Arnoldus J. R. van Gestel Helmut Teschler
Physiotherapie bei chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen Evidenzbasierte Praxis Unter Mitarbeit von J. Steier, A.K. Osthoff, S. Teschler
Mit 315 Abbildungen
123
Dr. Arnoldus J.R. van Gestel M.SC.PT cand. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Department Gesundheit Technikumstrasse 71 CH 8401 Winterthur e-Mail:
[email protected]
Prof. Dr. Helmut Teschler Ruhrlandklinik Essen-Heidhausen Das Lungenzentrum Tüschener Weg 40 45239 Essen
Ê Sagen Sie uns Ihre Meinung zum Buch www.springer.de/978-3-642-01434-5 Additional material to this book can be downloaded from http://extras.springer.com ISBN 978-3-642-01434-5 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch, bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Springer-Verlag GmbH Ein Unternehmen der Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen, Applikationsformen und Normwerte kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Marga Botsch Projektmanagement: Claudia Bauer Lektorat: Maria Schreier, Heidelberg Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin SPIN 12590766 Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122/cb – 5 4 3 2 1 0
V
Dankesworte Mit dieser Veröffentlichung erscheint ein deutschsprachiges Fachbuch über die »evidenzbasierte« physiotherapeutische Behandlung lungenerkrankter Menschen. Mein besonderer Dank gilt allen Personen, die durch Engagement, Empfehlungen, Hilfe und Unterstützung dazu beigetragen haben, dass diese deutschsprachige Fassung überhaupt entstehen konnte.
Mein Dank soll ewig Dich begleiten Sowohl am warmen Tag als auch in der kalten Nacht Er schütze Dich vor Pech, Problemen und Pannen Er ermöglicht immer wieder Weiteres.
H. Teschler (Autor) J. Steier (Koautor) A.K. Osthoff (Koautorin) S. Teschler (Koautor) M. Botsch (Planung) C. Bauer (Projekt Management) M. Schreier (Lektorat) T. Rozijn (Medical Designer) M. Nyman (Musik) J. Hofmann (Video) A. Schämann (ZHAW) P. Meyer (ZHAW) C. Cegla (Sponsorin) J. Flesch (Sponsor) K. Funk (Model) N. Kunz (Model) B. Köhler (Unterstützung) und mijn lieve ouders J. und R. van Gestel
Autoren Dr. rer. medic. A.J.R. van Gestel PT Hochschuldozent: innere Organe und Gefässe Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Departement Gesundheit Technikumstrasse 71 CH-8401 Winterthur Telefon: 0041-52 260 6328 E-Mail:
[email protected]
Univ. Prof. Dr. med. Dipl. Ing. Helmut Teschler Direktor Abt. Pneumologie Ruhrlandklinik Westdeutsches Lungenzentrum Tüschener Weg 40 45239 Essen Deutschland
VII Autoren
Dr. med. Jörg Steier Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie Ruhrlandklinik Westdeutsches Lungenzentrum Tüschener Weg 40 D-45239 Essen ERS Senior Clinical Research Fellow King’s College London School of Medicine Denmark Hill Campus London SE5 9RS UK
Anne-Kathrin Osthoff B.Sc.Pt Physiotherapeutin, Schweiz Praxis für Physiotherapie
Dr. rer. medic. Sebastian Teschler Atmungstherapeut, Physiotherapeut AG Pneumologie Ruhrlandklinik Tüschener Weg 40 D-45239 Essen
Sponsoren R. Cegla GmbH & Co. KG Medizinisch-Technische Geräte Horresser Berg 1 56410 Montabaur Telefon: 0 26 02/92 13-0 Telefax: 0 26 02/92 13-15 Email:
[email protected]
ResMed Switzerland AG Viaduktstrasse 40 CH-4051 Basel Telefon: +41 (0) 61 564 7000 Telefax: +41 (0) 61 564 7010 E-Mail:
[email protected]
IX
Geleitwort Das Berufsfeld der Physiotherapeuten ist einem stetigen Wandel unterzogen. Der Ruf nach evidenzbasierter Praxis und Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit sowie Wirtschaftlichkeit physiotherapeutischer Behandlungen in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen wird immer eindringlicher und bedarf einer Auseinandersetzung in allen Bereichen. Zudem beträgt die Halbwertszeit medizinischen Wissens ca. 5 Jahre, wodurch eine ständig fortlaufende kritische Auseinandersetzung mit dem aktuellen Wissensstand notwendig ist. Der Bereich »Innere Organe und Gefäße« hat in der Physiotherapie einen hohen Stellenwert. Das vorhandene Wissen und die praktische Anwendung stützen sich meist auf Erfahrungswissen und empirisches Wissen. Immer häufiger aber werden in der Literatur neue Forschungsergebnisse veröffentlicht. Die Kombination und Integration von neuem wissenschaftlichen Wissen, Erfahrungswissen und Alltagswissen (oder auch gesundem Menschenverstand) bringt eine wissenschaftlich fundierte Betrachtungsweise der physiotherapeutischen Interventionen und ist von großem Nutzen für die Patienten. Zudem wird erst auf diese Art ein professioneller Austausch zwischen allen Berufsgruppen des Gesundheitswesens möglich. Mit diesem Praxisbuch ist es Arno van Gestel auf eindrückliche Weise gelungen, ein physiotherapeutisches Grundlagenwerk zu erarbeiten, das unmittelbar in der praktischen Arbeit mit Patienten eingesetzt werden kann. Anschaulich dargestellt halten neue Erkenntnisse Einzug in die Praxis, die in den vorgestellten Techniken umgesetzt und anhand vieler Abbildungen praktisch nachvollziehbar gemacht werden. Ich wünsche allen Physiotherapeutinnen und -therapeuten und allen anderen Leserinnen und Lesern viel Vergnügen bei der Lektüre und deren Anwendung. Prof. Dr. Astrid Schämann Physiotherapeutin, Diplom-Medizinpädagogin Leiterin Institut Physiotherapie Prof. Dr. Peter C. Meyer Direktor Department Gesundheit ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Technikumstr. 72, Postfach CH-8401 Winterthur
XI
Vorwort Die kardiopulmonale Physiotherapie ist ein äußerst zukunftsträchtiges und ausbaufähiges medizinisches Spezialgebiet. Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten in der pulmonalen Rehabilitation sind gut ausgebildete, qualifizierte Fachkräfte, die in pulmonalen, intensivmedizinischen, pädiatrischen, kardiologischen, chirurgischen Abteilungen, in der Forschung und in der physiotherapeutischen Praxis einsetzbar sind. Dieses Praxisbuch dient der Unterstützung, Ergänzung und Strukturierung des Knowhows dieser qualifizierten Fachkräfte und bietet eine Gesamtdarstellung der aktuellen Assessments und Interventionen in der pulmonalen Rehabilitation. Dieses Buch gibt eine Anleitung für die physiotherapeutische Untersuchung und nicht-medikamentöse Behandlung chronischer Atemwegs- und Lungenerkrankungen (COPD) sowie begleitender respiratorischer Störungen anderer Erkrankungen. Der Inhalt des Buches stützt sich auf Erfahrungswissen bzw. empirisches Wissen, das sich in der praktischen Tätigkeit angesammelt hat, und gibt eine Kombination der an verschiedenen Orten erlernten Methoden und Konzepte wider. Diese Inhalte von vorhandenem wissenschaftlichen Wissen, Erfahrungswissen und Alltagswissen wurden von Autoren und Coautoren aus den Niederlanden, Belgien, England, Deutschland und der Schweiz zusammengefügt und dokumentiert. Wir hoffen, dass diese wissenschaftlich fundierte Betrachtungsweise der physiotherapeutischen Assessments und Interventionen für die Patienten von großem Nutzen ist. Pulmonale Rehabilitation ist ein komplexer Prozess und umfasst ein sehr breites Spektrum physiotherapeutischer Assessments und Interventionen, das u.a. Sekretförderung, Atemmuskeltraining, Thoraxmobilisation, aber auch ein kardiopulmonales Leistungstraining beinhaltet. Manche Konzepte und Techniken der muskulo-skelettalen Physiotherapie scheinen zwar für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen geeignet zu sein, sie sind jedoch nicht direkt übertragbar. Die Lebenswichtigkeit der Interventionen zur Sekretolyse und Reinigung des Bronchialbaumes (Kap. 33) wie auch die Multieffektivität der Interventionen zur Steigerung der kardiopulmonalen Ausdauerkapazität (Kap. 35) stehen im Vordergrund, und weitere Interventionen sind aus Zeitgründen häufig nicht mehr durchführbar. Daher sind die Konzepte und Techniken der muskulo-skelettalen Physiotherapie in einer für Lungenpatienten modifizierten Form dargestellt. Wir bitten um Verständnis für diese unvermeidbare Tatsache. Das praktische Vorgehen bei Untersuchung (Assessment, Kap. 15–28) und Behandlung (Intervention, Kap. 29–42) wird nach den strengen Kriterien der evidenzbasierten Praxis und den medizinischen Leitlinien beschrieben. Im Grundlagenteil (Kap. 1–14) sind Anatomie und Biomechanik des Atembewegungsapparates, Physiologie und Pathophysiologie der Atmung, Herzfunktion und autonome
Physiotherapeutische Behandlung: Evidenzbasierte Praxis
XII Vorwort
Funktionen bei chronischen Atemwegserkrankungen erklärt. Der Praxisteil vermittelt mit knappen, präzisen Textanleitungen und informativen Abbildungen (Fotos und Zeichnungen) alle evaluierten Untersuchungstechniken (Assessments) und Behandlungsverfahren (Interventionen) der pulmonalen Rehabilitation. Auch die Patientenschulung zum Aufbau der Leistungsfähigkeit und körperlichen Belastbarkeit durch Trainingstherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation (Kap. 40). In den Videosequenzen der DVD werden die wichtigsten im Buch beschriebenen Assessments (14) und Interventionen (14) praktisch vorgeführt. Im Anhang sind zwei Schemata dargestellt, die als Leitfaden eine schnelle Orientierung bieten: eine Übersicht über Funktionsstörungen in der pulmonalen Rehabilitation (Zusammenfassung der Kapitel »Biomedizinische Grundlagen«) und eine Übersicht über methodisches Handeln in der pulmonalen Rehabilitation (Zusammenfassung der Kapitel »Assessments« und »Interventionen«). Über konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge würden wir uns natürlich sehr freuen. Eventuelle Fragen oder Anregungen nehmen wir gerne unter
[email protected] entgegen. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen und viel Erfolg für Ihre wichtige therapeutische Aufgabe in der Behandlung lungenerkrankter Patienten. Dr. rer. medic. A.J.R. van Gestel, PT cand. Hochschuldozent für kardiopulmonale Rehabilitation, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Winterthur (CH) Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. H. Teschler, MD Präsident der Dtsch. Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) e.V. Ärztlicher Direktor der Ruhrlandklinik-Das Lungenzentrum, Essen (D)
XIII
Inhaltsverzeichnis I 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3
1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.3.8 1.3.9
1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3
1.5 1.5.1 1.5.2
1.6 1.7 2 2.1 2.1.1 2.1.2
2.2 2.2.1 2.2.2
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3
2.4
3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
Biomedizinische Grundlagen Krankheitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Teschler, A.J.R. van Gestel, H. Teschler Atemwegs- und Lungenerkrankungen . . . . Restriktive Lungenerkrankungen . Obstruktive Lungenerkrankungen Mischformen . . . . . . . . . . . . . . Asthma bronchiale . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzialdiagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptome der COPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweregradeinteilung der COPD . . . . . . . . . Ursachen der COPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der COPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Atemwegsobstruktion beitragende Faktoren Physiotherapeutische Behandlung bei chronischen Lungenerkrankungen . . . . . . . . . Akute Exazerbation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prävalenz der COPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pulmonale Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . Atemphysiotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele der pulmonalen Rehabilitation . . . . . . . . Effekte der pulmonalen Rehabilitation . . . . . . .
3 3 3 5 5 5
Pneumothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegungen des Thorax bei Inspiration . . . . Anatomie des Zwerchfells . . . . . . . . . . . . Zwerchfellmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . Öffnungen des Zwerchfells . . . . . . . . . . . . . Biomechanik des Zwerchfells . . . . . . . . . . Das Zwerchfell: Appositionsdruck nach lateral . Das Zwerchfell: Insertionsdruck nach kranial . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
3.5 4 4.1
5 5 5 6 7 7 7
8 8 9 9 9 10 10 Diagnostik in der pulmonalen Rehabilitation 11 Ärztliche Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Physiotherapeutische Diagnostik . . . . . . . . . . 11 Therapieplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Atembewegungsapparat . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 3.4.1
4.2 4.3 4.4 4.4.1
4.5 4.6 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4
4.8 5
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
23 23 23 24 24
. . . . . . . . . .
24 26
Sauerstoff (O2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blut als Transportmedium von Sauerstoff . Beurteilung der Sauerstoffversorgung der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sauerstoffbindungskurve für Hämoglobin
.
27
. .
27 28
. . Bohr- und Haldane-Effekt . . . . . . . . . . . . . . .
28 29 30
Objektivierung des arteriellen Sauerstoffwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trainingstherapie unter kontinuierlicher Sauerstoffzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sauerstoff-Langzeittherapie . . . . . . . . . . . Indikationen für eine Sauerstoff-Langzeittherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Negative Effekte der Sauerstoffgabe . . . . Wirkung einer Sauerstoffgabe auf kardiopulmonale Funktionen . . . . . . . . . . . . . Sauerstoffzuleitungen . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
31 32 32
Der Säure-Basen-Haushalt . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Rolle des Atemsystems bei der Energiegewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
14 15 15 16 16 16 16 17 18 19 19
5.1.1
Energiegewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2
Puffersysteme zur Aufrechterhaltung der physiologischen Homöostase . . . . . . . .
5.2.1
Funktionsweise der Puffer . . . . . . . . . . . . . . .
5.3
Einfluss der Atmung auf die physiologische Homöostase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.1 5.3.2 5.3.3
Respiratorische Azidose . . . . . . . . . . . . . . Ursachen einer respiratorischen Azidose . . . Renale Kompensation einer respiratorischen Azidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 3.2
Widerstände im respiratorischen System . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Physische Variablen der Atemmechanik . . . Atemwiderstand (Resistance) . . . . . . . . . .
3.2.1
Laminare und turbulente Strömung . . . . . . . .
21 21 22
3.3
Compliance von Lunge, Thorax und Atembewegungsapparat . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
20
5.5 5.6
30 31 31 31
5.1
5.3.4
30
. . . . . . . .
14
5.4 3
Compliance der Lunge . . . . . . . . . . . . Compliance des Thorax . . . . . . . . . . . Gesamtcompliance . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . Inertance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belüftungsgeschwindigkeit und Gleichmäßigkeit der Belüftung . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 35 35 35
. . . .
35 36 37
. . . .
37 37
Ausschlussdiagnostik zur Feststellung einer respiratorischen Insuffizienz . . . . . . . 37 Chronisch-respiratorische Insuffizienz . . . . 38 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
XIV
Inhaltsverzeichnis
6
Chronische Überblähung bei COPD: Einfluss auf die Funktion der primären Atemmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Unvollständige Exspiration . . . . . . . . . . . . Chronische Überblähung: Längenadaptation der Atemmuskeln . . . . . . . . . . Kontraktur des Zwerchfells . . . . . . . . . . . . Unspezifische Aktivierung der Atempumpe Morphologische und vasomotorische Veränderungen des Zwerchfells: Folge der chronischen Überblähung . . . . . . . . . . Atemimpedanz bei COPD-Patienten . . . . . . Kompensationsmechanismen bei persistierender respiratorischer Insuffizienz . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
6.6 6.7 6.8 6.9 7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3
7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3
7.3 8
8.1 8.1.1
8.2 8.3 8.4 8.5 8.6
8.7 8.8 8.9 9
9.2.3 9.2.4 41 42 42 44 46
. . . . . . . .
. . . . . . . .
Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ventilations- und Perfusionsinhomogenitäten . Heterogenität der pulmonalen Perfusion . .
9.1 9.2 9.2.1 9.2.2
Interstitielles Lungenödem . . . . . . . . . . . . . . Alveoläres Lungenödem . . . . . . . . . . . . . . .
10.1 10.2 10.3 10.4
47 47 48
10.5 10.6 10.7
51 53 56 56 57 59 61 61
63
63 64 66
Heterogenität der pulmonalen Ventilation und Compliance der Lunge . . . . . . . . . . . . 66 Der transpulmonale Druck: Einfluss auf die alveoläre Ventilation . . . . . . . . . . . . . . 67 Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Lungenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 68 Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Compliance des gesamten Atemapparates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf den Atemwegswiderstand . . . . . . . . . . 69 Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Zwerchfellfunktion . . . . . . . . . . . . 69 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Die Zellmembran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diffusionsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
46 47
Primäre und sekundäre Atemmuskeln . . . . 50 A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Primäre und sekundäre Inspirationsmuskeln 50 Mm. scaleni und M. sternocleidomastoideus . Mm. intercostales . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abdominale Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . Aktive Exspiration . . . . . . . . . . . . . . . . M. transversus abdominis . . . . . . . . . . . . . Mm. pectoralis major und minor . . . . . . . . M. trapezius und M. levator scapulae . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .
9.3 9.4 9.5
Lungenfibrose . . . . . . . . . COPD . . . . . . . . . . . . . . . Fick-Gesetz . . . . . . . . . . CO-Diffusionskapazität . . Literatur . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
72 72 72 73 74
11.1 11.2
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . .
75
. . . . . .
75 76
. . .
76
. . . . . . . .
. . . . . . . .
76 77 77 78 78 79 79 79
Modell der segmentalen Dysbalance . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Vegetatives und somatisches Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung einer segmentalen Dysbalance
80
Akuter und chronischer Husten . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Bronchialsekret . . . . . . . . . . . . . . . . . Mukoziliare Obstruktion . . . . . . . . . . . Autonomes Nervensystem: Einfluss auf die Schleimsekretion . . . . . . . . . . . . . Der Zilienschlag: Charakterisierung der mukoziliaren Clearance . . . . . . . . . . . . Viskosität des Bronchialsekrets . . . . . . Folge der Hypersekretion . . . . . . . . . . Differenzierung des Hustens . . . . . . . .
10.7.1 Reizhusten bzw. trockener Husten 10.7.2 Produktiver Husten . . . . . . . . . . 10.7.3 Bluthusten . . . . . . . . . . . . . . . 10.8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . .
11
. . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . . . . .
11.2.1 Segmentale Dysbalance: Einfluss auf das Myotom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Segmentale Dysbalance: Einfluss auf das Dermatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.3 Segmentale Dysbalance: Einfluss auf das Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.4 Segmentale Dysbalance: Einfluss auf die Psyche 11.2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3
Praxis: Assessment bei segmentaler Dysbalance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3.1 Schmerzanamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Inspektion und Palpation der Haut . . . . . . . . .
11.4 11.5 12 12.1 12.2
12.3
70
12.4
70 71 72 72
12.5 12.6
Praxis: Behandlung einer segmentalen Dysbalance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzfunktion bei COPD-Patienten . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Lungenüberblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Vorlast . . . . . . . . . . . . . Hypoxie, Hyperkapnie und Lungenüberblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Nachlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Low-Cardiac-Output-Syndrom: Einfluss auf die linksventrikuläre Vorlast . . . . . . . . . . . Ventrikulärer Septum-Shift: Einfluss auf die linksventrikuläre Nachlast . . . . . . . . . . Arteriosklerose: Einfluss auf die systolische linksventrikuläre Dysfunktion . . . . . . . . . . Störungen des autonomen Nervensystems: Einfluss auf die Herzfunktion . . . . . . . . . . .
81 81 81 82 82 83 84 84 84 84 84 85 86
87
87 88 88 89 89
XV Inhaltsverzeichnis
12.7 12.8
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Pulmonalkreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Pulmonal-arterieller Druck bei körperlicher Belastung gesunder Menschen . . . . . . . . . 93 Euler-Liljestrand-Mechanismus . . . . . . . . . 93 Spätfolgen einer chronischen hypoxischen Vasokonstriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale . 94 Pulmonaler Blutdruck bei körperlicher Belastung von COPD-Patienten . . . . . . . . . 96 Medikamentöse selektive pulmonale Vasodilatation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
17
Sympathovagale Imbalance . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Autonomes Nervensystem . . . . . . . . . . . . Medulla oblongata: Übergeordnetes Koppelungszentrum des kardiorespiratorischen Netzwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Chemorezeptoren . . . . . . . . . . . . Arterielle Chemorezeptoren . . . . . . . . . . . Arterielle Barorezeptoren . . . . . . . . . . . . . Dehnungsrezeptoren in der A. pulmonalis und in den Atria cordis . . . . . . . . . . . . . . . Herzfrequenzvariabilität . . . . . . . . . . . . . . Respiratorische Sinusarrhythmie . . . . . . . .
17.8.1 17.8.2 17.8.3 17.8.4
Thorakale Atmung . . . . . . . Abdominale Atmung . . . . . . Physiologische Mischatmung Auxiliaratmung . . . . . . . . .
17.9
Verhältnis abdominale-thorakale Atmung (AT-Verhältnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 14 14.1 14.2
14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8
14.8.1 Das Atemmuster: Einfluss auf die respiratorische Sinusarrhythmie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.9 Dehnungsrezeptoren der Lunge . . . . . . . . 14.10 Propriozeptoren der Atemmuskulatur . . . . 14.11 Ätiologie der sympathovagalen Imbalance . 14.12 Erhöhter Sympathikotonus in Ruhe . . . . . .
89 90
98 98
100 100 100 101 102 103 104 105 105 105 106 106
14.13 Erhöhter Parasympathikotonus bei körperlicher Belastung . . . . . . . . . . . . . . . 106 14.14 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
II 15 15.1 16
16.1 16.2
Assessments Anamnese (subjektiver Befund) . . . . . . . . . 111 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Praxis: Eingangsbefund . . . . . . . . . . . . . . . 111 Inspektion und Palpation von Haut und Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 A.J.R. van Gestel, H. Teschler Allgemeine Inspektion . . . . . . . . . . . . . . . 114 Inspektion des Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . 115
16.2.1 Thorax bei COPD-Patienten . 16.2.2 Praxis: Inspektionsbefund . . 16.3 Palpation des Thorax . . . 16.3.1 Palpationsuntersuchung . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
117 117 118 118
16.3.2 Praxis: Palpationsbefund . . . . . . . . . . . . . . . 119 16.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
17.1 17.2
Analyse des Atemmusters . . . . . . . . . . . . . 122 A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Transport der Atemgase . . . . . . . . . . . . . . 122 Sauerstoff- und Kohlendioxidtransport . . . 123
17.2.1 Ventilation und Konvektion . . . . . 17.2.2 Gasgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Ventilation und Atemfrequenz . 17.4 Anatomischer Totraum . . . . . . 17.5 Atemintensität . . . . . . . . . . . . 17.5.1 Störvariablen . . . . . . . . . . . . . . 17.5.2 Rapid Shallow Breathing . . . . . .
17.6 17.7 17.8
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . . Atemgrenzwert und Atemreserve .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
Borg-Skala für Dyspnoe und Ermüdung Normales Atemmuster und Atemtypen . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
123 123 123 124 124 124 125 125 125 126 126 126 126 127
17.9.1 Das asynchrone AT-Verhältnis . . . . . . . . . . . . 127
17.10 Pathologische Atemmuster bzw. Atemtypen 128 17.10.1 Kussmaul-Atmung . . . 17.10.2 Cheyne-Stokes-Atmung 17.10.3 Seufzeratmung . . . . . 17.10.4 Biot-Atmung . . . . . . . 17.10.5 Schnappatmung . . . .
. . . . . 17.11 Pause im Atemzyklus .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
128 128 128 129 129 129
17.12 Praxis: Assessment-Analyse des Atemmusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 17.12.1 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
17.13 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 18 18.1 18.2
Husten-Assessment . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Forcierte Exspirationstechnik (FE-I) . . . . . . 134 Praxis: Befundaufnahme . . . . . . . . . . . . . 135
18.2.1 Analyse des Bronchialsekrets . . . . . . . . . . 18.2.2 Ausreichende Inspirationskapazität/ Inspirationstechnik (>1500 ml) . . . . . . . . . 18.2.3 Vollständiger Glottisverschluss . . . . . . . . . 18.2.4 Ausreichend kräftiger Atemstoß (>160 l/min, FEV1>60% des VK-Sollwertes, PEFR>2,7 l/sec) 18.2.5 Kein Risiko für einen Tracheobronchialkollaps 18.3 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
19.1
. . 135 . . 135 . . 136 . . 136 . . 137 . . 139
Herz- und Lungenauskultation, Perkussion und Stimmfremitus . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Auskultation der Lungengeräusche . . . . . . 140
19.1.1 Physiologische Atemgeräusche . . . . . . 19.1.2 Pathologische Atemgeräusche . . . . . . 19.2 Perkussion der Lunge . . . . . . . . . . . 19.2.1 Praktische Durchführung der Perkussion 19.3 Stimmfremitus . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
142 143 144 144 147
XVI
Inhaltsverzeichnis
19.4
Auskultation des Herzens . . . . . . . . . . . . . 147
19.4.1 Herztöne . . . . . . . . 19.4.2 Herzinsuffizienz . . . . 19.5 Zusammenfassung . 19.6 Literatur . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
147 150 151 151
23.2.1 Maximaler In- und Exspirationsdruck . . . . . . . . 170 23.2.2 Transdiaphragmaler Druck . . . . . . . . . . . . . . 170 23.3 Insertionstendopathien . . . . . . . . . . . . . . 171
23.4 23.5
20 20.1 20.2 21 21.1 21.2 21.3 21.4 21.5 21.6 21.7 21.8
Blutgasanalyse (BGA) . . . . . . . . . . . . . . . . 152 A.J.R. van Gestel, H. Teschler Objektivierung des arteriellen Sauerstoffwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Indikation für eine Blutgasanalyse . . . . . . . 152 Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ventilatorisch bestimmte anaerobe Schwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der respiratorische Quotient . . . . . . . . . . Oxygenierungsindex . . . . . . . . . . . . . . . Alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2) . . . . . . . . . Atem- und Herzfrequenzreserve . . . . . . . Borg-Skala für Dyspnoe und Ermüdung . . Praxis: Symptomlimitierter maximaler Ausdauerkapazitätstest . . . . . . . . . . . . .
21.8.1 Primäres Ziel des symptomlimitierten maximalen Ausdauerkapazitätstests . . . 21.8.2 Sekundäres Ziel des symptomlimitierten maximalen Ausdauerkapazitätstests . . . 21.8.3 Kardiopulmonale Funktionsstörungen . 21.9 6-Minuten-Gehtest . . . . . . . . . . . . . 21.10 Shuttle-Walk-Test . . . . . . . . . . . . . .
. 153
. . . .
. . . .
. . . .
22.1
24.2.1 Allgemeine BWS- und Thoraxmobilitätsprüfung 174 24.2.2 Spezifische BWS- und Thoraxmobilitätsprüfung . 175 24.3 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
25 . 154 . 155 . 155 . 155 . 155 . 156 . 156
. . . .
157 157 161 161
21.11 Körperliche Aktivität, messbar durch Accelerometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 21.12 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 22
24.1 24.2
Kraftmessung der peripheren Muskulatur . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, S. Teschler, H. Teschler Anpassung der biochemischen und metabolischen Versorgung der peripheren Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anpassung der peripheren Muskulatur durch Hypertrophietraining . . . . . . . . . . . Praxis: Kraftmessung der peripheren Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
25.1 25.2 25.3
26
26.1
166
26.3
166 22.3.1 Oddvar-Holten-Kurve: Dynamische Kraftmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 22.3.2 Break-Test und Make-Test nach Andrews: Isometrische Kraftmessung . . . . . . . . . . . . . 167 22.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
26.4
23
27.1
23.1 23.2
Respiratorische Muskelkraft . . . . . . . . . . . 169 A.J.R. van Gestel, H. Teschler Bestimmung der Stärke des in- und exspiratorischen Drucks . . . . . . . . . . . . . . 169 Praxis: Untersuchung des in- und exspiratorischen Drucks . . . . . . . . . . . . . . 170
. . . .
. . . .
. . . . 184 . . . . 185 . . . . 185 . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
186 186 186 187 187
Hypertonus und Kontraktur der sekundären Atemmuskeln . . . . . . . . . . . . . 188 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Muskuläre Dysbalance . . . . . . . . . . . . . . . 189
26.1.1 Hypertonus: Zu hohe Aktivität des neuromuskulären Apparates . . . . . . . . . . . . . . . 26.1.2 Hypertonus: Aktivierung der α-Motoneurone eines Muskels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.1.3 Hypertonus durch Reizung der MuskelNozizeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.1.4 Hypertonus verursacht durch das limbische System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.1.5 Hypertonus verursacht durch das pulmonale System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26.2
22.3
Lungenfunktionsprüfung . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, H. Teschler Spirometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ganzkörperplethysmographie . . . . . . Praxis: Physiotherapeutische Messung der Lungenfunktionsparameter . . . . .
25.3.1 RC-Test COPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3.2 Peak-Flow-Messung . . . . . . . . . . . . 25.4 Transferfaktor für Kohlenmonoxid . 25.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
22.2
Thoraxmobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Hypomobilität des Thorax . . . . . . . . . . . . . 173 Praxis: P/E-Untersuchung der BWS-Beweglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
. 153
. . . . . 157 . . . .
24
Kraftverlust der respiratorischen Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
. . 189 . . 190 . . 190 . . 191 . . 191
Kontraktur: Verkürzung der viskoelastischen Elemente eines Muskels . . . . . . 191 Längenadaptation: Abnahme der Anzahl seriell geschalteter Sarkomere . . . . . . . . . . 192 Praxis: Untersuchung der muskulären Dysbalance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
26.4.1 Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
26.5 27
27.2 27.3 27.4
Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, S. Teschler, H. Teschler Exazerbationen: Beeinträchtigung der Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . Praxis: Assessment der gesundheitsspezifischen Lebensqualität . . . . . . . Verbesserung der Lebensqualität . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . 195
. . . . 195 . . . . 196 . . . . 196 . . . . 196
XVII Inhaltsverzeichnis
28
28.1 28.2 28.3 28.4 28.5
Dyspnoe bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Nachweis einer Dyspnoe . . . . . . . . . . . Differenzialdiagnosen einer Dyspnoe . . Dyspnoe in der Praxis . . . . . . . . . . . . . Diagnostik der Dyspnoe . . . . . . . . . . . Praxis: Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . .
28.5.1 28.5.2 28.5.3 28.5.4 28.5.5 28.5.6 28.5.7
Inspektion . . . . . . . . . . . . . . . Perkussion und Auskultation . . . Borg-Skala . . . . . . . . . . . . . . 6-Minuten-Gehtest . . . . . . . . . Lungenfunktionstests . . . . . . . Arterielle Blutgasanalyse . . . . . Belastungsuntersuchung mittels Spiroergometrie . . . . . . . . . . . 28.5.8 Der BODE-Index . . . . . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . 198 . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
198 199 200 200 201 201 201 201 202 202 202
. . . .
. . . .
. . . .
203 203 203 203
. . . 204 . . . 205
29.3 30 30.1
Atemtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Hauptziel der Atemtherapie . . . . . . . Praxis: Vorgehensweise in der Atemtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32.1.1 Lokale Entspannungsübungen . . . . . . . . . . 32.1.2 Neuromuskuläre Techniken zur Detonisierung 32.1.3 Dehntechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
33.1 33.2
31.1
229 230 233 236
Sekretfördernde Atemphysiotherapie . . . . 237 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Sekretolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Praxis: Reinigung der Atemwege . . . . . . . . 238
33.2.1 Reinigung der extrathorakalen Atemwege 0 . . 33.2.2 Reinigung der zentralen Atemwege 1–8 . . . . 33.3 Forcierte Exspirationstechniken (FE-I–VI) . 33.3.1 FE-I: Biomechanik des Hustens . . . . . . . . . . . 33.4 Exspiratorischer Tracheobronchialkollaps .
. . . . .
238 239 244 244 246
33.5.1 33.5.2 33.5.3 33.5.4 33.5.5
FE-II: Huffing . . . . . . . . . . . . . FE-III: Huffing intermittence . . . FE-IV: Huffing fortis . . . . . . . . . FE-V: Huffing fortis intermittence FE-VI: Kombination . . . . . . . . .
. . . . 209
33.6
Praxis: Reinigung der mittleren Atemwege (9.–16. Atemwegsgeneration) . . . . . . . . . . 248
. . . . 210 . . . . 211
33.6.1 Sekretolyse der mittleren Atemwege . . . . . . . . 250
. . . . 209
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
213 213 214 214 220
. . . . . . 222 . . . . . . 223
33.7
Dehnung und Detonisierung des Zwerchfells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Praxis: Aktivierung und Dehnung der Atemmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
31.1.1 Aktivierung des M. transversus abdominis bei Exspiration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.1.2 Komprimierung des Abdomens bei Exspiration 31.1.3 Manuelle Kompression des Abdomens . . . . . 31.1.4 Beckenkippung: Overflow-Prinzip . . . . . . . .
. . . .
224 225 226 226
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
246 247 247 248 248
Praxis: Reinigung der peripheren Atemwege (16.–23. Atemwegsgeneration) . . . . . 254
33.7.1 MITF (Maximale Inspiration mit tiefem Flow) . . . 254
33.8 33.9
Praxis: Expektorationshilfen (Drainagelagerungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Praxis: Oszillierende PEP-Atemhysiotherapie 257
33.9.1 Flutter . . . . . . . 33.9.2 RC-Cornet® . . . . 33.9.3 Das Acapella . . . 33.10 Tapotements . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
258 258 260 260
33.11 Evidenz der sekretfördernden Behandlungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . 260 33.12 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 34
31
. . . .
Sorgfältig dosierte Exspirationstechniken (FE-II–V) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
Atemtherapeutische Maßnahmen . . . . . . . 213 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Prinzipien atemtherapeutischer Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
30.1.1 Ausgangsstellung . . . . . . . . . . . . . . 30.1.2 Taktile Stimulation . . . . . . . . . . . . . 30.2 Atemtherapeutische Maßnahmen . 30.2.1 Betonung der Inspiration . . . . . . . . . 30.2.2 Betonung der Exspiration . . . . . . . . . 30.2.3 Atemtherapeutische Maßnahmen bei tracheobronchialer Instabilität . . . . . . 30.3 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32.1
Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln . . . . . . . . . . . . . 229 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Praxis: Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln . . . . . . . . . . . . 229
33.5
Interventionen
29.1 29.2
32
33
. . . . . . . . . . . . . . 28.6 Praxis: Vorgehen bei akuter Dyspnoe . . 28.6.1 Auslöser einer akuten Dyspnoe . . . . . . . . 28.6.2 Therapeutischer Stufenplan bei akuter Dyspnoe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
31.1.5 Kräftigung des M. transversus abdominis bei COPD-Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 31.2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
34.1 34.2
Klassische Massage und Funktionsmassage 264 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Wirkungsweise der klassischen Massagetherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Praxis: Klassische Massage . . . . . . . . . . . . 265
34.2.1 Massagegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 34.2.2 Massagetechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 34.3 Praxis: Funktionsmassage . . . . . . . . . . . . . 270
34.4 34.5
Aufbau der Massagetherapie und Ausführung der Techniken . . . . . . . . . . . . 271 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
XVIII
Inhaltsverzeichnis
35
Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effekte des kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstrainings bei Patienten mit COPD Bestimmung der Intensität bei kardiopulmonalem Ausdauerkapazitätstraining . Bestimmung der Belastungssteigerung beim kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trainingsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . Sauerstoffgabe unter Belastung . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35.1 35.2 35.3 35.4
35.5 35.6 35.7
40 273
40.1 40.2 273
35.9 36
36.1 36.2 37 37.1 37.2 37.3 38 38.1 38.2
38.4 38.5 39 39.1 39.2
. . . 298 . . . 298 . . . 299
275
41
275 275 276 276
41.1.1 Aufrechter Stand: Einfluss auf die Lungenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1.2 Rückenlage: Einfluss auf die Lungenfunktion 41.1.3 Seitenlage: Einfluss auf die Lungenfunktion . 41.1.4 Bauchlage: Einfluss auf die Lungenfunktion . 41.1.5 Oberkörperhochlagerung: Einfluss auf die Lungenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .
41.1
Hypertrophietraining der peripheren Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 A.J.R. van Gestel, S. Teschler, H. Teschler Praxis: Hypertrophietraining . . . . . . . . . . . 280 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
41.2 41.3 41.4 41.5 42
282
42.1
282
42.2 42.3
284 285
42.3.1 42.3.2
Verbesserung der Thoraxmobilität . . . . . . . 286 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Ursachen einer Hypomobilität . . . . . . . . . . 286 Praxis: Thoraxmobilisation . . . . . . . . . . . . 288
42.3.3
38.2.1 Verbesserung der eingeschränkten Thoraxbeweglichkeit (Hypomobilität) . . . . . . . . . . . 38.3 Der Schultergürtel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38.3.1 Schultergelenk (Art. glenohumeralis) . . . . . . . 38.3.2 Sternoklavikular- und Akromioklavikulargelenk .
. . . 297
273
Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining bei pulmonaler Hypertonie . . . . . 277 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
Training der Inspirationsmuskeln . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, H. Teschler Praxis: Inspiratorisches Muskeltraining . . . . IMT bei COPD-Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 297
40.3 40.4
35.7.1 Yellow Flags: Vorsichtsmaßnahmen und klinisches Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 35.7.2 Kontraindikationen für körperliche Belastung . . 277
35.8
Patientenschulung . . . . . . . . . . . . . . . A.J.R. van Gestel, H. Teschler Verzicht auf Nikotinkonsum . . . . . . . . Bedeutung der kardiopulmonalen Trainingstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Themen der Patientenschulung Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288 290 290 291
Praxis: Behandlung des hypomobilen Schultergürtels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Entspannungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . 292 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Praxis: Entspannungsverfahren . . . . . . . . . 292
39.2.1 Progressive Relaxation (PMR) . . . . . . . . . . . . 292 39.2.2 Autogenes Training nach Schultz . . . . . . . . . . 294 39.3 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
42.4 42.5 42.5.1
42.6 42.7
43 43.1 43.2
Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Lagerungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Umlagerung: Kinetische Therapie im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . Bewegung: Dreh-Dehn-Lagen . . . Klinisches Monitoring . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Nicht-invasive Beatmung, positiver endexspiratorischer Druck und Inhalation . . A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler Der transpulmonale Druck: Einfluss auf die Lungenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-invasive Beatmung . . . . . . . . . . . Formen der nicht-invasiven Beatmung . .
. . . .
. . . .
301 301 301 303
. . 304 . . 304 . . . .
. . . .
305 305 307 308
. . 309
. . . Volumenkontrollierte Beatmung . . . . . . . . . CPAP-Überdruckbeatmung: Assistierte Spontanatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BIPAP-Überdruckbeatmung . . . . . . . . . . . . Apparatives und klinisches Monitoring . . . PEP-Maskenatmung . . . . . . . . . . . . . . . . Die PEP-Maske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
309 310 310 311
. . . . . . .
311 313 314 315 316 316 317
Pulmonale Rehabilitation im Überblick . . . . 319 Methodisches Handeln (Assessments und Interventionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Funktionsstörungen (biomedizinische Grundlagen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
XIX
Glossar A Alkalose Überlaugung des Blutes Alveolen Kleine Lungenbläschen, die von den Lungenkapillaren umgeben sind Apnoe Atemstillstand Asthma bronchiale Anfallsweise auftretende Dyspnoe durch vollständig/teilweise reversible Einengung der Atemwege Atelektasen Nicht belüftete Lungenareale, in denen die Alveolen zusammengefallen sind Atemhilfsmuskulatur Atemmuskeln, die bei der normalen Ruheatmung, nicht jedoch bei vermehrter Ventilation, zusätzlich rekrutiert werden Atemmuskeln Atemmuskeln, die bei der normalen Ruheatmung rekrutiert werden Auskultation Abhören der Lunge mithilfe eines Hörrohrs mit Schallverstärkung Azidose Übersäuerung des Blutes B Blue Bloater Patiententyp (übergewichtig) mit schwerer chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) bzw. chronischer Bronchitis-Typ: Zyanose (bläuliche Haut), gering ausgeprägte Atemnot, keine Atemnot in Ruhe, häufig obstruktive Schlafapnoe Bodyplethysmographie Ganzkörperplethysmographie: Verfahren der Lungenfunktionsprüfung; erfasst werden Luftmenge in der Lunge und Weite des Bronchialsystems Brachypnoe Verlangsamte Atmung Bronchialkarzinom Tumor der epithelialen Zellen des Bronchialgewebes Bronchiektasen Irreversible Erweiterung der Bronchien Bronchospasmus Krampfzustand der Bronchialmuskulatur; führt zu einer Erhöhung des Strömungswiderstandes C Chronische Bronchitis Entzündung von Bronchialschleimhaut und Luftröhre (COPD) COPD Sammelbegriff für verschiedene obstruktive Lungenerkrankungen Cor pulmonale Rechtsherz- und respiratorische Insuffizienz, verursacht durch den pulmonalen Blutdruck D Diffusion Gasaustausch von O2 und CO2 an der alveolo-kapillären Membran Distribution Verteilung des Atemgases innerhalb der intrapulmonalen Atemwege Dosierte Exspiration Milde Art des Luftausstoßes Druckprinzip Sekretolysetechnik; mittels verlängerter Exspiration wird Sekret zentralwärts gedrückt Dyspnoe Erschwerte Atmung mit subjektivem Gefühl von Atemnot
E Equal Pressure Point Punkt gleichen Drucks; der pleurale Druck entspricht dem intrabronchialen Druck. Stromabwärts von diesem Punkt werden die Atemwege leicht eingedrückt, und es kommt zu einer lokalen Flussbeschleunigung der Atemluft Erythrozyten Rote Blutkörperchen Euler-Liljestrand-Reflex Reflektorische Vasokonstriktion (siehe »hypoxische pulmonale Vasokonstriktion«) Eupnoe Normale Atmung F Flowprinzip Sekretolysetechnik; mittels forcierter Exspiration wird Sekret zentralwärts geblasen Forcierte Exspiration Explosionsartiges Ausstoßen der Luft G Gasaustausch Physikalischer Begriff für die Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe in den Alveolen H Hämoglobin Protein; transportiert den Sauerstoff im Blut Hämoptoe Aushusten von reinem Blut, Bluthusten Hämoptyse Aushusten von blutig gefärbtem Auswurf Hering-Breuer-Reflex Lungendehnungsreflex; reflektorische Begrenzung der Inspiration bei Überdehnung der Lunge Hoover-Zeichen Zwerchfell-Thoraxwand-Antagonismus; Einziehung der unteren Rippen infolge einer schlechten Zwerchfellfunktion Hyper-/Hypoventilation Steigerung/Abfall der alveolären Ventilation Hyperinflationsstand des Thorax Durch Lungeninflation bzw. Lungenüberblähung verursachte Inspirationsstellung von Thorax und Atemmuskeln Hyperkapnie Arterieller CO2-Wert>45 mmHg Hypopnoe Verringerung des Atemflusses um 20–50% der physiologischen Ventilation Hypoxische pulmonale Vasokonstriktion (HVP) Anstieg von pulmonal-arteriellem Gefäßwiderstand und pulmonalem Blutdruck in azidotischem/hypoxischem Gewebe; autonomer Reflex der pulmonalen Strombahn I Intraabdominaler Druck Druck im Abdomen Intrathorakaler Druck Druck im Thorax; ist atemabhängig: Inspiration (-), Exspiration (+) L Linksherzinsuffizienz Ungenügende Leistung des linken Herzens Lippenbremse Atemtechnik zur Erweiterung der Atemwege während der Exspiration Lungenemphysem Überblähung und Elastizitätsverlust der Lunge (COPD)
XX Glossar
Lungenfibrose Vernarbung des Bindegewebes zwischen den Alveolen durch chronische Entzündung des Lungengewebes Lungenödem Bei Lungenstau treten die wässrigen Blutanteile in die Alveolen über Lungenüberblähung Krankheit, bei der das Lungengewebe ausgedehnt und überbläht ist. Die Gasaustauschfläche der Lunge ist verringert M Medulla oblongata Atemzentrum im verlängerten Rückenmark Metabolische Azidose Stoffwechselbedingte Übersäuerung des Blutes N Normoventilation pH 7,36–7,44, paCO2 37–43 mmHg, paO2 70–105 mmHg P Partialdruck Druck (»Konzentration«), der den einzelnen Luftgasen zugeordnet werden kann Perfusion Durchblutung der pulmonalen Gefäße Perkussion Klopfuntersuchung der Lunge; die Körperoberfläche wird beklopft Permissive Hyperkapnie Hyperkapnie z.B. infolge eines Sauerstoffsupplements. Akzeptabel, solange keine Hypoxämie und kein erhöhter Laktatspiegel vorliegen und die Nierenfunktion (renale Kompensation) erhalten ist Pink Puffer Patiententyp (mager) mit schwerer chronischobstruktiver Lungenerkrankung (COPD) bzw. Lungenemphysem-Typ: versucht ständig, die Blutgase durch vermehrte Atemarbeit zu normalisieren pH-Wert (arteriell) Maß für die Stärke der sauren bzw. basischen Wirkung des arteriellen Blutes Pleura parietalis Dünne, seröse Haut; äußeres Blatt der Pleura, Rippen- oder Brustfell Pleura visceralis pulmonalis Dünne, seröse Haut; inneres Blatt der Pleura, Lungenfell Pleuradruck/intrapleuraler Druck Im Pleuraspalt herrschender Druck Pneumothorax Lungenkollaps durch Eindringen von Luft in den Pleurspalt Pursed Lip Breathing Exspiration durch geschlossene Lippen, Lippenbremse; führt zur Erweiterung der Atemwege bei der Exspiration R Rechtsherzinsuffizienz Ungenügende Leistung des rechten Herzens Respiratorische Azidose Atmungsbedingte Übersäuerung des Blutes Respiratorische Globalinsuffizienz Ventilatorische Insuffizienz mit erniedrigtem Sauerstoff- und erhöhtem Kohlendioxidpartialdruck Respiratorischer Quotient Verhältnis zwischen ausgeatmeter bzw. abgegebener Kohlenstoffdioxidmenge und eingeatmeter Sauerstoffmenge Respiratorische Alkalose Atmungsbedingter Anstieg des BlutpH-Wertes; es kommt zu einem Basenüberschuss im Blut
Respiratorische Partialinsuffizienz Pulmonale Insuffizienz mit erniedrigtem Sauerstoff- und normalem bzw. erniedrigtem Kohlendioxidpartialdruck S Spirometrie Kleine Lungenfunktion; die Aus- und Einatemluftvolumina werden gemessen und im Spirogramm festgehalten Sputum Synkope Sekret der Bronchialschleimhaut; wird überwiegend in Becherzellen und submukösen Drüsen gebildet Umgangssprachlich als Kreislaufkollaps bezeichnet T Tachypnoe Zunahme der Atemfrequenz, beschleunigte Atmung Tiffeneau-Manöver Werte der Fluss-Volumen-Kurve und Bodyplethysmographie; Messung und Auswertung einer langsamen, forcierten Exspiration Totraum Nicht am Sauerstoffaustausch beteiligter Teil des Atemtraktes Trachea Luftröhre, erster Abschnitt des Atemtraktes Tracheobronchiale Instabilität Instabile Bronchien infolge rezidivierender Entzündungen der Atemwege; (kurzzeitiger) Kollaps der Atemwege bei erhöhtem intrathorakalen Druck, z.B. bei Husten, körperlicher Anstrengung oder kräftiger Exspiration Trommelschlegelfinger Kolbige Verdickung der distalen Phalangen durch Hyperplasie und Hypertrophie von Weichteilen und Periost infolge einer chronischen Hypoxie U Uhrglasnägel Hypertrophie und Hyperplasie des Bindegewebes im Nagelbett infolge einer chronischen Hypoxie Utilisation/(Konsumption) Zellstoffwechsel unter O2-Verbrauch und CO2-Produktion V Ventilation/Konvektion Ein- und Ausströmen von Atemluft innerhalb der Atemwege bis zu den Bronchioli terminales Z Zyanose Bläuliche Verfärbung der Schleimhäute und Haut infolge des verminderten Sauerstoffgehaltes im Blut
I
Biomedizinische Grundlagen 1
Krankheitslehre
–3
S. Teschler, A.J.R. van Gestel, H. Teschler
2
Atembewegungsapparat
– 14
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
3
Widerstände im respiratorischen System
– 20
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
4
Sauerstoff (O2)
– 27
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
5
Der Säure-Basen-Haushalt
– 34
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
6
Chronische Überblähung bei COPD: Einfluss auf die Funktion der primären Atemmuskulatur A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
7
Primäre und sekundäre Atemmuskeln
– 50
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
8
Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
9
Diffusion
– 70
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
10
Akuter und chronischer Husten
– 75
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
11
Modell der segmentalen Dysbalance
– 80
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
12
Herzfunktion bei COPD-Patienten A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
13
Pulmonalkreislauf
– 92
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
14
Sympathovagale Imbalance
– 98
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
– 86
– 63
– 41
1 1 Krankheitslehre S. Teschler, A.J.R. van Gestel, H. Teschler
1.1
Atemwegs- und Lungenerkrankungen
1.2
Asthma bronchiale
1.3
Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD) – 5
1.4
–3
1.6
Therapieplanung
1.7
Literatur
1.1
Atemwegs- und Lungenerkrankungen
– 12
– 12
–9
Krankheiten der Atemwege und Lunge gewinnen eine zunehmende Bedeutung. Im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten treten einige Atemwegs- und Lungenerkrankungen nicht erst im fortgeschrittenen Alter auf, sondern betreffen bereits Kinder. Schon 10% der Kinder haben Asthma bronchiale oder ein nachweislich überempfindliches Bronchialsystem. Etwa 10–15% der Erwachsenen leiden an Asthma oder an chronischer Bronchitis. Schätzungen zufolge ist damit zu rechnen, dass diese Erkrankungen bis zum Jahr 2010 um 25% zunehmen werden [1]. Aktuell wird etwa ein Drittel aller Arbeitsunfähigkeitstage durch Atemwegs- und Lungenerkrankungen ausgelöst. In der 10. Revision der »Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme« (ICD/ICF, International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision, herausgegeben von der World Health Organisation [WHO] 2001) werden die Krankheitsbilder des Atmungssystems unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet (7 Übersicht 1.1). . Übersicht 1.1. Krankheitsbilder des Atmungssystems (Einteilung der WHO, 2001)
3. 4. 5.
Diagnostik in der pulmonalen Rehabilitation – 11
–5
Pulmonale Rehabilitation
1. 2.
1.5
Anatomisch (obere/untere Atemwege) Pathologisch-anatomisch (das Interstitium betreffend oder purulente bzw. nekrotisierende Erkrankungen) Nach Aktualität (akute/chronische Krankheiten) Pathogenetisch (Ursachen, z.B. exogene Substanzen) Klinisch (z.B. Pneumonie)
Krankhafte Veränderungen im Bereich des respiratorischen Systems führen häufig zu Störungen der Lungenbelüftung. Man unterscheidet drei Formen von Lungenfunktionsstörungen, zusammengefasst in 7 Übersicht 1.2. . Übersicht 1.2. Formen der Lungenfunktionsstörungen 1. 2. 3.
Restriktive Funktionsstörungen Obstruktive Funktionsstörungen Gemischte Störungsformen
1.1.1 Restriktive Lungenerkrankungen Als restriktive Lungenerkrankungen (»restriction«, Einschränkung) werden Situationen bezeichnet, bei denen die Ausdehnungsfähigkeit des Lungen-Thorax-Zwerchfell-Systems eingeschränkt ist, z.B. bei 4 pathologischen Veränderungen des Lungenparenchyms (Lungenfibrose), 4 Asbestose, 4 Thoraxwanddeformitäten, 4 starker Krümmung der Wirbelsäule (Skoliose; behindert die mechanische Entfaltung der Lungen), 4 Verwachsungen der Pleurablätter.
4
1
Kapitel 1 · Krankheitslehre
Restriktive Lungenerkrankungen gehen mit einer Einschränkung der Totalkapazität der Lungen einher. Unter restriktiven Lungenerkrankungen versteht man Krankheitsbilder, bei denen das Lungengewebe zerstört und das Bindegewebe im Lungengerüst durch Einlagerung von Kollagen (Eiweißkörper) krankhaft verändert ist. Diese Lungenveränderungen haben eine Reduktion der Alveolarfläche zur Folge. Durch das veränderte Lungengewebe kommt es zu einer Störung der Versorgung des Körpers mit Sauerstoff. Die Ursachen der restriktiven Lungenerkrankungen sind vielschichtiger Natur. So können u.a. Einwirkungen von Umweltgiften, Ernährungsprobleme, psychische Erkrankungen, Verletzungen, muskuläre Überbelastung, Medikamente, Mikroorganismen oder Entzündungen dafür verantwortlich sein. Die Ursachen werden in vier Gruppen unterteilt, wie in 7 Übersicht 1.3 dargestellt.
. Übersicht 1.3. Mögliche Ursachen restriktiver Lungenerkrankungen 1. Extrathorakale Restriktion: Adipositas, Hypomobilität der Haut 2. Pulmonale/pleurale Restriktion: Lungenstauung, Lungenresektion, Lungenfibrose, Pleuraschwarte, Pleuraerguss 3. Muskuloskelettale Restriktion: Kyphoskoliose, Skoliose, Zwerchfellhochstand, Thoraxdeformitäten, Hypertonus der abdominalen Muskulatur, neuromuskuläre Störungen der Atemmuskulatur 4. Systemische Restriktion: Morbus Parkinson, Morbus Bechterew, Morbus Scheuermann
. Abb. 1.1. Graphische Darstellung der wichtigsten obstruktiven Lungenerkrankungen (modifiziert nach Gabler-Sandberger [7], van Gestel 2009)
5 1.3 · Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD)
1.1.2 Obstruktive Lungenerkrankungen Obstruktive Lungenerkrankungen (»obstruction«, Verstopfung) sind dadurch charakterisiert, dass die zuleitenden Atemwege eingeengt und damit die Strömungswiderstände erhöht sind. Obstruktionen liegen vor bei 4 Schleimansammlungen (Asthma bronchiale) oder 4 Spasmen der Bronchialmuskulatur (spastische Bronchitis). Wenn die Atemwege verstopft oder aus anderen Gründen eingeengt sind, wird die Atmung behindert, und es entsteht eine obstruktive Lungenerkrankung. Obstruktive Ventilationsstörungen resultieren aus einer Lumeneinschränkung der Atemwege und den dadurch bedingten erhöhten Strömungswiderständen (. Abb. 1.1).
1.1.3 Mischformen Viele Lungenerkrankungen weisen je nach Stadium und Ausmaß Aspekte einer obstruktiven und einer restriktiven Erkrankung auf. Beispiel Bei Patienten mit einem Bronchialkarzinom liegt sowohl ein Verlust an Lungengewebe als auch eine Obstruktion bzw. Einengung des Bronchialbaums vor. Als angesehenste und effektivste Behandlung einer solchen Erkrankung gilt zwar der operative Eingriff (Thorakotomie), aber immer mehr wird die Hilfe von Physiotherapeuten zur Optimierung des Atembewegungsapparates und Verbesserung der Lungenventilation in Anspruch genommen.
1.2
Asthma bronchiale
Asthma bronchiale ist eine chronische Entzündung und Überempfindlichkeit der Luftröhrenäste, deren wesentliche Charakteristika die bronchiale Hyperreagibilität und variable Atemwegsobstruktion sind. Die Schleimhaut der Bronchien reagiert auf verschiedene Reize mittels Verkrampfung und Schwellung. Zudem produziert die Lunge zähes Sekret. Klinisch stehen wiederholte Zustände mit 4 Dyspnoe, 4 Angst und/oder 4 trockenem Reizhusten im Vordergrund, besonders in den frühen Morgenstunden und/oder bei Kontakt mit verschiedenen Reizstoffen oder Allergenen. Charakteristisch für Asthma bronchiale ist das Fehlen von Symptomen im beschwerdefreien Intervall. Bei schwererem Krankheitsverlauf treten gehäuft oder sogar ständige Beschwerden auf, und es kann zu einer deutlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit kommen.
1.3
Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD)
Das Akronym COPD leitet sich aus dem Englischen ab und steht für Chronic Obstructive Pulmonary Disease [2, 3, 4]. Definition Der Begriff COPD beschreibt eine chronisch-progrediente Lungenkrankheit mit einer Obstruktion, die nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Glukokortikoiden nicht vollständig reversibel ist, und der in wechselndem Ausmaß eine chronische Bronchitis, Bronchiolitis oder ein Lungenemphysem zugrunde liegt [4, 5].
Die Diagnose COPD besteht aus zwei Komponenten: Sie umfasst Atemwegserkrankungen, bedingt 4 zum einen durch das Lungenemphysem – eine morphologische Diagnose – und 4 zum anderen durch die chronische Bronchitis – eine funktionelle Diagnose [6]. In die Diagnose COPD werden andere Ursachen einer chronischen Atemwegsobstruktion wie z.B. Asthma, Mukoviszidose, Bronchiektasie und Bronchiolitis obliterans nicht miteinbezogen.
1.3.1 Differenzialdiagnosen In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung scheint die Unterscheidung zwischen chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem mittels differenzierter Lungenfunktionsanalyse und bildgebender Diagnostik sinnvoll, auch im Hinblick auf die optimale Nutzung geeigneter Therapieoptionen. Klinisch bedeutsam ist auch die Differenzierung zwischen COPD und Asthma, da Ursachen, Behandlung, Patientenpopulation und Prognose beider Krankheitsbilder völlig unterschiedlich sind. In . Tab. 1.1 sind die klinischen Zeichen bei Asthma bronchiale und COPD einander gegenübergestellt. > Wichtig Normale FEV1/VC-Werte schließen die Diagnose COPD in der Regel aus, nicht jedoch die chronische, nicht obstruktive Bronchitis [12, 13].
1.3.2 Symptome der COPD Aus pathophysiologischer Sicht ist die COPD durch eine chronisch-progressive exspiratorische Flussbehinderung charakterisiert, verursacht durch chronische endo- und exobronchiale Obstruktionen der unteren Atemwege. Daraus resultiert eine exzessive Belastung der inspiratorischen Muskulatur bei gleichzeitiger Minderung der Funktionsfähigkeit und Belastbarkeit.
1
6
1
Kapitel 1 · Krankheitslehre
. Tab. 1.1. Differenzialdiagnostik: Asthma bronchiale und COPD
Klinische Zeichen
Asthma bronchiale
COPD
Hauptbeschwerden
Episodische anfallsartige Dyspnoe (häufig nachts)
Belastungsdyspnoe, Ruhedyspnoe (fast nur tagsüber)
Allergie
Häufig
Selten
Alter bei Erstdiagnose
Meist Kindheit/Jugend
Meist nach dem 40. Lebensjahr
Ansprechen auf Kortikosteroide
Regelhaft vorhanden
Gelegentlich
Funktionell
Asthma bronchiale
COPD
Hyperreagibilität
Immer
Manchmal
Obstruktion
Intermittierend/variabel
Persistierend/geringe Variabilität
Raucherstatus
Nichtraucher>Raucher
Nichtraucher<
Reversibilität der Obstruktion
Gut (meist Δ>15% des Ausgangs-FEV1)
Schlecht (meist Δ<15% des Ausgangs-FEV1)
Verlauf
Variabel/episodisch
Meist progressiv/progredient
Exkurs Neudefinition der Erkrankung COPD Die COPD gilt weltweit als die Erkrankung mit den höchsten Zuwachsraten. Neben den Herz-, Kreislauf- und Tumorerkrankungen ist sie die am häufigsten zum Tode führende Erkrankung. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verkürzt sich die Lebenserwartung im Schnitt um 9 Jahre [8]. Als chronische Erkrankung gehört die COPD zu den kostenaufwändigsten Erkrankungen für die Weltgesundheitssysteme überhaupt. Trotz dieser erschreckenden Zahlen hinsichtlich
Morbidität, Letalität und Kosten der Erkrankung wurde die COPD in der Öffentlichkeit bisher kaum beachtet. Aus der Vergangenheit überwiegen Daten, die sich an der alten WHO-Definition (2001) orientieren, nach der das gleichzeitige Bestehen der Parameter 4 chronischer Husten, 4 Auswurf und 4 obstruktive Lungenfunktionsstörung zur Grundlage der Krankheitsdefinition gemacht wurden. Inzwischen wurde deut-
In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung besteht nicht nur eine progrediente Einschränkung der Lungenfunktion, sondern mit zunehmendem Schweregrad auch eine prognostisch bedeutsame Gasaustauschstörung mit wechselnd ausgeprägter Hypoxämie und Hyperkapnie [14, 15]. Bei mittelschwerer Erkrankung können folgende Kennzeichen der Obstruktion feststellbar sein: 4 Verlängertes Exspirium, 4 Giemen, 4 Pfeifen und 4 Brummen, auch eine 4 Lungenüberblähung mit 5 tief stehendem Zwerchfell und 5 hypersonorem Klopfschall [13].
lich, dass die COPD-Erkrankung häufig nur gering symptomatisch sein kann, und viele Patienten daher lange undiagnostiziert bleiben. Dieser Tatsache trägt die Neudefinition der Erkrankung durch die Global Initiative of Obstructive Lung Disease (GOLD) Rechnung, die die Einschränkung der Einsekundenkapazität (FEV1/ VC<70%) zur Basis der Diagnose COPD (Empfehlungsgrad A, Evidenzgrad D) macht [9, 10, 11], obwohl dieser Wert alters- und geschlechtsabhängig ist.
1.3.3 Schweregradeinteilung der COPD Eine obstruktive Funktionsstörung lässt sich auf einfache Weise durch die Messung der Sekundenkapazität (FEV1) mittels Tiffeneau-Test erfassen. Definition Unter Sekundenkapazität (FEV1) versteht man das Volumen, das innerhalb einer Sekunde forciert ausgeatmet werden kann.
Für die Schweregradeinteilung der COPD liegen nationale [4] und internationale [9, 16, 3] Empfehlungen vor, die sich an spirometrischen Daten (. Tab. 1.2), besonders an der FEV1 und klinischen Befunden wie Rechtsherzinsuffizienz und Hypoxämie orientieren. Am weitesten verbreitet ist eine Schweregradeinteilung, die von der Global Initiativ of Obstructive Lung Disease (GOLD) vorgeschlagen wurde [9, 11].
7 1.3 · Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD)
1.3.5 Entwicklung der COPD . Tab. 1.2. Schweregradeinteilung der COPD nach GOLD*
Schweregrad
Charakteristikum: Luftwegverstopfung
0: Risikogruppe
4 Normale Spirometrie 4 Chronische Symptome (Husten, Auswurf )
I: Leichtgradig
4 FEV1/VC<70% 4 FEV1>80% vom Soll 4 Mit/ohne chronische Symptome (Husten, Auswurf )
II: Mittelgradig
4 FEV1/VC<70% 4 50
III: Schwer
4 FEV1/VC<70% 4 30%
IV: Sehr schwer
4 FEV1/VC<70% 4 FEV1<30% vom Soll oder FEV1<50% vom Soll plus chronische respiratorische Insuffizienz**
* Für die Schweregradeinteilung gelten die Messwerte der FEV1 nach Bronchodilatation. ** paO2<8,0 kpa (60 mmHg) mit/ohne paCO2>6,7 kpa (50 mmHg) bei Atmung in Höhe des Meeresspiegels
Diese Klassifikation unterteilt die COPD in vier Schweregrade, die als GOLD-Stadium I–IV bezeichnet werden. > Wichtig Ab Stadium II handelt es sich um eine progrediente, chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung mit hoher Morbidität und je nach Schweregrad mit stark zunehmender Mortalität [2, 3, 4].
Die Erkrankten geraten bei fortschreitender COPD in eine Inaktivitätsspirale: Am Anfang steht eine zunehmende Belastungsdyspnoe, die über Bewegungsmangel eine langsam fortschreitende Dekonditionierung der Muskulatur bedingt, aus der wiederum eine schleichend progrediente Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit resultiert, die sich nachteilig auf das Berufs- und Privatleben und damit auf die allgemeine und organspezifische Lebensqualität auswirkt [4, 17]. Patienten mit COPD leiden unter Atemnot, die bei körperlicher Belastung zunimmt [88]. Daher neigen sie dazu, körperliche Anstrengung in dem Maße zu meiden wie die Atemnot bei Alltagsbelastungen zunimmt. Körperliche Inaktivität führt jedoch zu einer 4 Dekonditionierung des Herz-Kreislauf-Systems und der Muskulatur, 4 Entwicklung einer Osteoporose und 4 Reduktion der koordinativen Fähigkeiten, die sich negativ auf den ursächlichen Bewegungsmangel auswirken [4]. Diese verhängnisvolle Spirale endet in einer erheblichen körperlichen Schwächung mit negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität und Morbidität der Erkrankten [4]. COPD-Leitlinien Die publizierten COPD-Leitlinien geben nicht nur Empfehlungen zu Prävention und einer dem Schweregrad angepassten medikamentösen Stufentherapie [4, 9, 15, 16]; als essenzielle Komponente des komplexen Therapiekonzepts beinhalten alle aktuellen COPD-Leitlinien ab dem mittleren Erkrankungsgrad (Schweregrad II nach GOLD) auch Rehabilitationsmaßnahmen, die von einem multidisziplinären Team durchgeführt werden. Strukturierte Rehabilitationsprogramme für COPD-Patienten beinhalten Module wie 4 Kraft- und Ausdauertraining, 4 Atemgymnastik, 4 Schulung und 4 psychosoziale Unterstützung [4, 15, 16]. 1.3.6 Zur Atemwegsobstruktion
1.3.4 Ursachen der COPD Häufigste Ursache der COPD ist das langjährige inhalative Rauchen diverser Tabakprodukte, doch sind auch andere erbliche Faktoren, z.B. genetische Prädisposition (Alpha-1Protease-Inhibitor-Mangel) und erworbene Faktoren wie berufsbedingte Stäube, allgemeine Luftverschmutzung und häufige Atemwegsinfektionen in der Kindheit bekannt [4]. In fortgeschrittenen COPD-Stadien finden sich Hinweise auf eine systemische Manifestation der primären pulmonalen Erkrankung [4, 9, 14]. In diesen Stadien prägen muskuläre, bindegewebige, ossäre, nutritive und psychische Veränderungen das klinische Bild – und damit den Phänotyp des Patienten [2, 4, 9, 14, 15]. Außerdem lassen sich überzufällig häufig kardiale und kardiovaskuläre Komorbiditäten wie koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Hypertonie nachweisen [3, 4, 14].
beitragende Faktoren Ursache für die progressive exspiratorische Flusslimitation
bei COPD ist die Destruktion des Lungenparenchyms mit Verlust der alveolären Septen, die zum exspiratorischen Kollaps der kleinen Atemwege führt. Beim Emphysem kommt es zu einer neutrophilen Entzündung, die einen enzymatischen Abbau der Alveolarwände bedingt. Dadurch kommt es zum Verlust der elastischen Rückstellkräfte des Lungenparenchyms. Da die Exspiration ständig gegen einen erhöhten Widerstand erfolgt, tritt in fortgeschrittenen Stadien vielfach eine Zunahme des Lungenvolumens (Lungenüberblähung) mit vergrößerter Residualkapazität auf. Die wichtigste Ursache einer Atemwegsobstruktion ist das Exsudat (auch Mukus, Sputum oder Bronchialsekret) im Bronchiallumen. Dieses Exsudat besteht aus dickem Schleim,
1
8
1
Kapitel 1 · Krankheitslehre
Exkurs Studie über Rehabilitationsmaßnahmen Evidenz der pulmonalen Rehabilitation Eine kürzlich publizierte amerikanische Empfehlung [15] zur praktischen Durchführung der Rehabilitation fasst die aktuelle Evidenz der pulmonalen Rehabilitation (PR) bei COPD unter Berücksichtigung von Cochrane-Analysen aus dem Jahre 2006 [2] und einer weiteren Metaanalyse von Cambach et al. [18] auf der Basis von randomisierten Therapiestudien mit adäquater Kontrollgruppe wie folgt zusammen: Patienten mit stabiler und mindestens mittelschwerer COPD profitieren in klinisch relevantem Umfang von einer multimodalen PR. Die Rehabilitation führt zu einer 4 Verbesserung der Belastungstoleranz mit Zunahme der Gehstrecke, 4 Abnahme der Atemnot und 4 Steigerung der Lebensqualität [19–22]. Der Einfluss der Rehabilitation auf die krankheitsspezifische Lebensqualität kann z.B. mittels CRQ-Fragebogen objektiviert werden. Mit diesem Fragebogen-
instrument wurde nachgewiesen, dass sich Atemnot, Ermüdung, emotionale Funktion und Krankheitsbewältigung durch Rehabilitation günstig beeinflussen lassen [23, 24, 25]. Vergleich der Studien Bei genauer Analyse der Effekte einer multimodalen Rehabilitation von COPDPatienten fällt auf, dass sich die ausgewerteten Publikationen stark unterscheiden, bzgl. 4 Leistungserbringer (stationär, ambulant, zuhause, kombiniert), 4 Einzelkomponenten (Kraft- und Ausdauertraining, Schulungsumfang) und 4 Therapiedauer (Wochen, Monate, bis zu einem Jahr; kontinuierlich oder Intervalltraining). In prospektiven randomisierten Studien wurden stationäre, ambulante und häusliche Therapiemaßnahmen [19, 20, 21, 22, 26], Programme mit stark unterschiedlicher Laufzeit [20, 22, 27, 28] und Trainingseinheiten mit hoher und niedriger
der viele eosinophile Granulozyten und degeneriertes respiratorisches Epithel enthält. Zusätzlich entstehen ein Ödem und eine eosinophile Infiltration von Mukosa und Submukosa. Weitere zur Atemwegsobstruktion beitragende Faktoren können sein: 4 eine Verengung der Atemwege durch Hypertrophie der Bronchialmuskulatur, 4 eine Verdickung der bronchialen Basalmembran oder 4 eine Überempfindlichkeit der Atemwege. Die charakteristischen Merkmale der häufigsten Atmungswegsobstruktionen sind in 7 Übersicht 1.4 zusammengestellt. . Übersicht 1.4. Charakteristische Zeichen einer Atemwegsobstruktion 1. 2.
3. 4. 5.
Verstärkte Schleimabsonderung/Sekretbildung mit gesteigerter Viskosität Entzündung der Bronchialschleimhaut (Ödem) mit Schleimhauthypertrophie und Schleimdrüsenhyperplasie Verkrampfung der Bronchialmuskulatur (Bronchospasmus) Kollaps der Luftwege (Tracheobronchialkollaps), Verminderte Retraktionskraft des Lungenparenchyms
Therapiedichte [8, 36, 85] sowie unterschiedlichem Schweregrad und variabler Anzahl von Patienten, die mit oder ohne Sauerstofftherapie trainierten, verglichen [21, 26, 30, 31]. Des Weiteren unterscheiden sich die Studien bzgl. der Untersuchungsintervalle und Objektivierungsmethoden von Änderungen im funktionellen und psychosozialen Bereich. Fazit Fasst man die aktuell publizierten Studien zusammen, besteht kein Zweifel an der Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der standardisierten Gehstrecke sowie der generellen und organspezifischen Lebensqualität bei COPD-Patienten der GOLD-Stadien II–IV. Dem körperlichen Training kommt bei allen Rehabilitationsprogrammen die größte Bedeutung zu [2, 3, 4, 29]; dieses hat sich als wichtige evidenzbasierte Maßnahme im COPD-Management etabliert [2, 3, 4, 15, 29]. Die Trainingskonzepte sind bzgl. Intensität, Dichte, Dauer, Umfang, Häufigkeit, Inhalt und Methoden sehr unterschiedlich [2].
1.3.7 Physiotherapeutische Behandlung bei
chronischen Lungenerkrankungen In den letzten Jahrzehnten wurde der physiotherapeutischen Behandlung der COPD-Erkrankungen durch eine evidenzbasierte Praxis (Evidence Based Practice, EBP), qualitativ gute Literatur und Fortbildungskurse viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Therapie beschränkt sich nicht mehr nur auf Atemübungen, sondern das Behandlungsspektrum wurde stark erweitert, und Behandlungen werden auf die aktuelle spezifische Problematik des Patienten abgestimmt. Gleichzeitig besteht Bedarf an Aufklärung in diesem Bereich, um die Effektivität der verschiedenen physiotherapeutischen Interventionen zu überprüfen, zu dokumentieren und zu optimieren.
1.3.8 Akute Exazerbation Die Schädigungen bei pulmonalen Erkrankungen sind meist irreversibel; der Verlauf ist progressiv mit häufigen Schwächungen (Exazerbationen), die sich mit relativen Erholungsphasen abwechseln. Häufig sind Atemwegsinfektionen die Ursache für eine akute Exazerbation (AE), bei vielen Patienten ist allerdings auch in der stabilen Periode eine Bakterienkolonisation nachweisbar. Häufige Exazerbationen führen zu einer schnelleren Insuffizienz der Atemmuskeln und einer schnelleren Reduktion des FEV1. Die Hauptsymptome der Lungenerkrankungen,
9 1.4 · Pulmonale Rehabilitation
4 Dyspnoe, 4 Einschränkung der kardiopulmonalen Ausdauerfähigkeit und 4 übermäßige Sputumbildung, sind während der akuten Exazerbation prominenter als sonst (7 Übersicht 1.5). . Übersicht 1.5. Hauptsymptome einer akuten Exazerbation 1. 2. 3. 4. 5.
Vermehrte Sekretmenge und/oder Sekretpurulenz Verschlechterung der obstruktiven Parameter Verschlechterung der respiratorischen Symptome Anhaltender, aber vorübergehender Krankheitszustand Zunahme von Husten und Dyspnoe
Eine optimale Erholung dauert mehrere Wochen, obwohl der FEV1 schon früher seinen Ausgangswert wieder erreichen kann. Optimale Erholung bedeutet jedoch nicht, dass eine Genesung vorliegt. Treten vier oder mehr Exazerbationen im Jahr auf, so ist die Erholung vermutlich nicht mehr vollständig. Das Management der akuten Exazerbation orientiert sich vor allem am Schweregrad; dieser bedingt die Entscheidung über ambulante, stationäre oder Intensivtherapie [32]. Laut WHO treten akute Exazerbationen zahlenmäßig häufiger in fortgeschrittenen Krankheitsstadien auf, ab einer FEV1<30% vom Soll teilweise mit lebensbedrohlichen Ausmaßen. Definition Eine akute Exazerbation [33] ist eine anhaltende Zustandsverschlechterung eines Patienten mit COPD aus einem stabilen Zustand heraus, die das Maß der täglichen Schwankungen übersteigt und eine Anpassung der Therapie notwendig macht. Eine akute Exazerbation ergibt sich aus der Verstärkung der spezifischen Symptome: 4 verstärkte Schleimabsonderung, 4 Entzündung und Schwellung der Bronchialschleimhaut (Ödem), 4 Verkrampfung der Bronchialmuskulatur (Bronchospasmus), 4 Kollaps der Luftwege.
1.3.9 Prävalenz der COPD In den letzten 20–30 Jahren stiegen Prävalenz und Mortalität der COPD zunehmend an. Inzidenz und Prävalenz der COPD steigen mit zunehmendem Lebensalter, bei Männern stärker als bei Frauen. Man geht davon aus, dass mindestens 3,3% der Bevölkerung an COPD leidet [34]. Großbritannien hat mit 50 Betroffenen auf 100.000 Männer die höchste Prävalenz in Europa [35]. In Deutschland lag die COPD bereits 1990 an 6. Stelle der europäischen Todesursachenstatistik [35, 36]. Mittlerweile liegt
Deutschland innerhalb der EU schon auf Rang 3. Je nach Quelle rangiert die COPD in der gesamten Weltstatistik derzeit auf Platz 4–6 der Todesursachen und wird Voraussagen zufolge im Jahr 2020 den 3. Platz einnehmen [35, 36]. In offiziellen deutschen Sterbestatistiken wird die COPD vermutlich aufgrund grober ICD-Kategorien etc. erheblich unterschätzt.
Pulmonale Rehabilitation
1.4
Die Therapie der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankungen wird in zwei Komponenten untergliedert: 4 die medikamentöse Therapie und 4 die nicht-medikamentöse Therapie. Die therapeutischen Strategien der pulmonalen Rehabilitation chronischer Atemwegserkrankungen [37] basieren zwar auf der klassischen medikamentösen Therapie, doch das moderne Therapiekonzept für COPD geht weit über die rein medikamentöse Therapie hinaus. Eine Behandlung, die sich rein auf die Obstruktion und Entzündung der Atemwege konzentriert, wird der Komplexität der Erkrankung nicht gerecht, die heute als systemische Erkrankung verstanden und anerkannt wird. Daher sollte in Befundaufnahme (Assessment) und Behandlung (Intervention) weit mehr zum physiotherapeutischen Repertoire gehören als nur die klassische Atemtherapie. Um dies zu berücksichtigen, kommt ein für jeden COPDPatienten individuell erstelltes Therapieprogramm zur Anwendung, bei dem verschiedene wissenschaftlich fundierte diagnostische und therapeutische Verfahren über einen definierten Zeitraum genutzt werden [38]. Definition Pulmonale Rehabilitation ist die Gesamtheit wissenschaftlich begründeter Assessments und Interventionen bei Patienten mit respiratorischer Gefährdung oder Erkrankung. Sie muss mit dem für den jeweiligen Schweregrad erforderlichen zeitlichen Aufwand flexibel gestaltet werden und hat im notwendigen Kostenrahmen zu erfolgen, der allein durch die gesellschaftlich verfügbaren Mittel limitiert ist.
Fazit Rehabilitationsbehandlungen können prinzipiell stationär, in einer Rehabilitationsklinik oder in einer ambulanten RehaEinrichtung durchgeführt werden. Leider wird die Indikation zur Rehabilitation noch zu selten gestellt. Objektiv betrachtet kommt der Rehabilitation jedoch ein zentraler Stellenwert bei der Langzeitbehandlung zu, was sich auch in den aktuellen deutschen und internationalen Therapieleitlinien widerspiegelt.
1.4.1 Atemphysiotherapie Der Begriff Atemphysiotherapie beschreibt ein breites Spektrum an mechanischen Interventionen, die in 7 Übersicht 1.6 zusammengefasst sind.
1
10 Kapitel 1 · Krankheitslehre
1
. Übersicht 1.6. Spektrum der Atemphysiotherapie
3.
1. 2. 3. 4. 5.
4. 5. 6. 7.
Sekretolyse Sekretförderung Atemmuskeltraining Thoraxmobilisation Pulmonale Rehabilitation: – Training der peripheren Muskeln und – kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining
Die ambulante oder stationäre pulmonale Rehabilitation ist ein Prozess, bei dem Patienten mit COPD von einem multidisziplinären Team unterstützt werden, um die individuell bestmögliche physische und psychische Gesundheit zu erlangen und aufrechtzuerhalten [39–45] sowie die Erwerbsfähigkeit zu erhalten bzw. wiederherzustellen und selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Eine Rehabilitationsleistung soll helfen, Benachteiligungen durch die COPD und/oder ihre Begleit- und Folgeerkrankungen zu vermeiden bzw. ihnen entgegenwirken. Dabei ist den besonderen Bedürfnissen der betroffenen Kinder und Jugendlichen Rechnung zu tragen. Eine Rehabilitation ist Bestandteil einer an langfristigem Erfolg orientierten, umfassenden Versorgung von COPD-Patienten. Fazit Das moderne Therapiekonzept der COPD geht weit über die rein medikamentöse Therapie hinaus. Die COPD beeinträchtigt nicht nur die Lunge, sondern auch zahlreiche andere Organe. Eine Behandlung, die sich nur auf die Obstruktion und Entzündung der Atemwege konzentriert, wird der Komplexität der Erkrankung nicht gerecht, die momentan als systemische Erkrankung verstanden und anerkannt wird. Daher muss zum physiotherapeutischen Repertoire bzgl. Befundaufnahme und Behandlung weit mehr gehören als nur die Atemschulung. Eine Rehabilitation kann bei Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen zu einer deutlichen Verbesserung des Krankheitsverlaufs führen.
1.4.2 Ziele der pulmonalen Rehabilitation Ziel der pulmonalen Rehabilitation ist es, die bestehenden Funktionseinschränkungen und Behinderungen sowie psychischen und physischen Beeinträchtigungen soweit wie möglich zu lindern, um ein optimales Outcome für den Patienten zu erreichen [46]. Die einzelnen Zielschritte sind in 7 Übersicht 1.7 zusammengefasst. . Übersicht 1.7. Ziele der pulmonalen Rehabilitation 1. 2. 6
Reduktion der Morbidität und Mortalität durch Abnahme der Dyspnoe Verbesserung von Kraft und Ausdauer der peripheren Muskeln
8.
9.
Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Atemmuskeln Beseitigung der Obstruktion der Atemwege Verbesserung der Blutgaswerte Verbesserung der Lungenfunktion Verbesserung der kardiopulmonalen Ausdauerkapazität Steigerung der sozialen, beruflichen und persönlichen Lebensqualität mit Wiederherstellung der bestmöglichen allgemeinem körperlichen Leistungsfähigkeit Förderung der sozialen Reintegration
Die Therapie bei der stabilen COPD ist symptomatisch und basiert vor allem auf der Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch Optimierung der Lungenfunktion und der Blutgaswerte. Meist wird eine geringe Verbesserung des FEV1 in der Größenordnung von 100–300 ml erreicht. Selbst eine geringfügige bzw. fehlende Verbesserung kann eine verringerte Belastungsdyspnoe ausmachen, da die dynamische bzw. chronische Hyperinflation (CHI), d.h. die zunehmende Überblähung der Lunge durch die behinderte Exspiration bei beschleunigter Atmung vermindert wird. Die Effektivität der Therapie kann vermutlich am besten durch die subjektive Einschätzung der körperlichen Belastungsfähigkeit des Patienten beurteilt werden.
1.4.3 Effekte der pulmonalen Rehabilitation Die Effekte der pulmonalen Rehabilitation bei COPD-Patienten werden in der aktuellen GOLD-Leitlinie (Kap. 35) hinsichtlich des Evidenzgrades bewertet; in den nationalen [47] wie internationalen [48] Leitlinien wird eine pulmonale Rehabilitation für Patienten in höherem Lebensalter und ab Schweregrad II nach GOLD (mittleres Krankheitsstadium) empfohlen [38, 49]. Dadurch wird die Bedeutung der pulmonalen Rehabilitation als essenzielle Komponente des Langzeitmanagements von COPD-Patienten unterstrichen. Die empirisch gesicherten Erfolge einer Rehabilitation sind in . Tab. 1.3 zusammengefasst. Hierbei wurden umfassende interdisziplinäre Rehabilitationsprogramme und deren Analysen berücksichtigt (. Tab. 1.4). Das regelhafte Einbeziehen der medikamentösen Therapie in die pulmonale Rehabilitation – wie in Deutschland üblich – kann den Rehabilitationserfolg vor allem hinsichtlich der Verbesserung von Dyspnoe, Belastbarkeit und Lebensqualität steigern. Für eine optimale Behandlung ist ein multidisziplinäres Rehabilitationsteam erforderlich, dem Ärzte, Psychologen, Pflegepersonal, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler, Ergotherapeuten und Ernährungsberater usw. angehören. Die weiteren Inhalte der Rehabilitation, neben der Optimierung der Pharmakotherapie, sind in 7 Übersicht 1.8 zusammengefasst.
11 1.5 · Diagnostik in der pulmonalen Rehabilitation
. Tab. 1.3. Effekte und Evidenzgrade der Ansätze in der pulmonalen Rehabilitation bei COPD-Patienten (Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Atemwegsliga [12, 13])
Nutzen
Evidenzgrad
Abnahme der Atemnot
A
Abnahme von COPD-assoziierter Angst und Depression
A
Atemmuskeltraining ist effektiv, besonders in Kombination mit allgemeinem körperlichen Training
C
Gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit
A
Kraft- und Ausdauertraining der oberen Extremität verbessert Armfunktion
B
Lebensverlängerung
B
Positive Effekte eines Trainingsprogramms überdauern die Trainingsperiode
B
Psychosoziale Intervention ist hilfreich
C
Reduktion der Anzahl und Dauer von Krankenhausaufenthalten
A
Steigerung der krankheitsspezifischen Lebensqualität
A
. Tab. 1.4. Empfehlungsgrad und Evidenzgrad
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Studien
A
1A
Evidenz durch systematisches Review randomisierter kontrollierter Studien RCT
1B
Evidenz durch eine geeignete geplante randomisierte kontrollierte Studie
1C
Alle-oder-Keiner-Prinzip
2A
Evidenz durch systematisches Review gut geplanter Kohortenstudien
2B
Evidenz durch eine gut geplante Kohortenstudie einschließlich RCT mit mäßigem Follow-up
2C
Evidenz durch Outcome-ResearchStudien
3A
Evidenz durch systematisches Review von Fall-Kontrollstudien
3B
Evidenz durch eine Fall-Kontrollstudie
C
4
Evidenz durch Fallserien, einschließlich schlechter Kohortenund Fall-Kontrollstudien
D
5
Evidenz durch Meinungen ohne explizite kritische Bewertung, physiologische Modelle, Vergleiche oder Grundsätze
B
. Übersicht 1.8. Inhalte der Rehabilitation 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
1.5
Physiotherapie/körperliches Training Tabakentwöhnung Soziale Betreuung und Berufsberatung Psychosoziale Diagnostik, Beratung und Therapie Patientenschulung Hilfsmittelversorgung Ernährungsberatung Ergotherapie inkl. Hilfsmittelberatung Sozialmedizinische Betreuung
Diagnostik in der pulmonalen Rehabilitation
1.5.1 Ärztliche Diagnostik Zu Beginn einer Diagnostik wird die Krankengeschichte (Anamnese/subjektiver Befund) aufgenommen, die Aufschlüsse über evt. bestehende (Grund-)Erkrankungen gibt, und eine körperliche Untersuchung, vor allem das Abhören der Lungen mittels Stethoskop (Auskultation) durchgeführt. Die Abklärung und Klassifizierung des Schweregrades der respiratorischen Insuffizienz wird durch eine arterielle Blutgas-
analyse (BGA) und Lungenfunktionstests bestimmt. Des Weiteren werden Thorax-Röntgenuntersuchungen, ein EKG (Elektrokardiogramm, Messung der Herzströme) und Blutuntersuchungen (Zusammensetzung der Blutzellen, Elektrolyte, pH-Messung, Blutgase) sowie bakteriologische Untersuchungen von abgehustetem Sputum angeordnet. Bei Verdacht auf Lungenentzündung oder Blutvergiftung wird eine Blutkultur zur Bestimmung der Erreger angelegt. Eine evt. erforderliche Tumordiagnostik (z.B. bei Tumoren der Luftröhre) ist unter den jeweiligen Krankheitsbildern nachzulesen.
1.5.2 Physiotherapeutische Diagnostik Die Diagnostik und Behandlung bei COPD-Patienten ist ursprünglich an den objektiven, reproduzierbaren Nachweis der Atemflussbehinderung gebunden. Die nicht reversible Obstruktion der Atemwege ist per definitionem das Kardinal-
1
12 Kapitel 1 · Krankheitslehre
1
symptom der COPD, eindeutig feststellbar mittels Spirometrie. Die Diagnostik beinhaltet die Bestimmung des Erkran-
kungsgrades, so dass eine stadienadaptierte Behandlung möglich ist. Wegen der Progression der Erkrankung ist auch im Krankheitsverlauf regelmäßig eine lungenfunktionelle Stadiumzuordnung erforderlich. Die ungenügende Exaktheit der Symptome, die wechselnde Ausprägungen zeigen, erfordert eine exakte Differenzialdiagnose. Die objektive Erfassung des Krankheitsbildes ist daher ein wichtiger Teil der optimalen Vorgehensweise und des Managements bei der Behandlung von COPD-Patienten. Das Assessment umfasst ein breites Spektrum an diagnostischen Möglichkeiten; es besteht aus dem subjektiven Befund (c/O) und der physischen Untersuchung (P/E). Die zum subjektiven Befund und zur physischen Untersuchung gehörenden Teilaspekte sind in 7 Übersicht 1.9 aufgeführt. > Wichtig Der Versuch, die Symptome zu quantifizieren, ermöglicht die Vergleichbarkeit und damit die Dokumentation des therapeutischen Erfolgs.
. Übersicht 1.9. Aspekte des subjektiven Befundes und der physischen Untersuchung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.
1.6
Anamnese (gehört zum subjektiven Befund) Inspektion/Palpation Analyse des Atemmusters Husten-Assessment inkl. Analyse des Bronchialsekrets Auskultation/Perkussion Blutgasanalyse Kardiopulmonaler Ausdauerkapazitätstest und Messung der körperlichen Aktivität Periphere Muskelkraft Respiratorische Muskelkraft Thoraxmobilität Lungenfunktionstests Atemhilfsmuskeln Krankheitsbezogene Lebensqualität (»health-related quality of life«) Subjektive Bewertung von Schmerz, Dyspnoe und Ermüdung (»fatigue«)
Therapieplanung
Gemeinsam mit dem Patienten ist eine differenzierte Therapieplanung auf Basis einer individuellen Risikoabschätzung zu erörtern. Der Therapeut muss prüfen, ob der Patient im Hinblick auf die in diesem Buch beschriebenen Therapieziele der evidenzbasierten Praxis von einer bestimmten physiotherapeutischen Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Interventionen erfolgt nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken in Abstimmung mit dem Patienten. Auf Basis der individuellen Risikoabschätzung und der allgemeinen physiotherapeutischen
Therapieziele sind gemeinsam mit dem Patienten individuelle physiotherapeutische Therapieziele festzulegen. Für die individuelle Risikoabschätzung sind prognostisch besonders Lungenfunktion (FEV1-Sollwert), körperliche Leistungsfähigkeit und Körpergewicht von relevanter Bedeutung. 1.7
Literatur
1. DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Approach. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 2. Lacasse Y, Goldstein R, Lasserson TJ, Martin S (2006) Pulmonary rehabilitation for chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database Syst Rev, CD003793 3. Ries AL, Bauldoff GS, Carlin BW et al. (2007) Pulmonary rehabilitation: Joint ACCP/AACVPR evidence-based clinical practice guidelines. Chest 131: 4–42 4. Vogelmeier C, Buhl R, Criee CP et al. (2007) Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie 61: 1–40 5. Fischer J, Schnabel M, Sitter H (2007) Rehabilitation von Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW). Pneumologie 61: 233–248 6. Wilkens H, Sybrecht GW (2001) COPD: Stadiengerechte Therapie. Internist 42: 1651–1664 7. Gabler-Sandberger E (2001) Deutsches Ärzteblatt 11: 30–68 8. Buist AS, McBurnie MA, Vollmer WM et al. (2007) International variation in the prevalence of COPD (the BOLD Study): a population-based prevalence study. Lancet 370: 741–750 9. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) (Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. Online Publikation; www.goldcopd.com (GOLDExecSum2006_0122.pdf ) 10. Kroegel C (2004) Die Globale Initiative für chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (GOLD). Aktualisierung der GOLD-Empfehlungen. Pneumologie 58: 65–68 11. Pauwels RA, Buist AS, Calverley PM, Jenkins CR, Hurd SS (2001). Global strategy for the diagnosis, management and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. NHLBI/WHO Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) Workshop summary. Am J Respir Crit Care Med 163: 1256–1276 12. Kardos P, Cegla U, Gillissen A et al. (2004) Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten. Pneumologie 58: 570–602 13. Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Chronisch Obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) (2002). Thieme, Stuttgart 14. Casaburi R, Petty TL (1993) Principles and practice of pulmonary rehabilitation. Philadelphia, Pennsylvania 15. Ries AL, Kaplan RM, Limberg TM, Prewitt LM (1995) Effects of pulmonary rehabilitation on physiologic and psychosocial outcomes in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Ann. Intern. Med. 122: 823–832 16. Nici L, Donner C, Wouters E et al. (2006) American Thoracic Society/ European Respiratory Society statement on pulmonary rehabilitation. Am J Respir Crit Care Med 173: 1390–1413
13 1.7 · Literatur
17. Wasserman K, Hansen JE, Sue DY, Whipps BJ (1987) Principles of Exercise Testing and Interpretation. Lea & Febiger, Philadelphia 18. Cambach W, Wagenaar RC, Koelman TW, Keimpema AR v, Kemper HC (1999) The long-term effects of pulmonary rehabilitation in patients with asthma and chronic obstructive pulmonary disease: a research synthesis. Arch Phys Med Rehabil 80: 103–111 19. Green RH, Singh SJ, Williams J, Morgan MD (2001) A randomised controlled trial of four weeks versus seven weeks of pulmonary rehabilitation in chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 56: 143–145 20. Griffiths TL, Burr ML, Campbell IA (2000) Results at 1 year of outpatient multidisciplinary pulmonary rehabilitation: a randomised controlled trial. Lancet 355: 362–368 21. Strijbos JH, Postma DS, van AR, Gimeno F, Koeter GH (1996) A comparison between an outpatient hospital-based pulmonary rehabilitation program and a home-care pulmonary rehabilitation program in patients with COPD. A follow-up of 18 months. Chest 109: 366–372 22. Troosters T, Gosselink R, Decramer M (2000) Short- and long-term effects of outpatient rehabilitation in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a randomized trial. Am J Med 109: 207–212 23. Guyatt GH, Berman LB, Townsend M, Pugsley SO, Chambers LW (1987) A measure of quality of life for clinical trials in chronic lung disease. Thorax 42: 773–778 24. Puhan MA, Behnke M, Laschke M, Lichtenschopf A, Brandli O, Guyatt GH, Schunemann HJ (2004) Self-administration and standardisation of the chronic respiratory questionnaire: a randomised trial in three German-speaking countries. Respir Med 98: 342–350 25. Wijkstra PJ, TenVergert EM, van AR, Otten V, Postma DS, Kraan J, Koeter GH (1994) Reliability and validity of the chronic respiratory questionnaire (CRQ). Thorax 49: 465–467 26. Clark CJ, Cochrane LM, Mackay E, Paton B (2000) Skeletal muscle strength and endurance in patients with mild COPD and the effects of weight training. Eur Respir J 15: 92–97 27. Bendstrup KE, Ingemann JJ, Holm S, Bengtsson B (1997) Outpatient rehabilitation improves activities of daily living, quality of life and exercise tolerance in chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 10: 2801–2806 28. Finnerty JP, Keeping I, Bullough I, Jones J (2001) The effectiveness of outpatient pulmonary rehabilitation in chronic lung disease: a randomized controlled trial. Chest 119: 1705–1710 29. Worth H, Meyer A, Folgering H et al. (2000) Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zum Sport und körperlichen Training bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen. Pneumologie 54: 61–67 30. Teschler S (2007) Effekte eines multimodalen stationären Rehabilitationsprogramms auf Lungenfunktion, Belastungskapazität und Lebensqualität von Patienten mit schwerer COPD. PhilippsUniversität Marburg; Master-Thesis 1–65 31. Leupoldt A v, Hahn E, Taube K, Schubert-Heukeshoven S, Magnussen H, Dahme B (in Druck) Effects of 3-week outpatient pulmonary rehabilitation on exercise capacity, dyspnea and quality of life in COPD. Lung, DOI 10. 1007/s00408-008-9089-3 32. Schäfe H, Ewig S, Gillisse A (2000) Therapie der schweren Exazerbation bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Intensivmed 37: 176–186 33. Martinez-Llorens JM, Orozco-Levi M, Masdeu MJ et al. (2004) Global muscle dysfunction and exacerbation of COPD: a cohort study. Med Clin (Barc) 122 (14): 521–527 34. Stang P, Lydick E, Silberman C, Kempe Al, Keating E (2000) The Prevalence of COPD. Chest 117: 354–359
35. Young J, Schmith AF, Hyde C (1999) Lung volume reduction surgery (LVRS) for chronic obstructive pulmonary disease (COPD) with underlying severe emphysema. Thorax 54: 779–789 36. Russi EW, Stammberger U, Weder W (1997) Lung volume reduction for emphysema. Eur Respir J 10: 208–218 37. Duron B (1981) Intercostal and diaphragmatic muscle endings and afferents. Hornbein TF (ed) Regulation of breathing. Marcel Dekker, New York, pp 473–540 38. Halle M, Heitmann RH, Kenn K, Petro W, Schultz K (2008) Bedeutung und Methodik von körperlichem Training bei COPD. Pneumologie 62: 1–17 39. Lacasse Y, Guyatt GH, Goldstein RS (1997) The components of a respiratory rehabilitation program: a systematic overview. Chest 111: 1077–1088 40. Lacasse Y, Brosseau L, Milne S (2003) Pulmonary rehabilitation for chronic obstructive pulmonary disease. The Cochrane Library Issue 1, Oxford 41. Devine EC, Pearcy J (1996) Meta-analysis of the effects of psychoeducational care in adults with chronic obstructive pulmonary disease. Patient Educ Couns 29: 167–178 42. Donner CF, Muir JF (1997) Rehabilitation and Chronic Care Scientific Group of the European Respiratory Society. Selection criteria and programmes for pulmonary rehabilitation in COPD patients. Eur Respir J 10: 744–757 43. ATS Official Statement (1999) Pulmonary Rehabilitation. Am J Respir Crit Care Med 159: 1666–1682 44. Fishman AP (1994) Pulmonary rehabilitation research. Am J Respir Crit Care Med 149: 825–833 45. Bergmann KC, Fischer J, Schmitz M, Petermann F, Petro W (1997) Statement der Sektion Pneumologische Prävention und Rehabilitation. Die stationäre pneumologische Rehabilitation für Erwachsene: Zielsetzung – diagnostische und therapeutische Standards – Forschungsbedarf. Pneumologie 51: 523–532 46. Pfeifer M (2006) COPD – nichtmedikamentöse Therapie. Urban & Vogel, München; 101: 293–300 47. De Troyer A, Kelly S, Zin WA (1983) Mechanical action of the intercostal muscle on the ribs. Science 220: 87–88 48. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (updated 2006) Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease. NHLBI/ WHO workshop report. Bethesda, National Heart, Lung and Blood Institute. www.goldcopd.com 49. Abholz H, Gillissen A, Magnussen H (2007) Nationale Versorgungsleitlinie COPD, Langfassung (Version 1.4). www.versorgungsleitlinien.de
1
2 2 Atembewegungsapparat A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
2.1
Thorax
– 14
2.2
Anatomie des Zwerchfells
– 16
Um die komplexe Aufgabe des Ventilierens zu erfüllen, brauchen die Lungen ein mechanisches Belüftungssystem, das in der Lage ist, einerseits Luft aufzunehmen (Inspiration) und andererseits Luft wieder an die Atmosphäre abzugeben (Exspiration). Die Lungen selbst besitzen keine kontraktilen Elemente für diesen Vorgang. Zuständig für die Lungenventilation sind also die Atemmuskeln, die in enger Verbindung mit den nicht kontraktilen Teilen des Atembewegungsapparates stehen. Der Atembewegungsapparat besitzt einen Saug-PumpMechanismus, bestehend aus Thorax, Abdomen und Atemmuskeln. Wenn die Ventilation nicht mehr fließend verläuft und deren Leistung eingeschränkt ist, spricht man von einer Ventilationsinsuffizienz. Definition Der Atembewegungsapparat erzeugt die Ventilation mittels dreier Komponenten: 4 Thorax, 4 Abdomen und 4 Atemmuskeln.
2.1
Thorax
Die Lunge ist über die Pleurablätter (Pleura visceralis, Lungenfell, und Pleura parietalis, Rippenfell) fest mit dem Thorax verbunden, so dass sich bei einer Thoraxerweiterung auch das Lungenvolumen vergrößert. Dadurch entsteht ein Unterdruck in der hermetisch abgeschlossenen Pleurahöhle. Durch diesen
2.3
Biomechanik des Zwerchfells
2.4
Literatur
– 16
– 19
inspiratorischen Unterdruck in den Alveolen (Intrapulmo-
naldruck 2–5 mmHg) kann Außenluft in die Lunge fließen. Die Pleura parietalis ist durch einen Flüssigkeitsfilm (Pleuraflüssigkeit) mit der Innenauskleidung des Thorax, der Pleura visceralis, und damit auch mit dem Zwerchfell verbunden. In dem Raum zwischen Pleura visceralis und parietalis, dem Pleuraspalt, herrscht ein Unterdruck (25 mmHg), auch Donders-Druck genannt. Der Pleuraspalt selbst ist mit einer serösen Substanz (Feuchtigkeitsfilm) gefüllt: Zum einen ermöglicht diese das freie Gleiten der Lunge an der Brustinnenwand, zum anderen wird die Lunge bei Thoraxerweiterung durch Adhäsionskräfte in Inspirationsstellung gezogen (ähnlich zweier angefeuchteter, aufeinandergelegter Glasscheiben). Durch die Oberflächenspannung der Alveolen und die Dehnung des elastischen Lungenparenchyms ist die Lunge bestrebt, sich am Ende der Inspiration zu verkleinern. Der Unterdruck im Pleuraspalt verhindert, dass die Lunge aufgrund ihrer elastischen Zugkräfte kollabiert. Die Apertura thoracis inferior bildet die kaudale Grenze des Thorax. Ventral wird der epigastrische Winkel (Angulus infrasternalis) durch den Arcus costalis dexter und sinister begrenzt. Kostovertebral-, Kostotransversal- und Kostosternalgelenke (. Abb. 2.1) bestimmen die Bewegungen des Thorax bei In- und Exspiration. Die Rippen bewegen sich rotatorisch um die Achse der Kostovertebralgelenke; diese Bewegung wird als Eimerhenkel-Bewegung bezeichnet (. Abb. 2.2).
15 2.1 · Thorax
. Abb. 2.1. Thorax mit Rippen, Sternum, Proc. xiphoideus und Kostosternalgelenken
2.1.1 Pneumothorax Beim Pneumothorax entsteht eine Ansammlung von Luft im Interpleuralraum, d.h. zwischen Pleura visceralis und parietalis. Ein Pneumothorax kann allerdings nur entstehen, wenn der Unterdruck im Interpleuralraum durch Einströmen von Luft aufgelöst wird: 4 Bei einem offenen Pneumothorax ist die Thoraxwand verletzt, so dass eine Verbindung zwischen Außenluft und Interpleuralraum entsteht. 4 Ein geschlossener Pneumothorax entsteht, wenn die Luft im Interpleuralraum aus der verletzten Lunge kommt, oder wenn eine vorübergehende Verbindung zur Außenwelt wieder verschlossen wird. Der Krankheitsverlauf hängt von der Menge der eingedrungenen Luft ab. Eine geringe Luftmenge vermag der Körper selbst abzuführen. Wenn aber mehr Luft eindringt als der Körper bewältigen kann, muss diese sehr rasch von einem Arzt abgesaugt werden. Manchmal sind chirurgische Maßnahmen erforderlich. Definition Als Pneumothorax bezeichnet man das Vorhandensein von Luft oder anderen Gasen im Interpleuralraum, bedingt durch eine Perforation der Brustwand oder Läsionen des Lungengewebes. Der Unterdruck im Pleuraspalt geht verloren, und die Lunge kollabiert sehr schnell.
Conclusion Lunge und innere Thoraxwand sind wie zwei angefeuchtete, aufeinandergelegte Glasscheiben verbunden. Sie lassen sich nicht voneinander abheben, sind aber gegeneinander verschiebbar. Da sich die im Pleuraspalt befindliche Flüssigkeit nicht ausdehnen kann, wird mit der Thoraxvergrößerung auch die Lunge erweitert. Die thorakale Atmung wird also von der Mobilität, Flexibilität und Stabilität des Thorax maßgeblich beeinflusst.
2.1.2 Bewegungen des Thorax
bei Inspiration Durch Kontraktion der primären Atemmuskeln findet eine inspiratorische Thoraxerweiterung in sagittale und transversale Richtung statt: 4 Der kostosternale Komplex bewegt sich nach kranialventral (sagittale Erweiterung); dieser Atemmechanismus wird als Brustbein-Rippen-Mechanismus bzw. Pumpschwengel-Bewegung (»pump handle movement«) bezeichnet (. Abb. 2.2 A). 4 Die unteren Rippen bewegen sich nach lateral-kranial und vergrößern den Thorax in transversale Richtung; dieser Atemmechanismus wird als Rippen-Zwerchfell-Mechanismus bzw. Eimerhenkel-Bewegung (»bucket handle movement«) bezeichnet (. Abb. 2.2 B). Die natürliche Gleichgewichtslage des Thorax liegt bei der funktionellen Residualkapazität (FRC) nahe der Exspirationsstellung.
2
16 Kapitel 2 · Atembewegungsapparat
4 Die Fasern der Crura medialia (medialer Anteil) entspringen an der Vorderfläche der oberen 3 Lendenwirbelkörper (rechts LWK1–4, links LWK1–3) und am Lig. longitudinale anterius und stehen in enger Beziehung zur Lendenwirbelsäule. Das Crus mediale dextrum ist deutlich kräftiger ausgebildet als das Crus mediale sinistrum. 4 Die Crura lateralia (lateraler Anteil) sind die breitesten Teile der Pars lumbalis und nehmen ihren Ursprung von einem Sehnenbogensystem, das den M. psoas major (Lig. arcuatum mediale: LWK1–2 bis Proc. costalis von LWK2) und den M. quadratus lumborum (Lig. arcuatum laterale: Proc. costalis von LWK2 bis 12. Rippe) überspannt.
2
. Abb. 2.2. Bei der Inspiration expandiert der Thorax dreidimensional, wodurch sich sagittaler (nach ventral), longitudinaler (nach kranial) und transversaler (nach lateral) Thoraxdurchmesser vergrößern. A Pumpschwengel-Bewegung der sternalen Rippen. B Eimerhenkel-Bewegung der unteren Rippen
2.2
Anatomie des Zwerchfells
Das Zwerchfell ist als eine 3–5 mm dicke, kuppelförmige, muskulös-sehnige Platte, der flächenmäßig größte Muskel im menschlichen Körper (. Abb. 2.3). In Atemmittellage steht das Centrum tendineum (Zentrum des Zwerchfells) in Höhe der Mammae, die rechte Kuppe oberhalb der 10. Rippe und die linke unterhalb davon. Die Kuppelform des Zwerchfells erklärt sich durch den Unterdruck in der Pleurahöhle und das Bestreben der Lunge, sich zusammenzuziehen (Retraktionskraft).
2.2.1 Zwerchfellmuskulatur Partiell besteht das Zwerchfell aus quergestreifter Muskulatur, die nach ihrem Ursprung in drei Anteile unterteilt wird: 4 Pars costalis diaphragmatis, 4 Pars sternalis diaphragmatis und 4 Pars lumbalis diaphragmatis. Pars costalis diaphragmatis Die Pars costalis ist am größten. Die Muskelfasern verlaufen zwischen Centrum tendineum und Margo costalis der unteren 6 Rippen (Th7–Th12) und des Sternums, alternierend mit dem Ansatz der Fasern des M. transversus abdominis. Pars sternalis diaphragmatis Die Fasern der Pars sternalis entspringen in zwei kurzen, fleischigen Streifen an der dorsalen Seite von Proc. xiphoideus und Sternum. Pars lumbalis diaphragmatis Die Pars lumbalis (auch Pars cruralis) entspringt an der ventralen Seite der Lendenwirbelsäule (LWS). Sie besteht aus einem lateralen und medialen Teil. Beide Anteile vereinen sich in Höhe des 1. LWK und bilden den Hiatus aorticus.
2.2.2 Öffnungen des Zwerchfells Das Zwerchfell trennt das Abdomen (Bauchraum) vollständig vom Thorax (Brustraum) ab. Drei Öffnungen bleiben allerdings bestehen: 4 das Foramen venae cavae für die V. cava inferior (Hohlvene), 4 der Hiatus oesophageus für den Ösophagus (Speiseröhre) und 4 der Hiatus aorticus für die Aorta (Hauptschlagader). Diese drei Öffnungen sind natürliche Schwachstellen des Zwerchfells. Hiatus aorticus Der Hiatus aorticus befindet sich dorsal zwischen den beiden Schenkeln der Pars lumbalis und ist eine Aussparung im Zwerchfell, durch die Aorta und Ductus thoracicus hindurchlaufen. Der Spalt ist schräg angeordnet und reicht vom 1. Lendenwirbel bis zum 11. Brustwirbel. Hiatus oesophageus Durch den Hiatus oesophageus ziehen der Ösophagus sowie die beiden Hauptstämme des N. vagus (Truncus vagalis anterior und posterior). Foramen venae cavae Die dritte Öffnung ist das Foramen venae cavae, das sich im Centrum tendineum befindet. Durch diese Öffnung zieht die V. cava inferior. Im Gegensatz zu den anderen Öffnungen, in denen die durchtretenden Strukturen verschieblich sind, ist die V. cava inferior in einem festen Bindegewebsring mit dem Zwerchfell verschmolzen. Diese Verwachsung ist für die Formveränderung des Zwerchfells bei der Kontraktion verantwortlich und verhindert ein Kollidieren der Vene.
2.3
Biomechanik des Zwerchfells
Das Zwerchfell gilt als bedeutungsvollster primärer Inspirationsmuskel und ist für die abdominale Atmung (AA) zuständig. Bei einem normalen (Ruhe-)Atemzyklus wird der Atem-
17 2.3 · Biomechanik des Zwerchfells
. Abb. 2.3. Anatomie des Zwerchfells (Gray 2008)
zug vom Zwerchfell eingeleitet, bis sich kurz darauf der Thorax an der Atmung beteiligt. Durch diesen Vorgang wird der Thoraxraum vergrößert, und es entsteht ein Unterdruck in der hermetisch abgeschlossenen Pleurahöhle zugunsten der Inspiration. Bei Inspiration findet eine Erweiterung der Lungen statt, wodurch sich die einzelnen Lungenareale entfalten können. Dieser durch die Zwerchfellbewegung entstehende Sogmechanismus im intrathorakalen Raum fördert den venösen Rückstrom des Blutes zum Herzen; somit wird zudem das Herz-Kreislauf-System unterstützt und die Gefahr einer Thrombose bzw. Embolie reduziert. Bei der Zwerchfellkontraktion findet eine Verkürzung des Muskels von i.d.R. maximal 30–34% statt. Bei Kontraktion senkt sich das Zwerchfell nach kaudal ab, und die typische Kuppelform verschwindet. Zu dieser Formveränderung trägt u.a. die feste Verbindung mit der V. cava am Scheitelpunkt des Centrum tendineum bei. Das Foramen venae cavae verlagert sich bei Inspiration geringfügig nach kaudal-ventral. Das Zwerchfell beeinflusst auch das vegetative Nervensystem: Bei großer Zwerchfellexpansion wird der Ösophagus, der durch das Zwerchfell hindurchtritt und vom N. vagus umgeben ist, mitbewegt. Die Erregung des N. vagus wirkt blutdrucksenkend sowie magen- und darmstimulierend.
Die Kontraktion des Zwerchfells verursacht bei einem normalen Atemzyklus eine Kaudalisierung des Centrum tendineum von ca.±1,5 cm. Dadurch werden die Baucheingeweide komprimiert, und der intraabdominale Druck erhöht sich. Die Inspiration beginnt meist mit einer deutlich wahrnehmbaren leichten Wölbung der Bauchwand. Diese wird durch eine Inhibition der abdominalen Muskulatur verur-
2.3.1 Das Zwerchfell: Appositionsdruck
nach lateral Um das Lungenvolumen zu erweitern, bewegt sich das Zwerchfell in kaudale Richtung. Dabei fungieren Rippen und Lendenwirbelsäule (LWS) als Punktum fixum und das Centrum tendineum als Punktum mobile. Bei der Bewegung nach kaudal entfernt sich das Zwerchfell von der dorsolateralen Thoraxwand und zieht die Lungenbasis mit. Dies ermöglicht besonders den unteren Lungenarealen eine gute Entfaltungsmöglichkeit und Ventilation.
. Abb. 2.4. Schematische Darstellung: Appositionszone (Zapp) und Appositionsdruck (Papp)
2
18 Kapitel 2 · Atembewegungsapparat
2
. Abb. 2.5. Darstellung der Appositionszone (Zapp). Zwischen Rippen und Zwerchfell befindet sich keine Lunge. In der Zapp werden die unteren Rippen nach lateral gedrückt (Appositionsdruck,
Papp (Pfeil). A Atemruhelage. 1 Pleura parietalis. 2 Pleura visceralis. 3 Appositionszone. B Die Länge der Appositionszone (LZapp) reduziert sich während der Inspiration
sacht, mit dem Ziel, eine Ausweichbewegung der komprimierten Organe nach ventral zu ermöglichen. Der entstehende Druck wird als Appositionsdruck (»apposition pressure«, Papp) bezeichnet, die komprimierte Stelle als Appositionszone (Zapp) (. Abb. 2.4). In der Appositionszone sind die Rippen mobil, und zwischen Rippen und Zwerchfell befindet sich keine stoßdämpfende Struktur. Während der Inspiration reduziert sich die Länge der Appositionszone (LZapp) (. Abb. 2.5). Die Appositionszone ist im Residualvolumen (RV) am größten, in der funktionellen Residualkapazität (FRC) kleiner und in der totalen Lungenkapazität (TLC) am kleinsten [2] (. Abb. 2.6).
2.3.2 Das Zwerchfell: Insertionsdruck
nach kranial Die Bewegung des Zwerchfells, die in einer Erweiterung des unteren Thorax resultiert, ist nicht nur durch die Apposition bedingt, sondern auch durch die Insertion des Zwerchfells.
Definition Als Appositionszone (Zapp) bezeichnet man den Teil der Thoraxwand, an den das Zwerchfell direkt angrenzt (ohne dämpfendes Lungengewebe) und die beiden Strukturen parallel verlaufen.
Rippenbewegung nach lateral Durch den hohen Tonus der Beckenbodenmuskulatur, die unüberwindbare Abgrenzung der ossären Strukturen Becken und Lendenwirbelsäule können die Organe nur nach ventral oder lateral ausweichen. Bei der Inspiration verhindern die abdominalen Muskeln jedoch, dass sich die Bauchwand übermäßig nach ventral bewegt. So geht ein Teil des RippenZwerchfell-Mechanismus (kostodiaphragmaler Atemmechanismus) bzw. die Eimerhenkel-Bewegung der unteren Rippen (in der Appositionszone) nach lateral. Voraussetzung für diesen Effekt ist eine gute Funktion der Bauchmuskulatur. Ein geringer Bauchmuskeltonus vergrößert die Bewegung der Bauchwand zulasten der Eimerhenkel-Bewegung der unteren Rippen.
. Abb. 2.6. Mittels Ultraschall (»ultrasound probe«) wird die Länge der Appositionszone (LZapp) gemessen. Die Zapp reduziert sich mit zunehmender Inspiration. Im Residualvolumen (RV) ist diese am größten, in der funktionellen Residualkapazität (FRC) kleiner und in der totalen Lungenkapazität (TLC) am kleinsten. Deutlich sichtbar sind die Hautschichten, die Schatten von Lunge (»lung shadow«) und Rippen sowie der abdominalen Muskulatur (Gorman 2001 [3])
19 2.4 · Literatur
. Abb. 2.7. Darstellung der kostalen bewegungsbeeinflussenden Komponenten bei der Atmung. Eimerhenkel-Bewegung: Die Rippen werden durch a den Appositionsdruck nach lateral, b den Insertions-
druck nach kranial und c die Eimerhenkel-Bewegung nach kraniolateral geschoben
Die Kontraktion des Zwerchfells bewirkt außerdem ein geringgradiges kraniales Anheben der unteren Rippen (Insertionsdruck) und damit eine gewisse Erweiterung des Thorax. Gleichzeitig spannen sich die externen Interkostalmuskeln an und heben die unteren Rippen nach kranial an.
2.4
> Wichtig Zuständig für die Eimerhenkel-Bewegung der unteren Rippen ist nicht nur der Appositionsdruck, sondern auch den Insertionsdruck.
Neben der Zwerchfellaktivität ist die biomechanische Lage der Rotationsachse in den kaudalen kostovertebralen Gelenken bestimmend für die Eimerhenkel-Bewegung: Der gesamte Rippen-Zwerchfell-Mechanismus bzw. die Eimerhenkel-Bewegung der unteren Rippen (in der Appositionszone) vollzieht sich nach kranial und lateral (. Abb. 2.7).
2.3.3 Zusammenfassung Das Zwerchfell, die abdominale Muskulatur und die Mm. intercostales externi bewirken einen Rippen-Zwerchfell-Mechanismus in der Appositionszone (Zapp): Die unteren Rippen werden durch den Appositionsdruck (Papp) nach lateral und durch den Insertionsdruck nach kranial gedrückt. Die Gesamtbewegung der unteren Rippen in laterokraniale Richtung wird als Eimerhenkel-Bewegung bezeichnet. Es ist somit inkorrekt, die Funktion des Zwerchfells nur anhand der Bauchwandbewegungen (abdominale Atmung, AA: Heben und Senken der Bauchdecke) beurteilen zu wollen. Offensichtlich spielt das Zwerchfell bei der Flankenatmung (kostodiaphragmale Atmung, KDA) ebenfalls eine wesentliche Rolle.
1.
2.
3.
Literatur DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Approach. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 Mead J, Loring SH (1982) Analysis of volume displacement and length changes of the diaphragm during breathing. J Appl Physiol: Respirat Environ Exercise Physiol 53: 750–755 Gorman R, McKenzie DK, Pride NB, Tolman JF, Gandevia SC (2002) Diaphragm length during tidal breathing in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 166: 1461–1469
2
3 3 Widerstände im respiratorischen System A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
3.1
Physische Variablen der Atemmechanik
3.2
Atemwiderstand (Resistance)
3.3
Compliance von Lunge, Thorax und Atembewegungsapparat – 23
– 21
– 21
Der Bronchialbaum einer menschlichen Lunge hat bis zu 23 Verzweigungen, die sich durch embryologische Generationen bilden, und endet in den Alveolen, die dem Gasaustausch eine Oberfläche von mehr als 100 m2 zur Verfügung stellen (. Abb. 3.1). Modellrechnungen ergaben, dass eingeatmete Atemluft noch bis etwa zur 16. Verzweigung (die ersten 16 Generationen bilden die sog. Luftleitungszone)
3.4
Inertance
3.5
Literatur
– 24 – 26
durch Konvektion transportiert wird. Weiter distal muss der Gasaustausch über Diffusion erfolgen (Übergangszone: 17.– 19. Generation, Respirationszone: 20.–23. Generation). In der Übergangs- und Respirationszone nimmt der Gesamtquerschnitt des Atemwegsystems exponentiell zu, so dass die Konvektion der Atemluft zunehmend sistiert und die Diffusion für den Atemgastransport verantwortlich wird.
. Abb. 3.1. Verzweigungen des respiratorischen Systems (Tracheobronchialsystem) mit geschätzten Dimensionen (Kessler 2000 [4])
3
21 3.2 · Atemwiderstand (Resistance)
Die Atmung wird durch die Atemmuskulatur initiiert, wodurch es bei Inspiration zu einer Volumenzunahme von Thorax und Abdomen kommt. Bei der Atembewegung müssen die Atemmuskeln gegen den Atemwiderstand arbeiten, der dem Luftstrom entgegenwirkt. > Wichtig Der Atemwiderstand ist in den zentralen Luftwegen am größten, in den peripheren Bronchien und Bronchiolen durch Zunahme des Gesamtquerschnitts gering.
Der direkte Lufttransport (Konvektion) wird durch die Druckdifferenz zwischen Lunge und Außenwelt initiiert; diese entsteht durch die Volumenexpansion der Lunge, die auf die Thoraxbewegungen folgt. Die Bestimmung des Lufttransports leitet sich nach dem Gesetz von Boyle-Mariotte ab: In einem luftdicht abgeschlossenen System und bei konstanter Temperatur ist das Produkt von Druck und Volumen konstant. > Wichtig Der Lufttransport ergibt sich aus dem Gesetz von BoyleMariotte: K = pa×V
(3.1)
Druck der Gasmenge (pa)×Volumen (V) der Gasmenge = Konstante (K)
3.1
Physische Variablen der Atemmechanik
Die Parameter zur Beschreibung der Atemmechanik sind: 4 Reibung (Resistance), 4 Elastizität (Compliance) und 4 Trägheit (Inertance).
. Abb. 3.2. Schematische Darstellung des respiratorischen Systems (Lunge und Thorax). Die atemmechanischen Indizes Resistance (RAW ), Compliance (C) und Inertance (I) sind zu den entsprechenden strukturellen Elementen des respiratorischen Systems in Beziehung gesetzt. I Inertance: Trägheit der Atemluft und des Gewebes von Lunge und Brustwand. R Resistance: Strömungswiderstände in den Atemwegen (RAW ) und visköse Gewebewiderstände. C Compliance: Elastizität von Lunge (Cl) und Brustwand (Cth) (van Gestel 2009)
4 Ein RAW-Wert<0,35 kpa/l pro sec gilt als normal. 4 Ein RAW-Wert>0,9 kpa/l pro sec wird bei schwerer Obstruktion gemessen. Die Messwerte lassen allerdings nicht direkt auf das Leistungsvermögen schließen.
Jede dieser drei atemmechanischen Einflussgrößen beschreibt eine Druckkomponente (. Abb. 3.2).
Passiver Einfluss Die Luftströmung erfordert eine treibende Druckdifferenz zwischen Alveolen (intrapulmonaler Druck) und Außenraum (Druck im Mund).
> Wichtig
> Wichtig
4 Resistance: Druck ist proportional zum Gasfluss. 4 Compliance: Druck ist proportional zum Volumen. 4 Inertance: Druck ist proportional zur Volumenbeschleunigung.
Die Addition der drei Druckkomponenten ergibt den vollständigen Atemwegsdruck und beschreibt die sog. Bewegungsgleichung des respiratorischen Systems.
3.2
Atemwiderstand (Resistance)
Der Atemwegswiderstand wirkt als Strömungswiderstand in den extrathorakalen, zentralen und peripheren Atemwegen sowie als visköser Widerstand in Lungengewebe, Thorax, Mundhöhle und Atemwegen. Der Strömungswiderstand ist ein empfindlicher Parameter für die zentrale Atemwegsobstruktion. Anhand der Resistancewerte (»airway resistance«, RAW) kann die Obstruktion in Schweregrade eingeteilt werden:
Bei Inspiration ist der intrapulmonale Druck niedriger und bei Exspiration höher als der Druck im Mund.
In Anlehnung an das Ohm-Gesetz ergibt sich der Atemwegswiderstand (R), der zum größten Teil in den oberen Atemwegen verursacht wird, aus dem Verhältnis des intrapulmonalen Drucks (Druckdifferenz zwischen Alveolen und Außenraum) zur Atemstromstärke (I). Der Strömungswiderstand (RAW) ist die Kraft (Druckunterschied Δp), die notwendig ist, um ein bestimmtes Volumen (ΔV) pro Zeiteinheit (Δt) (I=Atemstromstärke) durch die Atemwege zu befördern. > Wichtig Der Atemwegswiderstand wird nach dem Ohm-Gesetz definiert: R = P/I Strömungswiderstand (RAW ) = Intrapulmonaler Druck (Δp)/Strömungsstärke (I)
(3.2)
22 Kapitel 3 · Widerstände im respiratorischen System
3
Aktive Kontrolle Neben dem passiven Einfluss gibt es eine aktive Kontrolle des Atemwegswiderstandes, die eine Anpassung an den unterschiedlichen Bedarf gewährleistet. Da die glatte Bronchialmuskulatur vom vegetativen Nervensystem beeinflusst wird, regulieren Bronchodilatation und -konstriktion die Weite der Atemwege: 4 Der Parasympathikus (Transmitter: Azetylcholin) kontrahiert die glatte Bronchialmuskulatur, 4 der Sympathikus (Transmitter: Noradrenalin und zirkulierendes Adrenalin) relaxiert die Bronchialmuskulatur und dilatiert die Atemwege (über β-Rezeptoren).
> Wichtig Der Strömungswiderstand bei laminarer Strömung wird nach dem Hagen-Poiseuille-Gesetz berechnet: R = 8×η×l/Π×r4
(3.4)
η: Viskosität l: Gefäßlänge r: Gefäßradius Π: 3,1415
Den Strömungswiderstand beeinflussende Faktoren Weite der Atemwege
Der Atemwegswiderstand ist eine dynamische Größe, die nur bestimmbar ist, solange eine Strömung in den Atemwegen vorhanden ist. In diesem Zusammenhang wird zwischen laminarer und turbulenter Strömung unterschieden.
Der Widerstand steigt um das Doppelte, wenn der Radius um 16% abnimmt, oder auf das 16-Fache, wenn der Radius halbiert wird. Damit hat die Weite der Atemwege (Radius) den wichtigsten Einfluss auf den Strömungswiderstand. Der Atemwegswiderstand wird folglich durch Einengungen der oberen Atemwege viel stärker beeinflusst als durch Abnahme des Radius einzelner kleinlumiger Bronchioli, was sich aus dem größeren Gesamtquerschnitt erklärt.
Laminare Strömung
> Wichtig
3.2.1 Laminare und turbulente Strömung
Bei langsamer Strömung von Luft durch die Atemwege kommt es je nach Länge und Durchmesser (=Weite bzw. Radius der Atemwege) zu einem Druckabfall in Längsrichtung der Atemrohre (. Abb. 3.3 a). Bei gegebener Stromstärke ist dieser Druckabfall ein Maß für den Strömungswiderstand (Ohm-Gesetz). Der Strömungswiderstand (R) wird durch das Verhältnis von Druckdifferenz (Δp) zwischen Anfang und Ende der Atemröhre und dem pro Zeiteinheit (Δt) strömenden Volumen (ΔV) ausgedrückt. > Wichtig Druckabfall bei laminarer Strömung: R = Δp/(ΔV/Δt)
(3.3)
In Einheiten ausgedrückt: mbar/(l/sec) = (mbar×sec)/l 1 mbar = etwa 1 cmH2O.
Beispiel Fällt der Druck bei einer Stromstärke von 1 l/sec zwischen Anfang und Ende der Rohrleitung um 10 mbar, so beträgt die Resistance 10 (mbar×sec)/l.
Bei gesunden Menschen ist die Luftströmung durch die leitenden Atemwege überwiegend laminar, d.h., die Luftmengen strömen parallel. Nur an Verzweigungsstellen und Einengungen der Bronchien ist sie turbulent, d.h., die Luftmengen strömen ungerichtet mit Wirbelbildung (lat. turbulentus, unruhig; turbare, drehen, verwirren). Bei laminarer Strömung ist der Strömungswiderstand (R) entsprechend dem HagenPoiseuille-Gesetz umgekehrt proportional zur 4. Potenz des Radius (r).
Praktisch heißt das, dass die Resistance bei einer Obstruktion im Bereich von Kehlkopf oder Trachea stärker erhöht ist – und die Ventilation somit stärker vermindert – als bei einer Obstruktion in der Peripherie eines einzelnen Lungenlappens.
Viskosität und Länge der Atemwege
Weitere Größen, die den Strömungswiderstand beeinflussen, sind die Viskosität des strömenden Materials und die Länge der durchströmten Röhre. Nach dem Hagen-Poiseille-Gesetz besteht eine lineare Beziehung zwischen Druckdifferenz (Δp) und Atemstrom (I) (RAW = Δp/I): Der Strömungswiderstand (RAW) ist proportional zur mittleren Strömungsgeschwindigkeit (I). Man geht davon aus, dass die Strömung laminar ist. (Sonst wäre das Hagen-Poiseuille-Gesetz nicht gültig!) Unter turbulenten Bedingungen besteht keine lineare Beziehung zwischen Druckdifferenz und Atemstrom, sondern der Strömungswiderstand R nimmt mit dem Quadrat der mittleren Stromstärke zu [9, 10]. Ebenfalls im Gegensatz zur laminaren Strömung ist der treibende Druck umgekehrt proportional zur 5. Potenz des Röhrenradius. Anders formuliert: Es resultieren teilweise sehr hohe Einzelwiderstände.
Turbulente Bedingungen im Respirationstrakt Peripher, im verzweigten Bronchialsystem und in den nasalen Atemwegen, liegen keine laminaren Bedingungen vor [9, 10]. Zusätzlich gilt, dass die Strömung der Luft nur an Lumenänderungen, Röhrenunregelmäßigkeiten, physiologischen Verzweigungsstellen und Einengungen der Bronchien turbulent wird [9, 10] (Kap. 33, . Abb. 3.3 b).
3
23 3.3 · Compliance von Lunge, Thorax und Atembewegungsapparat
. Abb. 3.3. a Laminarer Flow: Die Strömung der Luft durch die leitenden Atemwege ist bei gesunden Probanden überwiegend laminar (Luftmengen strömen parallel). Zu beachten ist, dass die Strömung der Luft nur an physiologischen Verzweigungsstellen und Einengungen der Bronchien turbulent wird. b Turbulenter Flow: Bei noch größeren Strömungsgeschwindigkeiten, z.B. bei forcierter Exspiration, ist die Luftbewegung gänzlich ungerichtet, und es bilden sich Wirbel (turbulente Luftbewegung) (van Gestel 2009)
> Wichtig
3.3.1 Compliance der Lunge
Hohe Strömungsgeschwindigkeiten bei schneller und vertiefter Atmung (Hyperpnoe) führen zu Störungen des laminaren Strömungsmusters: In den zentralen Atemwegen entsteht eine turbulente Strömung.
Gesamtwiderstand (Resistance) Hintereinander geschaltete Widerstände (Trachea – Bronchien – Bronchiolen) addieren sich, während sich bei parallel geschalteten Widerständen (verschiedene Äste des Bronchialbaums) die Reziprokwerte der Einzelwiderstände zu einem Reziprokwert des Gesamtwiderstandes addieren. Die Einzelwiderstände ergeben zusammen den Gesamtwiderstand:
3.3
(3.5)
Compliance von Lunge, Thorax und Atembewegungsapparat
Compliance ist das Maß für die Dehnbarkeit des Gewebes und beschreibt die elastischen Eigenschaften des respiratorischen Systems (Compliance für Lunge (Cl), für Thorax (Cth), Gesamtcompliance von Thorax und Lunge (Cl+th). Compliance ist der Quotient aus der Volumen- (ΔV) und der Druckdifferenz (Δp). Die Druckdifferenz ist durch die Veränderung des transmuralen Drucks gegeben, der sich durch den Druckunterschied zwischen innen und außen definiert (. Abb. 3.2). > Wichtig
> Wichtig Compliance der Lunge: Cl = V/(ppa - ppl)
(3.7)
Die Lunge befindet sich im knöchernen Thoraxgerüst unter einer gewissen Vorspannung. Der Thorax weist durch seine knorpeligen Anteile auch elastische Eigenschaften auf. Für die Compliance des Thorax gilt analog die Differenz zwischen (ppl) und atmosphärischem Druck (pb). An der Thoraxaußenfläche herrscht der Barometerdruck (pb), der atmosphärisch, d.h. null ist. Die elastische Dehnung des Thorax wird daher hauptsächlich durch den intrapleuralen Druck (ppl) bestimmt. Während die Compliance der Lunge nur durch die Zusammensetzung des Lungenparenchyms bestimmt ist, ist die Compliance des Thorax zusätzlich durch den Muskultonus veränderlich, z.B. kann eine schmerzbedingte Schonhaltung bei Thoraxtrauma oder nach lungenchirurgischen Eingriffen zum Elastizitätsverlust des Thorax führen. > Wichtig Compliance des Thorax:
Die Compliance ist folgendermaßen definiert: C = (ΔV/Δp)
renz der Drücke in den Alveolen (pa) und im Pleuraspalt (ppl) ergibt.
3.3.2 Compliance des Thorax
> Wichtig
1/RGesamt = 1/R1+1/R2+ .... +1/Rn
Um die Compliance der Lunge zu ermitteln, muss der transpulmonale Druck gemessen werden, der sich aus der Diffe-
Cth = V/ppl
(3.8)
(3.6)
In Einheiten ausgedrückt: l/mbar oder l/cmH2O
3.3.3 Gesamtcompliance
Beispiel Steigt der Druck bei Einströmen von 1 l Luft um 10 mbar, so beträgt die Compliance 0,1 l/mbar.
Da sich die Lunge innerhalb des Thorax befindet, wird typischerweise die Gesamtcompliance von Thorax und Lunge errechnet.
24 Kapitel 3 · Widerstände im respiratorischen System
> Wichtig
> Wichtig
Gesamtcompliance von Lunge und Thorax: Cl+th = V/pa
3
(3.9)
Die Compliance des gesamten Thorax-Lungen-Systems wird außerdem durch extrathorakale physiognomonische Variablen beeinflusst. Beispiel Ein überblähter Magen oder ein größerer Leibesumfang kann den intraabdominellen Druck erhöhen und durch zunehmende Einschränkung der Zwerchfellexkursion die Gesamtcompliance des Thorax-Lungen-Systems reduzieren.
Hintereinander geschaltete Systeme Die Compliancewerte hintereinander geschalteter Systeme
addieren sich anhand einer definierten Gesetzmäßigkeit. > Wichtig
3.4
Inertance
Wenn eine Masse (Lungengewebe und darin enthaltene Atemgase) beschleunigt werden soll, müssen außer elastischen und resistiven Widerständen auch beschleunigungsbedingte (trägheitsbedingte) Widerstände überwunden werden. Inertance (I) ist das Maß für die Massenträgheit des respiratorischen Systems. Die Inertance ist bei langsamer bzw. Ruheatmung vernachlässigbar gering, kann jedoch bei schneller, forcierter Atmung bedeutsam werden. Sie ist definiert als das Verhältnis von trägheitsbedingter Druckdifferenz und Volumenbeschleunigung (Beschleunigung des Luftstroms; Einheit kpa/(l/sec2). > Wichtig
Compliance hintereinander geschalteter Systeme: 1/Cl+1/Cth = 1/Cl+th
Die Thorax-Compliance nimmt im Laufe des Lebens ab (der Thorax wird steifer), die Lungenparenchym-Compliance nimmt dagegen zu.
(3.10)
Parallel geschaltete Systeme Parallel geschaltete Compliancewerte addieren sich dagegen in einfacher Weise: Beim gesunden Erwachsenen sind Tho-
rax- und Lungencompliance etwa gleich groß. Die Werte betragen jeweils rund 0,2 l/mbar, woraus sich ein Compliancewert von etwa 0,1 l/mbar für das Gesamtsystem ergibt. Beispiel Die Compliance von Lunge und Thorax beträgt insgesamt 130 ml/cmH2O, d.h., steigt der Druck in den Alveolen um 1 cmH2O, so nimmt das Lungenvolumen um 130 ml zu.
3.3.4 Zusammenfassung Für die Compliance gilt eine nicht lineare Zunahme, was bedeutet, dass sie sich je nach Füllungszustand des Systems ändert: 4 In Atemruhelage ist der gesamte Atemapparat im Gleichgewicht: Retraktionskraft der Lunge und Rückstellkraft des Thorax halten sich die Waage. Rückstellkraft des Thorax und Tonus der Inspirationsmuskeln sind nach außen gerichtet, wodurch die Lunge in aufgeblähtem Zustand bleibt. Der Pleuradruck ist negativ (-0,5 kpa), und die transmurale Druckdifferenz der Lunge (pa - ppl) ist um den gleichen Wert positiv (+0,5 kpa). Entspricht das Lungenvolumen der funktionellen Residualkapazität (Atemruhelage), ist der gesamte Atemapparat in größtmöglicher Dehnbarkeit (Compliance); bei stärkerer In- und Exspiration wird er steifer. 4 Während der Inspiration (von FRC nach TLC) nimmt die elastische Retraktionskraft des Thorax ab und ist ab 70% der TLC sogar nach innen gerichtet.
Der Druck des gesamten respiratorischen Systems (p) errechnet sich wie folgt: p = Inertance (I)×Strömungsstärke (I)+ Resistance (R)×Strömungsstärke (I)+1/ (Compliance×Strömungsstärke [I])
(3.11)
Die Geschwindigkeit des alveolären Luftstroms (Insufflation) ergibt sich aus dem Produkt von Atemwiderstand (R) und Dehnbarkeit des Gewebes (Cl), d.h., Compliance×Resistance = Zeitkonstante für Belüftungsgeschwindigkeit und Gleichmäßigkeit. > Wichtig Die Belüftungsgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit der alveolären Insufflation: TimeInsufflation = R×C
(3.12)
3.4.1 Belüftungsgeschwindigkeit und
Gleichmäßigkeit der Belüftung Belüftungsgeschwindigkeit Die Belüftungsgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit der alveolären Füllung und wird als TimeInsufflation bezeichnet. Die Zeitspanne entspricht der Zeitkonstante und ist abhängig von Compliance und Resistance. Je größer die TimeInsufflation ist, desto langsamer füllen sich die jeweiligen Alveolen. Bei einem Anstieg der Compliance oder Resistance (das Produkt R×C ist groß) dauert die Füllung einer Alveole länger. Für ein normales Respirationssystem in einer gesunden Lunge beträgt die TimeInsufflation ungefähr 0,2 Sekunden [1, 2, 3] (. Abb. 3.4). Beispiel Bei C= 0,1 l/mbar und R= 2 (mbar×sec)/l) beträgt die TimeInsufflation 0,2 Sekunden.
Die Kontaktzeit für den Gasaustausch in den Lungenkapillaren beträgt in Ruhe ca. 0,5–1 Sekunde. Die Zeitkonstanten der
25 3.4 · Inertance
. Abb. 3.4. Belüftung der Alveolen. a TimeInsufflation links = TimeInsufflation rechts. b TimeInsufflation links>TimeInsufflationrechts: Die benötigte Zeit zur Füllung einer Alveole (links) ist unzureichend (van Gestel 2009)
einzelnen Alveolen sind sehr unterschiedlich, da Compliance und Resistance in den einzelnen Lungenarealen erheblich variieren: 4 Im Idealfall erfolgt eine alveoläre Insufflation gleichmäßig und synchron (. Abb. 3.4 a). 4 Bei einer erhöhten Resistance der Alveolen kommt es zu einem ungleichen Lufteinstrom in die verschiedenen Lungenabschnitte (. Abb. 3.4 b). Da das Produkt aus Compliance und Resistance die Entleerungszeit der Lunge bestimmt, ist es eine Zeitkonstante. 4 Mithilfe des Produkts kann man ggfs. berechnen, ob in der zur Verfügung stehenden Zeit eine ausreichende Abatmung des Atemzugvolumens möglich ist. Während die ersten zwei Drittel des Exspirationsvolumens nach einfacher Zeitkonstante abgeatmet werden, dauert es für das restliche Drittel ein Mehrfaches dieser Zeit. 4 Für die Inspiration gelten ähnliche Verhältnisse: Zwei Drittel des Inspirationsvolumens sind nach einer Zeitkonstante inspiriert. Allerdings wird die Beschreibung der Lungenfüllung dadurch kompliziert, dass neben der Zeitkonstante auch der aktiv erzeugte (negative) Fülldruck die Geschwindigkeit der Volumenzunahme bestimmt.
Gleichmäßigkeit Die durch Resistance und Compliance beeinflusste TimeInsufflation kann eine ungleichmäßige Luftverteilung über den Alveolen bewirken. Bei schneller, flacher Atmung (»rapid shallow breathing«) und einer damit verbundenen verkürzten Inspirationsdauer ist nicht ausreichend Zeit für eine vollständige Alveolenfüllung [1, 2, 3].
Tipp 4 Für bessere und gleichmäßige Lungenfüllung ist es in der Atemtherapie notwendig, dass Patienten mit Lungenerkrankungen eine verlängerte und verlangsamte Inspiration erlernen (Atemfluss ca. 0,2–0,5 l/sec) [5, 6]. 4 Für eine zusätzliche Belüftung über die Kollateralverbindungen der Alveolen ist es erforderlich, eine postinspiratorische Pause (PIP) zu integrieren (Kap. 33). In dieser kurzen Pause soll sich der Patient vorstellen, er atme weiterhin ein. Dadurch bleiben die oberen Atemwege geöffnet. 4 Während der Exspiration ist es notwendig, die Lippenbremse anzuwenden [7].
Gegenseitige Erweiterung der Lungenareale Die Kollateralventilationskanäle (. Abb. 3.5) werden bei höherem Lungenvolumen ausgedehnt und geöffnet. Es wird diskutiert, ob die Öffnung dieser Ventilationskanäle zur Rekrutierung partiell ventilierter oder nicht ventilierter Alveolen führt. Außerdem steigt mit Zunahme des Lungenvolumens auch der statisch-elastische Retraktionsdruck der gesamten Lunge. Dadurch können partiell ventilierte oder nicht ventilierte Alveolen durch radiale Traktion (verursacht durch bereits ventilierte Lungenareale) dilatiert und rekrutiert werden. Diese gegenseitige Erweiterung der Lungenareale ist unter dem Begriff Interdependenz bekannt. > Wichtig Das Phänomen der Interdependenz sorgt lungenvolumenabhängig für eine zunehmend homogenisierte Alveolarfüllung und Rekrutierung von partiell oder nicht ventilierten Alveolen.
3
26 Kapitel 3 · Widerstände im respiratorischen System
8. Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, Gezondheidszorg Maarssen 9. Ulmer WT, Reichel G, Nolte D (1976) Die Lungenfunktion: Physiologie und Pathophysiologie, Methodik. Thieme, Stuttgart 10. Kramer K, Tabbert M, Mottner J, Ehehalt V, Fritz K (1979) Die Herabsetzung von Strömungswiderständen bei der künstlichen Beatmung mit Helium-Sauerstoff-Gemischen. Biotechn. Umschau 3: 366–368
3
. Abb. 3.5. Schematische Darstellung von kollateralen Verbindungen: 3 Alveolen und 4 Bronchien. 1 Interbronchiale Verbindung nach Martini. 2 Interalveoläre Verbindung nach Kohn. 3 Broncheoalveoläre Verbindung nach Lamberti (modifiziert nach Gosselink 2003 [8])
Fazit Um eine bessere und gleichmäßige Lungenbelüftung zu gewährleisten, ist es in der Atemtherapie notwendig, Patienten mit Lungenerkrankungen eine verlängerte und langsame Atmung beizubringen. Um eine kollaterale Ventilation zu begünstigen bzw. zu optimieren, ist eine post-inspiratorische Pause empfehlenswert.
3.5
Literatur
1. Bartlett RH (1973) Respiratory maneuvers to prevent postoperative pulmonary complications. A critical review. JAMA 224: 1017– 1021 2. Marini JJ (1984) Postoperative atelectasis: pathophysiology, clinical importance and principles of management. Respir Care 29: 516– 522 3. Nieman GF (1983) Mechanism of lung expansion: a review. Respr Care 28: 426–433 4. Kessler V (2000) Bestimmung der dynamischen nichtlinearen Atemmechanikparameter in der Pädiatrie. Dissertation der Fakultät für Angewandte Wissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau 5. Gottfried SB, Altose MD, Kelsen SG (1981) Perception of changes in airflow resistance in obstructive pulmonary disorders. Am Rev Respir Dis 124: 566–570 6. Menkes HA, Traystman RJ (1977) Collateral ventilation-state of the art. Am Rev Respir Dis 116: 287–309 7. Steier J, Wessendorf TE, Teschler S, Teschler H (2008). Cardiorespiratory Effects of Pursed-Lips-Breathing during 6-Minute-WalkTest in Patients with severe COPD. Physioscience 4: 120–124
4 4 Sauerstoff (O2) A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
4.1
Alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2) – 27
4.5
Objektivierung des arteriellen Sauerstoffwertes – 30
4.2
Blut als Transportmedium von Sauerstoff – 28
4.6
Trainingstherapie unter kontinuierlicher Sauerstoffzufuhr – 30
4.3
Beurteilung der Sauerstoffversorgung der Organe – 28
4.7
Sauerstoff-Langzeittherapie
4.8
Literatur
4.4
Sauerstoffbindungskurve für Hämoglobin – 29
Unter physiologischen Bedingungen wird im menschlichen Organismus ein Gleichgewicht zwischen Sauerstoffangebot und -verbrauch (Homöostase) angestrebt. In fortgeschrittenen COPD-Stadien kommt es zu Beeinträchtigungen dieser Homöostase, und es muss mit einer arteriellen Hypoxämie gerechnet werden. Dies ist ein wichtiger Kofaktor, der das Auftreten von krankheitsassoziierten Organstörungen bei lungenerkrankten Patienten begünstigt. Da Sauerstoff über die Lunge ins Blut gelangt, ist der Partialdruck (Sauerstoffkonzentration) im Blut bei folgenden Störungen vermindert: 4 verringerte Austauschfläche der Lunge (z.B. bei Atelektasen, Pneumothorax), 4 Diffusionsstörung (Sauerstoff kann nicht ungehindert ins Blut übertreten, z.B. bei Lungenödem, Pneumonie, Lungenfibrose) oder 4 Störung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses (z.B. bei COPD, Status asthmaticus, Pulmonalarterienembolie). Erniedrigte arterielle Sauerstoffwerte können jedoch auch bei anderen kardiozirkulatorischen, ventilatorischen oder metabolischen Ursachen auftreten [1–4].
4.1
Alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2)
Die AaDo2 ist die Differenz zwischen dem Sauerstoffpartialdruck im Alveolarraum (pAO2) und dem arteriellen Sauerstoffpartialdruck (paO2). In den Alveolen ist der Sauerstoffpartialdruck etwas niedriger als im Einatmungsgasgemisch. Grund dafür ist die ständige Diffusion (Abwanderung) von
– 31
– 32
4 Sauerstoff aus den Alveolen in die Kapillaren und 4 Kohlendioxid aus den Kapillaren in die Alveolen. Man bezeichnet das Gasgemisch in den Alveolen als Alveolarluft. Die Partialdrücke von Sauerstoff und Kohlendioxid werden im arteriellen Blut gemessen, und aus diesen wird die AaDO2 mit der Alveolarluftformel berechnet. Breuer erwähnt, dass ein AaDO2-Wert bzw. die Berechnung des pA-aO2 für die Beurteilung der Blutgaswerte wesentlich spezifischer ist als der paO2-Wert, da dieser die wirkliche alveolo-arterielle O2-Druckspannung der Oxygenierungsleistung der Lunge angibt [5]. Eine Gasaustauschstörung, z.B. bei 4 einer Diffusionsstörung, 4 einem anatomischen Rechts-Links-Shunt oder 4 einer ventilatorischen Verteilungsstörung, kann sehr effektiv anhand erhöhter pA-aO2-Werte diagnostiziert werden. Die Berechnung der alveolo-arteriellen Sauerstoffpartialdruckdifferenz richtet sich nach der Alveolarluftformel. > Wichtig Die alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz errechnet sich aus der Alveolarluftformel: AaDO2 = (FIO2×(pb - 47) - paCO2/RQ) - paO2 AaDO2 (mmHg) = pAO2 - paO2 pAO2 = (Barometerdruck - pH2O)×FIO2 - paCO2 paO2: Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut, pAO2= Sauerstoffpartialdruck im Alveolarraum 6
(4.1)
28 Kapitel 4 · Sauerstoff (O2)
AaDO2: Differenz zwischen Sauerstoffpartialdruck im Alveolarraum (pAO2) und arteriellem Sauerstoffpartialdruck (paO2) FIO2: Sauerstoffanteil in der Inspirationsluft paCO2: Kohlendioxidpartialdruck im arteriellen Blut RQ: Aus Quotient des ausgeatmeten Kohlendioxids (CO2) zum eingeatmeten Sauerstoff (O2) ergibt sich der respiratorische Quotient (RQ) pH2O: Wasserdampfdruck bei 37°C (entsprechend 47 mmHg). Normalerweise liegt der pH2O-Wert in Ruhe bei 10–15 mmHg, bei Belastung und je nach Alter bei ca. 25 (<40 Jahre) bis 35 mmHg.
4
! Cave Bei der Interpretation des pA-aO2 ist zu beachten, dass der absolute Wert der p(A-a)O2 von der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration abhängt. Der normale Gradient von 5–10 mmHg bei Raumluft (FIO2= 0,21) soll bei einer FIO2 von 1,0 l bei Lungengesunden auf 50–70 mmHg steigen [6].
4.2
Blut als Transportmedium von Sauerstoff
Sauerstoff ist ein Gas, das im Blut schlecht in frei löslicher Form aufgenommen wird. Das Blut kann deshalb auch bei hohem Partialdruck nur relativ wenig Sauerstoff direkt aufnehmen und transportieren (. Abb. 4.1). Der Sauerstofftransport im Blut erfolgt auf zwei Arten: 4 in frei löslicher Form und 4 gebunden an Hämoglobin (rot gefärbtes, eisenhaltiges Protein in den Erythrozyten). Der größte Teil des Sauerstofftransports wird durch die reversible Bindung mit Hämoglobin bewerkstelligt. Die mit Sauerstoff gesättigte Menge an Hämoglobin ist vom Sauerstoff-
partialdruck abhängig. Jedes Hämoglobinmolekül kann maximal 4 Moleküle Sauerstoff binden (100% gesättigt). Werden nur 3 Moleküle Sauerstoff gebunden, ist ein Hämoglobinmolekül zu 75% gesättigt. > Wichtig Der Normwert der arteriellen Sauerstoffsättigung (SaO2) liegt bei 96–98%. Im Blut können nur 0,3 ml O2/100 ml Blut frei gelöst transportiert werden [8].
4.3
Beurteilung der Sauerstoffversorgung der Organe
Der Sauerstoff im arteriellen Blut muss in die Gewebe der Endorgane gelangen, in denen er gebraucht wird. Dies ermöglicht der arterielle Blutstrom: Je mehr Blut pro Minute transportiert wird, desto höher ist die zur Verfügung stehende Menge an Sauerstoff. Die Menge des Blutflusses kann durch das Herzzeitvolumen quantifiziert und beschrieben werden. Das HZV (auch CO) steht fur den Cardiac Output [7]. Berechnung des Sauerstoffangebots (CaO2-Wert nach Köhler) Das Sauerstoffangebot (DO2, »oxygen delivery«) bezeichnet die Menge an Sauerstoff (in ml/min), die tatsächlich vom Blutstrom an die Gewebe abgegeben wird. Errechnet wird dieses aus dem Hämoglobingehalt (Hb) und der Sauerstoffsättigung×1,34. (Die Hüfner-Zahl 1,34 ist eine Konstante und gibt an, wieviel ml Sauerstoff 1 g Hämoglobin binden kann.) Die Berechnung beruht auf der Tatsache, dass 1 Molekül Hämoglobin 4 Moleküle Sauerstoff binden kann. Das Sauerstoffangebot (DO2) ist das Produkt aus Herzzeitvolumen (HZV) und Sauerstoffgehalt (CaO2, »oxygen content«). Der physikalisch gelöste Sauerstoff im Blut ist normalerweise vernachlässigbar gering und wird daher im Folgenden nicht berücksichtigt. > Wichtig Der Sauerstoffgehalt im Blut errechnet sich wie folgt: CaO2 = Sauerstoffsättigung (SaO2)×Hämoglobingehalt (Hb)×Hüfner-Zahl 1,34 (ml O2/g Hb)
(4.2)
Das Sauerstoffangebot für die Organe ergibt sich aus: DO2 = CO×CaO2
(4.3)
CaO2: Sauerstoffgehalt (ml Sauerstoff/100 ml Blut) CO: Cardiac Output bzw. Herzzeitvolumen (Q) (l/min) DO2: Sauerstoffangebot (ml/min)
. Abb. 4.1. Erythrozyten erscheinen als bikonkave Scheiben mit glatter Oberfläche und einem mittleren Durchmesser von 7,5 μm. Aufgrund der bikonkaven Form eines Erythrozyten müssen die Blutgase bei der Diffusion durch die Zelle nur einen kurzen Weg zurücklegen (Groscurth 2004 [24])
Für die Sauerstoffversorgung der Organe sind folgende Faktoren entscheidend: 4 Perfusion und 4 Anzahl der Sauerstoffmoleküle. Die Molekülanzahl drückt sich direkt im Sauerstoffgehalt (CaO2), sekundär in der Sauerstoffsättigung (SaO2) und tertiär im Sauerstoffpartialdruck (paO2) aus. Im klinischen Alltag
29 4.4 · Sauerstoffbindungskurve für Hämoglobin
steht der paO2-Wert als Kenngröße im Vordergrund, was zu therapeutischen Fehlentscheidungen, besonders auf Intensivstationen führen kann. Standardisierte Normwerte für den CaO2 sind nicht verfügbar, allerdings gibt es in der Literatur Richtwerte mit einer unteren Grenze von etwa 4 8 ml O2/100 ml bei akuter Erkrankung und 4 5 ml O2/100 ml bei chronischer Erkrankung.
den Körperkapillaren. Nur geringfügige Sauerstoffpartialdruckschwankungen sind erforderlich, um große Änderungen der Sauerstoffsättigung zu bewirken. Der steile Verlauf gewährleistet, dass der arterielle paO2 im kapillaren Blut des peripheren Gewebes trotz der O2-Abgabe noch hoch genug ist, um das Gewebe zu versorgen. Beispiel
Fazit Das Sauerstoffangebot für die Körpergewebe hängt von drei Faktoren ab, 4 dem Hämoglobingehalt des Blutes, 4 dem Sättigungsgrad des Hämoglobins und 4 dem Herzminutenvolumen.
