Uwe Müller Hochwasserrisikomanagement
Uwe Müller
Hochwasserrisikomanagement Theorie und Praxis PRAXIS
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Uwe Müller Hochwasserrisikomanagement
Uwe Müller
Hochwasserrisikomanagement Theorie und Praxis PRAXIS
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dr.-Ing. Uwe Müller Wasserbaustudium an der Technischen Universität Dresden; Promotion im konstruktiven Wasserbau 1998 in Dresden; 1990 bis 1997 wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent an der Technischen Universität Dresden; 1997 bis 2008 Leitungsfunktionen im Staatsbetrieb Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen; seit 2008 Abteilungsleiter Wasser, Wertstoffe im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie; unter anderem Mitgliedschaften im: Deutschen TalsperrenKomitee, Normausschuss Wasserwesen (DIN 19702), in DWA-Facharbeitsgruppe Hochwasserschäden, DWA-Facharbeitsgruppe Hochwassermanagement; deutscher Vertreter im Technical Committee „Dams and Floods“ bei der International Commission on Large Dams. Ein Teil seiner fachlichen Tätigkeitsschwerpunkte liegt zurzeit in der fachlichen Umsetzung der EGWasserrahmenrichtlinie und der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie in Sachsen. Nach seiner Tätigkeit im Einsatz- und Katastrophenstab zur Bewältigung des Extremhochwassers von 2002 hat er die Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung und spätere Stabsstelle Hochwasserschutz der Landestalsperrenverwaltung geleitet und dort maßgeblich an der methodischen Vorbereitung und Koordinierung der Sächsischen Hochwasserschutzkonzepte mitgearbeitet.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ulrich Sandten / Kerstin Hoffmann Freies Lektorat: Dr. Grit Zacharias Vieweg +Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1247-6
Vorwort In Auswertung der in der Vergangenheit abgelaufenen Hochwasserereignisse hat die Europäische Union mit der Richtlinie zur Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken im Jahre 2007 (EG-HWRM-RL) [75] die Grundlage für ein integriertes Hochwasserrisikomanagement auf europäischer Ebene geschaffen. In Umsetzung der EG-HWRM-RL werden in den nächsten Jahren flusseinzugsgebietsweise das Hochwasserrisiko bewertet, bei Betroffenheit Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten erstellt und Hochwasserrisikomanagementpläne erarbeitet werden, mit deren Umsetzung das Hochwasserrisiko vermindert werden soll. Im vorliegenden Buch wird das integrierte Hochwasserrisikomanagement mit seinem heutigen Kenntnisstand theoretisch aufgearbeitet und am Beispiel und mit den Erfahrungen des Augusthochwassers von 2002 praktisch nachvollzogen. Im August 2002 waren Mitteleuropa, Deutschland und insbesondere Sachsen von einer der verheerendsten Hochwasserkatastrophen betroffen. Wenn man heute Deutschland oder den Freistaat Sachsen durchquert, wird man aufgrund der schnellen Schadensbeseitigung und großen Solidarität nur noch selten Narben vom August 2002 sehen. Und trotzdem dürfen die Folgen dieses Ereignisses nicht vergessen werden und es sollten alle Möglichkeiten zu einer nachhaltig hochwasserneutralen Rauminanspruchnahme genutzt werden. Nur die Wasserwirtschaft kann durch eine solide Facharbeit und ständige Informationen die Erinnerung an Hochwasser bei der Bevölkerung, den vielschichtigen Entscheidungsträgern und bei der Politik wach halten. Alle raumbeanspruchenden Bereiche, wie z. B. Verkehrsinfrastrukturträger oder Baulastträger sollten sich bei Investitionsentscheidungen regelmäßig die Frage stellen, ob ihr neues Bauwerk oder die Infrastruktur vom Hochwasser betroffen sein können oder ob ihre Investition zu einer Vergrößerung des Hochwasserrisikos führt. Um in dieser Hinsicht zum Nachdenken anzuregen und das Hochwasserbewusstsein wach zu halten, sind in diesem Buch viele neue Aspekte und Informationen zum Augusthochwasser von 2002 dokumentiert und entsprechende Schlussfolgerungen für das Hochwasserrisikomanagement gezogen worden. Dem Autor ist es ein Anliegen, auch den bisher noch nicht von einem Hochwasser betroffenen oder mit der Problematik befassten Akteuren anhand praktischer Beispiele vor Augen zu führen, dass auch sie Verantwortung für die Allgemeinheit tragen und bei vorausschauendem Handeln viele unnötige Hochwasserschäden verhindert werden können. Neben prinzipiellen strategischen Überlegungen sind es auch oft Kleinigkeiten oder Details, die bei entsprechender Berücksichtigung zu einer Verminderung von Hochwasserschäden führen können. Das Hochwasserereignis von 2002 hat für viele in der Wasserwirtschaft Tätige den Arbeitsinhalt völlig verändert. Noch heute ist es beeindruckend, welche Ingenieurleistungen teilweise auf Neuland in einer atemberaubenden Geschwindigkeit geleistet worden sind. Da ich selbst maßgeblich an diesem Prozess in Sachsen teil haben durfte, war es mir ein Bedürfnis, die Erfahrungen aufzuschreiben, in die Systematik des integrierten Hochwasserrisikomanagements einzuordnen und für die weitere Anwendung zugänglich zu machen. Die alte Erkenntnis „Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser!“ ist aktueller denn je. Uwe Müller, Dresden im Mai 2010
Inhalt Im vorliegenden Buch wird das integrierte Hochwasserrisikomanagement als fortlaufender iterativer Prozess mit seinen Phasen Hochwasserereignis, Hochwasserbewältigung, Regeneration und Hochwasservorbeugung analysiert, beschrieben und mit Praxisbeispielen unterlegt. Neben der Darstellung des aktuellen Wissensstandes werden umfangreiche Schlussfolgerungen aus einer Ex-post-Evaluation des Extremereignisses von 2002 gezogen, systematisiert und für die praktische Anwendung aufbereitet. Die Inhalte der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie werden in den Kontext des umfassenderen integrierten Hochwasserrisikomanagements gestellt und um einen Weg zur fachlichen Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie mit den Schwerpunkten vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos, Erstellung der Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten sowie der Erstellung von Hochwasserrisikomanagementplänen ergänzt. Die Anwendung des im Buch beschriebenen integrierten Hochwasserrisikomanagements führt zur vollständigen fachlichen Umsetzung der EG- Hochwasserrisikomanagementrichtlinie.
Abstract The integrated flood risk management as an ongoing iterative process with its phases of hydrological flood event, flood management, regeneration and flood prevention is analysed and described in this book. Practical examples are added and highlighted. In addition to presenting the current state of knowledge, derivated conclusions as result from an ex-post evaluation of the extreme flood event at the Elbe River of 2002 are shown. They are systematized and prepared for practical application. The content of the EC flood risk management directive is discussed referring to the context of comprehensive integrated flood risk management. The book describes a way to professional implementation of the EC flood risk management directive with a focus on preliminary flood risk assessment, preparation of flood hazard and flood risk mapping as well as the preparation of flood risk management plans. The application of the described integrated flood risk management methods leads to complete technical implementation of the EC flood risk management directive.
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................................... V Kurzzusammenfassung.........................................................................................................VI Abstract..................................................................................................................................VI Inhaltsverzeichnis................................................................................................................ VII Abbildungsverzeichnis.......................................................................................................XIII Tabellenverzeichnis ............................................................................................................XXI Abkürzungs- und Symbolverzeichnis............................................................................XXIII 1 Einleitung ....................................................................................................................... 1 1.1 Problemanalyse........................................................................................................... 1 1.2 Zielstellung ................................................................................................................. 2 2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement ................................................................ 5 2.1 Allgemeines ................................................................................................................ 5 2.2 Risikokultur ................................................................................................................ 6 2.3 Definition integriertes Hochwasserrisikomanagement ............................................... 7 2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement ................................................... 12 2.4.1 Allgemeines..................................................................................................... 12 2.4.2 Benötigte Wissensgebiete................................................................................ 13 2.4.3 Gefährdung...................................................................................................... 15 2.4.3.1 Meteorologie.......................................................................................... 16 2.4.3.2 Ingenieurhydrologie und Gerinnehydraulik........................................... 17 2.4.3.3 Bisherige Untersuchungen..................................................................... 32 2.4.4 Vulnerabilität................................................................................................... 33 2.4.4.1 Exposition .............................................................................................. 34 2.4.4.2 Anfälligkeit ............................................................................................ 34 2.4.4.3 Mögliche Schäden ................................................................................. 36 2.4.5 Ausblick .......................................................................................................... 48 3 EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie ............................................................ 49 3.1 Allgemeines .............................................................................................................. 49 3.2 Inhalt der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie ............................................ 49 3.2.1 Erwägungsgründe............................................................................................ 49 3.2.2 Ziel .................................................................................................................. 50 3.2.3 Definitionen und vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos .................... 51 3.2.4 Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten........................................ 51
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.2.5 Hochwasserrisikomanagementpläne................................................................52 3.2.6 Abstimmung mit WRRL, Information u. Konsultation der Öffentlichkeit......53 3.2.7 Übergangsmaßnahmen ....................................................................................54 3.2.8 Zeitplan, Überprüfungen, Berichte ..................................................................54 3.3 Zusammenhang zum integrierten Hochwasserrisikomanagement ............................55 4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage..........................................................................57 4.1 Allgemeines...............................................................................................................57 4.2 Rechtslage bis 2002...................................................................................................58 4.2.1 Allgemeines .....................................................................................................58 4.2.2 Bundesrepublik Deutschland ...........................................................................58 4.2.3 Freistaat Sachsen .............................................................................................58 4.3 Topographie...............................................................................................................60 4.3.1 Bundesrepublik Deutschland ...........................................................................60 4.3.2 Freistaat Sachsen .............................................................................................61 4.4 Geologie ....................................................................................................................62 4.4.1 Allgemeines .....................................................................................................62 4.4.2 Bundesrepublik Deutschland ...........................................................................62 4.4.3 Freistaat Sachsen .............................................................................................63 4.5 Meteorologie und Hydrologie ...................................................................................63 4.5.1 Bundesrepublik Deutschland ...........................................................................63 4.5.2 Freistaat Sachsen .............................................................................................64 4.6 Fließgewässer............................................................................................................65 4.6.1 Bundesrepublik Deutschland ...........................................................................65 4.6.2 Freistaat Sachsen .............................................................................................67 4.7 Stauanlagen ...............................................................................................................72 4.7.1 Allgemeines .....................................................................................................72 4.7.2 Bundesrepublik Deutschland ...........................................................................73 4.7.3 Freistaat Sachsen .............................................................................................75 4.8 Flächennutzungen .....................................................................................................80 4.8.1 Allgemeines .....................................................................................................80 4.8.2 Bundesrepublik Deutschland ...........................................................................81 4.8.3 Freistaat Sachsen .............................................................................................82 4.9 Schadenspotenziale und Vulnerabilität .....................................................................84 5 Das Hochwasserereignis vom August 2002 ................................................................87 5.1 Allgemeines...............................................................................................................87 5.2 Meteorologie und Hydrologie ...................................................................................87 5.3 Fließgewässer............................................................................................................89
Inhaltsverzeichnis
IX
5.3.1 Wassermenge................................................................................................... 89 5.3.2 Wassergüte ...................................................................................................... 96 5.4 Stauanlagen............................................................................................................... 99 5.4.1 Wassermenge................................................................................................... 99 5.4.2 Wassergüte .................................................................................................... 103 5.5 Grundwasser ........................................................................................................... 105 6 Risikomanagement während des Ereignisses...........................................................111 6.1 Allgemeines ............................................................................................................ 111 6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege.............................................. 111 6.2.1 Katastrophenschutzbehörden ........................................................................ 111 6.2.1.1 Oberste Katastrophenschutzbehörde – Sächsisches Staatsministerium des Innern (SMI) .................................................... 112 6.2.1.2 Obere Katastrophenschutzbehörde – Regierungspräsidium ................ 113 6.2.1.3 Untere Katastrophenschutzbehörde – Landkreis oder kreisfreie Stadt 115 6.2.2 Wasserbehörden und Hochwassermeldezentralen......................................... 116 6.2.3 Gewässer- und Stauanlagenbetreiber ............................................................ 119 6.3 Fließgewässer ......................................................................................................... 126 6.4 Stauanlagen............................................................................................................. 129 6.4.1 Allgemeines................................................................................................... 129 6.4.2 Wassermengenbewirtschaftung ..................................................................... 130 6.4.3 Wassergütebewirtschaftung........................................................................... 135 6.4.4 Betriebs- und Bauwerksüberwachung........................................................... 138 6.5 Öffentlichkeits- und Pressearbeit............................................................................ 140 7 Schäden und Sofortmaßnahmen .............................................................................. 145 7.1 Allgemeines ............................................................................................................ 145 7.2 Schäden................................................................................................................... 145 7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen ........................................ 151 7.3.1 Ersterfassung ................................................................................................. 151 7.3.2 Zweiterfassung mittels Datenbank ................................................................ 152 7.3.3 Einsatzstruktur............................................................................................... 154 7.3.4 Systematik der erfassten Schäden ................................................................. 155 7.3.5 Auswertungen zu den Schadensdaten ........................................................... 158 7.4 Schäden an den Fließgewässern und Deichen ........................................................ 164 7.5 Sofortmaßnahmen an den Fließgewässern und Deichen ........................................ 170 7.5.1 Allgemeines................................................................................................... 170 7.5.2 Fließgewässer ................................................................................................ 170 7.5.3 Deiche ........................................................................................................... 173
X
Inhaltsverzeichnis
7.6 Schäden an den Stauanlagen ...................................................................................176 7.7 Sofortmaßnahmen an den Stauanlagen ...................................................................181 7.8 Öffentlichkeits- und Pressearbeit ............................................................................183 8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau...............................................................185 8.1 Allgemeines.............................................................................................................185 8.2 Einsatzstrukturen und Aufgaben .............................................................................186 8.3 Fließgewässer und Deiche.......................................................................................193 8.4 Stauanlagen .............................................................................................................196 8.4.1 Wassermengenbewirtschaftung .....................................................................196 8.4.2 Wassergütebewirtschaftung ...........................................................................197 8.4.3 Betriebs- und Bauwerksüberwachung ...........................................................199 8.5 Ereignisanalyse .......................................................................................................203 8.6 Öffentlichkeits- und Pressearbeit ............................................................................205 9 Hochwasservorbeugung ............................................................................................207 9.1 Allgemeines.............................................................................................................207 9.2 Ausgangslage ..........................................................................................................207 9.3 Rechtslage ...............................................................................................................208 9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen ..................................................................216 9.4.1 Allgemeines ...................................................................................................216 9.4.2 Pilotgebiet Osterzgebirge...............................................................................216 9.4.3 Methodik und Aufbau....................................................................................218 9.4.4 Einführung und Grundlagenermittlung..........................................................222 9.4.5 Recherche ......................................................................................................223 9.4.6 Ausweisung von sofort realisierbaren Maßnahmen.......................................224 9.4.7 Ereignisanalyse ..............................................................................................224 9.4.8 Vergleich historischer Ereignisse mit Hochwasser 2002 ...............................226 9.4.9 Angaben zur bestehenden Flächennutzung und der Schutzgebietssituation..226 9.4.10 Hydrologische Grundlagen .......................................................................227 9.4.11 Hydraulische Untersuchungen, Intensitätskarten für IST-Zustand ................227 9.4.11.1 Hydraulische Untersuchungen .............................................................227 9.4.11.2 Intensitätskarten für IST-Zustand.........................................................228 9.4.12 Ermittlung des bestehenden Schutzgrades sowie des Gefährdungsund Schadenspotenzials ............................................................................229 9.4.12.1 Schutzziele ...........................................................................................229 9.4.12.2 Abschätzung Schadenspotenzial ..........................................................230 9.4.12.3 Gefahrenanalyse...................................................................................231 9.4.12.4 Gefahrenkarten für IST-Zustand ..........................................................232
Inhaltsverzeichnis
XI
9.4.13 Hochwasserschutzmaßnahmen ................................................................. 237 9.4.13.1 Maßnahmenauswahl ............................................................................ 238 9.4.13.2 Maßnahmenbewertung ........................................................................ 239 9.4.13.3 Intensitäts- und Gefahrenkarten für SOLL-Zustand ............................ 240 9.4.14 Zusammenfassender Maßnahmeplan........................................................ 240 9.4.15 Kartenwerk und Übersichten.................................................................... 242 9.4.16 Öffentlichkeitsbeteiligung und Bestätigung ............................................. 243 9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm................................................................ 244 9.5.1 Allgemeines................................................................................................... 244 9.5.2 Strukturen ...................................................................................................... 245 9.5.3 Priorisierung.................................................................................................. 249 9.5.4 Umsetzung..................................................................................................... 253 9.5.5 Umsetzungsprobleme .................................................................................... 258 9.6 Gewässer................................................................................................................. 264 9.6.1 Allgemeines................................................................................................... 264 9.6.2 Natürlicher Rückhalt ..................................................................................... 265 9.6.3 Technischer Hochwasserschutz..................................................................... 268 9.6.4 Weitergehende Vorsorge................................................................................ 284 9.7 Stauanlagen............................................................................................................. 287 9.7.1 Allgemeines................................................................................................... 287 9.7.2 Standortrecherche für neue Hochwasserrückhaltebecken ............................. 287 9.7.3 Machbarkeitsstudien für neue Hochwasserrückhaltebecken......................... 291 9.7.4 Ausführungsbeispiele .................................................................................... 294 9.7.5 Wassermengenbewirtschaftung ..................................................................... 298 9.7.6 Wassergütebewirtschaftung........................................................................... 300 9.7.7 Baumaßnahmen ............................................................................................. 302 9.8 Prävention und Vorsorge......................................................................................... 307 9.8.1 Allgemeines................................................................................................... 307 9.8.2 Hochwasserprävention .................................................................................. 307 9.8.3 Hochwasservorsorge ..................................................................................... 311 9.8.3.1 Hochwassernachrichten- und Alarmdienst .......................................... 313 9.8.3.2 Überschwemmungsgebiete .................................................................. 316 9.8.3.3 Hochwasserentstehungsgebiete ........................................................... 318 9.8.3.4 Hochwasserschadensinformationen..................................................... 319 9.8.3.5 Hochwasserrisikobewusstsein ............................................................. 321
XII
Inhaltsverzeichnis
10 Fachliche Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie...............323 10.1 Allgemeines........................................................................................................323 10.2 Vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos ...................................................323 10.2.1 Allgemeines ..............................................................................................323 10.2.2 Gefährdung ...............................................................................................323 10.2.3 Vulnerabilität ............................................................................................325 10.2.4 Bewertung.................................................................................................327 10.3 Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten...........................................327 10.3.1 Allgemeines ..............................................................................................327 10.3.2 Hochwassergefahrenkarten .......................................................................328 10.3.3 Hochwasserrisikokarten............................................................................329 10.4 Hochwasserrisikomanagementpläne ..................................................................330 10.5 Weitere Aktivitäten.............................................................................................332 11 Zusammenfassung......................................................................................................333 12 Ausblick ......................................................................................................................335 13 Literaturverzeichnis...................................................................................................337 14 Stichwortverzeichnis ..................................................................................................361 Anlage 1: Erfassungsbogen für Schadenserhebung, August 2002............................373 Anlage 2: Bewertung von Vorzugsstandorten für HRB im Osterzgebirge ..............377 Anlage 3: Schlussfolgerungen ......................................................................................379 Anlage 4: Farbbilder.....................................................................................................395
Abbildungsverzeichnis Bild 2-1 Bild 2-2 Bild 2-3 Bild 2-4 Bild 2-5 Bild 2-6 Bild 2-7 Bild 2-8 Bild 2-9 Bild 2-10 Bild 2-11 Bild 2-12 Bild 2-13 Bild 2-14 Bild 2-15 Bild 2-16 Bild 2-17 Bild 2-18 Bild 2-19 Bild 2-20 Bild 4-1 Bild 4-2 Bild 4-3 Bild 4-4 Bild 4-5 Bild 4-6 Bild 4-7 Bild 4-8 Bild 4-9 Bild 4-10 Bild 4-11 Bild 4-12
Anzahl Naturkatastrophen 1980 bis 2008 [206]....................................................5 Risiko als Resultat der Interaktion von Gefährdung und Vulnerabilität nach [120].......................................................................................8 Kreislauf Hochwasserrisikomanagement ..............................................................9 Hochwasserrisikomanagementprogramme bei CRUE-Partnern [41]..................14 Wasserkreislauf [194]..........................................................................................15 Prognose- und IST-Niederschlag/Zufluss an der TS Eibenstock [240]...............17 Schematische Darstellung des Abflussprozesses [29] .........................................18 Ebenen für hydrologische Niederschlags-Abflussmodelle nach Plate [223] ......23 Wasserspiegellagenberechnung 3-dimensional [224] .........................................25 Wasserspiegellagenberechnung 2-dimensional [224] .........................................25 Wasserspiegellagenberechnung 1-dimensional [224] .........................................28 Einteilung von Hochwasserschäden nach Smith & Ward [6] ..............................36 Beispiel einer absoluten Schadensfunktion .........................................................40 Beispiel einer relativen Schadensfunktion ..........................................................40 Beispiel einer relativen Schadensfunktion für drei Stockwerke..........................41 Aus Daten der HOWAS-Schadensdatenbank abgeleitete mittlere WasserstandSchadens-funktionen (mit HOWAS_N) [24].......................................................42 VERIS-Elbe Methodik zur Analyse von Hochwasserschäden [210] ..................43 Schadensfunktion nach VERIS-Elbe Methodik HOWAD [211].........................43 Bauweiseneinordnung in Verletzbarkeitsklassen [236] .......................................46 Fehlerfortpflanzung bei Schadensabschätzungen [6]..........................................47 Topographie Deutschland [155] ..........................................................................60 Typische Zugbahnen der Zyklonen nach van Bebber [151]...............................64 Gewässernetz der Bundesrepublik Deutschland [25].........................................65 Flusseinzugsgebietseinheiten in der Bundesrepublik Deutschland [259] ...........66 Schutzfunktionen der Deiche an Gew. I. Ordnung in Sachsen (Stand 2003) ......71 Altersstruktur der Deiche an Gew. I. Ordnung in Sachsen (Stand 2003) ............71 Stauraumaufteilung nach DIN 19700, Teil 11 [64] ...........................................73 Nutzungen deutscher Talsperren nach ICOLD-Kriterien ....................................74 Stauraumaufteilung deutscher Talsperren nach ICOLD-Kriterien ......................74 Stauraumaufteilung der Talsperren, Speicher und HRB in Sachsen bis 2002.....76 Nutzungen der Talsperren, Speicher und HRB in Sachsen bis 2002...................76 Struktur der wasserwirtschaftlichen Betriebspläne von Talsperren [64] .............78
XIV
Bild 4-13 Bild 4-14 Bild 4-15 Bild 4-16 Bild 4-17 Bild 4-18 Bild 5-1 Bild 5-2 Bild 5-3 Bild 5-4 Bild 5-5 Bild 5-6 Bild 5-7 Bild 5-8 Bild 5-9 Bild 5-10 Bild 5-11 Bild 5-12 Bild 5-13 Bild 5-14 Bild 5-15 Bild 5-16 Bild 5-17 Bild 5-18 Bild 5-19 Bild 6-1 Bild 6-2 Bild 6-3 Bild 6-4 Bild 6-5
Abbildungsverzeichnis
Nutzungskonflikt von multifunktionalen Talsperren [240] ................................ 79 Staulamellen bei der Talsperrenbewirtschaftung [240]....................................... 80 Flächennutzung in Deutschland, Datenbasis [246]............................................. 81 Verteilung der Siedlungs-, Verkehrs- und Waldflächen in Deutschland [263] ... 82 Flächennutzung in Sachsen, Datenbasis [246] ................................................... 83 Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland und Sachsen [165] .............................................................................................. 84 Vb-Wetterlage über Osterzgebirge ..................................................................... 88 Hochwasserstandsganglinie Pegel Dohna an der Müglitz im August 2002........ 92 Müglitz, schießender Abfluss auf Staatsstraße S 178 in Schlottwitz, August 2002, (Harald Weber) [269].................................................................. 93 Hochwasserstandsganglinie Pegel Golzern 1 an der Mulde im August 2002..... 94 Überschwemmungen an der Mulde bei Wurzen, August 2002 (LTV)............... 94 Hochwasserstandsganglinie Pegel Dresden an der Elbe im August 2002 .......... 95 Überschwemmungen an der Elbe in Dresden, August 2002 (LfULG) ............... 96 PCB 138 Konzentrationen in der Elbe, August 2002 [85].................................. 97 Tetrachlorethen (PER) Konzentrationen in der Elbe, August 2002 [85] ............ 98 Hochwasserentlastung der Vorsperre Malter, li. am 12.08.2002, re. am 13.08.2002 (LTV) ....................................................................................... 100 Hochwasserentlastung (li.) und Tosbecken (re.) der TS Malter am 13.08.2002 (LTV) ....................................................................................... 100 Hochwasserentlastung (li.) und Tosbecken (re.) der TS Klingenberg am 13.08.2002 (LTV) ....................................................................................... 100 Erosionen im Einzugsgebiet der TS Klingenberg im August 2002 (LTV) ....... 103 Schwankungsamplitude des Grundwassers während des Hochwasserereignisses vom 12. -14.08.2002 [88] ........................................... 106 Ganglinie der GW-Messstelle 51516006_1; Großer Zschand [88] .................. 106 Wasserstandsganglinien von Elbe und Grundwassermessstelle Dresdner Schloss 49486523 (ca. 180 m Entfernung zur Elbe) [88]................................. 107 Verlauf des Grund- und Oberflächenwasserstandes am Schwarzwasser [88] .. 107 Ganglinie der GW-Messstelle 49483595; Dresden, Hauptbahnhof (ca. 1.900 m Entfernung zur Elbe) [88] .................................... 108 Ganglinie der GW-Messstelle 49480421; Dresden, Grunaer Weg (ca. 3500 m Entfernung zur Elbe) [88]....................................... 108 Einsatzstruktur der obersten Katastrophenschutzbehörde [96]......................... 112 Einsatzstruktur einer oberen Katastrophenschutzbehörde [226] ...................... 114 Einsatzstruktur einer unteren Katastrophenschutzbehörde [187] ..................... 115 Meldeschema Hochwassernachrichtendienst Sachsen bis 2002 (LfULG) ....... 118 Standardstruktur der LTV im August 2002 (Übersicht).................................... 120
Abbildungsverzeichnis
Bild 6-6 Bild 6-7 Bild 6-8 Bild 6-9 Bild 6-10 Bild 6-11 Bild 6-12 Bild 6-13 Bild 6-14 Bild 6-15 Bild 6-16 Bild 6-17 Bild 6-18 Bild 6-19 Bild 6-20 Bild 6-21 Bild 6-22 Bild 6-23 Bild 6-24 Bild 6-25 Bild 6-26 Bild 7-1 Bild 7-2 Bild 7-3 Bild 7-4 Bild 7-5 Bild 7-6 Bild 7-7 Bild 7-8 Bild 7-9 Bild 7-10
XV
Standardstruktur der LTV im August 2002 (TSM-Betrieb)...............................121 Bereitschaftssystem der LTV bis August 2002..................................................122 Krisenstab der LTV im August 2002 (Übersicht)..............................................123 Krisenstab der LTV im August 2002 (TSM-Betrieb) ........................................124 Kommunikationswege eines TSM-Krisenstabes der LTV ................................126 Natzschung, Beseitigung von Abflusshindernissen, August 2002 (LTV) .........127 Elbe, Deichsicherung bei Torgau, Luft- u. Wasserseite, August 2002 (LTV) ...127 Struktur eines Hochwassersteuerplanes an Sächsischen Talsperren [240] ........129 Einzugsgebiet der TS Gottleuba und von 4 Hochwasserrückhaltebecken ........130 Bewirtschaftung der TS Gottleuba während Augusthochwasser 2002 (LTV) ..131 Hochwasserabfluss der Gottleuba in Pirna während Augusthochwasser 2002 (LTV).........................................................................131 Einzugsgebiet der TS Eibenstock......................................................................132 Bewirtschaftung der TS Eibenstock während Augusthochwasser 2002 (LTV) 133 Einzugsgebiet der TS Malter, TS Lehnmühle und TS Klingenberg ..................134 Hochwasserrückhaltewirkung der Weißeritztalsperren während Augusthochwasser 2002 in Freital (LTV) .........................................................135 Tiefenprofil Trübung TS Klingenberg im August 2002 (LTV) .........................137 Blickwinkel der Medienberichterstattung [66].................................................141 Tenor der Medienberichterstattung [66] ............................................................141 Dramatisierung der Medienberichterstattung [66] ............................................142 Grundlagen der Medienberichterstattung [66] .................................................142 Übereinstimmung der Pegelangaben von LfUG und MDR1 Radio Sachsen [66]............................................................................................143 Verteilung der Hochwasserschäden der BR Deutschland von 2002 auf Strukturbereiche ................................................................................................146 Schadensgebiet (dunkelgrau) Augusthochwasser 2002 im Freistaat Sachsen (LTV) ....................................................................................147 Verteilung der Hochwasserschäden in Sachsen von 2002 auf Strukturbereiche ................................................................................................147 Rote Weißeritz, Gebäudeschaden in Schmiedeberg, Augusthochwasser 2002 (LTV).........................................................................148 Müglitz, Schaden an Bahnanlage in Bärenstein, Augusthochwasser 2002 (LTV).........................................................................148 Müglitz, Schaden an Staatsstraße S 178, Augusthochwasser 2002 (LTV)........149 Schadenserhebung 2002 - Ersterfassungbogen .................................................151 Kartenausschnitt Ersterhebung (Gewässer – Müglitz) ......................................152 Hauptmenü Schadensdatenbank der LTV von 2002 .........................................153 Einsatzstruktur der LTV nach Augusthochwasser 2002....................................154
XVI
Bild 7-11
Abbildungsverzeichnis
Anzahl wasserwirtschaftlicher Schäden nach Objektkategorien, Sachsen 2002 .................................................................................................... 156 Bild 7-12 Anzahl Schäden nach Objektarten, Augusthochwasser 2002 [247] ................. 159 Bild 7-13 Anzahl Schäden Gewässer I. Ordnung, Augusthochwasser 2002 [247]........... 160 Bild 7-14 Anzahl Schäden in den Landkreisen, Augusthochwasser 2002 [247] .............. 161 Bild 7-15 Lage der wasserwirtschaftlichen Schäden, Augusthochwasser 2002 ............... 162 Bild 7-16 Schädigungsgrad der wasserwirtschaftlichen Anlagen, August 2002............... 163 Bild 7-17 Schadenszuständigkeit an Gewässern I. Ordnung, August 2002...................... 164 Bild 7-18 Müglitz, Gewässerbettverbreiterung, Erosionen und Ablagerungen, Ortslage Weesenstein, August 2002 (LTV) .................................................................... 168 Bild 7-19 Müglitz, Verklausung an Brücke in Schlottwitz, August 2002 (LTV) .............. 168 Bild 7-20 Müglitz, Geschiebeablagerung an Brücke oberhalb Schlottwitz, August 2002 (LTV)........................................................................................... 168 Bild 7-21 Mulde, Deichbruch bei Schmölen, August 2002 (LTV) ................................... 169 Bild 7-22 Mulde, Deichbruch infolge Durchwurzelung, August 2002 (LTV).................. 169 Bild 7-23 Müglitzabschnitt, vor Sofortberäumung, August 2002 (LTV)......................... 170 Bild 7-24 Müglitzabschnitt, während (li.) und nach (re.) Sofortberäumung, August 2002 (LTV)........................................................................................... 171 Bild 7-25 Müglitz, Versetzung einer Brücke vor und nach Beräumung, August 2002 (LTV)........................................................................................... 171 Bild 7-26 Müglitz, Verklausung oberhalb Glashütte, August 2002 (LTV) ....................... 172 Bild 7-27 Müglitz, Verklausung eines Wehres vor und nach Beräumung, August 2002 (LTV)........................................................................................... 172 Bild 7-28 Mulde, Schließung Deichbrüche bei Eilenburg, August 2002, (LTV).............. 174 Bild 7-29 Elbe, Schließung Deichbruch bei Großtreben, August 2002, (LTV) ................ 175 Bild 7-30 Elbe, Auflastfilter am Deich Brottewitz bei Torgau, (LTV).............................. 175 Bild 7-31 TS Klingenberg, beschädigte HWE, August 2002, (LTV) ............................... 177 Bild 7-32 TS Klingenberg, versetztes Tosbecken und beschädigte Betriebsbrücke, August 2002, (LTV).......................................................................................... 178 Bild 7-33 HRB Buschbach, Böschungsrutschung, August 2002, (LTV) .......................... 178 Bild 7-34 TS Klingenberg, zerstörte Laubrechenanlage, August 2002, (LTV) ................ 178 Bild 7-35 TS Klingenberg, zerstörter Pegel Ammelsdorf, August 2002, (LTV)............... 179 Bild 7-36 VS Klingenberg, zerstörter Damm, August 2002, (LTV) ................................. 179 Bild 7-37 HRB Glashütte, Bruchprozess, links 16:10 Uhr, rechts 16:20 Uhr, 12. August 2002, (LTV).................................................................................... 180 Bild 7-38 HRB Glashütte, Bresche nach Bruchprozess, links 12.08.02; 16:45 Uhr, rechts nach Hochwasser, (LTV)........................................................................ 180 Bild 7-39 TS Klingenberg, Beräumung Zulauf HWE, August 2002, (LTV) .................... 182 Bild 7-40 TS Klingenberg, Beräumung HWE und Tosbecken, August 2002, (LTV)....... 183
Abbildungsverzeichnis
Bild 8-1 Bild 8-2 Bild 8-3 Bild 8-4 Bild 8-5 Bild 8-6
XVII
Sonderstrukturen für den Wiederaufbau, Augusthochwasser 2002 [92] ...........187 Struktur der Leitstelle für den Wiederaufbau, Augusthochwasser 2002 [92]....188 Struktur des WASA-Stabes im Regierungspräsidium Dresden [92]..................189 Struktur der Projektgruppe Präventiver Hochwasserschutz ..............................190 Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung der LTV ........................................192 Veränderungen ausgewählter Wassergüteparameter an der TS Eibenstock durch das Hochwasser vom August 2002 (LTV)...............................................198 Bild 8-7 Veränderungen ausgewählter Wassergüteparameter an der TS Klingenberg durch das Hochwasser vom August 2002 (LTV)...............................................198 Bild 8-8 Provisorische Reparatur der HWE der TS Klingenberg 2003/2004 (LTV).......199 Bild 8-9 Pendellotmessung an TS Lehnmühle (LTV) .....................................................201 Bild 8-10 TS Lehnmühle, Sohlwasserdruckmessungen im rechten Grundablass, 1…5 von Wasserseite zu Luftseite (LTV) .........................................................201 Bild 8-11 TS Rauschenbach, horizontale Bewegung der Mauerkrone (LTV)...................202 Bild 9-1 Hochwasserschutzregelungen im SächsWG von 2004 [44]..............................212 Bild 9-2 Hochwasserschutzstrategie im Freistaat Sachsen..............................................219 Bild 9-3 ähnliche Schadensbilder in Glashütte, links 1927, rechts 2002 [67].................226 Bild 9-4 Gefahrenstufendiagramm für Sächsische Verhältnisse [179] ............................233 Bild 9-5 Arbeitsablauf bei Gefahrenkartenherstellung in Sachsen [180] ........................236 Bild 9-6 Stabsstelle Hochwasserschutz der LTV.............................................................245 Bild 9-7 Standardstruktur der LTV im Jahre 2008 (Übersicht) .......................................246 Bild 9-8 Standardstruktur eines Betriebes der LTV (Stand 2008) ...................................247 Bild 9-9 Verknüpfung HWSK- interner und -übergreifender Kriterien [233].................250 Bild 9-10 HWSK-Maßnahmenanzahlverteilung je Priorisierungskategorie in Sachsen ...252 Bild 9-11 HWSK-Maßnahmenkostenverteilung je Priorisierungskategorie in Sachsen ...252 Bild 9-12 Ablaufschema zur Erstellung des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms in Sachsen..........................................................................................................254 Bild 9-13 Softwarelösung zu kaufmännischen und Bauprozessüberwachung bei Umsetzung des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms in Sachsen (LTV) ..255 Bild 9-14 Beispielmasken aus Schadensmodul ProdaBau, (LTV) ....................................256 Bild 9-15 Ingenieur- und Bauleistungen der LTV von 2000 bis 2008 ..............................260 Bild 9-16 eingereichte Planfeststellungsverfahren der LTV (Stand 05/2008) ...................261 Bild 9-17 Bsp. Finanzierungsquellen und ihre Restriktionen für Hochwasserschutzmaßnahmen [241] ................................................................262 Bild 9-18 Elbe, Deich in Nähe Landesgrenze Sachsen zu Sachsen-Anhalt, (LTV) .........263 Bild 9-19 Lungwitzbach, Ufersicherung durch Buhne mit Buschbautraverse (LTV) .......267 Bild 9-20 Lungwitzbach, Ufersicherung durch Spreitlage mit Steckhölzern (LTV) .........268 Bild 9-21 Elbe, Röderau-Süd im August 2002 [157] ........................................................268
XVIII
Bild 9-22 Bild 9-23
Abbildungsverzeichnis
Prinzipielle Wirkung von Deichrückverlegungen oder Poldern [26] ............... 272 Elbe, Kombination Deich / Hochwasserschutzmauer im Bereich Hafen Torgau, (LTV) ........................................................................................ 273 Bild 9-24 Zwickauer Mulde, Deichbau in Zwickau, (LTV) ............................................. 274 Bild 9-25 Schwarzwasser, Ufersicherung durch Uferbefestigung (links) und Ufermauer (rechts) in Schwarzenberg, (LTV) .................................................. 274 Bild 9-26 Müglitz, Gewässeraufweitung in Weesenstein, Skizze (LTV).......................... 275 Bild 9-27 Müglitz, Gewässeraufweitung in Weesenstein vor u. nach Baubeginn (LTV) . 275 Bild 9-28 Schlemabach, Bruch des Hangrabens und Schäden in Schneeberg (LTV)....... 276 Bild 9-29 Schlemabach, Rückverlegung in Talaue in Schneeberg (LTV) ........................ 276 Bild 9-30 Freiberger Mulde, links vor u. rechts nach Öffnung des eingetunnelten Gewässers in Rechenberg-Bienenmühle (LTV)................................................ 277 Bild 9-31 Hoyerswerdaer Schwarzwasser, Lageplan Groß Särchen (LTV)...................... 278 Bild 9-32 Hoyerswerdaer Schwarzwasser, Umfluter in Bau (LTV) ................................. 278 Bild 9-33 Müglitz, Wehr vor und nach Rückbau, Schlossmühle Bärenstein, (LTV) ........ 279 Bild 9-34 Schwarze Elster, Köhlerwehr vor und nach Umbau in Sohlrampe mit Raugerinnebeckenpass, (LTV).......................................................................... 279 Bild 9-35 Polbitz, Deichscharte mit Stemmtor und Dammbalkenverschluss, (LTV) ....... 281 Bild 9-36 Welsau, Binnendeichscharte mit Dammbalkenverschluss für Bahnanlage und Weg, (LTV) ................................................................................................ 281 Bild 9-37 Dresden, Dammbalkenverschluss in Münzgasse, (LTV).................................. 282 Bild 9-38 Dresden, HWS-Mauer mit mobilem Aufsatz (links) und planmäßig mobiles Dammbalkensystem (rechts), (LTV)................................................................. 282 Bild 9-39 Priorisierungsergebnis für hochwassergerechten Umbau staatlicher Brücken in Sachsen ......................................................................................................... 286 Bild 9-40 Übersichtsplan Hochwasserrückhaltebeckenstandorte in Sachsen, (LTV) ....... 289 Bild 9-41 Übersichtsplan Hochwasserrückhaltebeckenstandorte in Sachsen laut HWSK, (LTV) .................................................................................................. 291 Bild 9-42 HRB Rennersdorf, Auszug aus Übersichtsplan [220] ...................................... 295 Bild 9-43 HRB Rennersdorf, Dammquerschnitt [221] ..................................................... 296 Bild 9-44 HRB Rennersdorf, Grundablass und Ökostollen mit Ein- und Auslauf, (LTV) 296 Bild 9-45 HRB Rennersdorf, Einlaufbauwerke Grundablass und Ökostollen, (LTV)...... 297 Bild 9-46 HRB Niederpöbel, Dammquerschnitt [111]...................................................... 297 Bild 9-47 HRB Niederpöbel, Ökostollen [111] ................................................................ 298 Bild 9-48 Entwicklung der Hochwasserrückhalteräume IGHR der LTV-Stauanlagen ........ 299 Bild 9-49 TS Carlsfeld, Provaranlage, (LTV)................................................................... 302 Bild 9-50 HRB Lauenstein, Dammquerschnitt [127] ....................................................... 303 Bild 9-51 HRB Lauenstein, links Wasserseite, rechts Luftseite, (LTV)............................ 303 Bild 9-52 HRB Glashütte, erste und zweite Ausbaustufe [274]........................................ 304
Abbildungsverzeichnis
Bild 9-53 Bild 9-54 Bild 9-55 Bild 9-56 Bild 9-57 Bild 9-58 Bild 10-1 Bild 10-2 Bild 10-3 Bild 15-1 Bild 15-2 Bild 15-3 Bild 15-4 Bild 15-5 Bild 15-6 Bild 15-7 Bild 15-8 Bild 15-9 Bild 15-10 Bild 15-11 Bild 15-12 Bild 15-13 Bild 15-14 Bild 15-15 Bild 15-16 Bild 15-17 Bild 15-18 Bild 15-19 Bild 15-20 Bild 15-21 Bild 15-22 Bild 15-23 Bild 15-24 Bild 15-25
XIX
TS Klingenberg, Lageplan mit Ist- (grau) und Sollzustand (schwarz), [257] ...305 TS Klingenberg, Lageplan und Querschnitt HWE-Stollen, (LTV) ...................305 TS Malter, links Rückbau alter GA; rechts neuer Auslaufbereich, (LTV) ........306 TS Malter, links neuer GA; rechts neue Ringkolbenventile, (LTV)..................307 Meldeschema Hochwassernachrichtendienst Sachsen, 2008, (LfULG)............314 Entwicklung des Risikobewusstseins nach [150]..............................................321 Bewertungsmatrix für Gefährdung....................................................................325 Bewertungsmatrix für Vulnerabilität .................................................................326 Bewertungsmatrix für Risiko ............................................................................327 Topographie Sachsen, (LfULG) ........................................................................395 Hangneigungen im Freistaat Sachsen, (LfULG) ...............................................396 Bodenregionen in Deutschland [29]..................................................................397 Bodenregionen in Sachsen, (LfULG)................................................................398 Häufigkeit von Starkniederschlägen in Sachsen [202]......................................399 Freistaat Sachsen, Gewässernetz, (LfULG) ......................................................400 Einzugsgebiete der Hauptfließgewässer im Freistaat Sachsen, (LfULG) .........401 Oberflächenwasserkörpertypen im Freistaat Sachsen [91]................................402 Deiche an den Gewässern I. Ordnung in Sachsen (LfULG) .............................403 Talsperren, Speicher und HRB in Sachsen (LfULG) ........................................404 Flächennutzung in Sachsen, (LfULG)...............................................................405 Regionale Verteilung der Waldflächen in Sachsen (LfULG) ............................406 Regionale Verteilung der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Sachsen (LfULG) ..............................................................................................407 Regionale Verteilung der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Sachsen (LfULG) ..............................................................................................408 Ausschnitt Schadenspotenzialkarte [89]...........................................................409 Niederschlagshöhen 11.-13.08. 2002 in mm (DWD [52]) ................................410 Alarmstufen der Gewässer I. Ordnung, Hochwasser August 2002 (LfULG) ...411 Übersicht LTV-Stauanlagen mit HWE-Betrieb im August 2002 (LfULG) .......412 GIS-Menü Schadensdatenbank der LTV von 2002 ...........................................413 Beispielsdatensatzmaske aus Schadensdatenbank der LTV von 2002 ..............414 Deichschäden an Gewässern I. Ordnung u. Elbe in Sachsen, August 2002 (LfULG).......................................................................................415 Untersuchungsgebiete für die ersten fünf Hochwasserschutzkonzepte, Sachsen (LfULG) ..............................................................................................416 Ausschnitt Ereigniskarte Weißeritzen in Freital, August 2002 [19] ..................417 Weinske, Ausschnitt Schadenspotenzialkarte bei Torgau [141] ........................418 Weißeritz, Ausschnitt aus Intensitätskarte IST-Zustand für Freital [19]............419
XX
Bild 15-26 Bild 15-27 Bild 15-28 Bild 15-29 Bild 15-30 Bild 15-31 Bild 15-32 Bild 15-33 Bild 15-34 Bild 15-35 Bild 15-36 Bild 15-37 Bild 15-38 Bild 15-39 Bild 15-40 Bild 15-41 Bild 15-42 Bild 15-43 Bild 15-44 Bild 15-45 Bild 15-46 Bild 15-47
Abbildungsverzeichnis
Ausschnitt Gefahrenkarte Schlottwitz [222]..................................................... 420 Ausschnitt Gefahrenkarte der Elbe in Dresden, HQ100 [125] ........................... 421 Weißeritz, Ausschnitt aus Intensitätskarte SOLL-Zustand für Freital [19]....... 422 Elbe, Ausschnitt Intensitätskarte (IST-Zustand) in Dresden für HQ100 [125] ... 423 Elbe, Ausschnitt aus Intensitätskarte (SOLL-Zustand) in Dresden für HQ100 [125] ................................................................................................. 423 Ausschnitt aus integrierter Intensitätskarte von Freital [19]............................. 424 Ausschnitt Gefahrenkarte der Triebisch in Meißen, HQ100 [110] ..................... 425 Maßnahmenauswahl aus erster Etappe von 2005 bis 2008 in Sachsen, (LTV) 426 Weißeritz, ungünstig angeordnete Bahnbrücke ................................................ 427 Ausschnitt aus interaktiver Karte mit Software INGE, (LfULG) ..................... 428 HRB Niederpöbel, Auszug aus Lageplan [111]................................................ 429 Hochwassermeldepegel und Ombrometermessnetz in Sachsen, (LfULG)....... 430 Überschwemmungsgebiete im Freistaat Sachsen, Stand 12/2008, (LfULG).... 431 Ergebniskarte WBS FLAB für Sachsen [202] .................................................. 432 Flächen der hochwasserrelevanten Abflusskomponenten für Sachsen [202] ... 433 Hochwasserentstehungsgebiete für Sachsen [202] ........................................... 434 Berichtsgewässernetz für EG-HWRM-RL, Freistaat Sachsen (LfULG).......... 435 vorläufige Gefährdungsgebiete nach EG-HWRM-RL, Freistaat Sachsen (LfULG)............................................................................... 436 vorläufige Risikogebiete nach EG-HWRM-RL, Freistaat Sachsen (LfULG) .. 437 Hochwasserrisikogebiete Bewirtschaftungseinheit Schwarze Elster in Sachsen (LfULG).............................................................................................. 438 Musterhochwasserrisikokarte aus LAWA-Empfehlung [170] .......................... 439 Entwurf Hochwasserrisikokarte Auszug Schwarze Elster in Sachsen (LfULG).............................................................................................. 440
Bilder 6-14, 6-17, 6-19, 15-1, 15-2, 15-4 – 15-15, 15-17, 15-18, 15-21, 15-22, 15-35, 15-37 – 15-45, 15-47 Fachdaten © Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Geobasisdaten © Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen Bilder 7-8, 9-31, 9-40 – 9-43, 15-33 Fachdaten © Staatsbetrieb Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen Geobasisdaten © Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen Bilder 5-5, 5-10 – 5-13, 6-11, 6-12, 6-15, 6-16, 6-18, 6-20, 6-21, 7-4 – 7-7, 7-9, 7-18 – 7-40, 8-6 – 8-11, 9-13, 9-14, 9-18 – 9-20, 9-23 – 9-30, 9-32 – 9-38, 9-44 – 9-47, 9-49, 951, 9-54 – 9-56, 15-19, 15-20 © Staatsbetrieb Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen Bilder 5-7, 6-4, 9-57; © Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
Tabellenverzeichnis Tabelle 2-1 Tabelle 2-2 Tabelle 2-3 Tabelle 2-4 Tabelle 3-1 Tabelle 5-1 Tabelle 5-2 Tabelle 5-3 Tabelle 5-4 Tabelle 5-5 Tabelle 5-6 Tabelle 5-7 Tabelle 6-1 Tabelle 6-2 Tabelle 6-3 Tabelle 7-1 Tabelle 8-1 Tabelle 8-2 Tabelle 9-1 Tabelle 9-2 Tabelle 9-3 Tabelle 9-4 Tabelle 9-5 Tabelle 9-6 Tabelle 9-7 Tabelle 9-8
Unterschied zwischen Sicherheits- und Risikodenken nach [120].....................6 Beschränkungen für physikalische und numerische Modelle [39] ...................30 Zuordnung von Schäden zu Schadensgraden nach [236].................................45 Bauweiseneinordnung in Verletzbarkeitsklassen [189] ....................................46 Zusammenhänge der EG-HWRM-RL mit dem integrierten Hochwasserrisikomanagement .........................................................................56 Niederschlagshöhen hN an ausgewählten Wettermessstationen (DWD; LTV) .89 Ausgewählte Pegelstände vom Augusthochwasser 2002 in Sachsen ...............91 Schätzung und Bestimmung von Wiederkehrintervallen der Abflüsse 2002....92 Vergleich der allgemeinen Wasserbeschaffenheitsparameter der Elbe bei Hochwasser nach [85]; Messstellen in Bad Schandau, Dresden oder Meißen .98 Zu- und Abflüsse an ausgewählten Sächsischen Talsperren im August 2002 [174]..........................................................................................101 Übersicht LTV-Stauanlagen mit HWE-Betrieb im August 2002 [174] ..........101 Vergleich der Wasserbeschaffenheit 1995 und 2002 der Weißen Mulde (TS Muldenberg) bei Hochwasserereignissen [248] ......................................104 Evakuierungen im Landkreis Sächsische Schweiz, August 2002...................116 Lagerbestand Landeshochwasserreserve Sachsen, August 2002, (LTV)........128 Beispiele für erhöhten Arbeitsaufwand bei Hochwasserbetrieb an TS Malter .............................................................................................................139 Verteilung der Hochwasserschäden vom August 2002 in Deutschland [92] ..145 Priorisierungsschema für Schadensbeseitigungsmaßnahmen, August 2002, (LTV) .......................................................................................195 Hochwasserrückhalteräume an ausgewählten Sächsischen Talsperren vor und nach dem Hochwasser 2002 [195]...........................................................196 Ausgewiesene Überschwemmungsgebiete in Sachsen (Stand 30.03.2004) ...210 Intensitätsklassen für Gefahrenarten [237], [179] ..........................................228 Empfehlung für Wiederkehrintervalle verschiedener Objektkategorien [179]...................................................................................230 Spezifische Vermögenswerte im Freistaat Sachsen - Stand: 02/2003 [179] ...231 Definition der Klassen des Wiederkehrintervalls im Pilotgebiet [203] ..........233 Gefahrenstufen und ihre mögliche Bedeutung [180]......................................234 Intensitätsklassen für Gefahrenarten – Gefahr Überschwemmung in Sachsen ...........................................................................................................235 Definition der Klassen des Wiederkehrintervalls in Sachsen [179] ...............235
XXII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 9-9 Priorisierung innerhalb eines HWSK in Sachsen [199]................................. 241 Tabelle 9-10 Bewertungsschema für HWSK-übergreifende Priorisierung in Sachsen [243]................................................................................................. 251 Tabelle 9-11 Anstieg der konservierenden Bodenbearbeitung in Sachsen ......................... 267 Tabelle 9-12 Untersuchte Polder und Deichrückverlegungen an der Elbe [26].................. 271 Tabelle 9-13 operative mobile Systeme in Hochwasserschutzlagern des Freistaates Sachsen ........................................................................................ 283 Tabelle 9-14 Rote Weißeritz, Brückenschauergebnis Schmiedeberg u. Dippoldiswalde [184]..................................................................................... 285 Tabelle 9-15 Bemessungshochwasserdurchflüsse von ausgewählten Brücken in Sachsen 285 Tabelle 9-16 Beispiel Datenblatt zur Standortrecherche [137] ........................................... 288 Tabelle 9-17 Entlastungsmöglichkeiten an TS Klingenberg vor und nach Umbau ............ 306 Tabelle 9-18 Lagerbestand Landeshochwasserreserve Sachsen, (LTV) ............................. 312 Tabelle 9-19 Überschwemmungsgebiete im Freistaat Sachsen, Stand 12/2008, (LfULG). 317 Tabelle 10-1 mögliche Szenarien für Hochwassergefahrenkarten ...................................... 328 Tabelle 10-2 Informationsgehalte für Hochwassergefahrenkarten ..................................... 328 Tabelle 10-3 Informationsgehalte für Hochwasserrisikokarten .......................................... 329
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis BHQ
Bemessungshochwasserabfluss
ca.
circa
DIN
Deutsche Industrienorm
DWD
Deutscher Wetterdienst
EEA
European Environment Agency (Europäische Umweltbehörde)
EG-HWRM-RL
EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
EG-WRRL
EG-Wasserrahmenrichtlinie
EHQ
Hochwasserabfluss bei Extremhochwasser
EU
Europäische Union
GIS
Geographisches Informationssystem
ggf.
gegebenenfalls
GPS
Global Positioning System
ha
Ablagerungshöhe
hw
Wasserstand
HHQ
höchster gemessener Hochwasserabfluss
HN-Modell
hydrodynamisch - numerisches Berechnungsmodell
HHW
höchster gemessener Hochwasserstand
HQmax
Hochwasserabfluss bei größtem bekannten Hochwasser
HQT
Hochwasserabfluss mit Wiederkehrintervall von T Jahren
HQX
Hochwasserabfluss im Jahre X
HRB
Hochwasserrückhaltebecken
HWE
Hochwasserentlastungsanlage
HWMO
Hochwassermeldeordnung
HWNAV
Hochwassernachrichten- und Alarmdienstverordnung
HWSK
Hochwasserschutzkonzept
i. d. R.
in der Regel
ICOLD
International Commission on Large Dams
ICSU
International Council for Science
IKSE
Internationale Kommission zum Schutz der Elbe
INGE
Interaktive Gefahrenkarte für den kommunalen Hochwasserschutz
IST-Zustand
Zustand, Situation zum Zeitpunkt der Untersuchung
XXIV
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
KOSTRA
Koordinierte Starkniederschlags-Regionalisierungs-Auswertungen des DWD
LABO
Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Boden
LAI
Leaf Area Index
LANA
Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landespflege, Erholung
LAWA
Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser
LfUG
Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie
LfULG
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
LHW
Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft SachsenAnhalt
LHWZ
Landeshochwasserzentrum Sachsen
LSWA
Leitstelle für den Wiederaufbau
LTV
Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen
M
Maßstab
MDR
Mitteldeutscher Rundfunk
MHQ
mittlerer Hochwasserabfluss
mNN
Meter über Normalnull
MQ
mittlerer Abfluss
N-A-Modell
Niederschlags-Abfluss-Modell
PGHW
Projektgruppe Präventiver Hochwasserschutz
ProdaBau
Projektdatenbank Bau
RIMAX
Risikomanagement extremer Hochwasserereignisse
RWA
Revierwasserlaufanstalt Freiberg
SAB
Sächsische Aufbaubank
SächsKatSG
Sächsisches Katastrophenschutzgesetz
SächsWG
Sächsisches Wassergesetz
SAP
Systemanalyse und Programmentwicklung (Software)
SMI
Sächsisches Staatsministerium des Innern
SMUL
Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft
SOLL-Zustand
Zustand, Situation nach Realisierung aller geplanter Maßnahmen
Sp.
Speicher
TGL
Technische Güte- und Lieferbedingungen
THW
Technisches Hilfswerk
TK 10
Topographische Karte M 1:10.000
TS
Talsperre
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
TSM
Talsperrenmeisterei (alte Bezeichnung für Betrieb der LTV)
UBA
Umweltbundesamt
v
Fließgeschwindigkeit
w
Rückgriffweite bei Ufererosionen
WASA
Wiederaufbaustab Augusthochwasser 2002
Web
World Wide Web
WHG
Wasserhaushaltsgesetz
z. B.
zum Beispiel
XXV
1
Einleitung
1.1 Problemanalyse Dem Wasser, unserem kostbarsten Lebens- und Wirtschaftsgut, kommt unter den Naturressourcen eine besondere Bedeutung zu. Es ist einerseits ein nicht ersetzbares Lebens-, Konsumtions-, Produktions- und Transportmittel und andererseits eine „Urgewalt“, die mit ihrer Kraft das Leben und die Güter gefährden und zerstören kann. Um das Wasser in seine Dienste stellen zu können oder um sich vor den Gefahren extremer Hochwasser oder Trockenperioden zu schützen, errichtet und nutzt der Mensch schon seit über fünftausend Jahren Bauwerke, Geräte und andere Einrichtungen [114]. Für den europäisch-mittelmeerischen Kulturraum ergab sich mit der Ansiedlung des Menschen seit etwa dem 4. Jahrtausend v. Chr. zwangsläufig ein örtlich erhöhter Bedarf an Trink-, Bewässerungs- und Brauchwasser. Die Ansiedlungen erfolgten zur besseren Deckung des Wasserbedarfes in der Regel an natürlichen Wasserläufen. Dies hatte u. a. zur Folge, dass der Mensch sich durch entsprechende Maßnahmen vor den verheerenden Folgen extremer Hochwasser schützen musste. So ist zum Beispiel schon ca. 2.600 v. Chr. der Sadd-el-Kafara Damm in Ägypten mit 14 m Bauwerkshöhe, 110 m Kronenlänge und einem verfügbaren Stauraum von ca. 500.000 m³ für den Hochwasserschutz errichtet worden [112]. Doch auch diese vom Menschen geschaffenen Bauwerke bergen ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial in sich. So ist der erwähnte Sadd-el-Kafara Damm zwar standsicher erbaut worden und hätte bei sachgerechter Fertigstellung die ihm zugedachte Funktion erfüllt, aber bereits während der Bauzeit ist der unvollendete und somit verwundbare Damm durch ein Hochwasserereignis zerstört worden [112]. Die daraus entstandene Flutwelle muss so verheerende Folgen gehabt haben, dass die Ägypter den Bau des Sadd-el-Kafara aufgegeben haben. Neben einigen asiatischen Ländern zählt Europa mit 65 Einwohnern/km² mit zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Erde. Die Bundesrepublik Deutschland wiederum liegt mit 231 Einwohnern/km² weit über dem europäischen Durchschnitt. Aufgrund dieser hohen Bevölkerungsdichte existiert ein relativ großer Siedlungs- und Industrieansiedlungsdruck auch in hochwassergefährdeten Gebieten, was zu einer größeren Betroffenheit im Hochwasserfall führt. Dieser Umstand lässt ein noch zu gering ausgeprägtes Hochwasserrisikobewusstsein in vielen Entscheidungsebenen vermuten. Wie später noch gezeigt wird, ist in unserer Gesellschaft das Sicherheitsdenken weiter verbreitet als das zeitgemäße Risikodenken. Neben der relativ hohen Siedlungs- und Industriedichte in den hochwassergefährdeten Gebieten Deutschlands tragen auch klimatische Veränderungen zur Verschärfung von Hochwasserrisiken bei. Die aktuellen Auswertungen zu den Klimastudien [258], [260], [261], [262] belegen, dass im Rahmen der globalen Klimaveränderung zunehmend extreme Wetterereignisse auftreten werden. So haben sich z. B. die Stürme und Überschwemmungen weltweit im vergangenen Jahrzehnt gegenüber den 60er Jahren verdoppelt bis verdreifacht. Die daraus entstandenen volkswirtschaftlichen Schäden haben sich versechsfacht. Nach Schätzungen der Europäischen Umweltbehörde EEA sind im Zeitraum von 1998 bis 2002 rund 43 % aller
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1 Einleitung
europäischen Katastrophenereignisse durch Hochwasser verursacht gewesen, wobei ca. 1,5 % der europäischen Bevölkerung (ca. 10 Mio. Menschen) betroffen waren [73]. In der Bundesrepublik Deutschland ist laut Untersuchungen im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) [70], [160], [244] neben der allgemeinen Temperaturerhöhung mit einer Zunahme von extremen Starkniederschlägen im Winter sowie Hitze- und Trockenperioden im Sommer zu rechnen. Die Zunahme der Winter- und die Abnahme der Sommerniederschläge werden im Mittel mit jeweils 30 % prognostiziert. In den aufgeführten Gutachten wird explizit auf eine zunehmende Hochwassergefahr im Winter und Frühjahr insbesondere im Westen Deutschlands hingewiesen. Diese für Deutschland analysierten Konsequenzen treffen wegen der unterschiedlichen Lage und Topographie regional unterschiedlich stark auf die Bundesländer zu. Bezüglich der Erwärmung und der Abnahme der Sommerniederschläge bewegt sich der als Beispiel dienende Freistaat Sachsen im Bundesdurchschnitt. Die Zunahme der Winterniederschläge liegt in Sachsen etwas unter dem Durchschnitt. Selbst wenn man die Schwelle für Starkniederschläge relativ hoch ansetzt, bleiben vor allem im Erzgebirge als regionale Besonderheit das sommerliche Niederschlagsmaximum und die damit verbundene Hochwassergefahr erhalten. Zusammenfassend kann man aus den vorliegenden Klimastudien entnehmen, dass in Deutschland extreme Wetterereignisse und damit natürlich auch katastrophale Hochwasserereignisse länger, häufiger und intensiver auftreten können. In Sachsen werden neben den für die Bundesrepublik typischen Winter- und Frühjahrshochwasser, wie z. B. das lang anhaltende Frühjahrshochwasser 2006 an der Elbe, auch extreme Sommerhochwasser, wie z. B. das durch eine sogenannte Vb-Wetterlage ausgelöste äußerst intensive Augusthochwasser 2002, auftreten. Schlussfolgerung 1: In Deutschland können infolge des Klimawandels extreme Wetterereignisse und damit natürlich auch katastrophale Hochwasserereignisse länger, häufiger und intensiver auftreten. Schlussfolgerung 2: In Sachsen können neben den für die Bundesrepublik typischen Winter- und Frühjahrshochwassern auch extreme Sommerhochwasser auftreten.
1.2 Zielstellung Durch ein angemessenes Hochwasserrisikobewusstsein in allen Ebenen der Gesellschaft kann man die schädlichen Auswirkungen von Naturereignissen, wie Hochwasser vermindern. Nur mit diesem Bewusstsein kann man hochwasserangepasste und damit weniger schadanfällige Landnutzungen in hochwassergefährdeten Gebieten erreichen. Es muss anschaulich vermittelt werden, dass die Fließgewässer landschaftsprägend waren und sind und auch heute noch genügend Raum für einen schadlosen Abfluss benötigen. Um den Auswirkungen des Klimawandels und den daraus resultierenden Schäden entgegenzuwirken, gibt es mehrere Möglichkeiten. Am nachhaltigsten ist es natürlich, die Ursachen
1.2 Zielstellung
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des Klimawandels zu analysieren und den durch den Menschen bedingten Ursachen, soweit möglich, entgegen zu wirken, was ein weltweites umwelt- und ressourcenschonendes Handeln erfordert. Den schon eingetretenen und noch zu erwartenden Veränderungen kann man durch angepasstes Verhalten (z. B. Ausweisung und Freihaltung/Entsiedlung von Überschwemmungsgebieten), Schutz- und Vorsorgemaßnahmen (z. B. Bau von Hochwasserschutzanlagen), Warnung und Aufklärung (z. B. Gefahren- und Risikokarten) und fachlich vorbereitetes Katastrophenmanagement begegnen. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass man für ein nachhaltiges Hochwasserrisikomanagement interdisziplinär handeln muss. Um in der heutigen Zeit ein dem Stand des Wissens entsprechenden Umgang mit Hochwasserereignissen realisieren zu können, findet international langsam und sehr unterschiedlich ausgeprägt ein Übergang vom bisherigen Sicherheitsdenken zu einer Risikokultur mit einem ganzheitlichen Denkansatz statt. Der bisher in Deutschland praktizierte Hochwasserschutz war genau wie in vielen anderen Ländern auch [193] durch ein Sicherheitsdenken gekennzeichnet. Seit den letzten größeren Hochwasserereignissen beschäftigt sich die Wissenschaft wieder verstärkt mit dem Hochwasserrisikomanagement und bereitet damit den Weg zu einer interdisziplinären Risikokultur, die für ein Umdenken beim Umgang mit Naturgefahren [219] steht. Das vorliegende Buch versteht sich als ein Beitrag zur Verbesserung der konzeptionellen Umsetzung der Hochwasservorbeugung und zur Effektivierung des praktischen Handelns im integrierten Hochwasserrisikomanagement. Mit der wissenschaftlichen Methode einer Expost-Evaluation [152] werden die Konzeptionen, der Vollzug und die Wirksamkeit der staatlichen Maßnahmen während des Augusthochwassers von 2002 nachträglich wissenschaftlich und empirisch gestützt beurteilt. Im Rahmen der Evaluation werden Wirkungsketten belegt und Kausalzusammenhänge zwischen Handlungen, Maßnahmen und Wirkungen dargestellt. Auf Grundlage der im Freistaat Sachsen gemachten Erfahrungen können im Laufe der Expost-Evaluation zahlreiche Feststellungen und Schlussfolgerungen zur nachhaltigen Verbesserung des integrierten Hochwasserrisikomanagements abgeleitet werden. Neben der allgemeinen Diskussion zum Stand des Wissens, die in ausgewählten Spezialgebieten vertieft durchgeführt wird, und der umfangreichen Aufarbeitung der Handlungen, Maßnahmen und Wirkungen der aus Sicht der Wasserwirtschaft wichtigsten Akteure wird in Ergänzung zu der vom Autor mit erarbeiteten Ereignisanalyse für das Osterzgebirge [7] und dem Kirchbachbericht [163] in dieser Arbeit schwerpunktmäßig das Hochwasserrisikomanagement während und nach dem Extremhochwasser vom August 2002 in Sachsen aus der fachlichen Sicht der Wasserwirtschaft dokumentiert und analysiert. Hierbei wird das Zusammenspiel vieler am Hochwasserrisikomanagement Beteiligten untersucht und bewertet. Als Ergebnis der Auswertung der Verhaltensweisen und des Handelns ausgewählter Akteure werden Defizite aufgezeigt und daraus Schlussfolgerungen und Hinweise für zukünftige Ereignisse abgeleitet, verallgemeinert und verfügbar gemacht. Alle Betrachtungen werden den einzelnen Phasen des integrierten Hochwasserrisikomanagements zugeordnet und in den Kontext zur EGHWRM-RL [75] gestellt. Dieses Buch soll als fachlicher Beitrag zu einem verbesserten integrierten Hochwasserrisikomanagement im Binnenland entsprechend der EG-HWRM-RL dienen. Die Inhalte und Ergebnisse werden so aufbereitet, dass durch die Umsetzung der abgeleiteten Empfehlungen (Schlussfolgerungen) in die Praxis bei zukünftigen Hochwasserereignissen weniger Schäden auftreten.
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Integriertes Hochwasserrisikomanagement
2.1 Allgemeines Pro Jahr sind weltweit rund 200 Millionen Menschen durch 500 bis 700 Naturkatastrophen betroffen, wobei durchschnittlich 80.000 Menschen sterben und Schäden in Höhe von ca. 100 Milliarden US-Dollar entstehen [218]. Die jährlichen Schadenssummen verteilen sich vorrangig auf Asien, Amerika und Europa. Bei den anderen Kontinenten, wie z. B. Afrika, sind auch aufgrund ihres geringeren Schadenspotenzials die Schadenssummen nicht so hoch. Sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern steigt das Risiko durch Naturgefahren infolge der ständigen Weiterentwicklung und Bedürfniszuwächse der Gesellschaft an (siehe Bild 2-1). Die hydrologischen Ereignisse machen ca. 39 % der jährlichen Naturkatastrophen aus und bewirken ca. 9 % der Schäden und 3 % der Todesopfer [206].
Bild 2-1 Anzahl Naturkatastrophen 1980 bis 2008 [206]
Der Umgang mit diesen Risiken ist allerdings sehr unterschiedlich. In den Entwicklungsländern beschränkt man sich in der Regel auf den Wiederaufbau nach den Katastrophen. In den Industrieländern geht man meist schon weiter und errichtet noch technische Schutzmaßnahmen, die auch präventiven Charakter tragen. Für Europa lässt sich feststellen, dass meist ein hoher Stand an technischen Schutzmaßnahmen erreicht ist. Laut [218] gab es bis vor kurzem praktisch noch keine risikobasierten Schutzplanungen, bis auf erste Ansätze in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Die in jüngster Zeit abgelaufenen Hochwasserereignisse haben aber einen Umdenkprozess in Richtung Risikokultur angestoßen.
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
2.2 Risikokultur Eine zeitgemäße Risikokultur beinhaltet neben der Realisierung von Vorbeugemaßnahmen mit einem verhältnismäßigen Aufwand auch die Bereitschaft, bei extremen Ereignissen Schäden hinzunehmen und ebenso die Bereitschaft, Risiken offen zu kommunizieren. Jedes am Markt tätige Unternehmen muss, um überleben zu können, zwangsläufig unternehmerische Risiken bewusst wahrnehmen, überwachen und versuchen, durch geeignete Handlungen und Strategien die Risiken zu mindern. Vermeiden lassen sich die Risiken meist nicht. Um Risikoverminderungsstrategien entwickeln zu können, sind umfassende Kenntnisse über die risikoverursachenden Prozesse (z. B. Marktanalysen) erforderlich. Dieselbe Vorgehensweise lässt sich inzwischen auf fast alle Lebensbereiche übertragen. Die Risikoforschung beschäftigt sich heutzutage mit den vielfältigsten Risiken, wie z. B. in der Ökonomie, der Gentechnologie, den Altlasten, dem Klimawandel, dem Rückgang der Biodiversität, der Bauwerkssicherheit und eben auch den Naturgefahren wie z. B. den Hochwasserereignissen. In der Tabelle 2-1 wird der Unterschied zwischen dem oft noch vorherrschenden Sicherheitsund dem Risikodenken verdeutlicht. Tabelle 2-1 Unterschied zwischen Sicherheits- und Risikodenken nach [120] Sicherheitsdenken
Risikodenken
zentrale Frage
Wie können wir uns schützen?
Welche Sicherheit zu welchem Preis?
erfasste Ereignisse
häufige
häufige und seltene
Stellenwert der Gefahren
nicht bekannt
bekannt, Bewertung berücksichtigt
Maßnahmenplanung
fachtechnisch
interdisziplinär
Vergleich von Maßnahmen
kaum möglich
Wirksamkeit vergleichbar erfasst, Akzeptanz berücksichtigt
Steuerung des Mitteleinsatzes
sektorell
aktiv, Prioritätensetzung aus Gesamtschau
Sicherheit
für die heutige Generation, hoch in einzelnen Sektoren
Solidarität mit künftig. Generationen, ausgewogen für das Gesamtsystem
Der unbedingt erforderliche und momentan zögerlich stattfindende Paradigmenwechsel von der Schadensbegrenzung zur interdisziplinären Schadensvorbeugung im Rahmen einer zeitgemäßen Risikokultur wird durch Aussagen in aktuellen Forschungsberichten bestätigt: „Das bisherige Sicherheitsdenken wird international zunehmend durch eine Risikokultur ersetzt, die zunächst gesamtheitlich betrachtet, was „überhaupt passieren kann“ (Risikoanalyse). Darauf aufbauend wird das Risiko bewertet „Was darf nicht passieren?“ und „Welche Sicherheit für welchen Preis?“ (Risikobewertung). Daraus leitet sich die Suche nach
2.3 Definition integriertes Hochwasserrisikomanagement
7
möglichen Gegenmaßnahmen ab „Wie kann mit dem Risiko bestmöglich umgegangen werden?“ (Risikoumgang).“ [120] „Während die defensive Gefahrenabwehr punktuell auf Hochwasserereignisse reagierte, beispielsweise durch eine Deicherhöhung, zielt die Risikoperspektive auf eine systematische Analyse der komplexen Risikosituation und eine Abwägung von Handlungsoptionen. Dabei kommt die Versagenswahrscheinlichkeit technischer Schutzvorrichtungen genauso in den Blick wie das Schadenspotenzial oder die Eintrittswahrscheinlichkeit extremer Hochwasserereignisse – auch mit Blick auf den globalen Klimawandel.“ [124] Wie schwierig die Umsetzung des unbedingt erforderlichen Paradigmenwechsel vom Sicherheits- zum Risikodenken in der Praxis ist, zeigt sich im föderalen Deutschland sehr deutlich und wird von Grünewald [116], [117], [118] mehrfach beschrieben.
2.3 Definition integriertes Hochwasserrisikomanagement Nach heutigem Wissensstand gibt es mehrere unterschiedliche Risikosteuerungsstrategien. In Anlehnung an [45] und [273] sollen hier einige grundsätzliche aufgeführt werden: ¾ Risikokosteuerungsstrategien: x Risikovermeidung x Risikoverminderung x Risikobegrenzung x Risikoübertragung x Risikoakzeptanz Um diese Risikosteuerungsstrategien anwenden zu können, müssen die Risiken erst einmal identifiziert und analysiert werden. Diese systematische Erfassung, Analyse und Bewertung von Risiken und die daraus abzuleitenden Aktivitäten zur Risikosteuerung bezeichnet man als Risikomanagement. Dieser Wissensstand ist bisher nicht oder nur ansatzweise zur Verminderung von Hochwasserrisiken angewendet worden. Die Erfahrungen aus den letzten Hochwasserereignissen haben jedoch gezeigt, dass nur eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Hochwasserrisikokreislaufes und das ressort- und grenzübergreifende Handeln aller vom Hochwasser Betroffenen zu einer möglichst großen Hochwasserrisikoverminderung, -begrenzung oder -vermeidung und damit zur Minimierung der Hochwasserschäden führen kann. Diesen äußerst vielschichtigen Vorgang bezeichnet man heute als integriertes Hochwasserrisikomanagement. In Auswertung der in der Vergangenheit abgelaufenen Hochwasserereignisse hat die Europäische Union mit der Richtlinie zur Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken im Jahre 2007 (EG-HWRM-RL) [75] die Grundlage für ein integriertes Hochwasserrisikomanagement auf europäischer Ebene geschaffen. In Umsetzung der EG-HWRM-RL werden in den nächsten Jahren flusseinzugsgebietsweise das Hochwasserrisiko bewertet, bei Betroffenheit Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten erstellt und Hochwasser-
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
risikomanagementpläne erarbeitet, mit deren Umsetzung das Hochwasserrisiko vermindert werden soll. Das Hochwasserrisiko selbst ist als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit eines Hochwasserereignisses und der hochwasserbedingten potenziellen nachteiligen Folgen (Hochwasserschäden) auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und die wirtschaftlichen Tätigkeiten definiert [75], wobei die Vulnerabilität der Schutzgüter in die Betrachtung mit einbezogen werden muss. Im Bild 2-2 ist deshalb das Hochwasserrisiko noch einmal als Interaktion von Gefährdung und Vulnerabilität dargestellt. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird diese weitergehende Risikodefinition verwendet, weil damit auch die Exposition, das Schadenspotenzial und die Anfälligkeit der Schutzgüter mit berücksichtigt werden.
Bild 2-2 Risiko als Resultat der Interaktion von Gefährdung und Vulnerabilität nach [120]
Die Risikoforschung beschäftigt sich auch intensiv mit dem Risikobegriff selbst. Das Risiko wird prinzipiell in individuelles oder kollektives Risiko bzw. in Objekt- oder Globalrisiko unterschieden. Hierbei stellen die Summe aller individuellen Risiken das Kollektivrisiko bzw. die Summe aller Objektrisiken das Globalrisiko dar. Weiterführende Erläuterungen zu den Risikobegriffen können z. B. in [193] und [217] nachgelesen werden. Das Hochwasserrisiko wird von mehreren komplex miteinander verbundenen Ebenen beeinflusst. In Anlehnung an [5] sollen die wichtigsten Ebenen benannt werden:
2.3 Definition integriertes Hochwasserrisikomanagement
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¾ Prozessebene (physikalische Prozesse wie Niederschlag, Abfluss, Gewässermorphologie, …) ¾ Maßnahmenebene (Klimaschutz, Einzugsgebietsmanagement, Hochwasserschutz, Katastrophenschutz,...) ¾ Schadensebene (Schadenspotenziale, sozio-ökonomische Aspekte, …) ¾ rechtliche Ebene (Gesetze, Verordnungen, Vorschriften auf allen Ebenen, …) ¾ politische Ebene (politische Instrumente, Politikstil, Realitätssinn, …) ¾ gesellschaftliche Ebene (Risikobewusstsein, Risikokultur, …) Die einzelnen Ebenen stehen miteinander in unterschiedlich starken Wechselbeziehungen und beeinflussen sich damit gegenseitig. So können z. B. nicht nachhaltig ausgeführte Hochwasserschutzmaßnahmen (Maßnahmenebene) sich nachteilig auf alle anderen genannten Ebenen, wie z. B. Verschärfung des Abflussverhaltens (Prozessebene), Erhöhung der Schadenspotenziale (Schadensebene), Zweifel an Sinnfälligkeit von Hochwasserschutzmaßnahmen (politische Ebene) und Verlust an Akzeptanz (gesellschaftliche Ebene), auswirken. Zum Risikokreislauf findet man in der Fachliteratur vielfältige Varianten. Allen gemeinsam ist, dass das Risikomanagement als fortlaufender und iterativer Prozess unter Berücksichtigung möglichst vieler Ebenen verstanden wird. Nach Auswertung der Literatur und den selbst gemachten Erfahrungen wird der im Bild 2-3 dargestellte Kreislauf zum Hochwasserrisikomanagement für die weiteren Betrachtungen in dieser Arbeit eingeführt. Im Normalfall sollte der Kreislauf eine Spirale darstellen, weil sich das Hochwasserschutzniveau verändert.
Bild 2-3 Kreislauf Hochwasserrisikomanagement
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Die einzelnen Phasen des Hochwasserrisikomanagementkreislaufes lassen sich wie folgt beschreiben [5], [116], [219]: ¾ Hochwasserereignis: ist das Abflussgeschehen mit Wasserständen oder Durchflüssen ab einem definierten Schwellwert. ¾ Hochwasserbewältigung: dient der Begrenzung des Ausmaßes und der Dauer einer Hochwasserkatastrophe. x Hochwassereinsatz mit den Bestandteilen: Alarmierung Rettung Schadensabwehr durch Sofortmaßnahmen (z. B. Evakuierung, Sandsäcke, …) Opferbetreuung (z. B. Notunterkünfte, Verpflegung, ärztliche Versorgung, …) x provisorische Instandsetzung/Sicherstellung von: lebenswichtigen Einrichtungen (z. B. Krankenhäuser, Wasserwerke, …) Verkehrs- und Rettungswegen Kommunikationswegen (z. B. Telekommunikation, Internet, …) Ver- und Entsorgungsleitungen (z. B. Wasser, Strom, Abwasser, …) Ver- und Entsorgung (z. B. Lebensmittel, Abfall, …) x Dokumentation des Hochwasserereignisses und der Hochwasserbewältigung ¾ Regeneration: dient der Schaffung aller Voraussetzungen für den normalen Alltagsbetrieb. x Ereignisanalyse mit den Bestandteilen: Prozessanalyse Gefahrenanalyse Schutzdefizitanalyse Vulnerabilitätsanalyse x nachhaltiger Wiederaufbau von: lebenswichtigen Einrichtungen (z. B. Krankenhäuser, Wasserwerke, …) Verkehrs- und Rettungswegen Kommunikationswegen (z. B. Telekommunikation, Internet, …) Ver- und Entsorgungsleitungen (z. B. Wasser, Strom, Abwasser, …) Ver- und Entsorgung (z. B. Lebensmittel, Abfall, …) Gebäuden Infrastrukturen Gewerbe- und Industrieobjekten
2.3 Definition integriertes Hochwasserrisikomanagement
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¾ Vorbeugung: dient der Verminderung der Vulnerabilität gegenüber Hochwasserereignissen. x Prävention: angepasste Raumnutzung (z. B. Ausweichen vor Gefahren, angepasste Bauweisen – auch als Bauvorsorge [36] bezeichnet, …) raumplanerische Maßnahmen (z. B. Sicherung von Retentionsräumen - auch als Flächenvorsorge [36] bezeichnet, …) natürlicher Hochwasserschutz (z. B. Rückhalt in der Fläche, …) technischer Hochwasserschutz Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten x Vorsorge: Risikovorsorge (z. B. Versicherungen, Eigenvorsorge, …) Verhaltensvorsorge (z. B. Hochwasserschutzübungen, …) Vorhaltung und Vorbereitung des Katastrophenschutzes Informationsvorsorge (z. B. Hochwassernachrichtendienst, …) Hochwasserrisikomanagementpläne Mit dem eben dargestellten Hochwasserrisikomanagementkreislauf werden viele Fachdisziplinen angesprochen. Das umfassende Zusammenspiel unter dem Dach des Hochwasserrisikomanagements steht erst am Anfang der praktischen Umsetzung. Insofern besteht nicht nur in den Einzeldisziplinen sondern auch für deren Zusammenwirken im Sinne des Hochwasserschutzes noch umfangreicher Forschungsbedarf. Bei den nachfolgenden Ausführungen werden der Zusammenhang zu den einzelnen Phasen des im Bild 2-3 dargestellten Hochwasserrisikomanagementkreislaufes und der Stand des Wissens immer eine wichtige Rolle spielen. Ziel des integrierten Hochwasserrisikomanagements ist es, neben der Risikoakzeptanz (Risikobewusstsein) die größtmögliche Vermeidung, Verminderung oder Begrenzung des Hochwasserrisikos unter Beteiligung aller Betroffenen und Akteure aller Ebenen, mit allen verfügbaren Mitteln, in allen Phasen des Risikokreislaufes zu erreichen. Schlussfolgerung 3: Moderner und nachhaltiger Hochwasserschutz kann nur durch den Wechsel zu einer interdisziplinären Risikokultur erzielt werden, die durch ein integriertes Hochwasserrisikomanagement gekennzeichnet ist.
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement 2.4.1 Allgemeines Um zu der heute unbedingt erforderlichen Risikokultur zu gelangen, ist ein interdisziplinäres Handeln und Forschen erforderlich. Das International Council for Science (ICSU) versucht in seinem wissenschaftlichen Konzept zur integrierten Forschung zur Katastrophenvorbeugung [144], sich den Herausforderungen beim Umgang mit natürlichen und vom Menschen verursachten Umweltgefahren zu stellen. Als wissenschaftliche Perspektiven werden dort genannt: ¾ wissenschaftliche Perspektiven beim integrierten Risikomanagement nach [144]: x Konzentration auf Risiken und Verringerung der Katastrophenrisiken x Notwendigkeit integraler Lösungsansätze übergreifend für verschiedene Gefahren Fachdisziplinen Betrachtungsmaßstäbe x Bedeutung von Daten und Informationen Um diese perspektivischen Aufgaben umsetzen zu können, sind von der ICSU die nachfolgend genannten Forschungsgegenstände herausgearbeitet worden. ¾ Forschungsziele zum integrierten Risikomanagement nach [144]: x Charakterisierung von Gefahren, Vulnerabilität und Risiken Identifizierung der für das Risiko maßgeblichen Gefahren und Vulnerabilitäten Prognose von Gefahren und der Bewertung der Risiken dynamische Modellierung von Risiken x Verständnis zur Entscheidungsfindung in komplexen und sich ändernden Risikozusammenhängen Identifizierung relevanter Entscheidungsfindungssysteme und ihrer Interaktion Verständnis zur Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit Umweltgefahren Verbesserung der Qualität der Entscheidungsfindungspraxis x Risikoreduzierung und Verringerung der Verluste durch wissensbasiertes Vorgehen Vulnerabilitätsbewertung effektive Lösungsansätze zur Risikoreduzierung Die genannten Forschungsschwerpunkte verdeutlichen nochmals die Komplexität und Interdisziplinarität des Themenfeldes. Eine im Zusammenhang mit dem Risikobegriff stehende wichtige Feststellung ist, dass zur Erstellung von Risikomodellen eine Integration des Wis-
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
13
sens zur naturwissenschaftlichen Beschreibung der natürlichen Prozesse und zum Verständnis der menschlichen Systeme benötigt wird. Im folgenden Abschnitt wird noch einmal auf die benötigten Fachdisziplinen eingegangen.
2.4.2 Benötigte Wissensgebiete Das integrierte Hochwasserrisikomanagement ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass viele Wissenschaftszweige zur erfolgreichen Umsetzung benötigt werden. Die wichtigsten Handlungsfelder sind die Ingenieurwissenschaften, die Naturwissenschaften und die Geistes- und Sozialwissenschaften. Im Folgenden sollen die für das Hochwasserrisikomanagement bedeutsamsten Disziplinen genannt werden: ¾ wichtige Wissensgebiete für das integrierte Hochwasserrisikomanagement: x Rechtswissenschaften x physische Geographie
Klimatologie x Hydrologie
Geomorphologie
Gewässerkunde
Pedogeographie
Hydrometrie
x Humangeographie
Potamologie
Siedlungsgeographie
Limnologie
Verkehrsgeographie
Ingenieurhydrologie
Bevölkerungsgeographie x angewandte Geographie
x Wasserbau Hydromechanik
Raumordnung
Flussbau
Raumplanung
Stauanlagen
x Agrarwissenschaft x Geologie
x Ökonomie Volkswirtschaftslehre
Hydrogeologie
x Psychologie
Bodenkunde
x Demographie
Ingenieurgeologie
x Kommunikationswissenschaft
x Kartographie Topographie x Meteorologie
x Medienwissenschaft x Katastrophenschutz x …
angewandte Meteorologie Die große Palette der Wissensgebiete zeigt, dass zu einem erfolgreichen Hochwasserrisikomanagement noch viel Integrationsarbeit zu leisten ist und interdisziplinäre Akteure gefragt sind. Der einschlägigen Literatur kann man entnehmen, dass man sich bis zum Hochwasser
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
von 2002 in Mitteleuropa überwiegend mit Einzelprozessen oder ausgewählten Kombinationen von Prozessen in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen beschäftigt hat. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Aktionsplan Hochwasser der Internationalen Kommission zum Schutze des Rheins [148], der bereits 1998 viele Elemente des integrierten Hochwasserrisikomanagements enthielt. Erst nach dem Extremereignis von 2002 sind auch übergreifende Forschungsprogramme, wie z. B. die EU-Forschungsprojekte FLOODsite [81] und ERANET-CRUE [42] zum Thema Hochwasserrisikomanagement in Europa und das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte RIMAX (Risikomanagement extremer Hochwasserereignisse) [56], [229], [230] initiiert worden. Im FLOODsite Projekt haben 37 Organisationen aus 13 EU-Staaten sich mit integrierten Hochwasserrisikoanalyse- und Managementmethoden auseinandergesetzt und in einem umfassenden Bericht [80] die Ergebnisse dargelegt. Im ERA-NET-CRUE Netzwerk, an dem 13 besonders stark vom Hochwasser betroffene Länder beteiligt sind, wurden in einer ersten Phase die zahlreichen nationalen Forschungsförderungen auf dem Gebiet des Hochwasserrisikomanagements in Europa identifiziert und quantifiziert [118]. Durch Grünewald [118] wird ausgeführt, dass der Schwerpunkt in diesen Förderprogrammen meist auf naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen liegt, dass aber auch einige Programme in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, England und Ungarn sozioökonomische Problemstellungen zum Inhalt haben. Die im Bild 2-4 dargestellten Forschungsprogramme der CRU-Partner zum Hochwasserrisikomanagement bestätigen dies. Weiterhin kann man aus der Abbildung entnehmen, dass die mehr wissenschaftlich orientierten Projekte (helle Farben) eher disziplinär und die mehr politisch orientierten Projekte (dunklere Farben) eher interdisziplinär angelegt sind.
- helle Ellipsenfarbe steht für wissenschaftlich orientierte Projekte; - je dunkler Ellipsenfarbe umso mehr politisch orientierte Projekte
Bild 2-4 Hochwasserrisikomanagementprogramme bei CRUE-Partnern [41]
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
15
Im Rahmen des schon erwähnten RIMAX-Programms sind in 38 Projekten ebenfalls viele Themen zur Verbesserung des Hochwasserrisikomanagements naturwissenschaftlich-technischer aber auch sozio-ökonomischer Natur bearbeitet worden, worauf in den folgenden Abschnitten noch näher eingegangen wird. Im Bereich des kommunalen Hochwasserschutzes gab es in Deutschland bis zum Oderhochwasser 1997 ebenfalls kaum Forschungsaktivitäten. Jüpner [161], [162] stellt dazu fest, dass bisher immer nur Teilaspekte, wie z. B. hydraulische Modellierungen oder bautechnische Fragen, im regionalen Hochwasserschutz bearbeitet worden sind und es erforderlich ist, den vorliegenden Wissensstand zu verfeinern, die Vorhersagegenauigkeiten zu erhöhen, lokale und grenzüberschreitende Zusammenarbeiten effektiver zu organisieren und Hochwasservorsorgemaßnahmen bei den Betroffenen direkt anzustoßen und qualifiziert zu begleiten. Erst durch die jüngsten Hochwasser sind auch dieses Themengebiet enthaltene Aktivitäten ausgelöst worden. Beispielhaft sollen hier die Projekte OderRegio (Transnationale Konzeption zur raumordnerischen Hochwasservorsorge im Einzugsgebiet der Oder) [212], IKoNE (Integrierte Konzeption Neckar-Einzugsgebiet) [140]; SAFER (Strategies and Actions for Flood Emergency Risk Management) [234], HzG (Hochwasserinformationssystem zur Gefahrenabwehr) [139] und ELLA (Vorsorgende Hochwasserschutzmaßnahmen durch transnationale Raumordnung) [69] genannt werden. Im Weiteren soll überblicksmäßig der Wissensstand zu ausgewählten Fachdisziplinen kurz dargestellt und der aus Sicht des Autors noch vorhandene Forschungsbedarf im Sinne der Verbesserung des Hochwasserrisikomanagements aufgezeigt werden.
2.4.3 Gefährdung Im Bild 2-2 ist das Risiko als Interaktion von Gefährdung und Vulnerabilität dargestellt. Um das Hochwasserrisiko besser einschätzen zu können, müssen die gefahrauslösenden Prozesse in ihrer Intensität und ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit möglichst genau beschrieben werden. Deshalb soll zuerst die für das Hochwasserrisiko bedeutsame Prozessebene anhand des im Bild 2-5 dargestellten Wasserkreislaufes näher betrachtet werden.
Bild 2-5 Wasserkreislauf [194]
16
2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
2.4.3.1 Meteorologie Angetrieben durch die Sonnenenergie wird durch Evaporations- und Transpirationsprozesse Wasser in die Troposphäre gehoben, die auch als Wetterschicht bezeichnet wird. Für eine möglichst präzise Hochwasservorhersage werden entsprechende Wettervorhersagen benötigt. An dieser Stelle ist der Stand des Wissens der Klimatologen und Meteorologen entscheidend. Heutzutage werden die Wetterprognosen im Wesentlichen durch die Kombination aus numerischen und synoptischen Vorhersagen erstellt. Ausgehend von numerischen globalen Wettermodellen (z. B. GME – globales Modell des Deutschen Wetterdienstes) können bei günstigen Voraussetzungen Großwetterlagen bis zu 10 Tage im Voraus prognostiziert werden. Aufgrund der chaotischen Natur des Wetters können kleine Veränderungen der für die numerischen Berechnungen getroffenen Randbedingungen zu völligen Veränderungen der Prognosen bei mittel- und langfristigen Vorhersagen führen. Um die Vorhersagegenauigkeit zu erhöhen werden einerseits lokale (z. B. COSMO-EU – lokales Modell des Deutschen Wetterdienstes) sowie Kürzestfrist-Modelle (z. B. COSMO-DE – Kürzestfrist-Modell des Deutschen Wetterdienstes) eingesetzt und andererseits mehrere Rechendurchläufe mit leicht veränderten Randbedingungen durchgeführt und in Ensembles verglichen [53], [54]. Wegen des enormen Rechenaufwandes (trotz Supercomputer) und der riesigen zu verarbeitenden Datenmengen müssen Vereinfachungen getroffen werden und es können auch noch nicht alle Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Da deshalb die aktuellen numerischen Prognosemodelle noch unzureichende Ergebnisse liefern, werden den numerischen Berechnungen noch statistische Verfahren, wie z. B. die MOS-Verfahren (Model Output Statistics) nachgeschaltet, um somit auch die lokale Klimatologie der Wetterstationen zu berücksichtigen und kleinräumige Prognosen abgeben zu können. Trotz der enormen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten (Prognosequalität verbessert sich ca. alle 10 Jahre um einen Tag) und einer Treffsicherheit der Prognosen von ca. 75 % für drei Tage und von ca. 90 % für 24 Stunden [126] ist die Wettervorhersagegenauigkeit für Niederschlags- und damit für Hochwasservorhersagen noch zu ungenau. Die auf aktuellen Wetterbeobachtungen beruhenden Kurzfristvorhersagen (Nowcasting – ein bis drei Stunden) sind zwar sehr genau, bieten aber aufgrund der Kurzfristigkeit kaum Reaktionszeiten für Gegenmaßnahmen. Am Beispiel der Niederschlagsprognose und der IST-Situation an der Talsperre Eibenstock im Zeitraum vom 05.08.2006 bis 07.08.2006 soll verdeutlicht werden, dass die Treffsicherheiten der Vorhersagen für Hochwasser oder Talsperrenbewirtschaftungsaufgaben noch sehr ungenau sind. Für den genannten Zeitraum gab es eine Unwetterwarnung, die Niederschläge von bis zu 233 mm in der im Bild 2-6 eingezeichneten zeitlichen Verteilung prognostiziert hatte. In der Realität sind maximal 49 mm in der im Bild 2-6 dargestellten zeitlichen Verteilung (überhöht dargestellt) gemessen worden. Dieses Beispiel zeigt sehr eindrucksvoll, dass sowohl die zeitliche und räumliche Verteilung als auch die Niederschlagshöhe sehr unzureichend vorhergesagt worden sind. Gerade in den Gebirgs- und Mittelgebirgslagen führen diese noch vorhandenen Prognoseungenauigkeiten dazu, dass vorhergesagte Niederschlagsereignisse in benachbarten Einzugsgebieten niedergehen können und damit eine völlig andere Betroffenheit existiert. Dieser Umstand führt neben den damit verbundenen hydrologischen und wasserwirtschaftlichen Themen auch zu Problemen beim Hochwassernachrichtendienst. Bei häufigen Fehlmeldungen (z. B. Nichteintreffen des Ereignisses) stumpfen die Betroffenen ab und reagieren nicht mehr auf Warnungen.
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
17
Bild 2-6 Prognose- und IST-Niederschlag/Zufluss an der TS Eibenstock [240]
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Zuverlässigkeit und Genauigkeit von Wetterprognosen ein Randwertproblem darstellt und noch wesentlich erhöht werden muss, um verlässliche Informationen für den Hochwassernachrichtendienst und die Bewirtschaftung der Gewässer und Stauanlagen bereitstellen zu können. Insbesondere die Qualifizierung der Vorhersagen für die Niederschlagsintensität und die zeitliche und räumliche Niederschlagsverteilung stellen eine noch zu bewältigende Aufgabe dar. Schlussfolgerung 4: Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit von Wetterprognosen, insbesondere der Vorhersagen für die Niederschlagsintensität und die zeitliche und räumliche Niederschlagsverteilung, müssen für einen zuverlässigen Hochwassernachrichtendienst und eine situationsgerechte Bewirtschaftung von Gewässern und Stauanlagen noch wesentlich erhöht werden.
2.4.3.2 Ingenieurhydrologie und Gerinnehydraulik Nach der Auseinandersetzung mit dem Niederschlag, der als Regen, Hagel oder Schnee auf die Erdoberfläche oder deren Bewuchs fällt, spielen der Abtau- und/oder der Abflussprozess des Wassers auf und unter der Erdoberfläche eine entscheidende Rolle für das Hochwasserrisiko. Üblicherweise wird der Abflussprozess in die Phasen Abflussbildung, Abflusskonzentration und Gerinneabfluss unterteilt (siehe Bild 2-7). Die Ingenieurhydrologie hat hier unter
18
2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Zuhilfenahme vieler anderer weiter oben aufgezählter Wissenschaftszweige einen sehr komplexen Prozess zu beschreiben. Neben der Bedeutung für die Hochwasservorhersage haben die aus einer möglichst genauen Beschreibung der Niederschlags-Abfluss-Prozesse abzuleitenden hydrologischen Kenngrößen, wie z. B. Wasserstands-Abfluss-Beziehungen, auch maßgeblichen Einfluss auf die Dimensionierung von Wasserbauwerken, wie z. B. technische Hochwasserschutzbauten, die Bewirtschaftung von wasserbaulichen Anlagen, wie z. B. die Talsperrensteuerung, und die bei der Erstellung von Intensitäts-, Gefahren- und Risikokarten auszuweisenden Gebiete.
Bild 2-7 Schematische Darstellung des Abflussprozesses [29]
Die Abflussbildung wird durch mehrere physikalische Prozesse beeinflusst. Maßgeblich für den Abfluss ist der effektive Niederschlag, d. h. der Teil des Gebietsniederschlages, der die Erdoberfläche erreicht und als Direktabfluss wirksam wird. Durch den Gebietsrückhalt werden Teile des Gebietsniederschlages durch z. B. Interzeption, Evaporation, Transpiration und Infiltration nicht oder nicht unmittelbar abflusswirksam. Durch die Interzeption erreicht nicht der komplette Niederschlag die Erdoberfläche und durch die Interzeptionsverluste gelangt ein Teil des Niederschlages direkt in die Atmosphäre zurück. Insbesondere Bäume und Pflanzen mit einem großen Blattflächenindex (LAI = Verhältnis der Blattflächen eines Pflanzenbestandes zu der von ihm bedeckten Bodenfläche) erreichen hohe Interzeptionsraten. Anhand der Vegetationsart, als eine den Abfluss beeinflussende Komponente, wird deutlich, dass Entwaldungen oder Umwandlungen von Grün- in Ackerland die Menge und die Intensität des effektiven Niederschlages beträchtlich erhöhen können, was zu verstärkter Erosion und höheren Hochwasserrisiken führen kann. Durch die Evaporation und Transpiration wird ebenfalls ein Teil des Niederschlages wieder direkt der Atmosphäre zugeführt. Durch die Infiltration versickert ein Teil des Niederschlages und trägt entweder zur Grundwasserneubildung bei oder fließt als Zwischenabfluss (Interflow) der Schwerkraft folgend dem Vorfluter zu. Die Infiltrationsraten sind von der Bodendurchlässigkeit, der Bodenfeuchte, der Bodenspeicherkapazität und der Vegetation abhängig. Bei Infiltrations- oder Sättigungsüberschuss tritt nur Oberflächenabfluss auf. Durch urbane Beeinflussungen, wie z. B. Versiegelungen, wird die Infiltration unter Umständen ganz unterbunden und damit der direkte Oberflächenabfluss ver-
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
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stärkt und beschleunigt, was ebenfalls zu einer Erhöhung von Hochwasserrisiken führen kann. Der Anteil des effektiven Niederschlages nimmt bei anhaltenden Niederschlägen zu, da der Gebietsrückhalt abnimmt. Die Volumenbedingung für den Direktabfluss lautet nach [61]: te
VQD
³ Q D t dt
t0
mit:
VQD VNe t0 te QD iNe iN iV AE
-
te
VNe
³ i Ne t A E dt
t0
te
AE
³ >i N t i V t @dt
(2.1)
t0
Volumen des Direktabflusses Volumen des effektiven Niederschlages Beginn des Niederschlag-Abfluss-Ereignisses Ende des Niederschlag-Abfluss-Ereignisses Direktabfluss effektiver Niederschlag Gesamtniederschlag Gebietsverlust/-rückhalt oberirdisches Einzugsgebiet
Für die Ermittlung des effektiven Niederschlages bzw. des Direktabflusses werden verschiedene in der Regel Verlustraten- und Abflussbeiwertansätze, wie z. B. das SCS-Verfahren (SCS – U.S. Soil Conservation Service), das Horton-Verfahren, das Lutz-Verfahren oder das Koaxialdiagramm verwendet [68], [190]. Um die Abflussbildung mathematisch einfacher beschreiben zu können, werden die Verlustmodelle meist in einen einfacher zu bestimmenden Anfangsverlust und in einen zeitlich veränderlichen Abflussbeiwert untergliedert. Vielfache Untersuchungen belegen, dass die Gebietsverlusthöhen und deren zeitliche Variabilität sehr stark von den ereignisspezifischen Einflüssen, wie z. B. Jahreszeit, Temperatur, Vorfeuchte und Niederschlag, sowie von den einzugsgebietsspezifischen Einflüssen, wie z. B. Geologie, Topographie, Oberflächenbeschaffenheit, Bodentyp und Bodennutzung, abhängig sind [115]. Die große Anzahl von auch natürlichen Einflussgrößen auf die Abflussbildung verdeutlicht sofort die Probleme bei der genauen mathematisch-physikalischen Beschreibung und Bestimmung des effektiven Niederschlages. So ergaben z. B. Verfahrensvergleiche von Klatt [164] und Göppert [115] bei der Anpassung der Gebietsabflussbeiwerte für Prozentansätze deutlich bessere Ergebnisse als die physikalisch besser begründeten Verlustraten-Ansätze. Neben der bisher beschriebenen Abflussbildung spielt für die Hochwasserentstehung die Abflusskonzentration eine entscheidende Rolle. Diese wird in der Hydrologie als eine Transformation des effektiven Niederschlages in die Direktabflussganglinie aus dem oberirdischen Einzugsgebiet verstanden. Die meisten heute existierenden Abflusskonzentrationsmodelle gehen aus Vereinfachungsgründen von einem linearen zeitinvarianten Systemverhalten aus. Neben Translations- und Translations-Retentionsmodellen ist das bereits 1932 von Sherman entwickelte Einheitsganglinienverfahren (Unit Hydrograph), das als Datengrundlage synchrone Niederschlags-Abfluss-Aufzeichnungen des Einzugsgebietes benötigt, heute noch weit verbreitet. Da jedoch auch für unbeobachtete Gebiete Aussagen getroffen werden müssen, sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Regionalisierungsverfahren entwickelt worden, die mittels normierter Einheitsganglinien, Standardeinheitsganglinien oder z. B. Spei-
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
cherkaskaden die Ableitung synthetischer Systemfunktionen aus Gebiets- und Ereigniskenngrößen ermöglichen. Neben dem Oberflächenwasserabfluss können aber auch der Zwischen- und Grundwasserabfluss und deren Interaktion für die Hochwasserentstehung maßgebend sein. Alle drei Abflussarten erreichen als Direkt- oder Basisabfluss zeitlich versetzt (Basisabfluss verzögert) die in den geomorphologischen Tiefenlinien befindliche Vorflut und als Oberflächengewässer letztendlich das offene Meer. Die drei Abflussarten unterliegen folgendem Zusammenhang: QG = QD + QB
(2.2)
QD = QO + QInterflow
(2.3)
mit:
QG QD QB QO QInterflow
-
Gesamtabfluss Direktabfluss Basisabfluss Oberflächenabfluss Zwischenabfluss
Die einzelnen Abflussarten stellen in der Natur dreidimensionale instationäre Strömungsvorgänge dar. Wegen der komplizierten mathematischen Beschreibung und der enormen Rechenaufwände werden in der Praxis nur die für die jeweilige Betrachtung maßgebenden Strömungsvorgänge mathematisch beschrieben. Im Folgenden soll dies am Beispiel des Oberflächenabflusses demonstriert werden. Für den Oberflächenabfluss einer Hochwasserwelle werden z. B. oft die Saint-Venant‘schen Differentialgleichungen für den eindimensionalen instationären Abfluss in offenen Gerinnen angesetzt: Kontinuitätsgleichung:
wQ wA wx wt mit:
Q A -
q
(2.4)
Abfluss Fließquerschnitt
x t -
Ort Zeit
q -
Zufluss
Impulssatz:
1 wv v wv wh I e Is g wt g wx wx mit:
v h x t
-
Fließgeschwindigkeit Wasserspiegelhöhe Ort Zeit
0
(2.5) g Is Ie -
Erdbeschleunigung Sohlgefälle Energieliniengefälle
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
21
Zur Lösung dieses Systems von partiellen Differentialgleichungen 1. Ordnung für die unbekannten Funktionen h(x,t) und v(x,t) müssen als Anfangsbedingung die Wassertiefen und die Fließgeschwindigkeiten auf der gesamten zu berechnenden Gewässerstrecke bekannt sein und als Randbedingung am oberen und unteren Ende des Berechnungsabschnittes zu jedem Zeitpunkt die Wassertiefe und die Fließgeschwindigkeit vorliegen. Da sich diese Rand- und Anfangsbedingungen aufgrund der nicht zur Verfügung stehenden Daten meist nicht erfüllen lassen und zur Lösung ein großer numerischer Rechenaufwand besteht, reduziert man die Modelle noch weiter. Bei Vernachlässigung der lokalen und konvektiven Beschleunigungsterme reduziert sich die Impulsgleichung in Formel (2.5) zu:
wh I e Is wx
0
(2.6)
Damit ergibt sich aus den Formeln (2.4) und (2.6):
wQ wt mit:
D D u
w 2Q wx
2
-
u
wQ u q wx
(2.7)
Diffusionskoeffizient in m²/s Translationsgeschwindigkeit in m/s
Dieses vereinfachte hydrodynamische Wellenablaufmodell ist unter den Bezeichnungen Diffusionswellenansatz oder Translations-Diffusions-Modell bekannt. Wenn man nun auf der Basis von Faltungsoperationen das Flussgebiet modelliert und das Wellenablaufmodell in Form einer Impulsantwort darstellt, kann man durch Faltung der Zuflüsse QZ(0,t) mit der ǻt-Impulsantwort für jede beliebige Stelle x entlang der Flussstrecke die zugehörigen Abflussganglinien QA(x,t) ermitteln. Diese Berechnungen werden allgemein als Flood-Routing bezeichnet. Für einen Dirac-Impuls an der Stelle x=0 zum Zeitpunkt t=0 ergibt sich die gültige Impulsantwort für Formel (2.7) zu:
h x , t
ª u t x 2 º x exp « » 4 D t ¼» 2S D 0,5 t1,5 ¬« 1
(2.8)
Für die ǻt-Impulsantwort sind verschiedene Möglichkeiten untersucht worden. Gute Berechnungsergebnisse liefert z. B. der folgende Ansatz nach Plate [11]:
h x, t
x / 2 D 't t tS
ª § x/ 2 D exp « t¨ ¨ « © t u/ 2 D ¬
· ¸ ¸ ¹
2º
» » ¼
(2.9)
22
2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Die letzten Ausführungen bezogen sich auf den reinen Wasserabfluss und sollten verdeutlichen, dass die Niederschlags-Abfluss-Prozesse äußerst komplexe Vorgänge sind, die bei weitem noch nicht vollständig beschrieben werden können. Wenn man nun die Betrachtungen während des Fließvorganges auf weitere im Hochwasserfall maßgebende schadensverursachende Prozesse, wie z. B. Erosionen, Sedimentationen, Verklausungen usw. ausdehnt, dann erhöhen sich der Grad der Komplexität und damit die Ungenauigkeit und Unsicherheit bei der Prozessbeschreibung und Modellierung enorm. Weiter vorn sind anhand der Talsperre Eibenstock schon die Unsicherheiten bei der Niederschlagsprognose gezeigt worden. Am selben Beispiel kann man aber auch gut den Zusammenhang zum Abfluss verdeutlichen. Auf Grundlage der Niederschlagsprognosen wurden für den Zeitraum vom 05.08.2006 bis 07.08.2006 Zuflüsse von bis zu 121 m³/s in der im Bild 2-6 eingezeichneten Verteilung prognostiziert. In der Realität sind maximal 21 m³/s in der im Bild 2-6 dargestellten Verteilung gemessen worden. Damit ergaben sich für den Beckeninhalt (Prognose 76 Mio. m³; IST 60 Mio. m³) ebenfalls enorme Unterschiede zwischen Prognose und Wirklichkeit. Für die Strömungsvorgänge im Grundwasser (Basisabfluss) könnte man in ähnlicher Weise auf der Grundlage des Darcyschen Gesetzes die Bewegungsgleichung für die Filterströmung ableiten. Die Grundwasserströmung wird hauptsächlich durch die Schwerkraft, Druckkraft, Kapillarkraft und Reibungskraft beeinflusst. Für den Basisabfluss sind die Datenlagen noch wesentlich ungünstiger als im Oberflächenwasserbereich und die Modelle ebenfalls mit großen Unsicherheiten behaftet. Für die Praxis sind zur N-A-Modellierung zahlreiche auch schon sehr komplexe Berechnungsmodelle entwickelt und als Softwarelösungen umgesetzt worden, die viele der maßgebenden physikalischen Prozesse schon sehr gut wiedergeben. Durchgesetzt haben sich deterministisch, physikbasierte, distribuierte oder sogenannte verteilte hydrologische Einzugsgebietsmodelle, die in der Lage sind, den terrestrischen Teil des hydrologischen Kreislaufs mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu simulieren. Beispielhaft sollen hier einige in Deutschland verwendete Modelle, wie MIKE SHE [60], WaSiM-ETH [159], HEC-HMS [264], HSPF [266] oder das für große europäische Flüsse angewendete LISFLOOD [77] genannt werden. Das Bild 2-8 soll anhand der verschiedenen Ebenen der in Deutschland üblichen Niederschlags-Abflussmodelle noch einmal zeigen, dass es sich hier um sehr anspruchsvolle und komplexe Berechnungsmodelle handelt, die von vielen Randbedingungen und in ihrer Genauigkeit von einer angemessenen Datenlage abhängig sind. Die im Kapitel 5 in der Tabelle 5-3 dargestellte Gegenüberstellung der statistischen Einordnung des Hochwasserereignisses von 2002 verdeutlicht z. B. sehr anschaulich die Abhängigkeit der Ergebnisse und hydrologischen Bewertungen von den vorhandenen Datenlagen. Für die Entscheidungsebene sind neben der Qualität und Zuverlässigkeit der hydrologischen Prozessaussagen die richtige Einschätzung der Hochwassercharakteristik von Bedeutung. Die Hochwassercharakteristik wird im Wesentlichen durch die Eintrittswahrscheinlichkeit, die Fließdynamik, eventuelle Inhaltsstoffe oder Kontaminationen, den Sediment- und Schwebstofftransport und die Jahreszeit gekennzeichnet.
