einzelbefund und klin. Krank¨ bereinstimmung zu heitsbild in U bringen, brachten R. zum Entwurf einer Krasenlehre, vero¨ffentlicht in Bd. 1 (1846) seines Hb. Diese baute auf zeitgeno¨ss. humoralpathol. Theorien, v.a. derjenigen ! G. Andrals, auf. Grundlage der Krankheiten waren nach R. jeweils charakterist. Vera¨nderungen des Blutplasmas bzw. der in ihm befindl. Eiweißko¨rper, wobei R. ein System verschiedener Dyskrasieformen entwarf. R.s spekulative 280
Rolfinck, Werner (* 15. 9. 1599 Hamburg, † 6. 5. 1673 Jena). Stud. Phil. und spa¨ter Med. in Wittenberg, Leiden und Padua. Zu seinen Lehrern geho¨ren ! D. Sennert und ! A. van den Spieghel. Prom. 1625 in Padua. Kehrte 1628 nach Deutschland zuru¨ck und u¨bernahm in Wittenberg den Lehrstuhl fu¨r Anat. Bereits ein Jahr spa¨ter wechselte er an die Univ. Jena, wo er zuna¨chst Anat., spa¨ter auch Chir., Botanik und Chemie (ab 1641) unterrichtete. Außerdem war er Dir. des dortigen botan. Gartens, den er 1631 selbst gegru¨ndet hatte. In Jena sorgte er fu¨r die Einrichtung eines chem. Laboratoriums sowie eines anat. Theaters (1629). Beru¨hmt-beru¨chtigt wurde er durch seine o¨ffentl. Sektionen, auf die sich der spa¨ter zum Sprichwort gewordene volkstu¨mliche Ausdruck „rolfinken“ fu¨r illegale Beschaffung von Leichen zwecks Sezierung bezieht. R. setzte ¨ rzte besich als einer der ersten dt. A reits 1632 o¨ffentl. fu¨r ! Harveys Leh-
Rosenbach, Friedrich Julius
re vom Blutkreislauf ein. Er verfaßte eine Reihe von med. Schriften, darunter auch Kommentare der Schriften des ! Hippokrates und ! Rhazes sowie Abh. u¨ber die Chemie, in denen er sich u. a. gegen die transmutatorische Alchemie aussprach. Von seinem großen Schu¨lerkreis zeugt die große Anzahl (104) der bei ihm entstandenen Ju¨. Diss. Romberg, Moritz Heinrich (* 11. 11. 1795 Meinigen, † 16. 6. 1873 Berlin). Internist, Nervenarzt. Der Sohn eines ju¨d. Kaufmannes stud. in Berlin Med. Nach Appr. und Prom. machte er eine Bildungsreise u.a. nach Wien; ließ sich in Berlin als prakt. Arzt nieder und wurde Armenarzt. 1830 Habil. Wa¨hrend der Choleraepidemien als Dirigierender Arzt in Lazaretten ta¨tig. Sein Unterricht war praxisnah, 1840 wurde er Leiter der Univ.-Poliklinik, 1838 ao. Prof., 1845 Prof. fu¨r Spezielle Pathol. und Therapie an der Berliner Univ. Sein Hauptarbeitsgebiet war die Nervenheilkunde. Mit seinem Namen wurden verschiedene Untersuchungsverfahren und Erscheinungen benannt. Bis zur Gegenwart hat sich der Begriff des R.schen Versuches erhalten (Pru¨fung der Koordination). Werk: Lehrbuch der Nervenkrankheiten, Berlin 1840–1846, 31853–54, unvollendet 4 1857. Stu¨.
Ro¨schlaub, Andreas (* 21. 10. 1768 Lichtenfels, † 7. 7. 1835 Oberdischingen/Oberamt Ehingen). 1787 Stud. der Med. in Bamberg bei A. Marcus, 1795 Prom.; nach dem Stud. dort o¨ffentl. Arzt, 1796 ao., 1798 o. Prof. fu¨r Pathol. und Klinik in Bam-
berg. 1802 Prof. und Leiter der Klinik in Landshut. 1824 vom Dienst suspendiert wegen Streit mit dem Ministerium, 1826 wieder eingestellt; er folgte im gleichen Jahr dem Umzug der Univ. nach Mu¨nchen, dort bis zu seinem Tod Prof. und prakt. Arzt. R.s umfangreiches Werk entha¨lt Schriften zur theoret., prakt. und prophylakt. Med. Er rezipiert bereits in seiner Diss. die Lehre des schott. Arztes ! J. Brown und gilt als dessen bedeutendster dt.sprach. Interpret, beeinflußt durch die Phil. des Dt. Idealismus (insb. J.G. Fichte und F.W.J. Schelling). R. will die Physiol. mit Hilfe der Schellingschen Naturphil. auf eine wiss. Grundlage stellen. Fu¨r die klin. Ta¨tigkeit schreibt er der Physiol. und Anat. jedoch nur propa¨deut. Rang zu und fordert eine eigene Theorie der Praxis. An diesem Punkt kommt es 1805 zum Bruch mit Schelling. R.s weitreichender Einfluß in den ersten Jahren des 19. Jh. schwindet infolge von Auseinandersetzungen mit der sich auf Schelling beziehenden naturphil. Richtung sowie mit den trad., ¨ rzten, insbes. mit ! empir.-eklekt. A Wies. Ch.W. Hufeland. Rosenbach, Friedrich Julius (* 16. 12. 1842 Grohnde, † 6. 12. 1923 Go¨ttingen). Geb. in Grohnde bei Hameln. Stud. zuna¨chst Chemie und Physik, spa¨ter Med. in Heidelberg, Go¨ttingen und Berlin. Studienreisen nach Wien und Paris. Prom. 1867. Danach Ass. in der Pathol., Anat. und Chir. Nach dem Kriegsdienst habil. er sich in Go¨ttingen 1872 mit einer Arbeit u¨ber den Einfluß von Karbolsa¨ure auf eitrige und septische Infektionen. Sein wiss. 281
Roser, Wilhelm
Schwerpunkt waren die Wundinfektionen. Das Erysipeloid wurde von ihm erstmals als Infektionskrankheit beschrieben (1887). Leiter der Chir. Poliklinik und ao. Prof. in Go¨ttingen Pt. seit 1877. Roser, Wilhelm (* 26. 3. 1817 Stuttgart, † 16. 12. 1888). Geb. in Stuttgart, stud. R. von 1834 bis zur Prom. 1839 Med. in Tu¨bingen. Nach Aufenthalten in Wu¨rzburg, Halle, Wien und Paris 1841 Habil. fu¨r Chir. in Tu¨bingen. 1841/42 begr. R. zusammen mit ! Wunderlich (und ! Griesinger) das Archiv fu¨r physiologische Heilkunde, das sich gegen die naturphil. inspirierte Theorie der Naturhist. Schule wandte und fu¨r eine naturwiss.-physiol. Basis der Med. eintrat. 1846–51 war R. Oberamts-Wundarzt in Reutlingen, 1851–88 Ord. fu¨r Chir. in Marburg. R. war ein vielseitiger Chir., der sich auch um die Verselbsta¨ndigung der Augenheilkunde Verdienste erwarb. Er war einer der Mitbegr. der Dt. Gesellsch. fu¨r Chir. 1846 beschrieb er die anat. Verbindung zwischen Spina iliaca anterior superior und Tuber ossis ischii (! Roser-Ne´laton-Linie). Werk: Handbuch der anatomischen Chirurgie, Tu¨bingen 1844; Allgemeine Chirurgie, ibid. 1845; Chirurgisch-anatomisches Vademecum, Stuttgart 1847. Ba.
Ross, Ronald (* 13. 5. 1857 Almora/Nepal, † 16. 9. 1932 London). Angeregt durch die Moskitotheorie ! Sir Patrick Mansons, der ihn von der Existenz pigmentierter Parasiten im Blut Malariakranker u¨berzeugt hatte (! A. Laveran), erforschte R. den Lebenszyklus der Malariaparasiten. Nachdem er gezeigt hatte, daß der Ge282
nuß kontaminierten Wassers (Moskitos, Larven) nicht zur Malariaerkrankung fu¨hrt, gelang es ihm 1895 zuna¨chst, im Magen von Moskitos die aus den Gametozyten entwickelten Geißelfa¨den nachzuweisen (ohne sie freilich als Gameten zu identifizieren). Am 20. August 1897 („Mosquito day“) entdeckte er in der Magenwand einer Anopheles eine Zyste mit schwarzen Pigmentko¨rperchen (R.sche Keime). Untersuchungen an malariainfizierten Vo¨geln wiesen schließlich den Weg zur Entschlu¨sselung des parasita¨ren Lebenszyklus, einschließlich der Entwicklungsstadien in den Speicheldru¨sen der Moskitos (1898). R. wurde in Almora (Nepal) geb.; nach dem Med.stud. am St. Bartholomew’s Hospital (London) geho¨rte er von 1881 bis 1899 dem Indian Medical Service an. Seine Malariastudien nahm er (nach Kursen in Bakteriol. und Public Health in England) 1888 auf. Nach der Entlassung aus dem Kolonialdienst war R. Lehrer an der Liverpool School of Tropical Diseases (1899–1912), Spezialist fu¨r Tropenkrankheiten am King’s Hospital (1912), Dir. des Royal Institute and Hospital for Tropical Diseases (1923–26) sowie Dir. des nach ihm benannten R. Institute of Tropical Hygiene (1926). 1902 wurde R. fu¨r seine Malariastudien mit dem Nobelpreis geehrt, 1911 in den Adelsstand erhoben (Sir). Werk: On Some Peculiar Pigmented Cells Found in Two Mosquitos Fed on Malarial Blood, 1897; Report on the Cultivation of Proteosoma, Labbe, in Grey Mosquitos, 1898; Recent Investigations on the Mosquito-Malaria Theory, 1898; Researches on Malaria, Nobelpreisvorl. 1902, 1905; Memoirs With a Full Account of the Great Malaria Problem and Its Solution, London 1923. Eck.
Rous, Francis Peyton
Ro¨ßlin, Eucharius, d. A¨. (* ca. 1470). War zuna¨chst Apotheker in Freiburg/ Brsg. und trat 1506 als Arzt in den Dienst der Stadt Frankfurt am Main. 1508 behandelte er die Herzogin Katharina von Braunschweig-Wolfenbu¨ttel, der er spa¨ter sein beru¨hmtes Werk Der Swangern Frauwen und hebammen Rosegarten (Straßburg 1513) widmete. Dieses Werk, das ihn fu¨r mehr als zwei Jh. zum „Hebammenlehrer Europas“ (G. Klein) machte, zeichnet sich weniger durch Originalita¨t, als durch geschickte Kompilation und Wissensvermittlung aus. Zu seinen Hauptquellen za¨hlen nach Keil neben den Gynaecia von Mustio, der nach 500 die gyna¨kol. Werke des ! Soranos von Ephesos bearbeitete, das Pseudo-Ortolfische Frauenbu¨chlein und das Kinderbu¨chlein des Bartholoma¨us Metlinger. R.s Rosegarten besteht aus drei Teilen: einer Hebammenlehre, einem Kinderbu¨chlein, das nach Indikationsgruppen geordnet ist, und einem halbalphabet. lat.-dt. Glossar fu¨r tier., pflanzl. und mineral. Drogen. R.s geburtshilfl. und kinderheilkundl. Lb. war sehr popula¨r und ist in mehr als hundert Drucken nachgewiesen. R. verließ 1511 Frankfurt und wirkte einige Jahre als Stadtarzt in Worms, kehrte jedoch bereits 1517 in die Mainmetropole zuru¨ck, wo spa¨ter auch sein Sohn Eucharius Ro¨ßlin Ju¨. d.J. als Stadtphysikus wirkte. Rothschuh, Karl Eduard (* 6. 7. 1908 Aachen, † 3. 9. 1984 Mu¨nster). Mit „Wege und Umwege“ hat Rothschuh seinen Lebensgang als Landwirt, Arzt, Physiol., Med.hist. und Theoretiker der Med. beschrieben und ein nach Umfang, Qualita¨t und
Forschungsrichtung gleichbedeutendes wiss. Werk geschaffen, das seinen Namen internat. zu einem Begriff gemacht und ihm viele Ehrungen eingetragen hat. Geschult bei Richard Koch in Frankfurt, gepra¨gt fu¨r sein Leben durch ein Jahr bei Louis R. Grote in Dresden, habil. er sich 1941 in Mu¨nster mit einer preisgekro¨nten Arbeit zur Elektrophysiol. des Herzens, vertritt von 1949–51 den Lehrstuhl fu¨r Physiol. in Wu¨rzburg und lehrt ab 1951 in Mu¨nster Med.gesch., seit 1960 im Hauptamt. „Nichts ist praktischer als eine gute Theorie.“ In diesem Lieblingssatz R.s ¨ berzeugung, daß spiegelt sich seine U in der Med. jede wiss. Arbeit ihren Sinn nur von der Aufgabe der Med. her erha¨lt. Mit diesem Anspruch und der systemat. Verbindung von wiss.hist. und wiss.theoret. Forschung hat er richtungsweisend gewirkt. In dem 1960 von ihm gegr., seit 1974 zum Inst. fu¨r Theorie und Gesch. der Med. erweiterten Inst. werden die fruchtbaren Traditionen seines Denkens ebenso fortgesetzt wie in der von ihm 1965 begr. Gesellsch. fu¨r Wiss.gesch., deren Ehrenpra¨sident R. von 1973 bis zu seinem plo¨tzl. Tod am Schreibtisch war. Werk: Geschichte der Physiologie, Heidelberg 1953 (engl.: New York 1973); Theorie des Organismus, Mu¨nchen 21963; Prinzipien der Medizin, ibid. 1965; Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart, Stuttgart 1978; Naturheilbewegung – Reformbewegung – Alternativbewegung, ibid. 1983. Toe.
Rous, Francis Peyton (* 1879 Baltimore/Maryland, † 1970 New York City). Med.stud. an der Johns-HopkinsUniv. in Baltimore, dort Prom. 1905, 283
Roux, Pierre Paul E´mile
Forschungsreise nach Dresden zu G. Schmorl, 1909-1945 ord. Prof. in der pathol. Abt. des Rockefeller-Inst. fu¨r Med. Forsch. in New York. R. gilt als Mitbegr. auf dem Gebiet der onkogenen Viren. Fu¨r seine Entdeckungen wurde ihm 1966 der Nobelpreis fu¨r Physiol. oder Med. verliehen. R. war langja¨hriger Herausgeber des amerik. Journal of Experimental Medicine. Werk: A sarcoma of fowl transmissible by an agent separable from tumor cells, J. Exp. Med. 13 (1911), S. 397-411. Sth.
Roux, Pierre Paul E´mile (* 17. 12. 1853 Confolens, † 3. 11. 1933 Paris). Sohn eines fru¨h verstorbenen Lehrers. R. stud. Med. in Clermont Ferrand, wo er unter dem Einfluß von Duclaux stand, der seinerseits von ! Pasteur stark beinflußt war. Er qualifizierte sich in Paris und war danach klin. Ass. im Hoˆtel-Dieu. Mit Duclaux’ Ru¨ckkehr nach Paris erhielt er eine Stelle in Pasteurs Labor. Dort steuerte R. wichtige Beitra¨ge zur Forschung u¨ber Tollwutimpfung, u¨ber die Herstellung von Diphtherieseren sowie u¨ber die Wirkung von Diphtherietoxin und Tetanus bei. Als Lehrer im Pasteur-Inst. gab er ab 1889 renommierte Kurse in der Mikrobiol. 1895 war er stellvertretender Dir., ab 1904 in der Nachfolge von Duclaux Dir. des Pasteur-Inst. R. pflegte sehr die Tradition von Pasteur, obgleich er selbst verschiedene med. Beitra¨ge geleistet hat. Werk: Nouvelles acquisitions sur la rage, Paris 1883; Contribution a` l’e´tude de la diphte´rie (mit Yersin, A.), in: Ann. Inst. Past., Bd. 2 (1888), 629–61; Bd. 3 (1889), 273–88; Bd. 4 (1890), 385–426; Sur les se´rums antitoxiques, in: Ann. Inst. Past., Bd. 8 (1894), 722–7. Wdl. 284
Roux, Wilhelm (* 9. 6. 1850 Jena, † 15. 9. 1924 Halle). R. gilt als einer der Begr. der exp. Embryol. R. stud. in Jena und Berlin, prom. sich 1878 und habil. sich 1880 fu¨r Anat. in Breslau, wo er als Ass. von C. Hasse ta¨tig war. 1888 wurde R. als ao. Prof. zum Dir. eines Inst. fu¨r Entwicklungsgesch. und Entwicklungsmechanik ernannt. 1889 wurde er o. Prof. fu¨r Anat. in Innsbruck und 1895 o. Prof. fu¨r Anat. in Halle. 1881 begann R. Defektversuche mit Ausschaltung von Keimteilen durch Verletzung. Daraus ergaben sich Auseinandersetzungen bes. mit O. Hertwig und ! H. Driesch u¨ber die Bedeutung von Halbbildungen. 1894 gru¨ndete R. das Archiv fu¨r Entwicklungsmechanik. Werk: Der Kampf der Teile im Organismus, Leipzig 1881; Beitra¨ge zur Entwicklungsmechanik des Embryo, Zs. f. Biol. 21, N.F. 3 (1886), 411–526; Gesammelte Abhandlungen u¨ber Entwicklungsmechanik der Organismen, Leipzig 1895; Programm und Forschungsmethoden der Entwicklungsmechanik der Organismen, ibid. 1897; Autobiogr., in: Grote, L. (Hg.), Die Med. der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 1, ibid. 1923, 141–206. Wdl.
Rubner, Max (* 2. 6. 1854 Mu¨nchen, † 27. 4. 1932 Berlin). R. stud. Med. in Leipzig und Mu¨nchen, wo er 1878 den Dr. med. erwarb. Nach einer Ausbildung bei C. Voit und ! C. Ludwig wurde er 1883 in Mu¨nchen fu¨r Physiol. habil., erhielt 1885 als Extraord. das dritte Hyg.Inst. in Preußen (1887 o. Prof.), wechselte 1891 nach Berlin an Stelle ! Kochs, wo er zugleich Prof. an der Kaiser-Wilhelms-Akademie wurde, und tauschte 1909 den Lehrstuhl der Hyg. gegen den der Physiol., auf
Rudolphi, Karl Asmund
dem er bis 1922 und noch einmal 1926/27 nach dem Tode F. B. Hofmanns wirkte. Seit 1913 war er Dir. des von ihm inaugurierten KWI fu¨r Arbeitsphysiol. R. vero¨ffentlichte eine Vielzahl bakteriol. und hyg. Untersuchungen, bes. Arbeiten u¨ber Wa¨rmehaushalt, Wa¨rmeabgabe, Wa¨rmeschutz und alle Fragen der Erna¨hrungs- und Arbeitsphysiol. Die Tierkalometrie baute er zu einer exakten Meth. aus, womit er das Gesetz von der Erhaltung der Kraft in der belebten Natur belegte; er stellte die Gesetze der Isodynamie, der spezif. dynam. Wirkung u. das Oberfla¨chengesetz auf und pra¨gte Begriffe wie Ausnu¨tzungsquote, Eiweißminimum, Vorratseiweiß etc. Seit 1888 gab er das Novaksche Lehrbuch der Hygiene heraus, mit M. ! Gruber und M. Ficker 1911–13 das Handbuch der Hygiene; als Redakteur wirkte er beim Archiv fu¨r Hygiene, der Hygienischen Rundschau und der Zeitschrift fu¨r Arbeitsphysiologie. Mit der Gru¨ndung des Dt. Vereins fu¨r Volkshyg. (1899), umstrittenen Arbeiten zur Volkserna¨hrung im Ersten Weltkrieg bzw. zur Leistungsphysiol., griff er auf konservativer Seite in die Hyg.-PoHu. litik ein. Ru¨din, Ernst (* 19. 4. 1874 St. Gallen, † 22. 10. 1952 Mu¨nchen). Staatsexamen 1898 in Zu¨rich, Ass.Arzt an psychiatr. Kliniken, seit 1907 in Mu¨nchen bei ! Kraepelin, dort 1909 Habil., seit 1916 Leiter der geneal.-demograph. Abt. der Dt. Forschungsanstalt fu¨r Psychiatrie, 1925– 28 Prof. fu¨r Psychiatrie in Basel, seit 1928 Dir. des 1924 gegr. KWI fu¨r Geneal. und Demographie in Mu¨nchen, 1930 Prof. fu¨r Psychiatrie in Mu¨nchen,
1933 in den Sachversta¨ndigenbeirat fu¨r Bevo¨lkerungs- und Rassenpolitik des Reichsministeriums des Inneren berufen, seit 1935 Vorsitzender der Gesellsch. dt. Neurol. und Psychiater, 1936–44 kommissarischer Leiter des Inst. fu¨r Rassenhyg. der Univ. Mu¨nchen, 1945 kurzzeitig interniert. Nach eingehender Bearbeitung der Erblichkeitsverha¨ltnisse bei neurol. und psychiatr. Krankheitsbildern Begr. der „empirischen Erbprognose“ als Grundlage der mit dem Gesetz zur Verhu¨tung erbkranken Nachwuchses von 1933 eingefu¨hrten Zwangssterilisierungen ausgewa¨hlter Erkrankter; aktiv und fu¨hrend an der prakt. Organisation der rassenhyg. Maßnahmen des NS-Staates beteiligt. Werk: Stud. u¨ber Vererb. und Ent. geist. Sto¨rungen, Bd. I: Zur Vererb. und Neuent. der Dementia preacox, Berlin 1916; (Hg.), Erblehre und Rassenhygiene im vo¨lkischen Staat, Mu¨nchen 1934. Gesetz z. Verh. erbkr. Nachw. v. 14. Juli 1933, bearb. u. erl. v. A. Gu¨tt, E.R., F. Ruttke, Mu¨nchen 1934. Tho.
Rudolphi, Karl Asmund (* 14. 7. 1771 Stockholm, † 29. 11. 1832 Berlin). R. war Prof. in Greifswald, ab 1810 erster Prof. fu¨r Anat. und Physiol. in Berlin, wo er insbes. die Anat. Sammlung zu einer der bedeutendsten in Europa ausbaute. Aus der Tradition der Naturgesch. heraus entfaltete R. ein breites Forschungsinteresse (vergl. und pathol. Anat., Anthropol., Botanik, Physiol.), wobei er sich ha¨ufig mit vorherrschenden Theorien (z.B. Seelenorgan in den Hirnventrikeln, Nervenatmospha¨re, Lebenskraft, Scha¨dellehre, animal. Magnetismus) krit. auseinandersetzte, so daß er als typ. Vertreter eines sog. empir. Skeptizismus gelten kann, dessen Ausfu¨hrungen u¨ber die 285
Ruffer, Marc Armand
Rolle von Hypothesen, Exp. und Beobachtung wichtige methodol. Impulse gaben. Spa¨ter richtete sich seine Skepsis auch gegen neuere Entwicklungen der Sinnesphysiol. und Embryol. Sein unvollendeter Grundriß der Physiologie (1821–28) war einer der letzten Versuche, Physiol. aus der Anatomia animata heraus zu erkla¨ren und die konzeptuelle Trennung beider Fa¨cher Hg. zu erhalten. Ruffer, Marc Armand (* 1859 Lyon, † Fru¨hj. 1917 auf U¨berfahrt von Thessaloniki nach A¨gypten). Stud. in Oxford und London. R. arbeitete zuna¨chst als Bakteriol. und Pathol., ab 1891 als erster Dir. des British Institute for Preventive Medicine. Infolge einer Diphtherieerkrankung mußte R. seine Arbeit in England aufgeben und ging als Prof. fu¨r Bakteriol. nach Kairo. Neben Arbeiten zur Hyg. wurde er dort durch Untersuchungen an Mumien zum Pionier der Pala¨opathol. Ihm gelang u.a. der Nachweis von Arteriosklerose, Lungenentzu¨ndung und von Mikroorganismen (Tbc-Bacterien) an Mumien. R.s Arbeiten sind als Studies on the Palaeopathology of Egypt (R.L. Moodie (Hg.), Gr. Chicago 1921) gesammelt. Rufus von Ephesos (* ca. 50 n.Chr., † ca. 140 n.Chr.). Bedeutendster Arzt der ro¨m. Kaiserzeit neben dem etwa zwei Generationen ju¨ngeren ! Galen, in seiner Orientierung an ! Hippokrates wohl noch sta¨rker eklekt. orientiert; eine verla¨ßliche Rekonstruktion der Titel seiner zahlreichen, großenteils verlorenen Schriften ist nur aus der ¨ berlieferung mo¨glich. Danach arab. U bildeten Dia¨tetik (Fragmente bei 286
! Oreibasios erhalten) und Therapie den Schwerpunkt; seine bescheidene, kompetente und gru¨ndl. Art wird aus der Schrift u¨ber die Nieren- und Blasenkrankheiten deutlich; seine Darstellung der Melancholie erscheint bis auf Fragmente verloren zu sein. Immer noch lesens- und beherzigenswert ist sein Hb. der Anamnesetechnik, die einzige derart umfangreiche aus der Antike u¨berlieferte Darstellung. ¨ bers.), Anat. Werke Werk: To¨ply, R.v. (U des Ruphos und Galenos, Anat. Hefte 76, Bd. 25, Wiesbaden 1904, 343–472; Kowalski, G., Rufi Ephesii De corporis humani partium appellationibus (griech.-dt.), Diss. phil. (masch.), Go¨ttingen 1960; Ga¨rtner, H., Fragen des Arztes an den Kranken (griech.-dt.), Berlin 1962 = CMG Suppl. 4; AA5, 64–74 (Auszug griech.-dt.); Ullmann, M., R.v.E., Krankenjournale (arab.-dt.), Wiesbaden 1978; Die Schrift des Rufus von Ephesos u¨ber die Gelbsucht (arab.lat.-dt.), Go¨ttingen 1983. Fi.
Ryff, Walter Herrmann (* Straßburg, † vor 1562 Nu¨rnberg [?]). Auch bekannt unter den Namen Hermenius oder Gualther Rivius/Riif/Ryf und Ryffus. Nur wenige Daten sind von dem Humanisten bekannt, der ebenfalls unter dem Pseudonym Q. Apollinarius schrieb: Aus Straßburg gebu¨rtig, lebte er 1539 in Mainz und praktizierte seit 1549 in Nu¨rnberg als Arzt. Einer seiner Arbeitsschwer¨ bers. a¨lterer punkte lag in der U med. Texte (z.B. ! Plinius, ! Dioskurides, Albertus Magnus) ins Dt. Andere Werke wie die des ! L. Fuchs oder ! K. Gessner ließ er unter seinen Namen vero¨ffentlichen, was ihm den Ruf eines Plagiators einbrachte. Doch reichte R.s Talent weiter, wie seine vielfa¨ltigen Schriften zur Math., Architektur, Ophthalmol., Sto-
Sanarelli, Giuseppe
matol., Pharmazie und Anat. beweisen. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich seine auf Dt. geschriebenen med. Ratgeber. Werk: Handbu¨chlein gemeiner Praxis der ganzen Leibarzney, Straßburg 1541; Gross Chirurgei oder vollkommene Wundarzney, Frankfurt 1545; Ein neues Kochbuch wie man kranke Persohnen warten und pflegen soll, Straßburg 1545; Die zehn anat. Tafeln des W. H.R., Basel 1954. Loe.
Sabin, Albert Bruce (* 26. 8. 1906 Bialystok/Polen, † 3. 3. 1993 Washington). Amerik. Virol. Emigration 1921 in die USA, 1931 med. Prom. in New York, 1935–39 virol. Forschung am Rockefeller Inst. for Medical Research in New York, 1939–70 Prof. fu¨r pa¨diatr. Forschung an der Univ. of Cincinnati, seit 1974 Prof. fu¨r Biomed. an der Medical University of Southern California in Los Angeles. Alternativ zur 1955 in den USA eingefu¨hrten und von Jonas E. Salk entwikkelten Impfung gegen die Poliomyelitis („Kinderla¨hmung“) mit abgeto¨teten Viren arbeitete S. seit Anfang der fu¨nfziger Jahre an einem oralen Impfstoff auf der Basis von lebenden, aber in ihrer Virulenz abgeschwa¨chten Viren. Nach Versuchen an Affen fanden 1955 die ersten „Schluckimpfungen“ an Menschen statt. Ab 1956 wurde S.s Impfstoff erfolgreich an Millionen von Kindern in der Sowjetunion getestet und erhielt 1962 die Lizenz in den USA. In der Folge fu¨hrten großangelegte Impfkampagnen („S. Sundays“) zum Verschwinden der Poliomyelitis in den USA und vielen anderen La¨ndern. S. entwickelte einen serol. Test fu¨r die Toxoplasmose (S.Feldmann-Test).
Werk: Characteristics and genetic potencialities of experimentally produced and naturally occuring variants of poliomyelitis virus, Annals of the New York Academy of Sciences 61 (1955), 924–38. Bro¨.
Sachs, Hans (* 6. 6. 1877 Katowice (Kattowitz/Oberschlesien), † 25. 3. 1945 Dublin). S. stud. in Freiburg, Breslau und Berlin Med. und prom. 1900 zum Dr. med. in Leipzig. Als Mitarbeiter ! P. Ehrlichs wurde er 1905 Mitglied des Inst. fu¨r experimentelle Therapie in Frankfurt, 1915–20 dessen stellvertretender Dir. bzw. 1914 ao. HonorarProf. der Univ. Frankfurt. 1920 wechselte er als Extraord. fu¨r Immunita¨tsund Serumforschung bzw. als Dir. der Wiss. Abt. des Instit. fu¨r Krebsforschung nach Heidelberg, wo er mit A. Klopstock und E. Witebsky ein Zentrum der dt. Serol. schuf. S. galt als „der erste Serologe Deutschlands“ (! R. Siebeck). 1933 als „Nicht-Arier“ beurlaubt, teilweise auf Reisen in Rom (1933) und London (1935), wurde er 1935 nach dem „Reichsbu¨rgergesetz“ in den Ruhestand versetzt und emigrierte 1936 nach Dublin/Irland. Hu. Sanarelli, Giuseppe (* 24. 4. 1864 Monte San Savino/Italien, † 6. 4. 1940 Rom). Nach seiner Prom. in Med. und Chir. an der Univ. von Siena 1889 stud. Sanarelli in Paris zusammen mit ! Pasteur. 1893 erhielt er den Lehrstuhl fu¨r Hyg. in Siena. Zwei Jahre spa¨ter folgte er der Einladung der Regierung Uruguays, an der Univ. von Montevideo ein exp. Hyg.-Inst. aufzubauen. 1898 kehrte er nach Italien zuru¨ck und erhielt den Lehrstuhl fu¨r Hyg. in Bologna. Im selben Jahr folgte er einem 287
Sanarelli, Giuseppe
matol., Pharmazie und Anat. beweisen. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich seine auf Dt. geschriebenen med. Ratgeber. Werk: Handbu¨chlein gemeiner Praxis der ganzen Leibarzney, Straßburg 1541; Gross Chirurgei oder vollkommene Wundarzney, Frankfurt 1545; Ein neues Kochbuch wie man kranke Persohnen warten und pflegen soll, Straßburg 1545; Die zehn anat. Tafeln des W. H.R., Basel 1954. Loe.
Sabin, Albert Bruce (* 26. 8. 1906 Bialystok/Polen, † 3. 3. 1993 Washington). Amerik. Virol. Emigration 1921 in die USA, 1931 med. Prom. in New York, 1935–39 virol. Forschung am Rockefeller Inst. for Medical Research in New York, 1939–70 Prof. fu¨r pa¨diatr. Forschung an der Univ. of Cincinnati, seit 1974 Prof. fu¨r Biomed. an der Medical University of Southern California in Los Angeles. Alternativ zur 1955 in den USA eingefu¨hrten und von Jonas E. Salk entwikkelten Impfung gegen die Poliomyelitis („Kinderla¨hmung“) mit abgeto¨teten Viren arbeitete S. seit Anfang der fu¨nfziger Jahre an einem oralen Impfstoff auf der Basis von lebenden, aber in ihrer Virulenz abgeschwa¨chten Viren. Nach Versuchen an Affen fanden 1955 die ersten „Schluckimpfungen“ an Menschen statt. Ab 1956 wurde S.s Impfstoff erfolgreich an Millionen von Kindern in der Sowjetunion getestet und erhielt 1962 die Lizenz in den USA. In der Folge fu¨hrten großangelegte Impfkampagnen („S. Sundays“) zum Verschwinden der Poliomyelitis in den USA und vielen anderen La¨ndern. S. entwickelte einen serol. Test fu¨r die Toxoplasmose (S.Feldmann-Test).
Werk: Characteristics and genetic potencialities of experimentally produced and naturally occuring variants of poliomyelitis virus, Annals of the New York Academy of Sciences 61 (1955), 924–38. Bro¨.
Sachs, Hans (* 6. 6. 1877 Katowice (Kattowitz/Oberschlesien), † 25. 3. 1945 Dublin). S. stud. in Freiburg, Breslau und Berlin Med. und prom. 1900 zum Dr. med. in Leipzig. Als Mitarbeiter ! P. Ehrlichs wurde er 1905 Mitglied des Inst. fu¨r experimentelle Therapie in Frankfurt, 1915–20 dessen stellvertretender Dir. bzw. 1914 ao. HonorarProf. der Univ. Frankfurt. 1920 wechselte er als Extraord. fu¨r Immunita¨tsund Serumforschung bzw. als Dir. der Wiss. Abt. des Instit. fu¨r Krebsforschung nach Heidelberg, wo er mit A. Klopstock und E. Witebsky ein Zentrum der dt. Serol. schuf. S. galt als „der erste Serologe Deutschlands“ (! R. Siebeck). 1933 als „Nicht-Arier“ beurlaubt, teilweise auf Reisen in Rom (1933) und London (1935), wurde er 1935 nach dem „Reichsbu¨rgergesetz“ in den Ruhestand versetzt und emigrierte 1936 nach Dublin/Irland. Hu. Sanarelli, Giuseppe (* 24. 4. 1864 Monte San Savino/Italien, † 6. 4. 1940 Rom). Nach seiner Prom. in Med. und Chir. an der Univ. von Siena 1889 stud. Sanarelli in Paris zusammen mit ! Pasteur. 1893 erhielt er den Lehrstuhl fu¨r Hyg. in Siena. Zwei Jahre spa¨ter folgte er der Einladung der Regierung Uruguays, an der Univ. von Montevideo ein exp. Hyg.-Inst. aufzubauen. 1898 kehrte er nach Italien zuru¨ck und erhielt den Lehrstuhl fu¨r Hyg. in Bologna. Im selben Jahr folgte er einem 287
Santorio, Santorio
Ruf nach Rom, wo er bis 1935 blieb. In den Jahren 1892–94 vero¨ffentlichte S. seine Forschungsergebnisse u¨ber die Typhuspathogenese. Er ging von einer generellen Infektion mit sekunda¨rer Lokalisierung im Darm aus. S. widmete sich u¨ber Jahre hinweg der Pathogenese der Cholera. Er konnte zeigen, daß der Cholerabazillus eine typische Gastroenterotropie aufweist. Aufgrund seiner Untersuchungen u¨ber Milzbrand gelang ihm 1924/25 allma¨hlich der Nachweis, daß Cholera eher ha¨matogen als enterisch sei. Im Verlauf seiner Studien u¨ber die Pathogenese des Choleraschu¨ttelfrosts entdeckte Sanarelli 1916 die ha¨morrag. Allergie (Sanarelli-Pha¨nomen). In Montevideo bescha¨ftigte sich S. mit Gelbfieber. Bei einer Autopsie gelang es ihm, das Bacterium icteroides zu isolieren, das er fu¨r den Krankheitserreger hielt. Spa¨ter entdeckte man, daß genau dieser Erreger beim Menschen ein paratyphusa¨hnl. Fieber auslo¨st (1897). 1898 entdeckte S. den viralen Erreger der Kaninchen-Myxomatose und damit die erste virale Tumorerkrankung eines Tieres. Er leistete Pionierarbeit bei der Anwendung der Ultrafiltration mit Hilfe von kolloidalen Membranen sowie auf dem Gebiet der 1924 eingefu¨hrten nasalen VakzinatiFa. on. Santorio, Santorio (* 29. 3. 1561 Kaper/Istrien, † 6. 3. 1636 Venedig). Prom. in Padua 1582, seit 1587 in Kroatien, 1599 a¨rztl. Praxis in Venedig, 1611–24 Prof. fu¨r theoret. Med. in Padua. S. fu¨hrte quantitative Versuchsmeth. in die Med. ein. 1614 beschrieb er die „perspiratio insensibilis“, eine meßbare und von verschiedenen Faktoren abha¨ngige Exkretion 288
durch Haut und Lunge. S. baute u.a. ein Thermometer, mit dem er Ko¨rpertemperaturen maß, ein Pendel zur Pulsmessung und ein Hygrometer. Werk: Ars de statica medicina, Venedig Bro¨. 1614, 21615.
Sauerbruch, Ernst Ferdinand (* 3. 7. 1875 Barmen, † 2. 7. 1951 Berlin). Geb. als Sohn des techn. Leiters einer Tuchweberei; Stud. in Marburg und in Leipzig; 1901 Staatsexamen; 1902 Prom. Weitere Stationen: Kassel, Erfurt, Berlin. 1903 Ass. bei ! v. Mikulicz in Breslau. Habil. 1905. Im selben Jahr Oberarzt in Greifswald. 1908 Wechsel nach Marburg als Prof. 1910 Ord. in Zu¨rich; 1918 Ruf nach Mu¨nchen; 1927 Wechsel an die Charite´ nach Berlin. S. wird hier zum bekanntesten Chir. Deutschlands. Wa¨hrend des Dritten Reiches erweist er sich als „schwankender, differenzierter Bejaher“ des Nationalsozialismus. Spa¨testens seit 1948 an einer Zerebralsklerose leidend, mußte er am 3. 12. 1949 sein Amt an der Charite´ niederlegen. Seine Autobiographie Das war mein Leben (1951) ist wegen der Krankheit S.s nur mit Vorbehalt zu lesen. S. leistete zahlreiche innovative Beitra¨ge zur Entwicklung der Chir.: Unterdruckkammer zur offenen Thoraxoperation (1904); S.-Hand; paravertebrale Thorakoplastik; Umkipp-Plastik; erste gelungene HerzaneurysmaBz. operation (1934). Sauvages de la Croix, Franc¸ois Boissier de (* 17. 5. 1706 Alais/Dep. Gard, † 19. 2. 1767). S. stud. von 1722 bis zur Prom. 1726 Med. in Montpellier. 1730/31 lebte
Schaudinn, Fritz Richard
er in Paris. 1734 erhielt S. einen Lehrstuhl an der Med. Fak. in Montpellier, wo er seit 1740 Botanik unterrichtete. S. verband den Animismus ! G.E. Stahls mit dem Neohippokratismus von ! T. Sydenham; sein Hauptwerk (1768) versuchte eine naturhist. Klassifikation und Systematisierung der Krankheiten analog zum botan. Werk ! Linne´s. Werk: Nosologia methodica sistens morborum classes, Amsterdam 1768. Ba.
Schallmayer, Friedrich Wilhelm (* 10. 2. 1857 Mindelheim, † 4. 10. 1919 Krailling). Nach dem Stud. der Phil. und Psychol. bei ! W. Wundt in Leipzig, der Nationalo¨konomie und Soziol. unter dem Einfluß des „Kathedersozialisten“ Adolph Wagner und des Sozialorganologen Albert Scha¨ffle, ferner beeindruckt vom Werk des Positivisten Herbert Spencer, wechselte S. zur Med. u¨ber, prom. in Mu¨nchen als Ass. des Psychiaters Bernhard v. Gudden und ließ sich 1887 als prakt. Arzt in Kaufbeuren nieder, nach weiterer Ausbildung als Facharzt fu¨r Harn- und Geschlechtskrankheiten in Du¨sseldorf, um sich seit 1897 als Privatgelehrter in Mu¨nchen auf seine rassenhyg. Studien zu konzentrieren. Eine Reise als Schiffsarzt 1886 nach Brasilien veranlaßte das erst 1891 er¨ ber die drohende ko¨rschienene B. U perliche Entartung der Kulturmenschheit und die Verstaatlichung des a¨rztlichen Standes, eine weitere 1894 nach Ostasien o¨ffnete ihm die chin. Kultur. ¨ berzeuS.s Lebensweg spiegelt seine U gung, „daß die Heilkunde die natu¨rl. Auslese einenge und daher zum Schaden der Rasse ausschlagen ko¨nne“; ge-
ma¨ß der Maxime „je strenger die Auslese, desto gro¨ßer der Fortschritt“ fundierte er rassenhyg. Eugenik mit dem 1903 von der Krupp-Stiftung preisgekro¨nten Hauptwerk Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Vo¨lker, 1920 in 4. Aufl., mit dem Untertitel Grundriß der Gesellschaftsbiologie und der Lehre vom Rassedienst. Der ! A. Ploetz und ! F. Lenz eng verbundene S. galt trotz monist., sozialist. und internationalist. Tendenzen als Wegbereiter der NS-Rassenhyg. Werk: Beitra¨ge zu einer Nationalbiologie, Jena 1905. v. Bru.
Schaudinn, Fritz Richard (* 19. 9. 1871 Roeseningken/Ostpreußen, † 22. 6. 1906 Hamburg). S. prom. 1894 u¨ber Foraminiferen und wurde Ass. am Zool. Inst. der Univ. Berlin. Hier habil. er sich 1898 mit einer Arbeit u¨ber Protozoen. S. gelang es, die med. Forschung auf die Bedeutung der Protozool. aufmerksam zu machen. Er setzte sich konsequent fu¨r die wiss. Zusammenarbeit von Medizinern und Zoologen ein. Dazu begr. er 1902 das Archiv fu¨r Protistenkunde. 1901–04 sandte das Kaiserl. Gesundheitsamt S. auf eine zool. Station an der Dalmatin. Ku¨ste. Hier arbeitete er u.a. u¨ber Malaria, Trypanosomen und Spirochaeten. S. gelang der entscheidende Schritt bei der Entdekkung des Erregers der Amo¨benruhr (Entamoeba histolytica). 1904 wurde er als Leiter des neu eingerichteten Inst. fu¨r Protozool. an das Kaiserl. Gesundheitsamt nach Berlin berufen. Hier entdeckte S. 1905 u.a. zusammen mit ! E. Hoffmann den Erreger der Syphilis, die Spirochaeta pallida. Kurz vor seinem Tod wurde 289
Schauta, Friedrich
S., nachdem er Rufe an die Univ. London und Cambridge abgelehnt hatte, 1906 zum Leiter des neu geschaffenen Protozoenlaboratoriums des Inst. fu¨r Schiffs- und Tropenkrankheiten in Sa. Hamburg ernannt. Schauta, Friedrich (* 15. 7. 1849 Wien, † 10. 1. 1919 Wien). 1874 prom. in Wien, 1881 habil. ebd. bei J. Spa¨th fu¨r Geburtshilfe und Gyna¨kol., dann Leiter der neugegr. Univ.-Frauenklinik in Innsbruck, 1884 o. Prof. in Innsbruck, 1887 als Nachfolger A.v. Breiskys in Prag, seit 1891 Vorstand der I. Frauenklinik in Wien. Sch. wurde weltberu¨hmt durch seine vaginale Operationstechnik. Auch als Geburtshelfer leistete er Hervorragendes; er fu¨hrte die systemat. Vermessung des Beckens der werdenden Mu¨tter ein. 1892 erschien sein ausgezeichneter Grundriß der Operativen Geburtshilfe. Sch. hatte prominente Mitarbeiter und Schu¨ler, so J. Halban, Wil. F. Hitschmann und L. Adler. Scheele, Carl Wilhelm (* 19. 12. 1742 Stralsund, † 21. 5. 1786 Ko¨ping/Schweden). Nach Apothekerlehre in Go¨teborg ab 1757 arbeitete S. zuna¨chst in Malmo¨, spa¨ter in Uppsala, wo er ein pharmazeut. Labor leitete. In Verbindung mit schwed. Naturforschern seiner Zeit betrieb S. ab 1776 eine Apotheke mit Labor in Ko¨ping, die er spa¨ter kaufte. 1777 Aufnahme in Kgl. Akad. der Wiss. und Apothekerexamen. S.s Wirkungen liegen in der analyt. Chemie. Er entdeckte zahlreiche Substanzen, M.-J. so etwa 1771 den Sauerstoff. 290
Schimmelbusch, Curt Theodor (* 16. 11. 1860 Groß-Nogath/Westpreußen, † 2. 8. 1895 Berlin). Chirurg. 1879–82 Stud. Naturwiss. (Freiburg, Marburg), 1882–86 Med.stud. (Go¨ttingen, Berlin, Halle), 1886 ¨ ber Thrombose im gerinnungsDiss. U fa¨higen Blute (Halle). Ass. Halle (Inst. fu¨r Histol. und vergl. Anat., ! C. Eberth). 1888–89 Ass. Bu¨rgerhospital Ko¨ln (! B. Bardenheuer); Kennenlernen der Dampfsterilisation. 1889–95 Ass. Chir. Klinik (Charite´ Berlin, ! E. von Bergmann). Zeitweise Leiter des Labors der Poliklinik. 1892 Priv.doz. (Chir., Friedrich-Wilhelms-Univ. Berlin). Wiss. Verdienste: 1885 Nachweis nichtspezif. Beteiligung von Blutpla¨ttchen an der Gerinnung; 1886 Nachweis der Einleitung der Thrombose durch Ha¨ufung und Verklebung der Blutpla¨ttchen; 1889 Beteiligung an bakteriol. Arbeiten Eberths, Entdekker des bakteriol. Erregers der „Frettchenseuche“. Hauptverdienst S.s: Einfu¨hrung mod. asept. Meth., Konstruktion von Dampfsterilisatoren fu¨r Verbandsstoffe, Operationskleidung; Apparate fu¨r in Soda-Lo¨sung zu kochende Instrumente. Mit E. von Bergmann Einfu¨hrung von Meth. der mechan. Handdesinfektion; Sterilisierung der verwendeten Bu¨rsten. Klass. Publ. (Berlin 1892): Anleitung zur aseptischen Wundbehandlung. Konstruktion einer Gesichtsmaske fu¨r Chloro¨ ther-Tropfnarkose. Arform- oder A beiten u¨ber Karzinome, Furunkel, Technik der Narkose, Tuberkulose (Haut, Schleimhaut), Adenome der Mamma, plast. Operationen an TraB.-S. chea und Nase.
Schloßmann, Arthur
Schjerning, Otto von (* 4. 10. 1853 Eberswalde, † 27. 6. 1921 Berlin). S. war Generalstabsarzt, Chef des Sanita¨tskorps und der Medizinalabt. des Kriegsministeriums, Dir. der Kaiser-Wilhelms-Akad. fu¨r das milita¨ra¨rztl. Bildungswesen und 1914–18 Chef des dt. Feldsanita¨tswesens. In vielen statist., hyg. und chir. Arbeiten hat sich S. der wiss. Milita¨rmed. gewidmet. Er war Hg. der milita¨ra¨rztl. Bibliothek von Coler (1901–1920: 42 ¨ rztliBd.) und des Handbuches der A chen Erfahrungen im Weltkriege Eck. 1914/18. Schleich, Carl Ludwig (* 19. 7. 1859 Stettin, † 7. 3. 1922 Bad Saarow Pieskow). Sohn eines bekannten Augenarztes. Arzt, Chir., Dichter. Med.-stud. in Zu¨rich, Greifswald und Berlin. 1887 Med. Staatsexamen und Prom. Univ. Greifswald. 1889 Niederlassung als Arzt und Gru¨ndung einer Privatklinik fu¨r Chir. und Frauenheilkunde in Berlin. 1900– ¨ rztl. Dir. der chir. Abt. am 1901 A Kreiskrkh. Teltow in Großlichterfelde bei Berlin. Titular-Prof. 1901. 1914– 1916 Leiter des Berliner Lazaretts am Reichskanzlerplatz. Fu¨hrte als erster 1892 die o¨rtl. Beta¨ubung durch Gewebsinfiltration (Kochsalzlo¨sung mit Kokainzusatz), „S.sches Verfahren“, ein, nachdem Carl Koller (1857–1944) Kokain als lokales Ana¨sthetikum schon bekannt gemacht hatte. (Infiltrationsana¨sthesie [locale Ana¨sthesie] und ihr Verha¨ltnis zur allgemeinen Narkose [Inhalationsana¨sthesie], Verh. Dt. Ges. Chir. 21 (1892), 121–127). Wesentl. Beitra¨ge zur Kriegschir., zur Wundheilung und zur Hysterie (u.a. Neue Methoden der Wundheilung, 1897;
Die Selbstnarkose der Verwundeten im Kriege und im Frieden, 1906; Zwei Jahre kriegschirurgische Erfahrungen an einem Berliner Lazarett, 1916; Gedankenmacht und Hysterie, 1920). Neben seiner a¨rztl. Ta¨tigkeit trat er unter dem Einfluß von Richard Dehmel und August Strindberg mit vielseitigen Dichtungen und psychol.phil. Schriften hervor. Seine bekanntesten Werke, die hohe Auflagen erzielten, sind: Von der Seele, 1910; Es la¨uten die Glocken, 1912; Vom Schaltwerk der Gedanken, 1916; Das Ich und die Da¨monien, 1922. Sein bis in die vierziger Jahre immer wieder neuaufgelegter Erinnerungsband Besonnte Vergangenheit, 1921, za¨hlt zu den bekanntesten Werken der dt. MemoiMk. renlit. Schloßmann, Arthur (* 16. 12. 1867 Breslau, † 5. 6. 1932 Du¨sseldorf). S. geho¨rte zu den bedeutendsten Vertretern der Sozialpa¨diatrie. 1886–91 Stud. der Med. in Freiburg, Leipzig, Mu¨nchen und Breslau und der Chemie bei A. v. Baeyer (Mu¨nchen), Prom. Mu¨nchen 1891 u¨ber Rachitis, Appr. 1892, anschließend Ass. bei ! Baginsky in Berlin. Nach seiner Heirat mit der Dresdener Bankierstochter Clara Bondi ero¨ffnete er 1893 eine Praxis in Dresden und gru¨ndete 1894 eine Poliklinik fu¨r Kinder und Sa¨uglinge sowie 1897 das erste Sa¨uglingsheim, in dem er auch u¨ber Sa¨uglingsnahrung forschte und Pflegerinnen ausbildete. 1898 Habil. an der TH Dresden in allg. Physiol. und physiol. Chemie mit einer Arbeit u¨ber physiol. Unterschiede zwischen Frauen- und Kuhmilch bei der Sa¨uglingserna¨hrung, 1902 ao. 291
Schnitzler, Arthur
Prof. 1906 berief man ihn zum Leiter der Abt. fu¨r Kinderheilkunde an die neugegr. Akad. fu¨r prakt. Med. Du¨sseldorf. Seit 1909 leitete er dort auch die Infektionsklinik und forschte u¨ber Tbc, Masern, Scharlach und Diphtherie. Zugleich war er unbedingter Vertreter von Freiluftbehandlung. Seine Hauptaufgabe sah S. in der Organisation der Sa¨uglingsfu¨rsorge als prophylakt. Maßnahme. Er initiierte bereits 1907 zusammen mit hohen Regierungsbeamten die Gru¨ndung des Vereins fu¨r Sa¨uglingsfu¨rsorge auf Regierungsbezirks-Ebene. Mitglieder wurden sa¨mtliche Land- und Stadtkreise, leitende Regierungsbeamte sowie namhafte Industrielle, Frauenverba¨nde und private Stifter. Die Aufgaben des Vereins umfaßten neben For¨ rzte die schung und Fortbildung fu¨r A Einrichtung hyg. Kuhsta¨lle zur Gewinnung keimarmer Sa¨uglingsmilch, Aufkla¨rungs- und Motivierungsarbeit in den Kreisen zur Einrichtung von Fu¨rsorgestellen und die Ausbildung in Sa¨uglingspflege. Daraus entstand die Profession einer Fu¨rsorgerin, die zunehmend den Gesundheitszustand der ganzen Familie im Blick haben sollte, als gehobener Frauenberuf. 1917 gru¨ndete der Verein die Niederrheinische Frauenakad. Im Ersten Weltkrieg erwies das fu¨rsorgerische Konzept seine Wirksamkeit, in der Weimarer Republik wurde es allg. weitgehend u¨bernommen. Die von 1919–23 schrittweise durchgefu¨hrte Umwandlung der Akad. in eine Med. Fak. ging ebenso auf S.s Bemu¨hungen zuru¨ck wie die Einrichtung der Westdt. Sozialhyg. Akad. in Du¨sseldorf. Er initiierte und organisierte die Große Ausstellung fu¨r Gesundheitspflege, Sozialfu¨rsorge und 292
Leibesu¨bungen [GeSoLei] 1926 in Du¨sseldorf. Seine Titel Prof. Dr. med. Dr. med.vet. h.c. Dr. jur. h.c. dokumentieren Beta¨tigungsfeld und Ansehen. 1931 wurde jedoch auch S. Gegenstand antisemit. Angriffe. Werk: Handbuch der Kinderheilkunde (mit M. Pfaundler), Leipzig 1905–1931; Handbuch der sozialen Hygiene, 6 Bd. (mit A. Gottstein u. L. Teleky), Berlin 1925–27; Zahlreiche Art. in Hb. u. Zeitschriften. Sto¨.
