Polymer Engineering
Peter Eyerer · Thomas Hirth · Peter Elsner Herausgeber
Polymer Engineering Technologien und Praxis Mit 596 Abbildungen und 155 Tabellen
123
Professor Dr.-Ing. Peter Eyerer
[email protected] Professor Dr. Thomas Hirth
[email protected] Professor Dr.-Ing. Peter Elsner
[email protected] Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) Joseph-von-Fraunhofer-Straße 7 76327 Pfinztal
ISBN 978-3-540-72402-5
e-ISBN 978-3-540-72419-3
DOI 10.1007/978-3-540-72419-3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Kapitel 6.5 hat abweichend hiervon © SKZ 2008 mit freundlicher Genehmigung an Springer-Verlag. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.com
Vorwort
Mit diesem Buch wollen wir den Engineering-Charakter des „Domininghaus“ „Kunststoffe – Eigenschaften und Anwendungen“ vertiefen. Die Vision für diesen Band besteht in einer geschlossenen Darstellung des Polymer Engineering, die sowohl der Einarbeitung in das Thema (Studenten), als auch dem Auffinden von Vertiefungen (Fachleute) Rechnung trägt. Solch eine Vision lässt sich nicht in einem Wurf umsetzen. Dazu werden mehrere Auflagen nötig sein, wenn es überhaupt gelingt. Wahrscheinlich muss eine Buchreihe entstehen, um dieser Vision gerecht zu werden. Doch ob es soweit kommen wird, entscheiden sie, die Leser! Die vorliegende „Geburtsversion“ (Kapitel 1 in der 6. Auflage war gewissermaßen der Fötus) hat noch sehr viele Lücken, Schwächen und auch Doppelungen. Dennoch glauben wir, dass sie Ihnen, unseren Nutzern, schon Zeit und Geld beim Lösen von Problemen oder Nachschlagen von Antworten auf Fragen sparen wird. Bestätigen oder widerlegen Sie unsere Vermutung durch Ihre Kommentare, Kritiken, Verbesserungsvorschläge oder Meinungen Zuschriften unter
[email protected] sind willkommen! Nun zu Zielgruppe und Inhalt: Die Produktionssicht, noch besser die Kenntnis der Komponenten und Produkt-Systeme, ist für erfolgreiche Ingenieure, Kaufleute, Marketing- und Umweltexperten oder auch interessierte Laien die Voraussetzung für ganzheitliche Antworten (technisch, wirtschaftlich, umweltlich, sozial) auf komplexe Fragestellungen. Weil sich diese Sichtweise in der Ausbildung unseres Nachwuchses leider viel zu langsam breit macht – es dominiert das Fächerdenken mit all seinen Schnittstellen – sehen wir dieses Buch „Polymer Engineering“ hälftig als Lehrbuch für Studierende jeglichen Ausbildungsgrades. Aus persönlicher Erfahrung bei Schulungen von „Fachleuten“ in Betrieben wissen wir aber auch, dass das aktiv anwendbare Wissen im eigenen „Fachgebiet“ oft erschre-
ckend eng berandet ist. Möge dieses Buch somit zur anderen Hälfte dazu beitragen, den Durchmesser des Tellerrandes zu vergrößern. Weil die meisten Leser heute keine Zeit mehr zum Lesen haben, legten wir großen Wert und entsprechende Sorgfalt in die Erstellung eines möglichst zielführenden und ergiebigen Stichwortverzeichnisses. Die Gliederung des Kapitels 1 aus der 6. Auflage ist in den Hauptkapiteln um die „Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile“ und die „Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen“ erweitert worden. In den Unterkapiteln gab es umfangreiche Ergänzungen wie beispielsweise Abschnitte zu Extrudieren, Blasformen, Kalandrieren, Polyurethanschäumen, Mikrowellentechnologie, Rapid Prototyping, Molded Interconnected Devices, Plasmatechnologie, Trocknungsverfahren, Gestalten, Fügen und Verbinden, Berechnungsansätze und Simulation, Bauteilkosten, Prüfungen an Thermoplasten/Duroplasten/Elastomeren, und Produktqualifikation. Der Schwerpunkt der Ausarbeitungen der ergänzten Kapitel lag aufgrund zeitlicher Zwänge mehr bis ausschließlich bei der Übersicht und bei den Grundlagen. Der Bauteilaspekt ist dabei oft noch unterrepräsentiert. Das wird die Aufgabe der 8. Auflage zur K2010 sein dieses Defizit auszugleichen. Immer wieder mussten wir uns auf ausgewählte Technologien beschränken, so beispielsweise bei der Oberflächentechnologie auf MID und Plasmatechnologie. Andere Teilschritte des Polymer Engineerings fehlen noch vollständig, wie die Fertigungstechnik, die moderne Qualitätssicherung, die Nutzungsphase. Und viele Teilbereiche sind zu kurz gekommen, wie die Elastomere, das Spritzgießen, das Rapid Prototyping, die Kosten, das Kleben und Schnappen, die Bauteilprüfung und Simulation und leider viele andere auch. Das klingt schon wieder nach Buchreihe. Sagen Sie uns bitte, was Sie brauchen und wie Sie über unser Produkt denken.
VI
Vorwort
Die Herausgeber hoffen und wünschen sich, dass es trotz der zahlreichen Defizite die Anschaffung wert ist. Die Herausgeber danken Herrn Prof. Dr.-Ing. Helmut Schüle nicht nur für umfangreiche fachliche Kapitel, sondern auch ganz besonders für sein großes Engagement beim Korrekturlesen des gesamten Werkes. Frau Alexandra Wolf und Frau Katharina Wörsing danken wir für höchstes Engagement, präzise Mitarbeit und hohe Fachkompetenz bei der umfangreichen Umsetzung
des Manuskriptes in eine Druckvorlage und auch beim Korrekturlesen. Frau Hellwig und Herrn Lehnert vom Springer-Verlag und Herrn Görlt von le-tex publishing services danken wir für die gute und konstruktive Zusammenarbeit. P. Eyerer Th. Hirth P. Elsner
Inhaltsverzeichnis
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5
Einführung in Polymer Engineering (Peter Eyerer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Einteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Einteilung der Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Einteilung der Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Einteilung der Verbundwerkstoffe . . . . . . . . . . . . 3 Hauptmerkmale von Kunststoffen (in Anlehnung an DIN 7724) . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Wirtschaftliche Bedeutung der Kunststoffe . . . . 5 Literatur – Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3
2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.4 2.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.7
Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen (Peter Eyerer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht Polymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuordnung von Kunststoffen zu Polymerisationsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymerisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Additionspolymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflüsse der Polymerisation auf Werkstoffeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duroplaste (technische Harze) . . . . . . . . . . . . . . . Abgewandelte Naturstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunststoffe auf Cellulosebasis . . . . . . . . . . . . . . . Kunststoffe auf Proteinbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunststoffe auf Ligninbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunststofferzeugung (verfahrenstechnische Prozesse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur – Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 19
3.5 3.5.1
19 19 19
3.5.2
33 35 37 38 39 40
3.6
40 43
3.6.4
3.5.3
3.6.1 3.6.2 3.6.3
3.6.5 3
Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen (Peter Eyerer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Aufbau der Kunststoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Chemische Ordnungszustände . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Physikalische Ordnungszustände . . . . . . . . . . . . . 3.2 Mechanische Eigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Temperaturabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 44 46 64 70 70
3.6.6 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.4 3.7.5
Verformungsverhalten von Kunststoffen. . . . . . . 73 Verhalten bei Zugbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Mechanische Dämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Zeitabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Wechselfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Sicherheitsbeiwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Weitere physikalische Eigenschaften . . . . . . . . . . 87 Chemische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Beständigkeit gegen Chemikalien/Medien . . . . . 92 Alterung von Kunststoffen (Gabriele Twardon) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Schutzmaßnahmen gegen Alterungsvorgänge . . 101 Literatur zu Kapitel 3.1 bis 3.4 . . . . . . . . . . . . . . . 102 Zusatzstoffe für Kunststoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Funktionszusatzstoffe (Additive) . . . . . . . . . . . . . 105 Literatur zu Kapitel 3.5.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Organische und anorganische Füllstoffe . . . . . . . 138 Literatur zu Kapitel 3.5.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Verstärkungsstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Literatur zu Kapitel 3.5.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Thermoplastische Elastomere (TPE) Eigenschaften, Gegenüberstellung, Anwendungen (u. M. v. Jürgen K. L. Schneider) . 167 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Charakterisierung der Thermoplastischen Elastomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Einsatzbeispiele für Thermoplastische Elastomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Vergleichende Betrachtung der Thermoplastischen Elastomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Literatur – Kapitel 3.6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Elastomere (u. M. v. Friedrich Leibrandt) . . . . . . . 177 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Der Elastomerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Zusammensetzung von Elastomerwerkstoffen. . 188 Kautschuke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.7.6 Grundklassifizierung von Elastomeren und Ableitung weiterer Merkmale aus dem chemischen Molekülaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3.7.7 Weitere R-Kautschuke (Auswahl) . . . . . . . . . . . . 200 3.7.8 Weitere M-Kautschuke (Auswahl) . . . . . . . . . . . . 203 3.7.9 O-Kautschuke (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3.7.10 Q-Kautschuke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3.7.11 U-Kautschuke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3.7.12 Ölverstreckte Kautschuke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.7.13 Vorvernetzte Kautschuke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.7.14 Zusammenfassende Darstellung des Grundleistungsvermögens von Elastomeren . . . . . . . . . 208 3.7.15 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Literatur zu Kapitel 3.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
5
Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile (Peter Eyerer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 5.1 Einführung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien . . . . . . . 436 5.2.1 Molded Interconnected Devices (MID) (Sabine Klein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 Literatur Kapitel 5.1 und 5.2.1 . . . . . . . . . . . . . . . 453 5.2.2 Plasmatechnologie (Mathias Kaiser) . . . . . . . . . . 454 Literatur – Kapitel 5.2.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 5.2.3 Trocknungsverfahren (Volker Bräutigam) . . . . . 462 Literatur – Kapitel 5.2.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen . . . . . . . . 211 4.1 Urformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4.1.1 Aufbereitung (Helmut Schüle) . . . . . . . . . . . . . . . 211 Literatur Kapitel 4.1.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4.1.2 Verarbeitung von Kunststoffschmelzen . . . . . . . . 218 Literatur – Kapitel 4.1.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4.1.3 Verarbeitung von Thermoplasten (Urformen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4.1.4 Verarbeitung von Thermoplastischen Elastomeren (TPE) (Helmut Schüle) . . . . . . . . . . 336 Literatur zu Kapitel 4.1.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 4.1.5 Verarbeitung von Elastomeren (gekürzt nach H. Bille) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Literatur zu 4.1.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 4.1.6 Verarbeitung von Duroplasten und Faserverbund-Kunststoffen (mit duroplastischer Matrix) . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Literatur – Kapitel 4.1.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 4.1.7 Verarbeitungseinflüsse auf Bauteileigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Literatur – Kapitel 4.1.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 4.1.8 Mikrowellentechnologie in der Polymerverarbeitung (Rudolf Emmerich) . . . . . . 415 Literatur zu Kapitel 4.1.8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 4.2 Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen – Warmformen (Bernhard Hegemann) . . . . . . . . . . 418 Literatur – Kapitel 4.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 4.3 Rapid Prototyping (Helmut Schüle) . . . . . . . . . . . 425 4.3.1 Rapid Prototyping Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Literatur zu Kapitel 4.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 4.4 Werkzeugtechnik (Lars Ziegler) . . . . . . . . . . . . . . 428 4.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 4.4.2 Grundlagen zu Kunststoffverarbeitungswerkzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 Literatur zu Kapitel 4.4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
6.1
6
6.1.1 6.1.2
6.2 6.2.1 6.2.2
6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.4.8 6.4.9
Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen . . . . . . . . . . . 466 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen (Martin Keuerleber, Peter Eyerer) . . . . . . . . . . . . . 466 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 Die 9 goldenen Konstruktionsregeln für Kunststoffbauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Literatur zu Kapitel 6.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 Fügen und Verbinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Kunststoffschweißen (Helmut Schüle) . . . . . . . . . 485 Dimensionierung von Schnapphaken (Martin Keuerleber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 Literatur zu Kapitel 6.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 Berechnungsansätze und Simulation (Andreas Radtke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 Berechnungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 Berechnungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 Beispiel aus der Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Literatur zu Kapitel 6.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen (Otto Altmann) . . . . . . 517 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Kunststoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Struktur-/Bauweisen-Konzepte und Auslegungsphilosophien . . . . . . . . . . . . . . . . 520 Werkstoffkennwerte als Konstruktionsund Auslegungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 Vor-Auslegung von Kunststoff-Strukturen . . . . 522 Einteilung von Kunststoff-Strukturen . . . . . . . . . 527 Gestaltungs-Richtlinien für Kunststoff-Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 Die kunststofftechnische Entwicklungsprozesskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 Koppelung der CAX-Systeme – Kunststofftechnischer EDV-Ingenieurarbeitsplatz . . . . . . . 532
Inhaltsverzeichnis
IX
6.4.10 Auslegungskriterien und Bemessungskennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 6.4.11 Zukünftige Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . 535 Literatur zu Kapitel 6.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 6.5 Bauteilkosten (Wieland P. Loh) . . . . . . . . . . . . . . 538 6.5.1 Ziele der praktischen Kostenerfassung . . . . . . . . 538 6.5.2 Die Gliederung der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 6.5.3 Personalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 6.5.4 Materialkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 6.5.5 Maschinenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 6.5.6 Weitere Kostenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 6.5.7 Abdeckung der Kosten in der Kalkulation . . . . . 544 Literatur – Kapitel 6.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544
7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5 7.4.6 7.4.7 7.4.8 7.4.9 7.4.10
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 Branchen und Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Ableitungen von Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 Zeitraffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 Einzelprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 Kombinierte Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . 608 Literatur – Kapitel 7.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
8
7
8.1 8.1.1 8.1.2
Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling (Jörg Woidasky) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Kreislaufwirtschaft und Recycling . . . . . . . . . . . . 610 Bauteil-Wiederverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Möglichkeiten der werkstofflichen Kreislaufführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 Biologisch abbaubare Polymere (biologisch abbaubare Werkstoffe BAW) . . . . . . . . . . . . . . . . 613 Verträglichkeit von Polymeren . . . . . . . . . . . . . . . 613 Rohstoffliche Kreislaufführung . . . . . . . . . . . . . . 613 Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 Literatur – Kapitel 8.1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Umweltbewertung und -bilanzierung von Kunststoffen (Marc-Andree Wolf) . . . . . . . . . . . . 619 Ganzheitliche Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Aufbau von Ökobilanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 Funktionelle Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 Sachbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 Wirkungsabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 Auswertung und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . 623 Literatur zu Kapitel 8.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623
7.1 7.1.1
7.1.2
7.1.3 7.1.4
7.1.5 7.1.6
7.1.7 7.2
7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.4
Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen (Peter Eyerer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Thermoplaste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Entstehung von Orientierungen und Eigenspannungen und ihre Untersuchungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Literatur – Kapitel 7.1.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Dynamisch-Mechanische-Analyse (DMA) am Beispiel Torsionsschwingversuch (Hans-Christian Ludwig, Martin Keuerleber) . . . 549 Literatur – Kapitel 7.1.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 Kunststoffe im Zugversuch (Guntmar Rüb) . . . . 556 Literatur – Kapitel 7.1.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 Infrarotspektroskopie an Kunststoffen und Bauteilen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 Literatur – Kapitel 7.1.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 Thermoanalytische Methoden zur Charakterisierung von Kunststoffen . . . . . . . . . . 569 Mechanisches Verhalten (Peter Elsner und Martin Keuerleber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 Literatur – Kapitel 7.1.6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Rheologische Prüfungen (Helmut Schüle) . . . . . 586 Literatur – Kapitel 7.1.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 Prüfung der duroplastischen Formmassen und Formstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 Literatur – Kapitel 7.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 Prüfung von Elastomeren (Meike Rinnbauer) . . 592 Werkstoffcharakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 Vorhersage der Lebensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . 594 Bauteilsimulation mittels FEM . . . . . . . . . . . . . . 595 Übersicht Prüfnormen (Auswahl) . . . . . . . . . . . . 596 Produktqualifikation (Umweltsimulation) (Ulrich Braunmiller) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598
8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.1.6 8.1.7 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6
9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10
Ausblick zu Polymer Engineering (Peter Eyerer) . . . . 624 Werkstoffherstellung, Synthese . . . . . . . . . . . . . . . 624 Werkstoffeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 Verarbeitung, Verfahrenstechnik . . . . . . . . . . . . . 626 Werkzeugtechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 Konstruktion, Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 Oberflächentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 Qualitätsmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 Serienfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 Umweltaspekte, Recycling, Entsorgung . . . . . . . 629 Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 Literatur – Kapitel 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
Autorenverzeichnis
Altmann, Otto, Dipl.-Ing., ASK Systemengineering Kunststofftechnik, Rosenheim: Abschnitt 6.4 EDVunterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen Braunmiller, Ulrich, Dr., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 7.4 Produktqualifikation Bräutigam, Volker, Dr.-Ing., Borg Warner Transmission Systems GmbH, Heidelberg: Abschnitt 5.2.3 Trocknungsverfahren Diemert, Jan, Dr.-Ing., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 4.1.3.2.6 Extrusion am Beispiel Polyvinylchlorid Elsner, Peter, Prof. Dr.-Ing., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 7.1.6 Mechanisches Verhalten Emmerich, Rudolf, Dr., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 4.1.8 Mikrowellentechnologie Eyerer, Peter, Prof. Dr.-Ing., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal Gettwert, Volker, Dr., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 3.5.1.4 Brandschutzausrüstung Gittel, Dieter, Dipl.-Ing., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 4.1.3.6 Reaktionsgießen Göttke, Stefan, Dr., Elastogran GmbH, Lemförde: Abschnitt 4.1.3.4.2 PU und PUR Schäume Hegemann, Bernhard, Dr., Robert Bosch GmbH, Leinfelden-Echterdingen: Abschnitt 4.2. Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen Kaiser, Mathias, Dr., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 5.2.2 Plasmatechnologie Kauffmann, Axel, Dr.-Ing., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 4.1.3.4 Schäumen und 4.1.3.4.1 Schäumen von Thermoplasten
Keuerleber, Martin, Dr.-Ing., Daimler AG, Stuttgart: Abschnitt 6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen, 6.2.2 Dimensionierung von Schnapphaken, 7.1.2 Dynamisch-mechanische Analyse und 7.1.6 Mechanisches Verhalten Klein, Sabine, Dipl.-Ing., Festo AG & Co. KG: Abschnitt 5.2.1 Molded Interconnect Devices (MID) Knoblauch-Xander, Mark, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschnitt 4.1.3.1.2.30 Dünnwandspritzgießen und 4.1.3.5 Rotationsgießen – Rotationsformen Leibrandt, Friedrich, Dr., Abschnitt 3.7 Elastomere Loh, Wieland P., Dipl.-Wirtsch.-Ing., Kunststofftechnik Jantsch GmbH, Nürnberg: Abschnitt 6.5 Bauteilkosten Ludwig, Hans-Christian, Dr.-Ing., G + K GmbH, Pliezhausen: Abschnitt 7.1.2 Dynamisch-mechanische Analyse Radtke, Andreas, Dipl.-Ing., BASF AG, Ludwigshafen: Abschnitt 6.3 Berechnungsansätze und Simulation Rinnbauer, Meike, Dr., Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik GmbH & Co. KG, Weinheim: Abschnitt 7.3 Prüfung von Elastomeren Rohr, Andreas, Dipl.-Ing., Daimler AG, Ulm: Abschnitt 4.1.5.3 Verarbeitung von Elastomeren am Beispiel Reifen Rüb, Guntmar, Dipl.-Ing., Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnik IKT: Abschnitt 7.1.3 Kunststoffe im Zugbereich Schneider, Jürgen, Kraton Polymers, Eschborn: Abschnitt 3.6 Thermoplastische Elastomere Schüle, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Fachhochschule Kaiserslautern, Campus Pirmasens: Abschnitt 4.1.1 Aufbereitung und Zusatzstoffe (Additive) / Abschnitt 4.1.3.1.2 Sonderverfahren beim Spritzgießen / Abschnitt 4.1.3.1.3 Entwicklungstendenzen beim Spritzgießen / Abschnitt 4.1.3.2 Extrudieren / Abschnitt 4.1.3.2.4 Extrusionswerkzeuge / Abschnitt 4.1.3.2.7 Blasformen / Abschnitt 4.1.3.3 Kalandrieren / Abschnitt 4.1.3.4 Schäumen / Abschnitt 4.1.3.4.1 Schäumen von Thermoplasten /
XII
Autorenverzeichnis
Abschnitt 4.1.3.4.3 Herstellung von PU-Schäumen / Abschnitt 4.1.4 Verarbeitung von TPE / Abschnitt 4.1.5.2.5 Vulkanisation beim Extrudieren von Elastomeren / Abschnitt 4.3 Rapid Prototyping / Abschnitt 6.2.1 Kunststoffschweißen / Abschnitt 7.1.7 Rheologische Prüfungen Tröster, Stefan, Dr., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 4.1.3.7 Verarbeitungstechniken thermoplastischer Faserverbundwerkstoffe
Twardon, Gabriele, Abschnitt 3.4.2 Beständigkeit gegen Chemikalien/Medien Woidasky, Jörg, Dr.-Ing., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 8.1 Kunststoffe und Bauteile Wolf, Marc-Andree, Dipl.-Geoökol., European Platform on Life Cycle Assessment: Abschnitt 8.2 Umweltbewertung und -bilanzierung von Kunststoffen Ziegler, Lars, Dr., Fraunhofer-Institut Chemische Technologie ICT, Pfinztal: Abschnitt 4.4 Werkzeugtechnik
1
Einführung in Polymer Engineering Peter Eyerer
Kunststoffe sind hoch molekulare organische Verbindungen, die entweder durch Abwandeln hochmolekularer Naturstoffe oder durch chemische Aneinanderlagerungen niedermolekularer Grundbausteine, sog. Monomere, durch verschiedenartige chemische Reaktionen entstehen. Demgemäß unterscheidet man zwischen abgewandelten Naturstoffen und synthetischen Kunststoffen. Die synthetischen Kunststoffe sind verbreiteter und vielfältiger. Die Vielfalt erklärt sich aus der großen Zahl von Möglichkeiten bei der Auswahl monomerer Bausteine und den verschiedenen Arten ihrer Aneinanderlagerung zu hochmolekularen Ketten (linear, verzweigt, vernetzt). Forschung und Technik erschließen vereinzelt noch neue synthetische Kunststoffe, die Zahl der chemischen Modifikationen bestehender Kunststoffe durch Copolymerisationen oder Mischen (blending) überwiegt jedoch zwischenzeitlich bei weitem. Kunststoffe (Polymere) sind Werkstoffe; die Kunststoffkunde ist somit ein Teil der Werkstoffkunde. Werkstoffe sind für die Konstruktion nützliche feste Stoffe, die sich technisch, wirtschaftlich, umweltlich und physiologisch gut verarbeiten, anwenden und zurückgewinnen lassen. Kunststoffe sind Werkstoffe »nach Maß« mit allen Chancen und Risiken aus dieser Anpassungsfähigkeit. Umweltgerechtes Polymer Engineering Die Entwicklung von Bauteilen, Komponenten, Systemen – allgemein von Produkten – erfordern eine ganzheitliche Betrachtung. Polymer Engineering schließt somit Synthese, Verarbeitung, Konstruktion, Werkzeugtechnik, Anlagentechnik, Fertigung, Oberflächenbehandlung sowie Wiederverwertung bis hin zur Entsorgung und die Aus- und Weiterbildung ein. Kunststoffe oder Polymere entstehen über eine chemische Reaktion vom Monomer zum Polymer, der so genannten Polymerisation. Je nach Art der Additive und Verstärkungsstoffe, Fasern (kurz, lang), Kugeln, Plättchen oder Fasergewebe/-gestricke lassen sich Eigenschaften in weiten Grenzen verändern.
Der Umgang mit Kunststoffen und Verbundwerkstoffen setzt die Kenntnis der temperatur- und zeitabhängigen Eigenschaften dieser Werkstoffgruppe voraus. Je höher der chemische Vernetzungsgrad der Makromoleküle, der Grundbausteine eines jeden Kunststoffes ist, um so höher ist er thermisch und mechanisch belastbar, um so weniger kriecht er unter Last, um so beständiger ist er gegen Medieneinflüsse. Kunststoffe und Verbundwerkstoffe sind Werkstoffe nach Maß. Eingeschränkt wurde diese nahezu grenzenlose Freiheit in den vergangenen 25 Jahren durch die Notwendigkeit der Verwertung und manchen Schwierigkeiten beim Entsorgen. Zwischenzeitlich werden verstärkt Gradientenwerkstoffe und Funktionswerkstoffe entwickelt und eingesetzt. Sie sind – da nicht sortenrein – wirtschaftlich kaum noch materiell wiederzuverwerten. Vorteile während der Nutzung überwiegen jedoch den Recyclingaspekt. Weitere wichtige Vorteile der Kunststoffe sind die vielen wirtschaftlichen Verarbeitungsmöglichkeiten verbunden mit Gestaltungsfreiräumen und der Integration verschiedenster Funktionen. Das Inventions- und Innovationspotential beim Verarbeiten von Polymeren und Verbundwerkstoffen ist ungebrochen groß. Die Kombination von Verfahren eröffnet dabei neue Dimensionen. Besonders attraktiv wird zukünftig das Pressen von gradierten Faserverbundwerkstoffen sein. Ein Durchbruch in der Automobiltechnik, also der Großserienanwendung dieser Werkstoffgruppe, ist erfolgt. Die Wettbewerbsfähigkeit von Werkstoffen wird stark bestimmt vom Zeitbedarf bei der Prototypenherstellung (rapid prototyping) und durch die Werkzeugtechnik (rapid tooling). Die Verzahnung von rapid engineering mit simultaneous engineering (CAD, CAE, CIM, TQM …) ist zwischenzeitlich Stand der Technik. Eine Chance für den Standort Deutschland ist in der konsequenten Entwicklung werkzeugfallender Produkte zu sehen. Sobald wirtschaftliche Verarbeitungsverfahren für großflächige Bauteile mit verzahnter in-line zerstörungsfreier Prüftechnik verfügbar sind, werden polymere Faserverbundwerkstoffe in der Großserie, beispielsweise Automobil-
2
1 Einführung in Polymer-Engineering
bau in der Außen- und Innenanwendung oder im Bauwesen, auch in tragende Strukturen einziehen. Im Bereich des Maschinenbaus, der Medizintechnik, der Elektrotechnik oder Luft- und Raumfahrt und des Bauwesens sind schon heute Verbundwerkstoffe unverzichtbar. Die Oberflächentechnik ist für die Anwendung von Kunststoffen und Verbundwerkstoffen eine Schlüsseltechnologie. Die Verbraucher fordern höchste Qualität ohne oft die Bedeutung für die Umwelt zu erkennen. Die Produkthersteller sollten im Rahmen einer konzentrierten Aktion zukünftig überzogene Oberflächengüten abbauen und damit wichtige Beiträge zur Ressourcenschonung einschließlich Kosten liefern. Wasserlacke, Einschichtlacke, Oversprayreduktionen, Lösemittelrückgewinnung, Lackschlammrecycling sowie eingefärbte Grundwerkstoffe sind Stichworte, mit denen sich Umweltprobleme bis hin zum Recycling von Kunststoffen reduzieren lassen. Fast alle Kunststoffe sind stofflich wiederzuverwerten. Je sortenreiner, umso besser. Verbundwerkstoffe auf Basis unterschiedlichster Matrices sind deutlich teurer. Wirtschaftliche und logistische Aspekte stehen dem Stoffrecycling heute oft immer noch entgegen. Die Demontagekosten sind beim Produktpreis weitgehend unberücksichtigt. Die Verbrennung von Kunststoffen ist derzeit häufig die wirtschaftlichste Lösung für vermischte Fraktionen.
Eine isolierte Betrachtung des Kunststoff-Recyclings ist nicht zielführend. Die Ganzheitliche Bilanzierung ist eine Entscheidungshilfe für die Werkstoff- und Verfahrensauswahl bei der Produktentwicklung seit nunmehr fast 3 Jahrzehnten. Erst wenn die Herstellung, die Verarbeitung, der Gebrauch und die Wiederverwertung bzw. Entsorgung in Form eines geschlossenen Kreislaufes bilanziert wird, vollständig und objektiv mit transparenten Randbedingungen, sind qualifizierte Aussagen möglich. Hierzu bedarf es interaktiver Datenbanken und standardisierter Bewertungsmethoden. Werkstoffe der Zukunft sind erfolgreich nur im Gesamtrahmen eines Produkt-Engineerings ganzheitlich zu betrachten. Für Kunststoffe und Verbundwerkstoffe ist dies das Polymer Engineering. Dies gilt auch für Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen (Matrix, Fasern und Additive). Neben fachlichen Aspekten ist die Aus- und Weiterbildung in das Produkt-Engineering zu integrieren. Frontale Wissensvermittlung ist hierbei durch eine verbesserte Lehrund Lernkultur zu ergänzen. Die Ausbildungsmethode TheoPrax beispielsweise verzahnt Schüler, Studenten, Lehrer und Unternehmer über industrielle Projektarbeit mit Ernstcharakter. Kunststoffe und daraus gefertigte Produkte haben in unserem Leben eine hohe technische, wirtschaftliche, umweltliche und soziale Bedeutung. In diesem Sinne wird Polymer-Engineering ganzheitlich verstanden.
Anwendungsbeispiele für Kunststoffe in verschiedenen Branchen Branchen (Auswahl) Anwendungen (Auswahl) von Kunststoffen Medizin Schläuche, Implantate von Gelenkendoprothesen bis hin zu künstlicher Leber oder Haut; Verbände, Spritzen, Masken Lebensmittel Verpackungen, Kühltaschen, Schutzschäume Landwirtschaft Folien, Rohre, Platten, Bodenauflockerer, Absperrungen Auto Reifen, Airbag, Gurte, Scheiben, Gehäuse, Innenausstattung, Dichtungen, Karosserieteile, Motorteile, Kabel, Schläuche Maschinenbau/ Dichtungen, Maschinenelemente z. B. Schnappverbindungen, Welle/Nabe, Räder; Gehäuse, Verfahrenstechnik Roboterarme, Antriebe, Schläuche, Dämpfer, Reaktoren, Mischer, Zerstäuber, Kalander, Extruder Chemie Rohrleitungen, Auskleidungen, Gefäße Luft- und Raumfahrt Isolationen, Dichtungen, Gehäuse, Innenausstattung, Leitwerk, Rumpf Bauwesen Isolierungen, Folien, Rohre, Dübel, Fensterrahmen, Farben, Kleber, Lacke, Dichtungen Freizeit, Sport Ski, Surfbrett, Tennis, Fußball, Bob, Kanu, Autorennen, Leichtathletik, Tauchen Elektro/Elektronik, Kabel, Gehäuse, Leiterplatten, Steckverbindungen, Schalter, Membranen Unterhaltung Möbel Garten, Tische, Kantenschutz, Küchen, Polster, Matratzen Spielwaren Lego, Playmobil, Fischertechnik, Bälle, Fahrzeuge Textil, Bekleidung Fasern, Gewebe, Fäden, Gewirke, Gestricke, Wetterschutz Feinmechanik, Optik Linsen, Brillen, Getriebe, Mikrosystemtechnik, Sensoren Büro Schreibzeug, Folien, Gehäuse, CD, Tastatur
1.1 Einteilungen
1.1
Einteilungen
Der Name Kunststoffe stammt aus den 1940er Jahren und bedeutet Ersatzstoff für damalig knapp werdende Naturrohstoffe für Dichtungen, Reifen, Isolierstoffe, Bindemittel u.v.m. Nach dem 2. Weltkrieg spalteten sich die Polymere, das ist der wissenschaftliche Überbegriff griechischen Ursprungs (poly – viel, meros – das Teil, also vielteilig) in Kunststoffe (Thermoplaste, Duroplaste) und Elastomere (Gummi). Der heute angeführte Grund, Natur- und Synthesegummi seien chemisch völlig anders und was die Naturbasis betrifft, einmalig, ist falsch. Lignin, das Biopolymer beispielsweise, das die holzbildenden Pflanzen aufbaut und deren Cellulosefasern räumlich fixiert, ist mengenmäßig weit häufiger vertreten und kann sowohl thermo- also auch duroplastisch verarbeitet werden. Aus diesem Grund werden gegen den landläufigen Trend in diesem Buch die Begriffe Kunststoffe und Polymere gleichgesetzt und zwar übergeordnet.
1.1.1
Einteilung der Werkstoffe
Die Einteilung der Werkstoffe kann in Metalle und Nichtmetalle erfolgen. Eingerahmt wird diese Einteilung von den Verbundwerkstoffen. Die Kunststoffe finden sich unter den organischen Werkstoffen, entweder bei den natürlichen
Bild 1-1. Einteilung der Kunststoffe [1] (TPE . . . Thermoplastische Elastomere)
3
Werkstoffen wie beispielsweise Lignin (Holz) oder Latex, oder bei den synthetischen Werkstoffen einschließlich deren Modifikation aus natürlichen Ausgangsrohstoffen.
1.1.2
Einteilung der Kunststoffe
Kunststoffe lassen sich nach Bild 1-1 in Thermoplaste, Elastomere und Duroplaste einteilen. Die jeweiligen Unterteilungen erfolgen in der Praxis nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. In Bild 1-1 werden die Thermoplaste physikalisch (nach ihrer Struktur), die Elastomere chemisch (nach dem Merkmal Doppelbindung) und die Duroplaste nach dem Verfahrensparameter Druck eingeteilt. Thermoelaste (mehr als Sonderfall) und die bedeutende Gruppe der thermoplastischen Elastomere (TPE) lassen sich in Bild 1-1 über die Thermoplaste, mit chemisch oder physikalisch in die Molekülketten eingebauten Kautschukelementen, einzeichnen.
1.1.3
Einteilung der Verbundwerkstoffe
Verbundwerkstoffe lassen sich wie folgt definieren: – sie bestehen aus zwei oder mehreren Komponenten (Phasen), – die nicht ineinander löslich sind, – mit optimal gezüchteten Eigenschaften für spezifische Anwendungen; – sie sind makroskopisch quasihomogen.
4
1 Einführung in Polymer-Engineering
Tabelle 1-1. Gliederung: Verbundwerkstoffe und Anwendungen [1] (Auswahl) Geometrie Verstärkungsstoffe
Teilchenverbunde
Faserverbunde
Werkstoffverbunde Schichtverbunde
Glaskugeln, Talkum, Quarzmehl, Ruße
Glasfaser, Whisker, C-Faser, Aramidfasern
Sandwich aus – hochfesten Blechen/Folien – Fasergelegen u. a.
Femur-Kopf (Blockkarbide) gesintertes Schaumglas Schutzplatten für Raumgleiter Beton – Pumpengehäuse Schleifscheiben Schiffsmotor-Fundamente Autoreifen (Lauffläche)
Kolbenboden Kolbenmuldenrand Drahtglas Ventile, Turbinenschaufeln Stahl-, C-Faserbeton Bremsbeläge Lüfterräder, Frontend, Unterboden Stoßfänger, Implantate, Flugzeugstrukturen Gummischlauch
Brennraumeinfassung (ZKD) Flachdichtung Sicherheitsglas Kolbenboden, Piezoaktoren CFK schichtsanierte Brücken Flachdichtungen Surfbrett, Verpackung, Instrumententafel Scheinwerferreflektor, Sperrholz Membranen, Gummi-Metall-Verbindungen
Matrixwerkstoffe Metalle anorg. Werkstoffe
Polymere
Glas Keramik Zement Kohlenstoff Thermoplaste Duroplaste Elastomere
Voraussetzungen für ein Verbundkonzept: – die Eigenschaften der Phasen sind um den Faktor > 3 unterschiedlich und – der Anteil einer Phase ist größer 10 Masseprozent. Bei Partikeln mit großer spezifischer Oberfläche (Nanoteilchen) wirken auch 1 bis 3 Masseprozent verstärkend. Abgrenzung: Makroskopisch inhomogene Phasenverbunde sind Werkstoffverbunde (Verbundwerkstücke) z. B. Zylinderkopfdichtung (ZKD), Gummi-Metall-Verbindungen Tabelle 1-1 verdeutlicht eine mögliche und übliche Einteilung der Verbundwerkstoffe und nennt dazu Anwendungsbeispiele.
1.1.4
Hauptmerkmale von Kunststoffen (in Anlehnung an DIN 7724 [2])
Thermoplaste sind bis zur Zersetzungstemperatur nicht vernetzte Kunststoffe. Oberhalb der Erweichung der amorphen Struktur bei amorphen Thermoplasten bzw. oberhalb der Schmelztemperatur bei teilkristallinen Thermoplasten tritt Fließen bzw. Schmelzen ein, Bild 1-2. Bei diesem thermoplastischen Zustand kann die viskose Flüssigkeit verarbeitet werden. Durch Abkühlung wird Gestaltfestigkeit erreicht. Das Aufschmelzen und Erstarren bzw. Kristallisieren ist beliebig oft wiederholbar. Thermoplastische Elastomere sind mehrphasige Kunststoffe mit gummielastisch verformbaren Molekülbereichen,
in die Bereiche schmelzbarer amorpher Thermoplaste eingebaut sind. Sie können damit thermoplastisch urgeformt werden. Thermoelaste sind chemisch oder physikalisch weitmaschig verschlaufte (damit quasi vernetzte) Kunststoffe, die oberhalb der Erweichungstemperatur (Glastemperatur) bzw. oberhalb der Schmelztemperatur zwar gummielastisch werden, aber aufgrund der hohen Molmasse bis zur Zersetzungstemperatur nicht viskos fließen und damit nicht thermoplastisch urformbar sind. Unterhalb der Erweichungstemperatur verhalten sie sich thermoplastisch. Elastomere sind weitmaschig chemisch vernetzte Kunststoffe, die von tiefen Temperaturen (unter 0 °C) bis zur Zersetzungstemperatur gummielastisch sind, Bild 1-2. Infolge der weitmaschigen Vernetzung sind Makro-Brownsche Bewegungen (Abgleiten von Molekülketten) bei keiner Temperatur möglich. Oberhalb der Erweichungstemperatur (Glastemperatur) – über –80 °C bis +20 °C je nach Kunststoff – sind Bewegungen von Kettensegmenten und damit je nach Höhe der Temperatur und äußeren Belastungen größere Verformungen möglich. Fließvorgänge (Verarbeitung) sind nach der Vernetzung (Vulkanisation) kaum mehr möglich, Bild 1-2. Duroplaste sind chemisch engmaschig vernetzte, in der Regel amorphe, Kunststoffe. Infolge der Vernetzung führen die Makromoleküle auch keine Mikro-Brownsche Bewegungen (Rotationen von Kettensegmenten) mehr aus. Lediglich oberhalb der Erweichungstemperatur (Glastemperatur) – über 50 °C – sind – bevorzugt bei schwach vernetzten Duroplasten – eingeschränkt Bewegungen von Kettensegmenten zwischen den Vernetzungsstellen möglich, die zu begrenzten Kriechvorgängen führen. Fließvorgänge (Verar-
1.1 Einteilungen
HEBE,T,D
Tg Tf /////// \\\\\\\
5
Haupterweichungsbereich der Elastomere, Thermoplaste, Duroplaste zugehörigeGlasübergangstemperaturen Fließtemperatur der amorphen Thermoplaste Anwendungsbereich Anwendungsbereich
Bild 1-2. Temperaturabhängigkeit des Elastizitätsmoduls (E-Moduls) von Kunststoffen (Schema). Statt des EModuls kann man auch die Spannung σ bei konstanter Dehnung ε oder die Viskosität υ oder andere Eigenschaften auftragen [1]
beitung durch Urformen oder Recycling durch Wiederaufschmelzen) sind nach der Vernetzung nicht mehr möglich. Thermoplaste und thermoplastische Elastomere sind schmelzbar; Thermoelaste, Elastomere und Duroplaste sind nicht schmelzbar. Alle Kunststoffe sind mehr oder weniger erweichbar bzw. einfrierbar. Wenn wir die Eigenschaften über der Temperatur betrachten, so ergeben sich prinzipiell folgende Kurven (tatsächlich sind es je Kunststoffgruppe ganze Kurvenscharen), siehe Bild 1-2. Bild 1-3 fasst einige Aussagen zu den drei Hauptgruppen von Kunststoffen zusammen und erweitert sie um qualitative Eigenschaften. Die folgenden Darstellungen und Aussagen vertiefen die Hauptmerkmale von Kunststoffen. Thermoplaste lassen sich nach Bild 1-4 einteilen. Die Ordnung der Makromoleküle wird schematisch gezeigt. Elastomere lassen sich nach Bild 1-5 einteilen. Am Beispiel einer Reifenrezeptur wird die Haupt-Anwendung für Elastomere in Tabelle 1-2 vertieft. Das Strukturmodell für Elastomere gibt Bild 1-6 wieder. Die Einteilung und Verwendung von Elastomeren erläutert Tabelle 1-3. Thermoplastische Elastomere lassen sich nach Bild 1-7 einteilen.
Thermoplastische Elastomere (TPE) sind Zwei- oder Mehrphasenkunststoffe (Block-Copolymere) mit ähnlichen elastischen Eigenschaften wie Elastomere, jedoch mit einer Schmelztemperatur, so dass sie wie Thermoplaste verarbeitet werden können. Tabelle 1-4 beschreibt am Beispiel Polyolefinblends deren Vorteile gegenüber Thermoplasten und Elastomeren. Duroplaste lassen sich nach Bild 1-8 einteilen. Die chemische Vernetzungsreaktion findet im (in der Regel beheizten) Werkzeug statt. Am Strukturmodell, Bild 1-9, erkennt man die engmaschige Vernetzung der Makromoleküle infolge hoher Dichte der chemischen Vernetzungsstellen. Tabelle 1-5 gibt Auskunft über die wichtigsten Kurzzeichen für Kunststoffe.
1.1.5
Wirtschaftliche Bedeutung der Kunststoffe
Kunststoffproduktion – Umsatz – Außenhandel [7] Im Jahr 2006 wurden in Deutschland 18,5 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 2,7 Prozent. Der Umsatz stieg im Jahr 2006 im Vergleich zu 2005 um 6,1 Prozent auf 22,2 Milliarden Euro. Der Export von Kunststoffen lag 2006 bei 12,6 Millionen Tonnen (+3,5 %), der Import bei 8,1 Millionen Tonnen
6
1 Einführung in Polymer-Engineering
Bild 1-3. Strukturschema verschiedener Kunststoffgruppen sowie Kurzfassung Eigenschaften [1]
1.1 Einteilungen
Bild 1-4. Unterteilung der Thermoplaste nach Strukturmerkmalen [1]
7
8
1 Einführung in Polymer-Engineering
Bild 1-5. Einteilung der Elastomere nach ihrer chemischen Struktur [1] (Vertiefung siehe Tabelle 1-3)
Tabelle 1-2. Beispiel für eine Reifenrezeptur (nach Goodyear Forschungszentrum) in Masseprozent 10% Stahlcord 3% Textilien + Wulstdraht 42% Elastomer (Gummi) 27% Ruß 11% Öl 1% chemische Füllstoffe
冦
Beispiel für eine PKWReifen-Mischung: 60% SBR 20% NBR 12% BR 3% IIR 5% Sonstige
(+14,3 %). Der Aussenhandelssaldo stieg um 5,1 Prozent in der Menge und um 15,6 Prozent im Wert. Wesentliche Anteile an der in Deutschland produzierten Gesamtmenge von 18,5 Millionen Tonnen haben die Polymere des Ethylens; 2005 wurden rund 3 Millionen Tonnen produziert. Bei PVC waren es im vergangenen Jahr 2 Millionen Tonnen und bei Polypropylen 1,85 Millionen Tonnen. PS/EPS erreichte eine Produktionsmenge von 0,86 Millionen Tonnen und PET eine Menge von 0,56 Millionen Tonnen. Wer produziert was? Einen Überblick darüber, wer was produziert, bieten unter anderem das Wirtschaftsdatenblatt und diese Bücher: – Die Kunststoffindustrie und ihre Helfer, IndustrieschauVerlagsgesellschaft mbH, Darmstadt – Einkaufsführer Kunststoff-Rohstoffe, Carl Hanser Verlag, München Eine Online-Datenbank „Wer bietet was“ finden Sie unter anderem im KunststoffWeb der Kunststoff Information Verlagsgesellschaft oder im ChemCompass, der Produkt-, Firmen- und Leistungsdatenbank der chemischen Industrie. Die weltweite Campus -Datenbank zu Kunststoff-Materialien finden sie unter campusplastics.com Neben der Kunststoff-Erzeugung (Chemische GroßIndustrie) hat die verarbeitende Industrie einschl. Werkzeugbau als mittelständische Branche eine hohe Bedeutung für die Volkswirtschaft in Deutschland.
®
Bild 1-6. Modell der Struktur eines räumlich weitmaschig, chemisch vernetzten dehnungsfähigen Elastomers mit Vernetzungsstellen
1.1 Einteilungen
9
Tabelle 1-3. Zusammenstellung der bedeutendsten Elastomertypen mit ihren hauptsächlichen Anwendungsbereichen [3]
Physikalisch „vernetzte“ Elastomere (TPE)
Chemisch vernetzte Elastomere (Vulkanisate)
Elastomere
Kurzbezeichnung
Typische Anwendungsbereiche
Naturgummi
NR
Auskleidungen im Apparatebau, Schuhsohlen, Gummistiefel, Handschuhe, Klebstoffe
Styrol-Butadien-Gummi
SBR
Fahrzeugreifen
Butadiengummi
BR
Schuhsohlen, technische Artikel
Isoprengummi
IR
dünne Gummiartikel
Chloroprengummi
CR
Technische Gummiwaren wie z. B. Transportbänder, Dichtungen, Schläuche, Walzenüberzüge, Behälterauskleidungen
Acrylnitril-Butadien-Gummi (Nitrilgummi)
NBR
Standard Gummi für technische Anwendungen: O-Ringe, Nut-Ringe, Dichtmanschetten, Wellendichtringe, Faltenbälge, Membranen, Schläuche, Öl- und kraftstoffbeständige Dichtungen
Polyurethan
PUR
Verschleißfeste, dämpfende Maschinenteile, Auskleidungen, Schuhe
Ethylen-Propylen-Terpolymere (Dien)
EPDM
Energieabsorbierende Außenteile von Fahrzeugen wie Front- und Heckspoiler, Stoßfänger, Kabelisolierungen, Mischkomponenten für Thermoplaste (PP), Profildichtungen
Butylgummi
IIR
Schläuche für Reifen, Dichtungen, Membranen, Dämpfungselemente, Auskleidungen im Apparatebau bis 140°C (abriebfest), elektrische Isolierungen in der Kabelindustrie
Silicongummi
VQM
Formdichtungen und Dichtungsmassen hoher Wärmebeständigkeit und Kälteflexibilität
technische Artikel
Fluorelastomere
FKM
Dichtungen mit hoher Beständigkeit gegen Wärme und Chemikalien
Thermoplastische PolyoelfineElastomere (Ethylen-PropylenBlockcopolymere)
EPR (EPM)
Energieabsorbierende Automobilaußenteile wie Spoiler oder Stoßfänger
Styrol-Butadien-Blockpolymere
SBS
Sohlen für Schuhe, Mischkomponenten für Thermoplaste
Thermoplastische Polyurethane
TPE-U
Skischuhe, Verschleißschutz, Dämpfungselemente
Thermoplastische Polyester
TPE-E
Hydraulik, Pneumatik (öl- und temperaturbeständig)
Thermoplastische PolyamidElastomere
TPE-A
Bild 1-7. Klassifizierung thermoplastischer Elastomere [9]
Für M. Handtke [5] konzentrieren sich innovationspolitische Diskussionen in Deutschland fast ausschließlich auf so genannte High Tech-Industrien. Unter Verwendung von Indikatoren zur Messung des Personal- und des Investitionsaufwandes in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, der Kooperationshäufigkeit zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen oder Patentanmeldungen werden Branchen hinsichtlich Innovativität und nachhaltiger Förderwürdigkeit bewertet. Aufgrund fehlender alternativer Indikatoren zur Innovationstätigkeit in Unternehmen werden weite Teile des Mittelstandes ausgeblendet. Regionen, in denen sich traditionelle Branchen konzentrieren, werden für die dynamische Entwicklung der Volkswirtschaft als weniger bedeutend eingestuft. „So liegen beispielsweise die FuE-Aufwendugnen der Kunststoff verarbeitenden Industrie unter dem Durch-
10
1 Einführung in Polymer-Engineering Tabelle 1-4. Thermoplastische Elastomere (am Beispiel TPO); Eigenschaften
Erläuterung der Abkürzungen: BMC – bulk molding compound; SMC – sheet molding compound; RTM – resin transfer molding; RIM – reaction injection molding; SRIM – structural RIM; CFK – kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe; Prepreg – vorimprägnierte, flächige oder linienförmige Verstärkungsstoffe (UP-GF) Bild 1-8. Einteilung der Duroplaste nach dem Verarbeitungsverfahren [1]
1.1 Einteilungen
Bild 1-9. Räumlich engmaschig, chemisch vernetztes Strukturmodell für deckungsarme Duroplaste
schnitt des verarbeitenden Gewerbes. Sie ist eine typische Zulieferindustrie. Über Interaktionen mit Zulieferern und Kunden erschließen sich kunststoffverarbeitende Unternehmen wichtige Innovationsimpulse. Mit praktischen Kompetenzen generiert sie einen Mehrwert an technologischem Fortschritt für eine Vielzahl vor- und nachgelagerter Industriezweige. Die Beziehungen der Kunststoffverarbeiter zu ihren Kunden sind stark projektbezogen. Es dominieren
inkrementelle Innovationen. Die Struktur der Branche unterliegt daher einem stetigen Wandel. Erfolgreiche lohnfertigende Zulieferer werden zu System-Zulieferern oder bringen eigene Produkte auf den Markt“, [5]. Die statistische Erfassung der Innovationsleistungen der Branche wird durch ihre Zuliefer-Rolle zusätzlich erschwert. Auch die Ableitung des tatsächlichen Innovationsaufwandes kann nicht ohne weiteres erfolgen. Es bedarf eines angepassten Innovationsverständnisses. Ziel der Arbeit von M. Handtke [5] ist es, ein Verständnis für die Innovationsleistungen einer mittelständisch geprägten, in Wertschöpfungsketten eingebetteten‚ ‘Low Tech Branche’ zu entwickeln. Es werden Ansatzpunkte für eine Klassifikation der Innovationsaktivitäten und -aufwendungen erarbeitet. Nach einer kurzen Diskussion der Unzweckmäßigkeit einer einseitigen Verwendung FuEbasierter Indikatoren werden im dritten Kapitel für die kunststoffverarbeitende Industrie Aspekte branchenspezifischer Innovationsprozesse ermittelt und klassifiziert. Die Entwicklung von Produkt-, Werkstoff- und Werkzeugkonzepten durch kunststoffverarbeitende Unternehmen werden als zentrale Innovationsaktivitäten der Branche herausgearbeitet. Das letzte Kapitel dient der Diskussion der zu erwartenden Risiken und Investitionsaufwendungen dieser Entwicklungsleistungen. Mögliche Finanzierungsformen werden abgeleitet.
Tabelle 1-5. Kurzzeichen für Kunststoffe (Auswahl) ABS ASA EP EPDM LCP PA11 PA12 PA4.6 PA6 PA6.6 PA6.10 PA6.6/6T PAEK PBT PC PE PEI PEEK PES PET
Acrylnitril-Butadien-Styrol Acrylnitril-Styrol-Acrylat Epoxid, Epoxyharz Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk Flüssig-Kristalliner Kunststoff Polyamid 11 Polyamid 12 Polyamid 46 Polyamid 6 Polyamid 6.6 Polyamid 6.10 Copolyamide 6.6/6T Polyaryletherketon Polybutylenterephthalat Polycarbonat Polyethylen Polyetherimid Polyetheretherketon Polyethersulfon Polyethylenterephthalat
11
PEK PMMA POM PF PP PPA PPE PPS PPSU PS PSU PTFE PUR PVC PVDF SAN SB TPO TPU UP
Polyetherketon Polymethylmethacrylat Polyoxymethylen Polyformaldehyd; Phenolharz Polypropylen Polyphtalamid Polyphenylenether Polyphenylensulfid Polyphenylensulfon Polystyrol Polysulfon Polytetrafluorethylen Polyurethan Polyvinylchlorid Polyvinylidenfluorid Styrol-Acryl-Nitril Styrol-Butadien Thermoplastisches Elastomer auf Polyolefinbasis Thermoplastisches Elastomer auf Polyurethanbasis Ungesättigter Polyester
12
1 Einführung in Polymer-Engineering
Bild 1-10. Erdölverbrauch bei der Herstellung von Kunststoffen
Bild 1-11. Kunststoff-Einsatzgebiete in Deutschland, Menge der verarbeiteten Kunststoffe 2006
1.1.5.1
Wirtschaftsdaten zu Thermoplasten [4]
Die Bilder 1-11 bis 1-13 geben Auskunft über aktuelle Wirtschaftsdaten zu Thermoplasten.
Die folgenden Bilder und umfangreiche weitere Daten finden Sie auf der Homepage der PlasticsEurope (http:// www.vke.de). Die Bilder 1-14 und 1-15 geben Auskunft über Import und Export von Kunststoffen im Jahre 2006 nach und aus Deutschland [4].
1.1 Einteilungen
Bild 1-12. Volkswirtschaftliche Bedeutung der Kunststoff-Industrie in Deutschland 2005 [4]
Bild 1-13. Struktur der Kunststoff-Industrie in Deutschland 2006 [4]
13
14
1 Einführung in Polymer-Engineering
Bild 1-14. Export von Kunststoffen aus Deutschland 2006 (Tonnage in %) [4]
Bild 1-15. Import von Kunststoffen nach Deutschland 2006 (Tonnage in %) [4]
1.1 Einteilungen Die Bilder 1-16 bis 1-19 geben weitere Informationen zur Kunststofferzeugung in Deutschland, zum Verbrauch von Standard- und technischen Kunststoffen sowie zum Preisindex Öl-Kunststoff in den vergangenen Jahren.
1.1.5.3
1.1.5.2
1.1.5.4
Wirtschaftsdaten zu Duroplasten [6]
Aktuelle Wirtschaftsdaten zu Duroplasten und weitere Zahlen und Informationen finden Sie unter www.avk-tv.de.
15
Wirtschaftsdaten zu Elastomeren [7]
Aktuelle Wirtschaftsdaten zu Elastomeren und weitere Zahlen und Informationen finden Sie unter www.vke.de.
Preisspanne für Kunststoffe
Tabelle 1-6 nennt für ein ausgewähltes Spektrum an Kunststoffen und Metallen Preisspannen.
Bild 1-16. Kunststofferzeugung in Deutschland 2006 [4]
16
1 Einführung in Polymer-Engineering
Bild 1-17. Verbrauch von Standard-Kunststoffen in Deutschland 2006 in 1.000 t [4]
Bild 1-18. Verbrauch technischer Kunststoffe in Deutschland 2006 in 1.000 t [4]
1.1 Einteilungen
Bild 1-19. Preisindex Öl – Kunststoff (Monatswerte) [4]
Tabelle 1-6. Preisspanne pro Kilogramm Granulat Kunststoff (Auswahl) in € für Frühjahr 2007 (Größenordnung, stark mengenabhängig und rohölkostenbestimmt) (Quelle: KI, Bad Homburg, www.kiweb.de) [8] Kunststoffe/Metalle
Euro €
Kunststoffe/Metalle
Euro €
PE-HD1
1,17 – 1,22 1,16 – 1,23 1,28 – 1,37 1,04 – 1,09 1,81 – 2,43 2,93 – 3,60 2,63 – 2,82 10,00 – 17,00 1,50 – 2,50 0,90 – 1,50 13,50
PA11 PA12 PA62 PA6 GF2 PA6.62 PBT2 POM2 PET PPS PTFE LCP PEEK
7,50 – 11,50 7,50 – 11,50 2,58 – 2,68 2,83 – 2,98 3,41 – 3,41 2,94 – 3,26 2,45 – 2,97 3,00 – 10,00 3,00 – 10,50 ca. 12,50 ca. 50,00 ca. 60,00
TPO TPU UP PF (vorvernetzt) EP
2,50 – 5,00 3,75 – 6,25 2,60 – 5,00 1,00 – 3,00 4,00 – 10,00
PP1 PS1 PVC1 ABS2 PC2 PMMA2 PEI SAN SB PSU Zum Vergleich St 37 Al Mg Ti C-Gewebe
0,30 – 0,50 0,70 – 1,00 1,50 – 2,00 4,00 – 5,00 80 – 120
1 20 t Ladungsbezug 2 Einzelabnahmen zwischen 3 bis 10 t
17
18
1 Einführung in Polymer-Engineering
Literatur – Kapitel 1 [1] Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 2007/08, 14. Aufl, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, Pfinztal [2] DIN 7724 (1993) Polymere Werkstoffe – Gruppierung polymerer Werkstoffe aufgrund ihres mechanischen Verhaltens. Beuth, Berlin [3] Erhard G (1993)Vorlesungsmanuskript. Universität Karlsruhe, Karlsruhe [4] plastics europe, Frankfurt: www.vke.de, www.plasticseurope.org [5] Handtke M (2005) Innovationen im Mittelstand. Low Tech Unternehmen in Zulieferketten – Das Beispiel der Kunststoff verarbeitenden Industrie. IWSG Working Papers 03-2005. In: Schamp EW (Hrsg) Forschungsberichte. IWSG, Frankfurt, ISSN 1439-2380 [6] Brinkmann PHP, Kraemer M, Kürten C (2001) Duroplastische Formmassen. Kunststoffe 91 (2001)10, S 347-349 [7] www.vke.de [8] KI, Bad Homburg, www.kiweb.de [9] Osen E, Sckuhr M (1999) Thermoplastische Elastomere (TPE). Kunststoffe 89 (1999)10, S 176-179
Weiterführende Literatur Arras S, Käb H (2007) Biokunststoffe (Marktpotential mit Risiko). Kunststoffe 97(2007)10, S 149-158 Ehrenstein G W (2006) Faserverbund-Kunststoffe. 2. Aufl, Hanser Verlag, München Wien Eipper A (2007) Polybutylenterephthalat (PBT). Kunststoffe 97(2007)10, S 120-123 Ertl J, Luderer J, Mieden O (2007) Polyvinylchlorid (PVC). Kunststoffe 97(2007)10, S 48-52 Flemming M (1995) Faserverbundbauweisen, Fasern und Matrices. Springer Verlag, Berlin
Freudenstein M (2007) Polyethylen hoher Dichte (PE-HD). Kunststoffe 97(2007)10, S 54-58 Freudenstein M (2007) Polyethylen niedriger Dichte (PELD/PE-LLD). Kunststoffe 97(2007)10, S 59-63 Glenz W (2007) Polystyrol (PS). Kunststoffe 97(2007)10, S 70-74 Glenz W (2007) Polyethylenterephthalat (PET). Kunststoffe 97(2007)10, S 76-80 Glenz W (2007) Expandierbares Polystyrol (EPS). Kunststoffe 97(2007)10, S 82-86 Glenz W (2007) Styrol-Copolymerisate (ABS, SAN, ASA, MABS). Kunststoffe 97(2007)10, S 88-92 Glenz W (2007) Polyarylsulfone (PSU, PESU, PPSU). Kunststoffe 97(2007)10, S 130-133 Hilken G (2007) Eine starke Branche. Kunststoffe 97(2007)10, S 44-47 Horn K, Laue HJ, Franz U et al. (2007) Polycarbonate (PC) und seine Blends. Kunststoffe 97(2007)10, S 100-110 Karger-Kocsis J (2004) Werkstoffe. In: Neitzel, Mitschang (Hrsg) Handbuch Verbundwerkstoffe. Hanser Verlag, München Mantel R (2007) Polypropylen (PP). Kunststoffe 97(2007)10, S 64-68 Reimer W, Sandner H (2007) Polyaryletherketon (PAEK). Kunststoffe 97(2007)10, S 134-136 Reitzel G (2007) Polyphenylensulfid (PPS). Kunststoffe 97(2007)10, S 124-129 Rosenau B (2007) Polyamide (PA). Kunststoffe 97(2007)10, S 94-99 Schottek J (2007) Liquid Crystal Polymer (LCP). Kunststoffe 97(2007)10, S 138-148 Stein A (2007) Verhaltener Optimismus (Jahresabschluss 2006). Kunststoffe 97(2007)7, S 27-29 Träxler M, Schäfer J, Blass R, Albrecht K (2007) Polymethylmethacrylat (PMMA). Kunststoffe 97(2007)10, S 115119 Vanacker P (2007) Polyurethane (PUR). Kunststoffe 97(2007)10, S 142-148
2
Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
2.1
Übersicht Polymerisation
Das Kapitel 2 ist für den Ingenieur-Gebrauch dieses Buches bewusst sehr knapp gehalten. Es wurde weitgehend der Foliensammlung von PlasticsEurope, zum Teil stark gekürzt, entnommen [1]. Je nach Bildungsreaktion unterscheidet man folgende Polymerisate – synthetische Kunststoffe – Additionspolymerisate + Kettenreaktion (im deutschen Sprachraum früher Polymerisation) + Stufenreaktion (im deutschen Sprachraum früher Polyaddition) – Kondensationspolymerisate – abgewandelte Naturstoffe oder jüngst: Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe, wie Stärke, Cellulose, Zucker, Lignin, Chitin oder Terpenen [7] Jede dieser Gruppen umfasst sowohl lineare, d. h. thermoplastische als auch vernetzte Kunststoffe. Je nach Vernetzungsgrad können – hochdehnfähige Kunststoffe (Elastomere) oder – hochsteife Kunststoffe (Duroplaste) entstehen. Bild 2-1 ordnet ausgewählte Beispiele den einzelnen Polymerisationsarten zu und fügt wichtige Merkmale, die Bezug zu späteren Eigenschaften haben können, an.
2.2
Zuordnung von Kunststoffen zu Polymerisationsarten
Bild 2-2 ordnet verschiedene Kunststoffe den Bildungsmechanismen (Polymerisationsarten) und Kunststoffgruppen zu. Diese chemische Unterscheidung verliert sich beim Ver-
arbeiter. Für ihn ist es ausschließlich entscheidend, ob die Polymerisation beim Rohstoffhersteller abläuft, was heute noch bei nahezu allen Thermoplasten der Fall ist, oder ob die Vernetzung oder Polymerisation im Bauteil-Werkzeug stattfindet (siehe Tabelle 2-1). Tabelle 2-1 gibt beispielhaft Auskunft über Polymerisationsreaktionen bei Rohstoffherstellern bzw. bei Verarbeitern des Kunststoffes zu Bauteilen. Tabelle 2-2 nennt Beispiele für Kunststoffe, die während der Verarbeitung im Bauteil-Werkzeug vernetzen. In diesen Fällen ist, sofern es sich nicht um kalthärtende Duroplaste handelt, das Werkzeug beheizt (i. d. R. ca. 150 bis 200 °C). Im Gegensatz dazu muss es bei der Verarbeitung (Urformen) von Thermoplasten i. d. R. gekühlt werden.
2.3
Polymerisationen
2.3.1
Additionspolymerisation
2.3.1.1
Kettenreaktion (im deutschen Sprachraum früher: Polymerisation)
Die Grundlage der Polymerisationsverfahren bilden Doppelbindungen. Die Kraft, die die meisten Makromoleküle zusammenhält, ist das Bindungsvermögen des Kohlenstoffs, d. h. die Fähigkeit, Bindungen miteinander und mit anderen Atomen einzugehen. Für die Anzahl der möglichen Bindungen ist die sog. Wertigkeit, die Valenz, maßgebend. Der Kohlenstoff ist vierwertig, anders gesagt, das C-Atom hat vier Bindungsarme. Beispiel: Im Methan kommen auf 1 C-Atom 4 Wasserstoffatome, was durch die Summenformel CH4 wiedergegeben wird. Deutlicher werden diese vier Bindungen in der Strukturformel des Methan oder der nächst höheren Verbindung dieser Reihe sowie in anderen verwandten Kohlenwasserstoffen (KW): Die Strukturformeln des Methan und des Ethan zeigen, dass jede Bindung des C-Atoms mit einem Wasserstoff (H)Atom besetzt ist. Man spricht von gesättigten Verbindungen.
20
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
1 siehe auch Versuch „Schäumen und vernetzten von PUR bei Stufenreaktion (Polyaddition)“ bei Bild 2-7
Bild 2-1. Bildungsmechanismen von Kunststoffen [2]
Tabelle 2-1. Polymerisation bei Rohstoffhersteller und Verarbeiter [2] Polymerisation beim Rohstoffhersteller
– Thermoplaste, wie Polyethylen (PE), Polyamid (PA), Polycarbonat (PC), Polystyrol (PS), Polyurethan (TPU) zu Granulate und Pulver – Duroplaste, wie Phenolharz (PF), Epoxidharz (EP), Polysiloxan (SI) oder Polyurethan (PUR) als Vorprodukte – Elastomere, wie Nitril- (NBR), Silikon- (VMQ), Acrylgummi (ACM) oder Polyurethan (PUR) als Vorprodukte
Polymerisation beim Verarbeiter von Bauteilen
– Thermoplaste im RIM-Verfahren, wie Polyurethan (TPU), Guss-Polyamid (PA) – Duroplaste durch Vernetzung, wie Epoxide (EP), ungesättigte Polyester (UP, beispielsweise SMC), Polyurethan (PUR) und im RIM-Verfahren z. B. Polyurethan (PUR) – Elastomere durch Vulkanisation, wie Butylkautschuk (IIR), Chlorbutadien (CIIR)
2.3 Polymerisationen
21
Bild 2-2. Zuordnung von Kunststoffen zu Polymerisationsarten [2], ausgehend vom Mittelpunkt in Fließrichtung radial
In der Strukturformel des Ethylen sind die beiden CAtome im Unterschied zum Ethan durch eine Doppelbindung miteinander verbunden. Eine derartige Bindung ist ungesättigt, beispielsweise die Monomere der Olefine (Ethylen) und die Vinylmonomere. Sie kann durch eine Reaktion wieder in eine Einfachbindung überführt werden. Dabei weist jedoch an jedem der beiden C-Atome je eine Bindung
nach außen, die eine Sättigung anstrebt, solange ist sie ungesättigt. Freie Bindungen sind nicht beständig. Im Falle des Ethylen wird bei Einwirkung von Wärme, energiereicher Strahlung (z. B. UV- und Röntgenstrahlung) oder in Anwesenheit von Initiatoren bzw. Katalysatoren die Doppelbindung getrennt. Die Ethylen-Bausteine verbinden sich zum Polyethylen.
Ethen Acetylen
22
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Tabelle 2-2. Vernetzung während der Verarbeitung (Auswahl) [2] Duroplaste
Verfahren
Anwendungen
Phenolharze (PF)
Pressen, Ziehen, Laminieren, Imprägnieren
Press- und Spanplatten, E-technik, Dämmstoffe, Formmassen, Papiere, Brandschutz
Melaminharze (MF)
Spritzgießen, Pressen, Gießen, Wickeln, RTM, SRIM, Schäumen
Dekorpapiere, Holzwerkst., Formmassen, E-Technik, Schallund Brandschutz
Epoxidharze (EP)
Imprägnieren, Laminieren, Ziehen, Pressen
Luft- und Raumfahrt, Medizin, E-Technik, Fundamente, Tiefbau, Sportgeräte, Klebstoffe
Silikonharze (SI)
SMC, BMC, ZMC, Wickeln, Laminieren, Ziehen, Gießen
E-Technik, Dichtungen, Bauwesen
ungesättigter Polyester (UP)
Pressen, Imprägnieren
Fahrzeuge (Karosserie, Motor), Behälter, Gehäuse, Polymerbeton, Schiffskörper
Triazinharze
Träufeln, Laminieren, Gießen, Schäumen, Pressen, Spritzgießen
Medizin, Elektronik, Lager, Flugmotoren
Polyamide (PI)
Spritzgießen, Gießen, Imprägnieren, Pressen
E-Technik, Elektronik
Methacrylate
Spritzgießen, Gießen, Imprägnieren, Pressen
Polymerbeton, E-Technik, Sanitär
Polyurethane (PUR)
Gießen, Schäumen, Reaktionsspritzgießen (RIM, RRIM, SRIM)
Fahrzeuge, Bauwesen (Dämmstoffe), Gehäuse, Maschinenelemente, E-Technik
Dabei gibt der Index n (Polymerisationsgrad) am Fuß der eckigen Klammer an, wie viele monomere Bausteine jeweils zum Makromolekül vereinigt wurden. Der Polymerisationsgrad von Kunststoffen liegt im Bereich 100 bis 5 Millionen. Naturgemäß weisen die einzelnen Makromoleküle eine unterschiedliche Anzahl Bausteine auf, so dass man nur von einem mittleren (durchschnittlichen) Polymerisationsgrad sprechen kann. Polymerisationen sind exotherme Reaktionen, weil das Polymerisat energieärmer, als das ungesättigte Monomer ist. Sehr hoch ist beispielsweise die Polymerisationswärme des Ethylens. Diese Wärme muss bei der Synthese (Herstellung) abgeführt werden, da sonst Explosionen die Folge sind. Bei der Polymerisation tritt infolge chemischer Reaktion zwischen dem Monomeren und dem Polymerisat eine Volumenverkleinerung (Schwindung) und damit eine Dichtezunahme ein. Sie beträgt beispielsweise bei Polyvinylchlorid 34,4 % und bei Styrol 14,7 %. Aus der Dichteänderung wird der jeweilige Umsatz ermittelt. Von den drei Polymerisationsarten Radikalketten-, Ionenketten- und stereoregulierte Polymerisation hat die letztgenannte vor allem bei der Polymerisation der höheren α-Olefine die größte Bedeutung erlangt. Die in den dreißiger und vierziger Jahren in großtechnischen Anlagen hergestellten bekannten Polymere Polyvinylchlorid (PVC), Polystyrol (PS) und Polymethylmethacrylat (PMMA) sind Beispiele der sog. Radikalkettenpolymerisation. Einen Weg, das mit radikalischen Katalysatoren
arbeitende Hochdruckpolymerisationsverfahren für Ethylen (ICI) durch ein Niederdruckverfahren zu ersetzen, bot das mit anionisch koordinativen Katalysatoren, beispielsweise Titantetrachlorid plus Aluminiumtriethyl als Cokatalysator arbeitende Verfahren nach K. Ziegler (1953). Zum gleichen Ziel gelangten Phillips Petroleum mit Trägerkatalysatoren auf Chrombasis sowie Standard Oil of Indiana mit vergleichbaren Katalysatoren auf Basis Molybdän. In den sechziger Jahren kamen das mit anionisch koordinativen Trägerkatalysatoren arbeitende Gasphasenverfahren für vorwiegend hochmolekulares Polyethylen sowie das Unipol Gasphasenverfahren der UCC für die Herstellung von Polyethylenen im hohen (HD-PE) sowie im niedrigen Dichtebereich (LLD-PE) hinzu. Die Ziegler’schen Arbeiten regten im Jahre 1953 Giulio Natta, Mailand, dazu an, diese Erkenntnisse auf die stereoregulierte Polymerisation von Propylen auszudehnen. Dabei wurde das isotaktische, syndiotaktische und ataktische PP entdeckt und in den strukturbedingten Eigenschaftsunterschieden erforscht. Die CH3-Gruppen können in unterschiedlicher Reihenfolge an der Kohlenstoffkette angeordnet sein. Man spricht von der Taktizität. Bei der stereoregulierten Polymerisation von Propylen wird unterschieden nach: isotaktisches Polypropylen, wenn alle CH3-Gruppen auf derselben Seite der Kohlenstoffkette sind bzw. entsprechend ihrer wendelförmigen Anordnung nach außen weisen.
®
2.3 Polymerisationen
Ataktisches Polypropylen, wenn die CH3-Gruppen regellos angeordnet sind.
Syndiotaktisches Polypropylen, wenn sich die CH3-Gruppen in regelmäßiger Folge abwechselnd auf verschiedenen Seiten der Kohlenstoffkette befinden.
Der zurzeit technisch bedeutendste Materialtyp ist das nach dem Eingangsverfahren mit stereospezifischen Katalysatoren nach Ziegler/Natta gewonnene isotaktische Polypropylen. Es ist hochkristallin, weil sich die regelmäßig gebauten Ketten leicht ordnen können. Infolgedessen beträgt der Erweichungspunkt 165 °C (Kristallitschmelzpunkt) gegenüber 128 °C bei ataktischem Polypropylen. Die große Familie der Polyolefine gewährleistet heute und in Zukunft mit einer Jahresproduktion von mehr als 40 Mio. t weltweit eine unbegrenzte Verfügbarkeit vieler Gegenstände des täglichen Bedarfs. Die große anwendungstechnische und damit auch wirtschaftliche Bedeutung der Polyolefine sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Eigenschaftsbild des Ziegler-Polyethylens und des Ziegler/Natta (Z/N)-Polypropylens die Anforderungen des Verarbeiters und des Verbrauchers trotz aller Verbesserungen, die im Laufe von mehr als 40 Jahren erzielt wurden, nicht breit befriedigten. Ein wesentliches Merkmal bestand darin, dass die Molmassenverteilung sehr breit und die Taktizität nicht einheitlich war,
23
was Eigenschaftsbild und Verarbeitbarkeit beeinträchtigten und die Anwendbarkeit einengten. Die Ursache dieser Merkmale bestand darin, dass die Z/N-Katalysatoren aus Festkörpern bestanden, an deren Oberfläche eine Vielzahl von Ketten mit verschiedener Geschwindigkeit wuchs. Das Ergebnis war eine breite Molmassenverteilung. Eine entscheidende Verbesserung der Polymereigenschaften und eine wesentlich vielseitigere Anwendbarkeit brachten erst die seit den 1980er Jahren bekannten Metallocen-Katalysatoren. Durch Metallocen-Katalysatoren wie beispielsweise Dicyclopentadienylzirkoniumdichlorid in Verbindung mit Methylalumoxan als Cokatalysator wurde ein Weg zu einem steuerbaren Eigenschaftsbild gefunden, und Molmasse, Molmassenverteilung, Taktizität, Wärmebeständigkeit, Steifigkeit, Härte, Kälteschlagzähigkeit und Transparenz konnten gleichsam maßgeschneidert werden. Zu diesen vorteilhaften physikalischen Eigenschaften kommt die Reaktivität dieser Katalysatorkombination, d. h. mit Hilfe von einem einzigen Gramm Zirkonium können 100 kg Ethylen zu PE polymerisiert werden. Ein Vorteil dieser Metallocen-Katalysatoren ist die hohe Reaktionsgeschwindigkeit, die das 10- bis 100-fache der bisher benutzten Katalysatoren beträgt. Weiter und wesentlich muss die an sich geringe Katalysatormenge nicht mehr aus dem Polymer entfernt werden. Die typische Struktur von Metallocen-Katalysatormolekülen erinnert an die Struktur von Enzymmolekülen, denn ebenso wie diese die einheitliche Synthese eines Biopolymermoleküls katalysieren, sind auch die Metallocene in der Lage, Polymerisationsreaktionen mit einer bestimmten Taktizität und Kettenlänge gezielt zu steuern, beispielsweise die Synthese von isotaktischem Polypropylen mit einheitlicher Molmasse [3], [4]. Ein Meilenstein war 1993 die Insite Technologie der Dow, die zu den Polyolefin-Elastomeren Affinity und drei Jahre später zu Engage führte. Ein breites Anwendungsgebiet bieten ebenfalls die mPPFasern und Folien. Diese Produkte, Engage Polyolefinelastomere und neue Typen von Nordel EPDM-Kautschuk, werden hinsichtlich ihrer Verarbeitbarkeit und ihrer Leistungsmerkmale noch kundenspezifischer herzustellen sein als bisherige Synthesekautschuke und damit den Kunden eine breite Palette hochwertiger Polyolefine anbieten können.
®
®
®
®
®
Copolymerisation Bei den bisher betrachteten Polymeren handelte es sich stets um die Aneinanderreihung gleichartiger Monomere. Voraussetzung für die Polymerisation war das Vorhandensein von mindestens zwei Verknüpfungsstellen. Je tiefer die Wissenschaft in den Feinbau der Hochpolymeren eindringt, desto zielsicherer handhabt sie die Mittel,
24
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
die Eigenschaften der Homopolymeren durch Copolymerisation mit einem oder mehreren Monomeren in gewünschter Weise zu beeinflussen. Obwohl auch andere – vorwiegend physikalisch wirkende – Verfahren zur Abwandlung der Stoffeigenschaften bekannt sind, z. B. Mischen, Weich-
machen, Vernetzen und Recken, wird die Copolymerisation stets dann bevorzugt, wenn es auf eine Veränderung der molekularen Eigenschaften des Polymeren ankommt. Dabei sind je nach Reaktionspartnern und Reaktionsbedingungen folgende Anordnungen möglich:
Die Copolymerisation ist keineswegs auf zwei monomere Komponenten beschränkt. Eine Copolymerisation liegt auch dann vor, wenn lineare Polymerisate oder Polykondensate, die noch über eine reaktionsfähige Komponente verfügen (trifunktionelle Monomere), mit einem polymerisationsfähigen (bifunktionellen) Monomeren vereinigt werden. Das Ergebnis ist eine vernetzter Kunststoff, z. B.: Ungesättigter Polyester + Styrol → vernetztes Polyesterharz.
innerhalb der Additionspolymerisation als Kettenreaktion vom Monomer zum Polymer zu gelangen.
erisation erisation
Monomere für Additionspolymerisationen als Kettenreaktion [1] besitzen somit zusammengefasst meist eine C=C Doppelbindung. Mehr als eine reaktionsfähige Doppelbindung pro Monomer ist allerdings sehr selten. Die beiden C-Atome an der Doppelbindung können Wasserstoff, andere Atome oder auch ganze Atomgruppen tragen. Technisch werden fast ausschließlich Monomere verwendet, bei denen nur ein H-Atom durch ein anderes Atom oder eine meist recht kleine Seitengruppe substituiert ist. Für Bild 2-3 wurden sechs Vertreter von Monomeren für Polymerisationsreaktionen ausgewählt. Darunter befinden sich Ausgangssubstanzen für Massenkunststoffe wie Polyethylen, Polypropylen, PVC und Polystyrol. Polyacrylnitril wird unter Markennamen wie Dralon, Orlon und anderen zu wollähnlichen Kunstfasern verarbeitet. Polymethylmethacrylat ist ein Vertreter der Polymerisate aus Methacrylsäureestern. PMMA ist als Acrylglas oder Plexiglas bekannt und dient unter anderem für Verglasungen, Seiten- und Rückfenster von Autos oder Brillengläser. Wie weiter oben erwähnt, gibt es verschiedene Polymerisationsreaktionen (radikalisch, ionisch, stereoreguliert), um
radikalische Polymerisation [1] Bild 2-4 stellt in allgemeiner Form die radikalische Polymerisation dar. Die Doppelbindungen als funktionelle Gruppen reagieren unter Öffnung einer Bindung. Die C-Atome bilden die Kette. Dies ist im oberen Teil von Bild 2-4 schematisch dargestellt. Eine genauere Darstellung liefert der untere Teil von Bild 2-4. Gezeigt wird eine Polymerisation, die durch einen Radikalbildner, in diesem Fall Dibenzoylperoxid, gestartet wird. Das aus dem Zerfall des Radikalbildners stammende Radikal, mit R• bezeichnet, greift in der Startreaktion das erste Ethenmolekül an. Dabei entsteht erneut ein Radikal mit einem freien Elektron, das ein weiteres Ethenmolekül angreifen kann. Die Kohlenstoffkette wächst in Zweiereinheiten, was als Kettenwachstum bezeichnet wird. Nach einiger Zeit erfolgt der Kettenabbruch dadurch, dass sich zwei Kettenenden mit einem einsamen Elektron treffen und eine chemische Bindung bilden. Theoretisch könnten die vier nicht an der Doppelbindung beteiligten Bindungen der C-Atome eines Monomers für Polymerisationen verschiedene Atome oder Atomgruppen tragen. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Monomere ist dies jedoch nicht der Fall. Meist ist nur eines der C-Atome einfach substituiert. Ethen trägt ausschließlich H-Atome. Bei Propen ist ein H-Atom durch eine Methylgruppe ersetzt, beim Styrol durch einen Phenylring, beim Vinylchlorid durch ein ClAtom. In Bild 2-4 ist diese Art der Substitution durch ein X
2.3 Polymerisationen
Bild 2-3. Monomere für Additionspolymerisationen [1]
angedeutet. Für hochgradig halogenierte Kunststoffe werden Monomere mit mehr als einer Substitution eingesetzt (z. B. Polytetrafluorethylen). Die radikalische Polymerisation ist eine Gleichgewichtsreaktion, bei der das Gleichgewicht meist weit auf der Seite des Polymers liegt. Hoher Druck verschiebt das Gleichgewicht noch weiter zu Gunsten des Polymers. Erhöhte Temperatur beschleunigt die Radikalbildung. Druck und Temperatur haben aber auch Einfluss auf die Molmasse (Kettenlänge), die Molmassenverteilung und den Verzweigungsgrad. Die Polymerisation von Ethen bei 100–200 °C und 1500 bar gelang erstmalig 1933 den Chemikern E. W. Faw-
25
cett, R. O. Gibson und M. W. Perrin. In ihrem Reaktor wurde die Polymerisation durch Spuren von Sauerstoff radikalisch gestartet, die aus Versehen durch Undichtigkeiten eingedrungen waren. Seit 1939 wird Polyethylen so großtechnisch hergestellt (ICI-Verfahren). Das Polyethylen wird als Low-Density-Polyethylen (LD-PE) bezeichnet. Radikalisch hergestelltes Polyethylen ist nicht, wie in Bild 2-4 dargestellt, rein linear aufgebaut. Trifft ein Kettenende mit einem einsamen Elektron auf den inneren Teil einer anderen Kette, so kann ein H-Atom entfernt und gegen eine Seitenkette ausgetauscht werden. Hochdruck-Polyethylen hat daher eine verzweigte Molekülstruktur und damit eine niedrige Dichte von 0,915 bis 0,94 g/cm3 (siehe Tabelle 2-4). Neben der radikalischen gibt es noch die ionische Polymerisation. Sie wird durch Ionen (Kationen oder Anionen) ausgelöst, deren Dissoziation naturgemäß stark von elektrostatischen Effekten abhängt, besonders von der Solvatation durch das Lösemittel. Wie die radikalische läuft auch die ionische Polymerisation als Kettenreaktion ab. Bei der Startreaktion lagert sich eine Lewis-Säure oder eine Lewis-Base an ein C-Atom der Doppelbindung eines Monomers an. Am anderen C-Atom entsteht dabei eine Ladung. Je nach Art der Ladung wird zwischen anionischer und kationischer Polymerisation unterschieden. Beim Kettenwachstum erfolgt wiederholt Anlagerung an eine Doppelbindung, wobei die Ladung jeweils um zwei C-Atome „weiterspringt“. Bei der ionischen Polymerisation gibt es keinen Kettenabbruch durch Rekombination. Dieser wird durch Zugabe von Wasser, Alkoholen, Säuren oder Aminen erzwungen. Erfolgt dies nicht, dann kommt die Reaktion zum Stillstand, wenn alles Monomer verbraucht ist, wobei die Reaktionsfähigkeit längere Zeit erhalten bleibt. Man spricht dann von „lebenden Polymeren“. Ionische Polymerisationen können oft bei sehr tiefen Temperaturen mit hoher Geschwindigkeit ablaufen. Ein Beispiel ist die Polymerisation von Isobutylen mit Bortrifluorid als Katalysator. Sie wird bei –100 °C in flüssigem Propan durchgeführt. katalytische Polymerisation [1] Bild 2-5 zeigt schematisch die beiden Typen der katalytischen Polymerisation, nach denen gegenwärtig industriell Polyethylen hergestellt wird. Beiden ist gemeinsam, dass die Reaktionen bei relativ geringem Druck und niedriger Temperatur durchgeführt werden. Bei der Polymerisation von Polyethylen wird das Produkt daher auch als NiederdruckPolyethylen bezeichnet, siehe Tabelle 2-4. Das Produkt wird als High-Density-Polyethylen (HD-PE) bezeichnet. Es ist chemisch gesehen einheitlicher und kristallisiert als Feststoff zu einem höheren Anteil als LD-PE. Daher hat HD-PE eine höhere Dichte als LD-PE.
26
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Bild 2-4. Reaktionen – radikalische Polymerisation [1], ein Strich symbolisiert eine chemische Bindung mit zwei Elektronen
Die Ziegler-Natta-Katalysatoren sind metallorganische Mischkatalysatoren. Diese Katalysatoren entstehen durch Mischen von Verbindungen der Metalle der Nebengruppen IV bis VIII mit Metallalkylen oder Hydriden der Gruppen I bis III des Periodensystems. Besonders wirksam sind Kombinationen von TiCl4, TiCl3 oder VOCl3 mit Aluminiumalkylen oder Aluminiumalkylhalogeniden11. Bei Polymerisation von Ethylen schieben sich zwischen Titan- oder Vanadiumatomen und den Ethylgruppen weitere Ethylenmoleküle ein und verlängern dadurch die Ketten schrittweise um jeweils 2 C-Atome. Bei der Polymerisation von Propylen gelingt eine schon weitgehend stereospezifische Synthese, bei der die Methylgruppen recht einheitlich in eine Richtung gedreht sind (isotaktisch). Ziegler-Natta-Katalyse ergibt bis zu 95 % isotaktisches Polypropylen, siehe oben.
1
Das Aluminium reduziert die Metallverbindung, es nimmt an der Polymerisationsreaktion nicht teil.
Die Metallocen-Katalysatoren sind erst in jüngster Zeit zum industriellen Einsatz gelangt. Alle besitzen im Reaktionszentrum zwei aromatische Ringe, zwischen denen ein Metallatom, meist Zirkon, komplex gebunden ist. Dieser Typ Katalyse liefert Polymere mit außerordentlich einheitlichen Strukturen. Die Kettenlängen der einzelnen Moleküle liegen sehr nahe beieinander. Die räumliche Struktur ist daher definiert. Polypropylen ist z. B. völlig isotaktisch. Es lässt sich sogar Polypropylen herstellen, bei dem die Seitengruppen abwechselnd nach links und nach rechts zeigen. Solches Polypropylen wird als syndiotaktisch bezeichnet (siehe oben). Katalytisch hergestelltes Polyethylen ist bei Ziegler-NattaKatalyse weitestgehend, bei Metallocen-Katalyse vollständig linear aufgebaut. Die Makromoleküle von NiederdruckPolyethylen können sich daher eng aneinander legen, was zu Polyethylen hoher Dichte mit 0,95 bis 0,98 g/cm3 führt. Teile der Moleküle (siehe Tabelle 2-4) lagern sich parallel aneinander und bilden Mikrokristallite (kleine kristalline Strukturen). Folien aus Niederdruck-Polyethylen sind sehr viel
2.3 Polymerisationen
27
Bild 2-5. Reaktionen – katalytische Polymerisation [1]
reißfester als Folien aus Hochdruck-Polyethylen. Da die Mikrokristallite „aneinander reiben“, knistern Folien (z. B. Tragetaschen) aus Niederdruck-Polyethylen. In Niederdruck-Polyethylen können gezielt Seitenketten (kürzere Verzweigungen) eingebracht werden. Dazu wird dem Ethylen ein bestimmter Anteil längerer Alkene (Olefine) wie Buten-1 oder Octen-1 zugemischt. Metallocen-Katalysatoren bauen diese außerordentlich gleichmäßig verteilt in die Kette ein. Dadurch lässt sich dann auch Niederdruck-Polyethylen mit niedriger Dichte herstellen (LLD-PE).
Vernetzte Produkte erhält man durch Reaktion eines bimit einem trifunktionellen Reaktionspartner. Je polyfunktioneller der Reaktionspartner ist, desto engmaschiger wird die Vernetzung. Deshalb werden bei der Polyurethan- oder Epoxidharzherstellung anstelle der Polyole häufig die zahlreiche OH-Gruppen enthaltenden Polyester und Polyether verwendet. Die Polyaddition ist wie die Polykondensation eine Stufenreaktion, Bild 2-1. Besonders wichtige Polyaddukte sind die linearen und vernetzten Polyurethane sowie die Epoxidharze.
2.3.1.2
Monomere für Polyadditionen [1] Epoxidharze [1] gehören zu den Duroplasten. Die Stufenreaktion (Polyaddition) liefert zunächst ein im Wesentlichen lineares Makromolekül, das noch zahlreiche OH-Gruppen besitzt. Dieses Additionsprodukt wird in eine Form gebracht oder in flüssiger Form auf Oberflächen aufgetragen. Danach wird chemisch gehärtet, häufig unter Erwärmen.
Stufenreaktion (im deutschen Sprachraum früher: Polyaddition)
Die Stufenreaktion ist die Polyreaktion von mindestens zwei bi- oder höherfunktionellen Verbindungen. Die Polyaddition kann je nach Funktionalität zu linearen Polymeren (Thermoplasten) oder vernetzten Kunststoffen (Duroplasten) führen.
28
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Bild 2-6. Monomere für Stufenreaktionen (Polyaddition) [1] Strukturen in Bild 2-6: 1 = Dihydroxyverbindung (Bisphenol A); 2 = Epichlorhydrin; 3 = mehrfunktionelles Isocyanat; 4 = mehrfunktionelle Hydroxiverbindung
Reaktionen – Polyaddition [1] Bild 2-7 stellt die Polyaddition am Beispiel der Herstellung von Polyurethan dar. Wie die Reaktion von Methanol und Ethylisocyanat zum N-Ethyl-O-methylurethan zeigt, sind für die Beschreibung der Reaktion (wie bei der Esterbildung) nur die funktionellen Gruppen von Bedeutung. Werden bifunktionelle Monomere eingesetzt, dann entsteht das Polyurethan. Wieder stehen die in Bild 2-7 gezeigten Strukturen mit ihren „eingekapselten“ Mittelteilen für beliebige Diole bzw. Diisocyanate. Die funktionellen Gruppen reagieren miteinander, wobei das H-Atom der Hydroxylgruppe zum N-Atom der lsocyanatgruppe angreift. Niedermolekulare Nebenprodukte entstehen nicht. Die Polyaddition setzt sich also ebenfalls schrittweise fort. Zu den Polyaddukten gehören technisch so wichtige Produkte wie die Polyurethane und die Epoxidharze. Werden Polyurethane ausschließlich aus bifunktionellen Monomeren hergestellt, so ergeben sich thermoplastische
Kunststoffe. Eine Reihe von ihnen zeigt gummiartige Elastizität. Bei Zumischen von Triolen (Alkoholen mit drei Hydroxylgruppen) entsteht dreidimensionale Vernetzung. Solche Polyurethane sind Duroplaste. Durch Schäumen wird die Vielseitigkeit des Einsatzes von Polyurethanen noch erhöht. Dies kann durch Zusatz eines Treibmittels erfolgen. Es kann aber auch mit einem leichten Überschuss an lsocyanat und einem entsprechenden Zusatz von Wasser gearbeitet werden. In diesem Fall wird aus lsocyanat CO2 abgespalten, das dann sehr feine und gleichmäßig verteilte Bläschen bildet. Polyurethanschaum kann mit harten oder elastischen Eigenschaften hergestellt werden. Ersterer eignet sich zum Beispiel für Wärmeisolierungen an Kühlschränken, letzterer für Polsterungen an Wohnmöbeln und Autositzen. Außerdem lassen sich alle Arten von Schuhsohlen aus Polyurethan herstellen, angefangen beim bequemen und robusten Wanderschuh bis zum Hochleistungs-Sportschuh für die Leichtathletik. Epoxidharze sind ausgezeichnete Grundierungen für Autolacke. Heute werden fast alle Autos mit Epoxidharzen beschichtet, ehe der Farblack aufgetragen wird. Sie haften extrem fest auf metallischem Untergrund. Mit ihnen wurden Autos praktisch rostfrei gemacht. Im Flugzeug- und Bootsbau werden faserverstärkte Epoxidharze zu extrem leichten Konstruktionen mit hoher Festigkeit verarbeitet. Leiterplatinen für elektronische Geräte sind ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet. Versuch Vernetzen und Schäumen von Polyurethan zu PUR-Hartschaum Mischt man bei Raumtemperatur 1 Teil trifunktionelles Polyol (Triol) (ca. 40 g) und 0,8 Teile Isozyanat, so entsteht über räumliche Vernetzung duroplastisches Polyurethan. Gibt man dem Polyol vorher noch ca. 4 % Wasser zu, so entsteht zunächst parallel aus der Reaktion Isocyanat mit Wasser Carbaminsäure. Diese ist instabil und spaltet CO2 ab, das die reaktive Mischung Polyol und Isocyanat aufschäumt. Um sicher zu sein, dass bei der Vernetzungsreaktion das gesamte (giftige!) Isozyanat umgesetzt wird, gibt man es im Unterschuss mit 0,6 bis 0,8 Teile des Polyols zu. Je nach Temperatur der Reaktanden dauert der Schäumversuch in einem 1-Literglas ca. 2–4 Minuten. Nach 30 sek beginnt der gelbliche Schaum im Glas hochzusteigen und bildet in der genannten Zeit einen ca. 8 cm überstehenden Schaumpilz. Langsam spürt man die Exothermie der Reaktion an der Glaswand ankommen. Zunächst ist die Schaumhaut und der Schaum gummielastisch (schwacher Vernetzungsgrad). Anfangs klebrig, mit zunehmender Zeit und damit Vernetzungsdichte
2.3 Polymerisationen
29
Bild 2-7. Reaktionen – Polyaddition [1]
verschschwindet die Klebrigkeit, der Schaum wird fester und steifer, bis er nach ca. 8 min zum Hartschaum geworden ist, den man als Heimwerker beispielsweise im Baumarkt zum Ausschäumen von Fenster- oder Türenzargen verwenden kann. Beobachtet man den Schaumkegel im Glas die folgenden Wochen, so stellt man eine fortschreitende Schwindung fest. Das CO2 entweicht aus den Schaumporen, die Abmessungen verkleinern sich bis nach sechs Monaten der Schaumkegel aus dem sich oben etwas verjüngenden (Einmach-)Glas entformt werden kann. Somit können die Gläser mehrfach benutzt werden. Für Fensterbefestigungen reicht kurzzeitig die Montagefixierung aus. Wer allerdings Isolierlöcher dichten will, muss nachschäumen!
Kondensationspolymerisation Historisch gesehen folgte nach der Entwicklung der ersten abgewandelten polymeren Naturstoffe zunächst ein durch Polykondensation hergestelltes Hochpolymer. Es war das duromere Phenol-Formaldehydharz. Ist die Polymerisation eine Additionsreaktion chemisch gleichartiger und auch nach der Reaktion – bis auf die Aufhebung der Doppelbindung – unveränderter Grundbaustein, so stellt die Kondensationspolymerisation eine Substitutionsreaktion dar. Zwei gleich- oder verschiedenartige reaktionsfähige Gruppen von Verbindungen reagieren miteinander, siehe auch Bild 2-1. Dabei entstehen niedermolekulare Nebenprodukte wie Wasser, Ammoniak, Chlorwasserstoff, Alkohole und andere. Weisen die miteinander reagierenden Reaktionspartner einer Kondensation nur eine reaktionsfähige Gruppe auf, dann entstehen niedermolekulare Verbindungen und die entsprechenden niedermolekularen Molekülteile.
l at terephtalat ycol enterephtalat
30
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Beispiel: Esterbildung aus Säure + Alkohol unter Wasserspaltung.
Aus bifunktionellen Reaktionspartnern entstehen die bekannten linearen Kettenmoleküle (Thermoplast).
Beispiel: Terephthalsäuredimethylester + Glycol → Polyethylenterephthalat + Methylalkohol (Umesterung).
Aus tri- oder polyfunktionellen Reaktionspartnern entstehen engmaschige Raumnetzmoleküle (Duroplast). Beispiel: Phenol + Formaldehyd → Phenolharz + Wasser Die Kondensationspolymerisation ist ein Beispiel für eine Stufenreaktion, die aus einzelnen voneinander unabhängigen Schritten besteht. Sie ist in ihrer Wärmetönung endotherm, d. h. Energie wird zugeführt. Die dabei gebildeten Zwischenprodukte können also isoliert und während einer bestimmten Zeitdauer gelagert werden. Unter geeigneten Arbeitsbedingungen kann die unterbrochene Reaktion fortgeführt werden. Diese Möglichkeit nutzt die Kunststoffindustrie zur Herstellung von Formmassen durch Mischen mit Füllstoffen oder Mischen verschiedener Vorkondensate. Dadurch lassen sich Zykluszeiten beim Verarbeiten reduzieren. Monomere für Kondensationspolymerisate [1] Für Bild 2-8 wurden Beispiele ausgewählt, die zu wichtigen Industrieprodukten führen. PET (Polyester: Polyethylenterephthalat), das Polykondensat von Ethandiol (Glykol) und Terephthalsäure, ist in zweien seiner Einsatzgebiete auch bei Nichtfachleuten bekannt geworden. Immer häufiger werden alkoholfreie Erfrischungsgetränke in Flaschen aus PET abgefüllt, die in
Mehrwegsystemen leicht mehr als 30 Umläufe durchmachen können. Wie andere Polyester dient PET aber auch als Faserrohstoff, der unter Markennamen wie Trevira, Diolen, Terylen und anderen zu Textilien von hoher Knitterfestigkeit verarbeitet wird. Das eröffnet auch noch Möglichkeiten zur Verwertung unbrauchbar gewordener Flaschen. Nach ihrer Ausmusterung werden Fasern aus den Flaschen hergestellt und zu Wattierungen für warme Anoraks verarbeitet. Durch Polyesterfasern wird der Airbag im Auto zu einem extrem reißfesten Beutel. Beim Unfall strömt explosionsartig Gas in den Airbag, was ihn in Sekundenbruchteilen zu einem Polster werden lässt, das Verletzungen bei Verkehrsunfällen verhindert oder reduziert. Polycarbonat besitzt für ein Polymer eine relativ große Zähigkeit (Arbeitsaufnahmevermögen). Aus ihm lassen sich schlagzähe Gegenstände fertigen. Darüber hinaus ist seine Transparenz außerordentlich hoch, so dass es wie Acrylglas für Verglasungen verwendet wird. Schließlich ist Polycarbonat sterilisierbar und hat daher Eingang in Mehrwegsysteme für Milch und Milchprodukte gefunden. Bei HeißwasserReinigung kann jedoch Bisphenol A abgespalten werden und in die Nahrung permeieren, z. B. bei Babyflaschen. Daher wird für diese Anwendung Polyamid empfohlen. Ein elegantes Beispiel für ein bifunktionales Monomer stellt Caprolactam dar. Der Ring dieses cyclischen inneren Amids kann durch Katalysatoren, z. B. Wasser, geöffnet werden. Erst dadurch wird das Monomer für die Polykon-
2.3 Polymerisationen
31
Bild 2-8. Monomere für Kondensationspolymerisationen. Strukturen auf Bild 2-8: 1 = Diol (Ethandiol = Ethylenglykol); 2 = Dicarbonsäure (Terephthalsäure); 3 = ε-Caprolactam; 4 = Dicarbonsäure (Adipinsäure); 5 = Diamin (Hexamethylendiamin); 6 = Dihydroxyverbindung (Bisphenol A); 7 = Dicarbonsäurechlorid (Phosgen)
densation gebildet und dann zu einem Polyamid umgesetzt. Dazu ist nur ein sehr geringer Zusatz an Wasser erforderlich. Für jedes Monomer, das in das wachsende Makromolekül eingebaut werden soll, wird zur Ringöffnung theoretisch zuerst ein Wassermolekül verbraucht und bei der Polykondensationsreaktion wieder freigesetzt. Tatsächlich schreitet die Reaktion, nachdem sie einmal eingeleitet ist, ohne weitere Beteiligung von Wasser fort. Nylon und Perlon sind die bekanntesten Markennamen von Polyamiden. Fasern aus diesen Kunststoffen stellen den Rohstoff für Damenstrümpfe dar. Darüber hinaus werden hoch belastbare Seile aus ihnen hergestellt. Reaktionen – Polykondensation [1] Bild 2-9 stellt die Polykondensation am Beispiel einer Polyesterbildung dar. Wie die oben gezeigte Reaktion von Ethanol und Ethansäure (Essigsäure) zum Essigsäureethylester (Ethylacetat) zeigt, sind für die Beschreibung der Esterbil-
dung nur die funktionellen Gruppen von Bedeutung. Für Polykondensationen werden bifunktionelle Monomere benötigt. Im Beispiel der Polyesterbildung sind dies Diole wie Ethandiol (Glykol) und Dicarbonsäuren wie Terephthalsäure. Die in Bild 2-9 gezeigten Strukturen mit ihren eingeschlossenen Mittelteilen stehen für beliebige Diole bzw. Dicarbonsäuren. Die funktionellen Gruppen reagieren unter Wasserabspaltung miteinander. Nach dem ersten Schritt entsteht ein Molekül, das am einen „Ende“ eine Carboxylgruppe, am anderen eine Hydroxylgruppe besitzt. An beiden „Enden“ kann daher erneut verestert werden. Die Polykondensation setzt sich also schrittweise in beide Richtungen fort. Die Polykondensation ist eine Stufenreaktion. Als solche liefert sie zuerst Oligomere, also Moleküle, die nur aus wenigen Monomeren zusammengesetzt sind. Die Fortsetzung zu
32
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Bild 2-9. Reaktionen – Polykondensation [1]
den Polymeren kann sowohl durch schrittweises Anfügen weiterer Monomere als auch durch Vereinigung von Oligomeren erfolgen. Eine typische Reaktion zum Kettenabbruch gibt es nicht. Sie könnte in einer „Kopf-Schwanz-Reaktion“ bestehen, was dann einen zyklischen Polyester ergäbe. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber bei hohen Anfangskonzentrationen der Monomeren gering. Es treffen viel leichter Enden von verschiedenen Molekülen aufeinander als Anfang und Ende eines Moleküls. Hohe Konzentrationen werden in der Praxis dadurch erreicht, dass die Monomere ohne Lösemittel zur Reaktion gebracht werden. Die niedermolekularen Reaktionsprodukte von Kondensationsreaktionen müssen ständig entfernt werden. Dadurch wird eine Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung des Polykondensats erreicht. Ist Wasser zu entfernen, so wird es abdestilliert. Dazu werden die Monomere in Anwesenheit von Katalysatoren erhitzt. Als Produkt wird eine Polymerschmelze erhalten, die bei Polyestern und Polyamiden zu
Granulaten geformt oder, durch feine Düsen gepresst, zu Fasern verarbeitet werden kann. Beispiele für Polykondensate sind Polyester, Polyamide, Polycarbonate oder Polysiloxane (Silikone). Werden Monomere mit mehr als zwei funktionellen Gruppen beigemischt, so entsteht Quervernetzung, was die Härte der entsprechenden Polykondensate erhöht. Dreidimensionale Vernetzung ist auch bei den Polyesterharzen möglich, bei denen Monomere mit Doppelbindungen wie Maleinsäure eingesetzt werden. Der gebildete Polyester kann nachträglich mit Peroxiden vernetzt werden. Es entsteht ein Duroplast. Neben Polykondensaten mit einheitlicher Kettenstruktur können noch Mischpolykondensate hergestellt werden. Ein Beispiel sind Polyesteramide. Zu ihrer Herstellung werden Dicarbonsäuren mit Diolen und Diaminen umgesetzt.
2.4 Einflüsse der Polymerisation auf Werkstoffeigenschaften
2.4
Einflüsse der Polymerisation auf Werkstoffeigenschaften
Tabelle 2-3 stellt, getrennt für unvernetzte (Thermoplaste) und vernetzte (Elastomere/Duroplaste) Kunststoffe, einige wichtige Einflussfaktoren stichwortartig zusammen. Thermoplaste Die Molmasse beeinflusst zum einen die Schmelzeviskosität, also die Verarbeitbarkeit. Eine niedrige Molmasse bedingt eine niedrige Schmelztemperatur und eine niedrige Schmelzeviskosität; erfordert also geringere Verarbeitungsdrücke und damit niedrigere Werkzeugzuhaltedrücke. Die Formfüllung geschieht tendenziell schneller und vollständiger. Andererseits verstärkt sich die Tendenz zu Austrieb und Nacharbeit, so dass doch wieder höhere Zuhaltekräfte gewählt werden müssen. Die Eigenschaften von niedermolekularen Thermoplasten sind wiederum tendenziell eine – geringere Festig- und Steifigkeit – geringere Arbeitsaufnahme – größere Kriechneigung bei Langzeitbelastung. Ketten-Verzweigungen können diese Aussagen in die eine oder andere Richtung, beispielsweise je nach Kristallisationsneigung, verändern. Durch eine sehr hohe Molmasse, beispielsweise beim ultrahochmolekularen Polyethylen, steigt die – Verschleißfestigkeit – Schlagzähigkeit – Formstabilität signifikant. Die Molmassenverteilung hat bei breiter Verteilung (Dispersität) prinzipiell eine ähnliche Auswirkung: hohe niedermolekulare Anteile wirken weichmachend und gleiten bei höheren Temperaturen gut aneinander ab: gute Verarbeitbarkeit, schlechtere Langzeiteigenschaften. Eine enge Verteilung mit hohen langkettigen Anteilen dagegen hat eine schlechtere Verarbeitung bei besseren mechanischen Langzeiteigenschaften zur Folge. Der Verzweigungsgrad hat großen Einfluss auf die Kristallinität von Molekülstrukturen und verändert die mechanischen und transportbedingten (Permeation) Eigenschaften von Kunststoffen ausgeprägt. Hohe Schlagzähigkeit bei großem Verzweigungsgrad kann eine Folge sein. Dagegen sinkt die Schmelztemperatur und die Glastemperatur (dadurch erhöhte Kältezähigkeit) deutlich. Der Einfluss der Taktizität, insbesondere beim Polypropylen, ist in Tabelle 2-3 erwähnt. 95 Prozent isotaktisches Polypropylen über Metallocen-Katalysatoren hebt viele
33
Tabelle 2-3. Beeinflussung der Werkstoffeigenschaften durch die Polymerisation [2] Thermoplaste
Elastomere/Duroplaste
– Molmasse Molmassenverteilung – Verzweigungsgrad – Taktizität – Restmonomere – z. B. Styrol, VC – Rückstände – z. B. Emulgatoren, Löse- und Fällmittel (bei UHMW PE1 Dieselöl)
– Vernetzungsgrad beeinflusst z. B. Steifigkeit, Festigkeit, chemische Beständigkeit, Erweichungstemperatur, … – Copolymerisation (Sequenzlänge etc.) – niedermolekulare Bestandteile, z. B.: Isocyanate, Amine, Phenole, Formalehyde
1 ultra high molecular weight polyethylene
Eigenschaften auf gewünschte technische Anwendungsniveaus. Restmonomere, auch Rückstände aus der Polymerisation, können gesundheitsschädlich sein (Vinylchlorid beim PVC) oder können technische Eigenschaften verändern, wie beispielsweise Rückstände von Emulgatoren, welche die Isolierfestigkeit von PVC-Kabel erniedrigen. Rückstände von Lösungsmittel (Dieselöl, Toluol u. a.) aus der Fällungspolymerisation gelangen, wenn auch im Mikrogrammbereich, von Gelenkendoprothesen, wie Hüftpfannen, über die Jahre der Implantation in den menschlichen Körper. Elastomere/Duroplaste Der Vernetzungsgrad beeinflusst wesentlich die Lage der Glastemperatur und den Abfall der Eigenschaften im Haupterweichungsbereich. Festigkeit und Steifigkeit nehmen dabei mit steigendem Vernetzungsgrad zu, während die Dehnungsfähigkeit abnimmt. So werden beispielsweise Scheibenbrems- oder Kupplungsbeläge mit Phenolharz und elastomerem Binder in aufwendigen Aushärteprozessen über ca. 20 Stunden schrittweise bis zu Temperaturen von 300 °C vernetzt. Die Weite der molekularen Netzwerkmaschen (Sequenzlänge) spielt bei der Copolymerisation (Thermoplaste und Elastomere/Duroplaste) eine zentrale Rolle und bestimmt die Eigenschaften bei der gummielastischen Deformation. Niedermolekulare Bestandteile sind vor allem bei Langzeitanwendungen in Innenräumen (Automobile, Wohnungen) kritisch, da sie i. d. R. emittieren. Schwindung/Schrumpfung In der Praxis ist meistens von Schrumpf die Rede. Gemeint ist jedoch die Schwindung. Unter Schwindung versteht man
34
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
die Verkleinerung des Volumens durch beispielsweise höhere Packungsdichte der Makromoleküle infolge Kristallisation oder Vernetzung. Bei der Schwindung verkleinert sich also das Volumen eines Bauteiles, die Maßhaltigkeit verändert sich ebenfalls, die Gestalt bleibt erhalten (V ≠ const). Unter Schrumpfen versteht man die Zurückknäuelung orientierter Makromoleküle meist bei erhöhten Temperaturen. Dadurch vermindert sich die Länge, der Querschnitt wächst (V = const). Beispiel: stellt man einen tiefgezogenen Becher aus Polystyrol oder Polypropylen in einen Ofen, so schrumpft der Becher (PS bei ca. 120 °C, PP bei ca. 160 °C) zu der Platte zurück, aus der er ehemals geformt wurde. Dabei bleibt das Volumen des Kunststoffes unverändert, Gestalt und Abmessungen dagegen verändern sich vollkommen. Bei der Schwindung ist zu unterscheiden zwischen – Syntheseschwindung, – Verarbeitungsschwindung und – Nachschwindung. Tabelle 2-4 stellt für einige Thermoplaste und Duroplaste die Dichte von Monomer und Polymer, die Syntheseschwindung und Nachschwindung zusammen.
Das Polymerisat hat stets eine größere Dichte als das Monomer, d. h. das Volumen schwindet während der Polymerisation. Die Schwindung wird in der Praxis oft als Maß für den erreichten Reaktionsumsatz benutzt. Schwindungsarme bis -freie LS (low shrink)- und LP (low profile)-Systeme entwickelte man in den vergangenen 20 Jahren für großflächige Bauteile im Kfz-Karosseriebau wie beispielsweise Stoßfänger, Heckklappen, Türen, Kotflügel u.a. Schwundarme LS- und LP-Systeme liegen vor, wenn man geeignete Thermoplaste im UP2-Ausgangsharz löst. Während der Härtungsreaktion fallen sie feinverteilt aus, da die zugegebenen Thermoplaste sich wohl im Styrolmonomer, nicht aber im entstehenden Polystyrol lösen. Die ausgefallenen Thermoplastpartikel enthalten monomeres Styrol, das mit Verzögerung reagiert und vorher durch Verdampfung infolge der Reaktionstemperatur feine Blasen erzeugt. Diese Blasen kompensieren die Schwindung und pressen die Oberfläche des entstehenden Formteils an die Werkzeugwandung, siehe auch Kapitel 3.5.1. Das LP-System enthält soviel Thermoplast, dass es nicht mehr in der Masse gleichmäßig einzufärben ist. Jedoch kann man es (z. B. bei der Autokarosserie) lackieren.
2
ungesättigter Polyester
Tabelle 2-4. Schwindung und Dichte bei der Polymerisation [2]
Vinylchlorid Acrylnitril Vinylacetat Styrol Epoxidharz ungesättigter Polyester (UP)
ρ Monomer g/cm3
ρ Polymer g/cm3
Syntheseschwindung SS %
Nachschwindung NS %
0,919 0,792 0,932 0,907 1,10 – 1,20
1,38 1,17 1,19 1,06 1,20 – 1,30
33,4 32,3 21,7 14,5 5 – 10
1 bis <<0,1
1,40 1,8 – 2,1 1,30 – 1,40 1,30 – 1,40
6,9 0,2 – 0,5 0,2 – 0,05 0,02 – 0,05
um 1 <0,1 <0,1 0
1,13 UP Monom. 0,91 Styrol 1,3 Benzylperoxid ungefüllt gefüllt LS-Systeme (Low Shrink) LP-Systeme (Low Profile)
2.5 Duroplaste (technische Harze)
2.5
Duroplaste (technische Harze) [2]
Die chargenweise technische Kondensation von Phenol, Kresol und Xylenol bzw. deren Gemische mit Formaldehyd (H2CO) führt je nach dem molaren Verhältnis der Kompo-
35
nenten, den angewandten Katalysatoren und der Art der Abscheidung von niedermolekularen Zwischenprodukten (Entwässerung) zu einer Vielzahl von hochmolekularen Produkten, so genannten „technischen Harzen“. Deren Hauptgruppen lassen sich unterscheiden in:
Novolake säurekataly Formaldeh Hexameth Resole A-Zustand basenkatal Molverhäl Vernetzun
Novolake und Resole: Polykondensation [6]
36
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Beim Aushärten durchlaufen Resole und Novolak-Hexagemische den B-Zustand. 2. Resitol (B-Zustand) gummiartiges Reaktionsprodukt, fast unlöslich aber noch quellbar, bedingt schmelzbar, mittlerer Vernetzungsgrad Novolak-Hexa-Härtung: Polykondensation [6]
ntetramin n-Brücke cke
zum 3. Resit (C-Zustand) technisch ausgehärtetes, unlösliches, nicht schmelzbares Phenolharz (hoher Vernetzungsgrad) Härtung: Resitgitter [6]
2.6 Abgewandte Naturstoffe Zwischen A- und B-Zustand überwiegt die Molekülvergrößerung unter Abspaltung von Wasser, Formaldehyd oder Ammoniak, im C-Zustand erfolgt die räumliche Vernetzung.
37
Überwiegend wird warm gehärtet (140–180 °C), aber auch kalthärtende Systeme (z. B. Montageleime) sind verfügbar.
Anwendungen
In der Regel ist die Kondensationsreaktion endotherm, d. h. durch Abstellen der Wärmezufuhr kann die Reaktion insbesondere bei Resolen beliebig angehalten werden. Technisch wird dies wirtschaftlich ausgenutzt, indem man beispielsweise Glasmatten, Papier, textiles Gewebe imprägniert und vorkondensiert, d. h. so genannte Prepregs hergestellt und nach fertigungsbedingten Zwischenlagerungen durch Druck und Hitze beispielsweise 100 bar und 160–170 °C für Phenolharz in die endgültige Form bringt, z. B. SMC-Harzmatten. Während lineare (thermoplastische) Kondensationspolymerisate als Gleichgewichtsreaktion (reversible Kondensationsreaktionen) hydrolyseempfindlich sind, liegt bei chemisch vernetzten Systemen (z. B. Duroplaste oder Elastomere) meist eine irreversible Kondensationsreaktion vor. Die Vernetzungsstellen sind nicht mehr durch Wasser spaltbar. Neben Matrix und Härter besteht eine Rezeptur für rieselfähige Duroplaste noch aus folgenden Substanzen [6] s. a. Kapitel 3.5: – Modifizierungsmittel z. B. • Elastifizierungsmittel • Abriebreduzierungsmittel – Verstärkungsstoffe • Fasern (Glas-, Zellulose-, Textilfasern etc.) • Blättchen (Blattsilikate, z. B. Glimmer) • Glaskugeln • organisch und anorganisch
– Füllstoffe, z. B. – Mineralmehl – Holzmehle – Farbmittel (organisch und anorganisch) – Gleit- und Trennmittel – Stearate, Wachse, Fettsäuren etc. – Additive – Beschleuniger – Fließhilfen – Haftvermittler Das Prozessschema zur verfahrenstechnischen Herstellung der Granulate zeigt Bild 2.10.
2.6
Abgewandelte Naturstoffe
Naturstoffe wie Holz, Kautschuk, Wolle und Zellstoff, veredelte bzw. abgewandelte Naturstoffe wie Celluloseester und Celluloseether sowie synthetische Werkstoffe wie Polyethylen, Phenolharz, Polyester, Silicone, Butylkautschuk und viele andere synthetische organische Hochpolymere sind entweder aus fadenförmigen, mehr oder weniger verzweigten, sowie aus räumlich vernetzten Makromolekülen aufgebaut. Gleichartige Grundbausteine werden durch Hauptvalenzen – auch atomare oder primäre Bindungen genannt – verbunden [2].
Schleifscheib Metallgus Hartpapie Hartgeweb Schleifkor Schleifmit Papier-Ge Sperrholz Spanplatte Hartfaserp Gießharze PF-Schaum Klebstoffe Verstärkun Kautschuk
38
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Bild 2-10. Prozess-Schema Linie 1 [6] nach Bakelite® 1)
Zahlreiche organische Naturstoffe wie Cellulose, Stärke, Eiweiß und Naturkautschuk sind ebenfalls aus Makromolekülen aufgebaut. Die Grundbausteine sind zwar meistens von komplexerer Gestalt als viele synthetische Polymere, wie aus dem Vergleich des Cellulose- und des Polyethylen-Bausteines hervorgeht, dennoch war es nahe liegend, dass die Chemie der Kunststoffe mit der Herstellung abgewandelter Naturstoffe begann. Als Ausgangsstoffe boten sich die in der Natur reichlich vorkommende Cellulose und das Eiweiß (Casein) an.
2.6.1
Kunststoffe auf Cellulosebasis
Die Cellulose bildet als Gerüstsubstanz den Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwände. Sie ist das am häufigsten vorkommende Kohlenhydrat. Pflanzenfasern wie Baumwolle, Jute, Flachs und Hanf sind nahezu reine Cellulose. Das Holz der Nadel- und Laubbäume besteht zu 40 bis 50 % aus Cellulose neben Hemicellulose und Lignin. Das Stroh enthält etwa 30 % Cellulose. Die Cellulose bildet durch die wechselnde räumliche Anordnung der Sauerstoffbrücken lange Ketten, die zu Bündeln vereinigt sind. Cellulose ist eine farblose, in Wasser und den meisten organischen Lösemitteln unlösliche Substanz. Der „Zellstoff “ wird vorwiegend aus Holz oder Stroh
gewonnen. Reine Cellulose wird aus entfetteter Baumwolle hergestellt. Die Cellulose wird zunächst in sauren oder alkalischen Verfahren zu Zellstoff aufgeschlossen und dann zu Papier, Schießbaumwolle, Celluloid, Nitrolacken, halbsynthetischen Fasern (Viscose-Reyon), Kupfer-Reyon, Acetat-Reyon (Zellwolle), Vulkanfiber, Cellophan, Alkylcellulose, Celluloseacetat und Cellulose-Mischestern verarbeitet. Als formbare Kunststoffe interessieren die Celluloseester und die Cellulose-Mischester. Die Cellulose ist aus linearen Molekülen aufgebaut, die Kristallite bilden. Die Kristallitbildung wird durch die starken zwischenmolekularen Kräfte der Wasserstoffbrücken (OH-Gruppen) hervorgerufen. Diese Sekundärkräfte sind so groß, dass die Cellulose nicht in der Wärme formbar ist. Die chemische Abwandlung der Cellulose ist mit einem Abbau der Makromolekül-Länge verbunden. Das dargestellte Glucose-Molekül enthält drei reaktionsfähige OH-Gruppen (Hydroxylgruppen). Das H-Atom kann durch verschiedene Substituenten ersetzt werden. Man unterscheidet dabei
1
Bakelite® ist eine eingetragene Marke in Deutschland. Bakelite® ist in Deutschland und in über 50 weiteren Ländern eine eingetragene Marke der Hexion Speciality Chemicals Group.
2.6 Abgewandte Naturstoffe
zwischen einer Veresterung und einer Veretherung. Die Celluloseester werden durch Behandeln von Cellulose mit Säuren oder Säuregemischen, die Celluloseether durch Alkalisieren von hochreiner Cellulose mit Natronlauge und anschließendem Verethern hergestellt. Veretherungsmittel für die drei wichtigsten wasserlöslichen Celluloseether NaCarboxymethylcellulose, Methylcellulose und Hydroxyethylcellulose sind Monochloracetat oder Monochloressigsäure, Monochlormethan und Ethylenoxid. Nicht wasserlösliche Celluloseether werden z. B. mit Monochlorethan verethert. Die technologischen Eigenschaften der CelluloseDerivate hängen nicht nur von der Art der Substituenten, sondern auch vom Grad der Umsetzung der OH-Gruppen ab. Optimale Eigenschaften ergeben sich nur dann, wenn ein bestimmter – für jeden Typ jedoch verschiedener – Bruchteil der Hydroxylgruppen substituiert wird.
2.6.2
39
Kunststoffe auf Proteinbasis
Von den technisch genutzten tierischen Eiweißkörpern – Milcheiweiß, Fischeiweiß und Seidenfibroin – wird das Milcheiweiß (Casein) bevorzugt. Den Grundbaustein der Eiweißstoffe (Proteine) bilden die α-Aminosäuren.
Eiweißbaustein α-Aminosäure-
Das Casein gehört zu den konjugierten Proteinen, die außer dem Eiweißanteil noch eine so genannte prosthetische Gruppe enthalten. Hierzu zählen z. B. Phosphorsäure, Farbstoffe oder Kohlehydrate. Das Casein gehört zu den Phosphorproteinen. Die Phosphorsäure wird durch das Labferment des Kälbermagens abgespalten. Es verbleibt das Milcheiweiß.
40
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
Die Proteine werden durch die Vernetzungsreaktion in ein Polymer umgewandelt. Die freie Aminogruppe reagiert bevorzugt mit dem sehr reaktionsfähigen Formaldehyd CH2O. In der Wasserabspaltung liegt der Vernetzung der Proteinketten der gleiche Reaktionsmechanismus zugrunde wie bei der Polykondensation.
2.6.3
Kunststoffe auf Ligninbasis
Ausgangspunkt für eine neue thermoplastische Werkstoffgruppe aus ausschließlich nachwachsenden Rohstoffen ist das Naturpolymer Lignin, welches zu bis zu 30 % in jedem Baum und jeder verholzenden Pflanze durch die Photosynthese gebildet wird. Lignin ist nach der Cellulose das am häufigsten vorkommende Naturpolymer und bildet z. B. im Baumstamm aus unten abgebildeten Monomeren eine dreidimensional vernetzte Gerüststruktur um die Cellulosefasern.
Monomere des Lignins; v. l. n. r.: p-Coumaryl Alkohol, Coniferyl Alkohol, Sinapryl Alkohol Lignin bzw. Ligninderivate fallen bei der Papierherstellung weltweit jährlich zu etwa 60 Mio. Tonnen an. Nur ein kleiner Teil des daraus gewonnenen Lignins von etwa 5 % findet eine stoffliche Verwendung. 95 % des aus dem Holz heraus gelösten Lignins ist Abfall und wird zum Teil direkt in den Zellulosewerken zur Energiegewinnung verbrannt. Durch die stoffliche Nutzung des durch die Photosynthese gebildeten Holzinhaltsstoffs Lignin als Matrixwerkstoff und Naturfasern als Verstärkung können Werkstoffrezepturen erstellt werden, die keinen Zusatz von synthetisch hergestellten Kunststoffen für deren Verarbeitung benötigen. Dies bedeutet, dass der CO2-Kreislauf dieser Werkstoffe nahezu geschlossen ist. (Allgemeine Stoffbeschreibung siehe Kapitel 3.1.5)
2.7
Kunststofferzeugung (verfahrenstechnische Prozesse) [1]
Allgemeines zur Erzeugung von Kunststoffen Kunststofferzeugung ist immer ein industrieller Prozess. Bei Massenkunststoffen wie Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol oder Polyvinylchlorid findet sie in Anlagen mit Jahreskapazitäten von mehreren zigtausend Tonnen statt. Innerhalb einer Produktionsstätte stehen oft mehrere solcher Anlagen nebeneinander, so dass die Jahreskapazität einer Produktionsstätte mehr als 500.000 Tonnen betragen kann. Allein in Deutschland wurden 2006 rund 18,5 Millionen Tonnen Kunststoffe erzeugt. Große Anlagen zur Kunststofferzeugung werden kontinuierlich betrieben. Der erzeugte Kunststoff wird also laufend aus dem Reaktor entfernt und neues Monomer wird zudosiert. Nicht umgesetztes Monomer, Katalysator, Radikalbildner (Initiatoren) und eventuell Lösemittel werden vom Kunststoff abgetrennt und in den Prozess zurückgeführt. Alles erfolgt unter sorgfältiger Kontrolle der Qualität, das heißt durchschnittliche Kettenlänge, Verteilung der Kettenlängen und Verzweigungsgrad werden eingestellt und konstant gehalten. In den meisten Fällen finden in einer Anlage nur wenige Reaktionsschritte statt. Anlagen zur Erzeugung von Polyethylen oder Polypropylen werden mit dem Monomer beliefert und erzeugen den Kunststoff in einem einzigen Reaktionsschritt. In den Beispielen Polystyrol und Polyethylenterephthalat kommen wenige Schritte zur Herstellung der Monomeren dazu. Das technische „Know-how“ steckt im chemischen Aufbau der Polymermoleküle, in den Katalysatoren und in der Verfahrenstechnik. Das Endergebnis sind Werkstoffe von hoher Leistungsfähigkeit und speziell auf die Anwendung zugeschnittenen Eigenschaften. Beim Polystyrol werden z. B. Typen hergestellt, die besonders transparent sind (glasklar) oder besonders schlagfest. Kunststofferzeugung: Beispiel Polystyrol – technischer Prozess [1] Die Erzeugung von Kunststoffen geschieht in großtechnischen Prozessen. Beispielsweise basiert die Herstellung von Polystyrol auf den Grundchemikalien Benzol und Ethen, Bild 2-11. Benzol und Ethen werden in einen Reaktionsbehälter geleitet. Dort entsteht bei 85–95 °C und Normaldruck Ethylbenzol. Im nachgeschalteten Teil der Anlage wird dieses zum Styrol dehydriert, das in einem Vorratstank gesammelt wird. Vom Vorratstank gelangt das Styrol in ein wassergekühltes Reaktionsgefäß. Nach Zugabe von Wasser und Hilfsstoffen erfolgt bei ständiger Durchmischung die Polymerisa-
2.7 Kunststofferzeugung (verfahrenstechnische Prozesse)
Tabelle 2-5. Verfahrenstechnik der Polymerisation, Übersicht A. Franck [5] Polymerisation
Reaktionspartner
Phasenaufbau* dem Reaktionspartner zugeordnet
Beispiele
Enstehungsform des Polymers
Bemerkungen
homogen in Substanz = Substanz-polymerisation
Initiator Polymer das Monomer ist Reaktionsmedium, s. 3. Spalte
L in M L in M
PS, UP, PMMA, PA6 (Guß-PA), EP, PCYA
kompakt
Reines Polymerisat, Formguss mit extrem hoher Molmasse und Formteilfestigkeit möglich; Schmelzverarbeitung unmöglich (Schiffschrauben u. Seilrollen aus PA 6, Panzerglas aus PMMA), große Uneinheitlichkeit der Molmasse. Hoher Polymerisationsschwund. Überhitzungsgefahr groß, deshalb langsam polymerisieren! Weitere Verarbeitungshinweise bei den angegebenen Stoffen
homogen in Lösung = Lösungspolymerisation
Monomer Initiator Polymer
L in M D oder L in M D in M
PVAC (Lack), PIB, S/B, ABS, PE-HD
Lösung
Besonders gute Abfuhr der Polymerisationswärme. Bei der Herstellung von Lacken und Klebstoffen aus PVAC entsteht die Kunststofflösung gebrauchsfertig, teure und energieaufwändige Trennung von Polymer und Lösemittel entfällt. PE-HD kann bei über 100 °C z. B. in Cyclohexanlösung polymerisiert werden, fällt bei Abkühlung aus.
Fällung aus Lösung = in Fällungspolymerisation
Monomer Initiator Polymer
L in M D oder L in M D in M
PE-HD, PP, PMMA, PS, PVC, SAN
Pulver
Fällung aus Substanz
Initiator Polymer das Monomer ist Reaktionsmedium s. 3. Spalte
L in M D in M
PVC, PAN aus flüssigem PE-LD, PE-LD aus gasförmigem Monomer
Pulver
Bei allen diesen Polymerisationsmethoden entsteht das Polymer fein zerteilt heterogen. Die Viskosität bleibt niedrig, eine gute Wärmeabfuhr und damit schnelle Polymerisation ist möglich. Die Trennung des Polymers vom Reaktionsmedium ist auch bei hoher Molmasse problemlos.
in Emulsion = Emulsionspolymerisation
Monomer Initiator Polymer
E in W L in W D in W (Emulgator)
E-PVC, PVAC, S/B, NBR, SBR, ABS
Pulver
Wasserlöslicher Initiator z. B. [O3S-O-O-SO3]2 Polymerteilchen 0,05 bis 0,1 mm Durchmesser Emulgatorreste verschlechtern die elektr. Isoliereigenschaften. Hohe Molmasse erreichbar. Gute Verarbeitbarkeit
in Suspension = Suspensionsoder Perlpolymerisation
Monomer Initiator Polymer (Schutzkolloide)
S in W L in M S in W
PS, PMMA, PVAC
Pulver
Polymerteilchen bis 1 mm Durchmesser. Wegen geringen Rückständen von Schutzkolloiden ist der Reinheitsgrad etwas schlechter als bei der Substanzpolymerisation, aber wesentlich besser als bei Emulsionspolymerisation
Fällung in Suspension
Monomer Initiator Polymer (Schutzkolloide)
S in W L in M D in M am Schluss S in W
S-PVC
Pulver
Wichtiges Beispiel: Niederdruck-Polymerisation von PE-HD oder in Kohlenwasserstoff-(KW)-Lösemittel. Auch PMA, PMMA in KW, PS in Methanol, PAN in Wasser PE-LD wird durch Hochdruck-Polymerisation aus dem Ethylengas gefällt. PAN ist unschmelzbar, wird in Dimethylformamid gelöst und zu Fäden versponnen.
* Der Hauptbestandteil des Einphasen- oder Mehrphasen-Systems (das Reaktionsmedium) ist unterstrichen L Lösung; E Emulsion; M Monomer; W Wasser; D Dispersion; S Suspension; LM Lösemittel (meist organisch)
41
42
2 Synthese (Herstellung, Erzeugung) von Kunststoffen
tion zu Polystyrol (Emulsionspolymerisation siehe Tabelle 2-5. Das Reaktionsgemisch wird in einen Kühlkessel abgelassen. Von dort gelangt es in eine Zentrifuge, in der Wasser, Reste des Monomers und Hilfsstoffe abgetrennt werden. Reines Polystyrol wird in Pulverform erhalten und muss nur noch getrocknet werden. Polystyrol ist einer der wichtigsten Massenkunststoffe. Es wird seit 1930 großtechnisch erzeugt. Ohne es zu wissen, entdeckte E. Simon das Polystyrol bereits 1839 als feste Masse, die sich beim Erwärmen aus Styrol bildete. Deutlich später erkannte M. Bertolet, dass es sich dabei um eine Polymerisation handelte. Das erste Patent für die Herstellung von Polystyrol erhielt 1911 der Engländer F. E. Matthews. Das erste technisch interessante Herstellungsverfahren wurde mit der „thermischen Polymerisation“ von der „Staudinger-Schule“ 1929 entwickelt. Im Gegensatz zur Alkylierung des Benzols verläuft die Dehydrierung von Ethylbenzol endotherm. Sie wird bei
hohen Temperaturen von 550 - 600 °C und Heterokatalyse ausgeführt. Das entstehende Styrol wird vor der Weiterverwendung unter Zusatz eines Polymerisations-Inhibitors im Vakuum destilliert. Wegen der sehr ähnlichen Siedepunkte von Ethylbenzol und Styrol ist diese aufwendige Feinreinigung erforderlich. Polystyrol wird in sehr großen Anlagen mit Durchsätzen von mehreren zehntausend Jahrestonnen polymerisiert. Aus einem Gemisch von Wasser und Styrol entsteht das Polystyrol in Form kleiner Perlen, die noch von Wasser, Initiator, Schutzkolloiden, restlichem Monomer und Katalysator getrennt werden müssen, Bild 2-11. Polystyrol ist glasklar mit einer Lichtdurchlässigkeit von 90 % im Bereich des sichtbaren Lichts. Es ist hart, formstabil, relativ spröde und ergibt nach der Verarbeitung glatte und hochwertige Oberflächen. Polystyrol ist geruch- und geschmacklos und in jeder Beziehung für den Kontakt mit Lebensmitteln geeignet. Beim Polystyrol-Molekül befindet
Bild 2-11. Beispiel Polystyrol – technischer Prozess [1]
Literatur – Kapitel 2 sich an jedem zweiten C-Atom der Kette eine Phenylseitengruppe. Diese kann nach links oder nach rechts von der Kette abstehen. Beim technischen Polystyrol ist die Verteilung dieser Ringe zufällig. Solches Polystyrol wird ataktisch genannt. Die unregelmäßig angeordneten Phenylseitengruppen sind sperrig. Kristallisation findet nicht statt. Die Styrolmoleküle bilden unregelmäßige Knäuel, die nur durch hohe Energiezufuhr „entwirrt“ werden können. Das erklärt die für einen amorphen Kunststoff hohe Erweichungstemperatur von fast 100 °C. Es erklärt auch die hohe Lichtdurchlässigkeit des Polystyrols. Denn es können sich keine teilkristallinen Strukturen bilden, an denen Licht gestreut würde. In ein kompliziert aussehendes Anlagenschema müssen nur wenige Formeln eingesetzt werden, um bei den wenigen chemischen Reaktionen zu verdeutlichen, in welchem Teil der Anlage sie stattfinden. Häufig wird bei der Erzeugung von Polymerisaten das Monomer angeliefert und ohne weitere chemische Veränderung eingesetzt. Es kommt aus einer großen petrochemischen Anlage, die oft viele Kilometer entfernt in der Nähe einer Raffinerie steht. Ethylen wird in Europa entlang des Rheins in einer eigenen Pipeline transportiert, Propylen und andere Rohstoffe für Polymerisationen kommen in Tank-LKW auf Straßen, Eisenbahnen und Wasserwegen. Bei Polystyrol werden Ethylen und Benzol aus der Petrochemie eingesetzt und in nur zwei Schritten in Styrol umgewandelt. Der größte technische Aufwand muss für die Reinigung der Zwischenprodukte betrieben werden, um hohe Molmassen zu erreichen. Jede Verunreinigung führt bei der Polymerisation zu niedermolekularen Produkten. Daher müssen die Monomere aufwändig gereinigt werden. Wasser muss mit einem deutlich höheren Verbrauch an Energie und Trenntechnik aus dem Reaktionsgemisch entfernt werden. Durch die Umesterung des Methanolesters mit Glykol kann das Methanol mit geringerem Aufwand abgetrennt werden.
43
Literatur – Kapitel 2 [1] Foliensammlung Kunststoffe (2003) Frankfurt VKE Verbund Kunststofferzeugende Industrie e.V. [2] Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 2007/08, 14. Aufl, Fraunhofer ICT, Pfinztal [3] Quadbeck-Seeger H-J (1993) Kunststoff-Forschung: Von der Empirie zur Strategie. In: Trends in der Kunststoff-Forschung. BASF AG, S 10–17 [4] Horn D (1995) Angewandte Polymerforschung – ein Kapitel der Supramolekularen Chemie. In Polymere. BASF AG, S 20–33 [5] Franck A (2000) Kunststoff-Kompendium. 5. Aufl, Vogel Verlag, Würzburg [6] Schwab M (Bakelite AG) (2004) Rieselfähige Duroplaste – Grundlagen und Anwendungen. Vortrag am Fraunhofer ICT, Pfinztal [7] Kamm B, Gruber PR, Kamm M (2005) Biorefineries – Industrial Processes and Products. Wiley-VCH, Weinheim.
Weiterführende Literatur Bastoli C (Hrsg) (2005) Handbook of Biodegradable Polymers. Shawbury, UK, Rapra, 534 S Braun D (2005) Polymer Synthesis – Theory and Practice. Berlin, Springer Verlag, 385 S Bauer S et al. (2007) Polyole auf Basis nachwachsender Rohstoffe (Blockweichschaumstoffe). Kunststoffe 97(2007)6, S 93-96 Dittmeyer R, Keim W, Kreysa G, Oberholz A (2005) Chemische Technik – Prozesse und Produkte. 5. Aufl, Weinheim, Wiley-VCH Fahirov S, Bhattacharyya D (Hrsg) (2007) Handbook of Engineering Biopolymers – Homopolymers, Blends and Composites. Hanser Verlag, München, 895 S Greulich S (2007) Auf dem Weg in den Markt (Nachwachsende Kunststoffe). Kunststoffe 97(2007)8, S 149-151 Keim W (Hrsg) (2006) Kunststoffe – Synthese, Herstellungsverfahren, Apparaturen. Weinheim, Wiley-VCH Marck A, Otten A (2007) Verträglichkeit von Polymilchsäure mit MaterBi (BioBlends). Kunststoffe 97(2007)6, S 90-92 Müssig J et al. (2007) Karosserie aus Naturfasern und Pflanzenöl – Nachwachsende Rohstoffe. Kunststoffe 97 (2007)3, S 78-83 Schlott S (2007) Neuer Schub für Gummihaar-Autositzpolster. Kunststoffe 97(2007)3, S 99-101
3
Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Wie bei allen Werkstoffen interessieren den Anwender meist die Eigenschaften eines Werkstoffes im nutzbaren Bauteil, also nach der Konstruktion, Verarbeitung, Fertigung und Oberflächenbehandlung. Neben den werkstofflichen Faktoren wie chemischer, physikalischer und technischer Aufbau sowie die Faktoren aus der Erzeugung (bei Kunststoffen die Synthese), verändern die Art der Verarbeitung einschließlich der Werkzeugtechnik und der Gestaltung die im Bauteil resultierenden Eigenschaften oft ganz wesentlich und richtungsabhängig. Bild 4-212 veranschaulicht diesen Sachverhalt und ergänzt weitere äußere, auf das Bauteil einwirkende Faktoren, die wiederum seine Eigenschaften entscheidend beeinflussen können. Bei den Auswahlbetrachtungen für vorwiegend mechanisch beanspruchte Teile muss man also stets in Rechnung stellen, dass eine als Auswahlkriterium dienende mechanische Eigenschaft, etwa die für die Bauteildimensionierung maßgebliche Bruchfestigkeit σB, von einer Reihe wichtiger Faktoren [1] abhängen kann. So etwa von a) der Beanspruchungsdauer, der Beanspruchungsfrequenz, der zeitlichen Dauer von Belastungs- und Entlastungsphasen, b) der Beanspruchungshöhe und Beanspruchungsart (Zug-, Druck-, Biege-, Scherbeanspruchung; mehrachsige Beanspruchung), c) der Betriebstemperatur, d) den Umwelteinflüssen: Einwirkung der Witterung (Sonnenlicht, Wind, Regen, Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen); Einwirkung flüssiger, gasförmiger, dampfförmiger Chemikalien; Einwirkung energiereicher Strahlung; Einwirkung von Mikroorganismen, etc., e) der Verarbeitung: dem thermischen oder mechanischen Abbau, etwa beim Spritzgießen und Strangpressen; chemischen Reaktionen wie Oxidation, HCl-Abspaltung, etc.; Orientierung der Makromoleküle beim Spritzgießen, Strangpressen, Blasformen; Schädigung bei mechanischer Bearbeitung (Sägen, Fräsen, Bohren), bis hin zur eingesetzten Oberflächentechnik,
f) der Morphologie: Größe, Verteilung, Anteil der kristallinen Bereiche; unterschiedliches spezifisches oder freies Volumen aufgrund der thermischen Vorgeschichte der Werkstoffe; unterschiedliche Molekülorientierungen in verschiedenen Bereichen des Werkstoffes bzw. Formteiles; Molmasse, Molmassenverteilung, chemische Einheitlichkeit (Taktizität), g) der Formgebung: Kerbwirkung durch Formgebung oder Bearbeitung, h) den dem Kunststoff-Werkstoff beigegebenen Zusätze: Additive wie: Farbstoffe, Pigmente, Stabilisatoren, verstärkende Stoffe, Haftvermittler, Formtrennmittel, Flammschutzmittel u. v. a. Diese Überlegungen gelten grundsätzlich für alle Werkstoffe. Im Folgenden sei jedoch auf Kunststoffe fokussiert, wobei Metalle vergleichsweise öfter mit beschrieben werden.
3.1
Aufbau der Kunststoffe
Der Ingenieur bzw. Kunststoffanwender hat meistens im Umgang mit Metallen ein fundiertes Wissen. Daher sind im Folgenden vereinzelt Metalle und Kunststoffe zur Veranschaulichung der Unterschiede gegenüber gestellt. Während das Gefüge bei den Metallen aus Atomen aufgebaut ist, sind es bei Kunststoffen Moleküle. Das Metallgitter besteht aus positiven Ionen, während die Valenzelektronen, ähnlich einem Gas („Elektronengas“), frei darin beweglich sind. Die dadurch erzeugte negative Raumladung führt zu einer Kraft (Metallische Bindung), die größer ist als die Abstoßung zwischen den Ionen. Die Bindungsenergie beispielsweise zwischen Eisenatomen liegt bei 395 kJ/mol. Im Gegensatz zur Metallischen Bindung zwischen Atomen (man spricht vom Metallgitter oder Metallkristall) bestimmen bei Kunststoffen die kovalente Bindung (oder primäre Bindung oder Hauptvalenzbindung) und die Zwischenmolekulare Bindung (oder sekundäre Bindung oder Nebenvalenzbindung (veraltet)) die Eigenschaften.
3.1 Aufbau der Kunststoffe Die kovalente Atombindung wird durch Elektronenpaarbildung erreicht, d. h. für bestimmte Elektronen besteht die gleiche Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei mehreren Atomen. Der Kohlenstoff C, auch das Silizium Si, können über gemeinsame Valenzelektronen Kristallgitter aufbauen. Diamant oder Quarz sind Beispiele.
45
Durch Absättigung von zwei der vier Valenzarmen von Kohlenstoff und Silizium können aber auch Molekülketten entstehen, die das Grundgerüst der Kunststoffe bilden. Dies kann kettenförmig (aliphatisch) oder auch ringförmig (aromatisch) geschehen.
aliphatisch aromatisch
Tabelle 3-1 listet einige für Kunststoffe wichtige Bindungspartner, -abstände und -energien auf, aus denen sich qualitativ durchaus Festkörpereigenschaften ableiten lassen. So ist beispielsweise der Bindungsabstand zweier Kohlenstoffatome im Ring kleiner, die Bindungsenergie dadurch deutlich höher als in der Kette. Folglich sind Ringverbindungen beispielsweise thermisch stabiler als lineare Molekülketten. Hier spielt allerdings die sterische Behinderung
auch eine große Rolle. Ein weiteres Beispiel ist die C-F-Bindung im Vergleich zur C-C-Bindung. Die höhere Bindungsenergie bei C-F bewirkt die hohe thermische Beständigkeit von Polytetrafluorethylen (PTFE). Neben den primären Bindekräften, die in der Molekülkette zwischen C- oder Si- oder eingelagerten Atomen (Heteroatome) wirken, sind die zwischenmolekularen Bindekräfte für die Eigenschaften von Kunststoffen von großer Bedeutung. Zwischen den kovalent gebundenen Molekülketten
Tabelle 3-1 Bindungsenergien und Bindungsabstände kovalent gebundener Atome [1]
46
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
wirken im Allgemeinen nur schwache Anziehungskräfte, hervorgerufen durch die Polarisation von Molekülen. Die zwischenmolekularen Bindekräfte sind stark temperatur- und abstandsabhängig und in der Regel kleiner 12 kJ/ mol. Das Verhältnis von Sekundärbindekraft BS zu Primärbindekraft BP beträgt etwa BS : BP ≈ 1/20 bis 1/100 Aus diesem geschilderten Sachverhalt resultieren bei Kunststoffen – stark richtungsabhängige Eigenschaften, wenn die Makromoleküle orientiert sind – starke Temperaturabhängigkeit – starke Zeitabhängigkeit – große Belastungsabhängigkeit der Eigenschaften. Tabelle 3-2 fasst zusammen und erweitert um bisher nicht erläuterte Begriffe, die im Folgenden, wie beispielsweise die Dipolkräfte oder die Wasserstoffbrückenbindungen, noch eine Rolle bei Kunststoffen und ihren Eigenschaften spielen. Bild 3-1 fasst chemische und physikalische eigenschaftsbildende Faktoren bei Kunststoffen zusammen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
3.1.1
Chemische Ordnungszustände
Thermoplaste Die chemische und physikalische Struktur der Kunststoffe und daraus resultierend ihre Eigenschaften kann mit den Begriffen Konstitution, Konformation und Konfiguration beschrieben werden. Das chemische Aufbauprinzip eines Moleküls aus den Atomen (Konstitution) kann durch folgende Arten beschrieben werden: – den Typus und die Verknüpfungsart der Atome der Grundmolekülkette, z. B.
– die Art der Endgruppen und Substituenten
hier z. B. Phenylrest oder OH-Gruppe
Tabelle 3-2 Zusammenfassende Übersicht zu Bindungsarten [1] Bindungsart
Beispiele
Bindungsenergie kJ/mol
Metallische Bindungen
– Fe-Fe Li-Li K-K – NaCl NaF Ionomere*
40–800 395 111 55 400–2000 410 447
Kovalente Bindung (Hauptvalenzbindung) (Atombindung)
C-C (aliph.) C-C (arom.) C-H C=C C-Cl Si-O
350 560 413 610 339 444
0,154 0,140 0,109 0,135 0,177 0,164
Zwischenmolekulare Kräfte – van der Waal´s Kräfte (=Dispersionskräfte) – Dipolkräfte
– zwischen unpolaren Molekülen zusätzlich zu van der Waal´s Kräften bei polaren Gruppen O-H...0 N-H...0
0,2–25 0,3–4
0,5–0,8
Ionenbindung
– Wasserstoffbrückenbindung
3–25 <24
Bindungsabstand nm
Bemerkungen
0,404 0,463
Positiv geladenes Metallion von negativ geladenem „Elektronengas“ umgeben
0,236 0,185
starke Anziehungskräfte zwischen positiv und negativ geladenen Ionen gemeinsame Valenzelektronen (Oktettschale) außen wird angestrebt, gerichtete Bindung
ungerichtet; abstandsabhängig Wirkung über kurze Entfernungen gerichtet; temperaturabhängig Wirkung über große Entfernungen gerichtet; temperaturabhängig
* Ionomere sind Polymere, bei denen nicht nur herkömmliche zwischenmolekulare Kräfte, sondern auch Ionenbindungen wirksam sind. Beispiele sind Copolymere aus Ethen und Acrylsäure, bei denen das Carboxylat-Anion des Acrylsäure-Comonomeren als Anion wirkt.
3.1 Aufbau der Kunststoffe
47
Kristallitbildung/Gefüge
Bild 3-1. Eigenschaftsbildende Faktoren bei Kunststoffen [51]
– die Art und Länge der Verzweigungen – die Molmasse und deren Verteilung – den Einbau von Fremdatomen bzw. -molekülen Als Konfiguration bezeichnet man die räumliche Anordnung der Atome und Atomgruppen im Molekül bei gleicher Konstitution, beispielsweise die Taktizität der CH3-Gruppe beim Polypropylen, Bild 3-2. In der Synthese gelingt es, wie oben beschrieben, die CH3Gruppen regelmäßig wechselseitig nach vorne und hinten anzuordnen und dadurch einen höheren Ordnungsgrad der Makromolekülketten (Kristallinität) zu erreichen, mit der Folge von höherer Festig- und Steifigkeit bei verbesserter Temperaturbeständigkeit. Als Konformation bezeichnet man die räumliche Gestalt, die Makromoleküle gleicher Konfiguration durch Drehen um Bindungsachsen einnehmen. Die Grafik hierzu verdeut-
licht dies durch eine jeweilige Seiten- und Frontansicht zweier Makromolekülketten. Einfluss der Verknüpfungsarten innerhalb der Grundmolekülketten auf Eigenschaften Tabelle 3-3 zeigt Beispiele für verschiedene Verknüpfungsarten (Einbau von Heteroatomen) in die Grundmolekülkette von Kunststoffen. Am Beispiel des Aufbaus der Polyamide wird der Zusammenhang zwischen veränderter Grundmolekülkette und makroskopischen Eigenschaften erläutert. Polyamide sind stickstoffhaltige Thermoplaste, deren Grundbausteine (CH2) durch Carbonsäureamidgruppen (oder kurz: Amidgruppen) miteinander verknüpft sind.
Die Herstellung erfolgt durch Kondensationspolymerisation (Polykondensate). Man unterscheidet zwei Gruppen: a) Gruppe der Aminosäuretypen, auch Lactame genannt (1 Grundbaustein)
48
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-2. Taktizität (Konfiguration) der CH3-Gruppen beim Polypropylen
Tabelle 3-3 Verknüpfungsart der Atome in der Grundmolekülkette
b) Polyamide vom Typ aliphatischer Diamin-Dicarbonsäuren (2 Grundbausteine). Im Folgenden verdeutlicht die chemische Strukturformel verschiedener Polyamide (PA 6 und PA 11 als Beispiele für
Typ a) 1 Grundbaustein; PA 6.6 als Beispiel für Typ b) 2 Grundbausteine) deren Aufbau aus unterschiedlich langen CH2-Gruppen mit zwischengeschalteten NHCO-Gruppen. Die Systematik der Benennung bezieht sich auf die Zahl der C-Atome zwischen den N-Atomen.
3.1 Aufbau der Kunststoffe Struktureller Aufbau von aliphatischen Polyamiden a) Aminosäuren oder Lactame: Zahl der C-Atome zwischen den N-Atomen
PA 6
5+1=6
PA 11
10 + 1 = 11
b) aliphatische Diamin-Dicarbonsäuretypen:
PA 6.6
6 und (4 + 2) = 6.6
49
Die NHCO-Gruppen benachbarter Polyamid-Moleküle bilden über das Wasserstoffatom am Stickstoff mit nahe liegenden Sauerstoffatomen am C, so genannte Wasserstoffbrücken. Diese besitzen doppelt bis dreifach so hohe Binderkräfte wie die üblichen zwischenmolekularen Kräfte. Die Folge für die Eigenschaften zeigt Tabelle 3-4. Je mehr NHCO-Gruppen je CH2-Gruppen (oder umgekehrt je weniger CH2-Gruppen je NHCO-Gruppe) im Polyamidmolekül enthalten sind, je höher ist bei den Lactamen (1 Grundbaustein) die Schmelztemperatur (z. B. 220 °C bei PA 6), aber umso höher ist auch die maximale Wasseraufnahme, weil NHCO eine sehr hohe Affinität zu H2O besitzt. Ähnlich verhält es sich bei den Diamin-Dicarbonsäuretypen (2 Grundbausteine). Warum ist nun die Schmelztemperatur vom PA 6.6 deutlich höher als von PA 6? Das Makromolekül des PA 6.6 ist punktsymmetrisch, wenn man den Symmetrie-Punkt in die Mitte einer Monomereinheit legt. Mit hoher „Trefferquote“ können sich bereits in der Schmelze die Wasserstoffbrücken als Nahordnung bilden, weil die Abstände immer stimmen. Beim Kristallisieren werden sie dann als Fernordnung fixiert. Das Makromolekül des PA 6 ist nicht symmetrisch. Nur wenn benachbarte Makromoleküle die entgegengesetzte Laufrichtung einnehmen, passen die Abstände zur Ausbildung von Wasserstoffbrücken.
Tabelle 3-4 Systematik der Bennennung aliphatischer Polyamide [1]
50
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Das ist weniger häufig der Fall als beim punktsymmetrischen PA 6.6, deshalb zeigt PA 6 einen niedrigeren Kristallisationsgrad und geringeren E-Modul als PA 6.6. Als weiteres Beispiel für den Einfluss der Molekülkettenstruktur (Konformation) auf die Kunststoff-Eigenschaften gilt das Polyamid PA 4.6. Als Polymer hat es einen unregelmäßigeren Aufbau als beispielsweise PA 6. Diese „inhomogeneren“ Molekülketten ergeben einen niedrigeren Kristallisationsgrad, damit aber eine höhere Schlagzähigkeit. Ähnlich wirkt auch die Molmasse: Je höher die Molmasse, umso besser die Schlagzähigkeit ak. z. B.: PA 6 normal ak = 65 kJ/m2 PA 6 höhermolekular ak = 100 kJ/m2
mehr Ringstrukturen in die Molekülkette eingebaut werden, beim Graphit ist es nur noch die Ringstruktur, umso höher liegt die Glasübergangstemperatur Tg. Oder mit anderen Worten: Je unbeweglicher (sperriger) die Molekülketten werden, umso hochtemperaturbeständiger wird der Werkstoff (siehe auch Tabelle 3-6). Eine sehr ähnliche Struktur wie Polyamide haben die linearen Polyurethane (TPU)
Den Einfluss des Aufbaus der Makromolekülkette veranschaulicht die folgende Darstellung (Tabelle 3-5) anhand aromatischer Polyamide, Kohlenstofffasern und Graphit. Je
(TPU ... thermoplastisches Polyurethan oder lineares PUR genannt) (siehe auch Kapitel 4.1.3.4.2)
Tabelle 3-5 Struktureller Aufbau von „aromatischen“ Polyamiden (Handelsname z. B. Aramide) [1]
3.1 Aufbau der Kunststoffe
Tabelle 3-6 HT (hochtemperaturfeste) Thermoplaste (Auswahl) Struktur, Bezeichnung, charakt. Temperaturen
51
52
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Wie bei Polyoxymethylen (POM), siehe Tabelle 3-3 und Polyethylenterephthalat (PET) kommt dem Sauerstoffatom (Heteroatom) in der Molekülkette eine Art Scharnierwirkung zu; allgemein gilt, dass ein Sauerstoffatom in der Kette den Glaspunkt Tg erniedrigt, andererseits aber infolge hoher Drehbarkeit je nach Konstitution die Kristallisationsneigung verstärkt, was zu höherem Schmelzpunkt führt.
Art der Substituenten und Endgruppen Neben dem chemischen Aufbau der Grundmolekülkette haben die Anordnung (Konfiguration) und die Gestalt (Konformation) von Substituenten (auch von Endgruppen) einen wesentlichen Einfluss auf die Eigenschaften von Kunststoffen. Tabelle 3-7 unterteilt die Thermoplaste in Gruppen und gibt Beispiele für Atome oder Atomgruppen als Substituenten.
Tabelle 3-7 Beispiele für Atome oder Atomgruppen als Substituenten [1]
3.1 Aufbau der Kunststoffe Substituenten beeinflussen maßgeblich die Polarität (Dipolmomente) und die Beweglichkeit (sterische Hinderung) von Makromolekülketten. Die Polarität beeinflusst beispielsweise die chemische Beständigkeit (Chloratom im Polyvinylchlorid), sperrige Seitengruppen (Phenylrest im Polystyrol) verschieben beispielsweise die Glasübergangstemperatur zu höheren Temperaturen hin und erzeugen spröde, steife Kunststoffe. Die Abstände und der Valenzwinkel zwischen den Kohlenstoffatomen lassen sich kaum deformieren; die hohe Beweglichkeit einer Molekülkette folgt aus einer nahezu freien Drehbarkeit (Rotation) um die C-C-Achse (Kegelmantel), Bild 3-3.
53
Die Energieschwelle zu einer Drehung ist mit beispielsweise 11 kJ/mol für das Ethan-Molekül und 16,7 kJ/mol für das Polyethylenmolekül ziemlich niedrig. Diese Segmentrotation wird durch die an der Hauptkette angelagerten Substituenten (Atome oder Atomgruppen) oder durch Verzweigungen mehr oder weniger behindert (sterische Hinderung), z. B. bei Polyethylen weniger, bei Polystyrol infolge Phenylrest mehr. Die Drehbarkeit der Grundmolekülkette ist für die Steifigkeit eines Kunststoffes entscheidend. Die zwei folgenden Beispiele sollen u. a. den Einfluss der Drehbarkeit der Grundkette und von Substituenten auf die Eigenschaften von Kunststoffen ingenieurmäßig veranschaulichen:
Beispiel 1: Polysiloxankunststoffe – Strukturschema
Aus den bisherigen Zusammenhängen lassen sich die drei Fragen beantworten: a) Warum sind Polysiloxane hochtemperaturbeständig? b) Warum liegt die Glastemperatur bei Polysiloxanen sehr tief, nämlich bei –100 °C? c) Warum ist die mechanische Festigkeit der Polysiloxane gering? Antworten: a) Si-O Bindungsenergie ist hoch (Konstitution) b) Si-O gut drehbar (Konformation) c) keine Kristallisation (CH3 Gruppen) (Konfiguration)
Bild 3-3. Schematische Darstellung der Rotationskegel, die die 3. und 4. Bindungen einer einfachen Kohlenstoffkette mit vorgegebenem Winkel α ausführen können.
Eine weitere Eigenart der Polysiloxanöle kann anhand des obigen Strukturschemas veranschaulicht werden: Auf Metallen oder auf Wasser gespreitet, ordnen sich die Sauerstoffatome zur polaren Oberfläche hin, d. h. auf Wasser wirkt Polysiloxanöl entschäumend, es schafft eine unpolare organische Oberfläche und wirkt als Trennmittel. Als Reinsubstanz wandelt sich die Si-O-Kette, so dass alle Sauerstoffatome von den CH3-Gruppen eingehüllt sind. Dadurch hat das Polysiloxanmolekül ebenfalls einen unpolaren Charakter.
54
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Beispiel 2: Polyoxymethylen – Strukturschema
a) Warum ist POM weniger temperaturbeständig als Polysiloxane? b) Warum liegt die Glastemperatur bei POM sehr tief, nämlich bei ca. – 60 °C? c) Warum sind Steifigkeit und Festigkeit bei POM sehr hoch? Antworten: a) C-O-Bindung 351 kJ/mol; schwächere Bindung als bei Polysiloxanen (Konstitution) b) gute Drehbarkeit um C-O , aber wegen 110° und αCO geringer als bei Polysiloxanen (Konformation) c) Kristallisation bei POM höher als bei Polysiloxan, weil sperrige CH3-Gruppen fehlen (Konfiguration). Art und Länge der Verzweigungen Trotz gleicher atomarer Bausteine sind die Eigenschaften von Kunststoffen meist sehr unterschiedlich, weil der chemische Aufbau erzwungen oder beeinflusst von den Polymerisationsbedingungen entscheidenden Einfluss auf die Struktur der Polymeren hat. Der Abstand der Kettenmoleküle beeinflusst die zwischenmolekularen Bindungskräfte. Die Regelmäßigkeit des Kettenaufbaus ist für die Eigenschaften des Kunststoffes entscheidend.
Verzweigungen (Konstitutionen) Je nach Polymerisationsverfahren entstehen bei linearen Kettenmolekülen, beispielsweise Polyethylen, mehr oder weniger Verzweigungen (Seitenäste) unterschiedlicher Länge an der Hauptkette, siehe Tabelle 3-8. Durch die Ausbildung von Verzweigungen an der Hauptkette wird der strukturelle Aufbau des Polyethylens verändert. Verzweigungen wirken wie Abstandshalter zwischen den Makromolekülketten und bedingen mehr Fehlstellen im Molekülverbund. Der Kristallisationsgrad wird geringer, viele Eigenschaften verändern sich. Tabelle 3-8 gibt qualitativ Auskunft über die Tendenzen der Eigenschaftsänderungen. Beispielsweise sinkt die Schmelztemperatur mit zunehmendem Verzweigungsgrad. Die zwischenmolekularen Bindekräfte nehmen wegen der Abstandsvergrößerung infolge Verzweigungen ab, Fehlstellen wachsen, Kettenabgleitprozesse bei höherer Temperatur werden erleichtert. Die Gasdurchlässigkeit oder die Quellneigung bei einwirkenden Flüssigkeiten steigt aus gleichen Gründen. Eigenschaften lassen sich somit qualitativ wenigstens in der Richtung der zu erwartenden Änderung abschätzen, wenn diese einfachen kunststoffkundlichen molekularen Zusammenhänge bekannt sind.
Tabelle 3-8 Auswirkung des Verzweigungsgrades auf die Eigenschaften von Polyethylen [1] Verzweigungsart kurzkettenverzweigt
PE
Polymerisationsverfahren
Auswirkungen bei zunehmenden Verzweigungen (teilkristalline Thermoplaste)
wenig verzweigt (Länge: 2-6 C-Atome) durchschn. Anzahl der Seitengruppen 3 CH3/1000 C-Atome
PE-HD high density ρ = 0,96 g/cm3
Niederdruckverfahren nach Ziegler mit Komplexkatalysatoren bzw. stereospezifisch wirksamen Katalysatoren
stark verzweigt durchschn. Anzahl der Seitengruppen: 21 CH3/1000 C-Atome
PE-LD low density ρ = 0,92 g/cm3
Hochdruckverfahren (radikalisch aktiviert) (2000 bar max. bis 4000 bar; 200°C)
Dichte ↓ Kristallisationsgrad ↓ Steifigkeit ↓ Fließfähigkeit ↑ steigt, weil mit zunehmendem Verzweigungsgrad in der Regel bei der Polymerisation die Molmasse (Kettenlänge) sinkt Schmelztemperatur ↓ Wärmeleitfähigkeit ↓ Schlagzähigkeit ↑ Bruchdehnung ↑ Lichtdurchlässigkeit ↑ Permeation von Gasen ↑
3.1 Aufbau der Kunststoffe Eigenschaften von Polymeren können durch den chemischen Aufbau (Konstitution), wie beispielsweise Verzweigungen, verändert werden. Eine weitere Möglichkeit zur Veränderung ist die Isomerie (Konfiguration) Hierunter versteht man die unterschiedliche räumliche Anordnung der Atome oder Atomgruppen (Substituenten) in Molekülen von gleicher Zusammensetzung und gleichem Aufbau (in der Regel Kohlenstoffkette). Man unterscheidet: Strukturisometrie und Stereoisomerie (Taktizität) Die Substituenten können räumlich unterschiedlich an der Kette angeordnet sein. Je nach Polymerisationsablauf (gewähltes Verfahren, Wahl der Katalysatoren) ergeben sich Kunststoffe mit „sterischer Konfiguration“, siehe Bild 3-2. In der Regel enthalten technische Kunststoffe ataktische, isotaktische und syndiotaktische Anteile. Für die Eigenschaften entscheidend ist das Verhältnis der Anteile zueinander. Beim Polypropylen beispielsweise ist der ataktische Anteil nur 2 bis 5 %. Dies bedeutet, dass der Kristallisationsgrad beim Polypropylen sehr hoch sein kann. Je regelmäßiger die Anordnung der Substituenten ist, umso größer ist die Möglichkeit, kristalline Strukturen zu bilden. Molmasse und Molmassenverteilung Die Eigenschaften von Kunststoffen werden neben der Art und Größe der Bindekräfte, den Verzweigungen und Isomerien entscheidend mitbestimmt durch die Molmasse (Konstitution). Die Größe eines Makromoleküls wird durch die Molmasse ausgedrückt (normalerweise durch den Mittelwert Mw der Molmasse bzw. durch den mittleren Polymerisationsgrad n):
55
Die Molmasse einer Monomereinheit eines Kunststoffes errechnet sich aus der Summe der Einzel-Atommassen, multipliziert mit dem Polymerisationsgrad n.
Polychlorbuta Polyethylen (P
Den Zusammenhang zwischen dem Aussehen und der technischen Verwendbarkeit einerseits und der Molmasse andererseits bei einem technischen Polystyrol zeigt Tabelle 3-9. Ursachen für viele Eigenschaftsänderungen bei steigender Molmasse sind – Zunahme der Anzahl der Primär-Bindungen bezogen auf eine Volumeneinheit – verminderte Nah- und Fernordnung – Zunahme der Anzahl von Verschlaufungen und Verhakungen zweier oder mehrerer Molekülketten (physikalische Vernetzung) Demzufolge werden im Wesentlichen die Fließeigenschaften der Kunststoffe im weitesten Sinne von der mittleren Molmasse beeinflusst. Dazu gehören Schmelzeviskosität, Elastizitäts- und Schubmodul oberhalb des Glasumwandlungsbereiches, Zeitstandverhalten, Spannungsrissbeständigkeit, Reißdehnung, mechanische Festigkeit, Lösungs- sowie Quellverhalten u. a. m. Den quantitativen Einfluss der Molmasse Mw auf einige technologische und physikalische Eigenschaften von amorphen und teilkristallinen Thermoplasten zeigen die Bilder 3-4 und 3-5.
Tabelle 3-9 Zusammenhang zwischen Aussehen, technischer Verwendbarkeit und Molmasse bei einem technischen Polystyrol (BASF, Ludwigshafen) Molmasse M g/mol
Polymerisationsgrad n
Aussehen nach Umfällen der Lösung
Aussehen nach Schmelzen und Abkühlen
Technische Verwendung
200–1000 1000–20000 20000–75000 75000–1500000
2–10 10–200 200–750 750–15000
flüssig bis fest pulvrig etwas faserig langfaserig
z. T. kristallisiert – brüchig, spröde weniger brüchig, fester, schwach filmbindend zäh, glasig wie sehr zähe Gläser: in der Wärme elastisch
– Lacke thermoplastische Spritzgussmassen Folien und Bänder
56
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-4. Temperaturabhängigkeit des Schubmoduls G’ für PMMA-Formmassen verschiedener mittlerer Molmasse [3]
Bild 3-5. Einfluss der Molmasse auf Eigenschaften von Polyethylen (jeweils bei 23 °C gemessen)
Amorphe Thermoplaste, z. B. PMMA Der Temperaturbereich zwischen Glasumwandlungsbereich und Fließ- bzw. Schmelzbereich, in dem der Schubmodul annähernd konstant ist, wird mit steigender Molmasse immer breiter. Der Kunststoff ist entropie- oder gummielastisch, auch thermoelastisch (im Gegensatz zu thermoplastisch) genannt.
Teilkristalline Thermoplaste, z. B. PE Mit zunehmender Molmasse (wachsende Kettenlänge) nimmt die Zahl an Kettenverschlaufungen („physikalische Vernetzungsstellen“) der einzelnen Makromoleküle zu. Die Viskosität der Schmelze steigt betragsmäßig an, die Beweglichkeit der Makromoleküle in der Schmelze (Abgleitprozesse) sinkt. Dadurch wird einerseits die Spritzgießverarbeitung erschwert, andererseits verringert sich beim Erstarren ab sehr hohen Molmassen das Kristallisationsvermögen, was
3.1 Aufbau der Kunststoffe wiederum eine abnehmende Dichte (Packungsdichte) zur Folge hat. Entsprechend lässt sich der Verlauf des E-Moduls über der Molmasse, Bild 3-5, mit zunächst vermehrt wirksamen zwischenmolekularen Kräften infolge zunehmender Kristallisation, und ab einer bestimmten Kettenlänge mit einem geringeren Ordnungsgrad, erklären. Mit steigender Kettenlänge können über die Sekundärbindungen höhere Kräfte in die Ketten eingeleitet werden, wodurch die Festigkeit der einzelnen Ketten besser genutzt werden kann. Das Abgleiten der Ketten aneinander wird behindert. Sind die wirksamen zwischenmolekularen Kräfte so groß, um den Bruch einer Primärbindung innerhalb einer Kette herbeizuführen, kann eine größere Kettenlänge keine Festigkeitssteigerung mehr erzeugen. Die verminderte Zunahme der Zugfestigkeit oberhalb von Mw = 105 macht deutlich, dass trotz zunehmenden Anteils verschlaufter langer Ketten eine Festigkeitssteigerung durch Erhöhung der Kettenlänge nicht mehr möglich ist. Die Abnahme der Reißdehnung bei PE mit steigender Molmasse in Bild 3-5 ist ebenfalls auf eine Zunahme „physikalischer Vernetzungsstellen“ zurückzuführen. Aufgrund
der um zwei Zehnerpotenzen geringeren Reißdehnung beispielsweise des PMMA wirkt sich dies dort nicht aus. Molmassenverteilung Synthetische Polymerisate sind polydispers, d. h. es liegt eine kontinuierliche Verteilung an Molekülketten mit verschiedenen Molmassen vor. Ein bekanntes Beispiel für ein „monodisperses Polymerisat“ ist das in der Natur vorkommende Insulin. Der Kurvenverlauf und/oder die Definition verschiedener mittlerer Molmassen, Bild 3-6, charakterisieren die Fließeigenschaften von (thermoplastischen) Kunststoffschmelzen oder auch das Verhalten (z. B. die Langzeiteigenschaften) der festen Kunststoffe. Beispielsweise erhöht ein hochmolekularer Anteil bei einem relativ niedrigen Polymerisationsgrad die Viskosität der Schmelze und verbessert die mechanischen Eigenschaften des Fertigteils. Umgekehrt kann ein niedermolekularer Anteil die Verarbeitbarkeit einer Schmelze erleichtern, wobei sich dadurch die mechanischen Eigenschaften verschlechtern können. Unpolare Kunststoffe haben meist eine relativ hohe Molmasse. Damit gleicht man geringere zwischenmolekulare
Bild 3-6. Typische differentielle Molmassen-Verteilungskurve, beispielsweise Polystyrol ––––––– breite Verteilung -------------- enge Verteilung [4] Mn … Zahlenmittel Mη… Viskositätsmittel der Molmasse Mw … Massenmittel
冧
57
58
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Kräfte (keine Dipolkräfte) aus (hohe Kristallisationsneigung, Kettenverhakungen). Polare Kunststoffe haben dagegen häufig eine relativ niedrige Molmasse. Bei den vernetzenden Kunststoffen ist die Angabe einer mittleren Molmasse nicht sinnvoll, da die Makromoleküle zu einem einzigen Molekül sehr großer Molmasse zusammengeschlossen sind. Bei Duroplasten und Elastomeren ist es daher zweckmäßiger, die mittlere Vernetzungsdichte – sozusagen die Maschenweite – oder den Gehalt an Vernetzungsmitteln (z. B. Schwefelgehalt bei Gummi) anzugeben. Tabelle 3-10 stellt für einige Thermoplaste die Polymerisationsgrade und die mittlere Molmasse zusammen. Alle Werte sind Anhaltswerte und umfassen die üblichen Qualitäten; für eine bestimmte Qualität lassen sich enger umgrenzte Werte angeben. Zusammengefasst gilt Folgendes: – Die mittlere Molmasse beeinflusst die Fließeigenschaften von Kunststoffen bevorzugt im Schmelze- bzw. Fließbereich. – Infolge molekularer Abgleitprozesse der Molekülketten hängen auch Festkörpereigenschaften mehr oder weniger (je nach Konstitution und Konfiguration) stark von der mittleren Molmasse ab. – Langkettige amorphe Kunststoffe sind meist mechanisch steifer sowie chemisch beständiger (Kettenverhakungen verhindern Abgleiten), dagegen lassen sich kurzkettige Kunststoffe leichter urformen. – Sinngemäß wirkt sich die Molmassenverteilung innerhalb einer mittleren Molmasse auf die Eigenschaften und die Verarbeitung von Kunststoffen aus. Hochmolekulare Anteile erhöhen die Schmelzeviskosität und verbessern die mechanischen und chemischen Langzeiteigenschaften. Niedermolekulare Anteile erleichtern die Abgleitprozesse sowohl in der Schmelze als auch im Festkörper (geringere Zeitstandfestigkeit).
– Zur Charakterisierung der Kunststoff-Formmassen werden Massenmittel, Viskositätsmittel und Zahlenmittel definiert. – – – – Für polydisperse Kunststoffe gilt: Mw > Mη > Mn (Erklärung siehe Bild 3-6) Der Einbau von Fremdatomen bzw. -molekülen (Homo- und Copolymere, Polymermischungen, thermoplastische Elastomere (TPE), Weichmachung) Die Abwandlung von Eigenschaften durch chemische und/ oder physikalische Einlagerungen von Fremdatomen oder -molekülen hat heute größte Bedeutung, da prinzipiell neue Kunststoffe kaum noch entwickelt werden. Wird ein Kunststoff aus einer Monomerart aufgebaut, spricht man von einem Homopolymer, dagegen besteht ein Misch- oder Copolymer aus zwei oder mehreren Monomerarten. Je nach Anzahl der in die Kette eingebauten Grundbausteine spricht man von Co-, Ter-, Quaterpolymeren usw. Die verschiedenen Monomerarten können regelmäßig oder statistisch unregelmäßig verteilt sein. Kunststoffe mit längeren Folgen (Sequenzen) einer Monomerart in der Kette nennt man Block- (oder Segment-) Copolymere, auch TPE. Das Anpolymerisieren von Seitenketten aus andersartigen Monomeren an die Hauptkette (Gerüstkette) nennt man Pfropf-Copolymerisation. Physikalische Mischungen von Kunststoffen bezeichnet man als Polyblend. Veranschaulicht werden diese Begriffe in Tabelle 3-11. Durch die Copolymerisation können die Eigenschaften der Kunststoffe (Beständigkeit gegenüber Medien, Formbeständigkeit in der Wärme, mechanisches Verhalten insbesondere bei schlagartiger Beanspruchung usw.) entscheidend verändert werden. So erfolgt beispielsweise die Erhöhung der Schlagzähigkeit1 (Arbeitsaufnahmevermögen) von 1
Schlagzähigkeit an (Kerbschlagzähigkeit ak) ist die vom ungekerbten (gekerbten) Probekörper verbrauchte Schlagarbeit, bezogen auf den kleinsten Querschnitt des Probekörpers vor dem Versuch.
Tabelle 3-10 Zusammenstellung des Polymerisationsgrades und der mittleren Molmasse einiger Thermoplaste Kunststoffe
Polymerisationsgrad n
mittl. Molmasse Mw
Polyethylen niederer Dichte (LDPE) Polyethylen hocher Dichte (HDPE) Ultrahochmolekulares Polyethylen Polypropylen Polystyrol Polyvinylchlorid Polyoxymethylen Polymethacrylat Polytetrafluorethylen
1.000 bis 5.000 1.800 bis 10.000 70.000 bis 20.0000 7.500 bis 18.800 1.500 bis 2.500 1.000 bis 2.500 1.000 bis 2.000 20.000 bis 30.000 ca. 10.000
30.000 bis 150.000 50.000 bis 300.000 ca. 2 bis 6 Mill. 300.000 bis 750.000 150.000 bis 250.000 60.000 bis 150.000 30.000 bis 60.000 ca. 2 bis 3 Mill. ca. 500.000
3.1 Aufbau der Kunststoffe
59
Erläuterungen und Vertiefungen zu Tabelle 3-11 Statistische Copolymere Den Einfluss der statistischen Copolymerisation auf den Verlauf des E-Moduls über der Temperatur zeigt am Beispiel eines Butadien-Styrol-Copolymerisats Bild 3-8. Durch die statistische Copolymerisation von Kunststoff A mit B (A-co-B), in unserem Beispiel von Butadien mit Polystyrol, wird die Glastemperatur verschoben. Diesen Vorgang nennt man auch innere Weichmachung. Im Gegensatz dazu bleiben bei der Block-Copolymerisation, der Pfropf-Copolymerisation und bei Polymermischungen (Polyblends) zweier Kunststoffe C und D deren Glastemperaturen im Wesentlichen erhalten.
Bild 3-7. Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines normalen (a) und eines schlagfest (b) modifizierten Polystyrols σB Zugfestigkeit = max. Festigkeit σS Streckspannung σR Reißfestigkeit
Polystyrol durch die Modifizierung (in diesem Fall: PfropfCopolymerisation) mit Kautschukteilchen. Bild 3-7 [1] demonstriert am Beispiel des SpannungsDehnungs-Verhaltens, wie stark durch Copolymerisation Eigenschaften von Kunststoffen veränderbar sind und damit maßgeschneidert werden können.
Block-Copolymere (thermoplastische Elastomere, TPE) (siehe auch Kapitel 1.4) Die Haupteigenschaften werden von der Matrix (kohärente Weichphase) bestimmt; die disperse Hartphase ergibt die Abwandlung. TPE besitzen ein Zweiphasensystem, siehe Tabelle 3-11, in Form einer elastischen Weich- und einer thermoplastischen Hartphase. Sie existieren als Block-Copolymere oder als Polyblends. Die Morphologie bestimmt die Werkstoffeigenschaften. Die Hartphase als reversible physikalische Vernetzungsstellen verursacht Festigkeit und Wärmeformbeständigkeit, die Weich- oder disperse Elastomerphase bestimmt die elastischen Eigenschaften und das Kälteverhalten (Schlagzähigkeit).
Bild 3-8. Temperaturabhängigkeit des E-Moduls bei Butadien-Styrol-Copolymeren [5]
60
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-11 Übersicht: Strukturschema und Verknüpfungsart bei thermoplastischen Homopolymeren, Copolymeren und Polymermischungen
3.1 Aufbau der Kunststoffe
61
rend des Compoundierens mittels Innenmischer (batchweise) oder mit Zweischneckenextruder (kontinuierlich). Der Vorteil von thermoplastischen Elastomeren liegt, wie der E-Modul-Verlauf in Bild 3-9 zeigt, vor allem in der besseren Verarbeitbarkeit im Vergleich zu den vernetzenden Elastomeren (z. B. unmittelbares Anspritzen von Schuhsohlen an den Schuh). Die Eigenschaften von TPE-Klassen im Vergleich zeigt Tabelle 3-12 [6]. Erklärung der Abkürzungen siehe Kapitel 1, Bild 1-7.
Bild 3-9. Schematischer E-Modul-Verlauf über der Temperatur für TPE [1] A amorpher Thermoplast B Kautschuk C thermoplastische Elastomere (TPE) z. B. Polyurethan PUR (TPU) Polyisocyanat A Polyol B PUR C
Bei den Block-Copolymeren haben die Styroltypen (TPE-S), die Polyetherester (TPE-E), die Polyurethane (TPE-U) und die Polyetheramide (TPE-A) eine Bedeutung. Bei den Polymerblends oder kurz Polyblends bilden Blends mit einer dispersen EPDM-Phase in einer PP-Matrix den Schwerpunkt. Dabei sind die dispergierten Elastomerpartikel unvernetzt (TPE-O oder TPO). Sie können aber auch vernetzt sein (TPE-V). Die Vernetzung (Vulkanisation) erfolgt wäh-
Pfropf-Copolymer und Polyblend (Polymermischung) Zwischen beiden besteht im E-Modul-Verlauf kein grundsätzlicher Unterschied, Bild 3-10. Im Temperaturbereich zwischen TgB und TgF ist die Steifigkeit entsprechend dem Mischungsverhältnis der Komponenten B und F vermindert. Der Verlauf des E-Moduls ist dem von teilkristallinen Thermoplasten ähnlich. Dies ist verständlich, da diese auch ZweiPhasen-Werkstoffe sind (amorphe und kristalline Phase). Während unverträgliche Partner bei Polymermischungen meist zu heterogenen Morphologien (z. B. Styrolbutadien SB) mit häufig hoch schlagzähen Kunststoffen führen, ergeben verträgliche Partner Kunststoffe mit mittleren Eigenschaftsprofilen entsprechend der Mischungsanteile (z. B. PC/PBT). Im Gegensatz zu Copolymeren können Polyblends während der Verarbeitung entmischen. Dagegen ist die Herstellung der Blends oft kostengünstiger und kann direkt beim Verarbeiter erfolgen. Häufig sind die Langzeiteigenschaften (Kriechen) bei Polyblends ungünstiger (Abgleiten von Makromolekülen) als bei Copolymeren. Weichmachung Der Elastizitätsmodul E von ungefüllten Thermoplasten und Duroplasten liegt etwa zwischen 600 und 4000 N/mm2, von Elastomeren etwa zwischen 50 und 600 N/mm2. Da Elasto-
Tabelle 3-12 Eigenschaften von TPE-Klassen in Vergleich [6] Eigenschaft
TPE-O
TPE-V
TPE-S
TPE-U
TPE-E
TPE-A
Dichte Härte untere Temperaturgrenze °C obere Temperaturgrenze °C Druckverformungsrest bei 100 °C % Beständigkeit gegenüber KW Beständigkeit gegenüber wässrigen Medien Preisniveau €/kg
0,89–1 50 A–75 D –60 120 – – +/++
0,9–1 40 A–50 D –60 135 +/++ O/++ +/++ 1,50-3,50
0,9–1 10 A–75 D –70 100 –, vereinzelt +/++ – +/++ 3,50-7,50
1,1–1,34 70 A–90 D –50 135 O/+ O/++ O/+ 1,50-6,50
1,05–1,39 35 D–75 D –65 150 O +/++ –/– 5-6,50
1,01–1,2 65 A–72 D –40 170 O/+ +/++ O/+ 5-6,50
++: sehr gut
+: gut
O: mittelmäßig
–: schlecht
KW . . . Kohlenwasserstoffe
62
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-10. Temperaturabhängigkeit des E-Moduls bei einer Polymermischung (Polyblend) aus PS und 30/70 Butadien-Styrol-Copolymer in Anlehnung und erweitert an [5]
mere wegen der bei der Verarbeitung ablaufenden chemischen Reaktionen eine aufwendigere Verarbeitungstechnik erfordern, veränderte man die Eigenschaften von Thermoplasten in Richtung der Elastomere, in der Absicht, die wirtschaftliche Verarbeitung der Thermoplaste auszunützen. Durch „Weichmacher“ wird die Zähigkeit und die Verformbarkeit eines Kunststoffes erhöht, während beispielsweise die Festigkeit, der E-Modul, die Schmelzeviskosität erniedrigt werden. Man unterscheidet zwischen innerer und äußerer Weichmachung. Die innere Weichmachung erfolgt durch das Einpolymerisieren (statistische Copolymerisation) einer zweiten „weichmachenden“ Komponente. Dadurch kann man einerseits die Beweglichkeit von Molekülketten und andererseits die zwischen den Ketten wirkenden Bindekräfte beeinflussen (Tabelle 3-11). Während Polymethylacrylat (PMA) dank der größeren Beweglichkeit der Molekülketten bei Raumtemperatur schon im Haupterweichungsbereich ist (Tg bei 5 °C), befindet sich Polymethylmethacrylat (PMMA) dort noch im Glaszustand (Tg bei 105 °C). Struktur von PMA und PMMA: s. Bild 3-3. Durch die statistische Copolymerisation von MMA mit MA verschiebt sich die Glastemperatur mit zunehmendem MA-Gehalt zu tieferen Temperaturen, das
PMMA wird „innerlich weichgemacht“, d. h. MA wird über Primär-Bindungen in die PMMA-Kette eingebaut. Weit verbreitet ist auch die innere Weichmachung mit TPU. Äußere Weichmachung Ähnlich wie bei der Herstellung von Polymermischungen (Polyblends) werden auch bei der äußeren Weichmachung die Makromoleküle mit einem anderen Stoff physikalisch vermischt. Im Gegensatz zu Polymermischungen verwendet man bei der äußeren Weichmachung niedermolekulare Stoffe (Monomerweichmacher mit Molmassen 350 bis 600 g/mol) oder auch Oligomere (sog. Polymer-Weichmacher mit Molmassen 2000 bis 4000 g/mol). Dies ist z. B. auch mit TPU möglich. Je kleiner die Weichmachermoleküle sind, umso besser ist die weichmachende Wirkung; allerdings neigen diese kurzkettigen Weichmacher infolge ihres höheren Dampfdrucks zu größerer Flüchtigkeit (Weichmacherwanderung oder Migration). Der Hauptvorteil der oligomeren oder polymeren Weichmacher liegt in ihrer geringeren Neigung zum Ausschwitzen. Als Polymer-Weichmacher werden zunehmend Polyester, Nitril-Butadien-Elastomere, TPU oder beispielsweise Ethylen-Vinylacetat-Terpolymere (EVA) mit Molmassen bis 150 000 g/mol verwendet.
3.1 Aufbau der Kunststoffe Polyvinylchlorid (PVC) wird äußerlich weich gemacht. Durch Einlagerung von Weichmachermolekülen (aromatische Weichmacher, z. B. Trikresylphosphat (TKP) und aliphatische Weichmacher, z. B. Dioctylphthalat (DOP) oder Dioctylsebazat (DOS)) wird der Abstand zwischen den Makromolekülen des Kunststoffs vergrößert, die SekundärBindekräfte nehmen ab, und die Beweglichkeit von Kettensegmenten nimmt zu. Ähnlich wie Weichmacher können auch Lösungsmittel (auch Wasser in Polyamiden) durch Eindiffundieren wirken. „Weichmacher sind flüssige oder feste, indifferente organische Substanzen mit geringem Dampfdruck, überwiegend esterartiger Natur (Definition für Weichmacher nach DIN 55 945). Sie können ohne chemische Reaktion, vorzugsweise durch ihr Löse- bzw. Quellvermögen, unter Umständen aber auch ohne ein solches mit hochpolymeren Stoffen in physikalische Wechselwirkung treten und ein homogenes System mit diesen bilden. Weichmacher verleihen den mit ihnen hergestellten Gebilden bzw. Überzügen bestimmte angestrebte physikalische Eigenschaften, wie z. B. erniedrigte Einfriertemperatur, erhöhtes Formänderungsvermögen, erhöhte elastische Eigenschaften, verringerte Härte und gegebenenfalls gesteigertes Haftvermögen.“ Polyamid (PA) mit unterschiedlicher Menge an Wasser (siehe auch Bild 3-11). Wasser wirkt im PA als Weichmacher. Der Wassergehalt des PA hängt u. a. von der Umgebungsfeuchte ab. Trockenes PA ist bei Raumtemperatur
63
spröde. Bei höheren Temperaturen trocknet PA aus, ebenso in wasserfreier Atmosphäre (T < 0 °C) oder in wasserfreien Flüssigkeiten (Öle und dergl.). Damit bei länger dauerndem Einsatz von PA-Teilen in kalter trockener Atmosphäre kein Verspröden eintritt, werden derartige Teile manchmal aus monomerhaltigem PA 6 hergestellt. Monomere wirken als Weichmacher. Sie diffundieren wesentlich langsamer als die Wassermoleküle. Ein ähnlich weichmachender Einfluss des Wassers ist auch bei Polyvinylalkohol (PVAL) und linearem Polyurethan (TPU) gegeben. Dies gilt allgemein für Quellen von Kunststoffen in Lösungsmitteln. Für den Konstrukteur sind die Veränderungen der beispielsweise mechanischen Eigenschaften durch Wasseraufnahme oder -abgabe wichtig. Bild 3-11 gibt den Schubmodul G´ von Polyamid 6 über der Temperatur bei unterschiedlichen Feuchtzuständen wieder. Die Glastemperatur kann sich zwischen trocken und maximaler Wasseraufnahme (10 % bei PA 6) um ca. 50 °C zu tieferen Temperaturen hin verschieben. Der Schubmodul beispielsweise erniedrigt sich bei einer gewählten Temperatur z. B. 40 °C von 1000 N/mm2 bei einem trockenen PA 6 auf ca. 200 N/mm2. In der Praxis kommen solche Extremschwankungen kaum vor. Dennoch muss der Konstrukteur beispielsweise eines Bohrmaschinengehäuses derartige Eigenschaftsschwankungen (z. B. Missbrauch durch Liegenlassen im
Bild 3-11. Schubmodul von Polyamid 6 in Abhängigkeit von der Temperatur bei verschiedenen Feuchtzuständen [1]
64
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Regen) mit berücksichtigen. Allerdings müsste das 2 mm dicke PA 6-Gehäuse wochenlang in Wasser liegen, bevor sich die Extremschwankungen des Bildes Bild 3-11 tatsächlich auswirken. Quelleigenspannungen ergeben sich aber in jedem Fall, weil die obersten Schichten des Gehäuses Wasser aufnehmen. Die Verstärkung mit Glasfasern wirkt der Wasseraufnahme entgegen, weil Glas kein Wasser aufnimmt (Wassergehalt nimmt absolut ab, die Geschwindigkeit der Wasseraufnahme und -abgabe nimmt jedoch zu). Der Einbau von Fremdatomen bzw. -molekülen in bestehende Grundmolekülketten kann, wie dargestellt, innerlich über chemische Bindungen (Copolymerisation) oder äußerlich durch physikalisches Mischen verschiedener Molekülpartner (Polyblends, äußere Weichmachung) erfolgen. Eigenschaften von Kunststoffen lassen sich dadurch züchten. Unerwünschte Nebenerscheinungen sind jeweils zu berücksichtigen, beispielsweise Emissionen bei niedermolekularen Weichmachern. Thermoplastische Elastomere siehe Kapitel 3.6 Elastomere siehe Kapitel 3.7 Duroplaste siehe Kapitel 2.5
3.1.2
Physikalische Ordnungszustände
Amorpher Zustand bei Thermoplasten Sind die Makromoleküle ohne regelmäßige Anordnung und Orientierung, d. h. ohne gleich bleibenden Abstand, völlig statistisch angeordnet, so nennt man diesen Zustand amorph. Es fehlt jede Art von Fernordnung2. Die gültige Modellvorstellung ist das statistische Knäuel. Es ist bei den synthetischen Polymeren und bei Polymerlösungen die dominierende Sekundärstruktur. Seine bestimmende Kenngröße ist die Knäueldichte. Diese räumliche Knäuelstruktur ist entropisch betrachtet der günstigste Zustand; stets will ihn das Makromolekül einnehmen, sofern es die äußeren Bedingungen (Beweglichkeit) zulassen. Mit steigender Temperatur oder bei der Eindiffusion von Lösungsmitteln nimmt die Beweglichkeit von Kettensegmenten und Seitenketten zu; Rotationen und Umlagerungen finden vermehrt statt (Mikro-Brown ’ sche Molekularbewegung). Dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik folgend wird ein Makromolekül den Zustand größter Entropie anstreben und sich daher verknäueln. 2
Unter Fernordnung versteht man eine über die nächsten Nachbarn hinausgehende Ordnung der Makromoleküle bezüglich ihres Abstands voneinander, ihrer Anordnung und Orientierung. Der Begriff Nahordnung bezeichnet derartige Ordnungszustände, wenn sie sich nur auf die unmittelbaren Nachbarn erstrecken, wobei man davon ausgeht, dass diese Ordnungszustände durch die Wärmebewegung ständig abgebaut und wieder erneuert werden.
Ursachen für die amorphe Struktur: – Kettenaufbau, Seitengruppen – Abkühlgeschwindigkeit Homogene, amorphe Kunststoffe ohne Farb- und Füllstoffe sind durchsichtig. Auf strukturelle Abmessungen bezogen bedeutet dies, dass keine Fernordnung in der Größenordnung der sichtbaren Lichtwellen (Wellenlänge 0,4 bis 0,75 μm) vorliegt. Ein einfallender Lichtstrahl wird daher nicht gebeugt, da der Brechungsindex im amorphen Kunststoff unverändert bleibt. Im Gegensatz dazu ändert sich der Brechungsindex für einen einfallenden Lichtstrahl in teilkristallinen Kunststoffen in den ungeordneten, amorphen und geordneten, kristallinen Bereichen laufend, so dass hier an den Grenzflächen diffuse Streuung auftritt, was zu Undurchsichtigkeit führt. Theoretische Überlegungen führten bei Zugrundelegen einer Filzstruktur für den vollständig amorphen Zustand zu einer Dichte von ca. 65 % der Dichte im kristallinen Zustand. Gemessen wurden aber 83 bis 95 %. Daraus schließt man, dass amorphe Kunststoffe innerhalb der unregelmäßigen Filz- oder Knäuelstruktur nahgeordnete Bereiche aufweisen. Teilkristalliner Zustand bei Thermoplasten Neben dem Zustand größter Unordnung sind insbesondere bei teilkristallinen Thermoplasten auch geordnete Zustände innerhalb eines Makromoleküls möglich. Diese im amorphen Zustand vermuteten Nahordnungen treten bei teilkristallinen Thermoplasten bereits in der Schmelze auf und leiten bei der weiteren Abkühlung als Keime die Kristallisation ein. Lineare Makromoleküle ohne oder mit regelmäßig angeordneten, nicht zu großen Substituenten können sich in mikroskopischen Bereichen gleichmäßig parallel zueinander lagern und Kristalle bilden. Kunststoffe mit kristallinen Bereichen enthalten immer – mehr oder weniger – auch amorphe, ungeordnete Bereiche, weshalb man sie teilkristallin nennt. Diese Anordnung der Makromoleküle kann nun durch eine Reihe von Einflüssen verändert werden. Kristalline Strukturen ergeben sich, wenn die Makromoleküle – einen gleichmäßigen chemischen Aufbau (Konstitution) haben und – eine regelmäßige Anordnung der Substituenten (Konfiguration) besitzen. – Zeit zum Ordnen beim Abkühlen haben oder – beispielsweise die Makromoleküle bei der Verarbeitung (starke Scherung in der Schmelze oder zu hohe Schmelzetemperatur) oder während des Gebrauches gekürzt (abgebaut, degradiert) werden – unter hohem Druck erstarren – ordnende Flächen (Keimbildner) angeboten bekommen.
3.1 Aufbau der Kunststoffe
65
Bild 3-12. Modellzeichnung des Querschnittes durch eine Lamellenstruktur. Die kristallinen Lamellen sind durch amorphe Bereiche voneinander getrennt, in denen die Moleküle teils enden, teils zurückfallen und teils von der Lamelle in die darüber oder darunter liegende Lamelle übergehen (tie-molecules) [4]
Bild 3-13. Struktureller Aufbau teilkristalliner Polymere am Beispiel von Polypropylen nach W. Lutz [8]
Am Beispiel des Polyethylens und Polypropylens zeigen Bild 3-12 und Bild 3-13 den strukturellen Aufbau von der Molekülkette bis zum Formteil. Die in der Ebene zickzackförmigen PE-Ketten ordnen sich so, dass jede beliebige Kette von vier gleich weit entfernten Ketten umgeben ist, die ihrerseits um die Längsachse um 82° gegen die zentrale Kette gedreht sind. Die Größe der Kristallblöcke hängt stark von der Abkühlgeschwindigkeit der Schmelze ab, Bild 3-14.
In teilkristallinen Thermoplasten können diese Kristallblöcke geordnete Überstrukturen wie Sphärolithe bilden. Die Eigenschaften der Kunststoffe hängen meist mehr vom Gesamtverhalten, der Größe und dem Anteil dieser Überstrukturen ab, als von dem der Kristallblöcke. Der Zusammenhalt der amorphen Grenzschichten verschiedener Kristallblöcke wird durch die Anzahl der durchlaufenden Ketten (tie-molecules) und die wechselseitigen Kettenverschlaufungen bestimmt. Die tie-Moleküle erstre-
66
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-14. Elementarzelle (PE): Komplex aufgebaute Grundbausteine der Polymerkette, wie bei PE, können je nach Kristallisationsbedingung verschiedene Kristallgittertypen bilden
cken sich über bis zu 15 Blöcke und bestimmen daher die Eigenschaften mit, Bild 3-12. Häufig gilt die amorphe Grenzschicht als Schwachstelle hinsichtlich Festigkeit und Steifigkeit. Ohne amorphe Grenzschichten wären teilkristalline Thermoplaste allerdings spröd und unbrauchbar. Kristallisationsgrad Der zeitliche Verlauf der Kristallisation lässt sich schematisch darstellen nach Bild 3-15: Die Kristallisation ist mit Abschluss der Fertigung eines Formteils in der Regel nicht abgeschlossen. Es erfolgt eine wochen- und monatelange Nachkristallisation. In der Praxis werden daher Formteile, von denen eine hohe Maßhaltigkeit gefordert wird, in Werkzeugen mit erhöhter Temperatur gespritzt, um den Ketten die Möglichkeit zur schnellen und möglichst vollständigen Kristallisation zu geben. Bei erhöhter Masse- und Werkzeugtemperatur und größerer Entfernung von der Werkzeugoberfläche sind die Umordnungsmöglichkeiten der Moleküle über einen längeren Zeitraum gegeben. Der Kristallisationsgrad, Tabelle 3-13, hängt stark von der Kristallisationsgeschwindigkeit ab. Man erhält daher bei
spritzgegossenen Formteilen zwangsläufig eine ortsabhängige Kristallinität im Wandquerschnitt. Die nahe an der Formwand liegenden Schichten erstarren rasch. Die Zeit zur Kristallisation ist kurz. Bei Polyamiden beispielsweise verläuft die Keimbildung langsam. Daher kann die Kristallisation an der Werkzeugwand bei schneller Abkühlung (kaltes Werkzeug) vollkommen unterdrückt werden. Die Mitte des Formteil-Wandquerschnittes kühlt langsamer ab, dies führt zu einem höheren Kristallisationsgrad (s. a. Bild 4-239). Aufgrund dieser über der Wanddicke ortsabhängigen unterschiedlichen Schwindungsvorgänge kommt es in Spritzgussbauteilen zu Eigenspannungen. Meist herrschen außen Druckeigenspannungen und innen Zugeigenspannungen. Dies kommt den Auswirkungen von Spannungsrissbildungen zugute, da die Druckeigenspannungen außen den für Spannungsrissbildung erforderlichen Zugspannungen entgegen wirken. Die mit zunehmender Kristallisation verbundene Dichteerhöhung bewirkt, dass innerhalb des Kunststoffs, von den Sphärolithzentren ausgehend, Schwindungsvorgänge stattfinden.
3.1 Aufbau der Kunststoffe
67
Bild 3-15. Kristallisationsgrad α als Funktion der Kristallisationszeit während einer isothermen Kristallisation (Schwindung V ≠ const. / Schrumpfung V = const.)
Tabelle 3-13 Übliche Kristallisationsgrade verschiedener Thermoplaste und Dichten im total kristallinen, total amorphen und üblichen Zustand [9] Kunststoff
üblicher Kristallisationsgrad %
Polyamid (PA) Polyoxymethylen (POM) Polyethylenterephthalat (PET) Polybutylenterephthalat (PBT) Polytetrafluorethylen (PTFE) Polypropylen (PP) mit überwiegend isotaktischen Ketten Polypropylen (PP) mit größerem Anteil ataktischer Ketten Polyethylen (PE-HD) hoher Dichte Polyethylen (PE-LD) niedriger Dichte
35–45 70–80 30–40 40–50 60–80 70–80 50–60 70–80 45–55
Schwindung im Zusammenhang mit der Kristallisation Die Gesamtschwindung eines Formteils setzt sich aus Verarbeitungsschwindung und Nachschwindung zusammen, Bild 3-16. Neben der Nachschwindung beeinflussen noch folgende Größen die Maßhaltigkeit eines Formteils im Gebrauch: – Temperaturschwankungen – Feuchtigkeitsschwankungen Nennenswerte Nachschwindung tritt hauptsächlich bei teilkristallinen Kunststoffen infolge Nachkristallisation auf. Sie kann durch die Wahl von Werkzeugtemperaturen vermindert werden. In Bild 3-17 ist als Beispiel der Einfluss der Werkzeugoberflächentemperatur Tw bei der Verarbeitung und einer nachträglichen Lagerung der Formteile bei
Dichte g/cm3 kristallin
amorph
üblich
1,22 (PA 6.6) – 1,455 – – 0,937 – 1,0 1,0
1,07 (PA 6.6) – 1,335 – – 0,834 – 0,855 0,855
1,14 1,41 1,38 1,3 2,1 0,905 0,896 0,95 0,92
erhöhter Temperatur auf die Verarbeitungsschwindung und Nachschwindung von Polyoxymethylen (POM) dargestellt. Schwindungsvorgänge ergeben zwischen den Sphärolithen Zugspannungen. Je größer die Sphärolithe, umso größer die Schwindung entlang der Sphärolithgrenzen und somit umso größere Spannungen. Da nur relativ wenig Kettenmoleküle von einem Sphärolith zum anderen laufen, können diese Zugspannungen zu Rissen führen. Risse und hohe Zugspannungen an den Sphärolithgrenzen setzen besonders die Schlagzähigkeit und die Bruchdehnung herab und begünstigen die Spannungsrissbildung. Aus dem bisher Gesagten wird deutlich, dass bei der Kristallisation zwei Parameter die Eigenschaften eines Fertigteiles ganz wesentlich mitbestimmen:
68
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-16. Schematischer Verlauf von Verarbeitungs- und Nachschwindung bei hoher und niedriger Werkzeugtemperatur [1]
Bild 3-17. Schwindung und Nachschwindung von Polyoxymethylen (POM) in Abhängigkeit von der Werkzeugoberflächentemperatur, Lagerzeit und Lagertemperatur, Wanddicke 1,5 mm. (BASF, Ludwigshafen) 1: Verarbeitungsschwindung, gemessen 1 Std. nach Herstellung 2: Nachschwindung nach 14tägiger Lagerung bei Raumtemperatur 3: Nachschwindung nach 60tägiger Lagerung bei Raumtemperatur 4: Nachschwindung nach 24stündiger Temperung bei 120 °C [10]
3.1 Aufbau der Kunststoffe – Kristallisationsgrad – Größe und Verteilung der Sphärolithe, wobei der Kristallisationsgrad die bedeutendere Einflussgröße ist, auch im Hinblick auf Eigenspannungen. Schwach vernetzter Zustand (Elastomere) Charakteristisch für Elastomere ist eine weitmaschige dreidimensionale Vernetzung von linearen Makromolekülen. Schwefelbrücken sind ein verbreitetes Beispiel für Vernetzungsreaktionen. Ausgangsstoffe sind langkettige Kautschuke. Fachausdrücke und Definitionen zu „Kautschuk und Elastomere“ sind in DIN 53001 genormt. Ausführliche Darstellung siehe Kapitel 3.7. Thermoplastische Elastomere, wie beispielsweise bestimmte Styrol-Butadien-Copolymere (siehe Abschnitt Einbau von Fremdatomen bzw. -molekülen), enthalten so genannte „Hart- und Weichsegmente“, die bei niedrigen bis
69
mittleren Temperaturen wie „Vernetzungsstellen“ reagieren, bei hohen Temperaturen jedoch thermoplastisch aufschmelzen, also keine chemischen Vernetzungsstellen darstellen. Eingelagerte Elastomerpartikel (Mikro- und Nanobereich) können aber auch chemisch vernetzt sein. Ausführlichere Darstellung siehe Kapitel 3.6. Stark vernetzter Zustand (Duroplaste) Ausgehend von Präpolymeren (Reaktionsharzen) entstehen Duroplaste durch eine irreversible chemische Vernetzung, mit i. d. R. hoher Vernetzungsdichte. Die kleinen Segmentlängen zwischen den Vernetzungsstellen führen zu geringen Segmentbeweglichkeiten. Die Folge davon sind geringes Kriechen und hohe Formbeständigkeit bei erhöhter Temperatur (siehe auch Kapitel 2.5). Tabelle 3-14 listet einige wichtige Eigenschaftsmerkmale von verarbeiteten rieselfähigen Duroplasten (in Anlehnung an Schwab [11], Bakelite) auf.
Tabelle 3-14 Eigenschaftsmerkmale und Anwendungen einiger rieselfähiger Duroplaste Bakelite® 1) (Auswahl) [11] Duroplaste EpoxidFormmassen
PhenolFormmassen
PolyesterFormmassen
1
Eigenschaftsmerkmale + sehr gute Medienbeständigkeit + hohe Dimensionsstabilität + rissunempfindlich + niedrigviskose Fließeinstellungen + hohe Temperaturbeständigkeit – eingeschränkte Farbmöglichkeiten + hohe mechanische Festigkeiten + geringe Kriechneigung + sehr gute Medienbeständigkeiten + hohe Flammwidrigkeiten + hohe Anwendungstemperaturen – eingeschränkte Farbmöglichkeiten – eingeschränkte Kriechstromfestigkeit (max. 225 V)
+ sehr gute elektrische Isolationseigenschaften + uneingeschränkte Farbmöglichkeiten + hohe Dimensionsstabilität + geringe Schwindungen + hohe Flammwidrigkeiten ohne Halogene oder Phosphor + gute thermische Stabilität – eingeschränkte Medienbeständigkeiten
Anwendungen Lampensockel für Kfz Ummantelung von elektronischen Bauteilen Magnetspulen Zündkerzenstecker
Kommutatoren Wäschetrocknerantriebselement Bedienknebel Riemenscheibe Herdleisten Topfgriffe Spulenkörper Motorschutzschalter Lampenfassungen Stromzählergehäuse Schaltergehäuse Dichtungen Kohlebürstenhalter Aschenbecher Zündverteilerstecker Verteilerfinger Schalterträgerteil Leistungsschalter Spulenkörper Thermostatgehäuse Energieregler Herdleisten Lampensockel
Bakelite® ist eine eingetragene Marke in Deutschland. Bakelite® ist in Deutschland und in über 50 weiteren Ländern der Welt eine eingetragene Marke der Hexion Speciality Chemicals Group.
70
3.2
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Mechanische Eigenschaften
Hochpolymere zeigen bei mechanischer Beanspruchung im normalen Gebrauch ein im Vergleich zu den meisten anderen Werkstoffen besonders stark ausgeprägtes viskoelastisches und viskoses (plastisches) Verhalten, das heißt, die auftretenden Deformationen sind teils elastischer (reversibler), teils viskoser und plastischer (irreversibler) Natur. Dies hat zur Folge, dass Werkstoff-Kenngrößen wie E-Modul, Schubmodul und damit andere wichtige mechanische Eigenschaften von Hochpolymeren nicht nur von der Temperatur, sondern – unter anderem – auch von der Beanspruchungszeit und der -geschwindigkeit abhängen.
3.2.1
Temperaturabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften
Zur Untersuchung des viskoelastischen Verhaltens in Abhängigkeit von der Temperatur dient der Torsionsschwingungsversuch nach DIN 53445. Dabei handelt es sich um einen Kurzzeitversuch. Der Zeitstandversuch nach DIN 53444 erfasst den Einfluss der Beanspruchungsdauer, der Beanspruchungsart und der Temperatur. Der Torsionschwingungsversuch gibt zusätzlich Aufschluss über das Dämpfungsverhalten des untersuchten Kunststoffs (mechanischer Verlust- oder Dämpfungsfaktor d), Bild 3-18. Den Schlüssel zum Verständnis der mechanischen Eigenschaften der Kunststoffe bei verschiedenen Temperaturen bildet die Kenntnis der Vorgänge im Übergangsbereich zwischen den definierten Zuständen: Glasübergangstemperatur Tg und Schmelzbereich Ts oder Tm . Unterhalb der Glastemperatur liegt der energieelastische (hartelastische) Zustand, der meist durch hohe Sprödigkeit gekennzeichnet ist. Die bis zur Glastemperatur noch mögliche so genannte Mikro-Brown’sche Bewegung – von höheren Temperaturen kommend – ist zur Ruhe gekommen. Die Lage des Einfrierbereichs wird von der Stärke der Sekundärbindung beeinflusst, das heißt, je wirksamer diese Kräfte sind, desto höher liegt die Glastemperatur. Durch Mischen von Kunststoffen mit höherer Glastemperatur mit solchen von niedrigerer Glastemperatur kann die Schlagzähigkeit angehoben werden. Das gleiche gilt für die Polymerisation mit geeigneten Comonomeren, siehe Kapitel 3.1.1. Auf den energieelastischen Bereich und die Glastemperatur folgt bei weiterer Erwärmung der entropieelastische (weich- oder zähelastische) Bereich, das ist z. B. bei den Polyolefinen der Hauptanwendungsbereich. Im Vergleich zu den Schubmodulkurven aus Bild 3-18 für Kunststoffe zeigt Bild 3-19 die Temperaturabhängigkeit des
Elastizitätsmoduls einiger metallischer Werkstoffe. Auch dort ändern sich die Eigenschaften über der Temperatur ausgeprägt, doch innerhalb 1000 bis 1500 °C. Für Eisen (Fe) zeigt sich die bekannte Tatsache, dass bis 250 °C der EModul nur um ca. 10 Prozent abfällt, weshalb man in diesem Temperaturbereich bei Stahl mit konstanten Eigenschaftswerten rechnet. Bis ca. 250 °C ist das Deformationsverhalten bei den Metallen weitgehend elastisch, es gilt das Hook’sche Gesetz, wonach Spannung und Dehnung linear verknüpft sind. Wie bei vielen Feststoffen werden auch Kunststoffe mit steigender Temperatur bei gleicher Dehnung immer weniger in Spannung versetzt. Anders ausgedrückt können sie mit immer geringerem Kraftaufwand gedehnt werden, Bild 3-21. Diese Abnahme der Elastizität verläuft jedoch nicht gleichmäßig. Andererseits zeigen sich auch keine sprunghaften Zustandsänderungen, die mit dem Wechsel niedermolekularer Stoffe zwischen verschiedenen Aggregatzuständen vergleichbar sind. Nur spröde Kunststoffe zeigen alle Stufen in der Temperatur-Elastizitäts-Kurve. Einige Zustände bei Kunststoffen werden durch die Kristallite verursacht, andere durch die amorphen Bereiche. Die Eigenschaften der beiden Phasen addieren sich. Ganz anders verhalten sich stark vernetzte Duroplaste. Bild 3-20 zeigt im Vergleich die Zug-E-Moduln zwischen Polyamid 6.6 und PA 4.6 jeweils mit 50 Masseprozent Glasfaser verstärkt mit Phenol-Formaldehyd Type 6771 (Bakelite), wie temperaturstabil mechanische Eigenschaften bei Duroplasten sein können. Im Bild 3-21 sind Charakteristiken des Zusammenhangs zwischen Dehnung und Spannung für die verschiedenen Temperaturbereiche dargestellt. Im spröden Zustand verhalten Kunststoffe sich ähnlich wie Metalle. Sie lassen sich nur wenig dehnen bevor sie brechen. Elastische Dehnungen sind reversibel. Zähe Kunststoffe zeigen einen Bereich, in dem sie sich wie spröde Kunststoffe reversibel dehnen lassen. Dazu ist etwas weniger Kraft erforderlich als bei den spröden Kunststoffen. Oberhalb der Streckdehnung (vergleiche Bild 3-29) folgt bei zähen Kunststoffen ein Bereich, in dem sie plastisch verformbar sind. Elastische und noch ausgeprägter gummielastische Kunststoffe lassen sich schon bei sehr geringen Spannungen übermäßig dehnen und kehren, so lange die Streckdehnung nicht überschritten wird, wieder in ihren Ausgangszustand zurück. Wie bei allen anderen Stoffen sind auch bei den Polymeren die physikalischen Eigenschaften abhängig von der Temperatur. Werden Eigenschaften von Polymeren (z. B. der Elastizitätsmodul) gegen die Temperatur aufgetragen, so ergeben sich im allgemeinen keine linearen oder einfach gekrümmten Kurven wie dies bei niedermolekularen Stoffen
3.2 Mechanische Eigenschaften
Bild 3-18. Temperaturabhängigkeit des dynamischen Schubmoduls G´ und des mechanischen Verlustfaktors d von verschiedenen Kunststoffgruppen
71
72
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-19. Temperaturabhängigkeit des E-Moduls einiger metallischer und keramischer Stoffe [12]
der Fall ist. Bei niedermolekularen Stoffen zeigen sprunghafte Veränderungen Übergänge zwischen den Aggregatzuständen auf. Der Elastizitätsmodul von Stahl nimmt bei Temperaturerhöhung zunächst stetig ab. Am Schmelzpunkt fällt er jedoch auf Null. Flüssiger Stahl ist beliebig verformbar. Sprunghafte Änderungen anderer physikalischer Größen zeigen den Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Zustand. Zum Beispiel verschwindet an diesem Punkt die
Viskosität. Stahl zeigt auch im festen Zustand bei bestimmten Temperaturen sprunghafte Veränderungen der Elastizität. Dabei wechselt Eisen zwischen verschiedenen Kristallformen. Bei Kunststoffen ergeben sich bemerkenswerte Eigenarten im Temperaturverhalten. Sprunghafte Übergänge zwischen verschiedenen Aggregatzuständen können nicht beobachtet werden. Zustandsänderungen erfolgen über einen mehr oder weniger breiten Temperaturbereich. Neben dem Übergang vom Feststoff zur Flüssigkeit treten weitere Zustandsänderungen auf. Bild 3-18 zeigt dies sehr deutlich für den Schubmodul. Dabei ist z. B. der Übergang vom zähen in den elastischen Zustand gleichbedeutend mit dem „Schmelzen“ der kristallinen Bereiche. Bei höherer Temperatur liegen alle Polymere nur noch in geknäuelter Form vor. Im gummielastischen Zustand lassen sich diese Knäuel bei relativ geringen Kräften mehr und mehr strecken. Entspannung führt dann zum Zusammenziehen des Werkstücks. Bei großer Dehnung verschieben sich die Moleküle gegeneinander. Das Werkstück kehrt nicht mehr in seine Ausgangsform zurück. Ein Übergang in den gasförmigen Zustand existiert bei Kunststoffen erst im Bereich der Zersetzung. Den Einfluss der Belastungsgeschwindigkeit beim Zugversuch zeigt qualitativ Bild 3-22. Ausführlich wird die Zeitabhängigkeit der Eigenschaften im Kapitel 3.2.5 beschrieben. Stahl zeigt prinzipiell ähnliches Verhalten, aber bei hohen Temperaturen.
Bild 3-20. Abhängigkeit des Zug-E-Moduls von der Temperatur für 2 Polyamide und ein Phenolharz im Vergleich (Schwab [11] Bakelite® )
3.2 Mechanische Eigenschaften
73
Bild 3-21. Einfluss der Temperatur ϑ auf σn = f (εt) (qualitativ) vgl. Isochrone in Bild 3-45 [1]: ↑ ε ↑ bedeutet: mit steigender Temperatur nimmt die Dehnung zu (fallender E-Modul bzw. Zugspannung mit steigender Temperatur)
Bild 3-22. Einfluss der Belastungsgeschwindigkeit v auf σn = f (εt) (qualitativ) vgl. Isochrone in Bild 3-45 [1]: ↑ ε ↓ bedeutet: Belastungsgeschwindigkeit nimmt zu, Dehnung nimmt ab (steigender E-Modul oder Zugspannung mit steigender Belastungsgeschwindigkeit)
Versuch viskoelastischer Knet Mit einer Knetmasse aus Polysiloxan niederer Molmasse lässt sich der Einfluss der Belastungsgeschwindigkeit auf das Verformungsverhalten von Kunststoffen anschaulich im Experiment zeigen. Langsame Zugbelastung der Knetmasse zwischen den Händen zeigt Kriechen. Die Molekülketten haben Zeit aneinander abzugleiten. Ein Meter Dehnweg ist spielend möglich. Dagegen ergibt schnelles Auseinanderziehen der Knetmasse nur kurze Dehnwege und Abreissen der Molekülketten. Formt man die Knetmasse zu einer Kugel und wirft diese mit hoher Geschwindigkeit auf eine Tischplatte, springt sie elastisch wie ein Gummiball zurück. Erneute langsame Zugbelastung zeigt das bekannte viskose Fließen. Lässt man die kugelige Knetmasse auf dem Tisch liegen, reicht das Eigengewicht der Kugel, um nach ca. 30 Minuten eine platt verflossene Scheibe zu erhalten, die mit weiterer Zeit immer dünner wird.
Voigt-Kelvin-Modell Feder und Dämpfer sind parallel geschaltet, siehe Bild 3-23. Aus der parallelgeschalteten Überlagerung von Federund Dämpferverformung folgt die viskoelastische Deformation: die Dehnung stellt sich zeitverzögert ein, ist aber bei Entlastung voll reversibel. Man spricht hier von Entropieoder Gummielastizität. Dieses Modell steht bevorzugt für Relaxieren, siehe Bild 3-33. Ein Anwendungsbeispiel ist das Nachlassen der Vorspannung in einer Kunststoffschraubverbindung oder der Dichtkraft in einem Radialwellendichtring jeweils über der Zeit.
3.2.2
Verformungsverhalten von Kunststoffen
Den Metallen gegenüber ist das Verformungsverhalten der Kunststoffe, wie oben beschrieben, viskoelastisch und viskos. Temperatur-Zeit-Abhängigkeit der Eigenschaften für Kunststoffe (und auch für Metalle jedoch bei hohen Temperaturen) lassen sich hinsichtlich des Zeiteinflusses durch folgende vereinfachte Modelle beschreiben (siehe auch Kap. 7.1.2.4 und 7.1.6.3.2):
Maxwell-Modell Feder und Dämpfer sind hintereinander geschaltet, siehe Bild 3-24. Aus der hintereinander geschalteten Überlagerung von Feder- und Dämpferverformung folgen spontanelastische Verformungen bei Be- und Entlastung und infolge des Dämpfers eine bleibende Verformung. Dieses Modell steht auch für Kriechen, siehe Bild 3-33. Ein Praxisbeispiel ist die Verlängerung einer gefüllten Plastiktüte im Griffbereich. Vier-Parameter- oder Burger-Modell Hintereinanderschaltung von Voigt-Kelvin mit MaxwellModell, siehe Bild 3-25. Das Burger-Modell beschreibt das Dehnungs-Zeit-Verhalten der meisten Kunststoffe in erster Näherung anschaulich richtig.
74
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-24. Vereinfachtes Modell mit Dehnungs-Zeit-Verhalten (MaxwellModell)
Bild 3-23. Vereinfachtes Modell mit Dehnungs-Zeit-Verhalten (Zwei-Parameter-Voigt-Kelvin-Modell) (siehe auch Kapitel 7.1.2.4 und 7.1.6.3.2)
Die Feder 1 hat spontane elastische Be- und Entlastungsdehnung zur Folge, 1 + 2 als Parallelschaltung verursachen Kriechen während der Belastung und Rückkriechen (viskoelastische zeitverzögerte Rückdeformation) nach Entlastung, Dämpfer 2 hat eine bleibende Dehnung zur Folge.
Bild 3-25. Erweitertes, realeres Modell (Vier-Parameter- oder Burger-Modell) und sein Dehnungs-Zeit-Verhalten
3.2 Mechanische Eigenschaften
3.2.3
Verhalten bei Zugbelastung
Technisch spielt das Verhalten eines Werkstoffs bei Zugbelastung eine herausragende Rolle. Daher wurde es schon früh experimentell und theoretisch eingehend untersucht. Besondere Bedeutung kommt dabei der Untersuchung des Spannungs-Dehnungsverhaltens zu. Es wird in Zugversuchen untersucht, in denen ein Prüfkörper mit einer bestimmten Geschwindigkeit bis zum Bruch (oder Abreißen) gedehnt wird. Die maximal erreichbare Spannung ist die Zugfestigkeit. Bild 3-26 zeigt den Verlauf der Spannung als Funktion der Verformung für Metalle und Kunststoffe prinzipiell im Vergleich. Die Definition des Schubmoduls ist zur Erinnerung links in Bild 3-26 aufgeschrieben. Schubmodul G und Elastizitätsmodul E sind über die Querkontraktionszahl ν verknüpft: E = 2G (1+ ν) Metalle ν ~ 0,25–0,40 Elastomere ν ≤ 0,5 Kunststoffe ν ⬵ 0,3
75
Außerhalb des linearelastischen Bereiches wählt man
σ(E) ES = 7 ε als Sekantenmodul oder d(σ) Et = 7 dε als Tangentenmodul. Da, im Gegensatz zu den Metallen, beim SpannungsDehnungs-Diagramm bei Kunststoffen der linearelastische Hooke’sche Bereich weitgehend fehlt, werden Tangenten an bestimmte Punkte der Spannungs-Dehnungs-Kurve definiert, wie Ursprung (also Dehnung 0) oder bei einer bestimmten Dehnung εT bzw. die Steigung einer Sekante zwischen Ursprung und Dehnung εS, Bild 3-27. Bei faser-
Bild 3-26. Definition des Elastizitätsmoduls E (Ursprungsmodul) (ε nahe 0 % entspricht der Steigung der Tangente an die Kurve im Ursprung) [1]
76
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-27. Darstellung von Elastizitätsmodul/Sekantenmodul/Tangentenmodul [2]
verstärkten Kunststoffen und Duroplasten ist ein Hooke’scher Bereich noch annähernd ausgeprägt – bei tiefen Temperaturen mehr als bei hohen – bei Thermoplasten weniger, bei Elastomeren fehlt jeglicher linearelastische Bereich in Form einer Ursprungsgeraden im σ-ε-Diagramm. Bild 3-28 zeigt einige Spannungs-Dehnungskurven bei Raumtemperatur für verschiedene Werkstoffe im Vergleich. Bild 3-29 zeigt für Kunststoffe typische Spannungs-Dehnungs-Kurven und erläutert die verschiedenen Kurventypen. Dabei wird u. a. der linearelastische Bereich (Hooke’sche Gerade) bei den Werkstoffen mit sehr hohem E-Modul (Steigung der Ursprungsgeraden), wie Keramik, Grauguss, Stahl, Cu, Al und auch beim spröden PMMA ausgeprägt sichtbar. Weiter zeigen die verschiedenen Werkstoffe über die Fläche unter den Kurven deren Arbeitsaufnahme-Vermögen. Grauguss und Keramik sind sehr spröd, Stahl, Kupfer und Aluminium sowie die Thermoplaste PA und PP sind hoch verformungsfähig und damit energieabsorbierend, beispielsweise
bei (schlagartiger) Belastung. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass das Deformationsverhalten von Kunststoffen stark zeit- und temperaturabhängig ist (siehe Bilder 3-45, 3-21). Unter dem Blickwinkel der Deformation folgen vereinfachte Erklärungen zu den entsprechenden Begriffen. Energieelastizität Rein energieelastische Körper verformen sich unter Einwirkung einer Kraft ohne jede zeitliche Verzögerung um einen bestimmten Betrag, der unabhängig von der Einwirkungsdauer der Kraft ist. Bei Entlastung ist diese Verformung vollständig reversibel. Die Verformungsarbeit wird dergestalt als potentielle Energie gespeichert, indem bei Kunststoffen die Abstände der Atome und die Bindungswinkel durch die Verformung verändert werden. Der Zusammenhang zwischen Kraft (bzw. Spannung) und Verformung (bzw. Dehnung) lässt sich bei kleinen Dehnungen bei vielen Stoffen in guter Näherung durch das Hooke’sche Gesetz beschreiben.
3.2 Mechanische Eigenschaften
77
Bild 3-28. Spannungs-Dehnungs-Diagramm verschiedener Werkstoffe bei RT; siehe auch Bild 3-29 [1]
Entropieelastizität Unter der Einwirkung einer Kraft nimmt die Verformung rein entropieelastischer Körper zeitverzögert zu. Diese Zeitverzögerung kann jedoch verschwindend klein sein (im μsBereich). Auch diese Verformung ist vollständig reversibel. Durch die Einwirkung der Kraft werden die Moleküle (bzw. Atome) aus ihrer Gleichgewichtslage entfernt (wofür eine gewisse Zeit benötigt wird) und in Kraftrichtung ausgerichtet. Hierdurch entsteht eine größere Ordnung der Moleküle (was gleichbedeutend ist mit einer geringeren Entropie). Wegen ihrer Wärmebewegung sind aber die Moleküle immer bestrebt, einen Zustand größter Unordnung (Knäuelform) und damit größte Entropie zu erreichen, da diese statistisch die größte Wahrscheinlichkeit besitzt. Hierdurch entsteht eine Rückstellkraft (Elastizität), die nur aus der Entropieänderung während der Verformung resultiert. Die Verformungsarbeit wird in diesem Fall als Wärmeenergie gespeichert.
Im Vergleich zur Energieelastizität werden wesentlich höhere Dehnungen ohne Schaden vertragen, aber der EModul liegt um Größenordnungen tiefer. Bei geringen Dehnungen kann das Hooke´sche Gesetz ebenfalls in guter Näherung erfüllt werden. Hyperelastizität Zur Beschreibung des Deformationsverhaltens von Elastomeren bestehen verschiedene Werkstoffmodelle, wie beispielsweise Neo-Hooke, Mooney-Rivlin u. a. Bei all diesen Werkstoffmodellen handelt es sich um so genannte „Hyperelastizitätsmodelle“, siehe auch Kapitel 7.1.2.4 und 7.1.6.3.2. Die Spannung im Werkstoff ist eine eindeutige Funktion der Dehnung, d. h. zu jedem Verformungszustand in einem Bauteil gehört exakt ein Beanspruchungszustand [13]. Im Zugversuch an Elastomeren weicht das SpannungsDehnungs-Verhalten zwischen nachfolgenden Belastungs-
78
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-29. Typische-Spannungs-Dehnungskurven für Kunststoffe bei Raumtemperatur [2] Kurve 1: Weitgehend linearer Verlauf. εR klein. Harte und spröde Werkstoffe, z. B. PS Kurven 2, 3, 4: Auftreten einer Streckspannung, εR groß. Fließvorgänge unter Bildung einer Einschnürung (Halsbildung), die über die ganze Probenlänge hinweglaufen kann. Verstrecken der Moleküle. Hoher Verbrauch mechanischer Energie ⇒ Umwandlung in Wärme. Zähelastische und schlagfeste Werkstoffe z. B.: für 2: PC, PA; für 3: PP, PE-HD; für 4: AS, SB Kurve 5: Flacher Verlauf ohne Maximum. Großes εR bei kleinem σ R . Stoffe mit gummiähnlichem Verhalten. z. B.: PE-LD, PUR-Elastomer. Die Reißdehnung weist auf das Arbeitsaufnahmevermögen des Werkstoffs hin. Hohes Arbeitsaufnahmevermögen bedeutet Sicherheit bei stoßartiger Beanspruchung.
zyklen vom ersten Belastungszyklus (nach Vorkonditionierung) ab. Dieser Effekt der Spannungserweichung wird als MullinsEffekt [14] bezeichnet, der insbesondere bei aktiv gefüllten Elastomeren zu beobachten ist. Der Elastomer-Füllstoff-Verbund wird bei Verformung teilweise aufgebrochen und anteilig neu formiert. Dies führt zu einer Veränderung der Spannungs-Dehnungs-Kurve und ist von der Höhe der Vorbelastung abhängig. Bei Entlastung besteht eine bleibende Verformung. Bei dynamischen Belastungen ist der Schubmodul von der Belastungsamplitude abhängig [15], [16]. Dabei ist zu beachten, dass das Arbeitsaufnahmevermögen der Kunststoffe – aber auch das der Metalle – im Laufe der Zeit infolge Alterung und Versprödung kleiner wird.
3.2.4
Mechanische Dämpfung
Werden viskoelastische Stoffe durch erzwungene Schwingungen dynamisch beansprucht, tritt zwischen Spannung σ und Dehnung ε eine Phasenverschiebung um den Phasenwinkel δ auf, der Tangens von δ wird als mechanischer Verlustfaktor d oder als mechanische Dämpfung bezeichnet. Die Dämpfung ist somit ein Maß für die bei dynamischer Beanspruchung infolge „innerer Reibung“ (Dissipation) erzeugte Wärme. Die gedankliche Überlagerung der beiden „ideal“-Dämpfungskurven zu der realen Kurve bei einem teilkristallinen Kunststoff zeigt anschaulich die Zweiphasigkeit teilkristalliner Thermoplaste, Bild 3-30. Je höher die amorphen Anteile, umso größer ist der Dämpfungspeak bei der Glasübergangstemperatur tgtk und
3.2 Mechanische Eigenschaften
79
Bild 3-30. Mechanischer Verlustfaktor d in Abhängigkeit von der Temperatur [1] a … amorph; tk … teilkristallin; k … kristallin
Tabelle 3-15 Zusammenhang zwischen Temperatur und Beweglichkeit von Makromolekülen hinsichtlich des Verlaufes der mechanischen Dämpfung im Bereich der Haupterweichung [1] Beweglichkeit
Makromoleküle (Zustand)
Kettengleitvorgänge
Mechanische Dämpfung „innere Reibung“
gegeneinander verriegelt (energieelastisch) leicht gegeneinander verschiebbar (entropieelastisch bis viskos) schwer verschiebbar; Übergang (energie- nach entropieelastisch)
nicht möglich leicht möglich möglich
sehr gering sehr gering groß
Betriebstemperatur TB TB < Tg TB > Tg TB ≈ Tg
analog für die kristallinen Anteile bei der Schmelztemperatur Tm. Zum besseren Verständnis der molekularen Vorgänge im Bereich der Haupterweichung gibt Tabelle 3-15 und das dazugehörige Bild 3-31 eine Hilfestellung.
3.2.5
Bild 3-31. Mechanischer Verlustfaktor (qualitativ) über der Temperatur
Zeitabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften
Alle thermoplastischen Kunststoffe fließen bereits bei Raumtemperatur bei Beanspruchungen, die weit unterhalb der Streckgrenze liegen, vernetzte Kunststoffe bei höheren Temperaturen, Bild 3-32. Daraus erkennt man, dass die Zug- und Reißfestigkeiten sowie die Moduln für Zug-, Biege-, Druck- oder Schubbean-
80
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-32. Kriechen von Kunststoffen Bakelite® [11]
spruchung im Sinne von Einpunktwerten, die üblicherweise in den Werkstofftabellen der Rohstoffhersteller enthalten sind, für das Berechnen von Bauteilen nach den Formeln der Festigkeitslehre nicht benutzt werden dürfen. Vielmehr muss jede Beschreibung der Werkstoffeigenschaften auch die Zeit als Parameter enthalten. Der Kurzzeitzerreißversuch genügt dafür nicht. An die Stelle der bei den metallischen Werkstoffen üblichen Tabelleneinzelwerte muss bei den Thermoplasten die Darstellung der kontinuierlichen Abhängigkeit der mechanischen Eigenschaften von der Zeit (unter Berücksichtigung der Temperatur) treten. Das Langzeitverhalten der Kunststoffe muss demgemäß nach statischen Methoden untersucht werden. Das bekannteste Verfahren ist der Zeitstand- oder Kriechversuch. Dabei wird eine Probe zur Zeit t = 0 einer Spannung σ0 unterworfen, die während der ganzen Versuchsdauer konstant gehalten wird. Man misst die zeitabhängige Deformation, Bild 3-33. Hält man die Dehnung konstant, nimmt die Spannung über der Zeit bei Kunststoffen ab. Das nennt man Relaxation. Anwendungsbeispiele hierfür sind Schraubenverbindungen (Kunststoffschraube und/oder Kunststoffdichtung) oder Radialwellendichtringe, bei denen die Dichtkraft im Gummi über der Zeit nachlässt. Hier gilt bevorzugt das Voigt-Kelvin-Modell, Bild 3-23. Kriechkurven oder Zeitdehnlinien werden im so genannten Zeitstand-Zugversuch bei großen Verformungen, das heißt weit über den Bereich der Linearität hinaus, durchgeführt. An die Stelle der konstant gehaltenen Spannung tritt im Versuch meist die einfacher realisierbare Belastung, nämlich eine konstant gehaltene Anfangsspannung, Bild 3-34. Als Deformationsmodell steht das Maxwell-Modell, Bild 3-24, zur Verfügung. Beispiele sind Stuhlbeine, Maschinenfundamente, Lastseile.
Die aus einem derartigen Versuch beispielsweise mit Probestäben aus PE-HD bei verschiedenen Belastungen und gleich bleibender Temperatur resultierenden Zeitdehnlinien zeigt Bild 3-35. Die Durchführung des Zeitstand-Zugversuchs für Kunststoffe ist in DIN 53444 beschrieben. Als Probekörper verwendet man dieselben, wie sie für den Zugversuch nach DIN 53455 üblich sind. Die Zugproben werden stoßfrei mit Massen belastet und die Dehnungen in bestimmten Zeitabständen gemessen. Man erhält eine sog. Zeitdehnlinie, auch Kriechkurve genannt. In den Versuch gehen also drei Veränderliche bei konstanter Temperatur ein: Die durch Belastungsmasse und Probekörperquerschnitt definierte Spannung, die Dehnung und die Beanspruchungsdauer. Je nach Kombination dieser Größen als Veränderliche in zweidimensionaler Darstellung mit einem Kurvenparameter erhält man die in Bild 3-37 schematisch dargestellten Kurvenscharen. Aufschlussreicher sind für den Konstrukteur Schaubilder mit konstanter Dehnung, so genannten Dehngrenzlinien als Parameter. Sie können durch Horizontalschnitte aus Diagrammen gemäß Bild 3-35 für eine bestimmte Versuchstemperatur ermittelt werden. Die obere Begrenzung dieser Diagramme bildet die Bruchlinie, Bild 3-36. Anstelle des Zeitspannungslinien-Diagramms schätzt der Konstrukteur das Diagramm der sog. isochronen Spannungsdehnungslinien mit der Beanspruchungsdauer als Parameter, der Dehnung als Abszisse und der Spannung als Ordinate, Bild 3-38. Aus einer Schar von Zeitdehnlinien mit der Spannung als Parameter erhält man durch Umrechnung (für die jeweilige Prüftemperatur) den Kriechmodul Ec(t), der als Funktion der Zeit aufgetragen wird, siehe Bild 3-39.
3.2 Mechanische Eigenschaften
Bild 3-33. Einfluss der Zeit auf Dehnung und Spannung bei Metallen und Thermoplasten [1]
Bild 3-34. Zeitlicher Verlauf von σ und ε beim Zeitstandversuch (Kriechversuch) ◯ A Spannung = f (t) ◯ B Dehnung = f (t)
Bild 3-35. Zeitdehnlinien von PE-HD bei einer Temperatur von 20 °C
81
82
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-36. Zeit-Spannungs-Linien von PE-LD bei einer Temperatur von 20 °C
Bild 3-37. Herleitung der Dehngrenzlinien und Isochronen aus den im Zeitstandzugversuch gewonnenen Zeitdehnlinien
σ Ec(t) = 7 ε (t) Diesen Dehngrenzlinien-Diagrammen können für jedes Material zum Beispiel die (bei der den Berechnungen häufig zugrunde gelegten Dehnung von 1 %) theoretisch zulässigen Spannungen entnommen werden. Die bei der Dimensionierung tatsächlich einsetzbare zulässige Spannung ergibt sich
durch Division mit dem Sicherheitsfaktor. Will man jedoch die bei einer ausgeführten Konstruktion zu erwartende Deformation berechnen, dann legt man das Kurvenmaterial unmittelbar zugrunde. Von gleicher Bedeutung wie die an Probestäben im einachsigen Spannungszustand ermittelten Dehngrenzlinien ist für den Konstrukteur zylindrischer Apparateteile das Zeit-
3.2 Mechanische Eigenschaften
83
Bild 3-38. Isochrone Spannungsdehnungslinien von Polypropylen bei verschiedenen Temperaturen
standverhalten von Rohren. Bei diesen herrscht bekanntlich ein dreiachsiger Spannungszustand vor (Axial-, Radial- und Tangentialspannungen). Beim Spannungsrelaxationsversuch wird die Probe zur Zeit t = 0 einer Verformung unterworfen, die anschließend konstant gehalten wird. Gemessen wird das zeitliche Abklingen der Spannung, die so genannte Spannungsrelaxation σ(t). Den zeitlichen Verlauf von σ und ε beim Spannungsrelaxationsversuch zeigt Bild 3-40 A. Auch bei der Durchführung des Spannungsrelaxationsversuchs, die in DIN 53441 beschrieben ist, wählt man als Beanspruchungsart die einachsige Zugbeanspruchung. Es werden vorzugsweise Probekörper verwendet, die über die Einspannlänge einen konstanten Querschnitt aufweisen. Die mit ε als Parameter ermittelten Spannungswerte σ(t) werden in Form von Zeitspannungslinien aufgetragen (Bild 3-40 B), aus denen man analog dem Kriechversuch einen zweiten zeitabhängigen Modul, den Relaxationsmodul, entnehmen kann.
σ (t) Er(t) = 7 ε
Nur bei kleinen Werten von σ0 und ε0 und nach einer nicht zu langer Beanspruchungsdauer ist der Relaxationsmodul Ec = Er dem Kriechmodul gleich. Nach längerer Dauer und höherer Beanspruchung kehrt sich das Verhältnis um, Bilder 3-41 und 3-42 (siehe auch [49]).
3.2.6
Wechselfestigkeit
Der Dimensionierung eines Bauteils, das periodisch hinund hergebogen, gezogen, gedrückt oder verdreht wird, muss die Dauerwechselfestigkeit zugrunde gelegt werden. Darunter versteht man den im Dauerschwingversuch ermittelten, um eine gegebene Mittelspannung schwingenden größten Spannungsausschlag, den ein Probekörper bei großer Lastspielzahl (bei Kunststoffen 107 Lastspiele) ohne Bruch aushält. Unter den Begriff Dauerschwingfestigkeit fallen Zug-, Druck-, Biege- und Torsions-Wechselfestigkeit. Die Versuchsergebnisse werden in Form von Wöhler-Kurven aufgetragen. Dabei werden der Spannungsausschlag und die Lastspielzahl, bei der die Probe zu Bruch geht, in ein Schaubild mit logarithmisch geteilter Abszisse und linear geteilter Ordinate eingetragen. Für die meisten Kunststoffe beträgt die Dauerwechselfestigkeit – häufig auch als Ermüdungsfestig-
84
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-40 A Zeitlicher Verlauf von σ und ε beim Spannungsrelaxationsversuch (Entspannungsversuch) B Zeitspannungslinien (Relaxationskurven) von glasfaserverstärktem Polycarbonat
Bild 3-39. Zeitdehnlinien und zugehörige Kriechmodul-Linien. A Zeitdehnlinien bei 65°C von PE-HD mit Zeitbruchlinie, die aus einem Zeitstandversuch an PE-HD-Rohren entnommen wurde B Aus der Zeitdehnlinienschar hergeleitete Kriechmodullinien Ec(t)
keit bezeichnet – etwa 20 bis 30 % der im Kurzzeit-Zugversuch ermittelten Reißfestigkeit. Sie sinkt mit der Temperatur und der Lastwechselfrequenz sowie bei Vorhandensein von Spannungsspitzen an gekerbten Bauteilen. In Bild 3-43 ist die Biegewechselfestigkeit von PE-HD, PVC-U und PP wiedergegeben. Um zu zeigen, welche hohen Werte die Biegewechselfestigkeit von thermoplastischen Kunststoffen erreichen kann, wurde auch die Kurve für ein Acetal-Copolymerisat aufgenommen, das vor allem im Maschinenbau und in der Feinwerktechnik eine wichtige Rolle spielt. Abschließend zum Kapitel 3.2 Mechanische und thermische Eigenschaften wird der Zusammenhang zwischen den Größen Spannung, Dehnung und Zeit (Bild 3-44) und den Größen Elastizitätsmodul, Temperatur und Messfrequenz (Belastungsgeschwindigkeit, also Zeit) (Bild 3-45) verdeutlicht.
Bild 3-41. Relaxationsmodul Er und Kriechmodul Ec von glasfaserverstärktem Polycarbonat
Bild 3-45 zeigt neben der bekannten Temperaturabhängigkeit der Eigenschaften, hier am Beispiel Elastizitätsmodul, auch die Zeitabhängigkeit in Form der Messfrequenz. Eine niedrige Messfrequenz ergibt eine tiefe Glasübergangstemperatur Tg, während eine hohe Messfrequenz die Glastemperatur im gewählten Beispiel des Bildes 3-45 um ca. 40 °C zu höheren Temperaturen hin verschiebt. Das bedeutet: schlagartige Belastung gibt der Verformung der Makromoleküle (Abgleitvorgänge) wenig Zeit, der Kunststoff rea-
3.2 Mechanische Eigenschaften
Bild 3-42. Relaxationsmodul Er und Kriechmodul Ec von Polyacetal (siehe auch Ticona [49])
85
Eigenschaften von Kunststoffteilen erheblich beeinflussen. Dazu kommen häufig die Auswirkungen des Technoklimas, z. B. Feuchtigkeit, Alterung und Spannungsrissbildung. Weil diese Faktoren im einzelnen dem Konstrukteur von Maschinen- und Apparateteilen unbekannt bleiben, muss er – ähnlich wie bei den metallischen Werkstoffen – in jedem Einzelfall Sicherheitswerte berücksichtigen, um aus den an Prüfkörpern unter genormten Bedingungen gemessenen Daten die für die Dimensionierung zulässigen Spannungen zu erhalten. In nachstehender Tabelle 3-16 sind die für verschiedene Beanspruchungen empfohlenen Sicherheitsbeiwerte zusammengestellt. Die zulässige Spannung errechnet sich damit – auch unter Berücksichtigung von Spannungskonzentrationszahlen – zu: K σ zul. = 0 N/mm2 s·αK
giert spröde (energieelastisch). Dagegen reagieren die Makromoleküle bei niedrigen Belastungsgeschwindigkeiten (im Bild 3-45 durch niedrige Prüffrequenzen charakterisiert) mit Abgleiten und damit entropieelastisch bei gleicher Prüftemperatur.
3.2.7
Sicherheitsbeiwerte
Es ist bekannt, dass die Verarbeitungsbedingungen, zum Beispiel Spritzgießen, Extrudieren, Pressen, Orientierungserscheinungen und Abkühlbedingungen die mechanischen
K Beanspruchungshöhe N/mm2 S Sicherheitsbeiwert αK Formziffer Im Übrigen ist die Wahl der Sicherheitsbeiwerte nicht allein von Beanspruchungsart, Gestalt und Verarbeitungsbedingungen abhängig, sondern auch vom Kunststoff selbst. Ein kerbempfindlicher, sprödharter Kunststoff erfordert höhere Sicherheitsbeiwerte als ein zähharter. Mithin verhalten sich die teilkristallinen Thermoplaste grundsätzlich günstiger als die amorphen.
Bild 3-43. Biegewechselfestigkeit einiger Thermoplaste (20 °C, 10 Hz)
86
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-16 Empfohlene Sicherheitsbeiwerte S Art des Versagens
Bruch Unzulässige Formänderung Instabilität
Sicherheitsbeiwerte S Ruhende Beanspruchung
Intermittierende Beanspruchung
Schwingende Beanspruchung
2…3 1,2
2…3 1,2
1,5…2 1,2
3
3
3
Bild 3-44. σ-t-ε-Diagramm (U. Delpy, IKP) [2]
Bild 3-45. Speichermodul (Realteil des Elastizitätsmoduls) E’ von PVC als Funktion der Messfrequenz υ und der Temperatur T [17], [18]. Messergebnisse von W. Sommer [19]. Von links unten nach rechts oben: Isothermen (T = const.). Steigender E-Modul bei steigender Frequenz (Belastungsgeschwindigkeit). Von links oben nach rechts unten: Isochronen (n = const.). Fallender E-Modul bei steigender Temperatur. – – – Verbindungslinie der dynamischen Glasübergänge nahe E = 102 N/mm2. Steigende Glasübergangstemperatur bei steigender Frequenz. („statischer“) Glasübergang mit den Koordinaten Tg = 352 K (79 °C), Eg = 102 mm, υg = 2,5 x 10–3 Hz beim Wendepunkt der gestrichelten Linie. X Glastemperatur Tg bei der 1 Hz-Isochrone des Torsionsschwingsversuchs. Eh > 103 N/mm2 im oberen Bildbereich: hartelastischer (energieelastischer)Bereich. EW < 10 N/mm2 in unteren Bereich: weichelastischer (gummielastischer, entropieelastischer) Bereich
3.3 Weitere physikalische Eigenschaften
3.3
Weitere physikalische Eigenschaften
Neben den mechanischen Eigenschaften und ihrer Temperatur- und Zeitabhängigkeit spielen thermische Eigenschaften (Isolierschäume für Kühlschränke, Gebäude, Fensterrahmen, Schutzschilder in der Raumfahrt, Schutzanzüge für Feuerwehr usw.), nicht zu vergessen der thermische Längenausdehnungskoeffizient, optische Eigenschaften (Schweinwerferspiegel und -gläser, Autoscheiben, Schutzhelmklappen, Linsen, Gewächshäuser, Verpackungen, Oberflächen-Effektfolien usw.), elektrische Eigenschaften (Kabelisolierungen, Leiterplatten, Abschirmgehäuse, Sicherheitsbauteile im Bergbau, Bipolarplatten und Membranen in Brennstoffzellen usw.), akustische Eigenschaften (Klangkörper für Musikinstrumente, Lautsprecherboxen, Motorraumisolierungen, Schallschutzwände, Schwingungsdämpfer usw.), Stofftransport-Eigenschaften (Diffusion, Permeation) (Barriereeigenschaften bei Verpackungen, Kraftstofftanks, Deponiedichtfolien, medizinische Membranen, atmungsaktive Bekleidungen usw.) je nach Anwendung eine entscheidende Rolle. Tabelle 3-17 vergleicht für einige der beschriebenen Eigenschaften Richtwerte für Metalle und Kunststoffe. Die folgenden Bilder ergänzen und vertiefen die Tabelle 3-17 [20]. Kunststoffe dehnen sich bei Erwärmung deutlich stärker aus als andere Materialien. Dies liegt daran, dass sich die Gebrauchstemperatur von Kunststoffen nicht weit unterhalb der Schmelztemperatur befindet. Um diesen Nachteil von Kunststoffen auszugleichen, können sie mit z. B. Fasern o. a. gefüllt werden. Die Wärmeausdehnung wird charakterisiert durch den Wärmeausdehnungskoeffizienten α. Wie alle Isolatoren, so leiten auch Kunststoffe die Wärme nur schlecht. Bei Metallen sorgen die frei beweglichen Elek-
87
tronen nicht nur für eine hohe elektrische Leitfähigkeit des Materials, sondern auch für eine gute Wärmeleitfähigkeit λ. Bei Kunststoffen, die zu den elektrischen Nichtleitern oder Isolatoren gehören, fehlen jedoch diese frei beweglichen Elektronen im Material. Vorteile: Kunststoffe besitzen gute Isolationseigenschaften (gegen Elektrizität und Wärme) Nachteile: Die Wärme wird beim Verarbeitungsprozess nur mühsam eingebracht, bzw. bei der thermoplastischen Verarbeitung wieder herausgeholt. Je nach chemischem Aufbau der Makromoleküle erstarren Thermoplaste amorph oder teilkristallin (s. o.). Optisch unterscheiden sich amorphe und teilkristalline Thermoplaste ganz charakteristisch voneinander (solange sie uneingefärbt sind): – teilkristalline Thermoplaste ⇒ opak oder milchig – amorphe Thermoplaste ⇒ transparent oder glasklar Amorphe Thermoplaste werden wegen ihrer Transparenz auch als organische Gläser bezeichnet und unterscheiden sich optisch nur wenig von den anorganischen Gläsern. Somit gilt auch das Brechungsgesetz, siehe Bild 3-48. Elektrisches Verhalten ([20] und [11]) – Elektrische Leitfähigkeit Kunststoffe sind Isolatoren (z. B. Einsatz als Kabelummantelung)! Trotzdem zeigen sie eine gewisse Leitfähigkeit, wobei zwischen Durchgangs- und Oberflächenwiderstand unterschieden wird. Durch Füllstoffe (Ruß, Metallpulver) können Kunststoffe leitfähiger gemacht werden.
Tabelle 3-17 Richtwerte-Vergleich einiger Eigenschaften von Metallen und Kunststoffen (T: Thermoplaste, D: Duroplaste, E: Elastomere, Ku: Kunststoffe) [1] Metalle (Leiter)
Kunststoffe (Nichtleiter)
Therm. Längenausdehnungskoeffizient α [10-6/K] St: 10
T: ≈ 100 D: ≈ 30 E: ≈ 200 x10-6/K siehe Bild 3-46
Wärmeleitfähigkeit λ [W/mK] Cu: 380; Fe: 76; St: 50
T: 0,2 D: 0,3 E: 0,1 siehe Tabelle 3-18
Dichte ρ [g/cm3] Fe: 7,8; Al: 2,7 Schwer- und Edelmetalle 10 bis 18
Kunststoffe 0,9 bis 1,8 ungefüllt g/cm3 Silikate: 2,7 PTFE: 2,3
Glas: 0,7W/mK Schaumstoffe: 0,015 bis 0,9
Lichtundurchlässig
Durchsichtig/durchscheinend/lichtundurchlässig siehe Bilder 3-47 und 3-48
Elektr. Durchgangswiderstand [Ωcm] Fe: 10–5
Kunststoffe: 1010 bis 1018 Ku mit Metallpulver: ca. 1
Geringe mechanische Dämpfung
Hohe mechanische Dämpfung
Ωcm
88
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-46. Wärmeausdehnung verschiedener Kunststoffe und Metalle [20]
Tabelle 3-18 Wärmeleitfähigkeit verschiedener Kunststoffe und Metalle [20] ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒
Ungefülltes Polyethylen (PE): Ungefülltes Polystyrol (PS): Geschäumtes Polystyrol (EPS): Eisen (Fe): Aluminium (Al):
λ » 0,3 - 0,4 W/mK λ » 0,2 W/mK λ » 0,003 W/mK λ » 50 W/mK λ » 230 W/mK
– Dielektrisches Verhalten In einem elektrischen Feld können sich Elektronen im Kunststoff oder ganze Kettensegmente entsprechend der Feldrichtung ausrichten („Dielektrizität“). In einem elektrischen Wechselfeld kann dies zu einer Erwärmung des Kunststoffes führen. Diesen Effekt macht man sich z. B. beim Schweißen von Kunststoffen zu Nutze (Hochfrequenzschweißen). – Durchschlagfestigkeit Hohe Spannungen können ein Zerstören des Kunststoffs bewirken. Die Fähigkeit, hohen elektrischen Spannungen zu widerstehen, wird dabei durch die Durchschlagfestigkeit beschrieben. Bild 3-49 zeigt die Kriechstromfestigkeit verschiedener Thermo- und Duroplaste (nach IEC 112). Duroplaste (mit Ausnahme PF) und PBT sind hier häufig die Problemlöser.
Bild 3-47. Optisches Verhalten [20]
Akustisches Verhalten [20] Das akustische Verhalten der Kunststoffe hängt eng mit dem dynamisch-elastischen Verhalten zusammen. Es bestehen jedoch charakteristische Unterschiede zwischen den kompakten und den geschäumten Kunststoffen.
3.3 Weitere physikalische Eigenschaften
Bild 3-48. Transmission in Abhängigkeit von der Wellenlänge [20]
Bild 3-49. Kriechstromfestigkeit verschiedener Kunststoffe (Schwab [11])
89
90
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
In der technischen Akustik wird unterschieden zwischen: – Schallreflexion – Schallausbreitung – Schallabsorption Zur Schallreflexion ist eine hohe Masse erforderlich. Will man die Schallausbreitung in einem festen Körper vermeiden, so sind weiche Zwischenlager erforderlich. Sogenannte Schallabsorber sind offenporige Schaumstoffe, die nicht als starr angesehen werden können. Die Welle dringt in die Poren ein und verliert ihre Energie durch Reibung zwischen den Molekülen der Luft und durch die Deformation der Wände.
Bild 3-50. Leitfähigkeiten und Ladungsträgerbeweglichkeiten typischer Polymere im Vergleich zu konventionellen Materialien [21]
Die gebräuchlichsten Kenngrößen, um das akustische Verhalten eines Kunststoffes zu charakterisieren, sind: – Elastizitätsmodul E, – „Verlustfaktor“ tan δ
Tribologisches Verhalten Technische Thermoplaste haben Ihre Eignung als Gleitwerkstoffe längst bewiesen. Seit Jahrzehnten werden sie in Gleitstellen der Feinwerktechnik, in Elektrokleingeräten oder in der Elektrotechnik – um nur einige Beispiele zu nennen – erfolgreich eingesetzt [30-48]. Kunststoffgleitlager sind naturgemäß nicht so hoch belastbar wie metallische Gleitlager, doch bieten sie andere Pluspunkte wie Betrieb bei Trockenlauf und Mischreibung, Geräuscharmut und wartungsfreien Betrieb, chemische
Bild 3-51. Sauerstoff- und Wasserdampfdurchlässigkeit von 25-μm-Folien aus verschiedenen Thermoplasten
3.3 Weitere physikalische Eigenschaften Beständigkeit (bei richtiger Wahl der Kunststoffe), elektrische Isolierung sowie verarbeitungstechnische Vorteile. Teilkristalline Thermoplaste sind im allgemeinen wesentlich verschleißfester als amorphe Thermoplaste. Dies bestätigten die Ergebnisse von Messungen mit einem Ring-Scheibe-Prüfstand mit Stahl als Gleitpartner [30]. Deshalb werden fast ausschließlich teilkristalline Kunststoffe für Gleitlager verwendet. Von den Kunststoffen bieten die Acetalcopolymerisate der thermoplastischen Polyester und ultrahochmolekulares Polyethylen vielfältige Möglichkeiten für die unterschiedlichen Anforderungen diverser Gleitlager. Für besonders extreme Anforderungen, z. B. an die Einsatztemperatur, Chemikalienbeständigkeit, Steifigkeit oder die reproduzierbare Präzision in der Produktion kann die Verwendung ausgewählter Typen der Hochleistungskunststoffe Polyphenylsulfid (PPS) oder flüssigkristalliner Polyester T(LCP) zur Problemlösung führen. Diffusion von Gasen und Dämpfen Kunststoffe sind – im Unterschied zu den Metallen – mehr oder weniger durchlässig für Flüssigkeiten, Dämpfe und
Bild 3-52. Wasserdampf- und Sauerstoffdurchlässigkeit [20]
91
Gase. Die Kunststoffoberfläche absorbiert zunächst die angrenzenden Moleküle, danach diffundieren sie in den Werkstoff, wandern (migrieren) hindurch, treten wieder aus (Desorption) und vollenden so die Permeation. Die Frage nach der Wasserdampfdurchlässigkeit kann nach der Regel: „Ähnliches löst Ähnliches“ beantwortet werden [22]. Wasser und Wasserdampf wandern als polare Medien beispielsweise leicht durch Wandungen aus polaren Kunststoffen, beispielsweise aus PA und EVOH oder EVAC, während PE und PP als unpolare Medien bei Umgebungsdruck weniger durchlässig sind. Die O2- und H2O-Durchlässigkeit von 25-μm-Folien aus verschiedenen Polymeren ist in Bild 3-51 wiedergegeben, siehe auch Bild 3-52. Das sorgfältige Abstimmen auf die von Packgut zu Packgut unterschiedlichen Anforderungen an die Gas- und Wasserdampfpermeabilität ist häufig nur mit Hilfe von Mehrlagenfolien oder -behältern möglich. Hierüber liegen in der einschlägigen Industrie bereits große Erfahrungen vor (siehe bei weiterführender Literatur). Bild 3-53 ordnet einige physikalische Eigenschaften von Kunststoffen und Metallen zueinander ein und bezieht sie auf Stahl (Stahl = 1).
92
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-53. Einordnung der Eigenschaften von Kunststoffen [20]
3.4
Chemische Eigenschaften
3.4.1
Beständigkeit gegen Chemikalien/Medien
Werden die physikalischen Eigenschaften der Kunststoffe vor allem von ihrem morphologischen Aufbau bestimmt, so hängt das chemische Verhalten wesentlich von der chemischen Struktur der Makromoleküle ab. Die Thermoplaste sind überwiegend gegen Säuren und Laugen beständig, die Duroplaste vor allem gegen organische Lösemittel. Die Beständigkeit gegen Chemikalien entscheidet bei allen Anwendungen z. B. in der Verpackungsindustrie, der Medizin und im Automobilbau über die allgemeine Verwendbarkeit. Eine erste Abschätzung kann häufig anhand der Regel „Ähnliches greift Ähnliches chemisch an“ getroffen werden. Oder kürzer: „Gleiches löst sich in Gleichem“. Polare Kunststoffe werden von polaren wässrigen Lösungen und von polaren organischen Flüssigkeiten angegriffen. Zu den polaren Thermoplasten gehören beispielsweise PMMA, PC und PA. Unpolare Kunststoffe werden dagegen von unpolaren Flüssigkeiten angegriffen. So wird beispielsweise das unpolare PE in seinen amorphen Bereichen von Benzin angequollen, während PS von Benzol und Toluol sogar völlig aufgelöst wird. Übersichtlich lassen sich Metalle und Kunststoffe gemäß der Beständigkeitstabellen 3-19 und 3-20 vergleichen.
Transportmechanismen bei Chemikalieneinwirkung (Permeation) Wenn niedermolekulare Substanzen bzw. Lösungsmittelmoleküle durch feste Kunststoffe wandern, so spricht man vom Vorgang der Permeation. Grundlegend erfolgt der Stofftransport bei der Permeation in den drei Schritten Adsorption, Diffusion und Desorption des wandernden Moleküls [23, 24]. Schematisch ist der Transportmechanismus bei der Permeation in Bild 3-54 dargestellt. Man erkennt, dass sich das niedermolekulare Molekül zunächst an die Oberfläche des Kunststoffs anlagert (Schritt 1: Adsorption). Wenn das angelagerte Molekül nicht in den Kunststoff eindringen kann, so findet neben der rein physikalischen Anlagerung an die Oberfläche kein weiterer Stofftransport statt und die Materialkennwerte des Kunststoffs bleiben nahezu unverändert [22]. Findet jedoch eine nachfolgende Diffusion durch das Polymer statt (Schritt 2), so ist mit deutlichen Änderungen der Kunststoffeigenschaften zu rechnen. Die Diffusionsgeschwindigkeit kann hierbei als der entscheidende Faktor betrachtet werden und hängt von der Temperatur, der Polymerstruktur und der Größe des diffundierenden Moleküls ab. Nachdem der Kunststoff vollständig durchwandert wurde, gelangt das Molekül wiederum an eine, in der Regel gegenüberliegende,
3.4 Chemische Eigenschaften
93
Tabelle 3-19 Beständigkeiten von Metallen und Polymeren im Vergleich [1] Metalle
Kunststoffe Chemische Eigenschaften
Beständig gegen organische Lösemittel, Öle, Fette, Tenside
Relativ beständig gegen Elektrolyte (Säuren)
Unbeständig gegen Elektrolyte Korrosion!
Wenig beständig gegen organische Lösemittel, Öle, Fette, Tenside (stark kunststoffspezifisch!) Insbesondere gegen chlorierte KW empfindlich (Halogen-KW) Auswirkung: je nach Kunststoff – Lösen bzw. Quellen – Spannungsrissbildung
(Einschränkung: Bildung festhaftender Schutzschichten und Edelmetalle) Auswirkung: je nach Metall – Abtrag – Gefügelockerung – Spannungsrisskorrosion
Oberfläche des Kunststoffbauteils und löst sich letztendlich wieder von diesem ab (Schritt 3: Desorption).
Bild 3-54. Einzelstufen des Permeationsvorgangs
Bild 3-55. Kraftstoffbehälter aus coextrudiertem PE-HD [25]
Einfluss aggressiver Medien auf die mechanischen Eigenschaften Die Chemikalienbeständigkeit von Kunststoffen ist häufig in sogenannten Beständigkeitstabellen qualitativ dargestellt (z. B. durch die Klassifizierung „beständig“, „durchschnittlich beständig“ oder „unbeständig“) [18, 23, 24]. Hierbei ist das Beurteilungskriterium die Massenveränderung durch Quellen (Zunahme) oder Lösen (Abnahme). Betrachtet man nun mechanische Beanspruchungen, die neben dem angreifenden Medium auf den Kunststoff einwirken, so ist davon auszugehen, dass die schädigende Wir-
94
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Lösungen anorg. Salze
– – – b – – – – + – b b b
b b b b – b b – + – b + +
+ + + + + + + + + + – b +
+ + + + – + + + + b – – +
+ + + + + + + + + + b + +
Alkohole
Laugen stark
b + b + – b b – + – b b –
Chlorierte KW
Laugen schwach
+ + + + + + + b + – + + b
Aliphatische KW
Flusssäure
+ + b b + + + + b b – –
Oxidierende Säuren
+ + + + + + + + + + + + +
Säuren stark
Wasser heiß
PE-LD PE-HD PP PVC hart PVC weich PS ABS POM PTFE PA 6 PC PET PBT
Säuren schwach
Kunststoffe
Wasser kalt
Medien
Halogene trocken
Tabelle 3-20 Beständigkeiten einiger Kunststoffe [H.-Ch. Ludwig/P. Eyerer]
– – b b – – – – + – +
+ + + + – – + + + + + + +
– b – – – – – + + b – b b
b + + + – + + + + + b + +
Fette, Öle
Ungesättigter chlor. KW
Terpentin
+ + b + + + b + + –
Mineralöl
b + – + – – b + b –
Kraftstoffe
– b – – – – – + + + – + +
Aromatische KW
b + b – – – – b + + b + –
Organische Säuren
Ether
b + b – – – – – + + b + b
Amine
Ketone
PE-LD PE-HD PP PVC hart PVC weich PS ABS POM PTFE PA 6 PC PET PBT
Ester
Kunststoffe
Aldehyde
Medien
+ + b b b b + + + b b + b
– b b – – – – b + + – + b
– b b – – – + + + + b + +
b + + + b b + + + + + + +
b + + + b + + + + + + +
– – – – – – – + + b – b b
– – – – – – – + + b + b b
+ = beständig b = bedingt beständig - unbeständig KlO . . . Kohlenwasserstoffe
kung noch verstärkt wird. So kann die praktische Chemikalienbeständigkeit von Kunststoffen, die insbesondere für Rohrleitungen bekannt sein muss, in Zeitstandversuchen ermittelt werden (siehe Tabelle 3-20). Das praktische Anwendungsbeispiel eines Kraftstoffbehälters aus Kunststoff, Bild 3-55, verdeutlicht den wichtigen Einfluss von Dipolmomenten in Molekülen auf das Löslichkeitsverhalten von Kunststoffen. Der Einfluss von geord-
neten (kristallinen) Bereichen und ungeordneten (amorphen) Strukturen im Polymer ist bedeutungsvoll. Tabelle 3-21 verdeutlicht den gewichtigen Einfluss der chemischen Struktur (Polarität) und der physikalischen Eigenschaften (Kristallinität) von Kunststoffen auf deren Medienbeständigkeit. Neben diesen Strukturmerkmalen hat naturgemäß auch der Vernetzungsgrad einen entscheidenden Einfluss auf die Löslichkeit eines Polymers.
Tabelle 3-21 Beständigkeit von Kunststoffen [18]
3.1 Aufbau der Kunststoffe
95
96
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-56. Einfluss von Treibstoffen auf die Biegefestigkeit am Beispiel PF 6501 [PF – GF 30] (Schwab [11] Bakelite® )
So quellen stark vernetzte Kunststoffe (Duroplaste) je nach Vernetzungsdichte wenig bis gar nicht. Bild 3-56 [11] zeigt, wie wenig vernetzte Duroplaste am Beispiel Phenol-Formaldehydharz und Treibstoff-Lagerung in seinen mechanischen Eigenschaften (Biegefestigkeit) beeinflusst werden. Neue Produkte bieten hier nochmals beträchtliche Steigerungen, Bild 3-57 [11]. Weitmaschig vernetzte Kunststoffe (Elastomere) unterliegen der Quellung, da ihre Vernetzungsbrücken eine vollständige Auflösung verhindern. Die Quellbarkeit sinkt dabei mit zunehmendem Vernetzungsgrad. Unvernetzte Kunststoffe (Thermoplaste, thermoplastische Elastomere) können entweder quellen oder sich im Medium lösen.
Im gequollenen Zustand verändern sich die physikalischen Eigenschaften des Polymers. So wird beispielsweise das Volumen größer, die Abkühlgeschwindigkeit erhöht sich, die Einfrierbereiche sinken (Weichmachung) und EModul und Torsionsmodul verändern sich. Einwirkung von Wasser (Hydrolyse) Bei Polymeren, die Ester-, Amid-, oder ähnliche funktionelle Gruppen in der Hauptkette enthalten, besteht prinzipiell die Möglichkeit einer Kettenspaltung durch die Reaktion mit Wasser (Hydrolyse). Säuren und Laugen können hierbei als Katalysatoren wirken und speziell in heißem Wasser die Kettenspaltung begünstigen, was somit die Umkehrreaktion der Polymersynthese darstellt. Für die Stoffklasse der Polyester lautet die zugrundeliegende Reaktionsgleichung hierbei wie folgt:
Polyestersynthese (Hinreaktion) und Kettenspaltung durch Hydrolyse (Rückreaktion)
3.4 Chemische Eigenschaften
97
Bild 3-57. Verbesserte Medienbeständigkeiten bei neu entwickelten Phenol-Formaldehyden (Schwab [11] Bakelite® )
Die Reaktionsgleichung
verdeutlicht, dass es sich grundlegend um eine Gleichgewichtsreaktion handelt. Um die Hinreaktion (Polymer-Synthese) aufrecht zu erhalten, muss die niedermolekulare Komponente der Reaktionsprodukte (H2O) aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Wird ein solcher Kunststoff nun wässrigen Säuren oder Laugen ausgesetzt, besteht immer die Möglichkeit, dass die Rückreaktion einsetzt, die letztendlich zum Molmassenabbau führt. Aromatische Polyester nehmen aufgrund ihrer hydrophoben Phenylgruppen nur sehr wenig wässrige Lösungsmittel auf, so dass Hydrolyse erst bei erhöhter Temperatur beobachtet wird und im Allgemeinen eine gute Kaltwasserbeständigkeit vorliegt. Den Einfluss der Feuchtigkeit auf Thermoplaste und deren Wasseraufnahme gibt die Tabelle 3-22 wieder. Physikalisch-chemische Vorgänge in Verbindung mit der Hydrolyse können beispielsweise die (örtliche) Ände-
rung der Kristallinität, die Herauslösung von Additiven oder die Erweichung bei Wasseraufnahme sein. Typische mechanische Vorgänge sind beispielsweise die Entstehung von Eigenspannungen infolge örtlich unterschiedlicher Quellvorgänge oder die abrasive Schädigung von Kunststoffoberflächen beim Auftreffen von wässrigen Lösungen mit hoher Geschwindigkeit (z. B. bei der natürlichen Bewitterung). Beständigkeit gegen die Bildung von Spannungsrissen (siehe auch Kapitel 4.1.7.2) Diese bei Metallen (Spannungsrisskorrosion) wie auch bei Kunststoffen (Bildung von Spannungsrissen) beobachtbare Erscheinung stellt einen physikalisch-chemischen Angriff dar, der bei bestimmten Kunststoff/Medium-Paarungen anzutreffen ist. Als angreifendes chemisches Agenz genügt in vielen Fällen bereits Feuchtigkeit, die mit der Oberfläche des Polymers in Kontakt kommt. Voraussetzung ist das Vorhan-
98
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-22 Einfluss der Feuchtigkeit auf Thermoplaste Feuchtigkeitsempfindlichkeit kein hydrolytischer Abbau
nur Absorption
hydrolytischer Abbau
keine Trocknung erforderlich bei:
in der Regel Trocknung erforderlich bei:
Polyacetal (Delrin) Polyethylen Polypropylen Polystyrol Polyvinylchlorid
Acrylharzkunststoffe ABS
Polycarbonat Cellulosebutyrat Polyamid(Zytel, Minlon) Polyester (Rynite, Hytrel) Polyarylat (Arylon) Polyurethan
Feuchtigkeitsaufnahme (Masse-%) Raumtemperatur 50%
100% r.F.
Max. F´Gehalt für Verarbeitung der Schmelze %
Hydrolyse-Geschwindigkeit bei Schmelztemperatur
2,5 0,26 0,15 0,35
08,5 0,6 0,7 0,9 0,35
0,25 0,02 0,10 0,02 0,02
langsam schnell mittel schnell schnell
Feuchtigkeitsgehalt %
Lineare Dimensionsänderung %
Biege-E-Modul N/ mm2
Streckspannung N/mm2
Schlagzähigkeit nach IZOD J/m
0,2 2,5***
− 0,5–0,7
2830 1210
82,7 58,6
53,4 112,1
Polyamid 6.6 (Zyl E101) PEt Polyester (Rynite 530) Polyester Elastomere (Hytrel 5556) Polyarylat (Arylon 101) Polycarbonat Werkstoffeigenschaften Polyamid 6
densein von Zugspannungen, seien es herstellungsbedingte Eigenspannungen oder Fremdspannungen, die mehr oder weniger unterhalb der üblichen Zugfestigkeit liegen. Die Rissbildung erfolgt üblicherweise senkrecht zur wirkenden Zugspannungsrichtung. Spannungsrisse treten bei vielen Kunststoffen vor allem dann auf, wenn das angreifende Medium oberflächenaktiv ist. Die Wirkung dieser Medien beruht vermutlich darauf, dass durch das Herauslösen von niedermolekularen Bestandteilen oder von Verunreinigungen aus dem Kunststoff, sowie durch Quellen Gleitvorgänge in den unter Spannung stehenden Zonen auftreten, deren Folge die Rissbildung ist. Die Spannungsrissbildung wird durch eine Temperaturerhöhung wesentlich beschleunigt. Die durch Diffusion eingedrungenen Agenzien verursachen zunächst feine Haarrisse, die an den Weißbruch von Kunststoffen erinnern. Bei längerer Einwirkung einer oberflächenaktiven Substanz ggf. in Verbindung mit inneren oder äußeren Zugspannungen durchdringen die Haarrisse die ganze Wandung und führen zum Bruch des Formteils. Zum Vermeiden von Spannungsrissen können folgende Maßnahmen beitragen:
– Stoff- und artikelgerechte Formgebung. – Wahl der beständigsten Kunststoffformmasse und des richtigen Kunststofftyps (möglichst hochmolekular). – Wahl optimaler Verarbeitungsbedingungen (bei Spritzgussteilen z. B. die Angussart und -lage) Zug-Eigenspannungen im oberflächennahen Bereich Formteilen können evtl. durch Tempern abgebaut werden. Als konkretes Praxisbeispiel kann die Schädigung eines Lampengehäuses aus Polycarbonat (PC) betrachtet werden [1]. Zur Vorgeschichte: In der Fußgängerzone einer süddeutschen Großstadt wurden Glas-Gehäuse an Lampen durch Kunststoff-Gehäuse ersetzt. Diese fielen nach einigen Wochen ohne äußere Einwirkung herunter. Schadensursache: DOP3-Weichmacher, der bei der erhöhten Temperatur der Lampen aus den Weich-PVCKabelisolierungen verdampft, führt in den Lampengehäusen in Verbindung mit mechanischen Zugspannungen, ver-
3
DOP...
Dioctylphthalat
3.4 Chemische Eigenschaften
Bild 3-58. Spannungsrissbildung bei der Einwirkung von Aceton auf Polycarbonat [1]
ursacht durch das Einschrauben der Lampengehäuse in die Fassungen, zu Spannungsrissen (das Lampengehäuse hängt nach unten und belastet den Gewindehals auf Zug). Abhilfe: Verwendung einer anderen Kabelisolierung (z. B. aus Polysiloxan). Bild 3-58 zeigt, wie auf einfache Weise das Entstehen von Spannungsrissen experimentell demonstriert werden kann. Allgemein ist hierbei zu erwarten, dass die Paarung von unbeständigem Kunststoff (hier: PC) und einwirkendem Lösungsmittel (Aceton) beim Anlegen von Zugkräften zu Spannungsrissen führt.