4.4
Sauerstoffbindungskurve für Hämoglobin
Betrachtet man die Sauerstoffbindungskurve (. Abb. 4.2), in der die Sauerstoffsättigung abhängig vom Sauerstoffpartialdruck dargestellt ist, so fällt eine sigmoide Form auf (. Abb. 4.2). Die Affinität zu O2 steigt mit der Anzahl gebundener O2-Moleküle [2–4]. S-Form der Sauerstoffbindungskurve Die S-Form der Sauerstoffbindungskurve ist von großer Bedeutung für die Transportfunktion des Blutes und die Sicherung einer stabilen Gewebeoxygenierung. In den Lungenvenen und -arterien besteht ein hoher Sauerstoffpartialdruck, der sich durch eine hohe Sättigung im abgeflachten oberen Teil der Kurve äußert. Der steil abfallende Teil spiegelt die Bedingungen bei ca. 50–75% Sättigung des venösen Blutes wider. Im Bereich der flachen Strecken führen starke Schwankungen des paO2 nur zu kleinen Änderungen der SaO2. Verlauf der Sauerstoffbindungskurve Der steile Verlauf der Sauerstoffbindungskurve entspricht der Situation in den Geweben bzw. dem Sauerstoffpartialdruck in
. Abb. 4.2. Sigmoide Form der Sauerstoffbindungskurve für Hämoglobin. Der steil abfallende Teil spiegelt die Bedingungen bei ca. 50–75% Sättigung des venösen Blutes wider. Der steile Verlauf der Sauerstoffbindungskurve entspricht der Situation auf Gewebebasis bzw. dem Sauerstoffpartialdruck in den Körperkapillaren (van Gestel 2009)
Ein Abfall des arteriellen paO2 von z.B. 85 auf 55 mmHg (entspricht einer relativen Reduktion von etwa 36%) führt lediglich zu einem Absinken der Sättigung von ca. 96 auf 89% (entspricht einer relativen Reduktion von nur 7%). Der Sauerstoffgehalt des Blutes fällt entsprechend nur um 7%.
Ändert sich der Partialdruck im Gewebe nur geringfügig, wird viel Sauerstoff abgegeben, so dass die Schwankungen ausgeglichen werden, ohne dass sich der Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes stark ändert. Verschiebung der Sauerstoffbindungskurve Die Sauerstoffbindungskurve kann sich durch verschiedene Faktoren in der Waagerechten nach links oder rechts verschieben, wobei die Form der Kurve bestehen bleibt. Damit ändert sich die O2-Affinität des Hämoglobins: Eine Affinitätsabnahme (d.h., bei gleichem paO2 wird weniger O2 an Hb gebunden) zeigt sich an einer Rechtsverschiebung, eine Affinitätszunahme an einer Linksverschiebung. Beispiel 4 Temperaturerhöhung und Azidose führen zu einer Affinitätsabnahme und einer Rechtsverschiebung. 4 Bei Alkalose und Temperatursenkung kommt es zu einer Linksverschiebung. 4 Bei Fieber ist die Sauerstoffabgabe verbessert (Rechtsverschiebung durch Affinitätsabnahme), was dem Patienten entgegenkommt, da er in dieser Situation einen erhöhten Sauerstoffverbrauch hat. 4 Bei Hypothermie (Unterkühlung) ist infolge der Linksverschiebung durch Affinitätszunahme die Sauerstoffabgabe vermindert.
4
30 Kapitel 4 · Sauerstoff (O2)
4.4.1 Bohr- und Haldane-Effekt
4
> Wichtig Mit der BGA wird der arterielle Sauerstoffpartialdruck, mit der Pulsoxymetrie die arterielle Sauerstoffsättigung gemessen.
Bohr-Effekt Der Bohr-Effekt bezeichnet die Wirkung, die pH- und CO2Wert auf die HbO2-Affinität haben: 4 Bei niedrigem pH-Wert (Erhöhung der Säurestärke) kommt es zu einer Affinitätsabnahme mit Rechtsverschiebung der Bindungskurve, was eine Freisetzung von Sauerstoff aus HbO2 nach sich zieht. 4 Ein erhöhter pH-Wert (verminderte Säurestärke) bewirkt eine Affinitätszunahme mit Linksverschiebung der Bindungskurve. Eine nach links verschobene Bindungskurve führt zu einer höheren Sauerstoffaufnahme des arteriellen Blutes und umgekehrt. Der Bohr-Effekt wird auch bei Veränderung der paCO2Werte beobachtet [23]: 4 Sinkt der paCO2-Wert im Blut und steigt der pH-Wert an, wird die Affinitätszunahme begünstigt. 4 Steigt der Kohlendioxidanteil (CO2) im arteriellen Blut und fällt der pH-Wert, so wird die O2-Freisetzung aus dem Blut begünstigt. Haldane-Effekt Umgekehrt führt die Freisetzung von Sauerstoff aus HbO2 in den peripheren Blutbahnen zur Erhöhung des pH-Wertes (Verminderung der Säurestärke), wodurch Lösung und Transport des CO2 aus der Peripherie in die Lunge begünstigt werden. Dies bezeichnet man als Haldane-Effekt.
Definition Sauerstoffmesswerte im menschlichen Organismus SO2: Sauerstoffsättigung des Blutes allgemein SaO2: Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes, gemessen mittels Oxymetrie; Normwert: 0,96–0,98 SpO2: Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes, gemessen mittels Pulsoxymetrie; Normwert: 95–99% paO2: Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut, gemessen mittels BGA; Normwert: 80–90 mmHg)
Sauerstoffgabe Sauerstoff wird auf drei unterschiedliche Arten verabreicht, 4 als Sauerstoff-Langzeittherapie, 4 bei körperlicher Belastung und 4 zur Verbesserung einer akuten Atemnot. Das primäre Ziel der Sauerstoffgabe ist die Sicherstellung eines für die Organfunktion ausreichenden arteriellen Sauerstoffangebots [17].
Trainingstherapie unter kontinuierlicher Sauerstoffzufuhr
4.6 Fazit 4 Bohr-Effekt: Die O2-Bindungsfähigkeit des Hämoglobins ist abhängig vom pH-Wert und somit indirekt vom CO2-Partialdruck. 4 Haldane-Effekt: Das CO2-Transportvermögen des Blutes ist abhängig vom O2-Partialdruck. Am Hämoglobinmolekül gibt es eine Konkurrenz um die Aufnahme von H+-Ionen (Pufferung) einerseits und O2-Molekülen (am Häm) andererseits – die beiden Mechanismen behindern sich sozusagen gegenseitig. Beide Effekte haben eine wichtige physiologische Bedeutung. Die Erhöhung des O2-Partialdrucks in der Lunge erleichtert die Freisetzung von CO2, so dass CO2 besser ins Alveolargas diffundieren kann [23].
4.5
Objektivierung des arteriellen Sauerstoffwertes
Die Beurteilung des arteriellen Sauerstoffwertes erfolgt durch die 4 arterielle Blutgasanalyse (BGA) und 4 nicht-invasive Pulsoxymetrie.
Bei körperlicher Belastung ist bei vielen COPD-Patienten ein weiterer Abfall der schon in Ruhe erniedrigten Sauerstoffwerte im Blut zu beobachten. Bei einer Hypoxämie in Ruhe/bei Belastung (<55 mmHg) oder einer pulsoxymetrisch gemessenen O2-Sättigung (SpO2) in Ruhe/bei körperlicher Belastung<89%, sollte während der kardiopulmonalen Trainingstherapie kontinuierlich Sauerstoff zugeführt werden (Kap. 35). Bei einer akuten belastungsinduzierten Dyspnoe ist es sinnvoll, den Sauerstoff auch als Burst anzuwenden [17]. Die Sauerstoffzufuhr wird bis zu 5 Minuten nach Beendigung des kardiovaskulären Ausdauerkapazitätstrainings weitergeführt. Wenn die Normalwerte wieder erreicht sind, kann die Zufuhr auf die Ruhedosis reduziert werden. In 7 Übersicht 4.1 sind die Kriterien für eine indizierte Sauerstoffzufuhr [11] aufgelistet. . Übersicht 4.1. Indikationen für eine Sauerstoffgabe 1. 2. 3. 4.
paO2 ≤ 55 mmHg oder SpO2 ≤ 89% in Ruhe paO2 ≤ 55 mmHg oder SpO2 ≤ 89% bei Belastung paO2 ≤ 55 mmHg oder SpO2 ≤ 89% nachts Verdacht auf pulmonale Hypertension bzw. Cor pulmonale bei anhaltenden paO2-Werten von 56– 59 mmHg oder SpO2 ≤ 90%
31 4.7 · Sauerstoff-Langzeittherapie
Sauerstoff-Langzeittherapie
4.7
Unterschreitet der Sauerstoffpartialdruck eine bestimmte Grenze, muss mit schwerwiegenden Komplikationen gerechnet werden. In diesem Fall kann bei COPD-Patienten mit einer Hypoxämie (paO2<55 mmHg und einem FEV1<1,5 l) eine sog. Sauerstoff-Langzeittherapie ((»long term oxygen therapy«, LTOT) von 15–18 Stunden täglich nicht nur zur Verbesserung der Symptome führen, sondern möglicherweise auch Morbidität und Überleben positiv beeinflussen [12–14]. Die Ziele der Sauerstoff-Langzeittherapie sind in 7 Übersicht 4.2 aufgelistet. . Übersicht 4.2. Ziele der Sauerstoff-Langzeittherapie Primäre Ziele 1. Dauerhafte Gewährleistung einer ausreichenden Oxygenierung (paO2>60 mmHg oder SpO2>90%) 2. Entlastung der Atemmuskulatur durch verminderten Ventilationsbedarf [16] Weitere Ziele 3. Verbesserung der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit
Der Nutzen der Sauerstoff-Langzeittherapie bei chronischer Hypoxämie hängt von der Ätiologie der ursächlichen Funktionsstörung ab. Bei COPD-Patienten kann eine LTOT sinnvoll sein, bei Patienten mit chronischer Hypoxämie aufgrund von Ventilationsstörungen (sichtbar an Hyperkapnie) durch Atempumpversagen (z.B. bei Thoraxwanderkrankungen) wird eine nicht-invasive Beatmungstherapie (»non-invasive ventilation«, NIV) zur Verbesserung des alveolären Gaswechsels bevorzugt [17].
mittelbar eine LTOT anzubieten. Ansonsten sollten Belastungstests durchgeführt werden, um eine mögliche Unterversorgung zu diagnostizieren. Der 6-Minuten-Gehtest hat sich als valider Belastungstest etabliert: Unter Messung der Sauerstoffwerte wird die Gehstrecke getestet, die der Patient in 6 Minuten zurücklegen kann.
4.7.2 Negative Effekte der Sauerstoffgabe Eine Sauerstofftherapie birgt auch Risiken. Als Nebeneffekt kann es zu einem verminderten Atmungsantrieb kommen, wodurch eine Kohlendioxidretention verursacht werden kann. Eine sauerstoffbedingte Hypoventilation kann eine Hyperkapnie verursachen (permissive Hyperkapnie) und konsekutiv den pH-Wert des Blutes aggravieren. Zudem kann eine Sauerstoffgabe das Atemminutenvolumen innerhalb kurzer Zeit um ca. 15% reduzieren, was ebenfalls zu einer Reduktion des Energieverbrauchs der Atemmuskulatur und Entlastung der Atemmuskulatur führt [18, 19, 20]. Dadurch verlängert sich die Exspirationszeit, was sich positiv auf die dynamische Überblähung und folglich auf das end-exspiratorische Lungenvolumen auswirkt. Eine resultierende permissive Hyperkapnie führt zu höheren Kohlendioxidpartialdrücken (paCO2), wodurch eine respiratorisch bedingte azidotische Stoffwechsellage aufbaut, die von Patienten im Allgemeinen unzureichend metabolisch kompensiert und toleriert wird (Kap. 5). Neben der negativen Auswirkung auf den Atemantrieb hat diese vor allem Konsequenzen für das kardiovaskuläre System. Kohlendioxid führt über die Aktivierung von Chemorezeptoren zu einer peripheren und pulmonal-arteriellen Widerstandserhöhung mit nachfolgender arterieller und pulmonaler Hypertonie. Gleichzeitig kann der Hirndruck ansteigen und die zerebrale Perfusion verschlechtern. Steigt der paCO2 sehr stark an, sind respiratorisches und metabolisches System so belastet, dass die Situation lebensbedrohlich wird.
4.7.1 Indikationen für eine Sauerstoff-
Langzeittherapie 4.7.3 Wirkung einer Sauerstoffgabe In 7 Übersicht 4.3 sind die derzeitig festgelegten Indikationen für eine Sauerstoff-Langzeittherapie beschrieben. Festzuhalten ist, dass eine adäquate Indikationsstellung voraussetzt, dass der Sauerstoffpartialdruck im Blut nur in einer stabilen Phase der Erkrankung untersucht werden sollte; dann nicht nur in Ruhe, sondern auch bei Belastung und im Schlaf. . Übersicht 4.3. Indikationen für eine SauerstoffLangzeittherapie 1. 2. 3.
paO2 ≤ 55 mmHg in Ruhe paO2 zwischen 56–60 mmHg in Ruhe, bei Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz oder Polyglobulie paO2 ≤ 55 mmHg bei Belastung oder im Schlaf
Liegt schon bei der Kontrolluntersuchung ein Grenzwert von 55 mmHg in Ruhe vor, empfiehlt es sich, dem Patienten un-
auf kardiopulmonale Funktionen Beispiel Bei Patienten mit einer kardiozirkulatorischen Störung (Kap. 21) ist eine Anpassung durch Steigerung des Herzzeitvolumens (HZV) häufig nicht einfach möglich. Durch die Einnahme von Medikamenten wie z.B. β-Blocker, Blutdrucksenker und Sedativa kann eine Adaptation des Herzens zusätzlich limitiert werden. Je weniger das Herzzeitvolumen gesteigert werden kann, desto weniger sollten niedrige Sauerstoffkonzentrationen therapeutisch toleriert werden. Sollten sich arterielle Sättigung und Herzfrequenz durch eine Sauerstoffgabe nicht innerhalb kurzer Zeit ändern, ist ein Abbruch der Sauerstoffgabe zur Vermeidung eines unnötigen Sauerstoffverbrauchs zu empfehlen. Patienten mit einem echten bzw. anatomischen RechtsLinks-Shunt, z.B. durch Atelektasen oder pulmonale Infiltrate, 6
4
32 Kapitel 4 · Sauerstoff (O2)
4
profitieren i.d.R. nicht von einer zusätzlichen Sauerstoffgabe. Bei einem Rechts-Links-Shunt fließt sauerstoffarmes (venöses) Blut in den arteriellen systemischen Kreislauf, ohne in der Lunge funktionell mit Sauerstoff angereichert zu werden. Patienten mit einer Diffusionsstörung dagegen profitieren von einer künstlichen Sauerstoffzufuhr, d.h., bei Sauerstoffgabe kommt es zu einem Anstieg des arteriellen paO2-Wertes [22]. Auch für Patienten mit einem Ventilations-PerfusionsMissverhältnis (VA/Q) ist die Sauerstoffgabe sinnvoll und bringt einen Anstieg des arteriellen paO2-Wertes. Bei Patienten mit einer Ventilationsstörung steigt der arterielle paO2-Wert ebenfalls an. Das Atemminutenvolumen kann sich bei Sauerstoffgabe innerhalb kurzer Zeit um ca. 15% reduzieren, was zu einer Hypoventilation mit Abnahme der Atemarbeit und Entlastung der Atemmuskulatur führt [18, 19, 20]. Dies zeigt sich in den Blutgaswerten als Hyperkapnie.
! Cave Bei einem Atempumpversagen, z.B. bei Thoraxwanderkrankungen, sollten bevorzugt Atemtherapie und nicht-invasive Beatmungstherapie zur Verbesserung des alveolären Gaswechsels eingesetzt werden, nicht (nur) eine Sauerstoff-Langzeittherapie [17].
4.7.4 Sauerstoffzuleitungen Die Sauerstoffapplikation erfolgt i.d.R. durch Zufuhr von gasförmigem Sauerstoff in den Alveolarraum. Es gibt verschiedene Applikationsmöglichkeiten. Nasale O2-Sonden (ein-/beidseitige Nasenbrille/-maske) Sauerstoff wird normalerweise über die Nasenbrille zugeführt, mit einer Flussrate von 1–3 l/min. Ein flexibler Schlauch leitet den Sauerstoff vom Behälter in die Nase. Da die Nasenbrille nicht dicht abschließt, geht eine geringe Sauerstoffmenge verloren. Durch den stetigen Luftstrom können die Nasenschleimhäute austrocknen, was sich jedoch mit Feuchtigkeitssalben und lokaler Pflege gut therapieren lässt. Transtrachealer Katheter Wenn ein Patient hohe Sauerstoffgaben benötigt, oder wenn medizinische Komplikationen auftreten, kann ein transtrachealer Katheter (»scoop«) eingesetzt werden. Diese Art der Sauerstofftherapie ist eine relativ neuartige Anwendung, um Sauerstoff auf direktem Weg in die unteren Atemwege einzubringen. Der Katheter wird in einer kleinen Operation direkt in die Luftröhre eingeführt und dort fixiert. Diese Anwendung ist i.d.R. effektiver als die Sauerstoffgabe mittels Nasenbrille. Tracheostoma Durch einen chirurgischen Luftröhrenschnitt wird eine Luftröhrenöffnung angelegt und mit einer blockbaren Trachealkanüle mit Aufsatz für eine externe Beatmung oder Sauerstoffgabe offen gehalten. Da ein selbständiges Abhusten meist nur eingeschränkt möglich ist, muss der Therapeut unterstützend durch endotracheales Absaugen eingreifen.
Nasenmaske/Full-Face-Maske Bei selbstständig atmenden Patienten kann die Umgebungsluft mithilfe verschiedener Nasen- oder Full-Face-Masken durch Sauerstoffkonzentratoren mit Sauerstoff angereichert werden. Die Masken wurden für akute Situationen entwickelt, in denen keine invasive Beatmung (NIV) indiziert ist. Sie sind in der Klinik und zuhause einsetzbar, vor allem, wenn Verdacht auf eine Mundleckage besteht.
4.8
Literatur
1. Halle M, Heitmann RH, Kenn K, Petro W, Schultz K (2008) Bedeutung und Methodik von körperlichem Training bei COPD. Pneumologie 62: 1–17 2. Köhler D (2002) Die überbewertete Hypoxämie. Pneumologie 56: 408–412 3. Köhler D, Greib C, Holland A, Schäfer H, von Wichert P (2001) Therapeutische Optionen bei chronisch ventilatorischer Insuffizienz. Internist 42: 363–372 4. Köhler D (2005) CaO2-Wert zur Beurteilung der Sauerstoff-Organversorgung. Deutsches Ärtzteblatt 102: 28–29 5. Breuer HWM (2004) Spiroergometrie – Vorschläge zur Standardisierung und Interpretation. Pneumologie 58: 553–565 6. Boemke W, Krebs MO, Rossaint R (2004) Blutgasanalyse. Anaesthesist 53: 471–494 7. De Troyer A, Leeper JB, McKenzie DK, Grandevia SC (1997) Neural drive to the diaphragm in patients with severe COPD. Am J Respir Crit Care Med 155: 1335–1340 8. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2) Organsysteme verstehen. Thieme, Stuttgart 9. Gilad O, Swenne C A, Davrath LR, Akselrod S (2005) Phase-averaged characterization of respiratory sinus arrhythmia pattern. Am J Physiol Heart Circ Physiol 288: 504-510 10. Pfeifer M (2006) COPD – nicht medikamentöse Therapie. Urban & Vogel, München; 101: 293–300 11. Richardson RS, Sheldon J, Poole DC, Hopkins SP, Ries AL, Wagner PD (1999) Evidence of skeletal muscle metabolic reserve during whole body exercise in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 159: 881–885 12. Nocturnal Oxygen Therapy Trial Group (1980) Continuous or nocturnal oxygen therapy in hypoxemic chronic obstructive lung disease: a clinical trial. Ann Intern Med 93: 391-398 13. Tarpy SP, Celli BR (1995) Long-term oxygen therapy. N Engl J Med 333: 710–714 14. Medical Research Council Working Party (1981) Long term domiciliary oxygen therapy in chronic hypoxic cor pulmonale complicating chronic bronchitis and emphysema. Lancet 1: 681–686 15. Zielinski J, Tobiasz M, Hawrylkiewicz I, Sliwinski P, Palasiewicz G (1998) Effects of longterm oxygen therapy on pulmonary hemodynamics in COPD patients: a 6-year prospective study. Chest 113: 65-70 16. Vogelmeier C, Buhl R, Criee CP, Gillissen A, Kardos P, Köhler D, Magnussen H, Morr H, Nowak D, Pfeiffer-Kascha D, Petro DW, Rabe K, Schultz K, Sitter H, Teschler H, Welte T, Wettengel R, Worth HC (2007) Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie 61: 1–40 17. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie. Wissenschaftliche Sektion: Klinische Pneumologie. Federführend: Magnussen H, unter
33 4.8 · Literatur
18. 19.
20. 21.
22. 23. 24.
Mitarbeit von Goeckenjan G, Köhler D, Matthys H, Morr H, Worth H, Wuthe H (2001) Leitlinien zur Sauerstoff-Langzeittherapie. Pneumologie 55: 454–464 Ottesen J (1997) Modelling of the baroreflex-feedback mechanism with time delay. J Math Biol 36(1): 41–63 Muenter NK, Watenpaugh DE, Wasmund WL, Wasmund SL, Maxwell SA, Smith ML (2000) Effect of sleep restriction on orthostatic cardiovascular control in humans. J Appl Physiol 88(3): 966–972 Köhler D, Schönhofer B, Haidl P, Kemper P (2000) Ursache und Therapie der Hyperkapnie. Pneumologie 54: 434–439 Emtner M, Porszasz J, Burns M (2003) Benefits of supplemental oxygen in exercise training in nonhypoxemic chronic obstructive pulmonary disease patients. Am J Respir Crit Care Med 168: 1034– 1042 Calzia E, Radermacher P (1999) Klinische Bedeutung von Ventilations- und Perfusionsbeziehungen. Intensivmed 36 suppl I: 9–12 Klinke R, Pape HK, Sibernagl S (2005) Physiologie. Thieme, Stuttgart New York Groscurth P (2004) Histologie-Atlas. Urban & Fischer, München
4
5 5 Der Säure-Basen-Haushalt A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
5.1
Rolle des Atemsystems bei der Energiegewinnung – 34
5.4
Ausschlussdiagnostik zur Feststellung einer respiratorischen Insuffizienz – 37
5.2
Puffersysteme zur Aufrechterhaltung der physiologischen Homöostase – 35
5.5
Chronisch-respiratorische Insuffizienz
5.6
Literatur
5.3
Einfluss der Atmung auf die physiologische Homöostase – 35
5.1
Rolle des Atemsystems bei der Energiegewinnung
Die intermittierenden Verschlechterungen durch akute Exazerbationen haben bei der COPD großen Einfluss auf Prognose und Lebensqualität. Daher sind die diagnostische Erfassung akuter Exazerbationen und deren Gewichtung in Bezug auf den Schweregrad der Erkrankung wichtig. Die Einschätzung stützt sich erster Linie auf klinische Beobachtungen, eine Lungenfunktionsprüfung allein ist nicht ausreichend. In diesem Kapitel wird die Bedeutung der gemessenen Blutgasanalyseparameter beschrieben, die für die Evaluation von Säure-Basen-Haushalt und Oxygenierungsstatus des arteriellen Blutes wichtig sind. Abschließend wird auf die Konsequenzen für die Physiotherapie eingegangen. Die Funktion aller Körperzellen ist an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, für die der Organismus als Stell- und Regelgröße bestimmte Kompensationsmechanismen bereitzustellen hat. Neben der Regulierung der Körpertemperatur muss vor allem der pH-Wert des Blutes in einem relativ engen Bereich geführt werden. Extreme Veränderungen, die von der engen Bandbreite abweichen (normaler pH-Wert 7,36–7,44), können das enzymatische System des Körpers hemmen und schnell zum Tod führen. Daher hat der Körper mehrere Möglichkeiten, um auf Schwankungen des pH-Wertes von Blut oder Gewebe zu reagieren bzw. diese primär durch sog. Puffersysteme zu verhindern. Das Atemsystem ist direkt in den Säure-Basen-Haushalt eingebunden und für einige wichtige Stellgrößen verantwortlich.
– 38
– 39
Die Metabolisierung von Glukose (C6H12O6(s)) läuft innerhalb des Zitronensäurezyklus ab, dessen biochemische Struktur in diesem Buch nicht weiter behandelt werden soll. Glukose wird in diesen Zyklus eingeschleust und in Adenosintriphosphat (ATP) oder Kreatintriphosphat (KTP) als Energiederivat umgewandelt. ATP und KTP dienen den Zellen als energiereiches Substrat. > Wichtig Die Funktionen der Atmung bei der Energiegewinnung sind: 4 Aufnahme von O2 (Sauerstoff ) in das Blut und 4 Abgabe des Verbrennungsprodukts CO2 (Kohlendioxid) an die Umgebung.
Die menschlichen Körperzellen sind auf eine ständige Sauerstoffzufuhr und einen konstanten Abtransport des verbrauchten Sauerstoffs in Form von Kohlendioxid angewiesen. Definition Der Stoffwechsel, auch Metabolismus genannt, ist eine Sammelbezeichnung für alle Vorgänge, die in den Zellen eines Lebewesens ablaufen, um Energie umzusetzen, sich am Leben zu erhalten und sich zu teilen. Alle Lebewesen sind von vielen gleichzeitig ablaufenden, genau gesteuerten biochemischen Stoffwechselreaktionen abhängig – beginnend mit der Entstehung des Organismus über Wachstum bis hin zum Sterben.
5
35 5.3 · Einfluss der Atmung auf die physiologische Homöostase
5.1.1 Energiegewinnung
trägt 10-14 (mol/l)2 (Konzentration beider Ionenanteile), die Konzentration der H+-Ionen mit 10-7 (mol/l) genau die Hälfte. Daraus lassen sich nachfolgende Definitionen ableiten.
Aerobe Energiegewinnung > Wichtig
Definition
Aerobe Energiebereitstellung (Zitronensäurezyklus): C6H12O6 (s)+6O2 (g) = 6H2O(l)+6CO2 (g) (+38 ATP)
4 Reines Wasser: pH-Wert ist exakt 7. 4 Saure Lösung: pH-Wert<7. 4 Alkalische Lösung: pH-Wert>7.
(5.1)
C: Kohlenstoff H: Wasserstoff O: Sauerstoff ATP: Adenosintriphosphat; energiereiches Molekül in lebenden Organismen
Bei der aeroben Energiegewinnung kann also 18- bis 19-mal so viel ATP gewonnen werden wie bei der anaeroben Glykolyse.
Der Blut-pH-Wert liegt leicht im basischen Bereich, zwischen 7,36–7,45. Damit der pH-Wert von Blut und Gewebe im physiologischen Bereich von 7,4 gehalten werden kann, müssen spezielle Puffersysteme für eine rasche Eliminierung von unproportionalen alkalischen oder sauren Anteilen sorgen [1].
Anaerobe Energiegewinnung Die anaerobe Energiebereitstellung (Bildung von ATP ohne Verbrauch von Sauerstoff) erfolgt durch unvollständige Verbrennung von Glukose unter Bildung von Laktat (Milchsäure), das sich in der beanspruchten Muskulatur anhäuft und zu einer schmerzhaften Übersäuerung führt. Die Übersäuerung ist letztendlich leistungslimitierend, da im sauren Milieu weitere Muskelkontraktionen gehemmt werden, was zu einem Leistungsabbruch führt. In welchem Ausmaß die beiden Energiequellen verwendet werden, hängt davon ab, wie schnell, wie viel und wie lange Energie im Muskel bereitgestellt werden soll bzw. kann – mit anderen Worten, wie intensiv und wie lange die körperliche Belastung erfolgt.
5.2.1 Funktionsweise der Puffer
> Wichtig
Zur Aufrechterhaltung des arteriellen pH-Wertes gibt es verschiedene Puffersysteme; wichtigste Vertreter sind: 4 CO2-/HCO3--Puffer und 4 Hämoglobin-/Protein-Puffer (Nicht-Bikarbonat-Puffer).
Anaerobe Energiebereitstellung (Zitronensäurezyklus): C6H12O6 (s) = Milchsäure (+2 ATP)
(5.2)
ATP-Aufspaltung Durch die Aufspaltung von ATP in ADP und Phosphat wird Energie gewonnen. In ATP ist Adenosin mit 3 Phosphatmolekülen (P) verknüpft. Die Verbindungen zu den 2 äußeren Phosphatmolekülen sind energiereich und geben bei Hydrolyse eine Energie von etwa 30–35 kJ frei. Die freigesetzte Energie steht den Zellen frei zur Verfügung und ermöglicht die Kontraktion der Muskelfasern. > Wichtig Energiegewinnung: ATP → ADP+P+Energie
5.2
Puffersysteme zur Aufrechterhaltung der physiologischen Homöostase
Der pH-Wert einer Lösung gibt die Konzentration von Wasserstoff-Ionen an (H+-Ionen in 10-logarithmischer Form). Anhand des pH-Wertes wird die Relation der sauren zu den alkalischen Anteilen definiert: Bei neutralem Wasser halten sich die H+-Ionen und deren alkalische Gegenspieler, die OH-Ionen, im Gleichgewicht. Das Ionenprodukt von Wasser be-
Ein Puffer ist die Kombination von einer schwachen Säure mit einer Base oder von einem Salz dieser Säure mit einer Base. Kennzeichnend für eine Säure ist, dass sie Wasserstoff-Ionen (H+-Ionen) abgeben kann. Eine Base hingegen kann Wasserstoff-Ionen (H+-Ionen) binden. Auf diese Weise bleibt der pHWert weitgehend konstant. > Wichtig Puffersystem: Puffer+H+-Ionen → Puffer (H)
(5.3)
Beide Puffer wirken als offene, miteinander verknüpfte Regelkreise.
5.3
Einfluss der Atmung auf die physiologische Homöostase
Im arteriellen Blut wird der Säure-Basen-Haushalt (pH-Wert) bestimmt durch 4 den Gasdruck von Sauerstoff (paO2) und Kohlendioxid (paCO2), 4 die Standardkonzentration von Bikarbonat. Die Bikarbonatkonzentration gibt Auskunft über die ventilatorische Kapazität (VK) und die Diffusionskapazität (DK), d.h., ob ausreichend Sauerstoff aufgenommen bzw. Kohlendioxid abgegeben wird [1, 2]. Homöostase bei körperlicher Belastung Bei körperlicher Belastung und einer Muskelaktivität mit anaerober Energiebereitstellung werden vermehrt Metaboliten wie Laktat und H+-Ionen freigesetzt, was den pH-Wert herabsetzt. Physiologisch kann das bei überdosierter Arbeits-
36 Kapitel 5 · Der Säure-Basen-Haushalt
intensität auftretende Gefühl von dicken Armen, schweren Beinen und sauren Muskeln mit der Akkumulation von H+-Ionen in Verbindung gebracht werden. Fallen vermehrt Protonen (H+-Ionen) im Zellstoffwechsel an, so werden diese durch Bikarbonat (HCO3--Puffer) neutralisiert bzw. gepuffert, wodurch sich der pH-Wert geringgradig verändert. Dabei entsteht Kohlensäure (H2CO3), die in Wasser und CO2 umgewandelt wird. Das Kohlendioxid wird über die Lunge abgeatmet.
5
Abatmung des Kohlendioxids Wesentlich für die CO2-Elimination ist demnach eine effektive alveoläre Ventilation (VA)1: Je besser die alveoläre Ventilation, desto mehr Frischgas erreicht die Alveolen, so dass Diffusion und CO2-Abatmung entlang des Partialdruckgefälles vom pulmonal-kapillaren Blut zu den Alveolen gefördert werden [15]. Da im Blut CO2 in Form von HCO3- (Bikarbonat) zu etwa 85% chemisch gebunden ist, muss zuerst die Verbindung in den Erythrozyten gelöst werden, bevor es als Gas in die Alveolen diffundieren kann. Diese chemische Reaktion wird durch das Enzym Karboanhydrase stark beschleunigt.
4 normale alveoläre Ventilation als Normoventilation, 4 gesteigerte alveoläre Ventilation als Hyperventilation und 4 verminderte alveoläre Ventilation als Hypoventilation. Eine Hypo- bzw. Hyperventilation kann über die arterielle Blutgasanalyse diagnostiziert werden, wobei die Werte mit dem normalen CO2-Partialdruck (paCO2) von 37–43 mmHg (bzw. 4,9–5,7 kpa) verglichen und ggf. als vermindert (<37 mmHg) bzw. erhöht (>43 mmHg) eingestuft werden.
5.3.1 Respiratorische Azidose Der CO2-Partialdruck hat einen direkten Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt des arteriellen Blutes [10]. Aus der Henderson-Hasselbach-Gleichung [3, 6–9] kann abgeleitet werden, dass der pH-Wert des Blutes maßgeblich vom Verhältnis zwischen HCO3- und CO2 bestimmt wird. > Wichtig Henderson-Hasselbach-Gleichung: pH = pK+Log HCO3-/CO2
(5.5)
> Wichtig Das Kohlensäure-Bikarbonat-Puffersystem ist folgendermaßen definiert: H++HCO3- = H2CO3 = CO2 (g)+H2O(l) (5.4) C: Kohlenstoff H: Wasserstoff O: Sauerstoff CO2 kann als Säure (H+-Ion) und HCO3- als korrespondierende Base aufgefasst werden
Die Atmung spielt also bzgl. der Homöostase des menschlichen Körpers eine bedeutende Rolle, da sie sowohl willkürlich als auch automatisch zur Regulierung der CO2-Konzentration im Blut eingesetzt werden kann. Definition Homöostase bezeichnet das Gleichgewicht zwischen intra- und interzellulären Substanzen (»milieu intérieur«) bei den physiologischen und hormonellen Prozessen im Körper.
Physiologischerweise wird genau soviel CO2 über die Lungen abgeatmet wie bei der Glykolyse produziert wird (ca. 15.000– 20.000 mmol/Tag). Durch diesen Mechanismus werden sowohl paCO2- als auch pH-Wert auf gleichem Niveau gehalten. Besteht im Blut ein Überschuss an H+-Ionen, so werden diese durch Bikarbonat-Ionen gepuffert. Man bezeichnet eine im Verhältnis zu den metabolischen Bedürfnissen stehende 1 Im Übrigen ist der Übergang von der flüssigen in die gasförmige Phase, also der Wechsel von Flüssigkeit in Luft und umgekehrt, für CO2 bedeutend einfacher als für O2. CO2 löst sich leichter in Wasser, wie wir durch das Öffnen von Flaschen mit kohlensäurehaltigen Kaltgetränken (Sprudel) wissen.
Die Gleichung wird zur Berechnung des Blut-pH-Wertes genutzt. Die Formel macht deutlich, dass zum einen der Gasaustausch der Lungen und zum anderen die Ausscheidung über die Nieren für einen konstanten Säure-Basen-Haushalt sorgen. Durch Abgabe der sauren bzw. alkalischen Valenzen können Blutgase und pH-Wert innerhalb der physiologischen Grenzen gehalten werden. Störungen des Säure-Basen-Haushalts Störungen des Säure-Basen-Haushalts können ihre Ursache in der Atmung (respiratorische Insuffizienz bzw. respiratorisch bedingte Azidose), den Nieren oder der Leber haben (metabolische Insuffizienz): 4 Bei einer respiratorischen Insuffizienz ist es möglich, Störungen des Säure-Basen-Haushalts durch die renale Eliminierung von Bikarbonat ganz oder teilweise wiederherzustellen (kompensierte bzw. teilkompensierte respiratorische Insuffizienz). 4 Umgekehrt kann eine metabolische Insuffizienz durch Änderung des pCO2 über eine Steigerung bzw. Reduktion der alveolären Ventilation ganz bzw. teilweise kompensiert werden. Definition Eine respiratorische Azidose ist eine atmungsbedingte Übersäuerung des Blutes. Die häufigste Ursache ist eine verminderte Ventilation (Abatmung) von Kohlendioxid, wodurch sich H+-Ionen im Körper ansammeln, z.B. bei chronischen Lungenerkrankungen und/oder anderen Ursachen einer verminderten Atmung.
37 5.4 · Ausschlussdiagnostik zur Feststellung einer respiratorischen Insuffizienz
5.3.2 Ursachen einer respiratorischen
Azidose Die respiratorische Azidose beruht auf einer verminderten CO2-Abatmung. Mögliche Ursachen sind in 7 Übersicht 5.1 aufgelistet [10]. . Übersicht 5.1. Ursachen einer respiratorischen Azidose 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Missverhältnis zwischen alveolärer Perfusion und Ventilation Mechanische Behinderung der Ventilation (Obstruktion) Erkrankungen der Atemwege, z.B. COPD, Lungenfibrose Herzinsuffizienz Neuromuskuläre Erkrankungen, z.B. Lähmung der Atemmuskulatur Schwere Kyphoskoliose Störung der Blutversorgung, z.B. Lungenembolie, pulmonale Stauung Medikamentös bedingte Hypoventilation oder Intoxikation, z.B. durch Sedativa, Narkotika Diffusionsstörungen (selten, da CO2 gut diffundiert)
5.3.3 Renale Kompensation einer
respiratorischen Azidose Die Anpassung der Nieren zur Kompensation einer respiratorischen Störung kann mehrere Tage beanspruchen. Wenn die Nieren normal funktionieren bzw. nicht an der Entstehung einer Azidose (bei einer respiratorischen Insuffizienz) beteiligt sind, kann die Kompensation eine Normalisierung des arteriellen pH-Wertes bringen. Nach einer Latenzzeit reagiert die Niere auf die bestehende Azidose mit 4 einer gesteigerten Bikarbonat-Rückresorption und 4 einer gesteigerten Ausscheidung von H+-Ionen. Bei einer länger bestehenden chronisch-respiratorischen Insuffizienz wird die Azidose metabolisch kompensiert (Beginn nach einigen Stunden, Maximum nach 4 Tagen). Der arterielle pH-Wert normalisiert sich, indem alkalische Valenzen (HCO3-) zurückgehalten und vermehrt H+-Ionen eliminiert werden (renale oder metabolische Kompensation) (. Abb. 5.1). > Wichtig lm Blut erkennt man eine chronisch-respiratorische Azidose an einem 4 erhöhten CO2-Wert, 4 normalen (bzw. kompensierten) pH-Wert, 4 erhöhten HCO3- Wert und 4 meist niedrigen O2-Wert.
. Abb. 5.1. Gleichgewicht des Säure-Basen-Haushalts: Kohlensäure-Bikarbonat-Puffersystem mit renaler (rechts) und respiratorischer Kompensation (links) (van Gestel 2009)
5.3.4 Zusammenfassung Störungen des Säure-Basen-Haushalts lassen sich entsprechend der pH-Wert-Änderung unterteilen in 4 Azidosen (pH-Wert erniedrigt) und 4 Alkalosen (pH-Wert erhöht).
Entsprechend dem auslösenden Faktor spricht man von metabolisch oder respiratorisch bedingten Störungen der Homöostase. Eine Überprüfung und Differenzierung der respiratorischen bzw. metabolischen Insuffizienz kann über die Blutgasanalyse erfolgen. Die arteriellen Blutgase sind ein wichtiger Verlaufsparameter der Lungenfunktion. Sie geben gleichermaßen Ventilations-, Diffusions-, Perfusions- und Verteilungsstörungen wider. Der Vorteil ist, dass die Blutgaswerte durch die zusätzliche Information über den metabolischen bzw. respiratorischen Kompensationszustand Hinweise auf den tatsächlichen Zustand des Patienten geben.
Ausschlussdiagnostik zur Feststellung einer respiratorischen Insuffizienz
5.4
Die einzelnen Schritte der Ausschlussdiagnostik zur Analyse und Interpretation einer respiratorischen Insuffizienz (RI) sind in 7 Übersicht 5.2 zusammengefasst. . Übersicht 5.2. Diagnostikvorgehen zur Feststellung einer respiratorischen Insuffizienz Hypoventilation/respiratorische Insuffizienz? Respiratorisch bedingte Störungen sind u.a. an einem veränderten paCO2-Wert zu erkennen: 4 Wird zu wenig Luft abgeatmet, steigt der arterielle paCO2-Wert. 4 Ist der gemessene paCO2-Wert höher als der Normwert von 37–43 mmHg, liegt eine Hypoventilation 6
5
38 Kapitel 5 · Der Säure-Basen-Haushalt
vor, die den pH-Wert im arteriellen Blut negativ beeinflussen kann. Respiratorische Azidose/Störung des Säure-BasenGleichgewichts? 4 Liegt neben dem erhöhten paCO2-Wert ein zu niedriger pH-Wert vor, spricht man von einer respiratorischen Azidose. 4 Ventilatorische Insuffizienz und respiratorische Azidose ergeben: paCO2-Wert>43 mmHg und pHWert<7,3 [4, 5].
5
Chronische oder akute respiratorische Insuffizienz? Nur bei einer chronisch-respiratorischen Insuffizienz wird der arterielle pH-Wert durch ein Zurückhalten der Base Standardbikarbonat (HCO3-) und eine vermehrte Eliminierung von H+-Ionen (renale Kompensation) in der Niere ausgeglichen. In diesem Fall finden sich ein erhöhter HCO3-Wert und ein positiver Basenüberschuss (»base excess«) [3, 10]. Ein Basenüberschuss ist ein Parameter für das Säure-Basen-Gleichgewicht und deutet auf eine metabolisch kompensierte respiratorische Azidose hin. 4 Ein erhöhter paCO2-Wert in Verbindung mit einem erniedrigten pH-Wert ist das Kennzeichen einer akuten (nicht kompensierten) respiratorischen Azidose. 4 Ein erhöhter paCO2-Wert in Verbindung mit einem normalen pH-Wert und einer erhöhten Bikarbonatkonzentration ist das Kennzeichen einer chronischen (kompensierten) respiratorischen Azidose.
5.5
Chronisch-respiratorische Insuffizienz Typ I Die chronisch-respiratorische Insuffizienz (RI) (. Abb. 5.2) geht anfangs mit einer Verminderung des arteriellen O2-Wertes (<65–70 mmHg, arterielle Hypoxämie) bei normalem (Normokapnie) oder erniedrigtem paCO2 einher und wird als chronisch-respiratorische Insuffizienz Typ I oder respiratorische Partialinsuffizienz (RPI) bezeichnet. > Wichtig Bei der chronisch-respiratorischen Insuffizienz Typ I ist die alveoläre Ventilation erhalten, jedoch ist der Gasaustausch an der Alveolarmembran behindert.
Von Veränderungen der Diffusionskapazität ist hauptsächlich der arterielle O2-Wert betroffen, da die Unterschiede zwischen dem Partialdruck in Blut und Atemluft gering sind. Für CO2 hingegen ist dieser Gradient größer, so dass sich eine Veränderung der Diffusionskapazität nicht so schnell nachteilig auswirkt. Im Übrigen ist der Übergang von CO2 aus Flüssigkeit in die Atemluft und umgekehrt bedeutend einfacher als für O2. Chronisch-respiratorische Insuffizienz Typ II Wenn bei COPD-Patienten erst unter Belastung eine Hypoxämie vorliegt, wird dieser Zustand als latente respiratorische Partialinsuffizienz (CPIL) bezeichnet. Die Belastungshypoxämie gilt als Vorläufer einer manifesten RPI und hat daher wichtigen prognostischen Wert. Sowohl bei der chronischobstruktiven Bronchitis als auch beim Lungenemphysem kann im späteren Verlauf eine Hypoxämie in Ruhe entstehen (manifeste respiratorische Partialinsuffizienz). Das Verhältnis von Belastung und Leistungsfähigkeit der Atempumpe wird im weiteren Krankheitsverlauf zunehmend zu ungunsten einer erhöhten Last verschoben [14]. Bei einer chronisch-respiratorischen Insuffizienz entsteht im weiteren Verlauf eine chronisch-respiratorische Insuffizienz Typ II oder respiratorische Globalinsuffizienz (CGI).
Chronisch-respiratorische Insuffizienz Definition Unter einer chronisch-respiratorischen Insuffizienz (CRI) versteht man eine Störung des Gasaustausches in der Lunge bzw. eine Störung des Atmungssystems mit pathologisch veränderten Blutgaswerten: 4 Eine Verminderung des arteriellen paO2 unter den altersabhängigen Grenzwert von 70 mmHg (arterielle Hypoxämie) bei normalem bis erniedrigtem paCO2 wird als respiratorische Partialinsuffizienz (RPI, auch Diffusionsinsuffizienz) bezeichnet. 4 Eine zusätzliche Erhöhung des paCO2>43 mmHg (Hyperkapnie) wird als respiratorische Globalinsuffizienz (RGI, auch Ventilationsinsuffizienz) bezeichnet.
Der diagnostischen Schweregraderfassung der respiratorischen Insuffizienz kommt im Behandlungsverlauf von COPD-Patienten eine große Bedeutung zu. Man kann zwei Typen unterscheiden.
. Abb. 5.2. Hyperkapnie als Indikator für die Überlebensrate (»cumulative survival« in %) bei 85 COPD-Patienten. Gepunktete Linie Zeitweise auftretende Hypoxämie und Hyperkapnie bei Zuweisung. Durchgehende Linie Hypoxämie ohne Hyperkapnie. Gestrichelte Linie Persistierende Hyperkapnie. Die Überlebenskurve für COPD-Patienten mit persistiernder Hyperkapnie ist deutlich schlechter als die beiden anderen Kurven; sie zeigt eine mittlere Überlebensrate von 1–2 Jahren an
5
39 5.6 · Literatur
> Wichtig . Tab. 5.1. Normwerte der arteriellen und venösen Blutgase (BGA)
Die chronisch-respiratorische Insuffizienz Typ II ist bei Ventilations- und Zirkulationsstörungen anzutreffen, da kein normaler Gasaustausch zustande kommt und somit CO2 retiniert wird.
Bei Chronifizierung der Erkrankung kann das CO2 infolge der alveolären Hypoventilation nur unzureichend abgeatmet werden, und neben der Hypoxämie entsteht zusätzlich eine Hyperkapnie (Erhöhung des paCO2>43 mmHg). In Ruhe bezeichnet man dies als manifeste, bei Belastung als latente respiratorische Globalinsuffizienz . Der erhöhte arterielle paCO2 (Hyperkapnie) senkt den arteriellen pH-Wert (respiratorische Azidose) [12]. Diese respiratorisch bedingten Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts sind vor allem an einem veränderten paCO2-Wert festzumachen (. Abb. 5.3). Das Ausmaß der Hyperkapnie gilt als Index für den Schweregrad der respiratorischen Globalinsuffizienz [13]. Tipp
Parameter
Arterien
Venen
pH
7,36–7,44
7,33–7,38
paCO2
37–43 mmHg
41–51 mmHg
p aO 2
70–105 mmHg
35–40 mmHg
O2-Sättigung
95–98%
70–75%
Bikarbonat
22–26 mmol/l
o.B.
Blutgaswerte In . Tab. 5.1 sind die Normwerte der Blutgase in den Arterien und Venen aufgeführt [1]. > Wichtig Der altersabhängige O2-Gehalt im arteriellen Blut (paO2[a]) wird nach folgender Formel berechnet:
Hyperkapnie im Schlaf und bei Belastung (latente respiratorische Globalinsuffizienz) gilt als ein Frühsymptom einer manifesten chronischen alveolären Ventilationsstörung (manifeste respiratorische Globalinsuffizienz).
! Cave Bei COPD-Patienten ist die Reizschwelle der CO2-Chemorezeptoren erhöht, bevor reflektorisch eine Steigerung der Ventilation erfolgt (permissive Hyperkapnie). Dies scheint eine schützende Reaktion auf die erhöhte Belastung der Atmungsmuskulatur zu sein, so dass Verletzungen der Inspirationsmuskeln durch Überbelastung vermieden werden.
paO2(a) (mmHg) = 102 - 0,33×Lebensjahre 95%-Konfidenzintervall: ±10 mmHg
(5.6)
paO2(a) (kpa) = 13,6 - 0,044×Lebensjahre 95%-Konfidenzintervall: ±1,33 kpa
(5.7)
7 Übersicht 5.3 gibt eine zusammende Gegenüberstellung der
beiden respiratorischen Insuffizienz-Typen. . Übersicht 5.3. Charakteristika der InsuffizienzTypen Respiratorische Insuffizienz Typ I (Partialinsuffizienz) 1. paO2 niedrig 2. paCO2 normal (alveoläre Ventilation erhalten) → 3. Hypoxämie, aber keine Hyperkapnie (Normokapnie) Respiratorische Insuffizienz Typ II (Globalinsuffizienz) 1. paO2 niedrig 2. paCO2 erhöht (alveoläre Ventilation behindert) → 3. Hypoxämie und Hyperkapnie Bei einer Azidämie ist der arterielle pH-Wert<7,36, bei einer Alkalämie>7,45
5.6
. Abb. 5.3. Beispielhafter Verlauf einer chronisch-respiratorischen Insuffizienz bei COPD: Anfangs besteht meist eine respiratorische Partialinsuffizienz mit Hypoxämie, aber keine Hyperkapnie (Normooder Hypokapnie); später entwickelt sich infolge des Versagens der Atempumpe eine respiratorische Globalinsuffizienz (RGI) mit Hypoxämie und Hyperkapnie
Literatur
1. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (3) Therapie, Training, Tests. Thieme, Stuttgart 2. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2) Organsysteme verstehen. Thieme, Stuttgart 3. DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Approach. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 4. Frownfelter D (1996) Arterial Blood Gases, 3 rd ed. Mosby Yearbook, St. Louis, Mo
40 Kapitel 5 · Der Säure-Basen-Haushalt
5
5. Shapiro BA (1994) Evaluation of blood gas monitors: performance criteria, clinical impact, and cost/benefit. Critical Care Medizin 22(4): 546–548 6. Williams AJ (1989) ABC of oxygen: assessing and interpreting arterial blood gases and acid-base balance. BMJ 317: 1213 7. Shapiro BA, Peruzzi WT, Kozelowski-Templin R (1994) Clinical application of blood gases, 5th ed. Mosby Yearbook, St. Louis, Mo 8. Andres JL, Copeland BE, Sarah RM (1981) Arterial gas standards for healthy young non-smoking subjects. Am J Clin Path. 75(6): 773 9. Bernards JA, Bouman LN (1994) Fysiologie van de mens. Bohn Stafleu van Loghum, Houten Diegem 10. Bloch KE, Russi EW (2003) Störungen der Ventilation. Schweiz Med Forum 4: 73–79 11. Lindemann H (1998) Respiratorische Insuffizienz und Sauerstofftherapie. Monatsschr Kinderheilkd 146: 896–903 12. Schönhofer B (2006) Heimbeatmung bei chronisch ventilatorischer Insuffizienz unter besonderer Berücksichtigung der Notfallmedizin. Notfall Rettungsmed 9: 425–436 13. Köhler D, Greib C, Holland A, Schäfer H, Wichert P v (2001) Therapeutische Optionen bei chronisch ventilatorischer Insuffizienz. Internist 42: 363–372 14. Boemke W, Krebs MO, Rossaint R (2004) Blutgasanalyse. Anaesthesist 53: 471–494
6 6 Chronische Überblähung bei COPD: Einfluss auf die Funktion der primären Atemmuskulatur A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
6.1
Unvollständige Exspiration
6.2
– 42
6.6
Atemimpedanz bei COPD-Patienten
Chronische Überblähung: Längenadaptation der Atemmuskeln – 42
6.7
Kompensationsmechanismen bei persistierender respiratorischer Insuffizienz – 47
6.3
Kontraktur des Zwerchfells
6.8
Zusammenfassung
6.4
Unspezifische Aktivierung der Atempumpe – 46
6.9
Literatur
6.5
Morphologische und vasomotorische Veränderungen des Zwerchfells: Folge der chronischen Überblähung – 46
– 44
Die Atmung ist die einzige Vitalfunktion, die willkürlich beeinflussbar ist. Für die Sauerstoffversorgung der peripheren Gewebe und die pH-Regulation des arteriellen Blutes ist nicht nur der Zustand von Lunge und Kreislauf entscheidend, sondern auch die Leistung der Atempumpe. Der Gesamtapparat der Atempumpe besteht aus den in 7 Übersicht 6.1 zusammengefassten Facetten. Die Atempumpe erfordert eine koordinierte Zusammenarbeit aller Einzelfacetten, und sie spielt eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung der körpereigenen Homöostase. . Übersicht 6.1. Facetten des Gesamtapparates der Atempumpe 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Zwerchfell Mm. scaleni Interkostal- und Atemhilfsmuskulatur Knöcherner Thorax Atemzentrum Innervation (wichtigster Vertreter ist N. phrenicus) Verlängertes Rückenmark (Medulla oblongata)
Entwicklung einer chronischen Überblähung Aus pathophysiologischer Sicht ist die COPD charakterisiert durch eine chronisch-progressive, exspiratorische Flussbehinderung, verursacht durch chronische endo- und exobronchiale Obstruktionen der unteren Atemwege.
– 47
– 47
– 48
Im fortgeschrittenen Stadium resultiert aus 4 der peripheren Atemwegsobstruktion, 4 den Parenchymveränderungen (massive Zerstörung der Epithelzellen durch neutrophile Granulozyten als Folge der krankheitsbedingten Entzündungsprozesse) und 4 den Umbauprozessen im pulmonalen Gefäßsystem ein gestörter Gasaustausch. Dieser emphysematöse Umbauprozess kann wesentlich zur exspiratorischen Atemflusslimitation beitragen. Die Zerstörung der Alveolarwände ist mit einem Elastizitätsverlust des Parenchyms verbunden, so dass die erforderliche alveolare Retraktionskraft für die Exspiration vermindert ist und die Kompression der kleinen Atemwege durch das umgebende Parenchym begünstigt wird. Durch die unvollständige Exspiration verschiebt sich die Atemruhelage im inspiratorischen Reservevolumen hin zu höheren Volumina [1, 2]. Es kommt zu einer permanenten Größenzunahme (emphysematöse Überblähung der Lunge bzw. Überblähung; lat. Volumen pulmonum auctum) des lufthaltigen Lungenraumes distal der terminalen Bronchien (»airtrapping«). Die strukturellen Schäden von Lunge und Atemwegen bewirken neben der Lungenüberblähung einen chronischen Überblähungszustand (CHI) des gesamten Atembewegungsapparates und einen erhöhten intrinsischen PEEP (»positive end-expiratory pressure«). Es kommt zu einer massiven Einbuße der Leistungsfähigkeit des Patienten, was eine zusätzliche Abschwächung der Atemmuskulatur, eine Dyspnoe und tracheobronchiale Sputumretention bei unzureichendem Hustenstoß zur Folge hat [22]. Zur Sicherstellung der zellulären Funktion vitaler Organe werden unbewusst Kompensationsmechanismen initiiert.
42 Kapitel 6 · Chronische Überblähung bei COPD: Einfluss auf die Funktion der primären Atemmuskulatur
6 . Abb. 6.1. Generierung eines intrinsischen PEEP am Ende der Exspiration (van Gestel 2009)
. Abb. 6.2. Druck-Volumen-Kurve des respiratorischen Systems (modifiziert nach Oczenski 2006 [42], van Gestel 2009)
Eine bestehende Hypoxämie führt zu Immobilisation und Bewegungsmangel, was zu einer körperlichen Dekonditionierung führt und eine weitergehende Morbidität mit Einschränkung von Aktionsradius und Lebensqualität (»quality of life«) verursacht. Es kann notwendig sein, dass eine SauerstoffLangzeittherapie oder künstliche Beatmung zum Einsatz kommt, was die Prognose der Patienten schmälert und ein Fortschreiten der Erkrankung anzeigt. Auch bei Gesunden gibt es viele verschiedene Faktoren, die den systemischen Sauerstofftransport beeinflussen. Man nimmt an, dass das maximale Herzschlagvolumen der wesentliche limitierende Faktor der Sauerstoffversorgung ist [50]. Bei Patienten mit COPD ist dies anders; diese dekompensieren aufgrund eines Versagens der gesamten Atempumpe. Ziel dieses Reviews ist es, den vielfachen Einfluss der chronischen Überblähung bei COPD-Patienten auf die Zwerchfellfunktion zu unterstreichen und systematisch darzustellen.
Verschiebt sich die Ruheatmung in das inspiratorische Reservevolumen, so steigt die funktionelle Residualkapazität auf Kosten der Vitalkapazität. Bleibt die Atmung in Atemmittellage, so steht für die Exspiration zu wenig Zeit zur Verfügung. Die unvollständige Exspiration führt zu Airtrapping
6.1
und damit zu einer emphysematösen Überblähung der Lungen und des gesamten Atembewegungsapparates [1, 2, 3, 4] (. Abb. 6.2).
6.2
Chronische Überblähung: Längenadaptation der Atemmuskeln
Bei chronischer Hyperinflation (CHI, lat. Volumen pulmonum auctum) kommt es zu einer Thoraxerweiterung in kranio- und lateroventrale Richtung (Fassthorax). Zusätzlich verkürzt sich die primäre und sekundäre Atemmuskulatur, und das Zwerchfell flacht ab. Eine chronische Überblähung senkt die funktionelle Kraft des Zwerchfells in verstärktem Maß [46].
Unvollständige Exspiration
Die Retraktionskraft des Lungenparenchyms verleiht der gesunden Lunge die Fähigkeit, sich nach der Inspiration mit verhältnismäßig geringer Atemimpedanz zu verkleinern. Am Ende der Exspiration findet nur eine exzentrische Kontraktion der primären Inspirationsmuskeln statt. Die Atempumpe gelangt zurück in die Atemruhelage. Durch die unvollständige Exspiration verschiebt sich die Atemruhelage in das inspiratorische Reservevolumen (. Abb. 6.1).
Exkurs Optimale Muskellänge Smith et al. weisen darauf hin, dass verkürzte Muskulatur sich nicht mit gleich starker Kraft verkürzen kann wie Muskeln, die aus optimaler Funktionsstellung he-
Auswirkungen der chronischen Hyperinflation auf die Atemmuskulatur Die Auswirkungen der chronischen Hyperinflation auf die respiratorische Muskulatur unterscheiden sich deutlich von denen der akuten [49]. Goldspink et al. bemerkten, dass die Adaptation der Sarkomere bzgl. ihrer operationalen Länge bei einer chronischen Hyperinflation am signifikantesten ist [49]: 4 Bei einer chronischen Muskelverlängerung, wie sie z.B. bei Herzdekompensation auftritt, werden zusätzliche Sar-
raus arbeiten. Die Kraft, die bei gleicher neuronaler Aktivität erbracht werden kann, ist deutlich geringer [46]. Trotz maximaler Kontraktion erreicht der Muskel daher nur einen geringen Bewegungsef-
fekt. Bei optimaler Muskellänge (Lo) sind die Aktin- und Myosinfilamente in einer optimalen Überlappung, und die Zugspannung, die erbracht werden kann, ist maximal [46, 23, 24] (. Abb. 6.3).
43 6.2 · Chronische Überblähung: Längenadaptation der Atemmuskeln
. Abb. 6.3. Länge-Kraft-Diagramm des Zwerchfells (van Gestel 2009)
komere so zu den Muskelfasern hinzugefügt, dass sich die Überlappung der Filamente innerhalb jedes Sarkomers nur minimal verändert [49]. 4 Bei einer chronischen Muskelverkürzung ist es genau umgekehrt. Mit der Verkürzung zeigt sich eine Reduktion der Anzahl seriell verknüpfter Sarkomere, so dass die Überlappung der Filamente unverändert bleibt [22, 49] (. Abb. 6.4).
. Abb. 6.4. Effekt der akuten und chronischen Überblähung auf die maximale Zwerchfellkraft und die Länge der Sarkomere. A Ursprünglicher Zustand. B Akute Verkürzung des Muskels. C Chronisch verkürzter Muskel. Überlappung von Myosin- (M) und Aktinfilamenten (Ac) in den drei Zuständen (Farkas 1991 [55])
toralis major (Schulterabduktion) als Atemhilfsmuskeln für die Inspiration (. Abb. 6.5). Dabei wird durch eine passive Verlängerung der Muskeln die Überlappung von Aktin und Myosin zur Krafterzeugung optimiert. Diese Wirkung wird verstärkt, wenn der Schultergürtel durch Aufstützen der Arme angehoben und fixiert wird.
Dieses Phänomen ist unter dem Begriff Längenadaptation bekannt: Die gesamte Länge-Kraft-Kurve verschiebt sich zu einer kürzeren Länge hin (. Abb. 6.4). Die Anpassung der Muskellänge findet nach etwa 4–6 Wochen statt [25]. Die Längenadaptation kann teilweise die Krafterzeugung des Zwerchfells wieder verbessern, was sich allerdings nachteilig auf die Zwerchfellbeweglichkeit auswirkt, die durch diesen Prozess erheblich reduziert ist. Bei einer chronischen Überblähung wird die Zusammenarbeit der operationalen Länge und der optimalen Länge (Lo) aufrechterhalten. Sieck et al. zeigten, dass dieses Phänomen auch bei COPD-Patienten mit schwerer Überblähung besteht, und diese befähigt, auch bei definierten Lungenvolumina einen größeren negativen inspiratorischen Druck aufzubauen als gesunde Personen [53]. Decramer erwähnte jedoch, dass die Einflüsse für eine Zwerchfellverkürzung durch die Adaptation der Sarkomere z.T. wiederhergestellt werden können; Veränderungen der Geometrie und der Interaktion zwischen Zwerchfell und Thorax werden dadurch jedoch nicht ausgeglichen [5, 27]. Kompensationsmechanismen Patienten mit COPD nutzen bei erhöhtem Sauerstoffbedarf unbewusst, z.B. durch Anheben der Schultern, den M. pectoralis minor (Schulterelevation) und teilweise auch den M. pec-
. Abb. 6.5. Ein Patient mit Lungenemphysem verlängert die operationale Länge des M. pectoralis major (grüner Pfeil) und des M. pectoralis minor (roter Pfeil) (Rozijn 2009)
6
44 Kapitel 6 · Chronische Überblähung bei COPD: Einfluss auf die Funktion der primären Atemmuskulatur
Exkurs Verkürzung des Zwerchfells Daten von Versuchstieren [37] und von gesunden Menschen [38] zeigen, dass die Verkürzung des Zwerchfells zwischen der funktionellen Residualkapazität (FRC) und der totalen Lungenkapazität (TLC) ungefähr 30–40% beträgt. Decramer er-
wähnt, dass dieser Umstand sich deutlich auf die Krafterzeugung des Zwerchfells auswirken kann [5, 6]. Da ein Großteil der COPD-Patienten eine deutlich erhöhte FRC hat, die gelegentlich die TLC von gesunden Personen sogar übersteigt, erwartet Decramer bei diesen Patienten eine
6.3
6
. Abb. 6.6. Die Verkürzung des Zwerchfells bei COPD-Patienten betrifft hauptsächlich den Anteil A–B (in PA View, a.-p.-Ansicht), der an den unteren Thorax grenzt. Länge des Zwerchfells (Ldi), Länge der Appositionszone (LZapp) und Muskelfaserlänge (Lmu) haben bei CHI (chronischer Hyperinflation) deutlich abgenommen. C Mitte des Zwerchfells (Cassart 1997 [34])
substanzielle Verkürzung des Zwerchfells [5, 6]. Er nimmt an, dass die optimale Länge (Lo) des Zwerchfells in manchen Fällen sogar einem Lungenvolumen nahe der FRC bei Gesunden entspricht [5, 6] (. Abb. 6.6, 6.7).
Kontraktur des Zwerchfells
Studien, die die Länge des Zwerchfells mittels Röntgenbild oder Computertomographie untersucht haben, verdeutlichen eine reduzierte Zwerchfelllänge bei Patienten mit COPD [34]. Die Verkürzung des Zwerchfells bei CHI zeigt sich bei allen Lungenvolumina und verursacht einen verringerten Positionswechsel und eine verminderte Atembewegung während des Atemzyklus [36]. Die geometrische Veränderung des Zwerchfells hat gravierende Auswirkungen auf Biomechanik und Funktion des Zwerchfells. Da das Zwerchfell wie ein Kolben arbeitet, deutet eine Verkürzung der Appositionszone (. Abb. 6.8) auf ein kleineres Bewegungsausmaß hin; es wirkt sich jedoch nicht auf die maximale Kraft aus [34]. Die Zapp kann in Teilen sogar verschwinden, wenn das Zwerchfell abflacht [34]. Anpassung des Zwerchfells bei chronischer Überblähung Bei chronischer Überblähung ordnen sich die Fasern des Zwerchfells von einer radialen in eine axiale Ausrichtung [29] (. Abb. 6.9). Dies hat zur Folge, dass die Muskelfasern des Zwerchfells die unteren Rippen mehr in Exspirations- als in Inspirationsstellung bewegen [34]. > Wichtig In fortgeschrittenem Stadium des CHI-Prozesses findet also eine Umgestaltung des Zwerchfells statt, vom Inspirationsmuskel in einen gewissermaßen nicht funktionsfähigen Exspirationsmuskel.
. Abb. 6.7. a.-p.-Röntgenaufnahme des Brustkorbs, aufgenommen während tiefer Inspiration zu TLC (Gibson 1996 [56])
Bei Patienten mit schwerer CHI tritt zusätzlich bei Inspiration eine nach innen gerichtete Rotation der unteren Rippen anstelle der früheren Bewegung in Richtung der Appositionszone auf [39, 40]. Diese pathologische, nach medial gerichtete Bewegung ist bei COPD-Patienten deutlich sichtbar und ist als Hoover-Zeichen bekannt. Der durch die komprimierten Organe erhöhte intraabdominale Druck verleiht dem Centrum tendineum einen neuen Stützpunkt im Zentrum des Abdomens (Fulcrum). Dadurch findet automatisch ein Umtausch des biomechanischen Punktum fixum (PF) und Punktum mobile (PM) statt. Die Zwerchfellbewegung, die eine Ausdehnung des unteren Thorax bewirkt, wird nicht nur durch die Apposition, sondern auch durch die Insertion des Zwerchfells am unteren Thorax bedingt. Wie bereits oben erwähnt, richten sich die Fasern des Zwerchfells bei einer Thoraxüberblähung von radial nach axial aus [29] (. Abb. 6.9). Macklem et al. vermu-
45 6.3 · Kontraktur des Zwerchfells
. Abb. 6.8. 3D-Rekonstruktion der Zwerchfellkuppel in verschiedenen Inspirationsvolumina: A In FRC. B In TLC (Gauthier 1994 [38])
. Abb. 6.9. Mechanisches Modell über die Veränderungen der beiden Zwerchfellanteile (Pars costalis und Pars cruralis) durch Hyperin-
flation. Die Fasern des Zwerchfells ordnen sich von einer radialen (parallelen) in eine axiale (serielle) Richtung aus (Macklem 1983 [30])
ten, dass die Überblähung die mechanische Anordnung der Muskelfasern zwischen kruralem und kostalem Zwerchfellanteil verändert. Dies geschieht durch eine Konfigurationsänderung, die bewirkt, dass sich die Fasern in der FRC-Atemlage parallel und in der TLC-Atemlage seriell anordnen, wodurch sich die Krafterzeugung des Zwerchfells ebenfalls vermindert [30]. In ihrer Hypothese gehen die Autoren davon aus, dass dies unabhängig von der Länge-Kraft-Beziehung der
Muskulatur erfolgt (. Abb. 6.3). Wenn die beiden Zwerchfellanteile (Pars costalis und Pars cruralis) in der FRC parallel und in der TLC seriell angeordnet sind, bedeutet das eine Reduzierung der Kraft durch Überblähung auf der Basis einer mechanischen Änderung [5]. Bestätigt wird diese Aussage durch Untersuchungen von Polkey et al., die nachweisen konnten, dass das Zwerchfell von COPD-Patienten, angepasst an den Grad der Überblähung, nicht schwach ist [51].
Exkurs Auswirkung der Überblähung auf die parasternalen Interkostalmuskeln und Mm. scaleni Interessant ist, dass bei einer chronischen Überblähung mehrere Faktoren zusammenkommen, die sich günstig auf die Geometrie und Biomechnanik der para-
sternalen Interkostalmuskulatur (MIC(p)) auswirken [27, 5], z.B. auf die Form der Längen-Kraft-Kurve der MIC(p), die Position der Lo der IC(p) sowie das Verhältnis des Winkels zwischen Sternum und MIC(p) und des Sternokostalwinkels [27, 5]. Inwieweit die Überblähung die mechanischen Eigen-
schaften der Mm. scaleni beeinflusst, ist unklar. Bezüglich der Entladungsfrequenz der Mm. scaleni lässt sich feststellen, dass die Entladungsrate bei COPD-Patienten um 30% erhöht ist [33].
6
46 Kapitel 6 · Chronische Überblähung bei COPD: Einfluss auf die Funktion der primären Atemmuskulatur
6.4
Unspezifische Aktivierung der Atempumpe
Das Zwerchfell gilt als bedeutungsvollster Inspirationsmuskel; bei gesunden Probanden übernimmt der Muskel in Ruheatmung 70-80% der gesamten Atemarbeit zur Überwindung der elastischen, der Strömungs- und Reibungswiderstände [47]. > Wichtig Eine Funktionsstörung des Zwerchfells führt, trotz möglicher Verbesserung der Funktion der MIC(p), unmittelbar zu einer chronisch-respiratorischen Insuffizienz.
6
Folgen der Funktionsstörung des Zwerchfells Aufgrund der Veränderungen von Lunge und Atempumpe kommt es bei COPD-Patienten zu vielfältigen Reaktionen: 4 Blutgasveränderungen: 5 Eine Einschränkung der Diffusionskapazität führt zu einer Absenkung des arteriellen O2-Wertes (Hypoxämie).
Exkurs EMG-Aktivität des Zwerchfells Im Vergleich mit gesunden Probanden der gleichen Altersgruppe ist bei COPD-Patienten im fortgeschrittenen Stadium bei Ruheatmung eine 70% größere EMG-Aktivität des Zwerchfells festzustellen [14].
6.5
5 Ein Funktionsverlust der Atempumpe kann zur Erhöhung des Kohlendioxidpartialdrucks (CO2, Hyperkapnie) und damit verbunden zu einer Senkung des pH-Wertes des arteriellen Blutes führen. 4 Durch atemmechanische Veränderungen durch die Lungenüberblähung werden erhöhte intrathorakale Druckschwankungen für die Atmung benötigt. Diese rufen eine unspezifische körperliche Alarmreaktion hervor, die kardiopulmonale-, kardiovaskuläre-, autonom-nervale-, hormonelle- und zentralnervöse Veränderungen zur Folge hat. 4 Bedingt durch die Hypoxie und die subjektive Empfindung von Dyspnoe, kommt es zu einer reflektorischen zentralnervösen Sympathikusaktivierung, die konsekutiv zu einer vermehrten Freisetzung von Katecholaminen (Adrenalin und Noradrenalin) aus dem Nebennierenmark führt. 4 Neben der zentralen Interaktion medullärer (aus der Medulla oblongata) und arterieller Chemorezeptoren spielen die sensorischen Afferenzen aus Lunge und Atemwegen eine bedeutende Rolle für die Rhythmogenese der Atmung und die Aktivität der respiratorischen Muskeln.
Wird dieser Wert auf maximale Aktivität normiert, lässt sich errechen, dass gesunde Personen ungefähr 8–10% ihres maximalen Atemantriebs für die Ruheatmung brauchen, wogegen COPD-Patienten je nach Schweregrad 20–40% des Maxi-
Morphologische und vasomotorische Veränderungen des Zwerchfells: Folge der chronischen Überblähung
Die Atemmuskeln entsprechen in ihrer Zusammensetzung embryologisch, morphologisch und funktionell der willkürlichen Skelettmuskulatur und bestehen entsprechend aus den drei Muskelfasertypen (Typ I, IIa und IIb). Das Zwerchfell ist ein hoch oxidativer Muskel mit hoher Kapillardichte, das bei gesunden Menschen sehr hohe Belastungen aushalten kann, bevor es Erschöpfungszeichen zeigt. Vasomotorische Veränderungen Höhere Belastungen der Atemmuskeln über längere Zeit bewirken eine Vasokonstriktion mit Abnahme des Blutflusses zu den arbeitenden Muskeln. Darüber hinaus findet in körperlichen Belastungssituationen eine Umverteilung des Blutflusses zu den arbeitenden Extremitätenmuskeln statt, die dem Zwerchfell einen ausreichenden Blutfluss entziehen (»steal effect«) [50]. Als Folge der erhöhten Rekrutierung reagiert das Zwerchfell anfangs mit einer Hypertrophie. Daher macht sich die respiratorische Insuffizienz nur bei schwerer körperlicher Belastung bemerkbar (latente respiratorische Insuffizienz) [21]. Wird die Schwelle der maximalen Hypertrophie überschritten, oder wird die Atemlast deutlich größer
mums benötigen [52, 28]. Durch die höhere Last der Atempumpe kommt es zu einem verstärkten neuralen Output zum Zwerchfell, was von Patienten symptomatisch als erhöhtes Dyspnoeempfinden bemerkt wird.
als die Atemmuskelkapazität, wird die latente respiratorische Insuffizienz manifest und führt bei COPD-Patienten im späten Stadium sogar in Ruhe zu einer gravierenden Leistungsminderung der Atempumpe. Morphologische Veränderungen 4 In den Extremitäten werden Muskelfasern Typ I (langsame Kraftentwicklung, ausdauernd, oxidativ und aerob) umstrukturiert zu Muskelfasern Typ II (schnelle Kraftentwicklung, leicht ermüdbar, wenig oxidativ), wodurch sich die Ausdauerleistung verringert. 4 Im Zwerchfell findet eine umgekehrte Neugestaltung statt: Schnelle Typ-II-Fasern werden durch langsame TypI-Fasern ersetzt, was die Ausdauer verbessert, aber die zunehmende Schwäche von Zwerchfell und Atempumpe verstärkt. COPD-Patienten haben eine höhere mitochondriale Dichte (Dmit) als Patienten ohne Verengung der Atemwege [41]. Mitochondrien arbeiten als Energiekraftwerke in Zellen, die viel Energie verbrauchen (z.B. Muskelzellen). Außerdem zeigt sich eine inverse Korrelation zwischen Obstruktionsgrad der Atemwege (repräsentiert durch FEV1) und Dmit [41].
47 6.8 · Zusammenfassung
6.6
Atemimpedanz bei COPD-Patienten
Die abnorme Erhöhung der Atemimpedanz (Atemwiderstand) findet sich bei den obstruktiven Ventilationsbehinderungen als häufige Ursache einer Dyspnoe [32]. Ein drohendes Absinken der arteriellen O2-Werte und Ansteigen der CO2-Werte (wobei CO2 ein deutlich höheres Stimulans ist als O2) wird bei COPD-Patienten primär durch eine verstärkte Ventilation kompensiert [15]. > Wichtig Unter Ruhebedingungen beträgt der O2-Verbrauch der Atemmuskulatur etwa 3–5 ml/min, dies entspricht 1–2% des gesamten O2-Verbrauchs im Körper [42]. Bei schwerer COPD kann der O2-Verbrauch für die Atemmuskulatur so hoch werden, dass die O2-Versorgung des übrigen Organismus gefährdet wird.
Eine Hyperinflation mit Zwerchfellabflachung und Muskelverkürzung wirkt sich negativ aus; sie führt zu 4 erhöhten Atemwegsresistenzen, 4 erhöhter Atemfrequenz, 4 ungünstiger Faserlänge der Atemmuskulatur und letztendlich 4 Atemimpedanz [44]. Außerdem muss der COPD-Patient seine Atemmuskulatur zunächst verstärkt einsetzen, um den intrinsischen PEEP der vorausgegangenen unvollständigen Exspiration zu überwinden, bevor ein inspiratorischer Atemgasfluss zustande kommt. Die zusätzliche Aktivierung der Atemmuskeln ist bei COPDPatienten mit viel Atemarbeit bzw. Atemenergie verbunden [18], bedingt durch 4 die vermehrte Totraumventilation, 4 die Malnutrition, 4 steroidinduzierte Muskelatrophien, 4 den erhöhten Atemwegswiderstand, 4 die durch entzündliche Prozesse reduzierte Elastizität des Lungenparenchyms (Compliance) und 4 die nach innen gerichtete Retraktionskraft des Thorax. Hinzu kommt, dass die elastische Kraft des Thorax abnimmt. Die durchschnittliche Atemimpedanz ist bei COPD-Patienten ungefähr 3-mal so groß wie bei gesunden Menschen [35, 48].
6.7
Kompensationsmechanismen bei persistierender respiratorischer Insuffizienz
Eine lang anhaltende unspezifische Aktivierung der Atemmuskeln führt letztendlich zur Erschöpfung der Atemmuskeln und möglicherweise zum Versagen der Atempumpe. Bei Chronifizierung der Erkrankung kann das CO2 infolge der alveolären Hypoventilation nur unzureichend abgeatmet werden, und es kommt neben der Hypoxämie auch zu einer Hyperkapnie (Erhöhung des paCO2>45 mmHg). Dies ist eine chronisch-respiratorische Globalinsuffizienz (»type II respi-
ratory failure«). Die Erhöhung des arteriellen paCO2 (Hyperkapnie) führt zu einer Senkung des arteriellen pH-Wertes (respiratorische Azidose), kann aber im weiteren Verlauf über die Niere ganz oder teilweise kompensiert werden [19]. In fortgeschrittenen Stadien treten infolge der ungenügenden Pumpleistung der Atemmuskulatur bzw. der alveolären Hypoventilation eine Hypoxämie und Hyperkapnie als Stimuli der Dyspnoe in den Vordergrund. Um lebensbedrohliche Störgrößen der veränderten arteriellen Blutgaswerte zu begrenzen, werden unbewusst Kompensationsmechanismen eingesetzt: 4 die Reduzierung des Atemminutenvolumens bzw. eine adaptive Hypoventilation (AH) und 4 die Immobilisation. Diese sollen eine Entlastung der überforderten Atemmuskulatur und eine Regenerierung des Energiespeichers bringen [20, 21]. Besonders bei älteren Patienten folgt eine Dekonditionierung der peripheren Skelett- und respiratorischen Muskulatur, was als wichtiges Glied eines Circulus vitiosus betrachtet werden kann [22] (. Abb. 6.10). Ebenfalls von großer Bedeutung sind die psychologischen und emotionellen Folgen der Dekonditionierung. Die Patienten leiden unter Angstzuständen und depressiven Verstimmungen, wobei respiratorische Beschwerden und emotionale Symptomatik sich gegenseitig nachteilig beeinflussen.
6.8
Zusammenfassung
Patienten mit COPD leiden hauptsächlich unter zwei Faktoren:
4 Es besteht eine Atemflusslimitierung mit dynamischer Überblähung unter Belastung. 4 Es kommt zu einer Gasaustauschstörung bei verminderter Diffusionsfläche. Anders als bei gesunden Menschen wird bei COPD-Patienten während Belastung die inspiratorische Kapazität (IC) nicht zum Atemzugvolumen rekrutiert, sondern diese nimmt durch die dynamische Überblähung kontinuierlich ab. Bei zunehmender ventilatorischer Belastung ist eine vollständige Exspiration nicht mehr möglich, wodurch das end-exspiratorische Lungenvolumen (EELV) ansteigt. Dies hat Konsequenzen für die gesamte Atempumpe und gravierende Auswirkungen auf die allgemeine Leistungsfähigkeit der COPD-Patienten. Die Auswirkungen der Überblähung auf die Biomechanik des Zwerchfells sind bei COPD-Patienten gut zu beobachten: Infolge der chronischen Überblähung kommt es zu einer Verkürzung der primären und sekundären Atemmuskeln, auch zu einer Verkürzung der Zwerchfellmuskulatur, einhergehend mit Zwerchfellabsenkung und -abflachung. Smith et al. weisen darauf hin, dass die resultierende Kraftentwicklung bei verkürzter Muskulatur vermindert ist [46]. Bei einer chronischen Verkürzung werden in Anpassung an die erhöhte Belastung seriell verknüpfte Sarkomere gebildet. Die Adaption der Sarkomere kann die Verkürzung der Zwerchfellmuskulatur nur teilweise kompensieren, da die Veränderungen der
6
48 Kapitel 6 · Chronische Überblähung bei COPD: Einfluss auf die Funktion der primären Atemmuskulatur
6
. Abb. 6.10. Circulus vitiosus der Atempumpe bei COPD-Patienten (van Gestel 2009)
Geometrie und Interaktion zwischen Zwerchfell und Thorax nur unzureichend ausgeglichen werden. Durch erhöhte Atemwegswiderstände, erhöhte Atemfrequenz und ungünstige Faserlänge der Atemmuskulatur wird die Atemarbeit negativ beeinflusst. Die zusätzliche Rekrutierung der Atemmuskeln ist bei COPD-Patienten mit hoher Atemarbeit bzw. hohem Energieaufwand verbunden: durch vermehrte Totraumventilation, Malnutrition, potenziell steroidinduzierte Muskelatrophie, erhöhte Atemwegswiderstände, reduzierte Elastizität des Lungenparenchyms (Compliance) und charakteristischerweise einer der inspiratorischen Atemmuskulatur entgegengesetzten Retraktionskraft des Thorax. Die durchschnittliche Atemarbeit ist bei COPD-Patienten ungefähr 3-mal so groß wie bei gesunden Menschen [35, 48].
6.9
Literatur
1. O’Donnell DE, Revill SM, Webb KA (2001) Dynamic hyperinflation and exercise intolerance in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 2001; 164: 770-777. 2. Benesch L, Cordes C, Franz IW et al. (2004) Chronisch-obstruktive Bronchitis und Emphysem (COPD): Umsetzungsempfehlung von Leitlinien. Herzmedizin 2004; 21: 42-48.
3. Roca J, Whipp BJ (1997) Clinical exercise testing with reference to lung diseases: indications, standardization and interpretation strategies. Eur Respir J 10: 2662–2689 4. Mertzlufft F, Biedler A, Risch A (1998) Invasives Monitoring des pulmonalen Gasaustausches. Intensivmed 35(I): 36–42 5. Decramer M (1997) Hyperinflation and respiratory muscle interaction. Eur Respir J 10: 934–941 6. Decramer M (1989) Effects of hyperinflation on the respiratory muscles. Eur Respir J 2: 299–302 7. Gorman R, McKenzie DK, Pride NB, Tolman JF, Gandevia SC (2002) Diaphragm length during tidal breathing in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 166: 1461–1469 8. Grimby G, Goldman M, Mead J (1976) Respiratory muscle action inferred from rib cage and abdominal V-P partitioning. J Appl Physiol 41: 739–751 9. Yan S, Sinderby C, Bielen P, Beck J, N Comtois, Sliwinski P (2002) Expiratory muscle pressure and breathing mechanics in chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 16: 684–690 10. Dodd DS, Brancatisano T, Engel LA (1984) Chest wall mechanics during excersise in patients with severe chronic airflow obstruction. Am J Respir Crit Care Med 129: 33–38 11. Hodges PW, Gandevia SC (2000) Changes in intra-abdominal pressure during postural and respiratory activation of the human diaphragm. J Appl Physiol 89: 967–976 12. Bruzek R, Bieber-Zschau M, Herz A (1995) Die Bauchmuskulatur als ventrales Aufrichtesystem. Manuelle Medizin 33: 115–120
49 6.9 · Literatur
13. Hodges PW, Butler JE, McKenzie DK, Gandevia SC (1997) Contraction of the human diaphragm during rapid postural adjustments. J Physiol 505.2: 539–548 14. De Troyer A, Leeper JB, McKenzie DK, Grandevia SC (1997) Neural drive to the diaphragm in patients with severe COPD. Am J Respir Crit Care Med 155: 1335–1340 15. Lindemann H (1998) Respiratorische Insuffizienz und Sauerstofftherapie. Monatsschr Kinderheilkd 146: 896–903 16. Kafi SA, Serste T, Leduc D, Sergysels R, Ninane V (2002) Expiratory flow limitation during exercise in COPD: detection by manual compression of the abdominal wall. Eur Respir J 19: 919–927 17. Gorman R, McKenzie DK, Pride NB, Tolman JF, Gandevia SC (2002) Diaphragm length during tidal breathing in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 166: 1461–1469 18. Becker HF (2004) Bedeutung des Schlafs bei Patienten mit Lungenerkrankungen. Internist 45:1026–1034 19. Lindemann H (1998) Respiratorische Insuffizienz und Sauerstofftherapie. Monatsschr Kinderheilkd 146: 896–903 20. Köhler D (2002) Die überbewertete Hypoxämie. Pneumologie 56: 408–412 21. Köhler D, Greib C, Holland A, Schäfer H, Wichert P v (2001) Therapeutische Optionen bei chronisch ventilatorischer Insuffizienz. Internist 42: 363–372 22. Köhler D, Schönhofer B, Haidl P, Kemper P (2000) Ursache und Therapie der Hyperkapnie. Pneumologie 54: 434–439 23. Comerford MJ, Mottram SL (2001) Movement and stability dysfunction-contemporary developments. Manual Therapy 6(1): 15– 26 24. Comerford MJ, Mottram SL (2001) Functional stability re-training: principles and strategies for managing mechanical dysfunction. Manual Therapy 6(1): 3–14 25. Farkas GA, Roussos C (1983) Diaphragm in emphysematous hamsters: sarcomere adaptability. J Appl Physiol 54: 1635–1640 26. Rochester DF (1991) The diaphragm in COPD: better than expected, but not good enough. N Engl J Med 325: 961–962 27. Decramer M (1993) Respiratory muscle interaction during acute and chronic hyperinflation. Arch Chest Dis 48: 483–488 28. Jolley CJ (2008) Neural Respiratory Drive in Healthy and in Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Eur Respir J; epub doi:10.1183/0 9031936.00093408 29. Tobin MJ (1988) The respiratory muscles in disease. Clin Chest Med 9: 263–286 30. Macklem PT, Macklem DM, De Troyer A (1983) A model of inspiratory muscle mechanics. J Appl Physiol: Respirat Environ Exercise Physiol 55: 547–557 31. Ninane V, Rypens F, Yernault JC, De Troyer A (1992) Abdominal muscle use during breathing in patients with chronic airflow obstruction. Am Rev Respir Dis 146: 16–21 32. Gugger M, Bachofen H (2001) Dyspnoe Teil 1: Grundlagen und Pathophysiologie. Schweiz Med Forum Nr. 67 33. Lessard MR, Lofaso F, Brochard L (1995) Expiratory muscle activity increases intrinsic positive end-expiratory pressure independently of dynamic hyperinflation in mechanically ventilated patients. Am J Respir Crit Care Med 151: 562–569 34. Cassart M, Pettiaux N, Gevenois PA, Paiva M, Estenne M (1997) Effect of Chronic Hyperinflation on Diaphragm Length and Surface Area. Am J Respir Crit Care Med 156: 504–508 35. Laghi F, Tobin MJ (2003) Disorders of the Respiratory Muscles. Am J Respir Crit Care Med 168: 10–48 36. Walsh JM, Webber CL Jr, Fahey PJ, Sharp JT (1992) Structural change of the thorax in chronic obstructive pulmonary disease. J Appl Physiol 72: 1270–1278
37. Newman S, Road J, Bellemare F, Clozel JP, Lavigne CM, Grassino A (1984) Respiratory muscle length measured by sonomicrometry. J Appl Physiol 56: 753–764 38. Gauthier AP, Verbanck S, Estenne M et al. (1994) Three- dimensional reconstruction of the in vivo human diaphragm shape at different lung volumes. J Appl Physiol 76: 495–506 39. Gilmartin JJ, Gibson GJ (1984) Abnormalities of chest wall motion in patients with chronic airflow obstruction. Thorax 39: 264–271 40. Gilmartin JJ, Gibson GJ (1986) Mechanisms of paradoxical ribcage motion in patients with obstructive pulmonary disease. Am Rev Respir Dis 134: 683–687 41. Orozco-Levi M, Gea J, Lloreta JL et al. (1999) Subcellular adaptation of the human diaphragm in chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 13(2): 371–8 42. Oczenski W, Andel H, Werba A (2005) Atmen und Atemhilfen. Thieme, Stuttgart New York 43. Aalkjaer C, Poston L (1996) Effects of pH on vascular tension: which are the important mechanisms? J Vasc Res 33: 347–359 44. Ogna A, Domenighetti G (2007) Die nichtinvasive Beatmung als Therapie der akut respiratorischen Insuffizienz. Kardiovaskuläre Medizin 10: 21–26 45. Road J, Newman S, Derenne JP, Grassino A (1986) In vivo lengthforce relationship of canine diaphragm. J Appl Physiol 60: 63–70 46. Smith J, Bellemare F (1987) Effect of lung volume on in vivo contraction characteristics of human diaphragm. J Appl Physiol 62: 1893–1900 47. Loring SH, De Troyer A (1985) Actions of the respiratory muscles. Lung biology in health and disease 29: 327–349 48. Mador MJ (1991) Respiratory muscle fatique and breathing pattern. Chest 100: 1430–1435 49. Goldspink G, Tabary C, Tabary JC, Tardiou G, Tardiou C (1974) Effect of denervation on the adaptation of sarcomere number and muscle extensibility to the functional length of the muscle. J Physiol 236: 733–42 50. Dempsey JA, Sheel AW, Derschak PA, Harms CA (2000) Mögliche Einschränkungen der sportlichen Belastbarkeit durch das Atmungssystem. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 51: 318–326 51. Polkey MI, Kyroussis D, Hamnegard CH et al. (1996) Diaphragm strength in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 154(5): 1310–1317 52. Sinderby C, Beck J, Spahija J, Weinberg J, Grassino A (1998) Voluntary activation of the human diaphragm in health and disease. J Appl Physiol 85(6): 2146–2158 53. Sieck GC, Han YS, Prakash YS (1998) Cross-bridge cycling kinetics, actomyosin ATPase activity and myosin heavy chain isoforms in skeletal and smooth respiratory muscles.Comp Biochem Physiol B Biochem Mol Biol 119: 435–450 54. Farkas G (1991) Functional characteristics of the respiratorymuscles. Semin Respir Med 12: 247–257 55. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2) Organsysteme verstehen. Thieme, Stuttgart 56. Gibson GJ (1996) Pulmonary hyperinflation a clinical overview. Eur Respir J 9: 2640–2649
6
7 7 Primäre und sekundäre Atemmuskeln A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
7.1
Primäre und sekundäre Inspirationsmuskeln – 50
7.2
Aktive Exspiration
7.3
Literaturverzeichnis
– 56 – 61
Als Folge der chronischen Lungenüberblähung kommt es bei COPD-Patienten zu einer Verkürzung der Atemmuskeln. Diese hat eine Absenkung und Abflachung des Zwerchfells zur Folge. Smith et al. weisen darauf hin, dass die resultierende Kraftentwicklung bei Verkürzung der Muskulatur vermindert ist [39]. Bei chronischer Verkürzung werden die seriell verknüpften Sarkomere zur Anpassung an die erhöhte Belastung zurückgebildet. Die Adaptation der Sarkomere kann die Verkürzung der Zwerchfellmuskulatur nur teilweise kompensieren, da die Veränderung der Geometrie und der Interaktion zwischen Zwerchfell und Thorax nur unzureichend ausgeglichen wird. Die Atemarbeit wird durch erhöhte Atemwegswiderstände, erhöhte Atemfrequenz und ungünstige Faserlänge der Atemmuskulatur, bedingt durch die Überblähung mit Abflachung des Zwerchfells und Verkürzung der Muskelfasern, negativ beeinflusst [40]. Die zusätzliche Rekrutierung der Atemmuskeln ist bei COPD-Patienten durch eine vermehrte Totraumventilation, Malnutrition, steroidinduzierte Muskelatrophie, erhöhte Atemwegswiderstände, reduzierte Elastizität des Lungenparenchyms (Compliance) und Retraktionskraft des Thorax mit hoher Atemarbeit und hohem Energieaufwand verbunden. Die durchschnittliche Atemimpedanz ist bei COPD-Patienten ungefähr 3-mal so groß wie bei gesunden Probanden (Kap 6). In . Tab. 7.1 sind die wichtigsten Atem- und Atemhilfsmuskeln (. Abb. 7.1) dargestellt.
7.1
Primäre und sekundäre Inspirationsmuskeln
Primäre Inspirationsmuskeln Der wichtigste Inspirationsmuskel, das Zwerchfell, wird durch weitere primäre Inspirationsmuskeln unterstützt, die 4 Mm. scaleni, 4 Mm. levatores costarum und 4 Mm. intercostales parasternales. Diese Muskeln sind für die thorakale Atmung (TA) zuständig: Durch das Anheben der Rippen bewirken sie eine Erweiterung des Thoraxraumes. Während eines normalen Atmungszyklus arbeiten alle primären Atemmuskeln eng aufeinander abgestimmt zusammen, was durch ein propriozeptives Netzwerk ermöglicht wird. Definition Primäre Inspirationsmuskeln sind Muskeln, die bei gesunden Menschen in normaler Ruheatmung die gesamte alveoläre Ventilation der Lungen ermöglichen. Bei der Inspiration arbeiten sie konzentrisch, bei der Exspiration exzentrisch [8].
Sekundäre Inspirationsmuskeln Bei erhöhtem Sauerstoffbedarf, z.B. beim Sport, Lachen, Husten usw., ist eine Erhöhung des Atemminutenvolumens (AMV) erforderlich. Gesunde Personen setzen in diesen Situationen neben den primären zusätzlich die sekundären Inspi-
51 7.1 · Primäre und sekundäre Inspirationsmuskeln
. Tab. 7.1. Primäre Atem- und sekundäre Atemhilfsmuskeln
Primäre Atemmusken
Sekundäre Atemmuskeln
1. Primäre Inspirationsmuskeln
1. Sekundäre Inspirationsmuskeln
Zwerchfell (Diaphragma)
M. sternocleidomastoideus
Mm. intercostales interni (parasternaler Teil, Mm. intercostales parasternales [MIC(p)])
Mm. intercostales externi
M. scalenus anterior, medius und posterior
M. pectoralis major
Mm. levatores costarum
M. pectoralis minor M. serratus posterior superior (MSP) M. serratus anterior* M. trapezius descendens
2. Primäre Exspirationsmuskeln
2. Sekundäre Exspirationsmuskeln
Mm. intercostales interni (posturale Stabilität)
M. rectus abdominis (MRA) M. transversus abdominis (MTA) M. obliquus externus abdominis (MOE) M. obliquus internus abdominis (MOI) M. erector spinae M. transversus thoracis (MTT ) M. quadratus lumborum (MQL) M. serratus posterior inferior Mm. subcostales M. latissimus dorsi*
* Bei aufgestützten Armen und somit fixierten Schulterblättern (van Gestel 2009)
. Abb. 7.1. Wichtige primäre und sekundäre Inspirationsmuskeln; ventrale Ansicht (Rutte, Sturm 2002 [30])
rationsmuskeln ein, die auch Atemhilfsmuskeln (bzw. akzessorische Atemmuskulatur) genannt werden.
7.1.1 Mm. scaleni und M. sternocleido-
mastoideus Die Mm. scaleni (. Abb. 7.2) und der M. sternocleidomastoideus (. Abb. 7.3) unterstützen das Zwerchfell bei der Inspira-
tion. Diese Muskeln sind für die thorakale Atmung (TA) zuständig: Durch das Anheben der Rippen bewirken sie eine Vergrößerung des Thoraxraumes. Bei Ruheatmung heben die Mm. scaleni das erste und zweite Rippenpaar und damit den oberen Teil des knöchernen Thorax. Diese Bewegung nach ventral-kranial wird als Pumpengriff-Bewegung (»pump handle movement«) bezeichnet. Die Inspirationsfunktion der Mm. scaleni kann durch leichte Retraktion des Halses verstärkt werden.
7
52 Kapitel 7 · Primäre und sekundäre Atemmuskeln
M. scalenus anterior
Ursprung
Ansatz
Funktion
Tuberculum anterior der Proc. transversus von HWK3–6
Tuberculum musculi scaleni anterioris der 1. Rippe
Bei fixierter Halswirbelsäule: Elevation der 1. Rippe und Unterstützung der Inspiration Flexion, Lateralflexion der Halswirbelsäule zur homolateralen und Rotation zur kontralateralen Seite bei fixierter 1. Rippe
Ursprung
Ansatz
Funktion
Tuberculum anterior der Proc. transversus von HWK1–7
1. Rippe, lateral des M. scalenus anterior
Bei fixierter HWS: Elevation der 1. bzw. 2. Rippe, Atemhilfsmuskel bei der Inspiration Lateroflexion der Halswirbelsäule zur homolateralen Seite
Ursprung
Ansatz
Funktion
Caput mediale: Manubrium sterni Caput laterale: Extremitas sternalis clavicula
Außenseite des Proc. mastoideus und laterale Hälfte der Linea nuchae superior
Atemhilfsmuskel Lateralflexion des Kopfes zur homolateralen Seite und Extension, Rotation zur kontralateralen Seite
(Lindel 2006 [31])
M. scalenus medius
7
(Lindel 2006 [31])
M. sternocleidomastoideus
(Lindel 2006 [31])
. Abb. 7.2. 1 M. scalenus anterior. 2 M. scalenus medius (Lindel 2006 [31])
Auswirkungen einer chronischen Überblähung auf die Mm. scaleni Inwieweit die chronische Überblähung die biomechanischen Eigenschaften der Mm. scaleni beeinflusst, ist unklar. Bezüglich der Entladungsfrequenz der Mm. scaleni, gemessen mittels Elektromyogramm (EMG), lässt sich feststellen, dass die Entladungsrate bei COPD-Patienten um 30% erhöht ist [29, 32].
. Abb. 7.3. M. sternocleidomastoideus (Lindel 2006 [31])
Als Folge einer chronischen Überblähung ist das Zwerchfell in seiner Funktion limitiert. Gleichfalls sind einige primäre und sekundäre Inspirationsmuskeln in der Brust(BWS) und Halswirbelsäule (HWS) (auch Mm. scaleni, M. sternocleidomastoideus, Mm. pectoralis major und mi-
53 7.1 · Primäre und sekundäre Inspirationsmuskeln
. Abb. 7.4. Oberflächen-EMG von M. trapezius, Mm. scaleni und M. sternocleidomastoideus bei einem repräsentativen COPD-Pati-
enten während Ruheatmung in sitzender Position. Abdomen AP Atemexkursion der abdominalen Atmung (De Troyer 1994 [1])
nor) in einer ungünstigen Ausgangsstellung für eine Kontraktion [32, 33, 34]. Während der Inspiration in Ruhe zeigen COPD-Patienten eine phasische inspiratorische elektromyographische (EMG) Aktivität der Mm. scaleni [1]. Wie in . Abb. 7.4 erkennbar, beinhaltet diese Aktivität viele Motor-Units, die gleichzeitig bei beginnender Inspiration starten [1]. Ferner wird bei allen Patienten eine post-inspiratorische EMG-Aktivität in diesen Muskeln festgestellt, was deren Status als primäre Inspirationsmuskeln bestätigt [1]. Dieses Aktivitätsmuster wird bei Messungen der sekundären Inspirationsmuskeln, M. trapezius und M. sternocleidomastoideus, nicht festgestellt [1] (. Abb. 7.4).
[15] (. Abb. 7.5). Im Gegensatz dazu ist bei den COPD-Patienten die Länge des M. sternocleidomastoideus bei funktioneller Residualkapazität (FRC) kürzer als bei den Kontrollpatienten (127,0±14,9 mm versus 140,0±9,4 mm) [15]. . Abb. 7.6 verdeutlicht die individuellen Werte des Drehmoments, den der Muskel erbringen kann. Die Werte betragen durchschnittlich 12,7±3,0 Newtonmeter (Nm) bei den COPD-Patienten und 15,6±5,9 Nm bei den Kontrollprobanden [15].
7.1.2 Mm. intercostales
Trophik des M. sternocleidomastoideus bei COPD Der Querschnitt des M. sternocleidomastoideus einer Patientengruppe mit COPD unterscheidet sich nicht von dem einer Gruppe gesunder Probanden (gemessen mit Ultraschall)
Die Mm. intercostales (MIC) finden sich in den Zwischenrippenräumen und stabilisieren die Thoraxwand. Sie heben und senken die Rippen und bewirken die In- und Exspiration. In 7 Übersicht 7.1 sind die zur Gruppe der Interkostalmuskeln gehörenden Muskeln aufgelistet.
. Abb. 7.5. Querschnitt des M. sternocleidomastoideus bei 10 Patienten mit schwerer COPD (helle Kreise) und 10 Kontrollpersonen (dunkle Kreise). Die kurze horizontale Linie gibt den Mittelwert an (Peche 1996 [15])
. Abb. 7.6. Drehmoment des M. sternocleidomastoideus bei 10 Patienten mit schwerer COPD (helle Kreise) und 10 Kontrollpersonen (dunkle Kreise). Die kurze horizontale Linie gibt den Mittelwert an (Peche 1996 [15])
7
54 Kapitel 7 · Primäre und sekundäre Atemmuskeln
. Übersicht 7.1. Interkostalmuskeln und weitere thorakale Atemmuskeln 1. 2. 3. 4. 5. 6.
7
Mm. intercostales interni (verlaufen von anterior-kranial nach posterior-kaudal) Mm. intercostales externi (verlaufen von posteriorkranial nach anterior-kaudal) M. levatores costarum M. transversus thoracis Mm. subcostales M. serratus posterior superior
Der M. serratus posterior inferior unterstützt die Inspiration, indem er die unteren Rippen kaudal stabilisiert und auf diese Weise dem Zwerchfell ein Punktum fixum bietet [31] (. Abb. 7.7, 7.8).
. Abb. 7.7. 1a Mm. intercostales externi, 1b Mm. levatores costarum. 2 M. serratus posterior superior (Lindel 2006 [31])
. Mm. intercostales interni
Ursprung
Ansatz
Funktion
Unterrand der nächsthöheren kranialen Rippe Verlauf von dorsal-kaudal nach ventral-kranial
Oberrand der kaudalen Rippe vom Sternum bis zum Angulus costae
Depression der Rippen Exspiration (posturale Stabilität)
Ursprung
Ansatz
Funktion
Tubercula bis Artt. chondrocostales der kranialen Rippe Verlauf von dorsal-kranial nach ventral-kaudal
Oberrand der nächsttieferen kaudalen Rippe
Elevation der Rippen Inspiration
Ursprung
Ansatz
Funktion
Proc. transversus 7. HWK bis 11. BWK
longi: übernächste tiefere Rippe breves: nächsttiefere Rippe
Elevation der Rippen Inspiration (posturale Stabilität)
Ursprung
Ansatz
Funktion
Proc. xiphoideus (Sternum), Cartilago costalis der 6. und 7. Rippe
Cartilago costalis der 2.–6. Rippe
Exspiration
(Lindel 2006 [31])
. Mm. intercostales externi
(Lindel 2006 [31])
. Mm. levatores costarum
(Lindel 2006 [31])
. M. transversus thoracis
(Lindel 2006 [31])
55 7.1 · Primäre und sekundäre Inspirationsmuskeln
. Abb. 7.8. 1 Mm. intercostales interni (MIC(i)) und Mm. intercostales parasternales (MIC(p)). 2 M. transversus thoracis. 3a Mm. subcostales, 3b M. serratus posterior inferior (Lindel 2006 [31])
. Mm. subcostales
Ursprung
Ansatz
Funktion
Innenflächen der hinteren Rippenenden
Oberkante der Rippen (übespringen 1–2 Rippen)
Depression der Rippen Exspiration
Ursprung
Ansatz
Funktion
Columna vertebralis, Lig. nuchae, Proc. spinosus HWK6–7 und BWK1–2
2.–5. Rippe, lateral des Angulus costae
Elevation der 2.–5. Rippe Inspiration
(Lindel 2006 [31])
. M. serratus posterior superior
(Lindel 2006 [31])
Den Mm. intercostales interni parasternales MIC(p) (parasternaler Teil, Mm. intercartilaginei) kommt bei der Atmung eine auffällige Rolle zu. Die Muskeln funktionieren als primäre Inspirationsmuskeln [34, 35, 36]. Die Mm. intercostales interni interossales MIC(i) dagegen haben überwiegend posturale Aufgaben; sie sind verantwortlich für die Stabilität der
Exkurs Studien über die parasternale Interkostalmuskulatur bei Hunden Bei auf dem Rücken liegenden, betäubten gesunden Hunden verkürzt sich die parasternale Interkostalmuskulatur (MIC(p)) bei Anhebung des Atemvolumens von der funktionellen Residualkapazität (FRC) zur totalen Lungenkapazität (TLC) nur um 7% [2–6]. Diese Verkürzung ist, im Vergleich mit der des Zwerchfells, relativ gering und wird häufig unterschätzt [2–6]. Farkas et al. [7–10] wie auch Jiang et al. [11] konn-
Haltung [34, 35, 36]. Duron et al. bestätigen diese Annahme; sie fanden Muskelspindeln in den Mm. intercostales interossales MIC(i), nicht jedoch in den Mm. intercostales interni parasternales MIC(p) [37]. Die Mm. intercostales externi fehlen parasternal. Sie werden durch die Membrana intercostales externa ersetzt.
ten zeigen, dass die optimale Länge (Lo) der MIC(p) bei einem Lungenvolumen oberhalb der funktionellen Residualkapazität (l) (FRC) zu finden ist. Dies bedeutet, dass die Lungenüberblähung die Muskelfasern der MIC(p) in ihre optimale Länge bringen kann und die Muskeln demzufolge in einer günstigen Ausgangsstellung für eine Krafterzeugung sind [2–6]. Die Entladungsfrequenz der MIC(p) war bei COPD-Patienten um 30% erhöht [12] (. Abb. 7.9).
De Troyer und Legrand stellten bei gesunden Hunden fest, dass bei Inspiration der mediale Teil der MIC(p) stets stärker aktiviert ist als der mittlere Teil, der wiederum vor dem lateralen Teil aktiviert ist [1]. Die Untersuchung zeigt ebenfalls, dass die Längenveränderung der medialen Muskelbündel deutlich größer ist als die der mittleren oder lateralen Bündel. Interessant ist die Frage, ob diese geometrischen Vorteile der MIC(p) letztendlich die Krafterzeugung beeinflussen [4].
7
56 Kapitel 7 · Primäre und sekundäre Atemmuskeln
. Abb. 7.9. Veränderungen der Winkel zwischen Mm. intercostales parasternales und Sternum (β) durch Veränderung der funktionellen
7
Residualkapazität (l) (FRC) zur totalen Lungenkapazität (l) (TLC) bei auf dem Rücken liegenden, betäubten Hunden (Decramer 1993 [3])
. Abb. 7.10. Schematische Darstellung der Atemmechanik und Zusammenarbeit der wichtigsten Atemmuskeln. Grüner Pfeil: Durch isometrische Anspannung des MTA während der Exspiration (pga exp rise) wird ein intraabdominaler Druck (pga) erzeugt (van Gestel 2009)
Auswirkungen einer chronischen Lungenüberblähung auf die Mm. intercostales parasternales Im Gegensatz zu den übrigen Atemmuskeln kann sich eine chronische Überblähung durch mehrere zusammenkommende Faktoren positiv auf die Geometrie und biomechanischen Voraussetzungen der parasternalen Interkostalmuskulatur (MIC(p)) auswirken, und zwar auf die Form der LängeKraft-Kurve der MIC(p), die Position der optimalen Länge (Lo) der MIC(p), das Verhältnis der Winkel zwischen Sternum und MIC(p) sowie den Sternokostalwinkel [5, 27]. 7.1.3 Abdominale Muskulatur In 7 Übersicht 7.2 sind die zur abdominalen Muskulatur gehörenden Muskeln zusammengefasst. Durch die elastischen Retraktionskräfte von Thorax, Abdomen, Zwerchfell und Lungenparenchym am Inspirationsende werden die Lungen unterstützend geleert, und der gesamte Atembewegungsapparat geht in Atemruhelage zurück [8]. Die Exspiration ist jedoch keine vollständig passive Be-
. Übersicht 7.2. Abdominale Muskulatur 1. 2. 3. 4.
M. obliquus abdominis externus M. obliquus abdominis internus M. rectus abdominis M. transversus abdominis
wegung. Zur Vermeidung einer ruckartigen Reposition des
Thorax während der Exspiration arbeiten die Inspirationsmuskeln während 80% der Exspirationszeit exzentrisch [8]. Trotz der exzentrischen Aktivität der Inspirationsmuskeln wird diese normale Exspiration in der Literatur als passive Exspiration (PA) bezeichnet (. Abb. 7.10).
7.2
Aktive Exspiration
Die aktive Exspiration (AE) kommt bei gesunden Probanden vor allem durch die elastische Retraktionskraft des Lungenparenchyms zustande. In allen Situationen, in denen erhöhter
57 7.2 · Aktive Exspiration
In 7 Übersicht 7.3 sind die exspiratorischen Atemhilfsmuskeln (. Abb. 7.11) aufgelistet. . Übersicht 7.3. Exspiratorische Atemhilfsmuskeln 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. . Abb. 7.11. 1 M. rectus abdominis (MRA). 2 M. obliquus abdominis externus (MOE) 3 M. obliquus abdominis internus (MOI). 4 M. transversus abdominis (MTA) (Lindel 2006 [31])
Sauerstoffbedarf und damit eine Erhöhung des Atemminutenvolumens (AMV) erforderlich ist (z.B. beim Sport, Lachen, Husten usw.), werden bei gesunden Probanden die exspiratorischen Atemhilfsmuskeln und vor allem auch der M. transversus abdominis, der M. obliquus abdominis externus (jedoch weniger) und der M. obliquus abdominis internus während der Exspiration eingesetzt. Bei Einsatz der exspiratorischen Atemhilfsmuskeln spricht man von einer forcierten Exspiration [16].
M. rectus abdominis (MRA) M. transversus abdominis (MTA) M. obliquus abdominis externus (MOE) M. obliquus abdominis internus (MOI) M. quadratus lumborum (MQL) M. latissimus dorsi (MLD) M. serratus posterior pars inferior (MSP), M. transversus thoracis (MTT )
7.2.1 M. transversus abdominis Der M. transversus abdominis (MTA) kommt von der Crista iliaca des Beckens und der Wirbelsäule und zieht direkt in die Linea alba, wo er sich ebenfalls am Aufbau der Rektusscheide beteiligt. Seine Hauptfunktionen sind die sog. Bauchpresse und die horizontale Verspannung der Bauchwand. Ebenso wie dem Zwerchfell (. Abb. 7.10, 7.11) kommt dem M. transversus abdominis (MTA) sowohl bei respiratorischen als auch bei posturalen Anforderungen eine wesentliche Bedeutung zu.
. M. transversus abdominis (MTA)
Ursprung
Ansatz
Funktion
Innenfläche des 7.–12. Rippenknorpels, Fascia thoracolumbalis, Proc. transversus von LWK1–5, Aponeurosis lumbalis, Labium externum der Crista iliaca, Lig. inguinale (1/3)
Linea alba
Bauchpresse, Depression der Rippen Exspiration (posturale Stabilität) LWS-Flexion
(Lindel 2006 [31])
Posturale Aufgabe des M. transversus abdominis Eine Instabilität der Lendenwirbelsäule wird definiert als Verlust der Bewegungskontrolle, die zu gravierenden Schmerzen und funktionellen Beeinträchtigung führt [38]. Will man segmentale Integrität in der Lendewirbelsäule gewährleisten, sind Muskeln mit segmentalen Ansätzen erforderlich. Geeignete Muskeln dafür sind meist kurz und tief und haben lokale Ansätze an den einzelnen Lendenwirbelsäulensegmenten (M. transversus abdominis MTA, Mm. multifidi usw.). Das synergistische Zusammenspiel zwischen 4 Zwerchfell, 4 Mm. multifidi, 4 M. transversus abdominis (MTA) und 4 Beckenboden trägt zur Erzeugung des abdominalen Drucks (pga) bei bzw. hat eine abdominal-hydrodynamische Wirkung. Dem Zusammenspiel wird eine stabilisierende Eigenschaft zugeschrie-
ben: Der MTA bewirkt über die Steigerung des abdominalen Drucks (pga) ein Stützpolster zur Sicherung der Lendenwirbelsäulenstabilität; bei einer unphysiologischen Bewegung kann dieses funktionell eingesetzt werden [16, 17, 18]. Die ovale Form des MTA ermöglicht bei Kontraktion eine optimale mechanische bilaterale Traktion an der Fascia thoracolumbalis und sichert dadurch zusätzlich die Lendenwirbelsäulenstabilität [18] (. Abb. 7.12). Des Weiteren haben Zwerchfell und MTA überlappende Ursprünge am Rippenbogen und stabilisieren auf diese Weise direkt die Lendenwirbelsäule. Wegen seiner schnellen Typ-IIb-Muskelfasern hat der M. transversus abdominis (MTA) für die segmentale Stabilisation der Lendenwirbelsäule eine besondere Bedeutung im synergistischen Zusammenspiel mit den Mm. multifidi [16, 18, 24, 25, 26]. Beide Muskeln werden wegen ihrer raschen Anspannung zur Sicherung der Lendenwirbelsäulenstabilität bei posturalem Ungleichgewicht als sog. Prime moves-Muskeln bezeichnet. Hodges et al. stellten bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen fest, dass die posturale Kapazität von Zwerchfell
7
58 Kapitel 7 · Primäre und sekundäre Atemmuskeln
steigt der intraabdominelle Druck (pAB) an. Dieser Druck wird vor allem durch die Kontraktion des M. transversus abdominis (MTA) und der Beckenbodenmuskulatur in Verbindung mit dem nicht komprimierbaren Inhalt des Abdomens erzeugt. Fazit Aktive Exspiration (AE) mittels Aktivierung des M. transversus abdominis führt möglicherweise zu einer signifikanten Reduktion des end-exspiratorischen Lungenvolumens und damit zu einer Optimierung der Atmung durch: 4 Verlängerung der post-exspiratorischen operationellen Muskellänge des Zwerchfells, 4 Verlängerung der post-exspiratorischen operationellen Muskellänge der inspiratorischen Atemhilfsmuskeln und 4 Herabsetzung des inspiratorischen elastischen Widerstandes des Thorax.
7 . Abb. 7.12. Länge des Zwerchfells LZAPP (Länge der Appositionszone des Zwerchfells) und abdominaler Druck (pAB in cmH2O) während einer kurzfristigen Störung der Körperbalance durch Armbewegungen (Hodges 1997 [18])
und MTA bei höheren Anforderungen an den Atembewegungsapparat deutlich verringert ist [24]. Dies bedeutet, dass die Atemfunktion bei Hyperkapnie oder Atemnot Vorrang vor Stabilität hat. > Wichtig Beide Muskeln, das Zwerchfell und der MTA, haben bei der segmentalen Lendenwirbelsäulenstabilisation dieselbe Funktion; diese Zusammenarbeit wird als posturaler Synergismus (PS) bezeichnet.
Respiratorische Aufgabe des M. transversus abdominis Zusätzlich zu seiner posturalen Aufgabe kommt dem M. transversus abdominis (MTA) als exspiratorischem Atemhilfsmuskel eine wesentliche Bedeutung zu [20, 21]. Als Reaktion auf eine Kontraktion der exspiratorischen Atemhilfsmuskeln
Exkurs Klinische Signifikanz einer MTA-Rekrutierung bei COPD-Patienten Obwohl Gorini et al. bei COPD-Patienten einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz des MTA, Lungenüberblähung, Hyperkapnie und Obstruktion feststellen konnten, sind die genauen Mechanismen des MTA-Einsatzes bei der Atmung noch unbekannt [20]. Außerdem besteht Diskussion über die klinische Signifikanz einer MTARekrutierung bei COPD-Patienten [9]. Dodd et al. postulieren, dass eine MTA-Rekrutierung bei COPD-Patienten zu einer Verbesserung der prä-inspiratorischen
Voraussetzung für eine effektive aktive Exspiration ist die gleichzeitige Inhibition des Zwerchfells bei einer gezielten Kontraktion des MTA.
Respiratorischer Antagonismus In aufrechter Haltung findet die Zwerchfellabsenkung während der Inspiration in dieselbe Richtung statt wie die Gravitationskraft, wirkt aber entgegen dem Deformations- und Trägheitswiderstand der abdominalen Organe. Die knöchernen Strukturen des Beckens und die Beckenbodenmuskulatur formen die kaudale Begrenzung des Abdomens, und sie sind wie die dorsale Begrenzung durch die Lendenwirbelkörper unflexibel. Aufgrund dieser eingeschränkten Expansionsmöglichkeiten kommt es bei Inspiration zu einer gleichzeitigen Inhibition des M. transversus abdominis (MTA). Die (prä-)inspiratorische Inhibition des MTA ist deutlich als leichte Vorwölbung der Bauchdecke zu Beginn der Inspiration (bei gleichzeitiger Zwerchfellaktivierung) wahrnehmbar. Bei Patienten mit Adipositas, bei fortgeschrittener Schwangerschaft, Deformitäten im Lendenwirbelsäulen- oder Beckenbereich und Patienten mit starkem Hypertonus der abdominalen Muskeln kann das Zwerchfell wegen mangelnder Ausweichmöglichkeiten in seiner Funktion beeinträchtigt werden.
operationellen Muskellänge des Zwerchfells führen und damit die Krafterzeugung effektiv beeinflussen kann [19, 22, 27]. Ferner werden in der Literatur mögliche zusätzliche positive Nebeneffekte einer exspiratorischen MTA-Aktivierung diskutiert [19, 22]. Durch exspiratorischen MTA-Einsatz erfolgt eine Steigerung des exspirierten Lungenvolumens, was evt. eine Reduktion des end-exspiratorischen Lungenvolumens bewirkt. Dadurch werden möglicherweise zusätzlich die postexspiratorischen operationellen Muskel-
längen der übrigen Inspirationsmuskeln vergrößert [19]. Eine Reduktion des endexspiratorischen Lungenvolumens bis zur funktionellen Residualkapazität führt möglicherweise zu einer deutlichen Herabsetzung des inspiratorischen elastischen Widerstandes des Thorax [22]. Unter anderem sind aus diesem Grund physiotherapeutische Interventionen bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen zur Verbesserung der propriozeptiven und koordinativen Fähigkeiten der MTA unentbehrlich [23] (Kap. 31).
59 7.2 · Aktive Exspiration
> Wichtig Die beiden Muskeln erfüllen beim Atmungszyklus entgegengesetzte Funktionen, das Zwerchfell ist als Inspirationsmuskel aktiv und der MTA als exspiratorischer Atemhilfsmuskel. Diese Zusammenarbeit wird als respiratorischer Antagonismus (RA) bezeichnet.
Einfluss der Lungenüberblähung auf die Bauchmuskulatur Exkurs Studie: Aktivität der Bauchmuskulatur in Rückenlage/im Sitzen Zu dieser Frage führte De Troyer eine Studie an 12 gesunden Kontrollpersonen durch. Alle Personen wurden im Liegen getestet. Drei Probanden zeigten im EMG sporadische Aktivitäten des M. obliquus externus (MOE) und ein Proband eine gelegentliche Aktivität des M. rectus abdominis (MRA). Diese Aktivitäten standen jedoch nicht in Beziehung zu den Phasen des Atmungszyklus. Bei 7 gesunden Kontrollpatienten wurden die EMG-Aktivitäten des M. transversus abdominis (MTA) aufgezeichnet, in der Exspirationsphase nur bei 4 Probanden, und bei dreien da-
von bestand die Aktivität nur während einiger Atemzüge. Nur bei einem der 12 gesunden Kontrollpersonen wurde tatsächlich eine phasische exspiratorische Aktivität im MTA festgestellt [14]. Von 40 COPD-Patienten, die im Sitzen getestet wurden, zeigten 10 Patienten eine tonische Aktivität im MOE, ein Patient zeigte zudem eine Aktivität im MRA [14]. Eine phasische exspiratorische Aktivität wurde bei 5 Patienten im MOE und bei 6 Patienten im MRA festgestellt, wobei diese nur periodisch auftraten [14]. Keiner der COPD-Patienten hatte eine konstante phasische exspiratorische Aktivität im MOE, und nur ein Patient zeigte
eine konstante phasische exspiratorische Aktivität im MRA [12]. Bei 28 Patienten zeigte der M. transversus abdominis (MTA) eine konstante phasische exspiratorische Aktivität. Die Aktivitätsmuster des MTA unterschieden sich signifikant von denen der Kontrollgruppe, nicht jedoch die von MOE und MRA [12]. Folglich besteht bei vielen COPD-Patienten eine phasische exspiratorische Aktivität des MTA, die COPD-Patienten hilft, die erhöhte Last der Atempumpe in Exspiration zu kompensieren, ohne eine assoziierte Aktivität in MOE und MRA [12]. Die Aufnahmen eines Patienten sind in . Abb. 7.13 dargestellt.
Trotz des geringen Kraftaufwandes bei posturalen Aufgaben – lokale Stabilisatoren und Mm. multifidi setzen laut
7.2.2 Mm. pectoralis major und minor
Richardson et al. ungefähr 25% der maximalen Kraft für die Ruheatmung ein, wobei die abdominalen Muskeln 10– 15% ihrer isometrischen Maximalkraft einsetzen [28] – kann es bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen zu Überlastungserscheinungen kommen: Ödeme mit reaktiven Entzündungen in Muskeln, Sehnen, Faszien und umgebendem Bindegewebe (mechanisch bedingte Entzündungen, MBE). Besonders exponiert für das Auftreten von MBE sind die Bauchmuskelansätze an den unteren Rippenbögen, entlang der Crista iliaca, am Leistenband und an der Symphyse.
Die Pektoralmuskeln sind bei erhöhtem Atemminutenvolumen als sekundäre Atemhilfsmuskeln an der Inspiration beteiligt (. Abb. 7.14, 7.15). Die Mm. pectoralis major und minor fördern mit zunehmender tonischer und elastischer Verkürzung über eine Innenrotation im Schultergelenk und Protraktion der Skapula die Entwicklung einer kyphotischen Brustwirbelsäulenhaltung. Durch Hypertonus und Kontraktur schwächen sie zusätzlich über reziproke Inhibition und Dauerdehnung die Skapulaadduktoren und -depressoren, besonders M. trapezius (Pars ascendens und Pars transversus) und Brustwirbelsäulenextensoren, d.h. die autochthone Rü-
. Abb. 7.13. EMG-Aktivität des M. transversus abdominis (TA), M. obliquus externus (EO) und M. rectus abdominis (RA) bei einem Patienten mit schwerer chronischer Atemwegsobstruktion in Rückenlage. Die fluktuierende Kurve (Linie 1) zeigt die Atemexkursion in Inspiration (nach oben) und Exspiration (nach unten). Die Spikes im
TA-EMG zeigen die Muskelaktivität an, wobei jeder Spike der Entladung einer Muskelfaser gleichkommt. Wie in Linie 3 und 4 zu sehen (EO- und RA-EMG), kommt es zu keiner wesentlichen Aktivierung dieser Muskeln im Atemzyklus (Ninane 1992 [14])
7
60 Kapitel 7 · Primäre und sekundäre Atemmuskeln
ckenmuskulatur. Diese Muskeln zählen zur phasisch aktivierten Muskulatur, die unter Minderbelastung schnell atrophieren kann. Trainingsrückstand und Schwäche dieser Muskeln begünstigen eine weitere Verstärkung der kyphotischen BWS-Haltung, die sich auf Dauer fixieren kann. Eine Brustwirbelsäulenkyphose hat gravierende Folgen für die Statik des
gesamten Atembewegungsapparates und den normalen Atemzyklus: Sie bringt die Rippen in Exspirationsstellung und limitiert dadurch die Thoraxexkursion während der Inspiration. Eine Normalisierung bzw. Optimierung dieser muskulären Dysbalance im oberen Rücken (HWS, BWS) ist bei vielen lungenerkrankten Menschen erforderlich.
. M. pectoralis major
7
Ursprung
Ansatz
Funktion
Pars sternocostalis: Rand von Manubrium sterni und Corpus sterni, Knorpel der 2.–6. Rippe Pars abdominalis: Vorderes Blatt der Vagina mm. recti abdominis Pars clavicularis: Sternale Hälfte der Clavicula
Crista tuberculi majoris humeri
Protraktion und Depression des Schultergürtels Anteflexion, Adduktion und Innenrotation im Schultergelenk Atemhilfsmuskel: Inspiration bei aufgestütztem Arm
Ursprung
Ansatz
Funktion
2.–5. Rippe, ventral an der Knochen-KnorpelGrenze
Scapula, Apex des Proc. Coracoideus
Depression und Protraktion des Schultergürtels Atemhilfsmuskel: Inspiration bei aufgestütztem Arm
(Lindel 2006 [31])
. M. pectoralis minor
(Lindel 2006 [31])
. Abb. 7.14. M. pectoralis major (Lindel 2006 [31])
. Abb. 7.15. M. pectoralis minor (Lindel 2006 [31])
61 7.3 · Literaturverzeichnis
7.2.3 M. trapezius und M. levator scapulae
. M. trapezius pars descendens (. Abb. 7.16)
Ursprung
Ansatz
Funktion
Squama occipitalis zwischen Linea nuchae superior und suprema, Lig. nuchae, Protuberantia occipitalis externa, Proc. spinosus HWK1–4
1/3 der Clavicula, Acromion
Elevation und Protraktion der Scapula Lateralflexion des Kopfes zur homolateralen Seite und Extension, Rotation zur kontralateralen Seite
Ursprung
Ansatz
Funktion
Tubercula posteriora der Proc. transversus HWK1–4
Angulus superior scapulae
Elevation (Medioratation) der Scapula Lateralflexion des Kopfes zur homolateralen Seite
(Lindel 2006 [31])
. M. levator scapulae (. Abb. 7.17)
(Lindel 2006 [31])
. Abb. 7.17. M. levator scapulae (Lindel 2006 [31])
. Abb. 7.16. 1 M. trapezius pars descendens. 2 M. trapezius pars transversus (Lindel 2006 [31])
7.3
Literaturverzeichnis
1. De Troyer A, Peche R, Yernault JC, Estenne M (1994) Neck muscle activity in patients with severe chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 150: 41–47 2. Decramer M, De Troyer A (1984) Respiratory changes in parasternal intercostal length. J Appl Physiol 57: 1254–1260 3. Decramer M (1993) Respiratory muscle interaction during acute and chronic hyperinflation. Monaldi Arch Chest Dis 48: 483–488 4. Decramer M (1997) Hyperinflation and respiratory muscle Interaction. Eur Respir J 10: 934–941 5. Decramer M (1989) Effects of hyperinflation on the respiratory muscles. Eur Respir J 2: 299–302
6. Decramer M, Jiang TX, Reid MB et al. (1986) Relationship between diaphragm length and abdominal dimensions. J Appl Physiol 61: 1815–1820 7. Farkas G, Decramer M, Rochester DF, De Troyer A (1985) Contractile properties of intercostal muscles and their functional significance. J Appl Physiol 59: 528–535 8. Farkas GA, Roussos CS (1982) Adaptability of the hamster diaphragm to exercise and/or emphysema. J Appl Physiol 1982; 53: 1263–72 9. Farkas GA, Roussos C (1983) Diaphragm in emphysematous hamsters: sarcomer adaptability. J Appl Physiol 54: 1635–1640 10. Farkas G (1991) Functional characteristics of the respiratory muscles. Semin Respir Med 12: 247–257
7
62 Kapitel 7 · Primäre und sekundäre Atemmuskeln
7
11. Jiang TX, Deschepper K, Demedts M, Decramer M (1989) Effects of acute hyperinflation on the mechanical effectiveness of the parasternal intercostals. Am Rev Respir Dis 139: 522–528 12. Gandevia SC, Leeper JB, McKenzie DK (1996) Discharge frequencies of parasternal intercostal and scalene motor units during breathing in normal and COPD subjects. Am J Respir Crit Care Med 153: 622–608 13. De Troyer A, Legrand A (1995) Inhomogeneous activation of the parasternal intercostals during breathing. J Appl Physiol 79: 55– 62 14. Ninane V, Rypens F, Yernault JC, De Troyer A (1992) Abdominal muscle use during breathing in patients with chronic airflow obstruction. Am Rev Respir Dis 146: 16–21 15. Peche R, Estenne M, Gevenois PA et al. (1996) Sternomastoid muscle size and strength in patients with severe chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 153: 422–425 16. Hodges PW, Gandevia SC (2000) Changes in intra-abdominal pressure during postural and respiratory activation of the human diaphragm. J Appl Physiol 89: 967–976 17. Bruzek R, Bieber-Zschau M, Herz A (1995) Die Bauchmuskulatur als ventrales Aufrichtsystem. Manuelle Medizin 33: 115–120 18. Hodges PW, Butler JE, McKenzie DK, Gandevia SC (1997) Contraction of the human diaphragm during rapid postural adjustments. J Physiol 505(2): 539–548 19. Grimby G, Goldman M, Mead J (1976) Respiratory muscle action inferred from rib cage and abdominal V-P partitioning. J Appl Physiol 41: 739–751 20. Gorini M, Misuri G, Duranti R et al. (1997) Abdominal muscle recruitment and PEEPi during bronchoconstriction in chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 52: 355–61 21. Misuri G, Colagrande S, Gorini M (1997) In vivo ultrasound assessment of respiratory function of abdominal muscles in normal subjects. Eur Respir J 10: 2861–2867 22. Yan S, Sinderby C, Bieen P et al. (2000) Expiratory muscle pressure and breathing mechanics in chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 16: 684–690 23. Gorman R, McKenzie DK, Pride NB, Tolman JF, Gandevia SC (2002) Diaphragm length during tidal breathing in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 166: 1461–1469 24. Hodges PW, Heijnen I, Gandevia SC (2001) Postural activity of the diaphragm is reduced in humans when respiratory demand increased. J Physiol 537(2): 999–1008 25. Comerford MJ, Mottram SL (2001) Movement and stability dysfunction-contemporary developments. Manual Therapy 6(1): 15–26 26. Comerford MJ, Mottram SL (2001) Functional stability re-training: principles and strategies for managing mechanical dysfunction. Manual Therapy 6(1): 3–14 27. Dodd DS, Brancatisano T, Engel LA (1984) Chest wall mechanics during exercise in patients with severe chronic airflow obstruction. Am J Respir Crit Care Med 129: 33–38 28. Richardson CA, Jull GA (1995) Muscle control-pain control. What exercise would you prescribe? Manual Therapy 1: 2–10 29. De Troyer A, Leeper JB, McKenzie DK, Grandevia SC. Neural drive to the diaphragm in patients with severe COPD. Am J Respir Crit Care Med 155: 1335–1340 30. Rutte R, Sturm S (2002) Atemtherapie. Springer, Heidelberg 31. Lindel K (2006) Muskeldehnung. Springer, Heidelberg 32. Sharp JT, Danon J, Druz WS (1976) Respiratory muscle function in patients with chronic obstructive pulmonary disease: Its relationship to disability and to respiratory therapy. Am Rev Respir Dis 110: 154
33. Druz WS, Danon J, Fiskman HC (1979) Approaches to assessing respiratory muscle function in respiratory disease. Am Rev Respir Dis 119: 145–149 34. Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, Gezondheiszorg Maarssen 35. De Troyer A, Kelly S, Zin WA (1983) Mechanical action of the intercostal muscle on the ribs. Science 220: 87–88 36. De Troyer A, Kelly S, Macklem PT (1985) Mechanics of intercostal space and actions of external and internal muscles. J Clin Invest 75: 850-857 37. Duron B (1981) Intercostal and diaphragmatic muscle endings and afferents. In: Hornbein TF (ed) Regulation of breathing. Marcel Dekker, New York; pp 473–540 38. White AA, Panjabi MM (1990) Clinical Biomechanics of the Spine, 2nd ed. JB Lippencott Company, Philadelphia, Pennsylvania 39. Smith J, Bellemare F (1987) Effect of lung volume on in vivo contraction characteristics of human diaphragm. J Appl Physiol 62: 1893–1900 40. Ogna A, Domenighetti G (2007) Die nichtinvasive Beatmung als Therapie der akut respiratorischen Insuffizienz. Kardiovaskuläre Medizin 10: 21–26
8 8 Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
8.1
Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge – 63
8.2
Heterogenität der pulmonalen Perfusion
8.3
Heterogenität der pulmonalen Ventilation und Compliance der Lunge – 66
8.4
Der transpulmonale Druck: Einfluss auf die alveoläre Ventilation – 67
8.5
Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Lungenfunktion – 68
. Übersicht 8.1. Beeinflussende Faktoren für die Lungenfunktion
8.1
Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Compliance des gesamten Atemapparates – 68
8.7
Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf den Atemwegswiderstand – 69
8.8
Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Zwerchfellfunktion – 69
8.9
Literatur
– 66
Die wichtigen Kenngrößen und Grundsätze, die Einfluss auf das Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge und damit auf die Lungenfunktion haben, werden in 7 Übersicht 8.1 aufgelistet und nachfolgend beschrieben.
1. 2. 3. 4.
8.6
Ventilations-Perfusions-Verhältnis (VA/Q) Compliance der Lunge (C) Transpulmonaler Druck (ptp) Funktionelle Residualkapazität (FRC)
Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge
Das Verständnis des Ventilations-Perfusions-Konzeptes (VA/ Q-Konzept) ist für die Optimierung physiotherapeutischer Maßnahmen von besonderer Bedeutung, da es die Erklärung und Differenzierung wesentlicher Ventilations- und Perfusionsstörungen liefert. Sowohl die Lungenbelüftung als auch die Durchblutung der verschiedenen Lungenareale ist hierarchisch gegliedert. Unter physiologischen Bedingungen ist das Verhältnis von Lungenbelüftung bzw. alveolärer Ventilation (VA) zu Durchblutung bzw. pulmonaler Perfusion (Q) im Gasaustauschgebiet der Lunge eng aufeinander abgestimmt (ca. 300 Millionen Alveolen mit begleitenden Kapillaren). Dadurch soll ein optimales Verhältnis zwischen alveolärer Ventilation und pulmonaler Perfusion gewährleistet werden, so
– 69
dass die Atemgase (O2 und CO2) effektiv ausgetauscht werden können [5] (. Abb. 8.1). Die Lunge besteht aus ca. 300 Millionen Gas austauschenden Einheiten, bestehend aus einer Alveole und den zugehörigen Kapillaren, die prinzipiell ein ähnliches Inspirationsgas und gemischt-venöses Blut erhalten [5]. Eine Oxygenierung des pulmonal-arteriellen Blutes und die endkapillaren Partialdrücke von Sauerstoff (paO2) und Kohlendioxid (paCO2) hängen im Wesentlichen von einem ausgeglichenen Verhältnis von Ventilation zu Perfusion ab (VA/Q-Verhältnis). Definition Das Ventilations-Perfusions-Verhältnis (VA/Q) der Gesamtlunge ist definiert als der Quotient aus alveolärer Lungenbelüftung (Ventilation)/Minute und pulmonalem Blutstrom (Perfusion)/Minute.
VA/Q-Verteilung Der Idealzustand in den Gasaustauscheinheiten wäre eine perfekte Abstimmung von Ventilation und Perfusion, wobei die Partialdrücke von O2 und CO2 in den verschiedenen Gasaustauscheinheiten nicht voneinander differenzieren. Aufgrund der Gravitationskraft sind sowohl Perfusion (Q) als auch alveoläre Ventilation (VA) nicht auf alle Lungenareale gleichmäßig verteilt; diese nehmen bei aufrechtem Rumpf von kranial nach kaudal zu. Da die Perfusion in der Höhe stärker variiert als die Ventilation, ist das VA/Q-Verhältnis im kranialen Anteil der Lunge höher als im mittleren und kaudalen Anteil. Bereits in der gesunden Lunge gibt es also eine ungleichmäßige VA/Q-Verteilung. Diese Inhomogenität
64 Kapitel 8 · Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge
8 . Abb. 8.1. Ventilation und Perfusion (»blood flow«) der Alveolen
schränkt die Effizienz des pulmonalen Gasaustausches ein, was besonders bei krankhaften Veränderungen der Lunge deutlich wird, da sich das VA/Q-Verhältnis in verstärktem Maße ändert. Eine entscheidende Größe dieser regionalen Inhomogenitäten ist die Gravitationskraft bzw. der hydrostatische Druckgradient. Zudem wird die Perfusion reflektorisch dem jeweiligen Bedarf angepasst: Infolge des sog. Euler-Liljestrand-Reflexes wird die Perfusion in schlecht ventilierten hypoxischen Lungenarealen reflektorisch reduziert. Der Euler-LiljestrandMechanismus (hypoxische pulmonale Vasokonstriktion, HPV) bewirkt, dass schlecht ventilierte Lungenareale weniger perfundiert werden, während die Perfusion besser ventilierter Bereiche erhöht wird. Fazit Das Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Gesamtlunge ist definiert als der Quotient aus alveolärer Lungenbelüftung und pulmonalem Blutstrom/Minute. Für den pulmonalen Gasaustausch ist vor allem das Verhältnis von Ventilation zu Perfusion (VA/Q) entscheidend. In jeder Gasaustauscheinheit herrscht ein biologisches Äquilibrium zwischen Atemgas und Blutphase; daher entspricht jeder VA/Q-Wert einem definierten Niveau von paO2- und paCO2-Wert.
8.1.1 Ventilations- und Perfusions-
inhomogenitäten Die Lungenareale mit ungünstigem VA/Q-Verhältnis spielen für eine verminderte arterielle Oxygenierung eine wichtige Rolle:
4 Eine ventilatorische Verteilungsstörung, auch funktioneller Rechts-Links-Shunt genannt, entsteht bei normal perfundierten, aber inadäquat ventilierten Alveolen, wodurch eine unvollständige Oxygenierung des diese Alveolen passierenden venösen Blutes resultiert. 4 Intrapulmonale Rechts-Links-Shunts entstehen, wenn die Alveolen kollabieren, infolge einer mechanischen Obstruktion nicht ventiliert werden oder durch eine akute Pneumonie mit Exsudat gefüllt sind. 4 Besteht für ein Lungenareal zwar Ventilation, jedoch keine bzw. reduzierte Perfusion, spricht man von einer physiologischen Totraumventilation. Definition Ventilations- und Perfusionsinhomogenitäten lassen sich folgendermaßen definieren: 4 Rechts-Links-Shunt: Bereich mit VA/Q= 0 (low-VA/ Q-Areale) 4 Alveolärer Totraum: Bereich mit VA/Q= ∞ (high-VA/Q-Areale)
In der Lunge gibt es viele unterschiedliche Gebiete mit jeweils einer spezifischen Ventilation und Perfusion, die man als funktionelle Einheiten mit jeweils einem bestimmten Ventilations-Perfusions-Verhältnis beschreiben kann. Da die gesamte alveoläre Ventilation 4 l/min beträgt und das Herzminutenvolumen ebenfalls ungefähr 5 l/min, ist das gesamte Verhältnis von Ventilation zu Perfusion etwa 0,8. Diese Zahl gilt nur für die gesamte Lunge, regional kommt es wie oben beschrieben je nach Körperhaltung zu erheblichen Variationen.
65 8.1 · Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge
. Abb. 8.2. Darstellung ausgehend vom mittleren VA/Q-Wert. Extreme sind der Bereich mit VA/Q= 0 (keine Ventilation, funktioneller
Rechts-Links-Shunt) und der Bereich mit VA/Q= ∞ (nicht ausreichende Perfusion, alveoläre Totraumventilation
Fazit
4 zum einen der Bereich mit VA/Q= 0 (entspricht keiner Ventilation), die man als funktionelle Rechts-Links-Shunts bezeichnet, und 4 zum anderen der Bereich mit VA/Q= ∞ (entspricht einer nicht ausreichenden Perfusion), die man als alveoläre Totraumventilation bezeichnet.
Ausgehend von einem mittleren VA/Q-Wert, den die Lunge hätte, wenn VA und Q überall gleichmäßig verteilt wären (fiktives Musterbild der Lunge), gibt es in der gesunden Lunge Variationen von hyper- und hypoventilierten Lungenarealen (. Abb. 8.2). Extreme sind
In 7 Übersicht 8.2 sind die Ventilations- und Perfusionsinhomogenitäten im Einzelnen beschrieben. . Übersicht 8.2. Ventilations- und Perfusionsinhomogenitäten 1. Rechts-Links-Shunts (low-VA/Q-Areale) Man unterscheidet den anatomischen Shunt vom funktionellen Shunt, der keine eigentliche anatomische Einheit darstellt, sich in der Funktion aber genauso verhält. 1a. Anatomischer Shunt (VA/Q= 0) Ein Shunt ist ein Kurzschluss zwischen arteriellem und venösem Blutkreislauf unter Aussparung der kapillaren Strombahn. Bei der Lunge wird der Anteil des gemischt-venösen Blutes, der zum arteriellen Blut strömt, ohne mit ventilierten Lungenarealen in Kontakt zu kommen, Shunt genannt [13]. Beim anatomischen Rechts-Links-Shunt wird dem sauerstoffarmen arteriellen Blut sauerstoffreiches gemischt-venöses Blut beigemischt. In den anatomischen Strukturen gilt ein VA/Q-Verhältnis von 0. Es handelt sich um vom Körper angelegte Gefäße bzw. Gefäßkurzschlüsse wie die Bronchial- und Pleuravenen (z.B. Vv. cordis minimae, Vv. bronchiales, arteriovenöse Anastomosen, Ösophagusvenen und die Vv. Thebesii [12]. Bei Lungengesunden strömen etwa 3–5% des Herzzeitvolumens durch die anatomischen Recht-LinksShunts. 1b. »Shuntähnlicher Shunt« (F-Shunt) (0>VA/Q<0,8) Zu den funktionellen Shunts gehören alle hypoventilierten Lungenareale, die verhältnismäßig stark perfundiert sind. In diesen Lungenarealen gelten VA/Q-Verhältnisse, die kleiner sind als normal, aber größer als Null. Da hypoventilierte Lungenareale verhältnismäßig stark perfundiert sind, tragen sie zur venösen Beimischung bei.
2. Totraumventilation (high-VA/Q-Areale) Nur ein Teil der eingeatmeten Luft, normalerweise ca. 70% des Atemzugvolumens (VT), gelangt bis in die Alveolen. Dieser Ventilationsanteil, die alveoläre Ventilation, ist für den Gasaustausch entscheidend. Luft, die nur bis in die Atemwege eingeatmet und ohne Kontakt mit der Gas austauschenden Lungenoberfläche wieder ausgeatmet wird, trägt nicht zur eigentlichen O2-Aufnahme und CO2-Elimination bei und wird Totraumventilation genannt. Man unterscheidet generell den anatomischen Totraum (AT) vom physiologischen Totraum (PT). 2a. Anatomischer Totraum (VA/Q= ∞) Der anatomische Totraum ist eindeutig als derjenige Anteil des Atmungstraktes definiert, der der Luftleitung dient und in dem kein Gasaustausch stattfindet. Der anatomische Totraum umfasst das gesamte Hohlraum- und Röhrensystem des Respirationstraktes mit Ausnahme der Bronchioli respiratorii und der Lungenalveolen. Die Größe des anatomischen Totraumes (Nasen- bzw. Mundhöhle, Rachen [Pharynx], Larynx, Tracheobronchialbaum) beträgt etwa 120–150 ml [12]. 2b. Physiologischer Totraum (0,8
8
66 Kapitel 8 · Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge
. Abb. 8.3. Verteilung der Ventilation und Perfusion
8
Infolge von Ventilations- und Perfusionsinhomogenitäten ist der gesamte Totraum (=funktioneller Totraum) bei Ruheatmung mit 150–170 ml deutlich größer als der anatomische Totraum. Das Verhältnis zwischen Totraum (»dead space ventilation«, VD) und Gesamtventilation VD/V beträgt bei Ruheatmung normalerweise etwa 33%. Unter pathologischen Bedingungen kann dieser Anteil bis zu 80% der Gesamtventilation betragen (. Abb. 8.3). Auswirkungen der Ventilations- und Perfusionsinhomogenitäten bei COPD-Patienten Die wesentlichen Ursachen der Atemwegsobstruktion bei COPD-Patienten sind: 4 Hypertrophie der glatten Muskulatur der Atemwege, 4 erhöhter Tonus der glatten Muskulatur der Atemwege, 4 Bildung von Ödemen, 4 Schwellung des respiratorischen Epithels, 4 Sekretbildung und 4 Atemwegsinstabilität. Die Verteilung der Atemwegsobstruktion ist nicht gleichförmig, und deshalb ist die Ventilation der Lunge ungleichmäßiger als bei Gesunden (. Abb. 8.3). Ähnliches gilt für die Verteilung des pulmonalen Blutflusses (Perfusion). Diese zusätzliche krankheitsbedingte ungleichmäßige Verteilung von alveolärer Ventilation und Perfusion führt zu einer gravierenden Störung des VA/Q-Verhältnisses und hat damit Einfluss auf die Oxygenierung und den Säure-Basen-Haushalt. ! Cave Das ungleiche Verhältnis von Ventilation und Perfusion verhält sich nicht direkt proportional zum Ausmaß der generalisierten Atemwegsobstruktion.
8.2
Heterogenität der pulmonalen Perfusion
Die Lungenperfusion weist je nach Körperlage starke regionale Inhomogenitäten auf [4]. In aufrechter Körperhaltung ist die Kapillarperfusion gravitationsbedingt in den apikalen Lungenarealen geringer als in den basalen Lungenanteilen. Der rechte Herzventrikel überträgt über die Blutgefäße eine kinetische Energie, die für den Aufbau eines vertikalen
hydrostatischen Druckgradienten genutzt wird [4]. Der absolute pulmonal-arterielle Druck vermindert sich in senkrechter Richtung, wodurch ab einer bestimmten Höhe der Druck über dem Herzen gegenüber der Atmosphäre gleich Null wird. Weiter kranial wird er sogar negativ [12]. Entsprechend dem Drei-Zonen-Modell nach West (. Abb. 8.4) ergibt sich, dass die regionale Perfusion der Lunge durch die Differenz der vaskulären und alveolären Drücke bestimmt wird [10]: 4 Übersteigt der alveoläre Druck (pA) den arteriellen Druck (pa), so entsteht kein regionaler Blutfluss. 4 Innerhalb der apikalen Lungenareale (Zone 1) liegt der arterielle Druck unterhalb des alveolären Drucks, so dass die Lungenkapillaren weitgehend kollabiert sind. 4 In den unteren Lungenabschnitten (Zone 3) übersteigt der Gefäßinnendruck den alveolären Druck, woraus ein weites Kapillarlumen und eine starke Perfusion resultieren. 4 In Zone 2 ist der Alveolardruck niedriger als der arterielle Druck, aber höher als der pulmonal-venöse Druck (ppv). > Wichtig In Rücken- und Seitenlage sind die unteren Lungenareale besser perfundiert als die kranialen Bereiche. Die gravitationsbedingte Inhomogenität im Liegen ist jedoch weniger ausgeprägt als im Sitzen.
8.3
Heterogenität der pulmonalen Ventilation und Compliance der Lunge
Eine größere Compliance (C) bedeutet eine leichtere Ausdehnbarkeit der Lunge bei gleichem Intrathorakaldruck. Hervorgerufen durch den intrathorakalen Druck bzw. den Pleuradruck, der gravitationskraftbedingt von der Spitze (ca. -10 mbar) nach basal (ca. -2,5 mbar) zunimmt (. Abb. 8.5), sind die basalen Lungenareale besser ventiliert als die apikalen [7]. Vereinfacht ausgedrückt kann man auch sagen, dass der Umgebungsdruck, der auf die Alveolen einwirkt, basal höher ist als apikal, wodurch die Alveolen basal stärker komprimiert sind. Ein großer Anteil des Atemzugvolumens (VT) wird bevorzugt in die basalen Alveolen verteilt, da sich diese bei gleicher Druckveränderung besser ausdehnen können. Die apikalen Lungenareale lassen sich weniger vergrößern, weil sie bereits deutlich vorgedehnt sind.
67 8.4 · Der transpulmonale Druck: Einfluss auf die alveoläre Ventilation
. Abb. 8.4. Drei-Zonen-Modell nach West: Perfusionsverteilung der Lunge als Folge des vertikalen hydrostatischen Druckgradienten (Kleen 1999 [4])
Fazit Die mechanische Vordehnung der apikalen Lungenareale durch die Schwerkrafteinwirkung macht diese Lungenbereiche steifer (niedrige Compliance) und dadurch schlechter ventilierbar als die basalen Lungenanteile. Entsprechend dieser Vordehnung und den geringen Erweiterungsmöglichkeiten des Thorax in den oberen Teilen weist die Lungenventilation ein Gefälle von der Spitze (Apex) zur Basis auf [5].
8.4
Der transpulmonale Druck: Einfluss auf die alveoläre Ventilation Definition
. Abb. 8.5. Zunahme des Pleuradruckgradienten von apikal nach basal (van Gestel 2009)
Entsprechend den biomechanisch eingeschränkten Erweiterungsmöglichkeiten des Thorax bzw. der geringen Compliance in den kranialen und dorsalen Lungenanteilen werden diese Areale schlechter ventiliert als die Bereiche der kaudalen und ventralen Lunge. Zusätzlich gilt, dass die Dehnbarkeit und somit die Ventilation der Lunge im Gebiet der Lungenwurzel geringer ist als in den peripheren Lungenarealen [12].
Der transpulmonale Druck (ptp) ist definiert als die Druckdifferenz zwischen Alveolardruck (palv) und Pleuradruck (ppl) und bestimmt maßgebend das Lumen der peripheren Lungenareale (Bronchiolen und Alveolen).
Für das Offenhalten der peripheren Lungenareale ist ein positiver transpulmonaler Druck notwendig. In aufrechter Haltung ist der transpulmonale Druck in den apikalen Lungenarealen am größten und nimmt basalwärts kontinuierlich ab. Wird der transpulmonale Druck (ptp) durch eine erhöhte Kompression negativ, z.B. als Folge 4 einer forcierten Exspiration, 4 eines Pleuraergusses, 4 eines interstitiellen oder alveolären Lungenödems,
8
68 Kapitel 8 · Ventilations-Perfusions-Verhältnis der Lunge
werden Lungenareale zusammengedrückt, und es kann zum Verschluss der terminalen Atemwege und Bronchiolen- und Alveolarkollaps bzw. Atelektasenausbildung kommen [7]. Eine Erhöhung des transpulmonalen Drucks (ptp) führt zur Rekrutierung nicht ventilierter Lungenareale und trägt demzufolge zur Reduktion des zyklischen Kollabierens und Wiederöffnens der Alveolen bei. > Wichtig Der transpulmonale Druck errechnet sich wie folgt: ptp = palv - ppl
(8.1)
Transpulmonaler Druck (ptp) = Alveolardruck (palv) - Pleuradruck (ppl). Die Maßeinheit wird in mbar angegeben.
Transpulmonale Drücke (ptp)
8
8.5
Lungenareal
Transpulmonaler Druck (ptp) ist gleich
Alveolardruck (palv) minus
Pleuradruck (ppl)
Apikal
10 mbar =
0-
10 mbar
Basal
2,5 mbar =
0-
2,5 mbar
Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Lungenfunktion
> Wichtig Außerdem gilt, dass sowohl das Residualvolumen als auch die FRC aufgrund des Abbaus der elastischen Lungen- und Atemwegsanteile mit dem Alter zunehmen.