Schnitzler, Arthur (* 15. 5. 1862 Wien, † 21. 10. 1931 Wien). Stud. wie sein Vater, der Kehlkopfspezialist Johann S., Med. Prom. 1885 zum Dr. med., arbeitete anschließend als Ass.-arzt sowohl in der Inneren Med. als auch auf dem Gebiet der Psychiatrie und Dermatol. Nach seinem Wechsel in die laryngol. Abt. seines Vaters bescha¨ftigte er sich intensiv mit Hypnose und Suggestion als therap. Mittel. Seine 1893 ero¨ffnete allgemeina¨rztl. Praxis gab er um die Jh.wende zugunsten der Schriftstellerei ganz auf. Mit dem Schreiben hatte S. schon als Gymnasiast begonnen und seine ersten Erza¨hlungen wurden noch wa¨hrend seiner Ass.-arztzeit vero¨ffentlicht. Seit 1890 geho¨rte S. zusammen mit H. v. Hofmannsthal zum Literaturkreis „Junges Wien“. In seinen Novellen und Dramen (u.a. Anatol, Reigen, Liebelei, Leutnant Gustl, Prof. Bernhardi) spu¨rte er der dekadenten Wiener Gesellschaft des ausgehenden 19. Jh. nach, zeigte ihre Mischung aus Todessehnsucht, Lebensu¨berdruß und Frivolita¨t. Der Dichter S. ist dem Arzt S. in vielen seiner Werke treu geblieben. Seine Arztfiguren (Prof. Bernhardi, Dr. Gra¨sler) atmen den Geist dieser Zeit, die unter dem Verlust ihrer trad.
Scho¨nlein, Johann Lukas
Werte und am Zerfall ihrer bu¨rgerl.-liberalen Ordnung litt. Aber auch den Fortschritt in der Med. jener Epoche dokumentiert S. in seinen Arztperso¨nlichkeiten. Der „Arztdichter S.“ gilt als literar. Pendant zu ! S. Freud. Wei. Scho¨nlein, Johann Lukas (* 30. 11. 1793 Bamberg, † 22. 1. 1864 Bamberg). Kliniker. Geb. in Bamberg als Sohn eines Seilermeisters. Stud. 1811–16 in Landshut und Wu¨rzburg, wo Hauptvertreter der naturphil. Med. lehrten. Die bei Do¨llinger angefertigte Diss. Von der Hirnmetamorphose (Wu¨rzburg 1816), eine vergleichend anat. Untersuchung der Gehirnentwicklung bei Sa¨ugetieren und menschl. Embryonen, spiegelt in ihrem Bekenntnis zur streng empir. Meth. die Abkehr von der spekulativen Naturforschung und ist repra¨sentativ fu¨r die naturhist. Meth., die Sch. spa¨ter erfolgreich fu¨r die Neubearbeitung der speziellen Krankheitslehre einforderte. Nach Absolvierung des Biennium practicum in Bamberg, Jena, Go¨ttingen und Mu¨nchen 1817 Priv.doz. an der Univ. Wu¨rzburg. In einer im Manuskript erhaltenen Vorl. u¨ber den „Keichhusten“ legte er 1818/19 seine Vorstellungen u¨ber die naturhist. Bearbeitung der Pathol. dar. Er forderte 1. eine „ku¨nstliche Charakteristik“ oder Definition der Krankheit, die die wesentl. Merkmale enthalten mu¨sse, um eine Krankheit von anderen sicher zu unterscheiden, 2. eine „natu¨rliche Charakteristik“, die die zeitl. Abfolge und ra¨uml. Manifestation der Symptome idealtypisch beschreiben mu¨sse, 3. darauf aufbauend die kausale Begru¨ndung des Krankheitsgeschehens mit Hilfe der verfu¨gbaren Erkenntnisse aus Physiol.
Johann Lukas Scho¨nlein (1793–1864)
und pathol. Anat., 4. hist.-epidemiol. Untersuchung der Verbreitungsweise und Vera¨nderung der Krankheiten, 5. eine von der Kenntnis der Einzelkrankheiten ausgehende Ordnung der speziellen Pathol. zu einem „natu¨rlichen Krankheitssystem“. 1819 u¨bernahm S. stellvertretend, 1824 als o. Prof. den klin. Univ.-unterricht und die a¨rztl. Leitung des Wu¨rzburger Juliusspitals. Die Innere Abt. des Juliusspitals, in der ja¨hrlich u¨ber 1000 Kranke behandelt wurden, bot S. die im damaligen Deutschland nahezu einmalige Mo¨glichkeit, sein klin. Forschungsprogramm umzusetzen. Dabei konzentrierte S. sich auf die ersten Schritte des naturhist. Verfahrens, d.h.: Auf der Basis einzelner Fa¨lle konstruierte er idealtypische Verlaufsbeschreibungen, diskutierte unter Einbeziehung von Leichenbefunden die pathol. Ursachen und die Mo¨glichkeiten der Therapie. Ab 1826 293
Schwalbe, Julius
fanden Perkussion und Auskultation sowie die chem. und mikroskop. Untersuchung von Blut und Exkrementen Eingang in seine Klinik. Das urspu¨nglich angestrebte natu¨rl. Krankheitssystem kam nie zustande. Die Tatsache, daß seine neuartige Meth. der Krankenbeobachtung unmittelbar in die klin. Praxis und den klin. Unterricht einflossen, sowie seine spontane und mitreißende Art des Vortrags machten ihn bald zum beru¨hmtesten klin. Lehrer Deutschlands. Eine fehlerhafte Mitschrift von Studenten, die gegen S.s Willen erstmals 1832 als J.L. S.’s allgemeine und spezielle Pathologie und Therapie erschien, erreichte zahlr. Auflagen (61846) und wurde in mehrere Sprachen u¨bers. (Stockholm 1837/38, Moskau 1841, Neapel 1850/51). Das Werk entha¨lt neben vielen Fehlern auch klass. Krankheitsbeschreibungen, z.B. die der spa¨ter nach S. benannten Purpura rheumatica und die Unterscheidung von Typhus abdominalis und Fleckfieber. 1832 wurde Sch. aus polit. Gru¨nden al¨ mter enthoben und floh nach Zu¨ler A rich, wo er die ihm bereits angebotene Prof. fu¨r klin. Med. an der neu gegr. Univ. u¨bernahm. In Zu¨rich verfaßte S. zwei kurze briefl. Mitteilungen fu¨r Mu¨llers Archiv, die sein gesamtes vero¨ffentlichtes Werk bilden: Die eine beschreibt sog. „Typhuskristalle“ (1836), die sich aber, entgegen S.s Hoffnung, nicht als spezif. Symptom fu¨r Typhus abdominalis erweisen sollten. Seine Mitteilung Zur Pathogenie der Impetigines (1838) berichtet u¨ber die „Pilznatur“ des Kopfgrindes und begr. die Lehre von den Dermatomykosen. Spa¨ter nannte ! Remak den Erreger Achorion Schoenleinii. 294
1840 wurde S. unter großer o¨ffentl. Anteilnahme an die Univ. Berlin berufen und zum kgl. Leibarzt und Vortragenden Rath beim Ministerium ernannt. Inzwischen wurde S.s Meth. jedoch von ! Wunderlich, ! Griesinger u.a. Vertretern der neuen naturwiss. Richtung heftig beka¨mpft, die die klin. Beschreibung ohne ausreichende naturwiss. Erkla¨rung als spekulativ und „ontologisch“ verurteilten. Doch S.s Meth., die Krankheiten als Prozesse auffaßt, die sich unabha¨ngig von pathogenet. Erkla¨rungsmo¨glichkeiten zusammenha¨ngend beschreiben und diagnostizieren lassen, blieb Bestandteil der mod. Med. Eine wesentliche Folge dieser Meth. war die Umwandlung der trad. Krankheitskategorie „Fieber“ in ein bei vielen Krankheiten beobachtetes Symptom. S. ging 1859 auf eigenen Wunsch in den Ruhestand und starb in seiner Heimatstadt Bamberg. Werk: Von der Hirnmetamorphose, Wu¨rzburg 1816; Ueber Crystalle im Darmkanal bei Typhus abdominalis, in: Mu¨llers Arch. (1836), 258; Zur Pathogenie der Impetigines, ibid. 1838, 82; Klemmt, G. (Hg.), J.L.S.s unvero¨ffentlichtes Manuskript u¨ber den Keichhusten, in: Winau, R. u. Mu¨llerDietz, H. (Hg.), Abh. Gesch. Med. Naturwiss., H. 53, Husum 1986. Bl.
Schwalbe, Julius (* 13. 6. 1863 Nakel/ Posen, † 17. 2. 1930 Berlin). Besonders durch sein Wirken fu¨r die med. Fachpublizistik und als Schriftleiter der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (1894–1930) hatte der ¨ rzteschaft BeName S.s in der dt. A deutung. Daneben war S. auch Hg. bedeutender Periodika und Sammelwerke, unter ihnen das Jahrbuch der practischen Medicin (1894–1913),
Schweitzer, Albert
der Reichs-Medizinal-Kalender fu¨r Deutschland (1895–1930), das Handbuch der practischen Medizin (1898– 1901), die erste ! Virchow-Bibliographie, 1843–1901 (1901), die Gesammelte[n] Werke von Robert Koch (1912). S. wirkte daneben als Mitbegr. der Zeitschriften La Medicina GermanoHispanio-Americana (1923/24) sowie der Revista Me´dica Germano-IberoAmericana (1928), auch gab er die Anregung zur Gru¨ndung der Vereinigung der Dt. med. Fachpresse (1894). In einer Vielzahl eigener Artikel a¨ußerte sich S. zu Fragen der a¨rztl. Standespolitik. Seinen journalist. Ambitionen, gespickt mit perso¨nl. Ansichten, ließ S., der sich als Sprachrohr weiter ¨ rztekreise verstand, in der Rubrik A „Kleine Mitteilungen“ der DMW freien Lauf. Besonders seine Kommentare zum Weltkriegsgeschehen, zur Novemberrevolution sowie zu Politik, Sozial- und Gesundheitsfragen der Weimarer Republik spiegeln die tagesgeschichtl. Ereignisse aus standespolit. Sicht. Die Gru¨ndungen der ! Robert-KochStiftung zur Beka¨mpfung der Tuberkulose (1907), der Schwalbestiftung ¨ rzte sowie (vor 1914) fu¨r notleidende A des Aushilffonds der Notgemeinschaft ¨ rzte (1923) gingen auf S.s Initiadt. A tiven zuru¨ck. S. betrieb nach dem Med.stud. in Berlin (1881–86) und kurzer Ta¨tigkeit am Krkh. Friedrichshain seit 1890 bis zur Aufnahme der publizist. Ta¨tigkeit (1894) eine eigene Praxis und ein Eck. klin.-diagnost. Laboratorium. Schwann, Theodor Ambrose Hubert (* 7. 12. 1810 Neuss, † 11. 1. 1882 Ko¨ln). S. stud. Med. in Bonn, Wu¨rzburg und Berlin, wo er 1834 prom. Danach Ass.
bei ! Joh. Mu¨ller, den er bereits aus seiner Bonner Zeit kannte. S. war ab 1839 Prof. fu¨r Anat. in Lo¨wen, ab 1848 Prof. fu¨r Anat. in Lie`ge, ebd. ab 1858 Prof. fu¨r Physiol., allg. Anat. und Embryol. Durch wegweisende Arbeiten in seiner Berliner Zeit, die in den Mikroskopischen Untersuchungen von 1839 zusammengefaßt sind, wurde S. zu einem der Wegbereiter einer naturwiss. Zelltheorie. Ausgehend von Matthias Schleidens Untersuchungen pflanzl. Zellen beschrieb er Aufbau und Funktion tier. Zellen, wobei er irrtu¨ml. eine Genese aus einem kristallisationsartigen Geschehen im Zellzwischenraum (Blastem) annahm und in diesem Punkt wenige Jahre spa¨ter von ! Remak und ! Virchow korrigiert wurde. Mit seiner streng naturwiss. Meth. wurde S. zum Vorla¨ufer der Mu¨llerSchu¨ler ! Bru¨cke, ! Du Bois-Reymond und ! Helmholtz, die wenige Jahre spa¨ter die Physiol. erneuerten. S., der eine stark religio¨se Erziehung genossen hatte, wandte sich nach seinem Weggang von Berlin (1839) myst. Spekulationen zu, beta¨tigte sich aber auch als Erfinder, z.B. von Atemgera¨Gr. ten fu¨r Minenarbeiter. Schweitzer, Albert (* 14. 1. 1875 Kaysersberg/Elsaß, † 4. 9. 1965 Lambarene/Gabun). Theol., Phil., Organist, Musikwiss., „Urwaldarzt“. Stud. seit 1893 Theol. und Phil. in Straßburg. Beginn einer steilen theol., musikal. und musikwiss. Karriere: 1899 Dr. phil., 1900 Dr. theol., 1902 Habil. in Theol., 1912 Prof.; 1906 Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, 1908 J.S. Bach (1905 frz.). 295
Schweninger, Ernst
1905 als Missionar bei der Pariser Missionsgesellsch. wegen seiner liberalen theol. Ansichten abgelehnt, stud. S. ab 1905 Med.; 1913 Dr. med. (Die psychiatrische Beurteilung Jesu). Im gleichen Jahr verzichtete er auf seine Prof., ging als Arzt nach Afrika und gru¨ndete in Lambarene ein Urwaldspital, das zum „Symbol einer transkulturellen Solidarita¨t“ (J. Scholl) wurde. Dort „findet“ S. 1915 den Begriff der „Ehrfurcht vor dem Leben“, der zum Schlu¨sselbegriff seiner Kulturphil. und Ethik wurde (1923 Kulturphilosophie Tl. 1: Verfall und Wiederaufbau der Kultur; Tl. 2: Kultur und Ethik), aber auch seiner prakt.a¨rztl. Ta¨tigkeit in Afrika und seines weltweiten polit. Engagements fu¨r Frieden und gegen Kernwaffenversuche. 1951 Friedenspreis des dt. Buchhandels, 1952 Friedensnobelpreis und Pa¨ rzteschaft; racelsus-Medaille der dt. A 14 Ehrenprom. (u.a. Dr. med. h.c. Mu¨nster/Westf. 1958 und Humboldt-Univ. Berlin 1961). Werk: Selbstzeugnisse (Autobiogr.), Mu¨nchen 1959; Grabs, R. (Hg.), Gesammelte Werke in 5 Bd., Berlin 1971 (danach: Mu¨nchen 1974, Zu¨rich 1974); außerdem viele Sammelbd., Einzelausg. u. Rundbriefe von Freundeskreisen u. „Hilfsvereinen‘‘; Zwischen Wasser und Urwald (Autobiogr., 1921), Neuausg. mit einem Vorwort v. Richter, H.-E., (dtv, Bd. 11283) Mu¨nchen 1990. Sie.
Schweninger, Ernst (* 15. 6. 1850 Freistadt/Pfalz, † 13. 1. 1924 Mu¨nchen). Bekannt geworden ist der Leibarzt Bismarcks und Naturheiler S. durch seine standeseth., berufspolit. Schrift Der Arzt (1906). Autoritatives, „obrigkeitliches“ Verhalten gegenu¨ber seinem Patienten sind die Charakteristi296
ka des von S. entworfenen Arzttypus, Psychol. und Naturheilkunde seine Therapeutika. Der Arzt ist kein Wiss., kein „Schablonenarzt“, der sein „Sprechzimmer [...] mit Maschinen und Einrichtungen ausstattet, wie das Laboratorium einer Fabrik“, sondern „Ku¨nstlerarzt“. „Die Wiss. des Arztes to¨tet seine Humanita¨t.“ S. wird 1872, nach Schul- und Studienjahren in Mu¨nchen, zum Dr. med. prom.; nach der med. Staatspru¨fung (1873) und Studienaufenthalten in Straßburg und Wien, ist er Ass. der Pathol. Anat. in Mu¨nchen; dort habil. ¨ ber die Transplantation sich S. 1875 U und Implantation von Haaren. 1879 beendet eine amouro¨se Affa¨re auf einem Mu¨nchener Friedhof die akad. Laufbahn zuna¨chst. Seit 1883 ist er Leibarzt Bismarcks, seit 1884 (bis 1902), gefolgt von Kontroversen im Reichstag und gegen das Votum der Berliner med. Fak., Extraord. fu¨r Dermatol. an der Charite´ durch perso¨nliche Vermittlung Bismarcks und Goßlers. Einer seiner begabtesten Schu¨ler ist der spa¨tere Psychoanalytiker ! G. Groddeck. 1902 verzichtet S. auf sein Extraord. und wird Lehrbeauftragter fu¨r allg. Pathol., Therapie und Gesch. der Med. Von 1900 bis 1906 leitet S. das Kreiskrkh. in Lichterfelde (bei Berlin) und betreibt dort eine „Naturheilschule“. Werk: Gesammelte Arbeiten, 1886; Cur und Curen, 1886; Die Fettsucht, 1894; Der Arzt, 1906. Eck.
Scribonius Largus (ca. 1. Ha¨lfte des 1. Jh. n.Chr.). Ro¨m. Arzt und Autor einer u¨berlieferten Rezeptsammlung, Compositiones (44/48 n.Chr). Die Lebensumsta¨nde
Semmelweis, Ignaz Philipp
des S. (wohl kein Freigelassener, sondern gebu¨rtiger Ro¨mer) sind kaum faßbar, doch folgte er 43 n. Chr. Kaiser Claudius, dem er (heute verlorene) med. Schriften widmete, auf dem Feldzug nach Britannien. Seine in der Antike gerne ausgeschriebene Rezeptsammlung, deren Mittel S. u¨berwiegend selbst hergestellt und erprobt zu haben beansprucht, verdient auch wegen ihres Vorwortes Interesse, das Aspekte ro¨m. Rezeption der griech. Med. beleuchtet. Die Zugeho¨¨ rzterigkeit zu einer bestimmten A schule (Empiriker?) ist nicht nachweisbar. Werk: Sconocchia, S. (Hg.), Scribonii Largi compositiones, Leipzig 1983. Hh.
Scultetus [Schultes], Johann S. (* 12. 10. 1595 Ulm, † 1. 12. 1645 Stuttgart). Stud. in Padua u.a. bei ! G. Fabrizi d’Aquapendente und ! A. van den Spieghel. Von 1516–1623 Prosektor des letztgenannten. Daß er bereits wa¨hrend seines Stud. chir. ta¨tig war, zeigen die Behandlungen zweier Patienten aus Padua, die in seinem postum erschienenen Hauptwerk Armentarium chirurgicum (Ulm 1655) erwa¨hnt werden. Bereits 1623 nahm S. Verhandlungen mit dem Rat seiner Heimatstadt Ulm auf. 1625 erfolgte die Bestallung als Stadtphysicus. Dort arbeitete er u.a. mit seinem beru¨hmten Kollegen Gregor Horst, den ¨ skuman damals einen „deutschen A lap“ nannte, zusammen. Nach dem Tod seines Schwiegervaters u¨bernahm S. einige Jahre zusammen mit seinem Schwager und Kollegen Dr. R.J. Villinger die Leitung der dortigen Mohrenapotheke. Die Hauptarbeit am Ms. des
Armentarium chirurgicum war 1645 abgeschlossen, als S. zur Behandlung eines adeligen Patienten nach Stuttgart gerufen wurde und auf der Reise an einem Schlaganfall verstarb. Sein Werk, das die umfassendste Darstellung zeitgeno¨ss. chir. Instrumente, Verba¨nde und Apparate entha¨lt, wurde nach seinem Tod von seinem Neffen J. Scultetus d.J. herausgegeben. Eine spa¨tere Ausgabe wurde von Amadeus Megerlin unter dem Titel Wund-Arzneyliches Zeughaus 1679 Ju¨. auch ins Dt. u¨bers. Selye, Hans (* 26. 1. 1907 Wien, † 16. 10. 1982 Montreal). Stud. der Med. in Paris, Rom und Prag. Seit 1932 in Montreal, Kanada; dort seit 1945 Dir. des Inst. fu¨r Exp. Med. und Chir. S. beschrieb in den dreißiger Jahren eine gleichartige, unspezif. endokrinol. Reaktion des Organismus auf unterschiedl. Noxen. Seine Forschungen begr. die Lehre vom „general adaptation syndrome“ (GAS), dt. „allgemeines Anpassungssyndrom“ (AAS). Das von S. beschriebene Reiz-Reaktionsschema bildete die Grundlage fu¨r die mod. Streßtheorie, die u¨ber den endokrinol. Bereich hinaus weite Bedeutung erlangte, nicht zuletzt in der Alltagssprache. Werk: The story of adaptation syndrome, 1952; The stress of life, 1956; Hormones and resistance, 1971; Stress without distress, 1974; The stress of my life, 1979. Wies.
Semmelweis, Ignaz Philipp (* 1. 7. 1818 Ofen, † 13. 8. 1865 Wien). Sohn einer dt.sprachigen Kaufmannsfamilie. Stud. zuna¨chst in Wien Jus, dann Med. in Pest. Ab 1841 besuchte er wieder die Univ. Wien, wo er 1844 297
Semmelweis, Ignaz Philipp
zum Dr. der Med. prom. wurde. Anschließend arbeitete er als Ass. an der 1. Geburtshilfl. Klinik des Allg. ¨ rzKrkh., der Ausbildungssta¨tte fu¨r A te. Diese Klinik fu¨hrte seit 1784 Sterblichkeitsstatistiken, die S. fu¨r seine Forschungen zur Verfu¨gung standen. 1839 wurde die 2. Geburtshilfl. Klinik zur Ausbildung von Hebammen gegru¨ndet, an der keine Obduktionen zu Lehrzwecken durch gefu¨hrt wurden. S. fiel auf, daß die Ha¨ufigkeit von Todesfa¨llen durch Kindbettfieber an der Hebammenklinik wesentlich geringer war. Anhand der Sterblichkeitsstatistiken konnte er mit Hilfe der bei ! J. Skoda erlernten Meth. der „diagnosis per exclusionem“ nachweisen, daß das Kindbettfieber als Infektion zu werten sei. Diese Annahme untermauerte er mit systemat. Obduktionen, wobei ihn der Pathol. ! v. Rokitansky unterstu¨tzte. Schließlich kam ¨ berzeugung, daß das Kinder zu der U bettfieber durch die obduzierenden ¨ rzte u¨bertragen wurde. Er machte A fu¨r die wesentl. ho¨here Krankheits¨ rzteklinik die manha¨ufigkeit an der A gelnde Hyg. der Kollegen verantwortlich. Schließlich fu¨hrte er Waschungen der Ha¨nde und Instrumente mit wa¨ßriger Chlorkalklo¨sung ein. Es gelang ihm, mit dieser Maßnahme die Sterblichkeit zu senken, was seine Theorie des Kindbettfiebers bewies. Allerdings stand er mit dieser Meinung im krassen Gegensatz zu seinem Klinikchef ! J. Klein. Letztendlich geriet S. mit seiner Theorie auch in die Mu¨hlen der Revolution von 1848. Diese wurde in Wien hauptsa¨chlich von Studenten- bzw. Professorenschaft und Bu¨rgertum getragen. Ein wesentl. Zugesta¨ndnis der Regie298
Ignaz Philipp Semmelweis (1818–1865)
rung, das unter dem Eindruck der Revolution gemacht worden war, stellte die Lehr- und Lernfreiheit der Univ. dar. Diese wurde von seiten der progressiven Professorenschaft, deren wichtigste Vertreter Skoda und Rokitansky waren, sehr begru¨ßt. Dieselben traten auch massiv fu¨r die Anerkennung der Entdeckung ihres Schu¨lers S. ein. Sie forderten eine von der Univ. eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Zusta¨nde an der 1. Geburtshilfl. Klinik. Diese Forderung wurde allerdings von der konservativen Professorenschaft, der Klein angeho¨rte und die auch staatl. Unterstu¨tzung genoß, attackiert. An der Entdeckung S.s entzu¨ndete sich also der Streit zwischen konservativen und progressiven Vertretern innerhalb der Fak. An eine Verla¨ngerung der Ass.zeit S.s war damit nicht zu denken. Dennoch konnte er sich 1850 habil., erhielt allerdings nur eine eingeschra¨nkte Lehrerlaubnis.
Servetus, Michael
1851 nahm er die Stelle des Leiters der Geburtshilfl. Abt. am St. Rochusspital in Pest an. Auch hier gelang es ihm, die Mu¨ttersterblichkeit zu senken. Als 1857 der Lehrstuhl fu¨r Geburtshilfe an der Med. Univ. Budapest frei wurde, erhielt ihn S. gegen den Widerstand seiner Kollegen. Diese Position nu¨tzte er, um seiner Lehre endgu¨ltig zum Durchbruch zu verhelfen. Im folgenden Jahr erschien sein Werk ¨ thiologie des Kindbettfiebers. S. starb A unter bis heute nicht ga¨nzlich gekla¨rten Umsta¨nden in einer Wiener Anstalt fu¨r Geisteskranke an einer Sepsis. ¨ thiologie des Kindbettfiebers, Werk: Die A Budapest 1858. Ho.
in Berlin und einem Aufenthalt in Basel (1601) wurde er 1601 in Wittenberg zum Dr. med. prom. und 1602 dort bereits zum Prof. der Med. ernannt. Kurfu¨rstl. Leibarzt, starb er 1637 an der Pest. S. scha¨tzt Aristoteles, ist aber in seinen naturphil. Schriften kein dogmat. Aristoteliker; charakterist. ist in diesem Bereich, wie auch in der Med., sein offener Eklektizismus; typisch ist hierfu¨r in der Physik sein Versuch einer Wiederbelebung des Atomismus zum Zwecke einer – nicht durchga¨ngigen – mechanist. Erkla¨rung der Natur, wa¨hrend in der Med., bes. im De chymicorum, das Bemu¨hen um eine Vermittlung zwischen Aristotelismus, Galenismus und der jungen Chymiatrie fu¨r diese Haltung stehen. S. leistete damit einen wichtigen Beitrag zur Akademisierung des chymiatr. Diskurses. Unabha¨ngig davon sind seine med. Auffassungen u¨berwiegend humoralpathol. orientiert, seine klass. an ! Galen orientierte Pathophysiol., Semiotik und Therapie sind kanonisierter Lehrstoff der europa¨ischen Med. bis in die achtziger Jahre des 17. Jh.
Se´nac, Jean Baptiste (* ca. 1693 bei Lombez/Frankreich, † 20. 12. 1770 Paris). S. stud. in Montpellier oder Reims Med. und war seit 1723 Mitglied der Acade´mie des Sciences. S. praktizierte als Milita¨r- und Leibarzt, letzteres ab 1752 fu¨r Ludwig XV. Unter seinen Vero¨ffentlichungen, die zumeist anonym waren, ist der 1749 unter seinem Namen vero¨ffentlichte Traite´ de la structure du coeur, de son action et de ses maladies die wichtigste. S. lieferte in dem Buch, das in seiner Zeit als Standardwerk galt, Beschreibungen der Anat. und Pathol. des HerGr. zens.
Werk: De chymicorum cum Aristotelicis et Galenicis consensu et dissensu, 1619; De febribus libri IV, 1619; Institutionum medicinae libri V, 1620; De scorbuto tractatus, 1624; Practicae medicinae libri VI, 1628; Opera omnia, 1641, 1650, 1650/51, 1656, 1666, 1676. Eck.
Sennert, Daniel (* 25. 11. 1572 Breslau, † 21. 7. 1637 Wittenberg). Der Sohn eines Schusters stud. zuna¨chst die Artes liberales seit 1593 in Wittenberg (M.A. 1598), dann Med. ebendort, mit kurzen Aufenthalten auch in Leipzig, Jena und Frankfurt/Oder. Nach kurzer a¨rztl. Ta¨tigkeit
Servetus, Michael (* 29. 9. 1511 [?] Villanueva de Sixena/Spanien, † 27. 10. 1553 Genf). Aus adl. Familie stammend, scheint S. zuna¨chst die Univ. Saragossa besucht zu haben, ehe er eine Stellung als Sekreta¨r des Franziskaners Juan de Quintana annahm, der Mitglied des 299
Seth, Symeon
Hofes zu Aragon war. 1528 stud. S. an der Univ. Toulouse Griech. und Hebr., kehrte jedoch in den Dienst Quintanas zuru¨ck. Mit ihm bereiste er Italien und Deutschland, verließ seinen Beschu¨tzer jedoch 1530, um nach Basel zu gehen. Hier freundete er sich mit Johannes Oekolampadius, dem Reformator Basels, an, geriet jedoch bald wegen seines antitrinitarischen Gottesbegriffes in Zwist mit den Baseler Reformatoren. In Straßburg und Hagenau, wohin S. auswich, lernte er Martin Bucer kennen, mußte jedoch nach der Vero¨ffentlichung seines Werkes De trinitate erroribus (Lyon 1531) auch Straßburg verlassen. Unter dem Namen Michel de Villeneuve stud. S. seit 1533 am „Colle`ge Calvin“ in Paris, ging jedoch kurze Zeit darauf nach Lyon, wo er als Korrektor und Hg. fu¨r die Druckerei Drexel arbeitete. In Lyon lernte er Symphorien Champier kennen und kehrte unter seinem Einfluß nach Paris zuru¨ck, um Med. zu stud. 1537 vero¨ffentlichte S. die Schrift Syruporum universa ratio als wichtigen Beitrag fu¨r die galen. Med. Gleichfalls in Paris erschien 1538 die Schrift Apologetica disceptatio pro astrologia, die ihm ¨ rger mit der Med. Fak. zu Paneuerl. A ris einbrachte. 1538 mußte S. Paris verlassen und kehrte nach Lyon zuru¨ck. Am Hof des Erzbischofs Pierre Palmier lebte er eine Zeitlang in Vienne. 1553 erschien sein Werk Christianismi restitutio, in dem sich S. zum Arianismus bekennt, gleichzeitig aber auch erstmals im lat. Abendland den Kleinen Blutkreislauf beschrieb. Nachdem man S. mit Michel de Villeneuve identifiziert hatte, wurde er am 4. April 1553 verhaftet. Obgleich ihm die Flucht gelang, wurde er in 300
Genf erkannt und unter dem Einfluß von Jean Calvin beim Magistrat denunziert. Wegen seiner antitrinitarischen Schriften verbrannte man ihn M.-J. am 27. Oktober 1553. Seth, Symeon (2. Ha¨lfte des 11. Jh.). Byz. Arzt, stammte wahrscheinl. aus Antiocheia (Syrien), wirkte in Konstantinopel; seine dia¨tet. Schrift u¨ber die Wirkungen der Nahrungsmittel (Peri trophon dynameon) beru¨cksichtigt auch die arab. und ind. Materia medica. In einer kurzen Gegenrede gegen ! Galenos kritisiert S. Fehler Galenos und die Tatsache, daß dieser als unumsto¨ßl. Autorita¨t gelte. S. verfaßte ferner naturkundl. Schriften und u¨bers. den arab. Fu¨rstenspiegel Kalila va Dimna unter dem Titel Stephanites und Ichnelates ins Griech. Werk: Daremberg, Ch. (Hg.), Antirrhetikos pros Galenon, Notices et extraits des manuscrits me´dicaux grecs, Paris 1853, 44– 7; Langkavel, B. (Hg.), Simeonis Sethi Syntagma de alimentorum facultatibus, Leipzig 1868 (hierzu krit.: Helmreich, G., Handschriftl. Studien zu S.S., Progr. d. K. humanist. Gymn. Ansbach 1912/13, Ansbach 1913, 3–31); Delatte, A. (Hg.), Anecdota Atheniensia et alia, II, Lu¨ttich 1939, 1– 127; Sjo¨berg, L.O. (Hg.), Stephanites und Ichnelates, Stockholm u.a. 1962. Le.
Setschenow, Iwan Michailowitsch (* 1. [13.] 8. 1829 Tjoply Stan (Setschenowo) bei Simbirsk, † 2. [15.] 11. 1905 Moskau). S. stud. 1850–56 in Moskau Med. Eine mehrja¨hrige Studienreise fu¨hrte ihn u.a. nach Berlin zu ! J. Mu¨ller, ! E. Du Bois-Reymond und ! H. v. Helmholtz, nach Wien zu ! C. Ludwig sowie nach Paris zu ! C. Bernard. 1860 Prom. und Ernennung zum Doz. fu¨r Physiol. an der Med.-Chir. Akad.
Severino, Marco Aurelio
in St. Petersburg. 1861 Prof. und 1869 Wahl zum korrespondierenden Mitglied der Russ. Akad. der Wiss. 1870 Berufung an die Univ. Odessa und 1876 an die Univ. in St. Petersburg. Ging 1888 nach Moskau, wo er 1891–1901 als Ord. fu¨r Physiol. wirkte. S. geho¨rt zu den Begr. der russ. Physiol.schule und hat besondere Verdienste in der Neurophysiol. der Reflextheorie. Bedeutsame Studien u¨ber biochem. Themen wie die Analyse der Blutgase. Grundlegende Arbeiten zur Elektrophysiol. Entdeckte die zentrale Hemmung als Funktion des Hirns und ihre Beeinflussung durch psych. Faktoren. S.s Reflexlehre wurde von seinem Schu¨ler ! I. P. Pawlow weiter ausgebaut. ¨ ber tierische Elektrizita¨t, 1862; Die Werk: U Reflexe des Großhirns, 1863, 1866. Schn.
Severino, Marco Aurelio (* 2. 11. 1580 Tarsia/Kalabrien, † 15. 7. 1656 Neapel). Stud. zuna¨chst in Neapel Phil. bei den Jesuiten. Spa¨ter wurde er Schu¨ler von T. Campanella, der ihn in die Naturphil. von B. Telesio einfu¨hrte. An der Univ. Salerno stud. er dann Med. und Phil. und prom. dort am 1. 2. 1606. Anschließend ging S. nach Neapel, um dort Chir. bei G. Jasolino zu stud. 1610 Prof. fu¨r Anat. und Chir. und Oberarzt im Incurabili Krkh., wo er sein ganzes Leben ta¨tig blieb. Seine Vorl. und die neue Operationstechnik zogen eine Unzahl von Studenten und Wiss. nach Neapel. Von der Inquisition wurde er beschuldigt, unorthodoxe phil. Ideen zu vertreten und blutige chir. Techniken anzuwen¨ mter entkleidet, wieder den. Aller A aufgenommen dank einer von ihm selbst verfaßten Verteidigungsschrift,
wurde er erneut seines Amts enthoben und ins Gefa¨ngnis eingeliefert. Wieder in sein Amt eingesetzt, operierte er mit großem Erfolg, bis er in Neapel an Pest starb. Seine wiss. Ta¨tigkeit erstreckt sich von der Naturgesch. zur vergl. Anat. bis zur Botanik, von der Toxikologie zur Chir. Der Zootomia Democritea (1645) verdankt er seinen Ruhm. S. behauptete, daß jedes Lebewesen bestimmte Funktionen ausu¨ben soll, die ihrerseits bestimmten Organen entsprechen, welche zu einem gemeinsamen Typ geho¨ren, da sie auch ein gemeinsames Ziel verfolgen. Pflanzen und Tiere sind also im Grunde a¨hnlich. Das Stud. der Botanik und der Zool. soll dem der menschl. Anat. vorangehen; der Wiss. soll die biol. Kette vom Einfachen zum Komplexen nachzeichnen. S. beschrieb mit großer Genauigkeit eine Unzahl von Spezies, erkla¨rte das Kiemensystem der Fische, die Geschlechtsorgane und die Embryonen von vielen Tieren. Er erforschte den Gifterzeugungsapparat der Viper, entdeckte, vor ! J.C. Peyer, die Dru¨sen, die nach ihm benannt wurden, vertrat den Blutkreislauf und analysierte die Bronchienmuskeln der Wasservo¨gel. Er hob die Atmungsorgane im Tiermetabolismus hervor und trug damit, vor den Schu¨lern ! Harveys in Oxford, dazu bei, den Mythos vom Herzmetabolismus zu zersto¨ren. Als Chir. war S. ein großer Erneuerer: Er operierte Abszesse, Cysten, skrofulo¨se Verletzungen, Bronchiozellen, beschrieb Aneurysmen und fu¨hrte die Unterbindung der Arteria cruralis aus. Er verteidigte die Arteriotomie, beschrieb die Operationstechnik bei der Bronchotomie und beim Em301
Shiga, Kiyoshi
pyem. S. hat prakt. keinen Zweig der Chir. vernachla¨ssigt. Werk: De recondita abscessuum natura, Neapel 1632; De efficaci medicina, Frankfurt 1646; Trimembris chirurgia, ibid. 1653. Tre.
Shiga, Kiyoshi (* 18. 12. 1870 Sendai/ Ken (Pra¨fektur) Mijagi auf Honschu, † 25. 1. 1957 Sendai). S. stud. an der Kaiserl. Univ. Tokyo Med. und wurde 1896 zum Igakushi prom. Seit 1894 Ass. in ! Kitasatos Inst. fu¨r Infektionskrankheiten, 1899 Leiter des dortigen Labors., hielt er sich 1901–03 bei ! P. Ehrlich in Frankfurt und ! A. Kossel in Heidelberg auf und wurde 1903 Abt.chef am Inst. fu¨r Infektionskrankheiten in Tokyo bzw. 1914 am Kitasato-Inst. sowie 1905 zum Igaku Hakushi ernannt. 1919 Prof. an der priv. Keio-GijukuUniv. in Tokyo, 1926 an der erst 1923 gegr. Reichsuniv. (Kyonsong-tjekuk-taha¨k) in Seoul (japan. Keijo), Korea, wurde er 1929 deren Pra¨sident. 1945 zog er sich in sein Landhaus bei Sendai zuru¨ck. S. beschrieb 1898 den Dysenteriebazillus, woru¨ber es zu einer Priorita¨tsstreitigkeit mit ! W. Kruse kam. 1900 die Darstellung und prakt. Anwendung des Dysenterieserums (Dtsch. med. Wschr. 27 [1901], S. 363), 1904 mit P. Ehrlich Studien u¨ber Chemotherapie der Trypanosomen (Berl. klin. Wschr. 41 [1904], S. 329). Seine spa¨teren Arbeiten galten Hu. der Beri-beri bzw. der Lepra. Siebeck, Richard (* 10. 4. 1883 Freiburg/Breisgau, † 15. 5. 1965 Heidelberg). Prom. 1907 in Heidelberg, Ass. an der Med. Klinik unter ! Krehl 1908, Ha302
bil. 1912, Lazarettarzt 1914–18, Leiter des versorgungsa¨rztl. Beobachtungskrankenhauses in Heidelberg 1920, Ord. und Dir. der Med. Poliklinik in Bonn 1924, Ord. und Dir. der Med. Klinik in Heidelberg 1931, der 1. Med. Klinik der Charite´ in Berlin 1934, wieder der Med. Klinik in Heidelberg 1941, Emerit. 1952. Der durch die Theol. K. Barths beeinflußte S. wird der „Heidelberger Schule“ (Krehl, ! V. v. Weizsa¨cker) zugerechnet. Er versuchte, das Konzept der naturwiss. Med. mittels seiner „biographischen Methode“ um psychosoziale Aspekte von Krankheit zu erweitern. In seinem Hauptwerk Medizin in Bewegung ging S. diesen Zusammenha¨ngen in zahlreichen Kasuistiken nach. Werk: Die Beurteilung und Behandlung ¨ ber von Nierenkranken, Tu¨bingen 1920; U die Beurteilung und Behandlung von Kranken, Berlin 1928; Die Beurteilung und Behandlung Herzkranker, Mu¨nchen 1935; Medizin in Bewegung, Stuttgart 1949. Bro¨.
Siebold, Karl Theodor Ernst von (* 16. 2. 1804 Wu¨rzburg, † 7. 4. 1885 Mu¨nchen). Seit 1823 Stud. der Med. und der Zool.; 1828 prom. zum Dr. med.; 1831 Kreisphysikus in Heilsberg (Ostpreußen), 1834 in Ko¨nigsberg, dann Stadtarzt und Dir. der Hebammenschule in Danzig; dort widmete sich S. intensiv zool. Forschungen. 1841 wurde S. durch Vermittlung A. v. Humboldts Prof. der Zool. und vergl. Anat. in Erlangen, wo er auch Veterina¨rmed. las. 1845 folgte S. einem Ruf nach Freiburg/Br. 1848 erschien S.s Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere, im gleichen Jahr gru¨n-
Singer, Charles Joseph
dete S. zusammen mit ! A. v. Koelliker die Zeitschrift fu¨r wissenschaftliche Zoologie. Seit 1850 wirkte S. in der Nachfolge von ! J. E. Purkyneˇ als Prof. der Physiol. in Breslau. 1853 ging S. nach Mu¨nchen, wo er zuna¨chst als Prof. der Physiol. und Dir. des Anat. Inst. ta¨tig war, seit 1855 als Prof. der Zool. in der Phil. Fak. Von seinen zahlreichen bedeutenden Werken sind hervorzuheben Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen (1856) und Die Su¨ßwasserfische von Mitteleuropa (1863). Wil. Siegemundin, [Sigmund(in)] Justine (* Mitte des 17. Jh. Rohnstock/Schlesien, † 1705 [?]). Pfarrerstochter, verheiratet mit einem Rentschreiber, zwo¨lfja¨hr. Hebammenpraxis bei armen Bauern, dann Stadthebamme in Liegnitz, schließlich in Berlin am pr. Hof. S. verfaßte ein umfangreiches Lehrbuch fu¨r Hebammen, Die ChurBrandenburgische Hoff-Wehe-Mutter (Co¨lln a.d. Spree 1690, 21692, zahlreiche Aufl.), das viele Jahrzehnte als maßgebl. Standardwerk diente. Darin vermittelte S. ihr Wissen in Form eines Dialoges zwischen ihr und einer ihrer Schu¨lerinnen. Nach S. wurde der klassische „gedopWil. pelte Handgriff“ benannt. Sigerist, Henry E. (* 7. 4. 1891 Paris, † 17. 3. 1957 Pura/Schweiz). Med.-hist. S. stud. ab 1911 Med. in Zu¨rich und kurzzeitig in Mu¨nchen. Nach pharmakol. Prom. 1917 nahm S. ein geisteswiss. Stud. in Zu¨rich auf. Aus dieser Zeit datiert der Kontakt mit ! K. Sudhoff. Nach Habil. in Zu¨rich 1921 u¨ber Studien und Texte zur fru¨h-
mittelalterlichen Rezeptliteratur wurde S. 1925 als Sudhoffs Nachfolger Prof. fu¨r Med.gesch. in Leipzig. Dort entstanden zahlreiche Schriften, so die Antike Medizin (1927). Auf den fu¨r S.s Versta¨ndnis von Med.-gesch. mo¨glicherweise wichtigen Kontakt mit den Leipziger Kulturhist. (W. Goetz) deutet der 1928 im Archiv fu¨r Kulturgeschichte vero¨ffentlichte Text William Harveys Stellung in der europa¨ischen Geistesgeschichte hin. Die schwierige wirtschaftl. Situation des Inst. und die polit. Lage Deutsch¨ bersiedlands bewogen S. 1932 zur U lung in die USA, wo er bis 1947 als Prof. an der Johns Hopkins Univ./Baltimore lehrte. 1933 gru¨ndete S. das Bulletin of the History of Medicine. In den USA entstand u.a. Civilisation and Disease (1943). Die nach der Ru¨ckkehr nach Europa begonnene History of Medicine (2 Bd., 1951f.) konnte S. nicht mehr abschließen. S.s Leistung lag in der Loslo¨sung der Med.gesch. von einem engen, positivist. Fortschrittsbegriff zugunsten Gr. von Kultur- und Sozialgesch. Singer, Charles Joseph (* 12. 11. 1876 Camberwell, † 10. 6. 1960 Cornwall). Brit. Med.-, Naturwiss.- und Technikhist. Nach dem Stud. der Med. und Biol. in London, Oxford, Paddington arbeitete S. als Sanita¨tsoffizier in Afrika und Arzt an Krkh. in Singapur und England, am Krebsforschungsinst. ! V. Czernys in Heidelberg, ehe er sich nach der Heirat (1910) mit der Med.hist. Dorothea Cohen (1882–1964) und Prom. 1911 zum Dr. med. in Oxford unter Einfluß ! Oslers 1914 fu¨r den Beruf des Med.hist. entschied. Als Sanita¨tsoffizier in Malta und Saloniki vero¨ffentlichte er 1917 den 1. Bd. sei303
Skoda, Joseph
ner Studies in the History and Method of Science, als Doz. fu¨r Gesch. der Biol. in Oxford, wo er 1922 zum D. Litt. prom. und ab 1920 fu¨r Gesch. der Med. am Univ. College London: The Evolution of Anatomy (1925, 21957), A Short History of Medicine (1928, 2 1962), of Biology (1931, frz. 1934, 3 1959). Nach Gastprof. 1930 in Johns Hopkins und Berkeley wurde S. 1931 zum Prof. fu¨r Med.gesch. (ohne Gehalt) am Univ. College gewa¨hlt. Es folgten 1941 A Short History of Science (1959, 21960) und die von S. hg. History of Technology (5 Bd. 1954–58 u. o¨.). Als Mitglied, Sekreta¨r, 1920–22 Pra¨sident der med.gesch. Sektion der Royal Society of Medicine 1913–14 Gru¨ndungspra¨sident der „British Society for the History of Science“, l. Pra¨sident der „Acade´mie Internat. d’Histoire des Sciences“ 1928–31 (Nachfolger wurde ! Sudhoff), hon. D.sc. Oxford 1936, und l. Pra¨sident der Internat. Union for the History of Science 1947–50 hat S. maßgebl. zur Etablierung der Med.- und Wiss.-Gesch. in England beigetragen. 1933 half er, die „Society for the Protection of Science and Learning“ fu¨r Nazi-Verfolgte zu gru¨nden. S. war „the first full-time medical historian in Britain“, der zweite sein Schwiegersohn E. A. Unv. Bro. derwood (1899–1980). Skoda, Joseph (* 10. 12. 1805 Pilsen, † 13. 6. 1881 Wien). S. stud. 1825–31 Med. in Wien, wo er 1831 prom. Danach a¨rztl. Ta¨tigkeit in Bo¨hmen. 1832 Ru¨ckkehr nach Wien. Als Sekundararzt am Allg. Krkh. Zusammenarbeit mit ! C. v. Rokitansky. 1841 Primararzt und Leiter einer Abt. fu¨r Brustkranke. 1841 Studienreise nach Frankreich und England. 1846 304
Ernennung zum Prof. der Wiener Med. Klinik. S. begr. die auf akust. Pha¨nomenen beruhenden klin. Untersuchungsmeth. der Perkussion und Auskultation, die von ! L. Auenbrugger und ! Th.H. Laennec inauguriert worden waren, auf naturwiss. und pathol.anat. Grundlage. Die von ihm ausgearbeitete Systematisierung der einzelnen Schallerscheinungen machte diese physikal. Diagnostikmeth. wiss. Objektivierbarkeit zuga¨nglich und besser lehr- und lernbar. S. unterschied als erster Herzto¨ne von den pathol. Herzgera¨uschen sowie die vesikula¨ren und bronchialen Atemgera¨usche. S. brachte die in der klin. Diagnostik auftretenden Schallerscheinungen in ein plausibles, terminol. versta¨ndl. Kategorien- und Nomenklatursystem. Diese neuartige diagnost. Methodol. trug auch zur besseren Erkenntnis des Prozeßcharakters interner Erkrankungen und damit ¨ berwindung damals noch vorzur U herrschender ontol. Krankheitsauffassungen bei. Werk: Abhandlung u¨ber Percussion und Auscultation, Wien 1839. Schn.
Smellie, William (* 1697 Lanark, † 5. 3. 1763 Lanark). Der aus Schottland stammende S. wirkte nahezu 20 Jahre als praktischer Arzt und Geburtshelfer in seiner Heimat. 1738 ging er nach London und Paris, um sich auf geburtshilfl. Gebiet weiterzubilden. Seit 1739 in London als Geburtshelfer und geburtshilfl. Lehrer ta¨tig, wurde er zum Begr. der Lehre von der Geburtsmechanik. Er beherrschte die Geburtszange meisterhaft und entwickelte ein eigenes
Soemmerring, Samuel Thomas (von)
Modell, das erstmals u¨ber ein Zangenschloß, das sog. „englische Schloß“, verfu¨gte (S.sche Zange). Sein Hauptverdienst ist jedoch die Durchsetzung einer exspektativ orientierten Geburtsleitung. Seine natu¨rl. Geburtshilfe beruhte auf einer genauen Kenntnis des Baus des kno¨chernen Beckens. So gab er erstmals die Conjugata diagonalis als wichtigen Beckendiameter an. Sein Buch u¨ber Theorie und Praxis der Geburtshilfe machte ihn weltweit als den Verfechter einer auf physiol. Grundlagen beruhenden Geb.hilfe bekannt. Diesem Werk fu¨gte er spa¨ter seine beru¨hmten geburtshilfl. Tafeln mit naturgetreuen Abbildungen des weibl. Beckens sowie verschiedener Phasen des Geburtsvorganges und einiger neuer operativer Meth. bei.
sundheits- und Sozialreformen ein (vgl. Ausschußberichte u¨ber Physical Causes of Sickness and Mortality, On Sanitary Improvement, On Epidemic Cholera etc.); 1847 wurde er Fellow des Royal College of Physicians. N.-D.
Werk: A Treatise on the Theory and Practice of Midwifery, London 1752, 81774. Schn.
Snellen, Herman (* 19. 2. 1834 Zeist/ Provinz Utrecht, † 18. 1. 1908 Utrecht). Med.stud. des Arztsohns bis 1857 in Utrecht, prom. 1858 und im gleichen Jahr Ass. am Niederl. Hospital fu¨r Augenkranke. Aufgrund seiner fruchtbaren wiss. Ta¨tigkeit wurde ihm 1877 ein Lehrstuhl fu¨r Ophthalmol. an der Univ. Utrecht geschaffen. 1884 u¨bernahm er als Nachfolger ! F.C. Donders die Dir. der Klinik. Bekannt machte S. die Einfu¨hrung der noch heute gebra¨uchl. Testtafeln zur Visuspru¨fung fu¨r den klin. Alltag und die Entwicklung eines ku¨nstl. Glasauges („Reformauge“). Versch. Beitra¨ge zur ophthalmol. Operationstechnik.
Smith, Thomas Southwood (* 21. 12. 1788 Martock, † 10. 12. 1861 Florenz). Unitarischer Geistlicher in Westengland, ab 1812 stud. Med. in Edinburgh. Bekannter als seine antitrinitar. Schrift The incompatibility of the Doctrine of the Trinity with that of the Divine Unity (Glasgow 1814) wurden die 1816 in Glasgow gedruckten, 1813 begonnenen Predigten Illustrations of the Divine Government. 1820 Umzug nach London, dort Arzt am Fever Hospital; 1824 Mitbegr. und Mitarbeiter der Westminster Review; als Mitglied des 1833 vom Unterhaus eingesetzten Ausschusses untersuchte er Kinderarbeitsbedingungen in Bergbau und Fabriken. Seiner geistl.-polit. Position gema¨ß trat er gegen Kinderarbeit und fu¨r Ge-
Soemmerring, Samuel Thomas (von) (* 28. 1. 1755 Thorn/Westpreußen, † 2. 3. 1830 Frankfurt/Main). Der naturwiss. und ku¨nstlerisch begabte Arztsohn stud. 1774–78 im aufgekla¨rten Go¨ttingen. Seine viel beachtete Dissertation De basi encephali (1778) entha¨lt die noch heute u¨bliche Za¨hlung der Nervi craniales. Auf Studienreisen (1778/79) begegnete S. in Großbritannien med. Korypha¨en wie ! J. Hunter und widmete sich dem Lymphgefa¨ßsystem. In Holland begeisterte ihn Pieter Camper (1722–89) fu¨r Vergl. Anat. Durch seinen Freund Georg Forster (1754–94) erhielt S. 1779 eine Anat.prof. in Kassel. Dort sezierte er viel, baute eine große Pra¨paratesammlung auf und beschrieb die Sehnervenkreuzung.
Pt.
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Soemmerring, Samuel Thomas (von)
Samuel Thomas Soemmerring (1755–1830)
Wie Forster betrieb S. als „Rosenkreuzer“ Alchemie, suchte aber Ende 1783 davon loszukommen. Er folgte daher 1784 einem Ruf an die gerade erneuerte Univ. Mainz. Dort profilierte er sich als Anat., zuna¨chst durch einen detaillierten (freilich umstrittenen) Vergleich zwischen Afrikanern und Europa¨ern, durch neuroanat. Detailstudien (Sehnerven, Hirnsand) und das neue Konzept eines Anatomiegeba¨udes. Zudem ka¨mpfte S. gegen die „Schnu¨rbru¨ste“ und fu¨r eine rational begr. Teratol. In die Mainzer Zeit fa¨llt auch S.s Entdeckung der Macula lutea (1791) sowie die Neuscho¨pfung von Termini wie „Hypophyse“ (1786) und „Bauchspeicheldru¨se“, dies in seinem Hauptwerk Vom Baue des menschlichen Ko¨rpers (5 Bd., 1791– 96). Rein deskriptiv (ohne Abb.) ange306
legt, ist das weitverbreitete Hb. in klarem Dt. abgefaßt. Daneben wurde S. (u.a. durch Kontakte mit Goethe und Johann Heinrich Merck [1741– 91]) zum Pionier der Pala¨ontol. in Deutschland. Seit Mainz 1792/93 von frz. Revolutionstruppen besetzt war, lebte S. zunehmend in Frankfurt, wo er 1792 Margarethe Elisabeth Grunelius (*1768) geheiratet hatte. Obwohl seit 1795 Arzt in Frankfurt, blieb er weiter Anat., kritisierte die Hinrichtung durch die Guillotine (1795) und lokalisierte das „Organ der Seele“ im Liquor cerebrospinalis (1796). Nach seiner Demission in Mainz (1797) schuf S. nun große Tafelwerke zu den Sinnesorganen, zur Embryol. und Osteol. (1799–1801/06). An der Einfu¨hrung der Vakzination in Frankfurt war er maßgeblich beteiligt. Nach dem fru¨hen Tod seiner Frau (1802) folgte S. 1804/05 dem Ruf an die Mu¨nchener Akad. der Wiss. Dort trat er jedoch mehr als Pala¨ontol., Chemiker und Physiker hervor, der einen elektrochem. Telegraphen (1809) erfand. Mit dem perso¨nl. bayer. Adel ausgezeichnet (1808) und als Naturforscher internat. anerkannt, kehrte S. 1819/20 nach Frankfurt zuru¨ck; dort verbrachte er, weiter publizierend, bei seinen Kindern seinen Lebensabend. Die internat. Fachwelt ehrte ihn beim goldenen Doktorjubila¨um 1828 als „Princeps anatomicorum“. Weniger spektakula¨re Entdeckungen als versta¨ndlich-pra¨zise Zusammenfassungen machen S.s Bedeutung aus; empir. vorgehend, rational argumentierend und exakt beobachtend ist er der typ. Vertreter einer Med. der Aufkla¨rung. Seinen weitgespannten perso¨nl. Beziehungen (u.a. For-
Spallanzani, Lazzaro
ster, Goethe, Lichtenberg, Kant) entsprach S.s Tendenz, sich auch in Nachbardisziplinen der Med. zu beta¨tigen, als ein „Naturgelehrter“ im umfassenden Sinn. Werk: Mann, G. u.a. (Hg.), Werke, hg. i.A. der Akad. d. Wiss. u. d. Lit., Mainz, Stuttgart, Basel 1990ff., bisher erschienen: Bd. 1: Knochenlehre (1997); Bd. 6: Schriften z.d. Sinnesorganen: Auge (1994); Bd. 7: Tafelwerke zum Geho¨r, Geschmack, Stimme u. Geruch (1997); Bd. 9: Organ der Seele (1999); Bd. 13: Physik u. Chemie (1993); Bd. 14: Pala¨ontologie (1990); Bd. 15: Anthropologie (1998); Bde. 16/17: Rezensionen (1995/6); Bde. 18, 19 u. 20: Briefwechsel 1765–1805 (1996–2000). Du.
