W. Paulus · J. M. Schröder (Hrsg.) Pathologie Neuropathologie
Für weitere Bände des Gesamtwerks besuchen Sie www.springer.com/series/5113
Herausgegeben von G. Klöppel · H. H. Kreipe · W. Remmele
Pathologie Begründet von W. Remmele Dritte, neubearbeitete Auflage
Neuropathologie Bandherausgeber W. Paulus · J. M. Schröder
123
Werkherausgeber
Bandherausgeber
Prof. em. Dr. Günter Klöppel TU München, Institut für Pathologie Konsultationszentrum für Pankreas- und Endokrine Tumore Ismaninger Straße 22 81675 München
[email protected]
Univ.-Prof. Dr. Werner Paulus Direktor des Instituts für Neuropathologie Universitätsklinikum Münster Domagkstraße 19 48149 Münster
[email protected]
Prof. Dr. Hans H. Kreipe Medizinische Hochschule Hannover (MHH) Zentrum Pathologie und Rechtsmedizin Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
[email protected]
Univ.-Prof. em. Dr. J. Michael Schröder Em. Direktor des Instituts für Neuropathologie Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen Pauwelsstraße 30 52074 Aachen
[email protected] [email protected]
Prof. em. Dr. Wolfgang Remmele Institut für Pathologie Kliniken der Landeshauptstadt Ludwig-Erhard-Straße 100 65199 Wiesbaden
[email protected]
ISBN 978-3-642-02323-1 DOI
e-ISBN 978-3-642-02324-8
10.1007/978-3-642-02324-8
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Einbandgestaltung: deblik Berlin Herstellung und Satz/Repro: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort der Werkherausgeber
Der vorliegende neubearbeitete Band zur Neuropathologie und zur Pathologie der Muskulatur, der in letzter Auflage 2002 (Herausgeber: J. Peiffer, J. M. Schröder und W. Paulus) erschien, ist in die dritte Auflage des Gesamtwerks „Pathologie“ integriert worden. Werner Paulus und J. Michael Schröder haben die Neuauflage wieder konzipiert, wobei Herr Paulus die Neubearbeitung der Pathologie des zentralen Nervensystems zusammen mit einer Reihe anderer gut bekannter Autoren übernommen hat und die Pathologie des peripheren Nervensystems und der Muskulatur von Herrn Schröder gestaltet wurde. Dabei kam es zu keiner Hinzunahme neuer Themen, aber zu ihrer Vertiefung und Neugestaltung, wo immer es nötig war. Dies betraf vor allem die Integration neuer molekulargenetischer Daten, die insbesondere bei den neoplastischen und hereditären Erkrankungen inzwischen zur Verfügung stehen und zum pathogenetischen Verständnis und zur Präzisierung der diagnostischen Aussage wesentlich beitragen. Dadurch hat das Buch eine neue Dimension bekommen und seine Position als Standardwerk zur Neuropathologie und zur Pathologie der Muskulatur in der deutschsprachigen Literatur gestärkt. Der vorliegende Band umfasst in seinem ersten und zweiten Teil die Pathologie des zentralen und peripheren Nervensystems. In seinem dritten Teil kommt die Patho-
logie der Muskulatur zur Sprache. Überall finden sich grundlegende Informationen zur Genese der Erkrankungen und zu ihrer Diagnostik. Natürlich werden in allen Bereichen Akzente gesetzt, die sich an der Praxis orientieren. So wurde zum Beispiel der Pathologie der ZNS-Tumoren und der Biopsie-Diagnostik peripherer Neuropathien und Myopathien besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Unser Dank gilt den Autoren des vorliegenden Bandes. Sie haben mit viel Mühe, Zeitaufwand und Sorgfalt das Zustandekommen des Gesamtwerks ermöglicht. Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Werner Paulus, der für die ZNS-Neuropathologie die Zusammenstellung der verschiedenen Kapitel und ihre Durchsicht auf sich genommen, und Herrn Michael Schröder, der die gesamte Pathologie des peripheren Nervensystems und der Skelettmuskulatur dargestellt hat. Danken möchten wir außerdem für ihre tatkräftige Mithilfe bei der Begleitung und Drucklegung des Bandes Frau Martha Berg, Frau Ellen Blasig und Frau Gabriele Schröder als Mitarbeiterinnen des Springer-Verlags. München Hannover Wiesbaden im Oktober 2011
Günter Klöppel Hans H. Kreipe Wolfgang Remmele
Vorwort zur Neuauflage
Die letzte Auflage des vorliegenden Bandes stammt aus dem Jahr 2002. Wie in anderen Wissensgebieten, so steigen unsere Kenntnisse auch in der Neuropathologie offenbar exponentiell an. Das gilt insbesondere für die neuen Erkenntnisse der Molekulargenetik. Viele Diagnosen lassen sich heute molekulargenetisch präzisieren, wobei manche klinisch-pathologisch definierten Entitäten ihren angestammten Platz in der Klassifikation einbüßen und jetzt bestimmte Phänotypen auf unterschiedliche Genotypen zurückzuführen sind. Andererseits sind überraschenderweise wieder bestimmte Genotypen mit unterschiedlichen Phänotypen verbunden, so dass die alte klinisch-pathologische Klassifikation nicht überflüssig wird, sondern nur auf neue Weise geordnet werden muss. Im vorliegenden Band sind die wichtigsten Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur mehr oder weniger ausführlich dargestellt und möglichst in jedem Fall mit einzelnen Literaturhinweisen versehen, die den Zugang zu weiteren Informationen eröffnen. Dabei wurde versucht, den Stoff sinnvoll zu gliedern, so dass eine Klassifikation der Erkrankungen verfügbar ist, mit deren Hilfe man sich in der Literaturfülle zurechtfinden kann. Der webbasierte Zugang zu den Literaturdatenbanken ist heute zwar problemlos möglich, aber die Stofffülle ist auf dem Bildschirm nicht übersehbar; es fehlt die synoptische Übersicht über die Zusammenhänge, was in einem Buch gewährleistet ist. Andererseits erübrigen die verfügbaren Datenbanken in einem zusammenfassenden „Handbuch“artigen „Lehr- und Nachschlagewerk“ wie dem vorliegenden den Zwang zur Vollständigkeit des Zitierens der zu einem Thema erschienenen Literatur. In diesem Sinne war es eines der Hauptanliegen des vorliegenden Werkes, möglichst umfassend Stichworte und Begriffe zum Thema der Pathologie des Nervensystems und der Muskulatur in einer gegliederten Form zu liefern, die den Zugang zur Spezialliteratur erleichtert. Das zweite Hauptanliegen besteht in einer Bilddokumentation dieser Erkrankungen, die in den bisher vorliegenden elektronischen Datenbanken nicht in gleicher Qualität verfügbar ist.