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
23
Bild 2-8 Ebenen für hydrologische Niederschlags-Abflussmodelle nach Plate [223]
Schlussfolgerung 5: Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Niederschlags-Abflussmodelle muss noch wesentlich erhöht werden, um praxistaugliche hydrologische Kenngrößen für die Dimensionierung von Wasserbauwerken, wie z. B. technische Hochwasserschutzbauten, für die situationsgerechte Bewirtschaftung von Stauanlagen und Gewässern, für die vertrauenswürdige Ausweisung von Risikogebieten in Intensitäts- und Gefahrenkarten und für die verlässliche Hochwasservorhersage zu haben. Nach der Bereitstellung der hydrologischen Kennwerte sind in diesem interdisziplinären Prozess nun die Wasserbauingenieure gefragt. Mit Hilfe der durch die Ingenieurhydrologie an ausgewählten Gewässerknoten bereitzustellenden Wasserstands-Abflussbeziehungen müssen für die kompletten Gewässer hydraulische Berechnungsmodelle aufgestellt werden, um überall die hydraulischen Belastungsgrößen (Durchfluss, Wasserstand, Fließgeschwindigkeit, Schubspannungen) zu kennen. Diese Angaben werden u. a. für die Dimensionierung von Wasserbauwerken oder die Erstellung von Gefahren- oder Risikokarten benötigt. Die natürlichen Fließvorgänge im Gewässer sind dreidimensional. Für solche dreidimensionale Strömungsberechnung werden üblicherweise die vollständigen Navier-Stokes-Glei-
24
2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
chungen verwendet, die man durch Aufsplittung des Geschwindigkeitsvektors in die sogenannten Reynolds-Gleichungen [173] überführen kann (siehe Formel (2.10)).
wu i wx i
0
(2.10)
wz s w § Qwu1 W1i ¨ :u 2 wx i ¨© wx i U wx1
wu1 wu ui 1 wt wx i
g
wu 2 wu ui 2 wt wx i
g
wp wx 3 mit:
· ¸¸ ¹
wz s w § Qwu 2 W 2i · ¨ ¸ :u1 wx i ¨© wx i U ¸¹ wx 2
U g ui xi zs i ȡ Ȟ IJi ȍ g t
-
Geschwindigkeit in Richtung der Koordinate Richtungskomponente der Strömung freie Fluidoberfläche 1, 2, 3 mögliche Komponenten Dichte des Fluids (hier Wasser) kinematische Viskosität Schubspannung Beiwert der Turbulenzverluste Erdbeschleunigung Zeit
Bei der Lösung dieses komplexen Differenzialgleichungssystems besteht das Problem der Ermittlung der freien Wasserspiegeloberfläche zs als bewegliche Systemgrenze. Eine allgemeine Lösung dieses Gleichungssystems gibt es bisher noch nicht, weshalb numerische Lösungsverfahren in Form von sogenannten hydrodynamisch-numerischen Modellen (HNModelle) zum Einsatz kommen müssen. Dabei ist meist bei einem typischen Fließgewässer die Wassertiefe (z-Koordinate) wesentlich kleiner als die Gewässerbreite (y-Koordinate) und die Gewässerlänge (x-Koordinate). Im Bild 2-9 ist ein für eine 3D-Berechnung unterteilter Fließquerschnitt dargestellt. Mit 3D-Modellen können für jeden räumlichen Punkt im Modellgebiet die wichtigsten strömungscharakterisierenden Größen (z. B. Fließgeschwindigkeit, Fließrichtung, Wasserstand…) ermittelt werden [173]. Gängige Softwarelösungen sind z. B. FLOW-3D [82], ANSYS-CFX oder ANSYS-Fluent [3], Delft 3D [47] oder MIKE 3 [59]. Weil der Aufwand zur Modellerstellung (Netzgenerierung, Erzeugung von Anfangs- und Randbedingungen, Parameterbestimmung) und die Lösung der Gleichungssysteme (Rechenaufwand, Visualisierung der Ergebnisse) sehr groß ist, werden 3D-Modelle bisher vorwiegend in Forschungseinrichtungen und in der Praxis nur für Spezialprobleme, wie z. B. kleinskalige Nahfeldberechnungen bei der numerischen Simulation von Bauwerksumströmungen eingesetzt.
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
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Bild 2-9 Wasserspiegellagenberechnung 3-dimensional [224]
Da bei den meisten Fließgewässern die Wassertiefe im Verhältnis zur Fließbreite oder -länge sehr gering ist, kann man die in Formel (2.10) angegebenen Reynolds-Gleichungen durch Integration über die Gewässertiefe in die Flachwassergleichungen überführen, die die Grundlage für die tiefengemittelten 2D-Modelle bilden. Im Bild 2-10 ist ein für eine 2D-Berechnung unterteilter Fließquerschnitt dargestellt. Die Anwendung von 2D-Modellen ist bei Fließgewässern mit Fließwegen über die Vorländer oder bei ausgeprägtem Ausuferungsverhalten, bei Krümmungen, starken Querschnittsveränderungen, Verzweigungen, Einmündungen und anderen besonderen Situationen am Gewässer sinnvoll.
Bild 2-10 Wasserspiegellagenberechnung 2-dimensional [224]
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Bei einer 2D-Berechnung liegen die Ergebnisse, wie z. B. Wasserspiegellage, Abflussaufteilung im Hauptgerinne oder den Vorländern, Fließgeschwindigkeiten, Sohlschubspannungen, Überflutungsgrenzen, Retentionswirkung usw., immer noch flächenhaft vor. Die strömungscharakterisierenden Größen (z. B. Fließgeschwindigkeit, Fließrichtung, …) liegen im Gegensatz zur 3D-Berechnung nur noch gemittelt über die Tiefe vor, was zwangsläufig zu Informationsverlusten führt. Obwohl der Aufwand zur Modellerstellung (Netzgenerierung, Erzeugung von Anfangs- und Randbedingungen, Parameterbestimmung) und der Lösung der Gleichungssysteme (Rechenaufwand, Visualisierung der Ergebnisse) geringer als bei 3D-Modellen ist, stellt er immer noch eine limitierende Größe dar. Ein Nachteil, der durch die Entwicklung der Rechentechnik immer kleiner wird, sind die momentan noch verhältnismäßig langen Rechenzeiten, so dass der Einsatz von 2D-Modellen für hydraulische Längsschnitte von ganzen Fließgewässern gegenwärtig noch nicht sinnvoll ist. Ein weiteres Problem ist die gerade für Hochwassersimulationen oft unzureichende Datenbasis für die Modellkalibrierungen (siehe auch 8.5). Bei zu wenigen Daten kann dies zu Instabilitäten im Modell bis zum Scheitern instationärer Simulationen führen. Heute erfolgreich verwendete Softwarelösungen sind z. B. SMS [4], HYDRO_AS-2D [138], SOBEK [48], MIKE 21 [58] oder MeadFlow [142]. Zur mathematischen Lösung dieser 2D-HN-Modelle müssen Anfangs- und Randbedingungen vorgegeben werden. Bei instationären Simulationen z. B. müssen alle Rechenknoten für den Zeitpunkt t=0 mit einem Wert belegt werden. Da die dafür erforderlichen Messdaten meist nicht flächendeckend vorliegen, müssen durch den Anwender sinnvolle Annahmen für den Anfangszustand getroffen werden. Die meisten Berechnungsprogramme bieten dazu unterstützende Optionen an. Die Berechnung einiger Zeitschritte zeigt dann, ob mit dem gewählten Anfangszustand und den verfügbaren Daten das Modell numerisch stabil läuft. Auch für die Vorgabe der Randbedingungen an den festen und offenen Modellrändern werden umfassende Daten zu den Geometrien sowie Zu- und Abflussbedingungen benötigt. Folgende Datengrundlagen sollten verfügbar sein: ¾ Datengrundlagen für 2D-HN-Modelle nach [130]: x Bathymetrie x Linienführung des Gewässerabschnittes x Uferstrukturen x historische Veränderungen x Oberflächenrauheiten im Untersuchungsgebiet x Geländemodell des Überflutungsgebietes x Bebauungsstrukturen im Überflutungsgebiet Weitere Hinweise zu den für 2D- und 1D-Berechnungen erforderlichen Datengrundlagen sind nach der folgenden Beschreibung der 1D-HN-Modelle und in [123] zu finden. Trotz dieses hohen Rechenaufwandes und Datenbedarfes werden unterstützt durch die immer besser werdenden Programmsysteme zunehmend mehr 2D-Simulationen auch für größere Gewässerabschnitte durchgeführt. Stellvertretend sollen hier die Berechnungen am Institut für Wasserbau und THM der TU Dresden für die Elbe und die Weißeritz im Stadtgebiet von Dresden [130] und die Vereinigte Mulde im Bereich Wurzen [131] genannt werden.
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
27
Für die Berechnung hydraulischer Längsschnitte kompletter Fließgewässer werden bei ausreichender Datenlage i. d. R. die 1D-Modelle eingesetzt. Durch vertikale und horizontale Integration der 3D-Gleichungen (siehe Formel (2.10)) erhält man die weiter oben aufgeführten Saint-Venant‘schen-Gleichungen (siehe Formeln (2.4) und (2.5)) für eindimensionale instationäre Abflüsse. Unter Annahme eines logarithmischen vertikalen Geschwindigkeitsprofiles wird für das Energieliniengefälle dabei meist die in Formel (2.11) dargestellte empirisch belegte Darcy-Weisbach-Beziehung benutzt.
v v O
Ie
(2.11)
8g rhy
mit:
Ie v Ȝ g rhy
-
Energieliniengefälle Fließgeschwindigkeit Reibungsbeiwert Erdbeschleunigung hydraulischer Radius
Für die Berechnung des Reibungsbeiwertes Ȝ werden oft die von Colebrook-White (Formel (2.12)) und von Prandtl-Colebrook (Formel (2.13)) aufgestellten Beziehungen verwendet.
1 O mit:
1 O
k § · ¨ 2,51 rhy ¸ 2 log¨ ¸ ¨ Re O 14,84 ¸ © ¹ k Re
-
(2.12)
absolute Rauheit des Gerinnes Reynoldszahl
§ k · ¨ rhy ¸ 2,03 lg¨ ¸ ¨ 14,84 ¸ © ¹
(2.13)
Ein für eine 1D-Berechnung betrachteter Fließquerschnitt ist im Bild 2-11 dargestellt. Diese Modelle berücksichtigen den Abfluss und die Wasserspiegellinie nur in der Hauptfließrichtung und reduzieren das Abflussverhalten auf über den Fließquerschnitt gemittelte hydraulische Parameter, wie z. B. Wasserspiegellage, Fließgeschwindigkeiten, Sohlschubspannungen. Hier nimmt man zugunsten des gegenüber 3D- und 2D-Modellen geringeren Modellierungs- und Rechenaufwandes weitere Genauigkeits- und Informationsverluste in Kauf. Zum Ausgleich sind zur Berücksichtigung von Veränderungen quer zur Fließrichtung 1D-Modelle mit gegliederten Fließquerschnitten (Hauptgerinne, Vorländer, Retentionsräume, Uferzonen, Buhnen, Bewuchs…) entwickelt worden. Die jeweils benachbarten Fließquerschnitte werden bei diesen Modellen bezüglich Wasserspiegel- und Energielinienbilanz gekoppelt. Auch Polder und Rückstauerscheinungen können über die bekannten hydraulischen
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Zusammenhänge in 1D-Modellen berücksichtigt werden. Erfolgreich angewendete Softwarelösungen für 1D-Berechnungen sind z. B. WAVOS [27], HEC-RAS [265], MIKE 11 [57] oder WspWin [18].
Bild 2-11 Wasserspiegellagenberechnung 1-dimensional [224]
Stellvertretend für erfolgreiche 1D-HN-Anwendungen sollen hier die Berechnung am Institut für Wasserbau und THM der TU Dresden für die Weiße Elster im Großraum Leipzig [129] und die Berechnungen der Bundesanstalt für Gewässerkunde für ca. 1.000 km an der Elbe und ihren Zuflüssen [27] genannt werden. Zur mathematischen Lösung dieser 1D-HN-Modelle müssen als Anfangsbedingung die Wassertiefen und die Fließgeschwindigkeiten auf der gesamten zu berechnenden Gewässerstrecke bekannt sein und als Randbedingung am oberen und unteren Ende des Berechnungsabschnittes zu jedem Zeitpunkt die Wassertiefe und die Fließgeschwindigkeit vorliegen. Da sich diese Rand- und Anfangsbedingungen aufgrund der schlechten Datenlage meist nicht erfüllen lassen, liefern die Modellansätze zwangsläufig relativ ungenaue Ergebnisse mit z. B. Ungenauigkeiten in den Wasserspiegellagen von 0,5 m bis 1,0 m [123] und auch darüber hinaus, was bei der Ausweisung von z. B. Überschwemmungsgebieten zu ungenau ist, weil hier die Betroffenheiten sehr groß sind. An dieser Stelle soll auf einen mehr an Entscheidungsträger und Auftraggeber gerichteten Aspekt verwiesen werden. Vor Hochwasserereignissen existiert eine relativ geringe „Zahlungsbereitschaft“ zur flächenhaften Ermittlung von äußerst wichtigen Grundlagendaten, wie z. B. digitalen Geländemodellen, Landnutzungsdaten und weiteren Informationen des Raumes. Dies hängt mit dem zeitlichen Verlauf des in 9.8.3 erläuterten Hochwasserrisikobewusstseins zusammen. Während und kurz nach Hochwasserereignissen sind die maßgeblichen Akteure mit so vielen anderen Handlungsaktivitäten beschäftigt, dass meist auch in diesen Phasen keine umfassenden Datenerhebungen (z. B. Überschwemmungsgrenzen, Hochwasserstände, Fließgeschwindigkeiten, Bewuchs, Rauheiten, …) stattfinden können. Während der Nachbereitung der Ereignisse und in der Phase der Hochwasservorbeugung stellt man dann fest, dass für viele Analysen, Berechnungen und Simulationen die Daten-
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
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grundlagen fehlen oder nur mit sehr hohem Aufwand beschafft werden können. Auch aus diesem Grunde ist es wichtig, das Hochwasserrisikobewusstsein auf einem hohen Niveau zu halten. Nur die ständige Bereitschaft zur Aktualisierung und Laufendhaltung wichtiger Grundlagendaten ermöglicht schnelles fachliches Handeln nach abgelaufenen Ereignissen, genauere und damit auch kostengünstigere Simulationsergebnisse und die Weiterentwicklung von Analysewerkzeugen. Schlussfolgerung 6: Die Vorhaltung, Aktualisierung und Laufendhaltung von Grundlagendaten, wie z. B. Geländemodellen, Gewässerprofilen, Landnutzungen usw., ist u. a. wichtig für die Weiterentwicklung und Verbesserung von Analysewerkzeugen, die kostengünstigere Simulation von Ereignissen und das schnelle fachliche Handeln nach abgelaufenen Hochwasserereignissen. Wie schon ausgeführt, spielen für erfolgreiche HN-Modellierungen und die erzielbare Ergebnisgüte die zur Verfügung stehenden Daten aus dem Untersuchungsgebiet eine maßgebliche Rolle. Zur Bestimmung der Bathymetrie muss mindestens das Hauptprofil des Gewässers in Form von georeferenzierten Querprofilen vermessen werden. Hierbei sollten die im Modellgebiet vorhandenen Bruchkanten mit erfasst werden. Um zu starke Generalisierungen der Bathymetrie zu vermeiden, sind ein ausreichender Profilpunkteabstand in Abhängigkeit von den Geländeformen und Profilbreiten zu wählen sowie zusätzliche Profile im Bereich von Bauwerken und starken geometrischen Veränderungen aufzunehmen. Weitere Hinweise dazu sind z. B. in [123] und [172] zu finden. Die Querprofile des Gewässers aus den terrestrischen Vermessungen werden üblicherweise durch andere Daten, z. B. hochgenaue Laserscanbefliegungen, auf die Vorländer verlängert. Hierbei ist zu beachten, dass die üblichen GISWerkzeuge bei der Datentransformation zu Abweichungen von bis zu 80 m führen können [130]. Hier besteht also noch Entwicklungsbedarf bei den verfügbaren GIS-Werkzeugen. Neben der Geometrie hat die Rauheit einen entscheidenden Einfluss auf die Berechnungsergebnisse. Neben der Kenntnis über die den Fließquerschnitt begrenzenden Materialien ist der sich saisonal verändernde Bewuchs von Bedeutung für das Fließverhalten. Da bei sehr langen Berechnungsabschnitten Ortsbegehungen zur Einschätzung der Rauheitsparameter nicht wirtschaftlich sind, versucht man aus den Flächennutzungsdaten (z. B. CIR, ALK, ATKIS, Corine, Feldblöcke) Rauheitsparameter abzuleiten und mit den Fachliteraturangaben abzugleichen. Um den Einfluss des sich saisonal verändernden Bewuchses noch besser berücksichtigen zu können, sind weitergehende wissenschaftliche Untersuchungen, wie z. B. [132], nötig. Zur Kalibrierung und Validierung der HN-Modelle werden Messdaten über im Untersuchungsgebiet mögliche Fließzustände benötigt. Insbesondere für größere Abflüsse fehlen diese Daten oft, so dass gerade für den den Hochwasserschutz interessierenden Bereich die wenigsten Datengrundlagen vorhanden und damit die Simulationsergebnisse mit den größten Unsicherheiten behaftet sind. Dieses Problem lässt sich nur lösen, wenn man für den Hochwasserfall ein vorbereitetes operatives Messprogramm entwickelt und dies dann auch durchführt.
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Schlussfolgerung 7: Das große Defizit an Naturmessdaten (z. B. Wasserstand, Durchfluss, Rauheiten, Überschwemmungsflächen, …) im Hochwasserfall lässt sich nur durch die Vorbereitung und Umsetzung von operativen Messprogrammen für den Hochwasserfall lösen. Diese Daten werden einerseits für die Bemessungspraxis im Wasserbau und andererseits für die wissenschaftliche Analyse von Hochwasserereignissen benötigt. Um mit dem meist existierenden Defizit an Naturdaten klar zu kommen, werden im Hochwasserschutz zurzeit zwei Wege beschritten: Die zukunftsträchtigere Methode ist die Verwendung von sogenannten hybriden Modellen. Bei dieser Art der Modellierung werden physikalische (hydraulische) und numerische Modelle miteinander gekoppelt und die Vorteile beider Modellsysteme zur Verbesserung der Aussagegenauigkeit ausgenutzt. Ein physikalisches Modell funktioniert logischerweise in sich erst einmal physikalisch exakt. Die jahrzehntelange Erfahrung mit diesen Modellen erlaubt in der Regel eine gute Kalibrierung und unter Beachtung der Modellgesetze anschließend eine gute Simulation anderer Fließzustände. Bei der Kopplung mit numerischen Modellen im selben Untersuchungsgebiet können die physikalischen Modelle Ausgangs- und Randbedingungen für die numerischen Modelle liefern und somit deren Validierung bezüglich mehrdimensionaler Effekte ermöglichen. Tabelle 2-2 Beschränkungen für physikalische und numerische Modelle [39] physikalisches Modell
numerisches Modell
prinzipielle Beschränkungen Modellgröße
Rechengeschwindigkeit
Durchfluss
vollständige Gleichungen
Energiehöhe
Turbulenzhypothese
Modellgesetze
Speicherkapazität praktische Beschränkungen
Mindestmaß des Modells (Oberflächenspannung, Zähigkeit…)
bei vereinfachten Gleichungen: Genauigkeit der Ansätze
Modellausdehnung
Verfügbarkeit von Beiwerten
Messmethoden, Datenerfassung
räumliches und zeitliches Auflösungsvermögen
Verfügbarkeit von Anfangs- und Randbedingungen
Numerische Stabilität und Konvergenz des Lösungsschemas Verfügbarkeit von Anfangs- und Randbedingungen
Ein erfolgreich praktiziertes Beispiel stellt die hybride Modellierung des Stadtgebietes von Grimma an der Vereinigten Mulde [128] dar. Das numerische 2D-Modell beinhaltete einen
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
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ca. 10 km langen Abschnitt der Vereinigten Mulde, in dem wiederum für das Stadtgebiet von Grimma ein ca. 3 km langer Abschnitt in einem physikalischen Modell im Maßstab von 1:50 nachgebildet worden ist. Die Anwendungsgrenzen für hydraulische und numerische Grenzen sind nach Kobus in Tabelle 2-2 dargestellt. Die zweite Möglichkeit besteht in der weiteren Vereinfachung der Berechnungsmodelle, um ein der Datenlage angemessenes Berechnungsverfahren zu verwenden und den noch erheblichen numerischen Rechenaufwand zu verkleinern. Üblicherweise verwendet man deshalb für Wasserspiegellagenberechnungen für komplette Fließgewässersysteme stationäre, eindimensionale Ansätze und führt die Berechnungen für alle maßgebenden HQT durch. Nur bei komplizierten Abflussverhältnissen, z. B. im Bereich von Siedlungen, werden bei Erfordernis instationäre und/oder zweidimensionale Abflussberechnungen entsprechend der bisherigen Ausführungen durchgeführt. Wichtige Bestandteile dieser Berechnungen sind die Ermittlung des bordvollen bzw. schadlosen Abflusses und die Bestimmung und Darstellung der hydraulischen Durchlass- und Leistungsfähigkeit von Brücken und anderen Bauwerken im Fließquerschnitt. Die universelle Fließformel für stationäre, eindimensionale Fließvorgänge im offenen Gerinne lautet nach [21]:
QO
mit:
§ fg Q k rhy ° A ® 4,0 lg¨¨ ¨ 8 rhy 2g rhy I 4 f r °¯ © A fg fr k g rhy Ȟ I
-
½ · ¸ 2g r I ° hy ¾ ¸¸ °¿ ¹
( 2.14 )
Fließfläche Gerinneformbeiwert Gerinneformbeiwert absolute Rauheit des Gerinnes Erdbeschleunigung hydraulischer Radius kinematische Viskosität Gefälle
Trotz dieser starken Vereinfachungen zur Beschreibung der Fließvorgänge kann man erkennen, dass immer noch eine gute Datenlage und Gebietskenntnisse erforderlich sind. Insbesondere das Gefälle, die Fließgerinnegeometrien und die Rauheitssparameter sind aufgrund natürlicher Prozesse stark veränderliche Größen, so dass die Berechnungsergebnisse immer nur eine näherungsweise Beschreibung der saisonal verschiedenen tatsächlichen Verhältnisse darstellen werden. Wie weiter oben beim Wellenablaufmodell schon erwähnt, beziehen sich die letztgenannten Ausführungen oft nur auf den reinen Wasserabfluss. Bei Berücksichtigung der weiteren im Hochwasserfall maßgebenden schadensverursachenden Prozesse, wie z. B. Erosionen, Sedimentationen, Verklausungen usw. erhöht sich der Grad der Komplexität und damit die Ungenauigkeit und Unsicherheit bei der Prozessbeschreibung und Modellierung.
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
2.4.3.3 Bisherige Untersuchungen In der Vergangenheit (bis zum Jahre 2002) sind schon viele Einzelprozesse des komplexen Niederschlags-Abflussprozesses wissenschaftlich untersucht worden. Im Lehrbuch der Allgemeinen Geographie [188] wird z. B. der Prozess der geomorphologischen Entstehung von „Netzen von Sammelsträngen des Abflusses bzw. von dominierenden Tiefenlinien“ beschrieben. Dabei wird eingeschätzt, dass zwischen diesen Tiefenlinien (also Tälern) nur Flächenspülungen (Überschwemmungen) mit sehr dünnen Wasserschichten (geringen Wasserständen) auftreten können, weil bei häufig größeren Wasserständen (im Meterbereich) sich wieder neue Tiefenlinien ausbilden müssen. Als ein weiteres Beispiel von Teilbetrachtungen, soll die Arbeit zur Auswirkung des Rückhaltevermögens natürlicher Einzugsgebiete bei extremen Niederschlagsereignissen auf die Größe extremer Hochwasser [209] dienen. Hier wird unter Zuhilfenahme von Messungen der Abflüsse und der Bodenwassergehaltsänderungen an 18 unterschiedlich aufgebauten Hängen das Abflussverhalten von künstlich erzeugten Starkniederschlägen beschrieben. Die Liste dieser hochwertigen vorliegenden Forschungsarbeiten zu Teilprozessen ließe sich beliebig erweitern. An dieser Stelle sollen beispielhaft noch einige neuere in der Regel nach 2002 untersuchte Forschungsgegenstände zur Verbesserung der Kenntnisse und Modellierung von Teilprozessen in einigen EU-Forschungsvorhaben und im Rahmen des RIMAX-Programms benannt werden. Zu den momentan auf europäischer Ebene laufenden Projekten hat Grünewald in [118] einen Überblick zusammengestellt. Dort führt er aus, dass man sich mit der Verbesserung der Wetter- und Hochwasservorhersage und -warnung (DEMETER [49], ACTIF [2], RIBAMOD [228]) sowie der Leistungsverbesserung von Fluss- und Überflutungsmodellen (EURAINSAT [72], CARPE DIEM [38], MUSIC [208], MANTISSA [191], VOLTAIRE [267], CATCHMOD [40] …) beschäftigt. Bei den EU-Projekten versucht man zunehmend interdisziplinär vorzugehen, so wurden z. B. im Projekt EUROTAS [79] ausgehend vom gesamten Einzugsgebiet das Wasserabflussmodell mit den Wirtschafts- und Landnutzungsdaten verbunden und daraus auch ein Entscheidungshilfesystem (DSS) für die kommunalen Behörden entwickelt. Mehrere RIMAX-Projekte [10], [56], [229] beschäftigten sich mit der Analyse historischer Hochwasser, um Abschätzungen von extremen Hochwasserereignissen anhand historischer Ereignisse zu validieren und die Basis der Datenreihen für Extrapolationen verbessern zu können. Andere Projekte haben sich mit der Verbesserung von Methodiken zur Bestimmung von Extremniederschlägen für kleine und mittlere Einzugsgebiete in Echtzeit, mit der Vorhersage von bisher wenig behandelten Sturzfluten im urbanen Raum, mit der Berücksichtigung von Vorhersageungenauigkeiten in der Hochwasserwarnung, mit der Nutzung von Ensemblevorhersagen für die Hochwassermodellierung, mit der Retentionsfähigkeit von Gewässernetzen, mit der Entwicklung von Schadstoffausbreitungsmodellen und mit der Entwicklung von Bewirtschaftungskonzepten für die Stauanlagen und Poldersteuerung beschäftigt. Die aufgeführten zahlreichen Forschungsvorhaben zeigen, dass noch größere Defizite in der Zuverlässigkeit und praxistauglichen Vorhersage von Hochwasserereignissen bestanden und auch noch bestehen. Wichtiger scheint aber an dieser Stelle die Erkenntnis zu sein, dass sich bisher eher selten mit dem Gesamtkomplex des Wasserkreislaufes unter Hochwassergesichtspunkten beschäftigt worden ist. Dieser Umstand ist sicherlich auch der großen Komplexheit
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
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und Schwierigkeit der Modellierung und Beschreibung dieses Naturprozesses geschuldet. Im Rahmen des angeführten RIMAX-Programms gab es nach 2002 erste gute Ansätze zur integralen Beschreibung mehrerer Teilprozesse, wie z. B. das Projekt 3ZM-GRIMEX [1], dass versucht, die drei Komponenten Oberflächenabfluss, Kanalisationsabfluss und Grundwasserabfluss in einem gekoppelten Modellsystem darzustellen. Zusammenfassend kann man für die Gefährdungsseite festhalten, dass es noch eine große Aufgabe der Wissenschaft sein wird, neben der ständigen Verbesserung der Modelle zu den Teilprozessen des Wasserkreislaufes, die Kopplung der Modelle voranzutreiben, um letztendlich auch zu zuverlässigeren und sichereren Hochwasserbemessungswerten und Hochwasservorhersagen/-prognosen zu kommen. Einige erfolgversprechende Vorhaben in dieser Richtung sind ausgelöst durch das Hochwasser von 2002 schon angegangen worden. Betont werden soll auch noch der letzte wichtige Schritt, die Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis. Nach der Qualifizierung der komplexen Modelle und Berechnungsergebnisse müssen robuste praxistaugliche Verfahren entwickelt werden, die mit verhältnismäßigem Aufwand zu sicheren Ergebnissen führen. Schlussfolgerung 8: Die Ausgangsdatenlage zur Beschreibung der hydrologischen und hydraulischen Prozesse muss wesentlich verbessert werden. Durch systematische Untersuchungen und Klassifizierung von gewässertypischen Anfangs- und Randbedingungen können die Ergebnisse von hydraulischen Berechnungen verbessert werden. Schlussfolgerung 9: Neben der ständigen Verbesserung der Modelle zur Beschreibung von Teilprozessen des Wasserkreislaufes ist es eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft, die Kopplung der Einzelmodelle voranzutreiben, um über integrale Ansätze die Interaktion der Teilprozesse besser berücksichtigen und damit die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Berechnungsergebnisse verbessern zu können. Die Ergebnisse der gekoppelten, den Gesamtprozess beschreibenden Modelle müssen in praxistaugliche und robuste Verfahren überführt werden.
2.4.4 Vulnerabilität Um auch den zweiten das Hochwasserrisiko beeinflussenden Teil zu betrachten, sollen im Folgenden einige Ausführungen zum Wissenstand ausgewählter, die Vulnerabilität beeinflussender Aspekte gemacht werden. Im Bereich der Naturrisiken, zu dem das Hochwasserrisiko zählt, beschreibt die Vulnerabilität die Verletzbarkeit und die möglichen Schäden im Ereignisfall. Damit bezieht sich die Vulnerabilität vorrangig auf den Menschen und seine Errungenschaften (Mensch-NaturVerhältnis) und nicht auf die Störung von Naturzusammenhängen [235]. Die Verletzbarkeit wird durch die Exposition und die Anfälligkeit der Risikoelemente beschrieben. Als Exposition bezeichnet man das Ausgesetztsein der Risikoelemente gegenüber den gefährlichen Pro-
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
zessen. Die Anfälligkeit der Risikoelemente beschreibt die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Gefahren. Beides zusammen beeinflusst dann den möglichen Schaden in Abhängigkeit vom Ereignis [17].
2.4.4.1 Exposition Die Exposition der Risikoelemente bei Hochwasser ist stark abhängig von der Lage zum Gewässer bzw. zu Überschwemmungsgebieten. Aus diesem Grunde ist es auch so wichtig die physikalischen Prozesse so genau wie möglich zu beschreiben und in Intensitätskarten, Gefahrenkarten, Hochwasserrisikokarten oder Überschwemmungsgebietskarten darzustellen, damit die Betroffenheiten auf die Risikoelemente (Menschen, Güter, Umwelt…) bekannt sind und auch im Rahmen der noch zu entwickelnden Risikokultur aktiv kommuniziert werden. Die Darstellung der Gefährdungen in Bezug auf die Risikoelemente ist u. a. eine wichtige Grundlage für wasserwirtschaftliche Planungen und den Katastrophenschutz, der die am exponiertesten Risikoelemente zuerst aus dem Risikogebiet bringen oder im Rahmen der Gefahrenabwehr schützen muss. Bei ausgeprägtem Hochwasserbewusstsein dürften dann eigentlich keine neuen Risikoelemente in gefährdeten Gebieten entstehen. Hier wird noch Forschungsbedarf in der Humangeographie, Psychologie und den Medien- und Kommunikationswissenschaften gesehen, die praxisgeeignete Methoden, Programme und Schulungen zur Erhaltung oder noch besser Steigerung des Hochwasserbewusstseins erarbeiten müssten. Erste Schritte im Sinne der Hochwasserbewusstseinsbildung sind nach 2002 im Rahmen des RIMAX-Forschungsprogramms gegangen worden. So ist an der TU Dresden ein internationales Lehrmodul zum „Integraded Flood Risk Management of extreme Events – Floodmaster“ eingeführt worden, um junge Leute vor ihrem Start ins Berufsleben mit der Materie und Philosophie der modernen Risikokultur vertraut zu machen. In einem weiteren Projekt ist für Schulen eine DVD-ROM mit interaktiven Lehr- und Lernmodulen und einem Filmbeitrag zur Vermittlung von Grundlagen über Hochwasserrisiken und deren Abwehr entwickelt worden. Schlussfolgerung 10: Das Wissen und die Aufklärung über die Exposition von Risikoelementen sind sehr wichtig für die Risikokommunikation. Diese wiederum muss in Deutschland noch wesentlich intensiviert werden, wozu die Humangeographie, Psychologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften noch praxisgeeignete Methoden und Schulungsprogramme entwickeln müssen, die zur Erhaltung oder Steigerung des Hochwasserbewusstseins führen.
2.4.4.2 Anfälligkeit Die Anfälligkeit der Risikoelemente ist sehr stark von ihrer Art und Konstitution abhängig. Bei Bauwerken wären dies die Art der Konstruktion und der bauliche Zustand, der wiederum vom Alter und vom Unterhaltungsaufwand beeinflusst wird. Im Umkehrschluss kann man daraus ableiten, dass hochwassergerechte Bauweisen und eine ständige gute Unterhaltung die
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Anfälligkeit der Bauwerke gegenüber Hochwassergefahren deutlich reduzieren kann. Dieser Aspekt ist insbesondere bei technischen Hochwasserschutzeinrichtungen von Bedeutung, weil durch deren mögliches Versagen die Hochwasserrisiken und damit die möglichen Schäden ansteigen. Um die noch oft existierenden Informationsdefizite über Bauzustände von technischen Hochwasserschutzanlagen (z. B. von Deichen) und die Unsicherheiten über deren Verhalten im Belastungsfall durch das Hochwasserereignis auszugleichen (Tragsicherheit, Funktionssicherheit und Dauerhaftigkeit), werden während des Ereignisses meist umfangreiche Bauwerksbeobachtungen durchgeführt. Auch hier zeichnet sich noch ein großes Betätigungsfeld für die Wissenschaft ab. Einerseits sind verbesserte und wirtschaftliche Methoden zur Bauwerksanalyse an bestehenden wasserbaulichen Anlagen gefragt. So ist es z. B. trotz geopysikalischer und anderer moderner Erkundungsverfahren immer noch sehr aufwändig und mit vielen Unsicherheiten verbunden, den Aufbau und Bauzustand eines bestehenden Deiches zu erkunden. Andererseits besteht auch noch Bedarf an Bauwerksmonitoringmethoden im Hochwasserfall. Auch hier soll der Deich wieder als Beispiel dienen. Während eines länger anhaltenden Hochwasserereignisses bildet sich im Deich eine Sickerlinie aus, deren möglicher luftseitiger Austritt rechtzeitig erkannt und durch Gegenmaßnahmen verhindert werden muss. Auch wenn die Deiche möglicherweise im Hochwasserfall wegen ihrer Durchnässung nicht mehr befahren werden können, muss auch bei fehlenden oder verbauten luftseitigen Deichverteidigungswegen eine schnelle Erkundung und Schwachstellendedektierung sichergestellt sein. Bisher wird dies vorrangig durch Deichläufer sichergestellt. Erste Entwicklungen zu Erkundungsverfahren aus der Luft sind bisher noch nicht praxistauglich. Auch hier hat das Hochwasser von 2002 zu einem Schub von neueren Untersuchungen im Rahmen des RIMAX geführt. Ein Projekt beschäftigte sich z. B. mit der Optimierung des Deichmonitorings für eine zuverlässige Identifikation und Bewertung von Schwachstellen. Im Projekt DEISTRUKT [46] erfolgte die systematische Evaluierung von geophysikalischen, zerstörungsfreien Methoden zur Strukturerkundung und Schwachstellenanalyse von Deichen und deren Baugrund, in einem weiteren Projekt erfolgte aus dem selben Grund die Erprobung des Monitorings mittels Time Domain Reflectrometry (TDR). An einem Forschungsdeich sind im Maßstab 1:1 Untersuchungen zur Verbesserung des Widerstandsverhalten bzw. der Standsicherheit von Flussdeichen bei langanhaltenden Hochwassern und Deichüberströmung angestellt worden. Auch zur Verbesserung der Konstruktionen, wie z. B. die Entwicklung von nachträglich einzubauenden Dränelementen in bestehende Deiche oder die Entwicklung von sensorbasierten Geotextilien, sind Beiträge geleistet worden. Viele der hier aufgezählten Neuentwicklungen müssen sich in der Praxis erst noch bewähren oder weiter vervollkommnet werden. Schlussfolgerung 11: Die Anfälligkeit der Risikoelemente ist sehr stark von ihrer Art und Konstitution abhängig. Deshalb ist bei baulichen Anlagen und hier insbesondere bei technischen Hochwasserschutzanlagen das Wissen über deren Bauzustand und ihr Verhalten (Tragsicherheit, Funktionssicherheit und Dauerhaftigkeit) während der Belastung durch das Hochwasser wichtig. Hierzu müssen die Erkundungs- und Monitoringverfahren noch weiter entwickelt werden.
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Schlussfolgerung 12: Neben einer ständigen fachgerechten Bauwerksunterhaltung kann die weitere Entwicklung und praktische Einführung hochwassergerechter Bauweisen insbesondere für bestehende Bauwerke und innovativer Schutzsysteme die Schadensanfälligkeit der baulichen Anlagen bedeutend senken.
2.4.4.3 Mögliche Schäden Neben der Verletzbarkeit spielen die möglichen Hochwasserschäden eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung des Hochwasserrisikos. Als Schaden bezeichnet man im Allgemeinen einen Nachteil durch Minderung oder Verlust an materiellen oder immateriellen Gütern [14]. Im rechtswissenschaftlichen Sinn wird der Schaden als eine materielle oder ideelle Verschlechterung eines Rechtsgutes definiert, die durch ein schädigendes Ereignis entstanden ist. Der Unterschied zwischen dem Zustand des Rechtsgutes unmittelbar vor dem schädigenden Ereignis und dem Zustand nach dem schädigenden Ereignis ist der Schaden. Smith & Ward [242] haben eine weit verbreitete Einteilung der Hochwasserschäden vorgenommen, die im Bild 2-12 dargestellt ist. Hochwasserschäden
Direkt
Indirekt
Tangibel
Intangibel
Tangibel
Intangibel
Primär
Sekundär
Primär
Sekundär
Primär
Sekundär
Primär
Vermögensschäden
Kosten des Wiederaufbaus
Verlust von Menschenleben
Krankheiten von Flutopfern
Unterbrechung wirtschaftlicher und sozialer Aktivitäten
Reduzierte Kaufkraft
Erhöhte Verwundbarkeit der Betroffenen
Reduziertes Vertrauen in die Region, Migration
Bild 2-12 Einteilung von Hochwasserschäden nach Smith & Ward [6]
Sekundär
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
37
Die Bedeutung der im Bild 2-12 vorgenommenen Klassifizierung soll hier in Anlehnung an [6] kurz erläutert werden: ¾ direkte Hochwasserschäden: x entstehen durch physische Einwirkung des Wassers auf Bestandsgrößen z. B. Beschädigung oder Zerstörung von Vermögenswerten z. B. Verlust von Menschenleben ¾ indirekte Hochwasserschäden: x entstehen durch Unterbrechung oder das Ingangsetzen von Prozessen z. B. Unterbrechung wirtschaftlicher Aktivitäten Æ Wertschöpfungsverlust z. B. Ingangsetzung von Katastrophenschutzaktivitäten Æ Kosten ¾ tangible Hochwasserschäden: x Schäden, die sich in monetären Werten beziffern lassen z. B. Vermögensschäden z. B. Kaufkraft- und Wertschöpfungsverluste ¾ intangible Hochwasserschäden: x Schäden, die sich nicht direkt und eindeutig monetär bewerten lassen z. B. Todesopfer z. B. Gesundheits- oder Umweltschäden ¾ primäre Hochwasserschäden: x Schäden, die unmittelbar während des Hochwassers entstehen z. B. physische Schäden an Gebäuden z. B. Katastrophenschutzkosten ¾ sekundäre Hochwasserschäden: x Schäden, die zeitlich bzw. kausal im Nachgang entstehen z. B. psychische Gesundheitseffekte z. B. sekundärer Produktionsausfall bei Zulieferern von direkt Betroffenen Die Palette von möglichen Hochwasserschäden ist sehr groß und betrifft im Prinzip alle Bereiche der Gesellschaft. Zur Illustration soll im Folgenden eine Auswahl möglicher Hochwasserschäden aufgelistet werden. ¾ Auswahl möglicher Hochwasserschäden: x Schäden an wasserwirtschaftlichen Anlagen (Deiche, Stauanlagen, …) x Schäden an Gewässern x Schäden an Böden
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
x Schäden an Verkehrsinfrastrukturen (z. B. Straße, Schiene, …) x Schäden an Infrastruktureinrichtungen x Gebäudeschäden x Hausrats- und Inventarschäden x Fahrzeugschäden (LKW, PKW, Schienenfahrzeuge) x Schäden an Gewerbe- und Industrieobjekten x Schäden an Produktionsanlagen (Maschinen) x Schäden an Lagerbeständen x Schäden an land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen x Ernteschäden, Viehschäden x Schäden an lebenswichtigen Einrichtungen (z. B. Krankenhäuser, Wasserwerke, ...) x Schäden an Ver- und Entsorgungsanlagen (z. B. Wasser, Strom, Abwasser, …) x Schäden an Kommunikationswegen (z. B. Telekommunikation, Internet, …) x Schäden an Sonderobjekten (z. B. Schulen, öffentl. Einrichtungen, Altersheime, …) x Schäden durch Betriebsausfälle x Wertschöpfungsverluste x Aufwandsänderungen x Prosperitätsschäden x weitere tangible und intangible Schäden In der Regel haben sich jedoch bisherige Hochwasserschadensuntersuchungen oder auch Hochwasserschadenspotenzialuntersuchungen nur mit den direkten und hier auch meist nur mit tangiblen Schäden beschäftigt. Smith & Ward [242] als auch Merz [193] vermuten, dass diese Beschränkung darauf zurückzuführen ist, dass bisher Hochwasserschadensanalysen vorwiegend in Industrieländern durchgeführt worden sind, wo im Gegensatz zu Entwicklungsländern die direkten und tangiblen Schäden die größere Bedeutung haben. Als weiterer Grund wird angesehen, dass bei direkten Schäden der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung leichter beschreibbar ist als bei den indirekten Hochwasserschäden. Und auch bei den direkten Schäden konzentrierten sich die meisten Untersuchungen auf Wohnbebauungen. Schlussfolgerung 13: Die meisten Hochwasserschadensuntersuchungen oder auch Hochwasserschadenspotenzialuntersuchungen konzentrieren sich aufgrund auch fehlender methodischer Grundlagen auf die direkten tangiblen Schäden und hier schwerpunktmäßig auf Wohngebäudeschäden. Zur Beschreibung der Ursache-Wirkungsbeziehung werden üblicherweise Schadensfunktionen verwendet. In den 1970er Jahren wurden dazu in Großbritannien durch Parker &
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
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Penning-Rowsell [213] erste richtungsweisende systematische Analysen durchgeführt, die in eine bis heute noch gepflegte Datenbank eingespeist worden sind. Diese Datengrundlage bietet für Großbritannien eine gute Ausgangslage für die Erstellung von Schadensfunktionen. Da die Bauweisen z. B. der Wohnbebauung in Großbritannien sehr stark von den typischen Bebauungen in Deutschland abweichen, sind diese Schadensfunktionen nicht auf unsere Verhältnisse übertragbar. Prinzipiell lässt sich für Deutschland feststellen, dass die verfügbare Datenbasis für Hochwasserschadensanalysen schlecht ist. Einerseits liegt es daran, dass nach abgelaufenen Ereignissen selten eine strukturierte und für spätere wissenschaftliche Auswertungen vorbereitete Datenerhebung stattfindet. Andererseits sind die wenigsten Verantwortlichen bereit, im Rahmen der Hochwasservorbeugung über Was-wäre-Wenn-Untersuchungen synthetische Schadensdaten erheben zu lassen. Dieses Defizit ließe sich ebenfalls durch eine deutschlandweite zentrale Schadensdatenbank mildern, in die alle nach einem Qualitätskonzept aufgenommenen und geprüften Schadensdaten erfasst werden könnten und für wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung ständen. Ende der 1970er Jahre ist mit der im Auftrag der LAWA entwickelten Datenbank HOWAS ein erster Versuch gestartet worden. In dieser Datenbank sind ca. 4.000 Hochwasserschäden erfasst, wobei ca. 60 % der Daten auf die Wohnbebauung entfallen und die anderen enthaltenen Risikoelemente, wie öffentliche Infrastruktur, Dienstleistungsbereich, Bergbau und Baugewerbe, verarbeitendes Gewerbe sowie Land-, Forstwirtschaft und Gartenbau unterrepräsentiert sind [214]. Andere Bereiche, wie z. B. Schäden an wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen, fehlen völlig. Leider ist die Pflege der Datenbank aus Kostengründen Mitte der 1990er Jahre eingestellt worden, was wiederum verdeutlicht, dass die Entwicklung des Hochwasserrisikobewusstseins auch für weitere wissenschaftliche Vorarbeiten wichtig ist. Die meisten in Deutschland entwickelten Schadensfunktionen beruhen dennoch auf dieser nicht mehr aktuellen Datenbasis. Im Rahmen des schon erwähnten RIMAX ist die Schadensdatenbank HOWAS 21 [134] entwickelt worden, die sich als Weiterführung der HOWAS-Datenbank versteht. Die momentanen Nutzungskonstellationen und ein Teil der darin enthaltenen Daten entsprechen nach Ansicht des Autors und einiger anderer Experten nicht den hohen Qualitätsansprüchen, die eine wissenschaftliche Verwertung erfordern würde. Schlussfolgerung 14: Die in Deutschland verfügbare Datenbasis für Hochwasserschadensanalysen ist schlecht. Eine entscheidende Verbesserung wäre nur über eine deutschlandweite zentrale Schadensdatenbank möglich, in der alle nach einem Qualitätskonzept aufgenommenen und geprüften Schadensdaten erfasst und wissenschaftlichen Auswertungen zugeführt werden. Die Schadensfunktionen werden üblicherweise entweder als absolute (siehe Bild 2-13) oder als relative (siehe Bild 2-14) Schadensfunktion in Abhängigkeit vom Wasserstand angegeben. Andere physikalische Größen, wie z. B. die Fließgeschwindigkeit oder Schwebstoffgehalte werden meist nicht berücksichtigt. Bei den absoluten Schadensfunktionen wird der Schaden in monetären Einheiten angegeben und bei relativen Schadensfunktionen als Prozentsatz vom Gesamtwert des geschädigten Objektes.
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Bild 2-13 Beispiel einer absoluten Schadensfunktion
Bild 2-14 Beispiel einer relativen Schadensfunktion
Die Ermittlung funktioneller Zusammenhänge ist sehr stark von der verfügbaren Datenlage geprägt. Für Wohngebäude verwendet man bisher in der Regel statistisch basierte Funktionen folgender Grundform [186]:
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
S S min B x h mit:
S Smin B h x
-
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(2.15)
Schaden in 1.000 € Anfangsschaden nutzungsspezifischer Faktor Wasserstand über jeweiligem Geschossfußboden x=3 bei h < 1m; x=2 bei h > 1m
Die Schadensfunktionen nach Formel (2.15) müssen stockwerksweise zusammengesetzt werden, weil mit Einbeziehung jeder Geschossdecke ein Sprung im Schadensverlauf stattfindet. Der prinzipielle Verlauf ist im Bild 2-15 dargestellt. Meist sind in diesen Funktionen die Schäden sowohl an der Bausubstanz als auch am festen und beweglichen Inventar enthalten.
Bild 2-15 Beispiel einer relativen Schadensfunktion für drei Stockwerke
Da diese Schadensfunktionen nur die Wasserstands-Schadensbeziehung abbilden, müssen alle anderen Einflussgrößen, wie z. B. Überflutungsdauer, Kontaminationen, Fließgeschwindigkeiten, Vorwarnzeiten, Erhaltungszustand, Ausstattungsqualität usw., im B-Faktor berücksichtigt werden. Wie unsicher solche Funktionen bei der momentan verfügbaren Datenlage sein können zeigt Bild 2-16 eindrucksvoll.
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Bild 2-16 Aus Daten der HOWAS-Schadensdatenbank abgeleitete mittlere Wasserstand-Schadensfunktionen (mit HOWAS_N) [24]
Initiiert durch das Hochwasser von 2002 sind ebenfalls im Rahmen des RIMAX zwei unterschiedliche Ansätze zur Verbesserung der Schadensfunktionen entwickelt worden. Mit Unterstützung des Autors sind beide Ansätze anhand vorliegender Daten oder praktischer Beispiele erprobt und durch die Entwickler verbessert worden. Beide Methodiken sollen an dieser Stelle kurz vorgestellt werden. Im Rahmen des schon integrativ angelegten Forschungsprojektes VERIS-Elbe [12] ist das Hochwasserschadens-Simulationsmodell HOWAD entwickelt worden. Dieses Modell soll eine raum-zeitlich hochauflösende Simulation von Hochwasserschäden unter Einbeziehung von Untersuchungsergebnissen aus mehreren Fachgebieten ermöglichen. Dabei sind die raumstrukturelle Gliederung des Siedlungskörpers, die Stadtstruktur, die Gebäudetypologie, die Baualtersstufen, eine bautechnische Schadensanalyse von Hochwassereinwirkungen einschließlich Instandsetzungsplanung als auch die ökonomischen Grundlagen der Schadenswertabschätzung berücksichtigt worden [12]. Der methodische Ablauf zur Ermittlung dieser synthetischen Schadensfunktionen im Rahmen von Ex-Ante-Untersuchungen ist im Bild 2-17 dargestellt.
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
Bild 2-17 VERIS-Elbe Methodik zur Analyse von Hochwasserschäden [210]
Bild 2-18 Schadensfunktion nach VERIS-Elbe Methodik HOWAD [211]
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2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Bei dieser Methodik werden im Untersuchungsgebiet die typischen Bebauungen analysiert und sogenannte Repräsentanten (standorttypische Bebauungen) gebildet. Die Repräsentanten werden einer stufenweisen synthetischen Flutung ausgesetzt und anschließend wird der dadurch entstandene Instandsetzungsaufwand baulich-gutachterlich ermittelt. Im Bild 2-18 sind die mit dieser Methodik ermittelten Schadensfunktionen für drei typische Mehrfamilienreihenhäuser in Pirna (MRG 3/4 – geschlossene Bebauung, Baualtersstufe 3/4; MRO 5 – offene Bebauung, Baualterstufe 5) dargestellt. Man kann gut erkennen, dass der Verlauf dieser ermittelten Schadensfunktionen dem im Bild 2-15 dargestellten prinzipiellen Verlauf für mehrere Stockwerke entspricht. Der Vorteil dieser eben vorgestellten Methodik ist, dass man über die Repräsentantenbildung die lokal antreffenden Gegebenheiten genau genug erfasst und sich der Aufwand zur baulich-gutachterlichen Einschätzung zum Instandsetzungsaufwand (Schaden) auf die Anzahl der unterschiedlichen Repräsentanten reduziert. Damit liefert diese Methode mit einem verhältnismäßigen Aufwand hinreichend genaue Ergebnisse. In einem weiteren Schritt wird diese Methodik gerade auf ihre Anwendbarkeit getrennt nach Bausubstanz und Inventar, auf Nichtwohnbebauungen, die Berücksichtigung von dynamischen Hochwasserschäden und die Übertragbarkeit auf andere Untersuchungsgebiete überprüft. Offen bleibt noch, ob man mit dieser Methodik weitere bauliche Infrastrukturen (also nicht „nur“ Gebäude) hinreichend genau beurteilen kann. Für nichtbauliche Landnutzungen müssen offenbar andere Untersuchungsmethoden entwickelt werden. Im Rahmen des Forschungsprojektes MEDIS (Methoden der Erfassung direkter und indirekter Hochwasserschäden) [256] sind für Wohnbebauungen Schadensfunktionen unter Berücksichtigung von Verletzbarkeitsklassen entwickelt worden. Mit diesem Ansatz verfolgt man die bessere Berücksichtigung der weiter oben beschriebenen Anfälligkeit in Abhängigkeit von der Tragstruktur und dem Zustand des Bauwerkes, wobei hier auch die nichttragenden Innenkonstruktionen und das Baualter eine Rolle spielen [189]. Dabei werden in Anlehnung an die Bewertung von Erdbebenschäden als Maßstab für die Verletzbarkeit aufgetretene mittlere Schadensgrade Dm herangezogen. Die dort verwendete Einteilung von Schadensgraden ist in Tabelle 2-3 dargestellt. Über Datenauswertungen von abgelaufenen Ereignissen sind dann über den Zusammenhang der Überflutungshöhe und der dabei aufgetretenen Schadensgrade die angetroffenen Bauweisen Verletzbarkeitsklassen zugeordnet worden. Das Einordnungsschema ist im Bild 2-19 dargestellt und die darin verwendeten Verletzbarkeitsklassen sind in Tabelle 2-4 enthalten. Nach dieser Methode befinden sich die Schadensfunktionen für die jeweilige Hochwasserverletzbarkeitsklasse (also auch Bauweise) in dem im Bild 2-19 gekennzeichneten Bereich. Auch hier muss in weiteren Schritten die Übertragbarkeit der Methode auf andere Untersuchungsgebiete überprüft werden. Diese unterstellt, hätte auch diese Methode den Vorteil, dass man anhand der Bauweisen im Untersuchungsgebiet direkte Rückschlüsse auf die zu erwartenden Schäden ziehen könnte.
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
45
Tabelle 2-3 Zuordnung von Schäden zu Schadensgraden nach [236] Schadensgrad D1 (sehr gering) kein struktureller Schaden, leichter nichtstruktureller Schaden
D2 (gering) kein bis leichter struktureller Schaden, moderater nichtstruktureller Schaden
D3 (mittel) moderater struktureller Schaden, schwerer nichtstruktureller Schaden
D4 (schwer) schwerer struktureller Schaden, sehr schwerer nichtstruktureller Schaden
D5 (sehr schwer) sehr schwerer struktureller Schaden
Schadensbild (Prinzipskizze)
Beispiel
46
2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Bild 2-19 Bauweiseneinordnung in Verletzbarkeitsklassen [236]
Tabelle 2-4 Bauweiseneinordnung in Verletzbarkeitsklassen [189] Hochwasserverletzbarkeitsklasse
Beschreibung
Bauweise
HW-A
sehr empfindlich
Lehmbauweise
HW-B
empfindlich
Holzfachwerk (mit Lehm oder Mauerwerksausfachung), Fertigteilbauten, Mauerwerksbauten mit Lehmmörtel
HW-C
normale Hochwasserresistenz
Mauerwerksbauten (allgemein), Mauerwerksbauten mit Kalk-Zementmörtel
HW-D
erhöhte Hochwasserresistenz
Stahlbetonbauten, gut ausgeführtes Natursteinmauerwerk
HW-E
besonders hochwassergerechte Auslegung
auf Stützen oder Stelzen gegründete Bauwerke (Stahlbeton, Mauerwerk)
Zusammenfassend kann man feststellen, dass zurzeit neue effiziente Methoden zur hinreichend genauen Ermittlung von Schadensfunktionen insbesondere im Bereich der Wohnbebauung entwickelt werden. Voraussetzung für solche Entwicklungen sind ausreichende Schadensdaten von abgelaufenen Ereignissen oder synthetisch ermittelte Daten, die sinnvollerweise in einer deutschlandweiten Datenbank vorgehalten und wissenschaftlichen Auswertungen zugänglich gemacht werden sollten. Die Übertragbarkeit der neuen Schadensfunktion
2.4 Wissensstand zum Hochwasserrisikomanagement
47
auf andere Untersuchungsgebiete muss noch nachgewiesen werden. Trotz erster Schritte bei der Erstellung von qualifizierteren Schadensfunktionen für Nichtwohnbebauungen bleibt noch ein großer Entwicklungsbedarf für Schadensfunktionen anderer Infrastrukturbereiche bestehen. Schlussfolgerung 15: Die Genauigkeit bisheriger Schadensfunktionen ist aufgrund der bestehenden Datenlage nicht zufriedenstellend. Neuere Ansätze versuchen dieses Problem für Wohnbebauungen zu lösen, um effizient die möglichen Schäden ermitteln zu können. An Schadensfunktionen für Nichtwohnbebauungen und weitere Infrastrukturen und Nutzungen besteht noch ein großer Entwicklungsbedarf. Die Schadensfunktionen sind Voraussetzung für die Berechnung von Schadenserwartungen in Abhängigkeit von der Eintrittswahrscheinlichkeit schadensverursachender Hochwasserereignisse. Das Bild 2-20 soll noch einmal verdeutlichen, wie einerseits die weiter oben beschriebenen Unsicherheiten bei der Beschreibung der gefahrauslösenden physikalischen Prozesse und andererseits die bestehenden Unsicherheiten bei der Schadensberechnung die Genauigkeit bei Abschätzung der möglichen Schäden bei einem Hochwasserereignis beeinflussen.
Bild 2-20 Fehlerfortpflanzung bei Schadensabschätzungen [6]
Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, dass im Hochwasserrisikomanagement das Schadenspotenzial die allgemeinen Risikoelemente (Werte) in einem abgegrenzten Untersuchungsraum bezeichnet, die potenziell von einem definierten Hochwasser betroffen werden könnten und als schadensanfällig anzusehen sind.
48
2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement
2.4.5 Ausblick Die Ausführungen in diesem Kapitel zu den ausgewählten Fachdisziplinen zum integrierten Hochwasserrisikomanagement zeigten, dass eine große Palette von Wissensgebieten zur Bewältigung dieser Aufgaben benötigt wird. Nach der bisher verbreiteten Untersuchung von vielen Einzelthemen- und prozessen ist es erforderlich, dass der äußerst komplexe Kreislauf des Hochwasserrisikomanagements als Ganzes und ressortübergreifend betrachtet und wissenschaftlich aufbereitet wird. Bei der Erarbeitung der Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten sowie der Hochwasserrisikomanagementpläne nach der EG-HWRM-RL werden noch viele Detailfragen rechtlicher, naturwissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Natur zu lösen sein. Viele wissenschaftliche Arbeiten und bereits durchgeführte Forschungsprojekte, wie z. B. die aktuellen EU-Projekte und das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte „Risikomanagement extremer Hochwasserereignisse“ (RIMAX), stellen neue Erkenntnisse zur Verfügung, die es auf ihre Anwendbarkeit und Zuverlässigkeit für die Praxis zu prüfen gilt. Neben den Details werden uns langfristige Entwicklungen ebenfalls vor neue Herausforderungen und Fragen im Hochwasserrisikomanagement stellen: ¾ globale Fragen des Hochwasserrisikomanagements: x Auswirkungen des Klimawandels z. B. auf: í Wetterlagen í Niederschlag í Vorhersagemöglichkeiten x Auswirkungen der demographischen Entwicklung z. B. auf: í Siedlungsdichte í Bevölkerungskonzentrationen í Schadenspotenziale x Auswirkungen der Raumnutzungsentwicklungen z. B. auf: í Flächenverbrauch í Siedlungsdruck í Schadenspotenziale x Auswirkungen von Langzeitprozessen wie z. B. auf: í Geomorphologie í Entwicklung des Hochwasserrisikobewusstseins Diese grundlegenden Fragestellungen und langfristigen Entwicklungen erfordern eine ständige Befassung mit den Themen des Hochwasserrisikomanagements, um die Schutzstrategien an die sich ändernden Randbedingungen anpassen zu können. Auch hierzu ist es erforderlich, das Hochwasserrisikobewusstsein auf allen Ebenen unserer Gesellschaft wach zu halten.
3
EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
3.1 Allgemeines Im Oktober 2007 hat die Europäische Union die Richtlinie 2007/60/EG zur Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (EG-HWRM-RL) [75] verabschiedet und die Bundesregierung mit dem ab 01.03.2010 geltendem neuen Wasserhaushaltsgesetz [31] in nationales Recht umgesetzt. Die einzelnen Bundesländer werden zeitnah ihre Landeswassergesetze ebenfalls anpassen. Diese EG-Richtlinie soll zur Verringerung der hochwasserbedingten nachteiligen Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und die wirtschaftlichen Tätigkeiten dienen. Damit bildet sie die Grundlage für ein integriertes Hochwasserrisikomanagement auf europäischer Ebene. In Umsetzung der EG-HWRM-RL werden alle EU-Mitgliedsstaaten in den nächsten Jahren flusseinzugsgebietsweise das Hochwasserrisiko bewerten, bei Betroffenheit Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten erstellen und Hochwasserrisikomanagementpläne erarbeiten und in regelmäßigen Abständen überarbeiten. Die Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser hat im September 2008 die Strategie zur Umsetzung der EGHWRM-RL in Deutschland [168] beschrieben und einen ständigen Ausschuss (LAWA-AH) mit der Erarbeitung von Umsetzungshilfen beauftragt. Neben dem schon verabschiedeten Arbeitspapier „Vorgehensweise bei der vorläufigen Bewertung des Hochwasserrisikos“ [169] werden noch „Empfehlungen der LAWA zur Aufstellung von Hochwasserrisikomanagementplänen„ und „Empfehlungen der LAWA zur Aufstellung von Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten“ in Kürze erscheinen. Neben der Abhandlung zu den Inhalten und Zeithorizonten der EG-HWRM-RL sowie ihrer geplanten Umsetzung in Deutschland soll die Richtlinie in den Kontext zum integrierten Hochwasserrisikomanagement gestellt werden.
3.2 Inhalt der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie 3.2.1 Erwägungsgründe Unter dem Eindruck der größeren Hochwasserereignisse in den 1990’er Jahren und dem Extremereignis von 2002 in Mitteleuropa hatte die EU erkannt, dass Hochwasser die wirtschaftlichen Entwicklungen der Europäischen Gemeinschaft ernsthaft gefährden und existenzbedrohend sein können. Aus diesen und den im Weiteren genannten fachlichen Erwägungsgründen ist in einem langjährigen Prozess die EG-HWRM-RL entstanden. Diese eigenständige Richtlinie war erforderlich geworden, da die Verringerung des Hochwasserrisikos nicht als Hauptziel in der EG-WRRL [74] benannt ist.
50
3 EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
¾ Auswahl fachlicher Erwägungsgründe zur EG-HWRM-RL in Anlehnung an [75]: x Hochwasser haben das Potenzial zu í Todesfällen í Umsiedlungen von Personen í Umweltschäden í Gefährdung wirtschaftlicher Tätigkeiten und Entwicklungen. x Hochwasser sind nicht verhinderbare natürliche Phänomene. x Auftetenswahrscheinlichkeiten und nachteilige Auswirkungen von Hochwasser werden durch Klimaveränderungen und menschliche Tätigkeiten (z. B. Siedlungsflächen) verstärkt. x Maßnahmen zur Hochwasserrisikoverringerung sollten innerhalb eines Einzugsgebietes koordiniert werden und erfordern staatenübergreifende Zusammenarbeit. x Maßnahmen mit Wasser- und Flächennutzung sollten auf ihre Auswirkungen auf das Hochwasserrisiko geprüft werden. x Die Ziele des Hochwasserrisikomanagements müssen lokale und regionale Gegebenheiten berücksichtigen. x Im Hochwasserrisikomanagement besitzt der Grundsatz der Solidarität eine große Bedeutung. Schlussfolgerung 16: Die EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie stellt mit ihrem Hauptziel der Verringerung des Hochwasserrisikos die logische Ergänzung zu den in der EG-Wasserrahmenrichtlinie angestrebten Umweltzielen dar. Beide Richtlinien sind nur über eine integrierte Bewirtschaftung der Einzugsgebiete umsetzbar.
3.2.2 Ziel Das Ziel der EG-HWRM-RL ist im Artikel 1 wie folgt beschrieben: „Ziel dieser Richtlinie ist es, einen Rahmen für die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken zur Verringerung der hochwasserbedingten nachteiligen Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten in der Gemeinschaft zu schaffen.“ [75] Damit stimmt das benannte Ziel der Richtlinie mit der weiter vorn schon erläuterten noch etwas weitreichenderen Zielsetzung des integrierten Hochwasserrisikomanagements überein. Wenn man die im Richtlinientext enthaltenen fachlichen Ziele noch berücksichtigt, kann man eine nahezu vollständige Übereinstimmung zum integrierten Hochwasserrisikomanagement feststellen.
3.2 Inhalt der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
51
Schlussfolgerung 17: Die Ziele der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie sind nahezu mit den etwas umfassenderen Zielen des integrierten Hochwasserrisikomanagements identisch.
3.2.3 Definitionen und vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos Nach den Erwägungsgründen und der Zielsetzung erfolgen im Artikel 2 der EG-HWRM-RL [75] Definitionen zu den wasserwirtschaftlichen Grundbegriffen, wie z. B. den Flussgebietseinheiten, dem Hochwasser und dem Hochwasserrisiko. Im Artikel 3 werden die Zuständigkeiten in Übereinstimmung mit der EG-WRRL geklärt. In den Artikeln 4 und 5 geht die EG-HWRM-RL auf die vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos unter folgenden Prämissen ein: ¾ Vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos nach EG-HWRM-RL [75]: x auf der Grundlage verfügbarer oder leicht abzuleitender Informationen, wie z. B. í Aufzeichnungen und Studien zu langfristigen Entwicklungen í Informationen zu Auswirkungen von Klimaveränderungen auf Hochwasser í Karten der Flussgebietseinheiten mit Einzugsgebieten, Teileinzugsgebieten, ggf. Küstengebieten, Topographie und Flächennutzung í Beschreibung vergangener Hochwasser mit signifikant nachteiligen Auswirkungen auf Schutzgüter einschließlich Eintrittswahrscheinlichkeit, Ausdehnung, Abflusswegen und Bewertung ihrer nachteiligen Auswirkungen í Bewertung potenziell nachteiliger Folgen künftiger Hochwasser auf die Schutzgüter unter Berücksichtigung von Topographie, gewässerkundlichen Angaben und weiterer Fachinformationen, wie z. B. Überschwemmungsgebiete, bestehende Hochwasserschutzinfrastrukturen und Vulnerabilität der Schutzgüter. Die nach diesen Kriterien identifizierten Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko müssen für jede Flussgebiets- und Bewirtschaftungseinheit benannt und anschließend den weiteren Betrachtungen entsprechend der EG-HWRM-RL unterzogen werden.
3.2.4 Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten Für die Hochwasserrisikogebiete müssen dann entsprechend Artikel 6 der EG-HWRM-RL Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten für folgende Szenarien erstellt werden: ¾ Szenarien für Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten nach [75]: x Hochwasser mit niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit (Extremereignis) x Hochwasser mit mittlerer Eintrittswahrscheinlichkeit (t 100 Jahre) x ggf. Hochwasser mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit
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3 EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
Die Hochwassergefahrenkarten müssen entsprechend EG-HWRM-RL folgende Informationen enthalten: ¾ Inhalt von Hochwassergefahrenkarten nach [75]: x Ausmaß der Überflutung x Wassertiefe oder ggf. Wasserstand x ggf. Fließgeschwindigkeit oder relevanter Wasserabfluss Die Hochwasserrisikokarten sollen entsprechend EG-HWRM-RL folgende Informationen enthalten: ¾ Inhalt von Hochwasserrisikokarten nach [75]: x Anzahl der potenziell betroffenen Einwohner x Art der wirtschaftlichen Tätigkeit x IVU-Anlagen gemäß RL 96/61/EG [76] x betroffene Schutzgebiete nach EG-WRRL [74] x weitere Informationen (z. B. Sedimente, Verschmutzungen, …)
3.2.5 Hochwasserrisikomanagementpläne Nach der Erarbeitung dieser in den Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten darzustellenden Grundlageninformationen sind auf deren Grundlage in der Flussgebiets- oder Bewirtschaftungseinheit abgestimmte Hochwasserrisikomanagementpläne entsprechend Artikel 7 und 8 der EG-HWRM-RL aufzustellen. Diese Pläne müssen folgende Informationen enthalten: ¾ Inhalt von ersten Hochwasserrisikomanagementplänen nach [75]: x Darstellung der Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko x Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten x Festlegung und Beschreibung angemessener Ziele für das Hochwasserrisikomanagement mit Schwerpunkt auf: í Verringerung potenzieller nachteiliger Folgen für Schutzgüter í nicht-bauliche Maßnahmen der Hochwasservorbeugung í Verminderung der Hochwasserwahrscheinlichkeit x Maßnahmen zur Zielerreichung x Berücksichtigung von Nutzen-Kosten, Überschwemmungsflächen, Retentionsräumen, natürlichen Überschwemmungsgebieten, Umweltzielen der EG-WRRL, Bodennutzung, Wasserwirtschaft, Raumordnung, Flächennutzung, Naturschutz, Schifffahrt und Hafeninfrastruktur
3.2 Inhalt der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
53
x Berücksichtigung aller Aspekte des Hochwasserrisikomanagements mit Schwerpunkt auf: í Vermeidung, Schutz, Vorsorge í Hochwasservorhersagen í Frühwarnsysteme x ggf. Berücksichtigung besonderer Merkmale des betreffenden (Teil-) Einzugsgebietes x ggf. Unterstützung nachhaltiger Flächennutzung x ggf. Verbesserung des Wasserrückhalts x Beachtung des Oberlieger- und Unterliegerprinzips Bei den nach Artikel 14 der EG-HWRM-RL aller 6 Jahre anstehenden Überarbeitungen der Hochwasserrisikomanagementpläne sind zu den bereits aufgeführten Inhalten noch folgende Informationen zu ergänzen: ¾ zusätzlicher Inhalt von überarbeiteten Hochwasserrisikomanagementplänen nach [75]: x alle Änderungen oder Aktualisierungen zum vorhergehenden Plan x Zusammenfassung der nach Artikel 14 EG-HWRM-RL durchzuführenden Überprüfungen x Bewertung der Fortschritte bezüglich der Zielerreichung (Erfolgskontrolle) x Beschreibung und Begründung weggelassener Maßnahmen aus vorhergehenden Hochwasserrisikomanagementplänen x Beschreibung zusätzlicher Maßnahmen gegenüber vorhergehender Hochwasserrisikomanagementpläne
3.2.6 Abstimmung mit WRRL, Information u. Konsultation der Öffentlichkeit Im Artikel 9 der EG-HWRM-RL [75] ist die Koordinierung mit der EG-WRRL [74] festgeschrieben. Hierbei wird schwerpunktmäßig auf die Möglichkeiten zur Verbesserung der Effizienz und des Informationsaustausches zur Erzielung von Synergien und gemeinsamen Vorteilen in Bezug auf die Umweltziele der EG-WRRL orientiert. ¾ Koordinierung von EG-HWRM-RL und EG-WRRL nach [75]: x Verbesserung von Effizienz und Informationsaustausch x Erzielung von Synergien und gemeinsamen Vorteilen bei Erreichung der Umweltziele nach EG-WRRL x Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten müssen mit Angaben der EGWRRL vereinbar sein
54
3 EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
x Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten sollen ggf. in die nach EGWRRL durchzuführenden Überprüfungen zu den Merkmalen der Flussgebietseinheit, Überprüfung der Umweltauswirkungen menschlicher Tätigkeiten und wirtschaftlicher Analysen zur Wassernutzung einbezogen werden x Hochwasserrisikomanagementpläne werden mit den nach EG-WRRL vorgesehenen Überprüfungen der Bewirtschaftungspläne abgestimmt und ggf. einbezogen x Koordinierung der aktiven Einbeziehung aller interessierten Stellen beider Richtlinien Die Hochwasserrisikomanagementpläne und deren Bestandteile, wie z. B. die Bewertung des Hochwasserrisikos und die Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten, sind öffentlich zugänglich zu machen und bei der Erstellung sind alle interessierten Stellen mit einzubeziehen. In den Artikeln 11 und 12 der EG-HWRM-RL befinden sich Durchführungs- und Änderungsvorschriften, die z. B. auf Datenformate und die Anpassung an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt abstellen.
3.2.7 Übergangsmaßnahmen Im Artikel 13 sind Übergangsmaßnahmen geregelt, die den Mitgliedsstaaten erlauben, bereits vorliegende EG-HWRM-RL-konforme Arbeitsergebnisse zu übernehmen und sich anrechnen zu lassen. Diese Regelungen beinhalten: ¾ Übergangsmaßnahmen nach [75]: x Entfall der vorläufigen Bewertung des Hochwasserrisikos, wenn: í Durchführung einer vorläufigen Bewertung und Ausweisung der Gebietskulisse vor dem 22.12.2010 oder í vor dem 22.12.2010 Beschluss über Erstellung von Hochwassergefahren-, Hochwasserrisikokarten und Hochwasserrisikomanagementplänen gemäß EGHWRM-RL x Verwendungsmöglichkeit von vor dem 22.12.2010 erstellten Hochwassergefahrenund Hochwasserrisikokarten gemäß Artikel 6 EG-HWRM-RL x Verwendungsmöglichkeit von vor dem 22.12.2010 erstellten Hochwasserrisikomanagementplänen gemäß Artikel 7 EG-HWRM-RL
3.2.8 Zeitplan, Überprüfungen, Berichte In den Artikeln 14 bis 19 der EG-HWRM-RL befinden sich alle Angaben zu den fälligen Überprüfungen, Berichten und die Schlussbestimmungen. Im Folgenden soll der Zeitplan zur Umsetzung der Richtlinie zusammengefasst dargestellt werden.
3.3 Zusammenhang zum integrierten Hochwasserrisikomanagement
55
¾ Zeitplan der EG-HWRM-RL nach [75]: x vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos í Erstbewertung bis 22.12.2011 í Überprüfung und Aktualisierung bis 22.12.2018 í weitere Überprüfungen, Bewertungen und Aktualisierungen aller 6 Jahre x Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten í Ersterstellung bis 22.12.2013 í Überprüfung und Aktualisierung bis 22.12.2019 í weitere Überprüfungen, Bewertungen und Aktualisierungen aller 6 Jahre x Hochwasserrisikomanagementpläne í Ersterstellung bis 22.12.2015 í Überprüfung und Aktualisierung bis 22.12.2021 í weitere Überprüfungen, Bewertungen und Aktualisierungen aller 6 Jahre Bei allen anstehenden Überprüfungen sollen die voraussichtlichen Auswirkungen des Klimawandels auf das Auftreten von Hochwasser berücksichtigt werden [75]. Der vorgestellte Zeitplan zwingt die EU-Staaten, sich immer wiederkehrend mit dem Hochwasserrisikomanagement zu beschäftigen, was zur Erhaltung des Hochwasserrisikobewusstseins beiträgt. Schlussfolgerung 18: Die EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie erfordert durch ihre periodisch anstehenden Überprüfungen, Neubewertungen und Aktualisierungen eine ständige Auseinandersetzung mit dem Hochwasserrisikomanagement, was zum Erhalt eines angemessenen Hochwasserrisikobewusstseins beiträgt.
3.3 Zusammenhang zum integrierten Hochwasserrisikomanagement Wenn man das im Kapitel 2 beschriebene integrierte Hochwasserrisikomanagement mit der EG-HWRM-RL vergleicht, kann man viele Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge feststellen, aber beides nicht gleichsetzen. Die EG-HWRM-RL ist eine rechtsverbindliche Vorgabe, die den fortlaufenden und iterativen Prozess des integrierten Hochwasserrisikomanagements in Europa initiieren, befördern und am Laufen halten will. Als wichtigsten Zusammenhang kann man herausstellen, dass die EG-HWRM-RL mit der Risikovermeidung und der Risikoverminderung einen großen Teil der Ziele des integrierten
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3 EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
Hochwasserrisikomanagements verfolgt. Im Artikel 7 der EG-HWRM-RL wird explizit darauf hingewiesen, dass die Hochwasserrisikomanagementpläne alle Aspekte des Hochwasserrisikomanagements mit den Schwerpunkten Vermeidung, Schutz und Vorsorge erfassen sollen. Damit sind neben der Wasserwirtschaft noch wesentlich mehr Akteure (siehe 2.4.2) angesprochen. Die inhaltlichen Einzelregelungen der EG-HWRM-RL betreffen vorrangig die Phase der Hochwasservorbeugung mit ihren Bestandteilen Prävention und Vorsorge. Zu den anderen Phasen (Bewältigung, Regeneration) des integrierten Hochwasserrisikomanagements gibt es nahezu keine Regelungen und Bezüge in der EG-HWRM-RL. In Tabelle 3-1 sind die Zusammenhänge der EG-HWRM-RL mit dem integrierten Hochwasserrisikomanagement zusammenfassend dargestellt. Tabelle 3-1 Zusammenhänge der EG-HWRM-RL mit dem integrierten Hochwasserrisikomanagement EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
Integriertes Hochwasserrisikomanagement
Ziele
Risikovermeidung, Risikoverminderung
Risikovermeidung, Risikoverminderung, Risikobegrenzung, Risikoakzeptanz
Inhalte
vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos
entweder Bestandteil einer Ereignisanalyse (Regenerationsphase) und/oder Bestandteil der Prävention (Vorbeugungsphase)
Hochwassergefahrenkarten
Bestandteil der Prävention (Vorbeugungsphase)
Hochwasserrisikokarten
Bestandteil der Prävention (Vorbeugungsphase)
Hochwasserrisikomanagementpläne
betreffen prinzipiell alle Phasen des integrierten Hochwasserrisikomanagements, Schwerpunktsetzung auf Phase der Vorbeugung (Prävention, Vorsorge)
Aus der Tabelle kann man entnehmen, dass bei einer 1:1 Umsetzung der in der EG-HWRMRL explizit angegebenen Fachinhalte viele, aber nicht alle Aspekte des integrierten Hochwasserrisikomanagements abgehandelt sind. Umgekehrt kann man jedoch feststellen, dass bei einer guten fachlichen Vorbereitung und Umsetzung aller Phasen des integrierten Hochwasserrisikomanagements die EG-HWRM-RL vollständig umgesetzt ist und auch der optimale Nutzen für die Gesellschaft erzielt werden kann. Schlussfolgerung 19: Das integrierte Hochwasserrisikomanagement ist umfassender als die in der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie geregelten Fachinhalte. Schlussfolgerung 20: Die konsequente Anwendung des integrierten Hochwasserrisikomanagements führt zur vollständigen fachlichen Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie.
4
Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
4.1 Allgemeines Um Empfehlungen für ein EG-HWRM-RL konformes und auf das jeweilige Bundesland optimiertes Hochwasserrisikomanagement abgeben zu können, muss als Erstes dessen wasserwirtschaftliche Ausgangslage analysiert werden. Hierzu müssen: ¾ die Rechtslage (EU-Recht, Bundesrecht, Landesrecht) ¾ die geologischen und topographischen Verhältnisse ¾ die klimatischen Bedingungen (Meteorologie, Hydrologie) ¾ die Gewässer (Fließgewässer, Standgewässer) ¾ die wasserwirtschaftlichen Anlagen (z. B. Stauanlagen, Hochwasserschutzeinrichtungen) ¾ die Flächennutzungen ¾ die Schadenspotenziale und ¾ die Vulnerabilität betrachtet werden. Diese Vorgehensweise soll im Folgenden überblicksmäßig für die Bundesrepublik Deutschland und am Beispiel des Freistaates Sachsen demonstriert werden. Dabei werden in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels neben der rechtlichen Entwicklung die wichtigsten Einflussgrößen für die Abflussbildung und Abflusskonzentration qualitativ beschrieben. Aus der dort vorgenommenen systematischen Aufarbeitung dieser Einflussgrößen, wie z. B. Niederschlagsverteilung und -intensität, Hangneigung, Tal- und Gewässermorphologie, Bodenarten, Versickerungsverhalten, Flächennutzung und Versiegelungsgrad lassen sich, wie auch geschehen, qualitative Trends für das Abflussverhalten insbesondere auch im Hochwasserfall ableiten. Damit soll u. a. gezeigt werden, dass man mit dem Ergebnis solcher Betrachtungen leicht verfügbare Grundlagen für Entscheidungen im Hochwasserrisikomanagement oder über weitere Entwicklungen im Raum, wie z. B. Landnutzungen, schaffen kann. Außerdem kann man mit diesen verfügbaren oder leicht abzuleitenden Informationen die vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos entsprechend Artikel 4 und 5 der EG-HWRM-RL [75] vornehmen. Bezug nehmend auf den unter 2.3 erläuterten Kreislauf des Hochwasserrisikomanagements kennzeichnet die wasserwirtschaftliche Ausgangslage den Umsetzungsstatus der Phase der Hochwasservorbeugung auf dem jeweiligen Stand des Wissens. Aus didaktischen Gründen wird das Hochwasser vom August 2002 als Ereignis im Hochwasserrisikomanagementkreislauf gewählt. Damit beziehen sich die folgenden Betrachtungen auf die Phase der Hochwasservorbeugung vor dem Ereignis von 2002.
58
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
4.2 Rechtslage bis 2002 4.2.1 Allgemeines Bis zum Hochwasserereignis vom August 2002 gab es bezüglich des Hochwasserrisikos keine konkreten Vorgaben durch die EU. In der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) [74] kann man nur die eine Aussage finden, dass weniger strenge Ziele im Sinne der EGWRRL festzulegen sind, wenn der Hochwasserschutz einen zu beachtenden Aspekt darstellt. Außerhalb der wassergesetzlichen Regelungen gab es einige wenige Grundsätze zum vorbeugenden Hochwasserschutz z. B. im Bereich der Raumordnung [20], die hier nicht weiter erörtert werden sollen.
4.2.2 Bundesrepublik Deutschland Im bis August 2002 geltenden Wasserhaushaltsgesetz (WHG) [32] gab es im § 32 gesetzliche Regelungen zu den Überschwemmungsgebieten und die Aufforderung an die Bundesländer, Vorschriften zum Schutz vor Hochwassergefahren zu erlassen. Mit den dort getroffenen Bestimmungen will laut Czychowski [43] der Bundesgesetzgeber den vorbeugenden Hochwasserschutz verbessern und auf eine möglichst einheitliche Vollziehung hinwirken. In anderen Paragraphen (z. B. § 31 und § 36 a) werden noch weitere Aussagen zum Hochwasserschutz insbesondere zum Erhalt natürlicher Rückhalteflächen getroffen. Auf Grund der sehr einseitigen rahmengesetzlichen Vorgaben hat zu diesem Zeitpunkt der Hochwasserschutz in der Bundesgesetzgebung noch nicht die ihm angemessene Berücksichtigung gefunden. Die komplexe Sichtweise des integrierten Hochwasserrisikomanagements fehlte völlig. Die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) hatte 1995 unter Beteiligung der Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Boden (LABO), der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landespflege, Erholung (LANA) und den zuständigen Bundesministerien Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz erarbeitet [166], die von der Umweltministerkonferenz 1995 verabschiedet worden sind. In diesen LAWA-Leitlinien werden die drei Säulen natürlicher Rückhalt, technischer Hochwasserschutz und weitergehende Hochwasservorsorge als sinnvolle Hochwasserschutzstrategie festgehalten. Diese Strategie beinhaltet schon viele, aber nicht alle Aspekte des Hochwasserrisikomanagements.
4.2.3 Freistaat Sachsen Da der Hochwasserschutz in der Hoheit der Bundesländer liegt, existierten erwartungsgemäß in der Landesgesetzgebung und somit auch im 2002 gültigen Sächsischen Wassergesetz (SächsWG) [103] schon zahlreiche Regelungen zum Hochwasserschutz, die sich in unterschiedlichem Maße an der LAWA-Leitlinie für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz orientierten.
4.2 Rechtslage bis 2002
59
So wird z. B. im § 3 (Grundsätze) SächsWG verlangt, dass Hochwasserschäden verhütet werden. Im § 69 (Umfang der Unterhaltung) wird geregelt, dass die Wasserbehörden aus Gründen des Hochwasserschutzes Festlegungen zum Umfang der Unterhaltung treffen können. In den §§ 85 bis 90 a sind unter anderem die Zuständigkeit für Planung, Bau, Betrieb und Unterhaltung, die Bau- und Unterhaltungslast für Hochwasserschutzanlagen und Deiche definiert und deren Verwendung zum Schutz gegen Überschwemmung und Hochwasserschäden explizit angeführt. Im § 93 (Regelungen für den Wasserabfluss (wild abfließendes Wasser)) wird das Ober-/Unterliegerprinzip herausgestellt und im § 98 (Gewässerschau) wird die regelmäßige Kontrolle des Zustandes der Hochwasserschutzanlagen und Überschwemmungsgebiete eingefordert. Die umfassenden Sächsischen Regelungen im § 99 SächsWG zum Hochwasserschutz haben Zeppernick und Habel in [275] sinngemäß wie folgt treffend beschrieben: Der allgemeine Hochwasserschutz wird durch Aufzählung von Beispielen erläutert und vom technischen Hochwasserschutz abgegrenzt. Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes sollen einerseits der Verbesserung des Wasserhaushaltes und ggf. auch der Minderung des technischen Hochwasserschutzes dienen. Der vorbeugende Hochwasserschutz dient dem Wohl der Allgemeinheit und soll durch die zuständigen Behörden in Planungs- und Zulassungsentscheidungen beachtet und durch die Bauleitplanung oder durch Nebenbestimmungen in Zulassungsentscheidungen umgesetzt werden. Der Begriff von Hochwasserschutzanlagen wird näher erläutert und dem Hochwasserschutz dienende Nebeneinrichtungen werden den Deichen gleich gestellt. Eine wasserrechtliche Verpflichtung Privater zum Bau und zur Unterhaltung von Hochwasserschutzanlagen zum eigenen Objektschutz erfolgt nicht. Mit diesen doch schon umfassenden gesetzlichen Regelungen wird die Tradition alter Sächsischer Wassergesetze (12.03.1909 oder 02.07.1982) fortgesetzt. Im § 100 (Überschwemmungsgebiete) SächsWG werden die Vorgaben des § 32 WHG in Landesrecht umgesetzt und präzisiert und in den §§ 101 (Wasser- und Eisgefahr) und 102 (Wasserwehr) werden Regelungen für den Ereignisfall getroffen. Zum Hochwassernachrichtendienst und der Hochwassermeldeordnung sowie zu Warn- und Alarmplänen für länderübergreifende oberirdische Gewässer existierten im § 104 entsprechende Festlegungen. Schlussfolgerung 21: Trotz der LAWA-Leitlinie für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz und der Erfahrungen aus dem Oderhochwasser von 1997 war die Rahmengesetzgebung durch den Bund bis 2002 aus fachlicher Sicht zu einseitig und als Vorgabe für die Länder zu schwach. Damit war es nicht möglich, eine einheitliche Hochwasserschutzstrategie auch über Bundesländergrenzen hinweg umzusetzen. Schlussfolgerung 22: Die wassergesetzlichen Regelungen zum Hochwasserschutz waren 2002 im Freistaat Sachsen schon recht ausgeprägt und vielseitig. Die Praktikabilität und die konsequente Anwendung durch die Wasserbehörden waren nicht in jeder Hinsicht sicher gestellt.
60
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Die dargestellte Rechtssituation und deren Umsetzungsstatus in die Praxis machen deutlich, dass auch die Rechtswissenschaften einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung des Hochwasserschutzes leisten können und müssen. So ist es in Würdigung der im weiteren Verlauf des Buches noch angesprochenen Rechtsprobleme wichtig, dass im Wasserrecht im Kontext zu anderen Rechtsbereichen, wie z. B. Naturschutzrecht, Raumplanungsrecht, Baurecht und Eigentumsrecht, klare und eineindeutige Regelungen getroffen werden müssen, die ein integriertes Hochwasserrisikomanagement überhaupt erst ermöglichen.
4.3 Topographie 4.3.1 Bundesrepublik Deutschland Deutschland kann man in Anlehnung an [158] von Nord nach Süd in die vier naturräumlichen Großregionen Norddeutsches Tiefland, Mittelgebirgsschwelle, Alpenvorland und Alpen einteilen (siehe auch Bild 4-1).
Bild 4-1 Topographie Deutschland [155]
4.3 Topographie
61
Das Norddeutsche Tiefland umfasst die küstennahen Marschen und die anschließende Geest. Mit weiten Buchten (Niederrheinisches Tiefland, Münsterland, Leipziger Tieflandsbucht) greift es in den Niederungen von Rhein, Ems, Weser und Elbe tief in die Mittelgebirgsschwelle ein. An der Ostseeküste schließt sich mit zahlreichen Seen (Mecklenburgische Seenplatte) das Jungmoränengebiet des Baltischen Höhenrückens an, welches nach Süden in das Altmoränenland mit Niederungen, Urstromtälern und Hochflächen übergeht und durch den südliche Landrücken des Fläming begrenzt wird. Die Mittelgebirge zergliedern sich in eine Vielzahl kleiner Landschaftseinheiten. Das beiderseits des Mittelrheins gelegene Rheinische Schiefergebirge bildet einen zusammenhängenden Gebirgskörper, dem sich im Osten das Hessische-, das Weser- und das Leinebergland sowie der Harz, der Thüringer Wald und das Fichtelgebirge anschließen. Die östliche Mittelgebirgsumrandung von Deutschland reicht vom Elstergebirge über das Erzgebirge bis zum Elbsandsteingebirge mit dem Durchbruchstal der Elbe und im Süden bis zum Böhmerwald mit dem Oberpfälzer und Bayerischen Wald. Von den östlichen Randhöhen des Oberrheingrabens (Spessart, Odenwald, Schwarzwald) erstreckt sich bis zur Donau und im Osten bis zum Bayerischen Wald eine Schichtstufenlandschaft, die westlich des Rheins ihre Fortsetzung im Pfälzer Wald findet. Zwischen der Schwäbischen Alb, dem Bayerischen Wald und den im äußersten Süden Deutschlands befindlichen Kalkalpen erstreckt sich der deutsche Teil des Alpenvorlandes.
4.3.2 Freistaat Sachsen Den Freistaat Sachsen kann man entsprechend Bild 15-1 (siehe Anlage Farbbilder) von Süden nach Norden in die Mittelgebirge, das Hügelland und das Flachland untergliedern. In Anlehnung an [271] gliedern sich die Sächsischen Mittelgebirge von West nach Ost durch eher unscharfe Grenzen. Im Südwesten Sachsens erstreckt sich das Vogtland mit dem Erzgebirgsbecken als Nordgrenze und dem Elstergebirge im Südosten. Nach Osten folgt die Pultscholle des Erzgebirges, welches in West-, Mittel- und Osterzgebirge untergliedert werden kann. Die Höhenlagen des Erzgebirges nehmen dabei von West nach Ost langsam von über 1200 m bis unter 1000 m ab. Nach Süden erstreckt sich das Erzgebirge über die Landesgrenze hinaus bis an den Egertalgraben. Den nördlichen Bereich des Erzgebirges entlang der Kammlagen nimmt der Naturpark Erzgebirge/Vogtland ein. Das Sächsische Elbland und das Elbsandsteingebirge trennen das Erzgebirge nach Nordosten vom Lausitzer Bergland und dem Zittauer Gebirge ab. Nördlich der Mittelgebirge befindet sich das durch Endmoränenbildung entstandene Hügelland mit seinen weitflächigen Lößablagerungen (Lößhügelland). Zum im Norden Sachsens gelegenen Flachland gehören die Leipziger Tieflandsbucht südlich von Leipzig sowie die Niederlausitz bzw. Oberlausitz im Nordosten. Beide sind durch jüngere Ablagerungen aus dem eiszeitlichen Paläozän und den Flussniederungen gekennzeichnet, sowie insbesondere durch deren tertiäre Braunkohlevorkommen im Untergrund. Aus der Topographie lassen sich die entsprechenden Rückschlüsse auf die Hangneigung und die zu erwartenden Abflussprozesse ziehen. Im Bild 15-2 sind die Hangneigungen für Sachsen dargestellt.
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4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Schlussfolgerung 23: Für Deutschland und Sachsen kann man bezüglich der Hochwassercharakteristik ähnliche topographische Verhältnisse feststellen. Im Süden befinden sich die Gebirge mit einem fein verzweigten Gewässernetz, wo auch aufgrund der steilen Hangneigungen die dynamischen Hochwasserprozesse (Sturzfluten) die entscheidende Rolle spielen. Diese südlichen Gewässernetze verschmelzen zu den größeren Flusssystemen in den nördlich anschließenden Tiefländern, wo es vorrangig zu großflächigen Überschwemmungen durch die hohe Wasserführung der größeren Flüsse kommen wird.
4.4 Geologie 4.4.1 Allgemeines Der Einfluss der geologischen Ausstattung eines Einzugsgebietes auf die Hochwasserentstehung ist in hohem Maße von der Gebietsgröße abhängig [23]. Prinzipiell kann man feststellen, dass die Beschaffenheit des Bodens und des Gesteins, der Anschluss des Bodens an den Grundwasserleiter, die Speicherkapazität und die hydraulische Leitfähigkeit des Grundwasserleiters die Hochwasserentstehung beeinflussen. Für die Analyse der wasserwirtschaftlichen Ausgangslage interessieren im Rahmen der vorliegenden Betrachtung nicht so sehr die erdgeschichtlichen Gebirgsbildungsprozesse und Untergesteine sondern die für die Versickerungseigenschaften und Abflusswirksamkeit wichtigen Bodenstrukturen, auf die sich die folgenden Ausführungen beschränken werden. Die für die Hochwasserentstehung wichtigsten Parameter des Bodens sind dessen Wasseraufnahmefähigkeit, Wasserleitfähigkeit und dessen Wasserhaltevermögen [225]. Diese Parameter werden maßgeblich von dem im Boden vorhandenen Porensystem beeinflusst.
4.4.2 Bundesrepublik Deutschland Die Zusammensetzung und Qualität der Böden in Deutschland ist regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Norddeutschland trifft man im küstennahen Gebiet auf Marschböden holozänen Ursprungs, die meist aus Klei oder tonigen Sedimenten bestehen und zur Nutzung entwässert werden müssen. Die anschließenden eiszeitlich geprägten etwas höher gelegenen Geestlandschaften weisen sehr magere sandhaltige Böden auf. Diese sandigen und damit wasserdurchlässigen Böden setzen sich über die Heidelandschaften (z. B. Lüneburger Heide) bis in die Gebiete der Alt- und Jungmoränenlandschaft (z. B. Brandenburg), in denen sich Flugsand angelagert hat, fort. Zwischen der Moränenlandschaft und der Mittelgebirgsstufe zieht sich von West nach Ost eine Reihe von fruchtbaren Börden, die durch eiszeitliche Lößablagerungen gekennzeichnet sind. Diese schluff- und tonhaltigen Braun- und im Osten teils Schwarzerden werden landwirtschaftlich stark genutzt. In den Mittelgebirgen herrschen magere oft lehmige Böden vor, die landwirtschaftlich extensiv bewirtschaftet werden oder be-
4.5 Meteorologie und Hydrologie
63
waldet sind. Eine Karte mit den Bodenregionen der Bundesrepublik Deutschland ist in Bild 15-3 dargestellt.
4.4.3 Freistaat Sachsen Gemäß der in 4.3 beschriebenen Topographie ist die Bodenstruktur in Sachsen sehr unterschiedlich ausgeprägt (siehe Bild 15-4). In den Erzgebirgslagen und im Vogtland sind vorwiegend Lehmböden und lehmiger Gebirgsschutt anzutreffen. Im Mittelsächsischen Hügelland und im Lausitzer Bergland dominieren die Lößböden und in der nördlichen Oberlausitz die Sandböden. In der Elbniederung selbst findet man im Südteil vorrangig lehmige Sandböden, die in Richtung Nordwesten entlang der Elbe zu sandigem Lehm und Sand übergehen [163]. Hieraus kann man leicht erkennen, dass gerade in den niederschlagsreicheren Gebieten Sachsens (siehe 4.5) die undurchlässigeren und damit abflusswirksameren Böden anzutreffen sind. Schlussfolgerung 24: Auch bei den Bodenarten kann man für Deutschland und Sachsen bezüglich der Hochwassercharakteristik prinzipiell ähnliche Verhältnisse feststellen. Die niederschlagsreicheren Gebirgslagen und das vorgelagerte Hügelland sind durch relativ undurchlässige und damit sehr abflusswirksame Bodenarten gekennzeichnet. Damit wird deutlich, dass auch die jeweils vorhandenen Bodenarten den in Schlussfolgerung 23 beschriebene Effekt der hohen Fließgeschwindigkeiten (Sturzfluten) im Gebirge und der eher großflächigen Überschwemmungen im Flachland bedingen.
4.5 Meteorologie und Hydrologie 4.5.1 Bundesrepublik Deutschland Deutschland liegt in den mittleren Breiten und gehört vollständig zur vom Golfstrom beeinflussten warm-gemäßigten Klimazone Mitteleuropas mit feuchttemperierter Witterung und befindet sich im Übergangsbereich zwischen dem maritimen Klima Westeuropas und dem kontinentalen Klima Osteuropas [8], [268]. Bei überwiegend westlichen Winden werden oft feuchte Luftmassen vom Atlantischen Ozean herangeführt, die vielfach zu Niederschlägen führen (siehe Bild 4-2). Der von Nordwest nach Südost abnehmende atlantische Einfluss sorgt für relativ milde Winter und nicht so heiße Sommer.
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4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
4.5.2 Freistaat Sachsen Da Sachsen im Osten von Deutschland liegt, ist das Klima im Freistaat verhältnismäßig stark kontinental geprägt. Der für Sachsen unter 4.3 topographisch vorgenommenen Untergliederung kann man die in [8] aufgeführten Klimabezirke zuordnen: ¾ Deutsches Mittelgebirgs-Klima (Mittelgebirge) ¾ Deutsches Berg- und Hügelland-Klima (Hügelland) ¾ Ostdeutsches Binnenland-Klima (Flachland) Sachsen bekommt einerseits durch seine große Entfernung zum Atlantik und andererseits durch die Regenschatteneffekte auf der Erzgebirgsnordseite und die westlich vorgelagerten Mittelgebirge Fichtelgebirge, Thüringer Wald und Harz relativ wenige Niederschläge. Das langjährige Mittel für Sachsen beträgt nach Grünewald [119] ca. 740 mm pro Jahr, was in etwa dem mittleren Jahresniederschlag für Europa entspricht. Im Mittelgebirge und im Hügelland liegen die niederschlagsreichen Gebiete mit 750 bis 1200 mm/a und bis zu 1300 mm/a im Westerzgebirge [101] und im nördlichen Tiefland die niederschlagsarmen Gebiete mit 480 bis 650 mm/a [119]. Neben den vorherrschenden Westwetterlagen, die Sachsen meist in abgeschwächter Form erreichen, sind die für episodische Starkregenereignisse verantwortlichen Mittelmeerzyklonen von Bedeutung. Der Einfluss dieser von dem Meteorologen van Bebber (1841-1909) als Vb bezeichneten Wetterlagen nimmt innerhalb Sachsens von West nach Ost zu und ist häufig mit lang anhaltenden Starkniederschlägen verbunden (Bild 4-2).
Bild 4-2 Typische Zugbahnen der Zyklonen nach van Bebber [151]
Im Erzgebirge sind bedingt durch lokale Gewitterbildungen sommerliche Niederschlagsmaxima keine Seltenheit. Dies bestätigt auch die im Bild 15-5 dargestellte Häufigkeitsverteilung der Niederschlägen von t 50 mm/d.
4.6 Fließgewässer
65
Schlussfolgerung 25: Sachsen ist für deutsche Verhältnisse relativ niederschlagsarm. Durch Vb-Wetterlagen und lokale Gewitterbildungen im Erzgebirge sind Starkregenereignissen und sommerliche Niederschlagsmaxima jedoch keine Seltenheit. Deshalb sind in Sachsen oft die Sommerhochwasser und nicht wie in den anderen deutschen Bundesländern die Winterhochwasser für die Bemessung der Hochwasserschutzanlagen ausschlaggebend.
4.6 Fließgewässer 4.6.1 Bundesrepublik Deutschland Auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland befinden sich ca. 400.000 km Fließgewässer (siehe Bild 4-3) von denen ca. 20.000 km Gewässer ein Einzugsgebiet von mehr als 1.000 km² haben [166]. Bei den Hunderten von Flüssen und Tausenden von Bächen gibt es allein 30 Flüsse mit einer Fließlänge von mehr als 200 km und über 600 Flüsse mit einer Fließlänge von mehr als 10 km. Eine Auflistung aller Flüsse Deutschlands kann man im Internet [270] finden.
Bild 4-3 Gewässernetz der Bundesrepublik Deutschland [25]
66
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Die deutschen Flüsse lassen sich nach der EG-WRRL [74] den im Bild 4-4 dargestellten Flussgebietseinheiten Donau, Rhein, Maas, Ems, Weser, Elbe, Oder, Warnow/Peene, Schlei/Trave und Eider zuordnen, die in die Nordsee, in die Ostsee oder das Schwarze Meer entwässern.
Bild 4-4 Flusseinzugsgebietseinheiten in der Bundesrepublik Deutschland [259]
Im Süden Deutschlands entwässert die Donau auf 647 km Länge mit ihren wichtigsten Zuund Nebenflüssen Iller, Lech, Altmühl, Naab, Regen, Isar und Inn fast das gesamte Alpenvorland und fließt über Österreich und Südosteuropa in das Schwarze Meer. Der Westen und Südwesten Deutschlands werden auf einer Länge von 865 km hauptsächlich durch den in die Nordsee mündenden Rhein mit seinen wichtigsten Zu- und Nebenflüssen Neckar, Main,
4.6 Fließgewässer
67
Mosel, Lahn, Ruhr und Lippe entwässert. Im Osten Deutschlands wird das Oberflächenwasser überwiegend durch die 727 km Elbe mit ihren wichtigsten Zu- und Nebenflüssen Schwarze Elster, Mulde, Saale und Havel in die Nordsee und zu einem kleinen Teil durch die 187 km Oder mit ihrem wichtigsten Zufluss Neiße in die Ostsee abgeleitet. Der Norden Deutschlands wird im Westen durch die 371 km lange Ems (Hase, Jümme), die 452 km lange Weser (Werra, Fulda, Diemel, Werre, Aller, Lesum, Hunte) und die 188 km lange Eider in die Nordsee und im Osten durch einen Teil der Elbe in die Nordsee und durch die 42 km lange Schlei, die 124 km lange Trave, die 151 km lange Warnow und die 156 km lange Peene in die Ostsee entwässert.
4.6.2 Freistaat Sachsen Die Fließgewässer des Freistaates Sachsen werden laut dem Sächsischen Wassergesetz [103] in die im Bild 15-6 dargestellten Kategorien Bundeswasserstraße, Gewässer I. und II. Ordnung eingeteilt. Für die Gewässer I. Ordnung mit einer Fließlänge von ca. 3.000 km ist die Landestalsperrenverwaltung im Auftrag des Freistaates Sachsen zuständig und für die Gewässer II. Ordnung mit einer Fließlänge von ca. 15.000 km sind die Kommunen zuständig. Eine Besonderheit bezüglich der Zuständigkeit stellt die Elbe als Bundeswasserstraße dar. Die Bundesrepublik ist an der Elbe bis zu den schiffbaren Wasserständen zuständig. Für die Hochwasserschutzanlagen und Deiche ist die Landestalsperrenverwaltung im Auftrag des Freistaat Sachsen zuständig. Für die Gebiete zwischen höchstem schiffbaren Wasserstand an der Elbe und Hochwasserschutzanlagen oder Deichen, Altarme und Flutrinnen an der Elbe gibt es keine eindeutige Zuständigkeitsregelung, somit sind dort die Kommunen zuständig. Schlussfolgerung 26: Die Zuständigkeit für die Bau- und Unterhaltungslast sowie für den Hochwasserschutz an Bundeswasserstraßen einschließlich der Altarme und Flutrinnen sollte eindeutiger geregelt und in weniger Hände gelegt werden, nur so kann auch an den Bundeswasserstraßen ein optimaler Hochwasserschutz erreicht werden. Von den nach der EG-WRRL definierten Flussgebietseinheiten (siehe Bild 4-4) liegen ein sehr kleiner Teil der Oder und ein großer Teil der Elbe auf Sächsischem Territorium. Die Flussgebietseinheiten werden nach EG-WRRL in die Einzugsgebiete der Hauptfließgewässer unterteilt. Die für Sachsen zutreffenden Einzugsgebiete sind im Bild 15-7 dargestellt. Die sehr kleinen Anteile der Einzugsgebiete der Eger, der Polzen und der Saale haben nahezu keine hochwasserrelevante Bedeutung für Sachsen und werden im Folgenden nicht weiter betrachtet. Bis auf den östlichsten Teil Sachsens, der über die Lausitzer Neiße (Gaule, Landwasser, Lausur, Mandau, Pließnitz) in die Ostsee entwässert, liegt der Freistaat im Einzugsgebietssystem der in die Nordsee fließenden Elbe.