Soranos von Ephesos (Anfang 2. Jh. n.Chr.). ¨ rzS. war eine der hervorragendsten A teperso¨nlichkeiten der Kaiserzeit, der einflußreichste Vertreter der meth. Schule. Von seinem umfangreichen Werk ist im griech. Original außer der ! Hippokratesbiographie und einer kleineren Schrift u¨ber Verba¨nde nur seine Gyna¨kologie erhalten (vollsta¨ndig erst 1882 gedruckt); ihn deshalb zum Gyna¨kol. machen zu wollen, erscheint absurd. In Spa¨tantike und MA wirkte er in lat. ¨ bersetzungen; seine Schrift fu¨r HebU ammen liegt uns sogar in zwei Bearbeitungen, von ! Caelius Aurelianus und Mustio (diese spa¨ter als Werk des Moschion ins Griech. zuru¨cku¨bers.), vor und entha¨lt die beru¨hmten Zeichnungen der Kindslagen, die noch in der Renaissance (! E. Ro¨ßlin) reproduziert werden. Die groß angelegte Darstellung der akuten und chron. Krankheiten hat Caelius Aurelianus, wohl im wesentl. unvera¨ndert, u¨bertragen; sie zeichnet sich durch ausfu¨hrl., nicht polem. Diskussion der
¨ tiol. und Therapie mit wichtigen A hist. Nachrichten u¨ber die Vorga¨nger des S. aus und ist deshalb eine med.geschichtl. Quelle ersten Ranges. ¨ bers.), SoWerk: Burguie`re, P. u.a. (Hg. u. U ranos d’E´phe`se, Maladies des femmes, Paris 1988–2000. Fi.
Spallanzani, Lazzaro (* 12. 1. 1729 Scandiano/Herzogtum von Modena und Reggio, † 11. 2. 1799 Pavia). S. besuchte die Jesuitenschule in Reggio Emilia, 1749 begab er sich nach Bologna, um Jura zu stud. Kam dort in Verbindung mit Laura Bassi, einer Cousine seines Vaters, Prof. fu¨r Math. und Physik und mit ! A. Vallisnieri dem Ju¨ngeren. Aufgrund dieser Begegnung entwickelte sich seine natu¨rl. Neigung fu¨r die Naturwiss. und die Math. weiter. Fu¨nf Jahre spa¨ter prom. er zum Dr. der Phil. und trat in den geistl. Stand ein. In den Jahren 1755–69 unterrichtete er Logik, Metaphysik und Griech. in Reggio Emilia, seit 1757 Math. und 1763 Phil. an der Univ. Modena. Er vertiefte sein Interesse fu¨r Math., Astronomie, Geol., Naturgesch., Zool., Biol. Nach einigen Wanderungen in den toskan. Apenninen konnte er die Hypo¨ lteren these von A. Vallisnieri dem A u¨ber den Ursprung der Naturquellen besta¨tigen. Seit 1742 u¨berpru¨fte er mit Hilfe des Mikroskops die Beobachtungen von Needham, dem Vertreter der Urzeugung. Als u¨berzeugter Anha¨nger des Ovismus beka¨mpfte er die Theorie von Needham und die der organ. Molekeln von Buffon. Er erarbeitete eine wirksame Meth. zur Sterilisierung der Infusionen. Im Saggio di osservazioni microscopiche bewies er 1765, daß die Urzeugung eine Chima¨re ist. 1768 vero¨ffentlichte 307
Spieghel [Spigelius], Adriaan van den
er Prodromo di un’opera sopra la riproduzione degli animali, 1782 die Risultati, wo er die Selbstreproduktion von verstu¨mmelten Tieren wie Salamandern, Schnecken und Fro¨schen beobachtete. Noch 1768 vero¨ffentlichte er das ! Haller gewidmete Dell’azione del cuore nei vasi. In diesem Werk, dem er seine Aufnahme in die Go¨ttinger Akad. der Wiss. verdankte, bewies S. die Beziehung zwischen der Blutgeschwindigkeit und der Breite der Gefa¨ße. Seit 1769, nach seiner Berufung an die Univ. Pavia als Prof. fu¨r Naturgesch., widmete er sich der Erweiterung und Bereicherung des dortigen naturgesch. Museums, das durch ihn eines der besten in Italien wurde. Von 1773 stammt ein Traktat u¨ber den Blutskreislauf (De fenomeni della circolazione); 1776 die Opuscoli di fisica animale e vegetabile, eine Sammlung seiner Beobachtungen u¨ber die Verdauung sehr vieler verschiedener Tiere. Die Verdauung ist ein besonderer Zersetzungsprozeß, durch die chem. Wirkung des Magensafts erzeugt, welcher auch antisept. wirkt. Es gelang ihm, Chymus ku¨nstlich zu reproduzieren. Im zweiten Band dieses Werks beschrieb er viele tier. und pflanzl. Fortpflanzungsformen und legte dazu seine Entdeckungen u¨ber die ku¨nstl. Zeugung dar. Zwischen 1780 und 1785 unternahm er wiss. Reisen nach Istrien, Genua, Marseille und Chioggia zum Zweck, das Museum im Pavia mit biol. Meeresfunden auszustatten und Fauna und Flora verschiedener Meerestiere zu erforschen. 1785 reiste er in die Tu¨rkei, die Cycladen und an den Bosporus, wo er die Meeresfauna stud., geol. Aufnahmen durchfu¨hrte, Berg308
werke besuchte und zool. Funde sammelte. 1788 wieder eine wiss. Reise nach Su¨ditalien, wo er vulkan. Aufnahmen durchfu¨hrte. Der Bericht dieser Reise wurde 1792–1797 unter dem Titel Viaggi alle due Sicilie e in alcune parti dell’Appen-nino vero¨ffentlicht. 1794, bei der Beobachtung der Flederma¨use, vermutete er bei diesen Tieren einen sechsten Sinn. In den letzten Jahren seines Lebens bescha¨ftigte er sich eingehend mit chem. Forschungen. Anders als Go¨ttling es behauptete, stellte er fest, daß die Helligkeit des Phosphors von dessen Verbindung mit Sauerstoff statt mit Stickstoff abha¨ngt, forschte u¨ber die Physiol. des Atmens und besta¨tigte exp., daß die Atmungschemie aus Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxydabgabe besteht. S. wurde internat. anerkannt, war Mitglied vieler wiss. Gesellsch. und Akad., war Freund und Korrespondent A. Hallers und C. Bonnets. Werk: Bottazzi, F. (Hg.), Le opere di L.S., 6 Bd., Mailand 1932–6; Biagi, B. u. Prandi, D. (Hg.), L.S. Epistolario, Florenz 1958–64. Tre.
Spieghel [Spigelius], Adriaan van den (* 1578 Bru¨ssel, † 7. 4. 1625 Padua). S. stud. Med. in Lo¨wen und in Padua unter ! G. Fabrizi d’Aquapendente; hier wurde er auch prom. Nach kurzem Aufenthalt in seiner Heimat ließ sich S. in Ma¨hren nieder, bis er 1605 als Prof. der Anat. und Chir. nach Padua berufen wurde. Dieses Amt u¨bte er bis zu seinem Tod aus. S. beschrieb die Anat. der Leber (Lobulus Spigelii), der Blutgefa¨ße und des Nervensystems. Außerdem publ. er u¨ber Botanik und Helminthol. Ba.
Stahl, Georg Ernst
Spurzheim, Johann Christoph (* 31. 12. 1776 Longuich, † 10. 11. 1832 Boston/Mass.). Phrenol., stud. zuna¨chst Theol. in Trier, 1800–04 Med. in Wien. Dr. med. 1804 (Wien) und 1821 (Paris), 1817 Mitglied des Royal College of Physicians/London. S., der bei ! Gall stud., entwickelte und popularisierte zusammen mit diesem ab 1804 die Phrenol. Nach Konflikt mit Gall arbeitete S. ab 1813 selbsta¨ndig. 1815 vero¨ffentlichte er in London sein Hauptwerk The Physiognomical System of Drs. Gall and Spurzheim ... S. wird ha¨ufig zu Unrecht nur als der Popularisator der Scha¨dellehre Gr. Galls angesehen. Stahl, Georg Ernst (* 21. 10. 1659 Ansbach, † 14. 5. 1734 Berlin). Geb. im mittelfra¨nk. Ansbach als Sohn eines protestant. Kirchenbeamten, stud. S. in Jena von 1679 bis 1684 Med., vor allem unter dem Iatrochemiker ! G. W. Wedel, der ihn auch in die Grundlagen der Chemie einfu¨hrte. Nach der Prom. 1684 und nach kurzer Lehrta¨tigkeit in Jena wurde S. 1687 in Weimar Leibarzt von Herzog Johann Ernst II. von Sachsen-Weimar. 1694 nahm er einen Ruf auf die 2. Prof. fu¨r Med. (Botanik, Chemie, Anat., Physiol., Pathol., Pharmazie) an der neugegru¨ndeten Univ. Halle an, der wesentl. auf die Initiative seines Kollegen ! F. Hoffmann zuru¨ckging. 1715 ernannte ihn Ko¨nig Friedrich Wilhelm I. von Preußen zu seinem Ersten Leibarzt und zum Pra¨sidenten des Berliner Collegium Medicum. S. folgte dem Ruf nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1734 wirkte. S. war dreimal verheiratet; seine beiden ersten Ehefrauen starben jeweils an Kindbettfieber.
Die kompromißlos schroffe, vom Pietismus gepra¨gte Perso¨nlichkeit S.s korrespondierte mit seiner extremen, absolute Wahrheit beanspruchenden med. Lehre (Theoria medica vera, 1708), dem sog. Animismus: Fu¨r S. wurde der lebende Ko¨rper, ein mechan. Apparat, ausschließlich und direkt von der Seele (Anima) instruiert und gesteuert. Alle leibl. Vorga¨nge seien dem Regiment der Anima unterstellt, die den Ko¨rper bis ins Detail kenne und beherrsche. S. hielt deshalb exakte anat. und physiol. Kenntnisse des Arztes fu¨r unno¨tig; es genu¨ge die klin. Erfahrung. Die Krankheiten bestu¨nden in chem. Zersetzung und Fa¨ulnis des Ko¨rpers, sie entstu¨nden ¨ berwadann, wenn die gesunde U chungsta¨tigkeit der Seele nachlasse. Aus diesem psychodynamist. Krankheitskonzept zog S. behutsame therap. Konsequenzen (Expektationismus): Die Natur heile entweder spontan (Energie) oder mit vorsichtiger a¨rztl. Hilfe (Synergie). Wichtig waren S. dabei vor allem dia¨tet. Maßnahmen, womit die Seele zu ihrer normalen Ta¨tigkeit zuru¨ckgefu¨hrt werden sollte. Der in pietist. Fro¨mmigkeit intuitiv „erfahrende“ Arzt war fu¨r S. in seinem therap. Handeln unfehlbar. Als Chemiker stellte S. 1697 die bis 1775 allg. anerkannte „Phlogistontheorie“ auf, nach der aus allen brennbaren Ko¨rpern bei der Verbrennung der Feuerstoff „Phlogiston“ entweichen sollte. Diesen Irrtum korrigierte erst A. Lavoisiers Oxidationstheorie. Zu S.s Gegnern za¨hlten sein Hallenser Kollege F. Hoffmann, der eine iatromechan. Pathol. vertrat, sowie der Phil. G.W. Leibniz, der als Anwalt von linearer Kausalita¨t und Gesetzma¨ßigkeit in der Natur ebenfalls die vita309
Stark, Karl Wilhelm
wurde er Hofmedicus beim Herzog von Sachsen-Weimar, 1811 erfolgte die Prom. unter Chr. G. Gruner. 1813 wurde S. Leibmedicus und Extraord. der Allg. Pathol. und Therapie in Jena, 1817 Hofrat, 1826 Ord., 1836 Geheimer Hofrat, 1838–45 Mitdir. der Med.-Chir. Klinik in Jena. S. vertrat im Umfeld der „Naturhist. Schule“ eine ontol. Pathol., nach der Krankheit ein Prozeß mit parasit. Charakter war. Mit seiner Idee einer Pathol. als „Physiol. der Krankheit“ ¨ bergangsstadium repra¨sentiert S. ein U zwischen Naturphil. und Naturwiss. in der Med. des dt. Biedermeier.
Georg Ernst Stahl (1659–1734)
list. Tendenzen des Animismus beka¨mpfte. Stimulierenden Einfluß hatte S.s Lehre hingegen auf den frz. Vitalismus des 18. Jh. (! Sauvages, ! Bordeu, ! Barthez), auf die psychosomat. Vorstellungen der romant. Naturforscher in Deutschland um 1800 (! Reil, ! Heinroth, ! Carus) sowie auf die Anthropol. Med. (ca. 1930–50) ! V. v. Weizsa¨ckers. Werk: De passionibus animae, Halle 1695; De synergeia naturae in medendo, ibid. 1695; Zymotechnia fundamentalis, ibid. 1697; Theoria medica vera, ibid. 1708 (21737); Negotium otiosum seu skiamachia, ibid. 1720; Forbiger, S. (Hg.), Der Vernu¨nfftige Medicus, Leipzig 31735; Ruf, W. (Hg.), G.E.S.s Theorie der Heilkd., 2 Bd., Halle 1802. Ba.
Stark, Karl Wilhelm (* 18. 5. 1787 Jena, † 15. 5. 1845 Jena). Sohn eines Prof. der Geburtshilfe, stud. S. in Jena 1804–07 Med. 1807 310
Werk: Allgemeine Pathologie oder Allgemeine Naturlehre der Krankheit, 2 Bd., Ba. Leipzig 21844/21845.
Starling, Ernest Henry (* 17. 4. 1866 London, † 2. 5. 1927 Kingston/Jamaica). Physiol. am University College, London, seit 1899 Prof. Anhand der Regulationsfunktion des Sekretins fu¨r die Pankreassekretion formulierte er zusammen mit ! Bayliss das Konzept der Steuerung von Lebensvorga¨ngen durch Botenstoffe, fu¨r die er 1905 den Begriff „Hormon“ pra¨gte. Auf dem Gebiet der Kreislaufphysiol. lieferte er die wichtigsten Bestandteile unserer heutigen Auffassungen von der Kreislauffunktion und ihren krankhaften Vera¨nderungen. So entwickelte er die maßgebl. Theorie fu¨r den Flu¨ssigkeitsaustausch auf der Kapillarebene und beschrieb die Reaktion des isolierten Herzens auf erho¨hte Fu¨llung als Teil eines komplexen Kontroll- und AdaptationssySchl. stems des Kreislaufs.
Stokes, William
Statilius Crito, Titus (* ca. 50, † ca. 114). S.C. wurde als kleinasiat. Grieche in Rom Leibarzt und Vertrauter Kaiser Trajans (98–117), den er in den Dakerkrieg (ab 101) begleitete, und ¨ mter wahr. nahm auch hohe polit. A Seine Stellung nutzte er zum Vorteil seiner Heimatstadt Herakleia Salbake; auch Ephesos (wo er hohe Priesterfunktionen bekleidete) und die dortige med. Hochschule profitierten von seiner Patronage. S.C. ist keiner zeitgeno¨ss. med. Schule zuweisbar und war wohl Eklektiker. Er verfaßte (zumindest) ein popula¨res Werk u¨ber Scho¨nheitspflege, eine weitere pharmakol. Schrift sowie Getika, wohl eine Darstellung der Dakerkriege. Spa¨tere Leiba¨rzte ro¨m. Kaiser des 2. Jh. ko¨nnten mit Crito verwandt Hh. sein. Stensen, Niels (* 11. 1. 1638 Kopenhagen, † 5. 12. 1686 Schwerin). 1656–59 Stud. in Kopenhagen, 1660– 63 in Leiden, 1664 Prom., 1664–65 Aufenthalt in Paris, 1665–66 in Montpellier, 1666–72 Studien im Dienst der toskan. Großherzo¨ge in Pisa und Florenz, Mitarbeit in der Accademia del Cimento, 1667 Konversion, 1672–74 Kgl. Anat. in Kopenhagen, 1675 Priesterweihe, 1677 apostolischer Vikar von Hannover und Titularbischof, 1680–83 Weihbischof in Mu¨nster. S. entdeckte 1660 den nach ihm benannten Ductus parotideus. Er beschrieb zahlreiche weitere Dru¨sen und hielt sie fu¨r den Ursprung aller Ko¨rperflu¨ssigkeiten. S. bezeichnete das Herz als bloßes Muskelorgan und erforschte seinen Aufbau aus kontraktilen Fasern. 1669 vero¨ffentlichte er ein Forschungsprogramm
zur Hirnforschung, das von der Notwendigkeit exakter anat. Kenntnisse ausging. 1667 identifizierte S. die menschl. Ovarien als Orte der Produktion von Eiern. 1669 vero¨ffentlichte S. ein grundlegendes Werk zur Pala¨ontol. und Geol. Werk: De musculis anatomicae, Leiden 1664; Elementorum myologiae specimen, Florenz 1666–7; Discours [...] sur l’anatomie du cerveau, Paris 1669; De solido intra solidum naturaliter contento dissertationis prodromus, Florenz 1669. Bro¨.
Stilling, Benedikt (* 16. 3. 1810 Kirchhain/Hessen, † 31. 1. 1879 Kassel). Arzt, Chir. und Wiss. in Kassel. S. ist v.a. wegen der von ihm entwickelten Serienschnittmethode zur anat. Untersuchung des Zentralnervensystems bedeutend. Erstbeschreiber einer Reihe von Kleinhirn- und Hirnnervenkerne sowie des Nucleus ruber und des Ursprungs des Tractus spinocerebellaris. S. pra¨gte den Begriff „Nervenkerne“. Er war bekannt fu¨r sein pathophysiol. Konzept der „Spinalirritation“, das sich jedoch als wenig erfolgreich erwies. S. erfand neue chir. Meth. zur Ovariotomie, Blutgefa¨ßunterbindung, Sklerotomie, Urethrotomie. S. war Jude und hielt, trotz der daraus entstehenden berufl. Nachteile, bewußt an seiner Religion Schl. fest. Stokes, William (* Juli 1804 Dublin, † 7. 1. 1878 Dublin). Stud. ab 1821 Med. in Dublin, prom. 1825 und ließ sich in Dublin nieder. 1826 Nachfolger seines Vaters Whitley S. am Meath Hospital und Arzt an der Infirmary der Grafschaft Dublin. 1843 wurde auf sein Betreiben hin am Trinity College ein Lehrstuhl fu¨r o¨ffentl. 311
Stoll, Maximilian
Med. und Staatsarzneikunde eingerichtet. 1845 als Nachfolger seines Vaters Prof. an der Univ., 1849 Pra¨sident des King’s and Queen’s College; 1858– 77 vertrat S. Irland im General Med. Council, 1867 Pra¨sident der British Med. Association, 1874 der Royal Irish Acad. 1875 gab S. seine Stellung am Meath Hospital auf und zog sich von der Praxis zuru¨ck. S. war Gru¨nder der Pathol. Society in Dublin (1838) und lebenslang deren Schriftfu¨hrer. Er za¨hlt zu den beru¨hm¨ rzten des 19. Jh. als Klitesten brit. A niker, Lehrer und Schriftsteller, gru¨ndete seine Lehren allein auf die klin. Beobachtung. Besonders beru¨hmt sind seine drei klass. Werke Treatise on the Diagnosis and Treatment of the Chest (1837), The Diseases of the Heart and the Aorta (1854), Lectures on Fever (1874). Namensgeber fu¨r ! Cheyne-S.-Atmung und AdamsMo. S.-Syndrom. Stoll, Maximilian (* 12. 10. 1742 Erzingen/Schwaben, † 23. 5. 1787 Wien). Sohn eines Landchir. Sollte von seinem Vater zum Chir. ausgebildet werden, entwickelte jedoch eine heftige Abscheu gegen diese Ta¨tigkeit. S. stud. zuna¨chst Phil. in Ingolstadt und war anschließend als Lehrer am Jesuitengymnasium Hall/Tirol ta¨tig. Nach einigen Zerwu¨rfnissen mit seinen Ordensoberen und seiner Versetzung an das Gymnasium Eichsta¨tt, trat S. 1767 wieder aus dem Orden aus. In Straßburg begann er sein Med.stud., das er in Wien bei Anton de Haen fortsetzte. 1772 wurde S. prom. und trat die Stelle eines Physikus in einem ungar. Komitat an. Aufgrund einer schweren Krankheit kehrte er nach Wien zuru¨ck, wo er 312
sich schließlich als praktischer Arzt niederließ. 1776 wurde er Primar am Wiener Dreifaltigkeitsspital. Nach dem Tod de Haens u¨bernahm er dessen klin. Lehrauftrag. Aufgrund der vielen Patienten, die an seinem Spital betreut wurden, konnte er ausfu¨hrl. Beobachtungen machen und diese seinen Studenten weitergeben. Er schrieb seine Erfahrungen in seinem Werk Ratio medendi in nosocomio practico Vindobonensi nieder. St. legte bes. Wert auf die praktische Unterweisung der Studenten und die exakte Krankenbeobachtung. Den klin. Unterricht kombinierte er mit Obduktionen, eine Lehrmethode, fu¨r die die Wiener Schule bekannt war. Nach der Ero¨ffnung des Allg. Krkh. 1784 wurden viele Wiener Spita¨ler, auch das Dreifaltigkeitsspital, aufgelassen. S. u¨bernahm die Leitung der neugeschaffenen Klinik, an der ihm jedoch nur zwo¨lf Betten zur Verfu¨gung standen. Werk: Ratio medendi in nosocomio practico Vindobonensi, Wien 1777/78. Ho.
Stromeyer, Ludwig (* 6. 3. 1804 Hannover, † 15. 6. 1876 Hannover). Med.stud. in Go¨ttingen und Berlin, hier 1826 Prom. Weitere Ausbildung in Wien und Berlin. 1828 in Hannover ta¨tig, wo er eine orthopa¨d. Anstalt einrichtete. 1838 Prof. der Chir. in Erlangen und 1841 in Mu¨nchen. 1842 Berufung nach Freiburg und 1848 nach Kiel als Nachfolger von ! B. v. Langenbeck. Vielfa¨ltige milita¨rchir. Ta¨tigkeiten und Publ. Fu¨hrte die subkutane Myotomie und Tenotomie ein (Achillessehne). Gemeinsam mit ! J. F. Dieffenbach am Ausbau der Schieloperationen beteiligt.
Sudhoff, Karl Werk: Erinnerungen eines deutschen Arztes, 2 Bd., 1875. Schn.
Stru¨mpell, Adolf (* 28. 6. 1853 NeuAutz/Kurland, † 10. 1. 1925 Leipzig). Begann die a¨rztl. Ausbildung nach dem Stud. 1876 an der Med. Klinik der Univ. Leipzig, habil. sich 1878 und wurde 1883 ao. Prof. sowie Dir. der Med. Poliklinik in Leipzig; 1886 ging er als Ord. fu¨r Innere Med. und Klinikdir. nach Erlangen, 1903 nach Breslau, 1909 nach Wien und 1910 wieder nach Leipzig. S.s Hauptinteresse galt den neurol. Erkrankungen, deren eingehende Darstellung in seinem 1883 publ. Lehrbuch der inneren Krankheiten viel Anerkennung fand; dieses Lb. erfuhr bis 1934 immerhin 32 Aufl. und wurde in viele Sprachen u¨bers. Neue Einsichten gewann er u.a. zur spast. Spinalparalyse, zur Enzephalitis und zur multiplen Sklerose. Daneben befaßte er sich auch mit psychogenen Erkrankungen, insbes. der traumat. Neurose. Der Ausbau neurol. Lehr- und Forschungssta¨tten wurde von S. gefo¨rdert; ebenso auch die enge Bindung der Neurol. an die Innere Med. und die Psychiatrie. Werk: Lehrbuch der Speciellen Pathologie und Therapie innerer Krankheiten, 2 Bd., Leipzig 1883; Ueber die traumatische Neurose, Berlin 1888; Leitfaden fu¨r die Untersuchung [...] der wichtigsten Nervenkrankheiten, Leipzig 1924. Tho
Strupp, Johann (* 6. 4. 1530 Gru¨nberg/Hessen, † 18. 6. 1606 Darmstadt). Nach Stud. in Marburg und Wittenberg zuna¨chst Lehrer am Hofe des hess. Landgrafen, dann Arzt in Friedberg. War nicht nur Arzt, sondern auch Polyhistor. Von 1563–75 wirkte er in
Frankfurt/M. als Stadtarzt. Dort verfaßte er seine bekanntesten Werke, das Consilium medicum (1567) und die Nuetzliche Reformation zu guter Gesundtheit (1573). Letztere Schrift behandelt in 12 Kapiteln das Gesundheitswesen seiner Zeit. S. betont die Pflicht jeder Obrigkeit, fu¨r die Gesundheit der Untertanen Sorge zu tragen. Er gilt als einer der Begr. der o¨ffentl. Hyg. in Deutschland. S. wirkte spa¨ter als Leibarzt, Bibliothekar und Fu¨rstenerJu¨. zieher am Heidelberger Hof. Sudhoff, Karl (* 26. 12. 1853 Frankfurt/ Main, † 8. 11. 1938 Salzwedel). Nach Med.stud. prakt. Arzt; 1898 Organisator der Sektion fu¨r Gesch. der Med. und der Naturwiss. in der Ge¨ rzte sellsch. Dt. Naturforscher und A (ab 1901 Gesellsch. fu¨r Gesch. der Med. und der Naturwiss.); 1905 ao. Prof. fu¨r Gesch. der Med. an der Univ. Leipzig, dort 1906 erstes Lehrund Forschungsinst. fu¨r Gesch. der Med. begr.; seit 1906 Hg. des Archivs fu¨r Geschichte der Medizin (spa¨ter Sudhoffs Archiv), der ersten Fachzeitschrift dieses Gebietes; 1918 o. Prof.; Institutsleitung bis zur Emerit. 1925. Wiss. Hauptthemen S.s waren die Denkweisen der Med. in der Antike, im MA und bes. in der fru¨hen Neuzeit (! Paracelsus) sowie die eingehende Bearbeitung der Gesch. der Chir., der Hyg., der Zahnheilkunde und der a¨rztl. Ausbildung. Neben einer immensen Zahl von Studien zu neu entdeckten Quellen hat S. auch wertvolle ¨ bersichtsdarstellungen zur Gesch. U der Med. und der Zahnheilkunde erarbeitet. In der akad. Lehre war er bemu¨ht, die Achtung vor den Leistungen der Vergangenheit zu fo¨rdern und die Relativita¨t zeitgeno¨ss. Denkweisen 313
Sun Simo
aufzuzeigen. S. hat durch die Mitwirkung an Ausstellungen großen Anteil an der Vermittlung med.hist. Kennt¨ ffentlichkeit. nisse an die O Werk: Geschichte der Zahnheilkunde, Leipzig 1921; Kurzes Handbuch der Geschichte der Medizin, 2 Bd., Berlin 1922; Hg., Paracelsus. Sa¨mtl. Werke. I. Abtl.: Med., naturwiss. u. phil. Schriften, Bd. 1–14, Mu¨nchen u. Berlin 1922–1933. Tho.
Sun Simo (* 581 Jingzhao, Provinz Shensi, † 682). Daoist. Gelehrter, dessen wiss. Elan sich auf die Med. konzentrierte. Durch seine Kostbaren wichtigen Rezepte (Qianjin Yaofang) und seine Erga¨nzenden Kostbaren Rezepte (Qianjin Yifang), jeweils in 30 Kapiteln, faßte er nicht nur das ganze klin. Wissen seiner Zeit u¨ber Pharmakol., Diagnostik, Pharmazie, Akupunktur, Physiotherapie zusammen; er stellte diesen krit. gesichteten Sammlungen auch ¨ berlegungen u¨ber die grundsa¨tzl. U Ethik des Arztes, u¨ber das Vorgehen bei Diagnose und Behandlung voran und erga¨nzte sie mit techn. Hinweisen fu¨r die Zubereitung von Arzneimitteln, die Handhabung der Nadeln und Moxen. Viele der in seinen Sammlungen vorgeschlagenen Rezepturen haben bis heute klass. Bedeutung; und seine praxisnahen und sachl. Beobachtungen waren weit u¨ber seine Zeit hinaus fu¨r die Entwicklung der Med. richPo. tungweisend. Sun Yat-sen [Sun Yixian, Sun Wen, Sun Chungshan] (* 12. 11. 1866 Siangshan/Kwangtung, † 12. 3. 1925 Peking). Der Bauernsohn und spa¨tere chin. Revolutionspolitiker stud. nach dem Be314
such einer Missionsschule (Honolulu, 1879–83) in Hongkong Med. (1886– 92). S. bereitete in Honolulu und Tokio die „Erneuerung Chinas“ vor, mußte aber nach dem Scheitern des ersten Aufstandsversuchs in Kanton (1895) zuna¨chst fu¨r 16 Jahre ins Exil. Nach der Revolution, die 1911 das Kaisertum stu¨rzte, wurde er am 1. Jan. 1912 Pra¨sident der Republik China. Nach dem Scheitern dieses und eines zweiten Revolutionsversuchs (1913) erneut im japan. Exil, gru¨ndete er die „Chin. Revolutionspartei“ (seit 1919 Kuomintang). In den Wirren der chin. Bu¨rger- und Bandenkriege verwandelte er 1923 die Kuomintang in eine Kaderpartei nach sowjet. Muster und entwickelte seine „drei Grundlehren vom Volk“ (Nationalismus, Demokratie, Volkswohlfahrt). In der Med. verfolgte S., geleitet durch das japan. Vorbild, eine radikale Erneuerung und die Besetzung chin. Lehrstu¨hle mit dt. Prof. Noch vor Beginn der Verhandlungen zur Wiedervereinigung starb S. 1925. In der KPCh gilt er als „Pionier der Revolution“. Eck.
Swieten, Gerhard van (* 7. 5. 1700 Leiden, † 18. 6. 1772 Wien). Eltern verstarben fru¨h. Zuna¨chst phil. Ausbildung in Lo¨wen ohne besonderen Schulerfolg. Stud. der Med. in Leiden bei ! Boerhaave. Prom. 1725. Anschließend Ass. bei Boerhaave. In dieser Zeit erschienen die ersten Ba¨nde der Commentaria in Hermann Boerhaave aphorismos de cognoscendis et curandis morbis, die ihn in der Fachwelt bekannt machten. Als eine Schwester der Kaiserin Maria Theresia, Anna von Lothringen, an Wochenbettfieber erkrankte, wurde
Swieten, Gerhard van
v. S. gerufen und machte dabei auf die Kaiserin großen Eindruck, obwohl er ihrer Schwester nicht mehr helfen konnte. Ab 1745 war er daher kaiserl. Leibarzt. Maria Theresia hatte sich schon la¨nger bemu¨ht, fu¨r die Reform der Studien, vor allem im Bereich der med. Ausbildung, eine Kapazita¨t der Leidener Schule zu gewinnen. Von Boerhaave war ihr sein Schu¨ler S. vorgeschlagen worden. Da S. Katholik war, konnte er in Leiden wohl stud. und prom., eine akad. Karriere wa¨re ihm nach dem Tod Boerhaaves aus diesem Grund, wie er in einem seiner Briefe an die Kaiserin schrieb, nicht mo¨glich gewesen. Die Wiener Med. in der Zeit vor S. wird ha¨ufig als dunkles Kapitel bezeichnet. Tatsa¨chlich mangelte es nicht an guten Ideen oder am Reformwillen der Fak., sondern an der Mo¨glichkeit, diese durchzusetzen. Hemmend waren finanzielle wie polit. Faktoren. Die phil. und die theol. Fak., die zu dieser Zeit unter der Leitung des Jesuitenordens standen, erlebten eine Blu¨tezeit. Bereits im Jahre 1718 wurden von der Med. Fak. Vorschla¨ge zur Verbesserung des Unterrichts gemacht. Diese enthielten auch Anregungen fu¨r eine bessere prakt. Ausbildung der Chir. und Hebammen, die z.B. die Mo¨glichkeit erhalten sollten, offiziell an anat. Demonstrationen teilzunehmen. Weiter wurden Lehrstu¨hle fu¨r Anat., Chir., Chemie und Botanik gefordert und die Einrichtung eines Theatrum anatomicum, eines chem. Laboratoriums und eines botan. Gartens vorgeschlagen. Prof. sollten ho¨her und regelma¨ßig bezahlt werden, den Absolventen sollten bessere Mo¨glichkeiten fu¨r die Ausu¨bung ihres Berufes geboten werden. 1735
wurde wohl die anat. Lehrkanzel eingerichtet, allerdings mangelte es an Leichen fu¨r regelma¨ßige Sektionen, da es hierfu¨r keine verbindl. Richtlinien gab. Die Reformen waren also bereits vorbereitet, es fehlte jedoch die geeignete Person, die diese ha¨tte durchfu¨hren ko¨nnen und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet gewesen wa¨re. Fu¨r Maria Theresia muß es demnach naheliegend gewesen sein, den Auftrag fu¨r die Durchfu¨hrung dieser Reformen einer Person zu geben, die nicht der Wiener Fak. angeho¨rte, daher auch niemandem verpflichtet war und daru¨ber hinaus auch einen entsprechenden wiss. Ruf hatte. Am 17. Januar 1749 legte v. S. der Kaiserin seine Pla¨ne vor, bereits am 7. Februar desselben Jahres wurde das Patent u¨ber die Reform der Med. Fak. erlassen. Es beinhaltete zuna¨chst die Einrichtung zweier neuer Prof., na¨mlich einer fu¨r Botanik und Chemie und einer fu¨r Chir. Die Vorl. u¨ber Chemie sollten im Wintersemester, jene u¨ber Botanik im Sommersemester gelesen werden. Zu diesem Zweck wurden ein chem. Laboratorium und der botan. Garten eingerichtet. Weiter wurde die Witwen- und Waisensozieta¨t gegru¨ndet, die die Versorgung der Hinterbliebenen von Wie¨ rzten u¨bernahm. S. wurde als ner A Studiendir. der Med. Fak. eingesetzt und hatte somit das Recht, sa¨mtl. Beschlu¨sse der Fak. zu kontrollieren. Die Kaiserin behielt sich die Ernennung von Prof. jedoch vor, wobei der Fak. ein Vorschlagsrecht zugestanden wurde. De facto traf allerdings S. die Auswahl der Prof. Die Lehrmeth. der Leidener Schule wurden u¨bernommen, womit die Basis 315
Sydenham, Thomas
fu¨r die Entwicklung der Ersten Wiener Schule geschaffen wurde. Werk: Commentaria in Hermanni Boerhave aphorismos de cognoscendis et curandis morbis, Venetiis 1745–1764. Ho.
Sydenham, Thomas (* 10. 9. 1624 Wynford Eagle/Dorsetshire, † 29. 12. 1689 London). Geb. als Sohn eines puritan. Gutsherrn, stud. S. seit 1642 in Oxford (Magdalen Hall) Med. Nach Unterbrechung durch seinen Dienst im Heer Cromwells wurde er 1648 in Oxford zum Bachelor of Med. graduiert. Nach erneutem Dienst in der Armee 1651 war S. bis 1654 Fellow im Oxforder All Souls College. Seit 1655, dem Jahr seiner Heirat mit Mary Gee, betrieb er in London (Westminster) eine a¨rztl. Praxis. 1659 kandidierte er erfolglos fu¨r das Parlament. 1663 wurde S. Lizentiat des Londoner College of Physicians, und erst 1676 erfolgte seine Prom. zum M.D. am Pembroke College in Cambridge, wo einer
seiner drei So¨hne Med. stud. Er starb 1689 in London (Pall Mall). Die Bedeutung von S. fu¨r die Med. liegt in seiner klin., skept.-empir. Grundhaltung. Diese unterschied ihn von seinem experimentierfreudigen Kollegen Robert Boyle, beeinflußte aber wohl seinen Schu¨ler John Locke. Krankheiten waren fu¨r ihn allerdings Teil der go¨ttl. Ordnung; er versuchte sie daher wie Pflanzen bzw. Tiere taxonom. zu klassifizieren (ontol. Krankheitsbegriff). Die minuzio¨se Beobachtung am Krankenbett fu¨hrte S. dennoch zur eindrucksvollen Beschreibung von Krankheitsbildern, die sich an klin. Zeichen orientierte („Englischer ! Hippokrates“). Nach intensiver Bescha¨ftigung mit akuten epidem. Krankheiten differenzierte er Pocken, Masern und Scharlach (1676). Klass. ist seine plast. Abh. u¨ber die Gicht (1683), die er – selbst u¨ber 30 Jahre lang gichtkrank – vom entzu¨ndl. Rheumatismus abgrenzte. Hysterie und Hypochondrie sah er als dieselbe Krankheit an. Die von S. beschriebene pararheumat. Chorea minor (Veitstanz) wurde spa¨ter nach ihm benannt. Therap. grenzte er die Indikation des Chinin auf das freie Intervall bei Malariafieber ein. Seine allg. Behandlungsweise war abwartend und neohippokrat. zuru¨ckhaltend. Werk: Methodus curandi febres, London 1666; Observationes medicae, ibid. 1676; Tractatus de podagra et hydrope, ibid. 1683; Spiering, H.G. (Hg.), Sa¨mtl. Werke, Leipzig 1802; Pagel, J.L. (Hg.), Abhandlung u¨ber d. Gicht, ibid. 1910. Ba.
Thomas Sydenham (1624–1689) 316
Sylvius, Franc¸ois de la Boe¨ (* 15. 3. 1614 Hanau, † 15. 11. 1672 Leiden). Seit 1633 Stud. in Leiden, Wittenberg und Jena, Prom. in Basel 1637, a¨rztl.
Tandler, Julius
Praxis in Hanau, Privatvorl. in Leiden 1638, Ero¨ffnung einer Praxis in Amsterdam 1641, Prof. der Med. in Leiden 1658. S. war einer der bedeutendsten Vertreter der Iatrochemie. Er glaubte, alle Ko¨rpervorga¨nge ließen sich durch Fermentationsprozesse erkla¨ren. S. hielt Sa¨uren und Basen fu¨r die fundamentalen Prinzipien des Ko¨rpers. In der Therapie bevorzugte er chem. Medikamente aus seinem Labor. Als erfolgreicher Lehrer fu¨hrte S. in Leiden den Unterricht am Krankenbett ein. Er beschrieb zuerst die Tuberkel bei Schwindsucht. Die seitl. Furche der Gehirnoberfla¨che wurde nach ihm benannt. S. verteidigte als einer der ersten Prof. ! Harveys Entdeckung des Blutkreislaufes. Er hielt die Milz fu¨r das Organ der Blutreinigung. Werk: Praxeos medicae idea nova, 4 Bd., Leiden 1671–74; Opera medica, Amsterdam 1679. Bro¨.
Taddeo Alderotti [Thaddaeus Florentinus] (* 12115 Florenz, † 1295 Bologna). Jugend und Ausbildung liegen weitgehend im dunkeln. Seit der Mitte des 13. Jh. ist Bologna als Wirkungssta¨tte gesichert, wo er als Arzt, Gescha¨ftsmann, von ca. 1260 an auch als Doz. fu¨r Logik (Einfu¨hrung des Regressus-Konzepts in die Med.) und Med. zu Ruhm und Reichtum gelangte. Als Mitbegr. der nordital. Schule (de’ Luzzi, da Varignana u.a.) war er an der Entwicklung eines Curriculum beteiligt, das bis zum Ende des 16. Jh. die Medizinerausbildung in Bologna bestimmte und Modellcharakter fu¨r andere Med.schulen Westeuropas besaß. Es sah neben der Bescha¨ftigung
mit der Articella, d.h. Texten von ! Galenos, ! Hippokrates u.a. sowie ! Avicenna die Einfu¨hrung anat. Demonstrationen sowie die Fundierung der Med. durch aristotel. Naturphil. vor. A.s lat. und ital. abgefaßtes Werk umfaßt z. T. unvollendete Kommentare in scholastischer Frageform zu Hippokrates, Galen, Avicenna und solche in Problemata-Form zu Johannitius’ Abh. u¨ber Fieberkrankheiten, Gesunderhaltung und Heilmittel sowie Konsilien, die er zum med. Lit.Ru¨./Hd. genos entwickelte. Tandler, Julius (* 16. 2. 1869 Iglau/ Ma¨hren, † 25. 8. 1936 Moskau). Med.stud. 1889–95 in Wien und Prom. 1895. Ass. am Anat. Inst., wo er 1899 habil. 1910 Ernennung zum Prof. fu¨r Anat. in Wien als Nachfolger seines Lehrers Emil Zuckerkandl. Studien u.a. zur Embryol. und Entwicklungsgesch., zum Muskeltonus und zur Herz- sowie Prostata- und Ureteranat. T. trat vor allem mit zahlreichen sozialpolit. Vorschla¨ge u.a. auf den Gebieten des Fu¨rsorgewesens, der Reorganisation des Krkh.wesens und der Seuchenbeka¨mpfung hervor und wurde 1919–20 als Unterstaatssekreta¨r und Leiter des Volksgesundheitsamtes in das 1918 gegr. o¨sterr. Ministerium fu¨r soziale Fu¨rsorge berufen. Auf seine Initiative wurde 1920 ein Krankenanstaltengesetz erlassen. Als Gemeinderat in Wien (1919–34) entfaltete er wirkungsvolle sozialmed. Aktivita¨ten (Kinder- und Familienfu¨rsorge, Eheberatung, Schula¨rztl. Dienst, Sa¨uglingsfu¨rsorge und Mutterberatung, Invaliden- und Obdachlosenfu¨rsorge, Beka¨mpfung von Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose und Alkoholismus). Als ju¨d. Wiss. antisemit. Verfol317
Tandler, Julius
Praxis in Hanau, Privatvorl. in Leiden 1638, Ero¨ffnung einer Praxis in Amsterdam 1641, Prof. der Med. in Leiden 1658. S. war einer der bedeutendsten Vertreter der Iatrochemie. Er glaubte, alle Ko¨rpervorga¨nge ließen sich durch Fermentationsprozesse erkla¨ren. S. hielt Sa¨uren und Basen fu¨r die fundamentalen Prinzipien des Ko¨rpers. In der Therapie bevorzugte er chem. Medikamente aus seinem Labor. Als erfolgreicher Lehrer fu¨hrte S. in Leiden den Unterricht am Krankenbett ein. Er beschrieb zuerst die Tuberkel bei Schwindsucht. Die seitl. Furche der Gehirnoberfla¨che wurde nach ihm benannt. S. verteidigte als einer der ersten Prof. ! Harveys Entdeckung des Blutkreislaufes. Er hielt die Milz fu¨r das Organ der Blutreinigung. Werk: Praxeos medicae idea nova, 4 Bd., Leiden 1671–74; Opera medica, Amsterdam 1679. Bro¨.
Taddeo Alderotti [Thaddaeus Florentinus] (* 12115 Florenz, † 1295 Bologna). Jugend und Ausbildung liegen weitgehend im dunkeln. Seit der Mitte des 13. Jh. ist Bologna als Wirkungssta¨tte gesichert, wo er als Arzt, Gescha¨ftsmann, von ca. 1260 an auch als Doz. fu¨r Logik (Einfu¨hrung des Regressus-Konzepts in die Med.) und Med. zu Ruhm und Reichtum gelangte. Als Mitbegr. der nordital. Schule (de’ Luzzi, da Varignana u.a.) war er an der Entwicklung eines Curriculum beteiligt, das bis zum Ende des 16. Jh. die Medizinerausbildung in Bologna bestimmte und Modellcharakter fu¨r andere Med.schulen Westeuropas besaß. Es sah neben der Bescha¨ftigung
mit der Articella, d.h. Texten von ! Galenos, ! Hippokrates u.a. sowie ! Avicenna die Einfu¨hrung anat. Demonstrationen sowie die Fundierung der Med. durch aristotel. Naturphil. vor. A.s lat. und ital. abgefaßtes Werk umfaßt z. T. unvollendete Kommentare in scholastischer Frageform zu Hippokrates, Galen, Avicenna und solche in Problemata-Form zu Johannitius’ Abh. u¨ber Fieberkrankheiten, Gesunderhaltung und Heilmittel sowie Konsilien, die er zum med. Lit.Ru¨./Hd. genos entwickelte. Tandler, Julius (* 16. 2. 1869 Iglau/ Ma¨hren, † 25. 8. 1936 Moskau). Med.stud. 1889–95 in Wien und Prom. 1895. Ass. am Anat. Inst., wo er 1899 habil. 1910 Ernennung zum Prof. fu¨r Anat. in Wien als Nachfolger seines Lehrers Emil Zuckerkandl. Studien u.a. zur Embryol. und Entwicklungsgesch., zum Muskeltonus und zur Herz- sowie Prostata- und Ureteranat. T. trat vor allem mit zahlreichen sozialpolit. Vorschla¨ge u.a. auf den Gebieten des Fu¨rsorgewesens, der Reorganisation des Krkh.wesens und der Seuchenbeka¨mpfung hervor und wurde 1919–20 als Unterstaatssekreta¨r und Leiter des Volksgesundheitsamtes in das 1918 gegr. o¨sterr. Ministerium fu¨r soziale Fu¨rsorge berufen. Auf seine Initiative wurde 1920 ein Krankenanstaltengesetz erlassen. Als Gemeinderat in Wien (1919–34) entfaltete er wirkungsvolle sozialmed. Aktivita¨ten (Kinder- und Familienfu¨rsorge, Eheberatung, Schula¨rztl. Dienst, Sa¨uglingsfu¨rsorge und Mutterberatung, Invaliden- und Obdachlosenfu¨rsorge, Beka¨mpfung von Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose und Alkoholismus). Als ju¨d. Wiss. antisemit. Verfol317
Taussig, Helen Brooke
gungen ausgesetzt, emigrierte er 1935 in die Sowjetunion, wo er 1936 einem Herzleiden erlag. Werk: Lehrbuch der systematischen Anatomie, 4 Bd., Leipzig 1918/29; Die Anstaltsfu¨rsorge der Stadt Wien fu¨r das Kind, Wien 1930. Schn.
Taussig, Helen Brooke (* 24. 5. 1898 Cambridge/Mass., † 21. 5. 1986 Pennsylvania). Stud. an der Univ. of California, der Harvard und der Boston Univ., 1927 MD an der Johns Hopkins Univ. in Baltimore, hier 1930–63 Leitung der kardiol. Abt. des Harriet Lane Home for Children, 1946 Associate Prof., 1959 o. Prof. fu¨r Pa¨diatrie, 1963 emerit. Forschungsschwerpunkt:zyanot.Herzfehler. Den Chir. ! A. Blalock regte sie zur sog. Blalock-T.-Operation (1944) an. 1947 zweiba¨nd. Lb. Congenital Malformations of the Heart. 1949 mit Richard Bing Erstbeschreibung eines seltenen angeb. Herzfehlers (T.-Bing-Syndrom). In den sechziger Jahren Studien u¨ber das ThalidoTri. mid-Syndrom. Teleky, Ludwig (* 12. 7. 1872 Wien, † 20. 8. 1957 New York). Sohn einer Arztfamilie. Med.stud. in Wien und Straßburg; 1896 Prom. Ab 1898 niedergelassener prakt. Arzt in Wien, 1905 erster Facharzt fu¨r Berufskrankheiten. 1907 Habil., 1909 Doz. fu¨r Soziale Med., ab 1911 Leiter des gleichnamigen Univ.inst. Wien, reformierte die o¨sterr. Beka¨mpfung der Tbc. 1921 pr. Landesgewerbearzt fu¨r den Regierungsbezirk Du¨sseldorf und Leiter der Westdt. Sozialhyg. Akad. Du¨s318
seldorf. Hier wie da leistete T. in Wiss. und Praxis Wegweisendes. Wegen ju¨d. Abstammung enthob ihn ¨ mter. Der das NS-Regime 1933 aller A Ru¨ckkehr nach Wien 1934 folgte 1939 die Emigration in die USA, wo er starb. Werk: Verzeichnis der Publikationen von T., in: Arch. Gewerbepathol. u. -hyg. 3 (1932), 278–94 (327 Titel); Vorlesungen u¨ber die soziale Medizin, Jena 1914; Hg., Handbuch sozialer Hygiene und Gesundheitsfu¨rsorge (mit Schloßmann, A. u. Gottstein, A.), Berlin 1925–27; Hg., Archiv fu¨r Gewerbepathologie (mit Zangger, H.), Berlin 1930ff.; Die Entwicklung der Gesundheitsfu¨rsorge Deutschland-England-USA, Berlin und Go¨ttingen 1950; Geschichtliches, Biographisches, Autobiographisches (Autobiogr.), in: Lesky, E. (Hg.), Soz.med., Darmstadt 1977, 355–70. Ka.
Temkin, Owsei (* 6. 10. 1902 Minsk, † 18. 07. 2002 Baltimore). T.s Familie emigrierte 1905 aus Furcht vor antisemit. Pogromen nach D. Zwischen Phil. und Med. schwankend studierte er in Leipzig letzteres und kam 1925 in Kontakt mit dem Leiter des Sudhoff-Inst., ! H.E. Sigerist. 1928 wurde er Assistent und folgte 1932 S., als dieser Leiter des med.hist. Inst. an der Johns Hopkins Univ. in Baltimore wurde. Dort wurde er 1935 ord. Prof. und war 1958-68 Leiter des Inst. T. entfaltete eine weit gespannte und einflussreiche literarische Produktion. Mit einem Oeuvre, das vom spa¨tantiken Hippokratismus bis zur Gesch. der Physiol. der Neuzeit reichte, wurde T. zum Vorreiter einer professionellen Med.historiographie, hielt aber am a¨rztl. Bildungsauftrag des Faches durchaus fest. Er a¨ußerte sich zu Grundfragen des med.hist. Arbeitens
Theodor, Jakob
und hatte auch als langja¨hriger Hg. des Bull.Hist.Med. großen Einfluß. Werk: The double face of Janus, Baltimore, London 1975; Hippocrates in a world of Pagans and Christians, Baltimore, London 1991. Gr.
Tenon, Jacques-Rene´ (* 21. 2. 1724 Se´peaux/Dep. Yonne, † 16. 1. 1816 Paris). Der Arztsohn stud. seit 1741 in Paris besonders Anat. unter ! J.B. Winslow. 1744 wurde er Feldwundarzt 1. Klasse, spa¨ter 1. Wundarzt der Salpeˆtrie`re, wo er Chir. lehrte und ein Inst. zur Inokulation der Pocken errichtete. 1757 wurde er Prof. der Pathol., 1759 Mitglied der Acad. des Sciences. 1785–88 verfaßte T. im Auftrag Ludwigs XVI. einen Bericht u¨ber die Misere der Pariser Krkh. 1793 zog er sich zu anat. Studien nach Massy zuru¨ck. Nach der Plu¨nderung seines Hauses durch russ. Soldaten 1815 floh T. nach Paris, wo er auch starb. Sein Werk betrifft vor allem die Augenheilkunde; die Eponyme T.-Kapsel (Vagina bulbi) und T.-Raum (Spatium episclerale) verweisen auf ihn. Werk: Rech. sur les cataractes, Paris 1755; Me´langes sur les hoˆpitaux, ibid. 1788; Me´moires sur l’anatomie, ibid. 1806. Ba.
Themison (1. Jh. v.Chr.). Aus Laodikeia in Syrien, Schu¨ler des ! Asklepiades, Begr. der Method. Med., die er in fortgeschrittenem Lebensalter aus dem System des Asklepiades entwickelt, indem er sich nur noch an „sichtbaren Hinweisen auf die Behandlung“ orientiert. Dabei unterscheidet er zwischen drei mo¨glichen Grundzusta¨nden des Ko¨rpers (joimo´sgsey, communitates), im
¨ bermaß vorhandene ZusammenzieU hung (status strictus), Erschlaffung (status laxus) und ihre Kombination (vermutl. zur gleichen Zeit in verschiedenen Teilen des Ko¨rpers, status mixtus). Die Behandlung mit gegenteilig wirkenden Mitteln soll den Normalzustand wiederherstellen. Dazu za¨hlen mannigfache physiotherap. Maßnahmen, deren besondere Doma¨ne die Behandlung chron. Krankheiten ist, deren Einteilung (ebenso wie die der Krankheitsstadien) Th. weiter differenziert. Eine besondere Rolle bei der Behandlung spielt der ´ sRisoy, erDreitageszeitraum (g‘ dia ster und letzter Tag mitgeza¨hlt), speziell der erste. Da keines von T.s Werken auf uns gekommen ist und nur spa¨rl. Nachrichten (vor allem bei ! Caelius Aurelianus) vorliegen, hat die Forschung in vielen Einzelfragen noch nicht zu einem Konsens gefunden. Werk: Moog, F.P., Die Fragmente des Themison von Laodikeia. Diss. med. Gießen 1994; Tecusan, M., The Fragments of the Methodists. Methodism Outside Soranus, Studies in Ancient Medicine 24, Bd. 1 (Text and Translation), Leiden/Boston 2004. Fi.