8.6
Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Compliance des gesamten Atemapparates
Da sich in der klinischen Praxis die Compliance von Thoraxwand und Lunge nicht einfach getrennt messen lässt, ist es sinnvoll von einer Compliance (C) des gesamten LungenThorax-Systems bzw. des gesamten Atemapparates zu sprechen. Die Compliance ist das Maß für die Dehnbarkeit des gesamten Atemapparates oder dessen Komponenten und wird in der Dimension Volumen/Druck gemessen. Errechnet wird die Compliance aus dem Quotienten der Lungenvolumenänderung (ΔV) und der intrathorakalen Druckänderung (ΔP) [12]. Da der ösophageale Druck leichter messbar ist als der pleurale Intrathorakaldruck, wird in klinischen Anwendungen meist der intraösophageale Druck als Surrogatmarker für den Pleuradruck gemessen, z.B. mit Ballonsonden. Ein höherer Compliance-Wert bedeutet leichtere Lungendehnbarkeit, wohingegen ein kleinerer Wert eine geringe Lungendehnbarkeit anzeigt. Eine Absenkung der Compliance<50 ml/cmH2O bezeichnet man als deutliche, eine Absenkung<30 ml/cmH2O als schwere Einschränkung der Lungenfunktion. > Wichtig
Definition
Die Compliance wird folgendermaßen errechnet:
Die funktionelle Residualkapazität (FRC) ist das Gasvolumen, das zu Ende einer normalen Exspiration in der Lunge verbleibt; dies entspricht der Atemruhelage am Ende einer normalen Exspiration.
C = ΔV/ΔP
(8.2)
C: Compliance (Maß für die Dehnbarkeit), definiert als Verhältnis von Volumenänderung mit der damit verbundenen Druckänderung. Einheit ist l/mbar oder ml/cmH2O.
Beispiel
Als statische Kenngröße der Lungenfunktion gibt die funktionelle Residualkapazität (FRC) Auskunft über die Dehnungsfähigkeit (Compliance) des gesamten Atemapparates (Lunge und knöcherner Thorax). Die FRC ist mit ungefähr 3 Litern beim Gesunden gegenüber den 0,5 Litern des Atemzugvolumens vergleichsweise groß. Dadurch stellt die FRC einen nicht zu unterschätzenden Puffer gegenüber starken Schwankungen der inspiratorischen Gaskonzentrationen und der arteriellen O2- und CO2-Partialdrücke dar. Dadurch ändern sich die alveolären Partialdrücke bei gesunden Probanden während des Atemzyklus mit ±2 mmHg nur geringfügig, und auch während der Exspirationsphase wird ein optimaler Gasaustausch gewährleistet. Das niedrige Atemzugvolumen bewirkt, dass sich die Abmessungen der Alveolen bei einem normalen Atemzyklus nur wenig ändern. Dadurch wird der Tendenz zu einem Alveolarkollaps entgegengewirkt, die durch die Oberflächenspannung der Alveolen immer gegeben ist. Bei obstruktiven Ventilationsstörungen kann es wegen der unphysiologischen Bedingungen der forcierten Exspiration zu einer Erhöhung der Atemmittellage kommen; konsekutiv erhöht sich dann auch die FRC [6].
Steigt der Druck bei Einströmen von 1 l Luft in das System um 10 mbar an, so beträgt die Compliance 0,1 l/mbar.
Die Compliance des gesamten Atemapparates ist nicht über den gesamten Atemzyklus gleich. Sobald das Lungenvolumen die FRC erreicht, hat der Atemapparat seine größte Dehnbarkeit erreicht und nimmt sowohl in Richtung der In- als auch der Exspirationsstellung ab. Bei gesunden Menschen ist der effektivste Gasaustausch bei einem end-exspiratorischen Volumen (EEV) auf dem Niveau einer normalen funktionellen Residualkapazität (FRC) möglich, da sich 4 Druck-Volumen-Beziehung des respiratorischen Systems, 4 Atemarbeit, 4 Ventilations-Perfusions-Verhältnis und 4 pulmonaler Gefäßwiderstand in optimalem Gleichgewicht bzw. Zustand höchster Effizienz befinden [9].
69 8.9 · Literatur
8.7
Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf den Atemwegswiderstand
Jede größere Abnahme der FRC geht neben der Abnahme der Compliance zusätzlich mit der Zunahme der Resistance einher (RAW, Maß für den Atemwegswiderstand; angegeben als Druckdifferenz pro Einheit der Stromstärke). Erhöht wird die Resistance durch 4 Bronchialsekret, 4 Schwellung der Bronchialschleimhaut, 4 Verlust der Retraktionskraft des Lungenparenchyms und 4 dynamische Kompression während der Exspiration.
Reduktion der funktionellen Residualkapazität: Konsequenzen für die Lungenventilation und -perfusion Die Folgen einer verminderten funktionellen Residualkapazität sind in 7 Übersicht 8.3 zusammengestellt. . Übersicht 8.3. Folgen einer verminderten funktionellen Residualkapazität 1. 2. 3.
Normalerweise verhindert das elastische Grundgerüst des Lungenparenchyms, dass sich die exspiratorische intrathorakale Druckerhöhung auf die Bronchien auswirkt, d.h., deren Durchmesser bleibt im Wesentlichen unverändert.
4. 5. 6.
Auswirkungen bei einem Lungenemphysem Bei Zerstörung der elastischen Fasern, z.B. beim Lungenemphysem, führt der erhöhte intrathorakale Druck während der Exspiration zu einer Verengung der Bronchien. Während der Exspiration können die terminalen Atemwege (Bronchien mit 0,5–0,9 mm Durchmesser) durch den umgebenden Intrathorakaldruck verschlossen werden, besonders in den basalen Lungenarealen. Dieser Verschluss der terminalen Bronchien führt zu Airtrapping (gefangene Luft in den Alveolen) und Atelektasenbildung in den nachgeschalteten Alveolen [7]. Bei fortschreitendem Prozess kann es sogar schon in einer relativ frühen Phase der forcierten Exspiration zum Atemwegskollaps kommen, verursacht durch 4 eine lokale Verteilungsstörung von Ventilation und Perfusion mit Anstieg der Shuntdurchblutung, 4 eine erhöhte alveoläre Totraumventilation und 4 eine arterielle O2-Unterversorgung. Außerdem ist die Effektivität und Produktivität des Hustenstoßes beträchtlich eingeschränkt, da das Sekret nicht expektoriert werden kann.
8.8
Die funktionelle Residualkapazität: Einfluss auf die Zwerchfellfunktion
Eine chronische Lungenüberblähung bzw. Hyperinflation senkt die funktionelle Kraft des Zwerchfells [11] (Kap. 6). Smith et al. weisen darauf hin, dass Muskeln, die, bedingt durch eine Verkürzung, bei gleicher neuronaler Aktivität nur eine verminderte Kraft generieren können [11]. Bei einer optimalen Länge (Lo) des Muskels sind die Aktin- und Myosinfilamente in optimaler Beziehung und Überlappung zueinander, und die Spannung, die erbracht werden kann, ist maximal [11] (Kap. 6, Abb. 6.3 ). > Wichtig Eine Reduktion der funktionellen Residualkapazität (FRC) führt zu einer Exspirationsstellung des Zwerchfells und demzufolge zu einer verstärkten Vordehnung: Dadurch wird die Atemexkursion des Zwerchfells vergrößert.
7.
8.9
Verschlechterung der Oxygenierung Verschlechterung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses Kompression der terminalen Atemwege während der Exspiration Ausbildung von (vor allem) dorsobasalen Atelektasen Compliance (C) des gesamten Atemapparates nimmt ab Vordehnung und Atemexkursion des Zwerchfells nehmen zu Atemwegswiderstand (RAW ) nimmt zu [8]
Literatur
1. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2) Organsysteme verstehen. Thieme, Stuttgart 2. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (3) Therapie, Training, Tests. Thieme, Stuttgart 3. DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Approach. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 4. Kleen M (1999) Heterogenität der pulmonalen Perfusion. Intensivmed 36: 250–259 5. Calzia E, Radermacher P (1999) Klinische Bedeutung von Ventilations- und Perfusionsbeziehungen. Intensivmed 36 suppl I: 9–12 6. Rothe T (2006) Dynamische Lungenüberblähung: Implikationen für die klinische Praxis. Schweiz Med Forum 6: 474–478 7. Oczenski W, Andel H, Werba A (2005) Atmen und Atemhilfen. Thieme, Stuttgart New York 8. Rossaint R, Werner C, Zwissler B (2004) Allgemeine und spezielle Anästhesiologie, Schmerztherapie und Intensivmedizin. Die Anästhesiologie 1st ed. Springer, Heidelberg 9. Wagner T (2006) Brochialobstruktion in der Intesivmedizin. Internist 47: 342–355 10. West JB (2001) Pulmonary Physiology and Pathophysiology. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia 11. Smith J, Bellemare F (1987) Effect of lung volume on in vivo contraction characteristics of human diaphragm. J Appl Physiol 62: 1893–1900 12. Bickel-Schumacher C (2005) Veränderungen des pulmonalen Gasaustausches und deren Hämodynamik während Ein-LungenBeatmung unter Almitrinbismesylat und Stickstoffmonoxid. Inaugural Dissertation der Justus-Liebig-Universität Gießen 13. Nunn JF (2000) Applied respiratory physiologie. Blutterworks, London; pp 181–187
8
9 9 Diffusion A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
9.1
Die Zellmembran
– 70
9.2
Diffusionsstörungen
9.3
Fick-Gesetz
– 71
9.4
CO-Diffusionskapazität
9.5
Literatur
– 73
– 74
– 72
Der Gasaustausch zwischen Luft und Blut sowie zwischen Blut und Zellen erfolgt durch Diffusion. In den kleinen Atemwegen und Alveolen (ab 17. Atemwegsgeneration, entsprechend dem Bronchiolus respiratorius, Kap. 3) findet kein aktiver Transportvorgang (Konvektion) statt; die Gase O2 und CO2 werden nur über Diffusion weitergeleitet. Der Sauerstoff aus den Alveolen löst sich zuerst in der Flüssigkeit, die die Alveolen auskleidet und diffundiert dann durch die Membran in das Kapillarblut. Herz- und Skelettmuskelzellen enthalten Myoglobin (Hämoprotein), das als Sauerstoffspeicher dient, aber auch zum intrazellulären Sauerstofftransport durch die Sauerstoffdiffusion beiträgt. Der Übertritt von O2 aus der Alveole in das Blut (wenige μm) erfolgt ebenfalls durch einfache Diffusion. Die treibende Kraft der Diffusion ist das Partialdruckgefälle, d.h., die Diffusion eines Gases erfolgt stets von Orten höheren zu Orten niedrigeren Drucks. Der Gasaustausch innerhalb der Lunge hängt somit vom Konzentrationsunterschied der Gase zwischen den beiden Grenzschichten der semipermeablen Alveolarmembran ab (. Abb. 9.2). Die Konzentration eines Gases in einem Gewebe ist bestimmt durch 4 den Partialdruck und 4 den Löslichkeitskoeffizienten. Der Löslichkeitskoeffizient variiert je nach Gas, Lösungsmittel und Temperatur. Aufgrund der unterschiedlichen Löslichkeit von CO2 und O2 in den Körperflüssigkeiten ist die Diffusionsangleichung für CO2 in der Alveole wesentlich schneller als für O2. Neben der Höhe der Gasdruckdifferenz beidseits der trennenden Membran beeinträchtigen die Größe der Dif-
fusionsstrecke (=Dicke der Membran) und die zur Verfügung stehende Gesamtaustauschfläche die Diffusion. Definition Gasmoleküle breiten sich entlang dem Konzentrationsgradienten (oder Partialdruckgefälle) aus, wobei in der Lunge eine semipermeable Membran zwei Orte unterschiedlichen Partialdrucks trennt. Die treibende Kraft der Diffusion ist das Partialdruckgefälle, d.h., die Diffusion eines Gases erfolgt stets von Orten höheren zu Orten niedrigeren Drucks. Sowohl der eigentliche Gasaustausch zwischen Alveolen und Blut als auch zwischen Blut und Zellen findet über Diffusion statt.
9.1
Die Zellmembran
Zellen sind von ihrer Umgebung, dem Interstitium, durch ihre Zellmembran abgetrennt. Gleichzeitig sind sie aber zugänglich für den Austausch von Blutgasen, Wärme, Nahrung und Metaboliten. Menschliche Zellen können dank verschiedener Transportmechanismen ein stabiles inneres Milieu (Homöostase, Kap. 14) aufrechterhalten und unerwünschte Veränderungen, z.B. des zellinternen pH-Wertes, regulatorisch kompensieren. > Wichtig Wesentliche Faktoren für die Diffusion sind neben der Größe des Gasdruckgradienten beidseits einer trennenden Membran die Größe der Diffusionsstrecke und die gesamte zur Verfügung stehende Diffusionsaustauschfläche.
71 9.2 · Diffusionsstörungen
deutsam sind. Neben der Alveolarmembran müssen Gase während der Diffusion weitere Strukturen durchdringen: 4 das Kapillarendothel, 4 eine kurze Strecke durch das Blut und 4 die Erythrozytenmembran.
. Abb. 9.1. Querschnitt einer Lungenkapillare im Lungengewebe, die beidseitig an den Alveolarraum grenzt. Wegen der bikonkaven Form der Erythrozyten ist die Diffusionsstrecke der Blutgase nur kurz (Block 2006 [4])
Bei der Diffusion kommt der Dicke der Alveolarmembran eine wichtige Rolle zu. Eine dickere Membran verlängert die Diffusionszeit. Beim Gesunden ist die Alveolarmembran nicht breiter als 1 μm. Die Alveolen sind durch Alveolarepithelien ausgekleidet, wobei die Alveolarepithelzellen Typ I über 90% der Alveolarinnenfläche bedecken. Die Alveolarzellen Typ II sind kubische Zellen, die Surfactant produzieren. Surfactant ist ein für die Herabsetzung der Oberflächenspannung erforderliches Molekülgemisch. Alveolarzellen vom Typ II sind regenerationsfähig und können weiter zu Deckepithelzellen (Typ I) differenzieren. Die Alveolozyten werden durch ein schmales Interstitium von der kapillären Basalmembran getrennt. Dadurch ist die Diffusionstrecke für den Gasaustausch sehr gering. Im Interstitium befinden sich Fibroblasten, die bei verschiedenen Krankheitsprozessen (z.B. Lungenfibrose) be-
. Abb. 9.2. Blut-Luft-Schranke: Schematische Darstellung der Alveolarmembran mit zwei Alveolen, einer pulmonalen Blutbahn und drei Erythrozyten (rot). A Alveolarepithel. B Kapillarendothel. C Erythrozytenmembran. In der linken Alveole ist die Alveolarmembran dünn
Wegen der bikonkaven Form der Erythrozyten brauchen die Blutgase bei der Diffusion durch die Zelle nur einen kurzen Weg zurückzulegen. Diese verschiedenen Anteile bilden eine Gesamtstrecke, die eine Dicke von 0,2–1 μm hat und meist unter dem Begriff Alveolarmembran subsummiert wird (. Abb. 9.1–9.3).
9.2
Diffusionsstörungen
Die Diffusion kann in mehrfacher Hinsicht gestört sein. Bei einer Verbreiterung der Diffusionsstrecke an der alveolokapillären Membran nimmt die Diffusionskapazität ab; pro Zeiteinheit können weniger Moleküle die Membran passieren. Da Kohlendioxid (CO2) aufgrund seiner besseren Löslichkeit ca. 20-mal schneller und damit effektiver als Sauerstoff (O2) durch die Alveolarwand diffundiert, beeinträchtigen Lungenerkrankungen, die die Diffusion behindern, vor allem die O2-Aufnahme [1]. Definition Eine Diffusionsstörung (7 Anlage II) ist eine Funktionsstörung, bei der die Lunge nicht fähig ist, ausreichend Sauerstoff (O2) ins arterielle Blut aufzunehmen. Weniger betroffen ist das CO2, da es deutlich besser löslich ist.
und die Diffusionsstrecke kurz; in der rechten Alveole ist die Membran durch eine Flüssigkeitsansammlung verdickt. Die Diffusion ist gestört, da der Gasaustausch langsamer erfolgt (van Gestel 2009)
9
72 Kapitel 9 · Diffusion
. Abb. 9.3. Darstellung der Blut-LuftSchranke, bestehend aus Alveolarepithel, Kapillarendothel und Erythrozyt. Die BlutLuft-Schranke beträgt an sehr dünnen Stellen ca. 200–500 nm. Im Durchschnitt liegt sie bei 2000 nm. A Alveolarepithel. B Kapillarendothel. C Erythrozyt (Groscurth 2004 [5])
Mögliche Ursachen für Diffusionsstörungen sind in 7 Übersicht 9.1 aufgelistet und nachfolgend beschrieben.
9 . Übersicht 9.1. Mögliche Ursachen für Diffusionsstörungen 1. 2. 3. 4.
Interstitielles Lungenödem Alveoläres Lungenödem Lungenfibrose COPD
9.2.3 Lungenfibrose Die Lungenfibrose ist eine Erkrankung, die entweder als Folge einer alveolären oder interstitiellen Entzündung oder durch Granulombildung im Lungenparenchym gekennzeichnet ist. Eine Fibrosierung ist eine krankhafte Vermehrung des Bindegewebes in menschlichen Geweben und Organen. Diese Bindegewebsvermehrung führt zu einer Zunahme der Diffusionsstrecke und Abnahme der Diffusionskapazität.
9.2.4 COPD 9.2.1 Interstitielles Lungenödem Die wichtigste Ursache für die Entstehung eines interstitiellen Lungenödems ist eine Blutstauung in den Lungenkapillaren aufgrund einer Linksherzinsuffizienz. Durch den Rückstau kommt es zu einer Druckerhöhung in den Kapillaren, wodurch Flüssigkeit durch die Alveolarwand in die Alveolen gepresst wird. Durch diese Flüssigkeitsansammlung wird der Gasaustausch in der Lunge behindert.
9.2.2 Alveoläres Lungenödem Beim alveolären Lungenödem kommt es innerhalb der Alveolen zu einer Transsudat- oder Exsudatansammlung, z.B. durch Überlastung des pulmonalen Lymphabflusses. Die alveolären Septen verbreitern sich, und die Diffusion von Sauerstoff und Kohlendioxid wird gestört. Außerdem können krankheitsbedingte Entzündungsmediatoren im Exsudat proteolytische Zellschädigungen mit konsekutiver Permeabilitätsstörung (Permeabilität, Durchlässigkeit) der pulmonalen Endothel- und Epithelschicht verursachen. Das fibrinreiche Exsudat wird an der Oberfläche der Alveolen abgelagert und bildet zusammen mit Zelltrümmern eine schlecht durchlässige hyaline Membran.
In Rahmen der COPD wird eine Vielzahl von Mediatoren, Proteasen, Oxydantien und toxischen Peptiden freigesetzt. Folgen der inflammatorischen Prozesse sind eine Hypersekretion und Dysfunktion der mukoziliären Clearance, eine vorwiegend exspiratorische Atemflussbehinderung und dadurch eine Lungenüberblähung. Darüber hinaus kann es zu einer Destruktion des Lungenparenchyms mit Umbauprozessen im pulmonalen Gefäßsystem (Rarefizierung und Remodelling der Pulmonalgefäße) kommen, wodurch der Gasaustausch gestört wird. Außerdem setzen emphysematöse Entzündungszellen bronchokonstriktorische Stoffe wie Leukotrine, Histamin und Prostaglandine frei.
9.3
Fick-Gesetz
Die treibende Kraft der Diffusion ist das Partialdruckgefälle. Die Diffusion eines Gases erfolgt stets von Orten höheren zu Orten niedrigeren Drucks. Je größer der Unterschied ist, desto rascher findet der passive Gasaustausch statt. Dies geschieht so lange, bis ein Gleichgewicht herrscht. Die Geschwindigkeit, mit der die Angleichung stattfindet, hängt von zwei Faktoren ab: 4 Zum einen vom Konzentrationsgefälle bzw. der Druckdifferenz. Die Druckdifferenz zwischen Raum 1 und Raum 2, die durch eine Membran mit der Dicke d (bei Verdoppe-
73 9.4 · CO-Diffusionskapazität
lung der Membrandicke kommt es zur Halbierung der gesamten Diffusionsgasmenge) auf der Fläche A getrennt sind, wird als K1-K2 bezeichnet. 4 Zum anderen von Temperatur, Form der gelösten Teilchen und Lösungsmittel. > Wichtig Nach dem Fick-Gesetz läuft die Diffusion folgendermaßen ab: VG = (K1-K2)×D×α×A/d
(9.1)
Volumen der Gasmenge = Konzentration 1-2×Diffusionskoeffizient×Löslichkeitskoeffizient× Diffusionsfläche/Diffusionsstrecke VG: Diffusionsmenge des Gases (l/min bzw. m3/sec) A: Gasaustauschfläche d: Diffusionsstrecke K1-K2: Höhe der Gasdruckdifferenz beidseits der trennenden Membran D: Krogh-Diffusionskonstante α: Löslichkeitskoeffizient
! Cave Der Löslichkeitskoeffizient (α) ist für CO2 mehr als 20-mal größer als für O2!
Die physikalische Gesetzmäßigkeit des Gasaustausches wird durch das Fick-Gesetz beschrieben. Danach kann eine Diffusionsstörung mehrere Ursachen haben, aufgelistet in 7 Übersicht 9.2. . Übersicht 9.2. Mögliche physikalische Ursachen für eine Diffusionsstörung 1. 2. 3.
4. 5.
6.
Abnahme der Austauschfläche Verdickung der alveolokapillaren Membran Zunahme des Diffusionswiderstandes, z.B. durch Erkrankung der Alveolarmembran (Emphysem, Pneumonie, Lungenfibrose) Verkürzung der Kontaktzeit von Blut und Alveolen (z.B. bei körperlicher Belastung) Zunahme des Diffusionstrajektes, z.B. durch ödematöse Diffusionsbarrieren wie Wassereinlagerung im Interstitium oder Alveolarraum Gefäßanomalien
Atemfläche Der eigentliche Gasaustausch findet ausschließlich an den Alveolen (Acinus) statt, da nur dort die Gewebeschicht zwischen Luft und Blut semipermeabel, d.h. dünn und durchlässig für viele Gasmoleküle ist.
. Abb. 9.4. Die peripheren Atemwege: Bronchioli respiratorii, Alveolen und Blutgefäße (Neustädter 2000 [2] und Block 2006 [4])
In der menschlichen Lunge gibt es ungefähr 25.000 Acini. Jeder Acinus enthält selbst etwa 10.000 Alveolen. Somit kommt man auf eine geschätzte Anzahl von 250 Millionen Alveolen in der menschlichen Lunge [3]. Ungefähr 1/3 der eingeatmeten Luft gelangt nicht in die Alveolen, sondern bleibt in den Atemwegen (Kehlkopf, Trachea und Bronchien). Dieser Teil wird anatomischer Totraum genannt. Die Gewebeschicht ist in diesem Bereich dicker als in den Alveolen, und deswegen ist kein Gasaustausch zwischen Blut und Atemwegen möglich. Die Sauerstoffaufnahme steigt mit der Größe der Atemfläche (Kontakt-/ Austauschfläche). Der Mensch besitzt im Inspirationszustand der Lunge eine Gesamtaustauschfläche von rund 100 m2.
9.4
CO-Diffusionskapazität
Die Diffusionskapazität wird üblicherweise mit der SingleBreath-Methode durch Einatmen kleinster Mengen des gut diffundierenden Gases Kohlenmonoxid (CO) bestimmt. Nach Inhalation des Gases wird gemessen, mit welcher Geschwindigkeit das Gas aus dem Luftraum entweicht. Die Bestimmung des Transferfaktors (=Diffusionskapazität) ist für die Beurteilung des Schweregrades bei Lungenemphysem und fibro-
. Tab. 9.1. Einschränkungen des Transferfaktors (TLCO) bzw. der Diffusionskapazität (DLCO) sowie des Transferkoeffizienten (KCO)
Einschränkung
Schweregrad
Definition
>80% vom Soll
Keine
Als Acinus bezeichnet man die funktionelle Einheit von Bronchiolus terminalis, dem anschließenden Gangsystem und den zugehörigen Alveolen, deren Blut am Gasaustausch teilnimmt (. Abb. 9.4).
60–80% vom Soll
Leichtgradig
50–60% vom Soll
Mittelschwer
<50% vom Soll
Schwergradig
9
74 Kapitel 9 · Diffusion
sierenden Lungenveränderungen von Bedeutung. Erniedrigte Werte liegen vor, wenn Membranveränderungen an der alveolokapillären Grenze entstanden sind, die den Gasaustausch beeinträchtigen. Die Diffusionsstörungen werden in verschiedene Schweregrade eingeteilt (. Tab. 9.1).
9.5 1. 2.
3.
4.
9 5.
Literatur Tobin MJ (1998) The respiratory muscles in disease. Clin Chest Med 9: 263–286 Neustädter I (2000) Erweiterung der pulmologischen Diagnostik in der Nuklearmedizin – kombinierte Ventilations-InhalationsSzintigraphie. Medizinische Fakultät Charité der Humboldt-Universität Berlin Zinserling J (2005) Verteilungen der spezifischen tidalen Ventilation der Lunge aus N2-Auswaschzeitkonstanten, Einzelphotonen-Emissions-Computertomographie und Computertomographie beim akuten Lungenversagen. Dissertation MathematischNaturwissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Block LH, Sitzwohl C, Zimpfer M (2006) Der Respirationstrakt. Präklinische und klinische Grundlage. Facultas wuv Universitätsverlag Groscurth P (2004) Histologie-Atlas. Urban & Fischer, München
10 10 Akuter und chronischer Husten A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
10.1
Bronchialsekret
– 75
10.2
Mukoziliare Obstruktion
10.3
Autonomes Nervensystem: Einfluss auf die Schleimsekretion – 76
10.4
Der Zilienschlag: Charakterisierung der mukoziliaren Clearance – 76
– 76
Grundsätzlich ist Husten ein lebenswichtiger Reflex des menschlichen Körpers zur Reinigung der Trachea und der Atemwege von Fremdkörpern oder Krankheitserregern. Viele Patienten mit einer Erkältung leiden in den ersten Tagen an akutem Husten, weswegen die Differenzialdiagnose zwischen einer unkomplizierten Erkältung, akuter Bronchitis oder Exazerbation einer COPD schwierig sein kann. Ein milder Infekt der oberen Atemwege kann mit Halsschmerzen, Schnupfen und gelegentlich auch mit Fieber, Myalgien und Abgeschlagenheit assoziiert sein. > Wichtig Wenn der Husten länger als 8 Wochen anhält, liegt ein chronischer Husten vor.
Bei chronischem Husten in Kombination mit weiteren Symptomen wie 4 Dyspnoe, 4 Hämoptoe, . Abb. 10.1. Flimmerepithel im Bronchus (Rutte, Sturm 2002 [16])
10.5
Viskosität des Bronchialsekrets
10.6
Folge der Hypersekretion
10.7
Differenzierung des Hustens
10.8
Literatur
– 77
– 77 – 78
– 79
4 extremer Rauchgewohnheit, 4 hohem Fieber und 4 anderen Begleiterkrankungen ist es dringend erforderlich, den Patienten zum Facharzt zu schicken.
10.1
Bronchialsekret
Die Atemwege sind mit einem vielschichtigen Epithel ausgekleidet (. Abb. 10.1, Abb. 10.2). Die Becherzellen und Schleimdrüsen sorgen für die Sekretbildung [4, 5, 6]. Sekret setzt sich beim gesunden Menschen zusammen aus: 4 Wasser (90%), 4 Glykoproteinen (und anderen Proteinen) sowie 4 z.B. Immunglobulin A/M.
76 Kapitel 10 · Akuter und chronischer Husten
. Abb. 10.2. Epithel der Nasenschleimhaut mit Gruppen dicht nebeneinander liegenden Becherzellen und Kinozilien tragender Zellen (Groscurth 2004 [17])
Das Immunglobulin A/M hat hauptsächlich eine bakterizide und bakteriostatische Abwehrfunktion [7].
10.2
Mukoziliare Obstruktion
> Wichtig
10
Klinisch ist COPD charakterisiert durch einen andauernden bzw. rezidivierenden Husten, entweder produktiv (mit Auswurf ) oder unproduktiv (ohne Auswurf ), an der Mehrzahl der Tage während mindestens drei aufeinanderfolgenden Monaten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren.
Im fortgeschrittenen Stadium der COPD entstehen als Folge der krankheitsbedingten Entzündungsprozesse Parenchym-
veränderungen (massive Zerstörung der Epithelzellen durch neutrophile Granulozyten) [8] (. Abb. 10.3). Dieser emphysematöse Umbauprozess kann wesentlich zur exspiratorischen Atemflusslimitation beitragen. Darüber hinaus setzen emphysematöse Entzündungszellen bronchokonstriktorische Stoffe wie Leukotrine, Histamin und Prostaglandine frei. Die Denaturierung des Bronchialepithels führt zu 4 einer Metaplasie des Plattenepithels, 4 einer Hypertrophie der glatten Bronchialschleimhaut, 4 einem Schleimhautödem mit Infiltration von Entzündungszellen in die Bronchialwand (Makrophagen, neutrophile Granulozyten) und 4 Störungen des mukoziliaren Klärsystems (MZS). Definition Sekret ist ein notwendiges Absonderungsprodukt der Bronchialschleimhäute. Das ausgehustete Bronchialsekret gilt, abgesehen von geringen Mengen glasig-hellen Sekrets, immer als pathologisches Symptom einer Lungenerkrankung. Die Schleimhaut der Bronchien ist dabei häufig und über längere Zeit entzündet.
10.3
Autonomes Nervensystem: Einfluss auf die Schleimsekretion
Die Schleimsekretion wird sympathisch und parasympathisch moduliert [9, 10, 11]. In den Bronchien bewirkt der Parasympathikus zum einen eine Bronchokonstriktion, zum anderen eine erhöhte Schleimsekretion [12]. Die Hypersekretion der submukösen Drüsen (erhöhte Sekretion der Schleim produzierenden Drüsen) wird durch eine erhöhte Blutzufuhr ausgelöst. . Abb. 10.3. Feinstruktur eines neutrophilen Granulozyten. Sie sind die zahlenmäßig stärkste Leukozytenart (weiße Blutkörperchen). Alveolarmakrophagen und neutrophile Granulozyten haben für die verschiedensten Lungenerkrankungen eine wesentliche Bedeutung. Sie sind die wichtigsten Funktionsträger im unspezifischen Abwehrsystem des Blutes und damit für die Akutabwehr von bakteriellen und Pilzinfektionen zuständig (Groscurth 2004 [17])
10.4
Der Zilienschlag: Charakterisierung der mukoziliaren Clearance
Vom Kehlkopf bis zu den Bronchioli terminales der 16. Atemwegsgeneration wird die Inspirationsluft durch einen phy-
77 10.6 · Folge der Hypersekretion
siologischen Selbstreinigungsmechanismus gereinigt, die mukoziliare Clearance. Jenseits der 16. Atemwegsgeneration befinden sich keine Zilien mehr, wodurch die mukoziliare Clearance von zentral nach peripher abnimmt. Definition Die mukoziliare Clearance beschreibt eine Schleimschicht, die von den mukösen Drüsenanteilen des respiratorischen Epithels gebildet wird. Diese Mischung aus Sekret und Fremdpartikeln wird von den Zilien in Richtung Hypopharynx befördert und dort abgehustet.
Die Zilien (Flimmerhärchen) schlagen koordiniert, bewegungssynchron und peitschenartig mit einer Frequenz von 11–16 Schlägen/sec und transportieren das Sekret entgegen der Gravitationskraft in Richtung der extrathorakalen Atemwege und Mund. Diese Synchronbewegung der Zilien ist unter dem Begriff metachronale Welle bekannt. Dadurch entsteht ein gleichmäßiger, fließbandartiger Sekrettransport. Die Koordination des Zilienschlags erfolgt über Querverbindungen, wobei die Vorwärtsbewegung der Zilien etwa 2- bis 3-mal schneller ist als der Rückschlag. Dieser Mechanismus wird von den Zilien tragenden Epithelzellen und der Schleimschicht bestimmt. Auf einer einzigen Epithelzelle befinden sich ca. 200 Flimmerhärchen, mit einer Länge von 2–7 Mikrometer, je nach Größe der Atemwege. Die Aktivität der Flimmerhärchen wird gehemmt durch: 4 Zigarettenrauchen und andere schädliche Stoffe in der Atemluft, 4 Entzündungsmediatoren, 4 Alkoholgehalt im Blut und 4 ATP-Mangel des Gewebes. Auswirkungen einer Entzündung auf die Zilienmotilität Durch die anhaltende Entzündung produziert die Schleimhaut vermehrt Sekret, und die Atemwege verlieren teilweise ihr Selbstreinigungsvermögen. Die Zilienmotilität und die Anzahl der Flimmerhärchen, die Sekret und Schleim abtransportieren, nehmen ab, und dadurch entsteht noch mehr Schleim. Die Zilienmotilität wird zudem immer durch außerziliare Faktoren wie Menge und Viskosität des Mukus beeinflusst. Bei zu viskösem Sekret bietet der Schleimteppich den Zilien einen zu großen Widerstand, die Flimmerhaare verkleben und ihre Aktivität sistiert. Unterwässerung des Organismus (Dehydration), erhöhte Parasympathikusaktivität und lokale Entzündungen verstärken die Funktionsstörung. Die Auswirkung der bakteriellen Infektion ist noch nicht eindeutig geklärt. Offensichtlich ist jedoch, dass bestimmte Bakterienspezies fähig sind, die lokalen Abwehrmechanismen des Bronchialtraktes zu umgehen und in der Schleimhaut zu persistieren.
10.5
Viskosität des Bronchialsekrets
Der auffälligste Befund ist das Exsudat im Bronchiallumen, auch Mukus, Sputum oder Sekret genannt. Folge des krankheitsbedingten Entzündungsprozesses ist ein zähes und unvisköses Sekret, das sich in den Bronchien ansammelt. Dieses Exsudat enthält viele eosinophile Granulozyten und gesundes wie auch degeneriertes respiratorisches Epithel. Häufig bestehen auch ein Ödem und eine eosinophile Infiltration von Mukosa und Submukosa. Die Schleimdrüsen sind oft vergrößert, und die glatte Muskulatur ist hypertroph. Die bronchiale Basalmembran ist deutlich verdickt. Mit speziellen Färbemethoden können Immunglobuline in der Membran nachgewiesen werden. Die Viskosität des Bronchialsekrets wird bestimmt durch: 4 das Aktivitätsverhältnis zwischen mukösen und serösen Drüsen, 4 die Produktion von Elastase in den neutrophilen Granulozyten, das eine Läsion der Strukturproteine verursacht, 4 die z.T. exzessive Freisetzung von Kernmaterial (DNA) aus zerstörten Leukozyten und Epithelzellen. Mukus kann aufgrund seiner hohen Viskosität an der Atemwegswand haften und so zu einer Verengung und teilweise sogar Verlegung beitragen.
10.6
Folge der Hypersekretion
Folge des krankheitsbedingten Entzündungsprozesses ist ein zähes und unvisköses Sekret, das sich in den Bronchien ansammelt und zu einer Einengung der Luftwege führt. Das Sekret bietet den zahlreichen Keimen, die der Mensch einatmet, einen idealen Nährboden. Bei dieser Sekundärinfektion wird die Zähigkeit des Sekrets zusätzlich erhöht. Später kann man weitere Erkrankungen beobachten, u.a.: 4 Lungenabszesse, 4 emphysematische Veränderungen (evt. mit Pneumothorax), 4 Pneumonien, 4 pulmonale Hypertension und 4 Cor pulmonale. Die fortschreitende Destruktion der bronchialen Mukosa führt zu 4 Atelektasen, 4 Bronchiektasen und 4 progredientem Stabilitätsverlust der Tracheobronchialwände, wodurch sich die Neigung zum Tracheobronchialkollaps erhöht.
10
78 Kapitel 10 · Akuter und chronischer Husten
10.7
Differenzierung des Hustens
Bei akuten Bronchiolitiden, akutem Asthma und COPD-Exazerbationen kann Husten assoziiert sein mit: 4 4 4 4 4 4
Giemen, Pfeifen, Tachypnoe, Atemnot, Hypoxämie und obstruktiver Ventilationsstörung.
> Wichtig Nach WHO-Definition liegt eine chronische Bronchitis vor, wenn Husten und Auswurf über wenigstens drei Monate in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren bestehen. Tipp
Bei COPD ist chronischer Husten oft ein Initialsymptom. Der Husten kann sich in zwei Formen zeigen, als 4 meist morgendlicher produktiver Husten oder 4 trockener Husten (häufig im Rahmen von Exazerbationen).
10
Verantwortlich für den Husten kann eine Hyperkrinie der Atemwegsmukosa in Kombination mit einer Verschlechterung der mukoziliaren Clearance sein [1]. Die Drüsen des Bronchialsystems produzieren physiologischerweise kontinuierlich geringe Mengen an Sekret, das durch die Flimmerhärchen der Bronchiendeckschicht in Richtung Kehlkopf aus den Atemwegen heraustransportiert wird. Hustenstoß Beim Verschlucken von Speichel und Nahrung oder bei vermehrter Sekretbildung, z.B. bei Infekt, reicht der Reinigungsmechanismus der Atemwege nicht mehr aus. Dann wird ein effektiver Hustenstoß benötigt, der den Schleim durch eine
hohe Strömungsgeschwindigkeit aus den Atemwegen auswirft. Husten-Reflex Der Husten-Reflexbogen besteht aus fünf Abschnitten: 4 den Hustenrezeptoren, 4 dem afferenten Schenkel, 4 dem zentralen Hustenzentrum, 4 dem efferenten Schenkel und 4 der Muskulatur als Effektororgan. Hustenrezeptoren (bzw. Irritationsrezeptoren) befinden sich
4 in den Atemwegen (Larynx, Trachea, große Bronchien, als C-Faser-Rezeptoren in der Alveolarwand), 4 im Lungenparenchym, 4 in der glatten Bronchialmuskulatur, 4 in der Pleura, 4 im Perikard, 4 im Zwerchfell, 4 im Ösophagus und 4 im Magen [1, 2]. In . Tab. 10.1 sind die verschiedenen Hustenformen und deren mögliche Ursachen zusammengefasst.
10.7.1 Reizhusten bzw. trockener Husten Beim Reizhusten handelt es sich um Husten ohne Auswurf (unproduktiver Husten), d.h., es wird kein Sekret ausgeworfen. In den meisten Fällen ist es ein starker Husten, der nicht lange anhält. Dieser Hustentyp entsteht aufgrund einer Reizung der unteren oder oberen Atemwege. Manche Medikamente können als Nebenwirkung einen Reizhusten verursachen. ! Cave Bei einer kleinen Lungenembolie kann Reizhusten das einzige Krankheitssymptom sein!
. Tab. 10.1. Unterteilung verschiedener Hustenformen und mögliche Ursachen
Akuter Husten
Chronischer Husten
Unproduktiver Husten (ohne Auswurf)
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
4 4 4 4 4 4 4
4 Reizung der peripheren Atemwege: – Atelektasen, – Lungenembolie, – Fibrose, – interstitielles Ödem 4 Reizung der zentralen Atemwege: – Fremdkörper, – Tumoren, – Laryngitis, – Bronchitis
Virale infektiöse Erkrankung Postinfektiöser Husten Pneumothorax Pneumonie Pleuritis Lungenembolie Intermittierendes allergisches Asthma Aspiration eines Fremdkörpers Akute Sinusitis Intermittierende allergische Rhinitis (Heuschnupfen) 4 Akute Linksherzinsuffizienz 4 Akute Bronchitis
Tuberkulose Mukoviszidose Diffuse Lungenparenchymerkrankungen COPD Chronische Linksherzinsuffizienz Bronchialkarzinom Asthma (zystische Fibrose)
79 10.8 · Literatur
4 4 4 4 4
Herzinsuffizienz*, Tuberkulose, Lungenembolie*, Herzklappenfehler*, Blutgerinnungsstörungen (oder nach Einnahme gerinnungshemmender Medikamente) und 4 Einwachsen von Tumoren in Gefäße.
10.8
. Abb. 10.4. Wiederholte Lungenblutungen (Hämoptysen) sind i.d.R. ein alarmierendes Symptom (nach Netter 2006, Rozijn 2009)
10.7.2 Produktiver Husten Unter produktivem Husten versteht man Husten, der mit Auswurf einhergeht. Produktiver Husten kann akut oder chronisch sein. Die häufigsten Ursachen sind: 4 Erkältungen, 4 Pneumonien und 4 COPD. Auch bei Asthma oder allergischen Erkrankungen kommt es wegen der ständigen Entzündungsbereitschaft in den Atemwegen zu erhöhter Sekretbildung. Die Färbung des Sekrets kann Aufschluss über die Ursache liefern, z.B. findet sich bei Bronchiektasen typischerweise ein putrides (eitriges) Sekret, bei nicht exazerbierter COPD oder Asthma ein glasklares Sekret.
10.7.3 Bluthusten Als Bluthusten wird das Abhusten von reinem Blut (Hämoptoe) oder blutig gefärbtem Auswurf (Hämoptyse) bezeichnet. Von massiver Hämoptoe spricht man, wenn die ausgehustete Menge reinen Blutes mehr als 100–300 ml/täglich erreicht (. Abb. 10.4). Bluthusten entsteht häufig durch eine erhöhte Verletzlichkeit der Bronchialschleimhaut bei Entzündungen, z.B. bei 4 schwerer Bronchitis, 4 Druckerhöhung in den Lungengefäßen bzw. Bluthochdruck der Lunge1*, 1 * Gemeinsamer Mechanismus dieser Pathologien ist ein Blutrückstau in die Lungengefäße. Dieser führt zu einer Druckerhöhung im pulmonalen Kreislauf. Durch den erhöhten Druck kann Blut aus den kleineren Blutgefäßen in die Lunge austreten, was sich in Bluthusten äußert.
Literatur
1. Kardos P, Cegla U, Gillissen A et al. (2004) Leitlinien der Deutsche Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten. Pneumologie 58: 570–602 2. Medici TC, Häcki M, Spiegel MV (2001) Husten und Auswurf: Ursachen und Differentialdiagnose. Schweiz Med Forum 27(4): 697–703 3. Schmidt I (2008) Assisted cough – Physiotherapie zur Verbesserung der Sekretexpektoration. Pneumologie 62: 23–27 4. Vestbo J, Prescott E, Lange P (1996) Copenhagen City Heart Study Group. Association of chronic mucus hypersecretion with FEV1 decline and chronic obstructive pulmonary disease morbidity. Am J Respir Crit Care Med 153: 1530–1535 5. Bartlett RH (1973) Respiratory maneuvers to prevent postoperative pulmonary complications. A critical review. JAMA 224: 1017– 1021 6. Marini JJ (1984) Postoperative atelectasis: pathophysiology, clinical importance and principles of management. Respir Care 29: 516–522 7. Bekkering GE, Hendriks HJM, Chadwick-Staver RMV, Paterson WJ (1998) Guidelines for physiotherapeutic management in chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Nederlands Paramedisch Instituut, Amersfoort 8. Aliverti A, Macklam PT (2001) How and why exercise is impaired in COPD. Respiration 68: 229–239 9. Raphael JH, Strupish J, Selwyn DA, Hann HC, Langton JA (1996) Recovery of respiratory ciliary function after depression by inhalation anaesthetic agents: an in vitro study using nasal turbinate explants. Br J Anaesth 76: 854–859 10. Phipps RJ, Nadel JA, Davis B (1980) Effect of alpha-adrenergic stimulation on mucus secretion and on ion transport in cat trachea in vitro. Am Rev Respir Dis 121: 359–365 11. Nadel JA, Davis B (1980) Parasympathetic and sympathetic regulation of secretion from submucosal glands in airways. Fed Proc 39: 3075–3079 12. Aalkjaer C, Poston L (1996) Effects of pH on vascular tension: which are the important mechanisms? J Vasc Res 33: 347–359 13. Angstwurm M, Bogner J (2008) Bakterielle Pneumonie oder Virusinfekt? Biomarker hilft bei der Entscheidung. Der Allgemeinarzt 3: 30–33 14. Rutishauser M (1999) Persistierende Atelektase. Schweiz Med Wochenschr 129: 2027 15. Rutte R, Sturm S (2002) Atemtherapie. Springer, Heidelberg 16. Groscurth P (2004) Histologie-Atlas. Urban & Fischer, München
10
11 11 Modell der segmentalen Dysbalance A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
11.1
Vegetatives und somatisches Nervensystem – 81
11.4
Praxis: Behandlung einer segmentalen Dysbalance – 84
11.2
Entstehung einer segmentalen Dysbalance – 81
11.5
Literatur
11.3
Praxis: Assessment bei segmentaler Dysbalance – 84
Eine segmentale Strukturierung des Körpers ist beim Menschen zu großen Teilen verloren gegangen, da im Verlauf der phylogenetischen Entwicklung gravitationsbedingte Umstrukturierungen angestoßen wurden. Trotz dieser Tatsache sind jedoch segmentale Gliederungen und Zusammenhänge erkennbar, die wichtige therapeutische und diagnostische Bedeutung haben. Die Zusammenhänge der sog. Segmentalreflektorik lassen sich zum großen Teil aus der Embryogenese erklären: In der Embryonalentwicklung entstehen unterschiedliche Zelltypen, die spezifische Funktionen innerhalb eines Segments haben. Während der Segmentierung des Embryos entstehen im dorsolateralen Körperbereich aus dem mesodermalen Gewebe, beidseits ventrolateral von Neuralrohr und Chorda dorsalis, die Ursprungsgewebe der Segmente, die sog. Somiten. Funktion der Somiten ist die Entwicklung der Grundform des embryonalen Körpers und die segmentale Gliederung des mesodermalen Stammgewebes. Im weiteren Entwicklungsverlauf des Embryos bilden sich aus jedem Somiten wichtige Bestandteile des Achsenskeletts und des Bindegewebes aus: ein Dermatom (Dermis), ein Myotom (Rumpf- und Extremitätenmuskulatur) und ein Sklerotom. Zuerst bildet sich das Sklerotom aus, dann aus der dorsalen Wand das Dermatom und direkt unterhalb das Myotom. Die quergestreifte Muskulatur stammt aus den Myotomen der Somiten der Leibeswand, die glatte Muskulatur (Muskulatur der inneren Organe) aus dem Mesoderm der Splanchnopleura. Wenn das unterhalb des Dermatoms liegende Myotom vollständig ausgebildet ist, breiten sich die Dermatomzellen unter dem oberhalb liegenden Ektoderm (Nervengewebe des äußeren Epithels) aus. Auf diese Weise entsteht in der Peripherie eine Verbindung zwischen Nervensystem, Dermatom und
– 85
Myotom. Das Dermatom entwickelt sich später zur Dermis und zum subkutanen Gewebe. Das Epithel der Epidermis leitet sich vom Ektoderm ab. Die aus einem Somiten stammende Muskulatur (Myotom) und der jeweilige Hautbezirk (Dermatom) werden zusätzlich von Nervenfasern des entsprechenden Spinalnervs (Sklerotom) innerviert. Gemäß der Segmentalreflektorik gibt es im Körper mögliche gegenseitige Beeinflussungen von 4 Haut (Dermatom), 4 Muskulatur (Myotom), 4 Skelett (Sklerotom), 4 inneren Organen (Viszerotom), 4 Blutgefäßen (Angiotom) und 4 Nervensystem (Neurotom). Bei Störung einer Struktur innerhalb des Segments kann es im Laufe der Zeit zu einer Mitreaktion der anderen Strukturelemente dieses Segments kommen: 4 Innere Organe können die Ursache für die Begleitsymptomatik neurologischer, rheumatologischer oder orthopädischer Erkrankungen sein. 4 Eine Organerkrankung kann sich symptomatisch am Bewegungsapparat zeigen [1, 2, 3]. 4 Organsymptome können auf Störungen des Bewegungsapparates im Segment hindeuten.
81 11.2 · Entstehung einer segmentalen Dysbalance
11.1
Vegetatives und somatisches Nervensystem
Organismen werden durch das vegetative (autonome bzw. unwillkürliche) Nervensystem und durch das somatische (willkürliche) Nervensystem versorgt. Das vegetative Nervensystem reguliert die Funktionen aller innervierten Gewebe und Organe des menschlichen Körpers: 4 Kreislauf, 4 Atmung, 4 Verdauung, 4 Sekretion, 4 Stoffwechsel, 4 Körpertemperatur, 4 Fortpflanzung. Es gibt nur wenige Ausnahmen, z.B. die Skelettmuskulatur. Die segmentale Gliederung des zentralen Rückenmarks bezieht sich morphologisch, physiologisch und funktionell auf die vorderen und hinteren Nervenwurzeln, wo die peripheren und vegetativen Nerven in das Rückenmark ein- und austreten. Die sensiblen Fasern werden vom 1. auf das 2. Neuron umgeschaltet. Sie teilen sich unmittelbar in drei Anteile: einen aufsteigenden, einen absteigenden und einen segmentalen Zweig. Die einzelnen Zweige geben ihrerseits Kollateralen ab. Im Brustwirbelsäulenbereich ist das willkürliche Nervensystem eng mit dem vegetativen verknüpft. Daher bestehen Störmöglichkeiten zwischen 4 Brustwirbelsäulen- und Thoraxfunktion, 4 Brustwirbelsäulenfunktion und Funktion von Herz, Kreislauf, Atmung und Oberbauchorganen [32]. Die Pathophysiologie dieser Funktionsstörungen ist häufig durch kombinierte Auswirkungen der beiden Nervensysteme auf myofasziale, vegetative, viszerale und nervös-reflektorische Funktionen gekennzeichnet [8].
. Abb. 11.1. Neurologische Versorgung eines Segments: Innervation der autochthonen Wirbelsäulenmuskulatur durch den R. cutaneus dorsalis medialis, der aus dem R. dorsalis des Spinalnervs entspringt (van Zutphen 1991)
Systemische Erkrankungen gehen häufig mit Störungen des autonomen Nervensystems (in Form einer neuroendokrinen Aktivierung) einher, die möglicherweise für das erhöhte Mortalitätsrisiko dieser Erkrankungen mitverantwortlich sind (Kap. 14). Diese Störung kann in direktem Zusammenhang mit der durch die Nozizeptoren verursachten Dauerreizung der C- oder Aδ-Nervenfasern entstehen, infolge Noxeneinwirkung, systemischer Inflammation, Gewebeschädigung oder bakterieller Entzündung. Zudem können sich viszerovertebrale Schmerzsyndrome, bei psychosozialer Problematik auch psychoemotionale Schmerzsyndrome im Brustwirbelsäulenbereich manifestieren.
11.2.1 Segmentale Dysbalance:
Einfluss auf das Myotom 11.2
Entstehung einer segmentalen Dysbalance
Haltungs- und Bewegungsabweichungen im Brustwirbel-
säulenbereich sind bei chronischen Lungenerkrankungen häufig zu finden. In direkter Nähe zu den Rippenköpfchen verlaufen die paarigen Grenzstrangganglien des Sympathikus, die aus den Vorderhörnern des Rückenmarks versorgt werden [31] (. Abb. 11.1). Diese Ganglien sind untereinander, mit ihrem segmentalen Versorgungsgebiet (innere Organe und Bewegungssystem) und den jeweiligen Spinalnerven, verbunden. Bei einer ausgeprägten Brustkyphose und einem Hyperinflationsstand des Thorax können bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung segmentale Dysfunktionen wie z.B. schmerzhafte muskuläre Dysbalancen (Muskelverkürzungen und-abschwächungen) und degenerative Veränderungen, verbunden mit myofaszialen Reizsyndromen entstehen.
Sämtliche C-Nervenfasern aus einem Segment stehen in erster Linie über den R. dorsalis der Spinalnerven mit dem Rückenmark in Verbindung. Sie konvergieren auf die korrespondierenden Wide-Dynamic-Range-Neurone (WDR-Neurone) und bewirken über die Axonkollateralen zu den motorischen Vorderhornzellen eine motorische Systemaktivierung. Nozizeptoren können somit auf Aα- und Aγ-Motoneurone der 4 autochthonen Wirbelsäulenmuskulatur (kurze tiefe Rotatoren und mono- bzw. oligosegmental gegliederte autochthone Rückenmuskeln), 4 Gelenkkapseln, 4 autochthonen Ligamente und über die ventralen Spinalnervenäste auf die ventrale und laterale Rumpf- und oberflächliche Rückenmuskulatur [10] Einfluss nehmen. Diese Reaktion wird als motorische Systemaktivierung bezeichnet. In Übereinstimmung beschrieb auch
11
82 Kapitel 11 · Modell der segmentalen Dysbalance
. Abb. 11.2. Elektropalpation der autochthonen Hautareale (van Zutphen 1991)
McKenzie den segmentalen Zusammenhang zwischen Organen und Muskelschichten (Myotom) [24, 25].
der höher gelegenen zentralnervösen Zentren wie Hirnstamm, Formatio reticularis, Thalamus und vor allem sensomotorischem Kortex erforderlich. Diesen schmerzhaften und therapierefraktären reflektorischen Schmerzsyndromen liegen häufig komplexe neurophysiologische Vorgänge zugrunde, und diese wiederum können biochemische Veränderungen im Umfeld der Hinterhornkomplexe zur Folge haben. Studien von Mense geben Hinweise darauf, dass die Interaktion der rezeptiven Felder im Rückenmark durch das Einwirken verschiedener Substanzen wie Substanz P, Calcitonine-RelatedGene-Peptid (CRGP) und anderer Neurotransmitter beeinflusst werden kann [18, 19, 20, 21, 22, 23]. Diese Chronifizierungsmechanismen können die Reaktionsfähigkeit des WDR-Neurons erheblich verändern und zu einer zentralen Sensibilisierung führen [10]. Es entwickelt sich eine Art Schmerzgedächtnis mit den Kennzeichen: 4 Hyperalgesie: Das Schmerzerleben wird bereits bei geringer Intensität als sehr stark wahrgenommen. 4 Allodynie: Der Schmerz wird durch einen nicht schädlichen und normalerweise gut tolerierbaren Reiz auf ein von einem erkrankten Nerven versorgtes normales Hautareal oder auf vorgeschädigter Haut verursacht [26].
Tipp
11
In der nozizeptiven klinischen Funktionsanalyse sind Palpation der autochthonen Wirbelsäulenmuskulatur und elektropalpatorische Provokationsuntersuchung (Palpation mittels Elektroden) des korrespondierenden Dermatoms der Irritationszone, die aus dem R. dorsalis des Spinalnervs innerviert wird, sehr wichtig (. Abb. 11.2).
Gleichzeitig gibt es auch direkte Axonkollateralen zum segmental organisierten Truncus sympathicus im Bereich C8– L2, was bei entsprechender Disposition über die sympathische Systemaktivierung erhebliche Störungen der Schmerzverarbeitung zur Folge haben kann [10] (. Abb. 11.1).
11.2.2 Segmentale Dysbalance:
Einfluss auf das Dermatom Innere Organe und Dermatom Chronische Erkrankungen der inneren Organe können über Reflexzonen (Head-Zonen) auf die zugeordneten Dermatome an der Körperoberfläche übertragen und dort als Schmerz empfunden werden. Eine Irritation des assoziierten inneren Organs kann über die viszerokutanen Reflexe im Segment selbst und auf Nachbarsegmente als Schmerz weitergeleitet werden, der sich durch überempfindliche Hautareale bemerkbar macht. Symptome sind: 4 Hyperästhesie und 4 Hyperalgesie [24, 25]. Nervensystem und Dermatom Vor allem zur Erklärung von Schmerzen, die i.d.R. keinem pathologischen Korrelat zugeordnet werden können, ist die Betrachtung der segmentalen Vorgänge im Rückenmark und
Bei der zentralen Sensibilisierung senden die Nerven nozizeptive Schmerzsignale an das zentrale Nervensystem, die teilweise fehlinterpretiert werden. Dadurch können Schmerzen in anderen Körperarealen verursacht werden. Diese Phänomene können auch als Kribbel- oder Taubheitsgefühl wahrgenommen werden. Üblicherweise sind diese Effekte durch ein präzise abgrenzbares und geordnetes Muster der Symptomausprägung erkennbar (. Abb. 11.3).
11.2.3 Segmentale Dysbalance:
Einfluss auf das Bindegewebe Bei Einwirkung einer chronischen Noxe, z.B. einer chronischen Entzündung, kann im gesamten betreffenden Segment eine vegetative Dysbalance entstehen. Über efferente sympathische Neurone wird die lokale biochemische Homöostase beeinflusst, was als vegetative Systemaktivierung bezeichnet wird. Neuropeptide (z.B. Substanz P, CGRP), Neuromodulatoren und Neurotransmitter (z.B. Noradrenalin) führen zu einer weiteren Beeinträchtigung, was bei entsprechender Disposition eine erhebliche Symptomatik auslösen kann. Zusätzlich kann es zu pH-Wert-Veränderungen kommen. Besonders bei Verschiebungen in den sauren Bereich verändert sich die Viskoelastizität der myofaszialen Strukturen von Haut, Unterhaut, Muskulatur und Gelenkkapseln einschließlich periphere Nerven und Gefäße [27]. Zusätzlich kann es zu lokaler Gefäßkompression, Hypoxie und Ischämie kommen, wodurch eine weitere Kaskade von Entzündungsmediatoren freigesetzt wird und myofasziale Trigger-Punkte entstehen können. Resultat sind Verspannungen, Verhärtungen, verminderte muskuläre Leistungsfähigkeit und erhöhte Anfälligkeit für Verletzungen.
83 11.2 · Entstehung einer segmentalen Dysbalance
. Abb. 11.3. Topische Synopsis des Segments Th5 mit Herz, Myotom und Dermatom
11.2.4 Segmentale Dysbalance:
Einfluss auf die Psyche Das Gehirn verarbeitet Erkrankungen parallel in verschiedenen Zentren. Bei Störungen in einem Segment kann eine allgemeine unspezifische Alarmreaktion des gesamten Organismus hervorgerufen werden, die kardiopulmonale, kardiovaskuläre, autonom-nervale, hormonelle und zentralnervöse Veränderungen zur Folge hat. Die Noziafferenzen werden meist über das Zwischenhirn (Thalamus, Hypothalamus) zwischenverschaltet und auf das limbische System übertragen. Das limbische System ist für die affektiv-emotionale Reak-
tion auf den Schmerz verantwortlich. Durch die Verbindung zur Hypophyse wird über die Freisetzung von ACTH (adrenokortikotropes Hormon) und β-Endorphin eine endokrine Reaktion ausgelöst. Vereinfacht dargestellt kann man behaupten, dass eine andauernde Schmerzafferenz aus dem nozizeptiven System mehrere Reflexantworten des Zentralnervensystems hervorruft, 4 im Hirnstamm eine vegetative, 4 in der Hypophyse eine endokrine, 4 im limbischen System eine emotionale und 4 im postzentralen Neokortex eine kognitive.
11
84 Kapitel 11 · Modell der segmentalen Dysbalance
Zusätzlich können alle höheren Anteile des zentralen Nervensystems aktivierend oder hemmend in die spinalen Schaltsysteme eingreifen.
11.2.5 Zusammenfassung In 7 Übersicht 11.1 sind alle Auswirkungen einer segmentalen Dysbalance zusammengefasst (modifiziert nach Wolff [27, 28]). . Übersicht 11.1. Auswirkungen einer segmentalen Dysbalance 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
11
11.3
Neurologische Komponente: Erniedrigte bzw. erhöhte nozizeptive Reizschwelle Entstehung von Schmerz oder Schmerzäquivalenten Störung der vegetativen Funktionen Störung der zentralen Steuerungsvorgänge Veränderte Viskoelastizität der myofaszialen Strukturen Gelenkmechnische Komponente: »joint play« Veränderter segmentaler Muskeltonus
Praxis: Assessment bei segmentaler Dysbalance
einer sorgfältigen Inspektion und Abtastung (Palpation) der Hautareale. Inspektion Inspektorisch wird auf trophische Veränderungen der Haut geachtet: 4 Hautbeschaffenheit, 4 Rötung, 4 Schweißproduktion und 4 Haarwuchs. Palpation der Haut Bei der Palpation steht der Therapeut hinter dem Patienten und tastet die Hautzonen ab. Geprüft werden die Parameter: 4 Hauttemperatur, 4 Hautverschieblichkeit, 4 Abhebbarkeit der Haut und 4 Konsistenz der Haut. Palpation der autochthonen Muskulatur Die Erkenntnis, dass ein α-Motoneuron eine große Anzahl vegetativer Fasern mit sich führt und gleichzeitig neben der motorischen Aktivität auch die Regulation der Durchblutung vermittelt, erklärt, warum bei einer segmentalen Dysbalance auch muskuläre oder vegetativ-muskuläre Dysbalancen auftreten können. Ein muskulärer Hypertonus ist palpatorisch feststellbar, indem man mit 3 Fingern senkrecht (in ventrale Richtung) in die paravertebrale Muskulatur hineingeht.
11.3.1 Schmerzanamnese Bei Schmerzen muss besonders auf Symptome geachtet werden, die möglicherweise aus anderen Segmentanteilen projiziert werden (Head-Zonen). Störungen der segmentalen Reflexsysteme können durch viszerokutane Reflexe zu Symptomen in den entsprechenden Dermatomen führen, z.B. in Form einer 4 Hyperästhesie (Berührungsempfindlichkeit) oder 4 Hyperalgesie (erhöhte Schmerzempfindung). Typischerweise sind diese Symptome durch einen gut lokalisierten, segmentalen, scharfen bis brennenden Dauerschmerz gekennzeichnet.
11.4
Praxis: Behandlung einer segmentalen Dysbalance
Hypothetisch geht man davon aus, dass segmentale Verbindungswege bzw. Regelkreise auch in umgekehrter Richtung funktionieren. Intensität und Dauer der Funktionsstörung sind ausschlaggebend dafür, wann Symptome irreversibel werden und sich neuroplastisch verfestigen. Die Funktionsstörung beinhaltet auch 4 die Veränderung der C-Fasern, 4 den Verlust von inhibitorischen Interneuronen und 4 die Veränderungen der sympathischen Systemaktivierung.
Tipp
Bei anhaltender Einwirkung einer Noxe können benachbarte mehrsegmentale WDR-Neurone mitaktiviert werden, so dass die segmentspezifischen Ausstrahlungen schwer abgrenzbar sind. In diesem Fall ist die spezifische Symptomatik eines Ausstrahlungsgebiets schwierig zu erkennen.
11.3.2 Inspektion und Palpation der Haut Der Patient sollte mit aufrechtem Oberkörper auf der Untersuchungsliege sitzen. Die Untersuchung beginnt stets mit
Nozizeptive Afferenzen haben über die Axonkollateralen Einfluss auf die Neurone, die in somato-motorische und vegetativ-sympathische Reflexbögen eingebunden sind. Physiotherapie Die Manuelle Medizin (Kap. 38), klassische Massage (Kap. 34) und Funktionsmassage (Kap. 34) beinhalten Techniken, die auf diese Organstörungen positiven Einfluss nehmen. Tritt bei Erkrankungen eine Sympathikusüberaktivität auf, sollte der Therapieansatz auf einer Stimulierung der Aβ-Fasern (vermitteln mechanisches Berührungs- und Druckempfinden) liegen, da die Impulse dieser Fasern die hemmenden Interneurone, die Schmerz unterbinden, aktivieren (Kap. 34).
85 11.5 · Literatur
Dies könnte eine Erklärung für die schmerzlindernde Wirkung einer manualtherapeutischen Technik sein, die eine massive Anregung von Aβ-Fasern bewirkt [11]. Elektrotherapie Außerdem steht die therapeutische Anwendung von elektrischem Strom mittels TENS-Geräten (Transkutane Elektrische Nervenstimulation), mittelfrequentem Wechselstrom und Interferenzstrom im Vordergrund. Da jedes Organ mit Nerven aus den Rückenmarksegmenten versorgt wird, können Anwendungen im Wirbelsäulenbereich, aber auch direkte Anwendungen wie z.B. Zwerchfelldehnung oder Massage über bestimmten Organen die entsprechende Organfunktion modifizieren. Schmerzbehandlung Durch den Zusammenhang von Schmerzlokalisation und -ausstrahlung, schmerzleitendem und -verarbeitendem System ergeben sich verschiedene Ansätze für die physiotherapeutische Schmerzbehandlung. Eine Kombination dieser Ansätze ist möglich und erweitert den Behandlungserfolg. Die physiotherapeutische Behandlung sollte in einem umfassenden schmerztherapeutischen Konzept alle betroffenen Strukturen und Segmente wie auch kognitive und emotionale Verarbeitungssysteme berücksichtigen. Das therapeutische Erarbeiten einer Normotonisierung und Dehnung der hypertonen Skelettmuskulatur (Kap. 32) trägt aktiv zur Schmerzlinderung bei segmentaler Dysbalance bei.
11.5
Literatur
1. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2) Organsysteme verstehen, Kap 9.5: Somatoviszerale und viszerosomatische Reflexe. Thieme, Stuttgart 2. Grieve GP (1994) The autonomic nervous system in vertebral pain syndromes. Modern Maual Therapy: The Vertebral Column, 2nd ed. Churchill Livingstone, Edinburgh 3. Boissonault WG (1995) Examintation in Physical Therapy Practice. Screening for medical disease, 2nd ed. Churchill Livingstone, Edinburgh 4. Plato G, Kopp S (1996) Das Dysfunktionsmodell. Gedanken zum Therapieansatz in der Manuellen Medizin. Manuelle Medizin 43: 1–8 5. Wolff HD (1996) Neurophysiologische Aspekte des Bewegungssystems. Springer, Berlin Heidelberg New York 6. Schuh I (1986) Bindegewebsmassage , S 1–5, 51–57 G. Fischer, Stuttgart 7. Ljutow A, Locher H (2007) Periphere Schmerzsyndrome. Orthopäde 36: 41–48 8. Bubenzer RH (1992) Eine Reflextherapie in der Regelung der Homöostase. ConMedia, Köln 9. Böhni U (2006) Manuelle Medizin und Schmerz. Schmerzanalyse am Bewegungsorgan als Basis einer rationalen Differentialtherapie. Manuelle Medizin 6: 1–6 10. Sandkuehler J, Chen JG, Cheng G, Randic M (1997) Low-frequency stimulation of afferent Adelta-fibers induces long-term depression at primary afferent synapses with substantia gelatinosa neurons in the rat. J Neurosci 17(16): 6483–6491 11. Zieglgaensberger W, Herz A (1971) Changes of cutaneous receptive fields of spino-cervical-tract neurons and other dorsal horn
12.
13.
14. 15.
16.
17. 18. 19. 20. 21. 22.
23.
24. 25. 26.
27.
28. 29. 30.
neurons by microelectrophoretically administered amino acids. Exp Brain Res 13: 111–126 Zieglgaensberger W, Bayerl H (1976) The mechanism of inhibition of neuronal activity by opiates in the spinal cord of cat. Brain Res 115: 111–128 Senn E, Wyss O (1980) Auf dem Weg zu einem neuen Verfahren in der Elektrotherapie. Die Mittelfrequenz – Durchströmung der Skelettmuskulatur, 2. Teil: Die Wymoton-Behandlung. Zeitschrift für Physiotherapie 3: 161–173 Zieglgaensberger W, Berthele A, Tolle TR (2005) Understanding neuropathic pain. CNS Spectr 10: 298–308 Heinke B, Sandkuehler J (2005) Signal transduction pathways of group I metabotropic glutamate receptor-induced long-term depression at sensory spinal synapses. Pain 118 (1–2): 145–154 Jaenig W, Levine JD, Michaelis M (1996) Interactions of sympathetic and primary afferent neurons following nerve injury and tissue trauma. Prog Brain Res 113: 161–184 Mense S, Pongratz D (2001) Chronischer Muskelschmerz. Steinkopf, Darmstadt; S 7–12 Mense S (1993) Nociception from skeletal muscle in relation to clinical muscle pain. Pain 54: 241–289 Mense S (1999) Neurobiologische Grundlagen von Muskelschmerzen. Schmerz 13: 3–17 Mense S (2003) Was ist das Besondere am Muskelschmerz? Schmerz 17: 459–463 Mense S (2004) Funktionelle Neuroanatomie und Schmerzreize. Schmerz 3: 225–237 Mense S, Simons DG, Russel IJ (2001) Muscle pain. Understanding its Nature, Diagnosis and Treatment. Lippinscott Williams & Wilkins, Philadelphia Ahrens S (2001) Psychogener Schmerz. In: Zenz M (Hrsg) Lehrbuch der Schmerztherapie. 2. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart Bahr F (1993) Skriptum: Systematik und Praktikum der wissenschaftlichen Ohrakupunktur für Fortgeschrittene. Eigenverlag Baron R (2006) Diagnostik und Therapie neuropathischer Schmerzen. Dt. Ärzteblatt 103, Ausgabe 41, S A-2720/B-2362/C-2273 Coenen W (2001) Manuelle Medizin bei Kindern – eine entwicklungsneurologische Indikation. Man Med Osteopath Med 39: 195–201 Drexel H, Becker-Casademont R, Seichert N (1993) Physikalische Medizin, Bd 4: Elektro und Lichttherapie, 2. Aufl. Hippokrates, Stuttgart Edel H (1993) Fibel der Elektrodiagnostik und Elektrotherapie, 5. Aufl. Müller und Steinicke, München Lindel K (2006) Muskeldehnung. Springer, Heidelberg Neumann HD (2003) Manuelle Medizin. Springer, Heidelberg
11
12 12 Herzfunktion bei COPD-Patienten A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
12.1
Lungenüberblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Vorlast – 87
12.5
Arteriosklerose: Einfluss auf die systolische linksventrikuläre Dysfunktion – 89
12.2
Hypoxie, Hyperkapnie und Lungenüberblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Nachlast – 87
12.6
Störungen des autonomen Nervensystems: Einfluss auf die Herzfunktion – 89
12.7
Zusammenfassung
12.3
Low-Cardiac-Output-Syndrom: Einfluss auf die linksventrikuläre Vorlast – 88
12.8
Literatur
12.4
– 89
– 90
Ventrikulärer Septum-Shift: Einfluss auf die linksventrikuläre Nachlast – 88
Die Atmung ist die einzige Vitalfunktion, die willkürlich beeinflussbar ist. Sie erfordert eine genau aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Facetten der Atempumpe und spielt eine herausragende Rolle bei der Aufrechterhaltung der körpereigenen Homöostase. Aus pathophysiologischer Sicht ist die COPD durch eine chronisch-progressive exspiratorische Flussbehinderung charakterisiert, die durch chronische endo- und exobronchiale Atemwegsobstruktion verursacht ist. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es durch 4 die periphere Atemwegsobstruktion, 4 die Parenchymveränderungen und 4 die Umbauprozesse im pulmonalen Gefäßsystem zu einem gestörten Gasaustausch. Der emphysematöse Umbauprozess kann wesentlich zur exspiratorischen Atemflusslimitation beitragen. Die Zerstörung der Alveolarwände ist mit einem Verlust der Elastizität des Parenchyms verbunden, so dass die erforderliche alveolare Retraktionskraft für die Exspiration vermindert ist und die Kompression der kleinen Luftwege durch das umgebende Parenchym begünstigt wird. Durch die unvollständige Exspiration verschiebt sich die Atemruhelage in das inspiratorische Reservevolumen [2, 3]. Es entsteht eine permanente Größenzunahme (Überblähung) des lufthaltigen Lungenraumes distal der terminalen Bronchien. Als klinische Konsequenz der zunehmenden Multimorbidität und der altersbedingten Veränderungen verschiedener Organe werden bei COPD-Patienten häufig extrapulmonale Manifestationen und auch kardiovaskuläre Komorbiditäten beobachtet. Diese gelten als wichtige Prädiktoren für die Morbidität und Mortalität von Patienten mit einer chronisch obs-
truktiven Lungenerkrankung. Ziel dieses Reviews ist es, den Einfluss der Erkrankung auf die Herzfunktion zu berücksichtigen und schematisch darzustellen. Die mechanischen Auswirkungen einer chronischen Hyperinflation (Lungenüberblähung) auf den 4 intrathorakalen Druck (ITP), 4 intraabdominellen Druck (IAP) und 4 alveolaren Druck (palv) gelten als mögliche Ursachen für einen reduzierten kardialen Output bei COPD-Patienten [3, 4] (. Abb. 12.1). In 7 Übersicht 12.1 sind die ursächlichen Faktoren für eine Herzinsuffizienz bei COPD-Patienten beschrieben. . Übersicht 12.1. Ursächliche Faktoren für eine Herzinsuffizienz bei COPD-Patienten 1. 2. 3. 4. 5.
Überblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Vorlast Hypoxie, Hyperkapnie und Überblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Nachlast Beeinträchtigung der Nachlast des linken Ventrikels Arteriosklerose: Einfluss auf die systolische linksventrikuläre Dysfunktion Störungen des autonomen Nervensystems
87 12.2 · Hypoxie, Hyperkapnie und Lungenüberblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Nachlast
. Abb. 12.2. Einfluss des Lungenvolumens auf den pulmonalen Gefäßwiderstand (PVR). RV Residualvolumen. FRC Funktionelle Residualkapazität. TLC Totale Lungenkapazität
12.2
. Abb. 12.1. Röntgenthorax, a.-p.-Ansicht: Überblähung bei Emphysempatient (Menche 2005)
12.1
Lungenüberblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Vorlast
Der zentralvenöse Druck zeigt wegen der rhythmischen Tätigkeit des Herzens und der Atmung charakteristische physiologische Schwankungen. Die progressive Erhöhung des intrathorakalen Drucks (ITP) im Verlauf der Erkrankung führt zu einer Abnahme des Druckgradienten zwischen extraund intrathorakaler Vene und rechtem Atrium (RA). Dadurch wird konsekutiv der venöse Rückstrom zum rechten Atrium reduziert [5, 6]. Der erhöhte ITP wird direkt auf das Perikard des rechten Atriums übertragen und bewirkt eine Steigerung des rechtsatrialen Drucks und eine relative Abnahme der rechtsventrikulären Vorlast [6]. Das funktionell verminderte venöse Angebot führt zu einer verminderten Füllung des rechten Ventrikels und somit zu einem reduzierten RV-Auswurf/ bzw. einer Abnahme des RV-Schlagvolumens. Neben die Lungenüberblähung führt die Rekrutierung der exspiratorischen Muskulatur (M. transversus abdominis, MTA), z.B. bei körperlicher Belastung oder als Folge einer exspiratorischen Flussbehinderung, zusätzlich zu erhöhten intrathorakalen (ITP) und -abdominellen (IAP) Drücken. Der stark erhöhte IAP reduziert den venösen Rückfluss aus den unteren Extremitäten und führt zu einer verminderten RV-Vorlast [7, 8]. Zusätzlich wird der venöse Rückstrom durch eine Verlängerung der relativen Exspirationsdauer infolge der Atemwegsobstruktion behindert.
Hypoxie, Hyperkapnie und Lungenüberblähung: Einfluss auf die rechtsventrikuläre Nachlast
Der pulmonale Kreislauf ist physiologischerweise ein Niederdrucksystem: 4 Der normale systolische pulmonal-arterielle Druck ist<25 mmHg, 4 der pulmonal-vaskuläre Widerstand ist weniger als 10% des Drucks im systemischen Kreislauf (. Abb. 12.2). Hypoxie Eine Beeinträchtigung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses in Verbindung mit Atemantriebs- bzw. Atempumpstörungen gilt als wichtigste Ursache einer Hypoxie bei COPDPatienten. Eine Senkung des alveolaren O2-Wertes (Hypoxie) hat eine hypoxiebedingte Vasokonstriktion (HPV, über den Euler-Liljestrand-Reflex) der pulmonal-arteriellen Gefäße zur Folge [9]. Die HPV ist physiologisch, denn die reflektorische Gefäßengstellung in hypoxischen Lungenarealen kann den Blutfluss besser ventilierten Arealen zuleiten, bzw. den intrapulmonalen Rechts-Links-Shunt reduzieren und eine Homöostase aufrechterhalten. Bei genereller bzw. chronischer alveolärer Hypoxie führt die HPV zu einem signifikanten Anstieg des pulmonalen Gefäßdrucks, wobei eine klinisch bedeutsame hypoxische Vasokonstriktion ab einem pO2<60 mmHg auftritt [6, 10]. Diese Veränderungen führen zu einer Verkleinerung des Gesamtgefäßquerschnitts und einer verminderten Reserve an rekrutierbaren perfusionsfähigen Kapillaren bei gesteigerter Herzauswurfleistung. Auf diese Weise kann eine pulmonale Hypertonie entstehen, die zu einer Zunahme der rechtsventrikulären (RV) Nachlast führt. Bei körperlicher Anstrengung und einer akuten Exazerbation bei COPD-Patienten kann sich der Blutdruck im Lungenkreislauf bis zu einem pulmonalarteriellen Druck von mehr als 45–70 mmHg steigern [5]. Im weiteren Krankheitsverlauf spielen strukturelle und irreversible Umbauprozesse der Pulmonalgefäßwände eine wichtige Rolle, die einen weiteren erhöhten pulmonal-arteriellen Gefäßwiderstand begünstigen. Dieser hat wiederum ein Missver-
12
88 Kapitel 12 · Herzfunktion bei COPD-Patienten
hältnis zwischen pulmonalem Blutfluss und Lungenventilation (V/Q-Missverhältnis) sowie eine links- (LV) und rechtsventrikuläre (RV) Funktionsstörung zur Folge. Hyperkapnie Im weiteren Krankheitsverlauf wird bei COPD-Patienten durch die unzureichende alveoläre Ventilation neben der arteriellen Hypoxämie auch häufig eine arterielle Hyperkapnie beobachtet. Dies führt zu einer hyperkapniebedingten pulmonal-arteriellen Drucksteigerung und einer Erhöhung der rechtsventrikulären Nachlast [13]. Kohlendioxid führt über die Aktivierung der arteriellen und zentralen Chemorezeptoren zu einem Anstieg des peripheren und pulmonal-arteriellen Widerstandes mit konsekutiver arterieller und pulmonaler Hypertonie [12].
12
Lungenüberblähung Immer häufiger wird in der Literatur auch der direkte Einfluss des erhöhten ITP als Folge der Lungenüberblähung auf die pulmonal-arteriellen Gefäße bei COPD-Patienten untersucht [10, 13]. Jörgensen et al. stellten eine reduzierte end-diastolische LV- und RV-Vorlast bei einem schwerkranken Emphysempatienten fest, die möglicherweise auf die Lungenüberblähung zurückzuführen ist [13]. Die Steigerung des enddiastolischen LV-Volumens, die nach einer chirurgischen Lungenvolumenresektion bei Patienten mit schwerem Lungenemphysem häufig beobachtet wird, ist möglicherweise auf die operationsbedingte Volumengenerierung im intrathorakalen Raum mit Abnahme des intrathorakalen Drucks zurückzuführen [14].
12.3
Low-Cardiac-Output-Syndrom: Einfluss auf die linksventrikuläre Vorlast
Lungenerkrankungen können eine Auswirkung auf die Funktion des rechten und linken Ventrikels haben [14, 15]. Die Interdependenz der beiden Ventrikel hat aufgrund der seriellen Schaltung im gesamten Kreislauf eine große funktionelle Bedeutung. Als Folge des verminderten Schlagvolumens des . Abb. 12.3. Atmungsbedingtes LV-Schlagvolumen (SV) bei einem gesunden Probanden und einer 69-jährigen COPD-Patientin. acc Akzelerationszeit, dec Dezelerationszeit (van den Hout 2003)
rechten Ventrikels wird innerhalb kürzester Zeit indirekt auch das linksventrikuläre Schlagvolumen beeinflusst [6, 16]. Die Widerstandserhöhung im pulmonalen Kreislauf kann ein Rechtsherzversagen mit konsekutivem Low-Cardiac-Output-Syndrom auslösen. Die daraus resultierenden Entitäten können nachfolgend zum Kollaps des systemischen Kreislaufs führen. Akute Kompensationsmechanismen zur Stabilisierung des systemischen Blutdrucks wie der Frank-StarlingMechanismus, die Aktivierung des sympathischen Nervensystems mit Zunahme der Herzfrequenz und Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, führen zu einem Circulus vitiosus.
12.4
Ventrikulärer Septum-Shift: Einfluss auf die linksventrikuläre Nachlast
Der periphere Gefäßwiderstand ist die Hauptdeterminante der LV-Nachlast. Der erhöhte ITP beeinflusst nicht nur den pulmonalen Kreislauf, sondern auch den systemischen. Butler postulierte, dass es infolge einer Lungenüberblähung zu einer direkten mechanischen Beeinflussung des linken Ventrikels (Abnahme der LV-Compliance) und des systemischen Gefäßwiderstandes kommen kann, so dass der linke Ventrikel dann bei vermindertem Volumenangebot ebenfalls eine verminderte Auswurfleistung aufweist [16, 17, 18]. Van den Hout et al. untersuchten die atmungsbedingten Fluktuationen von Aortendruck und LV-Schlagvolumen (»stroke volume«, SV) bei COPD-Patienten [19]. Sie stellten aufgrund des erhöhten exspiratorischen ITP eine deutliche atmungsbedingte Fluktuation (messbare Schwankungen) des Aortendrucks sowie eine signifikante Reduktion des LV-Schlagvolumens (SV) bei COPD-Patienten im Vergleich zu gesunden Probanden fest [19] (. Abb. 12.3). Vizza et al. beschreiben eine reduzierte LV-Funktion aufgrund der direkten interventrikulären Beziehung [15]. Die hämodynamische interventrikuläre Beziehung zwischen rechtem (RV) und linkem Ventrikel (LV) ist dadurch bedingt, dass beide in Serie geschaltet sind. Beide interagieren über den systemischen (SVR) und pulmonalen (PVR) Gefäßwiderstand. Die mechanische Interaktion ist anatomisch durch das
89 12.7 · Zusammenfassung
gemeinsame interventrikuläre Septum gegeben. Ein erhöhter RV-Druck als Folge des erhöhten Widerstandes in den pulmonal-arteriellen Gefäßen kann sich auf das ventrikuläre Septum übertragen, und dieses verschiebt sich zum linken Ventrikel hin. Infolge verändert sich die linksventrikuläre Geometrie, besonders die (früh-)diastolische LV-Compliance wird reduziert [6, 11, 15]. Des Weiteren führt eine evt. Hyperkapnie bei COPD-Patienten über die Aktivierung der arteriellen und zentralen Chemorezeptoren zu einem Anstieg des peripheren Widerstandes [11, 12]. Durch deren Auswirkungen an den glatten arteriellen Gefäßmuskelzellen wird der systemische Gefäßwiderstand erhöht, was zu einer Erhöhung der LV-Nachlast und zu einer Verschlechterung der kardialen Effizienz führt.
12.5
Arteriosklerose: Einfluss auf die systolische linksventrikuläre Dysfunktion
Studien bestätigen die Annahme, dass die COPD einen unabhängigen Risikofaktor für die Letalität in der Kardiologie darstellt. Da Rauchen auch eine Arteriosklerose fördert, liegt oft eine gleichzeitige koronare Herzkrankheit vor, die die Herzfunktion zusätzlich schwächen kann. Die Komorbidität der systemischen Inflammation durch den gemeinsamen Risikofaktor – Toxine und Kanzerogene des Tabakrauchens – ist ein kardinales Problem und möglicherweise der Schlüssel zum Verständnis einer nicht pulmonalen Manifestation der Erkrankung [20]. Etwa ein Drittel der COPD-Patienten hat Stenosen in den Herzkranzgefäßen, und viele entwickeln eine Arteriosklerose. Die häufigste Ursache für eine Störung der ventrikulären Funktion ist eine koronare Ischämie. Der altersbedingte Arterioskleroseprozess wird bei COPD-Patienten zusätzlich durch einen ungünstigen persönlichen Lebensstil mit gravierendem Bewegungsmangel gefördert. Weitere Faktoren wie 4 fettreiche Ernährung, 4 Fettstoffwechselstörungen, 4 Diabetes mellitus oder 4 Gicht können den Gesundheitsstatus bei COPD-Patienten zusätzlich stören und zu einem Übermaß freier Radikaler mit Zunahme inflammatorischer Mediatoren führen.
12.6
Störungen des autonomen Nervensystems: Einfluss auf die Herzfunktion
Systemische Erkrankungen gehen häufig mit Störungen des autonomen Nervensystems (ANS) einher – in Form einer neuro-endokrinen (Über-)Aktivierung – die möglicherweise für das erhöhte Mortalitätsrisiko dieser Erkrankungen mitverantwortlich sind. Die COPD führt zu einer ausgeprägten neurohumoralen Aktivierung, die mit unerwünschten systemischen Effekten assoziiert ist. Eine Obstruktion der Atemwege zeigt sich bei COPD-Patienten folgendermaßen:
4 Blutgasveränderungen: 5 Absenkung des arteriellen O2-Wertes, 5 Steigerung des arteriellen CO2-Wertes, damit verbunden 5 Senkung des pH-Wertes des arteriellen Blutes [21] und 4 abnormal erhöhte intrathorakale Druckschwankungen. Diese rufen eine unselektive Alarmreaktion hervor, die kardiopulmonale, kardiovaskuläre, autonom-nervöse, hormonelle und zentralnervöse Veränderungen zur Folge haben kann. Durch die Hypoxie und die subjektive Empfindung einer Dyspnoe kommt es zu einer reflektorischen zentralnervösen Sympathikusaktivierung (»arousal«), die konsekutiv zu einer vermehrten Freisetzung von Katecholaminen (Adrenalin und Noradrenalin) aus dem Nebennierenmark führt. Die vermehrt zirkulierenden Katecholamine können zusätzlich das Myokard schädigen und haben einen trophischen Effekt. Es kommt zu einer Insuffizienz des autonomen Nervensystems, einer dauerhaft gestörten Balance zwischen Sympathikus und Parasympathikus und damit verbunden zu einer Störung der physiologischen Homöostase [22,23]. Auch Störungen der autonomen Herzmodulation (Herzfrequenzvariabilität, HRV) sowie eine gestörte Baroreflexsensitivität (BRS) werden bei COPD-Patienten beobachtet [27] (. Abb. 12.4).
12.7
Zusammenfassung
Herzfunktion bei COPD-Patienten Die Überblähung der Lungen ist das Resultat statischer Veränderungen des Lungenparenchyms mit Verminderung der elastischen Rückstellkräfte und dynamischer Faktoren unter Belastung (DH), wobei die erhöhten Widerstände in den Bronchiolen zu einer Flussverlangsamung führen, so dass die Ausatemperiode nicht ausreichend ist, um die Lungen wieder in die Atemruhelage zu bringen [12]. Bei der Mehrzahl der COPD-Patienten ist das Leiden an der Lungenüberblähung und dem sich allmählich einstellenden erhöhten intrathorakalen Druck ausgeprägt: Der erhöhte intrathorakale Druck führt zu kardiovaskulären Beeinträchtigungen, Zunahme der intravasalen Drücke und verstärktem Dyspnoeempfinden. Der Organismus hat Schwierigkeiten, die genaue Ursache der subjektiven Dyspnoe zu identifizieren und reagiert mit einer allgemeinen unspezifischen Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Die intrathorakale Drückerhöhung beeinflusst nicht nur den pulmonalen Blutkreislauf, sondern auch den systemischen Kreislauf. Multiple Faktoren wie 4 arterielle Hypoxämie, 4 Hyperkapnie, 4 erhöhter intrathorakaler Druck, 4 Arteriosklerose, 4 Low-Cardiac-Output-Syndrom, 4 ventrikulärer Septum-Shift und 4 Störung des autonomen Nervensystems führen bei COPD-Patienten zu einer Reduzierung der Herzfunktion. Daraus resultiert eine Beeinträchtigung der Leis-
12
90 Kapitel 12 · Herzfunktion bei COPD-Patienten
12
. Abb. 12.4. Einfluss der chronischen Lungenüberblähung auf die Herzfunktion bei COPD-Patienten. RA Rechtes Atrium (Vorhof ). LA Linkes Atrium. LV Linker Ventrikel. RV Rechter Ventrikel (van Gestel 2009)
tungsfähigkeit der Patienten, was eine zusätzliche Dekonditionierung und Abschwächung der Atemmuskulatur, eine Progression der Dyspnoe und eine tracheobronchiale Sputumretention bei unzureichendem Hustenstoß zur Folge hat [28]. Zur Sicherstellung der zellulären Funktion der vitalen Organe werden in diesem Stadium unbewusst verschiedene Kompensationsmechanismen initiiert, die hauptsächlich auf Immobilisation oder Bewegungsmangel ausgerichtet sind.
12.8
. Abb. 12.5. 52-jähriger Patient mit schwerer Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
Literatur
1. Benesch L, Cordes C, Franz IW, Grunze M, Gysan D, Hoberg E, Hoffmann K, Karoff M, Klein G, Schröder K, Theisen F, Tönnesmann U, Völler H, Volger E, Willemsen D, Wirt A, Witt T (2004) Chronischobstruktive Bronchitis und Emphysem (COPD): Umsetzungsempfehlung von Leitlinien. Herzmedizin 21/1: 42–48 2. Roca J, Rabinovich R (2005) Clinical exercise testing. Eur Respir Mon 31: 146–165
91 12.8 · Literatur
3. Steward RI, Lewis M (1986) Cardiac Output during Exercise in Patients with COPD. Chest 89: 199–205 4. Aliverti A, Macklem PT (2001) How and why exercise is impaired in COPD. Respiration 68: 229–239 5. Ranieri VM, Dambrosio M, Brienza N (1996) Intrinsic PEEP and cardiopulmonary interaction in patients with COPD and acute ventilatroy failure. Eur Respir J 9: 1283–1292 6. Pinsky MR (2005) Cardiovascular Issues in respiratory care. Chest 128: 592– 597 7. Stark-Leyva KN, Beck KC, Johnson BD (2000) Influence of Expiratory Loading and Hyperinflation on Cardiac Output During Exercise. J Appl Physiol 96: 1920–1927 8. Decramer M, Gosselink R, Troosters T, Verschueren M, Evers G (1997) Muscle weakness is related to utilization of health care resources in COPD patients. Eur Respir J 10: 417–423 9. Lindemann H (1998) Respiratorische Insuffizienz und Sauerstofftherapie. Monatsschr Kinderheilkd 146: 896–903 10. Olschewski H, Seeger W, Grimminger F (1990) Physiologie und Pathophysiologie der pulmonalen Zirkulation. Internist 40: 696– 709 11. Rasche K, Orth M, Kutscha A, Duchna HW (2006) Lungenerkrankungen und Herzfunktion. Der Internist 48: 276–283 12. Aalkjaer C, Poston L (1996) Effects of pH on vascular tension: which are the important mechanisms? J Vasc Res 33: 347–359 13. Jörgensen K, Houlthz E, Westfelt U et al. (2003) Effects of Lung Volume Reduction Surgery on Left Ventricular Diastolic Filling and Dimensions in Patients with Severe Emphysema. Chest 124: 1863–1870 14. Scharf SM, Lobal M, Keller C (2002) Hemodynamic characterization of patients with severe emphysema. Am J Respir Crit Care Med 166: 314–322 15. Vizza CD, Lynch JP, Ochoa LL (1998) Right and left ventricular dysfunction in patients with severe pulmonary disease. Chest 113: 576–583 16. Montes de Oca M, Rassulo J, Celli BR (1996) Respiratory muscle and cardiopulmonary function during exercise in very severe COPD. Am J Respir Crit Care Med 154: 1284–1289 17. Butler J (1983) The heart is in good hands. Circulation 67: 1163– 1168 18. Mughal MM, Omar AM, Culver DA, Arroliga AC (2005) Auto-positive end-expiratory pressure: mechanisms and treatment. Cleveland Clin J Med 72: 801–809 19. Hout RJ v d, Lamb HJ, Aardweg JG v d et al. (2003) Real-Time MR Imaging of Aortic Flow: Influence of Breathing on Left Ventricular Stroke Volume in Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Radiology 229: 513–519 20. Watz H, Magnussen H (2006) Komorbiditäten bei COPD. Der Internist 47: 895–900 21. Wasserman K, Hansen JE, Sue DY, Stringer WW, Whipp JB (2005) Principles of exercise testing and interpretation. Lippincott Williams & Wilking, Philadelphia 22. Stein PK, Nelson P, Rottman JN et al. (1998) Heart rate variability reflects severity of COPD in PiZ α1-antitrypsin deficiency. Chest 113: 327–333 23. Bartels MN, Jelic S, Ngai P, Basner RC, DeMeersman RE (2003) High-Frequency Modulation of Heart Rate Variability during Exercise in Patients with COPD. Chest 124: 863–869 24. Stewart AG, Waterhouse JC, Howard P (1991) Cardiovascular autonomic nerve function in patients with hypoxaemic chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 4, 1207–1214 25. Volterrani M, Scalvini S, Mazzuero G (1994) Decreased heart rate variability in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Chest 106: 1432–1437
26. Scalvini S, Porta R, Zanelli E (1999) Effects of oxygen on autonomic nervous system dysfunction in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 13: 119–124 27. Tukek T, Yildiz P, Atilgan D et al. (2003) Effect of diurnal variability of heart rate on development of arrhythmia in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Int J Cardiol 88: 199–206 28. Köhler D, Schönhofer B, Haidl P, Kemper P (2000) Ursache und Therapie der Hyperkapnie. Pneumologie 54: 434–439 29. Oczenski W, Andel H, Werba A (2005) Atmen und Atemhilfen. Thieme, Stuttgat New York
12
13 13 Pulmonalkreislauf A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
13.1
Pulmonal-arterieller Druck bei körperlicher Belastung gesunder Menschen – 93
13.5
Pulmonaler Blutdruck bei körperlicher Belastung von COPD-Patienten – 96
13.2
Euler-Liljestrand-Mechanismus
13.6
Medikamentöse selektive pulmonale Vasodilatation – 96
13.3
Spätfolgen einer chronischen hypoxischen Vasokonstriktion – 94
13.7
Literatur
13.4
– 93
– 97
Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale (Orth 1999) – 94
Die Perfusion der Lunge, auch Pulmonalkreislauf oder kleiner Kreislauf genannt, ist für den Transport des aufge-
4 den Druck im linken Atrium (pL) und 4 den pulmonalen Gefäßwiderstand (W) [7].
nommenen O2 und abzugebenden CO2 verantwortlich; zudem ist diese am diffusionsbestimmenden alveolo-kapillaren Partialdruckgradienten (AapO2) wesentlich mitbeteiligt (. Abb. 13.1). Die Arterienwände in der Lunge sind elastisch, in den alveolären Abschnitten jedoch auch muskulär.
> Wichtig
Pulmonal-arterieller Druck Der Pulmonalkreislauf steht im Dienste des Gasaustausches: Sauerstoffarmes Blut aus der A. pulmonalis fließt durch das pulmonale Gefäßsystem entlang der Alveolen und wird mittels Diffusion mit Sauerstoff angereichert. Im Gegensatz zum systemischen Kreislauf ist der Blutdruck im Pulmonalkreislauf niedrig, weshalb man von einem Niederdrucksystem spricht [5]. Die Höhe des pulmonal-arteriellen Drucks (pA) wird bestimmt durch 4 das die Lunge durchfließende Herzminutenvolumen (HZV), . Abb. 13.1. Schematische Darstellung der Verzahnung des großen und kleinen (Pulmonal-)Kreislaufs: VO2 Sauerstoffaufnahme. VCO2 Kohlendioxidabgabe
Der pulmonal-arterielle Druck stellt sich folgendermaßen dar: pA - pL = HZV×W (13.1) pA: Druck in der A. pulmonalis HZV: Herzminutenvolumen pL: Druck im linken Atrium W: pulmonaler Gefäßwiderstand
Der Gefäßwiderstand (W) wird vor allem durch den Gefäßradius (r) bestimmt und nach dem Hagen-Poiseuille-Gesetz berechnet (7 Formel 3.4). Dieses Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen 4 Gefäßwiderstand, 4 Gefäßgeometrie und 4 Blutviskosität. Der entscheidende Faktor für den variierenden Gefäßwiderstand ist der Radius: Die Beziehung zwischen Gefäßwiderstand und Gefäßradius nimmt einen exponentiellen Verlauf. Der Gefäßwiderstand steigt im Verhältnis zum Gefäßradius überproportional an. Bei einer Reduktion des Blutgefäßdurchmessers um 50% des Ausgangswertes kommt es zu einer 16-fachen Erhöhung des Widerstandes!
93 13.2 · Euler-Liljestrand-Mechanismus
tung eine Rekrutierung bislang nicht perfundierter Gefäßareale statt [8].
. Abb. 13.2. Schematische Darstellung der pulmonalen Gefäßwände (die Durchmesser rechts dargestellt) und Atemwege. TB Terminaler Bronchiolus. 1 Muskuläre Arterien. 2 Teilweise muskuläre Gefäße. 3, 4 Nicht muskuläre Arteriolen. 5 Kapillaren. Die schraffierten Flächen stehen für glatte Muskulatur, die gepunkteten für kontraktile Intimazellen (Olschewski 1999 [2])
Blutdruck im Pulmonalkreislauf Der Blutdruck im Pulmonalkreislauf ist relativ stabil und verfügt über einen niedrigen basalen pulmonalen Vasomotorentonus. > Wichtig Die Drücke im Lungenkreislauf liegen systolisch bei etwa 25 mmHg, diastolisch bei ca. 10 mmHg, und der daraus resultierende Mitteldruck liegt bei etwa 15 mmHg.
Der Querschnitt der pulmonalen Blutgefäße ist eher oval als rund und vergrößert sich bei Druckanstieg, da diese Gefäße arm an glatter Muskulatur sind. Muskularisierte Blutgefäße (1) entlang der terminalen Bronchioli gehen in teilmuskularisierte Gefäße (2) und bei weiterer Aufteilung in nicht muskularisierte Gefäße (3, 4, 5) über [8] (. Abb. 13.2).
13.1
Pulmonal-arterieller Druck bei körperlicher Belastung gesunder Menschen
Um bei gesunden Menschen einen Anstieg des pulmonal-arteriellen Drucks zu bewirken, muss die kardiale Auswurfleistung (HZV) um das 2,5-Fache gesteigert werden [6]. Die Perfusion nimmt exponentiell mit steigendem Blutdruck der A. pulmonalis zu. Die Steigerung des HZV bei körperlicher Belastung bzw. Sport führt bei gesunden Personen normalerweise nicht zu einer signifikanten Steigerung des pulmonalen Blutdrucks, da sich der Durchmesser der Gefäße gleichzeitig durch aktive Vasodilatation erweitert [8]. Dies bedeutet, dass der Gefäßwiderstand bei steigendem pulmonal-arteriellem Druck im Pulmonalkreislauf absinkt. Gleichzeitig findet bei verstärktem Blutfluss durch die körperliche Belas-
Verteilungsmuster der Lungenperfusion Wie bei der Lungenventilation ergibt sich für die Lungenperfusion ebenfalls ein gravitationskraftbedingtes Verteilungsmuster [4] (Kap. 8). Die Kontraktion des rechten Herzventrikels überträgt Bewegungsenergie (kinetische Energie1) auf den Blutdruck der A. pulmonalis: 4 Der größte Teil der Energie wird für den zu überwindenden vertikalen hydrostatischen Druckgradienten gebraucht, um gegen die Gravitationskraft Blut in die oberhalb des Herzens liegenden Lungenareale (Zone I) zu pumpen [4]. In den oberen Lungenarealen (Zone I) ist der absolute pulmonal-arterielle Druck durch die Gravitationskraft vermindert. Die oberen Lungenareale werden deshalb erst bei stärkerer körperlicher Belastung vermehrt beansprucht. 4 Bei geringer körperlicher Aktivität werden zunächst die mittleren Lungenareale (Zone II) effektiv beansprucht. 4 In Zone III wird die Perfusion durch den arteriovenösen Druckgradienten bestimmt. Aufgrund der Gravitationskraft sind die unteren Lungenabschnitte (Zone III) stärker perfundiert und bei gesunden Menschen auch in Ruhe tätig.
13.2
Euler-Liljestrand-Mechanismus
Im Gegensatz zum systemischen Kreislauf reagieren pulmonale Gefäße auf eine Hypoxämie und arterielle Azidose automatisch bzw. reflektorisch mit einer hypoxischen pulmonal-arteriellen Vasokonstriktion (HPV, Euler-LiljestrandMechanismus) anstatt mit einer hypoxischen Vasodilatation. Bei lokalisierten Ventilationsstörungen veranlasst dieser Mechanismus, dass nur ein minimales Blutvolumen durch die schlecht ventilierten Lungenareale fließt. Durch den HPV-Reflex der pulmonalen Gefäße findet somit eine Umverteilung der Perfusion statt. Damit wird ein optimaler Gasaustausch sichergestellt, so dass auch bei schweren Ventilationsinhomogenitäten (z.B. einseitige Lungenventilation während eines thoraxchirugischen Eingriffs) normale arterielle Blutgaswerte möglich sind [3]. Säure-Basen-Störungen haben ebenfalls einen Einfluss auf die HPV. Sowohl die metabolische als auch die respiratorische Azidose (Kap. 5) können eine pulmonale Vasokonstriktion auslösen [3]: Ein alkalischer pH-Wert und ein arterieller paCO2<40 mmHg hemmen die HPV und können somit über eine verstärkte Perfusion hypoxischer oder atelektatischer Lungenareale den Shunt erhöhen, wodurch der arterielle Sauerstoffpartialdruck sinkt [3]. Die genauen ursächlichen Mechanismen für die HPV sind in der Literatur nicht vollständig erklärt. Das Phänomen tritt in erster Linie in pulmonalen Arteriolen mit einem Durch1 Jede sich bewegende Masse besitzt Bewegungsenergie (kinetische Energie). Diese wird dadurch generiert, dass sie beschleunigt wird und geht verloren, wenn sie abgebremst wird.
13
94 Kapitel 13 · Pulmonalkreislauf
messer von ca. 200 μm auf [3]. Diese Arteriolen sind topographisch in unmittelbarer Nähe der Bronchien und Alveolen und können eine Hypoxie direkt registrieren. Es ist wahrscheinlich, dass der Tonus der Arteriolen auch durch die Zusammenarbeit der hormonellen Vasodilatatoren und -konstriktoren beeinflusst wird [5]. Definition Die hypoxische Vasokonstriktion (HPV) ist ein elementarer physiologischer Automatismus, der über eine lokale Vasokonstriktion der pulmonalen Gefäße schlecht ventilierter Lungenareale eine Anpassung des lokalen Perfusions-Ventilations-Verhältnisses bewirkt. Dadurch wird ein optimaler Gasaustausch bei schweren Ventilationsinhomogenitäten gewährleistet.
13.3
13
Spätfolgen einer chronischen hypoxischen Vasokonstriktion
Die Frühphase verschiedener chronischer Lungenerkrankungen ist durch ein irreguläres Verteilungsmuster von Konstriktion und Dilatation der pulmonalen Gefäße charakterisiert. Die Lungengefäße sind mit nur relativ wenig glatter Muskulatur ausgestattet. Selbst hypoxisch konstringierte Lungengefäße sind in der Lage zu dilatieren, wenn der pulmonalarterielle Druck ansteigt [3]. Erst bei chronisch alveolärer Hypoxie führt die HPV zu einem signifikanten Anstieg des pulmonalen Gefäßdrucks [8]. Eine schwere pulmonale Hypertonie führt in sehr unterschiedlichem Ausmaß zu strukturellen Veränderungen der Lungenstrombahn [8]. Bei einer strukturell veränderten pulmonalen Gefäßstrombahn (z.B. bei einem Emphysem) findet ein sog. Remodelling kleiner präkapillarer Lungenarterien statt, wodurch der pulmonalarterielle Druck weiter ansteigt. Auf Dauer belastet der Aufbau des erhöhten Drucks im pulmonalen Kreislauf den rechten Herzventrikel.
13.4
Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale (Orth 1999)
Pulmonale Hypertonie Bei COPD-Patienten kann sich im Krankheitsverlauf eine pulmonale Hypertonie (PH), d.h. ein Anstieg des pulmonalarteriellen Mitteldrucks entwickeln (. Abb. 13.2). Ursache ist ein abnehmender Querschnitt der pulmonalen Gefäßstrombahn. Bei ungefähr 50% der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer chronischer Lungenerkrankung kann sich ein Cor pulmonale (Rechtsherzhypertrophie) ausbilden, das zu Herzversagen führen kann [2]. Sofern noch keine Insuffizienz des rechten Herzens besteht, sind die klinischen Befunde einer pulmonalen Hypertension unspezifisch. In 7 Übersicht 13.1 sind Symptome und Zeichen einer rein pulmonalen Hypertension aufgeführt.
. Übersicht 13.1. Pulmonale Hypertension Unspezifische Symptome 1. Dyspnoe bei Belastung 2. Ermüdung 3. Angina pectoris 4. Synkopen 5. Husten und Heiserkeit (A. pulmonaris komprimiert den linken N. recurrens) Auskultatorische Zeichen 6. Präkordiale Pulsationen mit einem gespaltenen 2. Herzton 7. Betonter Pulmonalklappenschlusston 8. Trikuspidalklappeninsuffizienz mit Systolikum über dem 3./4. ICR rechts Atembefund 9. Verlängertes Exspirium 10. Trockene Rasselgeräusche, vor allem bei forcierter Exspiration – Giemen – Pfeifen – Brummen
Cor pulmonale Der rechte Ventrikel ist dehnbarer als der linke. Dies begünstigt, dass er ein hohes HZV bewältigen kann, andererseits führt eine akut erhöhte Nachlast in Form einer pulmonal-arteriellen Widerstandserhöhung zu Problemen. Bei jüngeren Patienten mit pulmonaler Hypertonie und wenig progressivem Krankheitsverlauf zeigte sich, dass eine gute Adaptation an den erhöhten pulmonalen Widerstand mit einer mäßigen körperlichen Limitierung [8] erreicht werden kann. Eine anhaltende Druckerhöhung im Lungenkreislauf führt letztendlich zu einer rechtsventrikulären Adaptation, die sich zunächst als muskuläre Hypertrophie des rechten Herzventrikels und anschließend als Dilatation des rechten Ventrikels bemerkbar macht. Dies führt letztlich zu einer Rechtsherzdekompensation, die wiederum zu Schäden anderer Organsysteme führen kann [5, 10] (. Abb. 13.3). Definition Ein Cor pulmonale (WHO 2006) beschreibt eine Hypertrophie und/oder Dilatation des rechten Herzventrikels, primär aufgrund einer Störung der Lungenfunktion, -struktur oder -zirkulation und sekundär als Folge einer Thoraxwand- oder neuromuskulären Erkrankung.
Auf Dauer wird durch den ständigen Druckaufbau im pulmonalen Kreislauf der rechte Herzventrikel derart belastet, dass ein Cor pulmonale entsteht. Das Cor pulmonale ist eine Rechtherzinsuffizienz aufgrund einer chronischen Atemwegserkrankung. Die pathologischen Veränderungen bilden
95 13.4 · Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale (Orth 1999)
. Abb. 13.3. Schematische Darstellung möglicher Auslöser der pulmonalen Hypertonie und Entstehung einer Rechtsherzinsuffizienz (van Gestel 2009)
sich langsam progredient aus, erst nach Jahren treten Symptome einer Rechtsherzinsuffizienz auf. Die 2-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei pulmonaler Hypertonie und Rechtsherzdekompensation in Form eines Cor pulmonale liegt bei 30%. Häufigste Todesursache ist der plötzliche Herztod. Die Früherkennung der Symptome und eine Konsultation des ärztlichen Dienstes bei Verdacht können daher lebensrettend sein [11]. Die klinischen Symptome eines Cor pulmonale sind in 7 Übersicht 13.2 aufgelistet. . Übersicht 13.2. Cor pulmonale Symptome 1. Dyspnoe 2. Müdigkeit 3. Herzrhythmusstörungen 4. Retrosternale Schmerzen 5. Oberbauchbeschwerden durch Vergrößerung der Leber (Hepatomegalie) 6. Hyperkapnie mit Kopfschmerzen 7. Flüssigkeitsretention und erhöhter zentraler Venendruck mit vermehrter Jugularvenenfüllung 8. Beinödeme 9. Zyanose
Rechtsherzinsuffizienz In 7 Übersicht 13.3 ist die Symptomatik einer finalen Rechtsherzinsuffizienz beschrieben. . Übersicht 13.3. Rechtsherzinsuffzienz Symptome 1. Normaler bis erniedrigter Blutdruck 2. Tachykardie und Tachypnoe 3. Kühle Extremitäten 4. Feine Rasselgeräusche über den Lungen (im Frühstadium) Auskultatorische Zeichen 5. Nach links verschobener Herzspitzenstoß 6. Galopprhythmus bei gespaltenem 2. Herzton bzw. 3./4 Herzton 7. Erhöhter Jugularvenendruck durch gestaute V. jugularis 8. Positiver Venenpuls Organbefund 9. Hepatomegalie
13
96 Kapitel 13 · Pulmonalkreislauf
! Cave Ein pulmonaler Bluthochdruck wird häufig durch ein Systolikum im 4. IKR (Interkostalraum) parasternal links angezeigt. Ein erhöhter Jugularvenendruck und ein 3. Herzton sind unabhängige Prädiktoren für die Verschlechterung der Herzfunktion (Herzinsuffizienz). Zudem weisen periphere Ödeme sowie eine Hepatomegalie auf ein dekompensiertes Rechtsherzversagen (Cor pulmonale) hin.
13.5
Pulmonaler Blutdruck bei körperlicher Belastung von COPD-Patienten
Das pulmonale Gefäßbett ist wegen des großen Gesamtquerschnitts der pulmonalen Arteriolen und Kapillaren ein Niederdruckkreislauf (ca. 1/20 des Widerstandes im systemischen Kreislauf [11]) mit hoher Flussrate und der Fähigkeit zu aktiver Vasodilatation und Rekrutierung bisher nicht genutzter Gefäße bei Belastung. Dadurch wird der pulmonale Blutdruck bei körperlicher Belastung durch den vermehrten Blutfluss annähernd konstant gehalten [8]. Bei pulmonaler Hypertonie geht diese Fähigkeit jedoch verloren. Neben dem erhöhten pulmonal-arteriellen Druck in Ruhe kann es bei körperlicher Belastung zu einem weiteren Druckanstieg kommen und ferner, infolge der chronischen Druckbelastung im pulmonalen Kreislauf, zu einer Stagnation des systemischen Kreislaufs.
13.6
Medikamentöse selektive pulmonale Vasodilatation
Prinzipiell bestehen zwei Möglichkeiten, durch pharmakologische Intervention den Gefäßquerschnitt zu erweitern: 4 Aufhebung eines dauerhaft erhöhten Gefäßwiderstandes durch Vasodilatanzien (machen eine Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur) und 4 Beeinflussung des strukturellen Gefäßumbaus durch antiproliferative und antiinflammatorische Medikamente [9]. Applikationsarten von Vasodilatanzien Durch die intravenöse Applikation von Vasodilatanzien bei chronischen Lungenerkrankungen kann der pulmonal-arterielle Druck (pA) gesenkt werden. Der Effekt ist dosisabhängig, und die maximale Widerstandsreduktion des pulmonalen Gefäßystems beträgt 30–50% [9]. Da eine systemische Vasodilatation nicht selektiv ist, d.h., alle Gefäßsysteme des menschlichen Körpers sind miteinbezogen, führt die medikamentöse intravenöse Applikation zu einem vermehrten Shuntfluss und damit indirekt zu einer verbesserten Durchblutung der schlecht ventilierten Lungenareale. Folge ist eine Absenkung des optimalen Gasaustausches und damit verbunden eine Hypoxämie. Bei Verwendung von inhalativen Vasodilatanzien steigt der Shuntfluss dagegen nicht an, da die Perfusion nur in gut ventilierten Arealen zunimmt, und der Gasaustausch verbessert sich [9] (. Abb. 13.4).
! Cave
13
Es wird empfohlen, Belastungen zu vermeiden, die zu Dyspnoe, thorakalen Schmerzen oder Schwindel bzw. Synkopen führen. Dennoch wird generell ein individuell abgestimmtes körperliches Training für Patienten empfohlen [12] (Kap. 35).
. Abb. 13.4. Intravenöse (B) und inhalative (C) Applikation von Vasodilatanzien: Bei systemischer Applikation kommt es zu einer Gefäßweitstellung in allen Lungenarealen und somit zu einer Zunahme des Shuntflusses und einer peripheren Gefäßweitstellung. Bei inha-
lativer Applikation (gasförmig oder Aerosol) kommt es nur in gut belüfteten Lungenarealen zu einer Gefäßweitstellung und somit zu einer Umverteilung des Blutflusses und Reduktion des Shuntflusses (Walmrath 1999 [9])
97 13.7 · Literatur
13.7
Literatur
1. Bals R, Vogelmeier C (2006) Lunge und Atmung. Klinische Pathophysiologie. Thieme, Stuttgart 2. Olschewski H, Ghofrani A, Wiedermann R et al. (2002) Pulmonaler Hochdruck. Internist 43: 1498–1509 3. Bickel-Schumacher C (2005) Veränderungen des pulmonalen Gasaustauschs und deren Hämodynamik während Ein-LungenBeatmung unter Almitrinbismesylat und Stickstoffmonoxid. Inaugural Dissertation Justus-Liebig-Universität Gießen 4. Kleen M (1999) Heterogenität der pulmonalen Perfusion. Intensivmed 36: 250–259 5. Orth M, Rasche K, Schultze-Weringhaus G (1990) Chronisches Cor pulmonale. Internist 40: 722–728 6. Levi-Valenzi P, Aubri P, Rida Z (1990) Noctural hypoxemia and longterm oxygen-therapy in COPD patients with daytime PaO2 60–70 mmHg. Lung 168: 770–775 7. Calzia E, Radermacher P (1999) Klinische Bedeutung von Ventilations- und Perfusionsbeziehungen. Intensivmed 36 suppl I: 9–12 8. Olschewski H, Seeger W, Grimminger F (1999) Physiologie und Pathophysiologie der pulmonalen Zirkulation. Internist 40: 696–709 9. Walmrath D, Grimminger F, Seeger W (1999) Therapie des ARDS. Intensivmed 1999; 36: 104–125 10. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (2008) Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention. AWMF-online 11. Richter P, Gottwik M (2002) Cor pulmonale: Interaktion mit pulmonaler Hypertonie, Schlafapnoe und Lungenerkrankungen. Internist 43: 19–32 12. Mereles D, Ehlken N, Kreuscher S (2006) Exercise and respiratory training improve exercise capacity and quality of life in patients with severe chronic pulmonary hypertension. Circulation 114: 1482–1489
13
14 14 Sympathovagale Imbalance A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
14.1
Autonomes Nervensystem
14.2
– 98
14.8
Respiratorische Sinusarrhythmie
Medulla oblongata: Übergeordnetes Koppelungszentrum des kardiorespiratorischen Netzwerks – 100
14.9
Dehnungsrezeptoren der Lunge
14.3
Zentrale Chemorezeptoren
14.11 Ätiologie der sympathovagalen Imbalance – 106
14.4
Arterielle Chemorezeptoren
14.5
Arterielle Barorezeptoren
14.6
Dehnungsrezeptoren in der A. pulmonalis und in den Atria cordis – 102
14.7
Herzfrequenzvariabilität
– 100
– 104 – 105
14.10 Propriozeptoren der Atemmuskulatur
– 105
– 100 14.12 Erhöhter Sympathikotonus in Ruhe
– 106
– 101 14.13 Erhöhter Parasympathikotonus bei körperlicher Belastung – 106 14.14 Literatur
– 107
– 103
Der Krankheitsverlauf der COPD ist durch eine progrediente Verschlechterung der Lungenfunktion und eine Abnahme der körperlichen Belastbarkeit und Lebensqualität gekennzeichnet, vor allem durch rezidivierende Exazerbationen und zunehmende Komorbiditäten. Die häufigsten Komorbiditäten bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen sind: 4 kardiovaskuläre Erkrankungen, 4 Gewichtsverlust, 4 Verlust der fettfreien Masse verbunden mit Muskelatrophie, 4 Osteoporose und 4 Depression [1]. Systemische Erkrankungen gehen häufig zusätzlich mit Störungen des autonomen Nervensystems (sekundäre autonome Dysfunktionen) in Form einer erhöhten neuro-endokrinen Aktivierung einher, die möglicherweise für das erhöhte Mortalitätsrisiko dieser Erkrankung mitverantwortlich ist. Bei primären autonomen Dysfunktionen ist das autonome Nervensystem der Schädigungsort, bei sekundären ist es nur im Rahmen einer anderen Pathologie miteinbezogen. Für die Erhaltung der inneren Homöostase (Gleichgewicht) des menschlichen Organismus benötigt das autonome Nervensystem (ANS) eine Vielzahl funktioneller Reflexbögen als Regelkreise mit dem Hypothalamus als übergeordnetem Zentrum.
Definition Homöostase beschreibt das ständige Bestreben des menschlichen Organismus, verschiedene physiologische Funktionen (arterielle Blutgaswerte, SäureBasen-Haushalt, Körpertemperatur, Pulsschlag, Blutzuckerspiegel usw.) in vorgegebenen Richtwerten zu halten. Als Homöostase wird das fließende Gleichgewicht zwischen dem Organismus und seiner Umwelt bezeichnet. Dieses Gleichgewicht ist die Grundvoraussetzung für körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
Das Wissen um die autonome Regulation ermöglicht es, Pathogenese und Symptomatik der Erkrankung COPD besser zu verstehen. Die Analyse der sympathovagalen Balance kann bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung wertvolle Informationen hinsichtlich Prognose und Behandlungsstrategie liefern. Ziel dieses Kapitels ist es, den vielfachen Einfluss der autonomen Dysfunktion auf die innere Homöostase zu unterstreichen und systematisch darzustellen.
14.1
Autonomes Nervensystem
Das autonome Nervensystem (ANS) ist ein funktionelles System, das im Wesentlichen dichotom (parasympathisch bzw. erholungsfördernd und sympathisch bzw. leistungsfördernd) organisiert ist. Anatomisch bzw. morphologisch ist das ANS in ein zentrales und ein peripheres Nervensystem unterteilt. Die Neurotransmitter des Sympathikus sind Azetylcholin und
99 14.1 · Autonomes Nervensystem
. Abb. 14.1. Übersicht des sympathischen Anteils des ANS. Von links nach rechts: Erfolgsorgane – postganglionäres Neuron – präganglionäres Neuron – Rückenmarksegmente. Die inneren Organe werden sowohl vom Sympathikus als auch vom Parasympathikus innerviert
Noradrenalin (präganglionär Azetylcholin, postganglionär Noradrenalin). Der Parasympathikus hat das Azetylcholin als Neurotransmitter. Der sympathische Teil des ANS wird wegen seiner Lage in zervikale, thorakale und lumbale Rückenmarksegmente (C8–L3) unterteilt. Die efferenten Fasern des sympathischen Nervensystems bestehen aus einem präganglionären und einem postganglionären Neuron. Von den Seitenhörnern der grauen Substanz (Nucleus intermediolateralis) des Rückenmarks ziehen die meisten Neurone (präganglionäre Neurone) zu den Paravertebralganglien beidseits der Wirbelsäule. Die Neurone sind alle untereinander verbunden; in ihrer Gesamtheit bilden sie den sympathischen Grenzstrang (Truncus sympathicus, . Abb. 14.1). Vom Truncus sympathicus ziehen postganglionäre Neurone zu den jeweiligen Erfolgsorganen sowie zum Herzen (Atria und Ventrikel) und zur glatten Muskulatur der Blutgefäße.
. Abb. 14.2. Übersicht des parasympathischen Anteils des ANS. Von links nach rechts: Rückenmarksegmente – Erfolgsorgane – präganglionäres Neuron – postganglionäres Neuron. Die inneren Organe werden sowohl vom Sympathikus als auch vom Parasympathikus innerviert. Rot Sympathikus: Die sympathischen präganglionären Fasern sind kurz, und die Synapsen liegen in den Grenzstrangganglien. Die postganglionären Fasern bis zum Erfolgsorgan sind lang. Blau Parasympathikus: Die parasympathischen präganglionären Fasern sind lang, und die Synapsen liegen in Ganglien nahe des Erfolgsorgans (Tillmann 2005 [2])
Rezeptoren Die Rezeptoren an den adrenergen Synapsen (postganglionär, Sympathikus) werden in α- und β-Rezeptoren eingeteilt (. Abb. 14.5): 4 Über α-Rezeptoren werden die Organe i.d.R. angeregt, z. B. Vasokonstriktion der glatten Gefäßmuskulatur (führt zu Blutdrucksteigerung). Ausnahme ist der Magen-DarmTrakt.
14
100
Kapitel 14 · Sympathovagale Imbalance
4 Über β-Rezeptoren werden die Organe i.d.R. entspannt, z.B. Vasodilatation der glatten Gefäßmuskulatur (führt zu Blutdrucksenkung). Ausnahme ist das Herz, wo sie erregend wirken: Zunahme der Herzfrequenz und Steigerung der Kontraktionskraft. Bestimmte Medikamente können die Wirkung des Sympathikus blockieren, indem sie entweder die Adrenalin- oder die Noradrenalin-Wirkung blockieren. Je nachdem, ob die Medikamente β- oder α-Rezeptoren blockieren, heißen sie β- oder α-Blocker. Ganglien Das parasympathische Nervensystem wird auch als kraniosakraler Anteil bezeichnet, da es vom Hirnstamm und sakralen Rückenmark ausgeht. Die Zellkörper der präganglionären Neurone befinden sich in den Rückenmarksegmenten S2–S4, Pons und Medulla oblongata. Dort liegen die Kerngebiete der Hirnnerven III (N. oculomotorius), VII (N. facialis), IX (N. glossopharyngeus) und X (N. vagus). Im Gegensatz zu den sympathischen Ganglien liegen die parasympathischen Ganglien (terminale Ganglien) organnah auf oder in der Wand der Erfolgsorgane. Der Parasympathikus ist im Gegensatz zum Sympathikus nicht an der Innervation der glatten Gefäßmuskulatur beteiligt und hat demzufolge wenig Einfluss auf den peripheren Gefäßwiderstand (. Abb. 14.1, 14.2).
14.2
14
Medulla oblongata: Übergeordnetes Koppelungszentrum des kardiorespiratorischen Netzwerks
Die Medulla oblongata gilt als übergeordnetes Koppelungszentrum eines kardiorespiratorischen Netzwerks für die Rhythmussteuerung von 4 Atemfrequenz, 4 Blutdruck und 4 Herzfrequenz. Die Koppelung umfasst die Verbindungen von Neuronen des respiratorischen mit denen des kardiovaskulären Systems und mit den zentralen Chemorezeptoren. In 7 Übersicht 14.1 sind die an der Steuerung von Atemfrequenz, Blutdruck und Herzfrequenz aktiv beteiligten Rezeptoren zusammengefasst. . Übersicht 14.1. Rezeptoren für die Steuerung von Atemfrequenz, Blutdruck und Herzfrequenz 1. 2. 3. 4. 5.
Zentrale Chemorezeptoren Arterielle Chemorezeptoren Arterielle Barorezeptoren Dehnungsrezeptoren (in A. pulmonalis und Atria cordis) Thorakale Dehnungsrezeptoren
14.3
Zentrale Chemorezeptoren
Die wichtigsten Regelgrößen für die zentralen Chemorezeptoren sind der pH-Wert (H+-Ionen-Konzentration) und der Kohlendioxidpartialdruck (CO2-Konzentration) in der extrazellulären und zerebrospinalen Flüssigkeit [3]. Die zentralen Chemorezeptoren werden durch Verringerung des pH-Wertes und Zunahme des paCO2-Wertes gereizt, wodurch reflektorisch die Ventilation bzw. das Atemminutenvolumen (AMV) zunimmt. Dieser Vorgang wird als hyperkapnische Atemstimulation bezeichnet [4].
14.4
Arterielle Chemorezeptoren
Die arteriellen Chemorezeptoren liegen im Aortenbogen (Glomus aorticum) und in der A. carotis communis (Glomus caroticum) und haben direkte neurale Verbindungen zum Atemzentrum in der Medulla oblongata (. Abb. 14.3). Ein abfallender paO2-Wert (bzw. H+-Ionen-Konzentration) und ein ansteigender paCO2-Wert im arteriellen Blut erregt die arteriellen Chemorezeptoren. Die Erregung führt über einen Feedback-Mechanismus zur Stimulierung des Atemzentrums mit konsekutiver Steigerung des Atemminutenvolumens (AMV). Definition Das Atemminutenvolumen (AMV) ist definiert als Atemzugvolumen×Atemfrequenz.
Die arteriellen Chemorezeptoren im Aortenbogen haben wenig Einfluss auf die Atemtiefe und bewirken nur eine geringe Atemfrequenzsteigerung, wohingegen die Chemorezeptoren in der A. carotis communis einen starken Einfluss auf Atemtiefe und Atemfrequenz haben [5]. Die Erregung der arteriellen Chemorezeptoren bewirkt 4 einen ansteigenden peripheren und pulmonal-arteriellen Gefäßwiderstand und infolge 5 eine arterielle und pulmonale Hypertonie, 5 eine erhöhte Atemstimulation und 5 eine erhöhte Herzfrequenz. Ein Anstieg des arteriellen paCO2-Wertes hat über bis dato unbekannte chemorezeptive Mechanismen in der Medulla oblongata einen besonders starken tonisch aktivierenden Einfluss auf die Sympathikusaktivität und gilt als wichtigste Regelgröße in der Atemregulation. Im Gegensatz zum arteriellen paCO2 muss der paO2<60 mmHg erst sehr stark abnehmen (oder H+-Ionen-Konzentration im arteriellen Blut zunehmen), um das Atemminutenvolumen steigern zu können [6]. Dies mag der Grund sein, warum chronische Lungenerkrankungen eher zu einer Veränderung des arteriellen paCO2-Wertes tendieren als zu Veränderungen des arteriellen paO2-Wertes.
101 14.5 · Arterielle Barorezeptoren
! Cave Bei dauerhaft hyperkapnischen COPD-Patienten ist die Empfindlichkeit der Chemorezeptoren gegenüber dem paCO2 deutlich vermindert ist [4]. Die Atemregulation bleibt jedoch auf höherem paCO2-Niveau erhalten [4].
14.5
Arterielle Barorezeptoren
Die Messfühler, welche die Stellwertgröße des systemischen Blutdrucks überprüfen, befinden sich an strategisch wichtigen Orten. Arterielle Barorezeptoren sind im Sinus der A. carotis communis und im Arcus aortae lokalisiert und werden durch die Ausdehnung der jeweiligen Gefäßwände erregt (. Abb. 14.3). Die arteriellen Barorezeptoren haben 4 parasympathischen und sympathischen Einfluss auf Herzfrequenz und Schlagkraft des Herzens, 4 ausschließlich sympathischen Einfluss auf den Tonus der peripheren Gefäße [7]. Beispiel Bei Blutdruckerhöhung im systemischen Kreislauf nimmt kompensatorisch der Einfluss des Sympathikus ab (Inhibition), so dass die Herzfrequenz sinkt [9, 10]. Der periphere Gefäßtonus wird gehemmt (bzw. es findet eine Vasodilatation statt), wodurch sich der systemische Blutdruck vermindert. Gleichzeitig kommt es zu einer Kapazitätszunahme im venösen System, so dass weniger Blut zum Herzen zurückfließt und das Schlagvolumen des Herzen reduziert wird [10]. Bei Blutdruckabfall im systemischen Kreislauf werden die arteriellen Barorezeptoren weniger stark erregt und induzieren über kreislaufregulierende Efferenzen eine reflektorische Gegenregulation: Der Sympathikus wird aktiviert (Disinhibition), und kompensatorisch nimmt der periphere Gefäßtonus zu (bzw. es findet eine Vasokonstriktion statt), die Kontraktilität des Herzens erhöht sich, und die Herzfrequenz steigt [11, 12] (. Abb. 14.4). . Abb. 14.4. Schematische Darstellung der Barorezeptorschleife des autonomen Nervensystems (ANS) und deren Einfluss auf die Hämodynamik des systemischen Kreislaufs (van Gestel 2009)
. Abb. 14.3. Übersicht der arteriellen Barorezeptoren (Tensiosensoren) (Bernards und Bouman 1994 [8])
14
102
14
Kapitel 14 · Sympathovagale Imbalance
. Abb. 14.5. Schematische Darstellung der Barorezeptorschleife des autonomen Nervensystems und deren Einfluss auf die Hämodynamik des systemischen Kreislaufs. In der Gefäßmuskulatur bewirkt eine Erregung der α-Rezeptoren eine Vasokonstriktion (Blutdrucksteigerung) und eine Erregung der β-Rezeptoren eine Vasodilatation (Blutdrucksenkung). In der Herzmuskulatur kommt es durch
Erregung der β-Rezeptoren u.a. zu Zunahme der Herzfrequenz und Steigerung der Kontraktionskraft. Gepunkteter Pfeil Langsame Erregungsübertragung der sympathischen Nervenfasern. Linierter Pfeil Schnelle Erregungsübertragung der parasympathischen Nervenfasern (van Gestel 2009)
Beteiligung an der Kreislaufregulation Ferguson et al. zeigten, dass die Barorezeptoren des Aortenbogens bei schnellem Blutdruckanstieg eine bedeutend wichtigere Rolle für die Herzfrequenzkontrolle spielen als die Barorezeptoren im Karotissinus [13]. Die Information wird über den N. glossopharyngeus weitergeleitet, im Hirnstamm integriert und auf vagale Efferenzen umgeschaltet. Diese ermöglichen innerhalb weniger Sekunden eine adäquate Reaktion auf veränderte Kreislaufanforderungen wie z.B. Wechsel in die aufrechte Körperhaltung (Orthostase) oder körperliche Belastung. Durch diese beiden sehr rasch einsetzenden kompensatorischen Mechanismen bleibt ein stabiler mittlerer arterieller Blutdruck gewährleistet [12] (. Abb. 14.5).
Sensitivität der Barorezeptoren Hinsichtlich der Beurteilung autonomer Funktionsstörungen kommt der Untersuchung des Baroreflexes eine wesentliche Bedeutung zu [10]. > Wichtig Die Sensitivität der Barorezeptoren (BRS) sinkt, wenn der Sympathikus dominiert, und sie steigt, wenn der Parasympathikus dominiert [15].
Bei COPD-Patienten besteht in Ruhe ein erhöhter sympathischer Grundtonus und auch eine eingeschränkte Sensitivität der Barorezeptoren [16, 17]. Daher ist evt. mit einer Blutdruckregulationsstörung bei körperlicher Belastung und Wechsel in die aufrechte Körperhaltung zu rechnen.
Tipp
Fazit Bei Patienten mit einer orthostatischen Dysregulation (bzw. Blutdruckregulationsstörung) durch ein Baroreflexversagen ändern sich Herzfrequenz und sympathische Nervenaktivität nicht, wenn plötzliche Blutdruckschwankungen im systemischen Kreislauf auftreten.
Beteiligung an der Atemregulation Die Barorezeptoren sind neben der Kreislaufregulation auch an der Atemregulation beteiligt. Die stimulierende Wirkung der arteriellen Barorezeptoren auf den Parasympathikus wird durch die Atmung beeinflusst und ist in der post-inspiratorischen Phase am größten [14]. > Wichtig Ein Blutdruckabfall hat generell eine Steigerung der Atemfrequenz zur Folge, ein Blutdruckanstieg eine Dämpfung des Atemantriebs [4].
Erhöhung des sympathischen Grundtonus Bei COPD-Patienten besteht in Ruhe sowohl eine Erhöhung des sympathischen Grundtonus als auch eine eingeschränkte Sensitivität der Barorezeptoren [16, 17]. Daher ist evt. bei körperlicher Belastung und Wechsel in die aufrechte Körperhaltung mit einer Blutdruckregulationsstörung zu rechnen.
14.6
Dehnungsrezeptoren in der A. pulmonalis und in den Atria cordis
Ähnliche Auswirkungen auf die Blutdruckregulation wie die arteriellen Barorezeptoren zeigen Rezeptoren, die in der A. pulmonalis und in den Atria cordis lokalisiert sind (venöses Baroreflexsystem) [3]. Bei einer Steigerung des zentralvenösen Blutdrucks, z.B. bei vermehrter venöser Füllung, haben sie einen hemmenden Einfluss auf den Parasympathikus. Bei der Inspiration erweitert sich der Thorax, wodurch der intrathorakale Druck erheblich abfällt. Der Unterdruck im rechten Atrium führt zu einem beschleunigten Rückfluss des venösen Blutes, worauf das rechte Atrium mit Dehnung rea-
103 14.7 · Herzfrequenzvariabilität
. Abb. 14.6. Herzfrequenzvariabilität (HFV) und Prinzip der Tachogrammableitung aus einem Elektrokardiogramm (EKG). Die Kenngrößen der Herzfrequenzvariabilität stellen eine einfache Art dar, um bestimmte Varianzanteile der Herzperiodenvariabilität zu beschreiben, wobei standardmäßig eindeutig detektierbare R-Zacken
giert [18]. Weiterlaufend kommt es zur Erregung des sympathischen und Hemmung des parasympathischen Nervensystems mit konsekutiver Steigerung der Herzfrequenz. Für dieses Phänomen wird ein neuraler Reflex, der BainbridgeReflex, verantwortlich gemacht.
14.7
als Referenzpunkt für die Analyse genutzt werden. Die Herzperiodenvariabilität zeigt die Abstände zwischen den einzelnen R-Zacken in ms und wird auch als Inter-Beat-Intervall-Zeitreihe (IBI-Zeitreihe) bezeichnet (Horn 2005 [20])
Definition Die Herzfrequenzvariabilität (HFV) beschreibt die Fähigkeit des Herzens, den zeitlichen Abstand von einem Herzschlag zum nächsten ständig (belastungsabhängig) zu verändern, um sich flexibel wechselnden Anforderungen anzupassen.
Herzfrequenzvariabilität
Die Regulation von Atmung und Herzfrequenz ist bei Gesunden den Bedürfnissen der Sauerstoffversorgung des Gesamtorganismus angepasst. Kennzeichen der Herzaktivität ist die Autorhythmie. Die rhythmisch ausgelösten Aktionspotenziale im Sinusknoten entsprechen der normalen Eigenfrequenz und erzeugen ohne autonome Beeinflussung eine intrinsische Herzfrequenz von ca. 60–90 Schlägen/min. Dies bedeutet, dass das Herz nach Ausschaltung des autonomen Nervensystems mit konstanter Frequenz weiterschlagen würde [19]. Zusätzlich zu dieser Grundfrequenz, die Basis für einen ausreichenden Gewebeperfusionsdruck ist, bedient sich das autonome zentrale Nervensystem einer Vielzahl hierarchisch strukturierter Regelkreise. Dem früheren Postulat, dass Gesundheit mit einem regelmäßigen Herzrhythmus einhergehe, steht die heutige Erkenntnis gegenüber, dass eine gesunde Herzschlagabfolge durch ausgeprägte Variabilität gekennzeichnet ist und pathologische durch eine reduzierte Herzratenvariabilität (. Abb. 14.6).
Die wechselnde Beanspruchung des Herzens ist intrinsisch gesichert und stimuliert Regulationsvorgänge, die durch autonome Mechanismen gesteuert werden. Durch gezielte extrinsische Abstimmung des autonomen Nervensystems (ANS) mit seinen dichotomen Anteilen wird jeder Herzschlag gezielt kontrolliert. Einfluss des Parasympathikus Kurzfristige reflektorische Variationen dieser kardiotropen
Modulation sind ausschließlich durch eine Beeinflussung des Parasympathikus möglich und werden als vagale Beat-byBeat-Kontrolle bezeichnet. An den parasympathischen Neuronen bindet sich Azetylcholin an muskarinerge Rezeptoren, die zu einer prompten Verlangsamung des Herzschlags führt (mit einer Latenzzeit von 50–100 ms). Im synaptischen Spalt ist viel Azetylcholinesterase vorhanden, das für eine schnelle Spaltung von Azetylcholin sorgt und damit ein rasches Nachlassen der Wirkung ermöglicht. Einfluss des Sympathikus Im Vergleich mit dem Parasympathikus ist der Sympathikuseinfluss auf die Herzfrequenz als langsam zu betrachten; der Sympathikus ist demzufolge bei kurzfristigen Modula-
14
104
Kapitel 14 · Sympathovagale Imbalance
tionen der Herzfunktion nicht involviert. Durch sympathischen Einfluss wird die Herzfrequenz erst nach einer gewissen Latenzzeit aktiviert; die Wirkung hält jedoch länger als einen Herzschlag an. Die sympathische Latenzzeit bis zum Einsetzen eines Aktionspotenzials im Erfolgsorgan beträgt 1,3–2,0 sec. Die Erregungsübertragung dauert bei den sympathischen Nervenfasern ca. 330 ms (Latenz der schnell leitenden parasympathischen Nervenfasern beträgt 50 ms) [21], bedingt durch die Länge und die langsame Übertragungsgeschwindigkeit der sympathischen postganglionären Nervenfasern1. Da Noradrenalin im Gegensatz zu Azetylcholin (Neurotransmitter des Parasympathikus) nicht durch ein entsprechendes Enzym direkt im synaptischen Spalt abgebaut werden kann, ist es solange aktiv, bis es wieder in der präsynaptischen Membran aufgenommen wird. Die Inaktivierung von Noradrenalin beruht im Wesentlichen auf einer Wiederaufnahme über den Noradrenalin-Uptake-1-Carrier. Ein Teil des ausgeschütteten Noradrenalins wird in die Blutbahn aufgenommen. Die sympathischen kardioeffektorischen Synapsen können wegen ihrer Trägheit nur auf langsame Veränderungen der Herzaktivität reagieren. Akselrod et al. postulieren, dass dem Sympathikus als Low-Pass-Filter wegen seiner Trägheit nur die niederfrequente HFV-Komponente (<0,1 Hz) zukommt [22]. > Wichtig Bei COPD-Patienten zeigt sich häufig eine Insuffizienz des autonomen Nervensystems, die sich in einer eingeschränkten autonomen Herzmodulation bzw. Insuffizienz der spontanen (kurzfristigen) Herzfrequenzvariabilität (HFV) [23–29] und einer erhöhten Herzfrequenz in Ruhe äußert [23, 24].
14
14.8
Respiratorische Sinusarrhythmie
Im kardiorespiratorischen Bereich kommt es zu interessanten Interaktionen: Durch die enge Verknüpfung der parasympathischen und sympathischen Kerngebiete mit der Medulla oblongata entstehen atemsynchrone Schwankungen der Herzaktivität bzw. eine respiratorische Sinusarrhythmie (RSA). Die Spontanrhythmen von Herz und Atemfrequenz beeinflussen sich gegenseitig, wobei es in der Regel zu einer Synchronisation der beiden Kenngrößen kommt [30] (. Abb. 14.7). Definition Die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) beschreibt die atemsynchrone Herzfrequenzschwankung. Obwohl der Begriff Unregelmäßigkeiten andeutet, ist die RSA eine physiologische Synchronisierung der Atmungsund Herzsysteme und reflektiert die gesunde Regulationsfähigkeit des autonomen Nervensystems (ANS).
1 Die Länge der postganglionären sympathischen Nervenfasern beträgt durchschnittlich 30 cm. Die postganglionären parasympathischen Nervenfasern befinden sich direkt in der Herzwand und sind entsprechend kurz [21].
. Abb. 14.7. Schematische Darstellung der Lunge: Respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) zur Verbesserung des Gasaustauschs durch Abstimmung der Perfusion auf die Ventilation (VA/Q matched). Bei der Inspiration nimmt die Perfusion zu (dicke Pfeile), bei der Exspiration nimmt sie ab (dünne Pfeile) (Yasuma et al. 2004 [31])
Kardiorespiratorische Regulation > Wichtig Die RSA ist gekennzeichnet durch 4 eine Herzfrequenzsteigerung bei Inspiration und 4 eine Herzfrequenzsenkung bei Exspiration [32].
Physiologisch betrachtet ist die RSA sinnvoll, da ihr eine wichtige Rolle bei der kardiorespiratorischen Regulation zukommt, mit dem Ziel, die respiratorische Effektivität zu erhöhen. Die RSA ist auch als »Theorie des intelligenten Herzens« bekannt, da sie über eine Verbesserung des Gasaustauschs durch feine Abstimmung der Perfusion auf die Ventilation eine Vorreiterrolle bei der Regulation der physiologischen Homöostase spielt [31, 33, 56] (. Abb. 14.6). Die RSA kann nicht auf einen einzelnen Mechanismus zurückgeführt werden, vielmehr sind viele verschiedene Mechanismen an der zentralen Interaktion von kardialen und respiratorischen Neuronen in der Medulla oblongata beteiligt. Hauptverantwortlich für die zentrale Interaktion sind 4 der arterielle Baroreflex, 4 die reflektorische Beeinflussung der Herzfrequenz durch Lungen- und Thorax-Dehnungsrezeptoren und 4 die Dehnungsrezeptoren in den Atria cordis.
Da bei einer medikamentösen β-sympathischen Blockade, z.B. durch Propanolol, keine Veränderungen der RSA festgestellt werden können, wird über die direkte Einflussmöglichkeit des Sympathikus auf die RSA diskutiert. Die RSA lässt sich hauptsächlich durch zwei Reflexbögen erklären, 4 den Barorezeptor-Reflex und 4 den Bainbridge-Reflex, die beide über den Parasympathikus Einfluss auf die Herzaktivität nehmen.
105 14.10 · Propriozeptoren der Atemmuskulatur
. Abb. 14.8. Schematische Darstellung des Bainbridge-Reflexes: Eine Erhöhung des Vorhofdrucks (rechter Vorhof ) oder der venösen Füllung lässt die Herzfrequenz ansteigen (van Gestel 2009)
RSA: Disinhibition des Parasympathikus bei der Exspiration Während der Exspiration verringert sich das Volumen des Thorax, wodurch sich konsekutiv der intrathorakale Druck erhöht. Demzufolge erhöht sich auch der arterielle Blutdruck, was die Barorezeptoren im Aortenbogen und Karotissinus erregt. Über die Kreislaufzentren im Hirnstamm wird eine Steigerung bzw. Disinhibition des Parasympathikus initiiert, was zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz führt [35]. RSA: Inhibition des Parasympathikus bei der Inspiration Bei der Inspiration erweitert sich der Thorax, wodurch der intrathorakale Druck erheblich abfällt. Der Unterdruck im rechten Atrium führt zu einem beschleunigten Rückfluss des venösen Blutes, woraus eine Erweiterung des rechten Atriums resultiert. Das rechte Atrium erfährt eine verstärkte Dehnung, wodurch es zu einer zyklischen Dämpfung des Parasympathikus und einer reflexbedingten Beschleunigung des Herzschlags kommt [20, 32]. Dieses Phänomen wird hauptsächlich durch den Bainbridge-Reflex ausgelöst [35] (. Abb. 14.8). Durch Interaktion der beiden Reflexe wirkt das medulläre respiratorische Zentrum auf das medulläre kardiovaskuläre Zentrum ein, und es entsteht eine atmungsbedingte rhythmische Variation der Herzfrequenz (RSA).
14.8.1 Das Atemmuster: Einfluss auf die
respiratorische Sinusarrhythmie Die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) ist abhängig von Atemtiefe und Atemfrequenz: 4 Eine erhöhte Atemfrequenz vermindert bei gesunden Probanden die RSA-Amplitude, 4 eine verminderte Atemfrequenz bei vertiefter Inspiration (>15 ml/kg) lässt die RSA-Amplitude ansteigen und folgend die Herzfrequenz sinken [37, 38, 14].
14.9
Dehnungsrezeptoren der Lunge
Neben den arteriellen/venösen Barorezeptoren und den Chemorezeptoren sind weitere Reflexmechanismen an der kardiopulmonalen Regulation beteiligt. Bei einer fortgeschrittenen Ausdehnung bzw. Erweiterung der Lunge kommt es zu einer Erregung der Lungendehnungsrezeptoren und einer negativen Rückkoppelung zum Atemzentrum mit reflektorischer Hemmung der inspiratorischen Neurone des Atemzentrums und Aufhebung der parasympathischen Inhibition. Dieser sog. Hering-Breuer-Reflex wird von langsam adaptierenden Dehnungsrezeptoren in den Wänden von Trachea und Bronchien ausgelöst und bewirkt eine reflektorische Bronchodilatation und Stimulation der Herzaktivität [6]. Costes et al. postulieren, dass die eingeschränkte Sensitivität der Barorezeptoren bei COPD-Patienten möglicherweise in direkter Verbindung mit der dauerhaften Erregung der Lungendehnungsrezeptoren infolge chronischer Lungenüberblähung und erhöhten intrathorakalen Drucks (ITP) steht [40].
14.10
Propriozeptoren der Atemmuskulatur
Die Dehnungsrezeptoren in quergestreiften Muskeln und die Spannungsrezeptoren in Sehnen werden bei körperlicher Belastung erregt und bewirken konsekutiv eine gesteigerte Atmung, mit dem Ziel, die arbeitende Muskulatur ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen [4]. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die abnorm erhöhte Atemarbeit und die entsprechenden Afferenzen der Atemmuskulatur als superponierende Stimuli für die Entstehung einer Dyspnoe erkannt, und die mechanische Theorie trat in den Vordergrund [41]. Als Folge einer gravierenden Erhöhung der Atemimpedanz kommt es bei COPD-Patienten zu einer stark erhöhten Beanspruchung der primären und sekundären Atemmuskulatur (Kap. 7). Möglicherweise haben die Propriozeptoren der primären und sekundären Atemmuskulatur hinsichtlich der Beurteilung autonomer Funktionsstörungen bei COPD-Patienten ebenfalls eine wesentliche Bedeutung.
14
106
Kapitel 14 · Sympathovagale Imbalance
14.11
Ätiologie der sympathovagalen Imbalance
Die Erkenntnis der autonomen Regulation ermöglicht es, Pathogenese und Symptomatik der Erkrankung besser zu verstehen. Die Analyse der Ätiologie einer sympathovagalen Imbalance bei COPD-Patienten kann wertvolle Informationen hinsichtlich Prognose und Behandlungsstrategie bringen: 4 Das parasympathische System übermittelt reflektorische Veränderungen der Herzfrequenz auf entsprechende afferente Signale der arteriellen Barorezeptoren und des respiratorischen Systems. Das sympathische System ist für Veränderungen der Herzfrequenz auf physischen und mentalen Stress verantwortlich. 4 Respiratorische Sinusarrhythmie und Herzfrequenzvariabilität gelten als Marker der sympathovagalen Balance, bedingt durch die Koppelung von Atem- und Kreislaufzentrum in der Medulla oblongata. 4 Verringerte Baroreflexsensibilität und Herzfrequenzvariabilität (bzw. respiratorische Sinusarrhythmie) deuten auf eine Dominanz des Sympathikus hin, erhöhte Werte auf eine gesteigerte parasympathische Aktivität.
schädigen, und sie haben trophischen Effekt. Die Sympathikusaktivierung fördert
4 eine Insuffizienz des autonomen Nervensystems, 4 eine dauerhafte Beeinträchtigung der Sympathikus-Parasympathikus-Balance und 4 eine damit verbundene Störung der physiologischen Homöostase [44, 9]. Sympathikusaktivierung bei COPD-Patienten Bei COPD-Patienten können auch Störungen der autonomen Herzmodulation (HFV) und der Baroreflexsensibilität beobachtet werden [46]. Aufgrund des dauerhaft erhöhten sympathischen Grundtonus weisen COPD-Patienten im Vergleich zu gesunden Personen eine erhöhte Herzfrequenz in Ruhe auf [23, 24]. Der Anstieg der sympathischen Aktivität steht in enger Beziehung mit dem erhöhten Ruhetonus der arteriellen Chemorezeptoren. Auch bei normoxischen COPD-Patienten kann der Baroreflex gestört und die sympathische Aktivität erhöht sein; daher haben möglicherweise weitere Faktoren einen Einfluss auf die krankheitsbedingte sympathovagale Imbalance [47].
14.13 Eine physiologische Synchronisierung des Atmungszentrums und der kardialen Steuerungsmechanismen reflektiert eine gesunde Regulationsfähigkeit des autonomen Nervensystems (ANS), unterliegt jedoch nicht ausschließlich neural bedingten Einflüssen des autonomen Nervensystems. Im Folgenden werden weitere Mechanismen (sowie z.B. mechanische Einflüsse), die das autonome Nervensystem beeinflussen können, vorgestellt.
14
14.12
Erhöhter Sympathikotonus in Ruhe
Während des normalen Alterungsprozesses kommt es auch bei gesunden Probanden zu einer Abnahme der autonomen Reflexe wie 4 Baroreflexsensibilität, 4 zirkadiane Herzfrequenzvariabilität und 4 respiratorische Sinusarrhythmie [42]. Obwohl prinzipiell jeder autonome Schenkel des sympathischen Nervensystems überaktiviert oder gehemmt sein kann, tritt bei COPD-Patienten meist eine sympathovagale Imbalance mit chronisch gesteigerter adrenerger Aktivierung bzw. erhöhtem Sympathikotonus auf. Als unmittelbare Folge einer Atemwegsobstruktion treten bei COPD-Patienten Blutgasveränderungen (Absenkung des arteriellen O2-Wertes, Steigerung des arteriellen CO2Wertes und damit verbunden eine Senkung des pH-Wertes des arteriellen Blutes [43]) auf. Durch die Hypoxie und das subjektive Empfinden von Dyspnoe kommt es zu einer reflektorischen zentralnervösen Sympathikusaktivierung (»arousal«), die konsekutiv vermehrt Katecholamine (Adrenalin und Noradrenalin) aus dem Nebennierenmark freisetzt. Die vermehrt zirkulierenden Katecholamine können das Myokard
Erhöhter Parasympathikotonus bei körperlicher Belastung
COPD-Patienten entwickeln bei körperlicher Belastung eine unphysiologisch hohe parasympathische Aktivität (Vagotonie) [24]. Unter Vagotonie versteht man in diesem Zusammen-
hang eine inadäquate Erhöhung des Vagotonus des vegetativen Nervensystems während körperlicher Belastung. Bei gesunden Probanden besteht entweder eine gleichbleibende parasympathische Aktivität [48, 49] oder sie nimmt ab [50–53]. Bartels et al. konnten bei 53 COPD-Patienten nicht neurale Mechanismen für die deutliche Steigerung der parasympathischen Aktivität beobachten [24]. Möglicherweise kann die reduzierte kardiopulmonale Ausdauer bei COPDPatienten zum großen Teil durch diese paradoxe Einstellung des autonomen Nervensystems erklärt werden. Ein dominanter Parasympathikus (Vagotonie) führt schließlich zu 4 Herzfrequenzsenkung, 4 Herabsetzung der Kontraktionskraft des Herzens, 4 Verringerung des totalen peripheren Gefäßwiderstandes durch Gefäßdilatation sowie 4 Bronchokonstriktion und 4 Hypersekretion submuköser Drüsen. Diese Effekte, besonders der starke pathophysiologische Einfluss auf die Bronchialobstruktion, erklären den hohen Stellenwert der reflektorischen Parasympathikusaktivierung bei COPD-Patienten [54].