68
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Linkselbisch sind die Einzugsgebiete der Weißen Elster (Eula, Feilebach, Göltzsch, Görnitzbach, Koberbach, Parthe, Pleiße, Rauner Bach, Schnauder, Stoppbach, Trieb, Geigenbach, Triebelbach, Wyhra), der Zwickauer Mulde (Amselbach, Chemnitz, Crinitzer Wasser, Gablenzbach, Große Bockau, Große Mittweida, Kleine Bockau, Klingerbach, Lungwitzbach, Rödelbach, Schwarzwasser, Stadtguttalbach, Unterer Querenbach, Wiltzsch, Würschnitz, Zwönitz), der Freiberger Mulde (Bobritzsch, Flöha, Gimmlitz, Große Lößnitz, Haselbach, Lampertsbach, Lautenbach, Pöhlbach, Preßnitz, Saidenbach, Schwarze Pockau, Sehma, Revierwasserlaufanstalt Freiberg, Striegis, Wilisch, Zschopau) und der Vereinigten Mulde (Leine, Lober, Lossa, Schwarzbach) maßgebend. Rechtselbisch befinden sich die Einzugsgebiete der Schwarzen Elster (Dobrabach, Geißlitz, Große Röder, Hopfenbach, Hoyerswerdaer Schwarzwasser, Kleine Röder, Klosterwasser, Langes Wasser, Pulsnitz) und der Spree (Kleine Spree, Kotitzer Wasser, Löbauer Wasser, Schwarzer Schöps, Weißer Schöps). Die Elbe selbst besitzt in Sachsen ein ziemlich schmales Zwischeneinzugsgebiet und auch nur recht kleine einmündende Fließgewässer. Die wichtigsten linkselbischen Zuflüsse sind die Biela, die Gottleuba (Bahra, Bahre, Mordgrundbach, Seidewitz,), die Müglitz, der Lockwitzbach, die Weißeritz (Neugraben, Quergraben, Rote Weißeritz, Wilde Weißeritz), die Wilde Sau, der Ketzerbach, die Triebisch, die Jahna, die Döllnitz, die Dahle und die Weinske. Rechtselbisch sollen die Kirnitzsch, der Lachsbach (Polenz, Sebnitz), die Wesenitz, die Prießnitz, der Keppbach und der Lößnitzbach genannt werden. Im Bild 15-8 sind die Gewässertypen nach EG-WRRL dargestellt. Hier erkennt man, dass weit über die Hälfte der Gewässer in Sachsen Mittelgebirgsflüsse und -bäche (braune Farbe) und nur der kleinere Teil Tieflandflüsse und -bäche (Gelbtöne) sind. Diese Konstellation hat starke Auswirkungen auf das Abflussverhalten im Hochwasserfall, die im Weiteren für die maßgebenden Fließgewässer und deren Teileinzugsgebiete unter Auswertung von IKSEUnterlagen [147] näher erläutert werden. Weitergehende Beschreibungen zu den Fließgewässern können an selber Stelle nachgelesen werden. Nach ca. 371 km Fließlänge überschreitet die Elbe in ihrem Oberlauf die TschechischSächsische Grenze (deutscher Elbe-km 0,0) in einem engen Tal mit 200 bis 300 Meter tiefen Einschnitten [147] im Bereich des Elbsandsteingebirges. Bis dahin entwässert die Elbe ein Einzugsgebiet von 51.394 km² und weist einen mittleren Abfluss von ca. 311 m³/s auf. Nach ca. weiteren 23 km beginnt oberhalb von Pirna die als Platten und Hügelland gekennzeichnete Dresdner Elbtalweitung, die sich bis Meißen erstreckt. Dort beginnend durchfließt die Oberelbe das Mittelsächsische Lößhügelland bevor sie sich dann ab deutschem Elbe-km 96,0 als Mittelelbe anfänglich über das Riesa-Torgauer Elbtal in das Mitteldeutsche Tiefland erstreckt und Sachsen in Richtung Sachsen-Anhalt verlässt. Im Bereich der Sächsischen Oberelbe existieren nur wenige Deiche, die meisten davon im Raum Dresden-Meißen. In Dresden selbst befinden sich zwei Flutrinnen, die jeweils ca. 600 m³/s Wasser umleiten können. Der Bereich der Sächsischen Mittelelbe ist in großen Teilen eingedeicht. Die Elbe ist als Bundeswasserstraße auf deutschem und somit auch Sächsischem Gebiet durch Strombaumaßnahmen beeinflusst und in ihrer Lage fixiert. In den größeren Ortslagen an der Elbe befinden sich zahlreiche Hochwasserschutzanlagen, wie z. B. Deiche oder Mauern. Für den Sächsischen Teil der Elbe geht die Hochwassergefahr von den hohen Durchflüssen und den damit verbun-
4.6 Fließgewässer
69
denen hohen Wasserständen aus. Die dabei auftretenden Fließgeschwindigkeiten führen nur in den seltensten Fällen zu weiteren Schäden. Die direkten Elbzuflüsse Sachsens sind überwiegend durch enge, stark eingetiefte und steile, felsige Täler im Ober- und Mittellauf gekennzeichnet, die stellenweise Wildbachcharakter haben können. So bewegt sich z. B. bei den Osterzgebirgsflüssen das durchschnittliche Gefälle von der Quelle bis zur Mündung zwischen 13 ‰ und 20 ‰ [147]. Die Talformen selbst sind vom Reliefbild abhängig und variieren zwischen Klamm-, V- und Kerbtäler sowie mehrere hundert Meter breiten Sohlentäler. Im Unterlauf weiten sich die Flusstäler etwas auf und können auch noch mäandrieren. Der Geschiebetransport ist stark von den Gefälleverhältnissen und den anstehenden Materialien abhängig und kann gerade in Hochwassersituationen bedeutende Größenordnungen annehmen. In vielen Ortslagen sind die Gewässer als festes Gerinne ausgebaut. Durch den relativ geringen Waldbestand (siehe auch 4.8) und den anstehenden Boden (siehe 4.4) weisen die Einzugsgebiete der Osterzgebirgsflüsse ein ziemlich geringes natürliches Rückhaltevermögen auf und werden nach Einschätzung der IKSE [147] zu den hochwassergefährdetsten Gebieten Mitteleuropas gezählt. Die Fließgewässer in den Einzugsgebieten der Zwickauer und Freiberger Mulde entwässern vorrangig das Mittel- und Westerzgebirge und weisen ähnliche Charakteristika, wie die Osterzgebirgsflüsse auf. Die Freiberger Mulde mit 5,8 ‰ und die Zwickauer Mulde mit 3,8 ‰ durchschnittlichem Gefälle sind selbst schon nicht mehr so steil und im Abflussverhalten weniger dynamisch. Auch hier sind in vielen Ortslagen die Gewässer als festes Gerinne ausgebaut. Die am Zusammenfluss der Freiberger und Zwickauer Mulde entstehende Vereinigte Mulde – meist nur als Mulde bezeichnet – ist schon eher ein typischer Tieflandsfluss, der mit einem mittleren Gefälle von 0,5 ‰ in der Regel keine Hochwasserprobleme durch dynamische Prozesse sondern durch die dann auftretenden hohen Wasserstände verursacht. Die in der Leipziger Tieflandsbucht liegende Sächsische Mulde ist zu großen Teilen eingedeicht oder im Bereich von Ortslagen mit Ufermauern versehen. Die Fließgewässer im Sächsischen Einzugsgebiet der Weiße Elster entwässern das Elstergebirge und Vogtland in Richtung Leipziger Tieflandsbucht und ähneln in ihrem Abflussverhalten ebenfalls den Fließgewässern des Osterzgebirges. Die Weiße Elster selbst besitzt mit 20,2 ‰ Gefälle auf tschechischem Gebiet noch Wildbachcharakter und ist im Oberlauf auf deutschem Gebiet mit 6,2 ‰ noch recht steil bevor sie im Mittellauf (1,5 ‰) und im Unterlauf mit 0,76 ‰ Gefälle flacher und damit im Abflussverhalten weniger dynamisch wird. Die im Sächsischen Einzugsgebiet der Schwarzen Elster befindlichen Fließgewässer entwässern Teile des Oberlausitzer Berglandes. Aufgrund der geringeren Höhenunterschiede weisen diese Gewässer nach kurzen Fließstrecken schon keine großen Gefälle mehr auf. Die Schwarze Elster selbst hat 13 km nach der Quelle nur noch ein mittleres Gefälle von ca. 1,0 ‰ bis zur Mündung. Damit reduziert sich bei diesen Gewässern die Hochwassergefahr mehr auf Ausuferungen aufgrund höherer Wasserstände. Die Spree mit ihren Zuflüssen im Oberlauf stellt bis zur TS Bautzen mit ihrem mittleren Gefälle von 4,2 ‰ einen typischen Mittelgebirgsfluss dar, der am Anfang in teilweise tief eingeschnittenen, engen Tälern noch Gebirgsbachcharakter mit all den für die Osterzgebirgsflüsse schon beschriebenen Hochwasserwirkungen hat. Nach der TS Bautzen ist die Spree ein typi-
70
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
scher Flachlandfluss, der mit einem mittleren Gefälle von weit unter einem Promille keine dynamischen Hochwassereigenschaften mehr aufweist. Die Lausitzer Neiße stellt im Sächsischen Teil eher ein Flachlandfluss mit geringerem Gefälle und den sich daraus ableitbaren Hochwassereigenschaften dar, der zu großen Teilen eingedeicht ist. Schlussfolgerung 27: Die Sächsischen Mittelgebirgsflüsse im Süden bieten durch ihre meist engen Täler im Oberund Unterlauf mit teilweise Wildbachcharakter kaum Flächen für einen natürlichen Rückhalt in der Fläche und durch die Steilheit der Täler werden, wie schon in der Schlussfolgerung 23 und Schlussfolgerung 24 festgestellt, die dynamischen Hochwasserprozesse (Sturzfluten) die entscheidende Rolle spielen. Diese südlichen Gewässernetze verschmelzen zu den größeren Flüssen in den nördlich anschließenden Tiefländern, wo es vorrangig zu großflächigen Überschwemmungen durch die hohe Wasserführung der größeren Flüsse kommen wird. Schlussfolgerung 28: Die für Sachsen maßgebenden Hochwasser an der Elbe entstehen im tschechischen Teil des Einzugsgebietes (51.394 km²). Zur Darstellung der Ausgangslage an den Fließgewässern sind auch Aussagen zu den Deichen wichtig. An den ca. 3.000 km Gewässer I. Ordnung und der Elbe in Sachsen existieren rund 650 km Hochwasserschutzdeiche. Die größten Deichlängen befinden sich an den Flachlandflüssen, so z. B. an der Elbe mit ca. 124 Deichkilometern und an der Vereinigten Mulde mit ca. 75 km, sowie an den flacheren Flussabschnitten im Mittelgebirgsvorland, wie z. B. an der Zwickauer Mulde mit ca. 51 km und an der Weißen Elster mit ca. 43 km. Die Lage der Deiche an den Gewässern I. Ordnung ist aus Bild 15-9 ersichtlich. Die Deiche in Sachsen sind in der Regel nicht übermäßig hoch. So haben ca. 40 % der Deiche eine mittlere Höhe von ein bis zwei Meter, ca. 39,5 % der Deiche eine mittlere Höhe von zwei bis drei Meter und nur ca. 16 % der Deiche sind höher als drei Meter. In der Deichdokumentation der LTV [181] ist festgehalten worden, welche Güter vorrangig durch die Deiche geschützt werden. Aus Bild 4-5 kann man entnehmen, dass die Deiche vorrangig zum Schutz von Siedlungs-, Industrie- und Infrastrukturanlagen errichtet worden sind. Andererseits sieht man aber auch, dass durch einen Deich immer mehrere Flächennutzungsarten geschützt werden, so dass in Sachsen z. B. fast 50 % der Deiche auch landwirtschaftlich genutzte Flächen schützen. Für die Bewertung des Zustandes der Deiche spielt deren Alter eine wichtige Rolle. Für Sachsen kann man feststellen, dass ca. 55 % der Deiche an den Gewässern I. Ordnung älter als 50 Jahre sind (siehe Bild 4-6). Entsprechende Zustandsanalysen [136] hatten gezeigt, dass vor dem Hochwasser von 2002 sich etwa 1/3 der in Sachsen an den Fließgewässern I. Ordnung befindlichen wasserbaulichen Anlagen in einem schlechten Zustand waren, was wiederum bedeutete, dass an ca. 47 % der Deiche Sanierungsbedarf bestand. Hauptursache bei den vorwiegend älteren Deichen waren einerseits konstruktive Mängel, wie z. B. steile Nei-
4.6 Fließgewässer
71
gungen, schmale Kronen oder mehrfach erhöhte Auelehmverwallungen und andererseits unzureichende Lagerungsdichten, Inhomogenitäten und Bewuchs.
Bild 4-5 Schutzfunktionen der Deiche an Gew. I. Ordnung in Sachsen (Stand 2003)
Bild 4-6 Altersstruktur der Deiche an Gew. I. Ordnung in Sachsen (Stand 2003)
72
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Schlussfolgerung 29: In Sachsen befinden sich die Deiche vorwiegend an den Flachlandflüssen und sind vorrangig zum Schutz von Siedlungs-, Industrie- und Infrastrukturanlagen errichtet worden. Zirka 80 % der Sächsischen Deiche sind zwischen ein bis drei Meter hoch. Da mehr als die Hälfte der Deiche in Sachsen über 50 Jahre alt ist, besteht an vielen Deichen Sanierungsbedarf zur Anpassung an die heute geltenden Regeln der Technik.
4.7 Stauanlagen 4.7.1 Allgemeines Nach der deutschen Norm DIN 19700, Teil 10 [63] werden Stauanlagen in Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken, Staustufen, Pumpspeicherbecken und Sedimentationsbecken unterschieden. Für das in dieser Arbeit im Fokus stehende Hochwasserrisikomanagement sind besonders die Talsperren (TS) [64] und Hochwasserrückhaltebecken (HRB) [65] als Anlagen des technischen Hochwasserschutzes mit großem Rückhaltevermögen und als gegebenenfalls krisensicherer Lieferant von Rohwasser zur Trinkwasserversorgung interessant. Als Talsperre bezeichnet man eine Stauanlage, die über den Querschnitt des Fließgewässers hinaus den gesamten Talquerschnitt absperrt und das zufließende Wasser anstaut. Talsperren werden für eine oder meist für mehrere der Hauptnutzungen, wie Rohwasserbereitstellung für Trink- oder Brauchwasser, Hochwasserschutz, Niedrigwasseraufhöhung, Energieerzeugung oder Schiffbarmachung errichtet. Als mögliche Nebennutzungen sollen die Fischerei, Erholung und der Tourismus genannt werden. Hochwasserrückhaltebecken können die Dimension von Talsperren haben, werden jedoch entsprechend ihres Namens exklusiv für den Rückhalt von Hochwasser errichtet. Dabei unterscheidet man in Trockenbecken und Dauerstaubecken. Die Trockenbecken sind normalerweise leer und werden nur im Hochwasserfall eingestaut. Die Dauerstaubecken sind meist aus Betriebssicherheitsgründen teilweise eingestaut. Bei Talsperren, die ganz oder teilweise dem Hochwasserschutz dienen, als auch bei den Hochwasserrückhaltebecken wird der ganze oder ein Teil des Stauraumes für den Hochwasserfall frei gehalten. Dieses Volumen wird als gewöhnlicher Hochwasserrückhalteraum (IGHR) bezeichnet. Zusätzlich zu diesem Hochwasserrückhalteraum besitzen jede Talsperre und jedes Hochwasserrückhaltebecken physikalisch bedingt einen Retentionsraum, den man als außergewöhnlichen Hochwasserrückhalteraum (IAHR) bezeichnet. Damit wirken sich alle Talsperren als auch die Hochwasserrückhaltebecken prinzipiell erst einmal positiv auf den Hochwasserrückhalt aus. Neben den Hochwasserrückhalteräumen besitzt jede Talsperre noch einen Betriebs-, Reserve- und Totraum. Im Bild 4-7 ist die Aufteilung der Stauräume entsprechend DIN 19700, Teil 11 [64] dargestellt.
4.7 Stauanlagen
73
Bild 4-7 Stauraumaufteilung nach DIN 19700, Teil 11 [64]
4.7.2 Bundesrepublik Deutschland Von den im weltweiten ICOLD – Register [143] (ICOLD - International Commission On Large Dams) gegenwärtig enthaltenen 33.105 großen Talsperren (hierzu zählen auch HRB) befinden sich 6.412 in Europa und davon 311 in Deutschland. Im ICOLD - Register sind nur Bauwerke mit einer Höhe ab 15 m oder Bauwerke mit einer Höhe zwischen 5 und 15 m und einem Stauvolumen ab 3 Mio. m³ erfasst. Die Bundesländer mit den meisten großen Talsperren sind laut ICOLD Nordrhein-Westfalen (73), Baden-Württemberg (53) und Sachsen (46).
74
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Wenn man die kleineren Talsperren und Speicher mitzählt, dann erhöht sich die Anzahl der Staubauwerke beträchtlich [113], [114].
Bild 4-8 Nutzungen deutscher Talsperren nach ICOLD-Kriterien
Bild 4-9 Stauraumaufteilung deutscher Talsperren nach ICOLD-Kriterien
4.7 Stauanlagen
75
Der Gesamtstauraum aller deutschen Talsperren nach ICOLD-Kriterien beträgt ca. 4,25 Milliarden m³. Rund 17 % der deutschen Talsperren (inklusive HRB) nach diesen Kriterien dienen ausschließlich dem Hochwasserschutz und bei weiteren 38 % ist der Hochwasserschutz eine von mehreren Nutzungen (siehe Bild 4-8). Damit wird bei ca. 55 % der großen deutschen Talsperren ein gewöhnlicher Hochwasserrückhalteraum von insgesamt ca. 802 Millionen m³ vorgehalten, was ungefähr 18,9 % des gesamten Stauraumes entspricht (siehe Bild 4-9). Hinzu kommt noch der außergewöhnliche Hochwasserrückhalteraum von schätzungsweise 5 % und der Hochwasserrückhalteraum vieler kleinerer Stauanlagen. Dies bedeutet, dass in Deutschland über eine Milliarde m³ Hochwasserrückhalteraum zur Verfügung steht. Eine weitere wichtige Information für die Phase der Hochwasserbewältigung ist, dass ca. 10 % der deutschen Bevölkerung ihr Trinkwasser aus über 130 Trinkwassertalsperren beziehen [153]. Schlussfolgerung 30: Die Stauanlagen der Bundesrepublik Deutschland leisten mit über einer Milliarde Kubikmeter Hochwasserrückhalteraum einen entscheidenden Beitrag zum Hochwasserrückhalt und stellen für ca. 10 % der Bevölkerung auch während eines Hochwasserereignisses die Trinkwasserversorgung sicher.
4.7.3 Freistaat Sachsen Im Freistaat Sachsen gab es bis zum Hochwasser 2002 nach den Kriterien des damaligen SächsWG [103] 189 Talsperren, Speicher und Rückhaltebecken [87] mit einer Höhe von über 5 m oder einem Speicherraum von mehr als 100.000 m³, wovon 92 Anlagen von der Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen (LTV) betrieben worden sind (Bild 15-10). Der Gesamtstauraum dieser Anlagen betrug ca. 761 Mio. m³. Von diesen Stauanlagen dienten 15 HRB (7,9 %) ausschließlich und weitere 52 Talsperren und Speicher (27,5 %) teilweise dem Hochwasserschutz. Im Vergleich zum weiter oben genannten Bundesdurchschnitt von 55 % bei den großen Talsperren Deutschlands besaßen 2002 in Sachsen „nur“ 35,5 % der Stauanlagen (67 Anlagen) einen gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraum. Allerdings fällt dieser gewöhnliche Hochwasserrückhalteraum mit 133,5 Mio. m³ (17,6 %) recht groß aus und liegt damit nur knapp unter dem Durchschnitt der großen Talsperren in Deutschland. Wenn man den gewöhnlichen und außergewöhnlichen Hochwasserrückhalteraum der Sächsischen Talsperren zusammen rechnet (IGHR + IAHR = 133,5 Mio. m³ + 44,9 Mio. m³ = 178,4 Mio. m³) erkennt man, dass bezogen auf den Gesamtstauraum immerhin ca. 23,5 % Hochwasserrückhalteraum zur Verfügung stand (siehe Bild 4-10). Verglichen mit dem Bundesdurchschnitt von 10 % bekommt mit über 40 % der Sächsischen Bevölkerung ein relativ großer Teil der Sachsen sein Trinkwasser aus den 23 Trinkwassertalsperren [86] und weiteren 23 Stauanlagen [87], was faktisch bedeutet, dass rund ein Viertel der Sächsischen Stauanlagen neben anderen Nutzungen auch der Trinkwasserversorgung dient (siehe Bild 4-11). Hier wird ein Nutzungskonflikt deutlich. Aus Sicht der Bereitstellung von Rohwasser für die Trinkwasserversorgung ist aus Gründen der Versorgungssicherheit und der Wassergüte ein möglichst gefüllter Stauraum wünschenswert, aus Sicht des Hochwasserschutzes dagegen ist ein möglichst leerer Stauraum vorteilhaft.
76
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Bild 4-10 Stauraumaufteilung der Talsperren, Speicher und HRB in Sachsen bis 2002
Bild 4-11 Nutzungen der Talsperren, Speicher und HRB in Sachsen bis 2002
Die Bemessung der Sächsischen Stauanlagen beruht auf den zum Bauzeitpunkt geltenden Regeln der Technik, die in Sachsen schon eine lange Tradition haben (siehe dazu [114]). Wie in der gesamten Bundesrepublik sind auch in Sachsen viele Stauanlagen in den 60er, 70er und 80er Jahren gebaut worden. Diese Anlagen sind nach der Normenreihe TGL 21239, Blät-
4.7 Stauanlagen
77
ter 1, 2, 3, 5, 6, 9 und 10 [249], [250], [251], [252], [253], [254], [255] bzw. deren Vorläufer bemessen worden. Das Blatt 9 der TGL 21239 kann für die hier interessierenden Ansätze der Bemessungshochwasser neben der DIN 19700 (Ausgabe 1986) als Vorläufer der heute geltenden DIN 19700 (Ausgabe 2004) angesehen werden. Prinzipiell kann man deshalb feststellen, dass viele Stauanlagen der LTV auf Basis der 1999 für diese Anlagen neu erstellten hydrologischen Hochwassergutachten, die die vollständigen Hochwasserganglinien im Bereich der Wiederkehrintervalle 2 bis 10.000 Jahre einschließlich Hochwasserscheitelwert und Hochwasserfülle beinhalteten, entsprechend der DIN-Reihe 19700 (Ausgabe 2004) bemessen waren. Die Hochwasserscheitelwerte sind, entsprechend der jeweils verfügbaren Datenlage, entweder mittels extremwertstatistischer Auswertung der vorhandenen Jahreshöchstwerte des Stauanlagenzuflusses oder für verschiedene Landschaftsräume in Sachsen (wie z. B. Erzgebirge, Erzgebirgsvorland…) mit dem Regionalisierungsverfahren „HQ Regio“ entwickelt worden. Kleine, unbeobachtete Einzugsgebiete sind mit Niederschlag-Abfluss-Modellen bearbeitet worden. Es wurde davon ausgegangen, dass ein Niederschlag mit einem Wiederkehrintervall T auch ein Hochwasser mit vergleichbarem Wiederkehrintervall bedingt. Die Bemessungsniederschläge sind dem KOSTRA-Atlas [55] des Deutschen Wetterdienstes für unterschiedliche Jährlichkeiten und verschiedene Dauerstufen entnommen worden. Die Hochwasserganglinien einschließlich der Hochwasserfüllen sind für die Mehrzahl der Stauanlagen über eine regionalisierte, bezogene Ganglinie nach Kozeny ermittelt worden. Dort, wo die Bearbeitung mittels Niederschlag-Abfluss-Modellen erfolgte, lagen diese Werte einschließlich Scheitel und Ganglinienformen bereits als Modellierungsergebnisse vor. Mit diesen hydrologischen Eingangsdaten sind für die Sächsischen Stauanlagen die Bemessung der Hochwasserentlastungsanlage (Hochwasserbemessungsfall 1), der Nachweis der Stauanlagensicherheit bei Extremhochwasser (Hochwasserbemessungsfall 2) und die Bemessung des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraumes (Hochwasserbemessungsfall 3) durchgeführt worden. Auch die Standsicherheit der durch die LTV bewirtschafteten Stauanlagen war nach den Regeln der Technik nachgewiesen und entsprach schon in vielen Fällen der DIN 19700-11 (Ausgabe 2004). Dort werden hohe Zuverlässigkeitsanforderungen an des Absperrbauwerk und den Untergrund gestellt. Das gesamte Tragwerk (Absperrbauwerk und Untergrund) muss die für den Betrieb erforderlichen Nutzungseigenschaften unter anhaltenden Betriebsbedingungen aufrechterhalten. Deshalb sind für Stauanlagen die Tragsicherheit, die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit nachzuweisen. Jährlich werden für alle Stauanlagen Sicherheitsberichte entsprechend DIN 19700-11 [64] und DVWK-Merkblatt 231 [51] erstellt, in denen die Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit der Anlagen betrachtet werden. Darüber hinaus werden in größeren Abständen entsprechend DIN 19700-11 und DVWK-Merkblatt 231 vertiefte Überprüfungen durchgeführt. Die Bewirtschaftung der Stauanlagen der LTV erfolgte nach den durch die oberen Wasserbehörden bestätigten Speicherbewirtschaftungsplänen bzw. wasserwirtschaftlichen Betriebsplänen. Die prinzipielle Struktur dieser wasserwirtschaftlichen Betriebspläne entspricht der DIN 19700-11 und ist im Bild 4-12 dargestellt.
78
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Bild 4-12 Struktur der wasserwirtschaftlichen Betriebspläne von Talsperren [64]
Die Wasserwirtschaftspläne für die LTV-Stauanlagen sind in die Bestandteile Wassermengenwirtschaft (Teil A) und Wassergütewirtschaft (Teil B) aufgegliedert, wobei sich diese beiden Bewirtschaftungsteile gegenseitig beeinflussen. Sowohl für den Teil Wassermenge als auch für den Teil Wassergüte sind Steuer- und Betriebsregelungen für den Normalbetrieb als auch für den ereignisbezogenen Betrieb festgeschrieben. Die für die Aufstellung der Betriebspläne erforderlichen Eingangsinformationen sind im Vorfeld erhoben und einer Bewirtschaftungsberechnung unterzogen worden. Die Bemessungsaufgabe für den Normal- bzw. Regelbetrieb der Speicherbewirtschaftung ist die Ermittlung der Abgabeleistung für den Hauptbewirtschaftungszweck unter Beachtung und Sicherstellung der ökologischen und Wassergüteanforderungen. Für den ereignisbezogenen Sonderfall soll die Bewirtschaftung so erfolgen, dass bezüglich der Bewirtschaftungsziele möglichst geringe negative Auswirkungen und Abweichungen vom Normalbetriebsfall auftreten. Für die Hochwasserbewirtschaftung würde dies bedeuten, dass ein Hochwassersteuerplan existiert, der einerseits die Erfüllung der Bewirtschaftungsziele der TS möglichst lange gewährleistet und andererseits durch eine optimierte Steuerung eine schadlose Wasserabgabe an das Wildbett sicher stellt. Der hier und weiter vorn schon erwähnte Nutzungskonflikt zwischen Wasserversorgung und Hochwasserschutz (siehe auch Bild 4-13) tritt bei der Aufstellung der Betriebspläne für multifunktional genutzte Talsperren besonders zu Tage und soll deshalb an dieser Stelle etwas ausführlicher beleuchtet werden.
4.7 Stauanlagen
79
Bild 4-13 Nutzungskonflikt von multifunktionalen Talsperren [240]
Bei der Bewirtschaftung von multifunktionalen Talsperren sind folgende Hauptziele zu beachten: ¾ Mögliche Hauptbewirtschaftungsziele bei multifunktionalen Talsperren: x hinreichender Betriebsraum IBR für bedarfsdeckende Rohwasserbereitstellung (z. B. für Trinkwasserversorgung, energetische Nutzung) mit ausreichender Bereitstellungssicherheit x hinreichender Reserveraum IR (Mindestfüllstand) zur dauerhaften Sicherung einer ausreichenden Rohwasserqualität (z. B. Einhaltung der SächsTWGewVO auch in Trockenperioden) x hinreichender gewöhnlicher Hochwasserrückhalteraum IGHR zur Erreichung des angestrebten Hochwasserschutzzieles Letztendlich muss bei der Aufteilung des verfügbaren Gesamtstauraumes einer Talsperre das Optimum zwischen Betriebs- und Reserveraum einerseits und Hochwasserrückhalteraum andererseits gefunden werden. Sollten mit dem verfügbaren Stauraum nicht alle drei genannten Hauptbewirtschaftungsziele erreicht werden können, müssen unter Beachtung ökonomischer, ökologischer, wassermengenwirtschaftlicher vor allem wassergütewirtschaftlicher Aspekte Prioritäten gesetzt und einer Nutzungsart der Vorrang gewährt werden. Das Zusammenspiel der Staulamellen bei der Talsperrenbewirtschaftung ist im Bild 4-14 noch einmal dargestellt.
80
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Bild 4-14 Staulamellen bei der Talsperrenbewirtschaftung [240]
Schlussfolgerung 31: Die Stauanlagen in Sachsen sind 2002 nach den Regeln der Technik bemessen gewesen. Ca. 35,5 % der Stauanlagen dienten ausschließlich dem Hochwasserschutz. Ungefähr 25 % des Gesamtstauraumes aller Sächsischen Stauanlagen steht in Form des gewöhnlichen und außergewöhnlichen Hochwasserschutzraumes für den Hochwasserschutz zur Verfügung. Schlussfolgerung 32: Bei multifunktionalen Stauanlagen besteht ein Nutzungsgrundkonflikt zwischen sicherer Wasserbereitstellung und Hochwasserschutzaufgaben. In Sachsen kommt dieser Konflikt besonders zum Tragen, weil für ca. 40 % der Sächsischen Bevölkerung die Trinkwasserversorgung aus Talsperren abgesichert wird.
4.8 Flächennutzungen 4.8.1 Allgemeines Die Art der Flächennutzung kann entscheidenden Einfluss auf das oberflächige Abflussverhalten haben. So sind z. B. die Durchlässigkeit der Oberfläche, das Speichervermögen des Bodens und dessen Vorfeuchte wichtige Kriterien für die Abflussreduzierung und/oder -verzögerung. Das Feinprofil und die Rauigkeit der Oberfläche können neben anderen Kriterien maßgebend die Fließwege und -geschwindigkeiten beeinflussen. Die jeweilige Flächennutzung und die auftretende Fließgeschwindigkeit sind ausschlaggebend, ob durch das Wasser Transportprozesse, wie z. B. Erosionen oder Ablagerungen stattfinden.
4.8 Flächennutzungen
81
4.8.2 Bundesrepublik Deutschland Die Aufteilung der Flächennutzungen in Deutschland ist im Bild 4-15 dargestellt. Dort kann man erkennen, dass ca. 30 % der Fläche als Wald genutzt werden, der aus Hochwasserschutzsicht die günstigste, weil abflussverzögernde Nutzungsart darstellt. Über die Hälfte der Flächen (ca. 53 %) wird landwirtschaftlich genutzt. Hier ist es neben anderen Kriterien stark von der konkreten landwirtschaftlichen Nutzung, der Bearbeitungstechnologie und dem Fruchtstand abhängig, ob diese Flächen abflussverzögernd oder abflussbeschleunigend wirken. Meist lässt sich eine abflussbeschleunigende und damit auch erosionsfördernde Wirkung feststellen.
Bild 4-15 Flächennutzung in Deutschland, Datenbasis [246]
Mit ca. 13 % nehmen die Siedlungs- und Verkehrsflächen einen nicht unbedeutenden Anteil der Gesamtfläche ein. Bei einem mittleren Versiegelungsgrad von ca. 46 % [121] wirkt diese Nutzungsart in der Regel abflussbeschleunigend, konzentriert aber gleichzeitig die Personen und Sachwerte und ist damit besonders verletzlich. Trotz dieser nicht nur aus Hochwasserschutzsicht negativen Eigenschaften wächst der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsflächen mit ca. 113 ha pro Tag zu Lasten anderer Nutzungsarten am dynamischsten. Die Verteilung der unterschiedlichen Flächennutzungen ist im gesamten Bundesgebiet regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Neben den Bundesländern Hamburg (ca. 57 %), Bremen (ca. 56 %) und Berlin (ca. 70 %) weisen z. B. Nordrhein-Westfalen mit ca. 20 % und das Saarland mit ca. 19 % besonders hohe Anteile an Siedlungs- und Verkehrsflächen auf, die in den Kernstädten der Verdichtungsräume mehr als 50 % betragen können [263].
82
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Bild 4-16 Verteilung der Siedlungs-, Verkehrs- und Waldflächen in Deutschland [263]
Schlussfolgerung 33: Die hochwasserabflussbeschleunigenden Flächennutzungsarten, wie landwirtschaftliche Nutzung und Siedlungs- und Verkehrsflächen, nehmen ca. 2/3 der Flächen der Bundesrepublik Deutschland ein. Der Anteil an Siedlungs- und Verkehrsflächen, der für das Hochwasserabflussgeschehen ungünstigsten Nutzungsart, wächst mit ca. 113 ha pro Tag zu Lasten anderer Nutzungsarten am dynamischsten.
4.8.3 Freistaat Sachsen Im Freistaat Sachsen lässt sich eine ähnliche Aufteilung der Flächennutzungen wie in der gesamten Bundesrepublik feststellen (siehe Bild 4-17 und Bild 15-11). Von der aus Hochwasserschutzsicht günstigsten Nutzungsart Wald treffen wir im Sachsendurchschnitt ca. 27 % an, wobei auch hier eine regional sehr unterschiedlich ausgeprägte Verteilung anzutreffen ist.
4.8 Flächennutzungen
83
Bild 4-17 Flächennutzung in Sachsen, Datenbasis [246]
So konzentrieren sich die meisten Waldbestände in den Mittelgebirgen und in der Lausitz (siehe Bild 15-12). Die landwirtschaftlich genutzten Flächen, die in Sachsen meist abflussbeschleunigend wirken, haben mit ca. 56 % auch in Sachsen den größten Flächenanteil und sind als Ackerland vorrangig in dem den Mittelgebirgen vorgelagerten Lößhügelland und Flachland vertreten (siehe Bild 15-13). Die Siedlungs- und Verkehrsflächen nehmen mit ca. 12 % ebenfalls einen nicht unbedeutenden Anteil der Gesamtfläche ein. So sind in Sachsen Flächen von ca. 241.700 ha mehr als ein Prozent und ca. 45.600 ha zu mehr als 70 % versiegelt [91]. Auch hier konzentrieren sich diese am stärksten versiegelten Flächen in den Großstädten und Ballungsgebieten (siehe Bild 15-14). Wie man aus Bild 4-18 erkennen kann, wächst der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Sachsen mit ca. 7 ha pro Tag (Stand 2008) noch dynamischer als im Bundesdurchschnitt. Schlussfolgerung 34: Auch in Sachsen nehmen die hochwasserabflussbeschleunigenden Flächennutzungsarten, wie landwirtschaftliche Nutzung und Siedlungs- und Verkehrsflächen, ca. 2/3 der Flächen ein. Der Anteil an Siedlungs- und Verkehrsflächen wächst mit ca. 7 ha pro Tag noch dynamischer als im Bundesdurchschnitt, obwohl gleichzeitig die Bevölkerung abnimmt.
84
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Bild 4-18 Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland und Sachsen [165]
4.9 Schadenspotenziale und Vulnerabilität Um das Hochwasserrisiko in einem bestimmten Gebiet einschätzen zu können, müssen neben der Kenntnis über die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Hochwasserereignissen auch Informationen über die Schadenspotenziale vorliegen. Wie in 2.4.4 schon ausgeführt, werden in Anlehnung an [272] im Hochwasserrisikomanagement die Werte im Untersuchungsraum als Schadenspotenzial bezeichnet, die potenziell von einem Hochwasserereignis betroffen sein und dadurch Schaden nehmen können. Bei der Ermittlung von Schadenspotenzialen gibt es mehrere Konzepte, die man in der Arbeitshilfe zu Hochwasserschadensinformationen [6] nachlesen kann. Hier werden im Weiteren die in [89] ermittelten denkbaren reinen Vermögensschäden (also direkte, tangibele, primäre Schäden) auf den bei einem Extremhochwasser potenziell betroffenen Flächen verwendet. Damit sind die indirekten Vermögensschäden, wie z. B. Wertschöpfungsverluste, andere nicht monetär bewertbare (intangible) Schäden, wie z. B. Personenschäden und sonstige relevante Schäden, wie z. B. Katastropheneinsatzkosten, wegen der Schwierigkeit ihrer Ermittlung nicht berücksichtigt. Zur Schließung dieser Wissenslücke besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Um die Vermögenswerte im betroffenen Gebiet bestimmen zu können, sind die in Abschnitt 4.8 dargestellten Flächennutzungsinformationen sehr wichtig, da die verschiedenen Nutzungen eine unterschiedliche Vulnerabilität aufweisen. Die Hochwasserempfindlichkeit der Vermögenswerte auf den verschiedenartigen Nutzungen hängt im Wesentlichen von der Schadensanfälligkeit oder der Entfernungsmöglichkeit des Wertes aus dem Gefahrenbereich ab. Mit entsprechenden Schadensfunktionen kann man die Zusammenhänge zwischen hydraulischer Belastung aus dem Hochwasser (Wasserstand, Fließgeschwindigkeit) und den daraus
4.9 Schadenspotenziale und Vulnerabilität
85
resultierenden Schäden an den Vermögenswerten darstellen und für die betroffenen Flächen die Schadenspotenziale ermitteln (siehe auch 2.4.4). Da der Hochwasserschutz in Deutschland sich in der Zuständigkeit der Bundesländer befindet und ihm dort unterschiedliche Bedeutung beigemessen worden ist, lagen im Jahre 2002 und liegen auch heute noch für Deutschland keine flächendeckenden Angaben bezüglich der Schadenspotenziale vor. Im Zuge der Umsetzung der EG-HWRM-RL wird sich dieser Zustand ändern. Für den Freistaat Sachsen sind diese wichtigen Informationen auch erst nach dem Hochwasser von 2002 flächendeckend erhoben worden. So ist eine Fläche von ca. 145.000 ha an den Gewässern I. Ordnung und an der Elbe als hochwassergefährdet identifiziert worden [89]. Das entspricht ungefähr einem Anteil von 8 % von der gesamten Landesfläche. Der mit fast 75 % größte Teil dieser Gebiete befindet sich in den Teileinzugsgebieten der Elbe und der Mulde. Die Flächennutzungsverteilung in den hochwassergefährdeten Gebieten ist stärker durch urbane Nutzungen geprägt als im im Bild 4-17 dargestellten Landesdurchschnitt. Alle Nutzungen, die eine Wassernähe bevorzugen, sind stärker vertreten. So ist z. B. im Gegensatz zum Landesmittel die Konzentration von Industrieflächen doppelt so hoch und die Konzentration von Grün-, Sport- und Freizeitflächen drei Mal so hoch. Auf den identifizierten hochwassergefährdeten Flächen des Freistaates Sachsen befindet sich unter Berücksichtigung der genannten Aspekte ein Schadenspotenzial von ca. 7,2 Milliarden Euro [89], welches sich zu zwei Dritteln auf Immobilien und zu einem Drittel auf das Mobiliar verteilt. In diesen vom Hochwasser direkt betroffenen Gebieten leben ca. 9,1 % der Sächsischen Bevölkerung. Die Lage der hochwassergefährdeten Flächen des Freistaates Sachsen ist in den nach dem Augusthochwasser von 2002 erstellten Gefahrenhinweiskarten [89] dargestellt. Ein Kartenblattauszug zu den Schadenspotenzialen für die Region Dresden Ost, Heidenau und Pirna ist im Bild 15-15 zu sehen. In Abschnitt 4.8 ist schon erwähnt worden, dass im Bundesdurchschnitt die Siedlungs- und Verkehrsflächen mit ca. 113 ha pro Tag und in Sachsen mit ca. 7 ha pro Tag zunehmen. Da diese Flächennutzungsart in den hochwassergefährdeten Gebieten sowieso schon konzentrierter als im Landesdurchschnitt auftritt, verstärkt sich gerade in diesen Gebieten die Zunahme einer hochwasserempfindlichen und auch abflussbeschleunigenden Nutzung. Damit nehmen durch diese Entwicklung i. d. R. die Vulnerabilität und das Schadenspotenzial zu. Schlussfolgerung 35: Für die Bundesrepublik Deutschland lagen im Jahre 2002 und liegen auch momentan (2010) keine flächendeckenden Schadenspotenzialinformationen vor. Das Schadenspotenzial und die Vulnerabilität vergrößern sich, da die abflussbeschleunigenden Siedlungs- und Verkehrsflächen mit ca. 113 ha pro Tag zunehmen und große Teile davon in hochwassergefährdeten Gebieten liegen.
86
4 Wasserwirtschaftliche Ausgangslage
Schlussfolgerung 36: In den hochwassergefährdeten Gebieten Sachsens ist eine über dem Landesdurchschnitt liegende Konzentration an urbanen Nutzungen und damit eine Konzentration von Schadenspotenzialen festzustellen. Durch die ständige Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen insbesondere in hochwassergefährdeten Gebieten vergrößern sich auch in Sachsen die Vulnerabilität und das Schadenspotenzial.
5
Das Hochwasserereignis vom August 2002
5.1 Allgemeines Das Ereignis vom August 2002 war eine der schlimmsten Hochwasserkatastrophen in Europa, die Schäden in einer Höhe von ca. 18,5 Milliarden Euro verursachte und 37 Menschen das Leben kostete [15], [160]. Am stärksten betroffen waren Deutschland mit Schäden von 9,2 Milliarden Euro sowie Österreich und Tschechien mit Schäden von je 3,0 Milliarden Euro. Weitere Schäden in einer Höhe von 3,3 Milliarden Euro sind in den beträchtlich betroffenen Ländern Italien, Schweiz, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Russland und in den nennenswert betroffenen Ländern Großbritannien, Niederlande, Spanien, Polen, Moldawien und der Ukraine aufgetreten [15]. Mit den schon erwähnten 9,2 Milliarden Euro entfiel fast die Hälfte der Hochwasserschäden auf Deutschland und hier wiederum befanden sich ca. 80 % der Schäden im Freistaat Sachsen, wo zwei Drittel der Sächsischen Gemeinden direkt vom Hochwasser betroffen und alle 21 deutschen Todesopfer zu beklagen waren [198]. Entsprechend dem unter 2.3 erläuterten Kreislauf des Hochwasserrisikomanagements beendet ein Hochwasserereignis abrupt und zu einem nicht definierbaren Zeitpunkt die Phase der Hochwasservorbeugung und bildet den Ausgangspunkt für die Phase der Hochwasserbewältigung. Im Folgenden soll das hier als Beispiel dienende Ereignis von 2002 näher beschrieben werden.
5.2 Meteorologie und Hydrologie Die Hochwasserkatastrophe vom August 2002 ist maßgeblich durch die beiden Tiefdruckgebiete Hanne und Ilse ausgelöst worden. Beide Tiefs sind bei Irland entstanden und zogen mit einem Abstand von circa vier Tagen Richtung östliches Mitteleuropa [15]. Das erste Tiefdruckgebiet (Hanna) sorgte vom 4. bis 7. August 2002 durch seine fast stationäre Lage über der südlichen Nordsee für anhaltend feuchtwarme Luft aus dem Mittelmeerraum, die über Österreich, Böhmen sowie Teilen Bayerns und Sachsens zu teils heftigen Niederschlägen von bis zu 150 mm am Tag führte. Am 8. August 2002 verlagerte sich das Starkregengebiet nach Nordwesten und führte in Norddeutschland zu heftigen Niederschlägen. Ein von diesem Tiefdruckgebiet ausgelöstes sekundäres Adriatief zog über den Balkan nach Osten und verursachte die Hochwasserüberschwemmungen in der Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Moldawien, der Ukraine und Russland [15]. Im späteren Starkniederschlagsgebiet in Österreich, im böhmischen Einzugsgebiet der Elbe als auch im Erzgebirge führten die Starkregenereignisse in der ersten Augustdekade 2002, die im Bereich oder über dem langjährigen Mittelwert für den gesamten Monat August lagen, zu einer teilweise deutlichen Anfeuchtung und Vorsättigung der Einzugsgebiete.
88
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002
Vom 11. bis 13. August 2002 stellte sich dann mit dem Tief Ilse über Mitteleuropa eine so genannte Vb-Wetterlage [7], [8], [196], [200] ein. Diese ist von atlantischer Kaltluft gekennzeichnet, die über die Britischen Inseln und Frankreich ins westliche Mittelmeer gelangt und dort unter Einbeziehung der sehr warmen und feuchten Mittelmeerluft eine kräftige Tiefdruckentwicklung auslöst. Diese Tiefdruckgebiete bewegen sich normalerweise in ihrer Hauptzugrichtung von Norditalien (Adria) über Österreich und Tschechien Richtung Norden nach Polen. Aufgrund von Abschnürungsprozessen in den höheren Atmosphärenschichten verblieb der Tiefdruckkomplex im August 2002 relativ lange im Alpenraum und führte dort schon zu lang anhaltenden und ergiebigen Niederschlägen. Diese Starkregen verlagerten sich von der Südseite der Alpen über Bayern, Österreich und Tschechien nach Ostdeutschland. Über dem Osterzgebirge (siehe Bild 5-1) traf dieses aus sehr feuchter Warmluft bestehende Starkniederschlagstief auf von Nordwesten kommende Kaltluft, kühlte ab und führte durch lokale Niederschlagsverstärkungen zu den höchsten jemals in Deutschland gemessenen Tagesniederschlagssummen (siehe Bild 15-16).
Bild 5-1 Vb-Wetterlage über Osterzgebirge
In der Tabelle 5-1 sind für einige ausgewählte Wetterstationen die Niederschlagshöhen angegeben. Die höchsten Niederschläge im Bereich Altenberg, Zinnwald-Georgenfeld kamen dem physikalisch maximal möglichen Niederschlag sehr nahe und erreichten fast die Hälfte des für dieses Gebiet üblichen Jahresniederschlages. Das Tief Ilse bewegte sich über dem östlichen Teil des Erzgebirges nur noch sehr langsam Richtung Norden, so dass die intensiven Niederschläge im Osterzgebirge mit ca. 30 Stunden und in Dresden mit ca. 50 Stunden ungewöhnlich lange anhielten. Die Wiederkehrintervalle dieses Extremereignisses lagen insbesondere im Osterzgebirge bei teilweise weit über 100 Jahren. Nähere Ausführungen dazu kann man u. a. in [7] nachlesen. Diese Wetterlagen haben auch schon in der Vergangenheit (1897, 1927, 1957) zu verheerenden Hochwasserereignissen im Osterzgebirge geführt. Im August 2002 war jedoch ein wesentlich größeres Gebiet betroffen.
5.3 Fließgewässer
89
Tabelle 5-1 Niederschlagshöhen hN an ausgewählten Wettermessstationen (DWD; LTV) hN am 12.08.2002 24 Stunden
hN vom 11.08. bis 13.08.2002 72 Stunden
Speicher Altenberg
353,7 mm
420,3 mm
Zinnwald-Georgenfeld
312,0 mm
406,2 mm
Talsperre Klingenberg
280,6 mm
313,6 mm
Talsperre Malter
218,0 mm
249,9 mm
Talsperre Gottleuba
217,2 mm
256,0 mm
Talsperre Lichtenberg
201,4 mm
221,9 mm
Dresden-Klotzsche
158,0 mm
181,7 mm
Fichtelberg
135,4 mm
201,5 mm
78,0 mm
135,6 mm
Messstation
Chemnitz
5.3 Fließgewässer 5.3.1 Wassermenge Um die Betroffenheit an einem Extremereignis zu verdeutlichen, beschränken sich die weiteren Ausführungen zum Hochwasser von 2002 auf den als Beispiel dienenden Freistaat Sachsen. Die unter 5.2 beschriebene extreme Niederschlagskonstellation führte an den Sächsischen Fließgewässern zu einer äußerst seltenen Abflusssituation. Auf Sächsischem Territorium sind alle bedeutenden linkselbischen Zuflüsse vom Hochwasser stark bis sehr stark betroffen gewesen. Die Elbe führte dann durch die starken Zuflüsse aus dem Einzugsgebiet der Moldau selbst Hochwasser und erreichte am 16./17. August 2002 ihren historischen Höchststand von 9,40 m (1845 – 8,77 m) in Dresden. Diese Ausnahmesituation lässt sich recht gut an den Alarmstufen nach der Hochwassernachrichtendienstverordnung [106], [107] veranschaulichen. Dort sind die folgenden vier Alarmstufen definiert: ¾ Alarmstufen in Sachsen: x Alarmstufe 1 (Meldedienst): Beginn der Ausuferung der Gewässer x Alarmstufe 2 (Kontrolldienst): Überschwemmung land- oder forstwirtschaftlicher Flächen, Grünflächen einschließlich Gärten und einzeln stehender Gebäude oder leichte Verkehrsbehinderung auf Straßen und Notwendigkeit der Sperrung von Wegen; Ausuferung bei eingedeichten Gewässern bis an den Deichfuß
90
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002
x Alarmstufe 3 (Wachdienst): Überschwemmung von Teilen zusammenhängender Bebauung oder überörtlicher Straßen und Schienenwege; bei Volldeichen Wasserstand etwa in halber Deichhöhe, Vernässung von Polderflächen durch Dränagewasser x Alarmstufe 4 (Katastrophenabwehr Hochwasser): Überschwemmung größerer bebauter Gebiete mit sehr hohen Schäden, unmittelbare Gefährdung für Menschen und Tiere; Erreichen des Bemessungswasserstandes bei Volldeichen oder unmittelbare Gefahr von Volldeichbrüchen Aus Bild 15-17 kann man entnehmen, dass in großen Bereichen des Freistaates Sachsen die Alarmstufe 4, also Katastrophenabwehr überschritten war. Diese Überschreitung der Alarmstufe 4 betraf insbesondere die Gewässer im Einzugsgebiet der Zwickauer Mulde, der Freiberger Mulde, der Elbe sowie die Vereinigte Mulde und die Elbe selbst. Sehr deutlich wird die Extremsituation an den Fließgewässern auch anhand der Pegelmessungen. In der Tabelle 5-2 sind für ausgewählte Pegel die Mittelwasserabflüsse (MQ), die mittleren Hochwasserabflüsse (MHQ), die höchsten gemessenen Hochwasserabflüsse (HHQ), die höchsten gemessenen Hochwasserstände (HHW) und die Abflüsse und Wasserstände zum Scheitel des Hochwassers von 2002 angegeben. Hier erkennt man, dass das Ereignis von 2002 alle bisherigen Mess- und Erfahrungswerte teilweise extrem übertroffen hat. In den Medien ist im August 2002 immer vom Jahrtausend- und später vom Jahrhunderthochwasser der Elbe berichtet worden. Sowohl die Jährlichkeiten als auch die Zuordnung muss man präziser betrachten. Zu den Jährlichkeiten der Abflüsse in den Fließgewässern muss man feststellen, dass durch die bisher vorliegenden Statistiken und Erfahrungen anfänglich eine Überschätzung des Ereignisses statt gefunden hatte. Die Auswertungen auch im Rahmen der in Abschnitt 8.5 erläuterten Ereignisanalyse haben die statistische Einordnung in der Regel relativiert. In der Tabelle 5-3 ist dies für einige ausgewählte Pegel dokumentiert. Auch die gängige Bezeichnung Elbhochwasser August 2002 ist nicht umfassend genug. Entsprechend der im Kapitel 4 für Sachsen beschriebenen wasserwirtschaftlichen Ausgangslage und der Größe des in Abschnitt 5.2 beschriebenen Niederschlagsgebietes, muss man das Augusthochwasser 2002 in drei Teilereignisse untergliedern. Der erste Teil dieses Ereignisses betraf am 12. und 13. August die schon erwähnten Gewässer im Einzugsgebiet der Zwickauer Mulde, im Einzugsgebiet der Freiberger Mulde und die in Fließrichtung gesehen linken direkten Zuflüsse zur Elbe. Diese im Erzgebirge fließenden Gewässer können entsprechend den Ausführungen in Abschnitt 4.6 teilweise auch Wildbachcharakter haben. Dieser Ereignisteil kann als Sturzflut bezeichnet werden. Hier traten in kürzester Zeit, quasi ohne Vorwarnzeiten, enorme Anstiege der Wasserstände auf. Die Hochwasserwellen erreichten entweder noch am 12.08.2002 oder in der ersten Tageshälfte des 13.08.2002 ihren Scheitelpunkt. Im Bild 5-2 ist diese Situation für den Pegel Dohna an der Müglitz dargestellt. Man geht heute davon aus, dass die Müglitz, die bei Mittelwasserabfluss pro Tag ca. 218.000 m³
5.3 Fließgewässer
91
Wasser in die Elbe transportiert, allein am 12. August 2002 ca. 50,7 Millionen m³ Wasser in die Elbe abgeführt hat. Tabelle 5-2 Ausgewählte Pegelstände vom Augusthochwasser 2002 in Sachsen Pegel Gewässer
AEO
Reihe
MQ
km²
MHQ m³/s
HHQ
HHW
(Jahr)
(Jahr)
m³/s
cm
m³/s
cm
HW-Scheitel August 2002
Erlln, Freiberger Mulde
2.983
1960-2001
34,9
300
610 (1974)
502 (1974)
1.660
674
Wechselburg 1, Zwickauer Mulde
2.107
1910-2001
25,9
205
915 (1954)
306 (2000)
1.000
597
Kriebstein UP, Zschopau
1.757
1932-2001
23,5
215
595 (1974)
364 (1974)
1.250
570
Golzern 1, Vereinigte Mulde
5.442
1911-2001
61,4
494
1740 (1954)
700 (1954)
2.600
868
Dohna, Müglitz
198
1912-2001
2,52
38,3
330 (1927)
410 (1927)
400
450
Hainsberg 1, Rote Weißeritz
153
1928-2001
1,71
15,1
54,6 (1954)
144 (1954)
260
-
Hainsberg 3, Wilde Weißeritz
162
1928-2001
1,17
12,3
58,9 (1958)
163 (1958)
220
251
Dölzschen, Vereinigte Weißeritz
366
1929-1999
3,42
25,4
230 (1958)
343 (1958)
450
-
Cotta, Vereinigte Weißeritz
374
1999-2001
2,88
28,6
42,7 (2000)
189 (2000)
300*)
430
Schöna, Elbe
5.1391
1976-2001
306
1.300
2110 (1977)
960 (1940)
4.780
1.204
Dresden, Elbe
5.3096
1930-2001
324
1.410
5700 (1845)
877 (1845)
4.580
940
Torgau, Elbe
5.5211
1935-2001
340
1.360
4370**) (1890)
906 (1890)
4.420
949
*) weitere 150 m³/s durch Dresdner Innenstadt **) über Pegel Dresden ermittelt
92
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002
Tabelle 5-3 Schätzung und Bestimmung von Wiederkehrintervallen der Abflüsse 2002 Gewässer
Pegel
HQ2002 m³/s
HQT Schätzung auf Basis Datenlage vor 2002
HQT Bestimmung auf Basis Datenlage nach 2002
Elbe
Dresden
4.580
150
150
Vereinigte Weißeritz
Dölzschen
450
1.000
500
Müglitz
Dohna
400
500 bis 1.000
200
Zwickauer Mulde
Zwickau-Pöblitz
500
500
50
Freiberger Mulde
Berthelsdorf
360
500 bis 1.000
300
Vereinigte Mulde
Golzern 1
2.600
500
200
Hochwasser 2002 - Wasserstandsganglinie der Müglitz
450 400
Pegel Dohna/Müglitz
350
W in cm
300 250 200 150 100 50 0 12.08.02 12.08.02 12.08.02 12.08.02 13.08.02 13.08.02 13.08.02 13.08.02 14.08.02 14.08.02 14.08.02 14.08.02 15.08.02 15.08.02 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 Zeit
Bild 5-2 Hochwasserstandsganglinie Pegel Dohna an der Müglitz im August 2002
5.3 Fließgewässer
93
Mit den schnellen Wasserstandsanstiegen und enormen Abflüssen waren auch sehr hohe Fließgeschwindigkeiten verbunden (siehe Bild 5-3). Diese wiederum führten zu hohen dynamischen Beanspruchungen sowie Erosions-, Transport- und Ablagerungsprozessen, die dann zu den in den Abschnitten 7.3 und 7.4 erläuterten Schäden führten.
Bild 5-3 Müglitz, schießender Abfluss auf Staatsstraße S 178 in Schlottwitz, August 2002, (Harald Weber) [269]
Der zweite Teil des Ereignisses von 2002 betraf die Vereinigte Mulde. In Sermuth, am Übergang vom Mittelsächsischen Hügelland zur Leipziger Tieflandsbucht vereinigen sich die Zwickauer und Freiberger Mulde zur Mulde. Damit ist die Mulde selbst ein Fließgewässer im Flachland. Das Umland ist durch umfangreiche Deichsysteme vor Hochwassern geschützt gewesen. Aus dem Bild 5-4 (Zeitachse beachten!) kann man entnehmen, dass im Gegensatz zu den Fließgewässern im Erzgebirge der Wasseranstieg in der Mulde nicht so plötzlich erfolgte. Dies hängt damit zusammen, dass die Hochwasserwelle nicht vorrangig durch die Überregnung des mit weniger Abflussdynamik versehenen direkten Einzugsgebietes der Mulde selbst, sondern durch die Wassermassen, die durch die Zwickauer und Freiberger Mulde herangeführt worden sind, entstanden ist. Dadurch standen an der Mulde noch Vorwarnzeiten zur Verfügung, innerhalb derer man noch Handlungen zur Verminderung der Hochwasserschäden durchführen konnte. Da die Mulde ein wesentlich geringeres Gefälle als ihre Erzgebirgszuflüsse besitzt, waren die dynamischen Prozesse hier nicht mehr so ausschlaggebend. Die meisten Schäden an der Mulde sind dann auch durch die extrem hohen Wasserstände (siehe Bild 5-5) und das dadurch bedingte Überströmen der Deiche entstanden.
94
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002 Hochwasser 2002 - Wasserstandsganglinie der Mulde
900 Pegel Golzern1/Mulde 800 700
W in cm
600 Alarmstufe 4
500
Alarmstufe 3
400
Alarmstufe 2
300
Alarmstufe 1
200 100 11.08.02 12.08.02 13.08.02 14.08.02 16.08.02 17.08.02 18.08.02 19.08.02 21.08.02 22.08.02 23.08.02 24.08.02 26.08.02 27.08.02 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 Zeit
Bild 5-4 Hochwasserstandsganglinie Pegel Golzern 1 an der Mulde im August 2002
Bild 5-5 Überschwemmungen an der Mulde bei Wurzen, August 2002 (LTV)
Der dritte Teil des Hochwasserereignisses von 2002 war die Hochwasserwelle der Elbe. Bedingt durch die auch im Einzugsgebiet der Moldau aufgetretenen Starkregenereignisse hatte die Elbe selbst eine sehr erhöhte Wasserführung. Aus dem Bild 5-6 kann man sehr schön erkennen, dass die Niederschläge im direkten Einzugsgebiet der Elbe zu einem steigenden Wasserstand geführt hatten, der dann durch die Zuflüsse der Osterzgebirgsflüsse zwischen
5.3 Fließgewässer
95
dem 13. und 14. August vorerst seinen Höchststand knapp über der Alarmstufe 4 erreicht hatte. Erst vier Tage später erreichte der Elbestrom mit 9,40 Meter seinen historischen Höchststand in Dresden. Somit kann man feststellen, dass an der Elbe sehr lange Vorwarnzeiten für entsprechende Abwehrhandlungen zur Verfügung standen. Das Hauptproblem war der extrem hohe Wasserstand (siehe Bild 5-7), der dann auch zu den im Kapitel 7 beschriebenen Schäden geführt hat. Dynamische Prozesse, wie in den Erzgebirgsflüssen, spielten bei der Hochwasserwelle der Elbe im Prinzip keine Rolle.
Hochwasser 2002 - Wasserstandsganglinie der Elbe
1000 Pegel Dresden/Elbe 900 800
W in cm
700
Alarmstufe 4
600
Alarmstufe 3
500
Alarmstufe 2
400 Alarmstufe 1
300 200
100 01.08.02 05.08.02 10.08.02 14.08.02 19.08.02 23.08.02 28.08.02 01.09.02 06.09.02 10.09.02 15.09.02 19.09.02 24.09.02 28.09.02 00:00 12:00 00:00 12:00 00:00 12:00 00:00 12:00 00:00 12:00 00:00 12:00 00:00 12:00 Zeit
Bild 5-6 Hochwasserstandsganglinie Pegel Dresden an der Elbe im August 2002
Die drei eben gezeigten Hochwasserganglinien verdeutlichen trotz der Unterschiede dieser drei Teilereignisse sehr eindrucksvoll die Dimension dieses Extremereignisses von 2002. In allen drei Gewässern lagen die Scheitelwasserstände in Größenordnungen über der Alarmstufe 4, die sich mit ihrem Schwellwert an bisher bekannten Hochwasserereignissen orientiert hat. Schlussfolgerung 37: Das Augusthochwasser von 2002 war ein Ereignis von außergewöhnlicher Dimension. In Sachsen war bei allen bedeutenden linkselbisch liegenden Nebenflüssen der Elbe und der Elbe selbst die oberste Alarmstufe überschritten.
96
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002
Bild 5-7 Überschwemmungen an der Elbe in Dresden, August 2002 (LfULG)
Schlussfolgerung 38: Das Augusthochwasser von 2002 muss für Sachsen in drei Teilereignisse unterschieden werden. Der erste Teil dieses Ereignisses, den man als Sturzflut bezeichnen kann, betraf am 12. und 13. August die Gewässer im Einzugsgebiet der Zwickauer Mulde, im Einzugsgebiet der Freiberger Mulde und die in Fließrichtung gesehen linken direkten Zuflüsse zur Elbe. Hier waren die dynamischen Prozesse maßgebend. Der zweite Teil des Ereignisses betraf am 13. und 14. August die Vereinigte Mulde. Dieser schon nicht mehr so dynamische Ereignisteil war aufgrund der hohen Wasserstände von ca. 100 Deichbrüchen und den dadurch entstandenen Überschwemmungen geprägt. Der dritte Teil des Ereignisses betraf erst vier Tage später die Elbe selbst und war durch extrem hohe Wasserstände gekennzeichnet.
5.3.2 Wassergüte Durch die großen Abflüsse in den Sächsischen Fließgewässern sind erhebliche Mengen von Schadstoffen mobilisiert und in die Gewässer eingetragen oder in den Schlämmen und Sedimenten abgelagert worden. Die Belastungen kamen aus unterschiedlichsten Quellen, wie z. B. von Abschwemmungen, von Altlastenstandorten, von Behältern mit wassergefährdeten Stoffen (insbesondere Heizöl), Industriestandorten, den über 100 betroffenen oder sogar ausgefallenen Kläranlagen oder waren geogener Herkunft.
5.3 Fließgewässer
97
Für den Sächsischen Teil des Einzugsgebietes der Elbe sind die Messungen und Untersuchungsergebnisse zur Veränderung der Gewässergüte in einem Bericht [85] dargelegt. Die wichtigsten Ergebnisse sollen hier kurz dargestellt werden. ¾ Auswirkungen des Hochwassers von 2002 auf Gewässergüte in Sachsen nach [85]: x Messergebnisse der allgemeinen Summenparameter zur Charakterisierung der Gewässergüte lagen kurzzeitig über langjährigen Mittelwerten, aber in hochwasserüblichen Größenordnungen x Sauerstoffgehalt und Sauerstoffsättigung lagen in der fließenden Welle immer weit über dem kritischen Wert von 3 mg/l x die Fäkalcoli-Keimzahlen lagen meist über den Richtlinien der EWG-Richtlinie 75/440/EWG [78] x für einzelne organische Komponenten traten Konzentrationsspitzen über den bisherigen langjährigen Maximalwerten auf, z. B. Überschreitungen von Metazachlor x bei Schwermetallen und Arsen traten steil ansteigende und langsam abnehmende Belastungsspitzen auf x deutlich erhöhte Konzentrationen an Mineralölkohlenwasserstoffen Die aufgelisteten Auswirkungen des Hochwassers auf die Gewässergüte sollen noch anhand zweier Bilder und der Tabelle 5-4 veranschaulicht werden. Im Bild 5-8 ist die Entwicklung der Konzentrationen von PCB 138 (polychloriertes Biphenyl) während des Hochwassers der Elbe an der Messstelle Bad Schandau im Vergleich mit dem Maximalwert von 2001 dargestellt.
Bild 5-8 PCB 138 Konzentrationen in der Elbe, August 2002 [85]
Im Bild 5-9 ist die Entwicklung der Konzentrationen von Tetrachlorethen während des Hochwassers der Elbe an der Messstelle Dresden im Vergleich mit dem Maximalwert von 2001 abgebildet. Hier kann man deutlich die Stoffeinträge durch einen vom Hochwasser betroffenen Chemiebetrieb nach der Hochwasserwelle erkennen.
98
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002
Bild 5-9 Tetrachlorethen (PER) Konzentrationen in der Elbe, August 2002 [85]
In der Tabelle 5-4 sind ausgewählte allgemeine Wasserbeschaffenheitsparameter der Elbe von 2002 den bisher bekannten Normal- oder Hochwasserwerten gegenübergestellt. Tabelle 5-4 Vergleich der allgemeinen Wasserbeschaffenheitsparameter der Elbe bei Hochwasser nach [85]; Messstellen in Bad Schandau, Dresden oder Meißen Maximalwert Messzeitpunkt bekannter Hochwasser2002 2002 wert
Parameter
Hintergrundwert
pH-Wert
7,7
7,5
7,9
27./28.08.
Leitfähigkeit in μS/cm
440
500
442
20.08.
Summe organ. Verbindungen (CSB) in mg/l
20
60
45
21.08.
Chlororganische Verbindungen (AOX) in μg/l
30
50
52
21.08.
Schwebstoffe (AFS) in mg/l
15
1000
126
16.08.
Ammonium-Stickstoff in mg/l
0,2
0,3
0,57
20.08.
Nitrat-Stickstoff in mg/l
4,0
5,0
3,8
21.08.
Gesamt-Stickstoff in mg/l
5,5
8,0
6,4
19.08.
Ortho-Phosphat-P in mg/l
0,1
0,08
0,15
23.08.
Gesamt-Phosphor in mg/l
0,3
0,6
0,33
21./22.08.
-
-
0,51
21.08.
Ölanalytik (Mineralölkohlenwasserstoffe in mg/l
5.4 Stauanlagen
99
Nach dem Ablaufen der Hochwasserwelle sind die stofflichen Belastungen wieder auf die bekannten Schwankungsbereiche zurück gegangen. Für viele Stoffgruppen sind hochwasserbedingte Konzentrationsspitzen registriert worden, die auch über den bisher bekannten Maximalwerten lagen. Die Grenzwerte der Umweltqualitätsnormen (z. B. nach EG-WRRL) sind nur teilweise überschritten worden. ¾ Überschreitungen von Umweltqualitätsnormen durch Augusthochwasser an der Elbe in Sachsen nach [85]: x Cadmium x Metazachlor x PCB (Wasserphase) x Alachlor x Blei x Arsen (Wasserphase) x Uran Schlussfolgerung 39: Durch Hochwasserereignisse werden Schadstoffe mobilisiert und in die Gewässer eingetragen oder in den Schlämmen und Sedimenten abgelagert. Die Schadstoffkonzentrationen in den Fließgewässern steigen bei Hochwasserereignissen i. d. R. schneller an, als sie wieder abfallen. Schlussfolgerung 40: Im Rahmen der Hochwasservorbeugung sollten Sondermessprogramme für die Gewässergüteüberwachung im Hochwasserfall entwickelt und vorbereitet werden.
5.4 Stauanlagen 5.4.1 Wassermenge Zu Beginn des Hochwasserereignisses vom August 2002 stand in den Sächsischen Stauanlagen der vollständige gewöhnliche Hochwasserrückhalteraum von 133,5 Mio. m³ mit einem Anteil von 122,5 Mio. m³ in den Anlagen der LTV [204] und damit auch der vollständige außergewöhnliche Hochwasserrückhalteraum von rund 45 Mio. m³ zur Verfügung. In einigen Stauanlagen war auf Grund kleiner Zuflüsse vor dem Hochwasser noch zusätzlicher Stauraum zur Hochwasseraufnahme verfügbar. Durch die unter 5.3 beschriebenen extremen Abflusssituationen an den Sächsischen Gewässern traten bei vielen Sächsischen Stauanlagen extreme Zuflüsse auf, die teilweise ein Mehrfaches über den verfügbaren Hochwasserrückhalteräumen lagen und bei einem Großteil der Stauanlagen zu einer äußerst seltenen Belastungssituation führten.
100
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002
Bild 5-10 Hochwasserentlastung der Vorsperre Malter, li. am 12.08.2002, re. am 13.08.2002 (LTV)
Bild 5-11 Hochwasserentlastung (li.) und Tosbecken (re.) der TS Malter am 13.08.2002 (LTV)
Bild 5-12 Hochwasserentlastung (li.) und Tosbecken (re.) der TS Klingenberg am 13.08.2002 (LTV)
5.4 Stauanlagen
101
Tabelle 5-5 Zu- und Abflüsse an ausgewählten Sächsischen Talsperren im August 2002 [174]
Talsperre
Gottleuba Lehnmühle Klingenberg
max. Zufluss
max. Abgabe
HQA über HWE 13.08.02
Beaufschlagung HWE im Vergleich zur projektierten Kapazität
m³/s
m³/s
%
188,0
67,9
35,0
19,5
125,0
130,0
120,0
127,4
BHQ1
BHQ2
HQZ
HQ1000
HQ10000
13.08.02
m³/s
m³/s
m³/s
180,0
135,0
94,2
85,4
HWEKapazität
86,0
90,0
150,0
160,0
150,0
174,4
156,3
147,0
200,0
220,0
220,0
140,8
Altenberg
10,9
9,2
11,0
7,0
7,0
64,2
Lichtenberg
43,0
39,2
60,0
60,0
48,0
111,6
Saidenbach
98,0
39,8
45,0
63,0
20,0
20,4
Neunzehnhain I
60,0
17,0
27,0
7,6
7,4
12,3
Malter
Neunzehnhain II
65,0
12,0
17,0
9,4
5,1
7,8
150,0
380,0
560,0
180,0
55,4
36,9
Stollberg
14,0
10,4
14,5
9,0
8,2
58,6
Carlsfeld
12,0
22,5
29,0
12,1
7,7
64,2
Eibenstock
Tabelle 5-6 Übersicht LTV-Stauanlagen mit HWE-Betrieb im August 2002 [174] Freibord
ParallelVorentlastung entlastung
Maximaler Beckenwasserstand ZH
Höchstes Stauziel ZH1
Höhe der
mNN
mNN
mNN
m
ja/nein
ja/nein
TS Eibenstock
540,31
541,75
543,00
2,69
ja
ja
TS Carlsfeld
904,24
904,15
905,55
1,31
ja
ja
TS Sosa
638,13
639,00
640,00
1,87
nein
nein
TS Stollberg
444,40
444,53
446,00
1,60
ja
ja
TS Koberbach
275,11
275,40
277,00
1,89
ja
ja
TS Pirk
384,29
384,50
386,22
1,93
ja
Stauanlage
während Absperrbei Bemes- bauwerks- Hochwasser über Grun- über GrunHochwasser sungshochAugust 2002 dab-lässe dab-lässe krone August 2002 wasser HQ1000
nein (schrittweise gedrosselt)
TS Falkenstein
562,24
562,70
564,50
2,26
nein
ja
TS Saidenbach
439,30
439,20
440,30
1,00
nein
nein
102
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002 ParallelVorentlastung entlastung
Maximaler Beckenwasserstand ZH
Höchstes Stauziel ZH1
Höhe der
mNN
mNN
mNN
m
ja/nein
ja/nein
TS 19hain 1
430,71
430,80
431,50
0,79
nein
nein
TS 19hain 2
525,25
525,32
526,31
1,06
nein
nein
TS Einsiedel
383,84
384,05
384,44
0,60
nein
nein
TS Lichtenberg
494,83
494,83
497,00
2,17
ja
nein
TS Lehnmühle
525,05
524,67
525,60
0,55
ja
ja
TS Klingenberg
393,94
392,62
394,00
0,06
ja
nein
TS Malter
334,34
334,00
335,00
0,66
ja
ja
TS Gottleuba
427,50
428,44
430,24
2,74
nein
nein
Sp. Altenberg
777,96
778,00
779,50
1,54
ja
ja
Sp. Großer Galgenteich
788,94
788,99
789,60
0,66
ja
ja
HRB Liebstadt
387,40
387,80
389,27
1,87
ja
ja
HRB Friedrichswalde-Ottendorf
260,94
261,70
263,00
2,06
ja
ja
HRB Buschbach
421,99
423,20
425,00
3,01
ja
ja
HRB Reinhardtsgrimma
378,46
378,49
380,00
1,54
ja
ja
Dittmannsdorfer Teich
570,44
569,90
571,60
1,16
ja
ja
Dörnthaler Teich
561,47
561,04
561,80
0,33
ja
ja
Obersaidaer Teich
549,65
549,30
550,20
0,55
nein
nein
Oberer Großhartmannsdorfer Teich
533,68
533,66
534,60
0,92
ja
ja
Mittlerer Großhartmannsdorfer Teich
503,36
503,60
504,70
1,34
ja
ja
Unterer Großhartmannsdorfer Teich
491,48
491,18
492,20
0,72
ja
ja
Erzengler Teich
495,00
495,00
496,10
1,10
nein
nein
Rothbächer Teich
482,36
481,90
482,80
0,44
ja
ja
Konstantin Teich
474,15
474,55
475,13
0,98
nein
nein
Hütten Teich
446,11
445,65
446,45
ca. 0,30
ja
ja
Stauanlage
Freibord
während Absperrbei Bemes- bauwerks- Hochwasser über Grun- über GrunHochwasser sungshochAugust 2002 dab-lässe dab-lässe krone August 2002 wasser HQ1000
5.4 Stauanlagen
103
Die Bilder 5-10 bis 5-12 sollen dies anhand der Talsperren Malter und Klingenberg veranschaulichen. Auch das Bild 15-10 und die Tabelle 5-5 zeigen recht deutlich, dass sehr viele Sächsische Talsperren, Speicher und Rückhaltebecken während des Augusthochwassers 2002 mit extrem erhöhten Zuflüssen betroffen waren. In der Tabelle 5-5 sind die Zu- und Abflüsse vom August 2002 an ausgewählten Sächsischen Talsperren dargestellt. Bei 15 Stauanlagen ist das "Höchste Stauziel" erreicht oder überschritten und bei weiteren vier Anlagen um weniger als 10 cm unterschritten worden. Aus Tabelle 5-6 und Bild 15-18 kann man entnehmen, dass an 32 LTV-Stauanlagen (18 TS, 10 Kunstteiche der RWA, 4 HRB) die HWE in Betrieb gegangen ist, wobei die projektierte HWE-Kapazität bei vier Stauanlagen erreicht oder bis zu 70 % überschritten worden ist. Da die 2002 aufgetretenen Zuflüsse zu den Stauanlagen teilweise deutlich über den projektierten Bemessungswerten lagen, stellte dieses Ereignis auch bezüglich der Standsicherheit und hier insbesondere der Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit ebenfalls eine außergewöhnliche Belastungssituation dar. Nähere Ausführungen dazu befinden sich im Abschnitt 8.4.3.
5.4.2 Wassergüte Neben der außergewöhnlichen Belastung der Stauanlagen selbst fanden durch das Extremereignis auch in den Einzugsgebieten Prozesse statt, die zu einer starken Beeinflussung der Wasserbeschaffenheit führten. Ein Teil dieser Stoffmobilisationen ist schon unter 5.3.2 bei den Fließgewässern beschrieben worden. Die Starkniederschläge und die damit verbundenen hohen Abflüsse verursachten in den Einzugsgebieten starke Erosionen (siehe Bild 5-13), Abschwemmungen von Acker- und Siedlungsflächen sowie Auswaschungen des Waldes, die wiederum erhöhte Stoffeinträge in die Wasserkörper der Stauanlagen bewirkten. Durch Sudbrack und Pütz [248] konnte festgestellt werden, dass bodenschonend bearbeitete und begrünte Flächen einer geringeren Erosion unterworfen waren.
Bild 5-13 Erosionen im Einzugsgebiet der TS Klingenberg im August 2002 (LTV)
104
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002
Welche Trübstofffrachten und damit Stoffe im Staukörper ankamen, war von der jeweiligen Flächennutzung und der Struktur des Einzugsgebietes abhängig. Die Tabelle 5-7 zeigt die Veränderungen der Wasserbeschaffenheit am Beispiel der im Einzugsgebiet der Zwickauer Mulde liegenden TS Muldenberg. Tabelle 5-7 Vergleich der Wasserbeschaffenheit 1995 und 2002 der Weißen Mulde (TS Muldenberg) bei Hochwasserereignissen [248] Parameter
01.08.1995
05.09.1995
02.07.2002
13.08.2002
pH-Wert
4,8
4,3
5,6
4,8
Leitfähigkeit in μS/cm
71 (86)
88
61
54
Ortho-Phosphat in mg/l
< 0,005
< 0,005
< 0,005
0,014
0,047 (0,027)
0,034
0,017
0,243
0,11
0,35
0,01
0,09
17,1 (12,6)
26,3
14,6
112
0,9 (0,5)
1,2
0,9
7,1
0,33
0,37
0,16
0,72
0,42 (0,36)
0,4
0,24
0,47
0,7
1,33
0,12
0,5
Gesamt-Phosphat in mg/l Ammonium in mg/l SAK254 nm in E/m Färbung in E/m Eisen, gelöst in mg/l Mangan, gelöst in mg/l Aluminium, gelöst in mg/l
Generell konnten in den güteüberwachten Talsperren folgende Veränderungen der Wasserbeschaffenheit festgestellt werden [248]: ¾ Anstieg der organischen Stoffe – Huminstoffe ¾ Anstieg Phosphor ¾ Rückgang bzw. Konstanz Nitrat ¾ Rückgang Salzgehalt (Leitfähigkeit) ¾ Anstieg Eisen und Mangan ¾ Veränderung des Lichtklimas als Folge der Huminstoffeinträge mit eventuellen Auswirkungen auf die Phytoplanktonentwicklung Da die mit Trübstoffen belasteten Wassermassen im August 2002 relativ hohe Temperaturen besaßen, schichteten sie sich an der Wasseroberfläche ein und verdrängten das Epilimnion. Dieses Verhalten war für die unter 6.4.3 beschriebene Wassergütebewirtschaftung während des Ereignisses eine wichtige Information.
5.5 Grundwasser
105
Schlussfolgerung 41: Extreme Hochwasserereignisse stellen auch für Stauanlagen eine außergewöhnliche Belastungssituation dar. Trotz vollständig zur Verfügung stehender Hochwasserrückhalteräume gehen bei größeren Hochwasserereignissen die Hochwasserentlastungsanlagen der Talsperren in Betrieb. Schlussfolgerung 42: Durch Hochwasserereignisse werden den Wasserkörpern von Talsperren in Abhängigkeit von der Struktur und Flächennutzung des Einzugsgebietes erhebliche Schmutz- und damit Stofffrachten zugeführt. Bei stabil geschichteten Wasserkörpern, wie z. B. im Sommer, werden diese mit Stofffrachten versehenen Wassermassen erst einmal entsprechend ihrer Temperatur im Wasserkörper eingeschichtet. Diese Trübstofffrachten erreichen relativ schnell das Absperrbauwerk und damit die Entnahmeeinrichtungen.
5.5 Grundwasser Das Hochwasserereignis vom August 2002 hatte ebenfalls beträchtliche Auswirkungen auf den Grundwasserhaushalt in Sachsen, die in einem ausführlichen Bericht des LfUG [88] zusammengefasst sind. Die weiteren Ausführungen zum Thema Grundwasser in diesem Abschnitt beziehen sich im Wesentlichen auf Ergebnisse dieses Berichtes. Es wurde festgestellt, dass aufgrund der Infiltration von Niederschlagswasser und Flusswasser in den überfluteten Talauen ungewöhnlich hohe Wassermengen in den Boden gelangt sind, die einen starken Anstieg (in Dresden bis zu 6 m) des Grundwasserstandes bewirkt haben. Diese teilweise extrem hohen Grundwasserstände führten zu folgenden Effekten: ¾ mögliche Auswirkungen infolge der hohen Grundwasserstände nach [88]: x ober- und unterirdische Grundwasseraustritte x Vernässung von tief- oder unter Geländeoberkante liegenden Bauteilen (z. B. Keller, Tiefgaragen, …) x Vernässung von Gebieten infolge Rückstau x Aufschwimmen von Bauwerken x Erosionen durch Grundwasseraustritte x Erhöhung des Fremdwasserzuflusses in Kläranlagen x Einschränkung der Funktionsfähigkeit von Kleinkläranlagen x Einschränkungen bei der Nutzbarkeit von landwirtschaftlichen Flächen Das Bild 5-14 veranschaulicht am Beispiel der Chemnitz in Chemnitz, dass normalerweise die Beeinflussung des Grundwasserstandes durch Wasserstandsschwankungen im Oberflächengewässer mit zunehmender Entfernung vom Fließgewässer abnimmt.
106
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002 2 Schwankungsamplitude Logarithmisch (Schwankungsamplitude)
Schwankungsamplitude des Grundwassers in m
1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
Entfernung der Grundwassermessstelle zur Chemnitz in m
Bild 5-14 Schwankungsamplitude des Grundwassers während des Hochwasserereignisses vom 12. -14.08.2002 [88]
Die Schwankungen des Grundwasserstandes sind neben der Entfernung zum hochwasserführenden Gewässer auch von der Durchlässigkeit des Bodens und dem Verlauf der Grundwasserleiter abhängig. So waren z. B. an der im Bild 5-15 dargestellten Grundwassermessstelle am Großen Zschand, die sich ca. 80 m unter Geländeoberkante im Festgestein befindet, keine außergewöhnliche Grundwasserstandsschwankungen registriert worden. 238,5 51516006_1 Großer Zschand
Grundwasserstand in mHN
238,0
237,5
237,0
236,5 01.07.02
22.07.02
12.08.02
02.09.02
23.09.02
14.10.02
04.11.02
25.11.02
16.12.02
06.01.03
Datum
Bild 5-15 Ganglinie der GW-Messstelle 51516006_1; Großer Zschand [88]
27.01.03
17.02.03
5.5 Grundwasser
107
Die dämpfende Wirkung auch eines durchlässigen Bodens wird aus Bild 5-16 gut ersichtlich. An der Grundwassermessstelle Dresdner Schloss, die sich nur 180 m von der Elbe entfernt befindet, trat der Grundhochwasserscheitel mit ungefähr zwei bis drei Tagen Verzögerung ein und war ca. 1,3 m niedriger als der der Elbe. 113
Elbe - Pegel Dresden
GWMSt Dresdener Schloss
112
Elb- und Grundwasserstand in mHN
111
110
109
108
107
106
105
104
103
Oktober 96
Oktober 97
Oktober 98
Oktober 99
Oktober 00
Oktober 01
Oktober 02
Bild 5-16 Wasserstandsganglinien von Elbe und Grundwassermessstelle Dresdner Schloss 49486523 (ca. 180 m Entfernung zur Elbe) [88]
Das Bild 5-17 verdeutlicht am Beispiel des Schwarzwassers im Erzgebirge, dass die Grundwasserstände in den Flusstälern der Mittelgebirge schnell angestiegen und auch schnell wieder abgesunken sind. Dadurch waren in diesem Gebiet die Gefährdungen durch erhöhte Grundwasserstände nur für kurze Zeit gegeben. 358 Grundwassermessstelle 27 Pegel Schwarzwasser
Grund- und Oberflächenwasserstand in mHN
357 356 355 354 353 352 351 350 349 348 01.08.02
04.08.02
07.08.02
10.08.02
13.08.02
16.08.02
19.08.02
22.08.02
25.08.02
28.08.02
Datum
Bild 5-17 Verlauf des Grund- und Oberflächenwasserstandes am Schwarzwasser [88]
31.08.02
108
5 Das Hochwasserereignis vom August 2002
113
0
112
20
111
40
110
60
109
80
108
100
107
120
106
140
105
160
104
24-Std. Niederschlagssumme in mm
Elb-und Grundwasserstand in mHN
Anders stellt sich die Situation in den Talauen der größeren Flüsse dar. Dort sind die Grundwasserstände auch schnell angestiegen, aber es kam durch den Rückstau des landseitig zufließenden Grundwassers nur zu langsamen Grundwasserabsenkungen (siehe Bild 5-18). Dieser Effekt kann sich, wie z. B. in Dresden geschehen, durch unterirdische Bauwerke verstärken.
180
Niederschlagshöhe Dresden/Flughafen
Hauptbahnhof
Elbe
200 103 01.07.02 22.07.02 12.08.02 02.09.02 23.09.02 14.10.02 04.11.02 25.11.02 16.12.02 06.01.03 27.01.03 17.02.03 10.03.03 31.03.03
Datum
113
0
112
20
111
40
110
60
109
80
108
100
107
120
106
140
105
160
104
24-Std. Niederschlagssumme in mm
Elb-und Grundwasserstand in mHN
Bild 5-18 Ganglinie der GW-Messstelle 49483595; Dresden, Hauptbahnhof (ca. 1.900 m Entfernung zur Elbe) [88]
180 Niederschlagshöhe Dresden/Flughafen
Grunaer Weg
Elbe
200 103 01.07.02 22.07.02 12.08.02 02.09.02 23.09.02 14.10.02 04.11.02 25.11.02 16.12.02 06.01.03 27.01.03 17.02.03 10.03.03 31.03.03
Datum
Bild 5-19 Ganglinie der GW-Messstelle 49480421; Dresden, Grunaer Weg (ca. 3500 m Entfernung zur Elbe) [88]
5.5 Grundwasser
109
In Dresden sanken die Grundwasserstände nicht nur sehr langsam ab, sondern stiegen infolge weiterer Niederschläge im November 2002 bis Januar 2003 auf Werte, die zum Teil über den im August 2002 registrierten Werten lagen (siehe Bild 5-19). Erst im März 2003 begannen die anhaltend hohen Grundwasserstände langsam zu sinken. Damit waren in diesen Gebieten die oben genannten negativen Auswirkungen infolge hoher Grundwasserstände für lange Zeit gegeben. Das Augusthochwasser von 2002 hat deutlich gemacht, dass von den oben genannten Auswirkungen durch Grundwasser auch Gebiete betroffen sein können, die weit von einem Gewässer entfernt liegen und somit nicht vom Oberflächenwasser direkt beeinflusst sind. Ähnlich wie bei den Oberflächenwasserpegeln sind auch beim Grundwasser an vielen Messstellen die höchsten bisher gemessenen Grundwasserstände (in Dresden 3 m über bisherigem Maximalwert) festgestellt worden. Die wenigen für die Grundwasserbeschaffenheit damals verfügbaren Daten ließen keine Gefährdungen für eine Verschmutzung des Grundwasserkörpers erkennen. Schlussfolgerung 43: Durch Hochwasserereignisse können in Abhängigkeit von deren Dauer und dem Infiltrationsvermögen des Bodens schnelle Grundwasseranstiege auftreten, die zu hohen Grundwasserständen und entsprechenden Gefahren und Schäden führen. Dieser Effekt kann auch in großen Entfernungen zum hochwasserführenden Oberflächengewässer auftreten. In besonders gefährdeten Gebieten, wie z. B. Bausubstanz in Talauen, sollten deshalb Grundwassermessstellen betrieben werden. Schlussfolgerung 44: Die Hochwasserstände im Grundwasser sind gegenüber dem Oberflächengewässer immer gedämpft, d. h. der Hochwasserscheitel ist niedriger als im Oberflächengewässer und tritt mit Verzögerung auf. Die Dämpfung nimmt normalerweise mit zunehmender Entfernung zum Oberflächengewässer oder zunehmender Bodendichtigkeit zu. Das Absinken der hochwasserbedingten hohen Grundwasserstände kann insbesondere in Flussauen einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.
6
Risikomanagement während des Ereignisses
6.1 Allgemeines In diesem Kapitel werden Sachverhalte und Maßnahmen zur Begrenzung des Ausmaßes und der Dauer einer Hochwasserkatastrophe am Beispiel des Ereignisses von 2002 in Sachsen beschrieben. Bezug nehmend auf den unter 2 erläuterten Kreislauf des Hochwasserrisikomanagements fallen diese Dinge in die Phase der Hochwasserbewältigung. Da eine umfassende Beschreibung aller Gegebenheiten und Aktivitäten den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, konzentrieren sich die weiteren Ausführungen auf ausgewählte, vorrangig wasserwirtschaftliche Aspekte.
6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege 6.2.1 Katastrophenschutzbehörden Während des Hochwasserereignisses von 2002 sind zahlreiche Einsatzstrukturen tätig gewesen. In diesem Abschnitt sollen die aus wasserwirtschaftlicher Sicht wichtigsten Akteure benannt werden. Gemäß dem 2002 geltendem Sächsischen Katastrophenschutzgesetz (SächsKatSG) [102] waren in erster Linie die Katastrophenschutzbehörden für die unter 2.3 benannten Aktivitäten zur Hochwasserbewältigung zuständig und auch tätig. Auf Grund des unter 5 beschriebenen Ausmaßes der Hochwasserkatastrophe vom August 2002 waren beginnend von den unteren Katastrophenschutzbehörden in Sachsen letztendlich alle drei Ebenen der Katastrophenschutzbehörden aktiv. Dabei waren die Strukturen der Katastrophenschutzstäbe gemäß der bis 1997 geltenden Katastrophenschutz Dienstvorschrift (KatS-DV 100) und später durch die Dienstvorschrift der ständigen Konferenz für Katastrophenvorsorge und Katastrophenschutz [245] bundesweit einheitlich festgelegt. Die in diesen Vorschriften empfohlenen Einsatzstrukturen sind in Sachsen entsprechend der für den Katastrophenschutz maßgebenden Richtlinien des Sächsischen Staatsministerium des Innern [100] umgesetzt gewesen. Die Hauptaufgaben der Katastrophenschutzbehörden lassen sich wie folgt zusammenfassen: ¾ Hauptaufgaben der Katastrophenschutzbehörden nach [245]: x Bereitstellung der Einsatzkräfte x Führung des inneren Stabsdienstes x Lagefeststellung
112
6 Risikomanagement während des Ereignisses
x Lagedarstellung x Einsatz x Einsatzdokumentation x Versorgung x Presse- und Medienarbeit x Information und Kommunikation x Psychologische Nachbetreuung Im Folgenden wird kurz auf die einzelnen Ebenen der Katastrophenschutzbehörden eingegangen.
6.2.1.1
Oberste Katastrophenschutzbehörde – Sächsisches Staatsministerium des Innern (SMI)
Bild 6-1 Einsatzstruktur der obersten Katastrophenschutzbehörde [96]
6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege
113
Die oberste Katastrophenschutzbehörde im SMI hat laut [96] folgende Aufgaben wahr genommen: ¾ Unterstützung des landkreis- bzw. regierungsbezirksübergreifenden Einsatzes von Kräften und Mitteln ¾ Entgegennahme von Hilfsanforderungen aus den Regierungsbezirken ¾ Vermittlung der bereitstehenden Kräfte und Mittel gemeinsam mit den Fachberatern von Bundeswehr, Technischem Hilfswerk und den privaten Hilfsorganisationen ¾ regelmäßige Abfrage des Bedarfs an Kräften und Mitteln bei den Landkreisen und Kreisfreien Städten über die Regierungspräsidien ¾ Entsendung von Verbindungsbeamten, zur Verbesserung des Informationsflusses zwischen den Krisenstäben der verschiedenen Ebenen ¾ Vermittlung von Hilfsangeboten mittels einer IT-gestützten Disposition aller Hilfsangebote ¾ Heranführung von Kräften aus anderen Bundesländern sowie dem benachbarten Ausland ¾ Erstellung von Lageberichten für die regelmäßigen Beratungen unter Leitung des Ministerpräsidenten und Berichte des Leiters des Krisenstabes in Pressekonferenzen und bei Besuchen von Bundesministern ¾ Vorbereitung der Besuche von Vertretern der Bundesregierung und anderer Bundesländer ¾ Beantwortung zahlreicher Hilfsangebote aus dem In- und Ausland Während der Einsatzzeit sind im Krisenstab des SMI ca. 1.200 Hilfsangebote von Hilfsorganisationen, Rettungsdiensten, Verwaltungen, Vereinen und Privatpersonen erfasst und an die unteren Katastrophenschutzstäbe der betroffenen Landkreise/Kreisfreien Städte vermittelt worden. Dabei handelte es sich vorrangig um Sandsäcke, Vlies, Hubschrauber, Rettungsboote, Pumpen, Stromaggregate, Liegen und Decken. Weiter Ausführungen zu den Maßnahmen aller Ressorts sind im sogenannten Kirchbachbericht [163] und im Bericht der Sächsischen Staatsregierung [96] enthalten.
6.2.1.2 Obere Katastrophenschutzbehörde – Regierungspräsidium Die oberen Katastrophenschutzbehörden in den Regierungspräsidien haben laut [96] folgende Aufgaben wahr genommen: ¾ Unterstützung des landkreiskreisübergreifenden Einsatzes von Kräften und Mitteln ¾ Zuführung von Kräften und Mitteln aus nicht betroffenen Gebieten ¾ Bearbeitung der sich häufenden Amtshilfeersuchen der betroffenen Landkreise ¾ Fachaufsicht über die Errichtung und angemessene Tätigkeit der unteren Katastrophenschutzstäbe
114
6 Risikomanagement während des Ereignisses
¾ Koordinierung aller Hilfsmaßnahmen zur Schadensbekämpfung mit Umweltbehörden (z. B. Staatliche Umweltfachämter und LTV) ¾ Koordinierung aller Hilfsmaßnahmen zur Schadensbekämpfung von Polizei, Bundeswehr, BGS, THW und den privaten Hilfsorganisationen ¾ logistische und fachliche Unterstützung in den Bereichen Soziales (Evakuierung von Alten- und Behinderteneinrichtungen und Sicherung der Versorgung), Krankenhauswesen (regierungsbezirksübergreifende Bereitstellung von Krankenhauskapazitäten), Öffentlicher Gesundheitsdienst (Impfung und Seuchenvorbeugung), Veterinärwesen (Tierkörperbeseitigung und Seuchenvorbeugung), Pharmazie (regierungsbezirksweise Sicherung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung), Abfallbeseitigung und Straßenverkehr
Bild 6-2 Einsatzstruktur einer oberen Katastrophenschutzbehörde [226]
„Hier zeigte sich der Vorteil der „Bündelungsbehörde“ Regierungspräsidium, in der Sachund Fachverstand einschließlich personeller Ressourcen zur Unterstützung der Landkreise sofort bei Bedarf verfügbar war. Neben zahlreichen Hinweisen und Handlungsempfehlungen wurden den Kreisen in besonderen Fällen Weisungen erteilt.“ [96]
6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege
115
6.2.1.3 Untere Katastrophenschutzbehörde – Landkreis oder kreisfreie Stadt
Bild 6-3 Einsatzstruktur einer unteren Katastrophenschutzbehörde [187]
Die Tätigkeiten der unteren Katastrophenschutzbehörden waren situationsbedingt äußerst vielfältig und orientierten sich an den Handlungsgrundsätzen der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Führung im Katastrophenschutz [100]. Hier galt es, die bei der obersten und oberen Katastrophenschutzbehörde schon erwähnten Handlungen vor Ort umzusetzen. Eine ausführliche Aufzählung der Aktivitäten würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Grundsätzlich kann man festhalten, dass alle Tätigkeiten der unteren Katastrophenschutzbehörden zur Begrenzung des Ausmaßes und der Dauer der Hochwasserkatastrophe dienten. Entsprechend den Ausführungen in 2 kann man den Hochwassereinsatz in die Bestandteile Alarmierung, Rettung, Schadensabwehr durch Sofortmaßnahmen (z. B. Evakuierung, Sandsacksperren, ...) und Opferbetreuung (z. B. Notunterkünfte, Verpflegung, ärztliche Versorgung…) aufgliedern. In der Tabelle 6-1 sollen am Beispiel der im Landkreis Sächsische Schweiz vorgenommenen Evakuierungen die logistisch anspruchsvollen Leistungen, die durch die Katastrophenschutzbehörden zu bewältigen waren, dokumentiert werden. Die Katastrophenschutzbehörden konnten zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf zahlreiche Ressourcen des Bundes, der Länder, von Hilfsorganisationen und freiwilligen Helfern zurück greifen. So waren z. B. ca. 20.000 Soldaten der Bundeswehr, 5.000 Polizeibeamte, 4.000 Einsatzkräfte des Bundesgrenzschutzes, 8.000 Helfer des Technischen Hilfswerkes und Tausende weitere Hilfskräfte im Einsatz. Stellvertretend für den umfangreichen Einsatz von Technik soll hier nur der Lufteinsatz (50 Tornadoflüge, 1 Airbus A 300, 14 Transall Flugzeuge, 14 CH-53 Transporthubschrauber, ca. 29 weitere Hubschrauber) zur Rettung und Evakuierung erwähnt werden.
116
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Tabelle 6-1 Evakuierungen im Landkreis Sächsische Schweiz, August 2002 Ortslage
Evakuierte Personen
Bad Gottleuba – Berggießhübel Bad Schandau Dohna Heidenau
140 2.300 800 2.850
Königstein
500
Liebstadt
120
Müglitztal Pirna Porschendorf
252 12.500 300
Rathen
60
Rathmannsdorf
50
Stadt Wehlen Struppen Gesamt
563 24 20.459
In Anlehnung an [96] lassen sich die Aktivitäten der die Katastrophenschutzbehörden unterstützenden Hilfsaktionen in die drei Phasen ¾ Reaktion auf das Hochwasser - Retten und Bergen von Menschen aus Notlagen ¾ Prävention und Schutz vor dem Hochwasser - Verhinderung von Deichbrüchen und Minderung von Wasserschäden ¾ Nachsorge durch lebensnotwendige Maßnahmen zur Bewältigung der Flutfolgen – Unterstützungsleistungen für umfassende Schadensfeststellungen sowie erforderliche und zeitkritische Aufräumarbeiten aufteilen. Genauere Angaben zu den Aktivitäten im Rahmen des Katastrophenschutzes sind im Bericht der Sächsischen Staatsregierung [96] enthalten.
6.2.2 Wasserbehörden und Hochwassermeldezentralen Das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) als oberste Wasserbehörde hatte ein Lagezentrum Wasser mit der Wahrnehmung folgender Aufgaben eingerichtet [96]: ¾ Erstellung und Verteilung von täglichen Hochwasserinformationen mit aktuellen Wasserständen und Vorhersagen ¾ Darstellung und Interpretation der hydrologischen Situation sowie der Situationen an den Gewässern und Talsperren in den täglichen Lagebesprechungen beim SMI und in den täglichen Pressekonferenzen
6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege
117
¾ Messungen und Beurteilungen der Wasserqualität der Elbe und der Schlammqualität ¾ Unterstützung der Katastrophenschutzstäbe durch Fachkräfte aus der Umweltverwaltung, vornehmlich aus der Landestalsperrenverwaltung und den Staatlichen Umweltfachämtern z. B. bei der Deichverteidigung ¾ Veröffentlichung der aktuellen Wasserstände in Sachsen und der Hochwasserinformationen für die Elbe und Nebenflüsse der Oberen Elbe im Internet durch die Landeshochwasserzentrale im Landesamt für Umwelt und Geologie (LfUG) Die oberen und unteren Wasserbehörden sind in die unter 6.2.1 beschriebenen Katastrophenschutzstäbe als Fachberater mit integriert worden. Der Hochwassernachrichtendienst lag entsprechend der 2002 geltenden Hochwassermeldeordnung [108] nicht in alleiniger Verantwortung der Landeshochwasserzentrale sondern war regional wie folgt aufgeteilt: ¾ Hochwassernachrichtendienst durch Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie für folgende Flussgebiete: x Elbestrom von deutsch-tschechischer Grenze bis einschließlich Pegel Torgau x festgelegte Nebenflüsse der oberen Elbe x Schwarze Elster bis einschließlich Pegel Neuwiese x Spree bis einschließlich Pegel Spremberg x Lausitzer Neiße bis Pegel Görlitz ¾ Hochwassernachrichtendienst durch Staatliches Umweltfachamt Leipzig für folgende Flussgebiete: x Vereinigte Mulde unterhalb Golzern bis zur Mündung in die Elbe x Weiße Elster unterhalb Pegel Gera-Langenberg bis zur Mündung in die Saale ¾ Hochwassernachrichtendienst durch Staatliches Umweltfachamt Chemnitz für folgende Flussgebiete: x Zwickauer und Freiberger Mulde bis einschließlich Pegel Golzern x obere Weiße Elster bis einschließlich Pegel Greiz
118
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Bild 6-4 Meldeschema Hochwassernachrichtendienst Sachsen bis 2002 (LfULG)
6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege
119
Die Empfänger der Hochwasserberichte waren nachstehende im Flussgebiet agierende Institutionen: ¾ Empfänger der Hochwasserberichte im jeweiligen Flussgebiet: x Deutscher Wetterdienst, Regionalzentrale Leipzig x Lagezentrum des Sächsischen Staatsministerium des Innern x Landesumweltämter betroffener Nachbarbundesländer x Landestalperrenverwaltung einschließlich der betroffenen Betriebe x zuständiges Regierungspräsidium x Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft x Staatliche Umweltbetriebsgesellschaft x ggf. weitere betroffene Staatliche Umweltfachämter x ggf. Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie x Wasser- und Schifffahrtsamt Die Regierungspräsidien als obere Katastrophenschutzbehörde mussten die Hochwasserberichte an die unteren Katastrophenschutzbehörden und diese dann an die betroffenen Gemeinden und diese wiederum an die direkt Betroffenen weiterleiten. Damit sind die Akteure vor Ort, z. B. die unteren Katastrophenschutzbehörden und die Betroffenen, nicht direkt informiert worden, was letztendlich auch durch die Störanfälligkeit der Informationskette zu unnötigen Informationsdefiziten oder langen Übermittlungszeiten geführt hat. Das sehr komplizierte Hochwassermeldeschema ist im Bild 6-4 dargestellt. Schlussfolgerung 45: Der Hochwassernachrichtendienst muss von einer zentralen Stelle koordiniert und sicher gestellt werden. Die Informationswege müssen möglichst direkt, also ohne Umwege sein, nur so ist eine schnelle und sichere Informationsbereitstellung möglich.
6.2.3 Gewässer- und Stauanlagenbetreiber Im Freistaat Sachsen sind die Zuständigkeiten für die Gewässer und Stauanlagen im Sächsischen Wassergesetz [103] geregelt. Für die Gewässer II. Ordnung und die Hälfte der Sächsischen Stauanlagen, in der Regel mit nicht überörtlicher Wirkung, sind die Kommunen auch im Hochwasserfall zuständig. Hier erfolgte der Hochwasserbetrieb in engster Abstimmung mit den Wasserbehörden und der unteren Katastrophenschutzbehörde. Die Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen (LTV) als Staatsbetrieb des SMUL war 2002 einerseits für den Betrieb und die Unterhaltung von 92 landeseigenen Stauanlagen (ohne Wehre) als auch für ca. 3.000 km Fließgewässer I. Ordnung, über 650 km Deiche und zahlreiche andere Wasserbauten sowie für die Errichtung und Unterhaltung öffentlicher
120
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Hochwasserschutzanlagen im Freistaat Sachsen zuständig. In einigen Fällen war die LTV auch als Dienstleister oder Fachberater für die Kommunen beim Betrieb von Stauanlagen tätig. Um diese umfangreichen Aufgaben bewältigen zu können besaß die LTV im August 2002 die im Bild 6-5 und im Bild 6-6 dargestellte Standardstruktur. Geschäftsführer
Justiziariat
Beirat
Innenrevision
Fachbereich 1
Fachbereich 2
Fachbereich 3
Verwaltung / Finanzen
Betrieb
Überwachung
Conrolling
Referat Verwaltung, Personal
Referat Bau- u. Betriebsmanagement
Referat Wassermengenbewirtschaftung
TSM (Betrieb) 1
Referat Wassergütebewirtschaftung
Gottleuba/Weißeritz
Referat
TSM (Betrieb) 2
Finanzen
Freiberger Mulde/ Zschopau
Referat Information u. Kommunikation
TSM (Betrieb) 3 Zwickauer Mulde/ Weiße Elster
TSM (Betrieb) 4 Untere Pleiße
TSM (Betrieb) 5 Spree
Bild 6-5 Standardstruktur der LTV im August 2002 (Übersicht)
Referat Bauwerksüberwachung
Referat Bautechnik/ Standsicherheit
6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege
121
Betriebsleiter TSM
Verwaltung Finanzen Liegenschaften Bewirtschaftung
Staumeisterei 1
Betriebsteil
Betriebsteil
Sachgebiet
Stauanlagen
Fließgewässer
Vorbereitung Bau
Staumeisterei 2
Staumeisterei n
Flussmeisterei 1
Flussmeisterei 2
Flussmeisterei x
Bild 6-6 Standardstruktur der LTV im August 2002 (TSM-Betrieb)
Wie sich später herausstellte, hatte diese Kombination aus zentralen und dezentralen Struktureinheiten Vorteile bei der Hochwasserbewältigung. Einerseits konnten z. B. das Personal und die anderen Ressourcen sachsenweit optimal zum Einsatz gebracht werden, andererseits waren vor Ort Entscheidungsträger mit den entsprechenden Ortskenntnissen verfügbar. So war auch in der Krisensituation eine schnelle und fachlich fundierte Entscheidungsfindung möglich. Aufgrund der vorhandenen Personaldecke und der Vielzahl der durch die Staumeistereien zu betreibenden Stauanlagen und der großen, durch die Flussmeistereien zu betreuenden Gebiete waren allerdings Grenzen der Leistungsfähigkeit gesetzt. Schlussfolgerung 46: Für den Betrieb von Stauanlagen und die Unterhaltung von Gewässern muss genügend Fachpersonal vorgehalten werden, dass in Katastrophensituationen in der Fläche tätig werden kann. Neben der eben erläuterten Standardstruktur existiert in der LTV ein ständiges Bereitschaftssystem, welches sich ebenfalls in der Krisensituation von 2002 bewährt hat. Das Bereitschaftssystem war wie im Bild 6-7 dargestellt aufgebaut.