Theodor, Jakob [Tabernaemontanus] (* um 1525 Bergzabern, † Sept. 1590 Heidelberg). T. scheint in Frankreich Med. stud. zu haben. Ab 1549 Leibarzt Philipps II. von Nassau-Saarbru¨cken. Nach dem Tod des Grafen ging T. nach Weißenburg (Unterelsaß), 1562 an die Univ. Heidelberg. Im folgenden Jahr wurde er Leibarzt des Speyerer Bischofs Marquard von Hatstein, ab 1581 Stadtphysikus in Worms, schließlich seit 1584 in Heidelberg, wo er als Leibarzt des 319
Theodorus Priscianus
Kurfu¨rsten Johann Casimir 1590 verstarb. Der erste Band von T.s Hauptwerk Neuw Kreuterbuch erschien 1566. 1590 erschienen die von T. hinterlassenen Holzschnitte nur mit Pflanzennamen versehen. Nikolaus Braun (1558–1639) verfaßte den fehlenden Text und vollendete das Kra¨uterbuch 1591 durch die Herausgabe des zweiten und dritten Teils. Weitere Ausgaben folgten. Die wiss. Leistung T.s erstreckt sich eher auf die Darstellung der med. Eigenschaften der Gewa¨chse als auf deren botan. Beschreibung und Klassifikation. Die sorgfa¨ltigen Holzschnitte sicherten dem Neuw Kreuterbuch eine anhaltende Popularita¨t. M.-J.
Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus (* 1493/94 Einsiedeln/Schweiz, † 24. 9. 1541 Salzburg). Geb. – das genaue Geb.datum steht nicht fest – als Sohn des Arztes Wilhelm Bombastus von Hohenheim und einer namentl. nicht bekannten Ho¨rigen des Klosters Einsiedeln. Herkunft des Namens Paracelsus unklar, eventuell nur Latinisierung von Hohenheim; die Bedeutung „u¨ber ! Celsus hinaus“ ist unwahrscheinl. Um 1502 Umzug mit dem Vater nach Villach. ¨ ber Schul- und Studienzeit ist wenig U bekannt. Nach eigener Aussage Prom. zum Dr. med. in Ferrara (ca. 1515). Anschließend sog. „große Wanderung“ durch Europa; dabei Ta¨tigkeit als Feldarzt. Um 1520 sollen die ersten
Theodorus Priscianus (4./5. Jh. n.Chr.). Wohl aus Nordafrika, Schu¨ler des ! Vindicianus, Autor eines therap. Lb. (B. 1: an der Ko¨rperoberfla¨che sichtbare Krankheiten, B. 2: innere Krankheiten [zuerst die akuten, dann die chron.], B. 3: Frauenkrankheiten [unvollsta¨ndig]), bei dem es sich um die von ihm selbst geku¨rzte lat. Fassung seines jetzt verlorenen, vermutl. wenig originellen Werkes in griech. Sprache handelt; es entha¨lt hauptsa¨chl. Rezepte, die von kurzen Bemerkungen ¨ tiol. und Klinik eingeleitet werzu A den (beachtl. Schilderung des epilept. Anfalls in 2,47). Die nur fragmentarisch auf uns gekommenen Physica brachten mag. Heilmittel, wie sie kurze Zeit spa¨ter vermehrt in die erweiterte Redaktion des Lb. Eingang fanden, das sich im MA zieml. Beliebtheit erfreute und z.B. im Passionarius Galieni (Gariopont) ausgebeutet wird. Fi. 320
Paracelsus (1493/94–1541)
Theophrastus von Hohenheim
Schriften entstanden sein, darunter das fragmentar. Volumen Paramirum, in dem fu¨nf „Entia“ (Ens astrale, venenale, naturale, spirituale und Ens dei) als Krankheitsursachen beschrieben werden. 1524/25 Aufenthalt in Salzburg, dabei Verwicklung in den Salzburger „Bauernkrieg“, wohl eher u¨ber Kontakte zu Gewerken als zu Bauern. In seinen um diese Zeit entstandenen „Archidoxen“ propagiert T. eine auf Destillationsmeth. beruhende Alchemia medica, in der „chem.“ Arzneimittel favorisiert werden. Am 5. 12. 1526 Eintrag ins Bu¨rgerbuch der Stadt Straßburg. Anfang 1527 Berufung als Stadtarzt und Hochschullehrer nach Basel. Hier ha¨lt H. – revolutiona¨r fu¨r seine Zeit – neben lat. auch dt. Vorl. u¨ber seine „Neue Medizin“. Auseinandersetzungen mit der Med. Fak. und Apothekern und fluchtartiges Verlassen der Stadt (wohl Anfang 1528) folgen. Nach Aufenthalten in Colmar und Eßlingen macht H. Station in Nu¨rnberg. Zwei Syphilisschriften werden gedruckt (1529 bzw. 1530; T. wendet sich darin u.a. gegen den unkrit. Gebrauch des Guajakholzes), eine Eingabe der Leipziger med. Fak. verhindert den Druck weiterer Schriften. 1529/30 schreibt er am Opus Paragranum u¨ber die vier Sa¨ulen der Med.: Philosophia, Astronomia, Alchemia und Virtus (zu Lebzeiten ungedruckt). 1531 arbeitet er in St. Gallen am Opus Paramirum mit grundlegenden Aussagen zur Krankheitsentstehung (Beschreibung der „tria prima“ Sulphur, Sal und Mercurius, der „tartarischen“ Krankheiten und besonderer Frauenkrankheiten). Weitere Reiseta¨tigkeit. 1535 entsteht in Pfa¨fers eine Ba¨derschrift. 1536 erscheint in Augsburg
die Grosse Wundartzney T.s, die keine Operationslehre, sondern „leiba¨rztliche“ Chir. entha¨lt. T. empfiehlt eine vorsichtige Wundbehandlung. Fragment bleibt die Astronomia magna (1537/38), eine med. Anthropol. und Kosmol. 1540 kehrt H. nach Salzburg zuru¨ck, wo er am 24. 9. 1541 stirbt. Neben med. Werken verfaßt H. zahlreiche astrol.-mant. Werke (12 werden zu Lebzeiten gedruckt). Er verfertigt auch zahlreiche theol. Schriften, die samt und sonders zu Lebzeiten ungedruckt bleiben. Sie weisen H. als unkonventionellen Laientheol. aus, der zwar zeitlebens kathol. blieb, dessen Kirchen- und Sozialkritik aber z. T. von ungeheurer Radikalita¨t war. Zahlreiche Fragen zur Einordnung dieser interessanten Arztgestalt am Beginn der fru¨hen Neuzeit sind noch ungekla¨rt. So ist etwa die Bedeutung des Neoplatonismus fu¨r H. in der Forschung umstritten. Auch u¨ber seinen tatsa¨chl. Beitrag zum med. Fortschritt herrscht Uneinigkeit. Doch sicher ist, daß er in allen Bereichen, in denen er publizist. ta¨tig war, gegen die Autorita¨ten aufbegehrte. Hist. wirksam wurde v. a. sein Kampf gegen die ! hippokrat.- ! galenist. Orthodoxie. Die Chemiatrie v.a. des 17. Jh. bezog sich ha¨ufig auf T. Fru¨h wurde er aber auch als Magier und Scharlatan verteufelt. Besonders zu erwa¨hnen ist, daß er zur Zeit des Dritten Reiches oft als „deutscher Arzt an sich“ bezeichnet und zum Vorla¨ufer des Nationalsozialismus gestempelt wurde. Werk: Sa¨mtliche Werke, 1. Abt.: Sudhoff, K. (Hg.), Med., naturwiss. und phil. Schr., Bd. 1–14, Mu¨nchen u. Berlin 1922–33; 2. Abt.: Goldammer, K. (Hg.), Theol. und religions.phil. Schr., Wiesbaden 1955ff. Bz. 321
Thessalos
Thessalos († vor 79 n.Chr.). Aus Tralleis in Kleinasien, fu¨hrender Repra¨sentant (und wahrscheinl. Erneuerer) der Method. Med. in Rom zur Zeit Neros, uns vor allem durch ! Galens Polemik bekannt, fu¨r den die sich auf Thessalos berufenden Methodiker eine bedeutende Konkurrenz dargestellt haben mu¨ssen. Seine zahlreichen eigenen Werke sind bis auf zufa¨llige Zitate bei anderen Autoren, in erster Linie Galen, verloren. Deshalb ist es schwierig, seine Leistungen von denen anderer Methodiker abzugrenzen; ein Ausbau der Therapie, gerade bei den chron. Krankheiten, ist anzunehmen. Gerade hier soll eine Umstimmungsbehandlung (cyclus recorporativus, lesartcjRisijo`y jt´jkoy) weitere Therapiemaßnahmen ermo¨glichen; dieses Konzept ist ¨ rzte anso erfolgreich, daß sich auch A derer Richtungen seiner bedienen. Th. hatte regen Zulauf an Schu¨lern – angeblich bru¨stete er sich damit, sie ¨ rzten in nur 6 Monaten zu fertigen A machen zu ko¨nnen – und sicher anerkannte Therapieerfolge, deren er sich in der ersten Gesellschaft Roms, wo er Fi. seine Klientel hatte, ru¨hmte. Thiersch, Carl (* 20. 4. 1822 Mu¨nchen, † 28. 4. 1895 Leipzig). T. stud. in Mu¨nchen bis zur Prom. 1843 Med. Nach Stud. in Berlin, Wien und Paris war er 1848–54 Prosektor der Pathol. Anat. in Mu¨nchen, wo er sich 1849 habil. und 1853 ao. Prof. wurde. 1854–67 wirkte T. als Ord. fu¨r Chir. in Erlangen, 1867–95 in Leipzig. 1892 wurde er Ehrenbu¨rger von Leipzig. Schon auf der Naturforscherversammlung 1861 in Speyer und in einer Monographie 1865 beschrieb T. die epitheliale Natur des 322
Karzinoms, wa¨hrend ! Virchow den Krebs als Wucherung des Bindegewebes ansah. Werk: Der Epithelialkrebs, Leipzig 1865. Ba.
Tiburtius, Franziska (* 24. 1. 1843 Bisdamitz/Ru¨gen, † 5. 5. 1927 Berlin). Immatrikulation 1871 an d. med. Fak. in Zu¨rich. Dort 1876 Prom. zum Dr. med., danach Volonta¨rarztzeit in Dresden bei F.v. Winckel. 1877 ließ sie sich mit ihrer Zu¨richer Kommilitonin ! E. Lehmus in Berlin ohne deutsche Appr. nieder. Zusammen mit Lehmus und auf Anregung ihrer Schwa¨gerin, Henriette Hirschfeld-T. (geb. Pagelsen), der ersten deutschen Zahna¨rztin, 1878 Gru¨ndung der Poli¨ rzte fu¨r Frauen u. Kinder. klin. weibl. A Diese Einrichtung u. eine 1881 ero¨ffnete Krankenpflegeanstalt bildeten d. Grundstein fu¨r eine kleine Privat¨ rzte (1894). 1907 Ende klin. weibl. A der a¨rztl. Ta¨tigkeit. Als zweite in Berlin niedergelassene ¨ rztin engagierte sich T. mit Artikeln A in Frauenzeitschriften u. Vortra¨gen fu¨r Frauenbildung u. -studium. Mitgliedschaften u.a.: Berl. Frauenclub (Vorsitzende 1900); Vereinigung ¨ rzte z. Gru¨ndung eines Frauweibl. A enkrkh. (1. Vorsitzende 1909); Verein ¨ rzte (1914); Ehrenmitgl. Krkh. weibl. A ¨ rztinnen (1924). d. Bundes deutscher A Werk: Erinnerungen einer Achtzigja¨hrigen (=Weibliches Schaffen u. Wirken. Bd.1), Berlin 1923. Gan.
Timofe´eff-Ressovsky, Nicolai Vladimirovich (* 1900 Moskau, † 1981 Obninsk b. Moskau). Sohn eines Ingenieurs, Stud. der Zool. u. Nat.wiss. an der Univ. Moskau,
Traube, Ludwig
und 1955 amnestiert. 1964-1971 leitete T. die Abt. fu¨r Radiol. und Genetik der Akad. der Wiss. der UdSSR, blieb aufgrund der Geheimhaltung seiner Forsch. aber wissenschaftlich isoliert. T. gilt als ein Gru¨ndungsvater der Molekularen Med. Zu seinen Arbeitsgebieten za¨hlten bes. Fragen des synthetischen Darwinismus und der experiment. Mutationsforsch.
Timofe´eff-Ressovsky, Nicolai Vladimirovich
1919-1921 Milita¨rdienst. Fortsetzung des Stud. und Forschung am Inst. fu¨r exp. Biol. von N. K. Kol’cov, wo ihn der Leiter der genetischen Abt., S. Tschetwerikow, in die DrosophilaGenetik einfu¨hrte. Nach Fu¨rsprache Kol’covs reiste T. 1925 mit seiner Frau Helena an das KWI fu¨r Hirnforschung nach Berlin. In O. Vogts Inst. u¨bernahm T. 1929 die Abt. fu¨r exp. Genetik u. konnte wa¨hrend des Natsoz. mit Ablehnung eines Rufs nach Cold Spring Harbor seine wiss. Unabha¨ngigkeit weitgehend behalten. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden seine Frau und er wegen Vaterlandsverrats zu 10 Jahren Lagerhaft in der UdSSR verurteilt, im Kalten Krieg jedoch in eine geheime Abt. zur Erforsch. der Folgen radioaktiver Strahlung eingegliedert
Werk: Ru¨ckmutationen und die Genmutabilita¨t in verschiedenen Richtungen. III, Zeitschr. Ind. Abst. Vererbungsl. 64 (1933), S. 173-175; Einige Versuche an Drosophila melanogaster u¨ber die Beziehungen zwischen Dosis und Art der Ro¨ntgenbestrahlung und der dadurch ausgelo¨sten Mutationsrate, Strahlenther. 49 (1934), S. 463-478; mit Zimmer, K. G. u. Delbru¨ck, M., Zur Frage u¨ber einen ‘direkten’ oder ‘indirekten’ Einfluss der Bestrahlung auf den Mutationsvorgang, Biol. Zentralbl. 57 (1937), S. 233-248. Sth.
Traube, Ludwig (* 12. 1. 1818 Ratibor/ Oberschlesien, † 11. 4. 1876 Berlin). Med.stud. in Breslau und Berlin, hier 1840 Prom. Studienreisen u.a. nach Wien (zu ! Skoda und ! Rokitansky). 1843 als Armenarzt in Berlin ta¨tig, fu¨hrte Kurse in Auskultation und Perkussion sowie tierexp. Studien durch und gru¨ndete mit den Beitra¨gen zur experimentellen Pathologie eine (nur kurzlebige) Zeitschrift. 1848 konnte er sich als erster ju¨d. Med. in Berlin habil. und ein Jahr spa¨ter als erster Zivilass. in die Klinik der Charite´ bei ! J. L. Scho¨nlein eintreten. Hier avancierte T. 1853 zum Leiter der Abt. fu¨r Brustkranke, die vor allem dem Unterricht in Auskultation und Perkussion diente und 1857 zur Propa¨deut. Klinik (der spa¨teren II. Med. Klinik der Charite´) erweitert wurde. 1857 323
Trendelenburg, Friedrich
Ernennung zum ao. Prof. und 1862 zum Ord. an der milita¨ra¨rztl. Bildungsanstalt und erst ein Jahrzehnt spa¨ter zum o. Prof. der Univ. Seine wiss.-exp. Forschungen waren insbes. der Pathophysiol. der Atmung gewidmet. In seinen klin. Studien wandte er sich den Lungen-, Herz- und Nierenerkrankungen sowie der Thermometrie und Untersuchungen der Digitaliswirkung zu. Werk: Gesammelte Beitra¨ge zur Pathologie und Physiologie, Berlin 1871. Schn.
Trendelenburg, Friedrich (* 24. 5. 1844 Berlin, † 15. 12. 1924 Nikolassee/Berlin). Der Sohn des Phil. Adolf T. stud. Med. in Glasgow und Berlin, wo er 1867 prom. Nach Dienst als Milita¨rchir. war er 1868 bis 1874 Ass. bei ! B. Langenbeck. 1874 Dir. der chir. Abt. des Krkh. Friedrichshain/Berlin. Ord. fu¨r Chir. in Rostock (1875), Bonn (1882) und Leipzig (1895). Arbeitsschwerpunkte bildeten die vaskula¨re, die orthopa¨d. und die plast. Chir. Seinen Namen tragen vier Operationstechniken (u.a. Operation der Lungenembolie), ein klin. Zeichen (bei kongenitaler Hu¨ftdislokation), ein Test (veno¨se Insuffizienz), die Tamponkanu¨le und eine Operationsposition (Hu¨fthochlagerung). Werk: Aus heiteren Jugendtagen (Autobiogr.), Berlin 1924. Pt.
Tro¨ltsch, Anton Friedrich Frhr. von (* 3. 4. 1829 Schwabach bei Nu¨rnberg, † 10. 1. 1890 Wu¨rzburg). T. stud. 1847 in Erlangen Jura, 1848 in Mu¨nchen Naturwiss., seit 1849 in Wu¨rzburg Med., wo er 1853 prom. 324
wurde. Nach ophthalmol. Ta¨tigkeit in Berlin und Prag wandte sich T. der Otiatrie zu. 1860 habil. er sich in Wu¨rzburg fu¨r Ohrenheilkunde, wo er das Fach von 1864 bis zu seinem Tod als Extraord. vertrat. 1864 gru¨ndete er das Archiv fu¨r Ohrenheilkunde. T. verbesserte in der otiatr. Untersuchungstechnik die Beleuchtung des a¨ußeren Ohres und des Trommelfells. Werk: Die Anatomie des Ohres, Wu¨rzburg 1861; Lehrbuch der Ohrenheilkunde, LeipBa. zig 71881.
Trotula [dt.: Trottel] (ca. spa¨tes 12. Jh.). Fiktive Verfasserin des beru¨hmtesten und wirkungsma¨chtigsten salernitan. gyna¨kol. Werkes vermutl. des ausgehenden 12. Jh., in stark voneinander abweichenden lat. Redaktionen (einschließlich einer Fassung in Versen) und zahlreichen landessprachigen ¨ bers. verbreitet und bis zum Ende U des 16. Jh. ha¨ufig gedruckt. Heute unterscheiden wir die sog. Trotula (Cum auctor ...) und zwei kleinere Schriften (Ut de curis ... und De ornatu, mitunter als Trotula minor zusammengefaßt); im humanist. Erstdruck sind sie miteinander vermengt, obwohl sie auf verschiedene Urheber zuru¨ckgehen du¨rften. Spuren einer hist. Hebamme Trota sind allerdings in anderen salernitan. Schriften nachweisbar. Werk: Garrison-Morton5 6009.1 (Green, ¨ bers. in M., krit. Textausgabe mit engl. U Vorber.); De secretis mulierum, Coll. Sal., Bd. 2, 1–24. Green, M.H. (ed. and transl.), The Trotula. A Medieval Compendium of Women’s Medicine, Philadelphia, 2001. Fi.
ˇ echov Tschechow ! C
Tu¨rck, Ludwig
Tugendreich, Gustav (* 21. 10. 1876 Berlin, † 21. 1. 1948 New York). Med.stud. in Leipzig, 1902 Prom. Ass. bei Finkelstein und ! Baginsky in Berlin, nach 5 Jahren Klinik 1906 Leiter einer der neugegr. Stellen fu¨r offene Sa¨uglingsfu¨rsorge. T. betonte die enge Verflechtung von Mutter- und Sa¨uglingsfu¨rsorge und die Beru¨cksichtigung der soz. Lage als Grundlage a¨rztl. Handelns. 1910 forderte er mit Marie Baum den Aufbau einer Klein¨ berkinderfu¨rsorge zur gesundheitl. U wachung zwischen Sa¨uglings- und Schulalter sowie systemat. Vorsorgeuntersuchungen und die Fu¨hrung eines Gesundheitsscheins. Das Angebot, 1911 Leiter der Reichsanstalt zur Beka¨mpfung der Sa¨uglingssterblichkeit zu werden, lehnte T. ab, da er seinen ju¨d. Glauben nicht aufgeben wollte. 1913 gab er gemeinsam mit Mosse das programmat. Werk Krankheit und soziale Lage heraus. 1919–21 leitete er die Sozialhyg. Abt. am Hauptgesundheitsamt Berlin, ging danach in die Fu¨rsorgearbeit zuru¨ck und bescha¨ftigte sich mit sozialer Pa¨dagogik, insbes. der Fu¨rsorge fu¨r das „seelisch und geistig abnorme Kind“. 1933 ¨ mter entzowurden T. seine o¨ffentl. A gen. Er ero¨ffnete eine Praxis im Nordosten Berlins, erhielt 1937 ein Fellowship fu¨r Statistik in London und konnte 1938 in die USA emigrieren, wo er bis 1941 weiter sozialhyg. ta¨tig war. Werk: Mutter- und Sa¨uglingsfu¨rsorge, Stuttgart 1909; Krankheit und soziale Lage (mit Mosse), Mu¨nchen 1913; Kleinkindfu¨rsorge, Stuttgart 1919; Die biologischen Grundlagen der Erziehung, in: Nohl, H. u. Pallat, L., Hb. Pa¨dg. 2, Langensalza 1929, 1–47. Sto¨.
Tulp, Nicolaas [Pieters, Claes; Petraeus, Nicol.] (* 11. 10. 1593 Amsterdam, † 12. 9. 1674 Den Haag). Der Nachwelt erhalten blieb der Arzt, Anat., angesehene Bu¨rger und Bu¨rgermeister Amsterdams bes. durch das Gema¨lde Rembrandts, Die Anatomie des Dr. Tulp (1632). Als a¨rztl. Praktiker und Prof. der Anat. ist T. bes. durch seine 228 publ. med. Fallstudien, Observationum medicarum (1641), seine beliebten anat. Vorl. und o¨ffentl. Sektionen hervorgetreten. Auf seine Anregung und wohl wesentl. durch seine Hand wurde die erste niederl. Pharmakopoe (1636) erstellt und das Amsterdamer Medizinalkollegium als erstes der Niederlande ins Leben gerufen. Stud. hatte T. seit 1611 in Leyden, wo er am 30. Sept. 1614 seine med. Diss. (De cholera humida) verteidigte. Werk: Pharmacopoea Amstelaedamensis, Amsterdam 1636; Observationum medicarum libri tres, ibid. 1641. Eck.
Tu¨rck, Ludwig (* 22. 6. 1810 Wien, † 25. 2. 1868 Wien). Sohn des Wiener Hofjuweliers. Gymnasium und Stud. in Wien. 1830 Prom. T.s Interesse galt hauptsa¨chlich der Anat. und Pathol. des Nervensystems. Eine Studienreise nach Paris brachte ihm wesentl. neuropathol. Erkenntnisse. Bei seiner Ru¨ckkehr wurde ihm die Leitung einer kleinen, neugegr. neurol. Abt. u¨bertragen. Durch Zufall kam er auf die Idee, einen Spiegel zu benu¨tzen, um Nervenla¨hmungen am Kehlkopf genauer untersuchen zu ko¨nnen. Zu diesem Zeitpunkt erfuhr er, daß der span. Gesangslehrer Garcia bereits ein Gera¨t mit einem Spiegel zur Beobachtung des Kehlkop325
Uhlenhuth, Paul
fes verwendet hatte. T. propagierte die Benu¨tzung dieses Instruments und entwickelte es gleichzeitig weiter. So entstand 1857 ein Prototyp des Laryngoskops, bei dem Sonnenlicht als Lichtquelle genu¨tzt wurde. Nahezu gleichzeitig arbeitete der Physiol. Johann Nepomuk Czermak (1828–73) an der Entwicklung eines Gera¨tes, bei dem ku¨nstl. Licht verwendet wurde. Hieru¨ber entbrannte ein Priorita¨tenstreit, in Wien „Tu¨rckenkrieg“ genannt, der dadurch beigelegt wurde, daß Czermak zugab, daß die grundlegende Idee von T. stammte. T. schuf mit seiner Erfindung die Grundlage der Laryngol. Werk: Praktische Anleitung zur Laryngoskopie, Wien 1860; Klinik der Krankheiten des Kehlkopfes und der Luftro¨hre, nebst einer Anleitung zum Gebrauche des Kehlkopfrachenspiegels und zur Lokalbehandlung der Kehlkopfkrankheiten, ibid. 1866; Neuburger, M. (Hg.), L.T.s gesammelte neurologische Schriften, Leipzig u. Wien 1910. Ho.
Uhlenhuth, Paul (* 7. 1. 1870 Hamburg, † 13. 12. 1957 Freiburg). Der Schu¨ler von ! Koch und Habilitand von ! Loeffler in Greifswald geho¨rte zu den fu¨hrenden Bakteriol. seiner Zeit. 1897 wurde er Ass. Kochs am Inst. fu¨r Infektionskrankheiten, seit 1899 in Greifswald, wo er sich 1905 habil.; 1906–11 war er Dir. der bakteriol. Abt. des Reichsgesundheitsamtes, 1911–18 o. Prof. fu¨r Hyg. in Straßburg. Nach kurzer Ta¨tigkeit als Dir. des Marburger Inst. fu¨r exp. Therapie (1921–23) u¨bernahm U. die o. Prof. fu¨r Hyg. in Freiburg (bis 1935); dort lehrte und forschte er bis 1957. Zu seinen fru¨hen Forschungsleistungen geho¨rte die Entwicklung einer fo326
rens. bedeutsamen Meth. zur Unterscheidung von Tier- und Menschenblut (Pra¨zipitationsreaktion). Wegen dieser Entdeckung wurde er bereits 1903 zum Prof. ernannt. Entscheidender waren indes seine Studien zur Chemotherapie, bes. der Syphilis und des Morbus Weil. U. hat die chemotherap. Bedeutung des Atoxyl entdeckt. Auf dessen Grundlage konnte ! Ehrlich das Salvarsan entwickeln. Spa¨ter wandte sich U. der Serologie zu. Wa¨hrend des Ersten Weltkriegs gelang ihm mit Fromme der Erregernachweis der Weilschen Krankheit und die Entwicklung eines Heil- und Schutzserums. Sein Plan zur Errichtung eines MPI fu¨r Seuchenforschung und exp. Therapie in Freiburg mißlang 1928. Nach der Emerit. (1935) finanzierte ihm die Notgemeinschaft ein eigenes Forschungslab.; U.s polit. Einstellung war kaisertreu und vo¨lkisch. Aus seiner Ablehnung der Weimarer Republik hat er keinen Hehl gemacht. Nach 1933 bemu¨hte sich U. um die dt.-japan. Beziehungen in der Med. und bereiste zu diesem Zweck 1938 JaEck. pan. Unna, Paul Gerson (* 8. 9. 1850 Hamburg, † 29. 1. 1929 Hamburg). 1875 prom. in Straßburg bei ! Waldeyer, 1876 in Wien bei ! Hebra, ! Kaposi und H. Auspitz, der „von entscheidendem Einfluß“ fu¨r U.s „Geistesrichtung“ war. Seit Okt. 1876 a¨rztl. Ta¨tigkeit in Hamburg. 1881 gru¨ndete U. in Hamburg eine dermatol. Privatklinik; seit 1888 hielt U. Vorl. u¨ber allg. Pathol. der Haut. 1901 erweiterte U. seine Klinik zu einem be-
Uhlenhuth, Paul
fes verwendet hatte. T. propagierte die Benu¨tzung dieses Instruments und entwickelte es gleichzeitig weiter. So entstand 1857 ein Prototyp des Laryngoskops, bei dem Sonnenlicht als Lichtquelle genu¨tzt wurde. Nahezu gleichzeitig arbeitete der Physiol. Johann Nepomuk Czermak (1828–73) an der Entwicklung eines Gera¨tes, bei dem ku¨nstl. Licht verwendet wurde. Hieru¨ber entbrannte ein Priorita¨tenstreit, in Wien „Tu¨rckenkrieg“ genannt, der dadurch beigelegt wurde, daß Czermak zugab, daß die grundlegende Idee von T. stammte. T. schuf mit seiner Erfindung die Grundlage der Laryngol. Werk: Praktische Anleitung zur Laryngoskopie, Wien 1860; Klinik der Krankheiten des Kehlkopfes und der Luftro¨hre, nebst einer Anleitung zum Gebrauche des Kehlkopfrachenspiegels und zur Lokalbehandlung der Kehlkopfkrankheiten, ibid. 1866; Neuburger, M. (Hg.), L.T.s gesammelte neurologische Schriften, Leipzig u. Wien 1910. Ho.
Uhlenhuth, Paul (* 7. 1. 1870 Hamburg, † 13. 12. 1957 Freiburg). Der Schu¨ler von ! Koch und Habilitand von ! Loeffler in Greifswald geho¨rte zu den fu¨hrenden Bakteriol. seiner Zeit. 1897 wurde er Ass. Kochs am Inst. fu¨r Infektionskrankheiten, seit 1899 in Greifswald, wo er sich 1905 habil.; 1906–11 war er Dir. der bakteriol. Abt. des Reichsgesundheitsamtes, 1911–18 o. Prof. fu¨r Hyg. in Straßburg. Nach kurzer Ta¨tigkeit als Dir. des Marburger Inst. fu¨r exp. Therapie (1921–23) u¨bernahm U. die o. Prof. fu¨r Hyg. in Freiburg (bis 1935); dort lehrte und forschte er bis 1957. Zu seinen fru¨hen Forschungsleistungen geho¨rte die Entwicklung einer fo326
rens. bedeutsamen Meth. zur Unterscheidung von Tier- und Menschenblut (Pra¨zipitationsreaktion). Wegen dieser Entdeckung wurde er bereits 1903 zum Prof. ernannt. Entscheidender waren indes seine Studien zur Chemotherapie, bes. der Syphilis und des Morbus Weil. U. hat die chemotherap. Bedeutung des Atoxyl entdeckt. Auf dessen Grundlage konnte ! Ehrlich das Salvarsan entwickeln. Spa¨ter wandte sich U. der Serologie zu. Wa¨hrend des Ersten Weltkriegs gelang ihm mit Fromme der Erregernachweis der Weilschen Krankheit und die Entwicklung eines Heil- und Schutzserums. Sein Plan zur Errichtung eines MPI fu¨r Seuchenforschung und exp. Therapie in Freiburg mißlang 1928. Nach der Emerit. (1935) finanzierte ihm die Notgemeinschaft ein eigenes Forschungslab.; U.s polit. Einstellung war kaisertreu und vo¨lkisch. Aus seiner Ablehnung der Weimarer Republik hat er keinen Hehl gemacht. Nach 1933 bemu¨hte sich U. um die dt.-japan. Beziehungen in der Med. und bereiste zu diesem Zweck 1938 JaEck. pan. Unna, Paul Gerson (* 8. 9. 1850 Hamburg, † 29. 1. 1929 Hamburg). 1875 prom. in Straßburg bei ! Waldeyer, 1876 in Wien bei ! Hebra, ! Kaposi und H. Auspitz, der „von entscheidendem Einfluß“ fu¨r U.s „Geistesrichtung“ war. Seit Okt. 1876 a¨rztl. Ta¨tigkeit in Hamburg. 1881 gru¨ndete U. in Hamburg eine dermatol. Privatklinik; seit 1888 hielt U. Vorl. u¨ber allg. Pathol. der Haut. 1901 erweiterte U. seine Klinik zu einem be-
Vallisnieri, Antonio
stens eingerichteten „Dermatologicum“, das zu einem Mekka der Dermatol. aus aller Welt wurde. 1907 ernannte der Hamburger Senat U. zum Titular-Prof.; 1908 wurde U. Oberarzt am Eppendorfer Krkh., 1919 o. Hon.Prof. an der Univ. Hamburg. 1882 gru¨ndete U. mit O. Lassar und Hebra die Monatshefte fu¨r praktische Dermatologie, seit 1889 gab er zusammen mit H.-C. Leloir und Malcolm Morris den Internationalen Atlas seltener Hautkrankheiten heraus. 1883 erschien sein Beitrag Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Haut zu H. v. Ziemssens Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie, 1894 sein Beitrag Die Histopathologie der Hautkrankheiten zum Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie von J. Orth, 1899 seine Allgemeine Therapie der Hautkrankheiten im Lehrbuch der allgemeinen Therapie von A. Eulenburg, 1913 sein Standardwerk Biochemie der Haut. Bereits 1883 beschrieb U. den inneren Kreislauf der Haut; 1891 entdeckte U. die Plasmazellen, 1892 den U.-Ducreyschen Bazillus. Ebenso tra¨gt die U.-Pappenheimsche Fa¨rbung (1902) Wil. seinen Namen. Urso von Salerno (2. Ha¨lfte 12. Jh.). Bedeutendster Vertreter der Schule von Salerno in der 2. Ha¨lfte des 12. Jh. In seinen Hauptwerken, den Aphorismen und den sie begleitenden Glossulae sowie in der Elementenschrift behandelt er Probleme der allg. Erkla¨rung physikal. Pha¨nomene, auch in ihrer Beziehung zu med. Fragen; sein Schaffen bildet einen der Ho¨hepunkte naturwiss. Denkens im 12. Jh. Von Bewunderung fu¨r seine Praxis
zeugt die Urinschrift seines Schu¨lers Gilles de Corbeil. Werk: Giacosa, P., Magistri Salernitani nondum editi, Torino 1901, 283–90; Stu¨rner, W. (Hg.), De commixtionibus elementorum libellus, Stuttgart 1976. Fi.
Vallisnieri, Antonio (* 3. 5. 1661 Tresilico/Modena, † 18. 1. 1730 Padua). V. wurde 1685 Dr. der Med. in Reggio Emilia. Nach Bologna umgezogen, kam er mit ! Malpighi in Verbindung. 1700, als Galileianer, wurde er Prof. fu¨r prakt., 1710 fu¨r theoret. Med. in Padua. Als hervorragender wiss. Organisator war er Mitglied der Royal Society (1703) und der Academia Naturae Curiosorum (1707). Er stand im Briefwechsel mit dem Europa der Wiss., u.a. mit Leibniz, der ihn dazu ermunterte, seine Forschungen u¨ber Embryogenese, Geol. u. Naturgesch. weiterzufu¨hren (1713–15). V. leistete einen grundlegenden Beitrag zur Helminthol. und Entomol., bewies die Haltlosigkeit der Urzeugung, trug zur Verbreitung der mikrobialen ¨ tiol. der Infektionskrankheiten bei. A Vor ! Linne´ beschrieb er genau die Bandwurmverseuchung beim Hund und polemisierte mit ! Andry, der den Bandwurm sehr gut beschrieben hatte. Er fu¨hrte die embryol. Studien von ! Redi weiter und stellte fest, daß auch die Pflanzeninsekten aus Eiern erzeugt werden. V. hinterließ einen Pflanzenkatalog und gab einer Idrocaridea (Vallisneria) seinen Namen. Er behauptete den meteorit. Ursprung der Naturquellen und beschrieb Fossilien. Werk: Opere fisico-mediche, Venedig 1733. Tre. 327
Vallisnieri, Antonio
stens eingerichteten „Dermatologicum“, das zu einem Mekka der Dermatol. aus aller Welt wurde. 1907 ernannte der Hamburger Senat U. zum Titular-Prof.; 1908 wurde U. Oberarzt am Eppendorfer Krkh., 1919 o. Hon.Prof. an der Univ. Hamburg. 1882 gru¨ndete U. mit O. Lassar und Hebra die Monatshefte fu¨r praktische Dermatologie, seit 1889 gab er zusammen mit H.-C. Leloir und Malcolm Morris den Internationalen Atlas seltener Hautkrankheiten heraus. 1883 erschien sein Beitrag Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Haut zu H. v. Ziemssens Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie, 1894 sein Beitrag Die Histopathologie der Hautkrankheiten zum Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie von J. Orth, 1899 seine Allgemeine Therapie der Hautkrankheiten im Lehrbuch der allgemeinen Therapie von A. Eulenburg, 1913 sein Standardwerk Biochemie der Haut. Bereits 1883 beschrieb U. den inneren Kreislauf der Haut; 1891 entdeckte U. die Plasmazellen, 1892 den U.-Ducreyschen Bazillus. Ebenso tra¨gt die U.-Pappenheimsche Fa¨rbung (1902) Wil. seinen Namen. Urso von Salerno (2. Ha¨lfte 12. Jh.). Bedeutendster Vertreter der Schule von Salerno in der 2. Ha¨lfte des 12. Jh. In seinen Hauptwerken, den Aphorismen und den sie begleitenden Glossulae sowie in der Elementenschrift behandelt er Probleme der allg. Erkla¨rung physikal. Pha¨nomene, auch in ihrer Beziehung zu med. Fragen; sein Schaffen bildet einen der Ho¨hepunkte naturwiss. Denkens im 12. Jh. Von Bewunderung fu¨r seine Praxis
zeugt die Urinschrift seines Schu¨lers Gilles de Corbeil. Werk: Giacosa, P., Magistri Salernitani nondum editi, Torino 1901, 283–90; Stu¨rner, W. (Hg.), De commixtionibus elementorum libellus, Stuttgart 1976. Fi.
Vallisnieri, Antonio (* 3. 5. 1661 Tresilico/Modena, † 18. 1. 1730 Padua). V. wurde 1685 Dr. der Med. in Reggio Emilia. Nach Bologna umgezogen, kam er mit ! Malpighi in Verbindung. 1700, als Galileianer, wurde er Prof. fu¨r prakt., 1710 fu¨r theoret. Med. in Padua. Als hervorragender wiss. Organisator war er Mitglied der Royal Society (1703) und der Academia Naturae Curiosorum (1707). Er stand im Briefwechsel mit dem Europa der Wiss., u.a. mit Leibniz, der ihn dazu ermunterte, seine Forschungen u¨ber Embryogenese, Geol. u. Naturgesch. weiterzufu¨hren (1713–15). V. leistete einen grundlegenden Beitrag zur Helminthol. und Entomol., bewies die Haltlosigkeit der Urzeugung, trug zur Verbreitung der mikrobialen ¨ tiol. der Infektionskrankheiten bei. A Vor ! Linne´ beschrieb er genau die Bandwurmverseuchung beim Hund und polemisierte mit ! Andry, der den Bandwurm sehr gut beschrieben hatte. Er fu¨hrte die embryol. Studien von ! Redi weiter und stellte fest, daß auch die Pflanzeninsekten aus Eiern erzeugt werden. V. hinterließ einen Pflanzenkatalog und gab einer Idrocaridea (Vallisneria) seinen Namen. Er behauptete den meteorit. Ursprung der Naturquellen und beschrieb Fossilien. Werk: Opere fisico-mediche, Venedig 1733. Tre. 327
Valsalva, Antonio Maria
Valsalva, Antonio Maria (* 17. 6. 1666 Imola/Romagna, † 2. 2. 1723 Bologna). V. stud. Med. in Bologna mit ! Malpighi. 1687 wurde er Med. Dr. Mitglied der Academia Anxiorum, 1697 wurde er o¨ffentl. Leicheno¨ffner und seit 1705 bis zu seinem Tode Lektor. Er widmete sich dem anat. Theater und dem Krkh. St. Orsola, wo er als tu¨chtiger Chir. ta¨tig war. Er stand im Briefverkehr mit ¨ rzten seiner Zeit. den beru¨hmtesten A Mit V. wurde die Anat. aus einer physiol.-empir. (nach Art des Malpighi) zu einer pathol. (nach Art des ! Morgagni) Disziplin. Er war Morphol. und Therapeut: Er schlug die hypotensive Meth. in der Behandlung der Aneurismen vor, beschrieb die Sinus aortae (Valsalvae) sowie den nach ihm benannten Test. Er ahnte die Bedeutung derNephrotomieundderSplenotomie, war Vorla¨ufer von ! Pinel und Chiarugi in der Behandlung des Wahnsinns. Dem De Aure verdankt V. seinen Ruhm. Hier beschrieb er zum ersten Mal den kartilagino¨sen Teil des a¨ußeren Ohres und die Geho¨rkno¨chelchen, maß den Durchmesser des Trommelfells, beschrieb die Morphol. der Rachenmuskeln und die Fasciae, die die ! Eustach. Ro¨hre kontrollieren. ¨ bertraEr unterscha¨tzte in der akust. U gung die Funktion des Trommelfells und der Bogenga¨nge, u¨berscha¨tzte hingegen die Geho¨rkno¨chelchen. Werk: De aure humana tractatus, Bologna 1704; Opera postuma, Venedig 1740. Tre.
Verschuer, Otmar Freiherr von (* 16. 7. 1896 Richelsdorfer Hu¨tte/Bezirk Kassel, † 8. 8. 1969 Mu¨nster/Westfalen). 1923 Prom. zum Dr. med. 1927 Priv.doz. fu¨r menschl. Vererbungslehre 328
und Leiter der Abt. fu¨r menschl. Erblehre am KWI fu¨r Anthropol. in Berlin. 1935 Dir. des Inst. fu¨r Erbbiol. und Rassenhyg. der Univ. Frankfurt a.M. 1942 Dir. des KWI fu¨r Anthropol. in Berlin. 1951 Dir. des Inst. fu¨r Humangenetik in Mu¨nster/Westfalen. Galt u¨ber 1945 hinaus als der fu¨hrende Erbpathol. und Humangenetiker in Deutschland. Schon fru¨h war er unter dem Einfluß von ! E. Fischer und ! F. Lenz u¨berzeugter Anha¨nger der Rassenhyg. geworden. Als deren wichtigste Grundlage sah er die Erbbiol. an. Ihre Gesetzma¨ßigkeiten gedachte er mit Hilfe von Zwillingsforschung und Erbpathol. aufzudecken. ¨ ber seine wiss. Ta¨tigkeit hinaus U wirkte v. V. mit an der praktischen Erbgesundheitspflege. Er beteiligte sich an der „Minderwertige“, v.a. Juden und Zigeuner, ausgrenzenden nationalsozialist. Gesundheits- und Rassenpolitik mit Beratungen, Schulungen, Gutachten und umfangreichen erbbiol. Datensammlungen. Ho¨chstwahrscheinlich wußte er nicht nur von den Verbrechen seines Assistenten ! Mengele in Auschwitz, sondern erhielt von ihm auch Untersuchungsmaterial geschickt. V.s aktive Unterstu¨tzung der nationalsozialist. Rassenlehre verhinderte nach d. Krieg seine Berufung nach Frankfurt a.M. Li.
Vesal, Andreas (* 31. 12. 1514 Bru¨ssel, † Ende 1564 Zantos). Sohn eines kaiserl. Leibapothekers. In der va¨terl. Linie hatten mehrere Med. im Dienste des burgund. bzw. habsburg. Herrscherhauses gestanden und eine entsprechende Bibliothek aufgebaut, die V. nutzte. Schulzeit in Bru¨ssel. Ab 1528 Stud. in Lo¨wen, zu-
Vesal, Andreas
na¨chst im Pa¨dagogium Castre, seit 1531 im Collegium Trilingue, wo er vor allem mit den alten Sprachen vertraut wurde. 1533 wechselte V. mit Empfehlungsschreiben des Nicolaus Florenas nach Paris. Bei ! J. Winter aus Andernach und ! J. Dubois (Sylvius) stud. V. vor allem ! galen. Med. Was die galen. Anat. betraf, so erga¨nzte er den zootom. Unterricht durch eigene osteol. Studien, fu¨r die er sich auf Friedho¨fen und Richtpla¨tzen Material verschaffte. So entdeckte er Widerspru¨che zwischen Autopsie und Textu¨berlieferung, etwa in bezug auf den menschl. Unterkieferknochen. Die vermutl. Mitarbeit an den Institutiones anatomicae, die J. Winter aus Andernach 1536 herausgab, fu¨hrte ihn weiter in das humanist. Paradox: Der Versuch, den Lehren der antiken Autoren getreu dem Motto „Redite ad fontes“ zu neuer Geltung zu verhelfen, sollte in der Erschu¨tterung ihrer Autorita¨t enden. 1536, nach dem Einmarsch von Karl V. in die Provence, kehrte V. nach Lo¨wen zuru¨ck, wo er sich zuna¨chst ein Skelett Stu¨ck um Stu¨ck zusammenstahl, als Prosektor und Doz. eine o¨ffentl. Sektion durchfu¨hrte und 1537 mit dem Liber de singularum corporis affectuum curatione den Baccalaureus erwarb. Ein Streit mit Thriverius Brachelius (1504–54) u¨ber Venesektion wird ihm den Abschied erleichtert haben, als er 1537 eine Reise nach Padua u¨ber Basel antrat, wo seine Examensarbeit bei Robert Winter wiederaufgelegt wurde. Im Herbst 1537 verkehrte V. in venezian. Ku¨nstlerkreisen. Unmittelbar nach seiner Prom. am 5. 12. 1537 im studio in Padua erhielt der noch nicht Dreiundzwanzigja¨hrige eine Prof. fu¨r
Chir. mit ausdru¨ckl. Lehrverpflichtung in Anat. Obwohl V. auch chir. Vorl. u¨ber Tumore und Bru¨che hielt, widmete er sich in den folgenden Jahren hauptsa¨chlich der Anat. Als erste Frucht dieser Arbeit erschienen 1538 in Venedig die Tabulae anatomicae sex, die 3 Skelettfiguren des TizianSchu¨lers Johann Stephan von Kalkar (ca. 1500–46) und 3 von V. selbst entworfene Darstellungen von Arterien und Eingeweiden enthalten. Sie korrigierten unmißversta¨ndl. weitere Irrtu¨mer der galen. Anat. (fu¨nflappige Leber, sechsteiliges Sternum, das angeblich an der Scha¨delbasis befindliche rete mirabile) und erfuhren wegen ihrer bilderstu¨rmenden Kraft viele Reproduktionen. In demselben Jahr erschien in Venedig der von V. bearbeitete Neudruck der erwa¨hnten Institutiones anatomicae sowie im Jahr dar-
Andreas Vesal (1514–1564) 329
Vesal, Andreas
auf in Basel, nach kontroversen Gespra¨chen mit Matteo Corti (1495– 1542), die Epistola docens venam axillarem dextri cubiti in dolore laterali secandam. Daneben beteiligte sich V. neben T. Linacre, N. Leoniceno u.a. an der 1541 in Venedig erschienenen lat. ! Galen-Edition, indem er ¨ berarbeitung der Schriften De die U nervorum dissectione, De venarum arteriarumque dissectione sowie der ¨ bers. der ersten 9 Bu¨cher von De U anatomicis administrationibus durch J. Winter aus Andernach u¨bernahm. V. fand mit neuen didakt. Ansa¨tzen, mit der Verschmelzung von Prof. und Prosektor zur Personalunion des Kopf- und Handarbeiters „Anatom“ gute Resonanz bei Studenten und der Univ.leitung. 1539 stellte man ihm alle Leichen zum Tode Verurteilter fu¨r Sektionen zur Verfu¨gung. In der Folge verdichtete sich V.s Verdacht, daß Galens Anat. nicht auf Humansektionen, sondern auf Zootomie (v.a. von Macaca sylvana und Macaca mulatta) beruhte. 1540 folgten weitere anat. Demonstrationen in Bologna. Vom Winter 1539/ 40 bis 1542 arbeitete V. an seinem epochalen Werk, De humani corporis fabrica (mehr als 250 Illustrationen, 14 ganzseitige ‘Muskelma¨nner’ und 3 Skelette [2. Buch] von einem bislang in der Forschung nicht identifizierten Ku¨nstler mit Landschaften von Domenico Campagnola, Titelblatt von D. Campagnola und Bildnis Vesals von Johann Stephan von Kalkar, insgesamt 663 S., 43x29 cm). Das Manuskript lag am 1. 8. 1542 vor, kurz darauf auch das der Epitome (9 Illustrationen). Gedruckt wurde es von Iohannes Herbst (Oporinus, 1507–68) in Basel, der auf dem beru¨hmten Titel330
bild der Fabrica oben rechts portra¨¨ berwachung der tiert wurde. Zur U Drucklegung weilte V. in Basel und sezierte auch hier o¨ffentlich. Im August 1543 war die Drucklegung beendet. Das nahezu gleichzeitige Erscheinen der Fabrica des gerade Achtundzwanzigja¨hrigen in – u¨brigens ciceronian. – Latein und der Epitome in Lat. und Dt. („verdolmetscht“ von Albanus Torinus) lo¨ste wegen seiner polem. Galen-Kritik einen lange anhaltenden Protest (! Sylvius (Dubois), ! Riolan, ! Eustachi, Andre´ du Laurens [1558–1609] in Montpellier, ! Falloppia) aus, der dem Verfasser Gottlosigkeit, Traditionsbruch und Arroganz unterstellte und zur Ehrenrettung Galens sogar eine Wandlung der menschl. Natur seit der Spa¨tantike postulierte. Jedoch war die durch dieses im Geiste der Renaissancekunst konzipierte Lehrbuch der Anat. und das Wirken seines Verfassers ausgelo¨ste Anat.reform, die zugleich einen Wandel des Menschen-„Bildes“ und damit der gesamten med. Theoriebildung implizierte, nicht mehr aufzuhalten. Schu¨ler bzw. Kollegen wie ! Caius, Pieter van Foreest (1521–97) und Luis Collado (1510–89) trugen sie, wenn auch nicht kritiklos, nach England, Holland und Spanien. Auch die oberitalien. Univ. zeigten sich interessiert. 1544 folgte V. Einladungen nach Bologna, Florenz und Pisa, wo er von Januar bis Ma¨rz anat. Demonstrationen abhielt, ohne die angebotene Daueranstellung anzunehmen. Mit der Vero¨ffentlichung der Fabrica war V.s akad. Laufbahn beendet. Als Leibarzt Karls V. folgte er dem Kaiser auf dessen Eroberungszu¨gen und wohnte ansonsten in Bru¨ssel. Syphilis, gastrointestinale Sto¨rungen, chron.
Vindicianus
Krankheiten und Schußverletzungen bildeten nun sein a¨rztl. Beta¨tigungsfeld. Gewagte Operationen sowie treffsichere Prognosen befestigten seinen internat. Ruf. Ende 1544 heiratete V. Anna van Hamme, mit der er eine Tochter hatte. Einer Anfrage eines Kollegen in bezug auf ein damals vieldiskutiertes Thema (Chinarinde) verdanken wir die 1546 in Basel publ. Epistola rationem modumque propinandi radicis Chynae decocti pertractans. 1550/51 besorgte V. die erweiterte 2. Aufl. seiner Fabrica (824 S. mit scho¨neren Abdrucken der Holzschnitte, besserem Typendruck, Vermehrungen in Text und Bild, in Holz geschnittenen Initialen), die 1555 wiederum in Basel gedruckt wurde. 1559 verlegte Philipp II., dem V. seit 1556 als Leibarzt diente, seinen Hof nach Madrid. Von dort reagierte V. 1561 mit dem Anatomicarum Gabrieli Falloppii obversationum examen, das erst 1564 in Venedig als letztes seiner Werke publ. wurde, auf Fallopios Observationes anatomicae. Im Fru¨hling 1564 brach V. von Spanien nach Jerusalem auf. In Venedig machte er Station, um Verhandlungen u¨ber den seit 1563 durch den Tod des Fallopio freien Lehrstuhl in Padua zu fu¨hren. Auf dem Ru¨ckweg der angebl. Pilgerreise soll V. am 5. Oktober 1564 unter ungekla¨rten, jedenfalls sogleich mythograph. u¨berlagerten Umsta¨nden auf der Insel Zantos im Ion. Meer geRu¨./Ja. storben sein. Vesling, Johann (* 1598 Minden, † 30. 8. 1649 Padua). Besonders als Anat. und Botaniker ist der in Leiden am 15. Nov. 1619 immatrikulierte Mindener Johannes Wes-
ling hervorgetreten. V. hat 1627/28 in der Republik Venedig erfolgreich anat. Vorl. und Demonstrationen abgehalten, die in Padua Konkurrenzneid weckten. Im August 1628 verließ V. als Leibarzt des Gesandten Venedigs in Kairo, Alvise Cornaro, Italien. ¨ gypten stud. er vor allem die Flora In A des Landes. Seine 1638 vero¨ff. Beobachtungen u¨bertrafen die des ! Prospero Alpini vielfach auch in den Illu¨ gypten unternahm V. strationen. In A Studien zur Hu¨hnchenembryol. 1633 zuru¨ck in Italien, wird er zum Prof. der Anat. und Chir. in Padua ernannt. Seit 1638 lehrt er offiziell auch Botanik und erneuert den Botan. Garten Paduas. Von einer botan. Exkursion nach Kreta (1648) kehrte er 1649 krank zuru¨ck und starb bald. Werk: De plantis aegyptiis observationibus, Padua 1638; Syntagma anatomicum, ibid. 1641; De pullitione Aegyptiorum, posth. hrsg v. Thom. Bartholin, Kopenhagen 1664. Eck.
Vindicianus (4. Jh.). Am Ende des 4. Jh. Verwalter hoher ¨ mter, Freund des hl. Augustio¨ffentl. A nus, hat V., ausgehend von uns verlorenen griech. Quellen, eine Reihe med. Werke verfaßt, die z. T. nicht oder nur fragmentar. und in entstellter Form erhalten sind. Seine anscheinend beru¨hmte Rezeptsammlung ist bis auf ihr Vorwort verloren. Seine Darstellung der Sa¨ftelehre im Brief an Pentadius sowie die der Anat. und Physiol. in einem meist als Gynaecia zitierten Werk, beide vielfach (auch als ! Hippokrates und ! Galen) u¨berliefert und bis zu Kethams Fasciculus medicine immer wieder benutzt, so in der Bamberger Chir., bei ! Trotula und Vincenz von Beauvais, waren von 331
Virchow, Rudolf
gro¨ßter Bedeutung fu¨r die ma. Med. Das nur in einer Bru¨sseler Hs. erhaltene Fragment De semine referiert wichtige Aussagen griech. Autoren zu Problemen der Physiol. und Pathol., stammt aber wohl nicht von ihm. Werk: BTML 598–616, A149–151; Enßlin, W. u. Deichgra¨ber, K. (Vindicianus 2), RE IX A 1 (1961), 29–36; Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. 2, Cambridge 1980, 967 (Vindicianus 2); Ferckel, Ch., Ein dt. anat. Vindiciantext, AGM 7 ¨ berlie(1914), 306–18 (Wichtiges zur allg. U ferungsgesch.); Migliorini, P., Dalla realta` al testo: Vindiciano. De natura generis humani, in: Le latin me´dical, St.-Etienne 1991, 367–78. Fi.