Eine wichtige Neuerung ist die gleichzeitige Verfügbarkeit einer elektronischen Textversion, so dass jeder Suchbegriff im Text, wo immer er geschrieben steht, auffindbar ist. Wir freuen uns, dass bei zunehmender Spezialisierung auch in der Neuropathologie einige neue, sehr kompetente Autoren gewonnen werden konnten. Allen, die an der Entstehung dieses Werkes Anteil haben, sei an dieser Stelle gedankt. Das gilt ganz besonders für die Autoren, die trotz zahlreicher anderweitiger Verpflichtungen, die auch in der Neuropathologie ebenfalls exponentiell anzuwachsen scheinen, die Mühe des Schreibens auf sich genommen und die Deadline eingehalten haben. Dankbar sind wir für die technische Hilfe am Institut für Neuropathologie in Aachen, namentlich Frau Elke Beck, Frau Astrid Knischewski, Frau Hannelore Mader und Frau Hannelore Wiederholt, aber auch für die Hilfe bei der Literaturbeschaffung, Textgestaltung und Schreibarbeit, namentlich Frau Ingrid Schmitt, Frau Doris Dahmen, Frau Heidi Nowack und Frau Marita Krott. Herr Ralf Mersmann vom Institut für Neuropathologie in Münster war für die Durchsicht der Kapitel unter technischen Gesichtspunkten und bei der Optimierung von Abbildungen eine unschätzbare Unterstützung. Den Kollegen, die über viele Jahre interessante Biopsie- und Autopsiepräparate zur Beurteilung übersandt haben, danken wir ebenfalls. Der Zitationsweise in PubMed sind einige Umlaute und Sonderzeichen zum Opfer gefallen. Wir bitten die betroffenen Autoren um Nachsicht. Den Buchserie-Herausgebern, insbesondere Herrn Prof. Dr. med. G. Klöppel, danken wir für die Geduld, die sie bis zur Einreichung der Manuskripte aufgebracht haben, und dem Springer Verlag mit seinem Team, insbesondere den Damen Martha Berg, Ellen Blasig und Gabriele Schröder, für die gute Betreuung während der vergangenen Jahre und während der endgültigen Gestaltung des vorliegenden Bandes in den letzten beiden Jahren. Aachen Münster Oktober 2011
J. Michael Schröder Werner Paulus
Vorworte zur zweiten Auflage und zu den Sonderausgaben von 2002 und 1995
Vorwort zur zweiten Auflage Das Gesamtwerk Pathologie wird gegenüber der ersten Auflage zwei Bände mehr umfassen, also in 6 Bänden erscheinen. Der hier vorliegende Band 6, der weitgehend dem Band 4 der ersten Auflage entspricht, enthält die Pathologie des zentralen und peripheren Nervensystems, der Muskulatur und der Sinnesorgane. Herr Professor Peiffer (Tübingen), der in der ersten Auflage das umfangreiche Kapitel „Pathologie des Zentralnervensystems“ noch allein bearbeitet hatte, entschloß sich, die Bearbeitung dieses Themas in der 2. Auflage auf zahlreiche, seiner Schule entstammende Autoren aufzuteilen, um so der Fülle neuer Daten gerecht werden zu können. Dieses Vorgehen wird sich auch in weiteren Bänden der 2. Auflage wiederfinden. Die Pathologie des peripheren Nervensystems wurde wesentlich erweitert. Der Autor, Herr Professor Schröder (Aachen) ist Mitherausgeber der Neuauflage. Die Kapitel „Pathologie der Skelettmuskulatur“, „Auge“ und „Ohr“ wurden ebenfalls auf den neuesten Stand gebracht. Dies gilt auch für den neuropathologischen Teil des Kapitels „Angeborene Stoffwechselkrankheiten“; dagegen wurde auf die Neubearbeitung des allgemeinpathologischen Abschnittes (Autor in der Erstauflage H. E. Schaefer/Freiburg i. Br.) verzichtet, da sonst die Thematik und der Rahmen des Bandes gesprengt worden wären. Der dennoch größere Umfang dieses Bandes zeigt, wie sehr sich unser Wissen auf dem Gebiet der Neuropathologie erweitert hat.
Gegenüber der Erstauflage gibt es noch eine weitere Neuerung. Der vorliegende Band 6 des Gesamtwerkes Pathologie erscheint zusätzlich als Einzelband unter dem Titel „Neuropathologie“. Er soll damit einem speziellen Leserkreis zugänglich gemacht werden, für den allein die Neuropathologie von besonderem Interesse ist (Neuropathologen, verwandte klinische Fächer einschließlich Augen und HNO Heilkunde). Als Herausgeber des Gesamtwerkes Pathologie bin ich zunächst den beiden Herausgebern des vorliegenden Bandes zu großem Dank verpflichtet, daß sie ihn von Anfang an betreut und seiner Aufnahme in das Gesamtwerk zugestimmt haben. Mein Dank gilt weiterhin allen Autoren für ihre wertvolle Mitarbeit. Herrn Dr. Thiekötter, Frau Montenbruck und Herrn Schwind vom SpringerVerlag danke ich dafür, daß sie die Planung und Gestaltung des Bandes in jeder Phase mit Tatkraft und Sachverstand begleitet haben. Der Neuauflage der „Neuropathologie“ wünsche ich, daß sie unter der ärztlichen Leserschaft – sei es als Band 6 des Gesamtwerkes, sei es als eigenständiger Einzelband – den gleichen Anklang finden wird, wie die Erstauflage vor 11 Jahren. Wiesbaden, im Februar 1995
Wolfgang Remmele
Vorwort zur Sonderausgabe 2002 Die fünf Jahre seit dem letzten Erscheinen unserer Neuropathologie, damals der 2. Auflage des Bandes 4 des von W. Remmele herausgegebenen Lehr- und Nachschlagewerkes Pathologie, brachten in der Hirnforschung wie auch in der Forschung auf dem Gebiet der Muskel-, Nerven- und Stoffwechselerkrankungen wesentliche Fortschritte, die vor allem den Methoden der Molekularbiologie zu verdanken sind. Ob in der Pathologie der Tumoren des Nervengewebes, ob bei den degenerativen und metabolischen Hirnerkrankungen oder bei den Epilepsien, – überall eröffnete die Molekulargenetik völlig neue Einblicke in die pathophysiologischen Grundlagen
der Krankheiten. Die neuen Methoden erlaubten es, die Diagnostik wesentlich zu verfeinern und der Therapie neue Wege zu erschließen, machten es aber auch notwendig, althergebrachte Klassifikationen zu revidieren. Diese Erkenntnisse mussten in der Neuauflage Berücksichtigung finden. Dies forderte unvermeidbar eine Ausweitung des rein neuropathologischen Anteiles. Dank des Entgegenkommens von Herrn Prof. Remmele und des Springer-Verlages gelang dies dadurch, dass die den beiden Sinnesorganen Auge und Ohr gewidmeten Abschnitte in andere Bände des Gesamtwerkes verlagert wurden.
X
Vorworte zur zweiten Auflage und zu den Sonderausgaben
Das Ziel des Bandes blieb gleich, nämlich dem in Weiterbildung befindlichen Neuropathologen das nötige Rüstzeug anzubieten, darüber hinaus aber auch dem Neurologen, Neuropädiater, Neurochirurgen und Psychiater die morphologischen Grundlagen der Krankheiten des Nerven- und Muskelsystems zu vermitteln und eine Brücke zur Neurobiologie und Neurochemie zu schlagen. Die Praxisbezogenheit sollte erhalten bleiben. Sie wurde sogar verstärkt durch Erfahrungen aus der Gutachterpraxis, deutlich in den Beiträgen des Rechtsmediziners Prof. Dr. M. Oehmichen und dessen Mitarbeiter, Dr. H.G. König. Stärker als in den beiden vorangegangenen Auflagen sind pathophysiologische und neurobiologische Grundlagen eingearbeitet worden. Das Eingangskapitel von Herrn Prof. Dr. H. Wolburg erfuhr deswegen eine wesentliche Ausweitung. Thematische Überschneidungen ließen sich nicht immer ausschließen, wurden manchmal auch bewusst vorgenommen, wenn es darum ging, zu starke Spezialisierung zu vermeiden und den Blick auch auf differentialdiagnostisch wichtige andere Kapitel zu lenken. Da der Umfang des Buches beschränkt bleiben musste, waren die Autoren ohnehin genötigt, nicht allzu sehr auf spezielle Problemstellungen einzugehen. Dies gilt insbesondere für das umfangreiche Kapitel über die Stoffwechselkrankheiten, bei denen die Fortschritte in der Neurochemie und Molekulargenetik zu einer starken Ausdifferenzierung der Krankheiten führten. Unter den Autoren fand ein altersbedingter Wechsel statt: Mein langjähriger Mitarbeiter, Herr Priv.-Doz. Dr.