122
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Chef vom Dienst (CvD) Ständige zentrale Rufbereitschaft der LTV (Geschäftsleitungsebene)
Bereitschaftsdienst in TSM 1 (Betrieb)
Bereitschaftsdienst in TSM 2 (Betrieb)
Bereitschaftsdienst in TSM 3 (Betrieb)
Bereitschaftsdienst in TSM 4 (Betrieb)
Bereitschaftsdienst in TSM 5 (Betrieb)
Ereignisabhängige oder ständige zentrale Bereitschaft der TSM (Betriebsleitungsebene)
Ereignisabhängige oder ständige zentrale Bereitschaft der TSM (Betriebsleitungsebene)
Ereignisabhängige oder ständige zentrale Bereitschaft der TSM (Betriebsleitungsebene)
Ereignisabhängige oder ständige zentrale Bereitschaft der TSM (Betriebsleitungsebene)
Ereignisabhängige oder ständige zentrale Bereitschaft der TSM (Betriebsleitungsebene)
Bereitschaft Stauanlagen
Bereitschaft Fließgewässer
Bereitschaft Stauanlagen
Bereitschaft Fließgewässer
Bereitschaft Stauanlagen
Bereitschaft Fließgewässer
Bereitschaft Stauanlagen
Bereitschaft Fließgewässer
Bereitschaft Stauanlagen
Bereitschaft Fließgewässer
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Anlagen, ereignisabhängige Ausrufung einer Bereitschaft für alle übrigen Stauanlagen
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Flussmeistereien, ereignisabhängige wasserlauf/anlagenbezog ene Bereitschaft
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Anlagen, ereignisabhängige Ausrufung einer Bereitschaft für alle übrigen Stauanlagen
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Flussmeistereien, ereignisabhängige wasserlauf/anlagenbezog ene Bereitschaft
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Anlagen, ereignisabhängige Ausrufung einer Bereitschaft für alle übrigen Stauanlagen
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Flussmeistereien, ereignisabhängige wasserlauf/anlagenbezog ene Bereitschaft
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Anlagen, ereignisabhängige Ausrufung einer Bereitschaft für alle übrigen Stauanlagen
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Flussmeistereien, ereignisabhängige wasserlauf/anlagenbezog ene Bereitschaft
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Anlagen, ereignisabhängige Ausrufung einer Bereitschaft für alle übrigen Stauanlagen
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Flussmeistereien, ereignisabhängige wasserlauf/anlagenbezog ene Bereitschaft
Chef vom Dienst (CvD) Ständige zentrale Rufbereitschaft der LTV (Geschäftsleitungsebene)
Bereitschaftsdienst in TSM (Betrieb) Ereignisabhängige oder ständige zentrale Bereitschaft der TSM (Betriebsleitungsebene)
Bereitschaft Stauanlagen
Bereitschaft Fließgewässer
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Anlagen, ereignisabhängige Ausrufung einer Bereitschaft für alle übrigen Stauan-
Ständige Bereitschaft für ausgewählte Flussmeistereien, ereignisabhängige wasserlauf/anlagenbezogene Bereitschaft
Bild 6-7 Bereitschaftssystem der LTV bis August 2002
6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege
123
In entsprechenden Dienstanweisungen der LTV [175], [176] sind alle Zuständigkeiten, Verfahrensregeln, Meldewege und erforderlichen Handlungen beschrieben und geregelt. Damit besaß die LTV organisatorisch und methodisch gute Voraussetzungen für die schnelle und sachgerechte Reaktion in Krisensituationen. Schlussfolgerung 47: Für die schnelle, sach- und fachgerechte Reaktion in Krisen- und Notsituationen muss man für den Betrieb von Stauanlagen und die Unterhaltung von Gewässern ein ständiges Bereitschaftssystem vorhalten. Da das Hochwasserereignis von 2002 eine ungeahnte Dimension annahm und die Kommunikationswege im Dienstgebäude der LTV-Zentrale in Pirna ab 11.08.2002, ca. 18:00 Uhr nicht mehr funktionierten, stellte das SMUL ab 12.08.2002 dem LTV-Krisenstab Räume zur Verfügung, die in das Lagezentrum Wasser integriert worden sind und sich in unmittelbarer Nähe zum Sitz der obersten Katastrophenschutzbehörde befanden. Der Krisenstab der LTV hatte aufbauend auf das bereits erläuterte Bereitschaftssystem die im Bild 6-8 dargestellte Struktur. Leiter Krisenstab der LTV und Stellvertreter (Geschäftsleitungsebene)
Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation, Grundsatzfragen, Recht
Wassermengenbewirtschaftung, Talsperrenmeldezentrale
Organisation, Koordination, Personaleinsatz, Logistik, Lage, Einsatz
Wassergütebewirtschaftung
Leiter Krisenstab in TSM 1
Leiter Krisenstab in TSM 2
Leiter Krisenstab in TSM 3
Leiter Krisenstab in TSM 4
Normalbetrieb in TSM 5
und Stellvertreter (Betriebsleitungsebene)
und Stellvertreter (Betriebsleitungsebene)
und Stellvertreter (Betriebsleitungsebene)
und Stellvertreter (Betriebsleitungsebene)
nicht im Katastrophengebiet
Betriebsteil Stauanlagen
Betriebsteil Fließgewässer
Betriebsteil Stauanlagen
Betriebsteil Fließgewässer
Betriebsteil Stauanlagen
Betriebsteil Fließgewässer
Betriebsteil Stauanlagen
Betriebsteil Fließgewässer
Betriebsteil Stauanlagen
Betriebsteil Fließgewässer
Staumeistereien
Flussmeistereien, Hochwasserschutzlager
Staumeistereien
Flussmeistereien, Hochwaserschutzlager
Staumeistereien
Flussmeistereien, Hochwaserschutzlager
Staumeistereien
Flussmeistereien
nicht betroffen
nur Hochwasserschutzlager betroffen
Bild 6-8 Krisenstab der LTV im August 2002 (Übersicht)
124
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Leiter Krisenstab der LTV und Stellvertreter (Geschäftsleitungsebene)
Leiter Krisenstab in TSM X und Stellvertreter (Betriebsleitungsebene)
Betriebsteil Stauanlagen
Betriebsteil Fließgewässer
Staumeistereien
Flussmeistereien und Hochwasserschutzlager
Bild 6-9 Krisenstab der LTV im August 2002 (TSM-Betrieb)
Vom Krisenstab der LTV-Zentrale sind in engster Zusammenarbeit mit den Krisenstäben der vier betroffenen Talsperrenmeistereien (Betriebe) alle Handlungen koordiniert worden. Dabei sind insbesondere folgende Aufgaben wahr genommen worden: ¾ Koordination des gesamten Geschäftsbetriebes der LTV ¾ Koordination des sachsenweiten Personaleinsatzes ¾ Koordination des sachsenweiten Einsatzes von Fach- und Hilfskräften ¾ Koordination des sachsenweiten Ressourceneinsatzes (z. B. Hochwasserschutzlager) ¾ Koordination der Talsperren- und sonstigen Stauanlagensteuerung ¾ Koordination der Handlungen an den Gewässern I. Ordnung ¾ Erstellung von Lagebeurteilungen- und Meldungen ¾ Information und Kommunikation insbesondere mit den Katastrophenschutzbehörden ¾ Beschaffung von Informationen ¾ Beschaffung von Ressourcen ¾ Beratung der Katastrophenschutzstäbe und Dritter Bei der Koordination des gesamten Geschäftsbetriebes der LTV mussten fünf Schwerpunktaufgaben gelöst werden: ¾ Sicherstellung des Talsperren- und sonstigen Stauanlagenbetriebes einschließlich Gefahrenabwehr ¾ Sicherstellung des freien Abflusses in den Fließgewässern einschließlich Gefahrenabwehr
6.2 Einsatzstrukturen, Aufgaben und Informationswege
125
¾ Sicherung des Betriebes von Hochwasserschutzanlagen (z. B. Deiche) einschließlich Gefahrenabwehr ¾ Sicherstellung des Betriebes der eigenen Betriebs- und Funktionsgebäude einschließlich Gefahrenabwehr ¾ Sicherstellung des Betriebes der vier Hochwasserschutzlager mit der Landesreserve Alle anderen Tätigkeiten des „normalen“ Geschäftsbetriebes sind zugunsten der Schwerpunktaufgaben reduziert oder eingestellt worden. Auch der Einsatz des eigenen Personales oder externer Fach- und Hilfskräfte orientierte sich an der Erfüllung der Schwerpunktaufgaben. So sind z. B. alle verfügbaren Fachkräfte von nicht betroffenen Struktureinheiten der LTV oder externer Organisationen an den Brennpunkten des Geschehens zum Einsatz gebracht worden. Zur Entlastung des extrem beanspruchten technischen Personals sind z. B. auch Bürokräfte und anderes Personal kurzfristig eingewiesen und zu einfachen Überwachungsaufgaben eingesetzt worden. Ähnlich wie beim Personaleinsatz sind auch alle anderen Ressourcen der LTV (z. B. Fahrzeuge, technisches Gerät, Hilfsmittel, …) sachsenweit koordiniert und an den bedürftigsten Stellen zum Einsatz gebracht worden. Besonders zu erwähnen sind die vier Hochwasserschutzlager, deren Inhalte (Sandsäcke, Pumpen, Geotextil, Vlies, Beleuchtung, Boote, …) rund um die Uhr auf Anforderung zur Verfügung gestellt worden sind. Die Beschaffung oder Nachbeschaffung von Ressourcen (z. B. Sandsäcke, Geotextilien, Karten, Filme, …) war ebenfalls eine wichtige Aufgabe. Die Aktivitäten zur Koordination der Talsperren- und sonstigen Stauanlagensteuerung sowie der Handlungen an den Gewässern I. Ordnung dienten ebenfalls zur Erfüllung der Schwerpunktaufgaben. Die Resultate dieser Handlungen sind in den nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels näher erläutert. Neben den bisher geschilderten Koordinierungstätigkeiten, die einen mehr technischen und praktischen Handlungshintergrund haben, hatten die Informationsbeschaffung, die Information durch die LTV, die Kommunikation sowie die Erstellung von Lagebeurteilungen und Lagemeldungen eine enorme Bedeutung und bildeten einen wichtigen Bestandteil der Arbeit des Krisenstabes der LTV. Nur durch die Beschaffung sachlicher Informationen, die Erstellung fachlich fundierter Lagebeurteilungen und die entsprechenden Schlussfolgerungen und Informationsweitergaben an die Katastrophenschutzstäbe und Dritte war die LTV in der Lage, ihre Schwerpunktaufgaben sachgerecht zu erfüllen und das Schadensausmaß zu begrenzen. Der LTV-Krisenstab hatte ständige Kontakte mit allen drei Ebenen der Katastrophenschutz- und Wasserbehörden. Die Krisenstäbe in den TSM (Betrieben) hatten die intensivsten Kontakte mit den unteren und auch oberen Katastrophenschutz- und Wasserbehörden. Im Bild 6-10 sind die Kommunikationswege des Krisenstabes in einer TSM (Betrieb) der LTV dargestellt.
126
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Leiter Krisenstab in TSM
Information
Informationen Betriebsteil Stauanlagen Staumeistereien
Leiter Katastrophenschutzstab
Stab der Fachberater
Anweisungen Sammeln und verdichten der Information, Anweisungen
Betriebsteil Fließgewässer Flussmeistereien und Hochwasserschutzlager
Fachberater 1
Fachberater 2
Fachberater n
vor Ort
vor Ort
vor Ort
Bild 6-10 Kommunikationswege eines TSM-Krisenstabes der LTV
Die Details der einzelnen Tätigkeiten des Krisenstabes zur Erfüllung der eben genannten Aufgaben sind sehr stark von den jeweiligen Randbedingungen und den einzelnen Situationen abhängig und damit schwer verallgemeinerbar. Der Krisenstab der LTV war im August 2002 ca. zwei Wochen rund um die Uhr besetzt. Nach dieser Einsatzzeit sind die Aufgaben des Krisenstabes in den in 7.3.3 und 8.2 erläuterten Sonderstrukturen bis zum späteren Übergang in die Standardstruktur weitergeführt worden.
6.3 Fließgewässer Während der Hochwasserbewältigung bestanden die zwei wichtigsten Schwerpunktaufgaben in der Sicherstellung des freien Abflusses in den Fließgewässern und in der Sicherung des Betriebes von Hochwasserschutzanlagen einschließlich der jeweiligen Gefahrenabwehr. An den Gewässern I. Ordnung sind durch die Flussmeistereien der LTV in Abstimmung mit den Katastrophenstäben und mit Unterstützung durch Feuerwehr, Polizei, Technisches Hilfswerk (THW) und Bundeswehr schwerpunktmäßig folgende Handlungen durchgeführt worden: ¾ Kontrollen in den Einzugsgebieten (Erosionen, Schwemmgut, …) ¾ Gewässerkontrollen mit Schwerpunkt Knicke, Brücken, Querbauwerke, Einengungen ¾ Betrieb, Steuerung und Überwachung von wasserwirtschaftlichen Anlagen (z. B. Wehre, Siele, Schöpfwerke, …)
6.3 Fließgewässer
127
¾ Beseitigung von Abflusshindernissen (z. B. Treibgut, Bäume wegen Verklausungsgefahr, …) ¾ Ablesung, Messung oder Einschätzung von Wasserständen (wegen Ausfall von Pegeln) ¾ Betriebs-, Kontroll- und Wachtätigkeiten an Hochwasserschutzanlagen (z. B. Schließen von Deichscharten, Wachdienst an Deichen, …) ¾ Füllen und Transport von Sandsäcken ¾ Fachberatung der Wasserwehren
Bild 6-11 Natzschung, Beseitigung von Abflusshindernissen, August 2002 (LTV)
Bild 6-12 Elbe, Deichsicherung bei Torgau, Luft- u. Wasserseite, August 2002 (LTV)
Eine weitere Aufgabe, die von vier Flussmeistereien abgedeckt werden musste, war die Bereitstellung von Hochwasserbekämpfungsmitteln für die Katastrophenschutzbehörden aus den vier Lagern der Landesreserve. Der Freistaat Sachsen hatte in Auswertung des Oderhochwassers von 1997 vier zentrale Hochwasserschutzlager in Chemnitz, Nauenhof, Lohsa und Radeburg errichtet. Der Bestand dieser Lager wird durch die LTV verwaltet und im Katastrophenfall kostenfrei an die Kommunen ausgeliehen. Der Gesamtbestand dieser Lager beinhal-
128
6 Risikomanagement während des Ereignisses
tete vor dem Ereignis von 2002 die in Tabelle 6-2 aufgelisteten Hochwasserbekämpfungsmittel. Tabelle 6-2 Lagerbestand Landeshochwasserreserve Sachsen, August 2002, (LTV) Mobilsystem Quickdamm (15m bis 24m)
8
Stück
160
Stück
573.000
Stück
3.000.000
Stück
18
Stück
Beleuchtungssätze
6
Stück
Notstromaggregate
6
Stück
Schlauchboote
6
Stück
Bootsmotoren
6
Stück
Kompressoren mit Schlauchzubehör
3
Stück
34
Stück
Mobilsystem Aqua-Barrier (128 m) Sandsäcke, Jute Sandsäcke, PP-Bändchengewebe Sandsackbefüllgeräte
Sicherungsleinen (8m bis 30m) Tauchpumpen („C“)
9
Stück
Schläuche „C“ (20m)
90
Stück
Kunststoffplanen
60
Stück
Benzinmotorkettensägen
6
Stück
Freischneider
6
Stück
Handlampen
5
Stück
Teichfolie
6.000
m²
Vlies
6.000
m²
Schüttsteine
1.050
t
Während des Ereignisses sind die Lagerbestände nahezu aufgebraucht worden. Viele Hochwasserbekämpfungsmittel, wie z. B. Sandsäcke, Beleuchtungssätze, Vlies u.s.w waren nicht ausreichend vorhanden und mussten während der Hochwasserbekämpfung nachbeschafft werden. So sind z. B. Millionen von Sandsäcken, auch aus dem Ausland, per Hubschrauber eingeflogen worden. Schlussfolgerung 48: Von einer Institution verwaltete und über das Land verteilte Lager mit Hochwasserbekämpfungsmitteln sind sehr wichtig für deren schnelle Verfügbarkeit. Die Zusammensetzung der Lagerbestände muss den Gegebenheiten des Gebietes entsprechen.
6.4 Stauanlagen
129
6.4 Stauanlagen 6.4.1 Allgemeines Entsprechend 6.2.3 bestand eine weitere Aufgabe in der Phase der Hochwasserbewältigung in der Sicherstellung des Talsperren- und sonstigen Stauanlagenbetriebes einschließlich der Gefahrenabwehr. Da es sich bei den Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken um komplexere technische Anlagen handelt sollen die Betriebs-, Steuerungs- und Überwachungshandlungen getrennt nach den Schwerpunkten Wassermengenbewirtschaftung, Wassergütebewirtschaftung und Bauwerksüberwachung erläutert werden. Die Bewirtschaftung und der Betrieb der Sächsischen Stauanlagen erfolgte entsprechend den Ausführungen in Abschnitt 4.7 nach Bewirtschaftungs- und Betriebsplänen. Die Bewirtschaftungspläne regeln im Teil A den Normalbetrieb einer Stauanlage und im Teil B u. a. die Hochwassersteuerung und müssen durch die oberen Wasserbehörde genehmigt sein. Im Bild 6-13 ist die Struktur eines typischen Hochwassersteuerplanes an einer Sächsischen Talsperre dargestellt. In den Betriebsvorschriften zu den Stauanlagen sind auch die Handlungen zur Sicherstellung der gesetzlichen Vorgaben laut Hochwassernachrichtenverordnung (HWNDV) [106] und Hochwassermeldeordnung (HWMO) [108] geregelt. In den Betriebsplänen sind die Vorgaben der Bewirtschaftungspläne in die einzelnen Betriebshandlungen umgesetzt. Damit existierten zum Hochwasser anlagenkonkrete und im Vorfeld berechnete Steuerungsund Handlungsvorgaben zum sachgerechten Betrieb während eines Hochwasserereignisses.
Bild 6-13 Struktur eines Hochwassersteuerplanes an Sächsischen Talsperren [240]
130
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Schlussfolgerung 49: Die Existenz von Hochwassersteuerplänen ist für den sicheren Betrieb von Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken unabdingbar.
6.4.2 Wassermengenbewirtschaftung Zu Beginn des Hochwasserereignisses vom August 2002 stand der vollständige gewöhnliche Hochwasserrückhalteraum von 122,5 Mio. m³ in den Stauanlagen der LTV zur Verfügung. Im Folgenden soll anhand von drei Beispielen, stellvertretend für alle betroffenen Sächsischen Talsperren (TS), gezeigt werden, wie durch die sachgerechte Bewirtschaftung der Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken (HRB) die Hochwasserscheitel und -abflüsse verzögert und teilweise deutlich reduziert werden konnten. Im ersten Beispiel soll die gemeinsame Wirkung der TS Gottleuba mit den HRB Friedrichswalde-Ottendorf, Liebstadt, Buschbach und Mordgrundbach auf die Stadt Pirna dargestellt werden. Die Lage der TS und HRB sowie die dazugehörigen Einzugsgebiete sind im Bild 6-14 ersichtlich.
Bild 6-14 Einzugsgebiet der TS Gottleuba und von 4 Hochwasserrückhaltebecken
6.4 Stauanlagen
131
Die TS Gottleuba selbst besitzt ein oberirdisches Einzugsgebiet von 35,2 km². Am 11. August 2002 stand in der Talsperre ein gewöhnlicher Hochwasserrückhalteraum von ca. 2,4 Mio. m³ und in den vier Hochwasserrückhaltebecken von 6 Mio. m³ zur Verfügung. Der Gebietsniederschlag betrug am 12.08.2002 = 180 mm, im Zeitraum vom 11. bis 13.08.2002 = 230 mm. Auf Grund der sehr hohen Abflussfüllen konnte ein Überlauf der TS Gottleuba über die Hochwasserentlastungsanlage (HWE) nicht verhindert werden. An der im Unterlauf gelegenen Stadt Pirna trat, bedingt durch das in Betrieb gehen der HWE, ein zweiter Hochwasserscheitel auf, der die Höhe des ersten unbeeinflussten, natürlichen Scheitels aus dem Gottleubagebiet jedoch nicht erreichte. Insgesamt konnte durch die Stauanlagenwirkung der Hochwasserscheitel für Pirna von 405 m³/s auf 270 m³/s, d. h. um ca. 33 % reduziert werden (siehe Bild 6-15 und Bild 6-16). Talsperre Gottleuba Bewirtschaftung in der Zeit des Augusthochwassers 2002 50 45
Zufluss, Abgabe in m³/s
40 35 30 25 20 15 10 5 0 12.08.02 / 00:00
12.08.02 / 12:00
13.08.02 / 00:00
Zufluss zur Talsperre Gottleuba
13.08.02 / 12:00
14.08.02 / 00:00
14.08.02 / 12:00
Abfluss am Unterpegel der Talsperre Gottleuba
Bild 6-15 Bewirtschaftung der TS Gottleuba während Augusthochwasser 2002 (LTV)
Bild 6-16 Hochwasserabfluss der Gottleuba in Pirna während Augusthochwasser 2002 (LTV)
132
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Aus dem Bild 6-14 kann man sehr deutlich erkennen, dass durch die TS Gottleuba und die weiteren vier HRB nur für ca. die Hälfte des Einzugsgebietes der die Stadt Pirna betreffenden Elbzuflüsse eine Hochwasserrückhaltewirkung erzielt werden kann. Die Abflüsse im sogenannten Zwischeneinzugsgebiet (hellgraue Fläche zwischen TS und Ortslage) sind für das Hochwassergeschehen der jeweiligen Ortslage ebenfalls entscheidend. Am Beispiel der TS Eibenstock kann man sehr gut die Retentionswirkung von Stauanlagen veranschaulichen. Die Lage der TS und des Einzugsgebietes sind im Bild 6-17 dargestellt. Das oberirdische Einzugsgebiet der TS Eibenstock beträgt 199,8 km². Am 11. August 2002 stand ein gewöhnlicher Hochwasserrückhalteraum von 6,93 Mio. m³ zur Verfügung. Der Gebietsniederschlag betrug am 12.08.2002 = 119,2 mm, im Zeitraum vom 11. bis 13.08.2002 = 191,7 mm. Auch hier sprang aufgrund der sehr hohen Abflussfüllen die HWE an. Durch die Stauanlagenwirkung konnte der Hochwasserscheitel am Abflusspegel unterhalb der TS Eibenstock von 180,0 m³/s auf 55,4 m³/s, d. h. um ca. 69,2 % reduziert und um 13 Stunden verzögert werden (siehe Bild 6-18).
Bild 6-17 Einzugsgebiet der TS Eibenstock
6.4 Stauanlagen
133
180 170 160 150 140 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
Zufluss des Augusthochwassers 2002
16.08.2002 00:00
15.08.2002 18:00
15.08.2002 12:00
15.08.2002 06:00
15.08.2002 00:00
14.08.2002 18:00
14.08.2002 12:00
14.08.2002 06:00
14.08.2002 00:00
13.08.2002 18:00
13.08.2002 12:00
13.08.2002 06:00
13.08.2002 00:00
12.08.2002 18:00
12.08.2002 12:00
12.08.2002 06:00
12.08.2002 00:00
11.08.2002 18:00
Abgabe im Zeitraum des Augusthochwassers 2002 11.08.2002 12:00
Zufluss und Abgabe in m³/s
Bewirtschaftung der Talsperre Eibenstock, mit 74,65 Mio. m³ Stauraum größte Talsperre in Sachsen, in der Zeit des Augusthochwassers 2002
Bild 6-18 Bewirtschaftung der TS Eibenstock während Augusthochwasser 2002 (LTV)
Das dritte Beispiel der Talsperren Malter, Lehnmühle und Klingenberg verdeutlicht, dass auch Stauanlagen mit relativ kleinen Hochwasserrückhalteräumen eine positive Retentionswirkung entfalten. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die hochwasserreduzierende und -verzögernde Wirkung von Talsperren begrenzt ist und mit zunehmender Zwischeneinzugsgebietsgröße abnimmt. Die Einzugsgebiete und die Lage der Talsperren sind im Bild 6-19 zu sehen. Die TS Malter an der Roten Weißeritz hat ein oberirdisches Einzugsgebiet von 104,6 km². Die Talsperren Lehnmühle und Klingenberg liegen kurz hintereinander an der Wilden Weißeritz und werden im Verbund bewirtschaftet. Deren gemeinsames Einzugsgebiet beträgt 149,4 km². Am 11. August 2002 standen in der TS Malter ein gewöhnlicher Hochwasserrückhalteraum von ca. 2,4 Mio. m³ und im Talsperrensystem Lehnmühle/Klingenberg 6,08 Mio. m³ zur Verfügung. Der Gebietsniederschlag betrug am 12.08.2002 = 218,0 mm an der TS Malter und 280,6 mm an der TS Klingenberg, im Zeitraum vom 11. bis 13.08.2002 = 249,9 mm an der TS Malter und 313,6 mm an der TS Klingenberg. Bei allen drei Stauanlagen gingen die HWE in Betrieb, weil die Zuflussmenge ein Vielfaches der Hochwasserschutzräume und sogar der Stauräume betrug. Durch die Stauanlagenwirkung konnte die Überlagerung der Hochwasserscheitel der Roten und der Wilden Weißeritz in Freital verhindert werden. Die Scheitel konnten unterhalb der TS Klingenberg um 3 % reduziert und um 2,5 Stunden verzögert werden. Für Dresden war damit immerhin noch eine Reduzierung des Hochwasserscheitels von 500 m³/s auf 370 m³/s, d. h. um ca. 26 % und eine Verzögerung um ca. 12 Stunden möglich (siehe Bild 6-20).
134
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Bild 6-19 Einzugsgebiet der TS Malter, TS Lehnmühle und TS Klingenberg
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch die sachgerechte Wassermengenbewirtschaftung der Talsperren und HRB die Hochwasserscheitel reduziert und verzögert werden konnten, was zu geringeren Beanspruchungen und Schäden unterhalb der Stauanlagen und zu längeren Reaktionszeiten für den Katastrophenschutz geführt hat. Durch die Sächsischen Stauanlagen konnten während des Hochwassers über 80 Millionen m³ Wasser zurück gehalten werden. Schlussfolgerung 50: Auch Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken können nur bis zu einem definierten Schutzziel vor Hochwasser schützen. Es verbleibt immer ein Hochwasserrisiko gegenüber Ereignissen, die größer als das Bemessungsereignis sind.
6.4 Stauanlagen
135
Bild 6-20 Hochwasserrückhaltewirkung der Weißeritztalsperren während Augusthochwasser 2002 in Freital (LTV)
Schlussfolgerung 51: Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken bewirken durch ihre immer vorhandene Retentionswirkung eine Reduzierung und Verzögerung von Hochwasserdurchflüssen und -scheiteln unterhalb der Sperrstelle. Die Größe der Retentionswirkung ist vom Niederschlagsereignis, der Einzugsgebietsgröße und dem Hochwasserrückhalteraum abhängig. Die Retentionswirkung verhält sich gegenläufig zur Ereignisgröße und kann demzufolge bei Extremereignissen sehr klein sein. Die Schutzwirkung auf unterhalb der Stauanlage liegende Ortschaften ist neben den eben genannten Randbedingungen stark von der Größe des Zwischeneinzugsgebietes abhängig.
6.4.3 Wassergütebewirtschaftung Die Bewirtschaftung einer TS, insbesondere auch aus Wassergütesicht, ist von deren Nutzungen, wie z. B. Hochwasserschutz, Rohwasserbereitstellung für Trinkwasser, Brauchwasserbereitstellung, Niedrigwasseraufhöhung, Energie, abhängig. Viele Sächsische Talsperren wer-
136
6 Risikomanagement während des Ereignisses
den multifunktional genutzt. Es werden über 40 % der Sächsischen Bevölkerung mit Trinkwasser aus Talsperren versorgt. Im Abschnitt 4.7 wurde schon dargestellt, dass der Hochwasserrückhalt und die Rohwasserbereitstellung für Trinkwasser konkurrierende Nutzungen darstellen. Dennoch müssen beide Aufgaben, gerade in einer Extremsituation wie im August 2002, sichergestellt werden. Durch das Hochwasserereignis sind immense Trübstofffrachten in die Wasserkörper eingetragen worden, die auf Grund ihrer relativ hohen Temperaturen das Epilimnion verdrängten und sich dort eingeschichtet hatten. Bei der Steuerung der Talsperren, z. B. bei der Entlastung der Hochwasserschutzräume über die Grundablässe, musste darauf geachtet werden, dass keine zu große Gütebeeinträchtigung der bis dahin unbeeinflussten Tiefenwasserschichten auftrat, damit diese zur weiteren Trinkwasserversorgung genutzt werden konnten. Die folgenden zwei teilweise aus [248] entnommenen Beispiele sollen stellvertretend für alle weiteren 10 betroffenen Sächsischen Trinkwassertalsperren zeigen, mit welcher Sorgfalt und Sensibilität die Stauanlagen auch aus Wassergütesicht gesteuert werden mussten, damit die Trinkwasserversorgung für einen großen Teil der Sächsischen Bevölkerung sicher gestellt werden konnte. Zuerst soll am Beispiel der im Verbund bewirtschafteten TS Lehnmühle und TS Klingenberg deren Bedeutung für die Wasserversorgung der Landeshauptstadt Dresden gezeigt werden. Normalerweise wird die Dresdner Bevölkerung (ca. 500.000 Einwohner) mit Trinkwasser aus drei Wasserwerken versorgt. Die Wasserwerke Hosterwitz und Tolkewitz liegen im Überschwemmungsgebiet der Elbe und mussten durch den unter 5.2 geschilderten historischen Höchststand der Elbe vom 15. August 2002 bis 11.09.2002 (Tolkewitz) bzw. bis 23.01.2003 (Hosterwitz) außer Betrieb genommen werden. Nun blieb für die Versorgung nur noch das Wasserwerk Coschütz übrig, welches sein Rohwasser über einen Überleitungsstollen aus der TS Klingenberg bezieht. Dort hatten die Schmutzstofffrachten sich als obere, ca. 10 m mächtige Schicht im Wasserkörper eingeschichtet und begannen sich langsam in tiefere Schichten auszubreiten (siehe Bild 6-21). Um an den unteren Entnahmehorizonten ein für das Wasserwerk Coschütz verarbeitbares Rohwasser bereitstellen zu können, ist die Abgabe aus der TS Lehnmühle in die TS Klingenberg mehrfach verändert worden. Dabei wurde kaltes Tiefenwasser abgegeben, was sich in der TS Klingenberg im Tiefenbereich einschichtete und die Trübungseinbrüche quasi verdünnte. Letztendlich sind beide Talsperren so gesteuert worden, dass immer das Wasser mit der besten im Stauraum der TS Klingenberg verfügbaren Qualität an das Wasserwerk Coschütz geliefert werden konnte. Die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung nach den hohen Anforderungen der in Deutschland geltenden Trinkwasserverordnung [37] von über einer halben Million Menschen im Raum Dresden während und nach der Phase des Katastrophenalarms war nur durch die ständige Abstimmung zwischen dem Wasserwerks- und Talsperrenbetreiber im Hinblick auf eine optimale Gütesteuerung möglich. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass ca. zwei Wochen lang über eine Leitung eine zusätzliche Wassermenge aus einem anderen Versorgungsgebiet aus dem Wasserwerk Gottleuba (Rohwasser aus TS Gottleuba) in das Dresdner Trinkwassernetz eingespeist worden ist.
6.4 Stauanlagen
137
Bild 6-21 Tiefenprofil Trübung TS Klingenberg im August 2002 (LTV)
Beim zweiten Beispiel handelt es sich um die Rohwasserversorgung aus der TS Eibenstock, mit der die Trinkwasserversorgung von ca. 700.000 Einwohnern sichergestellt wird. Auch hier hatte es enorme Trübstofffrachten gegeben, die sich entsprechend ihrer Temperatur im Stauraum der TS Eibenstock eingeschichtet hatten. Hier musste durch den Stauanlagenbetreiber LTV eine Risikoentscheidung getroffen werden. Die zwei Alternativen waren entweder eine sofortige Entlastung des voll eingestauten Hochwasserrückhalteraumes über die Grundablässe als Vorbeugung gegenüber einer zweiten Hochwasserwelle oder das Schließen der Grundablässe, um eine Vermischung des stark trübstoffbelasteten Wassers mit dem für die Trinkwasserversorgung wichtigen Rohwassers im Hypolimnion zu verhindern. Die Entscheidung ist zu Gunsten der Trinkwasserversorgung getroffen worden. Es ist noch versucht worden mit Schläuchen aus dem Epilimnion eine Entlastung des Hochwasserrückhalteraumes herbeizuführen, was aber aufgrund der geringen Durchflussmengen keinen nennenswerten Effekt hatte. Die getroffene Risikoentscheidung zugunsten der Trinkwasserversorgung war richtig, weil ein Wasserwerk der Stadt Zwickau, das Uferfiltrat der Zwickauer Mulde fördert, auch auf Grund des Hochwassers vom August 2002 außer Betrieb genommen werden musste. Für diese Zeit konnte die Trinkwasserversorgung durch zusätzliche Abgaben aus der TS Eibenstock sichergestellt werden. Um die Wassergütebewirtschaftung und -steuerung der Stauanlagen optimal und situationsgerecht durchführen zu können, muss das Messprogramm zur Überwachung der Rohwasserqualität in enger Abstimmung mit dem Wasserwerksbetreiber an die aktuellen Gegebenheiten (Verdichtung, Modifizierung) angepasst werden.
138
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Schlussfolgerung 52: Die güte- und mengenmäßige Absicherung der Rohwasserbereitstellung aus Trinkwassertalsperren ist gerade in Krisensituationen, wie z. B. bei Hochwasserereignissen, für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung enorm wichtig, weil z. B. Uferfiltrat verarbeitende Wasserwerke durch ihre gewässernahe Lage längerfristig ausfallen können und damit ein höherer Bedarf an Talsperrenwasser bestehen kann. Dazu bedarf es einer sehr sorgfältigen und sensiblen Wassermengen- und Wassergütebewirtschaftung der Talsperren, damit die durch das Hochwasser zugeführten Trüb- und Schmutzstofffrachten die Rohwasserqualität nicht zu stark beeinträchtigen. Schlussfolgerung 53: Zur Verbesserung der Wassergütesteuerung an Trinkwassertalsperren bei Hochwasserereignissen sind neben den Grundablässen weitere Entlastungsanlagen sehr vorteilhaft. Ohne zusätzliche Entlastungsanlagen muss der Stauanlagenbetreiber eine Risikoentscheidung zwischen schneller Entlastung des eingestauten Hochwasserrückhalteraumes über die Grundablässe oder langsamer Entlastung zur Sicherung der Rohwassergüte und damit Trinkwasserversorgung treffen.
6.4.4 Betriebs- und Bauwerksüberwachung Wichtige Bestandteile der Betriebs- und Sicherheitsüberwachung von Stauanlagen sind die visuellen Kontrollen und die messtechnischen Überwachungen. Diese Kontrollen und Messungen werden nach entsprechend festgelegten Programmen durchgeführt und dokumentiert. Im Hochwasserfall sind entweder zusätzliche Kontrollen und Messungen oder eine höhere Messdichte erforderlich, um die Anlage einerseits richtig steuern und andererseits eventuell entstehende Gefährdungen rechtzeitig erkennen zu können. Während des Ereignisses waren insbesondere folgende Mess-, Kontroll- und Meldedienste abzusichern: ¾ ausgewählte Betriebs- und Überwachungshandlungen während Hochwasser 2002: x Beobachtung und Messung der Zu- und Abflüsse x Kontrolle des unmittelbaren Einzugsgebietes x visuelle Bauwerkskontrollen x verstärkte messtechnische Überwachung (z. B. Sickerwasser, Deformationen, Trübungen, …) x Wassermengenbewirtschaftung und -steuerung x Wassergütebewirtschaftung und -steuerung x umfangreiche Meldungen an die Talsperrenmeldezentrale und Andere x Alarmierung und Information der Unterlieger x weitere Betriebs- und Steuerungshandlungen entsprechend Hochwassersteuerplan x Gefahrenabwehr
6.4 Stauanlagen
139
Aus der Aufzählung der vorzunehmenden auch zusätzlichen Handlungen des Staupersonales wird deutlich, dass im Hochwasserfall der Arbeitsaufwand sprunghaft ansteigt und damit das vorhandene Personal gegebenenfalls nicht ausreicht. Am Beispiel der TS Malter soll die Situation veranschaulicht werden. Die TS Malter, die Vorsperre Malter und das HRB Reinhardtsgrimma werden von einem Staumeister und zwei Stauwarten betreut, die im jährlichen Normalbetrieb ausgelastet sind. An arbeitsfreien Tagen ist täglich mindestens für eine Stunde eine Arbeitskraft für Überwachungshandlungen vor Ort. Außerhalb der Dienstzeiten besteht Rufbereitschaft. Während des Augusthochwassers 2002 musste ein Stauwart zum HRB Reinhardtsgrimma zu verstärkten Kontrolltätigkeiten abgestellt werden, weil am rechten Dammfuß Durchnässungen festgestellt worden waren. Damit war eine Arbeitskraft dort gebunden. Von den anderen beiden Arbeitskräften musste eine Person für den Melde-, Alarm- und Notdienst die Stauanlage besetzt halten und die andere Person musste die Mess- und Kontrollhandlungen an der Haupt- und Vorsperre und im unmittelbaren Einzugsgebiet durchführen. Damit waren alle drei Arbeitskräfte rund um die Uhr gebunden. Da dieser Zustand auf Dauer nicht tragbar war, ist nach 24 Stunden eine Innendienstarbeitskraft zur Sicherstellung des nächtlichen Telefondienstes eingesetzt worden. Weiterhin sind zwei technische Mitarbeiter der LTV-Zentrale zur Absicherung der dauerhaften Kontrolle und zur Koordinierung der Sicherung des Dammfusses mit Vlies und ca. 1.000 Sandsäcken des HRB Reinhardtsgrimma zum Einsatz gebracht worden. Der sprunghafte Anstieg des Arbeitsaufwandes soll an den in Tabelle 6-3 dargestellten Tätigkeiten verdeutlicht werden. Tabelle 6-3 Beispiele für erhöhten Arbeitsaufwand bei Hochwasserbetrieb an TS Malter Tätigkeit
Normalbetrieb
Augusthochwasser 2002
Meldung von Bewirtschaftungsdaten
1 x täglich
stündlich
hydrolog. u. meteorolog. Messungen
1 x täglich
stündlich
Kontrollbegehung Absperrbauwerk
1 x täglich
mehrmals täglich
Kontrolle der Zu- und Ablaufpegel
1 x wöchentlich
mehrmals täglich
Kontrolle des Einzugsgebietes
1 x monatlich
mehrmals täglich
Bürger- und Presseanfragen
sporadisch
sehr viele
Die Kommunikation des Staupersonals und der zusätzlichen Arbeitskräfte untereinander sowie mit den Einsatzzentralen war aufgrund des Stromausfalles wesentlich erschwert. Die sicherste Telefonverbindung stellte das an der TS Malter verfügbare analoge Telefon dar. Mobilfunkverbindungen waren wegen Netzüberlastung und teilweisen Stromausfällen an den Verteilerzentralen ebenfalls nur zeitweise verfügbar. Schlussfolgerung 54: Der Arbeitsaufwand für Mess-, Kontroll- und Meldedienste im Rahmen des Hochwasserbetriebes von Talsperren steigt bei Extremereignissen sprunghaft an und kann oft nur durch Zuführung von geschultem Personal abgedeckt werden.
140
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Schlussfolgerung 55: Sichere Kommunikationswege sind insbesondere im Hochwasserfall sehr wichtig. Analoge Telefonie oder sichere Notstromversorgung sind erprobte Alternativen.
6.5 Öffentlichkeits- und Pressearbeit In allen drei Ebenen der Katastrophenschutzbehörden und auch in den anderen in 6.2 erwähnten Institutionen war eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit erforderlich. So hatte z. B. der Stabsbereich 5 (siehe Bild 6-1) der obersten Katastrophenschutzbehörde ein Bürgertelefon eingerichtet. Hier waren 35 Mitarbeiter vom 14.08.2002 bis 22.08.2002 rund um die Uhr und später mit etwas kürzeren Servicezeiten im Einsatz und haben über 8.000 Telefonate entgegengenommen. Der Krisenstab der obersten Katastrophenschutzbehörde hatte zudem den Journalisten die Teilnahme an den mehrmals täglich stattfindenden Krisenstabssitzungen eingeräumt. Zusätzlich fanden mindestens einmal täglich Pressekonferenzen statt, an denen u. a. auch ein Vertreter des Lagezentrums Wasser des SMUL sowie die Leiter der Krisenstäbe der LTV und des LfUG teilnahmen. Des Weiteren erstellte der Krisenstab während der Hochwasserkatastrophe regelmäßig „Eilmeldungen“, die an alle Hörfunk- und Fernsehsender im Großraum Dresden mit der Aufforderung der schnellstmöglichen Sendung weitergegeben worden sind. Ferner sind durch Mitarbeiter aller Krisenstäbe viele Interviews gegeben worden. Trotz dieser vielen Öffentlichkeits- und Presseaktivitäten der Katastrophenschutz- und Wasserbehörden sowie der LTV und des LfUG, in denen objektive Sachinformationen übermittelt worden sind, war bei der Medienberichterstattung und insbesondere bei den Fernsehsendern der Hang zum Sensationsjournalismus zu verzeichnen. Eine Medien-Tenor Untersuchung [192] ergab, dass z. B. am 16.08.2002 in Fernsehnachrichtensendungen noch Bilder über die aus dem Dresdner Hauptbahnhof herauslaufende Weißeritz gesendet worden sind, obwohl bereits am Abend des 13.08.2002 die Hochwasserwelle der Weißeritz den Hauptbahnhof passiert hatte und dort „nur“ noch die Nachwirkungen, wie z. B. Schlammablagerungen, Wasserschäden usw., vorhanden waren. Eine vom LfUG beauftragte Studie [66] hat ergeben, dass die Unterschiede zwischen der Wirklichkeit und der Medienberichterstattung es den Betroffenen schwer machte, die momentane Lage richtig einzuschätzen. In der Studie sind u. a. die Inhalte der Flutberichterstattung analysiert worden. Da das Medium Radio in der Katastrophensituation am besten verfügbar war (Printmedien nicht verteilbar, Fernsehen gebietsweise nicht möglich) sind in der oben genannten Studie vom stärksten regionalen Radiosender MDR1 Radio Sachsen 821 Berichterstattungen ausgewertet worden. Aus dem Bild 6-22 kann man entnehmen, dass sich über zwei Drittel der Sendungen inhaltlich mit der Situationsberichterstattung beschäftigten und die Übermittlung von Sachinformationen wie Pegelständen und Warnungen einen wesentlich geringeren Raum einnahmen.
6.5 Öffentlichkeits- und Pressearbeit
141
Die folgenden Abbildungen sollen einen kleinen Eindruck über die Medienberichte vermitteln.
Bild 6-22 Blickwinkel der Medienberichterstattung [66]
Die Medienberichte zu den oben genannten Inhalten waren nur bei einem Drittel neutral und damit wertungsfrei. Zwei Dritteln der Inhalte sind mit den im Bild 6-23 gezeigten Tenoren behaftet gewesen und waren damit für den Nachrichtenempfänger schwerer wert- und damit auch verwendbar.
Bild 6-23 Tenor der Medienberichterstattung [66]
Ein deutliches Zeichen in Richtung Sensationsberichterstattung war, dass über ein Drittel aller Beiträge (siehe Bild 6-24) dramatisiert war und es damit für den Nachrichtenempfänger äußerst schwierig war, sich ein realistisches Bild von der aktuellen Situation zu machen.
142
6 Risikomanagement während des Ereignisses
Bild 6-24 Dramatisierung der Medienberichterstattung [66]
Aus ingenieurmäßiger Betrachtung völlig unverständlich ist, dass nur ein Fünftel aller Berichtsinhalte sich auf eigene regionale Recherchen und nur 2 % auf Angaben der zuständigen Behörden stützten (siehe Bild 6-25). Damit basierte der größte Teil der verbreiteten Informationen aus externen Quellen, deren Aktualität und Gehalt in der Regel keiner Prüfung unterzogen worden sind.
Bild 6-25 Grundlagen der Medienberichterstattung [66]
Wozu eine solche aus den verschiedensten zufälligen Quellen stammende Berichterstattung führen kann, verdeutlicht am Beispiel der aktuellen Pegelmeldungen das Bild 6-26. Nur 7 % der vom MDR gemeldeten Pegelwerte der Elbe stimmten mit den amtlichen Angaben des LfUG überein.
6.5 Öffentlichkeits- und Pressearbeit
143
Bild 6-26 Übereinstimmung der Pegelangaben von LfUG und MDR1 Radio Sachsen [66]
Noch dramatischer für den Informationsempfänger sind Falschmeldungen. So vermeldeten z. B. im Laufe des 14.08.2002 die regionalen Radiosender, dass die TS Malter gebrochen sei. Der Krisenstab der LTV erfuhr diese Nachricht aus den Medien und konnte binnen 15 Minuten klären, dass dies eine Falschmeldung war. Aus den hier aufgeführten Beispielen wird deutlich, dass der Freistaat Sachsen sein im § 14 des Staatsvertrages über den Mitteldeutschen Rundfunk verbrieftes Recht [105] auf eigene Sendezeiten im Katastrophenfall wahr nehmen sollte und die Informationsübermittlung nicht nur den Medien überlassen kann. Offensichtlich kann nur über eigene Sendezeiten im Katastrophenfall durch geschulte Mitarbeiter eine versachlichte Informationsbereitstellung für die Betroffenen sicher gestellt werden. Schlussfolgerung 56: Eigene Sendezeiten durch geschulte Mitarbeiter der zuständigen Katastrophenschutzbehörden stellen im Katastrophenfall eine versachlichte, objektive Informationsbereitstellung für die Betroffenen sicher. Die alleinige Berichterstattung durch die Medien führt zu Dramatisierungen, zu Informationswertungen, zu ungenauen Situationsbeschreibungen und gegebenenfalls zu Falschmeldungen, so dass die Informationsempfänger sich kein genaues Lagebild machen können. Schlussfolgerung 57: Für ausgewählte Informationsinhalte, wie z. B. Warnungen, sollte das „Single Voice“ – Prinzip angewendet werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die bestverfügbare Information schnellstmöglich den Empfänger erreicht.
7
Schäden und Sofortmaßnahmen
7.1 Allgemeines In diesem Kapitel werden ausgewählte Sachverhalte zu den im August 2002 aufgetretenen Schäden beschrieben. Dabei wird insbesondere am Beispiel des Freistaates Sachsen auf die Erfassung der Schäden an den wasserwirtschaftlichen Anlagen und auf die Sofortmaßnahmen an den Fließgewässern, Deichen und Stauanlagen eingegangen. Entsprechend dem unter 2 erläuterten Kreislauf des Hochwasserrisikomanagements fallen die Inhalte dieser Ausführungen in die Phase der Hochwasserbewältigung.
7.2 Schäden Das Ereignis vom August 2002 war eine der schlimmsten Hochwasserkatastrophen in Mitteleuropa mit Schäden von ca. 18,5 Milliarden Euro [15]. Mit rund 9,2 Milliarden Euro entfiel fast die Hälfte der Hochwasserschäden auf Deutschland und hier wiederum befand sich der größte Teil der Schäden in Sachsen. Die Tabelle 7-1 und das Bild 7-1 zeigen die Verteilung der Schäden auf die Bundesländer und die Strukturbereiche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Tabelle 7-1 Verteilung der Hochwasserschäden vom August 2002 in Deutschland [92] Verteilung der Schäden innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Sachsen
6.196,0 Mio. €
Sachsen-Anhalt
1.029,3 Mio. €
Bayern
197,4 Mio. €
Niedersachsen
174,3 Mio. €
Brandenburg
144,7 Mio. €
Thüringen
49,0 Mio. €
Mecklenburg-Vorpommern
32,9 Mio. €
Schleswig-Holstein
4,2 Mio. €
Bund
1.352,7 Mio. €
Summe
9.180,5 Mio. €
146
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Bild 7-1 Verteilung der Hochwasserschäden der BR Deutschland von 2002 auf Strukturbereiche
Im Freistaat Sachsen waren im August 2002 ca. 2/3 der Sächsischen Gemeinden vom Hochwasser betroffen. Im Bild 7-2 ist das Schadensgebiet dargestellt. Die dort entstandenen Schäden von über 6 Milliarden Euro waren, wie im Bild 7-3 dargestellt, auf einzelne Strukturbereiche verteilt. So waren mit 36 % (Wohngebäude und Haushalte) privates Eigentum, mit 22,9 % die gewerblichen Unternehmen und mit 37,6 % die Infrastrukturen betroffen. In diesen Bilanzen sind verdeckte Schäden sowie Ertrags- und Umsatzeinbußen nicht enthalten, so dass man von noch höheren Schäden ausgehen muss. Beispielhaft soll die folgende Aufzählung das Schadensmaß verdeutlichen [93]: ¾ ca. 25.000 beschädigte Häuser (inklusive 400 Totalschäden) ¾ ca. 20.000 Schäden an den Gewässern und wasserwirtschaftlichen Anlagen ¾ ca. 740 km beschädigte oder zerstörte Straßen ¾ ca. 20 % des Sächsischen Schienennetzes beschädigt oder zerstört ¾ ca. 470 beschädigte oder zerstörte Brücken ¾ ca. 280 beschädigte soziale Einrichtungen ¾ ca. 10 % der Sächsischen Krankenhäuser evakuiert ¾ ca. 11,2 % der Sächsischen Schulen beschädigt ¾ über 115 Baudenkmäler beschädigt ¾ ca. 115 Mio. € Schaden an Sächsischen Kultureinrichtungen und Kulturstätten
7.2 Schäden
147
Bild 7-2 Schadensgebiet (dunkelgrau) Augusthochwasser 2002 im Freistaat Sachsen (LTV)
Bild 7-3 Verteilung der Hochwasserschäden in Sachsen von 2002 auf Strukturbereiche
148
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Die nachfolgenden in Bild 7-4 bis Bild 7-6 dargestellten Schäden sollen beispielhaft das katastrophale Schadensausmaß zeigen.
Bild 7-4 Rote Weißeritz, Gebäudeschaden in Schmiedeberg, Augusthochwasser 2002 (LTV)
Bild 7-5 Müglitz, Schaden an Bahnanlage in Bärenstein, Augusthochwasser 2002 (LTV)
7.2 Schäden
149
Bild 7-6 Müglitz, Schaden an Staatsstraße S 178, Augusthochwasser 2002 (LTV)
Bei der Verteilung der Hochwasserschäden kann man feststellen, dass in Übereinstimmung mit den Betrachtungen in Abschnitt 4.9 die gravierendsten Schäden in den Teileinzugsgebieten der Elbe und der Mulden lagen, in denen sich fast 75 % der hochwassergefährdeten Flächen von Sachsen befinden. Auch die Tatsache, dass die Schäden an den Gebäuden und bei den gewerblichen Unternehmen ca. 50 % der gesamten Hochwasserschäden in Sachsen ausmachen, entspricht den in 4.9 erläuterten Aufteilungen der Flächennutzungen in diesen Gebieten. Eine ausführliche Darstellung zu den nichtwasserwirtschaftlichen Schäden ist in [92] enthalten. Am Beispiel der weiter unten folgenden Aufzählung von Schäden an den Anlagen der Deutschen Bahn soll verdeutlicht werden, wie empfindlich auch die lebensnotwendigen Verkehrsinfrastrukturen betroffen sein können. Nur dem Hochwasserrisikomanagement der Bahn war es zu verdanken, dass trotz der enormen Schäden noch zeitweise das große Tanklager in Rhäsa bei Meißen beliefert werden konnte. Von diesem Tanklager wurde die gesamte Region um Dresden mit Treibstoffen versorgt. Schadensmaß der Bahnanlagen in Sachsen-Anhalt und vorrangig in Sachsen [50]: ¾ Gesamtschaden ca. 1,025 Milliarden Euro ¾ ca. 400 km Gleise ¾ ca. 130 km Bahndamm ¾ ca. 94 Bahnbrücken ¾ ca. 200 Bahnhöfe und Haltepunkte
150
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
¾ ca. 240 Weichen ¾ ca. 25 Stellwerke ¾ 12 Bahnfahrzeuge und 4 ICE Die Schadensangaben zu abgelaufenen Hochwasserereignissen lassen erkennen, dass schwerpunktmäßig über Gebäudeschäden sowie Schäden beim Gewerbe und den Verkehrsinfrastrukturen berichtet wird. Die Erhebung dieser Schadensinformationen ist von den verschiedensten Institutionen, wie z. B. den Infrastrukturträgern, den Versicherungen, der Sächsischen Aufbaubank und den Spenden verwaltenden Stellen unabhängig voneinander veranlasst worden. Durch ein vorbereitetes modular aufgebautes ressortübergreifendes Schadenserfassungssystem ließen sich alle Schadensinformationen effizienter und genauer bestimmen. Um im Nachgang bei der Auswertung von Hochwasserereignissen die Schadensinformationen zur Aufstellung von Schadensfunktionen und wissenschaftlichen Untersuchungen nutzen zu können, muss bei der Erhebung das Einverständnis der Betroffenen für diese wichtigen Aspekte mit eingeholt werden. Die Schäden an den Gewässern und wasserwirtschaftlichen Anlagen werden meist nicht extra ausgewiesen. Da im August 2002 an der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur des Freistaates Sachsen Schäden in einer Höhe von weit über einer Milliarde Euro aufgetreten sind, wird dieser bedeutende Teil, der immerhin ca. 1/6 der Hochwasserschäden ausmacht, in den folgenden Abschnitten einer separaten Betrachtung unterzogen. Schlussfolgerung 58: Die Verteilung der Hochwasserschäden von 2002 auf die Regionen und Infrastrukturbereiche in Sachsen entspricht den Schadenspotenzialen der verschiedenen Nutzungen in den identifizierten hochwassergefährdeten Gebieten. Schlussfolgerung 59: Ein ressortübergreifendes modular aufgebautes Schadenserfassungssystem führt wesentlich effizienter zu genaueren Schadensinformationen. Für spätere wissenschaftliche Auswertungen oder die Bestimmung von Schadensfunktionen muss bei der Datenerhebung das Einverständnis der Betroffenen dafür mit eingeholt werden. Schlussfolgerung 60: Die bisher unterrepräsentierte Erfassung und Ausweisung von Hochwasserschäden an Gewässern und wasserwirtschaftlichen Anlagen muss verbessert werden, da an dieser Infrastruktur bedeutende Schäden auftreten können.
7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen
151
7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen 7.3.1 Ersterfassung Die Erfassung der enormen Schäden an den Gewässern und Stauanlagen in Sachsen stellte eine große Herausforderung für die LTV dar. Bereits einen Tag nach dem Hochwasserereignis hatten Ingenieure der LTV mit der Schadenserfassung begonnen. Mit Hilfe von topographischen Karten (TK 10, siehe Bild 7-8) und den in Bild 7-7 dargestellten einheitlich vorbereiteten Erfassungsbögen sind folgende Angaben erhoben worden: ¾ Lage der Schäden ¾ Art der Schäden ¾ Ausmaß der Schäden ¾ Fotodokumentation der Schäden
Bild 7-7 Schadenserhebung 2002 - Ersterfassungbogen (LTV)
152
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Bild 7-8 Kartenausschnitt Ersterhebung (Gewässer – Müglitz), (LTV)
Auch die Erstschadenserfassung an den großen Stauanlagen der LTV erfolgte durch eigenes erfahrenes Ingenieurpersonal und ist analog den Gewässerschäden dokumentiert worden.
7.3.2 Zweiterfassung mittels Datenbank Nach wenigen Tagen der Ersterfassung war das riesige Ausmaß der Schäden einigermaßen abschätzbar. Dabei wurde sehr schnell deutlich, dass die Schadenserfassung mit den Ersterfassungsbögen und das händische Eintragen in die topographischen Karten (TK 10) nicht ausreichend sind. Um parallel zu den in 7.5 und 7.7 beschriebenen Sofortmaßnahmen die Erfassung der rund 23.000 Schäden an den Gewässern und Stauanlagen durchführen zu können, ist die im Abschnitt 7.3.3 beschriebene Organisationsstruktur geschaffen worden. Aus Effizienz- und Kapazitätsgründen sind über 200 externe Ingenieure zum Einsatz gebracht worden. Grundlage für eine effektive Schadenserfassung war eine eigens dafür kurzfristig erstellte Web-basierte Datenbank. Diese Oracle-Datenbank besitzt ein Webinterface, das auf einem Microsoft Internet Information Server läuft (siehe Bild 7-9). Zur besseren Visualisierung wurde eine GIS-Anwendung per ArcIMS 9.2 bereitgestellt (siehe Bild 15-19). Über die Datenbank erfolgte eine Grundstrukturierung der Schadenserfassung. Passend zur Datenbank wurden die in Anlage 1 dargestellten Erfassungsbögen definiert, die als Feldformulare zum
7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen
153
Einsatz kamen. Über entsprechende Vorgaben, wie z. B. maximal 100 m Schadenslänge innerorts oder maximal 500 m Schadenslänge außerorts, war sichergestellt, dass sachsenweit eine annähernd vergleichbare Erfassung der Schäden stattfinden konnte. Die Vorort-Aufnahme erfolgte GPS-gestützt, so dass alle Schäden für eine spätere Auswertung georeferenziert zur Verfügung standen. Nach jedem Erhebungstag sind die Daten der Erfassungsbögen per Internet in die Datenbank eingetragen worden. Bereits nach einer Woche Erfassung waren in der Datenbank über 8.000 von 22.973 Schäden in Lage, Art und Ausmaß erfasst und bewertet worden. Von den in der Schadensdatenbank der LTV erfassten Schäden befinden sich 11.617 Schäden an Fließgewässern I. Ordnung und 11.356 an den Gewässern II. Ordnung.
Bild 7-9 Hauptmenü Schadensdatenbank der LTV von 2002
Schlussfolgerung 61: Bei größeren Hochwasserereignissen mit vielen Schäden kann eine sinnvolle Schadenserfassung nur mittels einer Datenbank erfolgen, die dann auch von allen Schadenserfassern benutzt werden muss. Ein späteres Zusammenführen von Schadensinformationen aus mehreren Quellen führt zu Informationsverlusten und erheblichem Aufwand in der Weiterverarbeitung.
154
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
7.3.3 Einsatzstruktur Um die rund 23.000 Schäden an den Fließgewässern und Stauanlagen zeitnah erfassen zu können, bedurfte es einer effektiven Einsatzstruktur. Da zeitgleich mit der Schadenserfassung auch die unter 7.5 und 7.7 erläuterten Sofortmaßnahmen und anschließend die planmäßige Schadensbeseitigung durchzuführen waren, bildete die LTV noch während des Bestehens des unter 6.2.3 vorgestellten Krisenstabes die in Bild 7-10 dargestellten Wiederaufbaustäbe.
Wiederaufbaustab der LTV (Geschäftsleitungsebene)
Wiederaufbaustab
Wiederaufbaustab
Wiederaufbaustab
Wiederaufbaustab
Betrieb 1
Betrieb 2
Betrieb 3
Betrieb 4
(Betriebsleitungsebene)
(Betriebsleitungsebene)
(Betriebsleitungsebene)
(Betriebsleitungsebene)
Gesamtprojektsteuerer (Ingenieurbüro)
Gesamtprojektsteuerer
Gesamtprojektsteuerer
(Ingenieurbüro)
(Ingenieurbüro)
…
Gewässerverantwortlicher der LTV
…
…
Gewässerverantwortlicher der LTV
…
…
Gewässerverantwortlicher der LTV
Teilprojektsteuerer
Teilprojektsteuerer
Teilprojektsteuerer
(Ingenieurbüro)
(Ingenieurbüro)
(Ingenieurbüro)
…
…
Gewässerverantwortlicher der LTV
…
…
Ingenieurbüro
…
…
Ingenieurbüro
…
…
Ingenieurbüro
…
…
Ingenieurbüro
…
…
Baufirma
…
…
Baufirma
…
…
Baufirma
…
…
Baufirma
…
Bild 7-10 Einsatzstruktur der LTV nach Augusthochwasser 2002
7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen
155
Der Wiederaufbaustab der gesamten LTV ist vom Geschäftsführer geleitet worden, dem die oberste und obere Wasserbehörde, ein Naturschutzbeirat und verschiedenste Fachleute aus dem eigenen Haus beratend zur Seite standen. Der Vorteil dieser Einsatzstruktur war, dass es in der Regel pro Fließgewässer einen festen Gewässerverantwortlichen gab, der für alle Belange an dem jeweiligen Gewässer der zentrale Ansprechpartner sowohl für Externe als auch in der LTV war. Bei längeren Gewässern wurden die Fließgewässer in mehrere Abschnitte mit je einem Gewässerverantwortlichen unterteilt, wobei hier die Verantwortlichkeitsgrenzen in der Regel identisch mit den Landkreisgrenzen waren. Damit die Gewässerverantwortlichen in den drei am meisten betroffenen Betrieben die umfangreichen Tätigkeiten koordinieren konnten, wurden sogenannte Teilprojektsteuerer (Ingenieurbüros) gebunden. Diese Teilprojektsteuerer koordinierten unter Anleitung der jeweiligen Gewässerverantwortlichen die Ingenieur- und Bauleistungen beim Schadenserfassungsprozess und dem Wiederaufbau des betreffenden Gewässers. Damit einerseits die Schadenserfassung und der Wiederaufbauprozess sinnvoll und nach einheitlichen Grundsätzen erfolgen und andererseits die umfangreichen Informationen und Fragestellungen der Gewässerverantwortlichen an die Leitungsebenen und auch in umgekehrter Richtung effektiv übermittelt werden konnten, wurde in jedem der drei am stärksten betroffenen Betriebe ein Gesamtprojektsteuerer gebunden, der den Wiederaufbaustab des jeweiligen Betriebes unterstützte und auch die Tätigkeiten der Teilprojektsteuerer kontrollierte. Über diese Strukturen war die LTV trotz des enormen Aufgabenzuwachses in der Lage, ihre Bauherrenfunktion wahr zu nehmen und die erforderlichen Prozesse zu steuern.
7.3.4 Systematik der erfassten Schäden In der Datenbank kann man die Schäden prinzipiell folgenden Objektkategorien zuordnen: ¾ Flusslauf ¾ Stauanlage ¾ Sonstige Bauwerke Die in Bild 7-11 dargestellte Auswertung der Datensätze zeigt, dass über 80 % der Schäden an den Fließgewässern selbst entstanden sind. 18 % der Schäden betreffen vorrangig Wasserbauwerke, wobei hier z. B. auch Betriebsbrücken und andere betroffene Bauwerke mit erfasst sind. Sehr positiv ist, dass an den Stauanlagen nur 0,7 % der Schäden aufgetreten sind. Die geringen Schäden an den Stauanlagen zeigen, dass die dort übliche Bauwerksüberwachung zu einem höheren Sicherheitsniveau beiträgt und somit auch in Extremsituationen weniger Schäden auftreten.
156
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Bild 7-11 Anzahl wasserwirtschaftlicher Schäden nach Objektkategorien, Sachsen 2002
Unter den eben genannten Objektkategorien sind folgende Schadensdaten in der Datenbank abgelegt: ¾ Details des aktuellen Datensatzes x Schadensereignis (hier Hochwasser August 2002) x Schadensnummer (Gewässerabschnittsnummer + Erfassungsbogennummer) x Betrieb der LTV x Spezieller Name (nähere Ortsbeschreibung) x Kartenblatt 1:10.000 (TK 10-Blatt-Nummer) x Landkreis x Gemeinde (laut Gemeindeschlüsselnummer) x Nummer WASA-Liste (nachträgl. Zusatzinformation zum Abgleich mit anderen Schadenserhebungen) ¾ Schadensposition x Hochwert x Rechtswert x Schaden in Fließrichtung (beidseitig, mittig, linksseitig, rechtsseitig) x Objektart (z. B. Böschung, Rückhaltebecken, Ufermauer, …)
7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen
157
x Bauart (z. B. Naturstein, Beton, Holz, …) x Schädigungsgrad (leicht, mittel, schwer, total) x akute Gefahr (ja, nein) ¾ Rohbaumaße des Schadensbereiches x Länge in m x Höhe in m x Tiefe in m x Fläche in m² x Volumen in m³ x Kostenannahme (netto) in Euro ¾ Beschreibung/technischer Instandsetzungsvorschlag (verbale Beschreibung des Schadens mit Instandsetzungsvorschlag) ¾ Erfasser (Kontaktdaten des Schadenserfassers) ¾ Erfassungszeit (Datum und Uhrzeit der Ersterfassung) ¾ Änderung (Kontaktdaten, Datum und Uhrzeit von Änderungen) Der weitere Umgang mit der Datenbank hat gezeigt, dass zur besseren Auswertung der Schadensdaten und zur Nachverfolgung der Schadensbeseitigung Verbesserungen, wie z. B. weitere oder präzisere Informationen, notwendig sind. Ein Teil der Erkenntnisse war sofort umsetzbar, andere Nachbesserung hätten einen zu großen Aufwand bedeutet und sind dem im Nachgang geschaffenen Folgesystem vorbehalten geblieben. Siehe dazu auch die Ausführungen in 9.5.4. An der im Bild 15-20 dargestellten Beispielsdatensatzmaske kann man erkennen, dass als eine Verbesserung im Nachgang noch folgende Daten zur Nachverfolgung der Schadensabwicklung erfasst und genutzt worden sind: ¾ Schadensabwicklung x Behebung erforderlich (ja, nein) x Planung erforderlich (ja, nein) x zuständig für Schadensabwicklung (LTV, Kommune, Bahn, …) x Kostenkategorie (Kriterium für mögliche Finanzierungen) x Vorgangsbearbeitung begonnen durch (Ingenieurbüro, …) x Vorgangsbearbeitung begonnen am (Datum) x beauftragt mit Behebung (Baufirma, …) x Behebung beauftragt am (Datum) x beauftragt mit Baubegleitung (Ingenieurbüro, …) x Behebung abgeschlossen am (Datum)
158
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
x Kosten nach Fertigstellung (netto) in Euro x Vorgangsbearbeitung abgeschlossen am (Datum) ¾ Schadensdaten nach Behebung x Objektart (z. B. Böschung, Rückhaltebecken, Ufermauer, …) x Bauart (z. B. Naturstein, Beton, Spundwand, …) x Sofortmaßnahme erfolgt (ja, nein) ¾ neue Rohbaumaße des Schadensbereiches x Länge in m x Höhe in m x Tiefe in m x Fläche in m² x Volumen in m³ x Bemerkungen zur Schadensbeseitigung
7.3.5 Auswertungen zu den Schadensdaten Im Rahmen der Aufarbeitung des Hochwassers durch die LTV sind die Schadeninformationen einer ausführlichen Auswertung [247] unterzogen worden. In dem daraus entnommenen Bild 7-12 kann man erkennen, dass die meisten Schäden an Böschungen, Ufermauern und durch Fließhindernisse im Gewässer aufgetreten sind. Die Zahlen zeigen ebenso deutlich, dass die Umlagerungsprozesse (Erosion, Bodenabtrag, Sedimentation) von Boden eine entscheidende Rolle gespielt haben. Diese Angaben machen deutlich, dass man wie in Sachsen ebenfalls im Mittelgebirge bei Hochwasserereignissen neben den reinen Wasserabflüssen auch an andere entscheidende Prozesse, wie eben Verklausungen (Fließhindernisse) und Geschiebetransporte denken muss. Auch die mit Bild 7-11 schon getroffene Aussage, dass an den Stauanlagen (ohne Wehre) aufgrund der guten Bauwerksüberwachung sehr wenige Schäden aufgetreten sind, kann mit Bild 7-12 nochmals bestätigt werden.
Schlussfolgerung 62: Bei Hochwasserereignissen müssen neben den Abflussprozessen des Wassers alle maßgebenden Prozesse, wie z. B. Geschiebetransport, Verklausungen und andere berücksichtigt werden.
7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen
Bild 7-12 Anzahl Schäden nach Objektarten, Augusthochwasser 2002 [247]
159
160
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Bild 7-13 Anzahl Schäden Gewässer I. Ordnung, Augusthochwasser 2002 [247]
7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen
161
Bild 7-14 Anzahl Schäden in den Landkreisen, Augusthochwasser 2002 [247]
Aus Bild 7-13 und Bild 7-14 kann man im Zusammenhang mit Bild 15-16 mehrere Dinge feststellen: Die meisten Schäden bezogen auf die betroffene Gewässerlänge befinden sich in den Landkreisen und an den Gewässern, wo die höchsten Niederschläge zu verzeichnen waren, d. h. die Schadensanzahl korreliert mit der Niederschlagsintensität. Die Schäden an den Erzgebirgsflüssen sind wesentlich kleinteiliger als die Schäden an der Elbe oder der Mulde, d. h. die Schadensbilder durch dynamische Prozesse in den Mittelgebirgslagen unterscheiden sich von den Schadensbildern an den größeren Flüssen in den Tieflagen. Man erkennt an den Zahlen aber auch, dass die Vorgaben zur Schadenserfassung noch zu viel Spielraum der Interpretation für den Schadensaufnehmer ließen. So sind in vergleichbar betroffenen Gewässerabschnitten durch verschiedene Schadensaufnehmer unterschiedliche
162
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Schadensintensitäten subjektiv eingeschätzt worden. Deshalb ist das Schadenserfassungssystem der LTV im Sinne einer Objektivierung zu einem späteren Zeitpunkt verändert worden (siehe auch 9.5.4). Aus dem Bild 7-15 kann man entnehmen, dass sich ca. zwei Drittel der wasserwirtschaftlichen Schäden im ländlichen Raum und ca. ein Drittel im Verdichtungsraum befanden. Als Verdichtungsraum werden Gemeindeabschnitte mit mehr als 2.000 Einwohnern pro Quadratkilometer bezeichnet. Wenn man den im Bild 4-17 für Sachsen angegebenen Durchschnitt von 6,6 % Siedlungsfläche (ohne Verkehrsflächen) berücksichtigt, kann man erkennen, dass die Schadensdichte im Verdichtungsraum über 6-mal höher als im ländlichen Raum war. Hiermit sieht man deutlich, dass sich auch die wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen in den dicht bebauten Gebieten konzentrieren und dort das Schadenspotenzial erhöhen.
Bild 7-15 Lage der wasserwirtschaftlichen Schäden, Augusthochwasser 2002
Der Schädigungsgrad der wasserwirtschaftlichen Anlagen ist entsprechend der erfassten Kriterien im Bild 7-16 dargestellt. Die wasserwirtschaftlichen Anlagen waren zu ca. je einem Drittel leicht, mittel oder schwer bis total geschädigt. Die Zuordnung der Schädigungsgrade geschah wie folgt: ¾ Zuordnung der Schädigungsgrade: x leicht
Æ
0 % bis 49 % Schädigung
x mittel
Æ
50 % bis 74 % Schädigung
x schwer Æ
75 % bis 89 % Schädigung
x total
90 % bis 100 % Schädigung = Totalschaden
Æ
7.3 Schadenserfassung an Fließgewässern und Stauanlagen
163
Die Bewertung der Schadenserfasser hatte ergeben, dass von ca. 16 % der Schäden eine akute Gefahr ausging, die sofort beseitigt werden musste.
Bild 7-16 Schädigungsgrad der wasserwirtschaftlichen Anlagen, August 2002
Die Auswertung der durch die LTV erfassten Schäden hat außerdem ergeben, dass es auch für erfahrene Wasserbauingenieure äußerst schwierig war, bei der Schadensaufnahme eine möglichst genaue monetäre Bewertung des Schadens abzugeben. Direkte Vergleiche von Schadensschätzungen mit tatsächlichen Instandsetzungskosten haben Abweichungen in beide Richtungen ergeben, wobei tendenziell eine Unterschätzung der Schäden zu verzeichnen war. Hier muss man fairerweise berücksichtigen, dass der Schadensaufnehmer aufgrund der wenig verfügbaren Zeit keine Möglichkeit für umfangreiche Untersuchungen hatte, sondern die Schadensaufnahme in teilweise schwer zugänglichem Gelände mit einfachen Mitteln erfolgen musste. Außerdem führten die in allen Bereichen eingetretenen Schäden zu einer Verknappung von Ressourcen und damit zu einem Anstieg der Baupreise. Da im Gelände die Zuständigkeiten für die Schäden nicht immer ersichtlich waren, sind durch die LTV auch Schäden Dritter mit erfasst worden. Von den 11.617 erfassten Schäden an den Gewässern I. Ordnung befanden sich 78,6 % in der Zuständigkeit der LTV. Die anderen erfassten Schäden kann man den im Bild 7-17 dargestellten Baulastträgern zuordnen.
164
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Bild 7-17 Schadenszuständigkeit an Gewässern I. Ordnung, August 2002
Schlussfolgerung 63: Für eine effektive Schadenserfassung mit einer guten Auswertemöglichkeit muss ein im Vorfeld gut überlegtes Erfassungssystem existieren, dass eindeutige Datenerhebungen mit wenig Interpretationsspielraum ermöglicht.
7.4 Schäden an den Fließgewässern und Deichen Für die Schäden an den Gewässern und Deichen sind unterschiedliche Prozesse verantwortlich. Für die Sächsischen Mittelgebirgsflüsse im Süden sind durch ihre meist engen und steilen Täler im Ober- und Unterlauf mit teilweise Wildbachcharakter die dynamischen Hochwasserprozesse (Sturzfluten) entscheidend. Für die Elbe und die untere Mulde sowie die Fließgewässer in den nördlichen Tiefländern sind die länger anhaltenden hohen Wasserstände und großflächigen Überschwemmungen maßgebend. Im Folgenden werden die wesentlichsten im August 2002 stattgefundenen schadensverursachenden Prozesse an den Fließgewässern und Deichen aufgezählt: ¾ schadensverursachende Prozesse oder Erscheinungen: x Ablagerungen im Gewässerbett x Ablagerungen neben Gewässerbett (Abfall, Gehölze, …) x Auskolkungen
7.4 Schäden an den Fließgewässern und Deichen
165
x Bodenabtrag neben dem Gewässer x Bodenverunreinigung x Böschungsabbrüche x Böschungsrutschungen x Dammbrüche x Deichbrüche x Durchbruch von Mäandern x Erosionen an Gewässersohle (Tiefenerosion) x Erosionen an Gewässerufern (Seitenerosion) x Erosionen neben dem Gewässer x Erosionen und Suffusionen an den Deichen x Geschiebetransporte und -ablagerungen x Gewässerbettverbreiterungen x Hangrutschungen x Materialausträge x Risse x Sedimentationen x Setzungen x Überströmungen x Verklausungen x Verwerfungen x wirksame Fließhindernisse x Zerstörungen (z. B. von Querbauwerken) Durch diese Prozesse traten in den unter 7.3 erwähnten Schädigungsgraden (leicht, mittel, schwer und total geschädigt) an den nachfolgend genannten vorrangig wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen (ohne Stauanlagen) Schäden auf. ¾ leichte Beschädigung bis totale Zerstörung von: x Ausrüstungen
x Brückenpfeilern
x Bahnanlagen
x Brunnen
x Betriebseinrichtungen
x Deichen
x Betriebsgebäuden
x Deichscharten
x Böschungen
x Dükern
x Böschungssicherungen
x Durchlässen
166
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
x Faschinen und Gabionen
x Sohlgleiten und -rampen
x Fischaufstiegsanlagen
x Sohlschwellen
x Flutern
x Sohlsicherungen
x Gebäuden
x Stollen
x Gerinnen
x Straßen und Brücken
x Geschiebe- und Treibgutsperren
x Stützmauern
x Kanälen
x Überleitungen
x Kläranlagen
x Ufermauern
x Messeinrichtungen
x Ufern
x Mönchsbauwerken
x Verrohrungen
x Pegeln
x Wassergewinnungsanlagen
x Pump- und Schöpfwerken
x Wasserkraftanlagen
x Rechen
x Wasserwerken
x Röschen
x Wehren
x Sielen
x …
x Sohlabstürzen Von den ca. 650 km Deichen an den Gewässern I. Ordnung waren ungefähr 300 km direkt vom Augusthochwasser 2002 betroffen. Durch die extrem hohen Wasserstände sind insbesondere an der Mulde die Deiche überströmt worden. Allein an der Vereinigten Mulde kam es auf ca. 70 km zu Überströmungen der Deiche, die im Sächsischen Teil zu 95 Deichbrüchen führten [183]. Insgesamt mussten an den Gewässern I. Ordnung 134 Deichbrüche registriert werden, deren Lage im Bild 15-21 als Totalschaden ersichtlich ist. Untersuchungen an der Mulde [135], [183] haben gezeigt, dass die örtlichen Deichbrüche fast ausnahmslos in Deichabschnitten lagen, die einerseits die geringsten Sicherheiten gegenüber den Versagensmechanismen luftseitiger Aufbruch des Deckstauers, rückwärts schreitende Erosion und Erosionsgrundbruch hatten. Andererseits traten die Deichbrüche vor allem dort auf, wo durch Gewässerverengungen oder ihre Lage an Prallhängen zusätzliche hydrodynamische Kräfte wirkten, bei Querungen von Altarmen hydraulische Verbindungen zu Unterströmungen des Deiches führten oder Bewuchs zu Schwächungen und bevorzugten Sickerwegen im Deichkörper geführt hatten. In einem weiteren ausführlichen Bericht der TU Dresden [133] sind die 2002 aufgetretenen Deichbrüche an Elbe und Mulde nach mehreren Aspekten analysiert worden. Hier sollen die darin beschriebenen Hauptversagensursachen benannt werden:
7.4 Schäden an den Fließgewässern und Deichen
167
¾ Hauptversagensursachen an Sächsischen Deichen im August 2002 (nach [133]): x
70,0 %
äußere Erosion
x
3,5 %
innere Erosion
x
16,5 %
Stabilitätsversagen
x
10,0 %
Untergrundversagen
Auch diese Analyse bestätigt, dass mit ca. 70 % die Mehrheit der Deichbrüche auf die Erosionsprozesse infolge der Überströmungen zurückzuführen ist. Ein weiterer Teil der Untersuchung belegt, dass bei ca. zwei Drittel der versagten Deiche ein Totalbruch mit Kolk vorlag und dass bei dem restlichen Drittel die Hälfte der Deiche einen Totalbruch und die andere Hälfte einen Teilbruch erlitten hatte. An den wasserwirtschaftlichen Anlagen und hier insbesondere an den Deichen sind auch äußerlich nicht sichtbare (verdeckte, innere) Schäden aufgetreten, die bei nachfolgenden Hochwasserereignissen als Vorschädigung zu Tage traten und mit Notsicherungsmaßnahmen (siehe auch 7.5.3) bekämpft werden mussten. Um diese inneren Schädigungen zu erkennen, sind im Nachgang die in [16] erläuterten umfangreichen Deichzustandsanalysen durchgeführt worden. Schlussfolgerung 64: Deichbrüche traten bevorzugt an Deichabschnitten auf, die die geringsten Sicherheiten gegenüber luftseitigen Aufbruch des Deckstauers, rückwärts schreitende Erosion und Erosionsgrundbruch hatten und andererseits durch Gewässerverengungen oder ihrer Lage an Prallhängen zusätzlichen hydrodynamischen Kräften ausgesetzt waren, bei Querungen von Altarmen durch hydraulische Verbindungen unterströmt wurden oder durch Bewuchs im Querschnitt geschwächt und mit bevorzugten Sickerwegen belastet waren. Schlussfolgerung 65: Nach Hochwasserereignissen müssen die wasserwirtschaftlichen Anlagen und insbesondere die Deiche auch auf äußerlich nicht sichtbare (innere) Schäden untersucht und diese beseitigt werden. Unerkannte Schäden können bei nachfolgenden Ereignissen zu unerwarteten Problemen und Folgeschäden führen.
Die nachfolgenden Bilder (Bild 7-18 bis Bild 7-22) sollen eine Auswahl der verschiedenen Schadensarten illustrieren.
168
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Bild 7-18 Müglitz, Gewässerbettverbreiterung, Erosionen und Ablagerungen, Ortslage Weesenstein, August 2002 (LTV)
Bild 7-19 Müglitz, Verklausung an Brücke in Schlottwitz, August 2002 (LTV)
Bild 7-20 Müglitz, Geschiebeablagerung an Brücke oberhalb Schlottwitz, August 2002 (LTV)
7.4 Schäden an den Fließgewässern und Deichen
169
Bild 7-21 Mulde, Deichbruch bei Schmölen, August 2002 (LTV)
Bild 7-22 Mulde, Deichbruch infolge Durchwurzelung, August 2002 (LTV)
Die Überlastung und das Versagen der wasserwirtschaftlichen Anlagen selbst führte dann zu den unter 7.1 geschilderten Schäden z. B. an Gebäuden, Gewerbebetrieben, Landwirtschaftsbetrieben und anderen Infrastrukturen.
170
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
7.5 Sofortmaßnahmen an den Fließgewässern und Deichen 7.5.1 Allgemeines Die bisher gemachten Aussagen zu den Schäden an den Gewässern und Deichen zeigen deutlich, dass zum Teil akuter Handlungsbedarf bestand. Entsprechend den Ausführungen in 6.2.3 bestand eine Schwerpunktaufgabe während der Hochwasserbewältigung in der Sicherstellung des freien Abflusses in den Fließgewässern. Die dazu schwerpunktmäßig erforderlichen Handlungen sind bereits im Abschnitt 6.3 beschrieben worden. Hier sollen die parallel zu oder unmittelbar nach den Katastrophenschutzmaßnahmen durchgeführten Sofortmaßnahmen der Flussmeistereien der LTV kurz benannt werden.
7.5.2 Fließgewässer Die wesentlichste Aufgabe der Gefahrenabwehr bestand in der Schaffung einer entsprechenden Vorflut insbesondere bei den Fließgewässern des Erzgebirges. Dazu war es erforderlich, die Abflussquerschnitte der Gewässer wieder herzustellen und Abflusshindernisse zu beseitigen (siehe Bild 7-23 bis Bild 7-27). ¾ Schaffung der Vorflut durch: x Wiederherstellung von Abflussquerschnitten x Beseitigung von Abflusshindernissen ¾ Erforderliche Tätigkeiten: x Schaffung von provisorischen Zufahrten zum Gewässer x Beräumung von Geschiebe und Geröll aus dem Gewässerbett x Beräumung von Schwemmgut und Gehölzen aus dem Gewässerbett x bauliche Sicherung von beschädigten Ufer- und Sohlsicherungen oder anderer am Gewässer befindlichen Bauwerken
Bild 7-23 Müglitzabschnitt, vor Sofortberäumung, August 2002 (LTV)
7.5 Sofortmaßnahmen an den Fließgewässern und Deichen
171
Bild 7-24 Müglitzabschnitt, während (li.) und nach (re.) Sofortberäumung, August 2002 (LTV)
Um überhaupt an die geschädigten Gewässer zu gelangen, war es an vielen Stellen erforderlich, wie z. B. im Bild 7-24 dargestellt, provisorische Zufahrten herzustellen. Erst dann konnte durch schweres Gerät mit der Beräumung von Geschiebe, Geröll, Schwemmgut und Gehölzen begonnen werden. Während des Katastrophenalarms sind die Beräumungen vorrangig durch die Bundeswehr und das THW vorgenommen worden. Teilweise kamen sogar Räumpanzer zum Einsatz. Nach Beendigung des Katastrophenalarms sind diese Arbeiten sukzessive durch Baufirmen übernommen worden. Um das Ausmaß der Schäden zu vermindern, sind die Beräumungen erst in Ortslagen und an Gefahren auslösenden Stellen, wie z. B. Brücken und Wehren, und dann nach den Priorisierungen in der Schadensdatenbank durchgeführt worden. Die Verklausungen waren teilweise bis zu 15 Meter lang und mehrere Meter dick (siehe Bild 7-26 und Bild 7-27). Das beräumte Material ist erst einmal zu Sammelplätzen gebracht und in einem weiteren Schritt sachgerecht entsorgt worden.
Bild 7-25 Müglitz, Versetzung einer Brücke vor und nach Beräumung, August 2002 (LTV)
172
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Bild 7-26 Müglitz, Verklausung oberhalb Glashütte, August 2002 (LTV)
Bild 7-27 Müglitz, Verklausung eines Wehres vor und nach Beräumung, August 2002 (LTV)
Bei der Umsetzung dieser Tätigkeiten waren der Fachverstand und die wasserwirtschaftlichen Ortskenntnisse der Flussmeistereien sehr wichtig. Nur mit diesem Wissen war es möglich, die Einsatz- und Hilfskräfte sachgerecht einzuweisen und zu koordinieren und die Betroffenen auch fachlich beraten zu können. Um das wasserwirtschaftliche Wissen gepaart mit den Ortskenntnissen effektiv zur Anwendung zu bringen, hatte die LTV kurzfristig die unter 7.3.3 beschriebene Struktur geschaffen und Gewässerverantwortliche benannt. In dieser Phase zeigte sich sehr deutlich, dass der vor dem Hochwasser bestehende Trend der Personalreduzierung in den Flussmeistereien während und unmittelbar nach dem Hochwasser zu Engpässen von ortskundigem wasserwirtschaftlichen Fachpersonal führte. Entsprechend dieser Erkenntnis und in Auswertung des Kirchbachberichtes [163] sind neue Flussmeistereien gefordert und letztendlich auch installiert worden.
7.5 Sofortmaßnahmen an den Fließgewässern und Deichen
173
Für die später durchzuführende Ereignisanalyse war es schwierig, die Umlagerungsprozesse und Geschiebeablagerungen zu quantifizieren, weil die durch die Bundeswehr und das THW beräumten Kubaturen nicht so genau wie auf den Transportscheinen der im Einsatz befindlichen Baufirmen und Transportunternehmen dokumentiert waren. Die sofortige Beräumung der abflusswirksamen Gewässerbereiche, die aufgrund der während des Hochwassers statt gefundenen enormen Massenumlagerungen ca. drei Monate in Anspruch nahm, führte gerade in den Mittelgebirgen zu kargen sehr steinigen Uferbereichen (siehe auch Bild 7-24). Der LTV wurde in dieser Phase von den Medien vorgeworfen, sie würde völlig naturfremde „Flutautobahnen“ bauen. Wie wichtig und richtig die Sofortberäumung war, zeigte sich zum Jahreswechsel 2002/2003. Da gab es nämlich in vielen Bereichen des Schadensgebietes ein weiteres, kleineres Hochwasserereignis, welches nur infolge der freien Fließquerschnitte schadlos abfließen konnte und an den noch geschädigten Infrastrukturen zu keiner Schadensvergrößerung oder zu Folgeschäden führte. Im Zuge der planmäßigen nachhaltigen Schadensbeseitigung sind die Fließgewässer und deren Uferbereiche in einen optisch und naturschutzfachlich geeigneten Zustand versetzt worden. Schlussfolgerung 66: Bei vielen Tätigkeiten während und nach Hochwasserereignissen sind der Fachverstand und die wasserwirtschaftlichen Ortskenntnisse von ausreichend Personal in Flussmeistereien sehr wichtig. Nur mit diesem Wissen ist es möglich Einsatz- und Hilfskräfte sachgerecht einzuweisen und zu koordinieren und die Betroffenen auch fachlich beraten zu können. Schlussfolgerung 67: Bei der Gewässerunterhaltung ist darauf zu achten, dass genügend Zufahrten zu und in die Gewässer insbesondere in der Nähe von Querbauwerken wie z. B. Brücken und Wehren vorhanden sind. Diese Zufahrten müssen auch in Extremsituationen befahrbar bleiben und für das Benutzen mit schwerer Technik sowie für das Aufstellen von größeren Hebezeugen (z. B. Autokranen) geeignet sein.
7.5.3 Deiche Auch an den Deichen bestand akuter Handlungsbedarf. Die wesentlichsten Sofortmaßnahmen waren: ¾ Sofortmaßnahmen an den Deichen: x Sicherung von Schadstellen x Provisorische Schließung von Deichbrüchen x Untersuchung auf und ggf. Sicherung von verdeckten Schäden Diese Maßnahmen waren wichtig, um bei eventuellen nachlaufenden Ereignissen wieder über einen gewissen Grundschutz zu verfügen.
174
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Welch enormer Personal- und Ressourceneinsatz für diese Deichsicherungsmaßnahmen erforderlich war, soll am Beispiel der Vereinigten Mulde verdeutlicht werden. Für die Mulde gab es für Ende August 2002 eine erneute Hochwasserwarnung, so dass eine große Gefahr für die nun nicht mehr geschützten Gebiete bestand. Deshalb sind innerhalb von fünf Tagen (23.08. bis 27.08.2002) alle 95 Deichbruchstellen an der Mulde provisorisch geschlossen und weitere Schadstellen gesichert worden. ¾ Ressourceneinsatz zum provisorischen Schließen von 95 Deichbrüchen an der Mulde: x 40 Ingenieure aus 7 Ingenieurbüros x 27 Baubetriebe x 297 schwere LKW x 71 Bagger x 45 Raupen x 43 Walzen x 210.000 m³ Erdstoffe Der logistische Aufwand, um innerhalb von fünf Tagen mit diesen 210.000 m³ Erdstoffen die 95 Deichbruchstellen zu schließen, war gewaltig. Hier zeigte sich sehr deutlich, dass nur die mittelständigen Bauunternehmen flexibel waren und über die entsprechenden Ressourcen verfügten. Die großen Baukonzerne hatten weder das Personal noch die Gerätetechnik verfügbar. Im Nachgang sind die provisorisch verschlossenen Deichbrüche hinsichtlich ihrer Stand- und Funktionssicherheit untersucht worden. Durch weitere bauliche Maßnahmen, wie z. B. Dichtung des Deichkörpers und des Untergrundes, sind die Standsicherheit und der Erosionsschutz erhöht worden. Mit diesen Maßnahmen sollten die provisorischen Deichschließungen für einen längeren Zeitraum gesichert werden, um bis zur nachhaltigen Instandsetzung den Hochwasserschutz sicher stellen zu können.
Bild 7-28 Mulde, Schließung Deichbrüche bei Eilenburg, August 2002, (LTV)
7.5 Sofortmaßnahmen an den Fließgewässern und Deichen
175
Bild 7-29 Elbe, Schließung Deichbruch bei Großtreben, August 2002, (LTV)
Wie wichtig dann auch eine nachhaltige Sicherung der Deichbrüche ist, soll an den zwei folgenden Sachverhalten verdeutlicht werden. Im Frühjahr 2005 gab es an der Mulde und der Elbe ein sogenanntes Frühjahrshochwasser. Da durch inzwischen vorliegende Ergebnisse der Deichzustandsanalysen der bauliche Zustand und die innere Schädigung der Deiche bekannt waren, sind vor dem Hochwasserscheitel in kürzester Zeit ca. 44,5 km Deiche durch einen Auflastfilter gesichert worden (siehe Bild 7-30). Dabei sind ca. 341.000 m³ Material verbaut worden.
Bild 7-30 Elbe, Auflastfilter am Deich Brottewitz bei Torgau, (LTV)
Eine ähnliche Konstellation gab es noch mal im Frühjahr 2006, wo die Elbe über eine lange Zeit eine sehr hohe Wasserführung hatte. Auch hier sind noch weitere 17 km Elbdeiche mit einem Auflastfilter gesichert worden, wobei ca. 120.000 m³ Filtermaterial verbaut worden sind. Bei beiden Aktionen war wieder eine logistische Herausforderung zu bewältigen, was sehr gut gelungen ist.
176
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Schlussfolgerung 68: Zur zügigen Wiederherstellung des Hochwasserschutzes müssen Deichbrüche unter Umständen sehr schnell provisorisch geschlossen werden. Der dabei entstehende logistische Aufwand zum Einbau großer Erdstoffmassen in kürzester Zeit ist i. d. R. nur von ortsansässigen mittelständigen Unternehmen leistbar. Provisorische Deichbruchschließungen müssen schnellstmöglich nachhaltig gesichert werden und im Fortgang einer DIN-gerechten Ausführung unterzogen werden. Nur so ist eine dauerhafte Sicherheit der Deiche erreichbar.
7.6 Schäden an den Stauanlagen Auch für die an den Stauanlagen registrierten Schäden waren unterschiedliche Prozesse verantwortlich, die in Abhängigkeit von den Prozessen an den Fließgewässern standen. Im Folgenden werden die wesentlichsten im August 2002 statt gefundenen schadensverursachenden Prozesse an den Talsperren und Rückhaltebecken aufgezählt: ¾ schadensverursachende Prozesse oder Erscheinungen: x Ablagerungen im Stauraum
x Hangrutschungen
x Ablagerungen im Zu- oder Ablauf
x Materialausträge
x Auskolkungen
x Rutschungen
x Ausspülungen x Bodenabträge x Bodenverunreinigung x Böschungsabbrüche x Böschungsrutschungen,
x Risse x Sedimentationen x Setzungen x Überschwemmungen x Überströmungen
x Breschenbildungen
x Verklausungen (Schwemmgutversetzungen)
x Dammbrüche
x wirksame Fließhindernisse
x Erosionen
x Zerstörungen (z. B. von Pegeln)
x Geschiebetransporte und ablagerungen
Im Gegensatz zu den Gewässern und Deichen und den dort befindlichen wasserwirtschaftlichen Anlagen sind, wie im Abschnitt 4.7 schon erläutert, die Talsperren und Rückhaltebecken als große Ingenieurbauwerke schon von der Bemessung her mit größeren Sicherheiten ausgestattet und demzufolge auch bei Extremereignissen weniger schadensanfällig. Deshalb führte die außergewöhnliche Belastung des Hochwassers vom August 2002 vorrangig zu Schäden, die die teilweise Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit der Stauanlagen zur Folge hatten. Die Tragsicherheit (Standsicherheit) der Stauanlagen war bis auf zwei Ausnah-
7.6 Schäden an den Stauanlagen
177
men nicht gefährdet. An den Absperrbauwerken selbst entstanden außer am HRB Glashütte und an der Vorsperre Klingenberg nur geringe oder unbedeutende Schäden. Die meisten und schwersten Schäden waren an den Hochwasserentlastungsanlagen (siehe Bild 7-31) und in den Zu- und Ablaufbereichen der Stauanlagen zu verzeichnen. Durch die eben aufgeführten Prozesse traten an den Talsperren und Rückhaltebecken folgende typische Schäden auf: ¾ leichte Beschädigung bis totale Zerstörung von: x Armaturen
x Messeinrichtungen
x Ausrüstungen
x Mönchsbauwerken
x Betriebsbrücken
x Pegeln
x Betriebseinrichtungen
x Rechen
x Betriebsgebäuden
x Röschen
x Bootsstegen
x Schieberhäusern
x Böschungen
x Stollen
x Böschungssicherungen
x Stützmauern
x Durchlässen
x Überleitungen
x Elt / MSR - Anlagen
x Ufermauern
x Gerinnen
x Ufern
x Geschiebe- und Treibgutsperren
x Wasserkraftanlagen
x Grundablässen
x Zu- und Ablaufgerinnen
x Hochwasserentlastungsanlagen
x …
Die nachfolgenden Abbildungen sollen einige der Schadensarten an den Sächsischen Stauanlagen illustrieren.
Bild 7-31 TS Klingenberg, beschädigte HWE, August 2002, (LTV)
178
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Bild 7-32 TS Klingenberg, versetztes Tosbecken und beschädigte Betriebsbrücke, August 2002, (LTV)
Bild 7-33 HRB Buschbach, Böschungsrutschung, August 2002, (LTV)
Bild 7-34 TS Klingenberg, zerstörte Laubrechenanlage, August 2002, (LTV)
7.6 Schäden an den Stauanlagen
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Bild 7-35 TS Klingenberg, zerstörter Pegel Ammelsdorf, August 2002, (LTV)
Die beiden einzigen nennenswerten Schäden an den Absperrbauwerken selbst betreffen die Dammbauwerke der Vorsperre zur TS Klingenberg und des HRB Glashütte. In beiden Fällen waren die Zuflüsse so groß, dass die Hochwasserentlastungsanlagen die Wassermassen nicht mehr abführen konnten und somit die Dämme überströmt worden sind. Bei der Vorsperre Klingenberg, einem 5,5 m hohen Erdschüttdamm mit geneigter Lehmdichtung und einem Gesamtstauraum von 51.000 m³ führte die Überströmung zur Ausbildung einer Bresche linksseitig der HWE und zu massiven Ausspülungen auf der Luftseite (siehe Bild 7-36). Durch diesen Dammbruch sind keine weiteren Schäden verursacht worden, weil der Wasserstandsunterschied zwischen Vor- und Hauptsperre nicht mehr groß war und sehr schnell eine Ausspiegelung statt gefunden hat. Das im Verhältnis zum Gesamtstauraum der TS Klingenberg (ca. 17,5 Mio. m³) geringe Wasservolumen der Vorsperre führte nur zu einer marginalen Erhöhung des Wasserstandes in der Hauptsperre.
Bild 7-36 VS Klingenberg, zerstörter Damm, August 2002, (LTV)
180
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
Am HRB Glashütte hatte die Überströmung des 9,0 m hohen homogenen Erdschüttdammes mit einem Gesamtstauraum von ca. 50.000 m³ wesentlich dramatischere Folgen. Das leere Rückhaltebecken ist am 12. August 2002 ab ca. 09:10 Uhr eingestaut worden und war bereits gegen 13:00 Uhr bis zur Oberkannte der Hochwasserentlastungsanlage gefüllt. In der Zeit zwischen 14:45 Uhr und 15:45 Uhr sind dann die Überströmung des Dammes und starke Erosionen am luftseitigen Dammfuß beobachtet worden. Gegen 16:00 Uhr begann der Bruchprozess durch rückschreitende Erosion. Schon 10 Minuten später (16:10 Uhr) war der Ausfluss durch die Dammscharte so groß, dass der Rest des Dammes nicht mehr überströmt worden ist. Gegen 16:20 Uhr reichte die Dammscharte schon bis zur Gründung und circa 16:40 Uhr war das Becken leer gelaufen (siehe auch Bild 7-37 und Bild 7-38).
Bild 7-37 HRB Glashütte, Bruchprozess, links 16:10 Uhr, rechts 16:20 Uhr, 12. August 2002, (LTV)
Bild 7-38 HRB Glashütte, Bresche nach Bruchprozess, links 12.08.02; 16:45 Uhr, rechts nach Hochwasser, (LTV)
Die endgültige Bresche war am Fuß ca. 5 m und in Höhe der Dammkrone ca. 21 m breit und besaß eine Tiefe von 8,70 m. Durch Bornschein und Pohl [22] ist der maximal aufgetretene Abfluss zu ca. 100 m³/s ermittelt worden.
7.7 Sofortmaßnahmen an den Stauanlagen
181
Die Flutwelle und die mit ihr transportierten Gegenstände (Baucontainer, Autos, …) verursachte starke Schäden am Gewässerbett der Brießnitz selbst als auch an Gebäuden, Straßen und anderen Bauwerken. Sie führte zu keiner Erhöhung der Abflussspitze in der als Vorflut dienenden Müglitz, weil dort der Hochwasserscheitel erst ca. 9 Stunden später auftrat. Da aus den jährlich zu erstellenden Sicherheitsberichten bekannt war, dass die HWE ein begrenztes Leistungsvermögen hat, ist der Damm des HRB durch den zuständigen Betreiber (Kommune) beobachtet worden. So ist bereits am Vormittag des 12.08.2002 nach Einstaubeginn ein telefonisches Hilfeersuchen an die Fachleute der LTV zur Begutachtung einer Durchnässung am luftseitigen Dammfuß ergangen. In Abstimmung mit der LTV ist durch die Katastrophenschutzbehörde rechtzeitig mit der Evakuierung begonnen worden, so dass ab ca. 15:00 Uhr alle betroffenen Personen aus der Gefahrenzone herausgebracht worden waren. Somit sind durch den Dammbruch keine Menschenleben in Mitleidenschaft gezogen worden. Schlussfolgerung 69: Normgerechte jährliche Betreiberkontrollbegehungen und Sicherheitsberichte an Stauanlagen liefern wichtige Informationen zur Sicherheitseinschätzung der Ingenieurbauwerke. Die ständige visuelle und messtechnische Überwachung von Stauanlagen stellt insbesondere in Hochwassersituationen ein wichtiges Instrument zur Risikominimierung dar.
7.7 Sofortmaßnahmen an den Stauanlagen Neben den bereits unter 6.4 genannten Betriebs-, Steuerungs- und Überwachungshandlungen zur Sicherstellung des Talsperren- und sonstigen Stauanlagenbetriebes mussten auch an den Talsperren und Rückhaltebecken aufgrund der eingetretenen Schäden Sofortmaßnahmen durchgeführt werden. Ähnlich wie bei den Fließgewässern war es erforderlich, Abflussquerschnitte wieder herzustellen und Abflusshindernisse zu beseitigen (siehe Bild 7-39 und Bild 7-40). Hinzu kam noch die Sicherstellung der Steuerbarkeit von beweglichen Verschlüssen, Klappen und Ähnlichem. ¾ Sicherstellung der Steuerbarkeit und des ungehinderten Abflusses durch: x Wiederherstellung der Abflussquerschnitte in den Zu- und Ablaufgerinnen x Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit von Hochwasserentlastungsanlagen x Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit von Grund- und Betriebsauslassanlagen x Beseitigung von Abflusshindernissen x Wiederherstellung der Steuerbarkeit von Armaturen, Verschlüssen, Klappen usw. einschließlich der Steuer- und Regeltechnik
182
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
¾ Erforderliche Tätigkeiten: x Schaffung von provisorischen Zufahrten zu den Gerinnen und Anlagenteilen x Beräumung von Geschiebe und Geröll aus den Zu- und Ablaufgerinnen x Beräumung von Geschiebe und Geröll aus den HWE insbesondere Tosbecken x Beräumung von Geschiebe und Geröll aus den Grund- und Betriebsauslässen insbesondere Rechenanlagen x Beräumung von Schwemmgut und Gehölzen aus den Stauräumen x Beräumung von Schwemmgut und Gehölzen aus den Zu- und Ablaufgerinnen x Beräumung von Schwemmgut und Gehölzen aus den HWE insbesondere Tosbecken x Beräumung von Schwemmgut und Gehölzen aus den Rechenanlagen x Beräumung und Säuberung von beweglichen Anlageteilen x bauliche Sicherung von beschädigten Anlageteilen Analog zu den geschädigten Gewässern war es auch bei den Stauanlagen an etlichen Stellen erforderlich, provisorische Zufahrten herzustellen. Erst dann konnte durch teilweise schweres Gerät mit der Beräumung von Geschiebe, Geröll, Schwemmgut und Gehölzen begonnen werden. Hier stellte sich bei Hochwasserentlastungsanlagen und insbesondere bei Tosbecken heraus, dass es teilweise sehr schwierig war, geeignete Aufstellplätze für größere Hebezeuge (z. B. Autokrane) zu finden. Genau wie bei der Gewässerberäumung ist das Räumgut erst einmal zu Sammelplätzen gebracht und in einem weiteren Schritt sachgerecht entsorgt worden.
Bild 7-39 TS Klingenberg, Beräumung Zulauf HWE, August 2002, (LTV)
7.8 Öffentlichkeits- und Pressearbeit
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Bild 7-40 TS Klingenberg, Beräumung HWE und Tosbecken, August 2002, (LTV)
Schlussfolgerung 70: Beim Entwurf von Stauanlagen ist darauf zu achten, dass die Zufahrten zu Zu- und Ablaufgerinnen, Hochwasserentlastungsanlagen (insbesondere Tosbecken), Grund- und Betriebsauslässen, beweglichen Verschlussorganen und Rechenanlagen auch in Extremsituationen befahrbar bleiben und für das Benutzen mit schwerer Technik sowie für das Aufstellen von größeren Hebezeugen (z. B. Autokranen) geeignet sein müssen. Schlussfolgerung 71: Beim Entwurf von Stauanlagen ist darauf zu achten, dass Anlagenteile sowie die Steuer- und Regelungstechnik nach Möglichkeit hochwassersicher angeordnet werden.
7.8 Öffentlichkeits- und Pressearbeit Die Öffentlichkeits- und Pressearbeit der Akteure der Wasserwirtschaft war in der Phase der Schadenserhebung und Realisierung der Sofortmaßnahmen zu passiv. Da die Wasserwirtschaft in dieser Phase noch enorm mit der Hochwasserbewältigung beschäftigt war, blieb zu wenig Zeit für eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit. Dieser Umstand hatte allerdings zur Folge, dass insbesondere die Sofortmaßnahmen in den Medien teilweise stark kritisiert worden sind. Unter 7.5 ist schon als Beispiel erwähnt worden, dass man die von Abflusshindernissen befreiten Fließgewässer mit „Flutautobahnen“ verglichen hat. Verschärft wurde die Situation auch noch durch zahlreiche negative Presseberichte, die z. B. die LTV als Verursacher des Hochwassers bezeichneten und somit zu einer gewissen Antipathie in einem Teil der Bevölkerung führten. Diese negative Meinungsbildung
184
7 Schäden und Sofortmaßnahmen
ging teilweise so weit, dass Sachbeschädigungen und Drohungen gegenüber der LTV oder ihren Mitarbeitern vorgenommen worden sind. Klärende Gespräche mit der Bevölkerung und Journalisten zeigten, dass oft völlig falsche Vorstellungen von den Aufgaben, Handlungen und Hintergründen der Arbeit der Wasserwirtschaft existierten. Durch eine entsprechende Aufklärungsarbeit und mehr öffentlichkeitswirksame sowie Pressetermine konnte größtenteils ein Grundverständnis für die Fachbelange der Wasserwirtschaft vermittelt werden. Letzteres war wiederum enorm wichtig, um mit der nötigen Ruhe und Sachlichkeit die anstehenden Aufgaben zur Hochwasserbewältigung erfolgreich erledigen zu können. Schlussfolgerung 72: In der Phase der Hochwasserbewältigung ist durch die Akteure der Wasserwirtschaft eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit erforderlich, um bei den Betroffenen und den Journalisten das erforderliche Verständnis und damit die Akzeptanz für alle fachlich gebotenen Maßnahmen zu erreichen. Nur mit diesem Grundverständnis und der entsprechenden Akzeptanz sind die erforderlichen Maßnahmen schnell und auf einer sachlichen Basis erfolgreich umsetzbar.
8
Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
8.1 Allgemeines Nach einem Hochwasserereignis und der unmittelbaren Hochwasserbewältigung folgt Bezug nehmend auf den unter 2 erläuterten Kreislauf des Hochwasserrisikomanagements der allmähliche Übergang in die Phase der Regeneration. In der dort angesiedelten Hochwassernachsorge ist es neben dem planmäßigen und nachhaltigen Wiederaufbau unter Anderem erforderlich, für das im Untersuchungsgebiet abgelaufene Hochwasser, eine fundierte Ereignisanalyse durchzuführen, um die unter 1.2 erläuterten Zielstellungen erreichen zu können. Da in Deutschland der Hochwasserschutz in der Hoheit der Bundesländer liegt, hat hier leider keine umfassende bundesländerübergreifende Auswertung des extremen Ereignisses von 2002 statt gefunden. Für das Einzugsgebiet der Elbe hat die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe eine Dokumentation des Hochwassers von 2002 [145] erstellt und in ihrem 2003 vorgelegten Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe [146] bereits erste Schlussfolgerungen aus dem Ereignis von 2002 mit einfließen lassen. Die am stärksten betroffenen deutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern haben für ihr Hoheitsgebiet jeweils Dokumentationen in unterschiedlicher Tiefe und Ausrichtung angefertigt. Sachsen hat als das betroffendste Bundesland Mitte 2004 eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende ausführliche Ereignisanalyse [7], [13] für das Augusthochwasser in den Osterzgebirgsflüssen angefertigt, wo die abgelaufenen Prozesse aufgearbeitet und bewertet worden sind. Des Weiteren hat die Sächsische Staatsregierung mit mehreren übergreifenden Ausarbeitungen, wie z. B. dem Kirchbachbericht [163], dem Bericht der Sächsischen Staatsregierung zur Hochwasserkatastrophe im August 2002, Teil 1 [96] und dem Bericht des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft zur Hochwasserkatastrophe im August 2002, Teil 2 [97] intensiv auf mehreren Handlungsebenen das Ereignis ausgewertet. Die Fachbehörden und anderen Akteure in Sachsen haben in zahlreichen Einzelberichten ihren Handlungsanteil dargestellt. In Sachsen-Anhalt ist durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) in einem hydrologischen Bericht und einer Fotodokumentation mit Erläuterungen zu den Maßnahmen zur Hochwasserschadensbeseitigung im Jahr 2003 [231] das abgelaufene Ereignis dokumentiert worden. In Bayern ist das Ereignis vom August 2002 in einem Bericht des gewässerkundlichen Dienstes [83] und im gewässerkundlichen Jahresbericht [84] vom Bayerischen Landesamt für Wasserwirtschaft beschrieben. Die Dokumentationen aus Sachsen-Anhalt und Bayern beinhalten keine umfassende Analyse des Ereignisses sondern konzentrieren sich mehr auf eine allgemeine meteorologische und hydrologische Beschreibung unter Einbeziehung von ausgewählten Einzelaspekten. Im Gegensatz dazu hat Österreich, trotz der auch hier für den Hochwasserschutz vorhandenen Zuständigkeit der Länder, das 2002er Augusthochwasser bereits 2003 mit einer Ereignisdokumentation [122] für sein gesamtes Hoheitsgebiet festgehalten und im Jahre 2004 mit
186
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
FloodRisk [5] einen umfassenden Synthesebericht erstellt, in dem als Ergebnis Empfehlungen für ein integriertes Hochwassermanagement formuliert sind. Schlussfolgerung 73: Ereignisdokumentationen und Ereignisanalysen müssen für das gesamte vom Ereignis betroffene Gebiet nach einheitlichen und damit vergleichbaren Kriterien erstellt werden und dürfen nicht an administrativen und Ressortgrenzen halt machen. Nur so ist eine fachlich sinnvolle und vollständige Bewertung möglich.