107 14.14 · Literatur
Exkurs Hypothetisches Modell: Entstehung des erhöhten Parasympathikotonus bei COPD-Patienten während körperlicher Belastung Störungen des kardiovaskulären Gleichgewichts sind bei einer systemischen Erkrankung wie der COPD häufig und können sowohl exogener als auch endogener Natur sein. Sympathomimetische und parasympatholytische Stimuli wie z.B. 4 rezidivierende arterielle Hypoxämie [55] und Hyperkapnie [56, 57], 4 Änderungen der Chemorezeptorensensibilität, 4 Vergrößerung des end-exspiratorischen Lungenvolumens, 4 Erregung der intrathorakalen Barorezeptoren, 4 Ermüdung und Erschöpfung der Atemmuskeln sowie 4 Stimulierung der pulmonalen Dehnungsrezeptoren [40]
14.14
können möglicherweise in Verbindung mit der gestörten autonomen Funktion bei COPD-Patienten stehen. Als unmittelbare Folge der Atemwegsobstuktion treten abnormal erhöhte intrathorakale Druckschwankungen auf. Diese rufen eine unselektive Alarmreaktion hervor, die kardiopulmonale, kardiovaskuläre, autonom-nervöse, hormonelle und zentralnervöse Veränderungen mit sich bringen kann. Erhöhte atmungsbedingte intrathorakale Druckschwankungen können direkt die arteriellen Barorezeptoren und die Dehnungsrezeptoren in den Atria cordis erregen [58] und möglicherweise eine Parasympathikusaktivierung mit einer nachfolgend verstärkten respiratorischen Sinusarrhythmie (RSA) verursachen. Diese Annahme ist jedoch hypothetisch. Zudem können Medikamente, z.B. β-Blocker, einen signifikanten Einfluss auf die Herzmodulation unter Belastung
Literatur
1. Watz H, Magnussen H (2006) Komorbiditäten bei COPD. Der Internist 47: 895–900 2. Tillmann (2005) Atlas der Anatomie. Springer, Heidelberg 3. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2) Organsysteme verstehen. Thieme, Stuttgart 4. Oczenski W, Andel H, Werba A (2005) Atmen und Atemhilfen. Thieme, Stuttgart New York 5. Hopp FA, Seagard JL, Bajic J, Zuperku EJ (1991) Respiratory responses to aortic and carotic chemoreceptor activation in the dog. J Appl Physiol 70: 2359–2550 6. Klinke R, Pape HK, Sibernagl S (2005) Physiologie. Thieme, Stuttgart New York 7. Heidl S, Lehnert M, Criee CP, Hasenfuss G, Andreas S (2001) Marked Sympathetic Activation in Patients with Chronic Respiratory Failure. Am J Respir Crit Care Med 164: 597–601 8. Bekkering GE, Hendriks HJM, Chadwick-Staver RMV, Paterson WJ (1998) Guidelines for physiotherapeutic management in chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Nederlands Paramedisch Instituut, Amersfoort 9. Bernards JA, Bouman LN (1994) Fysiologie van de mens. Bohn Stafleu van Loghum, Houten Diegem 10. Lanfranchi PA, Somers VK (2002) Arterial baroreflex function and cardiovascular variability: interactions and implications. Am J Physiol Regulatory Integrative Comp Physiol 283: 815– 826 11. Haensch CA, Jörg J (2005) Die Analyse der Blutdruckregulation bei autonomer Dysfunktion. Klin Neurophysiol 36: 86–97 12. Ziemssen T, Prieur S, Reichmann H (2006) Das weite Feld der orthostatische Dysregulationen. Ärzteblatt 6: 247–252 13. Ferguson DW, Abboud FM, Mark AL (1995) Relative contribution of aortic and carotid baroreflexes to heart rate control in man during steady state and dynamic increases in arterial pressure. Journal of Clinical Investigation 76, 2265–2274
haben. Sie reduzieren die maximale Herzfrequenz und verursachen eine dosisabhängige Limitierung der Frequenzreaktion bei Belastung. Es ist zu vermuten, dass die verstärkte respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) bei körperlicher Belastung nicht wesentlich durch die β-Blocker-Therapie beeinflusst wird, denn β-Blocker sind in erster Linie Antiarrhythmika. Auch der Einfluss einer bronchodilatatorischen Dauertherapie mit lang oder kurz wirksamen Beta2-Adrenergika (β-Agonisten) auf die verstärkte respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) bei körperlicher Belastung ist unwahrscheinlich, denn Silke et al. konnten bei gesunden Probanden diesbezüglich keine Änderungen des Parasympathikus feststellen [59, 60].
14. Unbehaun A (1999) Die vegetative Kontrolle der Herzfrequenz und ihre Koordination mit dem respiratorischen System untersucht im Schlafen und Wachen innerhalb der Pubertät: Eine zeitreihenanalytische Studie. Dissertation der Medizinischen Fakultät Charité der Humboldt-Universität Berlin 15. Fietze I (2003) Barorezeptorsensitivität, Herzfrequenzvariabilität und Blutdruckvariabilität bei Patienten mit einem milden, moderaten und schweren obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom und bei gesunden Probanden. Habilitationssschrift der HumboldtUniversität Berlin 16. Dean E, Frownfelter D (2006) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence and Praxis. Elsevier, Mosby 17. Raupach T, Bahr F, Herrmann P et al. (2007) Atemfrequenz-Reduktion senkt die sympathische Aktivität von COPD-Patienten. Pneumologie 61: 1055 18. Hölting T (2005) Das Blutdruckverhalten unter Hypoxie bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe. Inaugural-Dissertation, Fachbereich Humanmedizin der Philipps-Universität Marburg 19. Jose AD, Taylor RR (1969) Autonomic blockade by propranolol and atropine to study intrinsic myocardial function in man. J Clin Invest 48: 2019–2031 20. Horn A (2003) Diagnostik der Herzfrequenzvariabilität in der Sportmedizin – Rahmenbedingungen und methodische Grundlagen. Dissertation der Fakultät für Sportmedizin der Ruhr-Universität Bochum 21. Markus KU (2003) Herzschlaglängenfolgen während Taktatmung als Marker der kardiorespiratorischen Innervation. InauguralDissertation des Fachbereichs Humanmedizin der RheinischWestfälischen Technischen Hochschule Aachen 22. Akselrod S, Gordon D, Madwed JB et al. (1995) Hemodynamic regulation: investigation by spectral analysis. American Journal of Physiology 18: 867–875 23. Stein PK, Nelson P, Rottman JN et al. (1998) Heart rate variability reflects severity of COPD in PiZ α1-antitrypsin deficiency. Chest 113: 327–333
14
108
14
Kapitel 14 · Sympathovagale Imbalance
24. Bartels MN, Jelic S, Ngai P, Basner RC, DeMeersman RE (2003) High-Frequency Modulation of Heart Rate Variability during Exercise in Patients with COPD. Chest 124: 863–869 25. Tukek T, Yildiz P, Atilgan D et al. (2003) Effect of diurnal variability of heart rate on development of arrhythmia in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Int J Cardiol 88: 199–206 26. Stewart AG, Waterhouse JC, Howard P (1991) Cardiovascular autonomic nerve function in patients with hypoxaemic chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 4: 1207–1214 27. Volterrani M, Scalvini S, Mazzuero G (1994) Decreased heart rate variability in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Chest 106: 1432–1437 28. Stein PK, Nelson P, Rottman JN (1998) Heart rate variability reflects severity of COPD in PiZ α1-antitrypsin deficiency. Chest 113: 327–333 29. Scalvini S, Porta R, Zanelli E (1999) Effects of oxygen on autonomic nervous system dysfunction in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 13: 119–124 30. Kirstein N (2002) Verhalten der Herzfrequenzvariabilität bei Dauerbelastung unterschiedlicher Intensität auf dem Fahrradergometer. Dissertation der Ruhr-Universität Bochum 31. Yasuma F, Hayano J (2004) Respiratory sinus arrhythmia: why does the heartbeat synchronize with respiratory rhythm? Chest 125(2): 683–690 32. Pinsky MR (2005) Cardiovascular Issues in respiratory care. Chest 128: 592–597 33. Junichiro H, Fumihiko Y, Akiyoshi O, Seiji M, Takao F (1996) Respiratory Sinus Arrhythmia, A Phenomenon Improving Pulmonary Gas Exchange and Circulatory Efficiency. Circulation 94: 842–847 34. Wasserman K, Hansen JE, Sue DY, Whipps BJ (1987) Principles of Exercise Testing and Interpretation. Lea & Febiger, Philadelphia 35. Holle H (2003) Die zeitliche Stabilität der Herzperiodenvariabilität während emotionaler Filme. Diplomarbeit der Universität Trier Fachbereich I – Psychologie, Trier 36. Zutphen HCF v, Bernards ATM (1991) Nederlands leerboek der fysische therapie in engere zin. Wetenschappelijke uitgeverij Bunge, Utrecht 37. Person MG, Lonnqvist PA, Gustafsson LE (1995) Positive end expiratory pressure ventilation elicits increases in endogenously formed nictric oxide as detected in air exhaled by rabbits. Anesthesiology 82: 969–974 38. Brown TE, Beightol LA, Koh J, Eckberg DL (1993) Important influence of respiration on human RR interval power spectra is largely ignored. J Appl Physiol 75(5): 2310–2318 39. Mesche N, Klare T (2005) Innere Medizin: Basislehrbuch Gesundheit und Krankheit. Elsevier, München; 5: 149–196 40. Costes F, Roche F, Pichot V et al. (2004) Influence of exercise training on cardiac baroflex sensitivity in patients with COPD. Eur Respir J 23: 396–401 41. Gugger M, Bachofen H (2001) Dyspnoe Teil 1: Grundlangen und Pathophysiologie. Schweiz Med Forum 6: 138–142 42. Schannwell C (2005) Herzerkrankungen des älteren Menschen. DMW 130: 693–697 43. Hulzebos E, Loo H v d (2002) Paramedische trainingsbegeleiding. Training van het cardiorespiratoir uithoudingsvermogen. Bohn Stafleu van Loghum (2) 44. Rühle KH (2006) Kardiale oder pulmonale Dyspnoe – Aussagemöglichkeiten der Ergospirometrie. Pneumologie 60: 777–783 45. Perini R, Orizio C, Baselli G et al. (1990) The influence of exercise intensity on the power spectrum of heart rate variability. Eur J Appl Physiol 61: 143–148
46. Casadei B, Cochrane S, Johnston J (1995) Pitfalls in the interpretation of spectral analysis of the heart rate variability during exercise in humans. Acta Physiol Scand 153: 125–131 47. Arai Y, Saul JP, Albrecht P (1989) Modulation of cardiac autonomic activity during and immediately after exercise. Am J Physiol 256: 132–141 48. Yamamoto Y, Hughson RL, Peterson JC (1991) Autonomic control of heart rate during exercise studied by heart rate variability spectral analysis. J Appl Physiol 71: 1136–1142 49. Rimoldi O, Furlan R, Pagani M (1992) Analysis of neural mechanisms accompanying different intensities of dynamic exercise. Chest 101(suppl): 226–230 50. Nakamura Y, Yamamoto Y, Muraoka I (1993) Autonomic control of heart rate during physical exercise and fractal dimension of heart rate variability. J Appl Physiol 74: 875–881 51. Aalkjaer C, Poston L (1996) Effects of pH on vascular tension: which are the important mechanisms? J Vasc Res 33: 347–359 52. Bartels MN, Gonzalez JM, Kim W, DeMeersman RE (2000) CardiacAutonomic Modulation in COPD. Chest 118: 691–696 53. Gilad O, Swenne CA, Davrath LR, Akselrod S (2005) Phase-averaged characterization of respiratory sinus arrhythmia pattern. Am J Physiol Heart Circ Physiol 288: 504–510 54. Kallenbach JM, Webster T, Dowdeswell R et al. (1985) Reflex heart rate control in asthma. Evidence of parasympathetic over activity. Chest 87: 644–648 55. Silke B, Hanratty CG, Riddell JG (1999) Heart-rate variability effects of beta-adrenoceptor agonists (xamoterol, prenalterol and salbutamol) assessed nonlinearly with scatterplots and sequence methods. J Cardiovasc Pharmacol 33: 859–867 56. Hanratty CG, Silke B, Riddell JG (1999) Evaluation of the effect on heart rate variability of a beta2-adrenoceptor agonist and antagonist using non-linear scatterplot and sequence methods. Br J Clin Pharmacol 47: 157–166
II
Assessments 15
Anamnese (subjektiver Befund)
– 111
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
16
Inspektion und Palpation von Haut und Thorax
– 114
A.J.R. van Gestel, H. Teschler
17
Analyse des Atemmusters
– 122
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
18
Husten-Assessment
– 134
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
19
Herz- und Lungenauskultation, Perkussion und Stimmfremitus – 140 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
20
Blutgasanalyse (BGA)
– 152
A.J.R. van Gestel, H. Teschler
21
Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests
– 153
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
22
Kraftmessung der peripheren Muskulatur
– 165
A.J.R. van Gestel, J. Steier, S. Teschler, H. Teschler
23
Respiratorische Muskelkraft
– 169
A.J.R. van Gestel, H. Teschler
24
Thoraxmobilität
– 173
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
25
Lungenfunktionsprüfung
– 184
A.J.R. van Gestel, H. Teschler
26
Hypertonus und Kontraktur der sekundären Atemmuskeln – 188 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
27
Lebensqualität
– 195
A.J.R. van Gestel, S. Teschler, H. Teschler
28
Dyspnoe bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung – 198 A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
15 15 Anamnese (subjektiver Befund) A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
15.1
Praxis: Eingangsbefund
– 111
Die komplexe Ätiopathogenese der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) mit den vielen systemischen Auswirkungen und den von Patienten subjektiv unterschiedlich empfundenen Konsequenzen macht es schwierig, den aktuellen Status des Patienten zu erfassen und darzustellen. In 7 Übersicht 15.1 sind Symptome bei Patienten mit einer Lungenerkrankung zusammengefasst. . Übersicht 15.1. Symptome bei COPD Anamnestische Symptome 1. Vermehrtes Husten (akut/chronisch) 2. Auswurf (Sekret) 3. Atemnot (Dyspnoe) bei Belastung und/oder in Ruhe 4. Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit – Atemproblemen – Depression – Angst (. Abb. 15.1) Weitere häufig auftretende Symptome 5. Hämoptyse (Bluthusten) 6. Müdigkeit 7. Einschlafneigung 8. Konzentrationsstörungen 9. Kopfschmerzen 10. Unterschenkelödem 11. Thoraxdeformitäten/-fehlstellungen 12. Schmerzen im Thorax (Angina pectoris) 6
13. 14. 15. 16. 17. 18.
Sehr schlechter Allgemeinzustand Fieber Schwindel Tremor Schnarchen Herzklopfen
Die Aspekte Funktionsfähigkeit und Behinderung spiegeln die komplexen Beziehungen zwischen körperlicher und geistig-seelischer Verfassung (Dimension: Körperstruktur und -funktion, Aktivität und Partizipation) einerseits und zwischen persönlicher Verfassung und Kontextfaktoren (Umweltfaktoren und persönliche Faktoren) andererseits wider. Anhand einer ausführlichen Befunderhebung nach der Vorgehensweise des Clinical Reasoning-Konzepts ist es möglich, Klarheit über den Gesundheitszustand des Patienten zu gewinnen.
15.1
Praxis: Eingangsbefund
Eingangsbefund – Schritt für Schritt Einleitung
4 Begrüßung 4 Persönliche Daten 4 Erklärung des Assessmentablaufs Art der Störung/Hauptproblem
4 Warum kommt der Patient zur Behandlung? Was ist das momentane Problem?
112
Kapitel 15 · Anamnese (subjektiver Befund)
5 Konstanz, Häufigkeit und Dauer der beschriebenen Symptome? 5 Stärke der Symptome und deren Irritierbarkeit?
4 Stärke/Intensität
»Eine kleine Aktivität löst so starke Symptome aus, dass diese abgebrochen werden muss.« 4 Irritierbarkeit
»Eine kleine Aktivität löst starke Symptome aus, die lange bleiben.« Geschichte (Hx)
4 4 4 4 4 4
Verlauf der aktuellen Geschichte bis heute? Behandlungen und Effekt? Entstehung/Beginn des aktuellen Problems? Wann traten die Beschwerden erstmals auf? Gab es vorher schon Symptome? Gibt es mögliche prädisponierende Faktoren (begünstigende Faktoren für die Entwicklung einer Lungenerkrankung)?
! Cave
. Abb. 15.1. Eine Patientin mit Lungenemphysem (COPD) beschreibt Atemnot, Angst und Depression als Hauptsymptome (Netters 2000, Rozijn 2009)
Tipp
15
Versuchen Sie, möglichst eine spontane Antwort zu bekommen, und verwenden Sie die Worte des Patienten (Patientensprache): Kurzatmigkeit, Schmerz, Steifigkeit, Schwäche, Schleim, keine Lust, müde, keine Luft, die Beine wollen nicht mehr usw.
In der pulmonalen Rehabilitation ist es wünschenswert, das individuelle Risiko des Patienten einfach und trotzdem möglichst präzise abzuschätzen. Prädisponierende Faktoren für sekundäre Pneumonien bzw. Exazerbationen sind pulmonale Grunderkrankungen wie COPD, Mukoviszidose oder Bronchiektasen.
4 Gibt es mögliche perpetuierende Faktoren, d.h. Umstände oder Belastungen, die eine Lungenerkrankung aufrechterhalten, obwohl diese gut behandelt wird? Perpetuierende Faktoren können z.B. sein: 5 Körperhaltung 5 Veränderter Lebensstil 5 Krankheit (Virus) 5 Inaktivität 5 Übermüdung 5 Physischer oder psychischer Stress 5 Soziale/familiäre Situation 5 Kälte/Feuchtigkeit usw. 4 Exazerbation
Symptomverhalten 4 Auslösende bzw. lindernde Aktivitäten/Stellungen
5 Symptome verstärkende Aktivitäten/Stellungen? Ist ein Abbruch der Tätigkeit notwendig? 5 Symptome vermindernde Aktivitäten/Stellungen? Wie lange?
4 24-Stunden-Verhalten
5 Morgens: beim Aufwachen, Aufstehen 5 Tagsüber: während der Arbeit, im Haushalt, beim Sport 5 Abends: beim Lesen, Fernsehen 5 Nachts: beim Einschlafen, Erwachen in der Nacht, Schlafposition 5 Wie stark ist der Patient durch das Problem im Alltag eingeschränkt? 5 Wie verhalten sich die Symptome in Ruhe, bei Aktivitäten und in gehaltenen Positionen?
5 Wann trat die erste Exazerbation auf? 5 Details der ersten Exazerbation? 5 Wie oft kam es seit der ersten Exazerbation zu weiteren Exazerbationen? 5 Wie lange dauerten diese an? War eine Behandlung nötig und half diese? 5 Tauchen die Exazerbationen regelmäßig/unregelmäßig auf? 5 Haben sich die Exazerbationen bzgl. Intensität, Stärke, Länge, Symptomausbreitung verändert? 5 Wie ist diese Exazerbation verglichen mit der vorherigen? 5 Wie ist es jeweils zwischen den Exazerbationen? 5 Wie sah das Management früherer Exazerbationen aus? 5 Wie ist der geschichtliche Zusammenhang der verschiedenen Symptome? 5 Passt der Auslöser mit dem jetzigen Problem zusammen? Jetziges Stadium/jetzige Stabilität des Problems?
113 15.1 · Praxis: Eingangsbefund
Spezielle Fragen zum allgemeinen Gesundheitszustand
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Allgemeiner Gesundheitszustand? Relevanter Gewichtsverlust? Röntgenbilder und andere Untersuchungen? Medikamente? Schlafstellung: Rückenlage/Seitenlage/Bauchlage/Halbsitz-Polster? Körperbewegung/Sport? Alltägliche Belastung/Belastungstoleranz? Rauchen: Menge pro Tag? Rauchen: Seit wie vielen Jahren? Anzahl der täglich konsumierten Zigarettenpackungen (Inhalt ca. 20 Stück)×Anzahl der Raucherjahre (»pack years«, »py«)? COPD in der Familie? Krankenhausaufenthalte?
Fragen zum Sekret
4 Reizhusten oder produktiver Husten? 4 Menge an Sekret pro Zeitraum? 4 Farbe des Sekrets: Weiß/gelb/grün/braun/leichte Hämoptoe/dunkelrot? 4 Viskosität des Sekrets: Wässrig/zäh/schäumend? 4 Abhusten geht: Leicht/schwierig/täglich/wechselnd? 4 Abhusten mit Schmerzen verbunden?
15
16 16 Inspektion und Palpation von Haut und Thorax A.J.R. van Gestel, H. Teschler
16.1
Allgemeine Inspektion
– 114
16.3
Palpation des Thorax
16.2
Inspektion des Thorax
– 115
16.4
Literatur
16.1
Allgemeine Inspektion
Als Erstes wird eine allgemeine Inspektion durchgeführt (. Abb. 16.1). Beurteilt werden: 4 Gesichtsausdruck, 4 Nasenflügel, 4 Hautfarbe (Ikterus, Zyanose, Rötung), 4 Narben, 4 verstärktes Abzeichnen der Halsvenen (bei Obstruktion der V. cava inferior, . Abb. 16.3),
. Abb. 16.1. Inspektion und Palpation anhand des Protokolls »Inspektion und Palpation des Thorax«. Für die Befunddokumentation werden alle bei Inspektion und Palpation festgestellten Auffälligkeiten in die Körpertabelle eingetragen
– 118
– 121
4 periphere Ödeme und 4 weitere Auffälligkeiten wie z.B. 5 Spider naevi (bei Leberzirrhose), 5 Trommelschlegelfinger/Uhrglasnägel (Zeichen für eine chronische Hypoxämie, . Abb. 16.2). Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel Uhrglasnägel sind in Längsrichtung übermäßig gebogene Nägel. Sie gehen meist der eigentlichen Entstehung von Trommelschlegelfingern (TSF) voraus. Trommelschlegelfinger treten bei einer Sauerstoffunterversorgung der Peripherie auf. Es handelt sich dabei um eine kolbige Vergrößerung der Fingerendphalangen durch Hyperplasie und Hypertrophie von Weichteilen und Periost.
. Abb. 16.2. Trommelschlegelfinger
115 16.2 · Inspektion des Thorax
Zyanose Deoxygeniertes Hämoglobin (venöses Blut) ist bläulich-dunkelrot, während oxygeniertes Hämoglobin hellrot gefärbt ist. Sauerstoffarmes Blut ist deutlich dunkler (bläulich), woraus sich die bläuliche Hautfarbe erklärt, die für eine Zyanose typisch ist. Eine Zyanose wird meist erst ab etwa 50 g/l desoxygeniertem Hämoglobin (Hb) an einer Blaufärbung von Haut und Schleimhaut sichtbar [2]. Bevor arterielle Blutgasanalysen und besonders die Pulsoxymetrie allgemein eingesetzt wurden, war eine Zyanose der einzige Hinweis auf eine Hypoxämie. Man unterscheidet 4 die periphere Zyanose (Ermüdungszyanose) und 4 die zentrale Zyanose (Mischungszyanose),
. Übersicht 16.1. Differenzialdiagnostik: Periphere und zentrale Zyanose 1.
2.
wobei beide Formen auch gleichzeitig vorhanden sein können. 3.
Definition Als Zyanose (griech. cyaneos; blau, Blausucht) bezeichnet man eine violette bis bläuliche Verfärbung der Haut (Gesicht, Lippen, Zunge und Fingernägel), wobei die besondere Tönung nicht in allen genannten Bereichen gleichzeitig bzw. in gleich starker Ausprägung vorliegen muss [1].
Periphere Zyanose
Eine periphere Zyanose entsteht entweder durch eine lokale Minderdurchblutung oder einen verlangsamten Blutfluss, bedingt durch eine verstärkte Sauerstoffausschöpfung in den peripheren Blutgefäßen, z.B. bei erhöhtem Sauerstoffverbrauch oder vermindertem kardialen Herzzeitvolumen. Die periphere Zyanose ist eindeutig an der Verfärbung peripherer Körperabschnitte wie z.B. Haut und Extremitäten (Finger, Ohrläppchen usw.) festzustellen. Sie kann verursacht werden durch: 4 Venenthrombosen, 4 Varikosis, 4 Blutveränderungen (z.B. Polyglobulie) oder 4 Einwirkung von kalter Luft bzw. kaltem Wasser. Zentrale Zyanose
Die zentrale Zyanose ist gekennzeichnet durch eine nicht ausreichende Oxygenierung des Blutes. Ursächlich ist sie entweder pulmonal (ungenügende Sauerstoffsättigung des Blutes in der Lunge oder Hypoventilation) oder kardial (Vermischung von sauerstoffreichem und -armem Blut im Herzen aufgrund eines Herzfehlers mit Rechts-Links-Shunt) begründet. Eine zentrale Zyanose zeigt sich vor allem in einer Verfärbung der Mundschleimhäute, Lippen, Zunge und Bindehaut. In 7 Übersicht 16.1 sind Hinweise zusammengefasst, wie sich die beiden Zyanosearten unterscheiden lassen.
Unterschieden werden periphere und zentrale Zyanose durch die Kontrolle der Zungenfarbe (im Vergleich mit der Lippenfarbe): – Bei einer peripheren Zyanose färbt sich die Zunge i.d.R. nicht bläulich. – Bei einer zentralen Zyanose ist die zyanotische Verfärbung deutlich zu erkennen. Eine weitere Methode ist das Aufwärmen des Ohrläppchens, bis ein Kapillarpuls sichtbar wird, d.h., bis das Blut arterialisiert ist: – Bleibt die Zyanose bestehen, handelt es sich um eine zentrale Zyanose. – Verschwindet die Zyanose, liegt eine periphere Zyanose vor. Für eine zentrale Zyanose sprechen weitere Zeichen einer akuten oder chronischen Hypoxämie, z.B. Tachykardie, Tachypnoe, Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel.
Zeichen einer pulmonalen Hypertonie Diagnostisch steht die Erkennung der pulmonalen Hypertonie im Vordergrund, denn bei Patienten mit erhöhten pulmonal-arteriellen (Ruhe-)Druckwerten findet bei Belastung häufig eine gravierende Verschlechterung des pulmonalen Gasaustauschs statt (Kap. 13 und 21). Demzufolge sollte das Ausdauertraining bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie angepasst werden (Kap. 35). Bei der Inspektion sind häufig folgende Symptome feststellbar: 4 Atemnot, 4 ggf. Zyanose, 4 gestaute Halsvenen (. Abb. 16.3), 4 Beinödeme und 4 Zeichen abgelaufener Beinthrombosen.
16.2
Inspektion des Thorax
Als Erstes wird die Thoraxform betrachtet (. Abb. 16.4, Abb. 16.5). Mögliche Thoraxdeformitäten können z.B. sein: 4 4 4 4
Fassthorax bei Lungenemphysem, thorakale Kyphoskoliose, Trichterbrust oder Hühnerbrust.
Um die Symmetrie der Thoraxbewegungen zu prüfen, legt man beide Hände dorsal um die Rippenbögen und lässt den Patienten tief ein- und ausatmen. Atemexkursionen werden mit dem Maßband beurteilt. Der Brustumfang wird während In- und Exspiration (Differenz mindestens>5 cm) gemessen, das Maßband wird in Höhe des 4. Interkostalraums (4. IKR) angelegt. Epigastrischer Winkel Der epigastrische Winkel (Angulus infrasternalis) wird durch das Zusammentreffen des rechten und linken Rippenbogens
16
116
Kapitel 16 · Inspektion und Palpation von Haut und Thorax
. Abb. 16.3. Anatomische Darstellung der V. jugularis
. Abb. 16.4. Orientierungspunkte am Thorax (Frisch 1998, Neumann 2003)
am Proc. xiphoideus gebildet. Die Thoraxform entspricht bei vielen gesunden Menschen dem athletischen oder asthenischen Typ: Merkmale sind Symmetrie und ein epigastrischer Winkel von 90°. Abweichungen von dieser Form sind konstitutionelle Varianten des Normalen. Man unterscheidet den gedrungenen Typ mit Fassthorax (stumpfer epigastrischer Winkel) von der schmächtigen Thoraxform (spitzer epigastrischer Winkel).
16
. Abb. 16.5. Orientierungspunkte am Schultergürtel (Frisch 1998, Neumann 2003)
Thoraxdeformitäten Leichte Thoraxdeformitäten sind häufig und haben keine Auswirkung auf die Lungenfunktion. Eine schwere Kyphoskoliose dagegen verursacht eine restriktive Ventilationsstörung und kann zu einer progredienten respiratorischen Insuffizienz führen. Eine Trichterbrust (Pectus excavatum) ist eine Verformung des Thorax mit trichterförmiger Eindellung des kaudalen Sternumanteils und der angrenzenden Rippen. In schwereren Fällen sind das gesamte Sternum und auch der knorpelige Rippenanteil abgesenkt. Bei einer Hühnerbrust (Pectus carinatum) entwickeln sich Sternum und angrenzende Rippen – ausgehend vom Knorpel – nach ventral. Deformationen mit Einziehung einer Thoraxseite (Hemithorax) können sich bei Pleuraschwarte, nach Pneumektomie oder Thorakoplastik (extrapleural-paravertebral: Rippenresektion bei Erhaltung der Weichteile; intrapleural: Entfernung von Weichteilen, z.B. Pleuraschwarte) zeigen.
16
117 16.2 · Inspektion des Thorax
. Tab. 16.1. Protokoll: Inspektion des Thorax
Symptome
T1
T2
Normalwert
Periphere Zyanose Zentrale Zyanose Atemexkursion (4. IKR)
>5 cm
Epigastrischer Winkel
90°
Kyphoskoliose in der BWS Trichterbrust Hühnerbrust Fassthorax Trommelschlegelfinger Uhrglasnägel Abstand zwischen Manubrium sterni und Krikoid
3 Finger
Supraklavikulargruben Supra-/infraklavikuläre Einziehungen Interkostale Einziehungen . Abb. 16.6. Patient mit Lungenemphysem: Muskuläre Einziehungen (1. supraklavikulär, 2. intraklavikulär, 3. interkostal, 4. epigastrisch, 5. jugulär) infolge eines unzureichenden Tonus der Inspirationsmuskeln. Einsatz der Atemhilfsmuskulatur im Halswirbelsäulenbereich, Schulterhochstand, fassförmiger Thorax (Rozijn 2009)
16.2.1 Thorax bei COPD-Patienten Bedingt durch den chronischen Husten und die Lungenüberblähung (Kap. 6) mit konsekutivem Überblähungszustand des Thorax können COPD-Patienten gravierende Haltungs- und Bewegungsabweichungen entwickeln (. Abb. 16.6). Normalerweise ist der Überblähungszustand des Thorax ossär und muskulär symmetrisch konfiguriert: 4 Der Thorax ist in Inspirationsstellung erweitert (in kraniound lateroventrale Richtung), Fassthorax, z.T. auch Glockenthorax genannt. 4 Die primären und sekundären Atemmuskeln sind verkürzt. 4 Das Zwerchfell senkt sich nach kaudal ab und ist abgeflacht bzw. verkürzt. 4 Die obere Thoraxapertur ist nach kranial verlagert, so dass der sichtbare Anteil der Trachea, d.h. der Abstand zwischen Manubrium sterni und Cartilago cricoidea abnimmt (Normwert 3 Fingerbreiten). 4 Das Sternum steht höher, die Rippen verlaufen horizontal, und die Interkostalräume sind verbreitert.
Schulterhochstand Gestaute Halsvenen Beinödeme Thrombosen an den Beinen
(Kap. 13)
4 Wegen des unzureichenden Tonus der Inspirationsmuskeln sind supraklavikuläre oder muskuläre Einziehungen (jugular, interkostal, epigastrisch und thorakal) sowie ein Schulterhochstand sichtbar. Oft sind auch die Supraklavikulargruben vorgewölbt (Emphysemkissen) (. Abb. 16.6). Tipp
Ein fassförmiger Thorax wird auch bei älteren Personen mit (meist osteoporotischer) thorakaler Kyphose, aber ohne Lungenemphysem, beobachtet.
16.2.2 Praxis: Inspektionsbefund ? Inspektion des Thorax Führen Sie bitte anhand des Befundbogens (Protokoll »Inspektion des Thorax«, . Tab. 16.1) eine Inspektion von Haut und Thorax durch!
118
Kapitel 16 · Inspektion und Palpation von Haut und Thorax
. Tab. 16.1 gibt einen umfassenden Überblick über die mög-
lichen Hinweis gebenden Inspektionsbefunde bei COPD-Patienten.
16.3
Palpation des Thorax
Bei Schmerzen im Thorakalbereich ist zunächst an die häufigsten internistischen Ursachen zu denken (Kap. 12). Orthopädische Störungen, ausgehend von Wirbelsäule, Rippen und Sternum, sind im Thorakalbereich relativ häufig und differenzialdiagnostisch unbedingt abzuklären.
16.3.1 Palpationsuntersuchung In 7 Übersicht 16.2 sind die einzelnen Schritte der Palpationsuntersuchung dargestellt. . Übersicht 16.2. Schritte der Thoraxpalpation
. Abb. 16.7. Gelenkkomplex des Thorax, dorsale Ansicht. 1 Akromion. 2 Spina scapulae. 3 Skapula. Pfeil Art. costotransversalis (Kostotransversalgelenk, CT) (Kolster 2006 [5])
4 P1: Mit der Faust die Wirbelsäule entlangklopfen 4 P2: Mit den Fingern die paravertebrale Muskulatur tasten 4 P3: Mit den Fingerspitzen die Nacken- und Schultermuskeln tasten 4 P4: Thoraxkompression in Frontalebene (Hände seitlich unterhalb der Achselhöhlen) 4 P5: Thoraxkompression in Sagittalebene (Hände am Sternum und dorsal in Höhe Th7) 4 P6: Palpation des Sterno- (SC) und Akromioklavikulargelenks (AC) 4 P7: Palpation des Kostotransversal- (CT) und Kostosternalgelenks (CS) 4 P8: Palpation der Rippenbeweglichkeit
16
Kostotransversalgelenk (CT) Neben den thorakalen Facettengelenken gibt es im BWS-Bereich die Kostotransversalgelenke (. Abb. 16.7, Abb. 16.8). Der Patient liegt in Bauchlage. Ausgehend vom Angulus costae palpiert der Therapeut die Rippe von lateral nach medial bis zum M. iliocostalis (bleistiftdicke Resistenz). Der Muskel wird nach medial »übersprungen« und direkt anschließend ist der laterale Rand des M. erector trunci palpierbar. Dieser wird nach medial verschoben, um 1–2 Querfinger lateral des Proc. transversus die Irritationszone in der Tiefe zu erreichen. Die Irritationspunkte der CT 2–4 werden wegen der Skapula direkt vom Proc. spinosus aus nach lateral palpiert. Bei Inspiration rotieren die Rippen nach dorsal, synchron gleitet das CT nach kaudal: 4 Das Tuberculum costae der Rippen 1–6 gleitet entlang des Proc. transversus nach kaudal. 4 Das Tuberculum costae der Rippen 7–10 gleitet entlang des Proc. transversus nach kraniodorsal.
. Abb. 16.8. Gelenkkomplex des Thorax, ventrale Ansicht. 1 Art. glenohumeralis. 2 Subakromiales Nebengelenk. 3 Art. acromioclavicularis (AC). 4 Art. sternoclavicularis (SC). 5 Art. scapulothoracalis. 6 Art. sternocostalis (Kostosternalgelenk, CS) (Lindel 2006 [6])
Das Kostotransversalgelenk wird ca. 2 Querfinger lateral des Proc. spinosus (Ps) palpiert. Tipp
Bei degenerativen Prozessen sind die Kostotransversalgelenke häufig lokal druckschmerzhaft, besonders im unteren Drittel der BWS.
Kostosternalgelenk (CS) Bei Inspiration macht das Sternum eine ventrokraniale Bewegung, die mit einer starken Verdrehung der knorpeligen Kos-
119 16.3 · Palpation des Thorax
. Abb. 16.9. Palpation der Rippenbeweglichkeit
. Abb. 16.10. Palpation der Beweglichkeit der 1. Rippe im Sitzen
tosternalgelenke einhergeht. Die Rippe gleitet nach kaudal, und der Rippenknorpel ist einer weiteren starken Drehung ausgesetzt, die sich aber bei Exspiration wieder löst.
Beweglichkeit der 1. Rippe Die Untersuchung der 1. Rippe wird im Sitz oder in Rückenlage durchgeführt. Der Therapeut steht am Kopfende des Patienten und platziert beide Daumen quer in den Raum zwischen Trapezius pars descendens und Klavikula, und in der Exspirationsphase drückt er die 1. Rippe nach kaudal (. Abb. 16.10).
Tipp
Im Sitzen werden die Kostosternalgelenke stärker belastet; Rückenlage bringt Entlastung und Schmerzlinderung.
Rippenbeweglichkeit Der Patient wird zu maximaler In- und Exspiration aufgefordert. Untersucht wird die gleichmäßige Erweiterung und Verschmälerung der Interkostalräume (. Abb. 16.9). Der palpierende Finger liegt im Interkostalraum, bei 4 den oberen 5 Rippen in Höhe der Mamillarlinie und 4 den unteren 7 Rippen in Höhe der Axillarlinie. Tipp
Das bei In- und Exspiration gleichmäßige Weit- und Engwerden der Interkostalräume fehlt bei Hypomobilität bzw. Blockierung der Rippen.
16.3.2 Praxis: Palpationsbefund ? Palpation des Thorax Führen Sie bitte anhand des Befundbogens (Protokoll »Palpation des Thorax«, . Tab. 16.2) eine segmentale Palpation des Thorax durch! Zu beachten sind: 1. Lokale/segmentale Schmerzen 2. Lokaler Hypertonus der Muskulatur 3. Vegetative (Über-)Reaktionen 4. Segmentale Ausstrahlungsphänomene 5. Thoraxinstabilität 6. Rippenfrakturen 7. Trigger-Points
Anhand . Tab. 16.2 kann man die einzelnen Schritte der Thoraxpalpation der Reihe nach überprüfen.
16
120
Kapitel 16 · Inspektion und Palpation von Haut und Thorax
. Tab. 16.2. Protokoll: Palpation des Thorax
Lokalisation
Schmerz
Schmerzausstrahlung
Vegetative Überreaktion
P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8
16
. Abb. 16.11. Einzeichnen der Symptombereiche in die Körpertabelle
Hypertonus Muskeln
Instabilität
TriggerPoint
Sonstiges
121 16.4 · Literatur
? Inspektion und Palpation des Thorax Tragen Sie bitte alle bei Inspektion und Palpation festgestellten Auffälligkeiten in die Körpertabelle (»body chart«, . Abb. 16.11) ein: 1. Der Patient soll die Symptombereiche an sich selbst zeigen und diese werden in die Körpertabelle eingetragen 2. Jeden Symptombereich nach Wichtigkeit nummerieren 3. Auch andere Symptome, z.B. Schmerz, Parästhesien, Steifigkeit, Schwäche, Schwindel usw. erfragen 4. Auch Symptombereiche einzeichnen, die momentan nicht vorhanden sind, für das jetzige Problem aber von Bedeutung sein könnten 5. Treten im weiteren Behandlungsverlauf neue relevante Bereiche auf, werden auch diese mit Datumsvermerk eingezeichnet 6. Jeden Symptombereich qualifizieren nach: 5 Art und Qualität der Symptome 5 tief/oberflächlich 5 intermittierend/konstant: konstant/nicht variabel oder konstant/variabel 5 Intensität
16.4 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Literatur
Elsasser S (2003) Zyanose. Schweiz Med Forum 19: 447–454 Klinke R, Pape HK, Sibernagl S (2005) Physiologie. Thieme, Stuttgart New York Frisch H (1998) Programmierte Untersuchung des Bewegungsapparates. Manuelle Medizin. Springer, Heidelberg Neumann HD (2003) Manuelle Medizin. Springer, Heidelberg Kolster BC (2006) Massage. Springer, Heidelberg Lindel K (2006) Muskeldehnung. Springer, Heidelberg
16
17 17 Analyse des Atemmusters A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
17.1
Transport der Atemgase
– 122
17.2
Sauerstoff- und Kohlendioxidtransport
17.3
Ventilation und Atemfrequenz
17.4
Anatomischer Totraum
17.5
Atemintensität
17.6
Atemgrenzwert und Atemreserve
17.7
Borg-Skala für Dyspnoe und Ermüdung
– 123
17.8
Normales Atemmuster und Atemtypen
– 126
17.9
Verhältnis abdominale-thorakale Atmung (AT-Verhältnis) – 127
– 123 17.10 Pathologische Atemmuster bzw. Atemtypen – 128
– 124
– 124
17.11 Pause im Atemzyklus – 125
– 129
17.12 Praxis: Assessment-Analyse des Atemmusters – 130 – 125 17.13 Literatur
Der Austausch von Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (CO2) zwischen Zellen und Organismus und dem die Zellen umgebenden Milieu wird als Atmung im weitesten Sinne bezeichnet. Dabei sind mehrere Transportschritte hintereinander geschaltet, die Konvektion und Diffusion nutzen.
– 133
dungen im Blut. Schließlich kann auch die Atmung auf zellulärer Ebene beeinträchtigt sein. Generell werden drei Atemsysteme unterschieden, die in 7 Übersicht 17.1 beschrieben sind. . Übersicht 17.1. Atemsysteme
17.1
Transport der Atemgase
1. Äußere Atmung: Gasaustausch zwischen umgebender Atmosphäre und Blut
Die Atemluft gelangt zunächst konvektiv über die zuführenden Atemwege (Mund bzw. Nase) in den Pharynx und die Trachea, von dort in die Bronchien und Bronchiolen (bis zu den Bronchioli terminales). Dieser mechanische Lufttransport durch die Luftwege findet durch die Aktion der Atem- und Atemhilfsmuskeln statt, die für die Generierung eines Vakuums im Brustkorb sorgen. Jenseits der Bronchioli terminales werden die Atemgase über Diffusion weitergeleitet und enden in den sich anschließenden Alveolargängen und Lungenbläschen (Alveolen), in deren gut durchbluteten, hauchdünnen Wänden der eigentliche Gasaustausch stattfindet (Kap. 9). Der Gasaustausch in der Lunge wird als äußere Atmung bezeichnet, der Gasaustausch zwischen Zellen und Blutstrombahn als innere Atmung. Der Blutkreislauf verbindet die äußeren und inneren Atmungsvorgänge miteinander. Bei jedem dieser Schritte sind Störungen möglich. Eine Limitierung des Gasaustauschs kann bei Ventilationsstörungen, Diffusionsstörungen in der Lunge oder in den Geweben sowie Kreislaufstörungen in der Lunge oder in der Körperperipherie eintreten. Weitere Störgrößen sind O2-Knappheit und CO2-Anreicherung der Atemluft und Veränderungen der chemischen Atemgasbin-
2. Innere Atmung: Gasaustausch zwischen Blut und Epithelflüssigkeit der Zellen
3. Intrazelluläre Atmung: Biochemische Oxidationsvorgänge in den Zellen
Pathologische Mechanismen Chronische Lungenerkrankungen (und neuromuskuläre Er-
krankungen) können 4 einerseits die Kontraktilität der Atemmuskulatur und somit deren Pumpkapazität und 4 andererseits die Belastung der Atemmuskulatur negativ beeinflussen, wodurch eine Gleichgewichtsstörung der gesamten Atemmechanik entstehen kann. Ein Versagen des Atembewegungsapparates (=Atempumpe) entsteht generell infolge einer Dysbalance zwischen Kapazität und Last der Atempumpe. Reicht die Pumpkapazität (Kraftentwicklung der Atempumpe) für eine vorgegebene Belastung nicht aus, kann der Patient auf Dauer keine normale Atmung aufrechterhalten und wird in eine respiratorische Insuffizienz abdriften.
123 17.3 · Ventilation und Atemfrequenz
Definition Die Atemmechanik beschreibt die Gesamtheit der Mechanismen, mit denen Menschen ihre Lunge belüften oder ventilieren und ein bestimmtes Atemgasvolumen mit der Außenluft austauschen. In der Physiologie wird der Begriff mittels Druck-Volumen- und Druck-Fluss-Kurven definiert und analysiert.
17.2
Sauerstoff- und Kohlendioxidtransport
In 7 Übersicht 17.2 sind die verschiedenen Schritte des Sauerstoff- und Kohlendioxidtransports zusammengefasst. . Übersicht 17.2. Schritte des Sauerstoff- und Kohlendioxidtransports 1.
2. 3. 4. 5.
Ventilation/Konvektion: Ein- und Ausströmen von Atemluft innerhalb der Atemwege bis zu den Bronchioli terminales Distribution: Verteilung des Atemgases innerhalb der intrapulmonalen Atemwege Diffusion: Gasaustausch von O2 und CO2 an der alveolo-kapillären Membran Perfusion: Durchblutung der pulmonalen Gefäße Utilisation/(Konsumption): Stoffwechsel innerhalb der Zellen unter O2-Verbrauch und CO2-Produktion von
17.2.1 Ventilation und Konvektion
17.3
Ventilation und Atemfrequenz
Ventilation und Atemfrequenz gehören neben Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur zu den Vitalzeichen. Ventilation Die gesunde normale Atmung (Eupnoe) ist unter normalen Bedingungen in Ruhe 4 regelmäßig, 4 gleichmäßig tief, 4 geräuscharm, und die ausgeatmete Luft ist geruchlos. Der Atemantrieb ist u.a. von den Blutgaswerten abhängig und verstärkt sich bei 4 abfallendem Sauerstoffgehalt (paO2), 4 steigendem Kohlendioxidgehalt (paCO2) und 4 Absenkung des pH-Wertes im Blut. Bei gegensätzlichen Veränderungen schwächt er sich ab. Definition Alveoläre Ventilationszustände 4 Normoventilation: pH 7,36–7,44, paCO2 37–43 mmHg, paO2 70–105 mmHg 4 Hyper-/Hypoventilation: Steigerung/Abfall der alveolären Ventilation 4 Tachypnoe: Zunahme der Atemfrequenz/beschleunigte Atmung 4 Apnoe: Atemstillstand 4 Hypopnoe: Verringerung des Atemflusses um 20–50% der physiologischen Ventilation 4 Eupnoe: Normale Atmung 4 Brachypnoe: Verlangsamte Atmung 4 Dyspnoe: Erschwerte Atmung mit subjektivem Gefühl von Atemnot
Bevor die Gasmoleküle die Alveolen erreichen, wird die inspiratorische Außenluft durch die Atemwege (von der 1.–16. Atemwegsgeneration, Kap. 3) transportiert und für den Gasaustausch vorbereitet, geprüft, gereinigt, befeuchtet und erwärmt.
Abweichungen von der Normoventilation können auf be-
17.2.2 Gasgesetz
stimmte pulmonale oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinweisen, da Atemstörungen nicht nur bei Atemwegserkrankungen auftreten, sondern auch bei anderen Stoffwechselstörungen.
Der direkte Lufttransport (Konvektion) findet mittels einer bestimmten Druckdifferenz zwischen Lunge und Außenwelt statt, die durch eine Volumenexpansion der Lungen zustande kommt. Die Bestimmung des Lufttransports folgt dem Gesetz von Boyle-Mariotte: In einem luftdicht abgeschlossenen System ist das Produkt von Druck und Volumen bei gleichbleibender Temperatur konstant (7 Formel 3.1). So kommt es bei konstanter Temperatur und einer Erweiterung des Thoraxvolumens (Inspiration) zu einer Druckdifferenz zwischen Alveolen und Körperoberfläche. Der transpulmonale Druck liegt während der Inspiration im negativen Bereich, d.h., die Luft wird angesaugt. Während der Exspiration wird die Luft durch Retraktion von Thorax und Lunge aus der Lunge herausgedrückt, und es entsteht ein positiver transpulmonaler Druck.
Atemfrequenz Der Normalwert der Atemfrequenz ist abhängig von 4 Alter, 4 körperlicher Anstrengung, 4 psychischer Belastung, 4 Hitzeeinwirkung (Sauna, heißes Bad) oder 4 nicht angepasster Atmung bei Aufenthalt in großer Höhe (ab ca. 2000 m Höhe ü.d.M.). > Wichtig Die durchschnittliche Ruheatmungsfrequenz/Normoventilation beträgt bei einem
4 Neugeborenen: 40–45 Atemzüge/min 4 Kleinkind: 25–30 Atemzüge/min 4 Erwachsenen: 8–14 Atemzüge/min
17
124
Kapitel 17 · Analyse des Atemmusters
Ein Atemzug besteht aus einer In- und einer Exspiration. Bei der Atmung des Erwachsenen werden pro Atemzug ca. 500 ml Luft in Atemwege und Lunge eingesaugt (Atemzugvolumen VT). Diese mischen sich mit der in der Lunge bereits vorhandenen Luft, da Lunge und Atemwege nach einer Exspiration nie völlig luftleer sind. Tipp
In der Atemtherapie sind diese Zahlen als Referenzwerte zu verwenden, sie sollten jedoch dem Gesundheitsstatus des Patienten bzw. dem Krankheitsbild entsprechend angepasst werden. Es versteht sich, dass bei der Therapie von Lungen- und Atemwegserkrankten Geduld angebracht ist, da sich eine langjährige Gewöhnung an ein pathologisches Atemmuster potenziell nur durch langsames Training korrigieren lässt.
4 Abweichend davon ist Hyperventilation (gesteigerte Atemtätigkeit) eine über den Bedarf hinausgehende Atemintensität. 4 Bei Hypoventilation (verminderte Atemtätigkeit) wird der O2-Bedarf des Organismus nicht befriedigt und zu wenig CO2 aus dem Blut entfernt. Atemzugvolumen Das Atemzugvolumen (VT) ist die Luftmenge, die pro Atemzug eingeatmet wird. Es wird durch Summation der alveolären Luft und der Luft im Totraum berechnet [1]. > Wichtig Die alveoläre Ventilation (VA) setzt sich zusammen aus: V T = VA+Totraumvolumen
(17.2)
Beispiel Bei einem etwa 70 kg schweren Mann besteht das Atemzugvolumen von 500 ml Luft aus 350 ml alveolärer Luft und 150 ml Luft im Totraum.
17.4
Anatomischer Totraum
Ungefähr 1/3 der eingeatmeten Luft gelangt nicht in die Alveolen, sondern bleibt in den Atemwegen wie Kehlkopf, Trachea und Bronchien. Da dort die Gewebeschicht viel dicker ist als in den Alveolen, ist ein Gasaustausch zwischen Blut und Atemwegen nicht möglich. Deshalb wird dieser Teil der Atemwege als anatomischer Totraum bezeichnet. Beim gesunden Erwachsenen beinhaltet der anatomische Totraum ungefähr 150 cm3. Zum anatomischen Totraum gehören 4 Mund, 4 Pharynx, 4 Larynx, 4 Trachea, 4 Bronchus und 4 Bronchioli. Die Luft im anatomischen Totraum beträgt bei einem gesunden Mann ca. 0,15 l, bei einer gesunden Frau ca. 0,10 l.
17.5
17
17.5.1 Störvariablen In 7 Formel 17.2 ist der Totraum als Störvariable von Ventilation und Gasaustausch zu erkennen. Bei bestimmten Atemformen kann die Rolle des Totraums dominanter und die Atmung ineffektiver werden: 4 Sinkt das Atemzugvolumen unter 200 ml, wird vorwiegend Totraum ventiliert, und es findet kaum Gasaustausch statt. 4 Besonders bei hoher Atemfrequenz mit geringer Atemtiefe wirkt sich der Totraum störend auf die Ventilation aus (»rapid shallow breathing«). Die nachfolgenden zwei Beispiele verdeutlichen den verminderten Wirkungsgrad der alveolären Ventilation: In Beispiel 1 sind die Werte einer normalen Ruheatmung berechnet, in Beispiel 2 die Werte bei einem Atemmuster mit erhöhter Atemfrequenz und geringerem Atemzugvolumen, aber gleichem Atemminutenvolumen.
Atemintensität
Atemminutenvolumen Das Atemminutenvolumen (VE, AMV) ist die Luftmenge, die in einer Minute ein- und ausgeatmet wird. Es lässt sich aus dem Produkt von Atemzugvolumen (VT) und Atemfrequenz (AF) berechnen [1]. > Wichtig
Beispiel 1: Normale Ruheatmung (Totraum beinhaltet 0,17 Liter) Atemfrequenz
10/min
Atemzugvolumen
0,6 l
Atemminutenvolumen
10×0,6 = 6 l/min
Totraumventilation/min
10×0,17 = 1,7 l/min
Alveolarventilation/min
6 l/min - 1,7 l/min = 4,3 l/min
Wirkungsgrad der alveolären Ventilation
4,3 l/6 l = 72%
Das Atemminutenvolumen ist folgendermaßen definiert: VE = V T×AF
(17.1)
Atemminutenvolumen (l/min) = Atemzugvolumen (l)× Atemfrequenz (Atemzüge/min)
Bei gesunden Probanden spiegelt die Atemintensität den Bedarf an Sauerstoff (paO2) wider und hängt vom aktuellen Kohlendioxidgehalt (paCO2) des Blutes ab.
17
125 17.7 · Borg-Skala für Dyspnoe und Ermüdung
> Wichtig Beispiel 2: Abweichendes Atemmuster: Erhöhte Atemfrequenz und geringeres Atemzugvolumen bei normalem Atemminutenvolumen (Totraum beinhaltet 0,17 Liter) Atemfrequenz
20/min
Atemzugvolumen
0,3 l
Atemminutenvolumen
20×0,3 = 6 l/min
Totraumventilation/min
20×0,17 = 3,4 l/min
Alveolarventilation/min
6 l/min - 3,4 l/min = 2,4 l/min
Wirkungsgrad der alveolären Ventilation
2,4 l/6 l = 40%
Beim zweiten Beispiel liegt ein wesentlich geringerer Wirkungsgrad vor; zusätzlich ist die Atemarbeit durch die Erhöhung der Atemfrequenz wesentlich höher. Es resultiert ein unökonomisches Atmungsmuster.
Der RSB-Index quantifiziert das Ansteigen der Atemfrequenz und das Abfallen des Atemzugvolumens und gilt als Hinweis für drohendes ventilatorisches Versagen. Der RSB-Index errechnet sich aus Atemfrequenz und Zugvolumen: AF/V T = RSB-Index
17.6
(17.3)
Atemgrenzwert und Atemreserve
Atemgrenzwert Der Atemgrenzwert (»maximal voluntary ventilation«, MVV) ist als die maximal mögliche Ventilation definiert [6–9]. Der MVV-Wert ist für die Schätzung der Auslastung des Atemapparates bei Belastungstests wichtig. > Wichtig Der Atemgrenzwert wird wie folgt berechnet: FEV1 (l)×37,5
(17.4)
Fazit Bei einem der Norm entsprechenden Atemminutenvolumen, aber abweichenden Atemmuster mit erhöhter Atemfrequenz und verringertem Atemzugvolumen reduzieren sich Effektivität und Wirkungsgrad des Atemzyklus. Ein derartiges Atemmuster erfordert zusätzlich eine gesteigerte Atemarbeit durch die erhöhte Atemfrequenz.
17.5.2 Rapid Shallow Breathing > Wichtig Normalerweise atmet der Mensch in einer kürzeren Zeit ein als aus, das physiologische I:E-Verhältnis (Inspirationszeit:Exspirationszeit) ist etwa 1:2.
Ein wichtiger Hinweis für eine Überbelastung des Atembewegungsapparates ist ein 4 Anstieg der Atemfrequenz (AF) und 4 ein Abfall des Atemzugvolumens (VT). Um die für die Inspiration notwendige Kraft zu reduzieren, atmen Patienten mit schwerer COPD oberflächlich und schnell [2, 3, 4]. Die erhöhte Atemfrequenz führt zu einer gesteigerten Atemimpedanz. Es bildet sich das Atemmuster des Rapid Shallow Breathing (RSB) [2], das wegen der erhöhten Totraumventilation und Atemimpedanz infolge der Atemfrequenzsteigerung zu einem subjektiven Empfinden von Dyspnoe führt. Eine respiratorische Muskelermüdung führt zu typischen klinischen Veränderungen des Atemmusters und kann anhand des Quotienten aus Atemfrequenz (l/min) und Atemzugvolumen (l) einfach geschätzt werden. Der Rapid Shallow Breathing Index (Frequenz-Volumen-Atem-Index) wurde nach der von Yang und Tobin beschriebenen Methode berechnet [5].
Atemreserve Die Atemreserve (AR) ist definiert als die Differenz zwischen MVV und maximal unter Belastung erreichtem Atemminutenvolumen (AMV). Besonders bei COPD-Patienten ist es erforderlich, das MVV nicht indirekt aus dem FEV1-Wert zu berechnen, sondern direkt über maximalen Ventilationstest von z.B. 12 Sekunden (multipliziert mit 5) zu messen [6–9]. > Wichtig Die Atemreserve berechnet sich wie folgt: AR = MVVk - VEmax MVVk = FEV1 (l)×37,5
(17.5)
MVVk: maximale Ventilation/min (kalkuliert) VEmax: beim Belastungsabbruch gemessenes Atemminutenvolumen (AMV) AR: Atemreserve (l/min) FEV1: forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde (l)
17.7
Borg-Skala für Dyspnoe und Ermüdung
Zur Bestimmung des subjektiven Anstrengungs- und Kurzatmigkeitsempfindens wird weitläufig die Borg-Skala verwendet. Sie dient als Ergänzung zu den physiologischen Messgrößen, indem die subjektive Belastung, d.h. Dyspnoeempfinden und muskuläre Anstrengung des Patienten ermittelt werden. Der Patient schätzt sein Anstrengungs- und Kurzatmigkeitsempfinden auf einer Skala von 0–10 selbst ein (0 ist »überhaupt nicht«, 10 ist »maximal«).
126
Kapitel 17 · Analyse des Atemmusters
17.8
Normales Atemmuster und Atemtypen
Die Atemmuskeln verursachen durch ihre Kontraktion Formveränderungen von Thorax und Abdomen. Es gibt vier verschiedene Atemtypen, die bei einer optimalen, effektiven Atmung im Stehen (fast) synchron und proportional zueinander ablaufen. Auf diese Weise kann sich die Lunge während der Inspiration vollständig ausdehnen. Die Atemtypen (. Abb. 17.1) werden nach den am meisten beteiligten Muskeln unterschieden und sind in 7 Übersicht 17.3 zusammengefasst. . Übersicht 17.3. Atemtypen 1. 2. 3. 4.
Sternale Atmung (SA): Mitte des Sternums (4. Rippe) Kostale Atmung (CA): Proc. xiphoideus (6. Rippe) Kostodiaphragmale Atmung (CDA): Mitte des Epigastriums (8.–9. Rippe) Abdominale Atmung (AA): Nabelhöhe
17.8.1 Thorakale Atmung Definition Thorakale Atmung (TA) = Sternale Atmung (SA) + Kostale Atmung (CA)+Kostodiaphragmale Atmung (CDA)
17
Obwohl der Thorax schwerfällig und wenig mobil erscheint, kann er durch koordinierte Zusammenarbeit der Inspirationsmuskeln vielseitig bewegt werden. Die Volumenerweiterung des Thorax in Inspiration erfolgt in dreidimensionale Richtung (nach ventral, kranial und lateral). Die Bewegungsamplitude variiert in den jeweiligen Thoraxbereichen. Bei der sternalen Atmung ziehen die Mm. scaleni das Sternum in kranioventrale Richtung (Eimerhenkel-Bewegung). Kostale Atmung (CA) und kostodiaphragmale Atmung (CDA) ergeben gemeinsam die Flankenatmung. Die kostale Atmung wird durch die Mm. intercostales unterstützt, die kostodiaphragmale durch das Zwerchfell, was den intraabdominalen Druck (pga) erhöht. Der intraabdominale Druck übt einen Gegendruck auf den unteren Thoraxbereich (Appositionszone) aus, wodurch sich dieser erweitert. Die unteren Rippen machen dabei eine »bucket handle«-Bewegung, die vor allem durch die Lage der Rotationsachse in der kostovertebralen Verbindung bestimmt wird. Der gesamte Thorax hebt sich sichtbar nach kranial, ventral und lateral.
. Abb. 17.1. Differenzierung der Atemexkursion in den verschiedenen Körperabschnitten
17.8.2 Abdominale Atmung Bei der abdominalen Atmung (AA) ist hauptsächlich das Zwerchfell für die Atemarbeit zuständig [10, 11, 12]. Dabei kann durch die verhältnismäßig große Amplitude der Kaudalsenkung des Zwerchfells relativ viel Luft eingeatmet werden. Das Zwerchfell sieht in Ruhelage aus wie eine Doppelkuppel, die den Thorax vom Abdomen trennt. Es besteht aus Muskeln und einer zentralen Sehnenplatte (Centrum tendineum). Trifft ein Impuls aus dem N. phrenicus im Zwerchfell ein, kontrahieren sich die Muskeln, und die ursprüngliche Kuppelform flacht sich stark ab, wodurch der untere Lungenabschnitt nach kaudal gezogen wird. Die Zwerchfellkontraktion verursacht bei Ruheatmung eine Kaudalsenkung des Centrum tendineum von ca. ±1,5 cm [10]. Die Kaudalbewegung wird durch den zunehmenden intraabdominalen Druck (pga) abgebremst. Durch eine gleichseitige Inhibition des M. transversus abdominis (MTA) während der Inspiration wölbt sich der Bauch sichtbar nach ventral hervor. > Wichtig Physiologisch tritt die AA besonders bei älteren Männern und Säuglingen auf, pathologisch eher als Schonatmung bei Brustkorbverletzungen und Thoraxoperationen. Eine vorwiegend abdominale Atmung führt meist zu einer ruhigen, vertieften Atmung.
> Wichtig Beide Atemtypen, sternale Atmung und Flankenatmung, sind relativ oberflächlich und für eine optimale Ventilation der Lungen alleine (z.B. bei Zwerchfellinsuffizienz) nicht ausreichend.
17.8.3 Physiologische Mischatmung Bei der physiologischen Mischatmung sind alle primären respiratorischen Muskeln aktiv an der Atmung beteiligt: 4 Interkostalmuskeln, 4 Mm. scaleni und 4 Zwerchfell.
127 17.9 · Verhältnis abdominale-thorakale Atmung (AT-Verhältnis)
17.8.4 Auxiliaratmung Von einer Auxiliaratmung spricht man, wenn die Atemhilfsmuskulatur (vor allem Mm. pectorales und M. sternocleidomastoideus) zur Unterstützung der Atmung eingesetzt wird. Bei Patienten mit obstruktiver Lungenkrankheit entspricht das Ausmaß der Aktivierung dem Grad der Obstruktion und Überblähung.
> Wichtig Paradoxe Atmung und respiratorischer Alternans (Abwechslung von thorakaler und abdomineller Atemaktivität, der jeweils andere Teil erholt sich alternierend) gelten als Zeichen eines ermüdeten Zwerchfells.
! Cave Ein diagnostiziertes pathologisches AT-Verhältnis kann auch ein Wahrnehmungsdefizit des Therapeuten sein. Was in der Untersuchung möglicherweise wie ein pathologisches AT-Verhältnis wirkt, kann auch lediglich eine Normvariante von Atemzug zu Atemzug sein!
Tipp
Für die Palpationsuntersuchung der Atemhilfsmuskeln sitzt der Patient, und der Therapeut palpiert die Muskeln von dorsal.
> Wichtig Patienten mit mittlerer oder schwerer Atemnot setzen die Atemhilfsmuskulatur ein, und auch gesunde Menschen, wenn ihr Sauerstoffbedarf erhöht ist. Meist stützen sich die Patienten mit den Armen ab, wobei der Kopf gerade oder leicht nach hinten geneigt und der Schultergürtel angehoben (Elevation) ist.
17.9
Verhältnis abdominale-thorakale Atmung (AT-Verhältnis)
Ein wichtiges klinisches Zeichen für eine Überbelastung der Atemmuskulatur ist das Verhältnis von abdominaler und thorakaler Atmung sowie respiratorischer Alternans (Abwechslung von thorakaler und abdomineller Atemaktivität, der jeweils andere Teil erholt sich alternierend). Normalerweise (bei gesunden Menschen im aufrechten Stand) ist das Verhältnis ca. 50 zu 50% und verläuft von den Bewegungen her parallel und synchron. Der physiologische Atemrhythmus verläuft in regelmäßiger Abfolge, mit etwa gleich tiefen Atemzügen und immer gleichbleibender In- und Exspirationsdauer. Das Verhältnis zwischen abdominaler und thorakaler Atmung kann variieren, abhängig von 4 Alter, 4 Training, 4 Belastung und 4 Ausgangsstellungen. Beeinflussung des AT-Verhältnisses Das AT-Verhältnis kann willkürlich (bewusst) beeinflusst werden. Bei Säuglingen und älteren Menschen dominiert die abdominale Atmung, bei Erwachsenen werden darüber 50– 60% der eingeatmeten Luft bewegt. Eine thorako-abdominale paradoxe Atmung gibt Hinweise auf eine Überlastung der Atempumpe. Dieser Atemtyp liegt vor, wenn sich der Brustkorb senkt und das Abdomen füllt bzw. der Brustkorb hebt, während das Abdomen eingezogen wird. Alternierend werden Muskeln aktiviert, die zu schwach sind, um alleine die Atmung dauerhaft aufrechtzuerhalten. Diese Atmung kommt z.B. während obstruktiver Schlafapnoe vor.
17.9.1 Das asynchrone AT-Verhältnis Das asynchrone AT-Verhältnis, auch paradoxe Atmung genannt, weist auf eine Dysbalance zwischen Belastung der Atemmuskulatur und Pumpkapazität hin. Es wird als Upper Chest Paradox (UP) und Abdominal Paradox (AP) definiert (. Abb. 17.2). Abdominal Paradox Breathing Bei Zwerchfelllähmungen oder unzureichender Zwerchfellfunktion (auch bei COPD-Patienten) wird bei der Inspiration durch den Unterdruck des Thorax das Abdomen eingezogen (AP). Upper Chest Paradox Breathing Bei hoher Querschnittslähmung (z.B. bei zervikaler Querschnittslähmung C5) mit Ausfall der HWS-Atemmuskulatur (nicht jedoch des Zwerchfells) oder bei Teilverlegung der Atemwege führt der durch die maximale Zwerchfellkontraktion erzeugte Druck zur Einziehung des Thorax. Diese Asynchronie wird Upper Chest Paradox genannt.
A
B
. Abb. 17.2. Paradoxe Atmung: A Upper Chest Paradox (UP), B Abdominal Paradox (AP)
17
128
Kapitel 17 · Analyse des Atemmusters
> Wichtig Bei der unilateralen thorakalen paradoxen Atmung hebt sich die gesunde Thoraxseite, während die andere Seite eingezogen wird. Dieses Atemmuster kann bei instabilem Thorax, z.B. durch einseitige Rippenserienfrakturen, vorkommen.
Pathologische Atemmuster bzw. Atemtypen
17.10
Krankhafte Atemmuster zeigen typische Veränderungen des Atemrhythmus und der Atemtiefe. Diese Atemmuster sind in 7 Übersicht 17.4 dargestellt. . Übersicht 17.4. Pathologische Atemmuster 1. 2. 3. 4. 5.
Kussmaul-Atmung (KA) Cheyne-Stokes-Atmung (CSA) Schnappatmung (ScA) Seufzeratmung (SA) Biot-Atmung (BA)
se auf, z.B. bei diabetischem oder urämischem Koma. Der Körper versucht, verstärkt CO2 abzuatmen, um den niedrigen pH-Wert zu korrigieren (. Abb. 17.3).
17.10.2
Für die Cheyne-Stokes-Atmung ist ein periodisch wiederkehrendes An- und Abschwellen der Atmung mit kurzen Apnoephasen (Pausen) typisch: Flache Atemzüge werden immer tiefer und flachen dann wieder ab. Zusätzlich kann sich auch die Atemfrequenz verändern. Nach einer Atempause von manchmal mehr als 10 Sekunden setzen zunächst wieder flache, dann tiefer werdende Atemzüge ein. Die CheyneStokes-Atmung tritt bei einer schweren Schädigung des Atemzentrums, aber auch bei Herzerkrankungen infolge von verlangsamter Blutzirkulation, Konsum von Sedativa (Verstärkung der dämpfenden Wirkung auf das Atemzentrum und des sedativen Effekts), Drogenkonsum und schnellem Aufstieg in große Höhen auf. Als physiologische Variante kann sie im Schlaf vorkommen (. Abb. 17.4).
17.10.3 17.10.1
Kussmaul-Atmung
Die große oder Kussmaul-Atmung (Azidose-Atmung) macht sich durch Hyperventilation mit einer abnorm vertieften, aber regelmäßigen Atmung (häufig mit Tachypnoe) bemerkbar. Sie tritt bei stoffwechselbedingter (metabolischer) Azido. Abb. 17.3. Kussmaul-Atmung
17 . Abb. 17.4. Cheyne-Stokes-Atmung
Cheyne-Stokes-Atmung
Seufzeratmung
Die Seufzeratmung tritt vor allem bei obstruktivem Schlafapnoesyndrom und Adipositas auf. Dieses Atemmuster ist durch initial tiefe Atemzüge mit nachfolgender Verminderung der Amplitude und mit regelmäßigen Pausen gekennzeichnet (. Abb. 17.5).
129 17.11 · Pause im Atemzyklus
. Abb. 17.5. Seufzeratmung, z.B. Pick-WickSyndrom
17.10.4
Biot-Atmung
Bei der Biot-Atmung wechseln sich mehrere gleichmäßig tiefe und kräftige Atemzüge mit einer regelmäßig wiederkehrenden typischen Atempause ab. Im Gegensatz zur Cheyne-Stokes-Atmung ist das Atemzugvolumen zwischen den Apnoephasen jedoch uniform. Ohne Krankheitswert kann sie bei Neugeborenen, vor allem bei Frühgeborenen, auftreten. Bei Erwachsenen kommt sie bei Patienten mit Hirndrucksteigerung vor, z.B. bei Meningitis oder Schädel-Hirn-Trauma (. Abb. 17.6).
17.10.5
Schnappatmung
Die Schnappatmung wird typischerweise kurz vor dem Tod als Ausdruck zerebraler Hypoxie beobachtet. Oft geht eine andere pathologische Atemform voraus (z.B. Cheyne-StokesAtmung). Sie ist jedoch auch bei Überdosierung von Barbituraten und Opiaten zu beobachten. Die Schnappatmung ist gekennzeichnet durch sporadisch auftretende Atemzüge unterschiedlicher Tiefe mit Apnoephasen (. Abb. 17.6).
17.11
Pause im Atemzyklus
Bei der Ateminspektion können sowohl die Atmungsvorgänge wie auch die Atempausen wahrgenommen werden. Am Ende der Inspiration hält die Atmung für einen Moment inne, bevor der Atemzyklus weitergeführt wird (post-inspiratorische Pause, PIP). Zu diesem Zeitpunkt wird der Sauerstoffgehalt u.a. über die Chemorezeptoren gemessen, und ein zentraler inspiratorischer Motorimpuls erfolgt erst dann, wenn das Sauerstoffniveau leicht abfällt. Die post-inspiratorische Pause bewirkt eine verbesserte Ausnutzung der Atemluft über Kollateralverbindungen (Kap. 3 und 33). Nach dieser kurzen Pause entspannen sich die Atemmuskeln. Beim Gesunden bewirken die elastischen Eigenschaften von Thorax und Lungenparenchym in Ruhe eine passive Ausatmung. Unter normalen Bedingungen wird das Atemzugvolumen vollständig wieder ausgeatmet. Am Ende der Exspiration findet eine exzentrische Kontraktion der Inspirationsmuskeln statt, um den Atemapparat »abzubremsen«. Außerdem gibt es eine kurze post-exspiratorische Pause (PEP), bevor die Inspiration erneut beginnt. Die PEP dient zur Erholung der Inspirationsmuskeln.
17
130
Kapitel 17 · Analyse des Atemmusters
. Abb. 17.6. Biot-Atmung
Tipp
Um eine bessere und effektivere Ventilation zu gewährleisten, werden Patienten in der Atemtherapie unterrichtet, mit einer geringeren Atemfrequenz und tieferen Atemzügen zu atmen. Eine Steigerung der Atemfrequenz benötigt mehr Atemenergie und vergrößert den negativen Einfluss des Totraums.
17.12
17
Praxis: Assessment-Analyse des Atemmusters
Bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung geht die ventilatorische Insuffizienz oft mit einer Fehlbelastung der Atempumpe einher. Da eine respiratorische Muskelermüdung durch typische klinische Veränderungen des Atemmusters gekennzeichnet ist, wurde das Atemmuster als valider und einfach zu bestimmender Surrogatmarker für die Effizienz der Ventilation eines Patienten beschrieben. Direkt oder indirekt nehmen 4 Atemtyp, 4 Atemrhythmus und 4 Atemfrequenz Einfluss auf physische und psychische Organfunktionen und können ordnend auf das Zusammenspiel der Organe und Organsysteme wirken. Das Atemmuster geht über den körperlichen Aspekt der Atmung hinaus und ist abhängig vom gesamten Menschen mit multimodalen inneren und äußeren Einflüssen, auf die nicht nur physisch, sondern auch emotional und kognitiv reagiert wird. Dies ist besonders bei Patienten mit COPD der Fall, da eine schwerwiegende Beeinträchtigung von Alltagsaufgaben Ängste verstärken und Depression fördern kann.
Fokus der Untersuchung und Trainierbarkeit koordinativer Fähigkeiten ist das Anpassungspotenzial bzgl. des motorischen Lernens auf neuronalem Niveau, das schwer quantifizierbar ist. Der Therapeut orientiert sich an den unterschiedlichen Ebenen des Atemmusters – in Ruhe, bei körperlicher Belastung und in verschiedenen Ausgangsstellungen (1. Stand, 2. Rückenlage). Um dem Anspruch einer ganzheitlichen Diagnose gerecht zu werden, nutzen Atemtherapeuten die Botschaften und Resonanzen aller Ebenen. Die zu beachtenden Facetten der Atmung sind in 7 Übersicht 17.5 aufgelistet. . Übersicht 17.5. Kriterien für einen Atembefund 1. Atemfrequenz (AF), Atemtiefe (V T ), RSB-Index 2. Inspirations-/Exspirationsphase: Vollständig/nicht vollständig/Verhältnis I:E 3. Post-inspiratorische (PIP)/post-exspiratorische Pause (PEP) 4. Atembewegungen, Atemkoordination, Atemmuster 5. Verhältnis thorakale (TA) – abdominale Atmung (AA) 6. Verhältnis Flankenatmung (FA) – sternale Atmung (SA) 7. Atemhilfsmuskeleinsatz: MSK, MP, MLD 8. Einsatz der Exspirationsmuskeln: MTA, MQL 9. Pathologisches Atemmuster: KA, CSA, ScA, SA, BA 10. Sprechweise: Laut, leise, lange Sätze, unterbrochene kurze Sätze 11. Hoover-Zeichen (Diaphragma-Thoraxwand-Antagonismus) 12. Einziehungen während der Inspiration: Interkostal (IK), infraklavikulär (IC), supraklavikulär (SC), jugular, Emphysemkissen 13. Bewusstsein des eigenen Atemmusters 14. Beeinflussbarkeit des Atemmusters (Kap. 29) 15. Automatisierung des erlernten Atemmusters (Kap. 29)
131 17.12 · Praxis: Assessment-Analyse des Atemmusters
? Assessment-Analyse des Atemmusters Bewerten Sie bitte die vier wichtigen Unterpunkte der Atemanalyse und dokumentieren Sie die Ergebnisse auf dem Analyseprotokoll! Beobachten Sie das Atemmuster 4 im Stand, 4 in Rückenlage und 4 bei Belastung. Tipp
Sobald sich der Mensch seiner Atmung bewusst wird, beeinflusst er sie. Daher ist es empfehlenswert, das Atemmuster für den Patienten unbemerkt zu beobachten und zu analysieren. Man kann z.B. nach der Pulskontrolle weiterhin das Handgelenk des Patienten halten und gleichzeitig die Atemanalyse durchführen.
17.12.1
Vorgehensweise
1. Analyse des Atemmusters Welches Atemmuster liegt vor? Der Atemtherapeut analysiert das Atemmuster des Patienten. 4 Atemmuster im Stand und in Rückenlage beobachten (. Abb. 17.7). 4 Atemmuster beobachten und spüren, indem der Therapeut die Hände sanft auf Sternum, Flanken oder Abdomen auflegt. 2. Bewusstwerden des Atemmusters/Eigenanalyse Ist dem Patienten das eigene Atemmuster bewusst? Der Patient soll sein Atemmuster selbst beschreiben. 4 Zwischen unbewusstem und willkürlich beeinflusstem Atmen sollte die Möglichkeit genutzt werden, die spontane, ursprüngliche Atembewegung innerlich wahrzunehmen. 4 Der Patient kann das eigene Atemmuster nachspüren, indem er die Hände sanft auf Sternum, Flanken oder Abdomen auflegt.
. Abb. 17.8. Analyse des Atemmusters in Rückenlage II. Der Patient beschreibt selbst seine Atmung bzgl. Atemfrequenz, Atemtiefe, Atemverteilung (Verhältnis abdominale-thorakale Atmung). Der Therapeut vergleicht die Ergebnisse, bewertet die Selbstreflexion des Patienten und bespricht evt. Diskrepanzen
Anschließend werden die Ergebnisse mit dem Patienten besprochen (. Abb. 17.8). 3. Beeinflussbarkeit des Atemmusters bzw. Zulassen des (neuen) Atemmusters Ist der Patient in der Lage, Korrekturen zu verstehen und umzusetzen? Der eigentlichen Beeinflussung des Atemmusters geht eine ca. 10 Atemzüge dauernde Analyse voraus, in welcher der Therapeut das spontane Atemmuster des Patienten beobachtet und übernimmt. 4 Ist es dem Therapeuten möglich, das Atemmuster des Patienten zu beeinflussen, indem er sanft die Hände auf Sternum, Flanken oder Abdomen legt? 4 Ist eine Facette der Atembewegung nicht genügend vorhanden, sollte der Therapeut führenden/überwindbaren manuellen Widerstand geben, um diese zu betonen. Der Patient wird aufgefordert, diesem Widerstand zu folgen. 4 Um einen zu stark ausgeprägten Teil der Atembewegung zu hemmen, sollte der Therapeut fixierenden/unüberwindbaren Widerstand geben (. Abb. 17.9). 4. Automatisierung des Atemmusters Kann der Patient das neue Atemmuster übernehmen, z.B. 4 in unterschiedlichen Situationen, 4 zu verschiedenen Zeitpunkten, 4 in unterschiedlichem körperlichen Anstrengungsgrad, 4 mit kognitiver Ablenkung und 4 in Kombination mit einer zusätzlichen Bewegung, z.B. Gehen, Treppensteigen oder Last anheben (. Abb. 17.10)? ! Cave
. Abb. 17.7. Analyse des Atemmusters in Rückenlage I. Der Therapeut befundet das Atemmuster
Es ist durchaus möglich, dass der Patient zu Beginn der Analyse verkrampft atmet, da bei erhöhter Aufmerksamkeit meist sehr bewusst und vor allem schnell geatmet 6
17
132
Kapitel 17 · Analyse des Atemmusters
. Abb. 17.9. Analyse des Atemmusters in Rückenlage III. Der Therapeut prüft die Beeinflussbarkeit des Atemmusters durch Betonung der abdominalen Atmung
wird. Dadurch kann es zu einer Hyperventilation kommen. Der Patient empfindet diese als sehr unangenehm, weil sich der Kohlendioxidspiegel im Blut ändert. Dem Patienten kann schwindlig werden!
. Abb. 17.10. Analyse des Atemmusters im Sitzen IV. Der Therapeut prüft die Automatisierung des Atemmusters des Patienten anhand kognitiver Ablenkung und in Kombination mit einer Bewegung
? Assessment-Analyse des Atemmusters 1.
Analysieren Sie bitte das Atemmuster Ihrer Probanden im Stand, und zwar 4 in Ruhe, 4 nach körperlicher Belastung, z.B. nach 10 Kniebeugen,
6
2.
4 während kognitiver Ablenkung bzw. Konzentration, z.B. während der Rechnungsaufgabe 3×3×3. Bewerten Sie das Atemmuster anhand des Atemanalyse-Protokolls (. Tab. 17.1)!
In . Tab. 17.1 wird ein Protokoll für die Analyse des Atemmusters vorgestellt, das alle Facetten der Atembewegung enthält.
. Tab. 17.1. Protokoll: Analyse des Atemmusters
17
Untersuchungskriterien
Anmerkung
Spontane Verwendung der Lippenbremse
Ja/nein/teilweise
Freiwillig gewählte Körperposition des Patienten
z.B. Patient sitzt mit Schultern in Elevation
Atemfrequenz (AF)
Atemzüge/min
MVV (kalkuliert) (Lungenfunktionswert)
(FEV1 (l)×37,5)
MVV (getestet)
Atemzüge in 12 sec×5
RSB-Index (spirometrisch erfasst)
V T/AF
Inspirations-/Exspirationsphase (Vollständigkeit/Verhältnis)
Verkürzt/verlängert
Post-inspiratorische/post-exspiratorische Pause
Ja/nein
Verhältnis TA–AA und FA–SA
1:1 und 1:1
Pathologisches Atemmuster
KA/CSA/ScA/SA/BA
Paradoxe Atmung (UP/AP)
Ja/nein
133 17.13 · Literatur
. Tab. 17.1 (Fortsetzung)
Untersuchungskriterien
Anmerkung
Einsatz der akzessorischen Atemhilfsmuskeln
MSK/MP/MLD
Einsatz der Exspirationsmuskeln
MTA/MQL
Hoover-Zeichen (kostale Retraktion)
Ja/nein
Muskuläre Einziehungen bei der Inspiration
IK/IC/SC
Ermüdung/Kurzatmigkeit
Borg-Skala 0–10
Bewusstwerden des Atemmusters
+++/++/+/0
Beeinflussbarkeit des Atemmusters
+++/++/+/0
Automatisierung des Atemmusters
+++/++/+/0
UP Upper Chest Paradox. AP Abdominal Paradox. KA Kussmaul-Atmung. CSA Cheyne-Stokes-Atmung. ScA Schnappatmung. SA Seufzeratmung. BA Biot-Atmung. MLD M. latissimus dorsi. MQL M. quadratus lumborum. MRA M. rectus abdominis. MTA M. transversus abdominis. MP Mm. pectorales. MSC M. sternocleidomastoideus
17.13
Literatur
1. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2) Organsysteme verstehen. Thieme, Stuttgart 2. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (3) Therapie, Training, Tests. Thieme, Stuttgart 3. Bernards JA, Bouman LN (1994) Fysiologie van de mens. Bohn Stafleu van Loghum, Houten Diegem 4. Bloch KE, Li Y, Zhang J et al. (1997) Effect of surgical volume reduction on breathing patterns in severe pulmonary emphysema. Am J Respir Crit Care Med 156: 553–560 5. Dean E, Frownfelter D (2006) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence and Praxis. Elsevier, Mosby 6. DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Approach. The McGraw-Hill Companies, part 3, ch 9 7. Gorman B, McKenzie DK, Pride NB, Tolman JF (2002) Diaphragm length during tidal breathing in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 166(11): 1461– 1469 8. Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, Gezondheidszorg Maarssen 9. Yang KL, Tobin MJ (1991) A prospective study of indexes predicting outcome of trails of weaning from mechanical ventilation. N Engl J Med 324: 1445–1450 10. Mesche N, Klare T (2005) Innere Medizin: Basislehrbuch Gesundheit und Krankheit. Elsevier, München, 5: 149–196 11. O’Donnell DE, Revill SM, Webb KA (2001). Dynamic hyperinflation and exercise intolerance in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 164: 770–777 12. Rochester DF (1991) Respiratory muscle weakness, pattern of breathing, and CO2 retention in chronic obstructive pulmonary disease. Am Rev Respir Dis 143: 901–903 13. Rochester DF (1991) The diaphragm in COPD: better than expected, but not good enough. N Engl J Med 325: 961–962
17
18 18 Husten-Assessment A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
18.1
Forcierte Exspirationstechnik (FE-I)
18.2
Praxis: Befundaufnahme
18.3
Literatur
– 134
– 135
– 139
Husten, auch bekannt unter dem Begriff forcierte Exspiration (FE-I) (Kap. 33), ist ein nachgeschalteter Reinigungsmechanismus des Tracheobronchialsystems und tritt dann in auf, wenn ein Ungleichgewicht entsteht zwischen 4 Sekretproduktion (z.B. bei CF- und COPD-Patienten) und 4 Sekretclearance (z.B. bei Patienten mit primär gestörtem mukoziliaren Clearance-Mechanismus). Patienten mit pulmonalen Erkrankungen sind durch respiratorische Komplikationen wie Pneumonien oder Atelektasen bedroht. Ursächlich ist häufig ein ineffektiver Husten. Ist der Husten erfolgreich, spricht man von produktivem Husten, andernfalls von unproduktivem Husten oder je nach Ausprägung auch von Krampfhusten. Unproduktives Husten wird i.d.R. als besonders quälend empfunden. Es entsteht ein Missverhältnis zwischen Sekretproduktion und der Fähigkeit, das Sekret zu eliminieren. Der Husten ist nur dann ausreichend produktiv, wenn alle Hustenphasen gut funktionieren bzw. unterstützt werden können. Auch hier gilt: Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Physiotherapeutische Möglichkeiten, um die verschiedenen Hustenphasen zu verbessern, werden in Kapitel 30 beschrieben. Definition Das Husten-Assessment beantwortet folgende Frage: Welcher Faktor limitiert das Husten, so dass das Sekret nicht bzw. unzureichend mobilisiert und expektoriert werden kann?
18.1
Forcierte Exspirationstechnik (FE-I)
In 7 Übersicht 18.1 sind die Hustenphasen und die Voraussetzungen für einen produktiven Husten formuliert [1, 2, 3, 4, 5] (. Abb. 18.1). . Übersicht 18.1. Husten Hustenphasen 1. Phase I: Schnelle Inspiration 2. Phase II: Kompression der Luft mittels Glottisverschluss und Erhöhung des thorakalen Drucks durch Kontraktion der Exspirationshilfsmuskeln 3. Phase III: Akzeleration: Glottisöffnung, Anstieg des transbronchialen Drucks, Entstehen der dynamischen Kompression des Tracheobronchialbaumes und Expulsion. Luftgeschwindigkeit>270 m/sec Voraussetzungen für produktives Husten [5, 6, 7] 1. Niedrige Viskosität und Oberflächenspannung des Sekrets 2. Ausreichende Inspirationskapazität/Inspirationstechnik (>1500 ml) 3. Vollständiger Glottisverschluss 4. Kräftiger Atemstoß (Forced Expiratory Capacity, FEC) (>160 l/min, FEV1>60% des VK-Sollwertes, PEFR>2,7 l/ sec) 5. Kein Risiko für einen Tracheobronchialkollaps (TBK)
135 18.2 · Praxis: Befundaufnahme
1
2
3
. Abb. 18.1. Biomechanik des Hustens: 1 Inspiration. 2 Glottisschluss und Kompression. 3 Expulsion und Akzeleration
18.2
Praxis: Befundaufnahme
18.2.1 Analyse des Bronchialsekrets Durch den krankheitsbedingten Entzündungsprozess bildet sich ein zähes und unvisköses Sputum, das sich in den Bronchien ansammelt und den zahlreichen Keimen, die der Mensch einatmet, einen idealen Nährboden bietet (Kap. 10). Bei einer solchen Sekundärinfektion wird die Zähigkeit des Sputums durch das Kernmaterial (DNA) abgestorbener Abwehr- und Deckzellen noch erhöht. Das zähflüssige Sputum führt zu einer Einengung der Luftwege mit möglichen Folgeerscheinungen wie Bronchitis, Pneumonie, Atelektasen und Bronchiektasen. Diese können bei der Inspektion oder Auskultation festgestellt werden [9, 10, 11]. Interpretation des Bronchialsekrets Bei zahlreichen Erkrankungen wird vermehrt Sekret gebildet, oft mit Veränderungen der Beschaffenheit (7 Übersicht 18.2). Neben Menge, Farbe und Geruch sind mögliche Beimengungen bedeutsam. Die Analyse des Sekrets (AdS) spielt sowohl in der Diagnostik als auch bei der Wahl der physiotherapeutischen Interventionen (Kap. 33) eine entscheidende Rolle. Häufig ist die Mengeneinschätzung des Patienten nicht zuverlässig, sie wird eher überschätzt. Außerdem ist es schwierig, zwischen Bronchialsekret und Speichel zu differenzieren. Die Verfärbung des Sekrets lungenerkrankter Menschen ist diagnostisch mit Vorsicht einzuordnen, da überwiegend die Konzentration der neutrophilen Granulozyten und Blutreste die Farbveränderung ausmachen [17] (. Abb. 18.2).
. Abb. 18.2. Husten-Assessment I: Analyse des Bronchialsekrets. Wiederholte Lungenblutungen (Hämoptysen) sind i.d.R. ein alarmierendes Symptom (Netter 2000, Rozijn 2009)
Ein zu geringes Atemzugvolumen (IVC<1500 ml) führt zu Sekretretention und stellt ein hohes Pneumonierisiko dar [7]. Der Einsatz der akzessorischen inspiratorischen Atemhilfsmuskeln und auch Kompensationsmechanismen wie exzessive Wirbelsäulenextension (BWS und HWS) können auf eine unzureichende Inspirationskapazität hindeuten (. Abb. 18.3). . Übersicht 18.2. Interpretation des Bronchialsekrets 1. Mukös: Entspricht dem Sekret bei einer chronischen
2. 3.
4. 5.
6.
18.2.2 Ausreichende Inspirationskapazität/
Inspirationstechnik (>1500 ml) Nach einer schnellen Inspiration variabler Tiefe (mindestens 1,5 Liter Luft) beginnt bei verschlossener Stimmritze und Glottis die Exspiration.
7.
Bronchitis. Der Auswurf ist schleimig, zäh, glasig, weißlich. Dünnflüssig, schäumig, serös: Bei hohem Flüssigkeitsgehalt des Sekrets, z.B. bei Lungenödem. Purulenter oder putrider Auswurf (gelbliche oder grüne Verfärbung): Bei einem Nichtraucher suggestiv für Bronchiektasen [18], bei bakteriellen Infektionen, meist mit Fieber und Brustschmerzen verbunden, aber auch bei Asthma oder eosinophiler Bronchitis. Rostfarben-zähflüssig: Pneumonie. Geringe und kurzfristige Blutbeimengungen: Bei starkem Husten kann im Auswurf Blut beigemischt sein, wenn die Bronchialschleimhaut stark gereizt ist. Verbunden mit Atemnot ist Bluthusten ein alarmierendes Symptom (Hämoptoe): Bei Infektionen, Nekrosen, Tumoren, Bronchiektasen, Gerinnungsstörung, Systemerkrankung. Rotes Blut ist frisches Blut; blutige schwarze Krusten sind altes Blut. Bronchialausguss: Diese als »mucoid impaction« beschriebene gelatineartige Veränderung tritt als seltene Komplikation bei zystischer Fibrose, Asthma bronchiale oder obstruktiver Bronchitis auf [19].
18
136
Kapitel 18 · Husten-Assessment
. Abb. 18.3. Husten-Assessment II: Geprüft wird, ob die Inspirationskapazität ausreicht. Als Kriterium gilt: IVC>1500 ml
Befundanalyse Zu prüfen ist das inspiratorische Atemmuster: 4 Macht der Patient eine post-inspiratorische Pause (PIP)? 4 Ist die Atmung gleichmäßig über Thorax und Abdomen verteilt? 4 Sind Atemgeräusche zu hören? 4 Hat der Patient Angst oder Schmerzen bei der Inspiration (z.B. nach thoraxchirugischen Eingriffen)?
18
. Abb. 18.4. Husten-Assessment III: Mittels Auskultation (ventral und dorsal) wird untersucht, ob ein vollständiger Glottisverschluss möglich ist
18.2.3 Vollständiger Glottisverschluss
Befundanalyse Zu prüfen ist, ob der Patient in der Lage ist, mit offenem
Als Glottis bezeichnet man den kleinen Spalt zwischen den beiden Stimmbändern im Kehlkopf. Die Glottis (Stimmritze, Rima glottidis) ist eine wichtige Funktionseinheit, deren Öffnung an die Zwerchfellspannung gekoppelt ist. Für die Glottisöffnung ist nur ein Muskel (M. cricoaritaenoideus posterior) verantwortlich, für den Glottisverschluss sind verschiedene Muskeln aktiv. Wenn die Stimme durch einen Glottisverschluss (auch kurzfristiger Kehlkopfverschluss) unterbrochen wird, entsteht ein Knacklaut: Man kann z.B. vor dem A in guten Abend oder vor dem u in beurteilen einen kleinen Knacklaut hören bzw. auskultieren. Mit einem Stethoskop ist der Glottisverschluss deutlich wahrnehmbar (. Abb. 18.4). Ein unvollständiger Glottisverschluss ist manchmal die Ursache für die undeutliche Stimme vieler Lungenpatienten. Die Stimme ist meist rau, behaucht oder zittrig mit eingeschränkter Lautstärke. Auch die Tatsache, dass es vielen Erkrankten schwer fällt, produktiv zu husten, ist manchmal auf die Rigidität der Glottis zurückzuführen. Beim produktiven Husten müssen Stimmritze und Glottis trotz des durch Anspannung der Exspirationsmuskeln erzeugten intrathorakalen Druckanstiegs geschlossen werden und vor allem geschlossen bleiben. In dieser 0,2 Sekunden andauernden Kompressionsphase kann der intrathorakale Druck bis zu 300 cmH2O erreichen.
Mund das Exspirium bei folgenden Manövern auf Kommando zu unterbrechen? Anders formuliert: Ist ein Glottisverschluss möglich?
4 Ist ein Knacklaut beim Aussprechen von guten Abend oder beurteilen zu hören? 4 Ist der Glottisverschluss nach einer normalen Inspiration möglich? 4 Ist der Glottisverschluss nach einer tiefen Inspiration möglich? 4 Ist der Glottisverschluss während einer normalen Exspiration möglich? 4 Ist der Glottisverschluss während einer forcierten Exspiration möglich (z.B. mit Wirbelsäulenflexion)? 4 Ist Huffing mit einer teilgeschlossenen Glottis möglich? 18.2.4 Ausreichend kräftiger Atemstoß
(>160 l/min, FEV1>60% des VK-Sollwertes, PEFR>2,7 l/sec) Des Weiteren benötigen Lungenpatienten eine funktionierende Exspirationsmuskulatur, um bei geschlossener Glottis die Muskelpresse aufzubauen. Nach Öffnung der Glottis kommt es zu einem Ausströmen der Luft aus den Lungen. Die Lunge entleert sich explosiv (Akzeleration) und fördert Fremdpar-
137 18.2 · Praxis: Befundaufnahme
. Abb. 18.5. Husten-Assessment IV: Untersuchung des Hustenstoßes (Atemstoß) anhand der Peak-Flow-Werte. Als Kriterium gilt: PEFR>2,7 l/sec)
. Abb. 18.6. Husten-Assessment V: Untersucht wird, ob eine tracheobronchiale Instabilität vorliegt. Zudem wird das Husten mit geschlossenem und offenem Mund überprüft
tikel und Sekret aus dem zentralen Bronchialsystem [15]. Dabei müssen physiologischerweise hohe Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 360–500 l/min Spitzenfluss erreicht werden. Minimal effektive Strömungsgeschwindigkeiten sollten über 160 l/min Husten-Spitzenfluss liegen [7] (. Abb. 18.5). Aus einer Ventilationsstörung mit progressiver exspiratorischer Muskelschwäche resultieren: 4 Lungenüberblähung, 4 ineffektiver Hustenstoß und somit 4 inadäquate pulmonale Sekretclearance.
Zu prüfen ist: 4 Ist die Unterstützung der Exspiration über eine manuelle Thorax- oder Abdomenkompression bzw. eine manuelle Selbstunterstützung vorteilhaft?
Zusätzliche Faktoren sind verminderte elastische Rückstellkräfte von Lungengewebe und Thoraxwand. Ein exzessiver und verkrampfter Einsatz der exspiratorischen Atemhilfsmuskeln (M. transversus abdominis) und auch Kompensationsmechanismen wie Wirbelsäulenflexion (LWS und BWS) können auf eine unzureichende Exspirationskapazität hindeuten.
Eine Schwäche der Exspirationsmuskulatur – in erster Linie des M. transversus abdominis (MTA) – führt zu schwächeren Hustenstößen. Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen (NME) wie Duchenne-Muskeldystrophie, spinale Muskelatrophie oder kongenitale Muskeldystrophie sind daher häufig durch vielfältige Komplikationen des respiratorischen Systems bedroht. Zu erfragen ist: 4 Hat der Patient Angst oder Schmerzen bei der Exspiration (z.B. nach thoraxchirugischen Eingriffen)?
18.2.5 Kein Risiko für einen Tracheo-
bronchialkollaps Befundanalyse Durch zu viel Pressen bei der Exspiration werden die Luftwege proximal des Sekrets zusammengepresst und sind stark gefährdet, zu kollabieren (tracheobronchialer Kollaps, TBK). Ein übermäßiger Exspirationskrafteinsatz hat bei COPD-Patienten häufig gegenteiligen Effekt und kann zu Sekretretention führen.
Beim Husten kommt es zu großen Luftgeschwindigkeiten, die zwar für die Mobilisation des Sekrets sehr geeignet sind, aber bei COPD-Patienten mit instabilen Atemwegen (tracheobronchiale Instabilität) zum Einschließen der Luft (»airtrapping«) führen können. Daher ist es wichtig, dass der Therapeut einen tracheobronchialen Kollaps (TBK) frühzeitig er-
18
138
Kapitel 18 · Husten-Assessment
kennt bzw. eventuelle Warnsignale für ein TBK-Risiko deuten kann und die Sekretolyse-Maßnahmen und deren Dosierung darauf abstimmt (. Abb. 18.6). Spontane Lippenbremse/Husten mit geschlossenem Mund Patienten mit tracheobronchialer Instabilität setzen bei Ruheatmung freiwillig und manchmal unbewusst die Lippenbremse ein (»resting pursed lips breathing«). Bei forcierter Exspiration, z.B. beim Husten, Niesen oder Lachen, wird entweder der Mund geschlossen (Husten mit geschlossenem Mund, »closed mouth cuffing«) oder die Hände als externe Stenose eingesetzt. Diese Hilfsmechanismen bewirken eine intrabronchiale Druckerhöhung, wodurch ein exspiratorischer Kollaps vermindert oder vermieden werden kann.
! Cave Atemtechniken mit deutlichen atemsynchronen Bronchialkaliberschwankungen und zu starken exspiratorischen Flüssen sind bei COPD-Patienten kontraindiziert!
? Husten-Assessment Erstellen Sie bitte ein Husten-Assessment (. Tab. 18.1)! Das Ziel ist es, die Ursache für unproduktiven Husten anhand der 5 Stufen zu eruieren.
Im Husten-Assessment-Protokoll in . Tab. 18.1 sind Voraussetzungen für produktives Husten und unterstützende Maßnahmen zusammengestellt.
. Tab. 18.1. Protokoll: Husten-Assessment
Voraussetzungen für produktives Husten
Befund
(Atemtherapeutische) Maßnahmen (Kap. 30)
Zäh, unvisköses Sekret →
4 Ausreichende Flüssigkeitszufuhr 4 Viel körperliche Bewegung 4 Bronchodilatatoren, Mukolytika, Sekretolytika
Ausreichende IVK?
>1500 ml →
Atemtherapie: vor allem Kontaktatmung
Schmerzen bei (vertiefter) Inspiration?
Ja/nein/teilweise →
Atemtherapie: vor allem leichte Kompression auf die Wunde
Einsatz der akzessorischen Atemhilfsmuskeln?
MSK, MP →
Atemtherapie: vor allem Inspiration aus vorgedehnter Stellung
Post-inspiratorische Pause (PIP)?
Ja/nein/teilweise →
PIP anlernen
Kompensation durch Extension der Wirbelsäule?
HWS/BWS →
Atemtherapie: vor allem Kontaktatmung
Atemgeräusche bei der Inspiration?
Ja/nein/teilweise →
Sekretolyse (Kap. 33)
Qualität der Stimme? Knacklaut zu hören?
Rau, behaucht, verminderte Lautstärke →
Atemtherapie: vor allem Glottisverschluss-Training
Ist ein Glottisverschluss möglich? Ist Huffing mit teilgeschlossener Glottis möglich?
Ja/nein/teilweise →
Atemtherapie: vor allem Glottisverschluss-Training
Vollständige Exspirationsphase?
Verkürzt →
Atemtherapie: vor allem positiver exspiratorischer Druck
Einsatz der akzessorischen Atemhilfsmuskeln?
MTA, MQL →
Atemtherapie: vor allem Exspiration aus vorgedehnter Stellung
Ausreichender Atemstoß?
>160 l/min PEFR>2,7 l/sec →
Atemtherapie: vor allem manuelle Kompression des Thorax
Kompensation durch Flexion der Wirbelsäule?
BWS/LWS/Hüfte →
Atemtherapie: vor allem Kompression des Thorax in Seitenlage
Atemgeräusche bei der Exspiration?
Ja/nein/teilweise →
Sekretolyse (Kap. 33)
1. Sekret Viskosität des Sekrets
2. Inspiration
3. Glottisverschluss
18
4. Forcierte Exspiration
139 18.3 · Literatur
. Tab. 18.1 (Fortsetzung)
Voraussetzungen für produktives Husten
Befund
(Atemtherapeutische) Maßnahmen (Kap. 30)
5. Risiken für einen Tracheobronchialkollaps (TBK) Spontane Lippenbremse?
Ja/nein/teilweise →
4 Huffing statt Husten 4 Atemtherapie: vor allem positiver exspiratorischer Druck
Closed mouth Coughing?
Ja/nein/teilweise →
4 Huffing statt Husten 4 Atemtherapie: vor allem positiver exspiratorischer Druck
Ärztlicher Hinweis auf TBK-Risiko bei Patient?
Positiv/negativ →
4 Huffing statt Husten 4 Atemtherapie: vor allem positiver exspiratorischer Druck
SA Sternale Atmung. CA Kostale Atmung. CDA Kostodiaphragmale Atmung. AA Abdominale Atmung. UP Upper Chest Paradox. AP Abdominal Paradox. KA Kussmaul-Atmung. CSA Cheyne-Stokes-Atmung. ScA Schnappatmung. SA Seufzeratmung. BA BiotAtmung. MLD M. latissimus dorsi. MQL M. quadratus lumborum. MRA M. rectus abdominis. MTA M. transversus abdominis. MP Mm. pectorales. MSC M. sternocleidomastoideus
18.3
Literatur
1. Hietpas BG, Roth RJ, Jensen WM (1979) Huff coughing and airway patency. Respir Care 24: 710–713 2. Bach JR (1993) Mechanical insufflation-exsufflation: comparison of peak expiratory flows with manually assisted and unassisted coughing techniques. Chest 104: 1553–1562 3. Bach JR, Ishikawa Y, Kim H (1997) Prevention of pulmonary morbidity for patients with Duchenne Muscular Dystrophy. Chest 12: 1024–1028 4. Primiano FP (1982) Theoretical analysis of chest wall mechanics. J Biomechanics 15(12): 919–931 5. Kardos P, Cegla U, Gillissen A et al. (2004) Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten. Pneumologie 58: 570–602 6. DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Appraoch. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 7. Schmidt I (2008) Assisted cough - Physiotherapie zur Verbesserung der Sekretexpektoration. Pneumologie 62: 23–27 8. Vestbo J, Prescott E, Lange P (1996) Copenhagen City Heart Study Group. Association of chronic mucus hypersecretion with FEV1 decline and chronic obstructive pulmonary disease morbidity. Am J Respir Crit Care Med 153: 1530–1535 9. Bartlett RH (1973) Respiratory maneuvers to prevent postoperative pulmonary complications. A critical review. JAMA 224: 1017– 1021 10. Marini JJ (1984) Postoperative atelectasis: pathophysiology, clinical importance and principles of management. Respir Care 29: 516–522 11. Bekkering GE, Hendriks HJM, Chadwick-Staver RMV, Paterson WJ (1998) Guidelines for physiotherapeutic management in chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Nederlands Paramedisch Instituut, Amersfoort 12. Aliverti A, Macklam PT (2001) How and why exercise is impaired in COPD. Respiration 68: 229–239
13. Raphael JH, Strupish J, Selwyn DA, Hann HC, Langton JA (1996) Recovery of respiratory ciliary function after depression by inhalation anaesthetic agents: an in vitro study using nasal turbinate explants. Br J Anaesth 76: 854–859 14. Phipps RJ, Nadel JA, Davis B (1980) Effect of alpha-adrenergic stimulation on mucus secretion and on ion transport in cat trachea in vitro. Am Rev Respir Dis 121: 359–365 15. Klimek L, Pfaar O (2005) Kritische Bestandsaufnahme, pathologische Mechanismen: Akut oder chronisch – Warum hustet der Patient? Journal Med Zeitschrift online 01-07
18
19 19 Herz- und Lungenauskultation, Perkussion und Stimmfremitus A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
19.1
Auskultation der Lungengeräusche
19.2
Perkussion der Lunge
19.3
Stimmfremitus
– 140
– 144
– 147
19.4
Auskultation des Herzens
19.5
Zusammenfassung
19.6
Literatur
– 147
– 151
– 151
Die Anatomie in vivo ist die direkteste Untersuchungsmethode der Morphologie. Im Folgenden sind die Lungengrenzen in einer nutzbaren Weise als charakteristische Strukturen (Orientierungspunkte, »landmarks«) dargestellt. Die Einhaltung der Orientierungspunkte für die Lungengrenzen bedarf einer hohen Präzision, denn sie sind für Auskultation und Perkussion von wesentlicher Bedeutung. Sie können anhand der sog. Längsachsen (virtuelle Achsen) exakt bestimmt werden: 4 Die Medioklavikularlinie (MKL) ist eine gedachte Längsachse, die senkrecht durch die Mitte der Klavikula läuft. 4 Die Medioaxillarlinie (MAL) ist eine gedachte Längsachse, die durch die Mitte der Axilla läuft. 4 Die Sternallinie (STL) ist eine gedachte Längsachse, die am Sternumrand verläuft. 4 Die Parasternallinie (PL) ist eine gedachte Längsachse, die zwischen Sternallinie und Medioklavikularlinie verläuft. 4 Die Mamillarlinie (ML) ist eine gedachte Längsachse, die senkrecht durch die Mamillen läuft. 4 Die Skapularlinie (SKL) ist eine gedachte Längsachse, die senkrecht durch den Angulus inferior scapulae läuft. Die Anatomie in vivo der Lunge erfordert die exakte Kenntnis der ex- und inspiratorischen Lungengrenzen (. Abb. 19.1–Abb. 19.4).
19.1
Auskultation der Lungengeräusche
Die Auskultation der Lunge ist eine wichtige und einfach zu handhabende diagnostische Methode in der physiotherapeu-
. Abb. 19.1. Darstellung der linken Lunge inkl. Landmarks: LOL Linker Oberlappen. LUL Linker Unterlappen. PS Proc. spinosus. BWS Brustwirbelsäule (Tillmann 2005 [1])
tischen Behandlung lungenerkrankter Patienten. Sie liefert direkte Informationen über die Struktur des Lungengewebes, die mit keiner anderen Methode so einfach und vor allem nicht-invasiv zu erreichen sind.
141 19.1 · Auskultation der Lungengeräusche
. Abb. 19.2. Darstellung der rechten Lunge inkl. Landmarks. ROL Rechter Oberlappen. RUL Rechter Unterlappen. RML Rechter Mittellappen. PS Proc. spinosus. BWS Brustwirbelsäule (Tillmann 2005 [1])
. Abb. 19.3. Darstellung der ventralen Lungenareale inkl. Landmarks. Grün Lungengrenze (rechts). Blau Lungengrenze (links). Rot Lungengrenze nach tiefer Inspiration. 1 Die Lungenapex übersteigt das mediale Sternumdrittel um 2–4 cm. 2 2 cm lateral vom Sternoklavikulargelenk. 3 Kostosternalgelenk II. 4 Kostosternalgelenk IV. 5 Kostosternalgelenk VII – Synchondrosis xyphosternalis (nur rechts). 6 Die untere Lungengrenze befindet sich in Höhe der Kreuzung 6. Rippe mit Medioklavikularlinie (MKL). 7 Die untere Lungengrenze befindet sich in Höhe der Kreuzung 8. Rippe mit Medioaxillarlinie (MAL). 8 Bei tiefer Inspiration kann sie sich bis zur Kreuzung 10. Rippe mit der Medioaxilarlinie (MAL) entfalten (Tillmann 2005 [1])
Die Veränderungen der Lungengeräusche stehen in direkter Beziehung zu den pathologischen Veränderungen des Lungengewebes. Daher hat die Auskultation gerade in der physiotherapeutischen Praxis und in der praktischen Medizin einen hohen Stellenwert und gilt neben Lungenfunktionstest
. Abb. 19.4. Darstellung der dorsalen Lungenareale inkl. Landmarks. Grün Lungengrenze (rechts). Blau Lungengrenze (links). Rot Lungengrenze nach tiefer Inspiration. 1 Die untere Lungengrenze befindet sich in Höhe des Proc. spinosus des 10. Brustwirbels. 2 Bei tiefer Inspiration kann die Lunge sich bis zum Proc. spinosus des 12. Brustwirbels entfalten. 3 Lungenhilus: Höhe Proc. spinosus des 4. Brustwirbels (Tillmann 2005 [1]).
und Thorax-Röntgenaufnahme als Standardmethode für die Erkennung und Überwachung von chronischen Lungenerkrankungen. Geräusche, die beim Atmen in der Lunge und den angrenzenden Geweben entstehen, können mit einem Stethoskop abgehört werden, manchmal auch direkt, indem man ein Ohr auf den Oberkörper des Patienten legt (. Abb. 19.5). > Wichtig Mithilfe eines Stethoskops lassen sich mögliche krankhafte Geräusche bzw. atemstrombedingte Nebengeräusche beim Patienten feststellen.
19
142
Kapitel 19 · Herz- und Lungenauskultation, Perkussion und Stimmfremitus
Die trachealen Atemgeräusche klingen schärfer (Frequenz 500–4000 Hz) und heller als die vesikulären Atemgeräusche (Frequenz 100–600 Hz). > Wichtig Vibrationen der Grundtöne/sec: 4 Vesikuläratmen: ca. 120 Vibrationen/sec 4 Bronchovesikuläratmen: ca. 250–500 Vibrationen/sec 4 Bronchialatmen: über 1000 Vibrationen/sec
. Abb. 19.5. Auskultation mit Stethoskop
In 7 Übersicht 19.1 sind Schlüsselbefunde der Auskultation dargestellt. . Übersicht 19.1. Lautstärkegrade der auskultierten Geräusche 4 4 4 4 4
1 2 3 4 5
Hörbar nur mit Mühe Leise, aber sofort hörbar Laut, kein Schwirren Geräusch mit Schwirren Hörbar, wenn nur der Stethoskoprand die Haut berührt 4 6 Hörbar auf Distanz ohne Stethoskop
Mittels Lungenauskultation während der In- und Exspiration können charakteristische Befunde für die Diagnosestellung ermittelt werden. Die unterschiedlichen Quantitäten und Qualitäten der Atemgeräusche ergeben sich in besonders durch die unterschiedliche Vibrationsanzahl der Grundtöne/sec. > Wichtig Die Atemgeräusche werden in zwei Hauptgruppen eingeteilt, in 4 physiologische Atem- oder Grundgeräusche und 4 Nebengeräusche.
19
Atem- und Nebengeräusche enthalten wichtige diagnostische Informationen.
Tracheale (bronchiale) Atemgeräusche Diese Geräusche, auch zentrale Atemgeräusche genannt, sind leicht hörbar, sobald man das Stethoskop über der Trachea aufsetzt. Der Patient soll hierbei mit offenem Mund ein und ausatmen. Tracheale Atemgeräusche entstehen durch hohe Strömungsgeschwindigkeiten oder durch einen turbulenten Luftfluss in den zentralen Atemwegen (große Bronchien und Trachea). Direkt über der Trachea, interskapulär (entspricht den großen Bronchien) und im Bereich des Proc. spinosus des 7. HWK ist es als pfeifendes Geräusch zu hören, ähnlich wie »wenn Luft durch eine Röhre geblasen wird«. Das Pfeifgeräusch hat ein gut abgrenzbares In- und Exspirium (Auskultationsstellen der trachealen Atemgeräusche, . Abb. 19.6). Vesikuläre Atemgeräusche Normale vesikuläre Atemgeräusche (lat. Vesiculi, kleines Bläschen), auch periphere Atemgeräusche genannt, sind über die Gas austauschende Lungenfläche (Alveolen), also über den peripheren Alveolarbezirken wahrzunehmen. In der Lungenperipherie ist nur noch ein leises, hauchendes Geräusch auskultierbar, da die lufthaltige Lunge die hohen Geräuschfrequenzen wegfiltriert. Vesikuläres Atmen hört sich ähnlich an wie »Blätterrascheln der Bäume«, wenn der Wind hindurchstreicht. Das normale periphere Atemgeräusch ist durch ein lautes und gut abgegrenztes Inspirium, aber ein schlecht abgrenzbares Exspirium gekennzeichnet. Vesikuläre Atemgeräusche sind an allen Stellen der Lunge auskultierbar, außerhalb der Auskultationsstellen der trachealen Atemgeräusche (. Abb. 19.6). Pathologie Ist die Lunge infiltriert (Pneumonie), und sind die Alveolen mit Sekret gefüllt, fällt die Filterwirkung der lufthaItigen Alveolen weg. In diesem Fall auskultiert man in der Lungenperipherie das zentral entstandene Atemgeräusch. Auch bei einem komprimierten, weniger lufthaItigen, aber noch ventilierten Lungenabschnitt durch einen Erguss tritt dieses Phänomen auf. Man spricht vom Kompressionsatmen. ! Cave
19.1.1 Physiologische Atemgeräusche Zu den physiologischen bzw. normalen Atemgeräuschen gehören 4 die trachealen (bronchialen) Atemgeräusche und 4 die vesikulären Atemgeräusche.
Ein in der Lungenperipherie auskultierbares zentrales Atemgeräusch ist generell pathologisch!
? Einzeichnen der Lungengrenzen Zeichnen Sie bitte die Lunge in das Körperschema (. Abb. 19.6) ein! Nehmen Sie die Landmarks (. Abb. 19.3 und Abb. 19.4) als Orientierungspunkte!
143 19.1 · Auskultation der Lungengeräusche
Kontinuierliche Nebengeräusche Giemen (Pfeifen) und Brummen Giemen (Pfeifen) und Brummen werden meist in der Inspirations- und Exspirationsphase auskultiert und entstehen bei einer partiellen Obstruktion des Bronchiallumens, bei der sich die Bronchialwände fast berühren. Die Geräusche treten auf, wenn beim Atmen Schleimfäden oder Bronchialwände durch den Luftstrom in Schwingung versetzt werden. Sie präsentieren sich als ein melodiöser Ton wie Giemen (Pfeifen) (Schwingungen höherer Frequenz>400 Hz in den peripheren Atemwegen) oder Brummen (Schwingungen niedrigerer Frequenz<200 Hz in den zentraleren Atemwegen) und treten typischerweise bei Tracheitis (Entzündung der Trachea) oder Tracheobronchitis (Entzündung von Luftröhre und Bronchien) auf. > Wichtig
. Abb. 19.6. Auskultationsstellen der trachealen (großer Kreis) und bronchialen Atemgeräusche (kleine Kreise)
Giemen (Pfeifen) und Brummen sind mono- oder polyphone musikalische Geräusche mit verschiedensten Frequenzen, die länger als 250 msec andauern und in In- und Exspirium auftreten können.
Diskontinuierliche Nebengeräusche ? Auskultation Auskultieren Sie bitte die ventralen und dorsalen Lungenabschnitte (. Abb. 19.6) und dokumentieren Sie die Ergebnisse im Auskultationsprotokoll (. Abb. 19.12)! Der Patient soll tief durch den geöffneten Mund einund ausatmen: 4 während mindestens eines ganzen (Ruhe-)Atemzyklus und 4 bei forcierter In- und Exspiration. (Aufpassen: Hyperventilationsgefahr!) Reihenfolge der Auskultation Die Lunge wird dorsal und ventral im Seitenvergleich abgehört: 4 im Ober-, Mittel- und Unterfeld medial, 4 im Unterfeld zusätzlich lateral. Achten Sie ventral vor allem auf die Lungenspitzen im Jugulum und auf den rechten Mittellappen (v.a. mittlere Axillarlinie)!
19.1.2 Pathologische Atemgeräusche Von den physiologischen trachealen und vesikulären Atemgeräuschen sind die Nebengeräusche bzw. pathologischen Atemgeräusche zu differenzieren. Sie treten zusätzlich zu den physiologischen Atemgeräuschen auf, zum einen in kontinuierlicher, zum anderen in diskontinuierlicher Form: 4 Die kontinuierlichen Nebengeräusche erscheinen als Giemen (Pfeifen), Stridor und Brummen (»wheezing«, Ronchus). 4 Die diskontinuierlichen Nebengeräusche erscheinen als Rasselgeräusche, Pleurareiben, feine und rauhe Krepitationen (»fine and coarse crackle«).
Rasselgeräusche (feine und grobe Krepitationen) Rasselgeräusche entstehen durch plötzliches Öffnen bzw. Rekrutierung kollabierter Alveolen und Bronchiolen. Rasselgeräusche entstehen auch, wenn Luft durch Atemwege strömt, die mit Flüssigkeit oder Entzündungsexsudat (z.B. Blut, Eiter, Ödemflüssigkeit) gefüllt sind. Demzufolge sind diese Geräusche überwiegend in der Inspirationsphase hörbar. Stellt man Rasselgeräusche fest, so sind die Bronchiolen (kleinste Bronchien) und Alveolen mit Sekret gefüllt. Abhängig von der Lokalisation der gefüllten Atemwege unterscheidet man bzgl. ihrer Tonhöhe zwischen nieder-, mittel- und hochfrequenten Rasselgeräuschen. Es sind gut abgegrenzte und kurz andauernde (<20 ms) Geräuschphänomene. Ein diskontinuierliches Atemgeräusch verläuft schubweise mit verhältnismäßig kurzfristigen Ausbrüchen, ähnlich dem Aufspringen von kleinen Luftbläschen oder dem Knistern von Feuer. Leise Rasselgeräusche sind kürzer und laute Rasselgeräusche länger. Nieder- und mittelfrequente Rasselgeräusche. Diese entsprechen groben Rasselgeräuschen und entstehen in den zentralen und mittleren Teilen des Atemtrakts (wie heißes Öl, in das Wassertropfen gelangen). Hochfrequente Rasselgeräusche. Diese entsprechen feinen Rasselgeräuschen und entstehen in der Lungenperipherie (wie Knistern von Feuer), infolge 4 interstitieller Entzündungsprozesse, 4 Pneumonie oder 4 früher Herzinsuffizienz. Pleurareiben (Lederknarren) Die Reibung der entzündlich infiltrierten Pleurablätter (durch fibrinöses Exsudat) verursacht ein Reibegeräusch, das mit Lederknarren vergleichbar ist. Dieses Geräuschphänomen ist am besten end-inspiratorisch, häufig auch während des ganzen Atemzyklus hörbar. In der Regel ist Pleurareiben im akuten
19
144
Kapitel 19 · Herz- und Lungenauskultation, Perkussion und Stimmfremitus
Stadium von Schmerzen begleitet, im chronischen Stadium jedoch schmerzlos.
19.2.1 Praktische Durchführung
Kaum hörbares Atemgeräusch Das Phänomen der stillen Lunge (»silent chest«) kann auftreten bei 4 schweren Atemwegsverengungen, 4 Lungenüberblähung, 4 Emphysem oder 4 Pneumothorax.
Die am häufigsten angewandte Methode ist die Finger-FingerMethode: Der Mittelfinger der nicht-dominanten Hand des
In 7 Übersicht 19.2 sind Auskultationsbefunde und deren Zuordnung zu bestimmten Krankheitsbildern aufgelistet. . Übersicht 19.2. Klinische Muster 1. 2. 3. 4. 5.
Normale Lungenauskultation: Guter Prädiktor für eine obstruktive Ventilationsstörung Stridor: Stenose der zentralen Atemwege Kontinuierliche Nebengeräusche (Giemen): Asthma, COPD, Linksherzinsuffizienz Diskontinuierliche Nebengeräusche (grob): Bronchiektasen, Bronchitis Diskontinuierliche Nebengeräusche (fein): Pneumonie, Linksherzinsuffizienz, Lungenfibrose
der Perkussion
Untersuchers wird überstreckt und parallel zu den Interkostalräumen fest auf die Thoraxwand des Patienten gelegt (Plessimeterfinger). Die Spitze des Mittelfingers der anderen Hand wird dann leicht gekrümmt in schnellen, kurzen Bewegungen aus dem Handgelenk heraus auf den Plessimeterfinger geklopft und rasch zurückgezogen (7 Übersicht 19.3 und . Abb. 19.7). . Übersicht 19.3. Handhaltung bei der Perkussion Handhaltung 1. Linker Mittelfinger als Plessimeter 2. Rechter Mittelfinger als Hammer Wichtig: Perkussionsschläge locker aus dem Handgelenk Häufige Anfängerfehler 1. Zaghafte Schläge bei steif gehaltenem Handgelenk 2. Zaghafte Schläge aus dem Fingergrundgelenk
Vorgehen Als Erstes werden die unteren Lungengrenzen bestimmt (Kap. 16). Dazu wird die Lungen-Leber-Grenze in der rechten 19.2
Perkussion der Lunge
Als Begründer dieser Technik gilt Joseph Leopold von Auenbrugger aus Graz. Unter Perkussion versteht man in der Medizin das zu diagnostischen Zwecken durchgeführte Abklopfen der Körperoberfläche. Dabei wird das darunterliegende Gewebe in Schwingung versetzt. Die daraus resultierenden Schallqualitäten geben Aufschluss über den Zustand des Gewebes. Anhand der perkutorischen Lungenuntersuchung werden zwei Aspekte überprüft: 4 Abgrenzende Perkussion: Abgrenzung von Lungengewebe gegenüber benachbarten Organen. 4 Vergleichende Perkussion: Prüfen des Luftgehalts der Lunge durch Vergleichen korrespondierender Lungenabschnitte. Bei der vergleichenden Perkussion untersucht man jeweils die einander entsprechenden Stellen der beiden Thoraxseiten.
19
Mittels vergleichender und abgrenzender Perkussion können abgeschätzt werden:
4 Größe der Lunge, 4 Lage der Lunge, 4 Abgrenzung von luft- und nicht lufthaltigen Organen (Lunge – Leber, Lunge – Herz) und 4 Dichte bzw. Luftgehalt der Lunge.
. Abb. 19.7. Praktische Durchführung der Perkussion
145 19.2 · Perkussion der Lunge
Medioklavikularlinie (MKL) perkutiert. Dann werden dorsal die kaudalen Grenzen in der Interskapularlinie und lateral in den Axillarlinien festgelegt. > Wichtig Die Perkussion zeigt folgenden Verlauf der dorsalen Lungengrenzen: 4 8. Rippe in der mittleren Axillarlinie (MAL), 4 9. Rippe in der Skapularlinie (SKL) und 4 11. Brustwirbel direkt neben der Wirbelsäule. Tipp
Auf der rechten Thoraxseite liegen die Lungengrenzen durchschnittlich 1–2 cm höher als auf der linken, weil die Leber das Zwerchfell nach oben drängt.
Befundinterpretation > Wichtig Beim Klopfschall unterscheidet man vier Schallqualitäten (7 Übersicht 19.4): 1. Gedämpfter Klopfschall 2. Hypersonorer Klopfschall 3. Sonorer Klopfschall 4. Tympanitischer Klopfschall
Verschieblichkeitstest der unteren Lungengrenzen Um die respiratorische Verschieblichkeit der unteren Lungengrenzen zu prüfen, lässt man den Patienten nach tiefer In- und Exspiration den Atem anhalten. In den Atempausen bestimmt man den Stand der Lungengrenzen und zwar in den Interskapularlinien (zwischen Skapula und Wirbelsäule). > Wichtig Die Verschieblichkeit der unteren Lungengrenzen beträgt normalerweise 4–6 cm. Am größten ist der Unterschied zwischen extremer In- und Exspiration in der Axillarlinie (bis zu 10 cm).
Befundinterpretation 4 Tief stehende, wenig bewegliche dorsale Lungengrenzen finden sich bei Lungenüberblähung. 4 Eine Verlagerung der Lungengrenzen nach kranial tritt dann auf, wenn das Zwerchfell durch schrumpfende Prozesse im Thorax hochgezogen oder durch intraabdominale Prozesse hochgedrückt wird. Bei einer N.-phrenicusLähmung steht das Zwerchfell ebenfalls hoch. 4 Die basale Dämpfung kann auch ein Hinweis auf einen Pleuraerguss sein. Flüssigkeit im Pleuraspalt kann erst bei einer Menge von mehr als 300 ml perkutorisch erfasst werden.1 ? Abgrenzende Perkussion
Gedämpfter Klopfschall Eine Dämpfung ist vorhanden, wenn sich kein lufthaltiges
Gewebe unter der Thoraxwand befindet, bei 4 Pleuraerguss, 4 PIeuraschwarte, 4 Konsolidation von Lungenparenchym. Tipp Perkutorisch sind nur Verdichtungen>5 cm Durchmesser erfassbar, die weniger als 5 cm von der Thoraxwand entfernt sind.
Hypersonorer Klopfschall
Ein hypersonorer Klopfschall findet sich bei 4 vermehrtem intrathorakalen Luftgehalt, 4 Lungenemphysem (beidseitig) und 4 Pneumothorax (einseitig) (7 Übersicht 19.4). Sonorer Klopfschall
Ein sonorer Klopfschall findet sich bei 4 gesunden Lungen mit normalem intrathorakalen Luftgehalt.
Führen Sie bitte eine abgrenzende Perkussion über den verschieden Lungenarealen durch (ventral/dorsal, links/ rechts) und zeichnen Sie die Grenzen ein! Stellen Sie fest: 4 Lage bzw. Grenzen der Lunge, 4 Abgrenzung der Lunge zu Ende der Ex-/Inspiration, 4 Lunge-Leber-Übergang und 4 Lunge-Herz-Übergang.
? Vergleichende Perkussion Führen Sie bitte eine vergleichende Perkussion über den verschieden Lungenarealen durch und stellen Sie fest, ob die intrathorakalen Gewebestrukturen luftgefüllt, flüssigkeitsgefüllt oder solide sind! Die Klangqualitäten unterscheiden sich hinsichtlich 4 Frequenz (hoch/tief ), 4 Intensität (laut/leise), 4 Dauer und 4 Klangqualität (gedämpft/sonor/hypersonor/tympanitisch). Dokumentieren Sie Ihre Ergebnisse bitte im Perkussionsprotokoll (. Abb. 19.12)!
In 7 Übersicht 19.4 sind die Klopfschallbefunde möglichen Krankheitsbildern zugeordnet.
Tympanitischer Klopfschall
Ein tympanitischer Klopfschall findet sich bei 4 gesunden gasgefüllten Organen des Tractus digestivus (Darm, Magenblase).
1 Sollten bei einer anatomischen Darstellung der Lungen keine Angaben bezüglich In- und Exspirationsstellung gemacht werden, trifft immer die Exspirationsstellung zu.
19
146
Kapitel 19 · Herz- und Lungenauskultation, Perkussion und Stimmfremitus
. Übersicht 19.4. Akustische Befunde und mögliche Ursachen Normaler Klopfschall: laut, lang, tief (L/L/T) 1. Seitengleich sonorer Klopfschall 2. Atemabhängige Verschiebbarkeit des Zwerchfells von etwa 5–6 cm 3. Sonor 4. Gesunde Lunge Hyposonorer/gedämpfter Klopfschall: leise, kurz, hoch (L/K/H) 1. Pneumonie 2. Infiltration 3. Erguss 4. Pleuraschwarte 5. Atelektasen
Dämpfung, Schenkelschall 1. Normal über luftleerem Gewebe wie Leber, Herz, Muskulatur 2. Pathologisch über der Lunge: krankhafte Veränderungen wie Infiltration, Tumor, Pleuraerguss, Pleuraschwarte Hypersonorer Klopfschall: lauter, länger, tiefer als normal 1. Vermehrter Luftgehalt im Thorax 2. Lungenemphysem, Pneumothorax Tympanitischer Klopfschall: hohler, fast musikalischer paukenähnlicher Klang 1. Harmonische Schwingungen 2. Klopfschall über luftgefüllten Organen 3. Normal über Magenblase; laut durch Luftblasenbildung im Magen Schachtelton: sehr laut, stark tympanitisch 1. Pneumothorax
19
. Abb. 19.8. Schematische Darstellung der Atemgeräusche (AG): Physiologische AG (links), pathologische AG (rechts) (van Gestel 2009)
147 19.4 · Auskultation des Herzens
. Abb. 19.9. Klinische Muster und zugeordnete Prinzipien aus der Sekretolyse (modifiziert nach Postiaux [2])
In . Tab. 19.1 sind die Lungenbefunde verschiedener Lungen- und Atemwegserkrankungen übersichtlich zusammengefasst, in . Abb. 19.9 werden Sekretolysetechniken vorgestellt.
19.3
Stimmfremitus
4 Der Stimmfremitus ist abgeschwächt, wenn die Schallleitung durch Flüssigkeit oder Luft behindert wird, z.B. bei Pleuraerguss, Pleuraschwarte oder Pneumothorax.
19.4
Auskultation des Herzens
Stimmfremitus ist die palpierbare Vibration der Thoraxwand, die bei niederfrequenter tiefer Phonation auftritt. Die
19.4.1 Herztöne
Handflächen (auch mit Handaußenkanten gut möglich) werden leicht an die Thoraxwand angelegt, und der Patient wird aufgefordert, mit möglichst tiefer Stimme »99« zu sagen. Das lufthaltige Lungenparenchym leitet die Erschütterungen nur schlecht weiter, ebenso wie es das Bronchialatmen mehr oder weniger absorbiert (. Abb. 19.10).
Herztöne sind die während eines Herzschlagzyklus entstehenden hörbaren Schwingungen (15–400 Hz), die auf den Thorax übertragen werden. Physiologische Herztöne sind der 1. und der 2. Herzton. Das Herz erzeugt bei jedem Herzschlagzyklus vier Töne. Da jedoch immer zwei Herztöne zusammenfallen, sind von den vier Herztönen nur zwei mit dem Stethoskop hörbar: 4 ein niederfrequenter (25–45 Hz), etwas längerer (0,15 sec) 1. Herzton und 4 ein eher hochfrequenter (um 50 Hz), kürzerer (0,12 sec) 2. Herzton.
Befundinterpretation 4 Der Stimmfremitus ist überall dort verstärkt, wo auch Bronchialatmen und Bronchophonie vorhanden sind, d.h., wo die Lungen den Schall gut leiten. Dies ist der Fall, wenn das Lungengewebe infiltriert ist, z.B. bei Pneumonie.
19
FEV1 (%-Soll) geringer
Verstärkt
4 FEV1 (%-Soll) geringer 4 VC (l) geringer
Fehlend/abgeschwächt
VC (l) geringer
VC (l) geringer 4 FEV1 (%-Soll) geringer 4 TLC (l) vergrößert 4 FEV1 (%-Soll) geringer 4 TLC (l) vergrößert
Abgeschwächt Fehlend/abgeschwächt Abgeschwächt Normal
4 Hypersonor 4 Resonant Dämpfung 4 Hypersonor 4 Resonant 4 Zwerchfell tief 4 Hypersonor 4 Resonant 4 Zwerchfell tief Dämpfung Dämpfung
4 Abgeschwächt/ fehlend 4 Bronchial 4 Abgeschwächt 4 Pfeifen 4 Verlängertes Exspirium 4 4 4 4 4 Initial RG fein 4 Später RG grob 4 Fehlend/abgeschwächt 4 Feine RG nach einer tiefen Inspiration
Abgeschwächt Pfeifen RG grob Verlängertes Exspirium
Pleuraerguss Emphysem Bronchitis Pneumonie Atelektasen
. Abb. 19.10. Durchführung des Stimmfremitus. Der Therapeut legt die Handflächen oder Handaußenkanten leicht an die Thoraxwand an, und der Patient soll mit möglichst tiefer Stimme »99« sagen
Auskultationsstellen Die Auskultation wird an verschiedenen Stellen über dem Herzen durchgeführt. Die Geräusche, die an den Herzklappen und in anderen Herzregionen entstehen, werden vorwiegend »stromabwärts« weitergeleitet. Die fünf Auskultationsstellen, an denen man Herzklappengeräusche am besten hört, sind in 7 Übersicht 19.5 zusammengestellt (. Abb. 19.11). . Übersicht 19.5. Auskultation des Herzens 1. 2.
Fehlend/abgeschwächt
VC (l) geringer
Stimmfremitus
Lungenfunktion
4. 5.
(van Gestel 2009)
Hypersonor Perkussion
Fehlend/abgeschwächt
3.
Auskultation
Pneumothorax
. Tab. 19.1. Klinische Muster bei (chronischen) Lungenerkrankungen
19
4 Verstärkt 4 Giemen, Pfeifen
Kapitel 19 · Herz- und Lungenauskultation, Perkussion und Stimmfremitus
Asthma
148
Mitralklappe: über der Herzspitze Trikuspidalklappe: zwischen 5. IKR am rechten Sternumrand und 4. IKR am linken Sternumrand Aortenklappe: im 2. lKR am Sternumrand rechts bis Sternummitte Pulmonalklappe: am linken Sternumrand im 2. IKR Angeborene Herzfehler und akzidentelle Geräusche: über dem Erb-Punkt (zentraler Auskultationspunkt) am linken Sternumrand im 3. IKR
Praktische Durchführung Als Erstes wird geprüft, ob der Herzschlag rhythmisch ist. Eine Hilfe ist das gleichzeitige Mitfühlen des Radialpulses. Die respiratorische Arrhythmie (RAS) (Kap. 14), d.h. eine geringgradige atemsynchrone Verlangsamung bzw. Beschleunigung
149 19.4 · Auskultation des Herzens
. Abb. 19.11. Darstellung der präkordialen Auskultationsbereiche. ICR IKR, Interkostalraum (Tillmann 2005 [1])
der Herztätigkeit ist physiologisch und wird nicht als pathologische Arrhythmie gewertet. > Wichtig Die Herzfrequenz schwankt bei gesunden Menschen zwischen 60–100 Schlägen/min. Frequenzen unter 6O werden als bradykard und Frequenzen über 100 als tachykard bezeichnet.
In 7 Übersicht 19.6 stehen Hinweise für die praktische Durchführung der Auskultation des Herzens. . Übersicht 19.6. Praktische Hinweise für die Herzauskultation 1. 2.
3.
4. 5.
Die Untersuchung ist in einem möglichst ruhigen Raum durchzuführen. Um schwache Töne/Geräusche wahrnehmen zu können, ist es von Vorteil, die volle Aufmerksamkeit auf den Teil des Herzschlagzyklus zu konzentrieren, in dem der Ton/Geräusch zu erwarten ist. Die genaue zeitliche Zuordnung eines Tons/Geräusches zu einer bestimmten Herzaktionsphase wird durch gleichzeitige Inspektion/Palpation z.B. des Karotis-/Radialpulses oder Herzspitzenstoßes wesentlich erleichtert. Der Ort der größten Lautstärke (Punktum maximum) zeigt an, wo der Ton/das Geräusch entsteht. Anhand der Klangfortleitung lassen sich weitere Unterschiede feststellen.
Der 1. Herzton Der 1. Herzton entsteht, wenn sich mit Schluss der Segelklappen zwischen Herzvorhöfen und Herzkammern (AV-Klap-
pen) das Ventrikelmyokard ruckartig um das inkompressible end-diastolische Blutvolumen anspannt. Dadurch gerät das gesamte System, Myokard und eingeschlossenes Blut, in Schwingung (Anspannungston). Am besten versucht man, zuerst den ersten Herzton zu erkennen. Der erste Herzton hat dunklen Schallcharakter, sein Punktum maximum der Hörbarkeit ist in der Herzspitzengegend. Tipp
Es ist hilfreich, gleichzeitig mit der Auskultation des Herzens die A. carotis communis zu palpieren, denn 1. Herzton und Pulswelle kommen annähernd gleichzeitig. Bei normaler Herzfrequenz ist der Abstand zwischen 1. und 2. Herzton (Systole) deutlich kürzer als der Abstand zwischen 2. und nächstfolgendem 1. Herzton (Diastole).
Hämodynamik des 1. Herztons
Der 1. Herzton entspricht im Wesentlichen den Vibrationen, die bei der brüsken Spannung der Kammermuskulatur um das inkompressible Blut entsteht (Muskelanspannungston), weniger dem Geräusch, das beim eigentlichen Klappenschluss entsteht. Zeitlich fällt der 1. Herzton ungefähr mit dem Schließen der Mitral- und der Trikuspidalklappe zusammen. Der Mitralanteil (M1) kommt vor dem Trikuspidalanteil (T1), da die linksventrikuläre Systole kurz vor der rechtsventrikulären beginnt. Charakter des 1. Herztons
Der 1. Herzton ist dumpf. Er tönt über der Herzspitze lauter und dauert länger (etwa 0,14 Sekunden) als der 2. Herzton. Er kann physiologischerweise eng gespalten sein.
19
150
Kapitel 19 · Herz- und Lungenauskultation, Perkussion und Stimmfremitus
Auskultation des 1. Herztons
Der 1. Herzton ist am besten über der Herzspitze zu hören. Die Lautstärke des 1. Herztons ist abhängig von der 4 Stellung der Atrioventrikularklappen zu Beginn der Systole, 4 Geschwindigkeit und Kraft der Klappenanspannung und 4 Beschaffenheit der Klappensegel.
Der 2. Herzton Der 2. Herzton macht im Normalfall einen einheitlichen, kurzen, jedoch hellen Schalleindruck. Die Stelle, wo er am lautesten zu hören ist, liegt über der Herzbasis. Meist ist der 2. Herzton über der Herzspitze lauter zu hören als der 1. Herzton über der Basis. Der 2. Herzton entsteht durch Schluss der Aorten- und Pulmonalklappen. Hämodynamik des 2. Herztons
Der 2. Herzton entsteht durch die Vibration der Blutsäule in den Gefäßen unmittelbar nach Schluss der Taschenklappen zu Ende der Systole (Klappenschlusston). Das Blut prallt sozusagen beim Versuch zum Herzen zurückzufließen auf die geschlossenen Taschenklappen. Der Aortenanteil (A2, Schluß der Aortenklappe) liegt zeitlich vor dem Pulmonalanteil (P2, Schluß der Pulmonalklappen). Der 2. Herzton definiert das Ende der Systole und den Beginn der Diastole. Charakter des 2. Herztons
Der 2. Herzton ist schärfer, lauter und kürzer (0,11 Sekunden) als der 1. Herzton. Inspiratorisch kann er physiologischerweise gespalten sein. Auskultation des 2. Herztons Der Aortenklappenschluss (A2) ist normalerweise über dem
gesamten Präkordium zu hören. Sein Punktum maximum ist über dem 2. IKR rechts. Der an der Herzspitze auskultierbare 2. Herzton entspricht vorwiegend dem Aortenklappenschluss. Den Pulmonalklappenschluss (P2) hört man am besten über dem 2. IKR links. Der 2. Herzton ist über der Herzbasis lauter als über der Herzspitze.
Der 3. Herzton
19
Der 3. Herzton ist ein recht sensitiver Parameter zur Beurteilung einer Herzinsuffizienz. Er tritt 0,12–0,16 Sekunden nach dem 2. Herzton auf und entsteht durch rasche Füllung des Ventrikels in der frühdiastolischen Phase, wenn das Blut in die linke Herzkammer strömt (Füllungston). Durch die plötzliche Expansionsbegrenzung des linksventrikulären Myokards bilden sich niederfrequente Schwingungen, die dumpf und leise hörbar werden, und die mit dem Stethoskop vor allem im Bereich der Herzspitze als 3. Herzton wahrgenommen werden können: 4 Bei Kindern und Jugendlichen ist der 3. Herzton wegen der günstigen Schalleitungsbedingungen über der Herzspitze meist hörbar, hat jedoch keine pathologische Bedeutung. 4 Bei Erwachsenen kann ein 3. Herzton auf eine Funktionsstörung des linken Ventrikels oder eine Mitralklappeninsuffizienz hinweisen. Häufig stimmt der Auskultations-
befund mit dem Wert des B-Typ-natriuretischen Peptids (BNP) überein, dessen Anstieg ein wichtiger Laborparameter für die Herzinsuffizienz ist.
Der 4. Herzton Der 4. Herzton tritt 0,08–0,12 Sekunden vor dem 1. Herzton auf und wird präsystolisch durch die Vorhofkontraktion hervorgerufen (Vorhofton). Der Vorhofton ist am besten über der Herzspitze zu finden. Dritter und vierter Herzton werden nur dann hörbar, wenn unter pathologischen Bedingungen die Auslösemechanismen verstärkt sind.
Extratöne Zusätzlich können Extratöne auftreten. Bei verschiedenen kardiologischen Krankheitsbildern kann es zu einer zeitlichen Trennung von Aortenklappen- und Pulmonalklappenschlusston kommen: 4 Ist das Intervall kleiner als 0,06 Sekunden, spricht man von einem gespaltenen Herzton, 4 ist es größer als 0,06 Sekunden von einem gedoppelten zweiten Herzton. ? Auskultation des Herzens Auskultieren Sie bitte an zwei Probanden mittels Stethoskop die Geräusche über 4 Aortenklappe, 4 Pulmonalklappe, 4 Mitralklappe, 4 Trikuspidalklappe und 4 den zentralen Auskultationspunkt. Für Aorten- und Mitralklappe ist der Ort der größten Lautstärke (Punktum maximum) durch Anlegen der Membranseite des Stethoskops zu bestimmen. Außerdem sollen Rhythmus und Frequenz angegeben und 1. und 2. Herzton erkannt werden. Evt. vorhandene Herzgeräusche können am besten an den Auskultationsstellen von Aortenund Mitralklappe wahrgenommen werden (. Abb. 19.12).
19.4.2 Herzinsuffizienz Die zunehmende Multimorbidität und altersbedingte Veränderungen verschiedener Organe gelten als wichtige Prädiktoren für die Morbidität und Mortalität von Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung. Obwohl die Differenzierung zwischen Herzinsuffizienz und pulmonaler Manifestationen nicht die Aufgabe des Physiotherapeuten ist, wird der Unterschied der beiden klinischen Muster zur Kenntnis erläutert. Häufig präsentieren sich die Symptome einer (latenten) Herzinsuffizienz bei körperlicher Belastung, z.B. während einer physiotherapeutischen Behandlung. Bei Feststellen bzw. Erkennen dieser Symptome sollte ein Pneumologe oder Kardiologe konsultiert werden. In 7 Übersicht 19.7 sind klinische Zeichen der Herzinsuffizienz und des pulmonalen Bluthochdrucks einander gegenübergestellt.
151 19.6 · Literatur
. Abb. 19.12. Protokoll Auskultation, Perkussion und Stimmfremitus
19.5 . Übersicht 19.7. Klinische Zeichen bei Herzinsuffzienz und pulmonalem Bluthochdruck Herzinsuffizienz 1. Erhöhter Jugularvenendruck durch gestaute V. jugularis 2. Feine (im Frühstadium) Rasselgeräusche auf den Lungen 3. Galopprhythmus bei gespaltenem 2. bzw. 3. und/ oder 4. Herzton 4. Hepatomegalie 5. Kühle Extremitäten 6. Nach links verschobener Herzspitzenstoß 7. Normaler bis tiefer Blutdruck 8. Positiver Venenpuls 9. Tachykardie und Tachypnoe Pulmonaler Bluthochdruck 1. Gespaltener 2. Herzton 2. Präkordiale Pulsationen mit betontem Pulmonalklappenschlusston 3. Systolikum im 4. IKR parasternal links 4. Trikuspidalklappeninsuffizienz mit Systolikum über dem 3. bzw. 4. IKR rechts Ein erhöhter Jugularvenendruck und ein 3. Herzton sind unabhängige Prädiktoren für die Verschlechterung der Herzfunktion (Herzinsuffizienz). Zudem weisen periphere Ödeme sowie eine Hepatomegalie auf ein dekompensiertes Rechtsherzversagen (Cor pulmonale) hin.
Zusammenfassung
Bei Patienten mit geringer Ausprägung der COPD kann die körperliche Untersuchung unauffällig sein. Bei schwerer und sehr schwerer COPD sind die physikalischen Zeichen bereits spezifischer und sensitiver und sollten daher erkannt werden. Das normale Atemgeräusch ist abgeschwächt, die Herztöne sind leiser. Typischerweise kommt es zu einem verlängerten Exspirium und zu Giemen, Pfeifen und Brummen (vor allem bei forcierter Exspiration und während einer akuten Exazerbation). Bei fortschreitender Erkrankung können Zeichen der Lungenüberblähung mit tief stehender, schlecht verschieblicher Lungenbasis und hypersonorem Klopfschall festgestellt werden. Klinisch äußert sich die Lungenüberblähung häufig durch einen Fassthorax, den Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (v.a. bei akuter Exazerbation) und einen verkürzten KinnJugulum-Abstand. Während akuter entzündlicher Exazerbationen können auch fein- bis mittelblasige Rasselgeräusche als Ausdruck der Sekretion in den Bronchien nachgewiesen werden.
19.6 1. 2.
Literatur
Tillmann (2005) Atlas der Anatomie. Springer, Heidelberg Postiaux G (1990) Kinésithérapie respiratoire et auscultation pulmonaire. De Boeck, Bruxelles
19
20 20 Blutgasanalyse (BGA) A.J.R. van Gestel, H. Teschler
20.1
Objektivierung des arteriellen Sauerstoffwertes – 152
20.2
Indikation für eine Blutgasanalyse
– 152
In diesem Kapitel wird nicht auf die Interpretation der Blutgasanalyse eingegangen. Die Differenzierung der respiratorischen und metabolischen Veränderungen des arteriellen Blutes anhand der verschiedenen Parameter wurde in Kapitel 4, 5, 8 und 9 erläutert. Die Blutgasanalyse (BGA) gibt Aufschluss über die Gaszusammensetzung im arteriellen Blut und über weitere Parameter wie z.B. den pH-Wert. Die Quantifizierung des Sauerstoff- und Kohlensäuregehaltes im arteriellen Blut zeigt die Leistungsfähigkeit des Gasaustausches im Lungeninnern. Aus diesen Werten können dann weitere Größen errechnet werden.
Definition Sauerstoffmesswerte im menschlichen Organismus: 4 SO2: Sauerstoffsättigung des Blutes allgemein 4 SaO2: Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes, gemessen mittels Oxymetrie Normwert: 0,96–0,98 4 SpO2: Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes, gemessen mittels Pulsoxymetrie Normwert: 95–99% 4 paO2: Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut, gemessen durch BGA Normwert: 80–90 mmHg
Definition Die Blutgasanalyse ist die Messung von Sauerstoffpartialdruck, Kohlensäurepartialdruck und pH-Wert im arteriellen Blut. Die Blutgasanalyse zeigt die Leistungsfähigkeit des Gasaustausches und des SäureBasen-Haushaltes eines Patienten.
20.1
Objektivierung des arteriellen Sauerstoffwertes
Der arterielle Sauerstoffwert wird anhand der arteriellen Blutgasanalyse (BGA) und der nicht-invasiven Pulsoxymetrie beurteilt. Für die Blutgasanalyse gibt es zwei Möglichkeiten: 4 Das benötigte Blut wird direkt (arteriell oder kapillär) aus der Arterie oder dem Ohrläppchen entnommen. 4 Es wird gemischt-venöses Blut (Pulmonaliskatheter) oder venöses Blut (Zentralvenenkatheter) entnommen.
20.2
Indikation für eine Blutgasanalyse
Die Blutgasanalyse ist bei Vorliegen einer Dyspnoe ungeklärter Ursache und allen Lungenerkrankungen angezeigt und trägt damit zur Diagnosesicherung, Dokumentation und Verlaufskontrolle bei. Die arterielle BGA ist ebenfalls indiziert, wenn eine Quantifizierung des Schweregrades einer Azidose und eine genaue Differenzierung zwischen respiratorischem und metabolischem Anteil erforderlich sind. Die Indikationen sind in 7 Übersicht 20.1 zusammengefasst. . Übersicht 20.1. Indikationen für eine Blutgasanalyse 1. 2. 3. 4. 5.
Lungenfunktionsstörungen Schwere Kreislaufstörung (Schock) Stoffwechselstörungen Säure-oder Basenverluste (Diarrhoe, Erbrechen) Niereninsuffizienz
21 21 Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
21.1
Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) – 153
21.2
Die ventilatorisch bestimmte anaerobe Schwelle – 154
21.3
Der respiratorische Quotient
21.4
Oxygenierungsindex
21.5
Alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2)
21.7
Borg-Skala für Dyspnoe und Ermüdung
21.8
Praxis: Symptomlimitierter maximaler Ausdauerkapazitätstest – 156
21.9
6-Minuten-Gehtest
– 161
– 155 21.10 Shuttle-Walk-Test
– 161
– 155 21.11 Körperliche Aktivität, messbar durch Accelerometrie – 161 – 155 21.12 Literatur
21.6
– 156
Atem- und Herzfrequenzreserve
– 162
– 155
Gute Kenntnisse der Atem- und Leistungsphysiologie sind für Physiotherapeuten wichtig, da sie Grundlage für die Interpretation der funktionsdiagnostischen Untersuchungsergebnisse sind. Die Objektivierung der körperlichen Auslastung ist neben weiteren Untersuchungen1 eine wichtige diagnostische Maßnahme für die Gesamtbeurteilung lungenkranker Patienten und gehört zu den standardisierten Untersuchungsverfahren bei COPD-Patienten. Selbst wenn tatsächlich eine Erkrankung vorliegt, die eine Funktionseinschränkung des erkrankten Organs verursacht, ist eine reduzierte Leistungsfähigkeit nicht zwingend. Die Testergebnisse eines symptomlimitierten maximalen Ausdauerkapazitätstests ermöglichen eine Differenzierung der fallspezifischen leistungslimitierenden Faktoren bei lungenerkrankten Patienten. Durch ergänzende Untersuchungen können zusätzliche Informationen über die Funktion der einzelnen die Leistungsfähigkeit unterstützenden Organsysteme gewonnen werden. Mittels Spiroergometrie, Spirometrie, EKG-Ableitung und Blutgasanalyse können kardiale, ventilatorische, metabolische, muskuläre und psychogene Faktoren charakterisiert und bzgl. ihres Stellenwertes zur Differenzierung untersucht werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, zwischen manifesten (in Ruhe) und latenten (unter Belastung) leistungslimitierenden Faktoren zu unterscheiden. Alle Körpersysteme inkl. pulmonaler, kardiovaskulärer, endokriner, thermoregulatorischer und neuromotorischer 1 Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT), Ganzkörperplethysmographie, Lungenperfusionsszintigraphie, Lungenfunktionsdiagnostik, arterielle Blutgasanalyse, Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO), Echokardiographie, Belastungs-EKG
Mechanismen sind für die Aufrechthaltung der homöostatischen Bedingungen bei akuter Belastung verantwortlich. Über die kontinuierliche Messung von 4 Atemstromstärke, 4 Sauerstoffaufnahme, 4 Kohlendioxidabgabe und 4 Herzfrequenz lassen sich die Limitierungen der Leistungsfähigkeit und eine Differenzierung der leistungslimitierenden Körpersysteme erarbeiten. Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) definiert das Limit des kardiopulmonalen Systems und gilt als wichtigstes objektives Maß der körperlichen Leistungsfähigkeit. > Wichtig Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) definiert das obere Limit der Leistungsfähigkeit des kardiopulmonalen Systems.
21.1
Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max)
Definition Unter Sauerstoffaufnahme (VO2) versteht man die Menge an Sauerstoff, die in der Lunge aus der inspirierten Luft extrahiert wird. Dabei bildet die spirometrisch gemessene Sauerstoffaufnahme die Differenz zwischen der jeweils in- und exspirierten Sauerstoffmenge ab.
154
Kapitel 21 · Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests
. Tab. 21.1. Weber-Klassifikation der kardiopulmonalen Belastbarkeit [1–3]
Parameter der WeberKlassifikation
VO2-Interpretation
VO2max (ml/min/kg): 4 >20 4 16–20 4 10–16 4 6–10
Leistungseinschränkung: 4 Keine bis gering 4 Gering bis mittelschwer 4 Mittelschwer bis schwer 4 Schwer
Die Sauerstoffaufnahme steigt mit zunehmender Belastung linear an, bis die anaerobe Schwelle (VAT) erreicht ist und erreicht bei symptomlimitierter Ausbelastung den maximalen Wert (VO2max). Nach Überschreiten der anaeroben Schwelle kann die Linearität abweichen. Bei spiroergometrischen Belastungstests zeichnet sich der Maximalwert dadurch aus, dass die Sauerstoffaufnahmerate trotz steigender Belastung bzw. Leistung stagniert (. Abb. 21.1) und damit bei der Aufzeichnung ein charakteristisches Plateau erkenntlich wird. In . Tab. 21.1 ist die kardiopulmonale Belastbarkeit anhand der Weber-Klassifikation in Schweregrade eingeteilt.