3.4.2
Alterung von Kunststoffen Gabriele Twardon
Kunststoffe gelten gegenüber Metallen häufig als „korrosionsbeständige“ Werkstoffe. Bei der praktischen Anwendung treten dennoch vielfältige Probleme mit der Beständigkeit von Polymerwerkstoffen auf. Die Alterung spielt bei Kunststoffen eine weit größere Rolle als bei Metallen oder Keramik. Die Gründe hierfür liegen u. a. in den geringeren Bindungsenergien und in der geringeren Packungsdichte der Makromoleküle, die das Diffundieren von niedermolekularen Stoffen erleichtert. Zudem sind Metalle und Keramiken gegen elektromagnetische Strahlung deutlich unempfindlicher. Eine umfassende theoretische Beschreibung der Alterung erwies sich bisher als schwierig [26]. Die Gründe liegen in der Komplexität von Alterungsvorgängen, die zudem experimentell nur schwer zu erfassen sind. Vor allem die notwendige lange Versuchsdauer erschwert die Untersuchung. Zeitraffende Prüfungen (Rapid Testing) bilden hierbei die Realität nur mit Einschränkungen ab und können nicht als vollwertiger Ersatz für Langzeitversuche betrachtet werden. Allgemein wird der Begriff der Alterung gemäß DIN 50035 wie folgt definiert: „Gesamtheit aller im Laufe der Zeit in einem Material irreversibel ablaufenden chemischen und physikalischen Vorgänge.“
99
Alterungsvorgänge verändern allgemein die Eigenschaften und das Aussehen von Polymeren während einer bestimmten Zeitspanne. Meist tritt hierbei eine Verschlechterung der Materialkennwerte auf. Typische Beispiele für solche Alterungsvorgänge sind die Versprödung von PP und PVC bei Anwendungen im Freien (z. B. Gartenmöbel, Getränkekisten und Rohre), die Alterung von Fahrradreifen bei regelmäßiger Beanspruchung, die Entstehung von Undichtigkeiten bei Dichtringen, die nachlassende Isolierwirkung von gasgefüllten Schäumen, die Versprödung von Oberflächenfolien in Fahrzeuginnenräumen oder die Alterung (Degradation) von PolyethylenGelenkendoprothesen. Nachfolgend sollen nun die Begriffe „Alterungsursache“, „Alterungsvorgang“ und „Alterungserscheinung“ in Anlehnung an DIN 50035 im Detail erläutert werden. Zunächst erfolgt eine Untergliederung in innere und äußere Alterungsursachen [10]. Zu den inneren Alterungsursachen, die auf thermodynamisch instabilen Zuständen des Materials beruhen, zählen: – Unvollständige Polymersynthese – Eigenspannungen – Orientierungsspannungen – Begrenzte Mischbarkeit von Zusätzen und Polymermaterial Dagegen beruhen die äußeren Alterungsursachen auf chemischen und physikalischen Einwirkungen der Umgebung auf das Material: – Energiezufuhr durch Wärme oder Strahlung – Temperaturwechsel – Chemische Einflüsse – Mechanische Beanspruchung – Kombinierte Belastung (Energiezufuhr, chemische Einflüsse) bei Bewitterung Die hier aufgezählten Alterungsursachen führen zu Alterungsvorgängen, die in chemische und physikalische Vorgänge unterteilt werden können. In der Praxis laufen diese häufig gemeinsam ab. Bei den chemischen Alterungsvorgängen findet prinzipiell eine Veränderung der Zusammensetzung oder der Molekülstruktur des Polymers statt. Zu diesen Vorgängen gehören: – Korrosion – Nachpolykondensation – Nachpolymerisation – Abbaureaktionen oder Cyclisierung – Autooxidation Physikalische Alterungsvorgänge basieren auf der Veränderung des Gefüges bzw. des molekularen Ordnungszustands:
100
– – – – – – –
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Relaxation, Spannungsabbau Nachkristallisation Entmischung Weichmacherverlust Weichmacherwanderung Weichmacherextraktion Agglomeration
Folglich sind Alterungserscheinungen als sichtbare oder messbare Wirkungen von Alterungsursachen aufzufassen. Hierzu gehören: – Verwerfung, Rissbildung (z. B. Spannungsrissbildung) – Quellung – Nachschwindung – Ab- oder Ausscheidungen – Bruchbildung (lokale Versprödung, Ermüdung) – Verfärbung – Veränderung des Oberflächenglanzes – Messbare Veränderung der Materialeigenschaften (z. B. mechanisch) – Veränderung des chemischen Verhaltens Alterung durch mechanische Belastung Die bekannteste Auswirkung einer mechanischen Langzeitbelastung ist das Kriechen. Hierbei wird zwischen dem Relaxieren (Abnahme der Spannung bei konstanter Dehnung) und dem Retardieren (Zunahme der Dehnung bei konstanter Spannung) unterschieden [10]. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die in der Regel ohne chemische Reaktion ablaufen. Durch die mechanische Belastung gleiten im Laufe der Zeit die Molekülketten voneinander ab. Das Altern unter mechanischer Belastung wird mitunter auch als Ermüden bezeichnet. Polymere ermüden durch statische als auch durch dynamische Beanspruchung. Die für eine Schädigung des Kunststoffs notwendigen Kräfte sind hierbei bei dynamischer Beanspruchung meist kleiner als bei statischer Beanspruchung. Alterung durch thermische Belastung Eine Temperaturerhöhung führt allgemein zur Steigerung der Beweglichkeit von Molekülen und Molekülgruppen in Polymeren. Mit zunehmender Temperatur und Dauer der Einwirkung können dabei neben reversiblen auch irreversible Veränderungen des Polymers auftreten. Hierzu zählen beispielsweise die Verflüchtigung niedermolekularer Bestandteile (z. B. Additive), die Abspaltung spezifischer Atome und Molekülsegmente, Kettenbrüche, Nachvernetzungsreaktionen oder der beschleunigte chemische Abbau durch Oxidation. Chemische Veränderungen basieren hierbei auf dem Aufbrechen von chemischen Bindungen, wodurch die Irreversibilität bedingt wird.
Neben der Wirkung von konstant hohen Temperaturen wirken vor allem auch Temperaturwechsel alternd. Zum einen über die oben genannten Mechanismen, zum anderen über das Einbringen von wechselnden mechanischen Spannungen in das Kunststoff-Bauteil, die zu einer Ermüdung insbesondere von Verbundwerkstoffen (z. B. durch Delamination an Grenzflächen) führen können. Alterung durch energiereiche Strahlung (Photodegradation) Folgende Formen energiereicher Strahlung, die Schädigungen an Kunststoffen hervorrufen, können unterschieden werden: α-Strahlung: Strahl bestehend aus Heliumkernen β-Strahlung: Elektronenstrahlung γ-Strahlung: Kurzwellige elektromagnetische Wellen Prinzipiell führt energiereiche Strahlung zur Alterung, wenn das Polymer die Energie aufnehmen kann und die aufgenommene Energie zur Bindungsspaltung ausreicht (strahleninduzierter Abbau) [18]. In Bezug auf die natürliche Bewitterung ist das UV-Licht (λ = 280 bis 400 nm) von besonderer Bedeutung, da es ebenfalls alternd auf Polymere wirken kann. Der zugrundeliegende Vorgang der Photodegradation hängt dabei von der Energiedichte, der Wellenlänge des Lichts und der Dauer der Strahlungsbelastung ab [27, 28]. Prinzipiell kann Licht von Kunststoffoberflächen reflektiert, gestreut, vom Material durchgelassen oder absorbiert werden. Vor allem der absorbierte Anteil bewirkt photochemische Veränderungen wie Kettenspaltungen, Nachvernetzung sowie die Veränderung vorhandener oder Bildung neuer funktioneller Gruppen im Molekül. Diese Vorgänge laufen meist über reaktive Zwischenstufen (z. B. Radikale) ab. Deshalb besteht die photochemische Reaktion aus Primär- (UV-Strahlung führt zur Bildung von Zwischenprodukten) und Sekundärvorgängen (Zwischenprodukte reagieren zu stabilen Endprodukten) [29]. Einwirkung von Sauerstoff (Oxidation) Beim sog. thermooxidativen Abbau entstehen unter Anwesenheit von Sauerstoff Primärradikale durch Einwirkung von Wärme und evtl. gleichzeitiger mechanischer Beanspruchung auf den Kunststoff. Bestimmte Substanzen wie z. B. sterisch gehinderte Phenole oder Amine besitzen die Eigenschaft, diese Radikale abzufangen. So wirken Di-tert.-Butylphenole beispielsweise als Radikalfänger (Antioxidantien). Aus dem nachfolgend angegebenen Reaktionsschema wird deutlich, dass der Oxidationsinhibitor verbraucht wird. Die Thermooxidation kann somit so lange verzögert werden, bis der Radikalfänger vollständig verbraucht ist.
3.4 Chemische Eigenschaften
101
Peroxidradikal Hydroperoxid Mesomeriestabiliserung
Radikalfängerfunktion von Di-tert.-Butylphenol Kennzeichnend für den thermooxidativen Abbau ist die kombinierte Einwirkung von Wärme und Sauerstoff, die zur Veränderung der chemischen Zusammensetzung des Polymers führt. Meist tritt hierbei eine Reaktionsbeschleunigung bei Temperaturerhöhung auf [10]. Metallische Verunreinigungen oder Zusatzstoffe (z. B. Kupfer) können den thermooxidativen Abbau katalytisch beschleunigen. Die nach dem thermooxidativen Abbau beobachtbaren Oxidationsphänomene äußern sich beispielsweise in Veränderungen der Viskosität, Dehnbarkeit, Schlag- und Zugfestigkeit sowie durch Oberflächenrissbildung. Weitere atmosphärisch bedingte Faktoren wie gasförmige Verunreinigungen in der Luft (z. B. Schwefeldioxid, Stickoxide, Ammoniak, Kohlenmonoxid, Ozon, Kohlendioxid, Halogenverbindungen oder Formaldehyd) und feste Verunreinigungen in der Atmosphäre (Flugstaub, Sand und Ruß) bewirken eine Beschleunigung von Alterungsvorgängen im Polymer. Während die gasförmigen Verunreinigungen Polymere vor allem chemisch angreifen können, bewirken die festen Partikel überwiegend abrasive Schädigungen der Kunststoffoberfläche.
3.4.3
Schutzmaßnahmen gegen Alterungsvorgänge
Geeignete Alterungsschutzmittel (Stabilisatoren) werden zum Schutz von Kunststoffen gegen die Einwirkung von Luftsauerstoff, Wärme und Sonnenlicht eingesetzt. Die Stabilisatoren greifen dabei hemmend in den Alterungsprozess ein [10]. Dadurch wird die Gebrauchstauglichkeit des Werkstoffs bzw. Bauteils wesentlich verbessert und eine Verlängerung der Produktlebensdauer erzielt. Stabilisatoren gehören zur Gruppe der Additive, die den Polymeren bei der Herstellung bzw. bei der Bauteilproduktion zugesetzt werden, um die Verarbeitungs- bzw. Gebrauchseigenschaften einzustellen. Grundlegend können Stabilisatoren in die folgenden Gruppen eingeteilt werden (s. a. Kapitel 3.5.1 ff ):
Radikalfänger (primäre Antioxidantien) Sie schützen während der Herstellung, Formgebung und dem Gebrauch vor der oxidierenden Wirkung von Sauerstoff und anderen Oxidationsmitteln. Im Wesentlichen handelt es sich um Moleküle, die den Abbruch der Kettenreaktion während des Autooxidationsprozesses bewirken und in der Lage sind, sehr stabile mesomeriestabilisierte Radikale auszubilden. Diese Stabilisatoren werden ohne weitere Zusätze im Laufe der Reaktion irreversibel verbraucht. Costabilisatoren (sekundäre Antioxidantien) Die Wirksamkeit von primären Stabilisatoren wird durch diese Zusätze aufgrund synergistischer Wirkung signifikant verbessert. Entstehende Hydroperoxide werden durch Costabilisatoren zum Alkohol reduziert und damit dem Autooxidationsprozess entzogen. Diese Stabilisatoren (z. B. organische Phosphite) werden ebenfalls in Abhängigkeit von der Belastung irreversibel verbraucht. Lichtschutzmittel Diese Stabilisatoren werden zur Erhöhung der Lichtbeständigkeit von Kunststoffen eingesetzt, um die Verwendung des Kunststoffprodukts bei natürlicher Bewitterung im Freien zu ermöglichen. Dabei sind zwei Typen von Lichtschutzmitteln zu unterscheiden: UV-Absorber und Quencher. UV-Absorber wandeln energiereiche UV-Strahlung in vergleichsweise harmlose Wärme um. Beispiele für UVAbsorber sind Hydroxybenzophenone, Hydroxybenzotriazole und Zimtsäureester. Quencher (Löscher) können die Photonenenergie, die bereits vom Makromolekül aufgenommen wurde, durch Energietransfer aufnehmen und in Wärme umwandeln. Die Energie des Photons spaltet somit keine Bindungen im Polymer. Häufig werden metallorganische Nickelverbindungen als Quencher eingesetzt [29]. Sowohl UV-Absorber als auch Quencher werden durch die Lichteinwirkung nicht zerstört, d. h. ihre Funktion bleibt während der gesamten Anwendungsdauer erhalten.
102
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Literatur zu Kapitel 3.1 bis 3.4 [1] [2]
[3]
[4]
[5]
[6] [7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14] [15]
[16] [17]
Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 2007/08; 14. Aufl, Fraunhofer ICT, Pfinztal Delpy U (1994) Kunststoffe als Konstruktionswerkstoffe. Vorlesungsmanuskript Stuttgart: Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde, Universität Stuttgart Hennig J Wie beeinflusst das Molekulargewicht die Eigenschaften von PMMA. Darmstadt: Röhm + Haas, Spektrum Kunststoff-Physik im Gespräch; Gespräche über Eigenschaften der Kunststoffe. Ludwigshafen: BASF, 1988, S 87 Tobolsky AV (1967) Mechanische Eigenschaften und Struktur von Polymeren. Stuttgart: Berliner Union, 371 S. Osen E, Sckuhr M (1999) Thermoplastische Elastomere (TPE). Kunststoffe 89, 10, S 176-179 Menges G, Haberstroh E, Michaeli W, Schmachtenberg E (2002) Werkstoffkunde Kunststoffe. München: C. Hanser Verlag, 5. Auflg., ISBN 3-446-21257-4 Lutz W (2007) Einfluss von Morphologie und struktureller Anisotropie auf die thermomechanischen Eigenschaften spritzgegossener PP- und PA6-Werkstoffe. Stuttgart: Dissertation, IKP Universität Stuttgart Elias H-G (1971) Makromoleküle. Basel/Heidelberg: Hüthig & Wepf, 856 S. (1. Aufl.); Weinheim: WileyVHC, 1999-2003 (6. Aufl.) Ehrenstein GW (1999) Polymer-Werkstoffe. Struktur, Eigenschaften, Anwendung. 2. Aufl., C. Hanser Verlag, München, Wien Schwab M (Bakelite , Hexion) Rieselfähige Duroplaste – Grundlagen und Anwendungen. Vortrag am 2.12.2004 am Fraunhofer ICT, Pfinztal teilweise entnommen aus: Guy AG (1970) Metallkunde für Ingenieure. Frankfurt: Akademische Verlagsgesellschaft, 528 S. Häusler O, Hohmann G, Weiß R (2004) Erweiterte Materialmodelle zur Beschreibung von nichtelastischen Effekten polymerer Werkstoffe. FFD im Dialog, spezial Ausgabe 1, S 4-12 Mullins L (1947) Effect of Stretching on the Properties of Rubber; J. Rubber Research 16, S 275-289 Gohl W, Spies KH (2003) Elastomere – Dicht- und Konstruktionswerkstoffe. Renningen: expert Verlag, 5. Aufl Hempel J (2001) Elastomere Werkstoffe. Weinheim: Freudenberg Franck A (1981) Vortrag auf dem 7. Stuttgarter Kunststoff-Kolloquium
®
[18] Franck A (2000) Kunststoff-Kompendium. Vogel-Verlag, Würzburg (5. Aufl.) [19] Sommer W (1959) Elastisches Verhalten von Polyvinylchlorid bei statischer und dynamischer Beanspruchung. Kolloid-Zeitschrift 167(1959)2, S 97-131 [20] Foliensammlung für die Lehre. Wissenschaftlicher Arbeitskreis der Universitäts-Professoren der Kunststofftechnik WAK, Bayreuth, 2004 [21] Clemens W (2003) Polymerelektronik – Integrated Plastic Circuits (IPC). Vortrag + Tagungsband: “WING”-Konferenz, Weimar, 29.-31.10.2003, S 184191 [22] Krebs C (1998) Avondet M-A Leu K Langzeitverhalten von Thermoplasten. C. Hanser Verlag, München, 282 S [23] Dolezel B (1978) Die Beständigkeit von Kunststoffen und Gummi. C. Hanser Verlag, München, Wien [24] Affolter S Langzeitverhalten von Thermoplasten, S 120, Internet-Veröffentlichung, Interstaatliche Hochschule für Technik NTB, Buchs, Schweiz; www.ntb.ch [25] Dobmaier A (2004) Produktherstellung mit Rezyklat. Abschlußpräsentation des BMBF-Vorhabens „Kreislaufführung flüssigkeitstragender Polymerbauteile“. Ottendorf-Okrilla, 22.04.2004 [26] Twardon G, Wagner Th (2007) Alterung und Beständigkeit von Kunststoffen. In: Eyerer, P.: Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript, WS 2007/08; 14. Aufl, Pfinztal: Fraunhofer ICT [27] Rabek JF (1996) Photodegradation of Polymers. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York [28] Woebcken W (1981) Natürliche und künstliche Alterung von Kunststoffen, C. Hanser Verlag, München, Wien, S. 199 ff. [29] Batzer H (1985) Polymere Werkstoffe. Georg Thieme Verlag Stuttgart, Band II [30] Bartz WJ et al. (1993) Selbstschmierende und wartungsfreie Gleitlager. Expert Verlag [31] ISO/FDIS 7148-22 (1999) (E) Plain bearings – Testing of the tribological behaviour of bearing materials – Part 2: Testing of polymer-based bearing materials [32] DIN ISO 4378-2 (1999) Gleitlager – Begriffe, Definitionen und Einteilung – Teil 2: Reibung und Verschleiß. Beuth Verlag GmbH, Berlin [33] Halach G (1974) Gleitreibungsverhalten von Kunststoffen gegen Stahl und seine Deutung mit molekularmechanischen Modellvorstellungen. Dissertation Universität Stuttgart [34] Erhard G, Strickle E (1972) Gleitelemente aus thermoplastischen Kunststoffen. Kunststoffe 62, Teil 1 S 2-9, Teil 2 S 232-234, Teil 3 S 282-288 [35] VDI-Richtlinie 2541 (1975) Gleitlager aus themoplastischen Kunststoffen
3.4 Chemische Eigenschaften [36] DIN ISO 6691 Entwurf (1999) Thermoplastische Polymere für Gleitlager; Klassifizierung und Bezeichnung [37] Ticona GmbH Fortron Chemical Resistance Guide Version 3.0 [38] Ticona GmbH GUR Beständigkeit gegen Chemikalien und andere Medien [39] Ticona GmbH Werkstoffbroschüre GUR [40] Untersuchungsbericht der Forschungsgesellschaft für Uhren- und Feingeräte-Technik e. V. Stuttgart 26.3.1981 [41] Flöck J, Friedrich K (1997) Bestimmung des Haftreibungskoeffizienten verschiedener POM-Paarungen. IVW-Bericht 97-84, Kaiserslautern [42] Erhard G (1993) Konstruieren mit Kunststoffen. Hanser Verlag München, Wien [43] Ticona GmbH B.3.4 Berechnen von Pressverbindungen [44] Ticona GmbH C.3.5 Outsert-Technik mit Hostaform [45] Ticona GmbH C.3.3 Gestalten von Formteilen aus technischen Kunststoffen [46] Erhard G, Strickle E (1978) Maschinenelemente aus thermoplastischen Kunststoffen. VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf [47] Detter H, Holecek K (1970) Der Reibungswiderstand und die Beanspruchung von feinmechanischen Lagern im Trockenlauf bei kleinen Geschwindigkeiten. Feinwerktechnik 74, Nr. 11 [48] Meldt R, Röber H (1973) Polyacetale und Polyalkylenterephthalate helfen Gleitprobleme lösen. Konstruktion 25, S 357-363 [49] Ticona Technologie Literatur (2001) Werkstoffkennwerte für Hostaform unter Langzeitbelastung. Frankfurt, Ticona [50] Kettl R (2007) Anwendungen aus PE, für verschiedene Medien im Motorrarum. Vortrag auf 10. KunststoffMotorbauteile-Forum ask, Otto Altmann, 22./ 23.01.2007, Spitzingsee [51] Biederbrick KH (1977) Kunststoffe kurz + bündig. Vogel Verlag, 4. Auflage
Weiterführende Literatur: Ashby MF, Jones DRH, Heinzelmann M (Hrsg) (2006) Werkstoffe 1: Eigenschaften, Mechanismen und Anwendungen. 3. Auflage, Elsevier, München, 318 S Ashby MF, Jones DRH, Heinzelmann M (Hrsg) (2007) Werkstoffe 2: Metalle, Keramiken und Gläser, Kunststoffe und Verbundwerkstoffe. 3. Auflage, Elsevier, München, 318 S
103
Baur E (2007) Werkstoffdatenbank in neuer Version – Campus 5.1. Kunststoffe 97(2007)5, S 76–77 BASF Kompetenz in Kunststoff (CD). Information, Links, Downloads. http://www.plasticsportal.com Chatain, M., Ind. Plastiques Modernes; Bd. 10, 45, Mai 1958 Bd. 10, 37, Juni 1958 Dealy JM, Larson RG (2006) Structure and Rheology of Molten Polymers. München, Hanser, 530 S Ehrenstein GW, Pongratz S (2007) Beständigkeit von Kunststoffen. Hanser Verlag, München, 1374 S, 2 Bände Gächter, R.; Müller, H., Kunststoffadditive; C. Hanser Verlag, München, Wien, 1989, 3. Aufl. Grassis, N., Developments in Polymer Degradation; Applied Science Publishers LTD.; 1977 Grellmann, W.; Seidler, S., Deformation und Bruchverhalten von Kunststoffen, 1998, 495 S. VDI Buch N.N. (2007) Encyclopedia of polymer science and technology. 3. Aufl, J. Wiley, Hoboken NJ Jeltsch TH (2007) Bis an die Grenze des machbaren (Metallsubstitution) Kunststoffe 97(2007)8, S 144–147 Kaiser, M.; Reichert, T.; Herrmann, W., Studie zur UV-Stabilität von Kunststoffen in Photovoltaik Modulen; (im Auftrag der TÜV Immissionsschutz und Energiesysteme GmbH); Fraunhofer ICT, 2000 Kaiser W (2007) Kunststoffchemie für Ingenieure. Hanser Verlag, München, 567 S Leute U (2006) Elektromagnetische Verträglichkeit mit leitfähigen Kunststoffen. Renningen: Kontakt & Studium Bd 678, 1. Aufl, 191 S Reder R (2007) Potenzial für mehr Leistung (Maßgeschneiderte PP-Werkstoffe) Kunststoffe 97(2007)7, Seite 36– 37 Rodriguez-Sanchez A (2007) Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum viskoelastischen Verhalten von kurzglasfaserverstärktem Polyamid mit Schädigung. Dissertation, Universität Stuttgart Roekens H, Beyer A (2007) Großes Potential für die Kunststoff-Industrie – Photovoltaik, Kunststoffe 97(2007)5, S 92–95 Saechtling, H., Kunststofftaschenbuch, 25. Ausgabe, C. Hanser Verlag, München, Wien, 1992 Vergnaud JM, Rosca ID (2006) Assessing Food Safety of Polymer Packaging. Rapra, Shrewsbury, 278 S Wilke, K., Photokatalyse an Titandioxid, Grundlagen und Anwendungen, Dissertation Universität des Saarlandes, Saarbrücken 1997 Wulfhorst B (2006) textile Technology. München, Hanser, 320 S
104
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
3.5
Zusatzstoffe für Kunststoffe
Nur wenige Polymere (Thermoplaste, Duroplaste, Elastomere, abgewandelte Naturprodukte) sind so wie die Synthese sie liefert, verarbeit- und verwendbar. Wärme- und Sauerstoffeinwirkung würden sie bereits bei der Verarbeitung schädigen. Dazu kommen die Umweltbedingungen bei Lagerung und Einsatz der Halbzeuge und Fertigprodukte, zu denen unter den umgebenden flüssigen und gasförmigen Medien vor allem der Luftsauerstoff – häufig im Zusammenwirken mit dem UV-Anteil in der Sonnenstrahlung – und erhöhte Temperatur gehören. Außer dem unerlässlichen Schutz gegen diese schädigenden Einwirkungen erfordert die jeweilige Anwendung dieser Werkstoffe eine mehr oder weniger große Anzahl von Zusatzstoffen, die das Eigenschaftsbild, die Verarbeitbarkeit oder das Aussehen beeinflussen [1]. Daraus resultiert eine Vielzahl unentbehrlicher Additive, die aus den Ausgangsprodukten erst praxistauglich verarbeitbare Harze, Formmassen und hochwertige Formstoffe, d. h. Werkstoffe, machen.
Um über die außerordentliche Vielfalt an Zusatzstoffen einen Überblick zu gewinnen, sei zunächst ein ordnendes Prinzip eingeführt. Grundsätzlich können drei Arten unterschieden werden [4], [5]. – Funktions-Zusatzstoffe (Verarbeitungshilfsmittel, Eigenschaftsverbesserer, Modifikatoren) – Füllstoffe und Pigmente (Performance Additive) – Verstärkungsstoffe (Eigenschaftsverbesserer) Bevor einzelne Zusatzstoffe/Additive detailliert dargestellt werden, hier noch ein übergeordneter Gedanke: Allen Additiven gemeinsam ist, dass ihre Wirkung von der Löslichkeit im betreffenden Polymer abhängen [6], [1]. Parameter dabei sind ihre chemische Struktur, die Temperatur, die Kristallinität der Matrix. So können sich die Additive nur in der amorphen Phase von beispielsweise teilkristallinen Thermoplasten lösen. In dieser erhöht sich die Additivkonzentration beim Abkühlen aus der Schmelze [6]. Für die Stabilisierung ist dies vorteilhaft, da Sauerstoff- und Lösemittelatome nur im erhöhten Leerstellenvolumen der (fehlstellenreichen) amorphen Phase permeieren.
Tabelle 3-23 Hilfsstoffe (zusätzlich zu Füllstoffen und Farbmitteln) in thermoplastischen Werkstoffen [2] Additiv usw.
PE
PP
PS
ABS
PVC
PMMA
•
•
•
•
• • • • •
• • • •
• • • •
• • • •
• • • • •
• • • •
• • • • • •
• • • • •
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
• •
•
•
• •
• •
PET
PC
PA
POM
• • • •
• • • •
• • •
•
•
•
•
•
Verarbeitungsadditive Gleitmittel Trennmittel Nukleierrungsmittel
•
Gebrauchsadditive Stabilisatoren Antioxidantien Lichtschutzmittel Wärmestabilisatoren Flammschutzmittel Biozide
•
•
•
•
•
•
•
• •
• • •
•
•
•
Modifikatoren für die Masse Fasern Haftvermittler Benetzungsmittel Weichmacher Schlagzähmacher Blähmittel Vernetzungsmittel
•
Modifikatoren für die Oberfläche Antistatika Antiblockiermittel
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Wird die Löslichkeitsgrenze eines Additivs im Kunststoff bei gegebener Temperatur überschritten, kommt es zum Ausblühen (Blooming). Oberflächenbeläge sind die Folge mit Problemen beim Beschichten, Lackieren, Kleben, Bedrucken. Beim Spritzgießen sind es typischerweise die Formtrennmittel, die bei Überdosierung Oberflächenfehler und Haftungsprobleme bei Folgeprozessen verursachen [6]. Flaschenverschlüsse sind ein sensibles Beispiel für exakt eingestellte Dosierung der Gleitmittel. Unterdosierung führt zu erhöhtem Drehmoment beim Schließen und zu undichten Verschlüssen. Überdosierung ergibt die geschilderten Bedruckungsprobleme und viel gravierender: Additivwanderungen in das Gut [6].
3.5.1
Funktionszusatzstoffe (Additive)
Eine jährliche Übersicht zum aktuellen Stand der Additive gibt W. Hohenberger [3] in der Zeitschrift Kunststoffe. Um den Zugriff zu den einzelnen Funktions-Additiven [7] zu erleichtern, wird die alphabetische Reihenfolge gewählt, die jedoch nicht der anwendungstechnischen oder wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Produkte entspricht. Es sind dies im Einzelnen (Auswahl): Antioxidantien Antistatika Beschleuniger, Aktivatoren Brandschutzausrüstung Emulgatoren Farbmittel Festschmierstoffe Fließhilfsmittel Gleit-, Slip-, Antislip-, Antiblock- und Formtrenn-Mittel Härter Haftvermittler Inhibitoren Keimbildner Kicker LP-Additive Metalle und Metalloxide Mikrobentötende Zusatzstoffe Phlegmatisierungsmittel Photoinitiatoren Schlagzähigkeitsverbesserer Treibmittel UV-Stabilisatoren Wärmestabilisatoren Weichmacher Wiederum eine Auswahl hiervon wird im Folgenden detailliert behandelt.
105
Tabelle 3-24 Hilfsstoffe (zusätzlich zu Füllstoffen und Farbmitteln) in duroplastischen Werkstoffen [2] Additiv usw.
PF
UP
EP
PUR
• •
•
•
• • • •
• • • •
• • • • •
• • •
• • •
•
•
•
•
Verarbeitungsadditive Gleitmittel Trennmittel Antischaummittel Schrumpfverhinderer Gebrauchsadditive Stabilisatoren Antioxidantien Lichtschutzmittel Wärmestabilisatoren Flammschutzmittel Biozide
•
Modifikatoren für die Masse Fasern Haftvermittler Benetzungsmittel Weichmacher Verdicker Schlagzähmacher Blähmittel Vernetzungsmittel
• • •
•
• • • • • • • •
Modifikatoren für die Oberfläche Antistatika Antiblockiermittel
3.5.1.1
•
Antioxidantien (AO)
Die Antioxidantien (AO) [4], [5] verlängern oder erhalten die Lebensdauer eines Kunststoffteiles, indem sie den oxidativen Abbau verlangsamen oder gar unterbinden. Wärme, UV-Strahlung, Scherbeanspruchung bei der plastischen Verarbeitung, metallische Verunreinigungen oder aus der Synthese stammende Spuren von Hydroperoxiden können durch die Bildung freier Radikale und/oder peroxidische Oxidation den Abbau des Polymeren einleiten. Die anschließenden komplexen chemischen Reaktionen verändern die molare Masse des Polymeren durch Spalten oder Vernetzen. Die Oxidationsempfindlichkeit der einzelnen Kunststoffe ist sehr unterschiedlich. PTFE und PMMA sind sehr stabil, während die Polyolefine sowie grundsätzlich alle ungesättigten Polymeren ohne den Schutz durch AO nur eine kurze Lebensdauer aufweisen würden. Unterschiede in der Wirksamkeit der AO beruhen auf dem jeweiligen Polymeren, der Verarbeitungs- und Gebrauchstemperatur, dem Verwendungszweck sowie auf
106
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-25 Übersicht über Produkte und entsprechende Firmen (Auswahl) [3] Produkte
Handelsname
Hersteller
Titandioxid Lasersensitive Pigmente Effektpigmente Ultramarinpigmente Pigmente für Polyolefine Farbmittel für transparente Einfärbung UV-Absorber Gekapselter Ruß PVC-Stabilisator PVC-Stabilisator PVC-Stabilisator (flüssig) PVC-Stabilisator (One-Pack) Flammschutzmittel (bromiert) Flammschutzmittel (Melamin) Flammschutz-Synergist Flammschutzmittel (Basis roter Phosphor) Kalzinierter Kaolin Kalzinierter Kaolin Calciumcarbonat Calciumcarbonat Silica-Produkt
Tronox CR Iriodin LS Magic Green K9811 Premier XS Cromophtal ClearTint ClearShield Black Pearls 4890 OBS Stabilox CZ 2913 GN Anox 1315 NDB FR 1808 Melapur 200 Zinksulfid Exolit Dorkafill Polarite 402 Mikhart MU 08 Filmlink 450 Tremin 939
Kerr-M Gee Pigments Merck BASF Holliday Pigments Ciba Spezialitätenchemie Miliken Miliken Cabot Crompton Corporation, Chemson Polymer-Additive Cognis Great Lakes Great Lakes Dead Sea Bromine DSM Sachtleben Chemie Clariant Dorfner Imerys Provencale Imerys Quarzwerke
Tabelle 3-26 Weltweiter Verbrauch einiger Additive in Mio. t nach [3] Füllstoffe Weichmacher Pigmente Flammschutzmittel Stabilisatoren
10 4 2 0,9 0,4
davon die Hälfte für PVC davon ca. 60% für PVC
Europa beansprucht etwa ein Viertel.
den chemischen und physikalischen Eigenschaften der AO selbst. Eine hohe molare Masse verringert die Flüchtigkeit und die Extrahierbarkeit. Die AO dürfen zu keiner Zeit die Polymeren verfärben oder mit anderen Zusatzstoffen reagieren. Bei Berührung mit Nahrungs- und Genussmitteln müssen die Anforderungen des Lebensmittelgesetzes erfüllt werden. Die AO werden in zwei Gruppen eingeteilt: Primäre AO (Endgruppenbildner), die durch Reagieren mit kettenbildenden Radikalen die Oxidation hemmen (z. B. substituierte Phenole und aromatische Amine) sowie die sekundären AO (Peroxidzersetzer), die die Peroxide und Hydroperoxide in nicht radikalische, stabile Verbindungen umwandeln. Zu diesen präventiv wirkenden AO gehören die Phosphite,
Phosphonate und Thio-Verbindungen. Die metallkatalysierte thermische Oxidation von Polyolefinen, insbesondere von Polypropylen, kann durch den Zusatz von sterisch gehinderten Phenolen und aromatischen Diaminen nur unzureichend verzögert werden. Das Ummanteln von Kupferleitungen und der Kontakt mit kupferhaltigen Legierungen erfordern den Zusatz von Metalldesaktivatoren (MD) wie Hydrazide oder Hydrazone. Dabei bildet der MD mit der katalytisch aktiven Metallverbindung einen Komplex, der nur noch eine geringe katalytische Wirkung besitzt. Die Zusatzmengen betragen 0,05 bis 0,5 %. Auch füllende oder verstärkende Zusatzstoffe wie Schiefermehl, Kreide oder Talkum können wegen der darin enthaltenen Metallanteile, beispielsweise von Eisen oder Mangan den Zusatz von MD erforderlich machen [8]. Sehr viele Polymeren sind durch die gleichzeitige Verwendung von zwei oder mehreren AO besser stabilisierbar als mit einem einzigen. Die wirksamsten Mischungen von AO sind solche, in denen eine Komponente als Radikalfänger und die andere als Peroxidzersetzer wirkt. Wenn beide Komponenten sich wechselseitig regenerieren spricht man von Synergismus. Wenn auch bei nahezu allen Polymeren die AO zu den unentbehrlichen Rezeptbestandteilen gehören, so entfallen dennoch etwa 85 % des Verbrauchs auf ABS, PP, PE-LD, PE-HD und PS.
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Die ABS- und SB-Polymeren erfordern den Zusatz von AO wegen der in der Kautschukphase vorhandenen ungesättigten Doppelbindungen. Wärme und UV-Strahlung beschleunigen die Oxidation. Wegen der hohen Verarbeitungstemperatur werden meistens Kombinationssysteme (gehinderte Phenole und Phosphite) bevorzugt. Die Zusatzmenge beträgt 0,25 bis 2,5 %. Die tertiären C-Atome des Polypropylen und der Propylen-Copolymerisate sowie die verhältnismäßig hohen Verarbeitungstemperaturen erfordern die Verwendung höhermolekularer Phenole und Phosphite sowie von synergistisch wirkenden Thioestern. Die Zusatzmengen betragen insgesamt 0,25 bis 1,5 %. Produkte in staubfreier Form sind Stand der Technik [9]. PE-LD erhält eine geringere Zusatzmenge an AO als PEHD und zwar vor allem deshalb, weil die vorwiegend aus PE-LD hergestellten Folien als Produkt kurzlebig sind. Bevorzugt werden niedermolekulare Phenole oder Phosphitkombinationen in Konzentrationen von 50 bis 500 ppm. PE-HD erfordert höhere Konzentrationen höhermolekularer Polyphenole. Thioester dienen häufig als Synergist. Phosphite vermeiden die durch Katalysatorreste möglichen Verfärbungen. Bei den für das Ummanteln von Drähten und Kabeln verwendeten Typen dienen Metalldesaktivatoren als Schutz gegen die Wirkung von Kupfer. PS weist natürliche Thermostabilität auf. Antioxidantien werden nur dann zugegeben, wenn es auf geringere Schädigung bei der Verwendung von Rückführmaterial ankommt. Vorwiegend werden Phosphite und Polyphenole mittlerer Molmasse in Zusatzmengen von 0,1 bis 0,4 % gewählt. PS ist gegen Photooxidation empfindlich. Das Vergilben und Verspröden kann nur durch eine UV-Stabilisierung verhindert werden.
Tabelle 3-27 Elektrische Leitfähigkeiten einiger Polymere nahe Raumtemperatur [10] und einiger Füllstoffe (Ruße komprimiert, nach [13]; ZinnoxidPulver bei 2 kbar) [11], [12] PTFE PC PP PS PSU ABS Silber Kupfer Aluminium Edelstahl Graphit Leitruß SnO2 mit Sb2O5
< 10-16 < 10-15 < 10-15 < 10-14 < 10-14 < 10-13 6,3 · 107 5,8 · 107 3,6 · 107 ca. 1 · 106 ca. 1 · 105 1 bis 2,5 · 103 ca. 10
1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm 1/Ωm
107
Bei Polyacetalen (POM) ist ein thermischer und ein oxidativer Abbau möglich. Der thermische Abbau wird durch Stabilisieren der Endgruppen mit Hilfe von Aminen und Amiden oder durch Copolymerisieren mit Methylengruppen in der Hauptkette erreicht. Als AO bewähren sich substituierte Phenole. PA, PC, UP und PUR neigen nicht zu raschem oxidativen Abbau. Sie vergilben und verändern ihre Eigenschaften nur wenig. Als Thermostabilisatoren eignen sich vor allem die Phosphitester; häufig in Verbindung mit substituierten Phenolen. Der thermische Abbau von PVC wird durch Wärmestabilisatoren (Stearate, Laurate, Rizinolate von Calcium, Barium und Strontium) sowie organische Zinnverbindungen verzögert. Außerdem nutzt man die synergistische Wirkung von Metallverbindungen, beispielsweise Ba/Zn. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre der AO erstreckte sich auf das Verbessern der Wirksamkeit bei höherer Temperatur, geringere Flüchtigkeit und Extrahierbarkeit sowie bessere Handhab- und Verarbeitbarkeit. Die neueren AO sind höher molekular und enthalten zusätzlich multifunktionelle Gruppen, die den synergistischen Effekt verstärken. (Antioxidantien: siehe auch bei Stabilisatoren).
3.5.1.2
Antistatika
Die Kunststoffe verdanken ihre Entwicklung und ihre rasche Einführung in die Technik vor allem ihren vorzüglichen elektrischen Isoliereigenschaften. Doch der hohe Oberflächenwiderstand von bis zu 1017 Ω ist zwangsläufig die Ursache für die statische Aufladbarkeit der Kunststoffe bei der Verarbeitung und bei der Verwendung. Statisch aufgeladene Flächen ziehen den Staub an, sie behindern das Trennen von Folienlagen und können durch Funkenbildung zu Feuer und Explosionen führen. Elektronik-Bauteile werden in Behältern gelagert, bei denen die statische Elektrizität zu einer erschwerten Handhabung und beeinträchtigten Leistung führen kann. Auch Video- und Audiobänder können durch statische Aufladung gestört oder gar gelöscht werden. Die elektronische Technik wirft das Problem der elektromagnetischen Abschirmung (EMV) auf. Die Ladungsdichte ist auf den Oberflächen ungleichmäßig verteilt [13]. Die Wirkung der Antistatika besteht darin, diese Ladungen über die gesamte Oberfläche gleichmäßig auszubreiten und abzuleiten. Hinsichtlich ihrer Wirkung kann man drei Arten von Antistatika unterscheiden: äußerlich aufzubringende, inkorporierte mit der Fähigkeit, an der Oberfläche auszublühen und inkorporierte ohne Migration zur Oberfläche. Die Antistatika erfüllen die Aufgabe, je nach der Dauer ihrer Wirksamkeit entweder vorübergehend oder ständig
108
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
die vorhandene Ladung an die in der umgebenden Luft enthaltene Feuchtigkeit abzugeben [4], [14]. Äußere Antistatika Die äußerlichen Antistatika werden durch Sprühen oder Tauchen aufgetragen. Diese Flüssigkeiten enthalten meist 0,1 bis 0,2 % einer oberflächenaktiven Substanz wie quaternäre Ammoniumsalze von Fettsäuren oder ethoxylierte Glycolester von Fettsäuren. Die verdunstende Flüssigkeit hinterlässt eine hydrophile Substanz, die aus der umgebenden Luft so lange Feuchtigkeit aufnimmt, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist. Das Ergebnis ist eine leitfähige Oberfläche, auf der sich die Ladung gleichmäßig verteilen kann. Die Wirkung des Antistatikums ist mithin abhängig von der Temperatur, der relativen Feuchtigkeit und dem hydrophilen Charakter des Antistatikums. Diese Substanzen wirken nur so lange, wie sie auf der Oberfläche verbleiben. Nach jedem Hantieren, vor allem Waschen und Spülen, ist erneutes Auftragen erforderlich. Innere Antistatika (flüssige und feste) Die inneren Antistatika werden nach Maßgabe des jeweiligen Polymeren bzw. der gegebenen maschinentechnischen Ausrüstung gewählt. Die Zugaben der flüssigen Agenzien setzt eine geeignete Auslegung der Extrusionsanlage voraus. Feste Substanzen werden dem Kunststoff üblicherweise durch Trockenmischen vor dem Extrudieren oder Spritzgießen zugesetzt. Als innere Antistatika werden ethoxylierte tertäre Amine von Fettsäuren oder ethoxylierte Glycolester von Fettsäuren verwendet [14]. Diese hydrophilen Substanzen migrieren zur Oberfläche und bilden dort wie die äußerlich wirkenden Antistatika eine leitende Schicht, auf der sich die Ladungen verteilen können. Daraus geht hervor, dass die Wirksamkeit wesentlich von der Migrationsgeschwindigkeit dieser Stoffe abhängt. Treten sie nur langsam an die Oberfläche, dann kann es Stunden bis Tage dauern, bevor sie wirksam werden. Ihre Konzentration sollte nie größer sein, als der Löslichkeit im jeweiligen Polymeren entspricht, denn ein Überschuss könnte auf der Oberfläche von Schnecke und Zylinder als Gleitmittel wirken, was die Durchsatzleistung und die Mischwirkung erheblich beeinträchtigen kann. Folglich sollte die Löslichkeit bei hoher Temperatur groß und bei niedriger Temperatur gering sein. Der dritte Typ von Antistatika wandert nicht an die Oberfläche. Sie verleihen den damit ausgerüsteten Kunststoffen in der ganzen Masse eine mehr oder weniger hohe elektrische Leitfähigkeit und damit einen dauerhaften und gleich bleibenden Schutz. Sie übertreffen auch die Wirkung von Leitlacken, die bis heute noch nicht zu befriedigenden Dauerlösungen geführt haben. Zu den elektrisch leitenden
nicht migrierenden Antistatika gehören Graphit, Ruß und Metalle. Graphit wird dann bevorzugt, wenn es auf eine möglichst geringe Beeinträchtigung der Fließfähigkeit ankommt. Dieses gilt vor allem für UP- und EP-Gießharze. Ruß eignet sich in besonderem Maße für das leitfähige Ausrüsten technischer Teile, denn er ist universell einsetzund verarbeitbar, alterungsbeständig, untoxisch, chemisch indifferent und preiswert [15], [13], [16]. Naturgemäß eignet er sich nur für Teile, bei denen der schwarze Farbton nicht stört. Die früher erforderlichen Zusatzmengen von 20 bis 30 Masse-% Ruß können bei der Verwendung von Aktivruß auf 5 bis 10 Masse-% reduziert werden. Dabei kann ein spezifischer Durchgangswiderstand um 102 Ωcm erreicht werden (siehe auch Tabelle 3-27). Die Leitfähigkeit nimmt mit abnehmender Teilchengröße, wachsender Oberfläche, zunehmender Struktur (Aggregat- und Agglomeratbildung) sowie mit Abnahme der sauerstoffhaltigen Oberflächengruppen des Rußes zu. Der Zusatz von Aminen verstärkt die Wirksamkeit. Metalle werden in Form von Pulver, Schuppen, Fäden, Geweben oder Folienstreifen sowie von metallisierten Füllstoffen oder Kunststoffgeweben zugesetzt. Die Schutzwirkung ist größer als diejenige von Ruß und Graphit; Fäden und Gewebe sind wirksamer als Metallpulver. Als Metalle werden Aluminium, Kupfer, Zink, Messing, Nickel und Silber bevorzugt. Dabei muss jedoch auf die Korrosionsbeständigkeit dieser Stoffe im jeweiligen Matrixmaterial geachtet werden. Als Substrat für Metallüberzüge dienen vorwiegend Glasfasern und Glaskugeln. Sie werden im Hochvakuum mit einem Überzug von 0,25 μm Dicke versehen. Generell ist auch bei den Antistatika eine zunehmende Verwendung von Konzentraten zu beobachten.
3.5.1.3
Beschleuniger, Aktivatoren
Wenn beispielsweise beim Härten von UP-Harzen der Peroxidzerfall nicht durch Wärme geschehen kann, dann müssen Beschleuniger bzw. zu deren weiterer Unterstützung Aktivatoren (Promotoren) verwendet werden. Die Beschleuniger setzen die für den Peroxidzerfall erforderliche Energie herab. Dadurch ist es möglich, entweder bei niedriger Temperatur, z. B. Raumtemperatur, oder bei höherer Temperatur einen rascheren Peroxidzerfall zu bewirken. Bei UP-Harzen werden vorwiegend Kobalt-, Vanadium- und Aminbeschleuniger verwendet. Die Vanadiumbeschleuniger sind nur begrenzt lagerfähig und oxidationsempfindlich, was ihren Einsatz hemmt [17]. Die Wirkung von Peroxidbeschleunigern [5] kann durch so genannte Aktivatoren (Promotoren) unterstützt werden. Allein angewendet sind sie keine Beschleuniger.
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe So wirkt beispielsweise Dimethylanilin nicht beschleunigend auf Methylethylketonperoxid, es kann jedoch als System MEK-Peroxid/Kobaltbeschleuniger wesentlich beeinflussen, was verarbeitungstechnisch häufig genutzt wird. Bei der Vulkanisation von Elastomeren wirken Metalloxide in Verbindung mit Fettsäuren aktivierend auf Schwefel-Beschleuniger-Systeme. Zinkoxid, aber auch Bleioxide und Magnesiumoxide werden verwendet. Bleioxide aktivieren dabei wasserfeste Vulkanisate, während Magnesiumoxide saure Reaktionsprodukte bei halogenhaltigen Kautschuken neutralisieren. Die Wirkung von Zinkoxid, Fettsäuren und Peroxide wird in Röthemeyer/Sommer [5] vertieft.
3.5.1.4
Brandschutzausrüstung Volker Gettwert
Zur Minimierung des Brandrisikos werden Kunststoffe mit Flammschutzmitteln (FSM) ausgestattet. Diese Additive verbessern nicht die Polymereigenschaften, sondern gewährleisten eine erhöhte Brandsicherheit durch Verringerung der Zersetzung, Brenngeschwindigkeit, Flammenausbreitung und Rauchentwicklung bzw. wirken selbstverlöschend und/ oder verhindern das Abtropfen des brennenden Kunststoffs. Schwere Brandunfälle in jüngerer Vergangenheit in Tunnels, auf Flughäfen, Schiffen, U-Bahnstationen, teilweise verursacht, fast immer jedoch begleitet und/oder verstärkt durch brennende Kunststoffe, schärfen das Bewusstsein und die Forderung von flammwidrig eingestellten Kunststoffen bei geringster Rauchgasentwicklung und Toxizität. Flammschutzmittel können die Entzündung der Kunststoffe normalerweise nicht verhindern, außer es handelt sich um eine sehr schwache Zündquelle. Aber sie verzögern die Entstehung von Großbränden und Katastrophen und verlängern damit die Zeit zur Flucht, Rettung und zur Brandbekämpfung [18]-[35], [67]-[74]. Flammschutzmittel Flammschutz ist eine gesetzliche Anforderung an Kunststoffe, die im Bauwesen, Transport, Verkehr, in der Elektronik und Elektrotechnik sowie bei Textilien und Möbeln eingesetzt werden. Um die Brandschutzbestimmungen zu erfüllen, müssen viele Kunststoffe mit Flammschutzmitteln ausgestattet werden. Die Anforderungen an Flammschutzmittel sind vielfältig. Neben der Flammschutzwirkung sind Ökologie, Toxikologie, Emission, Verträglichkeit mit dem Kunststoff und dem Verarbeitungsprozess, mechanische und technische Eigenschaften sowie die Kosten entscheidend für die Anwendung. In jüngster Zeit rücken auch Recycling- bzw. Entsorgungsaspekte in den Fokus der Anwender. Welches Flammschutz-
109
mittel zur Anwendung kommt, hängt individuell vom Polymer bzw. vom Anwendungsgebiet ab, wobei die Vorund Nachteile der verschiedenen Flammschutzmittel gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Brandsicherheitsanforderungen steigen wegen der Internationalisierung und Harmonisierung von Vorschriften sowie Tests. Flammschutzmittel sind zurzeit der wirtschaftlichste Weg zur Erfüllung dieser Anforderungen. Der Trend zu halogenfreien Flammschutzmittelsystemen hält an, ist aber wegen hoher Preise häufig noch unwirtschaftlich. Die Verwendung von organischen PhosphorFSM ist in den letzten Jahren angestiegen. Im Jahre 2006 wurden am Weltmarkt über 1,2 Millionen Tonnen Flammschutzmittel umgesetzt, wobei ca. 42% auf Aluminiumhydroxid (ATH) entfielen. Bromhaltige Flammschutzmittel liegen mengenmäßig bei ca. 20%, wertmäßig jedoch bei 40%. Vor allen in asiatischen Ländern sind halogenierte FSM mit einem Anteil von über 50% noch sehr verbreitet, während in Europa und den USA die halogenierten FSM etwa 20% am Gesamtverbrauch ausmachen. Im Gegensatz zur restlichen Welt liegt in Europa der Verbrauch an organische PhosphorFSM (ca. 21%) im Vergleich zu Brom-FSM (ca. 10%) deutlich höher [25]. Nach Schätzungen wächst der globale FSMMarkt bis 2009 jährlich um mehr als 4% [26]. Abhängig von dem jeweiligen Land und Anwendungsbereich existiert eine Fülle an Testmethoden zur Klassifizierung des Brennverhaltens von Kunststoffen [27-29]. Eine der weitestverbreiteten Testmethoden ist z. B. der UL94 Test der Underwriter Laboratories (USA). Aktuelle Entwicklungen und Trends werden u. a. auf den Seminaren „Moderne Flammschutzmittel für Kunststoffe“ im Haus der Technik in Essen und „Flammschutz für Kunststoffe“ vom MSTI in Sulzbach und im Internet unter www. SpecialChem.com, www.flammschutz-online.de vorgestellt. Man unterteilt die Additive in organische und anorganische Flammschutzmittel. Die Schutzwirkung beruht auf chemischen oder physikalischen Prozessen auf die Gas-, Flüssig- oder Festphase bei der thermischen Zersetzung der Kunststoffe. Zu den organischen Flammschutzmitteln (FSM) zählen: Halogenhaltige FSM Bromhaltige FSM sind sehr wirkungsvoll und universell einsetzbar. Sie bestehen aus bromierten Kohlenwasserstoffen. Als Additive kommt z. B. Decabromdiphenylether (DBDPE) oder als reaktives FSM Tetrabrombisphenol A (TBBA) zum Einsatz. Chlorhaltige FSM sind vor allem Chlorparafine. Diese sind weniger wirksam. Halogenhaltige Verbindungen wirken auf chemischem Wege flammhemmend, indem diese in der Gasphase Halogenradikale freisetzen, welche Halogenwasserstoff bilden. Diese Halogenwasserstoffe neutrali-
110
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
sieren die bei der Verbrennung entstehenden energiereichen Radikale und bewirken damit eine Unterbrechung der Radikalkettenmechanismen. Nachteilig sind die starke Rauchentwicklung und die Entstehung von korrosiv wirkenden Rauchgasen. Bestimmte halogenierte FSM wie polybromierte Diphenyle und Diphenylether können Dioxine und Furane während der Produktion, beim Brand oder der Entsorgung bilden. Einige halogenierte Produkte und ihre Abbauprodukte sind persistent in der Umwelt und akkumulieren im Organismus. In einigen Ländern sind Verbote für bestimmte halogenierte FSM erlassen worden bzw. geplant. Man versucht deshalb halogenierte FSM durch andere Verbindungen zu ersetzen, wie phosphorhaltige FSM. Stickstoffhaltige FSM Für spezielle Anwendungen, vor allen für den halogenfreien Flammschutz, wurden Stickstoffverbindungen entwickelt. Hier haben sich Melaminprodukte in bestimmten Kunststoffen bewährt. Bei Temperatureinwirkung bilden sich inerte Zersetzungsprodukte (NH3, H2O, CO2, N2) und Kondensationsprodukte. Stickstoffhaltige FSM sind Bestandteil von intumeszierenden Systemen. Phosphorhaltige FSM Diese Flammschutzmittel können sowohl organischer als auch rein anorganischer Natur sein und sind heutzutage – bis auf wenige Ausnahmen – halogenfrei. Bei den organischen Verbindungen gibt es additive und reaktive Varianten. Reaktive P-OH- und PH-Gruppen-haltige FSM lassen sich in Kunststoffe einreagieren und liegen damit nicht als Füllstoff vor. So werden z. B. Phosphorpolyole in PU-Polymermatricen eingebaut. Als Additive werden organische Phosphorsäureester und Phosphinsäure-Derivate verwendet. Diese besitzen eine hervorragende Flammschutzwirkung und können in vielen Standard- und technischen Kunststoffen eingesetzt werden. Erstere wirken durch Dehydratisierung und Vernetzung, Letztere auch in der Gasphase. Die anorganischen FSM setzen sich zusammen aus Phosphorhaltigen FSM Bei den anorganischen phosphorhaltigen FSM ist roter Phosphor in bestimmten Anwendungen sehr wirksam und beeinflusst die Polymereigenschaften nur geringfügig. Nachteilig wirkt sich die Verfärbung des Kunststoffs, Sicherheitsaspekte bei der Verarbeitung und die Phosphinbildung aus. Ammoniumpolyphosphat findet Anwendungen in intumeszierenden Systemen. Die Wirkung in der kondensierten Phase beruht auf der Ausbildung einer Schutzschicht aus „Polyphosphorsäure“. Zusätzlich bewirkt die gebildete Polyphosphorsäure eine Abspaltung von Wasser aus dem Kunststoff,
was zur Bildung einer zusätzlichen Kohlenstoffschutzschicht führt. Roter Phosphor kann durch Bildung von PO-Radikalen auch in der Gasphase wirken. Metallhydroxide Aluminiumhydroxid [Al(OH)3] ist das am meisten verwendetet Hydroxid. Die höhere Temperaturstabilität von Magnesiumhydroxid [Mg(OH)2] im Vergleich zu Aluminiumhydroxid hat bei der Verarbeitung Vorteile und verschafft Mg(OH)2 stark wachsende Marktanteile. Die Metallhydroxide haben eine sehr geringe Wirkung und müssen in hohen Füllgraden in das Polymer eingebracht werden, was dessen mechanische Eigenschaften stark beeinflusst. Die Hydroxide zersetzen sich oberhalb von 200°C unter Energieverbrauch und Freisetzung von Wasser. Das Polymer wird gekühlt. Der Dampf verdünnt die Brandgase und verdrängt Sauerstoff wie ein Schutzgas. Borverbindungen Borate, wie Zinkborat, bilden hierbei die größte Gruppe der mit einem Anteil von ca. 0,4% am gesamtem FSM-Verbrauch relativ unbedeutenden Verbindungsklasse. Borverbindungen bilden eine glasartige Kruste, die dem Luftsauerstoff den Zugang versperrt. Zusätzlich wirkt das enthaltene Kristallwasser kühlend. Borverbindungen kommen in Kunststoffen nur in Kombination mit anderen FSM vor. Antimontrioxid dient vor allem als Synergist bei halogenhaltigen FSM, indem es den Temperaturbereich der halogenierten FSM vergrößert. Auch hier gibt es Bestrebungen, die Anwendung von SbO3 zu untersagen. Zinksulfid und NOR [18] können in einigen Fällen Antimontrioxid ersetzen. expandierender Graphit Blähgraphit (BG) wird vor allem in Flugzeugsitzen verwendet. Dieser expandiert unter Gasabspaltung und bildet eine isolierende Kohlenstoffschicht aus. BG ist im Vergleich mit anderen halogenfreien Flammschutzmitteln bezüglich der Brenngeschwindigkeit am besten geeignet. Dadurch lassen sich mit BG niedrigere Massenanteile einsetzen, was zu besseren mechanischen Eigenschaften der Kunststoffe führt, als bei der Verwendung alternativer FSM. Neben diesen klassischen FSM gibt es neue Trends, die im Folgenden kurz beschrieben werden: Organisch modifizierte Schichtsilikate Die im Polymer exfolierten Schichtsilikate bilden ein Nanokomposit. Das dreidimensionale Netzwerk aus dünnen Silikatplättchen trägt dazu bei, dass sich eine stabile Kruste ausbildet, die das Abtropfen des brennenden Polymers verhindert. In Kombination mit Aluminiumhydroxid
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe (ATH) und einigen anderen Flammschutzmitteln besitzen Schichtsilikate einen synergistischen Effekt. Im Flammschutz haben nur hochgefüllte Systeme in Kombination mit Aluminiumhydroxid in wenigen Compounds eine Anwendung gefunden. Geringe Zusatzmengen an Schichtsilikaten können hier zu einer Reduzierung des ATH-FSM-Gehalts beitragen, ohne dass der Flammschutz verändert wird. Silsesquioxane Diese auf Silicium-basierenden Nanofüllstoffe werden als neue, viel versprechende und umweltfreundliche Flammschutzmittel gehandelt [19, 20]. Über die Eignung als FSM ist bisher nicht viel bekannt. Die Addition von Polyhedral Oligomeric Silsesquioxane (POSS) zu einem Polymer verringert die thermische Zersetzung und den Verbrennungsprozess. Die Wirkung wird – in Analogie zu den Schichtsilikaten – auf die Bildung einer schützenden keramischen Schicht auf der Oberfläche zurückgeführt. NOR (N-alkoxy hindered amine) Als effektive und umweltfreundliche FSM sind seit einigen Jahren NOR bekannt. Die Wirksamkeit der NOR-Verbindungen basiert auf der thermischen Zersetzung von Nitroxylethern unter Bildung von Radikalen, die, wie die halogenhaltigen FSM, in die Radikalchemie der Verbrennungsprozesse eingreifen. In Polypropylen werden signifikante Flammschutzeigenschaften schon mit niedrigen Konzentrationen von 1-2 Masse-% erzielt. NOR-Verbindungen wirken als Synergisten für halogenierte FSM und können Antimontrioxid ersetzen [21, 22]. Azoalkane Diazene und deren Derivate wurden als neue und effiziente Klasse von Flammschutzmitteln für Polyolefine entwickelt. Diese stabilen Radikalpräkursor wirken über die Bildung von Alkylradikalen auf den Verbrennungsprozess. Eine B2Klassifizierung von PP nach der DIN 4102 konnten mit sehr geringen Konzentrationen von weniger als 0,5 Masse-% erreicht werden [23]. Intumeszenz-Flammschutzsysteme Dem Polymer wird eine Füllstoffkombination zugegeben, die dazu führt, dass sich im Brandfalle auf der Oberfläche eine voluminöse, isolierende Schaumschicht ausbildet, die den brennbaren Kunststoff abschirmt und die Flammen erstickt. Weiterhin wirkt diese Schicht isolierend und schützt den Kunststoff effektiv vor Hitze. Für die Ausbildung des Schaums sind drei Komponenten erforderlich, ein – Kohlenstofflieferant, – Dehydrierungskatalysator und ein – Treibmittel.
111
Bei Hitzeeinwirkung erweicht das Polymer. Der saure Dehydrierungskatalysator (z. B. Phosphorsäure aus Ammoniumpolyphosphat) wird freigesetzt. Dieser entzieht dem Polymer und dem Kohlenstofflieferanten (z. B. Polyalkohol) Wasser und führt zur Verkohlung. Gleichzeitig bewirkt die Gasbildung aus dem Treibmittel (z. B. Melamin) ein Aufschäumen des carbonisierten Materials unter Bildung eines isolierenden Schaums. Diese Schäume bieten einen sehr guten und lang anhaltenden Hitzeschutz. Intumeszierende Eigenschaften lassen sich nur mit wenige Polymeren realisieren. Aktuelle Entwicklungen beschäftigen sich mit der Beschichtung von Kunststoffen mit intumeszierenden Systemen. Eine derartige Beschichtung könnte die Flammschutzmittel im Kunststoff überflüssig machen. Die mechanischen Eigenschaften des Kunststoffs würde nicht mehr durch ein Flammschutzmittel verändert werden und die „externe“ Schutzschicht würde einen besseren Flammschutz liefern als die intrinsischen FSM. Solche Beschichtungen für Stahl und Holz sind bereits im Markt vorhanden und äußerst effektiv. Keramisierende Polymere sind seit den 60-iger Jahren bekannt und finden Anwendungen als Isolationsmaterial im Hochtemperaturbereich z. B. in Brennkammern von Raketentriebwerken. Bei Hitzeeinwirkung wandeln diese sich in ein festes, poröses keramisches Material um. Diese Eigenschaften lassen sich auch bei niedrigeren Temperaturen als eine Art Flammschutzkomposit nutzen. Durch eine geeignete Kombination aus Polymer, mineralischen und verglasenden Füllstoffen und anderen Additiven können zusammenhängende Schichten bei normalen Brandereignissen erzeugt werden. Diese verfestigend wirkenden Zusätze dienen in erster Linie zur Ausbildung einer festen, zusammenhängenden Schicht und weniger als FSM. Ein aktuell diskutiertes Anwendungsfeld für diese keramisierenden Polymere sind Brandschutzkabel [24]. Bei herkömmlichen Elektrokabeln versagt die Kunststoffummantelung im Brandfalle, was zum Ausfall des elektrischen Systems führt. Mit den schützenden Eigenschaften der keramisierenden Polymeren lässt sich ein Funktionserhalt der Kabelleitungen und der damit verbundenen elektrischen Vorrichtungen im Brandfalle erreichen. Weitere Entwicklungen könnten zu einer breiteren Anwendung im Flammschutzbereich führen. Rauchdichteverminderer Rauchdichteverminderer und Flammschutzmittel sind zwei unterschiedliche Additive für Kunststoffe und haben keinen direkten Zusammenhang. Flammschutzmittel verzögern die Verbrennung von Kunststoffen unter Bedingungen, die normalerweise zur Verbrennung führen würden, während Rauchdichteverminderer entwickelt wurden, um die Menge
112
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
an Rauchgasen zu reduzieren, sobald eine Entzündung des Kunststoffes stattgefunden hat. Wie viele Brandkatastrophen mit Todesopfern gezeigt haben, ist Rauch eine häufigere Todesursache als das Feuer selbst. Vor allen in öffentlichen Gebäuden und für Innenausstattungen von Flugzeugen und öffentlichen Verkehrsmitteln müssen Produkte bestimmte Rauchgasspezifikationen erfüllen. Neben der Brennbarkeit eines aus Kunststoffen hergestellten Produktes wird beim Brandverhalten auch die Rauchgasentwicklung, d. h. die Dichte, Toxizität und Korrosionswirkung, beurteilt. Duroplaste weisen eine geringere Rauchentwicklung auf als die meisten Thermoplaste. Diese vernetzten und wärmebeständigen Kunststoffe bestehen aus aromatischen und heterocyclischen Ringen, die im Brandfalle zu graphitähnlichen Netzwerken verkohlen [30]. Neuere inhärente und flammwidrige Werkstoffe wie PSU (Polysulfon), PES (Polyethersulfon) und PAEK (Polyaryletherketon) besitzen sehr niedrige Rauchgasdichten. Zur Erhöhung der Rauchgasdichte trägt vor allem der bei der Verbrennung entstehende Russ bei. Der Anteil an entstehendem Ruß ist bei Polymeren mit aromatischen Strukturen, z. B. PS, wesentlich höher als bei brennenden Kunststoffen ohne dieses Merkmal, wie z. B. PA, PE, PP oder POM. Die Toxizität der Rauchgase beruht im Wesentlichen auf der unvollständigen Verbrennung des Kohlenstoffs im Kunststoff zu Kohlenmonoxid und der Bildung von Kohlendioxid. Bei stickstoffhaltigen Kunststoffen können noch Ammoniak und Nitrosegase, bei PVC auch HCl freigesetzt werden. Rauchdichteverminderer sind Stoffe, die dem Polymer zugesetzt werden. Diese Additive reduzieren die Menge an aromatischen Verbindungen, die als Rauch freigesetzt werden, durch Förderung der Verkohlung während eines Feuers. Die meisten Rauchdichteverminderer sind für halogenhaltige Polymere wie PVC bekannt. Während die HCl-Bildung durch den Zusatz von Carbonaten wesentlich verringert werden kann, sind als Rauchgasverminderer vor allem das Molybdäntrioxid in Kombination mit Ammoniumoctamolybdat [31], Antimontrioxid in Verbindung mit Bariumsulfat und Zinksulfid oder Zink- und Magnesiumoxid bekannt. Weiterhin finden verschiedene Zinkverbindungen wie Stanate, Hydroxystanate [31], Oxalate, Oktate [32] und Borate Anwendung. Spezielle Zinkborate eignen sich auch für eine Vielzahl nicht halogenierter Polymere wie Polyolefine, Duroplaste und nicht aromatische Thermoplaste [33]. Bei aromatischen Verbindungen reduziert Ammoniumoctamolybdat die Rauchentwicklung während des Verkohlungsprozesses [34]. Stoffe zur Rauchdichteverminderung, die auf alle Kunststoffe anwendbar sind, sind nicht bekannt. Wie bei den
Flammschutzmitteln muss für jeden Kunststoff eine individuelle Lösung gefunden werden. Dies sollen die folgenden Beispiele verdeutlichen: Für PS und seine Modifikationen kommen Eisenacetylacetonat und Schwermetallsalze (Fe, Mn, Cr) des 8-Hydroxychinolins in Betracht. Bei ungesättigten Polyesterharzen führt die synergistische Wirkung von Molybdäntrioxid und halogenhaltigen Verbindungen wie Dibromneopentylglycol zu verminderter Brennbarkeit und Rauchentwicklung. UPGF enthält als Zusatz Molybdäntrioxid, Antimontrioxid und Aluminiumhydroxid [35].
3.5.1.5
Emulgatoren
Eine Emulsion ist ein heterogenes System, das aus mindestens einer sich nicht vermischenden Komponente besteht, die homogen in einer zweiten flüssigen Phase dispergiert ist. Die Tröpfchengröße der emulgierten Substanz ist meistens > 0,1 μm. Eine beständige Emulsion wird jedoch nur durch die Zugabe einer dritten Komponente, dem Emulgator, erhalten. Die Wirkung beruht darin, dass die Oberflächenspannung zwischen den beiden Phasen verringert wird. Emulgatoren sind oberflächenaktive Stoffe, die trotz ihrer geringen Konzentration einen spürbaren Effekt ausüben. Die oberflächenaktive Wirkung bestimmter Agenzien beruht darin, dass in dem Molekül oder Ion eine Gruppe hydrophil gegenüber dem Dispergiermedium und in bestimmtem Abstand davon eine zweite Gruppe hydrophob wirkt. Die Emulgatoren werden in anionische, kationische und neutrale Emulgatoren unterteilt. Die anionischen Typen umfassen Carboxylanionen, in denen die Carboxylgruppe unmittelbar an den hydrophoben Teil gebunden ist. Die kationischen Emulgatoren werden häufig von Aminogruppen gebildet. Nichtionische Emulgatoren sind organische Verbindungen mit Gruppen unterschiedlicher Polarität. Zu diesen Substanzen gehören Polyethylenglycol, Polyvinylalkohol, Polyether, Polyester und Polyhalide. Emulsionen, die anionische Emulgatoren enthalten, sollten nicht mit solchen gemischt werden, die kationische enthalten. Die Emulsion gerinnt dann. Nichtionische Emulsionen sind dagegen mit den beiden anderen Arten bedingt mischbar. Emulgatoren werden bei der Herstellung von Kunststoffen nach dem Emulsionsverfahren verwendet, außerdem spielen sie bei Produkten, die in Form von Emulsionen verwendet werden, eine wichtige Rolle, beispielsweise bei Trennmitteln, Lebensmitteln, Kosmetika, Pflegemitteln und Klebstoffen.
3.5.1.6
Farbmittel
Von den in Europa verbrauchten ca. 750 000 t Farbmitteln machen Titandioxid und Ruße den größten Anteil aus.
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Entwicklungstrends sind [3]: – verbesserte und umweltfreundliche Herstellmethoden – erleichterte Handhabung und Dispergierung – Ersatz von Schwermetallen, insbesondere cadmiumhaltige Pigmente bei niedrigen Kosten – verminderte Migrations- und Verzugsneigung – besondere Effekte bei Farbmittel Die Farbmittel [36] werden nach Pigmenten und Farbstoffen [13] unterschieden. Die Farbstoffe sind in Kunststoffen löslich, während die Pigmente nahezu unlöslich sind. Der Begriff Pigment ist an einen Teilchengrößenbereich von etwa 0,01 bis 1 μm gebunden. Im Aufbau der Partikel wird nach Primärteilchen, Aggregaten und Agglomeraten unterschieden. Die bei der Herstellung entstehenden Primärteilchen weisen eine betonte Tendenz zur Agglomeratbildung, d. h. zur Zusammenlagerung auf. Diese Überstrukturen werden beim Eintragen der Farbmittel in den Kunststoff meistens in Agglomerate und Primärteilchen zerteilt, so dass für die koloristischen Eigenschaften des jeweiligen Pigmentes vor allem die Korngröße und die Korngrößenverteilung maßgebend sind. Das Zerteilen, Verteilen und Benetzen der Pigmente wird als Dispergieren bezeichnet, während die Farbstoffe im Kunststoff gelöst werden. Die Farbmittel [4] können anorganischer oder organischer Natur sein. Während die anorganischen Pigmente unlöslich sind, können sich insbesondere niedermolekulare organische Pigmente lösen. Naturgemäß beeinflusst der chemische Aufbau des Binders und die Verarbeitungstemperatur ihre Löslichkeit. Pigmente der gleichen chemischen Zusammensetzung können in verschiedenen Kristallmodifikationen hergestellt werden, die sich koloristisch und anwendungstechnisch wesentlich voneinander unterscheiden, beispielsweise bei Titandioxid und Phthalocyaninblau. Die anwendungstechnischen und die Gebrauchseigenschaften der Pigmente können vom
Pigment
Teilchengröße
Gasruß Furnaceruß Eisenblau Flammruß Titanoxid Transparentes Perylenrot Kobaltblau Kobaltgrün Deckendes Isoindolinpigment
~1 nm 3 nm 5 nm 90 nm 130 nm 150 nm 400 nm 600 n ~1 μm
113
Hersteller durch Nachbehandlung (Coating = Beschichten) verbessert werden; die Dispergierbarkeit, die UV-, Wetterund Chemikalienbeständigkeit werden angehoben. Um den beim Dispergieren erforderlichen hohen technischen und energetischen Aufwand zu verringern, werden so genannte Pigmentpräparationen verwendet. Dabei liegt das Pigment in Form leicht dispergierbarer Pasten als festes Konzentrat in Verbindung mit dem zu verarbeitenden Kunststoff oder als rieselfähige Pigmentverkollerung, d. h. einer Kombination von leicht dispergierbaren, organischen Pigmenten und/ oder Füllstoffen mit schwerer dispergierbaren organischen Pigmenten vor [37]. Der Farbeindruck, den das menschliche Auge wahrnimmt, ist das Ergebnis einer selektiven Absorption und Reflexion. Er kann durch additive und substraktive Farbmischung hervorgerufen werden. Ein Beispiel für die additive Farbmischung liefert das Farbfernsehen, bei dem auf dem Bildschirm die sehr kleinen Punkte Blau-Grün-Rot zum Leuchten gebracht werden. Auch das weiße Tageslicht ist eine von dem menschlichen Auge wahrgenommene additive Farbmischung. Die Farbeindrücke entstehen jedoch am häufigsten durch substraktive Farbmischung, indem bestimmte Anteile des Spektrums absorbiert werden und der Rest des sichtbaren Lichtes reflektiert und vom Auge wahrgenommen wird. Ohne Licht wäre diese Wahrnehmung nicht möglich [38]. Eine weitere Voraussetzung für das Gewinnen eines Farbeindruckes ist außer der Absorption bestimmter Wellenlängen die Streuung des reflektierten Lichtes. Teilchen mit einem meist höheren Brechungsindex als dem des umgebenden Kunststoffs streuen diffus in allen Richtungen. Grundsätzlich gilt: Weißpigmente streuen nahezu ausschließlich; anorganische Buntpigmente absorbieren wenig und streuen stark; organische Buntpigmente absorbieren stark und streuen wenig; gelöste Farbstoffe absorbieren nur und Schwarz absorbiert nahezu vollständig.
Bild 3-59. Teilchengrößenvergleich verschiedener Pigmente
114
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Das Deckvermögen eines Pigments wird durch die Teilchengröße (siehe Bild 3-59) und durch die Differenz der Brechzahlen von Pigment und Binder bestimmt. Die relative Farbstärke beruht auf der Fähigkeit, dank des Absorptionsvermögens auf lichtstreuende Stoffe farbgebend zu wirken. Die Farbwahrnehmung unterscheidet nach Farbton, Helligkeit (bei bunt und weiß) und Sättigung (bei bunt und schwarz nach rein, trüb oder schmutzig) [39]. Über die Eignung eines Farbmittels in Verbindung mit dem jeweiligen Kunststoff entscheiden: Beschaffenheit, thermische Beanspruchbarkeit (Höhe und Dauer), Lichtechtheit, Wetterbeständigkeit, Migrationsneigung (Lösemittel- und Kontaktbluten, Ausblühen), Plateout (Ablagerung auf schmelzberührten Metallflächen) und die Beeinflussung des Fließverhaltens [37]. Die Einsatzgebiete für anorganische und organische Pigmente sind, wie die Bilder 3-60 und 3-61 zeigen, sehr vielfältig.
Bild 3-60. Einsatzgebiete anorganischer Pigmente [13]
Pigmente bieten gegenüber Farbstoffen immer dann Vorteile, wenn neben dem Deckvermögen die Anforderungen des jeweiligen Einsatzgebietes eine Unlöslichkeit des Farbmittels im Anwendungsmedium (zum Beispiel Überlackierechtheit und hohes Deckvermögen) voraussetzen [13]. In den vergangenen Jahren gewinnt das Direkteinfärben von Kunststoffen über Farbmasterbatches, und zwar ihre wirtschaftliche Herstellung in Abhängigkeit der Losgröße, immer größere Bedeutung. Im Bereich geringer Losgrößen lassen sich Farbmasterbatches kostengünstiger aus vordispergierten Monokomponenten herstellen. Stand der Technik ist bisher: Die für den individuellen Farbton benötigten Pigmente werden mit pulverförmigem Kunststoff mittels Dispergierhilfen (Wachse und verträgliche Kunststoffformmassen) intensiv vermischt und anschließend im Doppelschneckenextruder (hoher Energieeintrag) dispergiert und damit im Kunststoff eingebettet. Labormischungen und Produktion ergeben hierbei immer wieder Unterschiede.
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
115
Bild 3-61. Einsatzgebiete organischer Pigmente [13]
Dagegen werden in einem ersten Schritt die Monokomponenten und dann daraus die Masterbatches hergestellt. Derzeit können organische Pigmente in Konzentrationen von 40 bis 50 Prozent und anorganische Pigmente bis zu 75 % mit guter Dispergierqualität durch Einschneckenextrusion in Kunststoffe eingebracht werden [40].
Tabelle 3-28 gibt eine Übersicht über Hersteller von Monokomponenten, die dann beim Verarbeiter zu Masterbatches verarbeitet werden und dadurch Produktionsunterschiede und Fehlchargen vermieden werden können. Bild 3-62 [40] zeigt die Verarbeitungskosten (Maschinenkosten, Energie, Arbeit, Reinigungsmaterial, Materialver-
Tabelle 3-28 Produzenten von Standard Thermoplasten (Monokomponenten), Stand 10/2007 Hersteller
PE
PP
¯
¯
Basell Polyolefine GmbH
Wesseling; D
BASF AG
Ludwigshafen; D
Dow Deutschland
Schwalmbach/Ts.; D
¯
¯
Borealis AG
Vienna; A
¯
¯
Eastman Chemical B.V.
Capelle aan den IJssel; NL
PS
Technische Thermoplaste
ASA/SAN
¯
¯
¯
¯ ¯
¯
¯
¯
Sabic Europe
Geleen; UK
Lanxes, AG
Leverkusen; D
¯
Arkema
Colombes Cedex, FR
¯ ¯
DSM Engineering Plastics
KR Sittard; NL
DuPont Germany
Bad Homburg; D
¯
¯
ExxonMobile Chemical Deutschland
Köln; D
¯
¯
Total Petrochemicals
Brüssel; B
¯
¯
Ticona Engineering Polymers Deutschland
Kelsterbach; D
UHMW-PE
¯
¯ ¯
116
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-62. Abhängigkeit der Verarbeitungskosten von der Losgröße und vom Extrudertyp (ES: Einschneckenextruder, DS: Doppelschneckenextruder) [40]
lust) in Abhängigkeit der Losgröße für Einschnecken (ES)und Doppelschnecken (DS)-Extruder (klein und groß).
3.5.1.6.1
Anorganische Pigmente
Die anorganischen Pigmente können nach Oxiden, Sulfiden, Chromaten und Kohlenstoff unterschieden werden. Die Oxide sind – mit Ausnahme der Temperaturbeständigkeit einzelner Pigmente – grundsätzlich die beständigsten Pigmente, beispielsweise TiO2, Eisenoxidschwarz und Kobaltblau. Zink- und Cadmiumsulfid sind nicht wetterbeständig, Ultramarin zerfällt bei Säureeinwirkung. Chromatpigmente sind nicht alkalibeständig. Die Wärmebeständigkeit überschreitet kaum 180 °C. Die Kohlenstoffpigmente sind beständig bis 300 °C, Tabelle 3-29.
3.5.1.6.2
Anorganische Weißpigmente
In der breiten Palette der organischen Farbmittel gibt es kein Weißpigment. Die Natur bietet jedoch eine Reihe von Mineralien an, aus denen anorganische Weißpigmente synthetisch herstellbar sind. Bei der Einteilung der weißen anorganischen Verbindungen kommt es auf die Brechzahl bei einer bestimmten Teilchengröße an. Ist diese < 1,7, dann handelt es sich um einen Füllstoff, ist sie > 1,7, dann liegt ein Weißpigment vor. Zu diesen Weißpigmenten gehören u. a. Titandioxid (TiO2), Zinkweiß (ZnO) und Zinksulfid (ZnS), Lithopone [Zinksulfid + Bariumsulfat (BaSO4)] und Bleiweiß (basisches Bleicarbonat). Zinksulfid und Bleiweiß sind als Pigmente für Kunststoffe ohne Bedeutung.
3.5.1.6.3
Titandioxid
TiO2 ist das wichtigste Weißpigment in der Kunststoffindustrie. Von den beiden Kristallmodifikationen Anatas (Brech-
zahl 2,55, Mohs-Härte 5,5) und Rutil (Brechzahl 2,75, MohsHärte 6,5 bis 7) hat für Kunststoffe nur die Rutilform Bedeutung. Anatas weist gegenüber dem Matrixmaterial ein wesentlich stärkeres Oxidationsvermögen auf als Rutil. Dazu kommt, dass dessen Oxidationstendenz durch eine Oberflächenbehandlung noch gemildert werden kann. Anatas wird nur dann verwendet, wenn es wegen der geringeren Härte den Verschleiß produktberührter Verarbeitungsmaschinenwandungen verringern soll. Die gute Dispergierbarkeit der TiO2-Pigmente ist eine wichtige Voraussetzung für die volle Entwicklung der optischen Eigenschaften. Die wichtigsten Anwendungen von TiO2 erstrecken sich auf die Standardkunststoffe PVC, Polyolefine (PE und PP), PS und ABS. Andere Polymere wie UP, PA, PMMA und PC werden selten deckend eingefärbt und spielen deshalb nur eine untergeordnete Rolle. Das Vergrauen von in weißen oder in Pastelltönen eingefärbten MF- und UF-Formmassen kann mit Hilfe hochstabilisierter Rutilpigmente vermieden werden. Das gleiche gilt für das Weißeinfärben und Aufhellen von im Freien eingesetzten UP- und EP-Harzen. Um bei den mit phenolhaltigen Antioxidantien stabilisierten Polyolefinen ein Vergilben zu vermeiden, müssen photochemisch stabilisierte TiO2-Pigmente verwendet werden. Bei kleineren Produktionsmengen von PS und ABS kann die aufwendige Lagerhaltung bereits eingefärbter Granulate durch den Einsatz von Flüssigfarben mit gutem Benetzungsvermögen (Butylsterat oder -oleatzusatz), die selbst bei einem Anteil von 80 Masse-% TiO2 noch pumpfähig sind, vermieden werden. In den vergangenen 15 Jahren entwickelten bevorzugt japanische Forscher die Photokatalyse in Verbindung mit TiO2 [41]. Staubfreie Städte, abwaschbare Hausfassaden,
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
Tabelle 3-29 Auswahl anorganischer Pigmente und Farbstoffe für Thermoplaste Colour Index (CI) Chemische Bezeichnung
Lichtechtheit (Wollskala)
Ohne Farbumschlag n. 5 min bei °C
Anwendbar bei
8
300
allgemein verwendbar
8
300
allgemein verwendbar
8
300
allgemein verwendbar
6 bis 7
240
PVC, PE-LD
8
260
PE-LD, PS
8 8
260 260
PVC, PE-LD PVC, PE-LD, PE-HD, PS
8 7
300 300
PMMA, PVC-U-PS PMMA, PVC-U-PS
Anorganische Rotpigmente Pigmentrot 101 Eisenoxid Fe2O3 Pigmentrot 104 Blei-Chromat-Molybdat Pb(Cr,MO,S)O4
8
300
allgemein, PVC-U bedingt
8
220
PVC, PE-LD
Organische Rotpigmente Pigmentrot 176 Monoazo-Naphthol AS-Pigmente Pigmentrot 194 Naphthalintetracarbonsäure-Derivat
7
280
PVC, PD, PE-LD
8
260
PVC, PD, PE-LD
5 8 7 8
260 300 300 300
PMMA, PVC-U, PS PMMA, PVC-U, PS PMMA, PS PMMA, PS, PVC-U
7 bis 8
260
PVC, PS, PE-LD
5 bis 6
270
PMMA, PS, PVC-U
7
300
PMMA, PS, PVC-U
7
280
PVC, PS, PE-LD
Anorganische Gelbpigmente Pigmentgelb 53 Nickeltitangelb (Ti, Ni, Sb)O2 Pigmentgelb 118 Chromatitangelb (Ti, Cr, Sb)O2 Pigmentgelb 119 Zinkeisenpigment Pigmentgelb 34 Chromgelb Pb(Cr, S)O4 Organische Gelbpigmente Pigmentgelb 97 Monoazopigment Pigmentgelb 151 Monoazo-Benzimidazolonpigment Pigmentgelb 128 Disazokondensationspigment Gelb-Farbstoffe Solventgelb 93 Pyrazolonderivat Fluoriszierend, polycyclisch
Rot-Farbstoffe Solventrot 1 Azofarbstoff Solventrot 138 fluoriszierender Benzopyran-Farbstoff Azofarbstoff (Thermoplast rot) Orange-Pigmente Pigmentorange 43 Orange-Farbstoffe Solventrot 14 Azofarbstoff Fluoriszierender Parylen-Farbstoff Violette Pigmente Pigmentviolett 19 Chinacridon
117
118
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-29 (Fortsetzung) Blaue anorganische Pigmente Pigmentblau 29 (Ultramarin) Na-Al-Silikat, sulfidhaltig
8
300
PVC, PS, PE-LD, PE-HD
8 8
240 250
PVC, PS, PE-LD PVC, PS, PE-LD
7
280
PMMA, PVVC, PS
Grüne anorganische Pigmente Pigmentgrün 17 Chromoxid (Cr2O3)
8
300
allgemein verwendbar
Grüne organische Pigmente Pigmentgrün 36 halogeniertes Phthalocyanin
8
300
PS, PVC, PE-LD
Braune Pigmente Pigmentbraun 29 Chromeisenbraun (Fe, Cr)2O3
6
300
allgemein verwendbar
Blaue organische Pigmente Pigmentblau 16 Phthalocyanin, stab. metallfrei Pigmentblau 60 (Indanthrenblau) Antrachionpigment Blaue Farbstoffe Solventblau 35 Fettlöslicher Antrachinonfarbstoff
antibakterielle Oberflächen, selbstreinigende und selbststerilisierende Materialien, Anti-fogging, Luftreinigung, Wasserreinigung, ja sogar die Tötung von Krebszellen mittels TiO2 sind im Gespräch bzw. werden mit Forschungsergebnissen belegt [41]. In einigen Fällen spielen dabei Kunststoffe als Matrix eine Rolle, weswegen dies hier angefügt wird. Kerr M Gee Pigments, Uerdingen übernahm 1998 die TiO2-Aktivitäten der Bayer AG und zählt zu den größten Anbietern von Titandioxid. Die Pigmente (Tronox CR) gibt es in unterschiedlicher Oberflächenbehandlung je nach eingesetztem Kunststoff. Hervorzuheben ist, dass die beim Herstellprozess entstehende Dünnsäure umweltfreundlich, vollständig wiederaufbereitet wird [3].
3.5.1.6.4
Zinksulfidpigmente
Das Zinksulfid Sachtolith enthält etwa 97 % ZnS, der Rest entfällt auf BaSO4 und ZnO. Die Brechzahl beträgt 2,34, die Mohs-Härte 3,5. Die Lithopone-Typen werden nach ihrem Gehalt an ZnS bzw. BaSO4 unterschieden. Der Zinksulfidanteil beträgt 30 bis 60 %. Das Aufhell- und Deckvermögen nimmt mit dem ZnS-Gehalt zu. Die Brechzahl beträgt 1,84 bzw. 2,09 (bei 60 %), die Mohs-Härte aller Typen 3,0. Die ZnS- bzw. ZnS/BaSO4-Mischpigmente weisen einen hohen Weißgrad und hohe Lichtechtheit auf. Vor allem die mikro-
nisierten Typen sind leicht homogen dispergierbar. In Abmischung mit Buntpigmenten werden brillante, leuchtende Farbtöne erzielt. Sie ermöglichen eine besonders hohe Wirksamkeit von optischen Aufhellern und Tagesleuchtpigmenten, weil sie selbst kaum UV-Strahlung absorbieren. Die optische Leistung hängt ab vom ZnS-Gehalt. Wegen der niedrigen Härte verursachen sie im Vergleich zu TiO2 nahezu keinen Werkzeugverschleiß und keine Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften faserverstärkter Kunststoffe. Der ZnS-Anteil wirkt als Trockenschmierstoff.
3.5.1.6.5
Anorganische Schwarzpigmente
Unter den in der Kunststoffindustrie verwendeten Schwarzpigmenten spielt der Ruß die wichtigste Rolle, während das Eisenoxidschwarz oder gar das helioechtschwarz IR anwendungstechnisch unbedeutend sind.
3.5.1.6.6
Ruß
Ruße bilden sich durch unvollständige Verbrennung sowie durch thermische Spaltung kohlenwasserstoffhaltiger Stoffe. Die dabei entstehenden feinen Partikel sind angenähert kugelförmig. Der Kohlenstoff ist jedoch nicht amorph, sondern mikrokristallin. Die wichtigsten Herstellverfahren sind das Channel-, Gasruß-, Furnace- und das Flammrußverfahren. Channel- und Gasruß sind feinteilig (10 bis 30 nm). Der
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Flammruß ist gröber (50 bis 120 nm), der Furnaceruß kann sowohl grob (bis 80 nm) als auch feinteilig (20 nm) hergestellt werden. Die Farbtiefe hängt bei gegebenem Herstellverfahren von der Teilchengröße ab. Sie nimmt mit abnehmender Größe zu, ebenso die Farbstärke. Eine große Farbtiefe, d. h. eine geringere Lichtreflexion kann nur durch gutes Dispergieren des Rußes erzielt werden. Als große Hilfe erweist sich dabei die Verwendung von Konzentraten oder von Pasten, wie sie beispielsweise beim Einfärben von UP-Harzen verwendet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Farbruße die peroxidische Reaktion bei einer Beschleunigung durch Kobaltverbindungen generell verzögern und bei tertiären Aminen beschleunigen. Durch Erhöhen der Peroxid- und/oder der Beschleunigermenge, bzw. durch Verwenden weniger stark beschleunigter Amine, kann die Verarbeitungs- und Gesamtreaktionszeit in weiten Grenzen eingestellt werden. Pigmentruße stehen als Pulver, in geperlter Form sowie als Ruß/Bindemittel-Präparation zur Verfügung. Für die Qualität eines eingefärbten Erzeugnisses ist der erzielbare Verteilungszustand des Rußes mitbestimmend. Geperlte Ruße lassen sich besser silieren und dosieren als Pulverruße. Sie erfordern jedoch Verarbeitungsmaschinen, die hohe Scher- und Dispergierkräfte entwickeln. Verfahrenstechnisch kommt den Rußpräparationen besondere Bedeutung zu. Die zwischen 15 % und 50 % Ruß enthaltenden Präparationen gewährleisten ein staubfreies Handhaben und vereinfachen das Dosieren. Sie enthalten den Ruß in bereits dispergierter Form, so dass der aufwendige Dispergierprozess beim Verarbeiter nicht erforderlich ist. Je nach Bindemittelgrundlage gibt es unterschiedliche Lieferformen, wie Dispersionen, Pasten, Schuppen- bis pulvrige Substanzen und Granulate. Zur Erzielung deckender Einfärbungen sind meistens Rußzugabemengen von 0,5 bis 1 % ausreichend. Kunststoffe mit Eigenfärbung erfordern 1 bis 2 %. Mittlere Furnace-Farbruße dienen außer zur Schwarzfärbung auch als Hilfsmittel zur Verbesserung der UV-Stabilität und der elektrischen Leitfähigkeit [12], [13]. Ruß wirkt bei Polyethylen ebenfalls als Wärmestabilisator, d. h. als Antioxidans. Hierbei bewährt sich vor allem der Gasruß mit seinem hohen Gehalt an flüchtigen Bestandteilen sowie Phenol- und chinoiden Gruppen. Für die Schwarzeinfärbung technischer Kunststoffe bietet Cabot, B. einen gekapselten Ruß (Typ: Black Pearls 4890) mit einfacher Verarbeitung, guten Teileoberflächen und mechanischen Eigenschaften [3], [42].
3.5.1.6.7
Anorganische Buntpigmente
Die anorganischen Pigmente besitzen im Vergleich zu den organischen Pigmenten eine hohe Deckfähigkeit, jedoch nur eine geringe Farbstärke. Die Dispergierbarkeit ist gut. Wenn
119
die Metalle in ihrer höchsten Wertigkeitsstufe vorliegen, sind sie thermisch sehr beständig. Die anorganischen Pigmente sind generell unlöslich. Eisenoxidpigmente Die breite Farbskala der Eisenoxidpigmente von Gelb, Rot und Braun bis Schwarz fördert die zunehmende Verwendung dieser lichtechten und preiswerten Pigmente. Das Eisenoxidrot ist bis 1200 °C, das Gelb, Braun und Schwarz dagegen nur bis 180 °C beständig. Bei Teilchengrößen < 0,01 μm verlieren die Eisenoxide ihre Streueigenschaften, d. h. das Licht wird nicht mehr reflektiert, sondern nur absorbiert. Der dabei gewonnene reine Farbton verschwindet in Kombinationen mit anderen streuenden Pigmenten, wie TiO2. Eisenoxidpigmente können je nach Typ den Härtungsverlauf von UPHarzen beeinflussen. Sie bewähren sich bei PVC nur so lange, wie die Stabilisierung ausreicht. Sobald der Stabilisator verbraucht ist, bildet sich Eisenchlorid, das dann die weitere Zersetzung von PVC beschleunigt. Das Eisenoxidschwarz wird häufig bei der Einfärbung heller Grautöne in PE und PP verwendet. Mit der 2002 neu vorgestellten Variocrom-Reihe der BASF ändern Oberflächen (Folien) den Farbton je nach Betrachtungswinkel von grün nach rot (Typ: Magic Green K 9811). Dies wird durch ein Zusammenspiel von Brechung und Interferenz des Lichtes an Eisenoxid- und Siliziumdioxidschichten auf Eisenglimmerplättchen (MIOX) erreicht [3]. Chromoxidpigmente Chromoxidgrün ist ein universell einsetzbares Produkt für das Einfärben von Kunststoffen. Die kugelförmigen Teilchen sind etwa 0,3 μm groß. Die Temperaturbeständigkeit dieses sehr licht- und wetterbeständigen Pigmentes erreicht 1000 °C. Säuren und Laugen greifen nicht an. Der Farbton ist wenig rein und von geringer Brillanz. Oxidische Mischphasenpigmente Dazu gehören Pigmente, die in einem Oxidgitter kristallisieren und ihre Farbe dem Einbau von farbgebenden Kationen in diese Gitter verdanken. Die Bedeutung dieser Pigmente nimmt ständig zu. Es handelt sich vorwiegend um Spinellund Rutilstrukturen. Zu den Spinell-Mischphasenpigmenten gehört das rotstichige Kobaltblau, das vor allem für das Einfärben von PE-HD große Bedeutung erlangt hat und bei PVC für helle Töne (für mittlere und volle Töne Phthalocyanin). Bei UP-Harzen ist die katalytische Beeinflussung des Härtungsprozesses zu überprüfen [43]. Andere Spinelltypen sind das Kobaltgrün (reiner als Chromoxidgrün), Zinkeisenbraun und das Spinellschwarz. Eine große Variationsbreite bietet auch das Rutil-Gitter. Die bekanntesten Vertreter dieser Pigmentgruppe sind das
120
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
helle, zitronengelbe Nickeltitangelb und das ockerfarbene Chromtitangelb, das anstelle von Nickel Chrom enthält. Die Titanmischoxide verändern sich nicht beim Aufhellen mit Weiß. Unter Berücksichtigung der Chemikalienbeständigkeit gehören sie zu den echtesten Kunststoffpigmenten. Sulfide und Sulfoselenide Zu diesen Mischphasenpigmenten gehören die Cadmiumpigmente mit ihren ansprechenden Rot- und Gelbtönen. Cadmiumgelb ist ein reines CdS oder ein Mischkristall aus (Cd, Zn)S. Dabei wirkt Zn als Stabilisator. Cadmiumrot ist ein Cadmiumsulfoselenid (Cd, Se) S. Hier wirkt das Selen als Stabilisator. Cd-Pigmente sind nur im Purton ausreichend lichtbeständig. Sie bewähren sich bei PVC, PE-HD und UP auch im Außeneinsatz. Allerdings bedürfen die jeweiligen Rezepte einer sorgfältigen Prüfung. Cd-Pgimente sind schwer löslich und deshalb in ihrer Toxizität nicht mit den löslichen Cd-Verbindungen vergleichbar. Es ist gelungen, die löslichen Anteile auf ein Minimum zu reduzieren und damit die Bedenken gegen Cadmiumpigmente zu verringern. Eine Ausnahme bildet z. Z. noch die Verwendung bei PA 6 [44]. Chromat-Pigmente Zu dieser Gruppe gehören die Bleichchromate, Chromgelb und Chromorange, die Bleichromat/Bleimolybdatpigmente (Molybdatrot und -orange) sowie die Mischgrünpigmente Chromgrün, Chromechtgrün, Zinkgrün und Zinkechtgrün. Das Nachdunkeln der Chromgelbe konnte durch den Einbau von Titan, Cer-, Antimon- und Aluminiumverbindungen sowie von Silikaten ständig verbessert werden. Diese Stoffe dienen vor allem zum Umhüllen des nadelförmigen monoklinen Chromgelb [Pb(Cr, S)O4]-Kristalls. Diese Pigmente sind bei Verweilzeiten von 10 min bis 260 °C beständig. Für den Einsatz sprechen wirtschaftliche Überlegungen. Die wichtigsten Einsatzgebiete sind PVC, PE-HD und UP. Chromorange ist nicht so bedeutend wie Chromgelb. Durch Substitution des Sulfidions durch Selen können Nuancen von Orange über Rot bis Bordeaux erhalten werden. Die Chromechtgrüne sind Kombinationspigmente aus Chrom-gelb und Eisencyanblau. Das Berliner Blau ist allerdings reduktionsempfindlich und weniger alkalibeständig. Durch Kombinieren von Chromgelb mit Phthalocyaninblau bzw. Phthaloxyaningrün werden die wesentlich beständigeren Chrom-echtgrüne erhalten. Durch Einstellen des Mengenverhältnisses ergibt sich eine große coloristische Bandbreite. Wie Chromgelb, so gehört auch das Molybdatrot und das -orange zu den Bleichromaten. Der Einbau des farblosen Bleimolybdats in das gelbe Bleichromat führt zu orangefarbenen bis roten Pigmenten. Die bleichromathaltigen Pig-
mente dürfen aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht für Gefäße und Schutzabdeckungen von Nahrungs- und Genussmitteln verwendet werden [45]. Ultramarin-Pigmente Diese Pigmente gehören zu den Aluminiumsilicaten. Die Farbtöne reichen von Blau und Grün bis zu Violett und Rot. Für das Einfärben von Kunststoffen kommt vor allem das Ultramarinblau in Betracht. Dieses gilt vor allem für PVC, PE und UP. Für PE-HD hat es die gleiche Bedeutung wie das Kobaltblau, denn es vermeidet das beim Einsatz von Phthalocyaninblau beobachtete Verspröden der Formteile. Die Lichtechtheit und die Alkalibeständigkeit sind gut, säurebeständig sind nur Sondertypen (siehe auch bei organischen Buntpigmenten).
3.5.1.6.8
Organische Buntpigmente
Die organischen Buntpigmente unterscheiden sich von den anorganischen durch eine hohe Lichtabsorption und geringes Streuvermögen. Sie werden deshalb häufig mit lichtstreuenden Weiß- oder Buntpigmenten kombiniert. Bei lasierenden (transparenten) Pigmenten übernimmt der Untergrund (weißes Papier, Metallfolie) die Lichtstreuung. Farbtonreinheit, Brillanz und Farbtöne übertreffen meist die der anorganischen Pigmente. Lichtechtheit und Wetterbeständigkeit nehmen mit dem Grad der Aufhellung, beispielsweise mit TiO2 ab. Chemische Konstitution, Teilchengröße und Korngrößenverteilung bestimmen die anwendungstechnischen Eigenschaften. Mit abnehmender Teilchengröße nehmen Farbstärke, Transparenz, Glanz und Viskosität des Bindemittels zu, während das Deckvermögen, die Licht- und Wetterechtheit, die Migrationsechtheit und die Lösemittelbeständigkeit abnehmen. Es gibt bekanntlich kein organisches Weißpigment. Die organischen Schwarzpigmente werden selten angewandt, denn ihre Lichtechtheit ist der der Ruße unterlegen. In jüngerer Zeit bringen Pigmenthersteller, z. B. Holliday Pigments, UK, Farbmittel mit extremer Farbstärke (z. B. Ultramarinpigment Typ Premier XS oder rot (XSR)- oder grünstichig (XSG)) auf den Markt. Damit kann man in bestehenden Formulierungen bei gleicher Deckkraft die Pigmentkonzentration reduzieren. Für geruchsempfindliche Anwendungen oder für feuchteempfindliche Polymere wie PET oder PC eignen sich besonders hochkonzentrierte Masterbatches Pigment-Sonderformen mit extrem niedrigen Feuchtegehalten (Typ DXS von Holliday Pigments). Besondere Verzugsfreiheit bei Polyolefinen und Vinylpolymere bietet das Cromophtal-Sortiment von Ciba Spezialitätenchemie, CH.
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Die sich immer mehr verbreitenden Monokonzentrate erleichtern bei gleichen Eigenschaften die Handhabung und Dosierung. Hier beteiligt sich Ciba Spezialitätenchemie zur besseren Kundenbetreuung und zur Erweiterung bestehender E-Business-Aktivitäten an der Plattform von SpecialChem (www.specialchem.com), wobei dem Kunden Fachwissen und technische Unterstützung per Internet angeboten werden [3]. Azopigmente Auf die Azopigmente entfallen 80 % des Gesamtverbrauchs an Pigmenten. Die Phthaloxyanine weisen demgegenüber die größte Tonnage auf [46]. Für die Azopigmente ist die chromophore Gruppe (–N.N–) charakteristisch. Je nach Anzahl der Azogruppen wird nach Mono-, Dis- und Trisazopigmenten unterschieden. Anwendungstechnisch sind nur die beiden ersten Gruppen von Bedeutung. Sie liefern gelbe, orangefarbene, rote und blaue Farbtöne. Blaue und grüne Azopigmente sind anwendungstechnisch unbedeutend. Monoazopigmente Dabei handelt es sich um gelbe, orange und rote Farbmittel. Die Gelbpigmente sind licht- und wetterbeständig. Die Lösemittelbeständigkeit und die Migrationsechtheit sind mäßig. Die meisten der bei Kunststoffen verwendeten Gelbtypen gehören zur Disazoreihe.
3.5.1.6.9
Metallkomplex-Pigmente
Die gelbstichig-grünen Azometall-, die gelben Azomethinsowie die gelben und roten Isoindolin-Metall-Komplex-Pigmente werden in ihrer Bedeutung von den PhthalocyaninPigmenten weit übertroffen. Disazopigmente Diese Pigmente enthalten als Chromophor zwei Azogruppen. Auch sie liegen in Gelb und Orange vor. Licht- und Migrationsbeständigkeit genügen in der Kunststoffindustrie nur geringen Ansprüchen. Die Migrations- und Lösemittelbeständigkeit wurde durch Erhöhen der molaren Masse etwas verbessert. Naphthol AS-Pigmente Diese Pigmente zeichnen sich durch Farbstärke, Lichtechtheit und Chemikalienbeständigkeit aus. Die Lösemittelbeständigkeit befriedigt jedoch bis heute noch nicht die Anforderungen der Kunststoffindustrie. Benzimidazolon-Pigmente Die Farbskala dieser Pigmente reicht vom grünstichigen Gelb über Orange, Rot, Carmin, Bordeaux und Violett bis zum Braun. Sie sind in ihrer Echtheit den Monoazo- und Naphthaol AS-Pigmenten deutlich überlegen.
121
Diazokondensations-Pigmente Das Molekül der Monoazopigmente kann durch den Einsatz bifunktioneller Verbindungen in der Gelb- und Rotreihe vergrößert werden. Die Disazokondensations-Pigmente reichen von Gelb über Rot bis Braun. Lösemittel- und Migrationsechtheit, Temperaturbeständigkeit und Farbstärke sind recht gut. Die Licht- und Wetterechtheit ist der der Monoazopigmente überlegen. Sie eignen sich generell für das Einfärben von Kunststoffen.
3.5.1.6.10 Phthalocyanin-Pigmente Diese Pigmente enthalten meistens komplex gebundenes Kupfer; sie sind jedoch auch metallfrei herstellbar. Durch Chlorieren wird das Phthalocyaningrün gewonnen; die Substitution durch Chlor und/oder Brom führt zu gelbstichigen Grüntönen. Das Phthalocyaninblau existiert in mehreren Kristallmodifikationen, von denen die stabilisierten (anchlorierten) α- und β-Modifikationen besonders wichtig sind. Die nichtstabilisierten α-Kristalle schlagen bei höheren Temperaturen in die grünliche β-Kristallform um. Für UP-Harze kommt nur die in Styrol unlösliche βModifikation in Betracht. Außerdem ist dabei auf eine Beständigkeit gegen die beim Härten verwendeten Peroxide zu achten. Die Phthalocyanine können bei PE-HD zum Verzug und zur Bildung von Spannungsrissen führen. Auch die nicht gegen Kupfereinwirkung stabilisierten PP-Typen sind gefährdet. Im Übrigen weist das Phthalocyaninblau die höchste Echtheit auf. Bezüglich der Formstabilität (Verzug) bietet die BASF mit dem neuen Blaupigment (Typ: Heligon Blau K6915) Verzugsfreiheit bei PE an, z. B. für Flaschenkästen.
3.5.1.6.11 Polycyclische Pigmente Zu den organischen Pigmenten mit einer höheren Migrations- und Wärmebeständigkeit als die der Azo-Pigmente, gehören die so genannten polycyclischen Pigmente. Zu dieser Gruppe zählen mehrere Klassen, u. a. die aus den so genannten Küpenfarbstoffen entwickelten Küpenpigmente. Küpenpigmente Bekannte Küpenfarbstoffe sind das Indanthrenblau und die Antrachinon-Farbstoffe. Diese in unlöslicher Form anfallenden Produkte werden mit Hilfe einer speziellen Reaktion, der Verküpung, in eine wässrige Farbstofflösung, die Küpe, überführt. Nachdem es gelang, die unlöslichen Schmelzen durch Mahlen in den koloristisch optimalen Korngrößenbereich von 0,1 bis 1 μm zu vermahlen, gewannen die damit zu Küpenpigmenten gewordenen Produkte auch für das Einfärben von Kunststoffen an Bedeutung. Die Küpenpigmente umfassen die Untergruppen: Thioindigo, Anthrachinone, Perylene und Perinone. Sie bereichern
122
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
die Palette der gelben bis roten Pigmente von hoher Echtheit.
fikante Gesundheits- und Umweltgefährdung durch Cadmiumpigmente.
Nichtverküpbare Pigmente Zu dieser Reihe gehören die Chinacrodine und die Dioxazine. Die Chinacrodine umfassen rotstichig gelbe, gelbstichig rote, blaustichig rote bis violette Nuancen von hoher Echtheit. Sie werden häufig zum Abtönen von Phthalocyaninen verwendet. Nicht verküpbar sind auch die Isoindolinone in den Farbtönen Gelb und Rot. Die Farbstärke ist begrenzt, die Echtheit hoch [46].
3.5.1.6.13 Spezielle Farbmittel
3.5.1.6.12 Lösliche Farbstoffe Die löslichen Farbstoffe [36] begründeten die organische Chemie als Naturwissenschaft. Sie sind leicht dispergierbar und führen zu den brillantesten Einfärbungen. Die allgemeine Echtheit ist jedoch derjenigen der organischen Pigmente weit unterlegen. Zur hohen Brillanz kommt eine hohe Lichtabsorption; sie weisen jedoch keine Streuung und kein Deckungsvermögen auf. Ein Untergrund muss für die Rückstreuung sorgen. Die Unterscheidung kann nach der chemischen Konstitution geschehen [47]: Azo (Mono- und Disazo)-Farbstoffe, Anthrachinon-, Komplex (hauptsächlich Chromkomplex)-Farbstoffen sowie Indulin- und Nigrosinbasen (vor allem spritlösliches Schwarz) vorgenommen werden. Bei allen löslichen Farbstoffen ist auf das mögliche Ausblühen und Ausbluten zu achten. Die Licht- und Wärmebeständigkeit ist je nach Konstitution und Medium verschieden. Die Anthrachinon-Farbstoffe sind echter als die Azokörper. Für den Anwender ist die Löslichkeit der Farbstoffe von Bedeutung. Antrachinon- und Azo-Farbstoffe sind fett- bzw. aromatenlöslich. Alkohol-, ester- und ketonlöslich sind Anthrachinone, Komplexfarbstoffe und die spritlöslichen Nigrosine. Die schwarzen Nigrosin- und Indulinbasen sind säureaufschließbar. Wasserlöslich sind saure und basische Farbstoffe. Die aromatenlöslichen Azo-Farbstoffe eignen sich für das transparente Einfärben von PS und PMMA. Die fettlöslichen Anthrachinon-Farbstoffe werden für das Einfärben von SAN und PS verwendet. Die für ABS häufig eingesetzten anorganischen und echten organischen Pigmente können zur Erzielung tiefer Farbtöne mit löslichen Farbstoffen überfärbt werden. Für CA, CAB und CP werden die spritund esterlöslichen Anthrachinone bevorzugt. Zum Einfärben von Phenoplasten dienen Nigrosin- und Indulinbasen, denn sie lassen sich durch organische Säuren umsetzen. Bei Aminoplasten werden basische und fettlösliche Farbstoffe zum Schönen und Überfärben verwendet. Lange Zeit ging man davon aus, dass Cadmium in Pigmenten lösliche Verbindungen eingeht. Neuere Studien [3] belegen jedoch die Unlöslichkeit und damit keine signi-
Zu diesen Produkten [36] gehören Stoffe, die dem Anwendungsmedium besondere, vor allem optische Effekte, verleihen. Metalleffekt-Pigmente Diese Produkte werden aus Nichteisenmetallen in Form von hochglänzenden Schuppen oder pulverförmigen Partikeln hergestellt. Die Flitter sind einige Millimeter, die Partikel einige Mikrometer groß. Das Verhältnis von Längen zu Dicke beträgt 1:50 bis 1:250. „Silberbronze“ wird aus Reinaluminium, „Goldbronze“ aus Reinkupfer oder Messing hergestellt. Perlglanz-Pigmente Der Glanz dieser Pigmente beruht, wie bei den MetalleffektPigmenten, auf der Blättchenform. Die ebenflächigen, dünnen (< 10 μm) Blättchen führen zu einem matten Glanz, während die dickeren (> 30 μm) körnig und glitzernd wirken. Im Unterschied zu den Metallblättchen sind diese Stoffe stark lichtbrechend und durchscheinend. Die einfallenden Lichtstrahlen werden mehrfach partiell reflektiert, was bewirkt, dass der Glanz aus der Tiefe zu kommen scheint. Dem Perlglanz kommt eine einheitliche Partikelgröße von 15 bis 25 μm Durchmesser am nächsten. Ein natürliches PerlglanzPigment ist das in der Haut von Walen vorkommende Fischsilber. Perlglanzpigmente-Titandioxid Am vielseitigsten und häufigsten werden die TiO2-Perlglanzpigmente verwendet. Dabei dient blättchenförmiger Glimmer als Träger, auf dem beiderseits durch Hydrolyse von Titan(IV)sulfat oder Titanchloriden zunächst Titanoxidhydrat (Schichtdicke etwa 50 nm) niedergeschlagen wird, das sich in einem anschließenden Glühprozess in eine fest haftende, hochtransparente Oxidschicht umwandelt. Die farblosen Glimmerblättchen müssen etwa 200 bis 500 nm dick sein. Die TiO2-Perlglanzpigmente sind ungiftig, mechanisch, thermisch und chemisch sehr stabil. Gießharze, Thermoplaste, Lacke, Druckfarben und Kosmetika sind bekannte Anwendungsgebiete. Dickenabweichungen der TiO2-Perlglanzpigmente von nur wenigen nm erkennt das Auge bereits als Farbverschiebung. Bei paralleler Orientierung in farblosen Medien zeigen sich deshalb in der Auf- und Durchsicht komplementäre Farben, die mit dem Betrachtungswinkel variieren. Dieser Effekt wird vor allem bei künstlichen Perlmuttknöpfen aus UP-Harz genutzt.
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Tagesleucht-Farbmittel Diese Farbmittel besitzen die Fähigkeit, einen bestimmten Anteil des Tageslicht-Farbspektrums zu absorbieren und diese Energie als Licht von größerer Wellenlänge wieder zu emittieren. Man nennt dieses Phänomen Fluoreszenz. Die bei Tageslicht fluoreszierenden Farbmittel weisen die größte Wirksamkeit im langwelligen, d. h. Rot- und Gelbbereich auf. Die Brillanz lässt nach, je näher der kurzwellige, d. h. der Grün- und Blaubereich rückt. Die Tagesleucht-Farbmittel sind verhältnismäßig teuer. Ihre Wärme- und Lichtstabilität ist begrenzt. Es ist jedoch gelungen, diese Nachteile durch Einkapseln zu überwinden, so dass sie bei den Verarbeitungstemperaturen, z. B. 30 Minuten bei 190 °C, und gegen den UV-Anteil des Tageslichts ausreichend beständig sind. Eine optimale Wirkung dieser Substanzen ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn sie nicht mit den üblichen Pigmenten vermischt werden; auch ein gefülltes Matrixmaterial würde die Fluoreszenz beeinträchtigen. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine fluoreszierenden Pigmente. Es handelt sich meistens um Lösungen von fluoreszierenden Farbstoffen in spröden Harzen, die auf die Größe von Pigmentteilchen feingemahlen werden [66]. Phosphoreszenz-Farbmittel Sie vermögen die Energie des einwirkenden Lichtes zu speichern und als Licht wieder zu emittieren, das selbst in der Dunkelheit wahrnehmbar ist. Die Nachwirkung ist bei Gelb und Blau am hellsten, bei Blau außerdem am längsten. Während die Fluoreszenz-Farbstoffe auf organischen Pigmenten basieren, sind die Phosphoreszenz-Farbmittel anorganischer Herkunft. Sie enthalten meistens Zn/Cd-Sulfid oder Calcium/Strontium-Sulfid. Die Wärmestabilität ist gut. Bei Tageslicht sind die nur mit Phosphoreszenz-Farbmitteln versehenen Formstoffe schlicht elfenbeinfarben. Dieser Nachteil kann durch die Zugabe farbstarker bekannter Pigmente oder Farbstoffe behoben werden. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass – wie bei den fluoreszierenden Farbmitteln – diese zusätzliche Pigmente nicht im Wellenlängenbereich der Phosphoreszenz-Farbmittel absorbieren. Im Allgemeinen ist die Nachwirkungsdauer der Dauer der Tageslichteinwirkung proportional. Bei sorgfältiger Rezeptgestaltung können sehr originelle Effekte erzielt werden, insbesondere dann, wenn die Gegenstände einem dunklen UV-Licht ausgesetzt werden [48]. Optische Aufheller Sie oder Weißtöner werden dort eingesetzt, wo durch Absorption von kurzwelligem sichtbarem Licht ein ästhetisch störender Gelbstich verursacht wird. Die charakteristische Eigenschaft der Weißtöner besteht darin, dass sie UV-Strahlung in sichtbares Licht umzuwandeln vermögen. Im Unter-
123
schied dazu erzeugen die Fluoreszenz-Farbmittel das langwelligere gelbe, orangefarbene oder rote Licht. Absorption und Emission folgen mit einer Zeitdifferenz von 10–9 bis 10–7 Sekunden. Bei längerem Nachleuchten liegt die bereits beschriebene Phosphoreszenz vor. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich bei den optischen Aufhellern [4] um fluoreszierende Farbstoffe, die in die Kunststoffe eingebettet sind. Als Farbstoffe dienen beispielsweise Naphtholimide und Rhodamine. Nicht alle Aufheller enthalten Trägerharze. Bei gedeckten Einfärbungen werden diese transparenten Farbstoffe mit TiO2 von hohem Weißgrad kombiniert. Die optimale Zusatzmenge beträgt jedoch weniger als 0,1 %. Bei Leuchtpigmenten führen höhere Zusatzmengen zu optimalen Eigenschaften. Lasermarkierung von Kunststoffen Merck hat ein neues Verfahren 2002 vorgestellt, das eine farbige Laserbeschriftung von Kunststoffen ermöglicht [3]. Es werden kontrast- und farberzeugende Pigmente (Typ: Iriodin LS) über eine selbstklebende Transferfolie direkt auf den zu beschriftenden Gegenstand aufgebracht. Die farbgebende Funktionsschicht der Folie reagiert mittels eines Nd-YAGLasers (Wellenlänge 1064 nm) und wird in die Kunststoffoberfläche übertragen [3].
3.5.1.6.14 Festschmierstoffe Für Festschmierstoffe [4] ist charakteristisch, dass sie auch unter erschwerten Bedingungen auf allen Arten von Metalloberflächen eine Schmierwirkung aufweisen. Sie erleichtern das Einlaufen von Maschinenteilen, schützen vor Fressen und Verschleiß, unterbinden das Kaltverschweißen bei hohem statischem Druck in Wälz- und Gleitlagern, sie wirken bei hohen Flächenpressungen und niedrigen Gleitgeschwindigkeiten, in staubiger Atmosphäre und im Vakuum. Auch bei Kunststoff- und Sintermetallteilen wird die Reibung verringert. Die feinkörnigen Pulver werden den Kunststoffen beigemischt oder auf die Gleitpaarungsflächen gesprüht. Molybdändisulfid Das unter dem Handelsnamen Molykote [49] bekannte Trockenschmiermittel ist ein chemisch reines MoS2, mit der niedrigen Mohs-Härte 1,0 bis 1,5 und einer Korngröße, je nach Typ, von 0,5 bis 10 μm. Der strukturelle Aufbau zeigt eine Molybdänebene zwischen zwei Schwefelmolekülen. Die Schichten sind leicht gegeneinander verschiebbar. Sie haften jedoch fest auf dem Trägermaterial. Molykote ist sehr alterungs- und oxidationsbeständig. Ein anderer Materialtyp besteht aus der synergistischen Kombination fester Schmierstoffe. Das Molykote 7365 wurde speziell für die Verbesserung des Gleit- und Verschleißverhaltens von Kunststoffen entwickelt. Die Zugabemenge beträgt 3 bis 6 %.
124
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Graphit Graphit ist ein gebräuchlicher Zusatz, um Formstoffen aus Thermoplasten – ähnlich wie mit MoS2 – Selbstschmiereigenschaften zu verleihen. Die Reibwerte liegen zwischen den mit MoS2 bzw. PTFE erreichbaren. Das Selbstschmierverhalten wird vor allem dort verlangt, wo Wasser einwirken kann. Häufig wird Graphit mit mineralischen Füllstoffen gepaart, um nicht nur verschleißgefährdete, sondern auch schwindungsarme, d. h. maßgetreue Formteile zu erhalten. Durch den Zusatz von Graphit kann die elektrische Leitfähigkeit von Phenolharz-Formmassen so hoch eingestellt werden, dass daraus hergestellt Formteile galvanisiert werden können. Polytetrafluorethylen Die PTFE-Wachse beispielsweise Hostaflon TF können wie MoS2 oder Graphit allen Kunststoffen zugemischt werden. Das Einbringen geschieht meistens auf Mischwerken. Der PTFE-Anteil beträgt 10 bis 30 Masse-%. Festschmierstoffe können als AF-Coatings (Anti-Friction-Coatings), Pasten oder Trockenpulver eingesetzt werden, kommen aber auch als Zusätze in Fetten und Ölen zur Verbesserung der Schmierwirksamkeit, des Einlaufs oder auch für Notlaufeigenschaften zum Einsatz [49]. AF-Coatings (Anti-Friction-Coatings) sind Suspensionen von Festschmierstoffen sehr kleiner Teilchengröße, wie z. B. MoS2, Grafit oder PTFE, in anorganischen oder organischen Bindemitteln. Voraussetzung für eine hohe AF-CoatingLebensdauer ist die Oberflächenvorbehandlung und Applikationstechnik. Bei Beachtung der Vorbehandlungs- und Beschichtungshinweise ist ein AF-Coating dauerfest einsetzbar. Druckbelastbarkeiten oberhalb der meisten metallischen Werkstoffe werden dann in Abhängigkeit vom AFCoating erreicht. AF-Coatings bestehen aus Festschmierstoffen (als Pigment), Harzen (als Bindemittel) und Lösemitteln. Die sorgfältige Auswahl geeigneter Additive und Lösemittel lässt die Herstellung maßgeschneiderter AF-Coatings für industrielle Anwendungsverfahren zu. Unter Berücksichtigung von Energieeinsparung und Umweltschutzvorschriften können auch wasserverdünnbare, lösemittelarme sowie unbrennbare oder elektrostatisch verspritzbare AF-Coatings verwendet werden [49].
3.5.1.6.15 Fließhilfsmittel Unter Fließhilfsmitteln sollen an dieser Stelle nur jene Zusatzstoffe verstanden werden, die die Viskosität gießfähiger Polymeren erniedrigen oder erhöhen. Viskositätserniedrigende Zusätze Das wichtigste Anwendungsgebiet dieser Hilfsmittel sind die PVC-Plastisole. Sie erfüllen dort die Aufgabe, die Viskosität
der Pasten zu senken, ohne den Weichmacheranteil erhöhen zu müssen. Sie wirken dabei gleichsam als Netzmittel und Dispergierhilfe für die Polymer/Weichmacherkombination. Als Viskositätsregler werden epoxilierte Fettsäuren bevorzugt. Ihr chemischer Aufbau kann der jeweiligen Paste optimal angepasst werden. Eine Technik, die es ermöglicht, beispielsweise einen höheren Anteil an Füllstoffen oder Brandschutzmittel ohne Viskositätserhöhung zu wählen, besteht darin, diese partikelförmigen Stoffe mit Silanen oder Titanaten zu beschichten. Viskositätserhöhende Zusätze Die Aufgabe dieser Stoffe besteht darin, mit geringen Zusatzmengen die Viskosität von Hause aus niedrigviskoser Reaktionsharze wie UP- und EP-Harze oder PVC-Pasten auf ein für die Verarbeitung optimales Niveau anzuheben und ihnen außerdem ein ausgeprägt thixotropes Verhalten zu verleihen. Bekannte Viskositätsregulierer sind Magnesiumoxid und synthetische Kieselsäure. Magnesiumoxid Das aus Magnesit, Meerwasser oder Sole gewonnene MgO bewährt sich in der Kunststoffindustrie als Eindickungsmittel der für das Verarbeiten in Form von Harzmatten (SMC) oder Formmassen (BMC) bestimmten Harze. Die Zugabe der staubenden Pulver wird heute dadurch erleichtert, dass das MgO – in monomerfreiem UP dispergiert – als Paste zur Verfügung steht. Diese Pasten enthalten 20 bis 30 % Magnesiumoxid in Korngrößen < 30 μm. Synthetische Kieselsäure Die pyrogene, hochdisperse Kieselsäure wird durch Hydrolyse von Chlorsilan in einer Knallgasflamme hergestellt. Die dabei außer Chlorwasserstoff entstehenden porenfreien Kieselsäurekugeln von sehr enger Korngrößenverteilung (65 bis 30 μm) lagern sich zu Aggregaten und flockigen Agglomeraten zusammen. Teilchengröße und Struktur der Oberfläche bestimmen die anwendungstechnischen Eigenschaften. Beim Dispergieren dieser Pulver in einer Flüssigkeit, beispielsweise in einem Plastisol oder einem Gießharz, treten die an der Oberfläche der SiO2-Partikel befindlichen Silanolgruppen (SiOH) über Wasserstoffbrücken miteinander und mit anderen Stoffen in Wechselwirkung. Die dabei entstehende Gerüststruktur bewirkt das Eindicken der Flüssigkeit. Dieses Netzwerk wird beim Einwirken von Scherkräften – beispielsweise beim Rühren, Gießen oder Streichen – je nach Dauer der Scherung mehr oder weniger zerstört. Das verdickte System wird niedrigviskoser. Im Ruhezustand stellt sich jedoch der hohe Anfangswert wieder ein. Dieser reversible, zeitabhängige Effekt wird als Thixotropie bezeichnet. Die Verdickungswirkung nimmt mit abnehmender Teil-
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe chengröße zu. Ein strukturviskoses Verhalten ist bei der Verarbeitung von Plastisolen und Gießharzen in den Fällen erwünscht, in denen während des Auftragens eine gewisse Dünnflüssigkeit erforderlich ist, anschließend jedoch ein Weglaufen oder Abfließen verhindert werden soll. Das ist z. B. bei PVC-Plastisolen der Fall, beim Beschichten von Geweben (Verhindern des Durchschlagens), beim Kalttauchen, Airless-Spritzen oder beim Auftragen von FugenDichtungsmassen. Synthetische Kieselsäure verzögert dank der Viskositätserhöhung das Sedimentieren dispergierter Feststoffe im Ruhestand. Sie erhöht die Fließfähigkeit von Pulvern und überführt sogar Flüssigkeiten in rieselfähige Pulver.
3.5.1.6.16 Gleit-, Slip-, Antislip-, Antiblock- und Formtrennmittel Gleitmittel werden den thermoplastischen und duroplastischen Formmassen zugesetzt, um die innere und äußere Gleitfähigkeit bei der Formgebung in der Wärme zu erhöhen. Sie erniedrigen nicht nur den inneren und äußeren Reibwert, sondern können auch die Entformbarkeit, das Blockverhalten und den Oberflächenglanz günstig beeinflussen. Sie werden unterschieden nach ihrer inneren und/ oder äußeren Gleitwirkung. Chemische Zusammensetzung, Polarität, Löslichkeit, Schmelzverhalten und Zusatzmenge bestimmen die Wirksamkeit eines jeden Gleitmittels [4]. Die inneren Gleitmittel weisen meist eine niedrige, die äußeren eine höhere Molekülmasse auf. Die Wirkung eines Gleitmittels – ob inneres oder äußeres – ist auf die Polaritätswechselwirkung Gleitmittel-Kunststoff zurückzuführen. Die polaren Gruppen enthalten meist Sauerstoff, Sauerstoff + Metall, Sauerstoff + Stickstoff oder Halogene. Damit können die Gleitmittel eingeteilt werden in KW, Alkohole, Carbonsäureester, Ketone, Metallsalze von Carbonsäuren, Amide und Halogen-Kohlenwasserstoffe [50]. Silicone setzen die Viskosität von Schmelzen herab und wirken somit als innere Gleitmittel; zwischen Schmelze und Metall übernehmen sie die Aufgabe eines äußeren Gleitmittels und bei der Reibung von Kunststoff auf Kunststoff unterdrücken sie Quietschgeräusche. Die meisten Gleitmittel werden aus natürlichen Rohstoffen hergestellt: die Paraffine aus Erdölrückständen und bei der Braunkohlenschwelerei oder aus bituminösen Schiefern; die natürlichen Fettsäuren (C16- bis C18-Säuren und deren Gemische) aus pflanzlichen und tierischen Fetten. Die weitere Hydrierung der Fettsäuren führt zu den Fettalkoholen. Die technisch wirksamsten, teureren Gleit-mittel sind die veredelten Montanwachse (C28 bis C32). Halbsynthetische Gleitmittel basieren auf dem Umsatz von Alkoholen zu Estern, Metalloxidaten oder Hydroxiden zu Salzen oder Aminen zu Amiden. Vollsynthetische Wachse sind nieder-
125
molekulare PE- und PP-Wachse oder Copolymerisate aus Ethylen, VAC, Acryl- oder Crotonsäure. PVC ist unverändert der größte Gleitmittelverbraucher. Die neuere Entwicklung führt zu Gleitmittelcompounds und -gemischen. Für das Füllstoffcoating werden Spezialprodukte verlangt, die höhere Füllstoffkonzentrationen zulassen. Die Folienhersteller möchten das Plateout und die Spritzgießer von Fittings das Abschiefern vermeiden [51]. Slip-, Antislip- und Antiblockmittel [4] dienen nicht wie die Gleitmittel zur Erleichterung der Formteil- oder Halbzeugherstellung, sondern dazu, die Weiterverarbeitung – vor allem von Folien – zu vereinfachen. Das Halten von Folienbeuteln im Stapel bewirkt, dass sie sich nicht abheben oder öffnen lassen. Diese Erscheinung stört vor allem bei PE-LD und PP. Als wirksames Slipmittel wirkt bei PE-LD die Zugabe von 0,05 % Ölsäureamid und bei PP die gleiche Zusatzmenge von Erucasäureamid. Die Additivhersteller liefern Konzentrate dieser Verbindungen in Granulatform zum Einarbeiten in die Formmasse [51]. Antislipmittel verhindern beispielsweise das Abgleiten gefüllter Foliensäcke im Stapel oder auf der Palette. Abhilfe verschafft das Einarbeiten oder das Aufsprühen eines Antislipmittels. Sie verleihen den Produkten eine begrenzte Klebrigkeit, die dennoch ein leichtes Abheben zulässt. Als Antislipmittel sind wässrige PVAC-Dispersionen oder benzinische Lösungen von amorphem PP, die noch geringe Wachsmengen zur Einstellung der günstigsten Hafteigenschaft enthalten. Antiblockmittel verhindern das Zusammenbacken von Folien unter Einwirkung von Druck und Wärme. Insofern ähneln sie den Slipmitteln. Sie werden mitunter auch kombiniert. Das Blocken tritt vor allem auf der Rolle oder im Stapel auf. Als Antiblockmittel eignen sich Kreide, Kieselerde und synthetische Kieselsäure: sie werden in die Formmasse eingearbeitet. Die Konzentration beträgt etwa 0,1 %. Die um 20 μm großen Partikel wirken als Abstandshalter. Für das Ausrüsten von Weich-PVC-Folien eignet sich auch das Amidwachs. In Zusatzmengen von 1 % ist es ebenfalls ein gutes Antiblock- und Slipmittel. Flüssige und pulverförmige Trennmittel wie Wachse, Polyethylenglycole, Polyvinylalkohol und Silicone, Metallstearate und Polytetrafluorethylen werden auf die Formnestwandung von Press- und Spritzgießwerkzeugen gesprüht bzw. gestäubt. Bei der Herstellung von Schaumstoff-Formteilen wird häufig Glimmer aufgesprüht. Während Formtrennmittel beim Verarbeiten vieler Duro- und Thermoplaste erforderlich sind, führen sie z. B. bei Polyolefinen zu schwachen Bindenähten und erschweren das Schweißen, Kleben und Bedrucken. Seit etwa 15 Jahren haben sich überwiegend so genannte innere Formtrennmittel, beispielsweise Kalzium- oder Zink-
126
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
stearate bei der Polyurethan-RIM/RRIM-Herstellung, durchgesetzt. Mit ca. 0,5 bis 1 Masse-% werden sie der Formmasse bzw. dem Polyol beim PUR zugegeben und verhindern das Haften des Formteiles beim Entformen aus dem Werkzeug. Eine Migration des Formtrennmittels über der Rohteillagerung oder auch schon im heißen Werkzeug während der Vernetzung/Kristallisation erfordert intensive Waschvorgänge bei folgenden Lackierprozessen. Auch werden durch die Formtrennmittel in Masse mechanische Eigenschaften wie Elastizitätsmodul reduziert. Die Stearate können auch als Zentren für Rissauslösung bei Langzeitbeanspruchungen wirken, wie beispielsweise in ultrahochmolekularem Polyethylen (UHMW-PE) für Gelenkendoprothesen.
3.5.1.6.17 Härter Härter – auch Initiatoren genannt – sind Stoffe, die den Vernetzungsvorgang von Harzen (oder linearen Polymeren) katalytisch auslösen. Der Härtungsvorgang vollzieht sich meist in der Wärme. Die so genannte Kalthärtung ist jedoch bereits bei Raumtemperatur möglich. Bei den Pheno- und Aminoplasten sowie den Furanharzen lösen Säurehärter das Vernetzen beim Formungsvorgang in der Wärme aus. Die Polymerisation der ungesättigten Polyester- und Methacrylatharze hingegen wird durch Peroxide eingeleitet. Ihre Wirkung kann durch Beschleuniger gesteigert werden. Die für UP-Harze bevorzugten Peroxidhärter sind die Hydro-, Alkyl-, Acryl-, Acetylbenzoyl-, Ketal- und die Ketonperoxide sowie die Perester [17]. Um bestimmte Charakteristiken bei der Härtung, insbesondere bei der Reaktionsgeschwindigkeit zu erzielen, kann
auch mit Peroxidkombinationen gearbeitet werden. Die Peroxide [4] werden in flüssiger, pastöser und in fester Form angeboten. Die verhältnismäßig geringe Stabilität der Peroxide erfordert den Zusatz so genannter Phlegmatisierungsmittel, das heißt träge machender Substanzen. Zu den Härtern zählen auch die Stoffe, die bei Reaktionsharzen, zum Beispiel PUR und EP, eine Härtung durch Polyaddition bewirken. Sie reagieren im eigentlichen Sinn nicht katalytisch, sondern als bi- oder polyfunktionelle Verbindungen, gleichsam als vernetzende Elemente [52]. Zu diesen gehören die Polyisocyanate (PUR) sowie die Polycarbonsäuren, und -anhydride, Polyamine, Polyamide und Polyaminoamide. Vernetzungsreaktionen bei Elastomeren bezeichnet man als Vulkanisation. Gemeint ist dabei die Herstellung von Elastomeren aus Kautschuk durch weitmaschige chemische Vernetzung. Die kovalente Brückenbildung zwischen den Kautschukketten kann durch verschiedene chemische Reaktionen erfolgen. Tabelle 3-30 [5] fasst die wichtigsten Vernetzungsreaktionen und –systeme für Kautschuk zusammen. Tabelle 3-31 beleuchtet den Einfluss des Vernetzungssystems auf ausgewählte Eigenschaften von Elastomeren und Duroplasten.
3.5.1.6.18 Haftvermittler Zu den Haftvermittlern zählen die Substanzen, die zwischen zwei Substraten eine enge physikalische und/oder chemische Bindung herstellen. Bei den miteinander zu verbindenden Trägermaterialien handelt es sich um faserförmige Verstärkungs- oder partikelförmige Füllstoffe auf der einen und um Kunststoffe oder Metalle auf der anderen Seite. Die Haftver-
Tabelle 3-30 Vernetzungsreaktionen und Vernetzungssysteme für Kautschuk [5] Vernetzungsreaktion
Vernetzungssysteme
Kautschuke
Reaktion von Schwefel mit Kautschuk
Schwefel-Beschleuniger-Systeme Schwefelspender-Systeme
NR, BR, SBR, NBR, CR, IIR, CIIR, BIIR, EPDM, ETER, PNR, TOR
Reaktion von Radikalen mit Kautschuk
Peroxide energiereiche Strahlung
EPM, EPDM, EAM, HNBR, CM, CSM, Q, MVQ, AV, PE und alle Dien-Kautschuke. Nicht geeignet für IIR, CIIR, CO, ECO
Reaktion von bifunktionellen Verbindungen mit reaktiven Gruppen des Kautschuks
Polyvalente Metalloxide Diisocyanate Phenol-Formaldehyd-Harze Dioxime Bisphenole Diamine
CR, BIIR, CIIR, CM, CSM AU, EV IIR, BIIR, CIIR IIR FPM CO, ECO, AEM, BIIR, CIIR, ACM, FPM
Reaktion von bifunktionellen Verbindungen mit Dien-Kautschuk
Diisocyanate Phenol-Formaldehyd-Harze
Dienkautschuke Dienkautschuke
Silanvernetzung
multifunktionelle Silane
Silikonkautschuke, PE
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
Tabelle 3-31 Einfluss des Vernetzungssystems auf ausgewählte Eigenschaften [5]
Tabelle 3-33 Zweikomponenten-Haftvermittler (in Anlehnung an [53]) Stoffklasse
Einfluss des Vernetzungssystems Reaktionskinetik
Netzstellen physikalische Eigenschaften
chemische Eigenschaften
Induktionszeit Aktivierungsenergie Vernetzungsgeschwindigkeit Vernetzungsdichte Chemische Struktur Spannungs-Verformungsverhalten bleibende Verformung dynamische Eigenschaften
127
Bemerkungen
hydroxylgruppenhaltiger Polyester in Ethylacetat hydroxylgruppenhaltiger Polyester
lösemittelfrei
aliphatisches Polyisocyanat in MPA/X aromatisches Diisocyanat
Pulver
aliphatisches Polyisocyanat aromatisches Polyisocyanat in Ethylacetat
lösemittelfrei
thermische Stabilität chemische Beständigkeit Tabelle 3-34 Reaktionsverzögerer (in Anlehnung an [53])
mittler bilden in jedem Falle Brücken zwischen den Grenzflächen beider Komponenten. Haftvermittler-Harze auf der Basis von Styrol/Butadien-Legierungen dienen zum Beispiel als verbindende Schichten beim Laminieren von Tafeln und beim Coextrudieren von Folien aus Styrol-Polymerisaten mit Polyolefinen, PC, PMMA und PA [10]. Werden bei der Beschichtung oder Laminierung von Substraten aus Polyester-, Polyamid- oder Aramid-Fasern mit Weich-PVC hohe Trennfestigkeiten verlangt, so wird der Einsatz von Haftvermittlern notwendig. Welches der Haftvermittler-Systeme zum Einsatz kommt, richtet sich vor allem nach den Anforderungen an den herzustellenden Artikel, den Arbeitsbedingungen bei der Bereitung der Grundstrichpaste, der Art der Beschichtungsanlage sowie der Verweilzeit im Gelierkanal. Typische Einsatzgebiete für Haftvermittler sind heute u. a. LKW- und Abdeckplanen, Traglufthallen und andere textile Bauten, flexible Behälter, Zeltdächer, Markisen, Schutzbekleidung, Fördergurte, Flockteppiche, Schaumkunstleder. Eine Übersicht über die einzelnen Haftvermittler ist in [53] enthalten. Zum Einsatz kommen ein- oder zweikomponentige Haftvermittler-Systeme, die lösemittelfrei oder lösemittelhaltig sein können. Tabelle 3-32, 3-33 und 3-34 zeigen einige für Weich-PVC geeignete Stoffklassen.
Tabelle 3-32 Einkomponenten-Haftvermittler (in Anlehnung an [53]) Stoffklasse
Bemerkungen
aromatisches Polyisocyanurat in DBP aromatisches Polyisocyanurat in Butylacetat aromatisches Polyisocyanurat in DOP
lösemittelfrei lösemittelfre
Stoffklasse
Bemerkungen
Organisches Säurechlorid in Butylacetat
für lange Tropfzeiten
Bei Elastomeren erfolgt die Bindung zwischen Kautschuk und textilen oder metallischen Verstärkungen ebenfalls über Haftvermittler oder haftvermittelnde Zwischenschichten. Tabelle 3-35 [5] nennt übliche Haftsysteme. Allen Systemen gemeinsam ist, dass das Haftmittel eine chemische Bindung mit dem Substrat eingeht und auch mit dem Kautschuk chemisch reagiert. Für die Haftung zwischen textilen Fasern und Kautschuk werden wässrige Systeme bevorzugt. Bekannt hierfür ist das RFL-Dip; Resorcin wird in einem alkalischen Medium vorkondensiert, es bilden sich Mono-, Di- und Trimethylolresorcine. Die Fasern werden mit dem Reaktionsprodukt ergänzt, mit Naturkautschuk oder SBR- und Vinylpyridin-Latex beschichtet. Während der folgenden Trocknung bei 150 °C bis 230 °C reagiert die Methylol-Gruppe sowohl mit der Faseroberfläche als auch mit den aktiven Molekülgruppen Tabelle 3-35 Haftvermittler für textile und metallische Festigkeitsträger [5] Anwendung
Haftsystem
Chemische Bindung an Festigkeitsträger:
Resorcin-Formaldehyd-Latex (RFL) Isocyanat-Haftsysteme Resorcin-Formaldehyd-Silica (RFS)
Chemische Bindung an Metalle:
Messing- oder Zinkbeschichtung Resorcin-Formaldehyd-Silica (RFS) Isocyanat-Haftvermittler Halogenierte Haftvermittler
128
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
des Kautschuks. Über die anschließende Vulkanisation vernetzt auch der an die Faser gebundene Kautschuk. Aktive Wasserstoffatome bei Resorcin-Methylos-Systemen (Rayon oder Polyamiden), Epoxid-Pre-Dips oder Isocyanate bei Polyester- und Aramid-Fasern, sowie Silane bei Glasfasern bewirken die Vernetzung. Haftvermittler, die in die Mischung zugegeben werden (so genannte Direkthaftsysteme wie z. B. Resorcin-Formaldehyd-Silica), sind vorteilhaft, weil der Dip-Prozess entfällt. Nachteilig ist dagegen ein höherer Harzverbrauch und ähnlich wie bei den Formtrennmitteln in der Mischung auch, kann es Eigenschaftsänderungen im Elastomer geben [5]. Zur besseren Adhäsion von Kautschuk auf Stahl wird dieser mit α-Messing beschichtet. Es reagiert mit Schwefel zu Zinksulfid und dem Kautschuk. Organische Kobaltverbindungen katalysieren die Reaktion und erfordern eine hohe Schwefeldosierung. Alternativ dazu bieten sich Resorcin-Formaldehyd-Silica-Systeme an. Bei Isocyanaten als Haftvermittler kann die Messingschicht entfallen, allerdings sind hierbei Lösemittel einzusetzen. Wässrige Dispersionen chlorierter oder sulfurchlorierter Polyethylene, die mit Polynitrosoverbindungen vernetzt werden, bilden einen Ausweg [5]. Von großer Bedeutung für das Füllen und Verstärken von Kunststoffen sind die im englischen Sprachgebrauch als coupling agents (Kuppelagenzien) bezeichneten Haftvermittler. Zu diesen gehören in erster Linie die Silane, gefolgt von den Titanaten.
Behinderung der Hauptreaktion sind auch Quervernetzungen der Haftvermittlermoleküle möglich. Die dabei entstehenden Si–OH-Gruppen können bei H2O-Molekülen zusätzlich Wasserstoffbrücken zum Substrat bilden. Bei siliciumfreien Substanzen reagieren die Silane mit Oxiden oder Oberflächenfeuchtigkeit. Eine davon abgeleitete Variante ist die peroxidisch initiierte Pfropfung von Vinyl-Siloxanen auf Polyethylen und die nachfolgende Vernetzung durch Einwirkung von Wasser. Rohre, Behälter und Kabelisolationen sind Anwendungsgebiete.
Silan-Haftvermittler Dabei handelt es sich um monomere Verbindungen der allgemeinen Form (RO)3SiR′X. X repräsentiert eine organofunktionelle Gruppe, beispielsweise Amine, Methacrylate, Epoxid und andere. Diese Gruppen sind durch eine stabile Kohlenstoffbindung R′, meistens eine –(CH2)-Gruppe, mit dem Silicium verbunden. An dem organischen Ende des Moleküls befinden sich hydrolisierbare Alkoxy- oder AcetoxyGruppen (RO). Diese Gruppen hydrolisieren in wässriger Lösung oder bei Einwirkung von Luftfeuchtigkeit zu der reaktiven Silanol-Gruppe-Si(OH)3. Die Silanol-Gruppe kondensiert mit Hydroxid-Gruppen an der Oberfläche siliciumhaltiger Materialien (Glas und andere Mineralien) und bildet eine kovalente Bindung. Die organische Gruppe R′X reagiert mit der Matrix und führt zu einer besseren Haftung zwischen dieser und dem anorganischen Zusatzstoff wie Glasfasern oder Glaskugeln. Beim Füllstoffcoating, beispielsweise von synthetischer Kieselsäure oder ATH, vollzieht sich zwischen den reaktiven Hydroxylgruppen in der Füllstoffoberfläche und den Gruppen (RO)3Si eine Kondensationsreaktion. Durch sterische
3.5.1.6.19 Inhibitoren
Titanate Die mit Titanat behandelten anorganischen Stoffe sind hydrophob, organophil und organofunktionell. In Verbindung mit Polymeren verbessern sie die Schlagzähigkeit, führen nicht zum Verspröden und bewirken selbst bei Füllstoffanteilen von mehr als 50 Masse-% eine Schmelzeviskosität, die niedriger ist als die des nicht gefüllten Polymeren [54]. Die Titanate reagieren mit Kreide, Schwerspat, Ruß, Cellulose, Peroxiden, C- und Aramid-Fasern sowie mit den Kunststoffen. Die Zusatzmengen betragen 0,1 bis 0,5 %. Die Titanat-Haftvermittler erfüllen insgesamt sechs Aufgaben, von denen eine die chemische Bindung von Füll- oder Verstärkungsstoffen an die Kunststoffmatrix darstellt. Außer der Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der Formstoffe, der Abkürzung der Zykluszeiten beim Spritzgießen, der Reduzierung des Spritzdrucks und dem möglichen höheren Füllstoffanteil reduziert sich der Energieverbrauch bei höherer Durchsatzleistung.
Dazu gehören Stoffe, die einen Polymerisations- oder Vernetzungsvorgang verhindern oder verzögern, dieses im Gegensatz zu den Aktivatoren oder Promotoren. Beispielsweise kann bei UP-Harzen die Härtungsreaktion erst dann beginnen, wenn der Inhibitor verbraucht ist. Er verlängert die Gelierzeit, ohne die Entformungszeit in gleichem Maße zu verringern. Bekannte Inhibitoren sind alkylierte Phenole, Kresole und Chinone. Die Chinone sind zwar sehr wirksam, jedoch wenig stabil [17]. Inhibitoren erhöhen ebenfalls die Lagerungsstabilität der Ausgangsprodukte.
3.5.1.6.20 Keimbildner Die Keimbildner (Nukleierungsmittel) [4] erfüllen den Zweck, bei teilkristallinen Thermoplasten den Kristallinitätsgrad zu erhöhen. Die Kristallisationstemperatur ist bei konstanter Abkühlgeschwindigkeit umso höher, je höher die Keimdichte ist. Daraus folgt unmittelbar eine Verkürzung der Zykluszeit beim Spritzgießen nukleierter Formmassen [55]. Häufig kann wegen der höheren Kristallisationstendenz (höherer Kristallinitätsgrad) eine mögliche Nachkristallisa-
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe tion mit ihren negativen Folgen für die mechanischen Eigenschaften und die Maßhaltigkeit vorweggenommen werden. Keimbildner sollen durch das Polymere benetzt und in diesem unlöslich und feinkörnig (1 bis 10 μm) sein und einen höheren Schmelzpunkt als das Polymere aufweisen. Als Keimbildner bewähren sich: Anorganische Stoffe (Talkum, synthetische Kieselsäure, Kaolin), organische Stoffe (Salze von Mono- und Polycarbonsäuren und Pigmente sowie Polymere (Ethylen/Acrylester-Copolymerisate, PA 6.6 und PET-Pulver).
3.5.1.6.21 Kicker Bei der Herstellung von Schaumstoffen aus Hart- und WeichPVC mit chemischen Treibmitteln, beispielsweise Azodicarbonamid, werden als Starter zur Reduzierung der Zersetzungstemperatur, Regelung der Gasabspaltung und der Porenstruktur Polyole und Harnstoff verwendet. Auch einige Füllstoffe und Pigmente bewähren sich als Regelsubstanz. Als Ersatz cadmiumhaltiger Substanzen gibt es flüssige zinkalkalihaltige Produkte und ebenfalls flüssige Zn/K-SalzKomplexe [9]. Als Porenregler beim Schäumen von Extrudaten (Tafeln, Folien, Profile) mit Hilfe physikalischer Treibmittel bewährt sich Zitronensäure. Auch das bei der Herstellung peroxidisch vernetzter Schaumstoffe am häufigsten verwendete ADC wird in Kombinationen mit einem Kicker eingesetzt. Dieser Aktivator ermöglicht das Reduzieren der Zersetzungstemperatur sowie das Feinabstimmen der Treibmittel- und Peroxidzugabe. Zu homogenen Schaumstoffen mit feinen, geschlossenen Zellen führt beispielsweise eine Kombination von Zinkoxid und Stearinsäure [56].
3.5.1.6.22 LP-Additive (low profile) UP-Harze schwinden beim Härten um 6 % bis 9 %. Bei warmgehärteten Formstoffen kommt die thermische Schwindung hinzu. Die Folge sind Eigenspannungen, Einfallstellen und Lunker. Diese Nachteile können durch schwindungsarme Harzsysteme und durch die Zugabe von Füll- und Verstärkungsstoffen nicht vollständig kompensiert werden. Bei den bei Temperaturen von mehr als 100 °C härtenden schwindungsarmen Harzen handelt es sich um Zweiphasensysteme, bei denen ein geeigneter Thermoplast mit einer Teilchengröße bis zu 50 μm im monomeren Anteil – meistens Styrol – dispergiert ist. Härten diese Harze bei Raumtemperatur, dann schwinden die Formteile normal, das heißt 6 % bis 9 %. Beim Aushärten in der Wärme geht jedoch die Schwindung mit steigender Temperatur zurück. In einem offenen Werkzeug vergrößert sich sogar das Volumen. Die Ursache dieses Phänomens liegt in der thermisch bedingten Ausdehnung der dispergierten Partikel (PS und Copolymerisate, Polyolefine, PMMA, PVAC). Die kohärente Phase besteht aus der styrolischen Lösung des UP, die zweite Phase
129
aus den in Styrol dispergierten Thermoplasten. Dieses Zweiphasensystem ist auch in der Wärme beständig. Die Polymerisation des Styrols in der zweiten Phase verläuft langsamer als die Copolymerisation des Styrols mit dem ungesättigten Polyesterharz der kohärenten Phase. Bei hohen Härtungstemperaturen kommt es sogar zum Verdampfen von Styrol, was bei dem, der herrschenden Temperatur entsprechenden, Dampfdruck zu einer Volumenvergrößerung führt. Erst wenn die äußere Phase sich verfestigt hat, polymerisiert auch das in den dispergierten Teilchen noch verbliebene Styrol. Die schwindungsarmen UP-Harze sollten sehr reaktiv sein, d. h. mehr Doppelbindungen enthalten, um eine Härtungstemperatur von 120 °C bis 140 °C zu erreichen. Härtbare Formmassen (BMC) und Harzmatten (SMC) sind die prädestinierten Produkte für die Herstellung von Formteilen mit schwindungsarmer, glatter, konturengenauer und nachbearbeitungsfreier Oberfläche, wie sie vor allem von der Automobilindustrie verlangt werden [57] und heute Stand der Technik sind.
3.5.1.6.23 Metalle und Metalloxide Metallpulver aus Aluminium, Bronze, Kupfer und Nickel werden den thermo- und duroplastischen Formmassen sowie den Reaktionsharzen dann zugesetzt, wenn Formstoffe mit hoher Wärme- oder elektrischer Leitfähigkeit hergestellt werden sollen. Ein typisches Beispiel bildet die Verwendung von Aluminiumpulver bei PF-Pulverharzen zum Pressen von Tragkörpern für Diamantschleifscheiben. Schwermetallpulver erhöhen die Beständigkeit von Formteilen gegen Neutronen- und γ-Strahlen. Metalloxide dienen zur gezielten Verbesserung bestimmter physikalischer Eigenschaften. Aluminiumoxid verbessert die elektrischen Werte, Berylliumoxid die Wärmeleitfähigkeit, Eisenoxid das Magnetverhalten, Blei- und Zinkoxid erhöht die Dichte. Magnesiumoxid dient als Viskositätsregler bei UP-Harzen. Metallfasern werden als Verstärkungsmaterial und zur Verbesserung der EMV eingesetzt.
3.5.1.6.24 Mikrobentötende Zusätze Während die Kunststoffe als solche kaum von Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen, Hefen und Algen angegriffen werden, können jedoch einige Zusatzstoffe, vor allem die darin enthaltenen Weichmacher, als Nahrungsquelle dienen. Deshalb gilt das Verhindern des biologischen Abbaus vor allem dem Weich-PVC. Allerdings können auch einige Pigmente, Füllstoffe, Verarbeitungshilfen und Stabilisatoren von diesen Kleinlebewesen befallen werden. Sie erzeugen Stoffwechselprodukte, die ätzend oder fleckenbildend wirken oder auch die mechanischen Eigenschaften des Werkstoffes beeinträchtigen. Zu den mehr oder weniger angreifbaren Weichmachern zählen die Abkömmlinge der Milch- und
130
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Adipinsäure, Sebazinsäure und epoxidierte Fettsäuren; grundsätzlich jedoch die Oleate, Stearate und Polyester. Günstiger verhalten sich die Phthalate, Phosphate und Toluolsulfonate [58]. Von der großen Anzahl der patentrechtlich geschützten Biostabilisatoren haben bisher das Kupfer8-hydroxychinolin, das N-(Trihalogenmethylthio) tetrahydrophthalimid, das Diphenylantimon-2-ehtylhexanoat, das N-(trihalogenmethylthio)phthalimid und das Tributylzinnoxid sowie dessen Derivate eine anwendungstechnische Bedeutung erlangt. Eine hohe Temperatur- (300 °C), Licht-, Säure- und Alkalibeständigkeit weisen Benzimidazolderivate auf. Kombinationen von Zinkdithiocarbamat und einem Benzimidazolderivat sind bis 200 °C und im Bereich pH 3 bis 13 beständig. Häufig werden die Wirksubstanzen in Weichmachern, Costabilisatoren oder Lösemitteln angeboten. Die Biostabilisatoren [4] müssen zahlreiche Anforderungen erfüllen, denn außer der Wirkungsbreite, der Beeinflussung der Licht- und Wärmebeständigkeit mit den übrigen Rezeptbestandteilen, der Wirkungsdauer und der Lagerbeständigkeit ist für den Gebrauch die Toxizität von großer Bedeutung, denn die Biostabilisatoren wirken nicht nur auf Mikroorganismen toxisch, sondern mehr oder weniger auch auf Warmblüter. Deshalb sind die Merkblätter der Hersteller sorgfältig zu beachten. Bei Gegenständen, die dauernd mit der menschlichen Haut, mit Trinkwasser, Nahrungs- und Genussmitteln in Berührung kommen, sollte die Verwendung von Biostabilisatoren unterbleiben.
3.5.1.6.25 Phlegmatisierungsmittel Die begrenzte Stabilität der vor allem bei der Verarbeitung ungesättigter Polyesterharze verwendeten Peroxide erfordert das Verdünnen mit phlegmatisierenden Substanzen. Dabei handelt es sich um inerte mineralische Füllstoffe, (die weder angreifen noch angegriffen werden), um Wasser oder Weichmacher auf der Basis von Phthalaten. Die phlegmatisierten Peroxide weisen in der handelsüblichen Form meistens eine Konzentration von 50 % auf [17].
3.5.1.6.26 Photoinitiatoren Die Entwicklung von Initiatoren, die das Härten von UPHarzen mit Licht im langwelligen und damit ungefährlichen UV-A-Bereich mit Hilfe von Leuchtstofflampen oder Quecksilberdampf-Hochdruckstrahlern ermöglichen, führt zu Einkomponentensystemen bei Lacken, Spachtelmassen, vorimprägnierten Glasfasermatten und Rovings. Als Initiatoren dienen Benzoin sowie Benzil und deren Abkömmlinge. Sie werden durch die UV-Strahlung in Radikale gespalten, die die Polymerisationsreaktion auslösen. Die Spachtelmassen werden handwerklich verarbeitet, während flächige Halbzeuge wie Thermoplaste in Thermoformanlagen und
strangförmiges Material auf numerisch gesteuerten Hochgeschwindigkeitsanlagen verarbeitet werden können [59]. Die Wechselwirkung von Licht (UV oder sichtbarer Bereich) mit chromophoren Gruppen löst photochemische Reaktionen aus. Die lichtabsorbierenden Gruppen sind entweder im Polymer eingebaut (z. B. Vinyl-Cinnamat, Naphtyl-Vinylacetat) oder werden als Photoinitiatoren (z. B. Diphenyldisulfid) zugesetzt [5].
3.5.1.6.27 Schlagzähigkeitsverbesserer Die Schlagzähigkeitsverbesserer (engl. impact modifier) sind Homo- oder Copolymere, die dank ihrer niedrigen Glasübergangstemperatur spröde Polymere so zu modifizieren vermögen, dass diese auch in der Kälte schlagzäh bleiben. Voraussetzung für das Eigenschaftsbild dieser PolymerBlends ist die Tatsache, dass die beiden Liganden nur eine bedingte Verträglichkeit aufweisen. Es handelt sich somit im physikalischen Sinne nicht um eine Mischung, sondern vielmehr um ein Gemenge, denn nur so kann die eingebettete, elastifizierende Komponente als Stoß- und Schlagabsorber wirken. Der Anteil dieser Komponente beträgt meistens mehr als 10 Masse-%. Außer dem Mischen von verschiedenen Polymeren gibt es naturgemäß noch andere Wege, um zu schlagzähen Kunststoffen zu gelangen, beispielsweise die Co- und Pfropfpolymerisation oder das Ausrüsten spröder Polymeren mit Weichmacher. Diese Produkte bleiben jedoch in diesem Abschnitt außer Betracht. Bei PVC-U erweist sich der Zusatz von feinstem, gefälltem Calciumcarbonat (Korngröße 75 nm) als ein vorzüglicher Verbesserer der Schlagzähigkeit und zugleich der Oberflächengüte. Zu den anwendungstechnisch wichtigsten PP-Blends gehören die mit EPM oder EPDM (Polyolefinelastomere) modifizierten Propylen-Homo- und Copolymerisate. Eine Langzeit-UV-Stabilisierung ermöglicht den Einsatz im Freien. Auch die Lackierbarkeit dieser Typen wurde verbessert. Zu den seit Jahren bekannten Zähigkeitsverbesserern von PA, dem Ethylen/Vinylacetat (EVAC)-Copolymerisat sowie PE-HD, kommen die thermoplastischen PO- und PA-Elastomere. Die mit diesen Elastomeren ausgerüsteten Formmassen erhalten durch Füllen und Verstärken wieder die Steifigkeit des Grundwerkstoffs, ohne an Schlagzähigkeit zu verlieren. Außer ABS, mit Polybutadien als elastifizierender Komponente, gibt es noch einen Vorläufer unter den kälteschlagzäh ausgerüsteten Polymeren, das PVC-U. Zu den elastifizierenden Liganden gehören: EVAC, EVAC/VC-Pfropfpolymerisat, PAE/VC (Polyacrylsäureester/VinylchloridCopolymerisat), ACE (Acrylester/ MMA-Pfropfpolymerisat) sowie das in mehr als 35jähriger Bewährung bekannte chlorierte Niederdruckpolyethylen PE-C. Alle genannten
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Polymer-Blends eignen sich für den Außeneinsatz, denn sie enthalten keine ungesättigte Komponente. Für die Innenanwendung hingegen kommen Polybutadien-modifizierte Produkte in Betracht, zum Beispiel MBS, ein Methylmethacrylat/Butadien/Styrol-Pfropfpolymerisat [60]. Witterungsbeständige AXS-Polymere enthalten anstelle des UV-gefährdeten Polybutadien ein dienarmes Acrylesterelastomer, was eine hohe Wetterfestigkeit aufweist. Auch mit dienarmen EPDM elastifiziertes Polystyrol bleibt im Außeneinsatz schlagzäh. Transparentes, schlagfestes Polystyrol (SB) wird dann gewonnen, wenn die normalerweise opakizierende Kautschukkomponente nicht in Form von kugelförmigen Partikeln, sondern von feinsten Lamellen in die kohärente PS-Phase eingebettet wird. Aus dem gleichen Brechungsindex ergibt sich die Transparenz. Als elastifizierende Komponente für Phenoplaste kommt vor allem der formaldehydbeständige Nitril/Butadien-Kautschuk (NBR) in Betracht. Beim Härten reagieren Harz und Kautschuk miteinander. Naturkautschuk ist mit Phenolharzen nicht verträglich. Bei 25 % Kautschukanteil sinkt jedoch der E-Modul mit 1000 N/mm2 bereits in den mittleren Bereich unverstärkter Thermoplaste. Die Schlagzähigkeit erreicht die Werte vom Typ 74 (Textilschnitzel verstärkt). Die Formbeständigkeit in der Wärme ist mit Temperaturen von weniger als 100 °C niedriger als die vom Typ 31.
3.5.1.6.28 Treibmittel Schaumstoffe können nach drei Verfahren hergestellt werden: dem Latex-Schäumverfahren (bei dem die Zellstruktur durch Einschlagen von Luft in das zu schäumende Produkt erhalten wird), dem chemischen und dem physikalischen Treibverfahren. Unter den physikalisch wirkenden Treibmitteln spielen die von löslichen Feststoffen abgegebenen keine Rolle. Von den verdichteten Inertgasen kommt nur der Stickstoff (in den USA) in Betracht. Leicht siedende Flüssigkeiten sind bis zu einem Siedepunkt von 110 °C von technischer
131
Bedeutung [59]. Pentan wird vom Markt nur zögernd aufgenommen. Beim Extrudieren von PS-Schaumstoff dient Methylenchlorid als Treibmittel. Die fluorierten, aliphatischen Kohlenwasserstoffe (R 11, R 12, R 113 und R 114) kommen den an physikalische Treibmittel gestellten Anforderungen am nächsten, denn sie sind nicht brennbar, gesundheitlich unbedenklich und thermisch stabil. Wegen nachhaltiger Schädigung der die lebende Natur auf der Erde schützenden Ozonschicht dürfen die FCKW ab Mitte der neunziger Jahre nicht mehr als Treib- und Kältemittel verwendet werden. An ihre Stelle treten bis auf weiteres die weniger schädlichen HF(C)KW und/oder die Kohlenwasserstoffe (Pentan, Cyclopentan). Das bekannteste chemische Treibmittel [4] für Thermoplaste und EP-Harze ist Azodicarbonamid (ADC). Mit einer Gasausbeute von 220 g/ml ist es das wirtschaftlichste aller handelsüblichen Treibmittel. Es entspricht den Empfehlungen des BGA und der FDA. Die an sich sehr hohe Zersetzungstemperatur von 205 bis 215 °C kann durch Zusatzstoffe, so genannten Kicker, reduziert werden. Als Kicker dienen: Polyole, Harnstoff, Amine sowie Zinkoxid, Zinkstearat, Calciumstearat und andere. Zu den chemisch wirkenden Treibmitteln gehören auch die Hydrazin-Derivate, die Semicarbazide, die Tetrazole und die Benzoaxine, Tabelle 3-36 [61]. Zu erwähnen ist aber auch CO2, das bei Wasser-Anwesenheit im Polyol bei der Synthese von Polyurethan mit Isocyanat freigesetzt wird und zu PUR-Schaum führt.
3.5.1.6.29 Stabilisatoren Im Jahre 2001 wurden weltweit 850 000 t/a Stabilisatoren verbraucht. 70 Prozent davon werden in PVC eingesetzt [3]. Restriktionen gegen schwermetallhaltige Stabilisatoren erzeugen einen Trend hin zu organischen Verbindungen. Zusammen mit Co-Stabilisatoren und/oder Synergisten entstehen so genannte Multifunktionsadditive, wie bei-
Tabelle 3-36 Eigenschaften gebräuchlicher chemischer Treibmittel Chemische Bezeichnung
Zersetzungsbereich in Luft °C
Gasausbeute ml/g
Vorzugsweise verwendet bei
Azodicarbonamid modif. Azodicarbonamid 4,4’-Oxibis(benzolsulfohydrazit) Diphenylsulfon-3,3’-disulfohydrazit Diphenylsulfon-4,4’-disulfohydrazit Trihydrazinotriazin p-Toluylensulfonylsemicarbazid 5-Phenyltetrazol Isatosäureanhydrid
205 bis 215 155 bis 220 150 bis 160 155 175 bis 180 275 228 bis 235 240 bis 250 210 bis 225
220 150 bis 220 125 110 120 225 140 190 115
PVC, PE, PP, PS, ABS, PA PVC, PE, PP, EVA, PS, ABS PE, PVC, EVA PVC, PE, EVA PE, EVA, PVC ABS, PE, PP, PA ABS, PE, PP, PA, PS ABS, PPE, PC, PA, PBT PS, ABS, PA, PPE, PBT, PC
132
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
spielsweise Verarbeitungshilfen mit integriertem Licht- und Oxidationsschutz. In Skandinavien und den Benelux-Ländern wird seit 2001/2002 auf bleihaltige Stabilisatoren verzichtet. Die Automobilindustrie stellt seit 2003 auf bleifreie Kabel um. Derzeit sind Stabilisatoren auf Calcium-Zink-Basis die beste Alternative, obwohl die Systeme wegen der notwendigen Zugabe von organischen Co-Stabilisatoren (Polyole und Phosphite) komplizierter und meist auch teuerer sind [3]. Dennoch werden Bleistabilisatoren, schon aufgrund des unvermindert wachsenden Weltmarktes für PVC (2010 werden weltweit 35 Mio. t/a erwartet), noch lange am Weltmarkt dominieren. Das Mengenverhältnis Blei zu alternativen Systemen beträgt heute ca. 4:1. Multifunktionelle Stabilisatorsysteme mit deutlich besseren Migrations- und Farbeigenschaften bei erleichterter Handhabung (One-Packs) werden schwermetallhaltige Systeme bedrängen. Man schätzt, dass nur noch 80 000 t/a bleihaltige Stabilisatoren im Jahre 2010 eingesetzt werden. Crompton Corp. (www.cromton-corp.com) stellte beispielsweise 2002 einen organischen PVC-Stabilisator (Typ: OBS) für PVC-Rohre vor. Cognis, NL (Tochter von Henkel) bietet einen Ca/Zn-Stabilisator (Typ: Stabilox CZ2913GN) für Fensterprofile mit 10 % geringerer Dosierung und gleichen Eigenschaften wie herkömmliche Pb-stabilisierte Systeme an. Great Lakes, USA hat eine ganze Palette von neuen Stabilisatoren, darunter auch ein flüssiges System (Typ: Anox 1315) für PVC sowie Fertigpräparationen (One-Packs) mit anderen Komponenten integriert (Typ: NDB) im Sortiment [3].
Natürliche und synthetische Polymere unterliegen der Oxidation. Dieser schädigende Abbau der Kunststoffe kann sowohl durch Wärmeeinwirkung bei der Verarbeitung und im Einsatz, als auch unter dem Einfluss des UV-Anteils der Sonnenstrahlung vor sich gehen. Beim Anwenden der Erzeugnisse im Freien kann durch Zusammenwirken der beiden Einflüsse die Schädigung beschleunigt werden. Die wichtigsten Oxidationsstabilisatoren (Antioxidantien) für Elastomere sind in Tabelle 3-37 [5] zusammengestellt. Am besten schützen die (stark verfärbenden) p-Phenyldiamine, die allerdings für die Peroxidvernetzung ungeeignet sind. TMQ (Tabelle 3-37) ist ein kostengünstiges Hitzeschutzmittel, jedoch ohne Ozonschutz. Am ungünstigsten sind die nicht verfärbenden sterisch gehinderten Phenole, die jedoch für helle Produkte und für den Lebensmittelkontakt benötigt werden [5]. Tabelle 3-38 vergleicht die Wirksamkeit verschiedener Alterungsschutzmittel in Naturkautschuk [62]. UV-Stabilisatoren Bei im Freien befindlichen oder in geschlossenen Räumen fluoreszierendem Licht ausgesetzten Kunststoffen werden durch den energiereichen UV-Anteil der Strahlung physikalisch-chemische Vorgänge ausgelöst, die sich in einer Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften, in Glanzverlust und Verfärbung äußern können. Der Grad der Schädigung hängt ab von: Lichtempfindlichkeit des jeweiligen Kunststoffs, Art der Zusatzstoffe, Wanddicke der Erzeugnisse sowie Intensität und Wellenbereich der einwirkenden Strahlung. Die nachteiligste Wirkung geht vom UV-Bereich
Tabelle 3-37 Antioxidantien für Elastomere [5] Antioxidants-Gruppe
Chemische Bezeichnung
Abkürzung
Eigenschaften
Substituierte Phenole
2,6-Di-tert. butyl-4-methylphenol
BHT
nicht verfärbend
Substituierte Bisphenole
2,2’-Methylen-bis-(4-methyl-6-tert. butyl-phenol) 2,2’-Methylen-bis-(4-methyl-6-cyclohexyl-phenol)
BPH CPH
nicht verfärbend nicht verfärbend
Dihydrochinoline
2,2,4-Trimethyl-1,2-dihydrochinolin, polymerisiert
TMQ
verfärbend
Diphenylamine
Octyliertes Diphenylamin Aceton/Diphenylamin-Kondensationsprodukt
ODPA ADPA
verfärbend verfärbend
Phenyl-Naphtylamine
Phenyl-α-naphtylamin
PAN
verfärbend
Paraphenylendiamine
N,N’-Bis-(1,4-dimethylpentyl)-p-phenylendiamin N-isopropyl-N’-phenyl-p-phenylendiamin N-(1,3-dimethylbutyl)-N’-phenyl-p-phenylendiamin N,N’-Diphenyl-p-phenylendimin N,N’-Ditolyl-p-phenylendiamin
77PD IPPD 6PPD DPPD DTPD
stark verfärbend stark verfärbend stark verfärbend stark verfärbend stark verfärbend
Benzimidazole
2-Mercaptobenzimidazol Methyl-2-mercaptobenzimidazo
MBI MMBI
nicht verfärbend
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
133
Tabelle 3-38 Vergleich der Wirksamkeit der Alterungsschutzmittel gegen verschiedene Einflüsse in Naturkautschuk: 1 = sehr gut, 5 = schlecht (keine Schutzwirkung) [62] Antioxidantien
Oxidationsschutz
Hitzeschutz
Ermüdungsrissbildung
Ozonschutz
Schwermetallstabilisator
Substituierte Phenole Substituierte Bisphenole Dihydrochinoline Diphenylamine Acryl-naphtyl-amine Dialkyl-p-phenylendiamine Alkyl-aryl-p-phenylendiamine Diaryl-p-phenylendiamine
3–4 2–3 2 2–3 2 2–3 1–2 1–2
4 3 1–2 2 2–3 3 2 2
5 5 4 3–4 2 1–2 1 2
5 5 5 5 5 1 1–2 2–3
4–5 4 3 3 2–3 2 2 2
(300 bis 400 nm) aus. Bei der Raumfahrt ist außerdem die Strahlung im Bereich von 200 bis 300 nm zu berücksichtigen. Die Schutzwirkung von UV-Stabilisatoren [4] beruht vor allem auf der Absorption der schädlichen UV-Strahlung und deren Umwandlung in weit weniger schädigende Wärmeenergie, das heißt langwellige Strahlung. Die photochemische Schädigung der Kunststoffe kann durch folgende Medien verzögert werden: Schutzüberzüge (Lacke, Metall), UV-Absorber, Quencher und Radikalfänger/Peroxidzersetzer. Die üblichen Konzentrationen der Lichtschutzmittel betragen 0,05 % bis 2 %. Zu den UVAbsorbern gehören außer den allerdings nur bei schwarz eingefärbten Erzeugnissen anwendbaren Ruß, vor allem die schwerflüchtigen Hydroxyphenylbenzotriazole, einige Hydroxybenzophenone sowie auch das bisher für Kosmetika verwendete Formamidin und der Benzyliden-Campher [61]. Den Übergang von den UV-Absorbern zu den Quenchern (Löschern) bilden die Zimtsäureester. Die Quencher wirken nicht durch Absorbieren der Strahlung, sondern durch Dissipation der von Chromophoren aufgenommenen Energie. Dadurch verhindern sie jede weitere chemische Reaktion. Ihre Wirkung ist unabhängig von der Wanddicke. Die wichtigsten Quencher sind die Nickelchelate. Sie erweisen sich bei PP und PE-HD als sehr wirksam. Eine zusätzliche Eigenschaft der Nickelchelate besteht darin, dass sie als Haftvermittler für Druckfarben wirken. Beim photooxidativen Abbau von Polymeren spielen die Hydroperoxide eine wichtige Rolle. Radikalfänger, beispielsweise phenolische Antioxidantien, hemmen den Abbau dadurch, dass sie die Radikale verwandeln bzw. die beim Abbau gebildeten Peroxide zersetzen. Sie werden in weniger reaktive Substanzen umgesetzt. Die besten Ergebnisse werden erzielt, wenn gleichzeitig eine hohe Wärmestabilisierung mit Hilfe von Antioxidantien und/oder Wärmestabilisatoren gewährleistet ist. Als wirksame Hydroperoxidzersetzer erweisen sich Metall (Ni, Zn)-Komplexe schwefelhaltiger Verbindungen.
Als Radikalfänger wirken beispielsweise Benzoate vom Typ Benzyliden-Campher. Die wichtigste Neuentwicklung auf dem Gebiet der Lichtschutzmittel brachten in den vergangenen 15 Jahren die sterisch gehinderten Amine (HALS). Die niedermolekularen Typen wurden in der Zwischenzeit durch hochwirksame polymere Typen ergänzt. Sie bewähren sich vor allem bei dem sehr oxidationsempfindlichen PP und anderen Polyolefinen – selbst bei geringen Wanddicken der Erzeugnisse (Folien, Fasern). Die polymeren HALS-Typen erweisen sich als sehr extraktions- und migrationsbeständig. Von dem großen Sortiment an Lichtschutzmitteln können nur wenige bei einer Vielzahl von Kunststoffen optimal eingesetzt werden. Daraus resultiert das Bestreben, für eine Reihe von Kunststoffarten bzw. deren verschiedenen Typen anwendungsspezifische UV-Stabilisatoren zur Verfügung zu stellen und so den erfolgreichen Einsatz der Kunststoffe für einen immer breiter gefächerten Markt zu ermöglichen. Dass auch die Lichtschutzmittel in Form nichtstaubender, leicht zu handhabender Masterbatches angeboten werden, versteht sich von selbst [63]. Wärmestabilisatoren Während die meisten Polymere bereits durch die Anwesenheit von Antioxidantien und Lichtschutzmittel gegen die schädigende Wirkung von Wärme bei der Verarbeitung und beim Einsatz hinreichend geschützt sind, bedarf vor allem das PVC einer zusätzlichen Wärmestabilisierung. Bestünde das PVC-Makromolekül nur aus Methylen- und CHClGruppen, dann wäre es unter den gewöhnlichen Verarbeitungsbedingungen sehr stabil. Die Instabilität rührt jedoch von bestimmten Elementgruppen her, die die Kette an jedem Ende abschließen. Es ist auch möglich, dass sich tertiäre Cl-Atome in der Polymerkette befinden, die Schwachstellen bilden.
134
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Angesichts der geringen Thermostabilität des PVC ist es nicht verwunderlich, dass seit dem ständig zunehmenden Verbrauch von weltweit 14 Mio. t/a mehr als 250 000 t/a an Stabilisatoren für nur diese eine Kunststoffsorte und ihre Modifikationen benötigt werden. Die Auswahl der Stabilisatoren geschieht heute nicht nur nach anwendungsspezifischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern ebenso nach ihrer toxikologischen Beurteilung, die von Land zu Land unterschiedlich sein kann. Die USA und Frankreich lassen beispielsweise für Trinkwasserrohre keine Bleiverbindungen zu; an ihre Stelle treten Zinnstabilisatoren. In Europa ist der Verbrauch von Cadmiumstabilisatoren wegen gesundheitlicher Bedenken nicht mehr zugelassen. Die Aufgabe der Wärmestabilisatoren besteht bei PVC darin, den bei der Zersetzung freiwerdenden Chlorwasserstoff zu binden, Initialstellen durch Substitution auszuschalten und die Autooxidation durch antioxidative Eigenschaften des Stabilisators, gegebenenfalls unter Mitwirkung von phenolischen Antioxidantien oder Phosphiten, zu verhindern. Die schwefelhaltigen Zinnverbindungen eignen sich zum Stabilisieren von E-, S- und M-PVC, von Co- und Pfropfpolymerisaten sowie vom PVC-Polymerblends. Bei allen Zinnstabilisatoren wird die damit erreichbare glasklare Transparenz der Erzeugnisse besonders geschätzt. Die schwefelhaltigen Verbindungen erfordern zur Erhaltung der Transparenz allerdings die Anwesenheit von UV-Stabilisatoren [63]. Die Organozinn-Stabilisatoren sind sehr migrationsbeständig. Die Butylzinnmercaptide werden in zunehmendem Maße zur Substitution von Ba/Cd-Stabilisatoren verwendet. Sie dienen im Übrigen allgemein zur Herstellung technischer Produkte. Die schwefelfreien Zinnstabilisatoren, zum Beispiel die Dialkylzinnmaleinate, sind im Gegensatz zu den schwefelhaltigen Zinnstabilisatoren sehr lichtstabil und geruchsfrei. Im Hinblick auf den Austausch von Ba/CdStabilisatoren haben die Barium/Zink- und die Calcium/ Zink-Stabilisatoren an Bedeutung gewonnen. Aus der Kombination von Zinkcarboxylat und Ba- bzw. Zn-Carboxylat ergibt sich ein Synergismus. Farb- und Langzeitstabilität dieser Metallcarboxylate werden durch die Verwendung von Costabilisatoren (z. B. Diketone, organische Phosphite, Polyole, Epoxidverbindungen) wesentlich unterstützt [64]. Für das Stabilisieren von Hart-PVC bei Außenanwendungen werden unverändert Ba/Cd-Stabilisatoren bevorzugt. Aus Gründen der Arbeitshygiene werden diese Stabilisatoren als staubfreie Konzentrate verarbeitet. Die Draht- und Kabelummantelung sowie die Herstellung von Druckrohren sind unverändert weltweit die wichtigsten Anwendungsgebiete bleistabilisierter Hart- und Weich-PVC-Einstellungen. Die wichtigsten Verbindungen sind dibasisches Bleistearat. Auch bei diesen Stabilisatoren bewährt sich das Kombinieren mit
Costabilisatoren und Gleitmittel, die auch als Konzentrate am Markt erhältlich sind. Zeitlich kontrollierbare Stabilität (Abbau) Während die in den vorangehenden Kapiteln behandelten mikrobentötenden Zusatzstoffe, Wärme- und UV-Stabilisatoren dem Erhalt der wertvollen Kunststofferzeugnisse dienten, führen bestimmte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in die genau entgegengesetzte Richtung, d. h. zum gezielten Abbau von bestimmten Halb- und Fertigerzeugnissen aus Kunststoffen. Dabei handelt es sich vor allem um die in großen Mengen zu Packmitteln und Packstoffen verarbeiteten Standard-Kunststoffe PE, PVC und PS. Durch den sinnvollen Einsatz dieser Produkte soll erreicht werden, dass das Aufkommen an Kunststoffmüll durch zeitlich vorgegebenen photo- oder biochemischen Abbau verringert wird. Unter Hinweis auf den Abschnitt „Abbaubares Polyethylen“ (siehe Kapitel 2) seien vorab an dieser Stelle einige andere Produkte aus dieser Reihe genannt. Nach G.C. Scott kann ein steuerbarer Abbau der oben genannten Polymere durch Inkorporieren von radikalbildendem Eisendialkylthiocarbamat bei Einwirkung von UVStrahlung photochemisch erfolgen [10]. Nach Guilet werden UV-sensitive Ketone einpolymerisiert. In den USA liefern PE-Hersteller Copolymere aus Ethylen und Kohlenmonoxid (E/CO), die nach mehrstündiger Sonneneinstrahlung zu zerbröckeln beginnen. Es versteht sich von selbst, dass bei diesen Produkten jegliches Recyclieren oder Compoundieren mit Normal-PE mit Sicherheit ausgeschlossen werden muss. Einen zweiten Weg bietet der biochemische Abbau von Kunststoffen. Er wird durch den Zusatz metallorganischer Verbindungen oder Stärke erreicht. Anwendungsbeispiele sind die in der Landwirtschaft weit verbreiteten Mulchfolien aus Polyethylen oder PVC. Diese Folien verrotten in einer Vegetationsperiode und können ohne weiters untergepflügt werden. Biologisch abbaubar sind auch aliphatische Polyester, Polycaprolactone und thermoplastische Stärke [65]. Einen erfolgreichen Weg bietet auch das Aufbereiten von gewöhnlicher Stärke in Doppelschnecken-Compoundiermaschinen unter Zugabe von Wasser und chemischen Additiven verbunden mit intensiver mechanischer Scherung und thermischer Beanspruchung. Das Endprodukt ist thermoplastisch verarbeitbare Stärke. Das auf den technisch ausgereiften Anlagen hergestellte Granulat kann auf herkömmlichen Extrudern zu Folien und auf Spritzgießmaschinen zu einfachen Formteilen verarbeitet werden. Weichmacher Weichmacher dienen dazu, die Härte und die Sprödigkeit von Polymeren herabzusetzen. Sie vergrößern den Abstand
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe der Molekülketten, verringern so die Nebenvalenzkräfte und verschieben den Einfrierbereich zu tieferen Temperaturen, siehe auch Kapitel 3.1.1. Zum Erreichen dieses Zieles bieten sich zwei Möglichkeiten: die innere und die äußere Weichmachung. Die innere Weichmachung geschieht durch das Copolymerisieren von zwei verträglichen Monomeren, deren Glasübergangstemperaturen weit auseinander liegen. Bei der äußeren Weichmachung handelt es sich um einen Solvatation-, das heißt Quellvorgang, bei dem der niedermolekulare Weichmacher von dem Polymeren durch Nebenvalenzkräfte gebunden wird. Die Wirksamkeit der dem Verarbeiter allein zugänglichen äußeren Weichmachung ist besonders ausgeprägt bei den polaren Polymeren (ein Beispiel bildet die weich machende Wirkung von Feuchtigkeit beim hydrophilen Polyamid). Die Solvatation ist trotz starker Dipolkräfte keine chemische Reaktion. Bei den Weichmachern [53] – insbesondere bei denjenigen für PVC – wird zwischen Primär- und Sekundärweichmachern unterschieden. Primärweichmacher sollen gut gelieren und nicht ausschwitzen. Sekundärweichmacher sind dipolarme, mäßige Gelierer, die in Kombination mit Primärweichmachern verwendet werden. Sie tragen zur Verminderung der Migrationstendenz, zur Kältefestigkeit und zur Extraktionsbeständigkeit bei. Primärweichmacher werden häufig teilweise durch Extender ersetzt. Sie wirken nicht gelierend, beeinflussen jedoch Viskosität, Reißfestigkeit und das Kleben der Oberfläche. Naturgemäß spielt dabei auch die Verbilligung eines Rezeptes eine Rolle. Die so genannten Polymerweichmacher sind besonders lösemittel- und migrationsbeständig. Sie sind nicht flüchtig und gut kältebeständig, weil sie bei tiefen Temperaturen nicht kristallisieren. Die weich machende Wirkung hängt sehr von der Konzentration ab. Der älteste Weichmacher ist der Campher. Er wird seit dem Jahre 1868 zum Verbessern der Verarbeitbarkeit und zur Flexibilisierung von Zelluloid verwendet. Im Verbrauch stehen die Phthalsäureester an erster Stelle, davon vor allem das Dioctylphthalat (DOP), gefolgt vom Diisooctyl- und Diisononylphthalat sowie dem Dibutylphthalat (DBP). Der Einsatz von Phthalaten aus kurzkettigen aliphatischen Alkoholen, beispielsweise Dimethylphthalat (DMP), bleibt wegen der hohen Flüchtigkeit auf Celluloseester beschränkt. DOP zeichnet sich durch hohes Geliervermögen, gute Verträglichkeit, Lichtstabilität, geringe Flüchtigkeit, hohe Wasserfestigkeit und günstige elektrische Eigenschaften aus [10]. Emissionen gelten als gesundheitskritisch. Neuere Entwicklungen führten bei DIP zu einer Lebensmittel- und einer medizinischen Qualität [56]. Die schwerflüchtigen, flammwidrigen Phosphorsäureester behaupten ihre Position bei mechanisch hoch beanspruch-
135
ten technischen Produkten wie Förderbänder. Das nur für Formmassen aus Celluloseestern verwendete Triphenylphosphat ist ein fast unbrennbares Produkt und in Benzin unlöslich. Das Trikresylphosphat (TCF) ist ein flammwidriger Weichmacher für mechanisch hochbeanspruchte PVCErzeugnisse. Die Ester der aliphatischen Dicarbonsäuren (Adipin-, Azelain- und Sebacinsäure) dienen als Weichmacher für PVC und PVAC. Diese Produkte sind kältefest und lichtbeständig. Die Ester höherer Fettsäuren wie Pelargonate, Laurate, Palmitate, Stearate und Ricinoleate sind streng genommen keine Weichmacher, sondern dienen als Extender, Sekundärweichmacher oder Gleitmittel. Das Einsatzgebiet der epoxidierten Fettsäureester ist die Hart- und Weichverarbeitung von PVC. In Kombination mit Metallstabilisatoren wie Ca/Zn-Verbindungen ergeben sich wertvolle synergistische Effekte. Wichtige Vertreter sind epoxidiertes Soja- und Leinöl. Das Interesse an Zitronensäureester ist auf die günstige gesundheitliche Beurteilung zurückzuführen. Für die Herstellung von Polyvinylbutyralfolien für Verbund-Sicherheitsglas ist das Triethylenglycoldi-2-ethylbutyrat ein unentbehrlicher Weichmacher geworden. Er gewährleistet eine gute Splitterhaftung der Folien im Temperaturbereich von –40 °C bis +70 °C. Die als Polymerweichmacher bezeichneten Polyester liegen durch Wahl der Veresterungskomponenten und der Molmasse in einer breiten Auswahl vor. Propan- und Butandiol sind die bevorzugten Diole. Als Dicarbonsäuren dienen Adipin-, Azelain- und Sebacinsäure. Chlorparaffine mit Chlorgehalten von 30 % bis 40 % dienen als Sekundärweichmacher. In PVC-Pasten kann der Anteil bis zu 25 % betragen. Mit Chlorgehalten von 50 % kommen die Chlorparaffine den Primärweichmachern sehr nahe und können in halbharten Mischungen ohne den Zusatz von Primärweichmachern verwendet werden. Kohlenwasserstoffe wie Dibenzyltoluol und Produkte mit aliphatisch-aromatischer Struktur dienen als Extender für Tauch- und Rotationsgusspasten. Das Flexibilisieren von Polyamid mit Hilfe von Weichmachern einer vergleichbaren polaren Struktur (zum Beispiel Cetamoll), das zur Gruppe der Sulfamide gehört, ist seit der Entwicklung von PACopolymerisaten mit weitgehend kälteunabhängigem Elastomerverhalten in den Hintergrund getreten. Phenolharze können durch den chemischen Einbau weichmachender Gruppen wie Bis- und Polyphenole, die über elastische Zwischenglieder verbunden sind, plastifiziert werden. Für MF-Formmassen kommen ein- oder mehrwertige Alkohole, z. B. Glycerin, in Betracht, ebenso p-Toluolsulfamid. Bekannte Weichmacher für UP-Harze sind DOP, TCF, Mesamoll, Chlophen und Ultramoll. Sofern bei UP-Harzen eine gewisse Einbuße an mechanischen und elektrischen Eigenschaften in Kauf genommen werden kann, können Weichmacher wie DOP, BBP oder TCF verwendet werden.
136
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Unter bestimmten Umständen schwitzen sie aus, denn sie nehmen an der Reaktion nicht teil. Als Flexibilisatoren bewähren sich die Polysulfide und die Polyaminoamide. Weichmacher aus der Sicht der Kautschuke und Elastomere beschreiben Röthemeyer/Sommer [5]. Weichmacheraufnahme Korngröße und Kornstruktur bestimmen das Vermögen der PVC-Körper, Weichmacher aufzunehmen, was besonders bei der Weichverarbeitung wichtig ist. Das gleichmäßig hochporöse Korn der für die Weichverarbeitung bestimmten Typen wirkt sich sehr günstig aus, besonders auch im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Weichmacheraufnahme beim Mischen (Dryblend-Bildung). Die Bestimmungsmethode für die Weichmacheraufnahme bei Raumtemperatur (DIN 53417 T.1) gibt hauptsächlich einen Hinweis auf die Porosität der PVC-Marken, die Bestimmung der Geschwindigkeit der Weichmacheraufnahme bei höheren Temperaturen (DIN 54802) erlaubt Rückschlüsse auf die Dryblend-Bildung mit hohen Weichmachermengen [58].
Literatur zu Kapitel 3.5.1 [1] [2]
[3] [4] [5] [6]
[7] [8]
[9] [10] [11] [12] [13]
Pfaender R (1999) Additive für Rezyklate. Kunststoffe 7/1999, S 76-79 Elias H-G (2003) Makromoleküle. Band 4: Anwendungen von Polymeren (6. Aufl) Weinheim: WileyVCH, ISBN 3-527-29962-9 Hohenberger W (2002) Additive – Trends und Perspektiven. Kunststoffe 5/2002, S 86-91 NN (1985) Plastverarbeiter, Heft 2, S 89–114 Röthemeyer F, Sommer F (2001) Kautschuktechnologie. München: C. Hanser Hund CM; Gores F (2003) Qualitätssicherung: Additive – ein Buch mit sieben Siegeln? Kunststoffe 2/2003, S. 72-74 Zweifel H (2000) Plastics Additives Handbook. München: C. Hanser, (5 Aufl) Müller H (1989) Metalldesaktivatoren, in H. Gächter u. H. Müller (Herausgeber), Kunststoff-Additive, 3 Ausgabe, S 100–132, Hanser, München Bork S (1983) Kunststoffe, 73, S 810 Saechtling HJ, Oberbach K et al. (2004) KunststoffTaschenbuch, 29. Ausgabe, 947, Hanser, München Brendel U, Münstedt H (1996) Kunststoffe, 86, S 73–78 Leute U (1997) Kunststoffe und EMV. München: C. Hanser Gilg R G (1996) Ruß und andere Pigmente für leitfähige Kunststoffe; Lehrgang Technische Akademie Esslingen „Elektrisch leitende Kunststoffe“, Mai
[14] Schmitt WI (1983–84) Antistatic agents, Modern Plastics Encyclopedia, Vol 60, No 10A, S 103 [15] Gilg R (1979) Ruß für leitfähige Kunststoffe, Schriftenreihe Nr 69 der Degussa [16] Knothe J (1996) Elektrische Eigenschaften von spritzgegossenen Kunststoffformteilen aus leitfähigen Compounds. Aachen: IKV, RWTH Aachen, Dissertation [17] Schwarz O (1975) Glasfaserverstärkte Kunststoffe, Vogel Verlag, Würzburg [18] Kaprinidis N, Shields P, Leslie G (2002) Flame retardants 2002. Interscience Communication, London, S 95-106 [19] Fina A, Tabuani D, Frache A, Boccaleri E, Camino G (2005) Fire Retardancy of Polymers: New Application of Mineral Filler. Royal Society of Chemistry, Cambridge [20] Fina A, Tabuani D, Frache A, Camino G (2005) Pass as Promising Fire Retardants in Polymer Nanocomposites. Conference Proceedings, 10th European Meeting on Fire Retardancy and Protection of Material BAM, Berlin, Beitrag 10_P23 [21] Zhang S, Horrocks AR (2003) A review of flame retardant polypropylene fibres. Prog. Polym. Science, 38, 1517-1538 [22] Pfaendner R (2006) Additive heute und in Zukunft. Kunststoff, 6, 64-71 [23] Nicolas RC, Wilèn CE, Roth M, Pfaendner RE, King III (2006) Azoalkanes: A noval class of flame retardants. Macromol. Rapid Commun., 2006, 27, 976-981 [24] Thomson KW, Rodrigo PD, Preston CM, Griffin GJ (2006) In the firing line. EJC, 2006, 12, 34-39 [25] SRI International Consulting (2001) Flame retardents market study, Zürich [26] World flame retardants to 2009. The Freedonia Group, 10/2005 [27] Troitzsch JH (2004) International Plastics flammability handbook. Carl Hanser Verlag, München [28] Jagfeld P (1985) Kunststoffe im Bau. 30/3, 125-128 [29] Carlowitz B (1992) Tabellarische Übersicht über die Prüfung von Kunststoffen. Giesel Verlag, Isernhagen [30] Troitzsch J (1982) Brandverhalten von Kunststoffen. Hanser, München [31] Firmeninformation Polymer Additives Group. Fire Retardant & Smoke Supressant Additives. http://www. pagholdings.com/pdfs/PAG_Product_Information.pdf [32] Oswitch S, Barr TF Iron and Zinc Salts as smoke Supressants for Chorinecontaining Resinous Organic Materials, US 4, 079, 033 [33] Firmeninformation Great Lakes Chemicals Smoke Supressants, http://www.e1.greatlakes.com/fr/products/jsp/smoke_supressant_prod.jsp
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe [34] Engelmann J (2002) Vortrag im Seminar Moderne Flammschutzmittel für Kunststoffe, Haus der Technik, Essen [35] Jenker H (2003) Brandschutzausrüstung für Thermoplaste. In: Elias HG (2003) Makromoleküle Band 4: Anwendung von Polymeren. 6. Aufl, Wiley-VCH, Weinheim, ISBN 3-527-29962-9 [36] Müller A (2002) Einfärben von Kunststoffen. München: C. Hanser [37] Herrmann E (1985) Pigmente und Farbstoffe in (I), S 663–736 [38] Gehrt HH (1984) Farbgebung, in Batzer H (Herausgeber) Polymere Werkstoffe, Bd 2, Technologie I, S 337, Thieme, Stuttgart [39] Herrmann E (1962) Handbuch für den Pigmentverbraucher, Vincentz Verlag, Hannover [40] Hund CM, Grünewald N (2003) Farbmasterbatches wirtschaftlich herstellen. Kunststoff 9/2003, S 161–163 [41] Fujishima A, Hashimoto K, Watanabe T (1999) TiO2 Photocatalysis – Fundamentals and Applications. Tokio: BKC, ISBN 4-939051-03-X [42] Herrmann E (1975) Anorganische Buntpigmente, in „Einfärben von Kunststoffen“ VDI-Verlag, Düsseldorf, S 165 [43] www.cabot-corp.com [44] Kindervater F et al. (1983) Cadmium-Pigmente, in E Bartholomé et al. (Herausgeber) Ullmanns Encyklopädie der techn. Chemie, 4. erweiterte Aufl Bd 18, S 609, Verlag Chemie, Weinheim [45] Benzing G (1983) Chromatpigmente und chromathaltige Pigmente, in (14), Bd 18, S 613 [46] Lincke G (1975) Übersicht über die Pigmente und Farbstoffklassen, in (13), S 143 [47] Kroener J (1975) Lösliche Farbstoffe, in (13), S 225 [48] Morgan H (1983) Special colorants, in (4a), S 116 [49] Zechel R, Lonsky P, Trautmann H et al: Molykote®. München: Dow Corning, 1991 [50] Brotz W (1989) Gleitmittel und verwandte Hilfsstoffe für Thermoplaste, in (2), S 443–503 [51] Worschech K (1984) Kunststoffe, 74, S 635 [52] Stoeckert K (1992) Kunststoff-Lexikon, 8. Aufl, S 262, Hanser, München [53] Bayer AG Technische Informationsblätter (TIB), Weichmacher; Additive/Modifikatoren. Leverkusen, 10/1992 bis 8/1993 [54] Monte SI (1983) Titanates, in (3), S 119, Kenrich Petrochemicals Inc E 22nd St, PO Box 32, Bayonne NJ 07002/USA [55] Jansen J (1983) Keimbildner für teilkristalline Polymere, in (4a), S 891–905 [56] Sommer W (1989) Weichmacher, in (2), S 341–442 [57] Demmler K, Lawonn H (1970) Kunststoffe 60, S 954
137
[58] Lorenz J (1994) Biostabilisatoren, in (4), S 823–841 und Bergmann-Strahsen und E Bessems: „Untersuchung der mikrobiologischen Anfälligkeit von WeichPVC“ – Reproduzierbare Werte mit einer neuen Testmethode. Kunststoffe, 84, S 158–162 [59] Koser W (1984) Kunststoffe, 74, S 608 [60] Menzel G (1989) Hochpolymere Additive zur Verbesserung der Schlagzähigkeit von Thermoplasten, in (2), S 525–548 [61] Hülck V (1976) Die chemischen und physikalischen Treibmittel, in „Spritzgießen von Strukturschaumstoff-Formteilen“, VDI-Verlag, Düsseldorf [62] Bayer AG (1991) Handbuch für die Gummiindustrie, Leverkusen [63] Gugumus F (1984) Kunststoffe, 74, S 6200 [65] Pfaller W (1992) Auf dem richtigen Weg: Thermoplastisches Stärkeaufbereiten, Plastverarbeiter 43, S 28–34 [66] Ismael R (2007) Neue fluoriszierende Pigmente für Kunststoffe. Kunststoffe 97(2007)4, S 123-124 [67] Grand AF, Wilkie CA (2000) Fire Retardancy of Polymeric Materials, Marcel Dekker AG, Basel, ISBN 0-8247-8879-6 [68] Bras M L, Camino G, Bourbigot S, Delobel R (1998) Fire Retardancy of Polymers: The Use of Intumescence, Royal Society of Chemistry, Cambridge, ISBN 0-85404-738-7 [69] Bieleman J (2001) Additives for Coatings, WhileyVCH Verlag GmbH, Weinheim, p. 325-337 [70] Aktuelle Entwicklungen und Trends werden jährlich u. a. auf dem Seminar „Moderne Flammschutzmittel für Kunststoffe“ im Haus der Technik, Essen [21] vorgestellt. [71] Troitzsch J (1982) Brandverhalten von Kunststoffen, Hanser, München [72] Jenker H (1989) Brandschutzausrüstung für Thermoplaste, in (2), S 737–777 [73] Engelmann J (2002) Vortrag im Seminar „Moderne Flammschutzmittel für Kunststoffe“ im Haus der Technik Essen [74] Morf L et al. (2002) Ausgewählte polybromierte Flammschutzmittel. Schiftenreihe Umwelt Nr. 338 „Umweltgefährdende Stoffe“, Bern
Weiterführende Literatur: Anhalt M, Weidenfeller B (2007) Kleintransformatoren spritzgiessen? (Weichmagnetische Composites). Kunststoffe 97(2007)2, S 44-47 Bäumer W (1983) Perlglanz-Pigmente, in (14), Bd 18, S 629 Farbstoffe und Pigmente (1993) Textheft 15. Frankfurt: Fonds der Chemischen Industrie
138
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Hund CM, Grünewald N Farbmasterbatches wirtschaftlich herstellen. Kunststoffe 9/2003, S. 161–163 Neue Gestaltungsmöglichkeiten in der Magnettechnik: Spritzgegossene Dauermagnete in 2K-Technik. Kunststoffe 7/2003, S. 54–56 Peter W (1984) Moderne Rezeptgestaltung in: „Kostenoptimiertes Extrudieren von Rohren und Profilen“, Düsseldorf, VDI-Verlag, S. 85 Schiller M, Pelzl B, Sewell I (2007) Seltenerdmetall-Stabilisatoren: Schein und Wirklichkeit (PVC-Stabilisatoren). Kunststoffe 97(2007)9, S 241–245 Schambony S (2007) klarer und längerer Schutz (UV-Absorber). Kunststoffe 97(2007)9, S 246–248 Troitzsch J (1984) Flammschutzmittel. Kunststoffe 74 (1984) 10, S 627–630 Witt W (1984) Kunststoffe 74(1984)10, S 592–595
3.5.2
Organische und anorganische Füllstoffe
Die Füllstoffe sind partikelförmige, organische oder vorwiegend anorganische Substanzen in fester Form. Die grundsätzliche Unverträglichkeit mit dem Grundmaterial (Matrix) führt zu einem Mehrphasensystem, dessen Verträglichkeit jedoch durch haftvermittelnde Zusatzstoffe (coating) – ähnlich wie bei den verstärkenden Fasern – erhöht werden kann, so dass es zumindest zu einer Brückenbildung kommt. Die Füllstoffe unterscheiden sich voneinander durch ihren chemischen Aufbau, ihre Kornform, -größe und -verteilung. Bei der Kornform spielt das Verhältnis von Länge zu Dicke (l/d) eine wichtige Rolle. Es hat bei der Kugel und beim Würfel den Wert 1. Bei Quadern erreicht dieses, in der englischsprachigen Fachliteratur als „aspect ratio“ bezeichnete Verhältnis Werte von 4:1, bei Plättchen von 5 bis 100:1 und bei Fasern > 4:1. Füllstoffteilchen mit Werten von 4:1 wirken normalerweise als ausgesprochene Extender, d. h. sie verbessern außer der Steifheit nicht die mechanischen Eigenschaften; ganz anders verhalten sich die Plättchen (Glimmer, Talkum, Graphit, ATH) und erst recht die Verstärkungsfasern [1]. Ebenso wichtig wie das l/d-Verhältnis ist die Kornverteilung. Der obere Schnitt, gleichsam das Grobkorn, beeinflusst – je nach Anteil selbst bei mittleren Korngrößen von nur wenigen μm – vor allem die Schlagzähigkeit sowie das Gleit- und Verschleißverhalten der Formstoffe. In kritischen Fällen ist es deshalb sehr wichtig, diesen „top cut“ durch Sichten abzutrennen. Grundsätzlich ist eine große Füllstoffoberfläche erwünscht; ist diese zu groß, kann sie jedoch zu Agglomeratbildung führen und wirkt dann wie ein Grobkorn. Auch eine hohe Oberflächenenergie des Füllstoffs ist grundsätzlich zu begrüßen. Wird auch sie zu groß, dann wird das Dispergieren schwierig. Abhilfe schafft nur eine
Beschichtung (coating). Die um ein Vielfaches höhere spezifische Wärmekapazität und die wesentlich höhere Wärmeleitfähigkeit wirken sich günstig auf die Plastifizier- und Abkühlzeit der Formmassen aus, was zu einer Durchsatzsteigerung beim Verarbeiten führt. Die Mohs-Härte ist – wenn auch nicht ausschließlich – maßgebend für die Verschleißwirkung eines Füllstoffs. Die verschiedenen Arten der optimalen Oberflächenbeschichtung (Silane, Titanate, Chromkomplexe, Fettsäuren, Gleitmittel) weisen auf das in dieser Hinsicht unterschiedliche Verhalten der einzelnen Füllstoffe und ihrer Darbietungsform hin. Auch in Gegenwart von faserförmigen Verstärkungsstoffen erweisen sich die Füllstoffe als vorteilhaft, denn sie erhöhen die Steifheit des Formstoffs und passen so deren E-Modul demjenigen der verstärkenden Faser an. Das ist ein entscheidender Vorteil der so genannten Hydridverstärkung [2]. Die große anwendungstechnische Bedeutung spiegelt sich in den großen Verbrauchsmengen wider. Beträgt doch der Verbrauch an Füllstoffen plus Verstärkungsstoffen weltweit etwa 25 Mio. t/a. Bei den wichtigsten Zusatzstoffen erreicht die jährliche Wachstumsrate etwa 10 %. Halten wir fest: Die Füllstoffe erhöhen Dichte, E-Modul, Druck- und Biegefestigkeit, Härte, Formbeständigkeit in der Wärme, Oberflächengüte und – je nach Füllstoffsorte – das antistatische Verhalten oder die Brandschutzwirkung. Die Schwindung und die Reißdehnung werden verringert. Die Zug- und Scherfestigkeit sowie die Wärmestandfestigkeit können jedoch nur durch die Zugabe von faserförmigen Verstärkungsstoffen erhöht werden. Die Permeationsgeschwindigkeit von Medien wird (je nach Haftung der polymeren Matrix) i. d. R. erhöht.
3.5.2.1
Organische Füllstoffe
Von den partikelförmigen organischen Füllstoffen hat für Thermoplaste, insbesondere PP, das Holzmehl die größte Bedeutung erlangt. Bei den härtbaren Formmassen kommt die pulverförmige Cellulose hinzu. Bei diesen feinpulverigen Stoffen handelt es sich in Wirklichkeit um faserförmige, feingemahlene und speziell konditionierte Produkte auf der Basis von Fichten- oder Buchenholz sowie Baumwolle. Zu erwähnen sind außerdem Holzgranulat, Sägemehl, Schalenund Kernmehl sowie der bereits bei den Schlagzähigkeitsverbesserern erwähnte Kautschuk. Holzmehl Die aus Fichten- oder Buchenholz hergestellten Holzmehle enthalten vergleichbare Bestandteile an Alpha-Cellulose, Hemicellulose und Lignin. Der Anteil von Begleitstoffen wie Harze, Fette, Wachse und Mineralsalze beträgt bei Fichtenholz etwa 1,5 % und bei Buchenholz nur 0,5 bis 1 %, der
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Feuchtigkeitsgehalt 6 %. Die Harzanteile werden mit Hilfe einer Wärme- und Sauerstoffbehandlung bis auf die genannten Restmengen abgebaut. Die Korngrößenverteilung von Holzmehl ist stetig. Die obere Faserlänge beträgt 200 μm. Der Holzmehlgehalt der Pheno- und Aminoplaste beträgt je nach Typ 40 bis 65 Masse-%. Bei Thermoplasten (PP, PVC) liegt der Füllstoffanteil in der gleichen Größenordnung. Auch UP wird mit Holzmehl gefüllt. Holzmehle sind unlöslich in Wasser und nahezu allen organischen Lösemitteln, sie sind jedoch hydro- und lipophil. Die Fichtenholz-Faserstoffe sind wesentlich faseriger als die vergleichbaren Buchenholz-Faserstoffe. Im Unterschied zu den Cellulosefasern, die als Einzelfasern (Zellen) vorliegen, enthalten die Holzfaserstoffe eine hohe Anzahl zusammenhängender Fasern. Durch Verdichten kann der Lumenanteil (Zellhohlraum) speziell behandelter Fichtenholzfasern wesentlich verringert werden, was sich bei härtbaren Formmassen günstig auswirkt: die Harzaufnahme ist geringer, der Füllstoffanteil kann ohne nachteiliges Beeinträchtigen der Fließfähigkeit erhöht werden, der Sauerstoffanteil ist geringer, das Schüttgewicht wird erhöht und dadurch die Rieselfähigkeit der Formmasse verbessert. Während die Fichtenholz-Faserstoffe normalerweise einen pH-Wert von etwa 5 mit starker Pufferwirkung aufweisen, stehen auch Fichtenholz-Faserstoffe mit pH-Werten zwischen 7 und 8 zur Verfügung, was bei MF-Formmassen die unerwünschte „Orangenhautbildung“ verhindert. Cellulosepulver Während bei härtbaren Formmassen bis zum Farbton weinrot vorwiegend Fichten- und Buchenholzmehle verwendet werden, kommt für die Pastelltöne der Aminoplaste nur die weiße Buchen- und Baumwollcellulose in Betracht. Während die Holzfaserstoffe zum großen Teil aus Zellverbänden bestehen, handelt es sich bei den Cellulosepulvern um zerkleinerte Einzelfasern. Der Gehalt an Cellulose beträgt etwa 99 %, davon 92 % Alphacellulose. Die Cellulosemoleküle sind streng parallel geordnet, was wie bei den teilkristallinen Thermoplasten zu kristallinen Bereichen führt. Die dadurch geschaffenen Wasserstoffbrückenbindungen bewirken die Unlöslichkeit im Wasser und die Reaktionsträgheit. Die durch-
139
schnittliche Länge der Fasern beträgt 120 μm, die Faserdicke 18 μm. Das Cellulosepulver wird bei höherer mechanischer Beanspruchung der Formstoffe häufig mit Holzmehl oder mit Gesteinsmehl und anderen Füllstoffen kombiniert. Schalen- und Kernmehle Auch diese Füllstoffe sind Veredler von härtbaren Formmassen. Kokosnussschalen sind fett- und aschereicher als Olivenkerne. Der Feuchtigkeitsgehalt beträgt 7 % bis 9,5 %, der Anteil an Rohcellulose 56 % bis 60 %. Der Rest entfällt auf Glucide (18 % bis 19 %) und Eiweißverbindungen (0,7 % bis 0,95 %). Die Kornfeinheit ist zwischen 0,3 und 1,5 mm einstellbar. Das Mehl aus Walnussschalen enthält Lignin und Furfuröl, was die Fließfähigkeit der Formmassen erhöht. Das darin enthaltene Cutin bewirkt den Oberflächenglanz und die Feuchtigkeitsunempfindlichkeit. Schalenmehle beeinträchtigen die Scherfestigkeit und die Schlagzähigkeit der Formstoffe.
3.5.2.2
Anorganische Füllstoffe
Im Jahre 2006 wurden, dominiert von einigen großen Herstellern wie beispielsweise Omya, Luzenac, Imerys, DAM, Quarzwerke, ca. 12 Mio. t anorganische Füllstoffe produziert, Tabelle 3-39. Das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Reinheit, Konstanz der Produktqualität und die Verfügbarkeit bestimmen die Akzeptanz eines Füllstoffes, wobei das mittlere Aspektverhältnis weitgehend seine Eigenschaften charakterisiert. Der Trend geht hin zu mikronisierten Typen (Nanoverbunde, Nanocomposites) mit hohem Aspektverhältnis von bis zu 1000. Damit lassen sich mit 5 % Füllgrad und weniger, beispielsweise Nanoclays, ähnliche Eigenschaften züchten wie mit 30 % konventionellen Füllstoffen. Herausforderung dabei ist die homogene, feinverteilte, aufgeschlossene, gerüstbildende Verteilung der Nanopartikel in der Kunststoffmatrix. Nach Vielfalt, Menge und anwendungstechnischer Bedeutung stehen die anorganischen Füllstoffe an der Spitze aller Zusatzstoffe – auch der Füllstoffe. Dabei übernehmen sie nicht nur die Aufgabe von Extendern, sondern – wie gezeigt wurde – auch von Funktionszusatzstoffen. Im Folgenden sei
Tabelle 3-39 Anorganische Füllstoffe und ihr Einsatz Füllstoff
2006 ca. Weltmarktanteil %
hauptsächl. Anwendung in Kunststoffen
Calciumcarbonat Talkum Kaolin Wollastonit Bariumsulfat, Glimmer, Quarz u. a.
64 6 5 2 21
PVC, UP, PE PP PA, Elastomere PP, PA, PUR-RIM UP, PB, PVC gewinnen zunehmend an Bedeutung;
140
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
wiederum ohne Rücksicht auf die technische und wirtschaftliche Bedeutung die alphabetische Folge der einzelnen Gruppen nach ihrem chemischen Aufbau gewählt. Aluminiumverbindungen Aluminiumtrihydrat Das Aluminiumtrihydrat (ATH) erfüllt außer der bereits bei den Funktions-Zusatzstoffen beschriebenen Aufgabe als Brandschutzmittel auch die eines hochwertigen Füllstoffs. Außer der versteifenden Wirkung führt es wegen seiner plättchenförmigen Struktur zu hoher Oberflächengüte der Erzeugnisse sowie zu einer verbesserten Durchschlag- und Kriechstromfestigkeit. Elektrokorund Als Ausgangsmineral dient Bauxit, das Al2O3 in ziemlich reiner Form enthält. Der Rohstoff wird calciniert, dann mit gemahlenem Koks und Eisenspänen bei 2000 °C im Lichtbogenofen geschmolzen. Die Schmelze kristallisiert zu einer sehr harten, jedoch zähen Masse. Der braune Normalkorund mit etwa 95 % Al2O3 dient in Begleitung von Füllstoffen, beispielsweise Kryolith, zur Herstellung von Schleifscheiben und Schleifmitteln auf Unterlage für das Bearbeiten langspanender Werkstoffe. Der rosafarbene Edelkorund mit etwa 99 % Aluminiumoxid ist spröder und härter. Er dient zum Bearbeiten von hochlegierten metallischen Werkstoffen und Holz. Der Schwarzkorund mit 70 bis 85 % Al2O3 wird in der optischen Industrie verwendet. Kryolith Nach Erschöpfung der natürlich vorkommenden Lagerstätten in Grönland wird Kryolith (Na3AlF6) synthetisch hergestellt. Kryolith erhöht die Standzeit von Schleifscheiben. Als weitere Füllstoffe für vorwiegend phenolharzgebundene Schleifmittel dienen Pyrit, Zinksulfid, Lithopone, Kaliumfluorborat, -sulfat- und -chlorid, Antimontrisulfid, Bleichlorid, Aluminium- und Eisenoxid, Silicate und Kreidemehl. Bariumverbindungen Schwerspat Schwerspat (BaSO4) ist heute das wichtigste Ausgangsmaterial für die Herstellung von Bariumverbindungen. Die als
Pigment dienenden weißen Sorten entstammen entweder natürlichen Vorkommen oder sie werden durch zusätzliches Bleichen gewonnen. Die Mohs-Härte beträgt 2,5 bis 3,5, die Dichte ist mit 4,3 bis 4,6 g/cm3 hoch. Die Schwerspatmehle dienen als Füllstoff hoher Rohdichte, in Bodenbelägen, Pheno- und Aminoplasten, sowie UP-Harzen. Von spezieller Bedeutung ist die Schutzwirkung gegen energiereiche Strahlung. Es können sehr hohe Füllgrade erreicht werden. Blanc fixe Das Blanc fixe besteht zu 99 % aus BaSO4; es wird vor allem in härtbaren Formmassen und Reaktionsharzen als inerter, farbneutraler Füllstoff und vor allem zum Einstellen von Farbrezepten dann verwendet, wenn der ursprüngliche Farbton und dessen Brillanz erhalten bleiben sollen. Blanc fixe verbessert das Fließverhalten der Formmassen und verursacht keinen Metallabrieb. In thermoplastischen Kunststoffen erhöht es Härte und Verschleißfestigkeit. Bariumferrit Mit bis zu 80 % Bariumferrit gefülltes Polyamid wird zur Herstellung von Kleinmagneten verwendet. Auch in den magnetischen Dichtprofilen an Kühl- und Gefrierschränken aus PVC-P oder PE-LD bewirkt es das dabei erforderliche ferromagnetische Verhalten. Calciumverbindungen Calciumcarbonat (Kreide) Die Carbonate erreichen einen Anteil von nahezu 70 % aktuell 20 Mio t weltweit am Verbrauch von Füll- und Verstärkungsstoffen insgesamt. Zu den in der Natur vorkommenden Carbonaten gehören Kreide, Kalkstein und Marmor. Die Mohs-Härte beträgt 3, die Dichte bis 2,7 g/cm3. Obwohl diese Mineralien vor allem nach ihren Kosten beurteilt werden, ist zu beachten, dass es hinsichtlich ihrer Reinheit, der Aufbereitungsverfahren und der Oberflächenbehandlung wesentliche Unterschiede gibt. Hochwertige Carbonat-Füllstoffe zeichnen sich aus durch: Chemische Reinheit (vor allem keine Schwermetallionen), geringe Absorptionsfähigkeit für Weichmacher und andere flüssige Additive, hohen Weißgrad, geringe Verschleißwirkung, gute Rieselfähigkeit, gute
Tabelle 3-40 Kreidetypen im Vergleich [5] Kreidetyp
Hydrocarb 95T
Precarb 400
Winnofil S
Socal U1S2
Hersteller Herstellung Coating Partikelgröße μm
Omya GmbH, Köln natürlich ja 0,85
Schaefer Kalk, Diez gefällt Nein 0,80
Zeneca Resins, Waalwijk Niederlande gefällt ja 0,075
Solvay, Ebensee (Österreich) gefällt ja 0,08
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Dispergierbarkeit (insbesondere die gecoateten Typen), günstige Beeinflussung der mechanischen Eigenschaften (wiederum vor allem die gecoateten Typen), geringes Plateout, hohe Wärmebeständigkeit (bis 600 °C) und vor allem einen günstigen Preis. Die PVC-U-Verarbeiter schätzen die verfügbaren sehr feinteiligen, oberflächenbehandelten Typen, auch wenn diese nicht die hohen Kerbschlagzähigkeitswerte der herstellbedingt teureren synthetischen gefällten Calciumcarbonate erreichen. Je nach Verwendungszweck beträgt der Anteil 3 % (Druckrohre) bis 50 % (Kabelrohre) [3]. Bei PE beschränkt sich der Einsatz vorwiegend auf Folien, um das Antiblocking-Verhalten zu verbessern. Bei einem Anteil von 10 Masse-% feinteiliger gecoateter Kreide bleiben die mechanischen Eigenschaften der Folien unverändert. Zusätze von 5 bis 15 Masse-% zu Hohlkörpern aus PE-HD erhöhen die Steifigkeit und die Bedruckbarkeit. Bei PP wird feinstkörnige Kreide vor allem bei Folienstreifen eingesetzt. Der beschichtete Füllstoff verhindert das ungewollte Fibrillieren. Die Kombination von Glasfasern mit feinteiligem CaCO3 ermöglicht es, mit Preisvorteil die Steifigkeit der Erzeugnisse zu erhöhen, ohne die Zugfestigkeit und die Schlagzähigkeit durch diese Hybridverstärkung wesentlich zu beeinträchtigen. Die günstigeren thermischen Eigenschaften führen beim Spritzgießen bis zu 20 % kürzeren Zykluszeiten [4]. Zusatzmengen von 5 bis 10 % verbessern die Tiefzieheigenschaften von PS-Folien. Bei geschäumten PS-Schaumfolien bewährt sich das feinkörnige Material in Zusatzmengen von 3 bis 4 % als Keimbildner und Zellenregler. Bei Polyamiden erhöht sich bei Zusatzmengen bis 40 Masse-% unbeschichteter feinteiliger Kreide überraschenderweise die Zugund Reißfestigkeit um 2 %. Dazu kommt eine Erhöhung der Steifheit und der Formbeständigkeit in der Wärme. Die Hersteller von Calciumcarbonat bemühen sich seit einigen Jahren um geeignete Einstellungen für SMC- und BMC-LPFormmassen. Durch Reduzieren der Korngröße auf 4 bis 7 μm und neue Oberflächen-Beschichtungssysteme ist es gelungen, den Füllstoffanteil auf 30 bis 40 Masse-% der Mischung steigern zu können. Das kritische Schwindungsverhalten und die Oberflächengüte konnten wesentlich verbessert werden. Auch bei PUR-Weichschaumstoffen und RIM- sowie RRIM-Systemen führte dieser Extender zu Kostenvorteilen [3]. Die synthetische, gefällte Kreide weist Teilchendurchmesser von 4 nm bis 70 nm auf. Die spezifische Oberfläche beträgt 32 bis 40 m2/g. Durch Beschichten mit Ca-Stearat ist es möglich, bei Hart-PVC die Schlagzähigkeit, den Oberflächenglanz, die Zugfestigkeit und die Bruchdehnung, sowie den E-Modul und die Wetterbeständigkeit der Erzeugnisse wesentlich zu steigern. Nachteilig sind der höhere Preis, die höhere Absorption von flüssigen Zusatzstoffen
141
und die bei der Verarbeitung auftretenden höheren Scherkräfte, die den Füllstoffanteil begrenzen. Tabelle 49 [5] vergleicht einige für PVC-Fensterprofile untersuchte Kreiden. Aufgrund der geforderten hohen Glanzgrade bei dieser Anwendung werden heute trotz höherer Kosten auch gefällte Kreiden eingesetzt. Diese bewirken häufig eine deutliche Steigerung des Glanzgrades im Vergleich zu natürlichen Kreiden [5, 11, 12]. Dolomit Dabei handelt es sich um ein Doppelcarbonat aus Calcium und Magnesium. Der CaMg (CO3)2-Gehalt beträgt etwa 99 %, die Mohs-Härte 3 (wie bei Kreide). Die bei EP- und UPgebräuchlichen Füllgrade betragen 20 bis 40 Teile beim Handauflegeverfahren, 100 bis 130 Teile. bei SMC und 100 bis 160 Teile. bei BMC. Es sind auch Kombinationen mit Talkum möglich [6]. Die elektrischen Eigenschaften sind bei Dolomit-Füllung besonders günstig. Der Wärmeausdehnungskoeffizient erreicht den des Aluminiums. Kohle, Graphit Aufbereitete Füllstoffe wie Kohle, Graphit oder Schwerspat mit einem Bindemittel auf der Basis von Cresol- oder modifizierten Phenolharzen erweisen sich als säure-, alkali- und lösemittelbeständige Werkstoffe für den Oberflächenschutz im Apparatebau der Chemischen Industrie. Daraus werden Überzugmassen und massive tragende Elemente hergestellt. Phenolharze dienen ferner als Bindemittel für die Herstellung von Kunstkohle, aus der Kohlebürsten, Kontaktrollen, Schleifbügel und Graphitanoden hergestellt werden. Die Formkörper werden gebrannt; das Bindemittel verkokt und wird durch Nachbrennen in elektrisch gut leitenden Graphit übergeführt. Für die Herstellung von Glaskohlenstoff (CFC = C-Faser verstärkter Kohlenstoff) und Schaumkohlenstoff werden Phenol- und Furanharze eingesetzt. CFC bewährt sich bis zu Temperaturen von 3000 °C bei Triebwerkteilen, Spitzen von Großraketen und Flugzeug-Bremsscheiben. Die gute Körperverträglichkeit begünstigt die Verwendung in der medizinischen Technik für Prothesen und Elektroden von Herzschrittmachern. Siliciumverbindungen Zu den natürliche Silicaten gehört eine Reihe unentbehrlicher Rohstoffe: Kaolin, Talkum, Feldspat, Glimmer u. a.; in den meisten Verbindungen ist das Silicium tetraedrisch von vier Sauerstoffatomen umgeben. Diese Tetraeder können zu Ringen, Ketten, Schichten oder Gerüsten kondensieren. Die Mannigfaltigkeit der Silicate wird noch dadurch gesteigert, dass Al, B und Be bis zu einem bestimmten Prozentsatz an die Stelle von Si treten und in die Tetraederverbände eingebaut werden können. Hier die wichtigsten Verbindungen wiederum in alphabetischer Reihenfolge.
142
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Andalusit Bei diesem Mineral werden die [SiO4]-Tetraeder durch Al2O3 zusammengehalten. Diese Verbände sind jedoch nicht trennbar. Die Mohs-Härte beträgt 7,5. Das wichtigste Anwendungsgebiet sind phenolharzgebundene, feuerfeste Steine. Fein-körniges Mahlgut dient als Füllstoff bei der Herstellung mechanisch und chemisch hoch beanspruchbarer Beschichtungen und harzgebundener Formstoffe. Feldspat Von technischer Bedeutung ist vor allem der Kalifeldspat K[AlSi3O8]. Die Mohs-Härte beträgt 6 bis 6,5. Wichtigstes Einsatzgebiet sind die Glas- und Keramikindustrie. Feldspatmehle werden wegen ihrer Härte und der vorwiegend plättchenförmigen Struktur als mildes Schleifmittel verwendet. Feinsande und Grobmehle dienen als Gleitschutzmittel bei befahr- und begehbaren Beschichtungen und bei Anstrichen. Pigmente, Klebstoffe und Gummi werden mit feinstgemahlenem Material gefüllt. Die Brechzahl von Feldspat (1,53) stimmt mit der vieler Harze, Weichmacher und Kunststoffe überein, so dass damit selbst bei höheren Konzentrationen nahezu transparente Überzüge oder Formteile hergestellt werden können. Feldspat ist gröber als Kaolin oder Talkum. In silanisierter Form dient Feldspat als Füllstoff für PVC. Glimmer Glimmer gehört wie Talkum, Kaolin, Schiefermehl, MoS2 und Graphit zu den plättchenförmigen Zusatzstoffen für Kunststoffe. Die Summenformel (K2Al4(Al2Si2O20)) des Muskovit zeigt, dass es sich beim Glimmer um ein komplexes Kalium/Aluminiumsilicat handelt. Muskovit glänzt perlmuttartig und ist farblos bis gelblich grünlich, zuweilen auch rötlich gefärbt. Das Material ist vorzüglich spaltbar. Die MohsHärte beträgt 2 bis 2,5. Die Glimmer sind beständig gegen Alkali, Säuren und oxidierende Medien. Die Grundflächen sind leicht benetzbar. Als Ausgangsprodukt der als Füllstoff verwendeten so genannten Mica-Typen dienen Produktionsrückstände aus der Plattenfertigung oder durch Flotation glimmerhaltiger Mineralgemenge gewonnene angereicherte Schuppen. Glimmer erschwert die Verarbeitbarkeit von Pheno- und Aminoplast-Formmassen, deren elektrische Eigenschaften sind allerdings vorzüglich (z. B. Typ 13). Fließtechnisch günstiger verhalten sich Gemische aus Glimmer und silicatischen oder carbonatischen Füllstoffen. In den USA wird Glimmer häufig als verstärkender Füllstoff für PP verwendet. Dies ist weniger auf das im Vergleich mit Talkum nur unwesentlich verbesserte Eigenschaftsbild als auf die dort verfügbaren und wirtschaftlich abbaubaren Vorkommen zurückzuführen [7].
Kaolin Kaolin mit einer Mohs-Härte von 2,5 und einer Dichte von 2,6 g/m3 ist ein Verwitterungsprodukt aus sauren, kristallinen Gesteinen, in denen Feldspat, Quarz und Glimmer vorkommen. Davon wird vor allem der Feldspat in Kaolinit [Al4(OH)8Si4O10], dem in Kaolin vorherrschenden Mineral, übergeführt. Kaolinit bestimmt das Eigenschaftsbild, wenn auch die nur untergeordnet anwesenden Mineralien (Feldspat, Quarz, Illit, Eisen- und Titanminerale) häufig einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss ausüben. Der größte Verbraucher ist die Papierindustrie mit einem Anteil von etwa 70 %. In der Kunststoffindustrie werden calcinierte und silanisierte Produkte verwendet. Bei PVC wird die Zersetzungstemperatur erhöht, PE-HD kann flexibilisiert werden. Aus einem mit 50 Masse-% gecoatetem Kaolin gefüllten PP können papierähnliche Folien hergestellt werden. Durch Schmelzspinnen erhält man daraus opake Monofile. Bekannte Anwendungsgebiete sind auch UP (SMC, BMC), EP und Phenoplaste, Typen von hohem Weißgrad werden für das Pressformen von SMC zu großflächigen Automobilteilen und Bootskörpern mit hoher Oberflächengüte eingesetzt. In Low-profile-Harzen (LP-Harze) bewirken Zusatzmengen von 20 % bei 45 % Kaolinit eine bleibend homogene Verteilung der Komponenten während des Formvorgangs. Kieselgur Kieselgur besteht aus in Jahrtausenden abgelagerten Kieselpanzern einzelliger Kieselalgen. Viele tausend Diatomeenarten unterscheiden sich in Form, Oberflächenbeschaffenheit und Größe voneinander. Die Abmessungen betragen 5 μm bis 400 μm. Den Hauptanteil bildet amorphes SiO2 außer Aluminium-, Eisen- und Calciumoxid. Der überwiegende Teil der Weltproduktion von 2 Mio. t entfällt auf Filterhilfsmittel. Mit Hilfe von Kieselgur können die rheologischen Eigenschaften von flüssigen Harzen und von Schmelzen eingestellt werden. Kieselgur verbessert die Wärmestand- und Verschleißfestigkeit sowie die Alterungsbeständigkeit duroplastischer Formstoffe. Höhere Zusätze bewirken Mattierung und führen bei Kunstharzböden zu rutschfesten Oberflächen. Massive und hohle Mikrokugeln Gemäß ihrer Wirkung auf das Eigenschaftsbild der damit ausgerüsteten Formstoffe stehen die Mikrokugeln zwischen den Füllstoffen und den faserförmigen Verstärkungsstoffen. Zahlreiche Anwendungen bei thermo- und duroplastischen Formmassen und Reaktionsharzen zeigen, dass durch Kombinieren von Fasern und Mikrokugeln in Form der so genannten Hybridverstärkung vor allem die durch Faserorientierung bedingten Schwindungsunterschiede wesentlich verringert werden können.
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Massive Mikro-Glaskugeln: Sie dienen in Körnungen von 100 μm bis 1000 μm zum Ausrüsten reflektierender Flächen bei Straßenmarkierungen, Verkehrsschildern und Automobilkennzeichen. Mit Körnungen von 300 μm werden metallische Oberflächen feingestrahlt und mit 5 μm bis 50 μm großen Kugeln Kunststoffe gefüllt. Die Mohs-Härte beträgt 6, die Dichte 2,5 g/cm3. Als Ausgangsmaterial dient meistens säurebeständiges, alkalihaltiges A-Glas; es werden jedoch auch Kugeln aus E-Glas angeboten. Auf den Verbund abgestimmte Haftmittel (Silane) bilden die Voraussetzung für das Übertragen von Zug- und Scherkräften. Dabei werden die temperatur- und schwindungsbedingten-radial-symmetrischen Eigenspannungen im Vergleich zu kantigen oder faserförmigen Zusatzstoffen wesentlich verringert. Die Viskosität von Thermoplastschmelzen und Reaktionsharzen wird nur unwesentlich erhöht. Für die Verwendung bei Feinschichten spricht die erhöhte Abriebfestigkeit. Weist beispielsweise ein für den Werkzeugbau verwendetes ungefülltes EP-Harz eine Schwindung von 0,57 % auf, dann verringert sie sich beim Zusatz von 120 Masse-Tln. auf 0,15 %. Hybridverstärkte Formstoffe werden durch die Zugabe von Glaskugeln verbilligt, denn sie kosten weniger als Glasfasern und beeinträchtigen das Eigenschaftsbild bei optimalem Verbund nicht nennenswert. Mit Silber beschichtete, leitfähige Glaskugeln dienen als Füllstoff bei Formteilen, von denen eine EMV-Ausrüstung verlangt wird. Der spezifische Durchgangswiderstand kann bis auf 3 · 10–1 bis 20 Ωcm gesenkt werden. Hohle Mikro-Glaskugeln: Eine Firma aus Neuss entwickelte hohle Mikroglaskugeln aus Borsilikat (E)-Glas [8]. Die Wanddicke beträgt 0,5 μm bis 2,0 μm, die Raumdichte 0,15 bis 0,38 g/cm3. Die Kornverteilung umfasst 96 % im Bereich von 20 μm bis 160 μm. Dieser extrem leichte, druckfeste Füllstoff wird heute bei Plastisolen und Reaktionsharzen verwendet. Diese so genannten syntaktischen Schaumstoffe sind druck- und schlagfest sowie vorzüglich wärme- und schalldämmend. Die Kosten dieser Schaumstoffe sind niedriger als wenn das gesamte Volumen ausschließlich aus Harz bestünde. Hohle Mikro-Silikatkugeln: Von einigen Herstellern, beispielsweise Omya und Norvegian Talc, werden Silikat-Hohlkugeln angeboten. Diese bestehen zu zwei Drittel aus SiO2 und nahezu einem Drittel aus Al2O3, der Rest entfällt auf Eisenoxid. Die Fillite SG-Kugeln enthalten eine Gasfüllung aus 10 % CO2 und 30 % N2. In freistehenden und in Strukturschaumstoffen aus PUR wirken diese Kugeln als Keimbildner.
143
Mullit, Olivin, Sillimanit Mullit: ein Aluminiumsilikat, dient vor allem als Rohstoff zur Herstellung feuerfester Steine, Elektroporzellane und Poliermittel (Mohs-Härte 6 bis 7). In Gießharzen und Lacken erhöht Mullit die Verschleißfestigkeit hoch beanspruchter Flächen und Fahrbahnen. Olivin: ein Mg/Fe-Silikat, dient im Hochofenprozess zum Konditionieren von Schlacken, jedoch vor allem zur Herstellung phenolharzgebundener feuerfester Steine, Mörtel und Stampfmassen. Sillimanit, Al2O3SiO2: dient ebenfalls als Rohstoff zur Herstellung feuerfester Baustoffe sowie als verschleißmindernder Füllstoff bei Lacken, Beschichtungen und Kunststoffen, insbesondere bei durch Polyaddition vernetzenden Systemen wie PUR. Nephelin Nephelin, ein Alkalialuminosilikat KNa3 [AlSiO4]4, gehört zu den Feldspatmineralien. Auf diesem Rohstoff basiert die Produktion der B-Glasfasern. Als Feinmehl gewinnt Nephelin ebenso wie Feldspat an Bedeutung als Füllstoff für UPHarze, Kautschuk, Klebstoffe, Farben und Lacke. Die guten elektrischen Eigenschaften begünstigen den Einsatz dieses Füllstoffs bei Vergussmassen und Lacken. Talkum Das natürliche Magnesiumsilikat 3MgO•4SiO2•H2O gehört zur Gruppe der Silicate mit Plättchenstruktur. Es kommt außerdem in Form von Fasern und Nadeln vor. Als Füllstoff kommt nur die Plättchenstruktur in Betracht. Dabei befindet sich das Magnesiumoxid als Schicht zwischen zwei Siliciumoxid-Deckschichten. Dieser Aufbau ist maßgebend für die guten Gleiteigenschaften und für die geringe Härte (H = 1 nach Mohs). Die Dichte beträgt 2,9 g/cm3. Angesichts des Einflusses auf die mechanischen Eigenschaften kann bei Talkum schon fast von einer verstärkenden Wirkung gesprochen werden. Der spezifische Durchgangswiderstand und der Oberflächenwiderstand sind hoch, ebenso die UV-Absorption, die Beständigkeit gegen Säuren und Alkali sowie die Barrierewirkung gegen die Diffusion von Gasen und Kapillarwasser [6]. Im Sortiment der Thermoplaste spielt bereits seit mehr als 35 Jahren das talkumverstärkte PP eine wichtige Rolle unter den preiswerten technischen Kunststoffen. Talkum erhöht Steifheit, Härte, Biege- und Schubmodul bei allerdings niedriger Zugfestigkeit, Reißdehnung und Kerbschlagzähigkeit; Eigenschaften, die sich jedoch im Rahmen einer Hybridverstärkung zum Beispiel mit Glasfasern wieder verbessern lassen. Sehr aufschlussreich ist der Vergleich zwischen Tal-
144
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
kum und Kreide, beides Füllstoffe für PP [7]. Die Vorteile von Talkum bestehen in einer bei gleichem Füllstoffanteil höheren Steifigkeit der Formstoffe, in der geringeren Dichte und Gesamtschwindung. Ein mit Kreide gefülltes PP weist eine höhere Zähigkeit und Bindenahtfestigkeit auf. Bei härtbaren Formmassen und Reaktionsharzen überwiegt bei Talkum die Aufgabe als Extender. Dabei ist zu beachten, dass es, wie alle mineralischen Füllstoffe, den Härtungsverlauf der Harze beeinflusst. Quarzkies, -sand und -mehl Diese, auf Kieselsäure SiO2 basierenden Füllstoffe, sind zwar mengenmäßig nicht von großer Bedeutung, jedoch für zahlreiche Anwendungen ausschlaggebend. Charakteristisch sind ein hoher E-Modul, eine hohe Chemikalienbeständigkeit und das Ausdehnungsverhalten. Die Reinheit der Quarze (99,0 % bis 99,8 % SiO2) wird nur noch vom Bergkristall mit 99,9 % SiO2 übertroffen. Eine zweite wichtige Modifikation der Kieselsäure, der Cristobalit, kommt in der Natur nicht in wirtschaftlich nutzbaren Mengen vor, er wird aus Quarzsand gewonnen. Als Füllstoff kommen für härtbare Formmassen und vor allem für Reaktionsharze die Quarzmehle in Betracht. Mit silanisiertem Quarzmehl gefüllte EP-Harze bewähren sich vor allem für die Herstellung von Isolierteilen im Freien [9]. Als Füllstoff für spritzgieß- oder extrudierbare Formmassen kommt Quarzmehl wegen seiner hohen Verschleißwirkung (Mohs-Härte 7, Dichte 2,65 g/cm3) nicht in Betracht. Ein besonderes Kennzeichen von Quarzgutmehl, eine Kieselglasmodifikation, die bei Temperaturen um 2000 °C erschmolzen wird, ist der niedrige thermische Ausdehnungskoeffizient. Er ist um den Faktor 20 bis 40 niedriger als bei Quarzmehl und entspricht mit 18 ·10–6K–1 dem des Messings. Überall dort, wo durch Temperaturwechsel verursachte mechanische Spannungen vermieden werden müssen, zum Beispiel in der Kryo-Elektronik, bei elektronischen Bauelementen allgemein und im Messgerätebau bestehen günstige Marktchancen für Quarzgutmehle. Schiefermehl Dabei handelt es sich um ein aus zahlreichen Oxiden auf der Basis von Si, Al, Fe, Ca, Mg, K und Ti bestehendes Mineral, das außerdem noch geringe Anteile von S, P, CO2 und Na2O enthält. Die Korngröße beträgt je nach Mahlgrad 10 μm bis 100 μm. Auf dem Kunststoffgebiet ist das Schiefermehl bekannt als Füllstoff für wärmestandfeste PF-Formmassen und verschleißfeste Einstellungen von UP-Harzen. In der Dichtungstechnik ist es bei Weichstoff-Flachdichtungen Substituent für Asbestfasern. Standfeste, nachziehfreie siliconharz- oder phenolharzgebundene Dichtungs-
massen für Flachdichtungen, sofern sie heute nicht Metallbleche mit Polysiloxanbeschichtungen (siebgedruckt) sind, erfüllen mittlere Anforderungsprofile im Motorenbau. Siliciumcarbid Siliciumcarbid, SiC, wird im Elektroofen aus einem Gemisch von 60 % Sand und 40 % Petrolkoks bei Temperaturen um 2000 °C hergestellt. Die Kristallisation ist nach 36 Stunden beendet. SiC steht mit einer Härte von 9,5 bis 9,75 dem Borcarbid (9,9) und dem Korund (9,0) sowie dem Diamant (10) sehr nahe. Zur Herstellung von Schleifmitteln auf Unterlage wird das zähere schwarze und für phenolharzgebundene Schleifscheiben das weniger zähe SiC verwendet. Wollastonit Das Calciummetasilicat Wollastonit, CaSiO3, kommt in der Natur als einziges reinweißes, nadelförmiges Mineral vor. Der aspect ratio beträgt 3:1 bis 20:1, die Mohs-Härte 4,5 bis 5,0, die Dichte 2,9 g/cm3. Es kann je nach seiner Form als Füllstoff oder als Verstärkungsstoff eingestuft werden. Entsprechend ist sein Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften des Matrixmaterials. Zu den Vorzügen zählen der niedrige Preis, die gleichmäßige Korngröße, die hohe Reinheit und Leuchtkraft, die gute Verträglichkeit, die hohe Chemikalienbeständigkeit sowie die damit erreichbare Verbesserung der mechanischen, elektrischen und thermischen Eigenschaften. Bei EP-Harzen kann die Dielektrizitätszahl auf 2,3 bis 2,8 verbessert werden. Bei Polyolefinen wird die Schlagzähigkeit mehr verbessert als mit irgendeinem anderen Füllstoff. Auch bei Fluorkunststoffen, UP-Harzen, Pheno- und Aminoplasten bewährt sich dieser vielseitig verwendbare Füllstoff. Die meisten Eigenschaften werden durch gecoatetes Material zusätzlich verbessert. Wollastonit wird ebenfalls als Austauschmaterial für Asbest und andere gesundheitsgefährdende Füllstoffe verwandt. Mit abgestuften Mischungen aus nadelförmigem Wollastonit mit blättchenartigen Füllstoffen können dicht verfilzte Teilchenpackungen eingestellt und dadurch auch die rheologischen Verarbeitungseigenschaften von Reaktionsharzen gesteuert werden. Neuentwicklungen bei Füllstoffen finden nicht nur im nanoskaligen Bereich statt. Standardprodukte werden ebenfalls laufend verbessert [10]. Beispiele sind: – mit Silan behandelte, kalzinierte Kaoline (Hersteller: Dorfner; Typ: Dorkafil 602; Hersteller: Imerys; Typ Polarite 402) eignen sich bestens zur Verbesserung der Kratzfestigkeit von PA, PP und PBT. – für PE-Folien gibt es ein extrem feines, agglomeratfreies Calciumcarbonat (Hersteller: Provencale; Typ: Mikhart MU08)
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe – für atmungsaktive Folien kommt von Imerys Filmlink 450 zum Einsatz – als Verstärkungsmittel für PUR-RRIM eignet sich ein im Sublimationsprozess hergestelltes Silica Produkt (Hersteller: Quarzwerke; Typ: Tremin 939) – als selbstverstärkender Füllstoff dient unterschiedlich eingefärbtes UP-Granulat (Hersteller: Dorfner) eingesetzt in UP-Gussmassen für Spülbecken, Arbeitsplatten u. a.
Literatur zu Kapitel 3.5.2 [1] [2] [3] [4]
Stange K (1984) Kunststoffe, 74, S 633 Schlumpf HP (1983) Kunststoffe, 73, S 511 Schlumpf HP, Bilogan W (1983) Kunststoffe 73, S 315 Pfister HJ, Schlumpf HP (1982) Plastverarbeiter, 32, S 821 [5] Große-Aschhoff M (1999) Kreide erhöht den Glanzgrad – Wirkung verschiedener Produkte bei PVC-Fensterprofilen. Kunststoffe 89(1999)8, S 52–53 [6] A/S Norwegian Talc (1989) Techn. Bulletin, Nr 155 T [7] Haack U, Riecke J (1982) Plastverarbeiter, 33, S 1038 [8] NN (1985) Plastverarbeiter 36, S 52–63 [9] Skudelny D (1978) Kunststoffe 68, S 65 [10] Hohenberger W (2002) Additive – Trends und Perspektiven. Kunststoffe 92(2002)5, S 86–91 [11] NN (2007) Kreide – weit mehr als ein Problemlöser – Folienherstellung. Kunststoffe 97(2007)4, S 101–103 [12] Calziumcarbonat – von der Kreidezeit ins 21. Jahrhundert. Birkenhäuser Verlag, 2001, 352 S (www. omya.com)
Weiterführende Literatur: Gorna K et al. (2007) Produkteigenschaften durch Materialeinsparung verbessern (Füllstoffe) Kunststoffe 97(2007)6, S 100–102 Nolte-Ernsting B, Zilles JU (2007) Glimmer für temperaturbeständige Kunststoffe (Hochleistungsfüllstoffe). Kunststoffe 97(2007)9, S 237–240
3.5.3
Verstärkungsstoffe
Mineralische organische und metallische Fasern bzw. die daraus hergestellten flächenförmigen Gebilde wie Vliese, Gewebe und Gewirke ermöglichen es nicht nur, aus StandardKunststoffen und technischen Formmassen auf wirtschaftliche Weise Wirkstoffe mit gezielt verbesserten physikalischen Eigenschaften herzustellen, sondern ebenfalls den häufig richtungsabhängigen oder örtlich unterschiedlich hohen mechanischen Beanspruchungen durch einen anisotropen Aufbau der Verbundwerkstoffe oder der Werkstoffverbunde gerecht zu werden.
145
Angesichts der Tatsache, dass in den kommenden Jahren kaum mit einer bahnbrechenden Neuentwicklung wirtschaftlich und/oder technisch bedeutsamer Kunststoffe zu rechnen ist, kommt den Maßnahmen zur Verbesserung bekannter Kunststoffe unverändert eine entscheidende Bedeutung zu [1], [2]. Das Verstärken, das Füllen und das Legieren von Standard-Kunststoffen und technischen Formmassen zur Verbesserung des Eigenschaftsbildes hat jedoch darüber hinaus einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Effekt: Der in den vergangenen Jahrzehnten auf diesem Gebiet gewonnene Erfahrungsschatz sichert den großen Rohstoffherstellern der Industrieländer einen Vorsprung vor den vorwiegend mit Standard-Kunststoffen auf den Markt drängenden Ländern des Nahen und Fernen Ostens. Die aus mehreren Phasen mit meist sehr verschiedenen Eigenschaften bestehenden Verbundwerkstoffe (engl. composites) erhalten durch ihre Kombination ein völlig neues Eigenschaftsbild. Beim Aufbau der Verbundwerkstoffe und der Werkstoffverbunde bietet die Natur Vorbilder höchster Perfektion und Präzision. Auch die Geschichte der Menschheit weist bereits seit Jahrtausenden eine vielfältige Anwendung der Verstärkungstechnik auf, beispielsweise bei den strohverstärkten Lehmziegeln in biblischer Zeit. Das Verstärken synthetischer Kunststoffe begann mit der technischen Produktion von Phenol/Formaldehydharzen durch L. H. Baekeland im Jahre 1907. Die begrenzte Schlagzähigkeit des nach ihm benannten Bakelite behob er durch die Zugabe von Holz- und Asbestfasern, Textilschnitzel, Woll- und Asbestgewebe; selbst an Drahtgewebe wurde gedacht. Es zeugt von großer Erfindungsgabe und technischem Weitblick, wenn er 1911 in seinem Bericht über neue Entwicklungsarbeiten schreibt: „I found we can enormously increase the practical uses of Bakelite by incorporating it with structural fillers, like fibrous or cellular bodies“ [3]. Die Bezeichnung „strukturelle Füllstoffe“ trifft die Aufgabe der Verstärkungsstoffe. Verbundwerkstoffe Als Verbundwerkstoffe werden Materialien bezeichnet, die aus einer Polymermatrix als kontinuierlicher Phase und Verstärkungsfasern bzw. Füllstoffen als eingelagerter diskontinuierlicher Phase bestehen. Der Übergang zwischen den faser- und füllstoffverstärkten Verbundwerkstoffen ist fließend. Der Binder – die Matrix – kann duroplastisch (beispielsweise PF-, MF-, UF-, UP- und EP-Harze) oder thermoplastischer (beispielsweise PA, PC, POM; PET, PBT, PP und ABS) Natur sein. Als Verstärkung dienen natürliche und synthetische, organische sowie anorganische, Fasern in Form von Kurz-, Lang- und Endlosfasern sowie den daraus hergestellten Folgeprodukten wie Vliesstoffe, Matten, Gewebe, Gewirke, Bänder. Die Verstärkungsstoffe können in
146
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
der Matrix ein- oder mehrachsig gerichtet oder ungerichtet sein. Die Verstärkungswirkung ist umso besser, je mehr der E-Modul des Harzes sich dem der verstärkenden Faser nähert. C-Fasern wirken deshalb in EP-Harz besser als in PP. Durch das Einbetten der Verstärkungsmaterialien in die Polymermatrix werden vor allem die mechanischen und thermischen Eigenschaften des Grundmaterials verbessert, beispielsweise die Zug- und Bruchfestigkeit, der E-Modul, die Wärmefestigkeit und die Maßbeständigkeit, während die Schlag- und Kerbschlagzähigkeit in den meisten Fällen niedriger ist als die des unveränderten Grundmaterials. Sie kann jedoch durch die Zugabe elastifizierender Komponenten, beispielsweise Elastomere, wieder angehoben werden. Die sich beim Verarbeiten orientierenden Fasern erhöhen den Schwindungsunterschied zwischen Längs- und Querrichtung, der jedoch durch die Zugabe von Füllstoffen, beispielsweise Glaskugeln, wieder ausgeglichen werden kann. Der jeweils erzielbare Grad der Verbesserung der Eigenschaften hängt von der Härtung zwischen der Matrix und dem Zusatzmaterial, d. h. von den Vorgängen in der Grenzschicht ab. Die elastische Komponente (Glasfasern, C-, Aramid-, Natur- oder Chemiefaser) ist in eine viskoelastische Komponente (Harz oder Thermoplast) eingebettet. Bei Beanspruchung auf Zug wird der Verbundwerkstoff gedehnt. Bei uniaxial verstärkten Formstoffen übernehmen die Fasern in Faserrichtung die Kräfte bis zum Bruch. Dagegen kommt es in Querrichtung wesentlich früher zum Versagen. Die kritische Dehnung liegt beispielsweise bei einachsig GF-verstärkten UP-Laminaten bei 0,9 %, in Querrichtung bei 0,1 %. Bei mehrachsig beanspruchten GießharzFormstoffen sind deshalb mehrlagige Verstärkungen im Sinne der Beanspruchungsrichtung vorzusehen. Die Haftvermittler sind für jede Zusatzstoff/Matrixkombination zu optimieren. Die in der Grenzfläche wirksamen Kräfte beeinflussen von den mechanischen Eigenschaften nicht nur die Festigkeit und die Steifheit, sondern auch die Schlagzähigkeit. Die meisten Netzmittel sind hydrophil, polar und wasserempfindlich. Benötigt wird jedoch ein hydrophobes Haftmittel, das mit dem Verstärkungsstoff (oder mit dem jeweiligen Füllstoff) reagiert sowie dessen Oberfläche luft- und wasserfrei macht, d. h. mit einem dünnen hydrophoben Film überzieht. Bei Glasfasern haben sich die funktionellen Filme als wirksamster Haftvermittler erwiesen. Sie behaupten unverändert ihre führende Stellung gegen einige konkurrierende Stoffe. Die Silan-Haftvermittler sind durch die Struktur R–Si–X3 gekennzeichnet. R wird durch einen organischen Rest und X3 durch hydrolysierbare Gruppen gebildet. Die X-Gruppen werden zunächst hydrolysiert und in einer Folgereaktion zu oligo- oder polymeren Silanolen kondensiert. Sie bilden den bereits
erwähnten hauchdünnen wasserunlöslichen Überzug. Die Anbindung geschieht teils über Wasserstoffbrücken, teils über kovalente Siloxanbindungen. Die organofunktionelle X3-Gruppe des ambivalenten Haftmittelmoleküls ist auf die jeweilige Matrix abgestimmt. In dem Bestreben, möglichst universell einsetzbare Haftvermittler zu synthetisieren, wurden Silanverbindungen mit mehreren funktionellen Gruppen entwickelt, die außerdem durch ionische Wechselwirkung koppeln können [4]. Bei den härtbaren Kunststoffen reagieren die funktionellen Gruppen mit dem Harz. Für UP-Harz eignen sich beispielsweise die Methacrylsilane, für EP-Harze die Epoxisilane und die Aminosilane für nahezu alle übrigen Harze. Das bei Thermoplasten erzielbare Eigenschaftsniveau hängt wesentlich von der Polarität des Matrixpolymeren ab. Demgemäß ist die verstärkende Wirkung von Glasfasern bei gleichem Masseanteil bei den polaren Polyamiden und den gesättigten Polyestern höher als bei den unpolaren Polyolefinen. Wird jedoch beispielsweise Polypropylen mit ungesättigten Carbonsäuren gepfropft, dann enthält es polare, mit dem auf der Faser befindlichen Aminosilan reagierende, Carboxylgruppen und damit ein höheres Festigkeitsniveau. Die Haftung zwischen Füllstoffen und Polymeren ist auf ähnlichen Prinzipien aufgebaut, wie bei den faserförmigen anorganischen Verstärkungsstoffen. Mit Hilfe mehrfunktioneller Silane können vorbehandelte Füllstoffe beispielsweise die Reißdehnung von PA 6 bis zum zehnfachen Wert gegenüber unsilanisiertem Füllstoff anheben, ohne dass die Festigkeit und der E-Modul abnehmen [4]. Die Silane erhalten auch die Grenzflächenhaftung beim Angriff durch Wasser. Zusatzstoffe ohne Hydroxylgruppen bedürfen vor dem Silanisieren einer Ausrüstung der Oberfläche mit benetzungsfördernden Hilfsmitteln, die mit dem Füllstoff eine hydrophobe Grenzschicht bilden. Die Schlichte der C-Fasern besteht aus einem EP-Harz, das im Unterschied zu Glasfasern keinen Härter enthält. Eine gute Ankoppelung von Faser und Matrix wird durch eine oxidative Oberflächenbehandlung vor dem Auftragen der Schlichte bewirkt. Dabei werden auf der Faseroberfläche kovalent gebundene Carboxyl-, Carbonyl-, Hydroxylund Lactongruppen gebildet. Diese reagieren mit der Schlichte und den Harzkomponenten und gewährleisten dauerhafte kovalente Bindungen zur Polymermatrix [4]. Während diese Schlichten die Eigenschaften von EP-HarzVerbundwerkstoffen bis zu Einsatztemperaturen von 180 °C nicht beeinflussen, können sie bei höheren Härte- oder Gebrauchstemperaturen beeinträchtigt werden [5]. Diese Erscheinung wurde vor allem bei Polyimid-Verbundwerkstoffen beobachtet. Sie konnte nur mit Hilfe einer nicht auf EP-Harz basierenden Schlichte behoben werden. Außerdem kam es auf einen hohen Kohlenstoffgehalt (99 % bis
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe 100 %) und einen sehr niedrigen Gehalt der C-Fasern an alterungsfördernden Metallen wie Kalium und Natrium an. Die Schlichte der Aramid-Fasern dient nur als Verarbeitungshilfe. Sie beeinflusst nicht die mechanischen Eigenschaften der Verbundwerkstoffe. Dieser Effekt zeigt sich deutlich bei der senkrecht zur Faserrichtung gemessenen niedrigeren Zug-, Druck- und Schubfestigkeit, die wesentlich von der Grenzflächenhaftung abhängt. GF- und CFverstärkte Verbundstoffe verhalten sich in dieser Hinsicht naturgemäß günstiger. Die verstärkenden Fasern weisen im Vergleich zur Polymermatrix eine hohe Festigkeit und Steifigkeit auf. Die von den Fasern im Verbund aufgenommene mechanische Beanspruchung hängt ab vom Volumenanteil der Komponenten, dem Verhältnis ihrer E-Moduln, der Grenzflächenhaftung, der Faserlängen und der Faserorientierung. Bei Zugbeanspruchung wird von den Faserenden her eine Zugspannung aufgebaut, die bei langen Fasern im Mittelteil einen konstanten Wert annimmt. Je länger die Faser, desto weniger fällt der Spannungsabfall an den Enden ins Gewicht. Es bleibt nur der festigkeitsmindernde Einfluss der Spannungskonzentration an den Faserenden. Mit abnehmender Faserlänge gewinnen die eigenschaftsmindernden Effekte die
Bild 3-63. Wichtigste Verbundwerkstoffanwendungen in der A380 [6]
147
Oberhand. Bei Faserlängen unterhalb der kritischen Länge (< 10 d) kommt es nicht mehr zum vollen Spannungsaufbau in der Faser. Die hohen Schubspannungen bewirken je nach Haftung ein Fließen der Polymermatrix oder ihr Ablösen von den Faserenden. Die Fasern werden unterhalb der kritischen Länge nicht mehr bis zu ihrer Bruchfestigkeit belastet, sondern lösen sich von der Matrix und werden aus der Einbettung herausgezogen. Dieser so genannte pull-outEffekt ist kennzeichnend für kurzfaserverstärkte Thermoplaste mit unterkritischen Längen von 0,2 mm bis 0,4 mm. Die beim Bruch langfaserverstärkter Verbundwerkstoffe sich abspielenden Vorgänge sind der Reihe nach: Matrixverformung, Grenzflächenablösung, Grenzflächengleiten, Faserbruch oder pull-out. Bei Kurzfasern folgt der Ablösung unmittelbar das pull-out [4]. Bild 3-63 zeigt am Beispiel eines modernen zivilen Großraumflugzeuges, des Airbusses A380, in welcher Vielzahl an strukturrelevanten Bauteilen und Komponenten Verbundwerkstoffe Einzug gehalten haben [6]. Bild 3-64 zeigt dabei eindrucksvoll, wie Metalle und Faserverbundwerkstoffe sich gegenseitig im Wettbewerb gefordert und vorwärts getrieben haben [6]. Bild 3-65 unterstreicht diese Aussage zugunsten der Verbundwerkstoffe in anderer Darstellungsform [6].
148
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-64. Wettstreit im Einsatz von Werkstoffen und Verfahren in der Metall-Bauweise und Faserverbundwerkstoffe-Bauweise in Airbus Flugzeugen [6]
Bild 3-65. Entwicklung der Werkstoffverteilung in der Struktur eines Passagierflugzeugs [6]
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe Möglich geworden ist diese Entwicklung hauptsächlich durch eine Preisreduzierung bei den Kohlenstofffaser-Prepregs um 50 % seit 1990. Metallfasern Für die textile Verarbeitung eignen sich nur flexible Metallfäden mit Durchmesser um 10 μm. Metallfasern werden vorwiegend nach dem Düsenziehverfahren hergestellt. Andere Methoden sind das Sintern von Pulvermetallen oder das Metallisieren anderer Fasern. Als besondere Eigenschaften sind die hohe elektrische und thermische Leitfähigkeit im Vergleich mit den mineralischen Fasern sowie der hohe E-Modul und die hohe Zugfestigkeit hervorzuheben. Wegen der hohen Dichte sind sie jedoch nur in besonderen Fällen für das Verstärken von Kunststoffen geeignet. Im Hinblick auf die spezifische Festigkeit und den spezifischen E-Modul sind ihnen die Glasfasern und mit weitem Abstand die C- und A-Fasern überlegen. Die für die Herstellung in Betracht kommenden Metalle und Legierungen sind Stahl, Messing, Bronze, Kupfer, Aluminium, Silber, Gold, Platin, verzinkte und vermessingte Stahldrähte sowie versilberte Kupfer- oder vergoldete Silberdrähte. Borfasern Das bei Glas- und Mineralfasern übliche Verfahren des Schmelzspinnens ist bei polykristallinen anorganischen Fasern nicht anwendbar, denn die betreffenden Metalle weisen scharfe Schmelzpunkte auf. Die dabei entstehenden niedrigviskosen Flüssigkeiten besitzen kein Fadenziehvermögen. Ein häufig beschrittener Ausweg ist das sog. Aufwachsverfahren, nach dem seit 1959 vor allem Borfasern hergestellt werden. Als Substrat dient die Wolframfaser. Auf diesem elektrisch aufgeheizten dünnen Filament (12 μm) scheidet sich aus der Gasphase das Bor ab [7]. Metalloxidfasern Nach dem Tränkverfahren der UCC werden Fasern aus Zirkonium-, Aluminium-, Titan-, Tantaloxid und Bornitrid hergestellt [8]. Dabei werden Cellulosefasern in Form von Garnen, Geweben oder Filzen als Substrat mit den entsprechenden wasserlöslichen Salzen getränkt. Bei der Trocknung scheiden sich die Salze in feinster Verteilung zwischen den Fibrillen der Cellulose ab und werden bei höheren Temperaturen in Oxide übergeführt. Die dabei entstandenen Gebilde werden pyrolysiert und schließlich durch Glühen in Luft von Kohlenstoff befreit. Whisker Unter dieser Bezeichnung sind synthetische, einkristalline anorganische Fasern zu verstehen, die entweder durch Abscheiden aus der Gasphase oder durch ein Schmelzeziehverfahren hergestellt werden. Nach beiden Verfahren gelang
149
bisher die Herstellung von Korund-Whisker. Wenn es gelingt, diese Fasern mit optimalem Längen/Durchmesserverhältnis herzustellen, und sie in der Schmelze zu orientieren, dann ist es möglich, einem Verbundwerkstoff eine um das Zehnfache höhere Zugfestigkeit zu verleihen. Jedoch ist es erst nach der Entwicklung wirtschaftlicher Herstellverfahren anhängig, die bisher auf den Gebieten Raumfahrt, Wehrund Tiefseetechnik erzielten Erfolge auszuweiten. Siliciumcarbidfasern Auch diese Verstärkungsfaser wird nach dem Aufwachsverfahren hergestellt. Als Substrat dient eine C-Faser. Sie dient gleichzeitig als Widerstandsheizung. Im ersten Schritt dieses zweistufigen Verfahrens wird eine etwa 1 μm dicke Schicht pyrolytischen Graphits aufgedampft, um die Oberfläche zu glätten und die elektrische Leitfähigkeit zu erhöhen. Das Silan verwandelt sich bei einer Temperatur von etwa 1300 °C in Siliciumcarbid. Die erreichbare Festigkeit beträgt 3500 N/mm2, der Zug-E-Modul 413000 N/mm2, die Dichte 3 g/cm3, der Durchmesser 140 μm [9]. Während die Borfasern vorwiegend zum Verstärken von EP-Harz und Aluminiumfolien-Verbundwerkstoffen (Sport, Luft- und Raumfahrt) verwendet werden, dienen die Siliciumcarbidfasern vorwiegend zum Aufbau von Metallund Keramik-Verbundwerkstoffen. Nanocomposites [10] „Neue Familien von Nanofüllstoffen und Nanocomposites erschließen brachliegende Leistungsreserven von Kunststoffen, Kautschuken und Dispersionen. Bereits geringe prozentuale Nanofüllstoff-Gehalte reichen aus, die Eigenschaftsprofile von polymeren Werk- und Effektstoffen massiv zu verändern. Das Anwendungsspektrum reicht von neuen Konstruktionswerkstoffen bis hin zu diversifizierten Funktionspolymeren“ [10]. Sind Nanopartikel oder Nanofasern homogen im Kunststoff dispergiert – und hierin liegt eines der noch zu lösenden Probleme – ergeben gleiche Volumengehalte an Nanopartikel im Vergleich zu Mikropartikel eine signifikant höhere Zahl an Partikel (107 bei 1 μm Partikel zu 1 nm Partikel) und damit ein Polymer, das nur noch aus Grenzflächenwechselwirkungen besteht. Mülhaupt et al. [10] nennen es „Grenzflächenpolymer“. Dies eröffnet völlig neue Chancen bereits mit geringen Nano-Verstärkungsstoff-Gehalten die Eigenschaften von altbekannten Kunststoffen zu modifizieren. Nun gibt es schon seit Jahrzehnten (bis zu über 100 Jahre) Nanofüllstoffe: Ruße, Pigmente, gefällte Kieselsäure (Ultrasil, Degussa-Hüls), pyrogene Kieselsäuren (Aerosile, Degussa-Hüls), Schichtsilikate, Nukleierungsmittel, reaktive Silikon-Nanopartikel für Epoxidharze, Keramikmaterialien
150
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
und anorganisch-organische Hybridpartikel nach dem SolGel-Verfahren, z. B. synthetische, dispergierbare Aluminat(Böhmit)-Pulver. Neu in den vergangenen Jahren wurden anorganische und organische Moleküle mit Nano-Dimensionen und frei variablen Oberflächenfunktionalitäten entwickelt, die sich in der Kunststoffmatrix lösen und sich dort zu komplexen Nanoarchitekturen verknüpfen lassen [10]. Dadurch lässt sich auch das Problem der homogenen feinsten Verteilung der Nanopartikel in der Kunststoffmatrix mindestens für die geschilderten Neuentwicklungen lösen. Ein Beispiel dafür sind Silesquioxane (Fa. Hybrid Plastics, Fountain Valley, CA/USA: POSS Polyoctahedral Oligomeric Silesquioxan). POSS-Monomere gibt es auch als Öle, Wachse, Pulver. Die Verarbeitung kann durch Schmelzecompoundieren, Polymerisation/Pfropfen, Beschichten erfolgen. Silesquioxane wurden an fast alle möglichen funktionellen Gruppen angebunden: Acrylate, Silane, Silanole, Olefine, Epoxide, Amine, Ester, Phenole, Styrole, Thiole. Weiter sind seit ca. 15 Jahren die baumartig verzweigten (Kaskaden)-Polymere mit variablen Endgruppen und Nanometerdimensionen aus der Forschung bekannt (verzweigte Dentrimere). Zwischenzeitlich gelingt es Rohstoffherstellern hochverzweigte Polyethylenimine (BASF) (weniger perfekt verzweigt, aber kostengünstiger) für die Papierausrüstung und in einer Eintopfreaktion aus Anhydriden und Diisopropanolamin über Oxazolinzwischenstufen direkt hochverzweigte Polyesteramid-Polyole (Hybrane von DSM) herzustellen. Das Anwendungsspektrum reicht von Lack- und Klebstoffrohstoffen zu Pigment- und Füllstoffdispergatoren, Tintenadditiven, Detergenzien und Kosmetika [10]. Polyesterpolyole (Boltorn von Perstop, Schweden) – hochverzweigte Nanopolymere – maßschneidern die Duroplastchemie. Geringe Mengen epoxidfunktionalisierte hyperverzweigte Polyester steigern die Schlagzähigkeit bei Epoxidharzen ohne Steifigkeitseinbußen.
Mit hyperverzweigten Polyesterpolyolen und Polyesteramiden haben molekulare Nanosysteme die Kosten-Leistungs-Grenzen für den Einsatz bei Kunststoffen und Verbundwerkstoffen auf breiter Front inzwischen erreicht. Anisotrope Nanopartikel, die sich erst während der Verarbeitung formieren oder sich in der Polymermatrix fest verankern (keine Gesundheitsgefährdung), sind in Entwicklung. Die Firma Hyperion Catalysis Int. (Nanotube Company) hat elektrisch leitfähige Kohlenstoff-Nanoröhrchen durch Gasphasensynthese hergestellt und bietet Masterbatches (Fibril®) an. Kunststoffkraftstoff-Behälter (Kfz) und Chipverpackungen (keine elektrostatische Aufladung) sind Anwendungen. Eine weitere Gruppe der Nanocomposites sind die seit langem bekannten Bentonite, die Ende der achtziger Jahre von Toyota Research wieder belebt wurden. Bentonite sind quellfähige Dreischichtsilicate mit Montmorillonit als Hauptbestandteil. Die neue Nanofil-Produktfamilie auf Basis organophiler Bentonite der Süd Chemie AG basiert u. a. auf den bayrischen Calcium-Bentoniten, die durch Auslaugen mit Säure aktiviert werden, Tabelle 3-41 [10], und die ohne Kationenaustausch auskommen (mit einer mittleren Partikelgröße um 4 μm sind es allerdings keine Nanopartikel! Anmerkung des Autors). Mit einem Ausblick auf ein breites Anwendungsspektrum schließen Mülhaupt et al. [10] ihre Übersicht: „Die Vielseitigkeit von Nanocomposites und Schichtsilikat-Nanofüllstoffen wird deutlich durch Entwicklungen der Planomers Technologie im holländischen TNO-Forschungsinstitut in Eindhoven. Nach Hartmut Fischer nutzt die Planomers-Technologie organophil modifizierte Schichtsilikate für eine Reihe von Anwendungen. Der Zusatz organophiler Schichtsilikate zu Stärke („grüne Nanocomposites“) machen Stärke-Werkstoffe und Stärkefolien resistent gegen Wassereinwirkung ohne Zusatz von Hydrophobierungsmitteln. Bei Lacken werden Schichtsilikate mit Farbstoffen beladen, die
Tabelle 3-41 Nanofil Füllstoffe auf Basis von unmodifiziertem säureaktiviertem Calcium-Bentonit (Süd Chemie AG) Produkt Säureaktivierung Farbe Schüttgewicht Mittlere Partikelgröße BET-Oberfläche pH-Wert Feuchte Glühverlust bei 1000 °C Ionenaustauschkapazität
% HCl g/l μm m2/g % % (m/Val/100g)!
Nanofil EXM 1167
Nanofil EXM 1168
Nanofil EXM 1169
Nanofil EXM 1170
keine zementgrau 360 4,5 91 7,6 3,9 8,7 74
niedrig perlweiß 220 3,5 265 3,5 6,0 7,6 52
mittel reinweiß 180 3,5 388 3,6 3,7 7,6 33
hoch verkehrsweiß 120 3,5 268 4,6 2,9 5,5 4
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe wirkungsvoll mit den Schichtsilikaten in der Acrylatmatrix dispergiert werden. Die erhaltenen nanoverstärkten Lacke sind hochtransparent und UV-beständiger. Die Immobilisierung von Farbstoffmolekülen auf den Silikatschichten, z. B. von Methylenblau, bewirkt erheblich verbesserte UV-Stabilität der Farbstoffe und hohe Lösemittelbeständigkeit. In zahlreichen Arbeitsgruppen werden Schichtsilikate und Nanocomposites für die Herstellung von Funktionsmaterialien eingesetzt. Bei Polymer-Polyelektrolyten für Batterien von Brennstoffzellen erhöhen Schichtsilikat-Nanocomposites die Dimensionsstabilität, Steifigkeit und Wärmeformbeständigkeit sowie Barrierewirkung. Hier bieten sich viele neue Ansätze für die Zukunft. Nanocomposites auf Schichtsilikatbasis etablieren sich als neue Additive für Polymere mit erhöhter Wertschöpfung“ [10, 11].
151
Einen zusammenfassenden Überblick über die Wirkung bekannter Füll- und Verstärkungsstoffe auf das Eigenschaftsbild von Kunststoffen vermittelt Tabelle 3-42. Angesichts der großen Bedeutung, die Funktions-, Füllund Verstärkungsstoffe bei modifizierten technischen Kunststoffen erlangt haben, bieten spezielle Compoundierbetriebe bis zu hundert Sondertypen an. Sie enthalten je nach Verwendungszweck hochwirksame Wärmestabilisatoren, verschiedenartige Gleitmittel und Verstärkungsfasern, die vor allem den wirtschaftlich verarbeitbaren thermoplastischen Formmassen neue Anwendungsbereiche in der Büro- und Kommunikationstechnik, im Automobilund Textilmaschinenbau erschlossen haben. (Als Beispiel sei das LUVOCOM-Sortiment von Lehmann & Voss, Hamburg, erwähnt.)