8.2 Einsatzstrukturen und Aufgaben Auch nach der Aufhebung des Katastrophenalarmes sind die in Kapitel 2 beschriebenen Maßnahmen der Hochwasserbewältigung fortzuführen und planmäßig zu beenden. Im Jahre 2002 dauerten diese Tätigkeiten in Sachsen von Mitte August bis zum Jahresende an. Um diesen Prozess effektiv steuern zu können sind in der Regel die sich auflösenden Krisenstäbe in Koordinierungsstellen überführt worden. So ist z. B. der Krisenstab der obersten Katastrophenschutzbehörde am 22.08.2002 in eine Koordinierungsstelle für die Weiterführung von Aufräumarbeiten und Maßnahmen zur Bewältigung der Katastrophe umgewandelt worden. Die Aufgabenschwerpunkte dieser obersten Koordinierungsstelle waren die Fortführung der Zusammenarbeit mit den noch im Einsatz befindlichen auswärtigen Hilfskräften, insbesondere der Bundeswehr und dem THW, die Koordinierung der noch in großer Zahl eingehenden Hilfsangebote, die Beratung von Bürgern zu den anlaufenden Fördermitteln, die Fortführung der Betreuung des Bürgertelefons und die Organisation der psychologischen Nachbetreuung [96]. Nach Abschluss der beschriebenen Aufgabenschwerpunkte sind die verbleibenden Aufgaben dieser Koordinierungsstelle im Januar 2003 in die Standardstrukturen übergeleitet worden. In den selben Zeitraum fällt auch der Übergang in die Phase der Regeneration, in der die Standardstrukturen für die Durchführung der Maßnahmen zur Schaffung aller Voraussetzungen für den normalen Alltagsbetrieb zuständig werden. Da die Dimension des Ereignisses vom August 2002 die normalen Strukturen im Freistaat Sachsen überfordert hätte, sind auf mehreren Ebenen Sonderstrukturen eingerichtet worden. Die Staatsregierung hatte für die anstehende Aufgabenerfüllung die im Bild 8-1 dargestellte dreistufige Projektorganisation gebildet und einen Lenkungsausschuss unter der Leitung des Chefs der Staatskanzlei und als Sonderstruktur die Leitstelle für den Wiederaufbau (LSWA) eingerichtet.
8.2 Einsatzstrukturen und Aufgaben
187
Bild 8-1 Sonderstrukturen für den Wiederaufbau, Augusthochwasser 2002 [92]
Der in der obersten Ebene angesiedelte Lenkungsausschuss, der aus den Staatssekretären bzw. Amtschefs aller Ministerien bestand, war das maßgebende Entscheidungsgremium, das im Innenverhältnis für die Organisation und die Strukturierung des Wiederaufbaus und im Außenverhältnis für die Vertretung der Sächsischen Interessen mit Beschlusskompetenz durch das Kabinett ausgestattet war. Das Kernstück der zweiten Projektebene war die im Bild 8-2 abgebildete Leitstelle für den Wiederaufbau, die aus Mitarbeitern verschiedener Ministeriumsbereiche, der Sächsischen Aufbaubank, des Sächsischen Rechnungshofes, des Sächsischen Landkreistages und des Sächsischen Städte- und Gemeindetages bestand. Sie hatte die Aufgabe, den gesamten Wiederaufbau im Freistaat Sachsen ressortübergreifend zu koordinieren und dessen Erfüllungsstand über den Lenkungsausschuss an die Staatsregierung zu berichten. Hauptziele für die Schaffung der LSWA waren die Beschleunigung des Wiederaufbaus, die fachübergreifende Bündelung aller für den Wiederaufbau erforderlichen Aktivitäten und die Konzentration der Verantwortlichkeiten an einer Stelle [92]. Die LSWA kommunizierte mit den verschiedenen Ressorts über eine eigens gebildete Lenkungsgruppe, die aus Vertretern der einzelnen Ministerien bestand und auf Veranlassung und unter Leitung der LSWA tagte. Zur Sicherstellung der optimalen Abstimmung zwischen Staats- und kommunaler Ebene gab es einen Wiederaufbaubeirat, in dem die kommunalen Spitzenverbände Sächsischer Landkreistag und Sächsischer Städte- und Gemeindetag vertreten waren.
188
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
Bild 8-2 Struktur der Leitstelle für den Wiederaufbau, Augusthochwasser 2002 [92]
In der dritten Ebene wurden nun noch Strukturen benötigt, die einerseits die von der LSWA erarbeiteten Grundsätze und Strategien in der Fläche umsetzten und andererseits die für die Steuerung und Berichterstattung notwendigen Informationen sammelten und die sachgerechte Mittelverwendung kontrollierten. Wie in Bild 8-1 dargestellt, waren für die Privathaushalte und die Unternehmen die Sächsische Aufbaubank (SAB), für die kommunale Infrastruktur die Wiederaufbaustäbe Augusthochwasser 2002 (WASA) und für die staatliche Infrastruktur die entsprechenden Ministerien mit ihren nachgeordneten Bereichen zuständig. Die SAB als Förderbank des Freistaates Sachsen war auch vor dem Hochwasser für die Betreuung von Förderprogrammen für Unternehmen und Private tätig. So sind durch die SAB z. B. im Jahr 2001 von 5.356 Förderanträgen von Unternehmen 3.969 bewilligt worden. Die Abwicklung der Aufbauhilfe für die Unternehmen und privaten Wohngebäudeeigentümer nach dem Hochwasser stellte aufgrund des enormen Umfanges eine besondere Herausforderung dar. Bedingt durch das Hochwasser vom August 2002 sind im Jahre 2002 36.114 Förderanträge von Unternehmen gestellt und 30.453 von der SAB bewilligt worden. Diese enorme Steigerung konnte innerhalb der SAB nur über die bevorzugte Bearbeitung von Hochwasserhilfen, Personalzuführungen und Personalumverteilungen sowie durch einen täglichen Drei-Schicht-Betrieb realisiert werden [92]. Für die Koordination des Wiederaufbaus bei den kommunalen Infrastrukturen wurden bei den drei Regierungspräsidien je ein Wiederaufbaustab Augusthochwasser 2002 (WASA) eingerichtet. Die prinzipielle Struktur dieser WASA-Stäbe ist in Bild 8-3 am Beispiel des WASA-Stabes Dresden dargestellt.
8.2 Einsatzstrukturen und Aufgaben
189
Bild 8-3 Struktur des WASA-Stabes im Regierungspräsidium Dresden [92]
Diese Sonderstrukturen waren wichtig, um pro Gemeinde und je Landkreis einen gesamtheitlichen Wiederaufbau umsetzen zu können. In Auswertung von [92] kann man den WASAProzess in folgende Schritte unterteilen: ¾ Prozessschritte zum Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur: x Schadenserhebung durch die Kommunen x Erstellung von Wiederaufbauplänen durch die Kommunen (Vorpriorisierung) x Einreichung der Wiederaufbaupläne bei WASA-Stab x Erfassung und Aggregierung der Wiederaufbaupläne durch WASA-Stab x Prüfung der Wiederaufbaupläne (Schadensvorpüfung, Schadenskausalität, Priorisierung) durch WASA-Stab x Begutachtung der in den Wiederaufbauplänen enthaltenen Schadensmeldungen durch Ingenieurbüros x Bewertung der Wiederaufbaupläne durch WASA-Stab mit Kommunen und Abgleich in Datenbank WASAX x Bestätigung der Wiederaufbaupläne durch WASA-Stab x Umsetzung der Wiederaufbaupläne durch die Kommunen Durch diese Prozessschritte konnte eine transparente Vorgehensweise gefunden werden, die einen gerechten und nach einheitlichen Maßstäben ablaufenden Wiederaufbauprozess nach einer Förderrichtlinie gewährleistete.
190
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
Für den nachhaltigen Wiederaufbau an den staatlichen Infrastrukturen waren, wie in Bild 8-1 dargestellt, die einzelnen Ministerien mit ihren nachgeordneten Bereichen und den dort vorhandenen Standard- oder gebildeten Sonderstrukturen zuständig. So hatte z. B. das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft in Fortführung des unter 6.2.2 beschriebenen Lagezentrums Wasser eine Projektgruppe Präventiver Hochwasserschutz (PGHW) eingerichtet. Die PGHW (siehe Bild 8-4) setzte sich überwiegend aus Mitarbeitern des Ministeriums (SMUL) und je einem Vertreter des Landesamtes für Umwelt und Geologie (LfUG) und der Landestalsperrenverwaltung (LTV) zusammen. Damit war ein Gremium geschaffen worden, in dem die oberste Wasserbehörde, die oberste wissenschaftlich technische Fachbehörde und der Unterhaltungslastträger für die staatliche wasserwirtschaftliche Infrastruktur gemeinsam den nachhaltigen Wiederaufbau gestalten konnten. Das von der Staatsregierung vorgegebene Ziel der Projektgruppe war, den Hochwasserschutz im Freistaat Sachsen schnellstmöglich schrittweise zu verbessern [97]. Abteilungsleiter SMUL
Leiter der Projektgruppe Präventiver Hochwasserschutz (Stellvertreter)
Vertreter des LfUG
Leiter der Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung der LTV
Sachgebiet 1
Sachgebiet 2
Sachgebiet 3
Sachgebiet 4
Grundsatz, Finanzen, Recht
Wasserbau
Aktionsplan Hochwasser
Hochwasserfrühwarnsystem
Sekretariat, Schreibbüro
Bild 8-4 Struktur der Projektgruppe Präventiver Hochwasserschutz
Die Projektgruppe ist entsprechend der für die Zielerreichung notwendigen Haupthandlungsfelder in die vier Sachgebiete Grundsatzfragen/Finanzen/Recht, Wasserbau, Aktionsplan Hochwasser und Hochwasserfrühwarnsystem eingeteilt gewesen. Die Hauptaufgaben der PGHW waren: ¾ Hauptaufgaben der PGHW: x Schaffung der Rahmenbedingungen für die schnellstmögliche schrittweise Verbesserung des Hochwasserschutzes im Freistaat Sachsen x ressortübergreifende Abstimmungen
8.2 Einsatzstrukturen und Aufgaben
191
x Schaffung rechtlicher und finanzieller Randbedingungen für einen zügigen nachhaltigen Wiederaufbau an den wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen x Klärung von Grundsatz- und Rechtsproblemen x Schaffung fachlicher und vollzugstechnischer Randbedingungen für einen zügigen nachhaltigen Wiederaufbau an den wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen x Klärung wasserbaulicher Grundsatzprobleme beim Vollzug x Erarbeitung eines Hochwasserschutz-Aktionsplanes für Sachsen x Schaffung eines effizienten Hochwasserfrühwarnsystems Für die im Rahmen dieser Arbeit besonders interessierenden wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen wären entsprechend der bisherigen Ausführungen unterschiedliche Zuständigkeiten maßgebend gewesen. Wie in 6.2.3 schon erläutert, ist laut Sächsischem Wassergesetz die LTV Baulastträger und Unterhaltungspflichtiger für die Gewässer I. Ordnung sowie die landeseigenen Stauanlagen. Damit war die LTV auch für den Wiederaufbau an diesen Infrastrukturen verantwortlich. Da der Wiederaufbau an den Gewässern II. Ordnung, der erst einmal in der Verantwortung der Kommunen lag, nachhaltig und konform zu den Maßnahmen an den Gewässern I. Ordnung erfolgen sollte, hatte der Freistaat Sachsen den Kommunen angeboten, dass die LTV die Schadensbeseitigung an den Gewässern II. Ordnung mit übernimmt. Dieses Angebot ist bis auf wenige Ausnahmen von den Kommunen angenommen worden. Somit lag der Wiederaufbau an den Gewässern und Stauanlagen in einer Hand. Um diese enorme Herausforderung bewältigen zu können, hatte die LTV nach Auflösung des im Bild 6-8 dargestellten Krisenstabes den in Bild 7-10 abgebildeten Wiederaufbaustab ergänzt und neben den Standardstrukturen die Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung gebildet (siehe Bild 8-5). Diese Sonderstruktur hatte die Aufgabe, die nachhaltige Schadensbeseitigung an den Sächsischen Gewässern und Stauanlagen zu koordinieren und zu organisieren. Der Leiter der Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung war direkt dem Geschäftsführer der LTV unterstellt und bezüglich der Schadensbeseitigung der zentrale Ansprechpartner der LTV gegenüber Dritten. Die Leiter der Leitstellen Hochwasserschadensbeseitigung in den Betrieben der LTV waren direkt dem jeweiligen Betriebsleiter unterstellt und stellten damit die Kommunikation zwischen Normalstrukturen und Sonderstruktur in der Fläche sicher. Die LTV sollte auch die Schadensbeseitigung an den Gewässern II. Ordnung mit durchführen. Um Doppelarbeiten und -förderungen zu vermeiden, sind durch die LTV und die WASAStäbe alle von den Kommunen gemeldeten Wiederherstellungsmaßnahmen an den Gewässern mit den Schadensdaten der LTV und den daraus gebildeten Wiederherstellungsprojekten abgeglichen und der LTV zur Bearbeitung übergeben worden. Im Sinne der wasserwirtschaftlichen Nachhaltigkeit beseitigte die LTV auch Schäden Dritter. Nachdem der Prozess der nachhaltigen Schadensbeseitigung an den Gewässern und Stauanlagen strukturiert, organisiert und angelaufen war und in zunehmenden Umfang auch die Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes in den Focus rückten, ist die Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung der LTV leicht verändert und als Stabsstelle Hochwasserschutz weitergeführt worden. Nähere Ausführungen dazu befinden sich im Abschnitt 9.5.
192
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau Geschäftsführer
Vertreter SMWA, Vertreter pro RP, Vertreter LfL
Vertreter SMUL, Vertreter STUFA
Leiter der Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung (Stellvertreter)
3 Vertreter SMUL
Controlling/ Finanzen
Baumanagement
Projektmanagement
Team Projektmanagement
(Ingenieurbüro)
Recht
Verwaltung/ Organisation
Projektsteuerer Team IT-Leistungen
Leitstelle Betrieb 1
Leitstelle Betrieb 2
Leitstelle Betrieb 3
Leitstelle Betrieb 4
Leiter Stellvertreter Finanzen Verwaltung
Leiter Stellvertreter Finanzen Verwaltung
Leiter Stellvertreter Finanzen Verwaltung
Leiter Stellvertreter Finanzen Verwaltung
Gesamtprojektsteuerer (Ingenieurbüro)
Gesamtprojektsteuerer (Ingenieurbüro)
Gesamtprojektsteuerer (Ingenieurbüro)
…
Gewässerverantwortlicher der LTV
…
…
Gewässerverantwortlicher der LTV
…
…
Gewässerverantwortlicher der LTV
Teilprojektsteuerer
Teilprojektsteuerer
Teilprojektsteuerer
(Ingenieurbüro)
(Ingenieurbüro)
(Ingenieurbüro)
…
…
Gewässerverantwortlicher der LTV
…
…
Ingenieurbüro
…
…
Ingenieurbüro
…
…
Ingenieurbüro
…
…
Ingenieurbüro
…
…
Baufirma
…
…
Baufirma
…
…
Baufirma
…
…
Baufirma
…
Bild 8-5 Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung der LTV
8.3 Fließgewässer und Deiche
193
Schlussfolgerung 74: Nach Ereignissen größeren Ausmaßes werden zur Bewältigung der umfangreichen Aufgaben der Hochwassernachsorge und des nachhaltigen Wiederaufbaues während der Regenerationsphase effiziente möglichst ressortübergreifende Sonderstrukturen benötigt. Die Aufgaben dieser Sonderstrukturen können nach einer Übergangsphase in die ggf. anzupassenden Standardstrukturen überführt werden.
8.3 Fließgewässer und Deiche Schon parallel zu den im Abschnitt 7.5 beschriebenen Sofortmaßnahmen der Gefahrenabwehr ist mit der nachhaltigen Schadensbeseitigung an den Gewässern begonnen worden. Dazu sind aus den in der Datenbank (siehe Abschnitt 7.3) erfassten Schadensinformationen baulich und genehmigungstechnisch sinnvolle Projekte gebildet worden. Ein wichtiger zu berücksichtigender Gesichtspunkt bei der Projektbildung war, dass die Schadensbeseitigungsmaßnahmen nicht im Widerspruch zu Maßnahmen zur Umsetzung der noch zu erstellenden Hochwasserschutzkonzepte stehen durften. Deshalb sind bei der Projektbildung schon folgende Prinzipien beachtet worden: ¾ allgemeine Strategien der Fließgewässerinstandsetzung (Schadensbeseitigung): x nach Möglichkeit (i. d. R. nur außerorts gegeben) keine Schadensbeseitigung, weil Hochwasser ist ein natürlicher Prozess Æ natürliche Gewässerentwicklung x Einwirkung auf Land- und Forstwirtschaft im Hinblick auf eine abfluss- und erosionsmindernde Flächennutzung und -bearbeitung in den Einzugsgebieten Æ Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Fläche x Wasserrückhaltung in wenig genutzten Talauen zwischen den Siedlungszentren x punktuelle oder abschnittsweise Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit z. B. durch Aufweitung des Abflussprofils x Objektschutzmaßnahmen für Siedlungszentren, wichtige Linienbauwerke oder Einzelbauwerke x Suche nach unkonventionellen Lösungen zur Ableitung extremer Hochwasserabflüsse z. B. Nutzung von Straßen als "Abflussgerinne" ¾ Strategien der Fließgewässerinstandsetzung (Schadensbeseitigung) im Oberlauf: x Anerkennung des "landschaftsprägenden" Charakters des Augusthochwassers von 2002, Rückverlegung aus dem oder Einengung in dem vom Hochwasser freigelegten Abflussquerschnitt nicht ohne zwingenden Grund x Verzicht auf Ufermauern wo irgend möglich Æ Ersatz durch Uferböschungen (notfalls Flächenaufkauf durch Freistaat Sachsen /LTV) x Erschließung potenzieller Rückhalte- und Retentionsräume in den Hochwasserentstehungsgebieten
194
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
¾ Strategien der Fließgewässerinstandsetzung (Schadensbeseitigung) im Unterlauf: x Abfluss der Gewässer in ihren natürlichen Auen x Belassen der Gewässer in selbst gesuchten "neuen" Gewässerbetten (oftmals die ursprünglichen), Rückverlegung in "alte" Gewässerbetten nur in begründeten Fällen x Verbesserung der Durchgängigkeit der Gewässer, ggf. Beseitigung von Querbauwerken, Errichtung von Leitwerken x (Wieder)erschließung von Deichen x Anlegen von Poldern oder Deichrückverlegungen x Anlegen künstlicher Rückhalteräume x Prüfung der Aufgabe linienförmiger Hochwasserschutzsysteme zugunsten eines schwerpunktorientierten und letztlich risikoorientierten Hochwasserschutzkonzeptes (z. B. Ringdeiche, Teilschutzdeiche) Da es sich bei der Beseitigung von ca. 18.000 Schäden an den wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen um eine längerfristige Aufgabe handelt, mussten die Projekte einer Priorisierung unterzogen werden, um zu einer sachgerechten Abarbeitungsreihenfolge zu kommen. Die Hauptkriterien der Priorisierung waren: ¾ Hauptkriterien für Priorisierung der Schadensbeseitigung in Sachsen: x Anteil Schadensbeseitigung x Gefahrenpotenzial x Hochwasserschutzwirkung oder Verbesserung des Fließquerschnittes x Umsetzung der EG-WRRL hinsichtlich Verbesserung der Gewässerstrukturgüte und der Durchgängigkeit Zu den Hauptkriterien sind die in Tabelle 8-1 angegebenen Bewertungsklassen gebildet worden, die dann zu einer entsprechenden Punktzahl geführt haben. Dieses Bewertungsschema ist auf alle Projekte der Schadensbeseitigung (ca. 3.500 Projekte) angewendet worden. Als Ergebnis lag pro Region (hier Betrieb der LTV) eine nach fachlichen und finanzierungstechnischen Gesichtspunkten bewertete Abarbeitungsreihenfolge vor. In dieser Reihenfolge sind dann auch die Projekte in ihrer Umsetzung begonnen worden. Die konkret vorliegenden Randbedingungen und die in 9.5.5 erläuterten genehmigungstechnischen Aspekte können dann im Zuge der Projektabwicklung zu Abweichungen von der vorgesehenen Reihenfolge geführt haben.
8.3 Fließgewässer und Deiche
195
Tabelle 8-1 Priorisierungsschema für Schadensbeseitigungsmaßnahmen, August 2002, (LTV) Kriterium
Schadensbeseitigung
Bewertungseinheit
Prozent
Ind.- oder Gewerbegebiete
zentrale Einrichtungen Gefahrenpotential Siedlungsgebiete
Verkehrsinfrastruktur
HWS-Wirkung oder Verbesserung des Fließquerschnittes Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, Verbesserung der Gewässerstrukturgüte und der Durchgängigkeit
Punkte
100-80
20
79-21
10
20-0
0
groß
10
klein
5
keine
0
groß
10
klein
5
keine
0
Verdichtungsraum
10
ländlicher Raum
5
außerorts
0
A+B+S-Straßen, Bahn
10
Kreisstraßen
5
komm. + private Straßen
0
überregional oder hoch
6
regional oder gleich
3
keine
0
Verbesserung
2
gleichbleibend
1
Verschlechterung
0
Schlussfolgerung 75: Zur sinnvollen und schnellen Schadensbeseitigung an den wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen müssen Nachhaltigkeitsstrategien und Priorisierungsverfahren entwickelt und umgesetzt werden.
196
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
8.4 Stauanlagen 8.4.1 Wassermengenbewirtschaftung Im Abschnitt 6.4.2 ist gezeigt worden, dass durch die sachgerechte Wassermengenbewirtschaftung der Talsperren und HRB die Hochwasserscheitel reduziert und verzögert werden konnten und dass durch die Sächsischen Stauanlagen während des Hochwassers über 80 Millionen m³ Wasser zurück gehalten werden konnten. In der Phase der Regeneration, also unmittelbar nach Ablaufen der Hochwasserwelle, galt es, die Hochwasserrückhalteräume möglichst schnell wieder frei zu fahren, um für nachfolgende Hochwasserwellen genügend Speicherraum zur Verfügung zu haben. Bei der relativ schnellen Absenkung waren die in Abschnitt 8.4.2 beschriebenen Belange der Wassergütebewirtschaftung zu beachten. Ein weiterer Schwerpunkt in dieser Phase war die wassermengenwirtschaftliche Auswertung des Hochwasserereignisses und die Überprüfung der hydrologischen Eingangsdaten für die Bemessung und Bewirtschaftung der Stauanlagen. Im Ergebnis der Erstauswertung sind die gewöhnlichen Hochwasserrückhalteräume der durch die Landestalperrenverwaltung bewirtschafteten Stauanlagen neu bemessen und dort, wo erforderlich, deutlich erhöht worden. Der gesamte gewöhnliche Hochwasserrückhalteraum der LTV-Anlagen ist von 122,5 auf 148 Millionen Kubikmeter vergrößert worden. In der Tabelle 8-2 ist das Ergebnis dieser Neubemessung für ausgewählten Talsperren der LTV dokumentiert. Weitergehende Analysen und die Neuerstellung von Hochwassergutachten zur Bemessung der Stauanlagen erfolgten in der anschließenden Phase der Hochwasservorbeugung und sind im Abschnitt 9.7.5 erwähnt. Tabelle 8-2 Hochwasserrückhalteräume an ausgewählten Sächsischen Talsperren vor und nach dem Hochwasser 2002 [195]
Talsperre Eibenstock HW-Schutzsystem Gottleuba * Talsperre Gottleuba * 4 HRB HW-Schutzsystem Pleiße * Speicher Borna * HRB Regis-Serbitz * HRB Stöhna * Talsperre Schömbach * Speicher Witznitz TS-Sys. Klingenberg/Lehnmühle Talsperre Pöhl Talsperre Rauschenbach Talsperre Lichtenberg Talsperre Malter Summe:
I GHR in Mio. m³ Einzugsgebiet Fließgewässer vor Aug. 2002 nach Aug. 2002 in km² 5,8 10,0 200 Zwickauer Mulde 8,0 9,0 113 Gottleuba
73,1
73,1
1359
3,5 9,2 0,9 0,5 2,3 103,3
9,0 9,2 4,0 3,0 4,3 121,6
89 160 70 38 105
Pleiße
Naturraum Westerzgebirge Osterzgebirge
Leipziger Tiefland
Wilde Weißeritz Osterzgebirge Trieb Vogtland Flöha Mittleres Erzgebirge Gimmlitz Mittleres Erzgebirge Rote Weißeritz Osterzgebirge
8.4 Stauanlagen
197
Ein weiterer Gesichtspunkt der Wassermengenbewirtschaftung unmittelbar nach dem Ereignis war die Sicherstellung der Rohwasserbereitstellung insbesondere für die Trinkwasserversorgung. Im Abschnitt 6.4.3 ist bereits über den längerfristigen Ausfall von mehreren im Überschwemmungsbereich liegenden Wasserwerken berichtet worden. Diese ausgefallenen Versorgungskapazitäten mussten durch andere, in der Regel mit Talsperrenwasser beschickte, Wasserwerke übernommen werden. Dadurch war in dieser Phase eine erhöhte Bereitstellung von hochwertigem Rohwasser erforderlich.
8.4.2 Wassergütebewirtschaftung Im Abschnitt 6.4.3 ist die Wassergütebewirtschaftung während des Hochwasserereignisses anhand von zwei Beispielen beschrieben worden. Die dort genannten Steuerungshandlungen zur Sicherung der Rohwasserqualität und damit Trinkwasserversorgung treffen inhaltlich auch auf eine längere Phase nach dem Ereignis zu. Nach der Hochwasserwelle nimmt der Eintrag von unerwünschten Stoffen in die Stauräume zwar relativ schnell wieder ab, aber die entsprechend ihrer Temperatur eingeschichteten verschmutzten Wassermassen beginnen sich mit dem restlichen Wasserkörper zu vermischen, was es durch die in 6.4.3 beschriebenen Steuerhandlungen zu minimieren gilt. Das Beispiel von Dresden hat gezeigt, dass die Trinkwasserversorgung über eine längere Zeit nur mit Talsperrenwasser sichergestellt werden konnte, da die Wasserwerke an der Elbe erst nach 8 Monaten Totalausfall wieder in Betrieb genommen werden konnten. In den Beginn dieser Phase der Bewirtschaftung fällt, wie in 8.4.1 beschrieben, auch die möglichst schnelle Absenkung des Wasserstandes, um die Hochwasserrückhalteräume wieder zur Verfügung zu haben. Da diese Entlastung der Anlagen über die Grundablässe zu unerwünschten Gütebeeinträchtigungen der bis dahin unbeeinflussten Tiefenwasserschichten führen kann, muss die Steuerung sehr sorgfältig und sensibel erfolgen. Um für die Zukunft die Wassergütebewirtschaftung besser absichern zu können, sind die in 9.7.6 beschriebenen Optionen untersucht worden. Das Messprogramm zur Überwachung der Rohwasserqualität muss auch in dieser Bewirtschaftungsphase an die jeweilige Situation angepasst werden. Auswertungen der Messergebnisse haben die in Bild 8-6 und Bild 8-7 dargestellten Trends ergeben. Hier sieht man sehr deutlich, dass sich die Wassergüteparameter am stärksten nach dem Hochwasser verändert und i. d. R. langfristig wieder auf die Werte vor dem Hochwasser eingestellt haben. Am längsten dauert dieser Prozess bei den organischen Belastungen. Schlussfolgerung 76: Eine ausgewogene wassermengen- und wassergütemäßige Steuerung von Stauanlagen und die Überprüfung der Bewirtschaftungsdaten sind für die schnelle Wiedererreichung des Hochwasserschutzzieles und die Sicherstellung von Versorgungsaufgaben, z. B. Rohwasser für die Trinkwasserversorgung, wichtig.
198
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
Bild 8-6 Veränderungen ausgewählter Wassergüteparameter an der TS Eibenstock durch das Hochwasser vom August 2002 (LTV)
Bild 8-7 Veränderungen ausgewählter Wassergüteparameter an der TS Klingenberg durch das Hochwasser vom August 2002 (LTV)
8.4 Stauanlagen
199
Schlussfolgerung 77: Die durch Hochwasser veränderten Wassergüteparameter in Staukörpern erreichen i. d. R. mittel- oder langfristig wieder ihre Ausgangswerte. Bei organischen Belastungen dauert dieser Prozess mit am längsten.
8.4.3 Betriebs- und Bauwerksüberwachung Analog zu den Gewässern ist auch bei den Stauanlagen parallel zu den im Abschnitt 7.7 beschriebenen Sofortmaßnahmen der Gefahrenabwehr mit der Schadensbeseitigung begonnen worden. Da vor größeren Instandsetzungsarbeiten erst einmal die Dimensionierungen und Standsicherheitsberechnungen überprüft werden mussten, ist in einigen Fällen die Funktionssicherheit durch provisorische Reparaturen hergestellt worden. So sind z. B. die im Bild 7-31 dargestellten Auskolkungen an der HWE der TS Klingenberg vorläufig gesichert worden (siehe Bild 8-8), obwohl im Zuge der anstehenden Komplexsanierung für ca. 8 Jahre später ein kompletter Umbau der HWE vorgesehen war.
Bild 8-8 Provisorische Reparatur der HWE der TS Klingenberg 2003/2004 (LTV)
Die wichtigste Aufgabe in dieser Phase war die Wiederherstellung der kompletten Funktionssicherheit der geschädigten Stauanlagen. Bei den Instandsetzungsarbeiten ist durch konstruktive Verbesserungen darauf geachtet worden, dass die Schadensanfälligkeit bei zukünftigen Ereignissen möglichst gering ist. Schlussfolgerung 78: Bei Talsperren und Rückhaltebecken müssen funktions- und standsicherheitsrelevante Schäden schnellstmöglich, ggf. auch provisorisch, repariert werden, um zusätzliche Sicherheitsrisiken für die Unterlieger zu vermeiden.
200
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
Die Talsperrenfachleute der LTV haben die vom Hochwasser betroffenen Anlagen zügig einer ersten Standsicherheitsbetrachtung unterzogen. Dabei sind die visuellen Beobachtungen des Staupersonals während des Ereignisses, die visuellen Kontrollen der Talsperreningenieure nach dem Ereignis und die Daten der messtechnischen Bauwerksüberwachung mit den laut den Standsicherheitsuntersuchungen vorliegenden Berechnungswerten verglichen und bewertet worden. Die Ergebnisse dieser Analyse sind im Bericht über die Auswirkungen des Extremhochwassers vom August 2002 auf die Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken und Wasserspeicher der LTV [174] dokumentiert worden. Die Einschätzung zeigte, dass bis auf die zwei gebrochenen Dämme der Vorsperre Klingenberg und des HRB Glashütte trotz der hohen Belastungen die Standsicherheit der Stauanlagen gewährleistet war. Die Stauanlagen haben auf die extreme Belastungssituation mit z. B. Sickerwasserzunahmen, Deformationen und Sohlwasserdruckerhöhungen reagiert. Alle lastabhängigen Bauwerksreaktionen konnten durch entsprechende Messwerte als reversibel und unschädlich eingestuft werden. Die wichtigsten Ergebnis aus [174] kann man wie folgt zusammenfassen: ¾ Ergebnisse der bautechnischen Erstbewertung der TS und HRB in Sachsen: x die Absperrbauwerke haben auf den hochwasserbedingten Belastungszuwachs logisch reagiert x die Zunahme des Sickerwasseranfalls, Deformationen zur Luftseite und Sohlwasserdruckerhöhungen waren die häufigsten Bauwerksreaktionen x häufig sind bisher gemessene Maximalwerte überschritten worden x die registrierten Messwertveränderungen entsprechen den aufgetretenen Belastungsgrößen x es sind keine atypischen Bauwerksreaktionen aufgetreten x die Bauwerksreaktionen waren i. d. R. reversibel x es waren keine Gefährdungen für die Stand- bzw. Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit erkennbar x eine nachträgliche Beeinträchtigung der Stand- bzw. Tragsicherheit war nicht erkennbar Mit den nun folgenden Beispielen der messtechnischen Überwachung sollen die eben getroffenen Aussagen belegt werden. Aus dem Bild 8-9 kann man zwei Sachverhalte sehr schön erkennen. Zum Einen hat sich vor dem Hochwasser die Krone des Absperrbauwerkes der Bruchsteinmauer der TS Lehnmühle aufgrund des fallenden Wasserstandes und der jahreszeitlichen Erwärmung Richtung Wasserseite bewegt. Zum Anderen hat sich mit dem plötzlichen Anstieg des Wasserspiegels von über vier Meter während des Hochwassers die Krone sofort Richtung Luftseite bewegt. Die absolute Auslenkung der Mauerkrone bewegte sich jedoch immer noch im Bereich der jahreszeitlichen Bauwerksbewegungen. Insofern stellten in diesem Beispiel nicht die Deformationsgrößen selbst sondern die Geschwindigkeit der Bauwerksbewegung die außergewöhnliche Belastung dar.
8.4 Stauanlagen
201
Bild 8-9 Pendellotmessung an TS Lehnmühle (LTV)
Bild 8-10 TS Lehnmühle, Sohlwasserdruckmessungen im rechten Grundablass, 1…5 von Wasserseite zu Luftseite (LTV)
Auch die in Bild 8-10 dargestellten Sohlwasserdruckmessungen verdeutlichen, dass sich das Bauwerk erwartungsgemäß verhält. Die Sohlwasserdrücke folgen dem Verlauf des Oberwasserstandes und nehmen mit zunehmender Entfernung von der Wasserseite ab. Auch hier
202
8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
lassen sich keine Unregelmäßigkeiten erkennen, die auf ein atypisches Verhalten hinweisen könnten. Die in Bild 8-11 dargestellte Bewegung der Mauerkrone der Betongewichtsstaumauer der TS Rauschenbach ist besonders interessant, weil sie sehr schön ein für die meisten Betrachter eher ungewöhnliches, aber dennoch logisches physikalisches Bauwerksverhalten widerspiegelt. Hier bewegt sich die Mauerkrone trotz eines schnellen Anstieges des Wasserspiegels um ca. 17 m mehr als 3 mm Richtung Wasserseite. Dieses auf den ersten Blick unerwartete Verhalten lässt sich wie folgt erklären: Aufgrund von Bauarbeiten im Stauwurzelbereich der TS Rauschenbach ist der Wasserstand sehr weit abgesenkt gewesen. Durch ihre Ausrichtung ist die Wasserseite der sommerlichen Einstrahlung der Sonne ausgesetzt gewesen und hat sich dementsprechend erwärmt. Durch den plötzlichen Einstau von ca. 17 m hat sich auf einen Schlag die Wasserseite abgekühlt. Die sich durch den Einstau und die damit verbundene Erhöhung des Wasserdruckes ergebenden Kräfte, die eine Verformung Richtung Luftseite bewirken, waren geringer als die durch die Temperaturänderung des Betons aufgetretenen Kräfte, die eine Verformung Richtung Wasserseite bewirkt haben. Auch hier liegt demzufolge ein völlig normales Bauwerksverhalten vor.
Bild 8-11 TS Rauschenbach, horizontale Bewegung der Mauerkrone (LTV)
Ein dreiviertel Jahr später ist durch die LTV ein zweiter Bericht [182] zur Standsicherheit ausgewählter Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken und Wasserspeicher während des Augusthochwassers 2002 vorgelegt worden. In diesem Bericht sind für die betroffenen Stauanlagen als Ergänzung zu der Erstbewertung auf Grundlage der Messergebnisse Standsicherheitseinschätzungen vorgenommen worden.
8.5 Ereignisanalyse
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Die Einschätzung der Standsicherheit der einzelnen Stauanlagen konnte bei Vorliegen aktueller Nachweise, durch direkten Vergleich berechneter Lastfälle mit der beim Hochwasser aufgetretenen Belastung und bei älteren Nachweisen durch den Vergleich der tatsächlichen Belastungen mit ähnlichen Lastfällen erfolgen. Auch hier konnte eingeschätzt werden, dass trotz der hohen Belastungen die Standsicherheit der Stauanlagen gewährleistet war. Schlussfolgerung 79: Das Bauwerksverhalten von Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken ist bei auf dem Stand der Technik befindlichen Anlagen bei Hochwasserereignissen i. d. R. unkritisch für die Trag- und Gebrauchstauglichkeit. Dennoch sollten die infolge der Belastungsveränderungen aufgetretenen Bauwerksreaktionen für nachträgliche Bewertungen intensiv beobachtet und ausgewertet werden. Schlussfolgerung 80: Messdaten von Extremsituationen sind sehr wichtig für die Beurteilung der Tragsicherheit der Absperrbauwerke. Deshalb sind ausfallsichere automatische Messsysteme zur Bauwerksüberwachung von Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken im Hochwasserfall sehr wertvoll, weil das Staupersonal wegen des höheren sonstigen Arbeitsanfalles zur Hochwassersteuerung der Anlage zu wenig Zeit für Sondermessungen oder kürzere Messintervalle hat.
8.5 Ereignisanalyse In der Phase der Regeneration ist es wichtig, eine fundierte Ereignisanalyse durchzuführen, um bei der Planung von Maßnahmen zur Wiederherstellung und Verbesserung des Hochwasserschutzes die Risikoursachen zu kennen. Nur auf der Basis dieser Erkenntnisse kann Hochwasserschutz im Sinne des Hochwasserrisikomanagements nachhaltig gestaltet werden. Im Rahmen der unter 9.4 beschriebenen Erarbeitung der Sächsischen Hochwasserschutzkonzepte (HWSK) sind für alle Gewässer I. Ordnung Ereignisanalysen durchgeführt worden. Diese bildeten die Ausgangsbasis für die weiteren Überlegungen zur schrittweisen Verbesserung des Hochwasserrisikomanagements in Sachsen. Für das am stärksten betroffene Gebiet im Osterzgebirge ist unter Verwendung der Erkenntnisse aus den HWSK in einem umfassenden Bericht mit dem Titel „Ereignisanalyse – Hochwasser August 2002 in den Osterzgebirgsflüssen“ [7] das Hochwasserereignis von 2002 aufgearbeitet worden. Hierbei sind auch Aspekte, wie z. B. die Medienberichterstattung, mit betrachtet worden, die über die reinen wasserwirtschaftlichen Überlegungen hinaus gehen. Um den verschiedensten Entscheidungsträgern diese fachlichen Grundlagen und wichtigsten Ergebnisse der Ereignisanalyse näher bringen zu können, ist als Komprimat aus der Ereignisanalyse ein Managementreport [13] erstellt worden.
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8 Hochwassernachsorge und Wiederaufbau
Die Ereignisanalyse selbst ist wie folgt aufgebaut: ¾ Aufbau der Ereignisanalyse: x Gebietsbeschreibung x Meteorologie x Hydrologie x Feststofftransport und Hydraulik x Schadensprozesse x Schadensbilanz x Hochwassermeldesystem x Fallbeispiele x Vergleich zu historischen Hochwassern x Reduzierung des Gefahren- und Schadenspotenzials x Konsequenzen für das Hochwassermeldesystem x Flutberichterstattung in den Medien x Fallbeispiele Gefahrenkarten x Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Inhaltlich ist die Ereignisanalyse in zwei Hauptteile gegliedert worden. Im ersten Teil wird der Ablauf des Hochwasserereignisses vom August 2002 im vorher beschriebenen Betrachtungsgebiet dargestellt. Dabei werden die abgelaufenen meteorologischen Prozesse und deren hydrologischen Auswirkungen geschildert. Da das Ereignis deutlich gezeigt hatte, dass gerade im Erzgebirge die Erosions- und Umlagerungsprozesse mit den daraus resultierenden Verklausungen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten, sind neben der normalen Hydromechanik auch die Feststofftransporte und das Treibgut untersucht worden. Mit diesen Untersuchungen waren die Voraussetzungen für die Betrachtung der Schadensprozesse und den daraus entstandenen Schäden bzw. der Schadensbilanz gegeben. Nach der Analyse dieser vorwiegend physikalischen Prozesse sind mit dem Hochwassermeldesystem die Informationswege und Informationsinhalte ausgewertet worden. Am Ende des ersten Teiles wird anhand von den vier Fallbeispielen Dammbruch von Glashütte, hydrologische Untersuchungen über die Möglichkeit von Hochwasserpräventionsmaßnahmen für den Schlosspark Weesenstein, Augusthochwasser am Lockwitzbach im Stadtgebiet von Dresden und dem Weißeritzhochwasser im Gebiet der Stadt Dresden die Auswirkung des Ereignisses demonstriert und bewertet. Im zweiten Teil der Ereignisanalyse werden schwerpunktmäßig Schlussfolgerungen für die Zukunft gezogen. Nach der vergleichenden Betrachtung zu historischen Hochwasserereignissen im Untersuchungsgebiet werden Überlegungen zur Reduzierung des Gefahren- und Schadenspotenzials angestellt. In den aufgezeigten Konsequenzen für das Hochwassermeldesystem werden die Ergebnisse aus dem ersten Teil und die Forderungen aus dem Kirchbachbericht [163] aufgegriffen und berücksichtigt. In einem gesonderten Kapitel wird die Flut-
8.6 Öffentlichkeits- und Pressearbeit
205
berichterstattung der Medien untersucht und bewertet. Auch der zweite Teil wird mit Fallbeispielen, hier zum Thema Gefahrenkarten, abgeschlossen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Schlussfolgerungen aus der Ereignisanalyse des Osterzgebirges sich vollumfänglich auf den Mittelgebirgsraum in Sachsen übertragen lassen. Bei der Anwendung der Ergebnisse auf die weiter im Norden liegenden Flachländer gibt es zu einigen schadensverursachenden Prozessen Einschränkungen oder Veränderungen, die bei den daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen entsprechend berücksichtigt werden müssen. An dieser Stelle soll explizit auch noch einmal die Wichtigkeit einer möglichst umfassenden Ereignisdokumentation als Bestandteil der Ereignisanalyse hervorgehoben werden. Nur durch eine zeitnahe, qualifizierte und umfassende Ereignisdokumentation kann die Datenbasis für spätere im Rahmen der eigentlichen Ereignisanalyse oder in der Phase der Hochwasservorbeugung durchzuführende Berechnungen und Simulationen geschaffen werden. So fehlen z. B. in der Regel Daten für die Wasserstands-Durchflussbeziehungen bei höheren Abflüssen oder genaue Angaben zu Überschwemmungsgebieten bei größeren Hochwasserereignissen. Wenn diese Daten während bzw. unmittelbar nach einem abgelaufenen Hochwasserereignis nicht qualifiziert erhoben werden, fehlen z. B. wertvolle Informationen zur Kalibrierung und auch Weiterentwicklung von hydrodynamisch numerischen Berechnungsmodellen. Diese am Beispiel der HN-Modelle getroffene Aussage trifft selbstverständlich auch auf alle anderen betroffenen Wissensgebiete zu. Dieser Aspekt wird leider oft nicht berücksichtigt, weil nach abgelaufenen Hochwasserereignissen die zuständigen Akteure mit anderen wichtigen Handlungen gebunden sind. Schlussfolgerung 81: Die Erkenntnisse aus der Ereignisanalyse des Osterzgebirges zum Augusthochwasser 2002 sind vollumfänglich auf den Sächsischen Mittelgebirgsraum übertragbar. Schlussfolgerung 82: Nach abgelaufenen Hochwasserereignissen muss eine zeitnahe, qualifizierte und umfassende Ereignisdokumentation durchgeführt werden, um u. a. die erforderliche Datenbasis für spätere im Rahmen der eigentlichen Ereignisanalyse oder in der Phase der Hochwasservorbeugung durchzuführende Analysen, Berechnungen und Simulationen zu schaffen. Ohne diese Datenbasis sind Kalibrierungen und Weiterentwicklungen von Analyse- und Berechnungsmodellen nur schwer oder teilweise nicht möglich.
8.6 Öffentlichkeits- und Pressearbeit Unter Berücksichtigung der in 7.8 beschriebenen Erfahrungen aus der eher passiven Öffentlichkeits- und Pressearbeit der Akteure der Wasserwirtschaft war diese in der Phase der Hochwassernachsorge und des nachhaltigen Wiederaufbaus schon wesentlich aktiver. Obwohl die Kapazitäten der Wasserwirtschaft noch enorm mit der Erledigung der Fachauf-
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gaben gebunden waren, wurden Personalkapazitäten für eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit bereit gestellt. Damit konnte erreicht werden, dass die Bevölkerung und die Medien meist rechtzeitig vor der sichtbaren Umsetzung über Maßnahmen und Hintergründe der Wasserwirtschaft informiert waren. Durch diese Herangehensweise konnte in der Mehrheit der Bevölkerung die Akzeptanz für die Aufgabenerledigung und oft sogar eine positive Medienberichterstattung bewirkt werden. Schlussfolgerung 83: Auch in der Phase der Regeneration ist durch die Akteure der Wasserwirtschaft eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit erforderlich, um die Betroffenen und Medien rechtzeitig mit Informationen über anstehende Maßnahmen zu versorgen. Durch diese Transparenz entsteht die für eine erfolgreiche Aufgabenbewältigung erforderliche Akzeptanz.
9
Hochwasservorbeugung
9.1 Allgemeines Im integrierten Hochwasserrisikomanagement sind die bisher erläuterten Handlungen in den Phasen der Hochwasserbewältigung und der Regeneration stark vom vorher aufgetretenen Ereignis geprägt und stellen vorwiegend Reaktionen auf das gerade abgelaufene Hochwasserereignis dar. Je weiter man sich zeitlich vom Hochwasserereignis entfernt, desto mehr nimmt die Bedeutung von Aktionen im Sinne der Nachhaltigkeit und der Hochwasservorbeugung zu. Der Übergang von der Reaktion auf ein Ereignis zur Aktion mit dem Ziel der Hochwasservorbeugung findet allmählich statt. Die Handlungsfelder der Reaktion auf ein Ereignis werden in der Regel als unabweisbar akzeptiert und der damit zusammenhängende Aufwand wird demzufolge nicht in Frage gestellt. Die aufzuwendenden Handlungen (Aktionen) zur Hochwasservorbeugung bedürfen eines Hochwasserbewusstseins. Dazu ist es erforderlich, dass mit guten fachlichen Begründungen den Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit der Nutzen und die Notwendigkeit der Hochwasservorsorge plausibel dargestellt und die Konsequenzen der Einsparung von Vorsorgemaßnahmen veranschaulicht werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand von abgelaufenen Hochwasserereignissen die Bereitschaft für und die Akzeptanz von Hochwasservorbeugemaßnahmen abnimmt. Schlussfolgerung 84: Da die Bereitschaft für und die Akzeptanz von Hochwasservorbeugemaßnahmen mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu abgelaufenen Hochwasserereignissen abnimmt, ist es äußerst wichtig, durch gute fachliche Begründungen und Informationen das Hochwasserbewusstsein auf einem hohen Niveau zu halten.
9.2 Ausgangslage Im Kapitel 4 ist die wasserwirtschaftliche Ausgangslage vor dem Augusthochwasser 2002 als Umsetzungsstatus der vorhandenen Hochwasservorbeugung beschrieben worden. Die dort beschriebenen Sachverhalte zur Topographie, zur Geologie, zu den klimatischen Bedingungen und zu den vorhandenen Gewässern haben sich durch das Hochwasser von 2002 prinzipiell nicht geändert. Verändert hat sich allerdings die Sicht auf die aufgezählten Sachverhalte. So sollte nach dem Hochwasser jedermann klar geworden sein, dass die Fließgewässer als bedeutende Bestandteile der Landschaft genügend Raum benötigen. Dieses nach dem Extremereignis besonders vorhandene Hochwasserbewusstsein ermöglichte Veränderungen in der Rechtslage, Verbesserungen bei der Bewirtschaftung der Fließgewässer und Stauanlagen, Veränderungen an den Flächennutzungen und vielfältige Maßnahmen zur Verminderung der Schadenspotenziale und der Vulnerabilität.
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9 Hochwasservorbeugung
Eine bedeutende Auswahl dieser umfangreichen Aktivitäten zur Reduzierung der Hochwassergefährdung soll in den folgenden Abschnitten fokussiert auf den Freistaat Sachsen vorgestellt werden.
9.3 Rechtslage Die gesetzlichen Grundlagen zum Hochwasserschutz haben sich nach dem Hochwasserereignis von 2002 in vielen Bereichen geändert. In den folgenden Ausführungen sollen die wichtigsten Veränderungen in ihrer chronologischen Reihenfolge dargestellt werden. Das Wasserhaushaltsgesetz [32] befand sich vor dem Hochwasser von 2002 schon seit geraumer Zeit in der Überarbeitung, weil die Regelungen der EG-WRRL [74] in nationales Recht umzusetzen waren. Noch unter dem Eindruck des Oderhochwassers von 1997 war auch eine stärkere Berücksichtigung von Hochwasserschutzaspekten vorgesehen. Unmittelbar nach dem Ereignis, nämlich am 19.08.2002, trat dann das neue Wasserhaushaltsgesetz [33] in Kraft. Im § 32 des WHG von 2002 sind lediglich Überschwemmungsgebiete definiert worden und die Länder sehr unbestimmt zu deren Ausweisung und zur Zusammenarbeit im Hochwasserschutz verpflichtet worden. Insofern regelte das WHG von 2002 den nachhaltigen Hochwasserschutz nicht konsequenter als die bereits vor 2002 geltenden Rechtsgrundlagen. Einen Monat nach dem Hochwasser fand noch unter dem Eindruck des abgelaufenen Extremereignisses die 1. Flussgebietskonferenz der Bundesregierung zum vorbeugenden Hochwasserschutz [28] statt. Auf dieser ersten, von inzwischen drei Konferenzen, ist das 5-PunkteProgramm der Bundesregierung [30] mit Arbeitsschritten zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes beschlossen worden. Die wesentlichsten Inhalte sind: ¾ 5-Punkte-Programm der Bundesregierung: x gemeinsames Hochwasserschutzprogramm von Bund und Ländern í den Flüssen mehr Raum geben í Hochwasser dezentral zurückhalten í Siedlungsentwicklung steuern - Schadenspotenziale mindern x länderübergreifende Aktionspläne - internationale Fachkonferenz x europäische Zusammenarbeit voranbringen x Flussausbau überprüfen - Schifffahrt umweltfreundlich entwickeln x Sofortmaßnahmen zum Hochwasserschutz í bessere Verzahnung der vorhandenen Hilfspotenziale des Bundes und der Länder, also vornehmlich Feuerwehren und Hilfsorganisationen í Entwicklung neuer Koordinierungsinstrumentarien für ein effizienteres Zusammenwirken des Bundes und der Länder, insbesondere verbesserte Koordinierung der Informationssysteme, damit die Gefahrenabwehr auch auf neue, außergewöhnliche Bedrohungen angemessen reagieren kann
9.3 Rechtslage
209
í beschleunigter Ausbau der Koordinierungsstelle für großflächige Gefährdungslagen í Ausbau der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) í Warnung und Information der Bevölkerung í Unterstützung der bürgerschaftlichen Selbsthilfe Der Freistaat Sachsen hat als Reaktion auf das Augusthochwasser von 2002 am 14. November 2002 das Gesetz zur Erleichterung des Wiederaufbaus und zur Verbesserung des Hochwasserschutzes [99] erlassen. In diesem Gesetz sind im Sinne des Hochwasserrisikomanagements und der Schadensbeseitigung Änderungen am Sächsischen Wassergesetz, am Sächsischen Naturschutzgesetz, am Sächsischen Straßengesetz, am Sächsischen Denkmalschutzgesetz und am Sächsischen Landesplanungsgesetz vorgenommen worden. Beim Sächsischen Naturschutzgesetz, beim Denkmalschutzgesetz und beim Landesplanungsgesetz betreffen die Änderungen Regelungen, die bei Wiederinstandsetzungsmaßnahmen infolge außergewöhnlicher Ereignisse, insbesondere nach Naturkatastrophen, kürzere Auslegefristen und schnelle Reaktionen der Behörden befördern. Beim Sächsischen Straßengesetz wird zusätzlich geregelt, dass nach außergewöhnlichen Ereignissen, insbesondere nach Naturkatastrophen, befristet nicht öffentliche Straßen dem öffentlichen Verkehr gewidmet werden können, wenn öffentliche Straßen wegen Zerstörung nicht nutzbar sind. Im SächsWG sind die Änderungen noch weitgehender, wovon hier nur die im Sinne des Hochwasserrisikomanagements oder des Wiederaufbaues benannt werden sollen. Im § 50 SächsWG wird geregelt, dass die Gewässerrandstreifen auch zur Sicherung des Wasserabflusses dienen. In den §§ 67 und 91 SächsWG werden Regelungen zur Genehmigungsbeschleunigung nach außergewöhnlichen Ereignissen, insbesondere nach Naturkatastrophen getroffen. Und im § 100 SächsWG werden wesentlich konkretere Regelungen zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten getroffen. Ausgehend vom HQ100 sollen die Überschwemmungsgebiete per Rechtsverordnung festgesetzt werden. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, dass Hindernisse beseitigt werden, die Nutzung von Grundstücken geändert wird und Maßnahmen zur Verhütung von Auflandungen und Abschwemmungen sowie Maßnahmen zur Rückgewinnung natürlicher Rückhalteflächen getroffen werden. Ohne Rechtsverordnung werden per Gesetz die Gelände zwischen Ufer und Deichen sowie Hochwasserschutzräume von Talsperren und Rückhaltebecken als Überschwemmungsgebiete festgesetzt. In den Überschwemmungsgebieten werden erst einmal folgende Handlungen untersagt: ¾ im SächsWG (Stand 11/2002) untersagte Handlungen in Überschwemmungsgebieten: x Ausweisung von neuen Baugebieten in einem Verfahren nach dem Baugesetzbuch x Aufhöhungen oder Abgrabungen x Errichtung oder wesentliche Änderung baulicher Anlagen x Errichtung von Mauern, Wällen oder ähnlichen Anlagen quer zur Fließrichtung des Wassers bei Überschwemmungen
210
9 Hochwasservorbeugung
x Aufbringen oder Ablagern von wassergefährdenden Stoffen auf den Boden; dies gilt nicht für Stoffe, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft eingesetzt werden dürfen x Lagerung von Stoffen, die den Hochwasserabfluss behindern können x Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen, soweit diese nicht der Uferbefestigung oder dem vorsorgenden Hochwasserschutz dienen x Umwandlung von Grünland in Ackerland Da die Festsetzung der Überschwemmungsgebiete per Rechtsverordnung erfahrungsgemäß einen sehr langen Zeitraum in Anspruch nehmen kann, hat der Sächsische Gesetzgeber eine Übergangsregelung geschaffen, die regelt, dass bis zum 31.12.2012 diejenigen Gebiete als Überschwemmungsgebiete gelten, die bei einem HQ100 überschwemmt werden und in den Arbeitskarten der zuständigen Wasserbehörden, der Staatlichen Umweltfachämter oder des Landesamtes für Umwelt und Geologie dargestellt sind. Auch die im alten WHG als überschwemmungsgefährdete Gebiete bezeichneten Flächen sind im § 100, Absatz 7 SächsWG schon erwähnt und deren Schutz geregelt worden. Mit diesem Gesetz zur Erleichterung des Wiederaufbaus und zur Verbesserung des Hochwasserschutzes hat der Sächsische Gesetzgeber einen entscheidenden Beitrag zu besseren rechtlichen Voraussetzungen für den nachhaltigen Hochwasserschutz geschaffen. Die positive Wirkung wird in Tabelle 9-1 am Beispiel der festgesetzten Überschwemmungsgebiete sehr deutlich. So sind im Zeitraum vom Herbst 2002 bis Frühjahr 2004 immerhin 333 neue Überschwemmungsgebiete vorläufig festgesetzt worden. Damit war im Freistaat Sachsen eine Fläche von ca. 49.210 ha als Überschwemmungsgebiet festgesetzt worden, was ca. 2,7 % der Landesfläche entspricht. Zum Vergleich sei noch erwähnt, dass 2002 eine Fläche von ungefähr 40.000 ha überflutet war. Tabelle 9-1 Ausgewiesene Überschwemmungsgebiete in Sachsen (Stand 30.03.2004) Zeitraum vor 1990
rechtskräftige Überschwemmungsgebiete in Sachsen
Anzahl
mit altem Recht aus DDR übergeleitet; ÜG § 100 Abs. 5 SächsWG
21
1990 - 2002
mit Rechtsverordnung festgesetzt; ÜG § 100 Abs. 1 SächsWG
4
2002 - 2004
vorläufig festgesetzt; ÜG § 100 Abs. 3 SächsWG
333
Die Umweltministerkonferenz der Länder hat im Juni 2004 die von der LAWA im November 2003 vorgelegten Instrumente und Handlungsempfehlungen [167] zur Umsetzung der 1995 erarbeiteten Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz bestätigt. In Auswertung gerade der Sächsischen Erfahrungen wird dort u. a. empfohlen, alle Hochwasservorsorge- und Hochwasserschutzmaßnahmen in den Flussgebieten grundsätzlich in Hochwasseraktionsplänen zusammenzufassen und die Gefahren für jedermann in Hochwassergefahrenkarten darzustellen und diese öffentlich bekannt zu machen. Seit 2005 arbeitet der Bund auch ständig in der LAWA mit.
9.3 Rechtslage
211
Da das Sächsische Gesetz zur Erleichterung des Wiederaufbaus und zur Verbesserung des Hochwasserschutzes nur eine Übergangslösung darstellte, hat der Gesetzgeber in Sachsen im Herbst 2004 ein völlig überarbeitetes Wassergesetz [104] verabschiedet. Neben etlichen kleineren Verbesserungen in vielen Paragraphen im Sinne des Hochwasserrisikomanagements gibt es seit 2004 einen extra Teil mit besonderen Bestimmungen für den Hochwasserschutz, deren komplette Aufzählung zu weit führen würde. Deshalb sollen nur die wesentlichsten Sachverhalte erwähnt werden. Der § 91 SächsWG von 2004 [104] führt die Wasserbaudienststellenfunktion ein, die durch die Landestalsperrenverwaltung wahrgenommen wird. Mit dieser Regelung werden die Unteren Wasserbehörden entlastet und die Prüfstelle Wasserbau führt sehr gezielt die wasserrechtlichen Genehmigungen nach § 91 SächsWG für die eigenen Maßnahmen des Freistaates Sachsen durch. Im § 99 SächsWG von 2004 [104] werden die allgemeinen Bestimmungen und Grundsätze zum Hochwasserschutz geregelt, die u. a. den Rückhalt in der Fläche, die Verbesserung oder Wiederherstellung des natürlichen Rückhaltevermögens, die Verantwortung für jedermann zur Selbstvorsorge und die Zuständigkeiten beinhalten. Im § 99a SächsWG von 2004 [104] wird ohne Rechtsanspruch die Aufstellung eines Hochwasserschutz-Aktionsplanes auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse des Hochwasserschutzes in Verantwortung der obersten Wasserbehörde geregelt. Die Erstellung von Hochwasserschutzkonzepten und Gefahrenkarten für alle Gewässerkategorien ist im § 99b SächsWG von 2004 [104] vorgeschrieben. Die Mindestanforderungen an diese Konzepte werden ebenfalls im § 99b geregelt. Der Inhalt und Aufbau der Hochwasserschutzkonzepte für Sachsen kann im folgenden Abschnitt 9.4 nachgelesen werden. Der § 100 SächsWG von 2004 [104] regelt sehr konkret den Umgang mit den Überschwemmungsgebieten. Die oben erläuterte Regelung der vorläufigen Festsetzung aus dem Gesetz zur Erleichterung des Wiederaufbaus und zur Verbesserung des Hochwasserschutzes ist als Dauerregelung festgeschrieben worden. Auch für Gebiete, die nicht als Überschwemmungsgebiete festgesetzt werden, sind Regelungen zur Sicherung, Wiederherstellung oder Verbesserung des natürlichen Rückhaltes getroffen worden. Im § 100a SächsWG von 2004 [104] werden weitergehende Anforderungen an bauliche Anlagen in Überschwemmungsgebieten, wie z. B. Genehmigungspflicht und Hochwasserneutralität geregelt. Um auch die negativen Auswirkungen auf die Hochwasserentstehung zu minimieren, trifft der § 100b SächsWG von 2004 Festlegungen zu den Hochwasserentstehungsgebieten, wie z. B. die wasserbehördliche Genehmigungspflicht für die Errichtung oder wesentliche Änderung baulicher Anlagen, den Bau neuer Straßen, die Umwandlung von Wald oder die Umwandlung von Grün- in Ackerland in diesen Gebieten. Im zweiten Abschnitt des Hochwasserschutzteiles (§§ 100c bis 100h) des SächsWG von 2004 [104] werden Regelungen zu den Deichen und sonstigen Hochwasserschutzanlagen getroffen. Im dritten Abschnitt (§§ 101 bis 104) wird die Hochwasserabwehr mit den Aspekten Wasser- und Eisgefahr, Deichverteidigung, Wasserwehr und Warn- und Alarmordnungen geregelt.
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9 Hochwasservorbeugung
Das Zusammenspiel dieser doch sehr umfassenden wassergesetzlichen Regelungen im Freistaat Sachsen soll noch mal mit der Darstellung in Bild 9-1 verdeutlicht werden.
Bild 9-1 Hochwasserschutzregelungen im SächsWG von 2004 [44]
Die Bundesrepublik Deutschland hatte im Mai 2005 das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes [35] verabschiedet. Dieses Gesetz beinhaltet Änderungen zum Wasserhaushaltsgesetz, zum Baugesetzbuch, zum Raumordnungsgesetz, zum Bundeswasserstraßengesetz, zum DWD-Gesetz, zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung und zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Die außerhalb des WHG liegenden Änderungen sind meist Regelungen zur nachrichtlichen Übernahme von hochwasserrelevanten Informationen aus dem alten WHG oder zum Schutz von Freiräumen für den Hochwasserschutz. Im bis Februar 2010 geltenden WHG [34] gab es nun einen eigenen Abschnitt zum Hochwasserschutz. Im darin enthaltenem § 31a sind die Grundsätze des Hochwasserschutzes geregelt, die eine hochwassergerechte Bewirtschaftung der Gewässer, den Schutz von Überschwemmungsgebieten, den eigenverantwortlichen Hochwasserschutz von jedermann und die Zuständigkeit der Länder für den Hochwassernachrichtendienst fordern. Im § 31b des bisherigen WHG [34] sind Überschwemmungsgebiete definiert und die Länder zu deren Ausweisung verpflichtet worden. Des Weiteren sind die Länder angehalten, in diesen Gebieten Vorschriften zum Erhalt oder zur Verbesserung der ökologischen Strukturen der Gewässer und ihrer Überflutungsflächen, zur Verhinderung erosionsfördernder Maßnahmen, zum Erhalt oder zur Gewinnung, insbesondere Rückgewinnung von Rückhalteflächen, zur Regelung des Hochwasserabflusses oder zur Vermeidung und Verminderung von Schäden durch Hochwasser zu erlassen. Der § 31b des bisherigen WHG [34] verpflichtet die Länder weiterhin, in den Überschwemmungsgebieten Regelungen zu treffen zum hochwassergerech-
9.3 Rechtslage
213
ten Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, zur Vermeidung von Störungen der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, zur Zulassungspflicht von erheblich den Wasserabfluss verändernder Maßnahmen, zur erosionsmindernden und schadstoffeintragsmindernden landwirtschaftlichen oder sonstigen Flächennutzung und zum Verbot von neu auszuweisenden Baugebieten in den Bauleitplänen. Im § 31c des bisherigen WHG [34] werden überschwemmungsgefährdete Gebiete definiert und die Länder zu Regelungen zur Vermeidung oder Verminderung von erheblichen Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit durch Überschwemmung in diesen Gebieten verpflichtet. Im § 31d des bisherigen WHG [34] wird den Ländern auferlegt, bis Mai 2009 Hochwasserschutzpläne zu erstellen und öffentlich bekannt zu machen, die Maßnahmen für einen möglichst schadlosen Wasserabfluss, für den technischen Hochwasserschutz und für die Gewinnung, insbesondere Rückgewinnung von Rückhalteflächen sowie weitere dem Hochwasserschutz dienende Maßnahmen enthalten. Durch die Hochwasserschutzpläne sollen Gefahren, die von einem HQ100 ausgehen, so weit wie möglich und verhältnismäßig minimiert werden. Die Kooperation in den Flussgebietseinheiten wird im § 32 des bisherigen WHG [34] geregelt. Hier werden die Länder zur flussgebietsweisen Betrachtung und Zusammenarbeit im Hochwasserschutz verpflichtet. Schlussfolgerung 85: Der Bund hatte bei der Novellierung des WHG von 2002 noch keine Lehren aus dem Hochwasserereignis von 1997 an der Oder gezogen. Erst 2005 sind mit dem Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes unter dem Eindruck der Hochwasserkatastrophe von 2002 bessere Vorgaben verabschiedet worden. Schlussfolgerung 86: Aus wasserwirtschaftlicher Sicht sind die im bis Februar 2010 geltendem WHG [34] enthaltene Fixierung des Bundes auf ein HQ100 und die zahlreichen Ausnahmeregelungen, die doch eine Ausweisung neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten ermöglichen, als nachteilig zu benennen. Schlussfolgerung 87: Die Regelungen des SächsWG [104] zum nachhaltigen Hochwasserschutz sind weitergehender und konkreter als die gesetzlichen Vorgaben des Bundes im bisher geltendem WHG [34]. Auch die Europäische Union hatte sich unter dem Eindruck der Hochwasserkatastrophe von 2002 mit dem Thema Hochwasserschutz beschäftigt. Nach einem langen Diskussionsprozess ist im Oktober 2007 die Richtlinie zur Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (EG-HWRM-RL) [75] in Kraft getreten. Mit dieser Richtlinie, die mit dem ab 01.03.2010 in Kraft getretenen WHG [31] in nationales Recht umgesetzt ist, wird die Grundlage für ein integriertes Hochwasserrisikomanagement auf europäischer Ebene geschaffen. In Umsetzung der EG-HWRM-RL werden in den nächsten Jahren flusseinzugsgebietsweise das Hochwasserrisiko bewertet, bei Betroffenheit Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserri-
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9 Hochwasservorbeugung
sikokarten erstellt und Hochwasserrisikomanagementpläne erarbeitet, mit deren Umsetzung das Hochwasserrisiko vermindert werden soll. Weitere Ausführungen zur EG-HWRM-RL sind im Kapitel 3 enthalten. Aus der bisherigen Reihenfolge der Entstehung der neuen gesetzlichen Regelungen zum nachhaltigen Hochwasserschutz – erst Freistaat Sachsen, dann Bundesrepublik Deutschland und zum Schluss Europäische Union – kann man vermuten, dass offensichtlich die größten Betroffenheiten auch bei der Gesetzgebung den größten Handlungsdruck erzeugen. Normalerweise ist die Reihenfolge bei der Umsetzung gesetzlicher Vorschriften umgekehrt. Inzwischen hat die Bundesregierung reagiert und mit dem ab 01.03.2010 geltendem Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts (WHG) [31] die Vorgaben der EG-HWRM-RL in deutsches Recht umgesetzt. Trotz der seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 bestehenden Vollregelungskompetenz des Bundes liegt in Deutschland der Hochwasserschutz weiterhin in der Zuständigkeit der Länder. Das neue WHG ist im Zuge der Föderalismusreform der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zugeordnet worden. Damit können die Bundesländer abweichende Regelungen in den Landeswassergesetzen treffen, soweit es sich nicht um stoffoder anlagenbezogene Regelungen handelt [207] und die Vorgaben der EG-HWRM-RL eingehalten werden. In juristischen Kreisen spricht man von der „Ping-Pong“ Gesetzgebung, weil immer die Regelungen des jüngsten Gesetzes (Bund oder Land) gelten. Im neuen WHG [31] werden in verschiedenen Paragraphen und im Abschnitt 6 - Hochwasserschutz - die Regelungen zum Hochwasserrisikomanagement getroffen. Im § 5 WHG [31] zu den allgemeinen Sorgfaltspflichten ist geregelt, dass jede Person, die von Hochwasser betroffen sein kann, zu geeigneten Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren verpflichtet ist. Im § 6 WHG [31] zu den allgemeinen Grundsätzen der Gewässerbewirtschaftung wird eine nachhaltige Bewirtschaftung der oberirdischen Gewässer u. a. mit den Zielen der Gewährleistung natürlicher und schadloser Abflussverhältnisse und insbesondere des Wasserrückhaltes in der Fläche zur Vorbeugung der Entstehung nachteiliger Hochwasserfolgen gefordert. Bei den gesetzlichen Vorschriften zur Plangenehmigung und Planfeststellung im § 68 WHG [31] wird u. a. geregelt, dass nur genehmigt oder festgestellt werden kann, wenn keine nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder keine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auewäldern, zu erwarten ist. Der Abschnitt 6 des WHG [31] – Hochwasserschutz – übernimmt die Vorgaben der im Kapitel 3 erläuterten EG-HWRM-RL [75] und ergänzt noch um bekannte Regelungen. Die Gesetzesvorgaben sollen im Folgenden kurz aufgeführt werden. ¾ Rechtliche Umsetzung der EG-HWRM-RL im Abschnitt 6 des neuen WHG: x § 72 WHG - Hochwasser í Definition des Hochwasserbegriffes x § 73 WHG – Bewertung von Hochwasserrisiken, Risikogebiete í Definition des Hochwasserrisikobegriffes nach EG-HWRM-RL í Bewertung des Hochwasserrisikos í Bestimmung der Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko í Zeitplan, Informationsaustausch
9.3 Rechtslage
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x § 74 WHG – Gefahrenkarten und Risikokarten í Erstellung von Gefahrenkarten í Erstellung von Risikokarten í Zeitplan, Informationsaustausch x § 75 WHG – Risikomanagementpläne í Erstellung von Risikomanagementplänen í Zeitplan, Informationsaustausch x § 76 WHG – Überschwemmungsgebiete an oberirdischen Gewässern í Definition von Überschwemmungsgebieten í Festsetzung von Überschwemmungsgebieten í Information der Öffentlichkeit x § 77 WHG – Rückhalteflächen í Erhalt der Rückhalteflächenfunktion von festgesetzten oder früheren Überschwemmungsgebieten x § 78 WHG – Besondere Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete í Verbote in Überschwemmungsgebieten í Ausnahmeregelungen x § 79 WHG – Information und aktive Beteiligung í Veröffentlichung der Risikobewertung í Veröffentlichung der Gefahrenkarten í Veröffentlichung der Risikokarten í Veröffentlichung der Risikomanagementpläne x § 80 WHG – Koordinierung í Koordinierung EG-WRRL mit EG-HWRM-RL insbesondere der Bewirtschaftungspläne und Risikomanagementpläne x § 81 WHG – Vermittlung durch die Bundesregierung í Vermittlung zwischen Bundesländern auf Antrag Die aufgeführten Regelungen des WHG [31] dienen zur rechtlichen Umsetzung der EGHWRM-RL in Deutschland. Aus fachlicher Sicht sind die Gesetzesvorgaben an etlichen Stellen inhomogen und schwanken zwischen dem alten Sicherheits- und dem neuen Risikodenken. Damit ist das integrierte Hochwasserrisikomanagement nicht vollumfänglich verrechtlicht. Die Bundesländer werden in Kürze ihre Landeswassergesetze anpassen und damit die Vorgaben der EU und des Bundes in Landesrecht umsetzen. Der als Beispiel dienende Freistaat
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9 Hochwasservorbeugung
Sachsen wird das Sächsische Wassergesetz ebenfalls anpassen. Dabei werden die weiter vorn erläuterten, gegenüber dem WHG weitergehenden, Regelungen zum Hochwasserrisikomanagement übernommen werden. Schlussfolgerung 88: Durch das Augusthochwasser von 2002 ist eine wesentlich bessere Hochwasserschutzgesetzgebung ausgelöst und erstmalig ein umfassenderer Rechtsrahmen für ein integriertes Hochwasserrisikomanagement geschaffen worden.
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen 9.4.1 Allgemeines Der Freistaat Sachsen hatte nach dem Hochwasser vom August 2002 beginnend mit der in Abschnitt 8.5 beschriebenen Ereignisanalyse über die Erarbeitung von Hochwasserschutzkonzepten und die Erstellung von Gefahrenkarten begonnen, das Katastrophenhochwasser methodisch aufzuarbeiten und ein sinnvolles Hochwasserschutzinvestitionsprogramm zur schrittweisen Verbesserung des Hochwasserschutzes abzuleiten. Auf der parallel geschaffenen Grundlage des § 99b Abs. 1 SächsWG [104] sind durch die LTV für alle Gewässer I. Ordnung und für den im Freistaat Sachsen liegenden Teil der Elbe 47 Hochwasserschutzkonzepte (HWSK) nach einer einheitlichen Aufgabenstellung auf Grundlage der neuesten Erkenntnisse des Hochwasserschutzes aufgestellt worden. Mittlerweile sind auch durch Kommunen über 25 HWSK für Gewässer II. Ordnung erarbeitet worden. Diese Hochwasserschutzkonzepte entsprechen den im alten Wasserhaushaltsgesetz [34] gemäß § 31d geforderten Hochwasserschutzplänen und stellen die wasserwirtschaftlichen Rahmenpläne für einen nachhaltigen Hochwasserschutz dar. Entsprechend dem in Kapitel 2 erläutertem Hochwasserrisikomanagement beinhalten die HWSK alle entscheidenden Informationen zur Hochwasserprävention, die auch anderen Planern und Akteuren im Raum, insbesondere den Raumplanungsstellen, verfügbar gemacht worden sind. Damit decken die HWSK einen großen Teil der Inhalte der Hochwasserrisikomanagementpläne ab und beinhalten sehr viele neu erarbeitete methodische Grundlagen.
9.4.2 Pilotgebiet Osterzgebirge Da es im Freistaat Sachsen noch keine Erfahrungen mit der Erstellung von Hochwasserschutzkonzepten gab, wurden unter Zuhilfenahme von Schweizer Experten für die fünf in Bild 15-22 dargestellten Fließgewässersysteme im Osterzgebirge die ersten HWSK erarbeitet. Das prinzipielle Vorgehen bei der Erstellung dieser HWSK lehnte sich an die Empfehlungen des schweizerischen Bundesamtes für Wasser und Geologie [238] an und wurde im Zuge der Bearbeitung an die Sächsischen Verhältnisse angepasst.
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
217
Die ersten fünf untersuchten Fließgewässersysteme waren: ¾ Untersuchungsgebiete der ersten fünf Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen: x Ketzerbach, Triebisch, Wilde Sau; 397 km² x Rote, Wilde und Vereinigte Weißeritz; 385 km² x Lockwitzbach; 84 km² x Müglitz; 214 km² x Gottleuba, Seidewitz, Bahra, Bahre, Biela; 355 km² Im Zuge der Bearbeitung dieser fünf ersten HWSK ist die Methodik für die Erarbeitung aller weiteren HWSK im Freistaat Sachsen entwickelt worden. Es bestand bei der Bearbeitung ein enormer Erwartungs- und Zeitdruck, weil die HWSK auch als Grundlage für eine nachhaltige Schadensbeseitigung dienen sollten. Deshalb sind im Rahmen der Schadensbeseitigung auch zuerst Objektplanungen und Bauausführungen von den Maßnahmen durchgeführt worden, die aufgrund von Zwangspunkten nicht den Hochwasserschutzkonzepten entgegen stehen konnten. Damit die HWSK im Pilotgebiet Osterzgebirge und die damit verbundene Entwicklung der Methodik sehr schnell stattfinden konnte, hatte die LTV bereits 2002 Leistungen für die Beschaffung von Grundlagendaten vergeben. Die oben erwähnten fünf Untersuchungsgebiete sind als Lose an je ein Ingenieurbüro vergeben worden. Die Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung der LTV hat den gesamten Prozess mit Hilfe eines Projektsteuerers koordiniert und fachlich geleitet. Mit den beauftragten Ingenieurbüros wurden unter Teilnahme von externen Fachexperten (u. a. aus der Schweiz) aller zwei Wochen intensive Arbeitsberatungen durchgeführt. Bei den Beratungen sind folgende Schwerpunkte behandelt worden: ¾ Beratungsschwerpunkte bei der Erstellung der Pilot-Hochwasserschutzkonzepte: x Losweise Vorstellung und Auswertung der Arbeitsergebnisse seit letzter Beratung x Diskussion und Klärung von offenen Fragen und Problemen x Weiterentwicklung der Methodik ggf. unter Einbeziehung von Experten x Festlegung der Arbeitsschritte bis zur nächsten Beratung Mit dieser straff organisierten Vorgehensweise war es möglich, innerhalb von 8 Monaten die ersten fünf HWSK zu erstellen und eine auf Sächsische Verhältnisse angepasste Methodik zu entwickeln. Die folgende Aufzählung soll zeigen, welche Ingenieurleistungen die LTV mit Ihren Auftragnehmern in kürzester Zeit realisiert hat: ¾ Ablauf bei der Erstellung der Pilot-HWSK: x 15.11.2002 - Vergabe der Laserscanvermessung (ca. 300 km² Befliegung und Erstellung von digitalen Geländemodellen); Fertigstellung am 09.01.2003 x 10.12.2002 - Vergabe der Pilot-Hochwasserschutzkonzepte x 20.12.2002 - Vergabe der terrestrische Vermessung (Vermessung von ca. 3.500 Brücken- und Gewässerprofilen; Ø 160/Tag); Fertigstellung am 30.01.2003
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9 Hochwasservorbeugung
x 20.12.02 - Vergabe der Neuberechnung aller Niederschlags-/Abflussmodelle; Fertigstellung am 20.02.2003 x Verarbeitung aller Daten der Vermessung und neuer meteorologischer Daten x laufende Abstimmung zwischen den Planern mit Straßenbauamt, Deutsche Bahn AG, Landratsamt sowie 14-tägig mit der LTV x 31.03.2003 - Vorlage Bericht mit Grundlagen und Randbedingungen der Wiederbebaubarkeit im Untersuchungsgebiet bei HQX x 15.07.2003 - Vorlage Abschlussbericht der Hochwasserschutzkonzepte x 06.08.2003 - Prüfung und Bestätigung der vorgelegten Hochwasserschutzkonzepte durch das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft als wasserwirtschaftliche Rahmenplanung x August 2003 - Beginn der Umsetzung der in den Konzepten aufgeführten Maßnahmen (z. B. Beauftragung von Machbarkeitsstudien für 10 Standorte für Hochwasserrückhaltebecken)
9.4.3 Methodik und Aufbau Innerhalb von 8 Monaten ist an fünf Pilot-Hochwasserschutzkonzepten die Methodik für alle weiteren Sächsischen HWSK entwickelt worden. Grundlage für die Überlegungen in den HWSK waren die von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser definierten drei Säulen der Hochwasserschutzstrategie [166]: ¾ Natürlicher Rückhalt: x Wasserrückhalt auf der Fläche x Wasserrückhalt in Gewässer und Aue ¾ Technischer Hochwasserschutz: x Hochwasserschutz durch Deiche und Mauern x Hochwasserschutz durch Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren ¾ Weitergehende Vorsorge: x Grenzen des Hochwasserschutzes x Flächenvorsorge x Bauvorsorge x Risikovorsorge
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
219
Diese Grundgedanken sind entsprechend dem Bild 9-2 im Freistaat Sachsen in die folgenden vier Handlungsfelder aufgeteilt worden: ¾ Handlungsfelder der Hochwasserschutzstrategie Sachsen: x Minderung des Hochwasserabflusses in der Fläche x Erhöhung des Hochwasserschutzniveaus x Verminderung des Schadenspotenzials x operative Hochwasserabwehr
Bild 9-2 Hochwasserschutzstrategie im Freistaat Sachsen
Die Hochwasserschutzkonzepte selbst betrachten hauptsächlich die ersten drei Handlungsfelder, liefern aber durch ihre Inhalte (z. B. Gefahrenkarten) die fachlichen Grundlagen für die operative Hochwasserabwehr. Die angestrebte integrale Strategie eines umfassenden und nachhaltigen Hochwasserschutzes (Hochwasserrisikomanagements) beinhaltet die Berücksichtigung eines angemessenen Schutzes des Lebens-, Wirtschafts-, Kultur- und Naturraumes, die Verhinderung des Anstieges der Schadensummen durch Vorbeugemaßnahmen und die Erkennung der Gewässer als bedeutende Teile von Natur und Landschaft. Der verfügbare Raum, den man einem Gewässer bei der Planung und Erstellung von Maßnahmen geben muss, spielte eine zentrale Rolle. Dies war eine der entscheidendsten Fragen, die im Rahmen der Hochwasserschutzkonzepte beantwortet werden musste. Insbesondere die bestehenden “Konkurrenzsituationen“ zwischen den einzelnen Verkehrsträgern und dem eigentlichen Gewässerraum bedurften einer eingehenden Erörterung. Bei diesem wichtigen Punkt sind allerdings auch die Grenzen des schnell Machbaren deutlich geworden. Aus
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9 Hochwasservorbeugung
Hochwassersicht ungünstige Konstellationen bei der Raumnutzung lassen sich nur über langwierige Genehmigungsverfahren lösen. Unter Verwendung der im Abschnitt 9.4.2 schon erwähnten Empfehlungen des schweizerischen Bundesamtes für Wasser und Geologie ist bei der HWSK-Erstellung folgende prinzipielle Herangehensweise gewählt worden: ¾ Prinzipielle Herangehensweise bei der HWSK-Erstellung in Sachsen: x Ereignis- und Gefahrenanalyse x Differenzierung der Schutzziele x Zweckmäßige Maßnahmenplanung x Begrenzung des verbleibenden Risikos Bei dieser Herangehensweise sind folgende Grundsätze beachtet worden: ¾ Grundsätze bei der HWSK-Erstellung in Sachsen: x Flussgebietsweise Betrachtung (z. B. Gewässer I. Ordnung mit Zuflüssen und Einzugsgebieten) x Ereignisbezogenheit (hier Ausgangsbasis Augusthochwasser 2002 oder historisches Ereignis) x Nachhaltigkeit (ökonomisch und ökologisch verträgliche zielkonforme Lösungen) x Differenzierung der Schutzziele (Schutzgrad abhängig von Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit) x Transparenz und Ehrlichkeit (offenlegen verbleibender Hochwassergefahren) x Komplexität bei der Wahl der Mittel (integrativer Ansatz verschiedenartiger Hochwasserschutzmaßnahmen) x Nutzung von Synergieeffekten (z. B. Retention in vorhandenen Stauanlagen, Erosionsschutz in Wasserschutzgebieten, Durchgängigkeitsprogramm) x Sachsenweit einheitliches Vorgehen Unter Berücksichtigung der eben aufgezählten Prinzipien und Grundsätze ist in Auswertung der Pilot-HWSK ein Katalog mit Anforderungen an den Leistungsumfang und die Ergebnispräsentation bei der Bearbeitung von Hochwasserschutzkonzepten für Fließgewässer in Sachsen erarbeitet worden. In diesem Anforderungskatalog [98] und weiteren Ergänzungen sind die folgenden für die HWSK-Erstellung erforderlichen Bearbeitungsschritte beschrieben:
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
221
¾ Hauptbearbeitungspunkte zur Erstellung der HWSK in Sachsen: x Einführung í Veranlassung, Zielsetzung í Erläuterungen zur Unterlagenbereitstellung und -beschaffung, durchgeführte Recherchen zu historischen Hochwasserereignissen und vorhandenen Studien und Schutzmaßnahmen, Arbeits- und Zeitplan x Ausweisung von sofort realisierbaren Maßnahmen x Ereignisanalyse Augusthochwasser 2002 oder anderes Extremereignis í Meteorologische Situation í allgemeine gewässermorphologische Angaben í hydrologische Bewertung des Ereignisses í Beschreibung des zeitlichen Ablaufes des Ereignisses í Beschreibung der hydraulischen Auswirkungen, Abflussverhältnisse í Morphologische Auswirkungen, Erosions- und Sedimentationsverhalten (Geschiebepotenzial und Feststofftransport) í Treib- und Schwemmgut, Verklausung, Versagensmechanismen, í Schadprozesse í Auswirkungen auf die hydrogeologischen Prozesse í Auswirkungen auf die ökologische Durchgängigkeit der Gewässer í ökonomische Auswirkungen des Ereignisses x Vergleich weiterer historischer Ereignisse mit Ereignis 2002 / Extremereignis í Vergleich der abflussbildenden Größen í Schadensbild, Schadensbilanz í zusammenfassender Vergleich der Ereignisse, Schlussfolgerungen x Angaben zur bestehenden Flächennutzung und der Schutzgebietssituation í Darstellung der Informationsgrundlagen í Bewertung des Einflusses der Flächennutzung im Einzugsgebiet auf das Abflussverhalten x Hydrologische Grundlagen í Darstellung der Informationsgrundlagen í Empfehlungen für weitere hydrologische Grundlagenermittlungen x Hydraulische Untersuchungen, Intensitätskarten für IST-Zustand í Erläuterung der Grundlagen und des hydraulischen Modells í Ermittlung des bordvollen (schadlosen) Abflusses í Beurteilung der Leistungsfähigkeit bestehender Kreuzungsbauwerke und Hochwasserschutzanlagen
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9 Hochwasservorbeugung
í Ermittlung der Überschwemmungsflächen und -intensitäten HQT im IST-Zustand, Abschätzung von Fließgeschwindigkeiten í Abschätzung von Intensitäten der Erosion und Sedimentation für HQT im IST-Zustand í Bewertung der Ergebnisse, Empfehlungen zu erforderlichen vertiefenden Untersuchungen und Berechnungen x Darstellung des bestehenden Schutzgrades sowie des Gefährdungs- und Schadenspotenzials í Definition von Schutzzielen í Erfassung und Bewertung von bereits in Planung oder Ausführung befindlicher Maßnahmen í Abschätzung des Schadenspotenzials í Gefahrenanalyse í Gefahrenkarten für IST-Zustand x Hochwasserschutzmaßnahmen í Darstellung der Vorgehensweise í Maßnahmenauswahl í Bewertung der Maßnahmen í Erstellung und Diskussion von Intensitätskarten für HQT im SOLL-Zustand (Vorzugsvariante) í Erstellung und Diskussion von Gefahrenkarten für den SOLL-Zustand (Vorzugsvariante) x Zusammenfassender Maßnahmeplan í Darstellung Gesamtkonzept í Priorisierung der Maßnahmen í Finanzbedarf í Zeitplanung für Umsetzung
9.4.4 Einführung und Grundlagenermittlung In der Einführung zu den Hochwasserschutzkonzepten sind noch einmal die Veranlassung und die Zielsetzung der HWSK unter Berücksichtigung der weiter oben erläuterten Prinzipien und Grundsätze erläutert. Die Bereitstellung möglichst aktueller Datengrundlagen, wie z. B. Vermessungsdaten, Geländemodelle, Flächennutzungsarten usw., musste zügig geklärt werden. Es stellte sich heraus, dass nicht alle Daten in der erforderlichen Qualität zur Verfügung standen oder durch das Hochwasserereignis nicht mehr aktuell waren. So waren z. B. keine genügend genauen Daten
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
223
für die digitalen Geländemodelle verfügbar oder die hydrologischen Grundlagen mussten aufgrund des abgelaufenen Ereignisses überarbeitet werden. Diese fehlenden Informationen sind durch Nacherhebungen oder ergänzende Messungen beschafft worden. Im Abschnitt 9.4.2 ist am Beispiel der Pilot-HWSK schon gezeigt worden, dass Überfliegungen mit hochgenauen Laserscanvermessungen (Lagegenauigkeit 0,5m; Höhengenauigkeit 0,1 m; Punktdichte 3 Punkte / m²; Gitterweite 1 m x 1 m), terrestrische Nachvermessungen und die Neuberechnung der Niederschlags-/Abflussmodelle auf der Tagesordnung standen. Hierbei soll noch erwähnt werden, dass es äußerst vorteilhaft war, dass das LfUG alle Überfliegungsdaten, die während des Hochwassers selbst entstanden waren, recherchiert und gesammelt hatte. Dadurch konnte nachträgliche Doppelarbeit vermieden werden. Ein Großteil der zu ermittelnden Flächendaten (z. B. Laserscanvermessungen, N-A-Modelle, Geländemodelle) ist gleich in größeren Arbeitspaketen an spezialisierte Unternehmen im Vorfeld der eigentlichen HWSK vergeben worden. Damit konnten für diese Grundlageninformationen eine einheitliche Methodik, eine gleich hohe Qualität und auch ein günstiger Preis erreicht werden. Um die Daten in einheitlicher Qualität zu bekommen und auch später damit weiter arbeiten zu können, hat es sich als äußerst praktikabel erwiesen, nicht nur die geforderten Genauigkeiten sondern auch die zu liefernden Datenformate und die Datenstrukturen vorzugeben. Dazu sind im Zuge der Beauftragung der Hochwasserschutzkonzepte für alle zu erbringenden Datengrundlagen genaue Leistungsbeschreibungen entstanden (z. B. [177], [178]). Einen wichtigen Bestandteil in der Grundlagenermittlung stellten die Ortsbegehungen dar. Nur durch Vor-Ort-Besichtigungen und ggf. die Befragung von Betroffenen, war es den beauftragten Ingenieurbüros möglich, sich einen Überblick zu verschaffen und die später zu analysierenden Prozesse zu erkennen und zu verstehen.
9.4.5 Recherche Ein wichtiger Schritt bei der Erarbeitung der HWSK war die Recherche nach historischen Hochwasserereignissen, vorhandenen Studien und bestehenden Schutzmaßnahmen. Aus den verfügbaren Dokumenten zu historischen Hochwasserereignissen wurde versucht, Angaben zum jeweiligen Ereignis, wie z. B. den Zeitraum, die Höchstwasserstände und maximale Durchflüsse an den Pegeln, zu ermitteln. Des Weiteren sollten die maßgebenden Prozesse und Randbedingungen des jeweiligen historischen Hochwassers recherchiert und bewertet werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Einschätzung der verschiedensten Einflüsse und Entwicklungen, wie z. B. urbane Veränderungen, Veränderungen der Gewässerprofile, Wirkung von Talsperren und Rückhaltebecken sowie des natürlichen Rückhaltes in der Fläche bei den zurückliegenden Hochwasserereignissen. Soweit möglich sollten für die in der Vergangenheit abgelaufenen Hochwasser die Schadensprozesse beschrieben und die anschließend getroffenen Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes benannt und in ihrer Wirksamkeit bewertet werden. Diese Angaben und Erkenntnisse aus der Vergangenheit sind dann in einem späteren Bearbeitungsschritt mit dem letzten abgelaufenen Hochwas-
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9 Hochwasservorbeugung
ser, hier in der Regel mit dem Hochwasser vom August 2002, verglichen und in die Gesamtbewertung mit einbezogen worden. Die Recherche nach vorhandenen Studien, Planungen und Überschwemmungsgebieten sollte sicher stellen, dass alle bisherigen Überlegungen und Ingenieurleistungen zum Untersuchungsgebiet mit in die Gesamtauswertung aufgenommen und entsprechend bewertet werden konnten. Dieselben Hintergründe galten auch für die Recherche nach bestehenden oder ehemals vorhandenen Hochwasserschutzanlagen und deren Ausbaugraden und Wirkmechanismen. Hier war neben der Erfassung und Darstellung der Veränderungen an den Anlagen auch das Wissen von Ortskundigen zu Veränderungen an den oder zu den rückgebauten Anlagen wichtig. Ein wichtiger Aspekt für eine spätere Überarbeitung der HWSK ist, dass alle ermittelten Grundlagendaten, Informationen und Rechercheergebnisse übersichtlich dokumentiert werden.
9.4.6 Ausweisung von sofort realisierbaren Maßnahmen Nachdem die mit der HWSK-Bearbeitung beauftragten Ingenieurbüros sich auf Basis der Grundlagendaten, Recherchen und der Ortsbegehungen einen Gesamtüberblick über das Untersuchungsgebiet verschafft hatten, sind im nächsten Arbeitsschritt sofort realisierbare Maßnahmen ausgewiesen worden. Die HWSK sollten auch als Grundlage für eine nachhaltige Schadensbeseitigung dienen. Da man mit der Weiterführung der Schadensbeseitigung nicht bis zum Abschluss der HWSK warten konnte, sind gleich zu Beginn der Erarbeitung der HWSK Hochwasserschutzmaßnahmen zu identifizieren gewesen, die dem noch zu entwickelten Gesamtkonzept aufgrund ihrer Randbedingungen oder von Zwangspunkten nicht entgegen stehen konnten. Damit war sicher gestellt, dass die Schadensbeseitigung ohne Unterbrechung weiter gehen konnte und die damit schon realisierten Maßnahmen nachhaltig und im Sinne der HWSK waren.
9.4.7 Ereignisanalyse Der erste Schritt einer ganzheitlichen Betrachtungsweise ist eine differenzierte Ereignisanalyse nach einem abgelaufenen Hochwasserereignis. Diese stellt die eigentliche Basis für die Erstellung der Hochwasserschutzkonzepte dar. Dabei werden die Schaden verursachenden Prozesse (Wasser, Geschiebe, Geschwemmsel, …) detailliert untersucht. Dazu gehören nicht nur die Ermittlung der Ursachen, sondern auch die Zuordnung einer bestimmten Wahrscheinlichkeit und das Aufzeigen von Problembereichen. Die aus dieser Analyse gewonnenen Erkenntnisse spielen im Weiteren bei der Definition von Szenarien möglicher Gefährdungsbilder und der daraus abzuleitenden Schutzmaßnahmen eine wichtige Rolle. Deshalb und um die Wiederholung von Fehlern aus der Vergangenheit zu vermeiden, wurde den HWSK im Schadensgebiet stets eine Ereignisanalyse des Augusthochwassers 2002 zugrunde gelegt. Bei den Gewässern außerhalb des Schadensgebietes von 2002 sind andere be-
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
225
kannte historische Hochwasserereignisse analysiert und die daraus abzuleitenden Rückschlüsse mit berücksichtigt worden. Der prinzipielle Aufbau der Ereignisanalysen ist am Beispiel des Osterzgebirges bereits im Abschnitt 8.5 erläutert worden. Entsprechend des in 9.4.3 dargestellten Aufbaus der HWSK-Ereignisanalysen steht am Beginn die Beschreibung der meteorologischen Situation mit den daraus resultierenden Niederschlagsmengen und deren örtliche Verteilung im Untersuchungsgebiet. Im nächsten Schritt ist die Gewässermorphologie analysiert worden. Hier waren insbesondere die Gefälleverhältnisse, die geologischen und hydrogeologischen Sachverhalte sowie die Beurteilung der Gewässerabschnitte hinsichtlich Erosions-, Umlagerungs- und Sedimentationsstrecken zu untersuchen. Einen wichtigen Teil der HWSK-Ereignisanalyse stellte die hydrologische Bewertung des Ereignisses verbunden mit der Beschreibung und Bewertung des Abflussgeschehens dar. Hierbei war es bedeutsam, den Vergleich des Hochwassers mit bisher geltenden Bemessungsgrößen (z. B. Bemessungswasserstände) anzustellen. Die Flächennutzungen im Einzugsgebiet sind bezüglich ihrer Auswirkungen auf das Abflussverhalten berücksichtigt und bewertet worden. Bei der Beschreibung des zeitlichen Ablaufes des Ereignisses war es ausschlaggebend, neben dem Niederschlags- und Abflussgeschehen die Steuerung und Wirkung von Hochwasserschutzanlagen und anderen vorhandenen wasserwirtschaftlichen Anlagen zu beschreiben. Anschließend musste das Ereignis mit seinen hydraulischen Auswirkungen, wie z. B. Überflutungsflächen, beschrieben und interpretiert werden. Hierbei war es wichtig, vorhandene Überschwemmungsdokumentationen oder Hochwassermarken Dritter im Gelände einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und mit eigenen Untersuchungen zur Ausdehnung und zur Intensität abzugleichen. Das Augusthochwasser von 2002 hatte deutlich gezeigt, dass morphologische Auswirkungen, wie z. B. der Sediment-, Geschiebe- und Feststofftransport, gerade im Mittelgebirgsbereich betrachtet werden mussten, da diese Prozesse zu großen Schäden geführt hatten. So sind z. B. im Müglitztal ca. 310.000 m³ Massen erodiert und ca. 161.000 m³ sedimentiert worden. Als weiteren maßgebenden Prozess waren das Treib- und Schwemmgut und die daraus resultierenden Verklausungen mit entsprechenden Szenarien zu behandeln. Einen extra Punkt in der Bearbeitung der HWSK-Ereignisanalysen bildeten die räumliche und zeitliche Erfassung und die Auswertung der wesentlichen Schadensprozesse. Hierbei war es wichtig, die Versagensmechanismen zu analysieren, um die richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen zu können. In der Regel erfolgte die Darstellung der abgelaufenen Schadprozesse in Ereigniskarten (siehe Bild 15-23). In den Bereichen der größeren Flusstäler, wie z. B. der Elbe oder der Vereinigten Mulde, war es wichtig, neben dem Oberflächenwasser auch die Auswirkungen auf die hydrogeologischen Verhältnisse, wie z. B. das Grundwasser, zu betrachten. Im Sinne der Umsetzung der EG-WRRL sind im Rahmen der HWSK-Ereignisanalysen auch die Auswirkungen des Hochwassers auf den Zustand der Fließgewässer und hier insbesondere auf die ökologischen Durchgängigkeit untersucht und bewertet worden. Am Ende der HWSK-Ereignisanalysen sollten die ökonomischen Auswirkungen des Hochwasserereignisses bewertet werden. Diese Bewertungen beschränkten sich meist auf die An-
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9 Hochwasservorbeugung
gabe der eingetretenen direkten Schäden und gegebenenfalls auf die Betrachtung von möglichen Folgeschäden. Weitergehende Hochwasserschadwirkungen, wie z. B. Verkehrsunterbrechungen, erforderliche Umleitungen, Schadwirkungen an Kulturgütern oder Prosperitätsschäden sind in den HWSK nicht betrachtet worden.
9.4.8 Vergleich historischer Ereignisse mit Hochwasser 2002 Nachdem das letzte zurückliegende Hochwasserereignis, hier in der Regel das Augusthochwasser von 2002, im Rahmen der Ereignisanalyse ausgewertet worden war, konnte man Vergleiche zu den bereits recherchierten historischen Hochwassern anstellen. Wichtig bei diesen durchzuführenden Vergleichen insbesondere hinsichtlich der abflussbildenden Größen, der Schadensbilder und der Schadensbilanz war die Interpretation von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Mit dieser Vorgehensweise war es möglich, in der Vergangenheit statt gefundene Entwicklungen oder Tendenzen herauszuarbeiten, zu bewerten und daraus die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Aus dem in Bild 9-3 dargestellten Beispiel von Glashütte kann man erkennen, dass der Talquerschnitt vom Hochwasser von 1927 bis zum Hochwasser von 2002 enger bebaut worden ist und damit eine Vergrößerung der Schadensanfälligkeit gegeben war.
Bild 9-3 ähnliche Schadensbilder in Glashütte, links 1927, rechts 2002 [67]
9.4.9 Angaben zur bestehenden Flächennutzung und der Schutzgebietssituation Im Rahmen HWSK-Bearbeitung war der IST-Zustand der Flächennutzung im Einzugsgebiet zu erfassen und zu dokumentieren und ihr Einfluss auf das Abflussverhalten zu bewerten. Diese Information war einerseits sehr wichtig für die möglichst genaue Beschreibung der physikalischen Prozesse, wie z. B. das Niederschlags-Abflussverhalten und der sich daraus ergebenden Folgen. Andererseits war das Wissen um die Flächennutzung auch wichtig für die Ermittlung des Schadenspotenzials und der sich daraus ergebenden Konsequenzen.
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
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Die Erfassung und Darstellung der gesamten Schutzgebietssituation war ebenso wie die Flächennutzung eine bedeutsame Informationsgrundlage für die weiteren Bearbeitungsschritte zur Erstellung der HWSK.
9.4.10 Hydrologische Grundlagen In diesem Teil der HWSK-Bearbeitung waren die aktuellsten Angaben zur hydrologischen Situation im Untersuchungsgebiet zusammenzufassen. Aus Zeit- und Qualitätsgründen waren ein Großteil der zu ermittelnden Flächendaten, und so in der Regel auch die NiederschlagsAbflussmodelle, gleich in größeren Arbeitspaketen an spezialisierte Unternehmen im Vorfeld der eigentlichen HWSK vergeben worden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen mussten jetzt für jedes HWSK aufgearbeitet und dokumentiert werden. Nach der Beschreibung der verwendeten Methodik bei der Ermittlung der HQT und der Hochwasserganglinien sind hydrologische Längsschnitte für das gesamte zu untersuchende Gewässer für maßgebende HQT, wie z. B. HQ20, HQ50, HQ100, HQ200 oder HQ300 und ein Extremereignis EHQ, zu erstellen gewesen. Wichtig für spätere Untersuchungen war die Angabe von Ganglinien und Scheitelabflüssen bei maßgebenden HQT für interessierende Querschnitte. Die hydrologischen Angaben waren die Ausgangsbasis für alle hydraulischen Berechnungen und die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen.
9.4.11 Hydraulische Untersuchungen, Intensitätskarten für IST-Zustand 9.4.11.1 Hydraulische Untersuchungen Im Rahmen dieses Bearbeitungsschrittes ist für das gesamte jeweilige Gewässer im Untersuchungsgebiet ein hydraulisches Berechnungsmodell aufgestellt und kalibriert worden. Mit diesen Berechnungsmodellen sind pro Gewässer stationäre, eindimensionale Wasserspiegellagenberechnungen für alle maßgebenden HQT (i. d. R. T=20, 50, 100, 200 oder 300) und das EHQ durchgeführt und die jeweiligen Wasserstände und Fließgeschwindigkeiten ermittelt worden. Bei komplizierten Abflussverhältnissen, z. B. im Bereich von Siedlungen, sind bei Erfordernis instationäre und/oder zweidimensionale Abflussberechnungen ausgeführt worden. Wichtige Bestandteile dieser Berechnungen waren die Ermittlung des bordvollen bzw. schadlosen Abflusses und die Bestimmung und Darstellung der hydraulischen Durchlass- und Leistungsfähigkeit von Brücken und anderen Bauwerken im Fließquerschnitt. Die hydraulischen Berechnungen waren die Voraussetzung für fast alle weiteren Bearbeitungsschritte bei der Erstellung der HWSK und mussten demzufolge während der Bearbeitung der einzelnen Schritte unter deren speziellen Gesichtspunkten durchgeführt werden. Beispielhaft soll an dieser Stelle nur erwähnt werden, dass die Berechnungen für den ISTZustand, den SOLL-Zustand, mit Hochwasserschutzanlagen, ohne Hochwasserschutzanlagen und vielen anderen Variationen erforderlich waren.
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9 Hochwasservorbeugung
9.4.11.2 Intensitätskarten für IST-Zustand Für die Ausweisung der Intensität und der Ausdehnung der bekannten Prozesse sind Intensitätskarten für den IST-Zustand erstellt worden. In diesen Karten sind für mindestens zwei Ereignisse (z. B. HQ100, HQx oder HQmax) die maßgebenden Gefahrenarten im Maßstab von 1:10.000 für das gesamte Fließgewässer dargestellt worden (siehe Bild 15-25). Die in Sachsen maßgebenden Gefahrenarten für die Intensitätskarten waren: ¾ Gefahrenarten in Intensitätskarten in Sachsen: x Überschwemmung x Erosion (i. d. R. der Ufer) x Sedimentation (Ablagerung, Übersarung) Für die Darstellung in den Karten sind die Intensitäten der jeweiligen Gefahrenart den in der Tabelle 9-2 dargestellten Klassen zugeordnet worden. Tabelle 9-2 Intensitätsklassen für Gefahrenarten [237], [179] Intensität
Überschwemmung
Ufererosion
Ablagerung
hoch
hw t 2,0 m oder v hw t 2,0 m2/s
w t 2,0 m
ha t 1,0 m
mittel
2,0 > hw > 0,5 m oder 2,0 m2/s > v hw > 0,5 m2/s
2,0 m > w > 0,5 m
ha < 1,0 m
niedrig
hw d 0,5 m oder v hw d 0,5 m2/s
w d 0,5 m
-
¾ Bedeutung der Formelzeichen in Tabelle 9-2: x
hw
Wasserstand
x
v
Fließgeschwindigkeit
x
w
Rückgriffweite
x
ha
Ablagerungshöhe
Mit diesen Intensitätskarten waren erstmalig für alle Sächsischen Gewässer I. Ordnung die bekannten Gefahrenarten dokumentiert worden. Diese wichtigen Informationen waren die Basis für den nachfolgenden Bearbeitungsschritt bei der Erstellung der HWSK.
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
229
9.4.12 Ermittlung des bestehenden Schutzgrades sowie des Gefährdungs- und Schadenspotenzials Nach der Ermittlung aller maßgebenden Grundlageninformationen, wie z. B. Hydrologie, Flächennutzung, Gefahrenarten im IST-Zustand, Schadensprozesse und der Berechnung der Wasserspiegellagen galt es nun, diese Informationen auszuwerten und das Gefährdungs- und Schadenspotenzial im Untersuchungsgebiet zu ermitteln. Dabei war es wichtig, zunächst für den IST-Zustand den bestehenden Schutzgrad auszuweisen. Dazu sind das bestehende Gewässersystem und die daran befindlichen Hochwasserschutzanlagen dargestellt und in ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt worden. Bei diesem Bearbeitungsschritt war es wichtig, die Sofortmaßnahmen zur Schadensbeseitigung, die Maßnahmen zur nachhaltigen Schadensbeseitigung und die sofort realisierbaren HWSK-Maßnahmen mit zu berücksichtigen und in die Bewertung einzubeziehen.
9.4.12.1 Schutzziele Um mit den eben genannten Informationen den bestehenden Schutzgrad bestimmen zu können, war es wichtig, Schutzziele zu definieren. Laut bestehenden Gesetzen und gängiger Praxis werden in Deutschland Schutzziele an Hochwasserdurchflüssen mit einem statistischen Wiederkehrintervall T (in Jahren) festgemacht. Der bei diesem Ereignis HQT auftretende Abfluss wird Bemessungshochwasserabfluss (BHQ) genannt. Diesem BHQ können über hydraulische Berechnungen Hochwasserstände (HW) zugeordnet werden, die dann als Bemessungshochwasserstände (BHW) z. B. für die Dimensionierung von Hochwasserschutzanlagen verwendet werden. Diese gängige Bemessungspraxis hat den Nachteil, dass bei jedem neuen Hochwasserereignis im Untersuchungsgebiet sich die Statistik ändert und damit sich der BHQ und der BHW ändern (siehe auch Abschnitt 5.3). Aus Sicht des Verfassers wäre es günstiger für die Festlegung von Schutzzielen, die physikalischen Größen BHQ (in m³/s) und BHW (in m) zu verwenden, die sich bei Ihrer Erstbestimmung an z. B. statistischen Wiederkehrintervallen orientieren können. Mit dieser Herangehensweise wäre eine längerfristige Beständigkeit der Schutzziele möglich und auch die Vermittlung dieser physikalischen Größen gegenüber den Betroffenen ist einfacher. Bei der Erarbeitung der HWSK hat man noch die bisher übliche Praxis der Schutzzieldefinition auf Basis von Hochwasserdurchflüssen mit statistischen Wiederkehrintervallen gewählt. Während bisher die Maßnahmen des Hochwasserschutzes auf ein meist einheitliches Ereignis bestimmter Jährlichkeit (z. B. HQ100) dimensioniert waren, sollten die Schutzziele in den HWSK nutzungs- bzw. objektbezogen festgelegt werden. Je nachdem, welche Gefahren an einem bestimmten Ort auftreten können, und je nachdem, welche Schutzbedürfnisse bestehen, sollten die Schutzziele unterschiedlich festgelegt werden. Dort, wo Menschen oder hohe Sachwerte betroffen sein können, wird das Schutzziel demzufolge höher angesetzt als in land- oder forstwirtschaftlich genutzten Gebieten. Entsprechend dürfen einige Objekte oft, andere selten, wieder andere möglichst nie überflutet werden. Die für Sachsen angewendete Empfehlung ist in Tabelle 9-3 zusammengefasst.