J. W. Boellaard, bat darum, seinen Beitrag über die übertragbaren spongiformen Enzephalopathien, unter denen er sich intensiv mit der Gerstmann-Sträußler-Krankheit befasst hatte, abgeben zu können. Es gelang hier, in Herrn Prof. Dr. H. A. Kretzschmar den auf dem Gebiet der prionenbedingten Krankheiten kompetentesten deutschen Wissenschaftler zu gewinnen, damit aber auch den Kreis der bisherigen Mitarbeiter, die mit Ausnahme von Herrn Prof. J. M. Schröder dem Tübinger Arbeitskreis verbunden waren, auszuweiten. Herr Primarius Doz. Dr. C. Bancher, jetzt zuständig für die Altersdemenzen, hatte in Wien bei Prof. Jellinger zeitweise mit Herrn Prof. Dr. W. Paulus zusammengearbeitet, der seinen Münsteraner Mitarbeiter, Herrn Priv.-Doz. Dr. C. H. Rickert, einbrachte. Mein Beitrag über die Neuropathologie der Psychosen wurde von meinem früheren Mitarbeiter, Herrn Priv.-Doz. Dr. A. Stevens übernommen, das Alkohol-Kapitel von Herrn Prof. Dr. M. Oehmichen. Alle Autoren tragen wie bisher die Verantwortung für die Richtigkeit der Zahlenangaben und Literaturverweise in ihren Kapiteln. Meinen beiden Mitherausgebern und ihren Mitarbeitern danke ich für wertvolle Hinweise, dem Springer-Verlag für seine verständnisvolle Mithilfe bei der Gestaltung dieses Bandes, wobei mein besonderer Dank den Herren R. M. Zolk und K. Schwind gilt. Tübingen, im Frühjahr 2002
Jürgen Peiffer
Vorwort zur Sonderausgabe 1995 In den 10 Jahren seit dem Abschluss des Manuskriptes für den Band 4 des von W. Remmele herausgegebenen Lehrund Nachschlagebuches „Pathologie“ haben sich die Neurowissenschaften und darunter auch die Neuropathologie wie kaum ein anderes medizinisches Fach weiterentwickelt. Immunologische, molekularbiologische und -genetische Methoden sowie die Möglichkeiten computerisierter bildgebender Verfahren haben dabei zu einer Fülle neuer Erkenntnisse für die Neuropathologie geführt. Diese machten es notwendig, alle Kapitel des Abschnittes I (Zentralnervensystem) neu zu schreiben. Während die Beiträge zur Pathologie des Nervensystems in der 1. Auflage noch von mir allein verfasst worden waren, habe ich nun angesichts der raschen Weiterentwicklung des Faches eine Reihe von Kapiteln an hierfür jeweils besonders qualifizierte ehemalige Mitarbeiter abgegeben. Ich hoffe, dass dadurch die Einheitlichkeit der Darstellung nicht gelitten hat, zumal alle Autoren dieses Abschnitts einer gemeinsamen Schule entstammen. Als Mitherausgeber des Bandes konnte J. M. Schröder gewonnen werden. Die Pathologie des peripheren Nervensystems wurde zusätzlich zur Pathologie der Skelettmuskulatur von J. M. Schröder übernommen, während für die
Pathologie des Auges weierhin J. Gärtner, für die des Ohres W. Schätzle und A. Koch verantwortlich zeichnen. Die klinische, diagnostisch orientierte Neuropathologie steht nach wie vor im Vordergrund, doch wurden – soweit der beschränkte Raum dies zuließ – zum Verständnis der pathogenetischen Abläufe bedeutungsvolle Ergebnisse der Grundlagenforschung eingebaut. Hieraus ergab sich allerdings die Notwendigkeit, entsprechende Literaturhinweise zu geben, um dem Leser die Möglichkeit zu eröffnen, sich dort eingehender zu informieren als die Darstellung es hier erlaubte. Bei den Hinweisen auf die Literatur wurde vielfach auf die Erstbeschreibungen bestimmter Krankheiten oder Methoden verzichtet zugunsten von Arbeiten, die eine Übersicht und eine aktuelle Problemdiskussion bieten. Die Großzügigkeit von W. Remmele und des Springer-Verlages erlaubte es, den Leserkreis des vorliegenden Bandes dadurch zu erweitern, dass er nicht nur als nunmehr 6. Band des von W. Remmele herausgegebenen Werkes „Pathologie“ erscheint, vielmehr auch gesondert als eigenes Lehrbuch der diagnostischen Neuropathologie im weiteren Sinne. Wir waren bemüht, alles, was der Neuropathologe, der an den morphologischen Grund-
Vorworte zur zweiten Auflage und zu den Sonderausgaben
lagen interessierte Neurologe, der Neuroradiologe und -chirurg, der Pädiater und Neuropädiater, der Psychiater, der Augen- und Ohrenarzt sowie der Pathologe an Rüstzeug zur Diagnose und zum Verständnis der Pathogenese der zentral- und periphernervösen Krankheiten einschließlich der Tumoren, der Skelettmuskelerkrankungen und der Krankheiten der Sinnesorgane benötigt, zusammenzufassen. Die Autoren hoffen, dass der Band – griffbereit in der Nähe des Mikroskopes oder des Untersuchungsbettes – eine gern genutzte Hilfe bieten
XI
wird, geeignet auch, die Verbindung zwischen den verwandten klinischen und morphologischen Fächern zu stärken. Gedankt sei Frau Albrecht vom Institut für Hirnforschung der Universität Tübingen für ihre stets bereitwillige Hilfe bei der Bearbeitung der Abbildungen des Abschnittes über das Zentralnervensystem. Soweit nicht anders angegeben, wurden diese von mir aufgenommen. Tübingen, im Februar 1995
J. Peiffer
Vorwort zur ersten Auflage
Der abschließende Band 4 der „Pathologie“ hat seinen Schwerpunkt in der Neuropathologie, also in der Pathologie des zentralen und peripheren Nervensystems. Die engen Beziehungen dieses Themas zur Pathologie der Sinnesorgane Auge und Ohr liegen auf der Hand; die gemeinsame Abhandlung aller drei Kapitel in einem Band entspricht dem üblichen Vorgehen. Da zahlreiche Muskelerkrankungen in das Grenzgebiet zur Neuropathologie fallen, erschien es sinnvoll, die Muskelpathologie nicht gemeinsam mit den übrigen Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates in Band 3, sondern vielmehr im gleichen Band wie die Neuropathologie darzustellen. Das Kapitel „angeborene Stoffwechselkrankheiten“ knüpft in seinem ersten Teil unmittelbar an das Neuropathologie-Kapitel an, während der zweite Teil weitere Stoffwechselkrankheiten enthält, die ihren Schwerpunkt in anderen Organen und Organsystemen als dem Nervensystem besitzen. Dieses Kapitel faßt die zahlreichen Einzelbefunde bei angeborenen Stoffwechselkrankheiten
zusammen, die in anderen Lehrbüchern der Pathologie gewöhnlich auf die einzelnen Organkaptiel verstreut sind. Die Autorenkonferenz im Oktober 1979 beschloß einmütig, diesen Krankheiten wegen ihrer praktischen Bedeutung und angesichts der beträchtlichen Fortschritte, die sich bei der Aufklärung ihrer biochemischen Grundlagen ergeben haben, ein besonderes Kapitel zu widmen. Daß sich dieser Abschnitt vor allem in seinem allgemeinpathologischen Teil auf eine Auswahl besonders wichtiger und interessanter Krankheiten beschränkt, hat rein räumliche Gründe. Herr Professor Dr. D. Götze und die mit der Herstellung des Gesamtwerkes betrauten Mitarbeiter des Springer-Verlages, an erster Stelle die Herren Matthies und Sydor, haben auch die Arbeiten an diesem Band zu jedem Zeitpunkt tatkräftig und mit wertvollen Ratschlägen unterstützt. Namens aller Autoren möchte ich ihnen dafür unseren aufrichtigen Dank sagen. Wiesbaden, im Juli 1984
Wolfgang Remmele
Inhalt
I
14 Intoxikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 M. Oehmichen
Zentrales Nervensystem 1 Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen . . . . . . . . . . . K. Kuchelmeister
3
15 Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 M. Oehmichen, H. G. König
2 Zytologie des Liquor cerebrospinalis . . . . . 29 W. Feiden
16 Epilepsien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 I. Blümcke
3 Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . 43 A. Hori
17 Psychiatrische Erkrankungen . . . . . . . . . . 467 S. Weis
4 Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 C. H. Rickert
18 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 W. Paulus, M. Hasselblatt
5 Prä- und Perinatalschäden . . . . . . . . . . . 97 V. H. J. Hans
II Periphere Nerven J. M. Schröder
6 Neurometabolische Krankheiten mit neuropathologischen Befunden . . . . . . 117 H. H. Goebel
19 Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Nervenbiopsie . . . . . . . . 553
7 Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D. R. Thal
20 Physikalische Schäden peripherer Nerven . . 565
8 Nicht-Alzheimer-Demenzen . . . . . . . . . . 209 M. Neumann
22 Neuropathien bei systemischen Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
9 Systematrophien . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 M. Tolnay, W. Paulus
23 Hereditäre Neuropathien . . . . . . . . . . . . 597
10 Kreislaufstörungen des ZNS . . . . . . . . . . 251 W. Roggendorf 11 Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . 303 M. Deckert 12 Prionkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 H. Kretzschmar
21 Nutritive und toxische Neuropathien . . . . . 577
24 Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 25 Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . 653 26 Tumoren des peripheren Nervensystems . . . 661 27 Paraneoplastische Neuropathien . . . . . . . . 665
13 Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 T. Kuhlmann
XVI
Inhalt
III Skelettmuskulatur J. M. Schröder 28 Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Gewebsentnahme . . . . . . 675
35 Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 36 Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 37 Entzündliche Myopathien . . . . . . . . . . . . 793
29 Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen und allgemeine Reaktionen . . 685 30 Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . . . . 689