Vorhersage-Formel VO2 max (ml/min/kg) nach Jones [4]:
21
Die absolute maximale Sauerstoffaufnahme wird in Litern/ Minute angegeben. Um Vergleiche zwischen Personen zu ermöglichen, wurde jedoch der Bezug zur Körpermasse eingeführt (l/min×kg -1).
21.2
Die ventilatorisch bestimmte anaerobe Schwelle
Ein nicht willkürlich beeinflussbarer Faktor zur Bestimmung der Belastbarkeit ist die anaerobe Schwelle. > Wichtig
> Wichtig Frauen: VO2 max (ml/min/kg) = 5,41×Größe (cm) - 0,025 ×Alter (Jahre) - 5,66 l/min Männer: VO2 max (ml/min/kg) = 3,01×Größe (cm) - 0,017 ×Alter (Jahre) - 2,56 l/min
Die maximale Sauerstoffaufnahme ist eine klassische Messgröße zur Beurteilung der aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit. Bei COPD-Patienten kann diese multifaktoriell limitiert sein. Unter Sauerstoffaufnahme (VO2) versteht man die Menge an Sauerstoff, die in der Lunge aus der inspirierten Luft extrahiert wird. Sie wird neben verschiedenen anthropometrischen Kenngrößen zusätzlich von folgenden Determinanten beeinflusst: 4 Ventilation, 4 Distribution, 4 Perfusion und 4 Diffusion und 4 Herzzeitvolumen (HZV).
(21.1)
. Abb. 21.1. Rampenbelastung bei der Spiroergometrie: VO2-Beziehung zu Belastung (Watt). VAT entspricht der O2-Aufnahme an der anaeroben Schwelle, ermittelt anhand der V-Slope-Methode unter Mitberücksichtigung der end-exspiratorischen Gaskonzentrationen. Gekennzeichnet ist, in welchem Bereich Sportler, normale Probanden und Patienten eine Spiroergometrie abbrechen würden. VAT Ventilatorisch bestimmte anaerobe Schwelle. VO2 Sauerstoffauf-
Oberhalb der anaeroben Schwelle muss die aerobe Energiegewinnung (mit Sauerstoff ) durch anaerobe Mechanismen unterstützt werden, und der Laktatspiegel im Blut ansteigt.
Mit Einsetzen dieser Netto-Laktatproduktion beginnt die VCO2 (CO2-Abgabe) von einem zuvor linearen Anstieg kur-
nahme in Litern/min. Schwarz Bei spiroergometrischen Belastungstests zeichnet sich der Maximalwert dadurch aus, dass die Sauerstoffaufnahmerate trotz steigender Belastung bzw. Leistung stagniert und damit bei der Aufzeichnung ein charakteristisches Plateau erkenntlich wird. Rot Frühe Plateaubildung von Sauerstoffaufnahme/Watt, z B. bei Herzinsuffizienz
21
155 21.6 · Atem- und Herzfrequenzreserve
venförmig nach oben abzuweichen. Da bei vermehrtem Laktatanfall (respiratorische Kompensation) die CO2-Abgabe (VCO2) stärker ansteigt als die Sauerstoffaufnahme (VO2), kann man die anaerobe Schwelle anhand der Kurvenänderung in der graphischen Darstellung der beiden Größen bestimmen (V-Slope-Methode) (. Abb. 21.1).
21.3
Der respiratorische Quotient
Aus dem Quotienten von ausgeatmetem Kohlendioxid (CO2) und eingeatmetem Sauerstoff (O2) ergibt sich der respiratorische Quotient (RQ) (neuer Begriff RER: Respiratory Exchange Ratio). Der RQ ist ein Parameter, der während körperlicher Belastungen eine valide Aussage über den Ausbelastungsgrad als momentane Verbrennungsleistung der Arbeitsmuskulatur erlaubt; der Wert schwankt von Ruhe zu körperlicher Belastung. Bei körperlicher Belastung mit hohen Belastungsintensitäten übersteigt die CO2-Produktion die O2-Aufnahme, so dass der RQ-Wert über 1 ansteigen kann. Ein RQ>1,0 weist somit auf eine Belastung oberhalb der anaeroben Schwelle hin [6]. In der Spiroergometrie gilt ein RQ>1,1 als Zeichen der Ausbelastung des Patienten. In Ruhe gilt ein RQ<1,0; dieser Wert hängt vom metabolischen Substrat der Energiegewinnung ab. Daher kann der RQ-Wert zum Abschätzen der Fettverbrennung (RQ~1,0) bzw. Kohlenhydratverbrennung (RQ~0,7) verwendet werden.
21.4
Oxygenierungsindex
Zur Beurteilung des transpulmonalen Sauerstofftransports wird der Oxygenierungsindex als Quotient aus dem arteriellen Sauerstoffpartialdruck paO2 (mmHg) und der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration FIO2 (mit 1,00 für 100%) errechnet. > Wichtig Oxygenierungsindex: OI (mmHg) = paO2/FIO2
21.5
(21.2)
Alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2)
Die AaDO2 ist die Differenz zwischen dem Sauerstoffpartialdruck im Alveolarraum (pAO2) und dem arteriellen Sauerstoffpartialdruck (paO2). In den Alveolen ist der Sauerstoffpartialdruck etwas niedriger als im Einatmungsgasgemisch. Grund dafür ist die ständige Diffusion (Abwanderung) von Sauerstoff aus den Alveolen in die Kapillaren und Diffusion von Kohlendioxid aus den Kapillaren in die Alveolen. Man bezeichnet das Gasgemisch in den Alveolen als Alveolarluft. Die Partialdrücke von Sauerstoff und Kohlendioxid werden im arteriellen Blut gemessen, und daraus wird anhand der Alveolarluftformel die AaDO2 berechnet. Breuer erwähnt, dass ein AaDO2-Wert bzw. die Berechnung des p(A-a)O2 eine wesentlich spezifischere Messgröße für die Bestimmung
der Blutgaswerte ist als der paO2-Wert, da diese die wirkliche alveolo-arterielle O2-Druckspannung für die Beurteilung der Oxygenierungsleistung der Lunge angibt [6]. Eine Gasaustauschstörung bei 4 einer Diffusionsstörung, 4 einem anatomischen Rechts-Links-Shunt oder 4 einer ventilatorischen Verteilungsstörung kann sehr effektiv anhand erhöhter p(A-a)O2-Werte diagnostiziert werden. Die Berechnung der AaDO2 erfolgt nach der Alveolargasformel (7 Formel 4.1).
21.6
Atem- und Herzfrequenzreserve
Atemreserve Die MVV ist als die maximale Ventilation definiert und errechnet sich aus FEV1 (l)×37,5 (7 Formel 17.4) [10, 11, 12]. Die Atemreserve (AR) ist definiert als die Differenz zwischen dem MVV und dem maximal erreichten Atemminutenvolumen (AMV) bei Belastung (7 Formel 17.5) [10, 11, 12]. Der Wert steht für die ventilatorische Limitation der Belastung. COPD-Patienten steigern das VE besonders durch Steigerung der Atemfrequenz und nicht durch Steigerung des Atemzugvolumens (VT). Demzufolge weisen sie eine niedrige Differenz zwischen MVV und bei Belastungsabbruch gemessener VE auf. Die AR ist bei COPD-Patienten häufig sehr gering. Die Atemreserve berechnet sich aus der willkürlich maximal möglichen Ventilation (MVV=Atemgrenzwert) und dem maximal erreichten Atemminutenvolumen bei Belastung. Gerade bei COPD-Patienten ist es erforderlich, die MVV nicht vereinfacht aus dem FEV1-Wert zu berechnen, sondern direkt über den maximalen Ventilationstest (12 Sekunden multipliziert mit 5). Bei gesunden Personen ist bei kardialer Auslastung i.d.R. noch eine ausreichende Atemreserve von 25–30% der MVV vorhanden [6]. Maximale Herzfrequenz und Herzfrequenzreserve Die Herzfrequenzreserve (HFR) wird individuell aus der alterabhängigen maximalen Herzfrequenz berechnet. Sie wird als Maß für die relative kardiale Auslastung gewertet. Unter Herzfrequenzreserve (HFR) versteht man die Differenz zwischen dem Sollwert der kalkulierten maximalen Herzfrequenz (HFmaxk) und der gemessenen HFmax (Normwert<15– 20 Schläge/min) am Ende des Belastungstests [7, 8]. Bei Patienten mit einer Herzerkrankung oder bei Patienten, die negativ chronotrope Medikamente einnehmen, ist die HFR erhöht. > Wichtig Die maximale Herzfrequenz wird folgermaßen berechnet: HFR = HFmaxk - HFmax Hfmax = 220 - Alter
(21.3)
! Cave Für gesunde Personen gilt: HFmax = 208 - (0,7 - Alter)
156
Kapitel 21 · Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests
Pathologie Bei COPD-Patienten mit einer Herzinsuffizienz wird aufgrund des eingeschränkten Schlagvolumens häufig das Herzminutenvolumen gesteigert, indem die Herzfrequenz unverhältnismäßig ansteigt. So zeigt sich bereits bei geringer Belastung eine hohe Herzfrequenz, die sich der maximalen Herzfrequenz nähert. Somit ist die HFR vermindert.
21.7
Borg-Skala für Dyspnoe und Ermüdung
Zur Bestimmung des subjektiven Anstrengungs- und Kurzatmigkeitsempfindens wird ergänzend zu den physiologischen Messgrößen die Borg-Skala eingesetzt, um die subjektive Belastung, d.h. Dyspnoeempfinden und muskuläre Anstrengung des Patienten ermitteln zu können. Der Patient schätzt sein Anstrengungs- und Kurzatmigkeitsempfinden auf einer Skala von 0–10 (0=»überhaupt nicht«, 10=»maximal«) selbst ein. Außerdem soll der Patient versuchen, die Ermüdung der Beine zu objektivieren. Eine Dyspnoe wird individuell und je nach Erkrankungsstadium unterschiedlich wahrgenommen. Vor allem für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und infolge ausgeprägter Dekonditionierung ist es häufig schwierig, zwischen Dyspnoe und Erschöpfung zu unterscheiden. Ebenfalls schwierig ist es, zwischen Beinarbeit und Atemarbeit zu unterscheiden [13].
21.8
Praxis: Symptomlimitierter maximaler Ausdauerkapazitätstest
Die klinische Fragestellung bei einer Belastungsuntersuchung erfordert es, ein Testverfahren zu nutzen, das auf möglichst optimalem Weg die individuell erreichbare Maximalleistung des Patienten erfasst und damit die gewünschte Antwort bringt. Durchführung Die Regeln zur Durchführung der Spiroergometrie sind aus den entsprechenden Übersichtsarbeiten zu entnehmen [14, 15]. Die Sicherheitsrichtlinien sind streng zu beachten. Die Geräte messen und werten alle wichtigen Atmungsvariablen aus, die Herzfrequenz und den arteriellen Blutdruck. Für jeden einzelnen Atemzug (»breath-by-breath-analysis«) wird
21
. Abb. 21.2. Spiroergometrie in halbliegender Position
der in- und exspiratorische Gasstrom und die mittlere exspiratorische O2- und CO2-Fraktion ermittelt (. Abb. 21.2). Während des Tests wird kontinuierlich die Herzfrequenz per EKG gemessen. Zu Anfang und Ende der Belastung sowie in meist einminütigen Intervallen wird der Blutdruck gemessen. Aus den Messwerten werden die abgeleiteten Größen errechnet und in Tabellenform dokumentiert. Validität und Reliabilität der Ergebnisse hängen davon ab, ob das Maximum der willentlichen Belastungsfähigkeit im Test erreicht wurde [16, 17, 18]. Dabei spielen der Motivationsgrad des Probanden sowie das Verhalten und die Erfahrung des Untersuchers eine wichtige Rolle. Der Ausdauerkapazitätstest dauert ca. 10–15 Minuten und kann entweder submaximal oder maximal ausgeführt werden. Der maximale Test wird generell symptomlimitiert durchgeführt, d.h., so lange, bis der Patient seine Grenzen wie z.B. schwere Dyspnoe, Schmerzen, Müdigkeit der Beine und allgemeine Müdigkeit erreicht und diese als limitierend empfindet. Bei einem Maximaltest wird die Belastung bis zur subjektiven Erschöpfung des Patienten bzw. bis zum Auftreten eines Abbruchgrundes gesteigert (7 Übersicht 21.1). Der rampenförmige Auslastungstest findet auf einem Fahrradergometer statt. Die Ausgangsleistung beträgt 10 Watt und wird sukzessive gesteigert, bis das Leistungslimit des Patienten erreicht ist. Die Leistungssteigerungsrate des symptomlimitierten Ausdauerkapazitätstests wird so eingestellt, dass das Leistungslimit des Probanden in 10–15 Minuten erreicht wird. Tipp
Für die Leistungsdiagnostik bei Patienten der kardiopulmonalen Risikogruppe ist wegen des erhöhten kardialen und respiratorischen Stresses dieser Tests eher der submaximale kardiovaskuläre Ausdauerkapazitätstest zu wählen.
. Übersicht 21.1. Abbruchkriterien für den maximalen Ausdauerkapazitätstest Eine Steigerung von 10 Watt/min wird solange weitergeführt, bis eines der folgenden Abbruchkriterien erreicht wird: 1. Maximale/submaximale Herzfrequenz erreicht 2. Dyspnoe 3. Myogene Erschöpfung 4. Belastungsgrenzwertüberschreitung des Blutdrucks 5. ST-Streckenhebung/-senkung>0,5 mV 6. Komplexe ventrikuläre Herzrhythmusstörungen 7. Andere vom Patienten angegebene Limitierung, die einen Abbruch rechtfertigt
157 21.8 · Praxis: Symptomlimitierter maximaler Ausdauerkapazitätstest
21.8.1 Primäres Ziel des symptomlimitierten
maximalen Ausdauerkapazitätstests 4 Primäres Ziel des Tests ist die Objektivierung der kardiovaskulären und pulmonalen Leistungskapazität. Diese Funktion wird z.B. bei thoraxchirugischen Eingriffen zur Abschätzung von Risiken und Komplikationen genutzt. 4 Der Test ein Provokationstest für evt. kardiologische und pulmonale Auffälligkeiten und Komorbiditäten. 4 Als prognostisches Instrument ist der Test hilfreich, um den weiteren Krankheitsverlauf [15] und die Arbeitsfähigkeit im Gutachterwesen einzuschätzen. Kardiopulmonale Belastungsuntersuchung mittels Spiroergometrie Wenn sich durch Krankengeschichte, körperliche oder konventionelle Untersuchungen keine sichere Erklärung für die vom Patienten beklagte Belastungsdyspnoe ergibt, kann eine kardiopulmonale Belastungsuntersuchung mittels Spiroergometrie durchgeführt werden. Die dabei ermittelbaren Parameter ergeben häufig wichtige Hinweise auf einen kardialen oder pulmonalen Hintergrund (7 Übersicht 21.2).
Eine Übersicht der wichtigsten gemessenen und errechneten Spiroergometrie-Parameter geben . Tab. 21.2 und Tab. 21.3.
21.8.3 Kardiopulmonale Funktionsstörungen Die Spiroergometrie gibt Antwort auf folgende Frage: Welcher pathophysiologische Mechanismus ist für die Veränderung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit bei Patienten mit einer Lungenerkrankung verantwortlich? Es gibt neun Funktionsstörungen (. Tab. 21.3), die die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit bei Patienten mit Lungenerkrankung behindern können [18, 24, 25, 26]. Das gemeinsame Hauptsymptom aller Funktionsstörungen ist ein verminderter paO2 (Hypoxämie). Kardiozirkulatorische Beeinträchtigung Eine kardiozirkulatorische Beeinträchtigung bedeutet, dass die altersspezifische maximale Herzfrequenz (HFmax =
. Übersicht 21.2. Zeichen der Limitierung Kardial bedingte Limitierung 1. Niedrige maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) bzw. frühe Plateaubildung von Sauerstoffaufnahme/Watt 2. Niedrige Leistung (Wmax) 3. Verminderte Herzfrequenzreserve<15 Schläge/min 4. Reduzierter Sauerstoffpuls und frühe Plateaubildung 5. Erhöhte Atemreserve (AR) 6. Erhöhtes Atemzeitvolumen/CO2-Abgabe als Hinweis auf erhöhte Totraumventilation [19] Pulmonal bedingte Limitierung 1. Verringerte maximale Sauerstoffaufnahme 2. Erhöhte Herzfrequenzreserve>15 Schläge/min 3. Verringerte Atemreserve (AR) [19]
. Abb. 21.3. Beispiel einer normalen Perfusion (rot) und Ventilation (blau) (van Gestel 2009)
21.8.2 Sekundäres Ziel des symptom-
limitierten maximalen Ausdauerkapazitätstests Der symptomlimitierte maximale Ausdauerkapazitätstest ist ein wichtiges und aussagekräftiges Instrument, um Dosierung und Einstellung eines individuell abgestuften kardiopulmonalen Ausdauerkapazität- Trainingsprogramms (IAAT) zu bestimmen und im weiteren Behandlungsverlauf den Therapieerfolg zu beurteilen [20, 21]. Wichtig ist die objektive Bewertung der kardiopulmonalen Ausdauerkapazität des Patienten, um diesen in ein spezifisches und adäquates körperliches Trainingsprogramm in der pulmonalen Rehabilitation einstufen zu können. In der pulmonalen Rehabilitation wird i.d.R. eine Anfangsbelastung von 60–75% der maximalen Leistungsfähigkeit (Wmax) gewählt [16, 22, 23].
. Abb. 21.4. Beispiel: Reduziertes Herzzeitvolumen (hellrot) und normale Ventilation (blau)
21
158
Kapitel 11 · Modell der segmentalen Dysbalance
. Tab. 21.2. Erklärung der spiroergometrisch gemessenen Parameter
Kenngröße
Beschreibung
Anaerobe Schwelle (VAT)
Die individuelle anaerobe Schwelle gibt den Punkt an, ab dem der Patient neu hinzukommendes Laktat nicht mehr schnell genug abbauen kann; er übersäuert
Maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) (ml/kg/min)
Die VO2max zeigt die Fähigkeit des Patienten, mit Sauerstoff Energie zu produzieren, d.h. diesen über die Lunge aufzunehmen, von dort in das Blut und die Muskulatur zu transportieren, wo er schließlich mit die Energieträger (Fette und Kohlenhydrate) verbrennen hilft
Maximum Workload (Watt)
Die Wattzahl stellt die von Patienten erreichte maximale Leistung dar
Herzfrequenzreserve (HFR)
Die Herzfrequenzreserve wird individuell aus der altersabhängigen maximalen Herzfrequenz berechnet. Sie wird als Maß für die relative kardiale Auslastung gewertet. Unter Herzfrequenzreserve versteht man die Differenz zwischen dem Sollwert der errechneten maximalen Herzfrequenz (HFmaxk) und der gemessenen HFmax (Normwert<15 Schläge/min) zu Ende des Tests HFR = HFmaxk - HFmax bei voller Belastung
MVVk
Die MVV ist als die maximale Ventilation/min (»maximal voluntary ventilation«) MVVk = 37,5×FEV1
Atemreserve (AR)
Die AR ist definiert als MVV minus der bei Belastungsabbruch gemessenen VEmax und kann eine ventilatorische Belastungslimitation anzeigen AR = MVVm - VEmax
DI
Dyspnoe-Index: DI = VE/MVV
VD-/V T-Ratio
•VD (Totraumventilation, l/min) •V T (Atemzugvolumen, l)
paO2 (mmHg)
Alveolärer Sauerstoffpartialdruck
paCO2 (mmHg)
Alveolärer Kohlenstoffpartialdruck
AaDO2
Alveolo-arterieller pO2-Gradient
HFmaxk = 220 - Alter
Altersspezifische maximale Herzfrequenz
. Tab. 21.3. Beschreibung der neun Funktionsstörungen (7 Anlage II)
Funktionsstörung
Kennzeichen
paO2 bei Belastung
1. Kardiozirkulatorische Beeinträchtigung
Geringe HFR
Verschlechterung
2. Ventilatorische Beeinträchtigung bzw. alveoläre Hypoventilation
Hypoxämie und Hyperkapnie; geringe Atemreserve
Verschlechterung
3. Ventilatorische Verteilungsstörung bzw. VA/Q-Missverhältnis
Hypoxämie
Normalisierung
4. Zirkulatorische Verteilungsstörung bzw. VA/Q-Missverhältnis
Hypoxämie
Normalisierung
5. Diffusionsbeeinträchtigung
Hypoxämie
Verschlechterung
6. Anatomischer Rechts-Links-Shunt
Hypoxämie°°
Verschlechterung
7. Verminderte Muskelkraft der unteren Extremität
Borg: Ermüdung der Beine
8. Pulmonale Hypertension
Synkopen
Abrupte Verschlechterung
9. Psychogene Einflüsse
Angst, Motivation
Normal
HFR Herzfrequenzreserve. AR Atemreserve. °° Kein Benefit von 100% O2-Supplement (van Gestel 2009)
159 21.8 · Praxis: Symptomlimitierter maximaler Ausdauerkapazitätstest
220 - Lebensalter [30]) zu Ende der Belastung erreicht wurde. Dies bedeutet ebenfalls, dass die HFR zu Ende der Belastung sehr gering ist [26, 27, 28, 29] (. Abb. 21.3, Abb. 21.4). Ventilatorische Beeinträchtigung/ alveoläre Hypoventilation Eine ventilatorische Beeinträchtigung bedeutet, dass die maximale Ventilation (MVV) zu Ende der Belastung erreicht wurde [31]. Dies bedeutet ebenfalls, dass die Atemreserve (AR) zu Ende der Belastung sehr gering ist. Eine respiratorische Globalinsuffizienz (»type II ventilatory failure«) zeigt an, dass die Belüftung der Alveolen, d.h. der Gasaustausch der Alveolarluft mit der atmosphärischen Luft nicht ausreicht, um das metabolisch gebildete (und aus dem Bikarbonatpuffer freigesetzte) Kohlendioxid (CO2) vollständig zu eliminieren und damit den arteriellen paCO2 konstant zu halten [18]. Dieser pathologische Vorgang tritt z.B. bei Atempumpversagen auf (. Abb. 21.5).
. Abb. 21.5. Beispiel: Normale Perfusion (rot) und reduzierte allgemeine Ventilation (blau)
Ventilatorische Verteilungsstörung/VentilationsPerfusions-Missverhältnis Bei einer ventilatorischen Verteilungsstörung (funktioneller Rechts-Links-Shunt) sind die Alveolen normal perfundiert, aber inadäquat ventiliert, wodurch das diese Alveolen passierende venöse Blut nicht vollständig mit Sauerstoff angereichert wird. Bei Belastung kommt es zu einer Steigerung der alveolären Ventilation und zu einem vermehrten Freisetzen von Katecholaminen, die bronchialerweiternd wirken, was eine Normalisierung der arteriellen Blutgase zur Folge hat. Außerdem verbessert sich bei Belastung das Ventilations-PerfusionsVerhältnis, so dass die Totraumventilation von 1/3 in Ruhe auf 1/5 bei Belastung abnimmt. Durch diesen adaptiven Mechanismus wird gewährleistet, dass die Blut- und Atemgase anfangs konstant bleiben bzw. sich sogar normalisieren (. Abb. 21.6). Zirkulatorische Verteilungsstörung/VentilationsPerfusions-Missverhältnis Eine zirkulatorische Verteilungsstörung (Totraumventilation) bedeutet, dass die Alveolen inadäquat perfundiert, aber gut ventiliert sind, wodurch das Blut unzureichend mit Sauerstoff gesättigt wird. Bei Belastungsbedingungen kommt es zu einer Steigerung des Herzzeitvolumens (HZV) und einer Zunahme des pulmonal-arteriellen Drucks mit konsekutiver Steigerung der alveolaren Perfusion. Folge ist die Normalisierung der arteriellen Blutgase. Diese Beobachtungen unterstreichen die zentrale Rolle des Herzminutenvolumens bzw. der gemischtvenösen O2-Sättigung als extrapulmonale Determinanten der arteriellen Oxygenierung (. Abb. 21.7). Diffusionsbeeinträchtigung Die Diffusionskapazität wird durch die Beschaffenheit der alveolo-kapillaren Membran und die Größe des für den Gasaustausch zur Verfügung stehenden Kapillargefäßbettes bestimmt. Eine respiratorische Partialinsuffizienz (»type I ventilatory failure«, Diffusionsinsuffizienz) bedeutet, dass der O2-Gasaustausch aus dem Alveolarraum ins Kapillarblut behindert ist. Eine Diffusionsbeeinträchtigung zeichnet sich durch einen niedrigen paO2 (Hypoxämie) bei normalem CO2-
. Abb. 21.6. Beispiel: Normale Perfusion (rot) und teilweise reduzierte alveolare Ventilation (blau)
. Abb. 21.7. Beispiel: Reduzierte Perfusion (rot) und normale Ventilation (blau)
21
160
Kapitel 21 · Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests
. Abb. 21.8. Beispiel: Normale Perfusion (rot), normale Ventilation (blau) und reduzierte Diffusion
. Abb. 21.9. Beispiel: Normale Perfusion (rot) und reduzierte alveolare Ventilation (blau)
Partialdruck (Normokapnie) aus [30, 26, 18]. Bei körperlicher Belastung wird die Diffusion durch unzureichende Kontaktzeit zwischen Alveolen und Kapillaren zunehmend beeinträchtigt, und die arteriellen Blutgaswerte werden schlechter. Bei Atmung von reinem O2 (FIO2-Erhöhung) steigt der arterielle paO2-Wert wieder an. Normalerweise lässt sich eine arterielle Sättigung<90% SaO2 mittels niedrig dosierter Sauerstoffinsufflation in normale Bereiche anheben. Eine FIO2-Erhöhung führt zu einem sofortigen und guten Anstieg des arteriellen paO2 bei Diffusionsstörung [32] (. Abb. 21.8).
bruch des symptomlimitierten Ausdauerkapazitätstests keine Schwierigkeiten, die Atemfrequenz zu erhöhen und zu vertiefen, und sie erwähnen keinen hohen Dyspnoewert.
Anatomischer Rechts-Links-Shunt/intrapulmonaler Rechts-Links-Shunt Ein anatomischer Rechts-Links-Shunt bedeutet, dass eine direkte Kurzschlussverbindung zwischen dem arteriellen und dem venösen Teil des pulmonalen Kreislaufs besteht. Intrapulmonale Rechts-Links-Shunts entstehen, wenn die Alveolen infolge einer mechanischen Obstruktion kollabieren und nicht ventiliert werden, oder wenn sie durch eine akute Pneumonie vollständig mit Exsudat gefüllt sind. Je nach Ausmaß des anatomischen Rechts-Links-Shunts ist das arterielle Blut hypoxämisch. Bei Atmung von reinem O2 (FIO2-Erhöhung) findet kein Anstieg des arteriellen paO2-Wertes statt (. Abb. 21.9). Patienten mit intrapulmonalem Rechts-Links-Shunt, also nicht ventilierten Lungenregionen, und Patienten mit einer Verteilungsstörung in minderventilierten Lungenarealen reagieren unterschiedlich auf das Einatmen von reinem Sauerstoff. Bei einer Verteilungsstörung führt eine FIO2-Erhöhung zu einem sofortigen Anstieg des paO2, während in Shunt-Regionen kein Effekt festzustellen ist [32].
21
Periphere Muskelkraft Patienten mit einer Schwächung der peripheren Muskelkraft erwähnen ganz deutlich die betroffenen Muskeln als Ursache für den Abbruch des Belastungstests. Als limitierender Faktor gelten vor allem die Muskeln der unteren Extremität, die für das Gehen eingesetzt werden. Die Patienten haben nach Ab-
Pulmonale Hypertonie Obwohl die frühen Symptome der pulmonalen Hypertonie (PH) wie Belastungsdyspnoe, Leistungsintoleranz oder Müdigkeit unspezifisch sind, können Schwindelanfälle und Synkopen (umgangssprachlich als Kreislaufkollaps bezeichnet) bei körperlicher Belastung die Manifestation anzeigen [33]. Durch den erhöhten Stoffwechsel bei körperlicher Belastung können peripherer und pulmonal-arterieller Widerstand übermäßig annsteigen (hypoxische pulmonale arterielle Vasokonstriktion , HPV), wodurch nachfolgend eine arterielle und pulmonale Hypertonie entsteht. Gleichzeitig steigt der Hirndruck an, und die zerebrale Perfusion nimmt ab. Respirato-
. Abb. 21.10. Beispiel: Reduzierte Perfusion durch hypoxische Vasokonstriktion (rot) als Folge einer reduzierten alveolaren Ventilation (blau)
161 21.11 · Körperliche Aktivität, messbar durch Accelerometrie
risches und metabolisches System sind derart belastet, dass die Situation lebensbedrohlich ist (. Abb. 21.10). (Typischerweise ist auch der Anstieg des Sauerstoffpulses (VO2/HR) bei Belastung vermindert, ebenso wie der Abfall des VE/VCO2-Quotienten. Dadurch verstärkt sich die Beziehung zwischen Ventilation und CO2-Abgabe (VE/VCO2-Slope), und die Kurve steigt steiler an [33].)
> Wichtig Vorhersageformel für den 6-Minuten-Gehtest nach Troosters: 6MWD (m) = 218+(5,14×Größe [cm] - 5,32×Alter [Jahre]) - (1,8×Gewicht [kg]+51,31×Geschlecht) (21.4) (Frauen: 0, Männer: 1)
! Cave Generell wird empfohlen, Belastungen zu vermeiden, die zu Dyspnoe, thorakalen Schmerzen oder Schwindel/ Synkopen führen. Dennoch wird ein speziell abgestimmtes körperliches Training empfohlen, nachdem eine prospektive randomisierte Studie dessen Nutzen nachweisen konnte [34].
Psychogene Einflüsse Patienten mit einer COPD haben häufig psychogene Beeinträchtigungen wie Angst und Depressionen, die sich vor allem bzgl. Motivation und Engagement einschränkend auswirken. Als limitierenden Faktor geben die Patienten häufig eine Dyspnoe an, aber sie haben keine sonstigen physischen Limitierungen.
21.9
6-Minuten-Gehtest
Der 6-Minuten-Gehtest (6MWD) ist ein standardisierter Funktionstest zur Ermittlung der körperlichen Leistungsfähigkeit [37], der primär für Patienten mit COPD entwickelt wurde. Durch wiederholten Einsatz kann die Wirkung einer Therapie (Medikamente, Training, Operation) auf die körperliche Leistungsfähigkeit quantifiziert werden [35, 36]. Testausführung Der 6MWD misst die Gehstrecke, die ein Patient bei bestmöglicher Einteilung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit auf einem 30 Meter langen, ebenerdigen Korridor in 6 Minuten zurücklegt [35, 38]. Der Test wird mit unterstützender Motivation [39] des Physiotherapeuten absolviert [35]. Die Patienten werden vor jeder Testung mit standardisierten Texten informiert, dass sie versuchen sollten, in 6 Minuten eine möglichst lange Strecke zu gehen. Der Patient bestimmt sein Gehtempo selbst. Pausen sind erlaubt, und alle 30 Sekunden wird die Zeit angesagt. Um eine submaximale Leistung des Patienten zu erreichen, wird zur bestmöglichen Leistung ermutigt [35]. Vor dem Gehtest soll jeder Patient eine 5-minütige Ruhephase einlegen, sitzend und möglichst ohne zu sprechen. Unmittelbar vor und direkt nach dem Test soll der Patient die subjektiv empfundene Atemeinschränkung auf einer modifizierten Borg-Skala (s.o.) angeben. Mittels Pulsoxymetrie werden kontinuierlich Puls, Sauerstoffsättigung und Atemfrequenz aufgezeichnet. Die Gehstrecke wird in Metern erfasst. Für die Berechnung der prozentualen Abweichung des Istwerts vom Sollwert der Gehstrecke wird die Vorhersageformel von Troosters [40] zugrunde gelegt.
21.10
Shuttle-Walk-Test
Im Gegensatz zum 6-Minuten-Gehtest ist der ShuttleWalk-Test ein Test der maximalen Leistungsfähigkeit. 1992 wurde der Test erstmals von Singh [41, 42] als Alternative zum 6-Minuten-Gehtest entwickelt, mit der Absicht, Probleme einer unzureichenden Standardisierung zu vermeiden [43-46]. Testausführung Der Patient legt pro Shuttle in zunehmendem Tempo eine Gehstrecke (=Shuttle) um zwei Pfosten von exakt 10 m zurück. Die Geschwindigkeit wird per Signalton von einer Kassette vorgegeben und jede Minute gesteigert. Der Versuch wird abgebrochen, wenn der Patient die vorgegebene Geschwindigkeit nicht mehr einhalten kann, oder wenn seine Herzfrequenz 70% des alterskorrigierten Maximums übersteigt. Kenngröße ist die Gehstrecke bzw. Anzahl der Shuttles bis zum Testabbruch. Definition Der Shuttle-Walk-Test erfasst wie der 6-Minuten-Gehtest eine Gehdistanz, wobei der Gangrhythmus durch ein Metronom vorgegeben wird.
21.11
Körperliche Aktivität, messbar durch Accelerometrie
Bei vielen chronischen Lungenerkrankungen ist die körperliche Aktivität (»physical activity«, PA) des Patienten eingeschränkt [53, 54, 48–52]. Im Vergleich mit Lungengesunden verbringen COPD-Patienten z.B. signifikant mehr Zeit im Sitzen oder Liegen [59]. Einige Autoren stellten jedoch fest, dass die pulmonale Rehabilitation bei COPD-Patienten einen positiven Einfluss auf die körperliche Aktivität hat [55–58]. Das tragbare metabolische Aktivitäts- und Lebensstilmonitoring ermöglicht es, körperliche Aktivität verlässlich erfassbar zu machen. Mittels eines Armbands, dem Accelerometer (Beschleunigungsmesser), wird die auf eine Testmasse wirkende Trägheitskraft bestimmt (. 21.11). Das Gerät misst Bewegungen in der zweidimensionalen Ebene oder im dreidimen-
sionalen Raum. Außerdem erfasst das Gerät Parameter wie z.B. Schrittzahl, Energieverbrauch (»total energy expenditure per day«, TEE, Einheit: Kilokalorien pro 24 Stunden, kcal/ 24 h) und die Zeit der körperlichen Aktivität. Energieverbrauch ist physikalisch als Arbeit pro Zeit definiert, wobei 1 kcal 4,19 kJ und 1 kJ 0,24 kcal entsprechen.
21
162
Kapitel 21 · Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests
a
21
b . 21.11 a, b. Tragbares metabolisches Aktivitäts- und Lebensstilmonitoring – SenseWear Armband, ® Bodymedia Inc. in Pittsburgh. Wird in der Schweiz vertrieben über: ResMed Switzerland AG,
Viaduktstrasse 40, CH-4051 Basel, Phone +41 (0) 61 564 7000, Fax +41 (0) 61 564 7010, E-Mail
[email protected], www.armbandmonitor.ch
Außerdem wird das metabolische Äquivalent (MET) genutzt, um den Energieverbrauch verschiedener Aktivitäten zu quantifizieren. MET erfasst den Energieumsatz einer Person, bezogen auf den Ruheumsatz im Verhältnis zum Körpergewicht. 1 MET entspricht dem Sauerstoffverbrauch in vollkommener Ruhe. Beim gesunden Menschen sind dies etwa 3,5 ml Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht in der Minute (ml/kg/min). Zusätzlich entspricht ein metabolisches Äquivalent (1 MET) dem Kalorienverbrauch von 1 Kilokalorie je Kilogramm Körpergewicht pro Stunde [60, 62]. Moderate körperliche Aktivität ist definiert als ein Energieverbrauch von 3–6 MET [60, 63]. Die Messmethode berücksichtigt vor allem Messdaten bzgl. des Energieumsatzes bei körperlicher Aktivität, jedoch nicht bzgl. der Energie, die für die Atmung gebraucht wird. Die Ermittlung des Energieverbrauchs der gesteigerten Atemarbeit ist bei Patienten mit einer obstruktiven Lungenerkrankung zwar hoch relevant, gestaltet sich generell aber sehr schwierig. Zudem ist der Energieumsatz von verschiedenen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Körpergröße, Muskelmasse, Wärmedämmung durch Kleidung und dem allgemeinen Gesundheitszustand abhängig. Die Weltgesundheitsorganisation hat den Begriff der körperlichen Aktivität eingeführt. Errechnet wird diese, indem der tägliche Gesamtenergieumsatz durch den Ruheumsatz dividiert wird [60, 61]: 4 Werte einer körperlichen Aktivität>1,7 zeigen einen aktiven Lebensstil an. 4 Werte zwischen 1,7 und 1,4 verweisen auf eine überwiegend sitzende Tätigkeit. 4 Werte<1,4 definieren einen sehr inaktiven Lebensstil [60, 61].
ermittelte Gehstrecke korreliert hoch mit der per Accelerometer gemessenen körperlichen Aktivität [47, 50, 51]. Das SenseWear Armband wird am Oberarm angebracht und sollte 5 Tage lang (vorzugsweise von Montag bis Freitag) möglichst rund um die Uhr getragen werden.
Das SenseWear Armband ist ein sehr geeignetes Mittel für die Feststellung der Alltagsaktivität. Die im 6-Minuten-Gehtest
21.12
Literatur
1. Weber KT, Janicki JS (1986) Cardiopulmonary exercise testing. WB Saunders, Philadelphia 2. Weber KT, Janicki JS (1985) Cardiopulmonary exercise testing for evaluation of chronic cardiac failure. Am J Cardiol 55: 22A 3. Weber KT, Kinasewitz GT, Janicki JS, Fishman AP (1982) Oxygen utilization and ventilation during exercise in patients with chronic cardiac failure. Circulation 65: 12–13 4. Jones NL, Markrides L, Hitchcock C (1985) Normal standards for an incremental progressive cycle ergometer test. Am Rev Respir Dis 31: 700–708 5. Kroidl RF, Schwarz S, Lehnigk B (2007) Kursbuch Spiroergometrie. Thieme, Stuttgart 6. Breuer HWM (2004) Spiroergometrie-Vorschläge zur Standardisierung und Interpretation. Pneumologie 58: 553–565 7. Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, Gezondheiszorg Maarssen 8. Wonisch M, Fruhwald FM, Hödl R et al. (2003) Spiroergometrie in der Kardiologie. Grundlagen der Physiologie und Terminologie. Journal für Kardiologie 10(9): 383–390 9. Boemke W, Krebs MO, Rossaint R (2004) Blutgasanalyse. Anaesthesist 53: 471–494 10. Roca J, Whipp BJ (1997) Clinical exercise testing with reference to lung diseases: indications, standardization and interpretation strategies. Euro Respir J 10: 2662–2689 11. Roca J, Rabinovich R (2005) Clinical exercise testing. Eur Respir Mon 31: 146–165
163 21.12 · Literatur
12. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2). Organsysteme verstehen. Thieme, Stuttgart 13. Gugger M, Bachofen H (2001) Dyspnoe Teil 1: Grundlangen und Pathophysiologie. Schweiz Med Forum 6: 138–142 14. Bernards JA, Bouman LN (1994) Fysiologie van de mens. Bohn Stafleu van Loghum, Houten Diegem 15. Wasserman K, Hansen JE, Sue DY et al. (2005) Principles of exercise testing and interpretation. Lippincott Williams & Wilking, Philadelphia 16. Bekkering GE, Hendriks HJM, Chadwick-Staver RMV, Paterson WJ (1998) Guidelines for physiotherapeutic management in chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Nederlands Paramedisch Instituut, Amersfoort 17. Dean E, Frownfelter D (2006) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence and Praxis. Elsevier, Mosby 18. Haber P (2004) Lungenfunktion und Spiroergometrie. Springer, Wien New York 19. Rühle KH (2006) Kardiale oder pulmonale Dyspnoe – Aussagemöglichkeiten der Ergospirometrie. Pneumologie 60: 777–783 20. Roca J, Whipp BJ (1997) Clinical exercise testing with reference to lung diseases: indications, standardization and interpretation strategies. Euro Respir J 10: 2662–2689 21. Mertzlufft F, Biedler A, Risch A (1998) Invasives Monitoring des pulmonalen Gasaustausches. Intensivmed 35-I: 36–42 22. Maltais F, Leblanc P, Simard C (1996) Skeletal muscle adaptation to endurance training in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 154: 442–447 23. Maltais F, Leblanc P, Jobin J (1997) Intensity of training and physiologic adaptation in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 155: 555–561 24. Vos JA (2001) Ergometry en trainingsbegeleiding. NPI, Amersfoort 25. Dempsey JA (1986) Is the lung built for exercise? Med Sci Sports Exerc 2: 143–155 26. DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Appraoch. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 27. Fox EL, Browers RW, Foss ML (2001) Fysiologie voor lichamelijke opvoeding, sport en revalidatie. Elsevier 28. Fox EL, Browers RW, Foss ML (1993) Physiological basis for exercise and sport. Brown and Benchmark 29. Hulzebos E, Loo H v d (2002) Paramedische trainingsbegeleiding. Training van het cardiorespiratoir uithoudingsvermogen. Bohn Stafleu van Loghum, (2) 30. Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, Gezondheiszorg Maarssen 31. Jones NL, Campbell EJM (1982) Clinical Exercise Testing. 2nd ed. Saunders, Philadelphia 32. Calzia E, Radermacher P (1999) Klinische Bedeutung von Ventilations- und Perfusionsbeziehungen. Intensiv med, 36 suppl I: 9–12 33. Olschewski H, Hoeper MM, Ewert R et al. (2007) Diagnostik und Therapie der chronischen pulmonalen Hypertonie. Clin Res Cardiol 96: 301–330 34. Mereles D, Ehlken N, Kreuscher S (2006) Exercise and respiratory training improve exercise capacity and quality of life in patients with severe chronic pulmonary hypertension. Circulation 114: 1482–1489 35. American Thoracic Society (2002) ATS statement: guidelines for the six-minute walk test. Am J Respir Crit Care Med 166: 111–117 36. Vogelmeier C, Buhl R, Criee CP, Gillissen A et al. (2007) Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) Pneumologie 61: 1–40
37. Guyatt GH, Sullivan MJ, Thompson PJ et al. (1985) The 6-minute walk: a new measure of exercise capacity in patients with chronic heart failure. Can Med Assoc J 132: 919–923 38. Butland RJ, Pang J, Gross ER, Woodcock AA, Geddes DM (1982) Two-, six- and 12-minute walking tests in respiratory disease. Br Med J (Clin Res Ed) 284: 1607–1608 39. Barberà JA, Rodriguez-Roisin R, Roca J et al. (2005) Encouraged 6-min Walking Test Indicates Maximum Sustainable Exercise in COPD Patients. Chest 128; 55–61 40. Troosters T, Gosselink R, Decramer M (1999) Six minute walking distance in healthy elderly subjects. Eur Respir J 14: 270–274 41. Singh SJ (1992) Development of a shuttle walking test of disability in patients with chronic airways obstruction. Thorax 47: 1019–1024 42. Singh SJ (1992) Keep fit for the lungs, the shuttle walking test. Department of Respiratory Medicine Glenfield General Hospital, Leicester 43. Revill SM, Morgan MDL, Singh SJ, Williams J, Hardman AE (1999) The endurance shuttle walk: a new field test for the assessment of endurance capacity in chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 54: 213–222 44. Eaton T, Young P, Nicol K, Kolbe J (2006) The endurance shuttle walking test: a responsive measure in pulmonary rehabilitation for COPD patients. Chronic Respiratory Disease 3: 3–9 45. Pepin V, Saey D, Whittom F, LeBlanc P, Maltais F (2005) Walking versus Cycling: Sensitivity to Bronchodilation in Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Am J Respir Crit Care Med 172: 1517– 1522 46. Pepin V, Brodeur J, Lacasse Y et al. (2007) Six-minute walking versus shuttle walking: responsiveness to bronchodilation in chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 62: 291–298 47. Pitta F, Troosters T, Spruit MA, Probst VS, Decramer M, Gosselink R (2005) Characteristics of physical activities in daily life in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 171(9): 972–977 48. Pitta F, Takaki MY, Oliviera NH, Santanna TJ, Fontana AD, Camillo CA, Probst VS, Brunetto AF (2008) Relationship between pulmonary function and physical activity in daily life in patients with COPD. Respir Med 102(8): 1203–1207 49. Nguyen HQ, Steele B, Benditt JO (2006) Use of accelerometers to characterize physical activity patterns with COPD exacerbations. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 1(4): 455–460 50. Belza B, Steele BG, Hunziker J, Lakshminaryan S, Holt L, Buchner DM (2001) Correlates of physical activity in chronic obstructive pulmonary disease. Nurs res 50(4): 195–202 51. Watz H, Waschki B, Meyer T, Magnussen H (2009) Physical activity in Patients with COPD. Eur Respir J 33: 262–272 52. Watz H, Waschki B, Boehme C, Claussen M, Meyer T, Magnussen H (2008) Extrapulmonary Effects of Chronic Obstructive Pulmonary Disease on Physical Activity. Am J Respir Crit Care Med 177: 743– 751 53. West JB, Wagner PD, Neder JA, Scano GL, Jones NL, Zakynthinos SG, Vogiatzis I, Nici L, Calverley PM, Gosker HR (2008) The major limitation to exercise performance in COPD is inadequate energy supply to the respiratory and locomotor muscles vs. lower limb muscle dysfunction vs. dynamic hyperinflation. J Appl Physiol 105: 758– 762 54. Prefaut CH, Varray A, Vallet G (1995) Pathophysiological basis of exercise training in patients with chronic obstructive lung disease. Eur Respir Rev 5: 27–32 55. Sewell L, Singh SJ, Williams JE (2005) Can individualized rehabilitation improve functional independence in elderly patients with COPD? Chest 128: 1194–1200
21
164
Kapitel 21 · Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests
56. Mercken EM, Hageman GJ, Schols AM (2005) Rehabilitation decreases exercise-induced oxidative stress in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 172: 994–1001 57. Pitta F, Troosters T, Spruit MA (2005) Effects of pulmonary rehabilitation on physical activities in daily life in COPD patients. Proc Am Thorac Soc 2: A316 58. Pitta F, Troosters T, Spruit MA (2005) Does pulmonary rehabilitation improve physical activities in daily life in COPD? Eur Respir J 26 Suppl: 181 59. Garcia-Aymerich J, Farrero E, Felez MA, Izquierdo J, Marrades RM, Anto JM (2003) Risk factors of readmission to hospital for a COPD exacerbation: a prospective study. Thorax 58: 100–105 60. Manini TM, Everhart JE, Patel KV (2006) Daily activity energy expenditure and mortality among older adults. JAMA 296: 171–179 61. Magnussen H, Waschki B, Watz H (2009) Die Messung der körperlichen Aktivität von Patienten mit chronisch-obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem. Medizinische Klinik 104: 303–308 62. Ainsworth BE, Haskell WL, Whitt MC (2000) Compendium of physical activities: an update of activity codes and MET intensities. Med Sci Sports Exerc 32 Suppl: 498–504 63. Pate RR, Pratt M, Blair SN (1995) Physical activity and public health. A recommendation from the Centers for Disease Control and Prevention and the American College of Sports Medicine JAMA 273: 402–407
21
22 22 Kraftmessung der peripheren Muskulatur A.J.R. van Gestel, J. Steier, S. Teschler, H. Teschler
22.1
Anpassung der biochemischen und metabolischen Versorgung der peripheren Muskulatur – 165
22.2
Anpassung der peripheren Muskulatur durch Hypertrophietraining – 166
Wie bei Patienten mit chronischem Herzversagen führen die krankheitsbedingten degenerativen Prozesse bei COPD-Patienten zu funktionellen Anpassungen und strukturellen Veränderungen der biochemischen und metabolischen Versorgung der peripheren Muskulatur [13, 1]. Hypertrophietraining genießt bei der Behandlung von COPD-Patienten einen Mehrwert, da diese Patienten u.a. durch eine verminderte periphere Muskelkraft in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind [1, 12, 13]. Ein Hypertrophietraining scheint deutlichere Effekte auf die krankheitsbezogene Lebensqualität zu haben als ein Ausdauertraining [14]. Das Hypertrophietraining ist auf große Muskelgruppen wie Beinmuskulatur bzw. komplexe Übungen der kinetischen Ketten ausgerichtet, da es dem katabolen Stoffwechsel entgegenwirkt und die Aktivität signifikante Änderungen des peripheren Metabolismus induziert [5].
22.1
Anpassung der biochemischen und metabolischen Versorgung der peripheren Muskulatur
Systemische chronisch-entzündliche Prozesse (Tumor-Nekrose-Faktor-α, Interleukine-6, C-reaktives Protein) sowie eine verminderte antioxidative Kapazität in der Muskulatur können zu persistierenden Schädigungen der muskulären Feinstrukturen führen [4]. Besonders stark betroffen sind die
22.3
Praxis: Kraftmessung der peripheren Muskulatur – 166
22.4
Literatur
– 168
großen Muskelgruppen wie Mm. quadriceps femoris und gastrocnemius [5]. Als Folge der 4 fehlenden Muskelaktivierung und der daraus resultierenden katabolen Umbauvorgänge, 4 der Malnutrition und 4 der steroidinduzierten Muskelatrophie kommt es zu einer Myopathie mit Veränderungen der Muskelfaserzusammensetzung (vermehrt Isoform-Typ IIb-Fasern statt Typ-I-Fasern [13, 1]) und konsekutiver Abnahme des Faserdurchmessers und der Kapillardichte [5]. Auch die Zahl der Mitochondrien nimmt ab, was zu einem Verlust von oxidativen Enzymen führt [5]. Dadurch verschiebt sich die Energiebereitstellung in den anaeroben Bereich, mit Bildung von Laktat (Milchsäure), das sich in der beanspruchten Muskulatur anhäuft und zu einer schmerzhaften Übersäuerung führt. Die Übersäuerung ist letztendlich leistungslimitierend, da weitere Muskelkontraktionen im sauren Milieu gehemmt werden, was bis hin zum Leistungsabbruch führt. Zusätzlich können 4 Fehlhaltungen (Kap. 24), 4 Mobilitätseinschränkungen, 4 Schmerzen und 4 psychische Faktoren wie Angst und Depression zu einer Dekonditionierung der Muskulatur (Kraftverlust und Verlust der kardiopulmonalen Ausdauerkapazität) beitragen (7 Übersicht 22.1).
166
Kapitel 22 · Kraftmessung der peripheren Muskulatur
. Übersicht 22.1. Mögliche Ursachen für die Dekonditionierung bei COPD-Patienten 1. Depression, Angst 2. Fehlende psychosoziale Unterstützung im Alltag, soziale Isolation 3. Schmerzen 4. Osteoporose 5. Schädigungen durch chronische Entzündungsprozesse 6. Fehlhaltung 7. Mobilitätseinschränkungen 8. Steroidinduzierte Myopathie (Atrophie) 9. Bewegungsmangel 10. Hypoxie, Hyperkapnie, Azidose 11. Belastungsdyspnoe
Anpassung der peripheren Muskulatur durch Hypertrophietraining
die Maximalkraft über die Anzahl der maximal möglichen Übungswiederholungen bestimmt (. Abb. 22.1).
Die Zunahme der kardiopulmonalen Ausdauerkapazität ist u.a. auf eine verbesserte Muskelfunktion und die Wiederherstellung der aeroben Energielieferung durch eine Zunahme oxidativer Enzyme in der Muskulatur zurückzuführen. Die periphere Muskulatur reagiert auf das Hypertrophietraining mit: 4 Muskelfaserhypertrophie mit konsekutiver Zunahme von Faserdurchmesser [6, 7, 8, 13, 14, 19] und Kapillardichte [9], 4 Zunahme der Mitochondrien, 4 Zunahme von Myoglobin [9], 4 Zunahme der aeroben Enzyme [10] und 4 Veränderungen der Muskelfaserzusammensetzung [11].
Testausführung Nach dem Aufwärmen wählt der Therapeut ein passendes Gewicht für eine Muskelübung, mit dem der Patient mehrere Wiederholungen ausführen kann. Die Maximalkraft wird über die maximale Anzahl der korrekt ausgeführten Wiederholungen ermittelt. Kann der Patient die Übung mit dem Gewicht mehr als 20-mal wiederholen, sollte er den Test nach einer Pause mit einem höheren Gewicht wiederholen. Je niedriger die maximale Wiederholungsanzahl ist, umso genauer ist die Bestimmung der Maximalkraft. Die Vorgaben zur Bestimmung der Maximalkraft sind in . Tab. 22.1 dargestellt.
22.2
22.3
Praxis: Kraftmessung der peripheren Muskulatur
Bei der Maximalkrafttestung in der pulmonalen Rehabilitation werden isometrische und dynamische Krafttests unterschieden: 4 Dynamische Krafttests erfassen die kombinierte Form von konzentrischer und exzentrischer Phase in einem Bewegungsablauf; die Länge des Muskels bleibt nicht gleich. 4 Bei isometrischen Krafttests findet keine Bewegung statt; die Muskellänge bleibt bei der Kontraktion unverändert.
22.3.1 Oddvar-Holten-Kurve: Dynamische
Kraftmessung
22
. Abb. 22.1. Dynamische Kraftmessung bestimmter Muskeln aus der Streckerkette der unteren Extremität mit Beinpresse
In Anlehnung an die Oddvar-Holten-Kurve (Kap. 36) wird die Trainingsintensität mit 60–70% der möglichen Maximalkraftleistung (1 RM: Repetition Maximum bzw. Wiederholungsmaximum) berechnet [15–17]. Bei dieser Technik wird
. Tab. 22.1. Ermittlung der Maximalkraft über das Wiederholungsmaximum
Wiederholungen (1 RM=Repetition Maximum)
% der Maximalkraft
1
100%
2
95%
3
90%
7
85%
11
80%
16
75%
22
70%
25
65%
30
60%
>30
55%
(Rühle 1992 [18])
167 22.3 · Praxis: Kraftmessung der peripheren Muskulatur
Beispiel Kann man bei einem Gewicht von 22 kg maximal 8 Wiederholungen korrekt ausführen, dann ergibt sich folgende Maximalkraft: 22 kg/70%×100% = 1 RM 15,4 kg
22.3.2 Break-Test und Make-Test nach
Andrews: Isometrische Kraftmessung Die periphere Muskelkraft kann man mittels Cybex, Jammer, Dynamometer oder MicroFet messen. In der Praxis, aber auch in der klinischen Forschung wird empfohlen, bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung die Kraftmesszelle für die isometrische Muskelkraftmessung einzusetzen [22, 23] (7 Übersicht 22.2). Testausführung Nach einem Probeversuch wird der Test für jede Muskelgruppe 3-mal wiederholt, mit jeweils einer Pause von mindestens 30 sec. Die Messung der peripheren Muskelkraft kann auf zwei Arten durchgeführt werden: 4 Beim Break-Test drückt der Therapeut in drei stärker werdenden Stufen mit dem Hand-Held-Dynamometer gegen den Widerstand des Patienten, bis dieser am Ende der letzten Stufe nicht mehr halten kann [24] (. Abb. 22.2). 4 Bei der Make-Technik drückt der Patient gegen den Widerstand des Therapeuten. Die Kraft wird langsam über 1–2 sec aufgebaut und danach etwa 5 sec gehalten. Die Make-Technik hat eine bessere Reliabilität als die BreakTechnik [21]. Bei allen Tests liegt der Patient in Rückenlage, nur Schulterabduktion und Knieflexion/-extension werden im Sitzen getestet. Schultern und Hüfte werden möglichst in neutraler Rotationsstellung positioniert. Gemessen werden
4 8 isometrische Kontraktionen der oberen Extremität:
5 Schulter: Ante-/Retroflexion, Abduktion, Innen-/Außenrotation (. Abb. 22.2), 5 Ellenbogen: Flexion/Extension, 5 Hand: Dorsalextension; 4 5 isometrische Kontraktionen der unteren Extremität: 5 Hüfte: Anteflexion, Abduktion, 5 Knie: Flexion/Extension, 5 Sprunggelenk: Dorsalextension. . Übersicht 22.2. Hinweise zur Testausführung 1.
Jede Muskelkontraktion sollte in schwerkraftneutraler Position durchgeführt werden.
2.
Bei der Messung mit dem Kraftmessgerät spannt der Patient in o.g. Ausgangsstellung an. Es handelt sich hierbei um eine isometrische Kontraktionsform. Der Patient wird aufgefordert, nicht zu bewegen, auch wenn der Widerstand erhöht wird. Die Hebellänge (Gelenkmitte bis Mitte der Ansatzfläche des Messgeräts) muss standardisiert werden. Der Therapeut sollte die Kraftmesszelle so fixieren, dass keine Ausweichbewegungen möglich sind. Das Messgerät sollte im rechten Winkel zum untersuchten Körperteil angebracht werden.
3. 4. 5.
! Cave Eine maximale isometrische Kraftbelastung kann zu einer sog. Pressatmung führen. Dieser physiologische Reflex kann bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu gefährlichen Kreislaufbeschwerden führen!
In . Tab. 22.2 sind die Formeln aufgelistet, anhand derer sich die mittels Dynamometer gemessenen Normwerte der peripheren Muskelkraft errechnen lassen [20].
. Tab. 22.2. Normwerte der peripheren Muskelkraft
Muskulatur
Formel
Knieextensoren
Y = 358.455 - 87.581×S+2.914×W-3.136×A
Knieflexoren
Y = 142.244 - 52.112×S+1.85×W - 0.892×A
Schulterabduktoren
Y = 198.341 - 68.686×S+1.324×W - 1.462×A
Ellebogenflektoren
Y = 229.421 - 84.836×S+1.618×W - 1.503×A
S Geschlecht. 0 Mann. 1 Frau. W Gewicht (kg). A Alter (Jahre) . Abb. 22.2. Isometrische Muskelkraftmessung des M. deltoideus pars acromialis mit einer Kraftmesszelle in 30° Schulterabduktion. Beim Break-Test drückt der Therapeut mit der Kraftmesszelle gegen den Widerstand des Patienten, bis dieser den Widerstand am Ende der letzten Stufe nicht mehr halten kann
22
22
168
Kapitel 22 · Kraftmessung der peripheren Muskulatur
22.4
Literatur
1. Franssen FM, Wouters EF, Schols AM (2002) The contribution of starvation, deconditioning and ageing to the observed alterations in peripheral skeletal muscle in chronic organ diseases. Clin Nutr 21(1): 1–14 2. Jeffery Mador M, Kufel TJ, Pineda L (2000) Quadriceps fatigue after cycle exercise in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 161(2Pt 1): 447–453 3. Decramer M, Gosselink R, Troosters T, Verschueren M, Evers G (1997) Muscle weakness is related to utilization of health care resources in COPD patients. Euro Respir J 10: 417–423 4. Pfeifer M (2006) COPD – nicht medikamentöse Therapie. Urban und Vogel, 101: 293–300 5. Halle M, Heitmann RH, Kenn K, Petro W, Schultz K (2008) Bedeutung und Methodik von körperlichem Training bei COPD. Pneumologie 62: 1–17 6. Patten C, Kamen G, Rowland DM (2001) Adaptations in maximal motor unit discharge rate to strength in young and older adults. Muscle Nerve 24: 542–550 7. Greiwe JS, Cheng B, Rubin DC, Yarasheski KE, Semenkovich CF (2001) Resistance exercise decreases skeletal muscle tumor necrosis factor alpha in frail elderly humans. FASEB J 15: 475–482 8. Eid AA, Ionescu AA, Nixon LS et al. (2001) Inflammatory response and body composition in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 164: 1414–1418 9. Saltin B, Hendriksson J, Nygaard E 1977) Fiber types and metabolic potentials of skeletal muscles in sedentary man and endurance runners. Ann N Y Acad Sci 301: 3–29 10. Saltin B, Gollnick P (1983) Skeletal muscle adaptatibility: significance for metabolism and performance. Handbook of Physiology, skeletal msucle. American Physiological Society, pp 555–631 11. Simoneau JA, Lortie G, Bonlay MR (1985) Human skeletal muscle fiber type alteration with high- intensity intermittent training. Eur J Appl Physiol 54: 250–253 12. Wright PR, Heck H, Langenkamp H, Franz KH, Weber U (2002) Einfluss eines Krafttrainings auf Lungenfunktionsparameter und Größen der Leistungsfähigkeit von COPD-Patienten. Pneumologie 56: 413–417 13. Serres I, Gautier V, Verray A, Prefaut C (1998) Impaired skeletal muscle endurance related to phisical inactivity and altered lung function in COPD Patients. Chest 113: 900–905 14. Puhan MA, Schünemann HJ, Frey M, Scharplatz M, Bachmann LM (2005) How should COPD patients exercise during respiratory rehabilitation? Comparison of exercise modalities and intensities to treat skeletal muscle dysfunktion. Thorax 60: 367–375 15. Worth H, Meyer A, Folgerling H (2000) Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zum Sport und körperlichen Training bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen. Urban und Vogel 95: 123–129 16. Würtemberger G, Bastian K (2001) Funktionelle Effekte unterschiedlicher Trainingsformen bei Patienten mit COPD. Pneumologie 55: 553–562 17. Gustavsen R, Streeck R (2008) Trainingstherapie im Rahmen der Manuellen Medizin. Thieme, Stuttgart 18. Rühle KH (2006) Kardiale oder pulmonale Dyspnoe – Aussagemöglichkeiten der Ergospirometrie. Pneumologie 60: 777–783 19. Spruit MA, Gosselink R, Troosters T, De Paepe K, Decramer M (2002) Resistance versus endurance training in patients with COPD and peripheral muscle weakness. Eur Respir J 19: 1072–1078 20. Andrews AW, Thomas MW, Bohannon RW (1996) Normative values for isometric muscle force measurements obtained with handheld dynamometers. Phys Ther 76: 248–259
21. Oesch P (2007) Assessments in der muskuloskeletalen Rehabilitation. 1. Aufl. Hans Huber, Bern, S 377 22. Bohannon RW (1988) Make versus break tests of elbow flexion force using a hand-held dynamometer. Phys Ther 68: 193–194 23. Stratford DW, Balsor BE (1993) A comparison of make and break tests using a hand-held dynamometer and the Kin-Com. J Orthop Sports Phys Ther 19: 28–32 24. Bohannon RW (1988) Make Tests and Break Tests of Elbow Flexor Muscle Strength. Phys Ther 68: 193–194
23 23 Respiratorische Muskelkraft A.J.R. van Gestel, H. Teschler
23.1
Bestimmung der Stärke des in- und exspiratorischen Drucks – 169
23.4
Kraftverlust der respiratorischen Muskulatur – 171
23.2
Praxis: Untersuchung des in- und exspiratorischen Drucks – 170
23.5
Literatur
23.3
Insertionstendopathien
23.1
Bestimmung der Stärke des inund exspiratorischen Drucks
– 172
– 171
Die Atemmuskeln entsprechen in ihrer Zusammensetzung sowohl embryologisch, morphologisch und funktionell der willkürlichen Skelettmuskulatur und bestehen dementsprechend aus den drei Muskelfasertypen (Typ I, IIa und IIb). Das Zwerchfell ist ein hoch oxidativer Muskel mit hoher Kappillardichte, der beim gesunden Menschen großen Belastungen standhält. Eine Muskelermüdung wird allgemein definiert als ein Zustand des Muskels, in dem seine Fähigkeit, Kraft zu entwickeln und/oder Geschwindigkeit aufzubauen infolge einer erhöhten Belastung reduziert ist. Im Gegensatz zur Muskelschwäche ist eine Muskelermüdung durch Ruhe reversibel [1]. Obwohl klar ist, dass eine Ermüdung der Atmungsmuskulatur bei gewissen Atemwegserkrankungen von Bedeutung ist, wurde doch lange Zeit bezweifelt, dass die Atmungsmuskulatur auch bei gesunden Menschen ermüden kann, da sie über große Reserven verfügt. Die Funktionsstörung der Inspirationsmuskulatur (Schwäche, Ermüdung, Erschöpfung) ist ein häufig unterschätzter Teilfaktor der reduzierten Leistungsfähigkeit bei COPD-Patienten. Diese ist das Resultat von 4 geometrischen Formabweichungen von Thorax und Zwerchfell, 4 systemischen Entzündungsfaktoren, 4 Kortikosteroidmyopathie sowie 4 strukturellen Veränderungen der Muskulatur [2] (Kap. 6 und 22).
Die Atemmuskelkraft kann durch Messung des maximalen in- und exspiratorischen Drucks entweder im Mund (MIP, MEP) oder Ösophagus (pImax, pEmax) gegen einen okkludierten Atemweg gemessen werden. Der Okklusionsdruck ist der negative Druck, der durch die Kontraktion der inspiratorischen Atemmuskeln gegen okkludierte Atemwege generiert wird. Die Atemwege werden für die Dauer von 100 ms verschlossen, und der gemessene Druck gibt die Intensität wider, mit der der Patient versucht, Luft zu bekommen. Tipp
Bei der Atemwegsokklusion (p0.1) ist der Munddruck innerhalb der ersten 0,1 sec nach Inspirationsbeginn ein valider Index für den aktuellen inspiratorischen neuromuskulären Atemantrieb.
Der Okklusionsdruck verhält sich direkt proportional zu Elastizität, Resistance und – bei COPD-Patienten – zum Intrinsic PEEP. Bei entspannter Spontanatmung beträgt der p0.1 bei gesunden Menschen 0,93±0,48 cmH2O. Die Variationsbreite für diesen Wert ist jedoch sehr hoch. Ein erhöhter p0.1 reflektiert die Erhöhung des Aktivierungsgrads der Atemmuskulatur (auch neuronaler Drive genannt) durch z.B. die subjektive Empfindung von Atemnot, verursacht durch eine pathologische Atemmechanik.
170
23
Kapitel 23 · Respiratorische Muskelkraft
> Wichtig Die maximalen exspiratorischen Drücke sind u.a. für den Hustenmechanismus von Bedeutung. Die maximalen inspiratorischen Drücke zeigen die inspiratorische Atemmuskelkraft an.
23.2
Praxis: Untersuchung des inund exspiratorischen Drucks
23.2.1 Maximaler In- und Exspirationsdruck Unter Verwendung einer Nasenklemme versucht der ausgeruhte, sitzende Patient durch kräftiges Ein- bzw. Ausatmen ein Magnetventil im Mundstück zu öffnen. Dabei wird der maximale Inspirationsdruck (pImax) bzw. der maximale Mundverschlussdruck 0,1 sec nach Inspirationsbeginn (p0.1max) gemessen. Die Drücke repräsentieren die maximale Belastbarkeit (pImax, pEmax) und die aktuelle Beanspruchung (p0.1) der Atempumpe. Der Quotient zwischen dem aktuellen nach 0,1 sec vorhandenen Inspirationsdruck (entspricht dem neuronalen Aktivierungsgrad des Atemmuskels) und dem maximal möglichen Inspirationsdruck (entspricht der Kapazität des Atemmuskels) wird als p0.1/p0.1max gemessen (. Abb. 23.1). Tipp
Der p0.1/p0.1max ist ein valider Index für den Grad der Atemmuskelbelastung.
Beeinflussung der Druckwerte Die Drücke sind abhängig vom Lungenvolumen, mit dem die Atemwegsokklusion durchgeführt wird: 4 Wird der PImax von der funktionellen Residualkapazität (FRC) aus gemessen, entspricht der Wert dem direkten Kraftaufwand der Atemmuskulatur. Die maximal mögliche Kraftentwicklung eines Atemmuskels ist jedoch abhängig von der Vordehnung. 4 Wird das Manöver vom Residualvolumen (RV) ausgeführt (und umgekehrt pEmax ausgehend von der totalen Lungenkapazität, TLC) werden die Atemmuskeln gedehnt, wodurch sie eine größere Kraft generieren können. Die Normwerte der beiden Drücke werden in der Literatur mit großer Variabilität angegeben. > Wichtig 4 Normwert des pImax beim Mann: 111±34 cmH2O, bei der Frau: 72±26 cmH2O. 4 Normwert des pEmax beim Mann: 151±68 cmH2O, bei der Frau: 93±30 cmH2O.
Der Maximaldruck wird mehrmals hintereinander gemessen, um reproduzierbare Werte zu erhalten [1]; Die Abweichung der drei erzielten Höchstwerte darf nicht mehr als 5% betragen.
. Abb. 23.1. Versuchsanordnung: Statische Atemdruckmessung mit Manometer. Eine Leckage (»air leak«) und ein Ventil (»valve«) ermöglichen das Weiteratmen nach dem Manöver (American Thoracic Society/European Respiratory Society 2002 [3])
Abgesehen von Patienten mit Atemwegserkrankungen können zusätzlich Alter und Geschlecht die Größe des maximalen Munddrucks beeinflussen, während Körpergröße oder Trainingszustand kaum von Bedeutung zu sein scheinen [1, 4]. Tipp
In der klinischen Routinediagnostik ist der pImax ein gutes Maß für die Kapazität der Inspirationsmuskulatur bei nachweisbarer Korrelation zur Dyspnoe. Bei COPD ist dieser häufig vermindert [2].
23.2.2 Transdiaphragmaler Druck Als Goldstandard für die Bestimmung einer Zwerchfellermüdung gilt zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Beurteilung des transdiaphragmatischen Drucks (pdi.tw) nach elektrischer Stimulation (»twitch«) des N. phrenicus. Eine pdi.tw-Bestimmung ist allerdings aufwendig und nicht sehr probandenfreundlich (. Abb. 23.2). Für die Messung werden ein Ballonkatheter im Magen (pga, gastraler Druck) und einer im Ösophagus (pes, Speiseröhre) platziert. Der transdiaphragmale Druck errechnet sich aus der Differenz zwischen gastralem Druck und Ösophagusdruck (pga minus pes). Nach elektronischer Stimulation des N. phrenicus (»twitch«) mit nachfolgender Zwerchfellkontraktion entspricht die Druckdifferenz zwischen den beiden Ballonkathetern dem pdi.tw. Ist das Zwerchfell ermüdet, sinkt der pdi.tw. Die Normwerte des transdiaphragmalen Drucks zeigen mit Schwankungen von 90–180 cmH2O eine große Variabilität.
171 23.4 · Kraftverlust der respiratorischen Muskulatur
. Abb. 23.2. Versuchsanordnung: Bestimmung der Zwerchfellermüdung. pes Druck im Ösophagus. pdi Diaphragmaler Druck. pga Druck in der Bauchhöhle. pImax Maximale Kapazität der Atemmuskulatur. ppl Pleuraler Druck (American Thoracic Society/European Respiratory Society 2002 [3])
Tipp
Die Abnahme des pdi.tw gilt als zuverlässiges Maß für eine Zwerchfellermüdung [1].
23.3
Insertionstendopathien
Da in der Pathogenese einer chronischen Lungenerkrankung auch die thorakale Wirbelsäule mit den umliegenden Gelenken, peripheren Muskeln und den Atemmuskeln betroffen ist, macht die Atemexkursion auch Schmerzen. Grundlegend dafür sind Insertionstendopathien (Enthesitiden), die die normale tiefe Inspiration bei Lungenpatienten zusätzlich einschränken. Diese Läsionen entstehen durch Überbelastung
. Abb. 23.3. Palpationsuntersuchung, ob Insertionstendopathien (Enthesitiden) des M. trapezius pars descendens, M. sternocleidomastoideus und M. levator scapulae im Bereich des Os mastoideus vorliegen
. Abb. 23.4. Palpationsuntersuchung, ob Insertionstendopathien (Enthesitiden) der Mm. scaleni und M. sternocleidomastoideus im Sternumbereich vorliegen
und zeigen sich als Mikrotraumata und Entzündungen an den Insertionsstellen von Muskeln am Knochen (. Abb. 23.3, Abb. 23.4).
23.4
Kraftverlust der respiratorischen Muskulatur
Wie jeder willkürliche Muskel im menschlichen Körper reagiert das Diaphragma anfänglich mit einer Hypertrophie [5]. Wird die Schwelle der maximalen Hypertrophie überschritten, zeigt sich zuerst eine Reduktion der kardiopulmonalen Ausdauerkapazität. Im weiteren Verlauf werden bei COPDPatienten die Atemmuskeln zunehmend schwächer und unbewusst werden Kompensationsmechanismen eingesetzt, die sich nach der lebensbedrohlichen Störgröße der veränderten Blutgaswerte richten. Mit dem direkten Ziel, die überforderten Atemmuskeln zu entlasten, reagiert der Körper, indem Atemminutenvolumen (Hypoventilation) und körperliche Aktivität reduziert werden. Die Reduzierung des Atemminutenvolumens führt zu einer Hyperkapnie und kann z.B. bei akuter Exazerbation zu einer lebensbedrohlichen akuten respiratorischen Insuffizienz führen. Bei COPD-Patienten darf die Optimierung der Funktion der Atemmuskulatur nicht vernachlässigt werden, zumal Muskelatrophie und Myotonie durch systemische Kortikosteroide (steroidinduzierte Atrophie) und Bewegungsarmut die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen. Messung der Kraft der Atemmuskulatur Eine Fehlbelastung der Atempumpe, die häufig mit Wirbelsäulenverkrümmungen oder Atemmuskelerkrankungen ein-
23
172
23
Kapitel 23 · Respiratorische Muskelkraft
hergeht, lässt sich durch eine einfache Messung bestimmen: Der Patient atmet bei der pO.1-Messung über ein Mundstück, mit dem die Kraft der Atemmuskulatur gemessen wird. Bei Bedarf kann dann eine Therapie eingeleitet werden, um die Atemmuskulatur zu entlasten.
23.5 1. 2.
3.
4.
5.
Literatur
Perret CP (2000) Zur Bedeutung der Atmungsmuskulatur im Ausdauersport. Dissertation der Technischen Hochschule Zürich Halle M, Heitmann RH, Kenn K, Petro W, Schultz K (2008) Bedeutung und Methodik von körperlichem Training bei COPD. Pneumologie 62: 1–17 American Thoracic Society/European Respiratory Society (2002) ATS/ERS Statement on Respiratory Muscle Testing. Am J of Respir and Crit Care Med 166: 518–624 McConnell AK, Caine MP, Sharpe GR (1997) Inspiratory muscle fatigue following running to volitional fatigue: the influence of baseline strength. Int J Sports Med 18: 169–173 Köhler D, Schönhofer B, Haidl P, Kemper P (2000) Ursache und Therapie der Hyperkapnie. Pneumologie 54: 434–439
24 24 Thoraxmobilität A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
24.1
Hypomobilität des Thorax
– 173
24.2
Praxis: P/E-Untersuchung der BWS-Beweglichkeit – 174
24.3
Literatur
– 183
Aus mechanischer und vegetativer Sicht haben Brustwirbelsäule und Rippen (Thorax) eine wichtige Position. Ein mobiler Thorax ist Voraussetzung für eine/n optimale/n 4 alveoläre Ventilation, 4 effektive Sekretolyse und 4 Sekrettransport. Die Thoraxmobilisation ist wichtig für die 4 Pneumonieprophylaxe, 4 verbesserte Vitalkapazität, 4 Vermeidung muskulärer Dysbalancen und 4 erleichterte Atemarbeit. Ab dem 20. Lebensjahr kommt es bei allen Menschen zu einer zunehmenden Verkalkung und Verknöcherung im Thoraxund Rippenknorpelbereich, wodurch der Thorax einen Teil seiner Elastizität verliert. Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen haben zusätzlich eine eingeschränkte Thoraxbeweglichkeit. Zur Mobilisation der Gelenke von Thorax und Schultergürtel werden dynamische Übungen und Techniken der Manuellen Therapie eingesetzt (. Abb. 24.1). Definition Manuelle Therapie ist eine physiotherapeutische Intervention, die darauf abzielt, das normale Gelenkbewegungsausmaß möglichst wiederherzustellen, Schmerzen zu lindern und somit die Funktionsfähigkeit zu optimieren.
. Abb. 24.1. Gelenkkomplex des Thorax und des Schultergürtels. 1 Art. glenohumeralis. 2 Subakromiales Nebengelenk. 3 Art. acromioclavicularis (AC). 4 Art. sternoclavicularis (SC). 5 Skapulothorakales Gleitlager (Lindel 2006 [1])
24.1
Hypomobilität des Thorax
COPD ist charakterisiert durch die permanente Größenzunahme des lufthaltigen Raumes distal der terminalen Bronchien, mit konsekutiver Lungenüberblähung, Überblähungszustand des Thorax und Engegefühl im Thorax. Durch das chronische Husten, die Lungenüberblähung und konsekutiv den Überblähungszustand des Thorax können bei COPD-Patienten gravierende Haltungs- und Bewegungsabweichungen entstehen.
174
Kapitel 24 · Thoraxmobilität
Auswirkungen der Lungenüberblähung auf die Statik
24
Im Normalfall ist der Überblähungszustand des Thorax ossär und muskulär symmetrisch konfiguriert. Es kommt zu einer 4 Thoraxerweiterung in Inspirationstellung (kranio- und lateroventrale Richtung, Fassthorax) und 4 Verkürzung der primären und sekundären Atemmuskeln. Auf Verkürzung reagieren die primären und sekundären Atemmuskeln häufig mit 4 Hypertonus, 4 Kontraktur und 4 Muskelatrophie (Kap. 32), was wiederum weitere Thoraxdeformitäten begünstigt. Infolge der Inspirationsstellung wird das Gewicht des Thorax vermehrt in ventrale und kraniale Richtung verlagert. Es entwickelt sich eine Fehlstatik mit 4 Thoraxdeformierung, 4 eingeschränkter Thoraxdehnbarkeit (Compliance), 4 horizontal verlaufenden dorsalen Rippenanteilen und 4 erweiterten Interkostalräumen. Die statischen Veränderungen zeigen sich vor allem durch eine 4 verstärkte thorakale Kyphose (Rundrücken; dorsal-konvexe Wirbelsäulenkrümmung in sagittaler Ebene), 4 Vergrößerung des sagittalen bzw. sternovertebralen Thoraxdurchmessers, 4 Vergrößerung des Retrosternalraumes und 4 Protraktion/Innenrotation der Schultern. Bei fortgeschrittener Kyphose kommt es meist zu 4 schmerzhaften muskulären Dysbalancen (Muskelverkürzungen und -abschwächungen), 4 segmentalen Dysfunktionen und 4 degenerativen Veränderungen, verbunden mit 4 myofaszialen Reizsyndromen (Kap. 11).
. Abb. 24.2. Gradierung und bildliche Darstellung der chronischen Lungenüberblähung, basierend auf radiologischen Kriterien (modifiziert nach Engelmann [2] und Slone [3])
24.2
Praxis: P/E-Untersuchung der BWS-Beweglichkeit
Für eine physiotherapeutische Diagnose wird die Brustwirbelsäulenbeweglichkeit im gesamten neuro-arthro-muskulären System untersucht; befundet werden Quantität und Qualität der aktiven und passiven Bewegungen. Des Weiteren werden Schmerzen und Schmerzausmaß bei Bewegung untersucht, z.B. Schmerz am Ende einer Bewegung (EOR, End of Range) oder Schmerz während der gesamten Bewegung (ROM, Range of Motion). ! Cave 4 Bei entzündlich-destruierenden Prozessen sind Behandlungstechniken dosiert anzuwenden. Nebenwirkungen der Langzeitmedikation sind zu berücksichtigen. 4 Bei Osteoporose, Metastasen, Frakturen oder nach Herz- und Lungenoperationen sowie Transplantationen sind manualtherapeutische Techniken und endgradige Bewegungsausschläge z.T. kontraindiziert! Eine genaue ärztliche Abklärung ist absolut notwendig!
In . Übersicht 24.1 sind die Schweregrade einer Lungenüberblähung definiert und in . Abb. 24.2 dargestellt. 24.2.1 Allgemeine BWS- und Thorax. Übersicht 24.1. Schweregrade der Lungenüberblähung 1. 2. 3.
4.
5.
Grad 0: Normal Grad 1: Leichter Verlust der kranialen Konvexität des Zwerchfells, leichte Zwerchfellabflachung Grad 2: Mäßige Zunahme der Thoraxdiameter, Zwerchfellabflachung und -absenkung um 2–3 cm Grad 3: Deutlich erkennbare Zunahme der Thoraxdurchmesser in beiden Ebenen, Zwerchfellabsenkun g>3 cm; Zwerchfell steht fast horizontal Grad 4: Schwere kranial-konkave Verformung der Zwerchfellkonturen und Aufhebung des Sinus, maximale Überblähung des Thorax
mobilitätsprüfung In den nachfolgenden Untersuchungen wird der Bereich definiert, der die Symptome des Patienten wie z.B. Schmerz oder eingeschränkte Beweglichkeit reproduziert und einen groben Eindruck von der allgemeinen Mobilität des Patienten gibt (. Abb. 24.3). In 7 Übersicht 24.2 sind allgemeine Beweglichkeitstests aufgelistet. . Übersicht 24.2. Allgemeine Wirbelsäulenbeweglichkeitstests 1. 2. 3.
Finger-Boden-Abstand Ott-Zeichen Schober-Zeichen
175 24.2 · Praxis: P/E-Untersuchung der BWS-Beweglichkeit
. Übersicht 24.3. Aktive und passive Untersuchung 1.
2. a
b
c
. Abb. 24.3. Allgemeine WS-Beweglichkeitstests. a Messung des Finger-Boden-Abstandes (FBA). H Bewegung im Hüftgelenk. T Bewegung in Hüftgelenk und Wirbelsäule. b Wirbelsäulenflexion nach Ott. c Messung der Wirbelsäulenflexion nach Schober
Finger-Boden-Abstand Der Finger-Boden-Abstand wird mittels Vorneigen der gesamten Wirbelsäule (. Abb. 24.3) getestet. Gemessen wird der Abstand zwischen Fingerspitzen und Boden, entweder mit cm-Angabe oder der Angabe, bis wohin die Finger reichen: bis zum Knie, Tibiamitte usw. Beim Vorneigen ist auch die Beugung in den Hüftgelenken zu berücksichtigen.
Physiologische anguläre Bewegungen – Extension – Flexion – Lateralflexion – Rotation Beweglichkeit der Brustwirbelsäulensegmente – PAIVM: Passive akzessorische intervertebrale Beweglichkeit (Traktion und Translation) – PPIVM: Passive physiologische intervertebrale Beweglichkeit
Für die angulären Bewegungen können in verschiedenen Ausgangsstellungen entweder belastet (Stand, Sitzen) oder unbelastet (hubfrei, Seitenlage) durchgeführt werden. Bei den PAIVM werden Quantität und Qualität der passiven intervertebralen Zusatzbewegungen und Schmerzprovokation getestet (. Abb. 24.4). Bewertung der Bewegung In . Tab. 24.1 sind die aktiven und passiven Bewegungsausmaße zugeordnet und definiert.
Ott-Zeichen Die thorakale Ott-Messung dient als Maß für die Divergenz der BWS-Dornfortsätze. Bei Flexion beträgt der Abstand normalerweise 30–33 cm. Im Stehen wird von der Dornfortsatzspitze C7 (Markierung I) 30 cm kaudal eine zweite Markierung (Markierung II) gesetzt. In maximaler Rumpfflexion wird der Abstand zwischen Markierung I und II erneut gemessen. Bei Flexion vergrößert sich der Abstand um 2–4 cm; bei maximaler Extension verringert sich der Abstand um 1–2 cm. Man protokolliert z.B.: Ott 30/32/29 cm. Schober-Zeichen Das Schober-Zeichen wird für die Lendenwirbelsäule ermittelt: Ein Punkt (Markierung I) wird über dem Dornfortsatz S1, ein zweiter (Markierung II) 10 cm weiter kranial markiert. In maximaler Rumpfflexion wird der Abstand zwischen Markierung I und II erneut gemessen. Bei Vorneige verschieben sich die Hautmarken bis zu ca. 15 cm. Im Protokoll wird der Befund folgendermaßen festgehalten: Schober LWS 10/15 cm. Man protokolliert: Schober 10/15/9 cm.
24.2.2 Spezifische BWS- und Thorax-
mobilitätsprüfung Bei der physiotherapeutischen Untersuchung werden alle Strukturen, die an der BWS-Bewegung beteiligt sind, auf Bewegungsqualität und Schmerzprovokation getestet. Für die Ermittlung der BWS-Beweglichkeit gibt es zahlreiche aktive und passive Untersuchungsmöglichkeiten, zusammengefasst in 7 Übersicht 24.3.
. Abb. 24.4. Beispielhaftes Dokumentationsschema. Durch die Anzahl der Querstriche in den Richtungsbalken wird das Ausmaß der Blockierung von leicht bis stark beschrieben (Neumann 2003)
24
176
Kapitel 24 · Thoraxmobilität
. Tab. 24.1. Einteilung des Bewegungsausmaßes der physiologischen und akzessorischen Testungen
24
Grad
Bewegungsausmaß
Definition
Notation
0
Keine Beweglichkeit
Ankylose
-
1
Sehr eingeschränkte Beweglichkeit
Hypomobilität
II–III
2
Wenig eingeschränkte Beweglichkeit
Hypomobilität
I–II
3
Physiologische Beweglichkeit
Normobilität
0
4
Etwas hypermobil
Hypermobilität
-I
5
Sehr hypermobil
Hypermobilität
-II
6
Völlig instabil
Instabilität
-III
(modifiziert nach Lindel 2006 [1])
Spezifische Beweglichkeitstests für die Brustwirbelsäule In 7 Übersicht 24.4 sind die spezifischen Untersuchungen der Brustwirbelsäulenbeweglichkeit zusammengestellt. . Übersicht 24.4. Spezifische Untersuchung der BWS-Beweglichkeit 1.
2. 3.
Aktive/passive physiologische Bewegungen – Flexion/Extension – Lateralflexion (30-40°/0/30-40°) – Rotation (30°/0/30°) (Aktive)/passive physiologische intervertebrale Bewegungen (PPIVM) Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen (PAIVM)
Die physiologischen Bewegungen in Lateralflexion, Rotation, Flexion und Extension werden zuerst aktiv ausgeführt, um das Gesamtbewegungsausmaß (ROM) zu erfassen und zu dokumentieren. Das Endgefühl am Bewegungsende wird beurteilt, indem die aktive Bewegung durch eine Überdruckkomponente ergänzt wird (aktiv mit passivem passivem Überdruck, »overpressure«). Dabei wird geprüft, ob sich das Gelenk passiv bis zum Bewegungsende bewegen lässt (EOR). Der Therapeut steht seitlich und kontrolliert, dass sich die Lendenwirbelsäule (LWS) nicht mitbewegt. Bei Bedarf kann die LWS mit manuellem Druck auf die Proc. spinosi (Ps) ventral fixiert werden. Aktive/passive physiologische Bewegungen Die physiologischen Bewegungen werden i.d.R. langsam ausgeführt, damit die Qualität der Bewegung über den gesamten Bewegungsweg und das Bewegungsendgefühl leicht erfasst
. Abb. 24.5. Aktive BWS-Flexion/-Extension C7–Th4 im Sitz. Blauer Pfeil Extension. Grüner Pfeil Flexion
werden können. Die Bewegungen werden in eine obere (C7– Th4) und untere Komponente (Th4–Th11) eingeteilt. Getestet wird im Sitzen oder in Seitenlage. Aktive Extension/Flexion (C7–Th4)
Der Patient sitzt. Der Therapeut legt die Fingerspitzen zwischen die Ps der BWS und palpiert den Abstand. Er fordert den Patienten auf, sich während einer tiefen Inspiration von den Fingerspitzen weg zu bewegen (Extension) bzw. sich während einer tiefen Exspiration zu den Fingerspitzen hin zu bewegen (Flexion) (. Abb. 24.5, Abb. 24.6). Aktive Extension/Flexion mit passivem Überdruck (C7–Th4)
Der Patient sitzt. Der Therapeut legt die Fingerspitzen zwischen die Ps der BWS und palpiert den Abstand. Er fordert den Patienten auf, sich während einer tiefen Inspiration von den Fingerspitzen weg zu bewegen (Extension) bzw. sich während einer tiefen Exspiration zu den Fingerspitzen hin zu bewegen (Flexion). Die andere Hand und der Unterarm des Therapeuten werden so auf der Kopfoberseite platziert, dass sie in der Sagittalebene liegen. Finger und Daumen umfassen das Okziput nahe der Nackenlinie, das Handgelenk wird flektiert bzw. extendiert (. Abb. 24.7). Aktive Lateralflexion und Rotation (C7–Th4)
Der Patient sitzt. Er wird aufgefordert, den Kopf nach rechts und links zu neigen (Lateralflexion) bzw. zu drehen (Rota-
177 24.2 · Praxis: P/E-Untersuchung der BWS-Beweglichkeit
. Abb. 24.6. Passive BWS-Flexion/-Extension C7–Th4 im Sitz
. Abb. 24.7. Aktive BWS-Flexion/-Extension C7–Th4 mit passivem Überdruck. Blauer Pfeil Extension. Grüner Pfeil Flexion
tion). Der palpierende Finger des Therapeuten fühlt die Bewegung zwischen zwei benachbarten Ps und palpiert den Abstand. Der obere Dornfortsatz bewegt sich zuerst, und der dann folgende Bewegungsbeginn des unteren Dornfortsatzes lässt das Bewegungsausmaß dieser Intervertebralebene erkennen (. Abb. 24.8). Aktive Lateralflexion/Rotation mit passivem Überdruck (C7–Th4)
Der Patient sitzt. Er wird aufgefordert, den Kopf in beidseits zur Seite zu neigen (Lateralflexion) bzw. zu drehen (Rotation). Der palpierende Finger des Therapeuten fühlt die Bewegung zwischen zwei benachbarten Ps. Der obere Dornfortsatz bewegt sich zuerst, und der nachfolgende Bewegungsbeginn des unteren Dornfortsatzes zeigt das Bewegungsausmaß dieser Intervertebralebene. Für den passiven Überdruck umfasst der Therapeut den Kopf des Patienten um und neigt ihn zur Seite (Lateralflexion) bzw. dreht ihn (Rotation) (. Abb. 24.9). Aktive Extension/Flexion (Th4–Th11)
Der Patient sitzt (belastete Mobilisation) oder liegt in Seitenlage (unbelastete Mobilisation, . Abb. 24.15). Im Sitzen legt der Patient Arme und Kopf auf den Oberschenkel des Therapeuten. Der Therapeut legt die Fingerspitzen auf die Ps der BWS und fordert den Patienten auf, sich während einer tiefen Inspiration von den Fingerspitzen weg zu bewegen (Extension) bzw. sich während einer tiefen Exspiration zu den Fingerspitzen hin zu bewegen (Flexion) (. Abb. 24.10).
. Abb. 24.8. Aktive Lateralflexion/Rotation C7–Th4
24
178
Kapitel 24 · Thoraxmobilität
24
. Abb. 24.9. Aktive Lateralflexion/Rotation C7–Th4 mit passivem Überdruck
Aktive Extension/Flexion mit passivem Überdruck (Th4–Th11) (30°)
Der Patient sitzt; er hat Arme auf dem Oberschenkel des Therapeuten abgelegt. Der Therapeut steht leicht seitlich neben dem Patienten und hat seinen Fuß auf einem Hocker (Behandlungsbank) vor dem Patienten abgestellt. Bewegt der Patient während einer tiefen Inspiration aktiv in BWS-Extension, gibt der Therapeut in Höhe der Ps mit der Handwurzel einen Überdruck nach ventral (Extension). Durch eine Außenrotation seines auf dem Hocker stehenden Beins kann der Therapeut die BWS des Patienten weiter in Extension bewegen (. Abb. 24.11). Die BWS-Flexion wird im Sitzen ausgeführt. Während einer tiefen Exspiration wird der Patient aufgefordert, sich zu den Fingerspitzen des Therapeuten hin zu bewegen (Flexion). Der Patient hält die Arme vor dem Thorax verschränkt, die Hände liegen jeweils auf der gegenüberliegenden Schulter. Anschließend kann der Therapeut einen Überdruck (»overpressure«) an der oberen Brustwirbelsäule in Flexion geben (. Abb. 24.12).
. Abb. 24.10. Aktive Extension/Flexion Th4–Th11
Aktive Lateralflexion/Rotation (Th4–Th11)
Der Patient sitzt. Er kann die Hände auf dem Oberschenkel ablegen, oder er hält die Arme vor dem Thorax verschränkt, und die Hände liegen jeweils auf der gegenüberliegenden Schulter. Der Patient wird aufgefordert, Kopf und Brustwirbelsäule während einer tiefen Inspiration zur Seite zu neigen (Lateralflexion). Als Nächstes soll er die Brustwirbelsäule während einer tiefen Exspiration in die gleiche Richtung drehen (Rotation) (. Abb. 24.13). Aktive Lateralflexion/Rotation mit passivem Überdruck (Th4-Th11)
Der Patient sitzt. Er hält die Arme vor dem Thorax verschränkt, die Hände liegen jeweils auf der gegenüberliegenden
. Abb. 24.11. Aktive Extension Th4–Th11 mit passivem Überdruck. Blauer Pfeil Extension bei tiefer Inspiration. Grüner Pfeil Außenrotation des auf der Behandlungsliege stehenden Beins des Therapeuten
179 24.2 · Praxis: P/E-Untersuchung der BWS-Beweglichkeit
Schulter. Der Patient wird aufgefordert, Kopf und BWS während einer tiefen Inspiration zur Seite zu neigen (Lateralflexion). Anschließend gibt der Therapeut an der oberen BWS einen Überdruck in die Lateralflexion. Als Nächstes soll der Patient die BWS während einer tiefen Exspiration zur gleichen Seite drehen (Rotation). Ergänzend gibt der Therapeut an der oberen BWS Überdruck in die Rotation (. Abb. 24.14). (Aktive)/passive physiologische intervertebrale Bewegungen (PPIVM) Die physiologischen intervertebralen Bewegungen der Brustwirbelsäule werden ebenfalls in eine obere (C7–Th4) und untere Komponente (Th4–Th11) unterteilt. Ausgangsstellung für die Testung ist entweder Sitz oder Seitenlage. Die physiologischen intervertebralen Bewegungen der BWS werden zuerst aktiv und anschließend aktiv mit passivem Überdruck (»overpressure«) ausgeführt, um die Gesamtbeweglichkeit zu prüfen. Der Überdruck entsteht, indem der Therapeut entweder den kaudalen Ps fixiert oder den kranialen Ps des BWSSegments bewegt. Der Finger des Therapeuten palpiert die Bewegung zwischen zwei benachbarten Ps. Der obere Ps bewegt sich zuerst; der dann folgende Bewegungsbeginn des unteren Ps zeigt das Bewegungsausmaß der jeweiligen Intervertebralebene. . Abb. 24.12. Aktive Flexion Th4–Th11 mit passivem Überdruck. Mobilisation der Brustwirbelsäule nach dorsal (Flexion) bei aktiver Flexionsbewegung während tiefer Exspiration
. Abb. 24.13. Aktive Lateralflexion/Rotation Th4–Th11
Physiologische intervertebrale Bewegungen (C7–Th4)
Der Therapeut legt die Fingerspitzen auf die Ps der BWS und fordert den Patienten auf, den Kopf in die jeweils angegebene
. Abb. 24.14. Aktive Lateralflexion/Rotation Th4–Th11 mit passivem Überdruck. Blauer Pfeil Lateralflexion. Grüner Pfeil Rotation
24
180
Kapitel 24 · Thoraxmobilität
Richtung zu bewegen – in Rotation, Lateralflexion, Flexion und Extension: 4 Bei Rotation dreht sich der kraniale Ps über den kaudalen hinweg. 4 Bei Lateralflexion bildet sich ein Knick zwischen den Ps. 4 Bei Flexion/Extension vergrößert/verkleinert sich der Abstand zwischen den Ps (. Abb. 24.16).
24
Physiologische intervertebrale Bewegungen (Th4–Th11)
Der Therapeut legt die Fingerspitzen auf die Ps der BWS und fordert den Patienten auf, in Rotation, Lateralflexion, Flexion und Extension zu bewegen (. Abb. 24.17).
. Abb. 24.15. Unbelastete Mobilisation der Brustwirbelsäule in Seitenlage (aus Lewit 1985, Neumann 2003 [4])
. Abb. 24.16. Test der physiologischen intervertebralen Bewegungen (PIVM) in den Segmenten C7–Th4
Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen (PAIVM) Bei den passiven akzessorischen intervertebralen Bewegungen (PAIVM) werden Traktion und Translation unterschieden (. Abb. 24.18): 4 Bei der Traktion werden die Gelenkpartner durch manuellen Zug voneinander entfernt, was zu Druckminderung, Entlastung und manchmal auch zu Schmerzlinderung führt. 4 Beim translatorischen Gleiten werden die Gelenkpartner parallel gegeneinander verschoben, um das verloren gegangene Gelenkspiel zu testen.
. Abb. 24.17. Test der physiologischen intervertebralen Bewegungen (PIVM) in den Segmenten T4–Th11. Gibt der Therapeut passiven Überdruck, wird der kaudale Ps des BWS-Segments fixiert (Pfeil)
181 24.2 · Praxis: P/E-Untersuchung der BWS-Beweglichkeit
. Abb. 24.18. Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen (PAIVM). a Traktion, b Translation (Mink 1990)
Für beide Techniken wurden spezielle Griffe entwickelt, die der Patient nicht selbst ausführen kann. Die Griffe entsprechen der Form und Bewegungseinschränkung des Gelenks. Hauptbewegungen
In 7 Übersicht 24.5 sind die passiven akzessorischen intervertebralen Bewegungen (PAIVM) in der Brustwirbelsäule zusammengefasst. . Übersicht 24.5. Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen (PAIVM) 1. 2. 3. 4.
Zentraler posteroanteriorer vertebraler Druck auf den Proc. spinosus (pa) Unilateraler posteroanteriorer vertebraler Druck auf den Proc. transversus (pau) Transversaler vertebraler Druck homolateral auf den Proc. spinosus (tr) Unilaterale posteroanteriore kostale Bewegung der Rippe (parip) (. Abb. 24.19)
. Abb. 24.19. Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen (PAIVM). Die zu untersuchenden Hauptbewegungen in der Brustwirbelsäule sind: pa Zentraler posteroanteriorer vertebraler Druck, pau unilateraler posteroanteriorer vertebraler Druck, tr transversaler vertebraler Druck, parip unilaterale posteroanteriore kostale Bewegung auf der Rippe (Tillmann 2005)
Bewegungsausführung
4 Für den zentralen posteroanterioren vertebralen Druck (pa) legt der Therapeut die Daumenkuppe direkt auf den Ps, und drückt während der Exspiration aktiv mit dem Daumen nach ventral. Gleichzeitig fixiert er mit der Handwurzel seiner anderen Hand den Thorax in Höhe des Sternums (. Abb. 24.20). 4 Für den unilateralen posteroanterioren vertebralen Druck (pau) legt der Therapeut seine Daumenkuppe direkt auf den Proc. transversus und drückt während der Exspiration nach ventral (. Abb. 24.21). 4 Für den transversalen vertebralen Druck homolateral legt der Therapeut seine Daumenkuppen auf den Proc. spinosus und drückt während der Exspiration nach heterolateral (. Abb. 24.22). 4 Für die unilaterale posteroanteriore kostale Bewegung platziert der Therapeut Daumenkuppen oder Kleinfingerkante auf der Rippe und drückt diese während der Exspiration nach ventral (. Abb. 24.23).
Untersuchung der Rippenbeweglichkeit (Technik 7 Kap. 38) Typisches Symptom bei Hypomobilität bzw. Fehlstellung der Rippen ist ein lokal spürbarer Schmerz, der bei jeder Atembewegung verstärkt wird. Zudem wird ein Schmerz zwischen den Schulterblättern angegeben, der möglicherweise segmental auch nach ventral ziehen kann. Besonders bei tiefer Inspiration und Husten entstehen Schmerzen. Meist hat der Patient ein flaches Atemmuster. Es ist häufig schwer einzuschätzen, ob Schmerzen oder Atemnot vom Intervertebral-, Kostovertebral- oder Kostotransversalgelenk ausgehen. Exspirations-/Inspirationsfehlstellung einer Rippe
Die stechenden Schmerzen, die bei der Ex-/Inspiration sporadisch als Schmerz vom linken Schulterblatt bis in dem Thorax strahlen, können auf eine Rippenfunktionsstörung zurückzuführen sein. Ursache kann die Blockierung bzw. Exspirationsfehlstellung einer Rippe sein (Untersuchung der Rippen, 7 Kap. 16).
24
182
Kapitel 24 · Thoraxmobilität
24
. Abb. 24.20. Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen (PAIVM): Zentraler posteroanteriorer vertebraler Druck auf den Proc. spinosus (pa)
. Abb. 24.22. Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen (PAIVM): Transversaler vertebraler Druck homolateral auf den Proc. spinosus (tr)
. Abb. 24.23. Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen 7 (PAIVM): Unilaterale posteroanteriore kostaler Druck auf die Rippe (parip)
. Abb. 24.21. Passive akzessorische intervertebrale Bewegungen (PAIVM): Unilateraler posteroanteriorer vertebraler Druck auf den Proc. transversus (pau)
183 24.3 · Literatur
24.3 1. 2.
3.
4.
Literatur
Lindel K (2006) Muskeldehnung. Springer, Heidelberg Engelmann C (n.bek.) Chirurgische Therapie des Lungenemphysems im Endstadium der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD)? Surgical treatment of lung emphysema with endstage lung disease? Caduceus News Slone RM, Gieranda DS (1996) Radiology of pulmonary emphysema and lung volume reduction surgery. Sem Thorac Cardiovasc Surg 8: 61–82 Neumann HD (2003) Manuelle Medizin. Springer, Heidelberg
24
25 25 Lungenfunktionsprüfung A.J.R. van Gestel, H. Teschler
25.1
Spirometrie
– 185
25.2
Ganzkörperplethysmographie
25.3
Praxis: Physiotherapeutische Messung der Lungenfunktionsparameter – 186
– 185
Die Lungenfunktionsprüfung umfasst 4 die Spirometrie, 4 die Ganzkörperplethysmographie und 4 die Messung des Transferfaktors für Kohlenmonoxid.
25.4
Transferfaktor für Kohlenmonoxid
25.5
Literatur
– 187
– 187
Die Funktionswerte einer Lungenfunktionsprüfung sind in . Tab. 25.1 zusammengefasst.
. Tab. 25.1. Lungenfunktionsanalytische Kenngrößen und deren Definition
Kenngröße
Beschreibung/Formel für Normwerte
Atemzugvolumen (VT)
Volumen des Atemgases bei einer normalen Ein- und Ausatmung; beträgt etwa 0,5 l
Inspiratorisches Reservevolumen (IRV)
Volumen, das nach einer normalen Einatmung (Inspiration) noch eingeatmet werden kann
Exspiratorisches Reservevolumen (ERV)
Volumen, das nach einer normalen Ausatmung (Exspiration) noch ausgeatmet werden kann
Funktionelle Residualkapazität (FRC)
Volumen, das nach einer normalen (Ruhe-)Exspiration in der Lunge bleibt (FRC = ERV+RV): 4 Mann: 2,34H+0,009A - 1,09 4 Frau: 2,24H+0,001A - 1,00
Vitalkapazität (VC)
Maximal mobilisierbares Lungenvolumen, gemessen bei langsamer Inspiration nach vorausgegangener langsamer maximaler Exspiration. Die Summe aus Atemzugvolumen, in- und exspiratorischem Reservevolumen heißt Vitalkapazität
Totale Lungenkapazität (TLC)
Volumen, das maximal eingeatmet werden kann plus Reservevolumen (TLC = VC+RV): 4 Mann: 7,99H - 7,08 4 Frau: 6,60H - 5,79
Einsekundenkapazität (FEV1)
Volumen, das in einer Sekunde maximal ausgeatmet werden kann. Luftmenge, die nach tiefstmöglicher langsamer Inspiration in der 1. Sekunde der Exspiration mit maximaler Anstrengung schnellstmöglich ausgeatmet werden kann (=forciertes exspiratorisches Volumen in der 1. Sekunde). Das FEV1 ist ein Maß für die Weite der Atemwege bzw. den Obstruktionsgrad: Je weiter die Atemwege sind, desto mehr Volumen kann in einem bestimmten Zeitraum ausgeatmet werden: 4 Mann: 4,30H - 0,029A - 2,49 4 Frau: 3,95H - 0,025A - 2,60
185 25.2 · Ganzkörperplethysmographie
. Tab. 25.1 (Fortsetzung)
Kenngröße
Beschreibung/Formel für Normwerte
Relative Einsekundenkapazität/ Tiffenauwert (FEV1/VC in %-Angabe)
Der Wert berechnet sich aus FEV1 und Vitalkapazität (FEV1/VC) und sagt aus, wieviel Prozent der Vitalkapazität in der 1. Sekunde einer maximalen Ausatmung ausgeatmet werden können: 4 Mann: -0,18A+87,21 4 Frau: -0,19A+89,10
Vitalkapazität und alle anderen Kapazitäten und Volumina sind abhängig von Geschlecht, Körpergröße (H), Gewicht und Alter (A) (Normwerte nach Quanjer 1993 [3])
25.1
Spirometrie
Die Spirometrie, auch »kleine LuFu« genannt, wird mithilfe eines Pneumotachographen im offenen System durchgeführt. Dabei werden Lungen- und Atemvolumina gemessen und graphisch im Spirogramm dargestellt. Die Messungen erfolgen bei offener Kammertür nach den Empfehlungen der European Respiratory Society (ERS) [1, 2]. Die Spirometrie dient zur quantitativen Erfassung der statischen und einiger dynamischer Atemvolumina: Gemessen wird die Menge an Luft (statische Atemvolumina), die forciert ein- und ausgeatmet werden kann, und wieviel Zeit (dynamische Atemvolumina) dafür benötigt wird. In der Spirometrie werden einzeln messbare Mengen als Volumina und zusammengesetzte Mengen als Kapazitäten definiert. Anhand der Spirometriedaten kann man die beiden Hauptgruppen der Lungenerkrankungen unterscheiden und deren Verlauf kontrollieren. In 7 Übersicht 25.1 sind die mittels Spirometrie erfassbaren und nicht erfassbaren Befunde zusammengestellt. . Übersicht 25.1. Aussagen der Spirometrie Erfassbare Befunde 1. Bestehen einer klinisch relevanten Lungenventilationsstörung 2. Ausschluss einer restriktiven/obstruktiven Ventilationsstörung 3. Schweregrad einer obstruktiven Ventilationsstörung 4. Ansprechen auf Broncholyse 5. Verhalten der Lungenfunktionswerte bei Physiotherapie
individuell typische Befundmuster [3]. Parameter für die Bestimmung der statischen und dynamischen Atemvolumina sind in 7 Übersicht 25.2 aufgelistet. . Übersicht 25.2. Parameter für die Bestimmung der Atemvolumina Statische Atemvolumina 1. Vitalkapazität (IVC) 2. Atemzugvolumen (VT) 3. In- und exspiratorisches Reservevolumen (IRV, ERV) Dynamische Atemvolumina 1. Forcierte Vitalkapazität (FVC) 2. Forcierte exspiratorische Einsekundenkapazität (FEV1)
25.2
Ganzkörperplethysmographie
Die Ganzkörperplethysmographie ist besonders wertvoll für die Diagnose einer chronischen Lungenerkrankung, die auf einer Überblähung beruht. Die Ganzkörperplethysmographie ist eine geeignete Methode, um das gesamte Lungenvolumen zu messen (. Abb. 25.2). In einer geschlossenen Kabine misst man bei normaler Ruheatmung 4 die Atemwegswiderstände bei In- und Exspiration und 4 das intrathorakale Gasvolumen.
Nicht erfassbare Befunde 6. Schweregradbestimmung einer restriktiven Ventilationsstörung 7. Differenzierung und Gewichtung des Schweregrads bei kombinierter obstruktiver und restriktiver Ventilationsstörung
Die Darstellung erfolgt regelhaft in Volumen-Zeit- und FlussVolumen-Kurven. Durch den Vergleich mit alters-, geschlechts- und gewichtsabhängigen Normwerten ergeben sich
. Abb. 25.1. Ganzkörperplethysmographie
25
186
Kapitel 25 · Lungenfunktionsprüfung
Differenzierung der Ventilationsstörungen 4 Bei obstruktiven Ventilationsstörungen steigen FRC und RV wegen der erschwerten Exspiration an; außerdem steigen beide Funktionswerte durch den altersbedingten Abbau der elastischen Elemente an. Stärkere obstruktive Störungen können infolge des zunehmenden Residualvolumens auch eine verminderte VC bewirken. 4 Restriktive Ventilationsstörungen gehen mit einer Verminderung aller Lungenfunktionswerte in gleichem Verhältnis einher (. Abb. 25.3).
25
25.3
Praxis: Physiotherapeutische Messung der Lungenfunktionsparameter
25.3.1 RC-Test COPD
. Abb. 25.2. Lungenfunktionsparameter (Lufu). TLC Totalkapazität. VC Vitalkapazität. RV Residualvolumen. IK Inspirationskapazität. FRC Funktionelle Residualkapazität. IRV Inspiratorisches Reservevolumen. ERV Exspiratorisches Reservevolumen (van Gestel 2009)
Die Ganzkörperplethysmographie wird nach den Empfehlungen der European Respiratory Society [1, 2] durchgeführt (. Abb. 25.1). Bei der Messung wird die Kammertür geschlossen und der Druckausgleich abgewartet. Ermittelt werden 4 funktionelle Residualkapazität (FRV), 4 Residualvolumen (RV) und 4 Totalkapazität (TLC). Errechnet wird der Quotient RV/TLC.
a
b
. Abb. 25.3. Lungenfunktionsparameter (Lufu). a Normal, b obstruktive Ventilationsstörung, c restriktive Ventilationsstörung. Vpa Volumen pulmonum auctum (erhöhtes RV bei reversibler Obstruktion). TLC Totalkapazität. VC Vitalkapazität. RV Residualvolu-
Das RC-Test COPD zeigt an: 4 Grad der COPD (Stufe I–IV nach GOLD), 4 geschätztes biologisches Lungenalter und 4 Ausmaß der Atemwegsobstruktion. Das RC-Test COPD misst die wichtigsten Lungenfunktionsparameter für die Diagnosestellung COPD und gibt automatisch die COPD-Klassifizierung gemäß GOLD (Stufe I–IV) an (. Abb. 25.4).
25.3.2 Peak-Flow-Messung Die Peak-Flow-Messung (PEF) ist ein wichtiges Instrument zur Bestimmung der Atemfunktion für Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung. Bei rascher Exspiration wird
c men. IK Inspirationskapazität. FRC Funktionelle Residualkapazität. IRV Inspiratorisches Reservevolumen. ERV Exspiratorisches Reservevolumen (van Gestel 2009)
187 25.5 · Literatur
tient soll dann möglichst schnell und kraftvoll in das Gerät atmen. Die Messung wird 3-mal wiederholt, und der Bestwert wird dokumentiert (. Abb. 25.5). > Wichtig Normwerte bei der Peak-Flow-Messung sind: 4 Beim Mann: 6,14H - 0,043A+0,15 4 Bei der Frau: 5,50H - 0,030A - 1,11
25.4
. Abb. 25.4. RC-Test COPD (Cegla 2009)
Der Transferfaktor für Kohlenmonoxid (TLCO) und das Alveolarvolumen (VA) werden mithilfe der Einatemzugmethode (»single breath«) nach Vorgaben der European Respiratory Society [4] bestimmt. Für die Messung atmet der Patient eine Gasmischung mit vorgegebenem Methan- und Kohlenmonoxidgehalt ein (Methan 0,3 Vol%, Kohlenmonoxid 0,18 Vol%, Rest: synthetische Luft) und stoppt dann die Atmung für 10 sec. Der TLCO der Lunge entspricht der CO-Gasmenge, die pro Zeiteinheit und Partialdruckdifferenz zwischen Alveolarluft und pulmonalem Kapillarblut durch die alveolo-kapilläre Membran diffundiert.
25.5 1. 2. 3. 4.
. Abb. 25.5. Peak-Flow-Messung
der Spitzenfluss des Luftstroms gemessen (Einheit: l/min). Für die Messung sitzt der Patient in bequemer, aber aufrechter Haltung auf einem Stuhl. Nach einer kurzen Wartezeit wird der Patient aufgefordert, das Mundstück am Mund anzusetzen und die Nase mit der Nasenklemme zu verschließen. Der Pa-
Transferfaktor für Kohlenmonoxid
Literatur
Miller MR, Crapo R, Hankinson J et al. (2005) General considerations for lung function testing. Eur Respir J 26: 153–161 Miller MR, Crapo R, Hankinson J et al. (2005) Standardisation of spirometry. Eur Respir J 26: 319–338 Quanjer PH, Tammeling GJ, Cotes JE et al. (1993) Lung volumes and forced ventilatory flows. Eur Respir J; 6 suppl. 16: 5–40 Cotes JE, Chinn DJ, Quanjer PH, Roca J, Yernault JC (1993) Standardization of the measurement of transfer factor (diffusing capacity). Report working party standardization of lung function tests, European community for steel and coal. Official statement of the European Respiratory Society. Eur Respir J; suppl. 16: 41–52
25
26 26 Hypertonus und Kontraktur der sekundären Atemmuskeln A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
26.1
Muskuläre Dysbalance
26.2
Kontraktur: Verkürzung der viskoelastischen Elemente eines Muskels – 191
26.3
– 189
26.4
Praxis: Untersuchung der muskulären Dysbalance – 193
26.5
Literatur
– 194
Längenadaptation: Abnahme der Anzahl seriell geschalteter Sarkomere – 192
Die Muskulatur des Menschen hat sowohl Halte- wie auch Bewegungsfunktion: 4 In Haltefunktion hält der Muskel seine Länge trotz von außen einwirkender Kräfte konstant. 4 In Bewegungsfunktion passt sich der Muskel ständig an die variierende Muskellänge und -spannung an. Propriozeptoren registrieren Spannungszustand und Länge der Skelettmuskulatur. Die durch die propriozeptiven Sensoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken gewonnene Information dient der Koordination von schnellen, über Rückenmarkneurone vermittelten Reflexen zur Körperstabilisierung und -bewegung. Die Rückenmarkreflexe erleichtern dem zentralen motorischen System die Planung und Ausführung von Bewegungen, da ein breites Repertoire an grundlegenden Bewegungselementen bereits vorhanden ist. Ein Reflexbogen besteht aus folgenden Elementen, 4 einem (propriozeptiven) Sensor, 4 einer ableitenden Nervenfaser (Afferenz), 4 einem zentralen Interneuron, 4 einer zuleitenden Nervenfaser (Efferenz) und 4 dem Erfolgsorgan (Effektor) (z.B. Muskel). Der menschliche Körper verfügt über zwei propriozeptive Rückkoppelungssysteme, 4 das Längen-Kontroll-System mit den Muskelspindeln und 4 das Spannungs-Kontroll-System mit den Sehnenorganen als Fühler (Rezeptoren): 5 im Muskel die Muskelspindel, 5 in der Sehne den Golgi-Sehnen-Apparat bzw. die Golgi-Organe (Sehnenspindel).
Muskulatur macht ca. 40% der gesamten Körpermasse aus. Bedingt durch u.a. den aufrechten Gang ist ein Großteil der Muskeln darauf ausgerichtet, gegen die Gravitationskraft zu arbeiten. Ohne einen adäquaten Belastungsreiz verlieren die Muskelgruppen ihre Funktionsfähigkeit, sie passen sich in Ruhelänge den veränderten Bedingungen an und verkürzen (funktionelle Verkürzung) oder verspannen (Hypertonus). Folgen sind: 4 verminderte Gelenkbeweglichkeit bzw. Bewegungsarmut, 4 gestörte Atemfunktion oder 4 Haltungsabweichungen. In der Prävention wie auch in der Rehabilitation ist die Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit (Kap. 38) und Muskelfunktion (Kap. 37) eine wichtige Voraussetzung für die Bewältigung der Sport- und Alltagsbelastungen. Bewegungsarmut – auch nur einzelner Muskelgruppen – wie sie wegen sehr einseitiger oder mangelhafter Belastung bei lungenerkrankten Personen vorkommen kann, führt zu einer Inaktivitätsinsuffizienz bestimmter Muskelgruppen. Auch überschwellige physiologische Reize, die z.B. durch Über- oder Fehlbelastung induziert werden können, führen zu einer Störung der muskulären Spannungsintegrität. Ungünstige einseitige Bewegungsabläufe und monotones Training stereotyper Bewegungen führen zu Störungen des statischen und dynamischen Gleichgewichts mit typischer reduzierter Funktionsfähigkeit der betroffenen Muskulatur [1].
189 26.1 · Muskuläre Dysbalance
26.1
Muskuläre Dysbalance
26.1.1 Hypertonus: Zu hohe Aktivität des
neuromuskulären Apparates Die muskuläre Dysbalance ist eine Reaktion der quergestreiften Muskulatur auf 4 Fehlbelastungen, 4 Überbelastung und 4 Inaktivität. In welcher Weise die einzelnen Muskeln auf eine muskuläre Dysbalance reagieren, hängt hauptsächlich von ihrer morphologischen Faserzusammensetzung ab. Die phylogenetisch älteren, roten Muskelfasern (posturale oder tonische Muskelfasern) werden von den phylogenetisch jüngeren, weißen Muskelfasern (phasische Muskeln) unterschieden. Jeder Muskel hat je nach Funktion phasische und tonische Muskelfasern, die sich in einem bestimmten Verhältnis zusammenfügen. > Wichtig Bei einer muskulären Dysbalance reagieren tonische Muskeln eher mit Hypertonus und Verkürzung, phasische Muskeln eher mit Atrophie.
Durch gezielte physiotherapeutische Interventionen besteht die Möglichkeit, eine aktive muskuläre Stabilisierung bei gleichzeitigem Abbau der muskulären Dysbalancen zu gewährleisten. Zielmuskeln Untersucht werden die verkürzten sekundären Atemmuskeln, die Muskeln von Thorax und Glenohumeralgelenk und die abdominalen Muskeln (Funktion der einzelnen Muskeln, Kap. 7): 4 Mm. pectorales, 4 M. latissimus dorsi, 4 M. teres major, 4 M. subscapularis, 4 M. trapezius pars descendens, 4 M. levator scapulae, 4 M. sternocleidomastoideus, 4 Mm. scaleni und 4 M. rectus abdominis.
Definition Ein Hypertonus ist definiert als eine vermehrte Ruhespannung (Ruhetonus) mit Dauerkontraktion der Muskulatur, die sich nicht durch bewusste Entspannung beseitigen lässt.
Diese Situation ist Folge einer zu hohen Aktivität des gesamten neuromuskulären Apparates (Sensor-Nerv-Muskel-System, . Abb. 26.1), deren Ursachen im Folgenden beschrieben werden: Die Propriozeptoren registrieren und regulieren alle Spannungs- und Längenzustände sowie Bewegungen der Skelettmuskulatur und Gelenke. Über diese Informationen werden Muskeltonus und Muskellänge gesteuert und das Zusammenspiel der einzelnen Muskeln und Muskelgruppen koordiniert. Ein (zu stark) gespannter Muskel kann die Mobilität des Gelenks, das er überzieht, einschränken. Dies gilt vor allem für die Bewegungsrichtung, die entgegengesetzt der Anspannungsrichtung des Muskels verläuft. Der neuromuskuläre Apparat der quergestreiften Muskulatur unterliegt vielfältigen Einflüssen, nicht nur aus dem inneren Organbereich, sondern auch seitens Außenwelt und Psyche. Ursachen eines muskulären Hypertonus Die Ursachen eines muskulären Hypertonus sind in 7 Übersicht 26.1 zusammengefasst. Als Folge führen diese Einfluss-
Ursachen für verminderte Mobilität In 7 Übersicht 26.1 sind die drei Ursachen für eine verminderte Mobilität der o.g. Muskeln aufgelistet. . Übersicht 26.1. Ursachen für verminderte Mobilität 1. 2. 3.
Hypertonus Kontraktur Mangel an seriell verknüpften Sarkomeren
. Abb. 26.1. Motorische Einheit. A Querschnitt eines peripheren Nervs. B α-Motoneurone mit Zellkörper (a), die als motorische Efferenz (b) die Muskelkontraktion der (extrafusalen) Arbeitsmuskulatur (d) erzeugt; (c) motorische Endplatte (van Zutphen 1991 [2])
26
190
Kapitel 26 · Hypertonus und Kontraktur der sekundären Atemmuskeln
faktoren nicht nur zu einer Aktivierung des neuromuskulären Apparates, sondern auch zu Reaktionen des Vegetativums (7 Übersicht 26.2). . Übersicht 26.2. Ursachen und Folgen eines muskulären Hypertonus
26
Ursachen 1. Muskelinduzierte Symmetriestörungen 2. Bewegungsmangel 3. Haltungsasymmetrien 4. Fehlhaltungen 5. Schmerzzustände 6. Chronische Fehlbelastungen Folge: Reaktionen des Vegetativums 1. Schlafstörungen 2. Magenbeschwerden 3. Allgemeine Unruhe (Kap. 14)
Einfluss auf die Atemmuskulatur bei COPD-Patienten Chronische Veränderungen des Gesundheitszustandes haben den größten Einfluss auf das Aktivitätsniveau des zentralen Nervensystems und kosten dementsprechend die meiste Energie. Daher können COPD-Patienten manchmal völlig erschöpft sein, wodurch das Verhältnis zwischen Reiz und Reaktion negativ beeinflusst wird. Vergleicht man z.B. die EMG-Aktivität des Zwerchfells in Ruhe zwischen gesunden Personen und COPD-Patienten (im fortgeschrittenen Stadium) der gleichen Altersgruppe, so ist diese bei den COPDBetroffenen 70% höher [3]. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass COPD-Patienten als Antwort auf die Dyspnoe unbewusst eine lebenswichtige Verbesserung der alveolaren Ventilation anstreben. Es ist COPD-Patienten nicht möglich, die genaue Ursache der subjektiven Dyspnoe zu identifizieren. Sie reagieren eher mit einer allgemeinen unspezifischen Aktivierung der gesamten Atemmuskulatur (»arousal«).
. Abb. 26.2. Schematische Darstellung der γ-Spindel-Schleife: Die efferenten γ-Motoneurone (1) können die intrafusalen Muskelfasern in den Muskelspindeln reizen und somit den Muskeltonus auf indirektem Weg (2) erhöhen (3) (Bernards u. Bouman 1994 [4])
Der Dehnungsreflex kann nicht nur durch direkte Erregung der α-Motoneurone, sondern auch durch intrafusale Kontraktion (über Erregung der γ-Motoneurone) ausgelöst werden. Viele Muskelspindeln besitzen zusätzlich eine efferente Innervation (Motoaxone der intrafusalen Muskelfasern bzw. γ-Motoneurone), die dünner ist als das α-Motoneuron. Die efferenten γ-Motoneurone können die intrafusalen Muskelfasern der Muskelspindeln reizen und auf diesem indirekten Weg den Muskeltonus erhöhen (γ-Spindel-Schleife) (. Abb. 26.2).
26.1.2 Hypertonus: Aktivierung
der α-Motoneurone eines Muskels Muskelspindeln, die als Dehnungsrezeptoren fungieren und auf rasche Längenänderungen (z.B. durch einen Schlag auf die Patellasehne) mit einem monosynaptischen Reflex reagieren, sind in jedem Muskel enthalten und regulieren u.a. den Muskeltonus: 4 Eine schnelle Dehnung reizt die intrafusalen Muskelspindelfasern und löst eine Aktivierung der α-Motoneurone aus, die als motorische Efferenz die Muskelkontraktion der extrafusalen Arbeitsmuskulatur erzeugen. 4 Eine langsame Dehnung inhibiert bzw. entlastet die intrafusalen Muskelspindelfasern und löst ein Nachlassen der α-Motoneurone und konsekutiv eine Entspannung des Arbeitsmuskels aus. 4 Eine isotonische Kontraktion der extrafusalen Muskelfasern entlastet die intrafusalen Muskelspindelfasern, so dass diese ihre Aktivität reduzieren.
Fazit Die Aktivität der Muskelspindeln ermöglicht über afferente Signale zum Rückenmark eine direkte und indirekte Modifikation der Entladung von α-Motoneuronen. Eine erhöhte Erregbarkeit der γ-Motoneurone kann zu einer gesteigerten Entladungsfrequenz in den Muskelspindelafferenzen und somit zu einer verstärkten Aktivierung der α-Motoneurone des Muskels führen.
26.1.3 Hypertonus durch Reizung
der Muskel-Nozizeptoren Auslöser einer erhöhten Erregbarkeit der γ-Motoneurone ist möglicherweise eine Reizung der Muskel-Nozizeptoren (C-Fasern), z.B. bei lokalen Muskelschmerzen oder bei ischämischen Bedingungen. Durch diesen Rückkoppelungsmechanismus kann die α-Motoneuronenaktivität über eine muskulär be-
191 26.2 · Kontraktur: Verkürzung der viskoelastischen Elemente eines Muskels
dingte Gefäßkompression zu einer Ischämie der versorgten Muskulatur – zu ischämischen Kontraktionen – führen [1].
26.1.4 Hypertonus verursacht durch
das limbische System Chronische Muskelverspannungen werden selten durch
eine Verletzung des verspannten Muskels selbst verursacht, die Ursachen liegen eher außerhalb des Muskels. Das γ-System kann auch durch absteigende Impulse der pyramidalen und extrapyramidalen motorischen Bahnen aktiviert werden, die die α-Motoneurone in Daueraktivierung versetzen. Folge der Aktivierung im γ-System ist also eine herabgesetzte Reizschwelle der α-Motoneurone. Dabei spielt das limbische System eine übergeordnete Rolle. Die motorischen Bahnen stehen unter Kontrolle der höheren kortikalen Zentren (Formatio reticularis), und sie werden bei mangelnder motorischer Kontrolle (z.B. Alter oder Fehlhaltungen mit muskulären Dysbalancen) oder in psychischen Stresssituationen aktiviert. Angst, Krankheit, chronische Schmerzen und Motivation tragen zu einer herabgesetzten funktionellen Reizschwelle der α-Motoneurone bei. Sie können durch einen Circulus vitiosus aufrechterhalten werden und über eine gesteigerte sympathische Reflextätigkeit möglicherweise zu einer weiteren Ischämie oder Sensitivierung der Nozizeptoren führen.
sympathische Reflexbögen eingebunden sind. Störungen des autonomen Gleichgewichts sind bei einer systemischen Erkrankung wie der COPD häufig und können sowohl exogener als auch endogener Natur sein. Sympathomimetische und parasympatholytische Stimuli wie z.B. rezidivierende arterielle Hypoxämie [5] und Hyperkapnie [6, 7] können zu einer Störung des autonomen Gleichgewichts führen. Zusätzlich können eine veränderte Chemorezeptorensensibilität, eine Vergrößerung des end-exspiratorischen Lungenvolumens, die Erregung der intrathorakalen Barorezeptoren, eine Ermüdung und Erschöpfung der Atemmuskeln sowie die Stimulierung der pulmonalen Dehnungsrezeptoren [8] mit einem gestörten autonomen Gleichgewicht bei COPD-Patienten in Verbindung stehen. Fazit Bedingt vor allem durch die Hypoxie und die subjektive Empfindung einer Dyspnoe kommt es zu einer reflektorischen zentralnervösen Sympathikusaktivierung (»arousal«) [9]. Eine erhöhte sympathische Aktivität kann den Muskeltonus indirekt über die Aktivierung der intrafusalen Muskelspindelfasern steigern (. Abb. 26.3, Abb. 26.4).
26.2
Kontraktur: Verkürzung der viskoelastischen Elemente eines Muskels
Definition 26.1.5 Hypertonus verursacht durch
das pulmonale System
Eine Kontraktur (lat. contrahere; zusammenziehen) ist eine (ir)reversible Bewegungseinschränkung des Gelenks, die auf eine Verkürzung von Muskeln, Sehnen und Bändern zurückzuführen ist.
Im pulmonalen System wird der Atemzyklus von viszerosomatischen Mechanorezeptoren (Registratoren von Dauer und Tiefe der Atmung) und viszeralen Chemosensoren (Registratoren von CO2- und O2-Gehalt des Blutes) wahrgenommen und reguliert (Kap. 14). Irritierende Reize in den Atemwegen werden von den Nozizeptoren registriert. Die nozizeptiven Afferenzen können über Axonkollaterale Einfluss auf Neurone haben, die in somato-motorische und vegetativ-
Durch die Verkürzung limitiert ein Muskel vorzeitig die Bewegung seines Antagonisten (passive Muskelinsuffizienz) (. Abb. 26.5). In der Manuellen Therapie unterscheidet man einen viskoelastischen Tonus (Kontraktur) und einen neuromuskulären Tonus:
. Abb. 26.3. Palpation: Tonus des M. trapezius descendens (rechts)
. Abb. 26.4. Palpation: Tonus des M. scalenus anterior (rechts)
26
192
26
Kapitel 26 · Hypertonus und Kontraktur der sekundären Atemmuskeln
4 Der neuromuskuläre Tonus ist die Spannung des Muskels, die durch den gesamten neuromuskulären Apparat aufgebaut wird, d.h. durch die Zusammenarbeit von Muskelfasern und dazugehörenden motorischen Nerven. 4 Ist einem Muskel trotz Normotonisierung keine weitere Bewegung möglich, limitieren inerte Komponenten (passive Bindegewebsschichten, z.B. Endomysium, Perimysium und Epimysium) inner- und außerhalb des Muskels das Bewegungsausmaß: Es liegt ein erhöhter viskoelastischer Tonus (Kontraktur) vor. Viskoelastischer Tonus (Kontraktur) Es gibt verschiedene Ursachen für eine Kontraktur: 4 Eine myogene Kontraktur ist primär durch eine Pathologie der Muskulatur begründet, evt. in Kombination mit einer traumatischen Verletzung oder einer Knochen- bzw. Gelenkentzündung. Durch Kompression der umliegenden strangulierenden Strukturen kommt es zu Ischämie und Muskelnekrose, die weiterlaufend z.B. durch eine fibröse Umwandlung der Muskelfasern eine Bewegungseinschränkung verursachen. 4 Bei der fasziogenen Kontraktur kommt es zur Schrumpfung der Faszien, d.h. der bindegewebigen Hüllen einzelner Muskeln bzw. Muskelgruppen oder der Aponeurosen (Sehnenhaut bzw. Haut eines flächenhaft ansetzenden Muskels). Ursache ist meist eine Entzündung, Verletzung oder unphysiologische Lagerung (ein gestörter Muskeltonus lässt den kontrahierten Muskel das Gelenk dauerhaft in die Fehlstellung ziehen). Betroffen ist das Bindegewebe von Epimysium, Perimysium und Endomysium, d.h. die viskoelastischen Elemente des Muskels. Der viskoelastische Tonus wird zudem durch die physikalischen Gewebeeigenschaften mitbestimmt, z.B. 4 dem osmotischen Druck der Körperflüssigkeiten, 4 der elastischen Spannung von Bindegewebe, Sehnen und Gelenkkapsel sowie 4 dem von Faszien ausgeübten Druck [1]. Fazit Tritt innerhalb der viskoelastischen Elemente eine Verkürzung auf (durch Verklebung, Schrumpfung auf Basis eines veränderten Aufbaus), spricht man von einer Kontraktur. Es handelt sich dann nicht um eine zu hohe lokale Spannung im Muskel. Es kann natürlich sein, dass bei einer Kontraktur zugleich eine Hypertonie vorliegt. Bereits nach 3 Wochen mangelnder Bewegung entwickelt sich die Muskulatur merklich zurück, ebenso lassen sich Veränderungen an Knochen und Gelenken festmachen.
Exkurs Längenadaptation bei Ratten Direkte Evidenz für die trainingsinduzierte Modulation der Anzahl von Sarkomeren stammt von experimentellen Untersuchungen an Ratten [13–16]. Aus den
. Abb. 26.5. Untersuchung: Länge des M. trapezius descendens (rechts) bei heterolateraler Lateroflexion und homolateraler Rotation der Halswirbelsäule sowie Depression der Schulter
26.3
Längenadaptation: Abnahme der Anzahl seriell geschalteter Sarkomere
Die dritte Ursache einer ungenügenden funktionellen Muskellänge kann sein, dass zu wenige seriell verknüpfte Sarkomere im Muskel vorhanden sind. Die Länge eines Skelettmuskels ist abhängig von der Summe der in Serie geschalteten Sarkomere, während der Querschnitt von der Anzahl der Myofibrillen pro Muskelfaser bestimmt wird. Die Anzahl der Sarkomere ist nicht festgelegt, sondern passt sich dem Verhältnis für die günstigste funktionelle Kraftübertragung des Muskels an. Es ist schon lange bekannt, dass sich Skelettmuskeln an eine neue funktionelle Länge anpassen können, indem an den Myofibrillenenden neue Sarkomere seriell addiert oder entfernt werden: 4 Bei einer chronischen Verlängerung der Muskulatur, wie sie z.B. bei Herzdekompensation auftritt, werden zusätzliche Sarkomere so zu den Muskelfasern hinzugefügt, dass sich die Überlappung der Filamente innerhalb der Sarkomere nur minimal verändert [10]. 4 Bei einer chronischen Verkürzung des Muskels ist es genau umgekehrt. Mit der chronischen Verkürzung reduzieren sich die seriell verknüpften Sarkomere, so dass die Überlappung der Filamente unverändert bleibt (Kap. 6) [10, 11]. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff Längenadaption (Regulation der Anzahl von Sarkomeren in Serie) bekannt. Diese
Resultaten dieser Experimente folgt, dass exzentrisches Training (Kontraktion bei sich verlängerndem Muskel) zu einer zunehmenden Anzahl seriell geschalteter Sarkomere, konzentrisches Training
(Kontraktion bei sich verkürzendem Muskel) zu einer abnehmenden Anzahl seriell geschalteter Sarkomere führt [13–16].
193 26.4 · Praxis: Untersuchung der muskulären Dysbalance
resultiert daraus, dass sich die gesamte Länge-Kraft-Kurve zu einer kürzeren Länge hin verschiebt (Kap. 6). Die Längenadaptation findet nach etwa 4–6 Wochen statt [12]. Diese morphologische Veränderung geht mit einer Remodellierung des Bindegewebes einher. Fazit Der Effekt bzw. der physiologische Sinn der Längenadaptation ist 4 zum einen die Anpassung der Strecke, über die der Muskel kontrahieren kann und 4 zum anderen die Anpassung der optimalen Sarkomerlänge, bei der der Muskel sein Kraftmaximum produzieren kann [13].
26.4
Praxis: Untersuchung der muskulären Dysbalance
Allgemein ist bekannt, dass der Atemrhythmus und damit die kontraktilen Elemente (Aktin und Myosin) der Atemmuskulatur in drei verschiedenen Kontraktionsformen arbeiten: 4 konzentrisch, 4 isometrisch und 4 exzentrisch. Ebenso weiß man, dass jede Atemphase im Atemzyklus Auswirkungen auf die nachfolgende hat, so dass z.B. die Inspiration nur optimal und ökonomisch erfolgen kann, wenn nach der vorausgegangenen Exspiration eine Entspannung der Atemmuskulatur möglich war (Kap. 31). Durch Fehl- und Überbelastung bei der Atmung entstehen bei COPD-Patienten häufig muskuläre Dysbalancen mit vermehrtem Stress auf ligamentäre und artikuläre Strukturen bis hin zur chronisch respiratorischen Globalinsuffizienz. Diese führt wiederum zu einer stärkeren Homöostasestörung (Störung des biologischen Gleichgewichts) und initiiert entsprechende strukturaufbauende Prozesse. In diesem Zusammenhang ist außerdem anzumerken, dass der allgemeine gesundheitliche und konditionelle Abbau sowie die Dekonditionierung der peripheren und respiratorischen Muskulatur bei COPD-Patienten durch einen Circulus vitiosus, bestehend aus krankheitsbedingter Inaktivität und fortschreitender Verschlechterung des Krankheitsbildes, maßgeblich beeinflusst wird. Ziel der Physiotherapie ist es, den Circulus vitiosus zu durchbrechen.
26.4.1 Differenzierung Im Assessment werden die Ursachen für eine verminderte Mobilität anhand verschiedener Muskeltests differenziert (modifiziert nach dem Konzept von Lindel 2006 [17]). Es gilt zu prüfen, ob 4 eine Hypertonie, 4 eine Kontraktur oder 4 ein Mangel an seriell verknüpften Sarkomeren für die muskuläre Dysbalance verantwortlich ist (7 Übersicht 26.3).
Test der Zielmuskeln Für die Untersuchung werden alle Zielmuskeln in die Längenposition bewegt, in der das Symptom des Patienten, z.B. Schmerz oder eingeschränkte Beweglichkeit, reproduziert werden kann. Gleichzeitig werden Muskeltonus und Muskellänge geprüft. Synergistische mehrgelenkige Muskeln werden ausgeschaltet, indem das indifferente Gelenk (bzw. Nachbargelenk) in eine für den Zielmuskel angenäherte Position gebracht wird: 4 Ist das Bewegungsausmaß (ROM) jetzt deutlich größer, ist wahrscheinlich der mehrgelenkige Muskel betroffen. 4 Ist das ROM jetzt nicht deutlich größer, ist wahrscheinlich der eingelenkige Zielmuskel betroffen. . Übersicht 26.3. Differenzierungstests: Kontraktur oder Hypertonus Es gibt vier Tests, um festzustellen, ob eine Kontraktur oder ein Hypertonus vorliegt (. Abb. 26.6): 1. Der Zielmuskel soll isometrisch an- und entspannen (AS/ES): Ist das ROM jetzt deutlich größer, liegt ein Hypertonus vor; ist dem nicht so, besteht eher eine Kontraktur. 2. In die antagonistische Richtung des Zielmuskels wird isometrisch angespannt und entspannt (AS/ES). Ist das ROM jetzt deutlich größer, liegt ein Hypertonus vor; wenn nicht, besteht eine Kontraktur. 3. Der Zielmuskel wird passiv bis ans Bewegungsende (EOR, »end of range«) verlängert und das Endgefühl getestet: Ein weich-elastisches Endgefühl deutet auf einen Hypertonus hin, ein fest-elastisches auf eine Kontraktur. 4. Die betroffene Struktur wird palpiert und auf Druckdolenz und Tonus geprüft. Für die Tonuspalpation drückt man mit drei Fingern senkrecht in den Muskelbauch. Bringt der Muskel leicht-elastischen Widerstand entgegen, ist es eine Kontraktur. Ist der Muskel fest und schwer bzw. nicht eindrückbar, ist ein Hypertonus wahrscheinlich.
Tipp
Ein fest-elastisches Endgefühl und ein verkürzter Muskel deuten auf eine arthrogene Bewegungseinschränkung hin. In dem Fall sollten alle möglichen verursachenden Gelenke auf Hypomobilität getestet werden (Kap. 24).
26
194
Kapitel 26 · Hypertonus und Kontraktur der sekundären Atemmuskeln
26
. Abb. 26.6. Untersuchung der muskulären Dysbalance: Strukturelle Verkürzung/Kontraktur, hypertone Längenminderung/Hypertonus.
26.5
Literatur
1. Opitz G (2005) Der Muskelschmerz. Schmerz & Akupunktur 3: 151–163 2. Zutphen HCF v, Bernards ATM (1991) Nederlands leerboek der fysische therapie in engere zin.Wetenschappelijke uitgeverij Bunge, Utrecht 3. De Troyer A, Leeper JB, McKenzie DK, Grandevia SC (1997) Neural drive to the diaphragm in patients with severe COPD. Am J Respir Crit Care Med 155: 1335–1340 4. Bernards JA, Bouman LN (1994) Fysiologie van de mens. Bohn Stafleu van Loghum, Houten Diegem 5. Barthels M, Gonzales J, Kim W, DEmeersman R (2000) Oxygen supplementation and cardio-autonomic modulation in COPD. Chest 118: 691–696 6. Brown SJ, Mundel T, Brown JA (2007) Cardiac Vagal Control and Respiratory Sinus Arrhythmia during Hypercapnia in Humans. J Physiol Sci 57-6: 337–342 7. Sasano N, Vesely A, Hayano J et al. (2002) Direct effect of PaCO2 on respiratory sinus arrhythmia in conscious humans. Am J Physiol Heart Circ Physiol 282: 973–976 8. Costes F, Roche F, Pichot V et al. (2004) Influence of exercise training on cardiac baroflex sensitivity in patients with COPD. Eur Respir J 23: 396–401 9. Heidl S, Lehnert M, Criee CP, Hasenfuss G, Andreas S (2001) Marked Sympathetic Activation in Patients with Chronic Respiratory Failure. Am J Respir Crit Care Med 164: 597–601 10. Goldspink G, Tabary C, Tabary JC, Tardiou G, Tardiou C (1974) Effect of denervation on the adaptation of sarcomere number and muscle extensibility to the functional length of the muscle. J Physiol 236: 733–742 11. Köhler D, Schönhofer B, Haidl P, Kemper P (2000) Ursache und Therapie der Hyperkapnie. Pneumologie 54: 434–439
AS/ES Anspannen/Entspannen. ROM Bewegungsausmaß (»range of motion«) (modifiziert nach Lindel 2006 [17], van Gestel 2009)
12. Farkas GA, Roussos C (1983) Diaphragm in emphysematous hamsters: sarcomere adaptability. J Appl Physiol 54: 1635–1640 13. Toigo M (2006) Trainingsrelevante Determinanten der molekularen und zellulären Skelettmuskeladaptation. Schweiz Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie 54(3): 101–107 14. Lynn R, Morgan DL (1994) Decline running produces more sarcomeres in rat vastus intermedius muscle fibers than does incline running. J Appl Physiol 77: 1439–1444 15. Lynn R, Talbot JA, Morgan DL (1998) Differences in rat skeletal muscles after incline and decline running. J Appl Physiol 85: 98– 104 16. Butterfield TA, Leonard TR, Herzog W (2005) Differential serial sarcomere number adaptations in knee extensor muscles of rats is contraction type dependent. J Appl Physiol 99: 1352–1358 17. Lindel K (2006) Muskeldehnung. Springer, Heidelberg 18. Neumann HD (2003). Manuelle Medizin. Springer, Heidelberg
27 27 Lebensqualität A.J.R. van Gestel, S. Teschler, H. Teschler
27.1
Exazerbationen: Beeinträchtigung der Lebensqualität – 195
27.2
Praxis: Assessment der gesundheitsspezifischen Lebensqualität – 196
Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) hat große Auswirkungen auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten. Bei der krankheitsbezogenen Lebensqualität ist die Multi-Dimensionalität zu beachten, d.h., die Lebensqualität umfasst mehrere Bereiche. Die emotionalen Folgen sind vielfältig, oft kommt es bei schwerer COPD zu Angststörungen, Depressionen [21,22], emotionaler Labilität oder erhöhter Reizbarkeit. Die Krankheit vermindert das Selbstvertrauen, und die Patienten fühlen sich häufig ausgeliefert, hilflos, einsam und mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen. Auffallende Krankheitssymptome wie Zyanosen, abweichendes Körpergewicht, Uhrglasnägel, Trommelschlegelfinger und chronischer Husten mit Auswurf sind für die Betroffenen stigmatisierend, verunsichern das Selbstwertgefühl und können zusätzlich die soziale Integration erschweren. Untersuchungen bei COPD-Patienten haben gezeigt, dass die Prävalenz von Angst und Depression zwischen 2–50% variiert [23, 24, 25]. Van Ede et al. stellten in Übereinstimmung eine Prävalenz von 6–24% fest [22].
27.1
Exazerbationen: Beeinträchtigung der Lebensqualität
Exazerbationen beeinträchtigen zusätzlich die Lebensqualität [1–4]; je öfter diese auftreten, desto schneller erfahren die Patienten eine Verschlechterung ihrer Lebensqualität. Es zeigte sich, dass nicht nur die körperliche Einschränkung während einer Exazerbation, sondern auch die Angst vor einem neuen Schub bzw. einer erneuten Hospitalisierung und negativen Stimmungen ein großes Problem für COPD-
27.3
Verbesserung der Lebensqualität
27.4
Literatur
– 196
– 196
Patienten ist. Vor allem der eigene persönliche Umgang mit der Krankheit spielt eine entscheidende Rolle. Häufig entsteht eine Reihe von psychosozialen Stressfaktoren, die in 7 Übersicht 27.1 aufgelistet sind. . Übersicht 27.1. Psychosoziale Stressfaktoren bei COPD-Patienten 1. Abhängigkeit von medizinischen Versorgungssystemen 2. Angst und Depression (allgemein) 3. Angst vor akuten Atemnotattacken 4. Schlafstörungen 5. Hypoxämie/Hyperkapnie 6. Chronische Schmerzen 7. Einschränkung der sozialen Kontakte 8. Finanzielle Verschlechterung 9. Gefühl des Ausgeliefertseins, Hilflosigkeit 10. Mehrere Krankheiten oder Störungen zugleich (Multimorbidität) 11. Probleme am Arbeitsplatz 12. Veränderungen des Körperschemas und des Körperbildes 13. Verminderte kardiopulmonale Leistungsfähigkeit 14. Verminderung des Selbstwertes
27
196
Kapitel 27 · Lebensqualität
27.2
Praxis: Assessment der gesundheitsspezifischen Lebensqualität
Um Gesundheitsstatus und Erfolg einer physiotherapeutischen Maßnahme aus der Sicht des Patienten zu beurteilen, darf auf die Messung der Lebensqualität nicht verzichtet werden. In der pneumologischen Rehabilitation werden für das Assessment zwei Fragebögen verwendet: 4 der Short-Form-36-Fragebogen (SF36) zur Ermittlung der gesundheitsspezifischen Lebensqualität und 4 der Chronic Respiratory Questionnaire (CRQ) zur Bewertung der krankheitsspezifischen Lebensqualität.
und Belastbarkeit bei. Lacasse et al. [5, 6, 7], Verrill et al. [9], Benzo et al. [10] sowie die NETT-Study Group [11] berichteten kürzlich über eine Verbesserung mancher Aspekte der mentalen Gesundheit von COPD-Patienten als Ergebnis der getesteten Trainingsprogramme. In einer randomisierten, kontrollierten PR über 4 und 7 Wochen errechneten Sewell et al. [12] aus den Patientenangaben bereits nach 4 Wochen eine statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserung der Aspekte: Atemnot, Erschöpfung und Stimmungslage. Nicht verbessert hat sich die Krankheitsbewältigung. 27.4
Chronic Respiratory Questionnaire (CRQ) Der CRQ ist ein Fragebogen, der die krankheitsspezifische Lebensqualität von Patienten mit COPD erfasst [13]. Allerdings ist er mit 50 Items sehr umfangreich. In der Praxis wird vor allem die deutsche, selbstadministrierende Version [14, 15, 16] verwendet, mit der man den Therapieerfolg des Patienten ohne allzu großen Aufwand kontrollieren kann. Der Fragebogen besteht aus insgesamt 20 Fragen, die in vier Kategorien untergliedert sind: 1. Atemnot, 2. Erschöpfung, 3. Stimmungslage und 4. Krankheitsbewältigung. Die Patienten sollen jede Frage anhand einer 7-Punkte-Skala beantworten, die Einschränkungsgrade reichen von 1 (maximale Einschränkung) bis 7 (keine Einschränkung). Der Summenscore wird durch Summierung der Einzelwerte aller 20 Fragen berechnet. SF36-Fragebogen Der SF36-Fragebogen wird eingesetzt, um die gesundheitsbezogene Lebensqualität, d.h. das physische und psychosoziale Wohlbefinden sowie das funktionale Vermögen der Patienten zu erfassen [14]. Häufig wird die deutschsprachige, validierte [15, 16, 17, 18], selbstadministrierende Version des SF36 (IQOLA, Version 1.0 1999) für Patienten mit COPD eingesetzt. Der Fragebogen besteht aus insgesamt 36 Items, die in 8 Kategorien untergliedert sind. Die Patienten sollen jede Frage anhand einer Likert-Skala unterschiedlicher Abstufung (2–6) beantworten. Die Scores der Einzelkategorien werden zu zwei übergeordneten Summenscores für das körperliche und psychische Wohlbefinden zusammengefasst.
27.3
Verbesserung der Lebensqualität
Eine Verbesserung der Lebensqualität von COPD-Patienten kann erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die o.g. Symptome, die unmittelbar die Lebensqualität beeinflussen, in einer pulmonalen Rehabilitation Besserung erfahren [5, 6, 7, 8]. Neben der medikamentösen Therapie tragen physiotherapeutische Maßnahmen wie regelmäßiges rehabilitatives Aufbautraining zur Verbesserung der Lebensqualität
Literatur
1. Seemungal TA, Donaldson GC, Paul EA et al. (1998) Effect of exacerbation on quality of life in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 157: 1418– 1422 2. Spencer S, Calverley PM, Burge PS, Jones PW (2004) Impact of preventing exacerbations on deterioration of health status in COPD. Eur Respir J 23: 698–702 3. Doll H, Grey-Amante P, Duprat-Lomon I (2002) Quality of life in acute exacerbation of chronic bronchitis: results from a German population study. Respir Med 96: 39–51 4. Jones PW, Stahl E (2003) Reducing exacerbations leads to a better health-related quality of life in patients with COPD. Eur Respir J, 22: Suppl. 45, 238 5. Lacasse Y, Wong E, Guyatt GH (1996) Meta-analysis of respiratory rehabilitation in chronic obstructive pulmonary disease. Lancet 348: 1115–1119 6. Lacasse Y, Guyatt GH, Goldstein RS (1997) The components of a respiratory rehabilitation program: a systematic overview. Chest 111: 1077–1088 7. Lacasse, Y, Brosseau L, Milne S (2003) Pulmonary rehabilitation for chronic obstructive pulmonary disease. The Cochrane Library Issue 1, Oxford 8. Criner G, Cordova FC, Leyenson et al. (1999) Randomised controlled trial comparing bilateral lung volume reduction surgery to pulmonary rehabilitation in severe chronic pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 160: 2018–2027 9. Verrill D, Barton C, Beasley W, Lippard WM (2005) The effects of shortterm and long-term pulmonary rehabilitation on functional capacity, perceived dyspnea, and quality of life. Chest 128: 673– 683 10. Benzo R, Flume PA, Turner D, Tempest M (2000) Effect of pulmonary rehabilitation on quality of life in patients with COPD: the use of SF-36 summary scores as outcomes measures. J Cardiopulm Rehabil 20: 231–234 11. Ries AL, Make BJ, Lee SM et al. (2005) The effects of pulmonary rehabilitation in the national emphysema treatment trial. Chest 128: 3799–3809 12. Sewell L, Singh S J, Williams JE, Collier R, Morgan MD (2006) How long should outpatient pulmonary rehabilitation be? A randomised controlled trial of 4 weeks versus 7 weeks. Thorax 61: 767– 771 13. Wijkstra PJ, Vergert EM t, Otten AR v et al. (1994) Reliability and validity of the chronic respiratory questionnaire (CRQ). Thorax 49: 465–467 14. Puhan MA, Behnke M, Laschke M et al. (2004) Self-administration and standardisation of the chronic respiratory questionnaire: a randomised trial in three German-speaking countries. Respir Med 98: 342–350
197 27.4 · Literatur
15. Puhan MA, Schunemann HJ, Frey M, Scharplatz M, Bachmann LM (2005) How should COPD patients exercise during respiratory rehabilitation? Comparison of exercise modalities and intensities to treat skeletal muscle dysfunction. Thorax 60: 367–375 16. Guyatt GH, Berman LB, Townsend M, Pugsley SO, Chambers LW (1987) A measure of quality of life for clinical trials in chronic lung disease. Thorax 42: 773–778 17. Mahler DA, Mackowiak JI (1995) Evaluation of the short-form 36-item questionnaire to measure health-related quality of life in patients with COPD. Chest 107: 1585–1589 18. Bullinger M (1995) German translation and psychometric testing of the SF-36 health survey: preliminary results from the IQOLA Project. International quality of life assessment. Soc Sci Med 41: 1359–1366 19. Harper R, Brazier JE, Waterhouse JC et al. (1997) Comparison of outcome measures for patients with chronic obstructive pulmonary disease (COPD) in an outpatient setting. Thorax 52: 879– 887 20. Gandek B, Ware JE, Aaronson NK et al. (1998) Tests of data quality, scaling assumptions and reliability of the SF-36 in eleven countries: results from the IQOLA Project. International Quality of Life Assessment. J Clin Epidemiol 51: 1149–1158 21. Ede L v, Yzermans CJ, Brouwer HJ (1999) Prevalence of depression in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a systematic review. Thorax 54: 688–692 22. Mikkelsen RL, Middelboe T, Pisinger C, Stage K (2004) Anxiety and depression in patients with chronic obstructive pulmonary disease (COPD). A review. Nord J Psychiatry 58: 65–70 23. Light RW, Merrill EJ, Despars JA, Gordon GH, Mutalipassi LR (1985) Prevalence of depression and anxiety in patients with COPD. Relationship to functional capacity. Chest 87: 35–38 24. Karajgi B, Rifkin A, Doddi S, Kolli R (1990) The prevalence of anxiety disorders in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Psychiatry 147: 200–201 25. Dowson C, Laing R, Barraclough R et al. (2001) The use of the Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a pilot study. NZ Med J 114: 447–449
27
28 28 Dyspnoe bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
28.1
Nachweis einer Dyspnoe
– 198
28.2
Differenzialdiagnosen einer Dyspnoe
28.3
Dyspnoe in der Praxis
28.4
Diagnostik der Dyspnoe
– 199
– 200
. Übersicht 28.1. Ursachen für eine Dyspnoe
6. 7. 8. 9.