Virchow, Rudolf (* 13. 10. 1821 Schivelbein, † 5. 9. 1902 Berlin). Geb. im pommerschen Schivelbein (jetzt Swidwin/Polen) als einziges Kind eines Landwirts und Stadtka¨mmerers, stud. V. von 1839 bis zur Prom. 1843 Med. an der Berliner Milita¨ra¨rzte-Akad. (Pe´pinie`re). 1844 wurde er Ass. des Pathol. Prosektors ! R. Froriep an der Berliner Charite‹’, nach dem Staatsexamen im Fru¨hjahr 1846 dessen Nachfolger. 1849 nahm V. einen Ruf auf den ersten dt. Lehrstuhl fu¨r Pathol. Anat. an der Univ. Wu¨rzburg an. 1856 wechselte V. als Ord. an das neugegr. Pathol. Inst. der Univ. Berlin, das er 46 Jahre lang leitete. 1893 war er Rektor der Univ. Er starb in Berlin an den Folgen eines Sturzes aus der Straßenbahn. V. ist der weltweit bekannteste dt. Arzt aus der zweiten Ha¨lfte des 19. Jh., dessen Wirken neben Med. auch Sozialpolitik und Anthropol. umfaßte. Seine wichtigsten Leistungen waren die Einfu¨hrung und strikte Anwendung der Naturwiss. Meth. in der Med. (seit 1847), die Formulierung 332
Rudolf Virchow (1821–1902)
eines ersten dauerhaften Forschungsparadigmas, der „Cellularpathol.“ (1855–58), sowie die Etablierung der Pathol. als einer autonomen Basisdisziplin mit Lehrstu¨hlen an allen dt. Univ. (1849–76). Schon 1847 begr. er mit B. Reinhardt das Archiv fu¨r pathologische Anatomie und Physiologie und fu¨r klinische Medicin (seit 1903 bis heute Virchows Archiv), das er von 1853–1902 (Bd. 5–169) allein herausgab und zum anerkannten Forum der wiss. Med. entwickelte. Hier beschrieb V. 1849 die Naturwiss. Meth. ¨ berpru¨fung einer durch als exp. U Analogie und Induktion gefundenen log. Hypothese, welche aus bereits bekannten Naturgesetzen abzuleiten sei. Das heurist. fruchtbare Konzept der Zellularpathol. („omnis cellula e cellula“) sah die Zelle als morphol. wie funktionell kleinste autonome Einheit des gesunden und kranken Lebens an, wodurch (Pathol.) Anat. und (Pathol.) Physiol. einen gemeinsamen Ansatz-
Volhard, Franz
punkt erhielten. Da fu¨r V. die Reaktion der Zelle auf exogene Stimuli die Ursache fu¨r Gesundheit oder Krankheit war, blieb er skept. gegenu¨ber der um 1880 aufkommenden Bakteriol., welche die Mikroorganismen selbst a¨tiol. interpretierte. Lediglich als kluge Hypothese wertete V. die nicht zweifelsfrei beweisbare Evolutionslehre Darwins. Politik, die fu¨r ihn „Medicin im Grossen“ (1848) war, betrieb V. zeitlebens: An der Ma¨rzrevolution beteiligte er sich aktiv auf dem linksdemokrat. Flu¨gel und gab 1848/49 mit ! R. Leubuscher eine Wochenschrift (Die medicinische Reform) heraus. Seit 1859 war er Berliner Stadtverordneter, 1861 geho¨rte er zu den Mitbegru¨ndern der linksliberal-antiklerikalen „Dt. Fortschrittspartei“. 1862 wurde V. Mitglied des Pr. Landtages, von 1880–93 war er Reichstagsabgeordneter. Obgleich sonst ein Gegner Bismarcks, pra¨gte er 1873 den gegen die kathol. Kirche gerichteten Begriff „Kulturkampf“. V.s Utopie blieb die Konstituierung von Med. und Gesellschaft auf wiss. Ba. Grundlage. Vogt, Oskar (* 6. 4. 1870 Husum, † 31. 7. 1959 Neustadt) und Vogt, Ce´cile, geb. Mugnier (* 27. 3. 1875 Anne´cy, † 4. 5. 1962 Cambridge). Sie geho¨ren zu den wenigen Ehepaaren in der Wiss., deren Lebenswerk vornehmlich auf Kooperation beruhte. Vogt hatte bereits als Hirnanat. Erfahrung und sich als Psychotherapeut und Hypnose-Spezialist einen Namen gemacht, als er 1897 nach Paris ging, wo er im Labor von P. Marie seine spa¨tere Frau traf. Die Idee, durch die Korrelierung von Hirn-
struktur, physiol. Abla¨ufen und Bewußtseinserscheinungen eine empir. Lo¨sung des Leib-Seele-Problems zu finden, unterschied sich nicht von den Vorstellungen Th. Meynerts und P. Flechsigs. Kernstu¨ck des neuen meth. Ansatzes war die Cytoarchitektonik, d.h., bei der anat. Analyse des Gehirns Mark und Rinde des Cortex nach Anordnung, Zahl, Gro¨ße und grober Morphol. der Nervenzellen und Leitungsfasern einzuteilen. Die z.T. in Zusammenarbeit mit ! Brodmann durchgefu¨hrten Untersuchungen waren eingebettet in einen gro¨ßeren neurobiol. Zusammenhang, der 1930 mit der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Inst. fu¨r Hirnforschung in Berlin-Buch zur vollen Entfaltung kam, indem auch Abt. fu¨r Neurohistol., Neurophysiol., Neurochemie, exp. Genetik und menschl. Konstitutionsforschung eingerichtet wurden. Nicht nur durch Vogts beru¨chtigte architekton. Analyse von Lenins Hirn, wodurch dieser zum „Assoziationsathleten“ wurde, auch durch klar formulierte eugen. Ziele von Ho¨herzu¨chtung des Menschen wurde der umfassende Anspruch der Verbindung von Hirnforschung und Genetik deutlich. Gleichwohl wurden die Vogts 1937 von den Nationalsozialisten zur Aufgabe gezwungen, konnten jedoch mit Unterstu¨tzung der Krupp-Familie ein priv. Inst. in Neustadt errichten. Hg.
Volhard, Franz (* 2. 5. 1872 Mu¨nchen, † 24. 5. 1950 Frankfurt). 1908 Dir. der Med. Klinik in Mannheim, 1918 o. Prof. fu¨r Innere Med. in Halle, 1927–38 (Emerit.) und noch einmal 1945–50 in Frankfurt am Main. 333
Volkmann, Richard von
V. vertrat neben dem gesamten Spektrum der Inneren Med. eindeutige Schwerpunkte in der Nephrol. und Kardiol. Der nach ihm benannte „Wassertrink- und Konzentrationsversuch“ geho¨rt zu den einfachsten und aussagekra¨ftigsten Nierenfunktionspru¨fungen. V. propagierte mit großem Erfolg die rigoros salzfreie Dia¨t bei Herzkranken und die Hungerund Durstbehandlung bei der akuten Nephritis. V.s Hauptwerk, die zwei Teilbd. u¨ber die Niere der 2. Aufl. des Handbuches der Inneren Med. (Bd. 6, Tl. 1 u. 2, Berlin 1931, u¨ber 1800 S. !), nannte man die „Nierenbibel“. Werk: Bock, H.E. u.a. (Hg.), Erinnerungen (Autobiogr.), Stuttgart u. New York 1982 (hierin: Mein Lebenslauf, 1–75; V.s Personalbibliogr., Nekrologe, Gedenkreden, F.V.-Vorl.). Sie.
Volkmann, Richard von (* 17. 8. 1830 Leipzig, † 28. 11. 1898 Jena). V. stud. in Halle, Gießen und abschließend in Berlin Med., wo er besonders von ! Traube und ! Langenbeck gefo¨rdert wurde. Nach Diss. 1854 wurde er Ass. an der Chir. Klinik in Halle, wo er sich 1857 habil. Infolge von zunehmenden Spannungen mit Blasius schied V. voru¨bergehend aus der Klinik aus und ließ sich erfolgreich als Arzt nieder. 1867 zum o. Prof. ernannt, wurde er zum Nachfolger des erkrankt ausscheidenden Blasius. V. za¨hlte zu den innovativsten dt. Chir. der Zeit. Zahlreich sind die von ihm fu¨r die chir. Behandlung gemachten Erfindungen und Verbesserungen. V. war einer der Wegbereiter der Antiseptik in Deutschland. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er der 334
Chir. der Gelenke und Extremita¨ten. Noch heute sind in der Chir. zahlreiche Begriffe mit seinem Namen verbunden (V.sche Kontraktur, V.sches Kana¨lchen, V.sches Dreieck, V.sche Lo¨ffel, V.schiene). Besonders bedeutsam waren seine Beitra¨ge zur Chirurgie (Leipzig 1875), Krankheiten der Bewegungsorgane (Erlangen 1865) und seine Beitra¨ge in der von ihm mithg. Sammlung klinischer Vortra¨ge. V. war daru¨ber hinaus an der Gru¨ndung und Gestaltung der Dt. Gesellsch. fu¨r Chir. maßgebl. beteiligt. Die letzten Lebensjahre von V. waren jedoch von einer Krankheit gepra¨gt, die seine Ta¨tigkeit zunehmend einschra¨nkte. Unter dem Pseudonym „Leander“ wurde V. auch literar. bekannt und vero¨ffentlichte unter anderem die Tra¨umereien Ko. an franzo¨sischen Kaminen. Waardenburg, Petrus Johannes (* 03. 06. 1886 Nijeveen, † 23. 09. 1979). Ophthalmologe, Genetiker. Stud. der Med. in Utrecht. 1913 Prom. zur Erblichkeit physiol. und pathol. Merkmale des Auges. W. la¨ßt sich als Augenarzt in Arnheim nieder, arbeitet weiter parallel an Forschungen zur Erblichkeit. 1932 Publ. seines Buches Das menschliche Auge und seine Erbanlagen. 1934 Priv.Doz fu¨r med. Erblichkeitslehre an der Univ. Utrecht. 1951 Beschreibung des nach ihm benannten Syndromes, das sich v.a. durch eine Kombination versch. Erbfehler des Auges manifestiert. 1952 Leiter der anthropol. Abt. des Instituuts voor Praeventive Geneeskunde der Univ. Leiden. Werk: A new syndrome combining developmental anomalies of the eyelids, eye-
Volkmann, Richard von
V. vertrat neben dem gesamten Spektrum der Inneren Med. eindeutige Schwerpunkte in der Nephrol. und Kardiol. Der nach ihm benannte „Wassertrink- und Konzentrationsversuch“ geho¨rt zu den einfachsten und aussagekra¨ftigsten Nierenfunktionspru¨fungen. V. propagierte mit großem Erfolg die rigoros salzfreie Dia¨t bei Herzkranken und die Hungerund Durstbehandlung bei der akuten Nephritis. V.s Hauptwerk, die zwei Teilbd. u¨ber die Niere der 2. Aufl. des Handbuches der Inneren Med. (Bd. 6, Tl. 1 u. 2, Berlin 1931, u¨ber 1800 S. !), nannte man die „Nierenbibel“. Werk: Bock, H.E. u.a. (Hg.), Erinnerungen (Autobiogr.), Stuttgart u. New York 1982 (hierin: Mein Lebenslauf, 1–75; V.s Personalbibliogr., Nekrologe, Gedenkreden, F.V.-Vorl.). Sie.
Volkmann, Richard von (* 17. 8. 1830 Leipzig, † 28. 11. 1898 Jena). V. stud. in Halle, Gießen und abschließend in Berlin Med., wo er besonders von ! Traube und ! Langenbeck gefo¨rdert wurde. Nach Diss. 1854 wurde er Ass. an der Chir. Klinik in Halle, wo er sich 1857 habil. Infolge von zunehmenden Spannungen mit Blasius schied V. voru¨bergehend aus der Klinik aus und ließ sich erfolgreich als Arzt nieder. 1867 zum o. Prof. ernannt, wurde er zum Nachfolger des erkrankt ausscheidenden Blasius. V. za¨hlte zu den innovativsten dt. Chir. der Zeit. Zahlreich sind die von ihm fu¨r die chir. Behandlung gemachten Erfindungen und Verbesserungen. V. war einer der Wegbereiter der Antiseptik in Deutschland. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er der 334
Chir. der Gelenke und Extremita¨ten. Noch heute sind in der Chir. zahlreiche Begriffe mit seinem Namen verbunden (V.sche Kontraktur, V.sches Kana¨lchen, V.sches Dreieck, V.sche Lo¨ffel, V.schiene). Besonders bedeutsam waren seine Beitra¨ge zur Chirurgie (Leipzig 1875), Krankheiten der Bewegungsorgane (Erlangen 1865) und seine Beitra¨ge in der von ihm mithg. Sammlung klinischer Vortra¨ge. V. war daru¨ber hinaus an der Gru¨ndung und Gestaltung der Dt. Gesellsch. fu¨r Chir. maßgebl. beteiligt. Die letzten Lebensjahre von V. waren jedoch von einer Krankheit gepra¨gt, die seine Ta¨tigkeit zunehmend einschra¨nkte. Unter dem Pseudonym „Leander“ wurde V. auch literar. bekannt und vero¨ffentlichte unter anderem die Tra¨umereien Ko. an franzo¨sischen Kaminen. Waardenburg, Petrus Johannes (* 03. 06. 1886 Nijeveen, † 23. 09. 1979). Ophthalmologe, Genetiker. Stud. der Med. in Utrecht. 1913 Prom. zur Erblichkeit physiol. und pathol. Merkmale des Auges. W. la¨ßt sich als Augenarzt in Arnheim nieder, arbeitet weiter parallel an Forschungen zur Erblichkeit. 1932 Publ. seines Buches Das menschliche Auge und seine Erbanlagen. 1934 Priv.Doz fu¨r med. Erblichkeitslehre an der Univ. Utrecht. 1951 Beschreibung des nach ihm benannten Syndromes, das sich v.a. durch eine Kombination versch. Erbfehler des Auges manifestiert. 1952 Leiter der anthropol. Abt. des Instituuts voor Praeventive Geneeskunde der Univ. Leiden. Werk: A new syndrome combining developmental anomalies of the eyelids, eye-
Wagner von Jauregg, Julius brows and nose root with pigmentary defects of the iris and head hair and with congenital deafness, American Journal of Genetics 3 (1951), S. 195-253. Fg.
Wagner, Gerhard (* 18. 8. 1888 NeuHeiduck/Oberschlesien, † 25. 3. 1939 Mu¨nchen). Begr. und Fu¨hrer der nationalsozia¨ rzteschaft. Nach Med.stud. Teillist. A nahme am Ersten Weltkrieg und Freikorpska¨mpfer bis 1924. 1929 NSDAP¨ B. Mitglied und Mitbegr. des NSDA ¨ B. 1933 1. Vor1932 Fu¨hrer des NSDA sitzender der a¨rztl. Spitzenverba¨nde und 1933 Leiter der Kassena¨rztl. Vereinigung. 1934 Leiter des NSDAP(Haupt-) Amtes fu¨r Volksgesundheit. 1935 Leiter der Reichsa¨rztekammer und „Reichsa¨rztefu¨hrer“. Gegen den Widerstand der Ministerialbu¨rokratie wollte W. das Gesundheitswesen der Partei unterstellen. Zentralpunkte seiner Standesideologie waren das Hausarztsystem und die Neue Deutsche Heilkunde. Als einer der Hauptautoren der Nu¨rnberger Gesetze war er mitverantwortlich fu¨r die nationalsoLi. zialist. Judenverfolgung. Wagner von Jauregg, Julius (* 7. 3. 1857 Wels, † 27. 9. 1940 Wien). Aus einer Beamtenfamilie stammend, die 1883 geadelt wurde. Besuchte das Gymnasium am Schottenstift in Wien als Vorzugsschu¨ler. Auch im Stud. bestand er seine Pru¨fungen gla¨nzend und wurde daher noch als Student wiss. Hilfskraft am Inst. fu¨r Allg. und Exp. Pathol. bei Salomon Stricker. Wa¨hrend dieser Zeit vero¨ffentlichte W. bereits zwei wiss. Arbeiten. 1880 Prom. und Anstellung als Ass. an Strickers Inst., das fu¨r seine tierexp. Orientierung bekannt war.
1883 wurde ihm ein Posten an der nahezu unbekannten psychiatr. Klinik von Max v. Leidesdorf (1818–89) angeboten. W. hatte sich mit diesem Fach vorher noch nie bescha¨ftigt. 1885 konnte er sich jedoch bereits fu¨r Neurol., der das Fach Psychiatrie zugeordnet war, habil. Aufgrund einer Erkrankung seines Chefs u¨bernahm er kurz danach die Supplierung der Klinik. Nach Leidesdorfs Tod leitete diese ! R. v. Krafft-Ebing. W. u¨bernahm wiederum dessen Klinik in Graz. Wa¨hrend dieser Zeit bescha¨ftigte sich W. bes. mit dem endem. Kretinismus, der im Steirischen Bergland stark verbreitet war. Er regte die Beimengung kleinster Mengen Jod und die Jodierung des Trinkwassers an, womit gute Erfolge bei der Behandlung des Kropfes erzielt werden konnten. 1893 wurde er an die 2. Psychiatr. Kilinik in Wien berufen, nachdem Krafft-Ebing zur 1. Psychiatr. Klinik gewechselt hatte. Hier entwickelte W. die Meth. der Heilung der progressiven Paralyse (der Spa¨tform der Lues) durch Fieber, das durch Malariaerreger hervorgerufen wurde. Dafu¨r erhielt er 1927 den Nobelpreis fu¨r Med. Das dritte Interessensgebiet W.s war die Kriminol., wobei er als Gerichtsgutachter Beru¨hmtheit erlangte. In diesem Zusammenhang machte er sich um die jurist. Definition der Unzurechnungsfa¨higkeit und die Irrengesetzgebung verdient. Werk: Untersuchungen u¨ber den Kretinismus, Wien 1893; Zur Reform des Irrenwesens, ibid. 1901; Fieber und Infektionstherapie, Wien u.a. 1936; Scho¨nbauer, L. u. Jantsch, M. (Hg.), Lebenserinnerungen, Wien 1950. Ho. 335
Waksman, Selman Abraham
Waksman, Selman Abraham (* 22. 7. 1888 Priluka, † 16. 8. 1973 Hyannis). W., der in Priluka im heutigen Polen aufwuchs, legte 1910 das Abitur ab und emigrierte danach in die USA. Er studierte an der Rutgers University Agrarwiss. (BA 1915) und Mikrobiologie des Bodens (MA 1916). Er wechselte nach Berkeley, wo er 1918 mit einer biochemischen Arbeit prom. wurde. 1918 kehrte er nach Rutgers zuru¨ck, wo er die kommenden Jahrzehnte vor allem u¨ber Actinimyceten forschen sollte, 1930 wurde er ord. Prof., 1940 Leiter der Abt. fu¨r Mikrobiol. und 1949 Dir. des Inst. fu¨r Mikrobiol. W.s weitgespanntes Forschungsprogramm brachte ihn seit den 1930er Jahren dazu, die antibiotischen Qualita¨ten des Bodens zu studieren. Nachdem sich eine Reihe von Actinomyceten als zwar antibiotisch wirksam, aber zugleich hochtoxisch erwiesen hatten, gelang es einem seiner Mitarbeiter, Albert Schatz, 1943 das Streptomycin zu isolieren. Dies erwies sich in klinischen Versuchen als hochwirksam gegen Tuberkulose bzw. das Mycobacterium tuberculosis. Das Streptomycin wurde rasch zu einer Wunderdroge, die ihre Entdecker reich und beru¨hmt machte, wobei Schatz sich von W. um seinen Anteil an der Entdeckung betrogen sah und ihn 1950 verklagte. Der Streit wurde schließlich außergerichtlich beigelegt. W., der 1952 den Nobelpreis erhalten hatte, trat 1958 in den Ruhestand. Werk: My Life with Microbes, New York 1954; The Actcinomycetes, 3. Bd., Baltimore 1959-62. Gr.
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Waldeyer-Hartz, Wilhelm von (* 6. 10. 1836 Hehlen/Braunschweig, † 23. 1. 1921 Berlin). Nach Gymnasium Paderborn 1856 in Go¨ttingen zuna¨chst Stud. der Math., Naturwiss. und Phil.; unter Einfluß ! J. Henles Wechsel zur Med., Fortsetzung des Med.stud. in Greifswald und Berlin, hier 1861 Prom. (De claviculae articulis et functione). 1862 Ass. am Physiol. Inst. in Ko¨nigsberg und ab 1864 in Breslau (bei Rudolf Heidenhain); hier Habil. fu¨r Anat. und Physiol. 1865 ao. Prof. und 1867 o. Prof. fu¨r Pathol. Anat. Im Krieg 1870/71 Lazarettarzt. 1872 Ord. fu¨r normale Anat. in Straßburg (neben beru¨hmten med. Fachvertretern wie Goltz, ! Krafft-Ebing, ! Leyden, ! Recklinghausen, Schmiedeberg). Zu W.s Straßburger Schu¨lern za¨hlen Ludwig Edinger, ! Paul Ehrlich und ! Carl Weigert. 1883–1917 Ord. fu¨r Anat. in Berlin. Ausbau des Inst., Reform des anat. Unterrichts. 1896 Sekreta¨r der Akad. der Wiss. (nach ! Du Bois-Reymond). Erhebung in den erbl. Adel und andere Ehrungen. Großes Spektrum von Arbeiten auf fast allen Gebieten der Anat. und Entwicklungsgesch., mit großem didakt. Geschick zusammenfassende Darstellung von Ergebnissen der anat. Forschung, Bildung von Termini (Neuron, Chromosoma, Schmelzleiste, -organ und -pulpa). Nach ihm benannt W.scher Schlundring. Werk: Die Entwicklung der Carcinome, Virch. Arch. 41 (1867), 470–523; 55 ¨ ber einige neuere For(1872), 67–159; U schungen im Gebiete der Anatomie des Centralnervensystems, Dtsch. Med. Wschr. 17 (1891), 1352–6; Die neueren Ansichten u¨ber den Bau und das Wesen der Zelle,
Wang Shuhe, Vorname: Xi Dtsch. Med. Wschr. 21 (1895), 703–5, 727– 30, 764–5, 800–23, 846–8; Hirnfurchen und Hirnwindungen, Ergebn. Anat. Entw.gesch. 8 (1898), 362–401; Lebenserinnerungen, Bonn 1920. Kst.
Walther, Philipp Franz von (* 3. 1. 1782 Burrweiler/Rheinpfalz, † 29. 12. 1849 Mu¨nchen). 1797 Stud. d. Phil. und med. Grundlagenfa¨cher in Heidelberg, 1800 Stud. der Med. in Wien bei ! J. P. Frank, ¨ bernimmt J. Frank und J. Beer. U 1802 Beers Praxis; publ. anonym u¨ber ! Galls Scha¨dellehre (1802). 1803 Prom. in Landshut, Medizinalrat und Prof. in Bamberg, im selben Jahr Reise nach Paris. Kontakt mit F.W.J. Schelling, Mitarbeit in den Jahrbu¨chern der Medicin als Wissenschaft; berichtet dort u¨ber Frankreich. 1804 Prof. der Physiol. und spa¨ter Chir. in Landshut, 1808 Mitglied der Bayr. Akad. der Wiss. 1819 Prof. in Bonn, wird zum fu¨hrenden Augenarzt in Deutschland, 1820 mit K.F. v. Graefe Hg. des Journals der Chirurgie und Augenheilkunde. 1830 Prof. in Mu¨nchen und kgl. Leibarzt; gibt die Leitung der chir. und Augenklinik 1836 auf eigenen Wunsch ab, setzt seine Vorl. bis zum Tode fort. Seine fru¨hen Werke, insbes. die Physiol. von 1805, stehen unter deutl. Einfluß der Naturphil. Schellings; seine zahlreichen spa¨ten Werke widmen sich vornehmlich der Chir. und Augenheilkunde. W. setzt sich fu¨r die Vereinigung von Chir. und Med. und gegen die chir. Schulen ein. Werk: Physiologie des Menschen, 2 Bd., 1806–8; System der Chirurgie, 6 Bd., 1833–52. Wies.
Wang Bing (1. Ha¨lfte des 8. Jh.). Literat und mittlerer Provinzbeamter. Diese Stellung schaffte ihm Muße fu¨r esoter. Studien, vor allem aber auch fu¨r ein gru¨ndl. Stud. der Unbefangenen Fragen im Innern Klassiker des Gelben Fu¨rsten (Huangdi Neijing Suwen). Als deren Ergebnis vollendete er im Jahre 762 eine kommentierte Edition dieses Werks, die von da ab – es war die Zeit, in der in China der Buchdruck erfunden war und allma¨hlich in Gebrauch kam – zur schlechthin verbindl. und bis ins 19. Jh. zur einzigen und wichtigsten Textausgabe dieses Werks werden sollte. Po.
Wang Shuhe, Vorname: Xi (* ca. 265 Gaoping, Provinz Shandong, † ca. 316). Beamtenkarriere und schließlich eine Stellung im Kaiserl. Med.amt. Sein Interesse galt der durch Zhang Zhongjing (vgl. ! Zhang Ji) begr. pharmakotherap. Trad. Er sichtete und gab die mehr als ein Jh. fru¨her entstandenen Werke neu heraus als Algor laedens-Traktat (Shanghanlun) und Esoterische Wichtigkeiten des Goldenen Schreins (Jinkui Yaolue). Die Med.gesch. verbindet indes mit seinem Namen vor allem die Abfassung des Klassikers der Pulse (Mojing). Anders als dessen Titel vermuten la¨ßt, ist dieses Werk im wesentl. ein Hb. klin. Krankheitsbilder unter Zugrundelegung des Innern Klassikers und der Schriften des Zhang Zhongjing. Eher beila¨ufig wird darin auch eine umfassende Pulslehre (Sphygmologie) entwickelt, die gleichfalls an den Innern Klassiker anknu¨pft und zum Kristallisationspunkt und Anfangspunkt aller spa¨teren Theorien und Techniken des Pulses wurde. Damit 337
Warburg, Otto Heinrich
ist auch gesagt, daß jener Klassiker der Pulse techn. und begriffl. noch weit von dem entfernt ist, was zwischen dem 12. und 16. Jh. durch systemat. Forschung geleistet wurde und bis Po. heute zur Verfu¨gung steht.
chung der Photosynthese (Quantenmechanismen). Entdeckung der aeroben Ga¨rung von Tumorzellen. Nachweis biol. Aktivita¨t der Vitamine durch Einbau in Wirkungsgruppen B.-S. von Fermenten.
Warburg, Otto Heinrich (* 8. 10. 1883 Freiburg/Br., † 1. 8. 1970 Berlin). Biochemiker. Chemiestud. (Freiburg, Berlin); Arbeit am Chem. (E. Fischer) und Physikal.-Chem. Inst. (E. Nernst) der Univ. Berlin. 1906 Phil. Diss. Ber¨ ber Derivate des Glycocolls, Alalin U ¨ ber die 1–Bromnins und Leucins. U propionsa¨ure und das 1–Alanylglycin. Med.stud. (Mu¨nchen, Heidelberg). ¨ ber die 1911 Med. Diss. Heidelberg U Oxydation in lebenden Zellen nach Versuchen am Seeigelei. Ass. an der Med. Klinik Heidelberg (! L. von Krehl); Forschungsaufenthalt an der Zool. Station Neapel. 1912 Habil. ¨ ber die ener(Physiol., Heidelberg) U gieliefernden Reaktionen in lebenden Zellen. 1913 Mitglied der Kaiser-Wilhelm-Gesellsch. 1914–18 Kavallerieoffizier. 1915 ao. Prof. (Biol., Berlin). Forschung (Physikal.-Techn. Reichsanstalt Berlin, Photosynthese), ab 1918 Leiter der Abt. fu¨r Biol. des Kaiser-Wilhelm-Inst. Berlin, ab 1931 Dir. des neu errichteten KWI fu¨r Zellphysiol., heute MPI Berlin. 1931 Nobelpreis fu¨r Physiol. und Med. (Entdekkung der Natur und Wirkungsweise des Atmungsfermentes). 1944 erneute Nominierung, nicht vergeben. Wiss. Verdienste: Einfu¨hrung neuer physikal. und chem. Meth. in die Biochemie (Spektrophotometrie zur Identifikation, Analyse und Isolierung von Zellkonstituenten und Fermenten); wesentl. Vereinfachung der physiol. Versuchsanordnungen. Untersu-
Warren, John Collins (* 1. 8. 1778 Boston, † 4. 5. 1856 Boston). Sohn des Bost. Chir. John W.; Stud. am Harvard College, ab 1799 Europaaufenthalt (Guy’s Hospital, London; 1800 Edinburgh, 1801 Paris, 1802 Ru¨ckkehr nach Boston); seit 1806 ao. Prof. fu¨r Anat. und Chir., 1815 nach dem Tode des Vaters Berufung auf dessen Lehrstuhl. 1810 Mitbegr. des New England Journal of Medicine and Surgery; bedeutend als Chir. und Verfasser der Surgical Observations on Tumours, with cases and operations (Boston 1839) und zahlreicher naturhist. Schriften; 1846 soll er, außerhalb des ihm durch den Dentisten ! William Morton bekannten zahnmed. Ge¨ thernarkose vorgebrauchs, eine A nommen haben (vgl. seine Schrift Etherization, with surgical remarks, N.-D. Boston 1848).
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Wassermann, August Paul von (* 21. 2. 1866 Bamberg, † 16. 3. 1925 Berlin). W. stud. Med. in Erlangen, Mu¨nchen, Wien und Straßburg, wo er 1888 zum Dr. med. prom. 1890 begann er in ! R. Kochs Berliner Hyg.-Inst., wechselte 1891 ins Inst. fu¨r Infektionskrankheiten, wo er 1906 Vorstand der Abt. fu¨r exp. Therapie und Biochemie wurde. 1901 an der Berliner Univ. fu¨r Hyg. habil., wurde er 1902 Extraord. und 1911 o. Honorar-Prof. 1913 wechselte er an das fu¨r ihn gegru¨ndete KWI fu¨r Exp. Therapie in Dahlem,
Weichselbaum, Anton
mußte aber im Ersten Weltkrieg als Milita¨rhyg. an der Ostfront bzw. Leiter des Amtes fu¨r Hyg. und Bakteriol. im Pr. Kriegsministerium die Forschung vo¨llig einstellen. 1921 wurde sein Inst. als KWI fu¨r Exp. Therapie und Biochemie mit C. Neuberg als Vizedir. reorganisiert, nach seinem Tod geschlossen und nur noch als Immunochem. Abt. im KWI fu¨r Biochemie bis 1933 weitergefu¨hrt. W. begann mit Arbeiten u¨ber Choleraimmunita¨t und Diphtherieantitoxin, ging dann unter ! P. Ehrlichs Anregung zum Stud. der Toxin-Antitoxin-Bindung u¨ber, stud. die Unterscheidung verschiedener Blutarten mit pra¨zipitierenden Sera, um schließlich u¨ber die Komplement-Fixation 1906 mit ! A. Neisser und C. Bruck zur Beschreibung der nach ihm benannten Syphilisreaktion zu kommen (Eine serodiagnost. Reaktion bei Syphilis, in: Dtsch. med. Wschr. 32 [1906], S. 745–746). Seine spa¨teren Studien u¨ber Krebstherapie und Komplement-Bindungs-Reaktion bei Tuberkulose waren weniger erfolgreich. Mit R. Kraus gru¨ndete er 1906 die Freie Vereinigung fu¨r Mikrobiol.; in Berlin wirkte er als Vorsitzender der Akad. fu¨r die Wiss. des Judentums; 1921 erhielt er als erster den HansHu. Aronson-Preis. Wedel, Georg Wolfgang (* 12. 11. 1645 Golzen/Niederlausitz, † 6. 9. 1721 Jena). Nach dem Stud. in Jena, bes. unter Schenck und ! Rolfinck, praktizierte W. zuna¨chst u. a. in Jena, Landsberg, Zu¨llichau und Gotha, wo er von 1667 bis 1672 als Landphysikus ta¨tig war. 1673 Lehrstuhl fu¨r Anat., Chir. und Botanik in Jena, nach Rolfincks Tod
auch fu¨r theoret. Med. W. war Leibarzt des Herzogs von Weimar (1679), der Herzo¨ge von Sachsen (1685) und des Kurfu¨rsten von Mainz (1721), Berater der Kaiser Leopold I. und Karl VI.; Leopold I. verlieh ihm 1694 die Rechte eines Pfalzgrafen. Seine zahlreichen Schriften, die ihren Autor als typ. Eklektiker ausweisen, waren sowohl iatrochem. als auch vitalist.-animist. ausgerichtet. W.s Rationalismus orientierte sich stark an ! Descartes. Erkenntnisleitende Prinzipien waren dem Sensualisten W. Erfahrung, Vernunft und Analogie. Zu seinen Schu¨lern geho¨rten ! G. E. Stahl und ! Fr. Hoffmann. Eck. Weichselbaum, Anton (* 8. 2. 1845 Schiltern bei Langenlois/Niedero¨sterreich, † 22. 10. 1920 Wien). W. absolvierte die milita¨ra¨rztl. JosefsAkad. in Wien und wurde 1869 Dr. med. 1871 Ass. der Pathol. Anat. bei J. Engel, dann in verschiedenen milita¨ra¨rztl. Stellungen, u¨bernahm er 1875 die Prosektur des k.k. Garnisonsspitals Nr. 1, 1882 die der Krankenanstalt Rudolfstiftung. 1878 fu¨r Pathol. Anat. habil., 1885 Extraord. fu¨r Pathol. Histol. und Bakteriol., wirkte er 1893– 1916 als Ord. der Pathol. Anat. in Wien. Als Vermittler der Lehre ! Kochs in ¨ sterreich entdeckte er 1886 den DiO plococcus pneumoniae, 1887 den Diplococcus intracellularis meningitidis, bescha¨ftigte sich mit TuberkuloseForschung, Pathol. Histol., Geschwulstlehre, Gelenks- und Knorpelpathol. Soz.med. als Vorsitzender des Zentralkomitees zur Beka¨mpfung der Tuberkulose engagiert, wandte er sich um 1910 Konstitutionsproblemen zu, sagte ! A. Ploetz die Gru¨ndung einer 339
Weier, Johann
o¨sterr. Gesellsch. fu¨r Rassenhyg. zu, Hu. was er jedoch nie umsetzte. Weier, Johann [Weyer, Weyrer, Wier, Wierus, Wierius; lat.: Piscinarius] (* 1515 Grave/Nordbrabant, † 24. 2. 1588 Tecklenburg). W. stud. ab 1534 Med. in Paris und Orle´ans, wo er 1537 prom. 1550–87 Leibarzt Herzogs Wilhelm III. von Ju¨lichCleve-Berg. W.s Hauptwerk De praestigiis daemonum et incantationibus ac veneficiis libri V (Basel 1563) stellte einen Angriff auf die teufl. Magie und das ihr eng verbundene Hexenwesen dar. Wa¨hrend W. fu¨r die Magier die Todesstrafe forderte, bezeichnete er die Hexen als vom Teufel verfu¨hrte Frauen, die der Heilung bedu¨rften. Neben sechs lat. Ausg. (1563–83) erschien eine unautorisierte, von W. be¨ bers. des Johann Fuglin unka¨mpfte U ter dem Titel Von Teuffelsgespenst ... Hexen und Unholden (Basel 1565; Nachdruck Darmstadt [um 1975]). ¨ bers. W.s erschien Eine eigene U 1567 (21578; Nachdruck Amsterdam 1967). Gegen W.s Schrift De lamiis, ein nur die Hexen behandelnder Auszug aus De praestigiis daemonum, bezog der frz. Staatsrechtler Jean Bodin (1529/30–1696) Stellung und forderte, die Hexen ebenso wie die Magier mit dem Tode zu bestrafen. W.s med. Schriften blieben ohne besondere Nachwirkungen. 1660 erschienen W.s Operaomnia posthum in Amsterdam. M.-J.
Weigert, Carl (* 19. 3. 1845 Mu¨nsterberg, † 4. 8. 1904 Frankfurt/Main). Geb. in Mu¨nsterberg/Schlesien. Med.stud. in Breslau und Berlin. Ass. der Inneren Med. und am Pathol. Inst. in Breslau. Dort Habil. 1875 unter 340
! J. Cohnheim. Diesem folgte er 1878 nach Leipzig, wo er 1879 ao. Prof. wurde. Die Nachfolge auf das Ord. seines akad. Lehrers wurde ihm nach dessen Tod aufgrund seiner ju¨d. Herkunft verweigert. Ab 1885 Dir. des Pathol. Inst. der Senckenbergischen Stiftung in Frankfurt. W. publ. 97 Beitra¨ge mit grundlegenden Arbeiten zur Entzu¨ndungslehre u¨ber die Koagulationsnekrose und Infektionserkrankungen (Tuberkulose, Pocken). Gab der Bakteriol. und Neuropathol. durch Einfu¨hrung diverser Fa¨rbetechniken wesentl. Impulse. Werk: Gesammelte Abhandlungen, Berlin 1906. Pt.
Weikard, Melchior Adam (* 28. 4. 1742 Ro¨mershag/Rho¨n, † 25. 7. 1803 Fulda). Der durch einen Unfall ko¨rperl. behinderte Sohn eines fuld. Beamten stud. 1758–64 in Wu¨rzburg Med., wurde anschließend Amts- und Brunnenarzt in Bru¨ckenau, das W.s Schriften seinen Ruf als Badeort verdankt. 1770 als Prof. nach Fulda berufen, wirkte er dort nicht nur als Leibarzt des Fu¨rstbischofs, sondern mehr noch als aufgekla¨rter Mediziner, der in zahlreichen Traktaten als „vollkommener Zweifler“ engagiert-polemisch gegen Aberglaube und Wunderheiler ka¨mpfte (Der philosophische Arzt, 4 Stu¨cke, zuerst 1775–77). Ein (abgelehnter) Ruf nach Pavia zeigt ebenso W.s Renommee wie seine Ernennung zum Leibarzt von Zarin Katharina II. In St. Petersburg lebte W. recht zuru¨ckgezogen, publ. Dia¨tetisches und wandte sich gegen jede Art von „Schwa¨rmerey“. 1787 mit einer russ. Fu¨rstin nach Deutschland
Weizsa¨cker, Viktor von
zuru¨ckgekehrt, suchte W., in Mainz lebend, Begegnung (und Streit!) mit der Fachwelt. Der Revolutionskrieg verschlug ihn nach Heilbronn, wo er 1794–1801 praktizierte und mit einer Erla¨uterung oder Besta¨tigung der Brownischen Arzeneylehre (1795) hervortrat, dem ersten dt. „Lehrbuch“ des ! Brownianismus, das mehrfach u¨bers. wurde. Seine Absicht, bei Ru¨ckkehr in die Heimat (1803) die fuldischen „Medicinal-Anstalten“ gru¨ndlich zu reorganisieren, konnte er nicht mehr realisieren. Werk: Jesta¨dt, F.-U. (Hg.), Biographie und Denkwu¨rdigkeiten, Nachdr. d. Ausg. v. 1784 u. (im Ausz.) 1802, Fulda 1988. Du.
Weismann, August Friedrich Leopold (* 17. 1. 1834 Frankfurt a.M., † 5. 11. 1914 Freiburg i.B.). W. gilt als einer der Begr. der mod. Vererbungstheorie auf Grund seiner Keimplasmatheorie. Sohn eines Gymnasialprof., stud. W. Med. in Go¨ttingen unter ! Wo¨hler, ! Siebold, Lotze und ! Henle und prom. 1856. Er betrieb wiss. Forschungen in Entomol. und Histol. Er habil. sich 1863 fu¨r Zool. in Freiburg und war Befu¨rworter des Darwinismus. 1866 wurde er ao. Prof. und 1874 o. Prof. W. stu¨tzte seine Theorie der Kontinuita¨t des Keimplasmas auf die Basis neuer Erkenntnisse u¨ber den Zellkern und die Chromosomen. Als Resultat heftiger Auseinandersetzungen mit O. Hertwig entwickelte W. seine Theorie der Reduktionsteilung der Chromosomen. 1892 formulierte er die Keimplasmatheorie. Mit W. wurden die Zelle und ihre Vererbungssubstanz die Grundlage des Darwinismus: neuen Theorien der Keimselektion
und Panmixia, als Neo-Darwinismus bezeichnet. Seit 1905 war W. Ehrenmitglied der Gesellsch. fu¨r Rassenhyg. ¨ ber die Entstehung der SexualzelWerk: U len bei den Hydromedusen, Jena 1883; Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung, ibid. 1892; Vortra¨ge u¨ber Deszendenztheorie, ibid. 1902, 1904, 1913. Wdl.
Weizsa¨cker, Viktor von (* 21. 4. 1886 Stuttgart, † 8. 1. 1957 Heidelberg). Seit 1904 Med.stud. in Tu¨bingen, Freiburg, Berlin und Heidelberg, Prom. 1910, seit Herbst 1911 Ass. ! Krehls an der Med. Klinik in Heidelberg, Habil. fu¨r Innere Med. 1917, 1914–18 Truppen- und Lazarettarzt, 1920 Leiter der Nervenabt. der Med. Klinik in Heidelberg, 1923 Extraord. fu¨r Neurol., 1930–39 Aufbau einer psychound arbeitstherap. „NeurotikerAbt.“, 1941–45 Ord. fu¨r Neurol. in Breslau, Dir. der dortigen Nervenkli-
Viktor von Weizsa¨cker (1886–1957) 341
Welch, William Henry
nik, Leiter eines Hirnverletztenlazaretts und einer neuropathol. Forschungsabt., 1946 Ord. fu¨r „Allg. Klin. Med.“ in Heidelberg, 1949 Errichtung einer „Abt. fu¨r allg. Therapie“ des Lehrstuhls unter seinem Schu¨ler ! Mitscherlich, 1952 Emerit. W. entwickelte nach dem Ersten Weltkrieg das neue Konzept einer „anthropologischen Med.“, innerhalb derer Arzt und Patient wieder als Subjekte im Mittelpunkt des a¨rztl. Handelns, aber auch der med. Forschung stehen sollten. W. bezog die Psychoanalyse ! Freuds ein und versuchte, das Konzept durch neurophysiol. Exp. zum „Gestaltkreis“ zu untermauern. Ziel ¨ berwindung der Grenzen war die U zwischen Leib, Seele und sozialer Umwelt des Kranken. W.s Hauptaugenmerk lag auf dem Erkennen des Sinnes der Krankheit in der Lebensgeschiche des Patienten und dessen Wiedereingliederung in die Gemeinschaft, z.B. durch Arbeitstherapie. Die in der Forschung umstrittene Haltung des „konservativen Revolutiona¨rs“ W. zum Nationalsozialismus war ambivalent. W.s Kritik am Sozialversicherungssystem, seine Orientierung an Werten wie Gemeinschaft und Opfer, seine Forderung, neben der heilenden auch eine zersto¨rende Seite der Med. anzuerkennen, machten ihn fu¨r die Nationalsozialisten attraktiv. W. wurde nach dem Krieg wichtig fu¨r die Entwicklung der Psychosomatik in Deutschland, sein Konzept einer anthropol. Med. konnte sich nicht durchsetzen. Werk: Soziale Krankheit und soziale Gesundung, Berlin 1930; Vorlesungen u¨ber allgemeine Therapie, Dtsch. Med. Wschr. 59 (1933), 1168ff.; Der Gestaltkreis, Leipzig 1940; Euthanasie und Menschenversuche, 342
Psyche 1 (1947), 68–102; Pathosophie, Go¨ttingen 1956; Achilles, P. u.a. (Hg.), Gesammelte Schriften, 10 Bd., Frankfurt 1986ff. (im Erscheinen). Bro¨.
Welch, William Henry (* 8. 4. 1850 Norfork/Conn., † 30. 4. 1934 Baltimore, Maryl.). Stud. ab 1871 Med. Nach Prom. (1875) und Europareise (1876–78) wurde W. Prof. fu¨r Pathol. am Bellevue Hospital Medical College (N.Y.) und Pionier der naturwiss. Pathol. in Amerika. 1884 u¨bernahm er, nachdem er sich in Europa mit Bakteriol. vertraut gemacht hatte, an der Johns Hopkins Univ. (Baltimore) einen Lehrstuhl fu¨r Pathol. 1916 gru¨ndete er dort die School of Hyg. and Public Health, der er bis 1926 vorstand. Neben Beitra¨gen zu Pathol. und Bakteriol. war W. Fo¨rderer des o¨ffentl. Gesundheitswesens, „our greatest statesman in the field of public health“ Gr. (Hoover). Wells, Horace (* 21. 1. 1815 Hartford/ Vermont., † 24. 1. 1848 New York/N.Y.). Nach einer zweija¨hrigen zahna¨rztl. Ausbildung in Boston ero¨ffnete W. 1838 eine Praxis in Hartford, Conn. Seit 1840 auf der Suche nach Mo¨glichkeiten der Schmerzausschaltung bei der Zahnextraktion, wurde er bei einer Schaustellung auf Lachgas aufmerksam, dessen Wirkungen schon ! H. Davy beschrieben hatte. Am 11. Dez. 1844 ließ sich W. im Lachgasrausch von einem Kollegen einen Zahn extrahieren. Eine nach weiteren erfolgreichen Anwendungen im Januar 1845 an der Harvard Medical School in Boston vorgenommene Demonstration schlug fehl.
Wernicke, Carl
Wa¨hrend W., oft im Selbstversuch, an der Verbesserung seiner Meth. arbeitete, hatte sein fru¨herer Teilhaber ! T. W. G. Morton sich der Idee bema¨chtigt und unter Verwendung des ¨ thers auch von W. bereits benutzten A zur Anerkennung gebracht. In den folgenden Jahren kam es zu langwierigen Auseinandersetzungen zwischen W., Morton und anderen Anwa¨rtern auf die Priorita¨t bei der Inhalationsnarkose. Die ha¨ufigen Selbstversuche fu¨hrten bei W. zu einer psych. Alteration, in deren Folge er ein kriminelles Delikt veru¨bte. Unfa¨hig, sein Schuldgefu¨hl zu verarbeiten, setzte W. seinem Leben im Gefa¨ngnis von New York ein Ende. Werk: Essay on teeth, Hartford 1838; History of the discovery of the application of nitrous gas ... to surgical operations, ibid. 1847. Nk.
Wepfer, Johann Jakob (* 23. 12. 1620 Schaffhausen, † 28. 1. 1695 wahrscheinl. Basel). Als Sohn des Richters Georg Michael W. geb., stud. W. 1638–46 in Basel, Straßburg, Padua und Rom und wurde 1647 in Basel zum Dr. med. prom. Im selben Jahr zum Stadtarzt von Schaffhausen berufen, wurde er zudem 1650 Klosterarzt von Rheinau, 1675 Leibarzt der Herzo¨ge von Wu¨rttemberg und des Markgrafen von Baden-Durlach. Trotz seiner ausgedehnten Praxis war W. in reichem Maße als Anat. und Experimentalforscher ta¨tig. Er beschrieb vor ! Willis den Circulus arteriosus an der Hirnbasis sowie den S-fo¨rmigen intrakraniellen Verlauf der Carotis interna und kennzeichnete auf pathol.-anat. Basis als erster die Apoplexie als Folge einer zerebralen Zirkula-
tionssto¨rung durch Hirnblutung oder Gefa¨ßverstopfung. An Tierda¨rmen fand er vor seinem Schu¨ler ! Peyer die nach diesem benannten Plaques und lieferte vor seinem Schu¨ler ! Brunner eine Erstbeschreibung der menschl. Duodenaldru¨sen. Mit seinem Werk u¨ber den Wasserschierling (1679) wurde W. zum Begr. der systemat. tierexperimentellen Arzneiund Giftpru¨fung. 1685 nahm ihn die Leopoldina als Mitglied auf. Werk: u.a., Observationes anatomicae ex cadaveribus eorum, quos sustulit apoplexia, Schaffhausen 1658; Cicutae aquaticae historia et noxae, Basel 1679; Wepfer, B. u. G. (Hg.), Observationes medico-practicae de affectibus capitis internis et externis, Schaffhausen 1727. Ml.
Werlhof, Paul Gottlieb (* 24. 3. 1699 Helmstedt, † 26. 7. 1767 Hannover). Geb. als Sohn des Prof. fu¨r Politik Johann Wilhelm W. Stud. in Helmstedt (1716–21), Ta¨tigkeit als prakt. Arzt in Peine, 1723 Prom. zum Dr. med. (De medicina sectae methodicae veteris...). ¨ bersiedlung nach Hannover, 1725 U 1729 Hofmedikus, 1740 Leibarzt. W. verfaßte nach seiner Diss. u.a. ein weiteres med.hist. ausgerichtetes Werk (Disquisitio ... de variolis et anthracibus; 1735). Darin findet sich auch die Beschreibung des Morbus maculosus haemorrhagicus (spa¨ter: Morbus W.; idiopath. thrombozytopenische Purpura). Sein Hauptwerk (1732) galt den Wechselfiebern, wobei W. die Chinarinde als Heilmittel propaBz. gierte. Wernicke, Carl (* 15. 5. 1848 Tarnowitz, † 15. 6. 1905 Do¨rrberg). W. wurde 1874 schlagartig beru¨hmt, als er in dem Buch Der aphasische 343
Wernicke, Erich A.E.
Symptomenkomplex die spa¨ter nach ihm benannte sensor. Aphasie auf eine La¨sion der 1. linken Temporalwindung zuru¨ckfu¨hrte. Das bedeutete nicht bloß ein Komplement zu ! Brocas motor. Aphasie, vielmehr wurde eine „Psychophysik der Sprache“ (Kleist) auf anat. Grundlage geschaffen, wobei W. sich auf Th. Meynerts Einteilung in Projektions- und Assoziationssysteme berief. W. entwickelte die auf Pathol. und Anat. basierende Lokalisationslehre neuropsychiatr. Krankheiten weiter und war gegen Ende des 19. Jh. exponiertester Vertreter der Hirnpsychiatrie. Als Prof. in Breslau und ab 1904 in Halle u¨bte er, nicht zuletzt durch Schu¨ler wie H. Liepmann, ! K. Bonhoeffer und K. Kleist, einen enormen Einfluß aus, obwohl er sich der aufkommenden klin.-a¨tiol. Stro¨mung ! KraepeHg. lins verschloß. Wernicke, Erich A.E. (* 20. 4. 1859 Friedeberg/Neumark, † 26. 5. 1928 Berlin). Bakteriol., Hygieniker. Stud. KaiserWilhelm-Akad. Berlin. 1885 Diss. ¨ ber fo¨tale Hydrocephalie in geburtsU hilflicher Beziehung (Berlin). Arzt im Pommerschen Fu¨silier-Regiment Nr. 34, Bromberg, abkommandiert zum Hyg. Inst. Berlin; Schu¨ler bei ! R. Koch, ! E. Behring. 1894 Priv.doz. am Hyg. Lab. der Univ. Berlin. 1896 Ruf nach Marburg, 1897 ao. Prof. (Hyg., Bakteriol.), stellvertretender Leiter des Hyg. Inst. 1899 Dir., 1903 Doz. (Hyg., Bakteriol., neugegr. Akad. Posen), 1903–05 Prorektor, bis 1908 Rektor. 1921–25 Aufbau des Hyg. Inst. Landsberg. Werk: Pest, Cholera, Typhus, Diphtherie, Umsetzung des von Behring stammenden 344
Konzeptes der Antitoxinbildung im Tierko¨rper. B.-S.
Wertheim, Ernst (* 21. 2. 1864 Graz, † 15. 2. 1920 Wien). Med.stud. und Prom. (1888) in Graz. Erwarb seine klin. Ausbildung zuna¨chst in Graz bei Klemensiewicz und in Wien bei Kahler, ! Billroth und Chrobak sowie in Prag bei ! Schauta. Ging 1891 mit diesem als Ass. an die I. Wiener Univ.-Frauenklinik. Hier 1892 Habil. und 1899 Ernennung zum Prof. Nach Ta¨tigkeit als Primararzt wurde er 1910 zum Ord. und Dir. der II. Wiener Frauenklinik berufen. 1892 gab W. einen neuen Na¨hrboden fu¨r die lange Zeit problemat. Gonokokkenzu¨chtung in Reinkultur bekannt. Besondere Verdienste erwarb er sich bei der operativen Behandlung des Geba¨rmutterhalskarzinoms. Seinen Namen tra¨gt die vervollkommnete abdominale Meth. der Radikaloperation des karzinomato¨sen Uterus unter Mitentfernung der Adnexe, des zugeho¨rigen Bindegewebes und der regionalen Lymphknoten. Werk: Die erweiterte abdominale Operation bei Carcinoma colli uteri, Berlin u. Wien 1911. Schn.