38 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 39 Erkrankungen der motorischen Endplatten und Muskelspindeln . . . . . . . . . . . . . . . 813
31 Kongenitale Myopathien . . . . . . . . . . . . 719 32 Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 33 Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 34 Myoglobinurien, Myositis ossificans, nutritiv-toxische und paraneoplastische Myopathien, Amyloidosen . . . . . . . . . . . 777
40 Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . 823
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 839
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Ingmar Blümcke Neuropathologisches Institut Universitätsklinikum Erlangen Schwabachanlage 6 91054 Erlangen E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Martina Deckert Abteilung für Neuropathologie Universitätsklinikum Köln Joseph-Stelzmann-Straße 9 50937 Köln E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Wolfgang Feiden Medizinisches Versorgungszentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik Wissenschaftspark Trier Max-Planck-Straße 18 + 20 54296 Trier E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Dr. Hans Hilmar Goebel Abteilung für Neuropathologie Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Langenbeckstraße 1 55131 Mainz E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. Volkmar H. J. Hans Institut für Neuropathologie Evangelisches Krankenhaus Bielefeld gGmbH Remterweg 2 33617 Bielefeld E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Martin Hasselblatt Institut für Neuropathologie Universitätsklinikum Münster Domagkstraße 19 48129 Münster E-Mail:
[email protected]
Prof. Dr. Akira Hori Research Institute for Longevity Medicine Fukushimura Hospital Noyori-Yamanaka 19–14 Toyohashi 441-8124 Japan E-Mail:
[email protected] Dr. Hans Günter König Eberhardstraße 4 72138 Kirchentellinsfurt Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kretzschmar, FRCPath Institut für Neuropathologie Nationales Referenzzentrum für humane TSE Feodor-Lynen-Straße 23 81377 München E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Klaus Kuchelmeister Institut für Neuropathologie Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bonn E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Tanja Kuhlmann Institut für Neuropathologie Universitätskrankenhaus Münster Domagkstraße 19 48149 Münster E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. Manuela Neumann Institut für Neuropathologie Universitäts-Spital Zürich Schmelzbergstrasse 12 8091 Zürich Schweiz E-Mail:
[email protected]
XVIII
Autorenverzeichnis
Prof. em. Dr. Manfred Oehmichen Im Brandebaumer Feld 39 23564 Lübeck E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Werner Paulus Institut für Neuropathologie Universitätsklinikum Münster Domagkstraße 19 48129 Münster E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. Christian H. Rickert, FRCPath Vivantes Klinikum Neukölln Fachbereich Pathologie Abteilung für Neuropathologie und Paidopathologie Rudower Straße 48 12351 Berlin E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Wolfgang Roggendorf Pathologisches Institut – Neuropathologie Josef-Schneider-Straße 2 97080 Würzburg E-Mail:
[email protected] Univ.-Prof. em. Dr. J. Michael Schröder Institut für Neuropathologie Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen Pauwelsstraße 30 52074 Aachen E-Mail:
[email protected]
Prof. Dr. Dietmar Rudolf Thal Institut für Pathologie – Labor für Neuropathologie Universitätsklinikum Ulm Albert-Einstein-Allee 11 89081 Ulm E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Markus Tolnay Institut für Pathologie Universität Basel Schönbeinstrasse 40 4031 Basel Schweiz E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Serge Weis Labor für Neuropathologie Institut für Klinische Pathologie und Neuropathologie Landesnervenklinik Wagner-Jauregg Wagner-Jauregg-Weg 15 4020 Linz Österreich E-Mail:
[email protected]
Zentrales Nervensystem
1
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen . . . . . . . . . . K.Kuchelmeister
3
10 Kreislaufstörungen des ZNS . . . . . . . . . 251 W. Roggendorf
29
11 Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . 303 M. Deckert
2
Zytologie des Liquor cerebrospinalis . . . . W. Feiden
3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . A. Hori
43
Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen . . . . . . . . C.H. Rickert
87
4
5
6
Prä- und Perinatalschäden . . . . . . . . . . V.H.J. Hans
12 Prionkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . 331 H. Kretzschmar 13 Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen. . . . . . . . 353 T. Kuhlmann 14 Intoxikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 M. Oehmichen 97
Neurometabolische Krankheiten mit neuropathologischen Befunden . . . . 117 H.H. Goebel
7
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns . . . . . 193 D.R. Thal
8
Nicht-Alzheimer-Demenzen . . . . . . . . 209 M. Neumann
9
Systematrophien . . . . . . . . . . . . . . . 223 M. Tolnay, W. Paulus
15 Trauma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 M. Oehmichen, H.G. König 16 Epilepsien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 I. Blümcke 17 Psychiatrische Erkrankungen . . . . . . . . 467 S. Weis 18 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 W. Paulus, M. Hasselblatt
I
Kapitel 1
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
1
K. Kuchelmeister
Inhalt Nervenzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Reaktionsformen der Ependymzellen . . . . . . . .
19
Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . . .
4
Tanyzyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
Reaktionsformen der Nervenzellen . . . . . . . . . .
7
Epithelzellen des Plexus choroideus . . . . . . . . . .
21
Gliazellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
21
Astrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Reaktionsformen der Epithelzellen des Plexus choroideus . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
11 NG2-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
Reaktionsformen der Astrozyten . . . . . . . . . . .
13 Mikrogliazellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Oligodendrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
23
Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
17 Reaktionsformen der Mikrogliazellen . . . . . . . .
24
Reaktionsformen der Oligodendrozyten . . . . . . .
18 Meningen, Blutgefäße, zirkumventrikuläre Organe . . .
25
Ependymzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Morphologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . .
19
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
4
1
Kapitel 1
Die das Zentralnervensystem (ZNS) charakterisierenden Zellen sind die Nervenzellen oder Neurone (griech.: neuron = Nerv) und die zentralen Gliazellen (griech.: glia = Kitt, Leim). Die Gliazellen des ZNS werden unterteilt in Astrozyten, Oligodendrozyten, Ependymzellen (mit den Epithelzellen des Plexus choroideus und den Tanyzyten als spezialisierten Ependymzellen) und Mikrogliazellen [3, 23, 25, 32, 34, 36]. Astrozyten, Oligodendrozyten und Ependymzellen werden als Neuroglia bezeichnet [11]. Man schätzt, dass das adulte menschliche Gehirn etwa 100 Milliarden (1011) Neurone besitzt [39] und eine 10bis 50-mal höhere Zahl von Neurogliazellen [35]. Alle Gliazellen zusammen nehmen fast die Hälfte des ZNSVolumens ein. Die komplexen Gehirnfunktionen des Menschen verbrauchen etwa 15% des Gesamtenergiebedarfs des Körpers [30]. Dabei macht das Gehirn etwa 2–3% des Körpergewichts aus [normales Gehirngewicht: Frau: 1245 g (1200–1370 g), Mann: 1375 g (1350–1550 g)]. 100 g Gehirn werden in Ruhe pro Minute von ca. 50 ml Blut versorgt und verbrauchen dabei ca. 3 ml Sauerstoff zur Glukoseoxidation [30]. Durchblutung und O2-Verbrauch sind in der grauen Gehirnsubstanz in Ruhe etwa 3- bis 4fach höher als in der weißen. Das Gehirn verbraucht ca. 5–6 g Glukose pro Stunde (≈ 50–60% des Gesamtglukoseverbrauchs des Körpers in Ruhe) und arbeitet hocheffizient mit weniger Energie als eine Kühlschrankbeleuchtung [1]. Die Neurone sind funktionell am wichtigsten und benötigen bis zu über 90% der Energie der normalen Gehirntätigkeit [35]. Das zunehmende Wissen um die Breite des glialen Funktionsspektrums und um die Bedeutung der glial-neuronalen Interaktion erlaubt aber keine „hierarchische“ Betrachtung der ZNS-Zellen mehr. Die Wichtigkeit der Glia zeigt sich auch darin, dass bei immer mehr ZNS-Erkrankungen krankheitsrelevante Gliazellveränderungen erkannt werden. Des Weiteren wird auf die Zellen des ZNS und ihre Reaktionsformen eingegangen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Zellen funktionelle Einheiten bilden und eine Betrachtung einzelner Zelltypen immer nur eine verkürzte Sicht komplexer Vorgänge erlaubt. Trotz unterschiedlicher auf das ZNS einwirkender Noxen sind die Zellschädigungsmechanismen begrenzt und umfassen vorwiegend traumatische Zerreißung, Membranschädigung durch Lipidperoxidation oder freie Radikale, funktionelle Membranschädigung, Stoffwechselstörung durch Mangelzustände und Unterbrechungen von Stoffwechselwegen [15].