++
++
Schlagzähigkeit
−+
−
−
reduzierte thermische Ausdehnung
+
reduzierte Schwindung
+
−
++ ++
+
+
bessere Wärmeleitfähigkeit bessere Wärmestandfestigkeit
+
++
+
+
+
+
+
elektrische Leitfähigkeit
++
+
+
+ −
−
−
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
++
+
+
+
chemische Beständigkeit
+
+
0
+
+
+
+
+
Verbilligung
+
Calciumcarbonat
Glaskugeln +
+
+
−
−+
−
+
+ +
+
+
+ +
0
0
0 +
faserförmige Füllstoffe und Verstäkungsmittel + + starke Wirkung; + schwache Wirkung; 0 ohne Wirkung; − negative Wirkung
+
+
+ +
+
++
+
+
+
+
+
+
+
+ +
0
0
−
+
+
++
plättchenförmige Typen
+
+
+
+
+
+
+
−
+
+
+
Abrasion in Maschinen
Kaolin
− +
Wärmebeständigkeit
−+
Silica
−+
elektrischer Widerstand
Extrusionsgeschwindigkeit
+
+
+
+
+
+
+
besseres Abriebverhalten
Sand-/Quarzpulver
Graphit
0
Ruß
++
+
Metalloxide
E-Modul
Talkum
+
Glimmer
+−
+
Druckfestigkeit
Cellulose
Whiskers
+
Zugfestigkeit
Synthesefaserb
C-Fasern
Wollastonit
Glasfasern
Tabelle 3-42 Einfluss von Füll- und Verstärkungsstoffen auf das Eigenschaftsbild von Kunststoffen
+
+
+ 0
0
+
++
kugelige Füllstoffe
0
152
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Anorganische Verstärkungsfasern Die einzigen in der Natur vorkommenden anorganischen Fasern sind der ein- bis polykristallin aufgebaute Asbest und der Wollastonit. Der Wollastonit gehört mit einem Länge/ Durchmesserverhältnis von 3:1 bis 10:1 zu den Füllstoffen, mit Werten von 10:1 bis 20:1 zu den Verstärkungsfasern. Zu den amorphen, aus der Schmelze hergestellten synthetischen Fasern zählen die glasartigen Mineralfasern aus Schlacke, Stein, Keramik, Quarz, Kieselglas und vor allem die Glasfasern. Polykristalline anorganische Fasern und die Einkristall-Whiskers werden aus Bor, Siliciumcarbid, Bornitrid, Borcarbid, Aluminium- und Zirkoniumoxid hergestellt. Polykristalline Struktur weisen auch die Metallfasern aus Stahl, Aluminium und Wolfram auf, ebenso die Kohlenstoff- und Graphitfaser. Einkristallin sind Fasern aus Korund, Siliciumcarbid und Kaliumhexatitanat. Natürliche anorganische Fasern Die Asbeste sind die ältesten anorganischen Faserstoffe. Sie werden bis heute ausschließlich aus natürlichen Mineralvorkommen gewonnen. Asbest ist eine Gattungsbezeichnung für eine Reihe von faserartigen, hydratisierten Mg- und NaSilikaten. Da es sich um in der Natur (unter bestimmten Druck- und Temperaturverhältnissen) gewachsene Einkristalle handelt, können sie auch als natürliche Whiskers bezeichnet werden. Die langfasrigen Sorten werden in Form von Fasern und Garn, die kurzfasrigen als Füllstoffe bei härtbaren Formmassen, als Extender bei Bodenbelägen sowie als Viskositätsregler verwendet. Chrysotil ist der am häufigsten verwendete Asbesttyp (kanadischer Weißasbest). Der Faserdurchmesser beträgt 30 nm, die Festigkeit 500 bis 1000 N/mm2 und die Mohs-Härte 2,5 bis 1,0. Die Fasern sind bis zu 50 mm lang. Chrysotil ist beständig gegen Laugen; Säuren greifen an. Krokydolith, der südafrikanische Blauasbest, ist gegenüber Säuren und Laugen beständig und in dieser Hinsicht dem E-Glas überlegen. Asbest führt in den jeweiligen Formstoffen zu höherer Steifigkeit, Zugfestigkeit, Formbeständigkeit in der Wärme, Maßhaltigkeit und höherer Härte. Die elektrischen Eigenschaften sowie das Fließ- und Abriebverhalten werden jedoch negativ beeinflusst. Die festere Bündelung und die stärkere interfibrilläre Bindung der Fasern führen im Vergleich zu Glasfasern zu einer isotroperen Verstärkerwirkung. Obgleich die verschiedenen Asbestarten keine freie Kieselsäure enthalten, bewirkt Asbeststaub – ähnlich wie SiO2Staub – eine Staublungenerkrankung, die jedoch viel seltener auftritt als die Silicose. Die Asbestose kann mit Lungenkrebs kombiniert sein. Es hat sich gezeigt, dass vor allem Feinstaub mit Faserlängen von weniger als 5 μm eine große Gefährdung darstellt.
Seit Jahren wird aus Gründen der Arbeitssicherheit und des Umweltschutzes mit großem Nachdruck am Austausch von Asbest u. a. bei Brems- und Kupplungsbelägen von Automobilen durch Metall-, Glas-, synthetische mineralische und organische Fasern gearbeitet. Asbestfreie Scheibenbremsen- und Kupplungsbeläge sind längst auf dem Markt und in der Serienmontage. In allen Fällen, in denen Asbest durch andere Verstärkungsfasern ersetzt wurde, konnten die Phenolharz-Bindemittel – wenn auch mit angepassten Rezepten – beibehalten werden [12]. Entscheidend für die Leistungsfähigkeit von Scheibenbremsbelägen ist ihr zeitabhängiges Reibverhalten, besonders bei nasskalter Witterung. Das Bild 3-66 zeigt drei jeweils typische Beläge im Vergleich: Der asbestfreie Faseraustausch-Bremsbelag entwickelt bereits nach 1 s und nasskalten Bedingungen ein Reibwertniveau (μ = 0,34), das dasjenige des Semimetallic-Belags (μ = 0,12) extrem übertrifft und sogar noch über dem Niveau des konventionellen Asbestbelags (μ = 0,25) liegt. An die Stelle von Asbest kann nur eine Faserkombination treten. Dabei muss die Summe der Eigenschaften und der Preis vertretbar sein. Die Fasern dürfen in allen vorkommenden Situationen keine kritische Beanspruchungsgrenze überschreiten und keine Fibrillen bilden. Der ATE-Austauschbelag erfüllt offensichtlich diese Aufgabe. Als Austauschfasern kommen C- und PAN-Fasern in Betracht, denn sie ertragen die geforderten thermischen Beanspruchungen [13]. Zur Asbesthysterie ist anzumerken, dass jährlich in Deutschland etwa 30 000 Raucher an Lungenkrebs und 140 000 Menschen allgemein an den Folgen des Rauchens sterben. Unter 1000 Fälle sterben an Asbestose. Weiter ist zu bemerken, dass manche Entwicklungen, die von Landes-, Bundes- und EU-Ministerien/Behörden im Bereich der Nanotechnologie gefördert werden, u. a. zum Ziel haben, Nanocomposites zu entwickeln. Dazu gehören auch Fasern. Chrysotilasbestfasern sind solche Nanofasern. Diese gibt es also schon und zwar in Mengen zu niedrigsten Preisen. Für die Alveolen in unseren Lungen sind die Faserabmessungen entscheidend, ob die Nanofasern (Asbest oder andere) wieder ausgeatmet werden können oder hängen bleiben. Nur dann kann sich über zwei Jahrzehnte hin oder länger vielleicht Lungenkrebs entwickeln (siehe hierzu Literatur zu Kapitel 3.5.3 bei Nano + Gesundheit). Synthetische anorganische Fasern Unter synthetischen anorganischen Fasern nehmen die Glasfasern mit einem Anteil bis zu 90 % den ersten Platz ein. Für hochsteife und hochfeste Bauteile ist bei gleichzeitig geringerer Dichte des Verbundwerkstoffes oder der Werkstoffverbunde und niedrigem Wärmeausdehnungskoeffizienten
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
153
Bild 3-66. Leistungsfähigkeit von Scheibenbremsanlagen. Es bedeuten: a = asbesthaltiger Reibwerkstoff; b = asbestfreier semi-metallik-Reibwerkstoff; c = asbestfreier ATE-Reibwerkstoff (Faseraustausch)
die C-Faser gut geeignet. Wird außerdem eine hohe Zähigkeit der Formstoffe verlangt, dann ist die Aramid-Faser ggf. zu bevorzugen. Außerdem werden Borfasern (BFK), Berylliumfasern (BeFK), Siliciumcarbidfasern (SiC), jedoch auch Metallfasern (Aluminium und Stahl) als Verstärkung verwendet [8]. Glasfasern Sie bestehen aus Oxiden des Siliciums, Bors und Aluminiums. Als Glasfasern (DIN; E: glass fibers (ISO)) bezeichnet man alle handelsüblichen Glassorten (E-, R-, S- usw. –Glas), aus denen optische oder textile Glasfasern (ISO: Textilglas; E: textile glass) ersponnen werden können oder die zu Glaswolle (E: glass wool) oder Glaswatte (E: glass bat, wadding) verarbeitbar sind. Das ursprünglich für die Elektroisolation entwickelte EGlas ist ein Borosilikatglas. Das alkalireiche A-Glas kann mit
bestimmten Haftmitteln für Gewebe verwendet werden. Für korrosionsanfällige Anwendungen verwendet man das chemisch resistente C-Glas. Optische reine Glasfasern werden als Lichtleiter verwendet; Glaswatte und Glaswolle als thermische und akustische Isolationsmaterialien. Aus Textilglas stellt man sowohl Filamente als auch Stapelfasern her. Textilglas ist verspinnbar. Es wird für Heimtextilien, als Verstärkungs- oder Füllmaterial für Kunststoffe sowie für elektrische Isolierungen gebraucht. Glasfasern für Verstärkungsmaterialien und Füllstoffzwecke bestehen in der Regel aus E-Glas [15]. Glasfilamente (früher: Glasseiden; E: glass filaments) sind aus der Schmelze gezogene endlose Fäden. 204 oder mehr Glasfilamente werden parallel ohne Verdrillen zu einem Glasspinnfaden (E: glass strand, strand) gebündelt, der handelsüblichen Ausgangsform. Aus Glasspinnfäden stellt man einfache Glasfilamentgarne, Textilglasrovings und
Tabelle 3-43 Physikalische und mechanische Eigenschaften keramischer Fasern parallel zur Faserrichtung [14] Fasersorte
Dichte in g/cm3
Durchmesser der Einzelfaser d in μm
Zugfestigkeit F in 103N/mm2
E-Modul E in 103N/mm2
Wärmeausdehnungskoeffizient α 20 bis 200 °C in 10–6K–1
Al2O3 (FP) Al2O3 (Saffil) Al2O3 · 15 % SiO2 (Alf) Kohle (Rigiloraxt) SiC (Nicalon) SiC (Sigma) SiC (Tokamax)
3,90 3,30 3,25 1,74 2,55 3,40 3,17
20 1 bis 4 17 8 10 bis 15 100 0,1 bis 0,5
1,38 2,0 1,8 2,5 2,7 3,7 (3 bis 4)
362 300 210 230 187 430 (400 bis 700)
6,4 nicht bestimmt 8,8 0 3,1 4,5 4,5
154
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Textilglasmatten her (Bezeichnungen nach ISO (E) bzw. DIN (D)): – Textilglasmatten (E: textile glass mats) sind Matten, die nicht durch Weben erzeugt wurden, sondern entweder direkt aus Glasspinnfäden oder über die Zwischenstufe der Textilglasrovings (E: to rove = strecken vor dem Verspinnen). – Textilglasrovings (E: glass rovings, rovings, ends) bestehen aus mehreren parallelen, nicht verdrillten Glasspinnfäden, die in einer Spule (E: forming package) abgelegt sind. Sie werden entweder zu Glasrovinggewebe (E: woven glass roving fabric, roving cloth (USA)) verarbeitet oder aber zu Glas-Kurzfasern vermahlen (E: milled glass fiber) oder geschnitten (E: chopped glass fiber) (ca. 140 μm bis 210 μm lang). – Einfache Glasfilamentgarne (E: single glass filament yarns) werden entweder ohne Verdrehen zu gefachten Glasfilamentgarnen (E: multiple wound glass filament yarns) zusammen gespult oder in einer Stufe bzw. mehreren Stufen miteinander zu ein- bzw. mehrstufigen Glasfilamentzwirnen verdreht (E: folded or cabled filament yarns). Aus den einfachen oder gefachten Garnen bzw. aus den Zwirnen erhält man dann Glasfilamentgewebe (E: woven glass filament fabrics) [15]. Glasstapelfasern von 5–50 mm Länge und 5–15 μm Durchmesser entstehen entweder durch Ziehen von Glasstäben oder durch Blasen der Schmelzen mit Luft oder Wasserdampf durch Düsen. Aus ihnen erzeugt man entweder direkt ein Oberflächenvlies bzw. Glasfibervliesstoff (E: surfacing mat), bei dem regellos angeordnete Filamente oder Stapelfasern durch Bin-
demittel verklebt werden oder stellt wie bei organischen Spaltfasern zuerst ein Vorgarn (E: roving) aus praktisch parallelen, leicht miteinander verdrehten Stapelfasern her. Nach dem Drehen wird das Vorgarn zum einfachen Glasfaserstapelgarn (E: single glass staple fiber yarn). Aus den Garnen kann man durch Mischen mit Filamenten Glasmischgewebe (E: mixed glass fiber cloth) erstellen oder ähnlich wie bei Filamenten gefachte Glasstapelfasergarne (E: multiple wound glass staple fiber yarns) bzw. ein- oder mehrstufige Glasstapelfaserzwirne (E: folded oder cabled glass staple fiber yarns) erzeugen. Aus diesen Garnen oder Zwirnen, aber auch direkt aus den einfachen Glasfaserstapelgarnen, gewinnt man dann die verschiedenen Glasstapelfasergewebe. Glasfasergewebe weisen die gleichen Grundtypen wie Gewebe aus organischen Fasern auf. Sie werden ebenso hergestellt. Diese Grundtypen werden biaxiale oder 0/90Gewebe genannt. Außer biaxialen Geweben sind auch triaxiale (0/45/90, 0/60/-60) und tetraaxiale auf dem Markt (0/45/90/-45) [15]. Zum Schutz gegen mechanische und chemische Beanspruchung sowie gegen Feuchtigkeitseinwirkung erhalten die Glasfasern eine Schlichte, die Stapelfasern eine Schmälze. Die für das Verstärken von Kunststoffen verwendeten Fasern und flächenförmigen Folgeprodukte werden entschlichtet und mit einem Haftmittelfinish bzw. mit Kuppelagenzien ausgerüstet (vgl. Abschn. „Verbundwerkstoffe“). Die Verstärkungswirkung wird beeinflusst durch: Massenanteile der Glasfasern, das Längen/Durchmesserverhältnis (Langfasern sind wirksamer als Kurzfasern), die Natur des Haftvermittlers, die Lage der Fasern zur Beanspruchungsrichtung (Orientierung) sowie den Grad der Zerklei-
Tabelle 3-44 Eigenschaften von Silikat- und anderen Mineralfasern bei Raumtemperatur, Elias [15] Eigenschaft
RH (%)
Durchmesser der Filamente
65
Dichte Elastizitätsmodul
Phys. Einheit
Quarz
E-Glas
S-Glas
Asbest Chrysotil
Al2O3
Al2O3 Whisker
μm
10
10
7
10
20
–
65
g/cm3
2,2
2,54
2,48
2,55
3,1
3,96
65
GPa
69
72
86
80
345
2100
Zugfestigkeit
65
GPa
0,9
2,41
4,59
5,68
1,3
43
Reißdehnung
65
%
1,3
3,5
2,8
11
0,8
–
Schmelztemperatur
0
°C
1650
1260
–
1520
2045
–
Max. Gebrauchstemperatur
0
°C
900
600
–
1400
–
–
Härte
Mohs Vickers bei 0,1 kg
6,5 620–640
lin. Längenausdehnungskoeffizient
10–6K–1
4,8
Wärmeleitzahl
kJ/hmK
3,71
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe nerung beim Verarbeiten, beispielsweise dem Spritzgießen GF-verstärkter Formmassen [16]. Die maximale Zugfestigkeit von Glasfasern beträgt 2500 N/mm2. Garne und Zwirne erreichen 1300 bis 1500 N/ mm2. Der Zusammenhang zwischen Kraft und Verformung ist bis zum Bruch linear. Es tritt keine bleibende Dehnung auf. Für die Verstärkungswirkung eines Faserwerkstoffs ist die Dehnung entscheidend. Das Zusammenwirken von Faser und Harz kann folgendermaßen sein [17]: – Glasfaser und Harz haben die gleiche Bruchdehnung (die Zugfestigkeit beider Werkstoffe kann voll ausgenutzt werden). – Die Bruchdehnung des Harzes ist größer als die der Glasfasern (die Zugfestigkeit des Harzes wird nur teilweise genutzt, das Glas bestimmt die Zugfestigkeit des Verbundes). – Die Bruchdehnung des Harzes ist kleiner als die des Glases (die Zugfestigkeit der Glasfaser kann nicht genutzt werden, das Harz versagt vorzeitig). Angestrebt wird der an zweiter Stelle genannte Fall. Die Bruchdehnung der Glasfaser beträgt 1,5 % bis 3 %; die gebräuchlichen Harze erreichen 3 % bis 5 %. Die Bruchdehnung von GFK entspricht der festigkeitsbestimmenden Glasfaser. Nur bei unidirektionaler Verstärkung liegt ein linearer Zusammenhang zwischen Festigkeit und Glasfasergehalt vor. Bei anderen Verstärkungsarten überschreitet die Festigkeit ein Maximum. Auch die Bruchfestigkeit ist eine Funktion des Glasfasergehaltes. Bei GF-verstärkten Harzen (GFK) sind folgende maximalen Glasgehalte erreichbar: – Matten: Handlaminieren 35 Masse-% Pressen 50 Masse-% – Gewebe Leinenbindung 66 Masse-% – Roving (uniaxial) 75 Masse-% Ein hoher E-Modul des Harzes und eine gute Haftung zwischen Glas und Harz verbessern die Druckfestigkeit. Maximale Biegefestigkeiten ergeben GFK-Verbunde, bei denen verstärkendes Glasgewebe auf der zugbeanspruchten Seite des Bauteils liegt. Die Schlagarbeit wird bei GFK vorwiegend elastisch verbraucht. Bei schwingender Beanspruchung nimmt die ertragbare Spannungsamplitude mit wachsender Lastspielzahl ab. Das Verhalten von GFK ähnelt damit dem der Leichtmetalle, während sich bei Stählen die Wöhler-Kurven einem Grenzwert – der Dauerwechselfestigkeit – nähern. Die Kerbschlagzähigkeit fällt zwar bei GF-verstärkten Formstoffen ab, jedoch in der Kälte nicht so betont wie bei unverstärkten Formstoffen. Geringere Schwindung und ein niedrigerer Wärmeausdehnungskoeffizient führen zu höherer
155
Maßhaltigkeit der Formteile. Bei schwingender Beanspruchung werden die Geräusche stärker gedämpft. Wegen der geringeren Enthalpie verstärkter Formmassen werden die Verarbeitungszyklen kürzer. Vorläufiger Höhepunkt in der 500jährigen Geschichte der Glasfasern ist ein Produkt [18] (Typ: Zen Tron, Hersteller Owens Corning) mit einer 15 bis 50 % höheren Zugfestigkeit gegenüber normalen oder anderen hochfesten Glasfasern. Darüber hinaus ermöglicht die Glaszusammensetzung und eine optimierte Faserausrichtung im Verbundwerkstoff sowohl einen höheren E-Modul als auch eine bis
Bild 3-67. Feinheitsbezogene Zugkraft verschiedener Faser-Typen als Funktion der Dehnung ε [15] Deformationen werden bei Textilfasern aus KraftDehnungs-Kurven F = f(ε) ermittelt, und nicht wie bei technischen Fäden sowie bei Kunststoffen und Gummis aus Spannungs-Dehnungs-Kurven σ = f(ε). Die Kurven F = f(ε) laufen manchmal durch ein schwaches Maximum, das durch die Höchstzugkraft Fmax (E: force at break, „breaking force“) bei der Dehnung bei Höchstzugkraft εmax (E: elongation at break) charakterisiert ist. Er wird gelegentlich von dem etwas tieferen Wert der Bruchkraft FB (E: force at rupture) bei der Bruchdehnung εB (E: elongation at rupture) gefolgt. Fmax und FB werden aber nicht als solche angegeben, sondern als Kraft (z. B. in Newton N) pro lineare Dichte bzw. Titer (z. B. in tex), d. h. als feinheitsbezogene Zugkraft E/m (Reiß- oder Bruchfestigkeit; E: tenacity; kein offizielles ISO-Symbol), d. h. als spezifische (= auf die Masse bezogene) Energie (z. B. 1 N/tex = 1 (J m–1)/(10–6 kg m–1) = 1⋅106 J/kg = 1 MJ/kg). Diese Werte lassen sich mit der Dichte in Spannungen umrechnen, z. B. (Wert in N/ tex)x(Dichte in g/cm3)=(Spannung in GPa). In älteren Arbeiten wird anstelle der Kraft inkorrekterweise die Masse (als Maß für das „Gewicht“) verwendet und zudem der Titer in denier ausgedrückt; die Umrechnung ist hier (Wert in N/tex)x11,33 = (Wert in gf/den oder gpd) (gf = gram force; gpd = gram poid denier). Die (textilen) Moduln werden nicht aus der Anfangssteigung der Kurve E/m=f(ε) entnommen, sondern als Tangentenmodul (E: tangent modulus) von Ursprung aus, als Sekantenmodul (E: secant modulus) vom Ursprung zu einem bestimmten Wert der Dehnung ε bzw. als (E: chord modulus) zwischen zwei Dehnungen ε1 und ε2 , Elias [15].
156
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-45 Eigenschaften (zum Teil mittlere) einiger technischer Pflanzenfasern. Zum Vergleich: Baumwolle weist einen textilen Elastizitätsmodul von 5,7 N/tex auf, Elias [15] Eigenschaft
RF (%)
Phys. Einheit
Hanf
Jute
Kenaf
Sisal
Abaka
Henequen
Kapok
Kokos
Länge Durchmesser Feinheit Dichte Modul, textiler1) Reißfestigkeit, text.1) Reißdehnung Feuchteaufnahme
– – 65 65 65 65 65 65
mm μm km/kg g/cm3 N/tex N/tex % %
5–55 10–51 140 1,48 18–22 0,57 1,6 12
0,7–6 25–200 490 1,3–1,5 13–26 0,38 1,2–1,7 14
1,5–11 12–36 180 – – – 2,7 –
0,8–8 50–200 40 1,45 9–22 0,40 2–7 –
2–12 6–46 32 – – 0,64 2–4,5 –
1,5–4 8–33 32 – 13 0,39 3,5–5 –
15–30 10–30 – – 13 0,24 1,2 –
0,2–1,0 100–450 – 1,15 4–6 – 15–40 –1)
textile Begriffserklärungen siehe Fußnote zu Bild 3-67
zu 50 % verbesserte Schlagzähigkeit. Die Adhäsion bei der Imprägnierung z. B. mit Epoxid- oder Vinylester-Harzen wird durch eine spezielle Schlichte erreicht, die sich in einer höheren Fertigungsgeschwindigkeit widerspiegelt. Die hochfeste Faser kann durch Pultrusion und Wickelverfahren verarbeitet werden. Anwendungen werden bei Druckbehältern, im Bootsbau und der Bauindustrie erwartet. Organische Verstärkungsfasern Wenn von typischen Verstärkungsfasern für Kunststoffe gesprochen wird, dann denkt jeder Anwendungstechniker zunächst an Glasfasern. Historisch gesehen ist jedoch die Verwendung von organischen Fasern um einige Jahrzehnte älter. Sie begann mit dem Verstärken von Phenolharzen durch die in der Natur vorkommenden Fasern aus Cellulose. Natürliche organische Verstärkungsfasern Die bekanntesten Ausgangsprodukte für die in der Natur vorkommenden Fasern, deren Vorrat dank ständiger Erneuerung unerschöpflich ist, bilden Holz und Baumwolle. Beide Naturstoffe bestehen aus faserförmigen Grundeinheiten, den sog. Fibrillen, deren Durchmesser wahrscheinlich dem des Cellulosekristallites entspricht. In der Längsrichtung der Fibrille wechseln kristalline und amorphe Bereiche miteinander ab. Mehrere Elementarfibrillen können wiederum zu übergeordneten fibrillären Struktureinheiten zusammengefasst sein [19]. In den vergangenen Jahren nahm die Bedeutung technisch nutzbarer Pflanzenfasern zu. Tabelle 3-45 [15] vergleicht einige Eigenschaften. Weitere Informationen liefert u. a. Elias [15]. Holzfasern Die für das Verstärken von PF, MF, MP und PP verwendeten Holzmehle sind in Wirklichkeit zerkleinerte Holzfaserstoffe, die vorwiegend aus Fichten- und Buchenholz hergestellt
werden. Die Feinheit des Materials mit Teilchengrößen von max. 150 μm lässt die faserförmige Struktur mit bloßem Auge nicht mehr erkennen. Eigenschaftsvergleich mit anderen Fasern siehe Tabelle 3-49. Cellulosefasern Baumwollfasern bestehen aus einem mehrschichtigen Kern aus Cellulosemolekülen (Tabelle 3-46), der von einem Mantel aus Ligninen, Pektinen, Fetten und Wachsen umgeben ist. Cellulose ist ein Polysaccharid aus in ß-(1→4)-Stellung miteinander verknüpften D-Glucoseresten, d. h. eine Poly[ß(1→4)-D-glucopyranose] mit Cellobiose als Repetiereinheit. Native Cellulosen enthalten noch Carboxylgruppen, die Baumwolle z. B. ca. 1 COOH-Gruppe pro 500-1000 Glucosereste. Das Zahlenmittel des Polymerisationsgrades der unter Ausschluss von Licht und Sauerstoff geernteten Baumwollcellulose beträgt 14000-18000, dasjenige der konventionell geernteten Baumwolle ca. 7000 und das der industriellen Zellstoffe 300-2000 [15]. Die Zusammensetzung natürlicher Cellulosefasern gibt Tabelle 3-46 wieder. Die Glastemperatur trockener Cellulose wird auf 225 °C geschätzt, diejenige feuchter auf unter 20 °C. Durch Wasser weich gemachte Cellulosen lassen sich sehr leicht durch Druck verformen; Baumwolle und Rayon sind daher nicht knitterfest. Die schlechte Knitterfestigkeit der Cellulosefasern kann durch Ausrüstung der Gewebe mit Harzen verbessert, aber nicht völlig eliminiert werden. Technisch bevorzugt man daher den Einsatz von Mischgeweben, vor allem mit Polyestergarnen, z. B. für Oberhemden und Unterwäsche [15]. Bei den für das Verstärken von Phenoplasten, jedoch vor allem für die hellfarbigen Aminoplast-Formmassen verwendeten weißen Cellulosefasern handelt es sich um gebleichten Sulfitzellstoff aus Buchenholz oder um reine Baumwoll-
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
157
Tabelle 3-46 Zusammensetzung natürlicher Cellulosefasern. WL = Wasserlöslicher Anteil, Elias [15] Faser
Baumwolle Ramie Hanf Sisal Jute Flachs, geröstet Manila-Hanf
Zusammensetzung der Trockenmasse in % an Cellulose
Polyosen
Pektine
Lignine
Fette, Wachse
WL
92,7 68,8 67,0 65,8 64,4 64,1 63,2
4,7 13,1 16,1 12,0 12,0 16,7 19,6
1,0 1,9 0,8 0,8 0,2 1,8 0,5
0 0,6 3,3 9,9 11,8 2,0 5,1
0,6 0,3 0,7 0,3 0,5 1,5 0,2
1,0 5,3 2,1 1,2 1,1 3,9 1,4
Tabelle 3-47 Mittlere Eigenschaften von Cellulosefasern. CUP = nach dem Kupferammoniak-Verfahren erzeugte Cellulosefasern, CV = normales Rayon nach dem Viskose-Verfahren, PN = Polynosic-Cellulose, HWM = Rayon mit hohem Nassmodul, DA = aus Celluloseacetat rekonstituierte Cellulose, Elias [15], RH= relative Luftfeuchtigkeit. Eigenschaft
Polymerisationsgrad
RH (%)
–
Phys. Einheit
1
Chemiefasern
Baumwolle
CUP
CV
PN
HWM
DA
500
320
600
750
–
7000
Dichte
65
g/cm3
1,53
1,52
1,51
1,53
1,52
1,54
Modul, textiler1)
65 100
N/tex N/tex
4,1 3,3
4,8 2,3
4,8 3,5
– –
13,7 9,5
5,7 4,0
Nassmodul, textiler1)
–
N/tex
0,014
0,017
0,12
0,12
–
–
Reißfestigkeit, textile1)
65 100
N/tex N/tex
0,17 0,11
0,23 0,14
0,29 0,25
0,64 0,51
0,62 0,50
0,35 0,40
Reißdehnung
65 100
% %
14 29
20 28
8,5 10,5
7,5 8,5
6,0 7,0
7,0 9,0
Feuchteaufnahme
65
%
11
14
12
12
11
7,5
Wasserrückhaltevermögen
100
%
117
95
62
65
22
40
1) textile Begriffserklärungen siehe Fußnote zu Bild 3-67
cellulose. Die Cellulose ist mit einem Anteil von etwa 99 % nahezu der einzige Bestandteil dieser Verstärkungsfaser. Die durchschnittliche Länge der Faser beträgt je nach Typ 200 μm bis 650 μm, die Faserdicke 20 μm bis 25 μm. Sie ist somit größer als die kritische Länge einer als Verstärkung dienenden Faser. Die Baumwolle wird beispielsweise bei PFTyp 74 in Form von Gewebeschnitzeln verwendet, was vor allem zu erhöhter Kerbschlagzähigkeit führt. Polypropylen, verstärkt mit Naturfasern, ist in den vergangenen Jahren verstärkt im Gespräch und auch im Einsatz. Hochfeste Cellulosefasern verstärken dabei Polypropylen (Normstäbe) bei manchen Eigenschaften wie Glasfasern [20], Tabellen 3-48 und 3-49.
Den Vergleich einiger synthetischer Fasern mit Holz- und Cellulosefasern zeigt Tabelle 3-49. Sisal Die Hoffnungen, die Anfang der sechziger Jahre in die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten von Sisal für PFFormmassen und Schichtpressstoffe sowie in vorgemischte UP-Formmassen (DMC) gesetzt wurden, haben sich trotz ihres im Vergleich zu Glasfasern niedrigen Preises nicht erfüllt. Angesichts des überlegenen Eigenschaftsbildes der Glasfasern hat Sisal an Bedeutung verloren. Erst in den 80/90er-Jahren wurde das Interesse an diesen Fasern bei der Suche nach Austauschmaterial für Asbest bei Brems-
158
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-48 Mechanische Kennwerte von unterschiedlich verstärktem Polypropylen [20] Material
Faseranteil %
Dichte g/cm3
Zugfestigkeit MPa
Biege-E-Modul GPa
Schlagzähigkeit (–40 °C) kJ/m2
Kerbschlagzähigkeit (23 °C) kJ/m2
PP1 (ungefüllt) PP1 + Arbocel PP1 + Cordenka PP1 + Glasfaser2
0 35 30 30
0,899 1,034 0,999 1,140
24 27 79 80
1,09 2,33 2,37 4,10
10 9 50 17
5,6 1,9 12,1 15*
1 Stamylan P 412MN10, 2 Herstellerangaben für Stamylan P 63G1030, * mit U-Kerb bestimmt
Tabelle 3-49 Eigenschaften einiger Verstärkungsfasern und ausgewählter cellulosischer Fasern [20] Fasermaterial
Dichte g/cm3
Zugfestigkeit MPa
Zug-E-Modul GPa
Reißdehnung %
Zitat
E-Glasfaser Aramidfaser Kevlar 49 Kohlenstofffaser Grafil Hartholzfaser (Sulfatzellstoff) Weichholzfaser (Sulfatzellstoff) Cordenka 700
~ 2,54 1,45 1,8 – 1,54 1,496
3600 3620 4500 140–500 500-1500 885
72,4–76 124–131 234 – 20–70 27
~2 2,9 1,9 – – 12
[1], S. 36 [2] [3] [4] [5] eigene Messung
und Reibbelägen sowie PF-Formmassen und auch thermoplastischen (meist PP) Kunststoffen für Automobil-Innenverkleidungen wieder geweckt (Eigenschaften siehe Tabelle 3-46). Flachs, Hanf Seit über 10 Jahren nehmen die Entwicklungen von Naturfaser-Polymer-Verbunden mit Schwerpunkt auf Polypropylen zu. Ziele sind kostengünstige, leichte Konstruktionsmaterialien im Auto, Bau und in der Elektrobranche. Verbunddichten um 1 g/cm3 sind realisierbar. Schwierigkeiten machten die Verarbeitung, die reproduzierbare Qualität der Naturfasern und deren chemische Ausrüstung gegen Pilze, Mikroben, Brand, Geruch, Wasseraufnahme und als Folge der Ausrüstung hohe Emissionswerte. Halogenfreie Flammschutzmittel (siehe auch dort) stehen für Polypropylen-Flachs-Compounds (und andere Naturfasern) zur Verfügung [21]: – Ammoniumpolyphosphate (APP) – Melamincyanurate (MC) – Blähgraphit (BG) [22] Die entwickelten flammwidrig eingestellten PP-Flachs-Compounds liegen bei Festigkeit und E-Modul zwischen mineralgefülltem und glasfaserverstärktem PP. Trotz 10–25 % Gehalt an dem jeweiligen Flammschutzmittel besitzen sie ein mittleres Schlagzähigkeitsniveau [21].
Die Optimierung der Prozessparameter beim Heißpressen von flachsverstärktem Polypropylen untersuchten Wielage et al. [23]. Synthetische organische Verstärkungsfasern Während sich die natürlichen Fasern, vorwiegend in Form von Kurzfasern und Textilschnitzeln als Verstärkungsstoff vor allem bei den härtbaren Pheno- und Aminoplast-Formmassen bewähren, zwang vor allem die Entwicklung der Polyester und Epoxidharze im Hinblick auf eine optimale Ausnutzung der Eigenschaften dieser Produkte zur Entwicklung neuartiger Verstärkungsfasern. Als Ergebnis dieser Bemühungen stehen heute hochfeste synthetische organische Fasern zur Verfügung. Polyacrylnitril Die um 1950 etwa zur gleichen Zeit in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommene Produktion von PAN-Fasern erreicht weltweit etwa 20 % der Chemiefaser- und 10 % der gesamten Faserproduktion (Chemie- und Naturfasern), d. h. eine Menge, die der Welt-Wollerzeugung entspricht. Der wollähnliche Charakter und die gute Anfärbbarkeit sicherten dieser Faser ihren Platz neben der Polyester- und Polyamidfaser. Die seit ca. 1980 einsetzende Substitution von Asbest (wegen des bei der Verarbeitung entstehenden gesundheitsgefährdenden Feinstaubs) gab den Anstoß zur Weiterentwicklung der textilen PAN-Faser durch che-
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
159
Tabelle 3-50 Eigenschaften von Polyester-Fasern bei 21 °C und 65 % relativer Luftfeuchtigkeit, nach Davis, G. W. in Elias [15] Eigenschaft Anwendungen
Phys. Einheit
Filamente regulär Gewebe, Gewirke
hoch reißf. Reifenkord, industrielle Garne
regulär Mischungen mit Wolle o. Baumwolle
hoch reißf. Industriefasern, Nähgarne
Dichte Modul, textiler Reißfestigkeit, textile Reißdehnung Elast. Erholung nach 5 % Dehnung Feuchtigkeitsaufnahme
g/cm3 N/tex N/tex % % %
1,38 6,6–6,8 0,35–0,5 24–50 88–93 0,4
1,39 10,2–10,6 0,62–0,85 10–20 90 0,4
1,38 2,2–3,5 0,35–0,47 35–65 75–85 0,4
1,39 4,0–4,9 0,48–0,61 17–40 75–85 0,4
mische und physikalische Modifizierung. Das Ergebnis sind hochfeste (mit 75 cN/tex etwa die dreifache Reißfestigkeit der textilen Typen) Fasern von nierenförmigem Querschnitt, die sich als hochwertiges Austauschmaterial bei zahlreichen Asbestzementprodukten bewähren, ebenso bei phenolharzgebundenen Reib- und Bremsbelägen [24]. Ausführlichere Beschreibungen zu Acrylfasern bietet Elias [15]. Polyesterfasern Die üblichen Polyester-Fasern bestehen aus Poly(ethylentere phthalat). Fasern aus Poly(trimethylenterephthalat), Poly(bu tylenterephthalat) und Poly(1,4-cyclohexandimethylolterephthalat) werden in kleineren Mengen hergestellt. Die Polyester-Fasern sind die universellsten aller Chemiefasern, da sie sich durch chemische, physikalische und textile Modifikationen am Besten an Modeströmungen und Anwendungen anpassen lassen (Tabelle 3-50), was ihre überdurchschnittliche Mengenentwicklung erklärt. Filamente aus Polyester-Fasern sind seidenähnlich. Der größte Teil der Polyester wird jedoch als baumwoll- oder wollähnliche Stapelfasern verwendet [15]. In neuerer Zeit ist es gelungen, aus Polyestern, Polyamiden und anderen Polymeren durch verschiedene Verfahren Superfilamente (E: superfils) herzustellen. Diese Fasern reichen von Feinstfasern (1dtex – 0,1 dtex) über die eigentlichen Mikrofasern (0,3 tex – 0,1 dtex) zu Ultrafeinstfasern (10–3 dtex) und Ultrasuperfeinstfasern (10–4 dtex). Sie sind daher wesentlich feiner als die Fäden der Naturseide (ca. 1,3 dtex) [15]. Mikrofasern entstehen bei der mechanischen Methode durch Erspinnen aus Spinndüsen mit vielen Bohrungen und zwei seitlich angebrachten Luftdüsen. Die Porenweite der Gewirre ist ca. 3000mal kleiner als die Durchmesser von Regentropfen. Wassertropfen können daher nicht in das Gewebe eindringen, speziell, wenn Poly(tetrafluorethylen)Fasern verwendet werden (Gore-Tex®), während Wasser-
Stapelfasern
dampf austreten kann. Derartige Gewebe aus Garnen von Mikrofilamenten mit Feinheiten von 0,5 dtex sind atmungsaktiv und wasserdicht [15]. Andere Verfahren gehen von Polymer-Blends aus zwei nicht mischbaren Polymeren aus, einer wasserlöslichen Matrix (z. B. Poly(vinylalkohol)) und einem nicht löslichen Faserbildner (z. B. Poly(ethylenterephthalat)). Beim Extrudieren ruft der stromlinienartige Fluss eine fibrilläre Morphologie hervor. Nach dem Kaltverstrecken wird die Matrix extrahiert. Die entstehende schaumartige Aufschlämmung wird dann abfiltriert und zu Mikrofasern mit 0,1 μm – 10 μm Durchmesser versponnen. Mit diesem Verfahren wurden Ultrasuperfeinstfasern mit Feinheiten von 10–4 dtex für Filtertücher erhalten [15]. Die Polyesterfaser wird häufig in Verbindung mit Cellulosefasern und Gewebeschnitzeln zur Herstellung erhöht schlagzäher PF-Formmassen verwendet. In Verbindung mit Glasfasern verbessert sie im Bedarfsfall die Schlagzähigkeit verstärkter UP-Formstoffe. Polyamidfasern Die technisch wichtigsten Fasern aus der Reihe der Polyamide basieren auf PA 6.6 und PA 6. Der ursprünglich geringe Anteil von PA 6 mit nur 10 % an der Gesamterzeugung von PA-Fasern hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Polyamidfasern werden bei PF-Formmassen zur Verbesserung der Elastizität und der Kriechstromfestigkeit verwendet. „Die Polyamidfäden 6 und 6.6 besitzen hohe Reiß-, Scheuer- und Biegefestigkeiten, in weiten Grenzen einstellbare Dehnungen, gute Texturierfähigkeiten und ausreichende Formstabilitäten, so dass sie nunmehr für stark strapazierte Textilien wie Strümpfe, Bodenbeläge und technische Gewebe eingesetzt werden. Die Färbbarkeit kann durch Copolymerisation mit Monomeren mit sauren oder basischen Gruppen, durch Variation der Endgruppen oder durch Aufpfropfen anderer Monomerer in weiten Grenzen
160
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
variiert werden. Bei Polyamidcord für Autoreifen stört der relativ hohe Elastizitätsmodul; er kann jedoch durch Schmelzblenden der Polyamide mit Polyestern erniedrigt werden. Dazu müssen jedoch die Endgruppen der Polyamid blockiert werden, da diese sonst einen Kettenabbau der Polyester katalysieren würden“ [15]. Eigenschaften von Polyamidgarnen liefert Tabelle 3-51. Polyvinylalkohol- und Polyolefinfasern Stapelfasern aus PVAL werden noch heute in Nordkorea und China hergestellt (geschätzte Produktionskapazitäten 50 000 t/a bzw. 150 000 t/a). „In Japan werden durch Trockenspinnen Filamente mit erheblich verbesserten mechanischen Eigenschaften erzeugt (1993: Produktion 36 000 t/a, Kapazität 80 000 t/a). Poly(vinylalkohol)-Filamente besitzen hohe Reißfestigkeiten (Tabelle 61) und werden daher zu über 90 % für industrielle Zwecke (Fischnetze, Laufbänder usw.) verwendet, neuerdings auch als kurfasrige Zusätze bei der Herstellung von Papieren und Textilverbundstoffen“ [15]. Tabelle 3-52 gibt zum Vergleich auch Eigenschaften anderer Vinylfasern und Olefinfasern an. „Die Poly(olefin)-Fasern werden dank der niedrigen Gestehungskosten der Polymeren und der einfachen Herstellung durch Schmelzspinnen in den größten Mengen hergestellt. Die jährliche Weltproduktion an Textilprodukten aus Poly(olefin)en belief sich 1985 auf ca. 1,7⋅106 t/a; davon waren ca. 90 % isotaktisches Poly(propylen) PP und ca. 10 % Poly(ethylen) hoher Dichte PE-HD“ [15]. „Ungefähr die Hälfte der Textilprodukte aus Poly(olefin)Fasern werden als Bändchen, Spaltfasern oder Monofilamente hergestellt, ein weiteres Drittel als Stapelfaser und der Rest als Filamentgarne und Textilverbunde. Alle Poly(olefine)
zeichnen sich durch gute Beständigkeit gegen Säuren, Alkalien und andere Chemikalien aus. Wegen dieser mangelnden Affinität müssen andererseits alle Poly(olefin)-Fasern zwecks Farbgebung in der Schmelze pigmentiert werden“ [15]. „it-Poly(propylen) dominiert wegen seiner ausgezeichneten Reißfestigkeit (Tabelle 3-52). Obwohl sein theoretischer Elastizitätsmodul weit geringer als derjenige des Poly(ethylen)s ist, besitzt es wegen seiner leichteren Kristallisierbarkeit einen höheren technischen Elastizitätsmodul als Poly(ethylen) (Tabelle 3-51). Aus ultrahochmolekularen Poly(ethylen)en erhält man aber durch Gelspinnen hochorientierte (> 95 %), hochkristalline (≈ 85 %) Fasern mit Dichten von 0,97 g/cm3, Elastizitätsmoduln von 90 N/tex (∴ 87 GPa) und Reißfestigkeiten von 2,7 N/tex (∴ 2,6 GPa) (Dyneema®, Spectra®)“ [15]. PVAL-Fasern werden durch Behandeln mit Formaldehyd wasserunlöslich. Sie zeichnen sich bei vielen Kunststoffen durch gute Haftfähigkeit aus und führen zu erhöhter Schlagzähigkeit. Ihre Verwendung in der Kunststoffindustrie erstreckt sich auch auf Verstärkungsmatten in Schichtpressstoffen. Eigenverstärkende synthetische Fasern Strukturell gesehen sind die Kunststoffe in zwei Klassen einteilbar: amorphe und teilkristalline. Bei den amorphen sind die Makromoleküle regellos aufgebaut. Sie verhalten sich bei tiefen Temperaturen wie Glas, bei höheren wie eine zähflüssige Masse. Beispiele sind: PS, PC, PVC, PMMA (EP- und UP-Harze amorph, transparent, aber vernetzt). Erhöhte Festigkeit erhalten sie durch das Verstärken mit Glasfasern (GF), Kohlenstoff- (CF) oder Aramid (AF)-Fasern. Die teilkristallinen Kunststoffe wie PE, PP, PA, PET, PBT und POM bestehen aus einer amorphen und einer teilkristallinen Phase. In der kristallinen Phase sind die Molekülketten über
Tabelle 3-51 Textile Eigenschaften von Garnen aus Polyamiden, Elias [15] Eigenschaft
Phys. Einheit
Polyamid 6
Polyamid 6.6
Polyamid 4.6
Dichte Kristallinität Schmelztemperatur Bügeltemperatur, maximale Waschtemperatur, maximale Modul, textiler1) 25 °C (konditioniert) 120 °C Reißfestigkeit, textile1) Dehnbarkeit, konditioniert Schwindung, 180 °C Feuchtigkeitsaufnahme (E: regain), 65 % RH
g/cm3 % °C °C °C cN/tex cN/tex cN/tex % % %
– 23 221 150 60 279 135 85 33 12,0 7,5
– 37 266 180 71 360 153 85 – 7,8 7,5
– 45 290 – – 324 225 86 – 5,3 –1)
textile Begriffserklärungen siehe Fußnote unter Bild 3-67
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
161
Tabelle 3-52 Mittlere Eigenschaften von Olefin- und Vinylfasern (Filamenten). PP = it-Poly(propylen), PE-HD = konventionelle Fasern aus Poly(ethylen) hoher Dichte, PTFE = Poly(tetrafluorethylen) (Teflon), PVC = Poly(vinylchlorid), PS = ataktisches Poly(styrol), PVAL = Poly(vinylalkohol). *Unter Zersetzung. **Höchstwerte von Hochmodulfasern: ρ = 0,97 g/cm3; E = 172 GPa; σB = 3,0 GPa, Elias [15]. Eigenschaft
RF %
Phys. Einheit
PP
PE-HD**
PTFE
PVC
PS
PVAL
Dichte
65
g/cm3
0,90
0,94
2,2
1,40
1,05
1,28
Modul, textiler
65
N/tex
0,60
2,5
1,2
3,0
–
3,8
Reißfestigkeit, textile
65 100
N/tex N/tex
0,62 0,62
0,27 0,27
0,13 0,13
0,25 0,24
0,48 0,50
0,66 0,50
Reißdehnung
65 100
% %
20 20
30 30
23 23
17 16
< 10 < 10
16 21
Feuchteaufnahme
0,50
%
0
0
0
0,1
< 0,1
4,2
Wasserrückhaltevermögen
100
%
0
0
–
5
–
30
Schmelztemperatur
0
°C
165
125
325
–
–
250*
Glastemperatur
0
°C
– 14
–80
–52
68
100
81
Sauerstoffindex (LOI-O)
0
%
17
18
95
32
18
22
große Entfernungen regelmäßig zu einem Kristallgitter geordnet. Der kristalline Bereich weist längs der Kette kovalente Bindungen (4 · 105 J/mol) und zwischen den Ketten Van der Waals- oder Dipolbindungen (4 · 104 J/mol) auf. Die kristalline Phase wirkt in der amorphen wie verstärkende Fasern. Die Morphologie der teilkristallinen Thermoplaste ist durch drei Elemente gekennzeichnet: Faltkristalle, Nadelkristalle (Whiskers) und amorphe Matrix. Die Faltkristalle sind plättchenförmig und nur 10 nm dick. Die Makromoleküle sind haarnadelförmig gebogen und durchlaufen den Kristall mehrmals in senkrechter Richtung. Moleküle, die den Kristallverband verlassen, bilden die amorphe Matrix. Beide Phasen sind eng gekoppelt. Ausschlaggebend für die Verbundfestigkeit ist die Grenzfläche zwischen den Phasen (ein Kubikzentimeter eines teilkristallinen Kunststoffs hat hunderttausend Quadratzentimeter Grenzfläche) [25]. Die Morphologie ergibt sich aus der räumlichen Verteilung der Kristalle. Diese wiederum ist abhängig von der Vorgeschichte der Schmelze, d. h. von den Herstellbedingungen. Regelmäßig aufeinander gestapelte Einkristallplättchen (Faserstruktur) entstehen beim Abkühlen, wenn die Schmelze bereits vorgedehnt wurde. Ohne diese vorangegangene Vorordnung wachsen die Einkristalle strahlenförmig von einem Zentrum aus und ergeben die bekannten kugelförmigen Sphärolithe. Makromoleküle, die mehreren Kristallen angehören, stellen die Verbindung zwischen den plättchenförmigen Einkristallen her, sie vermitteln die starken interkristallinen Kräfte. Wenn die Makromoleküle bereits in der unterkühlten Schmelze fast vollständig gestreckt sind, dann entstehen die
Nadelkristalle mit Längen inzwischen 10 nm und 105 nm. Die Steigerung der mechanischen Festigkeit teilkristalliner Thermoplaste beruht vor allem in der Änderung der Struktur der amorphen Zonen. Wirkt die Zugspannung parallel zu den Nadelkristallen, dann beträgt bei PE der Zug-E-Modul 200 kN/mm2, die Bruchfestigkeit 2000 N/mm2. Bei einer Reißdehnung von 2 % wären die Eigenschaften denen hochfester Metalllegierungen vergleichbar [25]. Eigenverstärkte Thermoplaste (durch Induzieren des Nadelkristallwachstums) können u. a. hergestellt werden durch Ultraverstrecken oder Kristallisation aus strömenden Lösungen. Für das Strecken der Molekülkette ist eine gewisse Zeit erforderlich. Während dieser Zeit hat das Molekül die Tendenz, wieder in den Zustand des Knäuels zurückzukehren. Diese Relaxationszeit ist eine Funktion der Temperatur und der Molmasse; sie beträgt in der Nähe der Kristallisationstemperatur um 10–4 s. Die Streckzeit muss somit kürzer sein als die Relaxationszeit, wenn das Makromolekül im gestreckten Zustand verbleiben soll. Synthetische Papiere [15] Papiere aus synthetischen Materialien teilt man in synthetische Papiere und Kunststoffpapiere ein. Synthetische Papiere sind Faservliese, Kunststoffpapiere aber Folien. Zur Herstellung von synthetischen Papieren geht man von Poly(ethylen), it-Poly(propylen), Polyamiden oder Polyestern aus, die z. B. durch Flash-Spinnen in Fäden überführt und dann zu Kurzfasern zerschnitten werden. Solche faserähnlichen Produkte aus Poly(olefin)en, die ähnlich wie
162
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Cellulosezellstoff auf herkömmlichen Papiermaschinen verarbeitet werden können, nennt man auch Synthesezellstoffe (Synthesepulpe; E: synthetic wood pulp (SWP)). Die von diesen Maschinen wie bei Cellulosepapieren abgelegten Fasern aus Poly(ethylen) oder it-Poly(propylen) werden ohne Binder rein thermisch verschweißt. Die resultierenden Produkte überspannen den ganzen Bereich von schweren Packpapieren bis zu feinen Schreibpapieren. Poly(ethylen)Papiere sind dabei trotz der hydrophoben Oberfläche wegen der wirkenden Kapillarkräfte mit normalen (auf Wasser basierenden) Tinten beschreibbar. Synthetische Papiere werden oft ähnlich wie Cellulosepapiere noch beschichtet, um die Bedruckbarkeit zu erhöhen. Kunststoffpapiere [15] Kunststoffpapiere sind extrudierte und zumindest oberflächlich poröse Folien aus synthetischen Polymeren. Eine Porenstruktur ist für die gewünschte Opakzität, Farbstoffaufnahme und niedrige Dichte unbedingt erforderlich. Normal extrudierte Folien besitzen keine derartige Porenstruktur. Die Poren müssen daher durch Verstrecken, Schäumen, Beschichten, Anquellen oder ähnliche Methoden erzeugt werden. Am wichtigsten ist das Verstrecken. Es muss biaxial erfolgen, da sonst die Folie beim Bedrucken aufgespleisst wird. Wichtig ist auch die Höhe der Proportionalitätsgrenze im Spannungs-Dehnungs-Diagramm, da das Kunststoffpapier die beim Bedrucken auftretenden Druck- und Zugbeanspruchungen ohne bleibende Dehnung auffangen muss. Die Folien können ferner vor oder nach dem Recken der Folien beschichtet werden. Elastofasern Für bestimmte Anwendungsbereiche sind elastische Textilien erwünscht, z. B. für sportliche Oberbekleidungen oder für Strümpfe. Elastische Eigenschaften können dabei durch verschiedene Maßnahmen erzielt werden: chemische Synthese von Elastofasern, chemische Nachbehandlung, spezielle Spinnprozesse, physikalische Strukturänderungen, mechanische Nachbehandlung von Fasern und Herstellung spezieller Textilien. Größere Änderungen sind durch chemische Maßnahmen erhaltbar. Elastofasern (E: elastic fibers) bestehen aus chemisch und/oder physikalisch vernetzten Polymeren mit Glastemperaturen unterhalb der Raumtemperatur. Zu ihnen gehören auch Bikomponentenfasern mit einer elastischen Komponente. Elastofasern weisen sehr große Reißdehnungen und kleine textile Moduln auf (Bild 86) [15]. Gummifäden Die klassischen Elastomer-Fäden bzw. -Bänder bestehen aus vulkanisierten Kautschuken, hauptsächlich aus Na-
turkautschuk, daneben auch aus Poly(chloropren) oder Nitrilkautschuk. Sie werden nach zwei verschiedenen Methoden erzeugt. Nach dem einen Verfahren werden konventionell hergestellte Gummimischungen zu dünnen Fellen kalandriert, vulkanisiert und dann in Streifen geschnitten. Beim anderen Verfahren extrudiert man Latexmischungen in Säurebäder. Die koagulierten Fäden werden dann kontinuierlich gewaschen, getrocknet und vulkanisiert [15]. Elastan-Fasern Die zweite große Gruppe von Elastofasern umfasst die Elastan-Fasern (früher: Elasthan; USA: Spandex) aus Blockcopolymeren mit Urethan- und Ethersegmenten. Sie werden durch Reaktion von Diisocyanaten mit linearen oligomeren Polymeren mit Hydroxyl-Endgruppen (Makroglycolen) und mit Kettenverlängerern (Diamine oder Glycole) hergestellt. Diese Polymeren werden durch Schmelz- oder Lösungsspinnen verarbeitet. Bei Elastan-Fasern dienen die „harten“ Polyurethan-Segmente als physikalische Vernetzungsbereiche für die gummiartige Matrix aus „weichen“ Polyether-Segementen. Elastomere Bikomponentenfasern enthalten harte Komponenten aus Polyamiden oder Polyestern und weiche Komponenten aus segmentierten Polymeren mit harten Polyurethan- oder Polyester-Segmenten [15]. Die feinheitsbezogene Zugkraft in Abhängigkeit von der Dehnung zeigt Bild 3-68. Aramid-Fasern (nach [15]) Aramid-Fasern bestehen nach einer Definition der amerikanischen Federal Trade Commission aus langkettigen synthetischen Polyamiden, bei denen mindestens 85 % der Amidgruppen direkt an zwei aromatische Ringe gebunden sind. Nach DIN können solche Aramide auch Imidgruppen enthalten. Die Weltproduktion von Aramid-Fasern beträgt ca. 40 000 t/a. Diese Faser ist von Natur aus flammwidrig. Sie schmilzt nicht und schrumpft nicht. Die zulässige Dauergebrauchstemperatur beträgt –200 °C bis +160 °C. Die tribologischen Eigenschaften thermoplastischer Lagerwerkstoffe wie PA, POM, PBT und PC können durch Verstärken mit verschleißfesten Aramid-Fasern wesentlich verbessert werden [26]. Nach Maßgabe der jeweiligen Beanspruchung eines Formteils werden Hybridverstärkungen aus AF und GF bzw. AF und CF gewählt. Das Trennen ausgehärteter Laminate ist nur mit Spezialwerkzeugen möglich [27], [28]. Zu den Aramid-Fasern gehören solche aus Poly(m-phenylenisophthalamid) (Nomex®-Typen) und die aus Poly(pphenylenterephthalamid) (Kevlar®-Typen). Die industriell hergestellte Aramid-Faser Technora ist ein Copolyamid.
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe
163
Bild 3-68. Feinheitsbezogene Zugkraft als Funktion der Dehnung bei verschiedenen Elastofasern im Vergleich zu einer normalen Polyamid-Faser und einem Gummifaden, Ultee A. J. nach Elias [15]
Nicht unter die Definition der FTC fallen die in Tabelle 353 ebenfalls aufgenommenen sog. Polyamidhydrazide X500 und das Poly(2,2’-m-phenylen-5,5’-bibenzimidazol) (PBI). Die Polybenzimidazol-Faser PBI wurde ursprünglich als flammwidrige Textilfaser für das Raumfahrt-Programm der USA entwickelt, da sie wegen ihres recht hohen Sauerstoffindex nicht brennt, nicht schmilzt und zudem bei Temperaturen unterhalb 550 °C wenige oder keine toxischen Gase und keinen Rauch abgibt. Sie eignet sich jedoch auch für andere Anwendungen, z. B. anstelle von Asbest für Schutzhandschuhe und Arbeitsanzüge von Arbeitern an Schmelzöfen für Metalle oder für Rauchgasfilter. Poly(m-phenylenisophthalamid) bildet lyotrope Flüssigkristalle. Fasern können daher bei tieferen Konzentrationen aus isotropen Lösungen, bei höheren dagegen aus nematischen ersponnen werden. Die aus nematischen Lösungen ersponnenen Fasern weisen wegen der höheren Orientierung der Kettensegmente erwartungsgemäß größere Elastizitätsmoduln und Zugfestigkeiten sowie niedrigere Reißdehnungen als diejenigen aus isotropen Lösungen auf (Tabelle 3-53). Wie aus den Konstitutionsformeln hervorgeht, sind die Kettensegmente des Poly(p-phenylenterephthalamid) wesentlich gestreckter als diejenigen des Poly(m-phenylenisophthalamid)s. Das Verspinnen von Poly(p-phenylenterephthalamid) aus nematischen Lösungen in z. B. Schwefelsäure liefert daher bereits unter regulären Spinn- und Verstreckungsbedingungen bessere Moduln und Zugfestigkeiten (Kevlar 29), die unter speziellen Bedingungen noch weiter gesteigert werden (Kevlar 49). Die Fasern sind jedoch
schwierig zu färben, weil sie für die Aufnahme von Farbstoffen weder genügend Gruppen noch eine „offene“ Faserstruktur bereitstellen und das Spinnfärben mit Pigmenten im Allgemeinen zu Störungen der Kristallstruktur und damit zu schlechteren mechanischen Eigenschaften führt. Kevlar-Fasern sind temperaturbeständige Spezialfasern. Sie dienen u. a. für kugelfeste Westen. Die Hauptanwendung von Kevlar ist jedoch als verstärkende Faser für Verbundwerkstoffe. Nachteilig ist hier jedoch die schlechte Kompressionsfestigkeit der Fasern, die vermutlich mindestens teilweise durch die beim Erspinnen aus SchwefelsäureLösungen erzeugten Mantel-Kern-Strukturen bedingt ist. Bei der Kompression von Kevlar erscheinen helicale Kinkenbänder. Verbundwerkstoffe mit Kevlar als Verstärkungsfaser versagen daher nicht wegen eines Bruches der Faser oder Matrix, sondern wegen einer elastischen Verwerfung durch Scheren. Kevlar 49 weist entsprechend ein hohes Verhältnis von Zugmodul zu Schermodul von ca. 70 auf. Bei anderen Fasern liegt dieses Verhältnis weit tiefer, z. B. bei 2,0 (Glasfasern), 3,2 (Schafwolle), 3,7 (Baumwolle) oder 5,8 (Polyamid 6.6). Nur Flachs weist noch ein recht hohes Verhältnis von 19 auf, vermutlich ebenfalls wegen Straucheffekten [15]. PBO-Fasern P-phenylene-2.6-Benzobisoxazol (PBO) ist ein teilkristallines Polymer. Die Firma Toyobo beginnt 1998 unter dem Markennamen Zylon® die Faserproduktion. Neben den Kunststofffasern aus PPS, Polyester und PI sind Aramidfasern die Haupt-Wettbewerbsfasern.
164
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-53 Eigenschaften von Aramid-Fasern bei Raumtemperatur. PBI = Poly(benzimidazol), PMPI = Poly(m-phenylenisophthalamid) (Nomex®, PPDT = Poly(pphenylenterephthalamid) (Kevlar® 29 oder 49), PABH = Polyamidhydrazid, PF = Phenolharz, I = isotrop, N = nematisch; *Zersetzung, Elias [15] Eigenschaft
RH %
Phys. Einheit
PBI I
PMPI I
PMPI N
PPDT 29
PPDT 49
PABH
PF
Dichte Elastizitätsmodul Reißfestigkeit Reißdehnung Feuchteaufnahme Schmelztemperatur Sauerstoffindex (LOI-O)
65 65 65 65 65 0 0
g/cm3 GPa GPa % % °C %
1,43 5,7 0,38 30 14 – 0,42
– 19 0,35 6,7 – – –
1,38 36 0,70 4,7 8 380 0,32
1,44 63 2,7 3,7 4,5 460* –
1,44 130 2,7 1,9 – – –
1,46 100 2,1 3,5 – – –
1,25 5,7 0,38 30 14 – –
Es gibt zwei verschiedene Faserarten bei Zylon® – Zylon HM (Hochmodul-Faser) – Zylon AS (Spinnfaser) Die Eigenschaften sind: Vorteile – der Elastizitätsmodul von PBO-Fasern liegt höher als der von Aramidfasern – Zylon® weist eine höhere Hitzebeständigkeit auf als die übrigen Fasern – hohe Widerstandsfähigkeit beim Erhitzen – hoher Flammenwiderstand beim Arbeiten mit Trennschleifern und beim Schweißen – Zylon® (PBO-Faser) ist die nächste Generation einer Faser, deren Festigkeit und Module fast doppelt so hoch sind wie die von p-Aramid-Fasern – Zylon® hat eine 100 °C höhere Auflösung als p-AramidFasern. Nachteile – ziemlich teuer im Vergleich zu Aramid – Zylon® lässt sich nicht schneiden, dadurch entstehen Probleme bei der Konfektion.
Einen Vergleich der Eigenschaften von PBO-Fasern (Zylon®) mit anderen Faserarten gibt Tabelle 3-54. Bisherige Anwendungen von Zylon sind – Verstärkung von Gummi wie Reifen – Sicherheitsausrüstungen wie Sicherheitsgurte, Handschuhe, Schuhe, Kleidung für Polizei, Feuerwehr – Sportkleidung, Sportgeräte wie Segel, verschleißfeste Textilien für Rennfahrer und Reiter, Skistöcke, Fahrradfelgen. C-Fasern Bis zum Anfang der sechziger Jahre bildeten Glas- und Asbestfasern die wichtigsten hochfesten anorganischen Verstärkungsmaterialien für Reaktionsharze sowie duro- und thermoplastische Formmassen. GF-verstärkte Gießharze erreichen zwar günstigere Festigkeits-/Dichteverhältnisse (σ/ ρ) als die Metalle, das Steifigkeits-/Dichteverhältnis (E/ρ) ist jedoch ungünstiger. Damit sind der technischen Anwendbarkeit von GF-Formstoffen Grenzen gesetzt. Die Entwicklung zielte deshalb auf Verstärkungsmaterialien hin, die eine Erhöhung des Steifigkeits-/Dichteverhältnisses ermöglichen. Zu den aussichtsreichsten Verstärkungsstoffen dieser Art gehören heute die C- und Aramid-Fasern. Die eine zeitlang in den USA propagierten Borfasern haben an Bedeutung verloren, weil sie nicht textilverarbeitbar sind. Der noch
Tabelle 3-54 Eigenschaftsvergleich verschiedener Fasern [29]
Zugfestigkeit cN/dtex Zugfestigkeit GPA Bruchdehnung % Dichte g/cm3 Feuchtigkeitsgehalt % LOI Temperaturbeständigkeit °C
Zylon HM
Zylon AS
p-Aramid
m-Aramid
Stahlfaser
Carbonfaser
PBI
Polyester
37 5,8 2,5 1,56 0,6 68 650
37 5,8 3,5 1,54 2,0 68 650
19 2,8 2,4 1,45 4,5 29 550
4,7 – 22 1,38 4,5 29 400
3,5 – 1,4 7,8 0 – –
20 – 1,5 1,76 – – –
2,7 – 30 1,4 15 41 550
8 – 25 1,38 0,4 17 260
3.5 Zusatzstoffe für Kunststoffe immer hohe (aber allmählich bröckelnde) Preis der C- und A-Fasern zwingt zur optimalen Nutzung und damit den Konstrukteur zum „anisotropen“ Denken. Die Herstellung der vorwiegend auf Polyacrylnitril (PAN)-Fasern basierenden C-Fasern führt verfahrenstechnisch in zwei Stufen (Pyrolysieren bei 300 °C und Carbonisieren bei 1600 °C) zur sog. NF (niederfest)- und HF (hochfest)-Faser. Im nächsten Verfahrensschritt (Graphitieren bei 3000 °C) wird daraus die HM (Hochmodul)- und UHM (Ultrahochmodul)-Faser, Tabelle 3-55 [17]. Naturgemäß werden die Fasern während der Herstellung gereckt. Die NF- und HF-Fasern dienen als Filtermedien, Katalysatorträger und als Verstärkungsfaser in Verbundwerkstoffen. Sie weisen vorzügliche Ablationseigenschaften auf. Der verhältnismäßig niedrige elektrische Widerstand hat dazu geführt, sie in flexiblen Heizelementen und überall dort anzuwenden, wo ein biegsamer, nichtmetallischer elektrischer Leiter benötigt wird. Die HM- und UHM-Fasern ermöglichen wegen ihres sehr hohen E-Moduls von 400 kN/mm2 (HF-Fasern 230 kN/ mm2) und des dadurch bedingten hohen Steifigkeits-/Dichteverhältnisses die Herstellung von Verbundkonstruktionen mit einer drei- bis neunmal so hohen Steifigkeit wie bei der Verwendung von Titan, Stahl bzw. Aluminium. Die CFasern werden als Roving mit 1000 bis 1500 Einzelfäden, als Stapelfasern und in der technisch wichtigsten Form, den Prepregs, angeboten. Überwogen bei der Verwendung der C-Fasern bis vor zehn Jahren noch die Sportgeräte, so verlagerte sich inzwischen der Verbrauch überwiegend auf den Segel-, Passagier(siehe bei Verbundwerkstoffen) und Kampfflugzeugbau sowie Bauwesen, Raumfahrt, Rennsport und Verteidigung. Große Hoffnung wird auf den Automobilbau gesetzt (Triebwerk und Karosserie). Die Verwendung im Serienbau setzt jedoch eine gegenüber den bisherigen Methoden wesentlich veränderte Verarbeitungstechnik voraus.
165
Die Weiterentwicklung der HF-Typen auf PAN-Basis zielt vor allem auf eine Steigerung der Bruchdehnung bis 2 % (bisher 1,0 % bis 1,4 %) bei gleichzeitiger Steigerung des EModuls und der Zugfestigkeit ab. Bei ε = 1,7 % statt 1,2 % und einem E-Modul von 250 kN/mm2 ergäbe sich gemäß σ =ε · E eine Zugfestigkeit von 4250 N/mm2. Bei den HMTypen wird eine weitere Steigerung des E-Moduls bei gleichzeitiger Erhöhung der Bruchdehnung angestrebt. Von verschiedenen Herstellern werden sog. Intermediat-Typen (IM) angeboten. Sie weisen eine erhöhte Bruchdehnung und Festigkeit bei einem verhältnismäßig hohen E-Modul auf. Bei der Weiterentwicklung der C-Fasern muss jedoch beachtet werden, dass der Matrixwerkstoff eine Bruchdehnung von höchstens 2 % bis 3 % aufweist. Bei einer ebenso hohen Bruchdehnung der Fasern würden diese keine Last mehr aufnehmen können. Neuere Entwicklungen, die bereits kurz vor dem automobilen Großserieneinsatz stehen, erlauben Kosten sparend örtliche Bauteilverstärkungen mit C-Faserbündeln einzulegen und über Prozesstechnik mit thermoplastischer Matrix (PP, PA, PET, PC) im 30 Sek.-Takt herzustellen (siehe auch bei Verarbeitung von thermoplastischen Faserverbundwerkstoffen im LFT-D-Verfahren). Alle diese Fasern werden als Verstärkungsmaterialien verwendet. Die steifen Kohlenstoff-Fasern bilden jedoch schlecht Schlingen. Garne können daher nur schwierig gewirkt werden. Man stellt daher zunächst Gewirke aus Precursor-Garnen her (z. B. Poly(acrylnitril)), die anschließend carbonisiert werden (CCPF = chemical conversion of a precursor fiber) [15].
Literatur zu Kapitel 3.5.3 [1] [2] [3]
NN (1985) PLASTverarbeiter Heft 2, S 89–114 NN (1985) PLASTverarbeiter Heft 3, S 52–63 Jakobi HR (1974) Industrie-Anzeiger 86, Nr. 22, S 375
Tabelle 3-55 Eigenschaften von Kohlenstoff-Fasern auf Basis Pech oder Poly(acrylnitril) (PAN). HM = Hochmodul, UHM = Ultrahochmodul, HS = Hochfest, I = aus isotroper Flüssigkeit, Elias [15] Eigenschaft
Phys. Einh.
PAN HS
PAN HM
PAN UHM
Pech HM
Pech I
Filament-Durchmesser Dichte Elastizitätsmodul Zugfestigkeit Reißdehnung Zähigkeit Linearer Ausdehnungskoeffizient Wärmeleitfähigkeit
μm g/cm3 GPa GPa % MPa 10–6K–1 W m–1K–1
7,5 1,78 240 3,75 1,55 20 –0,6 15–20
7,5 1,85 400 2,45 0,65 7,5 –1,0 60–100
8,5 2,0 535 1,85 0,35 3 –0,9 –
10 2,15 690 2,24 0,3 – – –
– 1,55 40 0,9 2,3 – +3 15
166
[4]
[5] [6]
[7] [8] [9] [10]
[11]
[12] [13] [14] [15]
[16]
[17]
[18] [19]
[20] [21] [22] [23] [24]
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Eckell A (1982) Die Chemie und Physik von Verbundwerkstoffen mit Polymermatrix, in Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde in der Kunststofftechnik. S 27–53, VDI-Verlag, Seegel V, PE McMahon (1984) Gummi, Fasern, Kunststoffe 37, S 225 Klenner, J Werkstoffvisionen im Verkehrsflugzeugbau. Vortrag und Tagungsband (S. 36-41): WING-Konferenz PTJ/BMBF in Weimar, 29.–31.10.2003 Mansmann M et al. (1983) Synthetische anorganische Fasern, in [19] Bd 11, S 380 Marsmann M (1983) Synthetische anorganische Fasern, in [19], Bd 11, S 359 Rubin II et al. (1990) Handbook of Plastic Materials and Technology, S 849–853 Mülhaupt R, Engelhardt T, Schall N Nanocomposites auf dem Weg zur Anwendung. Kunststoffe 10/2001, S. 178–190 Hohenberger W Submikron und Nano – Revolution bei Füllstoffen und Compounds. Kunststoffe 8/2000, S. 96–99 Kamper P (1984) VDI-Nachrichten Nr 48, 30. Nov. 1984, S 19 Steinau P (1984) Gummi, Fasern, Kunststoffe 37, S 567 Weber A (Hrsg) (1989) Neue Werkstoffe. VDI Verlag Düsseldorf Elias H-G Makromoleküle. Band 4: Anwendungen von Polymeren (6. Aufl) Weinheim: Wiley-VCH, 2003 ISBN 3-527-29962-9 Bosshard AW et al. (1989) Haftvermittler, in Gächter R et al. Kunststoff-Additive, 3. Ausgabe, S 569–571, Hanser, München Wolitz K (1984) Technologische Eigenschaften von Faserverstärkten Kunststoffen unter Normal- und Klimabedingungen am Beispiel von GFK und CFK. Vortrag im Rahmen des Seminars: „Anwendung und Praxis der Faserverbundwerkstoffe GFK/AFK/CFK“ an der Techn. Akademie Wuppertal NN (1996) Hochfeste Glasfasern, Kunststoffe 86, S 1316 Gruber E et al. (1983) Cellulose, in Klose D et al. Ullmanns Enzyklopädie der techn. Chemie, 4. Aufl, Bd 21, S 657, Verlag Chemie, Weinheim Weigel P, Ganster J, Fink H-P et al. Polypropylen-Cellulose-Compounds. Kunststoffe 5/2002, S. 95–97 Schwarz U, Pflug G, Reinemann S PolypropylenFlachs-Compounds. Kunststoffe 5/2002 S. 93–94 Schilling B Expandierbarer Grafit. Kunststoffe 8/1997, S. 1004-1006 Wielage B, Köhler E, Odenwald S et al. Flachsfaserverstärktes Polypropylen. Kunststoffe 8/1999, S. 60–62 Mitteilung der Hoechst AG, Werk Kehlheim/Donau
[25] Petermann I (1982) Eigenverstärkung von Kunststoffen, in [4], S 83 [26] Braches E (1996) Verschleißfeste Thermoplaste, Kunststoffe 86, S 1720–1724 [27] Van den Bos AL (1996) Segelboote aus AramidfaserLaminaten [28] Böhme D (1996) FVK für Olympia-Kanu [29] Knöpfle K Aramidfaser Kevlar– und Zylon®. Facharbeit an der Staatlichen Textilfachschule Münchberg, 2000 weitere Informationen zu Zylon: www.toyobo. co.jp; www.frenzelit.com [30] Hohenberger W Füllstoffe und Verstärkungsmittel. Kunststoffe 7/1999, S. 101–104
Weiterführende Literatur: NN (1960) PLASTverarbeiter 11, S 409 NN (1985) Plastverarbeiter, Heft 10, S 46–58 Heißler GH (1982) Hochleistungsfaser/Kunststoffverbunden im Fahrzeugbau, in [4], S 167 Hörsch F (1984) Glas-, Armid- und Carbonfaser in [17] NN (2007) Encyclopedia of polymer science. 3. Aufl, J. Wiley Hoboken NJ Noisternig JF et al. (1996) Kohlenstoffaser-Kunststoffverbunde, Kunststoffe 86, S 822–829 Metten M, Cremer, M Langfaserverstärkte Thermoplaste spritzgießen – Verfahrensparameter beeinflussen die Faserlänge. Kunststoffe 1/2000, S. 80-83 Wulfhorst B (2006) Textile Technology. München, Hanser, 320 S Ziegmann G (2007) Mehr Leistung, geringes Gewicht – Verstärkungsfasern. Kunststoffe 97(2007)4, S 106–115 Barig A, Blome H (2001) Allgemeiner Staubgrenzwert Teil 1–4. In: Reinhaltung der Luft 2001 ff, www.technikwissen.de Haas B, Brück M (2007) Luft ohne Last (PPS-Fasern). Kunststoffe 97(2007)8, S 142–143 Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz. Frankfurt: VCI 2007 (Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) Schmid M (2007) Winzige Röhren mit großer Wirkung (Carbon Nanotubes). Kunststoffe 97(2007)8, S 154– 156 Stäube, Rauche und Nebel am Arbeitsplatz – Risiken und Prävention. Internationales Kolloquium 11. bis 13. Juni 2001, AISS Chemie, IVSS Sektion Chemie, ISSA Chem. Sec., Toulouse, Frankreich The National Nanotechnology Initiative at Five Years: Assessment and Recommations of the National Nanotechnology Advisory Panel. President´s Council of Advisory on Science and Technology, May 2005 (www.ostp.gov)
3.6 Thermoplastische Elastomere (TPE) Eigenschaften, Gegenüberstellung, Anwendungen
3.6
Thermoplastische Elastomere (TPE) Eigenschaften, Gegenüberstellung, Anwendungen Peter Eyerer, u. M. v. Jürgen K. L. Schneider
3.6.1
Einleitung
Thermoplastische Elastomere (TPE) sind Materialien, die elastomeres Verhalten mit den Verarbeitungstechniken der Thermoplaste kombinieren. Diese Definition beschreibt auch zugleich das Zusammentreffen zweier verschiedener Industrien bzw. Denkweisen, das der Gummiindustrie und jenes der Plastik verarbeitenden Industrie. TPE können extrudiert, spritzgegossen oder auch blasgeformt werden. In diesem Beitrag soll besonders auf die – Styrolblockcopolymere (SBC), – Thermoplastische Polyolefine (TPO), – Thermoplastische Polyurethane (TPU), – Copolyester (COPE), – Polyetherblockamid (PEBA), eingegangen werden. Weitere Werkstoffgruppen sollen nur kurz erwähnt werden. Detaillierte Informationen sind der Literatur [1-3] und [5], besonders [1] zu entnehmen.
3.6.2
167
Theorie
Während bei chemisch vernetzten Elastomeren die Rezepturentwicklung im Vordergrund steht, werden in der Regel TPE gebrauchsfertig bezogen. Dadurch reduzieren sich die notwendigen Arbeitsschritte zur Herstellung eines Produktes auf die entsprechende Formgebung, Bild 3-69. Aufgrund ihres thermoplastischen Charakters können TPE nach jedem Verarbeitungsschritt bis hin zum fertigen Formteil unproblematisch wieder recycliert werden. Dieses gilt für irreversibel, chemisch vernetzte Elastomere bestenfalls eingeschränkt. Formalistisch können TPE als Materialien beschrieben werden, die aus elastischen, weichen und thermoplastischen, harten Segmenten bestehen. Weiche und harte Segmente formen diskrete, unterschiedliche Phasen. Die reversible, physikalische Verknüpfung erfolgt über die harten Polymersegmente, Bild 3-70. Dieses Prinzip kann sehr anschaulich an den Styrolblockcopolymeren (SBC) erklärt werden, unterscheiden sie sich von einem normalen Styrolbutadien-Kautschuk (SBR) doch „nur“ in der Anordnung der Monomerbausteine in der Kette. Bei einem SBR sind die Bausteine Styrol und Butadien statistisch in der Kette angeordnet. Dieses Polymer muss chemisch umgesetzt werden, um akzeptable mechanische Eigenschaften zu bieten. Die Verhältnisse ändern sich wenn Styrolendblöcke gebildet werden und diese durch eine Butadienkautschuk-Kette verbunden sind. Beträgt das Molmasse
Bild 3-69. Schematische Gegenüberstellung der Formgebung eines Vulkanisates gegenüber eines TPE
168
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-70. Schematische Darstellung der Morphologie von TPE (Beispiel SBC)
der Polystyrolblöcke mehr als 8000, bildet sich eine zweite, nicht im Polybutadien (BR) lösliche Phase. Diese kleinen Polystyrol-Domänen vernetzen unterhalb der Glasübergangstemperatur des Polystyrols (PS) von ca. 95 °C das Polymer physikalisch. Meist liegt das Molmasse der PS-Endblöcke zwischen 10 000 und 15 000 und das der Dienmittelblöcke bei 50 000 und größer. Zum Vergleich sei angemerkt, dass das Molmasse eines synthetischen Isoprenkautschuks bei 3 Millionen liegen kann. Das Vorliegen separater PS- und BR-Phasen kann nicht nur durch elektronenmikroskopische Aufnahmen verifiziert werden (PS-Domänengröße ca. 30 nm), sondern auch im Torsionsschwingversuch, Bild 3-71. Ein SBR-Kautschuk hat nur eine Glastemperatur (Tg) bei ca. –40 °C. Ein SBS-Kautschuk hingegen weist zwei diskrete Glastemperaturen auf, die des BR bei –90 °C und die des PS bei +95 °C. Die untere und obere Glastemperatur legen auch den Gebrauchstemperaturbereich des TPE fest. Unterhalb der Glastemperatur der weichen Kautschukphase ist das TPE hart und steif anstatt gummiartig. Oberhalb der Glastemperatur der harten, thermoplastischen Phase wird das TPE weich und fließend, es verliert seine Festigkeit. Die mechanischen Eigenschaften der SBC brauchen keinen Vergleich mit konventionell, chemisch vernetztem BR zu scheuen, Bild 3-72. Die Reißfestigkeit zum Beispiel eines
ungefüllten, reinen SBC überragt die entsprechenden Werte eines verstärkten, mit Ruß gefüllten BR deutlich. Allerdings bleibt den SBC ein Anwendungsgebiet der SBR-, BR- und IR-Kautschuke verschlossen, das der Automobilreifen. Die beim Bremsen entwickelte Wärme würde eben aufgrund des thermoplastischen Verhaltens des SBC zum Schmelzen des Reifens führen.
Bild 3-71. Schematische Darstellung der Glasübergangstemperaturen von einem SBR und einem SBS TPE
3.6 Thermoplastische Elastomere (TPE) Eigenschaften, Gegenüberstellung, Anwendungen
169
Bild 3-72. Schematische Gegenüberstellung der Reißfestigkeit von BR-Elastomeren im Vergleich zu einem SBS TPE
3.6.3
Charakterisierung der Thermoplastischen Elastomere
Wie in der Einführung erläutert, sollen die nach Meinung des Autors wichtigsten TPE-Klassen betrachtet werden. Hierbei wird zunächst auf ihre technische Herstellung eingegangen. Daraus folgen die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Elastomere und damit ihre Anwendungsgebiete. Auf einen Punkt soll schon vorab eingegangen werden. Obgleich TPE in der Regel gebrauchsfertig bezogen werden, können einige auch compoundiert werden. Die Polyurethane (TPU), die Copolyester (COPE) und die Polyetherblockamide (PEBA) werden meist als reine Polymere verarbeitet, obgleich auch plastifizierte oder gefüllte Typen bekannt sind. Die thermoplastischen Polyolefine werden schon compoundiert geliefert und auch so eingesetzt. Die Styrolblockcopolymere (SBC) bilden hier die Ausnahme. Hier wird in der Regel nicht das Polymer allein eingesetzt sondern das Compound. Das soll im folgenden Kapitel erläutert werden.
3.6.3.1
Styrolblockcopolymere (SBC)
Styrolblockcopolymere (SBC) werden mittels lebender anionischer Polymerisation hergestellt. Die Reaktion wird z. B. mit Butyllithium (BuLi) gestartet und beginnt mit dem Aufbau von Styrolblöcken (S). Danach wird in dieses Gemisch ein Dien, zumeist Butadien (B) oder Isopren (I) dosiert. Nach Bildung der elastischen Dienkette kann nun wieder Styrol
dosiert werden. Die Reaktion wird mit protischen Medien, wie zum Beispiel Wasser gestoppt, sobald die gewünschte (lineare) SBS- oder SIS-Struktur vorliegt. Kupplung der SBoder SI-Diblöcke mit einem Kupplungsmittel (wie zum Beispiel SiCl4) kann zu radialen Polymerstrukturen führen. Selektive Hydrierung der Dien-Kette führt zur nächsten Kategorie der SBC. Aus einem SBS-Polymer wird dann (ausreichender Vinyl-Gehalt des Polybutadiens unterstellt) ein Styrol-Ethylen-Butylen-Styrol-(SEBS)-Polymer. Im Fall von SIS-Edukten erhält man eine Styrol-Ethylen-Propylen(SEPS)-Styrol-Sequenz, Bild 3-73. Durch die Hydrierung der ca. 500 Doppelbindungen im SBS- oder SIS-Polymer wird die thermische Beständigkeit als auch die gegen oxidativen Abbau beträchtlich verbessert. Eine weitere Modifikation der SBC wurde 1999 von der BASF vorgestellt [4]. Hierbei bestehen die harten Segmente aus Styrol und die weichen Segmente statt aus Butadien aus einer statistischen Butadien-Styrol-Sequenz (S/B-Verhältnis ca. 1). Hierbei ergibt sich ein Tg von –40 °C. Damit ergeben sich Polymere mit einem Gesamt-Styrolgehalt von 70 %, wenn man ein typisches Blocklängenverhältnis von 15:70:15 für den S-S/B-S voraussetzt. Durch die nahezu gleichmäßige 1:1-Monomer-Verteilung im Mittelblock entsteht ein Polymer, welches in der Alterungsstabilität zwischen den unhydrierten SBS(-Edukten) und den hydrierten SEBS-Produkten anzusiedeln ist. Erste ungestreckte Produkte habe eine Härte von Shore 85 A und finden Anwendungen im Folienbereich, in der Modifizierung von Thermoplasten und als Compounds im Ersatz weicher Thermoplaste wie PVC.
170
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-73. Schematische Darstellung der Herstellung von SBC
SBC finden sich in ihren Applikationen wie oben schon aufgeführt als Compound wieder. Dieses hat den Vorteil, dass nicht auf den begrenzten Umfang eines Polymersortiments eines Herstellers zurückgegriffen werden muss, sondern die gewünschten Eigenschaften für die Anwendung maßgeschneidert werden können. Gewöhnlich reicht ein Einschneckenextruder mit Mischelementen und einem Längen-/ Durchmesser-Verhältnis von größer 24 aus, um die Gummi-Compounds zu produzieren. Optimale Ergebnisse darf man mit einer Doppelschnecke erwarten. In Compounds ist der Gehalt an SBC oft unter 50 Masse%. Zuschlagsstoffe für das Compoundieren senken fast immer die Kosten und verändern hauptsächlich Härte, Verarbeitungsverhalten, Resistenz gegen Umwelteinflüsse, Gebrauchstemperaturen oder auch die Oberflächeneigenschaften des Compounds. Wie bei den klassischen Elastomeren wird auch Öl verwendet, um die Härte herabzusetzen. Dieses darf naphthenisch oder paraffinisch jedoch nicht aromatisch sein. Aromaten würden die PS-Domänen aufweichen und damit die Festigkeit des Compounds zerstören. Thermoplasten wie Polystyrol (PS), Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) oder Ethylenvinylacetat (EVA) erhöhen die Härte und verbessern die Ozon- und die LösungsmittelResistenz. PS erleichtert zudem die Verarbeitbarkeit, während PP auch die oberen Gebrauchstemperaturen verbessert. Mineralische Füllstoffe verbessern meist auch die optischen Oberflächeneigenschaften.
Die Compounds können in der Härte zwischen Shore 5 A und Shore 45 D eingestellt werden. Die spezifische Dichte liegt in der Regel zwischen 0,9 und 1,2 g/ccm, kann aber auch zum Beispiel für Schalldämmungen bis zu 1,95 g/ccm eingestellt werden. SBS-Compounds werden bei Temperaturen von 150 bis 210 °C und SEBS-Compounds zwischen 210 und 260 °C verarbeitet. Diese Mischungen ersetzen konventionelle vulkanisierte Kautschuke. Compounds auf Basis SBS treten an Stelle von SBR- oder Naturkautschuk-Vulkanisaten, SEBS basierende substituieren EPR- bzw. EPDM-Produkte aufgrund ihrer hoher Beständigkeit. Hauptanwendungen liegen in der Schuhsohlenherstellung, in der Automobil- und Kabelindustrie, aber auch im Bereich der polymeren Dachbahnen. Im medizinischen Bereich zählt neben der Transparenz und Sterilisierbarkeit besonders das Fehlen jeglicher Vulkanisationsrückstände zu den Vorzügen. Weitere Anwendungen außerhalb der Kautschukindustrie sind der Einsatz in Klebstoffen und Dichtungsmassen. Das relativ niedrige Molmasse der SBC erlaubt hoch konzentrierte Lösungen, bis zum Extrem der lösungsmittelfreien Verarbeitung in der Schmelze. Die gute Verträglichkeit der SBC mit Polymeren kann zur Modifizierung von Kunststoffen genutzt werden. Schlagzähigkeiten werden von PS, PE und PP mittels SBS deutlich verbessert. Es lassen sich aber auch Mischungen aus diesen Thermoplasten herstellen, die ohne Zusatz des SBS nicht miteinander verträglich wären. Diese Eigenschaft erlaubt
3.6 Thermoplastische Elastomere (TPE) Eigenschaften, Gegenüberstellung, Anwendungen den Einsatz als Kompatibilisator bei vermischten Kunststoffabfällen, wie sie zum Beispiel bei dem Dualen System Deutschland (DSD) anfallen. SBC auf Basis SEBS werden zur Schlagzähmodifizierung von Hochtemperaturpolymeren wie zum Beispiel Polyphenylenoxid (PPO), Polycarbonat (PC) und Polyamiden (PA) eingesetzt. Ein anderes Anwendungsgebiet ist die Modifizierung des Thermoplasten Bitumen in flexiblen Dachbahnen oder Straßenbaumaterialien.
3.6.3.2
Thermoplastische Polyolefine (RTPO, TPO ,TPV und POE)
Diese Gruppe der TPE kann noch weiter in vier Untergruppen geteilt werden, die der Reaktorblends (RTPO), die der unvernetzten und vernetzten TPO (letztere werden auch mit TPV (V für vulcanised) abgekürzt und die der erst in neuerer Zeit erscheinenden Polyolefinelastomere (POE). Reaktorblends (RTPO) sind Blockcopolymere und bestehen aus einer Matrix aus Polypropylen (PP), das auf Ethylen-Propylen-Kautschuk (EP) basierende elastomerartige Phasen enthält. Diese Copolymere entstehen durch Polymerisation in der Gasphase und können bis zu 60 Masse-% Elastomeranteil enthalten [6], [7]. Reaktorblends verhalten sich eher wie ein flexibler Thermoplast und gleichen weniger einem Kautschuk. Diese Blends sind zumeist sehr hart und zeigen wenig Rückstellung nach Deformation. Hohe Gebrauchstemperaturen können durch Einarbeitung von Glasfasern erreicht werden. Das Compound gleicht dann aber kaum noch einem Kautschuk. Starkes Schwindungsverhalten in der Form ist bei den Reaktorblends zu berücksichtigen. Da im Reaktor direkt hergestellt, sind diese Blends kostengünstig. Ihnen wird ein hohes Wachstumspotential zugebilligt (10 %/Jahr), dieses aber in typisch thermoplastischen Anwendungen, wie z. B. als Stoßfänger oder als Material für u. a. Koffer, elektrische Geräte und dergleichen. Thermoplastische Polyolefin Elastomere (TPO) sind in der Hauptsache mechanisch (zum Beispiel mittels eines Doppelschneckenextruders) hergestellte Blends, die aus PP Homopolymer und einem Ethylen-Propylen- (EPR) oder ei nem Ethylen-Propylen-Dienmonomer-Kautschuk (EPDM) bestehen. Ethylidennorbornen wird häufig als Dien verwendet. Kautschuk und das PP sind in jedem Verhältnis mischbar, deshalb kann das Mischungsverhältnis der Komponenten stark variieren. Die Kautschukphase ist in einem Volumen-Bereich zwischen 45–85 % des Compounds gewöhnlich co-kontinuierlich zu der PP-Phase. Diese Blends werden oft während der Herstellung mit Öl und Füllstoffen verschnitten. Nachträgliches Compoundieren beim Anwender führt nicht zum Erfolg. Die meisten
171
TPO ähneln im physikalischen Verhalten den Reaktorblends und werden wie diese eingesetzt. Aber einige fallen in den Bereich der eher kautschukartigen Materialien. Besonders bei weicheren Materialien werden geringfügige Teilvernetzungen der weichen Kautschuk-Phase (< 5%) vorgenommen. Die Anwendungen decken sich mit denen der im Folgenden besprochenen TPV und werden dort diskutiert. Dynamisch vernetzte thermoplastische Polyolefin-Elastomere (TPV) bestehen wie die TPO aus PP und EPDM. Ihre Herstellung beginnt mit dem Mischen der gleich schmelzviskosen PP- und EPDM-Komponenten. Die Reaktion wird unterbrochen, sobald die EPDM-Partikel den Durchmesser von ca. 1 μm erreichen. Dann werden Vernetzungsmittel zugegeben und es wird bis zur vollständigen Vulkanisation (>95%) des Kautschuks weiter gemischt. Das resultierende TPV weist die besten mechanischen Eigenschaften bei Partikeldurchmessern der vernetzten Kautschukphase von 1–2 μm auf. Seine Reißfestigkeit ist bei einem PP-Gehalt kleiner 30 phr (parts per hundred rubber) relativ niedrig, steigt bis zu einem PP-Gehalt von 50 phr stark und danach nur geringfügig bei weiterer PP Dosierung. Allerdings führt ein hoher PP-Gehalt zu härteren Materialien mit wenig Rückstellung, kurz in Richtung „thermoplastische“ Eigenschaften. Die kleinen Kautschuk-Ellipsoide, die dem TPV die Rückstelleigenschaften verleihen sind nicht chemisch an die PP-Phase gebunden. Das PP ist extrahierbar. Der Ersatz konventioneller, vulkanisierter Kautschuke ist die Hauptanwendung der TPV (weniger der TPO oder gar RTPO). Bei einem Dichtebereich von 0,9–1,1 g/ccm lassen sich Härten von Shore 60 A bis Shore 75 D einstellen. Die Verarbeitungstemperaturen liegen zwischen 160 und 240°C. Die Compounds finden hauptsächlich im Kabel- und Automobilbereich (innen und außen) Anwendung. Sie eignen sich auch zur Schlagzähmodifizierung von PP und PE aber nicht für polare Thermoplasten wie PS. Weitere thermoplastische Polyolefin-Elastomere sollen kurz behandelt werden. Die beiden wichtigsten Klassen bestehen aus PP und Naturkautschuk (NR) oder Nitrilkautschuk (NBR). Die Herstellung dieser Systeme erfolgt durch mechanisches Mischen, wie oben schon ausgeführt. Die Blends mit NR können auch dynamisch vulkanisiert werden. Hier bleiben aber im unvulkanisierten wie auch im dynamisch vulkanisierten Blend die Elastomerphase und die PP-Phase cokontinuierlich. Die Eigenschaften und damit die Anwendungen ähneln den oben angeführten verwandten Systemen mit EPR bzw. EPDM. Der Einsatz von NR erniedrigt die Rohstoff-Kosten dieser Blends. Dynamisch vulkanisierte NBR-/PP-Blends bedürfen der Modifizierung der PP-Phase mit zum Beispiel Maleinsäureanhydrid, um diese mit dem NBR verträglich zu machen.
172
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Die resultierenden TPE sind sehr gut ölbeständig (besser als NBR) und reichen in den Qualitätsbereich von Epichlorhydrinkautschuk (CO). Damit stehen diesen TPE die Einsatzgebiete von NBR und CO offen. Diese wurden schon in vorhergehenden Vorträgen behandelt. Beispiele weiterer Blends seien nur kurz angedeutet. Sie können statt PP PE als harte Komponente enthalten, oder Kautschukphasen auf Basis Butylkautschuk, EthylenAcrylat-Copolymer oder auch Polydimethylsiloxan. Polyolefinelastomere (POE) [7], [8] wurden vor zehn Jahren kommerziell verfügbar gemacht. Diese Materialien sind mittels den so genannten „single site“ Katalysatoren zugänglich. Hier werden ein oder mehrere Monomere so verknüpft, dass in der Polymerkette weiche (kautschukartige) und harte (physikalisch vernetzbare) Segmente entstehen. Im Falle des Polypropylen würde das ataktisch Orientierung für die weiche Phase und isotaktische Segmente für die harte Phase bedeuten. Letztere können ab 15 PropenEinheiten kristalline Phasen ausbilden. Die Firma DOW führte diese Blockcopolymere auf Basis Ethylen und Okten im Markt ein. Zwischenzeitlich werden diese Materialien von den Nachfolgern Du Pont DOW Elastomers vertrieben und zur Schlagzähigkeitsmodifizierung von Polyolefinen und zur Herstellung von Kabeln, Schläuchen, Manschetten, Dichtungen und dergleichen als geeignet beschrieben. Die zur Zeit bestehende Begrenzung der oberen Gebrauchstemperatur (siehe auch Tabelle 3-57) schränkt den Einsatz in TPE-Anwendungen ein. Eine angestrebte Substitution von SBC (SBS) im Schuhsohlen-Markt scheiterte an nicht ausreichendem Abriebwiderstand.
3.6.3.3
Thermoplastische Polyurethane (TPU) (siehe auch Kapitel 4.1.3.3.2)
Thermoplastische Polyurethane (TPU) waren die ersten homogenen TPE, die synthetisiert wurden. Nach Entdeckung der Polyurethane im Jahre 1937 durch Otto Bayer (Deutsches Reichspatent 728 981) wurden schon 1940 die ersten TPU charakterisiert. Aber erst in den sechziger Jahren wurden industriell einsetzbare TPU entwickelt. Unter der Vielzahl bestehender Systeme bestehen die vielleicht gebräuchlichsten TPU aus harten Segmenten, die durch chemische Reaktion von Butandiol und Diphenylmethan-4,4‘-dii-socyanat (MDI) hergestellt werden. Die elastischen weichen Segmente sind hier aus einem langkettigen Diol aufgebaut. Dieses kann ein Polyester-Diol oder ein Polyether-Diol auf Basis Tetrahydrofuran, Ethylenglykol oder Propylenglykol sein. Diese Diole werden je nach Anwendungsfall ausgewählt und allgemein als Kettenverlängerer bezeichnet. Das Molmasse dieser weichen Segmente beträgt ca. 2 000.
Gute mechanische Eigenschaften werden für das TPU üblicherweise bei Molmasse von 40 000–65 000 erzielt. Die TPU bestehen aus alternierend angeordneten harten und weichen Polymersegmenten. Die harten Segmente bilden kristalline Regionen, die thermoplastische Vernetzung bewirken. Erwähnenswert ist, dass auch die weichen Segmente – durch Kristallisation – zu den mechanischen Eigenschaften, wie Zugfestigkeit beitragen. Die großtechnische Herstellung der TPU beginnt mit dem Mischen aller Ausgangsstoffe oberhalb 80 °C. Die chemische Reaktion wird großtechnisch kontinuierlich im Reaktionstunnel oder Extruder ausgeführt. Vor der Verarbeitung sind die TPU (unterhalb der Zersetzungstemperatur, ab 280 °C) zu trocknen. TPU besitzen ein herausragend gutes Abriebverhalten, gute Weiterreißfestigkeit und hohe Beständigkeit gegen unpolare Solventien, wie zum Beispiel Treibstoffe. Enthalten letztere aber Alkohole oder aromatische Bestandteile ist reversibles Quellen des Polymers zu beobachten. Beim Ersatz konventioneller, vulkanisierter Kautschuke wird der Härtebereich von Shore 55 A bis 70 D erreicht, bei spezifischen Dichten von 1,1 bis 1,25 g/ccm. Auf Grund der exzellenten tribologischen Eigenschaften finden TPU Anwendung zum Beispiel in Förder-Bändern, Schläuchen und Schuhsohlen. Im Automobilbereich finden sich auch Kleinteile aus TPU, wie Schläuche, Manschetten und Einfassungen. Medizinische Anwendungen finden sich zum Beispiel als Katheter und Schlauch. TPU können mit mineralischen Füllstoffen und Glasfasern verstärkt werden. Blends mit anderen polaren Thermoplasten sind üblich. TPU sind in jedem Verhältnis mit Polyvinylchlorid (PVC) mischbar und als nicht flüchtiger, nicht migrierender Weichmacher dort gebräuchlich. TPU werden auch als Schlagzähigkeitsverbesserer in ungesättigten Polyesterharzen (UP), in Polyoxymethylen (POM) und Polybutylenterephthalat (PBT) eingesetzt. TPU werden aber auch in weiten Bereichen mit Acryl-Butadien-StyrolCopolymer (ABS), Polycarbonat (PC) und ähnlichen Polymeren gemischt. Auch sind ternäre Blends mit PC und ABS oder PBT üblich. Die resultierenden Materialien finden Anwendung als Thermoplaste im Automobilbereich. Aufgrund dieser Vielzahl von Anwendungen erreichte der globale TPU-Verbrauch ca. 300 kT im Jahre 2006. Marktvolumen 2006 ca. 1,3 Mrd. €.
3.6.3.4
Thermoplastische Copolyester (COPE)
Thermoplastische Copolyester (COPE) bestehen wie die oben beschriebenen TPU aus alternierend angeordneten, harten und weichen Segmenten. Diese bilden teilkristalline, thermoplastische und amorphe elastische Phasen. Letztge-
3.6 Thermoplastische Elastomere (TPE) Eigenschaften, Gegenüberstellung, Anwendungen nannte bestehen unter anderem aus polymeren Diolen mit Molmassen kleiner 4 000. Bei höherem Molekulargewicht kann Kristallisation erfolgen und der elastomere Charakter nimmt entsprechend ab. Die harten Segmente bestehen aus Polyesterbausteinen. Die Herstellung von COPE erfolgt durch die Polymerisation in der Schmelze aus einer gerührten Mischung aus zum Beispiel Dimethylterephthalat, Polytetramethylenoxid und dem Butandiol in Gegenwart von Titanatkatalysatoren. Die mechanisch-physikalischen Eigenschaften der COPE sind vergleichbar mit denen der TPU. COPE sind allerdings generell etwas härter als TPU (Shore 35 bis 85 D bei Dichten zwischen 1,15 und 1,45 g/ccm). Wie die TPU besitzen die COPE ausgezeichnetes tribologisches Verhalten, gute Schlagzähigkeit und Ölbeständigkeit. Bei gleicher Härte sind sie steifer, weniger kriechend und temperaturstabiler als TPU. Bei geringer Dehnung zeigen sie geringe Hysterese, also fast ideales Feder-Verhalten. Zudem weisen diese TPE die höchsten Gebrauchstemperaturen auf. Die obere Grenze liegt zwischen 120 und 150 °C. COPE werden bei Temperaturen zwischen 175 und 275 °C verarbeitet. Sie sind einfacher zu verarbeiten als TPU, da sie stabiler gegenüber thermischer Belastung sind. COPE sind trocken zu verarbeiten, also gegebenenfalls vorzutrocknen. COPE ersetzen konventionelle, vulkanisierte halogenhaltige Kautschuke im Bereich ölbeständiger Anwendungen, zum Beispiel bei hydraulischen Schläuchen, Falten-Bälgen, Luftzuführungsteilen im Automobilbereich. Erwähnenswert sind noch Applikationen im Kabel- und Schuhbereich. COPE können mit PVC sowie chloriertem PVC (CPVC) gemischt werden und dienen als Weichmacher analog den TPU. Schlagzähmodifizierung von Thermoplasten wie Polyethylenterephthalat (PET) und PBT ist möglich.
3.6.3.5
Polyetherblockamid (PEBA)
Polyetherblockamide (PEBA) bestehen wie die oben beschriebenen TPU und COPE aus alternierend angeordneten harten und weichen Polymer-Segmenten. Die harten Segmente bestehen aus Polyamid-12-Blöcken. Die elastischen Eigenschaften werden durch Einpolymerisieren von Polyethern – wie bei den vorhergehenden TPE auch – in der Schmelze erreicht. PEBA besitzt wie COPE und TPU auch hervorragende tribologische Kennwerte, Weiterreißbeständigkeiten und gute Lösungsmittelbeständigkeit. PEBA kann mit mineralischen Füllstoffen und Glasfasern compoundiert werden. Wie alle Polyamide muss PEBA vor Gebrauch getrocknet werden. Die Verarbeitungstemperatur liegt zwischen 170 und 230 °C. PEBA ist im Härtebereich von Shore 65 A bis 72 D verfügbar.
173
Die Vermarktung dieser TPE-Familie begann in den achtziger Jahren. Hauptsächlich werden Sportartikel wie Skiund Fußballschuhe hergestellt, aber auch Katheter, Membranen, Dichtungselemente und Faltenbälge für den Automobilbereich. PEBA kann mit anderen Thermoplasten wie zum Beispiel PA, PP, TPU und PVC abgemischt werden.
3.6.3.6
Andere
Andere kommerziell erhältliche TPE enthalten als harte Phasen hauptsächlich PVC und als weiche vulkanisiertes oder unvulkanisiertes NBR. Diese Systeme sind schon seit 1938 bekannt. Aber gerade in diesen Segmenten zeichnet sich zur Zeit eine rege Aktivität ab. So kooperiert Advanced Elastomers Systems (AES) mit Zeon Chemicals. Hierbei erwarb Zeon die Compoundier-Technologie zur Herstellung von TPV (Handelsname Zeotherm) auf Polyacrylat-Basis (ACM). Die harte Phase wird durch Polyamid oder Polyester realisiert. Diese TPE im Bereich von 70 bis 90 Shore A sollen sich durch gute Ölbeständigkeit auch bei höheren Temperaturen auszeichnen. Erste Ziele der Vermarktung sind Dichtungselemente unter der Motorhaube. In eine ähnliche Richtung zielen die Aktivitäten der Firma Dow Corning durch die Übernahme des Compoundeurs Multibase. Hier wurde ein dynamisches Vulkanisat mit Silikonkautschuk (PTSiV™) als weiche und Polyamid als harte Phase entwickelt. Diese Materialien mit Härten von Shore 50 A sollen Silikonkautschuke in Spritzguss und Extrusion ersetzen und zwar als Dichtungen, Schläuche und Griffe. Die Firma Kraiburg stellte kürzlich das dynamische Vulkanisat E2 vor, das entsprechende Ölresistenz und erhöhte Temperaturstandfestigkeit aufweist. Interessant sind noch TPE-Typen, die Ionen enthalten [9]. Sie können zum Beispiel aus einem EPR-Kautschuk bestehen, in dem 3–8 % Säurefunktionen, wie Karbon-, Sulfonoder Phosphor-Säure enthalten sind. Die Vernetzung erfolgt in aller Regel durch Zusatz von Hydroxyden des Natriums, Kaliums, Calciums, Magnesiums oder auch anderer Metallionen. Das Ergebnis der Neutralisations-Reaktionen sind Salze, die als harte Segmente den weichen EPR vernetzen. Die Salze sind aufschmelzbar.
3.6.4
Einsatzbeispiele für Thermoplastische Elastomere
Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass TPE aufgrund ihres thermoplastischen Charakters und damit – in der Regel – geringeren Molmasse gegenüber den vulkanisierten Kautschuken Nachteile in den physikalischen Eigenschaften
174
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
haben können. Der Druckverformungsrest bei erhöhten Temperaturen ist wohl die wichtigste Eigenschaft. Als Alternativen sind hier Compounds auf Basis SEBS Flüssigsilikon (LSR) anzuführen (Beispiel Tastaturmatten). Im direkten Vergleich ergibt sich nachfolgendes Bild: Vorteile von LSR gegenüber SEBS Höhere Temperaturbeständigkeit Höhere Beständigkeit gegen Öle und Fette Besserer Druckverformungsrest Stand der Technik Vorteile von SEBS gegenüber LSR Geringere Dichte Geringerer Rohstoffpreis Einfachere Verarbeitung Rezyklierbar Standard Kunststoffspritzmaschinen Keine Vulkanisation erforderlich Am Ende ergab sich ein Eigenschaftsprofil des SEBS-Compounds, das dem Anwendungsfall genügte und aufgrund der Kombination von Verarbeitungsvorteilen und Rohstoffkosten zu einer 60 %-igen Kostenreduktion führte. Ein weiteres Beispiel sei aus dem Bereich der Extrusion entnommen, wie in Bild 3-74 schematisiert dargestellt.
Bild 3-74. Kostenbetrachtung der Extrusion eines EPDM-Profiles
Neben dem Wegfall der Kosten für etwaigen Abfall schlägt besonders der Kostenblock der Vulkanisation und Nachbearbeitung zu Buche. Diese Arbeiten dominieren mit über 60 % die Gesamtkosten. Geringfügig höhere Kosten für ein TPE als Einsatzwerkstoff sind hier relativ einfach zu kompensieren. Eine Reduktion der Stückkosten ist eher wahrscheinlich. Die Möglichkeit, weiche TPE mit harten Thermoplasten mittels der Spritzgießtechnik, Extrusion oder aufeinander folgenden Blasformens direkt miteinander zu koppeln, erlaubt noch weitere Kosteneinsparungen am fertigen Stück. Die direkte Aufbringung von Tastaturmatten, weichen Griffen an Zahnbürsten oder Elektrowerkzeugen sowie flexiblen Elementen in Luftzuführungen spart Arbeitsschritte ein und führt zur Kostenreduktion. Im letzteren Falle wurde durch sequentielle Co-Extrusion ein 3D-Blasformteil aus COPE und PBT für den Automobilbereich hergestellt. Hierbei wurden 23 Einzelteile und die dazugehörigen 24 Montageschritte bei klassischer Herstellung auf 7 Teile und 8 Montage-Schritte reduziert. Im Automobilbereich bedeutet eine Teilenummer Kosten von € 15.000/Jahr, d. h., nur durch die Reduktion der Einzelteile ergibt sich eine jährliche Einsparung von € 240.000, [11]. Nebenbei ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten wie sie normalen Vulkanisaten nicht zugänglich sind.
3.6 Thermoplastische Elastomere (TPE) Eigenschaften, Gegenüberstellung, Anwendungen
Tabelle 3-56 Vor- und Nachteile der TPE gegenüber Vulkanisaten POSITIV
WENIGER POSITIV
kurze Verarbeitungszeiten kontinuierlich verarbeitbar einfache Maschinentechnik hohe Recyclingquote Mehrkomponententechnik geringes Baugewicht günstige Energiebilanz hohe Funktionsintegration vielfältige Farbtechnik Finite Elemente (FEM) Analyse
hohe Materialkosten Relaxationseigenschaften Temperaturfestigkeit schlechte Allround-Medienbeständigkeit geringer Know-How-Schutz für Entwickler
Allgemein lassen sich die Vor- und Nachteile der TPE gegenüber Vulkanisaten Tabelle 3-56 entnehmen.
3.6.5
Vergleichende Betrachtung der Thermoplastischen Elastomere
Die oben beschrieben verschiedenen TPE haben überschneidende Endanwendungen. Die Wahl der TPE-Formmasse und die Verantwortung für die Endanwendung liegen beim Rohstoffverarbeiter. Der Rohstoffhersteller kann den Verarbeiter beraten und in spezifischen Fragen der Endanwendung gezielt unterstützen. Zur Vorauswahl eines TPE und der folgenden Ansprache eines Rohstoff-Lieferanten möge dieser kurze Abschnitt Hilfestellung bieten. Entscheidend ist nicht nur das möglichst auf diese Anwendung optimierte Eigenschaftsprofil des TPE, sondern auch die wichtigste „physikalische“ Kenngröße eines Rohstoffes: der Preis. In Tabelle 3-57 sind Preisindikationen gegeben. Diese sind der offenen Literatur [12] entnommen und sollen nur zur ersten Orientierung dienen. Ein weiteres Kriterium sind die beim potentiellen Anwender bereits bestehenden technischen Einrichtungen, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Rohstoffwahl haben. In Tabelle 3-58 sind die oberen und unteren Phasenübergangstemperaturen der TPE aufgelistet. Der so genannte Gebrauchs-Bereich des TPE liegt dazwischen. Die günstigen
175
Tabelle 3-58 Obere und untere Phasenübergangstemperaturen der TPE nach [1] (1) Weiche Phase Polyester, Polyether TPE
Weiche Phase Tg (°C)
Harte Phase Tg oder Tm (°C)
SBS SIS SEBS SEBS/PP POE EPR/EPV TPU COPE PEBA
–90 –60 –60 –60 –50 –60 –40 bis –60 (1) –40 bis –60 (1) –40 bis –60 (1)
95 (Tg) 95 (Tg) 95 (Tg) 165 (Tm) 70 (Tm) 165 (Tm) 190 (Tm) 185–220 (Tm) 220–275 (Tm)
hohen Dauergebrauchstemperaturen weisen TPE auf Basis COPE auf. In Tabelle 3-59 sind einige Hersteller und Handelsnamen ausgewählter TPE aufgeführt. Tabelle 3-60 gibt die Bemühungen der deutschen Automobil-Industrie und der zuliefernden Industrien also auch der Rohstoff-Lieferanten wider, zu einer einheitlichen Kennung der verschiedenen TPE zu kommen [10]. Diese Initiative ist richtungsweisend und wird den Einsatz der verschiedenen TPE im Automobilbereich, auch gerade wegen des Wiederaufbereitungsgedankens, weiter fördern. Tabelle 3-60 soll auch zur Orientierung hinsichtlich technischer Literatur dienen, da sie einige Varianten der Kurznamen für TPE aufzeigt. Der Spezialitätencharakter der verschiedenen TPE-Formmassen folgt aus den produzierten Mengen. Laut einer Freedonia-Studie vom Mai 2002 wird das durchschnittliche Wachstum 7,5 % betragen und im Jahre 2006 die Welterzeugung von TPE 2,6 Millionen Tonnen erreichen. Dies entspricht einem Materialwert von 12 Milliarden €. Folgende grobe Verteilung auf die einzelnen Materialklassen besteht: – SBC 38 %, – TPO/TPV 30 %, – TPU 11 %, – COPE 5 %, – andere 4 %.
Tabelle 3-57 Preisindikation verschiedener TPE, hauptsächlich nach [12] TPE
SBC
TPO
TPV
POE
TPU
COPE
PEBA
Preis [€/kg]
2
3,3
4,5
2
4,3
5,8
7,6
176
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Tabelle 3-59 Ausgewählte Produzenten/Lieferanten von TPE TPE
Hersteller/Lieferant
SBC TPO TPV TPU COPE PEBA
KRATON AES AES Elastogran Du Pont Atofina
Enichem DSM DSM Bayer DSM Degussa
Dynasol Basell Kraiburg Noveon Ticona EMS
Dexco Softer Softer COIM Eastman Du Pont
Tabelle 3-60 Nomenklaturvorschläge für TPE
3.6.6
neu
alt
ASTM
VDA
ISO/SAE/VDA
SBC TPO TPV POE RTPO TPU COPE PEBA
TPE-S TPE-O TPE-V
TES TEO
TE.S(SEBS/PP) TE.O(EPDM/PP) TE.V(NBR/PP)
TE (PEBS+PP) TE (EPDM+PP) TE (NBR-X+PP)
TPE-U TPE-E TPE-A
TPUR TEEE PEBA
TE.U(ES/ES) TE.E(ES/ES) TE.A(ET/12)
TE (PESTUR) TE (PESTEST) TE (PEABA 12)
Ausblick
Thermoplastische Elastomere haben sich in den letzten zwanzig Jahren kommerziell durchgesetzt, da sie gute mechanische Eigenschaften mit Vorteilen der thermoplastischen Verarbeitung gegenüber den konventionellen Elastomeren kombinieren. In neuerer Zeit erweist sich die im Prinzip relativ problemlose Wiederaufarbeitbarkeit als zusätzliche Stärke dieser Materialien. Das Entwicklungspotential wird durch den Bereich der heute bestehenden klassischen, vernetzten Elastomere vorgegeben. Diese beginnt von den weichen Silkonkautschuken und reicht bis zu den extrem stabilen Perfluorelastomeren. Zusätzlich wird die Lücke zwischen harten Elastomeren und schlagzähen Thermoplasten weiter geschlossen werden. Das Wachstumspotential der TPE wurde bereits vor mehr als einem Jahrzehnt anhand des Titels einer Tagung beschrieben [3]: Thermoplastische Elastomere (TPE) weiter im Aufwärtstrend. Diese Prognose gilt damals wie heute. Das überdurchschnittliche Wachstum der Märkte dieser Werkstoffklasse speist sich aus drei Quellen:
1. Die Reduktion der Stückkosten durch Reduktion der Teile und Arbeitsschritte. 2. Die Entwicklung der Zwei-Komponenten-Technologie (2K) und einhergehende Designs. 3. Immer neue Marktteilnehmer/Anbieter und immer noch neue Materialentwicklung. Interessant beim dritten Punkt ist, dass gerade Firmen, die im klassischen Kautschuk-Bereich vertreten sind (siehe auch Abschnitt 3.6.3.6) über Allianzen und Zukäufe den Markteintritt im Thermoplastischen Kautschuk-Bereich suchen. Das spricht für eine extrem hohe Attraktivität dieser Technologie, auch und gerade für Anbieter von klassischen Elastomeren.
Literatur – Kapitel 3.6 [1] [2] [3]
Holden G et al (Hrsg) Thermoplastic Elastomers. 2 Ed Hanser, München 1996 Holden G in: Morton M (Hrsg) Rubber Technology. MVan Nostrand Reichold, New York 1987, 3. Aufl Fachtagung SKZ, Würzburg: 6.–7.10.1992, Leiter: Möhler W, Thermoplastische Elastomere (TPE) – Weiter im Aufwärtstrend
3.7 Elastomere [4]
Knoll K, Wünsch J R in: Fachtagung SKZ, Würzburg: 5.-6.05. 1999, Leiter: Schneider J K L, Thermoplastische Elastomere – Flexibel in das neue Jahrtausend [5] Fachtagung SKZ, Würzburg: 4.–5.05.1994, Leiter: Schneider J K L, Thermoplastische Elastomere (TPE) – Neue Materialien und Anwendungen [6] Schwager H Kunststoffe 82(1992) S 499–501 und in [5] [7] Wolters J Kunststoffe 84(1994) S 446-50 [8] Mühlhaupt R Nachr.Chem.Tech.Lab. 41(1993) S 1341– 51 [9] C. Pittman a. C. Carraher, Polymer News 15 (1990) S 7–11 [10] Gorski E, Kunststoffe 83(1993) S 217–9 [11] Laumeyer J E in: Fachtagung SKZ, Würzburg: 7.–8.06. 2000, Leiter: Schneider J K L, Thermoplastische Elastomere – Werkstoffe mit Zukunft [12] IAL Market Report, The West European Market for Thermoplastic Elastomers. London October 1997
Weiterführende Literatur Viehsack F, Sänger J, Beitzel M (2007) Auch für hohe Temperaturen (chemisch vernetzte TPE-V). Kunststoffe 97(2007)1, S 79-81
Bild 3-75. Eigenschaftsvergleich Stahl – Gummi
3.7
177
Elastomere Peter Eyerer, u. M. v. Friedrich Leibrandt
3.7.1
Einleitung
Ein technisches Bauteil kann nur dann Erfolg haben, wenn es bei einem günstigen Preis einen geeigneten Werkstoff mit einer stimmigen Konstruktion in sich vereint. Diese Feststellung wirkt zunächst banal. Allerdings genügt im Fall Elastomerwerkstoffe („Gummi“) bereits ein oberflächlicher Vergleich mit einem metallischen Werkstoff (Bild 3-75), um zu erkennen, dass für die Konstruktion und den Einsatz von Bauteilen mit solchen Materialien wohl ganz andere Regeln einzuhalten sein dürften als beim eher vertrauten Umgang mit Feststoffen. Insbesondere der Umstand, dass die Eigendämpfung von Elastomeren als ein wichtiges Konstruktionsmerkmal keine feste, sondern eine innerhalb verhältnismäßig weiter Grenzen einstellbare und dazu im Bereich der Gebrauchstemperaturen auch noch veränderliche Größe darstellt, macht deutlich, dass weder die Hersteller der Werkstoffe noch die Anwender darauf verzichten können, sich selbst ein spezifisches Funktionsverständnis und spezifische Materialkenntnisse anzueignen, sollen Irrwege bei der Entwicklung und Anwendung von Elastomerteilen vermieden werden. Die vorliegende Einführung in das Thema Elastomerwerkstoffe wird wie folgt gegliedert: – Erläuterung des Elastomerbegriffs als Kennzeichnung einer besonderen Stoffklasse und – Beschreibung wichtiger Individuen innerhalb dieser Klasse.
178
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-76. Elastomerdefinition
3.7.2
Der Elastomerbegriff
Elastomere zeigen gemeinsam verschiedene charakteristische Merkmale und bilden so nach DIN 7724 eine eigenständige Stoffklasse. Bild 3-76 zeigt deren wahrscheinlich knappstmögliche Defintion4. Vernetzung als Vorraussetzung für Entropieelastizität Nur vergleichsweise wenige Polymere (s. nächsten Absatz) sind von vorneherein Elastomere. Die anderen „potentiellen Elastomere“ werden zunächst in einer Form erhalten, die als Kautschuk5 bezeichnet wird. Voraussetzung für die Erlangung entropieelastischer Eigenschaften ist in allen Fällen eine weitmaschige dreidimensionale Vernetzung. Diese ist entspechend Bild 3-77, für die sog. thermoplastischen Elastomere bei Raumtemperatur sowie mäßig erhöhten Wärmegraden bereits durch ihre chemische Natur gegeben. Da solche Elastomere, wie beispielsweise bestimmte Styrol-Butadien-Copolymere (SBS), jeweils aus vergleichsweise großen thermoplastischen und elastischen Blöcken (sog. „Hart-“ und „Weichsegmenten“) bestehen, verhalten sie sich bei hohen Temperaturen durch das Aufschmelzen der Hartsegmente wie Thermoplaste. Beim Abkühlen legen 4
5
Eine Anzahl von Fachausdrücken und Definitionen zum Thema „Kautschuk und Elastomere“ ist genormt und findet sich in DIN 53 501. Kautschuke sind Polymere mit sehr beweglichen Molekülketten (s. Bild 3-80). Sie weisen als solche bereits Elastizität auf; sie sind indessen vorwiegend plastisch, doch nicht schmelzbar und verhalten sich im Übrigen wie nicht-NEWTON‘sche Flüssigkeiten. Nicht-NEWTON‘sche Flüssigkeiten sind Flüssigkeiten, deren Viskosität nicht unabhängig vom Schergefälle ist.
sich diese – ebenfalls wie bei Thermoplasten – infolge der zunehmenden Wirkung zwischenmolekularer Kräfte6 („Nebenvalenzen“ bzw. „Koordinationskräfte“) in einer Nahordnung zusammen und bilden so „physikalische“, beim Erwärmen wieder umkehrbar (reversibel) zu lösende Vernetzungsstellen zwischen den Weichsegmenten. Diese verhalten sich wie entsprechende Kautschuke und sichern so den Elastomercharakter des vernetzten Werkstoffs (Bild 3-78 links; natürlich können hier nur sehr vereinfachende Anschauungsmodelle dargestellt werden; die wahren räumlichen Verhältnisse sind wesentlich komplizierter; s. auch Bild 3-80). Im Gegensatz hierzu wird bei den „eigentlichen“ Elastomeren die Vernetzung durch Reaktion der Kautschuke mit geeigneten7 Vernetzungschemikalien in der Wärme über echte chemische Bindungen („Hauptvalenzen“) erreicht. Ihre Bildung ist nicht umkehrbar, so dass chemisch vernetzte Elastomere auch bei hohen Temperaturen weder erweichen noch schmelzen (Bild 3-78 rechts). Dieses äußere Merkmal dient zur Unterscheidung zwischen Elastomeren und thermoplastischen Elastomeren in DIN 7724. Da die aus Bild 3-75 hervorgehende starke Deformierbarkeit von Elastomeren implizit die Verwendung als funkionale Werkstoffe beinhaltet, und dabei häufig höhere Temperaturen vorkommen, bei denen die spezifische Elastizität nur bei chemisch vernetzten Elastomeren erhalten bleibt, werden diese im weiteren Verlauf dieser Abhandlung im Mittelpunkt stehen. 6 7
vgl. die diesbezüglichen Aussagen auf den folgenden Seiten s. unter Vulkanisation und Vulkanisationschemikalien
3.7 Elastomere
179
Bild 3-77. Physikalische und chemische Vernetzung von Hochpolymeren
Energie- und Entropieelastizität: Zur Erklärung des Phänomens der „Entropieelastizität“ (Gummielastizität) sowie seiner Unterscheidung von dem der „Energieelastizität“ (Stahlelastizität) genügen im Prinzip zweckmäßige Definitionen von Wärme und Elastizität sowie die Aussage des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik (Bild 3-79). Niedrige Temperaturen bedeuten geringe Bewegungsenergien der Atome oder Moleküle eines Stoffes. Erstarrung in der Kälte tritt ein, wenn Atome bzw. Moleküle durch die gegenseitigen Anziehungskräfte gegen die schwach gewordenen Bewegungen in eine feste Anordnung (Kristall, Glas) gezwungen werden. Die Bewegungen innerhalb eines solchen Stoffes sind auf äußerst hochfrequente Dreh- und Deformationsschwingungen um feste, energiearme Schwerpunktlagen beschränkt. Die Schwingungsamplituden sind dabei so klein, dass die einzelnen Bausteine sich gegenseitig nicht behindern und Platzwechsel so gut wie nie stattfinden (Bild 3-80 links). Umgekehrt bricht der feste Verbund eines solchen Stoffes bei zunehmender Erwärmung infolge Überwindung der ordnenden Kräfte durch die Bewegungsenergie der Teilchen zusammen. Es entsteht eine Schmelze, in welcher die Atome und Moleküle sich frei gegeneinander verschieben (intermolekulare1 Diffusion oder „makro-BROWN‘sche“ Bewegungen). 1
intermolekular … Schwingungen zwischen Molekülketten.
Erstarrungs- und Schmelztemperatur sind artspezifisch und weisen stets bei den reinsten Substanzen die höchsten Werte auf. Schmelzbare polymere Stoffe erstarren und schmelzen dagegen (Molmassenverteilung!) in einem mehr oder weniger engen Bereich. Wird die Erwärmung fortgesetzt, verlassen immer mehr Teilchen aufgrund ihres Energieinhaltes die Schmelze; die Substanz verdampft. Dies gilt allerdings nur für vergleichsweise geringe Molmassen. Bei den Makromolekülen von Polymeren übersteigen die zur Verdampfung benötigten Energien in aller Regel die Bindungsenergien innerhalb der Moleküle, so dass diese Stoffe sich nicht unzersetzt verdampfen lassen. Wirkt eine äußere Kraft auf einen starren Körper ein, setzt dieser großen Widerstand entgegen; seine Formänderungsmoduln, z. B. der Schubmodul, sind hoch. Verformung und Rückverformung nach dem Wegfall der verformenden Kraft verlaufen extrem schnell und ungedämpft, wobei die innere Energie des Körpers um den Betrag der Verformungsarbeit zu- bzw. wieder abnimmt. Wegen dieser Änderungen des Energieinhaltes spricht man von Energieelastizität. Im Gegensatz zu den starren Stoffen mit engmaschig fest eingebundenen Bauelementen zeichnen sich Elastomere dadurch aus, dass zwischen den weiträumig stabilisierenden Vernetzungsstellen größere Polymerabschnitte mit großer Kettenbeweglichkeit vorliegen. Sie erstarren infolgedessen
180
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-78. Modell der physikalischen und chemischen Vernetzung von Elastomeren (reduziert)
Bild 3-79. Grundelemente für die Erklärung der Entropieelastizität
nur in Temperaturbereichen, deren obere Grenze mit ganz wenigen Ausnahmen 0°C nicht überschreitet. Bei Gebrauchstemperatur bilden die Netzwerkverknüpfungen in formaler Analogie zu den Schwingungsschwerpunkten der starren Körper Fixpunkte, zwischen denen nicht nur die von dort bekannten Schwingungen innerhalb der Molekülsegmente erfolgen, sondern diese selbst sich entsprechend ihrer chemischen Struktur (Raumausfüllung!)
mit der Temperatur mehr oder weniger stark bewegen können. Diese Bewegungen sind sehr viel umfangreicher und die bewegten Massen sehr viel größer als bei starren Stoffen und lassen deshalb im Gegensatz zu diesen auch gegenseitige Behinderungen und Platzwechsel zu. Da beispielsweise beim „Umklappen“ eines Molekülabschnitts (Bild 3-80 rechts) der neue Platz naturgemäß erst eingenommen werden kann, wenn er infolge entsprechender Wärmebewe-
3.7 Elastomere
181
Bild 3-80. Elastizitätszustände (schematisch)
gungen der bisherigen Platzhalter (1 und 2 in Bild 3-80) frei geworden ist, laufen diese Vorgänge (intramolekulare2 Diffusion oder „mikro-BROWN‘sche“ Bewegungen) nur verhältnismäßig langsam (gedämpft) ab und sind dabei sowohl polymertyp- als auch temperaturabhängig. Der „Ruhe“zustand wird durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik bestimmt. Er ist wie der erste ein Erfahrungssatz und besagt, dass in geschlossenen, d.h. von außen unbeeinflussten Systemen ein Zustand größerer Entropie, gleichbedeutend mit größerer Dispersion oder Unordnung, immer wahrscheinlicher ist als einer mit geringerer Dispersion oder größerer Ordnung, und solche Systeme nie spontan in einen signifikant unwahrscheinlicheren Zustand übergehen. So wird ohne Einwirkung von außen thermische Energie immer nur vom wärmeren Körper auf den kälteren übergehen, und zwei verschiedene Gase werden sich immer nur vermischen, aber nie von selbst wieder voneinander trennen (Bild 3-81). Bei Elastomeren drückt sich der wahrscheinlichste Zustand der beweglichen Molekülsegmente zwischen den Verknüpfungsstellen bei Gebrauchstemperatur und ohne äußere Krafteinwirkung im Vorliegen ungeordneter Knäuel aus. Wirkt eine äußere Kraft ein, setzen Elastomere wegen ihrer vergleichsweise weit auseinander liegenden Festpunkte nur geringen Widerstand entgegen; diese Stoffe sind leicht verformbar. Deformationen im elastischen Bereich bewirken hier keine Erhöhung der inneren Energie, sondern als Folge der Streckung oder Stauchung der geknäuelten Mole-
külabschnitte8 eine Zunahme der Ordnung bzw. einen Zustand kleinerer Entropie im System bei gleichbleibender innerer Energie, und die elastische Rückkehr in den Ausgangszustand9 nach dem Wegfall der verformenden Kraft erfolgt allein aufgrund des Strebens nach größerer Entropie. Man spricht deshalb in diesem Falle von Entropieelastizität. Alle Formänderungen verlaufen, wie begründet, entsprechend dem chemischen Aufbau und damit der inneren Beweglichkeit der freien Molekülabschnitte temperaturabhängig und mehr oder weniger verzögert (gedämpft). Der auffallendste Unterschied zwischen Energie- und Entropieelastizität zeigt sich z. B. auch darin, dass ein zugbelasteter Gummifaden sich bei Erwärmung im Gegensatz zu einem zugbelasteten Metalldraht nicht ausdehnt, sondern zusammenzieht (JOULE-Effekt)10. Elastomere, darunter werden definitionsgemäß die chemisch vernetzten Kautschuke bzw. deren Mischungen11 verstanden, sind somit bei Gebrauchstemperatur Stoffe mit federnden und dämpfenden (viskoelastischen) Eigenschaften. Wird in Bild 3-82 G1 als der Schubmodul des energieelastischen und G2 als derjenige des entropieelastischen Zustandes definiert, und wird mit h2 der auf Mikro8 9 10
11 2
intramolekular … Schwingungen von Atomen innerhalb eines Moleküls.
hierbei werden die Molekülschwerpunkte beibehalten. in der Praxis bleibt stets ein kleiner Restbetrag (Verformungsrest, „Hysteresis“). dieses Verhalten ist beispielsweise bei der Bewertung des Verformungsrestes nach Zug- oder Druckbeanspruchung zu berücksichtigen. Da die Erholung bei Entspannung in heißem Zustand schneller verläuft als bei Entspannung nach Abkühlung, sind die Zahlenwerte der Verformungsreste (nach 30 min) entsprechend kleiner. Näheres zum Aufbau von Kautschukmischungen s. unter Zusammensetzung von Elastomerwerkstoffen.
182
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-81. Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik
Bild 3-82. Verformungsmodelle für hochpolymere Werkstoffe
3.7 Elastomere
183
Bild 3-83. Modul, Dämpfung sowie Beeinflussung des Kälteübergangs bei Elastomeren
BROWN‘schen Bewegungen beruhende viskose Anteil in einem viskoelastischen Stoff sowie mit h3 die aus makroBROWN‘schen Bewegungen herrührende Viskosität bezeichnet, so lässt sich die Verformungsmechanik aller hochpolymeren Werkstoffe modellhaft darstellen. Elastomere, die bei tiefen Temperaturen im starrelastischen Zustand und bei Gebrauchstemperaturen im gummielastischen Zustand vorkommen, werden im ersteren durch das Wirkungsmodell 1 und im letzteren durch das Wirkungsmodell 5 dieser Abbildung beschrieben. Hier ist das Verhältnis von elastischem zu viskosem Anteil, entsprechend der molekularen Kinetik, wiederum typspezifisch sowie temperatur- und zeitabhängig. Modell 8 (Schmelze) kommt bei chemisch vernetzten Elastomeren nicht vor. Zwischen den beiden möglichen Zustandsbereichen findet sich bei allen Elastomeren ein ausgeprägter reversibler Übergang. Maßzahl für die Übergangstemperatur ist nach DIN 53 545 der gelegentlich auch Glasübergangs- oder Einfriertemperatur genannte Kälterichtwert. Er kennzeichnet die Temperatur, bei der die Kurve des Speicher-(=Schub) moduls G des Elastomers ihren Wendepunkt TR hat12 und die dynamische Dämpfung Λ (= Verlustmodul) ihren Höchstwert erreicht. Die Abhängigkeit der Verformungs12
es handelt sich somit um einen Übergang 2. Ordnung.
mechanik von der Temperatur wird in Bild 3-83 für das Beispiel eines weichmacherfreien Acrylnitril-ButadienElastomers von etwa 80 Shore A Härte anhand des Verlaufs von Speicher- und Verlustmodul wiedergegeben, ebenso die Beeinflussbarkeit von TR. Das bisher gemäß DIN 7724 kurz als Gebrauchstemperatur bezeichnete Temperaturintervall wird somit nach unten durch den umkehrbaren Übergang des Elastomers (Λmax) zwischen den elastischen Zuständen begrenzt. Dessen Lage hängt zunächst vom Kautschuktyp ab, verschiebt sich jedoch mit der Zunahme von Molmasse, Vernetzungsdichte, Füllstoffgehalt und -aktivität, der Geschwindigkeiten von Verformung und Temperaturänderung und des äußeren Drucks zu höheren sowie durch Weichmacher und quellende Umgebungen zu tieferen Temperaturen. Für den praktischen Einsatz hängt die niedrigste zulässige Temperatur davon ab, ob die Funktionstüchtigkeit des Werkstoffs schon mit dem beginnenden Verlust der gummielastischen Eigenschaften (T°zul. > Λmax) oder erst bei einsetzender Versprödung (T° zul.< Λmax) endet. Nach oben wird, da Elastomere nicht viskos fließen, das Intervall durch die Geschwindigkeit begrenzt, mit der der empfindlichste Bestandteil, meistens das Polymer, altert. Für den praktischen Einsatz wird deshalb die höchstzulässige Temperatur dort liegen, wo die funktionsbeeinträchtigenden
184
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-84. Relaxation von Elastomeren (Beispiel Perfluorelastomer)
Veränderungen durch Umvernetzung und andere nicht umkehrbare Vorgänge (s. unter Alterung und Alterungsschutzmittel) erst so langsam verlaufen13, dass die Gebrauchstüchtigkeit des Werkstoffs bis zum Ende der geplanten Lebensdauer erhalten bleibt. Die Abhängigkeit der Verformungsmechanik von der Zeit bzw. der Geschwindigkeit der Verformung (Frequenz) wird für das Beispiel eines Perfluorelastomers durch den Verlauf der Schubmodulkurve in Bild 3-79 dargestellt. Die Erfassung der Zeitabhängigkeit von E-Moduli als vollständiges Relaxationsspektrum bei einer Temperatur erfordert in der Praxis wegen der zu messenden extrem kurzen und langen Zeiten einen nicht zu bewältigenden Versuchsaufwand. Man kann sich indessen den Umstand zunutze machen, dass Zeiten und Temperaturen korrespondieren. Da Relaxationszeiten sich exponentiell mit der Temperatur ändern, lassen sich bequem zu handhabende Prüfzeiten einhalten, wenn Relaxationen bei unterschiedlichen Temperaturen gemessen werden. Jede Temperaturverschiebung hat dann ein Zeitäquivalent und umgekehrt.
13
Die Geschwindigkeit von Alterungsvorgängen wird wie alle chemischen Reaktionen durch die Gleichung von ARRHENIUS (s. Bild 3-111) bestimmt, nach der Temperaturänderungen um jeweils 10 K bzw. 10 °C nach oben oder unten in erster Näherung eine Verdoppelung oder Halbierung der Reaktionsgeschwindigkeit bewirken.
So kann ein Elastomer verformt und die zeitliche Änderung (Relaxation) der Schub- (Druck-, Zug-) Spannung z. B. in einem Zeitbereich von 3‘‘ bis 600‘‘ bei unterschiedlichen Temperaturen gemessen werden (Bild 3-84, mittleres Diagrammfeld). Wird nun auf die Messpunktfolge bei einer festgelegten Temperatur bezogen – sinnvoll ist die Temperatur TR beim Glasübergang, da Polymerwerkstoffe hier in einem rheologisch vergleichbaren Zustand (praktisch gleicher Viskosität) vorliegen – so lassen sich mit Hilfe einer von Williams, Landel und Ferry gefundenen und bis zu einer Temperatur von etwa 100 K über dem Kälterichtwert TR geltenden mathematischen Beziehung für die Verschiebung der Relaxationszeiten mit der Temperatur („WLFGleichung“ [1]) die unterhalb der Bezugstemperatur ermittelten Punktfolgen bzw. Kurvenabschnitte parallel zur Abszisse nach links zu kürzeren Zeiten und die oberhalb der Bezugstemperatur gemessenen nach rechts zu längeren Zeiten bis jeweils zum Anschluss bzw. Überdeckung verschieben und so die gesamte Zeit/Modulfunktion als sogenannte „Masterkurve“ beschreiben. Die Ähnlichkeiten im Verlauf der Schubmodul-/Temperaturkurve in Bild 3-83 sowie der Schubmodul-/Zeitkurve in Bild 3-84 sind trotz ihrer typbedingten Unterschiede unverkennbar. Für die praktische Konstruktion mit Elastomeren bedeutet dies, dass der Verformungsmodul (so z. B. die Federkonstante) nicht nur am unteren Ende der
3.7 Elastomere
185
Bild 3-85. Gruppierung der polymeren Werkstoffe nach DIN 7724
Gebrauchstemperatur sondern auch oberhalb einer „kritischen“ Verformungsgeschwindigkeit auffallend ansteigt. Die Bewertung des elastischen Zustandes bei Gebrauchstemperatur, des Ausmaßes der Rückverformung nach Dehnung, der Lage des Kälterichtwertes und der Nichtschmelzbarkeit im Bereich hoher Temperaturen als wesensmäßige verformungsmechanische Eigenschaften aller chemisch vernetzten Elastomere führt dann in DIN 772414 zu ihrer Zusammenfassung in eine eigenständige Werkstoffklasse und deren Abgrenzung gegen alle anderen Gruppen polymerer Werkstoffe einschließlich der thermoplastischen Elastomere (Bild 3-85). Die sich innerhalb der Kategorien dieser Norm jeweils ergebenden charakteristischen temperaturabhängigen Verläufe der Schubmoduln werden schließlich in Bild 3-86 anhand der Beispiele Acrylnitril-Butadien-Elastomer, thermoplastisches Olefin-Elastomer, Polycarbonat-Thermoplast sowie Phenol-Formaldehyd-Duroplast einander gegenübergestellt. Daraus ergibt sich, dass ein Gummikörper und ein Weichkunststoffkörper, (beispielsweise aus PVC), aufgrund der wesensverschiedenen Deformationsmechanik als Konstruktions- bzw. Funktionsteil grundsätzlich unterschiedlich 14
Für die Darstellung in Bild 3-85 wurde aus persönlicher Vorliebe auf eine ältere Fassung (02 ‚72) der Norm zurück gegriffen, da die Darstellung der Verhältnisse dort etwas leichter verständlich erscheint als in der Ausgabe (04 ‚93).
zu betrachten sind, auch wenn beide sich beim elastischen Rückprall nahezu gleich verhalten. Grundfunktionen von Elastomerwerkstoffen Aus der viskoelastischen Gemeinsamkeit aller Elastomere sowie der ihnen eigenen großen Oberflächenreibung folgt, dass auch bei scheinbar sehr unterschiedlichen Anwendungen nur wenige, stets wiederkehrende Funktionen vorkommen (Bild 3-87). Die auf den viskoelastischen Grundeigenschaften beruhenden Hauptfunktionen (Ab)dichtung und Schwingungsentkopplung werden schematisch in den beiden folgenden Bildern beschrieben. Die wesentlichen Angaben zur Abdichtung durch Elastomere sind in Bild 3-89 enthalten. Dabei wird der Dichtstoff stets verformt unter Druckspannung15 eingesetzt. Das entscheidende Funktionsmerkmal, zumindest statisch16, ist daher sein Rückstellvermögen über einen längeren Zeit15
16
Verformbarkeit unter Druck ist nicht gleichbedeutend mit Kompressibilität! Gummi zeigt eine Querkontraktion n sehr nahe 0,5. Ein kraftschlüssig gekapseltes Elastomer verhält sich deshalb bei Druck auf die freie Fläche wie ein starrer Körper. Dies muss bei der Gestaltung von Einbauräumen beachtet werden. Kompressibilität ist nur mittels Porenstruktur (durch Treibmittel) oder lufthaltiger Füllstoffe (wie Kork) zu erreichen. Eine Kategorisierung der verschiedenen Dichtungsarten wird z. B. in DIN 3760 vorgenommen.
186
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-86. Größe und Temperaturabhängigkeit der Schubmoduln polymerer Werkstoffe
Bild 3-87. Typische Eigenschaften, Eignung und Anwendungen von Elastomerwerkstoffen
raum. Es lässt sich zwar als Druckspannungsrelaxation direkt messen, doch wird zumeist stellvertretend die einfacher zu bestimmende Erholung bzw. deren Defizit nach Verformung unter Druck als „Druckverformungsrest“ (DVR) oder „c.s.“ von „compression set“ ermittelt. Bei der Dämpfung bzw. Entkopplung von Schwingungen ist zwischen dem unterkritischen, dem kritischen und dem
überkritischen Bereich zu unterscheiden. In den ersteren beiden sind hoch elastische, wenig dämpfende Elastomerqualitäten weniger elastischer Formmassen (mit stärkerer Dämpfung) deutlich unterlegen; im überkritischen Teil17 17
Beispiel: Abkopplung eines schnellaufenden Kraftfahrzeugmotors von der Karosserie-Eigenfrequenz.
3.7 Elastomere
Bild 3-88. Prinzip einer Dichtung an ruhenden Flächen
Bild 3-89. Prinzip eines Entkopplungselements
187
188
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-90. Temperaturabhängigkeit der Rückprallelastizität von Elastomeren
dagegen erweisen sie sich stets vorteilhafter (Bild 3-89). Da Entkoppelungselemente mit Werkstoffen hoher Elastizität bei längerem Verweilen des Systems im kritischen Bereich18 durch Resonanz mitunter sogar sehr gefährlich werden können, darf bei der Berechnung solcher Teile für die Praxis keinesfalls außer Acht gelassen werden, dass Elastomere ihr elastisches Verhalten mit der Temperatur, bisweilen auch mit der Erregeramplitude19 mehr oder weniger stark verändern (Bild 3-90). Die vollständige Prüfung von Schwingungselementen ist in der Regel recht aufwendig; eine Grundprüfung wird z. B. in DIN 53 513 beschrieben. Viele Gummibauteile sind multifunktional. So kann beispielsweise ein Druckschlauch Abdichten und Entkoppeln von Schwingungen gleichzeitig bewerkstelligen. Das Multitalent unter den Elastomerbauteilen schlechthin ist der schlauchlose Luftreifen. Er kann zunächst längs seines Umfangs als einseitig offener Luftschlauch angesehen werden. An dessen offener Seite wirken die Reifenfüße gegenüber der Felge als Dichtungen. Schultern und Seitenwände bilden zusammen mit der im „Schlauch“ enthaltenen Druckluft ein Dämpfungssystem für Fahrbahnstöße. Die Lauffläche überträgt dabei mittels hoher Oberflächenreibung Antriebs und Bremskräfte elastisch auf die Fahrbahn. Wie sich zeigt, beruhen die mechanischen Funktionen von Elastomerwerkstoffen mit wenigen Ausnahmen auf ihrem besonderen Verhalten bei Verformung. Elastomere sollen jedoch konstruktiv niemals mit Zug, sondern immer 18 19
Beispiel: Frequenz eines langsamlaufenden Schiffsmotors und Deck-Eigenfrequenz. Beispiel: Siliconelastomere
nur mit Druck oder Schub beansprucht werden. Bei GummiVerbundteilen ist darüber hinaus unbedingt darauf zu achten, dass an den Bindestellen keine Schälbeanspruchung erfolgt. Z. B. können auch unabhängig von den Einsatzbedingungen Schälbeanspruchungen auftreten, wenn bei GummiMetallteilen ohne entsprechenden Ausgleich beim Formenbau mit hohen Temperaturen vulkanisiert wurde. Aufgrund des nahezu zehnmal größeren thermischen Ausdehnungskoeffizienten zieht sich Gummi beim Abkühlen von Vulkanisations- auf Raumtemperatur deutlich mehr zusammen als das Metall, wobei entsprechend dieser Differenz mehr oder weniger große Schälspannungen an den Rändern der Bindeflächen entstehen (Bild 3-87). Ein späterer Einsatz solcher Bauteile bei höheren Betriebstemperaturen entschärft das Problem nur bedingt, da bei steigenden Temperaturen gleichzeitig mit der Spannung auch die Kraft der Gummi-Metall-Bindung nachlässt.
3.7.4
Zusammensetzung von Elastomerwerkstoffen
Eine über das bisher behandelte allgemeine Verhaltensmuster von Elastomeren hinausgehende Unterscheidung einzelner Werkstoffe wird spätestens dann erforderlich, wenn Maßzahlen für ihre Elastizität oder andere mechanische Eigenschaften zu definieren sind oder mechanische Funktionen bei unterschiedlichen Temperaturen und/oder anderen Umgebungseinflüssen, wie z. B. denen bestimmter Kontaktmedien, dauerhaft aufrecht erhalten werden müssen.
3.7 Elastomere
189
Bild 3-91. Schälbeanspruchung an einer Hülsenfeder (schematisch)
Bild 3-92. Einfluss von Bestandteilen auf Mischungseigenschaften und Werkstoffkennwerte
Elastomere sind zumeist Vielstoffsysteme. Vereinfacht dargestellt bedeutet dies, dass Elastizität sowie das chemische und physikalisch-chemische Verhalten eines Elastomers, wie Alterung oder Quellung, sich überwiegend vom zugrundeliegenden Kautschuk herleiten, und daneben die meisten mechanischen Eigenschaften maßgeblich von Art und Menge verschiedener Zuschläge bestimmt werden.
Eine erste, allgemeine Übersicht über die Variationsbreite bei Mischungsrezepturen (die aus Tradition stets auf 100 Masseteilen Kautschuk; per houndred rubber [phr], basieren) ist in Bild 3-92 dargestellt. Der Spielraum für deren Gestaltung nimmt allerdings von den Allzweckkautschuken, wie Natur- oder Styrol-Butadien-Kautschuk, zu den ausgesprochenen Spezialtypen, wie Acrylat- oder Fluorkautschuk
190
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-93. Systematik der Kurzzeichen für Elastomere nach DIN ISO 1629
Wie eingangs für Polymere allgemein ausgeführt, können auch Kautschuke aus einem oder mehreren Monomeren aufgebaut und ihre Makromoleküle linear, verzweigt oder sternförmig von einem Zentralatom ausgehend sein. „Dienkautschuke“, d. h. Typen die sich von sogenannten „Dienen“20 ableiten, vermögen darüber hinaus in unterschiedlicher cistrans-Konfiguration aufzutreten. Dabei kann unter Umständen sogar der Kautschukcharakter verlorengehen. Genügte anfangs zur allgemeinen Strukturbeschreibung von Elastomeren die zugrunde liegenden Monomere mit Hilfe von Großbuchstaben zu codieren, so werden sie von nun an ge-
mäß ihrer chemischen Natur aufzuschlüsseln sein, da hiervon sowohl Elastizität als auch Alterungs- und Quellbeständigkeit der Kautschuke bzw. Elastomere entscheidend bestimmt werden. Üblicherweise erfolgt die Bezeichnung innerhalb dieser Stoffklasse nach DIN ISO 1629 in Kurzform mit Hilfe einer Folge von Buchstaben, wobei der letzte als Familienkennzeichen des Kautschuks bzw. Elastomers die Beschaffenheit der Polymerkette definiert und der oder die vorangestellten Buchstaben Aufschluss über das oder die zugrunde liegenden Monomere geben (Bild 3-93). Thermoplastische Kautschuke erhalten an erster Stelle vor der eigentlichen Bezeichnung ein Y, z. B. YSBR, carboxylierte21 Typvarianten ein X, z. B. XNBR. Die Nomenklatur der Kurzbezeichnungen stammt aus dem Englischen. Hier wird nicht wie im Deutschen zwischen Kautschuk und Gummi unterschieden, so dass z. B. mit NR sowohl der unvernetzte als auch der vernetzte (vulkanisierte) Kautschuk gemeint sein kann. Leider sind auch die Buchstaben für die Monomerenkennzeichnung nicht in allen Fällen eindeutig, so dass bei fehlender Erfahrung im Umgang mit diesen Kürzeln etwas Vorsicht angebracht ist.
20
21
wegen zunehmend eingeschränkter Aufnahmefähigkeit für Füllstoffe und Weichmacher sowie einer immer kleiner werdenden Auswahl wenig wandelbarer Vernetzungssysteme deutlich ab. Die verschiedenen Gruppen von Mischungsbestandteilen in Bild 3-92 werden im folgenden näher beschrieben.
3.7.5
Kautschuke
3.7.5.1
Ableitung von Grundeigenschaften aus dem chemischen Molekülaufbau
„Konjugierte“ Doppelbindungen als Bestandteile von Dienen im engeren Sinn bilden besonders reaktionsfreudige Systeme.
Besonders reaktionsfähige Spielarten; sie vernetzen mit Metalloxiden (Zinkoxid) allein.
3.7 Elastomere
191
Bild 3-94. Marktbedeutung der Kautschuke (Mengen)
Die Norm definiert für chemisch vernetzte Elastomertypen derzeit 38 Buchstabengruppen; hiervon entfallen 4 auf sogenannte Allzweckkautschuke für Reifen und sogenannte technische Bauteile, 6 auf technische Kautschuke mit vergleichsweise großer Anwendungsbreite sowie 28 auf technische Spezialkautschuke (Bild 3-94).
3.7.5.2
Naturkautschuk
Der am längsten bekannte und am meisten verarbeitete Typ ist der Naturkautschuk. Er gehört zu der in der Natur weitverbreiteten Stoffklasse der Terpene, denen Isopren als einheitlicher Baustein zugrunde liegt. In hoher Konzentration kommt er emulgiert im Pflanzensaft von Hevea Brasiliensis vor, dem er durch Fällung entzogen wird. Handelsware enthält etwa 94% Kautschukkohlenwasserstoff; von den Beimengungen wirken einige Proteine als natürliche Vulkanisationsbeschleuniger und Alterungsschutzmittel. Wurde früher im wesentlichen nur zwischen geräucherten „Sheets“ und „Crêpes“ verschiedener optischer Güteklassen unterschieden, so werden heute auch technisch standardisierte Sorten mit definiertem Gehalt an Verunreinigungen, gleichbleibender verarbeitungsfähiger Viskosität, entsprechend einer konstanten mittleren Molekularmasse des Kohlenwasserstoffs, sowie reproduzierbarem Vulkanisationsverhalten angeboten. Die Kautschuksubstanz selbst ist cis-1,4-Polyisopren hoher Reinheit (>>99%)22 mit sehr breiter Molekularmassenverteilung; beides bedingt eine günstige Verarbeitbarkeit
und gute mechanische Eigenschaften (s. auch unter weitere R-Kautschuke). 1839 gelang Goodyear erstmals die Stabilisierung zum dauerelastischen Stoff durch Vernetzung mit Schwefel. Dieses Verfahren hat auch heute noch größte Bedeutung (s. unter Vulkanisation und Vulkanisationschemikalien). Es wird dadurch ermöglicht, dass beim Einbau des Isoprens (= 2-Methylbutadien) in die makromolekulare Kette jeweils eine C=C-Doppelbindung dort verbleibt (Bild 3-95, a). Die den Doppelbindungen unmittelbar benachbarten C („α CAtome“) werden verhältnismäßig reaktiv und bieten Angriffspunkte für den Vernetzer (Schwefel). Da bei der Überführung des Kautschuks in Weichgummi23 nur ein kleiner Teil dieser Stellen und so gut wie keine C=C-Doppelbindungen verbraucht werden, bleiben genügend übrig, um das Elastomer anfällig gegen den schwefelhomologen (d.h. im Periodensystem der chemischen Elemente über dem Schwefel stehenden) Sauerstoff sowie Ozon zu machen. Die Empfindlichkeit gegen Sauerstoff wird durch die Methylgruppe am „tertiären“ Kohlenstoffatom24 noch verstärkt, so 22
23
24
Entsprechendes trans-1,4-Polyisopren ist das thermoplastische Guttapercha (Balata). Dieses Beispiel verdeutlicht den Einfluss der cis-trans-“Isomerie“*(Konfiguratio nauf das Verarbeitungsverhalten der Polymere sowie die (visko-)elastischen Eigenschaften der daraus hergestellten Werkstoffe (s. auch unter Weitere R-Kautschuke). Härtebereich Shore A; die Werte liegen im allgemeinen zwischen ~40 und ~90. Bei Spezialkautschuken gibt es sowohl Einschränkungen als auch Erweiterungen dieses Bereichs in in die eine oder andere Richtung. Kohlenstoffatom, das mit 3 anderen C-Atomen verbunden ist.
192
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-95. Beispiele chemischer Strukturen von Kautschuken
dass Naturgummi zwar zu den mechanisch höchstwertigen, doch am wenigsten hitzebeständigen Elastomerwerkstoffen zählt. Alle Dienkautschuke, deren Hauptketten wie die des Naturkautschuks C=C-Doppelbindungen enthalten, bekommen in der Nomenklatur nach DIN ISO 1629 das Familienkennzeichen R (für „Rubber“). Im Falle Naturkautschuk wird der Buchstabe N (für „Natural“)25 vorangestellt. Hervorstechende Vulkanisatmerkmale sind Zugfestigkeit, Reißdehnung und Elastizität. Die (höchstmögliche) Grundeinstufung von NR-Elastomeren nach SAE J 20026 findet sich in Bild 3-112. Als reiner Kohlenwasserstoff weist Naturkautschuk nur „homöopolare“Bindungen und so eine gleichmäßige Verteilung der elektrischen Ladungen auf; damit ist diese Formmasse elektrochemisch nicht polar27. Nach dem chemischen Grundsatz, dass Gleiches mit Gleichem gut verträglich28 ist,
25
26 27 28
Damit werden zwar natürliches und synthetisches Polyisopren (IR) unterscheidbar, doch entstehen anderweitig Mehrdeutigkeiten (vgl. Bild 3-93). Society of Automotive Engineers (USA); s. auch Fußnote 34. vgl. unter CHLOROPRENKAUTSCHUK und WEICHMACHER. Verträglichkeit bedeutet hier Mischbarkeit; der Begriff wird also bei Elastomeren umgekehrt gebraucht wie in der Kuststofftechnik, wo Verträglichkeit z. B. bedeutet, dass keine Spannungsrißkontamination (Quellung) auftritt
zeigt NR starke Quellung in unpolarer Umgebung, wie z. B. Kraftstoffen oder anderen Mineralölprodukten, und schwache Quellung in polaren Medien, wie z. B. Alkoholen. Hauptanwendungen von NR sind LKW- und Flugzeugreifen; daneben erfolgt die Verwendung in sehr vielen anderen Elastomererzeugnissen, bei denen Elastizität sowie anderweitig gutes mechanisches Verhalten gefragt sind und Ölbeständigkeit keine Rolle spielt (Allzweckkautschuk; vgl. Bild 3-94).
3.7.5.3
Ethylen-Propylen-Kautschuk
Denkt man sich alle Doppelbindungen in der Molekülkette des Naturkautschuks durch Wasserstoff abgesättigt, so erhält man formal die gleiche Bausteinfolge, wie sie bei der Copolymerisation gleicher Teile Eth(yl)en und Prop(yl)en zu Ethylen-Propylen-Kautschuk mit abwechselnder Abfolge der Bausteine entsteht (Bild 3-95, b). Ein solches Produkt ist wegen des Fehlens von C=CDoppelbindungen besser hitzebeständig als Naturkautschuk und völlig ozon- bzw. witterungsresistent, muss jedoch mit anderen Mitteln als Schwefel, z. B. mit Peroxid oder energiereicher Strahlung, vernetzt werden. Um diesen Kautschuktyp auch für die verfahrenstechnisch günstigere Schwefelvulkanisation geeignet zu machen, wird ein nichtkonjugiertes Dien als dritte Komponente einpolymerisiert.
3.7 Elastomere
193
Bild 3-96. Ethylen-Propylen- und Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (schematisch)
Auf diese Weise entsteht Ethylen-Prophylen-Dienkautschuk mit einer begrenzten Zahl von Doppelbindungen29 außerhalb der Hauptkette (Bild 3-96). Dieser Kautschuktyp hat mit 0,86 g/cm3 die niedrigste Dichte aller Kautschuke. Als Termonomere üblich sind – nach abnehmender Vulkanisationsgeschwindigkeit geordnet – Ethylidennorbornen (→ EN-Typen), Dicyclopentadien (→ DCP-Typen) und trans-Hexadien 1,4 (→ HD-Typen; ihre Produktion wird jedoch eingestellt). Alle Kautschuke mit gesättigter Kohlenstoffkette erhalten nach DIN ISO 1629 das Familienkennzeichen M (von „Methylene“). Im vorliegenden Fall steht EPM für EthylenPropylen-Copolymere und EPDM für die entsprechenden Dien-Terpolymere. Beide Typen werden durch Lösungs-, vereinzelt auch durch Suspensionspolymerisation hergestellt; sie enthalten im Gegensatz zu Emulsionspolymeren keine Emulgatorreste und quellen deshalb in wäßrigen Medien außerordentlich wenig. Im Übrigen ist das Quellverhalten dem von Naturkautschuk annähernd vergleichbar. Produkte mit etwa gleichen Anteilen von Ethylen und Propylen sind „amorph“(siehe Bild 3-103); bei Ethylenüberschuß entsteht zunehmend (Teil-)Kristallinität durch Bildung von Ethylenblöcken. Solche Varianten sind 29
Die Art, den „Ungesättigtheitsgrad“ zu bezeichnen, ist unterschiedlich; bei EPDM wird bisweilen die Zahl der C=C- Doppelbindungen je 1000 C-Atome angegeben. Im Rahmen dieser Abhandlung wird dieser Begriff jedoch durchgehend (s. auch unter HYDRIERTER NITRILKAUTSCHUK sowie BUTYLKAUTSCHUK) als Zahl der C=C je 100 Monomerbausteine verstanden. Im Falle EPDM kann sie bis zu 9,5 betragen.
besser plastisch verarbeitbar; die daraus hergestellten Elastomerwerkstoffe jedoch ebenfalls stärker thermoplastisch, gleichbedeutend z. B. mit höheren Verformungsresten. Die (höchstmögliche) Grundeinstufung von EPM- und EPDM-Elastomeren nach SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Hauptanwendungen sind Dichtprofile in Fahrzeugen und Bauwerken, Wasserschläuche u.ä.m.
3.7.5.4
Chloroprenkautschuk
Das Quellverhalten ändert sich entscheidend, sobald andere Atome als Kohlenstoff oder Wasserstoff in ein Elastomermolekül eingebracht werden. Wird z. B. die Methylgruppe im Naturkautschuk durch ein Chloratom ersetzt, indem 2Chlorbutadien (in Emulsion) zu Chloroprenkautschuk polymerisiert wird, so entsteht ein Produkt, in dem das Chlor wegen seiner Elektronenaffinität, ähnlich wie bei der Anionenbildung in Chlorwasserstoffsäure und deren Salzen, bevorzugt elektronegative Ladungen auf sich zieht. Als Folge hiervon entstehen elektrische Dipole (Bild 3-95, c), die entsprechend der Verträglichkeitsregel im Vergleich zu NR und EPDM eine schwächere Quellung des Elastomers in unpolarer Umgebung und eine stärkere Quellung in polaren Medien bewirken. Polarität beeinflusst auch das Verhalten von Kautschuken in elektrischen Wechselfeldern, da, insbesondere im Mikrowellenbereich, Dipolschwingungen erzwungen werden. Weil diese gegen inneren Widerstand in der Stoffmatrix erfolgen, tritt Erwärmung ein. Dieser Umstand wird zum gleichmä-
194
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
ßigen raschen Aufwärmen von Rohlingen bei der kontinuierlichen Heißluftvulkanisation sowie bei der Pressenvulkanisation großvolumiger Bauteile genutzt. Die Kautschukpolarität hat vor allem bei Mischungen mit mineralischen Füllstoffen Bedeutung; in Rußmischungen sind Polarität bzw. elektrische Leitfähigkeit im allgemeinen ausreichend groß, um auch bei unpolaren Kautschuken Erwärmung in ausreichend kurzen Zeiten zuzulassen. Die Kurzbezeichnung für Chloroprenkautschuk nach DIN ISO 1629 ist CR. Abgesehen von der Polarisierung des Kautschukmoleküls schirmen Chloratome die benachbarte C=C-Doppelbindung in der Weise ab, dass CR sich zwar noch mit Schwefel vernetzen lässt, jedoch erheblich weniger ozonanfällig ist als andere Dienkautschuke. Je nachdem, ob zur Regelung der Molekularmassen bei der Polymerisation Schwefel, ein Mercaptan oder Xanthogenat verwendet wurde, sind drei unterschiedliche Produktreihen zu unterscheiden. Bei schwefelgeregelten Varianten ist grundsätzlich kein weiterer Vernetzerzusatz nötig. Größere Bedeutung als die Schwefelvulkanisation hat freilich die (durch Thioharnstoffderivate beschleunigte) Vernetzung mit Metalloxiden ohne Schwefel; sie wird durch kleine Unregelmäßigkeiten im molekularen Aufbau des CR ermöglicht30. Sie ist im Grunde genommen eine Fortsetzung der Polymerisation und führt insbesondere bei den Mercaptan- und Xanthogenatvarianten zu hitzebeständigeren Vulkanisaten. Um unerwünschte Kristallisationserscheinungen (s. Bild 3-103) zurückzudrängen, enthalten einige Spielarten kleine Mengen 2,3-Dichlorbutadien als Co-Komponente. Bemerkenswertes gemeinsames Vulkanisatmerkmal ist Flammwidrigkeit. Die (höchstmögliche) Grundeinstufung von CR-Elastomeren nach SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Die Anwendungen sind sehr vielseitig und reichen von Kabelmänteln über Antriebsriemen zu Dichtungen für mäßige Beanspruchung durch Mineralölprodukte.
3.7.5.5
Acrylnitril-Butadien-Kautschuk
Eine Steigerung der Polarität und damit der Quellfestigkeit in unpolarer Umgebung wird durch die noch stärker polare Nitrilgruppe im Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (Bild 3-95, d) erzielt. Marktgängig sind Typvarianten mit Acrylnitrilanteilen (ACN) zwischen 15 und 51 Masse-%, wobei das Quellverhalten eines Nitrilkautschuks mit 18% ACN etwa demjenigen von CR entspricht. Die Quellbeständigkeit in unpo-
laren Medien nimmt mit steigendem Nitrilanteil erwartungsgemäß stark zu. Die Kurzbezeichnung nach DIN ISO 1629 ist NBR. Acrylnitril und Butadien werden in Emulsion copolymerisiert; je nach Polymerisationstemperatur31 wird zwischen wenig verzweigten Kalttypen und stärker (langketten-)verzweigten Warmtypen unterschieden. Erstere haben die größere Bedeutung, da sie allgemein leichter verarbeitbar sind; letztere können jedoch unter Umständen, z. B. bei der Herstellung maßhaltiger Rohlinge, durch Gerüstbildung nützlich sein. Insgesamt sind sie hierin jedoch den vorvernetzten Kautschuken (s. dort) deutlich unterlegen. NBR-Elastomere sind thermisch beständiger als reine Butadienvulkanisate, doch bewirkt die Nitrilgruppe eine besondere Empfindlichkeit des Elastomers gegenüber Ozon sowie Anfälligkeit für (Lewis-) Säuren32, wie sie beispielsweise bei der thermischen Alterung ungeschützter bzw. ungepufferter Mineralölprodukte (z. B. von Prüfölen; s. unter Grundklassifizierung von Elastomeren...) entstehen. Bemerkenswerte Vulkanisatmerkmale sind Verschleißfestigkeit sowie geringe, sich gleichsinnig mit der Ölquellung ändernde Gasdurchlässigkeit. Die (höchstmögliche) Grundeinstufung von NBR-Elastomeren nach SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Hauptanwendungen sind Dichtungen und Schläuche in Bereichen, in denen Mineralölprodukte, namentlich Kraftstoffe, Schmierstoffe oder Hydraulikflüssigkeiten, bei mäßig hohen Temperaturen zur Anwendung kommen.
3.7.5.6
Bei spezifischer Hydrierung der Molekülketten mit Hilfe besonderer Katalysatoren wird hydrierter Acrylnitril-ButadienKautschuk erhalten, der bei Teilsättigung33 noch mit Schwefel vernetzbar ist und sich bei völliger Absättigung der Kette wie ein M-Kautschuk verhält, dementsprechend deutlich hitzebeständiger ist als gewöhnlicher oder teilhydrierter Nitrilkautschuk und von Ozon nicht angegriffen wird (Bild 3-97). In diesem Falle muss jedoch peroxidisch34 vernetzt werden. Im Übrigen bleiben die Wesensmerkmale des Nitrilkautschuks weitgehend erhalten. Wegen der Herkunft und der Entstehungsgeschichte ist die Kurzbezeichnung der Hydrierungsprodukte in DIN ISO 1629 auch bei völliger Sättigung vorläufig HNBR. 31 32
33 30
Geringe Mengen Chloropren in 1,2- statt in 1,4-Stellung (→ Cl in reaktiver „Allyl“Stellung; vgl. auch Fußnote 53).
Hydrierter Acrylnitril-Butadien-Kautschuk
34
~5 °C bzw. 15–30 °C. Chemische Verbindungen, die mit einem anderen Stoff eine (homöopolare) Bindung eingehen und sich dazu eines freien Elektronenpaares von diesem bedienen. Der Ungesätigtheitsgrad von HNBR mit 34 Masse-% Acrylnitril kann bis knapp 6% betragen. unter Mitverwendung eines Aktivators (s. unter Vernetzung mit Peroxiden).
3.7 Elastomere
195
Bild 3-97. Nitril- und hydrierter Nitrilkautschuk (schematisch)
Bild 3-98. Fluorkautschuk (schematisch)
HNBR-Elastomere sind nach SAE J 200 auch noch nicht „offiziell“ klassifiziert, jedoch wurde Im Vorgriff darauf in den Bildern 3-99 und 3-112 bereits eine entsprechende Einstufung vorgenommen und diese kursiv gekennzeichnet. Hauptanwendungen sind Antriebsriemen sowie Dichtungen und Schläuche im Schmierstoff-, Kältemittel- und Hydraulikbereich von Fahrzeugen mit stärkerer Temperaturbelastung.
3.7.5.7
Fluorkautschuk
Die stärkste Polarität überhaupt lässt sich mit Fluor erzielen. Da die C-F-Bindung überdies thermisch außerordentlich stabil35 ist und die Fluoratome auch die C-C-Bindungen der Elastomermoleküle bzw. Netzwerksbrücken beeinflussen, ergibt Fluorkautschuk in Bezug auf Hitzealterung und
Quellung in Mineralölprodukten die beständigsten Elastomerwerkstoffe überhaupt. Die Bezeichnung FKM36 gemäß DIN ISO 1629 ist indessen nur der Sammelbegriff für eine Reihe von Co-, Ter-, Tetra- und noch vielfältigeren Polymerisaten des Vinylidenfluorids (VF2) mit Hexafluorprop(yl)en (HFP), Tetrafluoreth(yl)en (TFE), Hydropentafluorprop(yl)en (HFPE) oder Perfluormethylvinylether (FMVE)37, bisweilen auch mit Chlortrifluoreth(yl)en38 oder anderen fluorhaltigen Monomeren (Bild 3-98). 35 36 37 38
442 kJ/mol [13] K von „(K)arbon“. zur Erniedrigung der Glasübergangstemperatur. zur Verbesserung der Gummi-Metall-Haftung.
196
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Die in Emulsion hergestellten Polymere haben mit 1,80– 1,87 g/cm3 je nach Fluorgehalt die höchsten Dichten aller Kautschuke. Sie sind fast durchweg hoch viskos/widerspenstig, lassen im Interesse einer noch guten Handhabung nur niedrige Füllungsgrade mit inaktiven Füllstoffen und wegen der physikalisch-chemischen Indifferenz kaum Weichmacher zu und erlauben so mit praktisch wenig variablen Vernetzungssystemen obendrein nur ausgesprochen kleine Freiheiten bei der Gestaltung der Mischungsrezeptur. Grundsätzlich sind Typvarianten für diaminische oder bisphenolische Vernetzung einerseits und solche für peroxidische Vernetzung andererseits zu unterscheiden. Produkte für die Bisphenol-Vernetzung enthalten oftmals Vernetzer und Aktivator bereits vom Hersteller integriert. Alle Fluorelastomere müssen nach der eigentlichen Vernetzung ausgiebig getempert werden. Die Elastomerhärten liegen auch bei geringer Füllung fast durchweg über 70 Shore A. Peroxid-Vulkanisate verhalten sich im allgemeinen günstiger gegen Heißdampf, Alkohole oder basische organische Stoffe, wie z. B. Zusätze (Additive) in Betriebsflüssigkeiten, als Bisphenol-Elastomere. Weitere hervorstechende Vulkanisatmerkmale sind hohe Eigendämpfung und Diffusionsdichtheit. Die (höchstmögliche) Grundeinstufung von FKM-Elastomeren nach SAE J 200 findet sich in Bild 3-112.
Bild 3-99. Grundklassifizierung von Elastomerwerkstoffen nach SAE J 200 (Auswahl)
Hauptanwendungen sind Dichtungen und Schläuche bei hoher thermischer Belastung und harten chemischen Anforderungen im Kraftstoff-, Schmierstoff-, Hydraulik- und Chemikalienbereich. Fluorelastomere, in denen aller Wasserstoff durch Fluor, Perfluoralkyl oder Perfluoralkoxy ersetzt ist, werden bisweilen auch als FFKM bezeichnet. Sie sind thermisch und chemisch besonders resistent.
3.7.6
Grundklassifizierung von Elastomeren und Ableitung weiterer Merkmale aus dem chemischen Molekülaufbau
Anschaulich werden die Zusammenhänge von Sättigung und Hitzebeständigkeit einerseits sowie Polarität und Quellung in Mineralöl andererseits, wenn die bisher abgehandelten Elastomere einem der genormten Klassifizierungssysteme39 zugeordnet werden (Bild 3-99). Alle diese Systeme schlüsseln die nach Typ und Klasse eingeteilten Werkstoffe (materials) zunächst weiter nach Härte und Zugfestigkeit auf. Bild 3-100 zeigt als Beispiel das 39
z. Zt. sind dies ISO/DIS 4632, DIN 78 078, ASTM 2000 und SAE J 200. Alle diese Systeme nehmen in gleicher Weise die Grundeinteilung nach Temperaturbeständigkeit (Typ) und Quellverhalten (Klasse) vor; ISO 4632 und DIN 78 078 unterscheiden außerdem noch nach Eintritt der Kältesprödigkeit (Gruppe).
3.7 Elastomere
197
Bild 3-100. Aufschlüsselung von BC-Materialien (SAE J 200) nach mechanischen Eigenschaften
in der Norm SAE J 200 vorgesehene Raster von Kombinationen innerhalb der Gruppe BC (Chloroprenkautschuk). Bei näherer Betrachtung erscheinen allerdings Zweifel angebracht, ob einige der aufgeführten Qualitäten, wie z. B. BC 524, überhaupt realisierbar sind40; bei anderen, wie BC 721, wäre bei Anfrage zunächst sicherzustellen, inwieweit sie wirtschaftlich auf modernen Maschinen mit hohem Durchsatz zu Serienteilen verarbeitet werden können41. Über die Festlegung von Härte und Zugfestigkeit im Neuzustand hinaus verbergen sich hinter dem Buchstaben B des gewählten Beispiels BC 617 Grundfanforderungen in Bezug auf das Alterungsverhalten im einzelnen (Bild 3-101). Diese können durch Buchstaben-Zahlen- Kombinationen („suffixe“), die an die Grundbezeichnung anzuhängen sind, außer Kraft gesetzt und durch schärfere Forderungen ersetzt werden. Darf z. B. der Druckverformungsrest nach 22 Stunden bei 100 °C statt der ≤80 % bei Grundanforderung höchstens 35 % betragen, so wird dies in der Schreibweise BC 617 B 14 kundgetan. Nichtbrüchigkeit bis -40°C wird durch den Zusatz F 17 ausgedrückt, usw., usw. Diese Ausweitungsmöglichkeiten führten zwangsläufig zu der Überlegung, die in jeder Gummifabrik überlieferten 40 41
Zumindest ISO 4632 nimmt nur darstellbare Qualitäten auf. CR-Mischungen, die Werkstoffe mit diesen Eigenschaften ergeben, sind in aller Regel „kurz“ und „scorch“ anfällig, d.h. die Zeitspanne bis zum Erreichen von Fmin+5 (Bild 3-113) wird für die Verarbeitung zu kurz.
heterogenen Rezepturen für bestimmte Bauteile durch einheitich spezifizierte Elastomer-Leistungsblätter – entsprechend den Werkstoff-Leistungsblättern bei Kunststoffen – zu ersetzen. In Deutschland hat der Verband der Automobilindustrie entsprechende Versuche unternommen (Richtlinie 67), ist jedoch bisher über die Festlegung einheitlicher praxisorientierter Prüfvorschriften nicht wesentlich hinausgekommen. Abgesehen davon, dass starre Werkstoffnormen die Weiterentwicklung von Funktionsteilen behindern können, muss noch aus weiteren Gründen Kritik einsetzen, sobald solche Einteilungsschemata – wie oftmals in den USA – zur Spezifizierung von Elastomerwerkstoffen im Sinne von Werkstoff-Leistungsblättern statt zur bloßen Klassifizierung verwendet werden. Zum einen beruht die Einstufung von Alterungs- und Quellverhalten nämlich zumeist auf den Ergebnissen geraffter (Einpunkt)-Prüfungen. Sie lassen umso weniger Schlüsse auf das Langzeitverhalten in der Praxis zu, je näher ein Werkstoff an seiner thermischen Leistungsgrenze beansprucht wird bzw. je weiter ein Werkstoff bei Versuchsende noch vom Quellgleichgewicht entfernt ist. Zum anderen hat IRL 903 als nicht alterungsgeschütztes bzw. gepuffertes aromatisches Öl kaum noch Bezug zu modernen, zum Teil stark additivierten Betriebsflüssigkeiten auf Mineralölbasis. So können z. B. Fluorelastomere trotz ausgewiesener hervorragender Beständigkeit gegen IRL 903 in Betriebsflüssig-
198
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-101. Werkstoffbezeichnung nach SAE J 200 (Beispiel)
keiten mit basischen Dispergatoren bereits bei 150 °C stark geschädigt werden; umgekehrt wird hydrierter Nitrilgummi, der sich in solchen Medien gut verhält, im Labortest leicht von dem durch oxidative Alterung versauernden Testöl zerstört. Polarität verursachende (mehrwertige) Atome oder Atomgruppen können nicht nur seitenständig vorkommen, sondern auch, wie bereits in Bild 3-95, e dargestellt, als sogenannte „Heteroatome“ bzw. -gruppen Kohlenstoffatome in den Molekülketten selbst ersetzen. Für diese Fälle sieht DIN ISO 1629 weitere Großbuchstaben als Familienbezeichnungen vor (Bild 3-102). Über das Quellverhalten sowie das Verhalten in elektrischen Wechselfeldern hinaus bestimmt Polarität auch den Kälterichtwert bzw. die Versprödung von Elastomeren bei Kälte. Der Übergang vom gummielastischen zum starrelastischen Zustand erfolgt, wie bereits erläutert, durch Glasbildung beim Abkühlen, sobald die Amplituden der thermischen Bewegungen von Molekülteilen (mikroBROWN’-sche Bewegung; vgl. Bild 3-80) so weit abnehmen, dass die zwischen den Molekülen wirkenden Massekräfte ausreichen, um gegen diese Bewegungen eine starre Nahordnung der Moleküle zu erzwingen. Werden diese Kräfte noch durch Dipolkräfte verstärkt, tritt die Erstarrung bereits bei größeren Bewegungs-amplituden, höheren Temperaturen entsprechend, ein. Abnehmende Quellung von Elastomeren in unpolarer Umgebung bedeutet deshalb in aller Regel ansteigende Käl-
terichtwerte (Bild 3-103). Diesem Effekt lässt sich wenigstens teilweise durch den Einsatz geeigneter Weichmacher (s. dort) entgegenwirken. In untergeordnetem Maße kann auch Verhärtung durch Kristallisation die Funktionstauglichkeit von Elastomeren in der Kälte begrenzen. Sie ist wie alle Veränderungen bei tiefen Temperaturen umkehrbar. Nach der Regel, dass die reinsten Stoffe am leichtesten kristallisieren, neigen hierzu am ehesten Homopolymere mit sehr gleichmäßiger Anordnung der Bausteine, wie z. B. NR oder CR. Allerdings verläuft Kristallisation mit Ausnahme der spontan einsetzenden Dehnungskristallisation (Bild 3-104) bei Elastomeren im Vergleich etwa zu derjenigen bei Thermoplasten sehr langsam (die Geschwindigkeit nimmt zudem vom Kautschuk zum Elastomer hin ab), so dass besondere Vorbeugungsmaßnahmen im allgemeinen nur in Klimazonen mit längeren Kälteperioden notwendig werden. Auch die Kristallisationstendenz kann durch bestimmte Weichmacher zurückgedrängt oder durch mehr oder weniger massive „Verunreinigungen“ der Molekülkette mittels eines Copolymers sogar vollständig unterdrückt werden, wie beispielsweise der Vergleich von BR mit SBR und NBR sowie der von spontan kristallisierendem Polyethylen oder Polypropylen mit einem durch Copolymerisation gleicher Masseanteile Ethylen und Propylen gewonnenen amorphen EPM zeigen (vgl. Bild 3-104).
3.7 Elastomere
Bild 3-102. Familien- [Gruppen-]einteilung von Elastomeren nach DIN ISO 1629
Bild 3-103. Molekülaufbau, Kristallisation, Kälteübergang und Quellverhalten bei Polymeren
199
200
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-104. Einfluss der Dehnungskristallisation auf die Zugfestigkeit von Elastomeren
3.7.7
Weitere R-Kautschuke (Auswahl)
Ließ sich das chemische bzw. physikalisch-chemische Verhalten von Elastomeren von deren Sättigungsgrad und Polarität ableiten, so treten zur Erklärung des Verarbeitungsverhaltens sowie wichtiger physikalischer Eigenschaften bei den im folgenden zu behandelnden ungesättigten und unpolaren Isopren- und Butadienkautschuken bzw. -Elastomeren – ähnlich wie bei NR – andere Strukturparameter, wie z. B. der cis 1,4-Anteil (vgl. Fußnote 20), in den Vordergrund.
3.7.7.1
Isoprenkautschuk (IR)
Synthetischer Isoprenkautschuk wird durch Polymerisation des Monomers in Lösung mit Hilfe metallorganischer Titanoder Lithiuminitiatoren hergestellt. Titan-IR hat etwa 98% cis 1,4-Anteil und kommt so trotz engerer Molekularmassenverteilung in Bezug auf Verarbeitungsverhalten und typspezifische Vulkanisatmerkmale dem Naturkautschuk (vgl. dort) ziemlich nahe. Demgegenüber weist Lithium-IR nur einen cis 1,4-Gehalt von etwas über 90% auf. Er vulkanisiert langsamer als Ti-IR oder NR und erreicht als Elastomer auch nicht deren mechanisches Eigenschaftsniveau; diese Variante wird deshalb in der Regel nur im Verschnitt mit Natur- oder StyrolButadien-Kautschuk verarbeitet.
Die Grundklassifizierung von IR-Elastomeren in SAE J 200 entspricht der von NR. Der Anreiz, IR statt NR einzusetzen, wird derzeit wohl weniger von technischen als von wirtschaftlichen Überlegungen bestimmt (s. Bild 3-112).
3.7.7.2
Butadienkautschuk (BR)
BR wird in Lösung, vereinzelt auch in Emulsion, mit metallorganischen Lithium-, Titan-, Kobalt-, Nickel- oder Neodymverbindungen42 als Initiatoren polymerisiert. Angaben zum chemischen Aufbau enthält Bild 3-105. Alle BR-Sorten sind im Rohzustand wenig plastisch und lassen sich allein nur recht schwer verarbeiten; hier wirken sich erwartungsgemäß hohe cis 1,4-Anteile, breite Molekular-gewichtsverteilung, aber auch vergleichsweise hohe Verzweigungsgrade43 günstig aus. Die engste Verteilung und die geringste Verzweigung wird mit Li erhalten, die breiteste Verteilung und die höchste Verzweigung mit Ni. Der höchste cis 1,4-Anteil mit 97% ergibt sich hingegen bei Nd.
42
43
hier nach ansteigendem cis 1,4-Gehalt in den Polymerisaten geordnet. s. auch unter Vorvernetzte Kautschuke.
3.7 Elastomere
201
Bild 3-105. Butadien und Styrol-Butadien-Kautschuk (schematisch)
BR vulkanisiert deutlich langsamer als NR; er covulkanisiert44 infolgedessen im Verschnitt mit diesem nicht, verbessert jedoch dessen Reversionsverhalten (s. unter Vulkanisation und Vulkanisationschemikalien). Zur Verbesserung der Covulkanisation kann SBR (s.u.) als „Vermittler“ hilfreich sein. Die (höchstmögliche) Grundeinstufung von BR-Elastomeren nach SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Weitere hervorstechende Vulkanisatmerkmale sind Elastizität, Widerstand gegen Abrieb und dynamische Ermüdung sowie eine niedrige Glasübergangstemperatur; hier sind wiederum hohe cis 1,4-Gehalte, jedoch bei niedrigem Verzweigungsgrad → hohe Kettenbeweglichkeit) günstig. BR wird überwiegend in Verschnitten mit NR und SBR in Reifen eingesetzt, in die es jeweils die sortenspezifischen Eigenschaften einbringt. Der Umstand, dass Luftreifen nach wie vor aus Kompromissen zusammengebaut werden und es den Allroundreifen schlechthin nicht gibt, erklärt die Vielzahl fein abgestufter BR-Produkte auf dem Markt.
3.7.7.3
Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR)
SBR ist der am meisten verarbeitete Synthesekautschuktyp; daraus hergestellte Elastomerwerkstoffe zeigen zumeist ein ausgewogenes Eigenschaftsbild ohne ausgesprochene Stärken oder Schwächen.
Im einzelnen verbirgt sich hinter dieser Sammelbezeichnung indessen eine große Sortenvielfalt von Emulsions- und Lösungspolymeren45 mit Styrolgehalten zwischen 5 und 48 Masse-%46 (Bild 3-105). SBR-Emulsionspolymere gibt es als Warm- und Kaltvarianten47, jeweils mit statistischer Verteilung der Monomerbausteine. Der häufigste Styrolgehalt ist bei 23,5 Masse-% anzutreffen. Weitaus größere Bedeutung haben die wenig verzweigten Kaltpolymerisate (vgl. unter Acrylnitril-Butadien-Kautschuk). Ihr Haupteinsatz erfolgt im Reifen48; daneben werden sie als echte Allzweckkautschuke auch zu zahlreichen anderen Gummierzeugnissen, wie Transportbänder, Riemen, Schläuche usw., verarbeitet, bei denen Beständigkeit in Mineralölprodukten keine Rolle spielt. SBR-Lösungspolymere gibt es, entsprechend der leichteren Einflussnahme auf die Polymerisationsreaktion in Lösungen, sowohl mit statistischer als auch blockförmiger Anordnung der Komponenten. Eine Unterscheidung nach Warm- und Kalttypen entfällt hier. Lösungs-SBR mit statistischer Abfolge ist zwar weniger gut verarbeitbar als Emulsions-SBR, dafür jedoch etwas abriebfester und dynamisch stärker belastbar. Er ist deshalb in der Hauptsache Verschnittkomponente in Reifen-Laufflächen (s. auch unter Butadienkautschuk). 45
44
Covulkanisation bedeutet gemeinsame Vernetzung der Komponenten zu einer zusammenhängenden Phase. Sie gibt sich unter anderem dadurch zu erkennen, dass im Verlauf des Verlustmoduls Λ über die Temperatur (vgl. Bild 3-83) ein einziges (Misch-) Maximum auftritt. Voraussetzung ist neben (polarer) Verträglichkeit ein ähnliches Vernetzungs verhalten. Andernfalls fängt die schneller vulkanisierende Komponente den Vernetzer bevorzugt ab; es entstehen zwei Phasen, von denen jede sich mit ihrem typspezifischen Dämpfungsmaximum äußert.
46
47 48
Die früher zur Unterscheidung gebrauchten Kürzel E-SBR und L-SBR wurden offiziell 1995 abgeschafft. SBR-Varianten mit Styrolgehalten bis zu 85 Masse-%, gelegentlich auch als SSBR bezeichnet, werden im allgemeinen als härtende, aber weitgehend thermoplastische „Verstärkerharze“ (vgl. unter FÜLLSTOFFE) verwendet. mit Polymerisationstemperaturen von ≥38°C bzw. ≤10°C. PKW- und leichte LKW-Reifen, bei denen auf die höhere Elastizität von NR verzichtet werden kann.
202
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-106. Isopren-, Butyl- und Brombutylkautschuk (schematisch)
Lösungs-SBR mit blockförmiger Abfolge verhält sich dagegen aufgrund ausgeprägterer Thermoplastizität besonders günstig bei der Verarbeitung. Er ist indessen kein Allzweckkautschuk, sondern wird gezielt beispielsweise für fein strukturierte, auf Abrieb beanspruchte Spritzgusserzeugnisse, wie Schuhsohlen, eingesetzt. Die (höchstmögliche) Grundeinstufung von SBR-Elastomeren nach SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Schließlich erfolgt in Gestalt der unverzweigten und verzweigten SBS-Dreiblockpolymere der Übergang zu den hier nicht weiter zu behandelnden thermoplastischen Elastomeren (vgl. unter Vernetzung als Voraussetzung für Entropieelastizität).
3.7.7.4
Isobutylen-Isopren-Kautschuk oder Butylkautschuk (IIR)
Mit IIR werden unpolare Copolymere aus Isobutylen und wenig Isopren bezeichnet (Bild 3-106). Sie wer den in Lösung gewonnen und sind entsprechend der niedrigen Polymerisationstemperatur49 unverzweigt. Der geringe C=C-Doppelbindungsgehalt (Ungesättigtheitsgrad)50 bewirkt zwar im Vergleich zu NR oder IR bessere Beständigkeiten gegen Sauerstoff und Ozon, lässt jedoch mit Schwefel keine schnelle Vulkanisation zu. Butylkautschuk covulkanisiert51 infolgedessen nicht mit Dienkautschuken, wie NR, IR, BR oder SBR. 49 50
51
< –90 °C. Je nach Variante 0,5 bis 3%, entsprechend dem molaren Anteil Isopren; vgl. auch Fußnote 23 vgl. Fußnote 47
Da längere Vernetzungsbrücken aus Schwefel, wie sie bei der Vulkanisation mit elementarem Schwefel erhalten werden, Schwachstellen bei der Hitzealterung des an sich recht wärmebeständigen IIR bilden, sind IIR-Elastomere für den Einsatz bei hohen Temperaturen schwefelarm (s. unter Vulkanisation und Vulkanisationschemikalien) oder schwefelfrei, z. B. mit Hilfe von Dioximen oder Dimethylolphenolharzen (= vorkondensierte Phenol-Formaldehydharze), zu vernetzen. Peroxide sind nicht geeignet, da sie bei diesem Kautschuktyp Abbaureaktionen auslösen. Eine bedeutende Steigerung der Reaktionsbereitschaft wird durch nachträgliche Halogenierung von IIR mit Chlor oder Brom52 erreicht. Hierbei ersetzen Halogenatome jeweils ein Wasserstoffatom in Isopren-Bausteinen. DIN ISO 1629 kennzeichnet dies durch ein vorangestelltes C bzw. B. Da insbesondere Br vorzugsweise die reaktive Allylstellung53 besetzt, ist BIIR, je nach effektivem Halogengehalt, im Gegensatz zu IIR covulkanisationsfähig. Hervorstechende Merkmale aller Butylvulkanisate sind Gasdichtigkeit, starke Eigendämpfung und Wasser-(Dampf) beständigkeit; die ersten beiden infolge der durch hohe Methylgruppendichte eingeschränkten molekularen Beweglichkeit54, die letztere wegen Fehlens von Emulgatoren und aufgrund des geringen Ungesättigtheitsgrades. 52
53
54
Der Chlorgehalt in CIIR-Handelsprodukten beträgt 1,2 - 1,3 Masse-%, der Bromgehalt in BIIR-Handelsprodukten 1,8 - 2,4 Masse-%. CH2=CH-CH2- x; ein chemisch aktives x, wie z. B. Halogen, führt zu einem „dienähnlichen“ Zustand. Damit lässt sich auch die starke Zunahme der Rückprallelastizität mit der Temperatur (vgl. Bild 3-90) erklären.
3.7 Elastomere
203
Bild 3-107. Acrylkautschuk (schematisch)
Die (höchstmögliche) Grundeinstufung von IIR- (CIIR-, BIIR-) Elastomeren in SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Hauptanwendungen sind Luftschläuche und Innenlagen („Innerliner“) bei schlauchlosen Fahrzeugreifen; doch bieten sich z. B. auch in der Pharmazie in Form gasdichter Stopfen, Kappen usw. vielfältige Einsatzmöglichkeiten.
3.7.8
Weitere M-Kautschuke (Auswahl)
ACM kennzeichnet Co- und Terpolymere aus Acrylsäureestern, vor allem Ethyl- und Butylacrylat, oder Acrylsäurealkoxyestern und geringen Mengen von Verbindungen mit reaktivem Chlor, wie z. B. 2-Chlorethylvinylether, oder aber Glycidylverbindungen, wie z. B. Methacrylsäureglycidylester oder Allylglycidether (Bild 3-107). Es fehlt nicht an Einzelempfehlungen für Vulkanisationssysteme. Grundsätzlich lassen sich Produkte mit reaktivem Chlor mit Hilfe mehrfunktioneller Amine oder Metallseifen, wie z. B. Kaliumstearat, und Schwefel vernetzen; für Produkte mit Glycidverbindungen können NH3 abspaltende Stoffe, wie z. B. Ammoniumbenzoat, verwendet werden. Temperung zur Nachvernetzung ist in jedem Falle erforderlich. Acrylatkautschuke nehmen eine ausgesprochene Zwischenstellung zwischen Nitrilkautschuk und Fluorkautschuk ein55. Entsprechend den Ausführungen im Zusammenhang
55
Sie sind indessen im Unterschied zu NBR und FKM gegen handelsübliche Ottokraftstoffe nicht beständig.
mit Bild 3-92 ist der Spielraum für die Gestaltung der Mischungsrezepturen bereits vergleichsweise klein. Die (höchstmögliche) Grundeinstufungen von ACM(und EAM-) Elastomeren in SAE J 200 finden sich in Bild 3-112. (EAM wurde hier in gleicher Weise wie HNBR – s. dort – kursiv gekennzeichnet). Ein hervorstechendes Elastomermerkmal ist die hohe Eigendämpfung. Hauptanwendungen sind Dichtungen im Heißölbereich, z. B. bei Schmierstoffen mit verschleißmindernden schwefelhaltigen Zusätzen. EAM bezeichnet Copolymere aus Ethylen und Methacrylat sowie Terpolymere mit einem weiteren Monomeren, das eine seitenständige Carboxylfunktion einbringt (Bild 3-106). Copolymere werden mit Peroxid vulkanisiert; Terpolymere lassen sich mit Hilfe mehrfunktioneller Amine, wie z. B. Diphenylguanidin, vernetzen. Auch hier ist Nachtempern ratsam. Die Beständigkeit gegen Mineralölprodukte ist geringer, die Glasübergangstemperatur dafür günstiger als bei ACM. Die Eigendämpfung ist ebenfalls hoch. Entsprechend ergeben sich ergänzende Anwendungen.
3.7.8.1
Chloriertes und chlorsulfoniertes Polyethylen (CM, CSM)
CM ensteht durch mehr oder weniger weitgehende Chlorierung von Polyethylen, vorzugsweise Hochdruck-Polyethylen, in Lösung. Dabei wird Wasserstoff gegen Chlor ausgetauscht (Bild 3-108). Der Chlorgehalt handelsüblicher Pro-
204
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-108. Chloriertes und sulfochloriertes Polyethylen (schematisch)
dukte liegt zwischen 25 und 43 Masse-%, entsprechend etwa 3–5 Chloratomen je 20 Kohlenstoffatome in der Molekülkette. Diese bleibt in allen Fällen gesättigt. Produkte mit ≥ 35 Masse-% Chlor sind amorph. Zur Vernetzung werden in der Regel Peroxide mit einem Aktivator verwendet. Da der Chlorgehalt der stärker chlorierten Varianten etwa dem von CR (ca. 40 Masse-%) entspricht, kann CM, abgesehen von höheren Glasübergangstemperaturen und stärker thermoplastischem Verhalten, in erster Näherung formal als gesättigter Chloroprenkautschuk betrachtet werden. Dem entspricht die (höchstmögliche) Grundeinstufung von CM-(und CSM-) Elastomeren in SAE J 200 (Bild 3-112). Anwendungen liegen deshalb im oberen Beständigkeitsbereich von CR, auch wenn dabei die Bedeutung von CR bei weitem nicht erreicht wird. CSM entsteht durch Behandlung von Hochdruck-Polyethylen mit Chlor und Schwefeldioxid in Lösung. Zusätzlich zu Chlor (25–43 Masse-%, entsprechend 1 Cl auf ~ 8-3,5 C) werden SO2Cl-Reste (2,5–4,7 Masse-%, entsprechend 1 SO2Cl auf ~ 210-85 C) eingebaut. Die Molekülkette bleibt auch hier gesättigt (Bild 3-108). Die Vernetzung erfolgt leichter als bei CM, vorzugsweise über das aktive Chlor der Sulfochloridgruppe. Sie lässt sich mit Hilfe von Metalloxiden und Beschleunigern, wie z. B. Thioharnstoffverbindungen, gelegentlich auch mit polyfunktionellen Alkoholen, wie beispielsweise Pentaerythrit, bewerkstelligen. Ein herausragendes Vulkanisatmerkmal ist Lichtechtheit.
Anwendungen sind neben Abdicht- und Korrosionsschutzfolien vor allem Schläuche; im Übrigen gilt für die Grundeinstufung von CSM ähnliches wie für CM.
3.7.9
O-Kautschuke (Auswahl)
3.7.9.1
Epichlorhydrinkautschuk (CO, ECO)
Unter den Sammelbegriff Epichlorhydrin-Kautschuk fallen in Lösung hergestellte Homopolymere des Epichlorhydrins, Copolymere aus Epichlorhydrin und Ethylenoxid sowie Terpolymere aus Epichlorhydrin, Ethylenoxid und einem Monomeren, das – wie z. B. Allylglycidether – eine seitenständig ungesättigte Komponente ergibt. Die Molekülkette selbst ist in allen Fällen gesättigt (Bild 3-109). DIN ISO 1629 weist als Kürzel nur CO für Homopolymere und ECO für Copolymere aus; ETER als Kurzbezeichnung für Terpolymere ist zwar üblich, erscheint jedoch nicht in der Norm. Vernetzung ist über das Chloratom mit Diaminen oder entsprechend CR mit Metalloxid (und Beschleuniger) möglich; bei Terpolymeren gestattet die seitenständige Doppelbindung, z. B. in der Allylglycidkomponente, Verschnitte mit anderen ungesättigten Kautschuken und Schwefelvernetzung. Die (höchste) Grundeinstufung von CO- (und ECO-) Elastomeren in SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Bemerkenswert ist das vor allem bei den Copolymeren vergleichsweise günstige Verhältnis von Quellfestigkeit in Mineralölprodukten und Glasübergangstemperatur (vgl. Bild 3-108), gekoppelt mit Ozonbeständigkeit.
3.7 Elastomere
205
Bild 3-109. Chloriertes und sulfochloriertes Polyethylen (schematisch)
Anwendungen sind Bauteile im Kraftstoffbereich von Fahrzeugen; die Beständigkeit von Epichlor-hydrinelastomeren gegen „sour gas“56 ist allerdings strittig.
3.7.10
Q-Kautschuke
3.7.10.1
Siliconkautschuk (Polyorganosiloxan; Q)
Siliconkautschuk ist der Oberbegriff für Kondensationspolymerisate, deren Molekülgerüst sich im Gegensatz zu den bisher behandelten Kautschuken nicht aus Kohlenstoffketten, sondern aus Si-O-Sequenzen aufbaut57. Damit ist die Kette gesättigt. Die restlichen Valenzen der Si-Atome können mit Methyl-, Phenyl- oder Vinylresten abgesättigt sein (Bild 3-110). DIN ISO 1629 unterscheidet dementsprechend MQ, PMQ, VMQ und PVMQ (Q von „Quaternary“). Die Si-O-Bindung ist thermisch stabiler58 als die C-CBindung in einer Polymethylenkette. Seitenständige Methylsubstitution bringt mehr Polarität, jedoch stärkere Hydrolyseanfälligkeit (s. unten) als Phenylsubstitution. Letztere ergibt besonders niedrige Glasübergangstemperaturen. Vinylgruppen als Substituenten erhöhen erwartungsgemäß die Vernetzungsbereitschaft des Kautschuks. 56
57 58
Oxidierter Ottokraftstoff; hier zeichnen vor allem höhere Olefingehalte verantwortlich. (In Deutschland sind Kraftstoffe mit solchen Gehalten derzeit nicht üblich). Deshalb rein formal als „Silico-Keton“ von der Summenformel R2SiO hergeleitet. 373 kJ/mol [14]
Siliconkautschuk wird von den Herstellern häufig einsatzbezogen in Form verarbeitungsfertiger Mischungen für Elastomere mit abgestuften Härten59 angeboten, so dass für den Verarbeiter eine eigene Mischungsentwicklung entfallen kann. Im Hinblick auf die Verarbeitung ist zwischen heiß vernetzenden Mischungen HTV (von „High Temperature Vulcanizing“), heiß vernetzenden flüssigen Systemen LSR (von „Liquid Silicone Rubber“) sowie kalt vernetzenden Ein- und Zweikomponentensystemen RTV (von „Room Temperature Vulcanizing“) zu unterscheiden. Mischungen der HTV-Reihe enthalten höchst aktive „pyrogene“ Kieselsäuren60 und neigen bei längerer Lagerung wegen Solvathüllenbildung am Füllstoff zur Verhärtung. In manchen Fällen kann deshalb vor der Verarbeitung eine Replastizierung in einem Mischwerk notwendig werden. Die Vernetzung erfolgt mit Peroxiden ohne Aktivator. Da in frischen bzw. replastizierten Mischungen nur verhältnismäßig geringe Scherkräfte auftreten, ist es bei entsprechender Vorsicht möglich, auch das bereits bei sehr niedriger Temperatur61 zerfallende Bis-(2,4-Dichlordibenzoyl) peroxid einzusetzen, das als eine der ganz wenigen Ausnahmen unter den Peroxiden auch die Vernetzung in Luft gestattet (s. unter Vernetzung mit Peroxiden).
59 60 61
~ 20-80 Shore A. Spezifische Oberfläche (s. unter Füllstoffe) bis ca. 300 m2/g. Halbwertszeit bei 122°C: 1 min.
206
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-110. Silicon und Fluorsiliconkautschuk (schematisch)
LSR-Systeme bestehen aus zwei Komponenten, von denen die eine den Kautschuk und den Edelmetallkatalysator, die andere den Kautschuk sowie einen Vernetzer und einen Regler enthält. Beide Komponenten werden getrennt zugeführt, dosiert und gemischt; das Gemisch wird gleich anschließend beim Spritzgießen verarbeitet. Insoweit erinnert das Verfahren an Polyurethan-RIM. Die Vernetzung erfolgt zwischen ºSi-H (aus Vernetzer) und H2C=CH-Siº (Vinyl) als Additionsreaktion. RTV-Systeme werden überwiegend zu Dicht- und Abgussmassen verarbeitet und deshalb hier nicht weiter abgehandelt. Alle Heißvulkanisate sollten mit sehr reichlich Frischluft (> 125 l/kg Tempergut und min) getempert werden, um flüchtige Reaktionsprodukte auszutreiben und eine oxidative Nachvernetzung zu erreichen. Siliconkautschuk ist gegen Hydrolyse anfällig. Hierzu erforderliche Feuchtigkeitsspuren finden sich praktisch überall. Deshalb gilt die Typzuordnung nach SAE J 200 (G = 225 °C; s. Bilder 3-99 und 3-112) nur in Gegenwart von Luft, da dann hydrolytischer Abbau und oxidativer Aufbau sich nach außen hin die Waage halten. In geschlossenen Systemen, z. B. unter Öl, ist demgegenüber die Langzeit-Hitzebeständigkeit wegen überwiegenden Abbaus kaum über 150 °C anzusetzen. Weitere hervorstechende Elastomermerkmale sind der hohe elektrische Widerstand und physiologische Indifferenz. Anwendungen sind neben Dichtungen62 vor allem Kabelisolierungen und andere elektrotechnische Bauteile, Walzenbeläge sowie medizinische Artikel (s. u. a. [2], [3])
3.7.10.2
Fluorsiliconkautschuk (FVMQ)
Durch Binden fluorsubstituierter organischer Verbindungen, wie z. B. 3,3,3-Trifluorpropylen, an das Polysiloxangerüst entsteht Fluorsiliconkautschuk mit deutlich besserer Ölbeständigkeit (Bild 3-110). FVMQ vernetzt heiß mit Peroxiden. Die (höchste) Grundeinstufung von FVMQ-Elastomeren in SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Die Glasübergangstemperatur ist mit der von VMQ vergleichbar, und ähnlich diesem hydrolysiert auch Fluorsiliconkautschuk mit stärkeren Säuren und Basen. Der außerordentlich hohe Preis beschränkt seinen Einsatz auf Spezialfälle mit hohen Anforderungen an Ölbeständigkeit und Kälteflexibilität.
3.7.11
U-Kautschuke
3.7.11.1
Urethankautschuk (AU, EU)
Urethankautschuk bzw. -elastomere bilden eine Teilgruppe innerhalb der Polyurethane. Sie unterscheiden sich nach ihrem chemischen Aufbau als Polyesterurethane und Polyetherurethane. Erstere quellen weniger in Mineralölprodukten, sind dafür aber naturgemäß deutlich anfälliger gegen Hydrolyse und Alkoholyse. Alle Polyurethane weisen gesät62
Siliconkautschuk ist mäßig mineralölbeständig, dabei mikroporös und deshalb besonders gas- und flüssigkeits- durchlässig. Dies kann zwar einerseits zu lästigem „Durchtropfen“ von Öl führen, andererseits besitzen aber Silicondichtungen an bewegten Flächen gerade dadurch Notlaufeigenschaften.
3.7 Elastomere
207
Bild 3-111. Polyesterurethan-Kautschuk (schematisch)
tigte Molekülketten auf. Angaben zum chemischen Aufbau (Polyester-PU) enthält Bild 3-111. DIN ISO 1629 verwendet die Kurzbezeichnungen AU für Esterpolymere und EU für Etherpolymere. Ein weiteres wesentliches Unterscheidungskriterium innerhalb der beiden Gruppen ist das Verarbeitungsverfahren bzw. die Beschaffenheit der Ausgangsprodukte. Flüssige gießfähige Systeme haben lineare Polyester mit endständigen Hydroxylfunktionen und mehr-funktionelle Isocyanate zur Grundlage. Diese reagieren zunächst mit einander zu sogenannten Prepolymeren, die anschließend drucklos bei Raumtemperatur oder unter (mäßiger) Wärmezufuhr mit Hilfe mehrwertiger Alkohole, wie z. B. Butandiol-1,463, vernetzt werden. Nachtempern ist zweckmäßig. Feste, walzbare Produkte gibt es auf Polyester- und Polyetherbasis. Sie können wie andere Kautschuke mit den dafür vorgesehenen Einrichtungen über Kautschukmischungen zu Elastomerwerkstoffen verarbeitet werden. Je nach Typvariante ist Vernetzung mit Isocyanaten, Peroxiden oder Schwefel möglich. Isocyanatvernetzte Elastomere aus walzbaren Polyurethanen sind in aller Regel hart64; demgegenüber lassen sich mit 63
Butandiol-1,4 kann sowohl als Kettenverlängerer zur Herstellung von Prepolymeren als auch zur Vernetzung herangezogen werden; die begriffliche Abgrenzung zwischen „Kettenverlängerer“ und „Vernetzer“ erscheint deshalb manchmal nicht eindeutig
Peroxid- und Schwefelvernetzung Härteeinstellungen erzielen, wie sie auch bei anderen Weichgummitypen gebräuchlich sind65. Thermoplastische Polyurethanelastomere werden trotz ihrer Bedeutung in der Ölhydraulik entsprechend der Themenstellung nachfolgend ausgeklammert. Hervorragende gemeinsame Vulkanisatmerkmale sind Verschleißfestigkeit und Gasdichtigkeit. Die (höchste) Grundeinstufung von AU- (und EU-) Elastomeren in SAE J 200 findet sich in Bild 3-112. Anwendungen sind Rollen, Matrizen, Hebebänder und Dichtungen; zellige Urethanelastomere werden z. B. für hoch verformbare Puffer mit stark progressiver Federkennlinie verwendet (vgl. Bild 3-89).
3.7.12
Ölverstreckte Kautschuke
Kautschuke mit sehr großen mittleren Molekularmassen sind grundsätzlich hoch füllbar und ergeben Vulkanisate mit herausragenden mechanischen Eigenschaften; sie sind jedoch aufgrund ihrer hohen Viskosität („Nerv“) nur schwer zur Aufnahme der verschiedenen Mischungszuschläge zu bewegen. Nicht vorbehandelter Naturkautschuk muss deshalb – unter Inkaufnahme gewisser Einbußen – entweder rein mechanisch oder unter Zuhilfenahme beschleunigender 64 65
ca. 70 Shore A - ca. 70 Shore D. das heißt ca. 55-85 Shore A.
208
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
Bild 3-112. Klassifizierung von Elastomeren nach SAE J 200 und relat. Preis-/Leistungsverhältnis
Chemikalien abgebaut („mastiziert“) werden. Um dies zu vermeiden, erhalten besonders hoch polymerisierte Synthesekautschuke, wie z. B. die SBR-Reifentypvariante 1712, bereits bei der Herstellung Zusätze von (Mineralöl-) Weichmachern zur Viskositätsabsenkung. Da die hohe Füllbarkeit grundsätzlich erhalten bleibt, sind vorgegebene Eigenschaftsprofile von Werkstoffen mit ölverstreckten Kautschuken gewöhnlich kostengünstiger zu erreichen als mit unverstreckten. Das Kürzel OE (für „Oil Extended“) vor der eigentlichen Kautschukbezeichnung ist zwar gebräuchlich, kommt indessen in der Nomenklatur nach DIN ISO 1629 nicht vor.
3.7.13
Vorvernetzte Kautschuke
Vorvernetzte Kautschuke enthalten kleine, gezielt vernetzte Bereiche66 („Kurzkettenverzweigung“). Sie sind im Unterschied zu ungeregelt langkettenverzweigten Kautschuken sehr gut verarbeitungsfähig. Die vernetzten Bezirke vermindern den Nerv des Kautschuks und wirken als Gerüstkonstruktion, so dass Maßhaltigkeit und Standfestigkeit von Mischungsrohlingen verbessert werden. Die Zugfestigkeiten 66
67
Diese Vernetzung wird bereits beim Hersteller, z. B. mit Divinylbenzol oder Ethylenglykol/Dimethacrylat, vorgenommen. Faktisse sind geschwefelte, d.h. vulkanisierte ungesättigte pflanzliche Öle, wie z. B. Rapsöl. Sie ergeben oftmals schöne samtartige Oberflächen, sind jedoch wegen des Schwefelgehaltes nicht allzu widerstandsfähig gegen Hitzealterung. Außerdem setzen sie den Abriebwiderstand stark herab (→ Radiergummi).
vorvernetzter Kautschuke sind allerdings niedriger als die unvernetzter Kautschuke. Insgesamt haben vorvernetzte Kautschuke die früher als Gerüstsubstanzen verwendeten Faktisse67 ganz erheblich zurückgedrängt.
3.7.14
Zusammenfassende Darstellung des Grundleistungsvermögens von Elastomeren
Unter dem bereits geäußerten Vorbehalt gegenüber den Klassifizierungskriterien der genormten Systeme lassen sich die bisher abgehandelten Kautschuke und Elastomere, z. B. gemäß SAE J 200, vergleichend darstellen, wobei aus Gründen der Übersichtlichkeit jeweils nur die höchste Einstufung68 wiedergegeben werden kann. Kommt als weitere Größe der relativierte Volumenpreis der Kautschuke hinzu, lassen sich schließlich zumindest näherungsweise auch Preis-/Leistungsverhältnisse vergleichend abschätzen (Bild 3-112)69. 68
69
SAE J 200 ordnet beispielsweise EPDM sowohl AA als auch BA, CA und DA zu. Die unterschiedlichen Hitzebeständigkeiten sind auf vershciedenartige Vernetzungssysteme (Schwefel, Peroxid) zurückzuführen. DA schließt somit die niedrigeren Bewertungen automatisch ein. Der starke Preisanstieg von AA nach HL sollte bei der Werkstoffwahl jedoch nicht zu einer allgemeinen Überschätzung der Bedeutung von Rohstoffpreisen für ein komplettes Endprodukt führen, da sich z.B. zeigen lässt, dass der Marktwert aller im Nichtreifenbereich eines Mittelklasse-PKW eingesetzten Rohkatuschuke auf weniger als 60 € zu veranschlagen ist.
3.7 Elastomere
209
Bild 3-113. Optimierungsspielraum bei 2 und 4 Einflussgrößen (schematisch)
Als Beispiele für die immer wieder zu beobachtende Problematik der Bewertung von Ergebnissen aus solch genormten Prüfungen für die Praxis wurden bereits HNBR und FKM genannt. Weitere Fälle sind z. B. ACM und VMQ. So sind ACM-Typen trotz ausgewiesener guter Hitzeund Ölbeständigkeit gegen marktgängige Ottokraftstoffen auch bei niedrigen Temperaturen nicht resistent. Siliconelastomere wiederum zeigen nur in Gegenwart von (Luft-) Sauerstoff die aus Bild 3-112 ersichtliche hohe thermische Beständigkeit, da dann (hydrolytischer) Abbau der Polymere im dynamischen Gleichgewicht durch oxidative Nachvernetzung kompensiert wird. In geschlossenen Systemen, d. h. ohne Luftzutritt, kann dagegen die Beständigkeitsgrenze bis auf etwa 150°C fallen.
3.7.15
Zusammenfassung
Elastomere haben im Bereich der sogenannten Gebrauchstemperaturen den entropie-elastischen Zustand als gemeinsames Merkmal. Aus ihm lassen sich zunächst gemeinsame Grundeigenschaften und Grundfunktionen herleiten. Unterschiedliche Umgebungseinflüsse während des Einsatzes machen die Aufgliederung in eine Vielzahl von Typen erforderlich. Ihre physikalisch-chemischen Eigenheiten leiten sich auf logische Weise aus dem chemischen Aufbau ab und ermöglichen eine Grobklassifizierung der Elastomere nach Hitze- und Quellbeständigkeit, ohne dass jedoch die Klassiizierungskriterien unbedingt auch ein Maß
für die praktische Eignung darstellen. Die Gebrauchstüchtigkeit der Werkstoffe werden außer von Strukturparametern der zugrunde liegenden vernetzten Kautschuke auch von Beschaffenheit und Menge verschiedener Zuschläge bestimmt. Angesichts des Stoffumfangs ist das Ziel der vorliegenden Darstellung weniger eine umfassende Beschreibung einzelner Produkte oder ein vertiefendes Eingehen auf Einzelerscheinungen als vielmehr ein Versuch, Zusammenhänge herzustellen, um so zu möglichst breit verwendbaren Deutungen zu gelangen und den Leser rasch einem guten Lösungsansatz näher zu bringen. Problemlösung und „richtiger“ Elastomerwerkstoff sind letztlich immer das Ergebnis mehr oder weniger gelungener Kompromisse. Dabei sollte nie aus den Augen verloren werden, dass die Spielräume je Einflussgröße (Bild 3-113, hellgraue Flächen) grundsätzlich umso kleiner werden, je mehr Einflussgrößen zu beachten sind und je mehr Freiheitsgrade (Bild 3-113, dunkelgraue Flächen) für die Umsetzung benötigt werden.
Literatur zu Kapitel 3.7 [1] Williams M L, Landel R F, Ferry J D Ferry Journal of the American Chemical Society, 77, 3401, (1955). [2] Franssen O, Bayerl H Innovation mit Silikon-Elastomeren im Motorraum. Vortrag auf dem 10. KunststoffMotorbauteile Forum, ask O.Altmann, 22./23.01.2007
210
3 Eigenschaften von Kunststoffen in Bauteilen
[3] Neuwirth W 2-K Elastomerverarbeitung für motornahe Systeme – Stand der Technik 2007. Vortrag auf dem 10. Kunststoff-Motorbauteile Forum, ask O.Altmann, 22./23.01.2007
Weiterführende Literatur Gohl W (Hrsg) (1975) Elastomere. Lexika-Verlag, Grafenau Gohl W, Spies KH (Hrsg) (2003) Elastomere – Dicht- und Konstruktionswerkstoffe. 5. Aufl, expert Verlag, Renningen Franssen O, Bayerl H (2007) Innovation mit Silikon-Elastomeren im Motorraum. Vortrag auf dem 10. KunststoffMotorbauteile Forum, ask O. Altmann, 22./23. Januar 2007
Hempel J (2001) Elastomere Werkstoffe. Freudenberg, Weinheim Neuwirth W (2007) 2-K-Elastomerverarbeitung für motornahe Systeme – Stand der Technik 2007. Vortrag auf dem 10. Kunststoff-Motorbauteile Forum, ask O. Altmann, 22./23. Januar 2007 Rinnbauer M (2006)´Technische Elastomerwerkstoffe. Verlag moderne Industrie, München, 70 S, Die Bibliothek der Technik, Band 293, Fredenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik Röthemeyer F, Sommer F (2001) Kautschuktechnologie. Hanser Verlag, München Scholz KG (2006) Tribologie der Elastomere – Anwendungs- und Prüftechnik des elastomeren Verschleißschutzes. Dr. Gupta Verlag, Ratingen, S 499
4
Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Für die meisten Kunststoffe folgt der Synthese bei den Rohstoffherstellern die davon völlig getrennte Verarbeitung. Dies bedeutet, dass Abkühlung und erneute Aufheizung sowie Transport, manchmal mehrfach, dazwischen liegen. Ausnahmen bilden bisher Polyurethan RIM, RRIM und SRIM und Nischenanwendungen wie Caprolactam-Synthese im Verarbeitungswerkzeug zu Polyamid, sog. Guss-PA. Dagegen ist die Halbzeugherstellung bei glasmattenverstärkten Thermoplasten (GMT) meist mit PP-Matrix, Stäbchengranulate mit Langglasfasern oder SMC heute noch Stand der Technik. Für die Zukunft zeichnet sich allerdings ein Wandel für einige Verarbeitungstechnologien ab. Aufwendige Zwischenschritte werden entfallen, der Verarbeiter wird mehr zum WerkstoffDesigner (Compoundeur), Rohstoffhersteller liefern ihm Vorprodukte. Für Standard-Spritzgieß- oder Extrusionsprozesse werden sich allerdings in absehbarer Zeit keine grundsätzlichen Änderungen im Verfahrensablauf ergeben. Tabelle 4-1 zeigt anhand von Prinzipskizzen einige gängige Verarbeitungsverfahren auf, ordnet sie den Kunststoffhauptgruppen Thermoplaste, Duroplaste, Elastomere zu und deutet die Prozessschrittfolge von der Synthese zum Bauteil an. Tabelle 4-2 gibt eine Übersicht mit Prinzipskizzen zu häufig angewandten Kunststoff-Verarbeitungsverfahren.
4.1
Urformen
4.1.1
Aufbereitung Helmut Schüle
Trennverfahren Zerkleinern Ziel des Zerkleinerns ist eine Reduzierung der Korngröße bei gleichzeitiger Vergrößerung der Oberfläche. Großen Einfluss auf den Zerkleinerungsmechanismus haben in hohem Maße die temperaturabhängigen Eigenschaften (spröd, zäh
oder elastisch) des zu zerkleinernden Guts. Durch die Wahl des eingesetzten Weiterverarbeitungsverfahrens werden die Eigenschaften des Zerkleinerungsprodukts – Korngröße, Kornform, Korngrößenverteilung und ggfs. auch die Rieselfähigkeit des polydispersen Haufwerks – vorgegeben. Dem Zerkleinern ist meist ein Sieben (Feinkornentfernung) und ggfs. ein Sichten (definierte Korngrößenverteilung) nachgeschaltet. In praxi unterscheidet man zwischen Grobkorn und Feinkorn (Grenzwert zwischen 300 μm und 500 μm). Die Herstellung von definiertem Feinkorn kann erhebliche technische Probleme bereiten und kann u. U. nicht machbar sein. Bei praxisüblichen Zerkleinerungsmaschinen kommen verschiedene Beanspruchungsarten zur Anwendung (Druck-, Schlag-, Prall-, Scherbeanspruchung und Schneidzerkleinerung). Entscheidende Verarbeitungsgrößen sind neben den auftretenden Kräften insbesondere die vorliegende Kinematik. Zum Einsatz kommen üblicherweise Schneckenbrecher, Luftstrahlmühlen sowie Walzen-, Schwing- und Hammermühle bei zu sprödem Stoffverhalten neigendem Zerkleinerungsgut; bei zähem Stoffverhalten werden Schneidmühlen und Guillotinescheren bevorzugt. Mischen und Kneten Durch Mischen soll eine zunächst sehr ungleichmäßige Verteilung der einzelnen Mischungskomponenten in ein dem nachfolgenden Verarbeitungsschritt gerecht werdenden, ausreichenden Homogenitätszustand umgewandelt werden. Relativbewegung und Platzwechselvorgänge zwischen den einzelnen Komponenten sind hierfür erforderlich. Werden bei Feststoffgemischen die Teilchen zueinander verändert, so spricht man vom distributiven Mischen. Für derartige Abmischungen werden häufig Taumel- und Schaufelmischer, aber auch Freifallmischer eingesetzt. Der Mischprozess ist hierbei durch die Schwerkraft geprägt. Einfluss auf das Mischergebnis hat neben der Teilchengrößenverteilung auch die Mischzeit (Gefahr der Entmischung). In praxi werden auch druckluftbetriebene Wirbelmischer (bei der PVC-Dryblend-Aufbereitung als Heiz-/Kühlmischerkombination) eingesetzt.
212
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-1 Schematische Übersicht zur Verarbeitung von Kunststoffen
4.1 Urformen
Tabelle 4-1 (Fortsetzung)
213
214
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-2 Übersicht zu Kunststoffverarbeitungsverfahren [1] (unter Verwendung von [2], [3]).
4.1 Urformen
Tabelle 4-2 (Fortsetzung)
215
216
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Werden die einzuarbeitenden festen Komponenten sowohl in ihrer Lage innerhalb einer Flüssigkeit verschoben und dabei gleichzeitig zerkleinert liegt dispersives Mischen, auch Dispergieren genannt, vor. Um Agglomerate bzw. Zusammenlagerungen aufbrechen zu können bzw. Zerkleinerungsbrüche zu erwirken, müssen die auf die Feststoffteilchen einwirkenden Kräfte bzw. Schubspannungen ausreichend groß sein. Der Oberflächenspannung, d. h. Benetzungsfähigkeit, der Festpartikel kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Bei hochviskosen Polymerschmelzen erreicht man ein optimales Dispergierergebnis nur durch kontinuierlich oder diskontinuierlich arbeitende Kneter. Die Schmelzekomponenten können in der viskositätsbedingt vorliegenden Laminarströmung nur unter Einwirkung auftretender Scher- und/oder Dehnkräfte zu Bahnen ausgestrichen werden. Eine homogene Verteilung ist als Ergebnis von sehr geringen Partikelbahnabständen zu sehen. Prinzipiell können hier dynamische als auch statisch arbeitende Mischer eingesetzt werden. Beim Durchströmen eines Statikmischers werden die einzelnen Schmelzeströme mittels eingebauter Umlenkbleche, Lamellenpakete oder Bohrungssysteme ständig aufgeteilt, umgelenkt und verwischartig wieder zusammengebracht. Bei dynamischen Mischern erfolgt der eigentliche Mischvorgang durch bewegte Teile im Innern des Mischapparates. Beispiele sind die an Förderschnecken an der Spitze zum Einsatz kommenden, sich mit der Schneckendrehzahl mitbewegenden Mischteile (z. B. Igel-, Rauten-, Zahnringausführungen). Während des Mischvorgangs erfolgt eine Verteilung der einzelnen Komponenten durch Strömen in tiefgeschnittenen Kanälen mit Seitendurchbrüchen (Verwisch- und Umlenkschmelzeströme). Charakteristisches Merkmal aller Mischer ist der Umstand, dass bei richtiger Auswahl der Bauteilgeometrie in Wechselwirkung mit den anzutreffenden Viskositäts- und Geschwindigkeitsverhältnissen die Schmelzetemperatur nahezu konstant bleibt.
Bild 4-1. Statikmischer nach Sulzer
In praxi werden auch kontinuierlich und diskontinuierlich arbeitende Schneckenkneter (Einfach- und Doppelschneckenkneter, Buss-Ko-Kneter bzw. Schaufelkneter, Doppelmuldenkneter sowie Innenmischer) als Mischaggregat eingesetzt. Plastifizieren Beim Plastifizieren wird ein feststoffförmiges, meist als Haufwerk vorliegendes, Polymergemisch durch Einbringung von Wärme von außen (Heizbänder, temperierte Knetwalze) und durch einen ausgeprägten mechanisch-thermischen Energieumsatz in den schmelzeflüssigen Zustand überführt. Der Plastifiziervorgang kann je nach geforderter Produktmenge kontinuierlich (Ein- und Doppelschnecke, Stiftextruder, Planetwalzenextruder, Buss-Ko-Kneter) oder diskontinuierlich (Kalanderwalzwerk, großvolumige Innenkneter, Labormesskneter) durchgeführt werden. In vielen Verarbeitungsfällen wird wegen des chemisch einsetzenden Umwandlungsprozesses (Vernetzungsreaktion, Vulkanisierung) aufgrund der Möglichkeiten der Temperaturführung bzw. des Verweilzeitspektrums der Batchbetrieb bevorzugt. So ist beim Innenkneter (Elastomerverarbeitung) eine sehr genaue Einhaltung der vorliegenden Verarbeitungsparameter (Temperatur, Füllgrad, Drehzahl) und somit der sich einstellenden Produktqualität möglich. Siehe auch Kapitel 4.1.3.2. Granulierung und Agglomerieren In praxi werden bei vielen Verarbeitungsverfahren vorzugsweise staubfreies Granulat-Haufwerk mit mittleren Kornteilchendurchmessern (üblich ca. 3 mm) und definierter Größenverteilung herangezogen. Eine gute Rieselfähigkeit des Haufwerks begünstigt dabei das Einzugsverhalten der Maschine und ermöglicht – ohne Stopfvorrichtung – eine pulsationsfreie Verarbeitung auf hohem Produktniveau. Staubexplosionen können nicht auftreten. Grundsätzlich erfolgt das Granulieren auch, um die Formmasse zu konfektionieren (Einfärben, Compoundieren) oder zu refinern. Wird beim Heißgranulieren (bis zu 30 t/h Durchsatz möglich) die aufzubereitende Kunststoffschmelze unmittelbar nach Austritt aus dem Werkzeug mittels eines Messers noch im thermoplastischen Zustand abgeschlagen (geschnitten), so erfolgt die Herstellung des Granulats beim Kaltgranulieren (maximal bis ca. 400 kg/h Durchsatz möglich) erst nach Durchlaufen der extrudierten Stränge eines Wasserbads durch Schneiden (Strang- oder Band-Granulator). Sofern die Stränge an der Luft abkühlen, spricht man von Luftgranulieren (technisch bedeutungslos). Da beim Heißabschlagverfahren die geschnittenen Schmelzeteilchen im Wasser sofort einfrieren und das Innere erst nach einiger Zeit erstarrt, bildet sich durch diesen Schwindungsprozess die typische Linsenform für das Granulat aus. Bei Kaltgranulieren wird der einge-
4.1 Urformen frorene Strang lediglich geschnitten. Ein zylindrisches Korn mit ausgeprägter Schnittkante liegt vor. Siehe auch Kapitel 4.1.3.2. Beim Agglomerieren wird Mahlgut (Recyclat) durch ein lochscheibenähnliches Werkzeug durchgedrückt, erwärmt und angesintert. Der austretende, verbackene Strang wird dann in einem Schneidgranulator zerkleinert. Das so entstandene, rieselfähige Haufwerk ist ohne Stopfvorrichtung extrudierbar. Filtrieren Polymerschmelzen enthalten sehr häufig Verunreinigungen und inhomogene Phasen, welche aufgrund der vorliegenden Größe und des Mengenanteils einen ungestörten Betriebsablauf nicht ermöglichen. Derartige Fremdkörper (z. B. Pigmentagglomerate) können zum Einreißen einer Blasfolie, Abriss eines abgezogenen Fadens oder zur Verringerung der Durchschlagfestigkeit einer Kabelummantelung führen. In der Extrusion werden vorzugsweise Siebgewebe aus Edelstahl verwendet. Die einzelnen metallischen Gewebe mit definierter Maschenweite (30 bis 70 μm) werden zu einem Siebpaket zusammengestellt und von einer Stützplatte (Loch-
217
platte) gehalten. Der einwirkende Schmelzedruck (bis 500 bar) darf hierbei zu keiner Durchbiegung des Aggregats führen (Bild 4-2). In praxi werden in die Filtereinrichtung unterschiedliche Bauarten an Filterelemente eingelegt. Beispiele: Bolzensiebwechsler, Siebräder, hydraulisch oder manuell betriebene Plattensiebwechsler. Dosieren Dosiergeräte werden für die hochgenaue Dosierung und Mischung von allen rieselfähigen, frei fließenden Materialien eingesetzt (z. B. Masterbatch, Additive, allgemein Zusätze, Treibmittel). In der Kunststoffverarbeitung sind sowohl gravimetrisch als auch volumetrisch arbeitende Dosiersysteme anzutreffen. Vorteile beim gravimetrischen Dosieren sind neben einer exakten Erfassung der Schüttgutmasse eine gleich bleibende homogene Mischung sowie eine sehr genaue Mengenzugabe in den Dosiertrichter. In der Praxis haben sich insbesondere selbstabziehende Dosierbandwaagen bewährt. Auch kommen Dosierschnecken und DifferentialDosierwaagen zum Einsatz. Als volumetrisch arbeitende Systeme sind Schneckendosierer, Banddosierer und Zellenraddosierer anzuführen. Trocknen und Temperieren Bei Kontakt- und Strahlungstrockner erfolgt die Beheizung mittels Heißluft, Kontakt- oder IR-Strahlungswärme. Anzutreffen sind je nach Aufgabenstellung Durchlauföfen und Trockenlufttrockner, Doppelkonustrockner, Taumelmischtrockner und Vakuumtrockeneinheiten. Die Temperierung bzw. Beheizung von Maschinen erfolgt in aller Regel mittels Hochleistungskeramikheizbändern (Rahmen- oder Zylinderform), Heizpatronen und Heizkörpern. Auch werden mit Öl bzw. Wasser betriebene Temperiergeräte eingesetzt. Kühlen erfolgt meist mit Kaltwassermaschinen, Wasserrückkühlaggregaten, Wärmeaustauschersystemen und mit kompletten Industriekühlanlagen.
Literatur Kapitel 4.1.1 [1] Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 07/08, 14. Aufl, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, Pfinztal [2] Schwarz Ebeling Lüpke Schelter (2000) Kunststoffverarbeitung kurz und bündig. 6. Aufl, Vogel Verlag, Würzburg, 292 S [3] Schreyer G (1972) Konstruieren mit Kunststoffen. Studienausgabe 1979, Carl Hanser Verlag, München, 1117 S Bild 4-2. Filtersystem nach Kreyenborg
218
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Weiterführende Literatur Albers A (2006) Neuartige Kompaktier- und Granuliermaschine (Walzengranulator). Kunststoffe 96(2006)11, S 81–86 Gächter R, Müller H (1989) Taschenbuch der Kunststoffadditive. 3. Aufl, Carl Hanser Verlag, München Michaeli W (1994) Einführung in die Kunststoffverarbeitung. 4. Aufl, Hanser, München NN (1995) Aufbereitung von Polymeren mit maßgeschneiderten und neuartigen Eigenschaften. VDI, Düsseldorf Franck A (2000) Kunststoff-Kompendium. 5. Aufl, Vogel Verlag, Würzburg Röthemeyer F, Sommer F (2001) Kautschuktechnologie. Hanser, München, ISBN 3-446-16169-4 Schroer T, Wortberg J (2002) Granulat richtig trocknen. Kunststoffe 92(2002)5, S 44–49 Groß C (2006) Einfluss von Farbpigmentbatchen auf den Produktwechsel bei der Blasfolienextrusion. Shaker Verlag, Aachen, 114 S Grütter H, Trachsel R, Siegenthaler HU (2007) Ko-Kneter für Kabelcompounds (Aufbereitungstechnik). Kunststoffe 97(2007)9, S 207–211 Kohlgrüber K, Wiedmann W (2007) Der gleichläufige Doppelschneckenextruder – Grundlagen, Technologie, Anwendungen. Hanser Verlag, München, 367 S
Bild 4-3. Schema des Urformens von Kunststoffen (T, D, E) [1]
Michael G (2007) von der Folienextrusion (Mischen, Fördern, Dosieren).Kunststoffe 97(2007)9, S 213–218 Stebani J, Maier G, Bacher E (2007) Schneller – umfassender – effizienter (Compound-Entwicklung). Kunststoffe 97(2007)9, S 226–231 Wiedmann W (2007) Goldene Hochzeit der gleichläufigen Schnecken (Aufbereitung). Kunststoffe 97(2007)10, S 228–291 Wiedmann W, Schönfeld S (2007) Direktherstellung von Verpackungsfolien (Compoundieren). Kunststoffe 97(2007)8, S 104–108
4.1.2
Verarbeitung von Kunststoffschmelzen
Das Urformen von Kunststoffen erfolgt üblicherweise durch einen Fließprozess. Die einzelnen Makromoleküle von Thermoplasten, Duroplasten und Elastomeren müssen dazu beweglich sein und aneinander abgleiten können. Die Duroplaste und Elastomere vernetzen bzw. vulkanisieren erst nach der Formgebung und erhalten die sie kennzeichnende vernetzte Struktur. Damit besitzen Duroplaste und Elastomere im Gegensatz zu Thermoplasten auch bei hohen Temperaturen (oberhalb des Haupterweichungsbereiches) eine zur Entformung ausreichende Eigensteifigkeit. Amorphe Thermoplaste können hingegen erst unterhalb des Haupterweichungsbereiches
4.1 Urformen entformt werden, teilkristalline Thermoplaste je nach Kunststoff ca. 50 bis 100 °C unterhalb der Kristallit-Schmelztemperatur. Schematisch lässt sich das Urformen aller Kunststoffe mit Einschränkungen beim Walzen und Pressen durch folgende Darstellung charakterisieren (Bild 4-3): Durch Energiezufuhr wird die Kunststoffmasse plastifiziert und unter Druck in die gewünschte Form gepresst (Spritzgießen, Extrudieren usw.). Die Scherkräfte verformen die Makromoleküle, d. h. sie werden orientiert. Der im Formteil erreichte Orientierungsgrad hängt von der Größe der bei der Formgebung wirkenden Scherkräfte ab. Diese werden durch die Schergeschwindigkeit beeinflusst.
4.1.2.1
Fließeigenschaften von Schmelzen
Die Fließfähigkeit einer Kunststoffschmelze hängt im Wesentlichen von der Beweglichkeit von Molekülsegmenten ab und damit von der Temperatur, von ihrer Gestalt, vom Verhakungs- und Verzweigungsgrad, von der Molmasse bzw. von deren Verteilung. Rheologie der Kunststoffschmelze [2], [5] Das Beschreiben, Erklären und Messen der Fließeigenschaften von Stoffen (z. B. von Kunststoffen) ist zentraler
Bild 4-4. Schematische Darstellung von Scherströmung und Dehnströmung [3]
219
Gegenstand der „Wissenschaft von der Deformation und dem Fließen der Körper“, die man „Rheologie“ nennt. Bei der Kunststoffverarbeitung müssen die zu verarbeitenden Werkstoffe in aller Regel in einem fließfähigen Zustand vorliegen. Dieses wird z. B. bei thermoplastischen Kunststoffen durch das Aufschmelzen erreicht. Die Viskosität ist ein Maß für den inneren Widerstand des Werkstoffes gegen eine während des Fließens stetig wirkende Kraft. Beim Fließprozess, wie er in Kunststoffverarbeitungsmaschinen auftritt, wird die Schmelze hauptsächlich geschert [2]. Man unterscheidet: Scherströmung (Scherfließen) (Durchfließen einer Düse – Urformprozesse) und Dehnströmung (Streckfließen) (Querschnittsveränderungen, z. B. beim Verstrecken), wobei real meist eine Überlagerung auftritt. Während sich die Fließfront bei der Scherströmung nur in eine Richtung bewegt, Bild 4-4 (A), tritt bei einer zweidimensionalen Fließfrontänderung ein zusätzlicher Orientierungseffekt durch Dehnströmung auf (B). An einer Viertelkreisscheibe lässt sich zeigen, Bild 4-4 (B), wie ein konzentrisch um den Angussbereich liegendes Volumenelement beim Fortschreiten der Fließfront immer stärker in Querrichtung gedehnt wird. Durch die Dehnkräfte
220
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-5. Schematische Darstellung des Scherfließens einer laminaren Strömung (Geschwindigkeitsverteilung im Zweiplattenmodell bei Wandhaftung) [4]
Bild 4-6. Erklärung von Schubspannung und Schergeschwindigkeit an einem Teilchen in einer Flüssigkeit [4]
ordnen sich die Makromoleküle und auch die Glasfasern in Richtung der Dehnströmung und damit senkrecht zur Fließrichtung. Dies gilt auch für beispielsweise zentral angespritzte Platten und für die meisten spritzgegossenen Formteile. Im Folgenden werden einige Grundlagen der Fließeigenschaften von Schmelzen vereinfacht dargestellt. Am Beispiel des Newton’schen Zweiplattenmodells kann das Scherfließen einer Flüssigkeit erklärt werden, Bild 4-5.
Die Flüssigkeitsschichten zwischen den gegeneinander sich bewegenden Platten gleiten aufeinander ab – die Flüssigkeit wird geschert. Die Scherspannung verformt den Quader mit der Schergeschwindigkeit γ⋅ (oder auch Schergradient genannt), Bild 4-6. dv d ds ds d γ⋅ ⋅ 5=5 5 = 5 =5 γ dy dy dt dy dt
4.1 Urformen
Bild 4-7. Abhängigkeit der Geschwindigkeit vom Radius r bei der Rohrströmung [5] a Newton’sches Fließen; k = 1. b strukturviskose Flüssigkeit; k = 3 Kunststoff-Schmelze nach BASF [5]
Die Schergeschwindigkeit ist das Verhältnis der Geschwindigkeitsdifferenz Δv zweier aneinander vorbei fließender Schichten zu deren Abstand y (senkrecht zur Strömungsrichtung). Sie drückt damit aus, wie schnell ein zwischen verschiedenen Schichten liegendes Teilchen seine Gestalt verändert, während sich die Schichten mit der Fließgeschwindigkeit fortbewegen. Beim so genannten Newton’schen Fließverhalten (z. B. bei Wasser und Öl) sind Scherspannung τ und Verformungsgeschwindigkeit (Schergeschwindigkeit) γ⋅ proportional, [5]
τ = η · γ⋅
221
Der Koeffizient η heißt Viskosität 1 (oder Zähigkeit). Die meisten Flüssigkeiten, Kunststoffschmelzen eingeschlossen, gehorchen bei mittleren und hohen Schergeschwindigkeiten nicht dem Newton’schen Fließgesetz. Für die Charakterisierung solcher Flüssigkeiten genügt daher nicht mehr eine einfache Viskositätsangabe, sondern das Fließverhalten wird durch die Fließkurve angegeben, Bild 4-7, Kunststoffschmelzen fliessen viskos 2. Diese nicht-Newton’sche Fließeigenschaft der Schmelzen bezeichnet man bei Kunststoffen als Strukturviskosität. Bild 4-7 veranschaulicht unter Vernachlässigung von Erstarrung an der Wand den Einfluss des Fließverhaltens von Kunststoffschmelzen auf Geschwindigkeitsprofile bei der Rohrströmung. Real werden sich unterschiedliche Geschwindigkeitsprofile über den Querschnitt gemäß Bild 4-8 je nach fortschreitender Erstarrung an der Werkzeugwand einstellen. Aus Bild 4-9 wird deutlich, dass bei Kunststoffschmelzen die Scherspannung bei höheren Schergeschwindigkeiten degressiv verläuft (strukturviskos), d. h. mit zunehmender Schergeschwindigkeit braucht man weniger Kraft. Für die Verarbeitung sehr vorteilhaft. Tabelle 4-3 gibt qualitativ die Auswirkung verschiedener Einflüsse auf das Fließverhalten von Kunststoffschmelzen wieder. 1
genauer: dynamische Viskosität η Nsm2 Ⳏ 1 Pascal Sekunde (Pa s) alte Dimension: 1 Poise (P) Ⳏ 0,1 Pa s; 1 Centipoise (cP) Ⳏ 1 Millipascal Sekunde η (mPa s); weiter: kinematische Viskosität ν = 3 : ν … cm2 s–1 Ⳏ Stokes (st) ρ
2
unter plastischem Fließen versteht man die bleibende Verformung, die sich bei Festkörpern einstellt, wenn eine bestimmte Mindestspannung (Fließgrenze) überschritten wird; dagegen ist das viskose Fließen die bleibende Verformung im entropieelastischen Bereich sowie im Schmelz- bzw. Fließbereich von Kunststoffen.
Bild 4-8. Schema der Bewegungsvorgänge beim Füllvorgang [6]. a Schmelzefront; b1 Randschichten beginnen zu erstarren; b2 Randschichten sind bereits erstarrt; c Schmelzeprofil in „plastischer Seele“
222
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-3 Qualitative Auswirkungen verschiedener Einflüsse auf die Viskosität η von Kunststoffschmelzen [1]
Bild 4-9. Fließverhalten Newton´scher, strukturviskoser und dilatanter Flüssigkeiten bzw. Schmelzen [4]
Einflüsse auf die Viskosität
η
größere Molmasse mehr langkettige Verzweigungen steigender Verarbeitungsdruck höherer Füllstoffanteil
↑ ↑ ↑ ↑
höhere Temperatur Zugabe von Weichmachern (Gleitmittel, Treibmittel u. a.) größere Schergeschwindigkeit Alterung (Kettenbrüche = kleinere Molmasse)
↓ ↓ ↓ ↓
Die Auswirkungen der Strukturviskosität von Kunststoffschmelzen bei der Verarbeitung wird aus dem Verlauf der Viskosität über der Schergeschwindigkeit von verschiedenen Polyethylenen in Bild 4-10 ersichtlich. Abschließend werden zum Schmelzeverhalten einige Begriffe erläuternd zusammengefasst [5]: 1. Die Viskosität η ändert sich mit der Scherbeanspruchung, also der Schubspannung τ oder der Schergeschwindigkeit γ˙ a) η nimmt mit γ˙ zu: Dilatanz, b) η nimmt mit zunehmendem γ˙ ab: Strukturviskosität (im englischen Schrifttum als „pseudoplasticity“ bezeichnet). 2. Die Viskosität η ändert sich bei konstanter Scherbeanspruchung im Laufe der Versuchszeit t: a) η nimmt mit t zu: Rheopexie, b) η nimmt mit t ab: Thixotropie. 3. Mit dem viskosen Fließen sind gummielasische Verformungen gekoppelt (die beim Aufhören des Fließens eine elastische Rückdeformation anstreben): Elastische Flüssigkeit. Als Folge der Elastizität treten beim Fließen neben Schubspannungen auch noch Normalspannungen auf: Normalspannungs- oder Weißenberg-Effekt.
4.1.2.2
a Lupolen 1800 H b Lupolen 1800 M PE-LD: ρ ≈ 0,918 c Lupolen 1800 S (BASF) Schmelzindex (MFI …Mold Flow Index) g/10min a MFI = 1,7 abnehmende Molmasse b MFI = 7 von a nach c c MFI = 20
↓
Bild 4-10. Viskosität in Abhängigkeit von der Schergeschwindigkeit bei drei Polyethylen-Typen, Temperatur 150 °C. Rechts oben sind die Verarbeitungsbereiche angegeben [5]
Verformungsverhalten von Schmelzen (und auch Festkörpern)
Deformationsverhalten – Viskoelastizität Verformt man eine Kunststoffschmelze3, so nimmt sie nach Wegnahme der die Verformung auslösenden Kraft ihre Ausgangslage zeitlich verzögert und nicht mehr vollständig ein. Die Schmelze bleibt teilweise irreversibel verformt. Es wirken demnach gleichzeitig zeitunabhängige elastische und 3
im weitesten Sinne ist ein amorpher Thermoplast bei jeder Temperatur eine Schmelze. Unterhalb der Fließtemperatur ist diese Schmelze mehr oder weniger eingefroren. Bei teilkristallinen Thermoplasten betrifft dies die amorphen Bereiche, so dass die obigen Überlegungen allgemein für Thermoplaste gelten.
4.1 Urformen
Tabelle 4-4 Gegenüberstellung verschiedener Modelle und Gleichungen zum Verformungsverhalten von Werkstoffen [1]
223
224
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
zeitabhängige viskose Eigenschaften zusammen. Durch verschiedene Verknüpfungen der Grundgleichungen für das elastische und viskose Verhalten der Werkstoffe lassen sich vereinfachend eine Reihe von Erscheinungen beschreiben. Kapitel 7.1.6.3.2 gibt eine Übersicht über solche Grundgleichungen zum Verformungsverhalten von Werkstoffen, Schmelzen eingeschlossen. Durch die Verwendung von Feder- und Dämpfer-Elementen lässt sich das Verformungsverhalten von Kunststoffschmelzen und damit von Kunststoffen bzw. Werkstoffen allgemein vereinfachend, aber anschaulich beschreiben. Ein praxisrelevantes beispielhaftes Phänomen, bei dem das viskoelastische Verhalten von Kunststoffschmelzen innerhalb der Rheologie eine Rolle spielt, ist die Strangaufweitung beim freien Ausströmen der Schmelze aus einer Düse (Profilwerkzeug eines Extruders). Molekülorientierungen, Scherkräfte, Düsenlänge, Relaxation, Massetemperatur, Viskosität, Molekülgestalt (Konstitution) spielen dabei eine Rolle. Im Kapitel 4.7.2 wird die Strangaufweitung als Beispiel für Molekülorientierungen beim Extrudieren erörtert.
Literatur – Kapitel 4.1.2 [1] Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 2007/08; 14. Aufl, Pfinztal: Fraunhofer ICT, 2007 [2] Michaeli W (2003) Kunststoffkunde Vorlesungsunterlagen. Aachen, Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), RWTH Aachen 2003 [3] Weigand H, Vetter H (1966) Molekulare Orientierung in Spritzgußteilen als Folge der Verarbeitung. Kunststoffe 56(1966)11, S. 761–769 [4] Menges G, Haberstroh E, Michaeli W, Schmachtenberg E (2002) Werkstoffkunde Kunststoffe. München: C. Hanser Verlag, 2002, 5. Auflg., ISBN 3-446-21257-4 [5] Kunststoff-Physik im Gespräch. Gespräche über Eigenschaften der Kunststoffe. 7. Auflage, S. 115, BASF AG Ludwigshafen, 1988 [6] Kaliske G, Seifert H (1973) Formfüllstudie beim Spritzgießen von glasfaserverstärktem Polyamid-6. Plaste und Kautschuk 20(1973)11, S. 837–841
Weiterführende Literatur NN (2007) Encyclopedia of polymer science and technology. 3. Aufl, J. Wiley, Hoboken NJ Dealy JM, Larson RG (2006) Structure and Rheology of Molten Polymers. Hanser Verlag, München, 530 S Boss M, Wodke Th (2007) Kapillarrheometer perfektioniert Spritzgießprozess. Kunststoffe 97(2007)11, S 139–141
Ferry JD (1980) Viscoelastic Properties of Polymers. 3rd edition, John Wiley & Sons Gogos CG, Tadmor Z, Kim MH (1998) Adv. Int. Polym. Tech. 17, 4 (1998) 1 Graessley WW, Roovers J (1979) Melt rheology of four-arm and six-arm star polystyrenes. MArcomol. 12:5, S 959–965 Hepperle J (2003) Einfluss der molekularen Struktur auf rheologische Eigenschaften von Polystyrol und Polycarbonatschmelzen. Shaker Verlag, Aachen Kohlgruber K, Wiedmann W (2007) Der gleichläufige Doppelschneckenextruder. Hanser Verlag, München, 367 S (darin: 20 Seiten Rheologische Eigenschaften von Polymerschmelzen) Laun HM (1987) Orientation of macromolecules and elastic deformations in polymer melts. Influence of molecular structure on the reptation of molecules. Progr. Colloid & Polymer Sci. 75, S 111–139 Macosko CW (1994) Rheology: principles, measurements and applications. VCH Malkin AY (1994) Rheology Fundamentals. ChemTec Publ., Toronto, 326 S Mezger Th (2007) Das Rheologie Handbuch. Vincentz Network, Hannover, 2. überarbeitete Auflage, 334 S Münstedt H (1980) Dependence of the elongational behaviour of polystyrene melts on molecular weight distribution. J Rheol. 24:6, S 847–867 Pahl M, Gleißle W, Laun, HM (1995) Praktische Rheologie der Kunststoffe und Elastomere. VDI-Verlag, Düsseldorf Steffe JF (1996) Rheological Methods in Food Processing. 2nd edition, Freeman Press Stelter M (2001) Das Zerstäubungsverhalten nicht Newtonscher Flüssigkeiten. Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg Tamdor Z, Klein I (1985) Engineering Principles of Plasticating Extrusion. Robert E. Krieger Publishing Company, Malabar (1985)
4.1.3
Verarbeitung von Thermoplasten (Urformen)
Das Urformen von amorphen und teilkristallinen Thermoplasten erfolgt im Fließ- bzw. Schmelzbereich. Bild 4-11 zeigt erneut, dass die einzelnen Zustände keine festen Temperaturgrenzen haben. Weiter wird für Thermoplaste die Verarbeitbarkeit in Abhängigkeit von der Temperatur deutlich. Eine zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Verarbeitungsverfahren von Thermoplastschmelzen gibt Tabelle 4-2. Zur Vertiefung siehe auch [2]-[5].
4.1 Urformen
225
Bild 4-11. Zustandsform und Verarbeitbarkeit von Thermoplasten in Abhängigkeit von der Temperatur (in Anlehnung an Schreyer und erweitert) [1]
Die beiden wichtigsten Urformverfahren, das Spritzgießen und das Extrudieren, werden etwas ausführlicher dargestellt. Zusammenstellung von Verarbeitungsvarianten Die folgende Zusammenstellung [5] informiert über die große Zahl von Verarbeitungsvarianten innerhalb der HauptTechnologien Ur- und Umformen. Auffallend ist dabei die riesige Zahl von Unterverfahren beim Spritzgießen. Beachtlich ist auch, dass die Hälfte der Spritzgießvarianten in den vergangenen 15 Jahren entwickelt wurde.
Spritzgießen − Spritzpräge-Technik (SPT) einschließlich dünnwandiger Formteile − Hinterprägetechnik (HPT) • Gegentakt-Spritzgießen (GTS) − Hinterspritz-Technik (HST) − Schmelzkerntechnik (SKT), Lösekerntechnik (LKT) − Zwei-Schalen-Technik (2-ST) − Spritzgieß-Pressrecken − Thermoplast-Schaumguss (TSG) − Mehrkomponenten-Spritzgießtechnik (MKT) − Mehrfarben-Spritzgießtechnik (MF-SGT) • Advanced Composite Casting (ACC) (Umspritzen von FV-Vorformlingen)
226
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
− Gasinnendruck-Spritzgießtechnik (GIT), Wasserinjektionstechnik (WIT) [15] − Spritzblasen − Langfaser-Spritzgießen (IMC) − Liquid Crystal Polymer (LCP)-Spritzgießen − Inmold Decorating (IMD) − Inmold Coating (IMC) − Pulvermetallspritzgießen (PM-SG) oder Metal Injection Molding (MIM) • Keramikspritzgießen (KSG) oder Ceramic Injection Molding (CIM) oder Cermet Ceramic Injection Molding (CCIM) − Fließgießtechnik (FGT) − Stand der Technik • Neuere Verfahren (aus den vergangenen 10-15 Jahren) Extrudieren − Extrusionsblasen − Streckblasen • 3D-Blasformen (hart-weich-Kombination) − Thermoplast-Schaumextrusion (TSE) • Mehrschichtiges/-farbiges Extrudieren (Coextrusion) • mit überkritischem CO2 als Lösemittel/Schäummittel • mikrowellenunterstützt Hohlkörper-Technologien − Schalenguss (slush molding) − Rotationsformen − Schleudergießen Fließpressen − Glasmattenverstärkte Thermoplaste (GMT) Basis PP − GMT mit höherwertigen Matrices (PA, PA/PPE, PBT, PET, PC, PPS) • Langfaserverstärkte Thermoplaste im Direktverfahren (LFT-D) Umformen − Prägen − Schrumpfen − Mechanisches Tiefziehen (Kaltumformen) − Warmumformung − Rotations-Tiefziehen − Pultrusion, Pulforming − Tiefziehpressen (TZP) von Faserverbundhalbzeugen − Stand der Technik • Neuere Verfahren (aus den vergangenen 10–15 Jahren)
Kalandrieren
Pulvertechnologie − Sintern − Lasersintern (LS) − Wirbelsintern (Beschichten) − Rotationssintern − Ram-Extrusion − Elektrostatisches Pulverbeschichten − Coatingtechnologie − Stand der Technik • Neuere Verfahren (aus den vergangenen 10–20 Jahren)
4.1.3.1
Spritzgießen
Das Spritzgießverfahren erzeugt komplizierte Formteile (Bauteilmassen von Milligramm bis 30 Kilogramm) in höchster Qualität und größten Stückzahlen. Vorteilhafte Merkmale des Spritzgießens sind − kurzer Weg vom Rohstoff zum Endprodukt − keine oder nur geringe Nacharbeit − integrierbares und vollautomatisierbares (diskontinuierliches) Verfahren − hohe Reproduzierbarkeit der Fertigung − niedriger Energieverbrauch bei der Formgebung aufgrund (im Vergleich mit Metallen) niedriger Verarbeitungstemperaturen − Integration von Prozessfolgeschritten in das Urformwerkzeug bis hin zu werkzeugfallenden endmontierten Bauteilen. Um jedoch eine optimale Qualität bei der Produktion zu gewährleisten, bedarf es einer Know-how-Bündelung, da die Zahl der Einflussgrößen auf die Spritzgießproduktion sehr groß ist. Im Einzelnen sind dies: − Der Mensch Motivation, Qualifikation, Flexibilität, Erfahrung, Zuverlässigkeit, Kosten … − Die Spritzgießmaschine Ergonomie, Leistungsfähigkeit, Verfahrensablauf, Genauigkeit, Sicherheit, richtige Auslegung, Überwachungsmöglichkeiten, Kosten … − Das Werkzeug Kunststoffgerechte Formteil- und Angussgestaltung, thermische und mechanische Auslegung, Steifigkeit, Verschleiß, Wartung, Kosten … − Der Werkstoff Richtige Auswahl, Reinheit, Vortrocknung, geringe Chargenschwankungen, Wiederverwertbarkeit, Kosten …
4.1 Urformen
227
Bild 4-12. Schematische Darstellung einer Spritzgießmaschine [5]
− Die Peripherie Temperiergeräte, Heißkanalregelung, Handhabungsgeräte, Angusszerkleinerung, in- und on-line Messtechnik, Kosten … − Die Umwelt Sicherheit, Umgebungseinflüsse, …
4.1.3.1.1
Standard-Spritzgießen (Stückprozess, diskontinuierlicher Prozess)
Bild 4-12 zeigt schematisch die Hauptteile einer Spritzgießmaschine. Besser ist es bei Kunststoffschmelzen anstelle von Spritzgießen von „Fließgießen“ zu sprechen, da sich die Form über eine Fließfront füllt und nicht wie beim metallischen Druckguss (besser: Spritzguss) über einen Flüssigkeitsstrahl. Bild 4-12 unterteilt verfahrenstechnisch eine Spritzgießmaschine in Plastifizierung und Formgebung. Unter Beibehaltung dieser Aufteilung stellt Bild 4-13 schematisch den Verfahrensablauf beim Spritzgießen dar.
Typische Werte der Verfahrensparameter beim Spritzgießen: − Werkzeugtemperatur 10–200 °C, üblich 50–80 °C − Massetemperatur 200–400 °C − Staudruck 0–50 bar − Spritzdruck 200–2000 bar − Nachdruck 50–70 % vom Spritzdruck Ausführlicher gibt hierzu Tabelle 4-5 Auskunft. Verfahrensablauf beim Spritzgießen (Bild 4-13) Das Kunststoffgranulat oder -pulver wird im Plastifizieraggregat durch Rotation der Schnecke plastifiziert durch Friktion und durch äußere Heizung zusätzlich erhitzt. Nach Schließen des Werkzeuges drückt die Schnecke über einen axialen Vorschub (Schnecke wirkt als Kolben) die Kunststoffschmelze in die Kavität (Schritt 1 Einspritzen). Zum Ausgleich der Materialschwindung wird Schmelze über den Anguss nachgedrückt. Thermoplaste kühlen im „kalten“ (50 bis 80 °C) Werkzeug ab, Elastomere und Duroplaste vulkanisieren/vernetzen im beheizten (150 bis 200 °C) Werkzeug (Schritt 2 Nachdrücken und Kühlen). Während der Kühl- bzw. Vernetzungszeit dosiert die Schnecke neues Material nach, die Plastifizierung beginnt von neuem, wäh-
228
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-5 Richtwerte für das Spritzgießen von Thermoplasten [8] Formmassen
Temperaturen °C
Kurzzeichen:
Masse
Spritzdruck bar
Rückströmsperre
Verschlussdüse
Bemerkungen
PE 0,92 dünnw. dickw. 0,96 dünnw. dickw.
220–260 180–220 260–300 240–280
30–70
600–1500
(+)
(+)
Drücke vom Fließverhalten (Schmelzindex) abhängig
PP TPX
200–300 270–300
30–60 70
800–1800
(+)
(+)
niederviskos > 270 °C
PS SAN SB, ABS ASA
200–250 220–260 200–280 230–280
5–60 50–85 60–90 40–80
600–1800
+
(+)
SB, ABS möglichst hohe Temp., aber nicht überhitzen
PVC hart weich
180–210 170–200
20–60 15–50
1000–1800 300–1500
–
–
langsam, evtl. Intrusion, Spritzeinheit korrosionsfest
PCTFE PFA, FEP
200–280 340–360
80–130 120–180
ca. 1500 300–700
(+)
(+)
Spritzeinheit korrosionsfest
PMMA VST 80 VST 110
150–200 180–230
50–65 60–90
700–1000 800–1200 bzw. 1800
(+)
(+)
für hohe Ansprüche Spritzeinheit verchromen, Höchstdruck für optisches Gerät
POM und COP
180–230
60–120
800–1700
+
(+)
Kristallisieren wie PA
PA, alle Sorten
230–290
40–60 ev. 120
700–1200
+
(+)
rasch einspritzen, weite Angüsse. Feinkristallin bei hohen Werkzeugtemperaturen
PC
280–320
85–120
> 800
+
(+)
Trocknen 4 Std./120 °C
PET PBT
260–280 235–270
120-140 30-70
1200–1400 1000–1200
(+) +
(+) (+)
bes. Sorte: mit gekühltem Werkzeug (20-40 °C glasklar amorph)
PPO, modifiziert
250–300
80–100
1000–1400
(+)
(+)
langsam weite Düse
CA, CAB
180–230
40–50
800
+
(+)
verchromte Spritzeinheit
+ zu empfehlen
(+) kann zweckmäßig sein
Werkzeug
– nicht möglich
rend das Werkzeug sich öffnet und Auswerferstifte das erstarrte bzw. vernetzte Formteil auswerfen (Schritt 3). Zusammen ergeben diese zum Teil überlappend ablaufenden Teilschritte den Spritzzyklus. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen ist es ein stetes Bestreben, die Zykluszeit im Sinne einer hohen Ausstoßleistung zu reduzieren. Gegenläufige Verfahrensparameter stehen dem bei geforderter höchster Qualität jedoch oft entgegen. So ergibt beispielsweise eine hohe Massetemperatur zwar kurze Formfüllzeiten und eine gute Formfüllung, die Abkühlzeit nimmt aber zu. Also wird man das Werkzeug gut kühlen und die Wanddicke reduzieren. Hohe Kühlraten über dem Wandungsquerschnitt führen leicht zu Eigenspannungen mit
späterer Neigung zur Spannungsrissbildung. Je nach verwendetem Kunststoff hat eine hohe Massetemperatur auch molekularen Abbau zur Folge, beispielsweise mit Einbußen der Schlagzähigkeit beim späteren Bauteil. Mit den vielen anderen Verfahrensparametern, wie sie eingangs zu Kapitel 4.1.3.1 aufgezählt sind, lassen sich ähnliche Verkettungen darstellen. Bild 4-14 zeigt die Verläufe Werkzeuginnendruck, Massetemperatur und Viskosität über der Zykluszeit. Beispielsweise bei 10 Sekunden ist Einspritzbeginn. Bis dahin erhitzt sich die Massetemperatur auf Schmelz- bzw. Fließtemperaturniveau, die Viskosität nimmt auf fließfähig ab.
4.1 Urformen
229
Bild 4-13. Schematische Darstellung des Verfahrensablaufs beim Spritzgießen. (Nach Ankerwerk, Gebr. Goller, Nürnberg in Schreyer)
Bei teilkristallinen Thermoplasten ist wegen Abführung der Kristallisationswärme ein länger dauernder Nachdruck erforderlich. Der Nachdruck gleicht den Volumenschwund beim Abkühlen durch Nachführen von Schmelze teilweise aus. Seine Lage ist damit für die Maßhaltigkeit entscheidend. Bild 4-15 zeigt den Druckverlauf über der Zeit an verschiedenen Orten im Spritzgießsystem. Je weiter der Messort von der Düse entfernt ist, desto geringer ist die Wirkung des von der antreibenden Pumpe erzeugten Druckes. Dieses
Beispiel zeigt, dass die Formmasse örtlich unter sehr unterschiedlichen Druckbedingungen erstarrt. Eine weitere Inhomogenität wird durch die Masse- und Werkzeugtemperatur bewirkt. Die Formmasse verlässt die Düse im Allgemeinen mit einem zeitlich und örtlich schwankenden Temperaturprofil. Bei der Verarbeitung von Thermoplasten ist die Kenntnis über Druck- und Temperaturunterschiede maßgeblich, um Begriffe wie Homogenität, Temperaturkonstanz, Reproduzierbarkeit, Maßkonstanz u. a. m. richtig beurteilen zu können.
230
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Erläuterungen zu Bild 4-14: (1) bis (2) Einspritzvorgang (2) Werkzeug ist volumetrisch gefüllt (2) bis (3) Aufbau des Spritzdruckes (4) Umschalten auf niedrigeren Nachdruck (4) bis (5) Druckabfall (5) Nachdruckniveau ist erreicht (6) Anguss friert ein (Siegelpunkt) (7) Atmosphärendruck ist erreicht, jedoch Eigensteifigkeit des Formteils noch gering, da Glastemperatur noch nicht durchschritten ist. (8) Glastemperatur Tg mit Haupterweichungsbereich (9) entformen möglich, da Steifigkeit groß genug. Formteiltemperatur liegt unter Tg. Bild 4-14. Druck-, Temperatur- und Viskositätsverlauf für einen amorphen Thermoplasten im Spritzgusswerkzeug − angussnah − in Anlehnung an [6] und erweitert
4.1 Urformen
231
Bild 4-15. Druckverlauf über der Zeit an verschiedenen Orten im Spritzgießsystem [7]
Bild 4-16. p, v, T-Diagramm (Zustandsdiagramm). (Druck, Volumen, Temperatur Diagramm) [6] einer amorphen Thermoplastschmelze im Spritzgießwerkzeug (Übertragung aus Bild 4-14; Ziffern 1 bis 7 sind identisch). Aus p-v-T-Diagramm lässt sich auf die Formteilqualität schließen, insbesondere auf die Schwindung. (8) bis (9) Steifigkeit/Festigkeit wird erreicht (Steigungsänderung der Isobaren am Tg), (9) das Teil wird entformt, (10) Umgebungszustand ist erreicht
232
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-17. Prinzipien des Mehrkomponentenspritzgießens
Den Verlauf des spezifischen Volumens über der Massetemperatur mit dem Parameter Druck in der Schmelze eines amorphen Thermoplasten bei freier Schwindung der betrachteten Abmessung zeigt Bild 4-16. Diese Kurven sind für den Kunststoffverarbeiter und den Werkzeugbauer von entscheidender Bedeutung. Geben sie ihnen doch Auskunft über die beim Bau eines Werkzeuges zu berücksichtigenden Übermaße, um später ein maßhaltiges Formteil zu erzeugen.
4.1.3.1.2
Sonderverfahren beim Spritzgießen Helmut Schüle
4.1.3.1.2.1 Mehrkomponentenspritzgießen 1) Man kann das Mehrkomponentenverfahren als Oberbegriff für die Verarbeitung verschiedenartiger Kunststoffe in einem Arbeitsgang sehen. Hierbei werden Kunststoffe unterschiedlicher Farben und/oder Eigenschaften in einem Formteil kombiniert. Das Mehrkomponentenspritzgießen kann im Wesentlichen in die zwei Hauptverfahren − das Verbundspritzgießen und das Sandwichspritzgießen (Co-Injektion) − aufgeteilt werden. Das Co-Injektionsverfahren wird unten näher dargestellt, s. a. Bild 4-17. Das Verbundspritzgießen beinhaltet das Mehrfarbenund Mehrmaterialienspritzgießen. Beim Verbundspritzgießen werden Kunststoffe, die sich im Material oder in der Farbe unterscheiden, gleichzeitig oder nacheinander in ein Werkzeug eingebracht. Die Formmassen können hierbei aneinander oder übereinander gespritzt werden. Beim Aneinanderspritzgießen werden mindestens zwei verschiedene Formmassen nacheinander verarbeitet und aneinander gespritzt. Beim Übereinanderspritzen wird mit dem ersten 1) Schmachtenberg et al. schlagen vor: Montagespritzgießen
Material zunächst ein vollständiger Grundkörper gespritzt, der anschließend von dem zweiten Material partiell überdeckt wird (siehe auch Kapitel 5.2.1 und Bild 4-17).
4.1.3.1.2.2 Co-Injektion Das Sandwichspritzgießen (Co-Injektion), auch Haut-KernVerfahren genannt, zählt zu den Mehrkomponentenspritzgießverfahren. Hierbei wird in eine äußere Hautkomponente ein zweites Material in den Kern eingebracht. Die Prozessführung läuft in mehreren Stufen ab. Die Kavität wird zunächst mit dem Material der Außenhaut teilgefüllt. Danach wird die Kernkomponente in die plastische Seele des eingebrachten Außenmaterials gespritzt. Somit bilden sich der Haut- und der Kernbereich des Formteils. Das Kunststoffteil kühlt ab und wird entformt. Dadurch ermöglicht ist u. a. eine Verarbeitung von Recyclat als Innenmaterial mit gleichzeitig optisch hochwertiger Außenhaut (Bild 4-17). Weitere Vorteile sind u. a. − Masseersparnis bei aufgeschäumtem Kern − die Fertigung des Formteils in einem Zyklus. − unterschiedliche Formmassen (Eigenschaftsprofile) sind kombinierbar − nachteilig ist auftretender Verzug bei unterschiedlichem Ausdehnungsverhalten
4.1.3.1.2.3 Intervallspritzgießen Beim Intervallspritzgießen entstehen Farbeffekte durch ein definiert gesteuertes, abwechselndes Ineinanderfließen von verschiedenartigen, eingefärbten Polymermassen, welche mittels einer dem Werkzeug vorgeschaltete („Twin“)-Mischdüse zusammengeführt werden. Die Farbgebung wird durch eine definiert vorgegebene Taktfolge in Wechselwirkung mit der Angusslage und den rheologischen Eigenschaften beeinflusst.
4.1 Urformen
233
4.1.3.1.2.4 Kaskadenspritzgießen Beim Kaskadenspritzgießen wird über ein Heißkanalsystem mit mehreren in übereinander und/oder nacheinander geschalteten Nadelverschlussdüsen Schmelze mittels eins definierten Zeitablaufs in das Werkzeug gepresst. So wird z. B. nach dem Zufahren des Werkzeuges von drei von außen angesteuerten Nadelverschlussdüsen im Heißkanalsystem zuerst die mittlere, zentral liegende Düse geöffnet und die Formmasse in die Kavität geschoben. Nach Überspritzen der beiden äußeren Anschnitte wird in aller Regel die erste Düse wieder geschlossen und die äußeren, getrennt ansteuerbaren Düsen geöffnet. Das entstehende Bauteil wird somit bindenahtfrei hergestellt. Durch ein sich anschließendes, erneutes Öffnen der ersten Düse wird durch alle drei geöffneten Düsen die Formmasse komprimiert und ein Nachdruck aufgebracht. Nach dem Abkühlen wird das meist großflächige Bauteil entnommen (Robotsysteme). Vorteil: Durch die von außen, fremdbetätigten Düsen können Bindenähte an nicht sichtbare Stellen gelegt bzw. vollständig vermieden werden.
4.1.3.1.2.5 Gasinnendrucktechnik Bei der Gasinnendrucktechnik wird zunächst eine Teilmenge Kunststoffschmelze in die Kavität des Werkzeugs eingespritzt und anschließend ein wiederverwendbares, prozessintegriertes Gas (meistens Stickstoff) mit hohem Druck (bis 300 bar) in das Formteilinnere (plastische Seele) eingebracht. Dadurch wird die noch flüssige Schmelze optimal unter Ausbildung eines Bauteilhohlraums im die Kavität gepresst. Die „plastische Seele“ (Schmelze im Mittelteil der Kavität) erstarrt langsamer als die Außenschichten und kann daher mit dem injizierten Gas (Bild 4-17 und 4-18) verschoben werden. Ausführlich ist das GIT-Verfahren bei Eyerer et al. [11] beschrieben. Angewendet wird das Verfahren bei Spritzgussteilen mit großen Wanddicken, mit partiellen Versteifungen und Rippenkonstruktionen. Durch den Einsatz der Gasinnendrucktechnologie lassen sich die Zykluszeiten insbesondere bei dickwandigen Bauteilen effizient verkürzen. Auch sind nur geringe Zuhaltekräfte (hydraulik- und werkzeugschonend) aufzubringen. Nachteilig ist die Tatsache, dass die entstehende Gasblase meist undefiniert fließt (empirisch zu ermitteln) und u. U. auch Oberflächenmarkierungen entstehen können.
4.1.3.1.2.6 Helga-Verfahren Beim Helga-Verfahren wird statt eines Gases eine patentierte Flüssigkeit verwendet. Die Flüssigkeit wird dabei in die plas-
Bild 4-18. Formfüllvorgang beim GIT-Spritzgießen [5]
tische Seele des Materials eingebracht und verdampft durch die vorliegende hohe Schmelzetemperatur der Formmasse (siehe auch GID-Verfahren).
4.1.3.1.2.7 Gashinterdrucktechnik Das Gashinterdruckverfahren wurde entwickelt, um bei dünnwandigen Formteilen Einfallstellen und Formteilverzug zu verhindern. Während des Einspritzvorganges wird hierzu bei geschlossenem Werkzeug ein Gasdruckpolster aufgebaut, um insbesondere bei dünnwandigen Formteilen Einfallstellen und Formteilverzug zu verhindern. Das Gas gelangt durch in die Werkzeugwandung integrierte, definiert angeordnete Gasdüsen zwischen Formteilrückseite und Kavität. Durch das Gasdruckpolster können Schwindungseffekte auf der Formteilvorderseite (Sichtbereich) vermieden werden.
234
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
gestrebt werden. Beim Formfüllvorgang strömt eine möglichst niedrigviskos eingestellte Schmelze (weist ein günstiges Benetzungsverhalten auf) bei geringem Einspritzdruck in die Kavität. Ein Nachdruck wird nicht aufgebracht. Nach dem Versiegeln im Angussbereich fällt der Werkzeuginnendruck aufgrund der Volumenschwindung rasch ab; das hinterspritzte Dekormaterial wird nur unwesentlich beansprucht (siehe auch Kapitel 5.2.1). Bild 4-19. Verfahrenstechnik Spritzprägen
4.1.3.1.2.11 Inmold-Labeling 4.1.3.1.2.8 Spritzprägen Beim Spritzprägevorgang werden die Werkzeughälften der Spritzgießvorrichtung (Bild 4-19) bis auf den Prägeweg zusammengefahren. Danach wird mit geringem Druck die Schmelze langsam und somit orientierungsarm in das Werkzeug gepresst. Um ein Rückfließen der Formmasse aus der Kavität zu verhindern, wird der Anguss mittels Schieber bzw. Ventilen verschlossen. Der durch das Zusammenfahren des Tauchkantenwerkzeugs aufgebaute hohe Druck formt das Bauteil aus. Durch den eigentlichen Prägeweg wird die thermische Schwindung der Formmasse kompensiert. Das Bauteil (z. B. eine optische Linse) weist geringe Eigenspannungen auf (siehe auch Kapitel 5.2.1).