Westphal, Carl (* 23. 3. 1833 Berlin, † 27. 1. 1890 Kreuzlingen). Psychiater und Neurol. in Berlin. Stud. in Berlin, Heidelberg, Zu¨rich. 1858 Ass. an der Irrenabteilung der Charite´ Berlin. 1861 Habil. fu¨r Psychiatrie. 1869 ao. Prof., 1874 o. Prof. in Berlin. Arbeitete u¨ber Ru¨ckenmarkserkrankungen, zur Epilepsie und allg. Paralyse der Irren. Beschrieb 1875 unabha¨ngig von ! Erb das „Kniepha¨nomen“ (Patellarsehnenreflex), das er
Wilbrand, Johann Bernhard
zuna¨chst nicht als Reflexgeschehen auffaßte. 1868 zusammen mit ! W. Griesinger Gru¨ndung des Archivs fu¨r Psychiatrie. Kritisierte seinen Lehrer Griesinger spa¨ter wegen mangelnder „Naturforschermentalita¨t“ und zu starker Kontemplation. W. strebte danach, auf anat. Gebiet eine Verbindung zwischen der „Irrenpathol.“ und der u¨brigen Pathol. des Nervensystems herzustellen. Bescha¨ftigte sich auch mit Zwangsvorstellungen, der „Contra¨ren Sexualempfindung“ (Homosexualita¨t) und lieferte 1872 eine exakte Erstbeschreibung der Agoraphobie (Platzangst). Schm. Whytt, Robert (* 6. 9. 1714 Edinburgh, † 15. 4. 1766 Edinburgh). Stud. in St. Andrews, Edinburgh (?), London, Paris und Leiden, Prom. in Reims (2. 4. 1736) sowie ‘in eundem’ in St. Andrews (31. 10. 1737). Ab 1747 bis zum Tode Prof. der Institutes of Med. in Edinburgh; die bedeutsamste seiner zahlreichen Schriften ist der Essay on the Vital and Other Involuntary Motions of Animals, Edinburgh 1751, der herausstellt, daß es keine Irritabilita¨t ohne Sensibilita¨t geben ko¨nne, welche letztere nicht ohne ein im Organismus vorhandenes ‘Sentient Principle’ vorstellbar, keine Eigenschaft der Materie selbst sei; der von ! Haller polemisch gegen ihn erhobene Vorwurf des ! Stahlianismus ist durch die kontinentale Rezeption N.-D. weitergetragen worden. Widal, Georges Fernand Isidore (* 9. 3. 1862 Dellys bei Algier, † 14. 1. 1929 Paris). Stud. Med. in Paris. Dort 1884 Interne des Hospitaux, 1889 Dr. med., 1889
Prof. agre´ge´, 1911 Prof fu¨r interne Pathol. und 1918 Prof. fu¨r med. Klinik. Seit 1919 Mitglied der Acade´mie des Sciences. Die Bedeutung W.s, der u.a. bei ! Metschnikow und ! P.P.E. Roux stud., liegt in der Einfu¨hrung wiss. Meth. in die klin. Med. Am bekanntesten war die Entwicklung der Serumdiagnose des Fleckfiebers (On the sero-diagnosis of typhoid fever, 1896), bei der er den Zusammenhang von Agglutination und Infektion beGr. schrieb. Wilbrand, Johann Bernhard (* 8. 3. 1779 Clarholz bei Herzebrock, † 6. 5. 1846 Gießen). Arzt, Physiol., Naturphil. Stud. der Theol. und Phil. in Mu¨nster 1800– 01, Stud. der Med. in Mu¨nster 1801– 03, in Wu¨rzburg 1804–06, Prom. Wu¨rz¨ ber das Verha¨ltnis der Luft burg 1806 (U zur Organisation), 1806 Ass. bei Georges de Cuvier (1769–1832) am Muse´e d’Histoire Naturelle in Paris. 1807–09 Doz. fu¨r Physiol. und Naturgesch. an der Univ. Mu¨nster, seit 1809 o. Prof. fu¨r vergl. Anat., Physiol. und Naturgesch. an der Univ. Gießen, Dir. des Botan. Gartens Gießen 1817–44. Wilbrand schrieb eine Fu¨lle damals vielbeachteter Werke, die ihn zu einem der bekanntesten Vertreter der naturphil. Med. in der Romantik werden ließen (u.a. Darstellung der ge¨ ber den samten Organisation, 1809; U Ursprung und die Bedeutung der Bewegung auf Erden, 1813; Physiologie des Menschen, 1815; Das Gesetz des polaren Verhaltens in der Natur, 1819; Erla¨uterungen der Lehre vom Kreislauf, 1826; Die Natur des Ath¨ bersicht des mungsprocesses, 1828; U 345
Wilde, Eduardo
Thierreiches nach natu¨rlichen Abstufungen und Familien, 1828; Allgemeine Physiologie, 1833; Handbuch der Botanik, 1837; Handbuch der vergleichenden Anatomie, 1838). Zusammen mit dem Gyna¨kol. ! Ferdinand A. M. von Ritgen (1787–1867), seinem Schwager, gab er eine naturhist. Gesamtschau heraus (Gema¨lde der organischen Natur in ihrer Verbreitung auf der Erde, 1821), die ihn in perso¨nl. Gedankenaustausch mit Johann Wolfgang Goethe brachte. (Dem Werk war eine große lithograph. Darstellung der Natur beigegeben, die Ritgen nach einem Entwurf Wilbrands gezeichnet hatte. Goethe heftete sie sich an die Wand seines Arbeitszimmers.) W., von der Phil. Friedrich Wilhelm Schellings (1775–1854) stark beeinflußt, fand unter den Anha¨ngern der Romantik und der Naturphil. große Resonanz, bekam aber auch heftige Kritik von den naturwiss. orientierten ¨ rzten und Naturforschern. ZahlreiA che Ehrungen, Rufe auf Lehrstu¨hle fu¨r Anat. in Erlangen und Freiburg (abgelehnt), Benennung einer Pflanze aus der Gattung der Kordien (Kordiazeen) nach ihm. ! G. Bu¨chner, der 1834 bei Wilbrand in Gießen stud., setzte ihm in der Doktorfigur des „Woyzeck“ ein literar. Denkmal. Mk. Wilde, Eduardo (* 15. 6. 1844 Tupiza/ Bolivien, † 5. 9. 1913 Bru¨ssel). Der argent. Politiker und Schriftsteller wurde als Sohn einer aristokrat. brit. Familie geb. W. stud. Med. in Buenos Aires und prom. 1870 mit seiner Diss. Der Schluckauf (El hipo). 1874 wurde W. Parlamentsabgeordneter, spa¨ter Justizminister und Innenminister von Argentinien. Seit 1900 war W. ar346
gent. Botschafter in den Vereinigten Staaten, in Spanien und Belgien. W. wirkte außerdem als Schriftsteller: 1878 erschien sein Buch Verlorene Zeit (Tiempo perdido), 1881 seine beru¨hmte Erza¨hlung Tini, die Geschichte von der Geburt, der Kindheit und dem plo¨tzlichen Tod eines Kindes, das wa¨hrend einer Epidemie in Buenos Aires an diphther. Krupp stirbt. Werk: Prometheus und Co., 1899; Zu Lande und zur See (span.: Por mares y tierras), 1900. Ac.
Willis, Thomas (* 27. 1. 1621 Great Bedwyn/England, † 11. 11. 1675 London). Seit 1636 Stud. in Oxford, Teilnahme am Bu¨rgerkrieg im Heer der Royalisten, 1646 a¨rztl. Praxis in Oxford, seit 1648 chem. Exp. und anat. Demonstrationen in einem priv. Zirkel mit R. Boyle, C. Wren, R. Hooke, ! R. Lower u.a., nach der polit. Restauration 1660 Prof. fu¨r Naturphil. in Oxford, 1667 Ero¨ffnung einer lukrativen Praxis in London. Als Vertreter der Iatrochemie fu¨hrte W. die Ko¨rperfunktionen, z.B. die Wa¨rmeproduktion, auf Fermentationsprozesse zuru¨ck. Das Fieber bezeichnete W. als u¨berschießende Fermentation durch Fremdstoffe. W.s Buch Cerebri anatome (1664) wurde grundlegend fu¨r die Neuroanat. W. lokalisierte den Ursprung der Willku¨rhandlungen in der Hirnrinde, den der unwillku¨rl. Handlungen im Kleinhirn und im vegetativen Nervensystem. Er fu¨hrte eine lange gu¨ltige Klassifikation der Hirnnerven ein und erkannte nach Injektionsversuchen die Funktion des Circulus arteriosus der
Winter, Johann aus Andernach
Hirnbasis als System zur sicheren Blutversorgung des Gehirns. In seinen Schriften zur Neuro- und Psychopathol. entwickelte W. eine „Explosionstheorie“ der Krampfkrankheiten auf der Basis seiner Fermentationslehre. W. beschrieb als erster die Symptome der Myasthenia gravis, der Achalasie, der Akathisie und der Paracusis. Er wies auf den su¨ßen Geschmack des Urins bei Diabetes mellitus hin und erwa¨hnte die diabet. Neuropathie. Werk: Diatribae duae medico-philosophicae, London 1659; Cerebri anatome, ibid. 1664; Pathologiae cerebri, et nervosi generis specimen, Oxford 1667; Affectionum quae dicuntur Hystericae et Hypochondriacae, London 1670; De anima brutorum, Oxford 1672; Pharmaceutice rationalis, ibid. 1674–5. Bro¨.
Windaus, Adolf (* 25. 12. 1876 Berlin, † 9. 6. 1959 Go¨ttingen). Sohn eines Textilfabrikanten, stud. W. seit 1895 in Berlin zuna¨chst Med., nach dem Physikum 1897 Chemie in Freiburg. 1899 wurde er in Freiburg bei H. Kiliani mit einer Arbeit u¨ber Digitalisglykoside prom. 1903 habil. er sich auf dem Gebiet der Cholesterinforschung, 1906 wurde er in Freiburg ao. Professor. 1913 erhielt W. einen Lehrstuhl fu¨r Angewandte Med. Chemie in Innsbruck und 1915 den Lehrstuhl fu¨r Chemie in Go¨ttingen, wo er bis zu seiner Emerit. 1944 blieb. 1919 bewies W. die Verwandtschaft zwischen Cholesterin und Gallensa¨uren. Fu¨r die Erforschung des Aufbaus der Sterine und ihres Zusammenhangs mit den antirachit. D-Vitaminen erhielt W. 1928 den Nobelpreis Ba. fu¨r Chemie.
Winslow, Jacques-Be´nigne [Winsløw, Jacob] (* 17. 4. 1669 Odense/Da¨nemark, † 3. 4. 1760 Paris). Anatom. W. stud. in Kopenhagen zuerst protestant. Theol. und wechselte dannzurMed..Amanat.Theaterwurde er Prosektor und war wie sein Großonkel ! Niels Stensen als „anatomicus regius“ vorgesehen. Ein kgl. Stipendium erlaubte ihm 1697, sich in den Niederlanden weiterzubilden. Von 1698 an arbeitete W. in Paris im Jardin du Roi mit dem Anat. J. G. Duverney zusammen, den er seit 1721 vertrat und dessenNachfolgeralsProf.er1743 wurde. 1699 war W. unter dem Einfluß von J.-B. Bossuet zum Katholizismus u¨bergetreten; zu dessen Ehren nahm er den Vornamen „Be´nigne“ an. Seit 1728 „Docteur-re´gent“ der Pariser Med. Fak., ero¨ffnete er 1745 das neue anat. Theater (13, rue de la Buˆcherie). Als Mitglied der Acade´mie Royale des Sciences (seit 1708) vero¨ffentlichte W. zahlreiche Abh. (u.a. betreffend Muskelfunktion, Mißbildungen und das nach ihm benannte Foramen epiploicum [1715]). Allg. Beachtung fand seine Warnung vor dem Gebrauch des Korsetts und vor dem Begra¨bnis der Scheintoten.Sein HauptwerkExposition anatomique de la structure du corps humain (4 Bd., Paris 1732) gilt als eines der wichtigsten Hb. der systemat. und topograph. Anat. des 18. Jh. Werk: Maar, V. (Hg.), Autobiogr., Paris u. Copenhague 1912. Bo.
Winter, Johann aus Andernach [Johann Gu¨nther aus Andernach; Joannes Guinterius Andernacus] (* 1505 Andernach, † 4. 10. 1574 Straßburg). W. widmete sich in Utrecht den humanist. Studien und erlernte die 347
Wirsung, Johann Georg
griech. Sprache. 1527 ging W. nach Paris und stud. dort Med. (Prom. 1532). In Paris verschaffte sich W. als Prof. der Med. durch anat. Studien und Sektionen einen guten Ruf. Er u¨bers. Werke des ! Galenos, ! Paulos von Aigina, ! Alexander von Tralleis und ! Oreibasios. 1538 mußte er wegen seines protestant. Glaubens von Paris in die Freie Reichsstadt Metz gehen. Von 1544 bis zu seinem Tode war er in Straßburg ta¨tig. Hier entstand sein Hauptwerk De medicina veteri et nova (Basel 1571), eine in Dialogform gehaltene Auseinandersetzung zwischen der „galenischen“ und der ! „paracelsischen“ Med. Zwar bleibt W. als Humanist der antiken Med. verbunden, inseriert in seinen Text jedoch paracels. Rezepte. Seine Autorita¨t als Med. trug dazu bei, den Paracelsismus in Deutschland und Frankreich zu verM.-J. breiten. Wirsung, Johann Georg (* 3. 7. 1589 Augsburg, † 22. 8. 1643 Padua, ermordet). Arzt, Anatom. Sohn eines Augsburger Arztes. Stud. der Phil. und Med. in Paris, Altdorf und Padua, Prom. in Phil. und Med. in Padua 1630. 1630–43 Prosektor und Prof. an der Anat. der Univ. Padua unter ! J. Vesling. Machte 1642 bei mehreren Sektionen des menschl. Ko¨rpers die Entdeckung des nach ihm benannten ‘Ductus pancreaticus (major) Wirsungi (ductus Wirsungianus)’, nachdem der Med.student Moritz Hofmann (1622–98), spa¨ter von 1648–98 Prof. fu¨r Anat. in Altdorf, in Padua 1641 den gleichen Gang bereits beim Truthahn gefunden hatte. W. fertigte selbst eine anat. Zeichnung und Beschreibung des 348
Ausfu¨hrungsganges der menschl. Bauchspeicheldru¨se auf einer Kupferplatte an (Figura ductus cuiusdam cum multiplicibus suis ramulis noviter in Pancreate). Davon verschickte er mehrere Abzu¨ge an die bedeutendsten Anat. seiner Zeit. (Ein Kupferstich befindet sich im Palazzo del Bo` der Univ. Padua.) Sonst sind keine weiteren Werke von W. bekannt geworden. Mk.
Withering, William (* 28. 3. 1741 Wellington/GB, † 6. 10. 1799 Larches bei Birmingham/GB). Arzt und Gelehrter. W. stud. 1762–67 Med. in Edinburgh. Er praktizierte zuna¨chst im la¨ndl. Stafford und ab 1775 erfolgreich und prominent in Birmingham. Als Gelehrter wurde er Mitglied vieler Gesellsch., u. a. der Royal Society (1784). W., der große botan. Kenntnisse hatte, vero¨ffentlichte 1785 den Account of the Foxglove, and Some of Its Medical Uses, in dem er die Wirkung des aus Bla¨ttern des Fingerhutes (digitalis purpurea) gewonnenen Digitalis und dessen Anwendung bei Herzkrankheiten beGr. schrieb. Wo¨hler, Friedrich (* 31. 7. 1800 Eschersheim/Frankfurt a.M., † 23. 9. 1882 Go¨ttingen). Nach Privatunterricht besuchte W. zuna¨chst von 1814 bis 1820 das Gymnasium. Nach Stud. in Marburg und Heidelberg erwarb er dort den Dr. Med. im Spezialfach Gyna¨kol. Nach einem Aufenthalt bei ! Berzelius in Schweden ging W. 1825 an die neugegr. Sta¨dt. Gewerbeschule in Berlin; dort wurde er 1828 zum Prof. ernannt. 1831 wechselte W. an die Gewerbeschule nach Kassel, bis er 1836 zum
Wolff, Caspar Friedrich
Prof. der Chemie an die Univ. Go¨ttingen berufen wurde, die er zu einem Zentrum der chem. Lehre und Forschung machte. Hier wirkte W. unter anderem auch als Apothekenrevisor. W.s Leistungen liegen vornehmlich auf dem Gebiet der organ. Chemie. So gelang ihm 1828 die sog. „W.sche Harnstoffsynthese“ als Darstellung einer organ. Verbindung aus der anorgan. Verbindung Ammoniumcyanat. Diese Synthese bewies, daß organ. Substanzen auch außerhalb der Natur im Labor synthet. gewonnen werden konnten. Mit der Harnstoff¨ berwindung synthese beginnt die U M.-J. des Vitalismus. Wolf, Friedrich (* 23. 12. 1888 Neuwied, † 5. 10. 1953 Lehnitz). Naturheilkundl. Arzt, Schriftsteller, Dramatiker, Politiker. Nach wechselhafter Ta¨tigkeit ab 1928 Praxis in Stuttgart. Popula¨r durch sein Hausbuch Die Natur als Arzt und Helfer (ebd. 1928), sein Abtreibungs-Drama Cyankali (1929) und seine gesundheits- und kulturpolit. Aktivita¨t. 1928 KPD-Mitglied. 1931 kurzzeitige Verhaftung wegen Beihilfe zur illegalen Abtreibung. Ab 1933 Exil, vor allem in der UdSSR. 1949–51 BotschafWo. ter der DDR in Polen. Wolff, Caspar Friedrich (* 18. 1. 1734 Berlin, † 22. 2. 1794 St. Petersburg/Rußland). W. geho¨rt zu den wenigen Wiss., deren Ruhm sich fast ausschließlich auf die Diss. gru¨ndet. Dieser Ruhm wurde ihm jedoch nicht mehr zu Lebzeiten zuteil, so daß sein Name erst ab 1850 Eingang in die Lexika gefunden hat. W.s Schrift Theoria generationis
ist der Beginn einer epigenet. Theorie der Entwicklung, auf die sich der neuzeitl. Art- und Evolutionsbegriff sowie die Embryol. erst aufbauen konnten. W. wurde als Sohn eines Schneiders geb. 1753 trat er in das Collegium medico-chirurgicum ein, um eine milita¨rchir. Ausbildung zu erwerben. 1755 wechselte W. zum Med.stud. an die Univ. Halle. Einer seiner Anat.¨ ., dessen Lehrer war J. F. Meckel d.A Sohn, ! J. Fr. Meckel, sich um die Durchsetzung der W.schen Arbeiten und seiner epigenet. Theorie verdient gemacht hat. Cothenius, Leibarzt Friedrichs des Großen, vermittelte W. nach der Prom. 1759 an ein Breslauer Lazarett, das W. 1762 verließ. Trotz des Widerstandes der Prof. des Collegium medico-chirurgicum u¨bernahm er dort Vorl. in der Physiol. Die Berliner Prof. verhinderten jedoch seine weitere Karriere, so daß W. den
Caspar Friedrich Wolff (1734–1794) 349
Wunderlich, Carl Reinhold August
Ruf durch Katharina II., der auf Initiative des Mathematikers Euler erfolgt war, an die Petersburger Akad. der Wiss. annahm. Dort leitete W. bis zu seinem Tod die anat. Abt. und das anat. Kabinett der Akad. der Wiss. Er vero¨ffentlichte in dieser Zeit 31 Schriften u¨ber botan. und anat. Probleme. Wiss. war 1759 die Pra¨formationstheorie anerkannte Lehrmeinung. W. behauptete nun, daß der Organismus von ungeformter Materie ausgehend die einzelnen Organteile ausbilde und die Entwicklung des Embryos durch den Na¨hrvorgang bestimmt werde, der aufgrund einer „vis essentialis animalium“ die Bildung der Organe leite. W. sah eine enge Analogie zwischen pflanzl. und tier. Entwicklung, was ihn zu dem Begriff der „Keimbla¨tter“ fu¨hrte, deren Existenz von Pander (1817) nachgewiesen wurde. Seine Entdeckung der Urniere (W.scher Ko¨rper und W.scher Gang) besta¨tigte seine Theorie. W.s epigenet. Theorie der Ontogenese war ein Affront gegen die offizielle biol. Lehre und rief Konflikte mit der theol. Deutung des Scho¨pfungsbegriffs hervor. Kontrahent W.s war ! Haller, der zwar die Arbeit anerkannte, aber einer Verbreitung der Theorie entgegenwirkte, indem er die Richtigkeit der Pra¨formationstheorie hervorhob (Elementa physiologiae, 1766). Durch ! Blumenbachs Autorita¨t wurde um 1790 die Epigenese als Lehre anerkannt, ohne daß er auf W.s Untersuchungen Bezug nahm. Die Anerkennung erfolgte ab ¨ bersetzungen 1812 durch Meckels U von W.s Werken. Werk: Theoria generationis (Ostwalds Klassiker 84–85), Leipzig 1896. Lo. 350
Wunderlich, Carl Reinhold August (* 2. 8. 1815 Sulz am Neckar, † 25. 9. 1877 Leipzig). Besuch des Gymnasiums in Stuttgart, dann Med.stud. in Tu¨bingen (1837 Examen). Nach kurzem Aufenthalt in Zu¨rich (klin. Demonstrationen ! J. L. Scho¨nleins) und 6 Monaten in Pariser Kliniken Ass. am Stuttgarter Katharinen-Hospital. Prom. zum Dr. med. (Die Nosologie des Thyphus, Stuttgart 1838), venia legendi 1840. Zweite Paris-Reise und Aufenthalt in Wien („junge Wiener Schule“). 1842 mit ! Roser Gru¨ndung des Archivs fu¨r physiologische Heilkunde (Hg. seit 1847 ! Griesinger), womit sie „so ziemlich sa¨mmtlichen Vertretern der damaligen dt. Medicin den Fehdehandschuh hinwarfen“ (Heubner). 1843 ao. Prof., 1846 o. Prof. und Dir. der Tu¨binger med. Klinik. 1850 Ruf an die Leipziger med. Klinik in der Nachfolge Johann v. Oppolzers. In der Antrittsvorlesung Ein Plan zur festeren Begru¨ndung der therapeutischen Erfahrungen Forderung nach exakten Meth. in der Med., bes. bezu¨glich der Bewertung. therap. Effekte. Am Leipziger Jakobshospital genaue Befunddokumentation, ab 1859 Anlegen von Fieberkurven. Daran zeigte W. charakterist. Verla¨ufe der „Eigenwa¨rme“ bei bestimmten Krankheiten. Engagement fu¨r hyg.-epidemiol. Fragen (1866 Cholera-Regulativ) und mit ! Carl Thiersch fu¨r den Neubau des Jakobshospitals als mod. Barakkenhospital (1871 ero¨ffnet). Medizinalbeisitzer der kgl. Kreisdirektion, Gutachter der Leipziger Lebensversicherung. 1870/71 Leitung des Leipziger Kriegsmedizinalwesens. 1871 Rektor. Hohe Wertscha¨tzung als ausgezeichneter Kliniker und Hochschul-
Wundt, Wilhelm Maximilian
lehrer. Von bleibender ideengeschichtl. Bedeutung sein Konzept einer „physiol. Heilkunde“ und von prakt. Wert die Einfu¨hrung der kontinuierl. Messung der Ko¨rpertemperatur. Werk: Wien und Paris, Ein Beitrag zur Geschichte und Beurteilung der gegenwa¨rti¨ ber die gen Heilkunde, Stuttgart 1841; U Ma¨ngel der heutigen Medicin und u¨ber die Nothwendigkeit einer entschiedenen wissenschaftlichen Richtung in derselben, Arch. f. physiol. Heilkd. 1 (1842), 1–30; Handbuch der Pathologie und Therapie, 3 Bd., Stuttgart 1849–52 (21852–56, 4 Bd.); Geschichte der Medizin, Stuttgart 1851; Das Verhalten der Eigenwa¨rme in Kst. Krankheiten, Leipzig 1868 (21870).
Wundt, Wilhelm Maximilian (* 16. 8. 1832 Neckarau, † 31. 8. 1920 Großbothen bei Leipzig). Der Physiol., Begr. der Experimentalpsychol. und Phil., stud. Naturwiss., Phil. und Med. in Tu¨bingen und Heidelberg; 1855 Prom. zum Dr. med.; 1857 Habil.; seit 1858 Ass. am physiol. Inst. unter ! Helmholtz; 1864 ao. Prof.; 1871 etatma¨ßiger ao. Prof. in Heidelberg; WS 1874/75 o. Prof. der Phil. in Zu¨rich; 1875–1917 o. Prof. der Phil. in Leipzig; dort 1876 Gru¨ndung des Inst. fu¨r Experimentelle Psychologie. Als Physiol. verdankt Wundt wesentl. Impulse Helmholtz, bei dem er 1858 eine Ass.stelle erhielt. Zwischen beiden entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit, wobei dem Ass. trotz des beanspruchenden Lehrbetriebes anfangs noch genu¨gend Zeit verblieb, eigenen sinnesphysiol. und fru¨hen psychol. Forschungsambitionen nachzugehen. Mitte der 1860er Jahre begannen die physikal.-physiol. Lehrverpflichtungen in Heidelberg
hinderlich zu werden. W. ku¨ndigt 1864 seine Ass.stelle. Ob es Zerwu¨rfnisse zwischen W. und Helmholtz gegeben hat, la¨ßt sich wohl nicht mehr kla¨ren. W.s parlamentarische Aktivita¨ten in der Zweiten Bad. Kammer (1866–70) und sein Engagement im Heidelberger Arbeiterbildungsverein haben sicherlich sein physiol. Engagement geda¨mpft. Hinzu kommt, daß W. zu diesem Zeitpunkt bereits dabei war, sich von der engeren Scientific community der physikal. Physiol. zu entfernen, um sich der physiol.-experimentellen Psychol. zuzuwenden. Fu¨r den Psychol. W. ist der Verzicht auf phil. Spekulation und methaphys. Seelenlehre bei gleichzeitiger Hinwendung zu exakten, naturwiss.-experimentellen Meth. charakteristisch. Als Ojekte einer solchen psychol. Untersuchung eignen sich nur die in der „inneren Wahrnehmung“ des Bewußtseins angebotenen „Inhalte“ (Empfindungen, Vorstellungen, Willensakte). Seel. Fundamentalvorga¨nge sind Willenspha¨nomene, Triebe deren gefu¨hlsbeeinflußte Folgen. Da die experimentelle Psychol. nur individuelle Vorga¨nge erfassen ko¨nne, mu¨sse sie durch die deskriptive Vo¨lkerpsychol. erga¨nzt werden. Diese konzentriere sich als Forschung im weitesten Sinne auf die „Untersuchung derjenigen psych. Vorga¨nge, die der allg. Entwicklung menschl. Gemeinschaften und der Entstehung gemeinsamer Erzeugnisse von allg.-gu¨ltigem Werte zugrunde liegen“ (Sprache, Religion, Mythos, Sitte und Kunst). W. hat den Leipziger Hist. K. Lamprecht (1856–1915), dessen kulturwiss. Kreis er angeho¨rte, stark beeinflußt. Wa¨hrend sich Lamprecht in An351
Wu¨rtz, Felix
lehnung an die Psychol. um die Ermittlung sozialpsychol. Kausalita¨ten bemu¨hte, war fu¨r W. die Psychol. Leitwiss. der Geisteswiss. schlechthin. Werk: Lehre von den Muskelbewegungen, Braunschweig 1858; Beitra¨ge zur Theorie der Sinneswahrnehmungen, Leipzig u. Heidelberg 1862; Vorlesungen u¨ber die Menschen- und Thierseele, 2 Bd., Leipzig 1863; Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Erlangen 1865; Handbuch der medicinischen Physik, Erlangen 1867; Untersuchung zur Mechanik der Nerven und Nervencentren, 2 Bd. Erlangen 1871–6; Grundzu¨ge der physiologischen Psychologie, Leipzig 1873–4; Logik, 2 Bd., Stuttgart 1880–3; Ethik, Stuttgart 1886; System der Philosophie, Leipzig 1889; Grundriß der Psychologie, Leipzig 1896; Vo¨lkerpsychologie, Leipzig 1900; Elemente der Vo¨lkerpsychologie, Leipzig 1912; Erlebtes und Erkanntes [Autobiogr.], Stuttgart 1920. Eck.
Wu¨rtz, Felix [Wuertz, Wirtz] (* ca. 1500–1510 Zu¨rich, † ca. 1590–1596 Basel). Der Zu¨rcher geho¨rte zu den herausragenden dt.sprachigen Wunda¨rzten des 16. Jh. Seine Gesellenreise hatte den Bader u¨ber Bamberg, Pforzheim und Nu¨rnberg bis nach Padua und Rom gefu¨hrt. Zuru¨ck in Zu¨rich, praktizierte er dort die Wundarznei, seit 1536 als Mitglied der „Scheererzunft zum Schwarzen Garten“, als sta¨dt. „Gschauer“ (1546–51) und Beaufsichtiger der sta¨dt. Ba¨der. Seit 1559 lebte der Freund ! K. Gessners bei seinem Sohn Felix in Straßburg, wo er nach Reisen durch den dt. Su¨dwesten vor 1596 starb. W. betonte die chir. Eigenerfahrung und kritisierte blinde Autorita¨tsgla¨ubigkeit. Seine Wundbehandlung war einfach und schonend. Anders als ! Pare´ glaubt er an die Giftigkeit der Schußwunden. 352
Werk: Practica der Wundartzney, was fu¨r scha¨dliche Miszbra¨uch bey der Wundartzney in gemeinem Schwanck, und warumb die abzuschaffen seind, Basel 1563. Eck.
Xenophon, Gaius Stertinius (1. Jh. n.Chr.). Von Kos aus dem Geschlecht der Asklepiaden. Wie sein Bruder Q. Stertinius war Xenophon Leibarzt des Kaisers Claudius (41–54 n.Chr.) fu¨r das enorme Jahresgehalt von 500000 Sesterzen. Er nahm am britann. Feldzug 43 n.Chr. im Stab des Kaisers teil und wurde hoch dekoriert; spa¨ter fungierte er auch als kaiserl. Kanzleichef (ad legationes et responsa Graeca) und einflußreicher Patron seiner Heimatstadt, der er Steuerfreiheit verschaffte. Xenophon war angeblich (Tacitus, Ann. 12, 67) bei der Ermordung des Claudius aktiv beteiligt. Er hinterließ zusammen mit seinem Bruder neben zahlreichen Stiftungen 30 Mill. Sesterzen (das 30fache eines senator. MinHh. destvermo¨gens). Yang Jizhou, Großja¨hrigkeitsname: Jishi (* 1522 Sanqu, Provinz Zhejiang, † 1620). ¨ rztefamilie stammend, Aus einer A Ausbildung in der Kaiserl. Med.akad. und von 1573 bis zu seinem Tod selbst Mitglied dieser Akad. Sein forschendes Hauptinteresse galt der AkuMoxi-Therapie. Als Ergebnis jahrzehntelanger akrib. Arbeit vollendete er 1610 die Große Summe der AkuMoxi-Therapie (Zhenjiu Dacheng), ein Werk, das bis in die Gegenwart als schlechthin klass. Gesamtdarstellung dieser Disziplin gelten darf. Solches gilt nicht nur fu¨r die theoret. Hin-
Wu¨rtz, Felix
lehnung an die Psychol. um die Ermittlung sozialpsychol. Kausalita¨ten bemu¨hte, war fu¨r W. die Psychol. Leitwiss. der Geisteswiss. schlechthin. Werk: Lehre von den Muskelbewegungen, Braunschweig 1858; Beitra¨ge zur Theorie der Sinneswahrnehmungen, Leipzig u. Heidelberg 1862; Vorlesungen u¨ber die Menschen- und Thierseele, 2 Bd., Leipzig 1863; Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Erlangen 1865; Handbuch der medicinischen Physik, Erlangen 1867; Untersuchung zur Mechanik der Nerven und Nervencentren, 2 Bd. Erlangen 1871–6; Grundzu¨ge der physiologischen Psychologie, Leipzig 1873–4; Logik, 2 Bd., Stuttgart 1880–3; Ethik, Stuttgart 1886; System der Philosophie, Leipzig 1889; Grundriß der Psychologie, Leipzig 1896; Vo¨lkerpsychologie, Leipzig 1900; Elemente der Vo¨lkerpsychologie, Leipzig 1912; Erlebtes und Erkanntes [Autobiogr.], Stuttgart 1920. Eck.
Wu¨rtz, Felix [Wuertz, Wirtz] (* ca. 1500–1510 Zu¨rich, † ca. 1590–1596 Basel). Der Zu¨rcher geho¨rte zu den herausragenden dt.sprachigen Wunda¨rzten des 16. Jh. Seine Gesellenreise hatte den Bader u¨ber Bamberg, Pforzheim und Nu¨rnberg bis nach Padua und Rom gefu¨hrt. Zuru¨ck in Zu¨rich, praktizierte er dort die Wundarznei, seit 1536 als Mitglied der „Scheererzunft zum Schwarzen Garten“, als sta¨dt. „Gschauer“ (1546–51) und Beaufsichtiger der sta¨dt. Ba¨der. Seit 1559 lebte der Freund ! K. Gessners bei seinem Sohn Felix in Straßburg, wo er nach Reisen durch den dt. Su¨dwesten vor 1596 starb. W. betonte die chir. Eigenerfahrung und kritisierte blinde Autorita¨tsgla¨ubigkeit. Seine Wundbehandlung war einfach und schonend. Anders als ! Pare´ glaubt er an die Giftigkeit der Schußwunden. 352
Werk: Practica der Wundartzney, was fu¨r scha¨dliche Miszbra¨uch bey der Wundartzney in gemeinem Schwanck, und warumb die abzuschaffen seind, Basel 1563. Eck.
Xenophon, Gaius Stertinius (1. Jh. n.Chr.). Von Kos aus dem Geschlecht der Asklepiaden. Wie sein Bruder Q. Stertinius war Xenophon Leibarzt des Kaisers Claudius (41–54 n.Chr.) fu¨r das enorme Jahresgehalt von 500000 Sesterzen. Er nahm am britann. Feldzug 43 n.Chr. im Stab des Kaisers teil und wurde hoch dekoriert; spa¨ter fungierte er auch als kaiserl. Kanzleichef (ad legationes et responsa Graeca) und einflußreicher Patron seiner Heimatstadt, der er Steuerfreiheit verschaffte. Xenophon war angeblich (Tacitus, Ann. 12, 67) bei der Ermordung des Claudius aktiv beteiligt. Er hinterließ zusammen mit seinem Bruder neben zahlreichen Stiftungen 30 Mill. Sesterzen (das 30fache eines senator. MinHh. destvermo¨gens). Yang Jizhou, Großja¨hrigkeitsname: Jishi (* 1522 Sanqu, Provinz Zhejiang, † 1620). ¨ rztefamilie stammend, Aus einer A Ausbildung in der Kaiserl. Med.akad. und von 1573 bis zu seinem Tod selbst Mitglied dieser Akad. Sein forschendes Hauptinteresse galt der AkuMoxi-Therapie. Als Ergebnis jahrzehntelanger akrib. Arbeit vollendete er 1610 die Große Summe der AkuMoxi-Therapie (Zhenjiu Dacheng), ein Werk, das bis in die Gegenwart als schlechthin klass. Gesamtdarstellung dieser Disziplin gelten darf. Solches gilt nicht nur fu¨r die theoret. Hin-
Wu¨rtz, Felix
lehnung an die Psychol. um die Ermittlung sozialpsychol. Kausalita¨ten bemu¨hte, war fu¨r W. die Psychol. Leitwiss. der Geisteswiss. schlechthin. Werk: Lehre von den Muskelbewegungen, Braunschweig 1858; Beitra¨ge zur Theorie der Sinneswahrnehmungen, Leipzig u. Heidelberg 1862; Vorlesungen u¨ber die Menschen- und Thierseele, 2 Bd., Leipzig 1863; Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Erlangen 1865; Handbuch der medicinischen Physik, Erlangen 1867; Untersuchung zur Mechanik der Nerven und Nervencentren, 2 Bd. Erlangen 1871–6; Grundzu¨ge der physiologischen Psychologie, Leipzig 1873–4; Logik, 2 Bd., Stuttgart 1880–3; Ethik, Stuttgart 1886; System der Philosophie, Leipzig 1889; Grundriß der Psychologie, Leipzig 1896; Vo¨lkerpsychologie, Leipzig 1900; Elemente der Vo¨lkerpsychologie, Leipzig 1912; Erlebtes und Erkanntes [Autobiogr.], Stuttgart 1920. Eck.
Wu¨rtz, Felix [Wuertz, Wirtz] (* ca. 1500–1510 Zu¨rich, † ca. 1590–1596 Basel). Der Zu¨rcher geho¨rte zu den herausragenden dt.sprachigen Wunda¨rzten des 16. Jh. Seine Gesellenreise hatte den Bader u¨ber Bamberg, Pforzheim und Nu¨rnberg bis nach Padua und Rom gefu¨hrt. Zuru¨ck in Zu¨rich, praktizierte er dort die Wundarznei, seit 1536 als Mitglied der „Scheererzunft zum Schwarzen Garten“, als sta¨dt. „Gschauer“ (1546–51) und Beaufsichtiger der sta¨dt. Ba¨der. Seit 1559 lebte der Freund ! K. Gessners bei seinem Sohn Felix in Straßburg, wo er nach Reisen durch den dt. Su¨dwesten vor 1596 starb. W. betonte die chir. Eigenerfahrung und kritisierte blinde Autorita¨tsgla¨ubigkeit. Seine Wundbehandlung war einfach und schonend. Anders als ! Pare´ glaubt er an die Giftigkeit der Schußwunden. 352
Werk: Practica der Wundartzney, was fu¨r scha¨dliche Miszbra¨uch bey der Wundartzney in gemeinem Schwanck, und warumb die abzuschaffen seind, Basel 1563. Eck.
Xenophon, Gaius Stertinius (1. Jh. n.Chr.). Von Kos aus dem Geschlecht der Asklepiaden. Wie sein Bruder Q. Stertinius war Xenophon Leibarzt des Kaisers Claudius (41–54 n.Chr.) fu¨r das enorme Jahresgehalt von 500000 Sesterzen. Er nahm am britann. Feldzug 43 n.Chr. im Stab des Kaisers teil und wurde hoch dekoriert; spa¨ter fungierte er auch als kaiserl. Kanzleichef (ad legationes et responsa Graeca) und einflußreicher Patron seiner Heimatstadt, der er Steuerfreiheit verschaffte. Xenophon war angeblich (Tacitus, Ann. 12, 67) bei der Ermordung des Claudius aktiv beteiligt. Er hinterließ zusammen mit seinem Bruder neben zahlreichen Stiftungen 30 Mill. Sesterzen (das 30fache eines senator. MinHh. destvermo¨gens). Yang Jizhou, Großja¨hrigkeitsname: Jishi (* 1522 Sanqu, Provinz Zhejiang, † 1620). ¨ rztefamilie stammend, Aus einer A Ausbildung in der Kaiserl. Med.akad. und von 1573 bis zu seinem Tod selbst Mitglied dieser Akad. Sein forschendes Hauptinteresse galt der AkuMoxi-Therapie. Als Ergebnis jahrzehntelanger akrib. Arbeit vollendete er 1610 die Große Summe der AkuMoxi-Therapie (Zhenjiu Dacheng), ein Werk, das bis in die Gegenwart als schlechthin klass. Gesamtdarstellung dieser Disziplin gelten darf. Solches gilt nicht nur fu¨r die theoret. Hin-
Zeiss, Heinrich bzw. Heinz
tergru¨nde (Leitbahnsystem, Sinarteriol. und Foraminol.), sondern in gleichem Maße fu¨r die angewandte Technik, die hier mit a¨ußerster Pra¨zision und Ausfu¨hrlichkeit beschrieben Po. wird. Ye Gui, Großja¨hrigkeitsname: Tianshi, daher meist Ye Tianshi (* 1667 Wuxian, Provinz Jiangsu, † 1746). Chin. Arzt, Sproß einer Arztfamilie, in der Praxis seines Vaters ausgebildet, unternahm er mit diesem aus berufl. Interesse motivierte Reisen durch China. In deren Verlauf stand die Behandlung von Seuchenkranken im Vordergrund. Y.s Leistungen knu¨pfen an die Werke von ! Sun Simo, ! Li Dongyuan, ! Zhu Zhenheng (Danxi) und ! Zhang Jiebin an und befassen sich vor allem mit der Behandlung infektio¨ser Krankheiten und Epidemien, mit den sogenannten ‘akutemperaten Krankheiten’ (wenbing). Er verfaßte u.a. den Traktat u¨ber akutemperate Krankheiten und Calor (Wenrelun), Orientierende und richtungweisende klinische Kasuistik (Linzhen Zhinan Po. Yian). Yersin, Alexandre (* 22. 9. 1863 Aubonne/Schweiz, † 1. 3. 1943 Nha Trang/Vietnam). Seit 1883 Med. stud. in Lausanne, Marburg und Paris, seit 1887 Pra¨parator bei ! Roux, 1888 Prom., 1889 Arbeit am Inst. Pasteur, seit 1890 Schiffsarzt des kolonialen Sanita¨rkorps in Indochina, Expeditionen ins vietnames. Hinterland, seit 1895 Aufbau eines bakteriol. Labors mit großen Pflanzungen im vietnames. Nha Trang. Y. wies zusammen mit Roux 1888 das
Diphtherietoxin als Krankheitsverursacher nach. Im Juni 1894 entdeckte er in Hongkong den Pesterreger in den Leistenlymphknoten von Pestkranken. Mit dem Japaner ! Kitasato entspann sich ein langer Priorita¨tsstreit. Als erster erkannte Y. die Rolle ¨ bertra¨ger der Krankder Ratten als U heit. Es folgte die Entwicklung eines erfolgreichen Impfstoffes. Spa¨ter konzentrierte sich Y. auf die Erforschung von Tierseuchen. Zur Produktion von Seren baute er eine eigene Tierzucht auf und legte umfangreiche Pflanzungen von Kautschuk- und Chinarindenba¨umen an. Werk: Contribution a` l’e´tude de la diphte´rie (mit Roux, E.), Ann. de l’Institut Pasteur 2 (1888), 629–61; ibid. 3 (1889), 273–88; ibid. 4 (1890), 385–426; Sur la peste de Hong Kong, Compt. rend. de l’Acade´mie des sciences 119 (1894), 356; La peste bubonique a` Hong Kong, Ann. de l’Institut Pasteur 8 (1894), 662–7. Bro¨.
Zeiss, Heinrich bzw. Heinz (* 12. 7. 1888 Frankfurt a.M., † 31. 3. 1949 Vladimir/UdSSR). Als Hygieniker erwarb Z. bes. Kenntnisse u¨ber die Epidemiol. und Med.gesch. Rußlands. Z. stud. Med. in Marburg, Heidelberg, Freiburg i.B., Berlin und Mu¨nchen. Er prom. 1912 in Freiburg, 1912–13 war er Ass. am Hyg. Inst. Gießen. 1908–9 einja¨hriger Freiwilliger der Armee, 1914 Ass.-arzt der Reserve. 1914–21 war er Ass. unter Martin Mayer im Inst. fu¨r Schiffsund Tropenkrankheiten in Hamburg. Seinen Kriegsdienst verbrachte Z. u.a. als Ass. bei ! Rodenwaldt und V. Schilling in der Tu¨rkei. Er kehrte 1919 nach Hamburg zuru¨ck, wo er 1921 Ass.-Hafenarzt wurde. 353
Zeiss, Heinrich bzw. Heinz
tergru¨nde (Leitbahnsystem, Sinarteriol. und Foraminol.), sondern in gleichem Maße fu¨r die angewandte Technik, die hier mit a¨ußerster Pra¨zision und Ausfu¨hrlichkeit beschrieben Po. wird. Ye Gui, Großja¨hrigkeitsname: Tianshi, daher meist Ye Tianshi (* 1667 Wuxian, Provinz Jiangsu, † 1746). Chin. Arzt, Sproß einer Arztfamilie, in der Praxis seines Vaters ausgebildet, unternahm er mit diesem aus berufl. Interesse motivierte Reisen durch China. In deren Verlauf stand die Behandlung von Seuchenkranken im Vordergrund. Y.s Leistungen knu¨pfen an die Werke von ! Sun Simo, ! Li Dongyuan, ! Zhu Zhenheng (Danxi) und ! Zhang Jiebin an und befassen sich vor allem mit der Behandlung infektio¨ser Krankheiten und Epidemien, mit den sogenannten ‘akutemperaten Krankheiten’ (wenbing). Er verfaßte u.a. den Traktat u¨ber akutemperate Krankheiten und Calor (Wenrelun), Orientierende und richtungweisende klinische Kasuistik (Linzhen Zhinan Po. Yian). Yersin, Alexandre (* 22. 9. 1863 Aubonne/Schweiz, † 1. 3. 1943 Nha Trang/Vietnam). Seit 1883 Med. stud. in Lausanne, Marburg und Paris, seit 1887 Pra¨parator bei ! Roux, 1888 Prom., 1889 Arbeit am Inst. Pasteur, seit 1890 Schiffsarzt des kolonialen Sanita¨rkorps in Indochina, Expeditionen ins vietnames. Hinterland, seit 1895 Aufbau eines bakteriol. Labors mit großen Pflanzungen im vietnames. Nha Trang. Y. wies zusammen mit Roux 1888 das
Diphtherietoxin als Krankheitsverursacher nach. Im Juni 1894 entdeckte er in Hongkong den Pesterreger in den Leistenlymphknoten von Pestkranken. Mit dem Japaner ! Kitasato entspann sich ein langer Priorita¨tsstreit. Als erster erkannte Y. die Rolle ¨ bertra¨ger der Krankder Ratten als U heit. Es folgte die Entwicklung eines erfolgreichen Impfstoffes. Spa¨ter konzentrierte sich Y. auf die Erforschung von Tierseuchen. Zur Produktion von Seren baute er eine eigene Tierzucht auf und legte umfangreiche Pflanzungen von Kautschuk- und Chinarindenba¨umen an. Werk: Contribution a` l’e´tude de la diphte´rie (mit Roux, E.), Ann. de l’Institut Pasteur 2 (1888), 629–61; ibid. 3 (1889), 273–88; ibid. 4 (1890), 385–426; Sur la peste de Hong Kong, Compt. rend. de l’Acade´mie des sciences 119 (1894), 356; La peste bubonique a` Hong Kong, Ann. de l’Institut Pasteur 8 (1894), 662–7. Bro¨.
Zeiss, Heinrich bzw. Heinz (* 12. 7. 1888 Frankfurt a.M., † 31. 3. 1949 Vladimir/UdSSR). Als Hygieniker erwarb Z. bes. Kenntnisse u¨ber die Epidemiol. und Med.gesch. Rußlands. Z. stud. Med. in Marburg, Heidelberg, Freiburg i.B., Berlin und Mu¨nchen. Er prom. 1912 in Freiburg, 1912–13 war er Ass. am Hyg. Inst. Gießen. 1908–9 einja¨hriger Freiwilliger der Armee, 1914 Ass.-arzt der Reserve. 1914–21 war er Ass. unter Martin Mayer im Inst. fu¨r Schiffsund Tropenkrankheiten in Hamburg. Seinen Kriegsdienst verbrachte Z. u.a. als Ass. bei ! Rodenwaldt und V. Schilling in der Tu¨rkei. Er kehrte 1919 nach Hamburg zuru¨ck, wo er 1921 Ass.-Hafenarzt wurde. 353
Zhang Ji
1921 war Z. Mitglied (und wurde spa¨ter Leiter) der DRK-Expedition nach Rußland: Er organisierte ein Zentrallab. in Moskau und nahm Kontakt mit Wolgadeutschen auf. 1924 wurde er Priv.doz. fu¨r Tropenmed. in Hamburg und ab 1924 war er im Moskauer Chemotherap. Inst., bis Dez. 1930 arbeitete er im dortigen Pasteur-Inst. Z. unterstu¨tzte 1927–32 das Dt.-Russ. Rassenforschungsinst. Moskau; er entwickelte, in Anlehnung an Haushofers Geopolitik, die Geo-Med. 1931 wurde Z. ao. Prof. in Hamburg. Z. verließ die UdSSR am 23. Feb. 1932 und forschte danach u¨ber die Arbeitslosigkeit in Thu¨ringen. Bis 1928 Anha¨nger der DNVP, war Z. seit 1931 Mitglied der NSDAP. 1933 wurde er stellvertretender Dir. des Hyg. Inst. in Berlin und ao. Prof. und 1937 o. Prof. 1934 Mitglied des wiss. Senats fu¨r Milita¨r-Med. 1941 Ta¨tigkeit in Bulgarien und Griechenland, 1942 hyg. Berater der Armee. Z. wurde am 2. Nov. 1945 wegen angeblicher Spionage gegen die Sowjetunion vom KGB verhaftet und am 10. Juli 1948 zu 25 Jahren Haft verurteilt. Bemerkenswert ist Z.s Verbindung von Bakteriol. mit geograph. und kulturellen Aspekten der Hyg. Werk: Otto Obermeier: Die Entdeckung von fadenfo¨rmigen Gebilden im Blut von Ru¨ckfallfieberkranken, Leipzig 1926; Geomedizin (geographische Medizin) oder medizinische Geographie?, Mu¨nch. Med. Wschr. (1931); Elias Metschnikow, Jena 1932; Behring. Gestalt und Werk (mit Bieling, R.), Berlin 1941; (Hg.), Seuchen-Atlas (mit Rodenwaldt, E.), Gotha 1942–5. Wdl.
354
Zhang Ji, Großja¨hrigkeitsname: Zhongjing, daher am bekanntesten als Zhang Zhongjing (* ca. 150 n.Chr. Nanyang, Provinz Henan, † ca. 219). Chin. Arzt und Med.theoretiker. Die chin. Med. als wiss. Disziplin mit einer rationalen Systematik ist uns mindestens seit dem 2. Jh. vor der Zeitwende, also rund 400 Jahre vor Zhang Ji, im sogenannten „Inneren Klassiker“ und anderen, durchwegs anonymen bzw. myth. Perso¨nlichkeiten zugeschriebenen Werken bezeugt. Umgekehrt sind uns auch die Namen fru¨he¨ rzte u¨berliefert, nicht aber deren rer A Werke. Zhang Ji ist in der chin. Med.gesch. nicht nur eine der einflußreichsten Gestalten, sondern zugleich die erste hist. sicher bezeugte, deren Werk u¨berliefert ist und bis heute in der klin. Praxis fortwirkt. Er entstammte einer Literatenfamilie, wurde durch die bedra¨ngten Zeitla¨ufte und das Vorbild eines Verwandten zum Stud. der Med. und zu ihrer praktischen Ausu¨bung angeregt. Etwa um sein 50. Lebensjahr vollendete er die Abhandlungen u¨ber algorla¨sive und andere Krankheiten (Shanghan Zabinglun). Dieses Werk knu¨pft an alle damals klass. Trad. der Med. an (Innerer Klassiker, Akupunkturklassiker, Klassiker der Einwendungen) und unterwirft die u¨berlieferten Theorien im Verlauf von mindestens drei Jahrzehnten klin. und pharmakol. Untersuchungen einer rigorosen Sichtung, Straffung und Kla¨rung. Das Ergebnis ist ein Hb. der klin. Med., in dem die Verfahren der induktiv-synthet. Diagnostik einschließlich der Pulsdiagnose stringent dargestellt und unter Ru¨ckgriff auf die vorhandenen und gescha¨rfte
Zhu Zhenheng
neue Leitkriterien mit hoher Eindeutigkeit zu Behandlungsverfahren und Rezepturen korreliert werden. Der hierfu¨r angewandte sechsteilige Yinyang-Zyklus, vor allem aber die ein u¨berragendes Versta¨ndnis der Arzneimittelsynergetik dokumentierenden Rezepturen – insgesamt 113 und 262 – bilden nicht nur in China, sondern mehr noch in Japan bis zum heutigen Tag das Ru¨ckgrat der Rezepturlehre. Die Abhandlungen u¨ber algorla¨sive und andere Krankheiten wurden ein Jh. spa¨ter von ! Wang Shuhe u¨berarbeitet, wobei der erste Teil – die Algorlaedens-Abh. – seit dem 3. Jh. und der zweite Teil – die Rezepturen und Abh. Esoterische Besonderheiten aus dem Goldenen Schrein – ihre heutige GePo. stalt im 11. Jh. erhalten haben. Zhang Jiebin, Großja¨hrigkeitsname: Jingyue, deshalb Zhang Jingyue (* 1563 Shanyin, [heute Shaoxing], Provinz Zhejiang, † 1640). Sproß einer angesehenen Beamtenfamilie, wandte er sich bereits in jungen Jahren dem Stud. der Med. zu, das er sowohl von der literar.-theoret. als auch von der klin.-empir. Seite her fu¨hrte. Seine Leistungen erscheinen uns zuvorderst als Straffung, Systematisierung und Kla¨rung der trad. Theorie. Am besten sind diese Absichten dokumentiert in seinem Systematischen Klassiker (Leijing), 1624 in Druck gegangen. Darin wird der ganze Inhalt des Inneren Klassikers nach systemat. Gesichtspunkten neu geordnet und kommentiert. Marginale Trad. und Theorien finden in einem Erga¨nzungsband, dem Bebilderten Anhang des Systematischen Klassikers (Leijing Tuyi), Platz. Spa¨tere Generationen haben in den Essays in den
„Vollsta¨nd. Schriften des Zhang Jingyue“ wichtige Denkansto¨ße fu¨r die Weiterentwicklung der chin. Med.Po. theorie gefunden. Zhang Yuansu, Großja¨hrigkeitsname: Jiegu (* 12. Jh. Yizhou, Provinz Henan). Er durchlief zuna¨chst die Etappen einer Beamtenlaufbahn und einer literar. Bildung und wandte sich dann als ein zuru¨ckgezogen lebender Privatgelehrter der Med. zu. Seine tiefschu¨r¨ berlegungen fanden Beachfenden U tung, als er den beru¨hmten ! Liu Wansu wa¨hrend einer Krise erfolgreich behandelte. Anknu¨pfend an Theorien im Klassiker der Einwendungen (Nanjing) galt sein Interesse vor allem der Pharmakol. und Pharmakodynamik. Seine Ergebnisse fanden in Sammlungen wie dem Beutel von Perlen (Zhenzhunang) oder in den Pharmakodynamischen Paradigmen von Kakumen und Stirps im Hinblick auf die Orbisikonographie (Zangfu Biaoben Yaoshi) ihren Niederschlag sowie in seinen Pharmakologischen Kommentaren zum Nanjing (Yaozhu Nanjing). In spa¨teren Jahren gab er dieses Wissen an seinen beru¨hmtesten Schu¨ler, den ! Li Gao (= Li Dongyuan), weiPo. ter. Zhu Zhenheng, Großja¨hrigkeitsname (bekannter): Zhu Danxi (* 1281 Yiwu, Provinz Zhejiang, † 1358). Zuna¨chst klass. Stud., wandte sich erst jenseits seines 30. Lebensjahrs der Med. zu. Letzteres Interesse fu¨hrte zu verschiedenen Bildungsreisen durch die chin. Provinzen, in deren Verlauf er auch mit den med. Korypha¨en seiner Zeit, ! Liu Wansu 355
Zondek, Bernhard
und ! Li Gao, zusammentraf. Anknu¨pfend an deren spezielle Theorien, entwickelte er eine andere, weitere Variante, die spa¨ter als „Rigation der Struktivita¨t-Schule“ (Ziyinpai) bekannt wurde. Kern dieser Theorie war ¨ berlegung, daß bestimmte hydie U perdynam. Ardor-Befunde durch eine Stu¨tzung der Struktivita¨t behandelt werden mu¨ßten. Viele der im ¨ berlegungen Zuge dieser theoret. U und prakt. Erfahrungen entwickelten Rezepte sind spa¨ter in klass. und offizielle Sammlungen aufgenommen worden und bis zum heutigen Tag klass. Muster geblieben. Sein Gedankengut ist in Werken erhalten, die teils zu seinen Lebzeiten, teils von seinen Schu¨lern in Druck kamen, wie Zentrale Methoden des Danxi (Danxi Xinfa), Erga¨nzungen zu den Weiterungen der Pharmakopoe (Bencao Yanyi Buyi) und Erla¨uterungen zu den Amtlichen Po. Rezepturen (Ju¨fang Fahui). Zondek, Bernhard (* 29. 7. 1891 Wronke/Posen, † 15. 11. 1966 New York). Gyna¨kol. und Endokrinol., seit 1926 ao. Prof. an der Univ. Berlin, leitete daneben von 1929 bis 1933 die gyna¨kol.geburtshilfl. Abt. des Krkh. Spandau; bekannt durch den 1927 zusammen mit ! S. Aschheim (1878–1965) erar-
356
beiteten Schwangerschaftstest, der auf einem Nachweis von Gonadotropinen im Harn Schwangerer beruhte. 1933 als Jude seiner Stellungen enthoben, emigrierte Z. 1934 nach Pala¨stina; 1935 bis 1961 Prof. fu¨r Gyna¨kol. und Geburtshilfe und Leiter des Hormonforschungslabors an der Hebr. Univ. Jerusalem. Z.s Arbeiten bilden eine der Grundlagen der mod. hormonellen Antikonzeption. Werk: Schwangerschaftsdiagnose aus dem Harn durch Nachweis des Hypophysenvorderlappenhormons (mit Aschheim, S.), Klin. Wschr. (1928), 1404–1; Genital Functions and Their Hormonal Regulation, Baltimore 1941. Kr.