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
Nervenzellen Morphologie und Funktion Die Nervenzellen (Neurone) sind die ZNS-Zellen, die nervale Erregungen aufnehmen, erzeugen, verarbeiten und als elektrochemische Impulse transportieren. Sie übernehmen so die zentrale Rolle im Gehirn als Kommunikations- und Steuerorgan und Organ für die höheren Funktionen, wie Denken, Lernen, Fühlen, Wahrnehmen und Interpretieren des Wahrgenommenen und Verhalten [34]. Die meisten Neurone (etwa die Hälfte des Gesamtgehirns) weist das Kleinhirn auf (obwohl es nur ca. 10% des gesamten Gehirngewichts wiegt), da es wegen seiner vielen regulatorischen Funktionen eine hohe Neuronendichte besitzt [32]. Obwohl Neurone nur etwa 5% der Zellen der zerebralen grauen Substanz ausmachen, verbrauchen sie über 90% der Energie des Gehirns und sind die empfindlichsten ZNS-Zellen bei einer (z. B. hypoxisch-ischämischen) Mangelsituation [35]. Ab dem 20. Lebensjahr kommt es im Gehirn zu einem physiologischen Untergang von täglich mindestens 1000 Neuronen [39], nach anderen Schätzungen sogar von einer Nervenzelle pro Sekunde, also von über 85.000 Neuronen pro Tag. Während der Gehirnentwicklung soll es durch programmierten Zelltod zu einem 50%igen Neuronenverlust kommen [15]. Die höchste Neuronenzahl des Gehirns liegt also intrauterin vor; der Hauptteil der Synapsen wird allerdings in den ersten Lebensjahren ausgebildet [32]. Die reifen Neurone als postmitotische Zellen haben nur eingeschränkte Regenerationsmöglichkeiten. Jedoch wird möglicherweise die Plastizität des Gehirns, die besonders im sich entwickelnden Organ sehr wichtig ist, beim Erwachsenen noch unterschätzt. Das Vorhandensein von neuralen Stammzellen im Gehirn ist erwiesen. Ihre physiologische Fähigkeit, geschädigte oder zugrunde gegangene Neurone zu ersetzen, ist aber offenbar sehr begrenzt [35]. Nervenzellen stellen sich im HE-Schnitt sehr unterschiedlich dar. Ihr Aussehen variiert von kleinen lymphozytenähnlichen Körnerzellneuronen des Kleinhirns mit chromatindichten Kernen und ohne erkennbares Zytoplasma über zytoplasmaarme, Gliazellen ähnelnde, kortikale Interneurone bis zu größeren Nervenzellen mit einer sog. Ganglienzellmorphologie (leicht eosinophiles Zytoplasma mit basophiler Nissl-Substanz, vesikuläre Kerne mit großem Nukleolus und meist deutlicher Kernmembran) [5, 23, 35]. Diese Vielfalt drückt sich auch in Bezeichnungen wie Pyramidenzellen (dreieckiger Zellleib), Sternzellen (kurze gleichmäßig verteilte Fortsätze), Körnerzellen (im Routinepräparat nur Zellkerne erkennbar) aus [36]. Die neuronalen Zellkörper (Soma, Perikaryon) besitzen Fortsätze, die aber im HE-Schnitt normalerweise
Nervenzellen
nicht oder nur unvollständig sichtbar sind. Die Fortsätze, die Erregungen aufnehmen und die nervalen Impulse zum Zellkörper leiten, werden als Dendriten (griech.: dendron = Baum) bezeichnet. Der einzelne Zellfortsatz, der die nervalen Impulse weg vom Nervenzellkörper zur Peripherie transportiert, ist das Axon (Neurit) [32, 34]. Die angloamerikanische Literatur verwendet „neurites“ häufig fälschlicherweise für axonale sowie dendritische Fortsätze. Axone und Dendriten können beim Menschen länger als ein Meter werden. Die Axonlänge bestimmt den Durchmesser des Nervenzellkörpers, da bei langem Axon mehr Organellen und ein komplexeres Zytoskelett für die Axonfunktion benötigt werden (Durchmesser des Zellkörpers von zerebellären Körnerzellen ca. 5 μm, von motorischen Vorderhornzellen ca. 135 μm) [35]. Das Fasernetz von Axonen, Dendriten und glialen Fortsätzen zwischen den Nervenzellkörpern der grauen ZNS-Substanz wird als Neuropil bezeichnet [25]. Eine gängige morphologische Neuronenklassifikation richtet sich nach den Zellfortsätzen [25, 32, 34, 35]: Unipolare Neurone (z. B. Sinneszellen des Auges, Neurone der Riechschleimhaut) weisen nur ihr Axon auf. Die pseudounipolaren Neurone entstehen aus ursprünglich bipolaren Neuronen durch Verschmelzung der beiden Zellfortsätze und zeigen einen aus dem Zellkörper abgehenden Stammfortsatz, der sich bald aufteilt in einen zentralen („zentrales Axon“) und einen peripheren Fortsatz („dendritisches oder peripheres Axon“: entspricht nach der Erregungsrichtung einem Dendriten, im Aufbau weitgehend einem Axon). Pseudounipolare Nervenzellen als primäre sensorische Neurone liegen in sensiblen Ganglien von Spinal- und Hirnnerven vor, im Gehirn aber nur im mesenzephalen Kern des Nervus trigeminus (große, auffallend runde Neurone lateral des periaquäduktalen Höhlengraus) [12]. Bipolare Neurone (z. B. Retina, Ganglion cochleare, Ganglion vestibulare) besitzen zwei gegenüberliegende Fortsätze, einen Neuriten und einen Dendriten. Am häufigsten sind aber die multipolaren Neurone mit einem Neuriten und multiplen Dendriten. Sie werden unterteilt in Golgi-Typ-1-Zellen mit langem Axon und großem Perikaryon (funktionell Projektionsneurone, die Erregungen in andere, oft weit entfernte Regionen übertragen, z. B. isokortikale Pyramidenzellen) und die deutlich zahlreicheren Golgi-Typ-2Zellen mit kurzem Axon und kleinem Perikaryon mit wenig, oft nicht erkennbarem Zytoplasma (funktionell Interneurone, deren Axone Neurone innerhalb einer Region verbinden, z. B. zerebrale und zerebelläre Stern- und Korbzellen und zerebelläre Körnerzellen). Für die Routinediagnostik genügt es aber meist, in der Großhirnrinde große Pyramidenzellen und kleine, runde, nichtpyramidale Neurone zu unterscheiden [5]. Im HE-Schnitt werden die Nervenzellfortsätze normalerweise nicht oder unvollständig dargestellt. Hier sind Zellkerne und Nissl-Substanz am wichtigsten für die Identifikation von Nervenzellen. Dies betrifft vorwiegend die
5
auch als Ganglienzellen bezeichneten größeren Neurone mit rundlichen, vesikulär aufgelockerten, großen Kernen mit deutlichem Nukleolus und meist gut sichtbarer Kernmembran und mit basophiler Nissl-Substanz im leicht eosinophilen Zytoplasma. Der große Nukleolus ist Ausdruck der hohen Proteinsynthese zur Erneuerung von Zytoplasmabestandteilen. Der Proteingehalt des Gehirns (40% seiner Trockenmasse) wird innerhalb von ca. 2 Wochen komplett erneuert [23]. Daher weisen Neurone auch einen hohen Gehalt an rauem endoplasmatischem Retikulum auf, das in parallelen Stapeln angeordnet ist und den lichtmikroskopisch sichtbaren Nissl-Schollen entspricht. Weiter finden sich zytoplasmatisch auch freie Ribosomengruppen (Polyribosomen, Polysomen), die mit den Nissl-Schollen zusammen die Nissl-Substanz (Tigroidsubstanz; griech.: tigroides = gefleckt) bilden. Nissl-Substanz ist in den Ganglienzellen unterschiedlich grob oder fein verteilt und ist bei entsprechender Ausprägung in der HE-Färbung basophil (hoher RNA-Gehalt) zu erkennen [35]. Besonders deutlich wird sie mit Kresylviolett (Nissl-Färbung) dargestellt. Nissl-Substanz kommt auch in proximalen Dendritenabschnitten vor, aber nicht im Axon und nicht im Axonhügel (Ursprungskegel) des Zellkörpers, wo das Axon beginnt und der durch dieses Fehlen von Nissl-Substanz erkennbar sein kann [23, 25, 34]. Nissl-Substanz ist äußerst wichtig bei der Identifikation von Ganglienzellen in konventionellen Färbungen, da auch nichtneuronale Zellen meist aufgrund ihrer Kernmorphologie (vesikulär mit Nukleolus) „ganglioid“ aussehen können (z. B. neoplastische oder reaktive Astrozyten, histiozytäre Zellen). Allerdings zeigen manchmal auch dysplastische Ganglienzellen (in Ganglienzelltumoren oder kortikalen Dysplasien) keine eindeutige Nissl-Substanz. Oft ist sie hier jedoch verstärkt, unregelmäßig angeordnet und aggregiert. Dunkelbraunes Neuromelanin als Nebenprodukt der Katecholaminsynthese findet sich in den dopaminergen Neuronen der Substantia nigra, den noradrenergen Neuronen des Locus coeruleus und in weiteren katecholaminergen Hirnstammneuronen. Vor dem siebten Lebensjahr liegt Neuromelanin aber kaum in relevantem Ausmaß vor [35]. Bestimmte Kerngebiete, wie der Nucleus ruber des Mittelhirns, weisen einen besonders hohen zytoplasmatischen Gehalt an Eisenverbindungen auf. Nahezu regelhaft werden auch gelblich-braune, PAS-positive intraneuronale Lipofuszingranula gesehen (Abb. 1.1a). Sie sind regional unterschiedlich ausgeprägt, so dass sogar zytoarchitektonische Untersuchungen anhand dieser Pigmente durchgeführt werden können [23]. Ultrastrukturell zeigen Nervenzellen im Zytoplasma viele Mitochondrien und einen oft stark entwickelten Golgi-Apparat sowie neuronale Zytoskelettbestandteile (Neurofilamente, Neurotubuli und Mikrofilamente), der Zellkern lässt zwei Zytomembranen erkennen mit Poren zum bidirektionalen Substanzaustausch [23, 35]. Um lichtmikroskopisch neuronale Fortsätze genauer zu identifizieren, benötigt man Spezialfärbungen, wie