4.1.3.1.2.9 Hinterpressen Das Hinterpressen, ein Niederdruckverfahren zur Herstellung dekorierter Formteile in einem Arbeitsgang, kann in zwei Verfahrensprinzipien unterteilt werden. Beim Strangablegeverfahren wird ein Schmelzekuchen abgelegt und das eingelegte Dekormaterial durch Schließen des Werkzeuges hinterpresst. Bei der Quellflussmethode wird das üblicherweise eingesetzte Heißkanalwerkzeug mit eingelegtem Dekormaterial bis auf einen engen Spalt zugefahren, die Schmelze langsam eingespritzt und zeitgleich oder nach dem Einbringen zum fertigen Formteil verpresst. Bedingt durch die notwendigen Drücke wird das eingebrachten Dekor schonend beansprucht.
4.1.3.1.2.10 Hinterspritzen Beim Hinterspritzen von verschiedenartigen Polymer- oder Textilfolien wird das Dekormaterial mittels Handlinggeräten in die schließseitige Werkzeughälfte eingelegt. Durch Befestigungsvorrichtungen wird das Dekormaterial für den Prägevorgang exakt positioniert, fixiert und faltenfrei verspannt. Weiterhin sollen eine möglichst niedrige Schmelzetemperatur sowie deutlich reduzierte Werkzeuginnendrücke an-
Beim Inmold-Labeling wird die Formteiloberfläche im Spritzgießwerkzeug mit vorgefertigten Etikettenfolien, auch Labels genannt, dekoriert und/oder beschriftet. Das InmoldLabeling System ist mit Ausnahme der verwendeten Dekorationsfolien und Materialien identisch mit der Verfahrenstechnik des Hinterspritzens (siehe auch Kapitel 4.1.3.2.7).
4.1.3.1.2.12 Inmold-Decoration Beim Inmold-Decorationverfahren wird ein dreidimensionales Kunststoffspritzgussteil während des Spritzvorgangs mit einem mehrfarbigen, vollständigen und endgültigen Dekor versehen. Eine mit Dekor bedruckte und mit weiteren technischen Schichten ausgerüstete Heißprägefolie wird durch das Spritzgießwerkzeug geführt. Bei geöffneter Form wird mit Hilfe von Handling- und Vorschubgeräten das Dekormotiv durch Steuermarken positioniert und fixiert. Beim nun folgenden Hinterspritzen löst sich das Dekor unter dem Einfluss von Druck und Temperatur der Formmasse von der Trägerfolie und verbindet sich mit dem Formteil. Anschließend werden die Spritzlinge fertig dekoriert und der Form entnommen. Während der Entnahme wird die Trägerfolie weitergefahren und erneut für den nächsten Zyklus positioniert.
4.1.3.1.2.13 Insert-Molding Beim Insert-Moldingverfahren handelt es sich ebenfalls um ein Herstellungs- und Dekorationsverfahren für dreidimensionale Kunststoffteile (vergleiche Inmold-Decoration). Insert-Molding vollzieht sich, anders als Inmold-Decoration, in mehreren Stufen. Bei dem Verfahren werden dünne, tiefziehfähige Kunststofffolien verwendet. Sie werden im Heißprägeverfahren dekoriert. Die bereits dekorierte Kunststofffolie wird im Vakuum tiefgezogen und passt sich jeder Form − unabhängig von den anzutreffenden Krümmungsverhältnissen − an. Das entstandene Formteil wird den Konturen des Fertigteils entsprechend gestanzt. Das tiefgezogene Teil muss in seinen Dimensionen exakt auf das Spritzgießwerkzeug abgestimmt sein. Das Formteil wird in die Spritzgießmaschine eingelegt und hinterspritzt.
4.1 Urformen
4.1.3.1.2.14 Schmelzkerntechnik Die Schmelzkerntechnik wird zur Herstellung von Formteilen mit Hohlräumen oder Hinterschneidungen, die mit üblicher Werkzeugtechnik nicht entformbar sind, verwendet. In einem ersten Arbeitsschritt muss der Schmelzkern gegossen werden. Die Schmelzkerne werden in einer Kerngießmaschine aus einer niedrig schmelzenden Legierung – meist einer Zinn-Wismut-Legierung – hergestellt. Danach werden die Schmelzkerne in einem Spritzgießwerkzeug mit Kunststoff umspritzt und schließlich induktiv oder im Heizbad ausgeschmolzen, so dass die Hinterschnitte freigegeben werden und somit das Kunststoffprodukt entstehen kann. Die Schmelztemperatur des Kernes liegt unterhalb der Schmelztemperatur des Spritzgussteils. Die ausgeschmolzene Legierung wird in einen Vorratsbehälter zurückgeführt und erneut zu Schmelzkernen verarbeitet.
4.1.3.1.2.15 Mehrschalentechnik Die Mehrschalentechnik ist ein Herstellungsverfahren, um Hohlkörper mit nicht entformbaren Hinterschneidungen zu fertigen. Prinzipiell werden zuerst Schalen gespritzt, welche üblicherweise in einem nachfolgenden Arbeitsschritt mittels Vibrationsschweißen (Reibung, keine externe Wärmezufuhr), Kleben, Schnappelementen oder Schrauben verbunden werden.
4.1.3.1.2.16 Hybrid-Technik Unter der Hybrid-Technik bei Spritzgussteilen versteht man die gemeinsame Verarbeitung zweier werkstofffremder Komponenten (Metall, Kunststoff) zu einem funktionsgerechten Bauteil. Meist wird ein vorgeformtes Metallteil in ein Spritzgießwerkzeug eingebracht, passgenau fixiert und schließlich umspritzt (Umspritztechnik).
4.1.3.1.2.17 Blechumformen in Kombination mit Spritzgießen (Metall/Kunststoff Hybrid- oder Verbundtechnik [12] bis [16]) Durch die Kombination der beiden Werkstoffe Metall und Kunststoff lassen sich Bauteile und Produkte mit niedrigem Eigengewicht, großer Steifigkeit und hoher Belastbarkeit kostengünstig herstellen. Auch ermöglicht die von Bayer entwickelte, innovative Hybrid-Technologie des Verbundes von Metall und Kunststoff die Konstruktion und Herstellung von Teilen mit komplexer Formgebung bzw. dekorativen und farbigen Oberflächen.
235
4.1.3.1.2.18 Rationellere Produktion durch die Integration von Zusatzfunktionen Metall/Kunststoff-Verbundteile bieten höchste Integrationsmöglichkeiten von Zusatzfunktionen in die Bauteile, wie z.B. die Befestigung von Antrieben, Gehäuseteilen, Dekorflächen, Scharnierteilen, Lagerstellen, Gleitschienen, Kabelklemmen, Schlossaufnahmen, Schnapp- und Schraubverbindungen etc. Dabei kommt ein entscheidender Vorteil des Kunststoffeinsatzes und der Kunststoffverarbeitung in Spritzgießautomaten zum Tragen. Bei herkömmlichen Konstruktionen aus Metall müssen die o. g. Funktionselemente mit hohem Aufwand einzeln hergestellt und montiert werden. In einem Arbeitsgang, in Sekundenschnelle und ohne jegliche Nacharbeit, ermöglicht die Metall/KunststoffHybridtechnik die Integration der o. g. Funktionen in die Kunststoffstruktur. In der Serienfertigung erfolgt dies in demselben Kunststoff-Spritzgießzyklus wie das Spritzen der Kunststoff-Versteifungen und -Verrippungen. Das serienmäßig in Hybrid-Technik hergestellte Frontende des Ford Focus (2003) integriert in Metall-/KunststoffVerbundtechnik 17 Funktionen bei gleichzeitiger 40 %iger Massereduktion und einer Verringerung der Herstellungskosten um 20 %. Goldbacher und Hoffner [13] beschreiben am Beispiel Frontende des Audi A6 die Entwicklung zur Serienreife. Das Umspritzen von Keramik beschreibt [16]. Als Wettbewerbstechnik erweist sich immer mehr die Langfaser-Thermoplast-Presstechnik (LFT-D) mit örtlich eingelegten Endlos-Faserverstärkungen (Glas, Kohlenstoff, Aramid) (siehe 4.1.3.7).
4.1.3.1.2.19 Insert-Technik Unter der Insert-Technik bei den Spritzgießsonderverfahren versteht man das Einbetten von Metall- und Nichtmetallteilen in das Kunststoffteil. Es werden beispielsweise Gewindebuchsen eingesetzt. Die Insertteile werden mittels Handlingund Positionierungsvorrichtungen in das geöffnete Werkzeug eingelegt und in der Regel zu 90 % mit Schmelze eingespritzt. Als eine Anwendung derartiger Bauteile sind Verbindungselemente zwischen zwei Produkten (Buchse zur Befestigung des Formteils) zu nennen. Zur besseren, eigenspannungsfreieren Einbindung von metallischen Inserts werden diese häufig vorgewärmt in das Werkzeug eingesetzt.
4.1.3.1.2.20 LSR (Flüssigsilikon) Spritzgießen LSR (Liquid-Silicon-Rubber → Flüssigsilikon) zählt zur Gruppe der heißvulkanisierenden Kautschuke. Seine Kon-
236
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
sistenz und seine Vernetzungsart machen LSR zu einem Werkstoff mit außergewöhnlichen Verarbeitungsvorteilen. LSR ist eine fließfähige Zweikomponentenmischung. Die Vulkanisation erfolgt als Additionsvernetzung. Die beiden Komponenten des LSR Materials werden mittels Dosieranlage im Verhältnis 1 : 1 einem statisch wirkenden Mischer (Umlenkbleche) zugeführt. Spezielle Silikonschnecken fördern das Material vom Statik-Mixer in den Schneckenraum, von wo es in das beheizte Werkzeug eingespritzt wird. Spezielle Rückstromsperren verhindern ein Zurückfließen des Materials in die Schneckengänge. Im beheizten Werkzeug erfolgt die Vulkanisation innerhalb von Sekunden.
4.1.3.1.2.21 Pulverspritzgießen Beim Pulverspritzgießen werden hochschmelzende Werkstoffe in Pulverform durch Spritzgießen zu Formteilen verarbeitet. Zu den Werkstoffgruppen zählen Metalle, Hartmetalle und Keramik. Ausgehend von feinen Werkstoffpulvern wird durch Vermischen mit Bindern und Zusatzstoffen ein homogenes Granulat hergestellt. Die spritzgießfähige Masse wird ähnlich wie Kunststoff in einer Spritzgießmaschine verarbeitet. Im Vergleich zu Kunststoffen unterscheiden sich die Formmassen für das Pulverspritzgießen durch höhere Wärmeleitfähigkeit, eine höhere Dichte sowie durch höhere Viskosität. Im anschließenden Entbinderungsprozess werden die Spritzgussteile (Grünling genannt) unterhalb ihrer Erweichungstemperatur von Fließhilfsmitteln ohne Dimensionsänderung befreit. Anschließendes Sintern erfolgt bei 1200 – 1800 °C. Dabei findet ein thermisch aktivierter Materialtransport statt, der zu einer Abnahme der spezifischen Oberfläche der Pulverteilchen führt. Hierbei entsteht das Werkstoffgefüge und das Formteil schwindet um den Volumenanteil des Bindemittels. Es besteht die Möglichkeit Oberflächen zu bearbeiten (u. a. polieren). Für eine Vielzahl von Metall- oder Keramikformteilen stellt das Pulverspritzgießen ein äußerst günstiges Fertigungsverfahren dar. Das Verfahren ist einfach zu automatisieren und es entfällt der Materialverlust der spanenden Nachbearbeitung. Es können mit dem Verfahren Spritzgussteile mit Einlegeteilen verarbeitet werden.
4.1.3.1.2.22 Thermoplastschaum-Spritzgießen (TSG) Das Verfahren (physikalisches Schäumen): Mikrozelluläre Schaumkunststoffe lassen sich durch mechanisches oder chemisches Dispergieren eines Gases, in aller Regel Kohlendioxid oder Stickstoff, in der Polymerschmelze herstellen. Ein mechanisches Verfahren, bei dem zu diesem Zweck superkritische Fluide eingesetzt werden, trägt den Namen MueCell (μCell). Weitere physikalische Schäumver-
fahren sind das Optiform- (Sulzer-Chemtech) und das Ergozell-Verfahren (Demag-Ergotech). Der „kritische Punkt“ ist dann gegeben, wenn sich eine Substanz bei Höchsttemperatur und Maximaldruck im Dampf-Flüssigkeits-Gleichgewicht befindet. Ein Gas, dessen Temperatur über seiner kritischen Temperatur liegt, wird zu einem superkritischen Fluid. Kohlendioxid und Stickstoff gehen bei einem Druck von ca. 75 bar bzw. ca. 35 bar in den superkritischen Zustand über und lösen sich in der Polymerschmelze. Durch den Druckabfall beim Einspritzen tritt das Gas aus der Polymerschmelze heraus und bildet eine einheitliche Zellstruktur. Derartige Schäume weisen Zellgrößen zwischen 5 und 100 μm auf und haben ausgezeichnete mechanische Eigenschaften. Beim MueCell-Verfahren lassen sich folgende Vorteile angeben – Stickstoff liefert kleinere Zellen, während Kohlendioxid eine bessere Fließfähigkeit mit sich bringt. Gewichtseinsparungen bis zu 30 % – Bevorzugter Einsatz für dünnwandige Teile – Zykluszeitreduktion bis zu 40 % möglich, der erforderliche Zuhaltedruck bis zu 60 % geringer Um alle Vorteile des physikalischen Schäumens zu nutzen, ist die Werkzeugtechnik (Temperierung, Anguss- und Anschnitt, Entlüftung) zu optimieren und unter Berücksichtigung der zu verarbeitenden Polymermassengemische dem Verfahren anzupassen. Das Werkzeug muss nur den Schäumdruck der expandierenden Masse von 10–20 bar aufnehmen und kann somit ohne großen maschinenbaulichen Aufwand erstellt werden. Die Kühlzeiten von TSG-Teilen sind wesentlich länger als die üblicher Kompakt-Spritzgussteile. Letzteres ist auch der Grund in vielen Fällen Mehrstationenmaschinen mit im Wechsel angesteuerten Schließeinheiten einzusetzen [8] [17] (siehe auch Kapitel 5.2.1).
4.1.3.1.2.23 Molded Interconnected Devices (MID-Verfahren) 3D MID (Molded Interconnect Devices) steht für „dreidimensional spritzgegossene Schaltungsträger“ (ausführlich siehe Kapitel 5.2.1). MID ist eine innovative Idee zur Integration von elektrischen und mechanischen Funktionen auf beliebig geformten, thermoplastischen Schaltungsträgem durch selektive Aufbringung von Metallschichten auf Ein- oder Zweikomponentenkunststoffteilen. Der Grundgedanke der MID-Technik ist die Integration elektrischer und mechanischer Funktionen in einem metallisierten thermoplastischen Spritzgießteil. Elektrische Funktionen sind Leiterbahnen, Steck- und Schleifkontakte oder Abschirmflächen; ein MID kann jedoch auch mechanische Funktionen wie z. B. Befestigungselemente enthalten.
4.1 Urformen
Bild 4-20. Zwei-Komponenten-Spritzgießen: 3 Varianten im Vergleich
Bild 4-21. Heißprägeverfahren, Folienaufbau und Druckkontaktierung
237
238
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
MID können grundsätzlich unterteilt werden in – Zweikomponentenspritzguss – Einkomponentenspritzguss, hier unterscheidet man folgende Verfahren: • Heißprägen • Laserdirektstrukturierung • Maskenbelichtungsverfahren – Folienhinterspritzen (In-Mold-Decoration, IMD) Das Zweikomponentenspritzgießen eröffnet die größte geometrische Freiheit aller MID-Herstellungsverfahren und kommt neben der Heißprägetechnik am häufigsten vor. Beim Zweikomponentenspritzgießen werden zwei Kunststofftypen in einem Formteil kombiniert, von denen ein Kunststofftyp metallisierbar ist. Die Abbildung 4-20 zeigt drei Varianten des Zweikomponentenspritzgusses, das SKWVerfahren (a) und das PCK-Verfahren (b). Beim SKW (Sankyo Kasei Wiring Board)-Verfahren wird der erste Schuss (Vorspritzling) aus einem metallisierbaren Kunststoff aus dem Werkzeug entnommen und mit Palladium Pd bekeimt. Anschließend wird der bekeimte Vorspritzling nochmals in das Werkzeug eingelegt und umspritzt. Der Nachteil dieses Verfahrens liegt in dem zusätzlichen Behandlungsschritt für die Pd-Bekeimung, den höheren Verfahrenskosten, einer niedrigeren Prozesssicherheit und damit verbunden mit höheren Ausschusszahlen. Beim PCBK (Printed Circuit Board Kollmorgen)-Verfahren wird der zu metallisierenden Kunststoffkomponente Pd beigemischt, das als Katalysator für die außenstromlose Metallisierung dient. Infolge des teueren Pd sind damit auch die Rohstoffkosten für die metallisierbare Kunststoffkomponente sehr hoch.
Bei einer dritten Verfahrensvariante (c) werden inhärent metallisierbare Kunststoffkombinationen (z. B. PA6/PA12 oder PA6/PBT) eingesetzt. Der Vorteil der beiden vorgenannten Verfahren gegenüber dem SKW-System ist, dass der Spritzgießprozess nicht für die nasschemische Bekeimung des ersten Schusses unterbrochen werden muss, so dass auch automatische Werkzeuge zur Herstellung von MID verwendet werden können. Zudem können bei diesem Verfahren kostengünstige technische Thermoplaste zum Einsatz kommen.
4.1.3.1.2.24 Metallisierung von MID Die Beschichtung von MID kann auf elektrolytischem, chemischem oder mechanischem (letzteres siehe Tabelle 4-6) Weg erfolgen.
4.1.3.1.2.25 Elektrolytische Metallabscheidung Unter einer elektrolytischen Metallabscheidung versteht man die Gesamtheit aller galvanischen Verfahren, die mittels eines äußeren Stromes arbeiten. Das zu beschichtende Werkstück wird als Kathode gestaltet. Die Abscheidungsgeschwindigkeit galvanischer Elektrolyte ist bedeutend höher als bei der chemischen Abscheidung, so dass insbesondere bei höheren Schichtdicken von 20–35 μm galvanische Elektrolyte eingesetzt werden. Nachteil einer elektrolytischen Beschichtung ist die Notwendigkeit der Kontaktierung. Bei der Metallisierung von MID mit voneinander getrennten dreidimensionalen Leiterbahnen ist die elektrolytische Metallisierung nur durch zusätzliche konstruktive Maßnahmen zur Leiterbahnzusammenführung möglich.
Tabelle 4-6 Vergleich verschiedener Strukturierungsverfahren LIGA
Laserbearbeitung
Feinmechanik
Formgebungsmöglichkeit
dreidimensional durch schräge Belichtungen, Maskenstrukturierung
dreidimensional, Strukturierung mit und ohne Masken möglich
dreidimensional, Strukturierung ohne Masken
Laterale Abmessung
einige Mikrometer
einige Mikrometer
einige Mikrometer
Strukturhöhe
einige Millimeter
einige 100 Mikrometer
einige Mikrometer bis Millimeter
Aspektverhältnis
1–50
<10
bis 100
Rauheit
Ra < 50 nm
Ra ca. 100nm
Ra ca. 0,3–1μn
Genauigkeit
Submikrometerbereich
Mikrometerbereich
Mikrometerbereich
Bemerkungen
Keine Entformungsschrägen
Herstellung des Formeinsatzes durch eine direkte Strukturierung und über galvanoplastischen Prozess möglich
Mikroschleifen Mikrofräsen Mikrobohren Drahterosion Senkerosion
4.1 Urformen
4.1.3.1.2.26 Chemische Abscheidung (Außenstromlose Abscheidung) Chemische Abscheidungsverfahren basieren auf einer Reduktion der in der wässrigen Prozesslösung vorliegenden Metallionen zum Metall. Durch die Arbeitsweise ohne äußere Stromquelle (stromlose Abscheidung) unterliegen die Schichten nicht dem Nachteil, dass durch unterschiedliche örtliche Stromdichten auf dem Werkstück unterschiedliche Schichtdicken entstehen. Dadurch erhalten alle Bereiche des Werkstückes dieselbe Schichtdicke und es entsteht kein Kantenaufbau. Die maximale Schichtdicke stromlos abgeschiedener Schichten ist auf ca. 20 μm begrenzt. Höhere Schichtdicken sind unwirtschaftlich und aufgrund der geringen Duktilität stromlos abgeschiedener Schichten steigt die Neigung zur Rissbildung im Schichtsystem.
4.1.3.1.2.27 Mikrospritzgießen
temperatur bei amorphen und in der Nähe der Kristallitschmelztemperatur bei teilkristallinen Werkstoffen. Um eine ausreichende Entformungssteifigkeit zu erhalten, muss der Formeinsatz nach dem Einspritzen gekühlt werden. Zu diesem Zweck kann über Ventile zwischen Heiz- und Kühlkreislauf umgeschaltet werden. Die langen Aufheiz- und Abkühlzeiten können durch eine Verminderung der Masse des zu temperierenden Werkzeugbereichs sowie durch thermische Isolationsschichten reduziert werden.
4.1.3.1.2.29 Pressverfahren Das Heißpressen wir überwiegend bei duroplastischen Pressmassen und als Spritzpressen (Transfer-Molding) bei Elastomeren angewendet (siehe 4.1.5.2.2). In jüngerer Zeit findet das Heiß-Pressen bei der Verarbeitung thermoplastischer Langfaser-Verbundwerkstoffe statt (siehe 4.1.3.7).
4.1.3.1.2.30 Dünnwand-Spritzgießen
Die äußeren Abmessungen von typischen Mikrospritzgießbauelementen liegen durchaus im Millimeter- bis Zentimeterbereich. Sie besitzen jedoch Strukturelemente, deren Maße in den Mikrometer- bis in den Submikrometerbereich reichen. In Tabelle 4-7 sind wesentliche Unterscheidungsmerkmale von Standard- und Mikrospritzguss zusammengefasst. Zur Fertigung wird neben dem Mikrospritzgießen auch das Spritzprägen und das Reaktionsharzgießen eingesetzt (siehe auch Kapitel 5.2.1).
4.1.3.1.2.28 Variothermverfahren Beim Mikrospritzgießen wird üblicherweise das Variothermverfahren eingesetzt. Hierbei wird bei wesentlich höheren Werkzeugtemperaturen als allgemein üblich eingespritzt. Dadurch wird die Randschichterstarrung des Bauteils bis nach der vollständigen Formfüllung während der Nachdruckphase hinausgezögert. Die Werkzeugtemperaturen beim Einspritzen liegen etwa 40 K über der Glasübergangs-
Marc Knoblauch-Xander Einleitung Eine der großen Herausforderungen der kunststoffverarbeitenden Industrie stellt heute die Herstellung von Bauteilen mit geringen Wanddicken dar. Dünnwandige Anwendungen sind vorwiegend im Verpackungs- und Gehäusebereich, aber auch bei technischen Artikeln (Medizintechnik, Optik, Elektronik, Telekommunikation) zu finden. Die Motivation für eine Reduktion der Wanddicken hat unterschiedliche Ursachen. Im Verpackungsbereich ist der Hauptgrund die Möglichkeit, Kosten einzusparen: Zum einen hat das Material einen hohen Anteil an den Herstellungskosten und zum anderen wird eine der Masse proportionale Abfallentsorgungsgebühr fällig. Ferner verringert sich die Kühlzeit deutlich, da diese proportional zum Quadrat der Wandstärke ist. Bei technischen Artikeln, wie beispielsweise bei Mobiltelefongehäusen und Laptops, steht weniger die Kosteneinsparung im Vordergrund als vielmehr die Massereduktion und die fortschreitende Miniaturisierung. Durch die Reduktion der Wanddicke ist eine Redukti-
Tabelle 4-7 Unterschiede von Standard- und Mikrospritzgießen
Formteilabmessungen Strukturabmessungen Einsatzherstellung Oberflächenrauheit Prozessführung optimiert auf
239
Standard-Spritzguss
Mikro-Spritzguss
mm–cm min 100 μm Fräsen, Polsieren, Elektroerosion > 1 μm kleine Zykluszeit, geringer Materialverbrauch
mm–μm 100 μm –1 μm Galvanoformung < 100 nm Abformtreue durch variothermen Prozess und Nachdruck
240
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
on der Baugröße möglich bzw. kann der Platz für eine leistungsfähigere Elektronik genutzt werden. Was bedeutet Dünnwandtechnik? Generell lassen sich dünnwandige Bauteile über das Verhältnis von Fließweg zu Wanddicke und die mittlere Wanddicke charakterisieren. Ab einem Fließweg/ Wanddicken-Verhältnis >100 und einer Wanddicke <1 mm lassen sich die Bauteile als dünnwandig bezeichnen. Die Herstellung von dünnwandigen Formteilen ist nicht neu. Becher aus PS oder PP mit Wanddicken von 0,5 bis 0,6 mm wurden bereits vor über zwanzig Jahren spritzgegossen. Man verwendete dazu sehr leicht fließende Materialien und Einspritzgeschwindigkeiten von etwa 300 mm/s. Im Unterschied zur Becherfertigung kommen beim heutigen Dünnwand-Spritzgießen allerdings nicht leicht fließendes PS und PP, sondern in erster Linie ABS, ABS-PC-Blends, PC und LCP (flüssigkristalline Polymere) zum Einsatz. Mit Ausnahme von LCP haben diese Materialien eine wesentlich höhere Viskosität als die „Bechertypen“. Dennoch erreicht man ebenfalls Wanddicken von 0,6 mm und sogar noch darunter, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich der Gestalt (flächig verrippt), des Werkstoffs (niedrigviskos, thermisch stabil), des Prozesses (thermisch homogen, hohe Einspritzgeschwindigkeit) und des Werkzeugs (Steifigkeit, Angusstechnik, Kühlsystem). Der Füllvorgang beim Einspritzen ist auch beim Dünnwandspritzgießen ausschließlich durch die physikalischen Gesetze der Rheologie bestimmt. Maßgebend ist die Verteilung von Druck, Temperatur, Viskosität und Geschwindigkeit. Daher basiert der Erfolg vorrangig auf der konsequenten Nutzung der Simulationstechnik sowie der material- und prozesstechnischen Voraussetzungen. Werkstoffe Nahezu alle Rohstoffhersteller bieten neben den Standardspritzgusstypen auch Formmassen an, welche z. B. aufgrund ihrer Molmasse eine sehr niedrige Viskosität aufweisen. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass diese Spritzgusstypen neben ihren guten Fließeigenschaften auch die mechanischen Eigenschaftskriterien, wie z. B. Steifigkeit, Schlagzähigkeit, Dehnbarkeit sowie die chemischen, thermischen und elektrischen Anforderungen erfüllen. Eine Viskositätsverringerung durch das Einwirken von Mikrowellenoder Schererwärmung wurde bereits in der Vergangenheit an verschiedenen Forschungseinrichtungen untersucht. Diese Maßnahmen führten insbesondere bei der Duroplast- und Elastomerverarbeitung zum Erfolg. Das Einbringen überkritischer Fluide bewirkt ebenfalls eine Viskositätsverringerung der Formmasse, wobei manchmal der Nachteil eines nichtkompakten Formteils mit einher geht.
Verfahrenstechnik Die Fließwege dürfen nicht zu lang sein, und man benötigt Einspritzgeschwindigkeiten von 1000 mm/s und mehr. Da es sich um sehr dünne und folglich sehr leichte Teile handelt, sind Spritzhub und Einspritzzeit beim Dünnwand-Spritzgießen sehr klein. Typisch sind Einspritzzeiten von weniger als tE = 0,1 s. Dabei zeigt sich, dass mit abnehmender Wanddicke der Druckbedarf überproportional ansteigt. Aufgrund des strukturviskosen Verhaltens von Kunststoffschmelzen sorgt die Anhebung der Einspritzgeschwindigkeit für einen unterproportionalen Zuwachs beim Druckverbrauch. Erschwerend und damit drucksteigernd kommt hinzu, dass die zum Durchfließen der Schmelze effektiv zur Verfügung stehende Wanddicke und der sich daraus ableitende Fließquerschnitt sich durch die rasch einfrierende Randschicht drastisch verringern. Es ist somit nicht verwunderlich, dass man bei der Herstellung von Dünnwandartikeln z. T. Einspritzdrücke von pE = 3000 bar benötigt, die bereits wenige HundertstelSekunden nach Beginn der Einspritzbewegung erreicht werden. Maschinentechnik Aufgrund der oben beschriebenen Problemstellungen wurden seitens der Maschinenhersteller entsprechende Maschinenkonzepte erarbeitet. Die Herstellung von Dünnwandartikeln stellt an die gesamte Spritzgießmaschine sehr hohe und spezifische Anforderungen. Spritzgießmaschinen für diesen Bereich müssen besonders robust sei, schnelle Zykluszeiten ermöglichen, dabei hohe Einspritzleistungen aufweisen und eine optimale Teilequalität gewährleisten. Die notwendigen Maßnahmen betreffen die ganze Maschine. Angefangen bei der Plastifizierung über den Antrieb und die Schließeinheit bis hin zur mechanischen Konstruktion. Sehr gute Ergebnisse lassen sich bei der Plastifikation mit Schnecken erzielen, die besonders auf die Verarbeitung von scherempfindlichen Materialien, wie z. B. Blends auf Basis PC+ABS, ausgelegt sind. Auch die Formplatten der Schließeinheit müssen entsprechend stabil ausgeführt sein, um den zum Füllen notwendigen hohen Einspritzdrücken von bis zu pE = 2000 bar widerstehen zu können. Werkzeugtechnik Neben der fließtechnischen Auslegung des Werkzeugs inklusive einer optimierten Angusstechnik (z. B. auch Kaskadentechnik) ist aufgrund der hohen Einspritzdrücke ein besonderes Augenmerk auf die festigkeitsgemäße Auslegung des Werkzeugs zu achten. Ferner wird eine ausgefeilte Temperierung und Kühlung des Werkzeugs benötigt, weshalb insbesondere beim Dünnwand- oder Mikrostrukturspritzgießen innovative Technologien wie konturnahe Kühlkanäle, variotherme Temperierung oder Impulskühlverfahren eingesetzt
4.1 Urformen
241
Tabelle 4-8 Chancen und Risiken (Vor- und Nachteile) der Dünnwandspritzgusstechnik im Vergleich zum konventionellen Spritzgießen Dünnwand-SGT
Standard-Spritzgießen
Technisch
– kleinere und komfortablere Produkte durch Einsparung von Masse – neue dünnwandige bzw. mikroskalige Anwendungen z. B. in der Medizintechnik – Verkürzung der Zykluszeiten
– einfachere und sicherere Konstruktion von Formteilen und Werkzeugen – größeres Prozessfenster und daher stabilerer Prozess
Wirtschaftlich
– Kosteneinsparung durch geringeren Materialeinsatz – Höhere Produktivität durch geringere Zykluszeiten
– Standardspritzgießmaschinen mit Standardequipment einsetzbar – Kleinere Spritzgießmaschinen und geringer dimensionierte Werkzeuge – Einfachere Werkzeuge möglich (ohne Heißkanal, Einfachkühlung)
Umweltlich
– durch geringeren Materialeinsatz wird die Umwelt geschont – kleineres Transportvolumen und Transportmasse
– je nach Losgröße Energieeinsparungen durch kleinere Maschinen und Werkzeuge
Sozial
– spezielles Know-how bringt Wettbewerbsvorteile
– konventionelles Spritzgießen ist Betätigungsfeld der Niedriglohnländer (z. B. China)
werden. Auch das Auswerfersystem ist bei dünnwandigen Bauteilen kritisch zu betrachten. Durch die meist zur Strukturversteifung eingebrachten Rippen lassen sich solche Bauteile schlechter entformen oder verformen sich aufgrund ihrer dünnen Wandstärke. Aufgrund der Platzverhältnisse sind oft nur dünne Auswerferstifte möglich, während die Haftung der Formteile aufgrund des hohen Einspritz- und Nachdrucks verhältnismäßig hoch ist. Sonderverfahren Einsatz in der Dünnwandtechnik finden heute vermehrt Verfahren wie die Mehrkomponententechnik, die Gasinnendrucktechnik und Dekorationsverfahren. Ein gutes Beispiel ist der Wunsch nach individueller Gestaltung von Mobiltelefonen. Durch Dekorationsverfahren wie dem In-Mold-Decoration oder dem Einlegen von vorgeformten bedruckten Folien wird eine vielfältige Farbgebung auch kleinerer Stückzahlen möglich. Beispielsweise wird die Gasinnendrucktechnik bei dickwandigen Bauteilen zur Massenreduktion und zur Vermeidung von Einfallstellen eingesetzt; so steht bei dünnwandigen Bauteilen die Verzugsminimierung im Vordergrund. Durch die Mehrkomponententechnik lassen sich die unterschiedlichsten Funktionen realisieren. Dies beginnt bei Dichtungen, geht über Noppen zur Steigerung der Rutschfestigkeit bis hin zu Funktionselementen, die heute noch teilweise in zusätzlichen Arbeitsschritten aufwändig montiert werden. Tabelle 4-8 stellt die Chancen und Risiken der Dünnwandspritzgusstechnik dem konventionellen Spritzgießen gegenüber.
Beispiel der K 2007 U.a. stellten die Firmen Husky oder Aarburg laufende Produktionen von etikettierten (In-mold-labeling) Dünnwandteilen (Lebensmittelverpackung) auf 4- bis 6-fach Formen mit PP-Blockcopolymer (MFl 100), Wandstärke um 0,3 mm, Teilmasse 6,5 g, Durchsatzleistung ca. 32 kg/h mit einer Zykluszeit um 3 s her.
4.1.3.1.3
Entwicklungstendenzen beim Spritzgießen Helmut Schüle
4.1.3.1.3.1 Maschinentechnik Vollelektrische Spritzgießmaschinen/Hybridmaschinen [1] Die zuerst angesprochenen Vorteile von vollelektrischen Spritzgießmaschinen (Schließkraftbereich bis 4000 kN) gegenüber vollhydraulischen Verarbeitungssystemen sind neben einer Energieeinsparung während des Produktionsbetriebs insbesondere die Sauberkeit im Umfeld der Maschine (ölfrei bzw. -reduziert) sowie eine Arbeitsplatzlärmverringerung. Zum Einsatz kommende Antriebskonzepte (günstige, leicht austauschbare Komponenten: Kugelspindel, Riemenantriebe) zeichnen sich durch langfristig geringe Unterhaltskosten aus. Grundsätzlich sind vollelektrische Spritzgießmaschinen aus verfahrenstechnischer Sicht für alle gängigen Spritzgießsonderverfahren mit entsprechender Umrüstung (Adaption) einsetzbar. Häufig kommen auch Maschinen mit hybriden Antriebstechniken zum Einsatz. Grund hierfür ist, dass viele Werkzeuge mit hydraulischen Kernzügen ausge-
242
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-22. Injection Moulding Compounder für die Direktverarbeitung von Glasfaserrovings nach Krauss-Maffei
rüstet sind. Andererseits erfolgt z. B. bei servo-elektrischen Drehtellern aufgrund der dynamischen Vorteile die Arretierung mit einem Indexstift derzeit in aller Regel hydraulisch. Da vollelektrische Spritzgießmaschinen ohne Hydrauliköl arbeiten, somit eine Bildung von Ölnebel vermieden wird, sind sie in hohem Maße für Produktionseinsätze unter Reinraumbedingungen prädestiniert. Direktverarbeitung/Injection Molding Compounder (IMC) [2] Weitere Entwicklungstendenzen im Bereich Spritzgießen kombinieren den Spritzgießprozess mit dem Compoundierprozess (Herstellung von großflächigen Formteilen aus faserverstärkten Kunststoffblendmaterialien). Durch das Zusammenschalten eines Compoundierextruders (Einschnecke, Doppelschnecke) mit einer Spritzgießmaschine entsteht ein „einstufiges“ Fertigungsverfahren (hohe Investitionskosten, hervorragende Flexibilität beim Einsatz von unterschiedlichen Materialkombinationen bei verkürzten Zykluszeiten) (Bild 4-22). Als Ausgangsmaterialien kommen unverstärkte Thermoplaste zum Einsatz, welche mittels eines Materialtrichters zudosiert werden. Die Glasfasern werden als Rovings oder Schnittfasern am Ende der Aufschmelzphase in den Extruder eingebracht. Die Anlagentechnik ist gekennzeichnet durch einen kontinuierlich ablaufenden Plastifizierprozess (Doppelschneckenextruder, hohe Aufschmelzleistung, hervorragende Schmelzequalität und daraus resultierende niedrige Einspritzdrücke). Der Einspritzvorgang wird mit einem zugeschalteten Kolbenaggregat vorgenommen. Die während
dieser Zeit extrudierte Schmelzemenge wird gepuffert (Schmelzespeicher). Der Verarbeiter hat bei dieser Vorgehensweise u.a. den Vorteil seine Mehrkomponentenrezepturen selbst einzumischen (compoundieren) und in einem Schritt zu verarbeiten. Die Fasern (hier Funktionsstoffe) werden im Vergleich zur klassischen Spritzgießverarbeitung durch diese Vorgehensweise schonender aufbereitet und mechanisch weniger beansprucht (Faserzerkleinerung). Im Bauteil befinden sich letztendlich Fasern mit einer Länge von 1–5 mm (Nachweis u.a. Veraschungstest). Faserverstärkte Frontends für die Automobilindustrie, die mit dem Spritzgießcompounder produziert werden, zeigen in manchen Fällen z. B. in hochdynamischen Belastungstests ein anwendungsbezogenes, vorteilhaftes Bruchverhalten. Die Bauteilgröße und Geometrie entscheidet über die erfolgreiche Anwendbarkeit des IMC-Prozesses, im Wettbewerb zum LFT-D-Verfahren (siehe 4.1.3.7). Tandem-Schließsysteme In Bild 4-23 ist die Arbeitsweise eines so genannten Tandemwerkzeugs schematisch dargestellt [3]. Auf die bewegliche Schließseite (mittig im Gesamtwerkzeug) werden identische bzw. prinzipiell frei wählbare Werkzeuge (Kaltkanaltechnik) angebracht. Im Gegensatz zum Etagenwerkzeug (meist zwei Trennebenen, welche beim Einspritzen in ihrer Gesamtheit geschlossen sind, zyklisch arbeitend) werden bei der Tandemwerkzeugtechnik die einzelnen Trennebenen des Werkzeugs definiert abwechselnd geöffnet. Während die Schließeinheit auffährt, um z.B. die
4.1 Urformen
243
Als Vorteile dieser Verarbeitungstechnik werden ein barrierefreier Zugang für Automatisierungseinrichtungen, eine bessere Nutzung der Werkzeugaufspannflächen bei gleichzeitig hoher Gestaltungsfreiheit beim Bau des Werkzeugs sowie günstige Rüstzeiten durch einen einfach durchzuführenden Werkzeugwechsel angeführt. Der stabile C-Rahmen („Schraubzwingen-Prinzip“) und ein verschleiß- und wartungsfreies Biegegelenk zwischen Druckkolben und beweglicher Aufspannplatte ermöglichen eine hohe Parallelität der beiden Werkzeugaufspannplatten (Bild 4-24). Anhand von umfangreicher, messtechnisch aufwendigen Untersuchungen wurde gezeigt, dass beim holmlosen System eine äußerst präzise Schließbewegung vorliegt. Für die Praxis bedeutet dies eine zu erwartende längere Werkzeuglebensdauer. Für die Dauerbelastbarkeit sind in erster Linie die auf dem holmlosrahmen aufgebauten Linearwälzlager, mit denen die bewegliche Werkzeugaufspannplatte geführt wird, mit verantwortlich. Eine stabile Unterstützung der Schließseite ermöglicht u.a. ein reibungsarmes Auf- und Zufahren von schweren Werkzeugen (kein Durchhängen).
4.1.3.1.3.2 Handlingssysteme
Bild 4-23. Prinzip eines Tandemwerkzeugs [3]
Trennebene 1 zu öffnen (Entformung), wird die Trennebene 2 (Kavität) mittels eines Verriegelungssystems (hydraulisch, pneumatisch angesteuert) verschlossen gehalten (abkühlen, versiegeln, Formstabilität). Nach Wiederverschließen des Gesamtwerkzeugs wird in einem nächsten Schritt die Kavität in Trennebene 1 gefüllt (einschließlich Nachdruck). Nach Formfüllung wird, sofern das Bauteil in Trennebene 2 entformbar ist, die Trennebene 2 aufgefahren. Holmlose Spritzgießmaschinen [4] Spritzgießmaschinen mit holmlosen Schließeinheiten (seit 1989 auf dem Markt) werden bis zu Schließkräften von 6000 kN gebaut (eingrenzend für diesen maximalen Grenzwert ist das hierfür erforderliche hohe Maschineneigengewicht). Das Schließsystem wird hydraulisch betrieben.
Zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit müssen die teilespezifischen Zykluszeiten in hohem Maße minimiert werden und die reproduzierbare Produktqualität durch Prozesskonstanz dauerhaft auf hohem Niveau gehalten werden. Eine wirtschaftliche, technisch anspruchsvolle Produktionslinie ist somit ohne den Einsatz von „Robotersystemen“ in der heutigen Zeit nicht mehr denkbar. Ein Roboter ist nach /5/ ein automatisch gesteuertes, wiederprogrammierbares, vielfach einsetzbares Handhabungsgerät mit mehreren Freihheitsgraden, welches ortsfest – alternativ beweglich – in automatischen Fertigungssytemen (-zellen) eingesetzt wird. Roboter werden auch als Handlings- oder Handhabungsgeräte bezeichnet. Im Umfeld „Spritzgießen“ kommen derzeit insbesondere ortsfeste, d. h. stationäre Systeme (Bild 4-25 und 4-26) wie z. B. – Linearroboter (beschreiben meist einen quaderförmigen – Dreiachsensystem – bzw. einen rechteckflächigen – Zweiachsensystem – Arbeitsraum, können nur bedingt große Formteilmassen aufnehmen), – Linearrobotor mit einer Linearachse (Angusspicker), meist bestückt mit einem pneumatisch angetriebenen Angussschneider, – Knickarmroboter (besitzen die meisten Freiheitsgrade, hochkomplexe Bewegungsabläufe können programmiert werden, torusförmiger Arbeitsraum) – SCARA_Roboter (Nachbildung des menschlichen Arms Abk. Selective Compliance Assembly Robot Arm) stellt prinzipiell einen Schwenkarm-Roboter (kleine Standflä-
244
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-24. Holmlose Schließeinheit nach Fa. Engel
Bild 4-25. Funktionsweise eines Linearroboters [6]
che, hohe Steifigkeit, hohe Geschwindigkeiten) dar und kommt vorzugsweise beim Verpacken von Spritzgussteilen zur Anwendung. Bei Einlegegeräten (wenige Bewegungsachsen, Weginformationen über Endschalter ggfs. Foto- und Magnetschalter bzw. Näherungssensor) ist zu beachten, dass räumliche Bewe-
gungsbahnkurven nicht programmiert werden können. Innerhalb der Spritzgusszelle werden diese Handhabungssysteme stationär an bzw. auf der Verarbeitungsmaschine befestigt (oft auf der düsenseitigen Werkzeugplatte); nach einem Werkzeugwechsel erfolgt unter Berücksichtigung der herzustellenden Spritzlinggeometrie ggfs. eine Neuprogrammierung. Handlingsgeräte sind in aller Regel mit Greifern bzw.
4.1 Urformen
245
Bild 4-26. Funktionsweise eines Knickarms [6]
Bild 4-27. Vergleich der Bauart: Gelenkarm-, Linear-, Portalroboter nach Kuka, Wittmann und Husky
Werkzeugen ausgerüstet, welche die Roboterspitze (auch Effektor genannt) bilden. Üblicherweise sind diese Systeme in den Bereichen Einlegen, Entformen, Palettieren und in der Montage (hohe Positioniergenauigkeit erforderlich, meist Direktantriebe ohne Getriebestufe) einzelner Baugruppen (verkleben, verschrauben) unterteilt. Grundsätzlich kommen neben mechanischen Greifern auch pneumatisch unterstützte Ausführungen (Einfach- und Balgensauger), welche durch Vakuum und elastischen Saugnäpfen das Formteil halten, zum Einsatz. Das vorliegende Eigengewicht der Handlingsgeräte – wichtig hinsichtlich Befestigung an der Verarbeitungsmaschine – hängt u.a. von der Antriebsart (pneumatisch, hydraulisch, elektrisch) ab (Bild 4-27).
Bedingt durch die Freiprogrammierbarkeit bei Knickarmrobotern können mehrere Arbeitsschritte neben der reinen Entnahme hinzugefügt werden. Beispiele sind: Beschneiden und Entsorgen des Angusses, Einlegen des Formteiles in einen oder mehrere Konfektionierschritte und Abholen des Fertigteils aus Transportcontainern. Kombinationen von Linear- und Knickarmrobotern Eine Entscheidung zur Automatisierung muss nicht grundsätzlich für oder gegen ein Handlingsystem ausfallen. So läßt sich z.B. der große Arbeitsraum eines Linearroboters im Prinzip mit der Flexibilität eines Knickarmsystems kombinieren (Portalkonstruktionen).
246
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Fertigungszellen In komplexen Fertigungszellen können prinzipiell beliebig viele Linear- und Knickarmroboter miteinander in serieller oder paralleler Schaltung verbunden werden (Programmieraufwand beachten!). Sofern ein einziger Roboter den gesamten Materialfluss koordiniert, muss in vielen Fällen die Handlingsphase innerhalb der Zykluszeit des Spritzgießprozesses abgeschlossen werden. Nachfolgend soll der aktuelle Stand der Technik an einem Praxisbeispiel prinzipiell vermittelt werden. Wie in [6] beschrieben wird, beherrscht ein SechsachsRoboter nicht nur die Teileentnahme aus der Spritzgießmaschine, sondern übernimmt auch die weiterführenden Montageschritte. Innerhalb der robotergestützten Zelle müssen dabei sechs unterschiedliche Deckelvarianten montiert werden, die sich in Durchmesser und Formmasse unterscheiden (Rüstzeiten müssen optimiert eingebracht werden). Der sechsachsige Roboter entnimmt zunächst den gespritzten Deckel-Grundkörper aus der Spritzgießmaschine, fährt damit an eine Station, an der der Anguss abgezwickt wird. Danach wird das Teil zum Abkühlen abgelegt. Der Roboter greift sich dann ein bereits abgekühltes Bauteil und übergibt es an einen Zweischneider, welcher den verbliebenen Restanguss absenkt. Der Roboter bringt dann das Spritzgussteil an die O-Ring-Montagestation (exakte Positionierung). Nach Montage des O-Rings wird das Bauteil vom Roboter zur Schraubstation weitergegeben. Der Roboter legt
Bild 4-28. Klassifikation nach US Fed. Standard 209d
das Teil in die Vorrichtung, schwenkt zu den bereitgestellten Klarsichthauben, nimmt eine davon auf und fährt zurück zur Schraubstation, wo er die Klarsichthaube über einen Zentrierdorn exakt zum Verschrauben mit dem Spritzgussteil positioniert. Eine pneumatische Schraubstation verschraubt die beiden Teile. Dabei wird das Drehmoment überwacht, außerdem sorgt eine taktile Höhenabfrage für hundertprozentige Sicherheit beim Schraubprozess. Die fertig montierten Deckel legt der Roboter auf eine Rutsche, über die sie in ein Behältersystem gelangen. Zahlreiche sensorische Abfragen überwachen jeden einzelnen Arbeitsschritt und ermöglichen so eine nahezu hundertprozentige Qualitätssicherung. Reinraumtechnik Bei der Herstellung von bestimmten Produkten, wie z. B. Digitalen Datenträgern (CD, DVD) die höchste Qualitätsanforderungen bei z. B. optischen Eigenschaften erfordern, oder Produkten für den medizinischen Einsatz, wird üblicherweise die Spritzgießmaschine in eine Reinraumumgebung integriert. Ein Reinraum unterliegt bestimmten Spezifikationen (Bild 4-28) (Reinraumklasse, bestimmt die sich daraus geforderten baulichen und verfahrenstechnischen Maßnahmen). Eine Definition ist in DIN EN ISO 14644-1 gegeben: Ein Reinraum ist ein Raum, in dem die Konzentration luftgetragener Teilchen geregelt wird, der so konstruiert ist und
4.1 Urformen verwendet wird, dass die Anzahl der in den Raum eingeschleppten bzw. im Raum entstehenden und abgelagerten Partikel kleinstmöglich ist und andere Reinheitsparameter wie Temperatur, Feuchte, Druck nach Bedarf geregelt werden. Die verschiedenen Aufgaben und Maßnahmen der Reinraumtechnik zur Absicherung dieser Anforderungen werden in der vom Gemeinschaftsarbeitsausschuss Reinraumtechnik (GAA-RR) im DIN und VDI bearbeiteten Richtlinienreihe VDI 2083 beschrieben und im Sinne einer Harmonisierung mit ISO 14644 überarbeitet. Seitdem die Reinraumtechnik in der Spritzgießtechnik etabliert ist, befasst man sich mit verschiedensten Integrations- und Aufstellvarianten. Problematisch ist hierbei der Umstand, dass Spritzgießmaschinen (bewegte Massen, Schmierung) und deren Peripherie meist auffallend große Abmessungen aufweisen; erschwerend kommt die Vielzahl an erforderlichen Versorgungssystemen hinzu. Entsprechend der Reinheitsklasse müssen die Maschinen modifiziert werden (Investitionskosten steigen überproportional mit zunehmender Reinheitsforderung). Vordergründig einfach und deshalb weit verbreitet ist die Aufstellung einer kompletten Maschine im Reinraum. Für niedrige Reinheitsklassen, bei denen es lediglich um einen Schutz vor z. B. Staub-Partikeln geht, ist diese Lösung meist ausreichend. Um Kontaminationsquellen einzugrenzen bzw. zu eliminieren, sind alle Maschinen und Einrichtungen entsprechend zu modifizieren. So sind beispielsweise Motoren mit Luftkühlung weniger geeignet als jene mit Wasserkühlung, weil Lüfter die Partikel unkontrolliert in den Raum blasen. Auch Lackierung, Schmierung oder Metalloberflächen bedürfen einer besonderen Ausführung, um nur einige Merkmale zu nennen. Aus technischen und wirtschaftlichen Gründen ist diese Lösung nur für Reinheitsklassen nach ISO 8 bis ISO 7 geeignet. Um in der Medizintechnik und z. B. bei der Herstellung von optischen Datenträgern die geforderten Produktqualitäten zu erzielen, sind weitaus größere Anstrengungen notwendig. Im Unterschied zu rein technischen Anwendungen ist für medizinische und pharmazeutische Anwendungen nicht nur die Partikelfreiheit sondern zusätzlich die Keimfreiheit von Bedeutung. Deshalb sind bei der Planung und Konzeption einer Medizinproduktefertigung weitergehende Kriterien zu berücksichtigen. Umfassende, praxisrelevante Ausführungen sind in [8] nachzulesen. Komplettlösungen Oft wird die Herstellung von Spritzgießteilen durch eine zusätzliche Integration von „Value-Add“ erweitert. Dazu werden Komponenten in das Spritzgießteil integriert (automatisch oder manuell) oder ggfs. ein Dekorationsverfahren angewandt, wie z.B. Tampondruck.
247
Auch werden Spritzgießteile zur Endmontage direkt angeliefert. Hieraus ergibt sich ein Spritzgießbetrieb als integraler Bestandteil einer Komplettfertigung ggfs. mit Anbindung an bestehende Logistiksysteme, Lagerverwaltungsrechnersysteme, Just-in-Time Anlieferung an die Montageeinheiten, First-in-First-Out Prinzipien, Kanban-Regeln, etc. (Informationstechnologie muss integriert werden!) Exemplarisch soll nur die Spitzgießfertigung für „OfficeTelefone“ angesprochen werden. Ein Zellenkonzept integriert das Spitzgießen der Gehäuseteile, den Tampondruck auf das Gehäuse sowie die Endmontage und das Testen der Handapparate (automatisiert und manuell), das Abstapeln in Gitterboxen und den Abtransport der Gitterboxen erfolgt durch mannlose Flurförderfahrzeuge. Ein Leitrechnersystem übernimmt die Kommunikation mit dem Lagerverwaltungsrechner und einem SAP-System, das automatisch die Füllstände der Silos für das Rohmaterial/Granulat mit dem Verbrauch an den Spritzgießmaschinen abgleicht und Nachbestellungen beim Lieferanten auslöst. Gleiches gilt für die Elektrokomponenten der Handapparatefertigung. Das Leitrechnersystem verfügt über alle notwendigen statischen Funktionen hinsichtlich Produktionsleistung und Qualität sowie die gesamte Auftragsabwicklung.
Literatur zu Kapitel 4.1.3.1 [1] [2] [3]
[4]
[5]
[6] [7]
[8]
[9]
Schreyer G (1972) Konstruieren mit Kunststoffen. Carl Hanser Verlag, München, 1117 S, Studienausgabe 1979 Michaeli W (2006) Einführung in die Kunststoffverarbeitung. 5. Aufl, 240 S, Hanser Verlag, München Schwarz, Ebeling, Lüpke, Schelter (2000) Kunststoffverarbeitung, kurz und bündig. 6. Aufl, Vogel Verlag, 2000, Würzburg, 292 S Bode E (1991) Konstruktionsatlas: Werkstoff- und verfahrensgerecht konstruieren. 5. Aufl, Hoppenstedt, Darmstadt Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 2007/08, 14. Aufl, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, Pfinztal Menges G (1979) Einführung in die Kunststoffverarbeitung. Carl Hanser Verlag, München Stitz S (1973) Analyse der Formteilbildung beim Spritzgießen von Plastomeren als Grundlage für die Prozeßsteuerung. Dissertation IKV Aachen Saechtling H, Oberbach K (2004) Kunststofftaschenbuch. 29. Ausgabe, Carl Hanser Verlag, München, ISBN 3-446-21605-7 Michaeli W, Lettowsky Ch (2004) Zukunftssicherung durch Verfahrensintegration. Kunststoffe 94(2004)5, S 20–24
248
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
[10] Jaroschek Ch (2004) Passgenaue Verteilung des Kernmaterials. Kunststoffe 94(2004)5, S 68–71 [11] Eyerer P, Elsner P, Knoblauch-Xander M, von Riewel A (2003) Gasinjektionstechnik. Hanser Verlag, München, 234 S, ISBN 3-446-22278-2 [12] Metallstrukturen werden durch Kunststoff stärker, leichter und wirtschaftlicher. Bayer AG, Leverkusen, GB Kunststoffe, Ausgabe 2000-10 [13] Goldbacher H, Hoffner I (1997) Hybridbauteil in der Serienfertigung. Kunststoffe 87(1997)9 und Anwendungstechnische Informationen ATI 1116 d,e, Bayer AG, Leverkusen, 2000 [14] Steiner G, Gerndorf R (2004) Kunststoff-Metall-Hybride der neuen Generation. Kunststoffe 04(2004) S 83– 87 [15] VDI Kunststofftechnik: Fachtagung Spritzgießen Hybride Bauteile und Elektromechanik. 14./15.2.2007 Baden-Baden [16] Poitter V et al. (2007) Keramik im Kunststoffkleid – Hybridbauteile. Kunststoffe 97(2007)4, S 50–53 [17] Michaeli W, Gramer A (2006) Bessere Oberflächenqualität beim Schaumspritzgießen. Kunststoffe 96(2006)12, S 21–27
Literatur zu Kapitel 4.1.3.1.3 [1] [2] [3] [4] [5]
[6] [7] [8]
Grundmann K (2005) Vollelektrische Breitseite, Kunststoffe 95 (2005) 10 S. 2–6 Sieverding M (2005) IMC-Technik erschließt neue Arbeitsgebiete Kunststoffe 95 (2005)8 S. 34–37 Jaroschek C (2002) Doppelte Leistung Kunststoffe 92(2002)8 S. 53–55 Kappelmüller W (2005) Holmlos – Was bringt’s, Kunststoffe 95(2005)7 S. 87–91 Schmidt D (2004) Automatisierungstechnik Grundlagen Komponenten Systeme, Aalen Europa Lehrmittel Schnauffer T (2007) Knickarm- und Linearroboter im Vergleich, Kunststoffe 97 (2007)1 S. 44–48 N.N. (2006) Roboterzelle mit vielen Talenten Kunststoffe 96(2006)12 S. 46–48 Jensen R (2005) Maschinen- und Verfahrenstechnik für Medizinprodukte 95(2005)8 S. 82–88
Weiterführende Literatur Bothur Ch (2007) Qualität rauf, Kosten runter – BDESystem-Einführung. Kunststoffe 97(2007)3, S 52–54 Brockmann C, Stecker Ch (2007) Großeinsatz für optische Formteile – Spritzprägen. Kunststoffe 97(2007)3, S 40– 44
Dimmler G, Steinbichler G, Wobbe H (2005) Neuer „HighSpeed“ für Dünnwandteile. Kunststoffe 95(2005)9, S 112–117 Döbler M, Schliemann F (2006) Linsenoptiken von LED aus Polycarbonat. Kunststoffe 96(2006)11, S 116– 117 Eipper A, Völkel JM (2006) Filigrane Bauteile wirtschaftlich herstellen (Automobilelektronik/Nanopartikel/ Fließverhalten, PBT). Kunststoffe 96(2006)11, S 129– 132 Hausladen G (2007) Materialeinsatz optimieren – InlineVerwertung. Kunststoffe 97(2007)4, S 95–97 Hürland K (2007) Einsatz von Primärenergie steigert die Energieeffizienz – Temperiergeräte mit Erdgasbeheizung. Kunststoffe 97(2007)3, S 45–49 Levermann M, Naday P, Friedrich W (2007) Transferspritzpressen von gemischten Thermoplasten – Direktverarbeitung. Kunststoffe 97(2007)4, S 98–100 Winter A, Baumann P (2006) Spritzblasen vollelektrisch (Antriebstechnik). Kunststoffe 96(2006)11, S 76–77 Völkle D (2002) Modifizierung von Polymeren mit komprimiertem Kohlendioxid als Lösungsmittel. Stuttgart: Dissertation IKP Universität Stuttgart Linse F, Giessauf J, Steinbichler G (2007) Wasserinjektion über ein zusätzliches Spritzaggregat. Kunststoffe 97(2007)11, S 68–70 Michaeli W, Neuss A (2007) Flexibel, wo es darauf ankommt (Medienleitungen). Kunststoffe 97(2007)10, S 181– 186
Literatur zu Spritzgießen Apelt S, Hickmann T, Marek A, Widdecke H (2006) Wie leitfähig Compounds wirken – Füllstoffsysteme für Bipolarplatten einer Brennstoffzelle. Kunststoffe 96(2006)12, S 86–88 Bürkle E, Klotz B, Schnerr D (2007) Der gläserne Innendruck – berührungslose Messung des Innendrucks mit speziellen Messdübeln (pvt-Diagramme). Kunststoffe 97(2007)5, S 26–31 Jacobs-Hattwig A, Hoffmann A (2006) Flüssigkristallines Polymer in Springbackform (LCP-Metallsubstitution). Kunststoffe 96(2006)12, S 95–98 Lee NC (2006) Practical Guide to Blow Moulding. Rapra Tech. Ltd, Shawbury, UK, 204 S Piazzi M (2006) Projektil-Injektionstechnik geht in Serie (Spritzgießen/GIT/WIT). Kunststoffe 96(2006)11, S 124–126 Schmachtenberg E, Schuck M, Kühnert I (2007) Urformen und Montieren in einem Prozess – Montagespritzgießen. Kunststoffe 97(2007)4, S 24–31
4.1 Urformen Stecker Ch (2007) Alles im Fluss – Spritzgießen und Oberflächenveredelung. Kunststoffe 97(2007)5, S 32–36 Thielen M, Hartwig K, Gerst P (2006) Blasformen von Kunststoff-Hohlkörpern. Hanser Verlag, München
Literatur zu Dünnwandspritzgießen Adolph T (2007) Flexible Produktion von Lebensmittelverpackungen. Kunststoffe 97(2007)11, S 30–31 Amesöder S, Schmachtenberg E (2007) Montagespritzgießen – hochgefüllte Kunststoffe zur lokalen Funktionsintegration. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Bodmer U (2007) Montagespritzgießen mittels Doppelwürfeltechnik. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Czizzegg W (2007) Spitzenwerte in der Pipettenherstellung (Automation). Kunststoffe 97(2007)7, S 80–82 Drummer D, Dörfler R (2007) Leuchtendes Beispiel (Funktionsintegration). Kunststoffe 97(2007)11, S 64–67 Fuchs M et al. (2007) Karosserieaußenhaut mit integrierter Antenne. Kunststoffe 97(2007)11, S 56–63 Giesen O (2007) Wirtschaftliche Produktion mit komplexen Fertigungszellen (Prozessintegration). Kunststoffe 97(2007)6, S 51–54 Imgrund P, Rota A et al (2007) Metallpulverspritzgießen im Mikromaßstab. Kunststoffe 97(2007)6, S 25–28 Joachimi D, Zimnol R, Meinerding L (2007) Rohrsysteme im Motorraum. Kunststoffe 97(2007)11, S 126–128 Jüttner G, Jacob S (2007) Zweikomponenten-Mikrospritzgießen. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Kuhmann K, Lorenz F (2007) Thermoplast + Kautschuk – Verbunde ohne Haftvermittler. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Patentsituation Montagespritzgießen. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Künkel R, Kornsteiner W, Tome A (2007) 2-K-Kupplung mit Überlastschutz. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen
249
Menges G, Michaeli W, Mohren P (Hrsg) Spritzgießwerkzeuge. Hanser Verlag, München, 6. Auflage, 938 S Michaeli W, Lettowsky C, Neuß A, Grönlund O (2007) Kombination von Mehrkomponentenspritzgießen und Fluidinjektionstechnik. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Michel P, Steeg CC, Griebel D, Löffler A (2007) Montagespritzgießen von Kunststoff-Metall-Hybrid-Verbunden. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Mitzler J, Hilmer K, Seidl M (2007) Eine einfache Alternative zu Gummi-Metall-Verbunden (Dreifachkombination). Kunststoffe 97(2007)10, S 171–177 Müller W (2007) Funktionelle optische Bauteile durch Montagespritzgießen. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Neny Ch, Zucker J (2007) Kompetenz im Kleinen – Marktentwicklung der Mikrotechnik. Kunststoffe 97(2007)6, S 30–33 NN (2007) Beschädigungssichere Integration von RFID-Etiketten in Spritzgießteilen (Fa. Engel). Kunststoffe 97(2007)10, S 204 NN (2007) Sockel für die Kfz-Bleuchtung (Flüssigkristalline Polymere). Kunststoffe 97(2007)9, S 175–176 Osswald T (2007) Simulation in der Kunststoffverarbeitung. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Piotter V, Plewa K, Prokop J, Ruh A, Ritzhaupt-Kleissl HJ, Haußelt J (2007) Mehr-K-Spritzgießen zur Herstellung metallischer und keramischer Mikroteile. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Schmachtenberg E, Johannaber F (2007) Montagespritzgießen Verfahrensprinzip und Definition. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Schmidt J, Häffner H (2007) Datenschutz durch Hinterspritzen. Kunststoffe 97(2007)10, S 201–203 Schneider PF (2007) Rundum ungetrübte Sicht (Schaumspritzgießen). Kunststoffe 97(2007)7, S 78–79 Schray J (2007) Synergien durch Materialverbund. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fach-
250
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
tagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Schuck M, Schmachtenberg E (2007) Kompatibilitätsprinzipien. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Siebert A et al. (2007) Kunststoffgehäuse auf dem Motorenprüfstand. Kunststoffe 97(2007)11, S 129–132 Stauber R, Vollrath L (Hrsg) (2007) Plastics in Automotive Engineering. Hanser Verlag, München, 407 S, ISBN 978-3-446-41120-3 Stein A (2007) Hochentwickelt, robust, ressourcenschonend (Hightech-Spielzeug). Kunststoffe 97(2007)8, S 157– 159 Steinbichler G (2007) Dolphin-Verfahren: Thermoplastischer Werkstoffverbund mit Softtouchoberflächen. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Steinko W (2007) Optimierung von Spritzgießprozessen. Hanser Verlag, München, 574 S Stöcklin W, Fabozzi T (2007) Nichts als Verschlusskappen. Kunststoffe 97(2007)9, S 185–187 Thornagel M, Haspel J (2007) Montagespritzgießsimulation. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Velthuis R et al. (2007) Leichtbau aus Metall und FaserKunststoff-Verbunden. Kunststoffe 97(2007)11, S 52– 55 Zippmann V (2007) Montagespritzen für die MID-Technologie. In: Schuck M, Kühnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen, Tagungsband. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen Zwiesele J, Summerer F (2007) Automobil-Verscheibungen aus Polycarbonat. Kunststoffe 97(2007)9, S 179–184
4.1.3.2
Extrudieren (Fließprozess; kontinuierlicher Prozess) Helmut Schüle
Das englische Wort „Extruder“ übersetzt bedeutet „Ausstoßmaschine für Werkstoffe“. Auch wird häufig der Begriff Schnecken(-strang)presse verwendet. Charakteristisches Merkmal dieser Verarbeitungsaggregate ist die Aufgabenstellung, eine, in vielen Fällen mit Füll- und/oder Funktionsstoffen versehene polymere Formmasse, welche aufgrund des Herstellverfahren als Pulver, Gries oder Granulat vorliegt, mittels eines Plastifizier- oder Sinterprozesses und nachgeschalteter Konturwerkzeuge definiert als Halbzeuge
kontinuierlich auszuformen. Je nach Granulometrie in Verbindung mit dem strukturviskosem Stoffverhalten der zu verarbeitenden Polymerformmassen kommen drehende oder kolbenartige Fördersysteme zum Einsatz. Entscheidend sind hierbei neben den tribologischen Eigenschaften (Wandgleiten, Haftbedingung) und insbesondere bei hochmolekularen Kunststoffen der Umstand, inwieweit die Schmelzebildung aufgrund einer niedrigeren Zersetzungstemperatur überhaupt erfolgen kann (PTFE, PAN, UHMWPE). Neben dem Extruder besteht eine Gesamtanlage aus einer konturgebenden beheizten Werkzeugeinheit und einer sich unmittelbar, mit oder ohne thermischen Trennung anschließenden temperierten Kalibriereinheit (Aufgabe: Abkühlen und dimensionsgerechte Bauteilmaßfixierung). Weiter folgen meist eine Abzugseinheit (Raupenabzug) und eine Ablängeinheiten (Sägen, Schneiden). Für einen logistisch einwandfreien Weitertransport bzw. eine anstehende Zwischenlagerung sind in aller Regel noch Zusatzaufgaben wie Wickeln, Palettenstapel, Schutzfolienkaschierung, Verpackung zu integrieren. Hochwertige Produktionsanlagen sind in praxi häufig aus Qualitätsgründen mit einer Vielzahl an Messsensoren (u. a. Schmelzedruck- und Temperaturüberwachung, Drehmomenten- und Stromaufnahme) bestückt. Technische Bedeutung als Förderaggregat haben derzeit Kolbenstrangpressen und in überragender Weise Ein- und Mehrschneckenpressen. Auch sind Zahnradspinnpumpen und Planetwalzenextruder unter Produktionsbedingungen anzutreffen. Ohne wirtschaftliche Bedeutung sind schneckenlose, auf dem Weissenbergeffekt basierende Extruder mit ebenen und gestuften Drehscheiben. Übersicht über Förderaggregate bei der Schmelzeextrusion Die Wahl eines geeigneten Extrusionssystems zum Erreichen der geforderten Halbzeugeigenschaften ist in vielen Fällen nicht eindeutig möglich. Zurückzuführen ist dies auf das materialspezifische Stoffverhalten des Polymers (u. a. thermische Zersetzung, viskose Fließfähigkeit, Wandgleiten, Mischungsunverträglichkeiten) aber auch auf maschinenspezifische Eigenschaften (u. a. Verweilzeitspektrum bei der Verarbeitung, mechanisch-thermische Misch- und Scherwirkung in Verbindung mit einer geforderten Schmelzehomogenität , Temperaturverteilung). Grundsätzlich steht bei der Extrusion stets die Forderung im Raum Zusätze wie Farbstoffen, Füll- und Verstärkungstoffen, Weichmachern, Gleitmitteln oder auch Flammschutzmittel in das Halbzeug bzw. Compound möglichst in einem Arbeitsgang einzubringen (zufriedenstellende mechanisch-thermische Schmelzehomogenität muss erreicht werden). Nachfolgend sind ausgewählte, praxisrelevante Verarbeitungssysteme beschrieben.
4.1 Urformen
251
Bild 4-29. Schematische Darstellung einer Extrusionslinie [1]
4.1.3.2.1
Ausgewählte Schmelzeförderaggregate
Stiftextruder [2] Stiftextruder werden nahezu ausschließlich in der Elastomerverarbeitung eingesetzt. Die Stifte sind radial und über die Länge mehrfach wiederholend im Zylinder angeordnet und reichen bis dicht an den Schneckengrund. Die Schneckenstege sind an diesen Stellen radial bis an den Schneckengrund unterbrochen.
Bild 4-30. Stiftextruder nach Berstorff
Die in Form einer Pfropfen- bzw. Kolbenströmung längs des Extruders fließenden u. a. mit Ruß hochgefüllten Polymerschmelzen werden dabei durch die über die Stifte vorgegebene Scherspalte bei einer unmittelbar daraus resultierenden hohen Wandschubspannung gepresst. Ein Aufreißen von „Überstrukturen“ (meist verbunden mit rheologischen Fließanomalien, Fließgrenze), zurückzuführen auf die Vernetzung des Elastomers und die hohen Füllstoffanteile, wird dadurch erzwungen. Der so induzierten Scherströmung
252
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-31. Planetwalzenextruder in Tandembauweise mit Entgasung nach SMS
Bild 4-32. Ko-Kneter [5, 11]
wirkt eine Druckströmung entgegen; es liegen somit günstige Mischeffekte vor. Probleme hinsichtlich thermischem Abbau können bei Vorliegen von hohen Scherviskositäten bei gleichzeitig zu engen Spaltweiten und zu hohen Drehzahlen (sehr hohe Schergeschwindigkeiten) auftreten. Walzenextruder (Planetwalzenextruder) [3] Beim Planetwalzenextruder (PWE) handelt es sich um ein mehrwelliges Extruderkonzept, welches aus einem antrei-
benden Führungssschneckenschaftkern mit planetförmig umlaufenden Spindeln (Walzen) besteht. Vorteilhaft ist die bei diesem Fördersystem anzutreffende hervorragende Homogenisierleistung bei gleichzeitig schonender Aufbereitung der Schmelze. Der Dispergiervorgang ist gekennzeichnet durch ein enges Verweilzeitspektrum der Polymerschmelze in der Maschine bei gleichzeitig günstigem Selbstreinigungsverhalten. In einer Nacheinander-Schaltung mit einem druckaufbauenden Extruder (Bild 4-29) – auch Tandemanordnung genannt – kann im Bereich des
4.1 Urformen
253
Übergangs im vorliegenden Vakuumschacht bei Anlegen eines Unterdrucks vorteilhaft die Schmelze entgast (Wasser, Oligomere) werden. Bevorzugt eingesetzt wird diese Verarbeitungsmaschine insbesondere bei thermisch empfindlichen Polymerformmassen wie PVC-h und PVC-w (Granulierprozess, Kalandrieren, Massedurchsatz bis 10.000 kg/h möglich). Ko-Kneter [4] Der Ko-Kneter ist eine einwellige Schneckenmaschine. Die Förderschnecke führt bei diesem Maschinenkonzept sowohl eine Drehbewegung als auch eine in Förderrichtung axiale Oszillation (eng begrenzte Vor- und Zurückbewegung) durch. Im Zylinder sind zusätzlich in den Schmelzestrom hineinragende Knetzähne angebracht. Das Förderaggregat wird durch Aufklappen des Zylinders entnommen. Eingesetzt wird der Ko-Kneter aufgrund seiner hervorragenden Mischleistungen insbesondere in der Aufbereitungstechnik (Granulieren) bei anzutreffenden Massedurchsätzen von bis zu 30 t/h.
4.1.3.2.2
Schneckenlose Extruder
Zahnrad(-spinn)pumpen [5,6] Zahnradpumpen sind seit vielen Jahren insbesondere bei der Faserextrusion als zwangsfördernde Schmelzeextruder (Verdrängerpumpe) nachgeschaltet. Da ein Plastifizieren bei diesem System nicht möglich ist, werden Schmelzepumpen in aller Regel bei Einschneckenextrudern zum Erzielen einer günstigeren Massedurchsatzkonstenz (Folienherstellung) eingesetzt. Bei der Kunststoffaufbereitungstechnik ist die Schmelzepumpe meist notwendig, um die von gleichläufig drehenden Doppelschneckenmaschinen plastifizierte und homogen vorgelegte Schmelze durch das meist folgende Granulierwerkzeug (Lochplatten) mit dem erforderlichen Druck zu pressen. Zahnradpumpen bestehen im Wesentlichen aus zwei gleichgroßen, außenverzahnten Rädern. Die kämmenden Zahnräder werden vom Gehäuse mit einem engen, definierten Spiel umschlossen. Bei der Drehung der Räder werden die sich zwischen je zwei Zahnflanken eines Rades und der Gehäusewandung bildenden Kammer mit Schmelze gefüllt und weggefördert. An der Austrittsseite wird die Schmelze durch den Zahneingriff aus den Kammern herausgepresst. Der Zahneingriff übernimmt dabei die Verdrängung der Schmelze stromabwärts, eine notwendige Abdichtung von Ein- und Austrittsseite und die Übertragung der Wellenarbeit von der angetriebene auf die mitlaufende Welle. Bei der Verarbeitung von hochviskosen Polymerschmelzen muss ein Vordruck (max. 200 bar) aufgebracht werden. Der erzielbare Gegendruck am Werkzeug kann bis 700 bar bei einem Differenzdruck von 200 bar betragen. Für Sonderaufgaben werden hochtemperaturbe-
Bild 4-33. Spinnpumpe nach Coperion [11]
ständige, mit Verschleißschutz ausgerüstete Sonderbauformen (Temperierung mittels Öl oder elektrischer Energie) eingesetzt. Die Abstimmung der Förderleistung von Extrusionseinheit und Spinnpumpe wird mittels einer Extruderdrehzahl-Schmelzepumpenvordruck-Regelung vorgenommen. Kolbenextruder (RAM-Extruder) [7] Die Ramextrusion ist ein Extrusionsverfahren zur Herstellung endloser PTFE- bzw. UHMW-PE-Profile. Der pulverförmige Ausgangsstoff wird in ein auf Sintertemperatur beheiztes Extrusionsrohr eingebracht und verdichtet. Gleichzeitig mit der Verdichtung wird das Extrudat weiterbefördert. Hergestellt werden können sowohl dünn- wie dickwandige Rohre, Vollstäbe sowie unterschiedliche Profile. Verarbeitbare Materialien sind vorrangig PTFE, UHMW-PE sowie deren Compounds. Die Dosierung erfolgt vollautomatisch aus einem Reservoir in einer Vorkammer mit Rührwerk. Mittels des Rührwerks wird das Pulver dem Werkzeug zugeführt und anschließend durch einen oszillierenden Kolben durch das Profilwerkzeug gedrückt und dabei verdichtet. Der Presskolben ist sowohl druck- als auch geschwindigkeitsgeregelt. Dies ist für eine gleichbleibend hohe Qualität unablässig. Die im Werkzeug befindliche Sinterzone ist temperaturgeregelt und in mehrere Temperaturzonen aufgeteilt,
254
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
der zum Einsatz. Beim Einschneckenextruder wird unterschieden in Plastifizier- und Schmelzeaustragsextruder. Plastifizierextruder, welche die Kunststoffformmasse fördern, aufschmelzen, homogenisieren und austragen müssen, werden konstruktiv in Extruderbauarten mit glattem Zylinderrohr und Verarbeitungseinheiten, gekennzeichnet durch eine wassergekühlte Nutbuchse im Einzugsbereich, unterteilt. Bedingt durch diese konstruktiven Unterschiede ergeben sich für den Glattrohrextruder ein werkzeuggegendruckabhängiges Förderverhalten. Der Nutbuchsenextruder dagegen arbeitet in weiten Bereichen werkzeugdruckunabhängig und somit fördersteif (hohe Massedurchsatzkonstanz).
Bild 4-34. RAM-Extruder nach ComTec [8]
um das Produkt optimal zu sintern und ein homogenes Gefüge zu garantieren. Eine nachgeschaltete Abkühlstrecke schließt den Herstellungsprozess ab. Aus dem Werkzeug (Strangdurchmesser bis 500 mm, Doppelstrangherstellung möglich) tritt kontinuierlich ein weiterverarbeitbares Produkt/Halbzeug aus. Anzumerken ist, dass PTFE nicht extrudiert werden kann (Wandhaftung nicht gegeben). Auch liegt bei PTFE die Schmelzetemperatur oberhalb der Zersetzungstemperatur. Erwähnenswert an dieser Stelle ist, dass PTFE-Folien als Schälfolie durch einen Schneidevorgang (Drehbankverfahren) aus gesinterten Blöcken (gepresst, extrudiert) hergestellt werden.
4.1.3.2.3
Extruder-Bauarten
Der Extruder ist das Herzstück einer Extrusionslinie. Grundsätzlich kommen Ein- und Mehrschneckenextru-
Aufbau von Schnecken-Extrudern Ein Extruder besteht aus einem meist nitrierten, auch aus Hartmetall (Schleuderguss) hergestellten Zylinder, welcher mit mehreren elektrischen Keramik-Widerstandsheizbändern bzw. Öltemperierungssegmenten (in der Regel Aufbereitungstechnik) bestückt ist und geregelt beheizt werden kann. Jede einzelne Heizzone verfügt dabei über ein Thermoelement, welches über Abgleich von Soll- und Ist-Wert die Heizaggregate bzw. Kühleinheiten (meist Luftgebläse) aktiviert. Die sich im Zylinder drehende Förderschnecke weist eine Geometrie auf, welche im Idealfall der zu verarbeitenden Polymermasse und insbesondere deren tribologischen, thermodynamischen und rheologischen Eigenschaften in Wechselwirkung mit der Extruderdüse gerecht wird. Nur in Ausnahmefällen – z. B. bei der PVC-Verarbeitung – wird die Förderschnecke intern – auch autogen genannt – (Kondensationsprinzip) oder extern (zwangsumlaufendes Öl, Wasserprinzip) temperiert. Die eigentliche Förder- oder Plastifizierschnecke weist in aller Regel eine Länge von 20–30 mal Schneckendurchmesser D – in neuen Entwicklungskonzepten 37 D – auf. Bei Entgasungsmaschinen sind Längen bis 43 D anzutreffen. Das Förderaggregat dreht sich, zieht das über den Trichter zugegebene Polymerhaufwerk ein, verdichtet und erwärmt dies im ersten Zylinderabschnitt. Die Luft wird dabei durch eine Rückwärtsentgasung über den Trichter wieder ins Freie weggedrückt. Nach Aufschmelzen des Polymers erfolgt ein Dispergieren (Verteilen, Zerteilen und Homogenisieren) und schließlich das Auspressen (maximale Schmelzedrücke von ca. 400 bar) der thermoplastischen, fließfähigen Schmelze durch die konturgebende Düse (Platte, Rohr, Flachfolie, Kammerprofil u. a.). Eine der gebräuchlichsten, nahezu für alle Thermoplasten prinzipiell einsetzbare Schneckengeometrie ist die DreiZonen-Schnecke. Diese Schneckenausführung besitzt drei konstruktive Abschnitte, welche entsprechend ihrer verfahrenstechnischen Aufgaben als Einzugs- oder Feststoffzone,
4.1 Urformen
255
Bild 4-35. Extruder mit verschiedenen Funktionszonen [1]
Bild 4-36. Konventionelle Dreizonenschnecke mit Mischteil
Aufschmelz- oder Kompressionszone und Austrag- oder Meteringzone (Homogenisierungszone) bezeichnet werden. Verfahrenstechnische Betrachtungen zur Extrusion Extruder sind im Grunde sowohl als Plastifizier- und Aufschmelzmaschinen aber auch Homogenisieraggregate, Entgasungsaggregate sowie kontinuierlich arbeitende Mischer. Der konventionelle Plastifizierextruder Aufgabe des Plastifizierextruders ist es u. a. zu fördern, plastifizieren, aufschmelzen, homogenisieren und den erforderlichen Druck aufzubauen, um die Schmelze durch die dem Zylinder nachgeschalteten Extrusionsdüsen unterschiedlichster Bauweise bei Einhaltung der geforderten Schmelzequalität (mechanische, thermische Homogenität) durchdrücken zu können. Um diese vielfältigen Funktionen erfüllen zu können, kommt insbesondere der Schneckenauslegung in enger Wechselwirkung mit der zu verarbeitenden Polymer-
formmasse eine überragende Funktion zu. Eine grundsätzliche Beschreibung der Schneckengeometrie ist Bild 4-37 zu entnehmen. Ausgewählte Schneckengeometrien, welche im Laufe der Zeit eingesetzt wurden, sind in Bild 4-38 dargestellt. Die Funktionszonen beim Einschneckenextruder – Einzugszone (Feststoffzone) Die mit dem Kunststoffrohstoff bei einer Temperatur unterhalb des Erweichungspunktes, also im noch festen Zustand beschickte Einzugszone des Plastifizier- bzw. Aufschmelzextruders soll das Material aufnehmen, fördern, verdichten und i. a. auch für die in der Umwandlungszone erfolgende „Aufschließung“ vorwärmen. Die Förderverhältnisse in der Einzugszone werden entscheidend von den Reibbeiwerten Kunststoff/Stahl beeinflusst, die wiederum von den lokal vorliegenden Temperaturen und Geschwindigkeiten abhängen. Günstige Bedingungen ergeben sich, wenn die Schneckenoberfläche glatt (μs klein) und die Zylinderinnenfläche (Rillen
256
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-37. Charakteristische Merkmale einer Förderschnecke nach BASF
Bild 4-38. Schneckenkonzepte der letzten Jahre nach Wortberg [9], VDI
mit geringer Nuttiefe) matt bzw. rauh (μz groß) ist. Außerdem wird die Förderrate der Feststoffzone auch von Gangtiefe und Gangsteigung der Förderschnecke beeinflusst. – Die Umwandlungszone (Plastifizierzone) In dieser Zone liegt die Polymerformmasse im Rohzustand und allen Zwischenzuständen bis zur Schmelze vor. Da sich
der feste Kunststoffrohstoff schneller stromabwärts bewegt als die Schmelze treten keine Leerräume auf. Vielmehr erfolgt eine Verdichtung des mehrphasigen Polymerformmassenpakets. Der Schneckensteg schabt in diesem Bereich die an der Zylinderwandung haftende Schmelze – vergleichbar mit einem Schneepflug – ab und führt zusätzlich zu einer laminaren Umschichtung des Schmelze/Granulatgemisches.
4.1 Urformen
257
Bild 4-39. Extruder mit vorgeschaltetem Rohrwerkzeug [7]
Der Aufschmelzvorgang beginnt unmittelbar nach Verlassen der Einzugszone (Feststoffzone). Er ist gekennzeichnet durch die Ausbildung eines ersten Schmelzefilms an der Zylinderwandung bzw. des Schneckengrundes. Der Ort der ersten Schmelzeentstehung ist einerseits abhängig von dem durch die Drehzahl eingebrachten mechanisch-thermischen Energieumsatz (Dissipation) als auch von dem kunststoffspezifischen Aufschmelzverhalten (spezifische Enthalpie, Schmelztemperatur). Anzumerken ist, dass die konstruktiven Funktionsabschnitte der Plastifizierschnecke im allgemeinen nicht genau mit den verfahrenstechnischen Funktionszonen korrespondieren. – Die Ausstoßzone (Homogenisier- und Zumesszone) Die Ausstoßzone soll die Rohschmelze homogenisieren und mit dem notwendigen Druck in gleichmäßigem Fluss aus dem Formwerkzeug extrudieren. Homogenisieren ist
dabei zu verstehen als Zerteilen von Agglomeraten (Dispergieren) sowie Restschmelzen von Feststoffpartikel; gleichmäßiges Verteilen (Mischgüte) von Zusatzstoffen wie z. B. Pigmente, Additive und im Sinne von Mischen eine Vereinheitlichung der Schmelzetemperatur. Der bis zum Ende des Extruderzylinders aufgebaute Druck hängt vom Werkzeugwiderstand, von der geforderten Durchsatzleistung und insbesondere von der temperaturabhängigen Schmelzeviskosität ab. Zu erwartende Extrusionsdrücke liegen zwischen 100 und 400 bar. Werte unter 50 bar (Durchsatzpulsationen!) und über 500 bar (mechanisch-thermischer Abbau des Polymers) sind selten anzutreffen. Aus der Meteringzone gelangt die homogenisierte Polymerschmelze entweder unmittelbar oder nach Passieren von Filterelementen und/oder Drosselelementen in das Ausformwerkzeug. Beim Verlassen der Düse muss – über den Austrittsquerschnitt betrachtet – die Schmelze an jeder Stelle eine konstante
258
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-40. Schematischer Aufbau eines Nutbuchsenextruders
Temperatur sowie eine gleiche Strömungsgeschwindigkeit aufweisen. Die Filterelemente, meist durch eine Lochplatte abgestützte Metalldraht-Maschensiebe, sollen hauptsächlich Verunreinigungen des Kunststoffrohstoffs und etwaigen Metallabrieb aus der Maschine vom Ausformwerkzeug fernhalten. Als Drosselelemente zur Beeinflussung des Druckprofils dienen beispielsweise verstellbare konische Ringspalte. Die durch die Hauptachse des Werkzeugs gegebene Extrusionsrichtung, kann mit der verlängerten Schneckenachse identisch oder zu dieser versetzt, senkrecht oder schräg angeordnet sein. Wenn mit Geradeaus-Spritzköpfen Hohlstränge (Schläuche, Rohre, Hohlprofile) extrudiert werden, so wird der Massestrom durch die Halterungen des als Kern im Mundstück angeordneten „Dornes“ zerschnitten. Diese Dornhalterung kann als Einfach- oder Doppelstegdornhalter, als Lochplatte, Siebkorb oder Bolzendornhalter (siehe Kapitel Extrusionswerkzeuge) ausgeführt sein, je nachdem, welche Formmasse verarbeitet wird und welcher Werkzeuggesamtdurchmesser zu realisieren ist. – Extruder mit genuteter Einzugszone Der Extruder mit förderbestimmender Einzugszone unterscheidet sich von dem herkömmlichen Glattrohrextruder durch die maschinenbauliche Ausführung des ersten Zylinderabschnitts ab Trichtervorderkante. So trifft man bei diesem Maschinentyp im Bereich der Feststoffzone eine direkt und intensiv wassergekühlte Einzugsbuchse (eingeschrumpft) an, welche eine Anzahl von 6–10 (je nach Schneckendurchmesser) konisch auslaufender Axialnuten (Wendelnuten auch möglich, aufwendige Fertigung) an. Durch die
entsprechende Gestaltung der Anschlussflansche besteht zwischen der wassergekühlten Nutenbuchse und dem sich anschließenden, gasnitrierten Extruderzylinder (beheizt) eine ausreichende Wärmetrennung. In den Nuten setzt sich im Verarbeitungsfall Kunststoff fest, wodurch lokal Reibflächen entstehen, an denen „innere“ Reibung (d. h. Reibung zwischen Kunststoff und Kunststoff) herrscht. Außerdem bilden sich infolge Verklemmungen der Körner Feststoffbrücken aus. Die Tatsache, dass die innere Reibung größer ist als der Reibbeiwert zwischen Kunststoff und metallischer Zylinderwandung, führt dazu, dass die Einzugszone einen höheren Fördergrad im Vergleich zur nachfolgenden Aufschmelzzone aufweist. Folge hiervon ist, dass am Ende der Feststoffzone sehr hohe Drücke (bis 1400 bar) auftreten können. Der aufgebaute Druck führt zu einer Druckströmung, welche sich der eigentlichen Schleppströmung − ebenfalls stromabwärts − überlagert. Die nachfolgenden Zonen werden überfahren und sind Druckverbraucher. Die vorliegende Schlepp- und Druckströmung wirkt nicht gegeneinander und führen somit zu keiner Durchmischung der Schmelze. Bedingt durch diesen Umstand sind zusätzliche Scherund Mischteile im Bereich der Schneckenspitze anzubringen. Wird der Energieumsatz in der genuteten Einzugszone so groß, dass ein Erweichen, Anschmelzen und/oder Abscheren des Kunststoffs eintritt, knicken die Schneckenkennlinien spontan ab. Dieser Knickpunkt verlagert sich mit zunehmender Schneckendrehzahl zu kleineren Werkzeugwiderstandsbeiwerten hin. Extruder mit genuteter Einzugszone haben den Vorteil, dass der Durchsatz bis zum praxisrelevanten Werkzeugdruck von 600 bar nahezu unabhängig vom effektiv auftretenden Druck vor der Schneckenspitze ist.
4.1 Urformen
259
Bild 4-41. Vergleich der Durchsatzcharakteristik eines konventionellen Extruders (links) mit einem Nutbuchsenextruder (rechts).
Bild 4-42. Verschiedene Bauarten von Barriereschnecken [9]
Abrasiv wirkende, anorganische Pigmente und harte Zusatzstoffe (Glasfasern) können insbesondere am Ende der Feststoffzone bzw. der Nutbuchse zu gravierendem Furchungsverschleiß am Förderaggregat als auch an der Zylinderinnenwandung führen. Verschleißreduzierende Maßnahmen sind deshalb vorzusehen (Hartmetall, Keramikauskleidung der Buchse, Schneckenpanzerung). Schneckengeometrie Die unterschiedlichen Fördermechanismen in Nutbuchsenund Glattrohrextrudern erfordern gezielt ausgelegte Schne-
ckengeometrien. So muss beispielsweise die Gangtiefe in der Einzugszone von konventionellen Extrudern deutlich größer sein als bei Nutbuchsenextrudern. Bei beiden Systemen (vorzugsweise bei der Nutbuchsenausführung) weisen die Schnecken heute meist eine Barrierezone auf. Der Erfolg dieser Barriereschnecken ist zurückzuführen auf ihre universelle Einsetzbarkeit und ihre hohen Durchsatzleistungen. Bei Nutbuchsenextrudern empfiehlt sich bei nahezu allen Plastifizieraggregaten die Verwendung von Scher- und Mischteilen (Bild 4-43). Scherteile stellen vor allem die Restplastifizierung sicher. Durch die hohen Schubspannungen
260
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-43. Wendel- und Maddock-Scherteil [9]
in den engen Schmelzekanälen tragen sie auch dazu bei Füllstoffe, Agglomerate und Farbpigmente zu zerteilen. Am weitesten verbreitet sind Wendelscherteile und Scherteile der Bauart Maddock. Mischteile haben im Unterschied zu Scherteilen vor allem die Aufgabe des Verteilens. Ihre Homogenisierwirkung beruht auf der intensiven Durchmischung der Schmelze. Neben den etablierten Stift-, Schlitzscheiben- und Kreuzloch-Mischteilen eignen sich für die Verarbeitung von Polyethylen auch Mischteile, bei denen Kavitäten in die Innenwand des Extruderzylinders und in die Schnecke eingearbeitet sind. Zahlreiche Maschinenhersteller bieten inzwischen diese vielfach als „Cavity-Transfer-Mixer“ bezeichneten, aufschraubbaren Aggregate an (Bild 4-44). Sie werden vor allem eingesetzt, wenn der Extruder eine besonders hohe Mischleistung aufbringen muss.
Bild 4-44. Mischteil, Stator mit Rotor [10]
Mit dem Siebpaket im Schmelzefilter lässt sich u.a. auch der Druck vor der Schneckenspitze beeinflussen. Eine gezielte Druckanpassung verbessert in vielen Fällen die Homogenisierwirkung der Schnecke. Es sollten jedoch nur Siebe aus nicht rostendem Stahl verwendet werden. Siebe aus Kupfer oder Messing können durch Katalyse eine Vernetzung des Polyethylens bewirken. Eine Gegenüberstellung der zum Einsatz kommenden Fördersysteme in Wechselwirkung mit zu verarbeitenden Formmassen zeigt Tab. 4-9. Doppelschneckenextruder Doppelschneckenextruder werden nach dem Drehsinn der Schnecken eingeteilt (Bild 4-45). Man unterscheidet zwischen gleichsinnig und gegensinnig drehenden Schnecken. Die in der Extrusion eingesetzten Systeme sind alle dichtkämmend, d. h. die Schneckenstege der einen Schnecke schaben den Schneckengrund der anderen Schnecke mehr oder weniger vollständig aus (Zwangsförderung). Bei den gleichsinnig drehenden Schnecken haben sich die selbstreinigenden Profile durchgesetzt. Bei den gegenläufigen Schnecken sind engkämmende Systeme, die in mehr oder weniger geschlossenen Kammern fördern, in paralleler oder konischer Ausführung üblich. Nichtkämmende gegenläufige Systeme werden nur in der Aufbereitungstechnik und dort vorzugsweise für Reaktionsund Entgasungsaufgaben (u.a. Peroxid- bzw. Silanvernetzungsreaktionen) eingesetzt. Sie haben aber auch dort bei weitem nicht den Verbreitungsgrad der gleichsinnig drehenden, selbstreinigenden Systeme. Offene Systeme können nur wenig Druck aufbauen, so dass diese Aggregate meist einen Einschneckenaustragsextruder oder eine Spinnpumpe stromabwärts nachgeschaltet haben.
4.1 Urformen
261
Tabelle 4-9 Zum Einsatz kommenden Fördersysteme in Abhängigkeit von zu verarbeitenden Formmassen.
Kurzkompression Kernprogressiv Dreizonen Barriere
ABS
PA
TPE
PE/PP
PS
PUR
PE
PVC-Pellets
– – ++ –
– 0 ++ ++
+ + + ++
++ – + ++
+ – ++ +
– – ++ +
++ –
– ++ + –
++ besonders geeignet; + gut geeignet; 0 geeignet; – wenig geeignet
Bild 4-45. Auslegungskonzepte für Doppelschneckenextruder nach BASF
Die sich längs der Verarbeitungsmaschinen einstellenden Verweilzeitspektren sowie die Längsmischeffekte werden in hohem Maße durch die Radial- und Flankenspiele beeinflusst, welche die Strömung im Spalt- und insbesondere Zwickelbereich bestimmen. Die Leckströmung ist die Strömung im Zwickelbereich und im Spalt infolge des Spiels zwischen den Schnecken. Sie ist bei gleich- und gegenläufigen Schnecken verschieden. Die den Spalt begrenzenden Flächen bewegen sich bei den gegenläufigen Schnecken in eine Richtung, so dass eine kalanderähnliche Anordnung
entsteht. Vor dem Spalt bildet sich ein Knet, in dem die Masse gemischt wird. Den Durchsatz durch den Spalt bestimmen die Geschwindigkeit der Schneckenoberfläche (Schleppströmung) und das Druckgefälle zwischen zwei Kammern (Druckströmung). Infolge des Druckes werden die Schnecken auseinandergepresst. Hieraus resultiert adhäsiver Verschleiß, der insbes. bei zehn Uhr und zwei Uhr verstärkt auftritt. Bei gleichläufigen Schnecken bewegen sich die den Spalt begrenzenden Flächen gegeneinander. Das von der einen Schneckenoberfläche in den Spalt geför-
262
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-46. Schematische Darstellung eines gleichläufigen Zweischneckenkneter [11]
Bild 4-47. Knetelemente sowie Knetbewegung
derte Material wird von der anderen unter scharfer Umlenkung der Strömungsrichtung zurückgefördert; dadurch entsteht ein Knet, in dem die Schmelze umgelagert wird. Bei gleicher Spaltweite ist der Durchsatz durch den Spalt kleiner als bei gegenläufigen Schnecken. Dagegen ist die Schergeschwindigkeit im Spalt größer. Die Spaltweite und der Anteil, der den Spalt durchströmenden Schmelze an der Gesamtmasse ist für den Zerteil- und Verteileffekt entscheidend. Für eine gute Längs- und Quermischung ist es notwendig, dass die gesamte Masse möglichst mehrmals der Beanspruchung im Spaltbereich unterworfen wird [12]. Insbesondere der Einbau von Knetteilen (Scherteilen) und Mischteilen (Stegdurchbrüchen) beeinflusst in hohem Maße die Homogenisierleistung von Zweischneckenknetern. Auch werden Gangsteigungen verändert, um vollständig gefüllte Gänge mit Rückströmung zu erzielen. Bei der Änderung der Gangsteigung (Kompression) wird häufig zu intensiv gestaut; die Vorzonen (Druckmaximum) überfahren die eigentliche Stauzone. Vor der abstauenden Zone entsteht ein großer Druck, welcher die Schnecken auseinanderpresst. Außer erhöhtem Verschleiß durch diesen Druck können sich die Schnecken an der Zylinderinnenwandung „fressen“ (adhäsiver Verschleiß). Besondere Vorzüge einer gegensinnig drehenden Doppelschnecke sind gezielte Scherbeanspruchung, ausgezeichnete
4.1 Urformen Dispergiereffekte, weitgehende Unabhängigkeit des Förderverhaltens vom Werkzeugwiderstand, enges Verweilzeitspektrum und Selbstreinigung der Schnecken. Aufgrund dieser Eigenschaften wird der Extrudertyp hauptsächlich für die Verarbeitung des thermisch instabilen Polyvinylchlorides (PVC) eingesetzt. Derzeit sind zwei verschiedene Systeme von gegenläufigen Doppelschneckenextrudern auf dem Markt erhältlich. Es gibt Maschinen mit konischen und mit parallelen, zylindrischen Schnecken. In verschiedenen Anwendungsbereichen hat sich gezeigt, dass mit den heute eingesetzten Schneckenkonzepten und Rezepturen formmassenspezifische Schneckenumfangsgeschwindigkeiten nicht überschritten werden dürfen. Bei diesen Maximalwerten ist eine partielle Überscherung der Schmelze zu beobachten. Hieraus resultiert eine ausgeprägte Temperaturinhomogenität und ggfs. eine Zersetzung der Polymermasse. Nach Erreichen einer maximalen Umfangsgeschwindigkeit kann eine Leistungssteigerung des Extruders nur über eine Erhöhung des Ausstoßes pro Umdrehung erreicht werden, d. h. durch Erhöhung des Fördervolumens in Kombination mit einer Drehmomentenerhöhung.
4.1.3.2.4
Extrusionswerkzeuge Helmut Schüle
Ziel einer rheologisch optimierten Auslegung eines Extrusionswerkzeugs ist das Erreichen einer konstanten Austrittsgeschwindigkeit des Extrudats über die gesamte Düsenaus-
263
trittsebene, verbunden mit einer maximal möglichen Schmelzetemperaturkonstanz. Grundsätzlich werden die formgebenden Werkzeuge aufgrund ihrer Austrittsgeometrie in schlitzförmige (z. B. Flachfolie oder Platte), kreisförmige (Vollstrang), kreisringförmige (Rohre, Blasfolie) und profilförmige (Kammer- oder U-Profil) unterteilt. In vielen Anwendungsfällen ist es aufgrund der geforderten Bauteilspezifikation erforderlich ein Halbzeug aus mehreren, sich hinsichtlich ihren Eigenschaftsprofilen (z. B. mechanisch, thermisch, optisch, Freibewitterung) signifikant unterscheidenden Polymerformmassen (z. B. auch Rohformmasse in Verbindung mit ungefüllten/gefüllten geschäumten Modifikationen) zu extrudieren. Auch ist es prinzipiell möglich Hybridfunktionsteile, bestehend aus Kunststoffen und artfremden Werkstoffen (Metall, Holz) in Form von einer Co- oder Mehrschichtextrusion herzustellen. Grundsätzliche Voraussetzung ist hierfür meist eine stoffliche Verträglichkeit (z. B. Schweißbarkeit). Die Umsetzung einer gemeinsamen Verarbeitung der Komponenten muss möglich sein (insbesondere die rheologischen bzw. thermischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten müssen innerhalb eines angemessenen Verarbeitungsfensters liegen). Bei der Mehrschichtextrusion unterscheidet man in praxi aufgrund des Orts der Schmelzevereinigung das sogenannte Adapter- bzw. Feedblockwerkzeug (Schmelze trifft sich vor der Ausformdüse, rheologische Grenzen müssen beachtet werden!) und das Mehrschichtwerkzeug (innerhalb der konturbildenden Düse wird die Schmelze im Bereich der Parallelzone vereinigt). In praxi wird auch eine Schmelzevereinigung erst nach dem Austritt
Bild 4-48. Prinzipieller Aufbau eines Extrusionswerkzeugs [13]
264
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
der einzelnen Schmelzen aus den Formgebungsaggregaten (Zweischlitz- bzw. Dual Slot Werkzeuge, Doppelbandanlagen) durchgeführt. Bild 4-48 stellt die prinzipiellen Ausführungsmöglichkeiten eines Extrusionswerkzeugs dar. Um eine möglichst optimale Schmelzequalität sowie die geforderten Bedingungen hinsichtlich der für eine hochwertige Weiterverarbeitung erforderlichen konstanten Austrittsgeschwindigkeiten über der Gesamtbreite der Düse zu erzielen, wird in aller Regel mit rheologisch optimierten Vorverteilersystemen gearbeitet. Breitschlitzwerkzeuge Eine Breitschlitzdüse hat die Aufgabe den Schmelzestrom von einem kreisförmigen Eintrittskanal möglichst gleichmäßig in einen schlitzförmigen Austrittsquerschnitt zu verteilen. Die Fließwege in der Düse weisen unterschiedliche Längen auf. Damit die Forderung einer gleichmäßigen Austrittsgeschwindigkeit am Düsenmund gewährleistet wird, muss der Druckverbrauch längs jeder Bahnlinie konstant sein. Um dieser Forderung gerecht zu werden, wird der gesamte Fließkanal konstruktiv/rheologisch in zwei Funktionsabschnitte unterteilt.
– Verteilerkanal Mittels einer nach außen verlaufenden, in der Kanaltiefe nach rheologischen Gesichtspunkten abnehmenden Kanaltiefe muss die Schmelze nach außen bzw. in die Breite vorverteilt werden. – Inselbereich In diesem Bereich (geringe, rheologisch optimierte Kanaltiefe) wird ein auftretendes Voreilen der Schmelze über eine lokal angepasste, feinfühlige Geometrieausführung „gebremst“. Eine über die gesamte Düsenbreite möglichst konstante Austrittsgeschwindigkeit muss erreicht werden. Angewendet werden in praxi drei verschiedene Typen von Breitschlitzdüsen, gekennzeichnet durch unterschiedliche Ausführungen von Verteilerkanälen und Inselkonturen. (Bild 4-49). Fischschwanz- und Kleiderbügelverteiler werden am häufigsten eingesetzt. Der T-Verteiler ist nur für thermisch unempfindliche Materialien geeignet (Gefahr einer Schmelzestagnation mit thermischem Abbau gegeben). Mit Hilfe eines sogenannten Staubalkens bzw. mit einer feinfühlig ansprechenden flexiblen Lippe („Flex-lip“) lassen sich
Bild 4-49. Verschiedene Bauarten von Breitschlitzdüsen, T-Verteiler (links), Fischschwanzverteiler (Mitte), Kleiderbügelverteiler (rechts) [14]
Bild 4-50. Querschnitt eines Breitschlitzwerkzeugs
4.1 Urformen lokale Schmelzeflussunterschiede von außen mechanisch/ elektronisch korrigieren (Bild 4-50). – Staubalkenstellmöglichkeit Eine biegbaren Leiste im Werkzeuginnern kann mittels einer Vielzahl über der Düsenbreite installierten Zug-Druckschrauben definiert lokal verstellt werden. – Flex-lip-Stellmöglichkeit Eine im Austrittsbereich der Düse am Düsenmund im oberen Werkzeugteil vorgenommenen Materialschwächung ermöglicht mit sehr genau zustellbar arbeitenden Druckaggregaten (Druckschrauben, Wärmeausdehnungselement thermisch bzw. mit Piezoelementen angesteuert) den Werkzeugspalt zu verengen (Feinfolienherstellung). Anmerkung: Durch Zurücknehmen der Druckkraft wird der Düsenspalt aufgrund des einwirkenden Schmelzedrucks wieder aufgeweitet. – Membrandüsen-Zustellung In jüngster Zeit werden außerdem örtlich biegsame Werkzeugoberflächen (Membrandüsen) zur Fließkorrektur in Verbindung mit einer „Flex-lip“ eingesetzt. Dornhalterwerkzeuge Dornhalterwerkzeuge (Bild 4-51) formen den vom Extruder angelieferten Schmelzestrom in eine Ringspaltströmung um. Der Verdrängerkörper bzw. Dorn wird durch den Dornhalter im Werkzeug gehalten und fixiert, so dass die zentral eingespeiste Schmelze in mehrere Flussströme (nebeneinander bzw. zusätzlich übereinander beim Doppelsystem) aufgeteilt werden kann und die einfach oder doppelt ausgeführten Dornhalterstege (Lochplatte auch möglich) umfließt. Die entstehenden Fließnähte (d. h. sich bewegende Schmelzebindenähte) werden stromabwärts durch eine Kanalkom-
265
pression (Kenngröße ist das Verhältnis Dornhalter- zu Düsenaustrittsfläche) möglichst optimal verschweißt (Ziel: die mechanischen Eigenschaftswerte zu optimieren bzw. optische Schweißnahtstellen zu minimieren). Längs der Bügelzone (für Bügelzonenlänge zu Bauteilschichtdicke möglichst Faktor 20 anstreben, um Strangaufweitung bzw. Schwellfaktor zu minimieren) muss die zuvor gescherte bzw. gedehnte Schmelze relaxieren. Ziel dieser Beruhigungszone ist eine Minimierung des Aufschwellens der Folie (S < 10 % erstrebenswert) beim Düsenaustritt. Das dargestellte, strömungsoptimierte Werkzeug wird z. B. bei der Verarbeitung von temperaturempfindlichen PVC-Werkstoffen eingesetzt. Für höhere Durchsätze und größere Dimensionsbereiche kommen häufig Doppelstegdornhalter zum Einsatz. Pinolenwerkzeug Das Pinolenwerkzeug (Bild 4-52) soll den Schmelzestrom auf einen kreisförmigen Austrittsquerschnitt gleichmäßig verteilen. Die Schmelze wird dabei meistens unter einem Winkel von 90° vom Extruder dem Werkzeug zugeführt. Erforderlich ist diese Düsenausführung sofern durch die Mitte des Umlenkwerkzeugs z. B. Stützluft beim Folienblasen durchgeleitet werden muss. Die radial zugeführte Schmelze wird über einen Verteilerkanal (vgl. mit einem abgewickelten Kleiderbügelkanal), der in den Pinolendorn eingebracht ist, in einen axial strömenden, rohrförmigen Schmelzestrom umgewandelt. Siebkorbwerkzeuge Beim Siebkorbwerkzeug wird der Dorn nicht durch Stege oder Lochplatten getragen, sondern mittels eines Siebkorbs bzw. eines Rohres mit einer großen Anzahl von Bohrungen im Werkzeug fixiert.
Bild 4-51. Doppelstegdornhalterwerkzeug; Quelle: Battenfeld
266
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-52. Pinole (links), mit Drosselspaltstellung (rechts),Quelle :BASF
Bild 4-53. Skizze eines Siebkorbwerkzeugs nach SMS
Die zentral eingespeiste Schmelze wird in eine Vielzahl von Schmelzeströmen unterteilt. Der Siebkorb fixiert den Dorn. Die einzelnen Durchbrüche haben einen Durchmesser bis zu 3 mm. Die Funktion von Siebkorb und Lochplatte sind vergleichbar. Vorteilhaft sind die kompakte Bauweise und das relativ geringe Gewicht. Wendelverteilerwerkzeuge Beim Wendelverteilerwerkzeug (Bild 4-54, 4-55) wird der Schmelzestrom zuerst durch ein definiert vorgegebenes Verteilersystem (Einlaufgeometrie kann stern- oder ringförmig ausgeführt sein) in mehrere Einzelströme aufgeteilt. Diese gehen in Kanäle über, welche den Dorn in Form einer Spirale
umlaufen. Die Wendelnuttiefe nimmt zur Düsenaustrittsseite stetig ab. Der Spalt zwischen Dorn und Werkzeugaußenwand nimmt stromabwärts zu. Durch eine rheologisch optimierte Auslegung der Kanalgeometrie können somit axiale und radiale Schmelzeströmungen ohne Fließnaht bei gleichzeitig vorliegender guter thermischer Homogenität überlagert werden (Verwischgewinde). Beim axialen Wendelverteiler liegen die Wendeln in einer Ebene. Aufgrund der flachen Bauform werden übereinander angeordnete, d. h. gestapelte Radialwendelverteiler insbesondere in Coextrusionswerkzeugen eingesetzt (Stack-Dies, Pancake-Dies).
4.1 Urformen
267
Bild 4-54. Prinzipskizzen von Wendelverteilern. Quelle: ETA
Bild 4-55. Wendelverteiler für Mehrschichtcoextrusion. Quelle ETA
Ummantelungswerkzeuge Ummantelungswerkzeuge für Kabel, Leitungen und Rohre sind Werkzeuge mit kreisförmigem Austrittsquerschnitt, bei denen eine Pinole mit Schmelze umströmt wird. Durch die Pinole laufen die zu ummantelnden Halbzeuge (Draht, Kabel etc.), um anschließend mit Schmelze umhüllt zu werden. Der Extruder solcher Anlagen steht in einem Winkel bis 90° zum Werkzeug. Es werden in praxi zwei Ummantelungsverfahren eingesetzt.
– Druckummantelung Bei der Druckummantelung wird das Kernmaterial im Werkzeug – unter Druck- von der Schmelze umströmt. – Schlauchummantelung Beim Schlauchummantelungswerkzeug wird ein Schmelzeschlauch extrudiert, der dann außerhalb des Werkzeugs durch Strecken, aufgrund höherer Kernmaterialabzugsgeschwindigkeit, aufgebracht wird. Zusätzlich kann durch An-
268
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
legen eines Vakuums im Innenteil des Werkzeugs die Luft zwischen Schlauch und Leiter entfernt werden. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in der gut zentrierten Ummantelung. Dieses Verfahren wird vornehmlich bei der Rohrummantelung genutzt. Profilwerkzeuge – Blendenwerkzeug Blendenwerkzeuge bestehen aus einem Düsenkörper (Stammwerkzeug) mit einfach und schnell auswechselbaren Düsenplatten, in welchen das Halbzeug geformt wird. Bei diesem Werkzeugtyp treten sehr scharfe Strömungsquerschnittsveränderungen auf. Dies bedeutet in praxi, dass z. B. bei der Verarbeitung von PVC-hart örtliche Materialstagnationen auftreten und zum Abbau des Werkstoffes („Brenner“) führen können (keine hohen Extrusionsgeschwindigkeiten möglich). – Stufenwerkzeug Stufenwerkzeuge entstehen durch Hintereinanderschaltung mehrerer Düsenplatten eines Blendenwerkzeuges. Hierbei wird die Kontur in jeder einzelnen Blendenscheibe herausgearbeitet, wobei diese in jeder Scheibe achsparallel verläuft; lediglich am Einlauf jeder Scheibe sind die Kanten abgeschrägt (Segmentbauweise (Bild 4-56) [15]). – Werkzeuge mit allmählichen Querschnittsveränderungen Diese Werkzeuge sind immer dann notwendig, wenn Profile mit hoher Maßhaltigkeit und bei hohen Extrusionsgeschwindigkeiten hergestellt werden sollen. Grundsätzlich ist bei der Gestaltung von Profilwerkzeugen zu beachten, dass der Fließkanal keine Toträume (Stagnationsstellen) aufweist und
Bild 4-56. Profilwerkzeug in Segmentbauweise nach Greiner
die Schmelze vom Eintritt in das Werkzeug bis zum Austritt möglichst stetig beschleunigt wird. Profilwerkzeuge mit sich allmählich änderndem Kanalquerschnitt bestehen aus drei wesentlichen Werkzeugabschnitten [15]: – Anströmteil (Anschlussstück), – Übergangsteil (teilweise als Tragplatte), – Parallelführung (Mundstück). Profilwerkzeuge bestehen u. a. aus sehr komplizierten Verdrängerkörpern (Kerne), die über feste Zentrierungen und Verschraubungen ein „starres“ Bauteil darstellen und nicht nachzentriert werden können. Coextrusionswerkzeuge Um ein mehrschichtig (bis 9 Schichten möglich) aufgebautes Extrusionshalbzeug herzustellen, wird die Coextrusion herangezogen. Jede Formmasse wird dabei in einem Haupt- bzw. den zusätzlich erforderlichen Beistellextrudern als Schmelze vorgelegt. Allen Coextrusionswerkzeugen ist gemein, dass die einzelnen Polymerschmelzen in ihrer Gesamtheit durch die Düse gedrückt werden. Ort und Art der Schmelzezusammenführung sind jedoch unterschiedlich. Drei Varianten werden unterschieden: – Vollständige Schmelzetrennung bis zum Düsenaustritt und Zusammenführung außerhalb des Werkzeugs. – Teilweise Trennung der Schmelze und Vereinigung der Schmelzeströme kurz vor dem Werkzeugaustritt. – Zusammenführung der einzelnen Schmelzeströme vor dem Werkzeug mit der so genannten Adapter- oder FeedblockTechnik und gemeinsames Durchfließen der Werkzeuge. Alternativ besteht die Möglichkeit eine Zusammenführung der Schmelzeströme erst außerhalb der Düse (Extrusionsbeschichten u. ä.). – Adaptercoextrusion Bei der Adaptercoextrusion (Bild 4-57) legt ein Adapter (vorgeschalteter Feedblock) die einzelnen Schmelzeströme aufeinander und führt sie als mehrschichtigen Strang der Breitschlitzdüse zu. Die Adaptercoextrusion ist einsetzbar, wenn die Schmelzeviskositäten in einem relativ engen Bereich liegen (kritisches Viskositätsverhältnis von drei möglichst nicht überschreiten). Bei Kunststoffschmelzen mit größeren Viskositätsunterschieden können auf Grund der im Vergleich zu Mehrschichtdüsen längeren Fließwege zwischen Auflagepunkt und Düsenaustritt Schichtumlagerungen (niederviskose Schicht umströmt höherviskose Schicht, Umstülpungen) auftreten. Ein weiteres Phänomen sind die so genannten Grenzschichtinstabilitäten. Sie treten bevorzugt auf, wenn benachbarte
4.1 Urformen
269
Bild 4-57. Mehrschichtcoextrusionswerkzeug (links), Adapterverfahren (rechts) nach Bayer
Schichten große Dickenunterschiede aufweisen und die Schmelzeschichten deshalb mit stark unterschiedlichen Schergeschwindigkeiten aufeinander treffen. Die Folge sind Störungen im Schichtaufbau und mehr oder weniger hohe Schwankungen der Schichtdickenverteilung. Nahezu alle Coextrusionsadapter weisen Bauteile auf, mit denen sich die Strömungsverhältnisse im Zusammenfließpunkt und die Verteilung einzelner Schmelzeschichten über der Fließkanalbreite beeinflussen lassen. In praxi sind Schieberadapter, Flügeladapter, Adapter mit integriertem Verteilerblock anzutreffen. – Mehrschichtdüsen Bei Mehrschichtdüsen (Bild 4-57) werden die Schichten einzeln in je einem Verteilerkanal ausgeformt und erst kurz vor dem Düsenaustritt zusammengeführt. Staubalken ergeben eine gleichmäßige Dickenverteilung der Einzelschichten. Einstellbare Flexlippen korrigieren die Verteilung des Gesamtverbunds. Wegen der kurzen gemeinsamen Fließstrecke bietet eine Mehrschichtdüse bei sich betragsmäßig deutlich voneinander unterscheidenden Viskositätswerten, Schichtdicken oder Verarbeitungstemperaturen der Einzelschichten erhebliche Vorteile. Grenzschichtinstabilitäten oder Schmelzeumlagerungen, wie sie bei der Adaptercoextrusion vorkommen können, treten in der Regel nicht auf. Auf Grund des hohen Konstruktions- und Fertigungsaufwands sowie den damit verbundenen Kosten werden Mehrschichtdüsen selten mit mehr als vier Schichten ausgeführt.
4.1.3.2.5
Kalibrieren von Extrudaten
Der aus dem Werkzeug austretende thermoplastische Schmelzeschlauch muss unter Formzwang abgekühlt und auf das gewünschte Hauptmaß (innen oder außen, Kombination ist nicht möglich) kalibriert werden. Der Kalibrierung kommt hierbei – auch in Wechselwirkung mit der nachgeschalteten Abzugseinheit (Band-, Raupenabzug)- insbesondere auf den sich im Halbzeug einstelllenden integralen sowie lokalen Spannungszustand eine große Bedeutung zu. Obgleich die Innenkalibrierung und die sich in einem Rohr einstellenden Spannungsverhältnisse (Vorspannung auf Innendruck) aus werkstofflichen Gründen Vorteile zeigt, wird in praxi die verfahrenstechnisch einfacher zu handhabende Außenkalibriertechnik herangezogen. (Bild 4-58). Anmerkung: Bei einer Innenkalibrierung schrumpft der Schlauch auf den Kalibrierdorn, welcher nur mit großem Aufwand extern im Durchlauf gekühlt werden kann, auf und läuft Gefahr durch das Abziehen verstreckt zu werden. Eine Kombination beider Kalibrierarten hat keine technische Bedeutung. Dem im Extrusionswerkzeug zum Profil geformten Plastifikat muss in dem nachgeschalteten Kalibriersystem soviel Wärme entzogen werden, dass das Rohr formstabil und handhabbar wird. Gleichzeitig erhält es durch die Stütz- und Nachformwirkung des Kalibrators die endgültig gewünschte Dimension (Innen-, Außendurchmesser). Die Leistung einer Rohrextrusionsstraße wird heute bestimmt bzw. begrenzt durch die Leistungsfähigkeit des Kalibriersystems bzw. durch die Dimensionierung des Gesamtkühlsystems.
270
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-58. Eigenspannungen in der Rohrwandung bei verschiedenen Kalibriersysteme nach Bayer
Bild 4-59. Außenkalibrierung mit Schleppstopfen [1]
4.1 Urformen
271
Bild 4-60. Außenkalibrierung mit Vakuum [1]
Bei der Außenkalibrierung wird der austretende Schmelzeschlauch durch ein zylindrischen, intensiv gekühlten Kalibrierrohr gezogen. Der für die Abkühlung und Dimensionsstabilisierung notwendige Kontakt zwischen Profil und Kalibrierrohr wird meist durch Anlegen eines Vakuums oder Überdrucks (Kalibrierdruck 0,2–1,5 bar) erreicht. Während bei der Vakuumkalibrierung (Bild 4-60) mit offenem Rohrende gefahren werden kann, bedarf es bei der Überdruckkalibrierung eines Rohrverschlusses, der üblicherweise als Schleppstopfen (aus elastischer Formmasse, abriebfest) ausgebildet ist. Das Überdruckkalibriersystem, dessen Innendurchmesser mit dem Düsenmundstückdurchmesser identisch ist, liegt unmittelbar am Extrusionswerkzeug an, wodurch ein Fluchten von Mundstück und Kalibrierung erforderlich wird. Die Vakuumkalibrierung (Untermaß ca. 20 % gegenüber Werkzeugdurchmesser) hingegen ermöglicht je nach Geometrie- und Betriebsparameter einen Abstand zum Mundstück von 10 bis 100 mm. Rohre kleinerer Durchmesser lassen sich kalibrieren, indem man den Hohlstrang durch mehrere, ca. 6-8 mm starke Ziehblenden (aus Werkstoffen mit günstigen Wärmeleitwerten, z.B. Al, Ms), die eine angeschrägte Einlaufkontur aufweisen, hindurchzieht. Auch der Einsatz von Kalibrierbuchsen mit Bohrungen ist prinzipiell möglich. Rohre mit einem Durchmesser > 400 mm werden wegen der zu großen Auftriebskräfte, die zu einer Ovalisierung der Rohre führen können, nicht mehr im Wasserbad, sondern mittels einer Wasserbesprühung (idealer-
weise mit Wasserverdampfung) gekühlt. Eine heute vielseitig angewandte Variante zur Außenkalibrierung von Rohren mittleren Durchmessers stellt die Vakuumtankkalibrierung dar (Bild 4-61). Der Hohlstrang gelangt durch die Kalibrierbuchse in einen geschlossenen Kühltank und durchläuft darin mehrere Kalibrierringe. An dem zu etwa 80 % mit Wasser gefüllten Kühltank wird ein Unterdruck angelegt. Durch die zwischen Rohrinnen- und -außenwand wirksame Druckdifferenz wird das Rohr gegen die Kalibrierbuchse und -ringe gedrückt. Durch exaktes Dosieren des Unterdrucks über ein regelbares Schnüffelventil lassen sich eventuelle Aufweitungen des Rohres in Grenzen halten. Die Innenkalibrierung fixiert den Innendurchmesser des Rohres. Die zur Kalibrierung erforderlichen Anlagekräfte resultieren aus der Schwindung durch Kühlung der Rohrinnenfaser. Der Schwindungsprozess lässt sich durch Dorntemperatur und -länge, Abzugsgeschwindigkeit und zusätzliche Außenkühlung beeinflussen. Generell sind die vom Abzug aufzubringenden Kräfte betragsmäßig größer als bei der Außenkalibrierung.
4.1.3.2.6
Extrusion am Beispiel Polyvinylchlorid – Materialtechnik und Verarbeitung Jan Diemert [16]
Polyvinylchlorid (PVC) ist mit einer weltweit installierten Produktionskapazität von 32 Mio. t einer der bedeutendsten Kunststoffe am Weltmarkt. Seine Vielfältigkeit ist bemer-
272
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-61. Außenkalibrierung mit Vakuumtankverfahren
kenswert. Die Anwendungsgebiete reichen von Fensterprofilen und Rohren über Bodenbeläge und Kabelisolierungen bis hin zu Spielwaren und medizintechnischen Artikeln. Kein anderer Werkstoff lässt sich in seinem Eigenschaftsbild ähnlich weitgehend durch die Zugabe von Additiven, Füllstoffen und Modifikatoren für die Anwendung maßschneidern. Dies hat dazu geführt, dass PVC nicht, wie fast alle anderen thermoplastischen Kunststoffe, beim Rohstofflieferanten oder Compoundeur für die jeweilige Anwendung maßgeschneidert ausgerüstet wird, sondern diese Aufbereitung überwiegend beim Verarbeiter selbst stattfindet. Diese verarbeitungsnahe Aufbereitung bietet viele Vorteile, führt jedoch zu einer unüberschaubar großen Anzahl von unterschiedlichen PVC-Mischungen, Additiven und Füllstoffen. Eigenschaften verschiedener PVC-Polymerisate Je nach Polymerisationsverfahren unterscheidet man die PVC-Typen Suspensions-PVC (S-PVC), Masse-PVC (MPVC) und Emulsions-PVC (E-PVC). Im weit überwiegenden Teil der Anwendungen kommt heute S-PVC zum Einsatz. Als Rückstand aus dem Herstellungsprozess enthält SPVC einen geringen Anteil von 0,05 % bis 0,2 % an Suspensionshilfsstoffen [17], während das im Emulsionsverfahren hergestellte E-PVC ca. 1 % bis 2 % Emulgatorrückstände (meist Metallseifen) aufweist. Das in der Masse polymerisierte M-PVC enthält im Gegensatz zu den vorgenannten PVC-Typen keinerlei Emulgatoren oder Suspensionshilfsstoffe und ist daher gut für transparente PVC-Mischungen geeignet. Neben diesen reinen PVC-Polymerisaten, deren chemische Struktur in Bild 4-62 dargestellt ist, werden in
Anwendungen, die eine erhöhte Schlagzähigkeit erfordern, wie beispielsweise für Fensterrahmenprofile, auch chemisch schlagzäh modifizierte Typen eingesetzt. Durch die Zugabe von Poly-Butylacrylat (PBA) oder nachchloriertem Polyethylen bilden sich elastische Bereiche in der wesentlich härteren PVC-Matrix aus. Eine eventuelle Rissbildung wird in diesen Bereichen aufgefangen. Eines der wichtigsten Kriterien für die Einteilung von PVC-Materialien ist der so genannte K-Wert (DIN53726), der aus der Viskositätsmessung einer Lösung von PVC bestimmt wird. Er hängt direkt mit dem Polymerisationsgrad und damit mit der Molmasse des PVCs zusammen. Er liefert wichtige Informationen über die Verarbeitbarkeit und die notwendige Additivierung des Materials, kann aber gleichzeitig auch zur Bestimmung einer eventuellen Schädigung des PVC-Materials durch eine unsachgemäße Verarbeitung herangezogen werden. Das heute in der Profil- und Rohrextrusion überwiegend zum Einsatz kommende Suspensions-PVC (S-PVC) weist aufgrund des Herstellungsprozesses [17] eine charakteris-
Bild 4-62. Chemische Struktur von Polyvinylchlorid
4.1 Urformen
273
Einen weiterführenden Überblick über verschiedene Stabilisatorsysteme bieten u. a. [19], [20], [21] und Kapitel 3.5.1.22.
Bild 4-63. Morphologischer Aufbau eines Suspensions-PVC-Korns nach [17]
tische Morphologie des entstehenden PVC-Korns auf (siehe Bild 4-63). Die aus Agglomeraten, Domänen und Mikrodomänen bestehenden Unterstrukturen des S-PVC-Korns sind für den späteren Aufbereitungsprozess und die Eigenschaften der PVC-Mischung von großer Bedeutung, da die hierdurch vorhandene Porosität das Eindringen von niedrig schmelzenden Additiven in das Korn erlaubt. Additive für PVC-Mischungen PVC erreicht die heutige Anwendungsbreite nur durch die Vielzahl von unterschiedlichen Additiven und Zuschlagstoffen, die das Eigenschaftsprofil des Grundwerkstoffes PVC sehr weitreichend verändern können. Stabilisatoren und Costabilisatoren Da in unstabilisiertem PVC bereits ab einer Temperatur von ca. 100 °C die Abspaltung von Chlorwasserstoff aus dem PVC-Makromolekül (siehe Bild 4-62) beginnt [18] und viele der möglichen Abbaureaktionen selbstkatalysierend verlaufen, ist eine thermoplastische Verarbeitung von PVC ohne Stabilisatorzugabe nicht möglich. Der traditionelle Stabilisator für Hart-PVC aus den Anfängen der PVC-Verarbeitung ist der cadmiumbasierte Stabilisator, der in den 80er Jahren weitgehend durch Bleistabilisatoren ersetzt wurde. Die Forderung nach dem Verzicht auf Schwermetalle in PVC-Rezepturen führt dazu, dass heute zunehmend schwermetallfreie Calcium-Zink-Stabilisatoren eingesetzt werden [19]. Die vielfältigen Anforderungen an moderne PVC-Mischungen lassen sich jedoch kaum durch einen einzelnen Stabilisator erfüllen, so dass heute vielfach verschiedene Stabilisatorsysteme kombiniert werden. Stabilisatoren werden Mischungen im Bereich von 14 Masse-% beigemischt.
Gleitmittel Man unterscheidet innere und äußere Gleitmittel. Innere Gleitmittel sind mit der Polymermatrix verträglich und reduzieren vorwiegend die Reibung im Inneren des Materials und damit die Schererwärmung. Um die hierfür notwendige Verträglichkeit mit dem polaren Basispolymer PVC zu erreichen, sind innere Gleitmittel meist polare Substanzen. Äußere Gleitmittel hingegen verringern vorwiegend die Reibung zwischen dem Polymer und der den Fliesskanal begrenzenden Metalloberfläche. Sie sind mit dem Basispolymer weniger verträglich, so dass sie überwiegend an der Grenzfläche zum Metall wirken. Diese äußere Wirkung wird durch eine gezielt eingestellte Unverträglichkeit mit dem polaren Basispolymer erreicht. Äußere Gleitmittel sind daher vorwiegend chemisch unpolar. Marktgängige Gleitmittel sind in feinen Abstufungen zwischen rein äußerer und rein innerer Wirkung und damit auch in sehr unterschiedlicher Polarität erhältlich. Üblicherweise kommen als Gleitmittel höhere Alkohole, höhere Fettsäuren, gehärtete Fette und Ester zum Einsatz. Sie werden verarbeitungsfähigen Mischungen in Zugabenmengen von 0,2 % bis 2 % zugesetzt. Einen weiterführenden Überblick über verschiedene Gleitmittelsysteme bietet u. a. [22] und Kapitel 3.5.1.9. Säurefänger Säurefänger haben in PVC-Mischungen die Aufgabe, die durch die unvermeidlich ablaufenden Abbaureaktionen im PVC frei werdenden Säuren (vorwiegend HCl) zu binden. Hierzu werden überwiegend Metallseifen eingesetzt, die auch eine leicht stabilisierende Wirkung aufweisen. Füllstoffe für PVC-Mischungen Füllstoffe stellen in vielen PVC-Mischungen einen bedeutenden Mengenanteil dar. So werden in einzelnen Anwendungen Füllstoffgehalte von bis zu 60 Masse-% erreicht. Füllstoffe werden PVC-Mischungen sowohl aus technischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen zugesetzt. Sie beeinflussen u. a. Dichte, Steifigkeit, Schlagzähigkeit, Oberflächenhärte, Schwindung und die thermischen Eigenschaften wie Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität einer PVC-Mischung [23]. Technisch und wirtschaftlich interessant sind in der PVC-Verarbeitung vor allem Calciumcarbonat-Füllstoffe (Kreiden), wobei hier zwischen natürlichen, abgebauten Kreiden unterschiedlicher Korngröße und synthetischen, chemisch hergestellten Kreiden unterschieden wird, siehe auch Kapitel 3.5.2.
274
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Synthetische Kreiden entstehen u. a. als Abfallprodukte bei der Herstellung von Soda. Sie unterscheiden sich vor allem durch eine feinere Partikelgröße und eine größere Oberfläche von natürlichen Kreiden und sind daher schlechter in der Schmelze dispergierbar. Ihre Zugabemenge ist daher häufig geringer als bei natürlichen Kreiden. Natürliche, abgebaute Kreiden sind in ihrer Kornstruktur durch den Aufbereitungs- und Veredelungsprozess für die verschiedenen Anwendungen einstellbar. Viele Füllstoffe werden mit dem Ziel einer Verbesserung der Verarbeitung mit einem Coating überzogen. Hierdurch werden die Anziehungskräfte der Partikel untereinander vermindert und eine verbesserte Dispergierbarkeit im PVC erreicht. Überwiegend kommen für Füllstoffe auf Carbonatund Oxidbasis Fettsäuren und Fettsäureester und für Füllstoffe auf Silikat- und Hydroxidbasis Silane, Titanate und Chromkomplexe zum Einsatz. Die Zugabemenge der Coatingsubstanz bezogen auf die Menge des eingesetzten Füllstoffs beträgt bis zu 3 Masse-%. Wie alle feinen Pulver können auch anorganische Füllstoffe aufgrund ihres chemisch-morphologischen Aufbaus in gewissen Mengen Wasser aufnehmen. Feuchtigkeit kann dabei sowohl an der sehr großen Kornoberfläche angelagert werden als auch in die Kornstruktur eindringen bzw. als Kristallwasser in die Kristallstruktur eingelagert werden. Durch den Einsatz von Coatings wird die Feuchtigkeitsaufnahme insbesondere in das Korninnere deutlich reduziert, siehe auch Kapitel 3.5.2. Aufbereitung von PVC-Mischungen Die Aufbereitung von verarbeitungsfähigen PVC-Mischungen erfolgt, wie eingangs geschildert, überwiegend direkt beim Verarbeiter. Hier wird das PVC-Grundmaterial mit den Additiven oder Additivmischungen, Weichmachern, Füllstoffen und eventuell weiteren Zuschlagstoffen unter Einsatz von Heiz-/Kühlmischer-Kombinationen vermischt [24], siehe auch Kapitel 3.5. In einem ersten Schritt werden die Mischungsbestandteile im Heizmischer unter Zufuhr von überwiegend mechanischer Energie auf eine Temperatur von ca. 90 –120 °C erhitzt. Hierbei schmelzen die niedrig schmelzenden Bestandteile wie Gleitmittel auf und diffundieren in das PVC-Korn ein [17]. Die bei diesen Temperaturen nicht schmelzbaren Bestandteile wie Füllstoffe und einige Stabilisatoren werden dabei an der Oberfläche des Korns angelagert. Um ein Agglomerieren der in diesem Zustand klebrigen PVC-Körner zu verhindern, wird die fertige Mischung im Kühlmischer unter weiterem Rühren auf niedrigere Temperatur herabgekühlt. Die in diesem Prozess hergestellten Mischungen werden Dryblends genannt.
Extrusion von PVC-Mischungen Der weit überwiegende Teil des hergestellten PVC wird im Extrusionsprozess zu Produkten wie beispielsweise Rohren, Tafeln und Profilen für den Bausektor weiterverarbeitet. Die Verarbeitung von PVC-Dryblends für weichmacherfreies Hart-PVC erfolgt dabei fast ausschließlich auf gegenläufigen Doppelschneckenextrudern, die in ihrer Verfahrenstechnik ideal auf die Bedürfnisse des Materials abgestimmt sind. Die sich aus der Schneckengeometrie der gegenläufigen Doppelschneckenextruder ergebende Kammerförderung erlaubt eine schonende Plastifizierung bei einer für PVC wichtigen exakten Temperaturkontrolle [25]. Die Kundenforderung nach höheren Durchsatzleistungen bei gleicher Maschinengröße und die gleichzeitig steigende Rezepturvielfalt haben in den letzten Jahren neue Anlagenkonzept notwendig gemacht, wobei die Entwicklung hin zu längeren Vorwärmzonen in der Schnecke geht [26]. Die meist aus wirtschaftlichen Gründen weiter steigenden Füllstoffanteile und die in ihrer Additivierung auf das Notwendigste reduzierten PVC-Rezepturen verkleinern das hierdurch gewonnene Verarbeitungsfenster jedoch zusehends bzw. machen rezepturspezifische Schneckenauslegungen notwendig, die bei immer größer werdender Produktvielfalt und dadurch kleiner werdenden Losgrößen einen hohen Umrüstaufwand und hohe Investitionen erfordern. Gerade im Vorwärmbereich der Schnecke und im Bereich beginnender Plastifizierung verspricht die Mikrowelle im Extruder eine Lösung der aufgeführten verfahrenstechnischen Probleme. Ihre nicht auf Wärmeleitung basierende Energieübertragung erlaubt einen guten Energieeintrag in schlecht wärmeleitende kompaktierte Pulverschüttungen, wie sie in diesem Teil des Plastifizierprozesses im Extruder vorliegen. Zur Vertiefung informiert Diemert, J. [16].
Weiterführende Literatur Häder W (2007) Maschinenbau folgt Werkstoffentwicklung – Neue PVC-Typen. Kunststoffe 97(2007)4, S 82–85 Müller H (2006) Calciumcarbonat – Joker in der PVCExtrusion. Kunststoffe 96(2006)12, S 62-66
4.1.3.2.7
Blasformen Helmut Schüle
Beim Blasformen werden extrudierte, extrusionsgeblasene oder spritzgegossene schlauch- oder reagenzglasförmige Vorprodukte im thermoplastischen oder thermoelastischen Temperaturbereich mittels Blasluft und – je nach vorliegender Bauteilgeometrie – mechanischen Streckhilfen (Spreizvorrichtung, mechanisch/pneumatisch gesteuerte
4.1 Urformen Verstreckstempel) zwei oder mehrteiligen, intensiv gekühlten Blaswerkzeugen zu Hohlkörpern ausgeformt. Neben Extrusions-, Spritz-, Tauch- und Kompressionsblasformen kommt auch das derzeit wirtschaftlich bedeutende Spritzstreckblasformen (PET-Flaschenherstellung) zur Anwendung. Extrusionsblasformen (Bild 4-64) Beim Extrusionsblasformen (verarbeitet werden vorzugsweise Polyolefine, PVC, PC, SB, TPU) werden Hohlkörper mit einem Volumen von wenigen ml bis zu 10000 l hergestellt. Zum Einsatz kommen zur Schmelzeplastifizierung hauptsächlich die sich durch ein fördersteifes Betriebsverhalten auszeichnenden Nutbuchsenextruder (temperierte Förderschnecken u. U. bei PVC, VPE erforderlich). Grundsätzlich können alle Polymerformmassen, welche eine ausreichend hohe Scherviskosität aufweisen, verarbeitet werden. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass der Vorformling während des Ausstoßvorgangs (mehrerer Sekunden freies hängen) sein eigenes Gewicht tragen kann und gleichzeitig kein unkontrolliertes Auslängen bzw. Durchhängen auftritt (ausreichend hohe Schmelzefestigkeit bzw. Scherviskosität). Das Ausdrücken der Schmelze aus dem Extruder zum Schlauch, auch Vorformling genannt, kann kontinuierlich als
Bild 4-64. Prinzipielle Darstellung des Extrusionsblasformverfahrens nach Bayer
275
auch diskontinuierlich (Speicherbetrieb) erfolgen. Der schlauchförmige Vorformling wird nach Erreichen der erforderlichen Länge vom Werkzeug aufgenommen, positioniert und abgetrennt. Je nach Klebrigkeit der Polymerschmelze erfolgt das Abtrennen durch einen Messer-(Scheren)Kaltschnitt oder nach dem Glühdrahtverfahren. Der Schlauch wird zwischen zwei beweglichen Hälften des Blaswerkzeugs eingequetscht, mittels Druckluft (bis ca. 8 bar) aufgeblasen und an die ausformende Werkzeuginnenwandung gepresst. Der Abkühlvorgang des Blasteils wird durch die mit Wasser oder Öl temperierte Werkzeuginnenwand beschleunigt. Die Druckluft (tiefgekühlte Luft, CO2, Stickstoff möglich) wird meist über einen Blasdorn, welcher gleichzeitig als Kaliblierdorn die Entformungsgeometrie der Behältergeometrie fixiert, eingebracht. Bei technischen Teilen erfolgt die Einbringung der Druckluft auch über definiert vorgegebene, in ihrer Lage beliebig gewählten Nadeldüsen (nachträgliches Verschweißen der Einstichstelle möglich). – Kontinuierliche Betriebsweise Hohlkörper mit einer Masse von weniger als zwei Kilogramm (entspricht einem Hohlkörpervolumen von ca. 25 l) werden aufgrund der möglichen Extruderdurchsatzleistung in einem kontinuierlich ablaufenden Prozess hergestellt. Der austre-
276
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
tende Schlauch (eine Mehrstrangextrusion ist möglich) muss nach Erreichen seiner erforderlichen Länge abgeschnitten bzw. über eine Schneidkante am Werkzeug abgequetscht werden. Das den Schlauch aufnehmende Werkzeug bzw. Schließeinheit muss in einem weiteren Schritt ausreichend wegbewegt (horizontal, vertikal) werden, so dass die kontinuierliche Schlauchherstellung störungsfrei durchgeführt werden kann. Auch ein Wegtransport des Schlauchsegments mittels Transportzange oder eines Robot-Schlauchmanipulators ist möglich. Eine Mehrschichtcoextrusion (bis neun Schichten) ist – sofern mechanische und/oder Barriereeigenschaften (Sauerstoff, Wasserdampf, Inertgas) erforderlich sind – technisch umsetzbar. Hierbei werden vorzugsweise (ineinanderschachtelbare) Mehrschichtwendelverteiler eingesetzt. Neben dem Mehrschichtenaufbau wird mittels verschiedener Fluorierungstechnologien versucht, die gewünschten Permeabilitätswerte in der Wandschicht zu erreichen (InLine und On-Line Fluorierung, Trichterlösung mit aufschmelzenden Flourlaminatschichten, Plasmapolymerisation der Bauteiloberflächen, Morphologiesteuerung bzw. definierten hetrophasischen Aufbau der Basispolymeren – meist PA/PE). – Diskontinuierliche (intermittierende) Betriebsweise Bei größeren Blasformteilen (Volumen bis 15000 m3, Monoschichtaufbau) erfolgt die Schlauchherstellung aufgrund der
zu geringen Ausstoßleistung des Extruders nicht mehr kontinuierlich. Der Vorformling (Schmelzeschlauch) kühlt bei einer derartigen Fahrweise am unteren Ende signifikant ab und wird meist durch sein Eigengewicht zusätzlich noch ausgelängt. In diesem Falle arbeitet man mit einem Schmelzespeichersystem (Akkubetrieb) (Bild 4-65). Beim Blasformen mit Schmelzespeicher wird die Schmelze zunächst in einen Speicher gefördert, aus dem sie anschließend innerhalb kurzer Zeit als Vorformling ausgestoßen wird. Derartige Speichersysteme werden von den Maschinenherstellern in verschiedenen Ausführungen angeboten. Der Kolbenspeicher ist grundsätzlich zwischen Extruder und Schlauchkopf angeordnet oder als Ringkolbenspeicher im Blaskopf integriert. Vorteilhaft ist die Verwendung von Pinolen- bzw. Wendelverteilerwerkzeuge, welche eine Ansteuerung des Düsenaustrittsspalts von außen zulassen (hydraulische Wanddickensteuerung, u.a.). Der austretende, bindenahtfreie Schlauch kann somit in seiner Wanddicke hinsichtlich den lokal erforderlichen Verstreckraten optimal und somit werkstoffsparend angepasst werden. In praxi sind auch Schubschneckeneinheiten insbesondere bei der Herstellung von kleinen, massegenau herzustellenden Hohlkörper, anzutreffen. Diese Verarbeitungseinheiten arbeiten prinzipiell wie Spritzgießaggregate. Durch einen Schneckenrückzug während des Plastifizierens wird ein Speichervolumen vor dem Fördersystem freigeben und
Bild 4-65. Akku-Speicher nach Em-Chemie
4.1 Urformen durch einen definiert vorgegebenen, sehr genau einhaltbaren Schneckenvorschub wird die erforderliche Schmelzemenge schnell ausgestoßen. Überragende Bedeutung beim Blasformen kommt derzeit dem platzsparenden, bei der Monoschichtextrusion anzutreffenden Radialakkuspeicher zu (Mehrschichtakkusysteme sind in der Patentliteratur beschrieben, finden jedoch aus Kostengründen keine Anwendung). – Sonstige maschinenspezifische Gegebenheiten Neben der axialen Wanddickensteuerung haben sich die Verfahren der partiellen Wanddickensteuerung und der dezentrierbaren Düse, der Einsatz statisch flexibler Düsenringe sowie die Profilierung von Düse und Dorn etabliert. Zur Regulierung der axialen Wanddicke wird die Spaltweite am Düsenmund variiert. Dies geschieht über eine hydraulisch oder pneumatisch angetriebene Mechanik, die bei Pinolen-Blasköpfen die axiale Position der Pinole verändert; bei Dornhalter-Blasköpfen muss die äußere Hülse am Düsenmund verschoben werden. Der Fließkanal ist an diesen Positionen im Werkzeug konisch ausgeführt (somit verändert sich die Spaltweite).
277
Zum Einführen des Dornes in den Schlauch gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Einmal kann der Schlauch bei geöffnetem Werkzeug über den Dorn extrudiert oder, durch Handhabungsgeräte geführt, aufgesteckt werden. Als zweites besteht die Möglichkeit den Dorn in den vom Werkzeug bereits eingeschlossenen Schlauch zu drücken. Blaswerkzeuge sind aus Stahl oder gegossenen Nichteisenlegierungen gefertigt. Bevorzugt werden zur Herstellung solcher Werkzeuge Materialien eingesetzt, die sich durch eine gute Wärmeleitfähigkeit auszeichnen. Im Bereich der Quetschkanten unterliegen die Werkzeuge einer hohen Beanspruchung, da dort die Schmelze verdrängt werden muss. Diese mechanisch stark beanspruchten Segmente sollten daher auswechselbar und aus einem verschleißfesten Werkstoff hergestellt werden. Die Quetschkanten sind nicht scharfkantig, sondern als planparallele Flächen mit einer Breite von 0,1 bis ungefähr 2 mm ausgebildet. Die Auslegung ist abhängig von dem zu verarbeitenden Material, der Größe und der Wanddicke des herzustellenden Blasteils. Die automatische Butzenabtrennung in der Maschine gehört heute zur Standardausrüstung vieler Anlagen. Das
Bild 4-66. Prinzipdarstellung eines Blaswerkzeuges nach BASF in Kunststoffverarbeitung
278
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Werkzeug der Stanzeinrichtung ist der Kontur des Blasteils angepasst. Durch eine Stoßbewegung entfernt es den Butzen genau an den dafür vorbereiteten Quetschkanten. Durch die Taktung der Stanzeinrichtung kann eine geordnete Weitergabe des Blasteils an Folgeeinrichtungen erfolgen. – Sonderverfahren 3D-Verfahren (Bild 4-67) Typische Blasformteile für Anwendungen im AutomobilMotorraum sind Luftführungen d.h. häufig mehrdimensional gekrümmte Rohre, für deren wirtschaftliche Herstellung verschiedene Technologien entwickelt wurden. Bild 4-67. Vergleich eines 3D-Blasteils mit einem Standardblasteil nach Bekum
Schlauch-Ablegeverfahren Der Vorformling wird in die Kavität eingelegt, so dass er im wesentlichen schon die Kontur des späteren Formteils hat. Schlauchmanipulation mit Roboter Alternativ zum Schlauch-Ablegeverfahren kann der Vorformling auch von einem Roboter erfasst und segmentweise in die Kavität der Hohlköperform eingelegt werden. Saugblasverfahren Bei diesem Verfahren wird der am unteren Ende abgequetschte Vorformling/Schmelzeschlauch mit innerer Stützluft-Unterstützung direkt in die geschlossene Kavität extrudiert. Das Durchziehen des Vorformlings durch die Kavität wird von einem Saug-Luftstrom bewirkt, der durch ein SaugGebläse am unteren Ende der Kavität erzeugt wird. Sequentielles Blasformen (Bild 4-69) Beim sequentiellen Blasformen fließen meist zwei in ihren mechanischen Eigenschaften (biegesteif/starr) sehr unter-
Bild 4-68. Tandem Blow nach Bekum
Bild 4-69. Sequentielle Coextrusion nach Bekum
4.1 Urformen
279
schiedliche Polymerformmassen, zeitgleich plastifiziert, nacheinander definiert aus einem Schlauchkopf. Die Übergangsphase beim Wechseln der beiden Schmelzen beträgt bei der Einspeisung lediglich eine Bauteilstrecke von wenigen Millimetern. Bottlepack-Verfahren Beim Bottlepack-Verfahren erfolgt in einem Arbeitsgang das Herstellen der Flasche, das Füllen mit einer Flüssigkeit und das Versiegeln der Flasche. Eine Sterilisierung des Hohlkörpers einschließlich Füllgut ist prinzipiell möglich. Maschinen für aseptische Abfüllung von flüssigen, nicht-karbonischen und mikrobiologisch empfindlichen Produkten arbeiten üblicherweise mit einer Sterilisierung (H2O2-Aerosol und Heißwasser). Bei den Verschlussmaterialien – sofern nicht verschweißt – kommen derzeit Aluminiumsiegel (mit Heißsiegellack beschichtet) oder Schraubverschlüsse (kostengünstig) zur Anwendung. Tandem-Blow-Prinzip (Bild 4-68) Beim Tandem-Blow-Prinzip wird die Herstellung von zwei Artikeln aus einem Extrusionsschlauch ermöglicht. Das Boden-an-Boden Blasen von Artikeln erhöht bei den Einund Doppelstationanlagen die Wirtschaftlichkeit signifikant. In-Mold Labeling Hierbei wird pro Formenkavität vor dem Blasvorgang an der Innenwand der Blasformen (mit Vakuumdüsen versehen) ein Label mit der thermoplastischen Schmelze verklebt bzw. verschweißt und bildet nach dem Ausformen mit dem Hohlkörper eine Einheit. Aseptik Die aseptische Behälterproduktion (vornehmlich Lebensmittelbereich) minimiert die Bakterienverunreinigung und verlängert die Produkthaltbarkeit ggfs. in Verbindung mit einer Mehrschichtcoextrusion in aller Regel um mehrere Monate. Portalmaschinen Portalmaschinen werden für die Herstellung von sehr großen Hohlkörpern eingesetzt. Der rheologisch optimierte Schlauchkopf wird dabei zeitgleich von zwei Extrudern mit Schmelze versorgt. Extrusionsstreckblasen Aus dem extrudierten Schlauchvorformling wird zunächst ein Hohlkörpervorformling hergestellt, der bereits die Mündungsform der herzustellenden Flasche aufweist, dessen Länge und Durchmesser aber kleiner sind (Bild 4-70). Dieser
Bild 4-70. Schematischer Ablauf des Extrusionsstreckblasformens (Werkfoto: Battenfeld-Fischer, SIG) A: Extrusion des Schlauchvorformlings; B: Blasen und Konditionieren des Vorformlings; C: mechanische Längsverstreckung des Vorformlings; D: Fertigblasen des Vorformlings und Abkühlen in der Streckblasform;
wird in einem konditionierten Vorformwerkzeug blasgeformt und auf eine formmassenspezifische Verstrecktemperatur vorgewärmt und nach Abtrennen des Butzens in das Streckblaswerkzeug übergeben. Dort wird er in einem weiteren Verfahrensschritt während eines eingeleiteten Aufblasvorgangs mit Hilfe eines mechanischen Stempels definiert längs gestreckt und schließlich zum fertigen Höhlkörper ausgeformt. Nach dem Abkühlen erfolgt das Auswerfen des formstabilen Bauteils. In manchen Anwendungsfällen wird zwischen der Herstellung des Vorformlings und dem Streckformvorgang eine eigene Station für den Konditioniervorgang zwischengeschaltet. Insbesondere ist dies notwendig sofern die umzuformende Polymermasse lediglich ein nur wenige Kelvin betragendes Temperaturfenster (hohe Dehnfähigkeit ist gewährleistet) zum optimalen Verstrecken im thermoelastischen Bereich aufweist (vorzugsweise bei teilkristallinen Thermoelasten). Die durch das biaxiale Verstreckteil eingebrachten Orientierungen werden in hohem Maße bei dieser Umformtechnik eingefroren. Diese Vorgehensweise führt zu günstigen Eigenschaftswerten insbesondere bei Steifigkeit, Schlagzähigkeit, Transparenz, Glanz, Gassperreigenschaften sowie bei der Berstdruckfestigkeit. Die betragsmäßige Zunahme der mechanischen Gebrauchseigenschaften hat auch eine Verringerung
280
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-71. Ablauf beim Spritzstreckblasformen nach Krones
des Formmasseneinsatzes (bis zu 15 %) bei zufriedenstellenden Hohlkörpereigenschaften zur Folge. Nachteilig ist bei den so hergestellten Bauteilen das Vorliegen von Abquetschund Schweißnähten (mechanische und optische Schwachstellen). Spritzgießstreckblasformen Beim Spritzgießstreckblasformen werden in einem ersten Verfahrensschritt Vorformlinge (Preforms) mit herkömmlichen Spritzgießmaschinen hergestellt (Heißkanalwerkzeuge mit fremd- bzw. außenangesteuerten Nadelverschlussdüsen, bis zu 256 Kavitäten). Im nachgeschalteten Arbeitsgang werden diese reagenzglasförmig ähnlich vorliegenden Spritzlinge temperiert (thermoelastischer Temperaturbereich) und unter Verwendung eines mechanischen Stempels (mit integrierten Blasdüsen) in Längsrichtung verstreckt (gereckt) und gleichzeitig in Umfangsrichtung azimutal aufgeblasen. Die dabei entstehende biaxiale Orientierung im „Streckling“ wird durch ein schnelles Abkühlen fixiert (eingefroren) und bestimmt somit in hohem Maße das physikalische Eigenschaftsprofil des hergestellten, stets rotationssymmetrisch vorliegenden Formteils. Die maximal anzutreffenden Streckgrade in Radialrichtung betragen derzeit bei PET bis Faktor 6, bei PVC bis Faktor 3 (Bild 4-71). Prinzipiell werden beim Spritzstreckblasformen zwei Anlagensysteme angetroffen – Bei der einstufigen Streckblasmaschine ist die konventionelle Spritzgießmaschine unmittelbar mit der Streckblaseinheit verkettet. Die Hohlkörper werden in einem Fluss
Bild 4-72. Einstufen-Anlage beim Spritzstreckblasformen [14]
(ersten Wärme) hergestellt. Die Kapazitäten der einzelnen Verfahrensstufen müssen aufeinander abgestimmt sein (Bild 4-72). – Bei der zweistufigen Ausformanlage werden die Preforms in einer Spritzgießmaschine urgeformt. Das Ausformen der Preforms erfolgt in aller Regel örtlich und zeitlich getrennt von der Herstellung. Die Hohlkörperherstellung erfolgt somit in der zweiten Wärme (Bild 4-73).
4.1 Urformen
281
Bild 4-73. Mehrstufenanlage beim Spritzstreckblasformen nach SIG
Bedingt durch die geforderten hohen Produktionszahlen (30000 Flaschen pro Stunde) kommt insbesondere das ZweiStufenverfahren in praxi zur Anwendung. Ziel bei der Herstellung von Preforms mit diesem Verfahren ist insbesondere die Einhaltung charakteristischer Qualitätsmerkmale. Zu nennen sind keine Gratbildung längs des Vorformlings (Trennebene beim Werkzeug deshalb um 90° versetzt), Wanddickenkonstanz bei geringster Exzentrizität sowie bei bei PET-Verarbeitung geringe Kristallinität (Transparenz).
Literatur zu Kapitel 4.1.3.2 [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]
Eyerer P (2007) Kunststoffkunde Vorlesungsmanuskript. WS 2007/2008, 14. Auflage, Pfinztal Greif u.a. (2004) Technologie der Extrusion. Hanser Verlag, München NN (2007) Firmenbroschüre Gummiprofilanlagen, Fa. Berstorff NN (2007) Firmenbroschüre Anlagen zum Granulieren. Fa. Battenfeld NN (2007) Firmenbroschüre Buss Kneader Technology. Fa. Buss NN (2007) Firmenbroschüre Zahnradspinnpumpen. Fa. Maag Bartilla T (1989) Zahnradspinnpumpen im Extrusionsprozess. VDI-K Jahrbuch NN Firmenbroschüre Ramextruder CER 600. Fa. ComTec Knappe u.a. (1986) Kunststoff-Extrusionstechnik II. Hanser Verlag, München
[10] Hensen F (1997) Plastic Extrusion Technology. Hanser Verlag, München [11] NN (2007) Firmenprospekt Coperion [12] NN (2000) Das Extrusionswerkzeug. VDI Verlag [13] NN (2007) Firmenprospekt Fa. Battenfeld Extrusionstechnik [14] Schüle H (2005) unveröffentlichtes Vorlesungsmanuskript Kunststoffverarbeitungsverfahren. Fachhochschule Kaiserslautern, Standort Pirmasens [15] Schmid B (1997) Betrachtungen von Düsenkonzepten. VDI-K Jahrbuch [16] Diemert J (2003) Grundlagen mikrowellenunterstützter Plastifiziervorgänge von Polyvinylchlorid. Stuttgart: Dissertation IKP Universität Stuttgart [17] Ertl J (2001) Ottlinger R Polyvinylchlorid (PVC). Kunststoffe 91(2001)10, S 244–247 [18] Menges G (1990) Werkstoffkunde Kunststoffe. 3. Aufl, Carl Hanser Verlag, München, Wien [19] Klamann JD (1999) PVC-Stabilisatoren. Kunststoffe 89(1999)7, S 56–59 [20] Huisman H (1998) Statusreport Stabilisierung von PVC. Kunststoffe 88(1998)5, S 696–702 [21] Pfaender R, Wegner W, Ryningen A (1998) PVC-Stabilisatoren auf organischer Basis. Kunststoffe 88(1998)5, S 704–706 [22] Richter E (1999) Gleitmittel. Kunststoffe 89(1999)7, S 106–109 [23] Katz S, Milenski V (1987) Handbook of Fillers for Plastics. Van Norstrand Reinhold Company, New York
282
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
[24] Becker W, Braun D (1985) Kunststoffhandbuch, Polyvinylchlorid, Band 2. 2. Aufl, Carl Hanser Verlag, München, Wien [25] Ebeling FW (1974) Extrudieren von Kunststoffen. Vogel-Verlag, Würzburg [26] Schneider HP (2001) Mehr Durchsatz, weniger Verschleiß. Neue PVC-Rohrextruder für hohe Füllstoffanteile. Kunststoffe 91(2001)10, S 150–154
Weiterführende Literatur Adolph Th (2007) Nadelverschlussdüsen für dekorative Anwendungen. Kunststoffe 97(2007)1, S 49–50 Beckhoff M, Meyer H (2007) Präzise und flexibel – Schicht für Schicht. Komplettanlagen für Castfolien. Kunststoffe 97(2007)5, S 42–44 Brandner H (2007) Umschäumte Heckklappe – Durchlauf eines RIM-Projektes. Kunststoffe 97(2007)3, S 84–86 Greener J, Wimberger-Friedl R (2006) Precision Injection Molding. Hanser Verlag, München, ISBN 3-44621670-7 (u.a. Sptitzgießen von CD) Hickmann T, Klemp E (2004) Metal Injection Molding – MIM: Schnell und günstig zu Präzisionsteilen. Kunststoffe 94(2004)11, S 62–65 Jauss M, Hoch A (2007) Stammformkonzept für Heißkanalwerkzeuge. Kunststoffe 97(2007)1, S 51–53 Kuhmann K (2006) Mehrschichtenrohre für Kraftstoffleitungen. Kunststoffe 96(2006)11, S 118–121 Michaeli W, Blömer P, Scharf M (2007) Radialwendelverteiler rheologisch und mechanisch auslegen. Kunststoffe 97(2007), S 54–57 Naughton P, Slik G, Poucke van J (2007) Komplex und stabil – Sitzlehnen aus (PC+ABS)-Blend blasgeformt. Kunststoffe 97(2007)3, S 94–98 NN (2006) 6-fach-Spritzgießwerkzeug für Transportsicherungen (Metallpulver-Spritzgießen). Kunststoffe 96(2006)12, S 56–57 Sauerer W, Reiner T (2007) Materialien für saubere Dieselmotoren – Technische Kunststoffe (POM, PA 6.6, PBT, Langzeitbeständigkeit, Kontakt mit Harnstoff). Kunststoffe 97(2007)3, S 110–114 Schnauffer Th (2007) Knickarm- und Linearroboter im Vergleich. Kunststoffe 97(2007)1, S 44–48 Ticona Technologie Literatur, CD „Digital Information Services“. C.2.1 – Heißkanaltechnik mit technischen Kunststoffen. Die Broschüre gibt einen Überblick über die thermischen Grundlagen, über Werkstoffe für den Werkzeugbau, Heißkanalsysteme, gibt Hinweise zumTroubleshooting und zeigt Anwendungsbeispiele. Ticona GmbH, Kelsterbach
Ticona Technologie Literatur, CD „Digital Information Services“. C.2.1 – Beilage Heißkanalhersteller und Systemlieferanten. Die Beilage zeigt eine Adressenzusammenstellung und eine tabellarische Beschreibung der jeweiligen Heißkanalsysteme von Heißkanalherstellern und Systemlieferanten in Amerika und Europa. Ticona GmbH, Kelsterbach Ticona Technologie Literatur, CD „Digital Information Services“. C.2.1 – Beilage Verarbeitungshinweise. Spritzgussformteile aus technischen Kunststoffen lassen sich mit marktüblichen Heißkanalsystemen herstellen. Je nach einzusetzendem Material sind besondere Ausführungen und Einschränkungen bei den Heißkanalkomponenten sowie bei den Prozessparametern zu berücksichtigen. Ticona GmbH, Kelsterbach Wiedmann W (2006) Drehmoment oder Volumen? WellenNaben-Verbindung eines ZSK 380 Megacompounders. Kunststoffe 96(2006)12, S 58–61
Weiterführende Literatur zu Werkzeugtechnik Bothur Ch (2007) Beizeiten wechseln (Heißkanalsysteme). Kunststoffe 97(2007)7, S 55–57 Bürkle E, Burr A et al. (2007) In drei Sekunden von 100 auf 140 °C (Hochgeschwindigkeits-Werkzeugtemperierung). Kunststoffe 97(2007)10, S 210–214 König E (2007) Dynamische Temperaturmessung als Ausschussprophylaxe (Heißkanalbalancierung). Kunststoffe 97(2007)6, S 56–60 Küls N (2007) Kühlen ohne Reue (Wasseraufbereitung). Kunststoffe 97(2007)7, S 58–59 Lichtenwöhrer Th, Gradauer R, Bauer R (2007) Vier Wege zum Mehrkomponenten-Flaschenkasten (Werkzeugbau). Kunststoffe 97(2007)10, S 216–221 Menges G, Michaeli W, Mohren P (Hrsg) (2007) Spritzgießwerkzeuge. Hanser Verlag, München, 6. Aufl, 938 S Mühl EO (2007) Internationalität ist Standard (Werkzeugprojekt Außenspiegelgehäuse). Kunststoffe 97(2007)6, S 61–62 Niedersüss P et al. (2007) Eigenschaftskombinationen maßschneidern – Polypropylenfolien. Kunststoffe 97 (2007)5, S 78–81 NN (2007) Aus acht mach eins (Etagenwendetechnik: Ferromatik). Kunststoffe 97(2007)10, S 187–188 NN (2007) Rostfreie Temperierung senkt die Stückkosten (Korrosionsschutz). Kunststoffe 97(2007)7, S 60–61 NN (2007) Variotherme Werkzeugtemperierung neu entdecken (Qualitätsverbesserung). Kunststoffe 97(2007)7, S 64–65
4.1 Urformen Paulmann D (2007) Fallkerne beschleunigen Verschlusskappen-Produktion. Kunststoffe 97(2007)10, S 223–227 Willenborg E (2007) Polieren mit Laserstrahlung. Kunststoffe 97(2007)6, S 63–66
Weiterführende Literatur zu Extrusion Hackl W, Hoffmann M (2007) Ozon stabilisiert Wasserbad (Betriebstechnik Extrusion). Kunststoffe 97(2007)8, S 114–116 Häder W (2007) Ausstoß unter Leistungsdruck (Rohrextrusion). Kunststoffe 97(2007)8, S 110–113 Joachimi D, Zimnol R, Meinerding L (2007) Rohrsysteme im Motorraum. Kunststoffe 97(2007)11, S 126–128 Kohlgrüber K, Wiedmann W (2007) Der gleichläufige Doppelschneckenextruder – Grundlagen, Technologie, Anwendungen. Hanser Verlag, München, 367 S (Inhalte: Historie Gleichdrall-Doppelschnecken, Rheologie Einführung, Compoundieren, Förder- & Knetelemente, Modellierung, Druckaufbau, Leistungseintrag, Strömungssimulation, Mischen, Dispergieren, Entgasen, Scale-up, Schneckenelemente, Patente, ZSKBaureihen, Werkstoffe, Antriebseinheiten, sehr viel Literaturzitate) Pelcz A, Illes T, Horvath Z (2007) Folienproduktion mit geöffnetem Schlauch (Kühltechnik). Kunststoffe 97(2007)10, S 295–299 Schmidt O (2007) Schmelzefilter in der Schaumextrusion. Kunststoffe 97(2007)6, S 82–84
4.1.3.3
Kalandieren Helmut Schüle
In der Aufbereitung und Weiterverarbeitung von GummiCompounds sowie PVC-Dryblends nehmen Walzenmaschinen eine wirtschaftlich überragende Stellung ein. Walzwerke werden als chargenweise arbeitende Plastifiziermaschinen eingesetzt. Es werden hierbei „Walzfelle“ hergestellt, welche in gerollter Form als so genannte Puppe zum Speisen des ersten Kalanderwalzenspalt diskontinuierlich zugegeben werden (siehe Elastomerverarbeitung). Der Kalander dient zur Herstellung von kontinuierlich bandförmigen Halbzeugen (PVC-Dachbahnen, Bodenbeläge, Gummireifen, gummierte Textil- oder Stahlcordgewebe). Beim Kalandrieren werden neben Elastomeren insbesondere auch Thermoplaste verarbeitet, welche einen breiten Erweichungstemperaturbereich aufweisen (vorzugsweise amorphe Formmassen) und darüber hinaus zusätzlich eine ausreichend hohe Scherviskosität (Schmelzefestigkeit) besitzen (PVC mit und ohne Weichmacher, schlagzähes PS, ABS aber auch modifizierte Polyolefine).
283
Bedingt durch ein definiertes, sehr enges Verarbeitungsverweilzeitspektrum im plastifizierenden Walzenspalt und die sich daraus ergebende Einsparung von teuren Thermostabilisatoren bei gleichzeitig hohen Durchsatzleistungen werden deshalb vorzugsweise thermolabile Polymermassen verarbeitet. Die Bauform eines Kalanders, d. h. die Zahl und Anordnung der Walzen, hängt sowohl von der zu verarbeitenden Polymermischung als auch von der Folienspezifikation (Dicke, Toleranzen, dubliert, laminiert, mehrlagig) des Endproduktes ab. Gebräuchliche Bauarten sind in Bild 4-74 schematisch dargestellt. Technische Gummi-Teile werden auf I-, S-, und F-Kalander hergestellt. Der L-Kalander wird bei der PVC-Verarbeitung bevorzugt eingesetzt. Vorteilhaft ist der kurze Beschickungsweg (unterste Spalt). Als Nachteil zeigen sich hierbei jedoch die aufsteigenden Dämpfe (Weichmacher, niedermolekulare Funktionsstoffe, Oligomere), welche die oberen Produktionswalzen belegen (Kondensat, Sublimat) und dadurch zu Folienmattstellen führen können. Werden die Ablagerungen nicht unmittelbar durch sofortiges Anhaften an dem zu kalandrierenden Produkt mit wegtransportiert, muss bei Vorliegen einer kritischen Belagdicke schließlich in unregelmäßigen Zeitabständen eine meist manuell vorgenommene Abwischreinigung während der laufenden Produktion (in aller Regel Dauerläuferprodukt) durchgeführt werden. Für Feinfolien (30–800 μm) werden üblicherweise 4-Walzen-Kalander eingesetzt. Die Polymerschmelze wird grundsätzlich umso schonender und maßhaltiger geformt, je mehr Walzenspalte durchlaufen werden. Die einzelnen Walzen werden in aller Regel getrennt angetrieben und mit hoher Konstanz auf Temperatur gehalten. In jedem Walzenspalt findet dabei ein Plastifizier- bzw. Knetvorgang statt. Beim Zulauf in einen im Vergleich zur ankommenden Folienbahn engeren Walzenspalt bildet sich zunächst aufgrund eines Masserückstaus ein Wulst. Dieser Schmelzeknet, der aus mehreren sich überlagernden Schmelzewirbeln besteht, breitet sich dabei seitlich im Walzenspalt aus. Ein seitliches Abfließen von den Walzen kann ggfs. durch Begrenzungselemente unterdrückt werden. Da der oben beschriebene, sich auf die Homogenität auswirkende Schmelzeknetvorgang in jedem Walzenspalt vorliegt, entstehen ständig neue, schließlich auch hochwertige Produktoberflächen. Die Friktion (Verhältnis der Geschwindigkeit von Nachwalze zur Vorwalze) beträgt meist 1,05 bis 1,2 und dient neben einer sicheren Folienführung auch und insbesondere im ersten Walzenspalt zusätzlich zur Homogenisierung (Kneten und Scheren). Da andererseits in jedem Walzenspalt sehr hohe Linienkräfte vorliegen, muss der Kalanderstuhl insgesamt hohe Spreizkräfte aufnehmen. Um Deformationen und daraus
284
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-74. Kalanderbauarten
resultierende Foliendickenschwankungen zu vermeiden, wird eine massive Bauweise mit sehr großen lichten Abmessungen bei diesen Verarbeitungsmaschinen angetroffen (Bild 4-75). Anmerkung: Kalanderwalzen sind aufgrund ihrer Arbeitsweise im Vergleich zu Extrusionswalzen (siehe auch Extrusion) deutlich stärker dimensioniert! Grundlegendes zur Kalanderverfahrenstechnik Der erste Walzenspalt wird bei Kalandern mit Bändchen, welche von einem Mischwalzwerk abgeführt werden, oder mit Strangabschnitten aus dem Ko-Kneter, Doppelschneckenpressen oder Planetwalzen-Extruder (vorzugsweise bei PVC) beschickt.
Die kontinuierliche Zugabe führt gegenüber dem in Vergangenheit üblichen Füttern mit „Puppen“ zu einer deutlichen Reduzierung der Druckspitzen im Spalt, verbunden mit einer besseren Dickentoleranz und geringer mechanisch-thermischer Beanspruchung der thermolabilen Formmassen (weniger Thermostabilisator erforderlich). Eine unregelmäßige, bedingt definierte thermische Durchlaufsituation kann darüber hinaus zu Schlierenbildung im Folienprodukt führen. Eine vorteilhafte Kalanderbeschickung erfolgt mittels einer Breitschlitzdüse. Aus finanziellen Gründen wird häufig eine Beschickung (kontinuierlich und intermittierend) mit abgelängten Profilen oder eine direkte Strangeinspeisung vorgenommen. Bei einer freien Fütterung des ersten
Bild 4-75. Kalander für EPDM-Verarbeitung / www.comercole.com/
4.1 Urformen Spalts kann die Schmelze − sofern erforderlich − noch entgast werden. Die in einer Anlage zum Einsatz kommenden Walzen haben in aller Regel die gleichen Ballenbreite und Durchmesser. Die verlängerten Walzenachsen haben an einer Seite einen Rotary-Anschluss zur Ermöglichung eines auch während der Produktion kontinuierlichen Durchlaufs des Temperiermediums (Wasser, Öl). Bisher üblich waren von innen durch Dampf oder Heißwasser beheizbaren Walzen mit großer Zentralbohrung. Derzeit werden vornehmlich Walzen mit peripherer Heißwasserbeheizung bzw. Temperiermittelbeschickung durch angebrachte Längsbohrungen im äußeren Bereich des Walzenmantels eingesetzt (Bild 4-76). Eine Walzentemperaturkonstanz von +/– 0,5 K während des Verarbeitungsprozesses ist derzeit Stand der Technik. Die Walzenabmessung wird durch die Walzenspaltbelastung, d. h. das Verhältnis Walzendurchmesser zu Walzenballenlänge, bestimmt. Die anzutreffenden Walzendurchmesser betragen bis zu 1200 mm, maximale Walzenlängen werden mit 2000 mm angegeben. Die Walzenspaltbelastung ist außerdem abhängig von den zu verarbeitenden Materialien, den Verarbeitungsbedingungen, von der Bahndicke und der Bahnbreite. Die hohe Qualität der herzustellenden Produkte bestimmt die Beschaffenheit der Walzen. Die wichtigsten Anforderungen an die Walzen sind: – hohe Rundlauf- und Formgenauigkeit bei Betriebstemperatur – hohe Oberflächengüte und -härte – Biegefestigkeit und Druckbeständigkeit gegenüber den zu verarbeitenden Materialien – Dichtheit gegenüber dem zu verwendeten Temperiermedium
Bild 4-76. Peripher gebohrte Kalanderwalze /nach Kurtens/
285
Je nach Belastung (auch abhängig vom L/D-Verhältnis der Walze, Biegung) und Einsatzgebiet werden Walzen aus Kokillenhartguss oder Verbundguss verwendet. Kokillenhartgusswalzen, Oberflächenhärte von 530 bis 560 HV für normale Spaltbelastung bis 600 N/mm, Verbundwalzen mit einem Kern aus Sphärolitguss und Kokillenhartgussschale, Oberflächenhärte von 530 bis 560 HV, für Spaltbelastungen über 600 N/mm. Die Qualität der Walzenballen-Oberfläche richtet sich nach dem Anwendungsbereich: – geschliffen mit einer Mindestoberflächengüte von Ro = 0,l μm für die Reifenindustrie – geschliffen und poliert mit einer Mindestoberflächengüte von Ro = 0,08 μm für die Herstellung technischer Gummiartikel – ebenso können Strukturen auf der Oberfläche (sandgestrahlt, geätzt, chemisches Abtragen, Elektrodenverfahren) aufgebracht werden (matt, definiertes Raster, u.a.) – Aufbringen von zum Einreißen und Abplatzen neigenden Chromschichten (deshalb vorzugsweise < 50–100 μm); Hartverchromen, Mattverchromen Ausgleich der Walzendurchbiegung. Bedingt durch die im Walzenspalt anzutreffenden, auf die Walzen einwirkenden Linien tritt ohne jegliche Gegenmaßnahme eine mehr oder weniger ausgeprägte Durchbiegung auf (Bild 4-77). In der Praxis haben sich nachfolgende Maßnahmen gegen diese Erscheinung entwickelt. – Gegenbiegen (engl.: roll bending) Ausgleich maximal 0,08 mm, meist unter 0,05 mm – Schrägstellung einer Walze relativ zur Nächsten, als Schränkung (engl.: axis crossing) bezeichnet – Bombage (engl.: crown); tonnenförmiger Schliff der Walzenoberflächen maximal 0,30 mm auf 2000 mm Ballenbreite.
286
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Je nach vorliegendem Folienwerkstoff können die Folien in einer weitergehenden Nachbearbeitung (Warmumformen, Konfektionierung, Bedrucken, Metallisieren, Lackieren) veredelt werden.
4.1.3.4
Schäumen Axel Kauffmann und Helmut Schüle
Im vorliegenden Kapitel werden die technologischen Grundlagen von Schaumstoffen im Allgemeinen sowie das Schäumen von thermoplastischen Schaumstoffen, die Herstellung und Verarbeitung von Partikelschaumstoffen und das Schäumen von PUR-Systemen behandelt. Bild 4-77. Betriebsverhalten einer glatten bzw. bombierten Walze.
Da eine Walze mit Bombage ein Sondermaschinenelement darstellt, ist eine identische Ersatzwalze möglichst zusätzlich einzulagern. Bei Gegenbiegung und Schrägstellen bleibt die Durchbiegung als solche bestehen; sie wird nur in Bezug auf das Dickenprofil der kalandrierten Bahn unwirksam gemacht. Ein Schränken der letzte Walze stört in aller Regel das einwandfreie Ablösen und Ablaufen der Folie (vorletzte Walze schränken). Beim Gegenbiegen (mittels Hydraulik) werden die Lager deutlich mehr belastet, verkürzte Lebensdauer. Oft werden in Kalanderanlagen bei der Kunststoffverarbeitung – in Anlehnung an die Papierverarbeitung – gebogene Breitstreckabzugswalzen eingesetzt. Läuft die Folienbahn von der konkaven zur konvexen Seite der Streckwalze, so kann eine Spannung in Querrichtung aufgebaut werden. Die Folie wird dabei faltenfrei auf die folgenden Abzugswalzen (auch Verstreckwalzen in zweiter Wärme) aufgelegt. Bei hohen Abzugsgeschwindigkeiten werden Breitstreckwalzen eingesetzt, welche eine von innen nach außen spiralförmig verlaufende Entlüftungsnut zum Verdrängen von etwaiger eingezogene Schleppluft besitzen. Weitere in einer Kalanderanlage vorliegende Zubehörkomponenten sind in hohem Maße auch bei der Plattenoder Flachfolienextrusionsanlage wieder anzutreffen (siehe Kapitel Extrusion). Hierbei handelt es sich um Metalldetektoren, Dickenmessgeräte (Isotopenstrahler, Ultraschallmethode), Abzugswalzen (ggfs. gummiert), temperierte Reckwalzenkombinationen mit oder ohne Oberflächenveredlungen, temperierte Prägewalzen, Schneideeinrichtungen, Kaschierstationen, Wickelverfahren (Zentral- und Umfangsantrieb, Wickeln mit konstanter Zugspannung) sowie u. a. verschiedene Wendewickler.
Definition, Grundlagen, Einteilung und Herstellungsverfahren Nach DIN 7726 ist ein Schaumstoff „ein Werkstoff mit über die gesamte Masse verteilten Zellen (offen, geschlossen oder beides) und einer Rohdichte, die niedriger ist als die Dichte der Gerüstsubstanz“. In Tabelle 4-10 sind die wesentlichen Merkmale und Einteilungen dargestellt:
4.1.3.4.1
Schäumen von Thermoplasten Axel Kauffmann und Helmut Schüle
Die bedeutendsten thermoplastischen Schaumstoffe basieren auf den Thermoplasten Polystyrol sowie den Polyolefinen PE, PP und PVC. Der Schäumvorgang basiert in der Regel auf der Expansion unter Einsatz chemischer oder physikalischer Treibmittel. Prinzipiell lassen sich alle Kunststoffe, d. h. Thermoplaste, Duromere und auch Elastomere, aufschäumen. Allen Herstellverfahren für Schaumkunststoffe bzw. SchaumstoffFomteile gemein ist, dass der Ausgangswerkstoff zu Beginn des Schäumungsprozesses in einem verformbaren, fließfähigen Zustand vorliegt, aufgeschäumt und schließlich eine verfestigte Schaumstruktur erzielt wird. Die Fließfähigkeit kann hierbei durch Überführen des polymeren Ausgangsrohstoffes in den Schmelze-Zustand gegeben sein, durch Lösen oder mechanisches Einmischen (→ Dispergieren) in einer Trägerflüssigkeit oder Heranziehen von zwei oder mehreren niedermolekularen, fließfähigen Komponenten, welche aufgrund reaktionsfähiger Endgruppen chemisch umgesetzt werden. Der Treibmechanismus beruht auf chemischen oder auch physikalischen Vorgängen. Chemisch bedingtes Aufschäumen kann bei der Polykondensation durch das bei niedriger Temperatur siedende Abspaltprodukt bzw. Kondensat (→ niedermolekulare Nebenprodukte. z. B. Wasser), durch ein aus der chemischen
4.1 Urformen
287
Tabelle 4-10 Einteilung von polymeren Schaumstoffen und Schäumverfahren [1] bis [6] Merkmal
Ausführung
Härte
Hart-, halbharte und weichelastische Schaumstoffe
Zellstruktur
geschlossenzellig, offenzellig und gemischtzellig
REM-Aufnahmen: Links geschlossenzelliger Polyethylenschaum, rechts offenzelliger Polyurethanschaum Gestalt der Zellen
Kugel, Waben, Polyeder
Zelldurchmesser
mikrozellular feinzellig grobzellig
<0,3 mm 0,3…2 mm >2mm
Dichte
leichte Schaumstoffe schwere Schaumstoffe
<100 kg/m3 >100 kg/m3
Dichteverteilung
Schaumstoffe mit gleichmäßiger Dichteverteilung Integralschaumstoffe mit kompakter Randzone
Polymerphase
Thermoplaste (PE, PS, PP, PVC, EVA, PEI, etc.) Duroplaste (PUR, EP, UF, UP) Elastomere (EPDM, NR, NBR, SBR, SI)
Chemische Struktur
vernetzt, unvernetzt
Schäumverfahren – Herstellungsverfahren
Schaumschlagverfahren: Einschlagen oder einblasen von Luft/Gas in einen Kunststoff, z. B. für elastomere Schaumstoffe wie Latex-Schäume Mischverfahren Einbringen von zumindest zwei flüssigen, reaktiven Komponenten sowie in der Regel ein Treibmittel in eine Form, wo dann gasfreisetzende und vernetzende chemische Reaktionen parallel zueinander ablaufen (Sonderfall v. Expansionsverfahren), vorrangig für duromere Schaumstoffe wie Polyurethan [7] Expansionsverfahren Expansionsprozesse sind die weitaus am häufigsten eingesetzten Verfahren zur Herstellung von thermoplastischen Schaumstoffen insbesondere Polyolefinschäume. Diese Verfahren beruhen auf der Expansion einer gasförmigen Phase, die in der Polymerschmelze dispergiert. Gängige Expansionsverfahren sind das Extrusionsschäumen und Partikelschäumverfahren (extruduert/autoklav)
Schäumverfahren – Treibmittel
Chemisch (endotherm oder exotherm) und physikalisch expandierende Schaumstoffe
Reaktion der Grundstoffe entstehendes Treibgas oder durch ein aus der chemischen Zersetzung eines Treibmittels entstehenden Treibgases erreicht werden. Chemische Treibmittel benötigen zur Gasbildung meist hohe Temperaturen und sind deshalb insbesondere zum Aufschäumen von Thermoplastschmelzen (PVC) anzutreffen.
Physikalische Treibverfahren beruhen auf thermodynamischen Vorgängen. Allen physikalischen Treibmitteln gemein ist der Umstand, dass diese Funktionsstoffe oberhalb eines niedrigen, vom Druck abhängigen Siedepunktes in den Gaszustand übergehen. Die erfolgte Volumenzunahme des Gases bläht dabei die flüssige, eine ausreichende
288
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Dehnfähigkeit aufweisende Polymermasse auf. Die physikalischen Treibmittel Pentan, Stickstoff, Kohlenstoffdioxyd haben sich bei fast allen Kunststoffen und Herstellverfahren durchgesetzt. Vorgänge beim Expansionsprozess Ungeachtet des Typs des eingesetzten Treibmittels beinhaltet das Schäumen von Polyolefinen und Polystyrol auf Basis der Expansionsprozesse drei fundamentale Verfahrensschritte: – Nukleierung (Blasenbildung) – Blasenwachstum – Stabilisierung Die Nukleierung findet an Stellen in der Polymerschmelze statt, die lokal mit Treibmittel übersättigt sind. Dieser Übersättigungszustand durch Dekomprimierung oder Erwärmen eines sich im Gleichgewicht befindlichen Systems mit einem physikalischen Treibmittel (PBA) oder durch Erhitzen eines Polymers, welches ein zersetzbares chemisches Treibmittel (CBA) enthält, erreicht werden. Hat eine Blase einmal die kritische Größe erreicht, erfolgt das weitere Blasenwachstum durch in die Blase eindiffundierendes Treibmittel. Das Wachstum hält so lange an, bis sich die Blase stabilisiert oder die Wände reißen bzw. platzen. Die dünnen, hochgradig gereckten Zellwände sind zunächst noch sehr instabil. Sie müssen deshalb stabilisiert werden, um eine Zerstörung der zelligen Schaumstruktur zu unterbinden. Zur Stabilisierung werden bei Polyolefinen zwei unterschiedliche Methoden angewandt: – Viskositätserhöhung/Verfestigung durch Abkühlen – Chemische Vernetzung. Beim Einsatz von PBA, insbesondere flüchtiger, bei Umgebungsbedingungen flüssiger organischer Treibmittel (VOBA), erhöht sich die Viskosität der Schmelze durch die Abkühlung der Schmelze aufgrund der Verdampfungsenthalpie und in geringerem Maße Wärmeverluste an die Umgebung sowie durch die geleistete Verdrängungsarbeit bei der Expansion. Wird das Schäumen hingegen durch Erhitzen anstelle der Druckabsenkung initiiert, müssen die Blasen durch Vernetzten stabilisiert werden, insbesondere beim Einsatz chemischer Treibmittel, die sich nach Zufuhr der Aktivierungsenergie in meist exothermen Reaktionen zersetzen. Vernetzen stabilisiert die Blasen durch eine signifikante Anhebung der Viskosität der Schmelze im Vergleich zur Schmelze ohne Vernetzen. Wie aus Bild 4-78 ersichtlich, erweitert die Vernetzung das Temperaturfenster, innerhalb dessen ein erfolgreiches Schäumen möglich ist. Vernetzen bewirkt jedoch eine zumindest teilweise Umwandlung der thermoplastischen Schmelze in einen Duroplast, was aus Gründen der Weiter-
verarbeitung und der eingeschränkten Recyclingmöglichkeiten häufig unerwünscht ist. Direkt-Schäumen von Thermoplasten im Extrusionsprozess Das Schäumen im Extrusionsprozess ist prinzipiell das einfachste und wirtschaftlichste Schäumverfahren für Thermoplaste. Ein konventioneller Extruder plastifiziert das Polymer-Ausgangsmaterial, mischt das Treibmittel ein und dispergiert es homogen in der Schmelze. Anschließend wird auf die niedrigst mögliche Temperatur, die Schäumtemperatur, abgekühlt und durch die der Formung des Stranges dienende Werkzeugöffnung extrudiert. Das Werkzeug ist dabei so ausgelegt, dass der Staudruck in Extrusionsrichtung so weit abnimmt, dass die Blasen zwar nukleiert werden, das Zellwachstum und somit das Schäumen jedoch erst nach Verlassen des Werkzeuges beginnt. Innerhalb des Extruders und der nachgeschalteten Düse liegen meist Schmelzedrücke von über 100 bar vor. Die eingesetzten Treibmittel liegen bei diesen Bedingungen in der Thermoplastschmelze als Flüssigkeit vor. Beim Verlassen der Düse wirkt auf die Obefläche der thermoplastischen Schmelze plötzlich lediglich der Umgebungsdruck. Dieser dramatische Druckabfall bewirkt eine Übersättigung des in der Schmelze gelösten Gases. Die beiden Phasen Gas und Schmelze trennen sich, und das Gas bildet nahezu schlagartig eine Vielzahl von Blasen an den Zellkeimen. Diese Blasen werden so lange größer, bis ein Gleichgewichtszustand erreicht ist zwischen Gasdruck und Oberflächenspannung der Blase, der Viskosität der sich durch Expansion und Wärmeabfuhr an die Umgebung abkühlenden Schmelze und der Sättigungskonzentration des noch in Lösung befindlichen Gases. Sobald der Gleichgewichtszustand erreicht ist, muss die Fixierung (das Erstarren) des Schaumstoffs erfolgen, um ein Zusammenfallen der gebildeten Zellen zu verhindern. Die Schaumstruktur wird durch eine möglichst intensive Kühlung verfestigt. Die Beschaffenheit der Extrudatoberfläche wird schon zu Beginn des Abkühl- und Fixier-Vorgangs beeinflusst. Wird die Expansion eines Halbzeugs unmittelbar nach Austritt aus dem Werkzeug im Freiflächenbereich durch intensive Kühlung unterdrückt, so bildet sich eine „harte Haut“. Erfolgt kein Einfrieren der Oberflächenschichten platzt diese je nach vorliegender Schmelzefestigkeit auf und zerklüftete Strukturen entstehen. Polyolefine werden sowohl chemisch als auch physikalisch geschäumt. Geschäumte Halbzeuge-Formmassen aus PVC werden weitgehend unter Verwendung chemischer Treibmittel hergestellt, Der Schäumvorgang ist in seiner Abhängigkeit von Viskosität und Dehnfähigkeit der Schmelze, Gas- bzw. Dampfdruck des Treibminels und der Wechselwirkung zwischen Schmelze und Treibmittel (Löslichkeit,
4.1 Urformen
289
Bild 4-78. Auswirkung der Vernetzung auf das zum Schäumen geeignete Temperaturintervall
Permeation) der wichtigste Verfahrensteil der Schaumstoffextrusion, Die gebräuchlichsten Verfahren für das Herstellen von geschäumten Extrudathalbzeugen sind – das Einstufenverfahren – das Zweistufenverfahren – das Mehrstufenverfahren Beim Einstufenverfahren wird die Form und Dichte des geschäumten Halbzeugs unabhängig vom verwendeten Treibmittelsystem in einem Arbeitsgang („erste Wärme“) hergestellt. Bei chemischem Treibmittel kommen unvernetzte bzw. reaktiv vernetzende Systeme zum Einsatz. Physikalische Treibmittel werden durch Vorbegasung (beladener Thermoplast) oder durch Direktbegasung unmittelbar während der eigentlichen Verarbeitung eingebracht. Beim Zweistufenverfahren erfolgt die Einarbeitung des Treibmittels in die Schmelze in einem ersten, abgeschlossenen Arbeitsgang vor dem Verschäumen zum Halbzeug („zweite Warme“). Das Mehrstufenverfahren ist ausschließlich bei der Herstellung von vernetzenden Polyolefinschäumen anzutreffen (Chemische Treibsysteme in Verbindung mit Peroxydvernetzer bzw. Strahlenvernetzer). Verschäumungsverfahren Grundsätzlich lassen sich sämtliche bisher entwickelten Verfahren zur direkten Verschäumung von thermoplastischen Formmassen zu Halbzeugen im Wesentlichen in zwei Verfahren einteilen:
– Verfahren der freien Aufschäumung (Bild 4-79) – Verfahren der Aufschäumung nach innen (Bild 4-80) Beim Verfahren der freien Aufschäumung expandiert die treibmittelhaltige Schmelze unmittelbar nach Austritt aus dem Werkzeug frei, bevor sie in der entsprechend größeren, in einem gewissen Abstand zum Werkzeug angeordneten, Kalibrierung ihre endgültige Form erhält. Der gesamte Halbzeugquerschnitt weist eine annähernd gleichmäßige Dichte auf, umhüllt von einer etwas dichteren, aber dünnen, mehr oder weniger strukturierten Außenhaut. Rohre, Platten und geometrisch einfache Profile können nach dem Verfahren der freien Aufschäumung hergestellt werden. Beim Verfahren der Aufschäumung nach innen (Bild 480) schließt die Kalibrierung unmittelbar an das Düsen-
Bild 4-79. Prinzip der freien Aufschäumung nach Bayer
290
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-80. Prinzip des Celuka-Verfahrens (Innenaufschäumen) nach Bayer
werkzeug an. Die Kalibrierung besitzt die gleiche Außenkontur wie die zugehörige Düse. Die austretende treibmittelhaltige Schmelze wird so unmittelbar nach Verlassen des Werkzeuges an der gesamten Oberfläche stark gekühlt. Dadurch werden eine Zellenbildung an der Randzone und eine Vergrößerung des Extrudatquerschnitts verhindert. Gleichzeitig ermöglicht ein im Werkzeug vorhandener Dorn, dass der durch ihn entstandene Hohlraum im Halbzeug von der restlichen Schmelze ausgeschäumt wird. Nach diesem Verfahren lassen sich neben Rohren und Platten Profile nahezu beliebiger Geometrie herstellen. Die Halbzeuge zeichnen sich durch eine kompakte glatte Außenhaut und eine geringe Dichte im Kernbereich aus. Das Verfahren der Aufschäumung nach innen ist als „Celuka-Verfahren“ bekannt geworden. Prinzipiell sind auch coextrudierte Halbzeuge herstellbar. Prinzipiell können bei der Schaumextrusion alle aus der Extrusion bekannten Verfahren mehr oder weniger gut herangezogen werden. Geschäumte Vollprofile und Platten (Woodlite-Verfahren), Hohlprofile (Armocel-Verfahren), coextrudierte Halbzeuge mit beliebiger Schichtanordnung sind grundsätzlich herstellbar. Die gemachten Ausführungen sind prinzipiell auch auf das Spritzgießverfahren übertragbar. Herstellung von Schaumpartikeln (Beads) und Formteilherstellung Der Grund, geschäumte Formteile aus Thermoplasten zunächst über den Umweg der Schaumstoffpartikelherstellung mit nachfolgender Verschweißung dieser Partikel anzugehen, liegt in den Material- und Verarbeitungseigenschaften dieser Polymeren. Bei thermoplastischen Materialien kann die Stabilisierung der gebildeten Zellen nur durch Erkalten der Schmelze geschehen. Bei voluminösen Formteilen kann
die Wärme aus der Bauteilmitte nicht schnell genug entweichen und die Zellen kollabieren, d. h. kleinere Zellen fallen aufgrund der Oberflächenspannung der plastischen Zellwände zu größeren Zellen zusammen. Nur die Herstellung kleiner Schaumstoffpartikel (so genannter Beads) kann somit eine gleichmäßige Zellverteilung ähnlich wie bei dünnwandigen Schaumstofffolien, Halbzeugen, Profilen gewährleisten. Diese können dann in einem nachgeschalteten Verfahrensschritt, dem Formteilprozess, mittels Heißdampfbeaufschlagung in einem formgebenden, porösen Werkzeug zum Formteil verschweißt bzw. gesintert werden. Im Wesentlichen sind die drei bekannten thermoplastischen Polymere PE, PS und PP im Einsatz zur Herstellung von EPS (expandiertes Polystyrol), EPE (Expandiertes Polyethylen) und EPP (expandiertes Polypropylen). Extrusion von Schaumpartikeln (EPS, EPE, EPP) Wesentlicher Unterschied zum Direktschäumen ist der Einsatz eines Extrusionswerkzeuges in Form einer speziellen Lochplatte, wobei der Querschnittsverlauf der einzelnen Löcher in Extrusionsrichtung so gestaltet ist, dass die Nukleierung in den Kanälen stattfinden kann, nicht jedoch die eigentliche Expansion. Erst beim Austritt aus der Lochplatte kommt es durch den abrupten Druckabfall zum Aufschäumen der Schmelzestränge, die durch rotierende Messer zu annähernd runden Partikeln abgelängt und im Wasserbad gekühlt werden. Dabei sorgt sowohl der Temperaturabfall als auch das Entlösen des auch als Weichmacher dienenden Treibmittels zu dem für die Stabilisierung erforderlichen Anstieg der Dehnungsviskosität. Es folgt eine Abtrennung agglomerierter Partikel sowie die Trocknung und Alterung der Beads. Während der Alterung stabilisiert sich das Zellgerüst weiterhin, das Treibmittel diffundiert aus und wird durch Luft ersetzt. Zum Einsatz kommen in aller Regel Polyolefine
4.1 Urformen
291
Bild 4-81. Anlagentechnisches Schema zur Extrusion von Schaumpartikeln (geändert nach Berstorff)
und hier im wesentlichen Polypropylen. Ein Anlagenschema zum Schäumen zeigt Bild 4-81. Trotz der kontinuierlichen Prozessführung und des geringeren technischen Aufwands ist das Verfahren mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. Als besonders kritisch hat sich die exakte Temperaturführung erwiesen. Bereits wenige Grad abseits der optimalen Schäumtemperatur können keine brauchbaren Partikel mehr hergestellt werden. Herstellung von EPP/EPE-Schaumpartikeln im Autoklavprozess Der Autoklavprozess ist bislang der am häufigsten eingesetzte Prozess für die Herstellung von Schaumpartikeln, insbesondere EPP (expandiertes Polypropylen). Im Autoklaven wird eine Suspension aus kompaktem Polypropylen- Mikrogranulat und einer Flüssigkeit unter ständigem Rühren und Wärmezufuhr mit einer Druckatmosphäre aus Inertgas und Treibmittel beaufschlagt. Durch Diffusion reichert sich das Treibmittel in den Polypropylen-Partikeln an. Sobald der gewünschte Treibmittelgehalt erreicht ist, d. h. nach hinreichender Verweilzeit, wird der Behälterinhalt in einen Raum mit geringerem Druck überführt. Dabei kommt es zur Expansion des einimprägnierten Treibmittels, und das Granulat schäumt auf. Durch die zur Verdampfung sowohl des Treibmittels als auch zumindest eines Teils der Flüssigkeit erforderliche Enthalpie kommt es parallel zur Expansion zu einem Wärmeentzug aus den Polymeren. Aufgrund dieses
Kühleffektes gelingt es, die Zellstruktur einzufrieren und die gebildeten Schaumpartikel zu stabilisieren. Expansion von Polystyrol (EPS) Zur Herstellung von EPS-Partikeln (expandiertes Polystyrol) wird zunächst Mikrogranulat herstellt. Styrol wird in einer Suspensionspolymerisation in Gegenwart von Pentan polymerisiert, wodurch das Treibgas im Reaktionsprodukt gelöst wird und dies auch über Monate hinweg gelöst bleibt. Das Aufschäumen des EPS-Mikrogranulats geschieht im Vorschäumer, einem Rührbehälter, der mit Dampf durchströmt wird. Das Pentan (Siedetemperatur 35 °C) verdampft und bläht das Granulat zu Schaumperlen auf. Dabei verbleiben ca. 50 % des Treibmittels noch im Schaumpartikel. Die frischen Beads können ca. 1 Tag bis 1 Woche nach dem Vorschäumen weiterverarbeitet werden. Bauteilherstellung aus Partikelschaumstoffen im Formteilprozess Im Formteilprozess wird Wasserdampf als Energieträger benutzt, der die in einem formgebenden Werkzeug befindlichen Schaumpartikel erhitzt und anschmilzt. Um den Dampf überhaupt an die Beads innerhalb der Kavität heranführen zu können, sind dampf- und luftdurchlässige Werkzeugwände Voraussetzung. Das Werkzeug befindet sich innerhalb einer Dampfkammer, die, ebenso wie das Werkzeug,
292
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
zweigeteilt ist, um eine Entformung durch einen Öffnungshub zu ermöglichen. Vom Prozess der Formteilherstellung her bestehen sehr große Ähnlichkeiten zwischen der EPS- und EPP/EPE-Verarbeitung. Verfahrens- und Maschinentechnik wurden für EPS entwickelt und später auf die neueren Partikelschaum-
stoffe EPE und EPP übertragen. Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Verarbeitung von EPS gegenüber den Polyolefin-Partikelschäumen: EPS ist während des Formteilprozesses im Gegensatz zu EPE/EPP noch treibmittelhaltig. Dies hat zur Konsequenz, dass die Partikel ein Expansionsvermögen durch verdampfendes Treibmittel
Bild 4-82. Schematischer Zyklusablauf der Formteilherstellung aus EPP nach der Druckfüllmethode
Bild 4-83. Aufbauschema eines EPP-Werkzeugs innerhalb der Dampfkammer
4.1 Urformen
Bild 4-84. EPP-Ladungsträger (Fa. Febra)
293
besitzen. Die Schaumpartikel dehnen sich aufgrund des Innendrucks in die Zwickelräume der Beadsschüttung hinein aus, und es ergeben sich die für gute Verschweißung erforderlichen großen Kontaktflächen. EPP/EPE wird im Gegensatz zu EPS gegen einen pneumatischen Überdruck im Werkzeug gefördert, was bewirkt, dass die Schaumpartikel komprimiert werden. Nach Abbau des Staudrucks erfolgt eine Ausdehnung der Partikel. Dies ist wichtig, um die Kontaktfläche zwischen den einzelnen Beads zu erhöhen. Die weitere Abfolge der einzelnen Prozessschritte ist in Bild 4-82 dargestellt. Im Anschluss an den Formteilprozess kann durch Tempern das Formteil getrocknet werden, das Kondensat verdampft und diffundiert aus, während gleich-
Bild 4-85. EPP-Ladungsträger (Fagerdala)
Bild 4-87. EPP-Sitzeinlagen (Fa. Febra)
Bild 4-86. EPP-Stoßfängerkern (Fagerdala)
Bild 4-88. EPP-Sonnenblenden (Fa. Febra)
294
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-89. EPS (ohne Additive/mit Nukleierungsmittel/mit Schichtsilikat)
zeitig Luft eindiffundiert. Verzug und eingefallene Oberflächen bilden sich zurück. Die Temperzeit kann wenige Stunden bis zu einem ganzen Tag betragen. Üblich sind 6 bis 8 Stunden bei 80 °C. Partikelschaumwerkzeuge zeichnen sich durch bedüste Werkzeugwände aus, die während der Befüllung ein Entweichen der Füllluft aus der Werkzeugkavität und beim Bedampfen die Durchströmung mit Dampf ermöglichen, Bild 4-83. Partikelschaum: Anwendungsbeispiele und Eigenschaften Derzeit findet EPP Anwendung im Bereich der Transportverpackungen sowie verstärkt im Automobilsektor. Beispielsweise werden Seitenaufprallschutz, Sonnenblenden, Säulen- und Türverkleidungen und Stoßfängereinlagen aus
diesem Material gefertigt (Bilder 4-84 bis 4-88). EPS wird im Wesentlichen für Verpackungen und für Wärmeisolationen in der Bauindustrie eingesetzt. Entwicklungstendenzen bei thermoplastischen Schaumstoffen Aktuell gibt es zahlreiche Untersuchungen zum Einsatz nanoskaliger Füllstoffe wie z. B. Schichtsilikate, Carbon Nanotubes oder Nanofibers zur Verstärkung und Verbesserung der Zellstruktur von Schaumstoffen [7, 8]. Für technische Anwendungen liegt die Herausforderung maßgeblich in der Dispergierung geeigneter Nanofüllstoffe und in der Prozessoptimierung um bei minimalen Zugabemengen signifikante Verbesserungen der thermischen und mechanischen Eigenschaften zu erzielen. Abbildung 4-89 zeigt am Beispiel von EPS-Partikeln (expandiertes Polystyrol), dass über die Zu-
Tabelle 4-11 Eigenschaften von Partikelschaumstoffen im Vergleich mit Polyurethan Eigenschaft Dichte Druckspannung bei 50% Kompression Zugfestigkeit bei Bruch Bruchdehnung Statische Hysterese (Verhältnis plastische zu gesamter Energie bei 50 % Kompression) Verbleibende Deformation nach ½ h Druckverformungsrest nach 24 h bei einer Kompression auf 50% Wasseraufnahme (23°C, 24 h) Wärmeleitfähigkeit
Einheit 3
kg/m kPa kPa % % % % Vol.% W/(m K)
EPP
EPE
EPS
PUR
30–45 150–350 250–500 25–15 75–85 1,5–3,0 28–33 1,5–1,1 0,035–0,040
35 90 260 33 52 1 15 1,2 0,040
25 250 360 <5 82 16 45 1,7 0,032
90 20 270 >30 70 2,0–3,0 20 7,0–8,0 0,045
4.1 Urformen
295
gabe von Schichtsilikaten eine deutlich feinere Zellstruktur erreicht werden kann. Weitere Entwicklungsschwerpunkte liegen in der Modifizierung von Schaumstoffen hinsichtlich der Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit, der Farbgebung und der Verbesserung des Flammschutzes. Zum Aufschäumen wird der Einsatz umweltfreundlicherer Treibmittel wie beispielsweise CO2, N2 oder langfristig Wasser als Ersatz für die häufig eingesetzten Alkane untersucht. Ferner bestehen Bestrebungen zur Entwicklung neuer Schaumstoffe wie auch Partikelschaumtypen auf der Basis von Naturpolymeren [9] als Ergänzung zu den etablierten Materialien.
Weiterführende Literatur
Duroplaste Ein breites Feld der Anwendung nehmen PolyurethanSchäume mit den Bereichen Weichschäume, Halb-Hartschäume, Hartschäume, Integralschäume ein. Der PURMarkt ist 2006 ca. 15 Mio t groß. Eine gute, einführende Übersicht zu PUR-Schäumen bietet Kapitel 4.1.3.4.2.
Einleitung Unter den industriell genutzten Kunststoffen stellt Polyurethan das wohl am vielfältigsten modifizierbare Polymer dar. Beindruckend erscheint nicht nur die Variationsbreite der Materialeigenschaften hinsichtlich Härte, Dichte und Elastizität, sondern auch die unterschiedlichen Verarbeitungstechnologien. Diese einzigartige Vielfalt an einstellbaren Materialeigenschaften und nutzbaren Verarbeitungstechnologien führte zu einem nahezu unüberschaubaren Anwendungsportfolio von Polyurethan. Das folgende Kapitel soll dem Leser das weite Feld der Polyurethane übersichtlich näher bringen. Von den Grundlagen der Chemie über die verschiedenen Polyurethantypen bis zur jeweiligen Verarbeitungstechnologie. Ziel ist es, einen ersten Leitfaden in der Welt der Polyurethane zu bieten.
Literatur zu Kapitel 4.1.3.4.1 [1] Hilyard NC (1982) Mechanics of Cellular Plastics. Barking, Essex: Applied Science Publishers [2] Gibson LJ, Asby MF (1988) Cellular Solids: Structure & Properties. Pergamon Press [3] Klempner D, Frisch KC (1991) Handbook of Polymeric Foams and Foam Technology. Carl Hanser Verlag, München [4] VDI – Gesellschaft Kunststofftechnik (Hrsg) (1996) Thermoplastische Partikelschaumstoffe: aktueller Stand und Perspektiven. VDI Verlag, Düsseldorf [5] Schuch H (2001) Physik der Schaumbildung. Fachtagung Polymerschäume. Süddeutsches Kunststoff-Zentrum, Würzburg, Mai 2001. [6] Kauffmann A, Barth M, Eyerer P (2001) Methoden zur Versuchsplanung und Auswertung in der Partikelschaumverarbeitung. Intern. Fachtagung EPS-Partikelschaum und Dämmung. Süddeutsches Kunststoff-Zentrum, Würzburg, September 2001. [7] Lee Y, Park C (2005) HDPEJCLAY Nanocomposite Foams blown with supercritical CO2. Antec 2005 [8] Yuan M, Winardi A, Gong S, Turng L (2005) Effects of Nano- and Microfillers and Processing Parameters on Injection-Molded Microcellular Composites. Polymer Engineering and Science, 45: 773-788, Society of Plastics Engineers [9] Kauffmann A, Diemert J (2005) Neue Material- und Prozessentwicklungen für (Bio)-Partikelschaumstoffe. VTT-Kompaktseminar Biowerkstoffe in der Automobiltechnik. Fraunhofer-ICT, Pfinztal
Zschau A, Seifert H, Schwitzer K (2007) Oberflächen ohne Fehl und Tadel – Physikalisches Schäumen. Kunststoffe 97(2007)4, S 120–122 Leng Th (2007) Geschäumte Dünnwandverpackungen (super light injection molding). Kunststoffe 97(2007)10, S 179–180
4.1.3.4.2
Polyurethan Stefan Göttke
Die Chemie der Polyurethane Der Begriff Polyurethan deutet auf die wiederkehrende Struktureinheit „Urethan“ im Polymer hin. Eine Urethangruppe wird aus der direkten Addition einer Isocyanatgruppe an eine OH-Gruppe gebildet.
Urethanreaktion
Durch den Einsatz von entsprechend mehrfunktionellen Isocyanaten und Polyolen gelingt durch Polyaddition der Aufbau einer Polyurethanstruktur. Die Polyurethanreaktion liefert das stabile Gerüst des Polymers. In der Fachwelt ist diese Reaktion als „Gelreaktion“ bekannt, da die flüssigen
296
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Edukte nach der Polyaddition „gelieren“ und zur Verfestigung des Materials führen. PUR-Schaum kann aber allein durch die Polyadditionsreaktion nicht entstehen, da das Reaktionsgemisch keine Triebkraft besitzt, um zu expandieren. Zelluläres Polyurethan bedarf einer weiteren Basisreaktion, die dem System die Triebkraft zur Volumenexpansion liefert. Aus der soge-
nannten „Treibreaktion“ entsteht aus Isocyanat und Wasser das interne Treibgas Kohlendioxid, welches zur Volumenexpansion des Reaktionsgemisches führt. In bestimmten Anwendungen wird dem Reaktionsgemisch zusätzlich oder ausschließlich ein physikalisches Treibmittel zugegeben, welches durch die exotherme Reaktion verdampft und zur Volumenexpansion beiträgt.
Harnstoff Urethan
Reaktionsschema: Treib- und Gelreaktion
Wie dem Reaktionsschema entnommen werden kann, entsteht bei der Treibreaktion zwischen Isocyanat und Wasser neben dem Treibgas CO2 letztlich aus zwei Isocyanaten eine Harnstoffeinheit. PUR-Schaum besteht daher nicht nur aus Polyurethaneinheiten, sondern auch aus einem entsprechenden Anteil von Harnstoffeinheiten, die aus der Treibreaktion stammen.
Alle unterschiedlichen Modifikationen des Polyurethans lassen sich grundsätzlich durch Modifikation der Rohstoffe für die beiden Grundreaktionen „Gelreaktion“ und „Treibreaktion“ zurückführen. Je mehr Wasser der Reaktion zugeführt wird, desto stärker ist die CO2 Ausbildung, die zur Volumenexpansion benötigt wird. Je weniger Wasser an der Reaktion beteiligt ist oder je weniger physikalisches Treibmittel zugesetzt wird, desto kompakter wird das entstehende PUR-Material.
Folgereaktionen von Urethan und Harnstoff
Neben diesen Strukturmerkmalen treten bei der Reaktion von Isocyanaten mit Polyolen und Wasser noch zahlreiche weitere Reaktionen auf, die zu einer Vielfalt von Struktureinheiten führen.
Teilweise kann die Ausbildung der jeweiligen Strukturtypen über den Zusatz von speziellen Katalysatoren zum Reaktionsgemisch oder durch Veränderung der Verarbeitungstemperatur kontrolliert werden. Die einzelnen Nebenreaktionen sollen an dieser Stelle aber nicht weiter erläutert werden.
4.1 Urformen
Bevor die nötige Abstimmung der Gel- und Treibreaktion zur Herstellung von stabilen PUR-Schäumen besprochen wird, sollen die wichtigsten Rohstoffe der Polyurethanchemie kurz vorgestellt werden. Isocyanate Die wichtigsten Isocyanate sind Toluylendiisocyanat (TDI) und Methylendiphenyldiisocyanat (MDI). Beide Isocyanate besitzen aromatischen Charakter und werden über Phosgenierung aminischer Vorprodukte großtechnisch hergestellt. Besondere Bedeutung besitzen die 2,4-TDI und 2,6-TDI Isomeren, deren Verteilung beim Herstellprozess gesteuert werden kann. Handelsübliche Abmischungen sind TDI 80
297
(80 % 2,4-TDI und 20 % 2,6-TDI) und TDI 65 (65 % 2,4TDI und 35 % 2,6-TDI). Von den reinen Isomeren besitzt derzeit nur TDI 100 (100 % 2,4-TDI) eine nennenswerte Bedeutung. Beim MDI wird zwischen zweikernigem, monomerem MDI (MMDI) und mehrkernigem Polymer-MDI (PMDI) unterschieden. Beim MMDI sind die 2,4′- und 4,4′-Isomere von größter Bedeutung. Mengenmäßig ist PMDI stärker im Markt vertreten. Hierzu werden höherfunktionelle Verbindungen mit unterschiedlichem 3-,4-, 5- oder höherem Kernanteil gezählt. Durch gezielte Einstellung der Produktionsbedingungen können sehr genaue Oligomerverteilungen erhalten werden, wie sie für unterschiedliche PUR-Anwendungen gefordert sind.
Benzol Nitrobenzol
Anilin
298
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
In drei Merkmalen unterscheiden sich die beiden Isocyanate TDI und MDI deutlich voneinander: – Über PMDI können über das Isocyanat vernetzte Strukturen aufgebaut werden.
– Der höhere NCO-Wert (prozentualer Anteil von reaktiven NCO-Gruppen am Molekül) von TDI bedeutet grundsätzlich weniger Masse von Isocyanat, um die nötige Anzahl reaktiver NCO-Gruppen zur Verfügung zu stellen.
– TDI ist als sehr giftig eingestuft und erfordert spezielle Sicherheitsvorkehrungen beim Verarbeitungsprozeß.
Die Kennzeichnung der Polyole erfolgt über die OH-Zahl – Hydroxylzahl (in mg KOH/g) – die sich umgekehrt proportional zum Molekulargewicht verhält.
Für lichtechte Lackanwendungen kommen auch aliphatische Isocyanate wie Hexamethylendiidocyanat (HDI) und Isophorondiisocyanat (IPDI) zum Einsatz
Polyole Die eingesetzten Polyole für PUR-Anwendungen lassen sich in zwei Unterkategorien einteilen – Polyetherpolyole und Polyesterpolyole.
Polyetherpolyole Polyetherpolyole für PUR-Anwendungen werden in unterschiedlichen Kettenlängen und Funktionalitäten (durchschnittliche Anzahl der reaktiven OH-Gruppen pro Molekül) eingesetzt. Durch basenkatalysierte Alkoxylierung, der Addition von Ethylenoxid (EO) und/oder Propylenoxid (PO) an mehrwertige OH-Startermoleküle, lassen sich die gängigen Polyetherpolyole in einem Molekulargewichtsbereich von 200–6000 g/mol und einem Funktionalitätsbereich von 2–6 für verschiedene Anwendungen herstellen. Teilweise werden auch Amine (NH2-Funktionalitäten) als Startermoleküle bei der Polyolherstellung genutzt.
4.1 Urformen
Über die Polyolkettenlänge, das PO/EO -Verhältnis sowie über die Funktionalität lassen sich die größten Modifikationen am PUR-Werkstoff vornehmen, da über diesen Schritt in die Morphologie des Polymermaterials eingegriffen wird. Polyesterpolyole Die mengenmäßig kleineren Polyesterpolyole werden durch eine Polykondensationsreaktionen von Polycarbonsäuren mit Polyolen erhalten.
Je nach Anwendungsschwerpunkt (starke mechanische Belastung oder hohe Hydrolysebeständigkeit) werden in ähnlichen PUR-Produkten (z.B. Schuh) entweder Polyesterpolyole oder Polyetherpolyole eingesetzt. Additive Zur individuellen Einstellung der Reaktionsgeschwindigkeiten zwischen Isocyanat und Polyol oder Wasser werden Katalysatoren eingesetzt. Gelreaktionen werden mit Zinnverbindungen oder Amin basierten Katalysatoren beschleunigt. Die Treibreaktion zwischen Wasser und Isocyanat wird meistens von Aminverbindungen katalysiert. Eine Regulierung der Zellstabilität und Zellstruktur wird über Stabilisatoren auf Silikonbasis erreicht.
299
Wichtigste Dicarbonsäuren sind Adipinsäure oder Phthalsäureanhydrid, die mit kurzkettigen C2-C6 Diolen umgesetzt werden. Vorteilhaft gegenüber den Polyetherpolyolen erweisen sich die mechanischen Eigenschaften der Polyesterpolyole in PUR-Anwendungen. Nachteilig hingegen sind die schlechteren Stabilitäten der PUR-Werkstoffe aus Polyesterpolyolen gegenüber Hydrolyse durch Wasser (Luftfeuchtigkeit).
Präpolymere Für gewisse Verarbeitungseigenschaften ist es vorteilhaft einen Teil der Isocyanatgruppen vorab mit einem Teil des Polyols abreagieren zu lassen. In diesem Fall wird von Präpolymeren gesprochen, die noch immer freie Isocyanatgruppen für die nachfolgenden Treib- und Gelreaktionen besitzen, in ihrer Gesamtreaktivität, Viskosität und Verarbeitungseigenschaft aber modifiziert wurden. Die Gesamtheit aller Reaktionspartner wird als Polyurethan-System bezeichnet. Struktur-Eigenschaften Die Polymerstruktur von Polyurethan und die resultierenden makroskopischen Eigenschaften werden im Wesentlichen durch die chemische Struktur der eingesetzten Polyole und Isocyanate bestimmt.
300
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-91. Schematischer Aufbau von PUR-Weichschaum aus Hart- und Weichphase
Bild 4-90
Bild 4-92. Speichermodul G’aus DMA-Messung von PUR-Weichschaum
Beispiel: PUR-Weichschaum In Anwesenheit von Wasser reagiert ein Teil des Isocyanats zu den korrespondierenden Harnstoffen unter Freisetzung von Kohlendioxid ab und „treibt“ damit die Volumenexpansion voran. Werden für die parallel ablaufende Gelreaktion langkettige (Molekulargewicht 4000–6000 g/mol) nieder-
4.1 Urformen
301
Bild 4-93. Polyurethanreaktion unter Ausbildung eines Schaumpilzes
funktionelle (OH-Funktionalität 2-3) Polyole eingesetzt, so entsteht ein zweiphasiges System. Die polaren Harnstoffe formieren sich zu Harnstoffsegmenten und bilden die sogenannte „Hartphase“ aus. Die Glasüberganstemperatur dieser Phase liegt bei > 120 °C. Chemisch über Urethangruppen an die Hartphase angebunden bilden die Polyetherketten eine unpolare Weichphase mit einer Glasübergangstemperatur unterhalb –30 °C aus. Polymerchemisch gesehen entsteht ein A-B2 Blockcopolymer (A = Weichphase, B = Hartphase) mit zwei Glasübergangstemperaturen. Bei Temperaturen unterhalb –30 °C ist ein PUR-Weichschaum spröde und hart. Mit steigender Temperatur durchläuft das Material die Glasübergangstemperatur und geht in den gummi-elastischen Zustand über, in dem es auch bei Raumtemperatur vorliegt. Zur Herstellung von offenzelligen, stabilen PUR-Schäumen bedarf es der Abstimmung von Gel- und Treibreaktion, deren Geschwindigkeiten anhand von charakteristischen Zeiten erfasst werden können. Startzeit: Nach dem Zusammengeben der Reaktionspartner Isocyanat, Polyol und Wasser sowie aller benötigten Additive wird das Reaktionsgemisch kräftig gerührt, damit die zunächst unmischbaren Isocyanate und Polyole miteinander zur Reaktion gebracht werden. Dabei liegt das Isocyanat bei Zugabe in reiner Form vor, der Polyolkomponente werden die Additive beigemischt. Die empirisch bestimmte Startzeit ist erreicht, wenn das Reaktionsgemisch an Volumen zunimmt (Treibreaktion = Kohlendioxid Bildung)
Steigzeit: Während der Steigzeit expandiert das Reaktionsgemisch unter Ausformung von zellulären Strukturen. Die entstehenden Zellen besitzen Zellstege und Zellwänden (ähnlich Würfelkanten und Würfelflächen), in deren Inneren das Kohlendioxid eingeschlossen ist. Der stetig steigende Innendruck der Zelle lässt diese weiter wachsen. Zeitgleich dazu beginnt die Zellstegmatrix durch die Gelreaktion langsam zu „gelieren“ und härtet aus. Am Ende der Treibreaktion erreicht der Schaum seine maximale Steighöhe und damit die Steigzeit. Zu diesem Zeitpunkt ist der Innendruck der Zellen so stark angewachsen, dass die Zellwände bersten und das Kohlendioxid tritt aus. An der noch klebrigen Schaumoberfläche wird dieser Zeitpunkt mit dem Auge wahrgenommen, da auf der Oberfläche Gasblasen entweichen.
Bild 4-94. Steighöhenprofile von Polyurethanreaktionen
302
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-97. Speichermodul G`aus DMA-Messung von Polyurethan Hartschaum Bild 4-95
Bild 4-96. Viskositätsprofile von Polyurethanreaktionen
Um einen Schaumkollaps zu verhindern, muß die Zellstegmatrix zum Zeitpunkt der Zellöffnung fest genug sein, um den Schaum stabil zu halten. Ein leichtes Absetzen erfolgt dennoch nach Entweichen des Zellgases. Ist die Treibreaktion zu schnell, öffnen die Zellen zu früh und der Schaum kollabiert. Bei zu schneller Gelreaktion ist die Matrix am Ende der Steigzeit bereits zu hart und der Innendruck der Zellen reicht nicht aus, um die Zellwände zu bersten. Die Schaumzellen bleiben geschlossen und der Schaum schrumpft beim späteren Abkühlen sehr stark zusammen.
Bild 4-98. Schematischer Aufbau der amorphen Struktur von PUR-Hartschaum
Klebfreizeit: Nach der Zellöffnung härtet das Schaummaterial noch über einen längeren Zeitraum (bis zu 24h) weiter aus. Bereits nach wenigen Minuten ist die Oberfläche schon klebfrei. Dies ermöglicht eine einfache Lagerung nach der Produktion. Beispiel: PUR-Hartschaum Im Gegensatz zu zweiphasigen PUR-Weichschäumen besitzen PUR-Hartschäume eine amorphe einphasige Polymerstruktur.
4.1 Urformen Durch den Einsatz von kurzkettigen hochfunktionellen Polyolen (Molekulargewicht < 1000 g/mol, OH-Funktionalität >4) entsteht ein sehr dichtes Netzwerk. Eine Trennung in Hart- und Weichphase kann aufgrund der kurzkettigen Polyole und der schnellen, starken Vernetzung nicht stattfinden. Kurzkettige Polyole und Harnstoffsegmente formen zusammen eine Phase mit einer hohen Glasübergangstemperatur von >120 °C. Bei Raumtemperatur liegt das Material damit im hart-spröden Bereich vor. Der sehr hohe Vernetzungsgrad verhindert die Zellöffnung während der Schaumbildung und führt zur gewünschten geschlossenen Zellstruktur. Das in-situ entstandene Kohlendioxid verbleibt innerhalb der Zellen und liefert zusammen mit dem zugesetzten physikalischen Treibmittel (z.B. Pentan) einen wichtigen Beitrag zur ausgezeichneten wärmedämmenden Eigenschaft der PUR-Hartschäume, auf deren Herstellung und Anwendung später genauer eingegangen wird. Beispiel: Thermoplastische Polyurethane (TPU) Die zweiphasige Morphologie aus Hartphasen und Weichphasen wird bei TPU-Materialien über eine besondere Auswahl von Polyolen erreicht. Da TPU als kompaktes Material ohne Wasser hergestellt wird, stehen keine Harnstoffe zur Hartphasenausbildung zur Verfügung. Eine Phasentrennung wird in kompakten TPU-Materialien über den Zusatz von streng linearen kurzkettigen Diolen wie z.B. 1,4-Butandiol erreicht. Zwischen den Ketten aus linearen MDI–Butandiol Urethaneinheiten kommt es zur Agglomeration und (Teil-)Kristallisation der entstandenen Hartphasen. Die eingesetzten langkettigen Diole – beispielsweise Polytetrahydrofuran (PolyTHF Molekularmasse 2000 g/mol) – bilden die Weichphase aus. Über Kettenlängenvariation der Polyole kann der Hartphasenabstand und damit die Materialeigenschaft verändert werden.
Bild 4-99. Schematischer Aufbau von TPU aus Hart- und Weichphase
303
Herstellung und Anwendungen von Polyurethan Bevor auf die genaueren Herstellverfahren und Anwendungen der unterschiedlichen Polyurethantypen eingegangen wird, ist ein kurzer Exkurs in die Wertschöpfungskette der Polyurethanindustrie angebracht, um die verschiedenen Verarbeitungsschritte bei der PUR-Herstellung besser verstehen zu können. Exkurs: Wertschöpfungskette in der Polyurethanindustrie Die Wertschöpfungskette innerhalb der PUR-Industrie lässt sich bis auf wenige Ausnahmen in die Bereiche vor und nach der Polyurethanreaktion teilen. Zu Beginn stehen die großen Rohstoffhersteller, die in world-scale Anlagen die PUR-Rohstoffe herstellen und teilweise bis zum Öl rückintegriert sind. Isocyanatanlagen können heute bis zu 400.000 Tonnen im Jahr produzieren und verlangen von den großen Rohstoffherstellern hohe Investitionen. Demgegenüber stehen zahlreiche kleinere Firmen, die als Anbieter im Bereich von PUR-Additiven (Stabilisatoren, Katalysatoren, etc.) spezielle Produkte für verschiedene PUR-Anwendungen entwickeln und vertreiben. Abnehmer der Rohstoffe sind einerseits sogenannte Systemhäuser, die sich aus den verschiedenen am Weltmarkt zur Verfügung stehenden Rohstoffen die PUR-Systeme mischen. Häufig sind Systemhäuser den großen Rohstoffherstellern im Konzernverbund angeschlossen. Dabei werden die Polyole mit den teilweise zugekauften Additiven für die jeweilige Anwendung abgemischt. Passend dazu liefert das Systemhaus Isocyanatmischungen mit unterschiedlichem Isomerenverteilungen aus. Die Reaktion der Isocyanate und Polyole (inkl. Additive) wird nicht mehr vom Systemhaus durchgeführt, sondern findet in der nachgeschalteten PUR-Verarbeitungsindustrie statt.
304
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-100. Prinzip der PUR-Wertschöpfungskette
Systeme werden so entwickelt und hergestellt, dass der „Systemkunde“ sie direkt einsetzen kann und der Werkstoff die gewünschten Eigenschaften erhält. Im Bereich etablierter Anwendungen – z.B. Weichschaum für Matratzen – beziehen viele große PUR-Verarbeiter die
Bild 4-101. Einteilung der Polyurethanklassen nach Dichte und Härte
Polyole, Isocyanate und Additive direkt in reiner Form von verschiedenen Rohstoffherstellern und entwickeln und verarbeiten ihre Systeme selbst (Selbstformulierer). Teilweise werden von Verarbeitern für unterschiedliche Anwendungen Systeme und Rohstoffe eingekauft.
4.1 Urformen
305
Bild 4-102. Anwendungsgebiete von PUR-Weichschaum
Herstellung und Anwendungen von Polyurethan Der folgende Abschnitt gliedert die wichtigsten Polyurethantypen nach Dichte und „Härte“ des Materials. Die „Härte“ wird über den Polymermodul abgebildet. Wie dem Schaubild entnommen werden kann, erstreckt sich das Eigenschaftprofil der Polyurethane in seinen Anwendungen von weichen zellulären Schäumen über mikrozelluläre Elastomere und Halbhartschäume bis hin zu harten und kompakten PUR-Materialien. Ebenso können harte zelluläre Polyurethane (Hartschäume) erhalten werden. Diese Eigenschaftsmatrix macht die Polyurethane zu den vielseitigsten industriellen Polymeren, deren StrukturEigenschaftsprofile, Hauptanwendungen und Verarbeitungstechnologien im nachstehenden Abschnitt näher beschrieben werden.
Bild 4-103. Offenzelligkeit von Weichschaum
PUR-Weichschäume Eigenschaftsbereiche
DIN-EN ISO
Dichte Stauchhärte 40% Bruchdehnung Druckverformungsrest
845 3386 1798 1856
Übliche Verarbeitungsbreite 15–70 kg/m3 1–70 kPa 80–200 % < 10%
PUR-Weichschäume finden ihre Hauptanwendung als flexible Polstermaterialen in Autositzen, Kopfstützen, Möbeln und Matratzen. Wegen ihrer hohen Elastizität und Rückstellkraft nach Verformung sind PUR-Weichschaumstoffe Langzeit dauerbelastbar und formstabil. Ihr offenzelliger Charakter garantiert die notwendige Luftdurchlässigkeit und den erforderlichen Feuchtigkeitstransport in Polster und Matratzenanwendungen. Insbesondere im Möbel und Matratzenbereich ist eine hohe Flammfestigkeit der PUR-Weichschäume gefordert, die über Zugabe von speziellen Flammschutzmitteln erreicht wird. Blockweichschaum mit Polyesterpolyolen wird hauptsächlich zu Textillaminaten (Autotür Innenverkleidungen) verarbeitet. Herstellung von Blockweichschäumen Die großtechnische Fertigung von PUR-Blockweichschaumstoffen erfolgt in kontinuierlichen Schäumanlagen. Dabei werden die Isocyanate (vorwiegend TDI) und Polyole, sowie alle weiteren Additive in separaten Tanks vorgelegt und einem Mischkopf zugeführt, in dem sie zur Reaktion gebracht werden. Der Austrag erfolgt kontinuierlich auf ein Förderband, auf dem der PUR-Schaum aufsteigt, bis er nach ca. 6m seine maximale Höhe erreicht hat. Am Ende des För-
306
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-104. Kontinuierliche Blockschaumherstellung Oben: Gesamtanlage Unten: Eintrag der Reaktionsmischung auf Mischkopf
4.1 Urformen
307
Bild 4-105. Prinzipskizze Formschaumherstellung
derbandes werden die Schäume in 2–60 m lange Blöcke geschnitten und anschließend für mindestens 24h zwischengelagert. Sowohl das Förderband als auch die Seitenwände der Schäumanlage sind mit Polyethylenfolie oder Papier bedeckt, um ein verkleben des Schaums an der Anlage zu verhindern. Bei älteren Schäumanlagen kommt es zur Ausbildung gewölbter Oberflächen beim Schaum, da die Reibung an den Seitenwänden zu einer ungleichen Volumenexpansion führt. In neueren Verfahren wird durch ein spezielles Auftragen der Reaktionsmischung auf das Förderband eine nahezu plane Blockschaumoberfäche erreicht, die für den Produzenten weniger Verschnitt zur Folge hat. Nach Aushärtung der Blockschäume im Zwischenlager werden diese in die gewünschten – teilweise sehr komplexen – Formen geschnitten und weiterverarbeitet (Schnittschaum). Zur Herstellung von Mehrhärtezonen-Matratzen werden Blockweichschäume verschiedener Härte nach Zuschnitt miteinander verklebt. Handelsübliche Weichschaumtypen liegen in Dichtebereichen von 15–70 kg/m3 und sind in unterschiedlichen Spezialausführungen erhältlich. Von extrem flammwidrig über sehr elastisch bis zu viskoelastischen Schaumstoffen.
Herstellung von Formschaum Das Hauptanwendungsgebiet für PUR-Formschäume sind Autositze, die im Laufe der Zeit immer dünnere PURSchaumkerne mit äußerst komplexen Geometrien bekommen haben. Um einen aufwendigen Schnittvorgang bei Mas-
Bild 4-106. Formschaumkern für KFZ-Rücksitzbank
308
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
senproduktionen zu vermeiden, wird das Reaktionsgemisch direkt aus dem Mischkopf in eine b eheizte verschließbare Form eingetragen. Bei 30–60 °C Formtemperatur findet die PUR-Reaktion in der geschlossenen Form statt, aus der über kleine Ventile das entstehende Kohlendioxid entweichen kann. Nach 3–6 min wird der PUR-Schaum entformt und zur Auskühlung und Nachhärtung zwischengelagert. Bei der Formschaumherstellung für Autositze kommen TDI und MDI wie auch deren Abmischungen zum Einsatz. Je nach Bauteilgeometrie variieren die erforderlichen Dichten üblicherweise zwischen 40–60 kg/m3. Zur besseren Stabilität der Sitzposition des Fahrers werden häufig Zweihärtensitze angefertigt, deren PUR-Schaumkern eine weichere Sitzfläche und härtere Seitenwangen aufweist. Zunächst wird dabei das Material für die weichere Sitzfläche aus dem Mischkopf eingetragen, um anschließend über eine Veränderung des Mischungsverhältnisses die härteren Seitenwangen zu befüllen. Nach Verschließen der Form läuft das Material während der Volumenausdehnung aufeinander zu. Als Hinterschäumtechnik bezeichnet man ein Verfahren, bei dem das PUR-Material direkt in den Sitzbezug geschäumt wird. Dabei wird mittels Vakuum der Sitzbezug passgenau an die Forminnenseite gesaugt. Nachdem das PUR-Material in die Form eingetragen wurde, schließt die Form und der expandierende PUR-Schaum füllt den Sitzbezug nach Formteilgeometrie aus. Dabei ist zu beachten, dass das PURMaterial nicht durch einen zu hohen Innendruck in der Form durch den Sitzbezug gedrückt wird. Selbiges kann bei zu geringer Viskosität der Reaktionsmischung beim Eintrag in die Form passieren, sofern die PUR-Reaktion nicht schnell genug unter Viskositätsaufbau startet.
Werden Halbhartschäume durch einen Stoß belastet, so federn sie nicht unmittelbar zurück, sondern nehmen die Stoßenergie auf und verteilen diese über die Schaummatrix. Dieses außerordentlich hohe Dämpfungsverhalten wird für Sicherheitsanwendungen im Automobilbereich genutzt. Gepaart mit den exzellenten akustischen Isolationseigenschaften ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten im Automobilinnenbereich. Folienhinterschäumte Bauteile Instrumententafeln im Automobilbereich werden durch Folienhinterschäumung hergestellt und bestehen aus mehreren Schichten. Das PUR-Material wird dabei in eine mit Folie ausgelegte Form geschäumt, die später die Oberfläche der Instrumententafel bildet. Häufig kommen PVC-Folien zum Einsatz, die eine gute Haftung zum PUR-Halbhartschaum aufweisen. Zur Verstärkung auf der späteren – nicht sichtbaren – Rückseite kommen Träger aus glasfaserverstärktem Polyurethan (separater Abschnitt in diesem Kapitel), PCABS oder auch PP zum Einsatz. Nachdem das PUR-Material in die Form eingetragen und verschlossen worden ist, reagiert das PUR-Material unter direkter Haftung zur Oberund Unterschicht aus. Aufgrund der teilweise sehr komplexen Formteilgebung und der Einführung von z.B. Beifahrerairbags werden hohe Fließanforderungen an das PUR-Material gestellt. PUR-Halbhartschäume in Stoßfängersystemen eingesetzt, da durch ihre hochdämpfenden Eigenschaften ein guter Aufprallschutz geboten werden kann. Das zeitverzögerte, viskoelastische Rückstellverhalten der Halbhartschäume führt zu einer vollständig Erholung des Schaums nach einem Aufprall.
Halbhart-Schaumstoffe (HH-Schäume) Eigenschaftsbereiche
DIN
Übliche Verarbeitungsbreite über alle Typen
Dichte (Formschaum)
53420
20–950 kg/m3
Stauchhärte 40%
53577
25–1500 kPa
Bruchdehnung
53571
10–130 %
Druckverformungsrest
53572
2–40%
Zug-E-Modul
53457
1000–4000 MPa (Faserverstärkt)
Offenzelliger Halbhart-Schaumstoff besitzt hervorragende Haftungseigenschaften zu verschiedenen Materialen und kann über einen weiten Härte- und Dichtebereich eingestellt werden.
Bild 4-107. KFZ-Instrumententafel mit PUR-Elementen
4.1 Urformen
309
Bild 4-108
Thermoformschäume (TF-Schäume) Im Gegensatz zu bereits besprochenen PUR-Weichformschäumen, die in Realteilformen verschäumt werden, erhalten TF-Schäume ihre endgültige Bauteilgeometrie erst nach der Verschäumung. Zunächst werden die offenzelligen TF-Schäume in einem Rohdichteberich von 20–50 kg/m3 als Blockware hergestellt und in dünne Lagen geschnitten. Im nächsten Schritt erfolgt die thermische Verformung in einer Presse bei rund 80 °C, wobei die ungefähr 10mm dünnen TF-Schaumlagen ebenfalls auf bis zu 180 °C vorgeheizt werden. Während der thermischen Verformung verklebt das PURMaterial mit den eingelegten Dekorstreifen und Trägermaterialen. So können großflächige selbsttragende Bauteile mit ausgesprochen guten akustischen Eigenschaften erhalten werden. Haupanwendungsgebiet ist die Herstellung von mehrschichtigen Dachhimmelsystemen für Automobilanwendungen. Faserverstärkte Halbhartschäume Um sehr tragfähige PUR-Formteile zu erhalten, können durch spezielle Verarbeitungstechniken Glasfasern von un-
Bild 4-109. Austrag eines glasfaserhaltigen PU-Gemisches aus einem Mischkopf
gefähr 6–7mm Länge in das PUR-Material eingearbeitet werden. Sehr belastbare, dünne und leichte glasfaserverstärkte PUR-Halbhartschäume mit einem Glasgehalt von bis zu 30% werden insbesondere in Hutablagen, Rückenlehnen und als Trägermaterialen für Instrumententafeln eingesetzt. Als vorteilhaft erweist sich die gute Hafteigenschaft zu Dekormaterialen, an die das Material direkt geschäumt werden kann. Integralschäume Ihren Namen verdanken PUR-Integralschaumstoffe einem Dichteintegral innerhalb der Schaumstruktur. Der niederdichte zelluläre PUR-Kern geht fließend in eine kompakte hochdichte Oberfläche mit geschlossener Haut über. Das Dichteintegral in der Schaumstruktur wird durch einen Temperaturgradienten innerhalb der Reaktionsform erreicht. Aufgrund der exothermen PUR-Reaktion steigt die Temperatur im inneren Kernbereich des Schaums so stark an, dass die zugesetzten leichtflüchtigen Treibmittel (z.B. Pentan) verdampfen und zur Expansion des Materials
Bild 4-110. Dichteintegral im Schaum
310
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-112. Skibretter aus PUR-Duromer-Material
Bild 4-111. Lenkrad aus PUR-Weichintegralschaum
innerhalb der Form führen. An den kälteren Formwänden wird die Reaktionswärme abgeführt und das Treibmittel verdampft nicht mehr. Es entsteht eine kompakte geschlossene Haut auf einem flexiblen weichen Schaumkern. Bei der Herstellung von Lenkrädern wird ein Metalleinleger in die Form gelegt und umschäumt. Durch Reliefstrukturen der Forminnenseite können gewünschte optische Nahteffekte auf der Außenhaut erzielt werden. Die Kombination aus flexiblem zellulären Kern und geschlossener Außenhaut gepaart mit kostengünstiger Verarbeitungstechnologie eignet sich insbesondere für den Einsatz in Schuhsohlen. Die hochdämpfenden und kälteisolierenden PUR-Intergralschäume bieten höchsten Tragekomfort, wobei die geschlossene und abriebfeste Außenhaut den zellulären Kern schützt. Übliche Anwendungen sind Badelatschen, Sicherheitsschuhe, Sportschuhe und Freizeitschuhe. Die Härte des PUR-Materials kann über die Kettenlänge und die Funktionalität der Polyole stark variiert werden. Integralschäume mit sehr harter Kernstruktur – sogenannte Duromerschaumstoffe – besitzen bei sehr geringem Gewicht eine außergewöhnlich hohe Stabilität, wie sie für Skibretter gefordert ist.
Hartschaumstoffe Wichtige Kennzahlen Dichte Druckfestigkeit Brennbarkeit Wärmeleitfähigkeit Geschlossenzelligkeit
DIN 53420 53421 4102 52612 –
Beispielhafte Werte 40–50 kg/m3 0,25–0,35 N/mm2 Klassen B1–B3 0,018–0,003 W/m*K 91–95%
Ein bedeutender Teil des weltweiten Mengenumsatzes an PUR-Material wird mit Hartschaumstoffen erzielt. Die ausgezeichneten thermischen Isolationseigenschaften von PURHartschäumen haben zu einer Vielzahl von Anwendungen
Bild 4-113. Geschlossene Zellen im PUR-Hartschaum
4.1 Urformen in der Wärme- und Kälteisolierung geführt, die auch in Zukunft vielversprechendes Mengenwachstum erwarten lassen. Wie oben erläutert, besitzt PUR-Hartschaum eine geschlossene Zellstruktur, in der sich das entstandene CO2 gemeinsam mit dem physikalischen Treibmittel (z.B. Pentan) befindet. Die Wärmeleitfähigkeit des Zellgases ist wesentlicher Bestandteil der Gesamtdämmleistung des PUR-Materials. FCKW-Treibmittel sind aufgrund ihrer schädlichen Umwelteinwirkung vom Markt verdrängt worden. Insgesamt tragen vier Haupteffekte zur Gesamtwärmeleitfähigkeit λGesamt bei: λGesamt = λStrahlung + λMatrix + λGas + λ Konvektion Neben den hervorragenden Dämmeigenschaften ist vor allem die effiziente Verarbeitung ein Erfolgsfaktor für PURHartschaum. Die relativ lange Klebfreizeit ermöglicht die direkte Haftung an ein Trägermaterial (z.B. Stahl) in einem Produktionsschritt. Auf kontinuierlichen Verarbeitungslinien wird das PURMaterial zu einem Sandwichelement aus Deckschicht – PUR – Deckschicht verarbeitet. Für Fassadenelemente von Kühlhäusern wird auf einer Doppelbandanlage der Schaum zwischen zwei Stahlblechdeckschichten aufgetragen. Derartige selbsttragende und hochdämmende Fassadenelemente werden in Längen von bis zu 15 Metern gefertigt. Um die gesetzlich vorgeschriebenen Normen des Brandschutzes
Bild 4-114. PUR-Dämmplatten
Bild 4-115. PUR-Sandwich-Panelen
Bild 4-116. Schematischer Aufbau eines Kühlschrankkabinetts, gefüllt mit PUR-Hartschaum
311
312
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
erfüllen zu können, muß der leichtbrennbare PUR-Hartschaum im Baubereich mit Flammschutzmitteln versetzt werden. Neben starren Stahlpanelen werden zur Dachdämmung im nicht industriellen Gebäuden auch Sandwichelemente mit Kunststoffdeckschichten produziert. Zur Isolierung von Kühlschränken ist PUR-Hartschaum das Material der Wahl. Ein leeres, nicht selbständig tragendes Kühlschrankkabinett wird mit PUR-Material ausgefüllt, das neben hervorragenden Dämmeigenschaften auch gute mechanische Eigenschaften zur Stabilisierung des Kühlschrankes besitzen muß. Zugleich erfordert das Ausfüllen von Kühlschrankkabinetten gute Fließfähigkeiten, damit Lufteinschlüsse beim Füllvorgang vermieden werden. Eine besondere Verarbeitungsart von PUR-Hartschaum kommt bei sogenanntem Ortschaum zum Einsatz. Dabei wird das PUR-Material direkt auf die Dach- oder Wandaußenfläche gespritzt und härtet vor Ort aus. Das Verfahren erlaubt die schnelle einfache Dämmung von großen Oberflächen und ist in Europa in Spanien sehr verbreitet. Neben den bereits genannten Hauptanwendungsgebieten von PUR-Hartschäumen gibt es eine Vielzahl von weiteren Dämmanwendungn im industriellen und privaten Bereich, die nicht näher erläutert werden sollen. Erwähnenswert ist das Prinzip der Rohr-in-Rohr (pipe-in-pipe) Dämmung.
Bild 4-118. Rohr-in-rohr Isolierung mit PUR-Hartschaum
Bild 4-119. Kühlhaus
Reaction – Injection – Moulding (RIM) Reaktionsspritzguß
Bild 4-117. Verarbeitung von PUR-Ortschaum
Wichtige Kennzahlen
DIN
Beispielhafte Werte
Dichte
53420
1–1,25 g/cm3
Shore-D-Härte
53505
55–60
Bruchdehnung (Stab)
53504
70–300 %
Biege-E-Modul
53457
500–1400 N/mm2
Schlagzähigkeit (Kleinstab)
53453
Ohne Bruch
4.1 Urformen Im nahezu kompakten Bereich der Polyurethane liegen RIM Anwendungen für den Automobilbereich. Die Verarbeitung eines chemisch reagierenden PUR-Materials im Spritzguß ist die Besonderheit im Herstellverfahren von RIM-Materialen. Üblicherweise werden im Spritzguß bereits ausreagierte, granulierte Kunststoffe unter Temperatur aufgeschmolzen und in eine Form gespritzt, ohne dass eine chemische Reaktion stattfindet.
PUR Elastomere Thermoplastische Polyurethane (TPU) werden in unterschiedlichen Technologien zu elastischen Werkstoffen mit sehr guten Dehn- und Biegeeigenschaften verarbeitet. Der streng lineare Aufbau (vgl. Morphologie) führt zu belastbaren Strukturen mit hoher Flexibilität, wie sei z.B. für Kabelummantelungen oder Schuhapplikationen gefordert ist.
Bild 4-120. Schema des Reaktionsspritzgussverfahrens
Im wesentlichen kommen die schlagzähen, elastischen RIM-Bauteile für Automobilkarossen wie Kotflügel, Seitenverkleidungen oder Stoßfänger zur Anwendung.
Bild 4-121. Anwendungsbereiche von RIM-Bauteilen im Automobilbereich
313
Bild 4-122. Flexible Schuhsohle aus TPU
Bild 4-123. Flexible TPU-Kabelschläuche
314
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
TPU wird als eines der wenigen PUR-Produkte häufig beim Rohstoffhersteller als Granulat hergestellt und dann zur weiteren Formgebung an die PUR-Verarbeiter abgegeben. TPU-Folien sind kratzfest, extrem dehnbar und reißfest. Spezielle wasserdampfdurchlässige Folientypen können somit atmungsaktiv aber undurchlässig für Flüssigkeiten sein. Daher bieten TPU-Folien hervorragende Eigenschaften als Verpackungsmaterial und Schutzfolien für die TPU im Blasfolienverfahren verarbeitet wird.
Bild 4-124. Strapazierfähige TPU-Folie
Bild 4-125. PUR-Elastomer mit geringer Querdehnung (Cellasto®)
PUR-Gießelastomere Der Bereich der Gießelastomere umfasst sehr viele spezielle Anwendungsgebiete, die an dieser Stelle nicht ausführlich erläutert werden können. Vielmehr soll anhand ausgewählter Beispiele und Abbildungen ein Einblick in die unzähligen Modifikationen gegeben werden. Mikrozelluläre Gießelastomere kommen als hochdämpfende Federelemente im Automobilbau zur Anwendung. Sie tragen wesentlich zur Vibrations- und Schwingungsdämpfung des Fahrwerks bei und können aufgrund ihrer geringen lateralen Ausdehnung bei Kompression in einfache zylindrische Stahlfederkonstruktionen integriert werden. Des Weiteren finden kompakte Gießelastomere ihre Anwendung in Industrieböden, Sporthallenböden und anderen Deckschichten, die hohe Abriebfestigkeit und Stabilität erfordern. Eine innovative, junge Anwendung stellt das Sandwich-Plate-System (SPS) dar, bei dem ein kompakter PUR-Kern zwischen zwei Stahldeckschichten als sehr belastbarer, leichter Baustoff für extreme Anwendungen, wie Brückenbau, eingesetzt werden kann.
4.1 Urformen
Bild 4-126. SPS-Anwendung
Bild 4-127. Sportböden aus Gummigranulat verklebt mit PUR-Elastomer
Bild 4-128. Abriebfeste Rollen aus PUR-Elastomer
315
316
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
4.1.3.4.3
Herstellung von Polyurethan-Schäumen [1]–[5]
Helmut Schüle Obgleich alle Kunststoff-Formassen zu einem Integralschaumstoff verarbeitet werden können, kommt insbesondere dem PUR-Schäumen eine große wirtschaftliche Bedeutung zu. Die Herstellung von PUR-Formteilen erfolgt in Anlagen, in welchen die flüssig vorliegenden, niedrigviskosen Ausgangskomponenten Polyisocyanat und Polyol sowie u. U. Funktionsstoffe zugegeben, vermischt und die so gebildeten Reaktionsgemische ausgetragen werden (IsocyanatPolyadditionsverfahren, siehe auch Kapitel 2.3.1.2). Wird ein physikalisches Treibmittel (Pentan, Stickstoff, Kohlenstoffdioxid) zugegeben, bildet sich als Folge dieser Vernetzungsreaktion ein duroplastischer PUR-Schaum. In praxi wird dieser Vorgang als Reaktionsschaumgießen (RSG-Verfahren) bzw. im Englischen „Reaction Injection Molding“ (RIM-Verfahren) bezeichnet. Nach diesem Verfahren können prinzipiell Integralschaumstoffe (poröser Kern mit nahezu zellfreien Randschichten) sowie Formteile mit definiert vorgegebener, homogener Dichte hergestellt werden. Werden dem reaktiven Ausgangsgemisch Füllstoffe (Fasern) mit dem Ziel einer Festigkeitserhöhung des herzustellenden Formteils zugegeben, so spricht man von „Reinforced Reaction Injection Molding“ (RRIM-Verfahren). Bei zusätzlichem Einbringen von definierten Verstärkungsstrukturen in das Bauteil handelt es sich um das Structural RIM-Verfahren (S-RIM) bzw. Structural RRIM-Verfahren (SRRIM). Anlagen- und Verfahrenstechnik Die Verarbeitung der PUR-Rohstoffe geschieht auf Schäumanlagen, welche aus mindestens einer Schäummaschine und einer Formgebungseinrichtung bestehen. Die Schäummaschine gilt als Kernstück der Gesamtanlage. Sie nimmt die flüssigen Ausgangskomponenten auf, bringt und hält diese auf verarbeitungsfähigem Zustand, dosiert im richtigen Mengenverhältnis, mischt die Komponenten intensiv und überführt das Reaktionsgemisch in das Werkzeug. Die beiden Hauptkomponenten Polyol und Isocyanat werden aus den Vorratsbehältern in temperierte Arbeitsbehälter überführt. Bei der Lagerung ist zu beachten, dass jede Aufnahme von Feuchtigkeit vermieden wird. Temperaturen oberhalb von 35 °C schädigen die Rohstoffe, bei Temperaturen unterhalb von 15 °C kristallisieren die meisten Isocyanate aus (Viskositätsveränderungen). Häufig werden reine 2-Komponentensysteme verarbeitet, die bereits zugemischte Zusatzstoffe enthalten; eine Direktzumischung in die Dosierleitung ist prinzipiell möglich. Dosieraggregate fördern die Komponenten in definiert vorgegebenen Mischungsverhältnissen aus den Arbeitsbe-
hältern zum Mischkopf. Hier treffen die Reaktionspartner aufeinander und werden zum Reaktionsgemisch vereinigt. Dieses Gemisch wird nun entweder direkt, über nachgeschaltete Beruhigungselemente (laminares Eingießen ohne Luftblaseneinschluss) oder über Angießkanäle in den Werkzeughohlram ausgetragen und schäumt schließlich auf. Nach Ablauf der Reaktions- bzw. Aushärtezeit kann das Formteil entnommen bzw. weiterverarbeitet werden. Diskontinuierlich arbeitende Schäummaschinen Während auf Niederdruckmaschinen die Komponentenströme mit Drücken von 5–40 bar vorzugsweise Rührwerksmischkammern zugeführt werden, verdichten bei Hochdruckmaschinen Kolbenpumpen die Rohstoffkomponenten auf 150–300 bar, welche dann im Gegenstrominjektionsprinzip vermischt werden. Hierbei wird die auftretende hohe kinetische Energie (Einspritzgeschwindigkeit sehr hoch) beim Eintritt in die Mischkammer zur Vermischung (turbulente Strömung) genutzt. Da das Füllen des Werkzeugs mittels einer laminaren Strömung (kein Überschlagen des sich schnell vernetzenden Flüssigkeitsgemischs bei gleichzei-
Bild 4-135. Niederdruckschäumanlage [1]
4.1 Urformen
317
werden üblicherweise Zahnradpumpen mit Außenverzahnung eingesetzt. Für Hochdruckanlagen kommen Kolbenpumpen in Frage, welche die Komponenten auf die geforderten Injektionsdrücke von 150–300 bar bringen. Beim Hochdruckprozess werden vorzugsweise sich selbstreinigende, zwangsgesteuerte Mischköpfe unterschiedlichster Ausführungsformen eingesetzt.
Bild 4-136. Hochdruckschäumanlage [2]
tigem Lufteinschluss) erfolgen muss, werden noch nachgeschaltete Beruhigungszonen (Drosseln) eingesetzt. Bei Niederdruck-Schäummaschinen werden die Komponenten üblicherweise durch Präzisions-Zahnradpumpen vor Schussbeginn kurzzeitig im Kreislauf geführt. Das Mischen besorgt ein schnelllaufender rotierender Rührer im Mischkopf. Der Mischkopf muss vor einem erneuten Gemischeintrag mit Lösungsmittel ausgespült und anschließend mit Luft ausgeblasen werden. Die Hochdruckmaschine mit Kreislaufsystem – die Komponenten werden vom Arbeitsbehälter über Dosieraggregat kontinuierlich zum Mischkopf und wieder zurück in den Behälter geleitet. Dabei werden bereits vor Schussbeginn die Komponentenströme auf erforderlichen Mengendurchsatz und Kammereinspritzdruck (Injektionsdruck, hohe Geschwindigkeit von ca. 150 m/s) gebracht. Die Umschaltung von Kreislaufposition auf den Injektionsvorgang erfolgt in zwangsgesteuerten Mischköpfen. In Niederdruckanlagen
Kolbengesteuerter Mischkopf In diesen Mischkopftypen werden die Reaktionskomponenten mit hohen Ausgangsdrücken durch Injektionsdüsen in eine betragsmäßig große Geschwindigkeit umgewandelt und in einen Mischraum eingeschossen. Die beim Zusammentreffen der einzelnen Komponenten entstehenden Turbulenzen bewirken eine schnelle und intensive Vermischung. Mischvorgang und Füllschuss werden durch Zurückziehen des betätigten Kolbens gestartet. Die zunächst getrennt zirkulierenden Komponenten werden in die Mischkammer umgeleitet. Zur Beendigung des Füllvorgangs wird der Steuer- und Reinigungskolben wieder nach vorne geschoben. Dabei werden die Komponentenströme wieder in den Kreislauf umgelenkt und gleichzeitig das in der Mischkammer befindliche reaktive Restgemisch mechanisch ausgeschoben. Linear-Mischköpfe, meist in verschleißfestem Hartmetall ausgeführt, werden in aller Regel direkt an die Form angebaut und vorzugsweise bei der Verarbeitung feststoffhaltiger Komponenten (Glasfasern u. a.) eingesetzt. Umlenkmischköpfe sind vorzugsweise für das Austragen in die offene Form oder durch ein Füllloch geeignet. Eine zusätzliche Gasbeladung verbessert das Fließverhalten und ermöglicht eine vollständige Füllung des Werkzeuges selbst bei langen Fließwegen und kurzen Füllzeiten. Bei Nadeldüsenmischkopf werden in Kreislaufstellung beide Nadeldüsen zugehalten. Die Komponenten fließen bereits im richtigen Mengendurchsatz unter Hochdruck direkt am Düsensitz vorbei – zurück in den Arbeitsbehälter. Durch Zurückziehen beider Düsennadeln (synchron, zwangsgesteuert) werden die Düsenbohrungen freigegeben. Am Ende des Einspritzvorgangs reinigt ein separat angetriebener Stößel die Mischkammer. Schließeinheiten und Werkzeugträger Die Hauptaufgabe einer Schließvorrichtung ist es, den Schäum- bzw. Blähdruck (wenige bar) aufzufangen und das Werkzeug zuzuhalten. Zusätzlich sollen die Schließvorrichtungen die Werkzeugteile zueinander bewegen – also schließen und öffnen. Die Werkzeuge sollen darüber hinaus in jede beliebige (insbesondere in die ergonomische) Arbeitslage geschwenkt werden können. Es werden je nach Werkzeuggröße unterschiedliche Schließvorrichtungen (manuell, Universal-Schließeinheit)
318
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-137. Kolbengesteuerter Mischkopf (Kreislauf-Mischstellung) [1]
angetroffen. Sind die Werkzeuge nicht steif genug ausgeführt, so werden sie in einen Werkzeugträger, der sämtliche Bewegungsfunktionen (Schwenkbewegungen bis 360°) übernimmt, eingebaut. Die Werkzeughälften sind zu diesem Zweck auf parallel zueinander geführten Aufspannplatten montiert. Die Auf- bzw. Zufahrbewegungen werden mittels Hydraulikzylindern vorgenommen. Werkzeug- und Angießkanal Bei der Herstellung von PUR-Integralschaumteilen ist das Werkzeug Formgebungseinheit und Reaktionsgefäß zugleich (Bild 4-138). Den Füllkanal zum Einfüllen des Reaktionsgemisches nennt man Angießkanal. Der Anguss ist das Schaumstoffteil, welches im Angießkanal nach dem Füllen verbleibt, aushärtet und zusammen mit dem Formteil entformt wird. In vielen Fällen, insbesondere beim Einsatz nicht werkzeuggebundener Mischköpfe, ist der Angießkanal auch Bestandteil des Werkzeuges. Prinzipiell gibt es Anbaumischköpfe, bei denen der Angießkanal vollständig im Mischkopf integriert ist. Der Angießkanal sowie der Anschnitt ist häufig als Direktanguss oder als Filmanguss aus-
geführt werden. Die meist temperierbaren Werkzeuge müssen für einen Innendruck bis maximal 10 bar ausgelegt sein und sich turbulenzarm angießen lassen. Auch muss bei optimaler Entlüftung ein minimaler Austrieb gewährleisten sein. Die Werkzeuge bestehen in aller Regel aus zwei oder mehr Teilen, die exakt aufeinander passen. Die Teilung des Werkzeuges ist so vorgenommen, dass das Formteil leicht entformt werden kann (keine Hinterschneidungen). Sollten Hinterschneidungen unvermeidbar sein, so werden Kernzüge eingebaut oder Einlegeteile verwendet, die mit dem Formteil entformt werden. Grundsätzlich ist die Trennfläche so anzulegen, dass die größten Flächen des Werkstückes nicht parallel zur Öffnungsrichtung liegen. Dadurch werden hohe Formöffnungskräfte und -wege beim Entformen vermieden. Sämtliche Trennfugen (Formtrennebene, Schieber, Auswerfer) müssen äußerst passgenau und dicht bearbeitet sein, damit das eingebrachte niedrigviskose Reaktionsgemisch oder das schäumende Material nicht herausgedrückt werden können. Das Werkzeug muss aber gewährleisten, dass das im Werk-
4.1 Urformen
319
Angusssystem
Bild 4-138. Verschiedene Angusssysteme [1]
zeughohlraum befindliche Gas, das vom aufsteigenden Schaum verdrängt wird, entweichen kann. Eine kontrollierte Entlüftung erreicht man durch schmale Austrittsschlitze, deren Dimensionierung in Vorversuchen ermittelt werden muss. Die Oberflächenstruktur der Werkzeuge wird konturgetreu bis in alle Einzelheiten durch den Integralschaumstoff abgeformt. Jede Abstufung zwischen hochglänzender und beliebig mattierter, strukturierter Oberfläche kann somit vorgenommen werden. Ein grundsätzlicher Unterschied hinsichtlich des Füllvorgangs besteht darin, ob ein Werkzeug fallend oder steigend angegossen wird. Als fallendes Angießen bezeichnet man eine Füllmethode, bei der der Anschnitt stets oberhalb des Flüssigkeitsspiegels im Werkzeug liegt. Diese Methode findet dann Anwendung, wenn der Fluss des Materials nicht durch querlaufende Rippen, Kanten oder Einlegeteile unterbrochen wird. Üblicherweise wird das steigende Angießen gewählt. Dabei wird das Gemisch möglichst an der tiefsten Stelle in das Werkzeug eingebracht. Das zugeführte Material
strömt somit stets unterhalb des Flüssigkeitsspiegels in das Werkzeug nach. Beim Angießen eines offenen Werkzeuges liegt kein Angießkanal vor. Das Auslaufrohr der Mischvorrichtung wird bei dieser Füllmethode über das geöffnete Werkzeug gehalten und das Reaktionsgemisch läuft direkt in die Werkzeugmulde hinein. Bei den Filmangusssystemen wird unterschieden in Staubalken-, Fächer- und Stangenanguss. Produktionsanlagen Betrachtet man Anlagenkonzepte hinsichtlich des Zusammenwirkens von Werkzeug und Mischkopf, so können nachfolgende Unterteilung vorgenommen werden: – Anlagen mit stationären Werkzeugen und bewegtem Mischkopf Die Werkzeuge sind im Halbkreis positioniert; der Mischkopf wird entweder manuell oder automatisch von Werkzeug zu Werkzeug geführt. – Anlagen mit bewegten Werkzeugen und stationärem Mischkopf
320
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-139. Anlage zur Herstellung von Rechteckschaumstoffblöcken (Quelle: Hennecke)
Die Werkzeuge werden zum Eintrag des Reaktionsgemisches mit Hilfe einer Transportvorrichtung an einem stationären Mischkopf vorbeigeführt. Bei der Verarbeitung von unterschiedlichen PUR-Teilen sollten die Teilegeometrien vergleichbar sein und die Verweilzeiten in den Werkzeugen gleich lang sein. – Anlagen mit stationären Werkzeugen und anbaubaren Mischköpfen. Jedes Werkzeug ist mit einem Anbaumischkopf ausgerüstet, der über ein gemeinsames Kreislaufsystem fest mit der Dosiereinheit verbunden ist. An eine Dosiereinheit können eine Vielzahl von Werkzeugen angeschlossen werden, die in beliebiger Reihenfolge bedient werden können. Kontinuierlich arbeitende Schäumanlagen Kontinuierlich arbeitende Anlagen produzieren Halbzeuge in Form von Blöcken oder Platten. Bei der Weich- sowie der Hartschaumstoff-Blockherstellung wird das sowohl von Hoch- als auch Niederdruckmaschinen erzeugte schäumfähige Gemisch in kontinuierlich fortbewegte, meist aus Papierbahnen bestehende Formkanäle eingetragen. Für flexible Blockschaumstoffe haben sich beispielsweise Abmessungen von 2 m Breite und rund 1 m Höhe als optimal erwiesen.
Charakteristische Prozesszeiten (Bechertest) Die Wechselwirkung zwischen Formmasse und Verarbeitungsbedingungen werden unter Zuhilfenahme des Bechertests ermittelt. Bei diesen Testschäumungen werden der eigentliche Aufschäumvorgang sowie die vorliegenden Steigzeiten aber auch die Konsistenz des Schaumstoffs überprüft. Charakteristische Größen dieser Laboruntersuchung sind: die Startzeit: Zeitspanne zwischen dem Beginn des Vermischens bis zum Aufschäumbeginn des Reaktionsgemisches die Abbindezeit: bei der Schaumprüfung liegt eine Fadenbildung (makromolekulare Struktur) vorliegt die Steigzeit: Aufschäumvorgang ist abgeschlossen die Klebfrei-Zeit: die Schaumoberfläche zeigt keine Klebeneigung mehr
Literatur zu Kapitel 4.1.3.4.3 [1] Maier U (2004) Polyurethan Schäumanlagen. Kunststoffe 71(2004)1 [2] Firmenschriften Hennecke 2007 [3] Firmenschriften Krauss-Maffei 2007
4.1 Urformen [4] Lause J Komplexe Formen für Schaum Kunststoffe 97(2007)11, S 18–24 [5] Praller A Schäumen von Kunststoffen Kunststoffe 95(2005)1, S 96–99
Literatur – Kapitel 4.1.3.4 [1] Hilyard NC (1982) Mechanics of Cellular Plastics. Applied Science Publishers, Barking, Essex [2] Gibson LJ, Asby MF (1988) Cellular Solids: Structure & Properties. Pergamon Press [3] Klempner D, Frisch KC (1991) Handbook of Polymeric Foams and Foam Technology. Carl Hanser Verlag, München [4] VDI – Gesellschaft Kunststofftechnik (Hrsg) (1996) Thermoplastische Partikelschaumstoffe: aktueller Stand und Perspektiven. VDI Verlag, Düsseldorf [5] Schuch H (2001) Physik der Schaumbildung. Fachtagung Polymerschäume. Süddeutsches Kunststoff-Zentrum, Würzburg [6] Kauffmann A, Barth M, Eyerer P (2001) Methoden zur Versuchsplanung und Auswertung in der Partikelschaumverarbeitung. Internationale Fachtagung EPSPartikelschaum und Dämmung. Süddeutsches Kunststoff-Zentrum, Würzburg [7] Biedermann A (2004) Polyurethane Foams in everyday life – Tailor-made polymers from thermal insulation up to cushions. Vortrag auf DECHEMA/VDI-GVC Symposium „Schäume – Grundlagen und Anwendungen“
321
Weiterführende Literatur Scherble J (2007) Strukturschäume – Märkte und Anwendungen. Vortrag auf dem 13. Nat. Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth Ruckdäschel H (2007) Entwicklungspotential bei Strukturschäumen. Vortrag auf dem 13. Nat. Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth Lause J (2007) Komplexe Formen für Schaum (PUR Werkzeugtechnik). Kunststoffe 97(2007)1, S 18–24 NN (2007) Geschäumtes Polypropylen. Kunststoffe 97(2007)1, S 77–78 Tatje J (2007) Freiheit der Formgebung (PUR-Schaum Nachbearbeitung). Kunststoffe 97(2007)8, S 100–102
4.1.3.5
Rotationsgießen – Rotationsformen
Marc Knoblauch-Xander Allgemeines Das Rotationsformen ist ein seit über 50 Jahren bekanntes Kunststoffverarbeitungsverfahren zur Herstellung von Hohlkörpern ([1] bis [3]). Das Verfahren eignet sich insbesondere zur Fertigung großvolumiger Bauteile in kleinen Stückzahlen. Anfänglich konnten nur einfache Formteilgeometrien hergestellt werden. Die eingeschränkte Palette der für diesen Prozess geeigneten Kunststoffe und die verfahrensbedingt langen Zykluszeiten verhinderten zunächst eine größere Verbreitung der Rotationstechnik. Inzwischen stehen zahlreiche speziell auf den Rotationsprozess zugeschnittene Werkstoffe
Bild 4-140. Der Rotationsprozess – 4-Stationenkarussell
322
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Schritt 1
Im ersten Schritt wird das Werkzeug befüllt, indem man eine definierte Menge eines pulverförmigen oder flüssigen Rohstoffs in das offene Werkzeug gibt. Teilweise befindet sich im Werkzeug eine separate Kammer, die erst zu einem späteren Zeitpunkt geöffnet wird und den Rohstoff eindosiert. Das Werkzeug befindet sich auf einem Formenträger (Arm) der Verarbeitungsmaschine. Abschließend wird das Werkzeug geschlossen.
Befüllstation: Befüllen der geöffneten Form
Schritt 2
Im zweiten Schritt versetzt man das Werkzeug wird in eine biaxiale (zweiachsige) Rotation, um eine vollständige Verteilung des Materials zu gewährleisten. Das Werkzeug wird in die Heizkammer eingefahren und das Material allmählich an der heissen Werkzeugwand aufgeschmolzen bzw. polymerisiert. Mehrere Heizstationen sind je nach Bauteil, Kunststoff und Prozessführung möglich.
Start Rotation
Schritt 3
Sobald die vollständige, gleichmäßige Verteilung des Materials abgeschlossen ist, fährt das Werkzeug in eine Kühlstation. Die Rotation wird beibehalten, um ein Ablaufen des Materials von der Werkzeugwand zu verhindern. Mit Kaltluft, Wassernebel oder durch direktes Eintauchen in ein Wasserbad wird das Werkzeug abgekühlt.
Kühlstation
Schritt 4
Nach ausreichender Kühlung fährt die Form in die Entformungs- und Beladestation. Hier wird das Werkstück entnommen. Anschließend steht das Werkzeug für eine Wiederbefüllung zur Verfügung und ein neuer Produktionszyklus kann beginnen.
Entformung
Bild 4-141. Verfahrensablauf des Rotationsformens
Heizstation
4.1 Urformen und eine fortschrittliche Prozesstechnologie zur Verfügung, so dass inzwischen technisch anspruchsvolle Teile wie komplex geformte Kraftstofftanks, Gehäuseteile für Kehrmaschinen, Luftansaugkanäle für Fahrzeuge, Kanus, kleine Lagerhallen, etc. wirtschaftlich im Rotationsformen gefertigt werden. Verfahrensbeschreibung Beim Rotationsformen wird pulverförmiges oder flüssiges Ausgangsmaterial in einem Werkzeug mehrachsig in einer Heizkammer rotiert. Nach der gleichmäßigen Verteilung des Formwerkstoffs an der Werkzeugwandung erfolgt die Abkühlung in einer Kühlstation und die Entformung des Bauteils. Materialien – Pulverförmige Kunststoffe In erster Linie werden für den Rotationsprozess pulverförmige Materialien verwendet. Im Gegensatz zu Granulaten gewährleisten Pulver oder Mikrogranulate bereits vor dem Aufschmelzen eine gute Verteilung des Materials an der Werkzeugwandung. Die Partikel, die direkt an der Werkzeugwand liegen, schmelzen zuerst auf, beginnen an der Wandung zu haften und bilden eine kompakte Haut. Über den Wärmetransport durch diese Schicht schmelzen nach und nach die innenliegenden Schichten auf. Zu den gängigen pulverförmigen Kunststoffen gehören: – PE, PP, – PC, – PA, – Fluorpoylymere (PVDF, PFA), – EVA, EBA. Die Pulver müssen dabei eine gute Rieselfähigkeit aufweisen. Übliche Partikelgrößen bewegen sich zwischen 250 μm und 500 μm. – Flüssige, pastöse Kunststoffe Als Ausgangmaterial können auch flüssige Kunststoffe verwendet werden, die durch den Wärmeeintrag polymerisieren und aushärten. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind:
323
– PVC-Plastisole: Gemisch aus PVC-Pulver und flüssigem Weichmacher; der Werkstoff „geliert“ im heißen Rotationswerkzeug zum formsteifen Körper – Gusspolyamid: Polymerisation der Monomere erfolgt direkt im Rotationswerkzeug – 2-K-Polyurethane: Die zwei Komponenten Polyol und Isocyanat werden gemischt und in das Rotationswerkzeug eingespritzt. Vor- und Nachteile des Rotationsformens Vorteile – „drucklose“ Fertigungstechnik, gleichmäßiger Werkzeuginnendruck – kostengünstige Werkzeuge – Formteile in weitem Größenbereich (Ping-Pong-Ball bis zu 80.000 l-Lagertanks) – gleichzeitige Bestückung des Werkzeugträgers mit verschiedenen Werkzeugen – sehr geringe Scherkräfte – verzugsarme Bauteile, geringe Eigenspannungen – bezogen auf max. Formteilgröße geringe Wanddicken möglich – Einlegen von Inserts oder Labels möglich Nachteile – hoher Zykluszeitbedarf (ca. 10–30 min.) im Vergleich zu Blasformen, Tiefziehen und Spritzgießen – aufgrund der langen Zykluszeit nur für Kleinserien wirtschaftlich – Palette der Formteilwerkstoffe begrenzt (Hitzestabilität, Viskosität, pulverförmig oder pastös) – je nach Verfügbarkeit des Rohstoffs muß dieser vorab gemahlen werden – lange Verweilzeit der Materialien bei hohen Temperaturen (gute Stabilisierung notwendig) – Aufheizen und Abkühlen in einer Einheit/Werkzeug • hoher Energiebedarf der Heizstation • träges Aufheizverhalten • lange Abkühlzeit
324
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Produktbeispiele für Rotationsformen
1
Motorradtank: BMW-Motorrad Dakar Material: Gußpolyamid Hersteller: Elkamet
2
Karosserie für Elektrofahrzeug Material: PE Hersteller: Rhein-Bonar Aufbau der Karosserie aus 6 Rotationsteilen
3
Kajak Material: Sandwichaufbau (PE, PE-Schaum, PE) Hersteller: Old Town Besonderheit: Der Drei-Schicht-Verbund wird in einem Verfahrensschritt gefertigt. Während der Heizphase werden nach und nach die Materialien 1. PE-Pulver (Außenhülle) 2. PE-Granulat mit chem. Treibmittel 3. PE-Pulver (Bootsinnenseite) eindosiert.