Praxis: Diagnostik
– 201
28.6
Praxis: Vorgehen bei akuter Dyspnoe
28.7
Literatur
28.1
Nachweis einer Dyspnoe
– 203
– 205
– 200
Die Klage über Dyspnoe (Atemnot) und besonders Belastungsdyspnoe (Anstrengungsatemnot) steht bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen oft im Vordergrund. Das Kardinalsymptom Dyspnoe tritt nicht nur bei chronischobstruktiven Lungenerkrankungen auf, sondern ist eines der häufigsten Symptome überhaupt. Mögliche Ursachen für das Symptom Dyspnoe sind in 7 Übersicht 28.1 zusammengefasst.
1. 2. 3. 4. 5.
28.5
Chronische nicht obstruktive Lungenkrankheiten Lungenembolie Pneumonie Pneumothorax Kardiale Erkrankungen (akute/chronische Herzinsuffizienz) Ischämie Herzbeuteltamponade Akute Myokardischämie Anämie
! Cave Des Weiteren gilt das kardiogene Lungenödem als eine lebensbedrohliche Situation mit massiver akuter Dyspnoe. Daher sollte bei Patienten, die über Belastungsdyspnoe klagen, die zugrundeliegende Erkrankung abgeklärt werden!
Die Diagnostik der COPD ist an den objektiven und reproduzierbaren Nachweis der Atemflussbehinderung gebunden. Die nicht reversible Obstruktion der Atemwege mit konsekutiver subjektiv empfundener Dyspnoe ist per definitionem das Kardinalsymptom der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung. Dyspnoe ist durch die Lungenfunktionsprüfung nicht gut erfassbar und stützt sich in erster Linie auf klinische Beobachtungen und die subjektive Wahrnehmung des Patienten. Zur Objektivierung des subjektiven Anstrengungs- und Kurzatmigkeitsempfindens (»ratings of perceived exertion and dyspnoea on exertion«) wird häufig die Borg-Skala verwendet. Sie dient als Ergänzung zu den physiologischen objektiv erfassbaren Kenngrößen, indem subjektive Belastung (d.h. Dyspnoeempfinden) und körperliche Anstrengung des Patienten ermittelt werden. Zur Messung der Dyspnoe schätzt der Patient selbst sein Anstrengungs- und Kurzatmigkeitsempfinden auf einer Skala von 0–10 von »überhaupt nicht« bis »maximal« ein. Definition Dyspnoe ist laut Definition der American Thoracic Society (ATS 1999) eine unangenehme subjektive Empfindung von gestörter Atmung [1].
Diagnostische Möglichkeiten in der Physiotherapie Ein großer Teil des diagnostischen Physiotherapiespektrums befasst sich mit der Dokumentation des Symptomverlaufs und den Auswirkungen auf die Lebensqualität des Patienten. Die komplexe Ätiologie der chronisch-obstruktiven Lungener-
199 28.2 · Differenzialdiagnosen einer Dyspnoe
krankung (COPD) mit den systemischen Auswirkungen und den von Patienten subjektiv unterschiedlich empfundenen Symptomen macht es schwierig, mögliche Therapieerfolge an einfachen Messparametern darzustellen. Aussagekräftige Erfolgsparameter [2] in Therapiestudien und klinischer Praxis sind in 7 Übersicht 28.2 aufgeführt. Der Versuch der Quantifizierung der Dyspnoe und deren Gewichtung bzgl. des Schweregrads ermöglichen die Vergleichbarkeit und damit die Dokumentation von Krankheitsverlauf und Therapieerfolg. . Übersicht 28.2. Diagnostische Messparameter in der Physiotherapie 1. 2. 3. 4. 5.
Einsekundenkapazität (FEV1) Inspiratorische Kapazität 6-Minuten-Gehtest Tests zur Erfassung der Lebensqualität Dyspnoeskalen
Symptoms, das in wechselnder Ausprägung vorliegt, erfordert eine exakte Differenzialdiagnostik. In 7 Übersicht 28.3 sind pathophysiologische Mechanismen der Genese zusammengestellt [3, 4]. . Übersicht 28.3. Pathophysiologische Mechanismen für die Entstehung einer Dyspnoe 1.
2.
3.
4.
Abnorme Impedanz der Atempumpe (obstruktive/ restriktive Ventilationsstörung, Störung der Thoraxmechanik, Adipositas) Abnorme Erhöhung der alveolären Ventilation (Stimulation des Atemzentrums, z.B. durch Intoxikation oder Medikamente, emotionale Faktoren bei Hyperventilation) Störung bzw. Ineffizienz der Atemmuskulatur (neuromuskuläre Erkrankung, allgemeine Dekonditionierung, Lungenüberblähung, Malnutrition) Abnorme arterielle Blutgase (Hyperkapnie, Hypoxämie)
! Cave Dyspnoe ist nicht gleich Hypoxie oder Hyperkapnie oder respiratorische Insuffizienz! Eine Dyspnoe kann ohne Veränderungen der Blutgase auftreten!
28.2
Differenzialdiagnosen einer Dyspnoe
Die Differenzialdiagnosen umfassen neben einer Vielzahl pulmonaler Erkrankungen auch renale, psychische, emotionale und kardiovaskuläre Erkrankungen, bei denen Dyspnoe nicht selten als Erstmanifestation oder auch nach längerem Bestehen in Erscheinung treten kann. Die mangelnde Spezifität des
Als Folge der häufig auftretenden Überlagerungen verschiedener pathophysiologischer Mechanismen bleibt die genaue Ursache-Wirkung-Beziehung ein unklares Konstrukt. In . Tab. 28.1. sind pathophysiologische Mechanismen mit den zugehörigen Rezeptoren, die möglicherweise bei der Genese einer subjektiv empfundenen Dyspnoe eine Rolle spielen können, dargestellt. Die diagnostische Differenzierung bleibt Aufgabe des Facharztes (z.B. Pneumologe oder Kardiologe). Die physiologischen Aspekte zeichnen jedoch nur einen Teil des Gesamtbildes auf. Zur Vollständigkeit dieser Übersicht sind auch kognitive, emotionale und neurohumerale Erklärungsmodelle erforderlich.
. Tab. 28.1. Physiologische Erklärungsmodelle für die Genese einer subjektiv empfundenen Dyspnoe
Rezeptoren
Pathophysiologischer Mechanismus
Dehnungsrezeptoren der Lunge →
Übermäßige Ausdehnung der Lunge: Hering-Breuer-Reflex
Registrierung der Afferenzen der Atemmuskeln im Nervensystem →
Ermüdung, Erschöpfung
Arterielle Barorezeptoren →
Direkte Reizung: Änderung des transmuralen Drucks als Folge des erhöhten intrathorakalen Drucks bei obstruktiver Atmung Indirekte Reizung: Änderung des transmuralen Drucks als Folge einer barorezeptorbedingten Erregungsübertragung auf die Atmung
Mechanorezeptoren in den Luftwegen →
Irritant-Rezeptoren
Pulmonal-arterielle Barorezeptoren →
Änderung des transmuralen Drucks
Dehnungsrezeptoren in den Atria cordis →
Änderung des transmuralen Drucks durch erhöhten venösen Ruckfluss: BainbridgeReflex
Venöse Barorezeptoren →
Änderung des transmuralen Drucks durch erhöhten venösen Rückfluss
Zentrale medulläre Chemorezeptoren →
Hyperkapnie und Übersäuerung
Arterielle Chemorezeptoren →
Hypoxämie, Hyperkapnie und Übersäuerung
(modifiziert nach Gugger 2001 [4])
28
200
Kapitel 28 · Dyspnoe bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung
Ärztliche Diagnostik Pneumologen und Kardiologen stehen eine eine Reihe von diagnostischen Möglichkeiten zur Verfügung, 4 körperliche Untersuchung, 4 EKG, 4 Röntgenaufnahmen des Thorax und 4 Labormarker wie BNP-Wert (Type-B-Natriuretic-Peptide),
28
die sowohl in der Diagnostik der Herzinsuffizienz als auch zur Erkennung von Hochrisikopatienten mit akutem Koronarsyndrom wertvolle Informationen liefern. Dem BNP, das bei Volumen- und Drucküberlastung des Myokards (BNP wird vom Herz bei erhöhten intrakardialen Drücken und Volumina sezerniert) freigesetzt wird, kommt eine ganz spezielle Bedeutung zu. Bisherige Beobachtungsstudien ergaben bei einem BNP-Grenzwert von 100 pg/ml eine gute prädiktive Trefferquote für die Unterscheidung zwischen kardial und pulmonal bedingter Dyspnoe [5–8].
28.3
Dyspnoe in der Praxis
Bei gesunden Menschen sind Trainingsmangel und Übergewicht häufige Ursachen einer Dyspnoe. Dyspnoe wird individuell und je nach Erkrankungsverlauf unterschiedlich wahrgenommen. Vor allem für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und ausgeprägter Dekonditionierung ist es häufig schwierig, zwischen Dyspnoe und Erschöpfung zu differenzieren [9, 10]. Es kann ebenfalls schwierig sein, zwischen Beinarbeit und Atemarbeit zu differenzieren [4]. Wahrnehmung von Dyspnoe bei gesunden Menschen Auch gesunde Menschen verarbeiten Stimuli auf unterschiedliche Weise, wodurch eine subjektive Wahrnehmung entsteht: 4 Gefährlich längere Atempausen bei gesunden Menschen führen zu einer Übersäuerung des arteriellen Blutes mit erhöhtem pCO2, wodurch eine äußerst unangenehme Dyspnoe (Lufthunger) empfunden wird. 4 Eine beabsichtigte Erhöhung der Atemfrequenz bei konstantem pCO2 wird jedoch nur als lästiges Anstrengungsempfinden empfunden [4]. 4 Erhöht sich mit der Atemfrequenz gleichzeitig auch der pCO2, verschwindet das Gefühl des Anstrengungsempfindens, und das unangenehme Symptom Dyspnoe tritt in den Vordergrund.
ter Patienten haben: Einzelne Asthmatiker können gelegentlich massive Verschlimmerungen der asthmatischen Atemwegsobstruktion subjektiv nicht wahrnehmen und erhalten wegen der Fehlinterpretation ihres Zustandes eine unzureichende Behandlung. Außerdem spielt die Chronifizierung der subjektiv empfundenen Dyspnoe eine wesentliche Rolle: Frühere Dyspnoe-Erfahrungen können langfristig die Wahrnehmung beeinflussen und werden konditioniert, so dass die qualitative Beschreibung der Atemnot durch frühere Erfahrungen geprägt wird [4]. Diese physiologischen Aspekte zeichnen jedoch nur einen Teil des Gesamtbildes auf. Emotionale und psychische Probleme wie z.B. Angst und Depression spielen bei der individuellen Wahrnehmung von Dyspnoe eine große Rolle und können sich gegenseitig beeinflussen [4].
28.4
Ursachenforschung Eine sorgfältige Anamnese ist wichtig für die Dyspnoe-Abklärung. Hilfreich für die Differenzialdiagnose ist folgende Einteilung der Dyspnoe, dargestellt in 7 Übersicht 28.4. Weitere Hinweise auf die Genese ergeben sich durch Änderung der körperlichen Belastung, Körperhaltung, Ausgangstellung und evt. gleichzeitigem Auftreten von Begleitsymptomen wie Schwitzen, Schmerzen, Temperaturerhöhung und Auswurf. . Übersicht 28.4. Dyspnoearten 1.
2.
3.
Tipp Gesunde wie auch lungenerkrankte Menschen vermögen jedoch zwischen vermehrter Atemarbeit (Effort) und Atemnot (unangenehmer Drang, mehr zu atmen) zu unterscheiden!
4.
5.
Wahrnehmung von Dyspnoe bei lungenerkrankten Menschen Die individuell unterschiedliche Wahrnehmung von Dyspnoe kann gravierende Folgen für die Behandlung lungenerkrank-
Diagnostik der Dyspnoe
Langsam schleichende oder rasch auftretende Dyspnoe, z.B. bei: – akuter Myokardischämie – Lungenembolie (. Abb. 28.1) – Pneumothorax Anfallsweise auftretende Dyspnoe, z.B. bei: – Asthma – Fremdkörperaspiration – Hyperventilationssyndrom – Linksherzinsuffizienz – Lungenembolie – Pneumothorax Progrediente Dyspnoe, z.B. bei: – COPD – Kardiopathie – Anämie – Lungenfibrose – Bronchuskarzinom – Pleuraerguss Paroxysmale nächtliche Dyspnoe, z.B. bei: – Asthma – Linksherzinsuffizienz – gastroösophagealem Reflux. Dyspnoe im Liegen, z.B. bei: – Linksherzinsuffizienz – COPD – Zwerchfellparese [3]
201 28.5 · Praxis: Diagnostik
. Übersicht 28.5. Sichtbare Zeichen bei der Inspektion
. Abb. 28.1. Bildliche Darstellung einer Lungenembolie (van Gestel 2009)
Quantifizierung der Dyspnoe Die Einteilung der Dyspnoe in Stadien, wie sie in der MRC Dyspnoea Scale beschrieben werden, ist ein mögliches objektives Kriterium zur Quantifizierung der Luftnot (. Tab. 28.2).
. Tab. 28.2. MRC Dyspnoea Scale: Beschreibung von Grad und Ausmaß der Dyspnoe [10]
Grad
Definition
0–keine
Keine Atemnot bei raschem Gehen in der Ebene oder bei leichter Steigung
1–mild
Gestört durch Atemnot bei raschem Gehen in der Ebene oder bei leichter Steigung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.
28.5.2 Perkussion und Auskultation Mögliche Auskultationsbefunde bei Dyspnoe sind in 7 Übersicht 28.6 vorgestellt [3]. . Übersicht 28.6. Mögliche Auskultationsbefunde bei Dyspnoe 1. 2. 3. 4.
2–mäßig
Muss wegen Atemnot langsamer gehen als Personen der gleichen Altersgruppe oder muss bei normalem Schrittempo ebenerdig zum Atemholen pausieren
3–schwer
Stoppt wegen Atemnot nach Gehen von 100 m oder wenigen Minuten in der Ebene
4–sehr schwer
Zu starke Atemnot, um das Haus zu verlassen, Atemnot beim An- und Auskleiden
(Bestall 1999 [11])
28.5
Praxis: Diagnostik
28.5.1 Inspektion Neben der Anamnese kommt der Inspektion eine entscheidende Bedeutung zu. Bei der Inspektion ist eine Vielzahl von Symptomen zu beachten (7 Übersicht 28.5).
Zyanose Blasses Hautkolorit Paradoxe Atmung Atemfrequenz Atemtiefe Atemmuster Rekrutierung von Atemhilfsmuskeln Verwenden der Lippenbremse Sprechdyspnoe Trommelschlegelfinger Uhrglasnägel Beinödeme Halsvenenstauung Psycho-emotionaler Status
5.
Normale Lungenauskultation: Guter Prädiktor, dass keine obstruktive Ventilationsstörung vorliegt Stridor: Stenose der zentralen Atemwege Kontinuierliche Nebengeräusche (Giemen): Asthma, COPD, Linksherzinsuffizienz Diskontinuierliche Nebengeräusche (grob): Bronchiektasen, Bronchitis Diskontinuierliche Nebengeräusche (fein): Pneumonie, Linksherzinsuffizienz, Lungenfibrose
28.5.3 Borg-Skala Die Borg-Skala wird bei Patienten mit Lungenerkrankungen u.a. zur Objektivierung und Schweregradbeurteilung von Dyspnoe in Ruhe und bei körperlicher Belastung genutzt (Cherniak 1991 [12], Borg 1998 [13]) (. Abb. 28.2). Die Skala ist eine validierte deutsche Version der von Borg beschriebenen Einteilung (Borg 1998 [13, 19], Löllgen u.Ulmer 2004 [14]), anhand derer die vom Patienten subjektiv empfundene Atemnot eingestuft werden kann. Der Wert 0 bedeutet »keine« und der Wert 10 »maximale« Atemnot. Die Werte 6, 8 und 9 wählt der Patient dann aus, wenn er sich nicht für den jeweils geringeren oder höheren Grad des Empfindens seiner Atemnot entscheiden kann (. Tab. 28.3 und Tab. 28.4).
28
202
Kapitel 28 · Dyspnoe bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung
. Tab. 28.4. Borg-Skala nach Kroidl
28
Grad
Kurzatmigkeit
Müdigkeit
0
Überhaupt nicht
Überhaupt nicht
0,5
Sehr, sehr leicht
Sehr, sehr leicht
1
Sehr leicht
Sehr leicht
2
Leicht
Leicht
3
Mäßig
Mäßig
4
Ziemlich
Ziemlich
5
Schwer
Schwer
6
Sehr schwer, 1. Stufe
Sehr schwer, 1. Stufe
7
Sehr schwer, 2. Stufe
Sehr schwer, 2. Stufe
8
Sehr schwer, 3. Stufe
Sehr schwer, 3. Stufe
9
Sehr, sehr schwer (beinahe maximal)
Sehr, sehr schwer (beinahe maximal)
10
Maximal
Maximal
(Kroidl 2007 [16])
. Abb. 28.2. Therapeutin gibt Information über die Borg-Skala
. Tab. 28.3. Skalierung der Atemnot nach Borg (frei übersetzt)
Grad
Kurzatmigkeit
Müdigkeit
0
Überhaupt nicht
Überhaupt nicht
0,5
Fast gar nicht
Fast gar nicht
1
Sehr wenig
Sehr wenig
2
Wenig
Wenig
3
Mäßig
Mäßig
4
Ziemlich stark
Ziemlich stark
5
Stark
Stark
6 7
Sehr stark
Sehr stark
28.5.4 6-Minuten-Gehtest Beim 6-Minuten-Gehtest wird die Distanz auf ebener Strecke gemessen, die der Patient innerhalb von 6 Minuten zurücklegen kann. Dieser Test reflektiert eine realistische Alltagsanforderung und ermittelt Dyspnoe vor, während und bis zu 5 Minuten nach der körperlichen Belastung. Er erlaubt die vergleichbare Abschätzung von Dyspnoe und Leistungsfähigkeit [10].
28.5.5 Lungenfunktionstests Für die initiale Dyspnoe-Abklärung ist es meist notwendig, 4 Peak-Flow-Wert, 4 FEV1, 4 VC und 4 TLC zu überprüfen; bei Verlaufsuntersuchungen reichen besonders bei Patienten mit Asthma bronchiale oder COPD die Tests von Peak-Flow-Wert, FEV1 und VC aus [10].
8
28.5.6 Arterielle Blutgasanalyse 9 10
Keine Luft
(Grosselink 2003 [15])
Maximal erschöpft
Als Marker für die alveoläre Ventilation sind die bei der Atmung erzielte Oxygenierung (paO2, SpO2 und SaO2) des arteriellen Blutes und der arterielle paCO2 von wesentlicher Bedeutung. Auch die Hypokapnie als Maß für die alveoläre
203 28.6 · Praxis: Vorgehen bei akuter Dyspnoe
Hyperventilation kann ein Dyspnoeempfinden verstärken. Der Säure-Basen-Haushalt sollte ebenfalls überprüft werden. Bei einer pH-Wert-Abweichung vom Normalwert (7,36–7,44) liegt eine Störung vor. Die Veränderungen des Säure-BasenHaushalts werden in metabolische und respiratorische Störungen eingeteilt (Kap. 5). Definition Eine Azidämie ist durch einen arteriellen pHWert<7,36 definiert, eine Alkalämie durch einen arteriellen pH-Wert>7,44. Als Azidose bzw. Alkalose werden dagegen alle Prozesse bezeichnet, die eine Azidämie bzw. Alkalämie induzieren können.
BODE-Index auf differenzierten Parametern, die die vielfältigen Erscheinungsformen der COPD besser abbilden können: Der BODE-Index vereinigt funktionelle, systemische und subjektive Daten von COPD-Patienten und ermöglicht eine genauere Schweregradeinteilung und Erfassung des weiteren Krankheitsverlaufs. Der BODE-Index berücksichtigt 4 B: Body-Mass-Index, 4 O: Obstruktion, 4 D: Dyspnoe, 4 E: körperliche Belastbarkeit (»exercise capacity«). Dieser multidimensionale Score (7 Übersicht 28.8) ist ein besserer Prädiktor für die Mortalität als die Einsekundenkapazität.
Zusätzlich zur Blutanalyse existiert ein einfach durchzuführendes, nicht invasives Messverfahren, um sich einen kurzen Überblick über den Zustand des Patienten machen zu können: die pulsoxymetrische Puls- und Sauerstoffsättigung (SpO2).
1. 2.
28.5.7 Belastungsuntersuchung mittels
3. 4.
. Übersicht 28.8. Parameter des BODE-Index FEV1 (% des Sollwerts) Luftnot nach Bewertung anhand der MMRC-Skala (Modified Medical Research Council) Laufstrecke (in Metern) im 6-Minuten-Gehtest Body-Mass-Index (kg/m2)
Spiroergometrie Falls sich keine sichere Erklärung für die vom Patienten beklagte Dyspnoe findet, kann mittels Spiroergometrie eine kardiopulmonale Belastungsuntersuchung durchgeführt werden. Die ermittelbaren Parameter geben wichtige Hinweise auf einen kardialen oder pulmonalen Hintergrund der Symptome [17]. Mögliche Parameterkombinationen sind in 7 Übersicht 28.7 zusammengestellt.
Bewertung des BODE-Index Für die einzelnen Parameter werden je nach Messergebnis Punkte vergeben, maximal 10 Punkte. Schlechtester Score sind 10 Punkte, d.h., je mehr Punkte ein Patient bekommt, desto stärker ist er durch die COPD beeinträchtigt.
28.6 . Übersicht 28.7. Parameter bei kardial und pulmonal bedingter Dyspnoe Kardial bedingte Dyspnoe 1. Niedrige maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) bzw. frühe Plateaubildung von Sauerstoffaufnahme/ Watt 2. Niedrige Leistung (Wmax) 3. Verminderte Herzfrequenzreserve<15 Schläge/min 4. Reduzierter Sauerstoffpuls und frühe Plateaubildung 5. Erhöhte Atemreserve (AR) 6. Erhöhtes Atemzeitvolumen/CO2-Abgabe als Hinweis für erhöhte Totraumventilation Pulmonal bedingte Dyspnoe 1. Verringerte maximale Sauerstoffaufnahme 2. Erhöhte Herzfrequenzreserve>15 Schläge/min 3. Verringerte Atemreserve (AR)
28.5.8 Der BODE-Index Nach der neuen COPD-Leitlinie wird empfohlen, die Ermittlung des BODE-Index mit in die Diagnostik einzubeziehen. Im Gegensatz zu den Lungenfunktionswerten basiert der
Praxis: Vorgehen bei akuter Dyspnoe
Eine akute Dyspnoe kann wirksam behoben werden, zum einen durch symptomatische Behandlung und zum anderen durch Behandlung der Grundkrankheit. Bei chronischer leichter Dyspnoe kann meist eine optimale Behandlung der Grundkrankheit und deren Komplikationen eine Linderung bringen.
28.6.1 Auslöser einer akuten Dyspnoe Auslösend können verschiedene Faktoren sein, die zu berücksichtigen sind: 4 Gleichgewichtsstörung/Muskelschwäche, 4 arterielle Hypoxämie und 4 Panik/Angst. ! Cave Bei Sauerstoffgabe ist an eine Atemdepression mit der Gefahr der hyperkapnischen Ateminsuffizienz zu denken, weshalb immer ein Arzt konsultiert werden sollte!
28
204
Kapitel 28 · Dyspnoe bei Patienten mit chronischer Lungenerkrankung
28.6.2 Therapeutischer Stufenplan bei akuter
Dyspnoe Primäre Therapieziele In 7 Übersicht 28.9 sind die primären Therapieziele einer akuten Dyspnoe aufgeführt. . Übersicht 28.9. Primäre Therapieziele bei akuter Dyspnoe 1.
28
2.
3. 4.
Sichere Haltung/Lagerung des Patienten: Vorgeneigte Körperposition einnehmen und Oberkörper hochlagern; spezielle Atemtechniken wie z.B. Zwerchfellatmung und Lippenbremse Anhebung des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks bei erniedrigter Sauerstoffsättigung durch Sauerstoffgabe und Frischluftzufuhr, Senkung des Atemwiderstandes Arzt konsultieren Linderung der quälenden Angst durch Beruhigung des Patienten und der Angehörigen
Tertiäre Therapieziele Wenn der Patient stabilisiert ist, sollten z.B. nach einigen Tagen weitere tertiäre Therapieziele und Maßnahmen beachtet werden (7 Übersicht 28.11). Bei COPD-Patienten häufig vorkommende körperliche Veränderungen wie 4 Dekonditionierung, 4 Atrophie der peripheren Muskulatur und 4 Formveränderung der Zwerchfellmuskelansätze sind mitverantwortlich für die Dyspnoe und können durch gezieltes Training vermindert werden. Ein regelmäßiges Training bewirkt: 4 ein vermindertes Atemminutenvolumen (Atemfrequenz), 4 eine verminderte Totraumventilation, 4 eine erhöhte anaerobe Schwelle, 4 eine verminderte Laktazidose und 4 eine verminderte CO2-Eintwicklung. . Übersicht 28.11. Tertiäre Therapieziele bei akuter Dyspnoe 1. 2.
Sekundäre Therapieziele Nachdem ein Arzt konsultiert wurde, können weitere sekundäre Therapieziele und Maßnahmen hinzugefügt werden (7 Übersicht 28.10). . Übersicht 28.10. Sekundäre Therapieziele bei akuter Dyspnoe 1. 2.
Verringerung der ventilatorischen Anforderungen Erleichterung der mechanischen Atemarbeit und Verbesserung der Effizienz der Atemmuskulatur durch Rekrutierung der Atemhilfsmuskeln (Kap. 7)
Allgemeines körperliches Trainingsprogramm Inspiratorisches Muskeltraining
Fazit Ein regelmäßiges körperliches Training und ein inspiratorisches Muskeltraining sind zum einen aus physiologischen Gründen wichtig, zum anderen für das allgemeine Selbstwertgefühl und die Erhaltung der Beweglichkeit und Selbständigkeit im täglichen Leben [18, 10]. Dies gilt für Patienten mit fortgeschrittener COPD, aber auch für Patienten mit interstitiellen Pneumopathien (. Abb. 28.3).
. Abb. 28.3. Schematische Darstellung eines Stufenplans bei akuter Dyspnoe (van Gestel 2009)
205 28.7 · Literatur
28.7 1.
2. 3. 4. 5.
6.
7.
8.
9.
10. 11.
12.
13. 14.
15. 16. 17. 18.
19.
Literatur
American Thoracic Society (1999) Dyspnea. Mechanisms, assessment and management: a consensus statement. Am J Respir Crit Care Med 159: 321–340 Morr H (2006) Therapieziele und Messungen des Therapieerfolgs bei COPD. Medizinische Klinik 101-4: 279–282 Leuppi JD (2006) Dyspnoe Primary Care 6 Nr. 26-27: 491–492 Gugger M, Bachofen H (2001) Dyspnoe Teil 1: Grundlangen und Pathophysiologie. Schweiz Med Forum 6: 138–142 Maisel AS, Krishnaswamy P, Nowak RM (2002) Rapid measurement of B-type natriuretic peptide in the emergency diagnosis of heart failure. N Engl J Med 347: 161–167 McCullough PA, Nowak RM, McCord J (2002) B-type natriuretic peptide and clinical judgement in emergency diagnosis of heart failure. Analysis from Breathing Not Properly (BNP) Multinational Study. Circulation 106: 416–422 Dao Q, Krishnaswamy P, Kasanegra R (2001) Utility of B-type natriuretic peptide in the diagnosis of congestive heart failure in an urgent-care setting. J Am Coll Cardiol 37: 379–385 Rutten F (2005) Recognizing heart failure in elderly patients with stable chronic obstructive pulmonary disease in primary care: cross sectional diagnostic study. BMJ online, 1. Dezember Clark AL, Sparrow JL, Coates AJS (1995) Muscle fatigue and dyspnoea in chronic heart failure: two sides of the same coin? Eur Heart J 16: 49–52 Gugger M, Bachofen H (2001) Dyspnoe Teil 2: Grundlagen und Pathophysiologie. Schweiz Med Forum 67: 143–147 Bestall JC, Paul EA, R Garrod R, Garnham R, Jones PW, Wedzicha JA (1999) Usefulness of the Medical Research Council (MRC) dyspnoea scale as a measure of disability in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 54: 581–586 Cherniak RM, Raber MD (1991) Chronic obstructive pulmonary disease (COPD); Respiratory measurements during peak effort using the Borg scale. Am Rev Respir Dis 143: 1248–1252 Borg G (1998) Borg‘s Perceived Exertion and Pain Scales, 1st ed. Human Kinetics, Champaign, IL Ulmer WT, Reichel G, Nolte D, Islam MS (1999) Die Lungenfunktion (Physiologie und Pathophysiologie, Methodik). Thieme, Stuttgart New York, 5: 55–106 Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, Gezondheiszorg Maarssen Kroidl RF, Schwarz S, Lehnigk B (2007) Kursbuch Spiroergometrie. Thieme, Stuttgart Rühle KH (2006) Kardiale oder pulmonale Dyspnoe – Aussagemöglichkeiten der Ergospirometrie. Pneumologie 60: 777–783 Stulbarg MS, Adams L (200) Dyspnea. In: Murray JF, Nadel JA, Mason RJ, Boushey HA (eds) Textbook of Respiratory Medicine, 3rd ed. W.B. Saunders, Philadelphia Borg G (1970) Perceived Exertion as an indicator of somatic stress. Scandinavian Journal of Rehabilitation Medicine 2(2): 92–98
28
III
Interventionen 29
Atemtherapie
– 209
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
30
Atemtherapeutische Maßnahmen
– 213
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
31
Dehnung und Detonisierung des Zwerchfells
– 224
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
32
Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln – 229 A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
33
Sekretfördernde Atemphysiotherapie
– 237
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
34
Klassische Massage und Funktionsmassage
– 264
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
35
Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining
– 273
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
36
Hypertrophietraining der peripheren Muskulatur
– 280
A.J.R. van Gestel, S. Teschler, H. Teschler
37
Training der Inspirationsmuskeln
– 282
A.J.R. van Gestel, H. Teschler
38
Verbesserung der Thoraxmobilität
– 286
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
39
Entspannungstherapie
– 292
A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
40
Patientenschulung
– 297
A.J.R. van Gestel, H. Teschler
41
Lagerung
– 300
A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
42
Nicht-invasive Beatmung, positiver end-exspiratorischer Druck und Inhalation – 309 A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
43
Pulmonale Rehabilitation im Überblick
– 319
29 29 Atemtherapie A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
29.1
Hauptziel der Atemtherapie
29.2
Praxis: Vorgehensweise in der Atemtherapie – 210
29.3
Literatur
– 209
– 211
Die Atemtherapie zählt zu den ältesten meditativen und physiotherapeutischen Interventionen. Sie dient der Verbesserung der Atemkoordination, mit dem Ziel, den Gesundheitsstatus des Patienten in seelisch-geistigen sowie physiologischen Belangen zu optimieren. Atemübungen verbessern zum einen die Atemwahrnehmung und zum anderen die Atemkoordination und somit die Funktion der Atemmuskulatur.
29.1
Hauptziel der Atemtherapie
Hauptziel der Atemtherapie ist eine Ökonomisierung und langfristig die Automatisierung einer verbesserten Atmung. Wünschenswert ist eine langsame Tiefenatmung in Ruhe, bei der alle primären Atemmuskeln gleichmäßig beansprucht werden und abdominale und thorakale Atmung synchron verlaufen (7 Übersicht 29.1). Dadurch kann sich die Lunge optimal ausdehnen. Dieses Atemmuster ist bekannt unter dem Begriff mühelose Zwerchfellatmung (»effortless diaphragmatic breathing«). Die mühelose Zwerchfellatmung besteht aus 4 einem langsamen und sanften Atemfluss mit größerem Volumen (>2000 ml), 4 einer Bauchexpansion während der Inspiration, 4 einer post-inspiratorischen Pause, 4 einer Exspirationsphase, die signifikant länger ist als die Inspirationsphase bei Anwendung der Lippenbremse.
. Übersicht 29.1. Ziele der Atemtherapie 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Exspiration bis zur Atemruhelage Atemfrequenz reduzieren Atemzugvolumen vergrößern Exspiration mit Lippenbremse Exspiration mit leichtem Anspannen der abdominalen Muskulatur Verspannung der sekundären Atemhilfsmuskeln vermeiden Bei vermehrter thorakaler Atmung die abdominale Atmung verstärken
Viele Studien zeigen, dass COPD-Patienten in der Atemtherapie selektiv die abdominale Atmung einsetzen können [1, 2, 3]. Eine Atemtherapie führt i.d.R. nicht zu einer Verbesserung der kardiopulmonalen Ausdauerkapazität [5] und Lungenfunktion [4]. Kurabayashi et al. führten jedoch eine Atemübungsstudie an Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen durch, und sie stellten eine Verbesserung der Lungenfunktionswerte (mit gesteigertem Peak-Flow) und der arteriellen Blutgaswerte (paO2, paCO2) fest [7]. ! Cave Bei Patienten mit schwerer COPD kann die Zwerchfellatmung zu vermehrter Dyspnoe und Atemimpedanz bei verschlechterter Atemmechanik führen! Ein klinisches Monitoring ist bei diesem Atemmuster dringend erforderlich [13, 14]!
210
29
Kapitel 29 · Atemtherapie
Exkurs Respiratorisches Biofeedback: Auseinandersetzung mit der Literatur Motorische Fähigkeiten sind latente Konstrukte im Sinne von Leistungsvoraussetzungen und damit nicht direkt erfassbar. Ihre Definition, Operationalisierung und Systematisierung kann auf der Grundlage empirisch-analytischer Betrachtungen einerseits und theoretischer Erkenntnisse der menschlichen Sensomotorik und Leistungsphysiologie andererseits erfolgen. Die Trainierbarkeit koordinativer Fähigkeiten ist nach dem Prinzip des motorischen Lernens auf neuronalem Niveau zu verstehen. Konditionelle und koordinative Adaptationsprozesse sind damit auf unterschiedlichen Organisationsebenen angesiedelt, unterliegen aber nicht denselben Gesetzmäßigkeiten der Leistungsphysiologie. Wissenschaft-
29.2
liche Untersuchungen, die explizit auf den Begriff Trainierbarkeit koordinativer Fähigkeiten bei COPD-Patienten Bezug nehmen, sind aufgrund der unzureichenden Quantifizierbarkeit selten. Das respiratorische Biofeedback (RFB) wurde in den 60er Jahren von dem international bekannten Nervenarzt und Psychotherapeuten Prof. Dr. med. Hanscarl Leuner an der Universität Göttingen entwickelt. Biofeedback bedeutet Messung, Rückmeldung, Beeinflussung und Steuerung von Körperfunktionen (z.B. Atmung, Muskelaktivität, Puls, Temperatur, Hautwiderstand, Hirnwellen etc.). Einige empirische Untersuchungen mit respiratorischen Biofeedback (RBF) konnten im Vergleich mit einer unbehandelten Kontrollgruppe zeigen, dass eine atemtherapeutische Intervention die Herzfre-
Praxis: Vorgehensweise in der Atemtherapie
quenzvariabilität (HRV) bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung steigern [7] und den Atemwegswiderstand (RAW ) bei Asthma-Patienten herabsetzen kann [8]. Lehrer et al. konnten mittels RBF eine erhöhte Herzfrequenzvariabilität (HRV), eine verminderte Aktivität des sympathischen Nervensystems sowie eine Förderung eines anabolischen Zustandes und der Regeneration messen [8–11]. Nur Giardino konnte bisher in einer Pilotstudie mittels RBF klinische Erfolge bei COPD-Patienten (»preliminary study«) nachweisen [12]. In dieser Studie, in der das RBF in Ruhe gemessen wurde, zeigten sich positive Effekte auf die kardiopulmonale Belastungskapazität (6MWD) und Lebensqualität [12].
Bewusstwerden des eigenen Atemmusters (. Abb. 29.2)
In 7 Übersicht 29.2 sind die einzelnen Schritte in der praktischen Atemtherapie vorgestellt (siehe auch Kap. 17). . Übersicht 29.2. Schrittweises Vorgehen in der Atemtherapie 1. 2. 3. 4.
Analyse des Atemmusters Bewusstwerden des eigenen Atemmusters Beeinflussbarkeit des Atemmusters bzw. Zulassen des (neuen) Atemmusters Automatisierung des Atemmusters
Analyse des Atemmusters (. Abb. 29.1) . Abb. 29.2. Beschreibung des eigenen Atemmusters bzgl. Atemfrequenz, Atemtiefe, Atemverteilung (Verhältnis abdominaler zu thorakaler Atmung). Die Therapeutin vergleicht die Aussage der Patientin mit dem Ergebnis der Atemanalyse I, bewertet deren Selbstreflexion und bespricht evt. Diskrepanzen
. Abb. 29.1. Analyse des Atemmusters
Beeinflussbarkeit des Atemmusters bzw. Zulassen des (neuen) Atemmusters (. Abb. 29.3) Das Atemmuster des Patienten wird beeinflusst, indem der Therapeut sanft seine Hände auf Sternum, Flanken oder Abdomen auflegt. 4 Zur Betonung einer zu wenig vorhandenen Facette der Atembewegung wird führender, überwindbarer manueller Widerstand gegeben. Der Patient wird aufgefordert, diesem Widerstand zu folgen. 4 Zur Inhibition eines zu stark ausgeprägten Anteils der Atembewegung wird fixierender, unüberwindbarer Widerstand gegeben.
211 29.3 · Literatur
. Abb. 29.3. Beeinflussung des Atemmusters. Beispiel: Kontaktatmung an Sternum und Flanken mittels taktilem Führungswiderstand zur Betonung der sternalen (SA) und kostodiaphragmalen (CDA) Atmung
Automatisierung des Atemmusters (. Abb. 29.4, Abb. 29.5)
Das neue Atemmuster wird zu verschiedenen Zeitpunkten, bei unterschiedlichen Anstrengungsgraden, mit kognitiver Ablenkung und kombiniert mit einer Bewegung (z.B. Gehen, Treppensteigen, Last anheben) geübt. . Abb. 29.5. Einüben des neuen Atemmusters bei einer komplizierten Bewegung. Die Therapeutin kontrolliert die Qualität des Atemmusters
! Cave Zu Analysebeginn atmet der Patient evt. noch etwas verkrampft, da er seine Aufmerksamkeit verstärkt auf die Atmung lenkt. Der Patient atmet meist sehr bewusst und vor allem schnell, wodurch eine Hyperventilation entstehen kann. Diese empfindet der Patient als sehr unangenehm, da sich der Kohlendioxydspiegel im Blut verändert. Dem Patienten kann dadurch schwindelig werden!
29.3
. Abb. 29.4. Einüben des neuen Atemmusters. Die Therapeutin kontrolliert die Qualität des Atemmusters
Literatur
1. Sackner MA, Gonzalez HF, Jenouri G, Rodriguez M (1984) Effects of abdominal and thoracic breathing on breathing pattern components in normal subjects and in patients with COPD. Am Rev Respir Dis 130: 584–587 2. Grimby G, Oxhoj H, Bake B (1975) Effects of abdominal breathing on distribution of ventilation in obstructive lung disease.Clin Sci Mol Med 48: 193–199 3. Gosselink RA, Wagenaar RC, Sargeant AJ, Rijswijk H, Decramer MLA (1995) Diaphragmatic breathing reduces efficiency of breathing in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 151: 1136–1142 4. Cole MB, Stansky C, Roberts FE, Hargan SM (1962) Studies in emphysema: long-term results of training diaphragmatic breathing on the course of obstructive emphysema. Arch Phys Med Rehabil 43: 561–564
29
212
29
Kapitel 29 · Atemtherapie
5. Williams IP, Smith CM, McGavin CR (1982) Diaphragmatic breathing training and walking performance in chronic airways obstruction. Br J Dis Chest 76: 164–166 6. Kurabayashi H, Machida I, Handa H, Akiba T, Kubota K (1998) Comparison of three protocols for breathing exercises during immersion in 39 degrees C water for chronic obstructive pulmonary disease. Am J Phys Med Rehabil 77(2): 145–148 7. Del Pozo J, Gevirtz RN, Scher B, Guarneri E (2004) Biofeedback treatment increases heart rate variability in patients with known coronary artery disease. American Heart Journal 147: e11 8. Lehrer P, Smetankin A, Potapova T (2000) Respiratory sinus arrhythmia biofeedback therapy for asthma: A report of 20 unmedicated pediatric cases using the Smetankin methode. Applied Psychophysiology and Biofeedback 25: 193–200 9. Vaschillo E, Lehrer P, Rishe N, Konstantinov M (2002) Heart rate variability biofeedback as a method for assessing baroreflex function: a preliminary study of resonance in the cardiovascular system. Appl Psychophysiol Biofeed 27: 1–27 10. Lehrer PM, Vaschillo E, Vaschillo B (2000) Resonant frequency biofeedback training to increase cardiac variability: rationale and manual for training. Appl Psychophysiol Biofeed 25: 177–191 11. Giardino ND, Chan L, Borson S (2004) Combined Heart Rate Variability and Pulse Oximetry Biofeedback for Chronic Obstructive Pulmonary Disease: Preliminary Findings. Applied Psychophysiology and Biofeedback 29: 121–133 12. Vitacca M, Clini E, Bianchi L, Ambrosino N (1998) Acute effects of deep diaphragmatic breathing in COPD patients with chronic respiratory insufficiency. Eur Respir J 11: 408–415 13. Gosselink RA, Wagenaar RC, Sargeant AJ, Rijswijk H, Decramer MLA (1995) Diaphragmatic breathing reduces efficiency of breathing in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 151: 1136–1142 14. Peper E (1988) Strategies to reduce the effort of breathing: electromyographic and incentive inspirometry biofeedback. In: von Euler, C. and Katz-Salamon, M. Respiratory Psychophysiology. London: The Macmillan Press 113–122 15. Peper E, Tibbetts V (1992) Fifteen-Month follow up with asthmatics utilizing EMG/Incentive inspirometer feedback. Biofeedback and Self-Regulation 17(2): 143–151
30 30 Atemtherapeutische Maßnahmen A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
30.1
Prinzipien atemtherapeutischer Maßnahmen – 213
30.2
Atemtherapeutische Maßnahmen
30.3
Literatur
– 214
– 223
Ziele der Atemtherapie sind Koordinierung, Optimierung und Ökonomisierung der Bewegungsabläufe bei der Atmung (7 Übersicht 30.1). Anhand atemtherapeutischer Maßnahmen wird die Zwerchfellaktivität verbessert. Dadurch wird nicht nur Pneumonien vorgebeugt, sondern auch die Funktion der inneren Organe unterstützt, das Sprechen beeinflusst und der Rumpf mit stabilisiert. Die einzelnen Sequenzen des pathologischen Atemmusters werden zunächst separat trainiert und später in das gesamte Atemmuster des Patienten integriert. Die Ausgangsstellung muss so gewählt werden, dass die angestrebte Atembewegung möglich ist.
30.1
Prinzipien atemtherapeutischer Maßnahmen
30.1.1 Ausgangsstellung Bei allen Techniken ist folgende Überlegung von großer Bedeutung: 4 Die kranialen supralateralen Lungenareale sind i.d.R. stärker gebläht als die kaudalen. Durch diese mechanische Ausdehnung können manifeste Atelektasen geöffnet werden. Die supralateralen Lungenareale haben jedoch einen kleineren Anteil am Atemminutenvolumen; Ventilation und Perfusion sind geringer. Die Beweglichkeit und damit auch die Therapierbarkeit des supralateralen Thorax sind dagegen besser. 4 Die kaudalen infralateralen Lungenareale sind i.d.R. weniger gebläht als die kranialen. Sie haben einen größeren Anteil am Atemminutenvolumen; Ventilation und
Perfusion sind intensiver. Aufgrund der licht vorgedehnten Ausgangsstellung sind Beweglichkeit und damit auch Therapierbarkeit des unteren Zwerchfells dagegen besser. Das Zwerchfell erreicht die volle Beweglichkeit, wenn die LWS während der Exspiration entlordosiert bzw. flektiert ist und die Flanken sich senken (Kap. 41). > Wichtig Ein Gebiet, das verstärkt ventiliert und bewegt werden soll (z.B. maximale Bronchialkaliberschwankung zur Sekretolyse), muss infralateral gelagert werden – sofern das Zwerchfell aktiviert werden kann! Bei einer Thoraxeinschränkung muss es supralateral gelagert werden.
. Übersicht 30.1. Ziele der Atemtherapie: 1. 2. 3. 4.
Beeinflussung der Atembewegungsrichtung Vergrößerung der Atembewegung Verbesserung der Distribution Verbesserung der alveolären Ventilation
30.1.2 Taktile Stimulation Taktile Stimulation kann der Therapeut über seine Hände an den Patienten weitergeben und damit dessen Reaktionen steuern. Die Reize werden stark propriozeptiv gesetzt, so dass die Patienten sich besser spüren können. Die Reize führen zu einer Tonusregulation, sowohl in detonisierende als auch in tonisierende Richtung und erleichtern dem Patienten das Be-
214
Kapitel 30 · Atemtherapeutische Maßnahmen
wegen. Der Therapeut fasst den Patienten an, spürt, palpiert, setzt Reize, gestaltet die Pausen, bestimmt die Intensität der Reize und ist in einem ständigen nonverbalen Kontakt mit dem Patienten.
30
Klinisches Monitoring (. Abb. 30.1) Der Therapeut gestaltet die Behandlung jeweils situativ. Hauptindikator des Therapieerfolgs ist eine wahrnehmbare verstärkte Zwerchfellbewegung (Thoraxbewegung sowie Heben und Senken der Bauchdecke). Die Patienten spüren an der bewegten Stelle eine »größere Lunge« oder »mehr Luft«, was durch die verbesserte alveoläre Ventilation zu erklären ist. Außerdem fühlt sich die behandelte Seite für viele Patienten leichter und mobiler an. Zur Überprüfung des Therapieerfolgs kann vor, unmittelbar nach und ca. 30 min nach der Therapie eine arterielle Blutgasanalyse (p aCO2, paO2 und pH-Wert) durchgeführt oder die einzelnen Lungenabschnitte mit dem Stethoskop abgehört werden. Ferner werden Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, Ermüdungs- und Kurzatmigkeitsgrad (Borg) quantifiziert und dokumentiert. Bei COPD-Patienten kommen bei der Dokumentation noch einige für die Ventilation relevante Parameter hinzu, denn weitere Therapieerfolge werden mittels folgender Parameter festgestellt: 4 paCO2, 4 Atemzugvolumen, 4 Atemminutenvolumen, 4 Herzfrequenz, 4 Blutdruck, 4 Atemfrequenz. Reaktionen auf atemtherapeutische Maßnahmen
30.2
Atemtherapeutische Maßnahmen
Zur besseren Strukturierung werden die unterstützenden atemtherapeutischen Maßnahmen innerhalb der Atemtherapie (Kap. 29) und Sekretolyse (Kap. 33) in Phasen eingeteilt. Berücksichtigt werden die verschiedenen Phasen des produktiven Hustens (Kap. 18), wodurch ein phasenspezifischer und effektiverer Einsatz atemtherapeutischer Maßnahmen ermöglicht wird (7 Übersicht 30.2). . Übersicht 30.2. Voraussetzungen für produktives Husten 1. 2. 3. 4.
Effektive Inspiration Effektiver Glottisverschluss Effektive Exspiration Kein Risiko für einen Tracheobronchialkollaps (TBK)
30.2.1 Betonung der Inspiration
Kontaktatmung (. Abb. 30.2–Abb. 30.6) Die Inspiration, die direkt zu einer Atemvertiefung führen kann, wird mittels Handkontakt oder bestimmter Medien (Pezziball, Theraband) betont. Der Therapeut legt seine Hände auf Abdomen, Sternum oder Flanken des Patienten auf und gibt 4 führenden Widerstand gegen die Inspiration, 4 Haltewiderstand am Ende der Inspiration und 4 manuelle Kompression bei der Exspiration.
Negative Reaktionen können sein:
4 verminderte Zwerchfellaktivität während der Therapie oder in der Regulierungsphase (Pause), 4 Luft anhalten, 4 Stöhnen, 4 Schmerzäußerungen, 4 pathologische Atembewegungen, 4 vegetative Reaktionen o.Ä.
Der taktile Führungswiderstand (Kontaktatmung) erfolgt während der Inspiration senkrecht zur gewünschten Bewegungsrichtung und wird so dosiert, dass er vom Patienten problemlos überwunden werden kann. Der Patient wird aufgefordert, die Hände »wegzuatmen«. Dieser Effekt kann durch Reduktion des exspiratorisch wirkenden Schultergürtelgewichtes (z.B. Arme über den Kopf legen) noch verstärkt werden.
. Abb. 30.1. Klinisches Monitoring zur Überprüfung des Therapieerfolgs und evt. Abbruchkriterien
. Abb. 30.2. Kontaktatmung: Taktiler Führungswiderstand am Sternum zur Betonung der sternalen Atmung (SA) in Rückenlage
215 30.2 · Atemtherapeutische Maßnahmen
. Abb. 30.3. Kontaktatmung: Taktiler Führungswiderstand am Sternum und an den Flanken zur Betonung der sternalen (SA) und kostodiaphragmalen Atmung (CDA)
. Abb. 30.4. Kontaktatmung: Taktiler Führungswiderstand am Abdomen zur Betonung der abdominalen Atmung (AA)
. Abb. 30.5. Kontaktatmung: Großflächiger taktiler Führungswiderstand an den Flanken zur Betonung der kostodiaphragmalen Atmung (CDA)
. Abb. 30.6. Kontaktatmung: Taktiler Führungswiderstand an den Flanken zur Betonung der kostodiaphragmalen Atmung (CDA) im Sitzen
30
216
Kapitel 30 · Atemtherapeutische Maßnahmen
Dosierter Widerstand (. Abb. 30.7, Abb. 30.8)
Passive Traktion an den Extremitäten
Der Widerstand während der Inspiration geht senkrecht zur gewünschten Bewegungsrichtung und wird etwas kräftiger dosiert als der Führungswiderstand, bleibt aber für den Patienten überwindbar. Eine dosierte Widerstandsgabe fazilitiert die Atemmuskeln, da mehr motorische Einheiten in der Muskulatur rekrutiert werden.
(. Abb. 30.9, Abb. 30.10)
Der Therapeut unterstützt die Inspirationsbewegung durch eine Traktion des Thorax über die Extremitäten. Die Traktion geht über mehrere Gelenke und muss sorgfältig dosiert werden. ! Cave Bei einer arthrogenen Endoprothese sind passive Traktionen kontraindiziert! Bei hypermobilen Gelenken ist Vorsicht geboten!
30
. Abb. 30.9. Unterstützung der Inspirationsbewegung in Seitenlage: Passive Traktion des Thorax über den Arm
. Abb. 30.7. Betonung der kostodiaphragmalen Atmung (CDA): Dosierter Widerstand an den Flanken mit dosiertem Widerstand im Sitzen
. Abb. 30.10. Unterstützung der Inspirationsbewegung in Seitenlage: Passive Traktion des Thorax über das Bein
Inspiration aus vorgedehnter Stellung (. Abb. 30.11)
. Abb. 30.8. Betonung der abdominalen Atmung (AA): Dosierter Widerstand am Abdomen mit dosiertem Widerstand in Rückenlage
Der Patient wird in leichter Exspirationsstellung positioniert. Dadurch kommen die Inspirationsmuskeln in eine leicht vorgedehnte Stellung, d.h. in eine optimale Position für Kraftentwicklung (Kap. 6).
217 30.2 · Atemtherapeutische Maßnahmen
. Abb. 30.11. Betonung der Inspiration: Lagerung in leichter Exspirationsstellung (leichte BWS-Flexion und posteriore Beckenkippung)
. Abb. 30.13. Betonung der Inspiration: Muskeldehnreflex in Seitenlage. Kurz vor Inspirationsbeginn wird direkt auf Thorax (nach kaudal) und Becken (nach kranial) ein Muskeldehnungsreflex in exspiratorische Bewegungsrichtung gesetzt
. Abb. 30.12. Betonung der Inspiration: Muskeldehnreflex in Rückenlage. Kurz vor Inspirationsbeginn wird direkt auf Thorax und Abdomen ein Muskeldehnreflex in exspiratorische Bewegungsrichtung gesetzt
. Abb. 30.14. Betonung der Inspiration: Muskeldehnreflex in Seitenlage. Kurz vor Inspirationsbeginn wird indirekt über die Extremitäten ein Muskeldehnreflex in exspiratorische Bewegungsrichtung (nach kaudal) gesetzt
Muskeldehnreflex (. Abb. 30.12–Abb. 30.14)
! Cave
Kurz vor Inspirationsbeginn kann man direkt auf den Thorax oder indirekt über die Extremitäten einen Muskeldehnreflex (Stretch aus dem PNF-Konzept) in exspiratorische Bewegungsrichtung setzen. Der kurze Dehnreiz erregt die Muskelspindeln der inspiratorischen Atemmuskeln und bewirkt, zum optimalen Zeitpunkt gesetzt, eine nachfolgende tiefere Inspiration. Die sensiblen Nervenfasern der Muskelspindeln liegen parallel zu den Muskelfasern und sind dehnungsempfindlich. Sie sind dafür zuständig, jede Zustandsänderung an das Rückenmark zu melden. Wenn der Muskel schnell bzw. kurz gedehnt wird, werden die parallel liegenden Muskelspindeln erregt, wobei es nach der Umschaltung auf ein α-Motoneuron reflektorisch zur Kontraktion bzw. Aktivierung des Muskels kommt (Kap. 32).
Bei Osteoporose ist ein direkter Muskeldehnreflex an Thorax und Becken kontraindiziert!
Dehnung der Flanken (. Abb. 30.15, Abb. 30.16) Rotation (Kombination aus Seitenlage, Rumpfrotation und Armhochhalten) und Lateralflexion (Kombination aus Seitenlage, Rumpfstreckung und Armhochhalten) betonen die Inspiration im oberen Lungenabschnitt. Die zu dehnenden Lungenareale müssen möglichst hochgelagert werden. 4 Rotation: Mit einer Hand den Schultergürtel nach dorsokranial, mit der anderen Hand die Crista iliaca nach ventrokaudal bewegen. 4 Lateralflexion: Mit einer Hand (bzw. Ellenbogen) den Schultergürtel nach dorsal, mit der anderen Hand (bzw. Ellenbogen) die Crista iliaca nach kaudal bewegen.
30
218
Kapitel 30 · Atemtherapeutische Maßnahmen
. Abb. 30.15. Betonung der Inspiration: Passive Lateralflexionsdehnung der Flanken bei Inspiration in Seitenlage. Schultergürtel nach dorsal, Crista iliaca nach kaudal
. Abb. 30.17. Thoraxerweiterung: Vierfüßlerstand mit maximaler Extension des Thorax und anteriorer Beckenkippung
. Abb. 30.16. Betonung der Inspiration: Passive Rotationsdehnung der Flanken bei Inspiration in Seitenlage. Schultergürtel nach dorsokranial, Crista iliaca nach ventrokaudal
. Abb. 30.18. Betonung der Inspiration, indem der gesamte Thorax umfasst wird. Der Thorax ist in maximaler Extension, das Becken ist nach anterior gekippt
Thoraxerweiterung im Vierfüßlerstand
Gähnendes Einatmen
(. Abb. 30.17)
Der Patient atmet ein und zieht bei geschlossenem Mund die Zunge zurück. Um die Technik leichter erlernen zu können, gibt der Therapeut taktilen Reiz an der Kinnunterseite, so dass der Patient die Bewegung des Mundbodens nach kaudal stärker wahrnehmen kann. Wichtig ist das mehrfache Wiederholen und Üben dieser Lernschritte. Wird dann die Zunge hinten gehalten, löst sich über den N. vagus häufig ein Gähnreflex aus. Das gähnende Einatmen kann mit der post-inspiratorischen Pause und Lippenbremse kombiniert werden.
30
Im Vierfüßlerstand (maximale Rumpfextension und anteriore Beckenkippung) entsteht viel Raum in Thorax und Abdomen. Damit ist eine optimale Bewegungsmöglichkeit des Zwerchfells gegeben.
Thoraxerweiterung durch umfassenden Griff (. Abb. 30.18)
Um die Inspiration zu betonen, wird im Sitzen der gesamte Thorax des Patienten umfasst. Therapeut und Patient machen beide dieselbe Bewegung: Während der Inspiration wird der Thorax maximal extendiert und das Becken maximal nach anterior gekippt: In Thorax und Abdomen entsteht viel Raum, was dem Zwerchfell eine optimale Bewegung ermöglicht (. Abb. 30.18).
Tipp Messungen per Ganzkörperplethysmograph belegen ein Absinken des bronchialen Strömungswiderstandes im Anschluss an die Gähnatmung [4]. Daher eignet sich diese Atemtechnik für Patienten mit endobronchialen Atemwegsobstruktionen und ist auch bei leichter Atemnot anwendbar.
219 30.2 · Atemtherapeutische Maßnahmen
. Abb. 30.19. Schmerzlindernde Maßnahmen bei forcierter Exspiration: Leichte Kompression der Wunde
. Abb. 30.20. Schmerzlindernde Maßnahmen bei forcierter Exspiration: Entlastung der Wunde durch leichtes Annähern
Schmerzlindernde Maßnahmen
sein (Kap. 18). Die einzelnen Trainingsschritte für den Glottisverschluss sind in 7 Übersicht 30.3 aufgelistet.
(. Abb. 30.19, Abb. 30.20)
Bei postoperativer Sekretolyse und frischen Wunden, z.B. nach thoraxchirurgischen Eingriffen, können Angst oder Schmerzen bei der Sekretolyse entstehen. Es können sich verschiedenartige Schmerzzustände entwickeln, z.B.: 4 Wundheilungsstörungen im Bereich der Operationsnähte, 4 Schmerzen durch Pleura- und Wunddrainagen, 4 Schmerzen und Verspannungen im gesamten Schultergürtel und im Bereich der Rippen- und Wirbelgelenke.
. Übersicht 30.3. Vorgehensweise beim Glottisverschluss-Training 1. 2. 3.
4.
Aus Angst vor Schmerz vermeiden Patienten die tiefe Inspiration und auch die forcierte Exspiration, die für die Sekretolyse so wichtig sind. Hilfreich sind folgende Maßnahmen: 4 Leichte Kompression der Wunde mit einem Kissen oder Handtuch, 4 Wundentlastung durch leichtes Annähern (z.B. homolaterale Lateralflexion der Wirbelsäule), 4 Wundentlastung durch Taping. Die Ausgangstellung Seitenlage mit angewinkelten Beinen (in Hüft- und Kniegelenk) hat eine ähnliche Wirkung und fördert zusätzlich die kognitive Entspannung.
Training des Glottisverschlusses In manchen Fällen kann ein ein unproduktiver Hustenstoß durch einen unvollständigen Glottisverschluss verursacht
5.
Glottis schließen und geschlossen halten Mund schließen (wie bei Plosiven) Kehlkopf leicht anheben – die Luft zwischen Mundund Glottisverschluss wird zusammengepresst, so dass ein Überdruck entsteht Glottisverschluss bleibt erhalten, Druck hinter dem Mund bleibt hoch; plötzliche Lösung des Mundverschlusses Lösung des Glottisverschlusses
Der Patient soll lernen, die Ausatmung bei offenem Mund auf Kommando zu unterbrechen, und zwar bei folgenden Manövern: 4 Glottisverschluss nach einer normalen Inspiration, 4 Glottisverschluss nach einer tiefen Inspiration, 4 Glottisverschluss während einer normalen Exspiration, 4 Glottisverschluss während einer forcierten Exspiration (z.B. mit WS-Flexion), 4 Huffing (Hauchen) mit teilweise verschlossener Glottis, 4 Huffing intermittence (intermittierendes Hauchen) mit teilweise verschlossener Glottis.
30
220
Kapitel 30 · Atemtherapeutische Maßnahmen
30.2.2 Betonung der Exspiration Aus einer Ventilationsstörung und progressiven exspiratorischen Muskelschwäche resultieren Lungenüberblähung, ineffektiver Hustenstoß und somit eine inadäquate pulmonale Sekretlösung. Zusätzlicher Faktor ist eine verminderte elastische Rückstellkraft von Lungengewebe und Thoraxwand.
Manuelle Kompression des Thorax
dass der Exspirationsstrom ausreichend beschleunigt, gleichzeitig aber ein Tracheobronchialkollaps vermieden wird. Besonders bei chronisch-obstruktiven Patienten kann so die Ausatmung geschult und verlängert werden. Die Betonung der Exspiration und Vermeidung eines Tracheobronchialkollapses kann zusätzlich über artikulatorischen Widerstand (Lippenbremse), PEP-Gerät (Kap. 42) und den Einsatz der Stimmbänder (phonatorischer Widerstand) erreicht werden.
(. Abb. 30.21Abb. 30.22, Abb. 30.22)
Komprimierung des Thorax mit Rumpfflexion
Bei der Exspiration kann eine leichte Kompression die Funktion der Atemhilfsmuskulatur unterstützen. Angewandt wird eine dosierte manuelle Kompression auf Sternum, Abdomen oder beidseitig lateral auf die Rippen. Mögliche Ausgangsstellungen sind Seiten- oder Rückenlage und Sitz. Der Therapeut benötigt eine gewisse Erfahrung, Feingefühl und Geschicklichkeit, um die Thoraxkompression so zu dosieren,
Seitenlage (. Abb. 30.23)
Die Flexionsbewegung (Kombination aus Seitenlage, Rumpfflexion und evt. Anspannen des M. transversus abdominis) führt zu einer exspiratorischen Verstärkung des unten liegenden Lungenabschnitts. Die zu komprimierenden Lungenareale sollten unten gelagert werden. Rückenlage (. Abb. 30.24, Abb. 30.25)
Die Flexionsbewegung des Thorax (Kombination aus Rückenlage, Rumpfflexion und evt. Anspannen des M. transversus
30
abdominis) wird unterstützt, indem der Patient während der Exspiration 4 ein Bein (. Abb. 30.24) oder 4 beide Beine (. Abb. 30.25) maximal an den Körper heranzieht. Die Bewegung bewirkt zusätzlich eine Kranialverlagerung des Zwerchfells. Bei der Inspiration wird das Bein wieder losgelassen. ! Cave
. Abb. 30.21. Betonung der Exspiration: Manuelle Kompression an den Flanken nach kaudal in Seitenlage. Mit der Lippenbremse lässt sich ein Tracheobronchialkollaps vermeiden
. Abb. 30.22. Betonung der Exspiration: Manuelle Kompression am Abdomen nach dorsal in Seitenlage. Ausgeatmet wird über die Lippenbremse
Kontraindikationen für Thoraxkompression mit Rumpfflexion sind: 4 Osteoporose, 4 Lumbago, 4 Lumbalgie, 4 Bandscheibenprolaps und 4 Hüftendoprothese.
. Abb. 30.23. Betonung der Exspiration: Komprimierung des Thorax in Seitenlage. Flexionsbewegung: Eine Hand bewegt die oben liegende Schulter nach ventrokaudal, die andere Hand und Ellenbogen bewegen die oben liegende Crista iliaca nach ventrokranial. Ausgeatmet wird über die Lippenbremse
221 30.2 · Atemtherapeutische Maßnahmen
. Abb. 30.24. Betonung der Exspiration: Komprimierung des Thorax in Rückenlage. Die Rumpfflexion wird durch Flexion eines Beins unterstützt. Ausgeatmet wird über die Lippenbremse
. Abb. 30.26. Betonung der Exspiration im Vierfüßlerstand: Maximale Rumpfflexion (Rundrücken) und posteriore Beckenkippung Ein Ball wird gegen das gegenüberliegende Knie gedrückt, um eine optimale Spannung der abdominalen Muskulatur aufzubauen
. Abb. 30.25. Betonung der Exspiration: Komprimierung des Thorax in Rückenlage. Die Kompression wird durch Flexion beider Beine verstärkt. Ausgeatmet wird über die Lippenbremse
Komprimierung des Thorax im Vierfüßlerstand (. Abb. 30.26)
Im Vierfüßlerstand entstehen durch maximale Rumpfflexion (Rundrücken) und posteriore Beckenkippung eine gute Dehnspannung im Rücken und Einengung des Abdomens. Dadurch verlagert sich das Zwerchfell nach kranial.
Exspiration aus vorgedehnter Stellung (. Abb. 30.27)
Der Patient wird in leichter Inspirationsstellung positioniert (im Sitzen mit leichter BWS-Extension und anteriorer Beckenkippung). Dadurch werden die Exspirationsmuskeln leicht vorgedehnt, was eine optimale Kraftentwicklung ermöglicht (Kap. 6).
. Abb. 30.27. Betonung der Exspiration: Thorax ist in leichter Inspirationsstellung. Rumpfhaltung im Sitzen: BWS ist leicht extendiert und Becken ist nach anterior gekippt
30
222
Kapitel 30 · Atemtherapeutische Maßnahmen
hörbar gemacht werden (7 Übersicht 30.4). Die Patienten sollen die Luft nicht »zögerlich« ausatmen, sondern »einfach loslassen«. Der schlaffe Teil der Trachea (Pars membranacea) und die Bronchien werden durch die intrabronchiale Druckerhöhung weniger zusammengedrückt. Die Atemwege bleiben dadurch über längere Zeit offen, und das Bronchialsekret kann mit dem Atemstrom in Richtung Mund transportiert werden. . Übersicht 30.4. Lippenbremse 1. 2.
3.
30
. Abb. 30.28. Betonung der Exspiration, indem der gesamte Thorax mit einem Griff umfasst wird. Der Thorax ist in maximaler Flexion, das Becken ist nach posterior gekippt
Komprimierung des Thorax durch umfassenden Griff (. Abb. 30.28) Um die Exspiration zu betonen, wird im Sitzen der gesamte Thorax des Patienten umfasst. Therapeut und Patient machen dieselbe Bewegung. Während der Exspiration wird der Thorax in maximale Flexion und das Becken in posteriore Kippung bewegt. Zu Ende der Exspiration kann der Therapeut vorsichtig »leicht nachdrücken«.
30.2.3 Atemtherapeutische Maßnahmen
bei tracheobronchialer Instabilität Durch erhöhte Kompression, z.B. als Folge einer forcierten Exspiration, werden Bronchialsystem und Lungenabschnitte zusammengedrückt. Bei Patienten mit instabilen Atemwegen (tracheobronchialer Instabilität) besteht die Gefahr, dass es dadurch zum Verschluss der terminalen Atemwege und zum Bronchiolen- und Alveolarkollaps bzw. Atelektasenbildung kommt [5]. Durch Atmung mit exspiratorisch wirksamer Stenose (z.B. dosierte Lippenbremse, Strohhalmstück oder extrinsischer PEP) wird der intrabronchiale Druck erhöht, der bei forcierter Atmung einem exspiratorischen Bronchialkollaps entgegenwirkt und den end-exspiratorischen Alveolarkollaps verhindert. Zudem werden initial nicht ventilierte Lungenareale rekrutiert und das zyklische Kollabieren und Wiederöffnen der Alveolen reduziert [6, 7].
Exspiration mit dosierter Lippenbremse Bei der Lippenbremse (»pursed lips breathing«) soll der Patient den Atem durch den Spalt der entspannt aufeinanderliegenden Lippen ausströmen lassen, evt. unterstützt durch ein leichtes Anspannen der unteren Bauchmuskeln. Wenn die untere Bauchmuskulatur aktiviert ist, drückt das Zwerchfell gegen die Lunge, so dass die Luft durch die Lippen entweichen kann. Ggfs. kann die Lippenbremse mit F- oder Sch-Lauten
Lippen locker aufeinanderlegen Luft ohne Muskelanspannung (nur mittels elastischer Lungenrückstellkraft) vollkommen frei und ungehindert gegen die aufeinanderliegenden Lippen laufen lassen Ggfs. mit F- oder Sch-Laut kombinieren
Positiver exspiratorischer Druck Das Erzeugen externer dynamischer Stenosen benötigt ein subtiles Zusammenspiel von komprimierendem positivem transthorakalem Druck einerseits und tracheobronchialer Atemwegsstabilität anderseits. Mit Geräten wie z.B. 4 Strohhalmstück, 4 VRP1-Flutter, 4 RC-Cornet, 4 Acapella, 4 PEP-Maske kann ein positiver exspiratorischer Druck (»positive expiration pressure«, PEP) [7] aufgebaut werden, so dass durch instabile Bronchialwände entstehende Bronchialverschlüsse verhindert bzw. verringert werden und einem Bronchospasmus entgegengewirkt wird. Um die therapeutische Wirkung zu verstärken, können diese Hilfsmittel kombiniert mit Inhalationen, Drainagelagerungen und weiteren physiotherapeutischen Techniken angewandt werden. Außerdem wird durch die Vibration Sekret von den Bronchialwänden gelöst, das mittels Huffing aus dem Bronchialbaum eliminiert werden kann. Auf den produktiv-ineffektiven Husten infolge der tracheobronchialen Instabilität kann somit erheblich Einfluss genommen werden. Tipp
Die Kombination atemtherapeutischer Maßnahmen mit exspiratorischen Stenosen ist sehr wirksam, da Stenosen reflektorisch die Atemwege für den nächsten Atemzug öffnen.
Das Üben mit exspiratorischen Stenosen erfordert eine Anleitung und Kontrolle des Therapeuten, da es bei falscher Ausführung zu unerwünschten Effekten wie z.B. zusätzlichen Kollapsphänomenen oder Lungenüberblähung kommen kann.
223 30.3 · Literatur
30.3 1.
2.
3. 4. 5. 6.
7.
Literatur
DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Approach. The McGraw-Hill Companies, part 3, ch 9 Kardos P, Cegla U, Gillissen A et al. (2004) Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten. Pneumologie 58: 570–602 Schmidt I (2008) Assisted cough - Physiotherapie zur Verbesserung der Sekretexpektoration. Pneumologie 62: 23–27 Siemon G, Ehrenberg H (1996) Leichter Atmen – besser Bewegen. Perimed-Spitta, Erlangen Oczenski W, Andel H, Werba A (2005) Atmen und Atemhilfen. Thieme, Stuttgart New York Campen MJ, Tagaito Y, Jenkins TP, Balbir A, O’Donnell CP (2005) Heart rate variability responses to hypoxic and hypercapnic exposures in different mouse strains J Appl Physiol 99: 807–813 Vogelmeier C, Buhl R, Criee CP et al. (2007) Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) Pneumologie 61: 1–40
30
31 31 Dehnung und Detonisierung des Zwerchfells A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
31.1
Praxis: Aktivierung und Dehnung der Atemmuskulatur – 224
31.2
Literatur
– 228
Bei obstruktiven Lungenerkrankungen kann es neben einer statischen, anatomisch fixierten Lungenüberblähung auch zu einer dynamischen Überblähung (»dynamic hyperinflation«) kommen, die reversibel ist [1]. Diese führt zu einer Kaudalisierung und Verkürzung des Zwerchfells und kann durch physiotherapeutische Interventionen repositioniert werden. Durch das ungünstigere Längen-Spannungs-Verhältnis bei einer Überblähung reduziert sich die Funktion des Zwerchfells (Kap. 6). Das gezielte Training des M. transversus abdominis (MTA) während der Exspiration spielt in der Rehabilitation lungenerkrankter Patienten eine wesentliche Rolle. Es geht dabei nicht um eine Kräftigung im herkömmlichen Sinne, sondern um eine Reaktivierung des Muskels durch motorische Kontrolle. Ob der M. transversus abdominis zum richtigen Zeitpunkt anoder entspannt, sollte anhand des MTA-Referenzpunktes (2 cm medial und kaudal der Spina iliaca anterior superior) palpatorisch überprüft werden. Durch das Einnehmen bestimmter Körperhaltungen, besonders das Vorneigen des Oberkörpers (Kutschersitz), erhöht sich der intraabdominelle Druck, und das Zwerchfell wird zusätzlich gedehnt (7 Übersicht 31.1). . Übersicht 31.1. Ziele des MTA-Trainings Die Zwerchfelldehnung wird durch Anspannen des M. transversus abdominis unterstützt. Ziele sind: 1. Verlängerung des Muskels durch direkten mechanischen Druck in kraniale Richtung 2. Wiederherstellung der Kuppelform 3. Verbesserung der sensomotorischen Fähigkeit 4. Hemmung der post-inspiratorischen Überaktivität
31.1
Praxis: Aktivierung und Dehnung der Atemmuskulatur
31.1.1 Aktivierung des M. transversus
abdominis bei Exspiration Als Reaktion auf eine Kontraktion der exspiratorischen Atemhilfsmuskeln steigt der intraabdominelle Druck (pAB) an. Dadurch wird die post-exspiratorische operationelle Muskellänge der Inspirationsmuskeln vergrößert, anders formuliert: Dadurch wird das Zwerchfell nach kranial verlagert (bzw. gedehnt) und kann somit bei der nachfolgenden Inspiration mehr Kraft erzeugen [2, 3, 4]. Bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen sind u.a. deswegen physiotherapeutische Interventionen zur Verbesserung der propriozeptiven und koordinativen Fähigkeiten des MTA während der Exspiration unentbehrlich [5] (Kap. 7). Um einen Tracheobronchialkollaps zu vermeiden, sollte bei Exspiration immer die Lippenbremse oder ein artikulatorischer (PEP-Geräte, Kap. 18) bzw. phonatorischer Widerstand (Stimmbänder) eingesetzt werden. Der Patient wird aufgefordert, die Ausatmung mit den Lippen abzubremsen. Man kann auch mit stimmhaftem Summen einen exspiratorischen Widerstand erzeugen. Das Ziel ist es, durch Widerstand eine gezügelte, allmähliche Spannungsminderung von Zwerchfell und Interkostalmuskulatur zu erreichen. Die verlangsamte, verlängerte Exspiration unterstützt das langsame Abspannen des Zwerchfells, während die Bauchmuskeln kontrahieren. Die Aktivierung des M. transversus abdominis sollte mit geringem Kraftaufwand und vor allem fließend und dynamisch erfolgen. Der Patient wird instruiert, während der Ex-
225 31.1 · Praxis: Aktivierung und Dehnung der Atemmuskulatur
spiration die untere Bauchwand einzuziehen und das Becken leicht nach hinten zu kippen (posteriore Beckenkippung). Das Kommando lautet: »Ziehen Sie den Bauchnabel zur Wirbelsäule heran!« Während der Exspiration zieht sich der Unterbauch ein, und der Oberbauch bleibt in der Inspirationsstellung stehen. Neben einer gezielten Kontraktion des MTA muss für eine effektive aktive Exspiration gleichzeitig das Zwerchfell entspannen können bzw. inhibiert werden. Der Patient wird aufgefordert, einen evt. Lufthunger zu ignorieren, und die Exspiration mit Geduld und möglichst entspannt geschehen zu lassen (7 Übersicht 31.2). Umgekehrt kommt es bei Inspiration zu einer gleichzeitigen Inhibition des M. transversus abdominus (MTA). Diese (prä-)inspiratorische Inhibition des MTA ist visuell als leichte Vorwölbung der Bauchdecke zu Inspirationsbeginn bei gleichzeitiger Zwerchfellaktivierung deutlich wahrnehmbar. Selbstverständlich ist es wichtig, die Sauerstoffsättigung des Patienten zu berücksichtigen und möglichst viele Pausen einzulegen. Durch das Einnehmen verschiedener Ausgangsstellungen wie Seiten- oder Rückenlage und Sitz mit Oberkörpervorneige (Kutschersitz) verändern sich der Einfluss des intraabdominalen Drucks und somit auch die Position des Zwerchfells (Kap. 41).
. Abb. 31.1. Dehnung des Zwerchfells während der Exspiration: Komprimierung des Thorax in Seitenlage. Ausgeatmet wird über die Lippenbremse, um einen Tracheobronchialkollaps zu vermeiden
. Übersicht 31.2. Anleitung für die Exspiration 1. 2. 3. 4. 5.
Exspiration mit Geduld und so entspannt wie möglich geschehen lassen Untere Bauchwand bzw. Bauchnabel (fließend) einziehen Gleichzeitige posteriore Kippung des Beckens Exspiration verlängern Lippenbremse bzw. externe Stenose anwenden
31.1.2 Komprimierung des Abdomens
bei Exspiration Seitenlage (. Abb. 31.1) Die Flexionsbewegung (Kombination aus Seitenlage, Rumpf-
flexion und Anspannen des M. transversus abdominis) verstärkt die Exspiration der unten liegenden Lungenabschnitte. Bei dieser Technik wird vor allem die infralaterale Zwerchfellhälfte gedehnt. Für die Flexionsbewegung bewegt die eine Hand des Therapeuten die obere Schulter nach ventrokaudal, die andere die obere Crista iliaca nach ventrokranial. Sitz (. Abb. 31.2)
Durch die Flexionsbewegung des Rumpfes, bestehend aus der Kombination von LWS-/BWS-Flexion, posteriorer Beckenkippung und Anspannung des M. transversus abdominis wird der Thorax komprimiert. Rückenlage (. Abb. 31.3)
Gleichzeitig mit der Flexionsbewegung des Rumpfes (Kombination aus Rückenlage, Rumpfflexion und Anspannen des
. Abb. 31.2. Dehnung des Zwerchfells während der Exspiration: Komprimierung des Thorax im Sitz. Ausgeatmet wird über die Lippenbremse
M. transversus abdominis) werden die gebeugten Beine während der Exspirationsphase maximal an den Körper herangezogen. Neben der Streckung des M. erector trunci wird die Exspiration durch Anpressen der Beine zusätzlich unterstützt. Zu Ende der Exspiration werden die Beine wieder abgestellt. Bei dieser Technik wird das Zwerchfell sehr effektiv gedehnt.
31
226
31
Kapitel 31 · Dehnung und Detonisierung des Zwerchfells
. Abb. 31.3. Dehnung des Zwerchfells während der Exspiration: Komprimierung des Thorax in Rückenlage. Ausatmung über die Lippenbremse
. Abb. 31.4. Dehnung des Zwerchfells während der Exspiration: Manuelle Kompression des Abdomens in Seitenlage
Eine zusätzliche homolaterale Lateralflexion, kombiniert mit Rumpfbeugung und evt. Anspannen des M. transversus abdominis verstärkt die Komprimierung der homolateralen Thoraxseite und damit eine Kranialverlagerung des homolateralen Zwerchfells.
der Exspirationsphase unterstützen. Ausgangsstellungen sind Seiten- und Rückenlage. Der Therapeut benötigt Erfahrung, Feingefühl und Geschicklichkeit, um die Kompression so zu dosieren, dass der Exspirationsstrom ausreichend beschleunigt, gleichzeitig aber ein Tracheobronchialkollaps vermieden wird. Die Kompression wird großflächig mit den Händen, Unterarmen und/oder einem Handtuch über dem Bauch gesetzt (. Abb. 31.4, 31.5).
! Cave Kontraindikationen für Rumpf- und Hüftflexion sind: 4 Osteoporose, 4 Lumbago, 4 Lumbalgie, 4 Bandscheibenprolaps und 4 Hüftendoprothesen.
31.1.4 Beckenkippung: Overflow-Prinzip Die Beckenkippung nach posterior verstärkt die LWS-Flexion. Dadurch werden während der Exspiration die inneren Bauch-
31.1.3 Manuelle Kompression des Abdomens Eine leichte, gut dosierte manuelle Kompression auf das Abdomen kann die Funktion der Atemhilfsmuskulatur während
. Abb. 31.5. Dehnung des Zwerchfells während der Exspiration: Manuelle Kompression des Abdomens in Rückenlage
. Abb. 31.6. Bewegungsachse des Zwerchfells bei Exspirations(M-M) und Inspirationsstellung (M1-M1)
227 31.1 · Praxis: Aktivierung und Dehnung der Atemmuskulatur
organe komprimiert. Der mechanische Druck überträgt sich auf das Zwerchfell, wodurch konsekutiv eine mechanische Ausdehnung nach kranial provoziert wird (. Abb. 31.6). Genutzt wird das Overflow-Prinzip, wie es im PNF-Konzept enthalten ist. Der Zielmuskel wird in die gesamte Muskelkette integriert und Widerstand auf die gesamte Muskelkette ausgeübt. Über den Overflow von den stärkeren Muskeln der Kette wird der Zielmuskel mitaktiviert. Aktivierung des MTA während der Exspiration
Zur Aktivierung des MTA (und Dehnung des Zwerchfells) während der Exspiration sind folgende Bewegungen erforderlich: 4 ruhiges Einziehen der unteren Bauchwand, 4 posteriore Beckenkippung, 4 LWS-/BWS-Flexion, 4 Retroflexion und Innenrotation der Schulter, 4 Flexion von Hand und Fingern, 4 Blickrichtung nach unten.
Die Bewegungen erfordern klare, deutliche Instruktionen des Therapeuten. Ausgangsstellung ist Sitz auf der Behandlungsbank oder einem Pezziball. Eine optimale Aktivierung des MTA sollte zudem Rekrutierungsübungen mittels Kokontraktion der respiratorischen Synergisten wie z.B. M. psoas und Beckenbodenmuskulatur miteinschließen (. Abb. 31.8, 31.10). Aktivierung des Zwerchfells während der Inspiration
Umgekehrt sind für die Zwerchfellaktivierung während der Inspiration folgende Bewegungen erforderlich: 4 anteriore Beckenkippung, 4 LWS-Extension, 4 Anteflexion und Außenrotation der Schulter, 4 Extension von Hand und Fingern, 4 Blickrichtung nach oben. Die Bewegungen sollten schrittweise angelernt und langsam, kontrolliert ausgeführt werden. Am Ende jeder Bewegung ist ein kurzes Innehalten notwendig (. Abb. 31.7, 31.9).
. Abb. 31.7. Aktivierung des Zwerchfells während der Inspiration mittels Overflow
. Abb. 31.9. Aktivierung des Zwerchfells während der Inspiration mittels Overflow
. Abb. 31.8. Dehnung des Zwerchfells während der Exspiration: Overflow durch Aktivierung des MTA
31
228
Kapitel 31 · Dehnung und Detonisierung des Zwerchfells
31
. Abb. 31.10 a, b. a Dehnung des Zwerchfells während der Exspiration: Overflow durch Aktivierung des MTA b Zusätzliche Aktivierung des Zwerchfells während der Inspiration mittels Overflow durch anteriore Beckenkippung, LWS-Extension, Anteflexion und Außen-
rotation der Schulter, Extension von Hand und Fingern, Blickrichtung nach oben. Gegen die Bewegungsrichtungen wird jeweils leichter Widerstand gegeben
31.1.5 Kräftigung des M. transversus
31.2
Literatur
abdominis bei COPD-Patienten 1.
Unklar ist, ob die Exspirationsmuskulatur in bestimmten Situationen ermüden kann, z.B. wenn die Inspirationsmuskulatur großen Belastungen ausgesetzt oder bereits ermüdet ist. Bekannt ist, dass der Energieaufwand der Exspirationsmuskulatur im Gegensatz zur Inspirationsmuskulatur für dieselbe Leistung deutlich höher ist. Obwohl für ein Krafttraining der abdominalen Muskulatur bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen die Evidenz fehlt, erscheint dieser Therapieansatz sehr sinnvoll, da die Bauchmuskeln zur Ventilation beitragen und die inspiratorische Muskelfunktion unterstützen. Weiner et al. konnten in einer Studie mit 26 COPD-Patienten feststellen, dass ein Training der exspiratorischen Atemmuskeln zum einen die Kraft und Ausdauerkapazität der betreffenden Muskeln, zum andern auch die allgemeine Ausdauerkapazität des Patienten verbessert [7]. Das in der pulmonalen Rehabilitation übliche Training der inspiratorischen Muskelkraft vernachlässigt jedoch die wichtige Funktion des Sekretabhustens, wofür kräftige Exspirationsmuskeln (exspiratorische Muskelkraft) benötigt werden. Goldstein et al. weisen in ihren Schlussfolgerungen auf die unzureichenden Trainingsstudien über Exspirationsmuskeln hin [6].
2.
3.
4.
5.
6. 7.
Rothe T (2006) Dynamische Lungenüberblähung: Implikationen für die klinische Praxis. Schweiz Med Forum 6: 474–478 Grimby G, Goldman M, Mead J (1976) Respiratory muscle action inferred from rib cage and abdominal V-P partitioning. J Appl Physiol 41: 739–751 Yan S, Sinderby C, Bieen P et al. (2000) Expiratory muscle pressure and breathing mechanics in chronic obstructive pulmonary disease. Eur Respir J 16: 684–690 Dodd DS, Brancatisano T, Engel LA (1984) Chest wall mechanics during exercise in patients with severe chronic airflow obstruction. Am J Respir Crit Care Med 129: 33–38 Gorman R, McKenzie DK, Pride NB, Tolman JF, Gandevia SC (2002) Diaphragm length during tidal breathing in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 166: 1461–469 Goldstein RS (1993) Ventilatory muscle training. Thorax 48: 1025– 1033 Weiner P, Magadle R, Beckerman M, Weiner M, Berar-Yanay N (2003) Specific Expiratory Muscle Training in COPD. Chest 124; 468–473
32 32 Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
32.1
Praxis: Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln – 229
32.2
Literatur
– 236
Behandlung einer muskulären Dysbalance Die Ursachen für eine verminderte Mobilität der Muskeln
wurden bereits in Kapitel 26 beschrieben; sie sind hier nochmals kurz erwähnt: 4 Hypertonus, 4 Kontraktur und 4 Mangel an seriell verknüpften Sarkomeren. In 7 Übersicht 32.1 wird ein Therapieansatz für die einzelnen Funktionsstörungen vorgestellt. . Übersicht 32.1. Therapieansatz bei Muskelfunktionsstörungen 1. 2. 3.
Hypertonus: Lokale Entspannungsübungen Kontraktur: Dehntechniken Mangel an seriell verknüpften Sarkomeren: Anspannen in verlängerter Stellung
Bei einem verkürzten Muskel werden die Muskelfasern inaktiv. Der Muskelstoffwechsel verändert sich, wodurch der Muskel zusätzlich atrophiert. ! Cave Bei einem schweren chronischen Lungenemphysem sollte keine Dehnung bzw. Detonisierung der primären und sekundären Atemmuskeln angewandt werden! Die elastische Verkürzung dieser Muskeln hilft, die abnorme Erhöhung der Atemimpedanz zu verringern und eine Mindestventilation zu erhalten.
In 7 Übersicht 32.2 sind die Muskeln, die gedehnt und detonisiert werden müssen, aufgeführt: sekundäre Atemmuskeln, abdominale Muskeln (vor allem M. rectus abdominis) und Muskeln von Thorax und Schultergelenk. Eine Verkürzung des M. rectus abdominis (Kap. 24 und 38) verstärkt die Brustwirbelsäulenkyphose. Verkürzte Schultergelenkmuskeln, die Mm. pectorales, M. latissimus dorsi, M. teres major und M. subscapularis positionieren Schultergelenk und Arme vermehrt in Innenrotation, Extension und Adduktion. . Übersicht 32.2. Zielmuskeln 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
32.1
Mm. pectorales M. latissimus dorsi M. teres major M. subscapularis M. trapezius pars descendens M. levator scapulae M. sternocleidomastoideus Mm. scaleni M. rectus abdominis
Praxis: Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln
32.1.1 Lokale Entspannungsübungen Mit der gezielten propriozeptiven und vestibulären Stimulation kann der Therapeut die Tonusverhältnisse bzgl. Detonisierung
230
Kapitel 32 · Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln
und Tonisierung beeinflussen. Die mechano-chemische Signaltransduktion mündet schließlich in eine qualitative und/oder quantitative Anpassung des Skelettmuskels. Leider wird häufig das Symptom und nicht die Ursache behandelt, nicht zuletzt, weil funktionelle biomechanische Zusammenhänge nicht ausreichend bekannt sind. Die Ergebnisse einer oberflächlichen Diagnostik und einer symptomatischen Therapie führen daher häufig zu Therapieresistenz oder Rezidiven. Passives Bewegen als Einleitung (. Abb. 32.1) Als Erstes sollte der Patient lernen, sich kognitiv bzw. bewusst zu entspannen. Der Therapeut führt die Bewegung aus, der Patient bewegt nicht mit. Bewegungsrichtung ist eine Rotation, falls eine Kontraktur vorliegt, auch die Richtung, in die gedehnt werden soll. Das verbale Kommando »Schwer machen!«, »Nichts tun!« kann als Hilfsmittel genutzt werden. Während des passiven Bewegens kann der Therapeut gleichzeitig palpieren, ob der Patient seine Muskeln ausreichend entspannen kann. In 7 Übersicht 32.3 sind die zu beachtenden Punkte nochmals zusammengefasst. . Übersicht 32.3. Passives Bewegen 1.
32
2. 3. 4. 5. 6.
Bewegungsbereich: Leichtes und doch möglichst großzügiges Bewegen Ruhige Ausführung Rhythmische und dynamische Bewegungen Angenehme Ausgangshaltung Nicht am Bewegungsende bzw. im Schmerzbereich bewegen Bewegungen häufig wiederholen (Dauer max. ca. 5 Minuten)
32.1.2 Neuromuskuläre Techniken
zur Detonisierung Die Behandlungstechniken zur Detonisierung der Muskulatur haben neben der Beeinflussung propriozeptiver Afferenzen auch eine lokal mechanische Auswirkung auf das γ-System der verschiedenen Spindelrezeptortypen. Einige Techniken, vor allem die neuromuskulären Techniken (NMT), nutzen diese Grundlage (7 Übersicht 32.4). . Übersicht 32.4. Neuromuskuläre Techniken 1. 2. 3.
Reziproke Inhibitionstechnik: Isometrische oder dynamische Aktivierung des Antagonisten (RI) Postfazilitative Inhibition: Eigenhemmung (autogene Hemmung) (PFI) Myoreflextherapie (MRT)
Reziproke Inhibitionstechnik (. Tab. 32.1) Die Entspannung wird durch das Prinzip der reziproken Inhibition (RI) erreicht: Die Ia-Muskelfasern sind nicht nur über den monosynaptischen Reflexbogen mit den agonistischen
. Abb. 32.1 a, b. Detonisierung der primären und sekundären Atemmuskeln: Ruhiges passives Bewegen (PB) im HWS-Bereich. a Punktum mobile: HWS. b Punktum mobile: Arm. Bewegt wird in dem Bereich, in dem die Bewegung leicht geht, dennoch möglichst großzügig bewegen
Motoneuronen verbunden (Dehnungsreflex), sondern haben auch disynaptische inhibierende Verbindungen zu den antagonistischen Motoneuronen (. Abb. 32.3). Dieser Reflexbogen enthält also ein zentrales Interneuron und ist der kürzeste inhibierende Reflexbogen. Man nennt diese Hemmung daher reziproke bzw. antagonistische Inhibition. Der Tonus der derart aktivierten Muskeln sinkt spontan und sehr deutlich ab. Ausführung
Funktionell unterstützt die reziproke Inhibition die durch Ia-Faser-Aktivität geförderte Kontraktion antagonistischer
231 32.1 · Praxis: Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln
. Abb. 32.2. Reziproke Inhibitionstechnik (RI) für den rechten M. trapezius descendens. Der Patient wird aufgefordert, während der Exspiration mit der rechten Hand »nach unten zu krabbeln«. Dadurch wird der Antagonist (z.B. M. latissimus dorsi rechts) aktiviert und der Agonist gleichzeitig detonisiert
Muskeln. Durch Anspannung der Antagonisten gegen den
Widerstand des Therapeuten (=dupliziert, d.h., Therapeut und Patient sind aktiv) kommt es durch die gleichzeitige Inhibition zu einer Entspannung der Agonisten, die an diesem Gelenk ansetzen. Der Antagonist verkürzt sich, wobei Ansatz und Ursprung sich einander annähern (konzentrische Muskelarbeit), oder die Antagonisten werden isometrisch angespannt (. Tab. 32.1). Der inhibierende Effekt ist größer, wenn der Widerstand durch dynamische Aktivierung über das gesamte Bewegungsausmaß der Antagonisten ausgeübt wird. Der Widerstand schließt alle Bewegungskomponenten des Muskels ein, auch die Rotation. Diese Technik kann auch angewandt werden, wenn der Patient nur schwer entspannen kann.
Postfazilitative Inhibition (. Abb. 32.4, Tab. 32.2) Die Spannungsschutzschaltung oder autogene Inhibition (Eigenhemmung, PFI) ist in den Schaltkreis des Eigen- und Dehnungsreflexes integriert. Bei Spannungsanstieg wird über diesen Schaltkreis die Spannung per Sehnenspindeln geregelt. Rezeptoren (Golgi-Rezeptoren) sind die Endigungen der Ib-Nervenfasern. Die Impulse der Golgi-Rezeptoren werden über die Ib-Afferenzen (ca. 100 m/sec) zum Rückenmark geleitet und dort auf die motorischen Hemmneurone des Muskels umgeschaltet. Die Ib-Neurone wirken disynaptisch (über ein inhibitorisches Interneuron) hemmend auf die phasischen und tonischen Ia-Motoneurone des Agonisten (bzw.
. Abb. 32.3. Reizung der Golgi-Rezeptoren der Patellasehne mit nachfolgender reflexartiger Inhibition des Agonisten bzw. Fazilitation des Antagonisten
der gleichen Muskulatur). Die Antwort ist eine Abschwächung der Muskelkontraktion und somit eine Entspannung von Muskel und Sehne. Gleichzeitig werden die α-Motoneurone der Antagonisten im gleichen Verhältnis über Zwischenneurone erregt. Der Tonus der agonistischen Muskeln sinkt spontan und sehr deutlich ab. Betrachtet man jedoch den Schwellenwert der Sehnenorgane (Golgi-Rezeptoren), ist dafür wahrscheinlich eine starke bzw. maximale Kontraktion erforderlich. Mit starken Kontraktionen soll auch die Empfindlichkeit der Muskelspindeln herabgesetzt werden. Für die Reizung der Golgi-Rezeptoren macht es prinzipiell keinen Unterschied, ob eine Spannungssteigerung durch passive Dehnung von Muskel und Sehne oder aktive Kontraktion des Muskels ausgelöst wird (. Abb. 32.3). Zudem gilt, dass Muskeln kurz nach der Anspannung, in ihrer Refraktärzeit, weniger erregbar sind. Diese tritt in unmessbar kurzer Zeit nach dem Reiz in Muskeln und Nerven auf (. Tab. 32.2). Beim Skelettmuskel beträgt die
. Tab. 32.1. Prinzip: Reziproke Inhibitionstechnik
Technik
Zeit/Tempo
Serien
Wiederholungen
4 Anspannen des Antagonisten 4 Langsam durch ROM 4 Nicht bis EOR
4 Langsam, abhängig vom Atemmuster 4 Anspannen des Antagonisten während der Exspiration
1–2
3–5
32
232
Kapitel 32 · Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln
Refraktärzeit der jeweiligen motorischen Einheit (Motoneuron mit den innervierten Muskelfasern) wenige Millisekunden. Bei Anspannung eines Skelettmuskels ergibt sich eine nicht synchrone Aktivierung der verschiedenen Muskelfasern. Die Gesamtwirkung der Refraktärzeiten aller Muskelfasern dauert somit länger. Mit »Refraktärzeit eines Muskels« ist die Zeit kurz nach der Anspannung gemeint, in der viele motorische Einheiten sich in ihrer Refraktärzeit befinden. Die Refraktärzeit schützt den Muskel vor einer zu schnellen Kontraktionsfolge. Definition Die Refraktärzeit ist die Zeit, in der ein reizbares Gewebe (Muskel-, Nervenfaser) nach einer erfolgten Reizung entweder vollständig (absolute Refraktärzeit) unerregbar, nur schwer oder schwächer (relative Refraktärzeit) erregbar ist.
Ausführung
32
Der Therapeut sollte einen Widerstand geben, der eine gute Fazilitation ermöglicht. Mit anderen Worten: Der Zielmuskel sollte so selektiv wie möglich angespannt und in seiner Hauptfunktion angesprochen werden (. Tab. 32.2).
Myoreflextherapie Die Myoreflextherapie (MRT) ist eine neuromuskuläre Regulationstherapie bei Erkrankungen des Bewegungsapparates und funktionellen Symptomkomplexen. Muskelinduzierte Symmetriestörungen und chronische Fehlbelastungen können vielfältige Symptome verursachen: Haltungsasymmetrien, Fehlhaltungen, Schmerzzustände, auch vegetative Reaktionen wie z.B. Schlafstörungen, Magenbeschwerden oder allgemeine Unruhe. Die verursachenden Muskeln sind hyperton. Für diesen Symptomkomplex wurde eine neue Behandlungstechnik entwickelt: die Myoreflextherapie, auch Muskel-Funktions-Therapie genannt. Ausführung
In der MRT werden die Muskelansätze (an dieser Stelle werden Berührungsreize stärker wahrgenommen) in funktionellen, biomechanischen Ketten behandelt. Nach exakter Palpation und Funktionsanalyse werden mittels ansteigendem manuellen Druck am Muskel-Sehnen-Knochen-Übergang gezielte muskuläre und bindegewebige Reflexe ausgelöst. Der Druck auf die Muskelfaseransätze wird längere Zeit gehalten. Die Spannung wird so hoch dosiert, dass sich der Körper nicht
. Abb. 32.4 Postfazilitative Inhibition am rechten M. trapezius descendens. Während der Inspiration soll die Patientin die rechte Schulter gegen manuellen Widerstand in Elevation anspannen. Dadurch wird der Agonist (rechter M. trapezius descendens) isometrisch aktiviert. Während der Exspiration soll die Patientin den Agonist bewusst entspannen
mehr mit ihr arrangieren kann und gegenreguliert. Diese Technik funktioniert nach dem Prinzip der Übersteuerung. Nach genauer Palpation und Druckpunktstimulation der Punkte lösen sich die tastbaren Veränderungen nach einer gewissen Zeit auf (Sekunden bis wenige Minuten). Prinzip ist die sofortige, spontane Lösung zu hoher Muskelspannung durch Fazilitation der Golgi-Rezeptoren. Die Impulse der Golgi-Rezeptoren werden über Ib-Afferenzen (ca. 100 m/sec) zum Rückenmark geleitet und dort auf die motorischen Hemmneurone des Muskels umgeschaltet. Die Ib-Neurone wirken disynaptisch (über ein inhibitorisches Interneuron) hemmend auf die phasischen und tonischen Ia-Motoneurone des agonistischen Muskels. Die Muskelkontraktion schwächt sich ab, Muskel und Sehne können entspannen (. Tab. 32.3). Bei der MRT werden die Inspirationsmuskeln während der Exspiration inhibiert. Damit wird die Erholung der Inspirationsmuskeln während der Exspirationsphase unterstützt. Um eine gefährliche Hypoventilation zu vermeiden, muss der Therapeut die Qualität der Ventilation sowie das Auftreten von vegetativen Reaktionen genau beobachten. ! Cave Abbruchkriterien sind vegetative Reaktionen, Hypoventilation, Dyspnoe!
. Tab. 32.2. Prinzip: Postfazilitative Inhibition
Technik
Zeit/Tempo
Serien
Wiederholungen
4 4 4 4 4
4 Langsam, abhängig vom Atemmuster 4 Anspannen des Agonisten während der Inspiration
1–2
3–5
Anspannen des Agonisten Bewusstes Entspannen des Agonisten Evt. mit passivem Bewegen Langsam durch ROM Nicht bis EOR
233 32.1 · Praxis: Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln
. Abb. 32.5. Myoreflextherapie des rechten M. sternocleidomastoideus. Während der Exspiration wird ein anhaltender manueller Druck auf die Ansätze (bzw. Sehne) des M. sternocleidomastoideus gegeben
. Abb. 32.6. Passive Dehnung des rechten M. pectoralis major in Abduktion/Flexion/Außenrotation der rechten Schulter
32.1.3 Dehntechniken
Passives statisches Dehnen (. Abb. 32.6, Abb. 32.7)
In 7 Übersicht 32.5 sind die Dehntechniken zusammengefasst und nachfolgend im Einzelnen beschrieben . Übersicht 32.5. Dehntechniken 1. 2. 3.
Passives statisches Dehnen Anspannungs-Entspannungs-Dehnen (AED) mittels postfazilitativer Inhibition (PFI) 3-Stufen-Technik nach Evjenth (Anspannungs-Entspannungs-Dehnen, Anspannen der Antagonisten) mittels postfazilitativer Inhibition (PFI) und reziproker Inhibition (RI)1
1 Die beiden letztgenannten Dehntechniken werden in der Literatur auch unter dem Begriff neurophysiologisches Dehnen beschrieben.
Das passive statische Dehnen kann man bei weniger stark verkürzter Muskulatur anwenden, oder auch, um strukturell nicht verkürzte Muskeln in ihre funktionelle Dehnstellung zu bringen. Der Patient sollte möglichst entspannt sein. Der Therapeut führt die Bewegung bis zum Bewegungsende aus, kontrolliert die Bewegung und bestimmt die Intensität. Natürlich wird die Bewegungsrichtung von der Faserrichtung der zu dehnenden Muskulatur bestimmt. Um kompensatorische Mitbewegungen anderer Körperteile zu vermeiden, sollte der Therapeut diese per Handgriff gut fixieren. > Wichtig In der Dehnintensität unterscheidet man ein maximales Dehnen bis an die Dehngrenze (EOR) und ein submaximales Dehnen bis an die Dehnschwelle (etwa 5° vor EOR).
Der Muskel wird langsam in die Dehnstellung (EOR) geführt, die gerade noch als angenehm empfunden wird. In dieser Po-
. Tab. 32.3. Prinzip: Myoreflextherapie
Technik
Zeit/Tempo
Serien
Wiederholungen
Zunehmender manueller Druck am Muskel-Sehnen-Knochen-Übergang
4 Langsam, abhängig vom Atemmuster 4 Druck während der Exspiration
1–2
Abhängig vom Ergebnis
32
234
Kapitel 32 · Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln
. Abb. 32.7. Eigendehnung des linken M. sternocleidomastoideus in heterolaterale Lateralflexion und homolaterale Rotation der HWS und Depression der linken Schulter
32
sition wird der Muskel 15–20 sec gehalten und passiv wieder in die Ausgangslage zurückgebracht. Der Vorgang sollte mit einer jeweils einminütigen Pause 5- bis 8-mal wiederholt werden (. Tab. 32.4).
Anspannungs-Entspannungs-Dehnen mittels postfazilitativer Inhibition (. Abb. 32.8) Der Muskel wird passiv in die eingeschränkte Bewegungsrichtung geführt und soll dann isometrisch stark gegen statischen Widerstand anspannen. Anschließend entspannt der Muskel, und die Distanz zwischen Ursprung und Ansatz wird mittels passiver Dehnung vergrößert. Der Patient soll möglichst versuchen, den Muskel bewusst zu entspannen (bzw. bewusst loszulassen). Das Prozedere wird mehrfach wiederholt, bis eine maximale Verlängerung des Muskels bzw. Vergrößerung des ROM erreicht ist. Die Dauer der isometrischen Kontraktion spielt für die Hemmung der Motoneurone keine entscheidende Rolle.
. Abb. 32.8. Anspannung-Entspannungs-Dehnen (AED) am rechten M. pectoralis major. Grüner Pfeil Anspannung in Adduktion/Extension/Innenrotation. Weißer Pfeil Dehnung in Abduktion/Flexion/ Außenrotation der rechten Schulter
Wichtig ist die darauffolgende Entspannung. Um die für kurze Zeit auftretende verminderte Reflexkontrolle zu nutzen, sollte sich die Dehnphase zügig anschließen. Durch die isometrische Kontraktion nimmt auch die Sehnenspannung des Agonisten zu, was zu einer autogenen Inhibition führt (. Tab. 32.5).
. Tab. 32.4. Prinzip: Passives statisches Dehnen
Technik
Anspannen
Dehnung
Serien
Wiederholungen
4 EOR 4 Statisch halten
-
15–20 sec
5–8
2
. Tab. 32.5. Prinzip: Anspannungs-Entspannungs-Dehnen
Technik
Anspannen
4 4 4 4
4 Isometrisch 10–15 sec 4 Halten 2–10 sec 4 Bewusst loslassen
C Contract des Agonisten H Hold R Relax D Dehnen
Dehnung
4 EOR 20 sec
Serien
Wiederholungen
5–8
2
235 32.1 · Praxis: Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln
3-Stufen-Technik nach Evjenth mittels postfazilitativer und reziproker Inhibition (. Abb. 32.9)
Die effektivste Muskeldehntechnik in der Praxis ist die 3-Stufen-Technik mit anschließender Kontraktion der Antagonisten, wie sie u.a. von Evjenth und Hamberg beschrieben wurde (Evjenth u. Hamberg 1984, van Coppenolle u. Heyers 1986): Beim aktiven statischen Dehnen wird der Muskel aktiv durch den antagonistischen Gegenspieler in Dehnstellung gebracht und dort ca. 10– 20 sec gehalten. Nach einer kurzen Pause wird die Dehnung wiederholt. Die vorgeschaltete isometrische Kontraktion des zu dehnenden Muskels sollte maximal sein, um die autogene Hemmung (der isometrischen Anspannung folgt eine Phase der verminderten Aktivierung der Motoneurone: postfazilitative Inhibition) und Herabsetzung der Spindelempfindlichkeit zu unterstützen. Im Unterschied zum AED findet in Dehnendstellung eine maximale dynamische Anspannung der Antagonisten statt. Dadurch bedient sich diese Technik ebenfalls der reziproken Inhibition, und zwar in der Dehnphase selbst. Die Dehnphase dauert ca. 20 sec und wird 5- bis 8-mal wiederholt. Es sollte zu einer maximalen Vergrößerung der Ursprungs-Ansatz-Distanz kommen (EOR) (. Tab. 32.6). Tipp
Der Patient kann in die Dehnrichtung mitbewegen; das Mitbewegen sollte subtil sein, ohne große Muskelanspannung. Auch wenn der Patient nicht wirklich mitbewegen kann, ist es sinnvoll, die Dehnrichtung in Gedanken mitzuverfolgen.
Anspannen in verlängerter Stellung: Beeinflussen der Muskellänge auf Basis der kontraktilen Komponenten (. Abb. 32.10) Verändert sich die Muskellänge aufgrund einer Funktionsstörung der in Serie verknüpften Sarkomere, sollte die Therapie auf diese Struktur ausgerichtet sein. Eine kräftige isometrische Kontraktion des in submaximal verlängerter Stellung befindlichen Muskels hat positive neurophysiologische Folgen: Es entstehen mehr seriell verknüpfte Sarkomere. In einer submaximal verlängerten Stellung, in der die Sarkomere weit auseinandergeschoben sind, wird optimaler Widerstand ausgeübt.
. Abb. 32.9. 3-Stufen-Technik nach Evjenth am rechten M. pectoralis major. Grüner Pfeil Anspannung in Adduktion/Extension/Innenrotation. Weißer Pfeil Dehnung in Abduktion/Flexion/Außenrotation der rechten Schulter. Roter Pfeil Gleichzeitiges Anspannen des Antagonisten ebenfalls in Abduktion/Flexion/Außenrotation der rechten Schulter
Die Muskeln werden in Längsrichtung der Muskelfasern beansprucht: durch isometrisches Anspannen in submaximal verlängerter Stellung oder durch exzentrisches Anspannen während maximalen Entfernens von Ursprung und Ansatz des Muskels. Auch die maximale Ausdehnung in die Breite ist wichtig, um dem Muskel Raum in seinen bindegewebigen Hüllen zu geben. Das Gewebe passt sich diesem Reiz an. Diese Anpassung erfordert einen starken Reiz (Anspannung muss so stark sein, dass die isometrische Kontraktion während der gesamten Kontraktionszeit aufrechterhalten wird), der lange andauert (mindestens 15 sec) und häufig wiederholt (8 –10 Wiederholungen) wird (. Tab. 32.7).
. Tab. 32.6. Prinzip: 3-Stufen-Technik nach Evjenth
Technik
Anspannen
1. Anspannen des Agonisten 2. Entspannen und Dehnen 3. Anspannen des Antagonisten
4 Isometrisch 5 sec
Dehnung 4 EOR 20 sec
4 Isometrisch 20 sec
Serien
Wiederholungen
5–8
2
32
236
Kapitel 32 · Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln
. Tab. 32.7. Prinzip: Anspannen in verlängerter Stellung
Technik
Anspannen
Dehnung
Serien
Wiederholungen
4 Anspannen des Agonisten 4 Anspannen des Agonisten
4 Exzentrisch 5 sec 4 Isometrisch 15–20 sec
4 bis EOR 4 in EOR
3–5
8–10
32.2 1. 2.
32
. Abb. 32.10. Anspannung in submaximal verlängerter Stellung des rechten M. pectoralis major. Blauer Pfeil Exzentrische Anspannung in Adduktion/Extension/Innenrotation, die rechte Schulter bewegt jedoch in Abduktion/Flexion/Außenrotation. Schwarzer Pfeil Isometrische Anspannung in submaximal verlängerter Stellung in Adduktion/Extension/Innenrotation
Literatur
Opitz G (2005) Der Muskelschmerz. Schmerz & Akupunktur 3: 151–163 Bernards JA, Bouman LN (1994) Fysiologie van de mens. Bohn Stafleu van Loghum, Houten Diegem
33 33 Sekretfördernde Atemphysiotherapie A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
33.1
Sekretolyse
– 237
33.2
Praxis: Reinigung der Atemwege
33.3
Forcierte Exspirationstechniken (FE-I–VI) – 244
33.4
Exspiratorischer Tracheobronchialkollaps – 246
33.5
Sorgfältig dosierte Exspirationstechniken (FE-II–V) – 246
33.7
Praxis: Reinigung der peripheren Atemwege (16.–23. Atemwegsgeneration) – 254
33.8
Praxis: Expektorationshilfen (Drainagelagerungen) – 255
33.9
Praxis: Oszillierende PEP-Atemphysiotherapie – 257
– 238
33.10 Tapotements
33.6
Praxis: Reinigung der mittleren Atemwege (9.–16. Atemwegsgeneration) – 248
Folgen der pathologischen Prozesse sind 4 an den großen Atemwegen: Hypersekretion von Mukus bzw. Sekret und Dysfunktion der mukoziliaren Clearance, 4 an den kleinen Atemwegen: Behinderung des Atemflusses und dadurch Überblähung der Lunge.
Durch den irreversiblen Charakter der COPD werden der medizinischen Rehabilitation folgende Ziele gesetzt: 4 Reduktion der Symptome, 4 Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit bzw. Ausdauerkapazität, 4 Reduktion der Atemwegsobstruktion und 4 Verbesserung der Lebensqualität, mit dem globalen Ziel, die funktionale Gesundheit zu erhalten. Eines der Hauptziele der physiotherapeutischen Behandlung ist die Erleichterung der erschwerten Atmung durch Verbesserung der Mukusclearance mittels Sekretolyse [1]. Weitere Ziele sind: 4 Förderung der Expektoration, 4 Erlernen von effektiven Hustentechniken sowie 4 Gebrauchsanleitung für Geräte wie Flutter und RC Cornet. Für die physiotherapeutische Husten-Behandlung gilt Evidenzgrad 4, Empfehlungsgrad C [2].
– 260
33.11 Evidenz der sekretfördernden Behandlungsmethoden – 260 33.12 Literatur
– 261
Definition Sekretolyse bedeutet die Verflüssigung des zähen Bronchialsekrets (Schleimlösung). Wenn das Sekret sich schwer abhusten lässt, kann man mittels physiotherapeutischer Techniken versuchen, die Sekretolyse und das Abhusten zu unterstützen. Die Gesamtheit dieser Techniken wird unter dem Überbegriff »Sekretolyse« zusammengefasst.
33.1
Sekretolyse
Ziele der Sekretolyse Mittels Sekretolyse wird die bronchiale Obstruktion so weit wie möglich reduziert, der Abtransport von schädlichen Substanzen beschleunigt, eine Sekretlockerung, Relaxation und Dilatation der Bronchialwände bewirkt und die Expektoration (Auswurf durch Abhusten) gefördert. Durch die Entfernung der infektiösen Mediatoren und mukopurulenten Sekretmassen werden 4 einerseits die Folgereaktionen der pathologischen Prozesse minimiert, und zwar die Folgen von 5 Sekretobstruktion (Senkung des Hustenspitzenflusses, FEV1/% des Sollwertes), 5 alveolärer Hypoventilation, 5 Lungenüberblähung, 5 Atelektasenbildung, 5 Ventilations-Perfusions-Missverhältniss und 5 erhöhter Atemimpedanz, und 4 anderseits die Destruktion der emphysematösen Bronchialwand verzögert.
238
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
> Wichtig Die Sekretolyse soll die bronchiale Obstruktion weitestmöglich reduzieren: Ziele sind zum einen die akute Verbesserung der klinisch manifesten pulmonalen Funktionsstörung, zum anderen die Vermeidung einer progressiven Entwicklung in die proliferativ-fibrosierende Spätphase mit Pneumonie- oder Sepsisrisiko.
Mittlerweile sind ausreichende Untersuchungen und klinische Erfahrungswerte bekannt, die den Einsatz der Sekretolyse bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung rechtfertigen [3, 4]. Vorbereitung auf die Sekretolyse Das Sekret ist meist sehr zähflüssig und dick, wodurch es schwer aus den Luftwegen zu entfernen ist. Vor Beginn der Sekretolyse ist es ratsam, dass die Patienten ein Mukolytikum (Medikamente, z.B. Mistabron oder Fluimucil) sprayen, um die oberen Sekretschichten zu verflüssigen. Zusätzlich sollten sie möglichst häufig und viel Wasser oder Tee trinken. Auch eine Patientenaufklärung bzgl. Durchführung und Wirkungsweise der Sekretolyse ist unentbehrlich. Es sollte immer angestrebt werden, dass die Patienten die Sekretolyse selbständig durchführen können.
33
Sekretolyse-Techniken Welche Technik angewandt wird, hängt vor allem von der Lokalisation des Sekrets ab: 4 In den zentralen Atemwegen ist die forcierte Exspiration (z.B. Husten) die wichtigste Technik für abgelagertes Sekret. 4 Die Alveolen, Bronchiolen und kleinen Bronchien dagegen verfügen weder über Hustenrezeptoren, um den Hustenreflex zu initiieren, noch über die Möglichkeit, Sekret mittels Husten nach außen zu befördern. In den Lungenalveolen sorgen Makrophagen dafür, dass die innere Lungenoberfläche für den Gasaustausch frei bleibt (. Abb. 33.1, 7 Übersicht 33.1).
. Abb. 33.1. Darstellung der Atemwegsgenerationen. Die physiotherapeutische Technik wird je nach Sekretlokalisation ausgewählt. Violett Periphere, hellblau mittlere, dunkelblau zentrale und extrathorakale Atemwege (van Gestel 2009)
. Übersicht 33.1. Techniken der Sekretolyse 1. 2. 3. 4.
Reinigung der extrathorakalen Atemwege Reinigung der zentralen Atemwege (Atemwegsgeneration 1–8) Reinigung der mittleren Atemwege (Atemwegsgeneration 9–16) Reinigung der peripheren Atemwege (Atemwegsgeneration 17–23)
. Abb. 33.2. Auskultation der Lunge während der Sekretolyse, um festzustellen, wo sich Bronchialsekret befindet
33.2
Praxis: Reinigung der Atemwege
33.2.1 Reinigung der extrathorakalen
Atemwege 0 Beispiel Der Therapeut auskultiert den Patienten während der Sekretolyse (. Abb. 33.2) und stellt niederfrequente Rasselgeräusche fest. Mittelfrequente Rasselgeräusche hört er nicht mehr. Dieser Befund deutet darauf hin, dass das Sekret von den mittleren in die zentralen Atemwege gelangt ist! Der Therapeut ändert demzufolge die Technik und beginnt mit forcierten Exspirationstechniken (FE-I–VI), um die zentralen Atemwege zu reinigen!
Der sinnvolle Abschluss aller Sekretolyse-Techniken ist die Expektoration von mobilisiertem und zentralisiertem Sekret (. Abb. 33.3). > Wichtig Voraussetzung für eine erfolgreiche Expektoration ist jedoch, dass das Sekret ausreichend zentralisiert ist!
239 33.2 · Praxis: Reinigung der Atemwege
. Abb. 33.3. Expektoration: Reinigung der extrathorakalen Atemwege. ERV Exspiratorisches Reservevolumen. IRV Inspiratorisches Re-
servevolumen. VT Atemzugvolumen, Atemruhelage. PIP/PEP Post-in-/ exspiratorische Pause von 3–4 Sekunden
Mit der Zentralisation des Bronchialsekrets wird transitorisch ein verhältnismäßig großer Lungenbereich an der Ventilation gehindert. Aus dieser Problematik entsteht die Forderung, die Sekretolyse möge hoch effektiv sein und möglichst schnell erfolgreich beendet werden können. Nicht selten wird mit der Expektoration jedoch noch zu früh begonnen, wodurch die Maßnahmen ohne Erfolg bleiben. Der Patient soll das Abhusten so lange wie möglich unterdrücken, damit keine unnötige Energie verloren geht. Wenn das Sekret zentralisiert ist, d.h., wenn es in die zentralen und extrathorakalen Atemwege gelangt ist, tritt der Räusperreflex auf. Dieser ist ein effektiver Hustenstoß ohne vorausgegangene Inspiration (auch bekannt als Abhusten oder Keuchen). Eine vorausgehende Inspiration wäre für die Effektivität der Expektoration sogar kontraproduktiv, da das Sekret vom Kehlkopf in Richtung der tieferen Atemwege mitgerissen werden kann.
lisiert und transportiert. Voraussetzung für eine forcierte Exspiration ist, dass Luft hinter (bzw. peripher) das obstruierende Sekret gelangt; dies geschieht über eine tiefe, langsame Inspiration. Bei zu kurzer Inspiration wird die Luft immer den »Weg des geringsten Widerstandes« wählen und in Richtung der gut erreichbaren bzw. nicht obstruierten Lungenareale strömen. Wenn ein bestimmter Lungenbereich aufgrund einer Obstruktion schlechter bzw. nicht zugänglich ist, wird er bei zu kurzer Inspiration nicht ventiliert. Die Ventilation schlecht belüfteter Lungenareale fordert mehr Zeit, die Lungenpatienten wegen der erhöhten Atemfrequenz häufig nicht aufbringen können. Für die gleichmäßige Weiterbeförderung der Luft über die Kollateralventilationskanäle der Alveolen ist zu Ende einer Inspiration eine post-inspiratorische Pause (PIP) von ungefähr 3–4 Sekunden erforderlich. Der Patient soll sich vorstellen, während dieser Pause weiterhin einzuatmen. Dadurch bleiben die oberen Atemwege offen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Kollateralventilationskanäle bei höherem Lungenvolumen gedehnt und geöffnet werden. In der Literatur wird angenommen, dass die Öffnung der Kollateralventilationskanäle eine Rekrutierung partiell bzw. nicht ventilierter Alveolen bewirkt. Da mit der Zunahme des Lungenvolumens der statisch-elastische Retraktionsdruck der gesamten Lunge steigt, werden partiell bzw. nicht ventilierte Alveolen durch radiale Traktion (verursacht durch bereits ventilierte Lungenareale) dilatiert und rekrutiert (Kap. 3). Diese gegenseitige Erweiterung der Lungenareale nennt man Interdependenz. Das Phänomen der Interdependenz sorgt lungenvolumenabhängig für eine zunehmend homogene Alveolarfüllung und Rekrutierung von partiell bzw. nicht ventilierten Alveolen.
33.2.2 Reinigung der zentralen Atemwege 1–8 Für eine effektive Reinigung der zentralen Atemwege (Atemwegsgeneration 1–8) sollten die in 7 Übersicht 33.2 aufgelisteten Techniken angewandt werden. . Übersicht 33.2. Wirkmechanismen für eine effektive Reinigung der zentralen Atemwege 1.
2. 3.
4.
Anheben des Lungenvolumens: Luft durch eine tiefe, langsame Inspiration mit PIP in den Bereich peripher des obstruierenden Sekrets bringen Flowprinzip: Erzeugen gegenläufiger exspiratorischer Strömungen durch forcierte Exspiration (FE) Gas-Flüssigkeits-Pumpen (»squeezing«): Rhythmische Distension und Kompression der Luftwege durch atemsynchrone Bronchialkaliberschwankungen Wandernde Kompressionswellen: Verschiebung des Punkts gleichen Drucks (7 Kap. 33.2.2.3)
Anheben des Lungenvolumens Sekret in den zentralen Atemwegen wird am effektivsten durch modifizierte forcierte Exspirationsmanöver (FE) mobi-
Fazit Für die Rekrutierung partiell bzw. nicht ventilierter Alveolen ist es wichtig, Luft hinter das obstruierende Sekret zu bringen. Die Luft kann durch eine langsame diaphragmale Inspiration, möglichst über die Nase, in diesen Bereich geleitet werden. In der post-inspiratorischen Atempause von 3–4 Sekunden bleiben die oberen Atemwege offen.
33
240
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
Flowprinzip: Gegenläufige exspiratorische Strömung durch forcierte Exspiration Nachdem Luft hinter das obstruierende Sekret gelangt ist, wird durch forcierte Exspiration eine möglichst hohe Luftgeschwindigkeit erreicht. Diese ist die treibende Kraft, um Sekret von der Bronchialwand abzulösen und in Richtung der extrathorakalen Atemwege zu transportieren bzw. zu eliminieren. Luftgeschwindigkeit Die Luftgeschwindigkeit ist abhängig von Atemwegsdurchmesser (A) und bronchialem Strömungsdruck (pAW). > Wichtig Die Luftgeschwindigkeit ist folgendermaßen definiert: PAW /A
Bronchialer Strömungsdruck Wie in jedem Röhrensystem kann eine Luftströmung nur dann erfolgen, wenn eine treibende Druckdifferenz vorhanden ist. Die Luft strömt entlang dieses Druckgradienten in Richtung der extrathorakalen Atemwege nach außen. Der bronchiale Strömungsdruck (»flow«, pAW) beschreibt den Druckabfall über das ganze respiratorische System und ergibt sich aus der Differenz von alveolärem Druck (pAlv) und Druck am Mund (pMO). Der Druck am Mund ist dem atmosphärischen Barometerdruck der Außenluft angeglichen und ist gleich Null. > Wichtig Der bronchiale Strömungsdruck errechnet sich wie folgt: pAW = pAlv - pMO
> Wichtig Der alveoläre Druck errechnet sich wie folgt: pAlv = pEL+pPL
(33.3)
Alveolärer Druck (pAlv) = Retraktionsdruck des Lungenparenchyms (pEL)+pleuraler Druck (pPL) (Thorax)
(33.1)
Luftgeschwindigkeit (l/sec) = bronchialer Strömungsdruck (m/sec) (pAW )/Atemwegsdurchmesser (m)
33
Alveolärer Druck Der alveoläre Druck (PAlv) ist die Summe von elastischem Retraktionsdruck des Lungenparenchyms (pEL) und pleuralem Druck (pPL), auch Intrathorakaldruck genannt (. Abb. 33.4). Der elastische Retraktionsdruck des Lungenparenchyms (pEL) wird bei höherem Lungenvolumen nach tieferer Inspiration erheblich größer. Der pleurale Druck (pPL) wird durch die Exspirationskraft der exspiratorischen Hilfsmuskulatur (pMUS) bestimmt.
(33.2)
Bronchialer Strömungsdruck (pAW ) = alveolärer Druck (pAlv) - Druck am Mund (pMO)
Durchmesser der Atemwege Der Atemgastransport in den zentralen Lungenluftwegen erfolgt durch Konvektion. Der Atemwegsdurchmesser (A) nimmt von zentral (1,8 cm) nach peripher (0,05 cm) ab. Durch die zunehmende Anzahl der Atemwege ist der gesamte Durchmesser der peripheren Atemwege jedoch verhältnismäßig groß, Trompetenform genannt (. Abb. 33.5). Daher können dort nur sehr geringfügige Luftgeschwindigkeiten erreicht werden. Zu den zentralen Atemwegen hin wird der Durchmesser im Verhältnis immer kleiner. Dort können sogar sehr turbulente Luftgeschwindigkeiten entstehen. Um Sekret erfolgreich in Bewegung setzen zu können, muss die Energie des schnellen Atemflusses (kinetische Energie, EKIN [5]) in Reibungsenergie (Friktionsenergie, EFR) umgesetzt werden. Die Reibungsenergie wird auf die Sekretschicht übertragen und hilft, das Sekret von der Bronchialwand abzulösen und zu entfernen. > Wichtig Kinetische Energie definiert sich folgendermaßen: EKIN = 1/2 mv2
(33.4)
m: Masse (kg) v: Geschwindigkeit (m/sec)
. Abb. 33.4. Schematische Darstellung der verschiedenen Drücke bei forcierter Exspiration. Der Druck in den Alveolen wird als Alveolardruck (pAlv), der Druck im Pleuraspalt als pleuraler Druck (pPL) bezeichnet. Der bronchiale Strömungsdruck entspricht dem Druck-
abfall über das gesamte respiratorische System von den Alveolen (pAlv) bis hin zum Mund (pMO). An der Thoraxaußenfläche herrscht der Barometerdruck, der atmosphärisch und daher null ist (van Gestel 2009)
241 33.2 · Praxis: Reinigung der Atemwege
. Abb. 33.5. Durchmesser der Atemwege: Trompetenmodell
Fazit
Laminare und turbulente Luftströmung Bei einer laminaren Luftbewegung, wie sie in den kleinen Atemwegen bei Ruheatmung auftreten kann, strömen Luftmengen parallel. Bei einer größeren Luftgeschwindigkeit von 1500– 2500 cm/sec kann eine ringförmige Luftbewegung entstehen. Bei noch größeren Strömungsgeschwindigkeiten ist die Luftbewegung gänzlich ungerichtet, und es bilden sich Wirbel (turbulente Luftbewegung). Bei höheren Luftgeschwindigkeiten>2500 cm/sec kann sogar ein Nebelfluss entstehen, der eine noch stärkere Wirkung auf die Sekretschicht hat [6]. Die Strömung der Luft durch die leitenden Atemwege ist bei gesunden Menschen überwiegend laminar (d.h., die Luftmengen strömen parallel). Zusätzlich wird die Luftströmung an physiologischen Verzweigungs- und Engstellen der Bron-
chien turbulent (Kap. 3, . Abb. 33.6 b). Eine rein laminare Strömung ist jedoch ausschließlich in glattwandigen, geraden, starren Atemwegen zu erwarten (. Abb. 33.6 a). Diese Bedingungen liegen peripher im verzweigten Bronchialsystem und in den nasalen Atemwegen nicht vor. Bei einer forcierten Exspiration wird beobachtet, dass die laminare Strömung ab einer gewissen Geschwindigkeit in turbulente Strömung (lat. turbulentus, unruhig; turbare, drehen) umschlagen kann. Bei einer turbulenten Strömung gibt es keine geordneten Strömungslinien mehr; die Grundströmung ist durch ungeordnete, zufallsbedingte Schwankungsbewegungen in Quer- (Zentrifugalkräfte) und Längsrichtung beeinflusst (. Abb. 33.6 c). Zentrifugalkräfte beschleunigen die Atemluft vom Zentrum der Kreisbewegung weg in radiale (=quer) Richtung. Dies führt dazu, dass die Reibung der Atemluft an der Innenwand der Bronchial- und Alveolarwände mit wachsender Strömungsgeschwindigkeit steigt. Die bei größerer Geschwindigkeit verhältnismäßig stärkere Einwirkung an den Seiten führt zur Lösung des Bronchialsekrets:
. Abb. 33.6 a-c. Flow-Prinzip. a Laminarer Flow. b Turbulenter Flow. c Bei Patienten mit einer obstruktiven Lungenerkrankung, z.B. nach Stenosen an Schleimpfröpfen (blau) oder bei Erkrankungen an den oberen Atemwegen (»small airway disease«) können turbulente Strö-
mungen entstehen. Durch Wirbelbildungen im Luftstrom wirken u.a. Zentrifugalkräfte in radiale Richtung (grüner Pfeil) auf das Bronchialsekret ein und führen zu Lösung, Transport (roter Pfeil) und Expektoration des Sekrets
Die Luftgeschwindigkeit ist ein sehr bestimmender Faktor bzgl. der Energiestärke, die auf eine Sekretschicht übertragen wird. Allgemein gilt: Je größer die Luftgeschwindigkeit, desto wirkungsvoller die Friktionsenergie und die Sekretlösung.
33
242
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
Die Grenzschicht bricht von der Wand weg und vermischt sich mit der Atemluft.
Wandernde Kompressionswellen
33
Eine forcierte Exspiration löst und transportiert Sekret am effektivsten in Kombination mit bronchialen Kompressionswellen [7, 8, 9]. Mittels eines dem physiologischen ThoraxLungen-System angepassten, druckkonstanten Ganzkörperplethysmographen gelingt es, die Alveolardruck-Fluss-Volumen-Beziehungen als Funktion der Zeit bei allen Atemmanövern als Ganzes zu erfassen [10]. Die Dynamik der elastischen und komprimierbaren Tracheobronchialwände bei einer forcierten Exspiration ist für die sekretfördernde Wirkung einer forcierten Exspiration bedeutend. Bei der forcierten Exspiration spielen zwei entgegengesetzt wirkende Drücke eine wichtige Rolle (. Abb. 33.4), der pleurale Druck (pPL) und der intrabronchiale Druck (pbr): 4 Der pleurale Druck (pPL) ist der Druck außerhalb der Luftröhre; dieser wird während der Exspiration per Thoraxkompression durch die exspiratorische interkostale und abdominale Muskulatur (pMUS) (M. intercostales interni, M. transversales thoracis, M. rectus abdominis, M. transervus abdominis) generiert. Dieser Druck entsteht auch durch die elastische Retraktionskraft des Lungenparenchyms (pel). Bei der forcierten Exspiration kommt es innerhalb des Thorax zu einem stark positiven pleuralen Druck (pPL). 4 Der intrabronchiale Druck (pbr) ist der Druck innerhalb der Luftröhre und entspricht dem Druckabfall über das gesamte respiratorische System hinweg, von den Alveolen bis zum Mund. (Der Druck am Mund ist dem atmosphärischen Barometerdruck der Außenluft angeglichen und ist gleich null.) Stromabwärts (mundwärts) wird der Strömungsdruck in den Atemwegen immer niedriger. Da der pleurale Druck (pPL) im gesamten Thorax (zwischen Thoraxöffnung und Alveolen) überall gleich ist, entsteht an einer bestimmten Stelle ein Druckgradient von null zwischen dem Druck innerhalb und dem außerhalb der Luftröhre. Dieser Punkt im Bronchialsystem, an dem der intrabronchiale Druck (pbr) gleich dem pleuralen Druck (pPL) ist, wird Punkt
gleichen Drucks bzw. Equal Pressure Point (EPP) genannt. Stromabwärts des EPP ist der pleurale Druck (pPL) entsprechend größer als der intrabronchiale Druck (pbr), und die Luftröhre wird komprimiert. Die Luftröhre kann durch diese dynamische Kompression sogar kollabieren, sofern die Knorpelspangen der Bronchien das Lumen der Luftröhre nicht offenhalten. Der Bereich proximal des EPP wird Flow limitierendes Segment (FLS) genannt (. Abb. 33.7). Die dynamische Kompression der Luftröhre im Flow limitierenden Segment (FLS) spielt bei der Sekretolyse eine wichtige Rolle, denn dort wird die Luftröhre komprimiert, und infolge tritt eine starke Flussbeschleunigung im Sinne des Hagen-Poisseuille-Gesetzes (7 Formel 3.4) auf. Bei dieser Beschleunigung der exspiratorischen Strömung wird das Sekret in den dynamischen Engstellen des FLS mitgerissen und kann einfacher und effektiver expektoriert werden.
Die Wanderung des Punkt gleichen Drucks Im Folgenden werden einige Punkte vorgestellt, welche die Lokalisation des EPP beeinflussen können [9, 11, 12]. Der Punkt gleichen Drucks ist variabel; er kann sich mehr nach zentral oder eher in die Bronchialperipherie verschieben und bewirkt derart eine dynamische Kompressionswelle [13]. Der Aufbau dieser dynamischen Kompressionswelle wird durch ein subtiles Zusammenspiel des komprimierenden positiven pleuralen Drucks (pPL) einerseits und der tracheobronchialen Luftwegsstabilität anderseits verursacht. Positiver pleuraler Druck Bei einer kräftigen forcierten Exspiration, wird sich der EPP
wegen des erhöhten pleuralen Drucks (pPL), vorzeitig dem intrabronchialen Druck (pbr) annähern und infolge nach peripher wandern [12] (. Abb. 33.8). Der Grund dafür ist, dass der pleurale Druck bei stärkerer Kontraktion der abdominalen Muskulatur (vor allem M. transversus abdominus) und Interkostalmuskulatur zunimmt (+25 cmH2O) [11]. Beispiel Kommt es bei COPD-Patienten zu einem krankheitsbedingten Stabilitätsverlust im tracheobronchialen System, kollabiert die EPP-Stabilität ebenfalls »vorzeitig« und wandert nach peripher.
. Abb. 33.7. Schematische Darstellung: Flow limitierendes Segment (FLS) und Punkt gleichen Drucks (EPP) (A.J.R. van Gestel 2009)
243 33.2 · Praxis: Reinigung der Atemwege
Inspirationstiefe Das Volumen des Atemzugs unmittelbar vor der forcierten Exspiration bestimmt, welche Atemwege (zwischen Larynx
und Bronchien der 5.– 6. Generation) gereinigt werden. Durch Variationen des inspiratorischen Atemzugvolumens – kleine, mitteltiefe und tiefe Atemzüge – kann die Flussrate in den peripheren, mittleren oder zentralen Atemwegen gezielt verbessert werden. Die Inspirationstiefe hat auch wesentlichen Einfluss auf die Lokalisation des EPP: 4 Bei kleineren Atemzügen werden die Lungenausdehnung und damit die Retraktionskraft (pEL) deutlich geringer, und der EPP wandert nach zentral. 4 Bei tieferen Atemzügen (bzw. nach tiefer Inspiration) werden die Lungenfüllung und damit die Retraktionskraft (pEL) deutlich größer, und der EPP wandert weiter nach peripher [9].
liegt, bewirkt eine Verlagerung des EPP in zentrale Richtung. Durch den erhöhten intrabronchialen Druck wird sich der EPP dem pleuralen Druck verzögert annähern und daher nach zentral wandern. Gravitationskraft
Als Letztes kann die Gravitationskraft die Lokalisation des EPP beeinflussen, und zwar über die Körperstellung: In Rückenlage ist der pleurale Druck durch Zwerchfellhochstand und Kompression der Lunge erhöht (Kap. 41). Der Druckgleichgewichtspunkt (EPP) verschiebt sich in die peripheren Atemwege und bewirkt eine zusätzliche Erhöhung des Strömungswiderstandes mit konsekutiv erhöhter Atemimpedanz [15].
Rhythmische Distension und Kompression der Luftwege
Post-exspiratorischer Druck (PEP) Eine externe Stenose, (z.B. Lippenbremse, PEP-Gerät) lässt den intrabronchialen Druck (pbr) ansteigen. Ein PEP von 2– 5 mbar, wie es bei einer Exspiration mit Lippenbremse vor-
Atemtechniken mit deutlichen atemsynchronen Bronchialdurchmesserschwankungen und variierenden exspiratorischen Flüssen stellen eine Möglichkeit der Sekretolyse dar [1]. Unterschiedlich tiefe Atemzüge fördern durch Schwankung der Durchmesser der Bronchien die Sekretolyse und den Sekrettransport. Durch den ständigen rhythmischen Wechsel von vertiefter In- und Exspiration kommt es zu einer deutlichen Atemwegserweiterung. Die langsamen und rhythmischen Durchmesserschwankungen bewirken eine Inhibition der Bronchialmuskeln und damit eine Vergrößerung der Atemwegsdurchmesser. Wenn der Durchmesser der Atem-
. Abb. 33.8. Schematische Darstellung der dynamischen Atemwegskompression. Oben links Wichtigste Faktoren für eine zentrale Verschiebung des EPP. Oben rechts Wichtige Faktoren für eine periphe-
re Verschiebung des EPP. Die Drücke sind mit 20, 25 und 40 mbar dargestellt, es sind fiktive Werte. Weiss Pleuraler Druck (pPL) oder Intrathorakaldruck. Blau Intrabronchialer Druck (pbr) (van Gestel 2009)
> Wichtig Bei einer forcierten Exspiration liegt der EPP in den großen Atemwegen normalerweise oberhalb 25% der Vitalkapazität (VK). Erst unterhalb 25% wandert er nach peripher [14].
33
244
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
wege in regelmäßigen Abständen variiert, findet zusätzlich ein Auspressen der Atemwege (»squeezing«) statt. Auf diese Weise löst sich das Sekret von der Bronchialwand und kann leichter zum Mund transportiert werden. Voraussetzung für wirksame Kaliberschwankungen ist ausreichende Beweglichkeit bzw. Mobilität von Thorax und Zwerchfell.
33.3
Forcierte Exspirationstechniken (FE-I–VI)
Bei der Sekretolyse zur Reinigung der zentralen Atemwege (Generationen 1–8) können sechs forcierte Exspirationstechniken eingesetzt werden (. Abb. 33.9), aufgelistet in 7 Übersicht 33.3. Nachfolgend werden deren biomechanische Wirkungsprinzipien und Kontraindikationen beschrieben. . Übersicht 33.3. Forcierte Exspirationstechniken 1. 2. 3. 4.
33
5. 6.
FE-I: Husten FE-II: Huffing (Hauchen mit offener Glottis) FE-III: Huffing intermittence (intermittierendes Hauchen bzw. FE-II mit Pausen) FE-IV: Huffing fortis (kräftiges Hauchen mit teilweise geschlossener Glottis) FE-V: Huffing fortis intermittence (kräftiges intermittierendes Hauchen bzw. FE-IV mit Pausen) FE-VI: Kombination von FE-I bis FE-V
Cave: FE-IV bis FE-VI nicht bei Herz-Kreislauf-Instabilität anwenden!
Ausgelöst durch mechanische oder chemische Reize in den zentralen Atemwegen, ist Husten (FE-I) eine der effektivsten forcierten Exspirationstechniken. Ist das Husten erfolgreich, spricht man von produktivem Husten, andernfalls von unproduktivem Husten oder je nach Ausprägung auch von Krampfhusten. Unproduktives Husten wird i.d.R. als besonders quälend empfunden und ist außerdem wirkungslos. Definition Produktives Husten besteht aus kräftigen Ausatmenstößen, wobei Sekret erfolgreich aus dem Bronchialbaum in die oberen Luftwege befördert wird. Bei produktivem Husten fühlt sich der Patient, zumindest kurzzeitig, sehr erleichtert.
33.3.1 FE-I: Biomechanik des Hustens Husten ist ein physiologischer, selbständiger, zu uniformem Ablauf neigender Reflex, der als Schutz für die Atemwege fungiert [20]. Husten ist ein nachgeschalteter Reinigungsmechanismus des Tracheobronchialsystems und tritt dann
. Abb. 33.9. Sekretolyse zur Reinigung der zentralen Atemwege (1.–8. Generation): Forcierte Exspirationstechniken FE-I–VI, assistiert an den Flanken. Zu beachten ist, dass bei Herz-Kreislauf- und tracheobronchialer Instabilität nur FE-II indiziert ist!
auf, wenn ein Ungleichgewicht zwischen Sekretproduktion (z.B. bei zystischer Fibrose, COPD-Patienten) und Sekretclearance (z.B. bei Patienten mit einem gestörten primären mukoziliaren Clearancemechanismus) entsteht. Für eine effektive Hustenclearance sind drei Komponenten erforderlich: Inspiration, Glottisschluss und Kompression, Expulsion und Akzeleration [2] (. Abb. 33.10). > Wichtig Eine effektive Hustenclearance setzt sich aus drei Phasen zusammen: 4 Phase I: Schnelle Inspiration 4 Phase II: Kompression der Luft mittels Glottisverschluss und Erhöhung des pleuralen Drucks (pPL) durch Kontraktion der Exspirationshilfsmuskeln 4 Phase III: Expulsion und Akzeleration Durch den Anstieg des pleuralen Drucks (pPL) und die entstehende dynamische Kompression im Tracheobronchialbaum (EPP) ist die Luftgeschwindigkeit bei der Glottisöffnung>270 m/sec.
245 33.3 · Forcierte Exspirationstechniken (FE-I–VI)
. Abb. 33.10. Biomechanik des Hustens: 1 Inspiration, 2 Glottisschluss und Kompression, 3 Expulsion und Akzeleration
Ablauf des Hustenreflexes Der Ablauf eines Hustenreflexes beginnt mit der Reizung von 4 Chemorezeptoren (sensorische C-Faserendigungen), 4 Mechanorezeptoren (myelinisierte, schnell adaptierende Irritant-Rezeptoren) und 4 langsam adaptierende Lungendehnungsrezeptoren [21]. Nach einer schnellen Inspiration variabler Tiefe (mindestens 1,5 Liter Luft) beginnt bei verschlossener Stimmritze und Glottis die Exspiration. Bei der forcierten Exspiration werden die exspiratorischen Atemhilfsmuskeln aktiviert, wodurch eine stoßweise und explosionsartige Exspiration erzeugt wird. Der Unterschied zur normalen Atmung ist, dass die Exspiration eingeleitet wird, obwohl die Glottis noch verschlossen ist und diese erst nachfolgend geöffnet wird. In dieser Kompressionsphase, die etwa 0,2 Sekunden dauert, können intrathorakale Druckwerte bis zu 300 cmH2O erreicht werden. Stimmritze und Glottis müssen trotz des intrathorakalen Druckanstiegs geschlossen bleiben. Nach der Glottisöffnung kommt es zu einem schnellen Ausströmen der Luft aus der Lunge. Die Lunge entleert sich explosiv (Akzeleration) und befördert Fremdpartikel und Sekret aus dem zentralen Bronchialsystem (Pharynx, Larynx, Trachea bis zur 7./8. Atemwegsgeneration [3]) heraus [21]. Physiologischerweise werden hohe Strömungsgeschwindigkeiten bis zu 360–500 l/min erreicht. Minimal effektive Strömungsgeschwindigkeiten sollten über 160 l/min Husten-Spitzenfluss liegen. Ein zu geringes Atem-
zugvolumen oder ein schwacher Hustenspitzenfluss (<160 l/ min) führt zu unproduktivem Husten und Sekretretention und stellt ein hohes Pneumonierisiko dar [22]. Voraussetzungen für produktives Husten Die Voraussetzungen für produktives Husten wurden bereits in Kapitel 18 beschrieben, diese sind: 4 niedrige Viskosität und Oberflächenspannung des Sekrets, 4 ausreichende Inspirationskapazität /-technik (>1500 ml), 4 kräftiger Atemstoß (FEV1>60% des VK, Peak-Flow>2,7 l/ sec) und 4 tracheobronchiale Stabilität. Husten bei COPD-Patienten Beim Husten kommt es zu großen Luftgeschwindigkeiten, die zwar für die Sekretmobilisation geeignet sind, aber bei COPD-Patienten mit instabilen Atemwegen (tracheobronchialer Instabilität) die Luft einschließen können (Airtrapping, . Abb. 33.11). Durch zu häufiges bzw. starkes Pressen bei der forcierten Exspiration werden die Luftwege proximal des Sekrets zusammengepresst und sind stark gefährdet, zu kollabieren (tracheobronchialer Kollaps). Das Einsetzen von zu viel Exspirationskraft bewirkt häufig einen entgegengesetzten Effekt und kann zur Sekretretention führen. Daher ist es wichtig, dass der Therapeut einen drohenden tracheobronchialen Kollaps frühzeitig erkennen und die Sekretolyse-Technik genauestens dosieren kann (Kap. 16).
33
246
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
. Abb. 33.11. Airtrapping, verursacht durch einen Tracheobronchialkollaps (van Gestel 2009)
Fazit
33
Eine inkorrekt durchgeführte forcierte Exspiration kann COPDPatienten mit einer bronchialen Überempfindlichkeit und/oder einer tracheobronchialen Instabilität schädigen, besonders, wenn die Exspiration zu stark forciert wird und unproduktive Hustenreize nicht unterbrochen werden. Bei Patienten mit instabilen Atemwegen oder kardialen Problemen sollten forcierte Exspirationstechniken wegen der hohen intrapleuralen Drücke vermieden werden! Eine weniger kräftige Exspiration (z.B Huffing) mit Lippenbremse und Hustenreizunterdrückung sind wirksame Maßnahmen, der Überblähung vorzubeugen oder entgegenzuwirken.
33.4
Exspiratorischer Tracheobronchialkollaps
. Übersicht 33.4. Kontraindikationen für Husten (FE-I) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
33.5
Tracheobronchiale Instabilität Hustenattacken bis hin zur Auslösung eines Asthmaanfalls Erschöpfung der exspiratorischen Atemhilfsmuskulatur Hustensynkopen Pneumothorax durch Platzen von Emphysemblasen Unzureichende Flow-Rate für die forcierte Exspiration Angst/Depression
Sorgfältig dosierte Exspirationstechniken (FE-II–V)
> Wichtig Ein effektiver Hustenreflex setzt relativ intakte anatomische Verhältnisse voraus [2], d.h.: 4 Auf keinen Fall darf eine schwere Atemwegsobstruktion oder tracheobronchiale Instabilität vorhanden sein. 4 Bestehen sollen normale 5 Atemmuskel- und Kehlkopffunktion, 5 statische Volumina und 5 Viskosität des Bronchialsekrets.
Bei fortgeschrittenen chronischen Entzündungsprozessen der Luftwege kommt es bei COPD-Patienten zu einer irreversiblen Zerstörung des Lungenparenchyms mit qualitativem Elastizitätsverlust des Lungengewebes und tracheobronchialen Instabilität (. Abb. 33.12).
Das Hauptziel der Sekretolyse ist es, die Technik individuell, entsprechend dem aktuellen Zustand bestmöglich anzupassen. Bei unzureichender Effektivität oder einer Kontraindikation für Husten (FE-I), können weitere forcierte Exspirationstechniken (FE II–V) hilfreich sein. Diese werden in der Literatur häufig als sorgfältig dosierte Exspirationstechniken bezeichnet. Es ist allgemein bekannt, dass, verglichen mit der forcierten Exspiration eine sorgfältig dosierte Exspirationstechnik den Ausatemfluss und das Ausatemvolumen optimiert. Im Gegensatz zu FE-I wird die sorgfältig dosierte Exspiration ohne exzessive Erhöhung des intrathorakalen Drucks durchgeführt, erzeugt eine geringere Luftgeschwindigkeit, dauert länger an und transportiert das Sekret über eine größere Distanz.
Definition Ein Tracheobronchialkollaps bezeichnet ein Zusammenbrechen bzw. Kollabieren der oberen Luftwege bei einem erhöhten pleuralen Druck (pPL) infolge des krankheitsbedingten Elastizitätsverlustes der Tracheobronchialwände (tracheobronchiale Instabilität).
In 7 Übersicht 33.4 sind die Kontraindikationen für Husten (FE-I) aufgeführt.
33.5.1 FE-II: Huffing Wegen der erhöhten Luftgeschwindigkeit gehören sowohl das Husten (FE-I) wie auch das Huffing (dt. Hauchen) (FE-II–V) zur forcierten Exspiration (FE). Das Huffing ist jedoch eine Technik ohne exzessive Erhöhung des intrathorakalen Drucks. Das Huffing ist eine Atemtechnik mit vertiefter Inspiration und anschließender sorgfältig dosierter Exspiration
247 33.5 · Sorgfältig dosierte Exspirationstechniken (FE-II–V)
. Abb. 33.12. Entstehung der dynamischen Atemwegskompression bei Exspiration (Fink 2007 [24])
(FE-II), bei der die Glottis in der Exspirationsphase offen bleibt und der Luftstrom durch Aktivität der tiefen Bauchmuskeln (MTA) expektoriert wird. Die Inspiration erfolgt bevorzugt durch die Nase und wird mit einer anschließenden Atempause von 2–3 Sekunden abgeschlossen. Bei der Exspiration soll der Patient dosiert etwas Luft über die Lippenbremse abgeben, um die Atemwege optimal zu erweitern, und anschließend soll er das Sekret mittels Huffing bzw. Hauchen hinausbefördern, mit der inneren Vorstellung, eine Scheibe anzuhauchen. Durch dieses Manöver wird eine Reizung des tracheobronchialen Epithels und übermäßige Kompression der Atemwege (maximal 38 mmHg) verhindert; daher ist es bestens für Patienten mit tracheobronchialer Instabilität geeignet [6]. Die reinigende Wirkung des Huffings betrifft die zentralen und mittleren Atemwege [1]. Das Huffing kann je nach Bedarf nach einer tiefen oder mitteltiefen Inspiration (totales oder mittleres Atemzugvolumen) bis ungefähr zum normalen Exspirationsende (funktionelle Residualkapazität) durchgeführt werden. Bei Patienten ohne tracheobronchiale Instabilität darf die Exspiration sogar bis zum Residualvolumen (RV) durchgeführt werden. Jedoch darf man den Rumpf dabei nicht beugen! Bei sehr tiefer Exspiration bis zum RV verschiebt sich die dynamische Kompression (EPP) und damit die reinigende Wirkung in periphere Richtung. Tipp
Das Huffing lässt sich leichter erlernen, wenn man z.B. ein Peak-Flow-Mundstück in den Mund nimmt oder mit O-förmigem Mund ausatmet.
Fazit Beim fortgeschrittenem Elastizitätsverlust des Lungenparenchyms und erhöhtem Tracheobronchialkollapsrisiko ist ein vorsichtiges Huffing anstelle des Hustens indiziert [25]. Wenn ein Huff aus einem tiefen Atemzug einsetzt und bis maximal zur funktionellen Residualkapazität ausgeatmet wird, ist das Risiko für Patienten mit einer tracheobronchialen Instabilität gering.
33.5.2 FE-III: Huffing intermittence Ist eine effektivere reinigende Wirkung erforderlich, kann das intermitierende Huffing eingesetzt werden. Die Atemstöße folgen kurz hintereinander, mit einem 2- oder 3-maligen Hauchen pro Exspiration, ohne zwischendurch einzuatmen. Der Patient soll mäßig tief durch die Nase einatmen, dosiert etwas Luft über die Lippenbremse ausatmen und dann das Sekret mit 2–3 kurzen Atemstößen hinausbefördern.