6
Kapitel 1
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
1
a
b
c
d
Abb. 1.1 a PAS-positive Lipofuszinablagerungen in Neuronen des Nucleus olivaris inferior. PAS-Färbung. b Eosinophile Ganglienzellnekrosen mit Zellschrumpfung, starker Zytoplasmaeosinophilie und Verlust der Nissl-Substanz und pyknotischen, z. T. dreiecksförmigen Zellkernen ohne Nucleolus. HE-Färbung. c Progressive multifokale
Leukoenzephalopathie (PML) mit infizierten cerebellären Körnerzellneuronen, deren Kerne vergrößert und weniger chromatindicht sind (links) als die normaler, Lmphozyten ähnelnder Körnerzellen (rechts). HE-Färbung. d Geschwollenes Axon („Torpedo“, Pfeil) einer PurkinjeZelle in der Körnerzellschicht der Kleinhirnrinde. HE-Färbung
Versilberungen (z. B. Golgi-Technik für Axone und Dendriten, Bielschowsky modifiziert oder Bodian jeweils überwiegend für Axone), eventuell Markscheidenfärbungen und die Immunhistochemie, besonders mit Antikörpern gegen Bestandteile des neuronalen Zytoskeletts, die überhaupt für die Identifikation von Neuronen sehr wichtig sind. Das Zytoskelett dient der mechanischen Stabilisierung der neuronalen Fortsätze und dem Transport von Organellen und Proteinen [25, 34]. Der axonale Transport ist notwendig, weil im Axon keine Proteinsynthese stattfindet [25]. Man unterscheidet einen langsamen anterograden axonalen Transport für im Axoplasma gelöste Proteine und einen schnellen anterograden Transport für Mitochondrien, Vesikel (z. B. mit Neurotransmittern) und membrangebundene Stoffe sowie einen retrograden Transport für abgenutzte Membranen und Organellen (jeweils in autophagischen Vakuolen) und neurotrophe Faktoren [25]. Das neuronale Zytoskelett besteht aus Neurofilamenten (den für Neurone spezifischen Intermediärfilamen-
ten), Mikrotubuli (Neurotubuli) und Mikrofilamenten (Aktinfilamenten). Schneller anterograder und retrograder axonaler Transport laufen über die Neurotubuli mit den Motorproteinen Kinesin und Dynein. Die Mikrotubuli werden durch Mikrotubulus-assoziierte Proteine (MAPs) stabilisiert, versteift und untereinander und mit Neuround Mikrofilamenten zu einem dichten Netzwerk verknüpft, wobei unterschiedliche MAPs in Dendriten und Neuriten vorliegen [25]. So zeigen Antikörper gegen das MAP2 eine somatodendritische Markierung, während Tau(τ)-Protein besonders in Axonen nachzuweisen ist (Veränderungen dieses MAP spielen z. B. eine wichtige Rolle beim Morbus Alzheimer). Allerdings werden mit MAP-Antikörpern auch nichtneuronale Zellen markiert. Das Markierungsmuster von Antikörpern gegen Neurofilament-Polypeptide hängt vom Molekulargewicht und vom Phosphorylierungszustand des Polypeptids ab. Neurofilamente weisen drei Polypeptiduntereinheiten auf mit niedrigem (68 kDa), mittlerem (160 kDa) und
Nervenzellen
hohem (200 kDa) Molekulargewicht. Antikörper gegen das 200-kDa-Polypeptid markieren besonders deutlich Axone. Antikörper gegen phosphorylierte Neurofilament-Polypeptide stellen vorwiegend Axone, Antikörper gegen nichtphosphorylierte Neurofilament-Polypeptide besonders Dendriten und Zellkörper dar [35]. Die Immunhistochemie ist heute das wichtigste, den HE-Schnitt ergänzende Verfahren zur lichtmikroskopischen Identifikation und Typisierung von Neuronen. Wichtig hierfür sind z. B. auch Antikörper gegen das neuronale Kernprotein NeuN oder das präsynaptische Vesikelprotein Synaptophysin. Bestimmte Antikörper (z. B. gegen kalziumbindende Proteine wie Calretinin, Parvalbumin, Calbindin) können neuronale Subpopulationen markieren. Die Neurone stehen untereinander in Verbindung über lichtmikroskopisch nicht erkennbare, Neurotransmitter ausschüttende, chemische Synapsen (griech.: synapsis = Verbindung) [25, 32, 34, 36]. Elektrische Synapsen, die Zellkontakten vom Typ der „gap junctions“ entsprechen, sind beim Menschen sehr selten (Kleinhirnrinde, Retina und Innenohr). Das Axon kann zwar schon proximal Kollateralen abgeben, aber präterminal verzweigt es sich in viele kleine Äste (griech.: telodendron = Endbäumchen), die mit einem kolbenartigen Endknopf (Bouton) enden. Je nach Lage des präsynaptischen Endknopfes am postsynaptischen Neuron kann man axodendritische, axosomatische und axoaxonale Synapsen unterscheiden. Die axodendritischen sind die häufigsten Synapsen des ZNS (vor den axosomatischen und den axoaxonalen) und finden sich zwischen Axonende und Dendritenschaft oder als Dornsynapsen zwischen Axonende und dendritischen Dornen („spines“), die z. B. Pyramidenzellen der Großhirnrinde und Purkinje-Zellen aufweisen. Weiter kommen noch seltene Synapsentypen vor (somatodendritisch, dendrosomatisch, somatosomatisch, dendrodendritisch, synaptische Glomeruli, komplexe Synapsen etc.). Durchschnittlich besitzt jedes Neuron des ZNS etwa 1000 synaptische Kontakte, wobei im Gehirn die Synapsendichte am höchsten ist und ein Neuron bis zu über 20.000 synaptische Kontakte aufweisen kann [32]. Es soll im humanen ZNS etwa 100 Billionen (1014) Synapsen geben. Durch die zahlreichen Synapsen können sich Aktionspotentiale in verbundenen Neuronenketten nach dem Divergenz- (Aktionspotential wird bei hinreichender Bahnung über alle angekoppelten Neuronenketten weitergegeben) und Konvergenzprinzip (bei niedrigem Bahnungsniveau wird die Erregung erst weitergeleitet, wenn mehrere Aktionspotentiale auf ein Neuron zulaufen und durch räumliche Summation ein überschwelliges exzitatorisches postsynaptisches Potential hervorrufen) ausbreiten [30]. Das einzelne Neuron muss die unterschiedlichen, hemmenden und erregenden, synaptischen Impulse verrechnen. Die Neubildung oder Veränderung von Synapsen läuft lebenslang ab und ist wohl der wichtigste Vorgang bei der Reifung des kind-
7
lichen zum erwachsenen Gehirn (die meisten Synapsen werden in den ersten Lebensjahren gebildet) und stellt auch die Grundlage für Lernvorgänge dar [32]. Der pathologische Synapsenverlust ist ein wichtiger Pathogenesefaktor, z. B. beim M. Alzheimer. Lichtmikroskopisch lassen sich Informationen über die Synapsendichte nur immunhistochemisch mit Antikörpern gegen Moleküle, die sich an der Synapse anreichern (z. B. präsynaptische Vesikelproteine wie Synaptophysin und Synapsin, Neurotransmitter-synthetisierende Enzyme, Neurotransmitter und Transmitterrezeptoren) gewinnen [11]. Es werden verschiedene Neurotransmitter an den Synapsen übertragen (Acetylcholin, Noradrenalin, Glutamat, GABA, Dopamin u. a.). Ihr großer Energieverbrauch macht die Neurone zur empfindlichsten Zellpopulation des ZNS gegenüber Störungen der Blut-, Sauerstoff- und Glukosezufuhr und sie können mikroskopisch zahlreiche morphologische Veränderungen zeigen.