4
Kinderpuppe Material: Weich-PVC Hersteller: Zapf-Creation
Bild 4-142. Produktbeispiele für Rotationsformen
4.1 Urformen
Literatur – Kapitel 1.4.3.5 [1] Nuget P, Boersch E (1998) Grundlagen des Rotationsverfahrens. Veröffentlichte Seminarschrift. Remcom Plastics Inc., Rota Consult GmbH [2] Rahner S (1998) Im Trend: Rotationsformen. Kunststoffe 88(1998), S 24–31 [3] Biemann H, Ehms E et al. (2001) Spielpuppen aus dem Werkstoff Polyurethan. FAPU Ausgabe 6(2001)
325
Fendler JH (1998) Nanoparticles and Nanostructured Films. Wiley-VCH Crawford RJ (1996) Rotational Moulding of Plastics, Second Edition. The Queen’s University of Belfast, UK, http:// www.research-studies-press.co.uk/crawf SKZ-Tagungshandbuch (2001) „Rotationsformen – eine wirtschaftliche Alternative“
Weiterführende Literatur:
4.1.3.6
Reaktionsgießen – Herstellung von thermoplastischen Werkstoffen durch in-situ Polymerisation im Formgebungswerkzeug
Beall B (1998) Rotational Moulding: Design, Materials, Tooling and Processing. Hanser Verlag, München
Dieter Gittel
Bild 4-143. Übersicht zu reaktiv herstellbaren Thermoplasten
326
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Begriffsbestimmungen Tabelle 4-12 Übersicht und Begriffe zu reaktiv herstellbaren Thermoplasten Begriffe (siehe Übersicht)
Charakteristische Merkmale
Reaktiv herstellbare Thermoplaste
2 Komponenten (2-K) werden bei höherer Temperatur vermischt und polymerisieren im Werkzeug zum Bauteil (vom Monomer/Oligomer zum Polymer)
In-situ Polymerisation
Polymerisation in der natürlichen Lage (in-situ), d.h. Molekülketten bilden sich unorientiert (verschlauft) im Bauteil aus – höhere mechanische Eigenschaften
Lactam-Polymerisation
Ringöffnende Polymerisation von (Poly-) Lactamen
Polymerisation zu Polyester
Ringöffnende Polymerisation zu PBT, aber auch PET und PC (in der Entwicklung) möglich bei PBT entweder – mit dem Katalysator vorgemischtes Oligomer (1-K) – oder Monomer/Oligomer und Katalysator (2-K)
Guss-PA6 (-Polymerisation)
Polymerisation des Monomers e-Caprolactam, initiiert durch einen Aktivator und einen Katalysator erfolgt exotherm unterhalb der Schmelztemperatur von PA6 (2-K)
Guss-PA12 (-Polymerisation)
Polymerisation des Monomers Laurinlactam mit einem Katalysator (exotherm) erfolgt deutlich oberhalb der Schmelztemperatur von PA12 (2-K)
Elastomermodifiziertes Guss-PA6 (Nylon-Block-Copolymer [NBC]) NyrimTM [DSM]
Polymerisation (exotherm) des Monomers e-Caprolactam mit einem vorgemischten Prepolymersystem bei variablem Schlagzähmodifikator (5-40 Masse-% Polyol); Ausbildung von statistisch geordneten starren und flexiblen Anordnungen in der Polymerkette
Zyklisches Polybutylenterephthalat CBTTM [Cyclics Corporation]
Isotherme Polymerisation eines Prepolymersystems (1-K; Mischung aus Oligomer und Katalysator) oder eines Oligomers und eines Katalysators (2-K) unterhalb der Schmelztemperatur von PBT
Copolymerisation Guss-PA6 und -12
Gemeinsame Polymerisation von e-Caprolactam und max. 20 Masse-% Laurinlactam (Aktivator- und Katalysator von Guss-PA6); führt zur Erhöhung der Schlagzähigkeit und Verbesserung chemischer Eigenschaften
Polymerisationsverfahren Verarbeitungsverfahren für Guss-PA 6 Zyklisches PBT (CBTTM) Bei diesem Werkstoff handelt es sich um eine Neuentwicklung der Cyclics Corporation USA. Die Verarbeitung kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen: A: CBT-Oligomer in Pulverform mit dem Katalysator vorgemischt B: Oligomer und Katalysator – Weißes Pulver bei Raumtemperatur – Schmelzpunkt einstellbar von 140–180 °C – Verarbeitung der Oligomerschmelze bei 140–250 °C – Anfangsviskosität 15–50 mPa s – Katalysatoren zur Polymerisation; Zinn (langsam) Titan (schnell) – Zumischung von 0,3–1,0 % Katalysator – Polymerisationszeit einstellbar von 20 s–10 min Vorteile: – Niedrige Schmelzeviskosität – Verarbeitung ohne zyklisches Temperieren (Heizen/ Kühlen) im Werkzeug
– – – – –
Kurze (einstellbare) Reaktionszeit Keine Exothermie während der Polymerisation Keine Emission während der Verarbeitung Eigenschaftsprofil eines Technischen Thermoplast Recycling-Fähigkeit
Mögliche Verarbeitung: – RTM/SRIM – Pultrusion – Heiss-Pressen – Compoundieren – Filament wickeln – Direkt Inline Moulding
– – – – –
Prepreg Reaktiv-Guss Rotationsguss Pulverbeschichtung Reaktiv-Spritzguss
Es sind dabei geeignete Technologien zu entwickeln.
Literatur zu Kapitel 1.4.3.6 Eyerer P, Elsner P, Hirth Th (2007) Die Kunststoffe und Ihre Eigenschaften. 7. Aufl, Springer Verlag, Heidelberg New York
4.1 Urformen
4.1.3.7
Verarbeitungstechniken thermoplastischer Faserverbundwerkstoffe
Stefan Tröster [1] Glasmattenverstärkte Thermoplaste (GMT) Glasmattenverstärkte Thermoplaste (GMT) werden großserientechnisch zur Herstellung flächiger, funktionsintegrierender Bauteile verwendet. Ausgangsmaterial für den Formteil-Pressprozess sind Zuschnitte aus vorimprägnierten Platten. Man unterscheidet zwischen Matten-GMT und Kurzfaser-GMT. Matten-GMT wird durch Vernadelung von Glasfaserrovings hergestellt. Die Gestaltung des Nadelbetts bestimmt in hohem Maße die Güte der Vernadelung und beeinflusst die späteren Fließeigenschaften signifikant. Die Imprägnierung mit PP erfolgt auf einer Doppelbandpresse, die unter Druck und Temperatur die Fasern mit PP konsolidiert. Nach Abkühlung des Verbundwerkstoffs erhält man das fertige GMT-Halbzeug, das nachfolgend auf die anwendungsspezifischen Zuschnitte konfektioniert wird. Kurzfaser-GMT wird im Radlite®-Verfahren hergestellt, indem Glasfasern mit einer Länge von 10 bis 30 mm mit PP-Pulver und wässrigem Schaum vermischt, auf Bändern abgelegt und getrocknet werden. Die konfektionierten Halbzeuge werden im Umluftofen auf Verarbeitungstemperatur von ca. 230 °C erhitzt und dann mittels einer Übergabevorrichtung in das Presswerkzeug eingelegt. Durch Fließpressen bei Werkzeuginnendrücken von bis zu 25 MPa wird das Halbzeug zum Bauteil geformt. Je nach Werkzeugqualität muss das Bauteil anschließend entgratet und mittels einer Stanze gemäß der Endkon-
Bild 4-144. Herstellung von GMT-Halbzeugen (Henning [2])
327
tur geschnitten werden. Die Stanzabfälle können im Halbzeugherstellungsprozess über einen Einschneckenplastifizierer dem PP-Schmelzestrom zugegeben werden. Den Verarbeitungsprozess von GMT-Halbzeugen zu Fertigteilen zeigt Bild 4-145. Eine erfolgreiche neue Anwendung mit Verfahrenskombinationen GMT/Schäumen (PP/PMI Polymethacrylimid) stellen Sommer et al. [20] vor. Sheet Thermoplastic Composites (STC) Ein neues Verfahren zur Herstellung langfaserverstärkter thermoplastischer Halbzeuge ist die „Sheet-ThermoplasticComposites“ (STC) Technologie. Bei diesem Verfahren werden kontinuierlich Fasern mit Hilfe eines Doppelschneckenextruders in die Polymerschmelze eingearbeitet und ein plattenförmiges Halbzeug (HZ) über ein spezielles Austragswerkzeug extrudiert. Die Faserrovings werden vollständig durch die Polymerschmelze benetzt, bevor sie in den Doppelschneckenextruder eingezogen werden. Das Funktionsprinzip der Langfaserbenetzung dieses Verfahrens ist in Bild 4-146 dargestellt. Die Benetzungseinheit besteht aus zwei gegenläufig rotierenden Walzen, von denen eine über einen internen Bypass mit Schmelze beschickt wird. Im Walzenspalt baut sich die Schmelze leicht auf, wodurch die Benetzung der Fasern verbessert wird. Die Glasfaserrovings werden dem Walzenspalt von oben parallel zugeführt. Vor Eintritt in den gleichlaufenden Doppelschneckenextruder werden sie schonend und vollständig mit Schmelze getränkt. Ein separater Antrieb der Walzen der Benetzungseinheit sorgt für eine kontinuierliche Zuführung der benetzten Rovings zum Extruder. Bild 4-147 zeigt den Prozessaufbau.
328
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-145. Verarbeitung von GMT [3]
Bild 4-147. Prozessaufbau STC
Bild 4-146. Langfaserbenetzung im STC-Verfahren
Im Vergleich zu GMT zeigt das STC-Verfahren etwas geringere Materialkennwerte hinsichtlich der Steifigkeit und Festigkeit, die Schlagzähigkeit liegt bei ca. 60 % zu GMT. Vorteile des Verfahrens sind vor allem die Vermeidung der Halbzeugherstellungskosten sowie die Möglichkeit des einfachen Start-/Stop-Betriebs. Zwei Verfahrensvarianten des STC-Verfahrens sind in der Produktion umgesetzt. In einer Anlage ist ein Zweischneckenextruder mit einem Schneckendurchmesser von 60 mm und einer Verfahrenslänge von 42 D im Einsatz. Polymer und Additive werden in den Extruder dosiert. Die Plastifizier- und Compoundierzone dient dem Aufschmelzen und optionalen Entgasen des Materials. Über einen Bypass wird ein Teilstrom der Schmelze auf die Walzen der Imprägniereinheit geleitet. Die Glas-
4.1 Urformen fasern werden in der Imprägniereinheit zugeführt und durch die Thermoplastschmelze benetzt. Eine Breitschlitzdüse trägt das zuvor mittels Vakuum entgaste Material flächig aus. Diese speziell optimierte Austragsdüse erzielt eine minimierte Faserorientierung. Die zweite Anlage wird mit einer mittels Zweischneckenextruder aufbereiteten, dispergierten und entgasten Schmelze beschickt. Stäbchengranulate (LFT-G) Eine Alternative zu GMT beziehungsweise STC stellen die Stäbchengranulate LFT-G dar. Die Stäbchengranulate werden als mit Kunststoffschmelze vorimprägnierte Faserbündel zur faserschonenden Verarbeitung in einem Einwellenextruder bereitgestellt. Die erzeugte Pressmasse wird im Fließpressprozess zum Bauteil geformt. Die Herstellung von Stäbchengranulaten erfolgt durch Pultrusion. Bei einer Variante des Pultrudierens werden Endlosfasern durch eine Thermoplastschmelze gezogen, mittels eines Werkzeugs imprägniert und je nach Herstellungsverfahren, teilweise oder vollständig imprägniert, Bild 4-148. Eine andere Variante setzt in der Pultrusion bereits Mischungen aus Glasfilamenten mit Polymerfilamenten, sogenannte Hybridfasern ein. Die Verarbeitung von LFT-Granulaten erfordert eine präzise Einhaltung der Verarbeitungsparameter, um die Schädigung der Fasern möglichst gering zu halten und damit die Langfasereigenschaften der LFT-Granulate zu erhalten, Bild 4-149. Die auf ein Maß von 12 bzw. 25 mm abgelängten Stäbchen werden bei der Verarbeitung, d. h. bei der Herstellung von Bauteilen in einem Einschneckenextruder plastifiziert, als Schmelzekuchen in ein Presswerkzeug abgelegt und zum Bauteil geformt. Ein wesentlicher Fortschritt gegenüber
329
GMT besteht darin, dass der Verarbeitungsmaschine anstelle anwendungsspezifischer Zuschnitte ein Schüttgut meist unter Verwendung einer Rüttelrinne zugeführt wird. Somit können zerkleinerte Ausschnittteile oder Altbauteile direkt dem Fertigungsprozess zugeführt werden. Bei den Verarbeitungsprozessen von Stäbchengranulaten unterscheidet man die diskontinuierliche Verarbeitung im sogenannten Strangablegeverfahren und die kontinuierliche Verarbeitung. Beim Strangablegeverfahren wird das Stäbchengranulat im Einschneckenplastifizierer aufgeschmolzen und gegen eine geschlossene Schneideinheit aufgestaut. Wie beim Spritzgiessprozess wird die Schnecke während des Plastifiziervorgangs zurückgezogen. Ist die der Ausstoßmasse entsprechende Masse plastifiziert, öffnet die Schneideinheit, die Schnecke verriegelt und stößt durch eine Transversalbewegung das Plastifikat durch die Düse aus. Das Schließen der Schneideinheit trennt den Strang durch ein Messer ab. Der Strang wird entweder durch eine Fahrbewegung der gesamten Einheit direkt im Presswerkzeug abgelegt, oder durch einen mit Nadelgreifern bestückten Handhabungsroboter in das Werkzeug (WZ) eingelegt. Bei der kontinuierlichen Betriebsweise rotiert eine transversal feststehende Schnecke vergleichbar der Extrusion und trägt kontinuierlich einen Plastifikatstrang auf ein beheiztes Austragsband aus. Eine Weiterentwicklung der LFT-G-Verarbeitung beruht auf dem sogenannten „Abmischen“ hochgefüllter Stäbchengranulate mit bis zu 75 Masse-% Glasfaseranteil. Durch Zugabe von Polymergranulaten werden diese Stäbchen während der Verarbeitung auf den gewünschten Bauteilglasfasergehalt abgemischt. Dabei ist es möglich, durch Zugabe eines z. B. schlagzäh modifizierten PP die Produkteigenschaften gezielt anzupassen. Allerdings sind hierbei verfah-
Bild 4-148. Herstellung von LFT-G-Halbzeugen [4]
330
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-149. LFT-G-Verarbeitung
renstechnisch Grenzen hinsichtlich Durchsatz und Mischgüte vorhanden. Das „Abmischen“ bietet ein signifikantes Kosteneinsparpotential im Vergleich zur Verarbeitung konventioneller Stäbchengranulate. Langfaser-Thermoplast-Direktverfahren (LFT-D) (Übersicht) Bei der direkten Verarbeitung von langfaserverstärkten Kunststoffen entstehen Werkstoff und Bauteil erst während des Fertigungsprozesses. Daher hat die Verarbeitung maßgeblichen Einfluss auf die Bauteileigenschaften. Der Nachteil der Verfahren, welche ein platten- oder stäbchenförmiges Halbzeug verwenden, ist aufgrund des Verarbeitungsverfahrens mit zweimaligem Aufwärmen und Abkühlen der Materialien verbunden. Um für beide Verarbeitungsschritte sowie für den Gebrauch die ausreichende Stabilisierung zu gewährleisten, müssen u. U. teure Additive zur Verhinderung des thermischen und des thermisch-oxidativen Abbaus des Matrixpolymers in grösseren Anteilen zugesetzt werden. Weiterhin ist die Flexibilität in Bezug auf unterschiedliche Materialzusammensetzung von Bauteilen durch die Vorgabe von Halbzeugen sehr eingeschränkt. Um eine wirtschaftliche Produktion bei der Fertigung von Halbzeugen zu gewährleisten, werden große Mengen gleicher Materialzusammensetzung hergestellt. Eine anwendungsspezifische Modifizierung oder Stabilisierung des Materials sowie die gezielte Einstellung des durch die mechanischen Anforderungen des Bauteils erforderlichen Glasfasergehalts werden
nicht realisiert. Aus diesem Grund sind Halbzeuge in aller Regel nur in wenigen Materialvarianten erhältlich. Erhöhter Kostendruck hat zu den Entwicklungen der sogenannten Direktverfahren geführt. Direktverfahren sind im Allgemeinen durch die Zusammenfassung mindestens zweier Verfahrensschritte gekennzeichnet. Nachfolgend werden Verfahren vorgestellt, welche die Halbzeugherstellung und die Verarbeitung der Halbzeuge zum Bauteil zur Direktverarbeitung kombinieren, siehe Bild 4-150. Dabei wird aus den Rohstoffen, z. B. Glasfasern und PP, in einem Schritt ein Faserverbundwerkstoff und nachfolgend ein Bauteil hergestellt. Diese Verfahren bieten gegenüber den halbzeugverarbeitenden Verfahren die im Folgenden aufgeführten Vorteile: – Vermeidung des teuren Halbzeugherstellungsschritts, – Verringerung des thermischen und thermisch-oxidativen Abbaus der Polymermatrix, – Größere Flexibilität hinsichtlich Materialauswahl, Materialanpassung und Logistik beim Vorarbeiter, – mehr Wettbewerb und geringere Abhängigkeit von Rohstoffherstellern. So lassen sich z. B. unterschiedliche Glasfasergehalte einstellen, die Viskosität des Matrixpolymers in bestimmten Bereichen variieren, Zusätze zur Modifizierung (Schlagzähigkeit), zur Stabilisierung und Faser-Matrix-Kopplung sowie zur Einfärbung des Materials sind zudem spezifisch einsetzbar. Da das Material direkt bei der Verarbeitung erzeugt wird, ist die Lagerhaltung unterschiedlicher, in einem vorher-
4.1 Urformen
331
Bild 4-150. Zusammenfassung des Halbzeug- und Verarbeitungsschritts bei Direktverfahren [2]
gehenden Schritt aufbereiteter Materialien nicht erforderlich, woraus sich auch hinsichtlich der Materiallogistik Vorteile ergeben. LFT-D-Verfahren (LFT-D process) Seit Juli 1997 ist die ursprüngliche Variante eines Direktverfahrens für langfaserverstärkte Thermoplaste (LFT-D) im großserientechnischen Einsatz. Diese Technologie wird als sogenannte Einmaschinentechnologie bezeichnet, da die Materialaufschmelzung und die Verarbeitung zum Verbundwerkstoff nur in einem Zweischneckenextruder vorgenommen werden. Das Polymercompound wird aufgeschmolzen und die Fasern über ein Imprägnierwerkzeug in den Zweischneckenextruder einge-
Bild 4-151. LFT-D-Anlagenschema
zogen, Bild 4-151. Die Fasern werden zu Langfasern zerteilt, die Formmasse wird homogenisiert und über eine Düse als Plastifikatstrang ausgetragen. Dieser Strang wird über ein Austragsband abgezogen und mittels Schneideinheit auf die gewünschte Bauteilmasse abgelängt. Ein mit Nadelgreifern versehener Handhabungsroboter legt das zugeschnittene Plastifikat in das Presswerkzeug ab, wo es durch einen Fließpressvorgang zum Bauteil geformt wird. Die Endkontur des Pressteils wird durch Stanzen, durch Wasserstrahlschneiden oder durch eine Kombination dieser Verfahren erzeugt. Der entstehende Randbeschnitt kann dem Prozess direkt als Rezyklatware zugeführt werden. Anmerkung: Der durch den Hersteller freigegebene Rezyklatanteil bei der Fertigung des ersten Serienteils, dem Frontend-Montageträger für den
332
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Passat B5, betrug 30 %. Die Freigabe von Rezyklatzusätzen führt zu weiteren Kosteneinsparungen gegenüber der konkurrierenden GMT-Verarbeitung. Der Nachteil der Einmaschinentechnologie des LFT-DVerfahrens liegt an der Notwendigkeit Polymercompounds einzusetzen, welche für zwei Verarbeitungsschritte sowie die Gebrauchsphase stabilisiert werden müssen. Weiterhin werden geringe Drehzahlen der Verarbeitungsmaschine vorgegeben, um möglichst lange Fasern im Prozess zu erhalten. Dies wirkt sich nachteilig auf die Durchsatzleistung aus. Eine Erhöhung der Durchsatzleistung führt in aller Regel zu Faserlängenverkürzung oder zu mangelnden Homogenisierungsqualitäten. CPI-Prozess (CPI process) Neben dem LFT-D-Verfahren sind noch weitere Direktprozesse zu nennen. Weltweit verbreitet ist der nach der Firma Composite Products Inc. benannte CPI-Prozess, der auf einer Patentschrift von 1989 basiert. Bild 4-152 zeigt schematisch den Ablauf des CPI-Prozesses. Das Matrixpolymer wird aus dem Vorratsbunker über eine gravimetrische Dosierung dem „A“-Extruder zugeführt. In diesem Extruder findet die Materialaufbereitung des Matrixpolymers sowie der Additive durch Scherung und Mischvorgänge statt. Im Falle von feuchtigkeitsempfindlichen Matrices wie beispielsweise Polyamid (PA) oder Polyethylenterephthalat (PET) wird diesem Prozess eine Vortrocknung vorgeschaltet. Die aufbereitete Schmelze wird einem weiteren, dem sogenannten „B“-Extruder übergeben. Diesem Extruder werden geschnittene Glasfasern gravimetrisch dosiert zugeführt. Diese sogenannten Schnittglasfasern liegen in definierten Ausgangslängen von z. B. 6 mm vor. Die Einzugszone dieses Extruders dient der Vorwärmung der Fasern sowie
Bild 4-152. Schematische Darstellung des CPI-Prozesses [5]
dem Öffnen der Faserbündel und verbessert damit die Faserimprägnierung durch die Matrix (Bild 4-152). Die Mischung der Faserverbundschmelze erfolgt bei reduzierter Scherung in Extruder „B“. Dies garantiert den Erhalt der Faserlängen. Der Faserverbundwerkstoff wird in einem Wärmespeicher zwischengespeichert, über einen Kolben zyklisch ausgetragen, mit einer Schneideinheit am Ende des Speichers auf Pressmasse abgelängt und auf ein Austragsband gefördert. Das so erzeugte Plastifikat wird in ein Presswerkzeug transferiert und im Fließpressprozess zum Bauteil geformt. Die Nachbearbeitungsschritte gleichen denen anderer Pressverfahren langfaserverstärkter Thermoplaste. Die Technologie des CPI-Prozesses entspricht, aufgrund der Trennung der Matrixaufbereitung und der Fasereinarbeitung in zwei separaten Aggregaten, dem in [1] beschriebenen LFT-D-ILC-Verfahren. Allerdings sind die resultierenden Faserlängen aufgrund der limitierten Länge der eingesetzten Schnittfasern deutlich kürzer als beim LFT-DILC-Prozess. Dies führt zu geringeren Materialkennwerten, insbesondere reduzierter Schlagzähigkeit. Die Dosierbarkeit der Schnittfasern ist bis zu einer Länge von ca. 6 mm unproblematisch, bei längeren Fasern tritt der Effekt der Brückenbildung auf und erschwert die massegeregelte Dosierung. Bei höheren Fasergehalten ist zudem eine gleichmässige Benetzung der Fasern nicht mehr gewährleistet. Aufgrund der limitierten Materialhomogenisierung eines Einschneckenextruders weist das Verfahren eine mangelnde Imprägniergüte und Homogenität auf. Die für das Mischen und Homogenisieren der Schnittfasern mit der polymeren Schmelze erforderliche Scherung liegt deutlich über der des LFT-D-ILC-Verfahrens. Dadurch zeichnen sich schlecht imprägnierte Faserbündel, sogenannte Weißflecken, an der Bauteiloberfläche ab. Die Verarbeitung im Einschneckenextruder erzielt zudem einen geringeren Durchsatz als das LFT-D-ILC-Verfahren. DIF-Verfahren (DIF-process) Eine weitere Technologie bei den Direktverfahren stellt das DIF-Verfahren dar (DIF: direct incorporation of fibers), welches an der Universität Stuttgart entwickelt wurde. Der im Rahmen einer Forschungsarbeit entwickelte DIF-Extruder ist ein modular aufgebauter Einschneckenextruder mit einem Längen zu Durchmesserverhältnis der Schnecke (L/ D) von 32,5, bei einem Schneckendurchmesser von 60 mm. Die als sogenannter „Dry-Blend“ vorliegende Polymerabmischung, bestehend aus PP, Haftvermittler und Thermostabilisator, wird dem Schnecke/Zylindersystem volumenkontrolliert zugeführt. Die unverstärkte Polymerrezeptur wird vorgewärmt, aufgeschmolzen und homogenisiert. Bedingt durch den Mate-
4.1 Urformen
333
Bild 4-153. Schematische Darstellung der DIF-Extrusionslinie (Sigl [6])
rialabzug nach der Drosselstelle, erfolgt eine Entspannung der Schmelze am Fasereinzugsmodul (Bild 4-153). Die mittels IR-Strahlung vorgewärmten Glasfaserstränge werden über einen Zylinderschluss der drucklosen Schmelze zugeführt. Durch Überschreiten der maximal erträglichen Biegespannung im Bereich scharfkantiger Schneckenstege werden die Endlosfasern zu Langfasern zerteilt. Nach dem Einziehen und Ablängen der Rovings werden die Stränge von der Schmelze benetzt. Die dabei entstehende Roh-Mischung aus Fasern und Matrix wird von tiefgeschnittenen Schneckenabschnitten weiter gefördert. Flachgeschnittene Schneckensequenzen bauen nachfolgend den zum Durchströmen der nachgeschalteten Scher- und Mischteile sowie den zur Überwindung des Düsenwiderstands erforderlichen Druck auf. Das Plastifikat wird über eine Breitschlitzdüse kontinuierlich ausgetragen und einem Pressprozess zugeführt. XRETM-Verfahren (XRE-process) Zur Fertigung von Frontendsystemen wurde durch die Firma Faurecia das sogenannte XRETM-Verfahren entwickelt. Gravimetrisch zudosierte Polymergranulate werden in einem gleichsinnig drehenden Doppelschneckenextruder aufgeschmolzen. In dasselbe Aggregat werden entweder geschnittene Glasfasern der Länge 12 mm gravimetrisch zudosiert oder Endlosrovings eingezogen. Die Fasereinarbeitung im Einmaschinenkonzept erfordert, wie bereits erläutert, einen
Kompromiss hinsichtlich resultierender Faserlängen und der Qualität der Faserdispergierung im Verbund. Der Materialaustrag erfolgt direkt in ein mobiles Einspitzaggregat am Extruderausgang. Das gefüllte Einspitzaggregat wird an das Presswerkzeug transferiert und das Material mittels Kolben in die Werkzeugkavität gedrückt. Unterdessen füllt der kontinuierlich arbeitende Extruder einen Pufferbehälter. Die mobile Einspritzeinheit fährt zurück an den Extruder und das im Puffer gespeicherte Material wird übergeben. Eine schematische Darstellung des Prozesses zeigt Bild 4-154. Vorteil dieses Verfahrens ist die Möglichkeit in das geschlossene Werkzeug zu injizieren. Diese Variante wird als XRITM-Verfahren bezeichnet. Fibropress Beim von der Firma Johnson Controls entwickelten Fibropress-Verfahren werden Schnittglasfasern der Länge 5 mm gravimetrisch in einen Einschneckenextruder zudosiert und mit pulverförmigen PP vermischt. Der ausgetragene Strang wird zur Bauteilmasse abgelängt, mittels Handhabungsroboter ins Presswerkzeug positioniert und durch Fließpressen zum Bauteil geformt. In-Line-Compoundieren im Spritzgießverfahren Neben den beschriebenen Verfahren, bei welchen die Formgebung des Faserverbundwerkstoffs im Pressverfahren erfolgt, bilden Direktverfahren nach dem Prinzip des Spritz-
334
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-154. Schematische Darstellung des XRETM-Verfahrens
gießverfahrens eine bedeutende Alternative. Sie bieten die Vorteile eines geschlossenen Spritzgießprozesses, welcher Bauteile komplexer Geometrie ohne Nachbearbeitungsschritte erzeugt. Die Faserlänge ist jedoch durch den Prozess begrenzt und die Zykluszeit ist je nach Bauteilgeometrie deutlich höher als bei den Pressverfahren. Bei den bekannten Verfahren handelt es sich um eine Kombination aus einem Compoundier- und einem Spritzgießprozess. Dabei wird auf eine Spritzgießmaschine ein gleichsinnig drehender Zweischneckenextruder als Compoundiereinheit aufgebaut. Derzeit sind zwei Systeme mit Serienreife erhältlich. Bild 4-155 zeigt die Variante des Herstellers Krauss-Maffei mit kontinuierlicher Compoundierung. Durch die kontinuierliche Compoundierung wird die Rezepturkonstanz zuverlässig sichergestellt. Der zyklische Spritzgießvorgang wird durch Pufferung des langfaserver-
stärkten Plastifikats in einem Kolbenspritzaggregat ausgeglichen. Durch die Entkopplung beider erforderlichen Prozessschritte erfolgt die Compoundierung unter gleichbleibenden verfahrenstechnischen Bedingungen und wird nicht durch den Zyklus der Spritzgießmaschine beeinflusst. Bei der zweiten Variante des Herstellers Coperion sind die Compoundierung und der diskontinuierliche Spritzgießvorgang in einem intermittierenden, diskontinuierlichen Prozess zusammengefasst. In einem Doppelschneckenextruder wird das Matrixmaterial sowie gravimetrisch dosierte Additive plastifiziert. Endlosglasfasern werden in die aufbereitete Schmelze eingezogen, von einer dicht ineinandergreifenden, gleichsinnig drehenden Doppelschnecke geschnitten und in das Matrixpolymer eingearbeitet. Das aufgeschmolzene faserverstärkte Polymer wird in eine Kolbenspritzeinheit
Bild 4-155. Schematische Darstellung des kontinuierlichen Spritzgießprozesses (Wobbe [7])
4.1 Urformen gefördert. Nachdem das vollständige Einspritzvolumen compoundiert ist, beendet der Extruder den Plastifiziervorgang und die Kolbendosiereinheit spritzt die Schmelze in das Werkzeug ein. Nach der für den Spritzgießprozess üblichen Nachdruckphase beginnt der nächste Plastifiziervorgang. Die Geschwindigkeit des Doppelschneckenextruders ist durch eine Steuerung mit dem gravimetrischen Dosiersystems gekoppelt. Zur Vertiefung von Kapitel 1.4.3.6 dient [8] bis [23].
Literatur – Kapitel 1.4.3.7 [1]
Tröster S Materialentwicklung und -charakterisierung für thermoplastische Faserverbundwerkstoffe im Direktverfahren, Stuttgart: Universität Stuttgart; Dissertation, 2003 [2] Henning F Verfahrensentwicklung für lang- und endlosfaserverstärkte thermoplastische Sandwich Bauteile mit geschlossenem Werkstoff-Kreislauf; Dissertation Universität Stuttgart 2001 [3] Neitzel M Breuer U Die Verarbeitungstechnik der Faser-Kunststoffverbunde. München: Carl Hanser Verlag, 1997 [4] Lücke A Langfaserverstärkte Thermoplaste. Vortrag, Langfaserverstärkte Thermoplaste im Automobil – Stand der Technik und zukünftige Perspektiven. Tagung, Würzburg 1999 [5] Voelker MJ Weber CD CPI In-Line Compounding Systems. ANTEC-Tagung, 6./10. Mai 2001 [6] Sigl KP Direkteinarbeitung von Glasfaserrovings auf einem Einschneckenextruder – Ein alternatives Konzept zur Herstellung von langfaserverstärkten Thermoplasten. Dissertation Universität Stuttgart, 2001 [7] Wobbe H Spritzgießen und Compoundieren kombiniert, die Einsparung lieg auf der Hand. Plastverarbeiter 2/2001 [8] Michaeli/Wegener: Einführung in die Technologie der Faserverbundwerkstoffe Carl Hanser Verlag München Wien 1990 [9] Murphy J: Reinforced Plastics Handbook, 2nd Edition. Elsevier Advanced Technology, 1998 [10] Hoecker F Grenzflächeneffekte in Hochleistungsfaserverbundwerkstoffen mit polymeren Matrices. Dissertation am Institut für Verbundwerkstoffe GmbH, Universität Kaiserslautern, VDI-Verlag 1996 [11] Sindermann K Langzeitverhalten eines SiC/Al2O3 Faserverbundwerkstoffs. Dissertation am Institut für Keramik im Maschinenbau der Universität Karlsruhe, 1999
335
[12] Schäfer J, Zürn M Forming Behaviour of Glass Reinforced Thermoplastics with Random Glass Fibre Reinforced Cores. [13] Schäfer J Werkstoffliche Wiederverwertung thermoplastischer Hochleistungsfaserverbundwerkstoffe in Sandwichhalbzeugen und als Spritzgießwerkstoffe. Dissertation am Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart, 1996 [14] Schäfer J, Zürn M Material Recycling with Advanced Thermoplastic Sandwich Composites. Proceedings, SPE ANTEC `96, Indianapolis [1996] p 3115–3119 [15] Scholl P Rechnerische Betrachtung der Biegesteifigkeit thermoplastischer FVW-Strukturen; Unveröffentlichte Studienarbeit am Fraunhofer ICT, Pfinztal [2000] [16] Krause U Automationsanlage zur Herstellung von Sandwich-Bauteilen Unterauftrag der Fa. PolymerChemie im Rahmen des BMBF-Vorhabens: „Rezyklateinsatz in hochwertigen thermoplastischen Sandwich-Strukturen“, Zeichnungsnummer 91 0238-02, Hamburg [2000] [17] Martin H Entwicklung einer automatisierten Nachführeinheit für Deckschichtgewebe. Unterauftrag der Fa. Polymer-Chemie im Rahmen des BMBF-Vorhabens: „Rezyklateinsatz in hochwertigen thermoplastischen Sandwich-Strukturen“, Zeichnungsnummer 91 0238-02, Hamburg [2000] [18] NN Think Compostive, http://www.ac-s.com, Webseite der Advanced Composite Systems GmbH [2000] [19] Wilks CE, Rudd C, Long A C Advanced Processing Technologies für Thermoplastic Composite Sheet Foaming, Report Department of Mechanical Engineering, University of Nottingham, Nottingham, UK [1999] [20] Sommer MM, Pässler M, Schledjewski R Sandwichkonstruktion für Sportschläger. Kunststoffe 94(2004)5 S 89–91 [21] Fleischhauer M, Schürmann H (2007) Maßgeschneiderte Matrixsysteme für FVK-Styrolpolymere. Kunststoffe 97(2007)4, S 116–119 [22] von Reyne M (Hrsg) (2006) Composite Solutions – Thermosets and thermoplastics. JEC Publ., Paris, 217 S [23] Musch G, Nägli Ch, Sprenger KH (2007) Roboterarme in Faserverbundtechnik – CFK. Kunststoffe 97(2007)4, S 62–66
Weiterführende Literatur Eimeke S, Schmachtenberg E (2007) Werkzeugauslegung am Nord- und Südpol – Kunststoffgebundene Dauermagneten mit multipolarer Magnetstruktur. Kunststoffe 97(2007)5, S 110–113
336
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
4.1.4
Verarbeitung von Thermoplastischen Elastomeren (TPE) [1]–[8] Helmut Schüle
Thermoplastische Elastomere (Bild 4-156) sind Werkstoffe, welche bei Zufuhr von Wärme thermoplastisch und somit fließfähig werden. Die elastischen Eigenschaften bei diesen Formmassen entstehen durch physikalische Vernetzungen (teil-)kristalliner Bereiche beim Abkühlen. Thermoplastische Elastomere sind aufgrund ihrer chemischen Struktur und des vorliegenden physikalischen Eigenschaftsprofil zwischen Thermoplasten und Elastomeren anzusiedeln [1–5]. Fließeigenschaften Thermoplastische Elastomere stellen Zwei- und Mehrphasensysteme aus einer thermoplastischen Hartphase und einer elastomeren Weichphase dar. Bei einer vorgegebenen Temperaturerhöhung wird durch das Aufschmelzen der Hartphase die Polymerformmasse fließfähig. Anzumerken ist, dass bei Blockpolymeren in aller Regel betragsmäßig kleinere Viskositätswerte bei niedrigen Schergeschwindigkeiten (rheologisches Verhalten vergleichbar mit herkömmlichen Thermoplasten) und eine geringere Strukturviskosität gegenüber Blends vorliegen. Bei Blends (Elastomerlegierungen) können in Ausnahmefällen (z. B. TPE-V-Typen) Viskositätswerte bis in Größenordnungen von gefüllten Kautschukformmassen vorliegen (Fließgrenze!). Thermoplastische Elastomere können prinzipiell mit allen konventionellen Urformverfahren (vorzugsweise Spritzgießen, Extrusion und Blasformen) verarbeitet werden.
Allgemeine Überlegungen zur Verarbeitung TPE sollen kühl und trocken gelagert werden. Lagertemperaturen über 40 °C sind zu vermeiden. Der Zeitraum für die beste Verarbeitbarkeit liegt innerhalb von ca. 6 Monaten nach Anlieferung. Um eine hochwertige Verarbeitung (blasen- und schlierenfreie, auch aufgeschäumte Bauteile) zu gewährleisten, ist in aller Regel eine Vortrocknung (Feuchtigkeitsgehalt < 0,05 %) mit handelsüblichen Trockenluftund Umlufttrocknern notwendig. (Anhaltswerte: Trocknungstemperaturen liegen je nach Härte zwischen 80 und 110 °C bei Trocknungszeiten von 1 bis 3 Stunden.) TPE-Fertigteile erreichen ihr maximales physikalisches Eigenschaftsniveau in aller Regel erst nach längerer Lagerung bei Raumtemperatur. Durch eine Wärmebehandlung in Umluft-Heizschränken kann dieser Zeitraum auf 24 h und weniger reduziert werden. (Anhaltswerte für TPU: Bei einer Härte = 92 Shore A eine Lagerungstemperatur von 80 bis 90 °C und für = 93 Shore A eine Lagerungstemperatur von 100 bis 110 °C). Der optimale Druckverformungsrest (DVR) wird nur durch Wärmelagerung erreicht! Zur Verbesserung des Verarbeitungs- bzw. des Anwendungsverhaltens von TPE-Formmassen ist grundsätzlich zu überprüfen, inwieweit z. B. Antiblockmittel, Trennhilfsmittel und UV-Stabilisatoren vorteilhaft eingesetzt werden können. Begriffserläuterung: Verblocken bedeutet, dass z. B. eine aus TPU extrudierte Flachfolie, welche aufgewickelt wurde, nach bereits wenigen Wochen als „Block“ vorliegt (intramolekulare Diffusionsvorgänge). Ein Ab- bzw. Umwickeln der „nur noch bedingt erkennbaren“, einzelnen Folienbahn ist nicht mehr möglich (Abhilfe: Trennmittel bzw. artfremde Zwischenfolie!).
Bild 4-156. Thermoplastische Elastomere – Übersicht [1]
4.1 Urformen Verarbeitung von Thermoplastischen Elastomeren auf Schneckenplastifiziereinheiten (Spritzgießen, Extrusion) Bei der Verarbeitung von Thermoplastischen Elastomeren sind bedingt durch den Plastifiziervorgang sehr hohe Drehmomente und entsprechend ausgelegte Schneckenantriebseinheiten erforderlich. Ein nicht ausreichendes Drehmoment führt zu Schwankungen der Schneckendrehzahl und somit zu ungleichmäßigem Aufschmelzen. Gut plastifizierte, homogene Schmelze erhält man mit eingängigen Dreizonenschnecken in den handelsüblichen Längen (Kompressionsverhältnis; Gangtiefe Einzugszone zu Meteringzone Faktor 3 bis 2). Ist eine hohe Plastifizierleistung (bzw. Durchsatzmenge) gewünscht, sind vorzugsweise längere Schnecken (L/D > 24) einzusetzen. Rheologisch optimierte Barriereschnecken sind ebenfalls geeignet. Bei der Extrusion können auch Nutbuchsenextruder eingesetzt werden. Entgasungsextruder sind nicht geeignet (Stagnationsgefahr im Bereich des Entgasungsdoms). Eine Temperierung der Schnecke ist für die Verarbeitung von TPE-Formmassen üblicherweise nicht erforderlich. Wegen der hohen Scherbeanspruchung haben sich Kurzkompressionsschnecken nicht bewährt. Da klassische TPE-Schmelzen weder korrosiv (chemischer Reaktionsverschleiß) noch abrasiv (Furchungsverschleiß) wirkend sind, können Standardverarbeitungsmaschinen (z. B. Nitrierstahl- bzw. Hartmetallausführung) eingesetzt werden. Bei der Spritzgießverarbeitung von vielen TPE-Formmassen anfallendes sauberes, sortenreines Rücklaufmaterial kann nach entsprechender Aufbereitung und Trocknung zur
337
Wiederverarbeitung eingesetzt werden (max. 30 % Regeneratanteil). Beim Extrudieren wird das Beimischen von Rezyklat bzw. das Vermischen verschiedener Chargen nicht empfohlen. Bei der Plastifizierung ist die Schneckendrehzahl so zu wählen, dass die kritische Schneckenumfangsgeschwindigkeit (v = 0,3 U/min) nicht überschritten wird (thermische Schädigung). Praxishinweis: Schneckendurchmesser D = 30 mm → Drehzahl n = 190 U/ min Schneckendurchmesser D = 150 mm → Drehzahl n = 40 U/ min Thermoplastische Elastomere neigen bei zu langen Verweilzeiten in Verarbeitungsmaschinen zu einer themischen Schädigung, verbunden mit einer nachteiligen Beeinträchtigung des Eigenschaftsprofils (Bild 4-157). Eine Mehrfachverarbeitung führt grundsätzlich zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Schädigung der Polymerformmasse (Bild 4-158). Mit zunehmender Verarbeitungstemperatur ist ein verstärkter Materialabbau (Viskositätsabfall) zu beobachten. Grundsätzlich soll die Masseschmelzetemperatur bei der Verarbeitung der einzelnen TPE-Formmassen von 230 °C (in Ausnahmefällen 250 °C) nicht überschritten werden.
Bild 4-157. Änderung der Reißfestigkeit bzw. der Reißdehnung in Abhängigkeit von der Verweilzeit der Schmelz im Zylinder am Beispiel Desmopan (TPU) [3]
338
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-158. Abhängigkeit der Reißfestigkeit und -dehnung von der Anzahl der Verspritzungen am Beispiel Desmopan (TPU) [3]
Verarbeitung im Spritzgießverfahren TPE-Formmassen bilden die Werkzeugwandungsoberfläche (Oberflächenrauigkeit von 0,5 bis 0,6 μm vorteilhaft, möglichst erodiert) sehr gut ab. Dies kann u. U. zu einer ausgeprägten Wandhaftung führen und muss bereits bei der Werkzeugkonstruktion berücksichtigt werden. Alternativ sind Trennmittel (ggfs. Aufsprühen) vorzusehen. Die Werkzeugtemperatur hat großen Einfluss auf die Oberflächengüte und das Entformungsverhalten, ebenso auf Schwindung und innere (eingefrorene) Spannungen im Fertigteil. Allgemein üblich sind Werkzeugtemperaturen von 20 bis 50 °C (u. a. auch nach Härtgrad zugeordnet). Niedrige Temperaturen ergeben matte, hohe Temperaturen glänzende Oberflächen. Die hohe Elastizität von TPE-Formmassen ermöglicht die Entformung von Hinterschnitten (herunterziehen, ausreichend elastisches Stoffverhalten vorausgesetzt) und Hohlkörpern (können durch Druckluft vom Kern abgeblasen werden). Schwindungswerte für die Auslegung der Formkontur festzulegen ist für thermoplastische Elastomere aufgrund der Gestalt der jeweiligen Spritzlinge, deren Wanddicke und die Verarbeitungsbedingungen nur bedingt möglich (Abschätzungswert: 0,5–1 % bei der Formenkonstruktion). Verfahrensvarianten beim Spritzgießen von TPE Verbundteile (Hart-Weich-Kombination) für z. B. Dichtund Dämpfungselemente bestehen aus mehreren Polymer-
formmassen und lassen sich grundsätzlich mittels Spritzgießen herstellen. Bedingt durch ein den Thermoplasten sehr nahe kommendes Verarbeitungsverhalten bieten sich TPEFormmassen in besonderem Maße für den Einsatz bei derartigen Mehrkomponentenbauteilen an. Grundsätzlich ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welche Verbundfestigkeit die einzelnen Weich-Hart-Verbindungen aufgrund der werkstofflichen Eigenschaften aufweisen (Bild 4-159). Die prinzipiell erreichbare Verbundfestigkeit für die Übertragung von Kräften (Zug, Scherung) ist jedoch auch in nicht zu unterschätzender Weise von der vorgegebenen Formteilgeometrie und insbesondere von der Verbindungsfläche abhängig (Bild 4-160). Aufgrund der meist vorliegenden leichten Verformbarkeit der TPEFormmassen ist grundsätzlich zu prüfen, inwieweit eine rein formschlüssige Verbindung überhaupt gewählt werden kann (ggfs. zusätzliche Verbindungselemente vorsehen). Die Herstellung von Hart-Weich-Bauteilen (Mehrkomponentenspritzgießen) im Spritzgießprozess erfolgt in praxi mit verschiedenen Werkzeugkonzepten. In Bild 4-161 ist dargestellt: A. das Drehtischverfahren, bei welchem der auf einem Werkzeugdorn aufgeschrumpfte Spritzling mit Hilfe eines Drehteils zur nächsten Einspritzstation weitertransportiert wird
4.1 Urformen
Bild 4-159. Verbundfestigkeit von ausgewählten Kunststoffpaarungen [6]
Bild 4-160. Prinzipielle Verbindungsmöglichkeiten bei einer Formmassenpaarung TPE/Thermoplast
339
340
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
B. das Umsetzverfahren, bei welchem der Spritzling in ein zweites Werkzeug eingelegt und schließlich angespritzt wird (z. B. Schraubenherstellung mit guter GriffHaptik) C. das Indexplattenverfahren, bei welchem der Vorspritzling in ein zweites, kern- und matrizenangepasstes Werkzeug einschließlich Indexplatte eingeführt wird. D. das Schieberverfahren, bei welchem ein zurückfahrender Einsatz (Absperrkern) für den zweiten Spritzvorgang die Kavität vergrößert. Da das Werkzeug nicht geöffnet werden muss, erfolgt die Anbindung bzw. Verschweißung der verschiedenen Polymermassen bei sehr hohen Massetemperaturen (günstige Schweißfestigkeitswerte). Das Coinjektionsverfahren (Sandwich- oder Mehrschichtspritzgießen) ermöglicht mehrschichtige Bauteile herzustellen (siehe Kap. Spritzgießen). Grundsätzlich ist festzuhalten, dass eine Verarbeitung von TPE-Formmassen mit allen gängigen Sonderverfahren (Prägen, Hinterspritzen, Gasinnendruckverfahren) möglich ist. Verarbeitung im Extrusionsverfahren TPE-Formmassen können unter Verwendung von Pinolenund Stegdornhalterwerkzeugen sowie Breitschlitzdüsen verarbeitet werden. Da die meisten TPE-Schmelzen beim Austritt aus der Düse geringe Formstabilität aufweisen, muss die Kühlungseinheit bzw. die Kalibrierung unmittelbar an die Düse herangeführt werden ohne die Temperaturführung am Düsenkopf zu beeinflussen. Zur Kühlung können Wasserbä-
der, Wassersprühdüsen, Luftduschen oder Kombinationen dieser Systeme angewendet werden. Die bei harten Thermoplasten üblichen Kalibrierungssysteme wie Ziehscheiben, fliegender Stopfen und Vakuumkalibrierung können nur angewendet werden, wenn sich zwischen Extrudat und Kalibrierfläche ein Gleitfilm aufbaut. TPE-Monoprofilanlagen (Bild 4-162) für die Herstellung von Profilen aus einem TPE-Granulat benötigen formmassenspezifisch ausgelegte Mischplastifizierschnecken. Zur Herstellung von geschäumten TPE-Halbzeugen wird mittels einer prozessoptimierten Einspritztechnologie das Treibmittel (chemisch, physikalisch; insbesondere aber Wasser) zugeführt. Mit TPE-Coextrusionsanlagen lassen sich beliebig mehrschichtig aufgebaute Halbzeuge (TPE kompakt/ TPE geschäumt; PP/TPE geschäumt) herstellen. Auch die Coextrusion von TPE/Stahlarmierung-Bauteilen ist möglich. Neuere Entwicklungen sind Gummi-Hybridanlagen. Dabei wird in einem Verarbeitungsschritt ein Zwei-Komponenten-Profil aus Gummi und einem TPE-Werkstoff hergestellt. Nach der Extrusion und Kalibrierung wird die Kautschukkomponente durch Vulkanisation in einem Mikrowellenkanal vemetzt. Vorteilhaft ist hierbei der Umstand, dass der Gummi einen geringen Druckverformungsrest aufweist und die günstigen Eigenschaften des TPE-Werkstoffs in die Bauteilfunktion miteinfließen. Die Flachfolienextrusion wird vorzugsweise bei Foliendicken größer als ca. 0,5 mm angewendet. Geeignet sind Chill-Roll-Verfahren oder Abzugskalander. Beim Kalander
Bild 4-161. Verschiedene Werkzeugkonzepte zur Herstellung von Hart-Weich-Bauteilen nach Netstal
4.1 Urformen
341
Bild 4-162. TPE-Monoprofilanlage für die Herstellung von geschäumten Profilen nach Berstorff [5]
ist der erste Walzenspalt so einzustellen, dass die Folienbahn beidseitig geglättet wird. Werden matte Oberflächen gewünscht, sind mattierte, PTFE-beschichtete oder mit Silicongummi belegte Walzen zu wählen. Die Walzentemperaturen sollten zwischen 5 und 40 °C liegen. Mit dem Blasfolienverfahren können Folien im Bereich von 0,02 bis ca. 1 mm Dicke gefertigt werden. Die Zugabe von Funktionskonzentraten (z. B. Antiblockmittel) erleichtert die Weiterverarbeitung. Durch Coextrusion von TPE-Formmassen mit harten Thermoplasten wird das Eigenschafts- und Anwendungsspektrum der daraus hergestellten Artikel erweitert (verbessert die Kratzfestigkeit von Oberflächen, erzeugt eine angenehme Haptik und dämpft Geräusche). Die Herstellung von geblasenen Hohlkörpern ist mit speziell entwickelten TPUTypen nach bekannten Techniken möglich (Faltenbälge).
Literatur zu Kapitel 4.1.4 [1] Osen E, Sckuhr M (1999) Thermoplastische Elastomere. Kunststoffe 89(1999)10 [2] N.N. (2007) Firmenbroschüre Fa. Kraiburg TPE, Internetdownload
[3] N.N. (2007) Desmopan TPU Verarbeitung und Bearbeitung. Fa. Bayer, Internetdownload [4] N.N. (2007) Firmenbroschüre Santoprene. Internetdownload [5] N.N. (2007) TPE-Profilanlage. Firmenbroschüre Fa. Berstorff, Internetdownload [6] Röthemeyer F, Sommer F (2001) Kautschuktechnologie. Hanser Verlag, München [7] Firmenschrift der Gummiwerke Kraiburg GmbH&Co, Waldkraiburg Thermoplast K 3/97 [8] Steinbichler G (1998) Verfahrensvarianten der Spritzgießtechnik erweitern den Anwendungsbereich für TPE. VDI-K Jahrbuch 1998
4.1.5
Verarbeitung von Elastomeren (gekürzt nach H. Bille [4])
Bei der Gummiverarbeitung finden viele Stoffe Verwendung. Dem Kautschuk werden Füllstoffe, Weichmacher und Verarbeitungshilfen beigemischt. Je nach geforderter Spezifikation des Gummis ist eine Vielzahl unterschiedlicher Chemikalien bei einem modernen Industrieunternehmen im Einsatz (Bild 4-163).
342
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Die Bestandteile der Kautschukmischung (Bild 4-163) können in unterschiedlichen Lieferformen vorliegen: – als Feststoff in Form von Ballen, Krümeln, Granulaten, Chips, Pulver – als Paste oder Flüssigkeit. Die Elastomerverarbeitung umfasst die drei (wesentlichen) Verfahrensschritte – Wiegen und Mischen – Formgebung (Rohlingsverarbeitung) und – Vernetzung (Vulkanisation). Bild 4-164 zeigt den detaillierten Ablauf am Beispiel Radialwellendichtringherstellung.
Bild 4-163. Aufbau einer Kautschukmischung [1]
4.1.5.1
Wiegen und Mischen
Die Mischungsherstellung erfolgt batchweise; alle Zuschlagsstoffe (Bild 4-163) werden vor dem Mischvorgang abgewogen bereitgestellt oder während des Mischprozesses automatisch zudosiert.
Bild 4-164. Gummiverarbeitung [2]
4.1 Urformen
343
Tabelle 4-13 Rezeptur und Mischvorschrift für eine LKW Laufflächenmischung [3] Mischungskomponenten
Rezeptur Kautschukprozente %
Mischungsprozente %
Naturkautschuk (RSS 3) Ruß N 220 Weichmacher (Mineralöl) Alterungsschutz IPPD Alterungsschutz TMQ Lichtschutzwachs Stearinsäure Zinkoxid Beschleuniger MBS Schwefel Endwerte
100 50 3 1 1 1,5 3 3 1,5 1,5 165,5
60,432 30,212 1,813 0,604 0,604 0,906 1,813 1,813 0,906 0,906 100
Bild 4-165. Kneterbauarten [4]
– kontinuierliche Verfahren in Mischextrudern unterteilen. Tabelle 4-13 zeigt am Beispiel einer LKW-Laufflächenmischung eine Rezepturzusammenstellung auf. Mischungsherstellung – Vormischen nur für extrem hohe Füllgrade und/oder das Verschneiden bedingt verträglicher Polymere – Mastifizieren wird bei Naturkautschukhaltigen (NR) Mischungen häufig dem Grundmischen vorgeschaltet – Grundmischen Hier wird durch das Einarbeiten der Hauptkomponenten eine Wechselwirkung mit den Polymeren erzeugt. Dies gilt besonders für verstärkende Zusatzstoffe. Das Grundmischen ist ein dispersiver Mischvorgang. – Nachzwicken Bei hochgefüllten sehr harten/zähen Mischungen (insbesondere für Reifen) werden durch einen oder mehrere zusätzliche Arbeitsgänge nach dem Grundmischen (Nachzwicken) die Viskosität und Elastizität für die Weiterverarbeitung erniedrigt. – Fertigmischen In die hochviskose Grundmischung werden die verformungs- und fließfähigen Vernetzungschemikalien laminar eingemischt. Das distributive Mischen muss dem laminaren Mischen überlagert werden. Die zur Mischungsherstellung in einem kautschukverarbeitenden Betrieb eingesetzten Mischverfahren lassen sich in – diskontinuierliche, batchweise arbeitende Verfahren in Innenmischern (Kneter) und auf Walzwerken sowie in
Innenmischer (Kneter) In einer temperierten Kneterkammer, Bild 4-165 werden die Zuschlagstoffe mit Hilfe des Stempels in den Arbeitsbereich der Knetschaufeln gepresst und vermischt. Zur Zerteilung der Füllstoffe und zum Aufschließen mit dem hochviskosen Kautschuk werden hohe Scherkräfte und daher große Antriebsleistungen benötigt. Durch die intensive Knetarbeit wird Wärme erzeugt, die durch die Manteltemperierung abgeführt werden muss. Vorteile der Mischungsherstellung im Innenmischer (Kneter), Bild 4-166, sind: – kurze Mischzyklen (2 bis 6 min) durch intensive Erfassung und Bearbeitung des Materials – wegen der geschlossenen Kammer geringe Staub- und Dampfbelastung der Umgebung. Walzwerk Obwohl Mischungsherstellung auch allein auf Walzwerken möglich ist, arbeitet man in der Regel zweistufig: Zunächst wird im Kneter mit hohem Energieeintrag in kurzer Zeit die Grundmischung ohne Vernetzungschemikalien hergestellt. Hierbei wird ein starker Temperaturanstieg in Kauf genommen. Anschließend wird die Mischung auf einem Walzwerk fertig gemischt: Zunächst wird die heiße Mischung auf den relativ großflächigen Walzen abgekühlt und schließlich die Vernetzungschemikalien zugegeben. Zur Erzeugung einer homogenen Mischung kann mit einem so genannten Stockblender, Bild 4-167, das Mischungsfell kontinuierlich von der Walze abgenommen, zusammengerafft und oszillierend wieder auf den Walzenspalt aufgegeben werden.
344
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-166. Schematische Ansicht eines Innenmischers [4]
Bild 4-167. Walzwerk mit Stockblender [3]
Die Handhabung von Mischungsansätzen auf Walzwerken wird oberhalb von Batchmassen von 60 kg zunehmend schwieriger, so dass dann andere Techniken angewandt werden müssen, z. B. Stopfextruder. Mischextruder Hohe Investitionskosten für große Innenmischerlinien zur Mischungsherstellung aus kompakten Kautschukballen
führten zum Einsatz pulver- und krümelförmiger Polymere in Mischextrudern. Zwei Systeme werden bevorzugt in der Praxis eingesetzt: – MVX-Anlagen (M-Mixing, V-Venting, X-Extruding) von Fa. Farrel und – Doppelschneckenextruder (z. B. Leistriz, Coperion W&P). Vertiefungen siehe Röthemeyer/Sommer [3].
4.1 Urformen Halbzeug (Rohlings)herstellung Die fertige Mischung muss zur Abkühlung und zur weiteren Handhabung zerteilt, abgekühlt und zwischengelagert werden. Hierbei kann z. B. durch Extrusion eine spezielle Formgebung (Rohling) erfolgen.
4.1.5.2
Formgebung (Rohlingsverarbeitung) und Vernetzung ( Vulkanisation)
Vor der Vulkanisation muss die Kautschukmischung in die gewünschte Form gebracht werden. Die Formen sind in der Regel beheizt, um im gleichen Schritt die Vulkanisation durchzuführen. Hierbei gibt es eine Vielfalt von Methoden, u. a.: – Pressverfahren (Kompressionsverfahren) Der mit Volumenüberschuss hergestellte Rohling wird in eine Form mit Klappdeckel eingelegt und zwischen zwei Heizplatten verpresst. – Transferpressverfahren Die Mischung wird in einer oberen Kammer des Presswerkzeuges wie durch einen Presskolben durch ein Angusssystem in den unteren Teil des Werkzeuges (Kavität) transferiert. – Spritzgießverfahren Die Mischung wird durch einen Kolben in eine auf Vulkanisationstemperatur beheizte Form eingespritzt. Die Form muss dann bis zur Erreichung des gewünschten Vulkanisationsgrades geschlossen gehalten werden. Um die Maschinen optimal auszunutzen, werden hierbei extrem schnelle Vulkanisationssysteme eingesetzt. – Kontinuierliche Vulkanisation Ein Extruder erzeugt einen Profilstrang, der mit einem Förderband durch einen Temperierkanal geführt wird. Zur schnellen Aufheizung kann die Mikrowellenerwärmung, ein Heißluftkanal, Dampfkanal oder Salzschmelzebad eingesetzt werden. Nach der erforderlichen Haltezeit wird der Strang in der Regel durch ein Wasserbad abgekühlt und aufgewickelt oder abgelängt. Neben den drei genannten Verfahrensgruppen für die Herstellung von Elastomerformteilen, Bild 4-168, seien weitere Herstellungsarten wenigstens aufgezählt. Sie können bei Röthemeyer/Sommer [3] vertieft werden. – Verfahren zur Herstellung von Gummilösungen – Kalandrieren von Bahnen und gummierten Geweben – Verfahren zur Herstellung von Gummihalbzeugen durch Streichen – Verfahren zur Herstellung von Gummi-Verbundkörpern wie Festigkeitsträger (Garne, Cord, Fasern, Fäden) und Gummi-Metall-Verbunde
345
Bild 4-168 [3] gibt eine Übersicht und Grobbewertung der verschiedenen Verfahren zur Herstellung von Elastomerformteilen.
4.1.5.2.1
Pressverfahren (Kompressionsverfahren) (CM Compression Molding)
Beim Pressverfahren (CM) werden durch Extrusion mit anschließendem Stanzen oder Zerschneiden aus der unvulkanisierten Kautschukmischung Rohlinge hergestellt. Diese werden in die Kavitäten des auf Vulkanisationstemperatur beheizten Werkzeugs eingelegt und unter Anwendung von Druck und Wärme in die gewünschte Formteilgeometrie ausgeformt. Nach der Formgebung setzt mehr oder weniger schnell die Vulkanisation ein, Bild 4-169. Der Fließprozess setzt sich nach vollständigem Schließen des Werkzeugs fort, da das spezifische Volumen der Mischung durch Erwärmen ansteigt und dadurch ein Druckausgleich herbeigeführt wird. Im pνT-Diagramm einer Kautschukmischung ist dieser Vorgang darstellbar [3]. Spritzprägeverfahren Mittels einer Spritzgießmaschine, deren Schließeinheit als Presse genutzt wird und deren Einspritzeinheit die Vorplastifizierung übernimmt, lassen sich durch wesentlich genauere Dosierung der vorplastifizierten Mischung geringere Formteiltoleranzen einhalten. Beim Spritzprägen wird die dosierte, vorplastifizierte Masse ins geöffnete Tauchkanten-Werkzeug eingespritzt. Durch Zufahren des Werkzeuges füllt die fließende Masse die Formnester. Für das Spritzprägen eignen sich vor allem „flächige“ Präzisionsteile wie Flachdichtungen, Membranen, flache Warenträge.
4.1.5.2.2
Transferpressen ( TM Transfer Molding)
Ein Transfer-Presswerkzeug ist dreiteilig, Bild 4-170. Der Rohling wird zwischen die beheizten Ober- und Mittelteile gelegt. Beim Schließen des Werkzeuges fließt die Kautschukmischung durch die Einspritzkanäle in die im Unterteil befindlichen Formnester. Nach der Vulkanisation öffnet die Presse das Werkzeug, die Formnester werden entleert, der Restkuchen im Oberteil und in den Einspritzzylindern ist Abfall. Hält man jedoch die Werkzeugoberplatte und den oberen Teil des Mittelstückes auf Temperaturen deutlich unter dem Vernetzungsbeginn, lässt sich der Restkuchen beim nachfolgenden Zyklus mitverarbeiten (Transferpressen mit Kaltkanal).
4.1.5.2.3
Transferspritzpressen
Eine Weiterentwicklung des Transferpressverfahrens besteht darin, die Kautschukmischung in einem fest mit der Presse
346
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-168. Verfahren zur Herstellung von Elastomerformteilen (nach Röthemeyer und Sommer [3]) neutrale Aussage; + Hauptvorteile; - Hauptnachteile
4.1 Urformen
347
Bild 4-169. Prinzipdarstellung des Pressverfahrens. a Rohling, b Werkzeug, c Heizplatten, d Austriebsnut
Bild 4-170. Transferpressverfahren. a Rohling, b Werkzeug, c Heizplatten, d Austriebsnut
verbundenen Schneckenextruder zu plastifizieren, aufzuwärmen und in den Transferzylinder einzuspritzen. Durch Zufahren der Schließeinheit werden dann die Formnester wie beim normalen TM gefüllt, Bild 4-171 [3]. Auch hierbei ist die projizierte Artikelfläche stets größer als die Kolbenfläche des Transferzylinders, so dass ein druckbedingtes Überspritzen der Formnester nicht möglich ist [3].
ckendrehzahl, Einspritzgeschwindigkeit, Zylinder-, Düsen-, Werkzeugtemperatur, Schließkraft, Auftreibkraft, Zuhaltekraft, Restschließkraft, Einspritzweg, Nachdruckweg, Resthub, Dosierweg) sind – verfahrensbedingt – unterschiedlich. Gänzlich anders sind die benötigte Vulkanisationszeit und das Beheizen des Werkzeuges während des Ablaufs der Vernetzungsreaktion. Der Einspritztemperatur kommt beim Spritzgießen von Elastomeren insbesondere bei dickwandigen Teilen eine hohe Bedeutung für die Zykluszeit zu. Dabei gilt die Faustformel
4.1.5.2.4
Spritzgießverfahren
Das Spritzgießverfahren bietet gegenüber dem Press- und auch dem Transferpressverfahren deutlich kürzere Vulkanisations- und Zykluszeiten sowie eine bessere Automatisierung. Die Werkzeugkosten sind dagegen so hoch, dass nur größere Serien in Frage kommen. Bild 4-172 [3] zeigt das Prinzip des Spritzgießverfahrens für Elastomere, dass dem des Spritzgießens von Thermoplasten grundsätzlich identisch ist. Lediglich die Prozessparameter (Einspritzzeit, Nachdruckzeit, Plastifizierzeit, Zykluszeit, Einspritzdruck, Nachdruck, Standdruck, Schne-
Bild 4-171. Transferspritzpressverfahren [3]
ΔT = 4 bis 5 K pro 100 bar. Die Temperaturerhöhung ΔT erhöht sich je 100 bar Einspritzdruck um 4 bis 5 Kelvin. Bei 1000 bar stellt sich somit eine Temperaturerhöhung von ca. 45 K ein. Bild 4-173 [3] zeigt den enormen Einfluss der Einspritztemperatur auf die Zykluszeit beim Pressen, Transferpressen und Spritzgießen von 12 mm dicken Scheiben.
348
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-172. Prinzip des Spritzverfahrens mit dem Schneckenkolbenprinzip [3]. a Werkzeugträgerplatten, b Heizplatten, c Werkzeugplatten, d Formnest, e Angusskanal, f variables Volumen für plastifizierte Mischung, g Zylinder, h Schnecke
Ausführliche Vertiefungen bieten Röthemeyer und Sommer [3].
4.1.5.2.5
Vulkanisation beim Extrudieren von Elastomeren
Helmut Schüle Zur Herstellung von Gummiprofilen und Schläuchen werden verschiedene Extrusionsstrategien verfolgt. Salzbad-Vulkanisationsanlagen Diese Anlage ist modular aufgebaut und besteht aus einem Einlaufband, einer Salzberieselung (Sprühstrecke), Tauchrollenstrecke, Rüttelstation (Abklopfvorrichtung) und Heißluftabblasung. Bei Abzugsgeschwindigkeiten bis zu 60 m/ min werden Profile und Schläuche mit ausgezeichneter Oberflächenqualität hergestellt. Eine nachhaltige Vorreinigung des aus dem Salzbad austretenden Halbzeugs führt zu einem geringen Salzaustrag. Diese Salzreste werden schließlich in einer nachgeschalteten Intensiv-Waschstrecke vom Profil vollständig abgespült. Die dabei anfallende konzent-
rierte Salzlösung wird mit einer zugeschalteten Salzrückgewinnung aufbereitet, verdampft und im geschlossenen Kreislauf als Schmelze in die Salzwanne und somit in den Produktionsprozess vollständig zurückgeführt. Bedingt durch den sich im Profil eingestellten Vernetzungsgrad sind weitergehende Nachfolgeeinheiten aus werkstofflicher Sicht nicht mehr notwendig. Anlagen zur Heißluft-Vulkanisation Die Heißluft-Vulkanisation ist mit das älteste Verfahren der kontinuierlichen Vulkanisation. Innerhalb der Heißluftanlage werden Schläuche und Dichtungsprofile aus kompakten, meist schwefelvernetzbaren Kautschukmischungen mit und ohne Metallgerüstband in einen – je nach Vernetzung – mehr oder wenig elastischen Gummi chemisch umgewandelt. Eine peroxidische Vernetzung ist bei dieser Technologie nicht möglich. Bei diesem Verfahren werden insbesondere poröse Formteile mit geringer spezifischen Dichte und glatter Oberfläche verarbeitet. Bedingt durch den mäßigen Wärmeübergang von der Heißluft (erzwungene Konvektion) auf das
4.1 Urformen
349
Bild 4-173. Temperatur- und Reaktionswertverlauf (Prinzipdarstellung mit Produkt ∅ 50x12) beim CM, TM, IM. a Pressverfahren (CM), b Transferpressverfahren ™, c Spritzgießverfahren (IM) [3]
Halbzeug sind Temperaturen bis zu 300 °C erforderlich. Auch führt diese Art der Wärmeübertragung und den daraus resultierenden Verweilzeiten in einem Heißluftkanal zu sehr langen und teuren Produktionslinien. Ultrahochfrequenzanlagen (UHF-Anlagen) Deutlich größere wirtschaftliche Bedeutung haben Ultrahochfrequenzanlagen. Bei dieser Verfahrenstechnik wird die Energieeinbringung in die zu vernetzenden Halbzeuge durch Einwirkung mittels ultrahochfrequenter Strahlung vorgenommen. Je polarer dabei der Kautschuk oder die Mischungsbestandteile sind, desto schneller erfolgt die Erwärmung der Kautschukmischung im UHF-Feld. Bei guter Mikrowelleneignung können hierbei Mikrowellen-Wirkungsgrade von ca. 60–80 % erreicht werden. Die Anlagen sind für Mikrowellenleistungen bis zu 6 KW vorgesehen. Da die eindringenden Hochfrequenzstrahlen zeitgleich das gesamte Formteil durch „innere Reibung“ erhitzen und so zu einer einheitlichen Vulkanisationstemperatur im Halbzeug führen, werden insbesondere großvolumigen Profile sicher und qualitativ hochwertig verarbeitet. Anlagen zur Infrarot-Vulkanisation Infrarot-Vulkanisationsanlagen, ausgestattet mit Hochleistungs-Infrarotsstrahlern, kommen vorzugsweise bei Halbzeugen auf Silikonbasis zur Anwendung. Auch hier dringt
die Strahlung uneingeschränkt in das Halbzeug ein. Vorteile sind eine schnell ablaufende Vulkanisation, günstige Verhältnisse hinsichtlich Formstabilität und Qualität sowie eine hohe Produktivität. Auch kommen bei Vulkanisieranlagen zwischen der Extrudereinheit und der eigentlichen Vulkanisationsanlage ein sogenannter Schockkanal zum Einsatz. Diese zwischengeschalteten Kanalsysteme sind mit leistungsstarken Strahlern (Temperaturen bis zu 2000 °C) ausgestattet und führen zu einer „schockartigen“ Anvulkanisation (Vorvulkanisation) der durchlaufenden Profile und Schläuche. Dabei stellt sich eine Anvulkanisation (Vorvulkanisation) von Profilen und Schläuchen ein. Neben einer Profilverfestigung und einer verbesserten Formstabilität ergibt sich eine verbesserte Oberflächenqualität.
4.1.5.3
Verarbeitung von Elastomeren am Beispiel Reifen
Andreas Rohr 4.1.5.3.1
Allgemeines zum Reifen
Im Gegensatz zum Rad wird beim Reifen hinsichtlich Herstellungsverfahren und Werkstoffe kaum unterschieden. Vielmehr sind die hauptsächlichen Unterscheidungsmerkmale beim Reifen der jeweilige Einsatzzweck (Sommer- und Winterreifen), der Reifentyp bzw. -bauart (Diagonalreifen
350
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
und Radial- oder Gürtelreifen) und das Lastkollektiv je nach Fahrzeugart und -motorisierung (u. a. Load-Index, SpeedIndex, Luftdruck). Die wesentlichen Unterschiede bei Sommer- zu Winterreifen sind die Profilierung der Lauffläche sowie die Gummimischung. Sommerreifen besitzen eine Gummimischung, welche auch bei hohen Temperaturen kaum weich wird und somit eine hohe Geschwindigkeit zulässt. Winterreifen sind mit einer kälteresistenten Gummimischung und zusätzlichen Lamellen ausgestattet, wodurch eine bessere Haftung auf losem Untergrund, z. B. Schnee, realisiert werden kann. Diese Lamellen sind kleine Einschnitte, welche sich beim Abrollen öffnen und somit zusätzlich für Traktion sorgen [5]. Der Diagonalreifen wurde in der Frühzeit des Automobils produziert und verbaut. 1946 erhält Michelin das Patent für den Radial- oder Stahlgürtelreifen, was eine revolutionäre Entwicklung war. Dieser Radialreifen verdrängte den Diago-
nalreifen aus der heutigen Serienfertigung. Diagonalreifen werden lediglich bei Oldtimern, älteren Motorrädern und teilweise noch im Offroad-Bereich eingesetzt. Auch im Rennsport werden viele Diagonalreifen verbaut, allerdings sind diese nicht mit dem damaligen Diagonalreifen zu vergleichen [5]. Die Vorteile des Radialreifens liegen vor allem in der wesentlich größeren Laufleistung und des geringeren Rollwiderstandes auf Grund gleichmäßiger Druckverteilung und geringerer Relativbewegungen in der Aufstandsfläche, auch Latsch genannt. Weitere Vorteile sind die höhere Tragfähigkeit bei geringerem Gewicht, bessere AquaplaningEigenschaften, besseres Nassbremsverhalten und eine höhere übertragbare Seitenkraft. Im folgenden Bild 4-174 ist der Unterschied in der Aufstandsfläche eines frei rollenden Diagonalreifens gegenüber einem Radialreifen bei 60 km/h Fahrgeschwindigkeit zu sehen. Es ist gut zu erkennen, dass
Bild 4-174. Druckverteilung eines Radial- (oben) und eines Diagonalreifens (unten) [6]
4.1 Urformen der Radialreifen eine wesentlich gleichmäßigere Druckverteilung und somit eine bessere Anbindung an die Fahrbahn aufweisen kann [6]. Zum besseren Verständnis des Radialreifenaufbaus folgt nun ein kurzer Exkurs über den allgemeinen Reifenaufbau mit seinen unterschiedlichen Materialschichten. In Bild 4-175 ist ein in aufgesplitterter Form dargestellter Reifen zu erkennen. Eine weitere Beschreibung der wichtigsten Reifenkomponenten wird im folgenden Absatz über den Vergleich der einzelnen Cordlagen bei einem Diagonal- und einem Radialreifen abgehandelt. In Bild 4-176 sind die unterschiedlichen Richtungen der Cordfäden bei einem Diagonal- und einem Radialreifen zu erkennen. Die Fadenwinkel der einzelnen Cordlagen eines Diagonalreifens bestimmen u. a. die Eigenschaften eines Reifens. Ein stumpfer oder großer Fadenwinkel erhöht den Fahrkomfort, verringert aber die Seitenstabilität. Ein spitzer Fadenwinkel erhöht die Fahrstabilität zu Lasten des Fahrkomforts [7]. Beim Radialreifen unterscheidet man den Aufbau in Laufband und Karkasse. Das Laufband besteht aus einem
Bild 4-175. Reifenquerschnitt mit einzelnen Materialschichten
351
Laufstreifen, Spulbandagen und Stahlcord-Gürtellagen. Der Laufstreifen dient der guten Straßenhaftung und Wasserverdrängung. Die Spulbandagen ermöglichen hohe Geschwindigkeiten. Die Stahlcord-Gürtellagen ermöglichen das Aufbringen von ausreichenden Querkräften bei Kurvenfahrt sowie Umfangskräfte beim Beschleunigen. Diese Kräfte sind von der Karkasse auf Grund ihrer 90° Cordfadenwinkel zur Laufrichtung nicht aufzubringen, weshalb Stahlcord-Gürtelfäden (verlaufen unter einem spitzen Winkel) notwendig sind. In Bild 4-177 ist eine beispielhafte Stahlcordkonstruktionen zu sehen. Die Karkasse besteht aus einer Textilcordeinlage, Innenschicht, Seitenstreifen, Kernprofil, Stahlkern und einem Wulstverstärker. Die Textilcordeinlage hat die Aufgabe, den Reifen auch bei hohem Innendruck in Form zu halten. Die Innenschicht hält den Reifen luftdicht verschlossen. Der Seitenstreifen verstärkt die Seitenflanke und schützt den Reifen vor seitlicher Beschädigung. Das Kernprofil begünstigt die Fahrstabilität sowie das Lenk- und Komfortverhalten des gesamten Fahrzeuges. Der Stahlkern sorgt hierbei für festen Sitz auf dem Rad. Der Wulstverstärker unterstützt die Fahrstabilität und begünstigt ein präzises Lenkverhalten.
352
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-176. Cordlagen eines Diagonal- (links) und eines Radialreifens (rechts) [7]
Bild 4-177. Stahlcordkonstruktion [6]
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal bei Reifen ist die bereits erwähnte Belastung des Reifens je nach Fahrzeugart und -motorisierung. Eines dieser Merkmale ist der SpeedIndex, welcher in Form von Kennbuchstaben auf dem Reifen zu finden ist. Jeder Kennbuchstabe gibt die entsprechend zugelassene Höchstgeschwindigkeit des jeweiligen Reifens an. Ein weiteres Merkmal ist der so genannte Load-Index (LI). Dieser Index gibt an, welche maximale Tragfähigkeit
ein Einzelreifen besitzt. Die Tragfähigkeits-Kennzahl ist ebenfalls auf der Seitenwand des Reifens zu finden. Der Speed- und Load-Index bilden zusammen die Betriebskennung eines PKW-Reifens. Diese ist Bestandteil der vollständigen, genormten Dimensionsbezeichnung, welche auf jedem Reifen zu finden ist. Im Gegensatz zum Speed- und Load-Index ist die Angabe des Luftdrucks nicht auf dem Reifen zu finden. Je nach Betriebsbedingung des Fahrzeuges (Belastung, Geschwindigkeit) muss ein optimaler Reifenfülldruck eingestellt werden. Bei zu geringem Fülldruck kann eine übermäßige Erwärmung in der Walkzone des Reifens entstehen und eine Beschädigung der Bereifung zur Folge haben. Welcher Luftdruck eingestellt werden muss, ist anhand einer entsprechenden Luftdruckplakette zu erkennen. Diese ist entweder in der Tankklappe oder am Türschweller der Fahrertüre zu finden. Die gesamten Daten über die einzelnen Räder- und Reifenkombinationen, Luftventile, Belastungen und Luftdrücke werden von der Organisation ETRTO kommuniziert, organisiert und dokumentiert. Die European Tire and Rim Technical Organisation (ETRTO) fördert die Angleichung nationaler Normen von Reifen, Räder und Ventilen in Europa hinsichtlich Montage, Anwendung und Austauschbarkeit. Des Weiteren werden Abmessungen, Last- und Luftdruckzuordnungen sowie Anwendungsleitlinien festgelegt. Auch der ungehinderte Austausch von technischen Informationen bezüglich Reifen, Räder und Ventilen wird gefördert [5].
4.1 Urformen
4.1.5.3.2
Die verschiedenen Werkstoffkomponenten und deren Funktionen
Allgemein soll noch erwähnt werden, welche Grundmaterialien laut Continental zur Herstellung eines Reifens verwendet werden. – Natur- und Synthesekautschuk (41%) – Füllstoffe wie Ruß, Silicia, Kohlenstoff, Kreide (30%) – Festigkeitsträger wie Stahl, Rayon, Nylon (15%) – Weichmacher wie Öle und Harze (6%) – Chemikalien für • Vulkanisation wie Schwefel, Zinkoxid, Stearinsäure (6%) und • als Alterungsschutzmittel gegen Ozoneinwirkung und Materialermüdung (1%) – Sonstige (1%)
Der SBR mit seiner kugelförmigen Molekularstruktur wird durch radikalische Polymerisation hergestellt. Die Emulsionspolymerisation oder Kaltpolymerisation wird bei 5 °C durchgeführt. Nach der Polymerisation wird der SBR durch Vulkanisation vernetzt und es entsteht eine elastische Masse. Weiterhin wird der Synthesekautschuk Polybutadien (BR) verwendet. Dieser setzt sich wie folgt zusammen:
Polybutadien-Kautschuk wird mittels der Lösungspolymerisation aus 1,3 Butadien hergestellt. Dieser besitzt auch ohne Füllstoffe eine sehr gute Elastizität und wird zur besseren Verarbeitung mit SBR und/oder Naturkautschuk versetzt [8].
353
Polymer (Synthese- und Naturkautschuk) Die chemische Zusammensetzung des Naturkautschuks ist wie folgt:
[
]
–– CH2 –– CH2 –– C = CH –– | x CH3 Der Naturkautschuk, welcher aus dem südamerikanischen Baum Hevea brasiliensis gewonnen wird, enthält meist mehr Doppelbindungen als Synthesekautschuk, weshalb die Vulkanisationsgeschwindigkeit bei Naturkautschuken wesentlich höher ist. Die Inhaltsstoffe wie Proteine, Amine und Harze wirken als Stabilisatoren und Vulkanisationsbeschleuniger, welche bei Synthesekautschuk erst hinzugefügt werden müssen. Der Aufbau der Moleküle des Naturkautschuks ist meist linear und kaum quervernetzt. Einer der hauptsächlich verwendeten Synthesekautschuke in der Reifenindustrie ist der Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR). Dieser besteht üblicherweise aus 23,5 % Styrol und 76,5 % Butadien. Die chemische Zusammensetzung ist wie folgt:
Ruß und Silika In der Reifenindustrie werden bis zu 10 verschiedene Ruße verwendet. Die Herstellung erfolgt nach dem Furnace-Prinzip. Bei diesem Prinzip wird in Heißgas Rußrohstoffe (RußÖle) eingesprüht. Dabei kommt es zur unvollkommenen Verbrennung und Spaltung (Pyrolyse) des Rußrohstoffs und Ruß entsteht. Beispielsweise wird in der Reifenindustrie für den Laufstreifen der Füllstoffruß lntermediate S.A.F. (Abkürzung: ISAF, amerikanischer ASTM-Norm-Code: N220) verwendet. Der Einsatz von Silica (Kieselsäure) stabilisiert das Netz der Verbindungen zwischen den einzelnen Stoffen der Gummimischung. Im Vergleich zur herkömmlichen Struktur mit zwei Knoten (Schwefel und Kohlenstoff) erhöht die Dreiknoten-Struktur (Schwefel, Kohlenstoff, und Silikat) die Festigkeit des Materials. Dadurch wird eine höhere Reißfestigkeit bewirkt, der Abrieb gesenkt und die Laufleistung gesteigert. Auch haftet der Reifen besser auf der Fahrbahn, da die Mischung wegen der höheren Festigkeit weicher ausgelegt werden kann. Nachteilig wirkt sich bei der Verwendung von Silica die nichtleitende Eigenschaft des Materials aus. Die elektrische Energie muss somit mit anderen Mitteln abgeleitet werden [9].
354
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Weichmacher Um die Flexibilität des Materials während des Herstellungsprozesses und im späteren Einsatz zu erhalten, werden Weichmacher wie Harze und Mineralöle hinzugesetzt. Es werden parafinische, naphthenische und aromatische Prozessöle sowie Bitumen und Cumaron-Inden-Harze verwendet. Diese lagern sich in den Zwischenräumen der Polymerketten ab und bewirken ein erleichtertes Aneinandervorbeigleiten der Ketten innerhalb des Netzwerkes.
Weitere Materialien Neben den detailliert beschriebenen Materialien und Werkstoffen werden des Weiteren Vulkanisationsaktivatoren wie Zink, Stearinsäure und Sulfonamid (Beschleuniger) verwendet und sorgen für die Vernetzung bei der Vulkanisation im Heizofen. Zum Schutz vor Ozon und UV-Strahlen werden diverse Alterungs- (N-(1,3-Dimethylbuty1)-NI-phenyl-pphenylendiamin (GPPD)) und Lichtschutzmittel (Ruß, Wachse, GPPD) eingesetzt.
Schwefelbrücken Schwefel wird bei der Vulkanisation beigesetzt und unter Druck erhitzt. Während der Vulkanisation entstehen dreidimensionale, elastische Netzwerkverbindungen zwischen Schwefelbrücken und den langen Polymerketten (Kautschukmolekülen), wodurch ein späteres Fließen oder Verformen des Materials ausgeschlossen wird. Die Kunst liegt darin, einen Kompromiss zwischen Reißfestigkeit (sehr viele Schwefelbrücken) und Elastizität (wenige Schwefelbrücken) für den optimalen Reifen zu finden.
4.1.5.3.3
Bild 4-178. Reifenproduktion bei Continental [7]
Reifenherstellung
Der Reifen ist ein komplexes Hightech-Produkt mit höchsten Ansprüchen. Er besteht aus mehr als 10 Gummimischungen und 15-20 Bauteilen je nach Anforderungen. Die Basiselemente eines Reifens sind die Grundstoffe Stahldraht, Textilcord und eine spezifische Gummimischung (wird im weiteren Verlauf definiert). Die Reifenproduktion wird anhand des Beispieles der Continental AG dargestellt. Die erste Bauphase des Reifens verläuft zweigliedrig. Die äußeren Reifenschichten (Laufstreifen, Bandage, Gürtel)
4.1 Urformen
Bild 4-179. Reifen-Rohmaterialien [10]
Bild 4-180. Konstruktion – Mischungsbestandteile [11]
355
356
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
werden zum Gürtelpaket, die inneren Reifenschichten (Seitenwand, Verstärker, Kern+Apex, Einlage, Innenschicht) zur Karkasse zusammengebaut. In der zweiten Bauphase werden das Gürtelpaket sowie die Karkasse zusammengeführt und anschließend bei hoher Temperatur in der Vulkanisation miteinander verbunden. In der Endkontrolle wird bei Continental der Reifen visuell und sensorisch lückenlos auf Mängel kontrolliert (siehe Bild 4-178). Die Gummimischung besteht aus dem Grundmaterial natürlicher und synthetischer Kautschuke sowie aus Verstär-
kerfüllstoffen wie Russ und Silika, welche auf nasser Fahrbahn für äußerst kurze Bremswege sorgen. Dieses Material ist somit von hoher Bedeutung für den Laufstreifen. Die chemischen Zusätze wie Antioxidationsmittel sind für die Haltbarkeit des Reifens verantwortlich. Weiterhin werden Kreide, Öle, Harze, Beschleuniger, Verzögerer, Mischhilfen, Aktivatoren sowie Schwefel verwendet (siehe Bilder 4-179 und 4-180). Die einzelnen Reifenkomponenten Die Zutaten für die Gummimischung oder das Mischungsfell werden gemischt, gespritzt, gewalzt, geschnitten und zur Weiterverarbeitung gesammelt (siehe folgende Abbildungen: Auszüge aus der Produktion bei Conti) [10]. Äußere Reifenschicht Beim Laufstreifen spielt die Verwendung von Silika eine äußerst wichtige Rolle. Der Laufstreifen stellt den Kontakt zur Fahrbahn her und ist verantwortlich für gute Haftung, geringen Abrieb und einen niedrigen Rollwiderstand. Im allgemeinen Sprachgebrauch spricht man pro Reifen von
Bild 4-181. Detailbilder aus der Reifenproduktion bei Continental
Bild 4-182. Laufstreifen [10]
4.1 Urformen
357
Bild 4-183. Laufstreifenproduktion, hier zur Abkühlung im Wasserbad [10]
einer postkartengroßen Fläche, welche beispielsweise für Seitenkräfte, Beschleunigung und Verzögerung zur Verfügung steht. Allerdings besteht bei mikroskopischer Betrachtung der Reifenaufstandsfläche zwischen Reifen und Fahrbahn lediglich eine Kontaktfläche von gerade mal 1 cm2 pro Reifen! Äußerst wenig Fläche, wenn man bedenkt, welche enormen Kräfte vom Fahrzeug bzw. Reifen auf die Fahrbahn aufgebracht werden müssen. Das Laufstreifenoberteil (Cap) beeinflusst die Abriebsfestigkeit und Fahrstabilität und sorgt zusätzlich für Haftung auf der Fahrbahn. Das Laufstreifenunterteil (Base) beeinflusst die Stoßempfindlichkeit und Übertragung auf die Textilcordeinlage und verringert den Rollwiderstand. Die Bandage oder auch Spulbandage besteht aus dem Material Nylon. Die Bandage erhöht die Hochgeschwindigkeitsperformance, Laufleistung, Form- sowie Fahrstabilität und verbessert den Rollwiderstand. Der Gürtel besteht aus hochfesten Stahlcorden. Diese sind für hohe Laufleistungen, Form- und Fahrstabilität und geringen Rollwiderstand verantwortlich. Sie dienen auch der Kraftübertragung in Längs- und Querrichtung und verringern den Abrieb. Die einzelnen Stahlcorde werden zu einer feinen Stahlcordlage zusammengeführt und in einem Kalander von einer Mischungsschicht umgeben. Innere Reifenschicht Die Seitenwand besteht hauptsächlich aus Synthesekautschuk. Die Seitenwand nimmt eine schützende Funktion hinsichtlich der Einlage vor Beschädigungen und Witterungseinflüssen ein. Des Weiteren enthält die Seitenwand sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Parameter zur Identifikation des Reifens und dessen Einsatz- und Belastungsmöglichkeiten. Der Kern besteht aus mehreren Stahldrähten und gewährleistet den festen Sitz des Reifens auf der Felge. Der Stahl-
Bild 4-184. Bandage [10]
drahtkern wird zu einem Ring aufgerollt und mit dem Apex (Kernprofil) verbunden, welcher auch als Hülle des Kerns bezeichnet werden kann. Er besteht hauptsächlich aus Synthesekautschuk und ist für ein gutes Lenk- und Komfortverhalten bzw. Federungsverhalten sowie Fahrstabilität verantwortlich. Die Fäden der Textilcordeinlage werden quer zur Fahrtrichtung, also radial, in den Reifen eingebaut. Diese besteht entweder aus Rayon oder Polyester und übernimmt als 2. Lage im Reifen die Funktion des Festigkeitsträgers und
358
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-185. Stahlcorde bei der Verarbeitung zum Gürtel [10]
Bild 4-186. Gürtel [10]
Bild 4-187. Seitenwand links: schwarz, rechts orange
4.1 Urformen
Bild 4-188. Stahlkern [10]
Bild 4-189. Stahlkern mit Apex [10]
Bild 4-190. Kern [10]
Bild 4-191. Apex [10]
359
360
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-192. Textilcordeinlage für einen Radialreifen [10]
Bild 4-194. Produktion der Innenschicht bei Conti [10]
Bild 4-193. Cordeinlage [10]
Bild 4-195. Innenschicht
4.1 Urformen beeinflusst somit wesentlich die Tragfähigkeit und Komfortmerkmale eines Reifens. Darüber hinaus leistet diese den nötigen Widerstand gegen den Reifeninnendruck. Die Innenschicht des Reifens besteht aus Butylkautschuk und wird als 1. Lage im Reifen bezeichnet. Diese luftundurchlässige Innenschicht ersetzt den früher verwendeten Schlauch und hält den Innendruck im Reifen.
Literatur zu 4.1.5 [1]
Rohbock E (2001) Umweltschutz in der Gummiindustrie. In: Freudenberg Forschungsdienste KG (Hrsg) (Redaktion Hempel J): Elastomere Werkstoffe. Freudenberg Service KG, Weinheim, S 229–241 [2] Freudenberg Sparte D+F (Hrsg) (1992) Elastomerverarbeitung. Unveröffentlichtes Manuskript. C. Freudenberg, Weinheim [3] Röthemeyer F, Sommer F (2001) Kautschuktechnologie. Hanser Verlag, München [4] Bille H (2007) Verarbeitung von Elastomeren. In: Eyerer P (2006) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 2007/2008, 14. Auflage, Universität Stuttgart, Institut für Kunststoffkunde und Kunststoffprüfung [5] www.wikipedia.de [6] Reimpell J, Sponagel P (1988) Fahrwerktechnik: Reifen und Räder. 2. Auflage, Vogel Buchverlag, Würzburg [7] Continental Reifengrundlagen PKW-Reifen, pdfDatei [8] http://www.chemgapedie.de/vsengine/vlu/vsc/de/ ch/9/mac/andere/kautschuk/kautschuk.vlu/Page/vsc/ de/ch/9/mac/andere/kautschuk/butadien_elastomer. vscml.html [9] http://www.conti-online.com/generator/www/de/continental/automobil/themen/reifentipps/reifentest/08_ haben_hersteller_einfluss/02b_silica_de.html [10] Conti CD Reifen Produktion 2004. Der Wegweiser [11] http://www.conti-online.com/generator/www/de/continental/automobil/themen/reifentips/08_haben_hersteller_einfluss/02d_material_de.html
Weiterführende Literatur Köster L, Perz H, Tsiwikis G (2007) Praxis der Kautschukverarbeitung. Carl Hanser Verlag, München, 300 S (Kautschukextrusion) Anti-Brake-Dust-Untersuchungen von J. Reiser am MTC Sindelfingen Continental Reibwertmessung Folien zu ,,Anti-Brake-Dust-Beschichtung“ Homepage: www.baa.de
361
Präsentation ,,Reibwertmessung Conti ~ DCC Besuch ~ August 2006 ~ ‘ Continental REM- und EDX-Untersuchungen pdf-Datei: REM-A-Klasse-1 und REM-A-Klasse2 vom 07.09.06 Homepage: http://www.duwe-3d.de Homepage: http:llwww.mineralienatlas.de php/energie Homepage: www.fuiifilm.com Homepage: htt://www.qom.com Kermelk, Werner (Hayes Lemmerz); Fahrzeugräder-Aufbau, Konstruktion und Testverfahren. Die Bibliothek der Technik Band I 92, Verlag Moderne Industrie, LandsbergILech 1999; ISBN 3-478-9321 8-1 Universität Kassel; REM-Darstellung Homepage: http://www.uni-kassel.de Michelin, Societe de Technologie; Der Reifen-Rollwiderstand und Kraftstoffersparnis. Erstauflage, Michelin Reifenwerke KGaA, Karlsruhe 2005, ISBN 2-0671 1658-4 Michelin, Societe de Technologie; Der Reifen-Komfort – mechanisch und akustisch. Erstauflage, Michelin Reifenwerke KGaA, Karlsruhe 2005, ISBN 2-06-71 1 657-6 Homepage: www.reifen.de TechScan-Untersuchung bei Continental Braess, Hans-Hermann; Seiffert, Ulrich: Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. 2., verbesserte Auflage, Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden 2001, ISBN 3-528-1 21 14-4
4.1.6
Verarbeitung von Duroplasten und Faserverbund-Kunststoffen (mit duroplastischer Matrix)
4.1.6.1
Verarbeitungsprinzip
Duroplastische Formmassen bestehen aus einem Reaktionsharz (beispielsweise Phenolharz, Harnstoff-Formaldehydharz, Melaminharz, Polyesterharz, Epoxidharz), einem Reaktionsmittel (Härter), Füll- bzw. Verstärkungsstoffen sowie einer Vielzahl weiterer Zusatzstoffe. In der Regel sind die Harze vorpolymerisiert, sind also bereits aus Makromolekülen mittlerer Molmasse aufgebaut, der Vernetzungsgrad ist aber noch sehr gering. Die Harze sind urformbar. Das Urformen erfolgt üblicherweise in einem heißen Formwerkzeug über Pressen, Spritzpressen oder Spritzgießen. Die Formmasse polymerisiert im Werkzeug, sie vernetzt zu einem unschmelzbaren und unlöslichen Duroplast. Wegen der hohen Eigensteifigkeit von endvernetzten Duroplasten wird aus der meist um 150 bis 180 °C heißen Form ohne Ab-
362
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-196. Viskositätsverlauf einer Pressmasse, die kalt in ein heißes Werkzeug eingefüllt wird; a Einfluss der Erwärmung; b Einfluss der Vernetzung; c sich ergebender Viskositätsverlauf in Abhängigkeit von der Zeit als Überlagerung der Effekte von a und b [1]
kühlen entformt. Es gibt auch kalthärtende, exotherm vernetzende Duroplaste, wie z. B. manche Epoxidharze. Aus Bild 4-196 geht hervor, dass nur eine begrenzte Zeit zur Verarbeitung zur Verfügung steht, die durch die Viskositätssenkung infolge Erwärmung einerseits und die Viskositätssteigerung infolge Vernetzung andererseits bestimmt wird. Ab einem bestimmten Vernetzungsgrad lässt sich der Werkstoff nicht mehr verformen. Je nach dem Grad der Vorkondensation lässt sich eine Formmasse mehr oder weniger schnell härtend einstellen. Dies kann auch chemisch über die Art bzw. Menge des Härters erfolgen. Den Einfluss des Vernetzungsgrades auf die Eigenschaften, Bild 4-197 zeigt dies für den Schubmodul, verdeutlicht prinzipiell für die A-, B- und C-Zustände. Die Lage der Glastemperatur verschiebt sich für zunehmende Vernetzungsgrade zu höheren Temperaturen. Der Abfall der Eigenschaften im Haupterweichungsbereich nimmt mit steigender Vernetzung deutlich ab, Bild 4-197. Die Viskosität der härtbaren Formmassen (vor der Aushärtung) ist meist sehr niedrig (bei 70 bis 120 °C). Sie liegt im Bereich von 1 bis 50 Pas. Thermoplastschmelzen liegen zwischen 200 und 800 Pas. Im Gegensatz zum Spritzgießen von Thermoplasten bilden Duroplaste Grate und Häute, die in aller Regel nachträglich kostenintensiv zu entfernen sind. Werkzeugspalte sind durch höhere Schließkräfte und durch den Einsatz von Tauchkantenwerkzeugen zu minimieren.
Bild 4-197. Schubmodul (qualitativ) für einen Duroplasten in verschiedenen Kondensationsstufen [4]
4.1 Urformen Nach dem Entformen ist ein Entgraten z. B. durch Trommeln (Mischungen aus Nuss- und Aprikosenkernen) oder Bestrahlen (mit weichem Granulat) meist notwendig. Da aufgrund der Aushärtung eine längere Zykluszeit, besonderes bei dünnwandigen Teilen, benötigt wird, ist eine automatisierte Fertigung aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit von großer Bedeutung [2]. Eine Übersicht über die Duroplastverarbeitung auf der Basis von bestehenden Normen zeigen die Tabellen 4-14 und 4-15. Duroplaste sind üblicherweise gefüllt bzw. verstärkt. Ohne Füll- bzw. Verstärkungsstoffe sind sie häufig spröd (Phenolharz, Melaminharz), haben eine zu große Schwin-
dung (Polyesterharz), sind zu teuer (Phenolharz, Epoxidharz) oder haben eine zu geringe Festigkeit. Entsprechend den unterschiedlichsten Anwendungsfällen werden die Füllbzw. Verstärkungsstoffe ausgewählt. Füllstoffe sollen im Wesentlichen verbilligen. Verstärkungsstoffe erhöhen bevorzugt die Festigkeit, siehe auch Kapitel 1.3 und 1.4.3.6. Beispiele für Füllstoffe: – Quarzmehl – Kreide – Kalziumcarbonat – Holzmehl – Zellstoff
Tabelle 4-14 Für den Verarbeiter wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Nebenprodukte (in Anlehnung an [3]) Harzbildungsreaktion der Ausgangskomponenten
Vernetzungsreaktion zum Duroplast
bei Vernetzung abgespaltenes Reaktionsprodukt
Restmonomerea
Harzarten
Kurzzeichen
Phenoplast
PF
Phenol und Formaldehyd
Polykondensation
Polykondensation
Wasser
Formaldehyd
Aminoplast
UF MF
Harnstoff und Formaldehyd Melamin und Formaldehyd
Polykondensation Polykondensation
Polykondensation Polykondensation
Wasser Wasser
Formaldehyd Formaldehyd
ungesättigter Polyester
UP
ungesättigte Disäure und Diol
Polykondensation
Polyaddition
keines
Styrol
Epoxid
EP
Bisphenol und Epichlorhydrin
Polykondensation
Polyaddition mit Diamin oder Disäure
keines
Diamin
Diallylphthalat
DAP
Monomeres Diallylphthalat
Polymerisation
Polykondensation
Wasser
Diallylphthalat
a
Harz-Bausteine
mögliche Restmonomere nach der Vernetzungsreaktion, die gesundheitsschädlich sein sollen. Ursache: Dosierung (Stöchiometrie) stimmt nicht Vernetzungsbedingungen falsch: Temperatur zu niedrig, Zeit zu kurz
Tabelle 4-15 Harz/Füllstoff-Kombinationsmöglichkeiten für härtbare Formmassen Komponente
363
Beispiele für typisierte Formmassen
konstant gehalten
variiert
Harz
Füllstoff
Phenolharz mit
Holzmehl = Typ 31
Füllstoff
Harz
Zellstoff mit
Harnstoffharz = Typ 131
Melaminharz = Typ 152
Phenolharz = Typ 51
Harz
Füllstoffmischung
Phenolharz mit
Holzmehl und Textilfaser = Typ 83
Zellstoff und Textilfaser = Typ 84
Zellstoff und Holzmehl = Typ 85
Harz-Mischung
Füllstoff
Melamin- und Phenolharz mit
Holzmehl = Typ 180
Zellstoff = Typ 181
Harz-Mischung
Füllstoffmischung
Melamin- und Phenolharz mit
Gesteinsmehl und Holzmehl = Typ 182
Gesteinsmehl und Zellstoff = Typ 183
Zellstoff = Typ 51
Textilschnitzel = Typ 74
364
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Beispiele für Verstärkungsstoffe: – Glasfasern – Kohlenstofffasern – Ruß – aromatische Polyamidfasern – Gewebeschnitzel – Naturfasern (Cellulose u. a.)
4.1.6.2
Typisierung von Duroplasten (härtbare Formmassen) (siehe auch Kapitel 7.2)
Die wichtigsten zur Herstellung härtbarer Formmassen verwendeten Harzarten sind Phenol-, Harnstoff-, Melamin-, ungesättigte Polyester-, Epoxid- und Diallylphthalat-Harze. Härtbare Formmassen, die mit diesen Bindemitteln aufgebaut sind, beschreiben DIN 7708 (Phenoplaste und Aminoplaste) sowie DIN EN ISO 14527 (rieselfähige HarnstoffFormaldehyd und Harnstoff/Melamin-Formaldehyd-formmassen, Teil 1, 2, 3), DIN EN ISO 14530 (rieselfähige ungesättigte Polyester-Formmassen, Teil 1, 2, 3) und DIN EN ISO 15252 (rieselfähige Epoxidharz-Formmassen, Teil 1, 2, 3). Für Diallylphthalat-Massen besteht noch keine Norm, Prüfmethode siehe ISO 1385 – 1.02.1977. Die Normung bestimmter härtbarer Formmassen hat den Zweck, in die Vielfalt Ordnung zu bringen und dem Verarbeiter den Bezug definierter Materialien zu ermöglichen. Dazu werden in den Typentabellen Mindestanforderungen für einige typische Eigenschaften festgelegt, die an definierten Probekörpern und ebenfalls nach Normen ermittelt werden. Erfüllt die Formmasse die geforderten Typeneigenschaften, ist der Hersteller nach Beachtung weiterer Formalien berechtigt, für seine Formmasse das Gütezeichen der privaten Gütegemeinschaft AVK-TV (www.avk-tv.de/guetezeichen) zu benutzen, Bild 4-198. Formaldehyd-Problematik in Holz und Holzproduktion Bindemittel in Holzfaserplatten sind standardmäßig Phenoplast oder Aminoplast. Formaldehydemission an den Holzfaserplatten tritt ein, wenn nach der Vernetzungsreaktion noch Formaldehyd (Restmonomere) vorhanden ist und bei Hydrolysevorgängen während der Anwendung der Holzfaserplatten. „Formaldehydfreie“ Holzfaserplatten sind mit Isocyanat MDI gebunden. Wenn Hydrolysevorgänge eintreten, dann sind die Holzfaserplatten mit UF4 am schlechtesten, mit MF5 besser und mit PF6 günstiger, da hier die Bindung des 4 5 6
Harnstoffharz (UF) Melaminharz (MF) Phenolharz (PF)
Bild 4-198. Überwachungszeichen für typisierte Formmassen. Typnummer Ba-Firmenkennzeichen (Hersteller) (Gütezeichen der privaten Gütegemeinschaft AVK-TV)
Formaldehyds mit Phenol (Novolak) am stärksten ist. Das Holz selbst emittiert Formaldehyd in kleinen Mengen, bei höheren Temperaturen merklich [6].
4.1.6.3
Einteilung der Verarbeitungsverfahren
Tabelle 4-16 zeigt eine mögliche Einteilung der Verarbeitungsverfahren für Duroplaste auf. Einige der Verfahren werden im Folgenden kurz beschrieben.
4.1.6.4
Verarbeitungsfehler und ihre Ursachen
Für den Verarbeiter von duroplastischen Formmassen (Pressen bzw. Spritzgießen), wie für jeden anderen Kunststoffverarbeiter auch, ist die Zuordnung von Bauteilfehlern zu Verarbeitungsparametern von großem Wert. Eine erkannte Fehlerursache lässt sich meist auch beheben. Kapitel 4.1.7.3.3 gibt hierzu Auskunft, siehe vor allem Tabelle 4-28.
4.1.6.5
Verarbeitungsverfahren
Pressformen Zur Durchführung dieses Verfahrens dienen mechanische oder hydraulische Pressen sowie zwei- oder mehrteilige Werkzeuge. Diese können für das Kaltpressverfahren aus GF-verstärkten UP-Harzen hergestellt werden. Mittelgroße Serien stellt man nach dem Kaltpressverfahren her, große nach dem Warmpressverfahren. Beim Warmpressen kann man im Nassverfahren oder mit vorimprägniertem Verstärkungsmaterial (SMC) arbeiten. Für das Aufheizen und Plastifizieren der Formmassen rechnet man je nach Typ der Formmasse und Verarbeitungstemperatur mit Grundzeiten von ≥ 1 min und 15 bis 60 s/mm Wanddicke für das Aushärten.
4.1 Urformen
365
Tabelle 4-16 Einteilung der Duroplastverarbeitung [4]
Hieraus resultieren mit der Wanddicke zunehmende Härtezeiten von mehreren Minuten. Die Härtezeiten können allerdings durch Vorwärmung der Formmasse deutlich verkürzt werden. In Frage kommen: – Hochfrequenz-, Mikrowellen-, Infrarot-Vorwärmen, insbesondere für tablettierte Formmassen außerhalb des Werkzeuges – Wärmeleitung von den heißen Werkzeugwänden in die Formmasse (zeitintensiv) – im Ofen bei Temperaturen, die nicht zum Verkleben der Partikel führen – durch Friktion bzw. Dissipation (nur beim Spritzgießen und Spritzprägen möglich oder in Schneckenaggregaten, die den Pressautomaten vorgeschaltet sind). Bei Schneckenaggregaten wird die Formmasse, wie beim Spritzgießen, mit der rotierenden Schnecke plastifiziert und anschließend mit der als Kolben wirkenden Schnecke in das Presswerkzeug eingedrückt. Neueste Entwicklungen benut-
zen dafür auch einen oder mehrere Doppelschneckenextruder, deren Plastifikat mittels Handhabungstechnik in das Presswerkzeug eingelegt werden. Der Pressvorgang (Formgebung) erfolgt je nach Variante der Schmelzwärmezufuhr gleichzeitig oder während der Verdichtung beim Schließen des Werkzeuges. Ein Einspritzen aus dem Schneckenzylinder ist, wie beschrieben, auch möglich. Die Presswerkzeuge sind, wie in Kapitel 4.1.6 geschildert, im Unterschied zum Thermoplast-Spritzgießen beheizt. Die Pressdrücke in der Form liegen bei Feuchtmassen bei ca. 50 bar, bei vorgewärmten Massen ca. 150 bar, gegebenenfalls bis 400 bar. Jetzt vernetzt die Formmasse im Formnest durch chemische Reaktion (Aushärten): Die Härtezeit bestimmt maßgeblich die Zykluszeit. Übliche Werkzeugbauarten zeigt Bild 4-199. Tauchkantenwerkzeuge sind um 10 bis 15 Prozent teuerer als Abquetschwerkzeuge. Dafür ist die Nacharbeit durch Entgraten bei in Tauchkantenwerkzeugen hergestellten Bauteilen niedriger. Bei nicht genauem Dosieren der Werkzeuge
366
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Als Oberflächenbeschichtungen bietet sich für Pressformteile das In-Mould-Pulver-Lackieren oder In-MouldPainting an. Pulverlack wird elektrostatisch in das heiße, um 100 bis 200 μm geöffnete Werkzeug eingetragen und bildet beim erneuten Schließen der Form eine integrale Schicht mit dem Pressteil, bevorzugt aus UP-Harz. Spritzpressen (Transfer Moulding) Während beim Pressen die eingefüllte Masse im Werkzeug von der Wandung her beheizt wird, erfolgt die Plastifizierung des Kunststoffs im Spritzpressen in einem zusätzlichen Hohlraum (Bild 4-200). Ähnlich wie beim Spritzgießen wird die plastifizierte Masse über einen Anguss in die Werkzeughöhlung gespritzt. Möglich ist aber auch die Erwärmung von Masse-Tabletten vor dem Einlegen in den Zylinder, z. B. mittels Hochfrequenz [1].
Bild 4-199. Presswerkzeuge zur Verarbeitung duroplastischer Formmassen [1]
können Lunker entstehen, Poren bei Unterdosierung bzw. Eigenspannungen bei Überdosierung vorliegen. Füllraumwerkzeuge werden daher besonders bei großen Teilen verwendet, da hier die Dosierung über Masse einfacher ist. Dagegen fährt man Überlaufwerkzeuge mit Überschuss bei kleinen Teilen und besonders bei Verwendung von Pressautomaten. Danach werden die Formteile, wie beim Spritzgießen, durch Auswerfersysteme entformt und das Werkzeug mittels Blasvorrichtungen gereinigt. Da bei Phenolharz- und Aminoplastmassen während der Härtung flüchtige Bestandteile entstehen, ist ein Lüften des Werkzeuges unter Absaugung durch kurzes Anheben des Stempels ggf. zweckmäßig. Wie oben beschrieben, müssen die heiß entnommenen Formteile entgratet und „Schwimmhäute“ eventuell mittels Wasserstrahlschneiden entfernt werden.
Spritzgießen Die Technologie des Spritzgießens von Duroplasten ist grundsätzlich gleich wie bei der Thermoplastverarbeitung, Bild 4-201. Um vorzeitiges Anvernetzen im Plastifizierzylinder zu vermeiden, dürfen die Temperaturen 80 bis 120 °C nicht übersteigen. Wie bei der Elastomerverarbeitung muss die Friktionswärme abgeführt werden (Aggregate beim Duroplast-Spritzgießen flüssigkeitstemperiert). Die Werkzeugtemperaturen liegen meist zwischen 160 und 200 °C. Prinzipiell sind die Plastifizier-Schnecken für die Verarbeitung vernetzender Formmassen kürzer und haben eine tiefer geschnittene Einzugszone im Vergleich zu Thermoplast-Schnecken. Die Kompression bei Duroplast-Schnecken ist gering. Verschlussdüsen und Rückstromsperren werden wegen toter Ecken und vernetzenden Ablagerungen praktisch nicht verwendet. Wegen der deutlich niedereren Viskosität unvernetzter Formmassen müssen Trennebenen und Durchbrüche im Werkzeug sehr glatte Oberflächen haben. Sind die Regelstrategien und konstruktive Maßnahmen unzureichend, gibt es entweder Gratbildung, Brenner und/oder unvollständige Füllung der Kavität. Gießen Die Reaktionsharze werden zähflüssig in Styrol gelöst angeliefert. Die Lagerzeit beträgt unter günstigen Bedingungen (kühl, dunkel) bis zu sechs Monate. Gemäß Verarbeitungsvorschrift wird ein Teil des Harzes mit Härter (Peroxid), der Rest mit Beschleuniger gemischt. Dann werden diese Vormischungen gemischt. Danach verbleibt eine begrenzte Zeit zur Verarbeitung des Ansatzes. Kalthärter vernetzen bei Raumtemperatur. Sie werden 4 bis 5 h bei 80 °C oder einige Wochen bei Raumtemperatur
4.1 Urformen
367
Bild 4-200. Spritzpressen (Transfer Molding) [1]
Bild 4-201. Spritzgießen mit Schneckenförderung (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
Bild 4-202. Handverfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
368
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
nachgehärtet. Warmhärter vernetzen bei Temperaturen von 80 bis 120 °C schnell und gleichmäßig. Sie erfordern keine Nachhärtung. Die unverstärkten Gießharze dienen zur Herstellung einphasiger Formteile, ggf. mit eingebetteten Präparaten. Glasfaserverstärkte Reaktionsharze: Handlaminieren Für die Verarbeitung von Reaktionsharzgemischen wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Verfahren entwickelt. Das bekannteste ist das Handlaminieren. Es wird vor allem bei Einzelstücken, Kleinserien und großflächigen Teilen angewandt. Die erforderlichen Investitionen sind gering. Es eignet sich deshalb vor allem für den Handwerkbetrieb. Die aus Glasfaser bestehenden Verstärkerstoffe werden mit Hilfe von Walzen, Pinseln oder Bürsten mit dem Reaktionsharz von Hand durchtränkt. Aussehen und Oberflächenschutz erfordern das Auftragen harzreicher Deckschichten. Sie werden mit dem Pinsel oder der Spritzpistole aufgetragen. Profilziehen, Pultrusion, Pulforming Das unter der Bezeichnung Pultrusion bekannte Verfahren zum Herstellen von GF-verstärkten Profilen aus UP- und EPHarzen liefert Formstoffe mit Biegefestigkeiten bis zu 700 N/ mm2. Es werden Abzuggeschwindigkeiten bis über 1 m/min erreicht. Eine Weiterentwicklung dieses Verfahrens stellt das in den USA vorgestellte kombinierte Profilzieh- und Pressformen (pulforming) dar. Die verstärkenden GlasfaserRovings werden nach dem Passieren des Imprägnierbades durch Presswerkzeuge gezogen und zu komplexen Teilen
wie GKF-Federn oder Stoßfängerträgern geformt. Das Verfahrensprinzip zeigt Bild 4-203. Wickelverfahren Rohre, Druckbehälter, Kardanwellen und andere zylindrische Körper können in rationeller Weise durch Wickeln hergestellt werden. Endlosfasern, Glasfasergewebe oder Rovingstränge, die vorher ein Tränkbad mit Abquetschvorrichtung durchlaufen haben, werden auf einen Dorn gewickelt. Die Glasfilament-Verstärkung kann mit Hilfe der Kinematik der Wickelvorrichtung so angeordnet werden, dass die Festigkeitseigenschaften an jeder Stelle des Formteils den wirkenden Kräften entsprechen, Bild 4-204. Faserspritzen Statt Textilglasmatten aufzulegen, werden Rovings kontinuierlich in einem Schneidwerk auf Faserlängen von 20 bis 50 mm geschnitten und auf die mit Trennmittel versehene Formoberfläche aufgeblasen oder aber auf die zum Beschichten vorbereitete Fläche aufgetragen. Gleichzeitig erfolgt der Harzauftrag. Das vorbeschleunigte Harz wird mit Peroxid innerhalb bzw. außerhalb der Pistole vermischt und verspritzt. Der Spritzvorgang erfolgt von Hand oder man verwendet entsprechend konstruierte automatische Spritzanlagen. Die Benetzung der Faser erfolgt bereits während oder aber beim Auftreffen des aufeinander abgestimmten Glas- und Harzgemenges auf die Form oder auf die zu beschichtende Fläche. Beim Faserspritzverfahren (Bild 4-205) unterscheidet man zwischen Niederdruck- und Hochdruckverfahren. Damit sind auch die Anforderungen an den Roving vorgegeben.
Bild 4-203. Profilziehverfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
4.1 Urformen
369
Bild 4-204. Rohrherstellung nach dem Wickelverfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
Bild 4-205. Faserspritzverfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
Vakuumformen Kleinserien von Formteilen mit beidseitig glatten Sichtflächen werden nach dem Vakuumformen, Bild 4-206, hergestellt. Es sind zwei Werkzeughälften erforderlich. Eine Hälfte kann auch aus einem flexiblen Tuch bestehen. In die feste untere Werkzeughälfte werden die Faserbahnen eingelegt, mit Harz getränkt und mit dem Gummituch oder der oberen Werkzeughälfte abgeschlossen. Durch Anschluss des Formnestes an eine Vakuumpumpe wird das Harz verteilt. Überschüssiges Harz und Luftblasen werden abgesaugt.
Injektionsformen Dieses Verfahren eignet sich für die Herstellung kleiner und mittlerer Serien. Es wird mit zwei Werkzeughälften gearbeitet. Vor dem Schließen wird das Verstärkungsmaterial meist in Form eines Vorformlings (Bild 4-207) eingelegt. Dann wird Reaktionsharz in die Werkzeughöhlung gegossen oder nach dem RTM-Verfahren (Bild 4-208) injiziert. Es können komplizierte Formteile mit glatter, geschlossener Oberfläche hergestellt werden, wie Motorhauben u. ä. [8].
370
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Harz getränkt. Die Härtung wird durch Einblasen von Heißluft induziert. Die Drehzahlen richten sich nach den Durchmessern und bewegen sich im Bereich von 500–3000 Upm. Die nach dem Schleuderverfahren hergestellten Rohre weisen eine glatte Außenoberfläche auf.
Bild 4-206. Vakuumverfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
Schleuderverfahren Die formgebenden Werkzeuge werden mit nicht getränkten Verstärkungsmaterialien ausgelegt, die unter Ausnutzung der Zentrifugalkraft mit Reaktionsharzmasse durchtränkt werden, Bild 4-209. Das Einbringen von Matten und Geweben muss vor Rotationsbeginn erfolgen, während die Aufgabe von Schnittglas und Harz über eine Lanze während der Rotation ablaufen kann. Durch die Zentrifugalkraft wird das eingelegte Material an die Außenwand der Rotationskokille gepresst und mit
Pressen faserverstärkter Duroplaste SMC (sheet moulding compound) ist das Verfahren mit Großserien-Bedeutung, vor allem in der Automobil- und Elektroindustrie. Die Innenausstattung der ICE-Züge ist auch aus SMC. Diese Formmasse besteht im Wesentlichen aus ungesättigten, also härtbaren Polyesterharzen, dem Härter, mineralischen Füllstoffen, den Glasfasern und einigen Hilfs- und Zuschlagstoffen. Hierzu zählen Farbpigmente zum Einfärben, Zinkstearat als Gleit- und Trennmittel und das Magnesiumoxid zum Eindicken der Harzmasse. Tabelle 4-17 zeigt drei typische Rezepturen. Bei den LS-(Low-Shrink) und LP(Low-Profile) Rezepturen handelt es sich um Formmassen, die durch den Zusatz von Thermoplastpartikeln modifiziert wurden, um bessere Oberflächenqualitäten der Bauteile (z. B. Welligkeiten oder Einfallstellen) zu erzielen. Die Thermoplastkomponente kann teilweise die Schwindung der Harzmasse während der Härtung kompensieren [1], siehe auch Kapitel 4.1.7.2.3. Bei einer SMC-Anlage werden auf einem Breitschneidwerk z. B. 40 Rovingstränge geschnitten. Das auf ca. 20– 50 mm geschnittene Glas fällt auf eine mit Harz-Füllstoff-
Bild 4-207. Vorformling-Herstellung und Verpressung (schematisch) (z. B. Kotflügel für Motorrad) (Bayer, Leverkusen [5])
4.1 Urformen
371
Bild 4-208. RTM-Verfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [4])
Bild 4-209. Rohrherstellung nach dem Schleuderverfahren (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
372
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-17 Typische SMC-Rezepturen [1] Type Bestandteile
Standard Masse %
LS Masse %
LP Masse %
1. Polyesterharz 2. Thermoplastische Komponente 3. Reaktionsmittel 4. Trennmittel 5. Polyethylenpulver 6. Füllstoffe 7. Pigmentdispersion 8. Verdickungsmittel Insgesamt
37,1 – 0,4 1,5 2,0 55,6 3,0 0,4 100,0
27,8 9,3 0,4 1,5 2,0 55,6 3,0 0,4 100,0
25,54 14,60 0,36 1,50 – 56,50 – 1,50 100,0
Paste berakelte Folie und wird anschließend auf der Oberseite mit einer zweiten ebenso berakelten Folie abgedeckt und zur eigentlichen Harzmatte zusammengepresst. Nach Durchlaufen einer verdichtend einwirkenden Laminierstrecke wird das Laminat als Harzmatte aufgerollt. Dieses kontinuierlich arbeitende Verfahren erzeugt Harzmatten unterschiedlicher Breite. Nach Erreichen des optimalen Reifegrades wird die Harzmatte zugeschnitten und verpresst. Durch die Einarbeitung geeigneter Inhibitoren in die Harzmatten kann die Lagerfähigkeit bei Raumtemperatur vergrößert werden. Für die fertige Harzmatte ist auch der Begriff „Pre-Preg“ (preimpregnated material) gebräuchlich [5], Bild 4-210. Von den Automobilherstellern wird für Karosserieteile aus GFK wegen Übereinstimmung des Farbtones und aus
Kostengründen „on-line“-Lackieren mit Serienlacken gefordert. Die dabei auftretenden Temperaturen und Verweilzeiten schädigen die SMC-Formteile zwar nicht, jedoch können dicht unter der Oberfläche befindliche Poren und Lunker in der Wärme Krater bilden. Zwar haben die lowprofile Harze (siehe auch Kapitel 4.1.7.2.3 und 3.5.1.15) zu deutlichen Fortschritten geführt; das vollständige Vermeiden von Lunkern und Poren gelang jedoch noch nicht. Als brauchbare – wenn auch aufwendige – Zwischenlösung bewährt sich das aus den USA übernommene Beschichten der Formteile im Presswerkzeug (In Mould Coating, IMC). Der Überzug verhindert das Aufbrechen der Poren. Mit Hilfe dieser Methode kann auch die Oberfläche leitfähig gemacht werden, um sie für das Elektrotauchlackieren bzw. elektrostatische Spritzlackieren vorzubereiten.
Bild 4-210. Harzmattenverfahren (SMC-Verfahren) (schematisch) (Werkbild Bayer [5])
4.1 Urformen
373
Tabelle 4-18 Verarbeitungsparameter (Bereiche) für SMC-Bauteile [4] Lagerung/Zeit Reifezeit SMC-Matte Fläche des Zuschnittpaketes Verarbeitungstemperatur Viskosität bei RT Viskosität bei 160 °C Pressdruck Presskraft je m2 Härtezeit Zykluszeit Nachhärtung Schwindung Einleger Oberfläche Materialkosten Lieferformen Glasgehalt Belastungen
–18 °C: 3 Monate, RT: 7 Tage ca. 4 Tage < 70 % Werkzeugfläche 130 bis 160 °C 30.000 bis 50.000 Pas 5.000 bis 10.000 Pas 80 bis 120 bar 1.000 bis 1.500 t 1 min/mm Dicke 30 bis 90 s je nach Bauteildicke in Vorrichtung kühlen 0 bis 0,2% (thermoplastmod.UP) 0,5 bis 3% (UP) Metall möglich IMC (in mould coating) ca. 3,- €/kg (2,5 bis 5 €/kg) Kurzfaser-, Matten-, UD-Band-Prepreg 30 % (25 bis 50 möglich) klebrige SMC-Matten, Styrolgeruch Halbzeug allgemein (Lagerung, Logistik, d. h. erhöhte Kosten gegenüber Direktverfahren)
Tabelle 4-18 gibt Bereiche für SMC-Verarbeitungsparameter wieder [4]. Neue Verfahren und Technologien präsentiert [9].
Literatur – Kapitel 4.1.6 [1] Michaeli W (1999) Einführung in die Kunststoffverarbeitung. 4. Auflage, Hanser Verlag, München, ISBN 3446-21261-2 [2] Saechtling H, Oberbach K (2001) Kunststofftaschenbuch. 28. Aufl, Hanser Verlag, München, ISBN 3-446-21605-7 [3] Woebcken W (Hrsg) (1988) Duroplaste Kunststoffhandbuch 10. 2. Aufl, Hanser Verlag, München, [4] Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 2007/2008, 14. Aufl, Fraunhofer ICT, Pfinztal [5] Bayer TechCenter, www.plastics.bayer.com (Hinweis: Die dargestellten Inhalte entsprechen unter Umständen nicht mehr den aktuell angewandten Verfahren bzw. dem aktuellen Produktportfolio des Bayer-Konzerns 2008). [6] Dr Uhlmeyer Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft, Hamburg [8] Peters L (2007) Neue Dimensionen der RTM-Fertigung im Automotivebereich. Vortrag auf dem 13. Nationalen Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth [9] LoFaro C (2007) New developments in composite processing technologies. Vortrag auf dem 13. Nationalen Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth
Weiterführende Literatur Aström T (1997) Manufacturing of Polymer Composites. London, Chapman & Hall Beier U (2007) Optimierung vernähter Hochleistungsfaserverbunde. Vortrag auf dem 13. Nationalen Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth Deinzer G (2007) Verbundwerkstoffe im Automobilbau – Status und Perspektiven. Vortrag auf dem 13. Nationalen Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth Ermanni P (2004) Composites Technology. Vorlesungsmanuskript Version 3.0, Zürich, ETH Huver Th (2007) Die Welt der Harze. Vortrag auf dem 13. Nationalen Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth Neitzel M, Mitschang (2004) Handbuch Verbundwerkstoffe. Hanser Verlag, München Neitzel M (1997) Die Verarbeitungstechnik der FaserKunststoff-Verbunde. Hanser Verlag, München Schneider M (2007) Neue Faserstrukturen aus Kohlenstofffasern. Vortrag auf dem 13. Nationalen Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth Weiner Ch (2007) Industrialisierung und Prozessentwicklung der konfektionstechnischen Preformherstellung für strukturelle FKV-Anwendungen. Vortrag auf dem 13. Nationalen Symposium SAMPE Deutschland, 21./22. Februar 2007, Bayreuth
374
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Lenz W (2007) Genormte Messwerte für HightechAnwendungen (Melaminharzschaumstoff). Kunststoffe 97(2007)6, S 97–99 Bräuning R (2007) Verfahrensentwicklung zur Herstellung von glasfaserverstärkten duromeren Bauteilen im Direktverfahren (Direkt SMC). Stuttgart, Dissertation am Fraunhofer ICT, 2007
4.1.7
Verarbeitungseinflüsse auf Bauteileigenschaften
Jede Art von Be- und Verarbeitung von Werkstoffen beeinflusst die Eigenschaften des entstandenen Produktes. Bei Kunststoffen ist der Einfluss der Verarbeitung auf die Fertigteileigenschaften besonders groß. Daher muss der Konstrukteur eines Bauteiles die in Bild 4-211 [1] aufgeführten Faktoren für die Bauteildimensionierung beachten. Wie riesig die Zahl der Einflussgrößen ist, lassen die Bilder 4-212 [2] und 4-213 [3] erahnen, die für die Morphologie und den Einspritzvorgang beim Spritzgießen die Einflüsse auf Formteileigenschaften aufspreizen. Angesichts dieser Vielfalt und vielschichtigen Verflechtungen kann dieses Kapitel nur eine Kurzfassung sein und nur die wesentlichen Zusammenhänge ansprechen.
4.1.7.1
Bauteileigenschaften
Einige wenige allgemeine Bauteileigenschaften sind in Bild 4-211 genannt. Jedes Bauteil hat spezifische Eigenschaften, so dass es praktisch unmöglich ist, Eigenschaften für alle Bauteile umfassend zu beschreiben. Sie lassen sich in Gruppen zusammenfassen, wie beispielsweise Karosserieaußenteile, Dichtungen, Spielsachen, Elektronikteile usw. Aber auch innerhalb der Gruppe hat beispielsweise ein Schukostecker im Hausgebrauch völlig andere Eigenschaften zu erfüllen als eine Steckverbindung im Motorraum eines LKW. Jedes Bauteil ist also separat zu betrachten und zwar entlang der gesamten Produkt-Engineering-Kette, wie sie in Bild 4-214 dargestellt ist. Meistens erfolgt der Produkt-Entwicklungs- und -Herstellprozess verzahnt, um am Ende das richtige Produkt für den Markt zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen zu können. Tabelle 4-19 nennt einige Bauteile aus Kunststoff. Wie sich später noch zeigen wird, beeinflussen die verschiedenen Verarbeitungsverfahren die Bauteileigenschaften enorm. Zunächst werden folgende drei Bauteile aus Tabelle 4-19 ausgewählt und beispielhaft deren Bauteileigenschaften, die die Benutzer fordern, dargestellt:
– Bohrmaschinengehäuse (BMG) (Thermoplaste) – Radialwellendichtring (RWDR) (Elastomere) – Scheibenbremsbelag (SBB) (Duroplaste) Die Aktionen und Reaktionen zu diesen drei Beispielen sollen die Breite und Tiefe der geforderten Eigenschaften von technischen Produkten des täglichen Lebens zeigen. Die Bauteileigenschaften eines jeden Produktes richten sich nach den Anforderungen aus seiner Einbauumgebung. Die Beispiele unterteilen sich daher in die Umgebung (Aktionen), die auf das Produkt (Bauteil) wirken und seine Reaktionen, die die Bauteileigenschaften ausmachen. Anwendungsbeispiele für Kunststoffe Beispiel 1 Bauteileigenschaften eines Bohrmaschinengehäuses (BMG) (Beispiel: Handwerker-Ausführung) a – – –
Umgebung (Aktionen) Temperatur: –30 bis +90 °C Bestrahlung: UV, IR, Ozon Medien: Wasser, Reinigungsmittel, Lösemittel, Öle, Staub, Schmutz – Schläge: Kurz- und langzeitige hohe Belastungen, z. B. 6 m Fallhöhe – Betrieb: Schwingungen, Schlagbohren, Betriebsstunden, Stillstandszeiten, Überlastungen (elektrisch, mechanisch, thermisch) – Missbrauch: z. B. als Hammer oder Spaltgerät mit entsprechendem Einsatz b Eigenschaften des BMG (Reaktionen) – teilkristalliner Thermoplast kurzglasfaserverstärktes Polyamid (PA 6-GF35) • Schlagzähigkeit • Thermische + elektrische + mechanische Festigkeit sowie Steifigkeit • Wasseraufnahme/-abgabe • Dämpfungsvermögen • Morphologie (Kristallisation) • Schwindung/Schrumpfung • Verzug • Kratzfestigkeit – Konstruktion • Ergonomie • Rippen-Wanddicken-Verhältnis • Lage Bindenähte • Radien • Lage Anguss • Lage Orientierungen
4.1 Urformen
Bild 4-211. Einflüsse auf Bauteileigenschaften (Auswahl) [1]
375
376
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Einflussgrößen
Gefügezustand
Vernetzung
1. Änderung der Molekülgröße
Molmasse u. Verteilung, Verzweigung, Vernetzung
Maßgenauigkeit
Maschine
2. Änderung des kristallinen Gefüges
Kristallart, Kristallgröße, Kristallinität
mechan. Eigensch.
Werkzeug
3. Verkürzung der Faserlänge (bei Verstärkungs-stoffen)
mechanische Zerkleinerung
therm. Eigensch.
Temperaturen Zeiten-Drücke
4. Anisotropien
Orientierung von Molekülen u. Kristalliten, Orientierung von Fasern u. Füllstoffen
optische Eigensch.
5. Eigenspannungen
Erstarrungs- u. Kristallisationssp. (Th.) Vernetzungs- u. Polymerisationsssp. (D.u.Th.) Schwindungsspannungen (Th.u.D.)
elektr. Eigensch.
6. Inhomogenitäten
örtl. Unterschiede bei 1-5 Vakuolen, Luft- oder Gaseinschlüsse, mangelnde Vermischung, Entmischung von Kunststoffen u. Zusatzstoffen, Fremdkörper
Alterungsverhalten
Formmasse
Eigenschaften
Bild 4-212. Einflüsse bei der Kunststoffverarbeitung auf das Gefüge und damit auf die Eigenschaften der Erzeugnisse (nach Woebbcken [2])
Bild 4-213. Einfluss des Einspritzvorgangs auf Formteileigenschaften [3]
4.1 Urformen
– Werkstoffherstellung z. B. Legierungs- oder Polymerchemie, Aufbereitungstechnik – Werkstoffe, Verbundwerkstoffe, Werkstoffverbunde, Werkstoffe aus nach wachsenden Rohstoffen – Verarbeitung, Verfahrenstechnik – Design, Bauteilkonstruktion, (CAD) – Werkzeugtechnik (Rapid Tooling RTT), Prototypen Simultaneous (Rapid Prototyping RPT) Engineering (CAE) – Oberflächentechnik – Fertigungstechnik (CIM, PIUS), Logistik, Automation, Wirtschaftlichkeit, Kosten (LCC) – Qualitätsmanagement (CAQ, PPS, TQM, u. a.) – Produkt-Nutzung, Wartung, Reparatur, Lebensdauer Wieder-/und Weiterverwendung – Wieder-/Weiterverwertung, Entsorgung, Umwelt – Ganzheitliche Bilanzierung (CIB) Software GaBi 4,0 Life Cycle Engineering (LCE) – Aus- und Weiterbildung (TheoPrax) (CIL), z. B. Kunststoffkunde auf CD ROM
冧
冧
Bild 4-214. Umweltgerechtes Produkt-Engineering, Verzahnung von Teilschritten [1] (siehe auch Einführung in Polymer Engineering)
Tabelle 4-19 Beispiele für Bauteile aus Kunststoffen [1] Anwendung Bauteil
Branche
Frontend Bohrmaschinengehäuse Milchbecher Hüftpfanne Radialwellendichtring Scheibenbremsbelag Kabelummantelung Steckverbindungen z. B. am Motor
Automobil, PKW Maschinenbau Verpackung Medizin Fahrzeugtechn. Maschinenbau Fahrzeugtechnik Elektrotechnik/ Elektronik Fahrzeugtechnik/ Elektronik
• Gebrauchssicherheit • Kreislauffähigkeit (Recycling) • Integration von Zusatzfunktionen • Füllsimulation – Verarbeitung durch Spritzgießen • Werkzeugtechnik • Integrierte Oberflächentechnik
Kunststoff
Verarbeitungsverfahren
Fertigungsstückzahl
PP-GF/CF PA-GF PS, PP PE-UHMW Elastomere Duroplast Thermopl. Elastomer Thermoplaste PA, PPS Duroplaste BMC, PF, EP
Pressen Spritzgießen Warmumformen Sinterpressen Injection-Moulding Pressen Coextrusion Spritzguss
groß mittel groß klein groß groß groß groß [37]
• • • • • • •
Nacharbeit Herstelltoleranzen Recycling von Produktionsreststoffen Eigenspannungen Molekül-/Glasfaserorientierungen Morphologie Herstellkosten
377
378
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-215. Photo eines Bohrmaschinengehäuses (Bosch)
Beispiel 2 Bauteileigenschaften eines Radialwellendichtringes (RWDR) (Beispiel: Antriebsstrang und Nebenaggregate) a Umgebung (Aktionen) – Öl auf der Innenseite Temperatur –40 bis + 150 °C; Druck 0 bis 0,3 (max. 6) MPa; Ölart (Viskosität); Additive im Öl; Abbauprodukte im Öl/feste Verkokungen, Späne aus der Aggregatefertigung) – Welle: Durchmesser; Drehzahl ≈ 0 bis 12000 min–1; Oberflächenbeschaffenheit; Exzentrizität; Wellenschlag (zul. 0,1 bis 0,3 mm); Polygoneffekt; Versatz (zul. 0,2 bis 0,5 mm); axiale Bewegung; Werkstoff (z. B. Korrosion, Verschleiß); – Gehäuse: Oberflächenbeschaffenheit; Exzentrizität; Toleranzabweichungen; Werkstoff; – Betrieb: Schwingungen/Dynamik; Laufperioden; Betriebsstunden; Stillstandszeiten; – Belastungen von der Außenseite: Ozon, UV, Infrarot; verschiedene Medien; Staub und Schmutz; b Eigenschaften des RWDR (Reaktionen) (in Anlehnung an Brinck [4]) – Elastomer-Werkstoff • Ölquellung • Relaxation • Kriechen • Thermische Wirkung – Ausdehnung – Schwindung • Hysterese und Elastizität • Dehnungsverhalten • Viskoelastische Schwingung und Dämpfung
• Kristallisation/Morphologie • Montagefähigkeit (Weiterreißfestigkeit) • Reibungsverhalten • Vernetzung • Härte • Verschleißfestigkeit • Alterungsverhalten • Emissionen • Chem. Beständigkeit • Kosten • Großserienfähige Herstellbarkeit – Konstruktion • Radialkraft – Federkraft – RK Dichtlippe ohne Feder – Anlagefläche • Gestaltung der Dichtlippe – Abstand Feder-Dichtkante – Anzahl der Dichtlippen – Querschnitt Federnut-Dichtkante – Füllsimulation – Dichtlippenwinkel < Rückförderdrall – Elastomervolumen – Lippenlänge – Versteifungsblech: Abmessungen u. Werkstoff • Kosten – Verarbeitung durch Injection-Molding oder Transfer-Pressen • Herstellungstoleranzen • Vernetzungsgrad • Oberflächenbeschaffenheit • Werkzeugtechnik • Morphologie • Kosten • Qualitätsmerkmale Beispiel 3: Bauteileigenschaften eines PKW-Scheibenbremsbelages (SBB) a Umgebung (Aktionen) – Temperatur: Betrieb bis 1000 °C; Umgebung – 40 bis + 80 °C – Bremsdruck: 90 bar – Medien: Wasser, Bremsflüssigkeit, Öle, Reinigungsmittel, Staub, Schmutz – Bremsscheibe: Werkstoff, Oberflächenbeschaffenheit, – Fahrweise/Betrieb: Stadt (Taxi, Polizei), Autobahn, Gebirge, mit Anhänger, Betriebsstunden; Stillstandszeiten; – Befestigung auf Träger: Niet, Kleben, Formschluss
4.1 Urformen b Eigenschaften des SBB – Werkstoff: z. B. Gemisch aus 10 bis 20 Bestandteilen mit Dominanz von Phenolharz (z. B. Novolak-Hexa-Pulverharz), beigefügt NBR und/oder SBR sowie Füllstoffe, Metallpulver, Schmierstoffe, Reibstützer, Fasern • abrasiv/adhäsiver (Notlaufeigenschaft) geringer Verschleiß von Belag und Scheibe • konstanter Reibwert in allen Situationen • geringste Emissionen • geringe Masse • chem. Beständigkeit • Dämpfung • ausreichende Abscherfestigkeit • Härte • Vernetzung • Morphologie • Kosten • Wärmeleitfähigkeit – Konstruktion • Verbindung Belag-Trägerplatte • Geometrie der Reibfläche • Trennnute für Wasserfilm • Geräuschverhalten (Rattern, Quietschen) • Anzeige für Funktionsende • geringe Betätigungskraft der Bremse (Komfort) – Verarbeitung durch Heißpressen • Rezepturgestaltung • Vormischen (Pulver, Granulat) • Verpressen mit Lüften • Vernetzung zu 97 % durch Härtezyklen • Fertigbearbeitung (Sandstrahlen, Seitenschleifen, Stärkeschleifen, Nuten, Lackieren, Stempeln, Kontrolle, Verpacken) • Qualitätsmerkmale • Werkzeugtechnik • Toleranzen • Kosten – Umwelt • gesundheitlich unkritische Bremsstäube (Straße, Werkstatt) • keine Lärm- und Geruchsbelästigung
4.1.7.2 Einflüsse des Verfahrens und des Kunststoffes auf die Bauteileigenschaften Die Prozessparameter der verschiedenen Verfahren und die Materialkenngrößen bestimmen entscheidend die Eigenschaften von Bauteilen mit. Die verarbeitungstechnischen Materialeigenschaften sind – Fließen (Orientierungen, Formfüllung) – Erstarren (Kristallisation, Eigenspannungen, – Schwinden Maßhaltigkeit, Verzug …)
冧
379
Die wesentlichen Prozessparameter für die Formteilbildung am Beispiel Spritzgießen sind – Massetemperatur – Werkzeugoberflächentemperatur – Einspritzgeschwindigkeit/-profil – Nachdruck – Einspritzdruck (bzw. Werkzeuginnendruck) – Nachdruckzeit – Kühlzeit (Zykluszeit) – Angusssystem, Angusslage. Für andere Verfahren wie Extrudieren, Pressen, Umformen gelten die Parameter analog bzw. verändert, z. B. Pressen von unvernetzten oder vernetzenden Kunststoffen – Temperatur Vorformling bzw. Formmasse – Werkzeugoberflächentemperatur – Fließgeschwindigkeit – Werkzeuginnendruck – Kühl- bzw. Vernetzungszeit Viele der im Folgenden meist für das Spritzgießen von Thermoplasten ausführlich dargestellten Zusammenhänge zwischen den Verfahrensparametern und den Bauteileigenschaften lassen sich modifiziert auch auf andere Verarbeitungsverfahren übertragen.
4.1.7.2.1
Thermoplaste und thermoplastische Elastomere: Molekül-Orientierungen
Spritzgießen Entstehung der Molekül-Orientierungen beim Urformen Besonders beim Spritzgießen, wo hohe Schergeschwindigkeiten auftreten (γ˙≤ 5000 s–1), ergeben sich Molekülorientierungen, die durch schnelles Abkühlen an der kalten Formwand eingefroren werden. Orientierungszustände beim Extrudieren und Kalandrieren sind weniger stark ausgeprägt (γ˙ << 1000 s–1). Beim Spritzgießen von Thermoplasten benetzt die Schmelze bei richtigem Anschnitt die Wand und bleibt an der Formwand in dünner Schicht haften. Die nachfließende Schmelze strömt über diese Schicht hinweg. Die Form wird aus Qualitätsgründen nahezu immer nicht wie beim Metallguss durch Freistrahl, sondern durch Quellfluss gefüllt, d. h. die Strömungsfront in geometrisch einfachen Teilen lässt sich in jedem Zeitpunkt der Formfüllung durch Kreisbogen (Wellenausbreitungstheorie nach Newton) beschreiben, deren Mittelpunkt bzw. Mittelpunkte im Anschnitt liegen. Die in einem Spritzgussteil auftretende Orientierung ist abhängig von – Konstitution der Makromoleküle beeinflussen Scher– Molmasse und Dehnviskosität – Verschlaufungsgrad und Elastizität der Schmelze
冧
380
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
– Verarbeitungsparameter, wie Temperatur von Masse und Werkzeug, Dicke des Teiles, Formfüllgeschwindigkeit, Nachdruckhöhe und -zeit, Einspritzdruckhöhe. Durch die Scherung – insbesondere an der Formwand – werden die Makromoleküle ausgerichtet und beim Erstarren eingefroren, Bild 4-216. Aus der Darstellung Bild 4-217 wird deutlich, dass Orientierungseffekte in zwei zueinander senkrechten Richtungen auftreten können: – in Fließrichtung infolge Scherströmung (führen zu Normalspannungen) – senkrecht dazu infolge Dehnströmung (führen zu Schubspannungen). Werden beide eingefroren, lassen sich biaxiale Orientierungszustände und entsprechende Verfestigungen des Werkstoffes erreichen. In Fließrichtung wird in der Regel das Orientierungsmaximum nahe an der Oberfläche des Formteiles liegen, in der Wandmitte ein Minimum. Über dem Querschnitt der Bauteilwand herrscht also ein unterschiedlicher Orientierungsgrad. Bedingt durch verschiedene Fließzustände und Abkühlgeschwindigkeiten über der Bauteildicke lassen sich verschieden orientierte Schichten unterscheiden. Vereinfachend sind am erkalteten Formteil drei Schichten nachzuweisen [6], [7], [8]: – eine verstreckte Außenhaut (in Angussnähe infolge Nachdruck oft biaxial verstreckt) – eine hochorientierte Schicht, die durch Scherung bei gleichzeitiger schneller Abkühlung entstanden ist – eine Mittelschicht geringerer Orientierung (langsamere Abkühlung und geringere Scherung).
Bild 4-216. Verzerrung eines kreisförmigen Flächenelements in der Scherströmung nach einer Darstellung von M. Chatain. Die Ausrichtung der Molekülstruktur ist durch ein einzelnes Fadenmolekül angedeutet. t = Fließzeit t0 < t1 < t2 < t3 < t4
Für den Bauteilkonstrukteur und den Verarbeiter ist zur Beurteilung des Fließens von Kunststoffschmelzen in Werkzeugen die Viskositätsfunktion in Abhängigkeit von der Schergeschwindigkeit (Fließkurve) (Bild 4-218 [6]) wichtig. Sie beschreibt für die Kunststoffschmelze, Beispiel ABS in Bild 4-218, die Abhängigkeit des Fließverhaltens von der Schergeschwindigkeit (Schmelzebelastung).
bzw. der E-Modul bei verstrecktem PVC, Bilder 4-219 und 4-220.
Auswirkung der Molekül-Orientierung Durch die Orientierung der Makromoleküle in einer Vorzugsrichtung werden mehr Hauptvalenzbindungen in dieser Richtung wirksam und ersetzen teilweise die um etwa eine 10er Potenz niedrigeren Nebenvalenz-Bindungen. Somit ergeben sich unterschiedliche physikalische Eigenschaften in Orientierungsrichtung und senkrecht dazu. Der Werkstoff verhält sich anisotrop. Wie stark sich die Festigkeitswerte ändern können, zeigt das SpannungsDehnungs-Diagramm an verschieden gerecktem PMMA
In der Literatur [8] kann man weitere Korrelationen z. B. der Festigkeit und Orientierungsgrad finden. Ergebnisse hierzu sind für Polypropylen und Polystyrol in den Bildern 4-221 und 4-222 [9] dargestellt. (Als mittlere Orientierung definiert Backhaus das Integral der aus der Polarisationsoptik ermittelten Orientierungsverteilung über dem Querschnitt.) Sofern möglich, sollte man die Richtung der größten Orientierung mit der Hauptbeanspruchungsrichtung zusammenfallen lassen. So kann der Formstoff (Werkstoff) im Bauteil optimal genutzt werden.
Definition: Zunahme der Probenlänge infolge Recken Reckgrad = 00008 × 100% Probenlänge vor dem Recken
4.1 Urformen
381
Bild 4-217. Deformation von Volumenelementen im Massestrom [5]
Bild 4-219. Spannungs-Dehnungs-Diagramm von monoaxial gerecktem PMMA mit verschiedenem Reckgrad [9]
Bild 4-218. Viskositätsfunktion für den amorphen Thermoplast ABS (Terluran 967 K), BASF [6]
Beseitigung von Molekülorientierungen Gleichzeitig mit dem Entstehen der Orientierungen laufen Reorientierungsvorgänge (Relaxation) ab, d. h. die Moleküle haben das Bestreben, ihre entropische günstigere Lage – statistisch regellose Knäuelform – wieder einzunehmen und so die Rückstellung eingebrachter Orientierungen zu bewirken [6]. In Formteilen vorhandene Orientierungen können gezielt verringert oder annähernd auch völlig beseitigt werden durch:
Warmlagern bei T > Tg bei amorphen oder T ≅ Tm bei teilkristallinen Thermoplasten. Hierdurch tritt eine Rückknäuelung der Makromoleküle auf (Memory-Effekt). Die Geschwindigkeit der Rückknäuelung ist stark temperaturabhängig. Soll die Gestalt des Teiles dabei erhalten bleiben, so muss unter Formzwang gelagert werden. Andernfalls tritt eine Gestaltänderung auf, die als „Schrumpf “, „Rückschrumpf “ oder „Schrumpfung“ bezeichnet wird. Aus Kostengründen kann in der Praxis nur in Sonderfällen unter Formzwang gelagert werden. De facto gibt es also keine (bezahlbare) Möglichkeit der Beseitigung von Molekülorientierungen. Allein schon deren Verringerung „kostet“ Zykluszeit, indem beispielsweise die Werkzeugtemperatur deutlich angehoben wird und dadurch eine erhöhte Relaxation (Rückknäuelung) der Makromoleküle erreicht wird. Dies ist praktisch ein Formzwang unter erhöhter Temperatur. Teilerfolge lassen sich mit geringeren Schergeschwindigkeiten beim Formfüllen erzielen, wie beheizte Düsen, größere Anschnittquerschnitte oder höhere Schmelzetemperatur. Mit jeder dieser Maßnahmen erkauft sich der Verarbeiter jedoch Nachteile wie Teilfüllung oder Molmassenabbau u. a.
382
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-220. Dynamischer Elastizitätsmodul von verstrecktem PVC in Abhängigkeit vom Streckverhältnis ( T = 22°C, f = 320Hz) [10]
Bild 4-221. Einfluss der Orientierung auf die Streckgrenze von PP (Backhaus [8])
Bild 4-222. Einfluss der Orientierung auf die Zugfestigkeit von PS (Backhaus [8])
4.1 Urformen
Umformen Entstehung der Molekül-Orientierungen beim Umformen Kaltumformen Kaltumformen bei amorphen Thermoplasten wird praktisch nicht angewandt (hohe Formkräfte; Gefahr der Werkstoffschädigung; beim Wiedererwärmen Rückstellung). Bei teilkristallinen Thermoplasten ist Kaltumformen zum Teil möglich; z. B. lässt sich Polypropylen nageln. Warmumformen Erfolgt bei amorphen Thermoplasten im thermoelastischen (entropieelastischen) Bereich oberhalb Tg bzw. bei teilkristallinen Thermoplasten ca. 30 °C unter Tm (siehe Versuch mit einem Becher weiter unten). Verstrecken Man unterscheidet Warm- und Kaltverstrecken, wobei infolge Dissipation (innere Reibung) auch beim Kaltverstrecken Temperaturen innerhalb der Fließzone bis zu ca. 120 °C zu beobachten sind.
Extrudieren Wie oben schon erwähnt, sind die Orientierungen beim Extrudieren infolge relativ niedriger Scherkräfte auf die Thermoplastschmelze geringer, aber vorhanden. Die Strangaufweitung beim Extrudieren oder das Schwellenverhalten beim Extrusionsblasformen sowie beim Textilfadenspinnen aus der Schmelze steht mit den Molekülorientierungen, die sich infolge Scher- und Dehnkräfte beim Düsendurchtritt bilden, in Verbindung, Bild 4-223.
383
Beim freien Ausströmen einer viskoelastischen Kunststoffschmelze aus einer Düse weitet sich der Strang auf. Er wird dicker als der Düsendurchmesser. Diese Erscheinung ist umso ausgeprägter, je kürzer die Düse ist bzw. je höher der Durchsatz ist. Einen Einfluss hat auch die Zulaufgeometrie (Einlaufdruckverluste). Erklärung zu Bild 4-223: Durch Scherkräfte werden Molekülketten in Scherrichtung beim Düsendurchtritt orientiert. Die Makromoleküle werden demnach zwangsweise aus einem ungeordneten, verknäuelten Zustand in einen Zustand größerer Ordnung gebracht. Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik streben alle Stoffe die größtmögliche Unordnung an. (Das Maß für diese Unordnung ist die Entropie.) Wegen des viskoelastischen Verhaltens von Kunststoffen allgemein und Kunststoffschmelzen im Besonderen erfolgt diese Rückknäuelung der Molekülketten zeit- und temperaturabhängig, entropieelastisch. Je länger die Düse ist, umso mehr Zeit haben die Makromoleküle in einem vorgegebenen Düsenquerschnitt zu relaxieren, d. h. die Strangaufweitung nach Austritt aus der Düse wird klein sein. Der Anteil des viskosen Fließens innerhalb der Düse ist groß, die gummielastische (entropieelastische) Rückdeformation nach Austritt ist klein. Ist die Düse kurz, findet kaum Relaxation beim Düsendurchtritt statt, der entropieelastische Anteil überwiegt, die Strangaufweitung ist groß. Diese beschriebenen Vorgänge können nur bei Temperaturen weit oberhalb des Glaspunktes bzw. des Schmelzpunktes ablaufen. Wird eine Kunststoffschmelze in eine in
Bild 4-223. Schematische Darstellung des rheologischen Verhaltens von Kunststoffschmelzen beim Düsendurchtritt (in Anlehnung an [11])
384
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
der Regel kalte (~20 bis 80 °C) Spritzgussform gespritzt, werden die vorhandenen Molekülorientierungen und örtlich unterschiedlichen Spannungen eingefroren und bestimmen weitgehend die Produkteigenschaften. Dies gilt für das Extrudieren beispielsweise von Rohren in ähnlicher Weise, da hier der Schmelzestrang unmittelbar nach Düsenaustritt in die Kalibrier- und Kühlzone eintritt. Der Einfluss der Düsenlänge bleibt jedoch hiervon unbeeinflusst. Die Beschreibung der Entstehung, der Auswirkungen und der Beseitigung von Molekülorientierungen gilt analog auch für die Orientierungen von Fasern (nicht für deren Beseitigung). Glasfasern, beispielsweise, richten sich infolge Scherkräfte in der Kunststoffschmelze in Fließrichtung aus. Bei Scher- und Dehnströmung gibt es somit auch über der
Bild 4-224. Orientierungseinfluss auf die Schwindung von glasfaserverstärktem PBT [12], BASF AG
Wanddicke eines Formteiles senkrecht zueinander stehende Molekül- und Faserorientierungen beim Spritzgießen oder beim Aufeinandertreffen von Schmelzeströmen (Bindenähte), senkrecht zu den Fließrichtungen stehende Molekülund Faserorientierungen. Dies wird umso ausgeprägter sein, je kälter die Schmelzetemperatur ist (viskositätsbedingte höhere Scherkräfte). Die Bindenaht wird zur Schwachstelle. Bild 4-224 zeigt anhand der Schwindung die Anisotropie eines mit 30 % Glasfasern gefüllten Materials [12]. Solche Schwindungsunterschiede führen verständlicherweise am fertigen Bauteil zu starken Verzugserscheinungen. Für den Konstrukteur bedeutet dies, er muss Strömungsrichtungen während der Füllphase entweder aus Erfahrung kennen oder Simulationsprogramme zur Beschreibung des Füllbildes heranziehen (siehe Kapitel 6.3.2.1 und 6.3.3.4). Orientierungen von Molekülen und von Fasern sind, wie oben beschrieben, Verstärkungen in Richtung der wirkenden Kräfte, sie sind aber wegen der geringeren Sekundären Bindekräfte zwischen Molekülen Schwachstellen senkrecht zu den Kraftrichtungen. Versuch: Ein Kunststoffbecher z. B. tiefgezogen oder spritzgegossen (Boden mittig angespritzt) wird zerdrückt. Einfluss von Molekülorientierungen auf Eigenschaften 1. Warum bricht der Becher in Längsrichtung, warum nicht quer dazu? Weil die Makromoleküle beim Umformen (ca. 120 °C) durch Scherung orientiert werden (Bild 4-225) und diese Orientierung beim schnellen Abkühlen eingefroren wird. Und weil die Bindekräfte innerhalb eines Makromoleküls ca. um den Faktor 20 höher sind als zwischen den Makromolekülen. 2. Wie kann man diese Schwachstelle vermindern? Durch andere Werkstoffwahl kann Problem reduziert wer-
Bild 4-225. Aus einem isotropen Molekülknäuel werden infolge Scherung beim Urformen oder Umformen anisotrope Molekülorientierungen [1]
4.1 Urformen den oder andere Spritzbedingungen bzw. Tiefziehbedingungen wählen Problem vermindert – Kosten erhöht: Beispiel Spritzgießen: Schmelzetemperatur erhöhen, Formwerkzeugtemperatur erhöhen – vermindert die Anisotropie, verlängert aber die Zykluszeit. 3. Was passiert, wenn man den Becher über Tg erwärmt? Im Fall des tiefgezogenen Bechers warmgeformt aus der Halbzeug-Platte: Erinnerungsvermögen an die ebene Form der HalbzeugPlatte → orientierte Makromoleküle nehmen die entropisch günstige Gestalt wieder an, sobald die Beweglichkeit der Makromolekülketten (Ketten gleiten aneinander ab) dies zulässt (>> über Tg) (besonders gut bei Polystyrol zu beobachten). Anhand der verschiedenen Eigenschaften wird je Teilbild in Bild 4-226 der Einfluss der Molekülorientierungen in einem spritzgegossenem Formteil a) parallel zur Spritzrichtung (gekennzeichnet mit ∥ und durchgezogene Linie) b) senkrecht zur Spritzrichtung (gekennzeichnet mit ⊥ und gestrichelt gezeichnete Linie) sichtbar.
385
Je näher der Messort am Anguss liegt (Abszisse), umso ausgeprägter ist bei der Reißfestigkeit und der Streckspannung der Einfluss der Orientierungen. Molekülorientierungen, als Folge der Scherkräfte beim Verarbeiten, wirken sich verfahrenstechnisch sehr unterschiedlich aus. Beim Spritzgießen von Thermoplasten und thermoplastischen Elastomeren haben Molekül- und Faserorientierungen einen dominierenden Einfluss auf die Bauteileigenschaften. Wie der Versuch mit dem Kunststoffbecher zeigt, sind auch beim Warmumformen die Orientierungen sehr ausgeprägt. Dies ist, wie schon erwähnt, beim Extrudieren geringer und, je niedriger die Viskosität bzw. je geringer die Schergeschwindigkeit und je kürzer die Fließwege sind, umso weniger ausgeprägt.
Pressen Beim Pressen, beispielsweise von glasmattenverstärkten Thermoplasten (GMT) oder von langfaserverstärkten Thermoplasten im Direktverfahren (LFT-D) bzw. auch von duroplastischem SMC, hängt die Orientierung von Makromolekülen und Fasern von der Größe der Scherkräfte ab.
Bild 4-226. Orts- und Richtungsabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften eines Spritzgussteils
386
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Zuschnitte, die die Kavität weitgehend ausfüllen, also in der Regel einfache Formteilgeometrien, weisen geringe Orientierungen auf. Zuschnitte, die beim Pressen lange Fließwege vor sich haben, führen für Moleküle und Fasern in aller Regel zu ausgeprägten Orientierungen. Dies gilt nach neueren Erkenntnissen auch für Langglasfasern, die unerwarteterweise bis zu 40 mm hohe Rippen beispielsweise eines Frontends eines PKW durch eingelegte versteifende Glasfasergewebe hindurch ausfüllen [14], [15]. Der Einfluss von Molekül- und Faserorientierungen auf die Bauteileigenschaften ist hierbei von besonderer Bedeutung. Eigenspannungen in Bauteilen als Folge der Verarbeitung haben darüber hinaus ebenfalls großen Einfluss.
Eigenspannungen in Formteilen und Bauteilen – Definition Spannungen, die in Körpern (Formteile, Bauteile) ohne Einwirken äußerer Kräfte vorhanden sind, werden als Eigenspannungen oder innere Spannungen bezeichnet. – Merkmal Die aus Eigenspannungen resultierenden Kräfte F und Momente M sind gleich Null; d. h. es existiert ein statisches Gleichgewicht (ΣF = 0; ΣM = 0).
– Entstehung Eigenspannungen entstehen durch behinderte Volumenänderung in festen Körpern (E-Modul > 0).
– Wirkung auf Makromoleküle In Kunststoffen führen Spannungen zu Abweichungen der Atomabstände und der Valenzwinkel von der jeweiligen statistischen Gleichgewichtslage. – Ursachen der Behinderung von Volumenänderungen Die Behinderung entsteht durch örtlich unterschiedliche Volumenänderung infolge örtlich und/oder zeitlich unterschiedlicher Vorgänge. Nach Bild 4-227 ergeben beispielsweise örtlich unterschiedliche Temperaturen eine Änderung des spezifischen Volumens. Beispiele für solche in der Kunststofftechnik häufig auftretende örtlich unterschiedliche Vorgänge sind: Abkühlung * einschl. kalte Einlegteile Nachdruck (beim Spritzguss) strukturelle Quellung Veränderung Krisallisation* Polyreaktion bzw. Polymerisation einschl. Vernetzen – gilt beispielsweise auch für Metalle und Keramiken
冧
Für den Konstrukteur (Bauteil und Werkzeug) und vor allem für den Verarbeiter sind derartige Zusammenhänge für die Bauteileigenschaften von grundlegender Bedeutung. Das p-v-T-Diagramm, Bilder 4-228 und 4-229, BASF AG [6] verdeutlicht die thermodynamischen Zusammenhänge zwischen Druck (p), spezifischem Volumen (v) und der Temperatur (T). Kompressibilität und Schwindung einer Kunststoffschmelze und eines Bauteils lassen sich damit vorhersagen. Das spezifische Volumen und damit die Schwindung des Kunststoffes – hieraus entnimmt der Werkzeugmacher die
Bild 4-227. Spezifisches Volumen eines amorphen Polymers und eines teilkristallinen Polymers in Abhängigkeit von der Temperatur
4.1 Urformen
387
Grenzen zwischen den Eigenspannungen verschiedener Art.
Abkühlung
Bild 4-228. p,v,T-Diagramm für den teilkritallinen Thermoplast Polyoxymethylen (POM), BASF AG [6]
Beispiel für Abkühleigenspannungen: Während des beidseitigen Abkühlens einer warmen Tafel aus amorphem Kunststoff ergeben sich parabelförmige Temperaturprofile über die Tafeldicke, Bild 4-230. Sofern die Ausgangstemperatur oberhalb der Glastemperatur liegt und die Abkühlung sehr rasch erfolgt (Abschrecken), bildet sich näherungsweise eine parabelförmige Eigenspannungsverteilung über den Querschnitt aus. Die zahlenmäßige Abschätzung der Abkühleigenspannungen σE ebener oder nur mäßig gekrümmter Platten erfolgt nach Gleichung (1):
冤
冥
2 6x2 1 σE = 3 – α · E · (Tg – TS) 6 –3 3 d2 2
(1)
E ... E-Modul; α ... linearer Wärmeausdehnungskoeffizient TS ... Oberflächentemperatur (Abschrecktemperatur) Tg ... Glastemperatur; x ... Ortskoordinate; d ... Tafeldicke Für die höchste Temperatur im Scheitel der Parabel wird die Glastemperatur Tg gesetzt, da sich erst unterhalb von Tg merkliche Spannungen ausbilden können. Aus vorheriger Gleichung folgt für die an der Oberfläche d x = 3 auftretenden Druckeigenspannungen 2
冢
冣
2 σDE = 3 α · E · (Tg – TS) 3
Bild 4-229. p,v,T-Diagramm für das amorphe Terpolymer (Thermoplast) Acryl-Butadien-Stryol (ABS), BASF AG [6]
erforderlichen Übermaße für seine Vermaßung der Kavität, um die geforderten Bauteilabmessungen zu erreichen – sind den Werkzeuginnendrücken und den entsprechenden Massetemperaturen zuzuordnen. Aus örtlich schwankenden Prozessparametern ergeben sich lokal unterschiedliche Schwindungen. Die verschiedenen Arten von Eigenspannungen können durchaus gleichzeitig auftreten, beispielsweise durch Abkühlung, Nachdruck und Kristallisation beim Spritzgießen teilkristalliner Thermoplaste. Ebenso existieren keine scharfen
Bild 4-230. Temperaturprofile T(x,t) während des Abschreckens einer gleichmäßig durchwärmten Platte (Tmax) zu verschiedenen Zeiten (t0 < t1 < t2 < …)
(2)
388
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-231. Druckeigenspannungen an der Oberfläche abgeschreckter Tafeln aus PMMA [1]
In Bild 4-231 stellt die ausgezogene Gerade die nach Gleichung (2) angegebene lineare Relation dar, wobei der Elastitätsmodul E im Glaszustand gleich 3000 N/mm2 und der lineare Ausdehnungskoeffizient α im Glaszustand mit 80 × 10–6 grd–1 eingesetzt wurde. Der Einfachheit halber ist mit konstantem E und α gerechnet. Die Druckeigenspannungswerte von ca. 20 N/mm2 an der Plattenoberfläche wirken sich bei äußeren Zugspannungen und einwirkenden Medien im Hinblick auf Spannungsrissbildung positiv aus. Bei langzeitig wirkender statischer Biegebelastung kann es, insbesondere bei niedrigen Temperaturen, zum Überschreiten der zulässigen Druckspannungen auf der Druckseite kommen.
Überlagert werden die abkühlbedingten Spannungen durch strömungsbedingte Spannungseffekte. Beim Füllvorgang wird die Fließfront biaxial gedehnt; diese Dehnungen werden bei Kontakt mit der in Relation zur Massetemperatur „kalten“ Wand eingefroren, im Formteilkern herrschen Druckspannungen vor. Es ergibt sich die in Bild 4-232 dargestellte Spannungsverteilung [7]. Bei der Entformung des Bauteils können diesem Spannungszustand weitere Effekte überlagert werden. Steht ein Spritzgussteil bei der Entformung noch unter „Restdruck“, so werden die äußeren Schichten des Spritzlings gedehnt. Die daraus resultierenden Eigenspannungsüberlagerungen sind in Bild 4-233 zu erkennen [7]. Im Extremfall können sich in den Randbereichen Zugeigenspannungen ausbilden. Untersuchungen nach [6] zeigten, dass die Entformung unter Restdruck und damit künstlich eingebrachte Expansionsspannungen nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf die mechanischen Kennwerte besitzen (Wanddicke der Teile 3 mm). Gleichzeitig mit dem Entstehen der Eigenspannungen setzt die Relaxation, d. h. der Abbau der Spannungen, ein. Letzterer kann derart schnell ablaufen, dass bereits nach dem Entformen keine Spannungen durch spannungsrissauslösende Medien mehr nachgewiesen werden können [16]. Auf der anderen Seite treten jedoch auch so große Eigenspannungen auf, dass sie zum Materialversagen in Form von Fließzonen (Crazes) führen. Aus dem Bereich optischer Anwendungen ist bekannt, dass Eigenspannungen großen Einfluss z. B. auf den Brechungsindex haben. Bei Standardpolystyrol wurden in einigen Fällen schon vor der Entformung Spannungsrisse im Teil festgestellt [7].
Bild 4-232. Überlagerung von abkühl- und strömungsbedingten Eigenspannungen [6] (nach Wübken [7])
4.1 Urformen
389
Bild 4-233. Überlagerung der Abkühl-, Strömungs- und Expansioneffekte bei der Entformung unter Restdruck [6] (nach Wübcken [7])
Die Massetemperatur beeinflusst Eigenspannungen nur unwesentlich. Eine erhöhte Werkzeugoberflächentemperatur hingegen führt zu geringeren Abkühlgeschwindigkeiten, die Spannungsrelaxation kann länger auf höherem Temperaturniveau ablaufen. Es ergeben sich geringere Eigenspannungen. Für die Bauteileigenschaften sind jedoch, wie eben erwähnt, symmetrische Verhältnisse anzustreben. Geringere Nachdrücke führen im Allgemeinen zu geringen Eigenspannungen. Ähnlich wie beim Abschrecken einer Tafel stellt sich ein Temperaturgradient im Formwerkzeug beim Abkühlen aus der Schmelze ein. Die Vorgänge sind insbesondere beim Spritzgießen komplizierter, da bereits die Formfüllung nicht isotherm verläuft. Dies ändert jedoch nichts am sich einstellenden Spannungsverlauf: Druckspannungen an der Oberfläche, Zugspannungen im Werkstoffinneren, sofern nicht durch überhöhten Nachdruck das Werkzeug „überladen“ wurde.
Bild 4-234. Umspritzen eines Einlegeteils [1]
Beispiel: Umspritzen von Einlegeteilen (Thermoplast, Spritzguss) (z. B. Gewindehülsen aus Metall), Bilder 4-234, 4-235, 4-236. Was passiert beim Erstarren der Schmelze im Bereich des Gewindebolzens? Zu unterscheiden sind folgende Fälle: s << d und s ≥ d, Bild 4-235. Antwort zu s << d: Bei dünner Wanddicke s im Vergleich zum Durchmesser des metallischen Einlegeteils schwindet der Kunststoffring auf das Metall. Die Temperatur im Kunststoffring ist nahezu konstant; damit ist auch die Schwindung über dem Radius r konstant und es entsteht eine gleichmäßige Zugspannung.
Bild 4-235. Umspritzen eines Einlegeteils (schraffiert), geringe KunststoffWanddicke [1]
390
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-236. Umspritzen eines Einlegeteils (schraffiert), große Kunststoff-Wanddicke [1]
Antwort zu s ≥ d, Bild 4-236: Ist die Kunststoffschicht s im Vergleich zum Metall-Einlegeteil groß, wird zwar der anliegende Kunststoff in einer dünnen Schicht schnell erstarren, doch die plastische Seele (siehe Bild) braucht lange zum Abkühlen und erstarrt zuletzt7. Der erstarrende Kunststoff schwindet in radialer Richtung zur Mitte der plastischen Seele, wodurch die radiale Pressung vermindert, d. h. die Gefahr der Lockerung des metallischen Einlegeteils besteht. Formschluss durch Nute oder Zacken im Einlegeteil sind eine mögliche Lösung. Gegenmaßnahmen Die Größe der Eigenspannungen beim Formungsprozess kann durch Verminderung der Temperaturunterschiede verkleinert werden, d. h. die Schmelzetemperatur sollte möglichst niedrig sein und die Formwandtemperatur möglichst hoch. Es wird eine geringe Abkühlgeschwindigkeit und damit geringe Temperaturgradienten im Wandquerschnitt angestrebt. Die genannten Maßnahmen können nur bis zu bestimmten Grenzen verwirklicht werden, die durch andere Formteileigenschaften und die Wirtschaftlichkeit des Herstellungsverfahrens gegeben sind. Eine andere Maßnahme ist das frühzeitige Entformen, bevor die Temperatur-
7
Die Temperatur der Kunststoffschicht über dem Radius r ist hier nicht konstant, sie ist in der Mitte am größten und damit erstarrt der Kunststoff dort zuletzt, wodurch sich starke Zugspannungen ausbilden, die bis zu Lunker in der Mitte der Kunststoffschicht führen können.
unterschiede im Wandquerschnitt ausgeglichen sind. Der Temperaturgradient und damit die Spannungshöhe werden verringert. Die noch heiße Schmelze-Seele kann die Oberfläche ggf. nochmals aufwärmen. Diese Methode ist jedoch häufig durch die mangelnde Stabilität in diesem Zustand nicht durchführbar. – Langsamer abkühlen (Werkzeug + Einlegeteil heizen) – Masse des Einlegeteiles verringern – Kunststoff-Wanddicke um Einlegeteil größer wählen Auswirkungen der Eigenspannungen Eigenspannungen im Formteil können beeinflussen: – Belastbarkeit – Maßhaltigkeit Druckeigenspannungen in der Oberfläche erhöhen die Festigkeit bei Biegung. Zugeigenspannungen an der Oberfläche können ohne Einwirkung äußerer Kräfte zu Spannungsrissen führen, insbesondere bei zusätzlicher Einwirkung von Medien: Spannungsrissbildung! (Selbstverständlich führen auch äußere Zugspannungen bei Medieneinwirkung zu Spannungsrissbildung.) Besonders empfindlich hierfür sind Kunststoffe gemäß Tabelle 4.20. Insbesondere sind amorphe Thermoplaste, aber nicht nur diese, spannungsrissempfindlich, Tabelle 4-20. Daher vor Anwendung beim Rohstoffhersteller anfragen oder betriebsnahe Versuche durchführen.
4.1 Urformen
391
Tabelle 4-20 Spannungsrissbildung bei Kunststoffen Kunststoff
Beispiele für Spannungsrisse auslösende Medien
PS PE PP PVC PA PMMA PC
n-Heptan (dampfförmig oder flüssig) Benzin, Äther, Methanol, Ölsäure, Pflanzenöle Tenside, Alkohole, Äther, Siliconöle, Ketone, Ester ähnlich wie PE Methanol bei Feuchtegleichgewicht mit Umgebung keine Rissbildung durch die meisten Medien 20%ige Natronlauge, Paraffinol, Glycerin, Wasser, Hexan, Heptan, verschiedene Alkohole, NMA, Benzol, Aceton Methanol, Terpentin, PVC-Weichmacher, Isopropylalkohol, n-Hexan
Kristallisation Spritzgießen Bei teilkristallinen Thermoplasten ergeben örtlich unterschiedliche Temperaturen beim Abkühlen Kristallisationsgrad-Unterschiede über der Wanddicke eines Bauteiles (siehe Kapitel 3.1 und 3.2 und Bild 4-232). An den Bauteiloberflächen findet sich infolge schneller Abkühlung an der „kalten“ Werkzeugwand, beispielsweise beim Spritzgießen, ein niedriger Kristallisationsgrad (bis hin zu amorphen Schichten). Im Innern der Bauteilwandung liegt, insbesondere bei größeren Wanddicken, ein hoher Kristallinitätsgrad vor. Dieses Gefüge beeinflusst die makroskopischen Eigenschaften. Zusammenfassend gilt [8]: Außenhaut: Starke Unterkühlung der Schmelze, kaum Ausbildung eines kristallinen Gefüges bei teilkristallinen Thermoplasten.
Scherzone: Ausgeprägt orientierte Schicht mit Entstehung eines kristallinen Gefüges (feiner Kornverteilung). Kernschicht: Kristallisation erfolgt dort nach Ablauf der Füllphase bei wesentlich geringeren Abkühlgeschwindigkeiten im Vergleich zur Wandnähe. Es entsteht ein grobes Gefüge mit großen Sphärolithen (kristalline Bereiche). Die experimentellen Arbeiten (Bild 4-237) von HovenNievelstein [6]: „Das Verhältnis der Schichtdicken ändert sich mit größer werdender Fließweglänge; ebenso können die Massetemperatur und die Fließfrontgeschwindigkeit, weniger jedoch die Werkzeugoberflächentemperatur die Ausbildung der Schichten beeinflussen. Die Wanddicke des Formteils hat in den Auswirkungen auf die Schichtanteile ähnlichen Einfluss wie bei den Orientierungen. Messungen haben gezeigt, dass der Anteil der Randschicht an der Formteildicke die mechanischen Kenngrößen beeinflusst.
Bild 4-237. Gefüge eines teilkristallinen Spritzgussteils (PP) (Backhaus [8])
392
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bei teilkristallinen Thermoplasten beeinflusst die Kristallisation aus der Schmelze (Bild 4-227) und nach den Bildern 4-228 und 4-229 das spezifische Volumen sprunghaft. Die Bedeutung des Nachdruckes wird ersichtlich.
Bild 4-238. Dichte (Kristallinität) als Funktion der Wanddicke bei Rohren aus PE-HD (nach P. Stockmayer [1])
Von der Massetemperatur gehen die wichtigsten Einflüsse auf die Randschichtdicke aus. Mit steigender Temperatur ist eine Abnahme der Randschichtdicke zu verzeichnen [8]. Von der Massetemperatur hängt es ab, in welchem Abstand von der Werkzeugwand die Fließgrenztemperatur liegt. Bei höheren Temperaturen ist der Abstand zur Werkzeugwand geringer. Die Werkzeugwandoberflächentemperaturen haben im praxisrelevanten Verarbeitungstemperaturbereich keinen Einfluss auf die Randschichtdicke [7]. Die Einspritzgeschwindigkeit hat bei Erhöhung größere Dissipationseffekte in der Scherzone zur Folge, durch die das Voranschreiten der Erstarrungsfront zur Querschnittsmitte verlangsamt wird; eine Abnahme der Randschichtdicke ist die Folge [8]. Neben der Verteilung des Gefüges innerhalb des Spritzlings hat der Kristallisationsgrad, also der Anteil an kristallisierten Molekülen, Einfluss auf die Eigenschaften. Streckgrenze, Zugmodul, Schlagzähigkeit und Härte nehmen mit wachsendem Kristallisationsgrad zu. Für den Bereich des Spritzgießens sind jedoch die im normalen Verarbeitungsbereich möglichen Kristallisationsgradänderungen in aller Regel gering. Dies hat zur Folge, dass die auf diese Weise entstehenden Änderungen der makroskopischen Eigenschaften ebenfalls gering sind [8] [6]. Bei Maschinenelementen wie Gleitlager mit tribologischer Funktion sind derartige verfahrensbedingte Einflüsse höchst unerwünscht. Beheizte Werkzeuge, auch beim Spritzgießen, sind eine Lösung.
Extrudieren Am Beispiel der Rohrextrusion zeigt Bild 4-238 den Einfluss der Abkühlung auf den Dichteverlauf über der Rohrwanddicke. Man erkennt, dass es sich um eine außen mit Wasser gekühlte und innen mit Druckluft gefüllte Rohrfertigung handelt. Dies ergibt außen eine geringe Dichte (niedriger Kristallisationsgrad), in der mittleren Wanddicke, zum Innendurchmesser etwas verschoben ein Dichtemaximum (höchster Kristallisationsgrad) und an der Rohrinnenseite eine absinkende Dichte, die jedoch aufgrund der gegenüber Wasser geringeren Wärmeleitung der Luft deutlich höher liegt, als an der Rohraußenseite. Dichte und Kristallisationsgrad hängen direkt proportional (linear) voneinander ab. Bild 4-239 zeigt an laborgefertigten PE-HD-Plättchen den Zusammenhang zwischen Dichte und Abkühlgeschwindigkeit. Tabelle 3-13 gibt für einige teilkristalline Thermoplaste Kristallisationsgrade und Dichten an [17], Kapitel 3.1. Bevor die Schwindung im Zusammenhang mit der Maßhaltigkeit vertieft wird, noch ein Beispiel zu Eigenspannungen.
Bild 4-239. ρ = f(v) bei PE-HD-Plättchen (60 x 10 x 1 mm)
4.1 Urformen
393
Bild 4-240. Deformation eines verschweißten Kunststoffrohres aufgrund von Eigenspannungen (übertrieben gezeichnet) [1]
Versuch zu Eigenspannungen in Rohren Ein einfacher Nachweis zur Feststellung der Außen- oder Innenkalibrierung (gekoppelt mit der Wasserkühlung) eines Rohres lässt sich durch das Aufsägen eines Rohrabschnittes in Rohrlängsrichtung erbringen: Schnappt der Rohrring beim Sägen zu, so wurde das Rohr außen kalibriert (gekühlt); verbreitert sich der Sägespalt, so wurde das Rohr innen kalibriert (gekühlt). Diese Eigenspannungen entstehen beim Abkühlen der Kunststoffrohre bei Temperaturen unterhalb der Kristallitschmelztemperatur bei teilkristallinen bzw. unterhalb der Glastemperatur bei amorphen Thermoplasten. Die Außenschicht der Rohre kühlt bei Außenkalibrierung zuerst ab durch die innige Berührung des Schmelzeschlauches mit der gekühlten Kalibrierhülse. Ist diese Außenschicht erstarrt und stark abgekühlt, so wird sie von den weiter innen liegenden wärmeren Materialschichten zusammengedrückt, wenn diese abkühlen und schwinden. Dadurch ergeben sich an der Rohrinnenseite Zug- und an der Rohraußenseite Druckspannungen (wie bei Spritzgussteilen auch). Diese Spannungen verlaufen nicht nur in tangentialer Richtung, was sich beim Aufsägen eines Rohrringes bemerkbar macht, sondern auch in Rohrlängsrichtung, was beim Spiegelschweißen von Rohren erkennbar wird; die Rohrenden fallen ein, Bild 4-240. Maßhaltigkeit Die Maßhaltigkeit von Kunststoffbauteilen, vor allem im Zusammenbau mit anderen Teilen zu Komponenten oder Systemen, insbesondere bei der Kombination mit verschiedenen Werkstoffen (Stahl, Aluminium, Magnesium, Keramik, Faserverbundwerkstoffen) spielt bei technischen Anwendungen oft eine zentrale Rolle. Einflussgrößen auf die Maßhaltigkeit von Kunststoffteilen sind (Auswahl): Masseanhäufungen, Gefügestruktur, Verstärkungsstoffe, Verarbeitungsbedingungen, Feuchtigkeitsgehalt (Quellung), Temperaturschwankungen im Betrieb. Quali-
tativ zeigt Bild 4-241 die Vielzahl an Einflussgrößen auf die Maßabweichungen von spritzgegossenen Formteilen auf. Eine andere Darstellung gibt Bild 4-242 nach VDI 2006 wieder.
Schwindung „Die genaue Vorherbestimmung der Schwindung ist bis heute nicht möglich, der Konstrukteur muss auf Basis der verschiedensten Quellen (Rohstoffhersteller, Erfahrungswerte, Vergleichsmessungen) den Maßunterschied zwischen Werkzeug und Formteil abschätzen. Da die so ermittelten Werte häufig von den realen Zuständen abweichen, versucht man, die Schwindung noch in relativ weiten Bereichen über den Prozessverlauf zu beeinflussen“ [6]. Qualitativ zeigt Bild 4-243 die Abhängigkeit der Verarbeitungsschwindung auf Prozessparameter. Zusätzlich ist die Schwindung noch in hohem Maße von der Lage, Art und Größe des Anschnittes abhängig. Scherkräfte bewirken bei zu kleinen Anschnitten hohe Längsorientierung der Makromoleküle und damit eine ausgeprägte Längsschwindung im Vergleich zur Querschwindung: Die Folge ist Verzug des Bauteiles. „Amorphe Materialien liegen im Schwindungsniveau bei ca. 0,3–0,9 %, Tabelle 4-21, die Beeinflussungsmöglichkeit durch die Prozessbedingungen ist dementsprechend gering. Für ABS z. B. sinkt mit einem Anstieg der Massetemperatur von 10 K die Schwindung um 0,01 %. Die Werkzeugoberflächentemperatur hat kaum Einfluss. Über den Nachdruck kann die Schwindung um 0,01 % je 10 bar reduziert werden (ABS). Wesentlich größer ist die Bandbreite der Schwindungswerte bei teilkristallinen Kunststoffen (0,4–3 %), Tabelle 4-21. Dadurch können auch die verschiedenen Prozessbedingungen stärkeren Einfluss auf das Schwindungsniveau nehmen“ [6]. „Bild 4-244 zeigt für Ultramid B3S die Abhängigkeit der Schwindung von der Werkzeugoberflächentemperatur. Die Schwindung steigt pro 10 K um 0,1 %. Die Massetemperatur-
394
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-241. Einflussgrößen auf Formteil-Maßabweichungen [18]
Bild 4-242. Einflüsse auf die Maßhaltigkeit von Spritzgussteilen (Bayer AG: Makrolon)
4.1 Urformen
Bild 4-243. Abhängigkeit der Schwindung von den Verarbeitungsbedingungen [3]
Tabelle 4-21 Schwindungswerte verschiedener Kunststoffe [10] Ungefüllt: Amorphe Thermoplaste PS PC PVC PSU PPO
Teilkristalline Thermoplaste 0,2 – 0,6 % 0,4 – 0,8 % 0,4 – 0,8 % 0,6 – 0,8 % 0,7 – 1,0 %
PE PP POM PBT PA 6 PA 6.6
1,2 – 2,8 % 1,2 – 2,5 % 1,8 – 3,0 % 1,2 – 2,8 % 1,0 % 1,3 %
Glasfaserverstärkt: Amorphe Thermoplaste PC PSU
Teilkristalline Thermoplaste 0,2 – 0,5 % 0,2 – 0,5 %
PP POM PBT PA 6.6
0,5 – 1,2 % 0,2 – 0,6 % 0,2 – 1,5 % 0,1 – 0,4 %
395
396
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
– bei amorphen Thermoplasten ist die VS geringer als bei teilkristallinen Kunststoffen; sie ist • richtungsabhängig (Formfüllung, Fasern) • verarbeitungsabhängig (Druck, Werkzeugtemperatur) • wandstärkenabhängig
Bild 4-244. Abhängigkeit der Schwindung von der Werkzeugoberflächentemperatur, BASF [6]
Nachschwindung Besonders bei teilkristallinen Thermoplasten kommt es vor allem bei höheren Lager- oder Anwendungstemperaturen oder bei Wasseraufnahme (Erhöhung der Beweglichkeit der Makromoleküle) zu einer Nachschwindung. Folge: Maßänderungen und Verzug. Die Nachschwindung wird durch die Abkühlgeschwindigkeit, Werkzeugtemperatur und Wanddicke bestimmt. Mit Werkzeugtemperaturen von über 90 °C (lange Zykluszeiten) kann die Nachschwindung sehr gering gehalten werden. Außerdem verringert sie sich mit steigender Wanddicke (geringere Abkühlgeschwindigkeit).
Verzug abhängigkeit für das Material ist sehr gering, der Nachdruckeinfluss liegt bei 0,02 % pro 10 bar. In Bild 4-244 sind Zahlen für gebundene Maße aufgezeigt, bei freien Maßen steigt die Beeinflussbarkeit an“ [6]. Auch die Dicke des Formteiles beeinflusst die Schwindung, Bild 4-245. „Bei glasfaserverstärkten Materialien werden die Schwindungswerte stärker durch die Orientierungsrichtung als durch die Prozessbedingungen verändert, Bild 4-246. Die Schwindung senkrecht zur Glasfaserorientierung ist im Gegensatz zur Schwindung in Orientierungsrichtung zwar beeinflussbar, die Variationsmöglichkeiten sind jedoch geringer als beim unverstärkten Material, Bild 4-247. Interpretiert werden kann dies mit dem Füllgrad des Matrixwerkstoffes durch die Fasern selbst. Diese Zusammenhänge gelten für amorphe und teilkristalline Materialien gleichermaßen. Die Schwindungserhöhung von 0,1 % pro 10 K Werkzeugtemperaturanstieg in Bild 4-238 zeigt auf, dass teilkristalline Produkte eine ausgeprägtere Verzugsneigung besitzen. Ebenso wird das Problem der Einhaltung von Toleranzen deutlich“ [6]. Zur Vertiefung sei hier auf [2] verwiesen. Verarbeitungsschwindung (VS) (Zusammenfassung) – das ist der Unterschied zwischen dem Maß des kalten Werkzeugs und dem Maß des erkalteten Spritzgussteils – sie resultiert aus Dichteänderungen beim Erstarren von der Schmelze zum Festkörper und der anschließenden Kontraktion (thermischer Längenausdehnungskoeffizient)
Die maßlichen Abweichungen, die bei Kunststoffteilen auftreten, resultieren meist nicht aus einer mangelhaften Werkzeugauslegung oder Schwindungsfestlegung, sondern beruhen auf der Tatsache, dass sich die Spritzgussteile ggf. verbiegen und verformen. Um maßlich korrekte Teile zu erhalten, muss nun das Verzugsverhalten abgeschätzt und durch konstruktive Gestaltung, Werkstoffwahl und Verarbeitung versucht werden, die Verzugserscheinungen zu minimieren. Als Einflussfaktoren sind zu nennen: Asymmetrische Materialanhäufungen, unterschiedliche Wanddicken, Angusslage, örtlich unterschiedliche Kristallisationsgrade, Füllstoffe, Verstärkungsfasern, örtliche Werkzeugtemperatur, Zykluszeit, Nachdruck, Massetemperatur und Einspritzgeschwindigkeit. „Wie ausgeprägt der Verzug durch Temperaturunterschiede im Werkzeug beeinflusst wird, macht Bild 4-248 am Beispiel von Polyamid 6 deutlich. Je nach Wahl der Temperaturen sind sowohl positive wie negative Verzugswerte möglich. Eine derartig große Beeinflussung des Verzugsverhaltens ist jedoch meist nur bei thermischen Ursachen zu erzielen. Starke, durch Glasfaserorientierungen hervorgerufene Formabweichungen sind nur in geringem Maße durch Temperaturen zu beeinflussen. In den meisten Fällen bleibt nur die Möglichkeit, über eine Änderung der Orientierungen, z. B. durch Variation der Anschnittlage oder der Wanddickenverteilung am Teil, Verbesserungen zu erzielen“ [6]. „Ergibt sich aufgrund eines asymmetrischen Temperaturprofils (z. B. durch eine partiell unterschiedliche Werk-
4.1 Urformen
Bild 4-245. Abhängigkeit der Schwindung von der Wanddicke, BASF [6]
Bild 4-246. Abhängigkeit der Schwindung von Nachdruck und Orientierung, BASF [6]
Bild 4-247. Beeinflussung der Schwindung durch Werkzeugoberflächentemperatur, BASF [6]
397
398
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
– Bei dünnwandigen Formteilen und kurzen Zykluszeiten könnten Orientierungen durch Vernetzung fixiert werden. In der Buchliteratur ist davon jedoch nicht die Rede. Folglich relaxieren Orientierungen auch bei dünnwandigen Bauteilen während der Verarbeitung ohne Anisotropie. – Bei dickwandigen Formteilen liegt die Vulkanisationszeit selbst beim Spritzgießen im ≥ 3 Minuten-Bereich, beim Pressen ≥ 6 Minuten. Die Relaxation der Orientierungen kann nahezu vollständig erfolgen (sie benötigt ohnehin nur Sekunden bei hohen Temperaturen). Als Verstärkungsstoffe werden bei Elastomer-Formteilen selten Fasern eingesetzt, so dass diese Form der Orientierungen bei den verwendeten Partikeln keine Rolle spielt.
Eigenspannungen Bild 4-248. Einfluss der Werkzeugoberflächentemperatur auf den Verzug, BASF [6]
zeugoberflächentemperatur oder durch asymmetrische Wanddickensprünge) eine unsymmetrische Spannungsverteilung, so wird sich ein Spannungsgleichgewicht über dem Querschnitt durch Formänderung einstellen (meist erst nach dem Entformen oder bei Erreichen der Umgebungstemperatur); Verzug ist die Folge“ [6].
4.1.7.2.2
Elastomere
Orientierungen Molekülorientierung treten beim Einwirken von Scherkräften in Kautschukmischungen in gleicher Weise auf wie beim Verarbeiten von Thermoplastschmelzen. Strangaufweitung und Relaxation bei langen Düsen ist auch grundsätzlich vergleichbar. Extrudierte Profile aus Kautschuk (unvernetzt) zeigen ähnliches Verhalten in ihrer Relaxation der Orientierungen und damit in Maßänderungen wie Thermoplastschmelzen [19]. Entscheidende Unterschiede bei Elastomeren (vernetzt) sind jedoch – die Vulkanisation im Werkzeug und – die Lage der Glasübergangstemperatur Tg bei tiefen Temperaturen. Ersteres fixiert Orientierungen durch ein weitmaschiges Netzwerk. Letzteres erlaubt auch noch bei Raumtemperatur ablaufende Relaxationsprozesse.
Allgemein gilt für Eigenspannungen die Vorbemerkung zu Orientierungen. Entscheidend für Anisotropien in bevorzugt dickwandigen Formteilen sind Vernetzungsgradunterschiede zwischen Innen und Außen. Genauere Angaben finden sich in Röthemeyer/Sommer [19]. Durch Nachvulkanisation im Inneren (Temperaturgradient beim Abkühlen) kann die Differenz üblicherweise nicht ausgeglichen werden. Bei einem Gummi-MetallDämpfungselement beträgt z. B. der Vernetzungsgrad Innen ca. 70 % dessen von Außen [19]. Eigenspannungen resultieren daraus nicht, weil das weitmaschige Netzwerk Verformungen zulässt. Unterschiede in den Eigenschaften sind in Abhängigkeit vom Ort anzutreffen. Beim Abkühlen auf Raumtemperatur nach dem Entformen wird es bei den Elastomeren, deren Glastemperatur unter Null Grad liegt, keinen Verzug geben, da sich einstellende Eigenspannungen im entropieelastischen Netzwerk abbauen. Erst wenn das Formteil unter seine Glastemperatur abkühlt, sind beispielsweise bei einer dicken Platte, infolge des höheren Vernetzungsgrades außen (größerer EModul), eine Einfallstelle in der Plattenmitte (Eindellung) zu erwarten (Tg außen > Tg innen). Bei Radialwellendichtringen (RWDR) sind Eigenspannungen bei der Lebensdauerberechnung und auch bei der Entformung aus dem Werkzeug ein Thema. Spannungen infolge unterschiedlicher Schwindungen können sich hier zusätzlich auswirken.
Maßhaltigkeit Die Maßhaltigkeit von elastomeren Bauteilen, insbesondere bei Präzisionsteilen wie RWDR oder O-Ringen, ist häufig von Bedeutung. Hierzu ist sehr wenig veröffentlicht. Vieles ist firmeninternes Know-how im Elastomer-Engingeering.
4.1 Urformen So ist beispielsweise die Schwankungsbreite bei den Mischungsbestandteilen der Elastomer-Rezeptur ein Einflussparameter auf die Maßhaltigkeit von Dichtringen.
Schwindung Die Schwindung bei (elastomeren) Bauteilen ist die Abweichung zwischen Werkzeug- und Formteilabmessungen. Bezugsgrößen sind die normierten Werkzeugabmessungen. Messverfahren am Beispiel O-Ringe sind optische CNCMessmaschinen, mechanische Tastsysteme oder Messdorne. Bei Elastomer-Formteilen treten als Schwindungsursachen auf – thermische Unterschiede (Kompression) – Ausgasen von niedermolekularen Rezepturbestandteilen oder Spaltprodukten – Vulkanisation, wobei hier die Schwindung quer zur Walzrichtung größer ist als in Walzrichtung (Orientierungen). Am Beispiel von O-Ring-Formteilen aus Nitril-ButadienElastomer (NBR), werden nachfolgend qualitativ einige Abhängigkeiten der Schwindung des Innendurchmessers des ORings angegeben. – Je kleiner der O-Ringdurchmesser, umso größer ist die Schwindung. – Ein geringer Werkzeugdruck (Nachdruckphase) ergibt eine höhere Schwindung. – Die Schwindung (O-Ring-Innendurchmesser) steigt mit zunehmender Massetemperatur. – Gleiches gilt auch für die Werkzeugtemperatur, allerdings nicht so ausgeprägt wie bei der Massetemperatur. – Die axiale Schnurdickenschwindung eines O-Ringes nimmt mit steigender Werkzeugtemperatur ab.
Oberflächenmerkmale Oberflächenfehler sind bei elastomeren Bauteilen durch Fließfehler, Lufteinschlüsse, Stippen im Werkstoff und viele andere (siehe Kapitel 4.1.7.3.2) gekennzeichnet. In der Regel wird die Oberfläche des Werkzeuges vollständig abgebildet. Die Rauhigkeit der Werkzeugoberfläche entspricht der Rauhigkeit im Elastomerbauteil. Bei bestimmten Materialzusammensetzungen kann es infolge Oberflächenspannungen leichte Veränderungen geben [20].
4.1.7.2.3 Duroplaste Orientierungen Beim Verarbeiten (Pressen, Spritzgießen, Extrudieren, Spritzprägen u. a.) von unvernetzten (A-Zustand) oder vernetzten
399
(B-Zustand) duroplastischen Formmassen bewirken die Scherkräfte beim Einspritzen durch Düsen Orientierungen der Makromoleküle und, sofern vorhanden, der Verstärkungsfasern. Aufgrund der niedrigen Viskositäten der unvernetzten Massen wie Phenol-, Melamin-, UP-, Epoxidharze und der heißen Werkzeugwand relaxieren die Molekülorientierungen schnell. In der Regel sind Duroplaste molekülorientierungsarm bis -frei. Die Vernetzung fixiert diesen Zustand. Anders bei Verstärkungsfasern: Diese bleiben orientiert und führen zu den bei Thermoplasten bekannten Vor- und Nachteilen: Verstärkung in Belastungsrichtung, Schwächen senkrecht dazu, Bindenahtschwächen, Verzug. Beispielsweise treten bei direktem Spritzgießen deckelartiger, dünnwandiger Bauteile (z. B. Scheinwerfer-Reflektoren) starke kreisförmige Orientierungen der Kurzglasfasern in BMC (bulk molding compound)-UP-Harzen (Sauerkrautmasse) um den Anguss auf. Abhilfe erfolgt meist durch Spritzprägen oder Gegentakt-Spritzgießen.
Eigenspannungen Örtliche Vernetzungsgradunterschiede, beispielsweise bei dickwandigen Formteilen Innen-Außen, führen zu Schwindungsänderungen und damit zu inneren Spannungen, die bei Unterschreiten der Glastemperatur – bei Duroplasten i. d. R. um oder über 100 °C. Allerdings besteht in praxi genügend Zeit zum Abbau dieser Spannungen. Eine weitere gezielt eingesetzte Gegenmaßnahme ist das stufenweise Härten, wie es bei Scheibenbremsbelägen oder Schleifscheiben beispielsweise seit langem praktiziert wird. Bisher war von endotherm vernetzenden Systemen die Rede, bei denen Energie zum Vernetzen zugeführt werden muss. Bei exotherm reagierenden Systemen wie beispielsweise Epoxidharze, UP-Harze und Polyurethane, kann eine ungünstige Wanddickenverteilung infolge Vernetzungsgradunterschieden zu hohen Eigenspannungen im Bauteil führen. Eine mangelhafte Wärmeabfuhr bewirkt eine starke Vernetzung Innen bis hin zu Zersetzungen und Rissen von Innen nach Außen. Bei Verklebungen z. B. mit Epoxidharz-Klebstoffen kann es Eigenspannungen in der Klebschicht als Folge von verschiedenen Ausdehnungskoeffizienten der verbundenen Materialien geben. Deren E-Moduln sind hierbei wichtig. Auch die Lage der Glastemperatur und damit die Härtungstemperatur spielen eine Rolle. Der Reaktionsschwund des Klebharzes beeinflusst zusätzlich die Eigenspannungssituation. Optimierte Rezepturentwicklungen mit definiert zugegebenen Füllstoffen, Oligomeren, Copolymeren sind Maßnahmen zur Reduzierung der geschilderten Einflüsse.
400
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Von den Füll- oder Verstärkungsstoffen nehmen Mikroglaskugeln eine vorteilhafte Stellung zwischen Fasern und kantigen Zusatzstoffen ein. Sie mildern orientierungsbedingte Schwindungsunterschiede und setzen radialsymmetrische Eigenspannungen bei kantigen Partikeln herab. So werden im Werkzeugbau beispielsweise mit Mikroglaskugeln hoch gefüllte Epoxidharze verwendet, die dadurch nur noch Schwindungen von 0,15 % aufweisen [2].
Schwindungskennwert1)
Duroplaste, Typen nach DIN 7708 und 16911
Thermoplaste
0 bis 1
11 12 13 155, 156
ABS PC PMMA PS
Maßhaltigkeit, Toleranzen
1 bis 2
31, 51, 71, 74, 83 131, 150, 152, 157 154, 180, 181, 157, 180, 183, 801-804
CA CAB PA ungefüllt PP gefüllt
Unter Toleranzen versteht man den Unterschied zwischen zugelassenem Größt- und Kleinstwert eines Maßes. Bei der Herstellung von Teilen aus härtbaren Formmassen werden Abweichungen vor allem von den folgenden Faktoren beeinflusst [2]: – dem Aufbau des Werkzeugs und dessen Herstelltoleranzen, – der Wahl des Verarbeitungsverfahrens und der exakten Reproduzierbarkeit der festgelegten Verarbeitungsparameter, – dem Werkzeug-Verschleiß sowie – der Art der verwendeten Formmasse und deren Gleichmäßigkeit von Charge zu Charge. Von der Formmasse her gesehen sind folgende Kriterien für die einhaltbare Maßgenauigkeit der Formteile von entscheidender Bedeutung [2]: – Verarbeitungsschwindung (DIN 53464), – gegebenenfalls auftretende Anisotropie, – Nachschwindung (DIN 53464), – Quellung der Formteile. In DIN 16901 sind die Kunststoff-Formmassen nach ihren Schwindungskennwerten in vier Gruppen eingeteilt. Unterschieden werden die Gruppen 0-1, 1-2, 2-3 und 3-4, wobei die Gruppe 0-1 die geringsten Toleranzen gestattet, die Gruppe 3-4 die größtmöglichen Werte angibt, Tabelle 4-22. Schwindung DIN 53464 unterscheidet zwischen Verarbeitungsschwindung (oft nur Schwindung genannt) und Nachschwindung. Beim Gebrauch der Formteile muss auch an Quellung gedacht werden. Die Verarbeitungsschwindung wird in %, bezogen auf das Maß des kalten Werkzeuges angegeben, die Nachschwindung in %, bezogen auf das Maß des Formteiles vor der Nachbehandlung. Die geringe Verarbeitungsschwindung bei EpoxidharzBauteilen hängt neben der Schwindungsarmut der EP-Massen auch mit der gummielastischen Komprimierbarkeit
Tabelle 4-22 Schwindungskennwerte von Kunststoff-Formmassen nach DIN 16901
2 bis 3
–
PE, PP
3 bis 4
–
Polybuten und PVC z. T.
1)
Die Schwindungskennwerte errechnen sich aus der Summe der radialen Verarbeitungsschwindung und der Verarbeitungsschwindungs-Differenz (in % insgesamt).
nach dem Gelieren zusammen. Beim Öffnen der Form federt das noch heiße EP-Formteil zum Teil zurück. Dies wirkt der chemischen Schwindung entgegen. Auf diese Weise lassen sich Teile ohne oder mit negativer Schwindung herstellen. Wichtig ist dabei der Werkzeuginnendruck während des Vernetzens. Die geringe Schwindung beim Vernetzen von Epoxidharzen führt zu engsten Maßtoleranzen. In Kombination mit besten elektrischen Eigenschaften folgen daraus Anwendungen, wie Leiterplatten, Steckverbindungen, Zündverteiler, Zündspulendeckel, Zündkerzenstecker, Schaltstangen von Leistungsschaltern usw. Besonders komplex ist die Maßhaltigkeit von Leiterplatten in x-, y- und z-Richtung über den Herstellprozess und der gesamten Gebrauchsphase. K. Borchard in Woebcken [2] bietet dazu unter bei Dimensionsstabilität einen vertiefenden Einblick. Analog zum Thermoplastspritzgießen sollen metallische Einlegeteile auch bei Duroplasten auf 120 bis 150 °C vorgeheizt in das Werkzeug platziert werden. Dies gilt für kleine Gewindebuchsen weniger, für große Magnetspulen, die beispielsweise mit Epoxidharz umhüllt werden, mehr. Im speziellen Fall der EP-Harze kommt allerdings erleichternd hinzu, dass sie eine hohe Rissbeständigkeit besitzen. Am Beispiel der Tabelle 4-23 werden Verarbeitungsschwindungen für Melamin- und Melamin-Phenolharz-
4.1 Urformen
401
Tabelle 4-23 Schwindungswerte von Melamin- und Melamin-Phenolharz-Formmassen sowie Bereiche der möglichen Nachschwindung der Formstoffe [2] Typbezeichnung
Vearbeitungsschwindung Pressverfahren nach DIN 53464 (%)
Vearbeitungsschwindung Spritzgieß-Verfahren (%)
Nachschwindung nach DIN 53464 (%)
150 152 156 157 180 181 182 183
0,5 bis 0,9 0,5 bis 0,8 0,2 bis 0,5 0,4 bis 0,6 0,5 bis 0,8 0,5 bis 0,8 0,5 bis 0,8 0,5 bis 0,8
1,3 bis 1,9 1,3 bis 1,7 0,9 bis 1,2 1,0 bis 1,3 1,3 bis 1,7 1,3 bis 1,7 1,1 bis 1,5 1,1 bis 1,5
1,0 bis 1,9 0,8 bis 1,5 0,8 bis 1,3 0,8 bis 1,3 0,8 bis 1,2 0,8 bis 1,2 0,8 bis 1,4 0,8 bis 1,3
Formmassen einschließlich Richtwerte für die Nachschwindung angegeben. Formpressen und Spritzgießen werden dabei miteinander verglichen [2]. Schwindung und Nachschwindung können bei orientierten Fasern richtungsabhängig sein [21]. Abhilfe schaffen hier schwindungsarme Formmassen und/oder vorkondensierte trockene Massen. Nachschwindung kann auch durch flüchtige Bestandteile, die beim Warmlagern im Gebrauch austreten, entstehen. Maßänderungen, Verzug bis hin zu Rissen, z. B. an Rippen und Einpressmetallen, können die Folge sein. Die Verarbeitung von SMC ist in Kapitel 4.1.6.5 kurz beschrieben. Mit Blick auf diese Schwindung unterscheidet man drei SMC-Qualitäten, Tabelle 4-24 [2]. Rezepturangaben liefert Tabelle 4-17 in Kapitel 4.1.6.5. Der Mechanismus, der hinter den Qualitäten steht, ist in Woebcken [2] nachzulesen. Die nahezu schwindungsfreien Qualitäten werden für Class A-Oberflächen im PKW-Bau eingesetzt. Allerdings steht derzeit aufgrund extremer Anforderung an die Ober-
flächenqualität einerseits und hoher Nacharbeiten auf der anderen Seite, der zukünftige Einsatz von derartigen SMCAnwendungen auf der Kippe. Unbestreitbare Vorteile des SMC ist die Kombination aus hoher Steifigkeit mit konstruktiven Gestaltungsfreiräumen und der Transparenz für elektromagnetische Wellen (Antennen können versteckt werden). Die Schwindung von BMC ist im Bereich von ca. 0,25 % bis zu einer Aufweitung von 0,05 % einstellbar. BMC-Typen mit einer Dehnung von 0,05 % (das erkaltete Formteil ist größer als die kalte Form) werden z. B. für Reflektoren eingesetzt. Die Nachschwindung von Bauteilen aus trocken aufbereiteten Polyesterharz-Formmassen ist außerordentlich gering, ihre Maßhaltigkeit hervorragend. Verzug Verzug oder Verwölbung von meist plattenförmigen Bauteilen hängt natürlich eng mit der Schwindung zusammen. Immer dann, wenn Schwindung asymmetrisch, also anisotrop
Tabelle 4-24 Einteilung der SMC-Qualitäten nach der Härtungsschwindung (kaltes Werkzeug/kaltes Formteil) [2] SMC-Qualität
Additive
Zustand im UP-Harz
Härtungsschwindung [%]
Standard SMC (SMC)
Polyethylenpulver
Zweiphasen
0,15 bis 0,3
Low Shrink SMC (LS-SMC)
in Styrol-Monomer gelöstes: Polystyrol oder Polycaprolactol
Zweiphasen Zweiphasen
0,06 bis 0,14
in Styrol-Monomer gelöstes: Metylmethacrylat (PMMA), Polyvinylacetat (PVAC), Liquid Rubber gesättigte Polyester Celluloseacetobutyrat
Zweiphasen Einphasen Zweiphasen Einphasen Einphasen
Low-Profile SMC (LP-SMC) (siehe auch Kapitel 3.5.1.15)
0,04 bis + 0,04
402
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
erfolgt, gibt es in Formteilen mit eingefrorenen inneren Spannungen Verzug. Die Art des Verfahrens hat Einfluss auf den Verzug. Pressen beispielsweise liefert Formteile mit homogenen mechanischen Eigenschaften (wenig Anisotropie) und geringem Verzug, selbst bei langglasfaserverstärkten Teilen (kurze Fließwege, geringe Faserschädigung wegen geringer Schergeschwindigkeiten). Spritzgegossene, insbesondere ebene Bauteile, sind im Hinblick auf Verzug oft nur schwer zu lösende Fälle. Der Verzug von Bauteilen aus Low Profile SMC (LPSMC), Tabelle 1-88 ist vergleichsweise zu den anderen SMCQualitäten mit höherer Schwindung am geringsten. Beim Zuschneiden der in das Presswerkzeug einzulegenden SMC-Platinen, die dieses je nach den gewünschten Fließvorgängen mit 30 bis 70 % belegen, kann der Verzug des späteren Bauteils über die Glasfaserorientierungen beeinflusst werden. Die Berechnung der Fließfront ist hierbei wichtig. Die bei der Schwindung schon angesprochenen Leiterplatten (Platinen) verziehen sich manchmal. GlasgewebeEpoxidharz-Schichtpressstoffe sind dabei unkritischer als Papier-Phenolharz-Laminate. Die Härtungsschwindung ist bei PF-Harzen größer. Einseitig kupferkaschierte Laminate verziehen sich erwartungsgemäß stärker (unterschiedliche Längenausdehnungen). Bei weichgemachten PF-Harzen kann man gewaltsam mit dem Kalander gegenbiegen (Lage von Tg beachten). Bei Glasgewebe-Schichtpressstoffen kann auch die Fadenlage des Gewebes Grund zu Tafelverzügen sein. Man kann leider kein Gewebe mit genau rechtwinkeliger Fadenlage herstellen. Manchmal verläuft der Schussfaden auch bogenförmig [2].
Oberflächenmerkmale Duroplastische Bauteile werden, wie Formteile aus Thermoplasten auch, in vielen Fällen oberflächenbehandelt. Beispiele sind: Einpressen bedruckter Folien, Lackieren, Bedrucken, Metallisieren, Prägen [2]. Die einzelnen Verfahren beeinflussen mit ihren spezifischen Randbedingungen mehr oder weniger die Oberflächenqualität von Formteilen. Im Folgenden werden Oberflächenmerkmale für Bauteile aus verschiedenen duroplastischen Formmassen, wie sie aus Verarbeitungseinflüssen resultieren, beispielhaft dargestellt. Phenolharz-Formmassen können auch im Flüssigharzverfahren als Harzlösung verarbeitet werden. Eingekapselte Lösungsmittelreste führen bei mangelhafter Trocknung beim Formpressen zu Oberflächenstörungen.
Wie beim Spritzgießen von Thermoplasten beeinflusst die Lage des Angusses die Oberflächenqualität auch beim Spritzgießen von Phenolharz-Formmassen zu Bauteilen. Beim Spritzprägen von PF-Massen sind, analog zu den Thermoplasten, die Oberflächen meist besser. Duroplastische Formteile besitzen in der Regel eine harzreiche (füllstoffarme) Presshaut. Bei Oberflächenbehandlungen z. B. Polieren ist darauf zu achten, dass diese Presshaut nicht beschädigt wird. Hohe Gleit- und Trennmittelgehalte führen häufig zu einer Beeinträchtigung des Oberflächenglanzes. Dabei treten infolge ungenügender Verteilung dieser Zusätze matte Flecken auf. Die Gleitmittel wirken zusätzlich als Formtrennmittel. Beim Entformen ist ihr Effekt durchaus erwünscht. Beim Lackieren werden jedoch zusätzliche Wasch- und Trockengänge erforderlich, um eine ausreichende Lackhaftung zu erreichen. Beim Bedampfen von Formteilen mit Metallen (Metallisieren) tritt die Schwierigkeit des „Nachgasens“ der Duroplaste im Hochvakuum auf. Entsprechende Vorbehandlungen (Tempern) und Schutzlackierungen vor dem Bedampfen reduzieren das „Gasen“. Harnstoff-Formteile werden vielfach als Sichtteile mit technischen Funktionen verwendet, z. B. Schalterabdeckungen, Elektrostecker, Toilettensitze, Schraubverschlüsse. Oberflächenqualität, wie Farbton, Lichtechtheit, Schlierenfreiheit, Glanz, Glätte sind von Bedeutung. Typische Fehler bei UF-Formteilen können Über- oder Unterhärtung sein. Helle Flecken beispielsweise treten bei Überhärtung auf, während Unterhärtung matte Stellen erzeugt. Den Einfluss der Rezeptur von SMC-Bauteilen (ungesättigte Polyester) auf die Schwindung ist oben beschrieben. Die Hauptauswirkung dieser Maßnahmen zielt auf eine lunkerfreie Oberfläche. LP-UP-Harze besitzen zwar kaum noch eine Schwindung, sie sind aber oft wegen des bei der Härtung auftretenden Weißeffektes nicht gleichmäßig einfärbbar, müssen also spritzlackiert werden. Die Zugabe von fein gemahlenem Polyethylenpulver verbessert nicht nur die Fließeigenschaften und verringert die Schwindung des LPUP-Harzes, sondern als Folge davon wird auch die Oberflächenglätte des Formteils verbessert (siehe auch Kapitel 3.5.1.15). Insbesondere bei lackierten SMC (und auch bei RIM oder RRIM reinforced reaction injection molding von Polyurethan-Formteilen) werden Formtrennmittel (Zink- oder Calciumstearate) verwendet, die beim Härten/Vernetzen an die Formteiloberfläche ausschwitzen und eine gute Entformung bewirken. Wie oben beschrieben, stehen sie jedoch einer guten Lackhaftung entgegen.
4.1 Urformen SMC- oder RRIM-Formteile werden beim Rohteilhersteller grundiert. Dazu muss er das Formtrennmittel entfernen. Bei diesem Primerlackieren können neben Haftungsproblemen vor allem Lufteinschlüsse (Poren) oder Krater im SMCTeil sichtbar werden, die zu hohen Nacharbeiten führen [2]. Zur Reduzierung von Fehlstellen in der decklackierten Oberfläche wird das In-Mold-Coating (IMC)-Verfahren angewendet [2]. Zur Erkennung von Unregelmäßigkeiten auf der Oberfläche an Formteilen hilft im Labor das chemische Abscheiden einer Silberschicht (Verspiegeln der Oberfläche). Zur Veredelung der Oberfläche von BMC-Formteilen kommen prinzipiell die gleichen Verfahren in Betracht, wie bei der SMC-Fertigung. Das Lackieren und Metallisieren (für Reflektoren von Autoscheinwerfer) dominieren als Oberflächenveredelung bei BMC-Bauteilen. Bei trocken aufbereiteten Polyesterharz-Formmassen und daraus hergestellten Formteilen ergibt eine Modifizierung mit Melaminharzen eine ähnlich geringe Verarbeitungsgeschwindigkeit wie bei Pheno- und Aminoplasten. Die Oberflächengüte kann verbessert werden [2]. Verschleißfeste Oberflächen lassen sich durch hohe Füllung mit Mikroglaskugeln erzielen. Die Schwindung des UP-Harzes während der Härtung lässt die Kugeln aus der Oberfläche heraustreten. Dekorative Laminate und beschichtete Holzwerkstoffe (Spanplatten) werden ausführlich bei Woebcken [2] behandelt.
4.1.7.3
Verarbeitungsfehler
Die Erkennung der Verarbeitungsfehler und die richtige Entscheidung zu ihrer Beseitigung interessieren jeden Entwickler, Konstrukteur, Verarbeiter, Verkäufer und Einkäufer. Entsprechend groß ist zu diesem Thema die verfügbare Literatur; meist finden sich in den Materialinformationen der Rohstoffhersteller umfangreiche Erfahrungswerte. Einige sind in der für dieses Kapitel eigens angefertigten Literaturliste zusammengefasst. In den folgenden Übersichten kann aus Umfangsgründen wiederum nur beispielhaft je Kunststoffgruppe eine Tabelle aufgezeigt werden. Aus den vorigen Teilkapiteln wird dem Leser bewusst, welch enorme Vielzahl an Parametern beim Entwickeln und Produzieren eines Kunststoff-Bauteiles zu beachten ist.
4.1.7.3.1
403
Verarbeitungsfehler – Thermoplaste
Beim Spritzgießen von Thermoplasten treten die folgenden Verarbeitungsfehler auf [22]: – Verunreinigung des Granulats – Verunreinigung des Regenerats – Feuchtigkeitsschlieren – Silberschlieren – Schlieren – Verbrennungsschlieren – Abschieferungen oder Delaminierungen – Grauschlieren – Wolkenbildung – Dunkle, meist schwarz erscheinende Stippen – Schallplattenrillen oder Jahresringe – Kalter Pfropfen – Lunker und Einfallstellen – Blasen – Freier Massestrahl – Nicht vollständig ausgeformte Spritzlinge – Fließnahtfestigkeit nicht ausreichend – Verzogene Formteile – Formteil klebt im Werkzeug – Formteil wird nicht ausgeworfen – Gratbildung – Rauhe und matte Formteiloberflächen – Matte Flecken Prinzipiell gelten diese auch für Elastomere und Duroplaste, nur, dass dort die zusätzliche Verfahrensbedingung Vernetzen hinzukommt. Tabelle 4-25 nennt zu den genannten Verarbeitungsfehlern die Ursachen und Maßnahmen zu deren Beseitigung [22].
4.1.7.3.2
Verarbeitungsfehler – Elastomere
Im Verlauf der Elastomeraufbereitung gibt es zahlreiche Einflussparameter, die zunächst die Eigenschaften der Kautschukmischung und somit zuletzt auch die der spritzgegossenen Formteile beeinflussen (Bild 4-249 [3]). So wird die Mischungsqualität nicht nur von den Rohmaterialeigenschaften und der Mischungszusammensetzung, sondern maßgeblich von den Prozessparametern im Innenmischer und auf dem Walzwerk beeinflusst. Auch die Lagerungsbedingungen zwischen den einzelnen Aufbereitungsschritten können zu unterschiedlichen Mischungseigenschaften und somit zu Verarbeitungsschwierigkeiten beim Spritzgießen führen [3]. Im Folgenden werden einige typische Formteilfehler, welche beim Spritzgießen von Elastomeren auftreten, sowie
404
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-25 Maßnahmen zur Beseitigung von Spritzgießfehlern [22] Fehler
Mögliches Erscheinungsbild
Mögliche Ursachen
Vorgeschlagene Abhilfe
Verunreinigung des Granulats
Graue Fremdpartikel, die je nach Lichteinfall glänzend reflektieren
Abrieb von Beschickungsrohren, Behältern und Fülltrichtern
Keine Rohre, Behälter und Fülltrichter aus Aluminium oder Weißbelch, sondern Stahl- oder VA-Rohre (innen gereinigt) bzw. Stahl-VA-Bleche verwenden. Förderwege sollten wenig Umlenkungen aufweisen
dunkle Stippen, Verfärbungsschlieren
Staub oder Schmutzpartikel
Tockner sauberhalten und regelmäßig Luftfilter reinigen, angebrochene Säcke und Behälter sorgfältig schließen
Farbschlieren, Ablösen von Hautpartien im Angussbereich
Vermischung mit anderen Kunststoffen
Verschiedene Kunststoffe trennen, niemals verschiedene Kunststoffe gemeinsam trocknen, Plastifiziereinheit reinigen, nachfolgendes Material auf Reinheit prüfen
Wie bei Granulat (s.o.)
Mühlenabrieb
Mühlen regelmäßig auf Abrieb oder Beschädigungen kontrollieren und instand halten
Staub oder Schmutzpartikel
Abfälle staubfrei aufbewahren, verschmutzte Formteile vor dem Mahlen säubern, Formteile aus Feuchteverarbeitung sowie thermisch geschädigte Formteile verwerfen
Andere Kunststoff-Regenerate
Verschiedene Kunststoff-Regenerate immer getrennt halten
Verunreinigung des Regenerats
Feuchtigkeitsschlieren
u-förmig langgezogene Schlieren, welche gegen die Fließrichtung offen sind; in abgemildeter Form auch nur strichförmig
Zu hohe Restfeuchtigkeit im Granulat
Trockner bzw. Trocknungsprozess kontrollieren, Temperatur im Granulat messen, Trocknungszeit einhalten
Silberschlieren
Silbrig-, strichförmig langgezogene Schlieren
Zu hohe thermische Belastung der Schmelze durch: zu hohe Schmelzetemperatur, zu lange Schmelzeverweilzeit oder zu hohe Schneckendrehzahl, Düse- und Fließkanalquerschnitt zu klein
Schmelzetemperatur überprüfen, günstigeren Schneckendurchmesser wählen, Schneckendrehzahl senken, Düsenund Fließkanalquerschnitte erweitern
Schlieren (mitgeschleppte bzw. eingeschlossene Luft)
Strichförmig langezogene Schlieren mit großflächiger Ausbreitung und meistens auf einzelne Stellen begrenzt, bei transparenten Kunststoffen manchmal auch zusätzlich Blasenbildung sichtbar, strich- und nasenförmig ausgebildet, konzentrierte Schwarzfärbung (Dieseleffekt) an Zusammenflussstellen
Einspritzgeschwindigket zu hoch, Luft eingezogen durch falsches Dosieren, Staudruck zu gering
Einspritzgeschwindigkeit verringern; Staudruck im zulässigen Rahmen erhöhen, optimalen Dosierbereich nutzen (>1D bis 3D)
Eingeschlossene Luft im Spritzgießwerkzeug
Werkzeugentlüftung verbessern, besonders im Bereich des Schmelzezusammenflusses und bei Vertiefungen (Stege, Zapfen und Schriftzüge), Fließfrontverlauf korrigiern (Wanddicken, Anschnittlage, Fließhilfen)
4.1 Urformen
Tabelle 4-25 (Fortsetzung) Fehler
Mögliches Erscheinungsbild
Mögliche Ursachen
Vorgeschlagene Abhilfe
Verbrennungsschlieren
Bräunliche Verfärbung mit Schlierenbildung
Schmelzetemperatur zu hoch Schmelzeverweilzeit zu lang Temperaturführung im Heißkanal ungünstig
Schmelzetemperatur kontrollieren und absenken, Regler überprüfen Zykluszeit verkürzen, kleinere Plastifziereinheit einsetzen Heißkanaltemperatur kontrollieren, Regler und Thermofühler überprüfen
Periodisch auftretende, bräunliche Verfärbung mit Schlierenbildung
Plastifiziereinheit verschlissen oder „tote Ecken“ an Dichteflächen
Kontrolle der Bauelemente wie Zylinder, Schnecke, Rückströmsperre und Dichtflächen auf Verschleiß und tote Ecken
Strömungsungünstige Bereiche in Plastifiziereinheit und Heißkanälen
ungünstige Strömungsübergänge beseitigen
Einspritzgeschwindigkeit zu hoch
Einspritzgeschwindigkiet reduzieren
Abschieferungen oder Delaminierungen
Ablösungen von Hautpartien im Angussbereich (besonders bei Blends)
Verunreinigung durch andere, unverträgliche Kunststoffe
Plastifiziereinheit reinigen, nachfolgendes Material auf Reinheit prüfen
Grauschlieren
Graue oder dunkelfarbige Streifen, ungleichmäßig verteilt
Verschleißeffekte an der Plastifiziereinheit
Austausch der gesamten Einheit oder einzelner Bauteile, Einsatz von korrosions- und abrasionsgeschützter Plastifiziereinheit
Verschmutzte Plastifiziereinheit
Plastifiziereinheit reinigen
Verschleißeffekte an der Plastifiziereinheit
Wie oben aufgeführt
Verschmutzte Plastfiziereinheit
Plastifiziereineheit reinigen
Wolkenartig ausgebildete, dunke Verfärbung
Zu hohe Schneckendrehzahl
Schneckendrehzahl absenken
Dunkle, meist schwarz erscheinende Stippen
Größe unter 1 mm2 bis mikroskopisch klein
Verschleißeffekte an der Plastifiziereinheit
Wie oben aufgeführt
Größe über 1 mm2
Aufreißen und Abblättern der an Schnecken- und Zylinderoberfläche gebildeten Grenzschichten
Plastifiziereinheit reinigen und Einsatz von korrosionsund abrasionsgeschützter Plastifiziereinheit Für Makrolon®: „Durchheizen“ der Zylinderheizung bei 160–180 °C bei Produktionsunterberechungen (für Apec ® 180–220 °C)
matter Fleck
Samtmatte Flecken um den Anschnitt, an scharfen Kanten und Wanddickensprüngen
Gestörter Schmelzefluss im Angusssystem, an Übergängen und Umlenkungen (Scherung, Aufreißen schon erstarrter Oberflächenhaut)
Anschnitt optimieren, scharfe Kanten besonders beim Übergang vom Anschnitt in die Formhöhlung vermeiden, Übergänge an Angusskanälen und Wanddickensprüngen abrunden und polieren, gestuftes Einspritzen: langsam – schnell
Schallplattenrillen oder Jahresringe
Feinste Rillen auf der Formteiloberfläche (z. B. bei PC)
Zu hoher Fließwiderstand im Spritzgießwerkzeug, so dass Schmelze stagniert; Schmelzetemperatur, Werkzeugtemperatur, Einspritzgeschwindigkeit zu niedrig
Schmelze- und Werkzeugwandtemperatur anheben, Einspritzgeschwindigkeit erhöhen
Kalter Pfropfen
Oberflächlich eingeschlossene, kalte Schmelzepartikel
Düsentemperatur zu niedrig, Düsenbohrung zu klein
Ausreichendes Heizband mit höherer Leistung wählen, Düsen mit Thermofühler und Regler ausstatten, Düsenbohrung vergrößern. Kühlung der Angussbuchse vermindern. Düse früher von Angussbuchse abheben
Wolkenbildung
Feinste Stippen oder Metallpartikel, wolkenartig ausgebildet
405
406
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-25 (Fortsetzung) Fehler
Mögliches Erscheinungsbild
Mögliche Ursachen
Vorgeschlagene Abhilfe
Lunker und Einfallstellen
Luftleere Hohlräume in Form von runden oder langgezogenen Blasen, nur bei transparenten Kunststoffen sichtbar, Vertiefungen in der Oberfläche
Volumenkontraktion in der Abkühlphase wird nicht ausgeglichen
Nachdruckzeit verlängern, Nachdruck erhöhen, Schmelzetemperatur absenken und Werkzeugwandtemperatur ändern (bei Lunkern erhöhen und bei Einfall absenken), Massepolster kontrollieren, Düsenborhung vergrößern
Nicht „kunststoffgerechte“ Form des Spritzlings (z. B. große Wanddickenunterschiede)
Kunststoffgerecht konstruieren, z. B. Wanddickensprünge und Masseanhäufungen vermeiden, Fließkanäle und Angussquerschnitte dem Formteil anpassen
Blasen
Ähnlich wie bei Lunker, aber im Durchmesser wesentlich kleiner und vermehrt vorhanden
Zu hoher Feuchtigkeitsgehalt in der Schmelze, zu hohe Restfeuchtigkeit im Granulat
Trocknung optimieren, ggf. Entgasungsschnecke durch Normalschnecke ersetzen und mit Vortrocknung arbeiten, Trockner und Trocknungsprozess kontrollieren, evtl. Trockenlufttrockner einsetzen
freier Massestrahl
Sichtbare Strangbildung der zuerst eingeflossenen Masse auf der Formteiloberfläche
Ungünstige Angusslage und -dimensionierung
Freistrahlbildung durch Verlegen des Anschnittes vermeiden (gegen eine Wand einspritzen), Anschnittquerschnitt vergrößern
Einspritzgeschwindigkeit zu hoch
Einspritzgeschwindigkeit reduzieren bzw. gestuft einspritzen; langsam – schnell
Schmelzetemperatur zu niedrig
Schmelzetemperatur anheben
Fließeigenschaften des Kunststoffs nicht ausreichend
Schmelze- und Werkzeugwandtemperatur erhöhen
Einspritzgeschwindigkeit zu niedrig
Einspritzgeschwindigkeit und/oder Einspritzdruck erhöhen
Wanddicke des Formteils zu gering
Wanddicke des Formteils erhöhen
Düse dichtet nicht gegen das Werkzeug
Düsenanpressdruck erhöhen, Radien von Düse und Angussbuchse überprüfen, Zentrierung kontrollieren
Angusssystem mit zu kleinem Querschnitt
Anguss, Fließkanal und Anbindung zum Formteil vergrößern
Werkzeugentlüftung nicht ausreichend
Werkzeugentlüftung optimieren
Fließeigenschaften des Kunststoffs nicht ausreichend
Schmelze- und Werkzeugwandtemperatur erhöhen, ggf. Anschnitt verlegen, um die Fließverhältnisse zu verbessern
Einspritzgeschwindigkiet zu niedrig
Einspritzgeschwindigkeit vergrößern
Wanddicke zu gering
Wanddicken angleichen
Werkzeugentlüftung nicht ausreichend
Werkzeugentlüftung verbessern
zu große Wanddickenunterschiede, unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten im Werkzeug, Glasfaserorientierungen
Formteil „kunststoffgerecht“ konstruiern, Änderung der Anschnittlage
nicht vollständig ausgeformte Spritzlinge
Fließnahtfestigkeit nicht ausreichend
verzogene Formteile
Unvollständige Füllung, insbesondere am Fließwegende oder an dünnwandigen Stellen
Deutlich sichtbare Kerben entlang der Fließnaht
Formteile sind nicht plan, Teile weisen Winkelverzug auf, Teile passen nicht zueinander
Werkzeugtemperaturen ungünstig
Werkzeughälften unterschiedlich temperieren
Umschaltpunkt von Einspritz- auf Nachdruck ungünstig
Umschaltpunkt verlegen
4.1 Urformen
407
Tabelle 4-25 (Fortsetzung) Fehler
Mögliches Erscheinungsbild
Mögliche Ursachen
Vorgeschlagene Abhilfe
Formteil klebt im Werkzeug
Matte Flecken bzw. fingerförmige oder kleeblattartige, glänzende Vertiefungen auf der Oberfläche der Formteile (meist angussnah)
Örtlich zu hohe Werkzeugwandtemperatur
Werkzeugtemperatur reduzieren
zu frühes Entformen
Zykluszeit verlängern
Formteil klemmt. Auswerferstifte deformieren das Formteil oder durchstoßen es
Werkzeug überladen, zu starke Hinterschneidungen, umzureichende Werkzeugpolitur an Stegen, Rippen und Zapfen
Einspritzgeschwindigkeit und Nachdruck reduzieren, Hinterschneidungen beseitigen, Werkzeugoberflächen nacharbeiten und in Längsrichtung polieren
beim Entformen entsteht zwischen Formteil und Werkzeug Unterdruck
Werkzeugentlüftung verbessern
Elastische Werkzeugdeformation und Kernversatz durch Einspritzdruck
Steifigkeit des Werkzeugs erhöhen, Kerne abfangen
Formteil wird nicht ausgeworfen bzw. wird deformiert
Gratbildung (Schwimmhaut)
Raue und matte Formteiloberflächen (bei GF-verstärkten Thermoplasten)
Bildung von Kunststoffhäutchen an Werkzeugspalten (z. B. Trennebene)
Rau, matt, schuppenförmig, Glasfasern sichtbar
zu frühes Entformen
Zykluszeit verlängern
zu hoher Werkzeuginnendruck
Einspritzgeschwindigkeit und Nachdruck reduzieren, Umschaltpunkt von Einspirtz- auf Nachdruck vorverlegen
Werkzeugtrennflächen durch Überspritzung beschädigt
Werkzeug im Bereich Trennflächen oder Konturen nachbearbeiten
Schließkraft bzw. Zuhaltekraft nicht ausreichend
Schließkraft erhöhen, ggf. Maschine mit größerer Schließkraft einsetzen
Schmelzetemperatur zu niedrig
Schmelzetemperatur erhöhen
Werkzeug zu kalt
Werkzeugtemperatur erhöhen, Werkzeug mit Wärmedämmplatten ausstatten, leistungsfähigeres Temperiergerät einsetzen
Einspritzgeschwindigkeit zu gering
Einspritzgeschwindigkeit erhöhen
mögliche Ursachen ihrer Entstehung zusammengefasst (Bild 4-250 und Tabelle 4-26). Spritzgießen von Elastomeren In Tabelle 4-26 [3] sind tabellarisch einige immer wieder in der täglichen Produktionspraxis auftretende Probleme und entsprechende Lösungsansätze aufgelistet. Die Maßnahmen beziehen sich auf Maschine, Werkzeug und Kautschukmischung. Bei mehreren möglichen Ursachen ist die erwartete Bedeutung für das jeweilige Problem durch eine Nummerierung nach Prioritäten gekennzeichnet [3]. Die Nummern geben die Reihenfolge der Abhilfemaßnahmen an. Extrudieren von Elastomeren In Tabelle 4-27 [3] sind einige Praxisprobleme und Ansätze zu deren Lösung aufgelistet.
4.1.7.3.3
Verarbeitungsfehler – Duroplaste
Pressen und Spritzgießen von Duroplasten Über Fehlermöglichkeiten beim Verarbeiten von duroplastischen Formmassen gibt es eine Reihe von Zusammenstellungen [23]. Die zitierte Arbeit befasst sich ausführlich mit den Fehlermöglichkeiten beim Pressen. Sie soll daher ergänzt werden durch eine kurze Zusammenstellung von Fehlermöglichkeiten bei der Spritzgieß-Verarbeitung von duroplastischen Formmassen, Tabelle 4-28 [2]. Außerdem sind von fast jedem Hersteller duroplastischer Formmassen solche Fehlertabellen zu erhalten [2]. Weitere Literatur zu Verarbeitungsfehlern bieten [24] bis [36].
408
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-249. Einflussfaktoren auf die Formteilqualität beim Verarbeiten von Elastomeren [3]
Bild 4-250. Mögliche Fehlstellen am Formteil [3]
4.1 Urformen
409
Werkzeug
Verteilerkanäle/Anschnitte Balancierung Werkzeugtemp. Vakuum Trennmittel Werkzeugverschmutzung Viskosität Anvulkanisation flüssige Bestandteile Mindestlagerzeit Höchstlagerzeit
1⇑ 3⇑ 2⇑
Anvulkanisation/Knoten
rauhe Oberfl./“Orangenhaut“
2⇑
2⇑
3⇓
2⇓
1⇑
3⇑ 1⇑
2⇓ 3⇓ 1⇓ 4⇓
1⇑ 4⇑ 3⇑
1⇑
4⇑ 2⇓
2⇓ 1⇓ 4⇓
Grat
Untervulkanisation
2⇑ 2⇑ 3⇑
Kleben im Nest
Verformungen
Porosität
Blasen
1⇓ 3⇓ 4⇑ 2⇓
Fließnähte
Einspritzgeschwindigkeit Nachdruckhöhe Nachdruckzeit Umschaltpunkt Geschwindigkeits-/Drucksteuerung Dosierhub Schneckendrehzahl Staudruck Zylindertemperatur Vulkanisationszeit Düsendurchmesser Fütterung unterbrochen
Mischung
Maschine
mögliche Ursachen
Schwamm Brenner
Artikel unterfüllt
Problem →
Überkneifer „back-rinding“
Tabelle 4-26 Praxisprobleme beim Spritzgießen und Lösungsansätze: Zeichenerklärung: ⇑ Parameter erhöhen, ⇓ Parameter erniedrigen, x Parameter beachten [19]
5⇑
5⇑
1⇑
2x 6⇓
6⇑
4⇑
5x 4⇑ 5⇑
1⇓ 4⇑
3⇓
5⇑ 7⇓ 6⇑
4⇓ 3⇑
1⇑
1⇓
7⇓ 8⇑
3⇓
5x
3⇓ 2⇓ 4x
3⇓ 4⇑
5⇓
5⇓ 4⇓
Tabelle 4-27 Betriebspraxis Extrudieren [3] Problem 1. Extruder pumpt
2. Vakuumzone wird „überfahren“
mögliche Ursachen
Maßnahmen
1.1 Abstand zwischen Schnecke und Mundstück zu klein
1.1 Abstand vergrößern, Lochplatte einsetzen
1.2 Effektive Schneckenlänge (Druckströmung) schwankt auf Grund schwankender Förderung der Vorzonen, besonders bei Entgasungsextrudern
1.2 Fütterung verbessern, Toleranzen für Streifengeometrie einengen; Förderverhalten der Vorzonen bei Vakuumextrudern optimieren (Abschnitt 10.1.6)
1.3 Reibungskoeffizient insbesondere im Einzugsbereich zu niedrig
1.3 Zylindertemperatur optimieren
2.1 Ausstoßleistung der Vorzone zu groß
2.1.1 Leistung der Vorzone drosseln durch Anheben der Zylindertemperatur 2.1.2 Leistung der Austragszone erhöhen durch Erhöhen der Schneckentemperatur und Absenken der Zylindertemperatur 2.1.3 Drosselwiderstand am Ende der Vorzone erhöhen
Tabelle 4-27 (Fortsetzung) Problem
3. Knoten im Profil
4. Blasen im Profil
5. Stegmarkierungen im Profil
mögliche Ursachen
Maßnahmen
2.2 Ausstoßleistung der Austragszone erhöhen
2.2.1 Werkzeugwiderstand erniedrigen (Bügellängen, Lochplatten, Vorzonen) 2.2.2 Schneckentemperatur gezielt erhöhen; Zylindertemperatur senken 2.2.3 Schneckengeometrie optimieren (Abschnitt 10.1.6)
3.1 Knoten in der Mischung
3.1 siehe Abschnitt 4.6
3.2 Anvulkanisation im Extruder
3.2.1 Mischungstemperatur absenken durch Erniedrigen der Schneckendrehzahl 3.2.2 Werkzeugwiderstand erniedrigen 3.2.3 Werkzeugtemperatur herabsetzen 3.2.4 Mischungsviskosität erniedrigen durch Mischtechnologie oder „Nachzwicken“ 3.2.5 ggf. Rücklaufmischung eliminieren
4.1 Mischungstemperatur zu hoch
4.1 Mischungstemperatur absenken wie bei 3.2
4.2 Mischung enthält Wasser
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4
4.3 Mischung enthält flüchtige Bestandteile
4.3.1 Vakuumextruder einsetzen 4.3.2 Siedepunkt WM überprüfen 4.3.3 Compoundierung überprüfen
4.4 Mischung enthält eingezogene Luft (NBR, Butyl)
4.4.1 Fütterung verbessern 4.4.2 Vakuumextruder einsetzen
5.1 Druck nach Stegen zu niedrig
5.1 Druck durch Drosselelement erhöhen
5.2 Temperaturunterschiede Steg/Mischung zu groß
5.2.1 Temperierung des Spritzkopfes optimieren 5.2.2 Stege temperieren
5.3 Steggeometrie nicht strömungsgünstig
5.3 Geometrie optimieren
Mischung trocknen Wasserbindende Chemikalien aufmischen Vakuumextruder einsetzen Walzwerkentgasung einsetzen
5.4 Stegoberfläche zu rauh
5.4 Stegoberfläche polieren
5.5 Eigenklebrigkeit der Mischung zu niedrig
5.5 Compoundierung überprüfen
6.1 Fremdmischung
6.1 Charge verwerfen
6.2 Unterschiede in der Deformations- und Temperaturgeschichte zu groß
6.2.1 Temperierung optimieren 6.2.2 Erhöhen des Mischungsdruckes durch Verlängerung der Bügelzonen 6.2.3 Verwendung von Mischelementen 6.2.4 Erhöhung der Eigenklebrigkeit der Mischung
7. Rauhe Profiloberfläche
7.1 Dehnviskosität an der Oberfläche zu groß
7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4
8. Profil verwirft sich, läuft schief, ist nicht maßhaltig
8.1 Fehlender Flussausgleich
8.1 Flussausgleich nach rheologischen Gesichtspunkten (Abschnitt 10.2.2)
8.2 Werkzeugtemperierung ungleichmäßig
8.2 Temperierung optimieren
8.3 Ablagerungen im Fließkanal
8.3 Werkzeug reinigen
9.1 Vorlaufkanal asymmetrisch
9.1.1 Vorlaufkanal korrigieren 9.1.2 Asymmetrische Vorlaufkanäle nach Möglichkeiten grundsätzlich vermeiden
6. Fließstrukturen im Profil
9. Symmetrisches Profil ist einseitig dicker
Mundstückstemperatur erhöhen Mischung nachzwicken Fließhilfen verwenden Compoundierung überprüfen
zu feucht +
1.5 Kleine Blasen, aufgeplatzt, Teile glatt
2.4 Helle Flecken
2.6 Klebrig
2.5 Brandflecken
z. T. überhärtet wärmeempfindlich
2.3 Matte Stellen
+
+ +
2.2 Zu geringer Glanz
+
2.1 Unruhig (Orangenhaut)
2. Oberflächenfehler
+
1.4 Große Blasen, Teile matt, verformt
1.3 Wolken und Schlieren
+
+
+
+
+
+
+
+
1.2 Porosität
bei grobem Füllstoff inhomogene Masse
zu viel Gleitmittel
+
zu weich
1.1 Entmischung
1. Materialfehler
Fehler-Ursache
Formmasse
+
zu niedrig +
+
Spritz- bzw. PressEinheit
+
+
+
+
+
+
zu niedrig +
+
+
+
+
+
zu niedrig +
+
Spritz- bzw. Press-Einheit
+
+
+
+
+
zu niedrig +
+
+
+
+
+
zu niedrig +
Nachdruck zu wenig +
Werkzeug und Schließeinheit
+
+
+
+
+
sonst ungünstig +
+
+
+
+
+
Entlüftung ungenügend Auswerfer nicht richtig
Fehlerortung
Fließeinstellung zu hart
Härtungsgeschwindigkeit zu hoch
Massetemperatur zu hoch
Dosierung zu hoch
Spritzgeschwindigkeit zu hoch
Spritzdruck zu hoch
Werkzeugkonstruktion Fließwege zu eng
Werkzeugtemperatur +
+
+
zu hoch
zu niedrig +
+
Härtezeit +
+
zu lang
Tabelle 4-28 Fehler beim Verarbeiten duroplastischer Formmassen [5]
zu kurz +
+
+
Schließdruck zu niedrig +
4.1 Urformen 411
+
3.7 Klemmen in der Form
+
4.2 Teile gerissen
4.4 Masse in Metalleinlagen
4.3 Metalleinlagen beschädigt oder verbogen
+
4.1 Teile verzogen
4. Strukturfehler
3.8 Übermäßiger Grat
+
+
zu feucht
3.6 Kleben an der Form
3.5 Rippen durchmarkiert
3.4 Fließmarkierungen
3.3 Teile nicht voll
3.2 Lunker
3.1 Einfallstellen
3. Gestaltfehler
Fehler-Ursache
Formmasse
zu viel Gleitmittel +
+
+
+
+
zu weich +
+
+
+
+
+
+
+
+
+
zu niedrig +
+
+
Spritz- bzw. PressEinheit
+
zu niedrig +
+
+
+
+
zu niedrig +
Spritz- bzw. Press-Einheit
+
+
+
+
+
+
+
+
zu niedrig +
+
+
+
+
Nachdruck zu wenig +
+
+
+
+
Werkzeug und Schließeinheit
+
+
sonst ungünstig +
+
+
+
+
+
Auswerfer nicht richtig
Tabelle 4-28 (Fortsetzung)
+
Entlüftung ungenügend
zu niedrig
Fehlerortung
Fließeinstellung zu hart
Härtungsgeschwindigkeit zu hoch
Massetemperatur zu hoch
Dosierung zu hoch
Spritzgeschwindigkeit zu hoch
Spritzdruck zu hoch
Werkzeugkonstruktion Fließwege zu eng
Werkzeugtemperatur +
+
+
+
zu hoch
zu niedrig +
+
+
+
Härtezeit +
+
+
zu lang
zu kurz +
+
+
+
+
+
Schließdruck zu niedrig +
412 4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
4.1 Urformen
413
Tabelle 4-29 Fehlererscheinungen, ihre Ursachen und ihre Beseitigung beim Spritzgießen von härtbaren Formmassen [2] Fehlererscheinung am Spritzgießteil
Etwaige Ursachen
Mögliche Beseitigung
1. Kleine Blasen am Zusammenfluss der Fließfronten, Brandflecken
Zu hohe Formfüllgeschwindigkeit, Werkzeugtemperatur zu hoch, mangelhafte Werkzeugentlüftung
Spritzgeschwindigkeit vermindern, Werkzeugtemperatur erniedrigen. Entlüftungsquerschnitte reinigen bzw. erweitern
2. Poröse, evtl. verbrannte Stellen (Dieseleffekt)
Zu hoher Spritzdruck, schlechte Werkzeugentlüftung, zu hohe Formfüllgeschwindigkeit, Viskosität der Masse zu niedrig
Spritzdruck erniedrigen, Spritzgeschwindigkeit verringern, Werkzeug besser entlüften (über weitere Auswerfer o. ä.), härtere Masse verwenden
3. Fließlinien auf der Oberfläche von Sichtteilen
Werkzeugtemperatur zu hoch oder zu niedrig, Masse zu feucht oder zu weich
Kontrolle der Temperaturen, trockenere oder härtere Masse verwenden
4. Teile nicht ausgespritzt, Fließfronten nicht voll ausgeformt
Werkzeugtemperatur zu hoch bzw. zu niedrig, Nachdruck zu gering, Nachdruckpolster fehlt, Dosierung verändert
Nachdruckhöhe kontrollieren, geringes Nachdruckpolster einstellen, Kontrolle der Werkzeugtemperaturen, Dosierung prüfen
5. Angussstange bleibt hängen
Buchse nicht auf Abzug poliert, Konizität zu gering, Auswerferkralle zu wenig hinterschnitten
Werkzeugfehler korrigieren, Werkzeugtemperatur spritzseitig anheben um Schwindung zu erhöhen
6. Ungleichmäßige Teilefüllung, Dosierschwankungen
Kein Staudruck eingestellt, Schneckendrehzahl zu hoch, Materialtrichter nicht genügend gefüllt, Schnecke besitzt keine Rückdrehsperre
Geringen Staudruck einstellen, Schneckendrehzahl zwischen 50 und 120 U/Min. wählen, Trichter ausreichend füllen
7. Größere Blasen, Teil verformt
Härtezeit zu kurz, Masse zu weich
Härtezeit verlängern, Werkzeugtemperatur erhöhen, Massetemperatur erhöhen, härtere Masse verwenden
8. Maße am Fertigteil stimmen nicht
Schwindung zu hoch
Wenn Schwindung zu hoch: Massetemperatur erhöhen, besser Entgasen; härtere Masse verwenden
9. Teilentformung schlecht, Teil „klebt“ im Werkzeug
Werkzeugtemperatur zu niedrig, schlechte Auswerferplacierung, mangelhafte Konizität, schlechte Politur, evtl. fehlende oder beschädigte Werkzeugverchromung
Werkzeugtemperatur überprüfen, Werkzeugmängel beheben, mit Formenwachs arbeiten
10. Teile reißen nach dem Erkalten (besonders Aminoplaste)
Anspritzart ungünstig, zu starke Spannungen im Teil
Änderung der Anspritzlage, evtl. Spritzprägeverfahren anwenden
11. Teile werden beim Abbrechen vom Verteiler stark beschädigt
Anschnitte zu stark ausgewaschen
Anschnittquerschnitte korrigieren möglichst auswechselbare Einsätze (Ferrotic, Sintermetall) vorsehen
12. Teile verziehen sich
Ungleichmäßige Beheizung, Härtezeit zu kurz, Masse zu weich oder zu feucht, Anschnittart und -lage ungünstig
Kontrolle von Beheizung und Härtezeit; härtere, trockenere Masse verwenden, Anspritzlage in dicke Wandstärke legen
Literatur – Kapitel 4.1.7 [1]
[2] [3] [4]
Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript WS 2007/08, 14. Aufl, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, Pfinztal Woebcken W (1988) Duroplaste. Kunststoff-Handbuch Bd 10. 2. Aufl, Hanser Verlag, München Johannaber F, Michaeli W (2002) Handbuch Spritzgießen. Hanser Verlag, München Brinck RV in Hempel J (2002) Der Radialwellendichtring (RWDR) als Beispiel für ein Gummiprodukt. Vortrag (persönliche Mitteilung von J Hempel, 2002)
[5]
[6] [7]
[8]
Pleßmann K, Michaeli W et al. (1991) Fertigungsparameter bestimmen Formteileigenschaften mit. Kunststoffe 81(1991)12, S 1141–1144 Hoven-Nievelstein WB (1989) Einfluss des Fertigungsverfahrens auf die Bauteileigenschaften; in [9] Wübken G (1974) Einfluss der Verarbeitungsbedingungen auf die innere Struktur thermoplastischer Spritzgussteile unter besonderer Berücksichtigung der Abkühlverhältnisse. Dissertation an der RWTH Aachen Backhaus J (1985) Gezielte Qualitätsvorhersage bei thermoplastischen Spritzgussteilen. Dissertation an der RWTH Aachen
414
[9] [10] [11]
[12]
[13]
[14]
[15]
[16]
[17]
[18] [19] [20] [21] [22] [23] [24]
[25] [26] [27] [28] [29]
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
BASF Kunststoffe (Hrsg) Konstruieren mit thermoplastischen Kunststoffen. Ludwigshafen: BASF AG, 7/89 Bayer AG TechCenter Internetseite www.plastics. bayer.com Menges G, Haberstroh E, Michaeli W, Schmachtenberg E (2002) Werkstoffkunde Kunststoffe. 5. Aufl, Carl Hanser Verlag, München, ISBN 3-446-21257-4 Hoven-Nievelstein WB (1984) Die Verarbeitungsschwindung thermoplastischer Formmassen. Dissertation an der RWTH Aachen Delpy U (1994) Kunststoffe als Konstruktionswerkstoffe. Vorlesungsmanuskript, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde, Universität Stuttgart Henning F (2001) Verfahrensentwicklung für langund endlosfaserverstärkte thermoplastische Sandwich-Bauteile mit geschlossenem Werkstoff-Kreislauf. Dissertation, Universität Stuttgart Tröster S (2003) Materialentwicklung und -charakterisierung für thermoplastische Faserverbundwerkstoffe im Direktverfahren. Dissertation, Universität Stuttgart Jahn J (1983) Der Einfluss der Formteilgestaltung auf die Formteileigenschaften thermoplastischer Spritzgussteile. Dissertation an der RWTH Aachen Elias HG (1971 und 1999) Makromoleküle. 1. Aufl, Hüthig & Wepf, Basel/Heidelberg, 856 S und 6. Aufl, Wiley-VHC, Weinheim WEKA Kunststoffpraxis Newsletter 26/2002, Augsburg Röthemeyer F, Sommer F (2001) Kautschuktechnologie. Hanser Verlag, München Spies KH (2004) persönliche Mitteilung 7.1.2004 Woebcken W (1961) Kunststoffe 51(1961), S 547 ff Bayer AG TechCenter Internetseite www.plastics. bayer.com Wallhäuser H (1964) Kunststoffe 54(1964), S. 313 ff Bayer GB Kunststoffe (Hrsg) (2001) Spritzgießen von Qualitätsformteilen. Bayer AG, Leverkusen, 3/2000 und 12/2001 Johannaber F (1992) Kunststoffmaschinenführer. 3. Aufl, Hanser Verlag, München Demag Ergotech GmbH (Hrsg) (1999) Spritzgießen – kurz und bündig. 4. Aufl, Demag, Schwaig GE Plastics (Hrsg) (1995) Injection Moulding – mini guide. Bergen op Zoom: GE Plastics 4/1995 Kehr G (1989) Die Beeinflussung der Bauteileigenschaften durch Bindenähte. BASF, Ludwigshafen Mennig G (1988) Die Bindenaht in der Kunststoffverarbeitung. Mat.wiss. u. Werkstofftech. 19(1988), S 383–390
[30] Poppe EA, Leidig K, Schirmer K (1995) Technische Kunststoffe: Die Top Ten der Spritzgießprobleme. Plastverarbeiter 46(1995), Hefte 6 (S 48–50), 7 (S 20– 21), 8 (S 18/21) [31] Bayer AG (Hrsg) Expertensystem zur Diagnose von Fehlern beim Spritzgießen. ATI 897 7/1993, Bayer, Leverkusen [32] K.I.M.W. (Hrsg) Störungsratgeber für Oberflächenfehler an thermoplastischen Spritzgussfehlern. Lüdenscheid: Kunststoff-Institut für die mittelständische Wirtschaft NRW mbH [33] Saechtling J, Oberbach K (2001) Kunststofftaschenbuch. 28. Aufl, Hanser Verlag, München [34] Bayer AG (Hrsg) Praxisinformation Erkennen und Vermeiden von Verarbeitungsfehlern. Leverkusen: Bayer P/047 12/91 [35] Broer E Verarbeitungsfehler und ihre Beseitigung/ Fehleranalyse. Lüdenscheid K.I.M.W. [36] Thienel P, Broer E (1989) Analyse von Oberflächenfehlern bei Spritzgussteilen. VDI-Verlag, Düsseldorf [37] Kertesz J (2007) Neue Generation von Stecksystemen. Vortrag auf dem 10. Kunststoff-Motorbauteile Forum, ask Otto Altmann, 22. / 23. Januar 2007, Spitzingsee
Weiterführende Literatur zu Verarbeitung Kempmann C, Brinkel F, Weinert K (2006) Temperaturbelastung beim Bohren. Kunststoffe 96(2006)12, S 72–77 Kirchmeyer S, Gaiser D (2007) Extrem flach und flexibel (Elektronische Bauelemente). Kunststoffe 97(2007)8, S 129–134 Nentwig J (2007) Erfolge mit Barrieren (Rückblick und Trends). Kunststoffe 97(2007)7, S 41–44 NN (2007) Impulse für die Medizintechnik (Tagungsbericht). Kunststoffe 97(2007)7, S 70–71 Rogalla A et al. (2007) Innovationen für die Medizintechnik (Technologietransfer). Kunststoffe 97(2007)7, S 72– 76 Sensfuss S et al. (2007) Ein Weg zu kostengünstiger Photovoltaik (Polymersolarzellen). Kunststoffe 97(2007)8, S 136–139 Schnabel A, Hissmann O (2007) Pharmafolien ohne Qualitätslücken (Ganzheitliches Konzept; Kalandrieren). Kunststoffe 97(2007)7, S 104–111
4.1 Urformen
4.1.8
Mikrowellentechnologie in der Polymerverarbeitung
Rudolf Emmerich Grundlagen der Mikrowellen Mikrowellen sind nichtionisierende elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich von 300 MHz bis 300 GHz. Insbesondere werden Mikrowellen in der Kommunikationsund Radartechnik sowie zur Erwärmung von Materialien und zur Erzeugung von Plasmen angewandt. Die Mikrowellenerwärmung basiert auf verlustbehafteten Polarisationsvorgängen in den Materialien, welche durch Wechselwirkung des elektrischen Feldes mit freien oder gebundenen Ladungsträgern entstehen. Die Erwärmung durch Mikrowellen ist abhängig von der Frequenz ϖ, dem elektrischen Feld E, dem dielektrischen Verlust ε´´ und der Dichte ρ sowie der Wärmekapazität c. Es gilt für die Erwärmung eines Produkts um die Temperatur ΔT in der Zeit Δt folgende Beziehung: ΔT ωε0ε˝ ∫ |E |2 dt 5 = 002 Δt pc Abhängig vom molekularen Aufbau eines Polymers kann dieses über seine polare Struktur oder seine elektrische Leitfähigkeit Mikrowellen absorbieren. Mikrowellensysteme zur Erwärmung von Materialien bestehen aus bestimmten Komponenten und Modulen, die bei jeder Mikrowellenanlage zu finden sind. Ein typischer Aufbau einer solchen Mikrowellenanlage besteht aus einem Magnetron, das die Mikrowellen erzeugt, einem Zirkulator, der Mikrowellen nur in eine Richtung transmittiert und damit als Weiche dient, einem Tuningelement und einem Einkoppelsystem. Das Magnetron hat die größte wirtschaftliche Bedeutung, da es die wirtschaftlichste Strahlungsquelle bei den gebräuchlichen Frequenzen von 2,45GHz oder 915MHz ist. Erwärmung von Polymeren mit Mikrowellen Aushärtung von Polymeren mittels Mikrowellen Faserverstärkte duroplastische Verbundwerkstoffe finden zunehmend Einsatz in der Automobil- und Luftfahrtindustrie. In diesen Bereichen sollen die klassischen Metalle durch Verbundwerkstoffe ersetzt werden. Gründe hierfür sind: – das geringe Gewicht, – die hohen spezifischen Eigenschaften sowie – die Eigenschaften der Verbundbauteile Maß zu schneidern. Um jedoch einen Einsatz in der Massenfertigung zu ermöglichen, ist es notwendig, die Zykluszeit zur Herstellung der Bauteile zu verkürzen.
415
Beim RTM ist der Hauptgrund für die lange Aushärtzeit, dass beim Injizieren des Harzes das Werkzeug kühl temperiert sein muss, um eine frühzeitige Aushärtung der duroplastischen Matrix zu vermeiden. Zur Aushärtung des Bauteils muss nun die gesamte Masse des Werkzeugs erwärmt werden. Da der Wärmeeintrag über Konvektion sowie Wärmeleitung stattfindet, ist dies der langsamste Anteil am RTM-Zyklus. Beim Vakuuminfusionsverfahren findet die Aushärtung bei Raumtemperatur statt. Das Harz ist aber so inhibiert, dass eine lange Verarbeitungszeit möglich ist, damit ist aber auch eine lange Aushärtzeit verbunden. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Verfahren muss dieser Verfahrensschritt verkürzt werden. Zur Reduktion der Aushärtezeit wurde bereits mehrfach der Einsatz von Mikrowellenerwärmung verfolgt. Ein Ansatz sieht die Minimierung des Temperaturunterschiedes zwischen Harz und Werkzeug vor. Dazu wird das Harz-HärterGemisch in einer Durchlauferwärmung kurz vor dem Werkzeug aufgeheizt. Als Folge wird dem Werkzeug weniger Wärme durch das injizierte Harz entzogen und die Aufheizdauer verringert sich. Problematisch ist hierbei, dass die Aushärtung des Harzes bereits bei der Injektion erfolgt und damit sich die Fließfähigkeit des Harzes verringert. Als zweites wurde auf verschiedene Arten die Mikrowellenerwärmung zur direkten Beheizung des Faserverbundbauteiles genutzt. Es wurden verschiedene Werkzeuge und Infusionsaufbauten realisiert, die alle gemein hatten aus mikrowellen-transparenten Materialien zu bestehen [1]. Beschleunigte Aushärtung von Klebern In der Fertigung, beispielsweise von Automobilen, werden ausgewählte Materialien eingesetzt, wodurch den Fügetechnologien eine Schlüsselfunktion zukommt. Eine stoffschlüssige Verbindung der unterschiedlichen Werkstoffe ist oftmals unmöglich, so dass mechanische oder adhäsive Fügetechniken eingesetzt werden müssen. Insbesondere die Verbindung von Karosserieteilen aus Kunststoff mit den metallischen Rahmen kann nur mit Hilfe von Schrauben oder Klebstoffen bewerkstelligt werden. Die Zykluszeit zur Montage einer Kunststoffbeplankung an den Rahmen ist jedoch so kurz, dass ein Einsatz von Klebern ohne zusätzliche mechanische Fixierungen nicht möglich ist. Durch die zusätzliche Fixierung beispielsweise mit Hilfe von Schrauben werden aber entscheidende Vorteile der Klebetechniken, wie beispielsweise Ausgleich von Toleranzen, Design- und Montagefreiheit nicht genutzt. Mikrowellen bieten die Möglichkeit einen Kleber schnell zu erwärmen und damit zu aktivieren. Mikrowellen können von außen durch ein Dielektrikum appliziert werden. Die Aushärtezeit kann durch Mikrowellen abhängig vom Kleber auf wenige Sekunden reduziert werden. Dies ermöglicht die
416
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-251. Mikrowelleneinheit zum beschleunigten Kleben Bild 4-252. Verfahrensskizze
Integration des Klebeprozesses in den Fertigungsprozess. Dafür werden Mikrowellenantennensysteme entwickelt, welche die Mikrowellen reproduzierbar und sicher applizieren (Bild 4-251). Als Beispiele ergeben sich insbesondere die Verbindung von Nichtmetallen wie Glas und Kunststoffe untereinander oder an metallische Bauteile [2]. Sintern von porösen Elementen mittels Mikrowellen Poröse Elemente aus Polymeren finden in der Technik als Gasoder Flüssigkeitsfilter, Schalldämpfer, Farbrollen, Dosierer etc. Verwendung. Die Teile bestehen meist aus ultrahochmolekularem Polyethylen. Das Polyethylenpulver wird in eine Metallform gefüllt und in einem Umluftofen mehrere Stunden gesintert. Die lange Sinterzeit von mehreren Stunden ist nötig, um ein homogenes Erweichen der äußeren und inneren Partikel zu gewährleisten. Aufgrund der langen Sinterzeit benötigt man zur Herstellung poröser Elemente viele Sinterformen; dies erhöht die Produktionskosten deutlich. Auch ist eine kontinuierliche Fertigung von homogenen porösen Rohren oder Platten mit dem konventionellen Verfahren nicht möglich. Mikrowellen erlauben, die Sinterzeit drastisch auf wenige Minuten zu verkürzen und gleichzeitig die Homogenität der porösen Elemente zu verbessern. Dieses Verfahren eignet sich somit insbesondere zur Herstellung dickwandiger poröser Elemente. In Bild 4-252 ist das Verfahren schematisch dargestellt. Reines Polyethylen absorbiert keine Mikrowellen und lässt sich insofern mittels Mikrowellen nicht erwärmen. Um dennoch ein Sintern des Polyethylenpulvers mittels Mikrowel-
Bild 4-253. Poröse Elemente mit Mikrowellen gesintert
4.1 Urformen
417
Bild 4-254. Prinzip des indirekten und direkten Mikrowellenschweißens
len zu erreichen, werden die einzelnen Partikel mit einer Substanz aus sehr gut absorbierendem Material beschichtet [3]. Das so behandelte Polyethylenpulver wird in eine Form gefüllt, verdichtet und mit Mikrowellen bestrahlt. Die Form besteht aus einem Material, das für Mikrowellen transparent ist. Die beschichteten Polyethylenpartikel absorbieren Mikrowellen, schmelzen an der Oberfläche und verbinden sich (Bild 4-252). Die Temperatur wird während des Sinterprozesses mit Hilfe eines faseroptischen Temperaturmesssystems erfasst.
Schweißen von thermoplastischen Kunststoffen mittels Mikrowellen Beim Mikrowellenschweißen [4] handelt es sich um ein nicht kommerziell verfügbares Verfahren. Es ist ein Verfahren, das sich in der Entwicklung befindet und sein Potenzial noch aufzeigen wird. Anhand der Art der Wärmeerzeugung bzw. Wärmeeinbringung in die Fügezone nimmt die DIN 1910, Teil 3 eine Einteilung der Schweißverfahren für Kunststoffe vor. So unterscheidet man thermische Verfahren, bei denen Wärme durch Leitung, Konvektion oder Strahlung in die Fügezone eingebracht wird, sowie Verfahren, bei denen die Wärme direkt in der Fügezone erzeugt wird. Zur Erzeugung der Wärme direkt in der Fügezone wird mechanische Energie oder elektromagnetische Energie angewandt. Das Schweißen mittels Mikrowellen ist ein direktes Verfahren, bei dem elektromagnetische Energie direkt in die Fügezone eingebracht wird. Beim Mikrowellenschweißen erfolgt das Aufschmelzen der Fügezone durch dielektrische Erwärmung. Dabei unterscheidet man, abhängig von den dielektrischen Materialeigenschaften der Fügepartner, eine direkte und indirekte Methode (4-254). Beim direkten Mikrowellenschweißen werden die zu verschweißenden Fügeteile direkt durch Mikrowellen erwärmt. Beim indirekten Schweißen erfolgt die Erwärmung der Fügezone mittels eines einzulegenden
Bild 4-255. Anlage zum indirekten Schweißen mit Mikrowellen
Schweißzusatzes, wodurch die Erwärmungszone auf die Fügezone begrenzt bleibt. Das indirekte Mikrowellenschweißen nutzt als Schweißzusatz modifizierte Kunststoffe des zu verschweißenden Typs mit wesentlich höheren dielektrischen Verlusten als das reine Polymer. Aufgrund des selektiven Charakters der Mikrowellenerwärmung absorbiert praktisch nur dieser Zusatz Energie und erwärmt sich. Die Erwärmung der kompletten Fügezone erfolgt durch Wärmeleitung vom Zusatz. Als Schweißzusätze eignen sich beispielsweise ruß- und polyanilin-modifizierte Compounds. Vorteil dieser Verfahrensvariante ist, dass unpolare Polymere mit sehr geringem dielektrischem Verlust (bsp. PP) mit Mikrowellen verschweißt werden können. Mit der Einbringung des gesamten Bauteils in die Mikrowellenkavität entsteht die Möglichkeit, dreidimensionale oder verdeckte, innerhalb der Fügeteile befindliche Schweißgeometrien zu verschweißen. Die Bauteile werden einfach von den Mikrowellen durchstrahlt, nur die mit dem Schweißzusatz ausgestattete Fügezone erwärmt sich. In Bild 4-255 ist eine Apparatur zum indirekten Schweißen dargestellt. Auf diese Weise ist es gelungen Polyamid 6 mit 50 % Glasfasergehalt mit einem Schweißfaktor von 0,9 zu verschweißen.
418
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-256. Anlage zum direkten Schweißen von PVDF-Rohren mit Mikrowellen
Voraussetzung für das direkte Mikrowellenschweißen ist ein polarer, ausreichend verlustbehafteter Thermoplast, der zusammen mit einer hohen Feldstärke entsprechende Heizraten ermöglicht. Um die Mikrowellenerwärmung auf die Fügezone zu begrenzen, ist eine Fokussierung durch spezielle Auslegung des Einkoppelsystems notwendig. In Bild 4-256 ist eine Mikrowellenanlage zum direkten Schweißen von PDF-Rohren abgebildet. Daher kommen für das direkte Mikrowellenschweißen [5] in der Regel nur definierte elektrische Feldzustände mit entsprechender Einschränkung der möglichen Schweißgeometrien in Frage.
Literatur zu Kapitel 4.1.8 [1] Emmerich R (2006) Angewandte Mikrowellen- und Plasmatechnologie. Workshop Fraunhofer ICT Pfinztal, 12.–12.10.2006 [2] Emmerich R (2005) INFAST. Workshop Fraunhofer ICT Pfinztal, 17.03.2005 [3] Emmerich R (1997) Thick-Walled Homogenous Porous Polymer Parts Produced Rapidly with Microwaves, Mat. Tech. 1997, 12.2:43-58 (48–54) [4] Emmerich R (2004) Handbuch Kunststoff-Verbindungstechnik. Hanser Verlag [5] Emmerich R (2002) Vorrichtung und Verfahren zum Erwärmen von Bauteilen aus mikrowellenabsorbierendem Kunststoff. EP 1 054 469 A1, 16. Nov. 2002
4.2
Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen – Warmformen Bernhard Hegemann
Unter Warmformen versteht man das Umformen von erwärmten thermoplastischen Halbzeugen zu Formteilen. Es hat seinen Ursprung im Tiefziehen von Metall, unterscheidet sich jedoch neben den Verfahrensparametern (Temperatur, Druck) wesentlich darin, dass beim Metalltiefziehen das Material nachgeführt wird und beim Thermoformen das Material keine Möglichkeit zum Nachrutschen hat. Dies führt dazu, dass thermogeformte Teile selten eine konstante Wanddickenverteilung besitzen und dies somit ein wichtiges Qualitätskriterium darstellt. Der Thermoformprozess [1] beinhaltet neben der Formgebung zusätzliche Arbeitsschritte. Im Folgenden sind die Verfahrenschritte, verwendbare Halbzeuge, Verfahren und Vor- bzw. Nachteile beschrieben. Da das Thermoformen ein sehr komplexer Prozess ist, wird für weitreichendere Erklärungen im Anhang auf entsprechende Literatur verwiesen. Dort ist der gesamte Prozess detailliert erläutert und die einzelnen Verfahrensschritte beschrieben.
Thermoformen – Verfahrensschritte Das Thermoformen ist ein Umformverfahren, das durch mehrere verschiedene Verfahrensschritte die Herstellung
4.2 Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen – Warmformen eines formstabilen Kunststoffteils ermöglicht. Im Wesentlichen wird der Werkstoff durch Erwärmen in einen zähweichen Zustand versetzt und mit relativ geringem Kraftaufwand verformt. Im Werkzeug kühlt das Teil ab und wird anschließend entformt. Durch die Abkühlung frieren die Orientierungen der Molekülketten ein und behalten ihre gestreckte bzw. gereckte Lage bei. Ein erneutes Erwärmen bedeutet eine Rückverformung in den ursprünglichen Plattenzustand (Versuch: Kunststoffbecher über die Glasübergangstemperatur (Tg) erwärmen, siehe Kapitel 4.1.7.2.1). Die Verfahrensschritte gliedern sich wie folgt: – Erwärmen des Halbzeuges: Das Kunststoffhalbzeug (z. B. Folie) wird mittels Heizstrahlern auf Umformtemperatur gebracht. Hierzu sind Keramik-, Infrarot- oder Halogenstrahler im Einsatz. In einigen Fällen werden auch Kontaktheizungen, teilweise konvektionsunterstützt, verwendet. – Verformen des Halbzeuges: Die Umformung kann durch zwei grundlegende Verfahren stattfinden. Entweder wird über eine Druckdifferenz und/ oder mechanisch mit entsprechenden Formhelfern wie Vorstreckstempel oder Werkzeug geformt. Hier wird wesentlich Einfluss auf die Kontur des Fertigteils genommen, da sich die konturgebende Form entsprechend negativ (auf der Außenseite) oder positiv (auf der Innenseite des Formteils) abbildet. – Ausformen des Formteils: Nachdem das Formteil entsprechend abgekühlt wurde, um eine Rückverformung zu vermeiden, wird es ausgeformt. Dies kann ebenfalls durch Druckdifferenz stattfinden (Ausblasen), oder ähnlich wie beim Spritzgießen, mechanisch mit Auswerfern erfolgen.
Thermoformen – Verfahrensschritte Zum Thermoformen eignen sich fast alle amorphen und teilkristallinen Thermoplaste. Anwendungsbezogen wird dabei in Kunststoffe für technische Teile und für Verpackungsteile unterschieden. Tabelle 4-30 Beispiel einiger Temperaturbereiche beim Umformen von Thermoplasten Halbzeug
Glastemperatur [°C]
Schmelztemperatur [°C]
Umformtemperatur (Oberfläche) [°C]
PC PS PP HD-PE PET
~ 145 ~ 105 ~0 ~ –80 ~ 75
– – ~ 165 ~ 135 ~ 245
150–180 120–150 150–165 140 –170 100–120
419
Als technische Halbzeuge zählen PC, PMMA, PA und ABS sowie faserverstärkte Verbundwerkstoffe und eigenverstärkte Werkstoffe. Im Automobilbereich sind oft thermoplastische Elastomere sowie thermoplastische Polyolefine anzutreffen. Für Verpackungshalbzeuge werden oftmals PET, PS, PP, PVC und PE eingesetzt. Diese sind mit entsprechenden Additiven zur Eigenschaftsmodifizierung versehen. Modifikatoren sind zum Erreichen der Lebensmittelverträglichkeit und Beständigkeit oder z. B. zur Verbesserung der Permeationseigenschaften notwendig. Der Thermoformbereich oder das Verformungsfenster liegt bei amorphen Kunststoffen oberhalb der Glasübergangstemperatur und bei teilkristallinen knapp unterhalb der Schmelztemperatur. Eine Übersicht über die Temperaturbereiche beim Umformen ist in Tabelle 4-30. dargestellt.
Thermoformverfahren Die Thermoformung findet bei den meisten Verfahren nur in einer Werkzeughälfte statt. Dies bedeutet zum einen, dass nur eine einseitige Konturgebung möglich ist, zum andern zeigt sich der Vorteil, dass nur eine Werkzeughälfte ausgelegt, bemaßt und hergestellt werden muss. Unterschieden werden die Formgebungsverfahren wie folgt: – positiv – negativ – Druckluft – Vakuum – Plattenautomaten (Verarbeitung zu technischen Teilen) – Rollenautomaten (Verarbeitung zu Verpackungsteilen) – Kaschieren Im Folgenden sind zwei jeweils kombinierte Verfahren detailliert dargestellt:
Positiv-Negativ Vakuumformung mit Vorblasen Bei diesem kombinierten Verfahren wird das erwärmte Halbzeug über die Form gezogen. Konturabbildende Seite ist die Innenseite des fertigen Produktes. Diese Innenfläche ist während der Umformung in Kontakt mit dem Formwerkzeug und kann dessen Gestalt annehmen. Der schematische Verfahrensablauf ist in Bild 4-257 dargestellt. In der ersten Stufe wird das thermoplastische Halbzeug auf die entsprechende Umformtemperatur gebracht (1). Durch Vorblasen wird die Folie vorgestreckt (2), dies dient der gleichmäßigen Wanddickenverteilung. Danach schließt das Werkzeug (3) und ein angelegtes Vakuum bringt die Folie in die gewünschte Endform (4). Nach Abkühlen des Kunststoffes kann (ohne Gefahr der Rückstellung) entformt werden.