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9 Hochwasservorbeugung
Tabelle 9-3 Empfehlung für Wiederkehrintervalle verschiedener Objektkategorien [179] Objektkategorie
Richtwert für das maßgebende mittlere statistische Wiederkehrintervall T in Jahren
Sonderobjekte1
im Einzelfall bestimmen
geschlossene Siedlungen
100
Einzelgebäude, nicht dauerhaft bewohnte Siedlungen
25
Industrieanlagen
100
überregionale Infrastrukturanlagen
100
regionale Infrastrukturanlagen
25 2
1 2
landwirtschaftlich genutzte Flächen
5
Naturlandschaften
-
Sonderobjekte, die bei Hochwasser außergewöhnliche Konsequenzen erzeugen, sind behördlich vorzugeben. Für landwirtschaftliche Flächen besteht kein oder nur untergeordneter Anspruch auf Hochwasserschutz. In der Regel ist eine der Situation angepasste Landwirtschaft durchzuführen.
Nach der Festlegung der Schutzziele und deren Vergleich mit dem IST-Zustand und den bisher geltenden Bemessungsgrößen BHQ und BHW konnte der vorhandene Schutzgrad im Untersuchungsgebiet bestimmt werden.
9.4.12.2 Abschätzung Schadenspotenzial Die Abschätzung des Schadenspotenzials war ein wichtiger aber auch recht schwieriger Schritt bei der HWSK-Erstellung. Die Schwierigkeit bestand insbesondere darin, dass für derartige Betrachtungen so gut wie keine Erfahrungen und fast keine brauchbaren Daten zur Verfügung standen. Um dennoch in diesem Punkt auch sachsenweit einheitlich weiter zu kommen, hat die LTV unter Mitwirkung von Experten aus der Schweiz und Sachsen bestehende Fachliteratur und Erfahrungen aus anderen Flussgebieten [149] ausgewertet und eine „Empfehlung für die Ermittlung des Gefährdungs- und Schadpotentials bei Hochwasserereignissen sowie für die Festlegung von Schutzzielen“ [179] erarbeitet. In dieser Ausarbeitung wird die Schätzung des Schadenspotenzials auf der Grundlage von beim Statistischen Landesamt vorliegenden nutzungsabhängigen Einheitswerten zur Anwendung empfohlen. Das Schadenspotenzial ergibt sich dann als Produkt aus der Größe der für die jeweilige Nutzungsart vorhandenen Fläche (in m²) und dem dafür angegebenen spezifischen Gesamtvermögenswert (in €/m²). In der genannten Empfehlung ist man von folgenden spezifischen Vermögenswerten ausgegangen:
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
231
Tabelle 9-4 Spezifische Vermögenswerte im Freistaat Sachsen - Stand: 02/2003 [179] Nutzungsart
Wert immobil [€/m²]
Wert mobil [€/m²]
Gesamt [€/m²]
Siedlungsflächen
145
40
185
Industrie
207
72
279
Verkehr
200
2
202
-
-
0,4
Forst
-
-
1,0
Sonstige
-
-
0,01
landwirtschaftliche Nutzfläche
Den Autoren der Empfehlung [179] war bewusst, dass die in Tabelle 9-4 angegebenen Werte nur als grobe Näherung dienen konnten, weil es sich um Mittelwerte für den gesamten Freistaat Sachsen handelte. Deshalb ist von den HWSK-Bearbeitern auch gefordert worden, die genauesten verfügbaren Datengrundlagen, wie z. B. die vorliegenden Schadensdaten vom Augusthochwasser 2002, zu verwenden. Über wasserstandsabhängige Schadensfunktionen (siehe [179]) sind die Schädigungsgrade und letztendlich die Schadenspotenziale in grober Näherung bestimmt worden. Spätere Untersuchungen haben ergeben, dass mit dieser Vorgehensweise die Schadenspotenziale in der Regel unterschätzt worden sind. Da die verwendeten Schadensfunktionen nur auf Gewässer mit statischer Überflutung zutrafen, sind gerade im Erzgebirge, wo die dynamischen Prozesse entscheidend waren, die Schadenspotenziale oft wesentlich zu niedrig angenommen worden. Trotz dieser Unzulänglichkeiten war die geschilderte Herangehensweise für die Erstellung der HWSK zielführend, weil zwar absolut gesehen die Schadenspotenziale fehlerbehaftet waren, aber aufgrund der Einheitlichkeit die Relationen im Vergleich innerhalb eines Gewässers oder auch gewässerübergreifend richtig waren. Da wo Nutzen-Kosten-Untersuchungen zu den Einzelmaßnahmen durchgeführt wurden, sind diese Ungenauigkeiten zu einem späteren Zeitpunkt bereinigt worden. Um die NutzenKosten-Untersuchungen zu qualifizieren hat die LTV sich den Stand des Wissens und der guten Praxis in Form einer Arbeitshilfe aufarbeiten lassen [216].
9.4.12.3 Gefahrenanalyse Die in Abschnitt 7.2 beschriebenen flächendeckend hohen Schäden des Augusthochwassers 2002 überstiegen die bisherigen Erfahrungen und machten deutlich, dass solche extremen Ereignisse mit baulichen Maßnahmen nur begrenzt beeinflussbar sind und immer Risiken verbleiben. Moderner nachhaltiger Hochwasserschutz muss deshalb auch das Schadenspotenzial vermindern. Um so ein Schadensausmaß, wie es sich beim Augusthochwasser 2002 in Sachsen ereignet hatte, für die Zukunft verhindern zu können, muss man eine genaue Analyse der Gefahren durchführen und die richtigen Schlussfolgerungen ableiten. Die Gefahrenanalyse untergliedert sich in zwei Arbeitsschritte: ¾ Gefahrenanalyse: x Gefahrenerkennung (Wo und weshalb kann was passieren?) x Gefahrenbeurteilung (Wie oft und wie stark passiert es?)
232
9 Hochwasservorbeugung
In diese Betrachtung sind alle maßgebenden Schadensprozesse einzubeziehen. Die Folgen eines Hochwassers sind grundsätzlich durch die folgenden Einflussgrößen bestimmt: ¾ Einflussgrößen auf Hochwasserfolgen: x Art der auftretenden Prozesse x Intensität der auftretenden Prozesse x Dauer der auftretenden Prozesse x Vorbeugung gegen bekannte Prozesse Wie die Schäden im Erzgebirge gezeigt hatten, sind meist nicht nur die reinen Wasserabflüsse maßgebend, sondern es muss auch den Prozessen Erosion, Sedimentation und Holztransport eine große Bedeutung beigemessen werden. Bei der Ermittlung der Ursachen und der Eintrittswahrscheinlichkeit der maßgebenden Schadensprozesse und deren Bewertung muss auch immer auf die Grenzen der erreichbaren Genauigkeiten bei der Beschreibung dieser komplizierten physikalischen Vorgänge hingewiesen werden. So ist z. B. die Bestimmung von Spitzenwasserabflüssen auf Grund der Vielfalt der Einflussfaktoren schon immer mit Unsicherheiten verbunden gewesen, die bei der Ermittlung von Feststofffrachten oder Geschwemmsel noch größer sind. Speziell das Ereignis vom August 2002, welches als seltenes Ereignis für Sachsen bezeichnet werden kann, bildete eine sehr gute Basis, um die Prozessverhältnisse der Gewässer zu erkennen und entsprechende Grundlagen für die Hochwasserschutzkonzepte auszuarbeiten. Bei der Umsetzung dieser Erkenntnisse in den HWSK sind die Ursachen der Hochwassergefahren, also solche Prozesse wie Abflussbildung, Geschiebetransport verbunden mit Erosionen, Auflandungen und Verklausungen sowie Schwemmholztransporte mit Verklausungen betrachtet worden. Dabei ist durch die Bildung von Szenarien versucht worden, die Prozesse realitätsnah abzubilden und die daraus entstehenden Gefahren abzuleiten. Schlussfolgerung 89: Bei Hochwasserereignissen sind meist nicht nur die reinen Wasserabflüsse maßgebend, sondern es muss auch den Prozessen Erosion, Sedimentation und Holztransport (Verklausung) eine große Bedeutung beigemessen werden.
9.4.12.4 Gefahrenkarten für IST-Zustand Im nächsten Bearbeitungsschritt galt es, die Ergebnisse der Gefahrenanalyse in Gefahrenkarten aufzuzeigen. Gefahrenkarten sollen zur Gefahrendarstellung dienen. In ihnen wird die Gefährdung einer Fläche in Abhängigkeit der Intensität und der Wiederkehrintervalle der maßgebenden Prozesse abgebildet. Damit zeigen sie auf, welche Gebiete wegen bestehender Naturgefahren nicht oder nur bedingt für bestimmte Nutzungen geeignet sind. Sie sollten die fachliche wasserwirtschaftliche Grundlage für die Umsetzung in der Raumplanung (z. B. Ausweisung von rechtsverbindlichen Gefahrenzonen oder Erlass von Bauvorschriften) und die Planung von Hochwasserschutzmaßnahmen sowie Maßnahmen des Objektschutzes seitens der Grundeigentümer bilden. In der Überlagerung der Gefahrengebiete mit bestehenden
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
233
Nutzungen werden Konflikte aufgezeigt. Die Gefährdung eines bestimmten Raumes wird durch die beiden Parameter Intensität der Einwirkung und Eintretenswahrscheinlichkeit der zu betrachtenden Prozesse beschrieben. In Bild 9-4 sind diese Parameter in Anlehnung an das Schweizer Modell für Sächsische Verhältnisse miteinander verknüpft worden.
Bild 9-4 Gefahrenstufendiagramm für Sächsische Verhältnisse [179]
Die Zuordnung der Intensitäten entspricht der Tabelle 9-2 und damit logischerweise der Methodik bei der Erstellung der Intensitätskarten, die die Grundlage für die Gefahrenkarten bildeten. Die Klassen der Wiederkehrintervalle entsprechen einem häufigen, mittleren, seltenem und sehr seltenem Hochwasserereignis und können in ihrer Entsprechung der Tabelle 9-5 entnommen werden. Tabelle 9-5 Definition der Klassen des Wiederkehrintervalls im Pilotgebiet [203] Ereignisklasse
Mittleres statistisches Wiederkehrintervall T in Jahren
häufig
1 bis 20
mittel
> 20 bis 100
selten
> 100 bis 200
sehr selten
200
Die Klassifizierung in die genannten Stufen richtete sich primär nach den Gefährdungen für den Menschen. Bei mehreren zu betrachtenden Prozessen ist immer der die höchste Gefahr verursachende Prozess für die Farbgebung in der Karte ausschlaggebend. In der Endform
234
9 Hochwasservorbeugung
dieser Gefahrenkarten (siehe Bild 15-26) sind für fünf Gemeinden des Pilotgebietes Osterzgebirge die in Tabelle 9-6 erläuterten Zonen dargestellt worden. Tabelle 9-6 Gefahrenstufen und ihre mögliche Bedeutung [180] Gefahrenstufe
sachliche Bedeutung
mögliche raumplanerische Bedeutung
rot
erhebliche Gefährdung
außerhalb von Ortschaften – Verbotsbereich innerhalb von Ortschaften – Gebotsbereich/ Auflagenbereich
blau
mittlere Gefährdung
Gebotsbereich/Auflagenbereich
gelb
geringe Gefährdung
Hinweisbereich/Auflagenbereich
gelb-weiß
Restgefährdung
Hinweisbereich/Auflagenbereich
weiß
nach dem derzeitigen Kenntnisstand nach dem derzeitigen Kenntnisstand keine keine oder vernachlässigbare Gefährdung oder vernachlässigbare Einschränkungen
Die Erstellung der ersten Gefahrenkarten entsprechend Bild 15-26 hatte gezeigt, dass die eben vorgestellte Methodik für die Bearbeitung von Gefahrenkarten für den gesamten Freistaat Sachsen mit ca. 3.000 km Fließgewässer I. Ordnung zu aufwendig und damit zeitnah nicht realisierbar ist. Aus diesem Grunde war es erforderlich gewesen, eine für Sachsen zutreffende, weniger aufwendige Vorgehensweise zur Erstellung der Gefahrenkarten zu erarbeiten, ohne dass die Zuverlässigkeit der Aussage zu den auftretenden Gefahren beeinträchtigt wird. Als Ergebnis ist die Empfehlung zur Erarbeitung von Karten zur Darstellung der Hochwassergefahren durch Gefahrenkarten (Gefahr durch Überschwemmung) [180] entstanden. In dieser Empfehlung wird der gesamte Erarbeitungsprozess zur Erstellung der ersten Auflage der Sächsischen Gefahrenkarten ausführlich beschrieben. Im Folgenden sollen nur die wichtigsten Punkte ausgeführt werden. Die Gefahrenkarten sind als eine erweiterte Form der weiter oben erläuterten Intensitätskarten erstellt worden. In den Karten ist die durch Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit beziehungsweise durch den spezifischen Durchfluss gekennzeichnete Gefahrenart Überschwemmung dargestellt. Als Erweiterung zu den Intensitätskarten sind hierbei die Geschiebebewegungen und die damit verbundenen Querschnittsveränderungen am Flussbett und deren Auswirkungen auf die Überschwemmung mit berücksichtigt worden. Des Weiteren sind mögliche Verklausungen insbesondere an Brücken mit in die Betrachtungen einbezogen worden. Ergänzend ist noch die Verbindung zum nächsten oberhalb liegenden Hochwasserpegel hergestellt worden, damit die Betroffenen einen Bezugspunkt haben. Bei der Betrachtung der Hochwassergefahr waren aufbauend auf den Intensitätskarten, die in der Spalte Überschwemmung der Tabelle 9-2 dargestellten Intensitäten zu verwenden, wobei für die Darstellung in der Karte immer der größere Wert von Wassertiefe oder spezifischem Durchfluss maßgebend waren. Nur an der Elbe sind aufgrund der dort sehr hohen Wasserstände mehr Intensitätsstufen verwendet worden. Die benutzten Werte für die Gefahrenkarten sind noch mal in Tabelle 9-7 zusammengefasst.
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
235
Tabelle 9-7 Intensitätsklassen für Gefahrenarten – Gefahr Überschwemmung in Sachsen
Intensität
Gewässer I. Ordnung
Elbe
Beispiel in Bild 15-32
Beispiel in Bild 15-27
sehr hoch
-
hw t 3,0 m
hoch
hw t 2,0 m oder v hw t 2,0 m2/s
3,0 > hw > 2,0 m
mittel
2,0 > hw > 0,5 m oder 2,0 m2/s > v hw > 0,5 m2/s
niedrig
hw d 0,5 m oder v hw d 0,5 m2/s
2,0 > hw > 1,0 m 1,0 > hw > 0,5 m hw d 0,5 m
Die eben genannten Intensitäten der gefahrenrelevanten Prozesse sind für folgende Ereignisse zu betrachten gewesen: ¾ Betrachtete Abflussereignisse in Sächsischen Gefahrenkarten: x HQ20 x HQ50 x HQ100 x HQ200 oder HQ300 x EHQ (nur Überschwemmungsfläche) Hier hat es aufgrund der Erfahrungen aus den Gefahrenkarten des Pilotgebietes Osterzgebirge eine Korrektur der Grenze der Zuordnung von seltenen zu sehr seltenen Ereignissen von HQ200 auf HQ300 gegeben. Das Ergebnis ist in Tabelle 9-8 dargestellt. Tabelle 9-8 Definition der Klassen des Wiederkehrintervalls in Sachsen [179] Ereignisklasse
Mittleres statistisches Wiederkehrintervall T in Jahren
häufig
1 bis 20
mittel
> 20 bis 100
selten
> 100 bis <300
sehr selten
300
236
9 Hochwasservorbeugung
Bei der Gefahrenbeurteilung war es wichtig, Szenarien für die schadensverursachenden Prozesse bei den einzelnen Hochwasserereignissen (HQT) zu bilden. Die maßgebenden Szenarien für die Gefahrenkarten in Sachsen waren: ¾ Betrachtete Szenarien in Sächsischen Gefahrenkarten [179]: x Abflussganglinie x Geschiebeszenario (Erosion, Transport, Ablagerung) x Verklausungspotenzial (insbesondere von Brücken) x Versagenszenario für Hochwasserschutzanlagen (z. B. Deiche)
1. Bestimmung des Geschiebepotenzials
3. Wasserspiegellagenberechnung auf bestehender Sohle
2. Definition von Geschiebeszenarien für HQT
4. Bestimmung der Transportkapazitäten bei HQT, Einteilung des Untersuchungsgebietes in charakteristische Abschnitte
5. Geschiebebilanzierung und Sohlenveränderung in charakteristischen Abschnitten
6. Wasserspiegellagenberechnung auf veränderter Sohle
7. Ausweisung von Schwachstellen (Ausbruchstellen, Verklausung von Brücken, Versagen von Hochwasserschutzeinrichtungen)
8. Überschwemmungskarte als Arbeitsgrundlage
9. Abgrenzung von Intensitäten (Fließwege und spezifischer Abfluss im Feld)
10. Bestimmung des zum Scheitelwert des HQ(T) zugehörigen Durchflusses und Wasserstandes des oberhalb befindlichen (Hochwassermelde-) Pegels.
Bild 9-5 Arbeitsablauf bei Gefahrenkartenherstellung in Sachsen [180]
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
237
Der prinzipielle Arbeitsablauf bei der Erstellung der Sächsischen Gefahrenkarten ist noch mal in Bild 9-5 dargestellt. Die grau hinterlegten Arbeitsschritte waren nur bei den Gewässern erforderlich (z. B. im Erzgebirge), wo Geschiebeprozesse maßgeblich zu Gefährdungen geführt hatten. Bei der weiteren Erarbeitung der Hochwasserschutzkonzepte nahmen diese Karten eine große Bedeutung ein. Grundsätzlich ist immer damit zu rechnen, dass es auch mit Hochwasserschutzmaßnahmen Zonen geben wird, in denen eine erhebliche Gefährdung für Menschen und Bauten gegeben ist. Diese Tatsache sollte zukünftig in der Raumplanung Berücksichtigung finden. Für alle hochwassergefährdeten Sächsischen Kommunen an den Gewässern I. Ordnung sind nach dieser Methodik 568 Gefahrenkarten (siehe Bild 15-32 und Bild 15-27) im Maßstab von 1:5000 erstellt worden. Diese Karten sind mit den Hochwasserschutzkonzepten durch das SMUL bestätigt und an die Kommunen zur öffentlichen Bekanntmachung übergeben worden.
9.4.13 Hochwasserschutzmaßnahmen Ein wichtiger Bestandteil der Hochwasserschutzkonzepte war die Erarbeitung zweckmäßiger Hochwasserschutzmaßnahmen, die einen nachhaltigen Hochwasserschutz bewirken. Die Planung von Hochwasserschutzmaßnahmen ist ein iterativer Optimierungsvorgang auf Basis des ermittelten Gefährdungs- und Schadenspotenzial, bei dem umfassende Interessenabwägungen stattfinden müssen. Präventive Maßnahmen, wie z. B. die sachgerechte Unterhaltung der Gewässer, werden dabei immer Vorrang haben. Durch raumplanerische Maßnahmen, wie z. B. die Ausweisung von Gefahrengebieten, Freihalteräumen, Überflutungszonen oder die Festlegung von Bauauflagen, soll das Schadenspotenzial vermindert werden. Nur dort, wo eine schützenswerte Nutzung bereits besteht, oder dort, wo nach Abwägung aller Interessen eine Änderung der Nutzung unbedingt erforderlich ist, sollen bauliche und technische Maßnahmen das Gefahrenpotenzial mindern. Ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Maßnahmenplanung ist die Erarbeitung einer Notfallplanung, durch die sich das immer verbleibende (Rest-)Risiko auf ein akzeptierbares Maß reduzieren lässt. Dabei spielt die Planung von temporären Maßnahmen (z. B. Erhöhung von Ufern durch Sandsäcke oder andere mobile Elemente) eine ebenso wichtige Rolle wie die Vorbereitung von Evakuierungen und Rettungsmaßnahmen. Die Hochwasserschutzkonzepte sind durch die Wasserwirtschaftsverwaltung des Freistaates Sachsen erarbeitet worden. Ein ressortübergreifendes Agieren hat sich leider als sehr schwierig herausgestellt, da die oberste Wasserbehörde den ohne Rechtsanspruch im SächsWG verankerten Hochwasserschutzaktionsplan, der ressortübergreifende Grundsätze und Rahmenbedingungen vorgeben sollte, nicht erarbeitet hat. Aus diesem Grund ist bei der Maßnahmenplanung in den HWSK die weitergehende Vorsorge nicht so tiefgreifend betrachtet worden. Mit den Intensitäts- und Gefahrenkarten sind allerdings entscheidende Grundlagen für die Notfallplanung und andere Vorsorgemaßnahmen geschaffen worden, die oft auch noch mit Empfehlungen für Verbesserungen in der Notfallvorsorge und des Katastrophenschutzes verbunden worden sind.
238
9 Hochwasservorbeugung
Schlussfolgerung 90: Eine ressortübergreifende Herangehensweise in den Hochwasserschutzkonzepten hat sich als sehr schwierig herausgestellt, weil die dazu erforderlichen Grundsätze und Rahmenbedingungen durch den fehlenden Hochwasserschutzaktionsplan für den Freistaat Sachsen nicht umfänglich gegeben waren. Somit mussten viele Einzelfallklärungen herbeigeführt werden.
9.4.13.1 Maßnahmenauswahl Bei der Auswahl zweckmäßiger Hochwasserschutzmaßnahmen kann man prinzipiell erst einmal in örtlich wirkende und überörtlich (überregional) wirkende Maßnahmen unterscheiden. Bei den überörtlich wirkenden Maßnahmen handelt es sich z. B. um Änderungen der Flächennutzung im Einzugsgebiet oder um Hochwasserrückhaltebecken. Die örtlich wirkenden Maßnahmen schützen in der Regel nur direkt an ihrem Standort, wie z. B. Hochwasserschutzmauern als Objektschutz. Welche der beiden Maßnahmekategorien die bessere ist, kann pauschal nicht entschieden werden. Dies hängt immer von den konkreten Verhältnissen vor Ort ab und kann nur im Rahmen eines iterativen Optimierungsvorganges ermittelt werden. Die Vielfalt der grundsätzlich zur Verfügung stehenden Maßnahmearten ist sehr groß. An dieser Stelle sollen einige wesentliche Hochwasserschutzmaßnahmearten angeführt werden: ¾ Hochwasserschutzmaßnahmearten in Sachsen (Auswahl): x Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltevermögens in der Fläche (Aufforstung, Entsiegelung, Deichrückverlegung, Flussrenaturierungen, ...) x Rückhaltung und Zwischenspeicherung in künstlich geschaffenen Retentionsräumen (Hochwasserrückhaltebecken, multifunktionale Talsperren, Flutungspolder, unterirdische Speicher, …) x Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit von Gewässerbetten (Profilerweiterungen, Beseitigung von Querbauwerken, …) x Geschiebemanagement (Beeinflussung von Erosions- und Sedimentationsprozessen, …) x Erhöhung der hydraulischen Durchlässigkeit von Querbauwerken wie z. B. Brücken (Brückenhebungen, Notentlastungen, …) x Flussum- oder -rückverlegungen x Objektschutzmaßnahmen für gefährdete Einzelbauwerke (HW-Mauern, …) x Erschließung unkonventioneller Entlastungsmöglichkeiten (tiefliegende Straßen, Tunnel, …) x Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Bauwerken (Lage zum Gewässer, hochwassergerechtes Bauen, …) x Entsiedlung und/oder Rückbau in besonderen Gefahrenbereichen x …
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
239
Neben den Maßnahmen zum natürlichen Rückhalt und der weitergehenden Vorsorge nehmen die Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes in den Hochwasserschutzkonzepten einen bedeutenden Platz ein. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass historisch bedingt die meisten Ortslagen an Fließgewässern liegen und demzufolge dort viele schützenswerte Nutzungen bestehen, die man nicht oder nicht wirtschaftlich verlagern kann. Auch die technischen Hochwasserschutzmaßnahmen kann man in zwei prinzipielle Kategorien unterteilen. Es gibt einerseits punktuelle Maßnahmen, wie z. B. Hochwasserrückhaltebecken, die an einem Punkt des Gewässers errichtet werden und es gibt andererseits linienhafte Maßnahmen, wie z. B. Deiche, die in der Regel parallel zum Fließgewässer errichtet werden. Beide Kategorien können dann wieder eine örtliche und/oder überörtliche Wirkung entfalten. Auch hier kann man feststellen, dass die Vielfalt der technischen Möglichkeiten sehr groß ist und damit i. d. R. eine sich gut in das Umfeld passende Lösung gefunden werden kann. Im Folgenden soll eine Auswahl von in Sachsen realisierten oder geplanten technischen Hochwasserschutzmaßnahmen genannt werden: ¾ Technische Hochwasserschutzmaßnahmen in Sachsen (Auswahl): x Bau oder Erweiterung von Hochwasserrückhaltebecken x Bau von Poldern x Deichbau x Deichrückverlegungen x Hochwasserschutzmauern x mobile Hochwasserschutzwände x Gewässeraufweitungen x Gewässerumverlegungen x Gewässerfreilegungen x Bau von Umflutern oder Flutrinnen x ingenieurbiologische und technische Uferbefestigungen x Renaturierungen x … Aus der Vielzahl der Maßnahmearten und der technischen Möglichkeiten sollte jeweils eine Vorzugsvariante pro Maßnahme und letztendlich für das gesamte Gewässer ermittelt werden. Dabei war es wichtig, die gegenseitige Beeinflussung der Einzelmaßnahmen untereinander zu berücksichtigen.
9.4.13.2 Maßnahmenbewertung Alle im Rahmen des Optimierungsprozesses ausgewählten Hochwasserschutzmaßnahmen sind einer mehrstufigen Bewertung unterzogen worden. Die wichtigsten Bewertungsschritte waren:
240
9 Hochwasservorbeugung
¾ Bewertungsschritte bei Hochwasserschutzmaßnahmenauswahl in Sachsen: x Konformität zu definierten Schutzzielen x Bewertung der Wirksamkeit x technische Bewertung x ökologische Bewertung x Nutzen-Kosten-Betrachtung x Bewertung der Genehmigungsfähigkeit x Bewertung der Beeinflussung der Gewässerdurchgängigkeit x Bewertung des verbleibenden Risikos Nach der Bewertung aller gewählten Maßnahmen und gegebenenfalls weiterer Optimierung konnte die Vorzugsvariante für das jeweilige Gewässer gebildeten werden.
9.4.13.3 Intensitäts- und Gefahrenkarten für SOLL-Zustand Für die ermittelte Vorzugsvariante des jeweiligen untersuchten Gewässers waren Intensitätsund Gefahrenkarten für den SOLL-Zustand zu erstellen. Die Methodik der Kartenerstellung entspricht den Ausführungen in 9.4.11 für die Intensitätskarten (siehe Bild 15-30) und den Ausführungen in 9.4.12 für die Gefahrenkarten. Mit diesen Karten konnte man dann sehr gut Vergleiche zwischen dem IST- und dem SOLL-Zustand anstellen und damit die Wirkung der gewählten Hochwasserschutzmaßnahmen verdeutlichen und entsprechend werten. Anhand der Intensitätskarten für den Wasserstand im IST-Zustand (Bild 15-29) und für den SOLL-Zustand (Bild 15-30) für einen Teil von Dresden soll die Wirkung der Hochwasserschutzmaßnahmen veranschaulicht werden. Man kann einerseits sehr gut erkennen, dass sich bei einem HQ100 die Flächen, die von Überschwemmungen betroffen sind (innerhalb der roten Umrandungslinie), nach Umsetzung aller Hochwasserschutzmaßnahmen deutlich reduzieren. Andererseits ist aber auch erkennbar, dass sich die Intensitäten (hier Blautöne für Wassertiefen) im weiterhin von Überschwemmungen betroffenen Gebiet nicht verändern, was bei abweichenden örtlichen Randbedingungen durchaus anders sein kann. Wichtig an dieser Stelle ist, dass den Betroffenen auch deutlich gemacht wird, dass jeder Hochwasserschutz Grenzen besitzt.
9.4.14 Zusammenfassender Maßnahmeplan Nach Abschluss des Optimierungsvorganges zur Auswahl der Maßnahmen, der Bewertung der Maßnahmen und der Gegenüberstellung und Bewertung des IST-Zustandes mit dem SOLL-Zustand in Form der Vorzugsvariante waren alle Maßnahmen in einer Übersicht darzustellen. Die Übersicht musste das Gesamtkonzept mit dem erforderlichen Zeit- und Finanzbedarf zur Umsetzung aller Hochwasserschutzmaßnahmen für das jeweils betrachtete Gewässer enthalten.
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
241
Da der Zeit- und Finanzumfang für die Umsetzung eines HWSK in der Regel sehr groß sind, musste innerhalb jedes HWSK eine Priorisierung vorgenommen werden (siehe Tabelle 9-9). Tabelle 9-9 Priorisierung innerhalb eines HWSK in Sachsen [199] Nr.
Kriterium
1
Gefährdungs- und Schadenspotenzial oder NutzenKosten-Verhältnis von Maßnahmen
2
Besonderes (zusätzliches) Gefährdungspotenzial
3
4
5
7
8
Bewertung
Punkte
Nutzen-KostenVerhältnis
Schadenspotenzial
Schadenserwartung
3.000 T€
> 30-50 T€/a
> 1,1
hoch
36
1.000 T€
> 10 T€/a
0,9 - 1,1
mittel
24
< 1.000 T€
< 10 T€/a
< 0,9
gering
12
Besonderes Gefahrenpotenzial durch hohe Strömungsgeschwindigkeiten und dynamische Prozesse im HW-Fall, exponierte Lage, insbesondere genutzte Insellagen…
hoch
8
mittel
4
gering
0
Besonderer Schutzstatus
Betroffenheit zentraler technischer Versorgungseinrichtungen, z. B. Wasserwerke, Sondernutzungen, historisch bedeutsame Bereiche…
ja
8
nein
0
vom Objekt ausgehende Gefährdungen
z. B. Kontaminationsgefahr durch zentrale Lagerung wassergefährdender Stoffe, Zerstörung von Kläranlagen, Abschwemmen von beweglichen Teilen…
ja
8
nein
0
vorhandener
Bewertung des Verhältnisses zwischen vorhandenem realen Schutzgrad HQTvorh und dem Schutzziel HQTziel Abstufung: Tvorh/Tziel
< 50 %
20
50-74 %
10
75-95 %
5
Schutzgrad HQ
6
Erläuterung
Wirksamkeit der Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserrückhaltes und des Hochwasserabflusses
Sonstige Kriterien
Umsetzung EGWRRL
>95 %
0
überregional - HRB mit Wirkung über eine Ortslage hinaus, große wirksame Deichrückverlegungen/ hydraul.-hydrol. Auswirkungen längs im Bereich mehrerer Kilometer
hoch
20
regional - Wirksamkeit innerhalb Ortslage/Maßnahmengruppe v. a. im Bereich der Vorländer nachweisbar, Reichweite längs bis zu wenigen hundert m
mittel
10
lokal - Wirkung rein auf das unmittelbare Objekt am Gewässer beschränkt
gering
5
bedeutsam erwartete induzierte Auswirkungen z. B. durch Verbesserung des Alarm- u. Meldesystems, Maßnahmen, üblicher die als politisch bedeutsam einzuordnen sind, zwinBereich gend zusammenhängende Maßnahmegruppen, sonsuntergetige Aspekte/Kriterien… ordnet
8
Verbesserung der Gewässerstrukturgüte, der Durchgängigkeit, der Auendynamik etc.
Verbesserung
4
neutral
0
4 1
242
9 Hochwasservorbeugung
Ziel dieser Aufgabenwichtung war es, die Maßnahmen so zu ordnen, dass die HWSK-Maßnahmen mit den größten positiven Effekten zuerst zur Umsetzung kommen. Mit dieser Vorgehensweise wollte man sicher stellen, dass der Hochwasserschutz schnellstmöglich verbessert wird. Zur Priorisierung innerhalb jedes Hochwasserschutzkonzeptes sind die in Tabelle 9-9 aufgeführten Kriterien verwendet und mit einer entsprechenden Punktezahl versehen worden. Mit Hilfe dieses Bewertungsschemas waren dann die Maßnahmen in eine eindeutige Rangfolge von 1 bis n zu bringen. Dem Schema kann man entnehmen, dass dem Gefährdungsund Schadenspotenzial beziehungsweise dem Nutzen-Kosten-Verhältnis die höchste Wichtung gefolgt vom vorhandenen Schutzgrad und der Wirksamkeit zur Verbesserung des Hochwasserrückhaltes und des Hochwasserabflusses gegeben worden ist. Die anderen aufgeführten Kriterien haben abgestuft eine geringere Wichtung erhalten. Dieser Wichtung der einzelnen Kriterien kann man eindeutig entnehmen, dass eine wirksame Verbesserung des Hochwasserschutzes mit einer möglichst großen Verringerung des Gefährdungs- und Schadenspotenziales unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit angestrebt worden ist.
9.4.15 Kartenwerk und Übersichten Im Laufe der Hochwasserschutzkonzeptbearbeitung sind umfangreiche Karten und Übersichten erstellt und den HWSK beigefügt worden. An dieser Stelle soll noch einmal ein zusammenfassender Überblick mit den in der Regel verwendeten Maßstäben gegeben werden: ¾ Karten und Übersichten in den Hochwasserschutzkonzepten in Sachsen: x Übersichtskarte Einzugsgebiet, M 1:25.000 bis 1:50.000 x Überschwemmungslinie bei HQ100 im IST-Zustand, M 1:10.000 x Schutzgebiete im Einzugsgebiet, M 1:10.000 x Flächennutzung im Einzugsgebiet, M:10.000 x Schadenskarte (HW 2002 oder anderes historisches Ereignis), M 1:10.000 x Darstellung abgelaufener Prozesse (Geschiebe, Verklausung, …), M 1:10.000 x Intensitätskarten IST-Zustand bei HQT, M 1: 10.000 x Intensitätskarten SOLL-Zustand bei HQT, M 1: 10.000 x Maßnahmekarten für HQT, M 1: 10.000 x Integrierte Intensitätskarten pro Gemeinde IST- und SOLL-Zustand, M 1:5.000 x Gefahrenkarten pro Gemeinde IST-Zustand bei HQT, M 1: 5.000 x Gefahrenkarten pro Gemeinde SOLL-Zustand bei HQT, M 1: 5.000 x Flusslängsschnitte IST-Zustand bei HQT, M 1: 5.000 x Flusslängsschnitte SOLL-Zustand bei HQT, M 1: 5.000 x Übersicht Leistungsfähigkeit der Brücken x Tabellen zur Kostenzusammenstellung
9.4 Hochwasserschutzkonzepte in Sachsen
243
x Schadenspotenzialkarte IST-Zustand, M 1:10.000 x Schadenspotenzialkarte SOLL-Zustand, M1:10.000 Mit diesen umfangreichen Kartenwerken soll allen betroffenen Akteuren ein schneller Informationszugang ermöglicht werden. Zu den einzelnen Kartenwerken gibt es noch entsprechende Erläuterungsberichte, die dem ungeübten Nutzer eine schnelle Einarbeitung in die Inhalte der Karten ermöglichen soll. Neben den analogen Exemplaren sind die wichtigsten Karten, wie z. B. die Intensitätskarten und die Gefahrenkarten, online verfügbar gemacht worden. Um den Kommunen einen guten Gesamtüberblick zu verschaffen, sind in den integrierten Intensitätskarten alle wichtigen Informationen auf einem Blatt dargestellt worden. Im Bild 15-31 ist ein Teil der integrierten Intensitätskarte von Freital am Zusammenfluss der Roten und Wilden Weißeritz dargestellt.
9.4.16 Öffentlichkeitsbeteiligung und Bestätigung Alle Hochwasserschutzkonzepte sind öffentlich ausgelegt und den Trägern öffentlicher Belange zur Stellungnahme übergeben worden. Nach Ablauf der Auslegungsfrist von i. d. R. vier Wochen sind alle eingegangenen Stellungnahmen, Hinweise, Kommentare und Widersprüche einer eingehenden Prüfung unterzogen worden. Entweder sind die Inhalte der Rückmeldungen in das Hochwasserschutzkonzept eingearbeitet oder aus fachlichen Gründen weggewogen worden. Den Hochwasserschutzkonzepten ist eine vollständige Liste der Rückmeldungen beigefügt worden, aus der man entnehmen kann, ob die Inhalte eingearbeitet worden oder warum die Inhalte weggewogen worden sind. Nach Abwägung und Einarbeitung aller relevanten Belange sind die Hochwasserschutzkonzepte durch das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft bestätigt und durch die LTV und die Landkreise (Untere Wasserbehörden) öffentlich zugänglich gemacht worden. Mit den Hochwasserschutzkonzepten sind alle fachlichen Voraussetzungen geschaffen und alle Maßnahmen benannt worden, um die unter 2.3 beschriebenen Handlungsfelder der Prävention gegen erneute Hochwasserereignisse effektiv bedienen zu können. Wie die praktische Umsetzung einer solchen Generationenaufgabe angegangen werden kann, ist im Abschnitt 9.5 beschrieben. Schlussfolgerung 91: Für Ereignisanalysen und hydraulische Berechnungen ist es äußerst wichtig, dass während oder unmittelbar nach dem Hochwasser qualifizierte Hochwassermarken gesetzt werden. Schlussfolgerung 92: Die gängige Praxis Schutzziele an Hochwasserdurchflüssen mit statistischen Wiederkehrintervallen T (in Jahren) festzumachen, hat den Nachteil, dass bei jedem neuen Hochwasser-
244
9 Hochwasservorbeugung
ereignis im Untersuchungsgebiet sich wegen der veränderten Statistik der Bemessungshochwasserdurchfluss und der Bemessungshochwasserstand ändern. Besser wäre für die Festlegung von Schutzzielen die physikalischen Größen Bemessungshochwasserdurchfluss (in m³/s) und Bemessungshochwasserstand (in m) zu verwenden, die sich bei Ihrer Erstbestimmung an z. B. statistischen Wiederkehrintervallen orientieren können. Diese Änderung der Bemessungsphilosophie wäre auch für die Öffentlichkeit transparenter. Schlussfolgerung 93: Die Maßnahmenplanung in Hochwasserschutzkonzepten sollte alle drei Säulen der Hochwasserschutzstrategie, also den natürlicher Rückhalt, den technischer Hochwasserschutz und die weitergehende Vorsorge enthalten und nicht an Zuständigkeitsgrenzen halt machen. Schlussfolgerung 94: Jeder Hochwasserschutz besitzt Grenzen seiner Wirksamkeit. Die Risiken, die bei Versagen der Hochwasserschutzeinrichtung oder bei Überschreiten des Bemessungszieles auftreten, müssen klar definiert und kommuniziert werden. Schlussfolgerung 95: Die Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen muss so priorisiert werden, dass eine schnelle und wirksame Verbesserung des Hochwasserschutzes mit einer möglichst großen Verringerung des Gefährdungs- und Schadenspotenziales unter Beachtung der Ökologie und der Wirtschaftlichkeit erreicht wird.
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm 9.5.1 Allgemeines Nach der Fertigstellung und Bestätigung aller Hochwasserschutzkonzepte lag pro Fließgewässer ein priorisierter Maßnahmeplan vor, der eine wirksame Verbesserung des Hochwasserrisikomanagements mit einer möglichst großen Verringerung des Gefährdungs- und Schadenspotenziales unter Beachtung der Ökologie und der Wirtschaftlichkeit beinhaltete. Die Maßnahmepläne aller Hochwasserschutzkonzepte beinhalten ca. 1.600 Hochwasserschutzmaßnahmekomplexe zum natürlichen Rückhalt in der Fläche, des technischen Hochwasserschutzes und der weitergehenden Hochwasservorsorge für ganz Sachsen in einem Wertumfang von ca. zwei Milliarden Euro. Um diese Maßnahmenfülle sachsenweit in eine fachlich sinnvolle und auch wirtschaftliche Abarbeitungsreihenfolge zu bringen, sind alle Maßnahmekomplexe einem mehrstufigen Priorisierungsverfahren unterzogen worden. In der ersten Stufe sind nach der in 9.4.14 beschriebenen Methodik alle Maßnahmen jedes einzelnen Hochwasserschutzkonzeptes bewertet und in eine Rang- und Reihenfolge überführt worden. Nachdem diese Maßnahmenreihenfolge innerhalb der HWSK fest stand, mussten in einem
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
245
zweiten Bearbeitungsschritt alle Maßnahmen HWSK-übergreifend priorisiert und ein Hochwasserschutzinvestitionsprogramm aufgestellt werden.
9.5.2 Strukturen Um den geänderten Aufgabenanforderungen gerecht werden zu können, ist die Leitstelle Hochwasserschadensbeseitigung der LTV neu ausgerichtet und als Stabsstelle Hochwasserschutz (siehe Bild 9-6) in allen Betrieben der LTV weitergeführt worden. Diese Sonderstruktur hatte die Aufgabe, die aus den Hochwasserschutzkonzepten hervorgegangenen Maßnahmepläne in ein Hochwasserschutzinvestitionsprogramm zu überführen und dessen Umsetzung an den Sächsischen Gewässern und Stauanlagen zu strukturieren, zu koordinieren und zu organisieren. Der Leiter der Stabsstelle Hochwasserschutz war direkt dem Geschäftsführer der LTV unterstellt und war bezüglich des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms der zentrale Ansprechpartner der LTV gegenüber Dritten. Die Leiter der Stabsstellen Hochwasserschutz in den Betrieben der LTV waren direkt dem jeweiligen Betriebsleiter unterstellt und stellten damit die Kommunikation zwischen Normalstrukturen und Sonderstruktur in der Fläche sicher. Die Stabsstellen konnten zur Erfüllung ihrer Sonderaufgaben in Abstimmung mit den zuständigen Leitern auf die Normalstruktureinheiten zurückgreifen. Mit dieser Konstellation war sichergestellt, dass sich ein festgelegter Personenkreis intensiv mit dieser wichtigen Sonderaufgabe beschäftigt und gleichzeitig der planmäßige Übergang dieser Tätigkeiten auf die Normalstrukturen vorbereitet und vollzogen wird. Geschäftsführer
Leiter der Stabsstelle Hochwasserschutz (Stellvertreter)
Controlling/ Finanzen
Baumanagement
Projektmanagement
Recht
Verwaltung/ Organisation
Leitstelle Betrieb 1
Leitstelle Betrieb 2
Leitstelle Betrieb 3
Leitstelle Betrieb 4
Leitstelle Betrieb 5
Leiter Stellvertreter
Leiter Stellvertreter
Leiter Stellvertreter
Leiter Stellvertreter
Leiter Stellvertreter
Bild 9-6 Stabsstelle Hochwasserschutz der LTV
246
9 Hochwasservorbeugung
Geschäftsführer
Justiziariat Vergabeprüfung
Verwaltungsrat
Innenrevision Prüfstelle Wasserbau
Fachbeirat
Presse Öffentlichkeitsarbeit
Fachbereich 1 Verwaltung / Finanzen
Neues Steuerungsmodell
Fachbereich 2
Koordinierungsstelle Betriebe
Technik
Betrieb 1
Referat
Oberes Elbtal
Wassermenge
Referat
Betrieb 2
Verwaltung, Personal
Freiberger Mulde/ Zschopau
Referat
Betrieb 3 Zwickauer Mulde/ Obere Weiße Elster
Buchhaltung Liegenschaften
Talsperrenmeldezentrale
Referat Wassergüte
Referat
Betrieb 4
Referat
Controlling Finanzen
Elbaue/Mulde/ Unt. Weiße Elster
Technische Überwachung
Referat
Betrieb 5
Referat
IT-Koordinier. Fachverfahren
Spree/Neiße
Wasserbau
Bild 9-7 Standardstruktur der LTV im Jahre 2008 (Übersicht)
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
247
Betriebsleiter
Prüfstelle Wasserbau
Koordinierungsstelle
Wasserbewirtschaftung
Betriebsteil
Betriebsteil
Betriebsteil
Zentrale
Stauanlagen
Fließgewässer
Bau
Dienste
Staumeisterei 1
Flussmeisterei 1
Projektgruppe Stauanlagen
Finanzen
Staumeisterei 2
Flussmeisterei 2
Projektgruppe Fließgewässer
Liegenschaften
Staumeisterei n
Flussmeisterei x
Projektgruppe E/MSR/IT
Allgemeine Verwaltung
Qualitätsmanagement Bild 9-8 Standardstruktur eines Betriebes der LTV (Stand 2008)
Auch an den Normalstrukturen der LTV mussten in Auswertung des Hochwasserereignisses und zur Leistbarkeit der anstehenden Aufgaben mehrfach Veränderungen und Anpassungen vorgenommen werden. Die 2008 gültigen Strukturen sind in Bild 9-7 und in Bild 9-8 dargestellt.
248
9 Hochwasservorbeugung
Die wichtigsten Änderungen seit August 2002 sollen hier genannt werden: ¾ wichtige Änderungen an den Standardstrukturen der LTV von 2002 bis 2008: x Presse- und Öffentlichkeitsarbeit x Betriebsteile Bau x Qualitätsmanagement x Vergabeprüfstelle x Prüfstelle Wasserbau x zwei zusätzliche Staumeistereien (24 Æ 26) x fünf zusätzliche Flussmeistereien (12 Æ 17) x strategische Planung x Talsperrenmeldezentrale x Koordinierungsstellen (nach Auflösung Stabsstellen) Die Einrichtung der Pressestelle war eine Reaktion auf die Erfahrungen, dass nur durch eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit bei den Betroffenen und den Journalisten das erforderliche Verständnis und damit die Akzeptanz für alle fachlich gebotenen Maßnahmen der Wasserwirtschaft zu erreichen ist. Die Betriebsteile Bau in den Betrieben der LTV waren erforderlich geworden, um den mit dem enorm gestiegenen Bauvolumen zusammenhängenden Bauherrenaufgaben gerecht werden zu können. In diesen Bereichen musste auch viel Personal eingestellt und demzufolge auch eingearbeitet werden. Das dort angesiedelte Qualitätsmanagement hat die vorrangige Aufgabe, die Einhaltung der innerbetrieblichen Regelungen zur Umsetzung des öffentlichen Bau- und Vergaberechtes und die qualitätsgerechte Erstellung von Genehmigungsunterlagen, sicherzustellen. Da mit dem gestiegenen Bauvolumen auch die Anzahl der Vergaben enorm zugenommen hatte, ist eine zentrale Vergabeprüfstelle mit Ansprechpartnern in allen Betrieben gegründet worden. Die Hauptaufgaben der Vergabeprüfstelle sind die Qualitätssicherung der Vergabeunterlagen, die Klärung oder ggf. Betreuung von Streitfällen und die Schulung der mit Vergaben befassten Mitarbeiter. Die Prüfstelle Wasserbau ist nach der Zuweisung der Wasserbaudienststellenfunktion entsprechend § 91 SächsWG [104] eingerichtet worden. Hier werden die wasserechtlichen Genehmigungen nach § 91 SächsWG (nicht Plangenehmigungs- und Planfeststellungsverfahren) anlassbezogen und zeitnah erteilt. In Auswertung der im Kirchbachbericht [163] und unter 7.5 festgestellten Tatsache, dass insbesondere in Krisensituationen ortskundiges wasserwirtschaftliches Fachpersonal an den Stauanlagen und in der Fläche benötigt wird, sind nach eingehender Analyse zwei weitere Staumeistereien und fünf weitere Flussmeistereien eingerichtet worden.
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
249
Die Talsperrenmeldezentrale ist ein wichtiger Bestandteil des neu geschaffenen Landeshochwasserzentrums und muss im Rahmen des Hochwassernachrichtendienstes die entsprechenden Angaben aus der Talsperrenbewirtschaftung melden. Nach dem die Stabsstelle Hochwasserschutz die aus den Hochwasserschutzkonzepten hervorgegangenen Maßnahmepläne in ein Hochwasserschutzinvestitionsprogramm überführt und dessen Umsetzung an den Sächsischen Gewässern und Stauanlagen strukturiert hatte, sind diese Aufgaben an die Standardstrukturen übertragen und die Stabsstellen aufgelöst worden. Damit die Koordination dieser gewaltigen Aufgabe in hoher Qualität weitergeführt werden kann, sind innerhalb der Standardstrukturen Koordinierungsstellen eingerichtet worden, die meist mit dem Personal der Stabsstellen besetzt worden sind. Zur weiteren langfristigen Vorbereitung von abzusehenden Aufgaben ist im Referat Wasserbau eine Stelle Strategische Planung geschaffen worden. Somit können z. B. die anstehenden Aufgaben zu Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie und zur Umsetzung der Maßnahmepläne der EG-Wasserrahmenrichtlinie fachlich und strategisch aufbereitet werden. Schlussfolgerung 96: Zur Umsetzung eines Hochwasserschutzinvestitionsprogramms bedarf es ausreichend Fachpersonal und entsprechender Strukturen, die auf die Bewältigung einer solchen Aufgabe ausgerichtet sind.
9.5.3 Priorisierung Zur HWSK-übergreifenden Priorisierung sollten einerseits möglichst vorliegende Informationen zu den HWSK-Maßnahmen verwendet und andererseits alle Maßnahmen nach einheitlichen Maßstäben bewertet werden. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, ist ein Priorisierungsverfahren [233], [243] entwickelt worden, welches folgende vier Hauptkriterien zur Grundlage hatte: ¾ Hauptkriterien für HWSK-übergreifende Priorisierung in Sachsen: x Schadenspotenzial x Nutzen-Kosten-Analyse x wasserwirtschaftliche Effekte x Vulnerabilität Im Bild 9-9 ist dargestellt, wie die Kriterien der HWSK-internen Priorisierung in die HWSKübergreifende Priorisierung eingeflossen sind.
250
9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-9 Verknüpfung HWSK- interner und -übergreifender Kriterien [233]
Die Hauptkriterien der HWSK-übergreifenden Priorisierung sind gemäß Tabelle 9-10 noch in Teilaspekte untergliedert und mit einer Bewertungsmatrix versehen worden. Durch entsprechende Wichtungen und ein Punktsystem konnten letztendlich alle ca. 1.600 Maßnahmekomplexe aus allen HWSK bewertet werden. Da es im Ergebnis dieses fachlichen Priorisierungsprozesses nicht auszuschließen war, dass Maßnahmen gleiche Bewertungszahlen erhielten, sind noch die folgenden weiteren Gesichtspunkte zur Festlegung der Abarbeitungsreihenfolge herangezogen worden: ¾ Gesichtspunkte zur Festlegung der Umsetzungsreihenfolge von gleichwertigen HWSK-Maßnahmen [233]: x Schadensbeseitigungsanteil bei Maßnahmen für den präventiven Hochwasserschutz x Systemwirkung mit anderen Hochwasserschutzmaßnahmen x Verflechtung von HWSK-Maßnahmen mit Maßnahmen Dritter (z. B. Straßenbauverwaltung) x politische Gesichtspunkte (z. B. regionale Verteilung) x Genehmigungs-, Finanzierungs- und Realisierungszwänge
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
251
Am Ende des Gesamtprozesses lag für alle Maßnahmekomplexe eine eindeutige Reihenfolge zur Umsetzung vor, die dann auch der Öffentlichkeit bekannt gegeben worden ist. Tabelle 9-10 Bewertungsschema für HWSK-übergreifende Priorisierung in Sachsen [243] Priorisierungskriterium
Teilaspekte
Schadenspotenzial
Nutzen-Kosten-Verhältnis
Wasserwirtschaftliche Effekte
Vulnerabilität
Bewertungsmaßstäbe 0 bis 1 Mio € > 1 bis 2 Mio € > 2 bis 10 Mio € > 10 Mio €
(fast keines) (gering) (mittel) (hoch)
0 5 15 25
0 bis 1 > 1 bis 2 > 2 bis 5 >5
(äußerst gering) (gering) (mittel) (hoch)
0 5 15 25
Verbesserung Retentionsvermögen
keine oder nur lokale Verbesserung 0 Verbesserung mit regionaler Wirkung 5 Verbesserung mit überregionaler Wirkung 10
max 10
Verbesserung Abflussverhältnisse
keine oder nur lokale Verbesserung 0 Verbesserung mit regionaler Wirkung 5 Verbesserung mit überregionaler Wirkung 10
max 10
Verbesserung Gewässerökologie und /oder Gewässerstrukturgüte
keine oder unwesentliche Verbesserung signifikante (nicht nur unwesentliche) Verbesserung
max 5
Besondere Betroffenheit bzw. keine besondere Betroffenheit Verwundbarkeit mittelschwere besondere Betroffenheit schwere besondere Betroffenheit (insbesondere akute Lebensgefahr) Besondere Folgegefahren keine nennenswerten Folgegefahren (von Objekten ausgehende mittelschwere Folgegefahren Gefährdungen) große, schwerwiegende Folgegefahren Besonderes Schutzerfordernis kein besonderes Schutzerfordernis (fehlende Hochwasserbestehendes besonderes verteidigbarkeit) Schutzerfordernis
Bewertung/ Priorität:
Priorisierungspunkte
0 bis 30 Punkte: gering;
35 bis 60 Punkte: mittel;
Gesamtsumme Priorisierungspunkte
max 25
max 25
max 25
max 100
0 5 0 5 10 0 5 10 0 5
max 10
max 10
max 25
max 5
65 bis 100 Punkte: hoch
Aus dem Bild 9-10 ist die Verteilung der Maßnahmen zu den Priorisierungskategorien hoch, mittel und gering zu entnehmen. Das Bild 9-11 zeigt die Verteilung der Investitionskosten auf die einzelnen Kategorien. Bei der Auswertung beider Graphiken kann man feststellen, dass ca. 1/6 der Maßnahmekomplexe die höchste Umsetzungspriorität besitzen und fast 2/3 der Investitionskosten für deren Realisierung benötigt werden. Hier wird deutlich, dass größere und damit investitionsintensive Maßnahmen die größten Effekte zur Verbesserung des Hochwasserschutzes beisteuern. Die Relationen der beiden anderen Kategorien bestätigen diese Tendenz.
252
9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-10 HWSK-Maßnahmenanzahlverteilung je Priorisierungskategorie in Sachsen
Bild 9-11 HWSK-Maßnahmenkostenverteilung je Priorisierungskategorie in Sachsen
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
253
Schlussfolgerung 97: Die landesweite fachliche Priorisierung und Festlegung der Umsetzungsreihenfolge von Hochwasserschutzmaßnahmen sowie die Abstimmung und Bekanntgabe des Ergebnisses verschaffen dem Umsetzungsprozess eine große Planungssicherheit. Schlussfolgerung 98: Große und damit investitionsintensive technische Hochwasserschutzmaßnahmen haben in der Regel die größten Effekte zur Verbesserung des Hochwasserschutzes.
9.5.4 Umsetzung Nach der Durchführung beider Priorisierungsschritte (siehe Abschnitte 9.4.14 und 9.5.3) galt es nun, alle Maßnahmekomplexe zur Verbesserung des Hochwasserschutzes in einem Hochwasserschutzinvestitionsprogramm für den Freistaat Sachsen zusammenzufassen. Dazu mussten die Maßnahmekomplexe in genehmigungs-, bau-, und finanztechnisch sinnvolle Einzelmaßnahmen unterteilt werden. Dieser Schritt erforderte eine gute regionale Kenntnis. Der Bearbeitungsablauf von den Hochwasserschutzkonzepten bis zum Hochwasserschutzinvestitionsprogramm ist noch einmal in Bild 9-12 dargestellt. Da es schon allein beim vorliegenden Beispiel Sachsen um eine Investitionssumme von ca. zwei Milliarden Euro geht, wird deutlich, dass es sich um einen mittel- bis langfristigen Umsetzungszeitraum handelt. Die über 1.600 Maßnahmekomplexe der HWSK zergliedern sich in mehrere Tausend praktisch umsetzbare Einzelmaßnahmen, die Maßnahmen zum natürlichen Rückhalt in der Fläche, des technischen Hochwasserschutzes und der weitergehenden Hochwasservorsorge beinhalten. Welche der vielfältigen Varianten zum Einsatz kommen können, hängt von sehr vielen Randbedingungen, wie z. B. gesamtgesellschaftliche Effizienz, Genehmigungsfähigkeit, Schutzwirkung, Eingriffswirkung, Eigentumsverhältnissen, wasserwirtschaftlichen Effekten usw. ab. Um diesen Umsetzungsprozess händeln und steuern zu können, sind geeignete Werkzeuge notwendig. Schon bei der Unterteilung der ca. 1.600 Maßnahmekomplexe in praktisch umsetzbare Einzelmaßnahmen nimmt die Anzahl der zu verarbeitenden Informationen sprunghaft zu, da aus einem Maßnahmekomplex bis zu ca. 20 Einzelmaßnahmen entstehen konnten. Dieser gestiegene Informationsverarbeitungsbedarf kann letztendlich nur mit einer Datenbank effizient bewältigt werden. Da einerseits die Finanzierungs- und andererseits die Bauaspekte gehändelt werden mussten, ist eine Kombination aus einer kaufmännischen (SAP) und einer speziell programmierten bauorientierten Software (ProdaBau) zum Einsatz gekommen. Im Zusammenspiel beider Systeme ist versucht worden, die Nachteile des jeweils anderen Systems auszugleichen. Das Zusammenwirken beider Systeme ist in Bild 9-13 dargestellt.
254
9 Hochwasservorbeugung
Hochwasserschutzkonzept 1 (HWSK)
HWSKMaßnahme 1
HWSKMaßnahme 2
HWSKMaßnahme n
Hochwasserschutzkonzept m (HWSK)
HWSKMaßnahme 1
HWSKMaßnahme 2
HWSK-Priorisierung
HWSK-Priorisierung
HWSK-Maßnahme Rang 1 HWSK-Maßnahme Rang 2
HWSK-Maßnahme Rang 1 HWSK-Maßnahme Rang 2
HWSK-Maßnahme Rang n
HWSK-Maßnahme Rang x
HWSKMaßnahme x
HWSK-übergreifende Priorisierung Maßnahmekomplex Rang 1 Maßnahmekomplex Rang 2
Maßnahmekomplex Rang y Aufteilung der Maßnahmekompexe in sinnvolle Einzelmaßnahmen Einzelmaßnahme Rang 1 Einzelmaßnahme Rang 2
Einzelmaßnahme Rang v theoretische Rangfolge Berücksichtigung praktischer Zwänge z.B. Finanzierung, Genehmigung, Realisierung, Regionale Aspekte praktische Rangfolge Einzelmaßnahme Rang 1 Einzelmaßnahme Rang 2
Einzelmaßnahme Rang z
Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
Bild 9-12 Ablaufschema zur Erstellung des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms in Sachsen
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
255
Bild 9-13 Softwarelösung zu kaufmännischen und Bauprozessüberwachung bei Umsetzung des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms in Sachsen (LTV)
Die ProdaBau (Projektdatenbank Bau) ist zum zentralen, flexiblen Instrument zur Planung und zum Baumanagement entwickelt worden. Mit dieser SQL-Datenbank werden alle Planungs- und Bedarfsgrößen erfasst, zu sinnvollen Projekten zusammengefasst und einem mehrstufigen Planungsprozess unterzogen. Dabei werden unter anderem die in Tabelle 9-9 und Tabelle 9-10 angegebenen Priorisierungskriterien angewendet. Über eine Schnittstelle erfolgte die Ankopplung an SAP, von wo die finanztechnischen Angaben an die Projekte geschrieben werden. Die Projektverantwortlichen (Bauleiter) der LTV hatten und haben mit der ProdaBau ein Projektcontrollingwerkzeug und das zentrale Baumanagement der LTV kann mit den dadurch verfügbaren Daten auch gleich die Berichterstattung und Nachweisführung sicher stellen. Mit dieser Konstellation war auf Grundlage einer einheitlichen Datenbasis die finanztechnische und bauliche Planung, Vorbereitung, Abwicklung, Kontrolle und Nachweisführung von Tausenden Ingenieur- und Bauprojekten möglich geworden. Im Zuge der Entwicklung dieser Baumanagementsoftware ist auch das Schadenserfassungssystem weiter entwickelt worden. Die bei der Schadenserfassung im August 2002 gesammelten Erfahrungen (siehe auch 7.3) initiierten die Schaffung eines neuen Schadenserfassungssystems, welches gleich in die ProdaBau integriert worden ist. Damit ist vom Feldformular über die Erfassung in der Datenbank bis zur Projektabwicklung ein einheitlicher Standard geschaffen worden, der dann auch eindeutige Auswertungen und Nachweisführungen zulässt. Im Bild 9-14 sind Auszüge der Eingabemasken und der GIS-Visualisierung zur Schadenserfassung dargestellt.
256
9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-14 Beispielmasken aus Schadensmodul ProdaBau, (LTV)
Mit der Ankopplung an ein externes Geoinformationssystem ist die geographische Visualisierung der Einzelschäden unter verschiedenen Gesichtspunkten (nach Ereignis, Zuständigkeit, Behebungsstand etc.) möglich. Mit der Ergänzung der ProdaBau um diese Funktionalitäten war erstmals eine durchgängige Verfolgung des Einzelschadens von der Erfassung bis zur Abarbeitung (physisch und finanziell) in einem einheitlichen System möglich. Dieser Umstand brachte letztendlich auch enorme Vorteile und Aufwandsminimierungen in der Nachweisführung und Berichterstattung Dritten gegenüber. Die Vorteile des neuen Schadenserfassungssystems sind hier noch mal aufgeführt: ¾ Vorteile des standardisierten Schadenserfassungssystems der LTV: x Eingabemaske für alle Schadensarten x standardisierte Attributierung durch Auswahlfelder (z. B. Schadensart, Priorität) x Zuordnung zu Schadensereignissen
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
257
x Erfassung der geographischen Lage, Georeferenzierung x eineindeutiger unternehmensweiter Schadensschlüssel x WEB-basierte Intranetanwendung, kann in Krisenfall über Internet betrieben werden x lückenlose Verfolgung und Nachweisführung von der Schadenserfassung bis zum Abschluss der Schadensbehebung in einem System (z. B. Kosten, Verträge, bautechn. Lösung) Schlussfolgerung 99: Die nachvollziehbare finanz- und bautechnische Umsetzung eines Hochwasserschutzinvestitionsprogramms mit mehreren Tausend Maßnahmen ist nur mit einer Datenbanklösung effizient leistbar. Schlussfolgerung 100: Ein einheitliches standardisiertes Schadenserfassungssystem, welches mit dem Baumanagement und Projektcontrolling gekoppelt ist, ermöglicht eine durchgängige Verfolgung des Einzelschadens von der Erfassung bis zur Abarbeitung (physisch und finanziell), was enorme Vorteile in der Schadensauswertung und Nachweisführung mit sich bringt. Der Erwartungs- und Handlungsdruck nach dem Hochwasser von 2002 war so groß, dass unmittelbar nach den geschilderten Sofortmaßnahmen und Maßnahmen zur Schadensbeseitigung bereits parallel zu den Hochwasserschutzkonzepterarbeitungen und Priorisierungen schon mit der Umsetzung wichtiger bislang identifizierter Maßnahmen des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms begonnen worden ist. Zur besseren Umsetzung ist das gesamte Hochwasserschutzinvestitionsprogramm unter Beachtung der Priorisierungsergebnisse zeitlich und inhaltlich unterteilt worden: Die erste zeitliche Etappe von 2005 bis 2008 beinhaltete 172 Maßnahmekomplexe, die wiederum in 320 genehmigungs-, bau-, und finanztechnisch sinnvolle Einzelmaßnahmen unterteilt worden waren. Das dafür erforderliche Finanzvolumen betrug ca. 310 Millionen Euro. Mitte 2008 musste festgestellt werden, dass von den 330 Maßnahmen sich 191 Maßnahmen in der Ingenieurplanung und 86 Maßnahmen in der Bauausführung befanden und erst 45 Maßnahmen fertig gestellt waren. Die Ursachen für die eingetretene Verzögerung sind im Abschnitt 9.5.5 erläutert. In Bild 15-33 ist eine Auswahl von Maßnahmekomplexen für den Zeitraum von 2005 bis 2008 dargestellt. Die zweite zeitliche Umsetzungsetappe von 2009 bis 2013 beinhaltet noch ein wesentlich größeres Maßnahmebündel mit einem Finanzvolumen von weit über 500 Millionen Euro. Die weiteren zeitlichen Umsetzungsetappen werden im Rahmen der Mittel- und Langfristplanung rechtzeitig festgelegt und entsprechend fortgeschrieben. Wie man auch aus Bild 15-33 entnehmen kann, erfolgte die inhaltliche Unterteilung des technischen Teiles des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms in drei Unterprogramme.
258
9 Hochwasservorbeugung
¾ technische Unterprogramme bei Umsetzung Hochwasserschutzinvestitionsprogramm: x Hochwasserrückhaltebeckenbauprogramm x Deichbauprogramm x sonstige wasserbauliche Maßnahmen Da die Umsetzung von neuen Hochwasserrückhaltebecken, Deichen und Poldern einen wesentlich größeren Planvorlauf als bei den meisten anderen wasserbaulichen Maßnahmen erfordert, sind diese Maßnahmekategorien in Form von Unterprogrammen und unter Beachtung der Priorisierung ausgekoppelt worden. Einzelheiten zu den planerischen Vorleistungen und Ausführungsbeispiele zu den einzelnen Hochwasserschutzmaßnahmen befinden sich in den Abschnitten 9.6 und 9.7. Schlussfolgerung 101: Die Errichtung neuer Hochwasserrückhaltebecken, Deiche und Polder benötigt einen wesentlich größeren Planvorlauf als bei den meisten anderen wasserbaulichen Maßnahmen und sollte deshalb einer separaten Betreuung durch spezialisierte Fachleute zugeführt werden.
9.5.5 Umsetzungsprobleme Bei der Umsetzung eines Hochwasserschutzinvestitionsprogramms in dieser Größenordnung treten Probleme vielfältigster Art auf, die oft bei Detailfragen zu Tage treten und unter Umständen zu erheblichen Verzögerungen führen können. In diesem Abschnitt sollen einige grundlegende Probleme erwähnt werden. ¾ Auswahl von Umsetzungsproblemen beim Hochwasserschutzinvestitionsprogramm: x hoher Personal und Ressourcenaufwand í z. B. fehlende Kapazitäten in Genehmigungsbehörden í z. B. keine Verfügbarkeit von Fachpersonal x Finanzfragen í z. B. hohe finanztechnische Restriktionen bei verfügbaren Mitteln x Bemessungsunsicherheiten í z. B. Bemessungshochwasser, Freibord x Vergabestreitigkeiten x naturschutzfachliche Forderungen í z. B. umfangreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, Mangel an Austauschflächen í z. B. Verhinderung der Entfernung von Bäumen auf Deichen
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
259
x Denkmalschutz und städtebauliche Forderungen í z. B. unverhältnismäßige Forderungen in Innenstädten x Grunderwerbs- und Entschädigungsfragen í z. B. fehlende Regelung zur Entschädigung von landwirtschaftlichen Betrieben in Poldern x Eigentümerbetroffenheiten í z. B. fehlende Eigentümerzustimmungen verhindern Maßnahmen x Regelungen zu Aufgabenteilungen í z. B. unklare Zuständigkeit für Unterhaltung und Betrieb mobiler Hochwasser schutzmaßnahmen x Rechtslage zu Zustandsstörerschaft í z. B. unterschiedliche Rechtsauffassungen zu Umbauerfordernissen an Brücken oder zu Leitungsumverlegungen x Abgrenzungsprobleme í z. B. Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher Hochwasserschutzmauer und privater Stützmauer am Gewässer x … Die Liste der oben angeführten Umsetzungsprobleme ließe sich noch weiter fortsetzen. Hier soll nur gezeigt werden, dass es eine Vielfalt von teilweise grundsätzlichen Problemen gibt, die oft im Einzelfall gelöst werden müssen. Die Beispiele sollen im Folgenden noch etwas weiter untersetzt werden. Durch die Schadensbeseitigung und die Maßnahmen zur Umsetzung des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms ist mit einem Schlag der Aufwand an Bauherrenaufgaben, Ingenieurund Bauleistungen sowie Genehmigungsprüfungen gestiegen. Aus dem Bild 9-15 kann man entnehmen, dass sich das Ingenieur- und Bauleistungsvolumen der LTV seit dem Hochwasser von 2002 ca. verfünffacht hat. Um die gestiegenen Bauherrenaufgaben zur Umsetzung von ca. 1.300 Projekten pro Jahr ordnungsgemäß wahrnehmen zu können, musste Personal eingestellt werden. Da auch bei den Ingenieurbüros und bei den Baufirmen mehr Personal benötigt wurde, bestand ein verstärkter Bedarf an gut ausgebildeten Ingenieuren, der nicht immer zeitnah gedeckt werden konnte. Aufgrund von staatlichen Vorgaben in der Personalpolitik konnte bei weitem auch nicht so viel Personal eingestellt werden, wie es die anstehenden Aufgaben erfordert hätten.
260
9 Hochwasservorbeugung
Ingenieur- und Bauleistungen der LTV 250 235,8 200 195,3
198,4 188,6
186,2
Millionen Euro
150 141,8
100 82,8 50
51,1 36,6
0 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Jahr
Bild 9-15 Ingenieur- und Bauleistungen der LTV von 2000 bis 2008
Der größte Teil dieser Schere zwischen Aufgabenzuwachs und Personalbedarf konnte über effizientere Werkzeuge, wie z. B. die in Abschnitt 9.5.4 erwähnte ProdaBau, und die Vergabe von Leistungen geschlossen werden, was wiederum zusätzliche Zeit kostete. Wichtig war an dieser Stelle auch, dass die neuen Mitarbeiter ordentlich geschult und eingearbeitet wurden und die innerbetrieblichen Abläufe zur Bewältigung des Baugeschäftes klar geregelt sind. Aus diesem Grund sind eine tätigkeitsspezifische Fortbildungskonzeption erarbeitet und die Baurichtlinie der LTV überarbeitet worden. Aber auch außerhalb des Baubereiches mussten in vielen Bereichen wesentlich mehr Aufgaben bewältigt werden. So müssen aufgrund des gestiegenen Bauvolumens in der LTV z. B. 40.000 Rechnungen pro Jahr geprüft, gebucht und angewiesen werden. Zum Schluss ist noch festzustellen, dass für die LTV eine Leistungsgrenze zur Umsetzung von Ingenieur- und Bauleistungen von maximal 200 Millionen Euro pro Jahr besteht. Über diese Leistungsgrenze hinaus gehende Maßnahmeumsetzungsvorstellungen sind unrealistisch und bergen die Gefahr ins sich, dass der Bauherr die Kontrolle über den Umsetzungsprozess verliert und damit Fehler und Mängel auftreten. Schlussfolgerung 102: Nach größeren, schadensverursachenden Hochwasserereignissen besteht erhöhter Bedarf an Fachpersonal im kaufmännischen und insbesondere im Ingenieur- und Baubereich, der zu einer Verknappung auf dem Markt und damit zu Verzögerungen in der Maßnahmeumsetzung führen kann.
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
261
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bearbeitungsgeschwindigkeit in den Genehmigungsbehörden (Wasserbehörden). Das Bild 9-16 zeigt sehr deutlich, dass die Anzahl der eingereichten Planfeststellungsverfahren sich dramatisch vervielfacht hat. Hier sind aufgrund der erforderlichen Planvorlaufzeiten die größeren und damit planfeststellungspflichtigen Maßnahmen der Schadensbeseitigung zeitlich mit den ersten größeren Maßnahmen des Hochwasserschutzinvestitionsprogramms zusammengefallen. Damit waren die Genehmigungsbehörden vor eine völlig neue Situation gestellt. Selbst mit erhöhtem Personaleinsatz war und ist diese Antragsflut kurzfristig nicht beherrschbar, so dass es aufgrund der Genehmigungszeiträume zu erheblichen Verzögerungen in der Maßnahmeumsetzung kommt. Dies erklärt auch den Rückgang des Bauvolumens von 2008 im Bild 9-15. In den ersten Jahren nach dem Hochwasser konnten viele kleinteilige und mittlere Maßnahmen, die einfachere Planungen und auch einfachere Genehmigungen benötigten, umgesetzt werden. Planfeststellungsverfahren der LTV von 2003 bis 2013
IST SOLL
80 72
71
69
70 62
60
Anzahl
50
49
50 39
40
36
30
26
36
26
20 10
10
6 2
10
6
2
0 2003
2004
2005
2006
2007
2008
0
0
0
0
0
2009
2010
2011
2012
2013
Jahr
Bild 9-16 eingereichte Planfeststellungsverfahren der LTV (Stand 05/2008)
Schlussfolgerung 103: Bei größeren Schadensbehebungen und Hochwasserschutzinvestitionsprogrammen werden anfangs viele kleinere Maßnahmen (einfachere Genehmigungsverfahren) umgesetzt, bevor nach entsprechendem Planvorlauf die größeren Maßnahmen zur Genehmigung eingereicht werden können. Bei einer Vervielfachung des Antragsvolumens (Planfeststellung und Plangenehmigung) sind die Genehmigungsbehörden überfordert, was zwangsläufig zu einem Genehmigungs- und damit auch zu einem Umsetzungsstau führt.
262
9 Hochwasservorbeugung
Ein weiteres Umsetzungsproblem stellen die Finanzierungsgrundlagen dar. Da solch ein Maßnahmeprogramm zur Schadensbehebung und für nachfolgende Hochwasserschutzinvestitionen nicht im normalen Haushalt eines Bundeslandes vorgesehen ist, stellt es schon allein eine große Herausforderung dar, die entsprechenden möglichen Finanzierungsquellen und Förder-„Töpfe“ des Landes, des Bundes und der EU zu aktivieren. Wenn dies gelingt, stellt man sehr schnell fest, dass mit diesen Finanzierungsquellen sehr viele Restriktionen verbunden sind, die es unbedingt einzuhalten gilt. Im Bild 9-17 sind einige mögliche Finanzierungsquellen für Hochwasserschutzmaßnahmen und ihre Restriktionen dargestellt. Durch die Vielfältigkeit der Restriktionen, wie z. B. Verwendungszweck, Verwendungsgebiet und Verwendungszeitraum entstehen teilweise sehr schmale Finanzierungskorridore, so dass Maßnahmen nach finanztechnischen Gesichtspunkten abgeändert bzw. angepasst werden mussten. Kontraproduktiv ist auch, dass einige Fördermittel über ihre Gesamtlaufzeit in gleich großen Jahresscheiben zugeteilt werden. Bei Hochwasserschutzinvestitionen steigen die Kosten im Laufe des Projektes an, weil in der Planungs- und Genehmigungsphase wesentlich weniger Finanzmittel als in der Bauausführungsphase benötigt werden. Auch dieser Sachverhalt erschwert die Projektabwicklung und stellt die Bauherren vor unnötige Umsetzungsrisiken.
Wirtschaftsplanmittel (La nd)
Restriktion: Budget
Aufbauhilfefonds (Bund)
Restriktion: Verwendungszweck
GAK- Mittel (Bund)
Restriktion: Verwendungsgebiet
Finanzierung der Projekte
Durchgängigkeitsprogramm
EFRE- Mittel (EU)
(La nd)
Restriktion: Verwendungszeitraum Verwendungszweck
Restriktion: Verwendungszweck Verwendungsgebiet
FIAF - Mittel (Land)
Restriktion: Verwendungszweck
projektgebundene Mittelzuführungen (Dritte, z.B. SMWK, Firmen)
Restriktion: Verwendungszweck
Interreg III BMittel (EU)
Restriktion: Verwendungsgebiet Verwendungszweck
Bild 9-17 Bsp. Finanzierungsquellen und ihre Restriktionen für Hochwasserschutzmaßnahmen [241]
Schlussfolgerung 104: Die vielen Restriktionen, wie z. B. eingeschränkter Verwendungszweck, begrenztes Verwendungsgebiet oder begrenzter Verwendungszeitraum, an den möglichen Fördermitteln für Hochwasserschutzinvestitionen erschweren unnötig die Umsetzung von fachlich sinnvollen Maßnahmekombinationen.
9.5 Hochwasserschutzinvestitionsprogramm
263
Bemessungsunsicherheiten infolge fehlender Datengrundlagen, wie z. B. hydrologische Grundlagen für Bemessungshochwasser oder Freibordbemessungen, verzögern nicht nur die Projektumsetzung sondern verunsichern auch die Genehmigungsbehörden. Hier ist auch eine länderübergreifende Zusammenarbeit gefragt. In Bild 9-18 ist das Ergebnis unterschiedlicher Datengrundlagen und Bemessungsphilosophien bei der Deichbemessung zu sehen. Beide Deiche entsprechen den aktuellen Regeln der Technik. Den betroffenen Laien ist das Ergebnis solcher Bemessungsunterschiede nicht vermittelbar.
Bild 9-18 Elbe, Deich in Nähe Landesgrenze Sachsen zu Sachsen-Anhalt, (LTV)
Schlussfolgerung 105: Nach Hochwasserereignissen müssen schleunigst fehlende Datengrundlagen beschafft und zwischen den Ober- und Unterliegern abgestimmt werden, damit auch länderübergreifend dieselben Bemessungsgrundlagen und möglichst auch die gleichen Bemessungsphilosophien angewendet werden können. Bei einem wesentlich größeren Volumen an Ingenieur- und Bauleistungen erhöhen sich natürlich auch die Vergaben dieser Leistungen. Hier ist es sehr wichtig, die Vergabeunterlagen und die Vergabe selbst mit einer hohen Qualität zu versehen, da Vergabebeschwerden bis hin zu Rechtsstreitigkeiten zu sehr langwierigen Verzögerungen führen können. Bei der planerischen Vorbereitung der Hochwasserschutzmaßnahmen ist es sehr wichtig, die naturschutzfachlichen Besonderheiten und Forderungen zu behandeln, um nicht im oder nach dem Genehmigungsverfahren vor große Probleme gestellt zu werden. Teilweise führen die sehr umfangreichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen selbst oder der Mangel an Austauschflächen zu erheblichen Umsetzungswiderständen oder Zeitverzögerungen. Selbst die Wiederherstellung eines rechtskonformen Zustandes (keine Bäume auf Deichen) kann zu erheblichen naturschutzfachlichen Widerständen führen. Auch hier ist es sehr wichtig, beizeiten in den Dialog zur Konfliktlösung einzutreten.
264
9 Hochwasservorbeugung
Ähnlich verhält es sich mit Anforderungen des Denkmalschutzes, des Städtebaus und der Regionalplanung. Hier wird teilweise versucht, dem Baulastträger der Hochwasserschutzmaßnahme unangemessen hohe Forderungen zu stellen, die die Wirtschaftlichkeit der gesamten Hochwasserschutzmaßnahme in Frage stellen können. Auch hier sollte man zeitig genug in die Diskussion zur Lösungsfindung eintreten. Ein gewichtiges Problem stellen die Grunderwerbs-, Eigentümer- und Entschädigungsfragen dar. So führen oft die Einzelbetroffenheiten von z. B. landwirtschaftlichen Betrieben in potenziellen Polderflächen oder andere Betroffenheiten von einzelnen Eigentümern zu langwierigen Verzögerungen bei den Genehmigungen oder späteren Bauausführungen. Teilweise führen auch unterschiedliche Rechtsauffassungen oder zu unscharf formulierte Regelungen zu Verzögerungen bei der Maßnahmeumsetzung. So ist z. B. schwer zu definieren, ob es sich um eine Hochwasserschutzmauer oder eine Stützmauer handelt, wenn eine vorhandene Mauer am Gewässer aus Hochwasserschutzgründen erhöht wird. Auch ist es immer wieder regelungsbedürftig, wer (Land oder Kommune) für die Lagerung und den Betrieb von mobilen Hochwasserschutzelementen zuständig ist. Bei den Brücken, die aufgrund der geänderten hydrologischen Erkenntnisse nicht mehr den Anforderungen des Bemessungsdurchflusses entsprechen, ist strittig, wer für die Aufwendungen für den hochwassergerechten Umbau der Brücke zuständig ist. Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass es im Umsetzungsprozess zahlreicher Konfliktlösungen bedarf, bevor eine Maßnahme erfolgreich realisiert werden kann. Schlussfolgerung 106: Bei der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen sind infolge vieler Betroffenheiten, wie z. B. Naturschutz, Denkmalschutz, Stadtplanung und Einzeleigentümern sowie unterschiedlicher Rechtsauslegungen, vorhandener Abgrenzungsprobleme und anderen Gründen erhebliche Widerstände vorhanden, die über einen fachlich fundierten Dialogprozess überwunden werden müssen. Dieser Prozess nimmt Personal-, Finanz- und Zeitressourcen in Anspruch.
9.6 Gewässer 9.6.1 Allgemeines Zur Umsetzung der in Abschnitt 9.4.3 erläuterten Sächsischen Hochwasserschutzstrategie sind zahlreiche Maßnahmen zur Minderung des Hochwasserabflusses in der Fläche, zur Erhöhung des Hochwasserschutzniveaus, zur Verminderung des Schadenspotenzials und zur operativen Hochwasserabwehr vorgesehen und auch teilweise schon umgesetzt worden. In den folgenden Abschnitten sollen ausgewählte Maßnahmen zur Verbesserung des Rückhaltes in der Fläche, zum technischen Hochwasserschutz und zur weitergehenden Vorsorge an den Gewässern vorgestellt werden.
9.6 Gewässer
265
Bei den technischen Hochwasserschutzmaßnahmen soll etwas ausführlicher auf die Deichbaumaßnahmen eingegangen werden, weil diese Kategorie eine bedeutsame Größenordnung einnimmt und entsprechend den Ausführungen in Abschnitt 9.5 auch einen wesentlich größeren Planvorlauf als bei den meisten anderen wasserbaulichen Maßnahmen erfordert.
9.6.2 Natürlicher Rückhalt Eine wichtige Erkenntnis aus dem Hochwasserereignis von 2002 war, dass man auch den möglichst natürlichen Wasserrückhalt in der Fläche sowie in den Gewässern und Auen befördern und gegebenenfalls sichern muss. Einen wichtigen Beitrag in diese Richtung können der Bodenschutz und eine bodenschonende Flächennutzungsstrategie leisten. Wichtig ist, dass die abflussfördernden Flächennutzungsarten (siehe auch 4.8) nicht weiter so stark zunehmen oder bestehende Flächennutzungen geändert werden. Hier sind auch die Raumordnungsbehörden gefragt, die durch entsprechende raumordnerische Ziele die Entwicklungen im Raum hochwasserunschädlich befördern müssen. Der 2003 neu aufgestellte Landesentwicklungsplan [94] für den Freistaat Sachsen enthält demzufolge auch einen eigenen Abschnitt zum vorbeugenden Hochwasserschutz, wo der Nutzung des natürlichen Wasserrückhaltevermögens und der Gewährleistung eines uneingeengten, gefahrund schadlosen Hochwasserabflusses Vorrang vor der Errichtung von Hochwasserschutzanlagen eingeräumt wird. Die im Nachlauf aufgestellten Regionalpläne weisen Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für den vorbeugenden Hochwasserschutz in Form von vorhandenen und rückgewinnbaren Überschwemmungsbereichen zur Gewährleistung und Verbesserung des Wasserrückhalts in der Fläche (Retentionsraum) und in Form von Risikobereichen in potenziellen Überflutungsbereichen, die bei Versagen bestehender Hochwasserschutzeinrichtungen oder Extremhochwasser überschwemmt werden können, aus. Des Weiteren sind in den Regionalplänen Vorrang- und Vorbehaltsstandorte für Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes, wie z. B. Standorte für Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken, Polder, Deiche und Dämme (einschließlich deren Rückverlegung) ausgewiesen worden. Inwieweit die raumordnerischen Maßnahmen eine wenigstens hochwasserneutrale Entwicklung im Raum bewirken, bleibt abzuwarten, da in der Vergangenheit diese Wirkung nicht zu verspüren war. Schlussfolgerung 107: Landesentwicklungs- und Regionalpläne müssen Ziele und raumordnerische Maßnahmen zur wenigstens hochwasserneutralen Entwicklung der Räume enthalten. Bisher haben die raumordnerischen Maßnahmen zum vorbeugenden Hochwasserschutz kaum Wirkung gezeigt. Im Abschnitt 4.8 wurde gezeigt, dass fast 56 % der Fläche in Sachsen landwirtschaftlich genutzt wird. Um hier die Eigentümer und Flächennutzer zu einer Nutzungsänderung, auch im Sinne des Hochwasserschutzes, zu bewegen, bedarf es geeigneter Methoden und Förderinstrumente. Neben einigen anderen Untersuchungen sind im Bericht zum „Vorbeugenden Hochwasserschutz durch Wasserrückhalt in der Fläche unter besonderer Berücksichtigung naturschutzfachlicher Aspekte am Beispiel des Flusseinzugsgebietes der Mulde in Sachsen“ der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft [232] die Möglichkeiten zum natürlichen
266
9 Hochwasservorbeugung
Rückhalt in der Fläche sehr umfassend beschrieben. Der daraus abzuleitende Maßnahmekatalog der Landwirtschaft zum Hochwasserschutz ist folgender: ¾ Maßnahmen der Landwirtschaft zum Hochwasserrückhalt in der Fläche nach [232]: x Konservierende Bodenbearbeitung x Direktsaatverfahren x Konturnutzung x Aufforstung x Umwandlung von Acker in Grünland x Flächenstilllegung x Schlagverkleinerung x Schlaguntergliederung durch Grünstreifen x Schlaguntergliederung durch Gras- und Krautstreifen x Anlage von Gewässerrandstreifen x Schlaguntergliederung durch Hecken x Anlage von Feldgehölzen x Begrünung von Abflussbahnen x Anlage von Abflussmulden Die hier aufgeführten Maßnahmen sind auch aufgrund der Fördermöglichkeiten unterschiedlich stark umgesetzt worden. So gab es zwar auch ein von der Wasserwirtschaft initiiertes Waldmehrungsprojekt, welches sich in der Umsetzung insbesondere wegen der Nichtverfügbarkeit von Aufforstungsflächen als sehr schwierig erwiesen hat. Dennoch hat sich die Waldfläche seit dem Hochwasser von 2002 in Sachsen um ca. 2 % erhöht. Im Landesentwicklungsplan des Freistaates Sachsen ist das mittelfristige Ziel verankert, den Waldanteil um weitere 2 % auf 30 % der Landesfläche zu erhöhen, wofür noch ca. 36.000 ha aufgeforstet werden müssen. Damit hätte der Freistaat Sachsen den Bundesdurchschnitt erreicht. Als sehr positives Beispiel soll als Ergebnis des Förderprogramms zur umweltgerechten Landwirtschaft in Sachsen die konservierende Bodenbearbeitung benannt werden. Hier liegt Sachsen an der Spitze in der Bundesrepublik mit derzeit ca. 50 % der Ackerflächen mit konservierender und 20 % dauerhaft konservierender Bodenbearbeitung (Stand 2009). In Einzelbetrieben wird auf ca. 1.500 ha Ackerfläche schon die Direktsaat praktiziert. Aus der Tabelle 9-11 kann man erkennen, dass sich die Flächen mit dieser auch für den Hochwasser- und Erosionsschutz positive Bodenbearbeitungsart in Sachsen seit dem Hochwasser von 2002 verdoppelt haben.
9.6 Gewässer
267
Tabelle 9-11 Anstieg der konservierenden Bodenbearbeitung in Sachsen Jahr
Ackerfläche in ha (gerundet)
Anteil an Gesamtackerfläche in Sachsen in %
2001
152.000
21,0
2002
176.700
24,5
2008
360.000
50,0
Auch an den Gewässern selbst kann man bei entsprechender Verfügbarkeit von entsprechenden Flächen (Grundstücken) dem Gewässer mehr Raum geben und dadurch oder durch ingenieurbiologische Bauweisen den Abfluss verzögern. Der westlich von Chemnitz liegende und hier als Beispiel dienende Lungwitzbach ist ein Nebenfluss der Zwickauer Mulde, hat bei 160 m Höhenunterschied eine Fließlänge von 24 km und besitzt ein Einzugsgebiet von 143 km² mit 14 % Waldfläche, 24 % Siedlungs- und Verkehrsfläche und 62 % landwirtschaftlich genutzter Fläche. Lokale Starkniederschläge der Vergangenheit und auch das flächige Ereignis von 2002 führten an diesem Gewässer zu sehr dynamischen Abflussprozessen und teilweise großen Schäden. Hier war es nach Klärung der entsprechenden Grundstücksfragen möglich geworden, dem Lungwitzbach zwischen den Ortslagen St. Egidien und Niederlungwitz nahezu freien Raum zu gewähren. Dort wo der Flusslauf auch infolge Grundstücksfragen stabilisiert werden musste, sind ingenieurbiologische Bauweisen zum Einsatz gekommen. Vor dem Ort Niederlungwitz ist eine Sedimentationsfalle errichtet worden. Diese auch in Bild 9-19 und Bild 9-20 dargestellten Maßnahmen haben sich sehr gut entwickelt und den Hochwasserschutz für Niederlungwitz nachhaltig verbessert.
Bild 9-19 Lungwitzbach, Ufersicherung durch Buhne mit Buschbautraverse (LTV)
268
9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-20 Lungwitzbach, Ufersicherung durch Spreitlage mit Steckhölzern (LTV)
9.6.3 Technischer Hochwasserschutz Wie im Abschnitt 9.4.13 schon erläutert sind eine Vielzahl verschiedener Maßnahmetypen im Rahmen der Hochwasserschutzkonzepte herausgearbeitet worden. An dieser Stelle sollen neben den Untersuchungen zu den Poldern und Deichen noch ausgewählte Umsetzungsbeispiele an den Fließgewässern gezeigt werden. Zu Beginn soll jedoch erst einmal ein Beispiel benannt werden, wo man erkennen musste, dass der Schutz eines in einer Senke im Überschwemmungsgebiet liegenden Ortsteiles nicht sinnvoll möglich ist. Es handelt sich hierbei um den Anfang der 1990-er Jahre im bestehenden Überschwemmungsgebiet der Elbe errichteten Ortsteil Röderau-Süd, der im August 2002 völlig unter Wasser gegangen war (siehe Bild 9-21).
Bild 9-21 Elbe, Röderau-Süd im August 2002 [157]
9.6 Gewässer
269
Der komplette Ortsteil ist auf Basis einer Eckpunktevereinbarung des Bundes und des Freistaates Sachsen abgesiedelt worden. Die gesamte Infrastruktur einschließlich der ca. 86 Einfamilien-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser sowie sieben Gewerbeobjekte sind rückgebaut worden. Die Abrisskosten betrugen ca. zwei Millionen Euro. Mit weiteren ca. 38 Millionen Euro sind die ca. 400 Betroffenen so entschädigt worden, dass sie ohne Eigenanteil sich ein neues Wohnhaus errichten konnten. Heute werden diese Flächen als Grün- und Weideland genutzt. Als Untergruppe zum Hochwasserschutzinvestitionsprogramm ist defacto ein Deichbauprogramm entstanden. Unter diesem Programm werden alle Maßnahmen verstanden, die zur Ertüchtigung der Sächsischen Deiche nach dem Hochwasser von 2002 ergriffen worden sind. Unmittelbar nach dem Hochwasser sind alle Deichbrüche provisorisch geschlossen und weitere Schadstellen gesichert worden. Im Nachgang sind durch weitere bauliche Maßnahmen die Standsicherheit und der Erosionsschutz der gesicherten Deiche erhöht worden. Da ca. 300 km Deiche an den Gewässern I. Ordnung vom Augusthochwasser 2002 direkt betroffen waren, musste das Sanierungsprogramm systematisch vorbereitet werden. Einerseits galt es die zahlreichen in den Hochwasserschutzkonzepten ausgewiesenen Deichneubau-, Deichrückverlegungs- und Poldermaßnahmen zu berücksichtigen, andererseits mussten Kenntnisse über den bautechnischen Zustand bzw. inneren Schädigungsgrad der vorhandenen Deiche beschafft werden, um die auch kostenintensiven Deichbaumaßnahmen möglichst gezielt angehen zu können. Um den bautechnischen Zustand der bestehenden Deiche besser beurteilen zu können, sind für alle Deiche an der Elbe und den Gewässern I. Ordnung (ca. 650 km) Deichzustandsanalysen durchgeführt worden. Zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Bewertung der Deiche ist dazu im Vorfeld eine Musteraufgabenstellung [185] erarbeitet worden. Darin sind die Ziele und der genaue Umfang der Deichzustandsanalysen beschrieben worden: ¾ Ziele der Deichzustandsanalysen nach [185]: x Angaben zur Deichgeometrie (Kronenhöhe, Kronenbreite, Böschungsneigung) x Angaben zum Deichaufbau (Bodenkennwerte, Lagerungsdichte) x Angaben zur Lage des Deiches (Georeferenzierung) x Angaben zu Bauwerken, Leitungen und ähnlichem im oder am Deich oder im Deichuntergrund x Angaben zu Schwachstellen (Sickerstellen, Erosionsbereiche, Setzungen, …) x Angaben zum Zustand und zur Beschaffenheit der Deichoberfläche (Grasnarbe, Bewuchs, Wühltierbefall, …) x Angaben zum Zustand und zur Beschaffenheit der Deichschutzstreifen (Deichverteidigungswege, Zuwegung, Bebauung, Bewuchs, …) x Angaben zur Tragsicherheit des Deiches x Angaben zur Beschaffenheit des Deichuntergrundes
270
9 Hochwasservorbeugung
Um diese Ziele erreichen zu können, sind Grundlagenermittlungen, visuelle Begutachtungen, Vermessungen, geophysikalische Untersuchungen, geotechnische Untersuchungen und für alle Deichabschnitte Tragsicherheitsnachweise durchgeführt worden. Über speziell entwickelte Softwarelösungen sind die umfassenden Deichzustandsdaten auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft worden. Mit diesen Informationen können die Sächsischen Deiche beurteilt und bezüglich ihres Instandsetzungsbedarfes priorisiert werden. Um mit dem Beginn der Deichsanierungen nicht auf den Abschluss dieser recht aufwändigen Deichzustandsanalysen warten zu müssen, sind laufend die Zwischenergebnisse ausgewertet und schon Instandsetzungsmaßnahmen begonnen worden. Im Abschnitt 7.5.3 ist schon erwähnt worden, dass zu den Frühjahrshochwassern 2005 als auch 2006 ca. 61,5 km vorgeschädigte Deiche durch Auflastfilter gesichert werden mussten. Dieser Umstand veranlasste die oberste Wasserbehörde im Frühjahr 2006 einen Erlass zur Deichsicherung herauszugeben [95], der es abgestuft erlaubte, standsicherheitsgefährdete Deiche auch mit Veränderung der Geometrie ohne aufwändiges Genehmigungsverfahren nach dem Stand der Technik zu sanieren. Auf Grundlage der Erstauswertungen aus den Deichzustandsanalysen sind insgesamt 63 Deichabschnitte mit einer Gesamtlänge von ca. 77,1 km als sofort nach dem Deichsicherungserlass sanierungsbedürftig eingestuft worden. Nach zwei Jahren waren ca. 40 km fertig gestellt, 3,6 km in Bau und für die restlichen Kilometer waren die Planungsleistungen abgeschlossen. Im Frühjahr 2008 wurde nach Auswertung der Deichzustandsanalysen als weiterer Handlungsbedarf die zeitlich gestrafften Planungen für insgesamt 69 Deichabschnitte (rund 100 km) und der Bedarf an sofortigen temporären Sicherungsmaßnahmen für zwei Deichabschnitte herausgearbeitet. Schlussfolgerung 108: Deichinstandsetzungen benötigen ausreichenden Planungs- und Genehmigungsvorlauf. Bei Veränderungen der Geometrie und Inanspruchnahme von Flächen ist mit längerfristigen Genehmigungsverfahren zu rechnen. Provisorische Deichsicherungsmaßnahmen sind kurzfristig umsetzbar, bedürfen aber im Nachgang einer nachhaltigen Deichinstandsetzung mit den entsprechenden Zeiträumen. In den Hochwasserschutzkonzepten sind am Sächsischen Teil der Elbe ca. 16,2 km und an den Mulden ca. 13,2 km Deichneubauten im Hinterland von rückzubauenden Deichen vorgesehen. Des Weiteren sind in den HWSK zahlreiche Polderstandorte vorgesehen. Um die Wirkung von Deichrückverlegungen oder Poldern genauer einschätzen zu können, sind mehrere Untersuchungen angestellt worden. In einer Studie der Bundesanstalt für Gewässerkunde sind die Auswirkungen der in Tabelle 9-12 aufgeführten Rückhaltemaßnahmen an der Elbe für Sachsen und Sachsen-Anhalt auf ihre prinzipielle Wirkungsweise untersucht worden [26]. Nach der Betrachtung der in Bild 9-22 dargestellten prinzipiellen Wirkungsweisen von Deichrückverlegungen und Poldern sind die Maßnahmen mit unterschiedlichen, für die Elbe typischen Modellhochwasserwellen, beaufschlagt worden.
9.6 Gewässer
271
Tabelle 9-12 Untersuchte Polder und Deichrückverlegungen an der Elbe [26] Elbe-Km
Bundesland
100.5 - 108.5
Maßnahme/Standort
Fläche [ha]
Volumen [Mio. m3]
Polder Nünchritz
600
15
123 – 126
Polder Aussig
500
17
131 – 138
Deichrückverlegung zwischen Dröschkau und Ammelgosswitz
420
Deichrückverlegung zwischen Döbeltitz und Kranichau
380
142 – 146,5 142 – 145 145,5 – 148,5 147,5 - 148,5 149.5
Sachsen
Deichrückverlegung Köllitsch
60
Deichrückverlegung zwischen Pülswerda und Kamitz
60
Deichrückverlegung zwischen Weßnig und Schiffmühlenhaus
30
Deichrückverlegung nördlich Pülswerda
10
156 - 158
Deichrückverlegung zwischen Lünette Zwethau und Zwethau
120
160 – 165
Polder Dautzschen
900
168 - 171
Deichrückverlegung Polbitz
100
173 - 176,5 180,5 - 188,5 246,5 -249 253,5 - 256,7
Deichrückverlegung zwischen Grenzbach und Proschwitz Polder Axien Deichrückverlegung Vockerode (Gatzer Bergdeich)
90 1700
42
220 140
278,3 - 284
Deichrückverlegung Oberluch bei Rosslau SachsenAnhalt Deichrückverlegung Lödderitzer Forst
378 – 381,2
Deichrückverlegung Klietznick
220
412,6 - 416
Deichrückverlegung Sandau Süd
180
Deichrückverlegung Sandau Nord
100
417,2 - 420,2
32
580
Die Auswertungen haben zu folgenden verallgemeinerungsfähigen Ergebnissen geführt: ¾ Ergebnisse der Prinzipuntersuchungen zu Deichrückverlegungen oder Poldern nach [26]: x steuerbare Flutungspolder können bei optimaler Steuerung zu größeren Wasserspiegelabsenkungen führen als ungesteuerte Retentionsräume gleicher Größe x Hochwasserwellen mit geringer Fülle (kurze Scheitel) können durch Retentionsräume besser gedämpft werden (Wasserspiegelabsenkungen) als Hochwasserwellen mit großer Fülle (lange Scheitel)
272
9 Hochwasservorbeugung
x prinzipiell nimmt die Wirkung der Scheitelreduzierung (Wasserspiegelabsenkung) von Retentionsräumen in Fließrichtung ab (Nahwirkung > Fernwirkung) x am konkreten Untersuchungsgebiet der Elbe nimmt bei Hochwasserwellen mit großer Fülle (lange Scheitel) i. d. R. die Wirkung der Scheitelreduzierung (Wasserspiegelabsenkung) der Retentionsräumen in Fließrichtung zu (Nahwirkung < Fernwirkung)
Bild 9-22 Prinzipielle Wirkung von Deichrückverlegungen oder Poldern [26]
Durch die LTV sind für den Sächsischen Teil der Elbe und der Mulden Retentionsflächenund Retentionsraumbilanzrechnungen durchgeführt worden. Ziel dieser Berechnungen war es, einerseits den Zugewinn von natürlichen Rückhalteflächen und andererseits die Reduzierung von überschwemmten Flächen mit hohem Schadenspotenzial nachzuweisen. Auf Sächsischem Gebiet erhielt man für die Elbe einen Zugewinn von natürlichen Rückhalteflächen von 100 ha. Durch die inzwischen ertüchtigten Deiche und somit nicht mehr anzunehmenden Deichbrüche sowie Neubaumaßnahmen werden ca. 1.400 ha Siedlungs,- Wirtschafts- und Verkehrsflächen im Bereich der Sächsischen Elbe bis zum BHQ nicht mehr von Überschwemmungen betroffen sein. An den Mulden werden nach Vollendung der Hochwasserschutzmaßnahmen ca. 33.400 ha Retentionsfläche zur Verfügung stehen und ca. 55.900 ha mehr als im Jahre 2002 bis zum BHQ nicht mehr unter Wasser stehen.
9.6 Gewässer
273
Schlussfolgerung 109: Steuerbare Flutungspolder können bei optimaler Steuerung zu größeren Wasserspiegelabsenkungen führen als ungesteuerte Retentionsräume gleicher Größe, wobei bei Hochwasserwellen mit geringer Fülle (kurze Scheitel) größere Wasserspiegelabsenkungen erzielt werden können als bei Hochwasserwellen mit großer Fülle (lange Scheitel). Prinzipiell nimmt die Wirkung der Scheitelreduzierung (Wasserspiegelabsenkung) von Retentionsräumen in Fließrichtung ab (Nahwirkung > Fernwirkung). Im Folgenden werden mit knappen Erläuterungen ausgewählte Beispiele aus der Vielfalt der technischen Hochwasserschutzmöglichkeiten an den Gewässern gezeigt. Im Bereich des Hafen Torgau sind der Elbdeich einschließlich Deichverteidigungsweg neu gebaut worden. Da die Bebauung teilweise sehr nah an das Gewässer heranreichte und somit nicht genügend Platz für die neue Deichgeometrie vorhanden war, ist hier als technische Lösung eine Kombination aus Deich mit aufgesetzter Hochwasserschutzmauer gewählt worden (siehe Bild 9-23). In anderen Ortslagen musste an engen Stellen der Deich komplett durch Hochwasserschutzmauern ersetzt werden.
Bild 9-23 Elbe, Kombination Deich / Hochwasserschutzmauer im Bereich Hafen Torgau, (LTV)
Im Bereich des Bades der Stadt Zwickau waren die Platzverhältnisse so gegeben, dass man innerhalb der Ortslage noch einen Deich nach den Regeln der Technik errichten konnte. Allerdings musste der Deich sehr dicht am Gewässer platziert und dementsprechend befestigt werden (siehe Bild 9-24).
274
9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-24 Zwickauer Mulde, Deichbau in Zwickau, (LTV)
Im nächsten Beispiel am Schwarzwasser in Schwarzenberg wird ebenfalls deutlich, dass in urbanen Räumen sehr beengte Verhältnisse für die Gewässer bestehen. Im linken Teil des Bild 9-25 musste das Ufer durch eine Uferbefestigung fixiert werden. Im rechten Teil des Bildes waren die Platzverhältnisse noch ungünstiger, so dass hier als Ufersicherung eine Ufermauer gewählt werden musste.
Bild 9-25 Schwarzwasser, Ufersicherung durch Uferbefestigung (links) und Ufermauer (rechts) in Schwarzenberg, (LTV)
9.6 Gewässer
275
Wie die vorangegangenen Beispiele schon gezeigt haben, war in sehr vielen Fällen der Gewässerquerschnitt durch die Besiedlung stark eingeengt. Dort, wo die Möglichkeiten gegeben waren (ca. 35 Fälle in Sachsen), sind an besonders gefährlichen Stellen die betroffenen Grundstücke durch den Freistaat Sachsen erworben und damit dauerhaft dem Gewässer verfügbar gemacht worden. In der Ortslage Weesenstein z. B. sind neun Häuser an der Müglitz rückgebaut worden, um das Gewässer aufweiten zu können. Damit konnte die Müglitz um fünf bis sieben Meter innerhalb der Ortslage erweitert werden, wodurch der schadlose Abfluss verdoppelt werden konnte (siehe Bild 9-26 und Bild 9-27).
17,00 Haus Nr. 16 ehem. Gemeindehaus OK Wand 170,00
OK Wand 169,34
Oedland geplante Mauer
24.01.03 166,05
2,50
OK Sohle 166,20
50
Uferbef. zerstört
Strasse
HW=168,10
OK Sohle 165,60
PIR-2-PA3
vor 2002 nach 2006
Bild 9-26 Müglitz, Gewässeraufweitung in Weesenstein, Skizze (LTV)
Bild 9-27 Müglitz, Gewässeraufweitung in Weesenstein vor und nach Baubeginn (LTV)
276
9 Hochwasservorbeugung
Da im Erzgebirge über Jahrhunderte aktiver Bergbau betrieben worden ist, sind im Zuge des Bergbaus auch Gewässer umverlegt worden. So ist zum Beispiel der Schlemabach in Schneeberg von der Talsohle an den Hang verlegt gewesen. Zum Hochwasser 2002 ist der Hanggraben gebrochen (Bild 9-28). In diesem Fall ist der Schlemabach auf einer Länge von 1,4 km wieder in die Talsohle zurückverlegt worden (Bild 9-29).
Bild 9-28 Schlemabach, Bruch des Hangrabens und Schäden in Schneeberg (LTV)
Bild 9-29 Schlemabach, Rückverlegung in Talaue in Schneeberg (LTV)
In einigen Ortslagen war die Bebauung so dicht an das Gewässer herangerückt, dass die Gewässer abschnittsweise eingetunnelt worden sind. Das ist aus hydraulischer Sicht besonders
9.6 Gewässer
277
kritisch, da Abflüsse in einem geschlossenen Gerinne begrenzt sind, Versetzungen auftreten und durch Lufteinschlüsse Druckstöße entstehen können. Im vorliegenden Beispiel von Rechenberg-Bienenmühle war die Freiberger Mulde auf einer Länge von 60 m überbaut. Dieser sogenannte „Muldetunnel“ ist wieder geöffnet worden. Aufgrund der engen Platzverhältnisse konnte hier keine Böschung sondern nur Ufermauern errichtet werden (siehe Bild 9-30).
Bild 9-30 Freiberger Mulde, links vor u. rechts nach Öffnung des eingetunnelten Gewässers in Rechenberg-Bienenmühle (LTV)
Das nächste Beispiel liegt im Osten Sachsens, wo durch den Braunkohlebergbau ebenfalls die Abflussverhältnisse vieler Gewässer beeinflusst worden sind. Nordöstlich der Ortslage Groß Särchen befindet sich das Tagebaurestloch Knappensee, um den das Hoyerswerdaer Schwarzwasser herumverlegt worden ist. Im Starkniederschlagsfall führt das mit einem entsprechenden Gefälle versehene Hoyerswerdaer Schwarzwasser sehr schnell das Wasser bis an Groß Särchen heran, wo das Gelände dann sehr flach wird und die Wassermassen durch das umverlegte Gewässerbett nicht schnell genug abgeführt werden können. Aus Gründen der Standsicherheit der Böschungen kann der Knappensee im Hochwasserfall nicht zur Entlastung der Ortslage beaufschlagt werden. Die aus Entlastungsgründen schon errichtete Commerauer Flutmulde ist bei größeren Hochwassern nicht leistungsfähig genug, so dass die Ortslage immer noch stark betroffen ist. Aus diesen Gründen ist der in Bild 9-31 dargestellte Umfluter geplant und inzwischen auch gebaut worden.
278
Bild 9-31 Hoyerswerdaer Schwarzwasser, Lageplan Groß Särchen (LTV)
Bild 9-32 Hoyerswerdaer Schwarzwasser, Umfluter in Bau (LTV)
9 Hochwasservorbeugung
9.6 Gewässer
279
Querbauwerke waren besonders im Erzgebirge ein Initialstandort für Verklausungen, Sedimentationen und dadurch verursachte Überschwemmungen. Im Rahmen der Schadensbeseitigung nach dem Augusthochwasser von 2002 sind ca. 100 Querbauwerke rückgebaut oder durchgängig gestaltet worden. Damit sind sowohl die Belange des Hochwasserschutzes als auch der EG-WRRL nachhaltig verbessert worden. Dort, wo keine Nutzungen oder Eigentumsverhältnisse dem entgegenstanden, sind z. B. Wehre oder Brücken zurückgebaut worden. Im Bild 9-33 sieht man links das durch das Hochwasser beschädigte Wehr an der Schlossmühle Bärenstein und rechts dieselbe Stelle mit dem rückgebauten Wehr.