Reaktionsformen der Nervenzellen Vor der Darstellung der neuronalen Reaktionsformen gegenüber Schädigungen sei nochmals betont, dass Noxen auf die Neurone als Teile interagierender funktioneller Systeme aus unterschiedlichen Zellen einwirken. So finden sich morphologische Veränderungen meist nicht nur in einer Zellpopulation. Alterationen eines Zelltyps können daher durch (morphologisch fassbare oder nicht sichtbare) Veränderungen verschiedener Zellen (mit)bedingt sein. Eine der wichtigsten reaktiven Veränderungen der Neurone stellt die ischämische Ganglienzellveränderung (eosinophile Ganglienzellnekrose, neuronale Eosinophilie, eosinophile Degeneration der Neurone) dar [6, 11]. Sie ist Folge eines Mangels des Neurons an Sauerstoff/ Blut oder Glukose, der zum Energiedefizit und zur Schädigung von Zellmembran und perizellulärem Mikromilieu führt [35]. Schließlich resultiert eine neuronale Nekrose mit Kalziumüberflutung der Zelle. Die eosinophile Ganglienzellnekrose ist am besten bei Pyramidenzellen von Großhirnrinde und Hippokampus und den Purkinje-Zellen (Letztere können aber auch eine „homogenisierende Zellerkrankung“ zeigen) zu erkennen [11]. Sie wird frühestens ca. 8 Stunden nach Schädigung sichtbar [35]. Bei schnell tödlichen Ereignissen findet man sie also nicht. Ihre Ausbildung ist energieabhängig, d. h., nach Eintritt des intravitalen Hirntodes kann sie nicht mehr auftreten, sondern weist hier auf vorangegangene Schädigungen hin [15]. Die Nervenzelle schrumpft, verliert ihre basophile Nissl-Substanz durch Auflösung des rauen endoplasmatischen Retikulums und ihr Zytoplasma wird homogen eosinophil, leuchtend rot. Der Zellkern wird pyknotisch oft mit einer Dreiecksform mit kondensiertem Chromatin und verliert seinen Nukleolus (Abb. 1.1b). Es werden verschiedene morphologische Veränderungen
8
1
Kapitel 1
bei der eosinophilen Ganglienzellnekrose berichtet, die aber nicht stadienhaft auftreten müssen [6]. Einige kommen bevorzugt in bestimmten ZNS-Arealen vor und manche sind fast nur im Tierexperiment zu erkennen. Beschrieben sind: Die offenbar noch reversible Tigrolyse oder Chromatolyse mit staubförmigem Zerfall der NisslSchollen, folgender leichter Zellblähung und oft Abblassung der Kernmembran und Trübung des Kerninhalts [6]. Es folgt eine leichte Schrumpfung von Zytoplasma und Kern, die Zelle erscheint insgesamt dunkler und kann perizelluläre Schrumpfräume aufweisen. Es kommt zu einer oft nur transienten Zellvakuolisierung offenbar durch Schwellungen von Mitochondrien und endoplasmatischem Retikulum [15]. Durch fortschreitende Schrumpfung kann sich eine Inkrustation der Ganglienzellen (nicht verwechseln mit Eiseninkrustierung!) zeigen mit kleinen dichten Granula auf oder nahe der Zelloberfläche. Die Zellschrumpfung führt nämlich zu einer strang- und bandartigen Retraktion von Zytoplasmaanteilen und die kleinen peripheren Granula entsprechen elektronendichten Zytoplasmafragmenten. Sie heben sich von helleren Bezirken ab und liegen in Ausstülpungen der durch geschwollene Astrozytenfortsätze imprimierten Zelloberfläche [6]. Die Inkrustation ist ein sicheres Zeichen für eine intravitale, nichtartefizielle Nervenzellschädigung [15]. Eine differente Morphologie der hypoxisch-ischämischen Veränderungen findet sich besonders bei Purkinje-Zellen oder Neuronen des Nucleus dentatus und des unteren Olivenkerns. Hier kann eine homogenisierende Zellerkrankung (homogenisierende Zellveränderung) auftreten [6, 15]. Der Zellleib ist kaum geschrumpft, manchmal sogar geschwollen und abgerundet. Das Zytoplasma erscheint blass, glasig-homogen und wird eosinophil, der Zellkern schrumpft, seine Membran zerfällt und Chromatingranula verklumpen sich um den blasseren und leicht geschwollenen Nukleolus. Meist sind nekrotische Ganglienzellen nach etwa 14 Tagen resorbiert, allerdings ist die Dauer im Einzelfall sehr variabel [6]. Manchmal ist mikroskopisch eine Neuronophagie zu erkennen, bei der Mikrogliazellen/Makrophagen irreversibel geschädigte Neurone umgeben und schließlich abbauen. Eine Neuronophagie tritt meist auf, wenn Nervenzellen schnell absterben (z. B. bei manchen Virusinfektionen) [15]. „Ghost cells“ sind nekrotische Neurone, von denen nur noch ein geschrumpfter, pyknotischer und fragmentierter Kern zu sehen ist [15]. Bisweilen werden tote Nervenzellen (manchmal aber auch nichtnekrotische Neurone und auch Gliazellen) mit Eisen- und Kalksalzen imprägniert und bleiben quasi „mumifiziert“ sichtbar: Eiseninkrustierung (Ferrugination, Mineralisation) [6, 28]. Sie tritt besonders im Randbereich alter, meist hämorrhagischer Infarkte oder alter Traumaherde auf sowie im hypoxisch-ischämisch geschädigten Säuglingsgehirn [12, 28]. Zu einem langsamen Tod der Neurone führende Schädigungen (z. B. neurodegenerative Krankheiten, trans-
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
synaptische Degeneration) können das Bild einer Nervenzellatrophie verursachen mit retrahiertem Zellkörper, diffuser Zytoplasmabasophilie und pyknotischem, hyperchromatischem Kern [28]. Irreversible Schädigungen führen letztlich zum Neuronenverlust bestimmter ZNS-Areale. Dieser Zellausfall ist mikroskopisch ohne spezielle morphometrische Untersuchungen oft nicht zu erkennen, wenn er nicht eine deutliche reaktive Gliose verursacht oder stark ausgeprägt ist. Er soll erst sichtbar werden, wenn etwa 30% der Neurone verschwunden sind (wobei auch Schnittdicke des Histopräparats und lokale Zytoarchitektur eine Rolle spielen) [28]. In bestimmten ZNS-Regionen kann man aber sogar den Verlust einzelner Neurone erkennen: So bleibt in der Substantia nigra das Neuromelanin aus dem Zytoplasma zugrunde gegangener Nervenzellen quasi als „Grabstein“ noch einige Zeit frei im Gewebe liegen („Pigmentstreuung“), bevor es phagozytiert wird. Sind im Kleinhirn Purkinje-Zellen zugrunde gegangen, so sieht man bei einer (z. B. immunhistochemischen) Darstellung der Korbzellaxone, die die Perikaryen der Purkinje-Zellen korbartig umgeben, „leere Körbe“ [11]. Eosinophile Ganglienzellnekrose und Nervenzellatrophie darf man nicht verwechseln mit „dark neurons“, die besonders in bioptischem Gehirngewebe zu sehen sind. Sie stellen reversible Zellveränderungen mit Zytoplasmakondensation, aber ohne Zerstörung zellulärer Substrukturen und letztlich wohl ein Artefakt durch das Entnahmetrauma dar. Die Neurone zeigen hier ein geschrumpftes, in der HE-Färbung dunkleres, basophiles Zytoplasma, stark basophile Kerne und oft typische „korkenzieherartige“ Axone und Dendriten [12, 15, 28, 35]. Autolyseveränderungen (besonders bei Autopsiegewebe) sollten ebenfalls nicht als intravitale Schädigungen fehlinterpretiert werden. Die autolytischen Nervenzellen erscheinen leicht kontrahiert und basophil, die Kerne etwas kondensiert. Man sieht perineuronale und perivasale Vakuolisierungen durch Schwellungen von Neurone und Blutgefäße umgebenden Astrozytenfortsätzen [12]. Im Einzelfall können sie schwer von agonalen hypoxisch-ischämischen Veränderungen zu unterscheiden sein. Bei diesen sind die Zellkontraktionen allerdings meist ausgeprägter, die perivasalen und perineuronalen Räume deutlicher erweitert durch eine stärkere, ödembedingte Wasseraufnahme der Astrozytenfortsätze [12] und es werden evtl. Inkrustationen der Neurone gesehen [15]. Besonders deutlich sind autolytische Veränderungen in der zerebellären Körnerzellschicht mit „verwaschen“ erscheinenden, sich auflösenden Körnerzellneuronen wahrscheinlich durch frühe postmortale enzymatische Schädigung. Dieses Artefakt wird mit z. T. irreführenden Namen bezeichnet, wie „Ödem der Körnerzellschicht“, „toxische Körnerzellnekrose“ oder „etat glacé“ [35]. Beim intravitalen Hirntod (intravitale Autolyse), einer permanenten globalen Ischämie des Gehirns bei instrumentell aufrechterhaltener Atem- und Kreislauffunktion