420
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Beständigkeit, Steifheit und Flexibilität bei enormer Massereduzierung im Gegensatz zu konventionell hergestellten (spritzgegossenen) Stoßfängern. Bild 4-258 zeigt einige thermogeformte Bauteile.
Negativ-Druckluftformung
Bild 4-257. Verfahrensschritte beim Positiv-Negativ Vakuumformen
Dieses Verfahren wird vorwiegend mit Plattenautomaten realisiert. Die dabei hergestellten Produkte sind meist technische Teile wie das folgende Beispiel zeigt: Als thermogeformter Faserverbundwerkstoff wurde jüngst (2003) ein Stoßfängerträger für den 3er BMW hergestellt. Dieses Bauteil ist eine leichte und höchstbelastbare Struktur aus Hochleistungs-Faserverbund und Sandwichstrukturen. Dies bedeutet gleiche Belastbarkeit, chem.
Die Negativformung findet ihre Hauptanwendung in der Becherherstellung. Bild 4-259 zeigt dazu die Verfahrensschritte. Nach Einfahren der erwärmten Folie schließt das Werkzeug und der Formhelfer (Oberstempel) taucht ein, gleichzeitig muss die Abluft aus der unteren Werkzeughälfte austreten können. Danach wird die Formluft aufgegeben, damit die Folie vom Stempel gelöst und gegen die Werkzeugwand gedrückt (Oberflächengebung) wird. Nach Abkühlen des Kunststoffes kann (ohne Gefahr der Rückstellung) entformt werden. In der Anwendung unterscheidet man hauptsächlich zwei Bereiche: a) Becher zur Lebensmittelaufbewahrung Saftbecher sind meist ein Mehrschichtverbund. Üblich sind hierbei drei Schichten, eine Innenschicht, die lebensmittelverträglich ist, eine Zwischenschicht zum Schutz vor UV-Einstrahlung oder auch zur Verwendung von Recyclingmaterial und eine Deckschicht mit aufgedrucktem Label. b) Becher zum sofortigen Gebrauch Becher zum sofortigen Gebrauch wie Trinkbecher o. ä. sind einfach thermogeformte Billigartikel, wie sie in jedem
Bild 4-258. Stoßfängerträger und Leichtbaudurchlade BMW M3 CSL von Jacob Composite GmbH
4.2 Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen – Warmformen
421
Bild 4-259. Negativ-Druckluftformung
Kaffeeautomat vorkommen. Sie werden aus einer einzelnen Folie geformt und mit entsprechenden Formen (Sicke, Riffelung, etc.) stabilisiert. Bild 4-260 zeigt einen thermogeformten Becher im Vergleich zu einem spritzgegossenen Becher. Beim thermogeformten Becher sind die Stapelsicken eindeutig zu sehen, während im
Spritzguss diese mit Hinterschnitten in Form von hohlen Becherböden realisiert werden.
Vor- und Nachteile der Thermoformung Die Thermoformung steht meist in Konkurrenz zum Spritzgießen. Vorteile bei der Herstellung technischer Teile durch Umformen: – Hohes Teilegewicht (bis 125 kg), – Große Formteile (bis 4 m2) sind möglich, – Flexible Wanddicken (0,05 mm – 15 mm), – Kostengünstig bei kleinen Stückzahlen (Werkzeugkosten), – Geringe Änderungskosten, Farbwechselkosten, – Homogene Mehrschichtverbunde möglich. Vorteile der Herstellung von Verpackungsteilen durch Umformen: • Kürzere Taktzeiten, • Verarbeitung von Halbzeug.
Bild 4-260. Vergleich: Umgeformter und urgeformter Becher
Nachteile: • Wenig Gestaltungsmöglichkeit (Hinterschnitte), • Keine gleichmäßige Wanddickenverteilung,
422
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-31 Tabelle für den Thermoformer Blatt 1/3 (Fa. Illig, Heilbronn) [2]
4.2 Umformen von Kunststoffen zu Bauteilen – Warmformen
Tabelle 4-31 Tabelle für den Thermoformer Blatt 2/3 (Fortsetzung) (Fa. Illig, Heilbronn) [2]
1) 2) 3) 4)
Trocknungszeit 4 h/ mm je nach Type, 70 ... 160 °C für Oberflächenformung (OFF) und sehr scharfe Ausformung x 1,5 für OFF und sehr scharfe Ausformung um ca. 30% kleinere Werte für sehr geringe Umformtemperaturen um 25% größere Werte
423
424
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-31 Tabelle für den Thermoformer Blatt 3/3 (Fortsetzung) (Fa. Illig, Heilbronn) [2]
5) erarbeitungsschwindung = Länge Werkzeug - Länge Thermoformteil / Länge Werkzeug x 100 beide Maße bei Raumtemperatur nach 24h gemessen 6) nur InlineVerarbeitung möglich
4.3 Rapid Prototyping • Schwierige Temperaturführung, • Vorgegebenes Halbzeug; keine Einflussnahme des Verarbeiters auf die Rezeptur der Folie möglich. Tabelle 4-31 gibt für den Thermoformer viele für die Praxis sehr wertvolle Informationen. (Für die Genehmigung zur Veröffentlichung danken wir der Fa. Illig, Heilbronn) [2]. Das Thermoformen ist ein Umformverfahren, das sehr einfach aussieht, in der Prozessführung allerdings sehr schwer handzuhaben ist. Gerade der große Einsatz von Verpackungsmitteln und Trinkbecher, die in aller Regel als Billig- und Massenware auf dem Markt sind, erlauben keine aufwendigen und kostenintensiven Arbeiten und erwartet ein Produkt zu günstigem Preis und hoher Funktionalität. Auf wissenschaftlichem Gebiet haben sich bisher nur Wenige in der Lage gesehen, den gesamten Prozess zu verstehen und erklären zu können. Im Gegensatz zum Spritzgießen, auf dem schon Jahrzehnte geforscht wird, ist bei der Thermoformung nur ansatzweise Prozessführung erklärbar und simulierbar. Auf diesem Gebiet ist das IKP tätig, indem durch einen speziell entwickelten Messaufbau die notwendigen Parameter und Kenngrößen der eingesetzten Halbzeuge für die Simulation ermittelt werden. Mit diesen Kennwerten ist es dann möglich den Thermoformprozess gesamt im Voraus zu berechnen und z. B. die Wanddickenverteilung oder Spannungsverteilung aufzuzeigen. Somit können aufwendige Werkzeuge vorab berechnet sowie ausgelegt und Zeit bzw. Kosten eingespart werden. Weitere Literatur zur Vertiefung bieten [3] bis [5]. Die neuesten Entwicklungen im Bereich des Thermoformens, wie z. B. die Verarbeitung von Duroplastschäumen, das Mikrothermoformen, das In-Mold-Graining oder das TwinSheet-Verfahren sind in [6] zu finden. Die Simulation des Aufheizvorganges beim Thermoformen behandelt [7].
425
Weiterführende Literatur Fokken M (2007) Becher aus PP schneller formen (Verpackungen). Kunststoffe 97(2007)9, S 220–223
4.3
Rapid Prototyping Helmut Schüle
Allgemeines Grundsätzlich arbeiten alle RP-Verfahren nach dem selben Prinzip, in dem ein Bauteil durch schichtweises Hinzufügen von Material additiv aufgebaut wird (im Gegensatz zu den klassischen subtraktiven Verfahren wie dem Fräsen, bei denen die Bauteilgenerierung durch den Abtrag überschüssigen Materials geschieht). Die Unterschiede der Verfahren liegen im Wesentlichen in der Art und Weise, wie das Material aufgetragen wird und auch in den verwendeten Materialien selbst. Die RP-Verfahren lassen sich dabei in die drei folgenden Kategorien einordnen: Materialaddierende Verfahren: Eine Schicht wird durch das selektive Addieren von Material erzeugt. Dies kann Punktweise oder durch das Auftragen von Schichtkonturen erfolgen. Materialgenerierende Verfahren: Die zu erzeugende Schicht ist bereits mit Material aufgefüllt (Pulver bzw. Flüssigkeit), das selektiv aktiviert wird. Dies kann durch Belichtung, Auftrag von Bindemittel oder Erwärmung erfolgen. Materialsubtrahierende Verfahren: Die Schicht besteht aus Material in seinem entgültigen Zustand. Durch das Abtragen von ungewünschtem Material entsteht eine Materialschicht, die dem Bauteil hinzuaddiert wird.
4.3.1
Rapid Prototyping Verfahren
4.3.1.1
Stereolithographie (STL)
Literatur – Kapitel 4.2 [1] Schwarzmann P Thermoforming. München: Hanser, 2001 [2] Illig A Tabelle für den Thermoformer. Heilbronn: Illig, 7/2003 [3] Illig A Thermoformen in der Praxis, 1997, Carl Hanser Verlag [4] Throne J Technology of Thermoforming, 1996, Hanser Gardener Publications [5] Schwarz Ebeling Furth Kapitel 16 in Kunststoffverarbeitung, 8. Aufl., Vogel 1999 [6] Ederleh, Lennart; Kunststoffe 10/2006, S 173–175 [7] Fertschej G et al. Kunststoffe 97(2007)1, S 62–65
Das Verfahren Stereolithographieanlagen verwenden ein Photopolymer für den Materialaufbau. Dieser flüssige Kunststoff verfestigt sich spontan unter der Einwirkung von ultraviolettem Licht. Ein ausgelenkter Laser dient hierbei als UV-Quelle. Eine Stereolithographieanlage besteht aus einem mit Photopolymer gefüllten Bassin, in dem die Bauplattform vertikal bewegt werden kann. Ein Laser wird zur Messung des Füllstandes verwendet. Ein Wischer kann über die Oberfläche bewegt werden, um diese zu glätten. Ein weiterer Laser nebst Auslenk-
426
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-261. Klassifizierung nach dem Aggregatzustand des Ausgangsmaterials
einrichtung ist über dem Bassin angebracht, so dass der Brennpunkt dieses Lasers beliebig auf der Oberfläche des Photopolymers positioniert werden kann. Zunächst fährt die Plattform bis dicht unter die Flüssigkeitsoberfläche. Der Abstand zur Oberfläche entspricht der Dicke der untersten Schicht des Bauteils. Der zweite Laser wird verwendet, um den Pegelstand der Flüssigkeit und somit die genaue Position der Oberfläche zu messen. Der Wischer fährt über die Flüssigkeit, um die Oberfläche zu glätten und das Material zu verteilen bevor der Laser die Konturen der aktuellen Schicht abfährt. Danach werden die Flächen mit einer Schraffur ausgefüllt. Das Photopolymer härtet aus und die Plattform wird um den Abstand einer Schichtdicke abgesenkt. Der Wischer verteilt neues Material über die Oberfläche der abgesenkten Schicht. Alle weiteren Schichten werden entsprechend erstellt. Verwendete Materialien: Photopolymere, ABS oder PBT
4.3.1.2
Selektives Lasersintern (SLS)
Das Verfahren Auch SLS-Anlagen besitzen ähnlich wie Stereolithographieanlagen eine Bauplattform, die vertikal im Material bewegt werden kann. Da hierbei Pulver verwendet wird, ist zusätzlich eine Materialzuführung und Aufnahme von überschüssigem Material durch besondere Vorrichtungen erforderlich. Eine Zuführwalze sorgt dabei für die erforderliche glatte Pulveroberfläche. Alle anderen Komponenten entsprechen prinzipiell denen von STL-Anlagen. Beim Sinterverfahren werden auf dünnen Pulverschichten ausgewählte Bereiche mit einem Laser verschmolzen. Die Pulverpartikel gehen dabei zunächst vom festen in den flüssigen Zustand und dann wieder in den festen Zustand über. Zunächst wird eine dünne Schicht Material auf der Bauplattform verteilt. Der Laser fährt daraufhin die Konturen ab und füllt die Flächen mit einem Schraffurmuster. Die Pulverpartikel verbinden sich dabei zu einem festen Körper.
4.3 Rapid Prototyping
427
Bild 4-262. STL-Verfahren
SLS ermöglicht die direkte Verarbeitung niedrig schmelzender Materialien wie z. B. Kunststoff oder Wachs. Verwendete Materialien: Pulver z. B. Thermoplast (PA, PS), thermoplastische Elastomere, Metalle (40 % Bronze + 60 % Edelstahl), Verbundwerkstoffe, Giessand.
4.3.1.3
Fused Deposition Modeling (FDM)
Das Verfahren Dieses von der Firma Stratasys entwickelte Verfahren addiert Material in Form eines geschmolzenen Fadens zum Werkstück hinzu und ist somit als klassisches materialaddierendes Verfahren zu sehen. Der Anlagenaufbau besteht aus einer Bauplattform, auf der das Bauteil erzeugt wird. Das Material ist in Form eines Drahtes auf einer Spule aufgewickelt. Von dort aus wird ein Extrusionskopf gespeist, der beliebig über der Bauplattform positionierbar ist. Das Material wird aufgeheizt und durch eine Düse in Form eines zähflüssigen Fadens auf das Bauteil aufgetragen, wo es die zuvor erstellte Schicht wieder anschmilzt, sich mit ihr verbindet, und dann wieder verfestigt. Auch hier wird nach Beendigung einer Schicht der Tisch auf dem das Model entsteht um eine Schichtdicke herabgesetzt. Da das Bauteil ohne umgebenes Material aufgebaut wird, sind Stützkonstruktionen erforderlich, um Überhänge und freie Schichtelemente während des Bauvorgangs abzustützen. Hierzu wird ein zusätz-
liches Material über eine zweite Düse als Trennschicht auf die Stützen aufgetragen. Dieses Trennmaterial lässt sich nach Beendigung des Bauvorgangs leicht vom Bauteil entfernen. Aufgrund der geringen Schmelztemperaturen der verwendeten Materialien, wie zum Beispiel Kunststoffe oder Wachse ist hier eine Erhitzung über eine elektrisch beheizte Düse ausreichend, es wird kein Laser benötigt. Wegen des geringen Platzbedarfs und der Ungefährlichkeit der Maschine kann eine solche Apparatur auch in einem Büro aufgestellt werden. Vewendete Materialien: ABS , PC, PPS, Wachse, Stahl
4.3.1.4
Laminated Object Manufacturing (LOM)
Das Verfahren Der Anlagenaufbau einer LOM-Maschine besteht aus einer Rolle mit Folie, von der das Material über die Trägerplattform hinweg auf eine zweite Rolle abgewickelt wird. Die Plattform selbst kann abgesenkt werden, um Platz für das inkrementell generierte Werkstück zu schaffen. Üblicherweise wird mit eine Anpressrolle die Verbindung zwischen den Folienschichten hergestellt. Ein über der Anlage angebrachter Laser kann über eine Auslenkeinheit die Folie zerschneiden. Die Folie wird von einer Rolle abgerollt und über die Bauplattform gezogen. Eine beheizte Rolle presst die Folie auf den bisher generierten Schichtstapel und sorgt so für
428
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
eine Verklebung der Folien. Mit einem Laser werden die Konturen der Schicht des Bauteils abgefahren, so dass das Schichtvolumen des Bauteils aus der Folie herausgeschnitten wird. Die Umgebung des Schichtvolumens wird in einem Schraffurmuster zerschnitten, damit das überschüssige Material später vom Bauteil gelöst werden kann. Zusätzliche Stützkonstruktionen sind nicht erforderlich, da ein kompakter Block aus den Folien aufgebaut wird. Erst nach der Herausnahme aus der Anlage wird das überschüssige Material manuell entfernt. Nachteile dieses Verfahrens sind zum Beispiel die großen Mengen an Abfall. Verwendete Materialien: Papier, Kunststoffe (auch mit Glasfasern)
für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart Methner M (2007) Laser-Sintern als Patentrezept. Kunststoffe 97(2007)2, S 78–79 Reckenwald Th, Roth S, Pohle D (2006) Funktionsprototypen aus PEEK (Laserstrahlsintern). Kunststoffe 96(2006)11, S 62–68 Methner M (2007) Formvollendet bis ins kleinste Detail (Laser-Sintern). Kunststoffe 97(2007)6, S 68–69
4.4
Werkzeugtechnik Lars Ziegler
Literatur zu Kapitel 4.3
4.4.1
Einleitung
Jacobs PF (1992) Rapid Prototyping & Manufacturing – fundamentals of Stereo Lithography. Dearborn MI, SME Bertsche B, Bullinger HJ (Hrsg) (2007) Entwicklung und Erprobung innovativer Produkte – Rapid Prototyping. Springer Verlag, Berlin, 489 S Stierlen P (2002) Rapid Prototyping von Keramiken. Dissertation, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart Pfeiffer R (2006) Entwicklung von Rapid Prototyping Verfahren zur Herstellung verlorener Modelle für den Feinguss. Dissertation, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart Blumenstock T (2003) Analyse der Eigenspannungen während der Aushärtung von Epoxidmassen. Dissertation, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart Dusel KH (2000) Rapid Tooling – Spritzgießen mit Prototypenwerkzeugen und der Einfluss auf Bauteileigenschaften. Dissertation, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart Keller B (1999) Rapid Prototyping – Grundlagen zum selektiven Lasersintern von Polymerpulver. Dissertation, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart Eschl J (2001) Die mechanischen Eigenschaften von Stereolithopraphiematerialien während der Aushärtung. Dissertation, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde IKP, Universität Stuttgart Eyerer P et al. (1996) Rapid Prototyping & Rapid Tooling: Generative Fertigungsverfahren und Prozessketten in der Produktentwicklung. Wechselwirkungen, Jahrbuch der Universität Stuttgart Wiedemann B (1997) Verzugsursachen stereolithographisch hergestellter photopolymerer Bauteile und Auswirkungen auf ihr Eigenschaftsprofil. Dissertation, Institut
Kunststoffverarbeitungssysteme bestehen aus den Teilsystemen Maschine, Werkzeug, Produkt, Peripherie (z. B. Materialtrocknung und -zufuhr, Handling etc.). Die Werkzeuge stellen die Schnittstelle zwischen Produkt und Prozess dar. Deshalb ist die Werkzeugtechnologie ausschlaggebend für eine fertigungsgerechte Produktgestaltung und die damit verbundenen kostengünstigeren Produkte. Stark sinkende Produktlebenszyklen, z. B. im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik, erhöhen den Bedarf und die Anforderungen hinsichtlich „Time to Market“, Qualität und Kosten für Werkzeuge und Formen drastisch. So werden zum Beispiel Mobiltelefone mit ihren Kunststoffgehäusen heute bereits nach einem halben Jahr von Nachfolgemodellen abgelöst. Werkzeugbauer haben sich jeweils auf einzelne Kunststoffverarbeitungs-(sonder)verfahren wie z. B. Hinterspritzen/-pressen, Gasinnendrucktechnik, Mehrkomponententechnik etc. und/oder Produkte bzw. Branchen spezialisiert. Für jede Branche stehen bestimmte Herausforderungen an Werkzeuge im Vordergrund, für die gleichzeitig meist ein branchenspezifischer Know-how-Vorsprung besteht (Tabelle 4-32). Entsprechend der Herausforderungen werden Sonderbauformen wie z. B. Etagenwerkzeuge mit mehreren Trennebenen, oder alternative Materialien (beispielsweise Aluminium) gewählt. Im Folgenden werden Grundlagen und der Stand der Technik im Bereich der Kunststoffverarbeitungswerkzeuge aufbereitet.
4.4.2
Grundlagen zu Kunststoffverarbeitungswerkzeugen
Zunächst erfolgt eine Definition der im Weiteren verwendeten Begriffe.
4.4 Werkzeugtechnik
Tabelle 4-32 Branchenspezifische Herausforderung an Werkzeugbau und -technik Branche Herausforderung an Werkzeugbau und -technik Automobil
Komplexität, Qualität, z. T. Werkzeuggröße, Änderungen
Optik
Genauigkeit, Oberflächenqualität, Reinheit
Lebensmittelverpackung
Kosten, kurze Zykluszeiten, hohe Stückzahlen, Reinheit
Bau
Werkzeuggröße
Informations- und Kommunikationstechnik
Schnelligkeit/Time to Market
4.4.2.1
Begriffsdefinition
Werkzeug: Unter Werkzeugen werden nach der vom VDI vorgegebenen Definition Fertigungsmittel verstanden, die auf ein bestimmtes Material unmittelbar zum Zweck der Form- oder Substanzveränderung mechanischer bzw. physikalisch-chemischer Art einwirken. Da diese Definition auch Standardwerkzeuge, z. B. Drehmeißel, Schneidplatten, Fräsköpfe, Bohrer oder Schleifscheiben umfasst, ist eine Abgrenzung vorzunehmen. Die hier betrachteten Werkzeuge charakterisieren sich durch eine teilweise oder vollständige Abbildung der Werkstückform auf die Werkzeuggeometrie und werden daher häufig als Hohlformwerkzeuge bezeichnet [1].
4.4.2.2
Grundlagen
Entsprechend der verschiedenen Werkstoffe und Verfahren lassen sich Werkzeuge in Thermoplast-, Duroplast- und Elastomerverarbeitungswerkzeuge bzw. Spritzgieβ-, Press-, Schäum-, Extrusionswerkzeuge einteilen. Einige Werkzeugtypen bzw. ihre zugehörigen Verfahren wie beispielsweise Thermoform-, Blasform-, Rotationsformwerkzeuge sind ausschlieβlich für Thermoplaste anwendbar. Polyurethan und das zugehörige Reaction Injection Molding RIM setzt ebenfalls spezifische Werkzeugtechniken bzw. die Erfüllung entsprechender Anforderungen voraus. Wie beim Duroplastspritzgieβen ist beispielsweise aufgrund der sehr niedrigen Viskosität auf hohe Dichtheit der Trennebenen sowie Schieber und Auswerfer zu achten, um Gratbildung zu vermeiden/ reduzieren. Hinsichtlich der Verfahren, für die die Werkzeuge bestimmt sind, existieren u. a. folgende Bezeichnungen [1-7]:
429
– – – – –
Extrusionswerkzeuge Presswerkzeuge bzw. -formen Schäumwerkzeuge bzw. -formen Blasformwerkzeuge (Spritz- und Extrusionsblasen) Spritzgießwerkzeuge bzw. -formen mit zahlreichen Sonderverfahren – Werkzeuge für In mold Decoration IMD, In mold Labelling IML und In mold Coating (IMC) bzw. Painting (IMP): – Hinterspritzwerkzeuge (IMD oder IML) – Hinterpresswerkzeuge (IMD oder IML) – Hinterschäumwerkzeuge (IMD oder IML) – Hinterblasformwerkzeuge (IMD oder IML) – IMC/IMP-Press- oder Spritzgießwerkzeuge – Mehrkomponentenspritzgießwerkzeuge: • Umsetzwerkzeuge • Schieberwerkzeuge (Kontur- oder Sperrschieber) • Dreh(teller)werkzeuge – Werkzeuge für Einlegeteile: • Insert-Technik (Umspritzen oder Umpressen von Einlegern) • Outsert-Technik (Anspritzen von Kunststoff(funktions-)elementen z. B. an Metallplatinen) • Hybridtechnik – Werkzeuge für kombinierte Kunststoffverarbeitungsprozesse: • Spritzblasformwerkzeuge • Spritzprägewerkzeuge Kunststoffverarbeitungswerkzeuge werden auch nach ihrer Bauart klassifiziert. Unterscheidungen nach klassifizierenden Gesichtspunkten sind in Tabelle 4-33 vorgenommen [1]. Schwerpunkt der weiteren Ausführungen sind Spritzgieβwerkzeuge zur Thermoplastverarbeitung. Dies ist einer der am häufigsten vorkommenden und insbesondere bei Anwendung sog. Sonderverfahren der komplexeste Werkzeugtyp. Kunststoffverarbeitungswerkzeuge nehmen vielfältige Funktionen wahr. Stellvertretend sind die Aufgaben bzw. Funktionen und die zugehörigen Funktionselemente von Spritzgießwerkzeugen in Tabelle 4-34 zusammengestellt.
4.4.2.3
Verfahrenskombination und Integrative Werkzeugtechnik
Eine Analyse ergab zahlreiche Trends, die eine weitere Evolution in Richtung Integrativer Werkzeugsysteme untermauern (Bild 2-64) [3]. Integrative Werkzeugtechnik sieht eine Integration von Fertigungs-, Montage- und Nacharbeitsschritten in das Uroder Umformwerkzeug vor. Beispiele sind das MontageSpritzgießen (In mold Assembly IMA) fester, beweglicher oder lösbarer Verbindungen, das Dekor- oder Folien-Hinter-
430
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-33 Werkzeug-Bauarten [1] Unterscheidung nach
Einflussgrößen
konstruktive Ausführung
Beschreibung
Bezeichnung
Anzahl der Trennebenen
Formteilgeometrie Formnestzahl Angussart Entformungsprinzip
2-Platten-Werkzeug
einfachste Bauform; eine Trennebene; Öffnungsbewegung in eine Richtung; Entformung hauptsächlich durch Schwerkraft, Ausdrückstifte oder Ausdrückhülsen
Normalwerkzeug
3-Platten-Werkzeug
Zwei Trennebenen zur getrennten Entformung von Anguss und Formteil, die voneinander abgerissen werden.
Abreißwerkzeug
Abstreifplatte
wie Normalwerkzeug, jedoch Entformung durch Abstreifplatte
Abstreifwerkzeug
Mehr als eine Trennebene
Formteile etagenweise auf mehreren Teilungsebenen angeordnet.
Etagenwerkzeug
Schieber/ Schrägführung
eine Trennebene; Öffnungsbewegung in Hauptrichtung und quer dazu durch auf Schrägstiften geführte Schieber.
Schieberwerkzeug
Backe/ Schrägführung
eine Trennebene; Öffnungsbewegung in Hauptrichtung und quer dazu durch auf schräger Ebene geführte Backen; Backen können Seitenkräfte aufnehmen.
Backenwerkzeug
Abschraubeinrichtung
mechanische Einleitung von Drehbewegungen zur automatischen Gewindeentformung
Abschraubwerkzeug
Abstreifplatte
wie Normalwerkzeug, jedoch Entformung durch Abstreifplatte
Abstreifwerkzeug
Art der Entformung
Formteilgestalt Formmasse Verarbeitungsparameter Stückzahl Lage des Formteils zur Trennebene
Art der Angusstemperierung
Spritzgießmaschine Zykluszeit Formmasse Wirtschaftlichkeit
Heißkanalverteiler
elektrisch beheizte Verteilerkanäle
Heißkanalwerkzeug
Isolierkanal
zwei Trennebenen; kein konventionelles Angusssystem, sondern Kanäle mit größerem Querschnitt, damit sich eine „plastische Seele” innerhalb einer erstarrten Haut bilden kann.
Isolierkanalwerkzeug
Art der Kraftaufnahme
Steifigkeit des Werkzeugs Geometrie des Formteils Spritzdruck (spez.) Formmasse
Backenform
eine Trennebene; Öffnungsbewegung in Hauptrichtung und quer dazu durch auf schräger Ebene geführten Backen; Backen können Seitenkräfte aufnehmen.
Backenwerkzeug
Säulenführung
einfachste Bauform; eine Trennebene; Öffnungsbewegung in eine Richtung
Normalwerkzeug
Stückzahl Formteilgestalt Spritzgießmaschine Zykluszeit Wirtschaftlichkeit
eine Kavität mehrere Kavitäten
Pro Zyklus wird ein Formteil hergestellt. Pro Zyklus werden mehrere Teile mit gleicher oder unterschiedlicher Teilegeometrie hergestellt. Pro Zyklus werden z. B. zwei oder mehr Teile (eines Produkts) unterschiedlicher Teilegeometrie hergestellt.
Einfachwerkzeug Mehrfachwerkzeug
Anzahl der Kavitäten
spritzen, -pressen oder schäumen (In mold Decoration IMD), das werkzeugintegrierte Lackieren (In mold Coating IMC) etc. Zielsetzung der Integrativen Werkzeugtechnik ist die Vermeidung von Handhabungsvorgängen und die Produktion Werkzeugfallender Produkte. Werkzeugfallende Produkte sind Formteile, Baugruppen, Module oder komplette Produkte wie z. B. Elektrowerkzeuge, Fahrzeugtüren etc., die ohne weitere Nachar-
Familienwerkzeuge, z. B. 1+1-fach
beit oder Montage das Ur- oder Umformwerkzeug verlassen. Beginnend mit Grat- und Angussfreiheit sind mittlerweile fertig lackierte, dekorierte und montierte komplexe Systeme werkzeugfallend möglich. Beispiele einer Integration mehrerer Arbeitsschritte in Ur- und Umformwerkzeuge sind: Montage, Oberflächenbehandlung und -aktivierung, Dekoration etc.
4.4 Werkzeugtechnik
431
Tabelle 4-34 Aufgaben bzw. Funktionen und zugehörige Funktionselemente von Spritzgießwerkzeugen [2]
Funktionen
Hauptfunktionen Verteilen der Schmelze – Angusssystem: – Anguss(buchse) – Angussverteiler/-spinne – Anschnitt/Anbindung – evtl. Heiß- oder Kaltkanäle mit Verteilerbalken und ggf. Nadelverschlussdüsen Aufnehmen der Schmelze und Ausformen des Formteils – Formnest(er): – Formplatten – ggf. Formeinsatz – Kavität(en) – ggf. Kern(e) – ggf. Schieber – Konturoberfläche – Entlüftung – evtl. Drucksensoren Abkühlen/Temperieren des Formteils – Temperiersystem: – Kühlkanäle mit Temperier-Medium oder Heizpatrone – evtl. Temperatursensoren Entformen des Formteils – Entformungssystem: – Formtrennung(en) – Auswerfer – Auswerferplatte
Zielrichtung sind „Werkzeugfallende“ Formteile, Baugruppen, Module oder Produkte. Im Folgenden werden verschiedene Ansätze einer Integration mehrerer Arbeitsschritte in (Kunststoffverarbeitungs-)Werkzeuge aufgeführt und hinsichtlich ihres Innovationspotenzials bewertet (siehe auch Tabelle 4-36). In Tabelle 4-37 sind die Vorteile und Verbesserungspotenziale sowie Nachteile und offene Punkte der Integrativen Werkzeugtechnik gegenübergestellt. Das Mehrkomponenten-Spritzgießen erschließt ein erhebliches Potenzial zur Montage im Werkzeug. Zunächst lag der Fokus auf fest miteinander verbundenen Kunststoffen unterschiedlicher Farbe, wie z. B. bei Fahrzeugrückleuchten. Weitere Anwendungen betrafen unterschiedliche Kunststoffe, wie es beispielsweise auch bei Hart-Weich-Verbindungen der Fall ist.
Nebenfunktionen Kräfte aufnehmen – Maschinen- und Kraftaufnahme: – Aufspannplatten – Aufspannpratzen oder Magnettisch – Zentrierelemente – Zwischenlatten Bewegungen übertragen – Auswerferstößel – ggf. Kernziehereinrichtung – ggf. Schrägführung Werkzeugteile führen – Führung und Zentrierung: – Zentrierring – Führungssäulen – Führungsbuchsen – Zentrierelemente – ggf. Schieberführung – ggf. Kernzentrierung
Anfang der 80er Jahre gelang der Firma Fickenscher aus Selb durch eine geeignete Werkzeugtechnik und die Wahl unverträglicher Kunststoffe mit dem Spritzgießen beweglicher, aber fest miteinander verbundenen Teile eine bedeutende Innovation. Es war nun möglich, Spielzeugfiguren mit beweglichen Armen und Beinen in einem Werkzeug herzustellen. Ausgangspunkt dieser Erfindung war bei einer angestrebten Erhöhung des Spielwertes die Notwendigkeit, die Arme und Beine unlösbar mit dem Rumpf zu verbinden, um zu verhindern, dass spielende Kinder Kleinteile verschlucken. Weitere Anwendungen sind verstellbare Luftausströmer in Instrumententafeln.
432
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Tabelle 4-35 Integrative Werkzeugkonzepte mit ihrem jeweiligen Innovationspotenzial [3] Integrative Werkzeugkonzepte
Umsetzungsstand / Innovationspotenzial
Abtrennung der Angüsse durch 3-Plattenwerkzeuge und Tunnelangüsse bzw. Vermeidung von Angüssen je nach Werkstoffart durch Heiß- oder Kaltkanäle
Ist Stand der Technik.
In mold Coating bzw. In mold Painting
Es gibt einige umgesetzte Werkzeuge. Eine Class-A-Oberfläche von thermoplastischen Bauteilen bis hin zur komplett lackierten Fahrzeug-Außenhaut aus Kunststoffen sind Zielsetzung weiterer Arbeiten.
Hybridwerkzeuge zur gleichzeitigen Realisierung von Metall- und Kunststoffverarbeitung
Insert- und Outserttechniken mit vollständig vorgefertigten Metalleinlegern sind Stand der Technik. Relativ neu sind Kunststoffverarbeitungswerkzeuge, die z. B. über die Schließbewegung auch Metallumformungen vorschalten.
Kombinationen von Ur- und Umform-, Schäum- und Schneidvorgängen
Dies ist ansatzweise realisiert, es bestehen aber noch erheblich mehr Möglichkeiten.
Verfahrenskombinationen z. B. Pressen und Spritzgießen, Gasinjektionstechnik, Mehrkomponententechnik und Hinterspritztechnik
Dies ist ansatzweise realisiert, es bestehen aber noch erheblich mehr Möglichkeiten.
Inline Prozesskontrolle zur Qualitätssicherung
Automatische Regelung des Systems über Sensoren im Werkzeug bietet Potenzial.
Fügevorgänge im Werkzeug
Die Einzelkomponenten eines Gardinenrollers werden in einem Werkzeug spritzgegossen und anschließend durch bewegliche Werkzeugelemente gefügt.
In mold Montage durch Mehrkomponententechnik
Feste Verbindungen sind Stand der Technik. Bewegliche, aber unlösbare Verbindungen sind schon länger bekannt. Demontierbare Verbindungen sind neu.
Molded Interconnect Devices: Spritzgegossene dreidimensionale Leiterbahnen
Verschiedene Verfahrensvarianten sind in Entwicklung. Erste Serienanwendungen laufen.
In mold Decorating
Ist Stand der Technik, wird aber nur von wenigen Unternehmen beherrscht. Neuere Ansätze liegen in der werkzeugintegrierten Randbereichsgestaltung.
Bild 4-263. Trends zu einer Integrativen Werkzeugtechnik
4.4 Werkzeugtechnik
Tabelle 4-36 Vorteile und Verbesserungspoteniale sowie Nachteile und offene Punkte der Integrativen Werkzeugtechnik Vorteile und Verbesserungspotenziale einer Integrativen Werkzeugtechnik
Nachteile und offene Punkte beim Einsatz einer Integrativen Werkzeugtechnik
Kostenvorteile bei hohen Stückzahlen; Kompaktere Fertigungszellen Weniger Werkzeuge erforderlich Keine Zwischenlagerung und reduzierter Handlingaufwand Keine Qualitätsschwankungen durch Handarbeit
Werkzeugkosten und Entwicklungsdauer Beherrschbarkeit der Komplexität Bauraum im Werkzeug; Verfügbarkeit/Prozesssicherheit Teurer Ausschuss aufgrund hoher Fertigungstiefe
Bild 4-264. Umsetzverfahren
Bild 4-265. Kernziehverfahren
433
434
4 Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen
Bild 4-266. Drehwerkzeugverfahren
Bild 4-267. Indexplattenverfahren
Werkzeugkonzepte zum MehrkomponentenVerbund-Spritzgießen Unter Verbund-Spritzgießen versteht man das Aneinanderspritzen von zwei Kunststoffen, wobei die einzelnen Komponenten sich nicht miteinander vermischen, sondern eindeutig voneinander abgegrenzt sind. Hierzu muss zunächst ein Vorspritzling hergestellt werden, der erst nach dem Abkühlen bis zu einer ausreichenden Eigensteifigkeit mit der nächsten Komponente in Kontakt kommt. Im wesentlichen gibt es vier Möglichkeiten, VerbundSpritzgießen durchzuführen [7]: – Umsetzverfahren (Transfertechnik, Einlegetechnik) – Schiebertechnik (Core-Back-Technik, Kernziehtechnik) – Drehwerkzeugverfahren – Indexplattenverfahren
Die Frage, welche Werkzeugtechnik beim jeweiligen Projekt eingesetzt werden kann (oder soll) hängt in hohem Maße vom Produktdesign ab. Es gibt häufig auch Fälle, bei denen oft durch geringfügige Artikel-Detail-Änderung auf eine schnellere und/somit kostengünstigere Werkzeugvariante umgestiegen werden kann. Beispielsweise lässt sich eine dreifarbige Rückleuchte in zwei Takten spritzgießen, wenn nicht alle drei Farben aneinandergrenzen. Häufig lässt das Produktdesign mehrere Werkzeugvarianten zu. In diesem Fall muss über eine Bewertungsanalyse mit Kostenrechnung die für das jeweilige Projekt günstigste Variante ermittelt werden.
4.4 Werkzeugtechnik
435
Umsetzverfahren (Bild 2-264) Beim Umsetzverfahren wird der Vorspritzling mittels Handlinggerät oder von Hand in eine zweite neue Kavität auf der gleiche Spritzgießmaschine umgesetzt. Dies wird vor allem bei größeren Mehrfarben- und Mehrkomponententeilen praktiziert, um die Drehbewegung schwerer Werkzeuge in Verbindung mit großen Drehtischen zu vermeiden. Das Umsetzen des Vorspritzlings ist auch mit einem Handlinggerät zwischen parallel angeordneten Standardspritzgießmaschinen möglich.
Indexplattenverfahren (Bild 4-267) Falls aus Designgründen für die Umspritzung das kern- und matrizenseitige Formbild geändert werden muss, so wird der Vorspritzling über eine Werkzeugzwischenplatte, der Indexplatte, ausgehoben und über eine Drehbewegung in die Kavität für die zweite Komponente gesetzt. Auch hier werden parallel jeweils ein Vorspritzling und ein Fertigteil hergestellt.
Schiebertechnik (Bild 4-265) Mit geringeren Formenkosten können Verbund-Spritzgießteile mit der Schiebertechnik auch in einer Form ohne Zwischenöffnen der Maschine und Weitertransport eines Vorspritzlings gefertigt werden. Dabei wird die Kavität für die zweite Komponente zunächst durch verschiebbare Einsätze oder Kerne verschlossen und erst nach dem Einspritzen der ersten Komponente geöffnet. Dieses Verfahren funktioniert nur sequentiell, d. h. die unterschiedlichen Komponenten können nur nacheinander eingespritzt werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Trenn- bzw. Sperrschiebern und konturgebenden Formschiebern, sowie einer Kombination beider Schieberarten.
[1] Eversheim W, Klocke F (1998) Werkzeugbau mit Zukunft – Strategie und Technologie. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. ISBN 3-540-62651-4 [2] Menges G, Michaeli W, Mohren P (1999) Spritzgießwerkzeuge: Anleitung zum Bau von Spritzgießwerkzeugen. 5. Völlig überarbeitete Auflage. Carl Hanser Verlag. München, Wien. ISBN 3-446-21258-2 [3] Ziegler L (2002) Systematische Erschließung von Innovationspotenzialen – Methodik mit Lösungsbeispielen für Kunststoffverarbeitungswerkzeuge. Dissertation. IRB-Verlag. ISBN 3-8167-6142-9 [4] N.N. (1988) DIN 16750: Spritzgieß-, Press- und Druckgießwerkzeuge, Benennungen, Symbole. Beuth Verlag 1988 [5] Gastrow H (1998) Der Spritzgießwerkzeugbau in 130 Beispielen. 5. Auflage. Carl Hanser Verlag. München. ISBN 3-446-19241-7 [6] Mennig G (Hrsg) (1995) Werkzeuge für die Kunststoffverarbeitung: Bauarten, Herstellung, Betrieb. Carl Hanser Verlag, München. ISBN 3.446-17294-7 [7] Lichtinger P (1996) Mehrkomponenten-Spritzgießwerkzeug-Varianten. Tagungsband „Mehr-Farben-, MehrRohstoff-, Mehr-Komponenten-Spritzgießen“. Süddeutsches Kunststoff-Zentrum SKZ. Würzburg, 12/1996
Drehwerkzeugverfahren (Bild 4-266) Bei diesem Verfahren wird die komplette Auswerferseite der Form oder ein auswerferseitiger Werkzeugeinsatz gedreht und der am Kern verbleibende Vorspritzling in eine neue matrizenseitige Kavität eingesetzt. Während eines Spritzzyklusses werden parallel immer ein oder mehrere Vorspritzlinge und ein Fertigteil hergestellt. Der Drehwinkel des Werkzeugs richtet sich dabei nach der Anzahl der Komponenten, die übereinandergespritzt werden. Bei zwei Materialien beträgt er 180 Grad, bei drei 120 Grad und bei vier Komponenten entsprechend 90 Grad. Wird die ganze Auswerferseite mittels einer zur Maschine gehörenden Werkzeuggrundplatte gedreht, so spricht man auch vom sog. Drehtischverfahren. Da der Drehtisch eine Maschinenbaugruppe ist, kann er wirtschaftlich für mehrere Formen verwendet werden. Das Werkzeug selbst ist dann einfach im Aufbau. Ein Nachteil des Verfahrens ist aber, dass man in der Formteilgestaltung eingeschränkt ist, da der Vorspritzling beim Drehvorgang am Kern verbleibt.
Literatur zu Kapitel 4.4
Weiterführende Literatur (siehe auch Literatur zu Kapitel 4.1.3.2) Kaufmann G (2007) Zweistationen-Werkzeug für Spritzgießen und Schäumen (Dolphin-Verfahren). Kunststoffe 97(2007)9, S 170–174 Gruber JM, Leng Th (2007) Alleine der Druck hält die Balance (Heißkanalbalancierung). Kunststoffe 97(2007)9, S 188–193
5
Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
5.1
Einführung und Übersicht
Ein wesentlicher Aspekt der modernen Produktion von Gebrauchsgütern ist die Konzentration der gewünschten Eigenschaften weg vom Volumen hin zur Oberfläche. Während das Volumen statische Eigenschaften und die Formgebung vorgibt, bestimmt die Oberfläche Haptik, Farbe, Glanz, Abnutzungsverhalten, Barrierewirkung, elektrische Leitfähigkeit, Benetzung und viele andere Eigenschaften, die den Charakter der Gebrauchsgüter nach außen prägen. In einigen Fällen werden die Eigenschaften durch immer dünnere Schichtsysteme mit hoher Funktionalität erreicht. Typische Beispiele dieser Entwicklung sind lackierte Kunststoffteile im Fahrzeugbau, kratzfeste reflexionsarme und pflegeleichte Kunststoffoptiken, hartstoffvergütete Werkzeuge und Bauteile oder Barriereschichten in der Lebensmittelverpackung. Kunststoffe sind gerade wegen der vielfältigen Möglichkeiten zur Gestaltung von Form und Eigenschaft ein Werkstoff, der mit wachsendem Potential klassische Werkstoffe wie Metall, Holz und Keramik verdrängt. Wesentlicher Aspekt hierfür ist die Möglichkeit zur vergleichsweise einfachen Massenproduktion von komplexen und gewichtsreduzierten Formteilen durch die vielfältigen Prozesse und Verfahren der modernen Kunststofftechnik. Es ist deshalb nahe liegend, sich intensiv mit den Kunststoffoberflächen und ihrer Gestaltung zu beschäftigen. Dazu gehört nicht nur die äußere (Gebrauchs-)Oberfläche sondern auch innere Oberflächen, die bei der Wechselwirkung mit Füllstoffen wie Fasern oder Pulvern durch die Füllstoff-Matrix-Wechselwirkung großen Einfluss auf die Materialeigenschaften haben. Die zugehörige Oberflächentechnologie hat sich von der Verbund- und Klebetechnik über die Galvano- und Lacktechnik bis zur Dünnschichttechnologie mit PVD (Physical Vapour Deposition) und CVD (Chemical Vapour Deposition)-Prozessen im Mikro- und Nanometerbereich verfeinert.
Daher sind die Oberflächentechnologien für das Polymer Engineering von großer Wichtigkeit. Sie beeinflussen oft die Werkstoffauswahl, die Verarbeitung, Konstruktion und Werkzeugtechnik. Allzu oft bestimmt die Oberfläche eines Bauteils auch dessen Kosten stark mit. Qualitätssicherung, Serienfertigung (Ausschuss, Nacharbeit, Maßhaltigkeit) und Umweltaspekte sind weitere gegenseitige Einflussfaktoren. Die kaum fassbare Vielzahl von Oberflächentechnologien mit ihrer angedeuteten Wechselwirkung auf das BauteilEngineering kann unmöglich auch nur annähernd erschöpfend in einem Engineering-Buch behandelt werden. Tabelle 5-1 gibt einen Überblick als Auswahl über verschiedene Technologien zur Behandlung von Kunststoffoberflächen. Anhand ausgewählter Beispiele werden einige wenige Verfahren für bestimmte Anwendungen vertieft, um einen prinzipiellen Eindruck für die Verzahnung von Oberflächentechnologien im Polymer Engineering aufleuchten zu lassen. Einige Standardwerke sollen den Einstieg in diese Thematik erleichtern.
5.2
Ausgewählte Oberflächentechnologien
5.2.1
Molded Interconnected Devices (MID) Sabine Klein
5.2.1.1
Einführung
Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts gab es die ersten Erfindungen auf dem Gebiet bedruckter Schaltungen. Die ersten Patentanmeldungen im Bereich der Leiterplatten folgten im Jahre 1925 durch Charles Ducas und kurz darauf durch M. César Pasolini, der die additive Beschichtung der Platte noch verbesserte [1]. Seit den 50er Jahren gibt es sie in den USA in einseitiger und doppelseitiger Bauweise.
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
Tabelle 5-1 Technologien zum Schutz und zur Dekoration von Kunststoffoberflächen (Auswahl) – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Vorbehandlung und Reinigung Lackieren von Kunststoffen -Lackieren Lacke und Kunststoffbeschichtungen im Automobilbau Bedrucken Heißprägen Hinterspritzen, -pressen, -prägen von Folien und Dekormaterialien Lasergestützte Oberflächentechniken Beschichten mit Kunststoffpulver Beschichtungen mit Antihaftwirkungen Reibminderende Beschichtungen Flüssigkunststoffe Organisch vorbeschichtete Bleche Vakuum-Metallisieren Ionen-/Elektronenstrahlverfahren Plasmaoberflächentechniken (PVD = Physical Vapour Deposition, CVD, PECVD) Galvanisieren, Eloxieren, Anodisieren Dekorative Schichten zur Holzveredelung (Schmelz-)Tauchen Sol-Gel-Verfahren Imprägnieren Thermisches Spritzen Leiterplattentechniken Nano-Oberflächentechnologien Sterilisationsverfahren in der Medizintechnik
Die erheblich gestiegene Verdrahtungsdichte auf Leiterplatten und die zunehmende Miniaturisierung in den letzten Jahren führte allerdings zu einem Innovationsbedarf in der Fertigung der Leiterplatte. Erschwert wird die Herstellung außerdem dadurch, dass der konventionellen photolithografischen Filmbelichtung bei feineren Auflösungen des Leiterbildes physikalisch und ökonomisch Grenzen gesetzt sind. Auch die Umweltbelastung durch Ätzverfahren erfordert das Überdenken bisher gängiger Herstellungsmethoden. Als Alternative bieten sich hier spritzgegossene Schaltungsträger an (so genannte Molded Interconnect Devices (MID)-Bauteile), auf denen sich mechanische und elektrische Funktionen bei gleichzeitig großer räumlicher Gestaltungsfreiheit integrieren lassen. Bild 5-1 zeigt beispielhaft ein Bauteil, welches im Laserdirektstrukturierungsverfahren hergestellt wurde. Ein Strukturieren mit dem Laser bietet im Gegensatz zu anderen Verfahren der MID-Technik beispielsweise den Vorteil, dass der Prozess bei niedrigen Temperaturen durchgeführt werden kann und somit auch die Bearbeitung wärmeempfindlicher Materialien möglich wird. Weiterhin können unterschiedliche Schaltungsvarianten ohne zusätzliche
437
Werkzeugkosten hergestellt werden und im Vergleich zur chemischen Metallisierung viele Prozessschritte eingespart werden. Das Verfahren basiert auf dem direkten Abtragen von Schichten auf dem Polymer, welches Srinivasan 1982 zum ersten Mal gelang. Für seinen Versuch benutzte er seinerzeit einen ArF*-Excimerlaser (gepulste ultraviolette (UV)Strahlung) und ablatierte Polyethylenterephthalat (PET) bei einer Wellenlänge von λ = 193 nm [1]. Excimerlaser werden heute z. B. auch von der Firma Laser and Electronics GmbH (LPKF) in der MID-Technik eingesetzt. Sie hat ein Verfahren entwickelt, bei dem im Kunststoff enthaltene Metallkomplexe durch die Bestrahlung mit dem Laser aufgebrochen werden. Die dann an der Oberfläche freiliegenden Metalle dienen in einem anschließenden Metallisierungsvorgang als Keime. Anstelle von Lasern ist das Strukturieren von Polymeren aber auch mit UV-Lampen möglich, z. B. Excimerlampen. Hier erfolgt die Abtragung nicht ablativ, also nicht thermisch, sondern photolytisch bzw. photooxidativ. Man nennt dies auch photolytisches Ätzen.
5.2.1.2
MID-Technik
Das folgende Kapitel gibt eine Einführung zur MID-Technik. Es wird dabei näher auf die Vor- und Nachteile der Technologie eingegangen sowie ein Überblick über die vorhandenen Normen, die Anwendungsmöglichkeiten der Technik und die Anforderungen an MID-Werkstoffe gegeben (siehe auch Kap. 4.1.3.12.23 und 4.1.3.2.24). Bereits 1965 hatte E. W. Lethanen die Idee [3], elektrische Verbindungselemente auf Basis thermoplastischer Materialien im Spritzgussverfahren herzustellen. Doch erst technische Neuerungen in jüngster Zeit ermöglichten Molded
Bild 5-1. MID-Bauteil [2]
438
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Bild 5-2. Funktionsintegration in der MID-Technik [4]
Interconnect Devices spritzgegossene Formteile mit einem strukturierten Leiterbild [3]. Der Grundgedanke bei den MID-Bauteilen ist dabei folgender: man integriert elektrische (Leiterbahnen, Steckund Schleifkontakte, Abschirmflächen, …) und mechanische Funktionen (z. B. Befestigungselemente) in einem metallisierten Spritzgussteil aus einem thermoplastischen Werkstoff (siehe Bild 5-2). Hierbei können die räumlichen Strukturen sowohl Strom führen als auch der Abschirmung dienen oder sendende Flächen bilden.
5.2.1.2.1
Vor- und Nachteile der MID-Technik
Zunächst werden die Vorteile der MID-Technik näher beschrieben, ehe anschließend auf die Nachteile eingegangen wird. Die Vorteile lassen sich in drei Themengebiete unterteilen [5]: 1) Gestaltungsfreiheit 2) Rationalisierung 3) Umweltverträglichkeit Gestaltungsfreiheit: – Die 3D MID-Technik ermöglicht durch eine größere Gestaltungsfreiheit und die Integration von Funktionen auf einem Bauteil eine Miniaturisierung der Leiterplattentechnologie. – Hochtemperatur-Thermoplaste mit integrierter Leiterstruktur lassen sich in nahezu beliebiger Form herstellen. – Es ist möglich, Elektronik und Mechanik in einem Bauteil zu vereinen.
– Die Darstellung neuer und erweiterter Funktionen wird möglich und somit auch neue konstruktive Lösungen. Rationalisierung: – Fertigungsschritte lassen sich vereinfachen und vielfach auch reduzieren, was eine Verkürzung der Prozesskette zur Folge hat und die Kosten senkt. – Es gibt weniger Schnittstellen auf dem Bauteil, die Kabelverlegung entfällt. – Die Zuverlässigkeit erhöht sich (Lötprozesse fallen weg und dadurch auch Oberflächenverunreinigungen) [4]. – Dank kompakter Bauweise wird der Montageaufwand niedriger. – In der Regel reduziert sich die Teileanzahl und der Materialaufwand. Die Werkstoffvielfalt wird folglich geringer, wodurch Herstellungs- und Werkzeugkosten sinken. – Montage-, Logistik-, Prüf- und Entwicklungskosten lassen sich reduzieren. Laut der Firma LPKF (Stand 2004) beträgt die Kosteneinsparung durchschnittlich 20% im Vergleich zu existierenden konventionellen Lösungen. Umweltverträglichkeit: – Das Basismaterial für Leiterplatten besteht aus Duroplasten, die gar nicht oder nur mit hohem Aufwand rezyklierbar sind. Bei der MID-Technik kommen dagegen Thermoplaste zum Einsatz, die sich einfacher rezyklieren lassen. – Die Entsorgung ist unkritischer. – Durch die Miniaturisierung und Teilereduzierung lässt sich der Rohstoffeinsatz verringern.
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien – Ein besseres Thermomanagement wird möglich, da die aufgebrachte Metallisierung gleichzeitig zur Wärmeableitung benutzt werden kann. Trotz der vielen Vorteile hat die MID-Technik aber auch Nachteile. – Fällt das Bauteil aus, muss die komplette Einheit ausgetauscht werden. – Es gibt keine Reparaturmöglichkeit. – Da es sich bei MID-Anwendungen meist um kleine Bauteile handelt, werden selbst bei großen Stückzahlen nur kleine Mengen des beispielsweise mit Metallkomplexen dotierten Kunststoffgranulats benötigt. Dadurch verteuert sich das Granulat. Für den Teilehersteller erhöht sich in der Folge der Stückpreis und für die Rohstoffhersteller lassen sich kleine Mengen nur bedingt wirtschaftlich produzieren.
5.2.1.2.2
Normen und Richtlinien
Es gibt bereits Normen, die auf alle elektronischen, elektrotechnischen und elektromechanischen Bauteile anwendbar sind und damit auch auf MID-Bauteile. In Tabelle 5-2 wird ein Überblick über vorhandene Normen gegeben. Um aber beispielsweise die Akzeptanzkriterien für starre Leiterplatten (IPC A 600) auch auf spritzgegossene Schaltungsträger anwenden zu können, müssen einzelne Ausfüh-
439
rungsbestimmungen der Norm geändert bzw. vollständig neu erstellt werden. Dies betrifft Normvorgaben hinsichtlich der geometrischen Ausdehnung, des Materials und des Herstellungsverfahrens. So müssen unter anderem die für zweidimensionale glasgewebeverstärkte Epoxidharze erstellten Kriterien den Besonderheiten der MID-Bauteile angepasst werden [6]. Je nach Anwendungsfall muss geklärt werden, ob aufgrund der veränderten Bedingungen bei MID-Bauteilen auch bei anderen Normen Fortentwicklungen notwendig werden.
5.2.1.2.3
Einsatzmöglichkeiten für die MID-Technik
Die Einsatzmöglichkeiten für die MID-Technik sind vielfältig. Sie eignet sich vorzugsweise für die Automobilelektronik (Mechatronik, Sensorik, Lichttechnik, Steuerungen), die Flugzeugindustrie, die Medizintechnik und die Computerund Industrieelektronik. Die Schaltungsträger sind dabei je nach Anwendung in verschiedene Geometrien unterteilt (siehe Tabelle 5-3).
5.2.1.2.4
Anforderungen an die MID-Technik
An Werkstoffe, die in der MID-Technik Verwendung finden, werden bestimmte Anforderungen gestellt. Einige davon sind nachfolgend aufgeführt [6].
Tabelle 5-2 Übersicht über Normen und Richtlinien für die MID-Technik [6] (Auswahl) Übergeordnete Normen
DIN IEC 721 – Elektrotechnik DIN IEC 326 – gedruckte Schaltungen, Leiterplatten, Anforderungen und Prüfverfahren, ...
Testverfahren für MID
IPC – TM 650 – test methods for rigid printed circuit boards
Mechanische Anforderungen
DIN IEC 68 – Elektrotechnik, grundlegende Umweltprüfungen (DIN EN 60068)
Thermische Anforderungen
DIN IEC 68 DIN IEC 112 – Kriechwegbildung DIN EN 50081 182 – elektromagnetische Verträglichkeit
Elektrische Anforderungen
DIN IEC 112
Physikalische Anforderungen
DIN IEC 529 – Schutzkasten durch Gehäuse DIN 4762 (ISO 4287) – Oberflächenrauhigkeit, ...
Chemische Anforderungen
DIN IEC 68 DIN 4760 – Gestaltabweichungen EN 22768 – 1 – Allgemeintoleranzen
Brandverhalten
UL94 – Entflammbarkeit von Kunststoffen IEC 695 – Beurteilung der Brandgefahr
Umwelt und Recycling
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Bundesgesetzblatt Teil 1, 6.10.1994, S.2705ff RoHS - 2002/95 EG Beschränkung gefährlicher Stoffe WEEE – 2002/96 EG Elektronikschrott Verordnung
440
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Tabelle 5-3 Geometrische Einteilung räumlicher Schaltunsträger [6] Dimension
Merkmale
Anwendungen
2D
Planare Prozessfläche
Konventionelle Leiterplatte
2,5D
Ebene oder planparallele Prozessfläche, das Bauteil hat aber eine Ausdehnung in z-Richtung
Einfache Gehäuse, Modulbauweise, MID-Bauteil
3D
Die elektrische Schaltung ist auf Körpern, Regel- oder Freiformflächen angebracht
Telekommunikation, Kfz-Technik, Kameras, MID-Bauteil
– Die Werkstoffe sollen sich durch eine gute Fließfähigkeit (das heißt niedrige Schmelzeviskosität vor allem beim Zweikomponentenspritzguss) auszeichnen, so dass auch bei dünnwandigen Bauteilen eine vollständige Formfüllung erfolgen kann. – Die Kunststoffmasse muss metallisierbar sein (im Zweikomponenten Spritzguss gilt dies für einen der beiden Werkstoffe). – Zwischen Leiterbahn und Substrat ist eine ausreichende Haftung notwendig, welche in der Regel durch eine Glasfaserzugabe erhöht werden kann. – Ein niedriger Längenausdehnungskoeffizient soll Verzug und ein eventuelles Abplatzen der Metallschicht vermeiden. – Um die Lötbarkeit des Werkstoffes zu gewährleisten, soll dieser bis ca. 240 °C temperaturbeständig sein. – Nach dem Löten bzw. nach einer Temperatur-/Klimabelastung kann es zur Verminderung der Haftfestigkeit kommen. – Bei einer Temperatur-Wechsel-Beanspruchung kann es durch den höheren Wärmeausdehnungskoeffizienten des Kunststoffs im Vergleich zum Metall zu einem Spannungsaufbau und in der Folge zu einer Ablösung der Metallschicht kommen. – Die Werkstoffe müssen eine gute Chemikalienbeständigkeit besitzen. – Toxizität darf nicht vorliegen.
5.2.1.3
MID-Verfahren
Das folgende Kapitel soll einen Überblick über die bekannten MID-Verfahren geben. Sie sind unterteilt in Einkomponenten Spritzgießen, Zweikomponenten Spritzgießen und Insert Molding Verfahren (siehe Bild 5-3). Anbei sind jeweils die Marktanteile (Stand 2005) der bekanntesten Verfahren angegeben [7]. Weitere Verfahren sind die Primertechnologie, das mechanische Strukturierungsverfahren, das Siebdruckverfahren und die selektive Physical Vapour Deposition (PVD)Metallisierung.
5.2.1.3.1
Heißprägen (Ivonding)
Beim Heißprägen, einem volladditiven Herstellungsverfahren, erfolgt die Strukturierung durch Aufprägen einer Folie. Hierfür wird nach dem Spritzgießen des Formteils die Folie durch einen beheizten Prägestempel auf das Kunststoffsubstrat gepresst (Bild 5-4). In insgesamt zwei Arbeitsschritten lässt sich so ein fertig strukturiertes Bauteil herstellen [6]. Details zum Heißprägen finden sich in Tabelle 5-4. Beim Heißprägen werden zwei Hauptverfahren (Hubund Abrollverfahren) unterschieden, die nachfolgend kurz beschrieben werden.
5.2.1.3.1.1 Hubverfahren Beim Hubverfahren [6] presst man die Prägefolie unter hohem Druck mit einem beheizten Prägestempel in vertikaler Hubbewegung auf das Werkstück. Dabei verwendet man diskontinuierlich arbeitende Prägepressen, die üblicherweise elektromechanisch oder hydraulisch betrieben werden (um die hohen Prägekräfte beim MID zu ermöglichen). Der Prägedruck beträgt bis zu 70–90 N/mm2 bei einer Prägezeit zwischen 0,5 und 3s.
5.2.1.3.1.2 Abrollverfahren Beim Abrollverfahren [6] hat man ein Prägerad oder eine Prägewalze als Prägewerkzeug. Das Kunststoffformteil wird darunter durchgezogen, beispielsweise auf einem Förderband. Die Prägekraft wird nur entlang der Kontaktlinie zwischen Werkstück und Prägefolie wirksam, wodurch es möglich ist, große zusammenhängende Flächen ohne Lufteinschluss zu prägen.
5.2.1.3.2
Laserdirektstrukturierung (LDS)
Beim Laserstrukturieren wird auf die Oberfläche eines Einkomponenten-Spritzgussteiles mittels Laserstrahl ein Schaltungsbild aufgebracht.
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
441
Bild 5-3. MID-Verfahren
5-6). Details zum Laserstrukturierungsverfahren finden sich in Tabelle 5-5. Wie oben beschrieben, gibt es verschiedene Prinzipien, um die metallische Leiterbahnstruktur zu erzeugen: 1) Subtraktiv: eine vollflächig aufgebrachte Metallschicht wird in einem zweiten Schritt partiell entfernt. Belichtet werden die Isolationskanäle. 2) Semi-Additiv: im Gegensatz zum Subtraktiv-Verfahren werden hier die Leiterbahnen belichtet. 3) Additiv: nach einer partiellen Bekeimung (z. B. Palladium) wird in einem zweiten Schritt in chemischen Bädern eine Metallschicht auf (dem zuvorstrukturierten Teil) der Oberfläche abgeschieden. Bild 5-4. Heißprägen [8]
5.2.1.3.2.1 Subtraktiv-Technik Es gibt auch die Möglichkeit, die Polymeroberfläche mit dem Laser zu strukturieren, wobei die oberste Polymerschicht verdampft. Zeitgleich entsteht eine für die nachfolgende Metallisierung günstige Oberflächenstruktur, die für eine sehr gute Haftung der entstehenden Leiterbahnen sorgt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine bereits metallisierte Oberfläche mit dem Laser zu ablatieren (Bild
Bei der Subtraktiv-Technik, auch Laser Subtraktiv Strukturieren (LSS) genannt, wird das komplette Bauteil metallisiert (außenstromlos mit Kupfer oder Nickel). Nachdem galvanisch Kupfer aufgebracht wurde, kann in einem zweiten Schritt ein Resist appliziert werden, der anschließend durch einen fokussierten Laserstrahl genau dort strukturiert wird, wo später die Isolationskanäle liegen (gleichzeitig kann Kupfer im Isolationskanal verdampft werden) [6]. In einem wei-
442
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Tabelle 5-4 Heißprägen Investitionskosten
Kosten für die Spritzgussmaschine und den Prägestempel
Verfahrensschritte
Die Verfahrensschritte finden sich in Bild 5-5. Durch zusätzliches Flachprägen im Anschluss an den Hauptprägevorgang ist eine kleberlose Verbindung möglich. Das Flachprägen schafft eine physikalische Haftung der Folie auf dem Substrat, ohne die Taktzeit zu verlängern [4].
Änderungsaufwand
Bei einer Leiterbahnlayoutänderung muss der Prägestempel geändert werden. Ein anderer Schichtaufbau ist durch die Wahl einer anderen Prägefolie möglich [6].
Durchkontaktierung
Durch Füllen der Bohrungen mit Leitpaste oder durch Einprägen der Folie in vorgeformte Bohrungen im Substrat ist eine Durchkontaktierung möglich. Allerdings bedingt dies eine Leiterbahnstruktur auf der Rückseite [6].
Besonderheiten
Entscheidend für die Festigkeit der Kunststoff Metall Verbindung ist die Prägetemperatur des Prägestempels während des Prägevorgangs [6].
Prägefolie
– Die Prägefolie ist aus drei Schichten aufgebaut: leitfähige Kupferfolie, Haftschicht auf der Unterseite und Oberflächenmetallisierung (als Oxidationsschutz und zur besseren Löt- und Kontaktierbarkeit) [6] – Auf der Prägefolie kann eine Kupfer Schichtdicke von 12 - 100μm aufgebracht werden – Es gibt Prägefolie mit anorganischer oder mit auf Klebstoff basierender Haftschicht
Vorteile
– – – – – –
Nachteile
– Es lässt sich nur eine begrenzte Dreidimensionalität erreichen, da die Metallfolie mit dem Prägewerkzeug aufgebracht werden muss – Temperaturwechsel sind für unverstärkte Kunststoffe kritisch, da es durch den größeren Ausdehnungskoeffizienten des Kunststoffs im Vergleich zur Metallisierung zu einer Folienablösung kommen kann [4] – Nur in Ausnahmefällen ist eine EMV Abschirmung erreichbar, das heißt eine elektromagnetische Verträglichkeit bzw. ein Schutz gegen elektromagnetische Interferenzen (EMI) [6]
Anwendung
Heißprägen ist besonders geeignet für ebene, horizontal angeordnete Flächen, Aussparungen, Löcher und Stege (Ecken oder sphärisch gewölbte Flächen sind aufgrund von Faltenbildung nicht möglich). Winkel bis zu 90°, jeweils 45° zur Prägeachse sind realisierbar [6].
Materialien für den Serieneinsatz
Acrylnitrilbutadienstyrol (ABS), Polycarbonat (PC) + ABS, Polyamid (PA), Polybutylenterephthalat (PBT), Polyphenylensulfid (PPS) (Stand 2004 [6])
Hohe Effizienz des Herstellungsprozesses (schnell, sauber, kostengünstig) Auch kleine Losgrößen lassen sich realisieren Größere Metallschichtdicken sind möglich Es ist kein nasschemischer Prozess erforderlich, weswegen sich ein so hergestelltes MID-Bauteil für dekorative Oberflächen eignet [6] Eine Vielzahl von Kunststoffen ist verwendbar Die Auflösung der Leiterbahnen ist bis zum Fine-Pitch Bereich (Leiterbahnbreiten und/oder -abstände unterhalb 0,2mm) möglich
Bild 5-5. Verfahrensschritte Heißprägen [9]
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
Tabelle 5-5 LDS Verfahren Investitionskosten
Kosten für die Spritzgussmaschine, den Laser und das Laserbeschriftungsprogramm [6]
Verfahrensschritte
Die Strukturierung erfolgt durch Abfahren einer Kontur mit dem Laserfokus. Es handelt sich hierbei um ein schreibendes Verfahren, was bedeutet, dass durch den Laserstrahl auf der Oberfläche immer nur eine Linie (Vector Scanning oder Line Scanning [10]) entsteht. – Beim Vector Scanning werden die zu generierenden Strukturen in Vektorketten zerlegt. Anschließend werden möglichst lange und zusammenhängende Ketten der Strukturvektoren in einem Arbeitsgang strukturiert, was vorteilhaft für die MID-Anwendung ist. – Im Line Scanning wird die Struktur zeilenweise erzeugt. Dabei sind die Bahngeschwindigkeit, die Zeilenlänge und der Zeilenabstand festgelegt. Somit ist die Belichtungszeit für jede Zeile konstant und unabhängig von der Leiterbahnbreite. Damit ist eine Bearbeitung nur bei großen Geschwindigkeiten von mehr als 10m/s wirtschaftlich.
Änderungsaufwand
Nur das Laserablaufprogramm muss umgeschrieben werden (dies erfordert z. B. eine neue NC-Programmierung) [6]
Durchkontaktierung
Bohrungen lassen sich während der Metallisierung durchkontaktieren. Im Subtraktiv Verfahren z. B. werden die Leiterbahnen anschließend sequenziell mit dem Laser aus der Verkupferung freigeschnitten [6].
Besonderheiten
Bei feinen Strukturen und/oder kleinen Stückzahlen bietet das Verfahren einen Kostenvorteil gegenüber dem Zweikomponenten Spritzguss.
Laser
Der Laser aktiviert die Oberfläche und erzeugt eine mikroraue Oberfläche, um die Haftung zu verbessern. In den Polymermolekülen kommt es durch die Strahlungsenergie des Lasers zu Kettenspaltungen und zur Abtragung der Polymerbruchstücke (auch Ablation genannt). Dies geschieht im Wesentlichen thermisch [10]. Dadurch entstehen mikroskopisch kleine Ritzen und Hinterschneidungen, an denen sich das Metall bei der Metallisierung verankern kann.
Vorteile
– Konkurrenzloses Verfahren im Bereich der Feinleiterstrukturierung – Durch den Laser lassen sich die CAD Daten direkt aus dem Rechner auf das Werkstück übertragen, ohne dass Maskierungsschritte notwendig werden – Die Gestaltungsfreiheit ist größer als beim Heißprägen und Folienhinterspritzen [6] – Die umgebende Kupferschicht wird nicht abgetragen, sondern beispielsweise bei der Subtraktiv Technik zur EMV Abschirmung oder Wärmeableitung benutzt [6] – Resistgestützte Strukturierungsverfahren ermöglichen eine hohe Strukturierungsgeschwindigkeit auch bei niedriger Laserleistung, vor allem bei Photoresists – Erweitertes Miniaturisierungspotential (Leiterbahnen <200μm): Fine-Pitch (Leiterbahnbreite und -abstand kleiner 0,2mm) ist möglich, wobei dann der Strahlfokus (Durchmesser 10 - 50μm) mit ausreichender Genauigkeit geführt werden können muss
Nachteile
– Durch das schreibende Verfahren hat man lange Verfahrwege und eine lange Prozesszeit, da die komplette Struktur ausgefüllt werden muss. Damit hängt die Wirtschaftlichkeit stark von der Leiterlänge und der Stückzahl der Bauteile ab. Es gilt daher das Ausfüllen von Flächen zu vermeiden und beispielsweise bei der Subtraktiv Technik den Leiter nur mit einem schmalen Isolationskanal zu umranden. – Bei fokussierter Laserstrahlung können durch Schwankungen in der Schreibgeschwindigkeit ungleichmäßige Resistbahnbreiten entstehen. Abhilfe schafft das Vector Scanning (bei hohen Strukturierungsgeschwindigkeiten gleicht man die Verbreiterung der Resistbahn durch eine höhere Auflösung aus). – Beim Beschichten von dreidimensionalen Teilen sind keine Radien unter 2mm möglich, da es sonst zu Ausdünnungen oder Anhäufungen kommen kann. – Bei einer Isolation, die durch die Materialveränderung infolge der Einwirkung des Laserstrahls bei der Subtraktiv Technik entsteht, stellt nicht die durch den Laser realisierbare Trennschärfe die Grenze dar, sondern die elektrische Eigenschaft der Isolation. Der Übergangswiderstand erreicht daher erst bei sehr hohen Leiterabständen Werte, die auch im Dauerbetrieb und bei Umweltbelastung zuverlässig funktionieren [4].
Anwendung
Dieses Verfahren ist besonders für dünne Wandstärken, bei selektiver Metallisierung, feiner Strukturierung und hoher Flexibilität des Schichtaufbaus geeignet und wird nach heutigem Stand vor allem für Rapid Prototyping und in der Automobilelektronik verwendet.
Materialien für den Serieneinsatz
Polyetherimid (PEI), Polyamid (PA), Liquid Crystal Polymer (LCP) Grundsätzlich eignen sich alle Werkstoffe, auf denen sich außenstromlos (oder im PVD-Verfahren = Physical Vapour Deposition) Metallschichten aufbringen lassen (Stand 2004) [11].
443
444
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
sieren. Der Photoresist reagiert aber empfindlich auf Verunreinigungen in der Resistschicht (z. B. Staubkörner). An solchen Stellen kann der Photoresist dann nicht belichtet werden. Der Isolationskanal ist unterbrochen; dies führt dann zu einem Kurzschluss [6].
Bild 5-6. Laserdirektstrukturierung [8]
teren Schritt werden das Kupfer bzw. Nickel und der Resist weggeätzt und die Oberfläche, wird veredelt (siehe Bild 5-7). Im Ätzbad lässt sich auch der Kupferschleier im Kanalboden entfernen, der durch die Kondensation des laserinduzierten Kupferplasmas entsteht. Es gibt zwei Arten von Resisten, die verwendet werden können: ein Ätzresist (Photoresist) oder ein Galvanoresist [6].
Galvanoresist: Beim Galvanoresist wird das Material mittels Laserstrahlung abgetragen. Es wird mit einer niedrigeren Schreibgeschwindigkeit (v < 600 mm/s) gearbeitet, um eine ungleichmäßige Ablation zu vermeiden. Grundsätzlich ist hier aber eine Nachbearbeitung erforderlich, um Lackreste zu entfernen. Denkbar ist z. B. eine chemische oder elektrochemische Nachreinigung. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist die Komplexität sowie die vielen notwendigen Prozessschritte. Außerdem werden die Leiterbahngeometrien sequentiell hergestellt. Die Zykluszeit ist somit von der Größe und Komplexität des Schaltungslayouts abhängig. Auch sind die Ätzverfahren im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit kritisch zu bewerten.
5.2.1.3.2.2 Semi-Additiv-Technik Photoresist: Beim Photoresist wird die chemische Reaktion durch UVStrahlung ausgelöst. Es lassen sich schmale Kanäle (0,03 mm) und hohe Schreibgeschwindigkeiten (v > 2000 mm/s) reali-
Bild 5-7. Verfahrensschritte Subtraktiv-Technik [6]
Bei der Semi-Additiv Technik wird zunächst die Oberfläche aktiviert und anschließend ganzflächig chemisch mit Kupfer metallisiert. Nach dem Aufbringen des Photoresists wird die-
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
445
Bild 5-8. Verfahrensschritte Semi-Additiv Technik [6]
ser mittels Laserstrahlung strukturiert. Dabei werden die Leiterbahnen belichtet. Das Kupfer lässt sich anschließend galvanisch aufbauen und in einem letzten Schritt können der Photoresist und die Grundmetallisierung weggeätzt werden (Bild 5-8). In der Semi-Additiv Technik ist es auch möglich, einen negativ arbeitenden Resist zu verwenden, welcher nach der Entwicklung nur dort haftet, wo der Laserstrahl eine Polymerisation auslöst hat. In diesem Fall werden dann anstatt der Leiterbahnen die Isolationskanäle belichtet. Dies bietet den Vorteil, dass das Verfahren weniger anfällig gegen Oberflächenverunreinigungen ist. Staubpartikel führen hier nur zu einer Verbreiterung der Resistbahn (Isolationskanal) [6]. Zudem treten kaum Schwankungen in der Leiterbahnbreite auf.
5.2.1.3.2.3 Additiv-Technik Bei der Additiv-Technik erfolgt eine direkte Strukturierung der Oberfläche mittels Laserstrahl (siehe Bild 5-9). Hierfür ist es notwendig, dem Thermoplast spezielle Additive zuzusetzen. Sie dienen als Keime für eine anschließende chemische Metallabscheidung [11] und werden während des Strukturierens freigelegt und aktiviert. Die Additive sind chemisch inaktiv, elektrisch nicht leitend und können nur durch den Laserstrahl aktiviert werden, wobei der Laser die Matrix des Kunststoffs geringfügig abträgt
und die Metallkeime freisetzt. Der Metallkomplex trägt zu einer sehr viel höheren Haftfestigkeit der Metallschicht bei, verändert aber die Eigenschaften des Kunststoffs praktisch nicht, da er nur in geringen Mengen beigemischt ist. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass weder physikalische noch chemische Vorbehandlungsmethoden nötig sind und damit aufwendige und umweltkritische Prozesse wegfallen. Es kann überdies ein hohes Auflösungsvermögen der optischen Komponenten im UV-Bereich sowie der Leiterbahnbreiten und -abstände von 150 μm erreicht werden. Nachteilig ist die geringe Auswahl an Werkstoffen, da es nur wenige Kunststoffformmassen mit den für das LDS Verfahren erforderlichen Metallkomplexen gibt. Neben diesem Verfahren gibt es auch das so genannte ADDIMID-Verfahren, welches im Gegensatz zum LPKFVerfahren lizenzfrei eingesetzt werden kann [12]. Hier wird dem Thermoplast anstatt der Metallkomplexe ein reines Metallpulver beigemischt (z. B. Kupfer).
5.2.1.3.3
Maskenbelichtungsverfahren
Das Maskenbelichtungsverfahren ähnelt vom Vorgang her der Projektion eines Dias mit dem Diaprojektor. Die Maske enthält ein Abbild derjenigen Struktur, die auf der Werkstückoberfläche abgebildet werden soll (siehe Bild 5-10). Im Maskenbelichtungsverfahren ist eine Strukturierung durch Subtraktiv und Semi-Additiv Technik möglich [4]. Es
446
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Bild 5-9. Verfahrensschritte Additiv Technik [9]
besteht außerdem die Möglichkeit, das Verfahren für PVD (Physical Vapour Deposition) Prozesse zu verwenden. Beim PVD-Prozess spielt es aber nur eine untergeordnete Rolle, da der Aufwand für dreidimensionale Leiterbilder extrem hoch ist. Werden für die Belichtung Excimerlaser verwendet, kann der flächige Strahl des Lasers vor allem bei der Strukturierung von großen, geschlossenen Flächen gut ausgenutzt werden. Eine genauere Beschreibung des Maskenbelichtungsverfahrens findet sich in Tabelle 5-6.
5.2.1.3.4
Zweikomponenten Spritzgießen (Two Shot Moulding)
Beim Zweikomponenten Spritzgießen (Bild 5-12) erfolgt die Aktivierung der Kunststoffoberfläche durch die Abscheidung von Edelmetallteilchen (Edelmetalle wie Gold, Silber oder Palladium, die keine für die Metallisierung hinderliche Oxidschicht auf ihrer Oberfläche ausbilden) auf der Oberfläche.
Anschließend wird die gewünschte Kupferschichtdicke chemisch oder elektrolytisch aufgebracht. Das außenstromlose Verfahren hat den Nachteil, dass es aufgrund geringer Abscheidungsraten zeitaufwendig ist und maximal eine Schichtdicke von 20μm erreicht werden kann. Weitergehende Informationen zum Verfahren finden sich in Tabelle 5-7.
5.2.1.3.4.1 Gestaltungshinweise Bei der Konstruktion der Formteile sind Radien vorzusehen, um die Metallisierung und die Leiterbahnführung zu gewährleisten [6]. An scharfen Kanten kann in aller Regel bei einer Metallisierung nicht ausreichend Material abgeschieden werden. Anspritzpunkte müssen neben die Leiterbahn gelegt werden, da am Anspritzpunkt durch Rauhigkeiten verursachte Fehler in der Metallschicht auftreten können. Bindenähte sind neben die Leiterbahnen zu legen, da sie eine saubere Metallisierung verhindern. Neben dem oben beschriebenen Verfahren gibt es noch das so genannte Hybrid-MID-Verfahren. Dieses funktioniert ähnlich wie die Insert Technik, mit dem Unterschied, dass das umspritzte Bauteil, z. B. ein Steckerpin, anschließend in ein MID-Bauteil integriert wird.
5.2.1.3.5
Bild 5-10. Maskenbelichtungsverfahren [8]
Folienhinterspritzen (In-Mold-Decoration, IMD)
Beim Folienhinterspritzen erfolgt eine separate Strukturierung der Leiterfolie vor dem Spritzgießen. Die Folie wird in ein Spritzgießwerkzeug eingelegt und dann mit Kunststoff hinterspritzt (siehe Bild 5-14). Eine Verbindung zwischen Folie und Kunststoff ist bei chemisch ähnlichen Werkstoffen in der Regel gegeben. Zusätzlich kann – sofern erforderlich – ein Haftvermittler verwendet werden, der beim Hinterspritzen durch die auftreffende Schmelze des Kunststoffs aktiviert wird [6]. Tabelle 5-8 enthält eine Beschreibung des Verfahrens.
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
447
Tabelle 5-6 Maskenbelichtungsverfahren Investitionskosten
Aufwand für Spritzguss Werkzeug und Photomaske
Verfahrensschritte
Nach dem Spritzgießen und einer Oberflächenaktivierung erfolgt die ganzflächige chemische Grundmetallisierung mit einer ca. 2 μm dünnen Kupferschicht. Darauf wird der in der Regel elektrophoretische Photoresist aufgebracht, der sowohl positiv als auch negativ reagieren kann. Belichtet wird mit Hilfe einer dreidimensionalen im Allgemeinen zweiteiligen Photomaske und UV-Licht. Während der Belichtung werden die Photomaskenhälften mit einem Vakuum an das MID-Bauteil angepresst, um Unterschneidungen durch das UV-Licht zu vermeiden [6]. Nach der Entwicklung des belichteten Photoresists lässt sich die Leiterbahngeometrie elektrolytisch zur gewünschten Schichtdicke verstärken. Danach wird eine Ätzmaske aufgebracht, der Photoresist entfernt und das nicht mehr benötigte chemische Kupfer anschließend weggeätzt. Die Verfahrensschritte sind in Bild 5-11 noch einmal verdeutlicht.
Änderungsaufwand
Layoutänderungen der Leiterbahngeometrie sind durch Änderungen des Photomaskenbildes schnell und mit geringem Arbeitsaufwand möglich [6]
Durchkontaktierung
realisierbar
Besonderheiten
Das Verfahren ist ähnlich zum Herstellungsprozess konventioneller Leiterplatten, was bedeutet, dass zahlreiche Arbeitsschritte nötig sind [6].
Photomasken
– Photomasken sind mit dem Laser beschreibbar, haben aber aufgrund der UV-Strahlung in der Belichtungskammer eine begrenzte Lebensdauer – Durch eine dreidimensionale Photomaske werden dort Strukturen erzeugt, wo die Maske direkt am MID-Bauteil anliegt, was bedeutet, dass jede Leiterbahn in der Belichtungsmaske dargestellt werden muss
Vorteile
– – – –
Nachteile
– Viele Prozessschritte – Es beinhaltet nasschemische Verfahren, weswegen es sich für den Einsatz von dekorativen Oberflächen nur bedingt eignet [6] – Die Komplexität der Leiterbahngeometrie ist durch die zweigeteilten Photomasken eingeschränkt (denn die Photomaske liegt in der Trennebene nicht am MID-Bauteil an) [6] – Hinterschneidungen und Durchkontaktierungen sind nur mit hohem Aufwand zu realisieren [6]
Anwendung
Hauptsächlich werden 2D bis 2,5D MID-Bauteile gefertigt, bei denen hohe Anforderungen an die Auflösung gestellt werden, die räumlichen Ausprägungen aber gering sind. Es wird außerdem für die abtragende Fertigung von Mikrobauteilen, die Erzeugung strukturierter Oberflächen mit optimierten tribologischen Eigenschaften oder in der Mikrolithographie verwendet [10].
Materialien für den Serieneinsatz
POLYPHTHALAMID (PPA), PET, PC+PBT (STAND 2004)
Eignet sich für gleichzeitige EMV Abschirmung [6] Hohe Flexibilität beim Schichtaufbau [6] nur wenige Einschränkungen bei der Gestaltungsfreiheit Leiterbahnbreiten bis 150 μm möglich (bis in den Fine-Pitch Bereich = (Leiterbahnbreite und -abstand kleiner 0,2 mm) [6]
Die drei belastungsarmen Prozessvarianten werden im folgenden kurz beschrieben. Thermoplast-Schaumgießen (TSG) siehe Kapitel 4.1.3.1.2.22 Spritzprägen siehe Kapitel 4.1.3.1.2.8 Hinterpressen siehe Kapitel 4.1.3.1.2.9
5.2.1.3.6
Weitere MID-Techniken
Neben den bereits aufgeführten Herstellungsverfahren gibt es weitere Verfahren, die sich derzeit noch in der Entwicklungsphase befinden. Diese sollen aber zur vollständigen Übersicht dennoch kurz erklärt werden.
5.2.1.3.6.1 Primertechnologie Primer bedeutet eigentlich Haftvermittler, wobei Primer in der MID-Technik für lackähnliche Materialien stehen, die auf das Kunststoffsubstrat aufgetragen werden und metallisierbar sind. Der Primer ist also die haftvermittelnde Schicht zwischen Basissubstrat und Metallisierung. Ein Beispiel für einen Primer ist Baymatec®P. Dies ist eine metallisierfähige Paste aus einer polymeren Bindemittelmatrix, funktionalen Füllstoffen, organometallischem Palladium (als Katalysator), Stoffen zur rheologischen Anpassung und einem geeigneten Lösemittelgemisch.
448
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Bild 5-11. Verfahrensschritte Maskenbelichtungsverfahren [6]
Bild 5-12. Zweikomponenten Spritzgießen [8]
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
Tabelle 5-7 Zweikomponentenspritzgießen (siehe auch Kapitel 4.1.3.1.2.1) Investitionskosten
Das Spritzgusswerkzeug mit den zwei Kavitäten
Verfahrensschritte
Beim Zweikomponenten Spritzguss ist es wichtig, dass die beiden verwendeten Kunststoffe große Unterschiede in der Metallisierbarkeit aufweisen. Es gibt drei Möglichkeiten, diese unterschiedliche Metallisierbarkeit zu erzeugen [13]: – Es werden Substrate eingesetzt, die unterschiedlich auf eine Vorbehandlung und Metallisierung reagieren (z.B. PA6 als metallisierbare Komponente und PA12, das im selben Prozess kein Metall an der Oberfläche aufnimmt). – Soll nur ein Kunststoff verwendet werden, wird der Spritzling nach dem ersten Schuss entnommen und in einem separaten Verfahren für die Metallisierung vorbereitet (Bekeimen). Anschließend wird dieser wieder ins Werkzeug eingelegt und umspritzt (Bild 513). Die Metallisierung erfolgt anschließend am vorbehandelten Kunststoff. – Bereits vor dem Spritzgießen wird der Kunststoff mit Palladium (Pd) oder einer Eisenverbindung dotiert. Im nächsten Schritt wird dieser Kunststoff mit einem undotierten Kunststoff gleicher Sorte umspritzt, womit man sich den Verfahrensschritt des Bekeimens spart. Wird eine Kombination aus dotiertem und undotierten Kunststoff eingesetzt, erfolgt die Metallisierung in drei Schritten: 1) Reinigen und Aufrauen der Oberfläche (solange bis die Palladiumkeime freigelegt sind) 2) chemische Metallisierung: die Palladiumkeime dienen dabei als Startpunkt 3) galvanische Metallisierung: die chemisch abgeschiedene Metallschicht wird galvanisch verstärkt
Änderungsaufwand
Bei einer Änderung müssen die Spritzgusswerkzeuge geändert werden, was kosten- und zeitintensiv ist.
Durchkontaktierung
Für Durchkontaktierungen sollte der Innendurchmesser möglichst groß gewählt werden, da dann die Schichtdicke der Metallisierung sowie die Strombelastbarkeit der Kontaktierung zunehmen.
Besonderheiten
Beide Kunststoffe müssen eine gute Schmelzeverträglichkeit aufweisen, damit beim Spritzgießen eine gute Haftung vorhanden ist [6]. Werden verschiedene Kunststoffe verwendet, so muss das unterschiedliche Schwindungs- und Temperaturausdehnungsverhalten berücksichtigt werden.
Vorbehandlungsverfahren
– Beim Anquellen der Oberfläche mit z. B. Kalilauge wird die oberste Kunststoffschicht angelöst und gleichzeitig entfettet [13] – Zur Erzeugung einer definierten Oberflächenrauhigkeit wird der Kunststoff gebeizt (wodurch eine haftfeste Beschichtung erzielt wird) [13] – Teileweise kann durch Vorbehandlungsverfahren außerdem die Oberflächenhärte, die Hitzebeständigkeit, die UV-Strahlungsbeständigkeit sowie die chemische Widerstandsfähigkeit der Kunststoffoberfläche verbessert werden
Vorteile
– Dieses Verfahren bietet die größte Gestaltungsfreiheit aller MID-Verfahren, nur die Spritzgießbarkeit setzt Grenzen. So sind Leiterbahnen in Vertiefungen bzw. auf Freiformflächen möglich sowie die Integration von Haltern, Führungen, ... [6] – Die Prozesskette ist kurz und effizient, da die Strukturierung der Leiterbahnen direkt beim Spritzgießen stattfindet [9] – Aufgrund des frei gestaltbaren Leiterbahnquerschnitts sind hohe Ströme realisierbar [4]
Nachteile
– – – – – –
Anwendung
Medizintechnik, Automobilindustrie, Anntennentechnik, Steckerverbinderindustrie, ...
Materialien für den Serieneinsatz
– PA6/PA12 besonders gute Haftfestigkeit bei glasfaserverstärkten, elastomermodifizierten Polyamiden – PC/PC/ABS für Anwendungen mit geringen Temperaturanforderungen (–40 bis +80 °C), aber ungeeignet bei langen Fließwegen und feinen Leiterbahnen – LCP(Pd)/LCP [10] für lange Fließwege und feine Leiterbahnen
Dieses Verfahren ist meist nur bei großen Serien wirtschaftlich Die Vorlaufzeiten sind lang Es gibt Einschränkungen bei der Haftfestigkeit der Materialkombinationen und der Metallisierung [4] Die Beherrschbarkeit des Spritzgussvorgangs bestimmt zwangsläufig die gesamte Zuverlässigkeit [4] Es handelt sich hierbei um ein nasschemisches Verfahren, weswegen es nur bedingt für dekorative Oberflächen verwendbar ist [6] Soll eine EMV Abschirmung angebracht werden, muss beachtet werden, dass leitende Flächen nur auf metallisierbaren Oberflächenbereichen erzeugt werden können [6]
449
450
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Bild 5-13. Verfahrensschritte Zweikomponenten Spritzguss [9]
5.2.1.3.6.2 Mechanische Strukturierungsverfahren
Bild 5-14. Folienhinterspritzen [8]
Beim mechanischen Strukturieren [6] wird ein Einkomponenten Spritzling zunächst ganzflächig metallisiert. Anschließend erfolgt die Strukturierung durch Fräsen, wobei entweder die Erhebungen neben den vertieft liegenden Leiterbahnen weggefräst (Recessed Circuitry Verfahren) oder die Leiterbahnen direkt aus der Metallisierung herausgefräst werden (Leiterbahnfräsen), wobei die Isolationskanäle parallel zu den Leiterbahnen gefräst werden. Das übrige Metall wird als EMV-Abschirmung und zur Wärmeableitung genutzt. Aufgrund des hohen Aufwandes beim Fräsen ist dieses Verfahren aber höchstens für Prototypen oder Kleinserien geeignet.
5.2.1.3.6.3 Siebdruckverfahren Zunächst wird der Primer appliziert, dann erfolgt eine thermische Konditionierung und anschließend eine chemisch additive Metallisierung [6]. Primerbedruckte Folien können dreidimensional verformt und anschließend durch Hinterfütterung stabilisiert werden. Auch können sie im Tampondruck direkt auf ein Kunststoffbauteil aufgetragen werden, wodurch sich eine breite Anwendungspalette eröffnet.
Das Siebdruckverfahren [6] wird zur Strukturierung von Einkomponenten Spritzgießteilen verwendet. In einem ersten Schritt wird die Oberfläche aktiviert, anschließend wird das Kupfer und der Ätzresist aufgebracht. Der Ätzresist ist dabei bereits mit einer Siebdruckschablone strukturiert. In einem weiteren Schritt wird das ungeschützte Kupfer weggeätzt und der Ätzresist wieder entfernt. Das Verfahren ähnelt dem Maskenbelichtungsverfahren.
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
451
Tabelle 5-8 Folienhinterspritzen (siehe auch Kapitel 4.1.3.1.2.10) Investitionskosten
Kosten für die Spritzgussmaschine und die Folienherstellung (großes Know How beim Spritzgießen und Formenbau nötig)
Verfahrensschritte
Die Leiterfolie kann durch die herkömmliche subtraktive Flex-Leiterplattentechnologie (auf einfache Geometrien beschränkt) oder additiv mittels Primertechnologie (MID-Teil wird erst nach dem Hinterspritzen der Folie metallisiert, was mehr Flexibilität bei den Geometrien bietet) aufgebracht werden [6]. Dabei wird die Folie der Kontur der Werkzeugkavität durch Warmumformen angepasst.
Änderungsaufwand
Bei einer Änderung müssen die Leiterbildgeometrie und die Folie geändert werden.
Durchkontaktierung
Durchkontaktierungen sind möglich
Besonderheiten
Zunächst findet eine separate Strukturierung des Schaltungsbildes in der Ebene statt. Die Formstabilisierung der Folie zum MID-Bauteil erfolgt im nächsten Schritt durch Hinterspritztechnik [6].
Leiterbildfolie
Es gibt verschiedene Verfahrensvarianten der Leiterbildfolie (siehe Bild 5-15) [6]: – Capture Decal Verfahren: Es besteht ein Verbund zwischen hinterfütterter Folie und Hinterspritzwerkstoff. Entscheidend für den haftfesten Verbund ist dabei die Auswahl der Folie-Substrat-Materialien. Die Verbindung wird fester, wenn die Schmelzverträglichkeit der beiden Materialien gewährleistet ist. – Transfer Decal Verfahren: Man hat eine Trägerfolie mit Leiterbild, die auf der Leiterseite hinterspritzt wird. Nach dem Spritzgießen wird die Trägerfolie vom fertigen MID-Bauteil abgezogen, was eine geringe Haftfestigkeit von der Trägerfolie auf dem Hinterspritz Werkstoff und eine geringe Haftfestigkeit zwischen Leiterbahn und Trägerfolie voraussetzt. Gleichzeitig wird aber eine gute Haftfestigkeit zwischen Leiterbahnen und Hinterspritz Werkstoff angestrebt. – Advanced Interconnect Technology (AIT): Dieses Verfahren benutzt eine Mehrschichtfolie auf Kupfer und Aluminium Basis. Die Kupfer Schicht wird vor dem Spritzgießen strukturiert und die Aluminiumschicht wird später abgeätzt. Hier ist das Hinterspritzen mit einem hochschmelzenden Kunststoff möglich, da die temperaturempfindliche Kunststoff Folie durch einen Alufolien Träger ersetzt wurde. Damit ist die Herstellung hochtemperaturfester MID-Bauteile möglich z. B. mit PPS als Substratmaterial.
Vorteile
– Wenige Prozessschritte [6] – Bietet als einziges Verfahren die Möglichkeit, flexible Anschlussfahnen außerhalb der hinterspritzten Bereiche im MID-Teil zu integrieren [6] – Das Drucken von Widerständen bei der Leiterbildfolienerstellung ist möglich – Eine ein- oder doppelseitige Leiterbildfolie kann verwendet werden – Die Verwendung einer Flex-Leiterplatte ermöglicht die Herstellung von zweilagigen Schaltungen auf MID-Bauteilen; Eine Schaltungslage ist dabei vergraben (buried) und über eine Durchkontaktierung mit der anderen Schaltungslage verbunden [6] – Das Verfahren eignet sich für dekorative Oberflächen
Nachteile
– Es sind nur etwa 75% der Folienfläche metallisierbar, womit auch der maximale Flächenanteil für eine EMV Abschirmung begrenzt ist. – Die Gestaltungsfreiheit ist durch die Verformbarkeit der Folie begrenzt, da keine Faltenbildung entstehen darf und die sich auf der Trägerfolie befindenden Kupferleitbahnen eine geringe Bruchdehnung aufweisen. – Das Dekormaterial ist durch die vorbeiströmende Kunststoffschmelze hohen Belastungen ausgesetzt. Dabei kann es zum Anschmelzen, zum Durchschmelzen der Folie oder zu einem elektrischen Versagen der Schaltung durch Risse oder Unterbrechungen in der Leiterbahn kommen. Abhilfe bieten hier Prozessvarianten mit geringer Schmelzebewegung und geringem Einspritzdruck, z. B. Thermoplastschaumguss, Spritzprägen oder Hinterpressen [6].
Anwendung
Diese Technik wird hauptsächlich für Bauteile mit geringer dreidimensionaler Ausprägung angewandt, z. B. für feine Leiterbahnstrukturen, die kostengünstig planar hergestellt werden können, und ihre endgültige geometrische Form im Spritzguss erhalten.
Materialien für den Serieneinsatz
POLYSULFON (PSU), PBT, PC, PEI, PPS (STAND 2004)
5.2.1.3.6.4 Selektive PVD-Metallisierung (Physical Vapour Deposition-Metallisierung) Das Physical Vapour Deposition Verfahren [6] ist eine vorteilhafte Metallisierungsvariante für die Strukturierung durch Laserablation und wird angewendet, wenn Schichtdicken von nur einigen nm bis hin zu wenigen μm notwendig sind.
Bei der PVD-Metallisierung sind feinste Strukturen möglich, wenn nach dem PVD (Physical Vapour Deposition) Beschichten gleich eine Strukturierung durch Laserablation erfolgt und die Startschicht nasschemisch verstärkt wird [11]. Letzteres wird aber aus Kostengründen meist vermieden.
452
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Bild 5-15. Varianten des Folienspritzgießens [6]
Um eine optimale Haftung zu erzielen, werden die Materialien mit folgenden Verfahren vorbehandelt: Tempern im Trockenofen, kathodisches Glimmen unter Argonatmosphäre und Magnetronsputtern einer Chrom-Haftvermittlerschicht, wobei das Glimmen für eine gute Haftung ausschlaggebend ist. Das Problem ist, dass sich Beschichtungen, die im PVD(Physical Vapour Deposition) Verfahren hergestellt werden, weniger selektiv verhalten als solche, die durch chemische Verfahren erzeugt werden. Dadurch wird die Unterscheidung zwischen metallisierbarer und nichtmetallisierbarer Komponente erschwert. Außerdem besteht aufgrund des gerichteten Beschichtens die Schwierigkeit, gleichmäßige Schichtdicken auf den dreidimensionalen Bauteilen zu
erzielen. Nachteilig ist zusätzlich der durch die Laserablation hervorgerufene thermische Angriff auf die Substratoberfläche. Dennoch bietet das PVD-(Physical Vapour Deposition) Verfahren gegenüber dem Galvanisieren zahlreiche Vorteile [14]: – Kein Sonderabfall, da auf nasschemische Aktivierung verzichtet werden kann – Zwischen Oberflächenaktivierung und Beschichtung können mehrere Stunden liegen, ohne dass die Haftfestigkeit beeinträchtigt wird – Es erfolgt kein chemischer Angriff auf die Substratoberfläche
Tabelle 5-9 Möglichkeiten der MID-Herstellungsverfahren [6] Heißprägen
Maskenbelichtungsverfahren
LDS
2 Komponenten Spritzguss
Folienhinterspritzen
Gestaltungsfreiheit
–
0
0
+
0
Flexibilität bzgl. Layoutänderung
0
0
+
–
0
Eignung für EMV-Abschirmung
–
+
0
+
0
Investitionskosten
+
0
0
–
0
Durchkontaktierung
mit Zusatzmaßnahme
ohne Zusatzmaßnahme
Eignung für dekorative Oberfläche
+
0
0
0
+
Effizienz des Herstellungsprozesses
+
–
–
+
+
Flexibilität bzgl. Schichtaufbau
0
+
+
+
–
Arbeitsschritte
2
6
3 bzw. 5
4
3
Minimale Leiterbahnbreite und -abstände [mm] [2, 6]
0,2
0,125
0,1
>0,2
0,1
Abscheidungsrate [μm/h]
k.A.
k.A.
3-5
25-30
k.A.
Dabei bedeutet + = sehr gut, 0 = mittel und - = schwach.
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
5.2.1.3.7
Zusammenfassung zu Kapitel 5.2.1
Am Ende dieses Kapitels steht eine kurze Gegenüberstellung der fünf am häufigsten verwendeten MID-Verfahren. Hierbei werden Gestaltungsfreiheit, Investitionskosten und Flexibilität miteinander verglichen, aber auch Aussagen zur Anzahl der Arbeitsschritte und der Leiterbahnbreite getroffen. Die Bewertungen erfolgten dabei aufgrund technischer und wirtschaftlicher Kriterien (siehe Tabelle 5-9). Aus der Übersicht und der vorangegangen Vorstellung der verschiedenen Herstellungsverfahren geht hervor, dass keines der Verfahren nur Vorteile bietet. Je nach Anwendungsfall muss entschieden werden. Ist beispielsweise eine große Stückzahl erforderlich, so bietet sich das Zweikomponenten Spritzgießverfahren an. Denn hier sind trotz großer Investitionskosten hohe Stückzahlen in sehr kurzer Zeit möglich, vorausgesetzt, es sind während der Produktion keine oder nur sehr geringe Änderungen am Werkzeug erforderlich. Ist es dagegen notwendig, Kleinserien oder Prototypen herzustellen, bei denen Werkzeuge schnell und ohne großen Aufwand angepasst werden müssen, sind Verfahren zu wählen, die in den Änderungskosten günstig sind wie z. B. das Heißprägen oder das Maskenbelichtungsverfahren. Hierbei müssen dann aber eventuell Abstriche in Bezug auf die Dreidimensionalität der Teile gemacht werden oder längere Herstellungszeiten in Kauf genommen werden. Bei kleinen Serien und flexibler Programmierung erscheint derzeit das LDS-Verfahren am günstigsten, da hier lediglich die Computerprogrammierung geändert werden muss und (bedingt) dreidimensionale Strukturen möglich sind. Außerdem bietet es mit das größte Miniaturisierungspotential sowohl was Leiterbahnbreiten als auch -abstände angeht. Dennoch gibt es auch hier weiterhin Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Metallisierung von dreidimensionalen Teilen und der Auswahl an laserstrukturierbaren Kunststoffen.
Literatur Kapitel 5.1 und 5.2.1 [1]
[2]
[3]
Gileo K (2003) Die Erfindung der Leiterplatte. http:// www.elektroniknet.de/topics/elektromechanik/fachthemen/2003/0004/index_a.htm Heininger N, John W Fertigung von MID Bauteilen vom Rapid Prototyping bis zur Serie mit innovativer LDS-Technologie. Franke J (1995) Integrierte Entwicklung neuer Produkt- und Produktionstechnologien für räumlich spritzgegossene Schaltungsträger (3-D MID). München: Carl Hanser Verlag
[4]
[5]
[6]
[7] [8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
453
Kriebitzsch I (2002) 3-D MID Technologie in der Automobilelektronik, Fertigungstechnik – Erlangen, Meisenbach Verlag, Bamberg Bayer Material Science: 3-D MID. http://plastics.bayer. com/plastics/emea/de/technology/1012/article.jsp? docId=1 758&cid=1012 Forschungsvereinigung Räumliche elektronische Baugruppen 3-D MID e.V.: 3D-MID Technologie, räumliche elektronische Baugruppen, Herstellungsverfahren Gebrauchsanfertigungen, Materialkennwerte. Hanser Verlag, 2004 Ticona – Vortrag für FESTO MID, November 2005 Ehrenstein G 3D-MID, dreidimensionale, spritzgegossene Schaltungsträger. Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Universität Erlangen-Nürnberg Wißbrock H (2002) Laser-Direkt-Strukturieren von Kunststoffen, ein neues Verfahren im Spiegel eingeführter MID-Technologien. KU 102445 Eßer G (2002) Laserstrahlunterstützte Erzeugung metallischer Leiterstrukturen auf Thermoplastsubstraten für die MID-Technik. Bamberg: Meisenbach Verlag Scholz U (2003) Untersuchungen zur Eignung des Ultraschalldrahtbondens für die Chipmontage auf MID-Substraten, Shaker Verlag Lasergestützte additive Metallisierung. Bayerisches Laserzentrum gGmbH, Erlangen, http://www.blz.org/ index.php?id=80 Lehrmann O (2002) Beschichtung von 2K-Spritzgussteilen für MID Anwendung. Galvanotechnik 12/2002, Eugen G. Leuze Verlag Eisenbarth M (2002) Beitrag zur Optimierung der Aufbau- und Verbindungstechnik für mechatronische Baugruppen. Bamberg: Meisenbach Verlag
Weiterführende Literatur Beil S (2000) Photochemische Funktionalisierung von Polymeroberflächen zur ortsselektiven Metallisierung. Dissertation, Shaker Verlag, Aachen BASF, https://www.plasticsportal.net/wa/EU/Catalog/ ePlastics/pi/BASF/prodline/ultramid Berg van den M, Siebgens U, Klein B (2007) Oberflächenveredelung im Cockpit. Kunststoffe 97(2007)11, S 112–119 Datenblatt Hostaform C 9021. http://www.madisongroup.com/Services/Productinfosystems/Demo/ Index.htm Elsner P, Eyerer P, Hirth Th (2007) Kunststoffe – Eigenschaften und Anwendungen (Domininghaus). 7. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Springer Verlag
454
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
„Einflussfaktoren bei der Alterung von Gewächshausfolien“. http://www.diss.fuberlin.de/2003/161/Kap2.pdf Felber P, Hinse Ch (2007) 3D-Simulationserfolge an Dekorbauteilen. Kunststoffe 97(2007)11, S 108–110 Gäbelein J, Schmuck M (2007) Saugen mit Chic – Designvarianten für Staubsauger-Chassis. Kunststoffe 97(2007)11, S 36–38 Gansemeier J (2006) Integrative Entwicklung räumlicher elektronischer Baugruppen. Hanser Verlag, München, ISBN –10 : 3-446-40467-8 „Grivory HT, mehr Leistung bei hohen Temperaturen“. http://www.emsgrivory.com/ge/04info/03broschueren/pdf/d/5014_d.pdf Groß C (2006) Einfluss von Farbpigmentbatchen auf den Produktwechsel bei der Blasfolienextrusion. Shaker Verlag Aachen, 114 S Hamid S H (Hrsg) (2000) Handbook of Polymer Degradation, 2. Edition, Marcel Deccer, Inc. http://de.wikipedia.org/wiki/Ultraviolettstrahlung http://www2.chemie.unierlangen.de/services/dissonline/ data/dissertation/Frauke_Richter/html/ http://www2.basf.de/basf2/html/plastics/deutsch/pages/ presse/04_253.htm “INFO PHYS TECH”: VDI Technologiezentrum Physikalische Technologien, 40002 Düsseldorf Klessinger M, Michl J (1989) Lichtabsorption und Photochemie organischer Moleküle. VCH Krebs C, Avondet MA, Leu K (1999) Langzeitverhalten von Thermoplasten: Alterungserscheinungen und Chemikalienbeständigkeit. Hanser Verlag Lanxess. http://techcenter.lanxess.com/scp/emea/de/products/types/index.jsp?pid=55 Rabek J F (1996) Photodegradation of Polymers, Physical Characteristics and Applications, Springer Verlag Ranby B, Rabek JF (1975) Photodegradation, Photooxidation and Photostabilization of Polymers, Principles and Applications, Jon Wiley and Sons Reich L, Stilvala S (1971) Elements of Polymer Degradation, McGraw-Hill Book Company Richter F (1998) Die Photodegradation von Poly(2,6-dimethyl-1,4-phenylenether) – Untersuchungen am Polymer und an Modellverbindungen, Dissertation Rost H (2007) Von der Rolle – gedruckte elektronische Schaltungen. Kunststoffe 97(2007)5, S 97–101 (RFID, EPC Elektr. Product Code, OFET org. Feldeffekt-Transistor, flexible Solarzellen) Rost H (2007) Von der Rolle – gedruckte elektronische Schaltungen. Kunststoffe 97(2007)5, S 97–101 Schüppstuhl T, Eickens S, Biertz A (2007) Einbringen von Airbagsollbruchstellen in Dekorhäute (Oberflächentechnik). Kunststoffe 97(2007)5, S 120–123
Technisches Datenblatt: POM-C, Amsler & Frey AG, Schinznach Dorf, Schweiz, www.amsler-frey.ch Ticona, http://www.ticona.com/index/products/liquid_crystal/vectra.htm Umweltfibel. http://www.umweltfibel.de/lexikon/u/lex_u_ uv_strahlen.htm Workman J Jr (2001) Handbook of organic compounds. Band 2: UV – VIS and NIR. spectra
5.2.2
Plasmatechnologie Mathias Kaiser
5.2.2.1
Einführung
Universal gesehen ist der Plasmazustand nicht die Ausnahme sondern die Regel. Mit angenommenen 99 % der sichtbaren Materie ist dieser Zustand der älteste und häufigste im Universum. Die irdischen Möglichkeiten zur technischen Nutzung von Plasmen sind dagegen noch sehr jung (rund 100 Jahre). Die Plasmatechnologie gewann zunächst mit Gasentladungen in der Lichttechnik an Bedeutung und entwickelte sich mit ihren Ätz- und Beschichtungsverfahren zum Fundamentalprozess der Halbleitertechnik und Mikromechanik. Inzwischen erschließt sie mit den Möglichkeiten der Oberflächenveredelung neue tribologische, mechanische und optische Lösungen in den Materialwissenschaften und eröffnet mit der Oberflächenfunktionalisierung neue Felder in der Verbindungs- und Klebetechnik oder der Medizin- und Biotechnologie. Die Plasmatechnologie zählt aufgrund der Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten zu den Schlüsseltechnologien des 21ten Jahrhunderts [1], [2].
5.2.2.2
Was ist ein Plasma?
Technische Plasmen erscheinen unter zahlreichen Begriffen wie Niederdruckplasma, Gasentladung, „kaltes Plasma“, Glimmentladung oder Nichtgleichgewichtsplasma und beschreiben doch im Wesentlichen das gleiche Phänomen aus den unterschiedlichen Blickwinkeln, die durch die Historie oder die jeweilige Anwendung des Benutzers bestimmt werden. In einfachster Betrachtung ist ein Plasma als vierter Aggregatszustand zu verstehen. Mit der kontinuierlichen Zugabe von Energie wird aus einem Festkörper nach dem Erreichen der Schmelztemperatur eine Flüssigkeit und mit dem Erreichen der Siedetemperatur ein Gas. Wenn schließlich die Teilchenenergie die Ionisierungsenergie erreicht, wird aus dem Gas ein Plasma. Das Plasma besteht damit aus einem Gas oder einer Gasmischung mit einer Vielzahl von neutralen und geladenen Teilchen in unterschiedlichen energetischen Anregungszuständen. Die grundlegende Charakteri-
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien sierung kann über die Zahl der jeweiligen Teilchen und ihre Energieverteilung vorgenommen werden. Dabei werden Gruppen von gleichen Teilchen meist „Spezies“ genannt. Die Charakterisierung des Plasmazustands konzentriert sich deshalb auch weitgehend auf die Teilchendichten der entsprechenden Spezies (Neutralteilchen, Elektronen, Ionen, angeregte Atome und Moleküle, UV-Strahlung), ihre Energieverteilung und ihre Wechselwirkung untereinander bzw. mit äußeren Einflüssen. In technischen Plasmen sind eine Vielzahl von unterschiedlich wirksamen Spezies möglich, deren wirksame Teilchendichte – vom verwendeten Prozessgas oder der Prozessgasmischung – von der Art und Intensität der Leistungseinkopplung – vom verwendeten Druck – von der Lebensdauer der relevanten Spezies und damit – vom Abstand der Anregung bis zur Werkstückoberfläche abhängt. Da die Lebensdauer der anwendungsrelevanten Spezies u. a. von der Zahl der Stöße im Plasma bestimmt wird, sind für die meisten Plasmaprozesse Niederdruckbedingungen zur Verminderung der Stoßfrequenz vorteilhaft. Es gibt jedoch auch wirkungsvolle Plasmaprozesse bei Atmosphärendruck, die sich aber überwiegend auf die Oberflächenaktivierung (Beflammung, Korona und dielektrisch behinderte Entladungen) beschränken [3]. Die Entwicklung von geeigneten Plasmaquellen und -Prozessen und deren Optimierung bezogen auf die jeweilige Anwendung ist die elementare Aufgabe der Plasmatechnologie.
5.2.2.3
Plasmaerzeugung
Der einfachste und übliche Weg einem Gas Energie zur Erzeugung eines Plasmas zuzuführen führt über elektrische Felder. Diese können mit Gleich- und Wechselspannungsquellen generiert werden. Allerdings sind für polymere Oberflächen nicht alle so erzeugten Plasmen gleichermaßen geeignet. Dies wird aus Bild 5-16 auch schnell deutlich. Schematisch ist ein Vakuumgefäß (gestrichelt) gezeigt, in dem eine zwischen zwei Elektroden angelegte Spannung ein elektrisches Feld erzeugt (Kondensatoranordnung). Im Vakuumgefäß befindet sich unter geringem Druck (< 1000 Pa) ein Gas (grau). Geladene Teilchen werden in diesem Feld beschleunigt, bis sie mit einem Neutralgasteilchen oder der Elektrode zusammenstoßen. Reicht die im Feld aufgenommene Energie des geladenen Teilchens aus, so wird das Neutralgas beim Stoß ionisiert und es entstehen weitere Ionen (schraffiert) und Elektronen (schwarz), die wiederum im Feld beschleunigt werden. Die Zahl der ionisierten Teilchen steigt, bis die Teilchengeneration durch Diffusion, Rekombination und Relaxation ausgeglichen ist. Ein stationäres Plasma ist entstanden [4].
455
Bild 5-16. Plasmaanregung im elektrischen Feld
Bei Gleichspannung oder niederfrequenter Wechselspannung werden sowohl Ionen wie Elektronen in entgegen gesetzte Richtung beschleunigt und nehmen zum Teil beträchtliche Energien auf, die weit über der Bindungsenergie von Polymeren (~2 eV) liegen. Solche Plasmen können viel Energie in die Oberfläche eintragen und im Polymergefüge durch tief eindringende Stoßkaskaden schwere Schäden anrichten. Sie werden z. T. zur beschleunigten Alterung von Polymeren eingesetzt [5]. Legt man jedoch ein hochfrequentes Wechselfeld an und wählt die Frequenz so hoch, dass die Ionen aufgrund ihrer höheren Trägheit dem schnellen Feldwechsel nicht mehr folgen können, so wird die Energie fast ausschließlich in die Elektronen des Plasmas eingekoppelt. Der Vorteil für die Behandlung polymerer Oberflächen liegt darin, dass die Ionen kaum Energie aufnehmen und diese deshalb auch nicht an das Neutralgas übertragen können. Elektronen und Ionen sind nicht im thermodynamischen Gleichgewicht, die Gastemperatur steigt nur geringfügig und man spricht von „kalten“ oder „Nichtgleichgewichts-“ Plasmen. Je höher die Frequenz, desto geringer wird die Auslenkung der Elektronen und die im Feld aufgenommene Energie. Elektronen sind im Plasma leicht und beweglich. Sie können innerhalb einer halben Periode des Wechselfeldes die Elektrode erreichen. Dann bleiben nur Ionen in Elektrodennähe übrig. Sie bauen mit ihrer Ladungsverteilung ein Randfeld auf (self bias), das wiederum Ladungsträger in für Polymere kritische Bereiche beschleunigen kann. Für Argon bei einem Druck von 10 Pa ist die Stoßfrequenz typischerweise 1,6 × 108 Hz. Für eine Anregungsfrequenz 13,45 MHz (RF) und einer Amplitude von 100 V/cm ergibt sich eine Auslenkung von ca. 6 cm. Bei einer Anregungsfrequenz von 2,45 GHz (Mikrowellen) schrumpft die Auslenkung auf 1.4 × 10–4 cm. Ausgedehnte Randschichten können also mit Frequenzen im Mikrowellenbereich vermieden werden.
456
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Die technologische Wirkung von Plasmen ist direkt mit der Dichte der im Hochfrequenzfeld erzeugten Elektronen verknüpft. Mit zunehmender Elektronendichte wird das Plasma aber leitfähiger und schirmt das anregende Hochfrequenzfeld ab. Es kann dann nicht mehr ins Plasma eindringen. Die Elektronendichte kann also nicht beliebig hoch werden. Diese sogen. „kritische Dichte“ ist allerdings zum Quadrat der Anregungsfrequenz proportional. Deshalb haben auch diesbezüglich Mikrowellenplasmen Vorteile [6]. Zusammenfassend kann für Plasmaprozesse an polymeren Oberflächen festgehalten werden, dass kalte, dichte aber energetisch milde Plasmen vorteilhaft sind und damit die Anregung im Bereich von Mikrowellen bevorzugt werden sollte. Dies wird durch die preiswerte Verfügbarkeit von Mikrowellenleistungsgeneratoren aus der Erwärmungstechnik begünstigt.
5.2.2.4
Plasmaprozesse
Elektronen im Plasma generieren aus dem Prozessgas durch Stoßprozesse unterschiedliche Anregungsformen. Diese reichen von der einfachen Teilchenbeschleunigung über atomare oder molekulare Anregungsstufen und Radikalbildungen bis zur Ionisation. Rekombination von Ionen und Elektronen oder Relaxation verursachen weiterführende Gasreaktionen und die Generation von Licht im UV-Bereich. Bereits ein einfaches Luftplasma lässt sich in über 70 verschiedene Stoßanregungen aufschlüsseln [7]. Dem entsprechend ist die Plasmawirkung eine Mischung aus Oberflächenstoßanregung und der Oberflächeninteraktion mit all den zahlreichen reaktiven Anregungen, Verbindungen und Lichtemissionen des Prozessgases. Durch geschickte Wahl der Prozessgase und Plasmabedingungen kann die eine oder andere Wirkung dominant hervorgehoben werden.
Reinigen Die Reinigung im Plasma funktioniert nach zwei Prinzipien. Zum einen werden durch den Energieeintrag schwach gebundene Adsorbate z. B. durch Stoßprozesse entfernt (Bild 5-17 links), zum andern wird eine chemische Reaktion mit dem Prozessgas angestrebt, das die Verunreinigung in flüchtige Verbindungen umwandelt (Bild 5-17 rechts). So kann die Reinigungswirkung eines Plasmas in weiten Bereichen der chemischen Reaktionsfähigkeit eingestellt werden, wobei das verwendete Prozessgas bestimmt, ob eine oxidative, reduktive oder inerte Reinigung erfolgen soll [8]. Mit einem Argonplasma kann die polymere Oberfläche so gereinigt werden, dass durch den Energieeintrag schwach gebundene Atome und Moleküle in einer Art atomaren
Bild 5-17. Feinreinigung durch atomares „Sandstrahlen“ (links) und plasmachemischen Aufbau
Sandstrahlens entfernt werden können, ohne dass das inerte Prozessgas durch chemische Aktivität beteiligt ist (Bild 5-17 links) [9]. Allerdings erzeugen auch Edelgase im Plasma UV-Licht, welches ausreichend Energie zur Öffnung von organischen Bindungen besitzt. Die Weiterreaktion der so entstanden Radikale mit Argon kann zwar ausgeschlossen werden, eine intrinsische Oberflächenvernetzung oder die Verharzung mit den ursprünglichen Verunreinigungen kann jedoch bei längeren Behandlungszeiten oder hohen Leistungsdichten nicht ausgeschlossen werden und ist bei gröberen Verunreinigungen wahrscheinlich. Wasserstoffplasmen wirken chemisch reduktiv und bewirken wegen der Wasserstoff-Wasserstoffstösse einen starken Energieeintrag in die polymere Oberfläche. Wegen der geringen Wärmeleitung von Kunststoffen kann damit bei kurzen Behandlungszeiten eine auf die Oberfläche reduzierte Aufheizung erreicht werden wobei schwach gebundene Adsorbate entfernt und freie Radikale abgesättigt werden. Die Entfernung von gebundenem Sauerstoff ist ebenfalls bedingt möglich, die Temperaturbelastung schränkt die Behandlungsdauer aber stark ein. Mit dem Prozessgas Sauerstoff kann im Plasmazustand nahezu jede organische Verunreinigung durch Oxidation entfernt werden, weil die Reaktionsprodukte aus Kohlendioxid und Wasser bestehen und diese im Vakuum flüchtig sind. Metallische Verunreinigungen können folgerichtig nicht entfernt werden, weil die Metalloxide in der Regel nicht flüchtig sind. Salzartige Verunreinigungen wie sie z. B. durch Fingerabdrücke entstehen, sind weder oxidierbar noch flüchtig und deshalb ebenfalls nicht durch Plasmareinigung entfernbar.
Plasmaätzen Die konsequente Fortführung der Sauerstoffplasmareinigung ist das Plasmaätzen. Denn ein polymeres Werkstück
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
457
kann als organische Substanz durch plasmachemischen Abbau ebenfalls in flüchtige Verbindungen umgewandelt werden. Eine längere Behandlungszeit im Sauerstoffplasma führt deshalb unweigerlich von der Reinigung zur Ätzung der Polymeroberfläche. Diese kann je nach Prozessgeschwindigkeit in Glanz und Rauhigkeit beeinträchtigt werden. Das Plasmaätzen von Polymeren wird mittlerweile erfolgreich zur Veraschung von Photolacken und zur Abreinigung von Polymerresten in fein strukturierten Abformwerkzeugen verwendet.
Oberflächenmodifizierung Polymere Oberflächen bestehen für gebräuchliche Polymere wie Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE) aus überwiegend gesättigten Kohlenwasserstoffketten. Sie sind wegen der geringen Unterschiede der Elektronegativität der Bindungspartner unpolar. Polymere mit stark unterschiedlicher Elektronegativität der Bindungspartner wie z. B. PTFE sind wegen der vollständigen Fluorierung aus Symmetriegründen ebenfalls unpolar. Diese chemisch relativ inaktiven Oberflächen erlauben in dieser Form keine belastbare Anbindung von Lacken, Druckfarben oder Klebstoffen und verhindern für große Unterschiede der Oberflächenenergien (LackOberfläche) eine geschlossene Benetzung (z. B. Wasserlack auf PP-Stoßfänger). Ziel der Plasmabehandlung muss also sein, sowohl die Benetzung wie auch die Haftung zu fördern [10], [11]. Das Plasma muss somit eine Feinreinigung und die chemische Anknüpfung polarer Gruppen bewirken, die zur Veränderung der Oberflächenenergie und zur Bindung mit Lack, Druckfarbe oder Kleber geeignet sind. Dazu wird meist ein einfaches oxidatives Prozessgas wie Sauerstoff oder Luft verwendet. Dadurch kann im Kohlenwasserstoff entweder der Wasserstoff durch einen elektronegativeren Bindungspartner ersetzt werden und dadurch eine polare Gruppe, oder im Fall des PTFE durch Ersatz des Fluors mit einem anderen Bindungspartner, die Symmetrie aufgebrochen und ebenfalls Polarität und eine Haftvermittlung erzeugt werden. Bild 5-18 zeigt modellhaft ein Sauerstoffplasma mit molekularem und radikalem Sauerstoff, der auf einer Polyethylenoberfläche zur Anbindung von Seitengruppen mit ketonischem und aldehydischem Charakter führt. Dadurch wird die Oberfläche insgesamt polarer und die Oberflächenenergie verschiebt sich zu höheren Werten. Üblicherweise ist eine Behandlungsdauer von wenigen Sekunden ausreichend. Durch Testtinten oder Randwinkelmessung mit einem Flüssigkeitstropfen bekannter Oberflächenenergie kann die Veränderung leicht quantitativ erfasst werden [12].
Bild 5-18. Modifikation einer PE Oberfläche im O2 Plasma
Abweichend von vorausgehendem Beispiel kann das Prozessgas während einer Behandlung natürlich auch gewechselt werden. So ist durch die Verwendung eines Inertgases wie Argon eine Plasmareinigung der wenig gebundenen Adsorbate möglich. Wird dem Prozessgas dann eine komplexere organische Verbindung gasförmig beigemischt, so können auch gezielt ausgewählte funktionelle Gruppen an die Oberfläche gebunden werden. Diese dann als Funktionalisierung benannte Modifizierung wird z. B. dazu verwendet das Zellwachstum für polymere Implantate oder die Blutgerinnung an solchen Oberflächen im gewünschten Sinne zu beeinflussen. Die Einbindung der Variationsvielfalt der organischen Chemie in die Plasmatechnologie für Anwendungen der Biotechnologie und Medizintechnik ist Gegenstand intensiver aktueller Forschungs- und Entwicklungsarbeiten [13]. Die Plasmaoberflächenmodifizierung ist wegen der geringen eingesetzten Prozessgasmengen und der kurzen Behandlungszeiten ein sicheres und preiswertes Verfahren. Allerdings spielen sich die Veränderungen auf einer Nanometerskala ab, so dass die behandelten Oberflächen auf mechanische Beanspruchung (reiben) und Umwelteinflüsse empfindlich reagieren. Die Haltbarkeit der Modifizierung hängt deshalb stark von der Folgebehandlung und den Lagerbedingungen ab und kann von Minuten bis Monaten variieren.
Beschichten Viele Vakuumbeschichtungsverfahren nutzen den ionisierenden Einfluss von Plasmen. Für Kunststoffoberflächen ist jedoch vor allem das als „Sputtern“ bekannte Verfahren und das „PECVD“-Verfahren bedeutend. Das „Sputtern“ (übersetzt zerstäuben) ist ein PVD-Verfahren (Physical Vapour Deposition) und der Vakuumverdampfung ähnlich. Das Beschichtungsmaterial wird aus
458
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
einer Quelle durch Energieeintrag verdampft und als dünne Schicht am Zielort abgeschieden. Im Gegensatz zum Verdampfen ist das „Sputtern“ aber ein Plasmaverfahren. Dazu werden energiereiche Argonionen auf eine als Target bezeichnete Oberfläche beschleunigt. Durch den Aufprall werden dort, je nach Material, Atome oder Moleküle herausgeschlagen (zerstäubt), die sich dann als Schicht, auf in der Nähe befindlichen Werkstücken, niederschlagen. Es kommt also darauf an, möglichst viele Argonionen zu erzeugen und mit möglichst hoher aber kontrollierbarer Energie auf das Target zu schießen. Das Target verbraucht sich indem das Material chemisch unverändert auf die Polymeroberfläche abgeschieden wird. Um vernünftige Reichweiten des zerstäubten Materials zu erzielen, sind sehr niedrige Arbeitsdrucke im Bereich < 0,01 Pa nötig. Dieser Druckbereich erschwert aber die Erzeugung eines dichten Plasmas erheblich. Deshalb wird über eine Hochfrequenzanregung (Radiofrequenz) ein Argonplasma erzeugt und die Elektronen über ein zusätzlich angelegtes Magnetfeld auf Kreisbahnen (Elektron Zyklotron Resonanz) gezwungen. Durch diesen Trick steigt die Trefferwahrscheinlichkeit zur Stoßionisation des Argons deutlich an (Magnetronsputtern). Ein am Target zusätzlich angelegtes Beschleunigungsfeld (Bias) erlaubt darüber hinaus die Kontrolle der Argonionenenergie [14]. Die Sputtertechnologie ist weit entwickelt und ermöglicht eine Vielzahl von unterschiedlichen Schichtsystemen. Die Abscheidung kann großflächig und bis zur Nanometerskala homogen gestaltet werden (Architekturglas). Gebräuchliche Anwendungen auf Kunststoffen sind optische Vergütungen (Kunststoffbrillengläser), Verspiegelungen und Barriereschichten auf Verpackungsfolien (Chipstüte) [15]. Die Grenzen der Sputtertechnologie liegen bei Schichtdicken deutlich über 100nm. Dann steigen durch die eher geringen Abscheideraten die Prozesszeiten und die Produktivität sinkt. Außerdem beginnen sich die unterschiedlichen Materialeigenschaften von Schicht und Substrat, wie z. B. Ausdehnungskoeffizient und Schichteigenspannungen, auszuwirken. Daraus resultieren Probleme mit Rissbildung, Alterung und Haftung. Beim „PECVD“ (Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition) werden komplexere molekulare Baugruppen, die sog. Monomere, aus separaten Verdampfereinheiten in die Gasphase gebracht, im Plasma angeregt und sowohl in der Gasphase wie auf dem Substrat zur Reaktion gebracht. Dadurch entstehen auf der Oberfläche chemisch angebundene Einheiten die eine weitere Anbindung von Monomeren, ihre Vernetzung oder ihre Polymerisation nach sich ziehen. So entstehen auf dem Substrat geschlossene Schichten, die durch Variation des Prozessgases und der Plasmabedingungen auch während der Beschichtung verändert und angepasst werden können. Dies soll nachfolgend am Beispiel einer kratzfesten
transparenten Beschichtung auf Polymeren verdeutlicht werden. Für ausreichenden Kratzschutz werden harte Schichten benötigt, die erfahrungsgemäß eine Schichtdicke von mindestens 3 μm erreichen müssen, um auf dem vergleichsweise weichen Polymersubstrat nicht schon durch geringe Belastungen eingedrückt zu werden. Als Material bietet sich wegen Transparenz und Härte eine glasähnliche Schicht, also die Abscheidung von Siliziumoxid an. Um Risse und Abplatzungen zu verhindern müssen die Unterschiede der thermischen Ausdehnung und die Eigenspannungen durch eine geeignete Übergangsschicht oder einen Haftvermittler aufgefangen werden. Realisiert wird dies durch siliziumorganische Monomere, wie sie in Bild 5-19 dargestellt sind. HMDSO (Hexamethyldisiloxan) oder andere geeignete Verbindungen haben gemeinsam, dass durch Oxidation der Methylgruppen (CH3) zu CO2 und Wasser, SiO2 verbleibt. Mit einem Plasma aus den Prozessgasen HMDSO und Sauerstoff kann also eine harte und transparente Schicht aus Quarz erzeugt werden. Wird nur HMDSO dem Plasma ausgesetzt, so polymerisieren die Monomere zu einer silikonartigen Schicht mit starken hydrophoben Eigenschaften. Daraus lässt sich ein Plasmaprozess aufbauen, der während der Beschichtung den Sauerstoffanteil im Prozessgas kontinuierlich erhöht und dadurch einen ebenso kontinuierlichen Übergang von polymerartigen zu quarzartigen Schichten erlaubt. Die gesuchte Übergangsschicht oder der Haftvermittler kann also allein durch die Variation der Prozessgas-
Bild 5-19. Siliziumorganische Monomere: a) Hexamethyldisiloxan, b) Trimethoxymethylsilane, c) Decamethylcyclopentasiloxane
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien zusammenstellung im laufenden Beschichtungsprozess kontinuierlich erzeugt werden, bis im Sauerstoffüberschuss, reine quarzartige Schichten als transparenter Kratzschutz in ausreichender Dicke abgeschieden werden [16]. Hohe Abscheideraten bis zu einigen Mikrometern pro Minute sind so erreichbar [17]. Bereits aus diesem Beispiel sind zahlreiche Anwendungsfelder für den Kratzschutz von Displays, Visieren, der glasfreien Automobilverscheibung, Kunststoffstreuscheiben etc. ableitbar, welche die Gestaltungs- und Kombinationsfähigkeit von Kunststoffen mit der
Plasmatechnologie verknüpfen. Ein ähnliches Verfahren wird auch zur Erzeugung von Barriereschichten in PET-Flaschen eingesetzt, da bereits dünne Schichten gute permeationshemmende Eigenschaften haben [18]. Prinzipiell sind eine große Anzahl von Verbindungen, die unter Vakuumbedingungen in die Gasphase gebracht werden können, als Monomer geeignet und können plasmachemisch in Schichtsysteme umgewandelt werden. In nachfolgender Tabelle sind einige repräsentative Beispiele aufgezeigt.
Schichtwirkung
Anwendung
Monomer
Hydrophobe Schichten Hydrophile Schichten Polymere Schichten Photokatalytische Schichten Kratzfeste transparente Schichten Tribologische Schichten Barriereschichten Antibakterielle Schichten
Wasserfeste Imprägnierung, Schmutzabweisende Schichten Vermeidung von Tropfenbildung, Antibeschlagsschichten Korrosionsschutz, Diffusionsbarrieren Selbstreinigende Oberflächen Transparenter Kratzschutz Verschleißschutz / Diamond Like Carbon (DLC) Permeationshemmer Sterile Anwendungen
Siliziumorganische Verbindungen, Fluorkohlenwasserstoffe Titanorganische Verbindungen, Vinylacetat … Ethen, Propan,… Kohlenwasserstoffe Titanorganische Verbindungen mit Sauerstoff Siliziumorganische Verbindungen mit Sauerstoff Methan mit Wasserstoff Siliziumorganische Verbindungen, Fluorkohlenwasserstoffe Titanorganische Verbindungen mit Sauerstoff
Behandlung von Fasern (Füllstoffen) Faserverstärkte Kunststoffe haben aufgrund ihrer statischen und mechanischen Vorteile und ihrer strukturelle Vielfalt breite Anwendung gefunden. Üblicherweise werden dazu sehr unterschiedliche Fasern in die Polymermatrix eingearbeitet. Obwohl die Fasern üblicherweise eine Oberflächenbehandlung erfahren haben, ist diese sog. Schlichte in erster Linie auf die optimierte Verarbeitung bezogen und erst in zweiter Linie auf die Faser-MatrixHaftung. Eine Lösung für dieses Problem können Plasmen sein, die aus der Gasphase ausreichend Zugang zur Faseroberfläche haben. Dadurch können bereits verarbeitete Fasern „entschlichtet“ und im Sinne der Faser-Matrix-Haftung für einen abgestimmten Verbund neu beschichtet werden [19].
5.2.2.5
Anlagentechnik
Plasmaanlagen (Bild 5-20) bestehen im Kern aus einem Rezipienten, der über eine Vakuumpumpe evakuiert und über einen Gaseinlass auf den gewünschten Prozessgasdruck gebracht werden kann. Die Energie zur Plasmazündung und -unterhaltung wird von einem Hochfrequenzgenerator geliefert und in eine Elektroden- oder Antennenanordnung eingekoppelt. Das zu behandelnde Werkstück wird so in den Rezipienten eingebracht, dass es mit dem Plasma in Wechselwirkung treten kann.
459
Ein Prozesszyklus besteht weiter aus einem Beladungsschritt, bei dem in den belüfteten Rezipienten das Werkstück eingebracht wird, einem Prozessschritt, bei dem der Rezipient evakuiert, Prozessgas eingelassen und das Plasma durch Einschalten der Hochfrequenzleistung betrieben wird, und schließlich dem Belüften, um die behandelte Probe durch eine unbehandelte zu ersetzen. In modernen Anlagen laufen diese Schritte automatisiert ab wobei die Beladung und Entladung durch einen Roboter erfolgt oder durch zusätzliche Schleusenkammern in einen kontinuierlichen Produktionsablauf integriert werden. Die Anlagensteuerung und die Handhabung des Werkstückwechsels ist erprobte Ingenieurskunst, für die aus vielen anderen Verfahren bereits gute und sichere Lösungen verfügbar sind. Wesentliches Know-how steckt im Zusammenspiel der disziplinübergreifenden Technologien zur Vakuumtechnik, Hochfrequenztechnik und den chemischen wie physikalischen Prozessen der Plasmatechnologie. Hier können gegenüber bekannten Verfahren wie Lackiertechnik, Nasschemie und Galvanik auch zukünftig noch echte Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Am Beispiel der Entwicklung einer Mikrowellenplasmaquelle soll dies nachfolgend verdeutlicht werden. Für Mikrowellen als Quelle der Hochfrequenzanregung wurden mit der Einführung der Mikrowellenerwärmung in der Haushaltstechnik kurzfristig sehr preiswerte und leistungsstarke Generatoren verfügbar, die in Analogie zum Mikrowellenherd über ein Quarzfenster in Plasmarezipienten
460
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Bild 5-20. Schematischer Aufbau einer Plasmaanlage
eingekoppelt wurden und werden. Das Quarzfenster stellt als mikrowellentransparentes Medium die Grenze zum Vakuum dar und somit erfolgt die Plasmazündung auch unmittelbar hinter dem Fenster. Dort ist die Plasmadichte und damit auch die Rekombination am Fenster sehr hoch was zu dessen Erwärmung führt und besonders bei größeren Fenstern nachhaltige Probleme mit Kühlung und Dichtheit verursacht. Außerdem erzeugt die Anregung mit Mikrowellen bei 2,45 GHz mit einer Wellenlänge von ca. 12 cm starke Inhomogenitäten in der Plasmadichte und damit in der Oberflächenwirkung. Metallische Werkstoffhalter und andere Einbauten führen zu Feldstörungen und stehenden Feldern an Ecken und Kanten, die unerwünschte, parasitäre Plasmen erzeugen. In der Folge wurde die Mikrowelleneinkopplung trotz klarer Vorteile für die Polymerbehandlung unpopulär. Wird die Mikrowelle wie in einem Antennenkabel aber koaxial geführt, können sehr einfache lineare Plasmaquellen konstruiert werden, die über eine Ausdehnung von mehreren Metern homogene Plasmen erzeugen. Bild 5-21 zeigt den schematischen Aufbau. Die Mikrowelle wird koaxial bis zum Vakuumrezipienten geführt. Im Inneren des Rezipienten wird der koaxiale Außenleiter durch ein Quarzrohr ersetzt, während der Innenleiter weitergeführt wird. Außerhalb des Quarzrohrs im Niederdruckbereich tritt die Mikrowelle aus und erzeugt ein Plasma, welches solange Leistung aufnimmt, bis die Plasmadichte eine Leitfähigkeit erzeugt, die einem Außenleiter gleichkommt (kritische Dichte). Wird weitere Mikro-
wellenleistung nachgeführt, so wird sie in den Bereich weitergeleitet, wo noch keine oder keine ausreichende Dichte vorherrscht und das Plasma breitet sich entlang des Rohrs weiter aus. Dabei fällt die Plasmadichte linear ab, was durch Überlagerung mit einem zweiseitigen Betrieb ausgeglichen wird [20]. Die Quelle kann also so lange gebaut werden, wie Mikrowellenleistung verfügbar ist. Längen über 3 m sind bereits realisiert. Werden wie in Bild 5-22 mehrere solche Linearquellen durch parallele Anordnung zu Flächen zusammengebracht, werden homogene, flächige Plasmaquellen in der Dimension von Quadratmetern möglich, die bisher nicht in dieser Qualität verfügbar waren [21]. Mit diesen Dimensionen werden natürlich auch Gaszuund -abführung komplizierter und bestimmen die Qualität der Plasmabehandlung. Aber mit zunehmender Kenntnis in der Prozessentwicklung setzen sich diese Quellen in Flächenbeschichtungen durch. Aktuelle Anwendung ist die Antireflexbeschichtung von Solarmodulen [22].
5.2.2.6
Kostenbetrachtung
Plasmatechnologie steht im Wettbewerb mit anderen Technologien und gemessen an der Wertschöpfung für viele Kunststoffbauteile soll die Plasmabehandlung zwar qualitativ bessere Ergebnisse erzielen, aber keinesfalls teurer als bestehende Technologie sein. Darin besteht auch prinzipiell keine Schwierigkeit, denn die Vorteile sind in konkreter Anwendung leicht
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
461
Bild 5-21. Schematischer Aufbau einer linear ausgedehnten Mikrowellenplasmaquelle
Bild 5-22. Mikrowellen-Plasmaquelle 0,5 m2
bezifferbar. Hier wie in anderen neuen Technologien sind die Entwicklungs- und Anlagenkosten dominant. Anlagenverkäufe stehen üblicherweise in Verbindung mit einem Behandlungsprozess, für dessen Ergebnis der Anlagenhersteller verantwortlich ist. Also müssen die nicht unerheblichen Entwicklungskosten über den Anlagenpreis erwirtschaftet werden. Diese Hürde für Erstinvestitionen erfordert ein großes Vertrauen in Technologie und Anlagenhersteller. Sie soll durch Produktionsund Entwicklungsingenieure überwunden werden, die meist
über unzureichende Kenntnis und Urteilsfähigkeit für zusätzliche, disziplinübergreifende Technologien verfügen. Die Investition in Plasmatechnologie kommt damit einem betrieblichen Strukturwandel gleich, bei dem Anwender entsprechende, zusätzliche Ressourcen bereitstellen und unternehmerische Risiken eingehen müssen. Unabhängig davon liegen die Vorteile bei den laufenden Betriebskosten klar auf der Hand. Im Gegensatz zur nasschemischen Oberflächenbehandlung sind Plasmaverfahren gasphasenbasierte Prozesse. Der massenbezogene Materialeinsatz für Gase und Monomere ist schon wegen der geringeren Schichtdicke, aber auch wegen des Wegfalls von Hilfsmitteln, wie Lösungsmittel, Misch-, Dosier-, Sprühund Belüftungseinheiten, vergleichsweise gering. Dem entsprechend entfallen auch Einheiten zum Trocknen und Härten, die nicht nur bei wasserbasierten Systemen erheblichen Energieaufwand erfordern. Dieselbe Betrachtung gilt für den Prozessabfall. Flüssige Reste, Lösungsmittel und Abgase müssen entsprechend den geltenden Verordnungen entsorgt werden, dagegen sind Plasma-Betriebsstoffe, die nicht verbraucht werden, mengenmäßig gering und meist umwelttechnisch unbedenklich oder zu unbedenklichen Stoffen abgebaut. In Plasmaprozessen ist das Aufbringen des Behandlungsmaterials und dessen „Aushärtung“ integriert. Bäder und Trockenöfen entfallen. Deshalb sind Plasmaanlagen vergleichsweise klein. Unter Einbeziehung der Lagerkosten für Betriebsmaterial und Prozessabfall müssen Sekundärkosten wie umbauter Raum oder Integrationskosten in bestehende räumlich begrenzte Produktionseinheiten in die Kostenkalkulation einbezogen werden.
462
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Literatur – Kapitel 5.2.2 [1]
[2] [3]
[4] [5]
[6] [7]
[8] [9] [10] [11]
[12]
[13] [14]
[15] [16] [17]
[18] [19]
Evaluierung Plasmatechnik. VDI-Technologiezentrum GmbH, Abteilung Physikalische Technologien, Düsseldorf (2004) d’Agostino R, Favia P, Oehr C, Wertheimer MR (2005) Plasma Prozess. Polym. 2 (2005) S 7–15 Kogelschatz U (2000) Fundamentals and applications of dielectric-barrier discharges. Proceedings of Hakone VII Conference, Greifswald Conrads H, Schmidt M (2000) Plasma Sources Sci. Technol. 9 (2000) S 441–454 Kaiser M, Reichert T (2001) Umwelteinflüsse erfassen, simulieren, bewerten. DWS Werbeagentur und Verlag GmbH ISBN 3-9806167-7-0 Kegel WH (1998) Plasmaphysik. Springer Verlag, Berlin ISBN-13: 978-3540637011 Stefanovic I, Bibinov NK, Deryugin AA, Vinogradov IP, Napartovich AP, Wiesemann K (2001) Plasma Sources Sci. Technol. 10 (2001) S 406–416 Vohrer U, Kaiser M, Lommatzsch U MO 60 (2006) 1–2 Seidel C, Kopf H, Gotsmann B, Vieth T, Fuchs H, Reiths K (1999) Applied Surface. Science 150 (1999) S 19–33 Rieß K (2001) Plasmamodifizierung von Polyethylen. Diss. Universität Halle-Wittenberg (2001) Mühlhan C (2002) Plasmaaktivierung von Polypropylenoberflächen zur Optimierung von Klebeverbunden mit Cyanacrylat Klebstoffen., Diss. Universität Duisburg Bergmann L, Schäfer C (1998) Lehrbuch der Experimentalphysik Bd.1. Gruyter ISBN-13: 9783110128703 Klages CP (1999) Mat.-wiss. U. Werkstofftech. 30, (1999) S 767–774 Barnat EV, Lu TM (2003) Pulsed and Pulsed Bias Sputtering: Principles and Applications., Springer ISBN-13: 978-1402075438 Martin P (1986) Review of Ion-based methods for optical thin film deposition. J. Mat. Sci. 21, S 1–25 Walker M, Baumgärtner KM, Kaiser M, Schulz A, Raeuchle E Vacuum 57 (2000) S 387–397 Nauenburg KD, Alberts L, Dreher R, Kaiser M, Ludwig HJ, Münker K (2006) Microwave PCVD processes with high deposition rates on large areas for scratch resistant transparent coatings in automotive glazing. 6th International Conference on Coatings on Glas and Plastics, Dresden, 18.–22.06.2006 Neues Barriereverfahren: Lösung für empfindliche Getränke. Verpackungsrundschau 11 (2002) Nauenburg KD, Gittel D, Kaiser M, Urban H, Mäder E, Manygoats K, Melcher S (2006) Plasma-induced sizing
and cleaning of fibers and fabrics in a large area microwave system for achieving enhanced properties of fiber reinforced plastics (RFP). 10th International Conference on Plasma and Surface Engineering GarmischPartenkirchen [20] Petasch W, Reuchle E, Muegge H, Muegge K (1997) Surface and Coatings. Technology 93 (1997) S 112–118 [21] Kaiser M, Baumgärtner KM, Schulz A, Walker M, Reuchle E (1999) Surface and Coatings. Technology 116-119 (1999) S 552–557 [22] Roth S (2006) Großflächige Antireflexschichten auf Solarzellen mittels Mikrowellenplasmen. 1st Workshop „Angewandte Mikrowellen und Plasmatechnologie“, Fraunhofer-ICT Pfinztal, 12./13.Oktober 2006
Weiterführende Literatur Palm P (2006) Koronabehandlung bei beliebiger Materialstärke. Kunststoffe 97 (2007) 1, S 66–68
5.2.3
Trocknungsverfahren Volker Bräutigam
Aufgrund der hohen Bedeutung für Kosten und Umwelt (Energie, Emissionen) wird exemplarisch das Trocknen bei Lackierungen herausgegriffen. Die dabei auftretenden Temperaturen, beispielsweise in der Autoteileproduktion, beeinflussen die Wahl des Substratwerkstoffes, die Bauteilgeometrie, dessen Maßhaltigkeit (Verzug) stark. Stand der Technik, um lackierte Oberflächen zu trocknen bzw. zu vernetzen, sind Konvektionstrockner, UV-Trockner und Infrarot-Trockner. Sie werden als konventionelle Trocknungsverfahren bezeichnet. Diesen Verfahren ist gemeinsam, dass die Trocknungsenergie thermisch von außen auf die Bauteile einwirkt. Dabei werden die Bauteile und die Umgebung teilweise auf die Einbrenntemperatur erwärmt. Es muss mehr Energie aufgewandt werden als für das Trocknen der Lackschicht nötig wäre. Bei der konventionellen Umlufttrocknung werden ca. 75 % der Energie über die Abluft terminiert und nur ca. 0,5–1 % gehen in die Lackerwärmung und Lösemittelverdampfung. Die Aufheizung des Fördersystems und der Bauteile schlägt mit ca. 13 % zu Buche. Die Verfahren zur thermischen Trocknung lassen sich nach der Art der Wärme- bzw. Energiezufuhr unterscheiden: Konvektionstrocknung, Kontakttrocknung, Strahlungstrocknung und dielektrischer Trocknung. In Tabelle 5-10 sind die gängigsten und bekanntesten Trocknungsverfahren der Lackiertechnik beschrieben.
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien
Tabelle 5-10 Allgemeine Übersicht über Trocknungsverfahren [1] Verfahren
Vorteile
Nachteile
Umlufttrocknung
höchste Flexibilität bzgl. Teilegeometrie für alle wärmehärtenden Lacke (inkl. Pulverlacke) zur Haftwassertrocknung geeignet hohe Prozesssicherheit für alle Energieträger geeignet Stand d. Technik, d.h. optimiert, günstige Investitionskosten
geringe Leistungsdichte bei der Wärmeübertragung (~2 kW/m2) komplette Aufheizung der Bauteile großer Platzbedarf (lange Durchlaufzeiten) Staubgefahr im feuchten Film Wärmeübertragung von außen nach innen (Hautbildung) Energieverluste durch Öffnungen und konstruktiven Schwachstellen Kondensatbildung an kalten Stellen komplette Aufheizung der Umgebung und des Substrates
Kälte-/Sorptionstrocknung [2]
schonende Trocknung (Teiletemperatur max. 40 °C) Haftwassertrockner: keine Schädigung der Chromatierung Wasserlacktrocknung: Vermeidung von Haut-, Riss- oder Blasenbildung schnelle, vollständige Trocknung Abwärmenutzung durch Wärmepumpe (~80 °C) Niedertemperaturofen leicht integrierbar
nur zur physikalischen Trocknung geeignet Rest VOC nur bei Kältetrocknung möglich kritisch bei schlecht belüftbaren Bereichen, Dopplungen und Lackwulsten Kältetrocknung: Energieträger Strom erforderlich (Wärmepumpe) Batchverfahren – kleines Volumen ca. 4 m3 – aufwendige Kühl/Heiz + Trockentechnik – Luft- und Energieaustausch beim Öffnen hoch
IR-Trocknung [3], [4], [5]
Wärmeübertragungsleistung vielfach höher als bei Umluft schnelles Aufheizen der Lackschicht kompakte Anlagen für alle Substrate und wärmehärtende Lacke geeignet fokussierbar – Reparaturlackierung
Schattenwirkung (2D) IR-Strahlung muss an Lackmaterial angepasst werden kritisch bei transparenten und zur Vergilbung neigenden Substraten hohe Energiekosten bei strombetriebenen Strahlern Strahlerverschleiß
UV-Härtung [6]
extrem schnelle Vernetzung hohe Beständigkeit durch hohe Vernetzungsgrade gute Steuerbarkeit der Strahlerleistung bei Pulver Trennung der Aufheizphase (IR) von Vernetzungsphase (UV)
Schattenwirkung (2D) eingeschränkte Lackmaterialpalette Schichtdickenbegrenzung bei pigmentierten Lacken (ca. 100 μm) kritisch bei UV-sensiblen Substraten Lacke sind teurer Lackmaterialien z. T. kritisch gegenüber Arbeitssicherheit
Härtung mit Elektronenstrahlen [7]
extrem schnelle Vernetzung (schneller als UV) hochbeständige Beschichtungen Keine Photoinitiatoren erforderlich Härtung unabhängig von Schichtdicke und Pigmentierung sofortiges Handling der Teile
Schattenwirkung (2D) je nach Lack Inertisierung der Bestrahlungszone notwendig kritisch bei versprödungsanfälligen Substraten sehr teure Anlagentechnik aufwendige Sicherheitsmassnahmen notwendig (Röntgenstrahlung)
Härtung mit Laserstrahlen
sehr hohe Wärmeübertragungsleistungen Trocknung von „Innen nach Außen“ für wärmehärtende LM-, Wasser- und Pulverlacke geeignet Steuer- bzw. Regelbarkeit der Strahlungsintensität punktuelle Erwärmung möglich
nur für flächige Werkstückgeometrien Laserstrahl muss an das Lackmaterial angepasst werden Gefahr örtlicher Überhitzung geringer Wirkungsgrad der Strahler (30–40 %) hohe Anlagenkosten
Induktive Trocknung [8]
sehr hohe Wärmeübertragungsleistung schnelle Aufheizung „Skin-Effekt“ Erwärmung von „Innen nach Außen“ schnelle Durchlaufzeiten Schnelle Weiterverarbeitbarkeit platzsparende Anlagentechnik gute Prozesssteuerung keine Verschleißteile
nur für elektrisch leitfähige Substrate Genaue Anpassung der Induktoren an Teilegeometrie nicht für zerklüftete Teile geeignet exakte Fixierung auf Warenträger Abhängigkeit vom Energieträger Strom
463
464
5 Oberflächentechnologien für Kunststoffbauteile
Tabelle 5-10 (Fortsetzung) Hochfrequenztrocknung [8]
schnelle homogene Erwärmung der Lackschicht Trocknung von „Innen nach Außen“ schnelle Durchlaufzeiten kompakte Anlagen Energieverbrauch nur bei durchlaufenden Teilen einfachere Abschirmung gegenüber der Mikrowellentrocknung
nur für nichtmetallische Substrate geeignet nur für Wasserlacke bzw. Materialien mit hohem dielektrischen Verlust Gefahr der Substrataustrocknung (z. B. Holz) hohe Anlagenkosten Abhängigkeit vom Energieträger Strom Schwierige Anpassung Überschlagsgefahr
Mikrowellentrocknung [8], [9]
schnelle homogene Erwärmung Trocknung von „Innen nach Außen“ schnelle Durchlaufzeiten kompakte Anlage niedriger Energiebedarf stufenlose u. genaue Regelung/ Steuerung der Sendeleistung individuell anpassbar hoher Freiheitsgrad bei Energieeinkopplung
nur für nichtmetallische Substrate nur für Wasserlacke bzw. Materialien mit hohem dielektrischen Verlust Abhängigkeit vom Energieträger Strom Komplizierte Schleusen (Abschirmung) Gefahr von Hot Spots (Lack u. Substrat) Prozess ist Funktion von Leistung, Temperatur, Schichtdicke, Werkstoff u. Lack Aufheizung polarer Substrate Schwierige Anpassung Überschlagsgefahr Investitionskosten 7.500–10.000 DM pro kW
Ergänzungen erhalten diese Verfahren durch Sonderoder Spezialtechnologien wie die Vakuumtrocknung, die NIR-Trocknung oder die Trocknung mit überkritischem Wasserdampf [10], [11], [12], [13], [14], [15], [16], [17]. [8]
Literatur – Kapitel 5.2.3 [9] [1]
[2] [3]
[4]
[5]
[6]
[7]
Bräutigam V (2002) Mikrowellentrocknung und -vernetzung von Wasserlacken – Verfahren, Qualität, Kosten und Umweltrelevanz. Stuttgart: Dissertation, IKP, Universität Stuttgart NN (1998) Kälte trocknet besser. Industrie Lackierbetrieb Ausgabe 4, Newsletter, Vincentz Verlag, Hannover Bankowsky HH, Beck E, Reich W, Enekel P, Lokai M (1999) The principles of radiation curing. http://www. radcurenet.de/principles.htm, BASF AG, Ludwigshafen, Mai 1999 Maki M, Yasunori K, Fukuda A (1989) Infrared-ray radiating coating. National Tech Rep Matsushita Elec Ind Co, Vol 35 No. 5, pp 68-75, ISSN: 0028-0291 Prince F, Young SE (1973) Automated lines and radiation curing for flat panel finishing. Product Finishing (London), Vol 26 No 9, pp 25–29 Reich W, Bakowsky HH (2001) Strahlungshärtbare Lacke – Neue Perspektiven bei den 100 % – Systemen. BASF AG, Marketing Lackrohstoffe, Internet www. basf.de Röder O, Bartel R, Mattausch G (2000) Elektronenstrahlhärtung und Vernetzung – Grundlagen. Technik
[10]
[11]
[12] [13] [14]
[15]
und Anwendungen. Frauenhofer Institut Elektronenstrahl- und Plasmatechnik, in: Maßnahmen zur Prozessoptimierung bei der Lacktrocknung und -härtung, Berichtsband Praxisforum-Tagung, Bad Nauheim Rothbarth F (2000) Wässrige Perspektiven. Farbe & Lack, Jahrg. 102 Kimrey HD, Janney MA (1988) Design principles for high frequency microwave cavities. In: Sutton W H, Brooks M H, Chabinsky I J, editors. Microwave processing of materials. Materials Research Society Proceedings, Vol 124, Materials Research Society, Pittsburgh, pp 367–372 DFO (Hrsg) (1998) Kunststofflackierung. DFOTagung Kunststofflackierung, Münster, 17./18. November 1998 Frigge E, Laack B (1997) Wasserklarlacke – umweltfreundliche Alternativen für die Autoserienlackierung, Journal für Oberflächentechnik (JOT), Jahrg. 37, September 1997 Jurgetz A (1995) Automotive Paint Performance. Metal Finishing, Vol 93, Oktober 1995 Roth H et al. (1989) Trocknungsprozesse. AkademieVerlag Berlin Senich GA, Florin RE (1964) Radiation Curing of Coatings. JMS-Rev. Macromol. Chem. Phys., Vol 24 (2), pp 239–324, Marcel Decker Inc., 1984 Stolz T (1998) Moderne Konzepte für die Kunststofflackierung. Journal für Oberflächentechnik (JOT), Jahrg. 38, Juli 1998
5.2 Ausgewählte Oberflächentechnologien [16] Varga CM (1986) High-Tech Coatings for Fasteners and Small Paints. Products Finishing, Vol 50 No 7, pp 62-67, ISSN 0032-9940, April 1986 [17] Zorll U, Zosel A (Hrsg) (1996) Lack- und Polymerfilme. Die Technologie des Beschichtens. Vincentz Verlag, Hannover
Weiterführende Literatur Ackermann R (2007) Oberflächentechnik – „Design meets Function“. Vortrag auf VDI Kunststofftechnik, Fachtagung, Baden-Baden, 14./15.2.2007, u. a. Abgrenzung der Verfahren: Drucken, IML, IMD, PVD, Galvanisieren, Lackieren Arbeitskreis Prägefoliendruck (Hrsg) Prägefoliendruck – Verfahren, Technik und Gestaltung. Hüthig, Heidelberg, 2005, 199 S DFO Tagung Kunststofflackierung 2007. Hof, 6./7.3.2007 Eulenstein T (2000) Einführung zu Verbundprojekt: Beschichtungen zur Reduzierung von abrasivem Verschleiß an formgebenden Werkzeugen für die Kunststoffverarbeitung. VDI-Technologiezentrum, Düsseldorf Grundmann G, Blau W (2002) Modellrechnungen anhand von Beispielen. Düsseldorf: Transferzentrum Oberflächen- und Schichttechnologien der Europ. Forschungsges. Dünne Schichten e. V., Dresden Kob S (2007) Oberflächen für anspruchsvolle Automobile (In-mold-Labeling). Kunststoffe 97(2007)10, S 196–200 Michaeli W, Cramer A (2006) Bessere Oberfläche beim Schaumspritzgießen. Kunststoffe 96 (2006) 12, S 21–27 Pfuck A et al. (2007) Zerreißprobe für den Lack – Kunststoffaktivierung. Kunststoffe 97(2007)3 S 30–34 Quantitative Analyse von Optimierungsmaßnahmen in der Kunststoff-Spritzgießtechnik, Eulenstein, NRWKunststoffinstitut für die mittelständische Wirtschaft NRW GmbH, Lüdenscheid, 1990ff Rogers W (2005) Sterilisation of Polymer Health-care Products. Shawbury: Rapra, ISBN 1-85957-490-4 Runkel S (2007) Metallischer Hochglanz im Schnelldurchlauf (Oberflächenveredelung von Spritzgussteilen). Kunststoffe 97(2007)10, S 166–170 Sawitowski T (2006) Kratzfeste Kunststoffoberflächen (Lacke, Nanopartikel). Kunststoffe 96 (2006) 11 Thematischer Workshop „Hochleistungsbeschichtungen für Kunststoffformen und Bauteile von Kunststoffmaschinen“ der Fördergemeinschaft „Dünne Schichten“ e. V. Dresden, 19.06.2001 Ticona Technologie Literatur (CD) Werkzeugoptimierung durch Oberflächen- und Schichttechnologien: Möglichkeiten zur Steigerung der Pro-
465
duktivität – Firmengemeinschaftsprojekt Nr. 430 – 10/2000 unter Federführung des NRW-Kunststoffinstitutes für die mittelständische Wirtschaft NRW GmbH, Lüdenscheid, 2000 (Beteiligung 55 Firmen und Dienstleister) VDI Kunststofftechnik Fachtagung Spritzgießen, Oberflächen von spritzgegossenen Teilen. BadenBaden, 14./15.2.2007, u. a. Vorträge zu – Abgrenzung der Verfahren – Drucken, IMC, IMD, PVD, Galvanisieren – Lackieren – nanostrukturierte Oberflächen – Einfärben und Additive durch Masterbatches – nasschemisches Beizen beim Kunststoff galvanisieren – Textil- und Folienhinterspritzen – Schaumspritzgießen – Mehrkomponentenspritzgießen Weckerle G (2003) Beschichtung hochwertiger Karosserieoberflächen mit Pulver-Slurry. Stuttgart: Dissertation, IFF Universität Stuttgart Zeiler Th, Achereiner F (2007) Haftungsprobleme lösen (Gasphasenfluorierung). Kunststoffe 97(2007)7, S 30– 32 Zorll U, Schütze EC (1986) Kunststoffe in der Oberflächentechnik. In: Eyerer P (Hrsg.) Kunststoffe und Elastomere in der Praxis. Kohlhammer, Stuttgart
Weitere Informationsquellen zu Oberflächentechnik (Auswahl) DGO Deutsche Gesellschaft für Galvano-/Oberflächentechnik e. V. Hilden, www.dgo-online.de DFO Deutsche Forschungs-Gesellschaft für Oberflächenbehandlung e. v. Neuss, www.dfo-online.de Zeitschrift mo Metalloberfläche – Beschichten von Kunststoff und Metall. München: Hanser Verlag, www.hanser.de/mo
Messen zu Oberflächentechnik – – – – – – – –
EMV Stuttgart European Coatings Show, Nürnberg Galvanica, Stuttgart ITSC Messe Basel Materialica, wechselnd Smart Coatings Surface Technology, Hannover Surfacts, Karlsruher Messe
6
Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
6.1
Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen Martin Keuerleber, Peter Eyerer
6.1.1
Einführung
Der Entwicklungsprozess hin zu einem Kunststoffbauteil ist komplex. Die Einbindung aller Beteiligter (Abteilungen in der eigenen Firma, Kunden, Lieferanten, Institute, Partner, Behörden), die hohen Anforderungen an technische, wirtschaftliche (Kosten), umweltliche und soziale Lösungen, eingezwängt in ein fast immer engstes Zeitkorsett, bedingen ein ganzheitliches Produkt-Engineering (siehe Bild 4-209). Häufig sieht sich der Entwickler und Konstrukteur Forderungen des Vertriebs und Designs ohne konkrete Lastenhefte gegenüber. Er muss es erstellen! Je besser und vollständiger er das erreicht, umso weniger Änderungen und Unsicherheiten folgen während des Entwicklungsprozesses. Geänderte Vorgaben bedeuten Unsicherheiten, und diese verursachen Kosten, Zeitverluste, Qualitätsrisiken und letztlich Marktverluste. Dabei sind Änderungen im Frühstadium der Entwicklung noch kostenarm, meist handelt es sich hier um ein virtuelles Produkt. Das eben Gesagte gilt für spätere Entwicklungsstadien. Hinzu kommt, dass die Entwicklung und Konstruktion etwa 75% der Kostenverantwortung für das spätere Produkt verantwortet (Material, Produktion/Montage, Qualität), aber nur etwa 40% der Kostenzusammensetzung (Material, Herstellung, Entwicklung) verursacht. Bild 6-1 zeigt den Ablauf des Entwicklungsprozesses von der Konzeptphase bis zur Serienfertigung. Mit Blick auf Kunststoffbauteile (Spritzgießen, Extrusionsblasformen, Pressen oder andere Verarbeitungsverfahren) treten im Laufe der Konstruktion häufig die folgenden Fehler auf. – Keine eindeutige Projektleitung – Kein Projektplan
– Kein Lastenheft vorgegeben bzw. erstellt – Falsche Werkstoffauswahl – Keine Simulationsrechnungen • Spritzgusssimulation • Bauteilfestigkeit mittels FEM-Berechnung – Keine Erstellung von Prototypen • Keine Überprüfung an Prototypen – Direkter Werkzeugbau ohne Vorstufen Bei kompliziert gestalteten Bauteilen ist eine Formfüllsimulation empfehlenswert. Folgende Punkte lassen sich damit gut abschätzen: – Lage von Bindenähten und Lufteinschlüssen – Herstellbarkeit (lässt sich das Bauteil mit gegebenem Angussystem füllen) – Fertigungsparameter (Schließkraft, Füllzeit) – (Qualitativ) Schwindung und Verzug unter Berücksichtigung von: • Glasfaserorientierung • Temperierung – Verhalten des Bauteils unter mechanischer Belastung mit Berücksichtigung der Fertigungseinflüsse • Verzug, Eigenspannungen, lokal unterschiedliche Steifigkeit Das folgende Beispiel einer FEM/Formfüllsimulation für die Quertraverse im Dachkanal eines Reisebusses mag für weitere Substitutionen von Metall/Aluminium) in Kunststoff (PA6.6 LGF50 und PA6.6 GF50) ermutigen. Folgende Randbedingungen und Ziele waren gegeben: – Die Traverse ist das Rückrat des Dachkanals – Bisheriger Werkstoff ist Aluminium – Anpassungskonstruktion – Ziel ist Kosten- und Massereduktion – Handlaufbefestigung darf sich bei Belastung mit 1420 N nur max. 10 mm durchbiegen – Lösung mittels Formfüllsimulation und FEM-Berechnung
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen
467
Bild 6-1. Entwicklungsprozess als Simultaneous Engineering KVP . . . kontinuierlicher Verbesserungs-Prozess
Bild 6-3 und 6-4 zeigen die Füllsimulation und FEM-Berechnung in einem ersten Ansatz, bei dem die Geometrie des Aluminiumteiles verwendet wurde und lediglich Al durch Polyamid substituiert wurde. Dies konnte nicht die Lösung sein. Daher erfolgte in einem zweiten Ansatz eine kunststoffgerechte Konstruktion mit zwei unterschiedlichen Polyamid-Typen, Bild 6-5. Ergebnisse der Substitution sind – Aluminium wurde durch Thermoplasten ersetzt • LGF PA66, Lieferant A PA 66 GF 50 P 10 sw – Massereduktion im schwerpunktsensitiven Bereich (Dach) • von 2,8 kg auf 1,9 kg
– Große Kostenvorteile • Werkstoff deutlich teurer, aber Entfall von Nacharbeit (entgraten, lackieren, …) – Integration weiterer Funktionen möglich • Befestigungen (Clips) für Leitungssatz zu ServiceModul • Einfärbbarkeit, etc. Zum Abschluss dieser kurzen Einführung in Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen gibt Tabelle 6-1 einen Überblick über die wichtigsten Konstruktionsrichtlinien, die dann im Folgekapitel in den sogenannten 9 goldenen Konstruktionsregeln ausführlicher dargestellt werden.
468
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-2. Beispiel Formfüllsituation FEM zu einer Quertraverse im Dachkanal
Bild 6-4. Beispiel FEM-Simulation nach Al-Geometrie
Bild 6-3. Beispiel Formfüllsimulation – zeitliches Füllbild und Faserlage
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen
469
Bild 6-5. Beispiel FEM-Simulation mit 2 verschiedenen Polyamid Typen kunststoffgerechte Geometrie
6.1.2
Die 9 goldenen Konstruktionsregeln für Kunststoffbauteile
Tabelle 6-2 fasst die 9 goldenen Regeln zum Konstruieren von Kunststoffbauteilen zusammen. Im folgenden werden die einzelnen Regeln erläutert und vertieft.
6.1.2.1
Wanddicke so dünn wie möglich
Die Wanddicke beeinflusst – die Bauteilmasse und die Werkstoffkosten – die Zykluszeit
– – – –
die Oberflächenqualität, den Verzug und Lunker die Fließweglänge die Toleranzen (DIN 16901) die Formteilsteifigkeit Besser: Rippen einsetzen (Einfallstellen beachten) – die Orientierungen (Moleküle, Glasfasern) Da die Wanddicke die Kühlzeit im Quadrat verlängert, wird jeder kostenbewusste Konstrukteur eine möglichst geringe Wanddicke wählen. Zudem kann damit an den Werkstoffkosten gespart werden. Die Dünnwandtechnik (siehe Kapitel 4.1.3.1) gewinnt daher immer mehr an Bedeutung. Sie ist gekennzeichnet durch ein Fließweg/Wand-
470
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Tabelle 6-1 Übersicht Konstruktionsrichtlinien für Kunststoffbauteile Werkstoffgerechtes Gestalten – Radien vorsehen • Reduzierung der Kerbwirkung • Bessere Entformbarkeit – Berücksichtigung von Randbedingungen • Werkstoffrezeptur (Additive, Füll- und Verstärkungsstoffe…) • Belastungen auf Bauteil • umgebende Medien und Strahlungen • Verarbeitungseinflüsse • etc. Verarbeitungsgerechtes Gestalten – Konstante Wandstärken, so gering wie möglich • Abkühlung ist quadratisch mit Dicke • Masseanhäufungen vermeiden – Anbindung möglichst an dicksten Stelle • Wirksamkeit von Nachdruck – Formschrägen vorsehen – Schwindungs- und Verzugseffekte berücksichtigen • Zierrippen und – nuten, keine Stumpfstöße Kostengerechtes Gestalten – Aufwendige Schieber vermeiden – Auswerfer nicht zu dünn dimensionieren – Keine überzogenen Toleranzanforderungen – Werkstoff gezielt wählen, • Erfüllung der Anforderungen, nicht den bestmöglichen oder bekannten Stand der Technik übernehmen • Recyclingmaterial in Mittellage verstecken – Funktionen integrieren • z.B. Filmscharnier, Schnapphaken, Halter, Umbuge, …. – Preiswerte Montagetechnik einsetzen • z. B. Schnappverbindungen
dicken-Verhältnis von größer 100 bei Wanddicken kleiner 1 mm. So wurde beispielsweise die Wanddicke von MobiltelefonSchalen von 1,8 mm vor 10 Jahren auf 0,8 mm reduziert und dies sogar mit den nicht leicht fließenden PC+ABS-Blends. Oder bei PUR-PRIM-Anbauteilen an PKW, wie SchwellerVerkleidungen, betrug die Dicke vor 20 Jahren 2,5 mm, heute sind es 1,5 mm. Bild 6-6 zeigt Kühlzeit und Masse eines Mobiltelefongehäuses in Abhängigkeit der Teilewanddicke, [1]. Die erreichbare Mindestwanddicke ist von der Viskosität der Schmelze abhängig. Diese wird durch die Konstitution (chem. Aufbau), die Molmasse, die Molmassenverteilung, durch Verzweigungen, Additive und Verstärkungen bzw. Füllstoffe beeinflusst. Die Wanddicke steht technologisch mit der Fließlänge, Bild 6-7 (Beispiel POM), in Zusammenhang [2].
Tabelle 6-2 9 goldene Konstruktionsregeln für Kunststoffbauteile 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wanddicke so dünn wie möglich Gleiche Wanddicke; Massenanhäufungen vermeiden Ecken und Kanten mit Radien versehen Rippen spritzgerecht gestalten Ebene Flächen vermeiden Ausreichende Konizitäten (Entformungsschrägen) Hinterschneidung vermeiden Keine genauere Bearbeitung als nötig Möglichkeiten der Integration von Funktionen ausschöpfen (werkzeugfallende Bauteile)
Die Erstarrungszeit tE ist nach Gleichung 1 von den thermischen Eigenschaften des Kunststoffes, der Prozessparameter und der Formteilgeometrie abhängig. Berechnung der Erstarrungszeit tE d2 8 TMW – TW tE = 9 · ln 4 · π2 · a π2 98 TE – TW
冤
d = a = TMW = TW = TE =
冥
(1)
Wandstärke Temperaturleitfähigkeit mittlere Massetemperatur im Werkzeug mittlere Werkzeugoberflächentemperatur mittlere Entformungstemperatur ≈ Erstarrungstemperatur
Die Schmelzeerstarrung beginnt durch schnelles Abkühlen an der „kalten“ Werkzeugwand (ca. 50–80 °C warm im Vergleich zur Schmelzetemperatur von 250 °C ± 50).
Bild 6-6. Kühlzeit und Gewicht eines Handygehäuses (PC+ABS) in Abhängigkeit der Teilewanddicke, nach Kulik [1]
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen
471
Bild 6-7. Fließweg vs. Wanddicke für verschiedene POM-Typen nach BASF [3]
Wegen schneller Abkühlung haben die Makromoleküle keine Zeit zum Relaxieren, nachdem sie infolge hoher Scherkräfte beim Strömen durch Düse und Kavität stark orientiert wurden. Auch Kristallisation wird unterdrückt. Somit bleiben die Randschichten stark orientiert und amorph, was hohe Isotropien, geringere Festigkeiten, Härte und Verschleißwiderstand bedeutet. Aufgrund langsamerer Abkühlung der Mittelschichten (schlechtere Wärmeleitung zur Werkzeugwandung hin) bestimmt die dickste Stelle einer Bauteilwandung die Zykluszeit! In diesem Zusammenhang – Schwindungen und Verzüge – spielen die Toleranzen von Kunststoffbauteilen eine große Rolle. Sie werden in DIN 16901 dargestellt (siehe auch Bild 6-8): – Erreichbare Maße bei Kunststoffteilen in linearer, prozentualer Abhängigkeit vom Nennmaß • Normaler Spritzguss < 1 % • Technischer Spritzguss < 0,6 % • Präzisionsspritzguss < 0,3 % – Für erreichbare Fertigungstoleranzen ist nicht absolute Höhe der Schwindung sondern prozessbedingte Schwindungsstreuung entscheidend – Absprache mit Werkzeugmacher bzw. Spitzgießer!! – Unnötige Toleranzanforderungen führen nicht zu höherer Qualität sondern zu höheren Ausschussquoten! [3]
6.1.2.2
Gleichmäßigkeit der Wanddicke
Auswirkung von Wanddickenunterschieden sind – Lunker – Einfallstellen – Eigenspannungen (Kristallisation, Schwindung, Polymerisation) bzw. Verzug
Bild 6-8. Toleranzen von Kunststoffteilen im Vergleich zu den für Metalle üblichen ISO Toleranzreihen – Toleranzen nach DIN 16901 [3]
Bild 6-9 [3] zeigt Gestaltungsbeipiele zur Vermeidung von Wanddickenunterschieden. Die Ursachen für Einfallstellen und Lunker sind – Dichteunterschied zwischen Schmelze und Festkörper • Dichte der Schmelze ist geringer als die des Festkörpers – Beim Abkühlen schwindet das Material • Im Inneren entstehen luftleere Hohlräume – Lunker – Zieht das noch geschmolzene Material im Bauteilkern die Wandung nach innen, so ergibt sich eine Einfallstelle und damit Geometrieabweichungen Bei der Konstruktion ist dabei zu beachten, dass dickwandige Bereiche oder Bereiche mit schlechter Wärmeableitung später erstarren. Dies gilt insbesondere, wenn diese Bereiche angussfern liegen und über dünnwandige Bereiche angebunden sind. Eine vollständige Erstarrung erfolgt dann nicht unter Nachdruck. Die Folge sind Einfallstellen und Lunker. Eine Möglichkeit zur Verminderung/Abhilfe ist die Nachdruckwirkung auf die Schmelze. Die Ursachen für Verzug sind: – Werkstoff-Anisotropie (z. B. durch Glasfasern) ergibt unterschiedliche Schwindung längs und quer. – Ortsvariabler Werkzeuginnendruck (lange Fließwege) Mit der Fließweglänge nimmt der Spritz- und Nachdruck
472
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Abhilfemaßnahmen gegen Verzug können sein – Massetemperatur / Nachdruck, wobei die Massetemperatur meist wirkungslos ist, der Nachdruck hilft nur angussnah. – Werkzeugoberflächentemperatur Gezielte Temperierung der verzugskritischen Bereiche hilft, problematisch sind schlanke Kerne. – Gestaltsabweichung im Werkzeug vorhalten (gelingt meist nur in Iterationsschritten) – Abkühlen unter Formzwang Bauteil so weit im Werkzeug abkühlen lassen, bis Festigkeit ausreicht (problematisch ist eine lange Zykluszeit und die Entstehung von Eigenspannungen; bei Erwärmung über Tg erfolgt deren Abbau und meist Verzug)
6.1.2.3
Radien für Ecken und Kanten
Wie in Regel 2 betont, sollen Wanddickenunterschiede vermieden werden. Manchmal lassen sie sich aber konstruktiv oder aus Kostengründen nicht vermeiden. Querschnittsänderungen sind bei zu kleinen Radien im Übergang kerbgefährdet; es entstehen Spannungsspitzen. Gleichung 2 betont die Geometrieabhängigkeit der maximal übertragbaren Spannung.
σmax = αK · σN
(2)
– σmax: maximale Spannung – αK: Formzahl, geometrieabhängig – σN: Nennspannung im Restquerschnitt
Bild 6-9. Gestaltungsbeispiele zur Vermeidung von Wanddickenunterschieden [3]
ab, die Folge sind Schwindungsunterschiede über die Bauteillänge. Stabförmige Bauteile neigen dabei zum Verbiegen in der Stabachse. – Ortsvariable Abkühlverhältnisse (ungleichmäßige Abkühlung) z. B. Masseanhäufung, Kerne, Durchbrüche, und die Schwindung an der wärmeren Seite ist größer. Bild 6-10 zeigt, dass sich eine ebene Platte zur wärmeren Seite hin konkav verwölbt. Eine eingespannte membranartige Scheibe, Bild 6-11 [3] wird beulen infolge Schwindung des dicken Randes (Druckspannungen).
Bild 6-12 [4] verdeutlicht an einem abgesetzten Flachstab unter Biegung diese Geometrieabhängigkeit der Formzahl αK. Bild 6-13 zeigt den Einfluss des Ausrundungsradius auf die Reduktion der Spannungskonzentration im Kerbgrund. Sehr zu beachten sind auch neue Erkenntnisse aus der Natur [19, 20], wonach asymmetrische Übergänge (Parabelähnlich) deutlich günstiger sind als üblich kreisrunde Radien.
6.1.2.4
Rippen spritzgerecht gestalten
Die Erhöhung der Bauteilsteifigkeit kann verschieden erreicht werden. – Wanddicke erhöhen Da die Wanddicke in der 3. Potenz in die Steifigkeit eingeht, ist ihre Vergrößerung viel wirkungsvoller als der Wechsel zu einem anderen Werkstoff. Beim Spritzgießen von Thermoplasten verlängert sich dadurch die Zykluszeit empfindlich (Abkühldauer).
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen
473
Bild 6-10. Verformung einer ebenen Platte infolge Temperaturunterschiede im Werkzeug [3]
– Werkstoffwahl – Sicken (i. d. R. um Faktor 1,8 steifer als Rippen gleicher Abmessungen und Masse) – Bombierung einer Fläche – Rippen
Bild 6-11. Beulen einer Membran infolge Schwindung des dickeren Außenrandes [3]
Bild 6-12. Formzahl αK als Funktion von Verhältnis Kerbradius und reduzierter Stabbreite [4]
Die versteifende Wirkung einer Rippe wirkt sich erst bei einer Rippenhöhe von 5 bis 10 facher Wanddicke aus. Dabei kann die Rippenhöhe dem Verlauf des Biegemoments angepasst werden, also zu den unbelasteten Rändern hin abfallen. G. Erhardt [3] widmet der Rippenversteifung ein ausführliches Kapitel. Hier werden nur einige besonders (wichtige) allgemeine Aspekte behandelt. Bei der Rippenversteifung von Kunststoffbauteilen sind zu beachten: – Rippenlage im Bauteil – Rippenanzahl (Werkstoffaufwand) – Einspannbedingungen der Rippen im Bauteil – Rippendicke sR ≈ 0,5 bis 0,7 s, s. Wanddicke Bauteil – Kühlzeit beim Spritzgießen Bild 6-13 [3] – Anspritzrichtung (Molekül- und Faserorientierungen) – Rippenkreuzungspunkte – Rippen bei Sonder-Spritzgießverfahren wie GIT, Sicken, blasgeformte Rippen oder bei anderenVerarbeitungsverfahren wie Pressen, Schäumen, Gießen (RIM, RTM) Mit den folgenden Bildern werden einige Erfahrungen beim Spritzgießen dokumentiert. Es ist abzuwägen, ob die jeweils vorliegende Beanspruchung einen Radius erforderlich macht, oder ob die wirtschaftlichere Lösung mit einem kleineren Radius tragbar erscheint. Die Anwendungen der richtigen Entformungsschräge bei Rippen ist besonders wichtig, Bild 6-15. Der Kunststoff schwindet auf Werkzeugbereich wie z. B. Kerne auf. Damit das Formteil bei Auswerfen nicht zerstört wird, ist eine Entformungsschräge erforderlich. Insbesondere genarbte Flächen benötigen je nach Lage zur Entformrichtung sehr viel größere Entformungsschrägen.
474
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-13. Zusammenhang Rundungsradius R auf den Spannfaktor im Kerbgrund
Bild 6-14. Einfluss von Rippendicke und Rundungsradius auf die Abkühlzeit eines verrippten Spritzgussteils. Der Durchmesser des Kontrollkreises gibt die größte abzukühlendeWanddicke an. [3]
Bild 6-15.
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen
6.1.2.5
475
Ebene Flächen vermeiden
Die Herstellung ebener Flächen im Spritzgießen gehört mit zu den schwierigsten Prozessen. Sie neigen zum Einfallen und Beulen, weil geringste örtliche Änderungen, wie beispielsweise unterschiedliche Abkühlung im Werkzeug, Schwindung infolge Wanddickenschwankungen, Nachschwindung, Nachdruck u. a. den labilen Schwebezustand der ebenen Flächen in die eine oder andere Richtung verziehen. So ist auch der Verzug bei ein und demselben Bauteil mit ebenen Flächen selten reproduzierbar, was Abhilfeempfehlungen erschwert.
6.1.2.6
Bild 6-16. Einfluss von Schwindung und Verzug auf die Maßhaltigkeit verrippter Konstruktionen [3]
Konizität (Entformung)
Die erstarrte und abgekühlte Schmelze schwindet auf die Werkzeugteile (z. B. Kerne) auf, die die Innenkontur des späteren Bauteiles formen. Zusätzlich oder ausschließlich haftet das Formteil an den Außenkonturen des Werkzeuges. Um das spitzgegossene Bauteil entformen zu können, braucht man neben Formtrennmitteln Entformungsschrägen, Tabellen 6-3 und 6-4.
Tabelle 6-3 Entformungsschrägen für Rippen bei Thermoplast-Bauteilen
6.1.2.7
Entformungsschräge Werkstoff
Bei niedriger Rippe (< 25mm)
Bei tiefer Rippe (> 25mm)
PBT PBT GF POM PA PA GF PET
0–0,25° 0,5° 0–0,25° 0,125° 0,2 –0,5° 0,5°
0,5° 0,5–1° 0,5° 0,25–0,5° 0,5–1° 0,5–1°
Tabelle 6-4 Richtwerte für Entformungsschrägen [5] Werkstoff
Winkel in Grad
PA, POM, PE-HD, ABS, PP PBT, SB PS, SAN, PC
0,5 1 1,5
Die Verarbeitungsschwindung übt bei ungefüllten und gefüllten verrippten Thermoplastkonstruktionen einen weiteren gewichtigen Einfluss auf deren Maßhaltigkeit aus (siehe auch Kapitel 4.1.7).
Hinterschneidungen
Mit dem Grad der Integration von Funktionen und Montagefolgeschritten (werkzeugfallende Bauteile) in das Verarbeitungswerkzeug nehmen dessen Komplexität und u. a. auch Hinterschneidungen und damit Werkzeugkosten zu. Zwangsentformungen überwinden bis zu einem gewissen Grad solche Hinterschneidungen. Entscheidend dabei ist, dass die zulässige Spannung (Streckspannung) bei der herrschenden Entformtemperatur nicht überschritten wird. Für eine Zwangsentformung kreisförmiger Hinterschneidungen in einem dosenförmigen Teil ist für POM bei der Entformungstemperatur von 100 °C eine maximale Deckung von ≤ 3 % erlaubt. Damit liegt die zulässige maximale Streckspannung unter 18 MPa. Werkzeugtechnisch löst man Hinterschneidungen mit beweglichen Schiebern auf, oder in komplizierten Situationen mit faltbaren Kernen (Innengewinde oder innenliegende Hinterschneidungen). Eine weitere Möglichkeit zur Entformung von Hinterschneidungen bieten Schmelzkerne (für größte Stückzahlen) oder die Herstellung von Halbschalen und deren Verschweissen. Zur Vermeidung von Hinterschnitten gibt es eine Reihe kreativer Lösungen. Bild 6-17 zeigt am Beispiel eines Schnapphakens eine Lösung.
476
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-17. Vermeidung von Schiebern (Originalquelle unbekannt)
Bild 6-18. Bindenaht bei Durchbrüchen bzw. Bohrungen (Originalquelle unbekannt)
Die Lösung nach Bild 6-17 hat jedoch den Nachteil einer Bindenaht beim Zusammenfließen der Schmelzeströme. Bild 6-18 zeigt qualitativ die Festigkeit entlang der Bindenaht. Diese stellt eine deutliche lokale Schwächung dar, die mit der Entfernung verschwindet. Als Reduktion dieser Schwäche kann mehr und heissere Schmelze dienen und eine Wandverdickung. Dies ist besonders bei filigranen Strukturen (Schnappelementen) sehr wichtig. Besonders elegant ist es, die Lage der Bindenaht (Schwachstelle) über
die Lage des Angusses oder über Fließbremsen (lokal dünnere Querschnitte) in wenigere beanspruchte Bauteilregionen zu verschieben. So gelingt beispielsweise nach Bild 6-19 Lufteinschlüsse im optischen Sichtfeld eines Bauteils durch Fließbremsen und damit durch Verschiebung des Zusammenschlusses der Schmelzeströme zu vermeiden. Beitl [6] zeigt in dem auf praktischer Erfahrung basierenden Handbuch Vor- und Nachteile von Angusskanalarten samt einfacher Berechnungen der Leistungsfähigkeit auf. Verfahrenstechnische Notwendigkeiten wie das Einbringen eines Staubodens zur Rückhaltung der kalten Masse, die Oberflächenbeschaffenheit von Angusskanälen, die Schmelzeströmung in Heißkanalverteilerblöcken, Angusskanal-Entformungen aus dem Werkeug, optimale Größenbestimmungen sind behandelte Themen. Müssen Schieber eingesetzt werden, sind Schrägschieber ohne Steuerung kostengünstiger als hydraulisch angetriebene Schieber. Dabei ist auf Werkzeugsicherungen bei Klemmen zu achten! Das Beispiel eines spritzgegossenen Montageclips, Bild 6-20, zeigt die Vermeidung von Hinterschneidung und Schieber, durch die geschickte Wahl der Trennebene in einem kostengünstigen Auf-Zu-Werkzeug.
6.1.2.8
Bearbeitung, nur so genau als nötig
Überhöhte Toleranzanforderungen erzwingen keine höhere Qualität sondern führen vermutlich zu höherem Ausschuss. Daher soll ein Bauteil nur so eng toleriert werden wie es seine Funktionserfüllung erfordert.
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen
6.1.2.9
477
Möglichkeiten der Integration von Funktionen ausschöpfen (werkzeugfallende Bauteile)
Was in dieser Auflage auf das Spritzgießen beschränkt bleiben muss, gilt allgemein für alle Verarbeitungsverfahren (Pressen, Extrudieren, Rotationsgießen, Umformen u. a.). Allerdings hat jedes Verfahren seine spezifischen Chancen und Hemmnisse, mehr oder weniger Integration von Funktionen oder Folgeschritte zu realisieren. Das Spritzgießen bietet sich dazu infolge seiner enormen Variantenvielfalt besonders an. Kunststoffbauteile werden durch Integration von Funktionen oder Prozessfolgeschritte in das Verarbeitungswerkzeug (werkzeugfallende Produkte) besonders wirtschaftlich. Wie oben schon ausgeführt, wird dadurch meist die Konstruktion des Werkzeuges komplizierter und damit teuerer. Am Hochlohn-Standort Deutschland ist dies jedoch für großserienfähige Produktionen ein Vorteil. Die Werkzeugtechnik wird zum Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb zu Billiganbietern aus anderen Ländern. Wie alle neuen Technologien, so auch die der werkzeugfallenden Bauteile, bedarf es einer Schulung des Denkens und Handelns. Hier gibt es in Deutschland immer noch große Potentiale! Im folgenden sollen bekannte und weniger bekannte Beispiele diese allgemeinen, einleitenden Sätze veranschaulichen. Bild 6-19. Beispiele für Fließbremsen – optisches Bauteil [3]
Bild 6-20. Montageclip ohne Hinterschneidung und Werkzeugschieber (Originalquelle unbekannt)
Bekannte Beispiele – metallische Einlegeteile wie Gewindebuchsen, Haken, Stecker u. a. sind Stand der Technik – Einlegeteile aus Kunststoffen oder gebündelte Verstärkungs (Glas)-Fasern als Zugschlaufen oder Torsionsstäben sind schon seltener (s. unten) – Gelenkverbindungen, wie das bekannte Beispiel des „werkzeugfallenden Affen“ (Fa. Ferromatik-Milacron [7], Bild 6-21, führen direkt zur Montage von Kunststoffbauteilen im Spritzgießwerkzeug, wie Befestigungselemente mit beweglichen Bügeln [8], Kugelgelenke [9], Verbindungsstecher [10] Lüfterklappe [11] – lösbare Schraubenverbindung, im Spritzgießwerkzeug „montiert“, Bild 6-22, [12] – Umbug, bei hinterspritzgegossenen Kunststoffbauteilen mit Dekoroberfläche, Bild 6-23, [12] – gezielt kombinierte Werkstoffe im z. B. Mehrkomponentenspritzguss mit unterschiedlichem Längenausdehnungskoeffizienten und Deformationsverhalten, wie anschraubbare Mischerdüse an Wasserhähnen. Gittermembran besteht aus Polysiloxan-Gummi und reinigt sich bei Verkalkung von selbst (Neuheit auf K 04)
478
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-21. Gelenkverbindung: werkzeugfallender Affe [7]
Bild 6-23. Umbug [12]
Bild 6-24. Abmessungen eines Filmscharniers Bild 6-22. im SGW „montierte“, nach Produktnutzung lösbare Schraubverbindung [12]
drehbares Werkzeug; 4 SGM 1. Rumpf – Material PA6 GF15 2. Kopf – Material PBT oder POM – PBT/POM und PA sind unverträglich – PBT/POM schwinden mehr als PA → Kopf beweglich 3. Haare, Augen – Material PE – PBT/POM und PE sind unverträglich – PE schwindet auf Kopf → Haare sind fest 4. Extremitäten – Material POM – POM und PA sind unverträglich
– POM schwindet geringer als PBT aber mehr als PA → dadurch Extremitäten schwerer beweglich (Position wird gehalten) als Kopf bei Variante PBT – Filmscharniere, sind als Verbindung zweier beweglicher Teile in das Spritzgießen von Kunststoffbauteilen integrierbar, Bild 6-24. Berechnungsgrundlagen sind vorhanden [3], [13], [14], Bild 6-25. Die Anforderungen an den Werkstoff sind • hohe Zähigkeit • leichte Verformbarkeit • hohe Biegewechselfestigkeit im orientierten Zustand
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen
479
Das folgende Beispiel, auch aus [3], verdeutlicht die Zusammenhänge. Beispiel: Wie groß sollte die Länge eines Filmscharniers (Länge der Dünnstelle) sein, wenn dieses bei einem Biegewinkel von 180° mindestens 104 Lastwechsel ertragen soll? Dicke der Dünnstelle = 0,3 mm Sicherheitsbeiwert = 1,5 Werkstoffe: POM, alternativ PP
Randfaserdehnung εa Länge L der Dünnstelle Dicke s der Dünnstelle
s · Δαrad π εa = 0 mit Δαrad = 5 · Δα° 2·L 180 s · Δα L=8 2·ε 2·n·ε s=0 Δα
Bild 6-25. Berechnung eines Filmscharniers nach [3]
Für Filmscharniere werden daher diese Werkstoffe eingesetzt: PE, PP auch verstärkt, POM, PBT, thermoplastische Elastomere. Bei nur einmaligem Fügen können auch andere Kunststoffe wie PA GF eingesetzt werden. Tabelle 6-5 stellt Dehnungskennwerte für ausgewählte Kunststoffe und gemessen an Filmscharnieren gegenüber [3].
Weniger bekannte, neuere (z. Tl. visionäre) Beispiele für Integration von Funktionen – ein spritzgegossener werkzeugfallender PKW-Kühler, ggf. mit Aluminiumlamellen als Einlegeteil, verbindet die Gasinnendruck-Technik (GIT) mit werkstofflichen Neuerungen aus dem Bereich der immiscible blends, Bilder 6-26, 6-27 und 6-28; ausführlicher ist das Beispiel in [15] beschrieben. – werkzeugfallende monostoff Instrumententafel mit spritzgegossenem oder gepresstem langglasfaserverstärktem Träger aus PP, PP-Schaum und PP Integralkant mit 1,5 Spritzgießwerkzeugen, Bild 6-29. In das Werkzeug eingekoppelte Mikrowellen schäumen die PP-beads auf. – über die Wahl neuer Treibmittel mit Aktivierungstemperaturen oberhalb der Polymerschmelztemperatur lassen sich, wiederum über Mikrowellen, örtliche Aufschäumungen innerhalb oder außerhalb des Verarbei-
Tabelle 6-5 Dehnungskennwerte für einige Polymerwerkstoffe, gemessen nach ISO 527, und als bauteilspezifische Werte gemessen an Filmscharnieren [3] Werkstoffe
Streckdehnung εy in %
Nominelle Dehnung εt in %
Dehnungsausschlag εa in % nach 104 LW
Dehnungsausschlag εa in % nach 105 LW
PP (1100L)
10
> 50
60
60
PA 6 (B3K, feucht)
20
> 50
55
45
PA 66 (A3K, feucht)
20
> 50
50
40
PA 66–GF30 zähmodifiziert (A3ZG6)
5 Bruchdehnung
*
4
3
POM (H2320)
10
35
35
30
POM–GF15 (N 2200 G3)
3 Bruchdehnung
*
3
2
PBT (B 4500)
3,5
> 50
25
20
* Werkstoffkennwert trifft für diesen Werkstoff nicht zu
480
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-26. Prinzip der GIT-Herstellung aus PA6 eines werkzeugfallenden PKW Kühlers
Bild 6-28. Lichtmikroskopische Aufnahme von gemischtem PA und PP bei Anwesenheit geringer Mengen Ruß. Die entmischten leitfähigen Bahnen sind erkennbar. Ruß lagert sich bevorzugt am unpolaren PP an.
Bild 6-27. Immiscible blends aus PA und PP und ca 0,5 Masseprozent Ruß Prinzipbild zeigt leitfähige Pfade nach optimierter Mischtechnik
tungswerkzeuges erreichen, beispielsweise auch bei Textilien (Schutz bestimmter Körperteile) oder bei Verpackungen (Ecken, Kanten u. a.), Bild 6-30, [16]. – EMV-Abschirmungen von Kunststoffgehäusen oder einzelne Leiterbahnen lassen sich über metallfaserverstärkte
Kunststoffe durch ein Anlegen von Magnetfeldern an das Spritzgießwerkzeug im Schmelzezustand des Polymer erreichen, Bild 6-31 und 6-32, [16]. – Einlegen von Glasfasergeweben zur örtlichen Versteifung von langglasfaserverstärkten Kunststoffen (PP, PA, PBT, PC u. a. im LFT-D-Verfahren (Pressen). Beispiele dafür sind frontend, Unterboden, IT, Pedaleriewand, Rücksitzwand u. a., Bild 6-33, [17] Das nächste Beispiel eines coextrudierten Fensterrahmens, der außen aus dem bewährten witterungsbeständigen PVC und innen aus einem aus nachwachsenden Rohstoffen
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen
Bild 6-29. Ablaufprinzip zur Herstellung einer werkzeugfallenden PKW-Instrumententafel, [15]
Bild 6-30. Schematische Darstellung von örtlich aufgeschäumten Schutzzonen bei Produkten, [16]
481
482
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-33. Front-end Struktur aus PP GF LFT-D mit örtlicher Glasfasergewebe-Verstärkung im Bereich des oberen (rückseitig stark verrippten!) Biegeträgers (Fraunhofer ICT)
Bild 6-31. Prinzip der Verschiebung von magnetischen Füllstoffen in Polymeren während der Verarbeitung [16]
Bild 6-34. Coextrudiertes Fensterprofil aus PVC außen und Arboform® innen, [18]
Literatur zu Kapitel 6.1 [1]
Bild 6-32. Lichtmikroskopische Aufnahmen von örtlich aufkonzentrierten Metallfasern in PMMA durch Magnetfelder in der Schmelzephase [16]
[2] [3] [4]
[5]
®
(Arboform : Lignin + Miscantusfasern) mit geschäumtem Innenprofil und dicker Integralschicht besteht, verdeutlicht auch die Kreativität der Funktionenintegration beim Extrudieren, Bild 6-34, [18].
[6]
Kulik N (1999) Dünnwandtechnik. Kunststoffe 89 (1999) 9, S 92-96 NN (1992) Ultraform. BASF Firmenzeitschrift Erhard G (2004) Konstruieren mit Kunststoffen. 3. Aufl, Hanser Verlag, München Dietmann H (1992) Einführung in die Elastizitätslehre und Festigkeitslehre. 3. Aufl, Kröner Verlag Stuttgart, 170 S, Abb. A6 Wimmer D (1989) Kunststoffgerecht Konstruieren. Hoppenstedt, Darmstadt Beitl F (2006) 1000 Tipps zum Spritzgießen. Bd 3: Angusskanaltechnik – Grundlagen mit Praxisanleitungen. Hüthig, Heidelberg, ISBN-10: 3-7785-3989-2
6.1 Konstruieren und Gestalten mit Kunststoffen [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15]
[16]
[17]
[18]
[19]
[20]
NN (1982) Werkzeugfallender Affe. Fa. FerromatikMilacron Fa Fischer Werke, Tumlingen Fa. Unimog, Mannheim Fa. Bosch, Waiblingen Fa. VW, Wolfsburg Fraunhofer ICT, Pfinztal NN Filmgelenk aus technischen Kunststoffen. Firmenschrift Nr. B.3.5, Hoechst NN Technische Informationen für Experten. BASF, Nr. 02/96 Eyerer P (1999) Werkzeugintegrierte Montage. In: Kunz J et al. (1999), Augsburg: WEKA 1999 ff, Teil 3, Kapitel 7.3, S 1–3 Eyerer P, Elsner P (1985) Using plastics to make new products. Journal of Polymer Engineering 18(1998)5, S 301–339 Henning F et al. (2001) Load Oriented One-StepTWINTEX-Sandwich Structure. Paper R910, SPE First Annual Global Autom. Comp. Conference, September 19th-20th Eyerer P (2002) Kunststofftechnik heute und übermorgen. Vortrag auf dem 13. IST Techno-Apéro, Schaffhausen, 19. November 2002 Matteck C (2006) Verborgene Gestaltgesetze der Natur. Optimalformen ohne Computer. Forschungszentrum Karlsruhe, 126 S, ISBN-10 3-923704-53-4 Matteck C (2003) Warum alles kaputt geht. Form und Versagen in Natur und Technik. Forschungszentrum Karlsruhe, 208 S, ISBN 3-923704-41-0
Weiterführende Literatur Ticona Technologie Literatur (CD): B.1.1 Stirnradgetriebe mit Zahnrädern aus Hostaform, Celanex und GUR Die Broschüre beschreibt Anforderungen an Stirnradgetriebe, stellt Werkstoffe und Werkstoffpaarungen vor und erläutert die Berechnung von gerad- und schrägverzahnten Zahnrädern. Berechnungs- und Anwendungsbeispiele runden die Broschüre ab. April 1997/6. Aufl B.2.2 Schneckengetriebe mit Schneckenrädern aus Hostaform. Die Broschüre enthält Belastungskennwerte, mit deren Hilfe Schneckengetriebe und Schneckenräder aus Hostaform ausgelegt werden können. Berechnungsbeispiele erläutern die Anwendung. Dezember 1992/5. Aufl B.2.3 Gleitlager aus technischen Kunststoffen. Messungen an Kunststoff Gleitlagern aus verschie denen Werk-
483
stoffen - Hinweise zum Einbau – Anwendungsbeispiele. August 2000 B.3.5 Filmgelenke aus technischen Kunststoffen. Die Broschüre beschreibt Herstellverfahren, Werkstoffe und die Berechnung von Filmscharnieren, enthält die dafür erforderlichen Werkstoff-Kennwerte und gibt Verarbeitungshinweise. Den Abschluss bilden Berechnungsund Anwendungsbeispiele. Januar 1996/3. Aufl
darin zitierte Literatur: B.1.1: – Niemann G, Winter H Maschinenelemente. Bd II, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York/ Tokio, 1985 – VDI 2545 Zahnräder aus thermoplastischen Kunststoffen. – DIN 3960 Begriffe und Bestimmungsgrößen für Stirnräder und Stirnradpaare mit Evolventenverzahnung – DIN 58 405 Stirnradgetriebe der Feinwerktechnik – DIN 58 400 Bezugsprofil für Stirnräder mit Evolventenverzahnung für die Feinwerktechnik – DIN 867 Bezugsprofil für Stirnräder mit Evolventenverzahnung für den allg. Maschinenbau – DIN 3964 Achsabstandsabmaße und Achslagetoleranzen von Gehäusen für Stirnradgetriebe – DIN 3967 Getriebe-Passsystem, Flankenspiel, Zahndickenabmaße und Zahndickentoleranzen, Grundlagen, Berechnung der Zahndickenabmaße, Umrechnung der Abmaße für die verschiedenen Messverfahren – Hachmann H, Strickle E Polyamide als Zahnradwerkstoffe. Konstruktion 18 (1966) 3 B.2.2: – DIN 3975 Begriffe und Bestimmungsgrößen für Zylinderschneckengetriebe mit Achswinkel 90° – Thomas A K, Charchut W Die Tragfähigkeit der Zahnräder. Carl-Hanser Verlag, München, 1971 – Klein B Wirkungsgrad und Selbsthemmung an Schneckengetrieben. ant. Antriebstechnik 19 (1980) 9 – Debrunner R: Wirkungsgrade von Klein-Schneckengetrieben und ihre Beeinflussungsfaktoren. ant. Antriebstechnik 19 (1980) 11 – Schmidt H Schneckengetriebe mit Schneckenrädern aus Hostaform. ant. Antriebstechnik 24 (1985) 3 B.2.3: – Bartz W J et al. Selbstschmierende und wartungsfreie Gleitlager. Expert Verlag, 1993 – ISO/FDIS 7148-22 1999 (E) Plain bearings – Testing of the tribological behaviour of bearing materials – Part 2: Testing of polymer-based bearing materials; 1999 E
484
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
– DIN ISO 4378-2 Gleitlager – Begriffe, Definitionen und Einteilung – Teil 2: Reibung und Verschleiß. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 1999 – Halach G Gleitreibungsverhalten von Kunststoffen gegen Stahl und seine Deutung mit molekularmechnischen Modellvorstellungen. Dissertation Uni Stuttgart, 1974 – Erhard G, Strickle E Gleitelemente aus thermoplastischen Kunststoffen. Kunststoffe 62 (1972), Teil 1: S 2–9, Teil 2: S 232-234, Teil 3: S 282–288 – VDI-Richtlinie 2541 Gleitlager aus thermoplastischen Kunststoffen, 1975 – DIN ISO 6691 Entwurf: Thermoplastische Polymere für Gleitlager; Klassifizierung und Bezeichnung. Januar 1999 – Ticona GmbH Fortron Chemical Resistance Guide, Version 3.0. – Ticona GmbH GUR; Beständigkeit gegen Chemikalien und andere Medien. – Ticona GmbH Werkstoffbroschüre GUR – Untersuchungsbericht der Forschungsgesellschaft für Uhren- und Feingeräte-Technik e.V. Stuttgart vom 26.03.1981 – Flöck J, Friedrich K Bestimmung des Haftreibungskoeffizienten verschiedener POM-Paarungen. IVW-Bericht 97-84, Kaiserslautern, 1997 – Erhard G Konstruieren mit Kunststoffen. Hanser Verlag, München, Wien, 1993 – Ticona GmbH B.3.4 Berechnen von Pressverbindungen – Ticona GmbH C.3.5 Outsert-Technik mit Hostaform – Ticona GmbH C.3.3 Gestalten von Formteilen aus technischen Kunststoffen – Erhard G, Strickle E Maschinenelemente aus thermoplastischen Kunststoffen. VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf, 1978 – Detter H, Holecek K Der Reibungswiderstand und die Beanspruchung von feinmechanischen Lagern im Trockenlauf bei kleinen Gleitgeschwindigkeiten. Feinwerktechnik 74 (1970) 11 – Meldt R, Röber H Polyacetale und Polyalkylenterephthalate helfen Gleitprobleme lösen. Konstruktion 25 (1973) S 357–363 B.3.5: – VDI/VDE 2252, Blatt 9: Feinwerkelemente; Führungen, Federgelenke (Entwurf Oktober 1987) – Löw W Blasformen von technischen Teilen aus Polypropylen. Kunststoffe 78 (1988) 12, S 1155–1160 – Lutz C, Polsack A Morphologische Veränderungen von i-Polypropylen bei einachsiger Zugbeanspruchung. Mitteilung aus dem Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde (IKP), Universität Stuttgart
– DIN 53 442 Prüfung von Kunststoffen, Dauerschwingversuch im Biegebereich an flachen Probekörpern. Entwurf Augugst 1988 – Schmidt H Filmgelenke aus verstärktem Polypropylen und aus Acetalcopolymerisat. Plastverarbeiter 34 (1983) 9, S 774–780 – Weißmantel H, Kapp L Filmgelenke zur Funktionsintegration bei Kunststoffteilen. Feinwerktechnik und Messtechnik 93 (1985) 2, S 89–91 C.3.5 Outserttechnik mit technischen Kunststoffen Mit der Outsert-Technik lassen sich Kunststoff-Funktionsteile auf beide Seiten einer metallischen Platine spritzgießen. Die Broschüre enthält eine kurze Beschreibung der geeigneten Hostaform-Typen und der Platinenwerkstoffe und gibt dann detaillierte Hinweise zur Konstruktion der unterschiedlichen Funktionselemente (z.B. Gleitlager, Biegefedern, Führungen, Schnappverbindungen, drehbare Funktionsteile). Hinweise zur Angußtechnik und zur Konstruktion des Spritzgießwerkzeugs sowie Anwendungsbeispiele vervollständigen die Informationen. A.2.1 Mechanische Beanspruchungen an Bauteilen aus technischen Kunststoffen. Mit dieser Broschüre soll der Konstrukteur in die Lage versetzt werden, Bauteile aus Technischen Kunststoffen anhand einer Festigkeitsberechnung zu dimensionieren. Dabei werden die aus äußeren Kräften und Momenten und die aus aufgezwungenen bzw. behinderten Formänderungen resultierenden Spannungen im Bauteil ermittelt. Datum C.3.3 Gestalten von Formteilen aus technischen Kunststoffen. Drei Faktoren bestimmen die Qualität eines Kunststoff-Formteils: die Eigenschaften der Formmasse (z.B. Molmasse, Kristallinität, Schwindung, Zeitstand- und Alterungsverhalten), ihre Verarbeitung (Masse- und Werkzeugtemperatur, Orientierungen, Eigenspannungen) sowie die Formteilgestaltung (Kerbwirkung, Verformungsbehinderung). Die Broschüre behandelt diese Einflussgrößen und erläutert, wie eine kunststoffgerechte Gestaltung bei teilkristallinen technischen Thermoplasten zu Formteilen mit hoher Gebrauchstauglichkeit führt. Datum C.3.4 Richtlinien für das Gestalten von Formteilen Nach einer allgemeinen Darstellung des Zusammenhangs mit den Verarbeitungsbedingungen beschreibt die Broschüre für über 20 charakteristische Geometrien, wie eine gute Übereinstimmung mit der Sollform zu erreichen ist. Anwendungsfotos zeigen, wie sich konstruktiv bedingte Fehlstellen vermeiden lassen. Datum
6.2 Fügen und Verbinden Berger K-F, Kiefer S (Hrsg) Dichtungstechnik. Jahrbuch 2007, (Fachbuchreihe 2004, 2005, 2006), isgatec, Mannheim, 2007 Bilas I Antimikrobielle Ausrüstung von 3D-Gewirken. Kunststoffe 97 (2007) 2, S 90–91 Campo EA (2006) The Complete Part Design Handbook. Hanser Verlag, München, ISBN-10 3-44640309-4 Cronau T, Schmidt H Spiegeloptik ohne sichtbare Bindenähte. Kunststoffe 96 (2006) 11, S 49–51 Essinger J Heißkanäle für flammwidrig eingestellte Polyamide (maschinenschonend Spritzgießen). Kunststoffe 97 (2007) 2, S 48–50 Finis F Druckbehälter aus thermoplastischen Werkstoffen. Universität Kassel, Dissertation 2005, Kassel, 183 S ff Medizin Jakob T Mehrkomponententechnik im Reinraum. Kunststoffe 97 (2007) 2, S 92–94 Joachimi D, Zimnol R, Meinerding L (2007) Rohrsysteme im Motorraum. Kunststoffe 97(2007)11, S 126–128 Kaufmann G, Buchet Y (2007) Duo-Lamination für mehrfach dekorierte Teile – Kosteneffiziente Verfahrensintegration. Kunststoffe 97(2007)3, S 88–90 Kniesbein B et al. Befüllen einer flexiblen Folienverpackung. Kunststoffe 97 (2007) 2, S 83–89 Kunststoffe Automotive Special: Konstruktiver Leichtbau. Kunststoffe 97(2007)1, S 80–98 Loerwald D, Seul Th (2007) Patientengerechtes Produktdesign (Blutzuckermessgeräte). Kunststoffe 97(2007)7, S 83–86 Methner M Laser-Sintern als Patentrezept. Kunststoffe 97 (2007) 2, S 78-79 Michaeli W, Michaelis I Verschlusssysteme für die Herzscheidewand. Kunststoffe 97 (2007) 2, S 96–97 Moritzer E Scheinwerferkomponenten aus Duroplast. Kunststoffe 96 (2006) 11, S 112–115 NN 6-fach-Heißkanalwerkzeug für Kaffeeglas-Deckel (Praxisbeispiel). Kunststoffe 97 (2007) 2, S 56–57 NN 16-fach-Heißkanalwerkzeug für medizinische Verpackungsteile (Praxisbeispiel). Kunststoffe 96 (2006) 11, S 56–57 Paulmann D Drahtzieher im Hintergrund – Heißkanallösung für Endkappe. Kunststoffe 96 (2006) 11, S 52–55 Römer M (2007) Modulare Konzepte für leichte Motoren (Zylinderkopfhaube, Ölabscheider, Saugrohre, Steuerund Regelklappen, Steckverbinder). Kunststoffe 97 (2007)3, S 102–105 Schuck M, Kuhnert I, Schmachtenberg E (2007) Fachtagung Montagespritzgießen (Tagungsband). LKT Erlangen, November 2007, 262 S Siebert A et al. (2007) Kunststoffgehäuse auf dem Motorenprüfstand. Kunststoffe 97(2007)11, S 129–132
485
Sonntag R Automatisierungskonzepte im Reinraum. Kunststoffe 97 (2007) 2, S 80–82 Stauber R, Vollrath L (Hrsg) (2007) Plastics in Automotive Engineering. Hanser Verlag, München, 407 S, ISBN 978-3-446-41120-3 Zimnol R, Klocke M (2007) Konstruieren mit neuen Freiheiten (hochgefüllte Polyamid6-Typen). Kunststoffe 97(2007)9, S 232–236 Zuber R, Hintenlang G, Bader S (2007) Bei hohen Temperaturen belastbar – Radial-Wellen-Dichtringe RWDR. Kunststoffe 97(2007)3, S 106–108
6.2
Fügen und Verbinden
Dieses wichtige Kapitel kann erst zur nächsten Auflage (2010 zu erwarten) vervollständigt werden. Bild 6-35 aus DIN 8580 gibt einen Überblick zu Fertigungsverfahren der Fügetechnik. Die angefügten Quellen mögen eine Vertiefung erlauben.
6.2.1
Kunststoffschweißen Helmut Schüle
Das thermomechanische Verhalten von Kunststoffen unterscheidet sich signifikant von dem der Metalle – während metallische Werkstoffe klare Phasenübergänge von fest nach flüssig bzw. von flüssig nach gasförmig aufweisen, beginnen thermoplastische Kunststoffmaterialien bei der so genannten Glastemperatur Tg weich zu werden und sukzessive bei Temperaturerhöhung die Viskosität zu verringern. Die Viskosität bleibt aber weit über der der flüssigen Metalle. Bei höheren Temperaturen beginnen sich Polymere in der Regel zu zersetzen; sie werden geschädigt. Beim Prozess des Schweißens wird der Werkstoff der zu fügenden Teile in der Fügezone durch Zufuhr von Energie (Wärme) in den schmelzeflüssigen Zustand überführt und beide Teile werden unter Druck zusammengefügt. Daraus geht hervor, dass aus den drei Werkstoffgruppen Duroplaste, Thermoplast und Elastomere sich nur Thermoplaste verschweißen lassen, da nur sie in den Schmelze-(thermoplastischen) Zustand überführt werden können. Um die zu schweißenden Werkstoffe in den plastischen Zustand zu überführen, kommen folgende physikalische Prozesse zur Anwendung: – Wärmeleitung . . . → Schweißen mit festen Körpern → Schweißen mit Materialzufuhr – Konvektion . . . . . → Schweißen mit Gas – Strahlung . . . . . . . → Schweißen mit Strahl – Reibung . . . . . . . . → Schweißen mit Bewegung – Induktion . . . . . . . → Schweißen mit Strom
486
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-35. DIN 8580 – Fertigungsverfahren
Neben der Energiezufuhr in der Fügezone ist der Druck ein weiterer wichtiger Parameter. Die Fließbewegung unter Druckeinwirkung in der Nahtebene bewirkt eine Verknüpfung der Molekülketten in der Grenzfläche und sorgt damit für die stoffschlüssige Verbindung beider Teile. Zu Temperatur und Druck folgt der dritte Parameter, die Einwirkzeit. Bei zu hohen Temperaturen erfolgt abhängig von der Schweißzeit eine unerwünschte Zersetzung der Thermoplaste, bei zu geringen Temperaturen und zu kurzer Einwirkzeit resultiert keine ausreichende Schmelze. Wird der Schweißdruck zu hoch gewählt, wird die Schmelze aus der Fügezone verdrängt, bei zu niedrigem Druck kommt es zu Lufteinschlüssen. In Bild 6-36 sind die in der DIN-Norm 1910 Teil 3 nach der „Art der Energiequellen“ eingeteilten Verfahren, in Anlehnung an diese, nach der „Art der Energieeinbringung“ abgewandelt und aufgelistet [1]. Eine Besonderheit bei der Einteilung bilden die Schweißverfahren bei denen Material zugeführt wird. Aufgrund dieser Eigenart sind sie im Grunde gesondert zu betrachten aber durch die Vielfalt der Verfahren und beliebiger Misch-
formen ist dieser Aufwand nicht gerechtfertigt und so soll aus Gründen der Vollständigkeit nur darauf verwiesen werden.
6.2.1.1
Prinzipielle Verfahrensschritte [3]
Das Prinzip des Kunststoffschweißens beruht auf dem lokalen Aufschmelzen der Fügeflächen durch zeitlich begrenzte Wärmeeinbringung und dem gleichzeitigen oder anschließenden Fügen bzw. Fixieren unter Druck. Unabhängig von verwendeten Verfahren wird dabei eine Schmelzschicht erzeugt, in der unter dem Parameter Druck, Scher- und Dehnströmungen auftreten. Daraus ist zu begründen, dass sich nur Thermoplaste annährend gleicher Viskosität verschweißen lassen. Dabei dürfen auch die Schmelztemperaturen nicht zu sehr auseinanderliegen. Neben den Oberflächenspannungen spielen auch die Wärmeausdehnungskoeffizienten und die Schwindungseigenschaften eine wichtige Rolle. In der Praxis schweißt man nur Thermoplaste innerhalb der Einteilung „Amorph“ und „Teilkristallin“.
6.2 Fügen und Verbinden
487
Bild 6-36. Möglichkeiten der Energieeinbringung beim Schweißen von Kunststoffen [1]
Für alle Schweißverfahren kann man stellvertretend fünf Arbeitsschritte nennen, die einen guten Prozess ausmachen. Diese Arbeitsschritte können je nach Verfahren sequentiell, also nacheinander oder auch teilweise simultan ablaufen: – Oberflächenvorbereitung Die Oberflächen der zu fügenden Teile müssen trocken, staub- und fettfrei sein. Gegebenenfalls müssen vorhandene Oxidschichten durch Abziehen mit einer Abziehklinge entfernt werden.
– Erwärmung Es gibt verschiedene Verfahren, die thermoplastischen Teile zu schmelzen. Dabei soll die Erwärmungszeit bzw. Energiemenge so zu wählen sein, dass ausreichend Schmelze für die Fügepartner zur Verfügung steht. – Fügedruck Sind die Fügeflächen vorbereitet, muss ein ausreichender Druck die Fügepartner zusammendrücken. Der Druck darf nicht zu schwach sein, sonst treffen Fronten
488
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-37. Wertung von Rohstoffkombinationen hinsichtlich ihrer Verträglichkeit
Wertung der einzelnen Schweißverfahren nach Ehrenstein [7] Vorteile
Nachteile
Anwendung/Teileart
Nahteigenschaften
Heizelementschweißen (Wärmekontakt)
Hohe Prozesssicherheit bei minimaler Fehlermöglichkeit, umfangreiche Kenntnisse vorhanden
Eingeschränkte Werkstoffpalette durch Haftung am Heizelement, lange Zykluszeit, hoher Energiebedarf
Serienschweißen: Formteile wie Rückleuchten, Haushaltsgeräte; Handwerk: Apparate- und Rohrleitungsbau, Fenster
hohe Kurz- und Langzeitfestigkeiten bis zur Materialfestigkeit, deutliche Wulstbildung
Wärmekontakt-schweißen/ Siegeln von Folien und Bahnen
Universell einsetzbar
Probleme bei dicken Folien
Verpackungen: Folien, Verbundfolien (Papier, Aluminium), Träger mit Siegelschicht
Haltfestigkeit einstellbar von „fest“ bis „peelbar“
Warmgasschweißen
einfache Schweißgeräte, hohe Flexibilität, Eignung für Zwangslagen
geringe Schweißgeschwindigkeit, Schweißdraht nur für einige Kunststoffe erhältlich
Apparate- und Rohrleitungsbau, Einzelfertigung aus Halbzeugen, Deponie- und Dachbahnen
hoher manueller Einfluss, große Prozessunsicherheit
Warmgasextrusionsschweißen
einfache Schweißvorrichtung, hohe Flexibilität, hohe Auftragsmenge, automatisierungsfähig
geringe Schweißgeschwindigkeit, spezieller Schweißschuh für jede Nahtform, Schweißdraht nur für einige Kunststoffe erhältlich
Apparate- und Behälterbau, Abdichtungstechnik im Erd- und Wasserbau, Wanddicke ab 5 mm, Reparaturschweißungen
gute Schweißqualität, geringer manueller Einfluss
6.2 Fügen und Verbinden
489
Vorteile
Nachteile
Anwendung/Teileart
Nahteigenschaften
Heizstrahlerschweißen/ Heizelementschweißen mit berührungslosem Erwärmen
keine Probleme mit Anhaften der Schmelze am Heizelement wie beim Wärmekontaktverfahren
Erwärmzeit von Pigmentierung abhängig, nur geringe Toleranz zulässig, sehr hohe Temperatur – hoher Energiebedarf
Schweißen in der Serienfertigung von Bauteilen wie Filter, Schwimmer, auch im Rohrleitungsbau
wie Heizelementschweißen
Laserstrahlschweißen
keine mechanische Belastung, kein fusseliger Abrieb, örtlich begrenzte Wärme, komplizierte 3D-Konturen ausführbar
bei Durchstrahlverfahren müssen Fügeteile unterschiedliche Absorptionseigenschaften aufweisen
Durchstrahlschweißen in der Serienfertigung von empfindlichen Teilen: Sensoren, Elektronikgehäuse, Behälter
Dichtschweißung abhängig vom Verfahren möglich
Ultraschallschweißen
sehr kurze Zykluszeiten, gut automatisierbar, energieeffizient
spezielle Nahtkonturen erforderlich, bei Dichtschweißung Größe begrenzt, Schallschutz notwendig
Serienschweißen von kleinen und mittleren Bauteilen der Auto-, Elektro- und Hausgeräteindustrie
geringe Schmelzeschichtdicke, dadurch nur mittlere Nahtfestigkeit
Rotationsreibschweißen
kurze Zykluszeit, Schweißvorrichtung kann improvisiert werden (z. B. Drehmaschine)
Einschränkung auf Teile mit rotationssymmetrischer Naht
Serienschweißen und Einzelanfertigung von Teilen mit mindestens einer rotationssymmetrischen Fügefläche
hohe Verbindungsfestigkeit durch z.B. vergrößerte Nahtfläche
Vibrationsschweißen
kurze Zykluszeit, mehr als 2 Teile zu verbinden, für große Teile geeignet (Stoßfänger), energieeffizient
fusseliger Abrieb nicht immer zu vermeiden, Schallschuzt z. T. erforderlich
Serienschweißen von Formteilen in der Kraftfahrzeug-, Elekrtro- und Haushaltsgeräteindustrie
gute Schweißqualität, hohe Reproduzierbarkeit
unterschiedlicher Viskosität aufeinander, die aufgrund ihrer differenten Fließfähigkeit keine Verknäuelung der Molekülketten in der Nahtstelle bewirken können. Ebenso darf der Druck nicht so groß werden, dass alle Schmelze verdrängt wird. Der Druck ist optimal, wenn die Schmelze deformiert wird, das Thermoplast fließt und die Luft aus der Naht verdrängt wird. – Intermolekulare Diffusion Der Kontakt zwischen den Polymeren an der Grenzfläche führt durch Diffusion und Verknäuelung zu einer ersten Verbindung. Die langen Polymere diffundieren dabei durch die Grenzfläche und vernetzen sich mit den anderen Molekülen. Beim Abkühlen entsteht eine zweite chemische Bindung durch das Aushärten und so die endgültige Nahtqualität. – Kühlung Der letzte Schritt im Schweißprozess ist die Kühlung und Erstarrung der Polymermoleküle an der Naht. Während des letzten Schrittes erfahren die teilkristallinen Matrices durch Rekristallisation ihre endgültige Mikrostruktur (Schrumpfung), während sich die amorphen Polymere jeglicher Orientierung ihrer ursprünglichen Situation widersetzen und alle Spannungen im Teil einfrieren. Um Verzug und Lunker zu vermeiden, soll der Druck so lange aufrecht erhalten bleiben, bis die Temperatur soweit zurückgegangen ist, dass die Verbindung einen formstabilen Zustand einnimmt.
6.2.1.2
Schweißen unter Einbeziehung von Reibung
6.2.1.2.1
Reibschweißen (Innere Reibung)
6.2.1.2.1.1 Ultraschallschweißen Beim Ultraschall-Schweißen werden mit Hilfe eines Hochfrequenzgenerators die Netzfrequenz in hochfrequente elektrische Schwingungen umgewandelt. Mit einem piezoelektrischen Wandler werden diese dann in mechanische Longitudinalschwingungen (Ultraschallbereich 20–40 Khz), welche über ein Verbindungsstück (Booster) und Schweißwerkzeug (Sonotrode) auf das Fügeteil unter Druck übertragen wird umgeformt. Die eigentliche Schmelzebildung ist neben den eingebrachten Schwingungen letztendlich vom vorliegenden materialspezifischen Verlustfaktor tan γ in hohem Maße abhängig. Die effektive Schweißzeit beträgt üblicherweise 0,2–1,5 s. Nach Beendigung der Schalleinleitung ist eine kurze Abkühlphase unter dem noch anstehenden Fügedruck bis zum Verfestigen notwendig (Bild 6-38, Bild 6-39). Da die schwingende Einheit (Wandler, Booster, Sonotrode) in Resonanz betrieben wird, ist der geometrischen Gestaltung insbesondere der Sonotrode besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ist der Abstand zwischen Sonotrodenstirnfläche und der Fügefläche kleiner 6 mm, so liegt das direkte Nahfeld-Ultraschallschweißen vor (über 6 mm indirektes UltraschallSchweißen). Grundsätzlich sind alle Thermoplaste im Nahfeld-Verfahren schweißbar.
490
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-38. Verlustfaktor tan δ
→ Insbesondere bei dünnen, länglichen Bauteilen können durch vagabundierenden Schall (Resonanzverhalten, Eigenschwingungen) Schädigungen auftreten. → Durch die hochfrequenten Schwingbewegungen entsteht beim Schweißen eine Fusselbildung. Bei den anzutreffenden Nahtvarianten zeichnen sich Energierichtungegeometrien aufgrund einer hervorragenden Schallumwandlung und einfacher Handhabung besonders aus. Bei Anforderungen hinsichtlich Dichtigkeit und Festigkeit an die Fügenaht zeigen hingegen Quetschnahtgeometrien Vorteile auf. Eine pneumatisch arbeitende Ultraschallschweißmaschine ist in Bild 6-42 dargestellt. Bild 6-39. Piezoelektrischer Wandler
6.2.1.2.1.2 Ultraschallnieten Verfahrensgrenzen: → Das Ultraschallschweißen weist sehr kurze Zykluszeiten (reine Schweißzeit <<1s) auf. → dreidimensionale Fügenahtkonturen sind grundsätzlich möglich. → Die Größe der Fügefläche ist begrenzt (< 1500 mm2)
Das Ultraschallnieten ermöglicht eine schnelle und hochwertige Verbindung thermoplastischer Formteile mit metallischen oder nicht schweißbaren Bauteilen (Mehrfachwerkzeuge sind möglich). Thermische Überbelastungen des Materials sind beim Nietvorgang aufgrund enger Erwärmungsbereiche nahezu ausgeschlossen. Zudem fließt die beim Fügeprozess entstehende Schweißwärme über die kalte So-
6.2 Fügen und Verbinden
Bild 6-40. Ablaufdiagramm des Ultraschallschweißprozesses nach Bayer
Bild 6-41. Nahtgeometrie nach Bayer
491
492
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-42. Aufbau einer pneumatischen Ultraschallmaschine nach Branson
notrode rasch ab. Auch kann bei der Herstellung der Niet mit geringer Anpresskraft, einer hohen Amplitude und einer kleinen Berührungsfläche der Sonotrodenspitze gearbeitet werden. Somit ist sichergestellt, dass ausschließlich der obere Bereich des Nietzapfens plastifiziert wird (Bild 6-43). Der Einsatz von hydraulisch gedämpften Werkzeugen in Verbindung mit Mengenreglern hat sich in praxi ausgezeichnet bewährt. Bei diesen Anlagen wird eine konstante Einsinkgeschwindigkeit sicher eingehalten und somit das plastifizierte Material vollständig ausgeformt. Nach dem eigentlichen Schweißvorgang führt die Tiefenabschaltung das System für die Dauer der eingestellten Haltezeit nach, damit die Schmelze erstarren kann.
6.2.1.2.1.3 Ultraschallpunktschweißen Bild 6-43. Der Nietvorgang
Beim Punktschweißen liegen die zu verschweißenden Formteile ohne vorbereitete Nahtstellen und ohne Energierichtungsgeber flächig aufeinander. Die Spitze der Sonotrode dringt durch die obere Platte hindurch bis in das Unterteil ein und plastifiziert so den Kunststoff in der Trennfuge
6.2 Fügen und Verbinden
Bild 6-44. Ultraschallpunktschweißen
(Bild 6-44). Das durch die Sonotrode plastifizierte Material wird nach oben verdrängt und dort durch den ringförmigen Bund in der Sonotrode gebunden. Das Punktschweißverfahren eignet sich auch für das formschlüssige Verbinden unterschiedlicher Materialien, die keine homogene Verbindung eingehen können.
6.2.1.2.1.4 Ultraschallbördeln Beim Ultraschallbördeln muss die Stirnfläche der Sonotrode mit der erforderlichen Oberflächenkontur versehen sein. Der mittels Ultraschall plastifizierte Kunststoff erkaltet bei diesem Verfahren unter dem statischen Druck der Sonotrode, so dass das Zurückfedern und damit das Lösen der Verbindung ausgeschlossen ist.
6.2.1.2.1.5 Hochfrequenzschweißen Beim Hochfrequenzschweißen wird der chemische Aufbau einiger Kunststoffe ausgenutzt. Man unterscheidet die neutralen Kunststofftypen (ohne Dipole), wie z. B. Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS), von den polaren Kunststoffen (mit Dipolen), wie z.B. Polyvinylchlorid (PVC), Polyamide (PA) und Acetate. Als Dipole werden zwei entgegengesetzte elektrische oder magnetische Pole bezeichnet. Die zu verschweißenden Folien werden bei diesem Verfahren einem hochfrequenten elektromagnetischen Wechselfeld ausgesetzt, wodurch die Dipole der Kunststoffe angeregt werden. Durch diese Anregung kommt es zur Erwärmung, und durch die anschließende Ausübung des Druckes werden die Folien miteinander verbunden.
493
Bild 6-45. Hochfrequenzschweißen (DIN 1910-3 /13/)
Die Vorteile dieses Verfahrens liegen zum einen in der Tatsache, dass es sich um ein kontinuierliches Schweißverfahren handelt, bei dem größere Bereiche ohne Absetzen des Schweißgerätes bearbeitet werden können. Zum anderen kann man mit diesem Verfahren sehr genau arbeiten, d. h. es werden nur die Bereiche erwärmt, die auch wirklich verbunden werden sollen. Nachteilig ist die begrenzte Anwendbarkeit, da nur Kunststoffe mit Dipolen verschweißt werden können. Die elektrische Polarität eines Werkstoffs wird angegeben durch seinen dielektrischen Verlustfaktor tan δ. Je größer tan δ ist, desto größer ist die Polarität und desto besser lässt sich der Kunststoff im HF-Feld erwärmen. Nachfolgend sind einige, ausgewählte Kunststoffe angegeben: Werkstoff PVC hart PVC weich PA PS PE
Verlustfaktor tan δ 0,03 bis 0,02 0,1 bis 0,01 0,04 bis 0,02 0,0008 bis 0,0003 0,0003 bis 0,0005
In Bild 6-45 ist das Prinzip des HF-Schweißens dargestellt. Ein HF-Generator wandelt den Netzstrom in einen hochfrequenten Wechselstrom um. Die obere Kondensatorplatte ist die so genannte Elektrode, die der gewünschten Schweißnaht angepasst ist. Die untere Kondensatorplatte ist der Pressentisch. Wichtig beim HF-Schweißen ist die Tatsache, dass die Wärme im Werkstoff selbst entsteht. Die Elektroden bleiben normalerweise kalt und im Vergleich zum Wärmeimpulsschweißen z. B. ergibt sich eine sehr günstige Temperaturverteilung. Das Verfahren wird vorzugsweise zum Verbinden von
494
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-46. Prinzipielle Möglichkeiten der Schwingbewegung beim Vibrationsschweißen
Folien aus PVC-weich oder mit PVC beschichteten Geweben eingesetzt. Großanwender sind die Automobilindustrie, die Täschner- sowie die Spiel- und Sportwarenindustrie. Oft werden die Werkzeuge mit Stanzschneiden oder Profilierungen versehen, die das Werkstück seitlich der Naht abtrennen und/ oder die Naht gleichzeitig mit einer Prägung versehen.
6.2.1.2.1.6 Mikrowellen-Schweißen (siehe auch Kapitel 4.1.8) Unter der Kategorie Mikrowellen-Schweißen werden alle Verfahren zusammengefasst, die eine molekulare Erwärmung der Kunststoffe durch elektromagnetische Erregung beinhalten. Dieses Verfahren arbeitet nach dem Prinzip, dass Atome und polare Moleküle durch elektromagnetische Wellen in Schwingung versetzt und somit erwärmt werden. Die Kunststoffteile mit polaren Eigenschaften werden in den Fügestellen aufeinander gepresst und einem Mikrowellen-Feld ausgesetzt. Der Wärmeeintrag erfolgt durch Phasenverschiebungen und Polarisationseffekte, die Energieverluste im Grundwerkstoff verursachen. Die Teile kühlen unter Druck bzw. wegbegrenzt ab, bis die Schmelze wieder erstarrt ist. Es werden keine Schweiß-Zusatzstoffe benötigt. Bei unpolaren Kunststoffen benötigt man zum Mikrowellen-Schweißen polare Schweißzusätze wie beispielsweise Ruß oder andere.
6.2.1.2.2
Reibschweißen (Äußere Reibung)
6.2.1.2.2.1 Vibrationsschweißen Das lineare Vibrationsschweißen hat sich neben dem Ultraschall- und Heizelement-Schweißen insbesondere im Bereich großflächiger Fügeteile in der Serienfertigung durchge-
setzt. Das Verfahren eignet sich für beliebig geformte Teile, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Verbindungsstellen ein gegenseitiges Bewegen der zu verbindenden Teile erlaubt. Beim Vibrationsschweißen (Bild 6-46) werden die Fügeteile in einer oszillierenden, translatorischen Relativbewegung unter definiertem Druck solange gegeneinander gerieben bis die Werkstoffe in den Berührungszonen aufschmelzen und ein Schmelzefluss stattfinden kann. Nach Beendigung des Vibrationsvorganges erfolgt das Abkühlen unter Druck, so dass eine stoffschlüssige Verbindung entsteht. Im Gesamtzyklus des Vibrationsschweißens sind die Vibrationsphase während der Schweißzeit und die daran anschließende Abkühlphase in der Haltezeit entscheidend für die aus den Schweißparametern resultierenden Schweißnahteigenschaften. Der Schweißzyklus kann in vier Phasen unterteilt werden, die sich anhand des zeitlichen Fügewegverlaufes charakterisieren lassen (Bild 6-47). Phase 1: In der Phase 1 werden die Reibflächen der Fügeteile durch Reibungsenergie erwärmt. Phase 2: In der folgenden instationären Phase 2 baut sich ein Schmelzefilm auf, verbunden mit ersten Fließbewegungen in dem Schweißwulst. Phase 3: In der anschließenden quasistationären Phase 3 liegt ein annäherndes Energiegleichgewicht vor. Der Fügeweg zeigt einen nahezu konstanten linearen zeitlichen Verlauf. Phase 4: Nach Beendigung der Vibrationsphase kühlen die Fügeteile unter Druck ab. Diese Haltephase wird in die dynamische Haltephase, in der die Amplitude degressiv abfällt, und in die statische Haltephase unterteilt.
6.2 Fügen und Verbinden
495
Bild 6-47. Amplitude und Fügeweg über der Zeit dargestellt nach Bayer
Die Frequenz muss auf die Resonanzfrequenz des Schwingsystems abgestimmt werden. Bei der Abstimmung der Amplitude müssen die konstruktiven Gegebenheiten der Fügeteile beachtet werden. Frequenz und Amplitude beeinflussen die Reibgeschwindigkeit und damit die in die Fügezone eingebrachte Energie. Eine Erhöhung von Frequenz und/oder Amplitude steigert die Energieeinbringung und verkürzt dadurch die Zeit zur Ausbildung des Schmelzefilms.
im ungeschweißten Zustand eine lagerichtige Positionierung des Teils vorliegt. Die konstruktive Gestaltung der Formteile richtet sich nach dem späteren Verwendungszweck des fertigen Produktes (Schweißnahtqualität). Die Formteile sollten ausreichend formsteif ausgeführt werden, besonders dann, wenn das Werkzeug nicht in unmittelbarer Nähe der Fügefläche angreifen kann. Eine ausreichende Fixierung bzw. Mitnehmermöglichkeit der Werkzeuge in Fügezonennähe ist sicherzustellen. Wie bei allen Reibschweißmethoden ist auch beim Vibrationsschweißen zur Erreichung einer günstigen Energieeinleitung Energie-Richtungs-Geber zu verwenden. Bevorzugt werden beispielsweise Nut und Feder-Nähte. Bei der Auslegung muss der Schmelzeaustritt, der beim Vibrationsschweißen meist unsauber, brüchig, optisch nicht einwandfrei ist, berücksichtigt werden. Daher ist es in den meistens Fällen zu empfehlen, Fangnuten zur Erzielung von verdeckten Nähte vorzusehen.
Varianten und Möglichkeiten: → Schweißen von Kunststoffen gleicher Art und gleichen Typs z. B. ABS – ABS → Schweißen von Kunststoffen gleicher Art, jedoch unterschiedlichen Typ z.B. unverstärkte – verstärkte → Schweißen von unterschiedlichen Kunststoffen ABS – PMMA PPE – (PC + ABS) ABS – PVC PMMA – SAN PMMA – PC PE-HD – PE-HD/ EPDM ABS – PC PC – PC+ABS) PMMA – PVC-U PA – (PPE+PA) PMMA– (PC+ABS) PP – PP/EPDM
6.2.1.2.2.2 Rotationsschweißen
Der technische Aufwand ist bei den Aufnahmewerkzeugen sehr groß, um die Vibrationsamplitude gleichmäßig auf den Schweißnahtbereich zu übertragen. Für eine ausreichende Fixierung bzw. Mitnehmermöglichkeit der Werkzeuge in Fügezonennähe ist zu sorgen. Es empfiehlt sich daher, bei der Formteilentwicklung Fixierhilfen vorzusehen, so dass bereits
Rotationssymmetrischen Kunststoffteile werden mit den Fügestellen aufeinander gepresst und zueinander in eine Drehbewegung versetzt. Der Wärmeeintrag erfolgt durch Reibungsverluste in der Kontaktebene. Die Teile kühlen unter Druck bzw. wegbegrenzt ab bis die Schmelze wieder erstarrt ist. Es werden keine Schweiß-Zusatzstoffe benötigt. Unter
496
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
der Kategorie Rotations-Reibschweißen werden alle Verfahren zusammengefasst, die eine Erwärmung der Kunststoffe durch rotierende Reibung unter Druck beinhalten. Dieses Verfahren arbeitet ohne Heizelemente, ist ideal geeignet für sehr kurze Zykluszeiten und kann als Stumpf- oder Muffenschweißtechnologie angewandt werden. Die Wärme, die zum Plastifizieren des Materials benötigt wird, wird durch Grenzflächenreibung zwischen den beiden Formteilen erzeugt. Das aufzuschweißende Teil wird in eine rotierende Bewegung gebracht, während das zweite Fügeteil fest fixiert bzw. verdrehgesichert arretiert ist. Das rotierende Fügeteil wird durch geeignete konstruktive Maßnahme, wie das Anbringen von Stegen, Nasen oder Verrippungen, durch den Rotationsmitnehmer kraftschlüssig in Bewegung versetzt. Beim Schweißprozess wird auf die Fügeteile ein Axialdruck ausgeübt. Durch die auftretende Grenzflächenreibung und daraus resultierende Schererwärmung wird der Kunststoff im Bereich der Fügefläche angeschmolzen. Diese Technik kann nur bei Formteilen eingesetzt werden, die eine rotationssymmetrische Fügefläche besitzen – vorwiegend beim Verschweißen von Rohren, Fillings sowie beim Verschweißen von Spritz- und Blasformteilen. Dabei sollte die geometrische Gestaltung der Fügeflächen in Stufen oder keilförmiger Ausführung ausgelegt sein. Die Schweißzeit liegt bei etwa einer Sekunde und damit in einem wirtschaftlich interessanten Bereich. Das Verfahren kommt in der Regel dann zum Einsatz, wenn die gestellten Anforderungen durch die Ultraschallverbindungstechnik nicht prozesssicher zu realisieren sind. Dies kann sowohl durch die Form als auch durch das Material der Fügeteile gegeben sein. Die schweißbare Materialpalette sieht ähnlich aus wie beim Ultraschall-Schweißen. Darüber hinaus sind Kunststoffe, die beim Ultraschallschweißen aufgrund des ungünstigen Dämpfungsverhalten Schwierigkeiten bereiten, wie z. B. Polyamide mit hohem Glasfaseranteil bzw. verstärkte oder unverstärkte Polyolefine, für das Rotationsschweißen in aller Regel geeignet. Zum Erreichen einer optimalen Schweißverbindung ist eine verfahrensgerechte Schweißnahtgeometrie wesentlich mitentscheidend. Des weiteren wird die Qualität der Schweißverbindung durch das ausreichende Fließen der Schmelze beeinflusst. Hierzu sind Schweißmaschinen-Parameter empirisch zu ermitteln und aufeinander abzustimmen. Der Ablauf des Schweißprozesses gliedert sich im wesentlichen in vier Phasen. Die Fügeflächen gleichen sich an und erreichen Schmelztemperatur. Es bildet sich dann eine Schmelzschicht mit zunehmender Dicke. Der stationäre Schmelzezustand stellt sich ein, erkennbar an einem gleichmäßig zunehmenden Abschmelzweg bzw. einer konstanten Abschmelzgeschwindigkeit. Schließlich wird der
Bild 6-48. Pneumatischer Rotationsschweißautomat nach Branson
Antrieb abgeschaltet und stark abgebremst, damit die Fügezone unter Beibehaltung des Vertikaldrucks zu einer festen Verbindung erstarren kann. Müssen die Fügeteile in einer bestimmten Winkelposition zueinander gefügt werden, erfolgt dieser Vorgang durch das winkelgenaue Positionieren bzw. Stoppen des Mitnehmers. Der Antrieb des Rotationsmitnehmers erfolgt in der Regel mittels Druckluft oder elektromotorisch. In der Praxis hat sich der Elektromotor gegenüber der Druckluft durchgesetzt. Elektrisch angetriebenen Rotationsmitnehmern erfüllen die Qualitäts- bzw. Festigkeitsforderungen an die Schweißverbindung in der Regel besser (Bild 6-48). Die wichtigsten Einstellparameter einer Reibschweißmaschine sind neben der Drehzahl, die Reibzeit, der Positionierstopp, die einstellbaren Druckstufen für die Reibzeit und die abweichende Druckstufe für die Kühlzeit.
6.2.2
Dimensionierung von Schnapphaken Martin Keuerleber
Schnapphaken zählen zu den formschlüssigen Füge- und Verbindungsverfahren. Sie ermöglichen eine äußerst elegante Möglichkeit, konventionelle Fügetechniken wie
6.2 Fügen und Verbinden
497
Bild 6-49. Geometrie Schnapphaken und Definitionen (Originalquelle unbekannt)
Schrauben, Kleben und Schweißen zu ersetzen und in das Bauteil zu integrieren. Dadurch kann eine Kostenreduzierung erzielt werden, da Fügemittel und Apparate eingespart werden können. Die Vorteile von Schnapphaken sind: – einfache, rasche und kostengünstige Montage – Gestalt ist vielfach variierbar – individuelle Anpassung an die Aufgabe – lös- und unlösbare Verbindung, je nach Konstruktion – Fügen unterschiedlicher Materialien möglich
6.2.2.1
Konstruktionsrichtlinien
In diesem Abschnitt werden Konstruktionsrichtlinien für die Gestaltung eines Schnapphakens beschrieben. Der Schnapphaken kann dafür in einzelne Konstruktionselemente aufgeteilt werden, deren Definition in Bild 6-49 dargestellt ist.
6.2.2.1.1
Schnapphakenlänge
Grundsätzlich sind lange Schnapphaken anzustreben. Dadurch wird im Schnapphaken eine geringe Randfaserdehnung erzielt und somit der Kunststoff nicht bleibend verformt. Ebenso kann ein Stauchen des Schnapphakens verhindert werden. Bild 6-50 zeigt links einen zu kurzen Schnapphaken, der beim Fügen aufgrund zu hoher Randfaserdehnung brechen kann. Rechts sind konstruktive Lösungen dargestellt, indem entweder die Hakenlänge künstlich verlängert oder ein Torsionsschnapphaken eingesetzt wird.
6.2.2.1.2
Füge- und Lösewinkel
Der Fügewinkel eines Schnapphakens beträgt üblicherweise 15°–30° (maximal 60°). Ein kleiner Winkel wirkt sich positiv für eine Auslenkbewegung des Schnapphakens aus.
Bild 6-50. Beispiele für Schnapphakenlänge (Originalquelle unbekannt)
498
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-51. Gestaltung der Aussparung für einen Schnapphaken (Originalquelle unbekannt)
Der Lösewinkel beeinflusst die vom Schnapphaken übertragbaren Kräfte. Maximale Kraftübertragung erfolgt bei einem Lösewinkel von 90°. Hier tritt Selbsthemmung auf, weshalb diese Schnapphaken als unlösbar gelten.
6.2.2.1.3
Hinterschnitt eines Schnapphakens
Der Hinterschnitt ist so zu gestalten, dass der Schnapphaken einerseits im Gegenstück sicher einrasten kann und dass andererseits die geforderten Kräfte übertragen werden können. Mit dem Hinterschnitt steigt die Randfaserdehnung im Schnapphaken beim Fügevorgang, weshalb der Hinterschnitt mit der Schnapphakenlänge korreliert. Beim Gegenstück muss die die Aussparungshöhe h2 sinnvoll angepasst werden, insbesondere bei Verwendung von Filmscharnieren darf die Aussparung nicht zu klein gewählt werden, siehe Bild 6-51. Es gilt: h2 > Hakenhöhe h + Hinterschnitt f b2 > Hakenbreite b
Nach dem Entformen aus dem Spritzgießwerkzeug kann Verzug an dem Schnapphaken auftreten, siehe Bild 6-52. Bei kleinen Hinterschnitten kann der Verzug zu einer Funktionsunfähigkeit des Schnapphakens führen. Eine Abhilfemaßnahme besteht in einer verstärkten Wärmeabfuhr an der Profilinnenseite des Schnapphakens.
6.2.2.1.4
Anbindung des Schnapphakens
Ein Schnapphaken kann als Rippe betrachtet werden. Somit besteht die Gefahr von Lunkern, Verzug und Einfallstellen. Ebenso müssen Entformungsschrägen vorgesehen werden. Diese Konstruktionsrichtlinien sind in Kapitel 6.1.2.2 dargestellt.
6.2.2.1.5
Führungen
Neben einem Schnapphaken sollte auch immer eine entsprechende Führung angebracht sein. Sie ermöglicht über ihre Zentrierwirkung ein schnelles und präzises Fügen, da ein
Bild 6-52. Sollform (links) und Istform (rechts) eines Schnapphakens nach Entformung (Originalquelle unbekannt)
6.2 Fügen und Verbinden
499
Bild 6-53. Beispiele für Führungen (Originalquelle unbekannt)
Verklemmen oder Verkippen der Bauteile vermieden wird. Ebenso kann im Betrieb die Führung auftretende Querkräfte aufnehmen und eine Beschädigung der Haken durch Überdehnen oder Brechen verhindern. Typische Beispiele aus dem Alltag sind in Bild 6-53 zu sehen.
6.2.2.1.6
Entformen des Schnapphakens
Zur Entformung eines Schnapphakens stehen drei Varianten zur Verfügung: – Einsatz von Schiebern Schieber sind wenn möglich zu vermeiden, da sie aufwändig und teuer sind. Es gilt zu prüfen, ob im Bauteil ein Durchbruch am Fuß an den Schnapphakens möglich ist. In diesem Fall kann der Hinterschnitt über einen Kern realisiert und der Schnapphaken einfach entformt werden, siehe Bild 6-17. – Überwindung des Hinterschnitts durch einen Auswerferstift Der Auswerferstift bewirkt ein Auslenken des Hakens, er ist auch bei selbsthemmenden Schnappverbindungen einsetzbar. Dazu wird zuerst das Werkzeug geöffnet (Schritt 1) und anschließend der Auswerferstift betätigt (Schritt 2), siehe Bild 6-55. Die untere Rippe dient dabei als Anschlag, so dass die zulässige Randfaserdehnung nicht überschritten wird. Anschließend wird das Bauteil entformt (Schritt 3). – Überwindung durch Zwangsentformung Bei der Entformung ist das Bauteil noch nicht vollständig erkaltet. Die zulässigen Dehnungen sind bei höheren Temperaturen größer, so dass bei geringem Hinterschnitt
Bild 6-54. Entformung mittels Auswerferstift (Originalquelle unbekannt)
bzw. bei flachem Lösewinkel der Schnapphaken eventuell auch zwangsentformt werden kann. Dabei darf sich die Geometrie nicht bleibend verformen. Eine Zwangsentformung von selbsthemmenden Schnappverbindungen ist nicht möglich.
6.2.2.2
Berechnung
Die Berechnung der Füge- und Lösekräfte einer Schnappverbindung erfolgt nach dem Schema in Bild 6-56.
6.2.2.2.1
Berechnung der Randfaserdehnung
Schnappverbindungen nutzen das elastische Verhalten der Werkstoffe zur Rückstellbewegung aus der ausgelenkten Lage. Wird durch diese Auslenkung beim Kunststoff ein Grenzwert der Dehnung überschritten, tritt eine Schädigung
500
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
des Werkstoffes ein. Daher muss die Randfaserdehnung ε beim Fügen der Schnappverbindung berechnet werden. Diese muss unterhalb der maximal zulässigen Dehnung εzul liegen. Die Randfaserdehnung berechnet sich aus dem Hinterschnitt f, der Hakenhöhe h und der Schnapphakenlänge l. 3·h ε = f · 82 2·l Die maximale Randfaserdehnung εzul kann Tabelle 6-6 entnommen werden. Die maximale Randfaserdehnung εzul kann aber auch überschlägig berechnet werden. Dabei muss zwischen spröden und zähen Kunststoffen unterschieden werden. Spröde Materialien sind definiert: Bruchdehnung (εBruch) = Streckdehnung (εStreck) Hier gilt: εzul = 0,5 · εBruch Zähe Materialien sind definiert: Bruchdehnung (εBruch) > 2 · Streckdehnung (εStreck) Hier gilt: εzul = 0,8 · εStreck
Bild 6-55. Ablaufdiagramm der Schnapphakenberechnung
Tabelle 6-6 Zulässige Randfaserdehnung verschiedener Kunststoffe Werkstoff
ABS PC PMMA PS PVC SAN SB PA PBT PE-LD PE-HD POM PP
Zulässige Dehnung [%] Kurzzeit
Langzeit
1,5–2,0 1,5–2,0 1,5–2,0 1,0–1,5 1,5–2,0 1,5–2,0 1,5–2,0 3,0–4,0 4,0–5,0 5,0–6,0 4,0–5,0 4,0–5,0 4,0–5,0
0,8 0,8 0,6 0,6 0,8 0,8 0,8 2,0 2,0 2,5 2,0 2,0 2,0
Reibungsbeiwert hängt von dem Fügepartner ab, hier Stahl 0,5 0,5 0,5 0,45 0,55 0,5 0,5 0,35 0,3 0,5 0,3 0,3 0,3
6.2 Fügen und Verbinden
6.2.2.2.2
Berechnung der Füge- und Lösekraft
Zur Berechnung der Füge- Fax und Lösekräfte Fl muss zuerst die Auslenkkraft F ermittelt werden. Die Auslenkkraft F berechnet sich aus dem Trägheitsmoment I, der Hakenlänge l, der Auslenkung f und dem korrespondierendem Sekantenmodul ES bei der zuvor berechneten Randfaserdehnung. 3 · ES · I F = f · 04 l3 Für rechteckige Querschnitte berechnet sich das Trägheitsb · h3 moment I zu I = 8 . 12 Beide Formeln vereinigt ergibt die Auslenkkraft F. ES · b · h3 F = f · 06 4 · l3 Die Dehnungen im Schnapphaken können nichtlinear sein, dies wird durch die Wahl des E-Moduls berücksichtigt. Der Sekantenmodul ES ist eine im Spannungs-Dehnungs-Diagramm eine Gerade zwischen Ursprung und zulässiger Randfaserdehnung, siehe Bild 6-57. Spannungs-DehnungsDiagramme können Datenblättern der Rohstoffhersteller oder aber der CAMPUS-Datenbank entnommen werden. Die Fügekraft Fax berechnet sich aus der Auslenkkraft, die mit dem Umsetzungsfaktor η multipliziert wird. Fax = F · η Der Umsetzungsfaktor berücksichtigt den Reibbeiwert μ des Kunststoffs und den Fügewinkel α des Schnapphakens. Typische Reibbeiwerte können Tabelle 6-6 entnommen werden.
501
μ + tanα η = 00 1 – μ · tanα Für Lösewinkel kleiner 70° wird die Lösekraft analog der Fügekraft berechnet. Für Lösewinkel größer 70° tritt Selbsthemmung auf, hier berechnet sich die Lösekraft Fl mit Hilfe des Faktors e, der die halbe Hackendicke repräsentiert e = h/2. 2 · ES · I Fl = f · 04 l2 · e
6.2.2.2.3
Berechnung der Spannungen in der Hakennase und im Querschnitt
In der Hakennase treten Schubspannungen τ auf, die im Extremfall zu einem Abscheren der Nase führen können. Sie müssen daher kleiner als die zulässige Scherspannung τzul sein. Sind die Scherkräfte kleiner als die Lösekräfte, wird das Potential des Schnapphakens nicht vollständig genutzt. F τ = 7 ≤ τzul b · l2 Die zulässige Scherspannung wird aus den Zugspannungen der Kunststoffe berechnet.
τzul = 0,5 · σmax Für zähe Werkstoffe gilt: Für spröde Werkstoffe gilt:
σmax = Streckspannung σmax = Bruchspannung
Bild 6-56. Bestimmung des Sekantenmoduls
502
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
6.2.2.2.4
Berechnungsprogramme
Neben der analytischen Berechnung von Schnapphaken können auch FEM-Programme wie ABAQUS oder ANSYS genutzt werden. Die BASF stellt auf Ihrer Homepage ein kostenloses Berechnungsprogramm zur Verfügung, mit dem auch Schnapphaken mit nicht rechteckigen Querschnitten berechnet werden können.
®
®
®
Literatur zu Kapitel 6.2
Bild 6-57. Spannungsverlauf im Schnapphaken beim Fügen und Lösen
Ein Versagen im Restquerschnitt kann nicht auftreten, wenn die Spannungen unterhalb der maximal zulässigen Spannungen bleiben. Beim Fügen des Schnapphakens werden Bieg- und Druckspannungen überlagert, beim Lösen treten Biege- und Zugspannungen auf, siehe Bild 6-57. Zug und Druckspannungen können als gleich angesehen werden, daraus ergibt sich die Gesamtspannung σges :
Ehrenstein G (2003) Handbuch der Fügetechnik. Hanser Verlag, München Benatar u. a. (2001) Welding. Hanser Verlag, München Vatterodt T, Hänsch D (2006) Nähen ohne Faden. Kunststoffe 96(2006)10, S 221–224 Kazmirzak W (2006) Heizelement-Schweißen für hochschmelzende Kunststoffe. Kunststoffe 96(2006)10, S 225– 228 Poggel M (2006) Fügen mit Licht. Kunststoffe 96(2006)3, S 50–54 Heim H-P (2006) Abrieb- und Fusselminimierung beim Vibrationsschweißen. Kunststoffe 96(2006)3, S 45–48 Ehrenstein G (2004) Fügeverfahren: Verbindungstechnik. Kunststoffe 94(2004)7, S 28-34 Haberstroh E (2004) Qualitätssicherung: Prozessführung beim Ultraschallschweißen. Kunststoffe 94(2004)7, S 35–38 Renner (2004) Laserschweißen: Lasergerechte Konstruktion beim Kunststoffschweißen. Kunststoffe 94(2004)2, S 30– 36 Kohler H-P (2003) Rohre verbinden: Stumpfschweißen im beschleunigten Verfahren. Kunststoffe 93(2003)2, S 203– 205 Mattus V (2001) Durchblick beim Durchstrahlen. Kunststoffe 91(2001)2, S 158–163 Kunz J, Studer M (2007) Die Kerbwirkung bei der Anbindung von Schnapphaken. Kunststoffe 97(2007)7, S 46– 51
Weiterführende Literatur: F Mb σges = σZug ± σBiege = 5 ± 6 Aq Wb Für rechteckige Querschnitte berechnet sich die Gesamtspannung σges zu: F Mb F 6·F·e σges = 5 ± 6 = 6 ± 03 Aq Wb b · h b · h2
Adelt M, Hürland K (2007) Fügen mit Erdgas. Kunststoffe 97(2007)11, S 133–135 Ageorges C, Ye L, Hou M (2000) Advances in fusion bonding techniques for joining thermoplastic matrix composites: a review. Composites 2000 Bader B (1997) Numerische und semiempirische Berechnungsmethoden zur Dimensionierung axialsymmetrischer Schnappverbindungen aus Thermoplasten. Dis-
6.2 Fügen und Verbinden sertation, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde, Universität Stuttgart Bonten (2001) Welding – Plastics Pocket Power. Hanser Verlag, München, 1. Aufl, ISBN 3-446-21695-2 Bonten C (1999) Serienschweißen von Kunststoffteilen. Hanser Verlag, München, KU Kunststoffe 08/1999 Brewis DM, Dahm RH (2006) Adhesion to Fluorpolymers. Shewsbury, Rapra Bd 16, Nr 3 (350 Literaturzitate mit Abstracts im Zeitraum 1971–2005) Brockmann W, Geiß P L, Klingen J, Schröder B (2005) Klebtechnik – Klebstoffe, Anwendungen und Verfahren. Weinheim, Wiley-VCH Budde L (1995) Stanznieten und Durchsetzfügen. Landsberg/Lech DIN 1910 Teil 3 Schweißen – Schweißen von Kunststoffen – Verfahren. Beuth Verlag, Berlin, 1977, DK 621.791: 678.5:001.4 Loseblattsammlung u. a. DVS 1 Fügen von Kunststoffen. Taschenbuch DVS-Merkblätter und -Richtlinien, DVS-Verlag, Düsseldorf, 9. Aufl, 2000, ISBN 3-87155-193-7 DVS 2 Kunststoffe, Schweißen und Kleben. DVS-Merkblätter und -Richtlinien, DVS-Verlag, Düsseldorf, 3. Aufl, 1990, ISBN 3-87155-085-X DVS 3 Michel P Schweißverfahren in der Kunststoffverarbeitung. DVS-Verlag, Düsseldorf, 1. Aufl, 1999, ISBN 3-87155-660-2 Elsner P, Eyerer P, Hirth T (2007) Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften. Springer Verlag, Heidelberg, 7. Aufl Ehrenstein G (2001) Mit Kunststoffen konstruieren. Hanser Verlag, München, 2. Aufl Erhard G (2004) Konstruieren mit Kunststoffen. Hanser Verlag, München, 3. Aufl Fein (1987) Neue Konstruktionsmöglichkeiten mit Kunststoff. WEKA-Verlag, Kissing, ISBN 3-8111-5900-3 Franck A (2000) Kunststoff-Kompendium. Vogel Buchverlag, Würzburg, 5. Aufl, ISBN 3-8023-1855-2 Greitmann M J (2003) Gegenwärtiger Stand und Zukunftsaussichten der Sonderschweißverfahren – Ultraschallschweißen in Schweißen und Schneiden. DVS-Verlag 55 Heft 6, S 306–314 Grewell D A, Benatar B, Park J B (2003) Plastic and Composites Welding Handbook. Hanser Verlag, München Haberstroh E, Hoffmann WM (2007) Schmelze aus der Zwischenschicht. Kunststoffe 97(2007)6, S 76–79 Herrmann T (1987) Gestalten der Schweißnaht beim Ultraschallschweißen. Hanser Verlag, München, Sonderdruck KU Kunststoffe 07/1987 http://www.campusplastics.com, Internetseite besucht am 3.3.2007
503
Johannaber F. (1984) Kunststoff-Maschinen-Führer. Hanser Verlag, München, 2. Aufl, ISBN 3-446-13832-3 Kuntze M (2006) Thread forming fastening systems for Automotive / Motorcycle engine plastic parts. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conf., Shanghai, 30./31.10.2006 Kunz J, Lukic D (2006) Kunststoff – Metall-Pressverbindung. Kunststoffe 96(2006)12, S 68–71 Menges G (2002) Werkstoffkunde Kunststoffe. Hanser Verlag, München, 5. Aufl, ISBN 3-446-21257-4 Michaeli W (1995) Kunststoff-Bauteile werkstoffgerecht konstruieren. Hanser Verlag, München Michaeli W (1992) Einführung in die Kunststoffverarbeitung. Hanser Verlag, München, 3. Aufl, ISBN 3-44615635-6 Neitzel (1992) Die Verarbeitungstechnik der Faserverbundwerkstoffe. Hanser Verlag, München, 3. Aufl, ISBN 3446-19012-0 Niedermeier M (2004) Leichtbau 3, Vorlesungsunterlagen 12: Mechanische Verbindungen und Klebungen. Zürich Potente H (2004) Fügen von Kunststoffen. Hanser Verlag Rijn L P V M v (1996) Towards fasteners composite design. Composite Part A Schwarz (1999) Kunststoffverarbeitung. Vogel Buchverlag, Würzburg, 8. Aufl, ISBN 3-8023-1803-X Schürmann H (2005) Konstruieren mit Faser-KunststoffVerbunden. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg Strohfuss W (2006) Welding technologies for parts under the hood. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conf., Shanghai, 30./31.10.2006 Strohfuss W (2007) Infrarot unterstütztes Vibrationsschweißen – ein in der Praxis eingeführtes Standardverfahren. Vortrag 10. Kunststoff-Motorbauteile Forum, ask, O. Altmann, Spitzingsee, 22./23.1.2007 Tüchert C Große Halbzeuge schweißen. Hanser Verlag, München, KU Kunststoffe 07/2001 VDI Wissensforum: Konstruieren mit Kunststoffen. Springer Verlag, Berlin, 3. Aufl, 2003 Vinson J R (1989) Mechanical fasteners of polymer composites. Polymer Engineering and science Wagner G, Eifler D (2003) Fügen von Werkstoffen mit Metallen durch Ultraschallschweißen. Proc. Joitec, Fügen mit minimaler Grundwerkstoffbeeinflussung. Dresden Walther Ch, Stumpf M (2007) Kunststoff verbindet Metall. Kunststoffe 97(2007)10, S 236–239 Yousefpour A (2004) Fusion Bonding / Welding of thermoplastic Composites. Journal of Thermoplastic Composite Materials, 17, p 303–341
504
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Ticona Technologie Literatur (CD) B.3.1 Berechnen von Schnappverbindungen. Schnappverbindungen sind formschlüssige Verbindungen mit vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten. Je nach Gestaltung sind die Verbindungen lösbar oder unlösbar, sodaß die Anwendung an verschiedene Bedingungen angepaßt werden kann. Die Broschüre enthält Kennwerte, mit deren Hilfe Schnappverbindungen ausgelegt werden können. Berechnungsbeispiele erleichtern die Anwendung. B.3.2 Verbindungen mit Metallschrauben Metallschrauben ermöglichen hochbelastbare, lösbare Verbindungen von Kunststoffteilen, die auch Dauerbeanspruchungen bei höheren Betriebstemperaturen sicher aufnehmen können. Gewindeformende Schrauben ergeben eine besonders kostengünstige Verbindung. Für metrische Schrauben empfiehlt es sich, metallische Inserts zu umspritzen oder einzusenken. Die Broschüre enthält die zum Auslegen von Schraubverbindungen benötigten Kennwerte. Berechnungsbeispiele und Gestaltungshinweise erläutern deren Anwendung. B.3.3 Kunststoffbauteile mit angeformten Gewinden Angeformte Gewinde werden für lösbare feste Verbindungen an einer Vielzahl von Gehäuseteilen genutzt. Dazu gehören Filtergehäuse, Ventile und Verschlußkappen. Auch Verbindungen zur Umwandlung von Längsin Drehbewegungen und umgekehrt sind so umsetzbar. Die Broschüre enthält Kennwerte, mit deren Hilfe angeformte Gewinde ausgelegt werden können. Berechnungsbeispiele und Gestaltungshinweise erleichtern die Anwendung. Zudem enthält die Broschüre einige Anwendungsbeispiele. B.3.4 – Berechnung von Pressverbindungen Die Presspassung ist eine kraftschlüssige Verbindung, die sich einfach und kostengünstig herstellen lässt. Die wichtigsten Anwendungen sind Welle-Nabe-Verbindungen z.B. bei Zahnrädern, Kupplungen, Lüfter- und Pumpenrädern sowie die Befestigung von Kunststoff-Lagerbuchsen. Die Broschüre beschreibt die Kenngrößen einer Presspassung und den Berechnungsgang mit Hilfe der in Diagrammen angegebenen Kennwerte. Berechnungsund Anwendungsbeispiele runden die Broschüre ab. B.3.7 Ultraschallschweißen und -fügen von Formteilen aus technischen Kunststoffen Das Ultraschall-Schweißen von Kunststoffen ist wegen der kurzen Schweißzeiten ein besonders bei großen Stückzaheln sehr wirtschaftliches Fügeverfahren und ergibt hochbelastbare, gas- und flüssigkeitsdichte Verbindungen. Die Broschüre erläutert Ablauf und Einflussgrößen beim Ultraschall-Schweißen, gibt detaillier-
te Hinweise zur Gestaltung der Fügeflächen und enthält zahlreiche Belastungsdiagramme. Zusätzlich behandelt sie das Nieten, Bördeln und Ultraschall-Einbetten von Metallteilen und stellt einige Anwendungsbeispiele vor.
6.3
Berechnungsansätze und Simulation Andreas Radtke
6.3.1
Einleitung
Ein wichtiger Schritt in der Abfolge der Bauteilherstellung ist die Auslegung des Bauteils entsprechend der geforderten Lastfälle. Dies geschieht vornehmlich mit Hilfe von Simulationstechniken wie z.B. der Methode der finiten Elemente [1]. Wichtige Gebiete der Simulation in der Kunststofftechnik umfassen auch die Prozesssimulation für die Spritzgießverarbeitung, RTM 1-Verarbeitung, Thermo- oder Blasformen und Extrusionssimulation. Die Auslegung von Bauteilen aus polymeren Werkstoffen erfordern angepasste Materialmodelle für die Simulation, welche das Verformungsverhalten von Kunststoffen unter mechanischer Beanspruchung besser abbilden können als herkömmliche elastisch-plastische Materialmodelle, wie sie für Metalle Anwendung finden [1]. Im Falle der faserverstärkten Kunststoffe müssen die unterschiedlichen Größen der mechanischen Kennwerte in Abhängigkeit der vorherrschenden Faserorientierung im eingesetzten Materialmodell berücksichtigt werden. Für die Simulation wurden Berechnungsmodelle entwickelt, welche die Faserorientierungsverteilung vorhersagbar machen [2], [3]. Im Folgenden werden zunächst Modellansätze für die Formfüllsimulation für spritzgegossene oder fliessgepresste Thermoplaste aufgeführt, gefolgt von einer Aufstellung von Materialmodellen für vorzugsweise (faser-)verstärkte Werkstoffe. Abschließend wird auf Simulationsverfahren eingegangen.
6.3.2
Berechnungsansätze
6.3.2.1
Formfüllvorgang
Zielsetzung rheologischer Berechnungen ist die Berechnung der Strömungs- und Druckverhältnisse im Werkzeug sowie die Abschätzung der Zuhaltekraft für den Spritzgießprozess oder des Presskraftbedarfes während des Formfüllvorganges 1 Abkürzungen und Formelzeichen werden am Ende des Kapitels 6.3.2 erläutert.
6.3 Berechnungsansätze und Simulation
505
[4], [5]. Für die Beschreibung der Viskositätsdaten sind Potenzansätze wie Power-Law [6], Carreau [7] oder der Ansatz nach Ostwald/de Waele [8] geeignet, das Verhalten strukturviskoser Formmassen wie z. B. faserverstärkter Thermoplaste darzustellen. Zur Beschreibung der Formfüllung eines Bauteiles in der Formfüllsimulation kommt bei Mittelflächenmodellen meist der Hele-Shaw Ansatz zum Einsatz [9], [10]. Neuere Entwicklungen betreffen die 3-D-Simulation. Im Falle von GMT-Bauteilen setzt man FE-Simulationsprogramme ein (z.B. Programm EXPRESS [11], [12]). Der Formfüllvorgang in flachen Bauteilen kann mit dem Hele-Shaw-Ansatz beschrieben werden: ∂ ∂p ∂ ∂p 5 S5 +5 S5 –h=0 ∂x ∂x ∂y ∂y
冢 冣
冢 冣
h3 mit der so genannten Fließleitfähigkeit S: S = 9 . 12ηV Für kompliziert gestaltete Geometrien kann die Differentialgleichung mit Hilfe der Methode der finiten Elemente gelöst werden. Für die Berechnung des Füllvorganges thermoplastischer Werkstoffsysteme ist zusätzlich die Berechnung der Temperaturverteilung durchzuführen.
6.3.2.2
Faserorientierungen
Art und Typ der Faserverstärkung haben einen dominierenden Einfluss auf die mechanischen Kennwerte und auf die Fließfähigkeit des Faserverbundsystems. Infolge des Fließens bei der Formteilherstellung bildet sich eine Orientierung der im Fasermatrixverbund befindlichen Fasern im Bauteil aus. Ausgangspunkt für die Berechnung von Faserorientierungsverteilungen ist die Berechnung der Druck- und Strömungssituation in der Kavität während der Werkzeugfüllung. Eine der ersten Beschreibungen für Faserorientierungen entwickelte Jeffrey 1922. Für die Nomenklatur des Richtungsvektors einer Faser gilt (siehe z.B. [13], [14]). Maßgeblich ist der Winkel Φ für die Orientierungsverteilung in dünnen, plattenförmigen Geometrien. Die Anwendung und Modifikation des Jeffrey-Modells durch Folgar und Tucker 1984 [2], [15] führte zum ersten praktisch eingesetzten Faserorientierungsmodell für Simulationsprogramme. Wesentlicher Einflussparameter für die Berechnung der Faserorientierung und der daraus ermittelten Kennwerte und Daten für weitere Analysen ist der so genannte Faserinteraktionskoeffizient Ci [2], [9], der ein Maß für die Behinderung einzelner Fasern hinsichtlich ihrer Orientierung während des Fließvorganges darstellt und für die Berechnung der Faserorientierung notwendig ist [16]. Dieser wird empirisch in einem Iterationsverfahren durch
Bild 6-58. Definition des Faserorientierungsvektors [13]
Vergleich von Rechnung und Messung ermittelt und geht als Materialkonstante in die Faserorientierungssimulation ein [14]: 2 ∂ψφ · ∂ ψφ – ∂ 8 = CI y 9 ∂t ∂2φ2 5 ∂φ ∂υx ∂υx ∂υy ∂υψ ψφ – sinφ cosφ 6 – sin2φ 6 + cos2φ 6 + sinφc osφ 8 ∂x ∂y ∂x ∂y
冤 冢
冣冥
Die Beschreibung der Faserorientierungsmodelle mit Hilfe von Tensoren wurde von Advani und Tucker eingeführt und konnte den Berechnungsaufwand wesentlich reduzieren [3], [17], [18]. Dαij 1 8 + 3 (Wij αkj – Wkj αik) = Dt 2 β (Dik αkj + Dkj αik – 2Dkl αijkl) + 2CI γ (δij – 3αij) 4 2 Da in den Berechnungstermen ein Tensor 4. Stufe auftritt, müssen geeignete Approximationsfunktionen gefunden werden [3]. Einen Überblick über Berechnungsansätze geben Chung und Kwon [19]. Eine weitere Beschreibung der Re-Orientierung von Fasern nach einem so genannten Kontinuumsmodell wurde von Modlen, sowie Dinh und Armstrong [9] aufgestellt. Wesentlicher Nachteil des Kontinuumsmodells ist, dass keine Berücksichtigung der Faserinteraktion bei hohen Fasergehalten vorliegt und nur eine regellose Faserverteilung am Anfang berücksichtigt werden kann. Von Diest erweiterte dieses Modell für den Spezialfall einer ebenen Platte um einen Interaktionsterm und frei wählbare Anfangsbedingungen [9]. Der Ansatz hat jedoch in kommerzieller Fließsimulation keine Bedeutung gefunden.