33.5.3 FE-IV: Huffing fortis Das Huffing fortis ist eine forcierte Exspirationstechnik, bei der die Glottis bei der Exspiration teilweise (+/-10%) geschlossen ist und der Luftstrom durch die stark aktivierte Bauchmuskulatur (MTA) expektoriert wird. Die Inspiration erfolgt bevorzugt durch die Nase und wird mit einer anschließenden Atempause von 2–3 Sekunden abgeschlossen. ! Cave FE-IV darf wegen des erhöhten intrathorakalen Drucks nicht bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Instabilität angewandt werden!
33
248
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
. Abb. 33.13. FE-VI: Kombination forcierter Exspirationstechniken; Post-inspiratorische Pause; Exspiration bis zum maximalen ERV gewährleistet eine optimale Anwendung des Druckprinzips;
Beschleunigte Exspiration gewährleistet eine optimale Anwendung des Flowprinzips
33.5.4 FE-V: Huffing fortis intermittence
33
Das intermittierende Huffing hat eine intensiv reinigende Wirkung. Während der Exspirationsphase folgen 2–3 HauchAtemstöße kurz hintereinander, ohne zwischendurch einzuatmen. Der Patient soll mäßig tief durch die Nase einatmen, dosiert etwas Luft über die Lippenbremse abgeben, und dann soll er das Sekret mit 2–3 kurzen, kräftigen Atemstößen nach außen befördern.
33.5.5 FE-VI: Kombination Das FE-VI ist eine Kombination mehrerer forcierter Exspirationstechniken, bei der die Glottisöffnung bei der Exspiration variabel gestaltet werden kann und der Luftstrom durch die kräftig aktivierte Bauchmuskulatur (MTA) expektoriert wird (. Abb. 33.13). Die Inspiration erfolgt durch die Nase und wird mit einer anschließenden Atempause von 2–3 Sekunden abgeschlossen (. Abb. 33.14). ! Cave FE-IV darf wegen des erhöhten intrathorakalen Drucks nicht bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Instabilität angewandt werden!
33.6
Praxis: Reinigung der mittleren Atemwege (9.–16. Atemwegsgeneration)
Die mittleren Atemwege haben keine Hustenrezeptoren, um den Hustenreflex zu initiieren, und es gibt nicht die Möglichkeit, Sekret mittels Husten nach außen zu befördern. In den mittleren Atemwegen besteht eine sehr geringe Flussgeschwindigkeit, wodurch das Sekret nur schwer durch die
. Abb. 33.14. FE-VI: Kombination forcierter Exspirationstechniken, bei der die Glottisöffnung bei der Exspiration frei gewählt werden kann; hier mit unterstützendem Kontakt an den Flanken
249 33.6 · Praxis: Reinigung der mittleren Atemwege (9.–16. Atemwegsgeneration)
. Abb. 33.16. Aufklärung über die Techniken für die mittleren Atemwege und deren Wirkmechanismen . Abb. 33.15. Druckprinzip: Tiefe Inspiration und nachfolgender Verschluss der Bronchiole (modifiziert nach Postiaux u. Schenker 2000)
Luftströmung mobilisiert werden kann. Im Vergleich zur forcierten Exspiration (FE-I) kann eine niedrig dosierte Exspirationstechnik (FE-II–V) den Ausatemfluss und das Ausatemvolumen in die mittleren Atemwege optimieren. Diese sorgfältig dosierte Exspiration wird ohne exzessive Erhöhung des intrathorakalen Drucks durchgeführt, erzeugt eine geringere Luftgeschwindigkeit, dauert länger an und transportiert das Sekret über eine größere Distanz. Postiaux und Schenker beschreiben für die mittleren Lungenabschnitte einen zusätzlichen Mechanismus, das Druckprinzip [26], das in Kombination mit den bereits beschriebenen Wirkmechanismen verwendet werden kann. Druckprinzip mittels verlängerter Exspiration Bei einer tiefen Inspiration vergrößert sich das Lumen der Luftwege, Atemluft strömt am Sekret vorbei zu den Alveolen. Ist genügend Sekret vorhanden, wird die Luft hinter dem Sekret während der nachfolgenden Exspiration eingekesselt und verursacht eine nach zentral gerichtete Druckerhöhung (. Abb. 33.12). Voraussetzung dafür ist aber, dass die Exspiration langsam und vor allem so lange wie möglich andauert. Nach mehreren verlängerten Exspirationen ist das Sekret meist ausreichend zentralisiert, um mithilfe einer forcierten Exspiration (FE-I–V) zum Mund weitertransportiert und dort expektoriert zu werden (. Abb. 33.15).
. Abb. 33.17. Reinigungstechnik für die mittleren Atemwege im Sitzen. Betonung der kostodiaphragmalen Atmung bei In- und Exspiration durch manuelle Fazilitation an den Flanken
Wirkmechanismen für eine effektive Reinigung der mittleren Atemwege (. Abb. 33.16–Abb. 33.18) Effektive sekretfördernde Techniken für die mittleren Atemwege (7 Übersicht 33.5) setzen die vier bereits beschriebenen Wirkmechanismen voraus. Zusätzlich wird die verlängerte Exspiration integriert, um das Druckprinzip zu gewährleisten. Umgesetzt wird dies in den nachfolgend beschriebenen Techniken. . Abb. 33.18. Reinigungstechnik in Seitenlage. Betonung der kostodiaphragmalen Atmung (CDA) bei In- und Exspiration durch Handkontakt an der (linken) Flanke
33
250
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
. Übersicht 33.5. Techniken für die Reinigung der mittleren Atemwege 1. 2. 3. 4.
FET (Forcierte Exspirationstechnik) ACBT (Active Cycle of Breathing Techniques) AD (Autogene Drainage) LEGOS (ELTGOL, L’expiration Lente Totale Glotte Ouverte en decubitus Lateral)
Fazit Wirkmechanismen für eine effektive Reinigung der mittleren Atemwege sind: 1. Bereich peripher des obstruierenden Sekrets belüften: Tiefe, langsame Inspiration und PIP 2. Flow-Prinzip: Gegenläufige exspiratorische Strömungen durch forcierte Exspiration 3. Wandernde Kompressionswellen (EPP) 4. Rhythmische Distension und Kompression der Luftwege: Atemsynchrone Bronchialkaliberschwankungen 5. Druckprinzip: Verlängerte Exspirationsmanöver
33.6.1 Sekretolyse der mittleren Atemwege
Lungenvolumen ausgeatmet. Anschließend wird eine kurze Pause von 2-3 Sekunden eingelegt, und das Manöver wiederholt. Bei den forcierten Exspirationsmanövern wird eine normale Exspiration (Phase I, II und IV) alternierend mit Huffing (Phase III und V) angewandt. Dabei wird bis zu extrem niedrigen Lungenvolumina forciert ausgeatmet: 4 Huffing nach maximaler Inspiration (Phase III) bis zum mittleren exspiratorischen Reservevolumen (ERV) gewährleistet eine Reinigung der mittleren Atemwege. Das Sekret wird in die zentralen Atemwege transportiert von dort aus abgehustet. 4 Huffing nach mitteltiefer Inspiration (Phase V) bis zum maximalen ERV gewährleistet eine optimale Anwendung des Druckprinzips mit Reinigung der peripheren Atemwege. In 7 Übersicht 33.6 sind die einzelnen Vorgehensschritte nochmals zusammengefasst und in . Abb. 33.19 übersichtlich dargestellt. . Übersicht 33.6. Ausführung der forcierten Exspirationstechnik 1. 2.
Forcierte Exspirationstechnik (FET)
33
Die forcierte Exspirationstechnik (»forced expiration technique«, FET) [3, 23, 24, 27–34] wurde 1968 erstmals von Thompson und Thompson aus Neuseeland beschrieben [24]. Pryor und Webber (Brompton Hospital Guide) entwickelten die Technik weiter; sie umfasst eine Kombination aus tiefem Seufzen, Haltungsdrainage und lockerem Atmen im Wechsel mit forcierter Exspiration. Der Rumpf darf dabei nicht flektiert werden! Nach der Inspiration mit offener bzw. teilgeschlossener Glottis wird bis zu einem extrem niedrigen
. Abb. 33.19. Modifizierte forcierte Exspirationstechnik (FET). ERV Exspiratorisches Reservevolumen. IRV Inspiratorisches Reservevolumen. VT Atemzugvolumen, Atemruhelage. PIP/PEP Post-in-/exspiratorische Pause von 3–4 Sekunden; Post-inspiratorische Pause;
3.
4. 5.
Phase 1: Ruhiges Atmen in der Atemruhelage (5-mal) Phase 2: Maximale Inspiration über Flankenatmung mit PIP von 3–4 sec (Handkontakt an den Flanken) Phase 3: Huffing mit O-förmigem Mund bis zum mittleren exspiratorischen Reservevolumen (ERV) (1- bis 2-mal) (Handkontakt an den Flanken) Phase 4: Mittlere Inspiration über Flankenatmung mit PIP von 3–4 sec (Handkontakt an den Flanken) Phase 5: Huffing mit O-förmigem Mund bis zum tiefen exspiratorischen Reservevolumen (ERV) (1- bis 2-mal) (Handkontakt an den Flanken)
Exspiration bis zum maximalen ERV gewährleistet eine optimale Anwendung des Druckprinzips; Beschleunigte Exspiration gewährleistet eine optimale Anwendung des Flowprinzips
251 33.6 · Praxis: Reinigung der mittleren Atemwege (9.–16. Atemwegsgeneration)
Tipp
Die FET ist bei Patienten mit tracheobronchialer Instabilität empfehlenswert, da die Technik kein kräftigeres Husten beinhaltet. Die Expektoration geschieht über sanftes, leichteres Abhusten.
ACBT (Active Cycle of Breathing Technique) ACBT ist eine anerkannte Sekretolyse-Technik und wird zur Mobilisation großer Bronchialsekretmengen genutzt [23, 27, 35–41]. Es ist eine wirksame Methode, allerdings zeitaufwändig und für ältere Patienten, speziell COPD-Patienten, teilweise schwierig zu erlernen. Die Technik wurde 1968 von Thompson und Thompson in Neuseeland entwickelt und ist eine Erweiterung der FET. Ausführung Die ACBT besteht aus drei Hauptstufen und acht Phasen. Die Atmung wird schrittweise vertieft, und am Ende jeder Phase wird eine Ruhepause eingelegt. Verschiedene Atemtiefen bedingen eine unterschiedliche Erweiterung der Bronchien und damit ein Ablösen des Sekrets von der Bronchialwand. Der maximalen Inspiration mit post-inspiratorischer Pause (PIP) wird eine wichtige Rolle zugeschrieben; Ziel ist es, Atemluft in den Bereich peripher des Sekrets zu befördern. Stufe I. Breathing Control (BC): Entspanntes Atmen innerhalb der Atemruhelage (VT). Thorax und Schultern sollten entspannt sein; die Atmung sollte eher aus dem unteren Thorax (Flanken) kommen. Stufe II. Thoracic Expansion Exercises (TEE): Tiefe Atemzüge, um die Inspiration zu betonen. Die Atmung sollte hauptsächlich aus dem unteren Thorax (Flanken) kommen. Der
. Abb. 33.20. Modifizierte ACBT (Active Cycle of Breathing Technique). ERV Exspiratorisches Reservevolumen. IRV Inspiratorisches Reservevolumen. VT Atemzugvolumen, Atemruhelage. PIP/PEP Postin-/exspiratorische Pause von 3–4 Sekunden. BC Breathing Control. TEE Thoracic Expansion Exercises. FET Forced Expiration Technique;
Inspiration schließt sich eine post-inspiratorische Pause (PIP) an, damit Luft peripher bzw. hinter das Sekret gelangt. Tiefe, langsame Inspiration aus den Flanken und PIP von 3-4 Sekunden (3-mal). Stufe III. Forced Expiration Technique (FET): Bei den forcierten Exspirationsmanövern wird zwischen normaler Exspiration und Huffing (Phase V und VIII) abgewechselt (7 Kap. 33.6.1.1, . Abb. 33.20). Es wird bis zu extrem geringen Lungenvolumina forciert ausgeatmet. Huffing nach einer maximalen Inspiration (Phase IV und V) bis hin zum mittleren ERV gewährleistet eine Reinigung der mittleren Atemwege. Hierdurch wird das Sekret in die zentralen Atemwege »transportiert«, von denen es dann abgehustet werden kann.
Autogene Drainage nach Chevallier Die Autogene Drainage (AD, in der deutschen Version »Modifizierte Autogene Drainage« genannt) wurde in Belgien von den Medizinern Prof. Dr. Alexandre und Dr. Dab sowie dem Physiotherapeuten Jean Chevaillier entwickelt. Jean Chevaillier beschreibt die AD als »eine Sammlung einzelner wichtiger Prinzipien, die die Patienten befähigen, eine individuelle, ihrer Pathologie und Lungenfunktion angepasste, optimale Drainagetechnik zu entwickeln”. Diese Therapie ist sehr wirksam, kann sogar ohne fremde Hilfe durchgeführt werden, erfordert aber vom Patienten ein hohes Maß an Konzentration und Selbstdisziplin und bedarf einer regelmäßigen Kontrolle von spezialisierten Atemtherapeuten. Die Autogene Drainage ist eine Kombination von Atemübungen mit deutlichen atemsynchronen Bronchialkaliberschwankungen und forcierter Exspiration aus wechselnden Thoraxstellungen und mit unterschiedlichen Lungenvolumina [1]. Durch das wechselnde inspiratorische Atemzugvolumen durch kleine, mittlere und tiefe Atemzüge kann gezielt
Post-inspiratorische Pause; Exspiration bis zum maximalen ERV gewährleistet eine optimale Anwendung des Druckprinzips; Beschleunigte Exspiration gewährleistet eine optimale Anwendung des Flowprinzips
33
252
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
eine verbesserte Flussrate in den peripheren, mittleren oder zentralen Atemwegen erreicht werden [6, 23, 24, 42–45]. Tipp
Außerdem ist das Risiko für einen Tracheobronchialkollaps (TBK) geringer als bei ACBT und FET, da die forcierte Exspiration milder durchgeführt wird.
Phase II: Sammeln (»collect«)
Das gelöste Sekret wird durch tiefes, langsames, aber dennoch sorgfältiges Atmen in die zentralen Atemwege transportiert. Durch allmähliches Anheben der Atemzyklus aus dem exspiratorischen Reservevolumen in die Atemruhelage verschiebt sich Sekret aus den mittleren Atemwegsgenerationen. Sollte noch nicht genügend Sekret gelöst sein, ist es empfehlenswert, Phase I zu wiederholen. Phase III: Entleeren bzw. Expektoration (»evacuate«)
Ausführung Die modifizierte Autogene Drainage besteht aus drei Hauptstufen. Das hier vorgestellte Modell ist theoretisch und geht von einer idealen Atmung aus. In der Praxis fließen diese Phasen ineinander und müssen ggf. auch durch normales Zwischenatmen unterbrochen werden (7 Übersicht 33.7, . Abb. 33.21). Phase I: Lösen bzw. Mobilisationsphase (»unstick«)
33
Begonnen wird mit einigen langsamen diaphragmalen oder tief kostalen Inspirationen, möglichst über die Nase. Es folgt eine PIP von 3–4 Sekunden, während der die oberen Atemwege offen bleiben, damit sich die Luft gleichmäßig über alle Lungenareale und hinter das Sekret verteilen kann. Anschließend werden Exspirationen bis zu einem Lungenvolumen tief im exspiratorischen Reservevolumenbereich durchgeführt. Der Patient soll hierbei tiefer aus- als einatmen, damit die Atemruhelage unter die funktionelle Residualkapazität sinkt. Dadurch wird das Druckprinzip optimal eingesetzt. Das Sekret in den peripheren Atemwegen löst sich und kann mobilisiert werden. Das Sekret in den peripheren Lungenbereichen wird weiterhin mobilisiert, indem mit normalen Atemzügen (VT-Atmung) im Bereich des exspiratorischen Reservevolumens weitergeatmet wird.
. Abb. 33.21. Modifizierte Autogene Drainage. ERV Exspiratorisches Reservevolumen. IRV Inspiratorisches Reservevolumen. VT Atemzugvolumen, Atemruhelage. PIP/PEP Post-in-/exspiratorische Pause von 3–4 Sekunden; Post-inspiratorische Pause;
Der Atemzyklus wird bis in den Bereich des inspiratorischen Reservevolumens angehoben. Dadurch kann das in den zentralen Atemwegen gesammelte Sekret evakuiert werden. Anschließend kann es durch sanfte forcierte Exspiration (Hauchen oder sanfter Hustenstoß) aus der Trachea in den Mund transportiert und expektoriert werden. . Übersicht 33.7. Autogene Drainage: Hinweise zur Ausführung 1. 2. 3. 4. 5.
Hauchen mit einem O-förmigen Mund Handkontakt an den Flanken Inspiration in die Flanken Aufmerksamkeit richtet sich auf Sekretgeräusche Freiwerdendes Sekret wird durch sanftes Husten oder Hauchen beseitigt
LEGOS Die in der deutschsprachigen Schweiz auch als LEGOS (ELTGOL, L’expiration Lente Totale Glotte Ouverte en decubitus Lateral; Langsame Exspiration, Glottis offen, Seitenlage) bezeichnete Technik reinigt die mittleren Atemwege. Entsprechend dem von Postiaux entwickelten Etagenmodell weisen
Exspiration bis zum maximalen ERV gewährleistet eine optimale Anwendung des Druckprinzips; Beschleunigte Exspiration gewährleistet eine optimale Anwendung des Flowprinzips
253 33.6 · Praxis: Reinigung der mittleren Atemwege (9.–16. Atemwegsgeneration)
Das Gewicht von Lunge, Mediastinum, Bauchorganen und das angestrebte komplette LEGOS-Exspirationsmanöver bewirken zusammen ein regelrechtes Auspressen der unteren Lungenhälfte und einen optimalen Einsatz des Druckprinzips (. Abb. 33.22).
. Abb. 33.22. Szintigramm: Therapieeffekt von LEGOS bei COPD-Patient (Martins 2007 [47])
mittelfrequente therapie- und lageabhängige Rasselgeräusche auf Sekret in diesem Bereich hin [45, 46]. Dieser Technik liegt die Erkenntnis zugrunde, dass infralateral gelagerte Lungenareale (in Seitenlage die untere Seite) bei intakter diaphragmaler Atmung stärker bewegt und somit besser (dynamisch) ventiliert werden (Kap. 6). Bereits in den 50er Jahren wurde publiziert, dass infralateral gelagerte Lungenareale mehr Sauerstoff gewinnen. Postiaux war jedoch der erste Therapeut, der diese These wissenschaftlich untermauerte und daraus Konsequenzen für die Atemphysiotherapie ableitete. Die großen Bronchialkaliberschwankungen der stärker komprimierten infralateralen Lungenareale ermöglichen den Sekrettransport gegen die Gravitationskraft und fördern die Sekretolyse [46].
. Abb. 33.23. Modifiziertes LEGOS (ELTGOL, L’expiration Lente Totale Glotte Ouverte en decubitus Lateral). ERV Exspiratorisches Reservevolumen. IRV Inspiratorisches Reservevolumen. VT Atemzugvolumen, Atemruhelage. PIP/PEP Post-in-/exspiratorische Pause von
Ausführung Das zu behandelnde Gebiet wird in Seitenlage nach unten (infralateral) gelagert. Es gibt zwei Varianten: 4 Armstellung des Patienten: Der Arm wird über den Thorax, jedoch nicht über dem Kopf gelagert. Dadurch wird obere Lunge gedehnt, die untere komprimiert. Gefördert wird die Exspiration der unteren Lunge. Es darf keine Dehnung der Armmuskulatur und keine Schmerzen im Schultergelenk geben! 4 Fazilitation des Therapeuten: Der Therapeut steht hinter dem Patienten. Mit der kaudalen Hand fixiert er das Becken, mit der kranialen Hand den Thorax. Durch den Zug der kaudalen Hand bei gleichzeitigem Abstützen der kranialen Hand wird die Exspiration des Patienten unterstützt. Das Abdomen wird in dorsokraniale Richtung manipuliert. In 7 Übersicht 33.8 sind ergänzende Hinweise zur Ausführung der Technik zusammengestellt (Tabelle in . Abb. 33.23, Abb. 33.24).
3–4 Sekunden; Post-inspiratorische Pause; Exspiration bis zum maximalen ERV gewährleistet eine optimale Anwendung des Druckprinzips; Beschleunigte Exspiration gewährleistet eine optimale Anwendung des Flowprinzips
33
254
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
pheren Atemwegen nach außen zu bringen. Zudem kommt bei der Reinigung der peripheren Atemwegen die verlängerte Exspiration über das Druckprinzip zum Einsatz. Für eine effektive Reinigung der peripheren Atemwege (Atemwegsgenerationen 16–23) sollten Techniken angewandt werden, die die Wirkungsmechanismen in 7 Übersicht 33.9 umfassen. . Übersicht 33.9. Wirkungsmechanismen für die Reinigung der peripheren Atemwege 1. 2.
. Abb. 33.24. LEGOS: Der zu behandelnde Lungenbereich liegt in Seitenlage unten (infralateral). Durch den Zug der kaudalen Hand bei gleichzeitigem Abstützen der kranialen Hand wird die Exspiration unterstützt. Somit wird das Abdomen in dorsokraniale Richtung manipuliert
. Übersicht 33.8. Legos: Hinweise zur Ausführung 1.
33 2.
3.
33.7
Zuerst mehrere Atemsequenzen mit ruhiger Exspiration durchgeführt. Die Exspirationsstärke kann bei längerem Üben gesteigert werden, bis man sich langsam dem Huff-Bereich nähert. Die Inspiration ist tief, ruhig und endet mit einer post-inspiratorischen Pause (PIP). Durch die Verteilung via Kollateralventilation bringt diese Technik viel Luft in den Bereich hinter dem Sekret. Das Ausatemmanöver durch die offene Glottis reicht bis zum Residualvolumen. Der Therapeut gibt manuelle Unterstützung an Thorax und Abdomen.
Praxis: Reinigung der peripheren Atemwege (16.–23. Atemwegsgeneration)
Die Alveolen, Bronchiolen und kleinen Bronchien verfügen weder über Flimmerepithel oder Hustenrezeptoren, noch über die Möglichkeit, Sekret durch forcierte Exspiration nach außen zu transportieren. Die peripheren Lungenareale können nicht nach dem Flow-Prinzip mit Flussgeschwindigkeit gereinigt werden, weil dort aufgrund des extrem großen Volumens kein Strömungsdruck zustande kommen kann. Außerdem ist der Atemfluss in den peripheren Atemwegen auf ein gewisses Luftreservoir peripher des Sekrets angewiesen. Für die Reinigung der peripheren Atemwege sind die alveolären Makrophagen zuständig; gemeinsam mit dem Lymphsystem bilden sie die letzte Abwehrlinie und arbeiten sehr effizient. Es existieren wenige physiotherapeutische Möglichkeiten, um Sekret aus der Peripherie zu zentralisieren: Nur durch das Öffnen bzw. Offenhalten der peripheren Atemwege mittels Druckaufbau über eine zusätzliche exspiratorische Stenose (z.B. PEP-Gerät, Kap. 42) ist es möglich, Sekretansammlungen aus den peri-
3.
4.
Tiefe, langsame Inspiration und PIP, um Luft hinter das obstruierende Sputum zu bringen Offenhalten der Alveolen durch supralaterale Lagerung der betreffenden Lungenareale oder mit exspiratorischen Stenosen (PEP-Geräte) Rhythmische Distension und Kompression der Luftwege durch atemsynchrone Bronchialkaliberschwankungen Druckprinzip durch ruhige, verlängerte Exspiration mit exspiratorischen Stenosen (PEP-Geräte)
Tipp
Bei aktiven, belastbaren Patienten können körperliche Aktivität und Sport bzw. Ausdauerkapazitätstraining als sekretförderndes Therapieprinzip eingesetzt werden.
33.7.1 MITF (Maximale Inspiration mit tiefem
Flow) Eine sehr effektive Technik für die Sekretolyse der peripheren Lungenareale ist die MITF (Maximale Inspiration mit tiefem Flow; EDIC, Exercice à Débit Inspiratoire Contrôlé). Das Ziel dieser Technik, die ebenfalls von Postiaux [46, 26] eingeführt wurde, ist die Öffnung der peripheren Atemwegsgenerationen. MITF wird eingesetzt, wenn bei der Auskultation 4 hochfrequente lageabhängige Rasselgeräusche, 4 Bronchialatmen oder 4 verminderte Atemgeräusche befundet werden und zielt auf die Behandlung von Bronchialsekret im Alveolarraum ab [46, 26]. Sekret im periphersten Lungenbereich tritt primär bei Atelektasen und Pneumonien auf. Ausführung Die Alveolen werden durch supralaterale Lagerung der betroffenen Lungenareale offen gehalten. Luft wird durch tiefe, langsame Inspiration mit PIP hinter das obstruierende Sekret gebracht. Der Therapeut verstärkt manuell die Thoraxexpansion und versucht, eine vertiefte Inspiration bei gleichzeitiger Dehnung der supralateralen Lunge zu erreichen. Dann folgt eine ruhige verlängerte Exspiration (Druckprinzip) mit exspiratorischer Stenose (PEP-Geräte). Der Pati-
255 33.8 · Praxis: Expektorationshilfen (Drainagelagerungen)
. Abb. 33.25. Modifizierte MITF-Technik (Maximale Inspiration mit tiefem Flow; EDIC, Exercice à Débit Inspiratoire Contrôlé). ERV Exspiratorisches Reservevolumen. IRV Inspiratorisches Reservevolumen. VT Atemzugvolumen, Atemruhelage. PIP/PEP Post-in-/exspiratorische Pause von 3–4 Sekunden. PEP Post- exspiratorischer Druck
(»postexpiratory pressure«) ; Post-inspiratorische Pause; Exspiration bis zum maximalen ERV gewährleistet eine optimale Anwendung des Druckprinzips; Beschleunigte Exspiration gewährleistet eine optimale Anwendung des Flowprinzips
tion außer durch Lungenerkrankungen oder Gelenk- und Rippenfunktionsstörungen zusätzlich noch durch Sekretansammlungen behindert, kann die Atemtherapie mit Drainagelagerungen kombiniert werden [48–54]. Dies ist dann der Fall, wenn das Sekret nicht oder unzureichend abgehustet werden kann. Tipp
Die Drainagelagerung sollte bei COPD-Patienten mit Sekretretention und Sputummengen von mehr als 30 ml/Tag eingesetzt werden [1]. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Messung der Sekretproduktion unspezifisch und ungenau ist. . Abb. 33.26. MITF: Die Alveolen werden durch supralaterale Lagerung der betroffenen Lungenareale offen gehalten. Luft strömt durch tiefe, langsame Inspiration mit PIP hinter das obstruierende Sekret. Die Dehnung des Thorax wird manuell verstärkt, um eine vertiefte Inspiration bei gleichzeitiger Dehnung der supralateralen Lunge zu erreichen
ent soll lernen, diese Technik selbständig durchzuführen. Er soll sie stündlich wiederholen und möglichst 15–20 Minuten in dieser Position verweilen (. Abb. 33.25, Abb. 33.26).
33.8
Praxis: Expektorationshilfen (Drainagelagerungen)
Drainagelagerungen sind ein traditioneller Bestandteil der sekretfördernden Atemphysiotherapie. Ist die Atmungsfunk-
Bei geringeren Sekretmengen liegen keine Belege dafür vor, dass die Lagerungsdrainage bei akuten Exazerbationen oder unkomplizierten Pneumonien hilfreich ist. Drainagelagerungen sind als eigenständige Therapie wie auch als unterstützende Maßnahme einsetzbar, um die Sekretolyse zu optimieren. Drainagelagerungen werden angewandt, um die sekretmobilisierenden Mechanismen in einzelnen Lungenarealen maximal wirksam werden zu lassen; sie können intensiviert werden durch ergänzende 4 Ausstreichungen der Interkostalräume, 4 klassische Massagegriffe oder 4 Hautrollungen.
33
256
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
Exkurs Studien: Effizienz der Drainagelagerungen Der Einsatz verschiedener Lagerungstherapieformen zur Prophylaxe oder Behandlung von pulmonalen Funktionsstörungen war in den letzten Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher experimenteller und klinisch-wissenschaftlicher Studien [48– 60]. Einige Studien konnten an kleinen Patientenkollektiven zeigen, dass eine Drainagelagerung, kombiniert mit for-
cierten Exspirationsmanövern, eine erhöhte Mukusclearance bewirkt und effektiver ist als die PEP-Maskenanwendung oder alleiniges Husten [62, 63, 64]. Die Lagerungstherapie wird in unterschiedlicher Intensität und verschiedener Weise eingesetzt. Besonders bei kritisch kranken Patienten kann diese Therapie mit bedrohlichen Komplikationen assoziiert sein (42). Bisher konnte kein klarer Evidenzgrad A für diese Technik nachge-
Auch andere Techniken wie z.B. 4 Atemtechniken, 4 Vibrationen, 4 Schüttelungen, 4 Klopfungen, 4 Tapotements und 4 Wärmeanwendungen
33
können in erreichter Dehnstellung zusätzlich angewandt werden. Die Lagerungsdrainage kann in Kombination mit forcierten exspiratorischen Atemtechniken sowie mit Thoraxkompressionen während der Exspiration zu einer besseren Sekretelimination führen. Ausführung In 7 Übersicht 33.10 sind einige grundsätzliche Regeln zur Ausführung der Lagerungstherapie zusammengestellt. . Übersicht 33.10. Hinweise zur Drainagelagerung 1. 2. 3.
4.
5. 6.
Voraussetzung für die richtige Lagerung ist die genaue Kenntnis über die Lokalisation des Sekrets. Ideal ist die Durchführung 1,5–2 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme. Der Patient soll 10–15 Minuten in einer Lagerung verweilen. Vor jedem Lagewechsel muss abgehustet bzw. abgesaugt werden, um die Verschiebung des Sekrets in andere Lungenabschnitte zu vermeiden. Zuerst werden die am stärksten betroffenen Lungenabschnitte drainiert, anschließend diejenigen, die nur wenige Veränderungen aufweisen. Der Patient sollte maximal drei Drainagelagen hintereinander einnehmen. Der Kopf wird in jeder Lage bequem auf einem Kopfkissen gelagert.
kretviskosität niedrig ist. Da bei einer ventilatorischen Störung ein eingeschränkter Gasaustausch durch Atelektasen
und intrapulmonalen Rechts-Links-Shunt besteht, ist häufig die Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (FIO2) wenig erfolgreich für die Oxygenierung des arteriellen Blutes. Infralateral lagern von erkrankten Lungenarealen kann dazu führen, dass den Gasaustausch sich rasch verschlechtert (Kap 8). Ein klinisches Monitoring von Sauerstoffsättigung während der Lagerung ist demzufolge Voraussetzung. Kontraindikationen Drainagepositionen mit Kopftieflagerungen sind kontraindiziert bei: 4 instabilen Herz-Kreislauf-Verhältnissen (Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Rhythmusstörungen etc.), 4 erhöhtem intrakraniellen Druck, 4 Dyspnoe, 4 Hirnödem, 4 Aorten- und Hirnarterienaneurysma, 4 Refluxerkrankungen (7 Übersicht 33.11). . Übersicht 33.11. Vorsicht: Kontraindikationen! 1.
2.
3.
Anwendung Lagerungsdrainagen sind eine effektive und sinnvolle Möglichkeit, den Sekretfluss zu bahnen. Die Lagerungstherapie kann zur Aufrechterhaltung der Lungenfunktion, Rekrutierung von Atelektasen und Stabilisierung des Gasaustausches eingesetzt werden, allerdings nur, wenn größere Sekretmengen in den größeren Atemwegen vorhanden sind und die Se-
wiesen werden. Die Vorstellung, dass zähes Sekret der Gravitationskraft folgend durch die vielen Atemwegskanäle fließt, kann heute als Evidenz basierte Praxis nicht aufrechterhalten werden. Drainagelagerungen widersprechen den heutigen Techniken der Sekretmobilisation, in denen die forcierte Exspiration als treibende Kraft gilt und werden daher wenig angewendet.
Instabilität des Herz-Kreislauf-Systems: Bei Patienten mit kardio- und zerebrovaskulären Komorbiditäten ist die Drainagelagerung wegen der intrakraniellen Druckerhöhung, kardiovaskulären Hypoxämie mit hämodynamischer Instabilität und Bronchospasmus kontraindiziert (Schock, Herzrhythmusstörungen, Myokardinfarkt)! Bei Patienten mit ausgeprägter Sekretbildung (z.B. bei Hämoptoe, Lungenödem, Lungenabszess, bronchopleuraler Fistel) oder Eiter- und Blutbildung sind Drainagelagerungen wegen der Überlaufgefahr der kleineren Luftwege kontraindiziert! Bei Patienten mit Ventilationsstörungen sind Bauchund Rückenlage wegen des erhöhten mechanischen Drucks auf den Thorax kontraindiziert!
Erklärungsmodell von Prof. Dr. R. Larsen Die allseits bekannte physikalische Größe Schwerkraft macht man sich zunutze, um aus den tiefsten Verzweigungen der Lunge Sekret mundwärts fließen zu lassen. Simpel gedacht würde
257 33.9 · Praxis: Oszillierende PEP-Atemphysiotherapie
a . Abb. 33.28. Anatomie der Atemwege. 1 apikal, 2 posterior, 3 anterior, 4 lateral (superior), 5 medial (inferior), 6 apikal-basal, 7 mediobasal, 8 anterobasal, 9 laterobasal, 10 posterobasal (Larsen 2003 [88])
Anatomisch teilen sich die Atemwege nach der Trachea in zwei Stammbronchien auf, die sich wiederum erst in Lappen- und dann in Segmentbronchien aufteilen. Da jede Lunge 10 Segmente besitzt, finden wir auch 10 Segmentbronchi-
b
en. Diese Segmentbronchien stehen in verschieden Raumachsen (. Abb. 33.28). Um nun den unterschiedlichsten Verlaufsrichtungen gerecht werden zu können, muss man natürlich auch unterschiedliche Lagerungen auswählen. In . Abb. 33.29 sind alle Möglichkeiten aufgeführt.
33.9
c . Abb. 33.27 a-c. Erklärungsmodell der Lagerungsdrainage. a Dargestellt ist ein Röntgenbild des Thorax. b Nun wird der Bronchialbaum stilisiert in dieses Bild gelegt. c Bei einer Kopftieflage als einziger Variante der Lagerungsdrainage ergibt sich – grob gesehen – die folgende Flussrichtung (grüner Pfeil: gewünscht, roter Pfeil: unerwünscht). Was man sieht: Nicht alle Segmente lassen sich per Kopftieflage entleeren, doch ca. 2/3 der Segmentbronchien verlaufen abwärts (Larsen 2003 [88])
eine Kopftieflagerung Sekret in den kaudalen Lungenabschnitten mobilisieren und kranial zur Trachea fließen lassen. Dies funktioniert leider nicht so einfach. Wegen der verwinkelten Lungenstruktur mit den bronchialen Abzweigungen muss eine Lagerungsdrainage gut durchdacht werden. Die komplexe Problematik lässt sich anhand . Abb. 33.27 nachvollziehen [88].
Praxis: Oszillierende PEP-Atemphysiotherapie
Bei gut erhaltener Atemmuskulatur können Hilfsmittel (z.B. RC-Cornet, Flutter, Acapella) zur Sekretolyse eingesetzt werden. Diese unter dem Oberbegriff oszillierende PEP-Atemphysiotherapie zusammengefassten Maßnahmen beruhen auf der Vorstellung, das Sekret bei positivem intrabronchialen Druck (PEP) in der Exspirationsphase durch Vibration des Gewebes von den Bronchialwänden zu lösen und aus der Peripherie in die zentralen Bronchien zu transportieren [74]. Im Gegensatz zu PEP-Maske oder Lippenbremse ist der positive Exspirationsdruck nicht gleichbleibend, sondern oszilliert [87]. Die oszillierende PEPAtemphysiotherapie hat sich bei Mukoviszidose [75–79, 66] und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung etabliert [65, 80, 70]. Der effektive Einsatz einfacher endobronchial oszillierender Hilfsmittel erfordert i.d.R. eine erhebliche Atemmuskelkraft; Ausnahme ist der Percussonaire (»intrapulmonary percussive ventilator«, IPV) bzw. Hochfrequenzoszillationsgeräte (»high frequency chest wall oscillation«, HFCWO) [74]. In der täglichen Praxis zeigte sich allerdings, dass muskelschwache Patienten mit der Handhabung dieser Geräte überfordert sind oder bei deren Benutzung erschöpfen.
33
258
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
zeptoren in den Muskeln und Gelenken des Thorax eine wesentliche Rolle. Die Wirkungen der oszillierenden PEP-Atemphysiotherapie sind in 7 Übersicht 33.12 zusammengefasst. . Übersicht 33.12. Wirkungsweise der oszillierenden PEP-Atemphysiotherapie 1. 2. 3. 4. 5.
Tonussenkung der Bronchialmuskulatur Herabsetzung der Viskoelastizität des Bronchialsekrets Erhöhung der Zilienschlagfrequenz Verbesserung der mukoziliaren Clearance Verbesserung der exspiratorischen Lungenfunktionsparameter
33.9.1 Flutter Flutter ist ein Taschengerät, bei dem während der Ausatmung ein durch eine Kugel erzeugter veränderlicher Einengungsmechanismus wirksam wird. Während der Ausatmung entsteht ein höherer Druck im Mund und in den Bronchien, und dadurch wird die Kugel angehoben. Lässt der Munddruck nach, fällt sie wieder in den Trichter zurück. Dieser Vorgang – Öffnen, Druckabfall, Beschleunigung des Exspirationsstroms, Verschließen der Öffnung und erneuter Druckanstieg – wiederholt sich während der gesamten Exspirationsphase (Frequenz 8–32 Hz). Druck- und Flowschwankungen führen zu einem ständigen Wechsel von turbulenter und laminarer Strömung. Durch Variieren der Neigung des Geräts können Exspirationsstrom und Frequenz moduliert werden.
33
33.9.2 RC-Cornet®
. Abb. 33.29. Lagerungsdrainage modifiziert nach Prof. Dr. R. Larsen 2003 [88], DeTurk und Cahalin 2004 [23], Rozijn 2009
Durch oszillierende Physiotherapie kann die Viskoelastizität des Sekrets verringert werden, wodurch die Expektoration erleichtert wird [65, 79, 78]. Zusätzlich haben oszillierende PEP-Systeme einen positiven Effekt auf die Kurzatmigkeit, und zwar über die Schwingungen (besonders mittelfrequente Schwingungen zwischen 80–120 Hz), die das Gerät am Thorax erzeugt [65, 70, 86]. Möglicherweise spielen die ProprioExkurs Studien: Effektivität der oszillierenden Physiotherapie App et al. analysierten die Effektivität und Wirkungsweise der oszillierenden Physiotherapie bzgl. der Mukus-Viskoelastizität bei Patienten mit COPD, Bronchiektasen
Das RC-Cornet® besteht aus einem gebogenen Kunststoffrohr, einem am Ende abgeknickten Ventilschlauch und einem drehbaren Mundstück (. Abb. 33.30). Im Innern des gebogenen Kunststoffrohrs befindet sich ein flexibler Gummischlauch. Beim Hineinblasen entstehen Schwingungen im Ventilschlauch. Durch Verdrehen des Mundstücks wird der Schlauch diagonal abgeknickt, so dass höhere Drücke erforderlich sind, um die Luft durchzublasen.Die Schwingungen setzen sich über die Exspirationsluft in die Lunge fort und bewirken dort eine Mobilisierung des festsitzenden Sekrets. Man kann den Druck, gegen den geatmet werden muss, und die Schwingungen nach Bedarf variieren.
und Mukoviszidose [79]. Nach 30-minütiger Behandlung konnte die Viskoelastizität um 50,96% gesenkt werden, aber die Lungenfunktionsparameter veränderten sich nicht [66, 79]. Im Gegensatz dazu stellten Weiner et al. wie auch Cegla et al.
bei Untersuchungen an COPD-Patienten fest, dass sich FEV1-Wert und exspiratorische Vitalkapazität positiv verändern [65, 77, 81].
259 33.9 · Praxis: Oszillierende PEP-Atemphysiotherapie
Das RC-Cornet® hat den Vorteil, dass es lageunabhängig verwendet werden kann und auch mit anderen physikalischen Anwendungen (z.B. Lagerungsdrainage) kombinierbar ist, während der Flutter aufgrund seiner einseitigen Kugel nur in senkrechter Haltung zu verwenden ist [61] (7 Übersicht 33.13, . Abb. 33.31, Abb. 33.32).
. Abb. 33.30. RC-Cornet® (Fa. Cegla)
. Übersicht 33.13. Vorteile des Cornet® Höhere Effizienz Im Gegensatz zu anderen oszillierenden Atemtherapiegeräten wird beim RC-Cornet® die gesamte Exspiration in Druck- und Flussschwankungen umgesetzt. Dies ist bei Patienten mit eingeschränktem Exspirationsvolumen (FEV1) wie z.B. bei fortgeschrittener COPD für den Therapieerfolg entscheidend. Kombi-Therapie Das RC-Cornet® kann über einen Adapter mit gängigen Inhalationsgeräten verbunden werden. Durch die gleichzeitige Inhalations- und Physiotherapie spart der Patient Zeit, und die Effektivität der Inhalationstherapie wird nachweislich erhöht (. Abb. 33.26). Fallspezifische Einstellmöglichkeiten Mit dem RC-Cornet® kann man durch Drehen des Mundstücks eine individuelle Einstellung wählen: zwischen einem PEP mit aufgesetzten Druckschwankungen (Stellung 1 und 2 bei COPD und Lungenemphysem) und einem bei 0 beginnenden, allmählich ansteigenden Druck mit plötzlichem Abfall (Stellung 3 und 4 bei Bronchiektasen und Mukoviszidose). Ausgangsposition/Position 1 und 2: Sekretolyse Stellt man am RC-Cornet® die Ausgangsposition ein, bekommt man einen dauerpositiven exspiratorischen Druck (PEP) (Kap. 42) mit aufgesetzten Druckschwankungen. Dieser stabilisiert und erweitert die Atemwege; sonst verschlossene Verbindungen zwischen Bronchiolen und Alveolen (kollaterale Ventilation, Kap. 3) werden wieder geöffnet. Die aufgesetzten Druckschwankungen gelangen in die Alveolaren und aktivieren die oberflächenaktive Substanz (Surfactant). Andere oszillierende PEP-Systeme erreichen die Lungenperipherie i.d.R. nicht, da kein dauerpositiver Druck erzeugt wird. Position 3 und 4: Sekretmobilisation durch plötzlichen Druckabfall Stellt man am RC-Cornet® die Positionen 3 und 4 ein, steigt der Druck allmählich an und führt zu einer langsamen Er-
weiterung der Bronchiolen. Öffnet sich der Schlauch, fällt der Druck plötzlich ab. Der Bronchialschleim kann dieser schnellen Bewegung der Bronchialwände nicht folgen und löst sich ab. Bei anderen oszillierenden PEP-Systemen fehlt dieser plötzliche Druckabfall, der den Schleim löst. Lageunabhängigkeit Das RC-Cornet® kann im Gegensatz zu den meisten anderen oszillierenden Atemtherapiegeräten in jeder Körperstellung angewandt werden, auch im Liegen. Abnahme bronchialer Infekte Die RC-Cornet®-Therapie vermindert gemäß randomisierten, prospektiven Studien die Anzahl von Infektexazerbationen und den Antibiotikabedarf statistisch signifikant. Reduktion der Krankenhausaufenthalte Die Therapie mit dem RC-Cornet® reduziert nachweislich die Anzahl der Krankenhausaufenthalte bei COPD-Patienten. Laut Studie reduzieren sich die Krankenhausaufenthalte bei Patienten mit FEV1<1,5 l/sec innerhalb von 2 Jahren von 12 auf 4. Senkung der Atemnot Die Anwendung des RC-Cornet® senkt nachweislich das Gefühl der Atemnot (Dyspnoe). Therapie auch bei schwerster COPD möglich Wird das Mundstück des RC-Cornet® in der Ausgangsstellung 2 cm aus dem Krümmer hausgezogen, reduziert sich der benötigte Ausatemdruck, der den Schlauch zum Schwingen bringt, von 10 auf 2 cmH2O. So kann auch bei schwerster COPD eine Therapie mit dem RC-Cornet® durchgeführt werden. Therapiekontrolle Mit dem RC-Manometer-Kombiset kann man einen angepassten PEP-Druck einstellen und kontrollieren.
33
260
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
. Abb. 33.31. Das RC-Cornet® kann in jeder Körperstellung angewandt werden, auch im Liegen (Cegla 2009)
. Abb. 33.33. Handhaltung bei den Klopfungen
33.10
33
. Abb. 33.32. Das RC-Cornet® kann über einen Adapter mit gängigen Inhalationsgeräten verbunden werden (Cegla 2009)
33.9.3 Das Acapella Das Acapella choice gehört wie das RC-Cornet und der Flutter zu den sekretmobilisierenden Hilfsgeräten, die sowohl einen positiven post-exspiratorischen Druck (PEP) als auch Vibrationen der Luftsäule kombinieren können. Das Gerät leitet die Exspirationsluft durch eine Öffnung im Luftströmungsweg, die durch einen Kegel abwechselnd geschlossen und geöffnet wird. PEP-Effekt und Vibration werden über einen Magnet und Stöpselmechanismus während der Exspiration erzeugt. Dadurch entsteht ein schwingender Druck: Erreicht wird eine Frequenz zwischen 0–30 Hz, bei gehaltenem PEP. Am Einstellring kann man die Frequenz der schwingenden Druckwellen und den Widerstand der Öffnung variieren. Das Acapella choice kann in jeder Position und unabhängig von der Gravitationskraft benutzt werden: 4 Für Patienten, die eine Exspirationsleistung von mindestens 15 l/min für 3 Sekunden aufrechterhalten können, ist das Gerät grün. 4 Für Patienten, die über 3 Sekunden die Exspirationsleistung halten können, ist das Gerät blau.
Tapotements
Früher wurden diese Methoden häufiger zur Sekretlösung genutzt; inzwischen ist die Effektivität jedoch umstritten. Einige COPD-Patienten empfinden das Tapotieren (Klopfen) oder die Massage mit einem Vibrationsgerät als sehr angenehm, in der Literatur existiert jedoch wenig Evidenz. Der Thorax wird mit spezifischen Klopfungen bearbeitet (»battre à l’aire comprimé«, frei übersetzt der hohle Luftschlag). Neben dem direkten mechanischen Effekt wird der Technik eine reflektorische Wirkung zugeschrieben. Durch das ruhige Tapotieren tritt eine Entspannung ein, und durch den nachlassenden Spasmus in den Bronchien kann das Sekret einen Ausweg finden. Manche Autoren diskutieren jedoch das Gegenteil und erwähnen reflektorische Spasmen und tracheobronchiale Kollapserscheinungen [83, 84]. Technik Die Hände werden leicht hohl gehalten, die Daumen liegen entspannt neben den Zeigefingern. Alle Gelenke sind leicht flektiert, und die Luft wird auf den Thorax des Patienten komprimiert. Mit relativ entspannten Handgelenken »schlagen« die Hände abwechselnd auf den Thorax und machen dabei ein hohles Geräusch (. Abb. 33.33). ! Cave Bei auftretenden Spasmen und Kollaps muss die Tapotement-Anwendung abgebrochen werden und ein Arzt konsultiert werden! Bei Dyspnoe oder sinkender Sauerstoffsättigung sind Ruhepausen, Drainagelagerung, passive Vibrationstechniken oder Sauerstoffsupplement empfehlenswert.
33.11
Evidenz der sekretfördernden Behandlungsmethoden
Nachfolgend werden Effektivität und Evidenz der sekretfördernden Behandlungsmethoden in der Atemphysiotherapie übersichtlich dargestellt und eingeordnet (. Tab. 33.1).
261 33.12 · Literatur
. Tab. 33.1. Evidenz- und Empfehlungsgrade der sekretfördernden Physiotherapiemaßnahmen
Literaturaussagen über sekretfördernde Behandlungsmethoden
Empfehlungsgrad
Drainagelagerung inkl. PEP ist effektiv CF
B
Drainagelagerung inkl. PEP ist effektiv COPD
D
Allgemeine Physiotherapie ist effektiv
B
AD ist nicht effektiv bei CF AD ist effektiv bei COPD
C C
FET bei CF ist effektiv FET bei COPD ist effektiv
C C
Manuelle Kompression bei exspiratorischer Muskelschwäche Manuelle Kompression ist nicht effektiv bei COPD
C C
PEP ist effektiv bei CF PEP ist effektiv bei COPD
B B
Flutter/Cornet sind effektiv bei CF Flutter/Cornet sind effektiv bei COPD
A A
Vibration ist nicht effektiv
B
Manuelle Tapotage ist nicht effektiv
B
LEGOS ist effektiv
C
ACBT bei CF ACBT bei COPD
C C
MITF Maximale Inspiration mit tiefem Flow. FET Forcierte Exspirationstechnik. AD Autogene Drainage nach Chevaillier. LEGOS Langsame Exspiration, Glottis offen, Seitenlage. CF Zystische Fibrose (Mukoviszidose). PEP Positiver exspiratorischer Druck. ACBT Active Cycle of Breathing Technique
33.12
Literatur
1. Vogelmeier C, Buhl R, Criee CP et al. (2007) Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) Pneumologie 61; 1–40 2. Kardos P, Cegla U, Gillissen A et al. (2004) Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten. Pneumologie 58: 570–602 3. Hasani A, Pavia D, Agnew JE, Clarke SW (1994) Regional Mucus Transport Following Unproductive Cough and Forced Expiration Technique in Patients with Airways Obstruction. Chest 105; 1420– 1425 4. Gonzalez-Bermejo J, Prefaut C, Chaory K et al. (2005) Question 4-1. Traitements physiques dans la rehabilitation du patient atteint de BPCO. Rev Mal Respir 22: 7S64-7S73 5. Clarke SW, Jones JG, Oliver DR (1970) Resistance to two-phase gas-liquid flow in airways. J Appl Physiol 29: 464–471
6. Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie 3. Therapie, Training, Tests. Thieme, Stuttgart 7. Mead J, Turner JM, Macklem PT (1967) Significance of the relationship between lung recoil and maximum expiratory flow. J Appl Physiol 22: 95–108 8. Irwin RS, Rosen MJ, Braman SS (1977) Cough: a comprehensive review. Arch Intern Med 137: 1186–1191 9. Mead J, Turner JM, Macklem PT, Little JB (1967) Significance of the relationship between lung recoil and maximum expiratory flow. Journal of Applied Physiology 22: 95–108 10. Matthys H, Orth U, Overrath G, Konietzko N (2007) Verhalten von Druck, Fluß, Volumen und verwandter Größen bei forcierter Atmung. Lung 9: 250–259 11. Tammeling GJ, Quanjer PH (1980) Contouren van de ademhaling deel I en II. Boehringer, Ingelheim/Rh. 12. Bals R, Vogelmeier C (2006) Lunge und Atmung. Klinische Pathophysiologie. Thieme, Stuttgart 13. Oberwaldner B, Zach MS (2000) Die sekretfördernde Atemphysiotherapie in der pädiatrischen Pneumologie. Schweiz Med Wochenschr 130: 711–719 14. Huckauf H, Misselwitz L (1976) Ein Beitrag zur Bedeutung der forciert ausgeatmeten Vitalkapazität-Kurve für die Früherkennung von Funktionsstörungen in den Atemwegen. Journal of Molecular Medicine 54: 695–696 15. Raßler B, Mügge LO, Waurick S, Raßler J (2001) Der Einfluss von Operationslagerungen und Spinalanästhesie auf die Lungenfunktion. Pneumologie 55: 31–37 16. Hietpas BG, Roth RJ, Jensen WM (1979) Huff coughing and airway patiency. Respir Care 24: 710–713 17. Bach JR (1993) Mechanical insufflation-exsufflation: comparison of peak expiratory flows with manually assisted and unassisted coughing techniques. Chest 104: 1553–1562 18. Bach JR, Ishikawa Y, Kim H (1997) Prevention of pulmonary morbidity for patients with Duchenne Muscular Dystrophy. Chest 12: 1024–1028 19. Primiano FP (1982) Theoretical analysis of chest wall mechanics. J Biomechanics 15(12): 919–931 20. (2005) Lunge und vegetatives Nervensystem. Colloquium in Bochum. Lung 325–331 21. Klimek L, Pfaar O (2007) Kritische Bestandsaufnahme, pathologische Mechanismen: Akut oder chronisch – Warum hustet der Patient? Jour Med 01 22. Schmidt I (2008) Assisted cough - Physiotherapie zur Verbesserung der Sekretexpektoration. Pneumologie 62: 23–27 23. DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Appraoch. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 24. Fink JB, Faarc RRT (2007) Forced Expiratory Technique, Directed Cough, and Autogenic Drainage. RESPIRATORY CARE 52: 1210–1234 25. Hietpas BG, Roth RD, Jensen MW (1979) Huff coughing and airway patency. Respir Care 24: 710–713 26. Schenker MA (2000) Analytische Atemphysiotherapie.Edition Phi, Bern 27. Pryor DA, Webber BA, Hodson ME (1979) Evaluation of the forced expiration technique as an adjunct to postural drainage in treatment of cystic fibrosis. Br Med J 2: 417–418 28. Hengstum M v, Festen J, Beurskens C et al. (1990) No effect of oral high frequency oscillation combined with forced expiration manoeuvres on tracheobronchial clearance in chronic bronchitis. Eur Respir J 3: 14–18 29. Hasani A, Pavia D, Agnew JE (1994) Regional lung clearance during cough and forced expiration technique (FET): effects of flow and viscoelasticity. Thorax 49: 557–561
33
262
33
Kapitel 33 · Sekretfördernde Atemphysiotherapie
30. Sutton PP, Parker RA, Webber BA (1983) Assessment of the forced expiration technique, postural drainage and directed coughing in chest physiotherapy. Eur J Respir Dis 64: 62–68 31. Hengstum M v, Festen J, Beurskens C et al. (1988) The effect of positive expiratory pressure versus forced expiration technique on tracheobronchial clearance in chronic bronchitics. Scand J Gastroenterol Suppl 143: 114–118 32. Langlands J (1967) The dynamics of cough in health and in chronic bronchitis. Thorax 22: 88–96 33. Pryor JA, Webber BA, Hodson ME (1979) Evaluation of the forced expiration technique as an adjunct to postural drainage in treatment of cystic fibrosis. BMJ 2: 417–418 34. Oldenburg FA, Dolovich MB, Montgomery JM (1979) Effects of postural drainage, exercise and cough on mucus clearance in chronic bronchitis. Am Rev Respir Dis 120: 739–745 35. Savci S, Ince DI, Arikan H (2000) A comparison of autogenic drainage and active circle of breathing in patients with chronic obstructive disorders. Journal of Cardiopulmonary Rehabilitation 20: 1 36. Hofmeyr JL, Webber BA, Hodson ME (1986) Evaluation of Positive Expiratory Pressure as an Adjunct to Chest Physiotherapy in the Treatment of Cystic Fibrosis. Thorax 41: 951–954 37. Pryor JA, Webber BA, Hodson ME, Wamer JO (1994) The Flutter VRP 1 as an Adjunct to Chest Physiotherapy in Cystic Fibrosis. Respiratory Medicine 88: 677– 681 38. 38. Pike SE, Machin AC, Dix KJ, Pryor JA, Hodson ME (1999) Comparison of Flutter VRPI and Forced Expirations (FE) with Active Cycle of Breathing Techniques (ACBT) in Subjects with Cystic Fibrosis. The Netherlands Joumal of Medicine, p 55 39. Savci S, Ince DI, Arikan H (2000) A comparison of autogenic drainage and the active cycle of breathing techniques in patients with chronic obstructive pulmonary diseases. J Cardiopulm Rehabil 20: 37–43 40. Miller S, Hall DO, Clayton CB (1995) Chest physiotherapy in cystic fibrosis: a comparative study of autogenic drainage and the active cycle of breathing techniques with postural drainage. Thorax 50: 165–169 41. Thompson CS, Harrison S, Ashley J (2002) Randomised crossover study of the flutter device and the active cycle of breathing technique in non-cystic fibrosis bronchiectasis. Thorax 57: 446– 448 42. Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, Gezondheiszorg Maarssen 43. Chevallier J (1984) Autogenic drainage. In: Lawson D (ed) Cystic fibrosis: Horizons.Wiley, Chichester 44. Miller S, Hall DO, Clayton CB (1995) Chest physiotherapy in cystic fibrosis: a comparative study of autogenic drainage and the active cycle of breathing techniques with postural drainage. Thorax 50: 165–169 45. Postiaux G (1997) Des techniques expiratoires lentes pour l’épuration des voies aériennes distales. Ann. Kinésithér 2: 166– 177 46. Postiaux G (1990) Kinésithérapie respiratoire et auscultation pulmonaire. De Boeck, Bruxelles 47. Martins JA, Andrade AD, Assis RS, Lara R, Parreira VF (2006) The effects of eltgol (LEGOS) on mucociliary clearance in patients with COPD. Eur Respir Rev 15: 101, 192–193 48. May DB, Munt PW (1979) Physiologic effects of chest percussion and postural drainage in patients with stable chronic bronchitis. Chest 75: 29–32 49. Maloney FP, Fernandez E, Hudgel DW (1981) Postural drainage effect after bronchodilator inhalation in patients with chronic airway obstruction. Arch Phys Med Rehabil 62: 452-455
50. Varekojis SM, Douce FH, Flucke RL et al. (2003) A comparison of the therapeutic effectiveness of and preference for postural drainage and percussion, intrapulmonary percussive ventilation, and high-frequency chest wall compression in hospitalized cystic fibrosis patients. Respir Care 48: 24–28 51. Lorin MI, Denning CR (1971) Evaluation of postural drainage by measurement of sputum volume and consistency. Am J Phys Med 50: 215–219 52. Mortensen J, Falk M, Groth S (1991) The effects of postural drainage and positive expiratory pressure physiotherapy on tracheobronchial clearance in cystic fibrosis. Chest 100: 1350–1357 53. Lannefors L, Wollmer P (1992) Mucus clearance with three chest physiotherapy regimes in cystic fibrosis: a comparison between postural drainage, PEP and physical exercise. Eur Respir J 5: 748– 753 54. Mazzocco MC, Owens GR, Kirilloff LH (1985) Chest percussion and postural drainage in patients with bronchiectasis. Chest 88: 360– 363 55. Lacasse Y, Guyatt GH, Goldstein RS (1997) The components of a respiratory rehabilitation program: a systematic overview. Chest 111: 1077–1088 56. Sutton PP, Parker RA, Webber BA (1983) Assessment of the forced expiration technique, postural drainage and directed coughing in chest physiotherapy. Eur J Respir Dis 64: 62–68 57. Pryor JA, Webber BA, Hodson ME (1979) Evaluation of the forced expiration technique as an adjunct to postural drainage in treatment of cystic fibrosis. BMJ 2: 417–418 58. Oldenburg FA, Dolovich MB, Montgomery JM (1979) Effects of postural drainage, exercise and cough on mucus clearance in chronic bronchitis. Am Rev Respir Dis 120: 739–745 59. Bartlett RH (1973) Respiratory maneuvers to prevent postoperative pulmonary complications. A critical review. JAMA 224: 1017– 1021 60. Miller S, Hall DO, Clayton CB (1995) Chest physiotherapy in cystic fibrosis: a comparative study of autogenic drainage and the active cycle of breathing techniques with postural drainage. Thorax 50: 165–169 61. Steier J, Petro W (2002) Physikalische Therapie bei COPD- Evidenz Based Medizin. Pneumologie 56: 388–396 62. Olseni L, Midgrem B, Hornblad Y, Wollmer P (1994) Chest physiotherapy in chronic obstructive pulmonary disease: forced expiratory technique combined with either postural drainage or positive expiratory pressure breathing. Respir Med 88 (6): 435– 440 63. Pavia D (1990) The role of chest physiotherapy in mucus hypersecretion. Lung 168 Suppl: 614–621 64. Sutton PP, Parker RA, Webber BA et al. (1983) Assessment of the forced expiratory technique, postural drainage and directed coughing in chest physiotherapy. Eur J Respir Dis 64(1): 62–68 65. Cegla UH, Jost HJ, Harten A, Weber T, Wissmann S (2002) Course of Severe COPD with and without physiotherapy with the rc-cornet. Pneumologie 56: 418-424 66. App EM, Kieselmann R, Reinhardt D (1998) Sputum rheology changes in cystic fibrosis lung disease following two different types of physiotherapy: flutter vs autogenic drainage. Chest 114: 171–177 67. Ambrosino N, Callegari G, Galloni C (1995) Clinical evaluation of oscillating positive expiratory pressure for enhancing expectoration in diseases other than cystic fibrosis. Monaldi Arch Chest Dis 50: 269–275 68. Rivington-Law BA, Epstein SW, Thompson GL, Corey PN (1984) Effect of chest wall vibrations on pulmonary function in chronic bronchitis. Chest 85: 378–381
263 33.12 · Literatur
69. Ambrosino N, Callegari G, Galloni C, Brega S, Pinna G (1995) Clinical evaluation of oscillating positive expiratory pressure for enhancing expectoration in diseases other than cystic fibrosis. Monaldi Arch Chest Dis 50: 269–275 70. Cegla UH, Bautz M, Fröde G, Werner T (1997) Physiotherapie bei Patienten mit COAD und tracheobronchialer Instabilität, Vergleich zweier oszillierender PEP-Systeme (RC-Cornet, VPR1Desitin). Pneumologie 51: 129–136 71. Konstan MW, Stern SR, Doershuk CF (1994) Efficacy of the flutter device for airway mucus clearance in patients with cystic fibrosis. J Pediatr 124: 689–693 72. Schans CP v d, Mark TW v d, Vries G d (1991) Effect of positive expiratory pressure breathing in patients with cystic fibrosis. Thorax 46: 252–256 73. Thompson CS, Harrison S, Ashley J (2002) Randomised crossover study of the flutter device and the active cycle of breathing technique in non-cystic fibrosis bronchiectasis. Thorax 57: 446–448 74. Brückner U (2008) Oszillierende Physiotherapie zur Sekretolyse. Pneumologie 62: 31–34 75. Winden CM v, Visser A, Hop W (1998) Effects of flutter and PEP mask physiotherapy on symptoms and lung function in children with cystic fibrosis. Eur Respir J 12: 143–147 76. App EM, Kieselmann R, Reinhardt D et al. (1998) Sputum rheology changes in cystic fibrosis lung disease following two different types of physiotherapy: flutter vs autogenic drainage. Chest 114 (1): 171–177 77. Weiner P, Zamir D, Waizman J, Weiner M (1996) Physiotherapy in chronic obstructive pulmonary disease: oscillatory breathing with flutter VRP1. Harefuah 131(1-2): 14–17, 71 78. Konstan MW, Stern RC, Doerschuk CF (1994) Efficacy of the Flutter device for airway mucus clearance in patients with cystic fibrosis. J Pediatr 124 (5 Pt 1): 689–693 79. App EM, Wunderlich M, Lohse P, King M, Matthys H (1999) Oszillierende Physiotherapie in der Behandlung von Atemwegserkrankungen – rheologischer und antientzündlicher Effekt. Thieme, Stuttgart 80. Thompson CS, Harrison S, Ashley J (2002) Randomised crossover study of the flutter device and the active cycle of breathing technique in non-cystic fibrosis bronchiectasis. Thorax 57: 446–448 81. Cegla UH, Retzow A (1993) Physical therapy with VRP1 in chronic obstructive respiratory tract diseases- results of a multicenter comparative study. Pneumologie 47(11): 636–639 82. Steier J, Petro W (2002) Physikalische Therapie bei COPD- Evidenz Based Medizin. Pneumologie 56: 388–396 83. Wollmer P, Ursing K, Midgren B, Eriksson L (1985) Inefficiency of chest percussion in the physical therapy of chronic bronchitis. Eur J Respir Dis 66: 233–239 84. Schans CP v d, Piers DA, Postma DS (1986) Effect of manual percussion on tracheobronchial clearance in patients with chronic airflow obstruction and excessive tracheobronchial secretion. Thorax 41: 448–452 85. May DB, Munt PW (1979) Physiologic effects of chest percussion and postural drainage in patients with stable chronic bronchitis. Chest 75: 29–32 86. Homma J, Kanamaru A, Sibya M (1988) Proprioceptive chest wall afferents and the effects on respiratory sensation. In: Euler C, Katz-Salamon M (eds) Respiratory Psychophysiology. The Wenner-Gren Center 161–166 87. Cegla UH (2000) Physiotherapie mit oszillierenden PEP-Systemen (RC-Cornet®, VRP1®) bei COPD. Pneumologie 54: 440–446 88. Larsen R (2003) www.IntensivCareUnit.de
33
34 34 Klassische Massage und Funktionsmassage A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
34.1
Wirkungsweise der klassischen Massagetherapie – 265
34.4
Aufbau der Massagetherapie und Ausführung der Techniken – 271
34.2
Praxis: Klassische Massage
34.5
Literatur
34.3
Praxis: Funktionsmassage
– 265
– 272
– 270
Die der griechisch-römischen Tradition entstammende klassische Massage bzw. die klassische Massagetherapie (KMT) ist eine physiotherapeutische Behandlung der Gewebe und Muskeln durch manuelle Druck- und Zugreize mittels 4 Streichungen (Effleurage), 4 Knetungen (Petrissage), 4 Reibungen (Friktion), 4 Klopfungen (Hackungen, Tapotements) und 4 Erschütterungen (Vibrationen). Die einzelnen Massagearten basieren auf unterschiedlichen theoretischen Grundlagen, daher ist auch deren Wirkungsweise auf den menschlichen Organismus sehr unterschiedlich. Im Folgenden werden die wichtigsten Wirkungsweisen dargestellt (. Abb. 34.1, Abb. 34.2). . Abb. 34.1. Klassische Massagetherapie von 1890
. Abb. 34.2. Ausgangsstellungen für Rücken-, HWS- und Oberarmmassage (Vis 1989 [2])
265 34.2 · Praxis: Klassische Massage
34.1
Wirkungsweise der klassischen Massagetherapie
Die klassische Massagetherapie (KMT) ist eine sehr wichtige und anerkannte Therapie in der pulmonalen Rehabilitation. Über die mechanische Beeinflussung der Haut und hautnaher Strukturen (v.a. Muskulatur, Bindegewebe, Periost) hat die KMT
4 zum einen humorale Wirkung (Freisetzung von Substanz P, Histamin und anderer vasoaktiver Stoffe) und 4 zum anderen neuroreflektorische Wirkung auf Gefäßsystem, innere Organe, Stoffwechsel usw. In 7 Übersicht 34.1 sind die Auswirkungen auf den Körper im Einzelnen genannt.
. Übersicht 34.1. Wirkung der klassischen Massagetherapie Allgemeine körperliche Effekte 1. Stimulation des Immunsystems 2. Blutdrucksenkung 3. Zirkulationsverbesserung des lymphatischen und Blut-Kreislauf-Systems 6
34.2
Praxis: Klassische Massage
34.2.1 Massagegriffe (. Abb. 34.3) . Abb. 34.3. Handgriffe in der klassischen Massagetherapie (Vis 1989 [2])
Effekte im muskulären System 1. Reduzieren des muskulösen Hypertonus (z.B. durch Axonreflexe, Reflexe mit Ursprung in Muskelspindeln oder Golgi-Sehnen-Apparat) 2. Förderung der Muskeldurchblutung 3. Lösen lokaler Muskelverhärtungen 4. Linderung von Schmerzen in Muskeln und kollagenen Strukturen (Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln und Muskelfaszien) Die körperlichen Effekte fördern die allgemeine und kognitive Entspannung und erleichtern emotionale und psychische Spannung.
Auswirkungen bei COPD-Patienten Chronische Lungenerkrankungen werden mit KMT ebenfalls positiv beeinflusst, da sich die Funktion der verspannten Wirbelsäulen- und Atemhilfsmuskulatur normalisieren kann. Tapotements, Vibrationen und Erschütterungsgriffe können auch sekretlösend wirken und die Exspiration erleichtern (Kap. 33). Zudem hat die KMT eine reflektorische Wirkung auf innere Organe. Erkrankungen innerer Organe können sich z.B. durch einen Hypertonus der einem Segment zugehörigen Muskeln (Kap. 11) äußern, meist im Schultergürtel- oder Wirbelsäulenbereich. Man spricht von reflektorischen Schmerzen. Dieser Weg kann auch umgekehrt sein: Verspannte Muskeln können funktionelle Organbeschwerden hervorrufen.
34
266
Kapitel 34 · Klassische Massage und Funktionsmassage
. Abb. 34.3 (Fortsetzung)
34.2.2 Massagetechniken
Effleurage (Streichung)
34
Die Effleurage ist die wirkungsvollste Bewegung in der klassischen Massagetherapie (KMT). Es ist eine leichte Massage, ausgeführt als Streichung mit z.B. der Handfläche (Palmgriff) oder den flach aufsetzenden Fingerspitzen in verschiedene Richtungen und mit minimaler Hautverschiebung (7 Übersicht 34.2). Effleurage wirkt hyperämisierend, ferner dämpfend auf das Vegetativum und kann gänzlich Entspannung und Ruhe bringen. . Übersicht 34.2. Streichungsarten 1. 2. 3. 4.
Längsstreichung entlang der Wirbelsäule Parallelstreichung quer zur Wirbelsäule Kombination von Längs- und Parallelstreichung (. Abb. 34.4) Kreisende Streichung (kleinere und größere Kreise)
Bindegewebstechniken Bindegewebstechniken sind reflektorische Techniken, die zur Aktivierung der vegetativen Wirkungsmechanismen zwischen Haut, Muskulatur und inneren Organen eingesetzt werden können. Sie werden häufig als begleitende physiotherapeutische Sekundärtherapie eingesetzt ( 7 Übersicht 34.2).
. Übersicht 34.2. Wirkung der Bindegewebstechniken 1. Mobilisation elastischer Strukturen: bei großflächigen Adhäsionen in Bindegewebe, Gleit- und Verschiebegewebe der Haut, Unterhautgewebe, Muskelfaszien und Gleitgewebe 2. Reflektorisch: Normalisierung des vegetativen Nervensystems und des Tonus der inneren Organe durch reflektorisch veränderten Muskeltonus und Schmerzlinderung
Bei dieser reflektorischen Technik wird mit mechanischen Dehnreizen und einer bestimmten Zug-, Schiebe- und Strichtechnik gearbeitet. Mit feinen Strichen der Fingerkuppen über die Haut oder Dehngriffen werden die Nerven der entsprechenden Körpersegmente gereizt. Patienten empfinden bei Anwendung der Grifftechniken (7 Übersicht 34.3) meist ein helles Schneidegefühl. . Übersicht 34.3. Griffe der Bindegewebstechniken (modifiziert nach Kolster 2004 [9]) 1. 2. 3. 4.
Abheben einer Hautfalte Verschieben einer Hautfalte Rollen einer Hautfalte Daumentechnik (Anhaken mit dem Daumen)
267 34.2 · Praxis: Klassische Massage
. Abb. 34.4. Kombination von Längs- und Parallelstreichung der Haut mittels 6-Phasen-Technik (linkes Bild) und der Muskulatur (rechtes Bild) (Vis 1989 [2])
. Abb. 34.5. Bindegewebstechnik: Abheben einer Hautfalte
. Abb. 34.6. Bindegewebstechnik: Verschieben einer Hautfalte nach lateral
Abheben einer Hautfalte (. Abb. 34.5) Die Daumen werden mit den radialseitigen Kuppen nebeneinander fest auf das Gewebe gelegt. Die anderen Finger (Finger 2–5) ziehen das Gewebe so gegen die Daumenkuppen, dass eine Hautfalte entsteht. Verschieben einer Hautfalte (. Abb. 34.6) Die entstandene Hautfalte wird in einer Bewegung verschoben, ohne weiteres Hautgewebe heranzuziehen. Rollen einer Hautfalte (. Abb. 34.7) Die Hautfalte wird gerollt. Die Daumen schieben die Hautfalte weiter, die anderen Finger bilden den Gegenhalt. . Abb. 34.7. Bindegewebstechnik: Rollen einer Hautfalte
34
268
Kapitel 34 · Klassische Massage und Funktionsmassage
a
b . Abb. 34.8 a, b. Daumentechnik. a Die Daumen werden dicht nebeneinander aufgesetzt. b Die Daumen verschieben die Unterhaut tangential und parallel zur Ausgangslinie
Daumentechnik (Anhaken mit dem Daumen) (. Abb. 34.8)
34
Das Gewebe soll in einer geraden Linie parallel zur Ausgangslinie verschoben werden. Zunächst werden die Daumenkuppen dicht nebeneinander fest auf die unter der Haut liegende Faszie aufgesetzt. Die Finger 2–5 bilden einen Gegenhalt. Aus dieser Position erfolgt das Anhaken, indem die Daumen die Unterhaut tangential und parallel zur Ausgangslinie wegschieben. Ist die Verschiebegrenze erreicht, und wird die Unterhaut weitergeschoben, kann es zu einem therapeutischen Zug mit Schneidegefühl kommen.
Petrissage (Knetung) Die Petrissage bearbeitet den Muskel quer zu seinem Faserverlauf: Der Muskel wird abgehoben und unter Zug bzw. Dehnung und Torsion passiv bewegt. Jede Bewegung sollte langsam, rhythmisch und dynamisch ausgeführt werden und darf auf keinen Fall Schmerz verursachen. Petrissagen können zur Muskeldetonisierung und Schmerzlinderung eingesetzt werden. Detonisierung des Muskelgewebes (. Abb. 34.9–34.11) Ein Hypertonus ist definiert als eine vermehrte Ruhespannung (Ruhetonus) mit Dauerkontraktion der Muskulatur, die sich nicht durch bewusste Entspannung beseitigen lässt. Muskelspindeln, die als Dehnungsrezeptoren bzw. Längendetektoren fungieren, reagieren auf rasche Längenänderungen (z.B. durch Schlag auf die Patellasehne) mit einem monosynaptischen Reflex:
4 Eine schnelle Dehnung reizt die intrafusalen Fasern der Muskelspindel und löst eine Aktivierung der α-Motoneurone aus, die als motorische Efferenz die Muskelkontraktion der extrafusalen Arbeitsmuskulatur erzeugen. 4 Eine langsame Dehnung bewirkt das Gegenteil. Die intrafusalen Muskelspindelfasern passen sich an und lösen somit keine Aktivierung der α-Motoneurone aus. Dadurch entsteht eine detonisierende bzw. entspannende Wirkung auf die Muskulatur. . Tab. 34.1 gibt Anleitungen für die langsame Dehnung des
Muskelgewebes.
. Tab. 34.1. Anleitung für die Detonisierung des Muskelgewebes Griffe
Ruhige, dehnende Griffe
Kraft
Am Muskel relativ gering, an der Sehne kräftiger
Tempo
Eher langsam, damit keine Aktivierung der α-Motoneurone ausgelöst wird
Richtung
Quer zum Faserverlauf
Dauer
Relativ lange
Dosierung des Drucks
Dehnende Griffe bis zur maximalen Dehngrenze von Sehnen-/Bindegewebe
. Abb. 34.9. Kreisförmige Petrissage von proximal nach distal (links) oder von distal nach proximal (rechts)
269 34.2 · Praxis: Klassische Massage
. Abb. 34.10. Kneten des M. trapezius pars descendens mittels S-förmiger Petrissage
Interkostalausstreichungen
. Abb. 34.11. Petrissage des rechten M. erector trunci mit der Handwurzel quer zum Faserverlauf: Der Muskel wird leicht abgehoben und unter Druck passiv nach lateral (Pfeil) bewegt. Die Bewegung soll langsam, rhythmisch und dynamisch sein und darf keinen Schmerz auslösen
Ergänzt wird die Behandlung durch Interkostalausstreichungen, um die Interkostalmuskeln zu detonisieren (Kap. 32). Der Therapeut platziert die Daumen im Interkostalraum (dorsal) und streicht während der Exspiration langsam, mit leichtem Druck in ventrale Richtung. Dadurch werden die Interkostalmuskeln leicht gedehnt; konsekutiv kommt es zu einer Detonisierung und Dehnung. Die Mm. intercostales parasternales werden in der KMT nicht berücksichtigt (Kap. 7). Segmentale Schmerzhemmung (Gate-Control-Prinzip) durch sanfte Petrissage Der Mensch reibt bzw. drückt reflexmäßig (instinktiv) eine Schmerzstelle seines Körpers und versucht so, den häufig durch die Spannung verursachten Schmerz zu reduzieren. Dieses »instinktive Mittel« wird in der Elektro- und klassischen Massagetherapie als Therapiemethode angewandt. Die KMT bewirkt, dass in Rückenmark und Gehirn Mechanismen in Gang gesetzt werden, die schmerzhemmenden Einfluss haben. Die Weiterleitung der Schmerzimpulse von peripher nach zentral kann »unterwegs« durch Hemmneurone unterbrochen werden. Diese von den Ärzten Melzack und Wall entwickelte Vorstellung beschreibt, dass die Schmerzfasern (C-Fasern) an den Interneuronen innerhalb der grauen Rückenmarksubstanz durch selektive Reizung der dickeren, oberflächlich liegenden Aβ-Nervenfasern für Berührungs- und Druckempfindung gehemmt werden (. Abb. 34.11, Abb. 34.12, . Tab. 34.2).
. Abb. 34.12. Erklärung der Wirkung des Central-Control-Prinzips (Koster, 2006 [1])
34
270
Kapitel 34 · Klassische Massage und Funktionsmassage
. Tab. 34.2. Sanfte Schmerzlinderung nach dem GateControl-Prinzip Indikation
Akuter Schmerz
Griffe
Großflächig
Kraft/Druck
Sehr gering
Tempo
Ruhig
Dosierung
Sanft, unterhalb der Schmerzgrenze
. Tab. 34.3. Schmerzlinderung durch feste Griffe nach dem Central-Control-Prinzip (Prinzip der Counter-Irritation)
34
Indikation
Subakuter oder chronischer Schmerz
Griffe
Lokal, kleinflächig
Kraft/Druck
Fest, bis Toleranzgrenze
Tempo
Ruhig
Dosierung
Fest, an der Schmerzgrenze
Zentrale Schmerzhemmung (Central-Control-Prinzip) durch feste Petrissage Bei diesem Verfahren bewirkt die Stimulation der dünneren Aδ- (IIIb-) und C- (IVa-)nozisensorischen Nervenfasern (Leitung von Schmerzempfindung) eine Schmerzlinderung. Die Reizung über intensive, feste Massagegriffe ist sehr niedrigfrequent. Die Schmerzlinderung wird über zentrale Mechanismen (Central-Control-Theorie) eingeleitet, u.a. durch supraspinale Endorphin- und spinale Enkephalin-Freisetzung, tritt aber verzögert ein und hält länger an als bei der sanften Petrissage (. Tab. 34.3). Bei der Entstehung von Schmerzen ist im Gewebe immer auch eine Reihe von körpereigenen schmerzauslösenden Stoffen beteiligt. Durch die Massagegriffe werden sie aus dem Gewebe ausgeschwemmt. Venen und Lymphgefäße transportieren die Stoffe ab.
34.3
Praxis: Funktionsmassage
Zur Optimierung und Vervollständigung der klassischen Massagebehandlung kann die Funktionsmassage eingesetzt werden. Sie wird bei schmerzenden und verspannten Muskeln angewandt. Das Prinzip der Funktionsmassage ist es, durch Kombination von Muskelknetungen und Gelenkbewegungen wieder ein normales Bewegungsgefühl herzustellen. Beim passiven Bewegen des Gelenks werden gleichzeitig mit der Dehnung des Muskels Knetungen parallel zur Faserrichtung ausgeführt. Die Wirkung basiert auf einer reflektorischen Detonisierung über Stimulation der Propriozeptoren und einer verbesserten Durchblutung der behandelten Region. Zusätzlich bewirkt die Stimulation der Mechano- und Druckrezep-
toren (über Gate- Control-Prinzip) eine Schmerzlinderung (7 Übersicht 34.4). . Übersicht 34.4. Funktionsmassage: Wirkung und Kontraindikationen Wirkung der Funktionsmassage 1. Kontrollierte Mobilisation und Dehnung der Struktur 2. Reflektorische Entspannung 3. Mechanische und reflektorische Hyperämie 4. Wiederherstellung eines normalen Bewegungsgefühls 5. Schmerzlinderung 6. Bildung von längsgerichteten, zugfesten Fasern (Stimulation durch wiederholten dosierten Zug) Kontraindikationen 1. Frisches Muskeltrauma mit Hämatombildung 2. Verkalkungen der Weichteile 3. Infektionen, Bursitis im Behandlungsgebiet 4. Instabilität des Gelenks, das passiv bewegt wird
Ausführung (. Abb. 34.13, Abb. 34.14) Die Behandlung erfolgt langsam und rhythmisch über eine Dauer von 2–3 Minuten. Eine Hand des Therapeuten übt einen festen, aber nicht schmerzhaften Druck aus, und zwar parallel zum Faserverlauf in Richtung Muskelursprung. Die andere Hand des Therapeuten dehnt gleichzeitig den Muskel passiv, indem das Gelenk, über das der Muskel läuft, bewegt wird. Die Druck ausübende Hand des Therapeuten bewegt sich nicht auf der Haut (keine Friktion); die Muskeldehnung geht entgegen der Zugrichtung der Druck ausübenden Hand (7 Übersicht 34.5). . Übersicht 34.5. Ausführung der Funktionsmassage 1. 2.
3. 4. 5.
Ursprung und Ansatz des Muskels annähern Ursprung und Ansatz voneinander entfernen (dehnen) mit gleichzeitiger Knetung der Druck ausübenden Hand in Längsrichtung des Muskels. Das Gelenk wird weitestmöglich im schmerzfreien Bewegungsbereich bewegt. Druckentlastung, dann Dehnungsentlastung Zurück in die Ausgangsposition Technik langsam und rhythmisch ausführen, für 2–3 Minuten!
271 34.4 · Aufbau der Massagetherapie und Ausführung der Techniken
34.4
Aufbau der Massagetherapie und Ausführung der Techniken
In . Tab. 34.4 werden Aufbau einer klassischen Massagebehandlung und technische Ausführung dargestellt. . Tab. 34.4. Aufbau einer klassischen Massagebehandlung und technische Ausführung
. Abb. 34.13. Funktionsmassage des M. trapezius pars descendens. Roter Pfeil Druck geht in Richtung des Muskelursprungs. Grüner Pfeil Dehnungsrichtung des Muskels
Technik
Handgriff (2-händig/ 1-händig)
Hauptwirkung
Hautstreichungen
6-Phasen-Technik mittels Palmgriff, Plättgriff Längs-/Querstreichung »Hand über Hand« mittels Palmgriff
Vasodilatation
Hautabheben, Hautverschieben, Hautrollen, Daumentechnik
Mobilisation
Querknetung mit Daumen, Fingern, Handwurzel (S-Form) Querknetung mit dem Daumenballen, Handwurzel Interkostalausstreichungen
Detonisierung
Knetungen mit Kompression
Knetung zur Kompression des Muskels mit Daumenballen, Handwurzel
Schmerzlinderung
Funktionsmassage
Funktionsmassage
Detonisierung
Muskelmanipulation und Sekretolyse
Hackungen und Klopfungen
+Sekretolyse
6-Phasen-Technik mittels Palmgriff, Plättgriff
Abschluss
Bindegewebstechniken
Vasodilatation
Hauptteil (17 Minuten) Knetungen (quer)
a
Detonisierung Detonisierung
Abschluss (1 Minute) Hautstreichungen
b . Abb. 34.14 a, b. Funktionsmassage der Mm. rhomboidei. a Druck mit den Fingerspitzen parallel zum Faserverlauf des Muskels in Richtung des Muskelursprungs (roter Pfeil). b Der Muskel wird gleichzeitig passiv gedehnt, indem der obere Arm nach ventral bewegt (grüner Pfeil)
34
272
Kapitel 34 · Klassische Massage und Funktionsmassage
34.5
Literatur
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
34
Kolster B (2006) Massage. Springer, Heidelberg Vis AJJ (1989) Skript: Massagetherapie een fysiotherapeutisch handelen Eigenverlag, Nijmegen Cyriax J (1982) Textbook of Orthopaedic Medicine, vol I und II, 8th ed. Baillière Tindal, London Frisch H (2002) Programmierte Untersuchung des Bewegungsapparates, 4. Aufl. Springer, Berlin Sachs J, Piet JFM (1992) Bindweefselmassage, 4. druk. De Tijdstroom, Lochum Arnet-Straub M, Strebel W (2001) Skript: Die Bindegewebe-Tastdiagnostik, Modul 1 Lewit K (1989) Moderne Weichteiltechniken und das Entspannungsphänomen. Vortrag Europ. Symposium, Berlin Roche Lexikon Medizin (1999) 4. Aufl. Urban & Fischer, München Kolster B, Marquardt H (2004) Reflextherapie. Springer, Heidelberg
35 35 Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
35.1
Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining – 273
35.2
Effekte des kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstrainings bei Patienten mit COPD – 273
35.3
Bestimmung der Intensität bei kardiopulmonalem Ausdauerkapazitätstraining – 275
35.4
Bestimmung der Belastungssteigerung beim kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstraining – 275
Der Krankheitsverlauf der COPD ist durch eine progrediente Verschlechterung der Lungenfunktion und eine damit einhergehende Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität gekennzeichnet. Rezidivierende Exazerbationen und bestehende Komorbiditäten komplizieren und beschleunigen diese Beeinträchtigungen. Zur Sicherstellung der zellulären Organfunktion der vitalen Organe werden im Verlauf der Erkrankung unbewusst Kompensationsmechanismen initiiert. Eine bestehende Hypoxämie kann daher eine Immobilisation oder Bewegungsmangel induzieren.
35.1
Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining
Die Rehabilitation von COPD-Patienten ist ein wichtiger Bestandteil des physiotherapeutischen Managements. Ein regelmäßiges allgemeines körperliches Trainingsprogramm spielt sowohl aus physiologischen Gründen als auch aus Gründen des allgemeinen Selbstwertgefühls, der Erhaltung der Beweglichkeit und der Selbständigkeit im täglichen Leben eine wichtige Rolle [1, 2]. Ziel eines Trainingsprogramms ist die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität bei Patienten mit COPD durch 4 Verbesserung von Kraft, Ausdauer und Koordination, 4 Abbau der Angst vor Belastung, 4 Stärkung des Selbstbewusstseins und 4 Reduktion von Atemnot.
35.5
Trainingsmodalitäten
– 275
35.6
Sauerstoffgabe unter Belastung
35.7
Zusammenfassung
35.8
Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining bei pulmonaler Hypertonie – 277
35.9
Literatur
35.2
Effekte des kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstrainings bei Patienten mit COPD
– 276
– 276
– 278
Die Suche nach empirischen Studien zur Thematik offenbart eine Menge von Veröffentlichungen, die sich mit Trainingseffekten und Anpassungsprozessen bei COPD-Patienten unter verschiedenen Bedingungen beschäftigen [3–9, 23]. In den letzten Jahren wurde eindeutig belegt, dass mittels körperlichen Trainings bei COPD-Patienten Leistungsfähigkeit, Ausdauer und periphere Muskelkraft verbessert werden können (Evidenzgrad 1) [10]. Die größte bis heute publizierte Studie bzgl. des Effekts der ambulanten Trainingstherapie bei Patienten mit schwerer COPD wurde im Rahmen des National Emphysema Treatment Trials (NETT) durchgeführt [11]. Es handelte sich um ein multizentrisches, ambulantes Programm (6–10 Wochen, 16–20 Trainingseinheiten), in das 1218 Patienten mit einer durchschnittlichen FEV1 von 27% des Sollwertes eingeschleust wurden. Auch die NETT-Studie fand eine klinisch relevante Zunahme der Belastungstoleranz und Lebensqualität, jedoch keine Verbesserung der Lungenfunktion im zeitlichen Rahmen von 6–10 Wochen [11]. Ein multimodales Training führte selbst bei den schwerstkranken COPD-Patienten im NETT zu einer Verbesserung des 6-Minuten-Gehtests (6MWD) um durchschnittlich 33 Meter (8,3%). Besonders bei schwerer COPD hat sich die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max), ein Indikator für Ausdauerkapazität, als der stärkste einzelne Prädiktor für die Überlebenszeit etabliert. Sie korreliert besser mit der Überlebenszeit als jeder Lungenfunktionsparameter [10]. Die positiven Effekte des kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstrainings sind
274
Kapitel 35 · Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining
sowohl kurz- [12, 13] als auch langfristig [14] feststellbar. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die höhere Leistungsfähigkeit nach einem Rehabilitationsprogramm es COPD-Patienten ermöglicht, sich im täglichen Leben häufiger und intensiver zu belasten, so dass die Muskelfunktion erhalten bleibt bzw. verbessert wird.
35
Respiratorische Anpassungsmechanismen In Übereinstimmung mit zahlreichen randomisierten und kontrollierten Studien zeigte sich, dass das kardiopulmonale Training bei Patienten mit COPD zu keiner Verbesserung der Lungenfunktionsparameter führt, mit denen das Obstruktionsausmaß (Spirometrie) bestimmt wird [15, 16, 17]. Diese bedeutsame Beobachtung wurde nicht nur im NETT bestätigt [11], sondern auch in den meisten anderen Studien zum Effekt der Trainingstherapie. In der spezifischen Literatur wird auch unter Berücksichtigung der NETT-Daten eine intensive Diskussion darüber geführt, ob Patienten mit fortgeschrittener COPD überhaupt einen physiologischen Trainingseffekt mit Verbesserung der Lungenfunktion erzielen können [18]. Bellman geht vielmehr davon aus, dass multiple Faktoren zur Reduktion der empfundenen Dyspnoe, Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität beitragen [19]. Dazu gehören die Verbesserung der Atemtechnik, die höhere Motivation und eine gewisse Desensibilisierung gegenüber Symptomen wie Atemlosigkeit [18]. Durch die Ökonomisierung der Muskulatur und verbesserte Sauerstoffaufnahme (VO2) kommt es zu einer Verminderung der benötigten alveolären Ventilation [20], was wiederum zu einer Reduktion der dynamischen Überblähung führt und bei COPD-Patienten zu einer Abnahme der Belastungsatemnot führen kann [21]. Dabei spielen die verminderte Totraumventilation, die erhöhte anaerobe Schwelle, die verminderte Azidose und der verminderte CO2-Ausstoß eine wesentliche Rolle [1, 2]. Kardiovaskuläre Anpassungsmechanismen Zu einer kardiovaskulären Verbesserung gehören 4 die Senkung des Ruhepulses, 4 die Steigerung des maximalen Schlagvolumens und 4 die Verbesserung der O2-Transportkapazität des zirkulatorischen Systems. Allgemeine Anpassungen Besonders das mehrwöchige kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstraining mit hoher Trainingsintensität sind folgende Verbesserungen gesichert: 4 eine Verringerung der COPD-Symptomatik, 4 eine Verbesserung der krankheitsbezogenen Lebensqualität [2, 23, 24]und der krankheitsbezogenen Ängstlichkeit und Depression, 4 eine Verringerung der Morbidität, 4 eine Verminderung des akutmedizinischen Ressourcenverbrauchs [38] sowie 4 eine Reduktion der Häufigkeit von Inanspruchnahme medizinischer Therapien [2, 23–26]. In der Nachuntersuchung (»follow-up«) einer einmaligen 8-wöchigen ambulanten Trainingstherapie bei Patienten mit
fortgeschrittener COPD zeigten sich nach 2 Jahren für die 116 Patienten der Trainingsgruppe eine signifikant geringere Hospitalisationsrate sowie Hinweise für eine Verbesserung der Mortalität [27]. Bewertung der Wirksamkeit Die Effekte der pulmonalen Rehabilitation bei COPDPatienten werden in der aktuellen GOLD-Leitlinie (Kap. 1) hinsichtlich des Evidenzgrades bewertet und in nationalen [28] wie internationalen [29] Leitlinien ab Schweregrad II nach GOLD (mittleres Krankheitsstadium) auch in höherem Lebensalter empfohlen [21, 32]. Dadurch wird die Bedeutung der pulmonalen Rehabilitation als essenzielle Komponente des Langzeitmanagements von COPD-Patienten unterstrichen. Die empirisch gesicherten Erfolge der Rehabilitation sind in . Tab. 35.1 zusammengefasst. Es wurden umfassende interdisziplinäre Rehabilitationsprogramme und deren Analysen berücksichtigt. Das regelhafte Einbeziehen der medikamentösen Therapie in die pulmonale Rehabilitation – wie in Deutschland üblich – kann den Rehabilitationserfolg vor allem bzgl. der Besserung der Dyspnoe, der Belastbarkeit und der Lebensqualität zusätzlich steigern.
. Tab. 35.1. Effekte und Evidenzgrad der Ansätze einer pulmonalen Rehabilitation bei COPD-Patienten
Nutzen
Evidenzgrad
Abnahme der Atemnot
A
Abnahme von COPD-assoziierter Angst und Depression
A
Atemmuskeltraining ist effektiv, besonders in Kombination mit einem allgemeinen körperlichen Training
C
Gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit, Belastungstoleranz
A
Kraft- und Ausdauertraining der oberen Extremität verbessert die Armfunktion
B
Lebensverlängerung
B
Positive Effekte eines Trainingsprogramms überdauern die Trainingsperiode
B
Psychosoziale Intervention ist hilfreich
C
Reduktion der Anzahl und Dauer von Krankenhausaufenthalten
A
Steigerung der krankheitsspezifischen Lebensqualität
A
Verringerung der körperlichen Ermüdbarkeit
A
(Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Atemwegsliga [28, 32])
275 35.5 · Trainingsmodalitäten
Konkrete Regeln für das Kraft- und Ausdauertraining in der Rehabilitation von COPD-Patienten werden im Folgenden vorgestellt.
35.3
Bestimmung der Intensität bei kardiopulmonalem Ausdauerkapazitätstraining
Um ein optimales kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining zu gewährleisten, sollten bei allen Trainingsprinzipien Reversibilität, Reziprozität und Spezifität berücksichtigt werden. Die minimale Dauer eines effektiven Trainingsprogramms wird mit 2 Monaten angegeben [33, 34]. Je länger das Programm, desto besser die Resultate (Evidenzgrad B) [2] (7 Übersicht 35.1). . Übersicht 35.1. Intensität des kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstrainings 1. 2. 3. 4. 5.
Dauer der Trainingseinheit: 1–2 Stunden Intensität des Einzelreizes: 60% der Wmax Gehgeschwindigkeit: 60% der Maximalleistung (6MWD) Ergometertrainung: 50 Umdrehungen/Minute Regenerationszeit: 48 Stunden
In der pulmonalen Rehabilitation sollte eine möglichst hohe Dosierung des kardiovaskulären Ausdauerkapazitätstrainings zur Anwendung kommen, die zu einer besseren Zunahme der Belastbarkeit führt als niedrigere Intensitäten [36–38].
> Wichtig Trainingsgeschwindigkeit nach Lagerstrom: Trainingsgeschwindigkeit (m/min) = Gehstrecke (m)/6 (min)×Belastungsintensität (in %)
35.4
Bestimmung der Belastungssteigerung beim kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstraining
Worth empfiehlt für COPD-Patienten eine Trainingsintensität, die auf 60–70% der maximalen Herzfrequenz abgestimmt ist (HFmax-Wert: 220 - Lebensalter) [3, 26]. Für Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung, deren limitierende Faktoren meist nicht kardialen Ursprungs sind, ist eine Bestimmung der Dosierung anhand der maximalen Herzfrequenz mit Vorsicht zu anzuwenden. Darüber hinaus können Medikamente vom Typ der Beta-Blocker einen signifikanten Einfluss auf die Herzmodulation bei Belastung haben und ungewöhnlich niedrige Pulsraten und Belastung verursachen. Manche Autoren empfehlen den Atemgrenzwert (»maximal voluntary ventilation«, MVV) [41] oder die anaerobe Schwelle (VAS) als besten Parameter zur Bestimmung der Belastungssteigerung beim kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstraining von COPD-Patienten [42–46]. Immer häufiger wird die subjektiv erfahrene Belastung durch Kurzatmigkeit und Ermüdung/Erschöpfung mittels Borg-Skala empfohlen, um die richtige Trainingsintensität zu bestimmen [42–46]. Dies bedeutet, dass die Belastungssteigerung des kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstrainings sich hauptsächlich nach dem Schweregrad und der momentanen Leistungsfähigkeit des Teilnehmers richtet [33, 34].
! Cave Für viele COPD-Patienten bedeutet ein hoch intensives Ausdauertraining eine Belastungsintensität von 10 oder 25 Watt, da die maximale Belastbarkeit extrem eingeschränkt ist [21].
Die Intensität bzw. Leistungssteigerung bei COPD-Patienten wird anhand von Protokollen (»guidelines for physiotherapeutic management«), Spiroergometrieergebnissen und individueller Symptomatik des Patienten während des Trainings bestimmt, dokumentiert und umgesetzt [36–38]. Tipp
In der pulmonalen Rehabilitation gilt eine Einstiegsdosierung der Belastungsintensität von 60–75% der maximalen Leistungsfähigkeit (Wmax) [39, 40].
Um ein optimales Tempo für das Gehtraining auf dem Laufband einzustellen (Trainingsgeschwindigkeit), ist es empfehlenswert, mit einer niedrigen Belastungsintensität (60% der Maximalleistung) zu beginnen [61]. Die Trainingsgeschwindigkeit berechnet sich anhand der Formel von Lagerstrom nach dem Ergebnis des 6-Minuten-Gehtests (6MWD) [61] (Kap. 21).
35.5
Trainingsmodalitäten
Patienten mit schwerer Atemwegsobstruktion (FEV1<30% des Sollwertes) und abweichenden arteriellen Blutgaswerten (Hyperkapnie, Hypoxämie) können ein kontinuierliches Ausdauertraining aufgrund des erhöhten kardiopulmonalen Stresses häufig nicht tolerieren [47, 48]. Als Alternative bietet sich das Intervalltraining an, das besonders von schwerkranken COPD-Patienten besser genutzt werden kann und vergleichbare Trainingseffekte hat [21, 47, 49]. Dabei wechseln Perioden mit sehr intensiver Anspannung mit relativen Ruhephasen ab. Maltais et al. stellten jedoch fest, dass manche dieser Patienten im späteren Rehabilitationsverlauf (z.B. nach 6 Wochen) in der Lage waren, das kontinuierliche Ausdauertraining zu tolerieren [34]. Für Patienten, die das Intervalltraining nicht einhalten können, ist das hypertrophierende Maximalkrafttraining eine weitere Trainingsoption [2]. Kraftund Intervalltraining sind aufgrund der intervallartigen Belastungsstruktur sinnvolle Trainingsmodalitäten, da es zu einer hohen Beanspruchung der Muskulatur bei geringer kardiopulmonaler Belastung kommt [21].
35
276
Kapitel 35 · Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining
35.6
Sauerstoffgabe unter Belastung
Bei Patienten mit einer sehr ausgeprägten kardiozirkulatorischen Diffusionsstörung, ventilatorischen Beeinträchtigung oder starken Störungen des Ventilation-Perfusions-Verhältnisses, bei denen während körperlicher Belastung eine Hypoxämie auftritt, ist ein körperliches Ausdauertraining mithilfe einer kontinuierlichen Sauerstoffzufuhr unter Belastung erforderlich [21]. ! Cave Sofern die Hypoxämie durch einen echten bzw. anatomischen Rechts-Links-Shunt (z.B. durch Atelektasen und/ oder Infiltrate) verursacht wird, kann der paO2 durch eine Erhöhung der Sauerstoffkonzentration in der Inspirationsluft (FiO2= inspiratorischer Sauerstoffgehalt) nicht auf normale Werte gebracht werden.
35
Bei Vorliegen einer Hypoxämie in Ruhe oder unter Belastung (<55mmHg), oder wenn die pulsoxymetrisch gemessene O2-Sättigung in Ruhe oder während körperlicher Belastung unter SaO2<89% fällt, sollte die Trainingstherapie unter Sauerstoffgabe durchgeführt werden. Ziel ist die Sicherstellung eines stabilen paO2>60 mmHg oder eines SaO2>90%. Bei Patienten mit einer schwergradigen COPD (auch ohne Hypoxämie in Ruhe bzw. unter Belastung) ist eine Sauerstoffgabe während körperlicher Belastung empfehlenswert, da dann das Training der peripheren Muskulatur intensiviert werden kann und deutlichere Trainingseffekte erzielt werden können [21, 50, 51, 52]. Zudem reduziert die Sauerstofftherapie den Sauerstoffbedarf, bezogen auf Ventilation und Atemminutenvolumen. Die subjektiv erlebte Atemnot wird möglicherweise schwächer, und z.B. nach Treppensteigen kann die schwere belastungsinduzierte Atemnot kontrolliert werden. Eine präventive Sauerstoffgabe vor einer Belastungssituation hat allerdings keine Wirkung auf die Belastungsdyspnoe [27, 53, 54]. Die Empfehlungen für eine Sauerstoffgabe während körperlicher Belastung bei COPD-Patienten sind in 7 Übersicht 35.2 zusammengefasst. . Übersicht 35.2. Indikationen für Sauerstoffgabe bei körperlicher Belastung 6. 7. 8. 9.
paO2 ≤ 55 mmHg oder SaO2 ≤ 89% in Ruhe paO2 ≤ 55 mmHg oder SaO2 ≤ 89% bei Belastung paO2 ≤ 55 mmHg oder SaO2 ≤ 89% nachts Verdacht auf pulmonare Hypertension/Cor pulmonale/paO2 56–59 mmHg oder SaO2 ≤ 90% zu jeder Zeit
Die Sauerstoffgabe wird bis zu 5 Minuten nach Beendigung des Ausdauertrainings weitergeführt. Bei Erreichen der Normalwerte wird die O2-Gabe eingestellt. Sollte eine LangzeitSauerstofftherapie angezeigt sein, kann diese nach 5 Minuten Zeitraum auf eine niedrigere Ruheflussrate reduziert werden.
35.7
Zusammenfassung
Empfehlungen zur Durchführung eines körperlichen Trainings im Rahmen von Rehabilitationsprogrammen für COPD-Patienten (Halle et al. 2008 [21] und Ries et al. 2007 [55])
Empfehlungsgrad
Bewertung
1A–C
Starke Empfehlung (A>B>C)
2A–C
schwache Empfehlung (A>B>C)
Empfehlungen
1. Jedes pulmonale Rehabilitationsprogramm für COPDPatienten sollte ein Training der peripheren Muskulatur als obligate Komponente beinhalten (Empfehlungsgrad 1A). 2. Sowohl ein hoch intensives (ca. 75–80% der maximalen Ausdauerleistung) als auch ein weniger intensives körperliches Training induzieren klinische Verbesserungen bei COPD-Patienten (Empfehlungsgrad 1A). 3. Ein Ausdauertraining der unteren Extremitäten mit höherer Belastungsintensität führt bei COPD-Patienten zu deutlicheren physiologischen Veränderungen (Trainingseffekten) als ein weniger intensives Training (Empfehlungsgrad 1B). 4. Ein Ausdauertraining der oberen Extremitäten ist für COPD-Patienten von Vorteil und sollte Teil pulmonaler Rehabilitationsprogramme sein (Empfehlungsgrad 1A). 5. Zusätzliches Krafttraining innerhalb des pulmonalen Rehabilitationsprogramms verbessert die Muskelkraft und Muskelmasse (Empfehlungsgrad 1A). 6. Ein routinemäßiges zusätzliches Inspirationsmuskeltraining für alle COPD-Patienten kann aufgrund der Datenlage zurzeit nicht empfohlen werden (Empfehlungsgrad 1B). (Für Patienten mit eingeschränkter Inspirationsmuskelkraft kann es jedoch sinnvoll sein.) 7. Bei Patienten mit schwerer Belastungshypoxämie sollte das Training unter Sauerstoffgabe erfolgen (Empfehlungsgrad 1C). 8. Sauerstoffgabe während einer intensiven Trainingstherapie – auch ohne Nachweis einer Belastungshypoxämie
– kann unter Umständen zu verbesserten Trainingsresultaten führen (Empfehlungsgrad 2C). 9. Bei ausgewählten Patienten mit schwerer COPD kann ein Training mit nicht invasiver Beatmung zu einer leichten Verbesserung der Trainingseffekte führen (Empfehlungsgrad 2B).
35.7.1 Yellow Flags: Vorsichtsmaßnahmen
und klinisches Monitoring Bei der Durchführung eines Trainingsprogramms ist eine ärztliche Genehmigung unentbehrlich, und zur Sicherheit muss eine ärztliche Betreuung in direkter Nähe sein. In
277 35.8 · Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining bei pulmonaler Hypertonie
7 Übersicht 35.3 sind erforderliche Erste-Hilfe-Maßnahmen
35.7.2 Kontraindikationen für körperliche
Belastung
zusammengefasst. . Übersicht 35.3. Indikation für arztliche Maßnahmen 1. 2. 3.
FEV1>60% des Sollwertes: Anwesenheit eines Arztes ist wünschenswert FEV1 40–60% des Sollwertes: Anwesenheit eines Arztes erforderlich FEV1<40% des Sollwertes: Einweisung zur stationären Rehabilitation
Bei gesteigertem Sauerstoffbedarf unter körperlicher Belastung kann es bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen zu gravierendem und lebensbedrohlichem Sauerstoffmangel vitaler Organe kommen. Das klinische Monitoring am Patienten erfordert es, die Gesamtbefindlichkeit des Patienten abzuschätzen und kontinuierlich zu beobachten. > Wichtig Vor, während und nach dem Training wird das FingerPulsoxymeter-Messgerät zur kontinuierlichen Bestimmung von Sauerstoffsättigung und Puls angelegt. Ein hypoxischer Patient ist an zyanotisch verfärbter Haut, Lippen und Zunge zu erkennen.
Eine Zyanose ist ab einem Desoxyhämoglobingehalt von 5 mg/dl für das Auge sichtbar, kann aber bei zusätzlich vorliegender Anämie auch verkannt werden. Durch die Muskelaktivität während der körperlichen Belastung wird der Sauerstoffverbrauch von Gesamtorganismus und Herz deutlich erhöht. Es kommt es zu einem systemischen Blutdruckanstieg und Tachykardie. Eine Steigerung des Herzzeitvolumens (HZV) ist der wichtigste Kompensationsmechanismus des menschlichen Körpers bei Störungen des Gleichgewichts zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffverbrauch. Wichtige klinische Parameter zur Beurteilung des Zustandes des Patienten sind Atemfrequenz und Atemmuster. Die thorakal-abdominalen Atemexkursionen sind bzgl. Tiefe und Synchronisation (normale oder paradoxe Atmung) während Spontanatmung und Atmungsmuster während Belastung zu beobachten [22]. Durch die Rekrutierung der Atemhilfsmuskulatur kann eine unzureichende Beatmungseinstellung ersichtlich werden. Weiterhin sollte kontinuierlich auf subjektive Zeichen, die auf Überlastung oder kardiale Dekompensation hindeuten, z.B. Gesichtsfarbe, übermäßige Transpiration oder apathischen Gesichtsausdruck, geachtet werden. Der Stresszustand des Patienten kann u.a. durch starkes Schwitzen, angespannte Muskeln und Mimik erkannt werden. Zusätzlich wird das subjektive Empfinden von Dyspnoe und Ermüdung des Patienten mittels Borg-Skala ermittelt, wobei eine »7« auf der Skala als Abbruchkriterium gewertet werden sollte.
Generell wird empfohlen, Belastungen zu vermeiden, die zu Dyspnoe, thorakalen Schmerzen oder Schwindel/Synkopen führen. Eine körperliche Belastung sollte erst nach ärztlicher Abklärung durchgeführt werden. Komorbiditäten wie 4 koronare Herzkrankheit (KHK), 4 arterielle oder pulmonale Hypertonie, 4 Kortison-induzierter Diabetes mellitus oder 4 Osteoporose machen eine Trainingsmodifikation und die Verwendung besonderer Vorsichts- oder Überwachungsmassnahmen notwendig [21]. Kontraindikationen und Abbruchkriterien für die körperliche Belastung von COPD-Patienten sind in 7 Übersicht 35.5 zusammengefasst. . Übersicht 35.5. Kontraindikationen/Abbruchkriterien für körperliche Belastung 1. Symptomatische/dekompensierte koronare Herzkrankheit 2. Schwindel/Synkopen 3. Starke Kurzatmigkeit/Dyspnoe 4. Starke Ermüdung (Fatigue) 5. Schwergradige Hypoxämie (paO2<50 mmHg, SaO2<80%) 6. Allgemeines Unwohlsein 7. Angina pectoris, thorakale Schmerzen 8. Veränderungen im EKG/kardiovaskuläre Auffälligkeiten 9. Pulmonale Hypertension (PH) in Ruhe (PAPmittel>20 mmHg) 10. Arterielle Hypertonie 11. Halsvenenstauung 12. Beinödem als Folge einer Rechtsherzinsuffizienz (PH)
35.8
Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining bei pulmonaler Hypertonie
Die frühen Symptome der pulmonalen Hypertonie (PH) wie Belastungsdyspnoe, Leistungsintoleranz oder Müdigkeit sind unspezifisch. Schwindelanfälle und Synkopen können jedoch unter körperlicher Belastung als Erstmanifestation einer PH auftreten [56]. Durch erhöhte Stoffwechselanforderungen während körperlicher Belastung kann es zu einem übermäßigen Anstieg des peripheren und pulmonal-arteriellen Gefäßwiderstandes (hypoxische pulmonal-arterielle Vasokonstriktion, HPV) mit nachfolgender pulmonal-arterieller Hypertonie kommen. Gleichzeitig steigt der Hirndruck an, und es kommt zu einer Verschlechterung der zerebralen Perfusion. Respiratorisches und metabolisches System sind in diesem Fall so stark belastet, dass die Situation lebensbedrohlich ist.
35
278
Kapitel 35 · Kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining
Bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung und erhöhten pulmonal-arteriellen (Ruhe-)Druckwerten findet man häufig eine Verschlechterung des pulmonalen Gasaustausches unter Belastung, eine Beeinträchtigung der maximalen Sauerstoffaufnahme und somit eine limitierte Leistungsfähigkeit [59].
15.
16.
! Cave Es wird empfohlen, Belastungen, die zu Dyspnoe, thorakalen Schmerzen oder Schwindel/Synkopen führen, generell zu meiden. Dennoch wird ein speziell abgestimmtes körperliches Training (Intervall) unter Berücksichtigung der Abbruchkriterien für körperliche Belastung befürwortet, nachdem eine prospektive randomisierte Studie einen Nutzen nachweisen konnte [57, 60].
17.
18. 19.
20.
35.9
35
Literatur
1. Stulbarg MS, Adams L (2000) Dyspnea. In: Murray JF, Nadel JA, Mason RJ, Boushey HA (eds) Textbook of Respiratory Medicine, 3rd ed. W.B. Saunders, Philadelphia 2. Gugger M, Bachofen H (2001) Dyspnoe Teil 2: Grundlagen und Pathophysiologie. Schweiz Med Forum 67: 143–147 3. Wright PR, Heck H, Langenkamp H, Franz KH, Weber U (2002) Einfluss eines Krafttrainings auf Lungenfunktionsparameter und Größen der Leistungsfähigkeit von COPD Patienten. Pneumologie 56: 413–417 4. O’Donnell DE, McGuire MA, Samis L (1995) The impact of exercise reconditioning on breathlessness in severe chronic airflow limitation. Am J Respir Crit Care Med 152: 2005–2013 5. Wijkstra PJ, van der Mark TW, Kraan J (1996) Effects of home rehabilitation on physical performance in patients with chronic obstructive pulmonary disease (COPD) Eur Respir J 9: 104–110 6. Goldstein RS, Gort EH, Stubbing D (1994) Randomised controlled trial of respiratory rehabilitation. Lancet 45: 1394–1397 7. Cambach W, Chadwick-Straver RVM, Wagenaar RC (1997) The effects of a communitiy- based pulmonary rehabilitation programme on exercise tolerance and quality of life: a randomised controlled trial. Eur Respir J 10: 104–113 8. Clark CJ, Cochrane LM, Mackay E, Paton B (2000) Skeletal muscle strength and endurance in patients with mild COPD and the effects of weight training. Eur Respir J 15: 92–97 9. Clark CJ, Cochrane LM, Mackay E, Paton B (1996) Low intensity peripheral muscle conditioning improves exercise tolerance and breathlessness in COPD. Eur Respir J 9: 2590–2596 10. Haber P. Medical therapy by training in the rehabilitation of patients with COPD. Wiener Medizinische Wochenschrift 155: 106–111 11. Ries AL, Make BJ, Lee SM et al. (2005) The effects of pulmonary rehabilitation in the national emphysema treatment trial. Chest 128: 3799–3809 12. Oschima MT, Kaplan RM, Ries AL (1990) Experimental evaluation of rehabilitation in chronic obstructive pulmonary disease: shortterm effects on exercise endurance and health status. Health Psychol 93: 237–252 13. Puhan MA, Schünemann HJ, Frey M, Scharplatz M, Bachmann LM (2005). How should COPD patients exercise during respiratory rehabilitation? Comparison of exercise modalities and intensities to treat skeletal muscle dysfunction. Thorax 60: 367–375 14. Troosters T, Gosselink R, Decramer M (2000) Short- and long-term effects of outpatient rehabilitation in patients with chronic ob-
21.
22.
23.
24.
25. 26. 27. 28. 29.
30.
31.
32. 33.
34.
35.
structive pulmonary disease: a randomized trial. Am J Med 109(3): 207–212 Bestall JC, Paul EA, Garrod R et al. (2003) Longitudinal trends in exercise capacity and health status after pulmonary rehabilitation in patients with COPD. Respir Med 97: 173–180 DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Approach. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 White RJ, Rudkin ST, Harrison ST, Day KL, Harvey IM (2002) Pulmonary rehabilitation compared with brief advice given for severe chronic obstructive pulmonary disease. J Cardiopulm Rehabil 22: 338–344 Belman MJ (1993) Exercise in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 48: 936–946 DeTurk WE, Cahalin LP (2004) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence-Based Appraoch. The McGraw-Hill Companies; part 3, ch 9 Patten C, Kamen G, Rowland DM (2001) Adaptations in maximal motor unit discharge rate to strength in young and older adults. Muscle Nerve 24: 542–550 Halle M, Heitmann RH, Kenn K, Petro W, Schultz K (2008) Bedeutung und Methodik von körperlichem Training bei COPD. Pneumologie 62; 1–17 Laube I, Bloch KE (1999) Nicht-invasive Beatmung bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung. Schweiz Med Wochenschr 129: 1013–1024 O’Donnell DE, McGuire MA, Samis L (1995) The impact of exercise reconditioning on breathlessness in severe chronic airflow limitation. Am J Respir Crit Care Med 152: 2005–2013 Wijkstra PJ, van der Mark TW, Kraan J (1996) Effects of home rehabilitation on physical performance in patients with chronic obstructive pulmonary disease (COPD) Eur Respir J 9: 104– 110 Goldstein RS, Gort EH, Stubbing D (1995) Randomised controlled trial of respiratory rehabilitation. Lancet 45: 1394–1397 Dean E, Frownfelter D (2006) Cardiovascular and Pulmonary Physical Therapy: An Evidence and Praxis. Elsevier, Mosby Pfeifer M (2006) COPD – nicht medikamentöse Therapie. Urban & Vogel, München; 101: 293–300 De Troyer A, Kelly S, Zin WA (1983) Mechanical action of the intercostal muscle on the ribs. Science 220: 87–88 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (2006) Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease. NHLBI/WHO workshop report. Bethesda, National Heart, Lung and Blood Institute. www.goldcopd.com Abholz H, Gillissen A, Magnussen H (2007). Nationale Versorgungsleitlinie COPD Langfassung (Version 1.4). www.versorgungsleitlinien.de Patten C, Kamen G, Rowland DM (2001) Adaptations in maximal motor unit discharge rate to strength in young and older adults. Muscle Nerve 24: 542–550 Zwick H, Lichtenschopf A (2005) COPD-Rehabilitation. Wien Med Wochenschr 155/5-6: 101–105 Maltais F, Leblanc P, Simard C (1996) Skeletal muscle adaptation to endurance training in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 154: 442–447 Maltais F, Leblanc P, Jobin J (1997) Intensity of training and physiologic adaptation in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 155: 555–561 Hulzebos E, Loo H v d (2002) Paramedische trainingsbegeleiding. Training van het cardiorespiratoir uithoudingsvermogen. Bohn Stafleu van Loghum
279 35.9 · Literatur
36. Bekkering GE, Hendriks HJM, Chadwick-Staver RMV, Paterson WJ (1998) Guidelines for physiotherapeutic management in chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Nederlands Paramedisch Instituut, Amersfoort 37. Bekkering GE, Hendriks HJM, Paterson WJ (2000) Guidelines for physiotherapeutic management in chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Phys Ther Rev 5: 559–574 38. Vallet G, Ahmaidi S, Serres I (1997) Comparison of two training programmes in chronic airway limitation patients: standardized versus individualized protocols. Euro Respir J 10: 114–122 39. Maltais F, Leblanc P, Simard C (1996) Skeletal muscle adaptation to endurance training in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 154: 442–447 40. Maltais F, Leblanc P, Jobin J (1997) Intensity of training and physiologic adaptation in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 155: 555–561 41. Worth H, Meyer A, Folgerling H et al. (2000) Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zum Sport und körperlichen Training bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen. Urban & Vogel, 95: 123–129 42. Bernards JA, Bouman LN (1994) Fysiologie van de mens. Bohn Stafleu van Loghum, Houten Diegem 43. Casaburi R, Patessio A, Loli F (1991) Reductions in exercise lactic acidosis and ventilation as a result of exercise training in patients with obstructive lung disease. Am Rev Respir Dis 143: 9–18 44. Horewitz MB, Littenberg B, Mahler DA 1996) Dyspnea ratings for prescribing exercise intensity in patients with COPD. Chest 109: 1169–1175 45. Roca J, Whipp BJ (1997) Clinical exercise testing with reference to lung diseases: indications, standardization and interpretation strategies. Euro Respir J 10: 2662–2689 46. Serres I, Gautier V, Verray A, Prefaut C (1998) Impaired skeletal muscle endurance related to phisical inactivity and altered lung function in COPD Patients. Chest 113: 900–905 47. Puhan MA, Schünemann HJ, Frey M et al. (2005) How should COPD patients exercise during respiratory rehabilitation? Comparison of exercise modalities and intensities to treat skeletal muscle dysfunktion. Thorax 60: 367–375 48. Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, Gezondheiszorg Maarssen 49. Vogiatzis I, Nasas S, Roussos C (2002) Interval training as an alternative modality to continuous exercise in patients with COPD. Eur Respir J 20: 12–19 50. Porszasz J, Emtner M, Goto S et al. (2005) Exercise training decreases ventilatory requirements and exercise-induced hyperinflation at submaximal intensities in patients with COPD. Chest 128: 2025–2034 51. Somfay A, Porszasz J, Lee SM (2001) Dose-response effect of oxygen on hyperinflation and exercise endurance in nonhypoxaemic COPD patients. Eur Respir J 18: 77–84 52. Emtner M, Porszasz J, Burns M (2003) Benefits of supplemental oxygen in exercise training in nonhypoxemic chronic obstructive pulmonary disease patients. Am J Respir Crit Care Med 168: 1034– 1042 53. Nandi K, Schmith AA, Crawford A (2003) Oxygen supplementation before or after submaximal exercise in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 58: 670–673 54. Lewis CA, Eaton TE, Young P (2003) Short-burst oxygen immediatly before and after exercise is ineffective in nonhypoxic COPD patients. Eur Respir J 22: 584–588 55. Ries AL, Bauldoff GS, Carlin BW et al (2007) Pulmonary Rehabilitation: Joint ACCP/AACVPR Evidence-Based Clinical Practice Guidelines. Chest 131: 4S–42S
56. Olschewski H, Hoeper MM, Ewert R et al. (2007) Diagnostik und Therapie der chronischen pulmonalen Hypertonie. Clin Res Cardiol 96: 301–330 57. Mereles D, Ehlken N, Kreuscher S (2006) Exercise and respiratory training improve exercise capacity and quality of life in patients with severe chronic pulmonary hypertension. Circulation 114: 1482–1489 58. Griffiths TL, Burr ML, Campell IA (2000) Results at 1 year of outpatient multidisciplinary pulmonary rehabilitation: a randomised controlled trial. Lancet 355: 362–368 59. Vonbank K, Funk GC, Marzluf B et al. (2008) Abnormal pulmonary arterial pressure limits exercise capacity in patients with COPD Wien Klin Wochenschr 120: 749–755 60. Mereles D, Ehlken N, Kreuscher S et al (2006) Exercise and respiratory training improve exercise capacity and quality of life in patients with severe chronic pulmonary hypertension. Circulation 114(14): 1482–1489 61. Holle D (2004) Prä- und postoperative Maßnahmen in der Rehabilitation bei Lungentransplantation (LTx). Vortrag beim 45. Kongress der Dt. Gesellschaft f. Pneumologie, Frankfurt/Main
35
36 36 Hypertrophietraining der peripheren Muskulatur A.J.R. van Gestel, S. Teschler, H. Teschler
36.1
Praxis: Hypertrophietraining
36.2
Literatur
– 280
– 281
Das Hypertrophietraining genießt innerhalb der Behandlung von COPD-Patienten einen Mehrwert, da die Patienten u.a. durch eine verminderte periphere Muskelkraft in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind [1, 4, 5, 11]. Spruit et al. verglichen bei 48 COPD-Patienten die Effekte eines Hypertrophie- und eines kardiopulmonalen Ausdauerkapazitätstrainings auf periphere und respiratorische Kraft; sie verglichen die Ausdauerkapazität und die Gehstrecke beim 6-Minuten-Gehtest [11]. Die Studiendauer betrug 12 Wochen, in denen die Patienten 3-mal wöchentlich 90 Minuten trainierten. Beide Gruppen zeigten zu Ende des Trainings eine signifikante Verbesserung der Muskelkraft und Gehstrecke. Nur bei Patienten, die ein kardiopulmonales Ausdauertraining absovierten, wurde eine signifikante Zunahme der maximalen Wattleistung und VO2max (maximale O2-Aufnahme) festgestellt [11]. Fazit Das Hypertrophietraining scheint deutlichere Effekte auf die krankheitsbezogene Lebensqualität zu zeigen als ein Ausdauertraining [6]. Dieses Training ist auf große Muskelgruppen (Beinmuskulatur oder komplexe kinetische Ketten) ausgerichtet; die Muskelaktivität wirkt dem katabolen Stoffwechsel entgegen und bringt signifikante Änderungen des peripheren Metabolismus [7].
36.1
Praxis: Hypertrophietraining
Das Hypertrophietraining der peripheren Muskulatur beinhaltet standardisierte Übungen der medizinischen Trainingstherapie (MTT) zum Muskelaufbau der oberen und unteren
Extremitäten sowie des Rumpfes. Die Kräftigung bezieht sich auf 4 die autochtone Rückenmuskulatur im BWS-Bereich, 4 die Außenrotatoren des Schultergelenks (z.B. M. teres minor und M. infraspinatus), 4 die Schulterblattadduktoren und -depressoren (z.B. M. trapezius pars transversus und pars ascendens) (Kap. 32) und 4 die abdominale Muskulatur (Kap. 7). In Anlehnung an die Oddvar-Holten-Kurve (Kap. 22) wird die Trainingsintensität mit 60% der möglichen Maximalkraftleistung (1RM: Repetition Maximum, Wiederholungsmaximum) berechnet [8–10]. Ausführung Die Bewegungen werden langsam und technisch einwandfrei ausgeführt, d.h., das Verhältnis zwischen konzentrischer und exzentrischer Muskelarbeit beträgt 2:4 Sekunden, wobei auf die Atemtechnik geachtet wird. Die Übungen werden mit submaximaler Belastung (60% der Maximalkraft) maximal 8- bis 15-mal pro Serie wiederholt. Die Bewegungen sollen langsamdynamisch ausgeführt werden, ohne Pressatmung [8–10]. Die Kraft der unteren Extremitäten wird z.B. trainiert: 4 global in geschlossener Kette (Beinpresse), 4 isoliert zum Aufbau des M. quadriceps femoris (Beinstrecker) und 4 funktionell mittels Treppensteigen. Die Behandlung findet in den ersten 2–3 Wochen 2-mal, anschließend 3-mal wöchentlich statt. Die Trainingsdauer beträgt anfangs 60, später 120 Minuten (7 Übersicht 36.1).
281 36.2 · Literatur
. Übersicht 36.1. Intensität eines Hypertrophietrainings der peripheren Muskulatur 1. 2. 3. 4. 5. 6.
36.2
Dauer der Trainingseinheit: 1–2 Stunden Anzahl der Serien, Wiederholungen pro Serie: 3×12 Intensität des Einzelreizes: 60% der Maximalkraft Muskelkontraktionsform: Konzentrisch, exzentrisch Pausendauer: 1–3 Minuten Regenerationszeit: 48 Stunden
Literatur
1. Franssen FM, Wouters EF, Schols AM (2002) The contribution of starvation, deconditioning and ageing to the observed alterations in peripheral skeletal muscle in chronic organ diseases. Clin Nutr 21(1): 1–14 2. Jeffery Mador M, Kufel TJ, Pine da L (2000) Quadriceps fatigue after cycle exercise in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 161(2Pt 1): 447–453 3. Decramer M, Gosselink R, Troosters T et al. (1997) Muscle weakness is related to utilization of health care resources in COPD patients. Euro Respir J 10: 417–423 4. Pfeifer M (2006) COPD – nichtmedikamentöse Therapie. Urban & Vogel, München; 101: 293–300 5. Serres I, Gautier V, Verray A, Prefaut C (1998) Impaired skeletal muscle endurance related to phisical inactivity and altered lung function in COPD Patients. Chest 113: 900–905 6. Puhan MA, Schünemann HJ, Frey M, Scharplatz M, Bachmann LM (2005) How should COPD patients exercise during respiratory rehabilitation? Comparison of exercise modalities and intensities to treat skeletal muscle dysfunktion. Thorax 60: 367–375 7. Halle M, Heitmann RH, Kenn K et al. (2008) Bedeutung und Methodik von körperlichem Training bei COPD. Pneumologie 62: 1–17 8. Worth H, Meyer A, Folgerling H et al. (2000) Empfehlungen der Deutsche Atemwegsliga zum Sport und körperlichen Training bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen. Urban & Vogel, München; 95: 123–129 9. Würtemberger G, Bastian K (2001) Funktionelle Effekte unterschiedlicher Trainingsformen bei Patienten mit COPD. Pneumologie 55: 553–562 10. Gustavsen R, Streeck R (2008) Trainingstherapie im Rahmen der Manuellen Medizin. Thieme, Stuttgart 11. Spruit MA, Gosselink R, Troosters T et al. (2002) Resistance versus endurance training in patients with COPD and peripheral muscle weakness. Eur Respir J 19:1072–1078
36
37 37 Training der Inspirationsmuskeln A.J.R. van Gestel, H. Teschler
37.1
Praxis: Inspiratorisches Muskeltraining
– 282
37.2
IMT bei COPD-Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz – 284
37.3
Literatur
– 285
Inspiratorisches Muskeltraining (»inspiratory muscle trai-
ning«, IMT) hat einen positiven Einfluss auf die inspiratorische Leistungsfähigkeit von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen und sollte das übliche physiotherapeutische Training im Rahmen eines COPD-Rehabilitationsprogramms ergänzen. Ein isoliertes Training der Inspirationsmuskeln (IMT) durch Atmung gegen Widerstände unter Kontrolle der Atemstromstärke kann besonders bei Patienten mit ventilatorischer Insuffizienz zu einer Steigerung von Atemmuskelkraft, Ausdauer und allgemeiner Leistungsfähigkeit führen [1, 2, 9–16] (Evidenzgrad B). Klinische Studien und Metaanalysen zu diesem Thema zeigten positive Therapieeffekte folgender Zielparameter: 4 Verbesserung von Muskelkraft und Muskelausdauer, 4 Verbesserung der Lebensqualität (SRQ), 4 Zunahme der 6-Minuten-Gehstrecke und 4 Abnahme der Dyspnoe in Ruhe und bei Belastung [3, 4, 5]. Zusätzlich wurden positive Auswirkungen auf Hospitalisierung, Krankenhaustage und Anzahl der Arztkontakte festgestellt [5, 6].
Exkurs Studie: Training der Inspirationsmukulatur In einer Studie wurde die Inspirationsmuskulatur bei 16 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD 8 Wochen
37.1
Praxis: Inspiratorisches Muskeltraining
Für das IMT wird jeder Patient zunächst in eine Kleingruppe eingewiesen, in der das Training von einem Therapeuten überwacht wird. Zuhause sollte der Patient in Eigenregie weitertrainieren. Die Trainingsdauer sollte 20–30 min täglich betragen und konsequent umgesetzt werden. Ein Inspirationsmuskeltraining (IMT) ist, bezogen auf die bei COPD wesentlichen Therapiezielparameter, nur bei einem individuell angepassten inspiratorischen Belastungstraining effektiv. Im Folgenden werden einige Methoden aufge-
zeigt, die zur Verbesserung der Atemmuskelkraft eingesetzt werden können. Vier Methoden sind in der Praxis zu favorisieren (7 Übersicht 37.1). . Übersicht 37.1. Methoden zur Verbesserung der Atemmuskelkraft 1. 2. 3. 4.
Dosierter manueller Widerstand gegen die Inspiration IMT-Durchmesser-Methode IMT-Threshold-Methode Methode der isokapnischen Hyperpnoe
lang 3-mal pro Woche für etwa 20 Minuten trainiert [7]. Zuerst wurde mit 30% des zuvor individuell ermittelten PImaxWertes trainiert und dann gesteigert. Nach 8-wöchigem Training hatte sich der
maximal tolerierte Widerstand bei der Inspiration um ca. 29% (Mittelwert) erhöht, die Lebensqualität der Patienten verbessert und die 6-Minuten-Gehstrecke um 27 Meter verlängert [7].
283 37.1 · Praxis: Inspiratorisches Muskeltraining
. Abb. 37.1. Dosierter Widerstand gegen die Inspiration an den oberen Rippen und am Sternum
. Abb. 37.3. Dosierter Widerstand gegen die Inspiration im Bereich des Abdomens
. Abb. 37.4. Dosierter Widerstand gegen die Inspiration im Bereich der Flanken und Abdomen (kostodiaphragmale Atmung) mit Handtuch
ist möglich, je nach Dosierung wirkt dieser aktivierend oder kräftigend.
(. Abb. 37.1–Abb. 37.4)
IMT-Durchmesser-Methode Bei der IMT-Durchmesser-Methode wird das Prinzip des inspiratorischen Widerstandstrainings über ein Mundstück mit regulierbarem Durchmesser angewandt. Somit wird die Atemmuskulatur während der Inspiration vermehrt belastet und trainiert. Trainingsziel ist eine Verbesserung um mehr als 30% des zuvor individuell ermittelten PImax-Wertes, wobei man zunächst mit niedrigeren inspiratorischen Schwellendruckwerten beginnt und diese im weiteren Verlauf steigert [8].
Der Therapeut und auch der Patient kann mit seinen Händen im Bereich von Abdomen, unteren/oberen Rippen oder Sternum einen Widerstand geben. Zur Erschwernis kann man ein Theraband oder Tuch benutzen; es wird auf gewünschter Höhe um den Körper gelegt, um die Rippen in Ausatmungsstellung zu halten. Auch Widerstand nach dem PNF-Konzept
IMT-Threshold-Methode (. Abb. 37.5) Das Threshold-IMT® steigert auf physikalische Weise unkompliziert und effektiv die Kraft und Ausdauer der Inspirationsmuskeln. Der über ein federgeladenes Ventil individuell eingestellte Insirationswiderstand (9–41 cmH2O) sorgt dafür,
. Abb. 37.2. Dosierter Widerstand gegen die Inspiration im Bereich der unteren Rippen
Dosierter manueller Widerstand gegen die Inspiration
37
284
Kapitel 37 · Training der Inspirationsmuskeln
. Abb. 37.6. Ausdauertraining der Atemmuskulatur mit dem SpiroTiger Medical
. Abb. 37.5. Training der Inspirationsmuskeln über IMT-ThresholdMethode (Cegla 2009)
37
dass die erforderliche Muskulatur gezielt trainiert wird. Grundsätzlich wird mit etwa einem Drittel der maximalen Inspirationskraft trainiert, die von einem Facharzt ermittelt werden kann. Trainingsziel ist eine Verbesserung um mehr als 30% des zuvor individuell ermittelten PImax-Wertes. Das Training sollte mit niedrigeren inspiratorischen Schwellendruckwerten beginnen, die im weiteren Verlauf gesteigert werden [8]. Isokapnische Hyperpnoe: Atemtraining mit SpiroTiger Medical (. Abb. 37.6) Mit dem SpiroTiger kann kontrolliert eine isokapnische Hyperventilation durchgeführt werden. Mit dieser Methode werden die Gefahr einer respiratorischen Alkalose (verursacht durch übermäßiges Abatmen von CO2) und deren klinische Konsequenzen vermieden. Einige Autoren stellten nach einem Atmungsmuskelausdauertraining starke Verbesserungen bei COPD-Patienten fest: 4 Leistungssteigerung, 4 bessere Bekämpfung der Atemnot, 4 verbesserte Lebensqualität, 4 verbesserte Sauerstoffaufnahme, 4 gestärkte Atemmuskulatur bzw. Atmungsausdauer und 4 verbesserte neuromuskuläre Koordination [17, 18, 19, 20]. Auch Scherer et al. und Boutellier et al. zeigten, dass mit einem einfachen mobilen Gerät (SpiroTiger) hervorragende therapeutische Erfolge (Reduktion der Atemnot sowie Steigerung
der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität) bei COPD-Patienten erzielt werden können [17, 21]. Auch Patienten mit zystischer Fibrose (Mukoviszidose) profitieren vom Atemtraining mit dem SpiroTiger Medical [21–23]. Bei einer Crossover-Studie mit 27 Patienten wurde festgestellt, dass nach einem Trainingsprogramm (8 Wochen, 2-mal täglich 10 Minuten) mit dem SpiroTiger Medical Verbesserungen erreicht wurden: 4 ein erhöhter Schleimauswurf, 4 eine vergrößerte Thoraxmobilität, 4 verbesserte Lungenvolumenwerte (FEV1, Vitalkapazität) und 4 eine Leistungssteigerung [23].
37.2
IMT bei COPD-Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz
! Cave Besonders bei COPD-Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz ist ein Atemmuskeltraining gefährlich. Bei bereits eingetretener Erschöpfung der muskulären Atempumpe ist eine Ruhigstellung der Atemmuskulatur durch therapeutische Lagerung (Kap. 41) oder eine nichtinvasive Beatmung (NIV) (Kap. 42) angebracht, um die Funktion der Atempumpe zu verbessern.
Die Überlegung, dass eine bei körperlicher Belastung auftretende Ermüdung der Atmungsmuskulatur möglicherweise durch eine Entlastung der Atmungsmuskulatur hinausgezögert werden kann, sollte bei der Behandlung lungenerkrankter Patienten berücksichtigt werden. Bei diesen Patienten müssen Beatmungsdruck und Atemfrequenz nach arztlicher Anweisung behutsam angepasst werden, um die Kombination von Belastung und Beatmung tolerabel zu gestalten und einen effizienten Support durch die NIV zu gewährleisten [8]. Sowohl negative als auch positive Druckbeatmung ermöglicht eine Ruhigstellung der Atemmuskulatur, wobei die über Nasen- bzw. Nasen-Mund-Maske angewandte positive Druckbeatmung bevorzugt wird. Zur
285 37.3 · Literatur
möglichst kompletten Entlastung der überlasteten Atemmuskulatur wird eine kontrollierte Beatmung vorgezogen. Ein nachfolgendes IMT sollte sich bei COPD-Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz nicht an vorgegebenen Schemata, sondern nur an den individuellen Kapazitäten des Patienten orientieren. Dies bedeutet, dass Einzeltherapien stattfinden müssen, um 4 Anzeichen einer Überlastung, 4 Tagesschwankungen, 4 Trainingsentwicklung und 4 sich andeutende Exazerbationen frühzeitig erkennen zu können. Auch direkt nach der Therapie ist eine genaue Beobachtung des klinischen Bildes des Patienten dringend erforderlich. ! Cave Man kann davon ausgehen, dass die Atmungsmuskulatur (ebenso wie die Skelettmuskulatur) nach der Therapie erschöpft ist, wodurch sich die respiratorische Globalinsuffizienz verstärkt. Auch kann es beim Atmen gegen einen hohen inspiratorischen Widerstand zwangsläufig zu einem erschöpfungsbedingten Therapieabbruch kommen (»task failure«).
Klinisches Monitoring Die perkutane Messung von Sauerstoffsättigung und CO2 sowie subjektive Dyspnoe und Ermüdung, gemessen anhand der Borg-Skala, gelten als geeignete Parameter, wobei normale bis leicht erniedrigte paCO2-Werte anzustreben sind.
37.3
Literatur
1. Belman MJ, Botnick WC, Nathan SD (1994) Ventilatory load characteristics during ventilatory muscle training. Am J Respir Crit Care Med 149: 925–929 2. Rossaint R, Werner C, Zwissler B (2008) Allgemeine und spezielle Anästhesiologie, Schmerztherapie und Intensivmedizin. Die Anästhesiologie 3. Magadle R, McConnell AK, Beckerman M (2007) Inspiratory muscle training in pulmonary rehabilitation program in COPD patients. Respir Med 101: 1500–1505 4. Geddes EL, Reid WD, Crowe J (2005) Inspiratory muscle training in adults with chronic obstructive pulmonary disease: a systematic review. Respir Med 99: 1440–1458 5. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (2006) Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease. NHLBI/WHO workshop report. Bethesda National Heart, Lung and Blood Institute. www.goldcopd.com 6. Beckerman M, Magadle R, Weiner M (2005) The effects of 1 year of specific inspiratory muscle training in patients with COPD. Chest 128: 3177–3182 7. Hill K, Jenkins SC, Philippe DL et al. (2006) High-intensity inspiratory muscle training in COPD. Eur Respir J 27: 1119–1128 8. Halle M, Heitmann RH, Kenn K, Petro W, Schultz K (2008) Bedeutung und Methodik von körperlichem Training bei COPD. Pneumologie 62; 1–17
9. Dekhuijzen PNR, Folgering HThM, Herwaarden CLA v (1991) Target-flow inspiratory muscle training during pulmonary rehabilitation in patients with COPD. Chest 99: 128–133 10. Heijdra YF, Dekhuijzen PNR, Herwaarden CLA v et al. (1996) Nocturnal saturation improves by target-flow inspiratory muscle training in patients with COPD. Am J Respir Crit Care Med 153: 260–265 11. Larson JL, Kim MJ, Sharp JT, Larson DA (1988) Inspiratory muscle training with a pressure threshold breathing device in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am Rev Respir Dis 138: 689–696 12. Lisboa C, Munoz V, Beroiza T, Leiva A, Cruz E (1994) Inspiratory muscle training in chronic airflow limitation: comparison of two different training loads with a threshold device. Eur Respir J 7: 1266–1274 13. Lisboa C, Villafranca C, Leiva A et al. (1987) Inspiratory muscle training in chronic airflow limitation: effect on exercise performance. Eur Respir J 10: 537–542 14. Patessio A, Rampulla C, Fracchia C et al. (1989) Relationship between the perception of breathlesness and inspiratory resistive loading: a report on a clinical trial. Eur Respir J 7: 587–591 15. Preusser BA, Winningham ML, Clanton TL (1994) High- vs low-intensity inspiratory muscle interval training in patients with COPD. Chest 106: 110–117 16. Wanke T, Formanek D, Lahrmann H et al. (1994) The effects of combined inspiratory muscle and cycle ergometer training on exercise performance in patients with COPD. Eur Respir J 7: 2205– 2211 17. Scherer TA, Spengler CM, Owassapian D et al. (2000) Respiratory Muscle Endurance Training in Chronic Obstructive Pulmonary Disease Impact on Exercise Capacity, Dyspnea, and Quality of Life. Am J Respir Crit Care Med 162: 1709–1714 18. Belman MJ, Mittman C (1980) Ventilatory muscle training improves exercise capacity in chronic obstructive pulmonary disease patients. Am Rev Respir Dis 121: 273–280 19. Levine S, Weiser P, Gillen J (1986) Evaluation of a ventilatory muscle endurance training program in the rehabilitation of patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am Rev Respir Dis 133: 400–406 20. Weiner P, Magadle R, Berar-Yanay N et al. (2000) The cumulative effect of long-acting bronchodilators, exercise, and inspiratory muscle training on the perception of dyspnea in patients with advanced COPD. Chest 118: 672–678 21. Ollig U (2004) Die Arbeit mit dem SpiroTiger bei CF-Patienten – ein Erfahrungsbericht. Vortrag beim 3. idiag-Symposium. SPZ Nottwil, Schweiz 22. Kamin W (2005) Klinische Evaluation des SpiroTigers bei Mucoviscidose-Patienten – Verbesserung der Lungenfunktion? Vortrag beim 4. idiag-Symposium. SPZ Nottwil, Schweiz 23. Kamin W (2006) Der SpiroTiger® Medical – ein neues Trainingsgerät für die Atemmuskulatur von Mukoviszidose-Patienten Eur Resp J 28 Suppl. 50: 7169 24. Boutellier U, Scherer TA, Spengler CM et al. (2000) Respiratory Muscle Endurance Training in Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Am I Respir Crit Care Med 162: 1709–1714
37
38 38 Verbesserung der Thoraxmobilität A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
38.1
Ursachen einer Hypomobilität
38.2
Praxis: Thoraxmobilisation
38.3
Der Schultergürtel
– 286
38.4
Praxis: Behandlung des hypomobilen Schultergürtels – 291
38.5
Literatur
– 288 – 291
– 290
Nach dem Konzept der Manuellen Therapie wird ein Gelenk hauptsächlich oszillierend bewegt. Oszillationen sind kleine, passive Bewegungen im physiologischen oder akzessorischen (vom Patienten nicht allein ausführbaren) Bereich, die durch Muskelspannung jederzeit gestoppt werden können. Jede passive Bewegung weist unterschiedliche Amplituden auf, die in Grade unterteilt werden. Die Grade geben Auskunft über das Bewegungsausmaß und gewährleisten eine bessere Orientierung bzgl. Bewegungsintensität und Dosierung (. Abb. 38.1). Definition Bewegungsgrade I–IV 4 Grad I: Bewegungen mit kleiner Amplitude zu Beginn der Gelenkbewegung, kein Widerstand spürbar 4 Grad II: Große Amplitude innerhalb des freien Bewegungsausschlages, kein Widerstand spürbar 4 Grad III: Bewegungen mit großer Amplitude bis zum Ende des Bewegungsausschlags, mit spürbarem Widerstand 4 Grad IV: Kleine Amplitude am Ende des Bewegungsausschlags
. Abb. 38.1. Bewegungsgrade I–IV. Oben Normale Bewegungsgrade; A-B: normaler durchschnittlicher Bewegungsspielraum eines Gelenks. Unten Bewegungsgrade bei Hypomobilität: L Endpunkt des Bewegungsspielraums eines hypomobilen Gelenks (Mink 1990)
38.1
Ursachen einer Hypomobilität
Der genauen Differenzierung der Ursachen einer Thoraxhypomobilität kommt bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung bei der Wahl der Intervention große Bedeutung zu: Behandlungsrichtung, Bewegungsausmaß und mobilisierende Technik sollten individuell, der Ursache entsprechend angepasst werden. Die Ursachen einer Thoraxhypomobilität bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung lassen sich in sechs Gruppen unterteilen, zusammengefasst in 7 Übersicht 38.1.
287 38.1 · Ursachen einer Hypomobilität
. Übersicht 38.1. Ursachen einer Thoraxhypomobilität 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Mechanische Blockierung, verursacht durch Lungenüberblähung Widerstand durch ligamentäre oder kapsuläre Einschränkungen Widerstand durch Schmerzen Arthrose Akutsymptomatik einer Exazerbation mit vegetativer Überreizung Muskulär bedingte Hypomobilität
Mechanische Blockierung durch Lungenüberblähung Die Deblockierung einer durch die Lungenüberblähung verursachten mechanischen Blockierung ist fast unmöglich. Nur über atemtherapeutische exspiratorische Maßnahmen (Kap. 30) oder eine chirurgische Lungenvolumenreduktion (LVRS) ist eine Abnahme der Lungenüberblähung möglich. Eine abnehmende Lungenüberblähung führt zu intrathorakaler Raumforderung und sollte umgehend mittels manueller Techniken an Thorax und BWS unterstützt werden. Ziel ist es, die blockierte Thoraxseite in die antagonistische Richtung der Atembewegung (d.h. in kaudo-, medio- und dorsale Richtung) zu öffnen. Ligamentäre und kapsuläre Einschränkungen Bei ligamentären und kapsulären Einschränkungen bringt eine Bindegewebsverhärtung physikalischen Widerstand entgegen, 4 entweder im Endbereich der Bewegung (EOR): Symptome treten vermehrt am Ende der durch Steifigkeit eingeschränkten Beweglichkeit auf, 4 oder durch den gesamten Bewegungsbereich (ROM): Symptome treten während des gesamten Bewegungsablaufs auf. Mobilisation
4 Bei Steifigkeit durch den gesamten Bewegungsbereich, werden kräftige, große Bewegungen (Grad III) bis zur Endstelle durchgeführt. 4 Bei Steifigkeit am Bewegungsende werden kräftige, aber kleine Bewegungen (Grad IV) bis zur Endstellung durchgeführt. Um die Mobilität über Verlängerung bzw. Dehnung der passiven Strukturen zu fördern, können unterschiedliche TechExkurs Akzessorische Bewegungen Akzessorische Bewegungen können einen schmerzlindernden Effekt hervorrufen, wobei Erklärungsmechanismen dafür spekulativ bleiben. Eine mögliche Erklärung ist u.a. die Gate-Control-Theorie. Diese geht davon aus, dass der Schmerz-
niken eingesetzt werden. Sehr effektiv für die Behandlung von ligamentären und kapsulären Einschränkungen sind akzessorische translatorische Techniken und/oder rotatorische Bewegungen, die den Alltagsbewegungen entsprechen. Schmerzen Bei Einschränkungen durch Schmerzen wird als Erstes unterschieden, welcher Art die Schmerzen sind: 4 lokale Schmerzen in Gelenknähe oder 4 ausstrahlende Schmerzen. Lokale Schmerzen
Bei lokalen Schmerzen sind kleine, langsame, rhythmische, akzessorische oder physiologische Bewegungen (Grad I, II) oder spannungsfreie, rotatorische, physiologische Bewegen bis zum Schmerzbeginn indiziert. Das zu behandelnde Gelenk sollte möglichst in eine vollständig schmerzfreie Ausgangsstellung gebracht werden. Ausstrahlende Schmerzen Bei ausstrahlenden Schmerzen macht man kleine, langsame, rhythmische Bewegungen (Grad I, II) im scherzfreien Gebiet
und überprüft nach 24 Stunden eine evt. Verschlimmerung der Beschwerden. Vorausgesetzt, dass die Symptome sich nicht verschlimmert haben, kann die Technik wiederholt werden und später bis zum Schmerzbeginn durchgeführt werden. Falls eine Verschlimmerung eintritt, muss die Bewegungsamplitude verringert werden. Arthrose Je nach Arthrosestadium sind primär manueltherapeutische Maßnahmen, auch in Verbindung mit physikalischer Therapie, sinnvoll. Im Anfangsstadium reichen diese als Behandlung oft aus. Eine Arthrose betrifft nicht nur den Gelenkknorpel, sondern auch das intra- und extraartikuläre Gewebe und führt letztendlich zur Dysfunktion des Gelenks. Der Gelenkknorpel ist das Gewebe, in dem sich bei degenerativen Gelenkerkrankungen die ersten und wichtigsten Veränderungen abspielen. Er ist ständigen Druck- und Scherbelastungen ausgesetzt. Da der Knorpel keine eigene Blutgefäßversorgung hat, sondern hauptsächlich mittels Perfusion von der Gelenkflüssigkeit ernährt wird, kommt der manuellen Therapie in der Arthrosebehandlung eine besondere Bedeutung zu. Durch passives akzessorisches Bewegen Grad I, II (Traktion) kann der Gelenkknorpel entlastet und remodelliert werden, wodurch sich die Ernährung der Chondrozyten verbessert. Zudem lassen sich durch akzessorisches Bewegen Grad III, VI (Distraktion) bereits vorhandene Kapselschrumpfungen dehnen.
reiz auf spinalem Niveau gehemmt wird, wenn die dicken myelinisierten Nervenfasern selektiv durch Bewegung erregt werden. Dann wird die Weiterleitung der Schmerzafferenzen über Nozirezeptoren zu Rückenmark und ZNS blockiert. Auch eine mögliche Erklärung ist die direkte Er-
regung von Nozirezeptoren (CentralControl-Theorie) durch passives Bewegen. Zusätzliche Mechanismen wie Senkung des Muskeltonus und des intraartikulären Drucks werden diskutiert.
38
288
Kapitel 38 · Verbesserung der Thoraxmobilität
Akutsymptomatik: Exazerbation mit vegetativer Überreizung Im Brustwirbelsäulenbereich ist das animale Nervensystem eng mit dem vegetativen verknüpft (Kap. 14), wodurch Störmöglichkeiten zwischen der Funktion von BWS und Thorax einerseits und der Funktion von Herz, Kreislauf, Atmung und Oberbauchorganen andererseits auftreten können [4]. Funktionsstörungen können sehr schmerzhafte und therapierefraktäre reflektorische Schmerzsyndrome an der Brustwirbelsäule verursachen. In direkter Nähe zu den Rippenköpfchen verlaufen die 10–11 paarigen Grenzstrangganglien, die aus den Seitenhörnern des Rückenmarks versorgt werden [1]. Die Ganglien sind sowohl untereinander als auch mit ihrem Versorgungsgebiet (innere Organe und Bewegungssystem) und den Spinalnerven verbunden. Dadurch können sich an der Brustwirbelsäule viszerovertebrale und psychoemotionale Schmerzsyndrome manifestieren (Kap. 14) [5, 6, 7]. Tipp
Es ist zu prüfen, ob sich eine viszerale Pathologie evt. als Erkrankung am Bewegungsapparat tarnt und umgekehrt, ob eine Störung des Bewegungsapparates als viszerogene Erkrankung erscheint (. Tab. 38.1).
Sobald die Akutsymptomatik einer Exazerbation abgeklungen und es der Zustand des Patienten erlaubt, sind Interventionen wie Ökonomisierung der Atmung mittels Verbesserung der Thoraxmobilität durch Manuelle Therapie (WS, Thorax, Schultergürtel), Dehnlagerungen und rhythmische Eigenmobilisationsübungen indiziert. Muskulär bedingte Einschränkungen ! Cave Wenn eine Bewegung zu Schmerzen und konsekutiv zu einem reflektorischem Muskelspasmus führt, sollten oszillierende Bewegungen vermieden werden!
38
Die Bewegung wird bis zum Schmerzbeginn und Eintreten eines reflektorischen Muskelspasmus ausgeführt. Diese Position wird dann so lange gehalten, bis die Schmerzen und der reflektorische Muskelspasmus nachlassen (max. eine Minute). Das Prozedere wird vorsichtig zunehmend gesteigert. Bei ungenügendem Nachlassen des reflektorischen Muskelspasmus ist eine gezielte Muskelbehandlung erforderlich, mit Muskeldehnungs- und Detonisierungstechniken (Kap. 32).