Bild 9-33 Müglitz, Wehr vor und nach Rückbau, Schlossmühle Bärenstein, (LTV)
Dort, wo es die Nutzungen zuließen und ein kompletter Rückbau aus verschiedensten Gründen dennoch nicht möglich war, sind Wehre rückgebaut und durch fischdurchgängige Gefällestufen ersetzt worden. Im Bild 9-34 sieht man auf der linken Seite das Köhlerwehr mit seinen Einbauten in den Fließquerschnitt und auf der rechten Seite den völlig freien Fließquerschnitt nach dem Umbau in eine Sohlrampe mit Raugerinnebeckenpass.
Bild 9-34 Schwarze Elster, Köhlerwehr vor und nach Umbau in Sohlrampe mit Raugerinnebeckenpass, (LTV)
280
9 Hochwasservorbeugung
Die eben gezeigten Beispiele machen deutlich, dass die aus Hochwassersicht vorhandenen Problemstellen an den Gewässern (Gewässereinengungen z. B. infolge Bebauung, Gewässerverlegungen z. B. infolge Bergbau, Querbauwerke) in der Regel vom Menschen selbst verursacht worden sind. Viele der nach dem Hochwasser erkannten und auch umgesetzten Maßnahmen stellen eine Korrektur vorher statt gefundener Fehlentwicklungen dar. Schlussfolgerung 110: In den Ortslagen sind die Fließgewässer durch urbane Nutzungen sehr oft eingeengt. Da die gewässernahen baulichen Nutzungen in der Regel nicht abgesiedelt werden können, müssen technische Hochwasserschutzlösungen (z. B. Hochwasserschutzmauern, massive Uferbefestigungen) angewendet werden. Schlussfolgerung 111: Viele aus Hochwasserschutzsicht gefahrenauslösende Stellen an den Gewässern sind vom Menschen selbst verursacht, wie z. B. Einengung des Gewässers durch Bebauung, Verlegung von Gewässern oder der Einbau von Querbauwerken. Deshalb muss bei allen Entscheidungsträgern, die im Raum tätig sind, ein entsprechendes Problembewusstsein erreicht werden, damit bei zukünftigen Investitionsentscheidungen nicht neue Problemstellen entstehen. Zum Schluss sollen bei den technischen Anwendungsbeispielen noch ein paar Ausführungen zu den mobilen Hochwasserschutzsystemen gemacht werden. Hier muss man die unten angegebene Unterscheidung treffen: ¾ Unterscheidung mobiler Hochwasserschutzsysteme: x planmäßige mobile Hochwasserschutzsysteme x operative mobile Hochwasserschutzsysteme Die planmäßigen mobilen Hochwasserschutzsysteme kommen dort zum Einsatz, wo stationäre Hochwasserschutzsysteme nicht angewendet werden können. Dies kann z. B. aus städteplanerischen Gründen, statischen Gründen oder fehlendem Platz notwendig werden. Die wichtigsten Anwendungen für planmäßige mobile Hochwasserschutzsysteme sind im Folgenden genannt: ¾ Hauptanwendungen für planmäßige mobile Hochwasserschutzsysteme: x Deichscharten / Zuwegungen x Ergänzung / Schließung von Hochwasserschutzlinien x Erhöhung von bestehenden Hochwasserschutzlinien x einzige Alternative zur Errichtung einer Hochwasserschutzlinie Linienhafte Hochwasserschutzbauten, wie z. B. Deiche oder Hochwasserschutzmauern werden u. a. von Verkehrswegen gekreuzt. Entweder man kann z. B. die Straße über das Hochwasserschutzbauwerk führen, oder man muss entsprechende Öffnungen (z. B. Deichscharten)
9.6 Gewässer
281
lassen, die mit Dammbalken, Stemmtoren, Schiebetoren oder anderen mobilen oder beweglichen Elementen geschlossen werden können. Das erste in Bild 9-35 dargestellte Ausführungsbeispiel zeigt eine Deichscharte mit Stemmtor und Dammbalkenverschluss. Bei hohen Schadenspotenzialen und größeren Verschlüssen wird aus Sicherheitsgründen meist ein zweiter Verschluss als Notverschluss, wie hier die Dammbalken, vorgesehen.
Bild 9-35 Polbitz, Deichscharte mit Stemmtor und Dammbalkenverschluss, (LTV)
Im zweiten Anwendungsbeispiel handelt es sich ebenfalls um den Verschluss von Deichscharten. Hier gibt es noch die Besonderheit, dass der Binnendeich neben dem Fahrweg von einer Bahnanlage gekreuzt wird. Hier werden die Deichscharten durch Dammbalken verschlossen. Im Bereich der Bahnschienen befindet sich eine spezielle zugelassene Dichtkonstruktion.
Bild 9-36 Welsau, Binnendeichscharte mit Dammbalkenverschluss für Bahnanlage und Weg, (LTV)
282
9 Hochwasservorbeugung
Das nächste Ausführungsbeispiel steht stellvertretend für viele Lückenschließungen von stationären Hochwasserschutzanlagen verbunden mit städtebaulichen Aspekten. Im Bereich der historischen Dresdner Altstadt besteht inzwischen eine Kombination aus stationären und planmäßigen mobilen Hochwasserschutzsystemen auf einer Länge von ca. 735 m, die sich in das Stadtbild integrieren müssen. Die Brühlsche Terrasse in Dresden dient selbst als Hochwasserschutzmauer. Die Straßen, die von der Elbe zur Frauenkirche führen, kreuzen die Brühlsche Terrasse und müssen im Hochwasserfall verschlossen werden. Dazu sind inzwischen alle Voraussetzungen für den schnellen Einbau von Dammbalken bis zu einer Höhe von 3,0 m geschaffen worden (siehe Bild 9-37).
Bild 9-37 Dresden, Dammbalkenverschluss in Münzgasse, (LTV)
Ebenfalls zum Schutz der historischen Dresdner Altstadt sind im Bereich des Sächsischen Landtages mobile Dammbalkensysteme oder eine Kombination aus Hochwasserschutzmauer mit mobilem Aufsatz zur Anwendung vorbereitet worden (siehe Bild 9-38).
Bild 9-38 Dresden, HWS-Mauer mit mobilem Aufsatz (links) und planmäßig mobiles Dammbalkensystem (rechts), (LTV)
9.6 Gewässer
283
Die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten und Konstruktionen für planmäßige mobile Hochwasserschutzsysteme ist sehr groß. Eine gute Übersicht über solche Systeme, deren Planung und Anwendung sowie Anwendungsgrenzen kann man im BWK-Merkblatt 6 [9] finden. Beachten sollte man unbedingt, dass planmäßige mobile Hochwasserschutzsysteme bauliche Voraussetzungen, wie z. B. Gründungen, Nute usw. benötigen. Außerdem müssen die mobilen Teile gelagert und einsatzbereit gehalten werden, was auch regelmäßige Probeaufbauten nach sich zieht. Der logistische Aufwand zum Einbau solcher mobilen Systeme im Hochwasserfall darf nicht unterschätzt werden. Planmäßige mobile Systeme sollten nur dort wo unbedingt notwendig zum Einsatz kommen, weil die Sicherheit von stationären Hochwasserschutzsystemen immer größer ist. Mobile Hochwasserschutzsysteme machen auch nur Sinn, wenn für den erforderlichen Aufbau ausreichend große Vorwarnzeiten durch den Hochwassernachrichtendienst sicher gestellt werden können. Schlussfolgerung 112: Planmäßige mobile Hochwasserschutzsysteme sollten nur zum Einsatz kommen, wenn eine stationäre Lösung überhaupt nicht möglich ist und ausreichend große Vorwarnzeiten zur Verfügung stehen. Operative mobile Hochwasserschutzsysteme sind für die Hochwasserabwehr gedacht und benötigen in der Regel keine baulichen Voraussetzungen an ihrem Einsatzort. Diese mobilen Systeme werden auch als Sandsackersatzsysteme bezeichnet. Auch hier ist eine Vielzahl von Systemen auf dem Markt verfügbar, wobei sich nicht alle Systeme im praktischen Einsatz bewährt haben. Das Grundanliegen dieser Sandsackersatzsysteme ist, dass man mit einem geringeren logistischen Aufwand als mit Sandsäcken und damit schneller eine Barriere gegen das Wasser errichten will. Neben Bocksystemen mit z. B. Europaletten beruht die Wirkungsweise vieler Systeme auf wassergefüllten Schläuchen oder anderen wassergefüllten Behältern, die erst einmal ohne Füllung aufgebaut und vor Ort mit Wasser oder gegebenenfalls mit anderen schnell verfügbaren Materialien gefüllt werden. Die Landestalperrenverwaltung des Freistaates Sachsen hält in den in den Abschnitten 6.2 und 6.3 erwähnten Hochwasserschutzlagern auch operative mobile Hochwasserschutzsysteme vor. In der Tabelle 9-13 ist die Entwicklung des Bestandes dieser Systeme dargestellt. Tabelle 9-13 operative mobile Systeme in Hochwasserschutzlagern des Freistaates Sachsen Mobiles Hochwasserschutzsystem
Lagerbestand 2001
Lagerbestand 2007
Aqua Barrier (Bocksystem mit Europaletten)
128 m
512 m
Quick-Dam (wassergefüllte Kunststoffbehälter)
156 m
-
-
520 m
Mobildeich (wassergefüllte Schläuche)
284
9 Hochwasservorbeugung
9.6.4 Weitergehende Vorsorge An dieser Stelle sollen einige wenige Beispiele zur weitergehenden Vorsorge direkt an den Gewässern vorgestellt werden. Viele Aspekte der weitergehenden Hochwasservorsorge sind bereits im Abschnitt 9.4 bei den Hochwasserschutzkonzepten erläutert worden. Einige dort noch nicht enthaltene Vorsorgemaßnahmen werden im Abschnitt 9.8 behandelt. Die Landestalsperrenverwaltung als Vertreter der Wasserwirtschaft in der Fläche hat versucht, auch viele Gesichtspunkte der Flächen- und Bauvorsorge zu initiieren. Einige Sachverhalte zur Flächennutzung sind schon unter 9.6.2 beim natürlichen Rückhalt beschrieben. Um die anderen Infrastrukturträger, wie z. B. die Deutsche Bahn oder die Straßenbaulastträger zu hochwassergerechtem Bauen zu überzeugen, sind einerseits in den Hochwasserschutzkonzepten viele Sachverhalte, wie z. B. aus hydraulischer Sicht zu gering dimensionierte Brücken, beschrieben und andererseits viele Informationsveranstaltungen und Besprechungen auch unter Beteiligung der Staatsregierung durchgeführt worden. Die Kooperationsbereitschaft und das Hochwasserbewusstsein der Bahn hielten sich in Grenzen, hier waren auf Arbeitsebene in der Bauausführung noch die meisten Erfolge erzielbar. So hat z. B. die Deutsche Bahn AG die völlig zerstörte Bahnstrecke im Müglitztal und auch im Weißeritztal zwischen Dresden und Tharandt nahezu 1:1 wieder aufgebaut, weil die Trassenführung nur dafür genehmigt war und eine hochwassergerechtere Trassenführung ein neues Genehmigungsverfahren nach sich gezogen hätte. Damit sind insbesondere die teilweise sehr ungünstig platzierten Brückenbauwerke oder Streckenabschnitte genau so wieder errichtet worden. Im Bild 15-34 ist beispielhaft eine nach dem Hochwasser von 2002 errichtete Bahnbrücke über die Weißeritz in Höhe der Autobahnbrücke der A 17 dargestellt. Durch den jetzigen Verlauf der Weißeritz (rote Linie) wird der Fluss bei höheren Wasserführungen zwischen Straße und Bahnlinie ausufern und hinter der Bahnbrücke die jetzt schon ersichtlichen Hangerosionen verstärken. Hier hätte ohne Veränderung der Bahntrassenführung die Bahnbrücke weiter flussabwärts platziert werden können, so dass die Weißeritz ohne scharfe Knicke (blaue Linie) ihrem natürlichen Fließweg hätte folgen können. Dieses Beispiel zeigt, dass bei vielen noch nicht direkt mit Hochwasserereignissen betroffenen Entscheidungsträgern das fachübergreifende Hochwasserbewusstsein fehlt. Dennoch hat die LTV ca. 75 Bahnbrücken einer hydraulischen Bewertung unterzogen, das von der Brücke ausgehende Schadenspotenzial benannt und das Ergebnis der Deutschen Bahn mitgeteilt. Erfolgreicher waren die Aktivitäten mit den Straßenbaulastträgern. So sind zum Beispiel Brückenschauen durchgeführt worden, an denen Fachexperten des Baulastträgers für das jeweilige Gewässer und die jeweilige Brücke teilgenommen haben. Begonnen wurde am 06.05.2003 mit einer Brückenschau an der Roten Weißeritz im Bereich der Gemeinden Dippoldiswalde und Schmiedeberg. Teilnehmer waren Vertreter des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft, des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit, des Regierungspräsidiums Dresden, des Landratsamtes, des Straßenbauamtes und der Landestalsperrenverwaltung sowie die Bürgermeister und die Bauamtsleiter der betroffenen Gemeinden. Aus der Niederschrift [184] kann man entnehmen, dass 21 Brücken durch die Anwesenden der Brückenschau mit folgendem Ergebnis beurteilt worden sind:
9.6 Gewässer
285
Tabelle 9-14 Rote Weißeritz, Brückenschauergebnis Schmiedeberg u. Dippoldiswalde [184] Handlungsempfehlung Brückenschau
Anzahl Brücken
kein Handlungsbedarf aus wasserwirtschaftlicher Sicht
2
kein Wiederaufbau zerstörter Brücken
5-6
ersatzloser Abriss beschädigter Brücken
1
Ersatzneubau von Brücken
12 - 13
Da der aus Hochwasserschutzsicht anstrebenswerte Ersatzneubau von so vielen teilweise noch relativ neuen Brücken sehr kostenintensiv ist, musste nach Auswertung der Brückenschauen festgelegt werden, wie konkret mit den einzelnen Brücken weiter verfahren wird. Dazu ist eine interministerielle Arbeitsgruppe aus Vertretern des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie dem Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft unter Beteiligung der Landestalsperrenverwaltung gegründet worden. Diese Arbeitsgruppe hat sich dann auf das angeführte Bewertungsprozedere für die weiteren noch durchzuführenden Brückenschauen verständigt: ¾ Bewertungskriterien während der Brückenschauen: x hydraulische Leistungsfähigkeit des Brückenquerschnittes x Schadenspotenzial durch Brücke (Ausmaß und Intensität) x verkehrliche Bedeutung x Denkmalschutz x Umbau- und /oder Instandsetzungskosten Die Ergebnisse all dieser Brückenbewertungen sind in einer landesweiten Liste zusammengefasst und einer anschließenden Bewertung und Priorisierung unterzogen worden. Als Ergebnis ist ein Hochwasserschutzinvestitionsprogramm zum hochwassergerechten Umbau von Brücken in Zuständigkeit des Freistaates entstanden. Von den weit über 1.000 aus Hochwassersicht betrachteten Brücken befinden sich nur ca. 1/10 in der Bau- und Unterhaltungslast des Freistaates Sachsen. Für diese Brücken ist die hydraulische Durchlassfähigkeit in Tabelle 9-15 und das Priorisierungsergebnis unter Beachtung der weiter oben angegebenen Kriterien in Bild 9-39 dargestellt. Tabelle 9-15 Bemessungshochwasserdurchflüsse von ausgewählten Brücken in Sachsen Anzahl der staatlichen Brücken
hydraulische Durchlassfähigkeit BHQBrücke
8
BHQBrücke < = HQ10
18
HQ10 < BHQBrücke < = HQ20
8
HQ20 < BHQBrücke < = HQ25
6
HQ25 < BHQBrücke < = HQ50
49
HQ50 < BHQBrücke
286
9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-39 Priorisierungsergebnis für hochwassergerechten Umbau staatlicher Brücken in Sachsen
Mit dieser Brückenbewertung und dem staatlichen Brückenbauprogramm war sichergestellt, dass einerseits besonders kritische Brücken hochwassergerecht umgebaut werden und andererseits bei in der Zukunft anstehenden Sanierungsmaßnahmen an Brücken die Hochwasserbelange mit berücksichtigt werden. In zahlreichen Fachveranstaltungen sind die Brückenbauer auf die Grundlagen des hochwassergerechten Baues von Brücken (siehe auch DIN 19661, Teil 1 [62]) hingewiesen worden. Neben solchen Gesichtspunkten, wie die Anordnung von möglichst wenigen Pfeilern, die strömungsgünstige Anordnung von Pfeilern, die kürzeste Querung des Gewässers (rechtwinklig und nicht schräg) und dem Errichten der Widerlager außerhalb des Fließquerschnittes, waren Hinweise zur Hydraulik wichtig. Oft wird die hydraulische Durchlassfähigkeit von Brücken nur im Brückenquerschnitt gerechnet, wo oft günstige hydraulische Verhältnisse (z. B. geringe Reibung wegen Sohl- und Uferbefestigung) vorliegen. Damit erhält man ein verfälschtes Ergebnis. Man muss einen hydraulischen Längsschnitt von mehreren hundert Metern oberhalb bis ausreichend unterhalb der Brücke berechnen, um die hydraulische Beeinflussung des Gewässers und die Durchlassfähigkeit der Brücke realistisch nachweisen zu können. Schlussfolgerung 113: Bahn- und Straßenbrücken sind aus Hochwasserschutzsicht oftmals ungünstig angeordnet oder engen z. B. mit den Widerlagern den Fließquerschnitt ein. Bei der Bestimmung der hydraulischen Durchlassfähigkeit von Brücken ist darauf zu achten, dass ein hydraulischer Längsschnitt hinreichend weit von oberhalb bis ausreichend unterhalb der Brücke berechnet wird.
9.7 Stauanlagen
287
Schlussfolgerung 114: Entscheidungsträgern von Siedlungs-, Verkehrs-, Wirtschafts- und anderen Infrastrukturanlagen fehlt oft das notwendige Hochwasserbewusstsein, so dass am oder über das Gewässer hochwasserverschärfende bauliche Anlagen errichtet werden.
9.7 Stauanlagen 9.7.1 Allgemeines Die Sächsischen Stauanlagen haben zum Augusthochwasser 2002 durch ihre Retentionswirkung eine Reduzierung und Verzögerung von Hochwasserdurchflüssen und -scheiteln bewirken können und damit noch größere Schäden verhindert. Um diese positive Wirkung zu verstärken, muss man einerseits die bestehenden Stauanlagen unter Beachtung von Nutzungskonflikten noch stärker für den Hochwasserschutz nutzen und andererseits prüfen, ob die Errichtung neuer Stauanlagen zur umweltverträglichen Verbesserung des Hochwasserschutzes beitragen kann. Beide Aspekte sollen im Folgenden betrachtet werden. Im Abschnitt 9.5 ist schon herausgearbeitet worden, dass die Errichtung neuer Hochwasserrückhaltebecken einen wesentlich größeren Planvorlauf als bei den meisten anderen wasserbaulichen Maßnahmen erfordert und dass bei solchen Großmaßnahmen auch mit erhöhten Genehmigungs- und anderen Widerständen gerechnet werden muss. In den Abschnitten 9.7.2 bis 9.7.4 soll deshalb die Vorgehensweise von der Standortrecherche bis zur Ausführung erläutert werden. In den Abschnitten 9.7.5 bis 9.7.7 werden ausgewählte Maßnahmen der Hochwasservorsorge an den Sächsischen Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken vorgestellt.
9.7.2 Standortrecherche für neue Hochwasserrückhaltebecken Im Abschnitt 6.4.2 ist gezeigt worden, dass durch die nach dem 1954er Hochwasser gebauten vier Hochwasserrückhaltebecken und die TS Gottleuba im Einzugsgebiet der Gottleuba noch höhere Schäden verhindert werden konnten. Damals hatte man schon erkannt, dass im Erzgebirge, wo nur sehr kurze Vorwarnzeiten existieren, durch Hochwasserrückhaltebecken sehr effektiv der Hochwasserschutz verbessert werden kann. Im benachbarten Müglitztal standen 2002 keine Hochwasserrückhaltebecken zur Verfügung und demzufolge sind dort auch erneut mit die größten Schäden aufgetreten. Aus den eben genannten Gründen hatte die LTV bereits im Dezember 2002, also vor der Erarbeitung der Hochwasserschutzkonzepte ein Ingenieurbüro mit der Recherche und Bewertung von potenziellen Beckenstandorten für Hochwasserrückhaltebecken im Freistaat Sachsen beauftragt [137].
288
9 Hochwasservorbeugung
Diese Recherche und die Erfassung von möglichen Beckenstandorten für den technischen Hochwasserschutz und deren Bewertung unter Berücksichtigung von Besiedlung, Infrastruktur und Umwelt ergab eine erste Übersicht von 207 potenziellen Beckenstandorten aus räumlicher Sicht (siehe Bild 9-40). Alle recherchierten Beckenstandorte erhielten ein Datenblatt entsprechend Tabelle 9-16 mit Kartenausschnitt. Tabelle 9-16 Beispiel Datenblatt zur Standortrecherche [137] Bezeichnung:
HRB Schmiedeberg I
Vorfluter:
Langer Grundbach / Rote Weißeritz
Hauptflussgebiet:
Elbe
TSM:
Gottleuba / Weißeritz
Landkreis:
Weißeritzkreis
Lage:
Langer Grundbach vor Einmündung in die Rote Weißeritz, oberhalb Schmiedeberg; Standort ist nur relevant, wenn HRB Schmiedeberg II nicht realisiert wird
Beckeninhalt:
2,50
hm³
Staufläche:
16,0
ha
Absperrbauwerk:
Damm (Mauer - Planung von 1963)
Kronenlänge:
232
m
Kronenhöhe (Vollstau +2,0m):
42,0
m
Vollstau:
525,0
m HN
Tiefste Geländekote:
485,0
m HN
Bewertung Besiedlung:
keine
Bundes- o. Staatsstraßen:
keine
Kreis- o. Gemeindestraßen:
keine
Eisenbahnlinien:
keine
Schutzgebiete:
keine
Genehmigungsfähigkeit:
unbedenklich
geschätzte Baukosten:
18.000.000 €
Die Standortrecherche erstreckte sich auf Altunterlagen aus den 1950er und 1960er Jahren sowie auf die Pläne der Raumordnung und Landesplanung aus den 1990er Jahren. Unter Anderem wurde eine Liste mit 170 Standorten an alle relevanten Behörden (LfUG, Umwelt-
9.7 Stauanlagen
289
fachbereiche, Regionale Planungsstellen, SIB) mit der Bitte um Prüfung und Vervollständigung gesandt, so dass letztendlich auch eine behördliche Standortzusammenstellungen nach dem Extremhochwasser vom August 2002 mit herangezogen worden ist.
Bild 9-40 Übersichtsplan Hochwasserrückhaltebeckenstandorte in Sachsen, (LTV)
Grundlage der Bewertung für die Standorte der HRB war die Vollstaufläche und der sich daraus ergebende Stauraum. Die Becken sind vom Planer generell erst einmal als Trockenbecken mit einem Absperrbauwerk als Damm betrachtet worden. Die Bewertungskriterien waren: ¾ Bewertungskriterien für potenzielle HRB-Standorte: x Besiedlung und Verkehrstrassen (Eisenbahn und Straße) x Betroffenheit von Schutzgebieten nach EU-Recht (SPA und FFH-Gebiete) x Betroffenheit von Schutzgebieten nach nationalem Recht (Nationalpark, Naturschutzgebiet); die hier ggf. auch zu berücksichtigenden Kategorien Biosphärenreservat und Naturpark wurden von keinem Standort berührt Die dichtere Besiedlung war ein Ausschlusskriterium, wobei für Einzelbauten ein gesonderter Hinweis im Datenblatt erfolgte und einem Kriterium mit hoher Wertigkeit entsprach.
290
9 Hochwasservorbeugung
Die festgestellten Betroffenheiten von Schutzgebieten nach Naturschutzrecht sind in vier Stufen bewertet worden: ¾ Bewertungsstufen für potenzielle HRB-Standorte bezüglich Naturschutzgebiete: x Standorte mit sehr hohem Konfliktpotenzial (Ausschlusskriterium = Tabuflächen) x Standorte mit hohem Konfliktpotenzial x Standorte mit mäßigem Konfliktpotenzial x Standorte ohne Konfliktpotenzial Je stärker eines der oben genannten Bewertungskriterien beansprucht worden war, desto unwahrscheinlicher ist die Genehmigungsfähigkeit eingeschätzt worden. Die Genehmigungsfähigkeit ist ausgeschlossen worden, wenn mindestens ein Ausschlusskriterium, wie z. B. Besiedlung oder Tabuflächen in Bezug auf Schutzgebiete, vorhanden war. Für die Genehmigungsfähigkeit der potenziellen Beckenstandorte ergab sich unter Berücksichtigung der Bewertung folgende Verteilung [137]: ¾ Genehmigungsfähigkeit der potenziellen HRB-Standorte in Sachsen: x 100 Standorte wurden aufgrund von Besiedlung oder Inanspruchnahme von Schutzgebieten mit sehr hohem Konfliktpotenzial als nicht genehmigungsfähig eingeschätzt x 99 Standorte wurden als genehmigungsfähig eingeschätzt, wobei der Planer die Genehmigungsfähigkeit als kritisch, bedenklich und unbedenklich einstufte x 8 Standorte entfielen aufgrund aktueller Gegebenheiten In den im Abschnitt 9.4 erläuterten Hochwasserschutzkonzepten sind die potenziellen Beckenstandorte einer hydrologischen und hydraulischen Bewertung hinsichtlich Standorterfordernis und Rückhaltevolumen sowie ihrer Wirkung auf das jeweilige Gewässer unterzogen worden. Dabei sind u. a. quantitative Aussagen zur Kappung von Abflussspitzen getroffen und die Auswirkungen auf die Wasserspiegellagen und Überflutungsflächen in den Ortslagen dargestellt worden. Als Ergebnis der Betrachtungen in den HWSK sind von den ursprünglich 99 als genehmigungsfähig eingeschätzten Standorten noch die in Bild 9-41 dargestellten 74 HRB-Standorte übrig geblieben. Ausführliche Standortvarianten und deren Genehmigungsfähigkeit sowie funktional-technische Zusammenhänge sind in den HWSK nicht näher untersucht worden. Die Bewertung der nachteiligen Wirkungen von Hochwasserrückhaltebecken sowie Nutzen-Kosten-Untersuchungen waren nicht Aufgabenbestandteil bei der HWSK - Bearbeitung. Damit waren die Hochwasserschutzkonzepte nicht geeignet, genehmigungssichere Standortentscheidungen für neue Hochwasserrückhaltebecken herbeizuführen [205]. Deshalb sind weiterführende Untersuchungen im Rahmen von Machbarkeitsstudien beauftragt worden, die die Aussagen und Ergebnisse der HWSK weiter präzisieren, vertiefen und ergänzen.
9.7 Stauanlagen
291
Bild 9-41 Übersichtsplan Hochwasserrückhaltebeckenstandorte in Sachsen laut HWSK, (LTV)
9.7.3 Machbarkeitsstudien für neue Hochwasserrückhaltebecken Die Zielstellung der Untersuchungen war es, aus der Vielzahl der in den HWSK beschriebenen möglichen Beckenstandorte und Standortkombinationen die zweckmäßigsten Standorte unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, technischer, sozialer und ökologischer Kriterien auszuwählen und die Rang- und Reihenfolge ihrer Realisierung festzulegen. Weiterhin sollte eine belastbare Konzeption für die nachfolgenden Phasen der Projektbearbeitung entwickelt werden. Dies diente der Vorbereitung der nächsten Planungsstufen für ausgewählte Vorzugsstandorte. Die Untersuchungsgebiete der Studien erstreckten sich jeweils auf das Einzugsgebiet eines Gewässers I. Ordnung. Im Osterzgebirges waren das zum Beispiel die Rote Weißeritz, die Gottleuba und die Müglitz. Damit fügen sich die Studien in die Systematik der flussgebietsbezogenen Betrachtungsweise der HWSK ein. Eine erste Auswahl möglicher Beckenstandorte erfolgte nach hydrologisch-topographischen Gesichtspunkten. Dabei sind große Teile der Einzugsgebiete und insbesondere die Teileinzugsgebiete mit hohen Abflussbildungsraten (siehe auch 9.8.3) bewertet worden. Die Ab-
292
9 Hochwasservorbeugung
sperrbauwerke sind in der Regel an Talengen mit stromauf gelegener Talerweiterung platziert worden. Bei anschließenden Vor-Ort-Begehungen dieser Standorte sind die möglichen Lagepunkte der Absperrbauwerke und deren Achsverlauf erfasst worden. An den Begehungen nahmen Hydrologen, Baugrundsachverständige, Fachberater für naturschutzfachliche Belange und Wasserbauingenieure teil, so dass hier unter Beachtung vorhandener Nutzungsansprüche, bau- und gründungstechnischer, naturschutzfachlicher sowie weiterer Randbedingungen eine Vorauswahl für geeignete Standorte vorgenommen werden konnte. Diese Standorte wurden anschließend in einem zweistufigen Verfahren nach folgenden Kriterien bewertet: ¾ 1. Bewertungsstufe: x wasserwirtschaftliche Wirksamkeit, Konfliktpotenzial / Genehmigungsfähigkeit, Baugrundeignung ¾ 2. Bewertungsstufe: x wirtschaftliche Effizienz Um die wasserwirtschaftliche Wirksamkeit eines Beckens an einem bestimmten Standort einschätzen zu können, sind hydrologische Berechnungen zur Retentionswirkung der jeweiligen Becken und der daraus resultierenden hydraulischen Effekte auf die Durchflussganglinien der Gewässer I. Ordnung durchgeführt worden. Diese Berechnungen erfolgten zunächst für ein HQ200 mit wasserstandsabhängigen ungesteuerten Beckenabflüssen. Dabei sollte geprüft werden, ob im Worst Case eine Steuerung der Beckenabflüsse überhaupt erforderlich ist und ob die durch die vorhandene Talmorphologie begrenzten Speichervolumina ausreichend sind. Die Ergebnisse zeigten, dass eine Steuerung der Beckenabflüsse zur Vermeidung von Schäden unbedingt erforderlich ist, so dass in der weiteren Bearbeitung stets von gesteuerten Beckenabflüssen ausgegangen worden ist. Mit einer Drosselung der Beckenabgaben auf 1 bis 2 m³/s erfolgte die Berechnung der Retentionswirkung auf die Durchflussganglinien der Gewässer I. Ordnung, jeweils für die Lastfälle HQ2, HQ5, HQ10, HQ20, HQ25, HQ50, HQ100 und HQ200. Parallel zur Ermittlung der Retentionswirkung wurden das Konfliktpotenzial und die Genehmigungsfähigkeit der Standorte bewertet und folgenden Aspekte näher untersucht: ¾ Eingriffe in Natur- und Landschaft: x Einstufung des vom HRB in Anspruch genommenen Gebietes hinsichtlich der Schutzwürdigkeit x Darstellung und Bewertung der Eingriffe in die Natur und das Landschaftsbild durch den Bau des HRB, den Bau von Transporttrassen zur Baustellenerschließung und durch Folgemaßnahmen, wie die Verlegung der vorhandenen Infrastrukturanlagen x Erhaltung der ökologischen Durchgängigkeit des Gewässers
9.7 Stauanlagen
293
¾ Betroffenheit vorhandener Infrastruktur: x Notwendigkeit der Verlegung von Straßen und Eisenbahntrassen x Entsiedlung der Stauräume x Betroffenheit sonstiger Infrastrukturanlagen (Kläranlagen, überregional bedeutsame Versorgungsleitungen usw.) ¾ Eignung des Baugrundes: x Beschaffenheit des Festgesteinsuntergrundes x Art und Mächtigkeit der Lockergesteinsbedeckung x Altbergbau Die Bewertung erfolgte dabei insbesondere hinsichtlich möglicher Ausschlusskriterien für die Realisierung einzelner Standorte. Generell wurde erst einmal nicht davon ausgegangen, dass ein Standort im Naturschutz- oder FFH-Gebiet von vorn herein ein Ausschlusskriterium darstellt, da die Prioritätensetzung zwischen Hochwasserschutz einerseits und den berechtigten Interessen des Naturschutzes anderseits aufgrund der Schwere und Häufigkeit der in der Region auftretenden Hochwasser im Einzelfall durch die Wasserbehörde entschieden werden muss. Im Ergebnis dieser ersten Bearbeitungsstufe sind die Vorzugsstandorte für Hochwasserrückhaltebecken ausgewählt und durch Kombination dieser Standorte mehrere Projektvarianten gebildet worden. Die Becken sind so kombiniert worden, dass das für die jeweilige Ortslage definierte Schutzziel (z. B. HQ100) erreicht wird und das Konfliktpotenzial möglichst gering ist. Die Projektvarianten sind in der zweiten Bearbeitungsstufe hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Effizienz mittels Nutzen-Kosten-Analyse untersucht und bewertet worden. Dabei sind die auf einen bestimmten Zeitpunkt (Bezugszeitpunkt) diskontierten bzw. akkumulierten, monetär bewerteten volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen einander gegenübergestellt worden. Im Fall der HRB sind die Kosten für die Errichtung und den Betrieb den durch die Retentionsmaßnahme verhinderten unmittelbaren Schäden als Nutzen gegenübergestellt worden. Um belastbare Ergebnisse zu erhalten, ist eine genaue Analyse der Kostenstruktur, der Nutzenstruktur und der Beziehungszusammenhänge zwischen diesen beiden Komponenten durchzuführen. Die Kostenstruktur wird von den Investitionskosten und den laufenden Kosten für Betrieb und Unterhaltung bestimmt. Das sind im Einzelnen: ¾ Kostenstruktur HRB: x Baukosten x Ausgleichs- und Ersatzkosten x Grunderwerbskosten x Planungskosten x Instandhaltungskosten x Betriebskosten
294
9 Hochwasservorbeugung
Die Nutzenstruktur wird von der Schadenserwartung für verschiedene Hochwasserereignisse HQT im Ist-Zustand (so genannte Nullvariante ohne Hochwasserrückhaltebecken) und für die Planvarianten bestimmt. Die Differenz aus den zu erwartenden Schadensummen für den Istbzw. Planungszustand ist der Nutzen. Für die Berechnung der Schadenssummen sind umfangreiche Datenrecherchen durchzuführen gewesen. Diese Daten mussten geprüft, systematisiert und anschließend rechentechnisch weiterverarbeitet werden. Die Ergebnisse der Schadensberechnung sind durch Überlagerung verschiedener Informationen, wie z. B. Flächennutzungen, Überstauhöhen, Fließgeschwindigkeiten usw. gewonnen worden. Die Verwendung geeigneter Schadensfunktionen ist Voraussetzung für die korrekte Ermittlung der Schadenshöhe. Fehlerhafte Ansätze in den Formeln wirken sich in besonderem Maße auf das Gesamtergebnis der Nutzen-Kosten-Analyse aus. Vor diesem Hintergrund ist besonderer Wert auf die Plausibilitätsprüfung der Berechnungsergebnisse gelegt worden. Weitere Ausführungen dazu sind in [201] vorhanden. Im Ergebnis der zweiten Bearbeitungsstufe sind die Vorzugsvariante je Flussgebiet ausgewählt und die einzelnen Beckenstandorte flussgebietsübergreifend priorisiert worden. Für das Osterzgebirge sind die technischen Daten der Hochwasserrückhaltebecken und die Ergebnisse des zweistufigen Bewertungsverfahrens beispielhaft in Anlage 2 zusammengestellt. Im Rahmen der Machbarkeitsstudien sind bereits Termin- und Ablaufpläne für die zeitliche und inhaltliche Koordinierung der verschiedenen Fachplanungen sowie der Genehmigungsbzw. Prüfverfahren erarbeitet worden. Schlussfolgerung 115: Die Falluntersuchungen zu Hochwasserrückhaltebecken haben gezeigt, dass gesteuerte Becken wesentlich besser zur Vermeidung von Hochwasserschäden im Unterlauf geeignet sind als ungesteuerte Hochwasserrückhaltebecken.
9.7.4 Ausführungsbeispiele Analog zu den Ausführungen im Abschnitt 9.5.4 ist das Unterprogramm Hochwasserrückhaltebecken zeitlich unterteilt worden. ¾ zeitliche Staffelung Beckenbauprogramm: x 2002 – 2008 Planung von 16 HRB, ein HRB im Bau x 2009 – 2013 Planung von 13 HRB, 16 HRB Baubeginn x 2013 – 2020 Planung von 10 HRB, 13 HRB Baubeginn x 2020 – 2030 Planung und Baubeginn weiterer HRB Aufgrund der unter 9.5.5 beschriebenen Umsetzungsprobleme wird es auch hier zu zeitlichen Verschiebungen kommen. Als erstes neues Hochwasserrückhaltebecken wird das HRB Rennersdorf als gesteuertes Becken im Hauptschluss des Petersbaches umgesetzt sein, welches sich schon seit 2006 in
9.7 Stauanlagen
295
Bau befindet. Das Absperrbauwerk des HRB Rennersorf wird ein ca. 16,6 m hoher Steinschüttdamm mit einer Kronenlänge von ca. 300 m. Eine Asphaltbetonkerndichtung dient als Dichtungselement und die Hochwasserentlastung mit einer Leistungsfähigkeit von 310 m³/s wird als Hangentlastung ausgebildet. Das Bauwerk wird mit einem Ökodurchlass (3,0 m x 3,9 m) ausgestattet, um die Durchgängigkeit des Gewässers sicher zu stellen. Das HRB besitzt einen gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraum von IGHR = 3,6 Mio. m³ und einen außergewöhnlichen Hochwasserrückhalteraum von IAHR2 = 1,03 Mio. m³. Dadurch kann der Hochwasserschutz für die unterhalb gelegenen Ortschaften an der Pließnitz sowie auf deutscher und polnischer Seite der Lausitzer Neiße bis einschließlich Görlitz verbessert werden. Im Bild 9-42 ist ein Ausschnitt aus dem Übersichtsplan zur Lage des Absperrbauwerkes und im Bild 9-43 ist der Dammquerschnitt dargestellt. Im Bild 9-44 und dem Bild 9-45 werden die Betonbauwerke des Grundablasses und des Ökostollens gezeigt. Die Schüttung des Dammes soll in den Jahren 2009 und 2010 erfolgen, so dass spätestens 2011 mit einer Fertigstellung des HRB Rennersdorf gerechnet werden kann.
Bild 9-42 HRB Rennersdorf, Auszug aus Übersichtsplan [220]
296
9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-43 HRB Rennersdorf, Dammquerschnitt [221]
Bild 9-44 HRB Rennersdorf, Grundablass und Ökostollen mit Ein- und Auslauf, (LTV)
9.7 Stauanlagen
297
Bild 9-45 HRB Rennersdorf, Einlaufbauwerke Grundablass und Ökostollen, (LTV)
Als zweites Neubaubeispiel soll das HRB Niederpöbel erwähnt werden, welches ebenfalls als gesteuertes Trockenbecken errichtet wird. Auch hier handelt es sich um einen Steinschüttdamm mit Asphaltbetonkerndichtung (siehe Bild 9-46). Das Absperrbauwerk wird ca. 26 m hoch und eine Kronenlänge von 185 m haben. Als HWE dient eine Hangentlastung. Zur Gewährleistung der Gewässerdurchgängigkeit wird ein 95 m langer Ökostollen mit einem Querschnitt von 5m x 3m durch das Absperrbauwerk geführt (siehe Bild 9-47). Da die Verlegung der Straße aus der Talsohle zu aufwändig wäre und sehr viele naturschutzfachlich wertvolle Flächen zerstören würde, wird die Straße über einen Tunnel mit einem Querschnitt von 9,0m x 4,8m durch das Absperrbauwerk geführt (siehe Bild 15-36). Im Hochwasserfall wird die Straße gesperrt und der Tunnel verschlossen. Der Baubeginn für das HRB Niederpöbel ist nach mehreren genehmigungsbedingten Verschiebungen im Jahre 2010 geplant.
Bild 9-46 HRB Niederpöbel, Dammquerschnitt [111]
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9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-47 HRB Niederpöbel, Ökostollen [111]
Schlussfolgerung 116: Beim Bau von neuen Hochwasserrückhaltebecken muss die ökologische Durchgängigkeit z. B. durch Ökostollen sichergestellt werden. Schlussfolgerung 117: Vorhandene Talstraßen können bei grünen Hochwasserrückhaltebecken mittels verschließbaren Straßentunneln auch durch das Absperrbauwerk geführt werden. Dadurch lassen sich unter Umständen Baukosten und unnötige Eingriffe in die Natur sparen.
9.7.5 Wassermengenbewirtschaftung Nach dem Augusthochwasser 2002 sind in Auswertung der unter 8.5 und 9.4 genannten Analysen zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Bewirtschaftung und der Hochwassersicherheit der Stauanlagen durchgeführt worden. Unmittelbar nach dem Ereignis ist der gewöhnliche Hochwasserrückhalteraum der LTV Stauanlagen von 122,5 Millionen Kubikmeter auf 148,0 Millionen Kubikmeter vergrößert worden. Da zur ausreichenden Wasserversorgung in Sachsen viele Talsperren einer multifunktionalen Nutzung unterliegen, musste bei der Vergrößerung der gewöhnlichen Hochwasserrückhalteräume viel Wert auf die Wassergüte- und Wassermengenbewirtschaftung der verkleinerten Betriebsräume gelegt werden. So zog bei einem Großteil der Trinkwassertalsperren die Veränderung der Stauraumaufteilung zu Gunsten des Hochwasserschutzes Investitionen in die nachfolgende Trinkwasseraufbereitung nach sich.
9.7 Stauanlagen
299
In der Zeit nach dem Hochwasser sind für alle Stauanlagen der LTV neue Hochwassergutachten erstellt worden. In diesen Gutachten kam ein durch die LTV speziell für die Ganglinien der Bemessungshochwasser BHQ1 und BHQ2 entwickeltes Bemessungskonzept zur Anwendung. Das Konzept geht von einer Niederschlag-Abfluss-Modellierung aus, schließt aber weitere, vergleichende Verfahren zur Abschätzung großer und seltener Hochwasser mit ein. Die in den neu erstellten Gutachten für maximal mögliche Niederschläge vorliegenden Werte übersteigen die bisher bekannten MGN-Werte des Deutschen Wetterdienstes aus dem Jahr 1997 insbesondere im Kammbereich des Erzgebirges. Auf Basis der neuen Hochwassergutachten für die LTV-Stauanlagen sind entweder die gewöhnlichen Hochwasserrückhalteräume verändert oder durch bauliche Veränderungen an den bestehenden Anlagen die Hochwasserschutzwirkungen der Anlagen oder die Hochwassersicherheit der Stauanlagen selbst verbessert worden. Im Bild 9-48 ist die Entwicklung der Hochwasserrückhalteräume an den Stauanlagen der LTV dargestellt.
Hochwasserrückhalteräume IGHR der LTV-Stauanlagen 180,0 160,0
148,0
Millionen Kubikmeter
140,0 120,0
153,0
161,5
167,0
122,5
100,0 80,0 60,0 40,0 20,0 0,0 2002
vor HW
2002
nach HW
2006
2007
Jahr
2007
bei Bedarf
Bild 9-48 Entwicklung der Hochwasserrückhalteräume IGHR der LTV-Stauanlagen
Die Möglichkeiten zu baulichen Veränderungen an bestehenden Stauanlagen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes oder der Hochwassersicherheit der Anlagen selbst waren sehr stark vom Bauzustand der Anlage und von den örtlichen Gegebenheiten abhängig. Hier sollen beispielhaft einige mögliche Maßnahmen aufgezählt werden:
300
9 Hochwasservorbeugung
¾ bauliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Hochwasserschutzwirkung und der Hochwassersicherheit von bestehenden Stauanlagen: x Erhöhung des Absperrbauwerkes
Æ Vergrößerung Hochwasserschutzraum
x Erhöhung der Grundablasskapazitäten
Æ bessere Vor- und Entlastungsmöglichkeiten
x Erhöhung der Betriebsauslasskapazitäten
Æ bessere Vor- und Entlastungsmöglichkeiten
x Erhöhung der HWE-Leistungsfähigkeit
Æ Erhöhung Hochwassersicherheit der Stauanlage
Im Abschnitt 9.7.7 sind einige ausgeführte Beispiele zu diesen baulichen Veränderungen aufgeführt. Unter Berücksichtigung der hier erläuterten Hochwassergutachten und baulichen Veränderungen an den Stauanlagen sind oder werden für die LTV-Anlagen neue Speicherbewirtschaftungs- oder wasserwirtschaftliche Betriebspläne aufgestellt und der oberen Wasserbehörde zur Genehmigung eingereicht. Insbesondere die Hochwassersteuerpläne sind den neuen hydrologischen Bedingungen und Erkenntnissen aus dem Hochwasser von 2002 angepasst worden.
9.7.6 Wassergütebewirtschaftung Um die Wassergütebewirtschaftung der Sächsischen insbesondere Trinkwassertalsperren in Hochwassersituationen verbessern zu können, hat die LTV das Hochwasserereignis von 2002 einer wassergütemäßigen Auswertung unterzogen und mehrere Möglichkeiten zur Bewirtschaftungsoptimierung überprüft: ¾ Möglichkeiten zur Wassergütebewirtschaftungsoptimierung: x Beurteilung und Konsequenzen der Stauraumveränderungen zugunsten der Hochwasserrückhalteräume x intensive Betreuung der Einzugsgebietsbewirtschaftung x Überprüfung höhenvariabler Entnahmevorrichtungen zur Vorentlastung oder Hochwasserabgabe x Überprüfung höhenvariable Entnahmevorrichtungen zur Rohwasserentnahme x Errichtung neuer Vorsperren x Umleitungsbauwerke
9.7 Stauanlagen
301
Nachfolgend sollen die aufgezählten Punkte im Einzelnen erläutert und mit Beispielen untersetzt werden. Die unter 9.7.5 beschriebene Veränderung der Stauraumaufteilung zugunsten der Hochwasserrückhalteräume musste bei den multifunktional genutzten Sächsischen Talsperren aus wassergütewirtschaftlicher Sicht bewertet werden. Dabei sind prognostische Einschätzungen für die Auswirkungen auf die Wasserbeschaffenheit infolge der Verringerung der Betriebsräume vorgenommen worden. Die Schwierigkeit solcher Einschätzungen liegt in der Vielfalt und Komplexität der zu berücksichtigenden physikalischen, biologischen und chemischen Prozesse innerhalb des gestauten Wasserkörpers begründet. Die Ergebnisse der Prognose [248] wiesen in Abhängigkeit vom Schwerpunkt der Wasserbeschaffenheit (Trophie, Sauerstoffgehalt, organische Stoffe, Mikrobiologie) und der Belastungssituation der jeweiligen Stauanlage geringe bis erhebliche Verschlechterungen der Wassergüte aus. Um diese Beeinträchtigungen der Rohwasserbeschaffenheit ausgleichen zu können, sind durch die LTV Investitionen in Höhe von ca. 15 Mio. Euro in die Aufbereitungstechnologie der Wasserwerke getätigt worden. Die Veränderung der Stauräume war demzufolge immer dort, wo die Güteprognosen dies erforderlich machten, an eine Verbesserung der Aufbereitung in den Wasserwerken geknüpft, so dass letztendlich die Hochwasserschutzräume zu Lasten der Rohwassergüte vergrößert werden konnten, ohne das damit für den Trinkwasserverbraucher eine Beeinträchtigung verbunden war. Durch die Schutz- und Ausgleichsverordnung für Land- und Forstwirtschaft (SächsSchAVO) existiert seit einigen Jahren eine zunehmende Zusammenarbeit zwischen der LTV als Talsperrenbetreiber und den in den Trinkwasserschutzgebieten tätigen Land- und Forstwirtschaftsbetrieben. Diese Zusammenarbeit hat sich bewährt und soll noch weiter intensiviert werden. So liegt im Durchschnitt der Umfang des Grünlandes und der bodenschonend bearbeiteten und ganzjährig durch entsprechende Fruchtfolgen mit Zwischenfruchtanbau begrünten Flächen bei 80 % der landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebietsflächen [248]. Diese Flächen sind wesentlich geringer erosionsanfällig und tragen damit zur Reduzierung der Stoffeinträge bei. Ein weiterer Punkt zur Verbesserung der Wassergütebewirtschaftung war die Überprüfung der Stauanlagen bezüglich der Schaffung höhenvariabler Entnahmevorrichtungen zur Vorentlastung oder Wasserabgabe in Hochwassersituationen. Damit kann unter Ausnutzung der Schichtung die abgabebedingte Vermischung der Schmutz- und Trübstofffrachten mit dem unbelasteten Rohwasser vermindert werden. Die Optimierung der Höhenvariabilität der Rohwasserentnahmen gewährleistet nicht nur für Extremsituationen die Möglichkeit, das jeweils beste verfügbare Rohwasser an das Wasserwerk abgeben zu können. In Bild 9-49 ist eine bereits vor dem Hochwasser installierte höhenvariable Rohwasserentnahme dargestellt. Fast alle Sächsischen Trinkwassertalsperren sind bereits mit Vorsperren zum Sediment- und Schwebstoffrückhalt und damit zur Wassergüteverbesserung ausgestattet. In Auswertung des Hochwassers wurde auch dieser Sachverhalt überprüft. Durch Beräumungen, Vergrößerungen und Neubauten wurde bzw. wird das Vorsperrenvolumen und damit deren Beitrag zum Trübstoff- und Schmutzfrachtrückhalt verbessert.
302
9 Hochwasservorbeugung
Bild 9-49 TS Carlsfeld, Provaranlage, (LTV)
Das unter 6.4.3 beschriebene Beispiel der TS Klingenberg zeigte deutlich, wie brisant die Trinkwasserversorgung von über einer halben Million Menschen war. Um hier eine wesentlich höhere Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, hat die LTV den unter 9.7.7 erwähnten Hochwasserentlastungsstollen der TS Klingenberg mit mehreren Funktionen versehen. Durch den Stollen selbst können während eines Hochwasserereignisses bis zu 30 m³/s trüb- und schmutzstoffbelastetes Wasser in der Vorsperre gefasst und am Stauraum der Hauptsperre vorbei an den Unterlauf abgegeben werden. Zusätzlich ist in den Stollen eine Rohwasserleitung für 200 l/s eingebaut worden, die aus Nachbareinzugsgebieten hochwertiges Rohwasser an die Wasserwerke unterhalb der TS Klingenberg abgeben kann.
9.7.7 Baumaßnahmen An dieser Stelle sollen einige ausgeführte Beispiele für die im Abschnitt 9.7.5 genannten baulichen Möglichkeiten zur Verbesserung der Hochwasserschutzwirkung und der Hochwassersicherheit von bestehenden Stauanlagen vorgestellt werden. In den ersten beiden Beispielen handelt es sich um die Erhöhung der Absperrbauwerke, um den Hochwasserrückhalteraum zu vergrößern.
9.7 Stauanlagen
303
Das zum Augusthochwasser 2002 gerade in Bau befindliche HRB Lauenstein wurde umgeplant und ca. 8 Meter höher gebaut als ursprünglich planfestgestellt. Damit konnte eine Verdopplung des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraumes von ca. 2,5 Mio. m³ auf knapp über 5 Mio. m³ erreicht werden. Das realisierte Absperrbauwerk des HRB Lauenstein ist ein 40,2 m hoher Steinschüttdamm mit Asphaltbetonkerndichtung, die Kronenlänge beträgt ca. 260 m (siehe Bild 9-50). Als Hochwasserentlastungsanlage ist ein Schachtüberfall mit anschließendem Entlastungsstollen und Tosbecken gebaut worden. Die Leistungsfähigkeit der HWE beträgt maximal 200 m³/s. Das 2006 fertig gestellt Bauwerk ist in Bild 9-51 zu sehen. Noch während des Probestauprogramms ist das HRB aufgrund eines Hochwasserereignisses zwangseingestaut worden, wo es gut funktionierte und seine Hochwasserschutzwirkung entfaltet hat.
Bild 9-50 HRB Lauenstein, Dammquerschnitt [127]
Bild 9-51 HRB Lauenstein, links Wasserseite, rechts Luftseite, (LTV)
Beim zweiten Beispiel der Bauwerkserhöhung handelt es sich um das HRB Glashütte, dessen Bruch zum Hochwasser 2002 im Abschnitt 7.6 beschrieben ist. Im Zuge der Schadensbeseitigung ist das HRB 2005 bis 2006 mit leistungsfähigerer HWE schon mit der Option einer späteren Erhöhung wieder aufgebaut worden. Der gewöhnliche Hochwasserschutzraum des
304
9 Hochwasservorbeugung
derzeitigen HRB beträgt ca. 50.000 m³. Der ca. 8 m hohe Damm besteht aus sandig, kiesigem Material und besitzt eine geneigte Innendichtung. Das kurz vor der Ausführung stehende große HRB hat dann einen gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraum von 1,05 Mio. m³. Der Damm wird auch nach der Erhöhung um ca. 20 m aus gröberen kiesigen und sandigem Material bestehen und ebenfalls eine geneigte Dichtung besitzen. Entsprechend dem Bild 9-52 soll das bestehende kleine Absperrbauwerk in das neu zu errichtende große Absperrbauwerk mit integriert werden.
Bild 9-52 HRB Glashütte, erste und zweite Ausbaustufe [274]
Bei den nächsten beiden Beispielen handelt es sich um bauliche Veränderungen, um die Abgabeleistung an bestehenden Stauanlagen zu vergrößern. An der TS Klingenberg war die Hochwasserentlastungsanlage während des Augusthochwassers 2002 mit über 174 % beaufschlagt (siehe auch Tabelle 5-5). Um die Entlastungsmöglichkeiten zu erhöhen, ist das gesamte Konzept der Entnahmemöglichkeiten, so wie in Bild 9-53 dargestellt, verändert worden. In diesem Zusammenhang sind die Hochwasserentlastung, die Grund- und Betriebsauslässe verändert und ein 3,3 km langer Hochwasserentlastungsstollen (siehe Bild 9-54) gebaut worden. Damit waren die in Tabelle 9-17 angegebenen Steigerungen der Abgabemengen möglich.
9.7 Stauanlagen
Bild 9-53 TS Klingenberg, Lageplan mit Ist- (grau) und Sollzustand (schwarz), [257]
Bild 9-54 TS Klingenberg, Lageplan und Querschnitt HWE-Stollen, (LTV)
305
306
9 Hochwasservorbeugung
Tabelle 9-17 Entlastungsmöglichkeiten an TS Klingenberg vor und nach Umbau Entlastungsmöglichkeit
QA vor 2002
QA nach Umbau
Hochwasserentlastung
86,0 m³/s
165,0 m³/s
Grundablass
12,0 m³/s
30,0 m³/s
Betriebsauslass
5,2 m³/s
nicht für Entlastung
nicht vorhanden
30,0 m³/s
103,2 m³/s
225,0 m³/s
Hochwasserentlastungsstollen Maximale Gesamtabgabe
Auch an der TS Malter war die Hochwasserentlastungsanlage im August 2002 mit über 140 % beaufschlagt. Neben der Vergrößerung des gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraumes um ca. zwei Millionen. Kubikmeter ist die Leistungsfähigkeit der Grundablässe durch eine neue Anordnung von 13 m³/s auf 20 m³/s erhöht worden.
Bild 9-55 TS Malter, links Rückbau alter GA; rechts neuer Auslaufbereich, (LTV)
9.8 Prävention und Vorsorge
307
Bild 9-56 TS Malter, links neuer GA; rechts neue Ringkolbenventile, (LTV)
Schlussfolgerung 118: Durch bauliche Veränderungen an bestehenden Stauanlagen kann deren Hochwasserschutzwirkung und Hochwassersicherheit nachhaltig verbessert werden.
9.8 Prävention und Vorsorge 9.8.1 Allgemeines Wie unter 2.3 bereits erläutert, unterscheidet man bei der Hochwasservorbeugung in Hochwasserprävention und Hochwasservorsorge, wobei sich die Abgrenzung der einzelnen Bestandteile manchmal schwierig gestaltet. Viele der darin enthaltenen Gesichtspunkte sind in den vorangegangenen Abschnitten schon behandelt worden. Im Folgenden sollen noch weitere ausgewählte Beispiele aus Sicht der Wasserwirtschaft vorgestellt werden.
9.8.2 Hochwasserprävention Die Hochwasserprävention beinhaltet Maßnahmen zur angepassten Raumnutzung, raumplanerische Maßnahmen, natürlichen Hochwasserschutz, technischen Hochwasserschutz sowie Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten. Die Gesichtspunkte zum natürlichen und technischen Hochwasserschutz sowie zu den Gefahren- und Gefahrenhinweiskarten sind weitreichend in den in 9.4 beschriebenen Hochwasserschutzkonzepten enthalten. Das daraus abgeleitete und in 9.5 vorgestellte Hochwasserschutzinvestitionsprogamm mit den in 9.6 und 9.7 beispielhaft dargestellten Maßnahmen dient zur Umsetzung der in den HWSK beschriebenen Schutzziele zur Verbesserung der Hochwasser-
308
9 Hochwasservorbeugung
prävention. Mit diesem umfangreichen Maßnahme- und Informationspaket sind die meisten in der direkten Verantwortung der Wasserwirtschaft liegenden Aspekte abgehandelt. Damit die in den Gefahren- und Gefahrenhinweiskarten enthaltenen Informationen direkt den Betroffenen verfügbar gemacht werden, ist im SächsWG festgelegt, dass diese Karten öffentlich bekannt zu machen sind. Des Weiteren sind diese Informationen als interaktive Karten im Internet für jedermann verfügbar gemacht worden. Im Rahmen von Projekten sind auch kommunale Hochwasserinformationskarten und kommunale Gefahrenzonenkarten entwickelt worden. In den im Maßstab 1 : 5.000 erarbeiteten kommunalen Hochwasserinformationskarten werden neben den Überschwemmungsflächen für unterschiedliche Hochwasserereignisse die Standorte wichtiger Einrichtungen, wie z. B. Feuerwehr, Polizei, medizinischen Einrichtungen, Notunterkünften, Schulen, technische Versorgungsanlagen, Industrieanlagen, abgebildet. Die kommunalen Gefahrenzonenkarten entsprechen inhaltlich den in Bild 15-26 und Tabelle 9-6 dargestellten ersten Gefahrenkarten. Für die Kommunen ist dann eine „Interaktive Gefahrenkarte für den kommunalen Hochwasserschutz“ (INGE) entwickelt worden. Diese Softwarelösung kann unter Verwendung der Informationen aus den Hochwasserschutzkonzepten die Alarmierungsunterlagen von Gemeinden und Städten visualisieren und einen Überblick über gefährdete Objekte in Abhängigkeit aktueller bzw. zu erwartender Wasserstände geben (siehe Bild 15-35). Damit ist INGE als Instrument für Entscheidungen bei der Planung und Durchführung der Katastrophenabwehr im Hochwasserfall geeignet. Nach Informationen des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie [156] können mit INGE folgende Aufgaben im Hochwasserschutz und Katastrophenmanagement unterstützt werden: ¾ Funktionen von INGE für Hochwasser- und Katastrophenmanagement nach [156]: x Gefährdungsanalysen und Risikoabschätzungen für bestehende oder geplante schützenswerte Objekte x durch multimediale Informationen und Karten bessere Koordinierung und räumliche Optimierung von operativen Hochwasserschutzmaßnahmen, Evakuierungen, Sperrungen, usw. x Alarmierung zuständiger und betroffener Personen und Institutionen im Hochwasserfall x Information von Einsatzkräften und Helfern über wichtige Objekte, Zufahrtsmöglichkeiten, Überflutungsgrenzen, usw. x Festlegung und Priorisierung von einzuleitenden Maßnahmen im Rahmen eines festgestellten oder prognostizierten Hochwasserereignisses x Einarbeitung (Hinterlegung) durchzuführender Maßnahmen für wichtige Objekte und Katastrophensituationen bereits vor dem Katastrophenfall x Protokollierung von Maßnahmen während eines Hochwasserereignisses durch das Maßnahmen-Statusprotokoll x Erstellung aktueller Einsatzberichte (Situationsabfrage) im Ereignisfall und Weiterleitung an zuständige Behörden und Hilfsorganisationen x Unterstützung bei der praxisnahen und umfassenden Planung, Durchführung und Auswertung von Katastrophenschutzübungen und Trainings
9.8 Prävention und Vorsorge
309
x komfortabler Datenexport an andere Behörden und deren Softwareumgebung über eine XML-Schnittstelle oder als PDF-Dokument Die Interaktive Gefahrenkarte für den kommunalen Hochwasserschutz (INGE) ist bereits in über 10 deutschen Kommunen im Einsatz und wird zurzeit für den Einsatz in Tschechien, der Slowakei und Rumänien vorbereitet. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die Bereitstellung der aus den HWSK abgeleiteten Erkenntnisse und Informationen für raumplanerische Maßnahmen, wie z. B. die Sicherung von Retentionsräumen. Im Jahre 2003 ist der neu aufgestellte Landesentwicklungsplan [94] für den Freistaat Sachsen verabschiedet worden, der einen eigenen Abschnitt zum vorbeugenden Hochwasserschutz enthält, wo der Nutzung des natürlichen Wasserrückhaltevermögens und der Gewährleistung eines uneingeengten, gefahr- und schadlosen Hochwasserabflusses Vorrang vor der Errichtung von Hochwasserschutzanlagen eingeräumt wird. Nach der Inkraftsetzung des Landesentwicklungsplanes, also ca. ein Jahr nach dem Hochwasser, begannen die regionalen Planungsstellen im Freistaat Sachsen mit der Überarbeitung der Regionalpläne. Analog dem Landesentwicklungsplan enthalten die Regionalpläne auch einen Abschnitt zum vorbeugenden Hochwasserschutz. Am Beispiel des Entwurfes vom Regionalplan Oberes Elbtal/Osterzgebirge [227] sollen die Inhalte kurz dargestellt werden: ¾ raumordnerische Maßnahmen eines Regionalplanes zum vorbeugenden Hochwasserschutz [227]: x Ausweisung von Vorranggebieten Hochwasserrückhaltebecken in Karte Raumnutzung x Ausweisung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten Hochwasserschutz sowie von Gebieten zur Erhaltung und Verbesserung des Wasserrückhaltes in Karte Landschaftsbereiche mit besonderen Nutzungsanforderungen x nachrichtliche Übernahme der Überschwemmungsgebiete gemäß § 100 Abs. 1, 1a, 3 und 5 SächsWG in Karte Landschaftsbereiche mit besonderen Nutzungsanforderungen ¾ raumordnerische Grundsätze eines Regionalplanes zum vorbeugenden Hochwasserschutz [227]: x Vermeidung der Verschärfung von Hochwasserrisiken für Ober- bzw. Unterlieger unter Berücksichtigung der Summationswirkungen mit anderen Vorhaben bei Planungen und Maßnahmen in Vorrang- und Vorbehaltsgebieten Hochwasserschutz und in sonstigen Überschwemmungsbereichen x Umnutzung von Acker- in Grünland in den Hauptabflussgebieten von Hochwasser x Berücksichtigung des bestehenden Überschwemmungsrisiko einschließlich der Gefahren des Versagens bestehender Schutzeinrichtungen und sich künftig verschärfender Hochwasserrisiken sowie des Gebotes zur Wiederherstellung ehemaliger Rückhalteräume bei Planungen und Maßnahmen in Vorbehaltsgebieten Hochwasserschutz
310
9 Hochwasservorbeugung
¾ raumordnerische Ziele eines Regionalplanes zum vorbeugenden Hochwasserschutz [227]: x Freihaltung der Vorranggebiete Hochwasserschutz von Bebauung und von weiteren hochwasserunverträglichen Nutzungen, wenn neue Hochwasserschutzanlagen zu einem nicht ausgleichbaren Verlust von Rückhalteraum führen würden x Ausschluss der Errichtung von Anlagen der Infrastruktur, die den Wasserabfluss behindern können oder Rückhalteraum nicht ausgleichbar einschränken, innerhalb von Vorranggebieten Hochwasserschutz; Ausnahme für Vorhaben, die notwendigerweise unter fachplanerischen Aspekten dort ihren Standort haben Die aufgezeigten raumordnerischen Maßnahmen zeigen, dass in Sachsen die Aspekte des nachhaltigen Hochwasserschutzes in der Landesentwicklung und Regionalplanung ihren Platz gefunden haben. Inwieweit diese raumordnerischen Schritte Fehlentwicklungen aus Sicht des Hochwasserschutzes verhindern können bleibt abzuwarten. Schlussfolgerung 119: In Sachsen haben Maßnahmen, Grundsätze und Ziele zum nachhaltigen Hochwasserschutz einen angemessenen Platz im Landesentwicklungsplan und den Regionalplänen erhalten. Die Raumordnungsbehörden müssen die Einhaltung dieser in den Plänen verankerten Hochwasserschutzaspekte konsequent durchsetzen. Ein weiterer Aspekt der Hochwasserprävention ist die angepasste Raumnutzung, wie z. B. das Ausweichen vor Gefahren oder die Anwendung angepasster Bauweisen, was auch als Bauvorsorge bezeichnet wird. Hier müssen einerseits die eben erläuterten raumordnerischen Maßnahmen ihre Wirkung entfalten und andererseits müssen durch Aufklärung und Informationen die Entscheidungsträger sowohl auf der Investitionsseite als auch auf der Genehmigungsseite mit dem entsprechenden Hochwasserrisikobewusstsein ausgestattet werden. Ein gutes Beispiel in dieser Richtung ist die weiterentwickelte Hochwasserschutzfibel des Bundes [36]. Hier werden ausführliche Hinweise zur Bau- und Verhaltensvorsorge und zu Grundsätzen des vorsorgenden Hochwasserschutzes gegeben. Der Bauherr erhält u. a. Informationen zu Hochwassereinwirkungen auf Gebäude und entsprechende Schutzmaßnahmen gegen Oberflächen-, Grund- und Kanalisationswasser. Im Freistaat Sachsen gibt es inzwischen zahlreiche Beispiele, wo Bauherren und hier insbesondere Gewerbetreibende (z. B. Hotels, Gasthäuser) in Bauvorsorgemaßnahmen und auch eigene Hochwasserschutzmaßnahmen, wie z. B. mobile Hochwasserschutzeinrichtungen, investiert haben.
9.8 Prävention und Vorsorge
311
9.8.3 Hochwasservorsorge Die Hochwasservorsorge beinhaltet die Risikovorsorge, die Verhaltensvorsorge, die Vorhaltung und Vorbereitung des Katastrophenschutzes und die Informationsvorsorge. Zur Hochwasserrisikovorsorge zählt unter anderem die Eigenvorsorge, wie z. B. entsprechende Versicherungen. Leider gibt es in der Bundesrepublik Deutschland und demzufolge auch in Sachsen keine Verpflichtung zu einer Hochwasserschutzversicherung, wenn man in einem hochwassergefährdetem Gebiet lebt oder Eigentum besitzt. In vielen Kantonen der Schweiz z. B. gibt es eine Pflichtversicherung gegen Naturgefahren. Damit sind die Betroffenen verpflichtet sich abzusichern. Außerdem nehmen dann auch die Versicherungen Einfluss auf den Versicherungsnehmer, dass er das Versicherungsobjekt optimal gegen die anstehenden Gefahren schützt. In Deutschland haben die Versicherungen nach dem Hochwasserereignis von 2002 in besonders gefährdeten Gebieten die Versicherungsprämien erhöht oder bieten dort gar keinen Versicherungsschutz mehr an. Mit dieser Konstellation sinkt natürlich die Bereitschaft zum Abschluss einer Hochwasservorsorgeversicherung. Einen weiteren Gesichtspunkt bei der Hochwasservorsorge stellt die Verhaltensvorsorge dar. Hierzu zählen u. a. Hochwasserschutzübungen, die in Sachsen seit 2002 regelmäßig durch die Katastrophenschutz- und Wasserbehörden in verschiedenen Formen durchgeführt werden. Inzwischen hat sich auch ein vom Freistaat Sachsen initiiertes und vom Landesverband Sachsen/Thüringen der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. durchgeführtes zweitägiges Schulungsangebot etabliert. Bei diesen Schulungen werden neben der Theorie zum Hochwasser, zu den Rechten und Pflichten in hochwassergefährdeten Gebieten, zum Hochwassernachrichtendienst in Sachsen, der Organisation und zu den Aufgaben der kommunalen Wasserwehr, zu den Gefahrenhinweiskarten und zu den Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes praktische Handlungen geübt. Nach der Vorstellung von Materialien und Ausrüstungsgegenständen zur Hochwasserabwehr werden praktische Übungen zur Hochwasserabwehr, wie z. B. der Verbau von Sandsäcken oder der Einsatz mobiler Hochwasserschutzanlagen durchgeführt. Im Rahmen der Begehung von Beispielobjekten sollen die Schulungsteilnehmer die Gefährdungssituation für das Objekt ermitteln und einen Hochwasseralarm- und Einsatzplan erstellen. Die Vorhaltung und Vorbereitung des Katastrophenschutzes ist ebenfalls ein elementarer Bestandteil der Hochwasservorbeugung. Die in Kapitel 6 enthaltenen Aussagen zu den umfangreichen Aufgaben und Tätigkeiten der Katastrophenschutzbehörden bei der Hochwasserbewältigung während des Augusthochwassers von 2002 bestätigen dies ausdrücklich. Die in Sachsen vorhandene Struktur von drei Ebenen – untere, obere und oberste Katastrophenschutzbehörde – hat sich bewährt. Auch die Katastrophenschutzbehörden haben das Ereignis von 2002 analysiert und für die Optimierung ihrer Arbeit entsprechende Schlussfolgerungen gezogen, die hier nicht weiter ausgeführt werden sollen. Erwähnt werden soll noch, dass es laut [116] keine bundeseinheitlichen Organisationsstrukturen und Handlungspläne für den Katastrophenschutz gibt. Neben den Katastrophenschutzbehörden muss laut § 102 SächsWG [104] jede überschwemmungsgefährdete Gemeinde eine Wasserwehr vorhalten. Seit dem Hochwasser 2002 hat sich der Umsetzungsstand wesentlich verbessert. Mit Stand Mitte 2007 verfügten 98 % aller überschwemmungsgefährdeter Kommunen über eine Wasserwehr, 96 % der entsprechenden
312
9 Hochwasservorbeugung
Kommunen über einen Hochwasser-, Alarm- und Einsatzplan und 94 % der betroffenen Kommunen über eine beschlossene Wasserwehr- oder Feuerwehrsatzung. In absoluten Zahlen ausgedrückt ergibt sich für Sachsen folgendes Bild: ¾ Stand der Wasserwehren in Sachsen laut SächsWG (Stand 30.06.2007): x 435 überschwemmungsgefährdete Gemeinden x 427 Gemeinden mit vorhandener Wasserwehr x 354 Gemeinden mit beschlossener Wasserwehrsatzung x
17 Gemeinden mit Wasserwehrsatzung in Arbeit
x
56 Gemeinden mit beschlossener Feuerwehrsatzung
x
3 Gemeinden mit Feuerwehrsatzung in Arbeit
x 419 Gemeinden mit Hochwasser-, Alarm- und Einsatzplan x
13 Gemeinden mit Hochwasser-, Alarm- und Einsatzplan in Arbeit
Damit besitzen nahezu alle betroffenen Gemeinden in Sachsen eine Wasserwehr, die auch regelmäßig durch die Wasserbehörden geschult werden. Zur Unterstützung der Wasserwehren existieren in Sachsen vier zentrale Hochwasserschutzlager, deren Bestand bis 2002 in Tabelle 6-2 aufgeführt ist. Nach der Auswertung des Hochwasserereignisses von 2002 ist auch der Bestand der Hochwasserschutzlager verändert und an die Nutzungsinteressen angepasst worden. In der Tabelle 9-18 sind die Lagerbestände vor und nach dem Hochwasserereignis aufgelistet. Wie in 6.3 schon festgestellt, hat sich die Vorhaltung einer Landesreserve an Hochwasserbekämpfungsmitteln bewährt. Tabelle 9-18 Lagerbestand Landeshochwasserreserve Sachsen, (LTV) Lagerware
Bestand 2002
Mobilsystem Quickdamm (15m bis 24m)
8 Stück
Mobildeichsystem (10m bis 30 m)
-
Mobilsystem Aqua-Barrier (128 m)
Bestand nach 2002 20 Stück
160 Stück
640 Stück
573.000 Stück
1.625.000 Stück
3.000.000 Stück
6.534.000 Stück
18 Stück
12 Stück
Beleuchtungssätze
6 Stück
22 Stück
Notstromaggregate
6 Stück
15 Stück
Sandsäcke, Jute Sandsäcke, PP-Bändchengewebe Sandsackbefüllgeräte
Schlauchboote/Aluboote
6/0 Stück
12/1 Stück
Bootsmotoren
6 Stück
13 Stück
Kompressoren mit Schlauchzubehör
3 Stück
3 Stück
9.8 Prävention und Vorsorge Lagerware Sicherungsleinen (8m bis 30m)
313 Bestand 2002
Bestand nach 2002
34 Stück
22 Stück
Tauchpumpen („B“/„C“)
0/9 Stück
8/12 Stück
Schläuche „B“/„C“ (20m)
0/90 Stück
32/82 Stück
60 Stück
40 Stück
Benzinmotorkettensägen
6 Stück
6 Stück
Freischneider
6 Stück
6 Stück
Handlampen
5 Stück
22 Stück
Kunststoffplanen
Teichfolie
6.000 m²
46.400 m²
Vlies
6.000 m²
55.000 m²
Schüttsteine
1.050 t
780 t
Verlängerungskabel (25m bis 50m)
-
74 Stück
Stromverteiler
-
15 Stück
Eishaken
-
20 Stück
Gasbrenner
-
10 Stück
Schaufeln
-
800 Stück
Schwimmwesten
-
112 Stück
Transportkarren
-
10 Stück
Einen ebenfalls entscheidenden Beitrag zur Hochwasservorsorge leistet die Informationsvorsorge. Neben der allgemein zugänglichen Bereitstellung vieler Informationen aus den Hochwasserschutzkonzepten oder darauf aufbauender Arbeiten, wie z. B. Gefahrenkarten, Gefahrenhinweiskarten, Risikokarten, Überschwemmungsgebiete usw. muss ein effizienter Hochwassernachrichten- und Alarmdienst vorgehalten und betrieben werden.
9.8.3.1 Hochwassernachrichten- und Alarmdienst Im Abschnitt 6.2.2 ist der Hochwassernachrichtendienst bis zum Ereignis im August 2002 beschrieben. In Auswertung des Hochwasserereignisses und des Kirchbachberichtes [163] ist der Hochwassernachrichten- und Alarmdienst umstrukturiert und mit einer neuen Hochwassernachrichten- und Alarmdienstverordnung [107] und einer neuen Hochwassermeldeordnung [109] auch auf eine neue Rechtsbasis gestellt worden. Die Leitung und Koordinierung des Hochwassernachrichten- und Alarmdienstes obliegt zentral dem beim heutigen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie angesiedelten Landeshochwasserzentrum. Entsprechend Bild 9-57 sind die Melde- und Informationswege stark gestrafft worden (vergleiche auch Bild 6-4).
314
9 Hochwasservorbeugung
Nachbarländer Daten und Informationen
Wasserstandsdaten
Niederschlagsdaten
Wetterprognosen
Medien Presse, TV, Radio
Landeshochwasserzentrum für jedermann öffentlich zugängliche Informationsplattform
Hochwasserstandsmeldungen
Internet, Videotext, Telefonansage
Landesdirektionen
HochwasserWarnungen/ -entwarnungen
Landkreise Kreisfreie Städte
Talsperrenmeldezentrale Hochwassereilbenachrichtigung per SMS
Kommunen Wasserwehr
Private
Bild 9-57 Meldeschema Hochwassernachrichtendienst Sachsen, 2008, (LfULG)
Das Landeshochwasserzentrum (LHWZ) bezieht, zum großen Teil automatisch, alle für den Hochwassernachrichtendienst erforderlichen Informationen über meist redundante Informationswege. Die Wetterprognosen werden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) bereit gestellt. Die Niederschlagsdaten werden ebenfalls vom DWD oder vom landeseigenen Ombrometermessnetz geliefert (siehe Bild 15-37). Die aktuellen Wasserstandsdaten werden über die landeseigenen Hochwassermeldepegel (siehe Bild 15-37) und die Pegeldaten Dritter, wie z. B. der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung oder der Landestalsperrenverwaltung, bereit gestellt. Insgesamt stehen in Sachsen 261 Pegel für Wasserstandsmessungen und 234 Pegel für Durchflussmessungen zur Verfügung, wovon 192 Pegel zum Basisnetz gehören und die restlichen Pegel dem Kontroll- und Steuernetz zugeordnet werden [90]. Ca. 150 Pegel sind mit Datenfernübertragung ausgestattet. Die landeseigenen Messnetze werden durch die Staatliche Betriebsgesellschaft für Umwelt- und Landwirtschaft betreut. Zusätzlich werden noch Daten und Informationen aus Nachbarländern oder anderen Informationsplattformen verwendet. Mit diesen Daten und Informationen und den Talsperrensteuerungsdaten der bei der LTV angesiedelten Talsperrenmeldezentrale liegen zentral beim LHWZ alle für den Hochwassernachrichtendienst erforderlichen Informationen zeitnah vor. Das LHWZ selbst hat fünf funktionale Bereiche und ist in der Meldezentrale durch einen Zweischichtbetrieb täglich von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr besetzt und deckt die Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr durch einen Bereitschaftsdienst ab. Die fünf Bereiche des LHWZ haben folgende Aufgaben:
9.8 Prävention und Vorsorge
315
¾ Meldezentrale: x Kommunikationsknoten, Überwachung der IT-Infrastruktur des LHWZ x Bündelung der Messwertabrufe der Pegelmessstationen, der Wetterberichte und der Niederschlagsinformationen x Entgegennahme aller Alarme, wie z. B. Unwetterwarnungen, Hochwasseralarme der Pegel x Alarmierung der zuständigen Stellen, insbesondere der Vorhersagezentrale ¾ Vorhersagezentrale: x Kommunikationsknoten, Überwachung der IT-Infrastruktur des LHWZ x Erstellung von Wasserstandsprognosen aus den Eingangsdaten der Meldezentrale x Erarbeitung von Hochwasser- und Lageberichten ¾ Notfallleitstand: x redundante Haltung aller Eingangsdaten x Übernahme der Funktionalität der Hochwasserzentrale in Notfällen ¾ Informationsverteiler: x interne Kommunikation zwischen Melde- und Vorhersagezentrale x automatische Verteilung und Versendung der in der Meldezentrale eingehenden Daten und Informationen x automatische Verteilung und Versendung der in der Vorhersagezentrale erstellten Hochwasser- und Lageberichte ¾ Öffentlichkeitsplattform: x Veröffentlichung aller hochwasserrelevanten Informationen über Internetauftritt LHWZ Messwertansager im LHWZ Sprachansage Hochwasserwarnungen im LHWZ MDR-Videotext Pressekonferenz (1 x täglich im Hochwasserfall) Die vom LHWZ gesammelten und erarbeiteten Daten und Informationen werden entsprechend Bild 9-57 direkt an die oberen und unteren Wasserbehörden, die Kommunen sowie an von den Kommunen benannte Private verteilt. Neben der Bereitstellung der Informationen über die Öffentlichkeitsplattform werden selbstverständlich auch die Nachbarländer informiert. Folgende Hochwassernachrichten werden flussgebietsweise abgesetzt:
316
9 Hochwasservorbeugung
¾ Hochwassereilbenachrichtigung an über 1200 Empfänger: x unverzügliche Information per SMS über Beginn des Hochwassernachrichten- und Alarmdienstes; Pflicht der Empfänger zur Empfangsbestätigung x unverzügliche Information per SMS bei Überschreitung der Alarmstufe 3; Pflicht der Empfänger zur Empfangsbestätigung ¾ Hochwasserstandsmeldungen an ca. 750 Empfänger: x Information über Wasserstände an den laut Hochwassermeldeordnung festgelegten Pegeln bei Erreichen von Alarm- und Meldestufen oder zu festgelegten Terminen per Telefax ¾ Hochwasserwarnungen an über ca. 500 Empfänger: x bewertete Information über Hochwassergefahr im Flussgebiet mit Angabe über Stand und Prognose zur meteorologischen und hydrologischen Lage Mit diesen Verbesserungen besitzt der Freistaat Sachsen ein modernes und gut funktionierendes Hochwassernachrichten- und Alarmdienstsystem, welches sich schon bei mehreren Hochwassern, z. B. beim Frühjahrshochwasser 2006 an der Elbe, bewährt hat. Schlussfolgerung 120: Ein ständig einsatzbereites Hochwassernachrichten- und Alarmdienstsystem, mit kurzen und direkten Kommunikationswegen ist für alle Akteure der Hochwasserbekämpfung unverzichtbar. Als nächste Ausführungen zur Hochwasservorsorge soll noch über zwei Beispiele der Flächenvorsorge in Sachsen berichtet werden.
9.8.3.2 Überschwemmungsgebiete Nach 2002 sind im Freistaat Sachsen bis Ende 2008 entsprechend §100 SächsWG [104] über 300 neue Überschwemmungsgebiete festgesetzt worden, die insgesamt eine Fläche von 64.337 ha ausmachen. In diesen Gebieten sind die im Abschnitt 9.3 aufgezählten Handlungen untersagt. In Tabelle 9-19 sind die Überschwemmungsgebiete pro Flussgebiet und nach Flächennutzungsart aufgegliedert aufgeführt. Hier kann man erkennen, dass mit ca. 70 % die meisten Überschwemmungsgebiete auf landwirtschaftlich genutzten Flächen (Acker- und Grünland) liegen, was über dem Anteil dieser Flächennutzungsart in Sachsen liegt. Dieselbe Aussage trifft auch auf die Siedlungs- und Verkehrsflächen zu, die mit ca. 16 % der Überschwemmungsflächen auch über dem Anteil dieser Flächennutzungsart in Sachsen liegen. Weiterhin kann man aus der Tabelle 9-19 erkennen, dass die meisten Überschwemmungsgebiete in den Flussgebieten mit Tieflandflusscharakter liegen. Im Bild 15-38 sind die Überschwemmungsgebiete noch einmal kartographisch dargestellt.
9.8 Prävention und Vorsorge
317
Tabelle 9-19 Überschwemmungsgebiete im Freistaat Sachsen, Stand 12/2008, (LfULG) Freistaat Sachsen Stand 12/2008 Gewässer Elbe, I. und II. Ordnung
Haupteinzugsgebiete
Überschwemmungsgebiete nach SächsWG § 100 (1), (3), (5) ohne Überlagerung Betroffene Nutzungsarten [ha]
ÜG [ha] (ohne Gewässerfläche)
Siedlung
Verkehr
Ackerland
Grünland
Wald
Sonstiges
Elbe
19.831
3.728
494
11.696
2.943
970
0
Eger
24
10
1
2
0
11
0
Schwarze Elster
6.989
540
54
4.209
1.098
1.088
0
Vereinigte Mulde
11.210
514
50
6.874
2.757
1.014
1
Zwickauer Mulde
4.213
1.357
193
1.460
477
726
0
Freiberger Mulde
4.095
931
138
1.576
607
843
0
Weiße Elster
7.848
991
107
2.748
1.831
2.170
1
Saale
101
19
4
73
2
3
0
Spree
5.755
701
47
3.923
387
689
8
Lausitzer Neiße
4.271
417
36
2.212
112
522
972
64.337
9.208
1.124
34.773
10.214
8.036
982
Gesamt
Schlussfolgerung 121: In Sachsen sind ca. 3,5 % der Landesfläche als Überschwemmungsgebiet rechtskräftig ausgewiesen. Die meisten Überschwemmungsgebiete befinden sich an den Fließgewässern mit Tieflandflusscharakter und betreffen mit ca. 70 % vorrangig die landwirtschaftlich genutzten und mit ca. 16 % die Siedlungs- und Verkehrsflächen.
318
9 Hochwasservorbeugung
9.8.3.3 Hochwasserentstehungsgebiete Im Freistaat Sachsen werden als einziges Bundesland auch Hochwasserentstehungsgebiete laut § 100b SächsWG [104] ausgewiesen und durch Rechtsverordnung festgesetzt. Im SächsWG werden diese Gebiete, die insbesondere in den Mittelgebirgs- und Hügellandschaften auftreten, als Bereiche definiert, in denen bei Starkniederschlägen oder bei Schneeschmelze in kurzer Zeit starke oberirdische Abflüsse eintreten können, die zu einer Hochwassergefahr in den Fließgewässern und damit zu einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können. In den Hochwasserentstehungsgebieten soll per Gesetz das natürliche Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltevermögen erhalten und verbessert werden, wobei insbesondere die Böden so weit wie möglich entsiegelt und geeignete Gebiete aufgeforstet werden sollen. Um den Schutz dieser Flächen umsetzen zu können bedürfen nach SächsWG folgende Vorhaben der Genehmigung durch die zuständige Wasserbehörde: ¾ in Sachsen durch Wasserbehörde genehmigungspflichtige Vorhaben in Hochwasserentstehungsgebieten [104]: x Errichtung oder wesentliche Änderung baulicher Anlagen einschließlich Nebenanlagen und sonstiger zu versiegelnder Flächen nach § 35 BauGB ab einer zu versiegelnden Gesamtfläche von 1000 m² x Bau neuer Straßen x Umwandlung von Wald x Umwandlung von Grün- in Ackerland Methodisch sind zur fachlichen Ermittlung der Hochwasserentstehungsgebiete bestehende und als Rasterkarten vorliegende Gebietsinformationen verwendet und mittels eines „Wissensbasiertem System Flächen gleicher Abflussbildung“ (WBS FLAB) [71], [215], [239] bewertet worden. Nach der Bewertung der Hangneigungen, der Landnutzungen und der Bodentypen erhält man das in Bild 15-39 dargestellte Ergebnis zu Flächen gleicher Abflussbildung. Aus diesen Informationen kann man dann die in Bild 15-40 dargestellten Flächen der hochwasserrelevanten Abflusskomponenten herausfiltern. Wenn man diese Flächen auf das Mittelgebirge und Hügelland in Sachsen reduziert und entsprechend der Niederschlagsverteilung von Sachsen die Gebiete heraussucht, die mit einer jährlichen Häufigkeit von > 0,35 (7 mal in 20 Jahren) Niederschlagstageswerte von t 50 mm aufweisen, dann erhält man die in Bild 15-41 dargestellten Hochwasserentstehungsgebiete für Sachsen. Schlussfolgerung 122: Im Freistaat Sachsen sind als einzigem Bundesland als Flächenvorsorgemaßnahme Hochwasserentstehungsgebiete ausgewiesen. Die fachlich herausgearbeiteten Gebiete betreffen ca. 9,5 % und abzüglich der Ortslagen ca. 8,4 % der Landesfläche.
9.8 Prävention und Vorsorge
319
9.8.3.4 Hochwasserschadensinformationen Als wichtigen Punkt zur Hochwasservorsorge sollen in Anlehnung an [6] noch ein paar Ausführungen zu den Hochwasserschadensinformationen vorgenommen werden. Dieser bedeutsame Aspekt im Hochwasserrisikomanagement wird leider noch nicht immer hinreichend genug betrachtet. Jedermann sollte aber bewusst sein, dass Hochwasserschadensinformationen für folgende Zwecke benötigt werden: ¾ Hauptzwecke der Hochwasserschadensinformationen nach [6]: x Informationsquelle x Entscheidungsgrundlage x Planungs- und Arbeitsgrundlage nicht nur für Wasserwirtschaft x Grundlage für planerische Festsetzungen (z. B. Gefahrenzonen) x Planungs- und Arbeitsgrundlage für Wasserwehr und Katastrophenschutz Die Hochwasserschadensinformationen müssen genutzt werden, um den direkt Betroffenen oder Entscheidungsträgern der verschiedensten Ebenen das bestehende Risiko und die zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen beim nächsten Hochwasserereignis im betroffenen Gebiet plausibel erklären zu können. Abgestimmt auf den Informationsempfänger müssen die Hochwasserschadensinformationen unterschiedlich aufbereitet werden, damit die Botschaften auch beim Empfänger ankommen. In den für Sachsen vorliegenden Gefahrenhinweiskarten (siehe Abschnitt 4.9) sind z. B. die Schadenspotenziale für den gesamten Freistaat Sachsen, also auf einer hohen Aggregationsebene dargestellt. Jede Kommune oder der betroffene Hauseigentümer benötigen dann eine andere Informationsauflösung, wie sie z. B. in den Hochwasserschutzkonzepten teilweise enthalten ist. Die Entscheidungsträger in den verschiedensten Ebenen benötigen ebenfalls Hochwasserschadensinformationen unterschiedlicher Genauigkeit. So ist in den Abschnitten 9.4.14 und 9.5.3 bereits erläutert worden, dass sowohl bei der HWSK-internen als auch bei der HWSKübergreifenden Priorisierung die Schadenspotenziale und ggf. vorliegende Nutzen-KostenUntersuchungen eine wichtige Rolle gespielt haben. Genau so sind diese Informationen aber auch wichtig, um bei Entscheidungen zu Schutzsystemen oder Einzelinvestitionen die richtige Wahl zu treffen. Eine ebenfalls wichtige Planungs- und Arbeitsgrundlage stellen die Hochwasserschadensinformationen für die Bauherren, Fachplaner, Katastrophenschutzbehörden und weitere Handelnde dar. In ihren Planungen müssen diese Akteure neben der Kenntnis über das Vorhandensein von Menschen, Objekten oder Flächennutzungen im gefährdeten Gebiet, Aussagen über deren Betroffenheit sowie Verletzlichkeit und das daraus resultierende Schadenspotenzial treffen können. Außerhalb der Fachplanungen sollten die Hochwasserschadensinformationen Arbeits- und Planungsgrundlage für die Raumplanung, Landes- und Regionalplanung sowie Bauleitplanungen sein. Nur über diesen Ansatz können die Entwicklungen im Raum und auf den genutzten Flächen in die aus Hochwasserschutzsicht richtige Richtung gelenkt werden.
320
9 Hochwasservorbeugung
Die Wasserwirtschaft selbst benötigt die Hochwasserschadensinformationen, um ihre Planungen und Hochwasserschutzmaßnahmen optimieren zu können. Bei größeren Investitionen sind genaue Schadenspotenzialuntersuchungen notwendig, um die erforderlichen NutzenKosten-Untersuchungen auf eine solide Datenbasis stellen zu können. Den anderen Fachsparten werden die Hochwasserschadensinformationen in der Regel über Kartenwerke, wie die schon erwähnten Gefahrenhinweiskarten, Gefahrenkarten oder Schadenspotenzialkarten zur Verfügung gestellt. Weitere Nutzer der Schadensinformationen sind Behörden, die Versicherungen und Rückversicherungen, die für ihren Arbeitsgegenstand Schadensinformationen über verschiedene Flächennutzungsarten benötigen. Letztendlich werden die Hochwasserschadensinformationen auch für die Vorbereitung und Planung von Wasserwehr- und Katastrophenschutzeinsätzen benötigt. Ohne das Wissen, welche Rettungswege noch zugänglich sind, wo die größten Gefahren- und damit auch Schadstellen zu erwarten sind oder wo sich die schützenswertesten Güter befinden, können die Einsatzkräfte nicht effizient eingesetzt werden und im Rahmen der Hochwasserbewältigung ihrer Rettungs- und Schadensabwehraufgabe sachgerecht nachkommen. Ein wichtiger Punkt zur Bereitstellung von Hochwasserschadensinformationen ist die Erhebung von Daten. Prinzipiell stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Nach abgelaufenen Hochwasserereignissen kann man die aufgetretenen Schäden durch Fachleute erfassen lassen und einer Auswertung zuführen. Oder man führt sogenannte „Was-wäre-Wenn“-Erhebungen durch, wo man alle für das Gebiet wichtigen Einflussgrößen berücksichtigt und damit synthetische Schadensbeziehungen ableitet. Beide Methoden erfordern ein strukturiertes Vorgehen und eine strenge Qualitätskontrolle, damit die Schadensdaten dann auch für weitere Betrachtungen verwertbar sind. In den Abschnitten 7.3 und 9.5.4 sind schon Ausführungen zu den Schadenserfassungssystemen für die wasserwirtschaftlichen Schäden in Sachsen gemacht worden. Diese Aussagen betreffen aber nur die Schäden an den wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen selbst. Für alle weitergehenden Planungen und z. B. auch Nutzen-Kosten-Untersuchungen benötigt die Wasserwirtschaft auch die Schadensdaten oder Schadenspotenziale von allen anderen Bereichen, wie z. B. Wohnbebauungen, Verkehrsinfrastrukturen und Wirtschaftsunternehmen. Die Erfahrung zeigt, dass bei den anderen Strukturträgern oft keine oder nur unzureichende Informationen vorliegen, so dass die Wasserwirtschaft die Daten selbst erheben muss. Da der Informationsbedarf an Schadensinformationen nicht nur auf Hochwasserereignisse sondern auch auf alle anderen Katastrophen (Naturereignisse, Unfälle…) zutrifft, wäre es äußerst effektiv, wenn eine modular aufgebaute zentrale Schadensdatenbank geführt werden könnte. Damit wäre jeder Bereich (Wasserwirtschaft, Verkehr, Wohnbebauung, Industrie, Naturschutz…) für die Erhebung seiner Schadensdaten zuständig und es könnten die Schadensdaten schneller, fachlich fundierter und ohne kostenintensive Doppelerhebungen bereit gestellt werden. Alle Beteiligten hätten einen umfassenden Überblick über alle im Betrachtungsgebiet liegenden Schadensdaten und könnten ihre Planungen und Entscheidungen auf eine sehr fundierte Basis stellen. Abschließend lässt sich in Übereinstimmung mit der DWA Arbeitshilfe „Hochwasserschadensinformationen“ feststellen, dass die Bereitstellung und Pflege von Schadensdaten eine wichtige Aufgabe des integrierten Hochwasserrisikomanagements darstellt, weil ohne diese Informationen viele erforderliche Aktivitäten nicht sachgerecht durchgeführt werden können.
9.8 Prävention und Vorsorge
321
Schlussfolgerung 123: Hochwasserschadensdaten stellen eine wichtige Basisinformation für viele im Rahmen des integrierten Hochwasserrisikomanagements stattfindenden Aktivitäten dar und sollten deshalb ressortübergreifend erfasst und sachgerecht gepflegt werden.
9.8.3.5 Hochwasserrisikobewusstsein Ein ebenfalls wichtiger Punkt der Hochwasservorsorge ist die Bewahrung des Hochwasserrisikobewusstseins. In den Abschnitten 6.5, 7.8 und 8.6 ist schon ausgeführt worden, dass eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit erforderlich ist, um bei den Betroffenen und den Journalisten das erforderliche Verständnis und damit die Akzeptanz für alle fachlich gebotenen Maßnahmen zu erreichen. Neben dem Verständnis und der Akzeptanz für die Maßnahmen der Wasserwirtschaft und anderer Akteure im Sinne des vorbeugenden Hochwasserschutzes ist es äußerst wichtig, das Gefahren- und Risikobewusstsein der Bevölkerung und der Entscheidungsträger aller Ebenen wach zu halten. Wie bedeutend die ständige Erinnerung an das latent vorhandene Hochwasserrisiko ist, zeigt das Bild 9-58 in Anlehnung an die Internationalen Kommission zum Schutze des Rheins. Ohne Hochwasserereignisse oder die ständige Erinnerung an die bestehenden Gefahren und Risiken, fällt das Risikobewusstsein relativ schnell wieder auf das Niveau vor dem Hochwasser ab. Nur durch periodisch wiederkehrende Informationsveranstaltungen kann das Risikobewusstsein auf einem relativ hohen Niveau gehalten werden. Weitergehende Ausführungen über Möglichkeiten dazu sind in etlichen Arbeiten (z. B. [5], [116], und [150]) vorhanden.
Risikobewusstsein
Bild 9-58 Entwicklung des Risikobewusstseins nach [150]
322
9 Hochwasservorbeugung
Im Freistaat Sachsen war das Hochwasserereignis von 2002 so markant, dass bei vielen direkt Betroffenen noch ein ausgeprägtes Hochwasserbewusstsein vorhanden ist. Auch die noch heute anhaltenden Schadensbeseitigungsmaßnahmen und die zahlreichen Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes sind, auch aufgrund der aktiven Pressearbeit, eine ständige Erinnerung und tragen zur Aufrechterhaltung des Risikobewusstseins bei. Dennoch gibt es in vom Hochwasser gefährdeten Gebieten und auch in etlichen Entscheidungsebenen außerhalb der Wasserwirtschaftsverwaltung schon wieder Skeptiker, die den vorbeugenden Hochwasserschutz in Frage stellen. Schlussfolgerung 124: Damit das Hochwasserrisikobewusstsein auch nach längerer Zeit nach einem Hochwasser auf einem relativ hohen Niveau bleibt, sind periodisch durchzuführende Informationsveranstaltungen und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten erforderlich.
10 Fachliche Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
10.1 Allgemeines In den vorangegangenen Kapiteln sind alle Phasen des integrierten Hochwasserrisikomanagements ausführlich beschrieben worden. Unter Verwendung der dort aufgearbeiteten Informationen und Berücksichtigung der abgeleiteten Schlussfolgerungen kann die EG-HWRMRL fachlich weitestgehend umgesetzt werden. In den folgenden Abschnitten soll insbesondere unter Berücksichtigung von LAWA-Empfehlungen eine mögliche Vorgehensweise zur Umsetzung der EG-HWRM-RL im Binnenland aufgezeigt werden.
10.2 Vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos 10.2.1 Allgemeines Im Kapitel 4 ist demonstriert worden, dass man durch eine systematische Aufarbeitung von verfügbaren oder leicht abzuleitenden Informationen qualitative Trends für das Abflussverhalten insbesondere auch im Hochwasserfall ableiten kann. Damit existieren gemeinsam mit den Angaben zu den Schadenspotentialen und der Vulnerabilität die Grundlagen für die vorläufigen Bewertung des Hochwasserrisikos entsprechend Artikel 4 und 5 der EG-HWRM-RL [75]. Bei den weiteren Ausführungen werden die LAWA-Empfehlungen [169] zur vorläufigen Bewertung des Hochwasserrisikos mit berücksichtigt. Entsprechend der Definition im Kapitel 2 wird das Hochwasserrisiko als Interaktion aus Gefährdung und Vulnerabilität beschrieben. Demzufolge kann die vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos auch nur schrittweise unter Berücksichtigung beider Aspekte erfolgen.
10.2.2 Gefährdung Im ersten Schritt sollten die Gebietskulisse geklärt und die Bereiche mit Gefährdungen identifiziert werden. Entsprechend Artikel 3 der EG-HWRM-RL können die Betrachtungen auf die in der EG-WRRL definierten Einzugsgebiete und Gewässer konzentriert werden. Damit brauchen Fließgewässer mit einem Einzugsgebiet von kleiner 10 km² nicht näher untersucht werden. Für den als Beispiel dienenden Freistaat Sachsen bedeutet dies, dass von dem im Abschnitt 4.6 beschriebenen und in Bild 15-6 dargestellten Gewässernetz nur ein Teil weiter zu betrachten ist. Die Gewässer I. Ordnung und der Sächsische Anteil der Bundeswasserstraße Elbe
324
10 Fachliche Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
bleiben mit ca. 3.200 km Fließlänge erst einmal vollständig in der weiteren Bewertung. Von den ca. 15.000 km Gewässer II. Ordnung müssen mit diesem Abschneidekriterium nur noch ca. 4.000 km der weiteren vorläufigen Bewertung unterzogen werden. Das daraus entstehende Berichtsgewässernetz ist in Bild 15-42 dargestellt. Für das verbleibende Gewässernetz müssen im nächsten Schritt die Bereiche mit Gefährdungen identifiziert werden. Dazu können die in Kapitel 4 und Kapitel 9 beschriebenen und in der Regel leicht verfügbaren Informationen genutzt werden, wie z. B.: ¾ Informationen zur Gefährdungsidentifikation im Berichtsgewässernetz: x Topographie, z. B. Hangneigungen (siehe 4.3) x Geologie, z. B. Auelehmausbreitung , Bodenstruktur (siehe 4.4) x Meteorologie und Hydrologie, z. B. Häufigkeitsverteilungen von Niederschlägen (siehe 4.5) x Fließgewässer, z. B. gewässerkundliche Betrachtungen (siehe 4.6) x Stauanlagen, z. B. Hochwasserrückhalteräume (siehe 4.7) x Flächennutzungen, z. B. Versiegelungsgrade (siehe 4.8) x Überschwemmungsgebiete (siehe 9.8.3.2) x Hochwasserentstehungsgebiete (siehe 9.8.3.3) x Dokumentationen historischer Ereignisse (siehe 8.5 und 9.4.8) x Szenarien möglicher Ereignisse (siehe 9.4.11und 9.4.12) x weitere Informationen, z. B. zum Klimawandel Die gefahrauslösenden Prozesse sind durch Intensitäten (z. B. Wasserstände, Fließgeschwindigkeiten) und Eintrittswahrscheinlichkeiten gekennzeichnet. Um die Gefährdung klassifizieren zu können, müssen die Intensität der Einwirkung und die Eintrittswahrscheinlichkeit des Prozesses betrachtet und daraus die Einstufung für die Gefährdung abgeleitet werden. Eine mögliche Vorgehensweise ist in Bild 10-1 dargestellt. Die Ausführungen im Abschnitt 5.5 haben verdeutlicht, dass auch vom Grundwasser Gefährdungen durch hohe Grundwasserstände und/oder Grundwasseraustritte prinzipiell möglich sind. Beide Erscheinungen können i. d. R. nur im Zusammenhang mit einem Hochwasser im Oberflächengewässer auftreten. Die Auswirkungen auf das Grundwasser sind gegenüber dem Oberflächenhochwasser immer gedämpft, zeitlich verzögert und nehmen grundsätzlich mit zunehmender Entfernung zum Oberflächengewässer ab. Damit sind die Gebiete mit potenziell signifikantem Grundhochwasserrisiko i. d. R. eine Teilmenge der Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko aus den Oberflächengewässern. Einzige Ausnahme können Gebiete sein, die durch eine natürliche Barriere (ähnlich einem Deich) nicht vom Oberflächenhochwasser betroffen sind. Dieser seltene Fall kann nur durch vorhandene Ortskenntnisse berücksichtigt werden.
Eintrittswahrscheinlichkeit
10.2 Vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos
hoch
mittel
hoch
hoch
mittel
gering
mittel
hoch
gering
nicht signifikant
gering
mittel
gering
mittel Intensität
hoch
325
Bild 10-1 Bewertungsmatrix für Gefährdung
Nach diesem Arbeitsschritt sind die Gebiete mit maßgeblichen Hochwassergefährdungen identifiziert. Soweit vorhanden, sollte man in die Betrachtungen noch Studien über langfristige Entwicklungen und Trends, wie z. B. Aussagen zum Klimawandel, mit einbeziehen. Im Bild 15-43 sind die für den Freistaat Sachsen bisher identifizierten Gebiete mit Hochwassergefährdungen dargestellt. Für die Gewässer I. Ordnung sind die Gebiete vollständig erfasst. Für die Gewässer II. Ordnung soll die Erfassung 2010 weitgehend abgeschlossen werden.
10.2.3 Vulnerabilität Nachdem nun geklärt ist, in welchen Gebieten eine signifikante Gefährdung existiert, muss für diese Gebiete die Vulnerabilität der Schutzgüter, wie menschliche Gesundheit, Umwelt, Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten ermittelt werden. Hierzu benötigt man Informationen zur Konzentration der Schutzgüter und deren Exposition und Anfälligkeit (Schadenspotenziale) bezüglich der identifizierten Gefährdung, wie z. B.: ¾ Informationen zur Vulnerabilität in Gefährdungsgebieten: x betroffene Einwohner x Flächennutzungen (siehe 4.8) x betroffene IVU-Anlagen x betroffene Umweltgüter, z. B. Schutzgebiete x betroffene Kulturgüter x betroffene Infrastrukturen, wie z. B. Gebäude Verkehrsinfrastrukturen
326
10 Fachliche Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
Gewerbe- und Industrieobjekte Produktionsanlagen lebenswichtige Einrichtungen, z. B. Krankenhäuser, Wasserwerke Ver- und Entsorgungsanlagen Kommunikationsanlagen wasserwirtschaftliche Anlagen x Schadenspotenziale (soweit vorhanden, siehe 9.4.12.2) x Exposition und Anfälligkeit der Schutzgüter (siehe 2.4.4) x weitere Informationen, z. B. demographische Entwicklung
Exposition
Um die Vulnerabilität klassifizieren zu können, müssen die Exposition der Risikoelemente und ihre Anfälligkeit gegenüber den gefahrauslösenden Prozesses betrachtet und daraus die Einstufung für die Vulnerabilität abgeleitet werden. Eine mögliche Vorgehensweise ist in Bild 10-2 dargestellt.
hoch
mittel
hoch
hoch
mittel
gering
mittel
hoch
gering
nicht signifikant
gering
mittel
gering
mittel Anfälligkeit
hoch
Bild 10-2 Bewertungsmatrix für Vulnerabilität
Nach diesem Arbeitsschritt sind die Vulnerabilitäten in den Gebieten mit maßgeblichen Hochwassergefährdungen bekannt. Soweit vorhanden, sollte man in die Betrachtungen noch Studien über langfristige Entwicklungen und Trends, wie z. B. Aussagen zur demographischen Entwicklung oder Flächennutzungsentwicklungen, mit einbeziehen.
10.3 Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten
327
10.2.4 Bewertung
Gefährdung
Zur vorläufigen Bewertung des Hochwasserrisikos müssen die Informationen zur Gefährdung und Vulnerabilität miteinander verknüpft werden. Dazu kann man die Einstufungen aus Bild 10-1 und Bild 10-2 heranziehen und beide Risikoeinflussgrößen entsprechend Bild 10-3 bewerten.
hoch
mittel
hoch
hoch
mittel
gering
mittel
hoch
gering
nicht signifikant
gering
mittel
gering
mittel Vulnerabilität
hoch
Bild 10-3 Bewertungsmatrix für Risiko
In Bild 15-44 ist ein Zwischenstand der Hochwasserrisikogebiete des Freistaates Sachsen als Ergebnis der bisher durchgeführten vorläufigen Bewertung dargestellt. Im Bild 15-45 sind für den Sächsischen Teil der Bewirtschaftungseinheit Schwarzen Elster die Hochwasserrisikogebiete orange eingezeichnet. Die nach z. B. dieser Vorgehensweise identifizierten Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko müssen für jede Flussgebiets- und Bewirtschaftungseinheit benannt und anschließend den weiteren Betrachtungen der EG-HWRM-RL unterzogen werden.
10.3 Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten 10.3.1 Allgemeines Im Abschnitt 3.2.4 sind die Grundsätze der EG-HWRM-RL zur Erstellung der Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten erläutert. Im Folgenden soll ein Weg zur Erstellung der Karten unter Berücksichtigung der LAWA-Empfehlungen [170] zur Aufstellung von Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten gezeigt werden.