Zwinger, Theodor (* 1533 Basel, † 1588 Basel). Med.stud. in Basel, Reisen nach Lyon, Paris und Padua, dort Prom. 1559, seit 1561 Prof. in Basel: 1580 fu¨r theoret. Med. Z. war Schu¨ler des Phil. P. Ramus, ! Paracelsist und Begr. einer Basler Gelehrtendynastie. Er wurde in Europa beru¨hmt durch sein Hauptwerk Theatrum vitae humanae, in dem er mit dem Ziel einer Methodisierung der Wiss. die Gesamtheit der menschl. Ta¨tigkeiten mittels synopt. Tabellen veranschaulichte. Werk: Theatrum vitae humanae, Basel 1565. Bro¨.
Abku¨rzungsverzeichnis Nicht eigens aufgefu¨hrt werden Abku¨rzungen vom Typ ...l. = ...lich oder ...lisch (z.B. a¨rztlich, englisch), ...t. = ...tisch (z.B. theoretisch), ...m. = ...misch (z.B. chemisch), ...n. = ...nisch (z.B. klinisch) und ...r. = ...risch (z.B. psychiatrisch,) ...ol. = ...ologisch oder ...ologie (z.B. dermatologisch, Dermatologie). I. Begriffe, Institutionen Abh. Abt. Akad./akad. allg. amerik. Anat./anat. Anm. Ann. Anthrop./anthrop. ao. ao. Prof. apl. Appr./appr. Arch. argent. Art. Ass. Aufl. Aufs. Ausg. B. BA Bd. Begr./begr. bes. Bibl. Biogr./biogr. BSc byz. chin. Chir./chir. Conn. DDP Demokrat., demokrat.
Abhandlung Abteilung Akademie/akademisch allgemein/e/er/es amerikanisch Anatomie/anatomisch Anmerkung Annalen, Annales Anthropologie/anthropologisch außerordentlich außerordentlicher Professor außerplanma¨ßig Approbation/approbiert Archiv argentinisch Artikel Assistent Auflage Aufsatz Ausgabe Buch Bachelor of arts Band, Ba¨nde Begru¨nder/begru¨nden besonders Bibliographie Biographie/biographisch Bachelor of Science byzantinisch chinesisch Chirurgie/chirurgisch Connecticut Deutsche Demokratische Partei Demokratie, demokratisch 357
Abku¨rzungsverzeichnis
DGBG d. h. Dir. Diss. DNA DNVP Doz. Dr. DRK dt. ebd. Emer./emerit. Emigr. Entw. Erg. europ. evtl. Exp./exp. Fak. Forsch. FRCP frz. FS FU geb. gegr. Gen./gen. ges. Gesch. Gesellsch. Gestapo grad. Habil./habil. Hb. h.c. hebr. Hg./hg. Hist./hist. Hl./hl. Hs. HU Hyg./hyg. ibid. insbes. 358
Deutsche Gesellschaft zur Beka¨mpfung der Geschlechtskrankheiten das heißt Direktor Dissertation Desoxyribonukleinsa¨ure Deutschnationale Volkspartei Dozent Doktor Deutsches Rotes Kreuz deutsch ebenda Emeritierung/emeritiert Emigration Entwicklung Ergebnis europa¨isch eventuell Experiment/experimentell Fakulta¨t Forschung(en) Fellows of the Royal College of Physicians franzo¨sisch Festschrift Freie Universita¨t Berlin geboren gegru¨ndet Genetik/genetisch gesamt Geschichte Gesellschaft Geheime Staatspolizei graduiert Habilitation/habilitieren Handbuch honoris causa hebra¨isch Herausgeber/herausgegeben Historiker/History/historisch heilig Handschrift Humboldt-Universita¨t Hygiene/Hygieniker/hygienisch ibidem (ebenda) insbesondere
Abku¨rzungsverzeichnis
Inst. internat. IPV ital. Jg. Jh. ju¨d. kgl. klass. Klin./klin. KP(D) Krkh. KWI Lab. lat. Lb. Lex. Lit. luth. MA ma. M.A. masch. Math./math. MD MdR Med./med. Meth./meth. Misc. Mitt. mod. MPG MPI Ms. Natsoz. ND N.F. NKWD N. S. N.Y. niederl. NSDAP ¨B NSDA ¨ sterr./o¨sterr. O offiz.
Institut international Internationale Psychiatrische Vereinigung italienisch Jahrgang Jahrhundert ju¨disch ko¨niglich klassisch Klinik/klinisch Kommunistische Partei (Deutschlands) Krankenhaus Kaiser-Wilhelm-Institut Laboratorium/Labor lateinisch Lehrbuch Lexikon Literatur lutherisch Mittelalter mittelalterlich Magister Artium maschinengeschrieben Mathematik/mathematisch Medical Doctor Mitglied des Reichstages Medizin/medizinisch/medical Methode/methodisch Miscellanes, Miscellanies, Miszellen Mitteilungen modern Max-Planck-Gesellschaft Max Planck Institut Manuskript Nationalsozialisten/Nationalsozialismus Neudruck Neue Folge Volkskommissariat fu¨r Innere Angelegenheiten Neue Serie New York niederla¨ndisch Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ¨ rztebund Nationalsozialistischer Deutscher A ¨ sterreich/o¨sterreichisch O offiziell 359
Abku¨rzungsverzeichnis
o. Prof. Ord. Orga. Pa¨d./pa¨d. PhD Phil./phil. Phy. pol. poln. Postdoc. Priv.doz. Pr./pr. Prof. Prom./prom. Publ./publ. Repr./repr. RLM S. SA SAP SED sog. SPD SS Stip. Stud. Suppl. s. v. Therap./therap. Theor./theor. Trad./trad. u. a. UdSSR ¨ bers./u¨bers. U Univ. Unters. US, USA usw. v. a. vergl. versch. vgl. Vorl. Wiss./wiss. 360
ordentlicher Professor/ordentliche Professur Ordinarius Organisation Pa¨dagogik/pa¨dagogisch Philosophical Doctor Philosophie/philosophisch Physik, physikalisch politisch polnisch Postdoktoranden Privatdozent Preußen/preußisch Professor Promotion/promovieren Publikation/publizieren Reprint, reprinted Reichsluftfahrtministerium Seite Sturmabteilung Sozialistische Arbeiterpartei Sozialistische Einheitspartei Deutschlands sogenannt Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel Stipendium Studium Supplement sub voce Therapie/therapeutisch Theorie/theoretisch Tradition/traditionell unter anderem Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ¨ bersetzung/u¨bersetzen U Universita¨t Untersuchung United States of America, Vereinigte Staaten von Amerika und so weiter vor allem vergleichend verschiedene vergleiche Vorlesung Wissenschaft/wissenschaftlich
Abku¨rzungsverzeichnis
z. B. z. T. ZK Zs. Ztg.
zum Beispiel zum Teil Zentralkomitee Zeitschrift Zeitung
II. Lexika, Reihen, Sammelwerke, Zeitschriften AA ABF Abh. Gesch. Med. Naturwiss. Acta Hist. Leopold. Acta med. hist. patav. ADB AGM AH ¨M A Amer. J. Surg. Amer. Med. Ass. Anat. Anz. Anat. Hefte Ann. clin. Lab. Sci. Ann. Inst. Pasteur Ann. Med. Hist. Ann. Med. Psychol. Ann. N.Y. Acad. Sci. Ann. Sci. ANRW APM Arch. Anthropol. Arch. d. Pharm. Arch. experiment. Pathol. Pharmakol. Arch. f. klin. Chirurg. Arch. mikrosk. Anat. Entwicklungsmech. Arch. Ophthal. Arch. Physiol. Arch. Protistenkde. Arch. Psychiat. u. Nervenkrankh. Arch. Surg. ARGB
Der Arzt im Altertum. Griechische und lateinische Quellenstu¨cke . . . Archives Biographiques Franc¸aises Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften Acta Historica Leopoldina Acta medicae historiae patavina Allgemeine Deutsche Biographie Abhandlungen zur Geschichte der Medizin Antike Heilkunst. Ausgewa¨hlte Texte . . . ¨ sthetische Medizin A American Journal of Surgery American Medical Association Anatomischer Anzeiger Anatomische Hefte Annals of Clinical and Laboratory Science Annales de l’Institut Pasteur Annals of Medical History Annales Medico-Psychologiques Annals of the New York Academy of Sciences Annals of Science Aufstieg und Niedergang der ro¨mischen Welt Arzt Presse Medizin Archiv fu¨r Anthropologie Archiv der Pharmacie Archiv fu¨r experimentelle Pathologie und Pharmakologie Archiv fu¨r klinische Chirurgie Archiv fu¨r mikroskopische Anatomie und Entwicklungsmechanik Archiv fu¨r Ophthalmologie Archiv fu¨r Physiologie Archiv fu¨r Protistenkunde Archiv fu¨r Psychiatrie und Nervenkrankheiten Archives of Surgery Archiv fu¨r Rassen- und Gesellschaftsbiologie 361
Abku¨rzungsverzeichnis
¨ rztin A Bad. Biogr., N.F. Basler Zs. f. Gesch. u. Altertumskunde BBA Beitr. Onkol. Ber. d. Dtsch. botanischen Ges. Ber. Wiss.gesch. Berl. Klin. Wschr. Biogr. Hist. of Medicine Biogr. Mem. F. R. S. Biogr. Mem. Nat. Acad. Sci. Biogr. Univ. Biomed. Libr. Bull. Boll. Soc. med.-chir., Pavia Br. J. Hist. Sci. Br. J. Psychol. Br. J. Surg. Br. med. J. Brain Cogn. BSHST BTML Bull. Acad. Me´d. Bull. Hist. Med. Bull. Soc. Franc. Hist. Me´d. Byz. Zs. C.H. Callisen Catal. Marburgensis Char. Ann. Chem. and. Drugg. Ciba Zs. Clin. Cardiol. Clio Med. CMG 362
¨ rztin. Zeitschrift der deutschen A ¨ rztinnen Die A Badische Biographien, Neue Folge Basler Zeitschrift fu¨r Geschichte und Altertumskunde British Biographical Archive Beitra¨ge zur Onkologie Berichte der Deutschen botanischen Gesellschaft Berichte zur Wissenschaftsgeschichte Berliner Klinische Wochenschrift Biographical History of Medicine Biographical Memoirs of the Fellows of the Royal Society Biographical Memoirs of the National Academy of Science Biographie Universelle. Ancienne et Moderne. Nouvelle e`dition Biomedical Library Bulletin Bollettino della Societa` medico-chirurgica di Pavia British Journal for the History of Science British Journal of Psychology British Journal of Surgery British Medical Journal Brain and Cognition Francis Bulletin Signale´tique Histoire des Sciences et des Techniques Bibliographie des textes me´dicaux latins. Antiquite´ et haut moyen aˆge Bulletin de l’Acade´mie de me´decine Bulletin of the History of Medicine Bulletin. Socie´te´ Franc¸aise de Histoire de Me´decine Byzantinische Zeitschrift Corpus Hippocraticum Callisen, A.C.P., Medicinisches Schriftsteller-Lexicon Catalogus Marburgiensis Charite´ Annalen Chemist and Druggist Ciba Zeitschrift Clinical Cardiology Clio Medica Corpus medicorum Graecorum, Leipzig/Berlin, spa¨ter Berlin
Abku¨rzungsverzeichnis
CML COE Coll. Sal. Compt. rend. Soc. Biol. CQ CTC Cuad. Amer. DBA DBI DBIt. Dent. Cadm. Dermatol. Mschr. Dict. Sc. Hist. Diz. Biogr. della Stor. della Medic. e delle Sci. Nat. DMA DNB Doc. Ophthalmol. Dru¨ll I Dru¨ll II DSB Dtsch. Arch. Klin. Med. Dtsch. Arch. Ophthal. Dtsch. Med. Wschr. Dtsch. Zs. Nervenheilkd. Enzykl. Philos. Wiss. Gesch Ergeb. Inn. Med. u. Kinderheilkd. Ergebn. Anat. Entw.gesch. Fellows Roy. Soc. Fischer Fortschr. d. Med. Fortschr. Ro¨ntgenstr. G. stor. psicol. dinam Garrison-Morton
Corpus medicorum Latinorum, Leizig/Berlin 1915– Contemporaries of Erasmus. A Biographical Register of the Renaissance and Reformation, 3 Bde. Collectio Salernitana Comptes rendus des se´ances de la socie´te´ de Biologie Classical Quarterly Catalogus translationum et commentariorum: Medieval and Renaissance Latin Translations and Commentaries Cuadernos Americanos Deutsches Biographisches Archiv Deutscher Biographischer Index Dizionario Biografico degli Italiani Dental Cadmos Dermatologische Monatsschrift Dictionnaire des Sciences Historiques Dizionario Biografico della Storia della Medicina e delle Scienze Naturali Liber Amicorum Dictionary of the Middle Ages Dictionary of National Biography Documenta Ophthalmologica Dordrecht Dru¨ll, D., Heidelberger Gelehrtenlexikon 1652–1802 Dru¨ll, D., Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932 Dictionary of Scientific Biography Deutsches Archiv fu¨r Klinische Medizin Deutsches Archiv fu¨r Ophthalmologie Deutsche Medizinische Wochenschrift Deutsche Zeitschrift fu¨r Nervenheilkunde Enzyklopa¨die der Philosophie und Wissenschaftsgeschichte Ergebnisse der Inneren Medizin und Kinderheilkunde Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte Fellows of the Royal Society ¨ rzte Biographisches Lexikon der hervorragenden A der letzten fu¨nfzig Jahre, Fischer, I. (Hg.) Fortschritte der Medizin Fortschritte auf dem Gebiet der Ro¨ntgenstrahlen und der Nuklearmedizin Giornale storico di psicologia dinamica Garrsion and Mortons Medical Bibliography. An Annotated Check-List Illustrating the History of Medicine 363
Abku¨rzungsverzeichnis
Gegenb. Morphol. Jahrb. Gegenbauers Morphologisches Jahrbuch Gesch. Grundbegr. Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland Gesn. Gesnerus. Schweizerische Zeitschrift fu¨r Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften GG Geschichte und Gesellschaft Gurlt Gurlt, E., Geschichte der Chirurgie und ihrer Ausu¨bung, 3 Bd., Berlin 1898 GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Hall. Monatsh. Hallische Monatshefte Heidelb. Jb. Heidelberger Jahrbu¨cher ¨ rzte Hirsch Biographisches Lexikon der hervorragenden A aller Zeiten und Vo¨lker, A. Hirsch (Hg.) Hist. Nat. Histoire et Nature Hist. Phil. Life Sci. History and Philosophy of the Life Sciences Hist. Psych. History of Psychiatry Hist. Sci. History of Science Hub. Klass. Med. Nat. Hubers Klassiker der Medizin und der Naturwissenschaften HZ Historische Zeitschrift IBD International Biographical Dictionary of Central European Emigrees Int. J. Dermat. International Journal of Dermatology Int. J. Leprosy International Journal of Leprosy Invest. Urol. Investigative Urology Ir. Med. J. Irish Medical Journal J. Am. Coll. Cardiol. Journal of the American College of Cardiology J. Amer. Acad. Journal of the American Academy J. gen. Microbiol. Journal of general Microbiology J. Hist. Biol. Journal of the History of Biology J. Hist. Med. Allied. Sci. Journal of the History of Medicine and Allied Sciences J. Hist. of Ideas Journal of the History of Ideas J. of Nutrition Journal of Nutrition J. Pediatr. Journal of Pediatrics J. physiol. exp. path. Journal de physiologie expe´rimentale et de pathologie J. Sch. Health The Journal of School Health J. Soc. Bibliogr. Natural Journal of the Society for the Bibliography of NaHist. tural History J. univ. hebd. me´d. chir. Journal universel et hebdomadaire de me´decine et prat. de chirurgie pratiques J.A.M.A. Journal of the American Medical Association
364
Abku¨rzungsverzeichnis
Jb. f. psychoanalyt. u. psychopatholog. Forschungen Johns Hopk. Hosp. Bull. Klassiker
Jahrbuch fu¨r psychoanalytische und psychopathologische Forschungen
The Johns Hopkins Hospital Bulletin Klassiker der Medizin. D. von Engelhardt/F. Hartmann (Hg.) Klin. Wschr. Klinische Wochenschrift Ku¨hn Ku¨hn, C.G., Claudii Galeni Opera Omnia Ku¨rschner Ku¨rschners Gelehrten-Kalender Laryng. Rhinol. Laryngologie, Rhinologie, Otologie LAW Lexikon der Alten Welt Leop. Leopoldina ¨ gyptol. ¨ gyptologie Lex. d. A Lexikon der A Literatur Lexikon Literatur Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache LMA Lexikon des Mittelalters Mayo Clin. Proc. Mayo Clinic Proceedings Med. Trans. Medical Transactions Med. Welt Medizinische Welt Med.-chir. Trans. Medico-chirurgical Transactions Med.hist. J. Medizinhistorisches Journal Me´m. de la soc. de phys. Me´moires de la socie´te´ de physique et d’histoire et d’hist. nat., Gene`ve naturelle de Geneve Mem. Inst. Oswaldo Cruz Memorias do Instituto Oswaldo Cruz, Rio de Janeiro Mitt. d. kgl. Gesundheits- Mitteilungen des Ko¨niglichen Gesundheitsamtes amtes Berlin Berlin Mitt. Gesch. Med. Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und der Naturw. Naturwissenschaften Mschr. Geb.hilfe Monatsschrift fu¨r Geburtshilfe und Gyna¨kologie Mschr. Psychiatr. Monatsschrift fu¨r Psychiatrie und Neurologie Neurol. Mu¨llers Arch. Mu¨llers Archiv fu¨r Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin Mu¨nch. Med. Wschr. Mu¨nchener Medizinische Wochenschrift Nachr. d. Akad. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Wissensch. Go¨ttingen Go¨ttingen NDB Neue Deutsche Biographie Ned Tijdschr. Geneeskd. Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde Neuburger Max Neuburger, Geschichte der Medizin, 2 Bd., Stuttgart 1906–11. Neuburger-Pagel Neuburger, M. u. Pagel, J. (Hg.), Handbuch der Geschichte der Medizin, 3 Bd., Jena 1901–5 ¨B ¨ sterreichische Biographie NO Neue O Nouv. Biogr. Ge´n. Nouvelle Biographie Ge´ne´rale depuis les temps les plus recule´s jusqu’a` nos jours 365
Abku¨rzungsverzeichnis
Nouv. Rev. Franc. He´mat. Nova Acta Leopold. NTM Orthod. Fr. Orv. Hetil. ¨ sterr. Biogr. Lex. O Oxford Dict. Byzantium Pagel Patr. Lat. Perspectives in Biol. and Med. Plast. reconst. Surg. Pog. [Serie]
Nouvelle Revue Franc¸aise d’He´matologie Nova Acta Leopoldina NTM Schriftenreihe fu¨r Geschichte der Naturwissenschaften, Technik und Medizin Orthodontie Franc¸aise Orvosi Hetilap ¨ sterreichisches Biographisches Lexikon O Oxford Dictionary of Byzantium, Prepared at Dumbarton Oaks ¨ rzte des Biographisches Lexikon hervorragender A 19. Jahrhunderts, J. Pagel (Hg). J. P. Migne, Patrologiae cursus completus, Series latina Perspectives in Biology and Medicine
Plastic and Reconstructive Surgery Poggendorf, J. C., Biographisch-literarisches Handwo¨rterbuch der exacten Wissenschaften Policlinico, sez. med. Policlinico, Sezione medica Prensa Me´d. Argent. La Prensa Me´dica Argentina Buenos Aires Proc. Cambr. Philog. Soc. Proceedings of the Cambridge Philological Society Proc. Roy. Col. Phys. Proceedings of The Royal College of Physicians of Edinb. Edinburgh Progr. d. Kgl. humanist. Programm des Ko¨niglichen Humanistischen Gymn. Gymnasiums Ko¨ln Psychoanal. Qu. Psychoanalytic Quarterly Psycholog. Med. Psychological Medicine Psychosomat. Med. Psychosomatic Medicine Qu. J. Med. Quarterly Journal of Medicine Quad. Storia Univ. Quaderni di Storia dell’Universita` di Padova Padova RAC Reallexikon fu¨r Antike und Christentum RE Realenzyklopa¨die der klassischen Altertumswissenschaften Rev. A.M.A. Revista de la Asociaciœn Me´dica Argentina Rev. Belge Me´d. Dent. Revue Belge de Me´decine Dentaire Rev. Hist. Pharm. Revue d’Histoire de la Pharmacie Rev. Hist. Sci. Revue d’histoire des sciences Rev. Neurol. Revue Neurologique Rev. Soc. Cir. La Plata Revista de la Sociedad Cirurgica Rev. Surg. Review of Surgery RGG Die Religion in Geschichte und Gegenwart Rhein. Mus. Rheinisches Museum fu¨r Philologie Riv. Biol. Rivista di Biologia 366
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Riv. Stor. Sci. Sa¨chs. Ztg. SB Preuß. Akad. Wiss.
Rivista di Storia della Szienza Sa¨chsische Zeitung Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften Schrift. z. Wissenschafts- Schriften zur Wissenschaftsgeschichte gesch. Schweiz. Med. Wschr. Schweizer Medizinische Wochenschrift Semaine me´d. Semaine me´dicale Sitzungsber. Akad. d. Akademie der Wissenschaften der DDR Berlin Ost, Wiss. d. DDR Sitzungsberichte des Plenums und der Klassen der Akademie der Wissenschaften der DDR Soc. anc. textes franc. Socie´te´ des anciens textes franc¸ais Soc. Hist. Med. Social History of Medicin St. Barth. Hosp. Rep. St. Bartholomew Hospital Report Stud. in 18th Cent. Studies in Eighteenth Century Culture Culture Stud. Mitt. Gesch. Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benedikt. Ordens Benediktinerordens Sudh. Arch. Sudhoffs Archiv, Zeitschrift fu¨r Wissenschaftsgeschichte Sudh. Klass. d. Med. Sudhoffs Klassiker der Medizin Surg. Gynecol. Obstet. Surgery, Gynecology and Obstetrics, Chicago/Ill. Svensk farmaceut. tskr. Svensk farmaseutisk tidskrift Trans. Amer. Phil. Soc. Transactions of the American Philosophical Society Transact. Roy. Soc. Transactions of the Royal Society of Tropical Trop. Med. and Hyg. Medicine and Hygiene TRE Theologische Realenzyklopa¨die Tusculum-Lexikon Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer Autoren des Altertums und des Mittelalters, 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage UNICEF United Nations International Children’s Emergency Fund UNRRA United Nations Relief and Rehabilitation Administration Verfasserlexikon Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon Verh. Anat. Ges. Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft Verh. d. Ges. Dt. Naturf. Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Natur¨ rzte ¨ rzte u. A forscher und A Verh. d. naturh.-med. Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins zu Heidelberg Vereins zu Heidelberg Verh. Ges. Path. Verhandlungen der deutschen Gesellschaft fu¨r Pathologie Vero¨ff. d. Internat. Ges. Vero¨ffentlichungen der Internationalen Gesellschaft f. Gesch. d. Pharm. fu¨r Geschichte der Pharmazie 367
Abku¨rzungsverzeichnis
Versl. Mededel Kon. Vlaamse Akad. VfZG Vict. Studies Virch. Arch.
Verslagen en Mededelingen van het Koniklijk Vlaamse Akademie Vierteljahreshefte fu¨r Zeitgeschichte Victorian Studies Virchows Archiv fu¨r Pathologische Anatomie und Physiologie und fu¨r Klinische Medizin W. Med. Wschr. Wiener Medizinische Wochenschrift Wien. Klin. Wschr. Wiener Klinische Wochenschrift Wiss. Zs. Univ. Wissenschaftliche Zeitschrift der Universita¨t Greifswald Greifswald Wu¨rzb. Med.hist. Mitt. Wu¨rzburger Medizinhistorische Mitteilungen Wurzbach Wurzbach, Constant v., Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich . . . Yale J. of Biol. and Med. Yale Journal of Biology and Medicine Zbl. allg. Path. Zentralblatt fu¨r allgemeine Pathologie Zbl. Bakteriol. Zentralblatt fu¨r Bakteriologie Zbl. Chir. Zentralblatt fu¨r Chirurgie Zbl. f. Neurochirurg. Zentralblatt fu¨r Neurochirurgie Zedler Johann Heinrich Zedler, Grosses vollsta¨ndiges Universallexicon Aller Wissenschaften und Kuenste Zs. Anat. Entwicklungs- Zeitschrift fu¨r Anatomie und Entwicklungsgegesch. schichte Zs. f. a¨rztl. Fortbild. Zeitschrift fu¨r a¨rztliche Fortbildung Zs. f. Immunita¨tsforsch. Zeitschrift fu¨r Immunita¨tsforschung Zs. f. Mikroskop. Anat. Zeitschrift fu¨r Mikroskopische Anatomie Zs. f. Nat.wiss. Zeitschrift fu¨r Naturwissenschaften Zs. f. Soziol. Zeitschrift fu¨r Soziologie Zs. Ges. Aerzte Wien Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien Zs. ges. Hyg. Zeitschrift fu¨r die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete Zs. Hyg. Infekt. Krankh. Zeitschrift fu¨r Hygiene und Infektionskrankheiten Zs. Orthop. 114 1976 Zeitschrift fu¨r Orthopa¨die und ihre Grenzgebiete Zur Gesch. Pharm. Zur Geschichte der Pharmazie
368
Die A¨rztinnen und A¨rzte in chronologischer Folge (nach Geburtsjahren)
Imhotep (ca. 2600 v. Chr.) Asklepios (Heilgott) Hippokrates (ca. 460 – ca. 370 v. Chr.) Diokles von Karystos (4. Jh. v. Chr.) Erasistratos (ca. 330–250 v. Chr.) Herophilos (ca. 330/20 – ca. 260/50 v. Chr.) Archagathos (3. Jh. v. Chr.) Asklepiades von Bithynien (2. Jh. – vor 91 v. Chr.) Antonius Musa (1. Jh. v. Chr.) Themison (1. Jh.v. Chr.) Thessalos (geb. vor 79 v. Chr.) ¨ . [Caius P. Secundus] (23/ Plinius d. A 24–79 n. Chr.) Scribonius Largus (ca. 1. Ha¨lfte 1. Jh. n. Chr.) Aretaios (ca. Mitte 1. Jh. n. Chr.) Rufus von Ephesos (ca. 50 – ca. 140) Statilius Crito (ca. 50 – ca. 114) Aulus Cornelius Celsus (1. Jh. n. Chr.) Xenophon, Gaius Stertilius (1. Jh. n. Chr.) Dioskurides, Pedanios (1. Jh. n. Chr.) Archigenes aus Apameia (um 100 n. Chr.) Soranos von Ephesos (Anfang 2. Jh. n. Chr.) Galenos (129–199/200/216) Hua Tuo (ca. 150–ca. 208) Zhang Ji (ca. 150–ca. 219) Kosmas u. Damian (3. Jh. n. Chr.) Huangfu Mi (214–282) Wang Shuhe, Xi (ca. 265–ca. 316) Oreibasios (ca. 325 – nach 395) Vindicianus (Ende 4. Jh. n. Chr.) Theodorus Priscianus (an der Wende vom 4. zum 5. Jh.)
Caelius Aurelianus (fru¨hes 5. Jh. n. Chr.) Aetios von Amida (1. Ha¨lfte 6. Jh. n. Chr.) Alexandros von Tralleis (ca. 525 – ca. 605) Isidor von Sevilla (560–636) Sun Simo (581–682) Paulos von Aigina (7. Jh. n. Chr.) Beda Venerabilis (673/4–735) Wang Bing (1. Ha¨lfte 8. Jh.) Hrabanus Maurus (ca. 780–856) Hunain b. Ishaq al Ibadi (808–873/77) Isaak Judaeus (ca. 850–950) Rhazes (865–925) Niketas (zw. 9. u. 11./12. Jh., vermutl. 10. Jh.) Haly Abbas (ca. Mitte 10. Jh.) Assaf ha-Yehudi Abulkasis (ca. 910 – ca. 1010) Avicenna (980–1037) Constantinus Africanus Cassinensis (zw. 1010 u. 1015 – ca. 1087) Psellos, Michael (1018–1078) Qian Yi (1032–1113) Maimonides, Moses (1135–1204) Seth, Symeon (2. Ha¨lfte 11. Jh.n.Ch.) Avenzoar (ca. 1084 – ca. 1162) Hildegard von Bingen (1098–1179) Gerhard von Cremona (ca. 1114– 1187) Liu Wansu (1120–1200) Averroes (1126–1198) Zhang Yuansu (12. Jh.) Urso von Salerno (2. Ha¨lfte 12. Jh.) Trotula (ca. spa¨tes 12. Jh.) Li Gao (1180–1251)
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¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Bruno von Longoburgo (um 1200) Nikolaos Myrepsos (13. Jh. n. Chr.) Gilbertus Anglicus (ca. 1. Ha¨lfte 13. Jh.) Borgognoni, Teodorico (ca. 1205– 1298) Ibn-an-Nafis (ca. 1210–1288) Petrus Hispanus (nach 1210–1277) Taddeo Alderotti (1211 5–1295 Arnaldus von Villanova (ca. 1240– 1311) Lanfranc von Mailand (ca. 1245– vor 1306) Pietro d’Abano (1257–1315) Heinrich von Mondeville (ca. 1260– nach 1325) Mondino de Luzzi (ca. 1275–1326) Johannes Zacharias Aktuarios (ca. 1275–nach 1328) Zhu Zhenheng (1281–1358) Guy de Chauliac (Ende 13. Jh. – 1368) Arcolano, Giovanni (1390/93–1458) Brunschwig, Hieronymus (1450–1512/ 13) Gersdorff, Hans von (ca. 1455– ca. 1529) Cornaro, Luigi (1467–1566) ¨ .(ca. 1470– Ro¨ßlin, Eucharius, d. A 1526) Berengario da Carpi, Jacobus (ca. 1470–1530) Dubois, Jacques (1478–1555) Fracastoro, Girolamo (ca. 1478–1553) Brunfels, Otto (ca. 1489–1534) Theophrast von Hohenheim [Paracelsus] (1493/94–1541) Fernel, Jean (1497?–1558) Bock, Hieronymus (1498–1554)
Winter [Gu¨nther], Johann aus Andernach (1505–1574) Estienne, Charles (ca. 1505–1564/65) Wu¨rtz, Felix (ca. 1500/1510 – ca. 1590/ 96) Eustachi, Bartolomaeo (1500/1510– 1574) Ryff, Walter Herrmann († vor 1562) Colombo, Realdo (ca. 1510–1559) Caius, John (1510–1573) Pare´, Ambroise (ca. 1510–1590) Servetus, Michael (1511–1553) Vesal, Andreas (1514–1564) Weier, Johann (1515–1588) Canano, Giovanni Battista (1515– 1579) Gessner, Konrad (1516–1565) Dodoens [Dodonaeus], Rembert (1516–1585) Li Shizhen (1518–1593) Cesalpino, Andrea (1519–1603) Botallo, Leonardo (ca. 1519 – ca. 1587) Yang Jizhou (1522–1620) Falloppia, Gabriele (ca. 1523–1562) Clusius, Carolus (1524–1609) Erastus (Erast), Thomas (1524(?)– 1583) Theodor, Jakob (Tabernaemontanus) (ca. 1525–1590) Foe¨s [Foesius], Anuce [Anutius] (1528–1595) Strupp, Johann (1530–1606) Mercuriale, Girolamo (1530–1606) Zwinger, Theodor (1533–1588) Acquapendente, Girolamo Fabrizio d’ (1533/37–1619) Aranzio, Giulio Cesare (1530–1589) Bartisch, Georg (1535–1606/07) Platter, Felix (1536–1614)
Dryander (Eichmann) Johannes (ca. 1500–1560) Cornarius, Janus (1500–1558) Cardano, Girolamo (1501–1576) Fuchs, Leonhart (1501–1566)
Guillemeau, Jacques (1550–1613) Alpini, Prospero (1553–1616) Bauhin, Caspar (1560–1624) Fabricius Hildanus, Wilhelm (1560– 1634)
370
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Santorio, Santorio (1561–1636) Zhang Jiebin (1563–1640) Jessenius, Johannes (1566–1621) Hofmann, Caspar (1572–1648) Sennert, Daniel (1572–1637) Heurne, Otto van (1577–1652) Harvey, William (1578–1657) Spieghel [Spigelius], Adriaan van den (1578–1625) Van Helmont, Johann Baptist (1579– 1644) Severino, Marco Aurelio (1580–1656) Riolan, Jean (junior) (1580–1657) Aselli, Gaspare (1581–1626) Bartholin, Caspar (senior) (1585– 1629) Wirsung, Johann Georg (1589–1643) Rivie`re (Riverius), Lazare (1589–1655) Tulp, Nicolaas (1593–1674) Scultetus (Schultes), Johann S. (1595– 1645) Descartes, Rene´ (1596–1650) Glisson, Francis (1597–1677) Vesling, Johann (1598–1649) Rolfinck, Werner (1599–1673) Patin, Guy (1601–1672) Conring, Hermann (1606–1681) Borelli, Giovanni Alfonso (1608–1679) Sylvius, Franc¸ois de la Boe¨ (1614– 1672) Bartholin, Thomas (1616–1680) Bonet, The´ophile (1620–1689) Wepfer, Johann Jakob (1620–1695) Willis, Thomas (1621–1675) Pecquet, Jean (1622–1674) Hofmann, Moritz (1622–1698) Elsholtz, Sigismund (1623–1688) Sydenham, Thomas (1624–1689) Reisel, Salomon (1625–1701) Redi, Francesco (1626–1697) Malpighi, Marcello (1628–1694) Lower, Richard (1631–1691) Andreae, Tobias (1633–1685) Ramazzini, Bernardino (1633–1714)
Cleyer, Andreas (1634–1697) Major, Johann Daniel (1634–1693) Mauriceau, Franc¸ois (1637–1709) Meibom, Heinrich (d. J.) (1638–1700) Stensen, Niels (1638–1686) Bohn, Johannes (1640–1718) Kerckring, Theodor (1640–1693) Graaf, Reinier de (1641–1673) Mayow, John (1641–1679) Paullini, Christian Franz (1643–1712) Bellini, Lorenzo (1643–1704) Ettmu¨ller, Michael (1644–1683) Wedel, Georg Wolfgang (1645–1721) Bontekoe, Cornelis (1647–1685) Neumann, Caspar (1648–1715) Bidloo, Govert (1649–1713) Blankaart, Stephan (1650–1704) Siegemundin, Justine (Mitte d. 17. Jh. – 1705?) Deventer, Hendrik van (1651–1724) Kaempfer, Engelbert (1651–1716) Brunner, Johann Conrad (1653–1727) Peyer, Johann Conrad (1653–1712) Lancisi, Giovanni Maria (1654–1720) Bartholin, Caspar (junior) (1655– 1738) Andry de Boisregard, Nicolas (1658– 1742) Stahl, Georg Ernst (1659–1734) Hoffmann, Friedrich (1660–1742) Vallisnieri, Antonio (1661–1730) Eisenbart, Johann Andreas (1663– 1727) Barbeck, Fr. Gottfried (1664–1703) Valsalva, Antonio Maria (1666–1723) Ye Gui (1667–1746) Baglivi, Giorgio (1668–1707) Boerhaave, Herman (1668–1738) Winslow, Jacques-Be´nigne (1669– 1760) Cowper, William (1669–1709) Mead, Richard (1673–1754) Morgagni, Giovanni Battista (1682– 1771) 371
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Heister, Lorenz (1683–1758) Astruc, Jean (1684–1766) Se´nac, Jean Baptiste (1693–1770) Quesnay, Franc¸ois (1694–1774) Smellie, William (1697–1763) Werlhof, Paul Gottlieb (1699–1767) Swieten, Gerhard van (1700–1772) Sauvages de la Croix, Franc¸ois Boissier de (1706–1767) Linne´, Karl von (1707–1778) Haller, Albrecht von (1708–1777) La Mettrie, Julien Offray de (1709– 1751) Cullen, William C. (1710–1790) Ould, Sir Fielding (1710–1789) Heberden, William (1710–1801) Whytt, Robert (1714–1766) Erxleben, Dorothea Christiane (1715– 1762) Hunter, William (1718–1783) Bordeu, The´ophile de (1722–1776) Auenbrugger, Johann Leopold (1722– 1809) Tenon, Jacques-Rene´ (1724–1816) Lorry, Anne Charles (1726–1783) Hunter, John (1728–1793) Spallanzani, Lazzaro (1729–1799) Fontana, Felice (1730–1805) Wolff, Caspar Friedrich (1734–1794) Mesmer, Franz Anton (1734–1815) Barthez, Paul-Joseph (1734–1806) Brown, John (1735/36–1788) Cotugno, Domenico (1736–1822) Guyton Morveau, Louis-Bernard (1737–1816) Galvani, Luigi (1737–1798) Desault, Pierre Joseph (1738–1795) Guillotin, Joseph Ignace (1738– 1814) Jung, Johann Heinrich [Jung-Stilling] (1740–1817) Withering, William (1741–1799) Mai, Franz Anton (1742–1814) Stoll, Maximilian (1742–1787) 372
Scheele, Carl Wilhelm (1742–1786) Weikard, Melchior Adam (1742–1803) Marat, Jean Paul (1743–1793) Frank, Johann Peter (1745–1821) Pinel, Philippe (1745–1826) Baudelocque, Jean Louis (1746–1810) Jenner, Eduard (1749–1823) Blumenbach, Johann Friedrich (1752– 1840) Markus, Adalbert Friedrich (1753– 1816) Soemmerring, Samuel Thomas (1755– 1830) Corvisart des Marest, Jean Nicolas (1755–1821) Hahnemann, Christian Friedrich Samuel (1755–1843) Parkinson, James (1755–1825) Fourcroy, Antoine Franc¸ois (1755– 1809) Baumes, Jean Baptiste Thimote´e (1756–1828) Gall, Franz Joseph (1758–1828) Osiander, Friedrich Benjamin (1759– 1822) Reil, Johann Christian (1759–1813) Baillie, Matthew (1761–1823) Hufeland, Christoph Wilhelm (1762– 1836) Beer, Georg Joseph (1763–1821) Kielmeyer, Karl Friedrich (1765–1844) Alibert, Jean Louis Maec Baron (1766– 1837) Larrey, Jean Dominique (1766–1842) Rasori, Giovanni (1766–1837) Ro¨schlaub, Andreas (1768–1835) Do¨llinger, Ignatz (1770–1841) Rudolphi, Karl Asmund (1771–1832) Bichat, Marie-Franc¸ois-Xavier (1771– 1802) Esquirol, Jean Etienne Dominique (1772–1840) Broussais, Franc¸ois Josef Victor (1772–1838)
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Heinroth, Johann Christian August (1773–1843) Bassi, Agostino Maria (1773–1856) Bayle, Gaspard-Laurent (1774–1816) Bell, Sir Charles (1774–1842) Itard, Jean Etienne (1774–1838) Burdach, Karl Friedrich (1776–1847) Spurzheim, Johann Christoph (1776– 1832) Cheyne, John (1777–1836) Dupuytren, Baron Guillaume (1777– 1835) Bretonneau, Pierre Fide`le (1778–1862) Nasse, Christian (1778–1851) Warren, John Collins (1778–1856) Davy, Sir Humphrey (1778–1829) Wilbrand, Johann Bernhard (1779– 1846) Oken, Lorenz (1779–1851) Berzelius, Jo¨ns Jakob (1779–1848) Laennec, The´ophile-Rene´-Hyacinthe (1781–1826) Meckel, Johann Friedrich d. J. (1781– 1833) Walther, Philipp Franz von (1782– 1849) Brodie, Benjamin Collins (1783–1862) Magendie, Franc¸ois (1783–1855) Kerner, (Andreas) Justinus (Christian) (1786–1862) Krukenberg, Peter (1787–1865) Louis, Pierre Charles Alexandre (1787–1872) Bufalini, Maurizio (1787–1885) Stark, Karl Wilhelm (1787–1845) Ritgen, Ferdinand August Maria Franz von (1787–1867) Purkyne, Johann Evangelista (1787– 1869) Klein, Johann K. (1788–1856) Smith, Thomas Southwood (1788– 1861) Carus, Carl Gustav (1789–1869) Pre´vost, Jean Louis (1790–1850) Cruveilhier, Jean Baptiste (1791–1874)
Baer, Karl Ernst von (1792–1876) Addison, Thomas (1793–1860) Scho¨nlein, Johann Lukas (1793–1864) Conolly, John (1794–1866) Dieffenbach, Johann Friedrich (1795– 1847) Romberg, Moritz Heinrich (1795– 1883) Mun˜´ız, Francisco Javier (1795–1871) Braid, James (1795–1860) Andral, Gabriel (1797–1876) Hodgkin, Thomas (1798–1866) Gleich, Lorenz (1798–1865) Quetelet, Lambert Adolphe Jacques (1799–1874) Basedow, Carl Adolph von (1799– 1854) Menie`re, Prosper (1799–1862) Wo¨hler, Friedrich (1800–1882) Ricord, Philippe (1800–1889) Mu¨ller, Johannes Peter (1801–1858) Littre´, E´mile (1801–1881) Gue´rin, Jules Rene´ (1801–1886) Fuchs, Konrad Heinrich (1803–1855) Dietl, Joseph (1804–1878) Siebold, Karl Theodor Ernst von (1804–1885) Rokitansky, Carl von (1804–1878) Froriep, Robert Friedrich (1804–1861) Stromeyer, Ludwig (1804–1876) Owen, Sir Richard (1804–1892) Stokes, William (1804–1878) Skoda, Joseph (1805–1881) Feuchtersleben, Freiherr Ernst von (1806–1849) Pfeufer, Karl von (1806–1869) Canstatt, Carl Friedrich (1807–1850) Nelaton, Auguste (1807–1873) Henle, Friedrich Gustav Jakob (1809– 1885) Stilling, Benedikt (1810–1879) Tu¨rck, Ludwig (1810–1868) Langenbeck, Bernhard (von) (1810– 1887) 373
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Pirogow, Nikolai Iwanowitsch (1810?– 1881) Hyrtl, Joseph (1810–1894) Schwann, Theodor Ambrose Hubert (1810–1882) Bernard, Claude (1813–1878) Bu¨chner, Georg (1813–1839) Dubini, Angelo (1813–1902) Paget, Sir James (1814–1899) Mayer, Julius Robert (1814–1878) Wells, Horace (1815–1848) Remak, Robert (1815–1865) Wunderlich, Carl Reinhold August (1815–1877) Lase`gue, Charles (1816–1883) Hebra, Ferdinand von (1816–1880) Ludwig, Carl Friedrich Wilhelm (1816–1894) Roser, Wilhelm (1817–1888) Brown-Se´quard, Charles Edouard (1817–1894) Koelliker, Rudolf Albert Ritter von (1817–1905) Griesinger, Wilhelm (1817–1868) Hirsch, August (1817–1894) Traube, Ludwig (1818–1876) Donders, Frans Cornelis (1818–1889) Semmelweis, Ignaz Philipp (1818– 1865) Du Bois-Reymond, Emil Heinrich (1818–1896) Pettenkofer, Max von (1818–1901) Morton, Thomas William Green (1819–1868) Bru¨cke, Ernst Wilhelm von (1819– 1892) Neumann, Salomon (1819–1908) Crede´, Carl Siegmund Franz (1819– 1892) Buchheim Rudolf (1820–1879) Blackwell, Elizabeth (1821–1910) Helmholtz, Hermann Julius Ferdinand von (1821–1894) Virchow, Rudolf (1821–1902) Leubuscher, Rudolf (1821–1861) 374
Rawson, Guillermo (1821–1890) Kußmaul, Adolf (1822–1902) Baerensprung, Friedrich Wilhelm Felix von (1822–1864) Thiersch, Carl (1822–1895) Corti, Alfonso Giacomo Gaspare (1822–1876) Pasteur, Louis (1822–1895) Esmarch, Johannes Friedrich August von (1823–1908) Lie´beault, Ambroise-Auguste (1823– 1904) Bu¨chner, Ludwig Friedrich Karl Christian (1824–1899) Broca, Pierre Paul (1824–1890) Bilharz, Theodor Maximilian (1825– 1862) Friedreich, Nikolaus (1825–1882) Foerster, Carl Friedrich Richard (1825–1902) Charcot, Jean-Martin (1825–1893) Hoppe-Seyler, Ernst Felix I. (1825– 1895) Billroth, Christian Albert Theodor (1826–1894) Gegenbaur, Carl (1826–1903) Landry, Jean Baptiste Octave (1826– 1865) Lister, Joseph Lord (1827–1912) Cohn, Ferdinand Julius (1828–1898) Auerbach, Leopold (1828–1897) Graefe, Albrecht von (1828–1870) Down, John Langdon Haydon (1828– 1896) Tro¨ltsch, Anton Friedrich von (1829– 1890) Setschenow, Iwan Michailowitsch (1829?–1905?) Hegar, Alfred (1830–1914) Volkmann, Richard von (1830–1898) ¨ . (1831–1904) His, Wilhelm d. A Leyden, Ernst von (1832–1910) Crookes, Sir William (1832–1919) Wundt, Wilhelm (1832–1920) Westphal, Carl (1833–1890)
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Bert, Paul (1833–1886) Recklinghausen, Friedrich Daniel von (1833–1910) Finlay, Carlos Juan (1833–1915) Weismann, August Friedrich (1834– 1914) Klebs, Edwin (1834–1913) Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August (1834–1919) Snellen, Herman (1834–1908) Jackson, John Hughlings (1835–1911) Eberth, Carl Joseph (1835–1926) Politzer, Adam (1835–1920) Waldeyer-Hartz, Wilhelm von (1836– 1921) Rindfleisch, Georg Eduard von (1836– 1908) Bergmann, Ernst von (1836–1907) Kaposi, Moritz (1837–1902) Hitzig, Eduard (1838–1907) Bardenheuer, Franz Bernhard Hubert (1839–1913) Cohnheim, Julius (1839–1884) Naunyn, Bernhard (1839–1925) Bernheim, Hippolyte Marie (1840– 1919) Krafft-Ebing, Richard Frh. von (1840– 1902) Erb, Wilhelm Heinrich (1840–1921) Hansen, Gerhard Henrik Armauer (1841–1912) Kocher, Theodor (1841–1917) Lehmus, Emilie (1841–1932) Nothnagel, Hermann (1841–1905) Breuer, Joseph (1842–1925) Czerny, Vincenz von (1842–1916) Ammon, Otto (1842–1916) Rosenbach, Friedrich Julius (1842– 1923) Heubner, Otto Johann Leonhard (1843–1926) Tiburtius, Franziska (1843–1927) Flemming, Walther (1843–1905) Koch, Robert (1843–1910) Baginsky, Adolf (1843–1918)
Puschmann, Theodor (1844–1899) Trendelenburg, Friedrich (1844–1924) Wilde, Eduardo (1844–1913) Golgi, Camillo (1844–1926) Manson, Patrick (1844–1922) Weichselbaum, Anton (1845–1920) Weigert, Carl (1845–1904) Metschnikow, Ilya Ilich (1845–1916) Laveran, Alphonse Charles Louis (1845–1922) Pfeiffer, Emil (1846–1921) Langerhans, Paul (1847–1888) Flu¨gge, Carl (1847–1923) Wernicke, Carl (1848–1905) Bang, Bernhard Laurits Frederik (1848–1932) Forel, Auguste Henri (1848–1931) Nitze, Maximilian (1848–1906) Baelz, Erwin (1849–1913) Hertwig, Oscar Wilhelm August (1849–1922) Osler, Sir William (1849–1919) Schauta, Friedrich (1849–1919) De´jerine, Jules Joseph u. Augusta (1849–1917, 1859–1927) Fu¨rbringer, Paul (1849–1930) Pawlow, Iwan Petrowitsch (1849– 1936) Gaffky, Georg Theodor August (1850– 1918) Welch, William Henry (1850–1934) Mikulicz-Radecki, Johannes von (1850–1905) Roux, Wilhelm (1850–1924) Schweninger, Ernst (1850–1924) Unna, Paul Gerson (1850–1929) Richet, Charles Robert (1850–1935) Pagel, Julius Leopold (1851–1912) Ramo´n y Cajal, Santiago (1852–1934) Loeffler, Friedrich (1852–1915) Hueppe, Ferdinand (1852–1938) Halsted, William Steward (1852–1922) Kitasato, Shibasaburo (1852–1931) Stru¨mpell, Adolf (1853–1925) 375