38.2
Praxis: Thoraxmobilisation
38.2.1 Verbesserung der eingeschränkten
Thoraxbeweglichkeit (Hypomobilität) Zur Verbesserung der Brustwirbelsäulenbeweglichkeit sind zahlreiche aktive und passive Behandlungstechniken indiziert (Techniken und Handgriffe, Kap. 24). Die Thoraxmobilisation ist eine Behandlung an 4 Brustwirbelsäule, 4 Rippenverbindungen, 4 Schulter-, Sternoklavikular- und Akromioklavikulargelenk, um die Atemwiderstände zu reduzieren bzw. hemmen. Zudem sind die Bewegungen der Rippenwirbelgelenke für die In- und Exspiration von wesentlicher Bedeutung. Kostovertebralgelenke und Kostotransversalgelenke bilden funktionell und klinisch gesehen eine Einheit [4]. Aufgrund der unterschiedlichen Gelenkarten erzeugen die Rippenpaare 2–6 (Drehgelenk) eine andere Rippenbewegung (anteriore Elevation der Rippen) als die Rippenpaare 7–12 (laterale Elevation der Rippen). Insgesamt wird dadurch das Thoraxvolumen bei der Inspiration stark erweitert. Erkrankungen, die diese Beweglichkeit einschränken (z.B. Morbus Scheuermann, Morbus Bechterew) führen zu Störungen der Atembewegung (Atemexkursion).
. Tab. 38.1. Differenzialdiagnostik von Schmerzen des Bewegungsapparates und der inneren Organe
Spezifikation
Bewegungsapparat
Organ
Lokalisation
Klar, gut lokalisierbar
Eher diffus, konstant, tief, manchmal segmentale Ausstrahlung
Verhalten
Biomechanisches Verhalten: Bewegungen (z.B. Atembewegung) und Haltung verändern die Symptome
Kein biomechanisches Verhalten; eher abhängig von Tageszeit, Essen, Medikamenten, Wasserlösen oder Stuhlgang, Fieber, Unwohlsein
Organspezifische Fragen
o.B.
Dyspnoe, Ermüdung, Fieber, allgemeines Unwohlsein, »nicht fit sein«, assozierte Symptome wie Brechreiz, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Magenkrämpfe, Gewichtsverlust, Gewichtszunahme, Atembeschwerden, Schwitzen, Gänsehaut, Darm-/Blasenprobleme
Vorgeschichte (Hx)
Auslöser bekannt, frühere Episoden, Trauma, Stress, Use-Kategorien
Unklar
Körperliche Untersuchung (P/E)
Klare Zeichen, oft reproduzierbare oder vergleichbare Zeichen
Unklares, segmentales Muster: Übertragungsphänome auf andere Segmentstrukturen (Kap. 11)
289 38.2 · Praxis: Thoraxmobilisation
. Abb. 38.3. Mobilisation der 1. Rippe im Liegen
. Abb. 38.2. Mobilisation der 1. Rippe im Sitzen
Segmentale Rippenmobilisation Eine Fehlstellung von Rippe oder Rippegelenk wird mit speziellen Griffen und möglichst geringem Kraftaufwand mobilisiert. Vertiefung der Exspiration bei Inspirationsfehlstellung einer Rippe Die stechenden Schmerzen, die bei der Inspiration ab und zu als Schmerz vom linken Schulterblatt bis in den Thorax ausstrahlen, können auf eine Rippenfunktionsstörung zurückzuführen sein. Ursache ist häufig eine Blockierung bzw. Inspirationsfehlstellung einer Rippe. Als reflektorische Antwort hat sich ein Teil der Interkostalmuskulatur (Mm. intercostales externi), Mm. levatores costarum und M. serratus posterior superior) verspannt, um das Gelenk in seiner momentanen Lage zu stabilisieren. Die Therapie der Wahl ist eine vorsichtige Mobilisation des nicht mehr richtig funktionierenden Gelenks bei gleichzeitiger Vertiefung der Exspiration. Ergänzt wird die Behandlung durch Interkostalausstreichungen zur Detonisierung der Interkostalmuskeln (Kap. 34). Mobilisation der 1. Rippe (. Abb. 38.2, Abb. 38.3)
Die Mobilisation der 1. Rippe wird im Sitzen oder in Rückenlage durchgeführt. Der Therapeut steht am Kopfende. Er platziert die Daumen quer in den Raum zwischen Trapezius pars descendens und Klavikula und drückt die 1. Rippe in der Exspirationsphase nach kaudal.
. Abb. 38.4. Mobilisation der 2.–6. Rippe in Rückenlage
Mobilisation der 2.–6. Rippe (. Abb. 38.4)
Die Rippen 2–6 werden in Rückenlage mobilisiert. Der Therapeut steht am Kopfende des Patienten. Er platziert die Daumen-Zeigefinger-Gabel seiner Hand quer in den Interkostalraum und hält den Arm des Patienten in Elevation. Bei der Inspiration gehen die Rippen nach kranial mit, bei der Exspiration gibt der Therapeut mit seinem Caput metacarpale II einen leichten Druck auf die Rippe des Patienten nach kaudal. Mobilisation der 7.–12. Rippe (. Abb. 38.5)
Die Rippen 7–12 werden in Seitenlage mobilisiert. Die untere Rippenseite wird leicht unterlagert, so dass der Patient in leichter Lateralflexion liegt. Der Therapeut steht diagonal am Kopfende des Patienten. Er hält den Patientenarm in Abduktion und kann so die Lateralflexion und Rippenspreizung im BWS-Bereich beeinflussen. Die Daumen-Zeigefinger-Gabel der anderen Hand liegt im Interkostalraum und gibt bei Exspiration mit Daumen und Caput metacarpale II einen leichten Druck auf den Angulus costae nach kaudal.
38
290
Kapitel 38 · Verbesserung der Thoraxmobilität
Mobilisation der 7.–12. Rippe
Die Rippen 7–12 werden in Seitenlage mobilisiert. Der Therapeut steht am Kopfende des Patienten. Er platziert die Daumen-Zeigefinger-Gabel seiner Hand quer in den Interkostalraum und fixiert die Rippe unterhalb der hypomobilen Rippe nach kaudal. In der Inspirationsphase bewegt der Therapeut den Arm des Patienten in Flexionselevation und zieht die zu mobilisierende Rippe nach kranial. Die Daumen-ZeigefingerGabel fixiert die kaudale Rippe in kaudale Richtung, wodurch sich der Interkostalraum weitet. Der Arm bleibt während der Exspiration fixiert.
38.3
Der Schultergürtel
Der Schultergürtel besteht aus: 4 dem Schultergelenk (Art. glenohumeralis) und 4 den Schultergürtelgelenken: 5 Art. sternoclavicularis (SC), 5 Art. acromioclavicularis (AC) und 5 Art. scapulothoracalis (Gelenk zwischen Skapula und Thorax).
. Abb. 38.5. Daumen-Zeigefinger-Gabel. Die Hand des Therapeuten liegt im Interkostalraum und gibt bei der Exspiration mit Daumen und Caput metacarpale II einen leichten Druck auf das Angulus costae der Rippe nach kaudal
38
Vertiefung der Inspiration bei Exspirationsfehlstellung einer Rippe Stechende Schmerzen, die bei der Inspiration gelegentlich vom linken Schulterblatt bis in den Thorax zu spüren sind, können durch eine Rippenfunktionsstörung verursacht sein, durch eine Blockierung bzw. Exspirationsfehlstellung einer Rippe. Als reflektorische Antwort verspannen sich Mm. intercostales interni, Mm. subcostales, M. transversus thoracis und M. serratus posterior inferior verspannt, um das Gelenk in seiner Lage zu stabilisieren. Indiziert ist eine vorsichtige Gelenkmobilisation bei gleichzeitiger Vertiefung der Inspiration. Mobilisation der 1. Rippe
Siehe . Abb. 38.2, Abb. 38.3. Mobilisation der 2.–6. Rippe
Die Rippen 2–6 werden in Rückenlage mobilisiert. Der Therapeut steht am Kopfende des Patienten. Er platziert die Daumen-Zeigefinger-Gabel seiner Hand quer in den Interkostalraum und fixiert die Rippe unterhalb der zu mobilisierenden Rippe nach kaudal. In der Inspirationsphase bewegt der Therapeut den Arm des Patienten in Abduktionselevation und zieht so die hypomobile Rippe nach kranial. Die DaumenZeigefinger-Gabel fixiert die kaudale Rippe in kaudale Richtung, wodurch sich der Interkostalraum weitet. Der Arm bleibt während der Exspiration fixiert.
Biomechanisch und funktionell bilden alle Gelenke eine Einheit. Häufig findet man auch an den stammnahen Gelenken (Schulter-, Sternoklavikular- und Akromioklavikulargelenk) klinisch relevante Haltungsabweichungen. Diese Übertragung erklärt sich durch die Anatomie des Thorax: Durch den Rippen-Sternum-Käfig sind Brustwirbelsäule und die kleinen Wirbelgelenke relativ torsionsfest miteinander verspannt.
38.3.1 Schultergelenk (Art. glenohumeralis) Die Bewegungseinschränkung des Schultergelenks wird in vier Schweregrade eingeteilt, die in 7 Übersicht 38.2 dargestellt sind. . Übersicht 38.2. Stadien der Bewegungseinschränkung im Schultergelenk 1. Stadium 1: Leichte Einschränkung der aktiven Beweglichkeit, vor allem Flexion und Abduktion werden durch verstärkte Skapulamitbewegung kompensiert. Passiv ist die Schulter frei beweglich 2. Stadium 2: Leichte Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit, besonders Flexion/Abduktion/Außenrotation 3. Stadium 3: Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit; Protraktion des Schultergürtels mit abduzierter Skapula in Schulter-0-Stellung. Protraktion ist noch korrigierbar 4. Stadium 4: Erhebliche Einschränkungen der Schulterbeweglichkeit; ventrale oder kranioventrale Subluxation des Humeruskopfes. Die Protraktion des Schultergürtels ist nicht korrigierbar
291 38.5 · Literatur
Bei Patienten mit einer obstruktiven Lungenerkrankung und hypomobilem Schultergürtel wird das globale Therapiekonzept in 7 Übersicht 38.3 vorgeschlagen. . Übersicht 38.3. Therapeutisches Vorgehen bei Hypomobilität des Schultergürtels 1. 2. 3. . Abb. 38.6. Sternoklavikulargelenk (Butting 2008 [8])
4. 5. 6.
Bei Patienten mit schweren Lungenerkrankungen verlieren die Schulterblätter durch zunehmende Protraktions-/Elevations-/Abduktionsstellung ihre optimal kongruente Auflagefläche auf dem Thorax und verlagern sich in lateroventrale Richtung. Der Schultergürtel wird zunehmend instabiler und verliert seine Beweglichkeit (bzw. den Aktionsradius).
38.3.2 Sternoklavikular- und Akromio-
klavikulargelenk Das Sternoklavikulargelenk ist das einzige echte Gelenk zwischen oberer Extremität und Thorax. Die laterale Begrenzung der Klavikula, Extremitas acromialis, trägt ein kleine ovale Gelenkfläche für das Akromioklavikulargelenk. Die mediale Begrenzung der Klavikula, Extremitas sternalis, ist kolbenförmig verbreitert und schließt mit einer sattelförmigen Gelenkfläche zur Incisura clavicularis des Sternums ab (Sternoklavikulargelenk, . Abb. 38.6). Bei entspanntem Oberarm befindet sich die Klavikula annähernd in Horizontallage und kann aus dieser Neutral-Null-Stellung heraus ca. 50° gehoben, ca. 5° gesenkt und ca. 20° nach ventral oder dorsal bewegt werden [8].
7.
38.5 38.4
Praxis: Behandlung des hypomobilen Schultergürtels
Bei einer chronischen Lungenüberblähung mit sagittal vergrößertem Thoraxdurchmesser verliert die bereits in Protraktion/Elevation/Abduktion stehende Skapula ihre Unterstützungsfläche und verschiebt sich weiter nach lateroventral. Damit verliert der Schultergürtel die Basis für die Kraftübertragung auf den Rumpf, und die Arme werden in Innenrotation gezogen. Auch hypertone und verkürzte Inspirations- (vor allem Mm. pectorales) und Hustenmuskeln (vor allem M. latissimus dorsi, M. teres major und M. subscapularis) ziehen Glenohumeralgelenk und Arme in Innenrotation/Extension/Adduktion. Zudem fördern sie eine Kyphosierung der Brustwirbelsäule. Diese Stellungsveränderung mindert Aktionsradius und Bewegungsstabilität des Glenohumeralgelenks und führt letztendlich zur Atrophie der Armmuskulatur. Die Last der oberen Extremität »hängt« demzufolge an den bereits erschöpften Elevatoren des Schultergürtels (M. trapezius pars descendens, M. levator scapulae und M. sternocleidomastoideus).
1. 2.
3.
4. 5.
6.
7.
8.
Reposition der Skapula in Retraktions-/Depressions-/ Adduktionsstellung Reposition des Glenohumeralgelenks in Außenrotations-/Abduktionsstellung Steigerung der allgemeinen passiven und aktiven Thoraxbeweglichkeit in alle Richtungen Aktive Zentrierung des Humeruskopfes Dynamische Stabilisation der Skapula Dehnung und Detonisierung der verkürzten Muskulatur (Kap. 32): – Mm. pectorales – M. latissimus dorsi – M. teres major – M. subscapularis – M. trapezius pars descendens – M. levator scapulae – M. sternocleidomastoideus – Mm. scaleni – M. rectus abdominis Muskelkräftigung: – Autochthone Rückenmuskulatur im BWS-Bereich – Außenrotatoren des Schultergelenks (z.B. M. teres minor und M. infraspinatus) – Schulterblattadduktoren und -depressoren (z.B. M. trapezius pars transversus und pars ascendens) (Kap. 36), evt. unter Entlastung der Schulterheber und Reposition der Skapula
Literatur
Lindel K (2006) Muskeldehnung. Springer, Heidelberg Engelmann C (1996) Chirurgische Therapie des Lungenemphysems im Endstadium der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD)? Surgical treatment of lung emphysema with end-stage lung disease? Caduceus News Slone RM, Gieranda DS (1996) Radiology of pulmonary emphysema and lung volume reduction surgery. Sem Thorac Cardiovasc Surg 8: 61–82 Neumann HD (2003) Manuelle Medizin. Springer, Heidelberg Berg F v d (2005) Angewandte Physiologie (2). Organsysteme verstehen. Thieme, Stuttgart; Kap 9.5, Somatoviszerale und viszerosomatische Reflexe Grieve GP (1994) The autonomic nervous system in vertebral pain syndromes. Modern Manual Therapy, The Vertebral Column, 2nd ed. Churchill Livingstone, Edinburgh Boissonault WG (1995) Examintation in Physical Therapy Praxis. Screening for medical disease, 2nd ed. Churchill Livingstone, Edinburgh Butting H (2008) Die computertomographisch ermittelte Ausreifung der medialen Clavicula-epiphyse als Untersuchungsmethode der Lebensaltersbestimmung Aus dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg, Fachbereich Medizin der Universität Hamburg
38
39 39 Entspannungstherapie A.J.R. van Gestel, A.K. Osthoff, H. Teschler
39.1
Entspannung
– 292
39.2
Praxis: Entspannungsverfahren
39.3
Literatur
– 292
– 296
Die häufigsten Komorbiditäten bei chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen sind kardiovaskuläre Erkrankungen, Gewichtsverlust, Verlust der fettfreien Masse verbunden mit Muskelatrophie, Osteoporose und Depression [8]. Zusätzlich haben Lungenpatienten häufig eine schlecht ausgebildete Körperwahrnehmung. Oftmals erwarten sie einfach, dass der Körper funktioniert und nehmen Überbelastungen und Warnsignale nicht wahr; dies kann an der längeren körperlichen Inaktivität liegen. Neben dem körperlichen Training ist die Vermittlung von adäquaten Entspannungstechniken ein weiterer Schwerpunkt der Physiotherapie. Gezieltes Entspannungstraining soll in erster Linie negative Spannungszustände abbauen oder verhindern. Eine bessere Entspannungsfähigkeit kann hilfreich sein bei der Verarbeitung der Krankheit, im Sinne einer Bewältigung der Angst, Depression und Hilflosigkeit. Sie ermöglicht einen besseren Umgang mit physischen und psychischen Belastungen. Kurze Entspannungsübungen werden oft schon in der Akutphase einer Exazerbation durchgeführt. In der Rehabilitationsphase werden sie ausgebaut und finden meist in Form von Gruppentherapien statt.
39.1
Entspannung
Wissenschaftlich definiert sich Entspannung als »kontrollierter, relativ stabiler Erregungszustand, dessen Niveau unter dem normalen Wachzustand liegt«. Im Entspannungszustand werden negative Gefühle wie Spannung, Ärger und Angst abgebaut [9]. Die folgende Definition setzt für das Erleben der Entspannung einen wachen Zustand voraus und grenzt Entspannung klar vom Schlafen ab.
Definition Im psychologischen Wörterbuch [10] wird Entspannung beschrieben als »kurzfristiger (phasischer) oder länger anhaltender (tonischer) Zustand reduzierter metabolischer, zentralnervöser unbewusster Aktivität. Entspannungszustände sind nicht mit Schlafphasen gleichzusetzen, Entspannung geht mit wachem Verhalten einher, wenngleich auch die Schlafphasen subjektiv als entspannend erlebt werden. Muskuläre, autonome und subjektive Entspannung müssen nicht korrelieren.«
39.2
Praxis: Entspannungsverfahren
Es existieren unterschiedliche Möglichkeiten, Entspannungsverfahren einzuteilen. Lohaus und Klein-Hessling [11] gliedern die Methoden gemäß dem Wirkungszugang und unterscheiden sensorische, kognitive und imaginative Entspannungsverfahren. In manchen Entspannungsverfahren werden die Wirkzusammenhänge allerdings kombiniert. In Anlehnung an diese Einteilung wird die Progressive Relaxation als Beispiel einer sensorischen Entspannungsmethode und das Autogene Training als Beispiel eines kognitiven Verfahrens vorgestellt.
39.2.1 Progressive Relaxation (PMR) Bereits 1929 wurde die Entspannungstechnik Progressive Muskelrelaxation (PMR) von Edmund Jacobson (1885–
293 39.2 · Praxis: Entspannungsverfahren
1976), einem aus Schweden in die USA emigrierten Arzt, entwickelt und an der Harvard Universität gelehrt. Sein Grundsatz lautete: »Es gibt vielleicht kein allgemeineres Heilmittel als Ruhe«. Der Zustand der Entspannung ist nach Jacobson am besten in der Senkung des neuromuskulären Tonus der willkürlichen Muskulatur sichtbar. Im Umkehrschluss wiederum geht er davon aus, dass durch die Reduktion der muskulären Verspannung auch die Aktivität des zentralen Nervensystems herabgesetzt wird [12]. Die unwillkürliche oder autonome Muskulatur, zu der das Herz zählt, arbeitet selbständig, da sie ohne willentliche Beeinflussung vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird. Die beiden Nervensysteme sind allerdings durch die Formatio reticularis im Zwischenhirn miteinander verbunden. Sie haben auch Kontakt zum limbischen System, dem Zentrum für die psychische Befindlichkeit und Stimmung. Werden nun die Skelettmuskeln willentlich entspannt, wird über das Zwischenhirn die Produktion von Adrenalin vermindert. Im Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung der willkürlichen Muskulatur werden die Körperzustände bewusst wahrgenommen, mit dem Ziel, aktiv auf das Endergebnis von Loslassen bzw. Entspannen einzuwirken. Dieses wirkt sich auf die anderen Systeme aus und führt generell zu 4 Absinken der Herztätigkeit, 4 Entwicklung eines ausgeglichenen Gemütszustands, 4 Durchblutungssteigerung, 4 Dämpfung von Schmerzzuständen, 4 Angstabbau, 4 körperlich-seelischer Wohlspannung und 4 verbesserter Körperwahrnehmung. Bei einer adäquaten Durchführung kann man sicher davon ausgehen, dass es zur Reduktion einzelner physiologischer Erregungsindikatoren kommt. Bisher konnte jedoch keine generelle Herabsetzung der Aktivität des sympathischen Teils des autonomen Nervensystems mit gleichzeitiger Veränderung in allen Effektorsystemen nachgewiesen werden. Als systematisches Muskelentspannungstraining fördert die progressive Muskelentspannung, dass Verspannungen in alltäglichen Situationen frühzeitig wahrgenommen und durch aktive Entspannung gelöst werden können. Oberstes Ziel Jacobsons ist eine willentliche Reduktion der Spannung einzelner Muskelgruppen. Folglich soll bei dieser Methode explizit auf suggestive Elemente verzichtet werden. Die »Kultivierung der Muskelsinne« ist das Hauptziel. Der Übende soll ein Gefühl für die angespannte Muskulatur und die anschließende Entspannung entwickeln. In der Urfassung soll die Person einzelne Muskelgruppen nacheinander für eine Dauer von 1–2 Minuten kontrahieren, sich stark auf diese Empfindungen konzentrieren, um dann die eben angespannte Muskelgruppe für etwa 3–4 Minuten maximal zu entspannen. Im Folgenden wird eine für COPDPatienten modifizierte Form der authentischen Fassung vorgestellt. Bei der modifizierten progressiven Muskelentspannung gibt es fünf Phasen.
. Abb. 39.1. PMR: Phase I. Wahrnehmen des Muskelgefühls von M. trapezius descendens: Kräftige Dehnung und Loslassen des Muskels. Die Patientin beschreibt, was sie spürt und wo sie es spürt!
Phasen der modifizierten progressiven Muskelentspannung Phase I. Wahrnehmen des Muskelgefühls: Kräftige Anspannung, Dehnung und Loslassen des Muskels. Die übende Person konzentriert sich auf die jeweilige Muskelgruppe und beschreibt die Wahrnehmung und genaue Lokalisation (kräftige Anspannung= Brennen, Dehnung= Ziehen und Loslassen= angenehm entspannt) (. Abb. 39.1). Phase II. Muskelgruppen systematisch anspannen: Auf ein
vereinbartes Signal der anleitenden Person (»Jetzt anspannen!«) wird eine Muskelgruppe in 5 Stufen angespannt: Stufe 0 (keine Anspannung) bis Stufe 5 (maximale Anspannung). Feedback durch Überprüfung der Muskelspannung mit der Hand: Die Spannung soll deutlich spürbar sein, ohne in Verkrampfung überzugehen (. Abb. 39.2). Phase III. Muskelgruppen systematisch anspannen: Auf ein
vereinbartes Signal der anleitenden Person (»Jetzt anspan-
. Abb. 39.2. PMR: Phase II. Auf das Signal »Jetzt anspannen!« wird der M. trapezius descendens in fünf Stufen angespannt. Die Therapeutin kontrolliert bzw. palpiert das Ergebnis
39
294
Kapitel 39 · Entspannungstherapie
. Abb. 39.3. PMR: Phase III. Auf das Signal »Jetzt anspannen!« wird die Muskelgruppe in Stufe 0,5 (ganz leicht!) angespannt, danach losgelassen. Die Therapeutin kontrolliert bzw. palpiert das Ergebnis
. Abb. 39.5. PMR: Phase V. Muskelgruppen werden während der Exspiration bei körperlicher Belastung entspannt (von Stufe 0,5 → Stufe 0)
. Übersicht 39.1. PMR: Reihenfolge der Muskelgruppen 1. . Abb. 39.4. PMR: Phase IV. Muskelgruppen werden während der Exspiration entspannt (von Stufe 0,5 → Stufe 0)
39
nen!«) wird eine Muskelgruppe in Stufe 0,5 angespannt: Stufe 0,5 (ganz minimale Anspannung) bis Stufe 0 (keine Anspannung). Stufe 0,5 entspricht der realen Anspannung bei muskulärem Hypertonus. Feedback durch Überprüfung der Muskelspannung mit der Hand: Die Spannung soll deutlich spürbar sein, ohne in Verkrampfung überzugehen (. Abb. 39.3).
2.
3. 4.
Aktivierung von Hand und Unterarm. Anweisung: »Machen Sie eine Faust!« Aktivierung des Oberarms. Anweisung: »Drücken Sie den Oberarm gegen die Unterlage (den Oberkörper)!« Aktivierung der Schultern. Anweisung: »Heben Sie die Schultern!« Aktivierung von Nacken, Hals und Atmung. Anweisung: »Entspannen Sie die Nackenmuskeln während der Exspiration!«
Phase IV. Umsetzung von Phase III während einer Exspiration
in Ruhe (. Abb. 39.4).
39.2.2 Autogenes Training nach Schultz
Phase V. Umsetzung von Phase III umsetzen während einer Exspiration bei körperlicher Belastung (. Abb. 39.5). Die Reihenfolge der (Ziel-)Muskelgruppen ist in 7 Übersicht 39.1 zusammengestellt.
Theoretische Grundlagen Begründer des Autogenen Trainings ist der Berliner Neurologe und Psychiater J.H. Schultz, der in den späten 20er Jahren die Arbeit des Hirnphysiologen Oskar Vogt weiterführte. Vogt hatte herausgefunden, dass Patienten nach hypnotherapeutischen Sitzungen durchaus in der Lage waren, Körperempfindungen und -funktionen, die normalerweise nicht willentlich beeinflussbar sind, autosuggestiv zu verändern.
295 39.2 · Praxis: Entspannungsverfahren
Durch stufenweise erlernbare autosuggestive Übungen lassen sich Muskelspannung, Puls, Atemfrequenz und Hautdurchblutung positiv beeinflussen, was eine allgemeine körperliche und psychische Entspannung bewirkt. Das grundlegende Werk von J.H. Schultz (1932) trägt den Titel »Das autogene Training: Konzentrative Selbstentspannung«. Nach mehrwöchiger Übung innerhalb der Grundstufe lässt sich mit den Komponenten der Schwere- und Wärmewahrnehmung eine psychovegetative (»organismische«) Gesamtumschaltung erreichen. Zusätzliche Komponenten (Organübungen) vertiefen die Körperwahrnehmung. Im Sinne einer Umschaltung des Vegetativums werden die unwillkürlichen Körperreaktionen beeinflusst und die parasympathischen Reaktionen gefördert. Ziele des Autogenen Trainings sind in 7 Übersicht 39.2 aufgelistet. . Übersicht 39.2. Ziele des Autogenen Trainings nach Schultz 1. 2. 3. 4. 5.
Entspannung/Inhibition des neuromuskulären Apparates Abbau von kognitiver Nervosität Leistungssteigerung durch Normalisierung des vegetativen Nervensystems Zunahme der Konzentrationsfähigkeit Steigerung der körperlichen Abwehrkräfte
Ausführung (. Abb. 39.6) Schultz entwickelte für das Autogene Training sechs psychophysiologische Formeln, auf die sich der Patient konzentrieren muss. Das Autogene Training sollte möglichst liegend oder sitzend durchgeführt werden. Die authentische Fassung wird für COPD-Patienten folgendermaßen modifiziert.
. Abb. 39.6. Autogenes Training nach Schultz im Liegen. Führung durch die 6 Übungen
Übung 4. Konzentrieren auf die Regulierung des Herzschlags.
Die Konzentration auf den Herzschlag beruhigt den Körper. Geeignete Formeln: »Das Herz schlägt langsam.« ! Cave Ängste können besonders bei Patienten in der Inneren Medizin verstärkt werden, das Wort Herz kann in diesem Fall durch Puls ersetzt werden. Wenn auch das Wort Angst macht, ist es besser, diese Übung wegzulassen, bis es dem Übenden besser geht.
Übung 5. Passives Konzentrieren auf die Atmung. Ruhiges
Ein- und Ausatmen vertieft die die Entspannung: »Die Atmung ist langsam und gleichmäßig«, oder »Ich atme ruhig«; und später: »Mein Atem geht von ganz alleine - es atmet mich.«
Übung 1. Setzt Körper und Geist in einen allgemeinen Ruhe-
Übung 6. Konzentrieren auf die Erzeugung von Wärme im
zustand und hilft, sich auf die weiteren Übungen vorzubereiten. Geeignete Formeln: »Ich bin ganz ruhig. Die Gedanken kommen und gehen.«
Oberbauch. Die Konzentration auf den Solarplexus vertieft die Entspannung. Geeignete Formeln: »Mein Bauch ist warm«, »Mir wird angenehm warm im Bauch«. Autogenes Training bedarf der Anleitung eines erfahrenen Therapeuten. Die Entspannungstechnik wird zumeist in kleinen Gruppen in 1- bis 2-wöchentlichen Sitzungen während einer Dauer von 6–10 Wochen vermittelt. Jede Übung (z.B. Schwere, Wärme) dauert insgesamt 3–5 Minuten und wird im Sitzen (u. U. auch im Liegen) mit geschlossenen Augen durchgeführt. Die Übungsformeln werden 4- bis 6-mal wiederholt. »Ich bin ganz ruhig« wird zwar nur 1- bis 2-mal wiederholt, aber dann nochmals zwischen den anderen Übungsformeln. Die Autosuggestion beginnt mit »Ich bin ganz ruhig«, »Was geschieht, ist gut«.
Übung 2. Konzentrieren auf das Schweregefühl in den Extre-
mitäten. Muskelentspannung löst ein Schweregefühl aus: Geeignete Formeln: »Mein rechter (linker) Arm ist ganz schwer«; und später: »Meine Arme und Beine sind angenehm schwer«. Übung 3. Konzentrieren auf die Erzeugung von Wärme in den Extremitäten. Es erhöht die Durchblutung und bringt ein Wärmegefühl: Geeignete Formeln: »Mein rechter (linker) Arm ist ganz warm«, »Die Arme (Beine) sind (sehr) warm«; und später: »Mein Körper ist angenehm warm« oder »Die Wärme fließt in meine Arme und Beine«.
39
296
Kapitel 39 · Entspannungstherapie
Exkurs Evidenz: Progressive Muskelrelaxation (PMR) Die Möglichkeit einer qualifizierten physiotherapeutischen Betreuung im Bereich der kognitiven und physischen Entspannung ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal der pulmonalen Rehabilitationspraxis. Die Fähigkeit, sich kognitiv und physisch entspannen zu können, ist eine wesent-
39.3
39
liche Basiskompetenz. Je nach Indikationsstellung werden vor allem das Autogene Training sowie die Progressive Muskelrelaxation erlernt, gelegentlich kommt auch das respiratorische Biofeedbackverfahren zur Anwendung. In einer rezenten Studie von Lolak et al. wurde die Wirksamkeit eines 8-wöchigen PMR-Trainingsprogramms bei 83 Patienten mit
Literatur
1. Hamm A (2000) Progressive Muskelentspannung. In: Vaitl D, Petermann F (Hrsg) Handbuch der Entspannungsverfahren, Bd 1 Grundlagen und Methoden, 2. Aufl. Beltz, Weinheim, pp 245–271 2. Jacobson E (2006) Entspannung als Therapie. Progressive Relaxation in Theorie und Praxis, 6.Aufl. Klett-Cotta, Stuttgart 3. Ohm D (2003) Stressfrei durch Progressive Relaxation. Mehr Gelassenheit durch Tiefenmuskelentspannung nach Jacobson. Trias, Stuttgart 4. Sammer U (2006) Entspannung erfolgreich vermitteln. Progressive Muskelentspannung und andere Verfahren. Klett-Cotta, Stuttgart 5. Schäfer KH (2005) Entspannungs-Training nach Jacobson. Das Übungsheft zur Progressiven Relaxation. Kneipp, Loeben 6. Wendlandt W (2002) Entspannung. Das umfassende Trainingsbuch. Beltz Weinheim, Basel 7. Lolak S, Connors GL, Sheridan MJ, Wise TN (2008) Effects of Progressive Muscle Relaxation Training on Anxiety and Depression in Patients Enrolled in an Outpatient Pulmonary Rehabilitation Program. Psychother Psychosom 77: 119–125 8. Watz H, Magnussen H (2006) Komorbiditäten bei COPD. Der Internist 47: 895–900 9. Kent M (2002) Wörterbuch Sport und Sportmedizin. Humanitas Buchversand, Wiesbaden 10. Dorsch F (2003) Psychologisches Wörterbuch. Huber, Bern 11. Lohaus A, Klein-Heßling J (2000) Coping in childhood: A comparative evaluation of different relaxation techniques. Anxiety, Stress & Coping 13(2): 187–211 12. Hamm A (1993) Progressive Muskelrelaxation. In: Vaitl D, Petermann F (eds) Handbuch der Entspannungsverfahren, Bd 1 Grundlagen und Methoden. Beltz, Weinheim, pp 245–271
einer chronischen Lungenerkrankung untersucht [7]. Festgehalten wurde, dass PMR eine effektive Technik ist, um Angst und Depression positiv zu beeinflussen; es konnte jedoch kein signifikanter Unterschied zu einem normalen Rehabilitationsprogramm festgestellt werden [7].
40 40 Patientenschulung A.J.R. van Gestel, H. Teschler
40.1
Verzicht auf Nikotinkonsum
– 297
40.2
Bedeutung der kardiopulmonalen Trainingstherapie – 298
40.3
Weitere Themen der Patientenschulung – 298
40.4
Literatur
– 299
Die Patientenschulung (»patient education«, PE) ist ein wichtiges Therapieelement für alle Schweregrade der Erkrankung, da sie die Effizienz des Managements wesentlich anhebt (Evidenzgrad D) [1]. Daher wird die PE nicht nur von nationalen, sondern auch von internationalen Expertengremien als unverzichtbarer Bestandteil der COPD-Therapie gesehen. Jeder Patient mit einer chronischen Lungenerkrankung sollte an einem strukturierten, evaluierten und zielgruppenspezifischen Schulungsprogramm teilnehmen bzw. zur Teilnahme motiviert werden. Das Schulungsprogramm beinhaltet 4 zum einen die Einbeziehung des Patienten in die Behandlung, 4 zum anderen die Implementierung nicht medikamentöser Therapiemaßnahmen.
gerung der Lebensqualität können die Kosten vermindert werden (Evidenzgrad B) [1, 4, 5, 6, 7, 8]. Zu den wesentlichen Inhalten der Patientenschulung gehören Informationen über Risikofaktoren und deren Reduktion bzw. Elimination, besonders der Hinweis auf die Wichtigkeit der Raucherentwöhnung. Eine weitere prospektive, randomisierte Studie mit 94 COPD-Patienten aller Schweregrade zeigte, dass die Morbidität der geschulten Patienten im Jahr nach der Rehabilitation deutlich reduziert war. Dies traf vor allem für notfallmäßige Arztkontakte und die Anzahl der Krankenhaustage aufgrund der COPD zu. Die Lebensqualität, gemessen mit dem krankheitsspezifischen SGRQ (Saint George’s Respiratory Questionnaire), war nach einem Jahr signifikant und klinisch relevant gesteigert [8].
Die Patientenschulung für Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung sollte die individuellen Belange des Patienten und auch seine Umgebung berücksichtigen. Nachschulungen nach spätestens 2 Jahren sind sinnvoll: »Keine Schulung ohne Nachschulung«. Die Evidenz des PE bei Asthma bronchiale ist sehr gut belegt [2, 3]. Auch zur Effektivität der stationären Patientenschulung bei COPD liegen verschiedene Daten von methodisch hochwertigen Studien vor. In einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie wurde gezeigt, dass ein ambulantes strukturiertes Schulungsprogramm zumindest bei Patienten mit leicht- und mittelgradiger COPD sinnvoll ist. Im Vergleich zur Kontrollgruppe hatte sich die Inhalationstechnik gebessert, die Selbstkontrolle der Erkrankung gesteigert und die Anzahl akuter Exazerbationen reduziert. Durch Stei-
40.1
Verzicht auf Nikotinkonsum
Neben der Inhalation von Schadstoffen am Arbeitsplatz, Luftverschmutzung und genetisch bedingten Faktoren ist Rauchen der Hauptrisikofaktor für die Entstehung einer chronischen Bronchitis (COPD). Verzicht auf Tabakrauchen bewirkt nicht nur eine deutliche Verbesserung der Lungenfunktion, es reduziert auch das weitere Fortschreiten der Lungenfunktionsverschlechterung, wie Anthonisen et al. in Kanada festgestellten [9]. Rauchergewohnheiten sollten deshalb bei allen Patienten erfragt und abgelehnt werden. Sogar eine kurze Beratung (etwa 3 Minuten) führt in 5±10% der Fälle zur Aufgabe des Nikotinkonsums und sollte als Intervention bei jedem Kontakt mit einem Raucher durchgeführt werden [10, 11]. In der Studie von Fletcher et al. fand sich ein jährlicher Abfall des
298
Kapitel 40 · Patientenschulung
40.3
Weitere Themen der Patientenschulung
Zu den wesentlichen Inhalten der Patientenschulung gehören Informationen über Risikofaktoren und deren Reduktion bzw. Elimination. Wichtige Lehrinhalte für alle Schweregrade sind in 7 Übersicht 40.1 zusammengestellt. . Übersicht 40.1. Wichtige Lehrinhalte der Patientenschulung
. Abb. 40.1. Lungenfunktion im zeitlichen Verlauf (Zosso [14], modifiziert nach Fletcher [13])
1. 2. 3. 4. 5.
FEV1 von 36 ml/Jahr, die Raucher dagegen hatten einen sta-
tistisch signifikant höheren Abfall von 44–55 ml/Jahr [12] (. Abb. 40.1). Die modifizierte Grafik nach Fletcher [13] zeigt die fatalen Auswirkungen des Rauchens auf die Lunge. Die Raucherentwöhnung kann während einer pneumologischen Rehabilitation in ein multimodales Schulungsprogramm integriert werden. In ambulanten Programmen sollte sie wegen des erheblichen Zeitaufwands separat von anderen Schulungsprogrammelementen durchgeführt werden. Andernfalls könnten die positiven Effekte der Gruppeninteraktion durch die Schwierigkeit, gemeinsame Termine für alle Schulungsteilnehmer zu finden und dadurch die Schulungsdauer insgesamt zu sehr in die Länge zu ziehen, gefährdet sein. Fazit Bei einem lungengesunden Nichtraucher nimmt die Lungenfunktion ab dem 25. Lebensjahr stetig ab. Bei Rauchern ist die Lungenfunktionsabnahme verstärkt – die Degenerationserscheinungen werden bis zum 5-Fachen beschleunigt. Extrem gesehen weist ein 40-jähriger Raucher Lungenfunktionswerte eines nicht rauchenden 80-Jährigen auf. Die Kurve zeigt, dass eine Raucherentwöhnung auch im späten Verlauf der Erkrankung sinnvoll ist.
40.2
40
6. 7.
Monitoring von Symptomen Richtige Inhalationstechnik Schweregradadaptierte Selbstmedikation Wirkungen und Nebenwirkungen der wichtigsten Medikamente Vorbeugung und Behandlung von Exazerbationen und Bronchialinfekten Grundlagen der Atemtherapie, korrekte Inhalationstechnik und Wissensvermittlung über die COPD Atemerleichternde Stellungen
Bei Schweregrad IV 8. Informationen über Komplikationen 9. Apparative Therapie: Langzeit-Sauerstoffbehandlung bzw. intermittierende Selbstbeatmung
Die PE sollte die individuellen Belange des Patienten und seine Umgebung berücksichtigen. Chronische Lungenerkrankungen wie Asthma bronchiale oder COPD erfordern eine chronische, d.h. eine über lange Zeit anhaltende Behandlung. Um eine Langzeittherapie erfolgreich durchzuführen, bedarf es einer guten Compliance (dauernder Mitarbeit) des Patienten. Die Vereinbarungen zwischen Therapeut und Patient müssen von beiden Seiten akzeptiert werden; wichtig ist, dass der Patient die vereinbarten Interventionen durchführen möchte und kann (. Abb. 40.2).
Bedeutung der kardiopulmonalen Trainingstherapie
Eine besondere Position in der COPD-Rehabilitation nimmt die nicht medikamentöse Therapie ein (Kap. 35). Dabei ist körperliches Training das am besten evaluierte nicht medikamentöse Therapieverfahren. Wesentliche Arbeiten haben in jüngster Zeit international die Bedeutung der kardiopulmonalen Trainingstherapie für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit, die Minderung der Atemnot, die Verringerung der Exazerbationshäufigkeit und Verbesserung der Lebensqualität bei chronischen Lungenerkrankungen herausgestellt (Kap. 1). In der PE sollten Ergebnisse vorgelegt werden, die in ihrer Gesamtheit die praktische Bedeutung dieser Maßnahmen zur Verbesserung von Lebensqualität und Leistungsfähigkeit unterstreichen.
. Abb. 40.2. Patientenschulung. Die Therapeutin erklärt die Anatomie von Lunge und Herz
299 40.4 · Literatur
Patientenschulung: Themen 1. Arzneimitteltherapie der COPD, ärztlich kontrollierte Selbstmedikation 2. Nicht medikamentöse Therapie: Physiotherapie, Atemtherapie, COPD und körperliche Aktivität bzw. kardiopulmonales Training 5 Warum ist es so schwierig anzufangen und regelmäßig körperlich zu trainieren? 5 Wie stärkt der Patient seine Motivation für das regelmäßige Training? 3. Raucherentwöhnung 4. Krankheitswahrnehmung 5 Was genau ist COPD: Definition, Auslöser?
40.4 1.
2.
3.
4.
5. 6.
7.
8.
9. 10.
11. 12. 13. 14.
5.
6. 7.
8.
5 Wo liegt der Unterschied zu Asthma? Notfall: Patientenverhaltenstraining einschließlich Erlernen eines Notfallmanagements mit Bereitstellung von Notfallmedikamenten Exazerbationen Ergotherapie: Energie sparen Wie kommt der Patient optimal durch seinen Alltag: beim Staubsaugen, Bett machen, Einkaufen und Treppensteigen? Exposition: Erklärt wird der Einfluss verschiedenster Umgebungsfaktoren wie Wetter, Rauchen und Hektik auf die Krankheitssituation.
Literatur
Rossaint R, Werner C, Zwissler B (2008) Allgemeine und spezielle Anästhesiologie, Schmerztherapie und Intensivmedizin. Die Anästhesiologie Petro W, Holländer P, Betz HP et al. (1995) Patientenschulung in der pneumologischen Rehabilitation steigert den therapeutischen Erfolg. Atemw.-Lungenkrkh. 21: 49–58 Mühlhauser I, Kraut D, Richter B et al. (1991) Evaluation of a structured treatment and teaching programme on asthma. Journal of Internal Medicine 230: 157–164 Dhein Y, Birkenmaier A, Otte B (2002) Evaluation of a structured education programme (AFBE) for patients with mild to moderate COPD under outpatient conditions. Am J Respir Crit Care Med 165: A420 Worth H, Dhein Y (2004) Does patient education modify behaviour in the management of COPD? Patient Educ Couns 52: 267–270 Spohn S, Wittmann M, Petro W (2001) Das Bad Reichenhaller Patientenverhaltenstraining bei chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem. Pneumologie 55: 470–474 Wittmann M, Spohn S, Petro W (2001) Chronische Bronchitis: Eine Anleitung zur besseren Krankheitsbewältigung. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 54: 151–156 Wittmann M, Spohn S, Petro W (2001) Effektivität einer standardisierten Patientenschulung bei chronisch obstruktiver Bronchitis (COB) im Rahmen der stationären Rehabilitation. Rehabilitationswissenschaftlicher Forschungsverbund Bayern Anthonisen NR (2002) Smoking and lung function of lung health study participants after 11 years. AJRCCM Wilson DH, Wakefield MA, Steven ID (1990) »Sick of smoking« evaluation of a targeted minimal smoking cessation intervention in general practice. Med J Aust 152: 518–521 Britton J, Knox A (1999) Helping people to stop smoking: the new smoking cessation guidelines. Thorax 54: 1–2 Fletcher C (1976) The natural history of chronic bronchitis and emphysema. Oxford University Press, Oxford Fletcher C, Peto R (1977) BMJ 1: 1645–1648 Zosso C. COPD – häufige Todesursache weltweit rauchen – Hauptverursacher der COPD. Lungenliga Schweiz
9. Psychologische Unterstützung: Ängste und Depressionen abbauen 10. Training von Selbsthilfefähigkeit und Entspannungsverfahren 5 Medikamente und Aktionsplan: 5 Wann ist was sinnvoll? Wann, warum und wie Medikamente eingenommen werden. 5 Handhabung der Dosier-Aerosole Inhaliert der Patient richtig? 11. Peak-flow-Meter: Handhabung, COPD-Tagebuch 12. Ernährungsberatung 13. Sauerstofftherapie 14. Krankheitsakzeptanz 15. Verbesserung der Compliance
40
41 41 Lagerung A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
41.1
Lagerungstherapie
– 300
41.2
Umlagerung: Kinetische Therapie im engeren Sinn – 305
41.3
Bewegung: Dreh-Dehn-Lagen
41.4
Klinisches Monitoring
41.5
Literatur
41.1
Lagerungstherapie
– 307
– 308
– 305
Der Einsatz verschiedener Lagerungen zur Prophylaxe oder Behandlung von pulmonalen Funktionsstörungen war in den letzten Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher experimenteller und klinisch-wissenschaftlicher Studien [1]. Therapeutische Körperstellungen sind Positionen, die aus respiratorischen, biomechanischen oder psychischen Gründen eingenommen werden und zur Verbesserung der Atmung führen. Primäres Ziel der Lagerungstherapie bei Patienten mit COPD ist die Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs. Dabei spielt das Ventilations-Perfusions-Verhältnis der verschiedenen Lungenareale eine wichtige Rolle. Durch die Lagerungstherapie werden zuvor hypoventilierte Lungenareale (Atelektasen) wieder belüftet. Bei einer Atelektase handelt es sich um nichtbelüfteten Lungenareale, bei dem die Alveolen zusammengefallen sind. Infolge kommt es zu einer Erhöhung der funktionellen Residualkapazität (FRC) und somit zu einer Abnahme eines möglichen Rechts-Links-Shunts durch Atelektasen (Atelektasenprophylaxe). Weitere Ziele der Lagerungstherapie sind: 4 Vermeidung bzw. Minimierung eines Lungenschadens, 4 Mobilisation des Thorax, 4 Ökonomisierung der Atemarbeit, 4 Entlastung der Atemmuskulatur, 4 Rekrutierung der Atemhilfsmuskulatur und 4 Mobilisierung von Sekret (Sekretolyse). Eine erfolgreiche Entlastung der Atemmuskeln und Rekrutierung der Atemhilfsmuskulatur soll zu einer suffizienten CO2-Eliminierung und Verminderung des Sauerstoffverbrauchs mit Verbesserung der Oxygenierung des Gesamtorganismus führen.
In 7 Übersicht 41.1 sind die Lagerungsformen aufgelistet. Des Weiteren werden physiologische Aspekte und Empfehlungen formuliert und die daraus resultierenden Konsequenzen für die tägliche atemphysiotherapeutische Behandlung diskutiert. . Übersicht 41.1. Lagerungsformen 1. 2. 3. 4. 5.
Rückenlage Seitlagerung Bauchlagerung Laterale Rotationslagerung Oberkörperhochlagerung
Kenngrößen
Die Körperlage hat Einfluss auf die Lungenfunktion. Die Lagerungstherapie orientiert sich an funktionellen Kenngrößen (7 Übersicht 41.2); in der Rehabilitation von COPD-Patienten wird eine Lagerung je nach Reaktion der Kenngrößen ausgewählt (. Tab. 41.1 und Kap. 8). . Übersicht 41.2. Kenngrößen mit Einfluss auf die Effektivität der Lagerungstherapie 1. 2. 3. 4.
Ventilations-Perfusions-Verhältnis (VA/Q) Compliance der Lunge (C) Funktionelle Residualkapazität (FRC) Zwerchfellfunktion
301 41.1 · Lagerungstherapie
41.1.1 Aufrechter Stand: Einfluss auf die
Lungenfunktion
mit Raucheremphysem sind hauptsächlich die Oberlappen und bei Patienten mit α1-Antitrypsinmangel-Emphysem eher die Unterlappen von der Krankheit betroffen.
VA/Q-Verteilung
In aufrechter Position nimmt sowohl die alveoläre Ventilation als auch die Lungenperfusion von der Lungenspitze (Apex) bis zur Basis linear zu (Kap. 8) [4]. Da die Lungenperfusion stärker ansteigt als die alveoläre Ventilation, ist das VA/Q-Verhältnis in der Lungenspitze höher als in der Lungenbasis, so dass im Apex eine relative Hyperventilation und an der Basis eine relative Hyperperfusion herrscht [4]. Compliance Durch den intrathorakalen Druck bzw. Pleuradruck, der gra-
vitationskraftbedingt von der Spitze (ca. -10 mbar) nach basal (ca. -2,5 mbar) zunimmt, haben die basalen Lungenareale eine höhere Compliance und sind demzufolge besser ventilierbar als die apikalen [5]. Entsprechend den biomechanisch eingeschränkten Erweiterungsmöglichkeiten des Thorax (geringe Compliance) in den kranialen und dorsalen Lungenanteilen werden diese Areale schlechter ventiliert als die kaudalen und ventralen Lungenanteile. Außerdem ist die Dehnbarkeit der Lunge (und somit die Ventilation) im Bereich der Lungenwurzel geringer als in den peripheren Lungenarealen [6].
41.1.2 Rückenlage: Einfluss auf die Lungen-
Funktionelle Residualkapazität
In Rückenlage verschiebt sich das Zwerchfell durch den Druck der Bauchorgane kranialwärts. Der Druck der Bauchorgane richtet sich verstärkt auf die Pars lumbalis des Zwerchfells, denn im unteren Teil des Abdomens herrscht ein höherer Druck als im oberen Teil. Bei gesunden, auf dem Rücken liegenden Menschen führt dies zur Abnahme der FRC: Im Liegen ist die FRC um ca. 700 ml geringer als im Stehen, totale Lungenkapazität (TLC) und Residualvolumen (RV) bleiben jedoch konstant. Die Abnahme der FRC ist besonders bei COPD- und postoperativen Patienten bzw. bei einer Zwerchfelldysfunktion ausgeprägt und kann zum Verschluss der kleinen Atemwege und zu Atelektasen führen. Durch die Kompression der kleinen Atemwege und die konsekutive Verminderung des effektiven Querschnitts der Atemwege steigt der Atemwiderstand (RAW). > Wichtig Es ist wichtig, hospitalisierte COPD-Patienten zu einer richtigen Haltung im Bett aufzufordern. Bei Lagerung mit erhöhtem Oberkörper, aufrechtem Sitzen im Bett oder auf einem Stuhl wird die FRC vergrößert, und somit ist die Möglichkeit der zusätzlichen Atelektasenbildung minimiert.
funktion Zwerchfellfunktion VA/Q-Verteilung
In Rückenlage nimmt »gravitationskraftbedingt« sowohl die alveoläre Ventilation als auch die Lungenperfusion von ventral nach dorsal zu [4]. Bei gesunden Personen machen die dorsalen Lungenareale in Rückenlage einen wichtigen Anteil des Atemzugvolumens aus. Die Lungenperfusion steigt dorsal stärker an als die alveoläre Ventilation, wodurch das VA/Q-Verhältnis in den dorsalen Lungenarealen höher ist als in den ventralen. So kommt es ventral zu einer relativen Hyperventilation und dorsal zu einer relativen Hyperperfusion [4]. Neben den ventrodorsalen Druckgradienten existiert in Rückenlage ein durch hydrostatische Einflüsse verursachter Gradient des Intrathorakaldrucks in kraniokaudale Richtung. Dadurch kommt es zwerchfellnah häufig zu dorsobasalen Atelektasen (vor allem nach einer Vollnarkose ohne Spontanatmung). Zusätzlich besteht in Rückenlage eine vermehrte Perfusion dorsobasal gelegener Lungenanteile, wodurch diese Lungenareale zwar perfundiert, aufgrund ihres Kollabierens jedoch nicht ventiliert werden und daher nicht am pulmonalen Gasaustausch teilnehmen. Zur Rekrutierung der dorsobasalen Atelektasen wird häufig die Bauchlagerung eingesetzt. > Wichtig Die Rückenlagerung (entsprechend dem Grundsatz: »Die guten Lungenareale nach unten«) ist dann indiziert, wenn bei Patienten keine dorsobasalen Atelektasen vorhanden sind. Bei Patienten mit COPD bringt die Rückenlage oft nur geringfügige therapeutische Effekte. Bei Patienten 6
Verglichen mit dem aufrechten Stand ist das Zwerchfell in Rückenlage durch den transdiaphragmalen Druckgradienten kranialwärts verlagert und steht demzufolge vermehrt in Exspirationsstellung. Die dadurch verbesserte Kraftentwicklung infolge einer stärkeren Vordehnung (Kap. 6) zeigt sich in einer Zunahme der Atemexkursion und der inspiratorischen Kapazität [7]. Fazit Rückenlagerung In Rückenlage befinden sich die Rippen mehr in Inspirationsstellung als im Stand oder Sitz, und die FRC ist kleiner. Die Perfusion verbessert sich von ventral nach dorsal. Die Atembewegung vertieft sich durch größere Zwerchfellexkursionen.
41.1.3 Seitenlage: Einfluss auf die
Lungenfunktion VA/Q-Verteilung
Die Gravitationskraft verursacht in der Seitenlage ebenfalls einen vertikal wirkenden Gradienten, so dass supralateral (im oberen Lungenflügel) eine relative Hyperventilation und infralateral (im unteren Lungenflügel) eine relative Hyperperfusion herrscht. In Seitenlage ist die Compliance der infralateralen Lunge deutlich höher. Daher gelangt der größte Teil des Atemzugvolumens in Ruhe bevorzugt in die infralateralen Alveolen [6]. Die Gravitation beeinflusst sowohl die Ventilation als auch die Perfusion, wodurch sich das gesamte Ventila-
41
302
Kapitel 41 · Lagerung
. Abb. 41.1. Perfusion der Lungenflügel in Rückenlage (A), in SL rechts (B) und in SL links (C) (Zollinger 1999 [10])
tions-Perfusions-Verhältnis beider Lungen bei gesunden Personen nicht wesentlich verändert [8, 9]. Die Verteilung der Lungenperfusion zwischen der rechten und linken Lunge wird durch die Richtung der Seitenlagerung beeinflusst [10] (. Abb. 41.1, Abb. 41.2): 4 Bei gesunden Probanden ist in Rückenlage (A) das Perfusionsverhältnis zwischen rechter und linker Lunge 55/45% [10]. 4 Im Vergleich zur Rechtsseitenlage kommt es in Linksseitenlage zu einer größeren Heterogenität des regionalen Ventilations-Perfusions-Verhältnisses. 4 Die Seitenlage kann zu einer Rekrutierung von manifesten Atelektasen in supralateral gelagerten Lungenarealen führen. 4 In Rechtsseitenlage nimmt die Perfusion in der rechten Lunge zu (rechte/linke Lunge: 65/35%), während in Linksseitenlage die linke Lunge verstärkt perfundiert wird (rechte/linke Lunge: 45/55%) [10] (. Abb. 41.1). 4 In Rechtsseitenlage besteht häufiger eine hämodynamische Kompromittierung (Einschränkung des Kreislaufs), die durch eine vermehrte Kompression auf die V. cava inferior mit konsekutiv verminderter rechtsventrikulärer Füllung verursacht wird [1]. Funktionelle Residualkapazität
In Seitenlage ist das Inspirationsniveau der infralateralen Lunge leicht verkleinert, das der supralateralen Lunge dagegen
41
. Abb. 41.3. Schematische Darstellung: Einfluss der Körperlage auf Ventilation und Perfusion der Lunge
vergrößert. Dadurch befindet sich die supralaterale Lunge in leichter Inspirationsstellung. Eine zusätzliche Dehnung der supralateralen Thoraxhälfte und der supralateralen Lungen kann erreicht werden, indem der supralateral liegende Arm über den Kopf gestreckt wird. Zwerchfellfunktion
In Seitenlage wölbt sich bei Ruheatmung der infralaterale Zwerchfellanteil stärker hervor, wodurch eine effizientere Kontraktion ermöglicht wird [8, 11]. Die unten liegende Zwerchfellkuppel muss mehr Widerstandsarbeit leisten als die supralaterale, und das Gewicht des Abdomens übt zusammen mit dem Eigengewicht des Mediastinums Druck auf den infralateralen Zwerchfellanteil aus. > Wichtig Die Seitenlagerung wird bei einseitigen Lungenerkrankungen wie Pneumonie oder Atelektasen gewählt, nach dem Paradigma »die gute Lunge nach unten«. Diese Lagerung kann einen wichtigen Einfluss auf die Oxygenierung haben. Dies gilt nicht für Kinder mit einseitiger Lungenerkrankung!
! Cave
. Abb. 41.2. Komprimierung des unteren Lungenflügels in Linksseitenlage
Vorsichtsmaßnahmen 1. Die Seitenlage ist nur dann einsetzbar, wenn die infralaterale Lungenhälfte inkl. Zwerchfellkuppel ausreichend funktionsfähig ist. Die supralaterale Lunge wird in Seitenlage gedehnt und ist dadurch leicht in ihrer Funktion eingeschränkt. 6
303 41.1 · Lagerungstherapie
2.
Das Phänomen, dass sich nach einer Anästhesie oder infolge eines erhöhten Kompressionsdrucks bei ARDS Atelektasen bilden (. Abb. 41.4), tritt in Seitenlage in der infralateralen Lunge genauso auf wie in Rückenlage in den dorsobasalen Lungenarealen [1]. Je flüssigkeitsreicher die Lungenareale bei akutem Lungenversagen (ARDS) sind, desto höher ist der Kompressionsdruck.
Fazit Seitenlage Bei Patienten mit einer einseitig lokalisierten Lungenerkrankung wie z.B. Pneumonie oder Atelektasen, kann die Seitenlage einen wichtigen Einfluss auf die Oxygenierung haben. Durch die Gravitationskraft bewirkt das Hochlagern der erkrankten Lungenanteile eine verstärkte lokale Atemexkursion und Perfusion in der infralateralen Lunge. Demzufolge kommt es zu einer homogeneren Ventilations-Perfusions-Verteilung, einem effektiveren Gasaustausch und einer besseren Oxygenierung. Die Seitenlage kann durch die mechanische Ausdehnung der supralateralen Lunge zu einer Rekrutierung von manifesten Atelektasen in den supralateral gelagerten Lungenarealen führen. Die Rippen der oben liegenden Seite sind in leichter Inspirationsstellung (wenig Atemarbeit), die der unten liegenden Seite sind durch Kompression in Exspirationsstellung. Das mittlere Atemniveau ist in der infralateralen Lunge kleiner als in der supralateralen. Es kommt zu verstärkten Atemexkursionen der unten liegenden Zwerchfellhälfte. Infralaterale Atelektasen oder unzureichende Zwerchfellfunktion sind Kontraindikationen für die Seitenlagerung auf der betreffenden Seite.
41.1.4 Bauchlage: Einfluss auf die Lungen-
funktion VA/Q-Verteilung
Obwohl es viele Erklärungsansätze gibt, z.B. die gravitationskraftvermittelte Umschichtung eines Lungenödems, Veränderung des hydrostatischen Drucks, Umverteilung der Perfusion, Erhöhung der Residualkapazität und Veränderung der Ventilationsverhältnisse, konnte bei COPD-Patienten bis heute keine eindeutige klinische Reduktion der Symptome in Bauchlage belegt werden. Die physiologischen Ursachen für die Verbesserung des Gasaustauschs in Bauchlage sind daher nicht gänzlich geklärt [12]. Sicher scheint jedoch zu sein, dass Lungenperfusion und -ventilation in den ventralen Regionen zunehmen und es dadurch zu einer homogeneren Perfusionsverteilung kommt [1, 12]. Außerdem wird angenommen, dass die Bauchlage eine Verbesserung der Drainage von bronchoalveolärem Sekret erzielt [1]. ARDS Die Bauchlage (nach dem Paradigma »die guten Lungenareale nach unten«) ist besonders dann indiziert, wenn bei Patienten eine klar abgrenzbare ventrodorsale Ventilationsverteilung zwischen gut und schlecht ventilierten Lungen-
regionen vorliegt. Dieses Phänomen besteht bei Patienten mit
. Abb. 41.4. Atelektasenbildung in den dorsobasalen Lungenarealen in Rückenlage
ARDS, bei denen ein intrapulmonaler Rechts-Links-Shunt die
wesentliche Determinante der Hypoxämie ist. Intrapulmonale Rechts-Links-Shunts entstehen, wenn Alveolen entweder vollständig kollabieren oder infolge einer mechanischen Obstruktion überhaupt nicht ventiliert werden. Sie können auch entstehen, wenn Alveolen z.B. durch eine akute Pneumonie vollständig mit Exsudat gefüllt sind. Entzündungen in den Alveolen und Alveolarkapillaren können bei ARDS zu einer Kapillarleckage (»capillary leak« mit Ausbildung eines interstitiellen und intraalveolären Ödems) und nachfolgend zu Atelektasen führen. Je flüssigkeitsreicher die Lungenareale sind, desto höher ist der Kompressionsdruck des Lungengewebes. Vor allem in den dorsobasalen Lungenarealen treten häufig Atelektasen in Rückenlage auf [5] (. Abb. 41.4). Das wesentliche Wirkprinzip der Bauchlagerung besteht somit in der Rekrutierung der dorsobasalen minder- oder nicht ventilierten Areale, durch die Umkehr der Gravitationsverhältnisse mit Erhöhung des transpulmonalen Drucks [5]. > Wichtig Trotz der gut belegten Auswirkung auf das VentilationsPerfusions-Verhältnis wird die Bauchlagerung bisher nur als ergänzendes Therapieverfahren – nicht als Prophylaxe - bei schweren Gasaustauschstörungen im Rahmen eines manifesten Lungenversagens empfohlen.
Komplikationen bei Bauchlage
Der Lagerungswechsel auf den Bauch kann mit teilweise schwerwiegenden Komplikationen assoziiert sein. Die Bauchlage induziert eine Abnahme des Thoraxdurchmessers sowie eine Veränderung der Zwerchfellkonfiguration: Das Zwerchfell verlagert sich nach kranial; ferner werden Geometrie und Elastizität aller Strukturen der Thoraxwand sowie der abdominalen Muskulatur negativ beeinflusst. Bei erkranktem Lungenparenchym erhöht sich die Kollapsneigung der mittleren und kleinen Luftwege mit konsekutiver Atelektasenbildung. Möglicherweise wird dieser Effekt durch bronchoalveoläre Sekretion und Ödembildung verstärkt [13]. In Bauchlage ist demzufolge sorgfältig darauf zu achten, dass die Expansion des Abdomens während der Inspiration möglichst frei erfolgen kann. Um eine freie Inspiration zu ermöglichen, werden
41
304
Kapitel 41 · Lagerung
oberer Thorax und Becken auf ein Kissen gelagert, um eine Einschränkung der Zwerchfellexkursion durch den abdominellen Druck zu vermeiden [5]. Zudem ist anzunehmen, dass der intraabdominelle Druck in Bauchlage erhöht ist, venöser Rückstrom und linksventrikuläre Compliance erniedrigt.
Funktionelle Residualkapazität
Bei der Lagerung mit erhöhtem Oberkörper ist die Atemmittellage beim Gesunden leicht vergrößert (vorausgesetzt, die Wirbelsäule ist ausreichend in Extension positioniert). Zwerchfellfunktion
Fazit Bauchlagerung Die Rippen sind in Exspirationsstellung fixiert; minimale Schubbewegungen der unteren Rippen (6–10) sind nach dorsal und lateral möglich. Das mittlere Atemniveau ist niedriger als in aufrechter Körperhaltung. Die Perfusion ist ventral verbessert, während die Atembewegung in der Inspiration gegen die Unterlage drückt und den Körper anhebt. Verglichen mit der Rückenlage ist die Widerstandsarbeit des Zwerchfells in Bauchlage erhöht. Kontraindikationen für die Bauchlagerung sind: unzureichende Zwerchfellfunktion und fortgeschrittenes COPD-Stadium (weitere Kontraindikationen s.u.). Empfohlen wird die Bauchlage bei Patienten mit ARDS und Hypoxämie empfohlen.
! Cave Kontraindikationen für die Bauchlagerung 1. Schädel-Hirn-Trauma mit erhöhtem intrakraniellem Druck 2. Akute zerebrale Läsion mit intrakranieller Drucksteigerung 3. Bedrohliche Herzrhythmusstörung 4. Trauma: Instabile Wirbelsäulenfraktur, instabile Beckenfraktur, Fixateur externe, instabiles Sternum, instabile Rippenfrakturen 5. Schwere Verbrennungen oder Verletzungen in Gesicht oder Brustbereich 6. Offenes Abdomen: Akute Pankreatitis, KompartmentSyndrom, intestinale Ischämien oder abdominelle Weichteilinfektionen 7. Lebensbedrohliche Arrhythmien 8. Hämodynamische Instabilität 9. Akuter Schock
41.1.5 Oberkörperhochlagerung: Einfluss
auf die Lungenfunktion Es gibt verschiedene Körperpositionen, doch meist wird die klassische Sitzposition mit Flexion in Hüft- und Kniegelenken oder der klassische Langsitz mit Kniegelenkextension angewandt.
41
VA/Q-Verteilung
Im Sitzen nehmen alveoläre Ventilation und Lungenperfusion von der Lungenspitze (Apex) zur Basis linear zu [4]. Da die Lungenperfusion stärker ansteigt als die alveoläre Ventilation, ist das VA/Q-Verhältnis in der Lungenspitze höher als in der Lungenbasis, so dass im Apex eine relative Hyperventilation und an der Basis eine relative Hyperperfusion herrscht [4].
Im Vergleich zum Liegen ist das Zwerchfell im Sitzen weiter kaudal positioniert und muss durch den unterstützenden Einfluss der Gravitationskraft auf die abdominellen Organe nur geringe Atemarbeit leisten. Die Atemexkursion ist kleiner als im Liegen. Die halbsitzende Position kann durch eine Verminderung des venösen Rückstroms zum Herzen zu einer Reduktion von Herzzeitvolumen, Blutdruck und peripherer Sauerstoffversorgung führen. Bei Patienten nach Thorakotomie führt die halbsitzende Position durch verringerte/n Atemarbeit und Sauerstoffverbrauch der respiratorischen Muskulatur zu einem reduzierten Energieverbrauch, ohne die hämodynamischen Funktion zu beeinträchtigen. Zur weiteren Atemerleichterung können die Arme beidseits auf ein Kissen hochgelagert werden: Das Gewicht der Schultern auf den Thorax wird vermindert, und die Atemhilfsmuskulatur unterstützt. Eine Knierolle bringt eine Entspannung und Entlastung der abdominalen Muskulatur. Fazit Sitzen Die Rippen befinden sich mehr in Exspirationsstellung als im Liegen. Die Atemmittellage ist höher als in Rücken-, Bauchoder Seitenlage. Die Perfusion ist kaudal besser als kranial. In den Positionen Sitz und Stand wird besonders deutlich, dass Atemmechanik und Zwerchfelllage durch Wirbelsäulenstellung, Bauchmuskeltonus und Bauchumfang beeinträchtigt werden.
41.1.6 Zusammenfassung Eine Lagerungstherapie beeinflusst die folgenden Kenngrößen: 1. Ventilations-Perfusions-Verhältnis (VA/Q): Wichtig für eine optimale Oxygenierung des arteriellen Blutes (angestrebt wird ein VA/Q mit dem fiktiven Verhältnis 50:50). 2. Compliance des Thorax (C): Eine hohe Compliance bedeutet besser ventilierbare Lungenareale. 3. Funktionelle Residualkapazität (FRC) (Atemmittellage): Eine zu hohe Atemmittellage kann das Zwerchfell beeinträchtigen (Zwerchfelltiefstand), eine zu niedrige Atemmittellage kann die Atelektasenbildung begünstigen (Zwerchfellhochstand). 4. Zwerchfell: Eine leichte Muskelvordehnung in Exspirationsstellung verbessert die Zwerchfellfunktion. (Cave: Zwerchfellinaktivität!) In . Tab. 41.1 sind Kenngrößen und deren Einfluss auf die Lungenfunktion in den primären Körperpositionen übersichtlich zusammengestellt.
305 41.3 · Bewegung: Dreh-Dehn-Lagen
. Tab. 41.1. Wichtige Kenngrößen, die Einfluss auf die Lungenfunktion haben: Primäre Körperpositionen
Körperposition
VA/Q
CThorax
FRC
Zwerchfell
Rückenlage
Dorsal
+
+
++++
Seitenlage
IL
++SL
+IL ++SL
++++IL +SL
Bauchlage
Ventral
-
-
-
Stand
Kaudal
++++
++++
+
Sitz
Kaudal
+++
+++
++
VA/Q Ventilations-Perfusions-Verhältnis: Stärke der Perfusion. FRC Funktionelle Residualkapazität. IL/SL infra-/supralateral
41.2
Umlagerung: Kinetische Therapie im engeren Sinn
Die gravitationsbedingten regionalen Verteilungsdifferenzen von Ventilation und Perfusion sind in Seitenlage sehr ausgeprägt. Eine regelmäßige Umlagerung, d.h. intermittierende Bauch-, Rücken- und Seitenlagerung führt zur Ausdehnung der oben liegenden Lungenbereiche, wodurch sich unbelüftete Areale mit Atelektasen öffnen lassen. Bei manchen Krankheitsprozessen bringt die Umlagerung eine verbesserte Oxygenierung der Lunge. Eine Umlagerung sollte auch zur Dekubitusprophylaxe/-therapie und Sekretolyse bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Bronchialerkrankung eingesetzt werden. Längeres Liegen ohne Lageveränderung kann zu verstärkter Sekretansammlung führen, was eine verminderte Ventilation in den infralateralen Lungenabschnitten verursacht. Daher müssen bettlägerige Patienten regelmäßig umgelagert werden bzw. mobile Patienten ermutigt werden, möglichst oft aufzustehen und sich zu bewegen.
41.3
. Abb. 41.5. Rückendrehlage (RDL)
Bewegung: Dreh-Dehn-Lagen
Mit den Dreh-Dehn-Lagen können Atemfunktion und Mobilität in Thorax, Wirbelsäule und Schultergelenken verbessert und erhöhte Gewebswiderstände herabgesetzt werden. Zudem wird diese Behandlungsform bei eingeschränkten oder fehlenden Atembewegungen angewandt. Dreh-Dehn-Lagen sind in 7 Übersicht 41.2 aufgelistet, und der Einfluss der Kenngrößen in sekundären Körperpositionen wird in . Tab. 41.2 dargestellt. . Übersicht 41.2. Dreh-Dehn-Lagen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Rückendrehlage (. Abb. 41.5) Halbmondlage (. Abb. 41.6) Ölschiene (. Abb. 41.7) Beckenkippung in Rückenlage (. Abb. 41.8) Ante-/Retroflexion in Rückenlage (. Abb. 41.9) Lateralflexion in Seitenlage (. Abb. 41.10) . Abb. 41.6. Halbmondlage (HML)
41
306
Kapitel 41 · Lagerung
. Abb. 41.9. Ante-/Retroflexion in Rückenlage . Abb. 41.7. Ölschiene (ÖS)
. Abb. 41.8. Beckenkippung in Rückenlage
. Abb. 41.10. Lateralflexion in Seitenlage
. Tab. 41.2. Wichtige Kenngrößen, die Einfluss auf die Lungenfunktion haben: Sekundäre Körperpositionen
Körperlage
VA/Q
C Thorax
FRC
Zwerchfell
Rückendrehlage
Dorsal
+/-
++
++++
Halbmondlage
Dorsal
+/-
+++(re) +/- (li)
++(re) +++++(li)
Ölschiene
IL
++SL
+IL +++SL
+++++IL ++SL
Beckenkippung in Rückenlage
Dorsal
+
++AK +/- PK
+++AK +++++PK
Ante-/Retroflexion in Rückenlage
Dorsal
++AF +/- RF
+
++++
Lateralflexion in Seitenlage
IL
-- IL +++SL
++IL
+++IL
41
VA/Q Ventilations-Perfusions-Verhältnis: Stärke der Perfusion. FRC Funktionelle Residualkapazität. IL/SL infra-/supralateral. AK Anteriore Kippung. PK Posteriore Kippung. AF Anteflexion der Arme. RF Retroflexion der Arme
307 41.4 · Klinisches Monitoring
. Abb. 41.11. Klinisches Monitoring vor, während und nach der Lagerungstherapie
41.4
Klinisches Monitoring
Klinisches Monitoring erfordert, die Gesamtbefindlichkeit des Patienten abzuschätzen und kontinuierlich zu beobachten (. Abb. 41.11). Klinische Beurteilungsparameter sind in 7 Übersicht 41.3 zusammengestellt. . Übersicht 41.3. Klinisches Monitoring
. Abb. 41.12. Lagerungstherapie zur Mobilisation der Brustwirbelsäule mit Keil
1. Inspektion der Kapillargebiete und Pulsoxymetrie
2. 3.
4.
5.
6.
dienen der Überwachung der arteriellen Oxygenierung. Ein hypoxischer Patient ist an zyanotisch verfärbter Haut, Lippen und Zunge erkennbar. Wichtige klinische Beurteilungsparameter sind Atemfrequenz und Atemmuster. Ein kontinuierliches Beobachten subjektiver Zeichen ist wichtig. Zeichen, die auf eine Überlastung oder kardiale Dekompensation hindeuten, sind z.B. Gesichtsfarbe, übermäßige Transpiration und apathischer Gesichtsausdruck. Bei unklarer Somnolenz/Unruhe ohne anderweitige Erklärung sollte eine Blutgasanalyse durchgeführt werden. Die Zwerchfell- und Thoraxaktivität wird untersucht. Eine aktive Zwerchfell- und normale Thoraxwandbewegung sind unentbehrlich, um die Lungenanteile optimal zu ventilieren und zu perfundieren [2, 3] (. Abb. 41.12,Abb. 41.13). Bei einer ventilatorischen Insuffizienz wird eine Kapnographie gemacht, um die alveoläre Ventilation zu überwachen.
. Abb. 41.13. Lagerungstherapie zur Mobilisation der Brustwirbelsäule mit HandtuchS
41
308
Kapitel 41 · Lagerung
41.5
Literatur
1. AWMF-Leitlinien-Register (Nr. 001/015) Lagerungstherapie zur Prophylaxe oder Therapie von pulmonalen Funktionsstörungen 2. Albert RK, Leasa D, Sanderson M et al. (1987) The prone position improves oxygenation and reduces shunt in oleic-acid-induced acute lung injury. Am Rev Respir Dis 135: 628–633 3. Gattinoni L, Pelosi P, Vitale G et al. (1991) Body Position Changes Redistribute Lung Computed- Tomographic Density in Patients with Acute Respiratory Failure. Anaesthesiol 74: 15–23 4. Calzia E, Radermacher P (1999) Klinische Bedeutung von Ventilations- und Perfusionsbeziehungen. Intensiv Med 36 suppl I: 9–12 5. Oczenski W, Andel H, Werba A (2005) Atmen und Atemhilfen. Thieme, Stuttgart New York 6. Bickel-Schumacher C (2005) Veränderungen des pulmonalen Gasaustauschs und der Hämodynamik während Ein-LungenBeatmung unter Almitrinbismesylat und Stickstoffmonoxid. Inaugural-Dissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen 7. Raßler B, Mügge LO, Waurick S, Raßler J (2001) Der Einfluss von Operationslagerungen und Spinalanästhesie auf die Lungenfunktion. Pneumologie 55: 31–37 8. Marini JJ, Tyler ML, Hudson LD (1984) Influence of head dependent positions on lung volume and oxygen saturation in chronic airway obstruction. Am Rev Respir Dis 129: 101–105 9. Gosselink R, Decramer M (2003) Revalidatie bij chronisch obstructieve longziekte. Elsevier, GezondheidSszorg Maarssen 10. Zollinger A (1999) Anästhesie in der Thoraxchirurgie. Anaesthesist 48 :193–204 11. Kanemo KJ, Milic-Emili J, Dolovich MB (1966) Regional distribution of ventilation and perfusion as a function of body position. J Appl Physiol 21: 767–777 12. Huemer G, Zimpfer M (2005) Kinetische Therapie beim Intensivpatienten. Clinicum, Juli-Sonderausgabe 13. Bein T, Kuhlen R, Quintel M (2007) Beatmung in Bauchlage beim akuten Lungenversagen Ventilation in Prone Position in Acute Lung Failure. Dtsch Arztebl 104(28-29): A-2048 /B-1807/C-1743
41
42 42 Nicht-invasive Beatmung, positiver end-exspiratorischer Druck und Inhalation A.J.R. van Gestel, J. Steier, H. Teschler
42.1
Der transpulmonale Druck: Einfluss auf die Lungenfunktion – 309
42.2
Nicht-invasive Beatmung
42.3
Formen der nicht-invasiven Beatmung
– 310
42.4
Apparatives und klinisches Monitoring
– 314
42.5
PEP-Maskenatmung
42.6
Inhalation
42.7
Literatur
– 315
– 316
– 310
Der Pathomechanismus einer chronischen Lungenerkrankung verursacht eine erhöhte Atemarbeit mit 4 verminderter alveolärer Ventilation (chronisches ventilatorisches Atemversagen bzw. Hypoventilation), 4 erhöhtem arteriellen Kohlendioxidpartialdruck (Hyperkapnie) und erniedrigtem arteriellen Sauerstoffpartialdruck (Hypoxämie), 4 respiratorische Azidose (respiratorische Globalinsuffizienz) [1]. Eine Kombination von Hypoxämie und Hyperkapnie kann bei Patienten mit schwerer COPD häufig beobachtet werden. Eine respiratorische Insuffizienz zeigt bei Atmung von Raumluft paO2-Werte<60 mmHg, mit oder ohne Hyperkapnie (paCO2>45 mmHg) [2]. Eine Hyperkapnie wiederum kann zu einer Azidose führen, wodurch die Muskulatur zusätzlich geschwächt und die Ermüdung der Atempumpe beschleunigt wird. Infolge der alveolären Hypoventilation können im weiteren Krankheitsverlauf Hypoxämie und Hyperkapnie als Stimuli der Dyspnoe in den Vordergrund treten. Sie verursachen unbewusste Kompensationsmechanismen, die auf die Korrektur evt. lebensbedrohlicher Störgrößen, z.B. veränderte arterielle Blutgaswerte, ausgerichtet sind. Eine Reduzierung des Atemminutenvolumens bzw. adaptive Hypoventilation (AH) und Immobilisation bringt COPD-Patienten eine Entlastung der überforderten Atemmuskulatur und Regenerierung des Energiespeichers [3, 4]; allerdings kommt es bei fortschreitender COPD zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung des Gasaustauschs. Eine ausreichende Minutenventilation kann in diesem Zustand oft nicht mehr gewährleistet werden.
– 317
Die verschiedenen Pathologien sind durch gemeinsame Symptome wie Dyspnoe, Tachypnoe und Zyanose geprägt. Das Endstadium verschiedener Lungenerkrankungen manifestiert sich daher häufig auf ähnliche Weise. Die therapeutischen Optionen bei respiratorischer Globalinsuffizienz beruhen bei unzureichendem Therapieerfolg der konventionellen physiotherapeutischen Interventionen auf zwei Behandlungsprinzipien: 4 Langzeit-Sauerstofftherapie (Kap. 4) zur Verbesserung der Hypoxämie und 4 nicht-invasive Beatmungstherapie zur Verbesserung der Hyperkapnie und Begleithypoxämie. Da im Endstadium einer chronischen Lungenerkrankung, abgesehen von der maschinellen Beatmung, kaum etablierte Therapieansätze existieren, ist die ätiologisch vielfältige respiratorische Globalinsuffizienz pathophysiologisch eines der größten Probleme.
42.1
Der transpulmonale Druck: Einfluss auf die Lungenfunktion
Der transpulmonale Druck (ptp) ist definiert als die Druckdifferenz zwischen Alveolardruck (palv) und Pleuradruck (ppl) (ptp = palv - ppl, d.h. transpulmonaler Druck = Alveolardruck minus Pleuradruck, 7 Formel 8.1) und bestimmt maßgebend das Lumen der peripheren Lungenareale (Bronchiolen und Alveolen). Für das Offenhalten der peripheren Lungenareale ist ein positiver transpulmonaler Druck notwendig. In aufrechter Haltung ist der transpulmonale Druck in den api-
310
Kapitel 42 · Nicht-invasive Beatmung, positiver end-exspiratorischer Druck und Inhalation
kalen Lungenarealen am größten und nimmt basalwärts kontinuierlich ab. Wird der transpulmonale Druck durch erhöhte Kompression negativ, z.B. als Folge 4 einer forcierten Exspiration, 4 eines Pleuraergusses oder 4 interstitiellen/alveolären Lungenödems, werden Lungenareale zusammengedrückt, und es kann zum Verschluss der terminalen Atemwege und Bronchiolen- und Alveolarkollaps bzw. Atelektasenbildung kommen [5]. Eine Erhöhung des transpulmonalen Drucks (ptp) bewirkt die Rekrutierung nicht ventilierter Lungenareale und demzufolge eine Reduktion des zyklischen Kollabierens und Wiederöffnens von Alveolen. Beispiel Transpulmonaler Druck (ptp) =
Alveolardruck (palv) -
Pleuradruck(ppl) Einheit: mbar
Apikal
10 =
0-
(-10)
Basal
2,5 =
0-
(-2,5)
42.2
Nicht-invasive Beatmung
Ziel der nicht-invasiven Druckbeatmung (NIV, »non-invasive pressure ventilation«, NPV) ist es, bei Patienten mit chronischem ventilatorischem Atemversagen und teilbelastbarer Atemmuskulatur die Muskelarbeit zu reduzieren und eine Optimierung der alveolären Ventilation zu erreichen. Nichtinvasive Beatmung ist eine mechanische Unterstützung der Atmung ohne endotrachealen Zugang [1]. Als Alternative zur konventionellen mechanischen Beatmung hat sich die nichtinvasive Beatmung (NIV) etabliert bei 4 akuter Exazerbation einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), 4 neuromuskulären Erkrankungen und 4 Thoraxwanderkrankungen (ausgeprägte Kyphoskoliose) mit akuter respiratorischer Globalinsuffizienz [6, 7, 8].
Indikationen der NIV In 7 Übersicht 42.1 sind die Indikationen für eine nicht-invasive Beatmung (NIV) zusammengefasst. . Übersicht 42.1. Indikationen für nicht-invasive Beatmung (NIV)
42
1. 2.
6
Symptome/Zeichen einer akuten respiratorischen Insuffizienz mit mäßiger bis schwerer Dyspnoe Gasaustauschstörung (paCO2>45 mmHg, pH<7,35, paO2 (50–55 mmHg)/FIO2<200 mmHg, AF>24/min und exzessiver Einsatz der Atemhilfsmuskulatur) bei
– – – – – –
akutem Lungenödem akuter Exazerbation einer COPD im Frühstadium einer Pneumonie Entwöhnung von der Beatmung (»weaning«) Schlafapnoesyndrom akuter Dekompensation der chronisch erschöpften Atempumpe bei Muskeldystrophie, Kyphoskoliose – perioperativer Phase, z.B. bei Risikopatienten, Adipositas per magna) Gesicherte Indikationen für NIV sind: 3. Postextubationsphase und Entwöhnung (»weaning«) von invasiver Langzeitbeatmung bei hyperkapnischem Atemversagen (Empfehlungsgrad A) 4. Palliative Linderung der Dyspnoe (Empfehlungsgrad C)
Ein entscheidender Vorteil der NIV bei akut exazerbierter COPD besteht in der erhaltenen Hustenclearance, da der Glottisschluss im Gegensatz zur Intubation nicht behindert wird. Vor allem bei COPD-Risikopatienten mit hohem Alter, Herzinsuffizienz und Hypersekretion, die nach Extubation eine hyperkapnische akute respiratorische Insuffizienz (ARI) entwickeln, vermindert der frühzeitige NIV-Einsatz die Reintubations- und Letalitätsrate [9]. Beatmungsstrategie der Wahl ist die NIV auch bei 4 pulmonalem Atempumpversagen infolge eines kardialen Lungenödems (Empfehlungsgrad A), 4 ARI bei immunsupprimierten Patienten (Empfehlungsgrad A) und 4 neuromuskulären Erkrankungen, sofern keine Kontraindikationen vorliegen. > Wichtig Richtwerte für eine beginnende NIV bei COPD-Patienten sind die Blutgaswerte: paCO2>45 mmHg, paO2 50–55 mmHg, SaO2<88% trotz Sauerstoffsupplement [8].
42.3
Formen der nicht-invasiven Beatmung
Generell werden zwei verschiedene Typen der NIV unterschieden: 4 die Unterdruckbeatmung (negative Druckbeatmung) (wird jedoch nur noch selten eingesetzt) und 4 die Überdruckbeatmung (positive Druckbeatmung) [1]. Unter nicht-invasiver Positivdruck-Beatmung (»non-invasive positive pressure ventilation«, NPPV) versteht man eine maschinelle Atemhilfe ohne Einsatz eines Endotracheal- oder Tracheostomietubus [8]. Die Beatmung erfolgt über eine dicht sitzende Gesichts-, kombinierte Mund-Nasen- oder einfache Nasenmaske. Die nicht-invasive Positivdruckbeatmung wird zunehmend bei der Therapie der respiratorischen Globalinsuffizienz (Atempumpinsuffizienz) restriktiver und obstruk-
311 42.3 · Formen der nicht-invasiven Beatmung
tiver Lungenerkrankungen eingesetzt. Man unterscheidet bei der Überdruckbeatmung drei Formen (7 Übersicht 42.2). . Übersicht 42.2. Formen der Überdruckbeatmung 1. 2. 3.
Kontinuierliche Überdruckbeatmung (CPAP, »continuous positive airway pressure«) Biphasische Überdruckbeatmung (BIPAP, »biphasic positive airway pressure«) Volumengesteuerte Überdruckbeatmung [1]
42.3.1 Volumenkontrollierte Beatmung Bei der volumenkontrollierten Beatmung liefert der Ventilator mit jedem Atemzug ein bestimmtes einstellbares Tidalvolumen (Atemzugvolumen). Volumenkontrolliertes Beatmen ermöglicht, dass der Patient ein kontrolliertes minimales Atemminutenvolumen erhält. Geht man von dem pathophysiologischen Konstrukt der überlasteten Atemmuskulatur aus, so hat die kontrollierte Beatmung den ausschlaggebenden Vorteil, dass das komplette Sistieren der eigenen Atmung eine vollständige Entlastung der Atemmuskulatur bringt, mit maximaler Reduktion der Atemimpedanz, die der Patient überkommen muss. Bei der volumenkontrollierten Beatmung wird ein bestimmtes Tidalvolumen eingestellt, das unabhängig vom notwendigen Druck abgegeben wird. Dies hat zum einen den Nachteil, dass bei einer Atemwegsobstruktion enorme Druckspitzen entstehen können, zum anderen können Leckagen nicht kompensiert werden. Daher wird diese Beatmungsform von den Patienten häufig schlecht toleriert.
lich ist. Darüber hinaus bleibt die mukoziliare Clearance erhalten (. Abb. 42.1). Eine aktive Zwerchfell- und normale Thoraxwandbewegung ist unentbehrlich, um die Lungenanteile optimal zu ventilieren und zu perfundieren [10, 11]. > Wichtig CPAP ist eine Form der assistierten Spontanatmung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck während des gesamten Atemzyklus.
Effekte der CPAP-Überdruckbeatmung Voraussetzungen für eine CPAP-Überdruckbeatmung sind: 4 ausreichende Spontanatmung, 4 suffiziente Atempumpe und 4 intakter Atemantrieb [5]. Haupteffekt der CPAP-Überdruckbeatmung ist das Anheben
bzw. Aufrechterhalten der funktionellen Residualkapazität (FRC). Eine Reduktion der FRC führt zu einer Verengung der Bronchialdurchmesser. Die terminalen Atemwege (0,5– 0,9 mm Durchmesser), v.a. in den unteren Lungenarealen, können durch den umgebenden Intrathorakaldruck während der Exspiration verschlossen werden (dynamische Atemwegskompression), was einen Verschluss der terminalen Bronchiolen bis hin zum end-exspiratorischen Kollaps begünstigt. Der Verschluss terminaler Luftwege führt zu Airtrapping und Atelektasenbildung in den nachgeschalteten Alveolen. Durch CPAP gelingt das Offenhalten der terminalen Luftwege, der Ventilations- Perfusions-Quotient verbessert sich und RechtsLinks-Shunts werden reduziert (7 Übersicht 42.3). . Übersicht 42.3. Erfolgskriterien der NIV 1.
42.3.2 CPAP-Überdruckbeatmung: Assistierte
2.
Spontanatmung Die CPAP-Überdruckbeatmung (»continuous positive airway pressure«) ist eine Beatmungsform, bei der die eigene Atmung erforderlich ist: Der Patient bestimmt selbst Atemtiefe, Atemfrequenz und Flow. CPAP gehört zu den rein spontanen Ventilationsformen. Die Beatmungsmaschine schreibt dem Patienten also nicht vor, wie er atmen soll, sondern unterstützt dessen eigene Atmung. Der Patient kann sprechen, schlucken und ist mobiler, so dass eine Atemtherapie bei wachen Patienten mög. Abb. 42.1. CPAP-Überdruckbeatmung. Pfeil Kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck während des gesamten Atemzyklus (van Gestel 2009)
3. 4.
Entlastung der Atempumpe (Abnahme der Atemund Herzfrequenz) Zunahme der alveolären Ventilation: Abnahme des arteriellen paCO2 Verbesserung der Oxygenierung (SaO2>90%) Subjektive Besserung der Symptome
Entlastung der Atempumpe Erhöhte Atemwegswiderstände und exspiratorische Flusslimitation mit verlängertem Exspirium bewirken eine ungenügende Entleerung der Luft aus der Lunge, so dass es zu einem Anheben der FRC kommt. Durch die gefangene Luft in
42
312
42
Kapitel 42 · Nicht-invasive Beatmung, positiver end-exspiratorischer Druck und Inhalation
. Abb. 42.2. Generierung eines intrinsischen PEEP zu Ende der Exspiration. Es ist noch Restluft (unterer Pfeil) in der Alveole, obwohl die Inspiration bereits begonnen hat (obere Pfeile) (van Gestel 2009)
. Abb. 42.3. Druck-Volumen-Kurve des respiratorischen Systems bei Gesunden und COPD-Patienten (modifiziert nach Oczenski 2006, van Gestel 2009)
den obstruktiven Lungenarealen bleibt zu Ende der Exspiration ein erhöhtes Restvolumen in der Lunge, was bei Belastung und verstärkter Atmung als dynamische Lungenüberblähung bezeichnet wird. Die dynamische Lungenüberblähung bedingt, dass sich die Atemmittellage zur totalen Lungenkapazität hin verschiebt (. Abb. 42.3). Durch die elastische Retraktionskraft des ausgedehnten Lungenparenchyms besteht zu Ende der Exspiration dann ein positiver alveolärer Druck bzw. intrinsischer PEEP (»positive endexpiratory pressure«). Physiologisch herrscht zu Ende der Exspiration in der Alveole ein Druck entsprechend dem Atmosphärendruck, folglich ein kleiner inspiratorischer Unterdruck (Kontraktion des Zwerchfells), der zum Einströmen von Inspirationsluft führt. Bei der dynamischen Lungenüberblähung behindert der intrinsische PEEP die Inspiration [12]. Die Atemmuskulatur muss viel Kraft einsetzen, um einen intrinsischen PEEP, der häufig ca. 5–8 cmH2O misst, auszugleichen. Erst wenn dieser Inspirationsdruck überwunden wird, setzt die Inspirationsbewegung ein, und es kommt zu einem inspiratorischen Lufttstrom [13, 14]. Je nach Schweregrad der COPD kann ein großer Teil der gesamten Atemimpedanz nur zur Überwindung des intrinsischen PEEP erforderlich sein [1, 15]. Hinzu kommt eine Abnahme der elastischen Kraft des Thorax. Die durchschnittliche Atemimpedanz kann bei COPD-Patienten ungefähr 3-mal so groß sein wie bei gesunden Probanden [16, 17]. Die Überwindung dieser zusätzlichen Last kann zu einer extremen Lasterhöhung der Atempumpe und Entstehung eines respiratorischen Versagens führen [12] (. Abb. 42.2).
windung des intrinsischen PEEP nicht bis auf Atmosphärendruck, sondern nur bis CPAP-Niveau erfolgen. Durch das wieder vorhandene Druckgefälle zur Außenluft kann der Patient das überschüssige Volumen abatmen [5].
Extrinsischer PEEP Da die apparative Beatmung keinen Einfluss auf die Atemwegsobstruktion hat, kann sie einen Teil der elastischen Atemarbeit übernehmen und den Patienten maßgeblich entlasten. Durch CPAP-Atmung mit einem extrinsischen PEEP (»positive endexpiratory pressure«), der etwas geringer ist als der intrinsische, muss die erforderliche Atemarbeit zur Über-
Verbesserung der Oxygenierung Die Atmung mit einem extrinsischen PEEP bringt eine Erhöhung des intrabronchialen Drucks bzw. des transpulmonalen Drucks (ptp), was bei forcierter Atmung einem exspiratorischen Bronchialkollaps entgegenwirkt, den end-exspiratorischen Alveolarkollaps verhindert, initial nicht ventilierte Lungenareale wieder belüftet und dadurch das zyklische Kollabieren und Öffnen der Alveolen reduziert [18]. Der dynamischen Atemwegskompression in den terminalen Atemwegen während der Exspiration wird entgegengewirkt, wodurch sich das VA/Q-Verhältnis durch Reduktion des intrapulmonalen Shunts zugunsten normal ventilierter Lungenareale verbessert. Verschlossene Lungenareale (Atelektasen) werden erneut ausgedehnt und rekrutiert. Die Gasaustauschfläche wird vergrößert und das Ventilations-Perfusions-Verhältnis weiter verbessert. Insgesamt kommt es zu einer verbesserten Oxygenierung. Fazit Eine NIV mit inspiratorischer Druckunterstützung ermöglicht es, die Atemimpedanz zu vermindern, 4 einerseits durch die inspiratorische mechanische Unterstützung und 4 andererseits durch den extrinsischen positiven end-exspiratorischen Druck (PEEP), wodurch der intrinsische PEEP ausgeglichen wird [14, 19, 20]. Die Effekte einer CPAP-Überdruckbeatmung sind: 4 Offenhalten der terminalen Atemwege, 4 Verminderung der dynamischen Atemwegskompression (Kollapsneigung) in den terminalen Atemwegen, 6
313 42.3 · Formen der nicht-invasiven Beatmung
4 4 4 4
Abnahme der dynamischen Überblähung, Rekrutierung atelektatischer Lungenareale, Verkleinerung des intrapulmonalen Recht-Links-Shunts und Verminderung der in- und exspiratorischen Atemimpedanz.
42.3.3 BIPAP-Überdruckbeatmung Die BIPAP ist eine Beatmungsform aus der Intensivmedizin, die aus dem CPAP-Modus entwickelt wurde. BIPAP bedeutet biphasische Überdruckbeatmung (»bilevel positive airway pressure«), d.h., es werden zwei unterschiedliche Drücke während In- und Exspiration erzeugt. Das Beatmungsgerät wechselt zwischen einem höheren inspiratorischen Druckniveau (»inspiratory positive airway pressure«, IPAP) und einem niedrigeren exspiratorischen (»expiratory positive airway pressure«, EPAP) [1] (. Abb. 42.4). Durch den vorgegebenen Druck wird der Patient zwar kontrolliert beatmet, er kann aber in jeder Phase des Atemzyklus spontan mitatmen, ohne dass es zu einer Kollision mit
den Druckvorgaben des Geräts kommt. Gesteuert wird der Druckwechsel, indem Atemfrequenz und Zeitspannen für das obere (P hoch) und untere Druckniveau (P niedrig) festgelegt werden (. Abb. 42.5). Bei BIPAP wird in einem frei wählbaren Zeitraster zwischen zwei einstellbaren Druckniveaus, deren Höhe unabhängig voneinander wählbar ist, gewechselt. Der Patient kann jederzeit auf einem der beiden Druckniveaus spontan atmen. Er bemerkt jedoch den höheren und niedrigeren Gegendruck. Es wird angestrebt, eine angepasste Ventilation zu erreichen, ohne den Beatmungsmodus während der Beatmungsdauer umzustellen. BIPAP umfasst also das gesamte Spektrum: von der kontrollierten Beatmung bis zur Spontanatmung. Die Atemarbeit des Patienten wird dabei zu keinem Zeitpunkt verhindert. Die aktive Zwerchfellkontraktion bei der Spontanatmung bewirkt eine bessere Entfaltung und Ventilation der dorsalen Lungenareale, beim liegenden Patienten der infralateralen und zwerchfellnah liegenden Lungenareale (dort ist auch die Atelektasenbildung der Alveolen am größten). Durch den verbesserten venösen Rückstrom bei aktiver Inspi-
. Abb. 42.4. Mechanische Darstellung der BIPAP-Überdruckbeatmung (Bloch 1999)
. Abb. 42.5. BIPAP (biphasische Überdruckbeatmung). Großer Pfeil Druck 1 (P1= Phoch): Zusätzlicher Inspirationsdruck. Kleiner Pfeil
Druck 2 (P2= Pniedrig): Exspirationsdruck = PEEPi = CPAP-Niveau (van Gestel 2009)
42
314
Kapitel 42 · Nicht-invasive Beatmung, positiver end-exspiratorischer Druck und Inhalation
ration ergibt sich ein signifikant besseres Herzzeitvolumen (HZV). Veränderungen des intrathorakalen Drucks während NIV Physiologischerweise nimmt der intrathorakale Druck während der Inspiration ab, wodurch der Druckgradient zwischen intra- und extrathorakalem venösen System zunimmt. Daraus resultiert eine Zunahme des venösen Rückflusses und damit der rechtventrikulären Vorlast. Bei CPAP-Überdruckbeatmung ändert sich diese Situation, da der venöse Rückstrom durch Steigerung des intrathorakalen Drucks vermindert wird. Die rechtsventrikuläre Vorlast nimmt ab; dadurch kommt es zu einem reduzierten Herzzeitvolumen1, einem abnehmenden systemischen Blutdruck und letztendlich zu einer reduzierten Organperfusion. Durch die Spontanatmung bei BIPAP entstehen während der Inspiration negative Drücke im Thorax, die das Herzzeitvolumen und damit die hämodynamische Situation des Patienten verbessern. Einsatz einer NIV bei körperlicher Belastung Der NIV-Einsatz führt bei körperlicher Belastung zu einer positiven Beeinflussung der Belastbarkeit bei gleichzeitiger Reduktion der belastungsinduzierten Dyspnoe. Vor allem bei hyperkapnischen COPD-Patienten ist eine NIV mit hohem Inspirationsdruck effektiv [38]. Zu beachten ist, dass es bzgl. Toleranz und positiver Beeinflussung von Belastbarkeit und Dyspnoe interindividuelle Unterschiede gibt.
42.4
Apparatives und klinisches Monitoring
Nicht nur bei der invasiven Beatmung, sondern auch bei der NIV ist ein umfassendes Monitoring des Patienten erforderlich. Dabei werden die wichtigsten Vitalparameter des Patienten kontinuierlich überwacht. Die wichtigsten Verlaufsparameter während der NIV-Beatmung sind in 7 Übersicht 42.4 zusammengefasst.
42
Oxygenierung ermöglicht und eine gewisse Aussage über die Effektivität der NIV zulässt. Um die Beatmungseffektivität jedoch genau beurteilen zu können, müssen vor allem in der Initialphase Parameter wie der pH-Wert des Blutes und paCO2 durch Blutgasanalyse festgestellt werden. Die Herzfrequenz wird über das EKG am Monitor überwacht (bei kardiologischen Patienten mit einer zusätzlichen Arrhythmie-Überwachung). Zudem wird der Blutdruck nicht-invasiv mittels Blutdruckmanschette intervallmäßig gemessen. ! Cave Zu beachten ist, dass es durch den positiven Beatmungsdruck bei invasiver Beatmung zu einem erhöhten intrathorakalen Druck und damit zu einer Hypotonie kommen kann.
Klinisches Monitoring Beurteilungsparameter des klinischen Monitoring wurden bereits in Kap. 41.4 beschrieben (7 Übersicht 41.3). Diese gelten auch bei der nicht-invasiven Überdruckbeatmung. Abbruchkriterien der NIV sind in 7 Übersicht 42.4, NIV-Einstellungen sind in . Tab. 42.1 zusammengestellt. Mittels klinischem Monitoring wird das gesamte Befinden des Patienten kontinuierlich beobachtet und eingeschätzt. Besonders während der Initialphase der Beatmung ist eine genaue klinische sowie apparative Überwachung notwendig, um einzuschätzen, ob der Patient verstärkt unruhig und agitiert ist, oder ob sein Bewusstseinszustand eintrübt und er somnolent wird. Bei unklarer Somnolenz oder Unruhe ohne anderweitige Erklärung sollte zusätzlich eine Blutgasanalyse (BGA) durchgeführt werden. Eine Inspektion der Kapillar-
. Tab. 42.1. Einstellungen der nicht-invasiven Beatmung
Beatmungsform
Einstellung am Gerät
Volumengesteuerte Beatmung
Übliches Atemzugvolumen: 250–500 ml (4–8 ml/kg) Druck variiert
. Übersicht 42.4. Verlaufsparameter der NIV-Beatmung
Druckgesteuerte Beatmung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Druckunterstützt oder druckkontrolliert Üblicher inspiratorischer Druck: 8–20 cmH2O End-exspiratorischer Druck: 0–6 cmH2O Volumen variiert
Biphasische Überdruckbeatmung (BIPAP)
Üblicher inspiratorischer Druck 8–20 cmH2O Üblicher Exspirationsdruck: 2–8 cmH2O Volumen variiert
Kontinuierliche Überdruckbeatmung (CPAP)
Konstanter Druck: 5–12 cmH2O Volumen variiert
SpO2 (Pulsoxymetrie) Empfindung von Dyspnoe und Ermüdung (Borg-Skala) EKG Hyperkapnie, pH-Wert Atemfrequenz (RR) Atemminutenvolumen (AMV) Tidalvolumen (VT)
Der Pulsoxymetrie kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie eine kontinuierliche nicht-invasive Überwachung der 1 Die Reduktion der linksventrikulären Nachlast durch einen höheren intrathorakalen Druck fällt nur in klinischen Situationen ins Gewicht.
(modifiziert nach Bloch 1999 [1])
315 42.5 · PEP-Maskenatmung
gebiete und unterstützende Pulsoxymetrie dienen der Überwachung der arteriellen Oxygenierung. Ob ein Patient hypoxisch ist, lässt sich an einer zyanotischen Verfärbung von Haut, Lippen und Zunge feststellen. Eine Zyanose ist ab einem Deoxyhämoglobingehalt von 5 mg/dl für das Auge sichtbar, allerdings kann sie bei einer zusätzlich vorliegenden Anämie erst später sichtbar werden. Weitere wichtige klinische Parameter zur Beurteilung des Gesamtzustands sind Atemfrequenz und Atemmuster. Zu beobachten sind die thorakal-abdominalen Atemexkursionen bzgl. Tiefe und Synchronisation (paradoxe Atmung) zwischen Spontanatmung und Beatmungsmuster [1]. An der Rekrutierung der Atemhilfsmuskulatur kann man eine unzureichende Beatmungseinstellung erkennen. Vor allem der Einsatz der akzessorischen Atemhilfsmuskeln am Hals ist ein klinisches Merkmal für eine zu geringe Atemunterstützung. Außerdem wird kontinuierlich auf subjektive Erscheinungen wie z.B. Gesichtsfarbe, übermäßige Transpiration, apathischer Gesichtsausdruck geachtet; diese Zeichen deuten auf Überlastung oder kardiale Dekompensation hin. Einen Stresszustand des Patienten kann man u.a. an starkem Schwitzen, angespannten Muskeln und dessen Mimik erkennen. . Übersicht 42.4. Abbruchkriterien 1. 2. 3. 4. 5.
Starke Kurzatmigkeit/Dyspnoe Starke Ermüdung/Fatigue Schwere Hypoxämie (paO2<50 mmHg, SpO2<88%) Allgemeines Unwohlsein Angina pectoris
Therapie einer alveolären Hypoventilation In 7 Übersicht 42.5 ist die Strategie der Therapie einer alveolären Hypoventilation in einzelnen Schritten aufgeführt.
Exkurs Weitere nicht-invasive Beatmungsformen In diesem Buch werden nicht alle nichtinvasiven Beatmungsformen vorgestellt. Es gibt weitere Beatmungsformen: 4 SIMV (»synchronized intermittend mandatory ventilation«):
Exkurs Studien über die Atmung mit PEP-Masken Es gibt Studien mit COPD-Patienten [27– 32] und Patienten mit zystischer Fibrose [33–36], die zeigen, dass die Atmung mit
. Übersicht 42.5. Therapeutisches Vorgehen bei alveolärer Hypoventilation 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
42.5
Atem-/Physiotherapie/Verwendung eines Sauerstoffsupplements Nicht-invasive Atemhilfe ohne Ventilation (CPAP) Atemhilfe mit Ventilation (SIMV/BIPAP) Kontrollierte Beatmung mit PEEP (CPPV/BIPAP) Step 4 mit IRV (Additiv: Physiotherapie, Inhalationen usw.) BIPAP (»bilevel positive airway pressure«) CPAP (»continuous positive airway pressure«)
PEP-Maskenatmung
Die PEP-Atmung (»positive expiratory pressure«) [21–26] ist eine Exspirationstechnik gegen variable Exspirationswiderstände, die mit der Zielsetzung der Mukusclearance und Verbesserung der alveolären Ventilation angewandt wird. Durch den erhöhten intrabronchialem Druck verhindert die PEPMaskenatmung eine Atemwegsinstabilität, kann die funktionelle Residualkapazität senken und die Entblähung der Lunge unterstützen. Wirkung der PEP-Maskenatmung Durch das Ausatmen gegen Widerstände wird die Atmung durch die offen gehaltenen Luftwege verlangsamt und somit die Distribution verbessert (Kap. 29). Die enorme Distributionsverbesserung führt zur Öffnung kollabierter Lungenareale (Atelektasen) und kollateralen Ventilation (Kap. 18). So kann Luft auch peripher des Sekrets strömen und die Sekretmobilisation unterstützen. Der durch die PEP-Atmung gebremste exspiratorische Fluss trägt allerdings wenig zum eigentlichen Sekrettransport bei; daher sind ergänzende forcierte Exspirationstechniken empfehlenswert (Kap. 33).
Volumenkontrollierte Beatmung, die häufig in der Entwöhnungsphase von der Maschine eingesetzt wird. Durch individuelle Einstellung am Gerät wird eine Anzahl obligater mandatorischer Beatmungshüben/Minute vorgegeben
PEP-Masken und CPAP einen leicht positiven Effekt auf die Erkrankung hat. Van der Schans erwähnte jedoch, dass die Dyspnoeempfindung des Patienten trotz
4 IRV (»inverse ratio ventilation«): Beatmung mit umgekehrtem Atemzeitverhältnis zur Verbesserung der Oxygenierung des Blutes 4 CPPV (»continuous positive pressure ventilation«)
der alveolären Ventilationsverbesserung bei körperlicher Belastung mit Maskenatmung erhöht ist [37].
42
316
Kapitel 42 · Nicht-invasive Beatmung, positiver end-exspiratorischer Druck und Inhalation
weise werden mit der Lippenbremse Drücke zwischen 3– 6 cmH20 erreicht. Indikationen für die PEP-Maskenatmung Die Anwendung der PEP-Maske ist ideal bei starker Sekretproduktion und druckabhängigen Obstruktionen. Sie kann jedoch auch im Rahmen der Atelektasenprophylaxe z.B. bei postoperativen Patienten eingesetzt werden. Möglich ist dabei zugleich eine Inhalation von schleimlösenden Wirkstoffen über die Maske. ! Cave Kontraindikationen für PEP-Atmung sind Pneumothorax (absolut) und Herzinsuffizienz (relativ).
Die PEP-Atmung mit Mundstück ist eine gute Alternative für Patienten, die die dicht abschließende, schwarze Maske als unangenehm empfinden. Zudem ist es über dieses System möglich, die Behandlungszeit durch gleichzeitige Inhalation zu verkürzen.
Inhalation
42.6
. Abb. 42.6. PEP-Maskenatmung (Aus Video: Cegla 2009)
42.5.1 Die PEP-Maske Bei der PEP-Atmung stehen Widerstände mit einem Durchmesser von 1,5–5 mm zur Verfügung. Mithilfe eines Manometers wird die Stärke des Ausatmungswiderstandes bestimmt. Grundsätzlich werden keine inspiratorischen Widerstände gesetzt, da bereits genügend Arbeit gegen die krankheitsbedingt erhöhten Atemwegswiderstände geleistet werden muss (. Abb. 42.6). Ausführung der PEP-Maskenatmung Ausgangsstellung ist der aufrechte Sitz mit aufgestützten El-
42
lenbogen. Mund und Nase werden mit der beidhändig gehaltenen Maske dicht umschlossen, so dass keine Luft entweichen kann. Zur Ermittlung des richtigen Ausatemwiderstandes atmet der Patient spontan mit einem Druck von 10–15 cmH2O durch die Maske ein und aus. Erfragt und beobachtet werden subjektives Anstrengungsgefühl, Dauer der Ausatmung (Höhe der Atemfrequenz) und Stärke des Bauchmuskeleinsatzes. Die passende Widerstandsstärke muss zwischen zu langer Ausatmung (bei zu kleinem Durchmesser) und zu starkem Bauchmuskeleinsatz (bei zu großem Durchmesser) gesucht werden. Der Patient darf nach 10–15 Atemzügen keine Anstrengung empfinden. Als Richtwert werden für größere Kinder und lungengesunde Erwachsene Ventile mit 2,5–3 mm eingesetzt. Sobald der passende Widerstand ermittelt ist, atmet der Patient langsam und ruhig durch die Maske ein, hält die Luft kurz an und baut mit der Exspiration einen Druck von ca. 10–15 (maximal 20) cmH20 auf. Dieses Druckplateau sollte über eine möglichst lange Zeit gehalten werden. Vergleichs-
Bei starker Verschleimung wird die medikamentöse Therapie häufig über eine Inhalation der Wirkstoffe verabreicht. Es gibt verschiedene Wirkstoffe in unterschiedlichen Formen (pulverförmig, flüssig). Sie können mit einer physiologischen Kochsalzlösung in Dosieraerosol-Form (Spray, erzeugt über Treibgas feine Tröpfchen) oder über ein Pulverinhalationssystem inhaliert werden. Zusätzlich gibt es (Ultraschall-)Vernebler, die feine, lungengängige Flüssigkeitsnebel erzeugen. Die Inhalation hat eine Reihe von Vorteilen, denn die Wirkstoffe gelangen auf direktem Weg in die Bronchien, wo sie gebraucht werden. Dadurch setzt die physiologische Wirkung früher ein, und es werden niedrigere Wirkstoffdosen benötigt. Zudem ist die Behandlung besonders gut verträglich, und Nebenwirkungen sind seltener und schwächer. Allerdings muss die Inhalationstechnik gut erlernt und beherrscht werden. Der Wirkstoff kann bei falscher Anwendung über Mund- und Rachenschleimhaut in den systemischen Kreislauf gelangen und zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Aufgabe des Therapeuten ist es, die Inhalation zu kontrollieren bzw. den Patienten anzulernen. Eine optimale Inhalation in 13 Schritten wird in 7 Übersicht 42.6 vorgestellt. . Übersicht 42.6. Vorgehensweise bei der Inhalation 1. Menge (Dosis) des zu inhalierenden Wirkstoffs kontrollieren 2. Vergewissern, wie der Inhaler bei der Inspiration gehalten werden muss 3. Schutzkappe entfernen 4. Inhalationsgeräte zwischen Daumen und Mitteloder Zeigefinger halten (»Daumen und Mundstück unten«), und falls notwendig, kräftig schütteln 6
317 42.7 · Literatur
5. Kopf leicht zurückneigen 6. Tief ausatmen und Luft vor dem Inhalieren kurz anhalten 7. Mundstück fest mit den Lippen umschließen, so dass kein Wirkstoff entweichen kann 8. Freisetzen des Medikaments bzw. Sprühstoß auslösen, indem der Metallbehälter nach unten gedrückt wird 9. a Bei Anwendung von Aerosolen oder Vernebler gleichzeitig langsam und tief durch den Mund einatmen b Bei Anwendung von Pulverinhalatoren gleichzeitig schnell, kräftig und tief durch den Mund einatmen 10. Post-inspiratorische Pause 5–10 Sekunden, damit sich der inhalierte Wirkstoff in der Lunge absetzen kann 11. Langsam ausatmen, bevorzugt über die Nase oder durch die geschlossenen Lippen (Lippenbremse) 12. Mund gut spülen bzw. Zähne putzen 13. Reinigung des Mundstücks
Das AeroChamber Plus®: Kontrollierte Dosierung des Aerosols Das AeroChamber Plus® ermöglicht durch seinen Spezialadapter die einfache und sichere Inhalation aus allen gängigen Dosieraerosolen. Es hilft, die therapeutische Wirkung der
. Abb. 42.8. Modell eines AeroChamber Plus® für Kleinkinder (Cegla 2009)
Medikamente zu optimieren und negative Nebeneffekte der Aerosolbehandlung zu minimieren. Das Aerosol wird in die antistatische Kammer des AeroChamber Plus® abgegeben und kann von dort problemlos inhaliert werden, ohne dass Atmung und Auslösen des Dosieraerosols koordiniert werden müssen. Verdunstungskälte wird verhindert und zu große Wirkstoffteilchen, die oft für Reizungen oder Infektionen (Soor) im Mund-Rachen-Raum verantwortlich sind, setzen sich in der Kammer ab. Das AeroChamber Plus® ist für Patienten verschiedener Altersgruppen und Krankheitsbilder in sechs verschiedenen Ausführungen erhältlich (. Abb. 42.7, Abb. 42.8).
42.7
. Abb. 42.7. Modell eines AeroChamber Plus® für Säuglinge (Cegla 2009)
Literatur
1. Laube I, Bloch KE (1999) Nicht-invasive Beatmung bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung. Schweiz Med Wochenschr 129: 1013–1024 2. Vogelmeier C, Buhl R, Criee CP et al. (2007) Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie 61: 1–40 3. Köhler D (2002) Die überbewertete Hypoxämie. Pneumologie 56: 408–412 4. Köhler D, Greib C, Holland A et al. (2001) Therapeutische Optionen bei chronisch ventilatorischer Insuffizienz. Internist 42: 363– 372 5. Oczenski W, Andel H, Werba A (2005) Atmen und Atemhilfen. Thieme, Stuttgart New York 6. Köhnlein T, Criée CP, Köhler D et al. (2004) Multizentrische Studie: Nicht-invasive Beatmung bei Patienten mit schwerer chronisch obstruktiver Bronchitis und Emphysem (COPD). Pneumologie 58: 566–569 7. Wiebel M (2008) Nichtinvasive Beatmung: Möglichkeiten und Grenzen bei eingeschränkter Hustenfunktion. Pneumologie 62: S2–S6 8. Barthels M, Gonzales J, Kim W et al. (2000) Oxygen supplementation and cardio- autonomic modulation in COPD. Chest 118: 691–696
42
318
42
Kapitel 42 · Nicht-invasive Beatmung, positiver end-exspiratorischer Druck und Inhalation
9. Schönhofer B, Kuhlen R, Neumann P et al. (2008) Nicht invasive Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz. Clinical Practice Guideline: Non-Invasive Mechanical Ventilation as Treatment of Acute Respiratory Failure. Dtsch Arztebl 105(24): 424–433 10. Albert RK, Leasa D, Sanderson M et al. (1987) The prone position improves oxygenation and reduces shunt in oleic-acid-induced acute lung injury. Am Rev Respir Dis 135: 628–633 11. Gattinoni L, Pelosi P, Vitale G et al. (1991) Body Position Changes Redistribute Lung Computed- Tomographic Density in Patients with Acute Respiratory Failure. Anaesthesiol 74: 15–23 12. Wagenr T (2006) Brochialobstruktion in der Intesivmedizin. Internist 47: 342–355 13. Rothe T (2006) Dynamische Lungenüberblähung: Implikationen für die klinische Praxis. Schweiz Med Forum 6: 474–478 14. Ogna A, Domenighetti G (2007) Die nichtinvasive Beatmung als Therapie der akut respiratorischen Insuffizienz. Kardiovaskuläre Medizin 10: 21–26 15. Appendini L, Patessio A, Zanaboni S (1994) Physiologic effects of positive end-expiratory pressure and mask pressure support during exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 149: 1069–1076 16. Laghi F, Tobin MJ (2003) Disorders of the Respiratory Muscles. Am J Respir Crit Care Med 168:10–48 17. Mador MJ (1991) Respiratory muscle fatique and breathing pattern. Chest 100: 1430–1435 18. Putensen C, Muders T, Kreyer S, Wrigge H (2008) Assistierte Spontanatmung: physiologische Grundlagen und protektive Effekte. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 43: 456–463 19. Nava S, Ambrosino N, Rubini F et al. (1993) Effect of nasal pressure support ventilation and external PEEP on diaphragmatic activity in patients with severe stable COPD. Chest 103: 143–150 20. Brochard L, Isabey D, Piquet J et al. (1990) Reversal of acute exacerbations of chronic obstructive lung disease by inspiratory assistance with face mask. NEJM 323: 1523–1530 21. Hengstum M v, Festen J, Beurskens C et al. (1991) The Effect of positive expiratory pressure mask physiotherapy (pep) versus forced expiration technique (fet/pd) on regional lung clearance in chronic bronchitics. Eur Respir J 4: 651–654 22. Christensen EF, Nedergaard T, Dahl R (1990) Long-term treatment of chronic bronchitis with positive expiratory pressure mask and chest physiotherapy. Chest 97: 645–650 23. Hengstrum M v, Festen J, Beurskens C (1988) The effect of positive expiratory pressure versus forced expiration technique on tracheobronchial clearance in chronic bronchitics. Scand J Gastroenterol 23: 114–118 24. Winden CM v, Visser A, Hop W (1998) Effects of flutter and PEP mask physiotherapy on symptoms and lung function in children with cystic fibrosis. Eur Respir J 12: 143–147 25. Oberwaldner B, Evans JC, Zach MS (1986) Forced expirations against a variable resistance: a new chest physiotherapy method in cystic fibrosis. Pediatr Pulmonol 2: 358–367 26. Tyrrell JC, Hiller EJ, Martin J (1986) Face mask physiotherapy in cystic fibrosis. Arch Dis Child 61: 598–600 27. Cegla UH, Jost HJ, Harten A et al. (2002) COPD with and without physiotherapy with the rc-cornet. Pneumologie56: 418–424 28. Rivington-Law BA, Epstein SW, Thompson GL, Corey PN (1984) Effect of chest wall vibrations on pulmonary function in chronic bronchitis. Chest 85: 378–381 29. Cegla UH, Jost HJ, Harten A et al. (2002) COPD with and without physiotherapy with the rc-cornet. Pneumologie 2002; 56: 418424
30. Hengstum M v, Festen J, Beurskens C et al. (1988) The effect of positive expiratory pressure versus forced expiration technique on tracheobronchial clearance in chronic bronchitics. Scand J Gastroenterol Suppl 1988; 143: 114-118. 31. Hengstum M v, Festen J, Beurskens C et al. (1988) The effect of positive expiratory pressure versus forced expiration technique on tracheobronchial clearance in chronic bronchitis. Scand J Gastroenterol Suppl 1988; 143: 114-118. 32. Hengstum M v, Festen J, Beurskens C et al. (1991) Effect of positive expiratory pressure mask physiotherapy (PEP) versus forced expiration technique (FET/PD) on regional lung clearance in chronic bronchitis. Eur Respir J 4(6): 651–654 33. Mortensen J, Falk M, Groth S (1991) The effects of postural drainage and positive expiratory pressure physiotherapy on tracheobronchial clearance in cystic fibrosis. Chest 100: 1350–1357 34. Falk M, Kelstrup M, Andersen JB et al. (1984) Improving the ketchup bottle method with positive expiratory pressure, PEP, in cystic fibrosis. Eur J Respir Dis 65: 423–432 35. Schans CP v d, Mark TW v d, Vries G d (1991) Effect of positive expiratory pressure breathing in patients with cystic fibrosis. Thorax 46: 252–256 36. Ambrosino N, Callegari G, Galloni C et al. (1995) Clinical evaluation of oscillating positive expiratory pressure for enhancing expectoration in diseases other than cystic fibrosis. Monaldi Arch Chest Dis 50: 269–275 37. Schans CP v d, Jong W d, Vries G d et al. (1994) Effects of positive expiratory pressure breathing during exercise in patients with COPD. Chest 105(3): 782–789 38. Dreher M, Kenn K, Windisch W (2008) Non-Invasive Ventilation and Physical Exercise in Patients with COPD. Pneumologie 62: 162–168
43 43 Pulmonale Rehabilitation im Überblick 43.1
Methodisches Handeln (Assessments und Interventionen) – 320
43.2
Funktionsstörungen (biomedizinische Grundlagen) – 321
43
320
Kapitel 43 · Pulmonale Rehabilitation im Überblick
43.1
Methodisches Handeln (Assessments und Interventionen)
321 43.2 · Funktionsstörungen (biomedizinische Grundlagen)
43.2
Funktionsstörungen (biomedizinische Grundlagen)
Symbol
Kapitel
Funktionsstörung
Hauptbefund
AaDO2
paO2 bei Sauerstoffzufuhr
paO2 bei Belastung
2, 3
Keine
Normal
Normal
Normal
Normal
12
Kardiozirkulatorische Beeinträchtigung
Geringe Herzfrequenzreserve
Normal
Normalisierung
Verschlechterung
6, 7
Ventilatorische Beeinträchtigung bzw. alveoläre Hypoventilation
Hypoxämie und Hyperkapnie Geringe Atemreserve
Normal
Normalisierung –Hyperkapnie
Verschlechterung
8
Ventilatorische Verteilungsstörung bzw. VA/Q-Missverhältnis
Hypoxämie
Erhöht
Normalisierung
Normalisierung
8
Zirkulatorische Verteilungsstörung bzw. VA/Q-Missverhältnis
Hypoxämie
Erhöht
Normalisierung
Normalisierung
9
Diffusionsbeeinträchtigung
Hypoxämie
Erhöht
Normalisierung (sehr effektiv)
Verschlechterung
8
Anatomischer RechtsLinks-Shunt
Hypoxämie
Erhöht
Hypoxämie
Verschlechterung
22
Beeinträchtigung der peripheren Muskelkraft
Borg: Ermüdung der Beine
Normal
Normal
Normal
13
Pulmonale Hypertension
Synkope
Erhöht
Normalisierung
Abrupte Verschlechterung
27
Psychogene Beeinträchtigung
Angst, (-)Motivation
Normal
Normal
Normal
AaDO2 Differenz zwischen Sauerstoffpartialdruck im Alveolarraum (pAO2) und arteriellem Sauerstoffpartialdruck (paO2) (van Gestel, Teschler 2009)
43
323
Sachverzeichnis A A. carotis communis 100, 149 A. pulmonalis 92 Aα-Fasern 84 Aα-Nervenfasern 269 Abdomen 14 abdominale Atmung 126 Abdominal Paradox Breathing 127 Abhusten 239 Acapella 222, 257 Acinus 73 Adenosintriphosphat 34 Adrenalin 98 Adrenokortikotropes-Hormon 83 aerobe Energiegewinnung 154 Airtrapping 41, 42 Akromioklavikulargelenk 118 Aktin und Myosin 42 aktive Exspiration 56 akute Exazerbation 8 akute Myokardischämie 200 akuter Husten 78 Akzeleration 136 Alkalose 37, 203 α-Endorphin 83 α-Motoneuron 190, 217 α-Rezeptor 100 Alveolardruck 67 Alveolarepithelzelle 71 alveoläre Ventilation 63 Alveolarluftformel 27 Alveolarmembran 70 Alveolen 63 alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz 155 Alveolozyten 71 American Thoracic Society 198 anaerob 35 anaerobe Schwelle 154 Analyse – des Atemmusters 210 – des Bronchialsekrets 135 Anämie 200 anatomischer Rechts-Links-Shunt 31, 160 anatomischer Shunt 65 anatomischer Totraum 65, 124 Angina pectoris 94, 277 Angst 111, 292 Angststörung 195 Anspannen in verlängerter Stellung 229 Anspannungs-Entspannungs-Dehnen 233 Antiarrhythmika 107
Aortenbogen 100 Aortenklappe 148 Apnoe 123 Appositionsdruck 18 Appositionszone 126 arousal 106, 191 Art. akromioclavicularis 173, 290 Art. glenohumeralis 173, 290 Art. skapulothorakales 290 Art. sternoclavicularis 173, 290 arterieller Barorezeptor 100 arterieller Sauerstoffpartialdruck 155 Arteriosklerose 89 arthrogene Bewegungseinschränkung 193 Asthma 5 Atelektase 31, 77, 134 Atelektasenprophylaxe 300 Atembewegungsapparat 14, 122 Atemgrenzwert 125, 155 Atemimpedanz 42, 47, 50, 105, 312 Atemminutenvolumen 100, 124, 125, 155, 171 Atemmuskelkraft 169 Atemmuskel 14 Atemreserve 125, 155 atemsynchrone Bronchialkaliberschwankung 243 atemsynchrone Bronchialkaliberschwankung 239 Atemtherapie 209 Atemwegsdurchmesse 240 Atemwegsgeneration 70 Atemwegswiderstand 21 Atemzugvolumen 184 Atria cordis 102 Atrophie 189 aufrechter Stand 301 Auskultation 140, 201 Auswurf 111, 195 autochthone Rückenmuskulatur 60 autochthone Wirbelsäulenmuskulatur 82 autochtone Rückenmuskulatur 280, 291 Autogenes Training nach Schultz 294 Automatisierung des Atemmusters 210, 211 Auxiliaratmung 127 Axonreflex 265 Azetylcholin 99 Azetylcholinesterase 103 Azidämie 203 Azidose 36
B Bainbridge-Reflex 103 Baroreflex 102 Baroreflexsensibilität 106 Baroreflexsensitivität 89 Barorezeptor-Reflex 104 Barorezeptor 191 battre à laire comprimé 260 Bauchlage 303, 304 Becherzelle 75 Beckenkippung 226 Beeinflussbarkeit des Atemmusters 210 Beinödem 95 Belastungsdyspnoe 198 Beta2-Adrenergika 107 Bewegungsgrad I-IV 286 Bewusstwerdung des eigenen Atemmusters 210 Bikarbonat 36 – -Rückresorption 37 Bindegewebstechnik 266 Biot-Atmung 128 BIPAP- Überdruckbeatmung 313 biphasic positive airway pressure 311 biphasische Überdruckbeatmung 313 Blutgasanalyse 152 BODE-Index 203 body-mass-index 203 Bohr-Effekt 30 Borg-Skala 125, 156, 198 Brachypnoe 123 Bronchialatmen 142 Bronchialausguss 135 bronchialer Strömungsdruck 240 Bronchialsekret 77 Bronchiektase 77, 135 Bronchioli respiratorii 65 Bronchioli terminales 122 Bronchiolus terminalis 73 Bronchokonstriktion 106 Bronchovesikuläratmen 142 Bronchuskarzinom 200 Brummen 143 Brustwirbelsäule 81, 288
C C -Faser 269 C- Nervenfaser 81 C-reaktives Protein 165
A–C
324
Sachverzeichnis
capillary leak 303 Central-Control-Prinzip 270 Central-Control-Theorie 287 Centrum tendineum 44, 126 Chemorezeptor 89 Chemorezeptorensensibilität 107 Cheyne-Stokes-Atmung 128 Chronic Obstructive Pulmonary Disease 5 Chronic Respiratory Questionnaire (CRQ) 196 chronisch-respiratorische Insuffizienz 37, 38, 39 – Typ I 38 – Typ II 38, 39 chronischer Husten 78, 195 closed mouth cuffing 138 Compliance 21, 23, 68, 300 continuous positive airway pressure 311 continuous positive pressure ventilation 315 Cor pulmonale 94, 151 CPAP- Überdruckbeatmung 311 cystische Fibrose 284
D Dehntechnik 229 Dehnung der Flanken 217 Dehnungsrezeptoren in der A. pulmonalis und in den Atria cordis 100 Dekonditionierung 42, 156, 165 Dekubitusprophylaxe 305 deoxygeniertes Hämoglobin 115 Depression 111, 195, 292 Dermatom 82 Diabetes mellitus 277 Diffusion 27, 122 Diffusionsbeeinträchtigung 159 Diffusionsstörung 32, 71 Diffusionsstrecke 70 diskontinuierliches Nebengeräusch 143 dorsobasale Atelektasen 301 dosierte Lippenbremse 222 Drainagelagerung 255 Druckprinzip 249 Duchenne-Muskeldystrophie 137 dynamische Atemvolumina 185 dynamische Kompressionswelle 242 Dyspnoe 47, 75, 89, 111, 123, 156, 198 Dyspnoe Index 158
E Effleurage 264 effortless diaphragmatic breathing 209 Eigenhemmung 230 Eimerhenkel-Bewegung 16 Einsatz von dosiertem Widerstand 216 Einsekundenkapazität 184 Elastase 77 Elastizität des Lungenparenchyms 50 Elastizität des Parenchyms 41 EMG-Aktivität 53 emotionale Labilität 195 Empfehlungsgrad 11 emphysematöser Umbauprozess 41 Emphysemkissen 130 end of range 233 Endomysium 192 Energiebereitstellung 35 Energiegewinnung 34 Enthesitiden 171 Entspannungsfähigkeit 292 Entspannungsverfahren 292 EOR, end of range 174 epigastrischer Winkel 115 Epimysium 192 Erb-Punkt 148 erhöhte Reizbarkeit 195 Euler-Liljestrand-Mechanismus 93 Euler-Liljestrand-Reflex 64, 87 Eupnoe 123 European Respiratory Society 185, 187 Evidence Based Praxis 8 Exazerbation 75, 78, 98, 112, 195 Expektoration 237, 238 Expektorationshilfe 255 Expulsion 134 Exspiration aus vorgedehnter Stellung 221 Exspirationsdauer 87 Exspirationsfehlstellung einer Rippe 290 exspiratorischer Hilfsmuskulatur 240 exspiratorischer Tracheobronchialkollaps 246 exspiratorisches Reservevolumen 184 extrinsische PEEP 312 exzentrisch 280
F Fassthorax 115 fasziogene Kontraktur 192 Fehlbelastung 189 fest-elastisches Endgefühl 193 Fick-Gesetz 72
Finger-Boden-Abstand 175 Flow Limitierendes Segment 242 Flutter 257 Forced Expiration Technique 251 forcierte Exspiration 242 forcierte Exspirationstechnik (FE I-VI) 238, 244 Formatio reticularis 82, 191, 293 Fulcrum 44 funktionelle Länge 192 funktionelle Reizschwelle der α-Motoneurone 191 funktionelle Residual-Kapazität 184 funktionelle Residualkapazität 55, 68, 170, 300 Funktionsmassage 270 Funktionsstörung 169
G gähnendes Einatmen 218 Ganzkörperplethysmographie 184 ganz minimale Anspannung 294 γ-Spindel-Schleife 190 γ-Motoneurone 190 Gasaustausch 122 gastraler Druck 170 gastroösophagealer Reflux 200 Gate-Control-Prinzip 269 Gate-Control-Theorie 287 gegenläufige exspiratorische Strömung 240 gemischt-venöses Blut 65 Gesamtwiderstand 23 Gesetz von Boyle-Mariotte 123 Giemen 143 Global Initiative of Obstructive Lung Disease 6 Glomus aorticum 100 Glomus caroticum 100 Glottis 135, 245 Glottisverschluss 134, 214 – Training 219 Glykolyse 35, 36 Glykoproteine 75 Golgi- Sehne-Apparat 188, 265 Granulombildung 72 Gravitationskraft 63 Grenzstrangganglie 81 Guidelines for physiotherapeutic management 275
325
C–L
Sachverzeichnis
H H+-Ionen 35 Hagen-Poisseuilleschen Gesetz 22, 242 Haldane-Effekt 30 Haltungs- und Bewegungsabweichung 173 Hämoglobin 28, 115 Hämoglobin-/Protein-Puffer 35 Hämoptoe 75, 79, 135 Hämoptyse 79 Hauchen 246 Head-Zonen 82 Hemithorax 116 Henderson-Hasselbach-Gleichung 36 Hepatomegalie 95, 151 Herzfrequenz 149 Herzfrequenzreserve 155 Herzfrequenzvariabilität 89, 103 Herzinsuffizienz 37, 86, 150 Herzminutenvolumen 92 Herzspitzenstoß 151 Herzzeitvolumen 28, 154 Hochfrequenzoszillationsgerät 257 hochoxidativer Muskel 169 Homöostase 27, 70, 89, 98, 104 Hoover-Zeichen 130 Hospitalisationsrate 274 Huffing 246 Huffing-fortis (FE-IV) 247 Huffing-fortis intermittence (FE-V) 248 Hühnerbrust 115 Husten 75, 111, 134, 245 Husten-Assessment 134 Husten-Spitzenfluss 137 Hustenrezeptor 78 Hyperalgesie 82 Hyperästhesie 82 Hyperkapnie 31, 46, 191, 275, 309 Hypersekretion 237 – submuköser Drüsen 106 hypersonorer Klopfschall 146 Hypertonus 174, 189 Hypertrophietraining 165, 280 Hyperventilationssyndrom 200 Hypophyse 83 Hypopnoe 123 hyposonorer Klopfschall 146 Hypothalamus 83 Hypoxämie 46, 191, 275, 309 hypoxische pulmonalarterielle Vasokonstriktion 277 hypoxische pulmonale arterielle Vasokonstriktion 160 hypoxische pulmonale Vasokonstriktion 64
hypoxische Vasodilatation 93 hypoxische Vasokonstriktion 87, 94
I Ikterus 114 Immunglobulin 76 IMT-Durchmesser-Methode 283 IMT-Threshold-Methode 283 Inaktivität 189 Inertance 21 in Serie geschalteten Sarkomere 192 Insertionsdruck 19 Insertionstendopathien 171 Inspektion 114 Inspiration aus vorgedehnter Stellung 216 inspiratorisches Reservevolumen 184 Interdependenz 25, 88 Interkostalausstreichung 289 Interleukine-6 165 Interpleuralraum 15 interventrikuläres Septum 89 Intervertebralgelenk 181 intraabdomineller Druck 58 intrabronchialer Druck 242, 312 intrathorakale Druckschwankung 107 intrathorakaler Druck 87, 314 Intrinsic PEEP 169 intrinsischer PEEP 41, 312 inverse ratio ventilation 315
J Jugularvenenfüllung 95
K Kapazität 185 Kapillarleckage 303 Kappillardichte 169 kardiopulmonales Ausdauerkapazitätstraining 273 kardiozirkulatorische Beeinträchtigung 31, 158 Katecholamine 89 kinetische Energie 240 kinetische Therapie im engeren Sinne 305 klassische Massagetherapie 264 klinisches Monitoring 214 Klopfung 256, 264
Knacklaut 136 Kohlendioxid 34, 71 Kohlendioxidgehalt 123 Kohlenmonoxid 73 Kohlensäure-Bikarbonat-Puffersystem 36 Kollapsphänom 222 Kollateralventilationskanal 25, 239 Kombination FE-VI 248 Komorbidität 86, 98, 157 Kompensationsmechanismus 41, 47 Kompressionsatmen 142 kongenitale Muskeldystrophie 137 Kontaktatmung 214 kontinuierliches Nebengeräusch 143 kontinuierliche Überdruckbeatmung 314 Kontraktur 174, 191 Konvektion 122 konzentrative Selbstentspannung 295 Konzentrisch 280 koronare Herzkrankheit 277 Körperselbstwertgefühl 195 Kortikosteroidmyopathie 169 kostale Atmung 126 kostodiaphragmale Atmung 126 Kostosternalgelenk 118 Kostotransversalgelenk 181 Kostovertebralgelenk 181 Krafterzeugung 43 krankheitsbezogene Lebensqualität 165, 195 Kreatintriphosphat 34 Krepitationen 143 Krogh-Diffusionskonstante 73 Kussmaul-Atmung 128 Kyphose 174 Kyphoskoliose 115, 116
L Lagerungstherapie 300 Laktat 35, 165 laminar – laminare Strömung 22 laminare Strömung 241 Landmark 140 Länge-Kraft-Kurve 45, 56, 193 Längenadaptation 43 Längenadaption 192 Larynx 65 Lebensqualität 195, 274 limbisches System 83, 293 linkes Ventrikel 89 Linksherzinsuffizienz 200 lokale Entspannungsübung 229 Löslichkeitskoeffizient 70 low-cardiac-output-Syndrom 88
326
Sachverzeichnis
Low-Pass-Filter 104 Luftgeschwindigkeit 240 Luftleitungszone 20 Lungenembolie 37, 200 Lungenfibrose 71, 72, 200 Lungenfunktionsprüfung 184 Lungengeräusch 140 Lungengrenze 140 Lungenödem 72 Lungenüberblähung 41, 88, 173 Lungenvolumenresektion 88 LV- Nachlast 89
M M. cricoaritaenoideus posterior 136 M. erector trunci 118 M. infraspinatus 280, 291 M. latissimus dorsi 189, 229, 291 M. levator scapulae 189, 229, 291 M. levatores kostarum = M. levatores costarum 50, 51, 54, 289 M. obliquus abdominis externus 56, 57 M. obliquus abdominis internus 57 M. pectoralis major 43 M. pectoralis minor 43 M. rectus abdominis 189, 229 M. serratus posterior inferior 54 M. serratus posterior superior 289 M. sternocleidomastoideus 51, 189, 229, 291 M. subscapularis 189, 229, 291 M. teres major 189, 229, 291 M. teres minor 280, 291 M. transversus abdominis 51, 56, 57, 58, 59, 87, 126, 224 M. trapezius pars descendens 189, 229, 291 M. trapezius pars transversus 280 Malnutrition 50 Mangel an Sarkomeren 189 manuelle Kompression des Thorax während der Exspiration 220 manuelle Therapie 173 maximale Inspiration mit tiefem Flow EDIC = Exercice à Dèbit Inspiratoire Contrôlè 254 maximal voluntary ventilation 125 Medioklavikularlinie 140 medizinische Trainingstherapie 280 Medulla oblongata 46, 100, 104 metabolische Kompensation 37 Milchsäure 35, 165 6-Minuten-Gehtest 161, 202 mitochondriale Dichte 46 Mitochondrien 46, 165
Mitralklappe 148 mittelfrequentes Rasselgeräusch 238 mittlere Axillarlinie 145 Mm. interkostales 53 Mm. interkostales interni interossales 55 Mm. interkostales interni parasternales 55 Mm. interkostales parasternales 50 Mm. interkostales externi 289 Mm. interkostales interni 290 Mm. multifidi 57 Mm. pectorales 229 Mm. pectorali 189, 229, 291 Mm. quadriceps femoris 280 Mm. scaleni 45, 189, 229 Modified Medical Research Council 203 monosynaptischer Reflex 190 Mortalität 274 MRC Dyspnoea Scale 201 MTA-Referenzpunkt 224 M trapezius pars ascendens 280 mukociliare Clearence 311 Mukolytikum 238 Mukös 135 Mukosa 77 Mukoviszidose 5, 284 mukoziliare Clearance 77 mukoziliäre Obstruktion 76 mukoziliarer Clearance-Mechanismus 134 Mukus 77, 237 Multimorbidität 86 Muskel-Nozizeptor 190 Muskelatrophie 50, 98 Muskeldehnungsreflex 217 Muskelermüdung 169 Muskelfaserhypertrophie 166 Muskelfaser 169 Muskelfaserzusammensetzung 166 Muskelgruppen systematisch anspannen 293 Muskelkette 227 Muskelspindel 188, Muskelspindeln 265 muskuläre Dysbalance 60, 173, 189, 229 myofasziales Reizsyndrom 174 Myofibrille 192 myogene Erschöpfung 156 myogene Kontraktur 192 Myoglobin 70, 166 Myoreflextherapie 230 Myotom 82
N N. facialis 100 N. glossopharyngeus 100
N. oculomotorius 100 N. phrenicus 126, 170 N. recurrens 94 N. vagus 100 National Emphysema Treatment Trial 273 Nebengeräusch 142 Nebennierenmark 106 neuromuskuläre Technik 230 neuroreflektorische Wirkung 265 neutrophiles Granulozyt 41, 76 nicht-invasiver Positivdruck-Beatmung 310 nichtinvasive Beatmungstherapie 309 nichtinvasive Druckbeatmung 310 niederfrequentes Rasselgeräusch 238 Noradrenalin 99 Noradrenalin-Uptake-1-Carrier 104 Normokapnie 160 Normotonisierung 192 Normoventilation 123 Nozizeptor 81 Nucleus intermediolateralis 99
O Oberkörperhochlagerung 304 obstruktive Lungenerkrankung 5 Oddvar-Holten-Kurve 166, 280 Okklusionsdruck 169 Origo 231 Ösophagus 17 Ösophagusdruck 170 Ösophagusvene 65 Osteoporose 98, 277 oszillierende Physiotherapie 257 Ott’sches Zeichen 175 Overflow 227 Oxygenierung 64 Oxygenierungsindex 155
P paradoxe Atmung 127 parasternale Interkostalmuskulatur 45 Parasympathikus 76, 89, 99 parasympatholytische Stimuli 107 Pars kostalis 16 Pars lumbalis 16 Pars membranacea 222 Pars sternalis 16 passive akzessorische intervertebrale Bewegungen 176 passive physiologische intervertebrale Beweglichkeit 175
327
L–S
Sachverzeichnis
passive physiologische intervertebrale Bewegungen 176 passives Bewegen 230 passiv statisch Dehnen 233 Patientenschulung 297 Peak-Flow-Messung 186 Pectus carinatum 116 Pectus excavatum 116 PEP-Maske 316 PEP-Maskenanwendung 256 Perfusion 66 Perimysium 192 periphere Zyanose 115 Perkussion 140, 144 permissive Hyperkapnie 31 perpetuierender Faktor 112 Petrissage 264 pH-Wert 34, 82, 152 Pharynx 65 phasische Muskelfaser 189 Phosphat 35 physiologischer Herzton 147 physiologische Mischatmung 126 physiologischer Totraum 65 Pleuradruck 67 Pleuraerguss 200 pleuraler Druck 242 Pleura parietalis 14, 18 Pleura visceralis 14, 18 Pneumonie 134 Pneumonieprophylaxe 173 Pneumotachograph 185 Pneumothorax 15, 200 Polyglobulie 115 Positive Expiratory Pressure 315 positiver exspiratorischer Druck 222 posteroanteriorer vertebralee Druck (pa) 181 postfazilitative Inhibition 230 Postiaux 254 postinspiratorische Pause 239 posturaler Synergismus 58 prädisponierender Faktor 112 Prävalenz 9 Prinzip der isokapnischen Hyperpnoe 284 Proc. transversus 118 produktiver Husten 134 Progressive Muskelrelaxation (PMR) von Edmund Jacobson 292 propriozeptives Rückkopplungssystem 188 propriozeptiver Sensor 188 Prostaglandine 72 psychische Stresssituation 191 psychogene Beeinträchtigung 161 Puffersystem 35 pulmonal-arterieller Druck 92
pulmonalarterieller Druck 87 pulmonaler Dehnungsrezeptor 191 pulmonale Hypertonie 94, 277 pulmonale Rehabilitation 9 pulmonaler Gefäßwiderstand 92 Pulmonalklappe 148 Pulmonalkreislauf 92 Pulsoxymetrie 30, 115, 152 pump handle movement 51 Pumpschwengel-Bewegung 16 Punkt gleichen Druckes 242 Punktum fixum 44 Punktum mobile 44 pursed lips breathing 222 Purulenter oder putrider Auswurf 135
respiratorische Insuffizienz 122 respiratorische Partialinsuffizienz 38 respiratorischer Quotient 155 respiratorisches Biofeedback 210 respiratorische Sinusarrhythmie 104 resting pursed lips breathing 138 restriktive Lungenerkrankung 3 Retraktionskraft des Lungenparenchyms 42 Reziproke Inhibitionstechnik 230 Rima glottidis 136 ROM, range of motion 174 Rückenlage 301
S Q quergestreifte Muskulatur 189
R range of motion/ROM 176 Rapid Shallow Breathing 25, 124 Rapid Shallow Breathing Index 125 Rasselgeräusch 143 ratings of perceived exertion and dyspnoea on exertion 198 RC-Cornet 222, 257 rechter Ventrikel 88, 94 rechtes Atrium 87 Rechts-Links-Shunt 64 Rechtsherzdekompensation 94 Rechtsherzhypertrophie 94 Rechtsherzinsuffizienz 95, 277 rechtsventrikuläre Vorlast 87 reflektorische Anwendung 266 reflektorischer Muskelspasmus 288 reflektorisches Schmerzsyndrom 82 Reibungsenergie 240 Reinigung der extrathorakalen Atemwege 238 Reinigung der mittleren Atemwege 238 Reinigung der peripheren Atemwege 238 Reinigung der zentralen Atemwege 238 renale Kompensation 37 Renin-Angiotensin-Aldosteron-System 88 repetition maximum 166, 280 Residualvolumen 170 Resistance 21 Respirationszone 20 respiratorische Globalinsuffizienz 38, 159, 309
Sarkomer 42, 50, 229 Sauerstoff 71 Sauerstoff-Langzeittherapie 30, 31, 32, 33 Sauerstoffangebot 28 Sauerstoffbindungskurve 29 Sauerstoffgabe 276 Sauerstoffgehalt 123 Sauerstoffpartialdruck 28 – im Alveolarraum 155 Sauerstoffsättigung 152 Sauerstoffzufuhr 30 Säure-Basen-Haushalt 34, 203 scapulothorakales Gleitlager 173 Schenkelschall 146 Schlagvolumen 87 schmerzlindernde Maßnahme 219 Schnappatmung 128 Schobersche Zeichen 175 Schüttelung 256 Schweregradeinteilung der COPD 6 segmentale Dysbalance 81, 82 segmentale Schmerzhemmung 269 Segmentalreflektorik 80 Seitenlage 301, 302 Sekret 77, 113 Sekretolyse 237 Sekretretention 135 sekundäre autonome Dysfunktion 98 Sekundärinfektion 77 Sensor-Nerv-Muskel-System 189 Seufzeratmung 128 SF36-Fragebogen 196 Short-Form 36 Fragebogen (SF36) 196 shuntähnlicher Shunt 65 Shuttle-Walk-Test 161 Sitzen 304 sonorer Klopfschall 146 sorgfältig dosierte Exspirationstechnik (FE II-V) 246 Spider naevi 114
328
Sachverzeichnis
Spiroergometrie 153 Spirogramm 185 Spirometrie 185 squeezing 239 Stabilisation der Lendenwirbelsäule 57 Standardbikarbonat 38 statische Atemvolumina 185 Status praesens 111 steal effect 46 sternale Atmung 126 Sternokostalwinkel 45, 56 steroidinduzierte Atrophie 171 steroidinduzierte Muskelatrophie 165 Stimmritze 135 Störung des mukoziliaren Klärsystems 76 Strömungsgeschwindigkeit 241 Strömungswiderstand 21 3-Stufentechnik nach Evjenth 233 subakromiales Nebengelenk 173 Submukosa 77 Substance P 265 Substanz P 82 Surfactant 71 Sympathikus 89, 98 Sympathikusaktivierung 191 sympathomimetische Stimuli 107 sympathomimetische und parasympatholytische Stimuli 191 sympathovagale Balance 98 sympathovagale Imbalance 106 symptomlimitierter maximaler Ausdauerkapazitätstest 153 synchronized intermittend mandatory ventilation 315 Synkope 94
T Tachykardie 95 Tachypnoe 95, 123 taktile Stimulation 213 Tapotement 256, 264 Thalamus 82 Theorie des intelligenten Herzens 104 therapeutische Körperstellung 300 thorakaler Dehnungsrezeptor 100 Thorax 14 Thoraxdeformität 115, 174 Thoraxdehnbarkeit 174 Thoraxmobilisation 173, 288 tiefe und langsame Inspiration 239 Tiffenauwert 185 TimeInsufflation 24 tonische Muskelfaser 189 Tonuspalpation 193
totale Lungenkapazität 170, 184 Totraumventilation 64 tracheobronchiale Instabilität 138, 246 Tracheobronchialkollaps 77, 134, 137, 214, 224 Trainierbarkeit koordinativer Fähigkeiten 210 Training der Inspirationsmuskeln 282 Trainingsintensität 274 Trainingsmodalität 275 Trainingsprogramm 273 Traktion 180 transdiaphragmatischer Druck 170 Transferfaktor 73 – für Kohlenmonoxid 184, 187 Transferkoeffizient 73 transpulmonaler Druck 67, 309 Trichterbrust 115 Trikuspidalklappe 148 Trommelschlegelfinger 114, 195 Truncus sympathicus 99 Tuberculum costae 118 Tumor-Nekrose-Faktor-á 165 turbare 241 turbulent – turbulente Strömung 22 turbulente Strömung 241 turbulentus 241 tympanitischer Klopfschall 146 Typ-I-Fasern 46 Typ-II-Fasern 46 Type B-Natriuretic Peptide 200
U Überblähung 50 Überblähungszustand des Thorax 173 Übergangszone 20 Überlastung 189 Übersäuerung 35, 165 Uhrglasnägel 195 Umlagerung 305 unilaterale posteroanteriore kostale Bewegung 181 unilateraler posteroanteriorer vertebraler Druck 181 unproduktiver Husten 78, 134 unproduktives Husten 245 Unterstützungsmethoden bei der Atemtherapie 213 Unterstützungsmethoden bei tracheobronchialer Instabilität 222 Untersuchung der Brustwirbelsäulenbeweglichkeit 174 unvisköses Sekret 77 Upper Chest Paradox Breathing 127
V V-Slope-Methode 155 V. cava inferior 114 V. jugularis 95 Vagotonie 106 vegetatives Nervensystem 81 Vena cava inferior 17 venöser Rückfluss 87 Ventilations-Perfusions- Verhältnis 27, 63, 300 Ventilations-Perfusions Missverhältnis 32 Ventilations- und Perfusionsinhomogenitäten 64 Ventilationsinhomogenität 93 Ventilationsstörung 32 ventilatorische Beeinträchtigung 158 ventilatorische Verteilungsstörung 158 Ventrikelmyokard 149 Verkürzung 189 Verschiebung des equal pressure points 243 Vesikuläratmen 142 vesikuläres Atemgeräusch 142 viskoelastischer Tonus 191, 192 Viskosität des Bronchialsekrets 77 viszerokutaner Reflex 82 viszerosomatischer Mechanorezeptor 191 viszerovertebrales Schmerzsyndrom 81, 288 Vitalkapazität 184 volumenkontrollierte Beatmung 311 Volumen pulmonum auctum 41 Vorhersage-Formeln von Troosters 161 VRP1-Flutter 222 Vv. bronchiales 65 Vv. cordis.minimae 65 Vv. Thebesii 65
W Wahrnehmen des Muskelgefühls 293 wandernde Kompressionswelle 239 Wasserstoff-Ion 35 WDR-Neuron 82 Weber-Klassifikation 154 Wide-Dynamic-Range-Neurone 81 Wiederholungsmaximum 166, 280
Z zentraler Chemorezeptor 100 zentrale Schmerzhemmung 270
329 Sachverzeichnis
zentrale Zyanose 115 Zentrifugalkraft 241 Zentrum tendineum 16 zerebrovaskuläre Komorbidität 256 Zilienmotilität 77 Zilienschlag 77 zirkulatorische Verteilungsstörung 158 Zitronensäurezyklus 34 Zone der Apposition 18 3-Zonen-Modell nach West 66 Zwerchfell 16, 45 Zwerchfelldehnung 224 Zwerchfellfunktion 300 Zwerchfellparese 200 Zyanose 95, 114, 195
S–Z
DVD Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2. Analyse des Atemmusters (Kap. 17) 3. Husten-Assessment (Kap. 18) 4. Kardiopulmonale Ausdauerkapazitätstests (Kap. 21) 5. Kraftmessung der peripheren Muskulatur (Kap. 22) 6. Atemtherapeutische Massnahmen (Kap.30) 7. Dehnung und Detonisierung des Zwerchfells (Kap. 31) 8. Dehnung und Detonisierung der sekundären Atemmuskeln (Kap. 32) 9. Sekretfördernde Atemphysiotherapie (Kap. 33) 10. Massagetechniken, Funktionsmassage (Kap. 34) 11. Verbesserung der Thoraxmobilität (Kap. 38) 12. Entspannungstherapie (Kap. 39)
Physiotherapeutin: Frau K. Funk Physiotherapeutin: Frau N. Kunz Musik: Michael Nyman »The embrace lost and found«