506
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Die Füll- und Orientierungsmechanismen wurden ebenfalls von Bay [20] untersucht und beschrieben. Bay fand hierbei eine empirische Beziehung im Falle von Kurzfaserverstärkung für PA66-GF, PC-GF und PBT-GF, die den Zusammenhang von Faserlänge und Interaktionskoeffizient Ci darstellt: c·L Ci = 0,0184 · exp (– 0,7148 6 ) d mit c = Konzentration der Fasern und L/d= Aspect ratio der Fasern. Weitere vergleichende Analysen von Messungen und Simulation wurden von Lee et al. [21] und Whiteside et al. [22] angestellt. Diese beobachteten für die eingesetzten Materialien und Bauteile eine gute Übereinstimmung zwischen Messungen und Simulation.
6.3.2.3
Modellansätze zur Berechnung strukturmechanischer Steifigkeiten
Bei Kunststoffen wird zwischen unverstärkten und verstärkten Materialien unterschieden. Entsprechend der Abhängigkeit des Verhaltens vom Polymeraufbau sind unterschiedliche Materialgesetze notwendig. Im Falle der unverstärkten Polymere überwiegen die viskosen Anteile des Verhaltens. Im Folgenden liegt der Schwerpunkt der aufgeführten Materialmodelle bei den (faser-) verstärkten Polymeren. Für Werkstoffsysteme mit Faserverstärkung werden angepasste Berechnungsansätze benötigt, welche die durch die Faserverstärkung hervorgerufene Anisotropie berücksichtigen können [23], [24]. Um das mechanische Verhalten beschreiben zu können, benötigt man zunächst Stoffwertfunktionen für die Beschreibung der richtungsabhängigen Eigenschaften. Weiterführende Materialgesetze beschäftigen sich mit der Beschreibung von diskontinuierlich verstärkten Werkstoffen.
6.3.2.3.1
Stoffwertfunktionen in der FE-Simulation können auf diese Grundmodelle zurückgeführt werden. Zusätzlich können Zeit-Temperatur-Verschiebungsansätze (z.B. WilliamsLandel-Ferry WLF-Ansatz) berücksichtigt werden [1].
6.3.2.3.2
Hyperelastische Modellformulierungen
Hyperelastische Modellformulierungen finden bei Gummi und gummiähnlichen Werkstoffen Anwendung. Modellformulierungen nach Mooney-Rivlin oder Ogden gehören dabei zu den meist eingesetzten. Modell nach Mooney-Rivlin: W = C10 (I1 – 3) + C01 (I2 – 3) n μ i Modell nach Ogden: W = Σ 5 (λβ11 + λβ2i + λβ3i – 3) i=1 β1 (siehe auch Kapitel 3.2.3)
6.3.2.3.3
Allgemeines Hooke’sches Gesetz
Das Hooke’sche Gesetz liefert die Beschreibung für elastische Werkstoffe hinsichtlich ihres Spannungs- und Dehnungsverhaltens. In seiner allgemeinen Form benötigt es 81 unabhängige Materialkonstanten [25]. Verwendet man zur Beschreibung so genannte Ingenieurskonstanten, stellt sich das Hooke’sche Gesetz wie folgt dar:
Viskoelastisches Materialverhalten
Bei Kunststoffen tritt infolge des Strukturaufbaus ein viskoelastisches Materialverhalten auf. Es treten, je nach Größe der Deformation elastische und plastische Anteile auf. Spannung und resultierende Verformung hängen von der Beanspruchungsgeschwindigkeit ab. Charakteristisch für das Polymerverhalten sind Relaxation (Spannungsabbau bei konstanter Dehnung) und Retardation (Verzögerte Dehnungsantwort bei konstanter Spannung). Diese Charakteristika von Polymeren lassen sich durch eine Kombination von Feder- und Dämpferelementen abbilden. Das Vier-Parametermodell nach Burgers hat sich als Ersatzmodell für die Abbildung des Verhaltens als am besten geeignet herausgestellt, Bild 6-60.
6.3.2.3.4
Laminattheorie
Die Laminattheorie dient zur Berechnung von Eigenschaften von Faserverbundstrukturen mit gedrehten Achsensystemen. Mittels Transformationsmatrizen können beliebige Einzelorientierungen auf ein globales Koordinatensystem bezogen werden [25],[26].
6.3.2.3.5
Orientation averaging
Der Begriff des „Orientation averaging“ wurde von Tucker und Advani geprägt und von Schwarz und Wire eingesetzt [27],[28]. Es ermöglicht die Berechnung der makrosko-
6.3 Berechnungsansätze und Simulation
507
Bild 6-59. Ersatzmodelle für viskoelastisches Verhalten von Kunststoffen
pischen Eigenschaften eines Faserverbundwerkstoffes unter der Voraussetzung der Kenntnis der Faserorientierungsverteilung und der entsprechenden unidirektionalen Materialeigenschaften. Der Begriff des „orientation averaging“ wird speziell für die Tensornotation der Orientierungsverteilungen angewendet. Definition nach Schwarz [28]:
冬T 冭 = ○∫ T (P) Ψ (P) dP mit: 冬T 冭: gemittelter Tensor im Bezugskoordinatensystem T (P): aus der Richtung P transformierter Tensor T, dargestellt im Bezugskoordinatensystem Ψ (P): Verteilungsfunktion der Faserorientierung
6.3.2.4
Mikromechanische Materialmodelle
Die mikromechanischen Berechnungsansätze ermöglichen eine Berechnung der Steifigkeit als Funktion der Komponenten des Verbundwerkstoffes, im Wesentlichen der Fasergehalts- und Faserlängenverteilung.
6.3.2.4.1
Lineare Mischungsregel
Die lineare Mischungsregel ermöglicht die Berechnung von Kennwerten unidirektionaler FVK anhand der Faser- und Matrixvolumengehalte [24], [25].
508
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
E1 = VfEf + VMEM EfEm E2 = 000 EmVf + Ef (1 – Vf ) (1 – Vf ) 1 Vf = + 03 6 G12 5 Gf Gm v12 = vfVf + vm(1 – Vf )
6.3.2.4.2
Shear-Lag-Modell
Das Shear-Lag-Modell ermöglicht die Berechnung des EModuls ideal ausgerichteter diskontinuierlicher Faserverbundwerkstoffe. Es gibt bei diesen eine Faserlänge (lkrit), ab der Spannungen vollständig von der Matrix auf die Faser übertragen werden können. Der Begriff der kritischen Faserlänge lkrit wurde von Cox [29] in der so genannten Shear-Lag-Theorie entwickelt und von Cottrell, Kelly und Tyson [30], [31] weiter verwendet. Die kritische Faserlänge lkrit [32] bezeichnet die Länge eines Partikels, ab der eine größere Lastübertragung über die Scherspannungen über die Stirnflächen des Partikels als über die Scherflächen erzielt wird.
6.3.2.4.3
Halpin-Tsai-Modell
Das Modell nach Halpin-Tsai [27], [33], [34] ist eine der weitverbreitetsten Theorien zur Berechnung von diskontinuierlich faserverstärkten Faserverbundwerkstoffen. Es handelt sich hierbei um eine Theorie, die einen Faserlängeneinfluss durch den so genannten Formfaktor ξ berücksichtigen kann.
6.3.2.4.4
Mikromechanische Materialmodelle: Eshelby-Tensor
Eshelby entwickelte eine Theorie über die Verstärkungswirkung ellipsenförmiger Einschlüsse (Prinzip der äquivalenten Einschlüsse) [27], [34], [35], [36], die als Ausgangspunkt für die Theorien von Tandon-Weng oder Mori-Tanaka gilt. Eshelby ermöglichte die Transformation der Eigenschaften des Einschlusses auf die umgebende Matrix durch die Annahme einer fiktiven Eigendehnung des Einschlusses. Für die Berechnung der Eigendehnung kommt der sogenannte Eshelby-Tensor zum Einsatz, der von der Geometrie des Einschlusses abhängt. Hill entwickelte daraus das so genannte Self-ConsistentModel [34], [36], das die Beschreibung des inhomogenen Spannungsfeldes um einen Einschluss den Spannungen im umgebenden Material gleichsetzt.
6.3.2.4.5
Mikromechanische Materialmodelle: Mean-fieldtheories (Mori-Tanaka; Chow; Tandon-Wenig)
Das Mori-Tanaka Modell basiert auf der Annahme, dass zwischen den Einschlüssen ein annähernd konstantes Feld vorliegt [18], [34], [36]. Dafür wird die mittlere Spannung der Matrix angenommen. Ähnliche Theorien wie die von Chow [34] werden auch mit dem Begriff „mean-field-theories“ bezeichnet. Das Tandon-Weng-Modell ist ein ähnlich gelagerter umfassender Modellansatz zur Beschreibung der mechanischen Eigenschaften in kurzfaserverstärkten Verbundwerkstoffen, der aus dem Mori-Tanaka-Modell entwickelt wurde [27], [34], [37], [38].
6.3.2.4.6
Weitere Berechnungsansätze
Mit Hilfe des Elementar-Volumen-Konzeptes können die Eigenschaften eines Faserverbundwerkstoffes ausgehend von einer so genannten Elementar-Volumeneinheit errechnet werden, jedoch ist der Berechnungsaufwand und die notwendige Kenntnis über die Verteilung der jeweiligen Elementarvolumina als extrem aufwendig zu bewerten [39]. De Morais beschäftigte sich mit vergleichbaren Ansätzen und lieferte eine Berechnung für den Spannungstransfer zwischen den Fasern und verifizierte diese mit FE-Simulationen an Elementarmodellen [40].
6.3.2.4.7
Zusammenfassung und Bewertung der mikromechanischen Modelle
Die oben aufgeführten Theorien können mit Transformationsmatrizen gekoppelt werden um Anteile mit unterschiedlichen Faserorientierungen zu berücksichtigen. Damit kann in unterschiedlich ausgerichteten Faserorientierungsverteilungen in Kurzfasersystemen deren Beitrag zur Gesamtsteifigkeit eines Faserverbundwerkstoffes ermittelt werden. Vergleiche der verschiedenen theoretischen Ansätze finden sich in [13], [18], [27], [34], [36].
6.3.3
Simulation
Die Simulation hat eine große Bedeutung für die Auslegung von Bauteilen und Prozessen. Heutige Simulationsmethoden bilden Werkstoffe, Prozessabläufe und daraus resultierende Bauteileigenschaften ab [41]. Esward und Wright liefern einen guten Überblick über verbreitete Softwaresysteme und ihre Einsatzgebiete [42]. Von essentieller Bedeutung für die Qualität der Berechnungsergebnisse ist der Einsatz konstruktionsgerechter Kennwerte [43]. Um eine genauere Vorhersage der Bauteileigenschaften zu ermöglichen, können verschiedene Simulationsmethoden
6.3 Berechnungsansätze und Simulation gekoppelt werden. Ein Beispiel der Kopplung zwischen einer Formfüllanalyse und eine Strukturanalyse mittels FEM findet sich bei [44], [45]. Noch ist die Kopplung zwischen Formfüllsimulation und Struktursimulation jedoch nicht Standard für die Bauteilauslegung, da sie sich je nach verwendeter zu koppelnder Software recht aufwendig gestaltet und z. T. gar nicht durchführbar ist.
6.3.3.1
Thermoform-Simulation
Ziele der Simulation des Thermoformprozesses sind Optimierungen der Wanddicken und Wanddickenverteilungen, sowie der Prozessführung und der Zeitsteuerung [46]. Verwandte Fragestellungen finden sich bei der Prozesssimulation des Blasformens oder Streckblasformens [47], [48].
6.3.3.2
Simulation des Extrusionsprozesses
Bei der Simulation des Extrusionsprozesses werden hauptsächlich Strömungsvorgänge in Extrudern oder Extrusionsdüsen simuliert. Ziele sind optimierte Mischvorgänge im Extruder und rheologisch optimierte Düsen [49].
6.3.3.3
RTM-Simulation
Auch im Falle der RTM-Verfahren kommen Simulationsmethoden zum Einsatz, die vor allem die Berechnung der Formfüllung und Tränkung der Gewebestrukturen zum Gegenstand haben. Weiterhin werden Prozessparameter und Reaktionskinetik der Tränkharze berechnet.
6.3.3.4
Formfüllsimulation Spritzgieß-/Pressverfahren
Für den Spritzgiessprozess oder Pressverfahren liegt für Bauteile aus Thermoplasten ein komplexer Zusammenhang zwischen Bauteilverhalten und Herstellungsprozess vor. Die sich einstellenden Materialkennwerte und daraus folgend, Bauteileigenschaften resultieren aus den Verarbeitungsschritten und sind von diesen in weitem Bereich beeinflussbar. Ein wichtiger Schritt der Simulationsbetrachtung eines Bauteils ist die Prozesssimulation [50]. Die Prozesssimulation ist für Spritzgießverfahren weit entwickelt und findet in praxi Anwendung. Für Fliesspressprozesse gibt es spezialisierte Prozesssimulationssoftware [6], [11], [12], [51]. Specker zeigt in seinen Arbeiten den Ablauf der Prozesssimulation für Bauteile aus SMC [14], [52] sowie die Messung von Faserorientierungen mittels Röntgenuntersuchungen und deren Simulationsberechnung. Ergebnisse aus der Formfüllanalyse lassen Aussagen über die Herstellbarkeit und mögliche Probleme bei der Formfül-
509
lung zu [53]. Ein Einlegemuster wird vordefiniert, das sich aus den im Realprozess eingesetzten Plastifikatsträngen definiert. Durch die Formfüllsimulation werden wertvolle Daten für die Konstruktion von Werkzeugen (z.B. nötige Entlüftungen) und die Gestaltung des Einlegemusters gewonnen, sowie die Berechnung anisotroper mechanischer Eigenschaften im Bauteil ermöglicht [54]. Für Formfüllanalysen kann auch die Boundary Element Method (BEM) eingesetzt werden [55], die vom Vorbereitungs- und Berechnungsaufwand her große Vorteile bieten kann, jedoch bisher keine industrielle Anwendung gefunden hat. Durch spezielle Einlege- oder Angusspositionen werden Fließfronten und Bindenähte verhindert oder in Ausschnittbereiche oder schwächer beanspruchte Bereiche des Bauteils verlegt. Weitere Ergebnisse aus der Simulation betreffen Füllzeit und Füllstrategie und ermöglichen die Ableitung von Daten für die Werkzeugtemperierung und erzielbare Zykluszeiten [54].
6.3.3.5
Faserorientierungssimulation
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Prozesssimulation ist die Simulation der sich einstellenden Faserorientierung [21] und die Berechnung der entstehenden Anisotropieverhältnisse. Die Faserorientierungsverteilung wird bei diesen Programmen in Winkelklassen unterteilt [11]. Die unterschiedlichen Faserorientierungen in Schichten können ebenfalls dargestellt werden [56]. Hierzu existieren weitere vergleichende Arbeiten zwischen gemessenen Kennwerten und der Simulation, die vornehmlich aus dem Spritzgusssektor stammen [21], [22]. In spritzgegossenen Proben werden für kurzfaserverstärkte Materialien Schichtenaufbauten beobachtet, wo in den jeweiligen Schichten unterschiedliche Orientierungen vorliegen [57]. Die Fasern liegen in der Kernschicht infolge der hier vorherrschenden Dehnströmung vornehmlich quer zur Fließrichtung orientiert vor. An der Spitze der Strömung werden die Fasern aus der Kernschicht in die Randschicht transferiert und umorientiert. Die Strukturviskosität beeinflusst den Schichtenaufbau. Bei einer hohen Viskosität ermittelten Glaser et al. eine schmale Randschicht sowie eine ausgedehnte Kernschicht. Bei einer geringen Scherviskosität wurde eine breite Scherschicht und eine schmale Kernschicht beobachtet [44]. Über die Simulation der Faserorientierung kann man die entsprechenden Elementorientierungen für andere FEProgramme exportieren und mit diesen das Bauteilverhalten berechnen [58], [59]. Zusätzlich ermöglichen die berechneten Faserorientierungen einen Einblick in den zu erwartenden Bauteilverzug [54].
510
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Im Zuge der steigenden Komplexität der Bauteile stellt sich die Notwendigkeit einer 3-D-Faserorientierungssimulation heraus, wenn es sich um voluminöse Bauteile handelt, die nicht durch die Vereinfachung mittels Schalenelementen darstellbar sind [60], [61]. Auch kommerziell erhältliche Prozesssimulationsprogramme sind mittlerweile in der Lage, eine 3-D-Simulation für die Spritzgießverarbeitung bereitzustellen [62], [63]. Da das Spritzprägeverfahren zunehmend Anwendung findet, vollzog sich auch in der Simulation dieser Trend mit, so dass spezialisierte Softwarepakete in der Lage sind, diese Verfahren zu simulieren [64]. Hafellner und Steiner betrieben den Einsatz von kommerzieller Simulationssoftware für die Auslegung von Materialien mit längeren Fasern mit gutem Erfolg, jedoch umfassten die hier untersuchten Faserlängen nur den Faserlängenbereich bis zu ca. 4 mm [65].
6.3.3.6
Beispielsweise wurde für ein Türaußenblatt aus SMC ein Vergleich der Durchbiegungen mit den aus der Prozesssimulation berechneten anisotropen mechanischen Materialeigenschaften mit den Durchbiegungen aus dem Bauteilversuch durchgeführt und eine gute Übereinstimmung erzielt [54]. An einem Hybridbauteil demonstrierte Glaser eine Vergleichsuntersuchung zwischen Simulation und Messungen mit guter Übereinstimmung [44]. Die Kopplung von Spritzgießsimulation und Struktursimulation mit dem Ziel der strukturmechanischen Werkzeugauslegung kann durchgeführt werden [14], [44]. Spezialisierte Konversionsprogramme ermöglichen die Übertragung der anisotropen Eigenschaften aus dem FE-Netz der Prozesssimulation in FE-Netze für die Struktursimulation [44], [59]. Dies ist von großer Bedeutung, da sich die Vernetzungskriterien für Prozess- und Struktursimulation deutlich unterscheiden.
Verzugssimulation 6.3.3.8
Ein wichtiger Aspekt der Prozesssimulation ist die Verzugsanalyse von Bauteilen, die infolge der Abkühlung der Bauteile von der Prozesstemperatur auf RT eine Abweichung der Bauteilgestalt von der Sollgeometrie bewirkt. Hierbei sind in erster Linie Wärmeausdehnungskoeffizienten der Polymere und deren pvT-Verhalten beim Phasenübergang verantwortlich. Einen Augenmerk auf die den Verzug von Bauteilen beeinflussenden Materialeigenschaften wie pvTVerhalten und Wärmeausdehnungskoeffizienten geben z.B. Michaeli und Niggemeier [66]. Ein weiterer sehr wichtiger Einfluss auf den Bauteilverzug wird durch Faserorientierungen im Bauteil hervorgerufen [67]. Mit Hilfe geeigneter Prozesssimulation können auch spezielle für den Bauteilverzug verantwortliche Effekte wie der Spring-forward-Effekt simuliert werden [10], [50]. Dazu sind genaue Kenntnisse über Prozess und Werkstoffparameter notwendig [10]. Gleiches gilt für die Spritzgießprozesse und analog die Spritzgießsimulation [68]. Das Vorgehen einer solchen Verzugsanalyse für spritzgegossene Bauteile ist in [69] beschrieben. Andere Untersuchungen führten Semmler et al. für fliessgepresste, thermoplastische Bauteile [70] durch. Zwischen Simulation und Versuchen wurde ein Abgleich durchgeführt und eine gute Übereinstimmung der Gestalt des Verzuges beobachtet [70].
6.3.3.7
Struktursimulation
Die Herleitung von mechanischen Eigenschaften aus der Prozesssimulation für Spritzgießen und Fliesspressen wurde mehrfach demonstriert.
Crashsimulation
Mit zunehmendem Einsatz von (vor allem faserverstärkten) Kunststoffen im Automobilbau werden Materialmodelle benötigt, die auch dehnratenabhängiges Verhalten abdecken können, um in der Crashsimulation richtig dargestellt zu werden. Diese Materialmodelle müssen sowohl kunststoffspezifisches Verhalten als auch Effekte, die aus der Faserorientierungsverteilung herrühren, abbilden können, um zutreffende Vorhersagen des Bauteilverhaltens zu ermöglichen. Fortgeschrittene Verfahren können eine Kopplung zwischen Prozesssimulation und Crashsimulation durchführen und die aus der Prozesssimulation errechneten Eigenschaften auf das FE-Modell für die Crashsimulation übertragen. Damit kann eine Genauigkeit der Crashsimulation für Kunststoffbauteile erzielt werden, die mit herkömmlichen Materialmodellen nicht zu erreichen ist [71], [72].
6.3.4
Berechnungsbeispiel
Gegeben ist ein glasfaserverstärkter Thermoplast, Verstärkungsfasern E-Glasfasern, Matrixwerkstoff Polypropylen Fasern
Matrix
EFaser = 72 GPa νFaser = 0.22 ρFaser= 2.6 g/cm3 Aspect ratio der Fasern L/d = 100
EMatrix = 1450 MPa νMatrix = 0.4
ρMatrix= 0.91 g/cm3
mit folgender Faserorientierungsverteilung (s. Bild 6-61).
6.3 Berechnungsansätze und Simulation
511
Bild 6-60. Beispielhafte Faserorientierungsverteilung eines glasfaserverstärkten Thermoplasten
Unter Verwendung der Gleichungen nach Halpin Tsai
ergeben sich folgende Kennwerte für den unidirektional ausgerichteten Verbund E1 E2 G12 ν12
= = = =
9026 MPa 2439 MPa 692 MPa 0.38
die Anwendung der mit den Orientierungsanteilen gewichteten Transformatrionsmatrizen auf die Einheitssteifigkeitsmatrix ergibt folgende Verteilung der Kennwerte für den Verbund (s. Bild 6-62).
6.3.5
Beispiel aus der Simulation
Bei der Konstruktion des Lower Bumper Stiffener (s. Bild 6-63) für den Opel Corsa für den Fußgängerschutz wurde die so genannte „Integrative Simulation“ eingesetzt [72]. Dies beinhaltet die Durchführung einer Formfüllanalyse mittels Moldflow und die Simulation der Faserorientierung, Kopplung mit der Crashsimulationssoftware LS-Dyna und die anschließende Durchführung der Crashsimulation. Das Bauteil ist unterhalb des Stoßfängers angeordnet und dient der Verringerung der Verletzungsschwere im Falle eines Fußgängeraufpralles im Bereich der Beine des Fußgängers. In der Formfüllanalyse erfolgt die Beurteilung der Füllung des Lower Bumper Stiffener. Die Angussposition befindet sich zentral in der Mitte des Bauteils. Während der Formfüllanalyse wird gleichzeitig die Berechnung der Faserorientierung durchgeführt. Mit den aus der Faserorientierung berechneten Kennwerten und dem damit verbundenen Materialverhalten kann eine Crashsimulation bewerkstelligt werden. Die Übereinstimmung von Simulation und Versuchsergebnissen des Lower-Leg-Impact kann als sehr gut bezeichnet werden und ermöglichte eine gute Ausnutzung der Leistung des Bauteils bei optimalem Leichtbau [72] (s. Bild 6-65). In einer weiteren Crashsimulation erfolgte die Berechnung des RCAR-Versicherungtests, bei dem der Lower Bumper Stiffener ein definiertes Verhalten zeigen muss. Mit
512
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-61. E-Modulverteilung eines glasfaserverstärkten Thermoplasten aus der Orientierungsverteilung aus Bild 6-61
Bild 6-62. Lower Bumper Stiffener Opel Corsa
Hilfe der Integrativen Simulation konnte das Bauteilverhalten für den Fußgängerschutz und den Versicherungsfall optimal abgestimmt werden (s. Bild 6-66). Mit freundlicher Genehmigung der BASF AG und der Adam Opel AG [72].
Bild 6-63. Formfüllanalyse des Bauteils
6.3 Berechnungsansätze und Simulation
513
Bild 6-64. Vergleich Simulation zu Versuchsergebnissen des Lower Leg Impact
Literatur zu Kapitel 6.3 [1]
[2]
[3]
[4] Bild 6-65. Vergleich des Bruchbilds aus Crashsimulation und RCAR-Versicherungstest
[5]
Stojek M, Stommel M, Korte W (1998) Finite-Elemente-Methode für die mechanische Auslegung von Kunststoff-und Elastomerbauteilen. VDI Sonderpublikation, Springer-VDI-Verlag Düsseldorf, www.partgmbh (2001) Folgar F, Tucker III C (1984) Orientation Behavior of Fibers in Concentrated Suspensions. Journal of Reinforced Plastics and Composites Vol 3, p 98–119 Advani SG, Tucker CL (1987) The Use of Tensors to Describe and Predict Fiber Orientation in Short Fiber Composites. 1. Rheol. 31, p 751–784 Schmachtenberg E, Skrodolies K, Mannigel M, Kuhnel E (2004) Auslegung und Herstellung von Faserverbundkunststoff-Bauteilen I, Block 12 22. IKV-Kolloquium Aachen Michaeli W, Oelgarth A, Brast K, Nölke M (1997) Presskräfte vorhersagen. Kunststoffe 87
514
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12] [13]
[14]
[15]
[16]
[17]
[18]
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Ritter M (2003) Materialcharakterisierung von langfaserverstärkten Pressmassen und Beschreibung des Pressprozesses durch Simulation und Messung des Kraftschwerpunktverlaufs. Dissertation am IKVAachen Oelgarth A (1997) Analyse und Charakterisierung des Fließverhaltens langfaserverstärkter Pressmassen. Dissertation am IKV-Aachen Henning F (2002) Verfahrensentwicklung für langund endlosglasfaserverstärkte thermoplastische Sandwich-Bauteile mit geschlossenem Werkstoffkreislauf. Dissertation am Fraunhofer ICT, Wissenschaftliche Schriftenreihe Bd 34 v Diest K (1995) Prozesssimulation und Faserorientierungserkennung von GMT-Bauteilen. Dissertation an der Universität Kaiserslautern Semmler E (1998) Simulation des mechanischen und thermomechanischen Verhaltens faserverstärkter thermoplastischer Pressbauteile. Dissertation an der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen, IKV-Berichte aus der Kunststoffverarbeitung Michaeli W, Heber M, Semmler E (1994) EXPRESS – Pressbauteile und Werkzeuge einfach und sicher dimensioniert. Kunststoffberater 9-94 Fachbeiträge Simulation 46-49 Mandos R, Snepvangers N (1997) GMT – Simulationssoftware. Kunststoffe 87(1997)4, S 468–470 Tröster S (2004) Materialentwicklung und -charakterisierung für thermoplastische Faserverbundwerkstoffe im Direktverfahren. Dissertation am Fraunhofer ICT, Wissenschaftliche Schriftenreihe Bd 39 Specker O, Osswald T, Michaeli W (1990) Methoden zur Vorausberechnung der Faserorientierung beim Pressen von SMC mit geschnittenen Glasfasern: Teil 1 – Unverrippte Bauelemente; Teil 2 – Verrippte Bauelemente. FAT Schriftenreihe Nr. 87, Forschungsvereinigung Automobiltechnik Linn J (2005) The Folgar-Tucker Equation as a Differential Algebraic System for Fiber Orientation Calculation, Berichte des Fraunhofer ITWM, Nr. 75 Pontes AJ, Neves NM, Pouzada AS (2003) The role of the interaction coefficient in the prediction of the fiber orientation in planar injection moldings, SPE 2003, www.rednova.com Advani SG (1994) Flow and Rheology in Polymer Composites manufacturing. Elsevier, Amsterdam, Oxford, New York, Tokyo Papathanasiou TD, Guell DC (1997) (Ed.): Flow induced alignment in composite materials. Woodhead Publishing Ltd., Cambridge
[19] Chung D, Kwon T (2002) Fiber orientation in the processing of polymer composites. Korea-Australia Rheology Journal Vol.14 No.4 2002, pp 175–188 [20] Bay RS (1991) Fiber orientation in injection molded composites: A comparison of theory and experiment., PhD Thesis University of Urbana, Illinois [21] Lee KS, Lee SW, Chung K, Kang TJ, Youn JR (2003) Measurement and Numerical Simulation of Threedimensional Fiber Orientation States in InjectionMolded Short-Fiber-Reinforced Plastics. Journal of Applied Polymer Science, Vol. 88 (2003), p 500–509 [22] Whiteside BR, Coates PD, Bubb SL, Duckett RA, Hine PJ (2001) Measurement and FE prediction of glass fibre orientation distributions for injection moulded products of increasing complexity. University of Bradford, University of Leeds, www.brad.ac.uk/acad/comppro/images/glass.pdf [23] Baur W (1996) Faserverbundwerkstoffe sind anders: Konsequenzen für Berechnung und Konstruktion. Symposium „Berechnung von Faserverbundstrukturen unter Anwendung numerischer Verfahren“, München [24] Cahn RW, Davis EA, Ward IM (1993) (Ed.) Microstructural design of fiber composites, Cambridge University Press [25] Maier M (1994/1995) Berechnung und Konstruktion von Verbundwerkstoffen. Vorlesungsskript Institut für Verbundwerkstofffe Universität Kaiserslautern [26] Tsai SW (1992) Theory of composites Design published by THINK Composites, Ohio [27] Wire SL (1998) Fibre Orientation & mechanical properties of fibre reinforced composites. Chapter 4: Theoretical Predictions of composite elastic properties. Leeds University [28] Schwarz P (1993) Einflussß der Faserlänge und der Faserorientierung auf die Elastizität und die Wärmeausdehnung von Kurzfaserverbundwerkstoffen, Fortschrittsberichte Reihe 5: Grund- und Werkstoffe Nr. 326. Dissertation VDI-Verlag, Dissertation am Institut für Kunststoffkunde und Kunststoffprüfung der Uni Stuttgart [29] Cox HL (1952) The strength and elasticity of paper and other fibrous materials, British Journal of Applied Physics, 3, p 72–79 [30] Cottrell A (1964) Strong Solids Proc. Roy. Soc., A282, p 2–9 [31] Kelly A, Tyson W (1965) Tensile properties of fibre reinforced metals: Copper/Tungsten and Copper/ Molybdenum. J. Mech.Phys.Solids (13), S 329–350 [32] Piggott MR (1980) Load-Bearing Fibre composites. 1st Ed., Pergamon Press, Oxford
6.3 Berechnungsansätze und Simulation [33] Halpin JC, Kardos JL (1978) The Halpin-Tsai Equations: A Review. Polym. Eng. Sci. 16(1978)5, p 344– 352 [34] N.N. (2004) Ermittlung temperaturabhängiger anisotroper Stoffwerte für die Spritzgießsimulation. AIF Abschlussbericht 13220 N(8010)/1 [35] Eshelby JD (1957) The determination of the elastic field of an ellipsoidal inclusion and related problems. University of Birmingham [36] Tucker C, Liang E (1999) Stiffness predictions for unidirectional short - fiber composites: Review and evaluation. Composites Science and Technology 59 p 655– 671 [37] Tandon GP, Weng GJ (1984) The Effect of Aspect Ratio of Inclusion on the Elastic Properties of Unidirectionally Aligned Composites. Polymer Composites, Vol 5, No 4 [38] Tandon GP, Weng GJ Average Stress in the Matrix and Effective Moduli of Randomly Oriented Composites. Composites Science and Technology 27 (1986), p 111– 132 [39] Rüb G, Davidson NC, Möginger B, Eyerer P (2003) Simulation der mechanischen Eigenschaften von partiell ausgerichteten Verbundwerkstoffen mit Hilfe des Elementar.Volumen-Konzepts. Informationsbroschüre IKP Uni Stuttgart [40] de Morais AB (2001) Stress distribution along broken fibres in polymer-matrix composites. Composites Science and Technology 61(2001), p 1571–1580 [41] Rötzer I (2004) Werkstoffe nach Maß. Fraunhofer Magazin 2.2004, S 38-39 [42] Esward TJ, Wright L (2003) Guide to the use of finite element and finite difference Software. NPL Report CMSC 30/03 2003 [43] Oberbach K, Schmachtenberg E Konstruktionsgerechte Kennwerte – Voraussetzung für werkstoffgerechte Konstruktion von Präzisionsteilen aus Kunststoff. Anwendungstechnische Information Bayer ATI 956 [44] Glaser S (2003) Integrative Simulation. 2nd Virtual Materials Processing Focussing Polymers, Fürth [45] Glaser S, Wüst A (2005) Modellierung am Computer. Kunststoffe 95(2005)3, S 132–136 [46] Hegemann B (2004) Deformationsverhalten von Kunststoffen beim Thermoformen: experimentelle und virtuelle Bestimmung. Dissertation am IKP Universität Stuttgart [47] Wüst A, Flosdorff M (1994) Blasformteile rechnergestätzt entwicklen. Kunststoffe 84(1994)3, S 249–255 [48] Wüst A (2001) Die richtige Wanddicke. Kunststoffe 91(2001)5, S 42–46
515
[49] Osswald T, Gramann P (2001) Polymer Processing Simulation Trends. SAMPE, Erlangen, Germany, www. madisongroup.com [50] Michaeli W, Baur E, Ritter M (1999) Prozesssimulation für das Fließpressverfahren. Kunststoffe 89(1999)08, S 70–74 [51] Menges G, Michaeli M, Mahlke M, Osswald T, Ott S, Specker O, Thieltges H, Wölfel U (1988) Spritzgießen und Pressen Verstärkter Kunststoffe: Teil 3 – Presskraftbedarf und Zykluszeit beim Pressen von SMC. Der Betriebsleiter (11), S 70–74 [52] Specker O (1990) Pressen von SMC Computersimulationen zur rechnerunterstützten Auslegung des Prozesses und zur Ermittlung der Bauteileigenschaften. Dissertation am IKV RWTH Aachen [53] Osswald T, Semmler E, Baur E (1997) Einsatz von CAE bei der Entwicklung von Pressbauteilen – Statusbericht für Europa und USA. Vortrag 28. AVK-Tagung Baden-Baden S 1–16 [54] Michaeli W, Knops M, Fischer O, Ritter M, Piry (2002) Modellbildung zur Simulation von Bauteilen aus Faserverbundkunststoffen. 21. IKV-Kolloquium Aachen, Block 13 1–23 [55] Osswald T, Tucker CA (1986) Boundary Element Simulation of Compression Mold Filling. Polymer Processing Society, 2. Conference, Montreal [56] Menges G, Michaeli M, Mahlke M, Osswald T, Ott S, Specker O, Thieltges H, Wölfel U (1988) Spritzgießen und Pressen verstärkter Kunststoffe: Teil 2 – Orientierungsberechnung in Spritzgussteilen. Der Betriebsleiter (10), S 46–49 [57] Pflamm-Jonas T (2001) Auslegung und Dimensionierung von kurzfaserverstärkten Spritzgussbauteilen. Dissertation, TU Darmstadt [58] N.N. Better fibre orientation through integrative Simulation Software. www.netcomposites.com/news. asp?2266 [59] N.N. (2005) Part Converse – kurzfaserverstärkte Kunststoffteile zuverlässig berechnen. www.partgmbh.de [60] Linn J (2003) Faserorientierung beim Kunststoffspritzguss. Fraunhofer-ITWM. http://www.itwm.fhg.de, S 1–2 [61] Maplestone P (2003) 3-D Simulation meets demands of challenging applications. Modern Plastics, p 24–25 [62] Maier C (2003) Moldex 3D moves in. British Plastics & Rubber [63] Kallien L, Steinbach J (2000) Simulation of injection Moulding with 3D Volume Elements. Internationale FEM-Technologietage
516
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
[64] Hofer T, Fritz HG (2003) Numerische Simulation der ICM-Technologie mittels Fillflow, 4V/2, 18. Stuttgarter Kunststoff-Kolloquium 2003, S 1–14 [65] Hafellner R, Steiner G (2004) Use of Moldflow for simulation of long fiber reinforced materials. International Moldflow User‘s group 2004 [66] Michaeli W, Niggemaier P (1999) Schwindung und Verzug besser simulieren. Kunststoffe 89(1999)6, S 70–74 [67] Osswald T, Sun E, Tseng S (1996) Orientation and warpage prediction in polymer processing, Innovation in polymer processing: molding ed. By James F Stevenson, Carl Hanser Verlag Munich Vienna New York 1996 Chapter 11, p397–452 [68] Menges G, Michaeli M, Mahlke M, Osswald T, Ott S, Specker O, Thieltges H, Wölfel U (1988) Spritzgießen und Pressen verstärkter Kunststoffe: Teil 1 – Simulation des Fertigungsprozesses und Analyse faserverstärkter Kunstoffpreßteile. Der Betriebsleiter (8), S 70–72 [69] Zöllner O, Sagenschneider U Schwindung und Verzug glasfaserverstärkter Thermoplaste lassen sich berechnen. Anwendungstechnische Information Bayer ATI 969 d,e [70] Semmler E, Michaeli W (1997) Simulation of shrinkage and warpage for complex compression moulded parts with reinforced thermoplastic material. 42nd International SAMPE Symposium May 4-8 1997, Covina, Calif. p 1426–1438 [71] Glaser S, Wüst A (2005) Integrative crash simulation of composite structures. A-I-87, 4. LS-DYNA Anwenderforum Bamberg [72] Frik S, Erzgräber M, Wüst A, Glaser S (2006) Entwicklung eines thermoplastischen Lower Bumper Stiffeners für den Fußgängerschutz. VDI-K Konferenz Kunststoffe im Automobilbau. Mannheim
Weiterführende Literatur Felber P, Hinse Ch (2007) 3D-Simulationserfolge an Dekorbauteilen. Kunststoffe 97(2007)11, S 108–110 Frormann L, Reckzügel M (2007) Wärmeübertragung bei der Imprägnierung textiler Halbzeuge. Kunststoffe 97(2007)7, S 52–54 Shoemaker J (Ed) (2006) Moldflow Design Guide. 1. Aufl, 326 S, Hanser, München (Spritzgiessprozess, Bauteilauslegung, Maschinentechnik, Optimierung des Füllverhaltens)
Abkürzungen Index BEM FE FEM GF GMT L/D LFT PP PVT RTM SMC WLF
Erklärung Boundary Element Method Finite Elemente Finite Element Method Glasfaser Glasmattenverstärkter Thermoplast Länge-Durchmesser-(Verhältnis) Langfaserverstärkter Thermoplast Polypropylen Druck-Volumen-Temperatur Beziehung Resin Transfer Moulding Sheet Molding Compound Williams-Landel-Ferry Ansatz
Nomenklatur Index Erklärung αij ,αijkl Tensorkomponenten Orientierungsverteilung β Koeffizient Folgar-Tucker-Gleichung βi Materialparameter Ogden-Modell ε Dehnung ηV Viskosität η Koeffizient im Halpin Tsai-Modell θ Winkel Faserorientierungsvektor γ Verschiebung γ⋅ Schergeschwindigkeit ξ Formfaktor des Halpin-Tsai-Modells λ1 , λ3 , λ3 Hauptverstreckungsgrad (Ogden-Modell) μ Materialmodell Ogden-Modell ν Querdehnzahl νf,m Querdehnzahl Faser/Matrix σ Spannung σ1,2 oder σx,y Spannungskomponente in 1,2 oder x,yRichtung τ Schubspannung Ψ (P) Verteilungsfunktion der Faserorientierung Ψ Faserorientierungsverteilung Φ Winkel Faserorientierungsvektor c Konzentration der Fasern d Faserdurchmesser h Spalthöhe · h Pressgeschwindigkeit p Druck t Zeit Αij Tensorkomponente Orientierungsverteilung Ci Faserinteraktionskoeffizient C01 , C10 Materialparameter Mooney-Rivlin-Modell Dij Tensorkomponente Orientierungsverteilung Ef,m E-Modul Faser/Matrix
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen Ei Gf,m Gij I1 , I2 Km L L/d S 冬T 冭 T (P) Vf,m vx,y W Wij
6.4
E-Modul in 1-Richtung Schubmodul Faser/Matrix Schubmodul in ij-Richtung Verzerrungsinvarianten Mooney-RivlinModell Kompressionsmodul der Matrix (HalpinTsai) Faserlänge Aspect ratio Fließleitfähigkeit gemittelter Tensor im Bezugskoordinatensystem aus der Richtung P transformierter Tensor T Volumenanteil Faser/Matrix Geschwindigkeitskomponente in x,y-Richtung Formänderungsenergie Tensorkomponente Strömungsfeld
EDV-unterstützte Konstruktion und Auslegung von Kunststoffbauteilen Otto Altmann
6.4.1
517
Bild 6-66. Kosteneinfluss von Änderungen und Modifikationen während der zeitlichen Entwicklungsphasen von Kunststoffbauteilen
Einführung
Die Gesamtkosen für Bauteile, auch diejenigen aus Kunststoffen, werden wesentlich – in der Regel zu 90 Prozent – in der Entwicklungshphase bestimmt. Bauteiländerungen zu späteren Zeitpunkten kosten umso mehr, je fortgeschrittener der Konstruktions- und Auslegungsprozess ist, Bild 6-66. Wegen der hohen Werkzeugkosten für die Bauteilverarbeitung muss der Entwicklungsprozess spätestens bis zur Werkzeugkonstruktion abgeschlossen sein. Es kommt dennoch immer wieder vor, dass Werkzeugänderungen nachträglich notwendig werden. Diese können jedoch höhere Kosten verursachen, als ein von vorneherein qualifiziert festgelegter, durchaus aufwändiger, Entwicklungsprozess mit all seinen Einzelschritten. Änderungen nach dem Serienanlauf oder gar Rückrufaktionen, wie sie immer wieder bekannt werden (Nahrungsmittel, Automobile u. a.), sind extrem teuer und kosten Zeit, vom Imageschaden ganz abgesehen. Die EDV-Unterstützung bei der Konstruktion von Kunststoffbauteilen bietet bei konsequenter Anwendung die Chance der Fehlervermeidung, mindestens aber deren Reduzierung und damit langfristig gesehen eine Kostenreduzierung. Allerdings ist CAX (Sammelbegriff für alle computerunterstützten Methoden) bei Kunststoffbauteilen arbeitsinten-
siver als beispielsweise bei vergleichbaren metallischen Strukturen. Dies hängt u. a. mit den zeit- und temperaturabhängigen Eigenschaften von Kunststoffen im Anwendungsbereich von –30 bis 200 °C und mit deren Verarbeitung zusammen bei i. d. R. zwischen 200 °C und 300 °C. Dieser Mehraufwand in der Entwicklung von Kunststoffbauteilen lässt sich jedoch durch Vorteile bei der Verarbeitung (Integration von Funktionen) und in der Nutzungsphase (Masse, Geräusche u. v. a.) häufig kompensieren. Wegen der meist hohen Werkzeugkosten sind bei Kunststoffbauteilen große Stückzahlen aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich. Sonderverfahren machen aber auch Kleinserien möglich. Der kalkulatorische Entwicklungsaufwand (als Teil der Overheadkosten) liegt bei Kunststoffbauteilen zwischen 4 und 9 Prozent (bei hoher Komplexität und Funktionalität) der proportionalen Herstellkosten (HKprop). Bei tragenden Faserverbundstrukturen in der Luft- und Raumfahrt können HKprop bis zu 14 Prozent steigen. Die CAX-Methoden für Konstruktion (CAD Computer Aided Design) und Auslegung (CAE Computer Aided Engineering) von Kunststoff-Bauteilen haben das Polymer Engineering in den vergangenen Jahrzehnten enorm verändert. Bild 6-67 zeigt Hard- und Software für einen kunststofftech-
518
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-67. EDV-Bauteileentwicklungssystemaufbau in der Kunststofftechnik
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen
519
Bild 6-68. Haupteinflusstechnologien und Schnittstellen
nikbezogenen Arbeitsplatz eines Konstrukteurs. Allerdings bleibt die Generierung der erforderlichen Werkstoffdaten (orts-, verarbeitungs- und konstruktionsabhängig) deutlich hinter der rasanten Entwicklung auf dem EDV-Gebiet derzeit. Bis heute ist es beispielsweise nicht zufriedenstellend gelungen, verlässliche Bemessungskennwerte in den CAXgekoppelten Datenbanken bereitzustellen. Expertensysteme mit Schlussfolgerungskomponenten müssen daher unvermindert Ziel der Arbeit von Kunststofftechnikern sein. Die Kombination von Verarbeitungsverfahren, die in verstärktem Maße eine Integration von Funktionen in Kunststoffbauteile, recyclinggerechte Konstruktionen und Kostenreduzierungen erfordern, u. a. durch dünnwandigere Konstruktionen sowie das Erschließen neuer Anwendungen (Sicherheit, Komfort, Leichtbau), haben zukünftig ohne EDV-unterstützte Auslegungs- und Simulationsverfahren keine wirtschaftliche Perspektive. Das Ur- und Umformen von Bauteilen aus Kunststoffen (siehe Kapitel 4) und ihre viskoelastischen bis plastischen Eigenschaften (siehe Kapitel 3) erfordern völlig andere Entwicklungs- und Prozessstrukturen im Vergleich zum Umgang mit Metallen. Bild 6-69 verdeutlicht die Hauptfaktoren (Einflussfelder) beim Polymer Engineering
auf die Gestaltung, Fertigung, Nutzung und das Recycling eines Produktes.
6.4.2
Kunststoff
Aus den Vorgaben des Lastenheftes zum Bauteil leitet sich die Wahl des geeigneten Werkstoffes/Kunststoffes ab. Über Werkstoff-Vergleichsgrößen sind Bemessungskennwerte für die Berechnungen (mechanisch, chemisch, physikalisch) zu ermitteln. Dies stellt häufig den kritischsten und auch aufwändigsten Schritt in der Entwicklungs-Prozesskette eines Bauteiles dar. Fehler werden hier oft gemacht. Weiter sind die Auswahl von Toleranzen für geforderte Maße nach Norm- und Standardvergaben ein wichtiges Kriterium beim Eintrag in die Bauunterlagen, die Kosten und Qualität von Kunststoffbauteilen mitbestimmen [1] bis [5]. Auch ist die Kenntnis hinsichtlich kunststoffspezifischer Toleranzen unabdingbar [2]. Das Versagen von Kunststoffbauteilen hat meistens seine Ursache in unsachgemäßen Konstruktionen, viel weniger im Werkstoff(Kunststoff)verhalten. Einflüsse der Verarbeitung und Werkzeugtechnik, sowie der Oberflächentechnik werden beispielsweise ignoriert.
520
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Die Folge ist meist ein schlechtes Image der Werkstoffgruppe Kunststoff, obwohl die Verantwortung jedoch beim Konstrukteur liegt. So sollten Kunststoffbauteile, beispielsweise für die Fahrzeugtechnik, bereits beim Beginn einer Entwicklung, also in der Konzept- und Vorauslegungsphase, in Primär- und Sekundärstrukturen unterteilt werden. Bei konsequenter Einhaltung dieser Festlegung während der gesamten Entwicklung lassen sich durch diese Vorgehensweise Engpasssituationen zeitlich vorhersehen und wirtschaftlich beherrschen. Weitergehende Ausführungen zu den Kunststoffen, ihre Einteilung, Strukturen, Merkmale u. a. m. gibt Kapitel 3.
6.4.3
Struktur-/Bauweisen-Konzepte und Auslegungsphilosophien
Struktur-/Bauweisen-Konzepte lassen sich unterscheiden (Auswahl) nach: – Monolytische Strukturen, auch Mono-Konzepte genannt (Strukturbauteile aus einem Werkstoff, durchaus jedoch in verschiedenen Herstellformen: beispielsweise eine MonoInstrumententafel aus glasfaserverstärktem Polypropylen, aus PP-Schaum und PP-Integralhaut). – Differenzierte Strukturen oder auch gradierte Strukturen (tragende Strukturen mit örtlichen Funktionselementen: beispielsweise ein PKW-Frontend mit oben eingelegtem, örtlich begrenztem Verstärkungsgewebe). – Hybrid-Strukturen (Kombination von Bauweisen aus verschiedenen Werkstoffen: beispielsweise ein Tragrahmen einer PKW-Fahrgastzelle mit Faserverbund-Vorderwagen, Stahl- oder Aluminium-Rahmen und FaserverbundHinterwagen). – Sandwich-Struktur (Deckschichten aus Metallblechen oder polymeren Faserlaminaten mit Waben oder Schaumstoffen als Kernschichten: beispielsweise Surfbretter oder Leichtbau in der Luft- und Raumfahrt). – Verbund-Strukturen, so genannte Verbundwerkstoffe (Zugabe von teilchenförmigen oder faserförmigen – geschnittene oder endlose Fasern – Verstärkungsstoffen bzw. -konstruktionen, wie Gewebe, Gestricke, Gewirke, Gewirre u. a.: beispielsweise Sportartikel wie Tennisschläger, Speere, Segel u. v. a. Formel 1 Rennwagen, Sicherheitsgurte, -anzüge usw.). Diese Hauptgruppen lassen sich weiter untergliedern, in beispielsweise – selbsttragende Strukturen – Ausbaustrukturen – Rohrrahmen-Bauweisen – Gitterrohrrahmen-Bauweisen
– – – –
Leichtbaustrukturen Faserverbund-Laminatstrukturen Faserverbund-Wickelstrukturen Schaumstrukturen (Weich/Hart, offenzellig, geschlossenzellig …)
Jede dieser Bauweisen kann nun nach unterschiedlichen Auslegungsphilosophien dimensioniert werden: – maximal zulässige Dehnungen, Spannungen oder Verformungen – zulässige Verformungen, im linear-elastischen Bereich – zulässige Verformung, im nicht linearen Bereich (aufwändige Berechnung) – maximal zulässiger Sekanten-Modul (Spannungen, Dehnungen) – zulässige Spannungen, als % Anteil der Bruch-Spannung/ Dehnung – „fail safe“ (sicher ertragene Lasten, gegen das BauteilVersagen) – „safe life“ (sicher ertragene Lasten, über die Bauteile Lebensdauer) – Lebensdauer-orientierte Auslegungsphilosophien Prinzip: Die Bauteile versagen erst nach einer bestimmten Lebensdauer die sich an Lastwechselspielzahlen, Lasthöhen oder Lastkollektiven orientiert („theoretische Idealkonstruktion“). Einigen Industriezweigen wird unterstellt, dass diese „Lebensdauer orientierte“ Strukturauslegung die Grundlage für die „Wegwerfgesellschaft“ z. B. mit „Plastik“ ist. Einige dieser oben angeführten Strukturauslegungsbegriffe stammen aus der Luft- und Raumfahrtindustrie, in der bekanntlich Leichtbau bis an die möglichen Versagensgrenzen, mit geringen Sicherheitsbeiwerten, betrieben werden muss. Es gibt jedoch auch eine andere Art der Einteilung, die sich bei den herzustellenden und auszulegenden Kunststoffbauteilen ausschließlich nach ihrem späteren, speziellen Einsatzgebieten definiert. Die Vorgaben für diese Gruppen richten sich nicht oder nur zum Teil nach mechanisch physikalischen Kennwerten, wie z. B. – Kunststoffe für optische funktionale Bauteile (Linsen, Spiegel, Prismen u. s. w.) – Kunststoffe mit speziellen Reibungs- und Verschleißeigenschaften, Bild 6-70 und 6-71, sowie u. a. [6] – für die Optimierung dieser Eigenschaften spielen Füll- und Verstärkungswerkstoffe eine entscheidende Rolle, Bild 6-72. – Kunststoffe mit speziellen elektrischen Eigenschaften, – Kunststoffe mit elektromagnetischen Abschirmeigenschaften
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-69. Abrieb für ausgewählte gefüllte und ungefüllte PTFE-Compounds (Optimierungsbeispiel für das Verschleißverhalten)
Bild 6-70. Abrieb für einige modifizierte PPS-Compounds (Optimierungsbeispiel für das Verschleißverhalten)
521
522
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-71. Übersichtsdaten für die Polymerwerkstoffvorauswahl in Abhängigkeit von Faserverstärkungen
6.4.4
Werkstoffkennwerte als Konstruktionsund Auslegungsbasis
Die Werkstoffkennwerte, die von den Rohstoffherstellern an Proben ermittelt werden, sind die Basis für eine vergleichende Werkstoffauswahl. Diese Kennwerte können nur bedingt als Bemessungskennwerte (z. B. elastische Konstanten) für die Auslegung eingesetzt werden. Über das Lastenheft bzw. die Spezifikationen sind die Einsatzbedingungen der Bauteile meistens bekannt. Bereits in der Konzept- und Vorkonstruktionsphase muss der Kunststoffbauteileentwickler (als Bauteileverantwortlicher), unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Parameter eine Werkstoffvorauswahl treffen und
damit auch einen Großteil für die möglichen Werkzeug-, Verfahrens- sowie Prozesstechnologien definieren. In den Bildern 6-73 und 6-74 bis 6-78 sind einige vergleichende Eigenschaften für Polymerwerkstoffe aus Probenkennwerten dargestellt, die man in einem Bauteil in aller Regel so nicht wieder vorfindet. Bild 6-79 weist den Weg von den Eigenschaften in einer Normprobe hin zu denen im Bauteil [7] bis [11].
6.4.5
Vor-Auslegung von Kunststoff-Strukturen
Jeder Industriezweig hat, dem hergestellten Produkt entsprechend und den Folgen bei Bauteileversagen, andere Primärkriterien in der Vorauslegung und Entwicklung, die unter-
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen
523
Bild 6-72. Thermoplastische Kunststoffe und ihre thermische Beständigkeit
schiedlich eingeordnet und bewertet werden, wie z. B. folgende – Luft- und Raumfahrt: Sicherheit, Leichtbau und Lebensdauer – Automobilbau Kosten, Sicherheit, Masse, Qualität – Maschinenbau Lebensdauer, Verschleiß und Kosten. Diese Einstufung hängt vor allem mit der geplanten, herzustellenden Stückzahl über die gesamte Projektlaufzeit (Multiplikationsfaktor, bei der Kosteneinsparung) und damit den Herstellkosten sowie den entstehenden Kosten oder Auswirkungen, bei einem möglichen Bauteileversagen, zusammen. Der einfachste Vorauslegungsfall liegt vor, wenn man z. B. nur nach zwei Faktoren, z. B. der Steifigkeit und der Masse, vorauslegen und optimieren muss, siehe Bild 6-80. In der Regel liegt eine größere Anzahl von Vorgaben vor, die man im Rahmen der Bauteile-Vorauslegung, mit z. B.
vergleichenden Polardiagrammen, zumindest qualitativ vergleichend gegenüberstellen kann, siehe Bild 6-81. Einige Werkstoffdatenbanken, wie z. B. CAMPUS von M-Base [12], ermöglichen zumindest die Probenwerkstoffkennwerte-Vorauswahl nach Polardiagrammen. Andere EDV-Hilfsmittel für die Werkstoffvorauswahl, wie RALPH von der Firma BAYER [13], siehe Bild 6-82, sind sehr hilfreich. In einem derartigen Polardiagramm können eine große Anzahl von Vergleichsachsen für verschiedene Vorauslegungskennwerte aufgebaut und Varianten miteinander verglichen werden. Das ergibt jedoch noch keine signifikanten bzw. eher nur eine relativ vergleichende Aussage über die Bauteilkennwerte. Wobei es selbstverständlich auch möglich ist, über ermittelte Kennwerte unter verschiedensten Bedingungen, Bauteile Polardiagramme zu generieren, die dann über die ermittelten Bauteile Versuchs- und Testkennwerte eine sehr hohe Aussagekraft über das Bauteileverhalten unter Einsatzbedingungen haben. Eine weitere Vorauslegungsmethode stellen Matrixanalysen dar.
Bild 6-73. Feuchtigkeitsaufnahme in Wechselwirkung mit dem Längenausdehnungskoeffizient
Bild 6-74. Beständigkeit gegen energetische Strahlung (Kennwerte des Herstellers), dargestellt als wirksame Strahlendosis, welche die Dehnung um 25 % reduziert (mögliche Auslegungskriteriengrenze)
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen
525
Bild 6-75. Erforderliche Dosisbereiche für das Vernetzen von Kunststoffen
Bild 6-76. Zusammenhänge zwischen Reibdruck (P) und Reibgeschwindigkeit (V) für Gleitkörper aus Kunststoffen
526
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-77. Einflussfaktoren für den Verschleißfaktor bei hohen Reibgeschwindigkeiten für Gleitkörper (Dark Plastics)
Bild 6-78. Der Weg vom Probenkennwert zum Bemessungskennwert bis zur Freigabe
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen
527
In der Vorauslegungsphase sollte bereits eine erste Abschätzung aller auslegungsrelevanten Parameter erfolgen. Nach dieser Vorauslegungsphase muss eine Basiseinteilung nach Primär- oder Sekundärstrukturen erfolgen, die den Entwicklungs- und Prüfaufwand, aber auch die Abminderungs- und Sicherheitsbeiwerte mitbestimmt.
6.4.6
Bild 6-79. Zweidimensionales Vor-Analyse-Entwicklungsdiagramm
Erst der Vergleich von technischen, auslegungsrelevanten und wirtschaftlichen Kriterien ermöglicht es nach der Vorentwicklungsphase die Serien Auslegungs- und Entwicklungsphase zu starten, siehe Formel in Bild 6-83. Häufig wird ein zu geringer Aufwand für die Vorauslegung betrieben. Dies muss in der Serienauslegung-, der Fertigungs- und der Nutzungsphase, z. B. über aufwändige Änderungen und Umkonstruktionen jedoch teuer bezahlt werden, siehe Bild 6-67.
Einteilung von Kunststoff-Strukturen
Die Einteilung der Kunststoffbauteile in Primär- und Sekundärstrukturen erleichtert die Festlegung der durchzuführenden Entwicklungsschritte innerhalb der Entwicklungs- und Fertigungsprozesskette. Die Erstellung einer Primär- und Sekundärbauteileliste, mit einer Gruppierung und festgelegten Abläufen hat sich in der Vergangenheit bewährt. Dabei kann sich die Sekundär- und Primärbauteilegruppierung nicht nur nach den rein funktionalen und mechanischen Anforderungen richten, sondern auch an Kriterien wie z. B. – hohe optische und strukturelle Oberflächenanforderungen – hohe Toleranzanforderungen, vor allem bei Monategruppen (Gruppenmaße) – hohe Rundheits- und Ebenheitsanforderungen sowie das Spannungsverhalten – hohe Anforderungen an die Wuchtgüte, bei hoch beschleunigten Bauteilen.
Bild 6-80. Vergleichendes, mehrachsiges PolarVoranalyse-Diagramm
528
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-81. Werkstoffvorauslegung mit dem Programm RALPH [13]
Es ist bis heute, werkstoff- und prozessbedingt, z. B. kaum möglich, „absolut“ runde und ebene Kunststoffbauteile herzustellen.
6.4.7
Gestaltungs-Richtlinien für Kunststoff-Strukturen
Es gibt eine relativ umfangreiche Anzahl an Fachliteratur und Firmenunterlagen [14] bis [26], die auf die Konstruktionsproblematik von Kunststoffbauteilen eingehen. Bezüglich der Bemessungskennwerte findet man jedoch kaum aussagekräftige, allgemein gültige Literaturstellen. Letzteres ist auch relativ schwierig, wenn man das Bauteil nur bedingt kennt. Für die Gestaltung von Polymerstrukturen ist eine Vielzahl an grundsätzlichen Richtlinien einzuhalten, die bei anderen Werkstoffgruppen nur eine geringe oder gar keine
Bild 6-82. Gesamt-Struktur-Vorauslegungs-Formel
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen entscheidende Rolle für die Strukturauslegung spielen, wie z. B. – Konstruktion nach dem Prinzip „möglichst gleicher Wandstärken“ – Konstruktionen ohne örtliche Massen- und Volumenanhäufungen, – Konstruktionen unter Vermeidung von „eingefrorenen Spannungen“ – Konstruktion unter Einhaltung von zulässigen Wanddicken Rippenhöhenverhältnisse. – Konstruktionen, an denen sich keine Volumenschwindungsmarken abzeichnen, – Konstruktion mit Mindestradien und Wanddicken-Übergangsbereichen – Konstruktion und Auslegung unter Berücksichtigung der Anisotropie – Konstruktion und Auslegung unter Berücksichtung von Bindenähten und – Konstruktionen und Auslegungen, die ein Kriechen unter Dauerlast oder – andere auslegungsrelevante Einflussfaktoren für Polymerwerkstoffe,
Bild 6-83. Mechanisch-gemometrische Dimensionierungskriterien mit Abminderungsfaktoren (A) und Sicherheitsbeiwerten (S)
auf die noch näher eingegangen wird, siehe auch [14] bis [26]. Damit sind nur einige wenige, wenn auch wesentliche Punkte, für die konstruktive und auslegungstechnische
Bild 6-84. Geometrieauslegungsfaktoren am Beispiel von verschiedenen Geometrien für Torsionsstäben. W = Widerstandsmoment, a, b = Geometrie, Abmessungen
529
530
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-85. Trägheitsmomente einiger geometrischer Basis-Grundkörper = Trägheitsmoment, R = Radius, M = Masse
Gestaltung von Bauteilen aus Polymerwerkstoffen aufgezählt, die in vielen Fällen nur bedingt eingehalten werden. Unter Einhaltung der wesentlichen Gestaltungsrichtlinien ist es jedoch möglich, technisch, mechanisch und optisch, hoch qualitative Kunststoffbauteile herzustellen, die auch den wirtschaftlichen Vorgaben gerecht werden. Grundsätzlich sind für Kunststoffe, wie bei Strukturen aus anderen Werkstoffen, eine mechanische Vorauslegung neben elastischen Werkstoffkonstanten, siehe Bilder 6-84 und 6-82, auch noch folgende Auslegungsparameter mit einzubeziehen: – geometrische Auslegungsparameter der Struktur, siehe Bilder 6-85 und 6-86 – die Lastarten (statisch, dynamisch sowie die weitergehenden Beanspruchungen, wie z. B. Umwelt) – die Lasthöhen – die Masse, siehe Bild 6-86 – die Geschwindigkeit der Belastung – und andere Faktoren und zu beachten, wobei Polymerstrukturen speziellen Gesetzmäßigkeiten unterliegen.
6.4.8
Die kunststofftechnische Entwicklungsprozesskette
Jede Entwicklung von Kunststoffbauteilen startet mit einer Konzeptidee bzw. mit dem Digitalisieren vorhandener Bauteile, zur Erfassung der EDV-Geometriedaten, als ersten Schritt der EDV-unterstützten Entwicklung. Im Rahmen der Design- und Vorentwicklungsphase wird die äußere bzw. optische Gestalt eines Bauteiles über Hardware-(Design-Modelle) oder Software-Modelle (ShadingModelle) festgelegt.
Diese Modelle dienen zunächst nur zur Orientierung und Strukturoptimierung. Erst nach dieser Phase beginnt die Entwicklung von Kunststoffbauteilen, unter Berücksichtigung der optimalen Werkstoff- und Prozessbedingungen, wie z. B. – die anwendungsspektrumsorientierte Werkstoffauswahl, – projektierte Verfahrens- und Prozesstechnologie, – vorgesehene Werkzeugtechnologie, – Erstellung eines Lastenheftes mit Vorgaben und Abnahmebedingungen, – Vorkalkulation der Bauteile- und Systemkosten, – Konstruktion nach dem Prinzip „möglichst gleicher Wandstärken“ – Vermeidung von großen Wanddickenübergängen – Optimierung der „Wandstärken-Rippenhöhen-Verhältnisse“ – werkstoffgerechte Radien und Kanten – rheologische Analysen – mechanisch-physikalische Analysen (FEM) – thermodynamische Analysen – Vorüberlegungen zu den möglichen Verbindungstechnologien – Prototypen- und Versuchsmusterkonzepte – Fertigungs- und Machbarkeitsanalysen – Montagekonzepte – Qualitätssicherungs- und Abnahmekonzepte Ist das Kunststoffbauteil über diese Vorentwicklungsphasen definiert, beginnt man die Serienentwicklung über eine 2D (nur Systemskizzen) bzw. vorzugsweise über eine 3D-CAD-Basiskonstruktion. Diese CAD-Konstruktionsfiles, z. B. in STEP. IDGES, VDA-FS, bilden die Grundlage für alle folgenden Entwicklungsschritte und CAX-EDVModelle.
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen Unter Verwendung von STL-Files ist man bereits zu diesem frühen Zeitpunkt in der Lage, Anschauungsmuster und Prototypen herzustellen. Damit ist der Schritt von den Software-Modellen zu den ersten Hardware-Anschauungs-, Einbau- oder Versuchs-Modellen vollzogen, siehe Bild 6-79. Liegen erste Erkenntnisse über das Bauteil vor, startet man die Entwicklungsoptimierungsphase mit EDV-CAEunterstützten Methoden, wobei je nach Bauteilfunktionalität z. B. folgende CAE-Methoden (Bilder 6-79 und 6-68) eingesetzt werden: – rheologische Analyse- und Simulationsverfahren – mechanisch-, statische oder dynamische Struktur-FEMAnalysen – thermisch-mechanische FEM-Analysekombinationen – thermodynamische Analysen (z. B. für die Werkzeugtechnologie) – akustische Strukturkörperschall- und Luftschallanalysen – fluiddynamische, aerodynamische und Strömungsanalysen und – rheologisch-mechanische Analysekombinationen. Grundsätzlich muss man bei den EDV-unterstützten CAXAnalyse- und Simulationsverfahren derzeit mit einer Toleranz von maximal ± 15 % rechnen, da zahlreiche Randbedingungen nicht erfasst werden können und jedes dieser Verfahren von im Softwaresystem festgelegten, werkstoffspezifischen Berechnungs- und Auslegungsmodellen und Vorgaben (Stoffwertfunktionen) ausgeht. Das bekannte Hooksche Gesetz für die Beschreibung des Materialverhaltens (Spannungs-Dehnungs-Diagramme) ist für zahlreiche Polymerstrukturen häufig nur für relativ kleine Lastwege (Dehnungen) und dementsprechend kleine Spannungen einsetzbar. Das Verhalten von Polymerwerkstoffen unter Last, wie das viskoelastiche Verhalten z. B. Kriechen, kann nur über Modelle nach Voigt, Maxwell oder Burger näherungsweise beschrieben werden. Komplexer werden die Modellgesetze für Elastomeren, da hier nahezu alle Modelle, wie Neo-Hook, Monney, Rivlin, das tatsächliche nicht-lineare Verhalten nur annähernd korrekt beschreiben und damit berechnen lassen. Für die Beschreibung von Polymerschmelzen oder für Faserverbunde gelten darüber hinaus eigene Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge (s. auch Kap. 6.3.2.3.1 ff). Werden verschiedene Werkstoffe miteinander chemischphysikalisch, form- oder kraftschlüssig zusammengebracht, wird die Auslegung durch zusätzliche „Kontaktgesetze“ extrem aufwendig. Der Strukturberechnung, insbesondere bei den Polymerstrukturen, auch mit CAE- FEM-Verfahren, sind somit
531
Grenzen gesetzt. Ohne Strukturversuche kommt man daher häufig nicht aus. Bei der CAE-unterstützten Entwicklung muss zwischen kunststofftechnischen Strukturoptimierungsverfahren (Software) und Funktionsoptimierungsverfahren (Software) unterschieden werden. CAE-Programmsoftware, in der die Einsatzbedingungen (Funktion) für ein Kunststoffbauteil simuliert und analysiert werden, haben mit der eigentlichen Kunststoffbauteileentwicklung nur einen Entwicklungsschnittpunkt, soweit es die Strukturoptimierung betrifft. Stellen sich potentielle Kunststoffbauteileschwachstellen in der EDV-CAE-Funktionsanalyse oder bei den Bauteileversuchen heraus, werden diese zum Teil über mehrere erforderliche Entwicklungsiterationsschleifen korrigiert. Ist die Kunststoffbauteilestruktur-Serienentwicklung erfolgreich abgeschlossen, muss man sich in der kunststofftechnischen Entwicklungsprozesskette noch mit den Themenblöcken Werkzeug-, Prozess- und Verfahrenstechnologie noch auseinandersetzen. Die Qualität der Kunststofftechnologieentwicklung wird wesentlich von den Faktoren Werkstoffe und Prozesse bestimmt. Die Grundlage für die Werkzeugauslegung bildet wie beschrieben die voroptimierte CAD-Konstruktion. Die Berücksichtigung der Schwundmaße ist ausgehend von der CAD-Bauteilekonstruktion häufig Aufgabe des Werkzeugmachers mit praxistauglichen CAM (Computer Aided Manufacturing)-Programmen. Derzeit werden zahlreiche Werkzeugformnester bereits in 3D-CAD-Konstruktionen ausgeführt, das Werkzeugkonzept in 2D. Die FEM-Auslegung von Werkzeugen wird in der Regel nicht durchgeführt, da üblicherweise die preiswerten Stahlformplatten meistens überdimensioniert sind z. B. um eine unzulässig hohe Durchbiegung zu vermeiden. Die Lage, z. B. des Anspritzortes und der Verteilergeometrien, beim Spritzgießen, ist über die rheologoischen Kunststoffbauteileanalysen in vielen Fällen bereits festgelegt. Eine Optimierung der Werkzeugtemperierung (thermodynamische Analyse) empfiehlt sich bei aufwendigen und größeren Werkzeugkonzepten, um Kosten zu sparen. Die Prozessführung hat einen erheblichen Einfluss auf die spätere Kunststoffbauteilequalität. Die Polymerwerkstoffhersteller geben in ihren Datenblättern die wichtigsten Prozessführungsdaten an. Da aber die Zykluszeit, die sich aus einer ganzen Reihe von Einzelzeiten zusammensetzt, die Wirtschaftlichkeit und Bauteilequalität wesentlich mitbestimmt, muss dieser Faktor im Rahmen der Entwicklung und Kalkulation berücksichtigt werden. Die
532
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Verfahrensparameter für das Werkzeug, bis auf eine Werkzeugtemperaturvorgabe, kennt der Polymerwerkstoffhersteller und selbst der Bauteileentwickler häufig nicht. In jedem Werkzeug sollten deshalb Temperaturmessfühler und mehrere Drucksensoren an kritischen Stellen integriert sein, um die Daten der rheologischen Analysen in Vorabspritzungen überprüfen zu können. Dies wird häufig vernachlässigt. Hier werden Kosten an der falschen Stelle gespart. Jede EDV-, CAX-unterstützte Analyse und Simulation, muss über Praxisdaten kontrolliert und überprüft werden, siehe die Bemerkungen im Text oben, bezüglich der Toleranzen bei den EDV-unterstützten Auslegungs- und Simulationsverfahren. Im Bild 6-68 ist die kunststofftechnische Prozesskette in Korrelation zu dem CAX-System sowie der Aufbau eines EDV-unterstützten kunststofftechnischen Ingenieursarbeitsplatzes (KTA) dargestellt.
6.4.9
Koppelung der CAX-Systeme – Kunststofftechnischer EDV-Ingenieurarbeitsplatz
Zahlreiche EDV-Software-CAX-Systeme werden aus egoistischen wirtschaftlichen Interessen heraus, ohne Berücksichtigung der Nutzerprobleme, als „EDV-Entwicklungsinsel“ projektiert. Fachspezifische EDV-Ingenieurentwicklungsarbeitsplätze [27] werden kaum auf dem EDV-Software- und HardwareMarkt angeboten. Der bauteileverantwortliche Konstrukteur muss jedoch in der Lage sein, – EDV-Daten-Files ohne ständige Schnittstellenprobleme auszutauschen, – das Pre- und Post-Processing durchzuführen, – Programme miteinander zu koppeln, – nicht ständig zwischen 2D-Flächen und 3D-Volumenmodellen unterscheiden zu müssen, siehe 3D-CAD und 2D-CAE-Software-Programme und – über Informationsdatenbanken schnell zu Zusatzinformationen zu gelangen, die er im Rahmen der BauteileEntwicklung benötigt. Der EDV-kunststofftechnische Ingenieursarbeitsplatz muss daher mindestens die sechs folgenden Komponenten enthalten, siehe Bild 6-68: – eine CAD-Konstruktionseinheit – eine CAE-Auslegungseinheit – unterstützende Informationsdatenbanken – Informationseingabe und -ausgabeeinheiten – externe und interne Netzwerke – zentrale oder dezentrale Steuer- und Verwaltungsserversysteme.
Diese Komponenten müssen miteinander derart über das Netzwerk oder Server gekoppelt sein, dass mittels einer einheitlichen Arbeitsplattform ein EDV-File-Datenaustausch, möglichst ohne Schnittstellenprobleme, erfolgen kann. Über ein internes EDV-Netzwerk sind dann alle Arbeitseinheiten verbunden, so dass von jedem Arbeitsplatz aus auf die Einheiten der anderen zugegriffen werden kann. Bei externen EDV-Verbindungen ist vor allem auf die Sicherheit der Datenübertragung und die Protokollierung zu achten. Die Informationsdatenbanken werden aus technischen und wirtschaftlichen Gründen zunehmend wichtiger, da die CAX-Arbeitsplätze und das speziell geschulte Personal relativ hohe Stundensätze aufweisen und Stillstandszeiten ohne Belegung und Nutzung nicht zu akzeptieren sind. Einige Datenbanken sollten bei Bedarf interaktiv mit den CAX-EDV-Systemen arbeiten. Das heißt, die erforderlichen Informationen müssen bei Bedarf direkt in die CAX-Systeme eingeblendet werden bzw. die erforderlichen Aufgaben selbstständig ausführen. Beispiele hierfür sind vergleichende Werkstoffdaten, Bemessungskennwerte, Kunststoffnormteile-Bibliotheken, interaktive Toleranzauswahlsysteme, Auslegungshilfen für Verbindungselemente und z. B. Klebstoffdatenbanken. Mit der Eingabe des ausgewählten Kunststofftyps im CAD-Zeichnungsschriftfeld ist somit für eine derartige interaktive Abfrage alles Erforderliche festgelegt.
6.4.10
Auslegungskriterien und Bemessungskennwerte
Anhand von Werkstoffkennwerten aus den Datenblättern der Rohstoffhersteller oder aus Werkstoffdatenbanken wie z. B. CAMPUS [12], [13], POLYMAT [28] und andere entnommen werden sehr häufig Interpretationsfehler innerhalb der Entwicklung und Auslegung von Kunststoffbauteilen eingebracht. Hinzu kommt, dass zahlreiche Polymerwerkstoffhersteller andere, dem Nicht-Kunststofffachmann kaum geläufige Ausdrücke wie z. B. „gespritzt“ oder „konditioniert“ verwenden, die einen erheblichen Einfluss auf die mechanischen Kennwerte von Kunststoffen haben. Man muss sich darüber im Klaren sein, das die Kennwerte der Chemiewerkstoffhersteller über Probekörper ermittelt werden, die nach einem bestimmten, meist definiert vorgegebenen Prozess und u. U. auch Lagerungs- und Prüfbedingungen hergestellt bzw. ermittelt werden. Das hat zur Folge, dass diese Kennwerte meistens nur bedingt praxisübertragbare Lastniveaus angeben, die auf keinen Fall bauteileauslegungsgerecht sind, siehe Bild 6-79. Diese, vorzugsweise an definierten Prüfkörpern ermittelten Kennwerte, findet man in einem komplexen Bauteil
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen an keiner Strukturstelle (oder nur statistisch) wieder, da wichtige Faktoren, wie die Anisotropie, Bindenahtfestigkeitswerte, große örtliche Scherraten und Temperaturen sowie damit verbundene Werkstoffschäden, lange Anspritzund Fließwege, asymmetrische Schmelzefrontverteilungen und Druckverläufe, eingeschlossene Luft- und Fehlstellen sowie fertigungsprozessbedingte Abminderungsfaktoren nicht zu berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist zwischen folgenden Abminderungsfaktorengruppen zu unterscheiden: – werkstoffbedingte Faktoren – lastarten-, lastniveau- und lastgeschwindigkeitsbedingten Faktoren, – fertigungs- und prozessbedingten Faktoren, – umwelt- und anwendungsbedingte Faktoren, siehe Bilder 6-74 bis 6-76 – alterungs- und verschleißbedingten Faktoren, siehe Bilder 6-70, 6-71, 6-77, 6-78. Die große Gefahr bei der Bewertung der Abminderungsfaktoren besteht darin, dass man durch die Addition der einzelnen Faktoren überlagerte Belastungen nur bedingt berücksichtigt und somit den Gesamtabminderungsfaktor ggfs. zu hoch bewertet, siehe Formeln in den Bildern 6-83, 6-84, 6-87 und 6-88. Dividiert man diesen Gesamtabminderungsfaktor, siehe Bilder 6-83 und 6-84, dann noch durch einen zu hohen Sicherheitsbeiwert, werden die Bemessungskennwerte für die Auslegung und Berechnung zum Teil entschieden zu klein angesetzt. Es empfiehlt sich also, bei den Abminderungsfaktoren einen zusätzlichen „Gewichtungsausgleichsfaktor“ einzusetzen, der eventuelle Überlagerungen berücksichtigt. Als Faustregel für z. B. Thermoplaststruktur-Abminderungsfaktoren kann davon ausgegangen werden, dass der für die Berechnung zulässige Wert größer (>) oder gleich (=) 35 % bis 45 % des Probenkennwertes sein soll, sonst hat man – entweder den falschen Polymerwerkstoff ausgewählt, oder – das Belastungsspektrum ist grundsätzlich nicht für Polymerwerkstoffe geeignet. Bei vielen Vorauslegungen für thermoplastische Kunststoffstrukturen kann man von einem einsetzbaren Bruchdehnungswert von 0,5 * ε, b = Bruchdehnung, als Richtwert, ausgehen. Neben den Werkstoffkennwerten sind vor allem Kurven und Graphiken erforderlich, die Auskunft über jeden auslegungsrelevanten Punkt geben. Kombinierte Informationen, wie z. B. pvt- Diagramme, Kriechkurven, siehe Bilder 6-89
533
Bild 6-86. Bemessungskennwert, unter Berücksichtigung des Strukturgewichtes bzw. des spezifischen Werkstoffgewichtes als Leichtbaufaktor
Bild 6-87. Bemessungskennwert, unter Berücksichtigung der Strukturkosten, einschließlich der Werkstoff- und proportionalen Herstellkosten (Hkprop)
und 6-80. Kennwerte bei allen Temperaturen, sowie Kurven über andere Abminderungsfaktoren, sind bei der Auslegung von Kunststoffbauteilen sehr hilfreich, wenn auch mit relativ großem Aufwand zu erstellen. Würde man also ein Kunststoffbauteil alleine mit den Werkstoffangaben aus Probenkennwerten, siehe Bild 6-89, auslegen, ist die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen, ungewollten Bauteileversagens relativ hoch. Auf diese Weise entwickelt man „Plastikstrukturen“, die dem Image dieser Werkstoffgruppe nicht förderlich ist. Wichtig für die Auslegung eines Kunststoffbauteiles ist bereits bei der Werkstoffauswahl, dass Vorgaben über die Einsatzkriterien in einem Lastenheft definiert werden. Neben den Sicherheitsbeiwerten (S) müssen kunststoffund funktionseinsatz- spezifische Abminderungsfaktoren (A) wie z. B. – belastungsart- und belastungslasthöhenabhängige Faktoren – zeitliche Faktoren für die Belastungen – Geschwindigkeiten für die auftretenden Belastungen – statische und/oder dynamische Lastintervallfaktoren – thermische Abminderungsfaktoren
534
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Bild 6-88. Auslegung für z. B. kurzzeitige, einmalige hohe zulässige Dehnungen über den linear-elastischen Bereich hinaus, für spezielle Auslegungskonstruktionsvarianten wie Schnappverbindungen (Schnapphaken-Varianten)
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen – Umwelt und Einsatzabminderungsfaktoren wie • thermische Faktoren (besonders wichtig für Kunststoffe) • Feuchtigkeitseinflussfaktoren (für einige Kunststoffe sehr wichtig) • energetische Strahlungsabminderungsfaktoren (Sonneneinstrahlung) • Medienabminderungsfaktoren definiert und bezüglich der möglichen Auswirkungen bewertet werden. Sehr häufig treten mehrere Lastfälle mit unterschiedlichen Lasthöhen sowie unterschiedlichen Lastrichtungen miteinander auf. In den seltensten Fällen liegen nur klassische statische oder dynamische Einzellastarten vor, wie z. B. nur Zug oder Druck, Biegung, Torsion, Beulen, Beschleunigungslastfälle. Die Abschätzung der Lasthöhe und der Belastungsrichtungen muss im Rahmen der Vorentwicklung geklärt werden, um diese Faktoren bei den Sicherheits- und Abminderungsfaktoren, entsprechend in den Lastenheften und Vorgaben, berücksichtigen zu können. In Extremfällen kann es sein, dass man nur noch einen Bruchteil der ursprünglichen ermittelten Werkstoffprobenkennwerte als Bemessungs- und Auslegungskennwerte in
Bild 6-89. Darstellung des Dehnungsverhaltens in Abhängigkeit der Belastungszeit mit Relaxations- und Retardationsdarstellung
535
der Berechnun, als maximal zulässigen Kennwert (Dehnung, Spannung, Verformung) berücksichtigen kann. Anderseits darf man für einen Leichtbauwerkstoff, wie Kunststoff, nicht unzulässig hohe Sicherheits- oder Abminderungsfaktoren in die Berechnung einfließen lassen, da sonst die Vorteile dieser Leichtbaugruppe zunichte gemacht werden. Es gibt Lastkollektive, die für Kunststoffstrukturen extrem ungünstig sind, wie z. B. hohe Langzeitdauerlasten unter Temperaturen und Medienangriffen. In diesen Fällen kann man zu der Erkenntnis kommen, dass Kunststoffe nicht die geeignete Werkstoffgruppe darstellen.
6.4.11
Zukünftige Entwicklungstendenzen
Die Zukunft fängt immer mit der Gegenwart an. So auch bei der CAX-unterstützten Kunststoffbauteileentwicklung und -fertigung. Derzeit gibt es nur relativ umfangreiche Werkstoffdatenbanken, die einen relativen Vergleich der Werkstoffkennwerte untereinander ermöglichen. Selbst dieser CAMPUSSchritt hat viele Jahre gedauert, da vorher jeder Chemiewerkstoffhersteller nach eigenen Vorgaben die Proben gefertigt und geprüft hat. Die Angabe von Bemessungskennwerten für derzeit ca. bis zu 20.000 Polymerwerkstofftypen, wie z. B. einen „Kunststoffschlüssel“, abgleitet vom z. B. bestens bewährten „Stahlschlüssel“ für metallische Werkstoffe, findet man für die Polymerwerkstoffe nicht. Das hat mehrere Gründe: – Die Ermittelung derartiger Kennwerte für Polymerwerkstoffe ist erheblich aufwendiger wie z. B. für relativ isotrope, z. B. metallische, Werkstoffe. Zudem wirken sich zahlreiche mögliche andere Einflussfaktoren auf die im Bauteil zu realisierenden Kennwerte aus. – Die Chemiewerkstoffhersteller würden mit derartigen Angaben auch eine Garantieleistung für die angegebenen Kennwerte übernehmen, wie bei den Angaben für metallische Werkstoffe („Stahlschlüssel“) – Da den Chemiewerkstoffherstellern das mögliche Einsatzspektrum der Kunststoffe meistens nicht bekannt ist, kann eine derartige Garantie auch nur schwer übernommen werden. – Es bleibt also auch in Zukunft kein anderer Weg wie die Ausbildung von Kunststoffspezialisten, die in der Lage sind, das Tragverhalten dieser Werkstoffe korrekt zu bewerten und zu beurteilen. Diese und andere Faktoren, wie z. B. die starke Qualitätsabhängigkeit von den Prozessbedingungen, führen dazu, dass sich die Polymerwerkstoffe nach wie vor sehr schwer tun, als „Konstruktionswerkstoffe“ anerkannt zu werden.
536
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
Einige CAX-Softwarehersteller, wie z. B. für „solid works“, haben bereits damit begonnen, kundenspezifische Anwendersoftwarepakete zu entwickeln. Was hauptsächlich fehlt, sind anwenderspezifische und möglichst interaktiv arbeitende Datenbank- und Auslegungssysteme, die bei Bedarf gekoppelt werden können oder ohne Aufforderungen die erforderlichen Informationen interaktiv in die CAX-Systeme einfügen.
[15]
[16]
[17]
Literatur zu Kapitel 6.4 [18] [1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7] [8] [9] [10] [11] [12] [13]
[14]
Wöllmer A (2001) Bestimmung der zulässigen Bauteiltoleranzen in Abhängigkeit der Polymerwerkstoffgruppe. Diplomarbeit an der FH Rosenheim, bei ASKAltmann, S 1–63 Altmann O, Wirth H, Wöllmer A (2004) Toleranzen für jedes Maß. Kunststoffe 2/2004, Carl Hanser Verlag, München, S 62–64 DIN 16901 (1982) Kunststoff Formteile – Toleranzen und Abnahmebedingungen für Längenmaße. Ausgabe November, Beuth Verlag, Berlin DIN ISO 33021. Gummi Toleranzen für Fertigteile, Teil 1, Maßtoleranzen. Ausgabe 1993, Beuth Verlag, Berlin DIN 7715-T1. Gummi Zulässige Maßanweichungen für Artikel aus Hartgummi. Ausgabe 1077, Beuth Verlag, Berlin van Dijk H (2007) Tribologische Messungen von Kunststoffen (Kunststoffzahnräder). Vortrag auf 10. Kunststoff-Motorbauteile Forum ask Otto Altmann, Spitzingsee ASTM 1418 Kurzeichen für Elastomere DIN ISO 1629 Kurzzeichen für Elastomere. Beuth Verlag Berlin DIN 7728 Teil 1 Kurzeichen für Homopolymere und Naturstoffe. Beuth Verlag, Berlin DIN 7726 Schaumstoffe. Ausgabe 1985-05, Beuth Verlag, Berlin DIN 7724 Polymere Werkstoff- Gruppierung. Ausgabe 1993-04; Beuth Verlag, Berlin Bauer E, Thiel C CAMPUS, M-Base Engineering + Software GmbHv http://www.campusplastics.com Oberbach K, Schmachtenberg E (1995) Bayer Kunststoffe – Verarbeitung und Konstruktion – Konstruktion Konstruktionsgerechte Kennwerte – Voraussetzung für eine werkstoffgerechte Konstruktion von Präzisionsteilen aus Kunststoff. Information KU 48.860/1723B63, ATI 956, 12 S, Bayer TechCenter www.plastics.bayer.com Bayer Kunststoffe - Verarbeitung und Konstruktion – Konstruktion. Information 2003-09-18, KU21154-
[19]
[20]
[21]
[22]
[23]
[24] [25]
[26]
[27]
[28]
[29]
0309de, 2003, 12 S, https://plastics.bayer.de/AG/DE/ technology/1013/59/index.jsp Erhard G (1999) Konstruieren mit Kunststoffen – 3. Aufl und CD-Rom. Springer Verlag, ISBN: 3446210164 Pahl G, Beitz W (1997) Konstruktionslehre. Methoden und Anwendung- Lehrbuch. Springer Verlag, ISBN: 3540619747 Kunststoff-Bauteile werkstoffgerecht konstruieren. Springer Verlag , ISBN: 3446175350, 1995 Ehrenstein GW (2001) Mit Kunststoffen konstruieren – Eine Einführung. Springer Verlag, ISBN: 3446212957 Hellrich W, Harsch G, Haenle S (2001) Werkstoffführer Kunststoffe – Eigenschaften – Prüfung – Kennwerte. 8. Aufl, Carl Hanser Verlag, München Klein B (2002) Statistische Tolerierung. Bauteil- und Montageoptimierung. Springer Verlag, ISBN 3446221174 Trumpold H, Beck C, Richter G (1997) Toleranzsysteme und Toleranzdesign – Qualität im Austauschbau Carl Hanser Verlag, München, ISBN: 3-446-17757-4 Roos E, Maile K (2002) Werkstoffkunde für Ingenieure. Grundlagen, Anwendungen, Prüfungen Springer Verlag, ISBN: 3540435999 Gohl W, Spies KH (2002) Elastomere – Dicht- und Konstruktionswerkstoffe. Springer Verlag, ISBN 3816918824 Röthemeyer F, Sommer F (2001) Kautschuktechnologie. Hanser Verlag, München, ISBN 3-446-16169-4 Decker KH, Kabus KH (2002) Maschinenelemente – Funktion, Gestaltung und Berechnung. 15 Aufl, Carl Hanser Verlag, München, ISBN 3-446-21525-5, 2002 Geschke HW, Goetke W, Grode HP, Orth K et al. (1997) Einführung in die DIN-Normen. 12 Aufl, Beuth Verlag, Berlin, Wien, Zürich Altmann O (2004) Systemkonzept Kunststoff-technischer Ingenieurs-Arbeitsplast (KTA) Interne Entwicklung der Firma ASK, 1998 - 2004 POLYMAT PC (2004) Kunststoff-Auswahl Datenbank Deutsches Kunststoff-Institut (DKI-Darmstadt), www.tut.fi/plastics/kumi-instituutti Kertesz J (2007) Neue Generation von Stecksystemen. Vortrag auf 10. Kunststoff-Motorbauteile Forum, ask Otto Altmann, Spitzingsee
6.4 EDV-unterstützte Konstruktion auf Auslegung von Kunststoffbauteilen
537
Hinweis der Herausgeber
Weiterführende Literatur
Die Elastomere sind in Kapitel 6 wenig berücksichtigt, wenngleich das Beschriebene in vielen Punkten auch für das Elastomer-Engineering zutrifft. In der nächsten Auflage wird diese Lücke angefüllt. Um dem Leser ein wenig zu nützen, wird hier einige neuere Literatur [30] bis [37] zitiert, die sich mit Materialmodellen und ihrer Implementierung in Finite-Elemente (FEM)Werkzeuge befassen. [30] Häusler O, Hohmann G, Weiß R (2004) Erweiterte Materialmodelle zur Beschreibung von nichtelastischen Effekten polymerer Werkstoffe. FFD im Dialog, Spezialausgabe 1/2004, S 4–12 [31] Chaboche JL (1993) Cyclic Viscoplastic Constitutive Equations, Part 1: A Thermodynamically Consistent Formulation, Transaction of the ASME, J Appl Mech 60, S 813–821 [32] Tsakmakis Ch (1996) Kinematic Hardening Rules in Finite Plasticity, Part 1: A Constitutive Approach, Continuum Mech Thermodyn 8 S 213–231 [33] Kasper K, Hornberger K, Guth W (1997) User Defined Material Models for an Accurate Simulation of Elastomeric Products, ABAQUS Users’ Conference 1997, Milano [34] Ogden RW, Rosxburgh DG (1998) A Pseudo-Elastic Model for the Mullins Effect in Filled Rubber, Proc R Soc London A 485, S2861–2877 [35] Huber N, Tsakmakis Ch (1999) Determination of Constitutive Properties from Spherical Indentation Data using Neural Networks. J Mech Phys Sol S 1569–1607 [36] Häusler O, Sckuhr MA, Weiß R (2000) Enhancement of the Freudenberg Model for Elastomers to Account for the Mullins Effect, ABAQUS Users’ Conference 2000 Newport, RI S 421–434, 2000 [37] Hartmann S, Haupt P, Tschöpe T (2001) Parameter Identification with a Direct Search Method using Finite Elements. Constitutive Models for Rubber II: Besdo, Schuster, Ihlemann (eds) S 249–256
Delpy U (1995) Konstruieren mit Kunststoffen. Vorlesung am IKP, Universität Stuttgart Bode E (1991) Konstruktionsatlas. 5. Aufl, Hoppenstedt, Darmstadt Wimmer D (1991) Kunststoffgerecht konstruieren. 2. Aufl, Hoppenstedt, Darmstadt Kunz J, Michaeli W, Herrlich N, Land W (2002) Kunststoffpraxis: Konstruktion. WEKA, Augsburg Comte H (1998) Werkzeuge der Welt: Vom Faustkeil zum Laserstrahl. Knesebeck, München, ISBN 3-89660-039-7 Eversheim W, Klocke F (1998) Werkzeugbau mit Zukunft – Strategie und Technologie. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, ISBN 3-540-62651-4 Amberg J (1977) Konstruktion von Spritzgießwerkzeugen im Baukastensystem (Variantenkonstruktion). Unveröffentlichte Arbeit am IKV, Aachen Menges G, Michaeli W, Mohren P (1999) Spritzgießwerkzeuge: Anleitung zum Bau von Spritzgießwerkzeugen. 5. völlig überarbeitete Aufl, Carl Hanser Verlag, München, Wien, ISBN 3-446-21258-2 Mennig G (Hrsg) (1995) Werkzeuge für die Kunststoffverarbeitung: Bauarten, Herstellung, Betrieb. Carl Hanser Verlag, München, ISBN 3.446-17294-7 Knappe W, Lampl A, Heuel O (1992) Kunststoff-Verarbeitung und Werkzeugbau: Ein Überblick. Carl Hanser Verlag, München, ISBN 3-446-16270-4 Fritz HG (1993) Extrusionswerkzeuge, Spritzgießwerkzeuge. Umdrucke zur Vertiefungsfachvorlesung. Institut für Kunststofftechnologie, Universität Stuttgart DIN 16750 (1988) Spritzgieß-, Preß- und Druckgießwerkzeuge, Benennungen, Symbole. Beuth Verlag Michaeli W, Greif H, Kretzschmar G, Kaufmann H, Bartuleit R (1993) Technologie des Spritzgießens: Lern- und Arbeitsbuch. Carl Hanser Verlag, München, ISBN 3446-15813-8 Ziegler L (2001) Systematische Erschließung von Innovationspotentialen. Stuttgart: Dissertation Universität Stuttgart Ehrenstein GW (2002) Mit Kunststoffen konstruieren. 2. Aufl, Carl Hanser Verlag, München Burr A (2001) Werkzeugtechnik beim Spritzgießen. Vortrag am 12.06.2001 im Rahmen Workshop Polymer Engineering, IKP, Universität Stuttgart Rothe J (1992) Werkzeugtechnik beim Spritzgießen. Vortrag am 09.06.1992, 18.05.1993 im Rahmen Workshop Polymer Engineering; IKP, Universität Stuttgart
538
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
6.5
Bauteilkosten 1 Wieland P. Loh
Auch dieses Kapitel muss noch gründlich erstellt werden. Beispielsweise leitet W. P. Loh zusammen mit D. Hüther im Rahmen eines SKZ-Seminars [1] eine zweitägige Weiterbildung zu „Kalkulation von Kunststoff-Spritzgussteilen“ mit folgenden Einzelthemen: – Maschinensätze in der Praxis – Rüstkostenermittlung – Volumenberechnung, Zuhaltekräfte und Maschinenauswahl, Zykluszeitermittlung und Fertigungsoptimierung; Ähnlichkeitsbetrachtungen zur Kostenermittlung – Spezielle Kalkulationsverfahren – Kostenmanagement und -controlling – Fallstudie Im Folgenden gibt W. P. Loh in seinem einführenden Beitrag eine Übersicht zu Kostenarten in der Kunststoffteileproduktion.
6.5.1
Ziele der praktischen Kostenerfassung
Die klassische Betriebswirtschaftslehre [2] unterteilt die betrieblichen Kostenarten in verschiedener Weise, u. a. nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren in: – Personalkosten, z. B. Löhne, Gehälter, Sozialabgaben – Sachkosten, z. B. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Abschreibungen auf Gebäude, Maschinen – Kapitalkosten, z. B. kalkulatorische Zinsen, kalkulatorischer Gewinn – Kosten von Dienstleistungen Dritter, z. B. Transportkosten, Beratungskosten, Versicherungskosten, Telefon, Strom – Sonstige Kosten, z. B. Steuern, Gebühren, Beiträge Diese Aufzählung dient als Ausgangspunkt, um nachfolgend die Kosten in der Weise zu betrachten, wie es für die Kalkulation von Kunststoffteilen zweckmäßig erscheint. Die einzelnen Kostenarten werden daraufhin untersucht, inwieweit sie für die Kalkulation von Bedeutung sind. Insbesondere die Gruppe der „Sachkosten“ sollte weiter unterteilt werden in verschiedene Untergruppen.
1
Der nachfolgende Text stammt aus den Unterlagen des Seminars „Kalkulation von Spritzgussteilen“ welches zweimal jährlich am SKZ in Würzburg stattfindet. Wir danken dem SKZ Würzburg für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.
Weiterhin ist von Bedeutung, welche Kostenarten mengenabhängig (variabel) und welche mengenunabhängig (fest, fix) sind. Die Betrachtung der einzelnen Kostenarten soll dazu dienen, mit Hilfe von Nachkalkulationen Kostensätze abzuleiten, die später für die Vorkalkulation verwendet werden können.
6.5.2
Die Gliederung der Kosten
Die Kosten von kunststoffverarbeitenden Industriebetrieben lassen sich nach verschiedenen Schemen gliedern, z. B. nach dem „Industriekontenrahmen (IKR) für die kunststoffverarbeitende Industrie“ des GKV [3] oder nach dem Industriekontenrahmen der DATEV eG, einer Genossenschaft der steuerberatenden Berufe mit Sitz in Nürnberg. Diese Schemen sind als „Gliederungsvorschläge“ zu verstehen, die in ihren Untergliederungen betriebsindividuell den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden können. Dabei sollten die Kostenarten, die im betreffenden Betrieb von größerer Bedeutung sind, nicht unter anderen, weniger Bedeutsamen subsummiert werden. Z. B. ist es in der energieintensiven Kunststoffverarbeitung im allgemeinen nicht sinnvoll, die Stromkosten bei den „Raumkosten“ mit unterzubringen, so wie das etwa für ein Dienstleistungsunternehmen, das nur Büros betreibt, ohne weiteres angemessen wäre. Während im letzteren Fall die Stromkosten als „Nebenkosten“ der Raummiete angesehen werden und vielleicht nur 5 % der gesamten „Raumkosten“ ausmachen, so liegen sie in der Kunststoffverarbeitung oft deutlich höher als die Miete. Sie verdienen hier also besondere Beachtung und sollten deshalb auch gesondert geführt werden. Der Kontenrahmen sollte nach Möglichkeit auch so gewählt werden, dass Betriebsvergleiche mit ähnlichen Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs ohne größere Umgliederungen und Nebenrechnungen möglich sind. Einen Betriebsvergleich bietet der GKV seinen Mitgliedern jährlich an, aber auch einige Geldinstitute sehen darin einen besonderen Kundenservice.
6.5.3
Personalkosten
6.5.3.1
Was sind Personalkosten?
Zu den Personalkosten gehören grundsätzlich alle Löhne und Gehälter (auf Brutto-Basis, d. h. inkl. Lohnsteuer) sowie die Lohnnebenkosten. Letztere sind hauptsächlich die Arbeitgeber-Sozialversicherungsbeiträge (jeweils 50 % von Krankenkassenbeitrag, Arbeitslosen- und Rentenversicherung) und die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft).
6.5 Bauteilkosten In diesen Personalkosten enthalten sind bereits: Überstunden-, Schicht-, Feiertags- und andere Zuschläge, Bezahlung für Urlaubsausfall sowie zusätzliches Urlaubsgeld, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Feiertagslohn. Bezieht man die gesamten Personalkosten auf die tatsächlich gearbeitete Stundenzahl, so kostet diese erfahrungsgemäß ca. 185 % des Bruttolohnes. Beispiel: Bruttostundenlohn Personalkosten je gearbeitete Stunde:
13,-- EUR 24,05 EUR
Natürlich gibt es von diesem Durchschnittswert Abweichungen, je nachdem wie häufig ein Arbeitnehmer z. B. krank ist. Auch ein (hier nicht berücksichtigter) Besuch von Fortbildungsveranstaltungen hebt den Prozentsatz für die Kosten der „vor Ort“ gearbeiteten Stunden an. Hier interessiert nicht, ob es sich um Löhne („gewerbliche“ Arbeitnehmer) oder Gehälter (Angestellte) handelt. Diese Unterscheidung erscheint heutzutage ohnehin immer weniger zeitgemäß. Auch ist uninteressant, wie sich die Personalkostenarten sonst weiter aufgliedern.
6.5.3.2
6.5.3.3
539
In „fertigungsnahen“ Bereichen
Neben diesen Personalkosten direkt in der Fertigung fallen Personalkosten an u. a. in folgenden „fertigungsnahen“ Bereichen: 1. Vor der Produktion: – Innerbetriebliche Bereitstellung der Produktionsmittel, wie Rohmaterial, Werkzeug, Zusatzgeräte an der Maschine (Peripherie) usw. – Material-Vortrocknung – Aufbereitung von Recycling-Material (z. B. mit Angussmühle) – Wartung, Reparatur und Instandsetzung von Maschinen, Vorrichtungen und Werkzeugen mit eigenem Personal 2. Nach der Produktion: – Sortieren von Teilen und Angüssen Verpacken von Fertigteilen (einschl. Zählwiegen, Beschriften) – QS-Endkontrolle – Lagerung von Fertigteilen – Transport der Teile zum Kunden (sofern nicht Fremdleistung)
In der Fertigung 6.5.3.4
Hier geht es darum, wo und für welchen Zweck bei der Produktion von Kunststoffteilen Personalkosten anfallen. Im unmittelbaren Produktionsbereich kann man unterscheiden: – Maschinenbedienung (sofern vorgesehen) – Nebenarbeiten innerbetrieblich oder Heimarbeit am Kunststoffteil wie z. B. Anguss abzwicken der absenken, bohren, drehen, kleben, schweißen, usw. – Einrichter und Überwacher – Qualitätssicherung
Alle nicht in die o. a. Bereiche fallenden Personalkosten liegen außerhalb der Fertigung und gehören zu den übrigen „Personalgemeinkosten“. Dazu gehören u. a. die Personalkosten folgender Bereiche: – Verwaltung und Vertrieb – Entwicklung – allgemeine Einrichtungen (Kantine usw.)
6.5.3.5 Die beiden ersteren Tätigkeiten sind den Produkten direkt zurechenbar, während die nachfolgend betroffenen Personen meist mehrere Produkte in ständigem Wechsel betreuen und ihr zeitlicher Einsatz für ein einzelnes Produkt sich nur selten mit vertretbarem Aufwand ermitteln lässt. Die o. a. Personalkosten sind der Fertigung zuzurechnen. Ebenso dazu gehören die Personalkosten weiterer veredelnder Arbeitsgänge, sofern diese im selben Unternehmen stattfinden, wie z. B.: – Lackieren – Bedrucken (Siebdruck, Tampondruck usw.) – Folien-Heißprägen – Metallisieren (Galvanisieren, Vakuumbedampfen) – Konfektionieren – Montieren
Personalgemeinkosten
Personalkosten – fix oder variabel?
Wie diese Personalkosten in die Kalkulation einfließen sollen, wird später noch erörtert. An dieser Stelle ist noch wichtig zu unterscheiden, ob es sich um variable oder fixe Kosten handelt. Während man früher Personalkosten häufig als Fixkosten angesehen hat, ist eine kritischere Betrachtungsweise aufschlussreich. Einerseits: Im Extremfall der Akkordarbeit sind die Stücklohnkosten direkt dem Produkt zuzuordnen und somit wären die Akkordlohnkosten exakt mengenabhängig, d. h. proportional zur Produktion, also 100 % variabel. Andererseits: Die Personalkosten für einen Hausmeister fallen immer an, ob der Betrieb viel oder wenig produziert. Da es sich überwiegend um eine Bereitschaftsaufgabe han-
540
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
delt, wären diese Personalkosten völlig unabhängig von der produzierten Menge und somit zu 100 % als Fixkosten anzusehen. In der Praxis gibt es aber solche Extremfälle kaum. Längerfristig kann auch ein Hausmeister versetzt, entlassen (oder pensioniert) und durch einen externen Wachdienst ersetzt werden. Ein Arbeiter kann je nach Arbeitsanfall Überstunden leisten oder kurzarbeiten. Die Kosten pro gearbeitete Stunde sind dann meist höher als bei „betrieblicher Regelarbeitszeit“. Auch Angestellte können zusätzlich eingestellt, (mit Abfindung auch kurzfristig) entlassen, versetzt oder vorübergehend durch Zeitarbeitskräfte vertreten werden. Diese Überlegungen zeigen: Personalkosten sind zwar häufig kurzfristig als Fixkosten anzusehen, aber (je nach Zeithorizont der Betrachtung) längerfristig durchaus variabel.
6.5.4
Materialkosten
6.5.4.1
Rohmaterial – Hilfs- und Betriebsstoffe
Zu den zuvor erwähnten „Sachkosten“ gehören die Materialkosten. Sie umfassen die Kosten für Rohmaterial sowie für Hilfs- und Betriebsstoffe. Hilfsstoffe gehen zwar in die Produkte ein, sind aber wertoder mengenmäßig weniger bedeutend (z. B. geringfügig eingesetzte Additive). Betriebsstoffe werden ebenfalls bei der Produktion verbraucht, gehen aber nicht in die Produkte ein (z. B. Schmieröl). Hilfs- und Betriebsstoffe sind in der Kunststoffverarbeitung deshalb insgesamt relativ unbedeutend und sollen im folgenden nicht weiter behandelt werden. Das Rohmaterial wird unterteilt in Kunststoff-Rohmaterial und anderes Rohmaterial. Letzteres sind meist MetallEinlegeteile, die umspritzt oder auf andere Weise in die Kunststoffteile eingebracht werden und ähnliches Material.
6.5.4.2
Kunststoffbedarf und Einkaufspreise
Der Kunststoff-Rohmaterialbedarf ergibt sich aus der zu fertigenden Teilezahl und deren Gewicht. Falls das Gewicht noch nicht bekannt ist, kann dies ermittelt werden durch eine Volumenberechnung und anschließende Multiplikation mit der Werkstoffdichte. Weiterhin sind ein Anguss (falls vorgesehen) und ein gewisser Verarbeitungsverlust zu berücksichtigen. Bei transparentem Material (für Klarsichtteile) liegt erfahrungsgemäß der Verlustanteil höher als bei gefärbtem Material. Ebenso ist zu beachten, ob und ggf. in welchem Umfang Angüsse wiederverwendet werden können. Hierbei sind die Vorschriften des Lieferanten, aber auch die der Kunden maßgeblich.
Die benötigten Materialmengen werden mit dem Materialpreis multipliziert, um die Materialkosten zu ermitteln. Üblicherweise sind die Materialpreise gestaffelt nach Bezugsmengen. Um die passenden Bezugsmengen ansetzen zu können, muss bekannt sein, welche Jahresmengen an Teilen der Kunde bezieht. Sofern das gleiche Material noch für andere Kunden eingesetzt wird, kann es unter Umständen günstiger bezogen werden als nur im Hinblick auf den Einzelkunden. Eine Weitergabe dieses Einkaufspreisvorteils an den Kunden erscheint nicht ohne weiteres gerechtfertigt, außer wenn die Auftragsvergabe ausdrücklich nur wegen der günstigen Einkaufsmöglichkeit so erfolgte, z. B. um die Verarbeitung eines exotischen Materials bei einem entsprechenden Spezialisten zu konzentrieren.
6.5.4.3
Sonstige Materialeinstandskosten
Den Materialkosten zugeschlagen werden eventuell anfallende Nebenkosten, wie z. B. Frachtkostenanteile. In Abzug gebracht werden Skontovorteile, nicht jedoch Boni, da sie unsicher sind und erst am Jahresende bei Erreichen bestimmter Bestellwerte realisiert werden. Neben den „reinen“ Materialkosten gehören zu den „Materialeinstandskosten“ auch jene Kosten, die anfallen, bis das Material an der Maschine zur Verwendung bereitsteht. Dazu gehören gegebenenfalls: – die Wareneingangsprüfung im QS-Labor (Materialtests) – die Lagerkosten (Raummiete und Verzinsung des gebundenen Kapitals) – innerbetriebliche Transportkosten (z. B. durch ein RohrFördersystem) – die Kosten der Vortrocknung vor der Verarbeitung (z. B. durch separate/integrierte Raumluft-/TrockenluftTrockner). – die Kosten der Einfärbung, des Zugebens weiterer Additive, des Mischens – die Kosten der Wiederaufbereitung von innerbetrieblich recyceltem Material (Angüsse und Ausschussteile), z. B. durch zentrale Mühlen oder durch Beistellmühlen an der Maschine – die Verwaltungskosten des Materialeinkaufs einschließlich eventueller Zertifizierung
6.5.4.4
Andere Rohmaterialien
Ähnlich wie das Kunststoff-Rohmaterial sind auch die Kosten von anderen Rohmaterialien, die in die Kunststoffteile eingehen (z. B. Metallteile, s. o.), zu behandeln. Diese haben je nach betrieblicher Spezialisierung jedoch unterschiedlichen Charakter. So kann es sich um Gewindebuchsen, Blechteile, Prägefolien, Elektronikbauteile usw. handeln.
6.5 Bauteilkosten Nicht hierunter fallen jedoch Rohmaterialien für den Bau von Spritzgießwerkzeugen (Formen), wie z. B. Metall-Halbzeug und Normalien, da diese nicht in die Kunststoffteile eingehen. Der Materialeinkauf eines eventuell angeschlossenen Formenbaus wird sachlich auseinandergehalten.
6.5.5
Maschinenkosten
6.5.5.1
Einflussfaktoren
Ebenso zu den „Sachkosten“ gehören die Maschinenkosten. Zunächst muss festgestellt werden, auf welcher Maschine oder Maschinengruppe (von mehr oder weniger ähnlichen Maschinen) ein Produkt gefertigt werden kann. Die Maschinenkosten sind dann u.a. abhängig von folgenden Einflussfaktoren: – Art und Typ der Maschine(ngruppe) – benötigte bzw. vorhandene Ausstattung der Maschine (je nach Umfang: Sondermaschine?) – Kaufpreis bzw. Wiederbeschaffungswert – Einsatzweise (1-, 2-, 3-schichtig) und Nutzungsdauer – Auslastung der Maschine – personelle Erfordernisse (nur mit Bedienung, halb-/ vollautomatisch, Geisterschicht-fähig) – Umrüstaufwand bei Werkzeugwechsel (automatisch ?) Die benötigten Angaben dienen dazu, die maschinenbezogenen Kosten herzuleiten, mit denen später Stundensätze errechnet werden können.
6.5.5.2
Die Maschinenkosten im einzelnen
Zu den Kosten von Maschinen und maschinellen Anlagen gehören u. a.: – kalkulatorische Abschreibungen – kalkulatorische Zinsen – Instandhaltung – Raumkosten – Stromkosten – Druckluftkosten und Kühlwasserkosten Eine nähere Diskussion dieser Kostenarten erfolgt hier nicht, da diese Thematik durch das vorangegangene Referat bereits mit abgedeckt wurde.
6.5.5.3
Zusammenwirken der Maschinenkostenarten
Wie im vorangegangenen Referat weiterhin erläutert, teilt sich der Maschinenpark eines Unternehmens auf einzelne Kostenstellen auf, z. B. die Kostenstelle „Spritzgießabteilung“ und die Kostenstelle „Formenbau“.
541
In Anlehnung an das Aktienrecht werden in der Kostenrechnung nur solche technischen Einrichtungen, die Güter oder Dienstleistungen gemäß dem Geschäftszweck des Unternehmens (laut Gesellschaftsvertrag) produzieren, als „Maschinen und maschinelle Einrichtungen“ bezeichnet. Alle übrigen technischen Einrichtungen des Anlagevermögens zählen zur „Betriebs- und Geschäftsausstattung“. Die Unterscheidung ist also vom Unternehmenszweck abhängig. So ist in einem kunststoffverarbeitenden Unternehmen z. B. ein Kopiergerät „Betriebs- und Geschäftsausstattung“, da das Produzieren von Kopien nicht der Geschäftszweck ist. Anders läge der Fall in einem gewerblichen Kopier-Center: Hier wäre das gleiche Kopiergerät eine „Maschine“. Während die Kosten der „Betriebs- und Geschäftsausstattung“ nur mithilfe eines Umlageverfahrens den Produkten (Kostenträgern) zugeordnet werden können, ist bei den „Maschinen und maschinellen Anlagen“ eine direktere Zuordnung möglich. Deren Kosten lassen sich ohne Schwierigkeiten ihren jeweiligen Kostenstellen zuordnen. Jede Maschine und jede maschinelle Anlage sowie auch Gruppen davon können dabei als eine „Unter-Kostenstelle“ verstanden werden. Wie schon zuvor erläutert, werden die Kosten einer Kostenstelle zunächst aufsummiert. Anschließend werden die Kosten der Gemeinkostenstellen nach einem Umlageverfahren ebenfalls den Produktionskostenstellen (Fertigungsabteilungen) zugeordnet. So werden manche Kostenarten den Kostenstellen auf zweierlei Art, jeweils teilweise, zugeordnet, z. B. die Stromkosten: einmal direkt über die dort befindlichen Maschinen und deren Stromverbrauch, zum anderen indirekt durch Umlage von Stromkosten, die zwar woanders angefallen sind, aber durch die Umlage der Kostenstelle zugerechnet werden.
6.5.5.4
Vorüberlegungen zu Maschinen-Stundensätzen
Im vorangegangenen Referat [1] ist die Bildung von Maschinenstundensätzen schon erläutert und am Beispiel verdeutlicht worden. Dabei wurden nur die unmittelbar der Maschine zuzuordnenden Kosten in die Bildung des Maschinenstundensatzes mit einbezogen. Diese Vorgehensweise ist auch die theoretisch am besten fundierte. In der Praxis wird jedoch häufig auch anders vorgegangen. Im Extremfall werden sogar sämtliche direkten und indirekten Kosten des gesamten Unternehmens im Maschinenstundensatz untergebracht. Meist wird auch weniger extrem verfahren, jedoch werden auch gewisse Lohnkosten mit eingerechnet, z. B. die Lohnkosten von Einrichtern und Maschinenbetreuern, die zwar nicht ständig an der Maschine arbeiten, aber immer
542
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
wieder in ständigem Wechsel diese betreuen, so dass eine genaue zeitliche Erfassung nicht möglich oder zu aufwändig wäre. Auch werden manchmal die Maschinenstundensätze alternativ „mit Maschinenbedienung“ oder „ohne Maschinenbedienung“ berechnet, je nachdem ob die Fertigung vollautomatisch oder mit einer Bedienkraft an der Maschine abläuft. Unterschiedlich ist auch die Handhabung folgender Kosten: – Rüstkosten – Werkzeugkosten Die Rüstkosten umfassen die Kosten des Umrüstens einer Fertigungsmaschine auf die Fertigung eines anderen Produkts. Dazu muss in der Regel ein anderes Werkzeug aufgespannt werden, meist muss ein anderer Rohstoff eingesetzt werden (z. B. Trichter umbefüllen, Zylinder und Schnecke reinigen usw.) und andere Umstellungen an der Maschine sind erforderlich (z. B. Spritzprogramm einlesen). Während der Umrüstzeit und beim Wiederanfahren produziert die Maschine keine bzw. noch keine brauchbaren Teile. Außerdem fallen zusätzliche Personalkosten an. Die Rüstkosten umfassen deshalb die Maschinenkosten, entsprechend der Dauer des Maschinenstillstands, und die zusätzlichen Personalkosten. Es erscheint gerechtfertigt, die Umrüstkosten auch den Produkten, für die die Umrüstung erforderlich ist, anzulasten. Die Abgrenzung zwischen zwei Produkten erfolgt in der Weise, dass jedes Produkt die Kosten des Aufspannens auf die leere Maschine und des Abspannens, bis die Maschine wieder frei ist, trägt. Häufig fallen die Rüstkosten beim gleichen Produkt von Fall zu Fall unterschiedlich aus, je nach Schwierigkeit und Übung. In vielen Unternehmen ist die Höhe der Rüstkosten deshalb nicht im einzelnen bekannt. Auch haben die Rüstkosten insgesamt an den Fertigungskosten meist nur einen geringen Anteil. Deshalb werden die Rüstkosten oft gar nicht oder nur pauschal berücksichtigt. Die Behandlung der Rüstkosten kann auch in der Weise erfolgen, dass sie nur bei Kleinaufträgen berücksichtigt werden, bei denen das Verhältnis der eigentlichen Fertigungszeit zur Umrüstzeit gering ist. Z. B. wenn der Auftragswert unter 600 EUR liegt, wird dem Kunden pauschal ein Mindermengenzuschlag (MMZ) von 60 EUR berechnet. Auch die Werkzeugkosten werden sehr unterschiedlich behandelt. Anders als in der spanabhebenden Fertigung (z. B. bei Metalldrehteilen), wo die Kosten von Drehmeißeln, Fräsern usw. oft nur untergeordnete Bedeutung haben und diese Werkzeuge für die verschiedensten Produkte eingesetzt werden, sind die Werkzeugkosten in der kunststoffverarbeitenden Industrie im Vergleich zu den reinen Stückkosten oft sehr hoch, besonderes bei Kleinserienteilen. Zu
unterscheiden ist hierbei zwischen Eigenproduktfertigern und Fremdprodukt-Zulieferern. Der Eigenproduktfertiger legt seine Werkzeugkosten auf die gefertigte Stückzahl um, ebenso die zugehörigen Kosten der Werkzeug-Instandhaltung. Er kann dies tun, indem er von einer geplanten Gesamtausbringungsmenge des Werkzeugs ausgeht und diese Kosten den Produkten entweder direkt oder über den Umweg des Maschinenstundensatzes zuordnet. Der Zulieferer legt Wert darauf, Werkzeug-Geschäft und Teile-Geschäft zu trennen. Da das Erreichen der geplanten Absatzmengen hauptsächlich im Verantwortungsbereich des Kunden liegt und von dessen Markterfolg abhängig ist, sollte nicht der Zulieferer hierfür das Risiko tragen. So wird das Werkzeug gesondert angeboten und auch getrennt abgerechnet. Es geht mit seiner vollständigen Bezahlung in das Eigentum des Kunden über, verbleibt aber leihweise beim Lieferanten. Die Einzelheiten regelt meist ein sog. „Werkzeug-Aufbewahrungs- und Nutzungsvertrag“. Die Werkzeugkosten gehen deshalb bei Zulieferern auch nicht in die Teilekosten mit ein. Anders verhält sich dies bei den Wartungs- und Instandhaltungskosten. Meist garantiert der Zulieferer für das Werkzeug eine sog. Mindestausbringungsmenge (z. B. 1.000.000 Schuss bei unverstärkten und 500.000 bei verstärkten Kunststoffen). Vor deren Erreichen trägt er alle Wartungs- und Instandhaltungskosten, danach nur noch die Wartungskosten (z. B. Reinigung, Schmierung, Korrosionsschutz usw.), während Reparaturen und Überholungen zu Lasten des Kunden gehen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man den Maschinenstundensatz definiert bzw. versteht. Kriterien für eine sinnvolle und zweckmäßige Definition: – Die Definiton muss klar und eindeutig sein und von allen, die damit arbeiten, gleich verstanden werden. – Die Definition sollte möglichst alle Kosten, die direkt der Maschine zugeordnet werden können, enthalten. Hierfür sind manchmal besondere Hilfsmittel (z. B. Stromzähler, eventuell nur vorübergehend zur Durchführung von Messungen oder Probeläufen) und Nebenberechnungen erforderlich. – Alle übrigen Kosten sind Gemeinkosten und werden über Umlageverfahren indirekt der Kostenstelle und anschließend der einzelnen Maschine zugeordnet. – Bei der Unterscheidung, welche Kosten in den Maschinenstundensatz mit einbezogen werden sollen und welche über Gemeinkostenumlage nachträglich zugeordnet werden, ist es wichtig, dass die betreffenden Kosten genau einmal berücksichtigt werden. Das heißt, sie dürfen nicht übersehen, aber auch nicht doppelt berechnet werden. Z. B. müssen die Stromkosten aufgeteilt werden in die direkt der Maschine zurechenbaren Stromkosten und die Stromkosten
6.5 Bauteilkosten von Gemeinschaftseinrichtungen, die im Wege der Umlage als Gemeinkostenzuschlag berechnet werden. Um einen Überblick zu bieten, welche Arten von Kosten in einem Betrieb der kunststoffverarbeitenden Industrie anfallen können, sollen die bisher noch nicht im einzelnen behandelten Kostenarten nachfolgend kurz angesprochen werden.
6.5.6
Weitere Kostenarten
6.5.6.1
Fremdarbeiten
Neben den oben beschriebenen Personal-, Material- und Maschinenkosten gibt es noch eine Reihe weiterer Kostenarten, die nachfolgend behandelt werden. Während die meisten davon Gemeinkosten sind und den Produkten nicht direkt (d. h. verursachungsgerecht) zugeordnet werden können, ist dies jedoch bei den Kosten für Fremdarbeiten möglich. Hierbei handelt es sich um Dienstleistungen, die von anderen Unternehmen erbracht werden und die unmittelbar in die Produkte eingehen. Fremdarbeiten werden in Anspruch genommen z. B. – aus technischen Gründen (z. B. besondere Einrichtungen oder Know-how erforderlich) – aus Kapazitätsgründen (z. B. momentane Überlastung) – aus Kostengründen (z. B. Lohnniveau dort niedriger) Grundsätzlich können alle bisher beschriebenen Fertigungstätigkeiten in Fremdarbeit (Lohnarbeit) erbracht werden, wie die Kern-Produktion selbst (z. B. Kunststoff-Spritzgießen, Extrudieren, Blasformen usw.), Veredelungen und Weiterbearbeitungen (z. B. spanabhebende Nachbearbeitung, Lackieren, Metallisieren, Montieren usw., s. Abschnitt 6.5.3.2). Vor einer Vergabe in Fremdarbeit muss eine „Make or Buy“-Entscheidung getroffen werden, ähnlich wie für Zukaufteile. Zu beachten ist die begriffliche Unterscheidung: – Fremdarbeiten: Eigene Teile werden an fremdes Unternehmen herausgegeben zur weiteren Bearbeitung. – Materialeinkauf: Fremde Teile werden von außerhalb zugekauft – Heimarbeit: Eigene Teile werden außer Haus gegeben, um dort von eigenen Arbeitskräften bearbeitet zu werden.
6.5.6.2
Verschiedene Gemeinkosten
Die verbleibenden Kostenarten sind überwiegend Gemeinkosten. Sie können einen entscheidenden Anteil an den Ge-
543
samtkosten haben. Einige von ihnen wurden zuvor schon beispielhaft betrachtet. Gemäß den in Abschnitt 2 zitierten Kontenrahmen gehören u. a. folgende Gemeinkostenarten zu den wichtigeren Gliederungspunkten: – Raumkosten: • Miete, Pacht, Erbauzins • Mietnebenkosten (Schornsteinfeger, Kanalgebühren) • Instandsetzung Betriebsräume • Reinigung Betriebsräume (nur Fremdfirmen und Putzmittel) – Energie- und Wasserkosten: • Strom • Gas • Fernwärme • Wasser • Brennstoffe – Reparatur und Instandhaltung: • Maschinen und maschinelle Anlagen • Betriebs- und Geschäftsausstattung • sonstige Reparaturen u. Instandhaltung – Betriebsbedarf: • Verpackungsmaterial • Installationsmaterial und Verbrauchsmaterial: – Kabel – Glühbirnen – Dichtungen – Isolierband • Reparaturmaterial • Kleinwerkzeuge • Bürobedarf: – Papier und Druck – Schreibgeräte – Farbbänder, Toner – Ordner, Hüllen usw. – Transportkosten: • Ausgangsfrachten • Porti • Fahrzeugkosten: – Kraftstoff – Kfz-Steuern – Kfz-Versicherung – Kfz-Pflege – Kfz-Reparaturen – Kfz-Wartung • Kilometergeld-Erstattung
544
6 Gestalten, Fügen, Berechnungsansätze und Simulation EDV-unterstützter Konstruktionen und Auslegung von Kunststoffbauteilen
– Werbungs- und Kommunikationskosten: • Verkaufsprovisionen • Werbung • Geschenke • Bewirtungen • Messen und Ausstellungen • Telefon/Telefax/Internet/E-Mail • Fortbildung • Zeitschriften, Fachliteratur – Rechts- und Beratungskosten: – Steuerberater – Buchhaltung – Ext. Lohnabrechnung – Unternehmensberater – Lizenzgebühren – Patentkosten – Fremdentwicklungen
6.5.7
Abdeckung der Kosten in der Kalkulation
Alle bisher behandelten direkten Kosten und Gemeinkosten müssen durch die Kalkulation abgedeckt sein, wenn ein Gewinn oder zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis erwirtschaftet werden soll. Wenn dies auch manchmal kurzfristig nicht immer möglich erscheint, so ist es doch langfristig erforderlich, damit das Unternehmen nicht nur weiter existieren kann, sondern auch im Hinblick auf die Geldentwertung (Inflation) seine Substanz erhalten kann. Soll das Unternehmen aber weiter wachsen, um seiner jeweiligen Bedeutung in seinem Industriezweig und in der Volkswirtschaft gerecht zu werden, auch um neue Produkte zu entwickeln, neue Arbeitsplätze zu schaffen, seinen Eigentümern eine „angemessene“ Kapitalrendite zu ermöglichen und seine Eigenkapitalbasis entsprechend mitwachsen zu lassen, dann müssen Gewinne erwirtschaftet werden. Nur so können Unternehmen längerfristig bestehen und sich erfolgreich weiter entwickeln.
– Kosten des Geldverkehrs
Literatur – Kapitel 6.5 – Abschreibungen, Zinsen, Leasingkosten usw. für Betriebsund Geschäftsausstattung, soweit nicht in den Maschinenkosten bereits enthalten – Versicherungen, Beiträge, Spenden – Kalkulatorisches Gewährleistungsrisiko und andere, nicht versicherte/nicht versicherbare Risiken (ggf. ProduktHaftpflicht) – „Ertragsneutrale“ Steuern: • Grundsteuer – Ertragssteuern: • Körperschaftssteuer • Gewerbeertragssteuer • Kapitalertragssteuer – Kalkulatorischer Gewinn Damit ist dieser Überblick über die verschiedenen Gemeinkostenarten abgeschlossen.
[1] Loh WP, Haas N (2006) Kalkulation von Spritzgussteilen. Seminar am SKZ Würzburg (Teil 1: Betriebswirtschaftliche Grundlagen und praktische Anwendung, Teil 2: Erweitertes Kostenmanagement und praktische Umsetzung), 2 × jährlich, Würzburg [2] Wöhe G (1978) Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Verlag Franz Vahlen, München [3] GKV: Industriekontenrahmen (IKR) für die kunststoffverarbeitende Industrie. Betriebswirtschaftlicher Ausschuss, Gesamtverband kunststoffverarbeitende Industrie e.V., Frankfurt/Main, ca. 1987
Weiterführende Literatur Hermann A (1980) Kalkulations-Richtlinien für die kunststoffverarbeitende Industrie. herausgegeben vom „Betriebswirtschaftlichen Ausschuss“ im Gesamtverband kunststoffverarbeitende Industrie (GKV) e.V., Frankfurt/Main Erbach F, Vollmer F, Rudnick A („Kruse/Heun“) (1989) Betriebswirtschaftslehre. Winklers Verlag Gebrüder Grimm, Darmstadt NN (2007) Die Kosten im Blick – Supply Chain Management. Kunststoffe 97(2007)6, S 44–45
7
Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
7.1
Thermoplaste
7.1.1
Entstehung von Orientierungen und Eigenspannungen und ihre Untersuchungsmöglichkeiten
7.1.1.1
Einleitung
Bei der Verarbeitung von Kunststoffen zu Bauteilen treten infolge der Scherbeanspruchungen in der Schmelze beim Füllen der Form Orientierungen im Werkstoff auf. Es handelt sich hierbei um eine räumliche Ausrichtung von Molekülketten, daraus gebildeten kristallinen Einheiten wie Kristallite, Lamellen, Sphärolithe und Fibrillen, des Weiteren Füllstoffe wie Fasern sowie Materialinhomogenitäten wie Lunker und Crazes. Diese Orientierungen können reversibler oder irreversibler Natur sein und beeinflussen entscheidend die Werkstoff- und Bauteileigenschaften.
7.1.1.2
Entstehen von Orientierungen
Die Formgebung polymerer Werkstoffe kann in der Schmelze, im festen Zustand und im gasförmigen Zustand erfolgen. Die größte technische Bedeutung besitzt die Verarbeitung aus dem Schmelzezustand. Die wesentlichsten Verfahren sind hierbei das Spritzgießen und Extrudieren neben Pressen, Blasformen u. a. Das polymere Material wird durch die mechanischen Beanspruchungen in der Schmelze ausgerichtet. Unter Berücksichtigung der strömungstechnischen und geometrischen Gegebenheiten treten Dehn- und Scherfelder auf, die zu lokalen Unterschieden in der Ausrichtung der Molekülketten und Füllstoffe führen. Die Abkühlbedingungen bestimmen, in welcher Weise die in der Schmelze vorliegenden Orientierungen eingefroren werden. Aufgrund nichtisothermer Bedingungen resultieren häufig Kern-Mantel-Strukturen und Strukturen mit einer komplexen Orientierungsverteilung. Die Verarbeitung im festen Zustand erfolgt infolge Temperatur und mechanischer Beanspruchung im plastischen
Deformationsbereich. Verfahren sind hier das Verstrecken, Thermoformen u. a. Die Strukturbildung in der Gasphase führt durch Fehlen äußerer mechanischer Beanspruchungen zu orientierungsfreien Strukturen. Orientierungen lassen sich durch epitak– tisches Aufwachsen der Schichten über den morphologischen Einfluss der Substratoberfläche erreichen, siehe als Beispiel die Gasphasenepitaxie (CVD).
7.1.1.3
Reversibilität der Orientierungen
Es ist zwischen reversiblen und irreversiblen Orientierungen zu unterscheiden. Die Reversibilität ist sowohl durch Energie-Barrieren in der molekularen Beweglichkeit als auch durch strukturelle Aspekte wie Vernetzungen und Kristallisation begründet. Hinsichtlich der molekularen Beweglichkeit führt eine Zunahme von Temperatur und mechanischer Spannung zu Phänomenen der Orientierungsrelaxation und des Schrumpfens mit Änderungen der Bauteilgeometrie. Hierbei kann das Volumen konstant (Schrumpfen) oder aber auch verändert (Schwinden) werden.
7.1.1.4
Untersuchungen zu Orientierungen (Auswahl)
Je nach betrachteten Strukturelement stehen für die Orientierungsanalyse unterschiedliche Methoden zur Verfügung, Tabelle 7-1.
7.1.1.5
Eigenspannungen
Eigenspannungen sind Spannungen im Bauteil ohne Einwirkung äußerer Spannungen. Die Eigenspannungen befinden sich in einem statischen Gleichgewichtszustand und können sich wegen des Relaxationsvermögens infolge molekularer Beweglichkeit zeit- und temperaturabhängig abbauen. Eindiffundiertes Wasser kann über weichmachende Wirkung zu einem beschleunigten Abbau von Eigenspannungen führen.
546
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
7.1.1.6.2
Tabelle 7-1 Untersuchungsmethoden zur Charakterisierung der Orientierung (Auswahl) Strukturelement
Methode
Molekülketten
Kernresonanzspektroskopie (NMR) IR-Dichroismus Polarisationslichtmikroskopie (Doppelbrechung)
Kristallit
Röntgenweitwinkelbeugung (WAXD)
Lamelle
Röntgenkleinwinkelbeugung (SAXS) Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM)
Sphärolith Fibrille Partikel (μm-Bereich) Fasern Lunker Crazes
Polarisationslichtmikroskopie Rasterelektronenmikroskopie (REM)
Eine Vorzugsrichtung der Molekülketten zeigt sich in einer optischen Anisotropie in Form des Brechungsindexes. Zum Nachweis der Doppelbrechung dienen z. B. Mikroskope mit einem Ehringhaus-Kompensator oder Polariskope. Sichtbares Licht (Wellenlänge 390 bis 790 nm) ist eine elektromagnetische Welle, bei der sich ein elektrisches und ein magnetisches Feld, charakterisiert durch die elektrische (E) und magnetische Feldstärke (H), mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Die Feldvektoren E und H stehen senkrecht aufeinander und schwingen gleichphasig.
Eigenspannungen sind unmittelbar nach ihrer Entstehung am größten und für das Bauteil am gefährlichsten. Ob Eigenspannungen zum Bruch führen, wird durch die Summe aus von außen einwirkenden Belastungen und sich abbauenden Eigenspannungen zu jedem Zeitpunkt in Abhängigkeit der Zeitstand- oder Zeit-Festigkeitskennlinie bestimmt.
7.1.1.6
Nachweis von Eigenspannungen
Nachfolgend werden die Schrumpf- und die spannungsoptischen Untersuchungsmethoden näher diskutiert.
7.1.1.6.1
Spannungsoptik
Polariskop Ein Polariskop besteht aus einem Lichtkasten, in dem weißes Licht (Überlagerung verschiedener Wellenzüge ohne feste Phasenbeziehung) mit Glühlampen oder monochromatisches (einfarbiges mit gleicher Frequenz) Licht mit einer Natriumdampflampe erzeugt wird, zwei Polarisationsfilter (Polarisator und Analysator) und zwei λ/4 Platten. Durch den Polarisator wird das Licht linear polarisiert. Der E-Vektor des Lichts schwingt in der Schwingungsebene, die durch den Polarisator vorgegeben wird (Bild 7-3). Mit dem Analysator wird der durch die Probe gegangene Strahl betrachtet. Die Durchlassrichtung von Polarisator und Analysator wird senkrecht zueinander gestellt, so dass ohne Probe ein Dunkelfeld entsteht (Auslöschung). Beim Durchgang durch die Kunststoffprobe wird die Lichtwelle mit Vektor A in zwei senkrecht zueinander schwingende Teilwellen mit den Komponenten A1 und A2 (Hauptebenen) zerlegt. A = A1 + A2
Schrumpfuntersuchungen
Durch temperaturabhängige Schrumpfuntersuchungen lässt sich für thermoplastische Werkstoffe im Temperaturbereich oberhalb der Glastemperatur die Wirkung entropieelastischer Rückstellkräfte durch Messung der Zeitabhängigkeit von – Längenänderung bei konstanter Spannung (Schrumpfdehnung), Bild 7-1 [1] – Spannungsänderung bei konstanter Dehnung (Schrumpfspannung), Bild 7-2 [1] ermitteln. Die Schrumpfdehnung (S) ist definiert als S = 100 % (lo – l) / lo
(1)
mit l – Länge nach dem Schrumpfen und lo – Ausgangslänge.
Bild 7-1 Temperaturabhängigkeit der Schrumpfdehnung von hochorientiertem, aber nichtkristallisiertem PET (nach U. Göschel [1])
(2)
7.1 Thermoplaste
Bild 7-2 Zeitabhängigkeit der Schrumpfspannung von hochorientiertem PET für verschiedene Temperaturen (nach U. Göschel [1])
Bild 7-3 Wirkprinzip eines Polariskops mit Isochromaten und Isoklinen
547
548
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Diese Teilwellen durchlaufen die Probe mit nachfolgenden Brechungsindizes (n1, n2) unter Berücksichtigung des Brechungsindexes des unverspannten Materials (n0), den optischen Materialkonstanten (C1, C2) und den Hauptspannungen (σ1, σ2): n1 = n0 + C1σ1 + C2σ2
(3)
n2 = n0 + C1σ2 + C2σ1
(4)
Der resultierende Laufzeitunterschied zwischen den beiden Teilstrahlen mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit (c1, c2) bei gegebener Probendicke (d) beträgt: Δt = t1 – t2 = d/c0 (n1 – n2)
(5)
Daraus folgt ein Gangunterschied (Δ): Δ = d (n1 – n2)
(6)
Der Analysator lässt nur Lichtwellen einer bestimmten Schwingungsrichtung durch. Der Gangunterschied Δ = φ λ)/ 2π (mit der Phasendifferenz φ) bewirkt, dass sich die horizontalen Komponenten der beiden Strahlen entweder addieren (Helligkeit) oder subtrahieren (Dunkelheit). Isoklinen: Dunkle Linien, verbinden Orte gleicher Hauptspannungsrichtung. Gangunterschied (Δ) zwischen den Teil-
Bild 7-4 Zentralangespritzte Kreisscheibe aus Polycarbonat PC
Tabelle 7-2 Spannungsrissauslösende Medien (Beispiele) Material
Medien
PE, PP PS PVC PMMA PC
Tenside, Alkohole, Äther, Siliconöle, Ketone, Ester Benzin, Äther, n-Heptan, Methanol, Ölsäure, Planzenöle Methanol Alkohole, Glycerin, Benzol, Aceton Methanol, Isopropylalkohol
strahlen ist proportional zur Differenz der Hauptspannungen, Δ = σ1 – σ2. Isochromaten: Dunkle Linien bei Verwendung von monochromatischem Licht. Bei weißem Licht: Linien gleicher Orientierungsrichtung und Ordnung in gleicher Farbe (statt dunkel die Komplementärfarbe der ausgelöschten Wellenlänge). 0.-te Ordnung ist schwarz (Farbe fehlt), Bild 7-4.
7.1.1.7
Spannungsrissbildung (s.a. Kap. 3.1.4 und Kapitel 6)
Für den Nachweis von Eigenspannungen kann auch die Beurteilung des Spannungsrissverhaltens herangezogen werden, Tabelle 7-2. Bei dieser Methode zeigt sich bei Einwir-
7.1 Thermoplaste kung von Löse- und Benetzungsmitteln ein Auftreten von Rissen senkrecht zum Spannungsverlauf. Die Rissbildung wird durch die Phänomene Benetzung, Diffusion und Quellung bestimmt. Insbesondere Zugspannungen an der Oberfläche können eine Spannungsrissbildung in Verbindung mit einem Medieneinfluss fördern. Nachfolgende Medien lösen zu einer Spannungsrissbildung aus:
Literatur – Kapitel 7.1.1 [1]
[2]
Göschel U, Thermally stimulated structural changes in highly oriented glassy polyethylenterephthalate. Polymer 18(1996)37, S 4049–4059 Manuskript zum Hauptfachpraktikum. Universität Stuttgart, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde, 2005
Weiterführende Literatur Ehrenstein GW (1999) Polymer – Werkstoffe, Struktur, Eigenschaften, Anwendung. Carl Hanser Verlag, München, 2. Aufl Hering E, Martin R, Stohrer M (1999) Physik für Ingenieure. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 7. Aufl
7.1.2
Dynamisch-Mechanische-Analyse (DMA) am Beispiel Torsionsschwingversuch Hans-Christian Ludwig, Martin Keuerleber
7.1.2.1
Allgemeines
Die mechanischen Eigenschaften hochpolymerer Stoffe weisen eine wesentlich größere Temperaturabhängigkeit auf als die der Metalle. Dabei durchlaufen die Kunststoffe mehrere Zustände, in denen sie sich glasähnlich hart, kautschukähnlich weichelastisch oder flüssigkeitsähnlich plastisch verhalten. Durch Messung des Moduls und der Schwingungsdämpfung [1], z. B. im Torsionsschwingversuch [2], lassen sich die Temperaturbereiche dieser Zustände feststellen, da Modul und Schwingungsdämpfung sich in den Übergangsbereichen auf charakteristische Weise ändern. Solche dynamischen Messungen können auch in Zug-, Druck- oder Biegebeanspruchung erfolgen. Entsprechend der Werkstoffsteifigkeit und vorliegenden Probenform wird die Beanspruchungsform gewählt, z. B. werden dünne Folien auf Zug beansprucht. Es sind auch Messungen zu Vernetzungsreaktionen oder Viskositäten von Schmelzen möglich. Dann bezeichnet man die Geräte eher als Rheometer.
7.1.2.2
549
Relaxations-Spektrometer (erzwungene Schwingung) [2]
Heutzutage wird der Schubmodul meist mit Geräten ermittelt, die die Probe mit einer erzwungenen Schwingung anregen. Geräte mit freier gedämpfter Schwingung werden nur noch selten eingesetzt, da die Messungen schlechter reproduzierbar und die Messdatenerfassung in der Regel nicht automatisiert erfolgen kann.
7.1.2.2.1
Versuchsdurchführung
Torsionsschwingversuche können an Proben mit rundem oder rechteckigem Querschnitt in verschiedenen Meßmethoden durchgeführt werden, Tabelle 7-3. Für den Ingenieur ist meist die Charakterisierung des Materialverhaltens durch den „temperature sweep“ bei 1 Hz ausreichend. Aus einem temperature-frequency sweep kann eine Masterkurve bestimmt werden. Hiermit wird z. B. das Materialverhalten auch außerhalb der mit dem Gerät möglichen Prüffrequenzen errechnet. Die Gültigkeit einer solchen Kurve ist abzusichern. In Bild 7-5 ist der Versuchsaufbau für eine Rechteckprobe dargestellt. Die Probe wird mit einer definierten Frequenz sinusförmig ausgelenkt (über den mit der unteren Einspannung verbundenen Motor) und der zeitliche Verlauf des resultierenden Torsionsmomentes am Aufnehmer der oberen Einspannung, die Antwort der Probe auf die erzwungene Auslenkung, gemessen. Der zeitliche Verlauf des Torsionsmoments unterscheidet sich zu dem der erzwungenen Schwingung, daraus lässt sich die Phasenverschiebung δ ermitteln. Aus dem Torsionsmoment wird der Betrag des komplexen Schubmoduls G berechnet. Der komplexe Schubmoduls G beinhaltet den Speicherschubmodul G’ und Verlustschubmodul G’’, die von der Phasenverschiebung δ abhängen. Die Phasenverschiebung δ stellt den mechanische Verlustfaktor dar. Sämtliche Berechnungen erfolgen bei den erhältlichen Geräten [3]–[5] mit einer umfangreichen Steuerungs- und
Tabelle 7-3 Mögliche Messmethoden single point
T, ω fest
temperature sweep
TAnfang → TEnde , ω fest
frequency sweep
T fest, ωAnfang → ωEnde
temperature-frequency sweep
TAnfang → TEnde ; ωAnfang → ωEnde
550
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Auswertesoftware. Die Herleitung erfolgt in den folgenden Unterkapiteln. Der Zusammenhang von Schubmodul G und Speicherschubmodul G’ sowie Verlustschubmodul G’’ ist in Bild 7-6 dargestellt. Der Schubmodul G ist als komplexe Größe in einem Diagramm aufgetragen. Mit der Phasenverschiebung δ können nun Speicherschubmodul G’ und Verlustschubmodul G’’ graphisch bestimmt werden. Mit steigender Phasenverschiebung δ steigt der Anteil des Verlustschubmoduls G’’. Eine große Phasenverschiebung tritt insbesondere bei viskosen Materialien auf, die eine hohe Dämpfung besitzen, siehe hierzu Gleichung 21.
7.1.2.2.2
Versuchsergebnisse und deren Auswertung
Aufgrund des viskoelastischen Verhaltens polymerer Werkstoffe tritt zwischen erzwungener Schwingung und dem gemessenen Verlauf des Torsionsmoments eine Phasenverschiebung δ auf, Bild 7-7. Anhand der Phasenverschiebung können die Werkstoffe klassifiziert werden: δ0 π δ4 2 π 0<δ<4 2
rein elastisch rein viskos viskoelastisch
Aus dem gemessenen Torsionsmoment kann der Schubmodul G bestimmt werden. Bild 7-5 Probenanordnung für Torsionsschwingversuch an einer Rechteckprobe [6]
Bestimmung des Schubmoduls eines geraden zylindrischen Stabs Wird das in Bild 7-8 dargestellte Wellenstück mit einem Torsionsmoment Mt belastet, so ergibt sich eine Verdrehung zwischen unterer Fläche und oberer Fläche um den Winkel dϕ. Die Mantellinie AB geht in die Linie AB’ über. Der ursprünglich rechte Winkel zwischen der Mantellinie und der Tangente A ändert sich um den Winkel γ, der als Schiebung bezeichnet wird. Aufgrund der geometrischen Verhältnisse ergeben sich folgende Beziehungen: ds = rdϕ
(1)
und ds ≈ dl tan γ (r) ≈ dl γ (r)
(2)
Daraus folgt Bild 7-6 Zusammenhang von Schubmodul G und Phasenverschiebung δ
rdϕ = γ (r) dl
(3)
7.1 Thermoplaste
551
Bild 7-7 Verlauf des Torsionsmoments und der erzwungenen Schwingung
Die Schubspannung τ kann mit Hilfe der Elastizitätstheorie aus der Schiebung γ und dem Schubmodul G ermittelt werden: Gϕ τ (r) = Gγ (r) = 5 r l
(7)
Für das Torsionsmoment gilt: Ip Mt = G 4 ϕ l
(8)
Ip : polares Trägheitsmoment (von der Geometrie abhängig) Daraus ergibt sich für den Verdrehwinkel: Mt l ϕ=7 GIp
(9)
Bestimmung des Schubmoduls eines geraden Stabs mit rechteckigem Querschnitt Bild 7-8 Verformung eines Stabelementes
Für die Torsion eines Stabes mit rechteckigem Querschnitt ergeben sich aufgrund der Verdrehung Verwölbungen. Im Falle unbehinderter Verwölbung gilt die Theorie von de Saint-Vénant. Die Schiebung berechnet sich nach:
Die Integration über die Stablänge liefert: ϕ
1
r ∫ dϕ = γ (r) ∫ dl 0
(4)
0
rϕ = γ (r) l '
(5)
Die Schiebung ergibt sich zu:
ϕ γ (r) = 4 r l
γ = Kγ ϕ
(10)
Kγ Konstante für Geometrie; γ-Wahl in Software: γ · 100 = % Drehung T T Kγ = 4 1 – 0.378 4 L W
(6)
2
T = Dicke, W = Breite, L = Länge
(11)
552
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Sinusförmige Schwingungsvorgänge werden in komplexer Schreibweise dargestellt. Für die Spannungen und Dehnungen gilt dann σ = σ0 ei (ωt)
(16)
ε = ε0 ei (ωt – δ)
(17)
mit ei (ωt) = cos ωt + i sin ωt
Der Querstrich unter dem Symbol kennzeichnet σ und ε als komplexe Größen. Der komplexe Elastizitätsmodul E wird entsprechend dem HOOKEschen Gesetz als Quotient aus komplexer Spannung σ und komplexer Dehnung ε definiert (der komplexe Schubmodul ist analog definiert als Quotient aus komplexer Schubspannung τ und komplexer Schiebung γ):
Bild 7-9 Definition der Schubspannungen
Die Schubspannung berechnet sich nach:
τ = MKτ T 3 + 1.8 4 W Kτ = 1000 00 Gc WT
2
(12)
σ E=4 ε
(19)
(13)
σ0eiωt E = 05 = E eiδ = E' + iE" = E' (1 + id) ε0ei(ω t – δ)
(20)
Bei Torsion an rechteckigen Proben tritt im Gegensatz zu runden Proben eine Schiebung γ in zwei Ebenen auf. Es treten Schubspannungen auf, die als Richtung die Achse besitzen, um die tordiert wird. Bild 7-9 veranschaulicht dies. Wird die Probe um die 1-Achse tordiert, so treten in der 12- und 13-Ebene Schiebungen auf. In der 32-Ebene treten keine Schiebungen auf. Die Querschnitte in den beiden Flächen der Rechteckprobe parallel zur 32-Ebene werden verdreht und nicht verschoben.
7.1.2.3
(18)
Theoretische Betrachtungen des dynamischen Schwingversuchs
Bei sinusförmiger Anregung und kleiner Amplitude lässt sich der Spannungs- und Dehnungsverlauf wie folgt darstellen: σ = σ0 cos ωt
(14)
ε = ε0 cos (ωt – δ)
(15)
σ0, ε0: Amplitudenwerte; ω: Frequenz; t: Zeit, δ: Phasenverschiebung
Der Realteil E’ ist ein Maß für die bei schwingender Beanspruchung im Werkstoff gespeicherte wiedergewinnbare Arbeit. Er wird deshalb als Speichermodul bezeichnet. Der Imaginärteil E’’ ist ein Maß für die bei jeder Schwingung in Wärme umgewandelte dissipierte Energie und wird als Verlustmodul bezeichnet. Der Quotient
E΄΄ E i sinδ d = 4 = 05 = tanδ E΄ E cosδ
(21)
ist ein Relativmaß für die Energieverluste bei der Schwingung, der mechanische Verlustfaktor. Statt der genormten Ausdrücke Verlustfaktor oder Verlustmodul hieße es besser: d Dissipationsfaktor oder E’’ Dissipationsmodul
σ σ0 Der Betrag E = E = E'2 + E"2 = 4 = 4 eiδ ε ε0
(22)
wird als absoluter Modul bezeichnet. Bei sehr geringer Dämpfung – also für d << 1 – ist E = E ≈ E'
(23)
7.1 Thermoplaste Für isotrope Werkstoffe lässt sich aus dem ermittelten Speichermodul G’ näherungsweise der E-Modul nach folgender Formel berechnen. E ' = 2G ' (1 + μ)
(24)
μ Querkontraktionszahl Im Glaszustand ist μ ≈ 1/3, im gummielastischen Zustand ≈ 1/2. Für nicht isotrope Werkstoffe, z. B. kurzglasfaserverstärkte spritzgegossene Thermoplaste mit orthotropem Verhalten kann der E-Modul nicht aus dem Schubmodul bestimmt werden.
7.1.2.4
Das oben formal beschriebene Verhalten lässt sich am VoigtKelvin-Modell veranschaulichen, Bild 7-10 (siehe ausführlicher Kapitel 7.1.6.3.2). Hier wird das elastische Verhalten durch die Hookesche Feder E' und das viskose Verhalten durch eine Öldämpfer E'' dargestellt. Für E' gilt dann das Hookesche Gesetz
σ' = E'ε
(25)
σ ' = Spannung; E' = Speichermodul; ε = Dehnung und für das viskose Verhalten das Newtonsche Gesetz dε σ " = ηε⋅ = η 4 dt σ '' = durch Viskosität erzeugte Spannung; ε⋅ = Verformungsgeschwindigkeit; η = Viskosität
Im Allgemeinen entspricht η der dynamischen Viskosität eines Werkstoffs. Durch die Art der Kopplung des Voigt-Kelvin-Modells, Bild 7-10, ergeben sich für die beiden Elemente Feder (E’) und Dämpfer (E’’) die gleiche Dehnung, also
ε = ε' = ε"
(26)
σ = σ' + σ"
(28)
(25) und (26) in (28) eingesetzt (29)
(16) und (17) in (29) eingesetzt
σ0 eiωt = E ' + ε0ei(ω t – δ) + iηωε0 ei(ω t – δ)
(30)
σ0 eiωt = (E ' + iωη) ε0 ei(ω t – δ)
(31)
daraus folgt mit Gleichung (20)
σ0 eiωt σ0 (E ' + iωη) = 05 = eiδ = E ε0 ei(ω t – δ) 4 ε0
(32)
Der Koeffizientenvergleich zwischen Gleichung (20) und (32) ergibt:
ωη = E "
(33)
Der E-Modul der Feder stellt den Speichermodul E' dar, während der Ausdruck ω η dem Verlustmodul E'' entspricht.
7.1.2.5
Bild 7-10 Voigt-Kelvin-Modell
(27)
Die Einzelspannungen hingegen addieren sich und ergeben:
σ = E 'ε + ηε⋅
Das Voigt-Kelvin-Modell
553
Messergebnisse und Diskussion
Bild 7-11 und Bild 7-12 zeigen den Verlauf von G', G'' und tanδ in Abhängigkeit von der Temperatur bei einer konstanten Frequenz von 1 Hz. Bei amorphen Kunststoffen ist der Schubmodul G´ bis knapp unter die Glastemperatur nur schwach von der Temperatur abhängig. Im Glaszustand sind die langen Molekülketten eingefroren. Konformationsänderungen sind nicht möglich. Lediglich die Nebenvalenzabstände und die Valenzwinkel können sich ändern und zur Verformung beitragen. Bei den meisten amorphen Kunststoffen treten im Glaszustand sekundäre Dispersionsgebiete auf. Das sekundäre Dispersionsgebiet (auch Nebenrelaxationsgebiet genannt) wird auf die Bewegung einzelner Kettenstücke zurückgeführt. Diese ist im Wesentlichen durch die intramolekulare
554
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Wechselwirkung längs der polymeren Kette beeinflusst. Die amorphen Thermoplaste liegen bei Raumtemperatur im Glaszustand vor. Im Erweichungsgebiet sinkt der Schubmodul innerhalb eines kleinen Temperaturbereichs um mehrere Zehnerpotenzen. Ursache dieses Hauptdispersions- oder Hauptrelaxationsgebiets ist das „Auftauen“ von Bewegungsfreiheiten der Hauptkette, so dass Segmentrotationen, Kettenkurbelbewegungen und ähnliches möglich werden. Hierbei spielen die zwischenmolekularen Wechselwirkungen eine wesentliche Rolle. Glasübergangstemperaturen lassen sich mittels Dynamisch-Mechanischer-Analyse (DMA) sehr viel besser ermitteln, als mit DynamischeDifferenz-Kalorimetrie (DDK, engl. DSC), mit der z. B. der Schmelzbereich besser untersucht werden kann. Charakteristisch für den weichelastischen Zustand ist die volle Ausbildung der Mikrobrownschen Bewegung. In diesem Zustand ändern alle Moleküle unter dem Einfluss der Wärmebewegung permanent ihre Gestalt. Bei der Fließtemperatur geht der Stoff in den Zustand des plastischen Fließens über. In diesem Zustand gleiten die Molekülketten segmentweise aneinander ab. Bei den teilkristallinen Kunststoffen wird beim Erwärmen von tiefen Temperaturen nach dem glasartigen Zustand und dem Überschreiten des Erweichungsgebiets ein zähelastischer Zustand erreicht. Der Übergang ist durch ein
Bild 7-11 Messergebnisse für Polystyrol
Nebendispersionsgebiet und durch eine merkliche Abnahme des Schubmoduls G´ gekennzeichnet, die sich stärker als im Glaszustand bemerkbar macht. Der Abfall des Schubmoduls kann in diesem Gebiet durch eine kurbelwellenartige Rotationsbewegung eines Kettenbausteins um seine angrenzenden C-C-Bindungen erklärt werden. Ein nichtkristalliner Stoff verliert dadurch an Steifigkeit und Festigkeit und mit steigender Temperatur fällt der Schubmodul sehr steil ab (wie bei Polystyrol in Bild 7-11). Bei einem kristallinen Stoff bleibt der Zusammenhalt dagegen bestehen, solange noch kristalline Strukturen vorhanden sind. Die Existenz solcher, verhältnismäßig starrer Strukturen verhindert eine ausgeprägte Gummielastizität wie bei amorphen Kunststoffen oberhalb von Tg . Mit steigender Temperatur erweichen mehr und mehr Kristallite, und der Schubmodul sinkt zunächst langsam und dann immer schneller ab (Hauptdispersionsgebiet), bis beim Aufschmelzen der letzten Kristallite der Fließzustand erreicht ist. Die in Bild 7-12 dargestellten Messergebnisse wurden an einem PE-PP-Blockcopolymer ermittelt. Dieses Copolymer zeigt zwei Glastemperaturen und zwei Schmelztemperaturen, wobei die Schmelztemperatur von PP aufgrund der niedrigen Steifigkeit nicht mehr im Versuch gemessen werden konnte.
7.1 Thermoplaste
555
Bild 7-12 Messergebnisse für ein PE-PP Blockcopolymer
Literatur – Kapitel 7.1.2 [1] DIN EN ISO 6727-1 (2003) Kunststoffe: Bestimmung dynamsich-mechanischer Eigenschaften; Teil 1: Allgemeine Grundlagen. Beuth Verlag, Berlin [2] ISO 6727-7 (1996) Plastics: Determination of dynamic mechanical properties; Part 7: Non-resonance method. Beuth Verlag, Berlin [3] Internetseite der Firma Netzsch: http://www.netzschthermal-analysis.com [4] Internetseite der Firma Gabo: http://www.gabo.com [5] Internetseite der Firma TA Instruments: http://www. tainstruments.com [6] Manuskript zum Hauptfachpraktikum. Universität Stuttgart, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde, 2005
Weiterführende Literatur BASF: Kunststoffphysik im Gespräch. S 49–54 Becker GW, Meißner J u. a. (1963) Elastische und viskose Eigenschaften von Werkstoffen. Beuth Verlag, Berlin Biederbick K (1977) Kunststoffe. Vogel-Verlag, Würzburg
Ehrenstein GW (2002) Mit Kunststoffen konstruieren. Hanser Verlag, München, 2. Aufl Haenle S, Gnauck B, Harsch G (1972) Praktikum der Kunststofftechnik. Hanser Verlag, München, S 282–288 Hellerich W, Harsch G, Haenle S (2004) Werkstoff-Führer Kunststoffe. Hanser Verlag, München Laeis W (1972) Einführung in die Werkstoffkunde der Kunststoffe. Hanser Verlag, München, S 131–143 Menges G (2002) Werkstoffkunde Kunststoffe. Hanser Verlag, München Oberbach K, Bauer E, Brinkmann S, Pabst F (2004) Saechtling Kunststoff Taschenbuch. 29. Ausgabe, Hanser Verlag, München Schreyer G (1972) Konstruieren mit Kunststoffen, Teil 1 und 2. Hanser Verlag, München, S 349–455 Taprogge R (1977) Konstruieren mit Kunststoffen. VDIVerlag, Düsseldorf, S 8
556
7.1.3
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Kunststoffe im Zugversuch Guntmar Rüb
7.1.3.1
Einleitung
Kunststoffe zeigen bei mechanischer Beanspruchung im Vergleich zu den meisten anderen Werkstoffen ein besonders stark ausgeprägtes viskoelastisches Verhalten. Das Zusammenwirken elastischer und viskoser Komponenten hat zur Folge, dass Kenngrößen wie z. B. der E-Modul, der Schubmodul oder die Zugfestigkeit nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der Beanspruchungsgeschwindigkeit und der Belastungsdauer abhängen. Die Ursache hierfür ist eine verzögerte Gleichgewichtseinstellung, der durch äußere Krafteinwirkung ausgelenkten Kettensegmente bzw. Moleküle. Diese sogenannten Relaxationsprozesse hängen vor allem von der Struktur der Polymer-Werkstoffe ab, d.h. der Kettenbeweglichkeit, die durch physikalische oder chemische Bindungen, sperrige Seitengruppen oder behinderte Drehbarkeit der Hauptkette usw. bestimmt wird. Haben Umlagerungsmechanismen genügend Zeit zur Einstellung eines Gleichgewichtszustandes für die Spannungen, reagieren die Polymer-Werkstoffe oft zäh und weich, so dass bei ein und derselben Anwendung bei verschiedenen Temperaturen oder Beanspruchungsgeschwindigkeiten sprödes oder zähes Verhalten vorliegen kann. Mittels geeigneter Prüfverfahren müssen dem Konstrukteur diejenigen Werkstoffkennwerte geliefert werden, die er für seinen Anwendungsfall benötigt. Da die Eigenschaften der Kunststoffe stark von der Belastungsart, der Temperatur, der Belastungsgeschwindigkeit und der Belastungsdauer abhängig sind, lassen sich natür-
Bild 7-13 Eingespannter Schulterstab in der Zugprüfmaschine
lich nur Eigenschaftswerte vergleichen, die unter gleichen Prüfbedingungen ermittelt wurden. Die Versuche sind daher in internationalen Normen festgelegt, z. B.: DIN EN ISO 178 Bestimmung der Biegeeigenschaften DIN EN ISO 179 Bestimmung der Charpy-Schlagzähigkeit DIN EN ISO 527 Bestimmung der Zugeigenschaften DIN EN ISO 899 Bestimmung des Kriechverhaltens DIN EN ISO 6603 Bestimmung der Durchstoß-Eigenschaften von Kunststoffen
7.1.3.2
Bestimmung der Zugeigenschaften
Der Zugversuch dient neben anderen mechanischen Versuchen zur Charakterisierung des Festigkeitsverhaltens eines steifen oder halbsteifen Werkstoffes bei quasi einachsiger (uniaxialer) Beanspruchung. Hier wird ein Prüfkörper in einer Prüfeinrichtung mit konstanter Geschwindigkeit verformt, Bild 7-13. Die Geschwindigkeiten nach Norm liegen hier im Bereich von 1 bis 50 mm/min. Dabei werden kontinuierlich die Kraft und die Verlängerung des Prüfkörpers gemessen. Je nach Anwendungsfall, wenn z.B. Kennwerte für eine Crashsimulation ermittelt werden sollen, können aber auch deutlich höhere Geschwindigkeiten von z. B. 10 m/s oder höher interessant sein. Als Prüfkörper für thermoplastische Werkstoffe werden die Schulterstäbe vom Typ 1A oder 1B verwendet, Bild 7-14. Für Elastomere gibt es kleinere Schulterstäbe mit breiterer Schulter und für endlosfaserverstärkte Kunststoffe parallele Flachstäbe mit Aufleimern an den Einspannstellen. Selbstverständlich können auch andere Formen von Zugstäben geprüft werden. Ein Vergleich der Ergebnisse ist dann jedoch sehr schwierig.
7.1 Thermoplaste
557
Bild 7-14 Einige Standardkörper für den Zugversuch nach DIN EN ISO 527-2 Typ 1A, 1B und Typ 5.
Ein Stab ohne Schulter, oder ein Flachstab ohne Aufleimer bricht an der Einspannung, da hier die Belastung durch die zusätzliche Einspannung am größten ist. Bei Schulterstäben macht es natürlich wenig Sinn die Verlängerung der Probe über die Einspannung, also den Traversenweg der Maschine, zu messen. Die Probe weist innerhalb der Einspannung, bedingt durch die Schulter, nicht denselben Querschnitt auf und wird sich somit über der Einspannlänge nicht gleichmäßig dehnen. Deshalb werden für die Dehnungsmessung zusätzlich so genannte Feindehnaufnehmer verwendet, die die Längenänderung im parallelen Querschnitt der Probe aufzeichnen. Der Abstand der beiden Fühler wird als Messlänge Lo bezeichnet und hat bei der Standardprobe, wie in Bild 7-14 dargestellt, eine Länge von 50 mm. Da die Probekörper, innerhalb gewisser festgelegter Toleranzen, unterschiedliche Dicken und Breiten haben können, wird um die ermittelten Werte miteinander vergleichen zu können, die gemessene Kraft (F in [N]) in eine Spannung umgerechnet. Die Spannung wird bei Kunststoffen immer auf den Anfangsquerschnitt (A0 in [mm2]) bezogen. Während des Versuches verkleinert sich jedoch der Probenquerschnitt, da sich die Probe einschnürt. Die wahre Spannung die vom Probekörper ertragen wird ist in Wirklichkeit also höher als die berechnete Spannung nach Norm. F σ = 5 [MPa] A0
Die Dehnung (ε) ist die auf die ursprüngliche Länge bezogene Änderung der Messlänge. ΔL ε = 5 · 100 [%] L0 Der Zugversuch vermittelt anschaulich die Zusammenhänge zwischen wirkenden Kräften und den durch sie verursachten Deformationen. Er ist in der Norm DIN EN ISO 527 festgeschrieben. Hier sind auch die weiteren Prüfbedingungen festgelegt. Normalerweise wird bei Normalklima nach DIN EN ISO 291, also bei 23 °C und 50 % Luftfeuchte, geprüft. Selbstverständlich sind auch andere Klimabedingungen möglich. Die Probekörper müssen vor der Prüfung durch Lagerung im gewünschten Klima auf die Bedingungen konditioniert werden. Während des Versuches muss dann das gewünschte Klima konstant gehalten werden. Die wichtigsten Kennwerte, Bild 7-15, die man aus dem Zugversuch erhält, sind: – Zugfestigkeit (maximale Spannung, die der Werkstoffe erträgt) – Bruchdehnung (maximale Verformung des Werkstoffes bis der Bruch eintritt) – E-Modul Der E-Modul wird nach Norm bei einer Geschwindigkeit von 1 mm/min bestimmt. Die Norm-Geschwindigkeit zur Bestimmung der anderen Kennwerte ist werkstoffspezifisch festgelegt und beträgt bei den meisten Thermoplasten 50 mm/min.
558
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Bild 7-15 Typische Spannungs-Dehnungskurven von Kunststoffen [1] σ Y Streckspannung ε M Dehnung bei Zugfestigkeit σ M Zugfestigkeit ε B Bruchdehnung σ B Bruchspannung Beispiele für Kurven der Form a können Duroplaste, verstärkte Thermoplaste oder sprödharte Thermoplaste (z. B. Polystyrol) sein. Die der Form b und c können unverstärkte reckbare Thermoplaste wie z. B. Polyethylen oder Polyamid sein. Kurvenform d können weiche Kunststoffe wie PVC-weich oder auch Elastomere sein.
Der E-Modul ist die Steigung der Spannungs-DehnungsKurve in einem festgelegten Abschnitt und somit ein Maß für die Steifigkeit des Werkstoffes nach Norm. σ2 – σ1 E = 003 [MPa] mit ε1 = 0,05% und ε2 = 0,25% (ε2 – ε1) · 100 Weitere Modularten sind der Tangentenmodul (ET) und Sekantenmodul (ES), Bild 7-16. Diese Moduli werden z. B. benötigt um Spannungen oder Dehnungen bei kurzzeitiger Beanspruchung eines Bauteiles zu berechnen.
7.1.3.3
Einflüsse auf die Versuchsergebnisse
7.1.3.3.1
Prüfgeschwindigkeit und Temperatur
Die Prüfgeschwindigkeit und die Temperatur haben entgegengesetzte Wirkung auf das Festigkeitsverhalten von Kunststoffen.
Bei erhöhter Temperatur oder geringerer Prüfgeschwindigkeit vermindern sich der E-Modul und die Zugfestigkeit während die zugeordneten Dehnungen zunehmen, Bild 7-17. Als mechanisch äquivalentes Modell kann das VoigtKelvin Modell (siehe hierzu Kapitel 6 oder Bild 7-10), das aus einer Parallelschaltung eines Dämpfer und einer Feder besteht, dienen. Es ist auch dadurch erklärbar, dass die Molekülketten Zeit brauchen um aneinander abzugleiten.
7.1.3.3.2
Struktur, Verstärkung, Verarbeitung und Nachbehandlung
Beim Weichmachungseffekt werden durch Einlagerung kleinerer Moleküle die Abstände der Molekülketten vergrößert, was ein Abgleiten der Ketten aneinander erleichtert. Dieser Weichmachungseffekt tritt z. B. bei Polyamid durch Wasseraufnahme auf. Deshalb ist es sehr wichtig feuchtigkeitsempfindliche Kunststoffe vor der Prüfung durch Lagerung im Normalklima auf einen konstanten und definierten Feuchtigkeitsge-
7.1 Thermoplaste
Bild 7-16 E-Modul (E), Sekantenmodul ES und Tangentenmodul (ET) beim Zugversuch
Bild 7-17 Polyamid 6 im Zugversuch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten
559
560
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
halt zu bringen. Technisch wird dieser Effekt bei PVC genutzt. Hier werden gezielt geeignete Weichmacher in den Kunststoff eingebracht um ihn auf den Anwendungsfall hin zu modifizieren. Eine Veränderung der mechanischen Eigenschaften der Kunststoffe kann auch durch die Zugabe von Füllstoffen erfolgen. Hierzu werden bei thermoplastischen Kunststoffen häufig Glasfasern zur Verstärkung eingesetzt, siehe Bild 7-18. Erfolgt die Herstellung des Kunststoffes im Spritzguss, so werden die Glasfasern bedingt durch die Verarbeitung stark in Fließrichtung der Schmelze orientiert. Die Verstärkungswirkung ist bei Glasfasern parallel zu den Fasern höher als senkrecht zu ihnen. Dadurch sind die im Zugversuch gemessenen Steifigkeiten und Zugfestigkeiten bei glasfaserverstärkten Kunststoffteilen parallel zur Fließrichtung generell auch höher als senkrecht dazu. Zu Beachten ist, dass sich in faserverstärkten Bauteilen aufgrund einer anderen Orientierung der Glasfasern oder auch Bindenähten deutlich geringere Festigkeiten messen lassen als zuvor am Normzugstab ermittelt oder im Datenblatt angegeben wurden. Auch durch Verarbeitung entstandene Orientierungen (siehe hierzu Kap. 7.1.1) können unter Umständen stark das Festigkeitsverhalten beeinflussen.
Bild 7-18 Einfluss von Glasfasern auf das Spannungs-Dehnungsverhalten von PA6
Durch Nachkristallisation erhöht sich der Kristallisationsgrad des Kunststoffes und die Festigkeit, sowie auch die Eigenspannungen steigen an. Dies kann zum einen den Verzug der Probekörper zur Folge haben, wie auch die Bruchdehnung herabsetzen.
7.1.3.4
Probenherstellung
Die Probekörper können nach drei Verfahren hergestellt werden: – Spritzguss: Es entstehen Orientierungen und Eigenspannungen. – Pressen: Das polymere Granulat wird in einer Form aufgeschmolzen und abgekühlt. Spannungs- und orientierungsfreie isotrope Probekörper, aber langwieriger Prozess. – Spangebend: Kann bei der Herstellung von Proben aus Halbzeugen oder Fertigteilen (Bauteilprüfung) angewandt werden. Zu beachten ist eine mögliche Anisotropie des Ausgangsmaterials, sowie der Einfluss der Rauhtiefe (Mikrokerben) auf das Versagen der Probekörper.
7.1 Thermoplaste
7.1.3.5
Versuchsdurchführung
– – – – –
Konditionierung der Probekörper Ausmessen der Probekörper (Breite, Dicke) Einspannen der Probe in die Zugprüfmaschine Anfahren der Vorkraft Versuchsstart: Belasten der Probe mit konstanter Traversengeschwindigkeit bis zum Bruch mit kontinuierlicher Aufzeichnung der Kraft-Weg-Kurve (durch die Prüfmaschine) – Berechnen der Spannungs- Dehnungskurve und der Kennwerte für die Probe – Diskussion der Ergebnisse
7.1.3.6
Weitere gebräuchliche mechanische Prüfverfahren
7.1.3.6.1
Charpy-Schlagzähigkeit
Um die Schlagzähigkeit nach DIN EN ISO 179 zu bestimmen wird der Probekörper, der als waagrechter Balken auf zwei Widerlagern liegt, in der Mitte mit einem einzelnen Schlag eines Pendels gebrochen. Das Pendel hat je nach Arbeitsvermögen eine Auftreffgeschwindigkeit von 2,9 oder 3,8 m/s. Die Schlagzähigkeit ist die beim Bruch aufgenommene Schlagarbeit bezogen auf den Anfangsquerschnitt des Probekörpers. Sie wird in Kilojoule je Quadratmeter angegeben. Bei zähen Werkstoffen oder hohen Temperaturen, kann es erforderlich sein in die Probekörper eine definierte Kerbe einzuarbeiten, dass sie brechen.
Bild 7-19 Schlagbeanspruchung, Charpy Anordnung [5] b Breite; t Dicke des Probekörpers; A Hammerschneide; B Widerlager; C Kerb
561
Je zäher ein Werkstoff, desto höher ist sein Arbeitsaufnahmevermögen und somit ist bei gleichem Probenquerschnitt seine Schlagzähigkeit ebenfalls größer.
7.1.3.6.2
Kugeldruckhärte
Das gängigste Verfahren zur Bestimmung der Härte von Kunststoffen ist der Kugeldruckversuch (DIN EN ISO 20391). Hier wird eine polierte und gehärtete Stahlkugel mit 5 mm Durchmesser und einer konstanten Prüfkraft in die Oberfläche des Probekörpers eingedrückt. Die Oberfläche des Eindrucks kann aus der Eindringtiefe der Kugel berechnet werden. Dabei ist die Kugeldruckhärte der Quotient aus der Prüfkraft und der Oberfläche des Eindruckes nach einer vorgegebenen Belastungsdauer (nach Norm: 30 s). Sie wird in Newton je Quadratmillimeter angegeben. Je härter ein Werkstoff ist, desto weniger dringt die Kugel in den Werkstoff ein. Die Kugeldruckhärte dieses Werkstoffes ist somit größer.
7.1.3.6.3
Durchstoßversuch
Beim Durchstoßversuch nach DIN EN ISO 6603 wird mit einem halbkugelförmigen Stoßkörper mit 20 mm Durchmesser eine flache Probe durchstoßen. Der Stoßkörper bewegt sich dabei mit konstanten 4,4 m/s durch die Probe hindurch. Gleichzeitig wird die Kraft und die Verformung aufgezeichnet. Das Prüfverfahren liefert eine ausführliche Beschreibung des mehrachsigen Stoßverhaltens rechtwinklig zur Ebene des Probekörpers.
562
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Literatur – Kapitel 7.1.3 [1] DIN EN ISO 527 (1996) Kunststoffe - Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundsätze. Beuth Verlag, Berlin, 04/1996 [2] DIN EN ISO 527 (1996) Kunststoffe - Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 2: Prüfbedingungen für Formund Extrusionsmassen, Beuth Verlag, Berlin, 07/1996 [3] Eyerer P (2007) Kunststoffkunde. Vorlesungsmanuskript. IOS 2007/2008, 14. Auflage, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, Pfinztal [4] DIN EN ISO 179 (2001) Kunststoffe - Bestimmung der Charpy-Schlageigenschaften – Teil 1: Nichtinstrumentierte Schlagzähigkeitsprüfung. Beuth Verlag, Berlin, 06/2001 [5] Schmiedel H (Hrsg) (1992) Handbuch der Kunststoffprüfung. Hanser Verlag, München, Seite 105
Weiterführende Literatur Elias HG (2003) Makromoleküle. 4 Bände, Weinheim, Wiley-VCH, 6. Aufl
7.1.4
Infrarotspektroskopie an Kunststoffen und Bauteilen
7.1.4.1
Einleitung
Die infrarote Strahlung, als ein Teil des elektromagnetischen Spektrums, schließt sich direkt an den Bereich des sichtbaren Lichtes an und umfasst Wellenlängen zwischen 1 Millimeter und 750 Nanometern (Bild 7-20). Anstatt der Wellenlänge λ wird in Spektren jedoch meist die so genannte „Wellenzahl“
v˜ = λ−1 (Einheit cm–1) angegeben. Durch Absorption von infraroter Strahlung können Atome in Molekülen zu Schwingungen angeregt werden. Voraussetzung für die Absorption von IRStrahlung ist, dass mit der betreffenden Schwingung eine periodische Änderung des Dipolmoments verbunden ist. In welchem spektralen Bereich bestimmte Gruppen im Molekül IR-Absorptionen verursachen, hängt von der Anregungsenergie der entsprechenden Schwingung ab. Die Anregungsenergie ist umso größer, je stärker die betrachtete Bindung und je kleiner die Masse der an einer Schwingung beteiligten Atome ist. Außerdem besitzen Schwingungen entlang einer Bindungsachse (Valenz- oder Streckschwingungen) eine höhere Energie als Schwingungen bei denen lediglich die Bindungswinkel verändert werden (Deformationsschwingungen), die Bindungslänge jedoch unverändert bleibt.
7.1.4.2
Zuordnung von Absorptionsbanden
Die N Atome eines beliebigen Moleküls besitzen N Freiheitsgrade. Dies bedeutet, dass zur vollständigen Beschreibung der räumlichen Lage aller Atome N Koordinatenpunkte notwendig sind (die im völlig ruhenden, nicht schwingenden Molekül durch die Atomabstände und Bindungswinkel festgelegt sind). Bewegt sich ein solches Molekül, so werden zur Beschreibung der Translations- und Rotationsbewegung 6 Freiheitsgrade benötigt, da der Molekülschwerpunkt in je drei Richtungen Translationen und Rotationen ausführen kann. Für Atomschwingungen stehen demnach noch 3 N – 6 Freiheitsgrade zur Verfügung, oder, anders ausgedrückt, das N-atomige Molekül kann insgesamt 3 N – 6 „Normalschwingungen“ ausführen1. Für Benzol (C6H6) beispielsweise sind demnach also 30 Normalschwingungen möglich, von denen allerdings nur solche Schwingungen IR-aktiv sind, die mit
Bild 7-20 Elektromagnetisches Spektrum
7.1 Thermoplaste einer Änderung des Dipolmoments verbunden sind. Da aber zu diesen Normalschwingungen auch Oberschwingungen hinzukommen können, und da sich Absorptionsbanden benachbarter Bindungen gegenseitig überlagern, ist die vollständige Analyse eines IR-Spektrums auch nur mäßig komplizierter Moleküle schwierig oder sogar unmöglich. Bei jeder Normalschwingung bewegen sich auch die meisten anderen Atome des Moleküls in gewissem Ausmaß mit; während aber bei gewissen Schwingungsformen alle Atome annähernd die selbe Verschiebung erfahren, ist bei anderen die Verschiebung einer bestimmten Gruppe von Atomen viel größer als die Verschiebung der restlichen Atome. Dies führt zur Unterteilung der Normalschwingungen bzw. ihrer spektralen Bereiche in die beiden Gebiete der „Gruppenfrequenzen“ und der „Skelett“- oder „Molekülschwingungen“. In einem IR-Spektrum werden die Schwingungen für die wichtigsten Gruppen im Molekül organischer Moleküle im Bereich zwischen 4000 und 200 Wellenzahlen [cm–1] wiedergegeben (entsprechend dem Wellenlängenbereich 2,5– 50 μm). Dieser Bereich wird als mittleres Infrarot (MIR) bezeichnet und stellt den analytisch wichtigsten Bereich dar. Das Gebiet der Molekülschwingungen umfasst den Wellenzahlbereich von ungefähr 1300 bis 600 cm–1. Da an diesen Schwingungen die Gesamtheit aller Atome, also das Molekül als Ganzes, beteiligt ist, wird die exakte Zuordnung der Absorptionsbanden sehr schwierig. Dagegen ist das Absorptionsspektrum in diesem Bereich charakteristisch für das betreffende Molekül, und ändert sich z. B. beim Ersatz eines einzigen Atoms durch ein anderes oft sehr deutlich. Man nennt aus diesem Grund den Bereich der Wellenzahlen von 1300–600 cm–1 das „Fingerprint“-(Fingerabdruck-) Gebiet eines IR-Spektrums. Im Wellenzahlbereich oberhalb 1300 cm–1 können Schwingungen als einigermaßen lokalisierte, ungekoppelte Normalschwingungen betrachtet und auf empirischen Weg – durch Vergleich der Spektren möglichst zahlreicher Verbindungen mit gemeinsamen Strukturelementen – gewissen Bindungen oder Atomgruppen zugeordnet werden. Zu diesen gehören in erster Linie die Bindungen der C-Atome mit H-, O-, S- oder Halogenatomen, (weil sich die aneinander gebundenen, die Schwingung ausführenden Atome bezüglich ihrer Massen genügend unterscheiden) sowie die Bindungen mit höheren Kraftkonstanten, wie Doppel- und Dreifachbindungen. Völlige Nichtkopplung von Schwingungen stellt jedoch einen seltenen Idealfall dar, d. h. die genaue Lage der Absorptions1
Dies gilt für ein nichtlineares Molekül. Im Falle eines linearen Moleküls entspricht der Rotation um die Bindungsachse keine Ortsveränderung der Atome, so dass Translation und Rotation nur 5 Freiheitsgrade beanspruchen und deshalb 3 N–5 Normalschwingungen möglich sind.
563
banden wird durchaus von der Umgebung der schwingenden Atome beeinflusst. Die Lage einiger IR-Absorptionsbanden zeigt Tabelle 7-4. Neben dem mittleren Infrarot existieren zwei Infrarotbereiche, das nahe IR und das ferne IR: Im nahen Infrarot (NIR) zwischen 800 nm und 2,5 μm finden sich die höchtsfrequenten Grundschwingungen sowie Oberschwingungen und Kombinationsschwingungen. Das ferne Infrarot (FIR) reicht von 50 μm bis in den mmBereich (kurzwellige Mikrowellen). In diesem Bereich finden sich nur wenige, für die Grundlagenforschung freilich wichtige Absorptionen.
7.1.4.3
Absorptionsgesetze
Jeder Absorptionsspektroskopie liegt das Bouguer-Lambert-Beer’sche Gesetz zugrunde. Wir denken uns ein isotropes Medium, z. B. eine Lösung oder ein Gas, das sich in einer Küvette mit planparallelen Platten befindet. Die Platten seien vollständig durchlässig für die Strahlung und die Reflexionen werden rechnerisch oder experimentell eliminiert. Der innere Abstand der Platten sei b [m], die Konzentration der absorbierenden Spezies im Medium sei c [mol m–3]. Druck und Temperatur seien konstant. Nun werde die Küvette von senkrecht einfallendem Licht durchsetzt; seine ursprüngliche Intensität (in beliebiger Maßeinheit) sei I0 seine Intensität beim Verlassen der Zelle sei I. Das Intensitätsgefälle längs der Strecke x ist proportional dem vom Licht zurückgelegten Weg x, wobei der Proportionalitätsfaktor sich zusammensetzt aus der Konzentration c der absorbierenden Spezies und deren besonderen Absorptionsvermögen α: dI – 4 = αcI (c = const) dx Durch Integration in den Grenzen I0, x = 0 und I, x = b wird I = I0e–abc durch logarithmieren und umrechnen in den dekadischen Logarithmus erhalten wir: I0 ln 4 = αbc I I0 log 4 = 2,303 αbc I und mit α =: 2,303a I0 log 4 = A = αbc(I0 ≥ I) I Hierin ist a die molare dekadische Absorptivität; ihre SI-Einheit ist m2 mol–1. A nennen wir die Absorbanz (engl. Absor-
564
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Tabelle 7-4 Lage einiger charakteristischer IR-Absorptionen Bindung
Verbindung
Bereich der Wellenzahlen [cm–1]
Bemerkungen
C-H
Alkane
2850–2960 1350–1470 1430 1470 1375
C-H-Streckschwingung C-H-Beugeschwingung CH2-Gruppe; C-H-Beugeschwingung -CH3: sym. C-H Beugeschwingung
Olefine
3020–3080
C-H-Streckschwingung
Aromatische Ringe
3000–3100
C-H-Streckschwingung
Alkine
3300
C-H-Streckschwingung
C=C
Olefine
1640–1680
Wenn symmetrisch substituiert IR-inaktiv
CC
Alkine
2150–2260
C=C
Aromatische Ringe
1450–1600
Vier Banden; sehr charakteristisch
C-O
Alkohol, Ether Carbonsäuren, Ester
1080–1300
Genaue Lage abhängig von Struktur der Bindung
C=O
Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren, Ester
1690–1760
O-H
Alkohole, Phenole (nicht assoziiert)
3590–3640
Alkohole, Phenole mit H-Brücken
3200–3600
N-H
Amine
3300–3500 1550–1650
N-H-Streckschwingung N-H-Streckschwingung
C-F C-Cl C-Br C-I
Halogenide
1050 730 600 530
C-Halogen-Streckschwingung
bance). Der Zahlenwert von a und bei gegebenem bc, in gleichem Maß der von A ist abhängig von der Wellenzahl der einfallenden Strahlung. Die Darstellung dieser Abhängigkeit nennen wir ein „Spektrum“. Auf der Abszisse trägt man gewöhnlich v˜ auf. A kann alle Werte zwischen 0 und ∞ annehmen. Bei den üblichen Spektrometern erstreckt sich der Ordinatenmaßstab jedoch zwischen T = 0 und T = 1 (meist als „% Durchlässigkeit“; engl. Transmittance bezeichnet) mit I T =: 3 I0
7.1.4.4
Anwendungen
Das IR-Spektrum gehört zu denjenigen Eigenschaften einer organischen Substanz, die am meisten direkte Information über ihre Molekülstruktur liefert. Die Aufnahme eines IRSpektrums ist darum heute – ebenso wie die Bestimmung des Schmelzpunktes – eine routinemäßig durchgeführte Untersuchung. Da Glas Infrarot stark absorbiert, verwendet man Küvetten aus NaCl oder CaF2. Feste Stoffe werden mit KBr
O-H-Streckschwingung (freies Hydroxyl)
verrieben und zu einer klaren Tablette verpresst oder in Lösung spektroskopiert. Da jedoch alle Lösungsmittel im IR ebenfalls absorbieren, kommen für die Praxis nur solche Lösungsmittel in Frage, welche, wie CS2 oder CCl4, im IR nur sehr wenige Absorptionsbanden zeigen. CS2 und CCl4 haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie als unpolare Stoffe die gelösten Substanzen durch Solvatationseffekte nur wenig beeinflussen. Polymere lassen sich in Form von Dünnschnitten, Thermoplasten auch als dünne Folien (ca. 20 bis 100 μm dick) spektroskopieren, siehe Bilder 7-21 bis 7-26 samt zugehöriger Interpretationen. Glatte ebene Bauteiloberflächen lassen sich mit Hilfe der ATR-Methode (Abgeschwächte Total-Reflexion oder attenuated total reflexion) infrarotspektroskopisch erfassen. Die Untersuchung von Kunststoffen im Bauteil kann üblicherweise nur durch (zerstörende) Entnahme von Material erfolgen, wobei häufig kleinste Mengen ausreichen, die entweder gelöst und in die KBr-Tabletten verpresst oder als Dünnschnitt mit dem Mikrotom präpariert werden.
7.1 Thermoplaste
565
Bild 7-21 FT-IR-Spektrum von Polyethylen (PE)
Tabelle 7-5 Polyethylen –1
Wellenlänge/cm
Schwingungstyp
Interpretation
ca. 2950 ca. 2920 ca. 1500 bis 1400
-CH3-Valenz -CH2-Valenz -CH3- und -CH2-Deformation
Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Gesättigter Kohlenwasserstoffrest
Die Anwendungen der IR-Spektroskopie sind derartig vielseitig, dass hier nur einige wenige Hinweise gegeben werden können. Häufig wird beispielsweise das Fortschreiten einer Reaktion oder einer chromatographischen Trennung dadurch verfolgt, dass in bestimmten Zeitabständen Proben entnommen und deren IR-Spektren aufgenommen werden. Bei der Oxidation eines Alkohols beispielsweise erscheint nach einiger Zeit die C=O-Bande , während die O-H-Bande verschwindet. IR-Spektren dienen häufig zum exakten Identitätsbeweis von Verbindungen. Dies ist besonders für den präparativ arbeitenden Chemiker wichtig, weil er damit entscheiden kann, ob bei einer bestimmten Reaktion das gewünschte Produkt entstanden ist oder ob Nebenprodukte auftreten und welche Substanzen dies sind. Wenn zwei Substanzen in verschiedener Weise miteinander reagieren können, lässt sich die Entscheidung, welche Reaktion tatsächlich abgelaufen ist, unter Umständen durch die IR-
Spektroskopie entscheiden. Auch nur intermediär auftretende Reaktionszwischenprodukte lassen sich in gewissen Fällen im IR-Spektrum erkennen. Weil die Lage der O-Hund N-H-Banden vom Ausmaß der H-Brückenbildung abhängt, vermag schließlich die IR-Spektroskopie auch Aufschluss über Lösungsmitteleffekte und Assoziationsgleichgewichte zu liefern. In modernen Recyclinganlagen helfen spezielle IR-Spektrometer bei der sortenreinen Trennung von Kunststoffen, die im Fallen analysiert und entsprechend in verschiedene Behälter geleitet werden ([1, 2]). Die Kopplung der IR-Spektroskopie mit chemischen Trennverfahren, wie Chromatographie oder Thermogravimetrie erweitert deren Möglichkeiten. In durchströmten Gaszellen ist eine kontinuierliche „online“-Messung von Gasgemischen möglich, was z. B. in der Prozesskontrolle eingesetzt wird.
566
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Bild 7-22 FT-IR-Spektrum von Polypropylen (PP)
Tabelle 7-6 Polyprophylen Wellenlänge/cm–1
Schwingungstyp
Interpretation
ca. 2950 ca. 2920 ca. 1500 bis 1400
-CH3-Valenz -CH2-Valenz -CH3- und -CH2-Deformation
Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Gesättigter Kohlenwasserstoffrest
Bild 7-23 FT-IR-Spektrum von Polystyrol (PS)
7.1 Thermoplaste
Tabelle 7-7 Polystyrol –1
Wellenlänge/cm
Schwingungstyp
Interpretation
3100–3000 2950–2900 1900–1700 (4 Banden) ca. 1600 ca. 1500 ca. 1470 700–800 (2 Banden)
=C-H-Valenz Aromat -CH2- und -CH-Valenz Aromat Ringschwingung Ringschwingung -CH2-Deformation =C-H-Deformation
Aromat Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Aronat Aromat Aromat Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Monosubstituierter Benzen
Bild 7-24 FT-IR-Spektrum von PMMA
Tabelle 7-8 PMMA –1
Wellenlänge/cm
Schwingungstyp
Interpretation
ca. 3000 1700 1500–1450 1300 –1100 700
-CH3- und -CH2-Valenz -C=O-Valenz -CH3- und -CH2-Deformation -C-O-C-Valenz -CH2-Deformation
Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Ester Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Ester Gesättigter Kohlenwasserstoffrest
567
568
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Bild 7-25 FT-IR-Spektrum von Polyamid 6.6, (PA 6.6)
Tabelle 7-9 PA 6.6 Wellenlänge/cm–1
Schwingungstyp
Interpretation
300 3000 –2900 1650 1550 1450 –1400 700
-N-H-Valenz -CH2- Valenz -C=O-Valenz -N-H-Deformation -CH2-Deformation -CH2-Deformation
Amid Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Amid (Amidbande I) Amid (Amidbande II) Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Gesättigter Kohlenwasserstoffrest
Tabelle 7-10 POM Wellenlänge/cm–1
Schwingungstyp
Interpretation
3000 – 2900 1500 1200 – 900 700
-CH2- Valenz -CH2-Deformation -C-O-C-Valenz -CH2-Deformation
Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Gesättigter Kohlenwasserstoffrest Etherbindung Gesättigter Kohlenwasserstoffrest
Kunststoffe können IR- Spektroskopisch qualitativ gut identifiziert werden. Die IR-Spektren der gängigen Polymere und Kunststoffe sind in der Literatur wiedergegeben (Dieter O. Hummel, IR Hummel defined polymers basic collection [Elektronische Ressource], Wiley-VCH, Wein-
heim 2006) oder heute als Spektrenbibliotheken in der Auswertungssoftware heutigen FTIR-Spektrometern erhältlich. (Die Auswertung der Bilder 7-21 bis 7-26 hat Otto Grosshardt, Fraunhofer ICT, durchgeführt.)
7.1 Thermoplaste
569
Bild 7-26 FT-IR-Spektrum von Polyoxymethylen (POM)
Literatur – Kapitel 7.1.4 [1] Eisenreich N, Rohe Th (1996) Identifying plastics, analytical methods facilitate grading used plastics [Identifizieren von Kunststoffen, Analytische Methoden helfen Altkunststoffe zu sortieren], Kunststoffe plast europe, Vol 86, No 2, S 31–32 [2] Eisenreich N, Rohe Th (2000) Infrared Spectroscopy in Analysis of Plastics Recycling. In: Meyers RA (ed.) Encyclopedia of Analytical Chemistry. John Wiley & Sons Ltd., Chichester, UK, Vol 9, S 7623–7644
Weiterführende Literatur Hummel D, Scholl F (1988) Atlas der Polymer- und Kunststoffanalyse, Bd 2 Teil b/I. Carl Hanser Verlag, München, Wien, 2. Aufl, 1988 Wachter G (1990) Interpretation von IR-Spektren – eine Einführung. CLB Chemie für Labor und Betrieb, 9 Teile in den Heften 5 bis 12, 1989 bis 1990 Günzler H, Böck H (1983) IR-Spektroskopie. Verlag Chemie, Weinheim, 2. Aufl
7.1.5
Thermoanalytische Methoden zur Charakterisierung von Kunststoffen
7.1.5.1
Einführung
Die Methoden der Thermischen Analyse (TA) werden zur Charakterisierung physikalischer und chemischer Eigenschaften polymerer Werkstoffe durch Ermittlung sowohl absoluter thermodynamischer Kennwerte als auch materialspezifischer Eigenschaften genutzt. Hieraus ergeben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie der Materialprüfung und Qualitätssicherung. Durch die Weiterentwicklung der Messgeräte konnte die Empfindlichkeit deutlich gesteigert werden. Dies ermöglicht die Verwendung kleiner Probenmengen und hoher Heizund Kühlraten. Durch die Verkürzung der Versuchszeiten finden die Verfahren der Thermischen Analyse vermehrt Einzug in die Wareneingangskontrolle. Automatische Probenwechsler und Auswertemethoden gestatten zudem einen hohen Probendurchsatz. Die nachfolgenden Messverfahren gehören zur Standardausrüstung eines Polymerlabors.
7.1.5.1.1
Einteilung Messverfahren
Entsprechend ihrer Messgröße werden die nachfolgenden Messverfahren unterschieden (Tabelle 7-11).
570
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Tabelle 7-11 Messverfahren Messverfahren
Abkürzung
Messgröße als Funktion der Temperatur
Dynamische Differenzkalorimetrie engl. Differential Scanning Calorimetry
DSC DDK
Wärmestrom
Thermo-gravimetrische Analyse engl. Thermo-gravimetrical Analysis
TGA
Masse
Thermo-mechanische Analyse engl. Thermo-mechanical Analysis
TMA
Länge
Dynamisch-Mechanische-Analyse engl. Dynamic Mechanical Analysis
(DMTA) DMA
Komplexer Modul, Phasenbeziehung zwischen sinusförmiger Kraft und Weg
Tabelle 7-12 Phänomene und Kennwerte der Thermischen Analyse Methode
Phänomene
Kennwerte
DSC
Schmelzverhalten Kristallisationsverhalten Stabilitätsuntersuchungen Modifikationsänderungen Chemische Reaktionen (Vernetzung, Abbau) Chargenvergleiche
Ts ΔHs TK ΔHK Tg TOnset Tβαχ TRP ΔHR
Schmelztemperatur Schmelzenthalpie Kristallisationstemperatur Kristallisationsenthalpie Glastemperatur Beginn Phasenumwandlung Temp. Kristallumwandlung Peaktemperatur Reaktionsenthalpie
TGA
Abdampfen flüchtiger Bestandteile Quantitative Bestimmung von Einzelkomponenten Stabilitätsuntersuchungen
Δm TOnset
Masseänderungen Beginn Phasenumwandlung
TMA
Längenänderungen, z.B. Schrumpfen, Fließen im Festkörper
Tg α
Glastemperatur thermischer Längenausdehnungskoeffizient
DMA
Mechanische Eigenschaften in Abhängigkeit der Temperatur und Frequenz, molekulare Beweglichkeit
E G tan δ
komplexer Elastizitätsmodul komplexer Schubmodul Verlustfaktor
7.1.5.1.2
Phänomene und Kennwerte
Tabelle 7-12 gibt einen kurzen Überblick über die zu untersuchenden Phänomene und Kennwerte der einzelnen Messverfahren. Für sämtliche Verfahren müssen die Versuchsbedingungen in Form der Start- und Endtemperatur sowie der Heiz- und Kühlrate vorgegeben werden. Diese Versuchsparameter sind sorgfältig entweder auf der Basis von Prüfvorschriften (z.B. DINNormen) oder entsprechend der Aufgabenstellung auszuwählen. Üblicherweise werden die Messzellen mit einem Gas gespült. Dabei unterscheidet man zwischen Inert- und Reaktionsgas. In den meisten Fällen wird Stickstoff als Inertgas verwendet. Es dient zum Ausspülen der leicht flüchtigen Bestandteile und verhindert auf diese Weise das Verschmut-
zen der Messzelle. Ferner sorgt es für eine bessere Temperaturverteilung und verhindert eine Reaktion der Probekörper mit dem Luft-Sauerstoff. Soll bewusst eine Reaktion zwischen Gas und Probe herbeigeführt werden, so spricht man von Reaktionsgas.
7.1.5.2
Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC)
7.1.5.2.1
Anwendungen
Die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) ist bei der Thermischen Analyse von Polymeren die am häufigsten angewandte Methode. Entstanden ist sie aus der Differenz Thermoanalyse (DTA), mit der sich lediglich Temperaturen von Phasenumwandlungen bestimmen lassen. Die DSC ermittelt die beim Schmelzen, Kristallisieren, Vernetzen und
7.1 Thermoplaste
571
Zersetzen auftretende Enthalpieänderungen (ΔH) sowie die Glastemperatur (Tg).
7.1.5.2.2
Theoretische Grundlagen
Bei der Dynamischen Differenzkalorimetrie (DSC) wird zwischen zwei verschiedenen Messprinzipien, dem Wärmestrom- und Leistungsprinzip, unterschieden. Die Dynamische Wärmestrom-Differenzkalorimetrie (System beispielsweise der Fa. Mettler) verwendet einen Ofen zur gemeinsamen Temperierung (Aufheizung und Abkühlung) von Probe (mit Untersuchungsmaterial gefüllter Tiegel) und Referenz (leerer Tiegel) entsprechend Bild 7-27. Die Temperatur beider Messstellen, die sich auf einer wärmeleitenden Scheibe befinden, wird kontinuierlich gemessen. Folgen Probe und Referenz dem Temperaturprogramm in unterschiedlicher Weise, so resultiert aus der Temperaturdifferenz durch exotherme oder endotherme Reaktionen der Probe ein nichtkonstanter Wärmestrom (δQ/δt). Aus diesem berechnen sich die spezifische Wärmekapazität (cp) und die Enthalpieänderung (ΔH) nach folgenden Formeln: 1 δQ cp = 4 · 5 bei p = konst. m δT
(1)
δQ 8 = v · cp mδT
(2)
T2
ΔH = ∫ s cp dT
(3)
T1
mit der Masse des Untersuchungsmaterials (m), dem Druck (p) und der Heizrate (v). Die Wärmestrom-Diffenrenzkalorimeter sind robust, ermöglichen eine problemlose Messung auch bei ausgasenden Proben und zeigen eine stabile Basislinie. Bei der Dynamischen Leistungs–Differenzkalorimetrie (System beispielsweise der Fa. Perkin Elmer) besteht die Messzelle aus zwei getrennten kleinen Öfen, die unabhängig voneinander nach einem definierten Grundleistungsheizprogramm geregelt werden. Die sich während der Temperaturbeanspruchung ergebende Temperaturdifferenz wird (abweichend zum Wärmestromprinzip) durch verstärktes Heizen des Probenofens zu Null ausgeglichen. Die gegenüber der Referenzheizleistung ermittelte Heizleistungsdif-
Bild 7-27 Schematische Darstellung einer DSC-Messzelle. Probentiegel (Tiegel mit Probe) und Referenztiegel (leerer Tiegel) werden während des Aufheizens und Abkühlens auf gleiche Temperatur gebracht. Die Materialunterschiede zeigen sich in unterschiedlichen Heizströmen, die nach entsprechender Kalibrierung den Wärmestrom als Messparameter liefern. Bei der Dynamischen Leistungs-Differenzialkalorimetrie werden zwei getrennte Öfen verwendet.
ferenz entspricht der Wärmestromänderung (δQ/δt). Die Leistungs-Differenzkalorimeter ermöglichen aufgrund geringer Zeitkonstanten der verwendeten kleinen Öfen (schnelle elektrische Kompensation geringer Temperaturdifferenzen) eine Messung sehr schneller Reaktionsabläufe. Eine der Anwendungen liegt in der Untersuchung der Kristallisationskinetik.
7.1.5.2.3
Justierung und Kalibrierung
Um die Messgenauigkeit zu gewährleisten ist es erforderlich, die Messzellen regelmäßig zu kalibrieren, d. h. die Abweichung von einem Bezugsnormal festzustellen. Gegebenenfalls ist eine Justierung mit anschließender nochmaliger Kalibrierung notwendig. Bei der DSC werden hierfür Referenzmaterialien mit bekannten Schmelztemperaturen und -enthalpien verwendet. Bei der Auswahl ist darauf zu achten, dass sie den gesamten zu untersuchenden Temperaturbereich einschließen. Wichtig ist die Verwendung von mindestens zwei unterschiedlichen Eichpunkten. Tabelle 7-13 zeigt eine Auswahl möglicher Referenzmaterialien.
Tabelle 7-13 Referenzmaterialien für die DSC nach DIN 53765 n-Hexan
Wasser
Schmelztemperatur TS
(°C)
–90,5
0,0
Schmelzenthalpie ΔHS
(J/g)
139,7
333,44
Indium
Blei
Zink
156,6
327,5
419,5
28,56
23,02
108,61
572
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
7.1.5.2.4
Versuchsdurchführung
1. Ziel: vergleichende Untersuchungen, Schmelz- und Kristallisationsverhalten, Glastemperaturen, Aushärtereaktionen 2. Protokoll erstellen: Probenvorbehandlung und -bezeichnung, Versuchsparameter dokumentieren 3. Bereich der Umwandlungen abschätzen, danach Start- und Endtemperatur, Heizraten, Haltezeiten und Spülgas festlegen 4. Messzelle vorbereiten: Vortemperieren auf Einsatztemperatur, Spülgasdurchfluss einstellen 5. Bestimmung der Masse (Einwaage) und Einsetzen der Probe 6. Versuch starten 7. Auswerten: Plausibilität des Kurvenverlaufs prüfen, gemessene Umwandlungen auswerten 8. Rückwiegen der Probe bei eventuellem Masseverlust Es ist besonders auf einen guten Wärmekontakt zwischen Tiegelboden und Untersuchungsmaterial zu achten. Anzustreben ist eine möglichst flache Bedeckung des Tiegelbodens durch Verwendung von Filmen oder feinzerkleinerten Materialstücken, die ggf. Bauteilen entnommen werden. Je nach Aufgabenstellung liegt die Einwaage im Bereich von 3–20 mg. Bei hohen Füllstoffanteilen kann eine entsprechend höhere Einwaage nötig sein. Die Tiegel bestehen meist aus Aluminium und können nur einmal verwendet werden. Für spezielle Anwendungen kommen weitere Tiegelarten und -materialien zum Einsatz (z. B. Edelstahl, Glas, Keramik und andere Metalle). Bei unbekannten Proben sollten die Temperaturgrenzen im Bereich hoher Temperaturen ggf. durch Verwendung weiterer Methoden (z. B. TGA) ermittelt werden, um durch Reaktionswärmen verursachte Schäden oder Verschmutzungen der Messzelle auszuschließen. Durch Rückwaage kann die während des Versuchs aufgetretene Masseänderung bestimmt werden. Ausgewertet werden hauptsächlich Peaktemperaturen und -flächen sowie Stufen in der Temperaturabhängigkeit des Wärmestroms. Bild 7-28 zeigt eine typische DSC-Kurve für das Aufschmelzen und Kristallisieren eines kristallisationsfähigen polymeren Werkstoffs.
7.1.5.3
Thermogravimetrische Analyse (TGA)
7.1.5.3.1
Anwendungen
Bei polymeren Werkstoffen können in allen Temperaturbereichen Masseänderungen (vorwiegend eine Abnahme der Masse) auftreten. Im Bereich von 30°C bis ca. 300°C handelt es sich überwiegend um leicht flüchtige Bestandteile wie
Feuchtigkeit, Restanteilen von Lösemitteln oder Weichmachern. Bei höheren Temperaturen zersetzen sich die Polymere in einer oder mehreren Stufen. Sofern sich Einzelkomponenten eines mehrphasigen Polymers in unterschiedlichen Bereichen zersetzen, ist es möglich, quantitativ die Zusammensetzung zu bestimmen. Für qualitative Untersuchungen der beim Aufheizen entstehenden Gase besteht die Möglichkeit, die Thermowaage mit einem Infrarot- oder Massenspektrometer zu koppeln. Neuere Thermowaagen sind zudem gasdicht, d. h. sie sind evakuierbar und können anschließend mit einem Spülgas befüllt werden. Auf diese Weise lässt sich eine definierte Gasatmosphäre einstellen. Einige der Thermowaagen gestatten einen Spülgaswechsel während der Messung.
7.1.5.3.2
Theoretische Grundlagen
Ausgewertet werden Massenänderungen in Abhängigkeit der Zeit und Temperatur bezogen auf die Einwaage (Bild 7-29). Die Festlegung der Stufengrenzen erfolgt über den Schnittpunkt von Tangenten oder mit Hilfe der ersten Ableitung der Messkurve (Bild 7-30). So ist z. B. die thermische Depolymerisation durch eine Gerade mit negativer Steigung charakterisiert: dm –5=k∙m dt
(4)
wobei m gleich der Masse des noch vorhandenen Polymeren und k eine Proportionalitätskonstante ist. Durch die Änderung der Dichte der Gasatmosphäre ergeben sich scheinbare Masseänderungen, die durch eine Verrechnung einer sogenannten Leer- oder Blindkurve korrigiert werden.
7.1.5.3.3
Justierung und Kalibrierung
Abhängig vom Aufbau der Thermowaage kommen bei der Temperaturjustierung und -kalibrierung Referenzmaterialien mit unterschiedlichen Phasenumwandlungen zum Einsatz. Befindet sich im Probenträger ein Temperaturfühler, so ist eine Kalibrierung mit Referenzmaterialien analog zur DSC möglich. Eine Alternative besteht durch die Verwendung von Referenzmaterialien mit bekannten Curie-Temperaturen. Anstatt der Probe werden Referenzmaterialien in den Tiegel eingesetzt. Nach dem Tarieren wird ein konstantes Magnetfeld an den Ofen angelegt. Durch die Änderung im Magnetfeld beim Erreichen der Curie-Temperatur wird ein scheinbarer Masseverlust ermittelt. Diese Stufe kann für die Kalibrierung bzw. Justierung genutzt werden. Die Überprüfung der Waage erfolgt mit Hilfe von Kalibriermassen.
7.1 Thermoplaste
573
Bild 7-28 Schmelz- und Kristallisationsverhalten von isotaktischem Polypropylen (iPP). Bestimmt wird aus der Aufheizkurve die Peaktemperatur beim Schmelzen von 167 °C und aus der Abkühlkurve 110 °C für das Kristallisieren. Aus den jeweiligen Peakflächen lassen sich die Schmelzenthalpie von 94 J/g und die Kristallisationsenthalpie von 96 J/g ermitteln. Unter Berücksichtigung der Schmelzenthalpie von 207 J/g für vollständig kristallines iPP berechnet sich aus der gemessenen Schmelzenthalpie ein massebezogener Kristallinitätsgrad von 45 %.
7.1.5.3.4
Bild 7-29 Schematische Darstellung einer TGA-Messzelle (Thermowaage)
Versuchsdurchführung
1. Ziel: vergleichende Untersuchungen, Abdampfen flüchtiger Bestandteile, Rückstandsbestimmung, Zersetzungsverhalten 2. Protokoll erstellen: Probenvorbehandlung und -bezeichnung, Versuchsparameter dokumentieren 3. Bereich der Umwandlungen abschätzen, danach Start- und Endtemperatur, Heizraten, Haltezeiten und Spülgas festlegen 4. Messzelle vorbereiten, Vortemperieren der Messzelle auf Einsetztemperatur, Spülgasdurchfluss einstellen 5. Einwiegen und Einsetzen der Probe 6. Versuch starten 7. Auswerten: Plausibilität des Kurvenverlaufs prüfen, gemessene Massenverluste auswerten Der Auswahl des Spülgases kommt bei der thermogravimetrischen Analyse eine besondere Bedeutung zu. Dadurch
574
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Bild 7-30 Zusammensetzung eines Elastomers, TGA-Aufheizkurve mit Stufenauswertung. Erkennbar sind vier Stufen relativer Masseänderung mit zugeordneten Reaktionstemperaturen. Die Interpretation der Reaktionsphänomene kann im allgemeinen nicht allein aus dem TGA-Experiment erfolgen.
kann gezielt eine Pyrolyse oder Verbrennung erreicht werden. Bei vergleichenden Messungen sind die Proben mit ähnlichen Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnissen zu verwenden. In den meisten Fällen erfolgen die Untersuchungen in Keramiktiegeln. Für spezielle Anwendungen sind andere Tiegelmaterialien verfügbar. Typische Einwaagen liegen im Bereich von 5–20 mg.
7.1.5.4
Thermo-mechanische Analyse (TMA)
7.1.5.4.1
Anwendungen
Die Methode der Thermo-mechanischen Analyse (TMA) wird zur Bestimmung des thermischen Längenänderungskoeffizienten (α) an Festkörpern eingesetzt. Dieser Kennwert besitzt eine große praktische Bedeutung für die Festlegung von thermischen Einsatzgrenzen. Darüber hinaus ist der Längenänderungskoeffizient eine wesentliche materialspezifische Größe und steht im Zusammenhang mit der molekularen Struktur sowie der durch die Verarbeitung induzierten Strukturanisotropie. So weisen beispielsweise chemisch vernetzte Polymere (Duroplaste) eine höhere Dimensionsstabilität als vergleichbare lineare thermoplastische Materialien auf. Während der Verarbeitung ausgerichtete
Molekülketten können infolge thermischer Beanspruchung aufgrund entropischer Effekte schrumpfen und zu einer Verringerung der Probenlänge führen. Des Weiteren ist auch eine Zunahme der Länge durch irreversibles Kettengleiten (plastische Deformationen) möglich. Damit lassen sich Bezüge zu Phasenumwandlungen, z. B. der Glastemperatur, herstellen. In den meisten Fällen wird das Längenänderungsverhalten in einer ausgewählten Materialrichtung untersucht. Jedoch erfolgt für einige Anwendungen auch eine Erweiterung auf die drei Hauptachsen. Spezielle Probenhalterungen ermöglichen es, planparallele Formkörper, Folien und Fäden zu untersuchen.
7.1.5.4.2
Theoretische Grundlagen
Das Volumen (V) eines Körpers (Gas, Flüssigkeit, Festkörper) unterliegt einer Temperaturabhängigkeit (T). Üblicherweise werden durch Temperaturerhöhung die Wärmeschwingungen (thermische Fluktuationen) größer, und es kann zu Platzwechselvorgängen kommen. Im Falle von Gasen und Flüssigkeiten sind die temperaturinduzierten relativen Volumenänderungen (ΔV/V0) größer als in Festkörpern. Der entsprechende thermische Volumenänderungskoeffizient (γ) bestimmt sich aus:
7.1 Thermoplaste ΔV γ = 03 ΔT · V0
(5)
Für Festkörper ist zusätzlich der thermische Längenänderungskoeffizient (α) unter Berücksichtigung der relativen Längenänderung (Δl/l0) von Bedeutung (Bild 7-31). Δl α = 01 ΔT · l0
(6)
Hierin kennzeichnen V0 und l0 die jeweiligen Anfangszustände. In Tabelle 7-14 sind die mittleren linearen Längenänderungskoeffizienten für einige ausgewählte Werkstoffe dargestellt. Die polymeren Werkstoffe zeigen eine im Vergleich zu anorganischen Werkstoffen geringere Formstabilität. Benzolringe (z. B. bei Polyimiden) oder chemische Vernetzungen (z. B. bei Duroplasten) führen zu geringeren Längenänderungskoeffizienten und damit einer höheren Formstabilität.
575
Tabelle 7-14 Übersicht zu mittleren linearen Längenänderungskoeffizienten für ausgewählte anorganische und polymere Werkstoffe Werkstoff
Längenänderungskoeffizient α (in K–1) Temperaturbereich 20 bis 100 °C
Quarzglas Normales Glas Stahl C60 Kupfer Aluminium Lineare Polyimide (hochtemperaturstabil) Duromere (chem. vernetzt) Polypropylen (linear, teilkristallin)
0,5 ∙ 10-6 9 ∙ 10-6 11 ∙ 10-6 16 ∙ 10-6 24 ∙ 10-6 5 – 50 ∙ 10-6 30 – 80 ∙ 10-6 50 – 200 ∙ 10-6
7.1.5.4.3
Justierung und Kalibrierung
Als Referenz für die Temperatur haben sich kalibrierte Temperaturfühler im Tieftemperaturbereich bewährt. Im oberen Temperaturbereich kann auf reine Metalle wie bei der DSC zurückgegriffen werden. Die Längenkalibrierung und -justierung erfolgt mit Endmaßen.
7.1.5.4.4
Bild 7-31 Schematische Darstellung einer TMA-Messzelle. Die Probe wird zwischen zwei Klemmen eingespannt und temperiert. Ermittelt wird die relative Längenänderung als Funktion der Temperatur. Zum Einsatz gelangen Zugbelastungen (siehe Bild) und Druckbelastungen, wobei die Spannungsbelastung äußerst gering ist (Vorlast) und nicht zur Deformation der Probe beiträgt.
Versuchsdurchführung
1. Ziel: Bestimmung des thermischen Längenausdehnungskoeffizienten, der Glastemperatur, Schwindung durch Aushärtereaktionen 2. Probenherstellung und Konditionierung 3. Auswahl eines geeigneten Messfühlers 4. Protokoll erstellen: Probenvorbehandlung und -bezeichnung, Versuchsparameter dokumentieren 5. Temperaturobergrenze abschätzen, danach Start- und Endtemperatur, Heizraten, Haltezeiten, Spülgas und Auflagekraft festlegen 6. Messzelle vorbereiten: Anwärmzeiten beachten, Vortemperieren der Messzelle auf Einsetztemperatur, Spülgasdurchfluss einstellen 7. Ausgangslänge der Probe bestimmen 8. Versuch starten 9. Auswerten: Plausibilität des Kurvenverlaufs prüfen, Auswerten der Messkurve 10. Formgeometrie kontrollieren, Länge der Probe messen Der Probenpräparation kommt bei der TMA eine besondere Bedeutung zu. Für die Messungen sind Probekörper mit planparallelen und senkrecht zueinander stehenden Flächen
576
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Bild 7-32 Ausdehnungsverhalten von isotaktischem Polypropylen (iPP), TMA-Aufheizkurve mit Bestimmung des Längenänderungskoeffizienten (α) aus dem Anstieg der Tangenten. Ein starker Unterschied im Anstieg (hier ca. bei 0 °C) kann im Zusammenhang mit der Glasumwandlung (Tg) stehen.
erforderlich. Zudem hat die Auswahl des Messfühlers Einfluss auf das Messergebnis. Für die Bestimmung des thermischen Längenausdehnungskoeffizienten muss die Auflage- bzw. Zugkraft so gewählt werden, dass sie die Längenänderung nicht beeinflusst. Zu berücksichtigen ist hierbei die Temperaturabhängigkeit des mechanischen Verhaltens. Üblicherweise wird inertes Spülgas für die Messung eingesetzt. Es dient zudem der Temperierung der Probe. Ausgewertet wird die relative Längenänderung (Δl/l0) in einem vorgegebenen Temperaturbereich (ΔT). Der Ausdehnungskoeffizient (α) bestimmt sich aus der Steigung der Tangenten an die Kurve Δl/l0 = f (T). Der Wert für α kann sich punktweise entlang der TMA-Kurve ändern (differentieller Längenänderungskoeffizient). Häufig lassen sich lineare Kurvenabschnitte mit einem konstanten α angeben (Bild 7-32). In der Praxis werden im allgemeinen Temperaturbereiche mit gleichem α ermittelt und hierbei geringfügige Abweichungen in α vernachlässigt (mittlerer Längenänderungskoeffizient).
Literatur – Kapitel 7.1.5
7.1.5.5
7.1.6
Normen
[1] Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) DIN 51004, 51007, 53765, DIN EN ISO 11357, ASTM D3417, D 3418 [2] Thermo-gravimetrische Analyse (TGA) DIN 51006, DIN EN ISO 11358 [3] Thermo-mechanische Analyse (TMA) DIN 53752, ASTM E 831-86
Weiterführende Literatur Ehrenstein G W, Riedel G, Trawiel P (1998) Praxis der Thermischen Analyse von Kunststoffen. Carl Hanser Verlag, München Elias H-G (2003) Makromoleküle, 4 Bände. Weinheim, Wiley-VCH, 6. Aufl Frick A, Stern C (2006) DSC-Prüfung in der Anwendung. Hanser Verlag, München, 164 S Knappe S (2007) Qualitätssicherung und Schadensanalyse (DSC-Analyse), Kunststoffe 97(2007)9, S 224–226 Turi E A (1997) Thermal Characterization of Polymeric Materials. Academic Press, San Diego Widmann G, Riesen R (1990) Thermoanalyse – Anwendungen, Begriffe, Methoden. Hüthig Verlag, Heidelberg Wunderlich B (1990) Thermal Analysis. Academic Press, New York
Mechanisches Verhalten Peter Elsner und Martin Keuerleber
7.1.6.1
Allgemeines
Dieses Kapitel handelt über das mechanische Verhalten von Kunststoffen. Polymere Werkstoffe zeigen bei mechanischer Beanspruchung im normalen Gebrauch gegenüber anderen Werkstoffen ein besonders stark ausgeprägtes viskoselas-
7.1 Thermoplaste tisches Verhalten. Das Zusammenwirken elastischer und viskoser Komponenten hat zur Folge, dass Kenngrößen wie z. B. E-Modul und Schubmodul nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der Belastungszeit und der Frequenz abhängen. Die Ursache hierfür ist eine verzögerte Einstellung des Gleichgewichts der ausgelenkten Kettensegmente bzw. Moleküle auf eine äußere Krafteinwirkung. Diese sogenannten Relaxationsprozesse hängen von der Beweglichkeit der Makromoleküle ab. Diese wird durch die Struktur der Polymerwerkstoffe bestimmt, ihrer physikalischen oder chemischen Bindungen, sperrigen Seitenketten sowie behinderte Drehbarkeit der Hauptkette. In den folgenden Kapiteln werden einfache Modelle zur Beschreibung des Materialverhaltens, sowie deren Stärken und Schwächen diskutiert. Anschließend wird der Zeitstandzugversuch erläutert.
7.1.6.2
Elemente der Materialmodelle
7.1.6.2.1
Elastisches Materialverhalten
Lässt sich für einen Werkstoff zu jeder Belastung eindeutig eine Dehnung zuordnen, so spricht man von elastischem Materialverhalten. Kennzeichnend ist: – unabhängig von der Deformationsgeschichte (d. h. es ist egal, ob der aktuelle Spannungszustand durch Be- oder Entlasten erreicht wurde bzw. wie lange die Belastung aufrecht erhalten wurde) – es geht bei der Verformung keine Energie verloren – der Körper reagiert auf eine äußere Last unmittelbar mit einer Verformung (d. h. es werden Energien gespeichert) und stellt sich bei Entlastung unmittelbar in seinen Ursprungszustand zurück Ideal-elastische Körper existieren in der Natur nicht. Für viele Werkstoffe (z. B. Metalle) kann das Materialverhalten
Bild 7-33 Ersatzschaltbild (Feder) und Dehnungsantwort für elastisches Materialverhalten
577
allerdings im Bereich kleiner Dehnungen und kurzzeitiger Belastung durch einen solchen Ansatz näherungsweise beschrieben werden. Mathematisches Modell 1 σ0 = E εel ⇒ εel = 3 σ0 ⇒ σ· 0 = E ε· E
(1)
Mit εel elastischer Dehnung, E0 Elastizitätsmodul und σ0 Spannung
7.1.6.2.2
Plastisches Materialverhalten
Reagiert ein Körper auf eine äußere Last mit fortschreitender bleibender Verformung, so spricht man von plastischem Materialverhalten. Kennzeichnend ist: – die Energie zur Verformung wird vollständig in Wärme umgesetzt – nach Entlastung erfolgt keine Rückstellung, der Körper bleibt in seiner Gestalt – die Deformation bezeichnet man als Fließen In der Praxis lässt sich für eine Reihe von Materialien eine Grenzspannung beobachten, oberhalb der sie sich plastisch verformen, der sogenannten Fließ- oder Streckspannung (bekannt von Metallen).
7.1.6.2.3
Viskoses Materialverhalten
Ist die aus einer aufgebrachten Kraft resultierende Verformung eines Körpers abhängig von der Zeit, so spricht man von einem viskosen Materialverhalten. Kennzeichnend ist: – Zusammenhang zwischen der Spannung und der Verformungsgeschwindigkeit
Bild 7-34 Ersatzschaltbild (Reibelement) und Dehnungsantwort für plastisches Materialverhalten
578
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Bild 7-35 Ersatzschaltbild (Dämpfer) und Dehnungsantwort für viskoses Materialverhalten
– Proportionalitätsfaktor, der Viskosität (Symbol η) genannt wird – die Energie zur Verformung wird vollständig in Wärme umgesetzt – keine Rückstellung nach Entlastung Im alltäglichen Leben kann ein viskoses Materialverhalten bei einer Vielzahl von Flüssigkeiten (z. B. Ketchup, Ölen, Haargels, etc.) beobachtet werden. dε 1 1 σ = η 5v = ηε·v = ηεv 3 ⇒ εv = 3 · t · σ0 dt t η
(2)
Mit εv viskose Dehnung, ε·v Dehnrate, η Viskosität, t Zeit und σ0 Spannung
7.1.6.3
Viskoelastische Materialmodelle
Reale Werkstoffe weisen immer sowohl elastisches, als auch plastisches und viskoses Verhalten auf. Je nach Umgebungsbedingungen (z. B. Temperatur) und Art der Belastung tritt jedoch die eine oder andere Eigenschaft stärker hervor. Kunststoffe zeigen schon bei Raumtemperatur und bei sehr geringen Belastungen ausgeprägte viskose Effekte. Elastisches und viskoses Materialverhalten ist so stark überlagert, dass Kunststoffe als viskoelastische Werkstoffe bezeichnet werden. Veranschaulichen lässt sich das mechanische Verhalten der Kunststoffe durch die Kombination einer elastischen (Feder) und einer viskosen Komponente (Dämpfer) in einem Materialmodell. In dem Materialmodell wird die Feder benötigt, um spontane elastische Verformungen bei einer wirkenden äußeren Kraft darstellen zu können. Dies entspricht dem reversiblen Verstreckungen der Molekülketten nach Aufbringung der äußeren Last. Gleichzeitig starten im Kunststoff Umlagerungsprozesse (z. B. Drehen oder Gleiten von Hauptketten) zur Gleichgewichtseinstellung, die allerdings zeitverzögert sind (abhän-
gig von physikalischen oder chemischen Bindungen, Größe der Seitengruppe, etc.). Zur Abbildung dieses zeitabhängigen Verhaltens wird ein viskoses Glied (Dämpfer) in das Materialmodell eingebaut. Die viskose Komponente hat zur Folge, dass Kenngrößen wie E-Modul, Schubmodul, Bruchspannung, Bruchdehnung, etc. nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der Zeit abhängen (Beanspruchungsdauer und Beanspruchungsgeschwindigkeit bzw. Frequenz). Aufgrund der starken Temperatur- und Zeitabhängigkeit der Kennwerte, muss für den gesamten Einsatzbereich eines Bauteils entsprechende Werkstoffdaten geliefert werden. Haben Umlagerungsmechanismen genügend Zeit zur Einstellung eines Gleichgewichtszustandes für die aufgebrachten Spannungen, reagieren Polymere zäh und weich, so dass bei ein und derselben Anwendung bei verschiedenen Temperaturen oder Beanspruchungsgeschwindigkeiten sprödes oder zähes Versagen vorliegen kann. Das zeitlich verzögerte Antworten auf eine Belastung wird je nach Belastungsart als Relaxation bzw. Retardation (Kriechen) bezeichnet. Versuche, bei denen eine konstante Dehnung auf einen Probekörper aufgebracht und der resultierende Spannungsverlauf beobachtet wird, werden als Relaxationsversuche bezeichnet. Die zeitlich verzögerte Dehnungszunahme infolge einer konstanten äußeren Spannung nennt man Retardation bzw. Kriechen. Im Folgenden werden typische Feder-Dämpfer Kombinationen im Vergleich vorgestellt und deren Auswirkungen auf das Relaxations- bzw. Kriechverhalten gezeigt.
7.1.6.3.1
Maxwell Modell
Das Maxwell Modell besteht aus einem Feder- und Dämpferelement, die in Reihe geschaltet sind, Bild 7-36. Das Maxwell-Modell bildet das mechanische Verhalten von Kunststoffschmelzen sehr gut ab.
Bild 7-36 Maxwell Modell, Feder und Dämpfer in Reihe geschalten
7.1 Thermoplaste Mathematisches Modell Man kann die beiden Elemente Feder und Dämpfer entsprechend der Elektrotechnik als in Reihe geschalteten Kondensator (Feder) und Widerstand (Dämpfer) verstehen, um den Gesamtwiderstand zu berechnen. Es gilt:
σ = σel = σv
(3)
εgesamt = εel + εv
(4)
Aus (1) und (2) folgt:
σ·el ε·el = 5 E0
(5)
σ·v ε·v = 4 η
(6)
Die Konstante C ermittelt sich aus der Anfangsbedingung. Somit lautet die Lösung der Differentialgleichung für Kriechen:
σ0 σ0 ε=4+4 t Ε η
σ·el σv ε·ges = ε·el + ε·v = 5 + 5 E η
(7)
ηε· = τσ· + σ
(8)
ε(t) = 0 für t < 0
Daraus ergibt sich (7) zu: 0 = τσ· + σ
η mit τ = 4, das eine charakteristische Relaxationszeit darstellt. E Diese Differentialgleichung gilt sowohl für das Kriechen, als auch für das Relaxieren von Kunststoffen. Die unterschiedlichen Lösungen ergeben sich aus den verschiedenen Randbedingungen, wie im Folgenden gezeigt wird. Für konstante Spannung lässt sich die Dehnung wie folgt berechnen (Kriechen): σ(t) = 0 für t < 0 σ(t) = σ0 für t > 0, d.h. σ· (t) = 0
Bild 7-37 Retardationskurve Maxwell
Daraus ergibt sich (7) zu:
ηε· = σ0 δε η = 4 = σ0 dt σ0 δε = 4 = dt η σ0 σ0 ε = 4 t + C mit C = 4 η E
(8)
Wird eine konstante Spannung auf eine Probe aufgebracht, so erfolgt zuerst ein Sprung der Größe σ0/E (elastischer Anteil), an den sich eine Gerade mit der Steigung σ0/η anschließt (viskoser Anteil). Wird die Probe entlastet, so stellt sich die elastische Deformation wieder zurück, die viskose Deformation bleibt bestehen, siehe Bild 7-37. Gemäß dem Belastungsverlauf in Bild 7-38 gelten folgende Randbedingungen zur Lösung der Differentialgleichung für die Relaxation:
ε(t) = ε0 für t > 0, d.h. ε· (t) = 0
Mit (3), (5) und (6) in (4) ergibt sich:
579
Bild 7-38 Relaxationskurve Maxwell
580
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Dies hat zur Lösung:
Aus (11) und (12) folgt:
dσ 0=τ5+σ dt
σel = E0 · εel
(13)
dσ dt 4=–4 σ τ
σv = η · ε·v
(14)
Mit (11), (13) und (14) in (12) ergibt sich:
t ln σ = – 3 + ln C τ σ t ln 4 = – 3 C τ
σgesamt = E0 · ε + η · ε· σ = E0 · ε + η · ε·
σ t = eτ 3 C mit C = ε0 E aus der Anfangsbedingung für t = 0 folgt: t
σ = ε0 Eeτ
(10)
Wird eine Probe belastet, so stellt sie sich sprungartig auf eine Spannung der Größe ε0 E ein, die sich im Laufe der Zeit mit der e-Funktion abbaut. Bei einer Entlastung geht die Spannung wieder auf Null zurück, siehe Bild 7-38.
7.1.6.3.2
Voigt-Kelvin Modell
Das Voigt-Kelvin Modell besteht aus einer Feder und einem Dämpfer, die parallel geschaltet sind, Bild 7-39. Das VoigtKelvin Modell liefert gute Ergebnisse für Elastomere, insbesondere für NR (Naturkautschuk).
σgesamt = σel + σv
Diese Differentialgleichung gilt sowohl für das Kriechen, als auch für das Relaxieren von Kunststoffen. Die unterschiedlichen Lösungen ergeben sich aus den verschiedenen Randbedingungen, wie im Folgenden gezeigt wird. Für konstante Spannung lässt sich die Dehnung wie folgt berechnen (Kriechen):
σ(t) = 0 für t < 0 σ(t) = σ0 für t > 0, d.h. σ· (t) = 0 Bei Gleichung (15) handelt es sich um eine inhomogene Differentialgleichung mit konstanter Funktion. Die Lösung ergibt sich aus der Lösung der homogenen Differentialgleichung mit anschließendem Aufsuchen der partikulären Lösung. Daraus ergibt sich (15) zu: E0 ε + ε· = 0 4 η
Mathematisches Modell: Es gilt ε = εel = εv
(15)
(11) (12)
dε E0 = 4 dt 4 ε η
(16)
E0
η t ε0 = K · e 3
Der partikuläre Lösungsansatz der Differentialgleichung ist
σ εP = 4 E0
(17)
Die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung lautet dann: E
0 σ η z +4 ε =ε0 + εP = K · e– 3 E0
(18)
Mit der Anfangsbedingung ε = 0 für t=0 (16) ergibt sich (18) dann K zu – σ/E Bild 7-39 Voigt-Kelvin Modell, Feder und Dämpfer parallel geschalten
E0 σ ηt ε = 4 1 – e– 3 E0
(19 )
7.1 Thermoplaste
Bild 7-40 Retardationskurve Voigt-Kelvin
581
Bild 7-42 Zener Modell, beide äquivalente Ersatzschaubilder
7.1.6.3.3
Zener Modell
Das Zener Modell kann auf zwei Arten dargestellt werden, die beide die gleiche Lösung der Differentialgleichung besitzen: 1. Voigt-Kelvin Modell mit in Reihe geschalteter Feder 2. Maxwell Modell mit parallel geschalteter Feder
Bild 7-41 Relaxationskurve Voigt-Kelvin
Wird eine konstante Spannung auf eine Probe aufgebracht, so bremst der Dämpfer den elastischen Sprung ab und die Dehnung steigt in einer e-Funktion auf die Asymptote σ/E an. Bei einer Entlastung wird die spontane Rückstellung der elastischen Deformation ebenfalls behindert, die Dehnung nimmt kontinuierlich ab und erreicht am Ende den Wert Null, siehe Bild 7-40. Gemäß dem Belastungsverlauf in Bild 7-41 gelten folgende Randbedingungen zur Lösung der Differentialgleichung für die Relaxation:
Für beide in Bild 7-42 dargestellten Modelle müssen zwei verschiedene mathematische Ansätze gewählt werden, die aber beide zum selben Ergebnis führen. Mathematisches Modell links (Bild 7-42):
η = E2 · tRET (21)
ε(t) = 0 für t < 0
1 1 1 1 1 ε· + 7 · ε = 4 σ· + 7 4 + 4 · σ tRET E1 tRET E1 E2
ε(t) = ε0 für t > 0, d.h. ε· (t) = 0
mit E1 und E2: E-Moduln, η: Viskosität des Dämpfers, tRET: Retardationszeit
Daraus ergibt sich (15) zu:
σ = E · ε0
Das Zener Modell ist das Standard Modell zum Abbilden von linearen Festkörpern (linear solids). Es zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm folgende Eigenschaften enthalten sind: 1. Zwei Zeitkonstanten, eine für konstante Spannung und eine für konstante Dehnung 2. Eine unmittelbare Dehnung zum Zeitpunkt t = 0, wenn eine Last aufgegeben wird 3. Vollständige Rückstellung, wenn die Last entfernt wird
(20)
Wird eine Probe belastet, so stellt sie sich sprungartig auf eine Spannung der Größe E ε0 ein, die über der Zeit konstant bleibt, es erfolgt keine Relaxation. Bei einer Entlastung geht die Spannung wieder auf null zurück, siehe Bild 7-41.
Mathematisches Modell rechts (Bild 7-42):
η = E2 · tREL 1 E0 σ· + 7 σ = (E1 + E2) · ε· + 7 ε tREL tREL
(23)
582
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
mit E1 und E2: E-Moduln, η: Viskosität des Dämpfers, tREL: Relaxationszeit Auf eine detaillierte Lösung der beiden Differentialgleichungen (22) und (24) wird an dieser Stelle verzichtet. Der Ablauf entspricht dem vom Maxwell bzw. Voigt-Kelvin Modell und ist eine reine Fleißaufgabe. Für das Kriechen (Retardation) mit den Randbedingungen σ = σ0 = konstant und σ· = 0 folgt aus (22)
σ0 σ0 t ε(t) = 4 + 4 · 1 – e – 3 tret E1 E2
(25)
Wird eine konstante Spannung auf eine Probe aufgebracht, so erfolgt eine unmittelbare Dehnung der Größe σ0/E1. Danach entspricht der Verlauf dem des Voigt-Kelvin Modells, der Dämpfer verhindert den weiteren elastischen Sprung und die Dehnung steigt in einer e-Funktion auf die Asymptote σ0/E2 an. Bei einer Entlastung erfolgt eine spontane Rückstellung der elastischen Deformation σ0/E1 , danach behindert der Dämpfer die Dehnungsabnahme, sie nimmt kontinuierlich ab und erreicht am Ende den Wert Null, siehe Bild 7-43. Für die Relaxation (REL) mit den Randbedingungen ε = ε0 = konstant und ε· = 0 folgt aus (24) t
σ(t) = E1 · ε0 = E2 · ε0 · e – 4 tREL
(26)
Wird eine Probe belastet (t = 0), so stellt sie sich sprungartig auf eine Spannung der Größe E1ε0 + E20 ein, die über der Zeit konstant abfällt und sich asymptotisch E1ε0 annähert. Bei einer Entlastung geht die Spannung wieder auf null zurück, siehe Bild 7-44. Merke: Es gilt zu beachten, dass das Zener Modell zwei Zeitkonstanten besitzt und daher sowohl Kriechen als auch Relaxieren abbilden kann!
7.1.6.4
Zeitstandzugversuch
Da viele Kunststoffe schon bei relativ geringen Belastungen und Beanspruchungstemperaturen zum Kriechen neigen, spielt die Untersuchung des Langzeitverhaltens gerade bei dieser Werkstoffgruppe eine wesentliche Rolle. Das Kriechverhalten kann nach DIN EN ISO 899 bestimmt werden. Dabei wird eine konstante Last (bzw. Anfangsspannung σ) auf einen Probekörper aufgebracht. Gemessen wird die Längenänderung ΔLt in Abhängigkeit der Zeit. Bezogen auf die Ausgangslänge L0 kann damit die Kriechdehnung εt in Abhängigkeit der Zeit nach (27) bestimmt werden. ΔLt εt = 6 L0
(27)
Für den Konstrukteur ist der Kriechmodul Et von Interesse, wenn er eine Konstruktion auslegen muss, die statisch mit einer konstanten Last beaufschlagt ist. Der Kriechmodul berechnet sich aus der Anfangsspannung σ und der Kriechdehnung εt nach (28).
σ F · L0 Et = 3 = 0 εt A · ΔLt
Bild 7-43 Retardationskurve Zener
Der Kriechmodul Et ist nur dann von der Spannung unabhängig, wenn diese innerhalb des Hookschen Bereiches liegt. Außerhalb des linearen Bereiches nimmt der Kriechmodul mit zunehmender Spannung ab. Bei der Wiedergabe von Kriechmodulnwerten müssen daher die Spannungen, bei denen sie ermittelt werden, angebeben werden. Die am IKP vorhandene Zeitstandanlage entspricht den in DIN EN ISO 899 gestellten Anforderungen und wird im folgenden Kapitel beschrieben.
7.1.6.4.1
Bild 7-44 Relaxationskurve Zener
(27)
Beschreibung der Anlage
Zeitstandanlagen sind nicht weit verbreitet. Am Institut für Kunststoffprüfung (IKP) steht ein Prüfstand, der den in DIN EN ISO 899 gestellten Anforderungen entspricht und im folgenden Kapitel beschrieben wird. Die insgesamt 60 Prüfstellen sind in vier Einheiten geteilt, so dass 15 Zugproben in einem Prüfstand untergebracht sind, siehe Bild 7-45. Die Proben 1 sind in runden Probehal-
7.1 Thermoplaste
583
Bild 7-45 Aufbau der Zeitstandanlage Typ 4211 von Zwick
tern 2 mit auswechselbaren Einsätzen für Probendicken von 0 bis 10mm eingespannt. Diese Form der Probenhalter ergibt minimale Durchführungsöffnungen 3 in der Temperierkammer. Die einzelne Probe hängt an einem oberen, abknickbaren Gehänge 4. Dieses Gehänge ist an einem 700mm hohen Querträger 5 befestigt, dessen Steifigkeit eine Durchbiegungsänderung von maximal 0,002 mm zulässt, wenn in Prüfstandsmitte eine mit 5000 N belastete Probe bricht. Damit wird vermieden, dass eine statisch belastete Nachbarprobe eine hohe dynamische Zusatzbelastung erfährt und deshalb unter Umständen ebenfalls bricht (Dominoeffekt). Am unteren Probenhalter zieht ein Gehänge, das in Linearkugellagern mit Verdrehsicherung 6 geführt ist. Dies ist für die konstante Lage der Messebene an der Probe für die berührungslose Dehnungsmessung erforderlich. Die Prüfkraft wird über stapelbare Belastungsmassen 7 bis 1000N direkt und bis 5000N über eine Hebelübersetzung 8 (5:1) aufgebracht. Schneidenlager aus gehärtetem Stahl sorgen für reibungsarme ruckfreie Belastung. Mit der Belastungseinrichtung verbunden ist je ein Öl-
dämpfer 9. Dieser ist auf die Prüfkraft einstellbar und gestattet die Prüfkraft innerhalb der in DIN 53444 geforderten 5 Sekunden stoßfrei abzusenken, sowie die Belastungsmasse bei Probenbruch abzufangen. Der gesamte Prüfstand steht auf einem Grundrahmen 10 aus mehrfach verrippten Stahlgestell, das mit Beton ausgegossen ist. Der Grundrahmen ist auf Schwingungsdämpfer 11 gelagert, damit Gebäudeschwingungen nicht auf den Prüfstand übertragen werden. Die Dehnungsmessung ist in Bild 7-46. skizziert. Auf der Probe sind zwei retroreflektierende Messmarken 1 mit 2 mm Durchmesser aufgeklebt, die aus einer Schicht von Glaskugeln mit je etwa 0,1 mm Durchmesser bestehen. Diese wirken wie kleine Linsen, die einfallendes Licht weitgehend in die gleiche Richtung reflektieren. Vor der Probe ist ein Dehnungsmessgerät 2 stationiert, in dem ein optisches System 3 vertikal verfahren werden kann. An zwei Säulen in Gleitlagerungen 4 geführt, wird das optische System aus einer oberen Endstellung über einen Verstellmotor 5 und eine Präzisions-Kugelumlaufspindel 6 mit einer Geschwindigkeit von 22 mm/s nach unten bewegt.
584
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
7.1.6.4.2
Bild 7-46 Schema des optischen Dehnungsmessgeräts
Eine GaAs-Luminiszensdiode 7 emittiert Strahlung mit einer nahe dem Infrarot liegenden Wellenlänge. Die Strahlung gelangt durch einen halbdurchlässigen Spiegel und ein Objektiv zur Probe. Das reflektierte Licht wird einer Differential-Fotodiode 8 mit Differenzverstärker zugleitet. Trifft der Diodenstrahl auf das Zentrum der oberen Messmarke, dann hat die von der Differential-Fotodiode gelieferte Spannung einen Nulldurchgang 9. Durch diesen wird der Impulszähler eines mit der Kugelumlaufspindel verbundenen Inkremental-Drehgebers 10 gestartet, der 1000 Impulse pro Umdrehung liefert, d.h. eine Auflösung von 1μm hat. Sobald das optische System die untere Messmarke erreicht hat, wird der Impulszähler durch den unteren Triggerpunkt 11 gestoppt. Danach wird das optische System wieder in die obere Endlage zurück gefahren. Das gesamte Dehnungsmessgerät wird an zwei horizontalen Säulen 12 mit Kugelbüchsen geführt. Durch eine Kugelumlaufspindel 13 wird das Dehnungsmessgerät von Probe zu Probe gefahren. Die Messunsicherheit des Systems sollte für den Messweg bis 50 mm, d.h. für die Bestimmung der Messlänge l0, maximal ± 0,003 mm und bei einem Messweg von 80 mm entsprechend Δl = 30mm maximal ± 0,02 mm betragen.
Versuchsdurchführung
Die Probe wird vermessen und in einer speziellen Vorrichtung werden mit einem Signiergerät die Messmarken aufgeklebt. In einer weiteren Vorrichtung werden die Proben zentrisch in die Probenhalter geklemmt. Die Probenhalter sind so ausgelegt, dass Proben mit unterschiedlicher Dicke gespannt werden können. Danach wird das gesamte Zuggehänge in den Prüfstand eingehängt. Der untere Probenhalter mit der Zugstange ergibt eine Vorlast von 10N. Nach Eingabe der Daten in den Steuerungsrechner (Probengeometrie, Prüfplatznummer etc.) wird die Belastungsmasse von Hand auf den Lastträger aufgelegt und mit einer hydraulischen Hubeinrichtung so weit angehoben, dass der Lastträger durch einen Steckbolzen mit dem Zuggehänge verbunden werden kann. Der Öldämpfer unter dem Lastträger wird auf die vorliegende Belastungsmasse eingestellt. Nach den Vorbereitungen wird der Versuch am Rechner gestartet, der gesamte weitere Verlauf erfolgt dann automatisch. Das Dehnungsmessgerät wird vor die Probe gefahren und unter Wirkung der Vorlast wird die Messlänge l0 gemessen. Danach wird das Hubgerät komplett abgesenkt und die Prüfkraft wirkt an der Probe. Die Längenänderungsmessungen werden dann gemäß Tabelle 7-15 durchgeführt. In den logarithmisch ansteigenden Messintervallen sind pro Dekade bis etwa 103 Stunden 10 Messungen vorgegeben. Danach wird die Probe in dem bis dahin längsten Messintervall von 163 Stunden oder einem frei wählbaren Messintervall weiter vermessen. Um die Gesamtzahl von Messwerten nicht zu groß werden zu lassen, kann ein Minimum für die Dehnungszunahme vorgewählt werden, unter dem die Werte nicht gespeichert werden. Der Versuch wird abgebrochen bei Probenbruch und wenn eine vorgegebene Dehnungs- oder Zeitgrenze erreicht ist.
7.1.6.4.3
Versuchsergebnisse
Die Messwerte sind Zeit und Längenänderung, aus denen Diagramme mit Zeit-Dehnlinien (Kriechkurven) erstellt werden können. Es gilt dabei zu beachten, ob die Zeitachse eine logarithmische Skalierung besitzt oder nicht, da sich hier der Kurvenverlauf unterscheidet. Um die zuvor besprochenen Modelle besser verstehen zu können, ist in Bild 7-47 die Kriechkurve in Dehnung ε über der Zeit für ein unverstärktes Polypropylen (PP) dargestellt. Bild 7-47 macht nun den Eindruck, als ob die Dehnung mit längerer Versauchsdauer immer mehr abnimmt, sich einer Konstanten nähert und das Material somit nie reißen würde. Die ist nicht der Fall, wie die logarithmische Darstellung in Bild Bild 7-48 beweist. Mit fortschreitender Versuchsdauer nimmt die Dehnung drastisch zu.
7.1 Thermoplaste
585
Tabelle 7-15 Vorgegebene Messzeiten (in Stunden) 1. Dekade (10-3)
2. Dekade (10-2)
3. Dekade (10-1)
4. Dekade (100)
5. Dekade (101)
6. Dekade (102)
0,016 0,020 0,025 0,032 0,040 0,050 0,063 0,079 0,085 0,095
0,100 0,126 0,158 0,200 0,251 0,316 0,398 0,501 0,631 0,794
1,000 1,259 1,585 1,995 2,512 3,162 3,981 5,012 6,310 7,943
10,00 12,59 15,85 19,95 25,12 31,62 3,981 50,12 63,10 79,43
100,0 125,9 158,5 199,5 251,2 316,2 398,1 501,2 631,0 794,3
Start t=0 Laufende Messungen in Abständen von ca. 10 s ≈ 0,003 h
Bild 7-47 Kriechkurven von PP über der Zeit
Bild 7-49 Kriechkurven PP-30 % SGF über der Zeit (logarithmisch)
Um bei dem verwendeten Propylen die Neigung zum Kriechen zu vermindern, wurden 30 Gew. % Kurzglasfasern beigegeben. In Bild 7-49 ist der Verlauf der Kriechkurven für das glasfaserverstärkte Material zu sehen. Es ist, wie auch in Bild 8.16, deutlich zu beobachten, dass mit steigender Belastung (Spannung) die Kriechdehnung steigt, allerdings ist bei dem glasfaserverstärktem Material im gleichen Zeitraum die Kriechdehnung etwa um den Faktor 5 geringer.
Literatur – Kapitel 7.1.6 Weiterführende Literatur Bild 7-48 Kriechkurven PP über der Zeit (logarithmisch)
Batzer H (1985) Polymere Werkstoffe, Bd I Chemie und Physik. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, ISBN 3-13648101-1 Carlowitz B (1990) Die Kunststoffe: Chemie, Physik, Technologie. Carl Hanser Verlag, München Wien, ISBN 3446-14416-1
586
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
DIN EN ISO 899 (1996) Bestimmung des Kriechverhaltens. Beuth Verlag, Berlin Eyerer P (2005) Kunststoffkunde Vorlesungsmanuskript. IKP Universität Stuttgart, 13. Aufl, 2005/06 Fung YC (1965) Foundations of Solid Mechanics. PrenticeHall, Inc, Englewood Cliffs, New Jersey, ASIN: 0133299120 Pöllet P (1985) Automatisierung der Zeitstandprüfung an Kunststoffen. Kunststoffe, 75. Jahrgang, Carl Hanser Verlag, München Stojek M (1998) FEM zur mechanischen Auslegung von Kunststoff- und Elastomerbauteilen. Herausgeber Michaeli W, Springer-VDI-Verlag, Düsseldorf, ISBN 39806285-2-0
7.1.7
Rheologische Prüfungen Helmut Schüle
Die Bestimmung der Viskositätswerte für verarbeitungsrelevante Schergeschwindigkeiten erfolgt üblicherweise mit Kapillarviskosimetern. Wird als Messdüse eine Kreiskapillare verwendet, muss bei der Ermittlung der schergeschwindigkeitsabhängigen Viskosität mit Hilfe der Bagley-Korrektur der Einfluss von Einlauf- und Auslaufdruckverlust eliminiert werden. Längs einer Schlitzkapillare, bei welcher der Messspalt als Flachschlitz oder Ringspalt vorliegt, kann mittels mehrerer Druckmessstellen für den Bereich der vollentwickelten Strömung der zur Berechnung der Schubspannung der konstante Druckgradienten dp/dl erfasst werden. Unter
Anwendung der Weissenberg/Rabinowitsch-Korrektur lassen sich durch Vorgabe verschiedener Schmelzemassedurchsätze schließlich die wahre Fließkurve und die Viskositätsfunktion bestimmen (Bild 7-50). Viskositätswerte für betragsmäßig kleine Schergeschwindigkeiten (→ Strukturrheologie) werden bei hochviskosen Thermoplastschmelzen meist unter Verwendung von Rotationsrheometer (Platte-Platte-, Platte-Kegel oder CouetteSystem) bestimmt. Ein Couette-Rheometer besteht aus zwei konzentrischen Zylindern von denen einer rotiert und der andere festgehalten wird. Die Messgrößen sind die Winkelgeschwindigkeit beim rotierenden Innenzylinder oder Außenzylinder (korrespondiert mit der Schergeschwindigkeit) und das Drehmoment am Außen- bzw. Innenzylinder für die Schubspannung. Zur mathematischen Beschreibung der Viskositäts- und Fließkurven sind verschiedene Modelle entwickelt worden. Trägt man die Fließkurven verschiedener Polymerer in doppelt-logarithmischem Maßstab auf, dann erhält man Kurven, die aus zwei näherungsweise linearen Abschnitten und einem Übergangsbereich bestehen. In vielen Fällen bewegt man sich nur in einem der beiden Bereiche, so dass sich zur mathematischen Beschreibung des Kurvenabschnitts eine Funktion, der sogenannte Potenzansatz nach Ostwald und de Waele mit den beiden Parametern Fließexponent und Fluidität eignet. Charakterisierend für das Fließvermögen eines Stoffes und seiner Abweichung vom Newton’schen Verhalten ist dabei der Fließexponent m (bei Kunststoffschmelzen in
Bild 7-50 Temperaturabhängige bzw. temperaturinvariante Darstellung der Viskositätsfunktion [1]
7.1 Thermoplaste
587
Bild 7-51 Der Potenz- bzw. Carreau-Ansatz als Approximations-Funktion im Vergleich zu einer rheologischen Messung [2]
der Regel zwischen 1 und 6). Für m = 1 wird liegt Newton’sches Fließverhalten vor. Generell kann der Potenzansatz eine Fließ- oder Viskositätskurve nur in einem engen Schergeschwindigkeitsbereich mit genügender Genauigkeit beschreiben. Dabei hängt die Größe dieses Bereichs bei gegebener Genauigkeit der Krümmung der Kurve (→ charakteristisch für die vorliegende Strukturviskosität der Schmelze) ab. Soll eine Fließkurve über einen größeren Bereich mit dem Potenzgesetz beschrieben werden, so bietet sich eine Aufteilung der Kurve in Segmente an, wobei für jeden Abschnitt die charakteristischen Beschreibungsgrößen neu bestimmt werden müssen (Bild 7-51). Ein anderes, praxisrelevantes Stoffmodell ist der Ansatz nach Carreau, welcher eine im Vergleich zum Potenzansatz bessere Beschreibung des Stoffverhalten innerhalb eines sehr breiten Schergeschwindigkeitsbereichs ermöglicht (Bild 7-51). Der Einfluss der Temperatur auf die Scherviskosität ist bei kleinen Schergeschwindigkeiten ausgeprägter als bei hohen Schergeschwindigkeiten. Unabhängig von der Temperatur bleibt die eigentliche Viskositätskurve in ihrer Charakteristik erhalten. Für thermo-rheologisch einfachen Polymerschmelzen können die Viskositätskurven in eine einzige
temperaturinvariante Masterkurve überführen werden. Graphisch bedeutet dies, dass man die Kurven unter einem Winkel von –45° ineinander überführen kann (→ Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzip). Ist die Viskositätsfunktion für eine bestimmte Temperatur T gesucht, kann aus der Viskositäts-Masterkurve unter Einbeziehung des Temperaturverschiebungsfaktor a für jede beliebige Temperatur die Viskositätsfunktion umgerechnet werden. Tabelle 7-16 WLF- und Arrhenius-Ansatz teilkristalline Polymere bei T » Tg (Glastemperatur) (z. B. PE, PP, PA, POM) 1 E0 1 Arrhenius: ar = exp 4 – 8 1 Parameter R T4 ?? Tabs/ref E0 ... Aktivierungsenergie R … Gaskonstante Tabs/ref … Referenztemperatur [Kelvin]
amorphe Polymere bei T > Tg (z. B. PS, PIB, PMMA, SAN, PESU) – c1 (T – Tref) WLF: ar = exp 07 2 Parameter c2 + (T – T??)
588
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Der Verschiebungsfaktor aT für eine Referenztemperatur T0 können bei vielen Polymeren durch die WLF-Beziehung nach William-Landel-Ferry mit zwei materialspezifischen Parametern c1 und c2 beschrieben werden. Geeignet ist diese Vorgehensweise bei amorphen Polymeren. Bei teilkristallinen Formmassen wird meist der Arrhenius-Ansatz gewählt. Die Temperaturabhängigkeit des Temperaturverschiebungsfaktors für einige Polymerschmelzen ist in Bild 7-52 dargestellt.
Bild 7-52 Temperaturabhängigkeit des Temperaturverschiebungsfaktors [1]
Bild 7-53 Schematische Darstellung des Schmelz-Index-Gerätes
Schmelzindexprüfgerät Beim Schmelzindexprüfgerät handelt es sich um ein rheologisches Prüfgerät, welches vor allem in der Produktions- und Eingangskontrolle verwendet wird. Der Schmelzindex (MFI = Melt Flow Index) in g/10 min wird dabei als diejenige Masse definiert, welche innerhalb eines Zeitraumes von 10 Minuten bei einer festgelegten Kolbenkraft und einer bestimmtem Massetemperatur durch eine genormte Kapillardüse gedrückt wird. Die dabei auftretende Scherbeanspruchung und die daraus resultierende Schergeschwindigkeit sind allerdings so gering, dass diese nicht in aller Regel nicht geeignet sind Verarbeitungsprozesse, welche bei meist höheren Beanspruchungsgeschwindigkeiten ablaufen, rheologisch zu beschreiben. Dass der MFI-Wert in der Praxis trotzdem seine Bedeutung hat, liegt an der Einfachheit der Messdurchführung sowie der kurzen Messdauer. In praxi werden
7.2 Prüfung der duroplastischen Formmassen und Formstoffe
589
Bild 7-54 Einfluss von Düsengeometrie und Volumenstrom auf die Strangaufweitung
z. B. die meisten thermoplastischen Formmassen von den Rohstoffherstellern mit Hilfe des MFI in Bezug auf ihre Verarbeitbarkeit klassifiziert. Strangaufweitung Bei der Extrusion von Kunststoffschmelzen tritt beim Austritt aus der Düse eine Strangaufweitung auf. Dies ist bedingt durch ein Rückstellen der Molekülorientierungen, welche durch die Dehndeformationen im Düseneinlauf bzw. längs des Werkzeugkanals hervorgerufen werden. Der auftretende Schwellfakor hängt dabei sowohl von den Geschwindigkeitsverhältnissen in der Düse (Verweilzeit) sowie von der Kanalgeometrie (insbesondere vom Verhältnis Länge zu Durchmesser), Bild 7-54 ab. Schmelzebruchphänomene Unter diesem Begriff werden alle an einem extrudierten Strang auftretenden Störungen zusammengefasst. So entsteht die als Haifischhaut (shark skin) bezeichnete Rauhigkeit der Oberfläche auf abrupte starke Beschleunigung der Schmelze nahe der Wandung beim Verlassen der Düse zurückgeführt ( Aufreissen der Oberfläche, Schuppenstruktur). Eine anderer Schmelzebruchtyp führt zu Strängen mit abwechselnd glatten und zerklüfteten Strukturen, verbunden mit einer signifikanten Druckoszillation (Pumpen) während des Extrusionsvorgangs. Ursache hierfür ist ein periodischer Wechsel zwischen Wandhaften und Wandgleiten („stickslip“-Effekt) in der Düse, insbesondere zu beobachten bei der Extrusion hochmolekularer Thermoplastschmelzen.
Literatur – Kapitel 7.1.7 [1] Hensen F (1988) Kunststoff-Extrusionstechnik I. Hanser Verlag, München [2] N.N. Messextruder und Messkneter in der Kunststoffverarbeitung. VDI-K 1982 Tagungshandbuch
Weiterführende Literatur Boss M, Loodke Th (2007) Kapillarrheometer perfektioniert Spritzgießprozess. Kunststoffe 97(2007)11, S 139–141 Dealy JM, Larson RG (2006) Structure and Rheology of Molten Polymers. Hanser Verlag, München, 530 S
7.2
Prüfung der duroplastischen Formmassen und Formstoffe [1]
Die folgende Ausarbeitung entspricht weitgehend dem Vorwort zu der sehr empfehlenswerten Broschüre zur Prüfung von duroplastischen Formmassen [1] (Sie gliedert sich nach dem Vorwort in Der Konstrukteur und seine Aufgaben; Prüfung und Werkstoffauswahl; Typisierte Formmassen , -Übersicht; Herstellen von Probekörpern; Prüfungen im Vergleich; Prüfungen der Kriechwegbildung; Beschreibung der Prüfverfahren; Datenkatalog in Campus 3; Verbände, Institute, Organisationen).
590
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Probleme und Aufgaben Beschäftigt man sich mit Prüfungen, so muss man zunächst deren Probleme und Aufgaben sehen. Ohne eine Wertung vorwegzunehmen, dient die Prüfung der – Sicherung einer gleichbleibenden Qualität, – Auswahl für einen wirtschaftlichen Werkstoffeinsatz, – Senkung der Kosten, – richtigen Dimensionierung und Gestaltung eines Produkts. Prüftechnik Was ist nun in der Prüftechnik geschehen? Die ersten beiden Kriterien – Erfassung von Eigenschaften der Rohstoffe, Halbfabrikate, Fertigprodukte und – Überwachung der gleichbleibenden Qualität dieser Produkte werden, soweit es einfache Standard-Prüfungen betrifft, sicher mit wenigen Hilfsmitteln erreicht (Biegefestigkeit, Schlagzähigkeit, Kerbschlagzähigkeit, HDT usw.). Der Konstrukteur könnte also nach einem bestimmten groben Schema vorgehen. Dies ist aber nur möglich, wenn
ihm Kennwerte zur Verfügung gestellt werden, mit denen er so verfahren kann. Die Prüftechnik soll dabei helfen. Beschränkt man sich auf die Duroplaste, so sind hier die technischen Prüfeinrichtungen unterschiedlich, das notwendige Minimum unterliegt der Überwachung. Typisierung und Überwachung Betrachtet man dabei noch die üblichen Normprüfungen bzw. die im Normenwerk aufgeführten Mindestanforderungen, so stellt man fest, dass diese in erster Linie der Typisierung und Überwachung von duroplastischen Formmassen dienen. Ein Konstrukteur braucht sicher mehr Information als diesen Zahlenspiegel. Die Standard-Typen z. B. der DIN 7708 Teil 2, 9, 10, 11 (Entwurf) bzw. ISO/CD. s. Tabelle 7-17, welche die Basis vieler Gespräche sind, werden dabei oft zu wenig berücksichtigt. Aussagekraft von Normprüfungen Können die Normprüfungen ein umfassendes Bild des Werkstoffes vermitteln? Sie sind sicher ausreichend, wenn es sich um physikalisch eindeutig definierte Eigenschaften, wie Dichte, spezifische Wärme usw. handelt, die vom Prüfverfahren unabhängig sind. Für konstruktiv notwendige Kennwerte reichen sie nicht aus. Hier ist es unbedingt erforderlich, nach Prüfverfahren zu suchen, welche zu einer guten Korrelation der Ergebnisse in der Praxis führen. Wie dabei die gleichbleibende Qualität der duroplastischen Formmassen geprüft wird, ist völlig egal. Es werden oft genug Massen als nicht ausreichend verworfen, weil ein Eigenschaftswert nicht den Anforderungen genügt, dieser aber für diese Anwendung keinen Aussagewert hat. Weitere Voraussetzungen Von welchen Parametern die Eigenschaftswerte abhängen, wurde von vielen Autoren erwähnt. Umfangreiche Untersuchungen bei Spritzgießen von duroplastischen Formmassen lassen die Problematik erkennen. Alles geschieht jedoch im
Tabelle 7-17
Bild 7-55 Diagramm „Der Konstrukteur und seine Aufgaben”
Formmassen
DIN
ISO/CD
Epoxid Melamin Melamin-Phenol Phenol Polyester
– 7708/T9 7708/T10 7708/T2 7708/T11
12252-3 14528-3 14529-3 14526-3 14530-3
7.2 Prüfung der duroplastischen Formmassen und Formstoffe
591
Hinblick auf die mit Standard-Prüfungen ermittelten Mindestanforderungen der z. B. DIN 7708/T2 (ISO/CD 14526-3 usw.). Es ist aber nicht klar, ob weitere Voraussetzungen immer erfüllt sind. – Kenntnis und Beurteilung der Prüfgeräte und der damit ermittelten Kennzahlen, – Aufstellung von Beurteilungsmaßstäben aufgrund von Erfahrungen und – Vergleich von Eigenschaften auch mit den Werkstoffen, die unter gleichen Bedingungen und Geometrien ermittelt wurden.
Im Hinblick auf das Praxisverhalten ist also eine kritische Beurteilung der Prüfung und Ergebnisse nötig und dabei steht das Formteil im Vordergrund. Damit gilt für Duroplaste folgendes: 1. Bei Duroplasten kommen bei Brüchen im wesentlichen Sprödbrüche vor, so dass diese die gefährlichsten Versagensfälle mit erheblichen Sach- und Folgeschäden sein können. 2. Für Langzeitverhalten bzw. Gebrauchstemperatur gelten Faustregeln, die im Einpunktverfahren oder Grenztemperatur-Messungen an Probeköprern abgeleitet werden und damit nur Erfahrenswerte darstellen können.
Automatische Prüfeinrichtungen Auf dem Gebiet der Prüftechnik hat sich in den letzten Jahren einiges getan. So gibt es genügend Hinweise auf z. B. automatische Prüfeinrichtungen und auf rationelle Qualitätskontrollen. Diese können rechnerunterstützt sein. Dass dabei – enge Toleranzen, – Stichprobenzahlverkleinerung, – größere Sicherheit und Genauigkeit der Werte, – Vergleichbarkeit der Werte usw.
Die Reproduzierbarkeit der durch Prüfung ermittelten Werte hängt von Masse und Verarbeitungsparametern ab. Am einfachsten wäre es, wenn man ohne zusätzlichen Aufwand von Kurzzeitversuchen auf das Langzeitverhalten bzw. die Dimensionierung von Formteilen mit dem jeweiligen Gebrauchseigenschaften schließen könnte.
höhere Investitionen erfordern, liegt auf der Hand. Soll die Prüftechnik aber wirtschaftlich sein, ist ein hoher Ausnutzungsgrad erforderlich. Der reiche Erfahrungsschatz früherer Jahre steht nicht jedem zur Verfügung.
Dimensionierung und Gebrauchseigenschaften Bleiben wir zunächst bei den Eigenschaftswerten, die letztlich für die Realisierung eines Formteils mit entsprechenden Gebrauchseigenschaften entscheidend sind. Diese Eigenschaften sind von – der Formmasse, – der Verarbeitung (-Technologie), – der Probengeometrie und – der Prüfmethode
Praxisrelevante Kennwerte, Prüfung – Werkstoff – Datenbank (CAMPUS) Es stellt sich die Frage, ob das vor Jahrzehnten entworfene Eigenschaftsbild in der heutigen Zeit noch ausreichend ist. Es kann auch keine generelle Anweisung gegeben werden, wie und welche praxisrelevante Daten ermittelt werden sollen. Ein kleines Schema könnte aber helfen, diese Entscheidungen zu treffen. Hier wäre auch bei genauem Hinsehen die direkte Beziehung zum sogenannten Datenblocksystem, zur Vereinheitlichung und Reduzierung von Prüfungen und Probekörpern sowie zur internationalen Normung gegeben. Die Kunststoffdatenbank CAMPUS ist eine sinnvolle Ergänzung zur Vereinheitlichung und Rationalisierung von Kunststoffprüfungen. Sie ist die erfolgreichste und international am weitesten verbreitete Datenbank für Kunststoffeigenschaften.
abhängig. Verantwortlich für Formmasse und Richtlinien für die Verarbeitung ist der Formmassen-Hersteller. Die Probengeometrie und Prüfmethode sind (außer bei Hausmethoden) im Normenwerk festgelegt, womit auch eine Überprüfung der Reproduzierbarkeit möglich ist. Statistische Methoden helfen da weiter, wo genügend Werte vorhanden sind. In der Prüftechnik sind schon vor vielen Jahren für die Duroplaste folgende Festlegungen getroffen worden. 1. Typisierte Formmassenüberwachung 2. Probekörperherstellung und -geometrie (Pressen, Normstab) 3. Prüfmethode (Biege, Schlag, Kerb, Martens alt, HDT neu usw.)
Vergleichbarkeit, Reproduzierbarkeit Betrachtet man einige ausgewählte Prüfungen an einem Formmassetyp unter Berücksichtigung von Schlagprüfung und Kerbschlagversuch, so findet man anscheinend wahllos verteilte Ergebnisse in Abhängigkeit von der Dicke.
Sieht man sich einige Beispiele an, die über Mindestanforderungen hinausgehen, fällt sofort auf, dass sich die Eigenschaften mehr oder weniger stark mit der Dicke ändern. Reichen solche Erkenntnisse für den Konstrukteur oder Techniker nicht aus?
592
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Offensichtlich nicht, denn es gibt noch eine Vielzahl von Eigenschaften, die von verschiedenen Parametern abhängen. Die Abhängigkeiten einer Eigenschaft von Härtezeit, Temperatur und z. B. Kerbtiefe zeigen die Vielfalt der Informationen, die man mit genormten Probekörpern und Prüfungen ermitteln kann. Allerdings muss die Einschränkung gemacht werden, dass die Werte nur mit denen anderer Werkstoffe verglichen werden können, wenn diese unter gleichen Bedingungen (auch Probekörpergeometrie) ermittelt werden. Durch die Umstellung von DIN auf ISO ist eine Vergleichbarkeit von Thermoplasten und Duroplasten gewährleistet, sofern Probekörpergeometrien und Probekörperherstellung gleich sind. Die Kunststoffdatenbank CAMPUS ist sicherlich eine sinnvolle und hilfreiche Ergänzung. Einfache Prüfungen und ihre Aussagefähigkeit Betrachtet man einige andere Duroplast-Typen, so gilt offensichtlich dasselbe. Es lassen sich also ausgehend von den Eigenschaftswerten an 4 mm dicken Vielzweckprobekörpern (= Mindestanforderungen der z. B. 7708/T2 bzw. ISO/CD 14526-3 usw.) einige Aussagen machen und Zusammenhänge erkennen. Mit dem Schlagbiegeversuch nach Charpy wird an gekerbten und ungekerbten Probekörpern in Dreipunktauflage das Zähigkeitsverhalten von Kunststoffen bei schlagartiger Beanspruchung beurteilt. Beim Kerbschlagbiegeversuch wird in den Probekörper eine V-Kerbe eingearbeitet. Durch die Kerbe wird eine Spannungskonzentration sowie eine Erhöhung der Rissausbreitungsgeschwindigkeit im Kerbgrund erreicht. Dadurch ist es möglich, auch bei der Prüfung zäher Kunststoffe einen Bruch zu erzielen, wenn diese bei Verwendung ungekerbter Probekörper nicht brechen. Zu beachten ist, dass durch das Einarbeiten der Kerbe in die auf Zug beanspruchte Flanke des Probekörpers die Randzone des Probekörpers durchtrennt wird. Die für die Zerstörung von speziell hergestellten Probekörpern notwenige Burcharbeit wird mit einem Pendelschalgwerk, bei dem die Schwerkraft als Antriebskraft auftritt, ermittelt. Der Probekörper liegt dabei auf zwei Widerlagern und wird in der Mitte durch das Pendel schlagartig beansprucht. Diese Anordnung wird als „Charpy-Anordnung“ bezeichnet. Die für die Zerstörung des Probekörpers notwendige Schlagarbeit A ergibt sich aus der Differenz zwischen Fallhöhe und Steighöhe (nach dem Durchschlagen des Probekörpers) und dem Gewicht G des Pendelhammers. Liegen die Schlag- und Kerbschlagzähigkeit gleich oder annähernd gleich hoch, so handelt es sich um schlagunempfindliche Werkstoffe.
Dass sich die Eigenschaftskennwerte durch geeignete Füll- und Verstärkungsstoffe stark verändern lassen, ist bekannt. Wenn durch Rückschlüsse auf vor bereits langer Zeit ermittelter Ergebnisse Aussagen getroffen werden, kann es ein böses Erwachen geben. Es ist notwendig, praxisrelevante Kennwerte zu liefern und damit nach geeigneten Prüfmethoden weiter zu suchen bzw. diese anzuwenden. Zusammenfassung Für die Dimensionierung und Gestaltung eines Produktes benötigt der Konstrukteur die Werkstoffkenndaten. Diese sollen mit geeigneten Prüfmethoden an vergleichbaren Probekörpern ermittelt werden. Die Mindestanforderungen an Formmassen (Tabelle 7-18) bzw. aus ihnen hergestellten Probekörpern lassen nur z. T. Rückschlüsse auf das Verhalten der Formteile zu. Neue und praxisgerechte Prüfmethoden erfordern Investitionen. Neue Einsatzgebiete können nicht mit alten, nicht vergleichbaren Kennwerten erschlossen werden. Durch die weltweite Verbreitung von CAMPUS ist eine Vereinheitlichung und Rationalisierung von Kunststoffprüfungen erreicht. Mit CAMPUS 4 ist der internationale Durchbruch geschafft. Der neue Datenkatalog basiert auf ISO 10350 und EN ISO 10350. Für den Konstrukteur ist eine zielgerechte Auswahl der Formmassen wesentlich einfacher, sicherer und schneller geworden.
Literatur – Kapitel 7.2 [1] Bakelite AG: Formmassen – Vergleich von Prüfnormen nach ISO, DIN, ASTM, JIS und BS. 65 S
7.3
Prüfung von Elastomeren (am Beispiel Dichtungen) Meike Rinnbauer
Prüfungen an Elastomeren dienen in erster Linie zur Werkstoffcharakterisierung, zur Überprüfung der Funktion und zur Qualitätskontrolle. Da die meisten Elastomereigenschaften zeit- und verformungsabhängig sind, erfassen Prüfungen die komplexen Zusammenhänge der Elastomereigenschaften nur bedingt. In vielen Fällen können nur eingeschränkte Aussagen über die Eignung eines Produkts für den vorgegebenen Einsatz gemacht werden. Daher ist neben der reinen Ermittlung der Werkstoffdaten die Bauteilprüfung im Rahmen von Feldtestläufen für eine Beurteilung der Einsatztauglichkeit des Elastomers entscheidend.