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Gruber, Max (von) (1853–1927) Kossel, Albrecht (1853–1927) Schjerning, Otto von (1853–1921) Panizza, Oskar (1853–1921) Roux, Pierre Paul Emile (1853–1933) Sudhoff, Karl (1853–1938) Delage, Yves (1854–1920) Ehrlich, Paul (1854–1915) Behring, Emil von (1854–1917) Lorenz, Adolf (1854–1946) Rubner, Max (1854–1932) Kirchner, Martin (1854–1925) Grassi, Giovanni Battista (1854–1925) Adams, Hope Bridges (1855–1916) Neisser, Albert (1855–1916) Bruce (Sir) David (1855–1931) Beckurts, Heinrich (1855–1929) Kraepelin, Emil (1856–1926) Freud, Sigmund (1856–1939) Bechterew, Wladimir Michajlowitsch (1857–1927) Schallmayer, Friedrich Wilhelm (1857–1919) Wagner von Jauregg, Julius (1857– 1940) Horsley, Victor (1857–1916) Bleuler, Paul Eugen (1857–1939) Gottstein, Adolf (1857–1941) Nocht, Bernhard (1857–1945) Ross, Ronald (1857–1932) Babinski, Joseph Franc¸ois Fe´lix (1857– 1932) Escherich, Theodor (1857–1911) Celli, Angelo (1857–1914) Oppenheim, Hermann (1858–1919) Pfeiffer, Richard (1858–1945) Blaschko, Alfred (1858–1922) Marfan, Jean-Bernard-Antoine (1858– 1942) Eijkman, Christiaan (1858–1930) Loeb, Jacques (1859–1924) Prinzing, Friedrich (1859–1938) Wernicke, Erich A.E. (1859–1928) Doyle, Arthur Conan (1859–1930) Schleich, Carl Ludwig (1859–1922) 376
Grierson, Cecilia (1859–1934) Ruffer, Marc Armand (1859–1917) Cechow, Anton Paclovic (1860–1904) Lubarsch, Otto (1860–1933) Bayliss, William Maddock (1860– 1924) Korn, Alejandro (1860–1936) Einthoven, Willem (1860–1927) Do¨derlein, Albert (1860–1941) Eiselsberg, Anton Frhr. von (1860– 1939) Frosch, Paul Max Otto (1860–1928) Ploetz, Alfred (1860–1940) Nissl, Franz (1860–1919) Schimmelbusch, Curt Theodor (1860– 1895) Finsen, Niels Ryberg (1860–1904) Paschen, Enrique (1860–1936) Nonne, Max (1861–1959) Herxheimer, Karl (1861–1942) Head, Henry (1861–1940) Bier, August (1861–1949) Krehl, Ludolf von (1861–1937) Bluhm, Agnes (1862–1943) Boveri, Theodor (1862–1915) Nicolaier, Arthur (1862–1942) Widal, Georges Fernand Isidore (1862–1929) Moll, Albert (1862–1939) Schnitzler, Arthur (1862–1931) Mori, Ogai (1862–1923) Czerny, Adalbert (1863–1941) Schwalbe, Julius (1863–1930) His, Wilhelm d. J. (1863–1934) Calmette, Le´on Charles Albert (1863– 1933) Yersin, Alexandre (1863–1943) Wertheim, Ernst (1864–1920) Kruse, Walter (1864–1943) Alzheimer, Alois (1864–1915) Sanarelli, Giuseppe (1864–1940) Albers-Scho¨nberg, Heinrich Ernst (1865–1921) Hoche, Alfred (1865–1943) Leishman, William (1865–1926)
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Aschoff, Ludwig (1866–1942) Groddeck, Georg (1866–1934) Herbst, Curt Alfred (1866–1946) Wassermann, August Paul von (1866– 1925) Starling, Ernest Henry (1866–1927) Nicolle, Charles (1866–1936) Sun Yat-sen (1866–1925) Driesch, Hans Adolf Eduard (1867– 1941) Fibiger, Johannes Andres Grib. (1867– 1928) Folin, Otto Knut (1867–1934) Bircher-Benner, Maximilian Oskar (1867–1939) Schloßmann, Arthur (1867–1932) Bonhoeffer, Karl (1868–1948) Hoffmann, Erich (1868–1959) Hirschfeld, Magnus (1868–1935) Landsteiner, Karl (1868–1943) Moses, Julius (1868–1942) Agote, Luis (1868–1954) Brodmann, Korbinian (1868–1918) Neuburger, Max (1868–1955) Tandler, Julius (1869–1936) Cushing, Harvey Williams (1869– 1939) Pregl, Fritz (1869–1930) Bang, Ivar Christian (1869–1918) Borst, Maximilian (1869–1946) Grotjahn, Alfred (1869–1931) Uhlenhuth, Paul (1870–1957) Adler, Alfred 1870–1937 Kaup, Ignaz Anton (1870–1944) Vogt, Oskar (1870–1959) Montessori, Maria (1870–1952) Hirsch, Rachel (1870–1953) Erdmann, Rhoda (1870–1935) Shiga, Kiyoshi (1870–1957) Ricketts, Howard Taylor (1871–1910) Rabinowitsch-Kempner, Lydia (1871– 1935) Schaudinn, Fritz Richard (1871–1906) Kienbo¨ck, Robert (1871–1953) Bloch, Iwan (1872–1922)
Volhard, Franz (1872–1950) Pfaundler, Meinhard von (1872–1947) Teleky, Ludwig (1872–1957) Cruz, Oswaldo Gonc¸alves (1872–1917) Holzknecht, Guido (1872–1931) Hata, Sahachiro (1873–1938) Berger, Hans (1873–1941) Carrel, Alexis (1873–1944) Coolidge, William David (1873–1975) Fischer, Alfons (1873–1936) Ferenczi, Sandor (1873–1933) Pirquet v. Cesenatico, Klemens Frhr. (1874–1929) Nicolai, Georg Friedrich (1874–1964) Ru¨din, Ernst (1874–1952) Fischer, Eugen (1874–1967) Moniz, Egas (1874–1955) Moro, Ernst (1874–1951) Godlewski, Emil jr. (1875–1944) Schweitzer, Albert (1875–1965) Vogt, Ce´cilie (1875–1962) Baur, Erwin (1875–1933) Sauerbruch, Ernst Ferdinand (1875– 1951) Jung, Carl Gustav (1875–1961) Prowazek, Stanislaus Edler von Lanow (1875–1915) Negri, Aldechi (1876–1912) Economo, Constantin von (1876– 1931) Tugendreich, Gustav (1876–1948) Singer, Charles Joseph (1876–1960) Windaus, Adolf (1876–1959) Hellpach, Willy Hugo (1877–1955) Abderhalden, Emil (1877–1950) Ingenieros, Jose´ (1877–1925) Sachs, Hans (1877–1945) Heubner, Wolfgang Otto Leonhard (1877–1957) Goldschmidt, Richard Benedict (1878–1958) Liek, Erwin (1878–1935) Korczak, Janusz (1878–1942) Rodenwaldt, Ernst (1878–1965) Do¨blin, Alfred (1878–1957) 377
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Goldstein, Kurt (1878–1965) Aschheim, Selmar (1878–1965) Diepgen, Paul (1878–1966) Carossa, Hans (1878–1956) Bergmann, Gustav von (1878–1955) Chagas, Carlos Ribeiro Justiniano (1879–1934) Rous, Francis Peyton (1879–1970) Chajes, Benno (1880–1938) Hartmann, Adele (1881–1937) Finochietto, Enrique (1881–1948) Binswanger, Ludwig (1881–1966) Meyer, Selma (1881–1958) Fischer, Hans (1881–1945) Fleming, Sir Alexander (1881–1955) Rajchman, Ludwik Witold (1881– 1965) Ludendorf, Mathilde (1882–1966) Gebsattel, Victor Emil Freiherr von (1883–1976) Jaspers, Karl (1883–1969) Just, Ernst Everett (1883–1941) Siebeck, Richard (1883–1965) Papanicolaou, George Nicholas (1883–1962) Warburg, Otto Heinrich (1883–1970) Meyerhof, Otto (1884–1951) Hirszfeld, Ludwik (1884–1954) Hinselmann, Hans (1884–1959) Horney, Karen (1885–1952) Waardenburg, Petrus Johannes (1886–1979) Weizsa¨cker, Viktor von (1886–1957) Benn, Gottfried (1886–1956) Houssay, Bernardo Alberto (1887– 1925) Waksman, Selman Abraham (1888– 1973) Zeiss, Heinrich bzw. Heinz (1888– 1949) Wagner, Gerhard (1888–1939) Fischer, Isidor (1888–1943) Kretschmer, Ernst (1888–1964) Wolf, Friedrich (1888–1953) Frankenthal, Ka¨te (1889–1976) 378
Bauer, Karl-Heinrich (1890–1978) Alexander, Franz (1891–1964) Gu¨tt, Arthur (1891–1949) Northrop, John Howard (1891–1987) Sigerist, Henry E. (1891–1957) Zondek, Bernhard (1891–1966) Banting, Sir Frederick Grant (1891– 1941) Fanconi, Guido (1892–1979) Freudenberg, Karl (1892–1966) Knaus, Herman Hubert (1892–1970) Huelsenbeck, Richard (1892–1974) Blome, Kurt (1894–1969) Fetscher, Rainer (1895–1945) Domagk, Gerhard (1895–1964) Fleck, Ludwik (1896–1961) Verschuer, Otmar Freiherr von (1896– 1969) Cori, Gerty Theresa (1896–1957) Balint, Michael (1896–1970) Mette, Alexander (1897–1985) Lenz, Fritz (1897–1976) Reich, Wilhelm (1897–1957) Bamm, Peter (1897–1975) Rein, Friedrich Hermann (1898–1953) Taussig, Helen Brooke (1898–1986) Florey, Howard Walter (1898–1968) Pagel, Walter (1898–1983) Christmann, Federico Enrique Bruno (1898–1986) Best, Charles Herbert (1899–1978) Blalock, Alfred (1899–1964) Claude, Albert (1899–1983) Conti, Leonardo (1900–1945) Krebs, Sir Hans A. (1900–1981) Timofe´eff-Ressovsky, Nicolai Vladimirovich (1900–1981) Pauling, Linus Carl (1901–1994) Temkin, Owsei (1902–2002) Lorenz, Konrad (1903–1989) Brandt, Karl (1904–1948) Forßmann, Werner (1904–1979) Alexander, Leo (1905–1985) Chargaff, Erwin (1905–2002)
¨ rztinnen und A ¨ rzte in chronologischer Folge Die A
Ackerknecht, Erwin H. (1906–1988) Chain, Sir Ernst Boris (1906–1979) Delbru¨ck, Max Ludwig Henning (1906–1981) Sabin, Albert Bruce (1906–1993) Selye, Hans (1907–1982) Bovet, Daniel (1907–1992) Rothschuh, Karl Eduard (1908– 1984) Allende, Gossens Salvador (1908– 1973) Mitscherlich, Alexander (1908–1982)
Rascher, Sigmund (1909–1945) Monod, Jacques Lucien (1910–1976) Mengele, Josef (1911–1979) Oberheuser, Herta (1911–1978) Lesky, Erna (1911–1986) Crick, Francis Harry Compton (1916– 2004) Barnard, Christiaan Neethling (1922– 2001) Guevara Serna, Ernesto (Che´) (1928– 1967)
379
Personenregister
¨ rzte sowie anderer Register der außerhalb ihrer eigenen Artikel erwa¨hnten A Personen. Im Literaturanhang genannte Personen fanden keinen Eingang. Arabische Namen stehen im Register in normalisierter Schreibung. Abbe, E. 154 Abbe´ Fontana 118 Abd al-Mu’min 16 Abd ar-Rahman III. 1 Abderhalden, E. 109, 253 Abernethys, J. 272 Abraham, K. 169 Abu l’Farag ben Salim 263 Abu l-Ala Zuhr 16 Abu Salih Mansur b. Ishaq 263 Abulkasis 67 Achucarro, N. 259 Addison, M. 3 Adelmann, G. 46 Adler, A. 123 Adler, L. 278 Adud ad-Daula 147 Aetios von Amida 236, 263 Aischrion 127 al-Mutawakkil 173 Ala ad-Daula b. Dusmanzar 18 Albanus Torinus 317 Albert, E. 206 Albertus Magnus 275 Albinos 128 Albinus, B. 152 Alderotti, T. 222 Alexander II. (rus. Zar) 218 Alexander von Aphrodisias 17 Alexander, Gustav 7 Alexandros von Tralleis 244, 334 Alkuin 170 Althoff, F. 37, 45 Alzheimer, A. 233 Andernach, J. G. v. 316 Andral, G. 137, 268 Andreae, T. 26
Andry, N. 314 Anthemios 6 Antigonos 92 Antiochos 103 Antoninus Pius 128 Apathy, I. 139 Apollon 13 Archigenes 5 Aristoteles 3, 17, 75, 91, 110, 148, 157, 161, 211, 248, 187, 305 Arlt, F. 135 Arp, H. 171 Aschheim, S. 342 Asklepiades von Bithynien 9, 16, 307 Asklepios 162 Astruc, J. 206 Auenbrugger, L. 84, 392 Auerbach, B. 156 August d. Starke (poln. Ko¨nig) 14 August II. v. Sachsen 29 Augustus (ro¨m. Kaiser) 9 Auspitz, H. 313 Avicenna 10, 11, 17, 131, 147, 175, 305 Babinski, J. 223 Bach, J. S. 284 Bacon, F. 155 Baer, J. L. v. 21 Baer, K. E. 94 Baeyer, A. v. 279 Baginsky, A. 279, 311 Baglivi, G. 194, 249 Baglivi, P. A. 23 Bail, O. 172 Bailly, G. de 106 Baldinger, E. G. 120 Balint, R. 221 381
Personenregister
Ball, H. 171 Baltzar 209 Bamberger, E. v. 195 Banting, F. G. 43 Barbarossa (s. Friedrich I.) Bardenheuer, B. 278 Barth, J. 35 Barth, K. 290 Barthel, C. 121 Barthez, P.-J. 44, 56, 249, 298 Bartholin, T. 266 Bassi, L. 295 Bastianelli, G. 136 Batista y Zaldı´var, Fulgencio 148 Baum, M. 312 Baum, W. 47 Baxby, D. 179 Bayle, G.-L. 84 Bayliss, W. M. 298 Bebel, A. 3, 252 Becker, H. 221 Becker, O. 26 Beddoes, T. 63, 88 Beer, J. 323 Beethoven, L. v. 22 Behring, E. v. 100, 183, 184, 330 Bellini, L. 23, 56 Bembo, P. 83 Benivieni, A. 91 Benjamin, E. 247 Berger, J. G. 23, 194 Bergmann, E. v. 105, 278 Bergmann, G. v. 45 Bernard, C. 43, 65, 165, 210, 232, 289 Bernays, M. 122 Bernheim, H. 77, 122, 202, 222 Bernstein, E. 50, 76 Bernstein, J. 209 Berthollet, C.-L. 143 Berzelius, J. J. 335 Betti, A. M. 69 Bichat, M. F. X. 6, 59, 156, 167 Bidloo, G. 85, 152 Bier, A. 105 Bignami, A. 136 382
Billroth, T. 60, 87, 102, 105, 187, 195, 197, 206, 220, 330 Bils, L. de 9 Bing, R. 306 Binswanger, L. 61, 131 Binz, K. 37 Bircher-Benner, M. 252 Bisky, L. 231 Bismarck, O. v. 183, 284, 320 Blalock, A. 306 Blanks, J. 53 Blaschko, A. 76, 229 Blasius, E. C. F. 321 Bleuler, E. 180, 252 Bluhm, A. 198, 252 Blumenbach, J. F. 182, 215, 336 Bodin, J. 326 Boer, J. L. 237 Boerhaave, H. 145, 152, 194, 224, 303 Bohr, N. 92 Bolivar, S. 111 Bondi, C. 279 Bonet, T. 224 Bonfiglio, F. 8 Bonhoeffer, K. 330 Bonhoeffer, K. F. 92 Bonhoff, H. 37 Bonnet, C. 118, 296 Bonomo, G.C. 195 Bordeu, T. de 27, 297 Borelli, G. A. 39, 212 Borgognoni, H. de Luca 57 Bormann, M. 59 Borowski, P. F. 199 Bossuet, J.-B. 333 Botkin, S. P. 245 Bowditch, H. P. 209 Bowman, W. 135 Boyle, R. 55, 155, 167, 304, 332 Boym, M. 78 Bozzolo, C. 97 Brahms, J. 48 Brandt, K. 82 Braun, H. 46 Braun, N. 307
Personenregister
Breinl, F. 172 Breisky, A. v. 278 Bretonneau, P. 84 Breuer, J. 77, 123 Bright, R. 3 Broca, P. P. 330 Brodmann, K. 320 Broussais, F. J. V. 9, 194, 207 Brown, J. 62, 63, 69, 214, 259, 269, 327 Brown-Se´quard, C.-E. 165 Bruck, C. 325 Brunner, J. C. 247, 329 Bruno, J. (s. Brown, J.) Bru¨cke, E. v. 60, 97, 122, 174, 209, 283 Bru¨ning, H. 122 Bucer, M. 288 Buffon, G. 118 Bunge, G. v. 48 Burdach, K. F. 21 Busch, D. W. H. 85 Busch, W. 26 Bu¨chner, G. 332 Bu¨tschli, O. 136, 140, 164 Cabanis, P. 249 Caelius Aurelianus 295 Caius 317 Calmette, A. 239 Calvin, J. 213, 288 Campagnola, D. 317 Campanella, T. 57, 289 Camper, P. 294 Caroll, J. 112 Cartesius (s. Descartes) Carus, K. G. 298 Casamajor, S. 8 Casaubon, I. 81 Casserio, G. 3 Castellani, A. 65 Castelli, B. 57 Castro, Fidel 148 Cechova, E. J. (geb. Morozova) 88 Cerletti, U. 8 Cestoni, G. 195 Chagas, C. 86
Chain, E. B. 115, 116 Chamberlain, H. St. 172 Chamberlain, J. 213 Chamberlen, H. 214 Charcot, J.-M. 19, 43, 51, 122, 222 Charles IX. (franz. Ko¨nig) 241 Chiarugi, V. 315 Chopart, F. 88 Christian, V. 90 Christine v. Schweden (Ko¨nigin) 89 Chrobak, R. 330 Chrysippos von Knidos 102 Clauberg, J. 26 Claudius (ro¨m. Kaiser) 92, 285, 338 Clemens VIII. (Papst) 75 Clemens XI. (Papst) 107, 194 Cohen, D. 292 Cohn, F. J. 15, 186 Cohnheim, J. 186, 285, 338 Colbert, J. B. 81 Colinet, M. 108 Collado, L. 317 Collip, J. B. 43 Commodus (ro¨m. Kaiser) 129 Comte, A. 204 Condorcet, A. 285 Constantinus Africanus 131, 147, 176 Conti, P. 59 Corbeil, G. de 133, 314 Corday, C. 214 Cori, C. F. 82 Cornarius 117 Cornaro, A. 318 Corti, M. 316 Corvisart, J. N. des Marest 15, 33, 97 Cothenius, C.A. 336 Cowper, W. 45 Creutzfeldt, H. G. 8 Crick, F. 93, 255 Critchett, G. 135 Cruz, O. 75 Cullen, W. 63, 64, 144, 249 Curschmann, H. 165 Curvier, G.L.C. 215 Cuvier, G. de 53, 84, 238, 331 383
Personenregister
Czermak, J. N. 209, 313 Czerny, A. 219 Czerny, V. 292 d’Alton, E. 94 d’Aquapendente, F. 285, 297 d’Hervilly, M. 144 Darvall, D. A. 28 Darwin, C. 22, 74, 79, 131, 143, 147, 158, 206, 208, 217, 239, 252, 320, 327 Davy, H. 329 de la Boe, F. (Sylvius) 135 de No, L. 259 de Rudder, B. 247 Degkwitz, R. 247 Dehmel, R. 279 del Ciappa, G. 259 Demokrit 162 Denyau, A. M. 10 Desault, P.-J. 44, 99 Descartes, R. Duperron 14, 26, 55, 56, 68, 325 Desiderius 81 Desmarres, A. 135 Dieffenbach, J. F. 250, 301 Diokletian (ro¨m. Kaiser) 188 Dioskurides 236, 275 Djoser 175 Dohrn, F. A. 231, 232 Dominicus Gundissalinus 18 Domokow, B. 8 Donders, F. C. 36, 135, 293 Dreher, M. 221 Driesch, H. 163, 272, 284 Du Bois-Reymond, E. 46, 66, 135, 156, 209, 226, 283, 289, 322 du Laurens, A. 317 Dubois, J. 316 Duclaux, P.-E. 272 Dumas, J. B. 254 Dungern, E. v. 164 Dunn, W. 76 Dupuytren, G. 84, 85, 90, 216, 229, 265 384
Duret, L. 251 Durham, H. 140 Duthiers, L. 92 Duverney, J. G. 84, 247, 353 Do¨llinger, I. 21, 281 Du¨mgen, J. 108 Eberth, C. 126, 278 Ebner-Eschenbach, M. 60 Ebstein, W. 165 Edinger, L. 133, 322 Egloff, E. 156 Ehrlich, P. 37, 38, 40, 95, 141, 149, 219, 254, 275, 290, 313, 322, 325 Eichhorn, J. A. F. 262 Eichrodt, L. 193 Einthoven, W. 231 Ellis, E. 93 Emo, G. 7 Engel, J. 325 Epstein, A. 87 Epstein, R. 5 Erasistratos 156, 157 Erasmus von Rotterdam 250 Erb, W. 191, 235, 331 Erikson, G. 221 Escherich, T. 247 Esmarch, F. v. 45 Esquirol, J.-E.-D. 249 Eudemos 128 Eulenburg, A. 314 Euler, H. 336 Eunapios 236 Euphorbos 9 Eustachi, B. 194, 317 Falloppia, G. 2, 317, 318 Faworsky, A. 8 Feletti, R. 136 Felix, A. 172 Ferdinand II. (ro¨m.-dt. Kaiser) 148 Fernel, J. 250 Fichte, J. G. 269 Fick, A. 213 Fick, L. 209
Personenregister
Ficker, M. 274 Finke, H. 90 Finkelstein, H. 311 Fischer, E. 1, 33, 253, 315, 324 Fischer, E. H. 195 Fischer, J. H. 236 Fischer, J. N. 36 Fischer, O. 26 Flavius Boethus 128 Flechsig, P. 34, 320 Fleming, A. 76, 116 Flemming, C. F. 115 Florenas, N. 316 Florey, H. 115 Florey, W. 76 Flu¨gge, C. 140 Foreest, P. v. 317 Forel, A. 48, 252, 259 Forster, G. 294, 295 Forster, J. 101 Fortunato, G. 24 Fourcroy, A.-F. 6 Fourneau, E. 58 Fracastoro, G. 83 Fraenkel, C. 248 Francesco II. 258 Franchetti, L. 74 Frank, J. 323 Frank, J. P. 64, 94, 323 Frank, O. 209 Franklin, B. 150, 249 Franque´, O. v. 161 Frerich, F. v. 100, 228 Freud, S. 4, 6, 60, 77, 109, 110, 139, 166, 169, 180, 190, 202, 221, 222, 261, 281, 328 Frey, M. v. 209 Fried, G. A. (d. J.) 236 Friedberger, E. 248 Friedemann, U. 164 Friedla¨nder, C. 134 Friedreich, N. 104, 126 Friedrich I. (preuß. Ko¨nig) 167 Friedrich I., Barbarossa (ro¨m.-dt. Kaiser) 160
Friedrich II., der Große (preuß. Ko¨nig) 104, 194, 336 Friedrich III. (dtsch. Kaiser) 40 Friedrich von der Pfalz 179 Friedrich Wilhelm I. (preuß. Ko¨nig) 167, 297 Friedrich Wilhelm IV. (preuß. Ko¨nig) 262 Friedrich, C. D. 72 Fritsch, G. 166 Frobenius, W. 105 Fromme, A. 313 Froriep, R. 319 Frosch, P. 205 Frugardi, R. 142 Fuchs, L. 232, 275 Fuglin, J. 326 Fulci, F. 8 Fu¨llmaurer, H. 126 Gadamer, H.G. 178 Gaffky, G. 36, 37, 172, 205 Galen 2, 3, 5, 6, 10, 11, 17, 18, 19, 58, 70, 92, 97, 103, 106, 107, 125, 132, 147, 148, 157, 167, 168, 173, 174, 211, 223, 232, 236, 244, 248, 263, 264, 266, 274, 287, 288, 305, 309, 316, 317, 318, 334 Galilei, G. 2, 57, 212, 260, 314 Gall, F. J. 297, 323 Galton, F. 252 Garcia, M. 312 Gardiner Hill, R. 80 Gaub, J. D. 55 Gaupp, R. 7, 192 Gazzali 17 Gebhardt, K. 234 Gee, M. 304 Gegenbaur, C. 139, 140, 143 Gelb, A. 134 Georg II. (engl. Ko¨nig) 215 Georg IV. (engl. Ko¨nig) 61 Gerhard von Cremona 2, 176 Gerhardt, K. 105 Gersuny, R. 48 385
Personenregister
Gessner, K. 275, 338 Giovanni da Vigo 241 Girtanner, C. 64 Gluck, W. 217 Gmelin, I. F. 182 Goethe, J. W. v. 53, 69, 72, 96, 172, 180, 235, 255, 294, 295, 332 Goetz, W. 291 Goldstein, K. 149 Golgi, C. 228, 259 Goltz, F. 213 Goltz, F. L. 322 Gorgias von Leontini 162 Gorkij, M. 73 Gotschlich, E. 267 Goupyl, J. 117, 251 Goßler, K. H. 264 Graefe, A. v. 30, 36, 47, 165 Graefe, C. F. v. 36, 90, 250, 323 Grassi, B. 74, 97 Gray, S. 215 Gre´goire, M. 238 Griesinger, W. 46, 270, 282, 331, 336 Griffon, J. 108 Groddeck, G. 284 Grosz, G. 171 Grote, L. R. 271 Grotjahn, A. 76, 181 Groß, W. 95 Gruber, J. 253 Gruber, M. v. 181, 196, 273 Grunelius, M. E. 294 Gruner, Chr. G. 298 Gudden, B. v. 118, 189, 232, 277 Gue´rin, C. 70 Gurlt, A. 197 Guy de Chauliac 2, 57, 132 Gyo¨rgy, P. 225 Go¨tt, T. 247 Go¨ttling, J. F. A. 296 Habermas, J. 221 Haeckel, E. 101, 131, 163, 208 Haen, A. de 55, 300 Hahn, K. 30 386
Hahn, O. 92 Hakam II. 1 Halban, J. 278 Halbersta¨dter, L. v. 254 Hall, M. 226 Haller, A. v. 15, 24, 27, 55, 64, 130, 224, 296, 331, 336 Halley, E. 230 Halsted, W. 86 Hamburger, F. 105 Hammarskjo¨ld, D. 255 Hamme, A. v. 318 Hansen, G. H. A. 229 Hantzsch, A. 195 Harig, G. 219 Hartmann, M. 189 Harvey, W. 3, 28, 38, 75, 80, 81, 89, 168, 216, 239, 262, 266, 267, 269, 290, 291, 305 Hasse, C. 272 Hata, S. 183 Hatsu (Hana) Arai 21 Heartfield, J. 171 Hebra, H. Ritter von 313 Hecker, J. F. K. 163 Hegar, A. 90 Hegel, G. W. F. 255 Heidegger, M. 48, 177 Heidenhain, R. 245, 322 Heim, L. 192 Heimann, K. 221 Heinrich II. (franz. Ko¨nig, s. Henri II.) Heinrich III. (franz. Ko¨nig, s. Henri III) Heinrich VIII. (engl, Ko¨nig) 70 Heinroth, J. C. A. 228, 298 Heisenberg, W. 92 Hell, M. 217 Helmholtz, H. v. 36, 66, 84, 97, 135, 136, 209, 215, 226, 227, 283, 289, 337 Helmont, F. M. v. 154 Helmont, J. B. v. 239 Henkel, M. 161 Henle, J. 187, 248, 322, 327 Hennings, E. 171
Personenregister
Henri II. (franz. Ko¨nig) 110, 241 Henri III. (franz. Ko¨nig) 241 Heraclianus 128 Herakleides 161 Herakles 162 Heraklit 46 Herbart, J. F. 139 Herbst, C. 101 Herbst, I. 317 Herder, J. G. v. 145, 172 Hering, E. 60, 149 Herodikus 161 Herophilos 103, 128 Herrlinger, R. 132 Hershey, A. D. 93 Herter, C. A. 159 Hertwig, O. 272 Hertwig, R. 60, 140, 254 Herzfelde, W. 171 Heubner, O. 336 Heubner, W. 221 Hill, A. V. 219 Hill, R. G. 80 Himmler, H. 59 Hinselmann, H. 240 Hippokrates 10, 11, 13, 14, 24, 46, 70, 97, 117, 127, 129, 156, 157, 173, 204, 211, 232, 263, 269, 274, 295, 304, 305 Hirsch, A. 114 Hirschfeld-Tiburtius, H. 310 Hirszfeldowa, H. 164 ¨ .) 165 His, W. (d. A His, W. (d. J.) 259 Hitler, A. 38, 46, 59, 82, 141 Hitzig, E. (geb. Ranke) 166 Hoche, A. 93 Hodgkin, T. 3 Hoffmann, E. 229, 278 Hoffmann, F. 194, 297, 298, 325 Hoffmann, K.B. 253 Hofmann, F. 116 Hofmann, F. B. 273 Hofmann, M. 334 Hofmannsthal, H. v. 280
Hohenheim, T. B. v. (siehe Theophrast von Hohenheim) Holmberg, A. 43 Holzknecht, G. v. 102 Hooke, R. 332 Hoorne, L. van 135 Hoover, H. C. 328 Hopkins, F. G. 101, 191 Horney, O. 169 Horst, G. 285 Horthy von Nagyba´nya, N. 109 Houllier, J. 117 Hubais al-A sam 173 Hufeland, C. W. 30, 144, 270 Humboldt, A. v. 53, 215, 291 Hunter, J. 24, 174, 294 Hunter, W. 24 Husler, J. 247 Husserl, E. 48 Hutten, U. v. 66 Huxley, T. H. 238 Hu¨fner, G. v. 253 Ibn Abi Usaibi 263, 264 Ibn Dawud 18 Ibn Rusd 16 Ibn Tufail 175 Ibn Zain at-Tabari 263 Ibn Zuhr 17 Ilg, G. 255 Ingenieri, G. 175 Innocenz IV. (Papst) 57 Innozenz XI. (Papst) 194 Innozenz XII. (Papst)194 Isaac Judaeus 246 Ishaq b. Hunain 173 Isidor v. Sevilla 35, 170 Itano, H. 255 Ivy, A. 7 Jackson, C.T. 225 Jacob II. (aragon. Herrscher) 11 Jacob, F. 232 Jaeger, E. 135 Jaeger, F. 49, 135 387
Personenregister
Jaeger, W. 91 Jaegle´, M. 68 Jakob I. (engl. Ko¨nig) 148 Jakob, A. 8 Janco, M. 171 Jasolino, G. 289 Jaspers, K. 221 Jeckelmann, M. 251 Joachimsen, P. 221 Joerg, J. C. G. 85 Johann Casimir von der Pfalz 307 Johann Ernst II. von Sachsen-Weimar 297 Johannes III. Dukas Vatatzes (byzant. Kaiser) 232 Johannes Oekolampadius 288 Johannes XXI. (Papst) 246 Joseph II. (ro¨m.-dt. Kaiser) 230 Juan de Quintana 288 Jubas II. (numid. Ko¨nig) 9 Julian Apostata (ro¨m. Kaiser) 236 Julius II. (Papst) 109 Julius III. (Papst) 71 Jung, C. G. 48, 109, 123 Jusatz, H. 267 Justinian I. (ro¨m. Kaiser) 15 Jutta von Spanheim 159 Ju¨ngken, J. C. 135 Kahler, O. 330 Kalkar, J. S. v. 316, 317 Kaltenbach, R. 151 Kandel, D. 54 Kano, J. 21 Kant, I. 53, 295 Kaposi, M. 313 Karl I. (engl. Ko¨nig) 148 Karl V. (ro¨m.-dt. Kaiser) 316 Karl VI. (ro¨m.-dt. Kaiser) 325 Karl X. (franz. Ko¨nig) 98 Katharina II. (rus. Zarin) 327, 336 Katharina von Braunschweig-Wolfenbu¨ttel 271 Kaup, I. 140 Kautsky, K. 252 388
Keller, G. 156 Kempner, W. 257 Kiliani, H. 333 Kirchner, M. 36 Kitasato 37, 149, 290, 339 Klebs, E. 228 Klein, G. 271 Klein, J. 286, 287 Kleist, K. 330 Klopstock, A. 275 Klumpke, A. 88 Knipper, O. L. 73 Koch, Ri. 271 Koch, Ro. 10, 37, 38, 47, 74, 79, 100, 116, 124, 126, 127, 134, 140, 141, 172, 183, 184, 193, 205, 225, 229, 233, 242, 243, 247, 248, 257, 273, 283, 313, 325, 326, 330 Kocher, T. 112 Koelliker, A. v. 7, 12, 99, 131, 143, 291 Kol’cov, N. K. 323 Kossel, A. 290 Kostanecki, K. 139 Kovalevsky, A. 217 Kraepelin, E. 7, 192, 233, 273, 330 Krafft-Ebing, R. v. 322 Krateuas 92 Kraus, F. 40, 164, 231 Kraus, R. 325 Krehl, L. v. 221, 290, 324, 327 Krupp (Familie) 320 Kruse, W. 290 Kuhn, H. 117 Kuhn, P. 111 Kupffer, K. W. v. 139 Ko¨ro¨si, J. 140 Ku¨mmel, H. 46 La Mettrie, J. O. de 55 Laennec, T. H. 9, 33, 45, 84, 97, 232, 292 Lairesse, G. de 45 Lamarck, J. 215 Lamprecht, K. 152, 338 Lancisi, G. M. 107, 224, 259 Lanfranc 1, 142
Personenregister
Langenbeck, B. v. 40, 47, 105, 301, 311, 321 Langmuir, I. 82 Larrey, D. J. 90 Lascaris, J. 106 Lassar, O. 313 Laveran, A. 213, 270 Lavoisier, A. 118, 143, 249, 298 Lazarevic, L. K. 198 Lazear, J. 112 Leander (Volkmann, R. v.) 321 Lehmus, E. 52, 310 Leibniz, G. W. 17, 230, 258, 298, 314 Leidesdorf, M. v. 322 Leloir, H. C. C. 314 Lenin 320 Lennard-Jones, J. E. 92 Lenz, F. 33, 253, 277, 315 Leonard, A. 214 Leoniceno, N. 317 Leopold I. (ro¨m.-dt. Kaiser) 325 Leopold v. Toscana 212 Leriche, R. 112 Lesky, E. 230 Lesser, E. 167, 229 Leubuscher, R. 231, 320 Leuckart, R. 217 Lewinstein, G. 231 Leyden, E. v. 36, 165, 234, 322 Li Dongyuan (siehe Li Gao) 339, 341, 342 Lie´beault, A. 43, 222 Lichtenberg, G. C. 53, 172, 182, 295 Liebig, J. v. 156, 209, 246 Liebreich, O. 134 Liepmann, M. 330 Lifton, R. J. 7 Lillie, J. R. 189 Linacre, T. 70, 317 Linne´, C. v. 54, 75, 86, 93, 277, 314 Lisfranc, J. 265 Littre´, E. 117 Liu Wansu 341, 342 Locke, J. 304 Loeb, J. 92, 244
Loeffler, F. 36, 38, 125, 172, 313 Lohmann, H.-M. 221 Loir, A. 232 Lombroso, C. 134, 175 Lonigo, N. de 80 Lorenz, K. 206 Lotmar, F. 8 Lotze, R. H. 327 Lower, R. 332 Lubinski, H. 248 Lucius Verus 128, 129 Ludendorf, E. 208 Ludwig XIV. (franz. Ko¨nig) 81 Ludwig XV. (franz. Ko¨nig) 14, 287, 206, 257 Ludwig XVI. (franz. Ko¨nig) 142, 214, 307 Ludwig XVIII. (franz. Ko¨nig) 6, 98, 33 Ludwig, C. 45, 66, 98, 245, 273, 289 Ludwig, E. 195 Luegers, K. 141 Lukrez 119 Luria, S. 93 Lusitanus, A. 71 Luther, M. 106, 125, 221 Lwoff, A. 232 Lu¨cke, G. A. 167 Mach, E. 172, 209, 214 Mackenzie, W. 36 Macleod, J. J. R. 26, 43, 44 Magendie, F. 38, 41, 232 Magnus, G. 59 Mai, F. A. 121 Mai, H. 247 Malpighi, M. 23, 56, 194, 314, 315 Manson, P. 270 Mansur (Sultan) 18 Marcellus 9 Marchiafava 74 Marcus Antonius 9 Maria Theresia (ro¨m.-dt. Kaiserin) 303, 304 Marie, P. 149, 320 Marinus 128 389
Personenregister
Mark Aurel 128, 129 Marquard von Hatstein (Bischof) 307 Marquise de Pompadour 257 Marquise de Se´vigne´ 245 Matthias (ro¨m.-dt. Kaiser) 179 Mattioli, P. A. 32 Maximilian II. (ro¨m.-dt. Kaiser) 79, 93, 217 Mayer, G. 178 Mayer, J. R. 153 Mayer, M. 340 McGrath, W. J. 141 ¨ .) 335 Meckel, J. F. (d. A Meckel, J. F. (d. J.) 335, 336 Medem, A. v. 21 Medici, C. de 2 Medici, M. v. 266 Megerlin, A. 285 Mehring, W. 171 Meibom, J. H. 216 Meitner, L. 92 Melchior Sebizius 54 Mentzel, C. 78 Mercati, M. 194 Merck, J. F. 294 Merzbacher, L. 8 Metlinger, B. 271 Metschnikow, I. 12, 38, 100, 229, 331 Meyer, A. 126 Meynert, T. 320, 330 Meyscheider, A. 29 Mielke, F. 221 Mikulicz-Radecki, J. v. 228 Mitscherlich, A. 274, 327 Moleschott, J. 69 Mollier, S. 147 Monakow, C. 149 Mondino de Luzzi 305 Monroe, A. 55 Monti, A. 23 Morgagni, G. B. 9, 44, 56, 77, 84, 97, 258, 259, 315 Morgan, T. H. 93, 232, 244 Moro, E. 105, 247 Morris, M. 314 390
Morton, W. T. G. 324, 329 Moscati, G. 64 Mosse, B. 238 Mosse, M. 312 Mozart, A. 217 Mozart, L. 217 Muhaddib ab-Din Abd al-Rahim b. Ali 175 Mustio 295 Musa¨us, J. 230 Mo¨ller, G. C. 152 Mu¨ller, F. v. 40 Mu¨ller, J. 66, 97, 98, 135, 137, 143, 155, 165, 187, 208, 262, 283, 289 Mu¨ller, K. A. v. 221 Naegeli, C. W. v. 140 Napoleon I. Bonaparte (franz. Kaiser) 30, 33, 83, 84, 90, 119, 121, 197, 249 Nassau, M. v. 89 Nasse, H. 209 Naude´, G. 72 Naumann, F. 140 Naunyn, B. 191 Needham, J. T. 296 Neisser, A. 50, 222, 325 Nernst, E. 324 Nero (ro¨m. Kaiser) 92, 309 Neuberg, C. 325 Neubert, G. 105 Neuburger, M. 238 Newton, I. 55, 64, 215 Nicolaier, A. 37 Nicolaus Florenas 316 Nicolaus Salernitanus 232 Nicolle, M. 232 Nietzsche, F. W. 141 Nitti, F. 58 Nonne, M. 192 Nothnagel, H. 168 Numisianus 128 Nutton, V. 127 Oettinger, W. 248 Ogata, M. 183
Personenregister
Omorokow, L. 8 Oppenheim, H. 133 Oppenheimer, H. 169 Oppolzer, J. v. 60, 190, 336 Oreibasios 1, 5, 147, 174, 244, 263, 274 Orth, J. 12, 104, 257, 314 Ortolf von Baierland 68 Osler, W. 87, 292 Ostwald, W. 253 ¨ ttingen, G. v. 40 O Owen, R. 239 Pacchioni, A. 194 Pagel, J. 114 Pagelsen, H. (s. Hirschfeld-Tiburtius, H.) Pagliani, L. 97 Pander, H. C. 94, 336 Pare´, A. 58, 108, 141, 196, 338 Paracelsus (s. Theophrast v. Hohenheim) Parona, C. 97 Parona, E. 97 Pasteur, L. 70, 74, 141, 185, 187, 204, 218, 272, 276 Patten, W. 188 Paul III. (Papst) 119 Pauli, W. 92 Paulos von Aigina 1, 147, 232, 236, 174, 254, 263, Pawlow, I. P. 209, 231, 289 Pecquet, J. 13, 28, 266 Pekelharing, P. A. 101 Pelops 128 Perdikkas 162 Perroncito, E. 97 Perusini, G. 8 Peter III. (aragon. Herrscher) 11 Petit, M.-A 44, 88 Petrus Diaconus 81 Petrus Hispanus 133, 176 Pettenkofer, F. X. 246 Pettenkofer, M. v. 116, 140, 172, 185 Peyer, J. C. 67, 289, 329
Pfaff, J. F. 64 Pfaundler, M. v. 105 Pfeiffer, R. 141 Pfeufer, K. 155 Phainarete 161 Philinos von Kos 157 Philipp II. (span. Ko¨nig) 318 Philipp II. von Nassau-Saarbru¨cken 307 Philipp III von Nassau-Saarbru¨cken 54 Pinel, P. 6, 33, 105, 106, 315 Pirquet, C. v. 105, 109 Pitcairne, A. 215 Pius V. 71 Platon 77, 161 ¨ . (Secundus) 35, 275 Plinius d. A Plinius d. J. 251 Ploetz, A. 277, 326 Portal, A. 6 Prausnitz, C. 248 Praxagoras von Kos 156 Preyer, W. T. 59 Prochaska, G. 94 Proskauer, B. 248 Prosper Alpinus 318 Prudentius 160 Ptolemaios I. Soter 157 Ptolemaios II. Philadelphos 156, 157 Purkyne, E. 255 Purkyne, J. 255 Purkyne, J. E. 291 Purkyne, K. 255 Purkynova, R. 255 Puschmann, T. 230, 238 Pythagoras 128 Q. Apollinarius (s. Ryff, W. H.) 275 Q. Stertinius 338 Rajchman, L. 164 Ramazzini, B. 23 Ramo´n y Cajal, S. 134 Ranke, H. v. 105 Rasori, G. 30, 69 Rayer, P. 64 391
Personenregister
Recklinghausen, F. v. 12, 322 Redi, F. 314 Reed, W. 112 Reil, J. C. 192, 215, 228, 298 Rein, H. 221 Reinhardt, B. 319 Remak, R. 165, 282, 283 Remak, S. M. 262 Rembrandt 312 Reuß, A. v. 105 Rhazes 132, 269 Ribbert, H. 12 Richelieu 206 Richer, P. 77 Rickert, H. 118 Rinecker, F. v. 189 Riolan, J. (d. J.) 244, 317 Ritgen, A. M. v. 332 Ritterich, F. P. 36 Rı´o-Hortega, P. del 259 Rodenwaldt, E. 340 Roehl, W. 95 Roger von Parma 1 Rokitansky, C. v. 91, 151, 190, 286, 292, 310 Rosenroth, C. K. v. 155 Rosental, S. 8 Roser, W. 137, 336 Ross, R. 74, 137, 199, 213 Rossi, A. M. 258 Rottenberger, J. 255 Roux, P. P. E. 38, 70, 229, 331, 339 Roux, W. 101 Rovere, K. J. della 106 Ro´sen von Rosenstein, N. R. 203 Rubner, M. 159, 164 Rudio, E. 2 Rudolf II. (ro¨m.-dt. Kaiser) 93, 179 Rudolphi, J. 255 Rudolphi, K. A. 226, 227, 255 Rufus Sabinos 127 Rufus v. Ephesos 5 Rust, J. N. 90 Ruysch, F. 45, 152 Ro¨ntgen, C. 38, 168 392
Ro¨schlaub, A. 64 ¨ .) 295 Ro¨ßlin, E. (d. A Ro¨ßlin, E. (d. J.) 271 Ru¨din, E. 252 Sachs, J. 213 Saint-Hilaire, A. de 215 Saladin 211 Salk, J. E. 275 Salomonsen, C. J. 111 Salus, G. 172 Samsaddaula abi Tahir 18 Santorini, G. 223 Sarpi, P. 2 Satyros 127, 128 Sauerbruch, E. F. 46, 78, 220, 221 Sauvages de la Croix, F. B. de 203, 249, 298 Scarpa, A. 30, 94, 259 Schallmayer, W. 252 Schatz, Albert 336 Schaudinn, F. 167, 229, 254 Schauta, F. 330 Scheler, M. 131 Schelling, F. W. J. 64, 69, 183, 214, 235, 261, 269, 270, 323, 332 Schenck, E. 325 Scherer, J. J. 246 Schick, B. 105 Schiller, F. v. 172 Schilling, V. 340 Schimmelbusch, C. 40 Schleiden, J. M. 115, 283 Schlossmann, A. 219, 247 Schmiedeberg, O. 68, 159, 228, 322 Schmoller, G. 140 Schmorl, G. 284 Schneider, F. C. 140 Scholl, J. 284 Schro¨dinger, E. 93 Schulze, F. E. 115 Schulze, J. v. 226 Schulze, M. 66, 115 Schur, M. 123 Schwann, T. A. H. 115, 226
Personenregister
Schwartze, H. 253 Scha¨ffle, A. 277 Scho¨ffler, H. 230 Scho¨nlein, J. L. 71, 94, 125, 135, 138, 150, 248, 262, 310, 336 Scultetus, J. (d. J.) 285 Seligmann, R. 256 Selle, C. G. 173 Semmelweis, I. P. 185, 204 Sennert, D. 269 Sextius Niger 92 Shiga, K. 184, 193 Sichel, J. 135 Siebeck, R. 192, 275 Siebold, K. T. E. v. 30, 217, 327 ¨ sterreich 132 Siegmund von O Sigerist, H. E. 2, 230, 239, 319 Sigwart, G. F. 236 Silberschmidt, W. 164 Simchowicz, T. 8 Simon, G. 26 Sioli, E. 7, 233 Skoda, J. 91, 150, 151, 190, 286, 310 Skraup, Z. H. 253 Slotanus, C. 108 Sokrates 128 Solayre´s de Renhac, F. L. J. 31 Sommerfeld, A. 254 Soranos von Ephesos 5, 70, 161, 241, 271 Spallanzani, L. 30, 118, 224 Speckle, V. R. 126 Spencer, H. 177, 277 Spiegelberg, O. 151 Spieghel, A. van den 269, 285 Spinola, E. 38 Spinoza, B. de 68, 182, 261 Spon, C. 71 Spurzheim, J. C. 129 Spa¨th, J. 278 Stahl, G. E. 277, 325, 331 Stanley, W. M. 244 Starling, E. H. 33 ¨ .) 236 Stein, G. W. (d. A Stekel, W. 123
Stensen, N. 333 Stokes, A. 78, 165 Strato von Lampsakos 103 Stratonike 103 Stratonikos 127 Strindberg, A. 279 Stromeyer, F. 105 Stromeyer, L. 105 Sto¨cker, H. 164 Sudhoff, K. 52, 107, 230, 238, 256, 291, 292 Sullivan, H. S. 122 Sumner, J. B. 244 Sun Simo 339 Sunao Tawara 12 Swieten, G. van 14, 54, 194 Sydenham, T. 277 Sylvius, F. 26, 56, 135, 182, 317 Syme, J. 203 So¨mmering, S. T. 94 Taussig, H. 49 Tederico 67 Telesio, B. 289 Tello 259 Thannhauser, S. 191 Theodor, J. 32 Theophrast v. Hohenheim (gen. Paracelsus) 81, 103, 239, 244, 266, 267, 302, 334, 342 Theophrastos 75, 103 Thiersch, C. 337 Thomas 96 Thomas von Aquin 17 Thompson, J. 7 Thriverius Brachelius 316 Tiberius (ro¨m. Kaiser) 16 Tiburtius, F. 52, 198 Timofe´eff-Ressovsky, Helena 323 Timofe´eff-Ressovsky, N. V. 93 Tissot, S. A. 120 Tizian 316 Tolstoj, L. N. 73 Torti, F. 258 Tozzi, L. 194 393
Personenregister
Trajan (ro¨m. Kaiser) 299 Traube, L. 47, 200, 234, 321 Trefouel, J. 58 Trefouel, T. 58 Tro¨ltsch, A. F. v. 253 Tschetwerikow, S. 323 Tucholsky, K. 240 Tzara, T. 171 Uexku¨ll, J. v. 133 Uffenheimer, A. 247 Ugo dei Borgongnoni 57, 67 Uhland, L. 182 Ullrich, O. 247 Ulrich von Wu¨rttemberg 125 Underwood, E. A. 292 ¨ .) 194, 259, 296 Vallisnieri, A. (d. A Vallisnieri, A. (d. J.) 295 Valsalva, A. M. 23, 84, 223, 224 Varignana, B. da 305 Verschuer, O. Frhr. v. 216 Vesal, A. 16, 80, 87, 96, 97, 106, 108, 109, 125, 157, 251 Vesling, J. 28, 168, 334 Victor, P. E. 232 Viktoria (engl. Ko¨nigin) 239 Villeneuve, M. de (s. Servetus, M.) 288 Villinger, R. J. 285 Vindicianus 92, 308 Virchow, R. 2, 12, 23, 36, 45, 124, 131, 135, 138, 143, 163, 165, 169, 172, 181, 184, 185, 193, 197, 200, 204, 208, 222, 226, 231, 260, 262, 263, 265, 268, 283, 310 Vogeler, K. 46 Vogt, C. 69, 163 Vogt, O. 61, 323 Voit, C. 140, 273 Volta, A. 30, 31 Voltaire, 145, 206 Wagner, A. 277 Wagner, E. L. 20 Wagner, J. 268 394
Wagner, R. 141 Wagner-Jauregg, J. 4, 99 Waldeyer-Hartz, W. 100, 313 Wale, J. de 28 Waller, A. V. 101 Walther, Otto 3 Walther, P. F. v. 30, 90, 226 Warburg, O. 191, 220 Wassermann, A. P. v. 149, 229 Watson, J. D. 88, 92, 93, 255 Weber, G. 247 Weber, M. 178 Wedel, G. W. 167, 297 Weiditz, H. 67 Weigel, E. 230 Weigert, C. 100, 322 Weikard, M. A. 64 Weil, E. 172, 313 Weiner, D. 249 Weismann, A. 101 Weisskopf, V. F. 92 Weizsa¨cker, V. v. 131, 192, 221, 290, 298 Weleminsky 172 Wepfer, J. J. 67, 247 Wernicke, C. 56, 133 Wernicke, E. 37, 38 Westphal, C. 235 Wieland, C. M. 172 Wilhelm Bombast von Hohenheim 308 Wilhelm II. (dt. Kaiser) 105, 172, 240 Wilhelm III. v. Ju¨lich Cleve-Berg 326 Wilhelm von Saliceto 1 Wilkins, M. 88 William III. (engl. Ko¨nig) 45 Willis, T. 77, 329 Willsta¨tter, R. 159 Wilmanns, K. 233 Winckel, F. v. 198, 310 Winkler, C. 101 Winslow, J. B. 306 Winter, I. 219 Winter, R. 316 Wirsing, J. G. 168
Personenregister
Wiskott, A. 247 Wisser, R. 178 Witebsky, E. 225, 275 Withney 82 Wren, C. 332 Wright, A. 114, 115 Wunderlich, C. A. 20, 91, 137, 138, 158, 270, 282 Wundt, W. 34, 152, 189, 190, 277 Wa¨chtlin, H. 132, Wo¨hler, F. 327 Xanthippe 127
Zacchias, P. 56 Zeiss, C. 116 Zeiss, H. 267 Zetkin, Klara 3 Zhang Ji 323 Zhang Jiebin 339 Zhang Yuansu 200, 205 Zhang Zhongjing 323, 324 Zhu Danxi 339 Zuckerkandl, E. 305 Zuntz, N. 213 Zutt, J. 56 Zwingli, H. 103, 132
Yersin, A.-J.-E. 184 Yuhanna b. Masawaih 173
395
Verzeichnis der Autorensiglen
Ac. B.-S. Ba. Bl. Bo. Bro¨. Bz. Co. Db. De. Die. Du. Eck. Eng. Fa. Fah. Fg. Fi. Gan. Gr. Hd. He. Hg. Hh. Ho. Ht. Hu. Ja. Ju¨. Ka. Kn. Ko. Kr. Kst. Ku. Le. Li. Lo. Loe. M.-J. Mk.
Acun˜a, Leopoldo E., Prof. Dr., Buenos Aires Bu¨sche-Schmidt, Gerlind, Dr., Wolfsburg Bauer, Axel, Prof. Dr., Heidelberg Bleker, Johanna, Prof. Dr., Berlin Boschung, Urs, Prof. Dr., Bern Bro¨er, Ralf, Dr., Heidelberg Benzenho¨fer, Udo, Prof. Dr., Hannover Cottebrune, Anne, Dr., Heidelberg Desbordes, Bernadette Anne, Dr., Mu¨nster Decker, Natalja, Dr., Leipzig Diehl, Barbara A., Heidelberg Dumont, Franz, PD Dr., Mainz Eckart, Wolfgang U., Prof. Dr., Heidelberg Engelhardt, Dietrich von, Prof. Dr., Lu¨beck Fantini, Bernardino, Prof. Dr., Genf Fahrenbach, Sabine, Dr., Leipzig Fangerau, Heiner, Dr., Du¨sseldorf Fischer, Klaus-Dietrich, Prof. Dr., Mainz Neumann, Gabriel A., Heidelberg Gradmann, Christoph, Prof. Dr., Oslo Hagedorn, Ruth, Mu¨nster Hess, Volker, Prof. Dr., Berlin Hagner, Michael, Prof. Dr., Zu¨rich Hahn, Johannes, Prof. Dr., Mu¨nster Horn, Sonia, Dr., Wien Hartmann, Fritz, Prof. Dr., Hannover Hubenstorf, Michael, Prof. Dr., Wien Jacobs, Stefanie, M.A., Mu¨nster Ju¨tte, Robert, Prof. Dr., Stuttgart Karbe, Karl-Heinz, Prof. Dr., Leipzig Kuhn, Erich, Prof. Dr., Heidelberg Konert, Ju¨rgen, Prof. Dr. Dr., Bad Scho¨nborn Kro¨ner, Peter, Prof. Dr., Mu¨nster Ka¨stner, Ingrid, Prof. Dr., Leipzig Kutzer, Michael, PD Dr., Mainz Leven, Karl-Heinz, Prof. Dr., Freiburg Lilienthal, Georg, PD Dr., Hadamar Lohff, Brigitte, Prof. Dr., Hannover Loetz, Francisca, Prof. Dr., Zu¨rich Mu¨ller-Jahncke, Wolf-Dieter, Prof. Dr., Heidelberg Murken, Axel Hinrich, Prof. Dr., Aachen 397
Verzeichnis der Autorensiglen
Ml. Mo. Ms. N.-D. Nk. Nm. Pl. Po. Pr. Ps. Pt. Ra. Roe. Ru¨. Sa. Schi. Schl. Schm. Schn. Scho. Schr. Sie. Sth. Sto¨. Stu¨. Tho. Toe. Tre. Tri. v. Bro. v. Bru. Wdl. Wei. Wie. Wies. Wil. Wo. Zi.
398
Maehle, Andreas-Holger, Prof. Dr., Durham Moses, Annett, Dr., Heidelberg Moser, Gabriele, Dr., Heidelberg Niewo¨hner-Desbordes, Ulrich, Mu¨nster Nickol, Thomas, Dr., Halle/Saale Neumann, Alexander, Dr., Heidelberg Paul, Norbert W., Prof. Dr., Mainz Porkert, Manfred, Prof. Dr., Mu¨nchen Pru¨ll, Cay-Ru¨diger, PD Dr., Freiburg Passie, Thorsten, M.A., Hannover Pantel, Johannes, Prof. Dr., Frankfurt Raggenbass, Rene´, Dr., Martigny Roelcke, Volker, Prof. Dr., Gießen Ru¨tten, Thomas, PD Dr., Newcastle Sauerteig, Lutz, Dr., Durham Schipperges, Heinrich, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c., Heidelberg Schlich, Thomas, Prof. Dr., Montreal Schmiedebach, Heinz-Peter, Prof. Dr., Hamburg Schneck, Peter, Prof. Dr. Dr., Berlin Schott, Heiz Gustav, Prof. Dr. Dr., Bonn Schro¨der, Christina, Dr.phil.habil., Leipzig Siefert, Helmut, Prof. Dr., Frankfurt Stahnisch, Frank, Dr., Mainz Sto¨ckel, Sigrid, Dr., Hannover Stu¨rzbecher, Manfred, Dr. Dr., Berlin Thom, Achim, Prof. Dr., Leipzig Toellner, Richard, Prof. Dr., Rottenburg/Neckar Trevisani, Francesco, Prof. Dr., Rom Triebs, Michaela, Dr., Hannover vom Brocke, Bernhard, Prof. Dr., Marburg vom Bruch, Ru¨diger, Prof. Dr., Berlin Weindling, Paul, Prof. PhD, Oxford Weisemann, Karin, M.A., Mu¨nster Wiesemann, Claudia, Prof. Dr., Go¨ttingen Wiesing, Urban, Prof. Dr., Tu¨bingen Wilmanns, Juliane C., Prof. Dr., Mu¨nchen Wolff, Eberhard, Dr., Zu¨rich Zimmermann, Volkert, Prof. Dr., Go¨ttingen