328
10 Fachliche Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
10.3.2 Hochwassergefahrenkarten Die Hochwassergefahrenkarten sind für mehrere Szenarien zu erstellen. In der Tabelle 10-1 sind Möglichkeiten für die Zuordnung von Jährlichkeiten zu den Vorgaben der EG-HWRMRL dargestellt. Welche Jährlichkeit günstig und überhaupt sinnvoll kartographisch darstellbar ist, hängt stark von den örtlichen Verhältnissen (z. B. flache oder steile Täler) ab. Tabelle 10-1 mögliche Szenarien für Hochwassergefahrenkarten Eintrittswahrscheinlichkeit
EG-HWRM-RL
LAWA-Empfehlung
Freistaat Sachsen
niedrig mittel
HQniedrig
EHQ
EHQ, HQ200 oder 300
t HQ100
HQ100
HQ100
hoch
HQhoch
§HQ10
HQ20, HQ50
In der Tabelle 10-2 sind Möglichkeiten für die Informationsgehalte der Hochwassergefahrenkarten für die einzelnen Szenarien nach EG-HWRM-RL dargestellt. Tabelle 10-2 Informationsgehalte für Hochwassergefahrenkarten Inhalt Ausmaß Überflutung Wassertiefe Fließgeschwindigkeit weitere Prozesse, z. B. Sedimenttransport
EG-HWRM-RL
LAWA-Empfehlung
Freistaat Sachsen
ja
ja
ja
ja
ja
ja
optional
optional
teilweise
nein
nein
ja
Aus Lesbarkeitsgründen wird empfohlen für jedes der oben genannten Szenarien eine extra Karte mit den entsprechenden Inhalten herzustellen. In den LAWA-Empfehlungen [170] ist eine Musterkarte enthalten. Als Maßstab werden 1:5.000 oder bei größeren Flachlandgewässern 1:10.000 empfohlen. Auch wenn die EG-HWRM-RL und die LAWA-Empfehlungen erst bei den Hochwasserrisikokarten darauf hinweisen, sollten schon bei der Erstellung von Gefahrenkarten neben der Betrachtung des reinen Wasserabflusses auch andere gefahrenverursachende Prozesse wie z. B. Erosion, Sedimentation und Verklausungen mit berücksichtigt werden. Eine vollständige Methodik zur Erstellung von Hochwassergefahrenkarten unter Berücksichtigung weiterer gefahrenverursachender Prozesse ist am Beispiel von Sachsen bereits im Abschnitt 9.4.12 erläutert worden. Nach dieser Methodik sind bisher über 570 Gefahrenkarten (siehe auch Bild 15-32 und Bild 15-27) erstellt und von den Nutzern i. d. R. gut angenommen worden.
10.3 Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten
329
Schlussfolgerung 125: Hochwassergefahrenkarten sollten neben den durch den reinen Wasserabfluss erzeugten Gefahren (z. B. Überflutungen, Wassertiefen, Fließgeschwindigkeiten) auch Gefahren aus anderen hochwasserbedingten Prozessen, wie z. B. Erosionen, Sedimentationen oder Schwemmguttransporte (Veränderung der Überflutungen, Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten; Verklausungen) enthalten.
10.3.3 Hochwasserrisikokarten Die Hochwasserrisikokarten stellen eine Weiterführung der Hochwassergefahrenkarten ergänzt um die Vulnerabilität dar. Dazu sind die unter 10.2.3 erläuterten Informationen zur Vulnerabilität in den Karten darzustellen. Die in der EG-HWRM-RL und in den LAWAEmpfehlungen angeführte Möglichkeit zur Darstellung von Gebieten mit erhöhten Sedimentoder Schuttfrachten ist an dieser Stelle unter Berücksichtigung der Risikodefinition von Abschnitt 2.3 falsch. Diese Aspekte stellen physikalische Prozesse dar und sind eindeutig der Gefährdungsseite und damit den Gefahrenkarten zuzuordnen. In der Tabelle 10-3 sind noch einmal die ergänzend zu den Gefahrenkarten erforderlichen Informationen für Hochwasserrisikokarten aufgeführt. Tabelle 10-3 Informationsgehalte für Hochwasserrisikokarten Inhalt
EG-HWRM-RL
LAWA-Empfehlung
Freistaat Sachsen
Anzahl betroffener Einwohner
ja
ja
ja
Art der wirtschaftl. Tätigkeit
ja
ja
ja
IVU-Anlagen
ja
ja
ja
betroffene Schutzgebiete
ja
ja
ja
optional
optional
ja, bereits in Gefahrenkarten
nein
optional
ja
weitere Informationen, z. B. Sediment, Schutt Kulturerbe
Die erforderlichen Datengrundlagen für die Anzahl der betroffenen Einwohner sind die Angaben der statistischen Landesämter, die den betroffenen Gefahrengebieten entweder proportional zu den Flächenverteilungen oder dataillierter zugeordnet werden. Die Art der wirtschaftlichen Tätigkeit wird vereinfacht aus den verfügbaren Flächennutzungsdaten (z. B. ATKIS oder ALK) abgeleitet. Genauere Schadenspotenzialinformationen können z. B. auch aus Schadenspotenzialkarten, wie in Abschnitt 4.9 und 9.4.12.2 für Sachsen erläutert, entnommen werden. Die IVU-Anlagen nach Richtlinie 96/61/EG [76], die Schutzgebiete gemäß EG-WRRL und die weiteren in Tabelle 10-3 genannten Informationen liegen bei den zuständigen Behörden vor und können mit in die Karten übernommen werden. Die kartographische Gestaltung der Hochwasserrisikokarten sollte „selbstsprechend“ und möglichst einheitlich sein. Bei den Hochwasserrisikokarten ist es sinnvoll, alle drei Szenarien
330
10 Fachliche Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
(häufiges, mittleres und seltenes Ereignis) in einer Karte darzustellen. Genau wie bei den Hochwassergefahrenkarten werden hier die Maßstäbe 1:5.000 oder bei größeren Flachlandgewässern 1:10.000 empfohlen. Weitergehende Ausführungen zur technischen und kartographischen Gestaltung können den LAWA-Empfehlungen [170] zur Aufstellung von Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten entnommen werden. Zur Veranschaulichung sind in Bild 15-46 die Musterkarte aus der LAWA-Empfehlung [170] und in Bild 15-47 ein erster Entwurf aus Sachsen dargestellt. Entsprechend der EG-HWRM-RL müssen die Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um das Hochwasserrisikobewusstsein zu befördern. Eine Bereitstellung über das Internet hat sich als günstig bewährt.
10.4 Hochwasserrisikomanagementpläne Mit der vorläufigen Bewertung und der Erstellung von Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten sind wichtige Grundlagen für die Aufstellung der Hochwasserrisikomanagementpläne geschaffen. Im Abschnitt 3.2.5 sind die prinzipiellen Inhalte eines Planes aufgeführt. Im Artikel 7 der EG-HWRM-RL wird darauf hingewiesen, dass alle Aspekte des Hochwasserrisikomanagements in den Hochwasserrisikomanagementplänen berücksichtigt werden sollen. Insofern stellt ein solcher Managementplan ein interdisziplinäres Dokument dar, an dessen Erarbeitung neben der Wasserwirtschaft noch weitere Akteure gefragt sind. Im Abschnitt 2.4.2 sind die generell benötigten Wissensgebiete benannt. Die zu beteiligten Stellen bei der Erarbeitung der Hochwasserrisikomanagementpläne kann man in Anlehnung an die LAWA-Empfehlungen [171] zur Aufstellung von Hochwasserrisikomanagementplänen wie folgt angeben: ¾ Akteure und Beteiligte bei der Erstellung von Hochwasserrisikomanagementplänen in Anlehnung an LAWA [171]: x Wasserwirtschaft x Raumordnung x Kommunen x Naturschutz x Landwirtschaft x Forstwirtschaft x Katastrophenschutz x Betroffene x Versicherungswirtschaft
10.4 Hochwasserrisikomanagementpläne
331
In der EG-HWRM-RL ist erwähnt, dass die Erstellung der Bewirtschaftungspläne für Einzugsgebiete gemäß der EG-WRRL und die Erstellung der Hochwasserrisikomanagementpläne Elemente der integrierten Bewirtschaftung der Einzugsgebiete sind. Deshalb sollte bei diesen beiden Prozessen das Potential für gemeinsame Synergien und Vorteile im Hinblick auf die Umweltziele der EG-WRRL genutzt und damit eine effiziente und sinnvolle Nutzung von Ressourcen gewährleistet werden. Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, die Hochwasserrisikomanagementpläne für dieselben Flussgebietseinheiten wie die Bewirtschaftungspläne für die EG-WRRL zu erstellen. Im Folgenden soll eine mögliche EG-HWRM-RL konforme Gliederung für einen Hochwasserrisikomanagementplan aufgeführt werden. Diese Gliederung berücksichtigt die Aspekte der LAWA-Empfehlung [171]. 1 Einführung 1.1 Hochwasserrisikomanagement 1.1.1 Risiko (siehe Abschnitt 2.3) 1.1.2 Integriertes Hochwasserrisikomanagement (siehe Abschnitt 2.3) 1.2 Räumlicher Geltungsbereich des Plans 1.2.1 Flussgebietseinheit 1.2.2 Einzugsgebiete 1.3 Zuständige Behörden 2 Vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos 2.1 Beschreibung der Methodik (siehe Abschnitt 10.2) 2.2 Beschreibung der Einzugsgebiete 2.2.1 Gefährdung (Szenarien u. histor. Hochwasser) (siehe Abschnitt 10.2.2) 2.2.2 Vulnerabilität (siehe Abschnitt 10.2.3) 2.2.3 Risikobewertung (siehe Abschnitt 10.2.4) 2.3 Karte der Gebiete mit potenziell signifikantem Hochwasserrisiko 2.4 Schlussfolgerungen 3 Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten 3.1 Hochwassergefahrenkarten (siehe Abschnitt 10.3.2) 3.1.1 Methodik 3.1.2 Karten 3.1.3 Schlussfolgerungen 3.2 Hochwasserrisikokarten (siehe Abschnitt 10.3.3) 3.2.1 Methodik 3.2.2 Karten 3.2.3 Schlussfolgerungen
332
10 Fachliche Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie
4 Ziele des Hochwasserrisikomanagements 4.1 Generelle Ziele 4.2 Ziele der Wasserwirtschaft 4.3 Ziele der anderen Akteure 5 Maßnahmepläne 5.1 Prävention 5.2 Vorsorge 5.3 Nutzen-Kosten-Analysen 6 Umsetzung der Maßnahmen 6.1 Priorisierung/Rangfolge der Maßnahmen 6.2 Überwachung der Maßnahmeumsetzung 6.3 Abgleich mit Maßnahmen der EG-WRRL 7 Beteiligung der Öffentlichkeit 7.1 Information der Öffentlichkeit 7.2 Anhörung der Öffentlichkeit 8 Koordinierung 8.1 Koordinierung innerhalb der Flussgebietseinheit 8.2 Koordinierung mit der EG-WRRL 9 Schlussfolgerungen
(siehe Abschnitt 2.3) (siehe Abschnitt 9.4.12)
(siehe Abschnitt 9.8.2) (siehe Abschnitt 9.8.3) (siehe Abschnitt 9.8.3.4) (siehe Abschnitt 9.4.14)
Diese Gliederung stellt einen fachlichen Rahmen für die Erstellung eines Hochwasserrisikomanagementplans für eine Flußgebietseinheit dar. Die einzelnen Gliederungspunkte müssen in Abhängigkeit von der konkreten Situation meist noch weiter unterteilt werden. Zu vielen Punkten befinden sich in diesem Buch Aussagen (siehe auch angegebene Abschnittsnummern). In den LAWA-Empfehlungen [171] zur Erstellung der Managementpläne befinden sich zu den einzelnen Handlungsfeldern Katalogblätter, mit den für Deutschland geltenden Rechtsgrundlagen, zuständigen Akteuren, möglichen Zielen, Umfang der Bestandserhebungen, möglichen Maßnahmen und Umsetzungsmöglichkeiten.
10.5 Weitere Aktivitäten Mit der Erstellung der Hochwasserrisikomanagementpläne, der Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen und der Verwendung der darin enthaltenen Informationen ist der entscheidendste Schritt zur Umsetzung der EG-HWRM-RL im Sinne eines integrierten Hochwasserrisikomanagements getan. Alle weiteren Aktivitäten zur Umsetzung der EG-HWRMRL, wie z. B. Information der Öffentlichkeit, Übergangsmaßnahmen, Überprüfungen, Zeitplan und Berichte sind bereits im Kapitel 3 erläutert worden.
11 Zusammenfassung Das vorliegende Buch befasst sich mit der Darstellung und der Analyse der wichtigsten Schritte zur Umsetzung der EG-Richtlinie zur Bewertung und dem Management von Hochwasserrisiken (EG-HWRM-RL) und stellt diese in den Kontext zum integrierten Hochwasserrisikomanagement. Dabei wird im Rahmen einer Ex-post-Evaluation das Hochwasserrisikomanagement aus Sicht der Wasserwirtschaft vor, während und nach einem extremen Hochwasserereignis dargestellt, analysiert und bewertet. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden systematisiert und für die praktische Anwendung aufbereitet. Nach einer Einführung in die Thematik und die Zielstellung des Buches erfolgt im Kapitel 2 die Beschreibung des integrierten Hochwasserrisikomanagements als fortlaufender iterativer Prozess mit seinen Phasen Hochwasserereignis, Hochwasserbewältigung, Regeneration und Hochwasservorbeugung. Dabei wird der aktuelle Stand des Wissens dargestellt und es werden noch offene Forschungsfelder benannt. Ergebnis des integrierten Hochwasserrisikomanagements sollte eine angemessene Risikokultur unter Verwendung von Risikosteuerungsstrategien sein. Im Kapitel 3 wird die EG-HWRM-RL mit ihren Fachinhalten vorgestellt und in den Kontext des umfassenderen integrierten Hochwasserrisikomanagements gestellt. Die richtige Anwendung des integrierten Hochwasserrisikomanagements führt zur vollständigen fachlichen Umsetzung der EG-Richtlinie. Die Darstellung der wasserwirtschaftlichen Ausgangslagen der Bundesrepublik Deutschland und des als Beispiel dienenden Freistaates Sachsen als Umsetzungsstatus der Hochwasservorbeugung bis zum August 2002 demonstrieren im Kapitel 4, wie man mit der qualitativen Beschreibung von verfügbaren oder leicht ableitbaren Informationen das Hochwasserrisiko vorläufig bewerten und Entscheidungsgrundlagen für das Hochwasserrisikomanagement schaffen kann. Das nächste Kapitel schildert das extreme Hochwasserereignis vom August 2002 als abrupte Beendung der bisherigen Hochwasservorbeugung in Deutschland mit seinen Auswirkungen speziell auf den am meisten betroffenen Freistaat Sachsen. Das nachfolgende Kapitel 6 zum Hochwasserrisikomanagement während des Ereignisses beschreibt neben dem Katastrophenmanagement insbesondere die umfangreichen wasserwirtschaftlichen Aktivitäten und Maßnahmen zur Begrenzung des Ausmaßes und der Dauer eines extremen Hochwasserereignisses. Ebenfalls in die Phase der Hochwasserbewältigung fallen die im Kapitel 7 zusammengefassten Sachverhalte zu den Hochwasserschäden, zu einer qualifizierten Schadenserfassung und zu den der Gefahrenabwehr dienenden Sofortmaßnahmen. In der im Kapitel 8 enthaltenen Phase der Regeneration nach einem Extremereignis werden neben den erforderlichen Sonderstrukturen die umfangreichen Anforderungen an die Hochwassernachsorge, den nachhaltigen Wiederaufbau und beispielhaft das Vorgehen zur Erstellung einer Ereignisanalyse dargestellt. Das Kapitel 9 widmet sich der sehr wichtigen Hochwasservorbeugung. Hier werden umfangreiche methodische Grundlagen und realisierte Arbeiten zur Hochwasservorbeugung, wie z. B. vorhandene Hochwasserschutzkonzepte, das Hochwasserschutzinvestitionsprogramm,
334
11 Zusammenfassung
die Hochwasserentstehungsgebiete und die verbesserten gesetzlichen Rahmenbedingungen am Beispiel des Freistaates Sachsen erläutert. In diesem Zusammenhang werden auch Umsetzungsprobleme mit erörtert. Kapitel 10 zeigt einen Weg zur fachlichen Umsetzung der EG-HWRM-RL auf. Schwerpunktmäßig wird dabei auf die vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos, die Erstellung der Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten sowie die Erstellung von Hochwasserrisikomanagementplänen eingegangen. Hierbei wird immer wieder der Bezug zu den im Buch herausgearbeiteten fachlichen Grundlagen hergestellt. Nach einer ausführlicheren Zusammenfassung und dem Ausblick auf noch offene Handlungsfelder werden alle im Laufe des Buches herausgearbeiteten Schlussfolgerungen im Überblick dargestellt. Die im Buch enthaltenen praktischen Beispiele zeigen, dass die Erreichung eines integrierten Hochwasserrisikomanagements eine äußerst komplexe Aufgabe darstellt, die nur interdisziplinär und ressortübergreifend gelöst werden kann. Weiterhin wird dokumentiert, dass moderner Hochwasserschutz die Anwendung des integrierten Hochwasserrisikomanagements bedeutet und alle Bereiche der Gesellschaft betrifft. Nur durch ein breit entwickeltes Hochwasserrisikobewusstsein kann eine effiziente und nachhaltige Hochwasserrisikoverminderung erreicht werden. Hier ist die „Aufklärungsarbeit“ der Fachleute gefragt, um durch plausible Wissensvermittlung zu bestehenden Risiken sowohl bei den Betroffenen selbst als auch bei den Entscheidungsträgern aller Ebenen Einsicht zu erreichen und eine gesamtgesellschaftliche Risikokultur zu entwickeln.
12 Ausblick Die Europäische Union hat mit der Richtlinie zur Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken im Jahre 2007 (EG-HWRM-RL) die Grundlage für ein integriertes Hochwasserrisikomanagement auf europäischer Ebene geschaffen. In Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie werden in den nächsten Jahren flusseinzugsgebietsweise das Hochwasserrisiko bewertet, bei Betroffenheit Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten erstellt und Hochwasserrisikomanagementpläne erarbeitet werden, mit deren Umsetzung das Hochwasserrisiko vermindert werden soll. Bei der Erarbeitung der Hochwasserrisikomanagementpläne werden noch viele Detailfragen rechtlicher, naturwissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Natur zu lösen sein. Viele wissenschaftliche Arbeiten und bereits durchgeführte Forschungsprojekte stellen neue Erkenntnisse zur Verfügung, die es auf ihre Anwendbarkeit und Zuverlässigkeit für die Praxis zu prüfen gilt. Neben den Details werden uns langfristige Entwicklungen ebenfalls vor neue Herausforderungen und Fragen im Hochwasserrisikomanagement stellen. ¾ globale Fragen des Hochwasserrisikomanagements: x Auswirkungen des Klimawandels z. B. auf: í Wetterlagen í Niederschlag í Vorhersagemöglichkeiten x Auswirkungen der demographischen Entwicklung z. B. auf: í Siedlungsdichte í Bevölkerungskonzentrationen í Schadenspotenziale x Auswirkungen der Raumnutzungsentwicklungen z. B. auf: í Flächenverbrauch í Siedlungsdruck í Schadenspotenziale x Auswirkungen von Langzeitprozessen wie z. B. auf: í Geomorphologie í Entwicklung des Hochwasserrisikobewusstseins Diese grundlegenden Fragestellungen und langfristigen Entwicklungen erfordern eine ständige Befassung mit den Themen des Hochwasserrisikomanagements, um die Risikosteuerungsstrategien an die sich ändernden Randbedingungen anpassen zu können. Auch hierzu ist es erforderlich, das Hochwasserrisikobewusstsein auf allen Ebenen unserer Gesellschaft wach zu halten.
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14 Stichwortverzeichnis A
Auflastfilter, 175, 270
Abfluss, 2, 9, 18, 20, 22, 27, 29, 32, 90, 92, 101, 132, 138, 194, 227, 229, 267, 318, - Abflussbeiwert, 19 - Abflussbildung, 17ff, 57, 232, 318 - Abflussereignis, 235 - Abflussverhalten, 27, 32, 57, 68, 69, 80, 221, 225f, 323 - Basisabfluss, 20, 22 - Direktabfluss, 18ff - dreidimensional, 20, 23 - eindimensional, 20, 27, 31, 227 - Gesamtabfluss, 20 - Hochwasserabfluss, 131, 210 - instationär, 20, 27, 31, 227 - mittlerer, 68 - Oberflächenabfluss, 18, 20, 33 - schießend, 93 - schadlos, 275 - stationär, 31, 227 - zweidimensional, 31, 227 - Zwischenabfluss, 18, 20
Aufschwimmen, 105
Ablagerung, 228, 236 - Ablagerungshöhe, 228
Auskolkung, 164, 176, 199 B Basisabfluss, 20, 22 Bauvorsorge, 11, 218, 284, 310 Bauweise, 11, 34, 36, 39, 44, 46, 267, 310 Bauwerksanalyse, 35 Bauwerksmonitoring, 35 Bauwerksüberwachung, 129, 138, 155, 158, 199, 203 Bauzustand, 35, 299 Beckeninhalt, 22, 288 Beckenstandort, 287, 291, 294 Bemessungshochwasser, 77, 258, 263, 299 Bemessungshochwasserabfluss/ -durchfluss, 229, 244, 285 Bemessungshochwasserstand, 229, 244
Absperrbauwerk, 77, 105, 139, 288, 295, 297, 303, 361,
Bemessungsunsicherheit, 258, 263
Alarmdienst, 313
Bereitschaftssystem, 121ff
Alarmierung, 10, 115, 138, 308, 315
Bergen, 116
Alarmstufe, 89 f, 95, 316
Betriebsauslass, 181ff, 300, 304, 306,
Alpen, 60, 88
Betriebsraum, 79, 298, 301
Anfälligkeit, 8, 33f, 44, 325f
Betriebsvorschrift, 129
Anfangsbedingung, 21, 28
Bevölkerungsdichte, 1
Anfeuchtung, 87
Bewirtschaftungsziel, 78f
Asphaltbetonkerndichtung, 295, 297, 303
Bewuchs, 17, 27ff, 71, 166f, 269
Atmosphäre, 18
Blattflächenindex, 18
Auelehmausbreitung, 324
Boden, 62, 69, 80, 105ff, 109, 158, 210 - Bodenabtrag, 158, 165, 176
Berechnungsmodell, 22f, 31, 205, 227
362
14 Stichwortverzeichnis
- Bodenart, 57, 63, 318 - Bodenbearbeitung, 266f - Bodendurchlässigkeit, 18, 106, 109 - Bodenfeuchte, 18 - Bodennutzung, 19, 52 - Bodenregion, 63 - Bodenschutz, 265 - Bodenspeicherkapazität, 18 - Bodenstruktur, 62f, 324 - Bodenverunreinigung, 165, 176 - Bodenwassergehalt, 32 Böschung, 156ff, 165, 177, 193, 277 - Böschungsabbruch, 165, 176 - Böschungsrutschung, 165, 176, 178 - Böschungssicherung, 165, 177 Brücke, 31, 126, 146, 149, 155, 166, 168, 171, 173, 177f, 217, 227, 234, 238, 242, 259, 264, 279, 284ff Buhne, 27, 267
173ff, 269ff - Deicherhöhung, 7 - Deichfuß, 89 - Deichläufer, 35 - Deichmonitoring, 35 - Deichrückverlegung, 194, 238ff, 269ff - Deichscharte, 127, 165, 280f - Deichsicherung, 127, 174, 270 - Deichüberströmung, 35 - Deichverteidigung, 117, 211 - Deichverteidigungsweg, 35, 273 - Deichzustandsanalyse, 167, 175, 269f Differentialgleichung, 20f Diffusionskoeffizient, 21 Direktabfluss, 18, 19, 20 Direktsaat, 266
Buschbautraverse, 267
Durchgängigkeit, 194, 220f, 225, 241, 292, 295, 298 - Gewässerdurchgängigkeit, 240, 297
D
Durchnässung, 35, 139, 181
Damm, 1, 139, 179ff, 288f, 295, 304 - Dammbalken, 281ff - Dammbruch, 165, 176, 179, 181, 204 - Dammfuß, 139, 180f - Dammkrone, 180 - Dammscharte, 180 - Erdschüttdamm, 179f - Steinschüttdamm, 295, 297, 303
Durchwurzelung, 169
Datenbank, 39, 46, 152f, 155ff, 189, 193, 255ff - Schadensdatenbank, 39, 42, 152f, 171, 320 Dauerhaftigkeit, 35, 77
E Einheitsganglinie, 19 Einsatz, 112ff, 186 - Einsatzkosten, 84 - Einsatzkräfte, 111, 115, 172f, 308, 320 - Einsatzplan, 311f - Einsatzstruktur, 111f, 114f, 154f, 186 - Hochwassereinsatz, 10, 115 - Personaleinsatz, 124f, 261
Dauerstaubecken, 72
Eintrittswahrscheinlichkeit, 7f, 15, 22, 47, 51, 84, 232, 324ff
Deformation, 138, 200
Einwohner, 1, 52, 136f, 162, 325, 329
Deich, 35, 37, 59, 67f, 70ff, 90, 93, 119, 125, 127, 145, 164ff, 170, 173ff, 193f, 209, 211, 218, 236, 239, 258, 263ff - Deichbruch, 90, 96, 116, 165ff,
Einzugsgebiet, 15f, 19, 32, 50ff, 62, 65ff, 77, 87ff, 103ff, 126, 130ff, 185, 193, 220ff, 238, 265ff, 287ff, 317, 323, 331 - Einzugsgebietsmanagement, 9
14 Stichwortverzeichnis
363
- Einzugsgebietsbewirtschaftung, 300 - Teileinzugsgebiet, 85, 149, 291 - Zwischeneinzugsgebiet, 133, 135
- Siedlungsfläche, 50, 81ff, 103, 162, 231, 267, 316f - Überschwemmungsflächen, 30, 52, 212, 222, 235, 308, 316f - Verkehrsfläche, 81ff, 103, 162, 231, 267, 272, 316 - Waldfläche, 82, 266
Energieliniengefälle, 20, 27 Entnahmeeinrichtung, 105, 300f Entnahmehorizont, 136 Entsiedlung, 3, 238, 293
Flachwassergleichung, 25
Entsorgung, 10, 38, 326
Fließdynamik, 22
Erdschüttdamm, 179f
Fließgeschwindigkeit, 20ff, 39, 41, 52, 63, 69, 80, 84, 93, 222, 227ff, 234, 294, 324, 328f
Ereignisanalyse, 3, 10, 56, 90, 173, 185f, 203ff, 216, 221, 224ff, 243, 333 Ereignisdokumentation, 185f, 205 Erosion, 18, 22, 31, 80, 93, 103ff, 126, 158, 165ff, 174ff, 180, 193, 204, 220ff, 228, 232, 236, 266, 269, 284, 328f Evakuierung, 10, 114ff, 181, 237, 308 Evaporation, 16, 18 Exposition, 8, 33f, 325f Ex-post-Evaluation, 3, 333 Extremereignis, 14, 49, 51, 88f, 95, 103, 135, 139, 176, 207f, 221, 227, 333
Fließgewässer, 2, 24ff, 57, 65ff, 89ff, 103ff, 119, 124, 126, 145, 151ff, 164, 170ff, 193ff, 207, 216ff, 239, 244, 268, 280, 317f, 323f Fließhindernis, 158, 165, 176 Fließquerschnitt, 20, 24ff, 173, 194, 227, 279, 286 Fließrichtung, 24ff, 90, 96, 156, 209, 272f Fließvorgang, 22 Fluss, 32, 284 Flussgebiet, 21, 117, 119, 210, 230, 288, 294, 316
F
Flußgebietseinheit, 51ff, 64, 213, 327, 331f
Faschine, 166
Flusslauf, 155, 267
Falschmeldung, 143
Flutrinne, 67f, 239
Fichaufstiegsanlage, 166
Freibord, 101, 258, 263
Fläche, 11, 38, 70, 81ff, 103ff, 193, 211ff, 219, 223, 238, 240, 244, 253, 264ff, 301, 316ff - Ackerfläche, 266f, 316 - Flächennutzung, 29, 50ff, 57, 70, 80ff, 89, 104f, 149, 193, 207, 213, 221ff, 226ff, 238, 242, 265, 284, 294, 316ff - Flächenverbrauch, 48 - Flächenvorsorge, 11, 218, 284, 316ff - hochwassergefährdet, 149 - Rückhalteflächen, 58, 209, 212f, 272
Funktionssicherheit, 35, 174, 199 G Gabione, 166 Ganglinie, 77, 106, 108, 227, 299 - Abflussganglinie, 21, 236, 292 - Hochwasserganglinie, 77, 92, 94f, 227 - Wasserstandsganglinie, 107 Gebietsrückhalt, 18f
364
14 Stichwortverzeichnis
Gebietsverlust, 19
103ff, 119, 124, 126, 145, 151ff, 164, 170ff, 193ff, 207, 216ff, 239, 244, 268, 280, 317f, 323f - Gewässerabschnitt, 26, 156, 161, 225 - Gewässeraufweitung, 239, 275 - Gewässerbett, 164f, 168, 170, 181, 194, 238, 277 - Gewässerdurchgängigkeit, 240, 297 - Gewässerfreilegung, 239 - Gewässermorphologie, 9, 57, 225 - Gewässernetz, 32, 62, 65, 70, 323f - Gewässerprofil, 29, 217, 223 - Gewässerstrukturgüte, 194, 241 - Gewässertyp, 68 - Gewässerumverlegung, 239 - Gewässerverantwortlicher, 155, 172 - Oberflächengewässer, 20, 105, 109, 324 - Standgewässer, 57
Gefahr, 1, 2, 6, 11f, 34, 68f, 84, 90, 109, 126, 157, 163, 171, 174, 210, 213, 220ff, 229ff, 309ff, 329 - Eisgefahr, 59, 211 - Gefahrenabwehr, 7, 15, 34, 124ff, 129, 138, 170, 193, 199, 208, 333 - Gefahrenanalyse, 10, 220, 222, 231f - Gefahrenhinweiskarte, 85, 307f, 311ff, 319ff - Gefahrenkarte, 3, 8, 11, 18, 23, 34, 48f, 51ff, 204f, 210ff, 222, 228, 232ff, 240ff, 307ff, 320, 327ff - Gefahrenpotenzial, 1, 194, 204, 237, 241 - Gefahrenzone, 181, 232, 308, 319 - Hochwassergefahr, 2, 68f, 234, 316, 318 - Naturgefahr, 3, 5f, 12, 232, 311 Gefälle, 20, 31, 69f, 93, 225, 277 - Energieliniengefälle 20, 27 - Gefällestufe, 279 Geländemodell, 26ff, 217, 222f Genehmigung, 209, 211, 240, 248, 250, 253, 258ff, 270, 287ff, 300, 318 - Genehmigungsverfahren, 220, 261ff, 284 - Plangenehmigung, 214, 248, 261 Geologie, 13, 19, 62, 207, 324 Gerinne, 20, 26ff, 69, 166, 177, 181ff, 193, 277, 279 - Gerinnehydraulik, 17 Geröll, 170f, 182 Gesamtabfluss, 20
Gewitter, 64f Gleichung, 20ff, 30 - Differentialgleichung, 20f - Gleichungssystem, 24ff Großregionen, 60 Grundablass, 201, 295ff, 300, 306 Grundlagenermittlung, 221ff, 270 Grundwasser, 22, 105ff, 225, 324 - Grundwasserabfluss, 20, 33 - Grundwasseraustritt, 105, 324 - Grundwasserhaushalt, 105 - Grundwasserleiter, 62, 106 - Grundwasserneubildung, 18 - Grundwasserstand, 105ff, 324 - Grundwasserströmung, 22
Geschiebe, 166, 168, 170ff, 177, 182, 221, 224, 236ff - Geschiebetransport, 69, 158, 165, 176, 225, 232ff
Gütesteuerung, 136, 138
Gewässer, 17, 23ff, 34, 37, 57ff, 67ff, 89ff, 165ff, 116, 119ff, 146, 150ff, 165ff, 190ff, 218ff, 235ff, 264ff, 290ff, 325ff - Fließgewässer, 2, 24ff, 57, 65ff, 89ff,
Hangneigung, 57, 61f, 316, 324
H Hilfsanforderung, 113 Hilfsangebot, 113, 186 Hilfskraft, 115, 124f, 172f, 186
14 Stichwortverzeichnis
Hochwasser, 1f, 7, 13ff, 32ff, 42ff, 70ff, 97ff, 134ff, 172, 180ff, 223ff, 257ff, 300ff - Hochwasserabfluss, 131, 210 - Hochwasserabwehr, 211, 219, 264, 283, 311 - Hochwasserbekämfung, 128, 312, 316 - Hochwasserbemessung, 33, 77 - Hochwasserbewältigung, 10, 75, 87, 111, 121, 126, 129, 145, 170, 183ff, 207, 311, 320, 333 - Hochwassercharakteristik, 22, 62f - Hochwassereilbenachrichtigung, 316 - Hochwasserentlastungsanlage 77, 100, 105, 131, 177, 179ff, 295, 302ff - Hochwasserentstehung, 19f, 62, 211 - Hochwasserentstehungsgebiet, 193, 318, 324, 333 - Hochwasserfrühwarnsystem, 190f - Hochwasserganglinie, 77, 92, 94f, 227 - Hochwassergefahr, 2, 68f, 232ff, 316, 318 - Hochwassergefahrenkarte, 8, 11, 48f, 51ff, 210, 213, 307, 327ff - Hochwassermarke, 225, 243 - Hochwassermelde/nachrichtendienst, 11, 16f, 59, 89, 116ff, 129, 204, 212, 249, 283, 311, 313ff - Hochwasserprävention, 204, 216, 307ff - Hochwasserrisiko, 7f, 15, 17, 33, 49ff, 84, 134, 213f, 321ff - Hochwasserrisikobewusstsein, 1f, 28f, 39, 48, 55, 310, 321ff, 330, 334f - Hochwasserrisikokarte, 8, 11, 34, 49, 51ff, 307, 327ff - Hochwasserrisikomanagement, 3, 5ff, 11ff, 47ff, 72, 84, 87, 111, 145, 149, 185, 203, 207ff, 213ff, 244, 319ff, 330ff - Hochwasserrisikomanagementplan, 8, 11, 48ff, 214ff, 330ff
365
- Hochwasserrückhaltebecken, 72, 129ff, 200ff, 218, 238f, 258, 265, 287ff, 309 - Hochwasserrückhalteraum, 72ff, 99, 130ff, 196, 295ff, 324 - Hochwasserschaden, 42 - Hochwasserschadensanalyse, 38f - Hochwasserschadensbeseitigung, 185, 191f, 217, 245 - Hochwasserschadensdaten, 321 - Hochwasserschadensinformation, 84, 319ff - Hochwasserschadenspotenzial, 38 - Hochwasserscheitel, 77, 107ff, 130ff, 175, 181, 196, - Hochwasserschutz, 1, 3, 9, 11, 15, 29, 58ff, 67, 72, 75, 78ff, 135, 174ff, 185, 190ff, 203, 208ff, 237ff, 264ff, 309ff - Hochwasserschutzanlage/-bauten/ -einrichtung, 3, 18, 23, 35, 57ff, 67ff, 120, 125ff, 194, 211, 221ff, 272ff - Hochwasserschutzkonzept, 193f, 203, 211, 216ff, 237ff, 270, 290f, 307ff, 319 - Hochwasserschutzlager, 124ff - Hochwasserschutzmaßnahme, 9, 15, 210, 220, 222ff, 237ff - Hochwasserschutzniveau, 9, 219, 264 - Hochwasserschutzstrategie, 58f, 218f, 244, 264 - Hochwasserschutzwirkung, 299ff - Hochwasserschutzziel, 79, 197 - Hochwasserstand, 255, 316 - Hochwasserstandsganglinie, 92ff - Hochwasservorbeugung, 3, 11, 28, 39, 52, 56f, 87, 99, 196, 205, 207ff, 307, 311, 333 - Hochwasservorsorge, 15, 58, 207, 210, 244, 253, 284, 287, 307, 311ff - Hochwasserwarnung, 32, 174, 315f - Hochwasserwelle, 20, 90, 93ff, 137, 140, 196f, 270ff
366
Hubschrauber, 113, 115, 128 Hydrologie, 13, 17, 19, 23, 57, 63, 87, 204, 229, 324
14 Stichwortverzeichnis
Kontrolle, 53, 59, 126f, 138f, 181, 200, 255, 260, 314, 320 - Kontrolldienst, 89, 138f
Hypolimnion, 137
Koordination/Koordinierung, 53f, 114, 124f, 139, 186ff, 208f, 215, 248f, 294, 308, 313, 332
I
Krisensituation, 121ff, 138, 248, 257
Impuls, 20f
Krisenstab, 113, 123ff, 140ff, 186, 191
Infiltration, 18, 105, 109
Kulturgut, 226, 325
Informationsverteiler, 315 Informationsvorsorge, 11, 311, 313
L
Innendichtung, 304
Landesentwicklungsplan, 265f, 309f
Instandsetzung, 10, 42, 44, 157, 163, 174, 193f, 199, 209, 270, 285
Landnutzung, 2, 28f, 32, 44, 57, 318
Intensität, 15, 17f, 57, 161f, 222ff, 232ff, 285, 324f
Leitstelle, 186ff, 217, 245
Intensitätskarte, 23, 34, 221f, 227ff, 240ff
Laserscanvermessung, 217, 223 Leitwerk, 194
Interaktion, 8, 12, 15, 20, 33, 323 Interzeption, 18
M
IST-Zustand, 221f, 226ff, 240ff
Machbarkeitsstudie, 218, 290ff
IVU-Anlage, 52, 325, 329
Maßnahmenauswahl, 222, 238, 240 Maßnahmenplanung, 6, 220, 237, 244
K Katastrophenschutz, 9ff, 34, 37, 111ff, 123ff, 140ff, 170, 181, 186, 237, 308, 311ff, 330 - Katastrophenschutzstab, 111ff, 125 Kenngröße/-wert, 18, 20, 23, 269 Kläranlage, 96, 105, 166, 241, 293
Medien, 90, 112, 143, 173, 183, 204ff - Medienbericht/-erstattung, 140ff, 203, 206 Meldedienst, 89, 138f Meldezentrale, 116, 138, 248f, 314f Meldeschema/-weg, 118f, 123, 204, 241, 313f
Klima, 9, 63f - Klimaveränderung/-wandel, 1ff, 48ff, 324ff
Messdaten, 26, 29, 30, 203
Kommunikation, 10, 38, 112, 124f, 139, 191, 245, 315, 326 - Kommunikationsweg, 10, 38, 123ff, 140, 316
Mittelgebirge, 61ff, 83, 107, 158, 173, 318
Kontamination, 22, 41, 241
Modell, 16, 21ff, 42, 77, 205, 221ff, 233, 270
Messeinrichtung, 166, 177, Meteorologie, 13, 16, 57, 63, 87, 204, 324
Mobilsystem, 128, 283, 312
14 Stichwortverzeichnis
N
367
Opferbetreuung, 10, 115
Nachhaltigkeit, 191, 195, 207, 220 Nachrichtenempfänger, 141
P
Nachsorge, 116, 185, 193, 205, 333
Parameter, 24ff, 62, 97f, 104, 197ff, 233
Naturgefahr, 3, 5f, 12, 232, 311
Pegel, 90ff, 109, 117, 127, 132, 139, 166, 176ff, 223, 234, 314ff - Pegelmessung/-wert, 90, 142, 315 - Pegelstand, 91, 140
Naturkatastrophe, 5, 209 Niederschlag, 9, 16ff, 32, 48, 64, 78, 88ff, 105, 131ff, 225, 315, 335 - Gebietsniederschlag, 18, 132f - Niederschlags-Abfluss-Modell, 22f, 77, 218, 223, 227, 299 - Niederschlags-Abfluss-Prozess, 18, 22, 32, 226 - Niederschlagshöhe, 16, 88f - Niederschlagsintensität, 17, 161 - Niederschlagsmaximum, 2, 64f - Niederschlagsverteilung, 17, 57, 318 - Niederschlagsprognose/-vorhersage, 16, 22 Normalbetrieb, 78, 129, 139 Notdienst, 139 Notfallleitstand, 315
Personal, 121, 125, 139, 152, 172ff, 188, 200ff, 248f, 258ff - Personaleinsatz, 124f, 174 Planfeststellung, 214, 248, 261 Plangenehmigung, 214, 248, 261 Planung, 34, 59, 157, 203, 219, 222ff, 232, 237, 248ff, 270, 283ff, 308f, 319f Polder, 27, 32, 90, 194, 238f, 258f, 264ff Prävention, 11, 56, 116, 204, 216, 243, 307ff, 332 Presse, 112f, 116, 139f, 183f, 205f, 248, 315, 321, 322
Notfallplanung, 209, 237
Priorisierung, 171, 189, 194f, 222, 241ff, 249ff, 285f, 308, 319, 332
Notfallvorsorge, 237
Projektabwicklung, 194, 255, 262
Nowcasting, 16
Projektsteuerer, 155, 217
Nutzen-Kosten, 52, 231, 240ff, 249, 290, 293f, 319f, 332
Prosperitätsschaden, 38, 226 Provaranlage, 302 Prozessanalyse, 10
O
Psychologie, 13, 34, 112, 186
Oberflächenabfluss, 18, 20, 33 Oberflächenwasser, 22, 67, 107ff, 225
Q
Oberlauf, 68f, 193
Querbauwerk, 126, 165, 173, 194, 238, 279f
Oberlieger, 53 Öffentlichkeitsbeteiligung, 243 Ökodurchlass, 295
R
Ökologie, 78f, 212, 220f, 225, 240, 244, 291f, 298
Randbedingung, 16, 21ff, 48, 126, 135, 191, 194, 218, 223f, 240, 253, 292, 335
Ökonomie, 6, 9, 13, 42, 79, 220ff
Rauheit, 26ff
368
14 Stichwortverzeichnis
Raumordnung, 13, 15, 52, 58, 212, 265, 288, 310, 330
- Risikokultur, 3, 6ff, 11f, 34, 333f - Risikosteuerung, 7, 333ff - Risikoverminderung, 6f, 12, 55f, 181 - Risikovorsorge, 11, 218, 311
Raumplanung, 13, 60, 216, 232, 237, 319 Rechen, 166, 177, 182f Rechtslage, 57f, 207f, 259 Regelbetrieb, 78
Rohwasser, 72, 75, 79, 135ff, 197, 300ff Rückgriffweite, 25, 228
Regionalplanung, 264f, 289, 308ff, 319
Rückhalt, 11, 18f, 32, 53, 58, 69ff, 193, 211, 218ff, 238f, 253, 265ff, 284, 309 - Hochwasserrückhalteraum, 72ff, 99, 130ff, 196, 295ff, 324 - Rückhalteflächen, 58, 209ff, 272
Renaturierung, 238f
Rückverlegung, 193f, 265, 276
Regeneration, 6, 10, 56, 185f, 193, 196, 203, 206f, 333 Regionalisierung, 19, 77
Repräsentant, 44 Reserveraum, 79
S
Retention, 32, 220, 272, 293 - Retentionsraum, 11, 27, 52, 72, 193, 238, 265, 271ff, 309 - Retentionswirkung, 26, 132ff, 287, 292
Schaden, 1ff, 33ff, 69, 84ff, 109, 134, 145ff, 163ff, 194ff, 224, 267ff, 287ff, 320 - Schadensabwehr/-bekämpfung/ -begrenzung, 6, 10, 114f, 320 - Schadensanalyse, 38f, 42 - Schadensanfälligkeit, 36, 84, 199, 226 - Schadensbeseitigung, 154, 157f, 173, 191ff, 209, 217, 224, 229, 250, 257ff, 279, 303, 322 - Schadenserfassung/-erhebung, 150, 151ff, 161ff, 183ff, 255ff, 320 - Schadensfunktion, 38ff, 150, 231, 294 - Schadensgebiet, 146f, 173, 224 - Schadensgrad, 44f - Schadenspotenzial, 5ff, 47f, 57, 84ff, 150, 162, 204ff, 219ff, 229ff, 237ff, 264, 272, 281ff, 319f, 323ff, 335 - Schadenspotenzialkarte, 234, 249, 320, 333 - Totalschaden, 162, 166
Rettung, 10, 115f, 237, 320 - Rettungsdienst, 113 - Rettungsweg, 10, 320 Risiko, 5ff, 8, 220, 237, 240, 319, 327ff - Hochwasserrisiko, 7f, 15, 17, 33, 49ff, 84, 134, 213f, 321ff - Hochwasserrisikobewusstsein, 1f, 28f, 39, 48, 55, 310, 321ff, 330, 334f - Hochwasserrisikokarte, 8, 11, 34, 49, 51ff, 307, 327ff - Hochwasserrisikomanagement, 3, 5ff, 11ff, 47ff, 72, 84, 87, 111, 145, 149, 185, 203, 207ff, 213ff, 244, 319ff, 330ff - Hochwasserrisikomanagementplan, 8, 11, 48ff, 214ff, 330ff - Risikoakzeptanz, 7, 11, 321f - Risikoanalyse, 6 - Risikobewertung, 6, 215, 308 - Risikobewusstsein, 9, 11, 321f - Risikodenken, 1, 6f, 215 - Risikoelement/-gebiet, 23, 33ff, 47, 214, 326
Schädigungsgrad, 157, 162ff, 231, 269 Schmutzstofffracht, 136ff, 302 Schubspannung, 23ff Schutt, 63, 329
14 Stichwortverzeichnis
Schutz, 3, 53, 56ff, 70ff, 116, 210ff, 268, 282, 301, 318 - Hochwasserschutz, 1, 3, 9, 11, 15, 29, 58ff, 67, 72, 75, 78ff, 135, 174ff, 185, 190ff, 203, 208ff, 237ff, 264ff, 309ff - Schutzdefizitanalyse, 10 - Schutzfunktion, 71 - Schutzgebiet, 52, 221, 226f, 242, 288ff, 325ff - Schutzgrad, 220, 222, 229f, 241f - Schutzgut, 8, 51f, 325 - Schutzmaßnahme, 5, 221ff, 310 - Schutzsystem, 36, 319 - Schutzziel, 134, 220, 222, 229f, 240ff, 293, 307 Schwemmgut, 126, 170f, 176, 182, 221, 225, 329 Sediment, 22, 52, 62, 96, 99, 221ff, 301, 328f - Sedimentation, 22, 31, 158, 165, 176, 228ff, 279, 328f - Sedimentationsbecken/-falle, 72, 267
369
Sohlrampe, 279 Sohlschwelle, 166 Sohlsicherung, 166, 170 Sohlwasserdruck, 200f SOLL-Zustand, 222, 227, 240ff Sonderstruktur, 126, 186ff, 245, 333 Spreitlage, 268 Stabsstelle, 191, 245, 248f Standgewässer, 57 Standortrecherche, 287f Standsicherheit, 35, 77, 103, 174ff, 199ff, 269, 277 Starkregen, 64f, 87f, 94 Stauanlage, 13, 17, 23, 32, 37, 57, 72ff, 99ff, 119ff, 129ff, 151ff, 176ff, 181ff, 196ff, 245ff, 287ff, 300ff, 324 Stauanlagenbetreiber, 119, 137f Staupersonal, 139, 200ff
Sicherheitsbericht, 77, 181
Stauraum, 1, 72ff, 99, 136f, 176, 289, 300ff - Stauraumaufteilung, 73ff, 298, 301
Sicherheitsdenken, 1, 3, 6
Stauziel, 101ff
Sickerstelle, 269
Steinschüttdamm, 295, 297, 303
Sickerwasser, 138, 200
Stemmtor, 281
Siedlung, 1, 31, 193, 208, 227, 230, 290, 317 - Entsiedlung, 3, 238, 293 - Siedlungsdichte, 48, 335 - Siedlungsdruck, 1, 48, 335 - Siedlungsfläche, 50, 81ff, 231, 267, 272, 316f
Stofffracht, 104f, 136ff, 323, 301
Sensationsberichterstattung, 141
Strömung, 20ff, 35 - Überströmung, 35, 165ff, 176, 179f - Unterströmung, 166f Sturzflut, 32, 62f, 70, 90, 96, 164 Systemgrenze, 24
Simulation, 24ff, 42, 205 - Simulationsmodell, 42
T
Single Voice-Prinzip, 143
Talmorphologie, 292
Sofortberäumung, 170ff
Talsperre, 16, 72ff, 89ff, 116, 129ff, 176ff, 196ff, 218, 223, 238, 265, 287, 298, 301 - Talsperrenbewirtschaftung/-betrieb,
Sofortmaßnahme, 10, 115, 145ff, 170ff, 181ff, 193, 199, 208, 229, 257, 333 Sohlgefälle, 20
370
14 Stichwortverzeichnis
16, 79f, 129, 181, 249 - Talsperrensteuerung, 18, 124f, 314 Technisches Hilfswerk, 126 Tiefdruckgebiet/-komplex, 87f Tiefland, 60f, 64, 68f Todesopfer, 5, 37, 87 Topographie,2, 13, 19, 51, 60ff, 207, 324 Totalschaden, 162, 166 Tragsicherheit, 35, 77, 103, 176, 200ff, 269f
Ufer, 27, 165f, 173, 177, 209, 228, 237, 274 - Uferbefestigung/-sicherung, 170, 210, 239, 267f, 274, 280, 286 - Uferfiltrat, 137f - Ufermauer, 69, 156ff, 166, 177, 193, 274, 277 - Uferstruktur, 26 Umfluter, 239, 277f Umsetzungsproblem, 258ff, 294, 334 Umsiedlung, 50
Translation, 19, 21 - Translationsgeschwindigkeit, 21
Unit Hydrograph, 19
Transpiration, 16, 18
Unterhaltungslast, 59, 67, 190, 285
Treibgut, 126, 166, 177, 204
Unterlauf, 69f, 131, 164, 194, 294, 302
Trinkwasser, 75, 135f - Trinkwassertalsperre, 75, 136ff, 298ff - Trinkwasserversorgung, 72, 75, 79f, 136ff, 197, 298, 302
Unterlieger, 53, 59, 138, 199, 263, 309
Trockenperiode, 1f, 79
Vb-Wetterlage, 64f, 88
Trockenbecken, 72, 289, 297
Vegetation, 18
Troposphäre, 16
Verdichtungsraum, 162
Trübung, 136ff
Verhaltensvorsorge, 11, 310f
U
Verkehrsinfrastruktur, 5, 38, 149f, 320, 325
Untergrundversagen, 167
V Variabilität, 19, 301
Überflutung, 52, 231, 328f - Überflutungsdauer, 41 - Überflutungsgebiet/-flächen, 26, 212, 225, 237, 265, 290
Verklausung, 22, 31, 126, 158, 165ff, 176, 204, 221, 225, 232ff, 279, 328f
Übergangsmaßnahme, 54, 332
Vermessung, 29, 217f, 222f, 270
Übersarung, 228
Vermögenswert, 37, 84f, 230f
Überschwemmung, 1, 32, 59ff, 70, 87ff, 164, 176, 213, 228, 234f, 240, 272, 279 - Überschwemmungsgebiet/-flächen, 3, 28ff, 51f, 58f, 136, 197, 205ff, 213ff, 235, 265ff, 308ff, 316ff
Versagen, 35, 166ff , 236, 244, 265, 309 - Versagensmechanismus/-ursache, 166f, 221, 225
Überwachung, 99, 125f, 137ff, 181, 197, 199ff, 255, 315, 332
Versiegelung, 18 - Versiegelungsgrad, 57, 81, 324
Verletzbarkeit, 33, 36, 44 - Verletzbarkeitsklasse, 44ff
Versetzung, 171, 176, 277 Versickerungseigenschaft, 57, 62, 318
14 Stichwortverzeichnis
Versorgung, 10, 75, 112, 114f, 136, 140, 197, 212, 241, 298, 302, 308 - Trinkwasserversorgung, 72, 75, 78f, 136ff, 197, 302 Viskosität, 24, 31 Volumenbedingung, 19 Vorbehaltsgebiet, 265, 309 Vorbeugung, 11, 56, 137, 214, 232 Hochwasservorbeugung, 3, 28, 39, 52, 56f, 87, 99, 196, 205, 207ff, 307, 311, 333 Vorentlastung, 101, 300f Vorfeuchte, 19, 80 Vorhersage, 16ff, 23, 32f, 48, 53, 116, 335 - Vorhersagegenauigkeit, 15f, 32 - Vorhersagezentrale, 315 Vorland, 60f, 66, 70, 77 Vorranggebiet, 309f Vorsättigung, 87 Vorsorge, 3, 11, 53, 56, 207, 214, 218, 237ff, 264, 284, 307, 332 - Hochwasservorsorge, 11, 15, 58, 207, 210, 244, 253, 284, 287, 307, 311ff Vorzugsstandort, 291ff Vulnerabilität, 8, 10ff, 33, 51, 57, 84ff, 207, 249, 323, 325ff W Wachdienst, 90, 127 Warnung, 3, 16, 32, 140, 143, 174, 209, 315f - Hochwasserwarnung, 32, 174, 315f Wasser, 1, 10, 16, 24, 38, 50, 59, 68, 72, 80, 91, 134ff, 196, 211, 224, 268, 272, 277, 283, 302 - Wasserbedarf, 1 - Wasserabfluss, 20ff, 31ff, 52, 59, 82, 90, 131, 209ff, 229, 241f, 264f, 309f, 328f - Wasserbau, 13, 30, 190, 211, 248
371
- Wasserbauwerk, 18, 23, 155 - Wasserbaudienststelle, 211, 248 - Wasserbeschaffenheit, 98, 103f, 109, 301 - Wasserführung, 62, 70, 94, 175, 284 - Wassergesetz, 49, 58f, 67, 119, 191, 209ff - Wassergüte, 75, 78f, 96, 103f, 129, 135ff, 196ff, 298ff - Wasserhaushaltsgesetz, 49, 58, 208ff - Wasserkörper, 103ff, 136, 197, 301 - Wasserkreislauf, 15, 32f - Wassermenge, 78, 89, 99, 105, 129ff, 196f, 298 - Wasserrückhalt, 53, 193, 214, 218, 238, 265f, 309, 318 - Wasserschutzgebiet, 220, 301 - Wasserspiegel/-oberfläche, 24, 200ff, 271ff - Wasserspiegellage/-linie, 26ff, 229, 290 - Wasserspiegellagenberechnung, 25, 28, 31, 227 - Wasserstand/-tiefe, 10, 21ff, 39ff, 52, 67, 84, 90ff, 101ff, 179, 197, 200ff, 228, 231, 240, 244, 314ff - Wasserstands-Abfluss-Beziehung, 18, 23, 205 - Wasserstands-Schadens-Beziehung, 41f - Wasserversorgung, 78, 136, 212, 298 - Trinkwasserversorgung, 72, 75, 78f, 136ff, 197, 302 - Wasserwehr, 59, 127, , 211, 311f, 319f - Wasserwerk, 10, 38, 136ff, 166, 197, 241, 301f, 326 - Wasserwirtschaft, 3, 52, 56, 183ff, 205f, 237, 248, 266, 284, 307f, 319ff, 330ff - Wasserwirtschaftsplan, 78 - Wehr, 119, 126, 166, 171ff, 279 - Wertschöpfungsverlust, 37f, 84 - Wetterereignis/-lage, 1f, 16, 48, 64f, 88, 335 - Wetterschicht, 16
372
14 Stichwortverzeichnis
- Wetterprognose/-vorhersage, 15ff, 32, 314 - Wetterstation, 16, 88 Wiederaufbau, 5, 10, 154f, 185ff, 205ff, 285, 333 Z Zerstörung, 37, 165, 176f, 209, 214, 241 Zufahrt, 170ff, 182f, 308 Zufluss, 17, 20, 67, 77, 101, 105, 133 Zugbahn, 64 Zustandsanalyse, 70, 167, 175, 269f Zwischenabfluss, 18, 20 Zyklon, 64
Anlage 1: Erfassungsbogen für Schadenserhebung, August 2002
374
Anlage 1: Erfassungsbogen für Schadenserhebung, August 2002
Anlage 1: Erfassungsbogen für Schadenserhebung, August 2002
375
140
160
100
160
360
146
194
115
210
260
197
142
12,0
27,0
22,0
28,5
39,0
16,5
26,5
31,5
25,5
33,0
28,0
25,0
Liebstadt II
Niederseidewitz I
Göppersdorf
Niederseidewitz II
Zwiesel
Rotes Wasser
Biela
Trebnitz
Schlottwitzgrund
Waldbärenburg
Niederpöbel
Schmiedeberg I
190
24,5
0,6
1,2
1,2
1,2
1,2
1,7
1,8
3,1
2,0
0,6
2,6
0,5
0,5
8,3
13,0
40,0
16,1
7,8
14,2
13,2
12,0
k.A
3,2
5,5
1,3
3,5
mittel
sehr hoch
sehr hoch
mittel
hoch
sehr hoch
sehr hoch
sehr hoch
gering
gering
sehr hoch
gering
gering
geeignet
geeignet
geeignet
geeignet
geeignet
geeignet
geeignet
bedingt geeignet
geeignet
geeignet
bedingt geeignet
geeignet
geeignet
keine
mittel
gering
mittel
keine
mittel
sehr hoch
mittel
mittel
keine
mittel
mittel
mittel
gering
gering
gering
mittel
sehr hoch
mittel
gering
hoch
mittel
mittel
hoch
mittel
gering
mittel
hoch
mittel
mittel
mittel
mittel
hoch
hoch
nicht untersucht
gering
sehr hoch
mittel
nicht untersucht
Damm- Kronen- Stauraum Baukosten wasserw. Baugrund- Betroffenheit ökol. Kon- Wirtschafthöhe [m] länge [m] [hm³] [Mio. €] Wirksamkeit eignung Infrastruktur fliktpotenzial lichkeit
Berthelsdorf
Standort
Anlage 2: Bewertung von Vorzugsstandorten für HRB im Osterzgebirge
Anlage 3: Schlussfolgerungen Schlussfolgerung 1:
Schlussfolgerung 2:
Schlussfolgerung 3:
Schlussfolgerung 4:
Schlussfolgerung 5:
Schlussfolgerung 6:
Schlussfolgerung 7:
In Deutschland können infolge des Klimawandels extreme Wetterereignisse und damit natürlich auch katastrophale Hochwasserereignisse länger, häufiger und intensiver auftreten. In Sachsen können neben den für die Bundesrepublik typischen Winter- und Frühjahrshochwassern auch extreme Sommerhochwasser auftreten. Moderner und nachhaltiger Hochwasserschutz kann nur durch den Wechsel zu einer interdisziplinären Risikokultur erzielt werden, die durch ein integriertes Hochwasserrisikomanagement gekennzeichnet ist. Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit von Wetterprognosen, insbesondere der Vorhersagen für die Niederschlagsintensität und die zeitliche und räumliche Niederschlagsverteilung, müssen für einen zuverlässigen Hochwassernachrichtendienst und eine situationsgerechte Bewirtschaftung von Gewässern und Stauanlagen noch wesentlich erhöht werden. Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Niederschlags-Abflussmodelle muss noch wesentlich erhöht werden, um praxistaugliche hydrologische Kenngrößen für die Dimensionierung von Wasserbauwerken, wie z. B. technische Hochwasserschutzbauten, für die situationsgerechte Bewirtschaftung von Stauanlagen und Gewässern, für die vertrauenswürdige Ausweisung von Risikogebieten in Intensitäts- und Gefahrenkarten und für die verlässliche Hochwasservorhersage zu haben. Die Vorhaltung, Aktualisierung und Laufendhaltung von Grundlagendaten, wie z. B. Geländemodellen, Gewässerprofilen, Landnutzungen usw., ist u. a. wichtig für die Weiterentwicklung und Verbesserung von Analysewerkzeugen, die kostengünstigere Simulation von Ereignissen und das schnelle fachliche Handeln nach abgelaufenen Hochwasserereignissen. Das große Defizit an Naturmessdaten (z. B. Wasserstand, Durchfluss, Rauheiten, Überschwemmungsflächen, …) im Hochwasserfall lässt sich nur durch die Vorbereitung und Umsetzung von operativen Messprogrammen für den Hochwasserfall lösen. Diese Daten werden einerseits für die Bemessungspraxis im Wasserbau und andererseits für die wissenschaftliche Analyse von Hochwasserereignissen benötigt.
380
Schlussfolgerung 8:
Schlussfolgerung 9:
Schlussfolgerung 10:
Schlussfolgerung 11:
Schlussfolgerung 12:
Schlussfolgerung 13:
Schlussfolgerung 14:
Anlage 3: Schlussfolgerungen
Die Ausgangsdatenlage zur Beschreibung der hydrologischen und hydraulischen Prozesse muss wesentlich verbessert werden. Durch systematische Untersuchungen und Klassifizierung von gewässertypischen Anfangs- und Randbedingungen können die Ergebnisse von hydraulischen Berechnungen verbessert werden. Neben der ständigen Verbesserung der Modelle zur Beschreibung von Teilprozessen des Wasserkreislaufes ist es eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft, die Kopplung der Einzelmodelle voranzutreiben, um über integrale Ansätze die Interaktion der Teilprozesse besser berücksichtigen und damit die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Berechnungsergebnisse verbessern zu können. Die Ergebnisse der gekoppelten, den Gesamtprozess beschreibenden Modelle müssen in praxistaugliche und robuste Verfahren überführt werden. Das Wissen und die Aufklärung über die Exposition von Risikoelementen sind sehr wichtig für die Risikokommunikation. Diese wiederum muss in Deutschland noch wesentlich intensiviert werden, wozu die Humangeographie, Psychologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften noch praxisgeeignete Methoden und Schulungsprogramme entwickeln müssen, die zur Erhaltung oder Steigerung des Hochwasserbewusstseins führen. Die Anfälligkeit der Risikoelemente ist sehr stark von ihrer Art und Konstitution abhängig. Deshalb ist bei baulichen Anlagen und hier insbesondere bei technischen Hochwasserschutzanlagen das Wissen über deren Bauzustand und ihr Verhalten (Tragsicherheit, Funktionssicherheit und Dauerhaftigkeit) während der Belastung durch das Hochwasser wichtig. Hierzu müssen die Erkundungs- und Monitoringverfahren noch weiter entwickelt werden. Neben einer ständigen fachgerechten Bauwerksunterhaltung kann die weitere Entwicklung und praktische Einführung hochwassergerechter Bauweisen insbesondere für bestehende Bauwerke und innovativer Schutzsysteme die Schadensanfälligkeit der baulichen Anlagen bedeutend senken. Die meisten Hochwasserschadensuntersuchungen oder auch Hochwasserschadenspotenzialuntersuchungen konzentrieren sich aufgrund auch fehlender methodischer Grundlagen auf die direkten tangiblen Schäden und hier schwerpunktmäßig auf Wohngebäudeschäden. Die in Deutschland verfügbare Datenbasis für Hochwasserschadensanalysen ist schlecht. Eine entscheidende Verbesserung wäre nur über eine deutschlandweite zentrale Schadensdatenbank möglich, in der alle nach einem Qualitätskonzept aufgenommenen und geprüften Schadensdaten erfasst und wissenschaftlichen Auswertungen zugeführt werden.
Anlage 3: Schlussfolgerungen
381
Schlussfolgerung 15: Die Genauigkeit bisheriger Schadensfunktionen ist aufgrund der bestehenden Datenlage nicht zufriedenstellend. Neuere Ansätze versuchen dieses Problem für Wohnbebauungen zu lösen, um effizient die möglichen Schäden ermitteln zu können. An Schadensfunktionen für Nichtwohnbebauungen und weitere Infrastrukturen und Nutzungen besteht noch ein großer Entwicklungsbedarf. Schlussfolgerung 16: Die EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie stellt mit ihrem Hauptziel der Verringerung des Hochwasserrisikos die logische Ergänzung zu den in der EG-Wasserrahmenrichtlinie angestrebten Umweltzielen dar. Beide Richtlinien sind nur über eine integrierte Bewirtschaftung der Einzugsgebiete umsetzbar. Schlussfolgerung 17: Die Ziele der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie sind nahezu mit den etwas umfassenderen Zielen des integrierten Hochwasserrisikomanagements identisch. Schlussfolgerung 18: Die EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie erfordert druch ihre periodisch anstehenden Überprüfungen, Neubewertungen und Aktualisierungen eine ständige Auseinandersetzung mit dem Hochwasserrisikomanagement, was zum Erhalt eines angemessenen Hochwasserrisikobewusstseins beiträgt. Schlussfolgerung 19: Das integrierte Hochwasserrisikomanagement ist umfassender als die in der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie geregelten Fachinhalte. Schlussfolgerung 20: Die konsequente Anwendung des integrierten Hochwasserrisikomanagements führt zur vollständigen fachlichen Umsetzung der EGHochwasserrisikomanagementrichtlinie. Schlussfolgerung 21: Trotz der LAWA-Leitlinie für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz und der Erfahrungen aus dem Oderhochwasser von 1997 war die Rahmengesetzgebung durch den Bund bis 2002 aus fachlicher Sicht zu einseitig und als Vorgabe für die Länder zu schwach. Damit war es nicht möglich, eine einheitliche Hochwasserschutzstrategie auch über Bundesländergrenzen hinweg umzusetzen. Schlussfolgerung 22: Die wassergesetzlichen Regelungen zum Hochwasserschutz waren 2002 im Freistaat Sachsen schon recht ausgeprägt und vielseitig. Die Praktikabilität und die konsequente Anwendung durch die Wasserbehörden waren nicht in jeder Hinsicht sicher gestellt. Schlussfolgerung 23: Für Deutschland und Sachsen kann man bezüglich der Hochwassercharakteristik ähnliche topographische Verhältnisse feststellen. Im Süden befinden sich die Gebirge mit einem fein verzweigten Gewässernetz, wo auch aufgrund der steilen Hangneigungen die dynamischen Hochwasserprozesse (Sturzfluten) die entscheidende Rolle spielen. Diese südlichen Gewässernetze verschmelzen zu den größeren Flusssystemen in den nördlich anschließenden Tiefländern, wo es vorrangig zu großflächigen Überschwemmungen durch die hohe Wasserführung der größeren Flüsse kommen wird.
382
Anlage 3: Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung 24: Auch bei den Bodenarten kann man für Deutschland und Sachsen bezüglich der Hochwassercharakteristik prinzipiell ähnliche Verhältnisse feststellen. Die niederschlagsreicheren Gebirgslagen und das vorgelagerte Hügelland sind durch relativ undurchlässige und damit sehr abflusswirksame Bodenarten gekennzeichnet. Damit wird deutlich, dass auch die jeweils vorhandenen Bodenarten den in Schlussfolgerung 23 beschriebene Effekt der hohen Fließgeschwindigkeiten (Sturzfluten) im Gebirge und der eher großflächigen Überschwemmungen im Flachland bedingen. Schlussfolgerung 25: Sachsen ist für deutsche Verhältnisse relativ niederschlagsarm. Durch Vb-Wetterlagen und lokale Gewitterbildungen im Erzgebirge sind Starkregenereignissen und sommerliche Niederschlagsmaxima jedoch keine Seltenheit. Deshalb sind in Sachsen oft die Sommerhochwasser und nicht wie in den anderen deutschen Bundesländern die Winterhochwasser für die Bemessung der Hochwasserschutzanlagen ausschlaggebend. Schlussfolgerung 26: Die Zuständigkeit für die Bau- und Unterhaltungslast sowie für den Hochwasserschutz an Bundeswasserstraßen einschließlich der Altarme und Flutrinnen sollte eindeutiger geregelt und in weniger Hände gelegt werden, nur so kann auch an den Bundeswasserstraßen ein optimaler Hochwasserschutz erreicht werden. Schlussfolgerung 27: Die Sächsischen Mittelgebirgsflüsse im Süden bieten durch ihre meist engen Täler im Ober- und Unterlauf mit teilweise Wildbachcharakter kaum Flächen für einen natürlichen Rückhalt in der Fläche und durch die Steilheit der Täler werden, wie schon in der Schlussfolgerung 23 und Schlussfolgerung 24 festgestellt, die dynamischen Hochwasserprozesse (Sturzfluten) die entscheidende Rolle spielen. Diese südlichen Gewässernetze verschmelzen zu den größeren Flüssen in den nördlich anschließenden Tiefländern, wo es vorrangig zu großflächigen Überschwemmungen durch die hohe Wasserführung der größeren Flüsse kommen wird. Schlussfolgerung 28: Die für Sachsen maßgebenden Hochwasser an der Elbe entstehen im tschechischen Teil des Einzugsgebietes (51.394 km²). Schlussfolgerung 29: In Sachsen befinden sich die Deiche vorwiegend an den Flachlandflüssen und sind vorrangig zum Schutz von Siedlungs-, Industrie- und Infrastrukturanlagen errichtet worden. Zirka 80 % der Sächsischen Deiche sind zwischen ein bis drei Meter hoch. Da mehr als die Hälfte der Deiche in Sachsen über 50 Jahre alt ist, besteht an vielen Deichen Sanierungsbedarf zur Anpassung an die heute geltenden Regeln der Technik. Schlussfolgerung 30: Die Stauanlagen der Bundesrepublik Deutschland leisten mit über einer Milliarde Kubikmeter Hochwasserrückhalteraum einen entscheidenden Beitrag zum Hochwasserrückhalt und stellen für ca. 10 % der Bevölkerung auch während eines Hochwasserereignisses die Trinkwasserversorgung sicher.
Anlage 3: Schlussfolgerungen
383
Schlussfolgerung 31: Die Stauanlagen in Sachsen sind 2002 nach den Regeln der Technik bemessen gewesen. Ca. 35,5 % der Stauanlagen dienten ausschließlich dem Hochwasserschutz. Ungefähr 25 % des Gesamtstauraumes aller Sächsischen Stauanlagen steht in Form des gewöhnlichen und außergewöhnlichen Hochwasserschutzraumes für den Hochwasserschutz zur Verfügung. Schlussfolgerung 32: Bei multifunktionalen Stauanlagen besteht ein Nutzungsgrundkonflikt zwischen sicherer Wasserbereitstellung und Hochwasserschutzaufgaben. In Sachsen kommt dieser Konflikt besonders zum Tragen, weil für ca. 40 % der Sächsischen Bevölkerung die Trinkwasserversorgung aus Talsperren abgesichert wird. Schlussfolgerung 33: Die hochwasserabflussbeschleunigenden Flächennutzungsarten, wie landwirtschaftliche Nutzung und Siedlungs- und Verkehrsflächen, nehmen ca. 2/3 der Flächen der Bundesrepublik Deutschland ein. Der Anteil an Siedlungs- und Verkehrsflächen, der für das Hochwasserabflussgeschehen ungünstigsten Nutzungsart, wächst mit ca. 113 ha pro Tag zu Lasten anderer Nutzungsarten am dynamischsten. Schlussfolgerung 34: Auch in Sachsen nehmen die hochwasserabflussbeschleunigenden Flächennutzungsarten, wie landwirtschaftliche Nutzung und Siedlungs- und Verkehrsflächen, ca. 2/3 der Flächen ein. Der Anteil an Siedlungs- und Verkehrsflächen wächst mit ca. 7 ha pro Tag noch dynamischer als im Bundesdurchschnitt, obwohl gleichzeitig die Bevölkerung abnimmt. Schlussfolgerung 35: Für die Bundesrepublik Deutschland lagen im Jahre 2002 und liegen auch momentan (2010) keine flächendeckenden Schadenspotenzialinformationen vor. Das Schadenspotenzial und die Vulnerabilität vergrößern sich, da die abflussbeschleunigenden Siedlungs- und Verkehrsflächen mit ca. 113 ha pro Tag zunehmen und große Teile davon in hochwassergefährdeten Gebieten liegen. Schlussfolgerung 36: In den hochwassergefährdeten Gebieten Sachsens ist eine über dem Landesdurchschnitt liegende Konzentration an urbanen Nutzungen und damit eine Konzentration von Schadenspotenzialen festzustellen. Durch die ständige Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen insbesondere in hochwassergefährdeten Gebieten vergrößern sich auch in Sachsen die Vulnerabilität und das Schadenspotenzial. Schlussfolgerung 37: Das Augusthochwasser von 2002 war ein Ereignis von außergewöhnlicher Dimension. In Sachsen war bei allen bedeutenden linkselbisch liegenden Nebenflüssen der Elbe und der Elbe selbst die oberste Alarmstufe überschritten.
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Anlage 3: Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung 38: Das Augusthochwasser von 2002 muss für Sachsen in drei Teilereignisse unterschieden werden. Der erste Teil dieses Ereignisses, den man als Sturzflut bezeichnen kann, betraf am 12. und 13. August die Gewässer im Einzugsgebiet der Zwickauer Mulde, im Einzugsgebiet der Freiberger Mulde und die in Fließrichtung gesehen linken direkten Zuflüsse zur Elbe. Hier waren die dynamischen Prozesse maßgebend. Der zweite Teil des Ereignisses betraf am 13. und 14. August die Vereinigte Mulde. Dieser schon nicht mehr so dynamische Ereignisteil war aufgrund der hohen Wasserstände von ca. 100 Deichbrüchen und den dadurch entstandenen Überschwemmungen geprägt. Der dritte Teil des Ereignisses betraf erst vier Tage später die Elbe selbst und war durch extrem hohe Wasserstände gekennzeichnet. Schlussfolgerung 39: Durch Hochwasserereignisse werden Schadstoffe mobilisiert und in die Gewässer eingetragen oder in den Schlämmen und Sedimenten abgelagert. Die Schadstoffkonzentrationen in den Fließgewässern steigen bei Hochwasserereignissen i. d. R. schneller an, als sie wieder abfallen. Schlussfolgerung 40: Im Rahmen der Hochwasservorbeugung sollten Sondermessprogramme für die Gewässergüteüberwachung im Hochwasserfall entwickelt und vorbereitet werden. Schlussfolgerung 41: Extreme Hochwasserereignisse stellen auch für Stauanlagen eine außergewöhnliche Belastungssituation dar. Trotz vollständig zur Verfügung stehender Hochwasserrückhalteräume gehen bei größeren Hochwasserereignissen die Hochwasserentlastungsanlagen der Talsperren in Betrieb. Schlussfolgerung 42: Durch Hochwasserereignisse werden den Wasserkörpern von Talsperren in Abhängigkeit von der Struktur und Flächennutzung des Einzugsgebietes erhebliche Schmutz- und damit Stofffrachten zugeführt. Bei stabil geschichteten Wasserkörpern, wie z. B. im Sommer, werden diese mit Stofffrachten versehenen Wassermassen erst einmal entsprechend ihrer Temperatur im Wasserkörper eingeschichtet. Diese Trübstofffrachten erreichen relativ schnell das Absperrbauwerk und damit die Entnahmeeinrichtungen. Schlussfolgerung 43: Durch Hochwasserereignisse können in Abhängigkeit von deren Dauer und dem Infiltrationsvermögen des Bodens schnelle Grundwasseranstiege auftreten, die zu hohen Grundwasserständen und entsprechenden Gefahren und Schäden führen. Dieser Effekt kann auch in großen Entfernungen zum hochwasserführenden Oberflächengewässer auftreten. In besonders gefährdeten Gebieten, wie z. B. Bausubstanz in Talauen, sollten deshalb Grundwassermessstellen betrieben werden.
Anlage 3: Schlussfolgerungen
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Schlussfolgerung 44: Die Hochwasserstände im Grundwasser sind gegenüber dem Oberflächengewässer immer gedämpft, d. h. der Hochwasserscheitel ist niedriger als im Oberflächengewässer und tritt mit Verzögerung auf. Die Dämpfung nimmt normalerweise mit zunehmender Entfernung zum Oberflächengewässer oder zunehmender Bodendichtigkeit zu. Das Absinken der hochwasserbedingten hohen Grundwasserstände kann insbesondere in Flussauen einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Schlussfolgerung 45: Der Hochwassernachrichtendienst muss von einer zentralen Stelle koordiniert und sicher gestellt werden. Die Informationswege müssen möglichst direkt, also ohne Umwege sein, nur so ist eine schnelle und sichere Informationsbereitstellung möglich. Schlussfolgerung 46: Für den Betrieb von Stauanlagen und die Unterhaltung von Gewässern muss genügend Fachpersonal vorgehalten werden, dass in Katastrophensituationen in der Fläche tätig werden kann. Schlussfolgerung 47: Für die schnelle, sach- und fachgerechte Reaktion in Krisen- und Notsituationen muss man für den Betrieb von Stauanlagen und die Unterhaltung von Gewässern ein ständiges Bereitschaftssystem vorhalten. Schlussfolgerung 48: Von einer Institution verwaltete und über das Land verteilte Lager mit Hochwasserbekämpfungsmitteln sind sehr wichtig für deren schnelle Verfügbarkeit. Die Zusammensetzung der Lagerbestände muss den Gegebenheiten des Gebietes entsprechen. Schlussfolgerung 49: Die Existenz von Hochwassersteuerplänen ist für den sicheren Betrieb von Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken unabdingbar. Schlussfolgerung 50: Auch Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken können nur bis zu einem definierten Schutzziel vor Hochwasser schützen. Es verbleibt immer ein Hochwasserrisiko gegenüber Ereignissen, die größer als das Bemessungsereignis sind. Schlussfolgerung 51: Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken bewirken durch ihre immer vorhandene Retentionswirkung eine Reduzierung und Verzögerung von Hochwasserdurchflüssen und -scheiteln unterhalb der Sperrstelle. Die Größe der Retentionswirkung ist vom Niederschlagsereignis, der Einzugsgebietsgröße und dem Hochwasserrückhalteraum abhängig. Die Retentionswirkung verhält sich gegenläufig zur Ereignisgröße und kann demzufolge bei Extremereignissen sehr klein sein. Die Schutzwirkung auf unterhalb der Stauanlage liegende Ortschaften ist neben den eben genannten Randbedingungen stark von der Größe des Zwischeneinzugsgebietes abhängig.
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Anlage 3: Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung 52: Die güte- und mengenmäßige Absicherung der Rohwasserbereitstellung aus Trinkwassertalsperren ist gerade in Krisensituationen, wie z. B. bei Hochwasserereignissen, für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung enorm wichtig, weil z. B. Uferfiltrat verarbeitende Wasserwerke durch ihre gewässernahe Lage längerfristig ausfallen können und damit ein höherer Bedarf an Talsperrenwasser bestehen kann. Dazu bedarf es einer sehr sorgfältigen und sensiblen Wassermengen- und Wassergütebewirtschaftung der Talsperren, damit die durch das Hochwasser zugeführten Trüb- und Schmutzstofffrachten die Rohwasserqualität nicht zu stark beeinträchtigen. Schlussfolgerung 53: Zur Verbesserung der Wassergütesteuerung an Trinkwassertalsperren bei Hochwasserereignissen sind neben den Grundablässen weitere Entlastungsanlagen sehr vorteilhaft. Ohne zusätzliche Entlastungsanlagen muss der Stauanlagenbetreiber eine Risikoentscheidung zwischen schneller Entlastung des eingestauten Hochwasserrückhalteraumes über die Grundablässe oder langsamer Entlastung zur Sicherung der Rohwassergüte und damit Trinkwasserversorgung treffen. Schlussfolgerung 54: Der Arbeitsaufwand für Mess-, Kontroll- und Meldedienste im Rahmen des Hochwasserbetriebes von Talsperren steigt bei Extremereignissen sprunghaft an und kann oft nur durch Zuführung von geschultem Personal abgedeckt werden. Schlussfolgerung 55: Sichere Kommunikationswege sind insbesondere im Hochwasserfall sehr wichtig. Analoge Telefonie oder sichere Notstromversorgung sind erprobte Alternativen. Schlussfolgerung 56: Eigene Sendezeiten durch geschulte Mitarbeiter der zuständigen Katastrophenschutzbehörden stellen im Katastrophenfall eine versachlichte, objektive Informationsbereitstellung für die Betroffenen sicher. Die alleinige Berichterstattung durch die Medien führt zu Dramatisierungen, zu Informationswertungen, zu ungenauen Situationsbeschreibungen und gegebenenfalls zu Falschmeldungen, so dass die Informationsempfänger sich kein genaues Lagebild machen können. Schlussfolgerung 57: Für ausgewählte Informationsinhalte, wie z. B. Warnungen, sollte das „Single Voice“ – Prinzip angewendet werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die bestverfügbare Information schnellstmöglich den Empfänger erreicht. Schlussfolgerung 58: Die Verteilung der Hochwasserschäden von 2002 auf die Regionen und Infrastrukturbereiche in Sachsen entspricht den Schadenspotenzialen der verschiedenen Nutzungen in den identifizierten hochwassergefährdeten Gebieten. Schlussfolgerung 59: Ein ressortübergreifendes modular aufgebautes Schadenserfassungssystem führt wesentlich effizienter zu genaueren Schadensinformationen. Für spätere wissenschaftliche Auswertungen oder die Bestimmung von Schadensfunktionen muss bei der Datenerhebung das Einverständnis der Betroffenen dafür mit eingeholt werden.
Anlage 3: Schlussfolgerungen
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Schlussfolgerung 60: Die bisher unterrepräsentierte Erfassung und Ausweisung von Hochwasserschäden an Gewässern und wasserwirtschaftlichen Anlagen muss verbessert werden, da an dieser Infrastruktur bedeutende Schäden auftreten können. Schlussfolgerung 61: Bei größeren Hochwasserereignissen mit vielen Schäden kann eine sinnvolle Schadenserfassung nur mittels einer Datenbank erfolgen, die dann auch von allen Schadenserfassern benutzt werden muss. Ein späteres Zusammenführen von Schadensinformationen aus mehreren Quellen führt zu Informationsverlusten und erheblichem Aufwand in der Weiterverarbeitung. Schlussfolgerung 62: Bei Hochwasserereignissen müssen neben den Abflussprozessen des Wassers alle maßgebenden Prozesse, wie z. B. Geschiebetransport, Verklausungen und andere berücksichtigt werden. Schlussfolgerung 63: Für eine effektive Schadenserfassung mit einer guten Auswertemöglichkeit muss ein im Vorfeld gut überlegtes Erfassungssystem existieren, dass eindeutige Datenerhebungen mit wenig Interpretationsspielraum ermöglicht. Schlussfolgerung 64: Deichbrüche traten bevorzugt an Deichabschnitten auf, die die geringsten Sicherheiten gegenüber luftseitigen Aufbruch des Deckstauers, rückwärts schreitende Erosion und Erosionsgrundbruch hatten und andererseits durch Gewässerverengungen oder ihrer Lage an Prallhängen zusätzlichen hydrodynamischen Kräften ausgesetzt waren, bei Querungen von Altarmen durch hydraulische Verbindungen unterströmt wurden oder durch Bewuchs im Querschnitt geschwächt und mit bevorzugten Sickerwegen belastet waren. Schlussfolgerung 65: Nach Hochwasserereignissen müssen die wasserwirtschaftlichen Anlagen und insbesondere die Deiche auch auf äußerlich nicht sichtbare (innere) Schäden untersucht und diese beseitigt werden. Unerkannte Schäden können bei nachfolgenden Ereignissen zu unerwarteten Problemen und Folgeschäden führen. Schlussfolgerung 66: Bei vielen Tätigkeiten während und nach Hochwasserereignissen sind der Fachverstand und die wasserwirtschaftlichen Ortskenntnisse von ausreichend Personal in Flussmeistereien sehr wichtig. Nur mit diesem Wissen ist es möglich Einsatz- und Hilfskräfte sachgerecht einzuweisen und zu koordinieren und die Betroffenen auch fachlich beraten zu können. Schlussfolgerung 67: Bei der Gewässerunterhaltung ist darauf zu achten, dass genügend Zufahrten zu und in die Gewässer insbesondere in der Nähe von Querbauwerken wie z. B. Brücken und Wehren vorhanden sind. Diese Zufahrten müssen auch in Extremsituationen befahrbar bleiben und für das Benutzen mit schwerer Technik sowie für das Aufstellen von größeren Hebezeugen (z. B. Autokranen) geeignet sein.
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Anlage 3: Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung 68: Zur zügigen Wiederherstellung des Hochwasserschutzes müssen Deichbrüche unter Umständen sehr schnell provisorisch geschlossen werden. Der dabei entstehende logistische Aufwand zum Einbau großer Erdstoffmassen in kürzester Zeit ist i. d. R. nur von ortsansässigen mittelständigen Unternehmen leistbar. Provisorische Deichbruchschließungen müssen schnellstmöglich nachhaltig gesichert werden und im Fortgang einer DIN-gerechten Ausführung unterzogen werden. Nur so ist eine dauerhafte Sicherheit der Deiche erreichbar. Schlussfolgerung 69: Normgerechte jährliche Betreiberkontrollbegehungen und Sicherheitsberichte an Stauanlagen liefern wichtige Informationen zur Sicherheitseinschätzung der Ingenieurbauwerke. Die ständige visuelle und messtechnische Überwachung von Stauanlagen stellt insbesondere in Hochwassersituationen ein wichtiges Instrument zur Risikominimierung dar. Schlussfolgerung 70: Beim Entwurf von Stauanlagen ist darauf zu achten, dass die Zufahrten zu Zu- und Ablaufgerinnen, Hochwasserentlastungsanlagen (insbesondere Tosbecken), Grund- und Betriebsauslässen, beweglichen Verschlussorganen und Rechenanlagen auch in Extremsituationen befahrbar bleiben und für das Benutzen mit schwerer Technik sowie für das Aufstellen von größeren Hebezeugen (z. B. Autokranen) geeignet sein müssen. Schlussfolgerung 71: Beim Entwurf von Stauanlagen ist darauf zu achten, dass Anlagenteile sowie die Steuer- und Regelungstechnik nach Möglichkeit hochwassersicher angeordnet werden. Schlussfolgerung 72: In der Phase der Hochwasserbewältigung ist durch die Akteure der Wasserwirtschaft eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit erforderlich, um bei den Betroffenen und den Journalisten das erforderliche Verständnis und damit die Akzeptanz für alle fachlich gebotenen Maßnahmen zu erreichen. Nur mit diesem Grundverständnis und der entsprechenden Akzeptanz sind die erforderlichen Maßnahmen schnell und auf einer sachlichen Basis erfolgreich umsetzbar. Schlussfolgerung 73: Ereignisdokumentationen und Ereignisanalysen müssen für das gesamte vom Ereignis betroffene Gebiet nach einheitlichen und damit vergleichbaren Kriterien erstellt werden und dürfen nicht an administrativen und Ressortgrenzen halt machen. Nur so ist eine fachlich sinnvolle und vollständige Bewertung möglich. Schlussfolgerung 74: Nach Ereignissen größeren Ausmaßes werden zur Bewältigung der umfangreichen Aufgaben der Hochwassernachsorge und des nachhaltigen Wiederaufbaues während der Regenerationsphase effiziente möglichst ressortübergreifende Sonderstrukturen benötigt. Die Aufgaben dieser Sonderstrukturen können nach einer Übergangsphase in die ggf. anzupassenden Standardstrukturen überführt werden.
Anlage 3: Schlussfolgerungen
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Schlussfolgerung 75: Zur sinnvollen und schnellen Schadensbeseitigung an den wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen müssen Nachhaltigkeitsstrategien und Priorisierungsverfahren entwickelt und umgesetzt werden. Schlussfolgerung 76: Eine ausgewogene wassermengen- und wassergütemäßige Steuerung von Stauanlagen und die Überprüfung der Bewirtschaftungsdaten sind für die schnelle Wiedererreichung des Hochwasserschutzzieles und die Sicherstellung von Versorgungsaufgaben, z. B. Rohwasser für die Trinkwasserversorgung, wichtig. Schlussfolgerung 77: Die durch Hochwasser veränderten Wassergüteparameter in Staukörpern erreichen i. d. R. mittel- oder langfristig wieder ihre Ausgangswerte. Bei organischen Belastungen dauert dieser Prozess mit am längsten. Schlussfolgerung 78: Bei Talsperren und Rückhaltebecken müssen funktions- und standsicherheitsrelevante Schäden schnellstmöglich, ggf. auch provisorisch, repariert werden, um zusätzliche Sicherheitsrisiken für die Unterlieger zu vermeiden. Schlussfolgerung 79: Das Bauwerksverhalten von Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken ist bei auf dem Stand der Technik befindlichen Anlagen bei Hochwasserereignissen i. d. R. unkritisch für die Trag- und Gebrauchstauglichkeit. Dennoch sollten die infolge der Belastungsveränderungen aufgetretenen Bauwerksreaktionen für nachträgliche Bewertungen intensiv beobachtet und ausgewertet werden. Schlussfolgerung 80: Messdaten von Extremsituationen sind sehr wichtig für die Beurteilung der Tragsicherheit der Absperrbauwerke. Deshalb sind ausfallsichere automatische Messsysteme zur Bauwerksüberwachung von Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken im Hochwasserfall sehr wertvoll, weil das Staupersonal wegen des höheren sonstigen Arbeitsanfalles zur Hochwassersteuerung der Anlage zu wenig Zeit für Sondermessungen oder kürzere Messintervalle hat. Schlussfolgerung 81: Die Erkenntnisse aus der Ereignisanalyse des Osterzgebirges zum Augusthochwasser 2002 sind vollumfänglich auf den Sächsischen Mittelgebirgsraum übertragbar. Schlussfolgerung 82: Nach abgelaufenen Hochwasserereignissen muss eine zeitnahe, qualifizierte und umfassende Ereignisdokumentation durchgeführt werden, um u. a. die erforderliche Datenbasis für spätere im Rahmen der eigentlichen Ereignisanalyse oder in der Phase der Hochwasservorbeugung durchzuführende Analysen, Berechnungen und Simulationen zu schaffen. Ohne diese Datenbasis sind Kalibrierungen und Weiterentwicklungen von Analyse- und Berechnungsmodellen nur schwer oder teilweise nicht möglich.
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Anlage 3: Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung 83: Auch in der Phase der Regeneration ist durch die Akteure der Wasserwirtschaft eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit erforderlich, um die Betroffenen und Medien rechtzeitig mit Informationen über anstehende Maßnahmen zu versorgen. Durch diese Transparenz entsteht die für eine erfolgreiche Aufgabenbewältigung erforderliche Akzeptanz. Schlussfolgerung 84: Da die Bereitschaft für und die Akzeptanz von Hochwasservorbeugemaßnahmen mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu abgelaufenen Hochwasserereignissen abnimmt, ist es äußerst wichtig, durch gute fachliche Begründungen und Informationen das Hochwasserbewusstsein auf einem hohen Niveau zu halten. Schlussfolgerung 85: Der Bund hatte bei der Novellierung des WHG von 2002 noch keine Lehren aus dem Hochwasserereignis von 1997 an der Oder gezogen. Erst 2005 sind mit dem Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes unter dem Eindruck der Hochwasserkatastrophe von 2002 bessere Vorgaben verabschiedet worden. Schlussfolgerung 86: Aus wasserwirtschaftlicher Sicht sind die im bis Februar 2010 geltendem WHG [34] enthaltene Fixierung des Bundes auf ein HQ100 und die zahlreichen Ausnahmeregelungen, die doch eine Ausweisung neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten ermöglichen, als nachteilig zu benennen. Schlussfolgerung 87: Die Regelungen des SächsWG [104] zum nachhaltigen Hochwasserschutz sind weitergehender und konkreter als die gesetzlichen Vorgaben des Bundes im bisher geltendem WHG [34]. Schlussfolgerung 88: Durch das Augusthochwasser von 2002 ist eine wesentlich bessere Hochwasserschutzgesetzgebung ausgelöst und erstmalig ein umfassenderer Rechtsrahmen für ein integriertes Hochwasserrisikomanagement geschaffen worden. Schlussfolgerung 89: Bei Hochwasserereignissen sind meist nicht nur die reinen Wasserabflüsse maßgebend, sondern es muss auch den Prozessen Erosion, Sedimentation und Holztransport (Verklausung) eine große Bedeutung beigemessen werden. Schlussfolgerung 90: Eine ressortübergreifende Herangehensweise in den Hochwasserschutzkonzepten hat sich als sehr schwierig herausgestellt, weil die dazu erforderlichen Grundsätze und Rahmenbedingungen durch den fehlenden Hochwasserschutzaktionsplan für den Freistaat Sachsen nicht umfänglich gegeben waren. Somit mussten viele Einzelfallklärungen herbeigeführt werden. Schlussfolgerung 91: Für Ereignisanalysen und hydraulische Berechnungen ist es äußerst wichtig, dass während oder unmittelbar nach dem Hochwasser qualifizierte Hochwassermarken gesetzt werden.
Anlage 3: Schlussfolgerungen
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Schlussfolgerung 92: Die gängige Praxis Schutzziele an Hochwasserdurchflüssen mit statistischen Wiederkehrintervallen T (in Jahren) festzumachen, hat den Nachteil, dass bei jedem neuen Hochwasserereignis im Untersuchungsgebiet sich wegen der veränderten Statistik der Bemessungshochwasserdurchfluss und der Bemessungshochwasserstand ändern. Besser wäre für die Festlegung von Schutzzielen die physikalischen Größen Bemessungshochwasserdurchfluss (in m³/s) und Bemessungshochwasserstand (in m) zu verwenden, die sich bei Ihrer Erstbestimmung an z. B. statistischen Wiederkehrintervallen orientieren können. Diese Änderung der Bemessungsphilosophie wäre auch für die Öffentlichkeit transparenter. Schlussfolgerung 93: Die Maßnahmenplanung in Hochwasserschutzkonzepten sollte alle drei Säulen der Hochwasserschutzstrategie, also den natürlicher Rückhalt, den technischer Hochwasserschutz und die weitergehende Vorsorge enthalten und nicht an Zuständigkeitsgrenzen halt machen. Schlussfolgerung 94: Jeder Hochwasserschutz besitzt Grenzen seiner Wirksamkeit. Die Risiken, die bei Versagen der Hochwasserschutzeinrichtung oder bei Überschreiten des Bemessungszieles auftreten, müssen klar definiert und kommuniziert werden. Schlussfolgerung 95: Die Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen muss so priorisiert werden, dass eine schnelle und wirksame Verbesserung des Hochwasserschutzes mit einer möglichst großen Verringerung des Gefährdungs- und Schadenspotenziales unter Beachtung der Ökologie und der Wirtschaftlichkeit erreicht wird. Schlussfolgerung 96: Zur Umsetzung eines Hochwasserschutzinvestitionsprogramms bedarf es ausreichend Fachpersonal und entsprechender Strukturen, die auf die Bewältigung einer solchen Aufgabe ausgerichtet sind. Schlussfolgerung 97: Die landesweite fachliche Priorisierung und Festlegung der Umsetzungsreihenfolge von Hochwasserschutzmaßnahmen sowie die Abstimmung und Bekanntgabe des Ergebnisses verschaffen dem Umsetzungsprozess eine große Planungssicherheit. Schlussfolgerung 98: Große und damit investitionsintensive technische Hochwasserschutzmaßnahmen haben in der Regel die größten Effekte zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. Schlussfolgerung 99: Die nachvollziehbare finanz- und bautechnische Umsetzung eines Hochwasserschutzinvestitionsprogramms mit mehreren Tausend Maßnahmen ist nur mit einer Datenbanklösung effizient leistbar. Schlussfolgerung 100: Ein einheitliches standardisiertes Schadenserfassungssystem, welches mit dem Baumanagement und Projektcontrolling gekoppelt ist, ermöglicht eine durchgängige Verfolgung des Einzelschadens von der Erfassung bis zur Abarbeitung (physisch und finanziell), was enorme Vorteile in der Schadensauswertung und Nachweisführung mit sich bringt.
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Anlage 3: Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung 101: Die Errichtung neuer Hochwasserrückhaltebecken, Deiche und Polder benötigt einen wesentlich größeren Planvorlauf als bei den meisten anderen wasserbaulichen Maßnahmen und sollte deshalb einer separaten Betreuung durch spezialisierte Fachleute zugeführt werden. Schlussfolgerung 102: Nach größeren, schadensverursachenden Hochwasserereignissen besteht erhöhter Bedarf an Fachpersonal im kaufmännischen und insbesondere im Ingenieur- und Baubereich, der zu einer Verknappung auf dem Markt und damit zu Verzögerungen in der Maßnahmeumsetzung führen kann. Schlussfolgerung 103: Bei größeren Schadensbehebungen und Hochwasserschutzinvestitionsprogrammen werden anfangs viele kleinere Maßnahmen (einfachere Genehmigungsverfahren) umgesetzt, bevor nach entsprechendem Planvorlauf die größeren Maßnahmen zur Genehmigung eingereicht werden können. Bei einer Vervielfachung des Antragsvolumens (Planfeststellung und Plangenehmigung) sind die Genehmigungsbehörden überfordert, was zwangsläufig zu einem Genehmigungs- und damit auch zu einem Umsetzungsstau führt. Schlussfolgerung 104: Die vielen Restriktionen, wie z. B. eingeschränkter Verwendungszweck, begrenztes Verwendungsgebiet oder begrenzter Verwendungszeitraum, an den möglichen Fördermitteln für Hochwasserschutzinvestitionen erschweren unnötig die Umsetzung von fachlich sinnvollen Maßnahmekombinationen. Schlussfolgerung 105: Nach Hochwasserereignissen müssen schleunigst fehlende Datengrundlagen beschafft und zwischen den Ober- und Unterliegern abgestimmt werden, damit auch länderübergreifend dieselben Bemessungsgrundlagen und möglichst auch die gleichen Bemessungsphilosophien angewendet werden können. Schlussfolgerung 106: Bei der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen sind infolge vieler Betroffenheiten, wie z. B. Naturschutz, Denkmalschutz, Stadtplanung und Einzeleigentümern sowie unterschiedlicher Rechtsauslegungen, vorhandener Abgrenzungsprobleme und anderen Gründen erhebliche Widerstände vorhanden, die über einen fachlich fundierten Dialogprozess überwunden werden müssen. Dieser Prozess nimmt Personal-, Finanz- und Zeitressourcen in Anspruch. Schlussfolgerung 107: Landesentwicklungs- und Regionalpläne müssen Ziele und raumordnerische Maßnahmen zur wenigstens hochwasserneutralen Entwicklung der Räume enthalten. Bisher haben die raumordnerischen Maßnahmen zum vorbeugenden Hochwasserschutz kaum Wirkung gezeigt. Schlussfolgerung 108: Deichinstandsetzungen benötigen ausreichenden Planungs- und Genehmigungsvorlauf. Bei Veränderungen der Geometrie und Inanspruchnahme von Flächen ist mit längerfristigen Genehmigungsverfahren zu rechnen. Provisorische Deichsicherungsmaßnahmen sind kurzfristig umsetzbar, bedürfen aber im Nachgang einer nachhaltigen Deichinstandsetzung mit den entsprechenden Zeiträumen.
Anlage 3: Schlussfolgerungen
393
Schlussfolgerung 109: Steuerbare Flutungspolder können bei optimaler Steuerung zu größeren Wasserspiegelabsenkungen führen als ungesteuerte Retentionsräume gleicher Größe, wobei bei Hochwasserwellen mit geringer Fülle (kurze Scheitel) größere Wasserspiegelabsenkungen erzielt werden können als bei Hochwasserwellen mit großer Fülle (lange Scheitel). Prinzipiell nimmt die Wirkung der Scheitelreduzierung (Wasserspiegelabsenkung) von Retentionsräumen in Fließrichtung ab (Nahwirkung > Fernwirkung). Schlussfolgerung 110: In den Ortslagen sind die Fließgewässer durch urbane Nutzungen sehr oft eingeengt. Da die gewässernahen baulichen Nutzungen in der Regel nicht abgesiedelt werden können, müssen technische Hochwasserschutzlösungen (z. B. Hochwasserschutzmauern, massive Uferbefestigungen) angewendet werden. Schlussfolgerung 111: Viele aus Hochwasserschutzsicht gefahrenauslösende Stellen an den Gewässern sind vom Menschen selbst verursacht, wie z. B. Einengung des Gewässers durch Bebauung, Verlegung von Gewässern oder der Einbau von Querbauwerken. Deshalb muss bei allen Entscheidungsträgern, die im Raum tätig sind, ein entsprechendes Problembewusstsein erreicht werden, damit bei zukünftigen Investitionsentscheidungen nicht neue Problemstellen entstehen. Schlussfolgerung 112: Planmäßige mobile Hochwasserschutzsysteme sollten nur zum Einsatz kommen, wenn eine stationäre Lösung überhaupt nicht möglich ist und ausreichend große Vorwarnzeiten zur Verfügung stehen. Schlussfolgerung 113: Bahn- und Straßenbrücken sind aus Hochwasserschutzsicht oftmals ungünstig angeordnet oder engen z. B. mit den Widerlagern den Fließquerschnitt ein. Bei der Bestimmung der hydraulischen Durchlassfähigkeit von Brücken ist darauf zu achten, dass ein hydraulischer Längsschnitt hinreichend weit von oberhalb bis ausreichend unterhalb der Brücke berechnet wird. Schlussfolgerung 114: Entscheidungsträgern von Siedlungs-, Verkehrs-, Wirtschafts- und anderen Infrastrukturanlagen fehlt oft das notwendige Hochwasserbewusstsein, so dass am oder über das Gewässer hochwasserverschärfende bauliche Anlagen errichtet werden. Schlussfolgerung 115: Die Falluntersuchungen zu Hochwasserrückhaltebecken haben gezeigt, dass gesteuerte Becken wesentlich besser zur Vermeidung von Hochwasserschäden im Unterlauf geeignet sind als ungesteuerte Hochwasserrückhaltebecken. Schlussfolgerung 116: Beim Bau von neuen Hochwasserrückhaltebecken muss die ökologische Durchgängigkeit z. B. durch Ökostollen sichergestellt werden. Schlussfolgerung 117: Vorhandene Talstraßen können bei grünen Hochwasserrückhaltebecken mittels verschließbaren Straßentunneln auch durch das Absperrbauwerk geführt werden. Dadurch lassen sich unter Umständen Baukosten und unnötige Eingriffe in die Natur sparen.
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Anlage 3: Schlussfolgerungen
Schlussfolgerung 118: Durch bauliche Veränderungen an bestehenden Stauanlagen kann deren Hochwasserschutzwirkung und Hochwassersicherheit nachhaltig verbessert werden. Schlussfolgerung 119: In Sachsen haben Maßnahmen, Grundsätze und Ziele zum nachhaltigen Hochwasserschutz einen angemessenen Platz im Landesentwicklungsplan und den Regionalplänen erhalten. Die Raumordnungsbehörden müssen die Einhaltung dieser in den Plänen verankerten Hochwasserschutzaspekte konsequent durchsetzen. Schlussfolgerung 120: Ein ständig einsatzbereites Hochwassernachrichten- und Alarmdienstsystem, mit kurzen und direkten Kommunikationswegen ist für alle Akteure der Hochwasserbekämpfung unverzichtbar. Schlussfolgerung 121: In Sachsen sind ca. 3,5 % der Landesfläche als Überschwemmungsgebiet rechtskräftig ausgewiesen. Die meisten Überschwemmungsgebiete befinden sich an den Fließgewässern mit Tieflandflusscharakter und betreffen mit ca. 70 % vorrangig die landwirtschaftlich genutzten und mit ca. 16 % die Siedlungs- und Verkehrsflächen. Schlussfolgerung 122: Im Freistaat Sachsen sind als einzigem Bundesland als Flächenvorsorgemaßnahme Hochwasserentstehungsgebiete ausgewiesen. Die fachlich herausgearbeiteten Gebiete betreffen ca. 9,5 % und abzüglich der Ortslagen ca. 8,4 % der Landesfläche. Schlussfolgerung 123: Hochwasserschadensdaten stellen eine wichtige Basisinformation für viele im Rahmen des integrierten Hochwasserrisikomanagements stattfindenden Aktivitäten dar und sollten deshalb ressortübergreifend erfasst und sachgerecht gepflegt werden. Schlussfolgerung 124: Damit das Hochwasserrisikobewusstsein auch nach längerer Zeit nach einem Hochwasser auf einem relativ hohen Niveau bleibt, sind periodisch durchzuführende Informationsveranstaltungen und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten erforderlich. Schlussfolgerung 125: Hochwassergefahrenkarten sollten neben den durch den reinen Wasserabfluss erzeugten Gefahren (z. B. Überflutungen, Wassertiefen, Fließgeschwindigkeiten) auch Gefahren aus anderen hochwasserbedingten Prozessen, wie z. B. Erosionen, Sedimentationen oder Schwemmguttransporte (Veränderung der Überflutungen, Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten; Verklausungen) enthalten.
15 Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-1 Topographie Sachsen, (LfULG)
396
Bild 15-2 Hangneigungen im Freistaat Sachsen, (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-3 Bodenregionen in Deutschland [29]
397
398
Bild 15-4 Bodenregionen in Sachsen, (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-5 Häufigkeit von Starkniederschlägen in Sachsen [202]
399
400
Bild 15-6 Freistaat Sachsen, Gewässernetz, (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-7 Einzugsgebiete der Hauptfließgewässer im Freistaat Sachsen, (LfULG)
401
402
Bild 15-8 Oberflächenwasserkörpertypen im Freistaat Sachsen [91]
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-9 Deiche an den Gewässern I. Ordnung in Sachsen (LfULG)
403
404
Bild 15-10 Talsperren, Speicher und HRB in Sachsen (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-11 Flächennutzung in Sachsen, (LfULG)
405
406
Bild 15-12 Regionale Verteilung der Waldflächen in Sachsen (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-13 Regionale Verteilung der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Sachsen (LfULG)
407
408
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-14 Regionale Verteilung der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Sachsen (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-15 Ausschnitt Schadenspotenzialkarte [89]
409
410
Bild 15-16 Niederschlagshöhen 11.-13.08. 2002 in mm (DWD [52])
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-17 Alarmstufen der Gewässer I. Ordnung, Hochwasser August 2002 (LfULG)
411
412
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-18 Übersicht LTV-Stauanlagen mit HWE-Betrieb im August 2002 (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-19 GIS-Menü Schadensdatenbank der LTV von 2002
413
414
Bild 15-20 Beispielsdatensatzmaske aus Schadensdatenbank der LTV von 2002
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-21 Deichschäden an Gewässern I. Ordnung u. Elbe in Sachsen, August 2002 (LfULG)
415
416
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-22 Untersuchungsgebiete für die ersten fünf Hochwasserschutzkonzepte, Sachsen (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-23 Ausschnitt Ereigniskarte Weißeritzen in Freital, August 2002 [19]
417
418
Bild 15-24 Weinske, Ausschnitt Schadenspotenzialkarte bei Torgau [141]
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-25 Weißeritz, Ausschnitt aus Intensitätskarte IST-Zustand für Freital [19]
419
420
Bild 15-26 Ausschnitt Gefahrenkarte Schlottwitz [222]
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-27 Ausschnitt Gefahrenkarte der Elbe in Dresden, HQ100 [125]
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Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-28 Weißeritz, Ausschnitt aus Intensitätskarte SOLL-Zustand für Freital [19]
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-29 Elbe, Ausschnitt Intensitätskarte (IST-Zustand) in Dresden für HQ100 [125]
Bild 15-30 Elbe, Ausschnitt aus Intensitätskarte (SOLL-Zustand) in Dresden für HQ100 [125]
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Bild 15-31 Ausschnitt aus integrierter Intensitätskarte von Freital [19]
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-32 Ausschnitt Gefahrenkarte der Triebisch in Meißen, HQ100 [110]
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Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-33 Maßnahmenauswahl aus erster Etappe von 2005 bis 2008 in Sachsen, (LTV)
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-34 Weißeritz, ungünstig angeordnete Bahnbrücke
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Bild 15-35 Ausschnitt aus interaktiver Karte mit Software INGE, (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-36 HRB Niederpöbel, Auszug aus Lageplan [111]
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Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-37 Hochwassermeldepegel und Ombrometermessnetz in Sachsen, (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-38 Überschwemmungsgebiete im Freistaat Sachsen, Stand 12/2008, (LfULG)
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Bild 15-39 Ergebniskarte WBS FLAB für Sachsen [202]
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-40 Flächen der hochwasserrelevanten Abflusskomponenten für Sachsen [202]
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Bild 15-41 Hochwasserentstehungsgebiete für Sachsen [202]
Anlage 4: Farbbilder
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-42 Berichtsgewässernetz für EG-HWRM-RL, Freistaat Sachsen (LfULG)
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Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-43 vorläufige Gefährdungsgebiete nach EG-HWRM-RL, Freistaat Sachsen (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-44 vorläufige Risikogebiete nach EG-HWRM-RL, Freistaat Sachsen (LfULG)
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438
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-45 Hochwasserrisikogebiete Bewirtschaftungseinheit Schwarze Elster in Sachsen (LfULG)
Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-46 Musterhochwasserrisikokarte aus LAWA-Empfehlung [170]
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Anlage 4: Farbbilder
Bild 15-47 Entwurf Hochwasserrisikokarte, Auszug Schwarze Elster in Sachsen (LfULG)