Tabelle 7-18 Typisierte Formmassen – Mindestanforderungen [1]
594
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
7.3.1
Werkstoffcharakterisierung
Die genaue Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Rezeptaufbau, physikalischen Eigenschaften und ihre Veränderung durch Alterungseinflüsse ist eine notwendige Voraussetzung zur Qualitätsverbesserung der Endprodukte. Um eine umfassende Charakterisierung der elastomeren Werkstoffe vornehmen zu können, wird eine Vielzahl an Materialeigenschaften geprüft. Die Bestimmung des Druckverformungsrests (DVR) gibt beispielsweise darüber Aufschluss, inwiefern die elastischen Eigenschaften von Elastomeren nach lang andauernder, konstanter Druckverformung bei vorgegebener Temperatur erhalten bleiben. Der Druckverformungsrest ist daher eine der wichtigsten Werkstoffeigenschaften, die der Produktentwickler vor dem Einsatz seiner Dichtung kennen muss. Anhand des Druckverformungsrests kann die Qualität der Elastomermischung bestimmt und ein Anhaltspunkt für die Eignung des Werkstoffs für dynamische oder statische Dichtanwendungen gewonnen werden (Bild 7-56). Neben den mechanisch-technologischen Eigenschaften wie Dichte, Härte, Zugfestigkeit und Bruchdehnung sind insbesondere die physikalischen Wechselwirkungen mit Kontaktmedien und die chemischen Materialveränderungen durch Umwelteinflüsse relevant. Allerdings sind die reinen Kennwerte zur Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit wenig geeignet. Praxisnahe Prüfungen von Temperatur- und Medieneinwirkungen werden üblicherweise über verschie-
dene Zeiträume unter Laborprüfbedingungen simuliert. Moderne Verfahren der auf der Finite-Elemente-Methode (FEM) basierenden Bauteilauslegung sowie Prüfläufe unter Einsatzbedingungen im Labor ermöglichen es, die Funktion der Bauteile umfassend zu beurteilen. Eindeutige Aussagen über die Gebrauchstauglichkeit werden idealerweise in der Anwendung unter realen Bedingungen mit Bauteilprototypen ermittelt.
7.3.2
Vorhersage der Lebensdauer
Die ermittelten mechanischen, thermischen und dynamischen Kennwerte sind die Basis bei der Entwicklung von Materialmodellen. Hierbei werden nicht nur die Einflüsse der Mischung und der Umgebung, sondern auch das Werkstoffverhalten unter statischen und dynamischen Belastungen berücksichtigt. Anders als beispielsweise bei metallischen und keramischen Werkstoffen besteht beim Elastomer zwischen Spannung und Dehnung kein linearer Zusammenhang. Neben diesem nichtlinearen Verhalten muss die Steifigkeit des Werkstoffs in Abhängigkeit von der Verformungsgeschwindigkeit berücksichtigt werden. Optimierte Materialmodelle, sogenannte „hyperelastische Materialmodelle“, zeigen eine gute Korrelation mit den experimentellen Daten und behalten auch bei großen Materialverformungen (>150%) noch ihre Gültigkeit (Bild 7-57). Insbesondere die Bewertung der Alterungsbeständigkeit von Elastomeren ist ein wichtiges Kriterium bei der Beurtei-
Bild 7-56 Zur Ermittlung des Druckverformungsrests werden zylindrische Probekörper um 25% deformiert
7.3 Prüfung von Elastomeren
595
Bild 7-57 Vergleich verschiedener Material-Modelle mit experimentellen Daten hinsichtlich des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens
lung der Lebensdauer von Dichtungen. Die Untersuchungen werden im allgemeinen anhand von Relaxationsexperimenten an gealterten Proben durchgeführt. Dabei ist zu beachten, dass Kurzzeit- und Einpunktmessungen immer zu Fehlinterpretationen führen können. Die Beobachtung der Alterungsphänomene bei unterschiedlichen Temperaturen und Zeitstufen führt dagegen zu wesentlich aussagefähigeren Ergebnissen und lässt eine Abschätzung des Langzeitverhaltens zu. Zusätzliche, aus Bauteilanalysen und Alterungsversuchen gewonnene Informationen verfeinern die numerischen Materialmodelle und liefern so ein umfassendes Bild bezüglich der Lebensdauer von Elastomerdichtungen.
7.3.3
Bauteilsimulation mittels FEM
Die Finite-Elemente-Methode dient in der industriellen Produktentwicklung als Berechnungsverfahren zur Lösung komplexer Probleme der Statik, Festigkeit, Dynamik und Thermodynamik. Um bei der Entwicklung technischer Elastomerbauteile alle Potenziale hinsichtlich Konstruktion und
Verkürzung der Entwicklungszeiten auszuschöpfen und gleichzeitig eine hohe Produktqualität sicherzustellen, ist es erforderlich, optimierte Methoden zur Berechnung des nichtlinearen Verhaltens einzusetzen und somit das Werkstoffverhalten möglichst exakt wiederzugeben. Nichtlineare Rechenmodelle sind unverzichtbar, wenn es um die Beschreibung wichtiger Phänomene geht, wie zum Beispiel das Betriebsverhalten von Elastomerbauteilen, die Prozesssimulation in der Umformtechnik oder die rechnerische Simulation von Aufprallvorgängen. Zum einen werden durch die Simulation die physikalischen Zusammenhänge für den Anwender transparenter, zum anderen erlaubt die frühzeitige Berücksichtigung der Nichtlinearitäten im Konstruktionsprozess eine zuverlässige Absicherung der Bauteilfunktion. Simulationen mit FEM-Modellen, die das Werkstoffverhalten exakt beschreiben, können hierbei einen wertvollen Beitrag leisten und gewinnen zunehmend an Bedeutung. So lassen sich Topologie und Gestalt mechanisch belasteter Bauteile unter Berücksichtigung geringer Dehnungen und Spannungen optimieren.
596
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Der Einsatz von FEM-Berechnungen lässt sich am Beispiel von einer Dichtmanschette für ein Steuerventil verdeutlichen. Durch das Öffnen und Schließen gegen 9 bar Druck bewegt sich die Dichtmanschette entlang des metallischen Steuerkolbens. Bei optimaler Schmierung des Kontaktpaares Dichtmanschette-Steuerkolben gleitet die Dichtlippe entlang des Kolbens, ohne dass es zu sehr hohen Beanspruchungen im Werkstoff kommt. Bei unzureichender Schmierung haftet die Dichtkante am Kolben. Durch die auftretenden Reibeffekte an der Dichtlippe kann die bewegte innere Dichtkante abreißen, was einen Ausfall der Dichtung zur Folge hat. Daher ist neben der Erfüllung der Elastizitätsanforderungen vor allem eine lange Lebensdauer des Bauteils ein wichtiges Kriterium. Bei der FEM-Berechnung wird für die Dichtmanschette ein 2D-axialsymmetrisches Modell erstellt und der Öffnungs- und Schließvorgang des Steuerventils unter Druckbelastung simuliert. In der Simulation wird die Mangelschmierung durch unterschiedliche Reibwerte dargestellt. Im Vergleich zur optimalen Schmierung der Kontaktpartner führt eine erhöhte Reibung zu einem völlig anderen Verformungsbild. In der FEM-Simulation werden die Spannungsspitzen im Bauteil sichtbar (Bild 7-58). In der Praxis bedeutet dies, dass die Dichtkante am Kolben haften bleibt, und es im Betrieb zu einer Überbeanspruchung und letztendlich zum Versagen der Dichtmanschette kommt. Durch geeignete Anpassung des Bauteildesigns oder teilweise durch Optimierung des Werkstoffs ist es möglich, die Spannungsspitzen zu reduzieren und somit die Lebensdauer des Bauteils zu erhöhen.
a
b
7.3.4
Übersicht Prüfnormen (Auswahl)
Allgemein stellt sich die Frage der Relevanz von Materialkennwerten für die Funktionsfähigkeit eines Gummibauteils (hier wäre z.B. die Zugfestigkeit des Werkstoffs bei schwach bis mäßig belasteten Baulagern oder Schienenunterlagen zu nennen). Des Weiteren sind Normprüfungen im Labor in der Regel Modellversuche, die zur Übertragbarkeit auf die wirklichen Verhältnisse eine mehr oder weniger große Zahl von Freiheitsgraden benötigen. Daraus folgt, dass die Schlussfolgerung aus einem Laborergebnis auf das Verhalten in der Praxis umso unsicherer wird, je näher das Bauteil bzw. der Werkstoff dort an seiner Leistungsgrenze beansprucht wird. Der Grenzfall (Optimum) ist definitionsgemäß der Fall ohne Freiheitsgrad. Er ist mit dem Aufenthalt auf einer Bergspitze zu vergleichen; jeder weitere Schritt führt von ihr weg. Hier ist letztlich nur noch der maßstabsgetreue 1 : 1 Praxisversuch aussagefähig.
Bild 7-58 FEM-Berechnung der Dichtmanschette zur Abdichtung des Steuerventils a) Dichtlippe im Ausgangszustand, b) Dichtlippe nach dem Öffnungs- und Schließvorgang.
Im Folgenden sind einige Prüfnormen für Kautschuke und Elastomere zusammengestellt, Tabelle 7-19.
Literatur zu Elastomere siehe Kapitel 3.6. Weiterführende Literatur Marchetti K, Pongratz S (2007) Schadensanalyse an Elastomeren. Kunststoffe 97(2007)11, S 44–49
7.3 Prüfung von Elastomeren
Tabelle 7-19 Deutsche Prüfnormen für Kautschuke und Elastomere ISO 1795
Probenahme und Probenvorbereitung von Rohkautschuken
ISO 248
Bestimmung des Gehaltes flüchtiger Bestandteile in Kautschuk
ISO 249
Bestimmung des Gehaltes an Verunreinigungen in Naturkautschuk
DIN 53 523
Prüfung mit dem Scherscheiben-Viskosimeter nach Mooney
DIN 53 529
Vulkametrie
DIN EN ISO 1183
Bestimmung der Dichte
DIN 53 504
Bestimmung von Reissfestigkeit, Zugfestigkeit, Reissdehnung und Spannungswerten im Zugversuch
DIN 53 505
Härteprüfung nach Shore A und D
DIN ISO 48
Bestimmung der Kugeldruckhärte von Weichgummi (IRHD)
DIN 53 541
Bestimmung der Kristallisation durch Messung der Härte
DIN ISO 34-1
Bestimmung des Weiterreisswiderstandes
DIN 53 512
Bestimmung der Rückprallelastizität
DIN ISO 4649
Bestimmung des Abriebs
DIN 53 508 ISO 188
Künstliche Alterung
DIN 53 509 ISO 1431-1
Bestimmung der Beständigkeit gegen Ozonrissbildung
DIN EN ISO 4892-2
Bewitterung in Geräten; Xenonbogenlampen
DIN EN ISO 877
Belichtung im Naturversuch unter Fensterglas
DIN ISO 1817
Bestimmung des Verhaltens gegen Flüssigkeiten, Dämpfe und Gase
DIN EN ISO 6179
Bestimmung der Durchlässigkeit von Elastomerfolien für flüchtige Flüssigkeiten
DIN 53 536 ISO 2782
Bestimmung der Gasdurchlässigkeit
DIN 53 530 ISO 36
Trennversuch an haftend verbundenen Gewebelagen
DIN 53 531 ISO 5600
Trennversuch an Elastomer-Metall-Bindungen
DIN ISO 6133
Auswertung von Weiterreiss-, Trenn- und Schälversuchen
DIN VDE 0303-3
Messungen des elektrischen Widerstands von nichtmetallischen Werkstoffen (VDE-Bestimmung)
DIN ISO 812
Bestimmung der Kältesprödigkeitstemperatur
597
598
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
7.4
Produktqualifikation (Umweltsimulation) Ulrich Braunmiller
7.4.1
Einleitung
Zuverlässigkeit und Haltbarkeit seines Produkts gerade stehen. Dadurch begründet sich eine erhöhte Sorgfalt und ein steigender Aufwand für die Produktqualifikation [2].
7.4.2
Technische Produkte sind während ihrer Lebensdauer einer Vielfalt von Einflüssen ausgesetzt, die sich auf die Funktion, die Gebrauchsdauer, die Qualität und die Zuverlässigkeit des Produkts auswirken. Deshalb ist es im technischen, ökonomischen und ökologischen Sinn wichtig, technische Produkte so zu konstruieren und zu fertigen, dass sie den zu erwartenden Belastungen standhalten und zuverlässig ihre Aufgaben erfüllen. Aus diesem Grund werden alle äußeren Belastungen, die ein Produkt erfahren kann, simuliert. Man spricht dabei von Produktqualifikation, oder, weil die gesamte Produktumwelt nachgebildet wird, von Umweltsimulation. Die Beweggründe dafür können sehr unterschiedlichen sein und unterscheiden sich in den verschiedenen Branchen. Mancher Hersteller führt Tests im Rahmen seiner allgemeinen Qualitätssicherung durch, ein anderer untersucht gezielt die Funktion unter Belastung. Wieder andere versuchen eine bestimmte Lebensdauer nachzuweisen oder Ausfallraten und Reparaturanfälligkeiten zu reduzieren, manch anderer auch nur weil ein Abnehmer eine bestimmte Untersuchung fordert [1]. Im Rahmen der Produkthaftung hat sich die Verantwortung eines Herstellers für sein Produkt erhöht. Er muss heute für die Sicherheit und in vielen Fällen für Funktion,
Branchen und Produkte
Gegenstand der Untersuchungen sind Produkte, Systeme oder Bauteile aus verschiedenen Branchen. (Tabelle 7-20) Bei Produkten der Luft- und Raumfahrt, der Fahrzeugtechnik oder der Medizintechnik werden alle Bauteile eines jeden Produkts untersucht. In diesen Branchen kommt kein einziger neuer Artikel auf den Markt ohne eingehende Untersuchungen und Qualifikationen. Es gibt zwei Zeitpunkte in der Entwicklung eines Produkts für die Umweltsimulation. (Bild 7-59) Entwicklungsbegleitend werden erste Muster betrachtet. Diese Teile haben noch nicht exakt die Beschaffenheit des späteren Produktes. Allerdings lassen sich an den Ergebnissen der Untersuchungen wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung ableiten. Kurz vor Serienfertigung liegt das endgültige Produkt vor. Hier hat die Umweltsimulation einen Abnahmecharakter. Ein Vorteil gegenüber den Untersuchungen an Mustern ist, dass der endgültige Entwicklungsstand vorliegt. Erforderliche Änderungen können aber zu diesem Zeitpunkt nur schwer umgesetzt werden, dies ist sehr nachteilig. Um früh in der Entwicklung eines Systems erkennen zu können, werden oft Untersuchungen an den einzelnen Bauteilen und Subsystemen durchgeführt. Da diese meist zu
Tabelle 7-20 Branchen und Beispiele von Bauteilen Branche
Beispiele von Bauteilen
Fahrzeugtechnik
Radio, Verstärker, Antennen, Elektrische Diebstahlwarnung, Airbagelektronik, -schalter, Airbagsysteme (Module, Gasgeneratoren, Gurtstraffer), Tacho, Displays, Schalter, Sitzbelegungssensoren, Spracherkennungssysteme, Reifendruckschalter, -sensor, Kunststoffkraftstofftanks, Lenkräder, Navigationsgeräte, Batterien, Magnete, Leuchtweitenregulierung, Ganganzeiger, Getriebegeber, Spracherkennungssysteme, Motorradbedienteile, Lenkstockschalter, Schlüssel, Einspritzventile, Heizgeräte, Gebläse, Motorradbekleidung, Steuereinheiten, Reifen, Verkehrsleitsysteme
Elektronik, Elektrotechnik
Laserscanner, Fernbedienungen, Gebläse, Verstärker, Notschalter, Anzeigetafeln, Datenträger, Steckverbinder, Steckerleisten, Kabel, Schalter, Sensoren, Sensorfolie, Brandmelder, Messtechnik, Drehgeber, Lichttechnik (Starter, Elektronik, Vorschaltgeräte), Lichtschranken, Lampen, Leitplatten, Alarmsysteme
Maschinenbau
Stative, Mechanische Spannsysteme, Hydraulikmotoren, Getriebe
Luft- und Raumfahrt
Anzeigeinstrumente, Dichtungen, Komponenten von Satelliten
Wehrtechnik
Computer, Munition, Waffen, Fahrzeugausrüstung
Medizintechnik
Infusionspumpen, Prothesen, medizinischer Therapie- und Diagnosegeräte (EKG-Schreiber, Ultraschallgeräte, Tomographe)
Bauwesen
Schilder, Gaszähler, Baustoffe (Stahlbetone, Mineralwolle), Rollläden, Fensterrahmen, Zutrittsysteme
Verpackung, Transport
Klebeetiketten, Transport-, Um- und Verkaufsverpackungen, Trockenmittelbeutel, Frankiermaschinen, Farbbandkassetten
7.4 Produktqualifikation (Umweltsimulation)
Bild 7-59 Von der Idee zum Produkt, wann soll geprüft werden?
Beispiel: Auslegungsgrundlagen für ein Rollladensystem An der Außenfassade angebrachte Rollladensysteme zu Abdunkelung oder Sichtschutz werden in verschiedenen Breitengraden und Klimazonen der Erde eingesetzt. Der Hersteller muss definieren, ob er seine Produkte für eine definierte Region auslegt und anbietet oder ob ein weltweiter Einsatz angestrebt wird. Rollläden aus Kunststoff haben bei täglicher Nutzung eine Lebensdauer von 20 bis bestenfalls 30 Jahren, allerdings erreichen dies die dazugehörigen Gurte und Antriebsmotoren nicht.
7.4.4 einem früheren Zeitpunkt vorliegen, ergibt sich dadurch ein Zeitvorteil. Später muss dann am vorliegenden Produkt nur noch das Zusammenwirken der Teilsysteme überprüft werden.
7.4.3
Vorgehensweise
Ziel der Umweltsimulation ist die Aufprägung aller möglichen Belastungen in kurzer Zeit. Dabei wird Wert darauf gelegt die gleiche Wirkung zu erzielen, die nach langer Einsatzdauer zu erkennen ist. Dies wird durch gleiche Schadensbilder bestätigt, von denen man auf gleiche Schadensmechanismen schließt. Überzogene Belastungen und Unfälle versucht man allerdings auszuschließen, da sich mit der Robustheit meist auch der Preis einer Ware erhöht. Im ersten Schritt werden alle möglichen Belastungen erfasst, hierzu gehören Informationen zu den Einsatzorten des Produktes, der Dauer von Belastungen, Betriebszustände und der angestrebten Lebensdauer.
599
Belastungen
Als Belastung bezeichnet man die von außen auf ein Produkt eingeprägte Ursache, als Beanspruchung deren Wirkung [3]. (Tabelle 7-21) Viele Belastungen wirken in der Umwelt meist gleichzeitig, meist kann man aber die Wirkung einer einzelnen Größe zuweisen. Daher werden diese einzeln erfasst. Nicht alle Belastungen wirken gleichzeitig und nicht alle in gleichem Maße auf ein Produkt ein. Es sind für jeden Anwendungsfall die relevanten Größen zu identifizieren [4]. Beispiel: Belastungen eines Rollladensystems Die wichtigsten Belastungsgrößen für einen Kunststoffrollladen sind Klimaeinflüsse (Temperaturen, Luftfeuchte), Sonnen- und UV-Strahlung, Niederschläge sowie mechanische Belastungen der Betätigung. Die auftretenden Belastungen werden messtechnisch erfasst und in Datenbanken zusammengeführt. Leider gibt es immer noch wenig allgemein erhältliche Daten. Die meisten von Firmen finanzierten Messungen gehen nur in deren Datensammlung ein.
Tabelle 7-21 Mögliche Belastungsgrößen (Auswahl) Mechanisch – Vibration – Stöße, Schocks – Statische Kräfte – Reibung
Druck – Unterdruck – Überdruck – Druckwechsel
Temperatur/Klima – Hohe Temperatur – Tiefe Temperatur – Temperaturwechsel – Temperaturschock – Feuchte (+Temperatur) – Betauung, Frost
Staub – Sedimentierender Staub – Staub + Wind
Korrosion – Gasförmige Reaktionspartner – Flüssige (neblige) Reaktionspartner
Strahlung – Sonne – UV – Radioaktivität
Niederschläge – Regen – Schnee, Graupel – Hagel
Chemikalien
Akustische Anregung
Biologische Einflüsse
Elektromagnetische Einflüsse
600
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
7.4.5
Ableitungen von Prüfungen
Aus den gemessenen Werten werden Prüfungen abgeleitet. Die Pegel für diese müssen nicht den gemessenen Werten entsprechen. Die gemessenen Werte schwanken in Amplitude oder Verteilung sehr stark. Keine einzelne Messung ist repräsentativ für alle anderen Messungen. Viele Produkte haben ein breites Anwendungsspektrum, will man einen breiteren Markt abdecken, so müssen auch manche nicht übliche Anwendungsfelder oder -orte betrachtet werden. Je nach Anwendungsfeld bezieht man mehr oder weniger hohe Sicherheitszuschläge mit ein. Bei gewöhnlichen Bauteilen dienen die Sicherheitszuschläge auch dazu die Unsicherheiten in der Streuung der Belastung und der Bauteilerträglichkeit abzudecken. Bei sicherheitsrelevanten Bauteilen kommen noch aufgrund der Bauteilauslegung Faktoren bis zu 3 hinzu. (Beispiele: Krane, Aufzüge, Bremssysteme, Brücken) Manche Einflussfaktoren wirken eine lange Zeit, man will diese aber in einer deutlich kürzeren Zeit abdecken. Dies ist bei allen langlebigen Produkten wie beispielsweise Automobilteilen der Fall. Daher versucht man durch Maßnahmen, darunter auch ein Erhöhen der Werte, die Zeit zu raffen. Beispiel: Einzelprüfungen für ein Rollladensystem Für Kunststoffrollläden sind Prüfungen der maximalen und der minimalen Temperatur, Bewitterungen unter Sonnenoder UV-Strahlung und mechanische Betätigungsversuche unabdingbar. Gegebenenfalls können diese Parameter noch untereinander oder mit Niederschlägen kombiniert werden.
7.4.6
Zeitraffung
Unter Zeitraffung versteht man Maßnahmen zur Verkürzung der Belastungsdauer mit dem Sinn, die gleichen Wirkungen am Objekt zu erzielen wie unter einer langen Belastungsdauer mit normalen Belastungen.
7.4.6.1
Zeitraffung ohne Pegelerhöhung
7.4.6.1.1
Zeitraffung unter Ausblenden von Ruhezeiten
Manche Belastungen wirken nur zeitweilig. Daher bietet sich hier an die reinen Einwirkzeiten aneinander zu reihen um somit eine Verkürzung der Belastungsdauer im Vergleich zur Einsatzdauer zu erzielen. Beispiel: Vibrationen im Automobil, erster Schritt der Zeitraffung durch Ausblenden von Ruhezeiten Als Auslegungsgrundlage für Automobile galt lange Zeit eine Laufleistung von 300 000 km in 5000 Betriebsstunden über
15 Jahre. Die 5000 Betriebsstunden lassen sich in etwa 7 Monaten aufprägen. Damit kann man alle Vibrationen durch die Fahrbewegung sowie durch die Anregungen des Antriebsstranges innerhalb dieser Zeitdauer durch Aufprägen der tatsächlichen mechanisch-dynamischen Belastungen simulieren. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Vibrationen oft mit anderen Einflussfaktoren wie beispielsweise thermischen Belastungen zusammen wirken. Diese synergistischen Einflüsse können bei der Ausblendung von Ruhezeiten nicht berücksichtigt werden. (Beispiel: Kriechen oder Verspröden von Kunststoffen)
7.4.6.1.2
Vernachlässigung weniger belastender Abschnitte
Bei vielen Anwendungen schwanken die Belastungspegel während ihrer Einwirkdauer erheblich; starke Abschnitte treten oft nur in sehr kurzen Zeitabschnitten auf und weniger belastende Abschnitte nehmen einen größeren Zeitraum ein. Wenn man annimmt, die weniger belastenden Abschnitte tragen zur Alterung bzw. zur Ermüdung sehr wenig bei, kann man diese vernachlässigen. Beispiel: Vibrationen im Automobil, zweiter Schritt der Zeitraffung durch Vernachlässigung weniger belastender Abschnitte Vibrationen durch die Fahrbewegung hängen im hohen Maße von Untergrund und von der Fahrgeschwindigkeit ab. Leerlauf im Stand oder eine gleichmäßige langsame Fahrt führt nicht zu starken Vibrationen. Daher bietet es sich an, nur die Abschnitte zu betrachten, die über schlechte Straßen oder durch Schlaglöcher gehen oder einfach einen hohen Vibrationspegel haben. Je nach Grad der Auswahl reduziert sich dabei die zu betrachtende Zeit unter Umständen auf wenige Tage oder Wochen.
7.4.6.2
Zeitraffung mit Pegelerhöhung
Höhere Belastungen führen zu schneller eintretenden Wirkungen. Daher kann man durch Erhöhung der Belastungspegel eine Zeitraffung erzielen. (Bild 7-60) Allerdings sind die Gesetzmäßigkeiten, nach denen eine höhere Belastung eine höhere Wirkung erzielt, in den seltensten Fällen genau bekannt. Sie sind von den Werkstoffen und den Geometrien abhängig, in der Regel nichtlineare Funktionen und nicht beliebig zu höheren Werten fortsetzbar. Letzteres bedeutet, dass sich aufgrund einer Pegelerhöhung auch der Schadensmechanismus verändern kann, also dass sich Schadensentstehung und -bild verändern. Dies führt zu falschen Aussagen und muss vermieden werden.
7.4 Produktqualifikation (Umweltsimulation)
601
Hierbei handelt es sich allerdings um eine grobe Näherung, die Ungenauigkeit nimmt dabei mit der Temperaturerhöhung deutlich zu. Auch steigt das Risiko, dass realitätsferne Wirkungen auftreten, erheblich. Werden Nichttemperatureinflüsse simuliert, so ist stets das zu betrachtende Objekt auf einer bestimmten Temperatur. Das kann man nutzen, um bei Einflussgrößen, wie beispielsweise Vibrationen oder Korrosionen, die Wirkung beschleunigt zu erzielen, ohne die eigentliche Einflussgröße zu erhöhen.
Bild 7-60 Mögliche Ursache – Wirkungsbeziehungen (A: linearer Zusammenhang, B, C: Beispiele nichtlinearer Zusammenhänge
Beispiel: Vibrationen im Automobil, dritter Schritt der Zeitraffung durch Pegelerhöhung Durch Erhöhung der Vibrationsamplitude können Schwingungsversuche für viele Automobilteile nachdem bereits Ruhezeiten ausgeblendet und wenig belastende Abschnitte vernachlässigt wurden, auf einen oder wenige Tage reduziert werden.
7.4.6.2.1
Zeitraffung durch Temperaturerhöhung
Viele Alterungsvorgänge beruhen auf chemische Reaktionen. Svante Arrhenius (1859 bis 1927) zeigte auf, dass die chemische Reaktionsgeschwindigkeit nachhaltig von der Temperatur abhängt. v=c·e
EA – k6 ·T
EA 1 1 –5 · 7 – 7 tFeld vTest k T Test TFeld A=7 = = e 7 t v
test
Feld
v: Reaktionsgeschwindigkeit T: Temperatur (in K) EA: Aktivierungsenergie (z.B. 0,45 eV für Elektronikkomponenten) k: Allg. Gaskonstante (Boltzmann-Konstante 8,617 · 10–5 eV/K = 1,380662 · 10–23 J/K) c: Konstante, von den Werkstoffeigenschaften abhängig A: Beschleunigungsfaktor t: Zeit Eine Temperaturerhöhung von 10 K bewirkt unter dieser Näherung eine – Verdoppelung der Reaktionsgeschwindigkeit – Halbierung der Lebensdauer – Halbierung der Versuchsdauer
Beispiel: Thermische Alterung von Rollläden Die Temperatur für Alterungsversuche sollte nicht höher als die maximale Einsatztemperatur der Werkstoffe sein. Mit der Annahme einer Alterungstemperatur von 70 °C und einer angenommenen Durchschnittstemperatur von 10 °C, die noch knapp über der Durchschnittstemperatur in Deutschland liegt [5], erhält man eine Zeitraffung um den Faktor 64 (26). Die thermischen Einflüsse von 30 Jahren lassen sich somit innerhalb eines halben Jahres simulieren. Beispiel für die Grenzen der Zeitraffung: Alterung von Kunststoffbauteilen Kunststoffbauteile haben eine relativ geringe maximale Einsatz- bzw. Lagertemperatur. Überschreitet man diese, treten Effekte aufgrund der eingeschränkten Formstabilität bis hin zum Aufschmelzen des Werkstoffes auf, die auch nach sehr langer Nutzungsdauer nicht beobachtet werden. Dann sind die Werkstoffe nicht beschleunigt gealtert sondern auf eine anderer Art und Weise beschädigt worden. Andere Modelle, die zum Teil das Arrhenius Modell verfeinern und zum Teil neben der Temperatur auch den Feuchteeinfluss berücksichtigen sind: – Lawson Modell (RH2-Modell, Arrhenius mit Temperatur und Feuchte) – Coffin-Manson Modell (Thermische Zyklen) – Power-rule-modell (Power-Law, Levenbach, Peck) – Eyring-Modell (Goldberg) – Reciprocal Exponential
7.4.6.2.2
Pegelerhöhung bei mechanischen Belastungen
Aus der Betriebsfertigkeitslehre wird die Wöhlerkurve verwendet. (Bild 7-61) Biegewechsel an Werkstoffen werden nur bis zu einer bestimmten Anzahl ertragen. Erhöht man die Spannungsamplitude, so nimmt die Anzahl der ertragbaren Lastwechsel ab. Bei normalen mechanisch-dynamischen Belastungen treten nicht stets die gleichen Amplituden auf. Daher addiert man den Schädigungsanteil der verschiedenen Amplituden nach Palmgren-Miner linear [3].
602
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Bild 7-61 Wöhlerkurve
Für sinusförmige Schwingungen gilt: treal âtest s = 7 6 ttest âreal
t: Zeit â: Amplitude der Beschleunigung s: Exponentialfaktor (üblicher Weise s = 6) Für Breitbandrausch gilt: treal PSDtest k = 93 6 ttest PSDreal
t: PSD: k: b: n:
Zeit Leistungsdichtespektrum in g2/Hz oder (m/s2)2/Hz Exponentialfaktor (üblicher Weise 4 < k < 10) k = b/n Steigung der Wöhlerkurve (materialabhängig) Dämpfung (n=2,4; für Elastomere n=2,0)
Die Exponenten dieser beiden Formeln bestimmen stark die Zeitraffung durch Pegelerhöhung bei Vibration. Zu beachten ist, dass kleine Exponenten zu einer höheren Belastung füh-
ren (Pegelerhöhung führt zu kleiner Zeiteinsparung). Diese Exponenten sind werkstoffspezifisch und hängen von der Steigung der Wöhlerkurve ab, die für viele Werkstoffe insbesondere Kunststoffe nicht verfügbar ist. Für Bauteile aus verschiedenen Werkstoffen kann man auch unterschiedliche Exponenten verwenden. Daher werden oft mittlere Werte verwendet. Die Ungenauigkeit nimmt daher mit der Pegelerhöhung stark zu. Beispiel: Vibrationen im Automobil Gemessene Leistungsdichtespektren für Breitbandrauschen liegen bei einem Effektivwert von etwa 5 m/s2, eine Pegelerhöhung bis 20 m/s2 wird in der Praxis oft verwendet. Dadurch erhält mein eine Vervierfachung der Pegel und mit dem Exponentialfaktor 4 eine Verkürzung der Versuchsdauer um den Faktor 44 = 256 [6].
7.4.7
Methodik
Die Erträglichkeit gibt an, inwieweit Bauteile den aufgeprägten Belastungen standhalten. Die Erträglichkeit, selbst von Gleichteilen, streut [7], [8].
7.4 Produktqualifikation (Umweltsimulation)
Bild 7-62 Belastung und Erträglichkeit
603
Bild 7-63 Aufprägen der größten Belastungen bei der Produktqualifikation
Die auf den Markt gebrachten Teile erfahren eine unterschiedliche Lebensgeschichte, daher streuen auch die auftretenden Belastungen. Nur der Anteil der erzeugten Produkte fallen aus, bei denen sich die Belastungs- und die Erträglichkeitskurve überschneiden. (Bild 7-62)
7.4.7.1
Produktqualifikation
Bei der Prüfung an Neuteilen wird versucht die höchsten Belastungen aufzuprägen (Bild 7-63). Alterung von Teilen verändern ihre Eigenschaften, darunter auch die Erträglichkeit, sie wird in aller Regel vermindert und verbreitert (Bild 7-64). Beispiele für die Verringerung der Erträglichkeit von Produkten mit der Alterung sehen wir immer dann, wenn ältere Geräte ausfallen obwohl sich die äußeren Bedingungen nicht verändert haben [9]. Von den Produkten wird erwartet, dass sie den tatsächlichen Belastungen ohne Einschränkungen standhalten. Das bedeutet, dass sie weder Schaden nehmen noch in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Aus Sicherheitsgründen werden oft Zuschläge in den Belastungen, d. h. kleine Pegelerhöhungen vollzogen. Die künstliche Alterung von Bauteilen, die eine Verschiebung der Erträglichkeit mit sich bringt, kann man durch eine Verschiebung der Belastungen ebenfalls simulieren.
7.4.7.2
Entwicklungsbegleitende Erhöhung der Robustheit
An Entwicklungsmustern, die schon nahe am endgültigen Produkt sind, werden Prüfungen durchgeführt, indem die
Bild 7-64 Verschiebung der Produktverträglichkeit durch Alterung
Pegel erhöht werden bis ein Fehler auftritt. (Bild 7-65) Dies kann deutlich über das normale Maß gehen. Dieser Fehler oder der daraus entstandene Schaden wird repariert und das Teil wird weiter mit noch höheren Pegeln belastet bis wieder ein Fehler auftritt und so weiter bis keine Reparatur mehr möglich ist. Daraus erhält man eine Liste von Schwachstellen. Da man viele davon mit einfachen Mitteln beheben kann, resultiert so eine Verbesserung des Produkts hinsichtlich seiner Erträglichkeit. Allerdings verbessert man damit auch oft an unnötigen Stellen. Bei Schwachstellen, die nicht auf eine einfache Art oder unter erheblichem Aufwand (z. B.
604
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
entspringt allerdings mehr einer Verkaufsstrategie als einer Beschreibung des Vorgehens, mit beschleunigter Lebensdauerprüfung hat dieses Vorgehen nichts zu tun. Bei diesen Tests, die während der Produktentwicklung durchgeführt werden, können allerdings nur thermische und mechanische Belastungen (periodische Schocks) durch schnelle Temperaturwechsel und pneumatische Hammerschocks aufgeprägt werden. Sie geben auch keine Aussage über die generelle Eignung eines Produkts in einer definierten Umgebung.
7.4.7.3
Bild 7-65 Schnelltest durch ständige Erhöhung der Belastung, es kommt zwangsläufig zu Ausfällen (HALT Highly Accelerated Life Testing)
Verteuerung des Produkts) zu beheben sind, ist eine Entscheidung aber schwer zu treffen. Bei diesem Vorgehen spricht man von TAAF (Test Analyse and Fix) oder von HALT (Highly Accelerated Life Testing). Letzterer Begriff
Bild 7-66 Typische Ausfallwahrscheinlichkeit technischer Erzeugnisse über der Zeit
Prüfung von Neuteilen auf Schwachstellen (Frühausfälle)
Untersucht man die Ausfallwahrscheinlichkeiten technischer Erzeugnisse, erhält man immer wieder eine ähnliche Funktion für die Ausfallwahrscheinlichkeit. Bei neuen Produkten ist die Ausfallrate höher und fällt auf einen niedrigeren, dann annähernd konstant bleibenden Wert ab. Bei einem deutlichen Alter der Teile steigt dann die Ausfallrate wieder, die Erzeugnisse oder bestimmte Teile daraus haben ihre Lebensdauer erreicht (Bild 7-66). Gerade die Frühausfälle stören die Hersteller. Daher versucht man Bauteile, die eine hohe Frühausfallrate bei geringen
7.4 Produktqualifikation (Umweltsimulation)
605
Spätausfällen zeigen, während der Produktion durch definierte Belastungen zu altern und die defekten auszusortieren. Dieser Prozedur müssen dann alle produzierten Teile unterzogen werden. Verwendet man für die Alterung Belastungen, die höchstens die Maximalbelastungen der Bauteile erreichen, so redet man von Environmental Stress Screening (ESS) [10], [11]. Hat man in der Produktentwicklung einen Test zur Erhöhung der Robustheit durchgeführt, wie beispielsweise einen HALT Test, kann man die darin gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um eine Belastung aufzuprägen, die über den maximalen Umgebungsbelastungen liegt, aber in der Regel von den Produkten noch ertragen wird, dies nennt man Highly Accelerated Stress Screening (HASS), [12].
len, konstante Kälte führt zu Versprödungen. Temperaturwechsel führen zu Kondensation und aufgrund verschiedener Wärmeausdehnungen zu Spannungen in Werkstoffen und tragen damit zur Rissbildung bei. Sehr schnelle Temperaturänderungen werden auch Temperaturschocks genannt. Diese vergrößern die Effekte des Temperaturwechsels. Temperaturschocks werden meist in einem Zweikammerverfahren durchgeführt. Die Bauteile verweilen bei einer der beiden Extremtemperaturen bis sie durchtemperiert sind und kommen dann innerhalb weniger Sekunden in die Kammer mit der anderen Temperatur. Da Luft eine geringe Wärmekapazität besitzt, kann man die Wirkung durch flüssige Medien erhöhen.
Beispiel: Elektronische Bauteile Um die Frühausfallrate zu reduzieren, werden elektronische Komponenten (Integrierte Schaltungen, Widerstände, Kondensatoren, bestückte Leiterplatten) hochwertiger Erzeugnisse vor dem Zusammenbau bei erhöhter Temperatur einen definierten Zeitraum betrieben und anschließend überprüft. Dadurch wird vermieden, dass schwache oder fehlerhafte Komponenten eingesetzt werden. Damit kann die Zuverlässigkeit elektronischer Systeme erheblich gesteigert werden.
7.4.8.2
Klimaprüfungen
7.4.8
Einzelprüfungen
Unter Klima versteht man in der Umweltsimulation die gleichzeitige Regelung der Temperatur und der Luftfeuchte (Tabelle 7-23). Meist ist dabei eine hohe Luftfeuchte ein Belastungsfaktor, nur sehr wenige Werkstoffe zeigen eine Empfindlichkeit gegen sehr trockenes Klima. Zudem lagern sich bei feuchtem Klima monomolekulare Lagen Wasser an Oberflächen an. Dadurch werden Stofftransportvorgänge an der Oberfläche ermöglicht. Luftverunreinigungen können somit zu Korrosionsvorgängen führen, [13].
7.4.8.1
Temperaturprüfungen
7.4.8.3
Temperaturbelastungen sind oft die dominierenden Gründe für Ausfälle. Dabei können konstante Wärme oder Kälte oder zyklische Temperaturänderungen relevant sein (Tabelle 7-22). Konstante Wärme beschleunigt die Alterung von Tei-
Schutzart
Schutzartprüfungen dienen weniger der Alterung von Bauteilen als mehr zum Nachweis einer geforderten Dichtheit von Gehäusen. Einerseits ist dies ein sicherheitsrelevantes Merkmal bei stromführenden Teilen, andererseits bedeutet
Tabelle 7-22 Einige Beispiele zur Wirkung von Temperaturprüfungen Einflussfaktor
Bauteile
Wirkung
Wärme, Kälte
Leistungselektronik, Widerstände
Überhitzung durch Eigenerwärmung Leistungsbeeinträchtigung, Veränderung der Eigenschaften, Drift
Elastomere, Dichtungen
Versprödung, Zerstörung, Verformung
Gleitlager
Verlust der Schmierwirkung, Erhöhung der Viskosität
Kunststoffbauteile
Änderung der mech. Eigenschaften, Verfärbungen
Elektronische Schaltungen
Lösen von Verbindungen
Temperaturwechsel
Kunststoffbauteile
Rissbildung
Beschichtete Gehäuse
Ablösen der Beschichtung
Glasbauteile
Rissbildung, Splittern
Dichtungen
Leckbildung
606
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
Tabelle 7-23 Einige Beispiele zur Wirkung von Klimaprüfungen Bauteile
Wirkung
Elektronische Schaltungen Gleitlager Bauteile aus wasseraufnehmenden Werkstoffen Optische Bauelemente Bauteile aus Naturstoffen Metallische Bauteile
Veränderung von Eigenschaften, Kurzschluss Wasseraufnahme der Schmierstoffe, Veränderungen der Schmiereigenschaften Aufquellen Beschlagen, Verschmutzung Feuchteaufnahme, Quellung, Verrottung, Rissbildung Korrosion
dies aber auch den Schutz des Gehäuseinnern vor Umweltbelastungen bilden. Es gibt Tests zum Wasser-, Staub- und Berührungsschutz von Geräten, Gehäusen und Baugruppen (Tabelle 7-24). Eintritt von festen oder flüssigen Fremdstoffen führt meist zu Funktionsstörungen und zu Korrosion.
7.4.8.4
Korrosionsprüfungen
Der Begriff Korrosion bezeichnet die allmähliche Zerstörung eines Stoffes durch Einwirkungen anderer Stoffe aus seiner Umgebung. Diese Definition schließt alle Materialen ein. Im Folgenden wird diese verwendet (Tabelle 7-25). In einem engeren Sinn werden aber auch Reaktionen eines metallischen Werkstoffes mit seiner Umgebung als Korrosion bezeichnet. Die Zerstörung beginnt meist an der Oberfläche der Bauteile. Aufgrund der unterschiedlichen chemischen oder elektrochemischen Reaktionen, die zur Korrosion führen, gibt es verschiedene Arten, diese in der Simulation anzuregen. In der Umweltsimulation verwendet man entweder eine gasförmige oder eine neblige Atmosphäre zum Anregen von Korrosionsvorgängen und gegebenenfalls zyklische Abfolgen [14]:
– Salznebel konstant oder zyklisch (5 %NaCl-Lösung, ggf. mit Essigsäure und Kupfer(II)chlorid), Salznebel tritt etwa bis 150 km bis 200 km Entfernung von der Küste auf, auch wird durch Salznebel die Streusalzwirkung simuliert – Kondenswasser (100% Feuchte) – Kondenswasser-Wechselprüfung (Kesternich) (Wechsel zwischen Schwefeldioxid, Betauung und Trocknung) – Schadgas (eine oder mehrere Komponenten) beispielsweise mit H2S, SO2, Cl2 und NO2
7.4.8.5
Mechanische Prüfungen
Mechanische Belastungen führen zu Brüchen, Deformationen und optischen Veränderungen an Bauteilen (Tabelle 7-26). Hierbei unterscheidet man in statische, dynamisch transiente und dynamisch dauerhafte Belastungen [15]. Statische Belastungen untersucht man mit Kompressionsversuchen. Kompressionstester drücken auf gesamte Bauteile oder gezielt auf eine definierte Fläche. Diese Versuche werden hauptsächlich an verpackten Gütern als Test an der Verpackung durchgeführt.
Tabelle 7-24 Vergleich von Schutzartprüfungen nach Norm EN 60529 (Elektrotechnik) Erste Kennziffer
Berührungsschutz 1, 2, 3, 4 Staub 5, 6
Zweite Kennziffer
Wasser
DIN 40050 Teil 9 – ISO 20653 (Automobilbau)
identisch Mit und ohne Unterdruck
Kein Unterdruck
Staubmedium Talkum
Staubmedium Portlandzement / Flugasche (Arizonastaub)
Staub ist schmierend
Staub ist abrasiv
Strömung vertikal von oben
Strömung vertikal von oben und horizontal
Staubprüfung kontinuierlich
Staubprüfung zyklisch
8 Wasserkategorien
11 Wasserkategorien
7.4 Produktqualifikation (Umweltsimulation)
607
Tabelle 7-25 Beispiele zur Wirkung korrosiver Belastungen Bauteile
Wirkung
Elektrische Steckverbinder Leiterplatten Lackierte Oberflächen Bauteile aus metallischen Werkstoffen Kunststoffteile in elektrischen Anlagen
Korrosion am Steckkontakt und Erhöhung elektrischer Widerstände Veränderung der Schaltungscharakteristik durch Korrosion der Kupferbahnen Blasenbildung an Lacken und galvanischen Schichten durch Unterwanderung der Schutzschicht Korrosion Bildung von sauren und alkalischen Lösungen (Elektrolyte)
Kurze einmalige oder Stoßvorgänge von außen werden mittels Pendelhammer, Federhammer oder Vertikalhammer (Freifallhammer) aufgeprägt. Dabei trifft eine definierte, meist als Kugelausschnitt geformte Fläche mit festgelegter kinetischer Energie auf die empfindlichsten Stellen der Versuchsmuster. Fallvorgänge oder Stöße auf Produkte werden durch Schocktestmaschinen simuliert. Die zu belastenden Teile werden dabei fest auf einen Prüftisch gespannt, der durch seine Gewichtskraft oder durch eine Pneumatikvorrichtung beschleunigt werden kann. Der eigentliche Schock wird durch abruptes Abbremsen erzielt. Mit Schwingerregern kann man harmonische Schwingungen (Sinusschwingungen) und stochastische Schwingungen (Breitbandrauschen) anregen. Auch kleinere Schocks lassen sich durch Schwingerreger erzeugen.
7.4.9
Kombinierte Prüfungen
Alle Belastungen nach Tabelle 7-27 können gemeinsam eingebracht werden. Dies bringt aber nur in bestimmten Fällen Vorteile (Tabelle 7-27), so dass in der Regel die Belastungen nur dann gemeinsam aufgeprägt werden, wenn diese synergistisch wirken. Dies ist der Fall, wenn Wirkungen erzielt werden, die keine der Einzelbelastungen allein oder die Einzelbelastungen in beliebiger Reihenfolge nacheinander erzielen können. Unabdingbar ist die Kombination von korrosivem Medium und Luftfeuchte bei den Korrosionsuntersuchungen. Häufig werden die Umweltbelastungen mit Betriebsbelastungen der zu prüfenden Produkte kombiniert.
Tabelle 7-26 Beispiele zur Wirkung mechanischer Belastungen Bauteile
Wirkung
Fahrzeug- oder Maschinenteile
Bauteilermüdung, z. B. durch Resonanzanregung (Ermüdungs- und Schwingungsbrüche) in Form von Rissbildung Lösen von Fixierungen
Transportgüter
Wanderung von verpackten Gütern in geschütteten Polstern Verschlechterung der Ladungssicherung Oberflächenschäden durch Stoß-, Reib- oder Scheuervorgänge
Tabelle 7-27. Vergleich kombinierter Belastungen und Einzelbelastungen Gemeinsames Aufprägen aller Belastungen
Vereinzelung der Belastungen
Vorteile
+ Synergieeffekte werden berücksichtigt + kürzere Testzeiten + Frage der Reihenfolge von Prüfungen stellt sich nicht
+ günstiger + Fehlersuche einfacher + Anlagen vorhanden
Nachteile
– Teure Anlagen – Kombinationsanlagen sind nicht häufig verfügbar – Fehlermechanismen sind schwer zu identifizieren
– Synergieeffekte werden nicht berücksichtigt – Problem der Reihenfolge
608
7 Prüfung von Kunststoffen und Bauteilen
7.4.10
Zusammenfassung und Ausblick
Die Umweltsimulation trägt wesentlich zur Steigerung der Produktqualität bei. Schwachstellen können frühzeitig erkannt und beseitigt werden, die Eignung eines Produkts für seinen Einsatz wird nachgewiesen. In den Branchen und Einsatzgebieten, in denen heute schon derartige Untersuchungen angestellt werden, sind die Versagens- und Ausfallraten deutlich reduziert. Die Entwicklung der Produktqualifikation in den letzten 10 Jahren zeigt, dass heute deutlich mehr geprüft wird als damals. Sowohl die Intensität der Prüfung einzelner Teile hat zugenommen wie auch die Berücksichtigung prüflingsspezifischer Besonderheiten. Beispiel: Automobilelektronik Die Ausfallraten der gesamten Automobilelektronik sind in den letzten Jahren nach einer anfänglichen Steigerung konstant geblieben und fallen derzeit wieder, obwohl immer mehr elektronische Teile im Fahrzeug eingebaut werden. Dies bedeutet, dass die Zuverlässigkeit der einzelnen Komponente deutlich erhöht werden konnte. Viele der neu auf den Markt kommenden Produkte sind in Aufbau und Technologie Weiterentwicklungen bestehender Vorgänger. Bei den Vorgängern hatte man oft schon Fehler erkannt und abgestellt, nicht erkannte Schwachstellen wurden oftmals durch Feldausfälle im Laufe der Jahre sichtbar. Dies eröffnet die Möglichkeit, an den Schwachstellen vergangener Produkte zu lernen. Entwicklungszyklen werden immer kürzer, für eine Validierung des Produkts bleibt am Ende der Entwicklung immer weniger Zeit. Eine Möglichkeit die Dauer zu verkürzen ist die gleichzeitige Beaufschlagung mehrerer relevanten Faktoren. Nachteile sind die hohen Kosten für derartige Anlagen sowie eine Erschwernis der Fehlererkennung. Man muss die Qualifikation von Produkten nicht ganz am Ende der Produktentwicklung durchführen, man kann auch an Entwicklungsmustern und frühen Prototypen wichtige Erkenntnisse gewinnen. Zwar wird dabei nicht das endgültige Produkt der Analyse unterzogen, was eine gewisse Unsicherheit bedeutet, aber der Zeitvorteil und vor allem die Möglichkeit zu diesem Zeitpunkt noch gravierende Veränderungen vornehmen zu können, macht dieses Vorgehen attraktiv. Mechanisches und das thermische Verhalten von Bauteilen lassen sich rechnerisch erfassen. Es gibt kaum eine Produktentwicklung, bei der kein verwertbarer Satz an Eingangsdaten für Berechnungen vorliegt, dazu gehören: – Konstruktionszeichnungen – Werkstofftabelle, und -daten (Belastungsdaten)
– Belastungsannahmen – Schadensdatenbanken, -daten Es gibt Ansätze, die Ergebnisse der Produktqualifikation mit Computerprogrammen abzuschätzen. Dies wird die Möglichkeit gezielterer Untersuchungen ermöglichen.
Literatur – Kapitel 7.4 [1]
Vogl G (1999) Umweltsimulation für Produkte – Zuverlässigkeit steigern, Qualität sichern. Vogel Fachbuch, ISBN 3802317823 [2] Environmental Engineering Handbook. SEES (Swedish Environmental Engineering Society), Item No. 003 [3] Braunmiller U (1994) Wirkungen von mechanischdynamischen Transportbelastungen auf Transportgüter und Verpackungsmaterialien. Wissenschaftliche Schriftenreihe des ICT, Bd 9, ISSN 0933-0062 [4] Schubert H, Ziegahn K-F (1999) Environmental Engineering: Fundamentals and Strategies. In: Reichert T Climatic and Air Pollutions Effects on Materials and Equipment. CEEES Publication No- 2, ISBN 39806167-2-X [5] Deutscher Wetterdienst, DWD, Klimastatusbericht 2005, ISBN 3-88148-413-2 [6] Souchard E, Lenfant P (1991) Vibration testing in the automotive industriy. Noise & Vibration Worldwide, ISSN 0957-4565 [7] Braunmiller U (1999) Source Reduction by European Testing Schedules (SRETS). BCR Information, Office for Official Publications of the European Communities, Report EUR 19090, ISBN 92-828-7624-1 [8] Trost T (1998) Source Reduction by European Testing Schedules (SRETS) – Identification of Damage Inducing Mechanisms. BCR Information, Office for Official Publications of the European Communities, Report EUR 18267 EN, ISBN 92-828-3604-5 [9] Fundamentals of Acceleration Stress Testing, Thermotron Industries (1998) [10] Holy M (2004) Environmental Stress Screening: State of the Art oder Alter Zopf. In: Umwelteinflüsse erfassen, simulieren, bewerten. 33. Jahrestagung der GUS, ISBN 3-9808 382-4-2 [11] Holy M (1999) Synthesis of an ESS Survey at the European Level. CEEES Publication No. 3, ISSN 11046341 [12] Mountogianakis H (2004) Hochbeschleunigte Lebensdauertests HALT/HASS – Von der Designverifikation zur erfolgreichen Qualifikation. In: Umwelteinflüsse erfassen, simulieren, bewerten. 33. Jahrestagung der GUS, ISBN 3-9808 382-4-2
7.4 Produktqualifikation (Umweltsimulation) [13] Cäsar J, Braunmiller U (2004) Betauung – die unbekannte Größe. In: Umwelteinflüsse erfassen, simulieren, bewerten. 33. Jahrestagung der GUS, ISBN 3-9808 382-4-2 [14] Reichert T, Cäsar J (1999) Corrosion Tests on Electronical Products. In: Reichert T Climatic and Air Pollutions Effects on Materials and Equipment. CEEES Publication No. 2, ISBN 3-9806167-2-X [15] Furrer E, Ziegahn K-F (2005) Transportbelastungen – Tipps und Tricks. Gesellschaft für Umweltsimulation, ISBN 3-9808 382-7-7
Weiterführende Literatur Brown RP (1984) Taschenbuch der Kunststoff-Prüftechnik. Hanser Verlag, München Cromton TR (2006) Polymer Reference Book. 1. Aufl, 704 S, Rapra Technology, Shawbury, UK (Polymercharakterisierung, Qualitätsmanagement) Felber E (2007) Automobilentwicklung mit dem Einmachglas (Geruchstest). Kunststoffe 97(2007)11, S 105–107 Finn G, Hissmann O (2007) Unbestechliche Augen – Folieninspektion. Kunststoffe 97(2007)5, S 46–49
609
Hissmann = (2007) Lückenlose Kontrolle (Polymer- und Folienherstellung). Kunststoffe 97(2007)10, S 245–248 Knappe S (2007) Ist die Formulierung richtig? (Thermogravimetrie). Kunststoffe 97(2007)10, S 255–257 Krampe R (2007) Perfekte Augen (Folieninspektion). Kunststoffe 97(2007)10, S 240–244 Michaeli W, Tondorf A, Berdel K (2007) Dreidimensionale Schaumstrukturanalyse (Qualitätssicherung). Kunststoffe 97(2007)10, S 264–267 Reichert T (Hrsg) (2004) Natural and Artificial Ageing of Polymers. GUS, Publ 5, Pfinztal Riedl A (2007) Mehr als Prüfen – Kalkulierbarer Wettereinfluss. Kunststoffe 97(2007)5, S 58–60 Schmiedel H (1992) Handbuch der Kunststoffprüfung. Hanser Verlag, München Schulz H, Krajewski P et al. (2007) Unerwünschte Emissionen müssen nicht sein. Kunststoffe 97(2007)11, S 100–103 Steinhoff B et al. (2007) Prozessbedingter Abbau von Polymilchsäure (Extrusion). Kunststoffe 97(2007)10, S 259– 262 Wietzke S, Rutz F, Koch M (2007) Der Terahertz-Blick – Spektroskopie. Kunststoffe 97(2007)5, S 52–56
8
Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling Jörg Woidasky
8.1
Kreislaufwirtschaft und Recycling
Die Forderung nach „nachhaltigen Wirtschaftsformen“ umfasst wirtschaftliche, technische, soziale und ökologische Anforderungen, die eine ausgewogene „dauerhaft durchhaltbare Entwicklung“ ermöglichen sollen. Der Grundgedanke dabei ist, die Entwicklungsmöglichkeiten der kommenden Generationen mindestens auf dem Niveau der heutigen zu erhalten. Ein Teilaspekt der ökologischen Nachhaltigkeit ist die Kreislaufschließung von Stoffen und Produkten. Die Kreislauffähigkeit von Werkstoffen lässt sich dabei nicht abstrakt definieren, sondern muss die jeweiligen Rahmenbedingungen mit einbeziehen. Hierzu zählt u. a. der Einsatzzweck, die möglichen Werkstoffalternativen, aber auch das Nutzerverhalten und die vorhandenen Strukturen zur Kreislaufführung oder Entsorgung der Altprodukte: Während etwa um 1980 Kunststoffe oft als nicht recyclingfähig galten, wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Verfahren entwickelt und zum Teil großtechnisch umgesetzt, die die Verwertung von Kunststoffen aus den Bereichen Verpackung, elektrische/elektronische Produkte oder Altfahrzeug ermöglichen. Ein maßgeblicher Treiber hierbei waren und sind rechtliche Rahmenbedingungen, die zunehmend das Prinzip der Produktverantwortung festschreiben, so dass Herstellern oder Inverkehrbringern von Produkten auch die Verantwortung für deren Entsorgung übertragen wird. Diese Produktverantwortung erfordert dann die Information der Nutzer über Entsorgungsmöglichkeiten sowie den Aufbau von Strukturen zur Sammlung, ggf. Demontage, Sortierung und Verwertung von Produkten (unter dem Begriff „Restwertbestimmung“ in Bild 8-1 zusammengefasst). Ziel der Kreislaufschließung war und ist die Schonung natürlicher Ressourcen durch verminderten Werkstoffverbrauch und geringeren Bedarf an Entsorgungskapazitäten. Neben dieser Betrachtung der Nachnutzungsphase sind auch im Sinne der Nachhaltigkeit die Phasen der Produktkonzeption, der Herstellung und der Nutzung relevant.
Während bei der Produktkonzeption die Möglichkeiten für nachhaltige Nutzungs- und Entsorgungsformen festgelegt werden, ist bei der Herstellung u. a. die Frage nach den Arbeitsbedingungen von Relevanz. Bei der Nutzung wiederum sind Auswirkungen auf (Mit)Mensch und Umwelt von Bedeutung für die Nachhaltigkeit des Produkts. Umfassend können diese Fragen kaum beantwortet werden. Für die detaillierte Untersuchung der umweltlichen Auswirkungen steht das standardisierte Verfahren der Ökobilanzierung/ Life Cycle Assessment nach der Normenreihe DIN ISO 14040ff bereit (siehe auch 8.2).
8.1.1
Bauteil-Wiederverwendung
Die erneute Verwendung von Bauteilen schließt einen kleinen Kreislauf, bei dem im Vergleich zur Herstellung neuer Bauteile wenige Prozessschritte durchlaufen werden. Somit liegt die Bauteil-Verwendung auf einer hohen Stufe in der ökologischen Rangfolge der Kreislaufverfahren. KunststoffBauteile werden jedoch oft als Gehäuse- oder Außenbauteile verschiedener Produkte eingesetzt und tragen durch ihre Variationsmöglichkeiten maßgeblich zur stilistischen Differenzierung der Produktgenerationen bei, so dass sie in den seltensten Fällen für andere Generationen eingesetzt werden können. Eine Wiederverwendung von Kunststoffbauteilen kann jedoch bei solchen Produkten sinnvoll sein, für die eine Endbevorratung von Ersatzteilen durchgeführt wird, deren Umfang durch Wiederverwendung von Produkt-Rückläufern ergänzt werden kann. Dennoch bleibt der Umfang der Wiederverwendung begrenzt, betrachtet man das Beispiel Alt-Pkw: Bei 10 - 20 % der abgemeldeten Fahrzeuge wird derzeit eine Altteileverwertung durchgeführt, die Demontagehäufigkeit von Kunststoffteilen liegt in der gleichen Größenordnung, jedoch nur etwa knapp 3 Masse-% der Alt-Pkw werden im Teilekreislauf rezykliert.
8.1 Kreislaufwirtschaft und Recycling
611
Bild 8-1 Grundprinzip der Kreislaufwirtschaft
8.1.2
Möglichkeiten der werkstofflichen Kreislaufführung
Die Möglichkeiten der werkstofflichen Kreislaufführung von Polymeren werden in Tabelle 8-1 dargestellt. Die Wiederverwertung von Produktionsabfällen (Angüsse, Butzen) ist Stand der Technik, um den Werkstoffverbrauch zu minimieren. Hierfür werden Mühlen verschiedenster Größe eingesetzt und das Mahlgut direkt in den Produktionsprozess zurückgeführt. Für die werkstoffliche Kreislaufführung von Altteilen wird eine möglichst hohe und gleichbleibende Rezyklatqualität angestrebt. Eine wichtige Einflussgröße bei Altteilen mit thermoplastischer Polymermatrix ist dabei die Kettenlänge. Durch Alterungs- und Verarbeitungsprozesse wird die Kettenlänge der Polymere beeinflusst, so dass bei mehrfach verarbeiteten und gealterten thermoplastischen Polymeren eine Verschlechterung der Werkstoff-Kennwerte eintritt. Der Einfluss der Alterung von duroplastischen Matrix-
werkstoffen auf die Rezyklatqualität scheint dagegen vernachlässigbar zu sein. In den wenigsten Fällen werden gebrauchte Materialien ohne Modifikation wieder verarbeitet. Der Regelfall ist zum einen die Zumischung von Neuware, zum anderen die gezielte Eigenschaftseinstellung durch Additivierung/Compoundierung. Bewährt haben sich dort, wo neuwaregleiche Werte für rezyklathaltige Polymere angestrebt werden, Rezyklatanteile von etwa bis 30 Masse-%. Ein wichtiges Element des Thermoplastrecyclings ist die Schmelzefiltration, die der Abtrennung ungeschmolzener oder nicht aufschmelzbarer Partikel in der Polymerschmelze dient. Diese Partikel werden von Metallgeweben oder Lochplatten zurückgehalten und mit einem Teilstrom der Polymerschmelze ausgetragen. Der Massenverlust der Polymerschmelze liegt hier bei etwa 3 bis 5 % zuzüglich der Masse der abgetrennten Partikel. Die äußeren Alterungsursachen für Außenbauteile aus Kunststoffen sind z. B. Bewitterung (UV-Strahlung, Wasser-
612
8 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling
Tabelle 8-1 Werkstoffliche Optionen der Kunststoffverwertung Polymersystem
Werkstoffliche Verwertungsmöglichkeit
Thermoplaste und thermoplastische Elastomere
1. Regranulieren (ausschließlicher Einsatz von Rezyklat) 2. Compoundieren (Mischen mit Neuware)
Glasfaserverstärkte Thermoplaste
1. Regranulieren (ausschließlicher Einsatz von Rezyklat) 2. Compoundieren (Mischen mit Neuware) 3. Bei glasmattenverstärkten Thermoplasten (GMT) Fließpressen (Umformung des Bauteils)
Duroplaste
Partikelrecycling: 1. Einsatz der feingemahlenen Masse als Füllstoff 2. Einsatz der Glasfasern bei verstärkten Massen (SMC/BMC) in Neuware
thermoplastische oder duroplastische Polyurethane 1)
1. 2. 3. 4.
Elastomere
Verarbeitung von Altreifen zu Stücken, Granulat oder Mehl durch Mahlverfahren. Produkte für Unterbau-, Schalldämmplatten, Isolierungen, Mehl für Reifen, Förderbänder, Matten, Sohlen
Weiterverarbeitung wie Thermoplaste Fließpressen Vermahlung und Einsatz als PUR-Füllstoff Partikelverbund (PUR zerkleinern und mit Bindemittel verpressen, bei Weichschaum als Flockenverbund, bei Hartschaum durch Klebpressen)
Anmerkung: 1) Die gesonderte Berücksichtigung geht auf die in der Automobilindustrie gebräuchliche Einteilung zurück
aufnahme, Gaszutritt, Temperaturwechsel) oder ständige dynamische Beanspruchung. Bei pigmentierten Bauteilen beschränkt sich die Schädigung durch UV-Strahlung auf eine ca. 300 μm tiefe Schicht, unter der der Werkstoff weitgehend unverändert bleibt. Eine Lackierung verändert z. B. die Feuchtigkeits- oder Sauerstoffaufnahme, Strahlungsabsorption oder mechanische Beanspruchung. Kunststoffe werden darüber hinaus z. B. durch hohe Temperatur, Öl, Kraftstoff und Säure angegriffen. Daneben führt eine erneute Verarbeitung des Werkstoffs zur Polymerschädigung. Außer durch diese chemischen Alterungserscheinungen wird die Rezyklatqualität durch Verunreinigungen wie unverträgliche Polymere, Lackierungen, Klebstoffe oder Verschmutzungen (wie z. B. Staub, Aufkleber) negativ beeinflusst. Insbesondere die Lackierung ist dabei relevant, da sich in thermoplastischen Recycling-Bauteilen durch Lackpartikel Fehlstellen bilden, die z. B. die Schlagzähigkeit deutlich herabsetzen. Die Altstoffverträglichkeit ist daher eine wichtige Voraussetzung für die werkstoffliche Kreislaufführung. Verunreinigungen oder sortenfremdes Material können bereits in geringen Mengen die Qualität von Rezyklaten oder rezyklathaltigen Bauteilen deutlich mindern und so die Kreislaufführung erschweren oder verhindern. Hinweise zur recyclinggerechten Konstruktion gibt u. a. die VDI-Richtlinie 2243 [1].
8.1.2.1
Werkstoffrecycling von Duroplasten – Partikelrecycling
Die Nicht-Umformbarkeit der Duroplaste erfordert die Anwendung anderer werkstofflicher Verwertungsverfahren als bei Thermoplasten. So ist z. B. das Grundprinzip der werkstofflichen SMC-Verwertung die Zerkleinerung für das Partikelrecycling. Eine Übersicht über die Verwertungsmöglichkeiten für SMC-Mahlgutfraktionen gibt Tabelle 8-2. Als Partikelrecycling wird das Einbinden von zerkleinerten, chemisch unveränderten Duroplastpartikeln oder -fasern in eine Duroplastmatrix aus Primärmaterial bezeichnet. Das Ziel des Partikelrecycling ist entweder die Wiedergewinnung der Glasfasern zur weiteren Nutzung
Tabelle 8-2 insatzmöglichkeiten für zerkleinertes SMC [2] Partikelgröße
Einsatzmöglichkeiten
> 25 mm
Baumaterial, Spanplatten, Leichtbeton, Isoliermaterial, landwirtschaftliches Mulchmaterial
ca. 3 - 10 mm
Verstärkung oder Füllmaterial in bituminösen Dichtmassen, Polymerbeton, Straßenbaumaterial, Glasfaser-Substitut in Polymermatrizes
< 0,8 mm
Füllmaterial in SMC, BMC und Thermoplasten (Partikelrecycling)
8.1 Kreislaufwirtschaft und Recycling ihrer Verstärkungseigenschaften oder die Verwendung des gesamten Matrix- und Verstärkungsmaterials in Form eines feinen Pulvers als Füllstoff-Substitut. Partikelrecycling besteht aus folgenden Schritten: 1. Zerkleinerung, 2. Aufbereitung und Fraktionieren, 3. Herstellung der rezyklathaltigen Formmasse, 4. Formgebung und Pressen [3]. Die Fa. ERCOM (Rastatt) betreibt in Deutschland die einzige Anlage zum werkstofflichen Recycling von SMC-Bauteilen.
8.1.3
Biologisch abbaubare Polymere (biologisch abbaubare Werkstoffe BAW)
Biologisch abbaubare Polymere werden oft (fälschlicherweise) mit aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellten Polymeren gleichgesetzt. Beide Eigenschaften sind jedoch nicht zwangsläufig miteinander gekoppelt. Biologisch abbaubare Werkstoffe sind geeignet, unter bestimmten Umgebungsbedingungen (Temperatur, Feuchte, Vorhandensein von Mikroorganismen) aerob durch Kompostierung oder anaerob durch Vergärung abgebaut zur werden. Dies kann z. B. durch Tests, wie in EN 13432 beschrieben, überprüft werden [4]. Bei den synthetisch erzeugten Polymeren wird durch eine Verminderung des Stabilisatorgehalts oder/und den Zusatz von Initiatoren, die den biologischen Abbau beschleunigen, der biologische Abbau erreicht. Zu dieser Gruppe gehört zum Beispiel PHB (Polyhydroxybutyrat) oder PLA (Polymilchsäure) [5]. Andere Polymere nutzen ein Blend beider Typen wie z. B. bei Polyethylen/Stärkekombination.
BAW haben sich bisher nur in Nischenmärkten, wie z. B. als Geschirr oder Besteck bei der Verpflegung im Rahmen von Großveranstaltung oder im landwirtschaftlichen Bereich (als Töpfe oder Mulchfolien) etablieren können. Hier sind technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen anzutreffen, die Vorteile für BAW versprechen. Solche Vorteile konnten bisher z. B. bei der Substitution von Massenkunststoffen durch BAW jedoch nicht realisiert werden, zumal sie auch aus abfallwirtschaftlicher Sicht nicht nur Vorteile bieten. So ist insbesondere die Vermischung von BAW mit Massenkunststoffen aufgrund der mangelnden Verträglichkeit als problematisch einzustufen.
8.1.4
Verträglichkeit von Polymeren
Oft ist es technisch nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich, sortenreine Kunststoffe für eine Wiederverwertung zu erhalten. In diesem Fall ist ein werkstoffliches Recycling nicht prinzipiell ausgeschlossen, wenn die Polymere im Gemisch verträglich, mischbar und daher gemeinsam verarbeitbar sind. Ein Hilfsmittel zur Beurteilung der Werkstoffverträglichkeit von Kunststoffen in Gemischen sind Verträglichkeitsmatrizes (Tabelle 8-3).
8.1.5
Rohstoffliche Kreislaufführung
Die rohstoffliche Kreislaufführung führt die Polymere auf chemische Grundbausteine zurück, die dann erneut z. B. zur Polymersynthese, für die Herstellung von anderen Chemieprodukten wie Farben oder Klebstoffe oder zur Substitution von Erdöl oder seinen Derivaten genutzt werden können.
Tabelle 8-3 Verträglichkeitsmatrix für Polymere [6]
Zumischwerkstoff
613
PE
PP
PS
PVC
PET
PC
PA
PBT
PE
1
3-4
4
4
4
4
2-4
4
PP
2-4
1
4
4
4
4
2-4
4
PS
4
4
1
4
3
2-4
3-4
3-4
PVC
4
4
2-4
1
4
3-4
4
4
PET
4
4
4
4
1
1
3-4
4
PC
4
4
2-4
4
1
1
3-4
1
PA
4
4
3-4
4
3
4
1
3
PBT
4
4
2-4
4
4, 3
1
3-4
1
1= gut verträglich; 2 = mischbar bis ca. 20%; 3 = mischbar bis ca. 5%; 4 = unverträglich
614
8 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling
8.1.5.1
Inlösungnahme
Bei der Inlösungnahme werden Polymere nicht zu Monomeren zerlegt, sondern die Makromoleküle unter Strukturerhalt in einem Lösemittel aufgelöst, so dass feste Füllstoffe und Additive abfiltriert werden können. Die Polymere und das Lösemittel werden anschließend durch Verdampfung und Destillation oder Fällung getrennt [7]. Der gesamte Energiebedarf des Verfahrens liegt je nach Lösemittelbeladung zwischen 1,5 und 3 kWh/kg freigesetztem Polymer. Thermoplaste sind in Abhängigkeit von ihrer Polarität in entsprechenden Lösungsmitteln löslich, wovon z. B. bei der Lackherstellung Gebrauch gemacht wird. So löst sich z. B. PP unter anderem in Xylol, Aceton und Tetrachlorethen [8]. Die Lösung findet vor allem in den amorphen Bereichen des Polymers statt, kristalline Bereich sind sehr unempfindlich. Problematisch sind Toxizität und Handhabung (Explosionsgefahr) mancher Lösemittel sowie der hohe Energieaufwand zur Lösemittel-Regenerierung.
8.1.5.2
Solvolyse
Die Solvolyseverfahren Hydrolyse, Alkoholyse, Glykolyse sowie Aminolyse sind für die Kreislaufführung von Produkten der Polykondensation und -addition geeignet [9]. Da es sich bei diesen Reaktionen um Gleichgewichtsprozesse handelt, kann das Ausgangsmaterial bei hoher Temperatur und Zugabe entsprechender Substanzen in die Monomere zerlegt werden. Man unterscheidet dabei summative und selektive Löseverfahren.
8.1.5.3
Verfahren zur Einspeisung in Prozesse der Erdölverarbeitung
Zum Einsatz in Verfahren der Erdölverarbeitung müssen die Kunststoffe durch eine Vorbehandlung pumpfähig gemacht werden. Die Pumpfähigkeit von Thermoplasten wird durch eine Verringerung der Molmasse auf 1.000 bis 15.000 g/mol (Kettenverkürzung) sichergestellt. Duroplaste können durch mechanische Zerkleinerung auf unter 100 μm und Anmaischen mit einer geringen Menge von Erdöl-Zwischenprodukten über den klassischen „Kohleweg“ als Slurry (Suspension) eingeführt werden [10]. Daher ist das vollständige Schließen des Stoffkreislaufs von Polymeren durch die Zerlegung in niedermolekulare Produkte, die in Raffinerien eingespeist werden und wiederum als Ausgangsstoffe für Polymersynthesen dienen, möglich. Der Chloranteil des Produkts darf jedoch bei der Abgabe an eine Raffinerie 1 ppm nicht übersteigen. Großanlagen für die Spaltung und Aufbereitung hochsiedender, langkettiger Rückstands-Fraktionen aus der Erdöl-
verarbeitung stehen zur Verfügung. Die Verfahren zur Einspeisung in Prozesse der Erdölverarbeitung lassen sich unterteilen in thermische und katalytische Spaltverfahren sowie hydrierende Verfahren (Tabelle 8-4). Eine Anlage zur Vorbehandlung von Polymeren vor einer Raffinerie war die aus wirtschaftlichen Gründen inzwischen stillgelegte Kohleölanlage Bottrop. Neben diesem Hydrierverfahren existieren noch zahlreiche weitere technische Optionen für die Umsetzung von Polymeren, die jedoch bisher höchstens in Pilotversuchen und ausschließlich mit unverstärkten Polymeren untersucht wurden.
8.1.5.4
Pyrolyse
Pyrolyse ist die drucklose thermische Zersetzung von Stoffen unter Ausschluss eines Vergasungsmittels. Die Ausgangsstoffe werden radikalisch zu wasserstoffreicheren flüchtigen Pyrolysegasen und -ölen, Wasser und wasserstoffärmerem festem Pyrolysekoks umgewandelt. Nach den Behandlungstemperaturen unterscheidet man Niedertemperatur- (bis 500 °C), Mitteltemperatur- (500–800 °C) und Hochtemperaturpyrolyse (über 800 °C). Durch die Erhöhung der Pyrolysetemperatur kann die Produktaufteilung von Öl zu Gas verschoben werden [11]. Besonders vorteilhaft im Vergleich zur Verbrennung ist bei der Pyrolyse der geringere Gas-Volumenstrom, der ca. 5– 20 % des Verbrennungs-Rauchgasstroms ausmacht. Die deutlich kleinere Auslegung der Gasreinigungsaggregate führt zu niedrigeren Investitionskosten. In der Gasbehandlung wird das Pyrolysegas in der Regel durch Abkühlung in eine oder mehrere Ölfraktionen unterschiedlicher Siedebereiche und das Permanentgas mit den Hauptkomponenten H2, CO, CO2 und CH4 aufgetrennt. Die kondensierbaren Öle sind chemisch instabil und benötigen eine Nachbehandlung z. B. durch Hydrierung oder die direkte Umwandlung durch Kombinationsverfahren. Der als festes Pyrolyseprodukt entstehende Koks enthält die mineralischen und nicht entgasbaren Bestandteile des Ausgangsmaterials. Er ist nach dem Erkalten spröde, so dass mineralische Anteile durch mechanische Zerkleinerungsund Klassierverfahren abgetrennt werden können. Die Verwertung dieses Materials ist noch nicht geklärt [12]. Für die Pyrolyse von Kunststoffen wurden Wirbelschichtund Drehtrommelreaktoren als die geeignetesten Aggregate identifiziert und untersucht. Die Verweilzeiten in Drehrohrreaktoren liegen zwischen 20 und 90 Minuten [13], in Wirbelschichtreaktoren bei bis ca. 90 Sekunden [14]. Insbesondere bei Kunststoffen erschwert die schlechte Wärmeleitung und der hohe Energiebedarf der Kunststoff-Zersetzung die Anwendung der Pyrolyse.
8.1 Kreislaufwirtschaft und Recycling
615
Tabelle 8-4 Übersicht über für Polymere geeignete Verfahren zur Einspeisung in Verfahren der Erdölverarbeitung Verfahren
Ausgangsstoffe
Produkte 2)
Kurzcharakterisierung
Thermische Spaltverfahren Visbreaking
Vakuumrückstand 1)
Mitteldestillatkomponenten
druckloses Verfahren zur Molmassenreduzierung bei Temperaturen von 350–480 °C in Röhrenöfen bei 1,4–1, 8 MPa
Delayed coking
atmosphärischer Rückstand, Schweröl1)
Petrolkoks, Gasöl, Benzin, Crackgase
diskontinuierliche Behandlung durch Aufheizen auf ca. 490 °C und Verkokung in Kokskammern bei 2 MPa, 460 °C
Fluid coking
Vakuumrückstand1)
Petrolkoks, Gasöl, Benzin, Crackgase
kontinuierliche Behandlung im Wirbelbett bei 480– 560 °C
Steamcracking
niedrigsiedende Fraktionen (Ethan, Leichtbenzin), Naphta1)
Ethen, Propen, weitere Olefine
Umsetzung bei ca. 600–900 °C, –3,3 MPa unter Zusetzung von Wasserdampf zur Erhöhung der Olefinausbeute
Destillatfraktionen, metall-/heteroatomarme Rückstandsfraktionen1)
liquefied petroleum gas (LPG), Benzin, Gasöl
katalytische Behandlung in Wirbelschicht- oder Fließbettreaktoren bei 0,6–0,9 MPa, 450–510 °C
Rückstandsprodukte (Vakuumrückstand), Naphta1)
leichtes Heizöl, Benzin, synthetisches Rohöl aus Rückstandsprodukten, LPG aus Naphta
katalytische Behandlung bei hohen Drücken (7–25 MPa) und Temperaturen (250–450 °C) zum Aufspalten der C-Ketten
öl-/wachsartige, verdüsbare Schmelze
Kettenabbau der Polymere in modifiziertem Extruder bei Temperaturen bis ca. 400 °C Optional Zugabe von Vergasungsmitteln oder Katalysatoren3)
Katalytische Spaltverfahren Catcracking Hydrierverfahren Hydrocracking
Degradative Extrusion Degradative Extrusion
thermoplastische Polymere mit geringem unschmelzbaren Anteil
Anmerkungen: 1) Beim Einsatz von Kunststoffen wird dem Ausgansmaterial nur ein kleiner Polymer-Teilstrom zugesetzt. 2) Siedebereiche (Richtwerte): bis 100 °C Leichtbenzin, bis 200 °C Schwerbenzin/Naphta, bis 250 °C Kerosin/Petroleum, bis 350 °C Gasöl 3) Da keine eindeutige Zuordnung dieses Verfahrens zu thermischen oder katalytischen Spaltverfahren möglich ist, erfolgt die gesonderte Aufführung des Verfahrens in dieser Tabelle.
8.1.5.5
Vergasung
Bei der Vergasung wird Kohlenstoff durch unterstöchiometrische Oxidation in gasförmige Produkte umgesetzt. Der Prozess kann in die idealisierten Teilschritte der Trocknung, Entgasung und Vergasung aufgeteilt werden. Die teilweise Oxidation von Entgasungsprodukten setzt Wärme frei, die die endothermen Prozesse der Trocknung und Entgasung fördert. Die Einstellung der Vergasungstemperatur erfolgt über die Sauerstoffzufuhr.
Kohlenwasserstoffe werden in Gegenwart von Vergasungsmitteln (Sauerstoff, Luft, Wasserdampf) bei 1.350 bis 1.600 °C und bis 15 MPa Druck zu Synthesegas umgesetzt, das je nach Verfahrensbedingungen unterschiedliche Zusammensetzungen aufweist und unter anderem für die Ammoniak- oder Methanolsynthese, Fischer-Tropsch-Synthese von Kohlenwasserstoffen, zur Wasserstofferzeugung oder Energiegewinnung eingesetzt werden kann [11]. Durch hohe Drücke und Temperaturen werden alle höheren Molekülstrukturen auf CO und H2 zurückgeführt. Anorganische
616
8 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling
Schadstoffe (Chlorwasserstoff, Ammoniak, Schwefel-Verbindungen, Staub) können durch die Gasbehandlung abgetrennt und teilweise verwertet werden. Ein Vergasungsverfahren für verschiedene Abfallfraktionen wird in Deutschland vom Sekundärrohstoffverwertungszentrum Schwarze Pumpe betrieben.
8.1.5.6
Hochofen-Einblasung
Heizwertreiche Fraktionen können im Kupolofen oder Hochofen zur Eisenherstellung bzw. -verarbeitung genutzt werden. Der Kupolofen dient vor allem dem Aufschmelzen von Schrott mit Koks, beim Hochofen wird durch Reduktion von Eisenerz metallisches Eisen erschmolzen. Dazu werden sowohl Koks als Möllergut eingefüllt als auch schwefelreiches Schweröl oder Kohle eingeblasen und mit dem Heißwind vergast. Ein Teil des Schweröls kann durch Kunststoff substituiert werden [15]. Der Hochofeneinsatz von Kunststoffen erfordert deren Vorzerkleinerung auf einen Durchmesser bis zu 5 mm, da dieses Granulat aus einem Druckgefäß mit 0,4– 0,5 MPa über eine Lanze in den unteren Hochofenteil eingebracht wird.
8.1.5.7
Einsatz im Zement-Drehrohr
Im Drehrohr eines Zementwerkes werden Ton und Kalk zu Zementklinker gesintert bzw. gebrannt. Der Reaktor wird im Gegenstrom betrieben: Die Primärfeuerung erhitzt das Material auf ca. 1.400 °C, die Sekundärfeuerung im Aufgabebereich stellt die Calcinierung bei ca. 900 °C sicher. Für die Herstellung von 1 Mg Zement werden ungefähr 3,3 GJ Energie benötigt [16]. Um die Energiekosten zu reduzieren, die ca. 50 % der Produktionskosten ausmachen, werden Ersatzbrennstoffe wie z. B. Altreifen, Altöl, Lackschlämme, Holzmehl oder Brennstoff aus Müll (BRAM) eingesetzt. Bis zu 30 % des Gesamt-Wärmebedarfs einer Anlage konnten bereits durch Ersatzbrennstoffe gedeckt werden [17], deren feste Rückstände in das Produkt eingebunden werden [15].
8.1.6
8.1.6.1
Verbrennungskonzepte und -aggregate
Als Verbrennungskonzepte kommen in Frage – Mono-Verbrennungssysteme ausschließlich für Kunststoffe – Co-Verbrennungssysteme mit einer gemeinsamen Verbrennung von mindestens einer weiteren Fraktion außer Kunststoff [18]. Die Mono-Verbrennung von Kunststoffen in Spezialfeuerungen ist derzeit noch nicht Stand der Technik. Die relevanten Verbrennungsaggregate für Feststoffe sind – Roste (vor allem Stab- und Walzenroste), – Drehrohre (mit Gleich- oder Gegenstrom-Luftführung), – Wirbelschichten (mit stationärem, rotierendem oder zirkulierendem Wirbelbett) – Staubfeuerungen.
8.1.6.2
Verbrennung in Kraftwerken
Bei der Verbrennung heizwertreicher Fraktionen in Kraftwerken kommen Wirbelschichtfeuerungen oder Staubfeuerungen zum Einsatz [15]. Bei der Staubfeuerung wird das Ausgangsmaterial aufgemahlen und durch einen Brenner staubförmig in den Brennraum eingetragen, wo es in der Schwebe verbrennt. Für die Vorbehandlung der Kunststoffe zum Zerstäuben in den Brennraum ist entweder das Aufschmelzen oder das Aufmahlen zu Partikeln für den pneumatischen Brennraum-Eintrag nötig. Kohle wird vor der Verbrennung in Staubfeuerungen auf Korngrößen unter 100 μm aufgemahlen, um den vollständigen Ausbrand sicherzustellen. Insbesondere bei Thermoplasten ist eine solche Feinzerkleinerung wegen der Erwärmung der Polymere durch mechanische Beanspruchungen problematisch. Beim Einsatz von Zyklonbrennkammern sind größere Korngrößen bis zu mehreren Millimetern möglich, da durch die Brennkammergeometrie eine erheblich längere Verweilzeit erzwungen wird [11].
Verbrennung
Bei der Verbrennung geht der stoffliche Charakter des eingesetzten Materials verloren. Daher kann sie nicht zum Recycling im Sinne der stofflichen Kreislaufführung gezählt werden. Der Verbrennungsvorgang kann in die Teilprozesse Trocknung, Entgasung, Vergasung und vollständige Oxidation aufgeteilt werden (Bild 8-2) [13]. Diese idealisierten Prozesse können sich zeitlich und räumlich überlagern und wechselseitig beeinflussen. Pyrolyse- und Vergasungsverfahren nutzen die Möglichkeit, durch Einstellung von Randbedingungen nur einen Teil der Prozesse zu begünstigen.
8.1.6.3
Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen
Ungefüllte und unverstärkte Kunststoffe weisen einen hohen Heizwert und geringe Feuchtegehalte auf, so dass sie bei geringen Temperaturen vergasen, schnell zünden und verbrennen [18]. Der Heizwert der verstärkten Kunststoffe ist neben der chemischen Zusammensetzung vom Anteil der mineralischen Füll- und Verstärkungsstoffe abhängig. Eine Übersicht der Heizwerte verschiedener Materialien gibt Tabelle 8-5. Für die selbstgängige Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen (MVA) ist neben dem Heizwert der Feuchte- und Aschegehalt eines Materials maßgeblich, so dass ab ca.
8.1 Kreislaufwirtschaft und Recycling
Bild 8-2 Idealisierte chemische Teilprozesse der Verbrennung
3,4 MJ/kg, einem Wassergehalt unter 50 % und einem Aschegehalt unter 60 % mit selbstgängiger Brennbarkeit gerechnet werden kann [13].
8.1.7
Ausblick
Für die Kreislaufführung von Kunststoffen und kunststoffhaltigen Produkten stehen eine Vielzahl technischer Optionen zur Verfügung, von denen jedoch vergleichsweise wenige in Pilot- bzw. Produktionsanlagen umgesetzt wurden. Neben der technischen Eignung von Verfahren sind vor allem die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen entscheidend für den Aufbau und Betrieb eines Verfahrens der Kreislaufwirtschaft. In Bereichen, die von vorneherein direkte (vor allem wirtschaftliche) Vorteile generie-
Tabelle 8-5 Heizwerte verschiedener Materialien Material
Heizwert Hu [MJ/kg]
PP (unverstärkt) PE (unverstärkt) PS PVC Glasmattenverstärkte Thermoplaste Duroplaste (allgemein) SMC/BMC (UP-GF) Erd-/Heizöl Steinkohle Holz Papier Hausmüll
44 43,3 40 18–26 30 20 10 - 12 42 29–30 15–17 13–15 8,5
617
618
8 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling
ren, wie dies z. B. beim werkstofflichen Produktionsabfallrecycling meist der Fall ist, wurden und werden solche Verfahren schnell umgesetzt und dauerhaft betrieben. Zusätzliche Schritte zur Kreislaufschließung wurden lange Zeit unter Betonung der ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit politisch gefördert. Hier zeichnet sich derzeit ab, dass eine Neubewertung der Aspekte der Nachhaltigkeit stattfinden könnte: Insbesondere der ökonomische Nachhaltigkeitsaspekt gewinnt in der politischen Diskussion zunehmend an Bedeutung. Es kann erwartet werden, dass „Insellösungen“ für kleine Materialströme aus einzelnen Anwendungen zukünftig kaum noch realisiert werden, sofern kein ausreichendes gesellschaftliches Interesse daran besteht. Stattdessen werden große, gleichartige Materialströme aus verschiedensten Anwendungsbereichen zusammengefasst und durch kostengünstige Verfahren (z. B. Hochöfen, Vergasungs- oder Verbrennungsanlagen) mit hinreichender Kapazität und unter Einhaltung ökologischer Rahmenbedingungen verwertet oder beseitigt werden.
Literatur – Kapitel 8.1 [1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
VDI-Gesellschaft Entwicklung Konstruktion Vertrieb (Hrsg): Konstruieren recyclinggerechter technischer Produkte, Grundlagen und Gestaltungsregeln. VDIRichtlinie 2243. Düsseldorf, 2000 Bledzki A K, Goracy K Verwertung von Duroplasten. In: Sutter H (Hrsg): Erfassung und Verwertung von Kunststoff. EF-Verlag, Berlin, 1993, S 177–185 Bledzki A K, Kurek K, Barth C Eigenschaften von SMC mit Regenerat. In: Kunststoffe (Zeitschrift) 82 (1992), 11, S 1093–1096 Association of Plastic Manufacturers in Europe (APME, Hrsg): Biodegradable Plastics – Position. Brüssel, Oktober 2001 Bandrup J (Hrsg)/Bittner M/Michaeli W/Menges G Die Wiederverwertung von Kunststoffen. Carl Hanser Verlag, München, Wien, 1995 Nickel W (Hrsg):Recycling-Handbuch, Strategien – Technologien – Produkte. VDI Verlag GmbH, Düsseldorf, 1996 Käufer H, Thiele A Geschlossene Materialkreisläufe für Kunststoffe durch Wiederverwertung von Abfall. In: Spektrum der Wissenschaft (Zeitschrift), Dezember 1993, S 102–106 Thiele A Materialrecycling von Thermoplasten über Lösen. Schriftenreihe Kunststoff + Recycling. Hrsg. Käufer H, Bd 10, Berlin, 1994 Wanjek H, Stabel U Rohstoffrecycling – die Verfahrenstechnik. In: Kunststoffe (Zeitschrift) 84 (1994) 2, S 109–112
[10] Korff J, Keim K-H Hydrierung von synthetisch organischen Abfällen. In: Erdöl Erdgas Kohle (Zeitschrift) 105 (1989) 5, S 223–226 [11] Geiger T, Knopf H, Leistner G, Römer R, Seifert H Rohstoff-Recycling und Energie-Gewinnung von Kunststoffabfällen. In: Chem.-Ing.-Tech. (Zeitschrift) 65 (1993) 6, S 703–709 [12] Kaminsky W Pyrolyse von Kunststoffen in der Wirbelschicht. In: Sutter H (Hrsg): Erfassung und Verwertung von Kunststoffen. EF-Verlag, Berlin, 1993, S 187–201 [13] Thomé-Kozmiensky K J (Hrsg): Thermische Abfallbehandlung. EF-Verlag, Berlin, 1994 [14] Kaminsky W, Sinn H Verwertung von polymeren Abfallstoffen durch Pyrolyse. In: Nachr. Chem. Tech. Lab. (Zeitschrift) 38 (1990) 3, S 333–338 [15] Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie NRW, Initiativkreis Ruhrgebiet (Hrsg): ARiV III: Automobil-Recycling im Verbund. Bericht, Vertrieb durch Fa. OrgConsult, Essen. 22.11.1994 [16] Pickering S, Benson M Recovery of Material and Energy from Thermosetting Plastics. In: Neitzel M, Lambert J C, Menges G, Kelly A (Hrsg) ECCM Recycling Concepts and Procedures. Tagungsband, European Association for Composite Materials, September 22.–23, 1993, Bordeaux/France, Cambridge, 1993, S 41–46 [17] Forschungsvereinigung Automobiltechnik (FAT), Umweltbundesamt (UBA), Verband kunststofferzeugende Industrie (VKE) (Hrsg): Müller H, Haberstroh E Verwendung von Kunststoff im Automobil und Wiederverwertungsmöglichkeiten. FAT-Schriftenreihe Nr. 52.Frankfurt/Main, 1986 [18] Christmann A, Keldenich K Verbrennung. In: Tiltmann K O (Hrsg) Recyclingpraxis Kunststoffe. Loseblattsammlung, Verlag TÜV Rheinland, Köln
Weiterführende Literatur Fiedler-Winter R (2007) Nachhaltigkeit in der Praxis. Kunststoffe 97(2007)10, S 36–42 Simon C-J, Lindner C Stabile und hohe Verwertung bestätigt – Consultic Studie 2005. Kunststoffe 97 (2007) 2, S 30–33 Welle F (2007) Reinigen bis zum Neuware-Niveau – PETRecycling. Kunststoffe 97(2007)5, S 82–85 Würdinger E et al. (2002) Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen: Vergleichende Ökobilanz für Loose-fillPackmittel aus Stärke bzw. Polystyrol. Endbericht (DBU-Az 04763), DBU, Berlin, 3/2002
8.2 Umweltbewertung und -bilanzierung von Kunststoffen
8.2
Umweltbewertung und -bilanzierung von Kunststoffen Marc-Andree Wolf
Im Zusammenhang mit dem Begriff „Bilanz“ wird man zuerst an die Betriebswirtschaftslehre und z. B. das Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben, Soll und Ist oder von Kosten und Nutzen denken. Bilanzen dienen so als Entscheidungsgrundlage und Steuerungsinstrument und sind in der Regel aufwands- bzw. kostenorientiert. Werkstoff-, Prozess- und Produkt-Entscheidungen wurden in der Vergangenheit vornehmlich unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten getroffen. Die ökologischen Gesichtspunkte konnten nur punktuell integriert werden. In dem Instrument der Ökobilanzierung (auch Lebenswegbilanzierung; engl. Life Cycle Assessment (LCA)) und ihrer Erweiterung zur Ganzheitlichen Bilanzierung (engl. Life Cycle Engineering (LCE)) liegen inzwischen leistungsstarke und praxiserprobte sowie in der ISO 14040 ff normierte Werkzeuge für diese Aufgabe vor. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Methode unabhängig von bestimmten Werkstoffen oder Produkten angewendet werden kann und damit Vergleiche und Produktverbesserungen auch konkurrierender Werkstoffe (z. B. Kunststoffe vs. Metalle; nachwachsende Rohstoffe vs. fossile usw.) oder Technologien erlaubt. Professionelle Software-Werkzeuge mit umfangreichen Hintergrunddatenbanken sind in den letzten 15 Jahren immer weiter entwickelt
Bild 8-3 Systematik der Ganzheitlichen Bilanzierung
619
worden und erlauben die effiziente Durchführung von Studien auch in der Produkt- und Verfahrensentwicklung im industriellen Kontext ebenso wie Detailanalysen in der wissenschaftlichen Forschung. Eine unabhängige Zusammenstellung und Charakterisierung dieser Software-Werkzeuge und Datenbanken findet sich auf den Seiten der European Platform on Life Cycle Assessment der Europäischen Union: http://lca.jrc.ec.europa.eu
8.2.1
Ganzheitliche Bilanzierung
Für ein nachhaltiges Wirtschaften (sustainable development) ist es wichtig, auch ökologische Entscheidungen zu treffen, ohne dabei die Wertschöpfung oder die Anforderungen an das Erwirtschaftete zu vernachlässigen. Die Anforderungen an das erwirtschaftete Gut können dabei technischer oder auch sozio-ökonomischer Natur sein. Ein ganzheitlicher Ansatz hat demnach das Ziel, Entscheidungen zu unterstützen bzw. Lösungswege aufzuzeigen, die technisch realisierbar, ökologisch und gesellschaftlich vertretbar und ökonomisch sinnvoll sind. Bei der Identifikation eines Gesamt-Optimums muss man sich der Wechselwirkungen zwischen Ökologie, Ökonomie und Technik ständig bewusst sein. Eine ökologische Optimierung darf beispielsweise nicht dazu führen, dass technische Mindestanforderungen nicht eingehalten werden oder das Gesamtobjekt nicht mehr finanzierbar ist.
620
8 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling
Die Ganzheitliche Bilanzierung (GaBi) ist als Verknüpfung der drei Dimensionen Technik, Wirtschaft und Umwelt zu sehen, Bild 8-3. Sie ist eine Methode zur Erhebung, Dokumentation und Aufbereitung umweltlicher Parameter von Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen auf der Basis technischer und wirtschaftlicher Pflichtenhefte. Die ökologischen Betrachtungen innerhalb dieses Spannungsfeldes entsprechen der Ökobilanz, die daher als Teilbereich der Ganzheitlichen Bilanzierung betrachtet werden kann. Prinzipiell beruht das Konzept einer Ökobilanz auf folgenden Grundgedanken: – Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung und Aufarbeitung, der Herstellung und Nutzung bis hin zu Recycling und Entsorgung. – Erfassung aller mit dem Lebenszyklus verbundenen Beeinlussungen der Umwelt wie Emissionen in Luft, Wasser und Boden, Abfälle, Rohstoffverbrauch, Naturrauminanspruchnahme. – Quantitative Zusammenfassung der Umweltbelastungen hinsichtlich möglicher Wirkungen und Bewertung mit dem Ziel, umweltorientierte Entscheidungen zu treffen. Einige Vorgehensweisen bei der Erstellung von Ökobilanzen sind international in der Normenreihe DIN/ISO 14040 ff. festgelegt.
8.2.2
Bild 8-4 Phasen einer Ökobilanz
Aufbau von Ökobilanzen
Die Ökobilanz muss, wie auch in Bild 8-4 dargestellt, die Festlegung des Zieles und des Untersuchungsrahmens, die Sachbilanz (Datenerhebung), die Wirkungsabschätzung (Wirkung der erhobenen Sachbilanzdaten auf die Umwelt) und die Auswertung der Ergebnisse enthalten. Anwendungen von Ökobilanzen wie die in Bild 8-4 angegebenen Beispiele liegen außerhalb des Anwendungsbereiches der internationalen Normung. Zieldefinition und Untersuchungsrahmen Der erste Schritt, der gleichzeitig auch die Weichen für den weiteren Verlauf der Bilanz stellt, ist die Zieldefinition und Festlegung des Untersuchungsrahmens. Bestimmte Randbedingungen werden erst transparent, wenn Erkenntnisinteresse und Aufgabe klar formuliert sind. Inhalt der Zieldefinition ist es, folgende Punkte zu dokumentieren: – Erkenntnisinteresse – Gründe für die Durchführung – Zielgruppe Die Festlegung des Untersuchungsrahmens beinhaltet folgende Teile: – Beschreibung des Systems – Festlegung der funktionellen Einheit – Festlegung der Systemgrenzen
– – – –
Anforderungen an die Datenqualität Erläuterung getroffener Annahmen Verteilungs- (Allokations-) Methoden Wirkkategorien und vorgesehene Methode zur Wirkungsabschätzung
8.2.3
Funktionelle Einheit
Die funktionelle Einheit kennzeichnet die Funktion des betrachteten Produkts und dessen Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig dient die funktionelle Einheit als Bezugseinheit für die ermittelten Umwelteinwirkungen. Sie soll die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Bilanzen gewährleisten. Neben Produkten kann die funktionelle Einheit auch Dienstleistungen charakterisieren.
8.2.3.1
Systemgrenzen
Zur Herstellung von Produkten werden in der Regel eine Vielzahl von Stoffen benötigt. Dies können Ressourcen, Vorprodukte, Betriebsstoffe, Energieträger etc. sein. All diese Stoffe oder Produkte mussten in Vorstufen aufbereitet und hergestellt werden, wobei auch zu deren Aufbereitung und
8.2 Umweltbewertung und -bilanzierung von Kunststoffen Herstellung wiederum Stoffe und Energien benötigt wurden. Alle Glieder dieser Kette verursachen Einwirkungen auf die Umwelt, die mit in Betracht gezogen werden müssen. Sicher ist, dass bestimmte Inputströme keinen Einfluss auf das Ergebnis der Bilanz mehr haben. Um die Bilanz nicht mit unwichtigen Daten zu überfrachten, die die Qualität der Studie nicht weiter erhöhen, aber für einen erhöhten Bilanzierungsaufwand sorgen, müssen Abschneidekriterien formuliert werden. Diese Kriterien müssen so festgelegt sein, dass keine wichtigen Anteile der Umweltbeeinflussung vernachlässigt werden.
8.2.3.2
Datenqualität
Für alle untersuchten Module muss die Datenqualität sichergestellt werden. Anhand der Eingangsstoffe in einen Prozess und der speziellen Prozessart kann eine Überprüfung von Vollständigkeit und Plausibilität erfolgen, z. B. durch stöchiometrische Rechnungen oder durch den Vergleich der Daten mit veröffentlichten Statistiken. Werden Ersatzwerte oder Schätzungen verwendet, sind diese Werte als solche auszuweisen und zu begründen. Getroffene Annahmen sind zu erläutern.
Bild 8-5 Beispiele für Input- und Outputströme entlang des Produktlebenszyklus
8.2.4
621
Sachbilanz
Vor der eigentlichen Datenaufnahme sind die notwendigen Regeln zur Datenverrechnung und Bilanzerstellung festzulegen und zu dokumentieren. Wichtige Punkte, die einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben können und auf unterschiedliche Weise in eine Bilanz einfließen können, sind z. B. die Behandlung von Sekundärrohstoffen, die Betrachtung von Koppel- und Nebenprodukten sowie die Anwendung von Verteilungsregeln. Die Hauptaufgabe einer Sachbilanz besteht in der Quantifizierung von Input- und Outputströmen über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes. In Bild 8-5 ist eine Auswahl oft wichtiger Input- und Outputströme dargestellt. Es wird zwischen verknüpften und unverknüpften Strömen unterschieden: Unverknüpfte Ströme (Elementarströme) stellen die Flüsse dar, die aus der Quelle „Erdkruste“ entnommen werden oder in die Senke „Umwelt“ abgegeben werden. Verknüpfte Ströme sind solange mit vorgelagerten Prozessen der Herstellung bzw. mit noch folgenden Prozessen zur Weiterverarbeitung in Beziehung zu setzen, bis nur noch unverknüpfte Ströme die Bilanzgrenze überschreiten.
622
8 Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling
Die modulare Untergliederung ermöglicht es, diese Ströme und somit Umwelteinwirkungen konkret einzelnen Prozessschritten zuzuordnen und den Verursacher zu identifizieren. Erst auf dieser Basis ist eine Analyse von Schwachstellen und das Erkennen von Verbesserungspotentialen möglich. In manchen Fällen lassen sich schon aus den Sachbilanzdaten unter Berücksichtigung der Zieldefinition erste Schlüsse ziehen.
Lebenszyklus eintreten. Die Sekundärrohstoffe aus dem Recycling substituieren Stoffe und Energien, die ansonsten aus Primärrohstoffen hergestellt worden wären. Die Herstellung aus den Primärrohstoffen wird also vermieden und kann dem betrachteten System gutgeschrieben werden. Dieses Vorgehen entspricht einer Systemraumerweiterung.
8.2.5
Wirkungsabschätzung
Die Frage der Verteilung, auch als Allokation bezeichnet, stellt sich immer dann, wenn in einer Produktion oder einem Prozessschritt mehrere Produkte erzeugt oder neben dem Hauptprodukt Nebenprodukte oder Abfälle zur Verwertung anfallen. Es gilt nun, die durch die Produktion entstandenen Aufwendungen und somit auch die Auswirkungen auf die Umwelt auf die einzelnen Produkte oder Nebenprodukte zu verteilen. Wichtig bei der Auswahl des Verteilungsverfahrens ist, dass die Art der Verteilung die Prozessintention oder den Prozesszweck widerspiegelt. Das heißt, dass dem Hauptprodukt auch die Hauptlasten zugeschrieben werden. Die Wahl des Verteilungsverfahrens ist in jedem Fall zu dokumentieren. Können einzelne Produktlinien aus einem Produktsystem modular ausgegliedert werden, so wird keine Verteilung durchgeführt. Dies setzt allerdings voraus, dass sämtliche Input- und Outputströme eindeutig den Einzelprozessen zugeordnet werden können. Verteilung stellt immer eine Form der Bewertung dar. Je nach Verteilung können unterschiedliche Bilanzergebnisse entstehen. Falls es nicht augenfällig ist, welches Verteilverfahren das Geeignete ist, sind die in Frage kommenden anzuwenden und die Auswirkungen anhand einer Sensitivitätsanalyse darzustellen.
In der Wirkungsabschätzung werden die Daten der Sachbilanz auf Umweltwirkungen abgebildet, um Aussagen über die Gesamtwirkung treffen zu können. Die in der Sachbilanz erhobenen Daten stellen daher die Grundlage für die Wirkungsabschätzung dar. Untersucht wird hierbei die potentielle Umweltbeeinflussung (wie z. B. Klimaveränderung, Ozonabbau, saurer Regen), die von den über den gesamten Lebenszyklus auftretenden Input- und Outputströmen verursacht wird. Innerhalb der Wirkungsabschätzung werden die Schritte Klassifizierung, Charakterisierung und Gewichtung unterschieden. Die Klassifizierung und Charakterisierung stellen den objektiven Teil der Wirkungsabschätzung dar, der auf naturwissenschaftlichen Grundlagen beruht. Im Rahmen der Klassifizierung werden die auf die Umwelt einwirkenden Stoffe entsprechend ihrer potentiellen Wirkung in Wirkkategorien zusammengefasst. Innerhalb der Wirkungskategorien werden die Sachbilanzdaten derart weiter modelliert, dass das charakteristische Wirkpotential des berechneten Stoffes ermittelt und den jeweiligen Wirkkategorien angerechnet wird. Dieser Schritt wird als Charakterisierung bezeichnet. Im Zuge der Gewichtung können in besonderen Fällen die Ergebnisse in Bezug auf die Priorisierung der Umweltwirkungen zusammengefasst werden, um leichter mit anderen Ergebnissen verglichen werden zu können. Dies stellt eine subjektive Bewertung dar.
8.2.4.2
8.2.5.1
8.2.4.1
Verteilung (Allokation)
Recycling
Die Behandlung von Recyclingströmen in der Ökobilanz stellt im Grunde eine Frage der Verteilung dar, da durch einen Recyclingprozess beeinflusst wird, ob und in welchem Maße Belastungen aus der Primärherstellung eines Stoffes dem Rezyklat zugewiesen werden können und so ein Teil der primären Aufwendungen an einen weiteren Lebenszyklus „weitergegeben“ werden können. Es gilt allgemein, dass alle Materialströme, die die Systemgrenze überschreiten, berücksichtigt werden müssen. Eine oftmals angewendete Methode, um den Systemraum von weiteren Lebenszyklen der Sekundärrohstoffe freischneiden zu können, ist die Vergabe von Gutschriften für alle Stoffe und Energien, die aufgearbeitet in einen neuen
Auswahl der Wirkkategorien
In der Norm ISO 14042 werden keine Wirkkategorien zur Verwendung vorgeschrieben. Es werden vielmehr Anforderungen an deren Auswahl gestellt. Die Auswahl der Wirkkategorien sollte sich generell an den Schutzzielen der Nachhaltigkeit und der Ressourcenschonung, dem globalen Schutz der Ökosphäre, dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Stabilität der Ökosysteme orientieren. Die Methodik zur Wirkungsabschätzung befindet sich wie erwähnt für einige Umweltwirkungen noch in der Phase der Entwicklung. Dies gilt insbesondere für die Toxizitätspotentiale (Humantoxozität HTP, Aquatische Ökotoxizität AETP, Terrestrische Ökotoxizität TETP) und Naturrauminanspruchnahme bzw. Flächeninanspruchnahme.
8.2 Umweltbewertung und -bilanzierung von Kunststoffen Für die praktische Durchführung von Ökobilanzen werden daher zum momentanen Zeitpunkt folgende in der internationalen Diskussion im Wesentlichen anerkannte Wirkungskategorien als sinnvoll erachtet: – Treibhauseffekt, Global Warming Potential (GWP) in kg CO2-Äquivalent – Stratosphärischer Ozonabbau, Ozone Depletion Potential (ODP) in kg R11-Äquivalent – Versauerung, Acidification Potential (AP) in kg SO2Äquivalent – Überdüngung, Eutrophication Potential (EP) in kg PO4Äquivalent – Sommersmog, Photochemical Ozone Creation Potential (POCP) in kg C2H4- Äquivalent – Ressourcenverbrauch, Abiotic Depletion Potential (ADP) in kg Sb-Äquivalent (Antimon-Äquivalent) Die Behandlung von Abfällen (Müllverbrennung, Deponie etc.) sollte bei Ökobilanzen in das betrachtete System integriert werden und deren umweltliche Auswirkungen in den bekannten Wirkungskategorien beschrieben werden. Ist dies nicht möglich, können die Abfälle in den Gruppen Abraum, Erzaufbereitungsrückstände, Hausmüll und Sondermüll dokumentiert werden. Die Betrachtung von Abfällen sollte bei Ökobilanzen in das betrachtete System integriert werden und deren umweltliche Auswirkungen in den bekannten Wirkkategorien beschrieben werden.
8.2.6
Auswertung und Interpretation
Im Rahmen der Auswertung werden die Ergebnisse der Wirkungsanalyse und Sachbilanz analysiert und daraus Schlussfolgerungen und Empfehlungen abgeleitet. Ein weiterer Aspekt ist die transparente Darstellung der Resultate der Ökobilanz. Die Norm ISO 14043 gliedert die Interpretationsphase in drei Abschnitte: – Ermittlung der Kernaussagen – Bewertung – Ergebnisdarstellung Um die Kernaussagen zu erhalten, sind die Hauptbeiträge je Wirkungskategorie (welche Prozesse und welche Emissionen sind je Kategorie dominant?) zu ermitteln. Relevante Sachbilanzdaten, die nicht über Wirkkategorien erfasst werden, sind in die Betrachtung zu integrieren. Anhand der Ergebnisse lassen sich nun die Kernaussagen formulieren, da erkannt werden kann, welche Prozesse oder Lebensphasen dominant sind.
623
Zur Bewertung ist nach Norm eine Überprüfung der Vollständigkeit, der Sensitivität und der Konsistenz der erkannten Prozesse oder Lebensphasen durchzuführen. Die Vollständigkeit kann durch Massen- der Energiebilanzen überprüft werden. Die Sensitivität kann durch Szenarienbildung unterschiedlicher Prozesse oder Parameterwahl ermittelt werden. Die Auswirkungen der unterschiedlichen Annahmen auf das Endergebnis stellt die Sensitivität dar. Es ist sicherzustellen, dass die zur Interpretation notwendigen Informationen und Daten vollständig vorhanden sind. Ebenso ist zu überprüfen, inwieweit Unsicherheiten, etwa durch das Abschätzen von Daten bei Datenlücken, das Ergebnis beeinflussen können. Diese Unsicherheiten können durch Berechnung eines Minimal-Maximal-Intervalls, das die möglichen Extremfälle berücksichtigt, und dessen Auswirkungen auf das Endergebnis ermittelt werden. Die Überprüfung der Konsistenz in der Vorgehensweise soll zum einen die Übereinstimmung mit der Zieldefinition gewährleisten und zum anderen sicherstellen, dass Methodik und Regeln konsequent angewandt wurden. Im Anschluss findet sich einige Literatur zum Vertiefen.
Literatur zu Kapitel 8.2 Eyerer P (Hrsg) Ganzheitliche Bilanzierung, Werkzeug zum Planen und Wirtschaften in Kreisläufen. Springer Verlag, Berlin, 1996. Bezug über www.lbpgabi.uni-stuttgart. de ISO 14.040 ff.: Umweltmanagement – Ökobilanz Brüssel, 1997ff. Fischer M, Kupfer T, Eyerer P Life Cycle Engineering and its Use in Environmental Management Systems in the Chemical Industry. European Congress of Chemical Engineering (ECCE 4), Granada, 22.-25. September 2003 Fiedler-Winter R (2007) Nachhaltigkeit in der Praxis. Kunststoffe 97(2007)10, S 36–42 Fachverband Wärmedämmverbundsysteme (Hrsg) Kreißig J, Betz M, Schöch H Technische Systeminfo 5. Wärmedämmverbundsysteme. Wärmedämmverbundsysteme zum Thema Ökobilanz, 1999 Guinée J B, Gorrée M, Heijungs R u a (Hrsg) Handbook on Life Cycle Assessment – Operational Guide to the ISO Standards. Kluwer, Dordrecht, 2002 Würdinger E et al. (2002) Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen: Vergleichende Ökobilanz für Loose-fillPackmittel aus Stärke bzw. Polystyrol. Endbericht (DBUAz 04763), DBU, Berlin, 3/2002
9
Ausblick zu Polymer Engineering
Die folgenden kurzen Teilkapitel befassen sich überwiegend mit technischen Inventionen, die schon auf dem Weg zu Innovationen sind oder als Hoffnungsträger einmal den Markt erobern sollen. Entscheidend für einen Ausblick sind aber vor allem die wirtschaftlichen Strukturen der die Technik umsetzenden Firmen. Hierzu gibt es eine Vielzahl von aktuellen oder älteren Analysen, deren Kurzfassungen den Rahmen hier sprengen würden. Daher sind hier wenige zitiert: – Handtke, M. [1] (siehe auch Kapitel 1.5) – Schamp, E.W. [1]
Bild 9-1. Commodities vs. Spezialitäten (A. Oberholz [2]).
– Oberholz, A. [2] – McKinsey [6] – Altmann, O. [8]
9.1
Werkstoffherstellung, Synthese
Seit den 1980er Jahren findet in der chemischen Industrie ein tiefgreifender Strukturwandel statt. Die Pharmaindustrie wurde herausgelöst. Zwischen der reifen Industrie (Grundstoffchemie auf Erdölbasis) mit geringen Wachstumsraten und jungen Industrien (Spezialchemie) mit zweistelligen Wachstumsraten wird heute differenziert, Bild 9-1.
9.2 Werkstoffeigenschaften Die Tendenz der vergangenen Jahrzehnte setzt sich innerhalb der Kunststoffchemie in Zukunft fort: Neue Kunststoffe werden kaum noch synthetisiert. Sofern große Absatzmengen locken, wird es höchstens Mischungen aus bekannten Polymeren (Copolymerisationen, Blending) geben. Neue Katalysatorsysteme, wie etwa die Metallocen-Technologie, auch deren Weiterentwicklung, sind zu erwarten. Mittelfristig wird es mehr Polymerisationen in Wasser und in Masse oder längerfristig auch in supercritical fluids (SCF) anstelle in Lösemittel geben. Eine Reduktion von Rückständen des Monomeren, Lösemittels und Zusätzen wie Emulgatoren wird das Ziel sein, sofern die Synthesekosten dabei auch gesenkt werden. Dies geschieht ohnehin permanent durch Verfahrensanalysen. Insgesamt wird die Reduktion von Nebenprodukten (100 Prozent Umsatz) oder deren Verwertung ein Entwicklungsthema sein. So werden Rezepturen für Polymere angestrebt, die migrationsfreie, halogenfreie und wieder verwertbare Produkte (schwermetallfreie Additive) liefern. Ein absehbarer großer Schritt in Richtung der Synthese von biobasierten Polymeren – weg vom Erdöl, hin zu Zucker, Cellulose, Stärke, Ölen und Fetten oder Lignin als Rohstoff – wird die Polymerchemie verändern. Langfaser-, gewebe-, gestrickverstärkte oder örtlich hybridfaserverstärkte Thermoplaste werden in Richtung Großserie und Strukturbauteile Boden gewinnen.
Bild 9-2. Beispiel verbesserte Formstabilität bei höchster Festigkeit (Schwab [4])
625
Nanocomposites und Nanopartikel ergänzen hier in Richtung höhere Festigkeit, Steifigkeit, Leitfähigkeit u. a. auch bei transparenten Kunststoffen.
9.2
Werkstoffeigenschaften
Die Vision der variabel, im Betrieb über Sensoren einstellbaren Eigenschaften von Kunststoffen wird mittel- bis langfristig Realität werden. Funktions-, Struktur- und Gradientenwerkstoffe im Polymer Engineering verbreitern ihre Anwendungen. Weitere Entwicklungen, insbesondere im automobilen Umfeld, zielen auf – verbesserte Formstabilität, s. Bild 9-2 – höhere Energieaufnahmevermögen in der Kälte – schadenstolerante Werkstoffe – verbessertes Brandverhalten (Toxizität, Rauchgase) – umweltgerechtere Schäumsysteme – Kombination von Werkstoffen (Hybridsysteme) u. a. Mehrschichtschläuche oder Umspritzen von Faserverbund Kunststoffen mit Struktureinlagen – hohe örtliche elektrische Leitfähigkeit – emissionsfreie Kunststoffe – kratzfest beschichtete Kunststoffscheiben – Polymere LED – flächige Leuchtdioden zur Illumination
626
9 Ausblick zu Polymer Engineering
– Flüssigkristall-Bildschirm-Anwendungen – Eigenschaftsverbesserungen durch Nanopartikel und
Nanocomposites [3] • Höhere katalytische Aktivität (Pt@Al2O3) • Höhere mechanische Verstärkung (Carbon Black in Gummi) • Superparamagnetismus (Fe2O3) • Niedrigere Sintertemperatur (TiO2) • Blauverschiebung optischer Spektren • Erhöhte Lumineszenz von Halbleitern (Si, GaAs) • Transparenter UV-Schutz (ZnO, TiO2) Bild 9-2 zeigt, welche Eigenschaftsverbesserungen bei 100 Jahre bestehenden Kunststoffen (Phenol-Formaldehydharz) heute und in Zukunft möglich sind! Am Beipiel nanoverstärktes Epoxidharz wird anhand Bild 9-3 das altbekannte Dilemma deutlich, wonach mit traditionellen Füllstoffen eine verbesserte Festigkeit oder Steifigkeit zu Lasten der Schlagzähigkeit geht bzw. umgekehrt. Wie erste Ergebnisse zeigen, beispielsweise [5], lassen sich mittels Nanoverstärkungen die Schlagzähigkeit und der Modul steigern. Die Entwicklung derartiger Nanocomposites steht dabei erst am Anfang.
Bild 9-3. Nanokomposite überwinden Grenzen: Nanoverstärktes Epoxidharz [5]
9.3
Verarbeitung, Verfahrenstechnik
Der Trend zur Kombination von verschiedenen Verarbeitungstechniken mit Integration von Funktionen in Kunststoff- oder Hybridbauteile wird sich dynamisch aus Kostengründen fortsetzen. Die großserienfähige Verarbeitung von thermoplastischen langfaserverstärkten Verbundwerkstoffen mit örtlicher Gewebe- oder Kohlenstofffaserverstärkung wird sich kurzfristig auch in laufende Serien eindrängen. Eine kostengünstigere, qualitätssicherere Duroplastverarbeitung (SMC) ist in zwei Jahren zu erwarten. Andere reaktive Verarbeitungen wie Polyamid aus Caprolactam, PUR-RIM/ RRIM und SRIM1, RTM und TRT2 sowie Extrusion lassen deutliche Fortschritte erwarten. Darüber hinaus werden integrierte Prozesse (Reaktion+C ompoundierung+Formgebung), die auf der Kombination verschiedener Verfahrensschritte basieren, zunehmend an Bedeutung gewinnen, da dadurch ein mehrfaches Erwärmen und Abkühlen von Kunststoffen wegfällt. Die Bedeu1
2
PUR-RIM/RRIM … Polyurethan-Reaction Injection Molding/Reinforced RIM SRIM … Polyurethan-Reaction Injection Molding/Structural RIM RTM … Resin Transfer Molding (mit Duroplasten) TRTM … Thermoplastic RTM
9.3 Verarbeitung, Verfahrenstechnik tung der Mikrowellentechnik beim Trocknen, Schweißen, Kleben, Erwärmen/Schmelzen, einschließlich der Plasmatechnik zum Reinigen und Beschichten wird stark ansteigen, weil Vorteile in Funktionen, Kosten und Umwelt erkannt werden. Neue Ansätze in der Verfahrenstechnik führen zu einer Prozessintensivierung (Mikroverfahrenstechnik, PlasmaTechnologie, Vortex-Verfahren, Hochdrucktechnik, Hybridverfahren, mobile Skid-Technologie, Mehrzweckanlagen, standardisierte Apparate). Die Biotechnologie liefert energie- und ressourcenschonende Verfahren. (aus [2]) – Weiße Biotechnologie • Nachwachsende Rohstoffe – werden langfristig immer kompetitiver – reduzieren den CO2-Ausstoß – schonen die fossilen Ressourcen • Neue Prozesse – verbesserte Ökonomie und Ökologie durch selektivere Prozesse – vereinfachte Prozesse durch Integration mehrerer Stufen • Ganzzellbiokatalyse • Fermentation
627
• Neue Produkte – Biopolymere – Biopharmazeutika – Enzyme, z. B. für Detergentien – Bio-Kraftstoffe – Grüne Biotechnologie (Transgene Pflanzen) • Status – bislang liegt der Schwerpunkt der Entwicklungen auf der Verbesserung der agroökonomischen Eigenschaften von Pflanzen – Trockenheits- und Herbizidtoleranz, ... (input traits) – zur Produktion nachwachsender Rohstoffe für die chemische Industrie spielen transgene Pflanzen noch eine untergeordnete Rolle – erhebliche Vorbehalte in der europäischen Bevölkerung gegenüber gentechnisch veränderten Pflanzen • Trends – Gewinnung nachwachsender Rohstoffe aus speziell optimierten Pflanzen – Raps mit optimiertem Fettsäurespektrum, Kartoffeln mit für technische Anwendungen optimierter Stärke bzw. optimiertem Pektin, ... – Entwicklung pflanzlicher Produktionssysteme für Biopolymere – Polyhydroxybuttersäure
Bild 9-4. Einfluss der Biotechnologie auf die chemische Industrie [6]
628
9 Ausblick zu Polymer Engineering
– Entwicklung pflanzlicher Produktionssysteme für Biopharmazeutika Bild 9-4 verdeutlicht den Einfluss der Biotechnologie auf die chemische Industrie [6].
9.4
Werkzeugtechnik
Werkzeugfallende Produkte und Komponenten (Integration von Produktionsfolgeschritten in das Ur- oder Umformwerkzeug) wie Instrumententafel, Scheinwerfer, Türkonzepte, Stoßfänger u. a. werden von der Vision zur Kleinserie und später zur Großserie gelangen, [7]. Dazu gehören nacharbeitsfreie Werkzeugsysteme einschließlich der praxisnahen Vorhersage des Formfüllvorganges für neu entwickelte (kombinierte) Verarbeitungstechniken.
9.5
Konstruktion, Berechnung
Dimensionier- und Konstruktionsmethoden innerhalb des Simultaneous Engineering werden weiter verfeinert. Beispielsweise wird die Berechnung von Schwindung und Verzug bei (lang)faserverstärkten Kunststoffen erarbeitet und dem Verarbeiter und Bauteilentwicklung angeboten werden. Das Gleiche gilt für die bessere Berücksichtigung des anisotropen und viskoelastischen Werkstoffverhaltens. Die Erstellung und Erweiterung von FE-Modellen für die Berechnung (mit rationellem Übergang von CAD zu FE-Modellen) werden die Folge sein, einschließlich computerunterstützter Suche nach masseoptimierten Konstruktionen bei Vorgabe von Konstruktionsvariablen. Die Miniaturisierung und Modulbauweise von Komponenten schreitet voran bei Wanddickenreduktion, Geräuschdämmung und lösbaren Verbindungen. Die Vorausberechnung des akustischen Verhaltens von Formteilen und Komponenten wird Standard werden. Kostengünstige Montage und Verbindungstechnik bleibt eine Dauerforderung. Rapid Prototyping (seriengleich Funktionsteile) und Rapid Tooling gewinnen weiter an Bedeutung. Folgende Forderungen des Kunden bestimmen beim Automobil die kommenden Jahre: – Leichtbau (Verbrauch geht in Richtung 3 l/100 km) dadurch • mehr Kunststoffanwendungen im Motorbereich, Antriebsstrang, Fahrwerk [8], [9], [10]–[14] • Dachmodule • Unterbodenmodule mit thermischem Schutz • Kabelbäume durch Bordnetze ersetzen (drive by wire) • Hybridbauweisen aus Metallen und Kunststoffen/ Faserverbundwerkstoffen [15], [16]
– – – –
verbesserte Crash-Sicherheit (wie bei Formel 1) bessere Rundumsicht Rundumverglasung aus Polymeren integrierte Nutzungsvariationen z. B. Cabrio im Sommer, Limousine im Winter – Schutz vor Vandalismus – Kunststoff-Brennstoffzelle [17], [18], [19], [20] – werkzeugfallende Dichtsysteme [21]
9.6
Oberflächentechnik
Wirtschaftlichere und umweltgerechtere Oberflächentechniken wie beispielsweise durchgefärbte Produkte, hinterspritzte bzw. –prägte Folien (polierbar im Außenbereich) werden in die Großserie einziehen. Die überzogenen Ansprüche an Class-A-Oberflächen wird der Kunde nicht mehr bezahlen wollen. Die Integration des Lackierprozesses in das Werkzeugsystem trifft das Kostenbewusstsein vieler Verbraucher. Visionen und Ziele bleiben: – Folien ersetzen lackierte Flächen – selbst reinigende Oberflächen – über Sensoren gesteuerte variable Farbanpassung der Außenhaut an die Umgebung (helle Farben in der Dämmerung, reflektierende Folien in der Nacht, grelle Elemente bei drohendem Unfall) – selbst heilende Oberflächen – transparente leitfähige Beschichtungen mit ITO (leitfähige Nanopartikel aus Indium-Zinnoxid werden im Lack dispergiert)
9.7
Qualitätsmanagement
In-line-Prüftechniken (bevorzugt zerstörungsfrei) während der Synthese und vor allem der Verarbeitung werden eine Null-Fehler-Qualität garantieren und Serienstreuungen extrem einengen (durch noch intelligentere Steuer- und Regelsysteme während des Verarbeitungs- und Montageprozesses). Vor allem werden dadurch teuere Rückrufaktionen deutlich minimiert und Reparaturkosten gedrückt. Die Lebensdauer von Produkten wird besser vorhersagbar. Der Einsatz von Faserverbundstrukturen in der tragenden Struktur von Automobilen (Leichtbau) bedingt einfache, praxistaugliche zerstörungsfreie Prüfmethodiken für Reparaturbetriebe. Hier besteht noch großer Forschungsbedarf.
9.8
Serienfertigung
Serienanläufe sind seit Jahrzehnten schon immer die Stunde der Wahrheit. Zeit und Kosten sind jedoch in jüngster Ver-
9.10 Ausbildung gangenheit wettbewerbsentscheidene Faktoren geworden. Daher ist Simultaneous Engineering zur Verkürzung der Entwicklungszeiten und für reduzierte Anlaufkosten immer wichtiger. Selbststeuernde Gruppen sind und bleiben ein wichtiges Führungs- und Organisationsprinzip. Vorgeben von Zielen und weitgehende Delegation des Zielweges bei strikter Selbstkontrolle sind Eckpunkte darin. Produktionsintegrierter Umweltschutz bei höchster Prozesssicherheit im Hinblick auf Produkt und Mensch bleibt höchstes Niveau in Deutschland. Die Rationalisierung neuer und alter Techniken war und bleibt im globalen Wettbewerb überlebensnotwendig. Eine Stärke in Deutschland sind Erfindungen (Inventionen). Die Schwäche liegt seit ca. 60 Jahren in der großserienfähigen Umsetzung am Markt (Innovation) derartiger Inventionen. Das Beispiel aus der Polymerelektronik mit gedruckten Kunststoff-Transistoren (Polymer Electronic Printing) über Rollendruckmaschinen, entwickelt an der Universität Chemnitz [22] setzt Maßstab und Ausblick zugleich und zeigt, wo wir uns in Zukunft verstärkt engagieren müssen. Ein weiteres positives Beispiel stellen die Duroplaste dar, die in den vergangenen Jahrzehnten von den Thermoplasten immer mehr zurückgedrängt wurden. Infolge höherer spezifischer Leistungen und Bauraumverknappung steigen die thermischen Anforderungen an polymere Bauteil im Motorraum so stark an, dass häufig Duroplaste wieder eine Chance zur Anwendung erhalten. Beispiele hierfür sind: – Saugmodul BMW 8-Zylinder – Drosselklappengehäuse – Turboladergehäuse – Bremskolben – Benzinpumpenteile – Kurbelwellenflansch – Riemenscheiben – Wasserpumpen – Wählscheibe für Automatikgetriebe – Kolben und Zylinder in Hydrauliksystemen Neu modifizierte Werkstoffe, wie beispielsweise die genannten Duroplaste, dürfen aber nicht nur die geforderten höheren Stabilitäten erfüllen sondern müssen in den Kosten mindestens gleich zum Wettbewerbswerkstoff sein. Dies bedeutet, dass Duroplaste in den Zykluszeiten im Vergleich zu den Thermoplasten deutlichen Nachholbedarf haben. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf die Integration von Folgeprozessen wie Stanzen, Umformen oder/und das Umspritzen bei hybriden Bauteilen.
629
So kann beispielsweise ein Spritzgießprozess an eine Presse als modulare Einheit adaptiert werden. Dadurch lassen sich Stanz-, Biege- und Umspritztechniken in direkter Folge in einer Maschine integrieren. Weitere Prozessschritte wie Montage, Prüfen, Beschriften führen beispielsweise bei Kunststoff/Metall-Verbundteilen zu höchst wirtschaftlicher Bauteilfertigung [23].
9.9
Umweltaspekte, Recycling, Entsorgung
Als Schwachstellenanalyse während der Produktentwicklung hat sich die Ganzheitliche Bilanzierung (technisch, wirtschaftlich, umweltlich) in Konzernen durchgesetzt. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind noch zu gewinnen. Kosten und Handhabbarkeit des Instrumentariums Ganzheitliche Bilanzierung sind dazu weiter zu senken und zu verbessern. Risikomanagement, wirtschaftliche Fragestellungen, vor allem Kosten, sowie soziale Aspekte werden integriert. Produktentwicklung muss sich noch mehr um die Reduktion von Logistik und damit von Mengenströmen kümmern. Ein wirtschaftliches Stoff-Recycling ist bei hohem Rohölpreis vorstellbar. Die Beherrschung kritischer Schadstoffe insbesondere bei der energetischen Verwertung und Beseitigung (Additive, Stäube, Emissionen) ist weiter zu optimieren. Werkstoffe und Verfahren sind zukünftig stärker im Zusammenhang mit einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung zu sehen.
9.10
Ausbildung
Ein Ausblick über Polymer Engineering wäre ohne Reflexionen zur Ausbildung höchst unvollständig. Daher hierzu einige knappe Informationen. Eine Studie der Technischen Akademie Baden-Württemberg [24] [25] ergab verkürzt bei einer Umfrage unter Ingenieuren im Beruf als Antworten auf die Frage „Wie beurteilen Sie rückblickend die Qualität Ihrer Ausbildung?“: Die Ausbildung an deutschen Schulen und Hochschulen ist – praxis- und berufsfern – zu abstrakt und theoretisch – nicht teamorientiert. Um diesen Nachteilen entgegenzuwirken integriert TheoPrax [26], [27] seit 1996 Projekte aus der Wirtschaft in die Lehre an Schulen und Hochschulen und betreibt Lehrerfortbildungen [28].
630
9 Ausblick zu Polymer Engineering
Literatur – Kapitel 9 [1]
[2] [3]
[4] [5] [6] [7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
Handtke M (2005) Innovationen im Mittelstand. Low Tech Unternehmen in Zulieferketten – Das Beispiel der Kunststoffe verarbeitenden Industrie. IWSG Working Papers 03/2005. In: Schamp EW (Hrsg) Forschungsberichte. Frankfurt, IWSG, ISSN 1439-2380 Oberholz A (2003) Chemie 2010 – Systemlösungen für die Kunden. Vortrag WING, Weimar, 30.10.2003 Schmidt HW (2007) Advanced polymer materials based on Nanostructures. Vortrag auf 13. Nat. Symp. SAMPE Deutschland, 21./22.02.2007, Bayreuth Schwab ________________________________ Haupert __ Institut für Verbundwerkstoffe GmbH, Kaiserslautern, 2003 McKinsey Studie: Einfluss der Biotechnologie auf die chemische Industrie, 2003 Eyerer P (2006) Cost and weight reduction developments in vehicle polymer part engineering. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conference, ask Otto Altmann, 30./31.10.2006, Shanghai Altmann O (2007) Marketinganalysen und zukünftige Tendenzen. Vortrag auf 10. Kunststoff-MotorbauteileForum, ask Otto Altmann, 22./23.01.2007, Spitzingsee Bender KW (2006) Engineering Plastics in Automotive and Motorcycle Power Train Applications. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conference, ask Otto Altmann, 30./31.10.2006, Shanghai Babl T (2006) Plastic engine parts with new “Easy Flow” Durethan/Poc. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conference, ask Otto Altmann, 30./31.10.2006, Shanghai Bachmann J (2006) Plastic Motorcycle Structure and Engine Part Discussion. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conference, ask Otto Altmann, 30./31.10.2006, Shanghai Namgoong S (2006) Victrex®PEEK, a high performance polymer for under the bonnet applications. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conference, ask Otto Altmann, 30./31.10.2006, Shanghai Kuskida T (2006) Engineering Plastics in Automotive and Motorcycle Power Train Applications. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conference, ask Otto Altmann, 30./31.10.2006, Shanghai Mante A (2006) Requirements for automotive and transportation systems plastic oil-pumps. Vortrag First Automotive Engine Plastic Part Conference, ask Otto Altmann, 30./31.10.2006, Shanghai Deinzer G (2007) Verbundwerkstoffe im Automobilbau – Status und Perspektiven. Vortrag auf 13. Nat. Symp. SAMPE Deutschland, 21./22.02.2007, Bayreuth
[16] Schnura A (2007) Faserverbundwerkstoffe – Neue Ansätze aus der Praxis. Vortrag auf 13. Nat. Symp. SAMPE Deutschland, 21./22.02.2007, Bayreuth [17] Höckel M (2007) Einfache Integration von Brennstoffzellensystemen in Fahrzeugen. Vortrag auf 10. Kunststoff-Motorbauteile-Forum, ask Otto Altmann, 22./23.01.2007, Spitzingsee [18] Höckel M (2007) Präsentation Brennstoffzellenfahrzeug PEM Scoot. Vortrag auf 10. Kunststoff-MotorbauteileForum, ask Otto Altmann, 22./23.01.2007, Spitzingsee [19] Kunststoff- und Elastomerkonzepte im Bereich des Stacks der Brennstoffzelle. Vortrag auf 10. KunststoffMotorbauteile-Forum, ask Otto Altmann, 22./ 23.01.2007, Spitzingsee [20] Reinert J (2007) Hochfeste Kohlenstofffasercompounds für Bi-polare Endplatten der PEM-Zellen. Vortrag auf 10. Kunststoff-Motorbauteile-Forum, ask Otto Altmann, 22./23.01.2007, Spitzingsee [21] Leitmesse der Dichtungs- und Klebetechnik ISGATEC, Fachforum, 27.–29.3.2007, Nürnberg [22] Naica-Loebell A Gedruckte Kunststoff Transistoren www. telepolis.de/deutsch/inhalt/lis/16314/1.html und www.bmbf.de, sowie www.tu-chemnitz.de [23] Anderl J (2007) Integrierte Stanz-, Umform- und Umspritztechnik bei hybriden Bauteilen – vom Blechstreifen und Granulathorn in einem Schritt zum fertigen Bauteil. Vortrag am 14./15.02.07 in Baden-Baden: Spritzgießen 2007, VDI Kunststofftechnik [24] Pfenning U, Renn O (2001) Berufserfahrungen von Ingenieuren. Kurzbericht zu den Ergebnissen der Umfrage. Stuttgart: Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg [25] Renn O, Pfenning U et al. (2002) Strategien zur Vermeidung eines Mangels an Naturwissenschaftlern und Ingenieuren. Stuttgart: Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg [26] Eyerer P (2000) TheoPrax – Bausteine für Lernende Organisationen – Projektarbeit in Aus- und Weiterbildung. Stuttgart: Klett-Cotta [27] www.theo-prax.de [28] Krause D (2002) Lehreraus- und -weiterbildung – Projektarbeit lernen durch Selbsterleben. Vortrag 5. TheoPrax-Tag am Fraunhofer ICT, Pfinztal, 25. September 2002
Weiterführende Literatur: Wagner G (2004) Polymere als Objekt der Materialwissenschaft und Grundlage neuer Technologien. In: Festschrift zur Ehrenpromotion von Wagner G. Erlangen: Friedrich-Alexander-Universität
9.10 Ausbildung Schirrmeister E, Warneke P, Wengel J (2003) Techniken im Trend – Stand und Dynamik der Einführung innovative Produktionstechniken. Karlsruhe: Fraunhofer ISI Mitteilungen Faraday Advance Trends in hybrid metallic, polymer and composite automotive structures. Sandy Lande, Yarnton, UK, Feb. 2003 Feldmann J (2003) Kunststoff: Werkstoff und Wirtschaft im Wandel. Ludwigshafen: BASF Vortrag in Freiburg, 4.12.2003
631
Delphi II Umfrage zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik. Karlsruhe: Fraunhofer ISI, 1996 Reinecke (2003) Automobilanwendungen von übermorgen. Kunststoffe 93(2003)8, S 64–66 Kunststoffe Automotive 3/2004. München: Hanser 2004
Sachverzeichnis
Symbole (Bio)-Partikelschaumstoffe 295 (PC+ABS)-Blend 282 (Polyorganosiloxan; Q) 205 (Two Shot Moulding) 446 – flammwidriger 135 – halogenfreie 158 – intermolekulare 489 [Al4(OH)8Si4O10], 142 16-fach-Heißkanalwerkzeug 485 3D-MID 453 6-fach-Heißkanalwerkzeug 485 6-fach-Spritzgießwerkzeug 282 8-Hydroxychinolin 112 α-Messing 128 α-Olefine 22 α-Strahlung 100 β-Strahlung 100 γ-Strahlung 100 A α-Aminosäure-Moleküle 39 A-Glas 143 A-Zustand 35 Abbau 129, 134 – biochemischer 134 – biologischer 129 – photochemischer 134 Abbaureaktionen 99 Abdeckplanen 127 Abfallbehandlung 618 – thermische 618 Abgleiten 4, 61 Abgleitprozesse 56, 58 – molekulare 58 Abkühleigenspannungen σE 387 Abkühlgeschwindigkeit 64, 65, 128, 390, 392 Abkühlung 387
Abkühlverhältnisse 413 Abkühlzeit 474 Ablagerung 114 Abminderungsfaktoren 529 Abriebfestigkeit 143 Abriebreduzierungsmittel 37 Abrollverfahren 440 ABS 106, 116, 122, 130, 145 Abscheidung 239 – außenstromlose 239 – chemische 239 – elektrolytische 238 Abscheidungen 100 Abschirmung 107 – elektromagnetische (EMV) 107 Absorption 113 Absorptionsbanden 562 Absorptionsfähigkeit 140 Absorptionsgesetz 563 Absperrungen 2 Acceleration Stress Testing 608 ACE (Acrylester/MMA-Pfropfpolymerisat) 130 Acetalcopolymerisate 91 Acetat-Reyon 38 Aceton 99 Acetoxy-Gruppen (RO) 128 Acetylbenzoyloxide 126 Acetylen 21 Achsabstandsabmaße 483 Achslagetoleranz 483 Achswinkel 483 Acrylate 150 s. a. PMA, PMMA Acrylglas 30 Acrylnitril-Butadien-Elastomer 185 Acrylnitril-Butadien-Kautschuk 194 – hydrierter 194 Acrylperoxide 126 Adaptercoextrusion 268
Sachverzeichnis Adapterverfahren 269 Additionspolymerisate 19 Additionspolymerisation 19, 24 Additiv-Technik 445 Additive 37, 44, 97, 101, 104, 105, 136, 137, 140, 145, 299 – performance 104 – Smoke Supressant 136 Additives Handbook 136 Adhäsion 128 Adipinsäure 130, 135, 299 Adsorption 92 Advanced Elastomers Systems (AES) 173 Affe 478 – werkzeugfallender 478 Affinity ® 23 ageing of polymers 609 – artificial 609 – natural 609 Agglomerat 113 Agglomeratbildung 108, 113 Agglomeration 100 agglomerieren 216 Aggregat 113 Aggregatbildung 108 Airbag 2, 30 Airbus A380 147 Airless-Spritzen 125 Aktivator 105, 108, 128 Al 76 Al2O3 140 Algen 129 aliphatisch 45 Alkalialuminosilikat KNa3 [AlSiO4]4 143 alkalisieren 39 Alkohole 125 Alkoxy-Gruppen 128 Alkylcellulose 38 Alkylierung 42 Alkylperoxide 126 Alkylradikale 111 Allokation 622 Alpha-Cellulose 138, 139 Alterung 99, 102 – künstliche 102 – natürliche 102 Alterungsbeständigkeit 142 Alterungserscheinungen 100 Alterungsschutzmittel 101, 132, 133 Alterungsursachen 99 Alterungsvorgänge 99, 184 Aluminat-(Böhmit)-Pulver 150
– dispergierbare 150 Aluminium 108, 129, 149, 466 Aluminiumalkylen 26 Aluminiumalkylhalogeniden 26 Aluminiumfolien-Verbundwerkstoffe 149 Aluminiumhydroxid 110 Aluminiumoxid 140, 142, 149 Aluminiumsilicat 120 Aluminiumtriethyl 22 Aluminiumtrihydrat (ATH) 140 Aluminiumverbindungen 120, 140 Amide 125 Amidgruppen 47 Aminbeschleuniger 108 Amine 100, 108, 119, 128, 133, 150 – beschleunigte 119 – ethoxylierte tertäre 108 – sterisch gehinderte (HALS) 133 Aminogruppe 40 Aminoplast-Formmassen 156 Aminoplaste 126, 140, 144 Aminosäuren 49 Aminosäuretypen 47 Aminosilan 146 Ammoniak 101 Ammoniumoctamolybdat 112 Ammoniumpolyphosphat (APP) 110, 111, 158 Analyse 576 – thermische 576 Anatas 116 Andalusit 142 Anfälligkeit 137 – mikrobiologische 137 Anfangskonzentration 32 Anfangsspannung 80 angewandte Polymerforschung 43 Angießkanal 318 Angusskanaltechnik 482 Angusssystem 319 Angusstechnik 484 Anhydride 150 Anilin 297 Anisotropie 102 – strukturelle 102 Anlagenpreis 461 Anlagentechnik 316, 459 Anorak 30 Anregungsfrequenz 455 Anspritzrichtung 473 Anstrich 142 Anthrachinon-Farbstoff 122
633
634
Sachverzeichnis
Anthrachinone 121 Anti-fogging 118 Anti-Friction-Coating 124 Antiblocking-Verhalten 141 Antiblockmittel 105, 125 Antimontrioxid 110, 111 Antimontrisulfid 140 Antimonverbindung 120 Antioxidantien 100, 101, 105, 107, 132 – phenolische 133, 134 – primäre 101, 106 – sekundäre 101, 106 Antireflexschicht 462 Antislipmittel 105, 125 antistatic agents 136 Antistatika 105, 107, 108 – äußere 108 – innere 108 Antistatikum 108 Antriebe 2 Antriebstechnik 248 Anwendung 2, 112 Anziehungskräfte 46 Apex 359 Apparatebau 141 Aramide 50 Aramidfasern (AF) 127, 128, 146, 160, 162, 164, 166 Aramidfaser-Laminaten 166 Arbeitsanzüge 163 Arbeitsaufnahmevermögen 30, 33, 76, 78 Arbeitsdrucke 458 Arbeitsplatten 145 Arboform® 482 Argonplasma 458 aromatisch 45 Arrhenius-Ansatz 587 Arrhenius-Gleichung 184 Asbest 144, 152 Asbestfasern 144, 145 Asbestgewebe 145 Asbestose 152 Aseptik 279 aspect ratio 138, 144, 515 Aspektverhältnis 139 ATH 138 Atome 24 Atomgruppen 24 Audiobänder 107 Aufbereitung 211 Aufheizvorgang 425 Aufheller 123
– optische 123 Aufhellung 120 Aufladbarkeit 107 Aufschäumung 479 – örtliche 479 Aufwachsverfahren 149 Ausbildung 2, 629 Ausblühen 114 Ausfallwahrscheinlichkeit 604 Aushärtung 415, 428 Auskleidung 2 Auslegungskriterien 532 Auslegungsphilosophien 520 Ausrüstung 485 – antimikrobielle 485 Ausscheidungen 100 Außenhandel 5 Außenhandelssaldo 8 Außenhaut 391 Außenkalibrierung 270, 271 Ausstoßzone 257 Auswerferstifte 228 Auto 2 Autolacke 28 Automatisierungskonzepte 485 Automatisierungstechnik 248 Automobil 602 Automobil-Recycling 618 Automobilbau 165, 373 Automobilbereich 172 Automobilelektronik 248, 453 Automobilindustrie 170 Automobilkennzeichen 143 Automobilteile 142 automotive glazing 462 Automotive Paint Performance 464 Autooxidation 99 Autoreifen 160 Autorennen 2 Autositze 28 Axiaspannung 83 Azelainsäure 135 Azoalkane 111, 136 Azodicarbonamid (ADC) 131 Azometall-Komplex-Pigmente 121 Azomethin-Komplex-Pigmente 121 Azopigmente 121 B B-Glasfaser 143 B-Zustand 36
Sachverzeichnis Ba/Cd-Stabilisatoren 134 Ba/Zn 107 Babyflaschen 30 Bahnen 480 – leitfähige 480 Bakelite 145 Bakterien 129 Bälle 2 Band-Granulator 216 Bandage 357 Bändchen 160 Bänder 145 Barium 107 Bariumferrit 140 Bariumsulfat (BaSO4) 116, 140 Bariumverbindungen 140 Barriereschichten 458 Barriereschnecken 259 Barriereverfahren 462 Barrierewirkung 143 basenkatalysiert 35 Batterien 151 Bauelemente 144 – elektronische 144 Baugruppen 453 – mechatronische 453 Bauindustrie 156 Baumwollcellulose 139 Baumwolle 38, 138, 163 Baustoffe 143 – feuerfeste 143 Bauteil-Werkzeug 19 Bauteil-Wiederverwendung 610 Bauteildimensionierung 44 Bauteile 44, 248, 308, 477, 630 – Eigenschaften 44 – folienhinterschäumte 308 – Hybride 248, 630 – werkzeugfallende 477 Bauteileigenschaften 374, 375, 379, 413 Bauteilkosten 538 Bauteilsimulation 595 Bauteiltoleranzen 536 Bauteilverstärkung 165 – örtliche 165 Bauweisen-Konzepte 520 Bauwesen 2, 109, 165 Bauxit 140 Bayer 172 – Otto 172 Beads 290
Beanspruchung 58, 99 – mechanische 99 – schlagartige 58 Beanspruchungsdauer 44, 80 Beanspruchungshöhe 44 Bearbeitung 476 Bechertest 320 Bedruckbarkeit 141 Bedruckungsprobleme 105 Befestigungselemente 477 Behälter 127, 128 – flexible 127 Behandlung – Füllstoffe 459 Behinderung 45 – sterische 45, 53 Beiträge 544 Bekleidung 2 Belastung 99 – kombinierte 99 – mechanische 100 – thermische 100 Belastungsgeschwindigkeit 72, 73, 84, 86 – Einfluss 73 Belastungskennwerte 483 Bemessungskennwerte 532 Benetzungsvermögen 116 Bentonite 150 – organophile 150 Benzil 130 Benzimidazolderivate 130 Benzimidazolon-Pigmente 121 Benzoate 133 Benzoin 130 Benzol 40, 42, 297 Benzyliden-Campher 133 Beratungskosten 544 Berechnung 628 Berechnungsansätze 504 Berechnungsprogramme 502 Bereich 70 – entropieelastischer 70 – linearelastischer 75 – weichelastischer 70 – zähelastischer 70 Berylliumoxid 129 Beschichten 457 Beschichtung 111, 127, 138, 142, 143, 453, 465 Beschichtungsanlage 127 Beschleuniger 37, 105, 108 Beschleunigermenge 119
635
636
Sachverzeichnis
Beständigkeit 92, 102, 484 – Chemikalien 92, 103 Bestandteile 33, 98 – niedermolekulare 33, 98 Betriebsbedarf 543 Betriebsmaterial 461 Betriebsstoffe 540 Betriebstemperatur 44 Betriebswirtschaftslehre 544 Beulen 473 Bewitterung 97, 99, 100 Bi-polare Endplatten 630 Biegefedern 484 Biegefestigkeit 155 Biegesteifigkeit 335 Biegewechselfestigkeit 84, 85 Bilanzierung 2, 619 – Ganzheitliche 2, 619 Bildschirm 113 Bildungsmechanismen 19, 20 Bindenaht 414, 476 – Fließbremsen 476 Bindenähte 414, 485 Bindenahtfestigkeit 144 Bindung 37, 44 – kovalente 44 – metallische 44 – primäre 37 – zwischenmolekulare 44 Bindungsarme 19 Bindungsenergie 45, 53 Biodegradable Plastics 618 Biodegradable Polymers 43 Biopolymermolekül 23 Biorefinery 43 Biostabilisatoren 130, 137 Biotechnologie 627 – Grüne 627 – Weiße 627 Bipolarplatten 248 Bisphenol A 30 Bisphenole 135 Blähgraphit (BG) 110, 158 Blanc fixe 140 Blasformen 249, 274, 278 – sequentielles 278 Blasformteile 515 Blättchen 37 Blattsilikate 37 Blauasbest 152 Blaupigment 121
Blechumformen 235 Bleicarbonat 116 basisch 116 Bleichchromate 120 Bleichlorid 140 Bleichromat 120 Bleimolybdatpigmente 120 Bleimolybdats 120 Bleioxid 109, 129 Bleistabilisatoren 132 Blendenwerkzeug 268 Block-Copolymere 5, 58, 59, 61, 162, 171 Block-Copolymerisation 24 Blockverhalten 125 Blockweichschäumen 305 Blow Molding 248 Blutzuckermessgeräte 485 BMC 141, 142 BMC-LP-Formmassen 141 Bob 2 Bodenauflockerer 2 Bodenbeläge 140, 159 Bohren 414 Bohrmaschinengehäuse (BMG) 374 Bootsbau 28, 156 Bootskörper 142 Borate 110, 112 Borfasern 149 Bornitrid 149 Borosilikatglas 153 Bortrifluorid 25 Borverbindungen 110 Bottlepack-Verfahren 279 Boundary Element Simulation 515 Branche 8 – mittelständische 8 Brandgase 110 Brandkatastrophen 112 Brandrisiko 109 Brandschutz 109 Brandschutzausrüstung 105, 137 Brandschutzbestimmungen 109 Brandschutzkabel 111 Brandsicherheit 109 Brandunfälle 109 Braunkohlenschwelerei 125 Breitschlitzdüsen 264 Breitschlitzwerkzeuge 264 Brenngeschwindigkeit 109 Brennkammer 111 Brennstoffzelle 151, 248
Sachverzeichnis Brennstoffzellenfahrzeug 630 Brillanz 120 Brillen 2 Brombutylkautschuk 202 Bronze 129, 149 Brown’sche Bewegung 4, 70, 198 – makro 4, 179, 183 – mikro 4, 70, 181, 183, 198 Bruchbildung 100 Bruchdehnung 67, 155 Bruchfestigkeit 155 Bruchlinie 80 Bruttostundenlohn 539 Buchencellulose 139 Buchenholz 138 Buchenholz-Faserstoffe 139 Bügel 477 – bewegliche 477 Buntpigmente 113, 120, 137 – anorganische 137 – organische 120 Burger-Modell 73 Büro 2 Buss-Ko-Kneter 216 Buss Kneader 281 Butadien-Styrol-Sequenz 169 Butadienkautschuk (BR) 200 Butandiol 135, 172, 173 Butylkautschuk (IIR) 202 Butyllithium (BuLi) 169 C C-Atom 19 C-Faserbündel 165 C-Faser 128, 146, 152, 164 C-Glas 153 – resistentes 153 C-Zustand 36 CA 122 Ca-Stearat 141 Ca/Zn-Verbindungen 135 CAB 122 Cadmiumgelb 120 Cadmiumpigmente 120, 137 Cadmiumrot 120 Cadmiumstabilisatoren 134 Cadmiumsulfid 116 Cadmiumsulfoselenid 120 Calcium 107 Calcium-Bentonite 150 Calcium-Zink-Basis 132
Calcium/Strontium-Sulfid 123 Calcium/Zink-Stabilisatoren 134 Calciumcarbonat 130, 140, 144, 274 – agglomeratfreies 144 Calciummetasilicat 144 Calciumoxid 142 Calciumverbindungen 140 Campher 135 Campus®-Datenbank 8 Caprolactam 30 Carbaminsäure 28 Carbonfaser 166 s. a. Kohlenstofffaser Carbonisieren 165 Carbonsäureamidgruppen 47 Carbonsäureester 125 Carbonsäure 125, 146 Carbonylgruppe 146 Carboxylanionen 112 Carboxylgruppe 112, 146 Carreau-Ansatz 587 Casein 39 Castfolien 282 CAX-Systeme 532 CD (compact disc) 2 Cd-Verbindungen 120 Cellophan 38 Cellular Plastics 295, 321 Cellular Solids 295, 321 Celluloid 38 Cellulose 19, 38, 128, 138, 166 Cellulose-Mischester 38 Celluloseacetat 38 Celluloseester 37, 38, 135 Celluloseether 37 Cellulosefasern 149, 156, 157 Cellulosepulver 139 Celuka-Verfahren 290 Cerverbindungen 120 CFK 335 s. a. kohlenstofffaser-verstärkte Kunststoffe CH3-Gruppen 53 Channelruß 118 Channelrußverfahren 118 Charakter 53, 108 – hydrophiler 108 – unpolarer 53 Charpy-Schlagzähigkeit 561 ChemCompass 8 Chemical Resistance Guide 103 Chemie 2 Chemie 2010 630 Chemiefaser 146
637
638
Sachverzeichnis
Chemikalienbeständigkeit 93, 113, 454 Chemikalieneinwirkung 92 chemische Technik 43 Chinacrodine 122 Chinone 128 Chipmontage 453 Chipverpackungen 150 Chitin 19 Chloratom 53 Chlorieren 121 Chloroprenkautschuk 193 Chlorparaffine 135 Chlorsilan 124 Chrom 22 Chromatpigmente 116, 120, 137 Chromechtgrün 120 Chromgelb 120 Chromgrün 120 Chromkomplexe 138 Chromophor 121, 133 Chromorange 120 Chromoxidgrün 119 Chromoxidpigmente 119 Chromtitangelb 120 – ockerfarbene 120 Chrysotilasbestfasern 152 CM Compression Molding 345 Co-Injektion 232 s. a. Mehrkomponentenspritzgießen coating 138, 137, 462 Coextrusion 278 – sequentielle 278 Coextrusionswerkzeuge 268 Coinjektionsverfahren 340 Cokatalysator 22 colorants 137 Commodities 624 Composites 137 s. a. Verbundwerkstoffe – weichmagnetische 137 composites design 514 Composite Sheet Foaming 335 Composite Solutions 335 Composite Technology 373 Composite Welding 503 Compostive 335 Compoundieren 61, 170, 216 Compounds 136, 166, 417 – leitfähige 136 – polyanilin-modifizierte 417 Coniferyl Alkohol 40 Copolyamid 162 s. a. Polyamide Copolyester (COPE) 167, 169, 172
Copolymer 58, 59, 60 – statistische 59 Copolymer (ABS) 172 s. a. ABS Copolymerisate 129 Copolymerisation 23, 24 – alternierende 24 – statische 24 Cordlagen 352 Corrosion Test 609 Costabilisatoren 101, 130, 273 CP 122 CPI-Prozess 332 Crashsimulation 510 Cresolharze 141 Cromophtal-Sortiment 120 Cu 76 Cyclic Viscoplastic Constitutive Equations 537 Cyclisierung 99 Cyclopentan 131 D Dachbahnen 170 Dachkanal 466 Damage Inducing Mechanisms 608 Damenstrümpfe 31 dämpfen 91 Dämpfer 2 Dampfkammer 292 Dämpfung 78, 183, 186 – dynamische 183 – mechanische 78 Dämpfungsverhalten 70 Datenqualität 621 Dauermagneten 335 – kunststoffgebundene 335 Dauerschwingversuch 83, 484 Dauerwechselfestigkeit 83, 155 Decabromdiphenylether 109 Decamethylcyclopentasiloxane 458 Deckfähigkeit 119 Deckschichtgewebe 335 Deckvermögen 114 Deformation 33, 80, 103 – gummielastische 33 – zeitabhängige 80 Deformationsverhalten 70, 76, 222 Degradation 99, 103 Dehngrenzlinien 80, 82 Dehnströmung 219 Dehnung 70, 73, 81 – elastische 70
Sachverzeichnis Dehnungs-Zeit-Verhalten 73 Dehnungskristallisation 198, 200 Dehydratisierung 110 Dehydrierung 42 Dehydrierungskatalysator 111 Dekoroberfläche 477 Derivate 130 Desmopan (TPU) 337, 341 Desorption 92, 93 Detergenzien 150 Di-tert.-Butylphenol 101 Diagonalreifen 350, 352 s. a. Reifen Dialkylzinnmaleinate 134 Diamant 45 Diamantschleifscheiben 129 Diamin-Dicarbonsäure 48 Diamin-Dicarbonsäuretypen 49 – aliphatische 49 Diamine 106 – aromatische 106 Diaminsäure 49 Diatomeenarten 142 Diazokondensations-Pigmente 121 Dibenzoylperoxid 24 Dibromneopentylglycol 112 Dibutylphthalat (DBP) 135 Dicarbonsäure 31, 49, 135 – aliphatische 135 Dicarbonsäuren 135, 299 Dichte 129, 392, 456 – kritische 456 Dichteänderung 22 Dichteintegral 309 Dichtprofile 140 Dichtringe 99 Dichtungen 2, 172 Dichtungselemente 173 Dichtungsmassen 125, 170 Dichtungstechnik 144, 485 Dichtungswerkstoffe 102 dielectric-barrier discharges 462 dielektrischer Verlust 415 Dielektrizitätszahl 144 Dienkautschuke 192 Dieselöl 33 DIF-process 332 DIF-Verfahren 332 Diffusion 91, 92, 179, 181, 489 – intermolekulare 179 – intramolekulare 181 Diffusionsgeschwindigkeit 92
Diisononylphthalat 135 Diisooctylphthalat 135 Diisopropanolamin 150 Diketone 134 Dimensionierungskriterien 529 Dimethylanilin 109 Dimethylenamin-Brücke 36 Dimethylolresorcine 127 Dimethylphthalat (DMP) 135 Dimethylterephthalat 30 Dimethylterephthalat 173 DIN-Normen 536 Dioctylphthalat (DOP) 63, 135 Dioctylsebazat (DOS)) 63 Diole 31 Dioxazine 122 Diphenylantimon-2-ethylhexanoat 130 Diphenyle 110 Diphenylether 110 Diphenylmethan-4,4′-di-isocyanat (MDI) 172 Dipolkräfte 135 Dipolmomente 53, 94 Direct Search Method 537 Direkt-Schäumen 288 Direkteinarbeitung 335 Direktverfahren 414 Disazopigmente 121 Dispergierbarkeit 113, 141 Dispergieren 138 Dispergierhilfe 114, 124 Dispergierkräfte 119 Dispergierqualität 115 Dispersionen 128 – wässrige 128 Dissipation 78 Dissoziation 25 Dolomit 141 Domänengröße 168 DOP-Weichmacher 98 Doppelbindung 19, 24, 25, 29, 32, 190 – konjugierte 190 Doppelschnecke 216 Doppelschneckenextruder 116, 260 Dornhalterwerkzeuge 265 dosieren 217 Dosierer 416 Dosisbereiche 525 Drahtgewebe 145 Drahtummantelung 134 Drehbarkeit 53 Drehwerkzeugverfahren 435
639
640
Sachverzeichnis
Dreischichtsilicate 150 Dreizonenschnecke 255 Druckbehälter 485 Druckeigenspannungen 66, 387 Druckfarben 122, 133 Druckfestigkeit 155 Druckfüllmethode 292 Druckrohre 134, 141 Druckspannungsrelaxation 186 Druckummantelung 267 Druckverformungsrest 174, 186 Druckverlauf 229, 230, 231 Dryblend-Bildung 136 Dübel 2 Dünnwandspritzgießen 239, 249 Dünnwandtechnik 482 Dünnwandteile 248 Duo-Lamination 485 Durchbrüche 476 Durchgangswiderstand 108, 143 – spezifischer 108 Durchsatz 216 Durchsatzcharakteristik 259 Durchsatzleistung 108 Durchschlagfestigkeit 88 Durchsetzfügen 503 Durchstoßversuch 561 Durchstrahlen 502 Duroplastchemie 150 Duroplaste 4, 5, 10, 15, 19, 33, 35, 69, 70, 102, 112, 295, 361, 399, 407, 485 – faserverstärkte 370 – kalthärtende 19 – rieselfähige 43, 102 – Typisierung 364 – Verarbeitung 361 – Verarbeitungsfehler 407 – Wirtschaftsdaten 15 duroplastische Formmassen 18, 589 – Prüfung 589 Düsenkonzept 281 Dynamisch-Mechanische-Analyse (DMA) 549 Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) 570, 576 E E-Glas 143, 153 E-Modul 57, 61 E-Modulverteilung 512 E. Simon 42 E. W. Fawcett 25 Easy Flow Durethan 630
Ecken 472 Edelgase 456 Effect of Stretching 102 Effekt 102, 107 – besonderer 113 – synergistischer 107 – nichtelastischer 102, 537 Eigenschaften 1, 44, 46, 70, 172 – akustische 87 – Bauteile 44 – chemische 92 – elektrische 87, 136 – mechanische 70, 102 – optische 87 – physikalische 87 – rheologische 142 – richtungsabhängige 46 – Stofftransport 87 – temperaturabhängige 1 – thermische 87 – thermomechanische 102 – tribologische 162, 172 – zeitabhängige 1 Eigenschaftsbild 104 Eigenschaftsverbesserer 104 Eigenspannungen 66, 97, 98, 99, 143, 270, 386, 388, 390, 398, 399, 428, 545 – strömungsbedingte 388 Eindickungsmittel 124 einfärben 137, 216 Einfärbungen 119 Einflüsse 99 – chemische 99 Einheit 620 – funktionelle 620 Einkaufsführer 8 Einkaufspreise 540 Einkomponenten-Haftvermittler 127 Einlegeteile 389, 477 Einschnecke 216 Einschneckenextruder 116, 255, 335 Einspritzbeginn 228 Einspritzen 227 Einspritzvorgang 376 Einstufenverfahren 289 Einteilung 3, 8 – Elastomere 8 – Kunststoffe 3 – Verbundwerkstoffe 3 – Werkstoffe 3 Eintopfreaktion 150
Sachverzeichnis Einzugsverhalten 216 Einzugszone 255, 258 – genutete 258 Eisenacetylacetonat 112 Eisendialkylthiocarbamat 134 Eisenglimmerplättchen 119 Eisenoxid 129, 140, 142 Eisenoxidpigmente 119 Eisenoxidschichten 119 Eisenoxidschwarz 116 Eiweißbaustein 39 Eiweißkörper 39 Eiweißverbindungen 139 Elastan-Fasern 162 Elastifizierungsmittel 37 Elastizität 72 Elastizitätslehre 482 Elastizitätsmodul 5, 70, 75, 76 – Temperaturabhängigkeit 5 Elastofasern 162 Elastomere 4, 8, 15, 33, 69, 96, 102, 128, 177, 196, 313, 341, 348, 398, 403, 592 – Einteilung 8 – extrudieren 348 – Grundklassifizierung 196 – Prüfnormen 597 – Prüfung 592 – PUR 313 – Systematik der Kurzzeichen 190 – Verarbeitung 341, 349, 361 – Verarbeitungsfehler 403 – Vulkanisation 109 Elastomerformteile 346 Elastomeric Products 537 – Accurate Simulation 537 Elastomerpartikel 69 Elastomerphase 59 – disperse 59 Elastomerverarbeitung 361 Elastomerwerkstoffe 185, 188 – Zusammensetzung 188 Elektro 2 Elektrokorund 140 elektromagnetische Wellen 415 Elektromechanik 248 Elektronenpaarbildung 45 Elektronenstrahlhärtung 464 Elektronik 2, 109 Elektrotechnik 109 Elementar-Volumen-Konzept 515 Elementarzelle 66
Elemente 141 – tragende 141 Emission 109 Emulgatoren 33, 105, 112 – nichtionische 112 Emulsion 112 Emulsionspolymerisation 42 EMV 107, 136 EMV-Ausrüstung 143 s. a. Abschirmung Endgruppen 52 Endgruppenbildner 106 – primäre 106 Endkappe 485 Endlosfasern 145 Energie 76 – potentielle 76 Energieeffizienz 248 Energieeinbringung 487 Energieelastizität 76, 179 Energiekosten 543 Energieschwelle 53 Energiezufuhr 99 Engage® 23 Engineering Plastics 630 Entformbarkeit 125 entformen 390 Entformung 475 Entformungsschrägen 475 Entgasung 252 Entmischung 100 Entropie 181 Entropieelastizität 73, 77, 178, 179, 180 Entsorgung 629 Entsorgungsaspekte 109 Entspannungsversuch 84 Entwicklungsprozesskette 530 Entwicklungstendenzen 535 Environmental Engineering 608 Environmental Management Systems 623 Environmental Stress Screening 608 Enzymmoleküle 23 EP 126, 141, 142 s. a. Epoxidharze EP-Gießharze 108 EP-Harz 116, 124, 131, 143–146 EPDM 130, 131 – dienarmes 131 EPDM-Kautschuk 23 EPDM-Profil 174 EPDM-Verarbeitung 284 Epichlorhydrinkautschuk (CO, ECO) 204 EPM 130
641
642
Sachverzeichnis
Epoxid 128, 150 Epoxid-Pre-Dip 128 Epoxidharz (EP) 28, 149, 156, 361, 626 – faserverstärkt 28 – nanofaserverstärkt 626 Epoxidharzherstellung 27 Epoxidmassen 428 s. a. EP Epoxidverbindungen 134 EPP-Ladungsträger (expanded Polypropylen) 293 EPP-Sitzeinlagen 293 EPP-Sonnenblenden 293 EPP-Stoßfängerkern 293 EPP/EPE-Schaumpartikel 291 Erdgasbeheizung 248 Erdölrückstände 125 Erdölverarbeitung 614 Erdölverbrauch 12 Ermüdungsfestigkeit 83 Erregeramplitude 188 Ertragssteuern 544 Erwärmung 487 Erweichungstemperatur 4 Erweiterte Materialmodelle 537 Erzeugung 19 Eshelby-Tensor 508 Essigsäure 30 Ester 150 Ethan 19, 21 Ethandiol 30 Ethen 21, 40 Ethersegmente 162 Ethylacetat 30 Ethylalkohol 30 Ethylbenzol 42 Ethylen 8, 21 Ethylen-Bausteine 21 Ethylen-Propylen-Dienmonomer-Kautschuk (EPDM) 171 Ethylen-Propylen-Kautschuk 192 Ethylen-Vinylacetat-Terpolymere (EVA) 62 Ethylen/Acrylester-Copolymerisate 129 Ethylen/Vinylacetat (EVAC)-Copolymerisat 130 Ethylidennorbornen 171 Ethylisocyanat 28 Etyhlenglycol 30 EVAC 91 EVOH 91 Evolventenverzahnung 483 exotherme Reaktionen 22 Expansionsprozess 288 Experimentalphysik 462 Expertensystem 414
Export 5, 14 Extender 141, 144 Extrahierbarkeit 107 Extrudate 269 – kalibrieren 269 Extruder 2, 254, 258 – Bauarten 254 – schneckenlose 253 Extrudertyp 116 Extrudieren 108, 138, 226, 250, 282, 383 – kostenoptimiertes 138 Extrusion 281 – verfahrenstechnische Betrachtungen 255 Extrusionsanlage 108 Extrusionsblasformen 275 Extrusionsblasformverfahren 275 Extrusionslinie 251 Extrusionsprozess 509 – Simulation 509 Extrusionsstreckblasen 279 Extrusionstechnik 281, 589 Extrusionswerkzeuge 263, 281, 537 Extrusion Technology 281 F F. E. Matthews 42 fabrics 462 Fäden 2 Fadenziehvermögen 149 Fahrradfelgen 164 Fahrradreifen 99 Fahrwerktechnik 361 Fahrzeugbau 166 Fahrzeuge 2 Fahrzeugräder-Aufbau 361 Fällungspolymerisation 33 Faltenbälge 173 Faltkristalle 161 Färbbarkeit 159 Farbeindruck 113 Farben 2, 143 Farbfernsehen 113 Farbgebung 137 Farbmasterbatches 114 Farbmittel 37, 105, 112, 122 – spezielle 122 Farbrollen 416 Farbstoff 39, 122, 137 – lösliche 122, 137 Farbstoffklassen 137 Farbtiefe 119
Sachverzeichnis Farbton 114, 120 Farbtonreinheit 120 Farbverschiebung 122 Farbwahrnehmung 114 Faser-Kunststoffverbunde 335, 503 s. a. Verbundwerkstoffe – konstruieren mit 503 Faserbruch 147 Faserlage 468 Faserlänge 147, 514 Faser 2, 18, 23, 37, 138, 149, 152, 153, 160, 164, 166, 459 – anorganische 149, 152 – Behandlung 459 – eigenverstärkende synthetische 160 – einkristalline 149 – keramische 153 – synthetische 149 Faseroberfläche 127 Faserorientierung 142, 505, 514, 515 Faserorientierungserkennung 514 Faserorientierungssimulation 509 Faserorientierungsverteilung 510 Faserspritzen 368 Faserstruktur 373 Faserverbundbauweise 18 Faserverbundkunststoff-Bauteile 513 Faserverbundkunststoffe 18, 361, 515 Faserverbundstruktur 514 – Berechnung 514 Faserverbundtechnik 335 Faserverbundwerkstoff 166, 327, 335, 414, 420, 503, 514, 630 – thermoplastischer 327, 335, 514 – Verarbeitungstechniken 327 Faserverbundwerkstoffe-Bauweise 148 fasteners composite design 503 Faustkeil 537 FCKW 131 Federgelenke 484 Fehlchargen 115 Fehlstellen 408 Feinguss 428 Feinmechanik 2 Feinreinigung 42 Feinstaub 158 Feinwerkelemente 484 Feinwerktechnik 483 Feldspat 141, 142 Feldspatmineralien 143 FEM-Berechnung 466 Fensterprofile 132
Fensterrahmen 2, 480 – coextrudierte 480 Fernordnung 64 Fertigprodukte 104 Fertigungsgeschwindigkeit 156 Fertigungsparameter 413 Fertigungsprozess 516 Fertigungstechnik 453 Fertigungsverfahren 486 Fertigungszellen 246 Festigkeitsberechnung 484 Festigkeitslehre 482 Festigkeitssteigerung 57 Festkörpereigenschaften 45 Festschmierstoffe 105, 123 Feststoffzone 255 Fettsäure 37, 108, 109, 124, 125, 130, 138 – epoxidierte 130 – epoxilierte 124 Fettsäureester 135 – epoxidierte 135 Feuchtigkeit 97, 98, 108 Feuchtigkeitsaufnahme 524 Feuchtigkeitsschwankungen 67 Feuchtzustände 63 fiber orientation 513, 514 – prediction 514 fibers 462 Fibre Orientation 514 Fibrillieren 141 – ungewolltes 141 Fibropress 333 fibrous material 514 Fichtenholz 138 Fichtenholz-Faserstoffe 139 Fillers 281 – Handbook 281 Fillflow 516 Filmgelenke 483, 484 Filmscharnier 478, 479 Filterhilfsmittel 142 Filtertücher 159 Filtrieren 217 Finanzierungsform 11 Finite-Elemente-Methode (FEM) 468, 513, 595 Finite Plasticity 537 Fire Retardancy 136, 137 Fire Retardants 136 Fischeiweiß 39 Fischertechnik 2 Fischnetze 160
643
644
Sachverzeichnis
Fischschwanzverteiler 264 Flächen 475 – ebene 475 Flachfolienextrusionsanlage 286 Flachs 38, 158 Flame retardants 136 flammability handbook 136 Flammenausbreitung 109 Flammrußverfahren 118 Flammschutz 110 – halogenfreier 110 Flammschutzmittel 109, 137, 158 – halogenfreie 158 – halogenhaltige 109 – phosphorhaltige 110 – stickstoffhaltige 110 Flankenspiel 483 Flaschen 30 Flaschenverschlüsse 105 flat panel finishing 464 Flex-lip-Stellmöglichkeit 265 Fließeigenschaften 55, 58, 219, 336 – Kunststoffschmelze 219 Fließfähigkeit 108, 415 Fließhilfen 37 Fließhilfsmittel 105, 124 Fließkurve 221 Fließpressen 226 Fließpressverfahren 515 Fließprozess 250 Fließverhalten 114, 140, 248, 514 Fließvorgänge 4 Fließweg 471 Flitter 122 Flockteppiche 127 Flow 514 Flow induced alignment 514 Flüchtigkeit 62, 107 Flughäfen 109 Flugstaub 101 Flugzeug 112 Flugzeug-Bremsscheiben 141 Flugzeugbau 28 Fluidinjektionstechnik 249 Fluoreszenz 123 fluoreszierend 123 Fluorkautschuk 195 Fluorkunststoff 144 Fluorsiliconkautschuk (FVMQ) 206 Flüssigkeitsfilter 416 Flüssigsilikon 174
Foam Technology 295 Folgar-Tucker Equation 514 Folien 2, 23, 90, 135, 145 – atmungsaktive 145 Folienherstellung 145 Folienhinterspritzen 446, 450 Folienlagen 107 Folienstreifen 141 Folienverpackung 485 Förderbänder 135, 172 Fördergurte 127 Förderschnecke 256 Fördersysteme 261 Formaldehyd 30, 35, 40, 101 Formaldehyd-Problematik 364 Formamidin 133 Formänderungsvermögen 63 Formbeständigkeit 131 Formfüllsimulation 466, 509 – Bindenähte 466 – Verzug 466 Formfüllsituation 468 Formfüllstudie 224 Formfüllvorgang 504 Formgebung 44 Formmasse 139, 261, 364 – härtbare 139 – typisierte 364 Formmasse (BMC) 124, 129 Formmassenpaarung 339 Formschaum 307 Formschaumherstellung 307 Formstabilität 33 Formteil 232 – maßhaltiges 232 Formteilbildung 247 – Analyse 247 Formteile 248, 484 – optische 248 Formteilgestaltung 414, 484 Formtrennmittel 105, 125 Freizeit 2 Fremdarbeiten 543 Fremdatome 58 Fremdmoleküle 58 Fremdspannungen 98 Freudenberg Model for Elastomers 537 Frühausfälle 604 FT-IR-Spektrum 565 Fügedruck 487 Fügekraft 501
Sachverzeichnis – Berechnung 501 Fügen 485, 502, 503 – Kunststoffe 503 – mit Licht 502 Fugenmassen 125 Fügetechnik 502 Fügetechnologie 415 Fügewinkel 497 Fügezone 417 Führungen 484 Füllbild 468 Füllstoffcoating 128 Füllstoffe 37, 104, 111, 138, 143–145, 151, 166 – anorganische 138, 139 – organische 138 – selbstverstärkende 145 – verglasende 111 – verschleißmindernde 143 Füllstoffkombination 111 Füllstoffoberfläche 138 Füllstoffsysteme 248 Füllstoffteilchen 138 Füllvorgang 221 Funkenbildung 107 Funktionalisierung 453 – photochemische 453 Funktionalität 27 Funktionen 1, 477 – Integration 1, 477 Funktionenintegration 482 Funktionselemente 431 Funktionsintegration 249 Funktionspolymere 149 Funktionsteile 484 – drehbare 484 Funktionszonen 255 Funktionszusatzstoffe 104, 105 Furanharze 126, 141 Furfuröl 139 Furnaceverfahren 118 Fused Deposition Modeling (FDM) 427 Fusion Bonding 503 Fußball 2 Fußballschuhe 173 Fußgängerschutz 516 FVK-Styrolpolymere 335 FVW-Strukturen 335 G Galvanoresist 444 Ganzheitliche Bilanzierung 2, 619
Garten 2 Gartenmöbel 99 Gasabspaltung 129 Gase 163 – toxische 163 Gashinterdrucktechnik 233 Gasinjektionstechnik 248 Gasinnendrucktechnik 233 Gasphasenverfahren 22 Gasruß 118 Gebäude 112 – öffentliche 112 Gebrauchstauglichkeit 101 Gebrauchstemperatur 183 Gefäße 2 Gefrierschränke 140 Gefüge 391 Gehäuse 2 Gelenkendoprothesen 33 s. a. Polyethylen, Implantate Gelenkverbindungen 477 Gelierer 135 Gelierkanal 127 Gelreaktion 296 Gelspinnen 160 Gemeinkosten 543 Genussmittel 106, 130 Geräte 171 – elektrische 171 Gerüststruktur 124 Gerüstsubstanz 38 Gesamtwärmeleitfähigkeit 311 Gestalten 103, 484 Gestaltfestigkeit 4 Gestaltungs-Richtlinien 528 Gestaltungshinweise 446 Gestricke 2 Getränkekisten 99 Getriebe 2 Getriebe-Passsystem 483 Gewächshausfolien 454 Gewährleistungsrisiko 544 – kalkulatorisches 544 Gewebe 2, 145, 159 Gewebeschnitzel 157 Gewinde 504 – angeformte 504 Gewindebuchsen 477 Gewindehals 99 Gewinn 544 – kalkulatorischer 544 Gewirke 2, 145
645
646
Sachverzeichnis
gießen 366 Gießharz 37, 122, 124 Gießharz-Formstoffe 146 GIT 248 Gittermembran 477 Glanzgrad 141, 145 Glas-Kurzfasern 154 Glasfaser 37, 70, 108, 146, 153, 163, 166 – hochfeste 166 – textile 153 Glasfaser (GF) 160 Glasfasergewebe 154 Glasfasermatten 130 – vorimprägnierte 130 Glasfaserrovings 335 Glasfaserstapelgarn 154 – einfaches 154 – gefachtes 154 Glasfibervliesstoff 154 Glasfilamente 153 Glasfilamentgarne 154 – einfache 154 – gefachte 154 Glasfilamentzwirne 154 – mehrstufige 154 Glasindustrie 142 Glaskohlenstoff (CFC) 141 Glaskugeln 37, 108, 143 Glasmattenverstärkte Thermoplaste (GMT) 327 Glasmischgewebe 154 Glasrovinggewebe 154 glass fibre orientation distributions 514 s. a. Faserorientierung Glasspinnfaden 153 Glasstapelfasergarn 154 Glasstapelfaser 154 Glasstapelfaserzwirne 154 – mehrstufige 154 Glastemperatur 4, 33, 168 Glasübergang 86 – dynamischer 86 – statischer 86 Glasübergangstemperatur 70, 84 Glaswatte 153 Glaswolle 153 Gleichgewichtsreaktion 25, 37, 97 Gleitelemente 102, 484 Gleitgeschwindigkeiten 484 Gleitkörper 525, 526 Gleitlager 102, 483, 484 – selbstschmierende 102
– wartungsfreie 102 Gleitmittel 37, 105, 125, 134, 137, 138, 273, 281 Gleitpartner 91 Gleitprobleme 103, 484 Gleitreibungsverhalten 102, 484 Gleitschutzmittel 142 Gleitverhalten 123 Gleitvorgänge 98 Gleitwerkstoffe 90 Gleitwirkung 125 Glimmer 37, 122, 138, 141, 142 – blättchenförmiger 122 Glucose-Molekül 38 Glühprozess 122 Glycolester 108 – ethoxylierte 108 Gold 149 Gore-Tex ® 159 granulieren 281 Granulierung 216 Graphit 108, 110, 124, 138, 141, 142, 166 – expandierbarer 166 – expandierender 110 Graphitanoden 141 graphitieren 165 Grauguss 76 Grautöne 119 Grenzflächen 127 Grenzflächenablösung 147 Grenzflächengleiten 147 Grenzflächenhaftung 146 Grenzflächenpolymer 149 Grenzflächenwechselwirkungen 149 Grenzschicht 146 Grobkorn 138 Großraketen 141 Großraumflugzeuge 147 s. a. Airbus Grundbaustein 1 – niedermolekularer 1 Grundbausteine 37 Grundchemikalien 40 Grundmolekülketten 47 Gruppen 107, 130 – chromophore 130 – multifunktionelle 107 Gummi 142 Gummi-Hybridanlagen 340 Gummielastizität 73, 179 Gummifäden 162 Gummihaar-Autositzpolster 43 Gummiindustrie 137, 361
Sachverzeichnis Gummiprofilanlagen 281 Gummiverarbeitung 342 Gurte 2 Gürtel 357, 358 Guss-PA 6 326 – Verarbeitungsverfahren 326 Guttapercha 191 – thermoplastisches 191 H Haarrisse 98 Haftmittelmolekül 146 – ambivalentes 146 Haftreibungskoeffizienten 103, 484 Haftvermittler 37, 105, 126, 127, 128, 133, 146, 166 Haftvermittler-Harze 127 Haken 477 Halbhart-Schaumstoffe 308 Halbhartschäume 309 – faserverstärkte 309 Halbzeuge 104, 503 – schweißen 503 Halbzeugherstellung 345 Halogen-Kohlenwasserstoffe 125 Halogenradikale 109 Halogenverbindungen 101 Halogenwasserstoffe 109 Halpin-Tsai-Modell 508 Halpin-Tsai Equations 515 Handauflegeverfahren 141 Handlaminieren 368 Handlingssysteme 243 Handschuhe 164 Handygehäuse (Mobilfunkgehäuse) 470 Hanf 38, 158 Harnstoff 129, 282, 296 Harnstoff-Formaldehydharz 361 Hart-PVC 134, 141 – bleistabilisierter 134 Hart-Weich-Bauteile 338, 340 Härte 116 Härter 105, 126 Hartfaserplatten 37 Hartgewebe 37 Hartpapier 37 Hartphase 59, 303 Hartschaum 29 Hartschaumstoffe 310 Härtungsreaktion 128 Härtungsverlauf 144 Harz 146, 373
Harzmatten (SMC) 124, 129 Harzmattenverfahren 372 Haupterweichungsbereich 5, 33 Hauptsatz der Thermodynamik 182 – zweiter 182 Hauptvalenz 37 Hausfassaden 116 Haut 130 HCl 112 Heckklappe 34, 282 – umschäumte 282 Hefe 129 Heißgranulieren 216 Heißkanäle 485 Heißkanalhersteller 282 Heißkanallösung 485 Heißkanalsysteme 282 Heißkanaltechnik 282 Heißkanalwerkzeuge 282 Heißluft-Vulkanisation 348 Heißprägen 440 Heizelementschweißen 488, 502 Heizstrahlerschweißen 489 Helga-Verfahren 233 Helligkeit 114 Hemicellulose 38, 138 Herstellkosten 533 Herstellung 19 Herzscheidewand 485 Herzschrittmacher 141 Heteroatome 47 Heterokatalyse 42 Hexamethyldisiloxan 458 Hexamethylentetramin 35, 36 HF(C)KW 131 HH-Schäume 308 High-Density-Polyethylen 25 s. a. Polyethylen High-Tech Coatings 465 high frequency microwave cavities 464 High-Tech-Industrie 9 Hilfsstoffe 540 Hinterpressen 234 Hinterschneidungen 475 – Schieber 475 – Trennebene 476 Hinterspritzen 234 Hitzeschutz 111 HMDSO 458 Hochbeschleunigte Lebensdauertests HALT/HASS 608 Hochdruck-Polyethylen 25 s. a. Polyethylen Hochfrequenzfeld 456
647
648
Sachverzeichnis
Hochfrequenzgenerator 459 Hochfrequenzschweißen 493 Hochleistungsbeschichtungen 465 Hochleistungsfaser 166 Hochleistungsfaserverbunde 373 Hochleistungsfaserverbundwerkstoffe 335 Hochleistungskunststoffe 91 Hochmodul-Faser (HM) 165 Hochofen-Einblasung 616 Hochtemperaturpolymere 171 Hochvakuum 108 Hohlkörper-Technologien 226 Holz 37, 38, 111, 364 Holzfaser 145, 156 Holzgranulat 138 Holzmehl 37, 138 Holzproduktion 364 Homogenisierzone 257 Homopolymer 58, 60 Hooke’scher Bereich 75 Hooke’sches Gesetz 70, 506 – allgemeines 506 Hubverfahren 440 Hybrane 150 Hybrid-Technik 235 Hybridbauteil 248 Hybrid metallic 631 Hybridpartikel 150 Hybridverstärkung 141, 142, 143, 162 s. a. Metall-Kunststoff-Hybride Hydrazide 106 Hydrazon 106 Hydridverstärkung 138 Hydrierung 169, 618 – selektive 169 Hydrolyse 96 Hydrolysebeständigkeit 299 hydrolyseempfindlich 37 Hydroperoxid 101, 105, 126 Hydroxybenzophenon 133 Hydroxylgruppe 28, 38, 146 Hydroxyphenylbenzotriazol 133 Hydroxystanat 112 Hyperelastizität 77 Hysterese 173 Hysteresis 181 I i-Polypropylen 160, 484 ICM-Technologie 516 Immiscible blends 480
impact modifier 130 Implantat 2 s. a. Gelenkendoprothesen Import 5, 14 In-Line-Compoundieren 333 In-Line Compounding Systems 335 In-Mold-Decoration, IMD 446 In-Mold-Graining 425 In-Mold Labeling 279 In-Mold-Pulver-Lackieren 366 in-situ Polymerisation 325 Indexplattenverfahren 435 Indulinbasen 122 Industrie 8 – chemische 8 – verarbeitende 8 Industriekontenrahmen 544 Infrared-ray radiating coating 464 Infrarot-Vulkanisationsanlagen 349 Infrarotspektroskopie 562 Inhibitoren 105, 128 Initiatoren 126 Injection Molding Compounder 242 injection molding 414, 515 – Simulation 515 Injektionsformen 369 Inlösungnahme 614 Inmold-Decoration 234 Inmold-Labeling 234 Innenausstattung 2, 112 Innendruck 248 – Messung 248 Innenkneter 216 Innenmischer 61, 343 Innovationen 624, 630 Innovationen im Mittelstand 18 Innovationsleistung 11 Innovationspotentiale 537 Innovationsprozess 11 Inputströme 621 Inselbereich 264 Insert-Molding 234 Insert-Technik 235 Insite ® 23 Instandhaltung 543 Instrumententafel 479 Integralschäume 309 Integration 235 integrative crash simulation 516 Intermediat-Typen 165 Interpretation 623 Intervallspritzgießen 232
Sachverzeichnis Intumescence 137 Intumeszenz-Flammschutzsysteme 111 Investition 461 Ionenkettenpolymerisation 22 Ionomere 46 IR-Absorptionen 564 IR-Spektren 569 Isobutylen 25 Isobutylen-Isopren-Kautschuk 202 Isochromaten 547 Isochronen 86 Isocyanate 128 Isoindolin-Metall-Komplex-Pigmente 121 Isoindolinon 122 Isoklinen 547 Isolationen 2 Isolierfestigkeit 33 Isolierung 2 Isomerie 55 Isoprenkautschuk 202 Isoprenkautschuk (IR) 200 Isozyanat 28 Ivonding 440 J JOULE-Effekt 181 Jute 38 K K[AlSi3O8] 142 Kabel 2, 172 Kabelbereich 173 Kabelindustrie 170 Kabelisolationen 128 Kabelisolierung 99 Kabelrohre 141 Kabelummantelung 134 Kaffeeglas-Deckel 485 Kalander 2 Kalanderbauarten 284 Kalanderverfahrenstechnik 284 Kalanderwalze 285 Kalanderwalzwerk 216 kalandrieren 226, 283 Kalibriersysteme 270 Kalifeldspat K[AlSi3O8] 142 Kalium/Aluminiumsilicat h 142 Kaliumchlorid 140 Kaliumfluorborat 140 Kaliumsulfat 140 Kalkstein 140
Kalkulation 544 – Spritzgussteilen 544 Kalkulations-Richtlinien 544 Kältefestigkeit 135 Kälterichtwert 183 Kälteschlagzähigkeit 23 Kaltgranulieren 216 Kalthärtung 126 Kalttauchen 125 Kaltumformen 383 Kaltverstrecken 159 Kaltwasserbeständigkeit 97 Kalziumstearat 125 Kampfflugzeugbau 165 Kanten 472 Kantenschutz 2 Kanu 2 Kaolin 141, 142, 144 – kalziniertes 144 Kaolinit [Al4(OH)8Si4O10] 142 Kapitalkosten 538 Karosserieoberflächen 465 Karosserieteile 2 Kaskadenspritzgießen 233 Katalysator 22, 25, 30, 32, 172 – anionisch koordinativ 22 – single site 172 Katalysatorreste 107 Katheter 172, 173 Kautschuk 37, 69, 143, 178, 190, 208, 361 – halogenhaltiger 109 – ölverstreckter 207 – Prüfnormen 597 – vorvernetzter 208 Kautschukmischung 37, 342 – Aufbau 342 Kautschuktechnologie 136, 210, 341, 361, 414 Kautschukverarbeitung 361 Keimbildner 64, 105, 128, 137, 141 Keimbildung 66 Kennwerte 515, 536, 591 – konstruktionsgerechte 515, 536 – praxisrelevante 591 Keramik 76, 248, 428 Keramik-Verbundwerkstoffen 149 Keramikindustrie 142 Keramikmaterialien 149 keramische Stoffe 72 Kerbgrund 474 Kerbradius 473 Kerbschlagzähigkeit 58, 155
649
650
Sachverzeichnis
Kerbschlagzähigkeitswerte 141 Kernmehl 138, 139 Kernschicht 391 Ketalperoxide 126 Ketone 125 Ketonperoxide 126 Kettenabbruch 24, 25, 32 Kettenaufbau 64 Kettenenden 24 Kettenlänge 23 Kettenmoleküle 30 – lineare 30 Kettenreaktion 19 Kettensegmente 4 Kettenspaltung 96, 100 Kettenverlängerer 172 Kettenverschlaufungen 56 Kettenwachstum 24, 25 Kevlar 29 163 Kevlar 49 163 Kfz-Karosseriebau 34 Kfz-Rücksitzbank 307 Kicker 105, 129, 131 Kieselalgen 142 Kieselerde 125 Kieselglasmodifikation 144 Kieselgur 142 Kieselsäure SiO2 124, 125,144, 149 – gefällte 149 – pyrogene 149 – synthetische 124 kleben 503 Kleber 2 Klebetechnik 630 Klebeverbunde 462 Klebstoffe 37, 112, 142, 143, 170, 415, 503 Klebstoffrohstoffe 150 Kleiderbügelverteiler 264 Kleidung 164 Kleinlebewesen 129 Kleinmagnete 140 Kleintransformatoren 137 Klimaprüfungen 605 Knäueldichte 64 Knäuelstruktur 64 Knet 73 – viskoelastischer 73 kneten 211 Kneter 343 Kneterbauarten 343 Knickarmroboter 248, 282
– Kombination 245 Knitterfestigkeit 30, 156 Ko-Kneter 253 koaxial 460 Kobaltbeschleuniger 108 Kobaltblau 116, 119 – rotstichiges 119 Kobaltverbindungen 128 Koffer 171 Kohle 141 Kohlebürsten 141 Kohlehydrat 39 Kohlendioxid 101, 112, 248 Kohlenmonoxid 101, 112, 134 Kohlenstoff 19, 45 Kohlenstoff-Nanoröhrchen 150 Kohlenstoffaser-Kunststoffverbunde 166 Kohlenstofffaser-Prepregs 149 Kohlenstofffaser (CF) 160, 165, 373 Kohlenstoffkette 24 Kohlenstofflieferant 111 Kohlenstoffpigmente 116 Kohlenstoffschutzschicht 110 Kohlenwasserstoffe 19, 131 – aliphatische 131 Kolbenextruder 253 Kommunikationskosten 544 Komplettanlagen 282 Kompressibilität 185 Kompressionsverfahren 345 Kondensationspolymerisate 19, 30 Kondensationspolymerisation 29, 47 Konfiguration 46, 47, 48, 52, 53, 54, 55, 64 Konformation 46, 47, 52, 53, 54 Konizität 475 Konstitution 46, 53, 54, 64 Konstruieren 103, 414, 482 – kunststoffgerecht 482 Konstruktion 517, 537, 628 – EDV-unterstützte 517 Konstruktionsatlas 537 Konstruktionslehre 536 Konstruktionsmöglichkeiten 503 Konstruktionsregeln 469, 470 Konstruktionsrichtlinien 470, 497 Konstruktionswerkstoffe 102 Kontaktbluten 114 Kontaktrolle 141 Kopf-Schwanz-Reaktion 32 Korngröße 113 Korngrößenverteilung 113
Sachverzeichnis Koronabehandlung 462 Korrosion 99 Korrosionsbeständigkeit 108 Korrosionsprüfungen 606 Korund-Whisker 149 Kosmetika 112, 122, 133, 150 Kosten 248, 538 – Dienstleistungen Dritter 538 – Geldverkehr 544 – Gliederung 538 – sonstige 538 Kostenbetrachtung 174, 460 Kostenvorteile 141 Kotflügel 34 Kräfte 38 – zwischenmolekulare 38 Kraftschwerpunktverlauf 514 Kraftstoffbehälter 93, 94, 150 Kraftstoffersparnis 361 Kraftstoffleitungen 282 Kraftwerk 616 Kratzfestigkeit 144 Kratzschutz 458 Kreide 106, 125, 128, 140, 141, 145 – gecoatete 141 Kreidemehl 140 Kreidetypen 140 Kreislaufführung 102, 611 – rohstoffliche 613 – werkstoffliche 611 Kreislaufwirtschaft 610 Kreisscheibe 548 Kresole 128 Kriechen 100 Kriechkurven 80, 585 Kriechmodul Ec (t) 80, 84 Kriechmodullinien 84 Kriechneigung 33 Kriechstromfestigkeit 88, 89 Kriechverhalten 586 Kriechvorgänge 4 Kristallblöcke 65 Kristallgitter 45 Kristallgittertypen 66 Kristallinität 94, 97 Kristallinitätsgrad 128 Kristallisation 53, 64, 391 Kristallisationsbedingung 66 Kristallisationsgrad 50, 66 Kristallisationswärme 229 kristallisieren 4
Kristallitschmelzpunkt 23 Kristallmodifikationen 113, 121 Krokydolith 152 Kryo-Elektronik 144 Kryolith 140 Küchen 2 Kugeldruckhärte 561 Kugelgelenke 477 Kühlen 227 Kühlhaus 312 Kühlkessel 42 Kühlraten 228 Kühlschränke 140 Kühlschrankkabinett 311 Kühltaschen 2 Kühlung 489 Kühlzeit 473 Kunstharzböden 142 Kunstkohle 141 Kunststoff-Einsatzgebiete 12 Kunststoff-Erzeugung 8 Kunststoff-Extrusionstechnik 281 Kunststoff-Forschung 43 – Trends 43 Kunststoff-Hohlkörper 249 Kunststoff-Industrie 13 Kunststoff-Kompendium 43, 102 Kunststoff-Lexikon 137 Kunststoff-Maschinen-Führer 414, 503 Kunststoff-Materialien 8 Kunststoff-Metall-Hybride 248 Kunststoff-Physik 102, 224 Kunststoff-Rohstoffe 8 Kunststoff-Spritzgussteile 538 – Kalkulation 538 Kunststoff-Strukturen 522 Kunststoff-Taschenbuch 136 Kunststoff-Verbunde 373 Kunststoff-Metall-Pressverbindung 503 Kunststoffadditive 103, 166 Kunststoffanalyse 569 Kunststoffbauteile 436, 477, 503, 517 – Auslegung 517 – hinterspritzgegossene 477 Kunststoffbrillengläser 458 Kunststoffdichtung 80 Kunststoffe 1, 2, 5, 39, 44, 92, 108, 211, 247, 466, 482, 503, 555 – Anwendungsbeispiele 2 – Aufbau 44 – ausgerüstete 108
651
652
Sachverzeichnis
Kunststoffe – Beständigkeit 102 – Brandverhalten 136, 137 – Eigenverstärkung 166 – faserverstärkte 166 – Gestalten 466 – glasfaserverstärkte 136 – konstruieren mit 247, 466, 482, 484, 503, 555 – leitfähige 136 – Ligninbasis 40 – mehrphasige 4 – polare 92 – Proteinbasis 39 – Prüfung 136 – Synthese 43 – technische 483 – themoplastische 102 – unpolare 92 – unvernetzte 96 – Verarbeitung 211 – vernetzte 96 – weitmaschig vernetzte 96 – wirtschaftliche Bedeutung 5 Kunststofferzeugende Industrie 43 Kunststofferzeugung 15, 40 Kunststoffgleitlager 90 Kunststoffindustrie 8 Kunststoffkraftstoff-Behälter (KKB) 150 Kunststoffkunde 18 Kunststofflackierung 464, 465 Kunststoffoberflächen 465 – kratzfeste 465 Kunststoffpaarungen 339 Kunststoffpapiere 162 Kunststoffphysik 555 Kunststoffpigmente 120 Kunststoffpraxis 537 Kunststoffproduktion 5 Kunststoffprüfung 609 Kunststoffrohr 393 – verschweißtes 393 Kunststoffschmelzen 218 – Fließeigenschaften 219 – Verarbeitung 218 – Verformungsverhalten 222 Kunststoffschraube 80 Kunststoffschweißen 485 Kunststoffteile 515 – kurzfaserverstärkte 515 Kunststoffverarbeitung 247, 376, 503, 537 Kunststoffverarbeitungsverfahren 281
Kunststoffverarbeitungswerkzeuge 428 KunststoffWeb 8 Küpenfarbstoffe 121 Küpenpigmente 121 Kupfer 108, 129, 149 Kupfer-8-hydroxychinolin 130 Kupfer-Reyon 38 Kupferammoniak-Verfahren 157 Kupferdrähte 149 – versilberte 149 Kuppelagenzien 128 Kupplungsbeläge 33, 152 – asbestfreie 152 Kurvenscharen 80 Kurzfaser-GMT 327 Kurzfaser 145 Kurzfaserverbundwerkstoffe 514 Kurzzeitversuch 70 KW (Kohlenwasserstoff) 125 L Labferment 39 Labormesskneter 216 Lackanwendungen 298 Lack 2, 122, 130, 133, 143, 464 – strahlungshärtbarer 464 – Kunststoffaktivierung 465 Lackfilme 465 Lackierprozess 126 Lackiertechnik 462 Lackrohstoffe 150 Lacktrocknung 464 Lactame 47 Lactongruppe 146 Ladungsdichte 107 Ladungsträgerbeweglichkeit 90 Lager 103 – feinmechanische 103 Lagerungsstabilität 128 Lamellenstruktur 65 Laminated Object Manufacturing (LOM) 427 Laminattheorie 506 Laminierung 127 Lampengehäuse 98 Landwirtschaft 2 Längenausdehnungskoeffizient 524 Langfaser-Thermoplast-Direktverfahren (LFT-D) 330 Langfaser 145 Längsschwindung 393 Langzeitbelastung 33, 103 Langzeitbeständigkeit 282
Sachverzeichnis Langzeiteigenschaft 57, 58, 61 Langzeitverhalten 80, 335, 454 Laser-Direkt-Strukturieren 453 Laserdirektstrukturierung (LDS) 440 Lasermarkierung 123 Laserschweißen 502 Lasersintern 426, 428, 485 – selektives 428 – selektives (SLS) 426 Laserstrahl 537 Laserstrahlschweißen 489 Laserstrahlsintern 428 Lastspielzahl 83 Latex-Schäumverfahren 131 Laufbänder 160 Laufstreifen 356 Laugen 92, 119 Laurate 107, 135 LCP-Metallsubstitution 248 Lebensdauer 594 – Vorhersage 594 Lebensmittel 2, 42, 112 Lebensmittelgesetz 106 Lebensmittelverträglichkeit 419 LED 248 Leerstellenvolumen 104 Legierungen 106 – kupferhaltige 106 Lego 2 Leichtathletik 2 Leichtbau 503 Leichtbaufaktor 533 Leiterplatinen 28 Leiterplatte 2, 438, 453 Leitfähigkeit 87, 90, 108, 124, 129 – elektrische 87, 108, 124, 129 Leitlacke 108 Leitwerk 2 Lenkrad 310 LFT-D-Verfahren (LFT-D process) 331 LFT-G-Halbzeugen 329 Licht 113 Lichtabsorption 454 Lichtdurchlässigkeit 42 Lichtechtheit 114, 120 Lichtreflexion 119 Lichtschutzmittel 101, 133 Lichtstreuung 120 Life Cycle Assessment 623 Life Cycle Engineering 623 Lignin 19, 38, 138, 139 s. a. Kunststoffe-Ligninbasis
Ligninderivate 40 Linearroboter 248, 282 – Kombination 245 Linsen 2 Linsenoptiken 248 Lithopone 116, 140 LKW-Planen 127 LKW Laufflächenmischung 343 Lösekraft 501 – Berechnung 501 Lösemitteln 130 lösen 93 Lösevermögen 63 Lösewinkel 497 Losgröße 116 Löslichkeit 113 Löslichkeitsgrenze 105 Löslichkeitsverhalten 94 Lösungsmittelbeständigkeit 173 long fiber reinforced materials 516 Low-Density-Polyethylen 25 Low-profile-Harze (LP-Harze) 142 Lower Bumper Stiffener 511, 516 LP (low profile)-System 34 LP-Additive 105 LP-Additive (low profile) 129 LS (low shrink)-System 34 Luft- und Raumfahrt 2 Lüfterklappe 477 Luftfahrt 149 Luftreifen 188 Luftreinigung 118 Luftsauerstoff 101, 104 Luftzuführungsteile 173 Lungenkrebs 152 M M-Kautschuk 203 M. Bertolet 42 M. W. Perrin 25 Maddock-Scherteil 260 Magnesiumhydroxid 110 Magnesiumoxid 109, 124, 143 Magnesiumsilikat 3MgO · 4SiO2 · H2O 143 Magnetfelder 482 Magnetronsputtern 458 Magnetverhalten 129 Makromolekül 34, 102 Maleinsäure 32 Manschette 172 Mantel-Kern-Struktur 163
653
654
Sachverzeichnis
Marketinganalyse 630 Markisen 127 Marktbedeutung 191 Marmor 140 Maschinen-Stundensätze 541 Maschinenbau 2 Maschinenelement 2, 103, 483, 484, 536 Maschinenkosten 541 Maschinenkostenarten 541 Maschinentechnik 241 Masken 2 Maskenbelichtungsverfahren 445 Maßabweichungen 394, 536 Massenfertigung 415 Massenmittel 57 Massenveränderung 93 Massetemperatur 228 Maßhaltigkeit 66, 129, 393, 398, 400, 475 Masterbatches 120 Masterkurve 184 Materialeinstandskosten 540 Materialkosten 540 Materialkreisläufe 618 Materialmodelle 102, 507, 508, 578 – erweiterte 102 – mikromechanische 507, 508 – viskoelastische 578 Materialrecycling 618 Materialverhalten 506, 577 – elastisches 577 – plastisches 577 – viskoelastisches 506 – viskoses 577 Matratzen 2 Matrices 18 Matrixverformung 147 Matten 145 Matten-GMT 327 Maxwell-Modell 73, 578 Mean-field-theories 508 Medien 91, 548 – polare 91 – spannungsrissauslösende 548 – unpolare 91 Medienbeständigkeit 94, 97 Medizin 2 Medizinprodukte 248 Mehr-Farben-Spritzgießen 435 Mehr-Komponenten-Spritzgießen 232, 249, 435 Mehr-Rohstoff-Spritzgießen 435 Mehrkomponenten-Verbund-Spritzgießen 434
Mehrkomponententechnik 485 Mehrphasenkunststoffe 5 Mehrschalentechnik 235 Mehrschichtcoextrusion 267 Mehrschichtdüse 269 Mehrschichtenrohr 282 Mehrstufenanlage 281 Mehrstufenverfahren 289 Mehrwegsystem 30 Melamin 111 Melamincyanurate (MC) 158 Melaminharz (MF) 361 Melaminprodukt 110 Membran 2, 173, 473 Membrandüsen-Zustellung 265 Mesomeriestabiliserung 101 Messfrequenz 84, 86 Messgerätebau 144 Messing 108, 149 Messkneter 589 Messungen 536 – Tribologische 536 Metal Injection Molding 282 Metall 70, 81, 92, 97, 105, 108, 129, 133, 466 Metall (Ni, Zn)-Komplexe 133 Metall-Bauweise 148 Metall-Verbundwerkstoffe 149 Metallabscheidung 238 Metallalkylen 26 Metallanteile 106 Metalldesaktivatoren 106, 136 Metalleffekt-Pigmente 122 Metallfasern 129, 149, 482 Metallguss 37 Metallhydroxide 110 metallische Stoffe 72 metallisieren 149 Metallisierung 453 – additive 453 – ortsselektive 453 Metallkomplex-Pigmente 121 Metallkunde 102 Metalloberfläche 465 Metallocen-Katalysatoren 23, 26 Metalloxide 105, 129 Metalloxidfasern 149 Metallpulver 108 Metallpulver-Spritzgießen 282 Metallsalze 125 Metallstabilisatoren 135 Metallstearate 125
Sachverzeichnis Metallstrukturen 248 Metallüberzüge 108 Metallverbindung 106, 107 Methacrylate 128 Methacrylatharze 126 Methan 19 Methanol 28, 30 Methode – thermoanalytische 569 Methylalumoxan 23 Methylen-Brücke 36 Methylendiphenyldiisocyanat (MDI) 297 Methylethylketonperoxid 109 Methylgruppe 24, 26 Methylmethacrylat/Butadien/Styrol-Pfropfcopolymerisat 131 Methylol-Gruppe 127 MF-Formmassen 116, 135 MF-Harze 145 Microcellular Composites 295 Microstructural design 514 Microwave PCVD processes 462 Microwave processing 464 MID 238 – Metallisierung 238 MID-Technik 437 – 3D 438 MID-Verfahren 440 MID Bauteile 453 Migration 62, 107 Migrationsechtheit 120 Migrationsgeschwindigkeit 108 Migrationsneigung 113, 114 Migrationstendenz 135 migrieren 91 Mikro-Glaskugeln 143 – hohle 143 – massive 143 Mikro-Silikatkugeln 143 – hohle 143 Mikrofasern 159 Mikrokristallite 26 Mikrokugeln 142 Mikroorganismen 129 Mikrospritzgießen 239 Mikrosystemtechnik (MST) 2 Mikrothermoformen 425 Mikrowellen (MW) 415, 416 Mikrowellen-Plasmaquelle 461 Mikrowellenerwärmung 415 Mikrowellenschweißen 417, 494
Mikrowellentechnologie 415 Mikrowellentrocknung 464 Milcheiweiß 39 Mineralfasern 154 Mineral Filler 136 Mineralmehl 37 mischen 211, 342 Mischer 2 Mischerdüse 477 Mischextruder 344 Mischgrünpigmente 120 Mischkopf 317 – kolbengesteuerter 317, 318 Mischphasenpigmente 119 – oxidische 119 Mischphasenpigmenten 120 Mischteil 260 Mischungsbestandteile 355 Mischungseigenschaften 189 Mischungsherstellung 343 Mischungsregel 507 – lineare 507 Mischvorschrift 343 Mischwirkung 108 Mittelspannung 83 Mittelstand 630 Möbel 2, 109 Mobiltelefon-Schalen 470 Modellbildung 515 Modelle 428, 508 – mikromechanische 508 – verlorene 428 Modellformulierungen 506 – Hyperelastische 506 Modellrechnungen 465 Modellvorstellungen 102 Modifikatoren 104, 137 Modifizierungsmittel 37 Mohs-Härte 138, 140, 141, 142, 143, 144, 152 Molded Interconnected Devices (MID) 436 Molded Interconnected Devices (MID-Verfahren) 236 Moldflow 516 Moldflow Design 516 Molekül-Orientierung 379, 380 – Beseitigung 381 Molekülketten 4 Molekülorientierungen 381 Molekülstruktur 25 – verzweigte 25 Molmasse 4, 25, 33, 50, 55, 56, 57, 58, 102 – mittlere 58
655
656
Sachverzeichnis
Molmassenverteilung 23, 25, 33, 55, 57 Molten Polymers 589 Molverhältnis 35 Molybdän 22 Molybdändisulfid 123 Molybdäntrioxid 112 Molybdatorange 120 Molybdatrot 120 Molykote 137 Monoazopigmente 121 Monofilamente 160 Monokomponente 114, 115 Monokonzentrat 121 Monomere 24 Monomereinheit 55 Monomethylolresorcine 127 Monopigmente 121 Montageoptimierung 536 Montagespritzgießen 248, 249 Montanwachse 125 Montmorillonit 150 Mooney-Rivlin 77 Morphologie 44, 102, 168 Mörtel 143 MoS2 142 Motorenbau 144 Motorraum 103, 209 Motorteile 2 Mulchfolien 134 Mullins-Effekt 78, 537 Mullit 143 Müllverbrennungsanlagen (MVA) 616 Muskovit 142 N N-(trihalogenmethylthio)phthalimid 130 N-(Trihalogenmethylthio) tetrahydrophthalimid 130 N-Ethyl-O-Methylurethan 28 Nachdruck 229, 397 nachdrücken 227 Nachkristallisation 66, 100, 128 Nachpolykondensation 99 Nachpolymerisation 99 Nachschwindung 34, 68, 100, 396 Nachvernetzung 100 nachwachsende Rohstoffe 43 Nadelkristalle 161 Nadelverschlussdüsen 282 Nahordnung 64 Nahrungsmittel 130 Nahtgeometrie 491
Nanoarchitekturen 150 Nanoclays 139 Nanocomposite Foams 295 Nanocomposites 110, 136, 139, 149, 166 Nanofaser 152 Nanopartikel 139, 150, 248, 325 – anisotrope 150 Nanostructured Films 325 Nanostructures 630 Nanoverbund 139 Naphthol AS-Pigmente 121 Naphtholimide 123 Naphtyl-Vinylacetat 130 Natronlauge 39 Natta 22 Naturfaser 146 Naturkautschuk (NR) 127, 132, 133, 162, 171, 191, 353 Naturstoffe 1, 19, 37 – abgewandelte 1, 19, 37 Nd-YAG-Laser 123 Nebenprodukte 28, 29 – niedermolekulare 28, 29 Negativ-Druckluftformung 420 Neo-Hooke 77 Nephelin 143 Netzmittel 124 Newton’sches Fließgesetz 221 NHCO-Gruppen 48 Nickel 108, 129 Nickelchelate 133 Nickeltitangelb 120 Niederdruck-Polyethylen 25 Niederdruckschäumanlage 316 Nietvorgang 492 Nigrosinbasen 122 Nitril-Butadien-Elastomere (NBR) 62, 131, 171 Nitrilkautschuk 162 Nitrobenzol 297 Nitrolack 38 Nitrosegas 112 non-resonance method 555 NOR (N-alkoxy hindered amine) 111 Nordel ® 23 Normen 439 Novolak-Hexa-Härtung 36 Novolake 35, 36 Nukleierung 288 Nukleierungsmittel 128, 149 Numerical Simulation 514 Nutbuchsenextruder 258
Sachverzeichnis O O-Kautschuke 204 O2 Plasma 457 Oberfläche 108, 141, 465 – leitfähige 108 – spezifische 141 Oberflächen 118 – antibakterielle 118 – rutschfeste 142 oberflächenaktiv 112 Oberflächenenergie 138 Oberflächenfehler 414 Oberflächenfolien 99 Oberflächenfunktionalitäten 150 Oberflächenglanz 100, 125, 139 Oberflächengruppen 108 – sauerstoffhaltige 108 Oberflächengüte 130, 141, 142 Oberflächenmerkmale 399, 402 Oberflächenmodifizierung 457 Oberflächenqualität 248 Oberflächenspannung 112 Oberflächentechnik 2, 465, 628 Oberflächentechnologie 436 Oberflächenveredelung 249 Oberflächenvlies 154 Oberflächenwiderstand 107, 143 Oberhemden 156 Oberstempel 420 Offenzelligkeit 305 OH-Gruppe 27, 38, 46 Ökobilanz 620 Ökologie 109 Oktate 112 Ölabscheider 485 Ölbeständigkeit 173 Oleate 130 Olefin-Elastomer (TPO) 185 Olefine 21, 150 Olefinfasern 161 Oligomere 31 Oligomeric 150 Oligomerverteilung 297 Olivin 143 Ölsäureamid 125 Olympia-Kanu 166 Online-Datenbank 8 optical thin film deposition 462 Optik 2 Optimierungsmaßnahmen 465 Orangenhautbildung 139
Ordnungszustände 46, 64 – chemische 46 – physikalische 64 organic compounds 454 Organozinn-Stabilisatoren 134 Orientation 516 Orientation averaging 506 Orientierung 224, 397, 398, 399, 545 – Entstehen 545 – Reversibilität 545 Orientierungsberechnung 515 Orientierungseinfluss 384 Orientierungsspannung 99 Outputströme 621 Outsert-Technik 103, 484 Oxalate 112 Oxazolinzwischenstufen 150 Oxidation 100, 106 – metallkatalysierte thermische 106 Oxidationsempfindlichkeit 105 Oxidationsinhibitor 100 Oxidationsphänomene 101 Oxidationsvermögen 116 Oxidschicht 122 Ozon 101 Ozonschicht 131 P p, v, T-Diagramm 231, 387 p-Cumaryl Alkohol 40 P-OH-Gruppen 110 p-Phenyldiamin 132 p-Toluolsulfamid 135 PA 91, 92, 107, 112, 116, 127, 144, 145 s. a. Polyamid PA 11 48 PA 6 48 PA6-Werkstoffe 102 PA 6.6 48, 129 PA 6.6 GF50 466 PA 6.6 LGF50 466 Packgut 91 Packmittel 134 Packstoffe 134 Packungsdichte 34 PAE/VC (Polyacrylsäureester/VinylchloridCopolymerisat) 130 PAEK (Polyaryletherketon) 112 Palmitate 135 PAN-Fasern 152, 158 Papier 38, 160, 161 – synthetische 161
657
658
Sachverzeichnis
Papier-Gewebeunterlagen 37 Papierausrüstung 150 Papierherstellung 40 Papierindustrie 142 Paraffin 125 Partikel 113 Partikelrecycling 612 Partikelschaumstoffe 291, 295 – thermoplastische 295 Partikelschaumstoffen 294 Partikelschaumverarbeitung 295, 321 Partner 61 – unverträgliche 61 – verträgliche 61 Passagierflugzeug 148 PBO-Fasern 163 PBT 144, 145 s. a. Polyester PC 92, 107, 116, 127, 145 s. a. Polycarbonat PE 91, 103, 112, 116 s. a. Polyethylen PE-C 130 PECVD 458 PE-HD 93, 106, 107, 120, 133, 161 – coextrudiertes 93 PE-LD 106, 107, 140 PE-PP Blockcopolymer 555 Pegelerhöhung 600, 601 – mechanische Belastungen 601 Pelargonate 135 PEM-Zellen 630 Pentan 131 Perester 126 Perinone 121 Periodensystem 26 Perlglanz-Pigmente 122, 137 Perlglanzpigmente-Titandioxid 122 Permeation 33, 92 Permeationseigenschaften 419 Peroxidbeschleuniger 108 Peroxide 109, 126, 128, 130 – phlegmatisierte 130 Peroxidkombinationen 126 Peroxidradikal 101 Peroxidvernetzung 132 Peroxidzerfall 108 Peroxidzersetzer 106 Personalgemeinkosten 539 Personalkosten 538, 539 Perylene 121 PES (Polyethersulfon) 112 PET 30, 145 s. a. Ployester PET-Pulver 129
PF-Formmassen 144, 157 s. a. Phenolharze, Phenoplaste PF-Harze 145 PF-Pulverharz 129 PF-Schaumstoffe 37 Pflanzenfaser 156 Pflegemittel 112 Pfropf-Copolymer 61 Pfropf-Copolymerisation 58 PH-Gruppe 110 pH-Werte 139 Phasenübergangstemperaturen 175 Phenol 30 Phenol-Formaldehyd-Duroplast 185 Phenol-Formaldehydharz 29, 97, 145 Phenole 100, 106, 107, 128, 132, 150 – sterisch gehinderte 132 Phenolharz 30, 33, 135, 141, 361 Phenolharz-Formmassen 124 Phenoplaste 126, 140, 142, 144, 156 Phenylrest 46, 53 Phenylring 24 Phenylseitengruppe 43 Phlegmatisierungsmittel 105, 126, 130 Phosphate 130 Phosphinbildung 110 Phosphinsäure 110 Phosphite 106, 107, 134 – organische 134 Phosphitester 107 Phosphitkombinationen 107 Phosphonate 106 Phosphor 110 Phosphoreszenz 123 Phosphoreszenz-Farbmittel 123 Phosphorpolyole 110 Phosphorproteinen 39 Phosphorsäure 39, 111 Phosphorsäureester 110, 135 Photochemie 454 Photodegradation 100, 102, 454 Photoinitiatoren 105, 130 Photokatalyse 103, 116 Photooxidation 107, 454 Photoresist 444 Photostabilization 454 Photosynthese 40 Photovoltaik 103 Phthalate 130 Phthalocyanin 119 Phthalocyanin-Pigmente 121
Sachverzeichnis Phthalocyaninblau 113, 120, 121 Phthalocyaningrün 121 Phthaloxyanin 121 Phthaloxyaningrün 120 Phthalsäureanhydrid 299 Physical Vapour Deposition-Metallisierung 451 Physik 295 Pigmente 104, 113, 114, 121, 122, 123, 136, 137, 142, 149 – anorganische 114, 116, 117 – cadmiumhaltige 113 – fluoreszierende 123 – fluoriszierende 137 – nichtverküpbare 122 – organische 115 – polycyclische 121 Pigmentpräparationen 113 Pigmentverbraucher 137 Pigmentverkollerung 113 Pilze 129 Pinolenwerkzeug 265 PKW-Instrumententafel 481 PKW-Kühler 479 PKW-Scheibenbremsbelage (SBB) 378 Plain bearings 102, 483 Planetwalzenextruder 216, 252 Plasma 454, 459 Plasma-induced cleaning 462 Plasma-induced sizing 462 Plasmaaktivierung 462 Plasmaätzen 456 Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition 458 Plasmaerzeugung 455 Plasmamodifizierung 462 Plasmaphysik 462 Plasmaprozesse 456 Plasmatechnologie 454 plastic oil-pumps 630 Plastifizieren 216 Plastifizierextruder 255 Plastifiziervorgänge 281 – mikrowellenunterstützte 281 Plastifizierzone 256 plastische Seele 221 Plastisol 124, 143 Plateout 114, 141 Platin 149 Platinenwerkstoffe 484 Plättchen 138 Plättchenstruktur 143 Platten 2 Playmobil 2
659
PMMA 76, 92, 102, 105, 116, 122, 127, 129, 567 s. a. Acrylate, Polymethylmethacrylat Polarisation 46 Polariskop 546 Polarität 53, 94, 146 Polster 2 Poly(1,4-cyclohexandimethylolterephthalat) 159 Poly(2,2′-m-phenylen-5,5′-bibenzimidazol) 163 Poly(2,6-dimethyl-1,4-phenylenether) 454 Poly(butylenterephthalat) 159 Poly(chloropren) 162 Poly(ethylen)-Papiere 162 Poly(ethylen)e 160 – ultrahochmolekulare 160 Poly(ethylenterephthalat) 159 Poly(m-phenylenisophthalamid 163 Poly(olefin)-Fasern 160 Poly(p-phenylenterephthalamid) 163 Poly(trimethylenterephthalat) 159 Polyvinylalkohol (PVA) 159 Polyacetal 85, 103, 484 Polyacetalen (POM) 107 Polyacrylat-Basis (ACM) 173 Polyacrylnitril 158 Polyacrylnitril (PAN)-Fasern 165 Polyaddition 27, 28 Polyalkohol 111 Polyalkylenterephthalate 103, 484 Polyamid-Faser 163 Polyamid 6 559 Polyamid 6.6 141, 146, 163, 568 Polyamidcord 160 Polyamide (PA) 30, 31, 32, 47, 49, 63, 126, 128, 135, 140, 171 – aliphatische 49 – aromatische 50 Polyamidfaser 127, 158, 159 Polyamidhydrazid 163 Polyamine 126 Polyaminoamide 126, 136 Polybenzimidazol-Faser PBI 163 Polyblend 58, 61 Polybutadien 130, 168 Polycarbonanhydride 126 Polycarbonat 30, 32, 84, 98, 248 Polycarbonat (PC) 171, 172, 185 Polycarbonsäuren 126 Polychlorbutadien (CR) 55 polydispers 57 Polyester 30, 32, 91, 97, 112, 130, 134, 150 – aliphatischer 134 – aromatische 97
660
Sachverzeichnis
Polyester – epoxidfunktionalisiertes 150 – flüssigkristalliner 91 – hyperverzweigte 150 Polyester-Fasern 128 Polyesteramid-Polyole 150 – hochverzweigte 150 Polyesterfasern 30, 127, 159 Polyestergarne 156 Polyesterharze 32, 126, 172, 361 – ungesättigte (UP) 126, 172 Polyesterpolyole 299 Polyestersynthese 96, 97 Polyether 112 Polyether-Diol 172 Polyetherblockamid (PEBA) 167, 169, 173 Polyetherpolyole 298 Polyethylen (PE) 21, 33, 56, 91, 130, 134, 204, 462 – chloriertes 203, 204 – chloriertes Niederdruck-PE-C 130 – chlorsulfoniertes 203 – sulfochloriertes 204 – ultrahochmolekulares 33, 91 Polyethylen (PE) 55, 565 Polyethylen (UHMW-PE) 126 – ultrahochmolekulares 126 Polyethylen-Gelenkendoprothesen 99 Polyethylen 46, 128 Polyethylenglycol 112, 125 Polyethylenimin 150 Polyethylenmolekül 53 Polyethylenterephthalat (PET) 30, 40 Polyhalide 112 Polyhedral Oligomeric Silsesquioxane (POSS) 111 Polyimid-Verbundwerkstoffe 146 Polyisocyanate 126 Polyisopren 192 – synthetisches (IR) 192 Polykondensate 47 Polykondensation 31, 35 polymer-matrix composites 515 Polymer-Polyelektrolyte 151 Polymer-Synthese 97 Polymer-Werkstoffe 102 Polymerbauteile 102 – flüssigkeitstragende 102 Polymerblends 61 Polymercharakterisierung 609 Polymer Composites 373 Polymer Degradation 454 Polymere 1, 111, 136, 166, 613 s. a. Kunststoffe
– Anwendungen 136, 166 – Biologisch abbaubare 613 – keramisierende 111 Polymerelektronik 102 Polymer Engineering 1 – umweltgerechtes 1 Polymerfilme 465 Polymeric Foams 295, 321 Polymerisation 1, 19, 20, 22, 33 – ionische 25 – katalytische 25, 27 – radikalische 24, 26 – Rohstoffhersteller 20 – stereoregulierte 22 – Verarbeiter 20 – Verfahrenstechnik 41 Polymerisations-Inhibitor 42 Polymerisationsarten 19, 21 Polymerisationsgrad 22, 55, 58 – mittlerer 55 Polymerisationswärme 22 Polymerlösungen 64 Polymermischung 60, 61 Polymer Processing 515 Polymerpulver 428 Polymersegmente 172 Polymersynthese 99 Polymer Synthesis 43 Polymethylacrylat (PMA) 62 Polymethylmethacrylat (PMMA) 22, 62 Polynitrosoverbindungen 128 Polyoctahedral 150 Polyol 28 – trifunktionelles 28 Polyole 129, 134, 298 Polyolefinblends 5 Polyolefine 105, 116, 129, 169, 171 – thermoplastische (TPO) 167, 169, 171 Polyolefinelastomere (POE) 23, 130, 171 Polyolefine 127, 144 Polyolefinfasern 160 Polyoxymethylen (POM) 54, 67, 68, 172, 569 Polyphenole 135 Polyphenylenoxid (PPO) 171 Polyphenylsulfid (PPS) 91 Polyphosphorsäure 110 Polypropylen (PP) 8, 22, 26, 65, 83, 106, 107, 111, 143, 146, 157, 321, 462, 566, 573 – ataktisches 23 – flachsfaserverstärktes 166 – geschäumtes 321
Sachverzeichnis – isotaktisches 22 – isotaktisches (iPP) 573 – syndiotaktisches 23 Polypropylen (PP) – talkumverstärktes 143 Polypropylen-Cellulose-Compounds 166 Polypropylen-Flachs-Compounds 158, 166 polypropylene fibres 136 Polypropylenfolien 282 Polysiloxan 32, 46, 99 Polysiloxankunststoffe 53 Polysiloxanmolekül 53 Polysiloxanöle 53 Polystyrol (PS) 22, 34, 40, 42, 46, 53, 131, 291, 554, 566 – elastifiziertes 131 – Expansion 291 – schlagfestes (SB) 131 Polystyrolblöcke 168 Polysulfide 136 Polytetrafluorethylen (PTFE) 25, 45, 124, 125 Polytetramethylenoxid 173 Polyurethan (PUR) 28, 50, 63, 167, 172, 294, 295, 313, 320, 321, 325 Polyurethan (PUR) – Werkzeugtechnik 321 Polyurethan-RIM/RRIM 126 Polyurethane – Anwendungen 305 – Chemie 295 – Elastomere 313 – lineare 50 – thermoplastische (TPU) 50, 167, 303 Polyurethane (TPU) 169, 172 Polyurethane Foams 321 Polyurethanindustrie 303 Polyurethanklassen 304 Polyurethanreaktionen 301 Polyurethanschaum 28, 316 – Herstellung 316 Polyurethanstruktur 295 Polyvinylalkohol (PVA) 46, 63, 112, 125 Polyvinylalkoholfasern 160 Poly(vinylalkohol)-Filamente 160 Polyvinylbutyralfolie 135 Polyvinylchlorid (PVC) 22, 53, 63, 102, 172, 281, 282 – Materialtechnik 271 – Stabilisierung 281 – Verarbeitung 271 POM 112, 145 s. a. Polyoxymethylen POM-Paarungen 103, 484 POM-Typen 471 Porenregler 129 Portalmaschinen 279
Positiv-Negativ Vakuumformen 420 POSS-Monomere 150 Potenz-Ansatz 587 Power Train Applications 630 PP 91, 99, 106, 112, 116, 133, 139, 144, 145, 146, 161 s. a. Polypropylen PP-Blends 130 PP-Werkstoffe 102 Prägefoliendruck 465 Präpolymere 299 Precision Injection Molding 282 Preformherstellung 373 Preisindex 17 Preisindikation 175 Preisspanne 15 Prepregs 165 Pressbauteile 514, 515 – Entwicklung 515 pressen 370, 385 Pressformen 364 Presskraftbedarf 515 Presskräfte 513 Pressmasse 362, 514 – langfaserverstärkte 514 Pressprozess 514 Pressverbindung 103, 484, 504 – Berechnung 504 Pressverfahren 239, 345 Presswerkzeug 366 Primärbindekraft 46 Primärbindung 57 Primärteilchen 113 Primärweichmacher 135 Primertechnologie 447 Probekörper 83 Probekörperquerschnitt 80 Probenherstellung 560 Produkt-Engineering 377 – umweltgerechtes 377 Produktbeispiele 324 Produkte 1, 430 – werkzeugfallende 1, 430 Produktherstellung 102 Produktionsanlagen 319 Produktionsfaktor 538 Produktionstechnik 631 – innovative 631 Produktlebensdauer 101 Produktlebenszyklus 621 Produktqualifikation 598, 603 Profile 138
661
662
Sachverzeichnis
Profilwerkzeuge 268 Profilziehen 368 Promotoren 108, 128 Propandiol 135 Propen 24 Properties of Rubber 102 Propf-Copolymerisation 24 Propylen-Copolymerisat 107 Proteine 39 Prothesen 141 Prototypenherstellung 1 Prototypenwerkzeuge 428 Prozessabfall 461 Prozessgas 456 Prozessintegration 249 Prozesssimulation 514, 515 Prozesszeiten 320 – charakteristische 320 Prüfeinrichtung 591 – automatische 591 Prüfgeschwindigkeit 558 Prüfnormen 596 Prüftechnik 1 – in-line 1 – zerstörungsfreie 1 Prüfung 545, 589, 592, 604 – Bauteile 545 – duroplastische Formmassen 589 – Elastomer 592 – Kunststoff 545 – Neuteil 604 Prüfung 99, 586 – kombinierte 607 – mechanische 606 – rheologische 586 – zeitraffende 99 PS 106, 107, 112, 116, 122, 129, 161 s. a. Polystyrol PS-Folien 141 PS-Schaumfolien 141 PS/EPS 8 PSU (Polysulfon) 112 PTFE 105, 161, s. a. Ploytetrafluorethylen PTFE-Wachse 124 Pufferwirkung 139 Pulforming 368 pull-out 147 Pultrusion 156, 368 Pulver-Slurry 465 Pulverform 42 Pulverspritzgießen 236 Pulvertechnologie 226
PUR 107, 126, 143 s. a. Polyurethan PUR-Dämmplatten 311 PUR-Gießelastomere 314 PUR-Hartschaum 302, 310 PUR-Ortschaum 312 PUR-Sandwich-Panelen 311 PUR-Schaum 131 PUR-Weichschaum 300, 305 – Anwendungsgebiete 305 PUR-Weichschaumstoffe 141 PUR-Wertschöpfungskette 304 PVAC 129, 135 PVAC-Dispersionen 125 PVA 160, 161 s. a. Ployvinylalkohol PVALFasern 160 PVC 8, 86, 99, 107, 112, 116, 119, 120, 125, 131, 134, 135, 139, 142, 161 s. a. Polyvinylchlorid PVC-Fensterprofile 141, 145 PVC-Kabel 33 PVC-Mischungen 274 – additive 273 – Aufbereitung 274 – Extrusion 274 – Füllstoffe 273 PVC-P 140 PVC-Pasten 124 PVC-Plastisole 124 PVC-Rohrextruder 282 PVC-Stabilisator 132, 281 PVC-U 130 PVC-U-Verarbeiter 141 PVD-Metallisierung 451 – selektive 451 PVDF-Rohre 418 pvt-Diagramme 248 Pyrit 140 Pyrolyse 614, 618 Pyrolysieren 165 Q Q-Kautschuke 205 Quader 138 Qualität 484 Qualitätsmanagement 609, 628 Qualitätssicherung 136, 502 Qualitätsvorhersage 413 Quarz 45 Quarzkies 144 Quarzmehl 144 Quarzrohr 460 Quarzsand 144
Sachverzeichnis Quellen 93 Quellung 100 Quellvermögen 63 Quellvorgang 97, 135 Quencher 101, 133 Querdehnung 314 Querkontraktion 185 Querkontraktionszahl 75 Querschwindung 393 Quertraverse 466 Quervernetzung 32 R Rotationsform 325 R-Kautschuke 200 R. O. Gibson 25 Räder 2 Radialreifen 350, 352 Radialspannung 83 Radialwellendichtring (RWDR) 80, 378, 413, 485 Radialwendelverteiler 266, 282 radiation curing 464 Radien 472 Radikalbildner 24 Radikalbildung 25 Radikalchemie 111 Radikale 24, 100 Radikalfänger 100, 101, 106 Radikalfänger/Peroxidzersetzer 133 Radikalfängerfunktion 101 Radikalketten 22 Radikalkettenmechanismen 110 Radikalkettenpolymerisation 22 Raketentriebwerke 111 RAM-Extruder 253,281 Randfaserdehnung 499 – Berechnung 499 Randomly Oriented Composites 515 Randschichten 221 rapid prototyping 1, 425, 428, 453 rapid testing 99 rapid tooling 1, 428 Rauchdichteverminderer 111 Rauchentwicklung 109, 112 Rauchgasdichten 112 Rauchgase 112 Rauchgasentwicklung 109 Rauchgasfilter 163 Rauchgasspezifikationen 112 Rauchgasverminderer 112 Raumfahrt 133, 149, 165
Rayon 128 Reaction – Injection – Molding (RIM) 312 Reaktionsfähigkeit 25 Reaktionsgemisch 42 Reaktionsgeschwindigkeit 23 Reaktionsgießen 325 Reaktionsharze 143 Reaktionsharzgießen 239 Reaktionsprodukte 32 – niedermolekulare 32 Reaktionsspritzguß 312 Reaktionsumsatz 34 Reaktionsverzögerer 127 Reaktorblends (RTPO) 171 Reaktoren 2 Rechtskosten 544 Reckgrad 380, 381 Recycling 5, 335, 610, 622, 629 Recycling-Handbuch 618 Recyclingaspekte 109 Reflexion 113 Regelklappen 485 Regenerat 618 Reibdruck 525 Reibgeschwindigkeit 525, 526 Reibschweißen 489, 494 Reibung 78, 484, 489, 494 – äußere 494 – innere 78, 489 Reibungswiderstand 103, 484 Reibverhalten 152 Reibwert 124, 125 Reifen 2, 164, 349, 361 – Produktion 361 Reifen-Komfort 361 Reifen-Rohmaterialien 355 Reifen-Rollwiderstand 361 Reifenherstellung 354 Reifenkomponenten 356 Reifenproduktion 354 Reifenquerschnitt 351 Reifenrezeptur 8 Reifenschicht 356, 357 – äußere 356 – innere 357 Reifentest 361 Reifentipps 361 Reinforced Plastics 335 s. a. Kunststoffe verstärkt, Verbundwerkstoffe reinigen 456 Reinraum 485
663
664
Sachverzeichnis
Reinraumtechnik 246 Reisebus 466 Reißdehnung 57 Reißfestigkeit 59, 169, 338 Rekombination 25, 456 Relaxation 100, 184, 383 Relaxations-Spektrometer 549 Relaxationskurven 84 Relaxationsmodul 83, 84, 85 Relaxationszeit 161 Rennsport 165 Reparatur 543 Reproduzierbarkeit 591 Resit 36 Resitgitter 36 Resitol 36 Resole 35 Resorcin-Formaldehyd-Silica 128 Resorcin-Methylos-Systeme 128 Restmonomere 33 Rezeptur 343 Rezipient 459 Rezyklat 102, 136 Rheologie 219 Rheology 103, 224, 514, 589 Rhodamine 123 Richtlinien 439 Richtungsabhängigkeit 385 Rieselfähigkeit 139, 140 RIM-Projekt 282 RIM-Systeme 141 Ring-Scheibe-Prüfstand 91 Ringöffnung 31 Ringverbindungen 45 Rippen 472, 473 – blasgeformte 473 – Entformungsschräge 473 – Rippenversteifung 473 Rippenanzahl 473 Rippendicke 473, 474 Rippenkreuzungspunkte 473 Rippenlage 473 Rissbildung 100 Rizinoleate 107, 135 Roboterarme 2 Roboterzelle 248 Rohlingsherstellung 345 Rohlingsverarbeitung 345 Rohr-in-Rohr Isolierung 312 Rohre 2, 99, 128, 138, 392, 416 – poröse 416
Rohrherstellung 371 Rohrleitungen 2, 94 Rohrströmung 221 Rohrwerkzeug 257 Rohstoffe 19, 540 – nachwachsende 19 Rohstoffhersteller 19 Rohstoffkombinationen 488 Rohstoffrecycling 618 Rollen 315 Rollladensystem 599 Rotation 4, 53 Rotational Molding 325 Rotationsformen 321, 322, 323, 324, 325 – Produktbeispiele 324 Rotationsgießen 321 Rotationskegel 53 Rotationsreibschweißen 489 Rotationsschweißen 495 Rotationsverfahren 325 Rovings 130 RRIM-Systeme 141 RTM (Resin Transfer Molding) 415 RTM-Simulation 509 RTM-Verfahren 371 Rubber Technology 176 Rückdeformation 74 – viskoelastische 74 – zeitverzögerte 74 Rückprallelastizität 188 Rückreaktion 96 Rückständ 33 Rumpf 2 Rundungsradius 474 Ruß 101, 108, 112, 118, 128, 136, 149, 353 Rutil 116 Rutil-Gitter 119 Rutilpigmente 116 S Sachbilanz 621 Sachkosten 538 Sägemehl 138 Salzbad-Vulkanisationsanlagen 348 SAN (Styrol-Acryl-Nitril) 122 Sand 101 Sandwichbauteile 335, 414, 514 – thermoplastische 335, 414, 514 Sandwichhalbzeuge 335 Sandwichspritzgießen 232 Santoprene 341
Sachverzeichnis Sauerstoff 100 Sauerstoffatome 53 Sauerstoffbrücken 38 Sauerstoffdurchlässigkeit 90 Sauerstoffplasma 457 Saugblasverfahren 278 Saugrohre 485 Säureeinwirkung 116 Säurefänger 273 säurekatalysiert 35 Säuren 92, 119 SB (Styrol-Butadien) 107 SBR-Latex 127 Schadensursache 98 Schädigung 133 – photochemische 133 Schafwolle 163 Schalenmehl 138, 139 Schallabsorption 90 Schallausbreitung 90 Schalldämpfer 416 Schallreflexion 90 Schalter 2 Schaltungen 454 – elektronische 454 – gedruckte 454 Schaltungsträger 453 Scharnierwirkung 52 Schäumanlagen 320 – kontinuierlich arbeitende 320 Schaumbildung 295, 321 – Physik 321 Schäume 295 Schäumen 28, 99, 129, 286 – physikalisches 295 Schaumhaut 28 Schaumkohlenstoff 141 Schaumkunstleder 127 Schäummaschinen 316 – diskontinuierlich arbeitende 316 Schaumpartikel 290 – Extrusion 290 Schaumschicht 111 Schaumspritzgießen 248, 465 Schaumstoffe 536 Schäumverfahren 287 Schäumversuch 28 Scheiben 2 Scheibenbremsbeläge 33 Scheibenbremsen 152 – asbestfreie 152
Scheinwerferkomponenten 485 Scherbeanspruchung 105 Schergeschwindigkeit 220, 586 Scherspannung 220 Scherströmung 219 Scherzone 391 Schicht 111 – keramische 111 Schichtdicken 458 Schichteigenspannungen 458 Schichtpressstoffe 157 Schichtsilikate 110, 111, 149 – organisch modifizierte 110 Schichtwirkung 459 Schieber 476, 499 Schiebertechnik 435 Schiefer 125 – bituminöser 125 Schiefermehl 106, 142, 144 Schießbaumwolle 38 Schiffe 109 Schlagzähigkeit 33, 50, 58, 59, 67, 70, 128, 137, 173 Schlagzähigkeitsmodifizierung 171, 172 Schlagzähigkeitsprüfung 562 Schlagzähigkeitsverbesserer 105, 130, 138, 172 Schlauch-Ablegeverfahren 278 Schläuche 2, 172, 173 – hydraulische 173 Schlauchmanipulation Roboter 278 Schlauchummantelung 267 Schleifbügel 141 Schleifkornbenetzung 37 Schleifmittel 37, 142, 144 Schleifscheiben 37, 140, 144 – phenolharzgebundene 144 Schleppstopfen 270 Schleuderverfahren 370 Schlichte 146 – Aramid-Fasern 147 – C-Fasern 146 Schließeinheiten 317 Schmelz-Index-Gerät 588 Schmelzbereich 70 Schmelze 337 – Verweilzeit 337 Schmelzebruchphänomene 589 Schmelzeförderaggregate 251 Schmelzefront 221 schmelzen 219 Schmelzeprofil 221 Schmelzeviskosität 33, 58, 128
665
666
Sachverzeichnis
Schmelzindex 222 Schmelzindexprüfgerät 588 Schmelzkerntechnik 235 Schmelzspinnen 142, 160 Schmelztemperatur 4 Schnapphaken 496 – Anbindung 498 – Berechnung 499 – Dimensionierung 496 – entformen 499 – Fügewinkel 497 – Führungen 498 – Hakenlänge 497 – Hinterschnitt 498 Schnapphaken-Varianten 534 Schnapphakenberechnung 500 Schnapphakenlänge 497 Schnappverbindungen 2, 484, 502, 504 – berechnen 504 Schnecken-Extruder 254 Schneckengeometrie 259 Schneckengetriebe 483 Schneckenkolbenprinzip 348 Schneckenkonzept 256 Schneckenplastifiziereinheiten 337 Schneckenräder 483 Schraubenverbindung 80, 477 Schraubverbindung 478 – lösbare 478 Schreibzeug 2 Schrumpfung 33, 67 Schrumpfuntersuchungen 546 Schubmodul 56, 72, 75, 186, 362, 550, 551 Schubmodul G’ 63 Schubmodulkurven 70 Schubspannungen 552 Schuhbereich 173 Schuhe 164 Schuhsohle 172, 313 Schuhsohlenherstellung 170 Schüttgewicht 139 Schutzart 605 Schutzbekleidung 127 Schutzhandschuhe 163 Schutzkolloide 42 Schutzmaßnahmen 101 Schutzschäume 2 Schutzüberzüge 133 Schutzzonen 481 – aufgeschäumte 481 Schwarzfärbung 119
Schwarzkorund 140 Schwarzpigmente 118, 120 – anorganische 118 Schwefel 128 Schwefel-Beschleuniger-Systeme 109 Schwefelbrücken 354 Schwefeldioxid 101 Schwefeldosierung 128 schweißen 503 Schweißnaht 503 Schweißverfahren 488, 503 Schweißzusatz 417 Schwermetalle 113 Schwermetallionen 140 Schwermetallsalze 112 Schwerspat 128, 140, 141 Schwindung 22, 29, 33, 67, 143, 384, 393, 399, 400, 475, 516 Schwindungsunterschiede 142 Schwindungsverhalten 141 Schwindungsvorgänge 66 Schwindungswerte 395 Schwingung 551 – erzwungene 551 Schwingversuch 552 – dynamischer 552 Sebacinsäure 135 Sebazinsäure 130 SEBS 174 SEBS-Compounds 174 Segel 164 Segelboote 166 Segmentrotation 53 Seidenfibroin 39 Seile 31 Seitengruppen 64 Seitenwand 358 Sekantenmodul 75, 76, 155, 501 Sekundärbindekraft 46 Sekundärbindungen 57 Sekundärkräfte 38 Sekundärweichmacher 135 Selbsthemmung 483 Selbstschmiereigenschaften 124 selbstverstärkende Kunststoffe 145 Semi-Additiv-Technik 444 Sensoren 2 Sequenzlänge 33 Serienfertigung 628 Serienschweißen 503 Shear-Lag-Modell 508
Sachverzeichnis Sheet Thermoplastic Composites (STC) 327 Short Fiber Composites 513 shrinkage 516 – Simulation 516 SiC/Al2O3 Faserverbundwerkstoff 335 Sicherheitsausrüstungen 164 Sicherheitsbeiwerte 85, 86, 529 Sicherheitsfaktor 82 Sicherheitsgurte 164 Siebdruckverfahren 450 Siebkorbwerkzeuge 265 siegeln 488 Silan-Haftvermittler 128 Silane 128, 138, 150 Silanolgruppen (SiOH) 124 Silanol-Gruppe Si(OH)3 128 Silanole 150 Silber 108, 149 Silberdrähte 149 – vergoldete 149 Silesquioxan 150 Silicate 140 Siliciumcarbid 144 Siliciumcarbidfasern 149 Siliciumverbindungen 141 Silicone 125 Siliconkautschuk 205 Silika 353 Silikatplättchen 110 Silikon 32 Silikon-Elastomere 209 Silikon-Nanopartikel 149 – reaktive 149 Silizium 45 Siliziumdioxidschichten 119 Siliziumoxid 458 Sillimanit 143 Siloxanbindungen 146 Silsesquioxane 111 Simulation 425, 504, 508, 515, 516 – integrative 515 Simulation Software 515 Simultaneous Engineering 467 Sinapryl Alkohol 40 Sintermetallteile 123 sintern 416 Sinterzeit 416 SiO2-Partikel 124 Sisal 157 Sitzlehnen 282 Ski 2
Skibretter 310 Skistöcke 164 Slipmittel 105, 125 SMC 142, 514, 515, 612, 618 – Pressen 514, 515 SMC-Bauteile 373 SMC-Formmassen 141 SMC-Verfahren 372 Smoke Supressants 136 Sol-Gel-Verfahren 150 Solarzellen 462 Solvatation 25, 135 Solvolyse 614 Sonderschweißverfahren 503 Sonnenlicht 101 Sonnenstrahlung 104 Sonotrode 490 Spachtelmassen 130 Spaltfaser 160 Spannfaktor 474 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 59, 381 Spannungs-Dehnungskurven 75, 78, 558 Spannungsabbau 100 Spannungsausschlag 83 Spannungsdehnungslinie 80, 83 – isochrone 80, 83 Spannungserweichung 78 Spannungskonzentrationszahlen 85 Spannungsoptik 546 Spannungsrelaxationsversuch 83, 84 Spannungsrissbildung 66, 67, 98, 100, 228, 390, 548 Spannungsrisse 97, 98 Spannungsrisskorrosion 97 Spanplatten 37 Speichermodul 86, 300 Spektrum 562 – elektromagnetisches 562 Spenden 544 Sperrholz 37 Spezialitäten 624 Spezialitätenchemie 121 Sphärolithe 65 Sphärolithgrenzen 67 Sphärolithzentren 66 Spherical Indentation Data 537 Spielpuppen 325 Spielwaren 2 Spinell-Mischphasenpigmente 119 Spinellschwarz 119 Spinndüsen 159 Splitterhaftung 135
667
668
Sachverzeichnis
Sport 2, 149 Sportartikel 173 Sportböden 315 Sportgeräte 165 Sportkleidung 164 Sportschläger 335 Spritzen 2 Spritzgießen 108, 225, 226, 227, 235, 241, 248, 366, 379, 414, 428, 485, 537 – Entwicklungstendenzen 241 – Fehler 414 – LSR (Flüssigsilikon) 235 – maschinenschonend 485 – Sonderverfahren 232 – Technologie 537 – Werkzeugtechnik 537 Spritzgießmaschine 227, 243 – holmlose 243 – vollelektrische 241 Spritzgießprobleme 414 Spritzgießsimulation 515 Spritzgießstreckblasformen 280 Spritzgießtechnik 465 Spritzgießverfahren 333, 347 Spritzgießwerkzeug 431, 484, 435, 537 Spritzgießwerkzeugbau 435 Spritzgussbauteile 515 – kurzfaserverstärkte 515 Spritzgussfehler 414 Spritzgussteile 414 Spritzprägen 234, 239 Spritzpressen 366 Spülbecken 145 Sputtering 462 Sputtern 457 Stäbchengranulate (LFT-G) 329 Stabelement 551 Stabilisatoren 101, 107, 131, 132, 273 Stahl 72, 76, 102, 111, 149 Stahlcordkonstruktion 352 Stahldrähte 149 – vermessingte 149 – verzinkte 149 Stahlkern 359 Stammformkonzept 282 Stampfmassen 143 Stanate 112 Standard-Spritzgießen 227 Standardkunststoffe 116 Standard Oil 22 Stanznieten 503
Stapelfasern 153, 160 Stapelsicken 421 Stärke 19, 134 – thermoplastische 134 Stärkeaufbereiten 137 – thermoplastisches 137 Startreaktion 24, 25 Startzeit 301 Statikmischers 216 Stator 260 Staubalkenstellmöglichkeit 265 Staudinger-Schule 42 Stearate 37, 107, 130, 135 Stearinsäure 129 Stecker 477 Stecksysteme 414, 536 Steckverbinder 485 Steckverbindungen 2 Steifigkeiten 506 – strukturmechanische 506 Steigzeit 301 Steine 143 – phenolharzgebundene 143 Stereoisomerie 55 Stereolithographie (STL) 425 Stereolithographiematerialien 428 Stereo Lithography 428 Sterilisation 465 Steuerklappen 485 Steuern 544 – ertragsneutrale 544 Stickoxide 101 Stickstoffverbindungen 110 Stiffness predictions 515 Stiftextruder 216, 251 Stirnradgetriebe 483 Stirnradpaare 483 Stoffe 99, 112 – lichtstreuende 114 – niedermolekulare 99 Störungsratgeber 414 Stoßanregungen 456 Stoßfänger 34 Strahlendosis 524 Strahlung 100, 524 – energetische 524 – energiereiche 100 Strahlungsquelle 415 Strang-Granulator 216 Strangablegeverfahren 329 Strangaufweitung 383, 589
Sachverzeichnis Straßenmarkierungen 143 Streckdehnung 70 Streckspannung 59 Strontium 107 Struktur 102 Strukturformel 19 Strukturierungsverfahren 450 – mechanische 450 Strukturisometrie 55 Strukturmerkmale 7 Strukturmodell 5, 11 Strukturschäume 321 Strukturschaumstoff-Formteilen 137 Strukturschema 6 Struktursimulation 510 Strümpfe 159 Stückkosten 174 Stufenreaktion 19, 27, 28 Stufenwerkzeug 268 Stumpfschweißen 502 Styrol 22, 24, 129 Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) 167, 201, 353 Styrol-Ethylen-Propylen-Styrol-Sequenz (SEPS) 169 Styrol-Polymerisaten 127 Styrolblockcopolymere (SBC) 167, 169 Styrole 150 Styrolmonomer 34 Substanzen 108 – hydrophile 108 Substituenten 52, 53 Subtraktiv-Technik 441 Sulfamide 135 Sulfide 120 Sulfitzellstoff 156 Sulfoselenide 120 supercritical CO2 295 Superfilamente 159 Surface 462 Surfbrett 2 Suspensions-PVC-Korn 273 Synthese 19, 26, 624 – stereospezifische 26 Synthesekautschuk 23, 353 Syntheseschwindung 34 Synthesezellstoffe 162 synthetische Kunststoffe 19 Systeme 110 – intumeszierende 110 Systemgrenzen 620 Systemlieferanten 282
T T-Verteiler 264 Tagesleucht-Farbmittel 123 Taktizität 22, 33, 48 Talkum 106, 138, 141, 142, 143 Tandem-Blow-Prinzip 279 Tandem-Schließsysteme 242 Tandembauweise 252 Tangentenmodul 75, 76, 155 Tangentialspannung 83 Tantaloxid 149 Tastatur 2 Tastaturmatten 174 Tauchen 2 technische Kunststoffe 282 Teilchengrößen 119 Teilchengrößenbereich 113 Teilchengrößenvergleich 113 Temperatur 73, 86, 558 – Einfluss 73 Temperatur-Zeit-Abhängigkeit 73 Temperaturabhängigkeit 46, 70 Temperaturprofile T(x,t) 387 Temperaturprüfungen 605 Temperaturschwankungen 67 Temperaturverlauf 230 Temperaturverschiebungsfaktor 588 Temperaturwechsel 99 temperieren 217 Temperiergeräte 248 Tennis 2 Tensile properties 514 Terephthalsäure 30 Terpene 19 Testmethoden 109 Tetrabrombisphenol 109 Textil 2, 109 Textilcordeinlage 360 textile Technology 103 Textilfaser 37, 155 Textilglas 153 Textilglasmatte 154 Textilglasrovings 154 Textilschnitzel 131, 145 Textilverbundstoffe 160 TF-Schäume 309 Thermal Analysis 576 Thermo-gravimetrische Analyse (TGA) 576 Thermo-mechanische Analyse (TMA) 574, 576 Thermoanalyse 576 Thermodynamically Consistent Formulation 537
669
670
Sachverzeichnis
Thermodynamik 383 – 2. Hauptsatz 383 Thermoelaste 4 Thermoform-Simulation 509 thermoformen 418, 515 Thermoformer 422 Thermoforming 425 Thermoformprozess 418 Thermoformschäume 309 Thermoformverfahren 419 Thermogravimetrische Analyse (TGA) 572 Thermooxidation 100 Thermoplaste 4, 12, 33, 51, 56, 64, 81, 96, 102, 122, 137, 146, 286, 335, 403 – amorphe 4, 56, 224 – amorpher Zustand 64 – Brandschutzausrüstung 137 – eigenverstärkte 161 – hochtemperaturfeste 51 – langfaserverstärkte 166, 335 – Langzeitverhalten 102 – Schäumen 286 – teilkristalline 4, 56, 64, 224 – Verarbeitung 224 – Verarbeitungsfehler 403 – verschleißfeste 166 – Wirtschaftsdaten 12 Thermoplastic Elastomers 176 thermoplastische Elastomere (TPE) 5, 9, 10, 18, 59, 69, 96, 102, 167, 336, 341 – Verarbeitung 336 Thermoplastschaum-Spritzgießen (TSG) 236 Thermosetting Plastics 618 Thermostabilisatoren 107 Thermostabilität 107, 134 Thio-Verbindungen 106 Thioindigo 121 Thiole 150 Thread forming fastening systems 503 tie-molecules 65 Tiefseetechnik 149 Tiefzieheigenschaften 141 Tiefziehen 418 Tintenadditive 150 TiO2 116 TiO2-Perlglanzpigmente 122 TiO2-Pigmente 116 TiO2-Photocatalysis 137 Tische 2 Titan(IV)sulfat 122 Titanate 137, 138
Titanatkatalysatoren 173 Titanatome 26 Titanchloride 122 Titandioxid 103, 112, 116, 118 Titandioxid (TiO2) 116 Titanmischoxide 120 Titanoxid 149 Titanoxidhydrat 122 TM Transfer Molding 345 Toleranzanforderung 476 Toleranzdesign 536 Toleranzen 400, 471, 536 Toleranzsysteme 536 Tolerierung 536 – statistische 536 Toluol 33 Toluolsulfonate 130 Toluylendiisocyanat (TDI) 297 Torsionsmoment 551 Torsionsschwingversuch 70, 86, 549 Torsionsstäbe 477, 529 Toxikologie 109 Toxizität 109 TPE-Klassen 61 TPE-Monoprofilanlagen 340 TPE-Profilanlage 341 TPU-Folie 314 – strapazierfähige 314 TPU-Kabelschläuche 313 Trägerkatalysatoren 22 Trägheitsmoment 501, 530 Traglufthallen 127 Transferpressen 345 Transferspritzpressen 345 Transistoren 630 – gedruckte Kunststoffe 630 Transmission 89 Transparenz 23, 30 Transport 109 Transportbelastungen 608, 609 Transportkosten 543 Transportmechanismen 92 Transportsicherungen 282 Treibmittel 28, 105, 111, 129, 131, 137, 288 – chemische 131, 288 – physikalisches 288 Treibreaktion 296 Treibverfahren 131 Trennmittel 37, 53, 112, 125 Trennverfahren 211 Tributylzinnoxid 130
Sachverzeichnis Triebwerkteilen 141 Triethylenglycol-di-2-ethylbutyrat 135 Trikresylphosphat (TKP) 63, 135 Trimethoxymethylsilane 458 Trimethylolresorcine 127 Trinkbecher 425 Trinkwasser 130 Trinkwasserrohre 134 Triphenylphosphat 135 Trisazopigmente 121 Trockenlauf 103, 484 Trockenmischen 108 Trockenschmiermittel 123 Trocknen 217 Trocknungsprozesse 464 Trocknungsverfahren 462 Tröpfchengröße 112 Tunnel 109 Türen 34 Twin-Sheet-Verfahren 425 Typisierung 590 U U-Bahnstationen 109 U-Kautschuke 206 Übergangstemperatur 183 Überwachung 590 Überwachungszeichen 364 Überzugmassen 141 UF-Formmassen 116 UF-Harze 145 UHF-Anlagen 349 UHM (Ultrahochmodul)-Faser 165 Ultrahochfrequenzanlagen 349 Ultramarin 116 Ultramarin-Pigmente 120 Ultraschallbördeln 493 Ultraschalldrahtbonden 453 Ultraschallmaschine 492 Ultraschallnieten 490 Ultraschallpunktschweißen 492 Ultraschallschweißen 489, 502, 503, 504 Ultraschallschweißprozesses 491 Ultrasuperfeinstfasern 159 Ultraviolettstrahlung 454 Umformen 226, 383, 418 Ummantelungswerkzeuge 267 Umsatz 5 Umspritzen 389 Umwandlungszone 256 Umwelt 610
Umweltaspekte 629 Umweltbedingungen 104 Umweltbewertung 619 Umweltbilanzierung 619 Umwelteinflüsse 609 Umweltmanagement 623 Umweltprobleme 2 Umweltschutz 361 Umweltsimulation 598, 608 Umweltverträglichkeit 438 Unlöslichkeit 114 Unterhaltung 2 UP 107, 116, 120, 124, 129, 139, 141, 142 s. a. Gießharze, ungesättigter Polyester – monomerfreies 124 UP-Formmassen (DMC) 157 UP-Gussmassen 145 UP-Harz 108, 116, 119, 122, 124, 128–130, 135, 140, 143–146 UP-Laminate 146 Urethan 296 Urethankautschuk (AU, EU) 206 Urethanreaktion 295 Urethansegmente 162 Urformen 5, 211, 224 UV-Absorber 101, 133 UV-Anteil 104 UV-Bereich 132 UV-Stabilisatoren 105, 132, 134 UV-Stabilität 103 UV-Strahlung 100, 107, 130 V Vakuumbeschichtungsverfahren 457 Vakuumformen 369 Vakuumformung 419 Vakuumtrocknung 464 Valenzelektronen 45 Valenzwinkel 53 Vanadiumatome 26 Vanadiumbeschleuniger 108 Variothermverfahren 239 Veränderung 100 – photochemische 100 Verarbeitbarkeit 57, 104 Verarbeitung 44, 211, 626 – Thermoplast 224 Verarbeitungsbedingungen 98, 413, 484 Verarbeitungsdrücke 33 Verarbeitungsfehler 364, 403, 414 Verarbeitungshilfsmittel 104
671
672
Sachverzeichnis
Verarbeitungshinweise 282 Verarbeitungskosten 116 Verarbeitungsmöglichkeit 1 – wirtschaftliche 1 Verarbeitungsparameter 373 Verarbeitungsschwindung 34, 67, 68, 393, 396, 414 Verarbeitungsverfahren 10, 364 Verbände 2 Verbinden 485 Verbindungen 19 – gesättigte 19 Verbindungsmöglichkeiten 339 Verbindungsstecker 477 Verbindungstechnik 453, 502 Verbrauch 16, 106 – Standardkunststoff 16 – technische Kunststoffe 16 – weltweiter 106 Verbrennung 616, 618 – in Kraftwerken 616 – in Müllverbrennungsanlagen 616 Verbrennungsaggregate 616 Verbrennungskonzepte 616 Verbrennungsprozesse 111 Verbund-Sicherheitsglas 135 Verbundspritzgießen 232 Verbundtechnik 235 Verbundwerkstoffanwendungen 147 Verbundwerkstoffe 18, 145, 163, 166, 373, 514 Veretherung 39 Verfahren 425 – materialaddierende 425 – materialgenerierende 425 – materialsubtrahierende 425 Verfahrensablauf 227 Verfahrensintegration 247, 485 – kosteneffiziente 485 Verfahrenskombination 429 Verfahrensparameter 227 Verfahrenstechnik 2, 316, 626 Verfahrensvarianten 341 Verfärbung 100 Verformung 73 – bleibende 73 Verformungsarbeit 76, 77 Verformungsrest 181 Verformungsverhalten 73, 222 Vergasung 615 Verglasungen 30 Vergussmassen 143 Verhalten 70, 75, 576
– akustisches 88 – dielektrisches 88 – elastisches 102 – elektrisches 87 – mechanisches 576 – plastisches 70 – tribologisches 90 – viskoelastisches 70 – viskoses 70 – Zugbelastung 75 Verkehr 109 Verkehrsflugzeugbau 166 s. a. Passagierflugzeug Verkehrsmittel 112 – öffentliche 112 Verkehrsschilder 143 Verknüpfungsart 47, 60 Verkohlung 112 Verlustfaktor d 78 – mechanischer 79 Verlustmodul 183 Vernetzen 525 Vernetzung 4, 55, 178, 179, 289 – chemische 179 – physikalische 55, 179 Vernetzungsdichte 58, 69 – mittlere 58 Vernetzungsgrad 33, 35, 36, 94 Vernetzungsreaktion 28, 126 Vernetzungsstellen 4, 56, 69 – physikalische 56, 57 Vernetzungssystem 126, 127 Verpackungen 2 Verpackungsindustrie 92 Verpackungsteile 485 – medizinische 485 Verschäumungsverfahren 289 Verschleiß 116, 484 Verschleißfaktor 526 verschleißfeste Kunststoffe 91 Verschleißfestigkeit 33, 140, 142 Verschleißverhalten 123 Verschleißwirkung 140 Verschlusskappen 250 Verschlusssysteme 485 Versicherungen 544 Verspiegelungen 458 Verspinnen 163 Versprödung 99 Verstärkung 37 Verstärkungsfasern 152, 156, 166 – anorganische 152
Sachverzeichnis – organische 156 Verstärkungsmittel 145, 166 Verstärkungsstoffe 37, 104, 145, 151 Verstrecken 383 Verteidigung 165 s. a. Wehrtechnik Verteilerkanal 264 Verteilung 622 Verträglichkeit 103, 109, 488, 613 – elektromagnetische 103 Verunreinigungen 98, 101, 105 Verwerfung 100 Verwertung 618 – Duroplaste 618 Verzug 393, 396, 401, 466, 475, 516 – Schwindung 466 Verzugsfreiheit 120 Verzugsneigung 113 Verzugssimulation 510 Verzugsursachen 428 Verzweigungen 53, 54 Verzweigungsgrad 25, 33 Vibrationen 602 Vibrationsschweißen 489, 494, 502, 503 Vibration testing 608 Videobänder 107 Vier-Parameter-Modell 73 Vinyl-Cinnamat 130 Vinyl-Siloxanen 128 Vinylchlorid (VC) 24 Vinylester-Harz 156 Vinylfaser 160, 161 Vinylmonomere 21 Vinylpyridin-Latex 127 Viscose-Reyon 38 Viskoelastizität 222 Viskosität 219, 222, 288 Viskositätsfunktion 381, 586 Viskositätsmittel 57 Viskositätsregler 129 Viskositätsregulierer 124 Viskositätsverlauf 230, 362 Vlies 145 Vliesstoffe 145 Voigt-Kelvin-Modell 73, 553, 580 Volumenänderungen 386 Volumenschwund 229 Volumenvergrößerung 129 Volumenverkleinerung 22 Vor-Auslegung 522 Vorformling-Herstellung 370 Vorgarn 154
Vorlesungsmanuskript 18 Vulkanfiber 38 Vulkanisate 175 Vulkanisation 4, 345, 348 W Wachse 37, 114, 125 Walze 286 – bombierte 286 Walzendurchbiegung 285 Walzenextruder 252 Walzwerk 343 Wanddicke 66, 392, 397, 469, 471, 515 – Erstarrungszeit 470 – Gleichmäßigkeit 471 – Lunker 471 – Mindestwanddicke 470 – Teilewanddicke 470 – Zykluszeit 469 Wanddickenunterschiede 471, 472 – Einfallstellen 471 – Verzug 471 Wanddickenverteilung 425 Wandquerschnitt 66 Wärme 101 Wärmeausdehnungskoeffizient 87, 141 s. a. Längenausdehnungskoeffizient Wärmebeständigkeit 116, 141 Wärmedämmverbundsysteme 623 Wärmeenergie 77 Wärmekontaktschweißen 488 Wärmeleitfähigkeit 88, 129 Wärmestabilisatoren 105, 133, 134 Wärmestandfestigkeit 142 Warmformen 418 Warmgasextrusionsschweißen 488 Warmgasschweißen 488 Warmumformen 383 warpage 516 – Simulation 516 Wasser 96 Wasserabspaltung 40 Wasseraufnahme 63, 97 Wasserdampf 464 – überkritischer 464 Wasserdampfdurchlässigkeit 90, 91 Wasserdampfpermeabilität 91 Wasserhähne 477 Wasserklarlacke 464 Wasserkosten 543 Wasserlacke 464
673
674
Sachverzeichnis
Wasserreinigung 118 Wasserstoffbrücken 38, 49, 128, 146 Wasserstoffbrückenbindungen 46 Wasserstoffplasmen 456 Wattierungen 30 Wechselfestigkeit 83 Wehrtechnik 149 Weich-PVC 127, 129, 134, 137 – bleistabilisierter 134 Weich-PVC-Folien 125 Weich-PVC-Kabelisolierung 98 Weichmacher 63, 105, 130, 134, 137, 354 – aliphatische 63 – aromatische 63 – Definition 63 Weichmacheranteil 124 Weichmacheraufnahme 136 Weichmacherextraktion 100 Weichmacherverlust 100 Weichmacherwanderung 62, 100 Weichmachung 61, 62, 135 – äußere 62, 135 – innere 62, 135 Weichphase 59, 300, 303 Weichstoff-Flachdichtungen 144 Weißbruch 98 Weißgrad 140 Weißpigmente 113, 116, 120 – anorganische 116 Weißtöner 123 Weiterbildung 2 Weiterreißbeständigkeit 173 Welding 503 welding technologies 503 Welle/Nabe 2 Wellen-Naben-Verbindung 282 Wellenlänge 89, 113 Wellenzahlen 563 Wendel-Scherteil 260 Wendelverteiler 266, 267 – axialer 266 Wendelverteilerwerkzeuge 266 Werbungskosten 544 Werkstoff-Kenngrößen 70 Werkstoff-Kreislauf 335, 414 – geschlossener 335 Werkstoffbroschüre GUR 103 Werkstoffcharakterisierung 594 Werkstoffe 102, 166 – polymere 102 Werkstoffeigenschaften 33, 625
Werkstoffe nach Maß 1 Werkstoffherstellung 624 Werkstoffkennwerte 103, 189, 522 Werkstoffkunde 102, 224 Werkstoffmodelle 77 Werkstoffpaarungen 483 Werkstoffrecycling 612 – Duroplaste 612 Werkstoffverbunde 4, 145, 166 Werkstoffverteilung 148 Werkzeug-Bauarten 430 Werkzeugbau 8, 429, 537 Werkzeug 268, 465, 537 – Querschnittsveränderungen 268 Werkzeugkanal 318 Werkzeugkonzepte 340 Werkzeugoberfläche 66 Werkzeugoberflächentemperatur 67, 68, 396, 397 Werkzeugoptimierung 465 Werkzeugtechnik 428, 429, 628 – integrative 429 Werkzeugtemperatur 66, 229 Werkzeugträger 317 Werkzeugzuhaltedrücke 33 Wertigkeit 19 Wertschöpfung 460 Wertschöpfungskette 11 Wetterbeständigkeit 114 Wetterschutz 2 Whisker 149, 161 Wickelverfahren 156, 368 Widerstandsheizung 149 Wiederaufschmelzen 5 Wiederverwertung 335, 618 Wiederverwertungsmöglichkeiten 618 Wiegen 342 Wirbelschicht 618 Wirkkategorien 622 Wirkung 106 – katalytische 106 Wirkungsabschätzung 622 Wirkungsgrad 483 Wirtschaftsdaten 12 – Duroplaste 15 – Elastomere 15 – Thermoplaste 12 WIT (Wasserinjektionstechnik) 248 WLF-Ansatz 587 WLF-Gleichung 184 Wöhler-Kurve 83 Wohnmöbel 28
Sachverzeichnis Wolframfaser 149 Wollastonit 144 Wolle 37 Wollgewebe 145 X XRE-process 333 XRETM-Verfahren 333 Z Z/N-Katalysatoren 23 Zahlenmittel 57 Zahndickenabmaße 483 Zahndickentoleranzen 483 Zahnrad(-spinn)pumpen 253 Zahnräder 483 Zahnradpumpen 253 Zahnradspinnpumpen 281 Zahnradwerkstoffe 483 Zeit-Spannungs-Linien 82 Zeitabhängigkeit 46, 79, 184 Zeitdehnlinien 80, 81, 82, 84 Zeitdehnlinienschar 84 Zeitraffung 600, 601 – Temperaturerhöhung 601 Zeitspannungslinien-Diagramm 80 Zeitstandfestigkeit 58 Zeitstandversuch 70, 94 Zeitstandzugversuch 80, 82, 582 Zellenregler 141 Zellstoff 37, 38 Zellstruktur 131 Zelluloid 135 Zellulosefasern 37 Zellwände 38 – pflanzliche 38 Zeltdächer 127 Zement-Drehrohr 616 Zener Modell 581 zerkleinern 211 Zersetzung 109 Zersetzungsprodukte 110 Zersetzungstemperatur 4 Zerstäuber 2 Ziegler 22 Ziegler-Natta-Katalysatoren 26 Ziegler-Natta-Katalyse 26 Zimtsäureester 133 Zink 108 Zinkborat 110 Zinkdithiocarbamat 130
Zinkechtgrün 120 Zinkgrün 120 Zinkoxid 109, 129 Zinkstearate 125 Zinksulfid 110, 116, 128, 140 Zinksulfid (ZnS) 116 Zinksulfidpigmente 118 Zinkverbindungen 112 Zinkweiß (ZnO) 116 Zinnverbindungen 134 – schwefelhaltige 134 Zirkoniumoxid 149 Zitronensäure 129 Zitronensäureester 135 Zn-Carboxylat 134 Zn/Cd-Sulfid 123 Zn/K-Salz-Komplex 129 Zucker 19 Zugbelastung 75 – Verhalten 75 Zugeigenschaften 556, 562 Zugeigenspannungen 66 Zugfestigkeit 57, 59, 155 Zugkraft 155, 162 – feinheitsbezogene 155, 162, 163 Zugprüfmaschine 556 Zugschlaufen 477 Zugspannung 73, 98 Zugversuch 556, 557, 559 – Probekörper 557 – Standardkörper 557 Zulieferer 11 – lohnfertigende 11 Zumesszone 257 Zündquelle 109 Zurückknäuelung 34 Zusammenlagerung 113 Zusätze 44, 124 – mikrobentötende 129 – viskositätserhöhende 124 – viskositätserniedrigende 124 Zusatzfunktionen 235 Zusatzstoffe 104, 142 – mikrobentötende 105 – plättchenförmigen 142 Zustand 70 – energieelastischer 70 – hartelastischer 70 Zustandsänderungen 70, 72 Zustandsdiagramm 231 Zwangsentformung 499
675
676
Sachverzeichnis
Zweikomponenten-Haftvermittler 127 Zweikomponentenspritzgießen 446, 449 Zweiphasensystem 59 Zweischneckenextruder 61 Zweischneckenkneter 262 – gleichläufiger 262 Zweistufenverfahren 289
Zwischenprodukte 35 – niedermolekulare 35 Zwischenschichten 127 Zyklisches PBT 326 Zykluszeit 141, 228, 415, 515 Zylinderkopfhaube 485 Zylinderschneckengetriebe 483