Nervenzellen
(„respirator brain“), findet sich autoptisch eine relativ typische Makromorphologie (grau-schmutzige Gewebsdiskoloration, verwaschene Grenze zwischen grauer und weißer Hirnsubstanz, Gewebsdesintegration, schlechte Formalinhärtung mit pastöser Gewebskonsistenz). Die Mikroskopie ist dagegen wenig eindrucksvoll: Das Gewebe weist eine verminderte Anfärbbarkeit in der HE-Färbung auf und die Neurone zeigen große, blasse Kerne mit undeutlichem Nukleolus und ein oft vakuolisiertes Zytoplasma (hydropische Zellveränderung) [15]. Potentiell reversibel ist die axonale Reaktion oder retrograde Zellveränderung, die besonders in motorischen Vorderhornzellen und in Neuronen motorischer Hirnnervenkerne zu beobachten ist als reparative Reaktion auf eine schwere Axonschädigung [11, 20, 28]. Es kommt zur Schwellung und Abrundung des Zellkörpers und zum Verschwinden der Nissl-Substanz in zentralen (zentrale Chromatolyse) oder peripheren Zytoplasmaarealen (periphere Chromatolyse), wobei zentrale und periphere Chromatolyse wahrscheinlich verschiedene Phasen desselben Prozesses zur Axonregeneration darstellen [35]. Weiter tritt eine Abflachung und randliche Verlagerung des Zellkerns auf, der manchmal nierenförmig deformiert ist, aber wie sein bisweilen vergrößerter Nukleolus intakt bleibt. Es kommt nicht zur verstärkten Zytoplasmaeosinophilie [11]. Diese Veränderungen können Wochen und Monate persistieren [15]. Das Neuron kann sich erholen oder zugrunde gehen (letzteres oft dann, wenn die Axonregeneration nicht gelingt). Das Bild einer zentralen Chromatolyse kann aber auch bei metabolischen Störungen ohne primäre Axonschädigung auftreten (z. B. Wernicke-Enzephalopathie) [28]. Sie darf nicht fehldiagnostiziert werden, wenn Nervenzellen physiologisch randliche Nissl-Substanz zeigen, wie bestimmte hypothalamische (Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis) und spinale Neurone [Nucleus thoracicus posterior (Stilling-Clarke)] oder bei Neuronen mit peripher verlagerter Nissl-Substanz z. B. durch Lipofuszinakkumulation [12]. Die transsynaptische Degeneration kann bei Deafferenzierung von Neuronen auftreten, d. h. bei Ausfall auf sie projizierender Afferenzen [10]. Beispiele sind Nervenzellen in Kernen des Pons, die bei Unterbrechung absteigender frontopontiner Bahnen degenerieren oder Neurone des Corpus geniculatum laterale, die bei Entfernung eines Auges degenerieren (je nach Lage des entfernten Auges zum untersuchten Corpus geniculatum laterale degenerieren wegen verschiedener Axonprojektionen unterschiedliche Nervenzellen: ipsilaterales Corpus geniculatum laterale – betroffene Neurone in Schicht 2, 3 und 5; kontralateral: Degeneration der Schichten 1, 4 und 6) [10, 35]. Eine besondere, ursächlich nicht ganz geklärte Form der transsynaptischen Degeneration tritt im Nucleus olivaris inferior (und accessorius) auf, die Olivenhypertrophie [10]: Es kommt zur vollständigen oder partiellen Verbreiterung des Olivenbandes. Die einzelnen
9
Neurone und ihre Kerne sind vergrößert mit einer manchmal ausgeprägten Zytoplasmavakuolisierung („fenestrierte Neurone“) [28] und einer deutlichen Astrogliose. Offenbar ist es zur Fragmentierung im Golgi-Apparat der Neurone gekommen, was zur Neuverteilung präsynaptischer Vesikel und so zu einem veränderten immunhistochemischen Synaptophysin-Markierungsmuster im Kerngebiet führt [35]. Die Olivenhypertrophie tritt auf bei Unterbrechung von Axonen des Olivenkerns selbst mit Verlust ihrer synaptischen Verbindungen oder von Axonen, die auf dieses Kerngebiet projizieren (z. B. bei Schädigung des ipsilateralen Tractus tegmentalis centralis oder des kontralateralen cerebellären Nucleus dentatus). Nervenzellvakuolisierungen können auch bei Ganglienzelltumoren, kortikalen Dysplasien oder Prionkrankheiten auftreten [28]. Oft sind vakuolisierte Neurone geschwollen und balloniert [10]. Die Ursachen von Nervenzellschwellungen sind aber vielfältig und umfassen z. B. Enzephalopathien durch Nährstoffmangel (z. B. NiacinDefizienz: Pellagra), Entwicklungsstörungen (z. B. tuberöse Sklerose), neurodegenerative Erkrankungen (z. B. M. Pick, kortikobasale Degeneration, M. Alzheimer) etc. Die motorischen Vorderhornzellen zeigen mit zunehmendem Alter eine physiologische Schwellung [10]. Bei der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML), einer opportunistischen, besonders bei AIDS-Patienten auftretenden Infektion mit dem Polyomavirus JC, können neben Oligodendrozyten und Astrozyten auch zerebelläre Körnerzellneurone infiziert sein [21, 22]. Ihre Zellkerne sind dabei etwa auf das Doppelte vergrößert und weniger chromatindicht (Abb. 1.1c) [21]. Dysplastische Ganglienzellen in Ganglienzelltumoren oder kortikalen Dysplasien sind oft unregelmäßig verteilt mit Zellclusterung und zeigen eine ungleichmäßige Zellausrichtung und häufig eine ektope Lage in der weißen Substanz. Zytologisch weisen sie eine verstärkte Formund Größenvariabilität, eine unregelmäßig angeordnete und aggregierte oder auch gar keine Nissl-Substanz, Zytoplasmavakuolisierungen und unregelmäßig angeordnete, z. T. verdickte und gekrümmt verlaufende Fortsätze auf. Zwei- und mehrkernige Ganglienzellen sind diagnostisch hilfreich, aber nicht obligat. Zweikernige Ganglienzellen sollen angeblich auch im normalen Gehirn vorliegen können [28]. Wenn dies überhaupt vorkommt, so ist es ein sehr seltenes Phänomen und man sollte primär Fehlinterpretationen (z. B. eng benachbarte Neurone ohne genau erkennbare Zellgrenzen) abklären. Die Immunhistochemie ist bei der Diagnostik dysplastischer Ganglienzellen sehr wichtig und liefert oft typische, aber nicht absolut spezifische und auch nicht obligate Befunde. In der ZNS-Tumorpathologie spielen auch Neurozyten eine Rolle. Es handelt sich um kleine bis mittelgroße neuronale Zellen mit runden oder ovalen Kernen mit fein gesprenkeltem Chromatin und manchmal abgrenzbarem Nukleolus und meist ohne erkennbares Zytoplasma. Sie müssen z. B. immunhistochemisch (Synap-
10
1
Kapitel 1
tophysin, NeuN) weiter charakterisiert werden. Ektope, zytologisch unauffällige Neurone in der weißen Substanz werden autoptisch und bioptisch nicht selten gesehen und dürfen nicht automatisch als Indiz für eine dysplastische Läsion gewertet werden. Allerdings scheinen sie in Umgebung von epileptogenen Foki und allgemein bei Epilepsiepatienten häufiger vorzukommen. In Neuronen treten verschiedenste Einschlusskörper auf, die krankheitstypisch, aber auch klinisch irrelevant sein können. Man kann intranukleäre und intrazytoplasmatische Einschlüsse unterscheiden, wobei Letztere weiter in filamentäre Einschlüsse aus Zytoskelettbestandteilen, in Zytosoleinschlüsse und in membrangebundene Einschlüsse unterteilt werden können [10]. Intranukleäre „Marinesco-Körper“ kommen im adulten Gehirn bevorzugt in Nigraneuronen, aber auch in hippokampalen Pyramidenzellen vor. Sie sind eosinophil, zeigen den Umfang eines großen Nukleolus, sind Ubiquitin-immunreaktiv und bestehen ultrastrukturell aus Filamenten, die größenmäßig Intermediärfilamenten entsprechen und offenbar von den nukleären Laminen stammen [10]. Ob ihnen eine pathologische Bedeutung zukommt, ist unklar. Intranukleäre Einschlüsse können auch bei Virusinfektionen gefunden werden. Besonders eindrucksvoll sind sie bei der Zytomegalievirusinfektion, wo sie „Eulenaugenzellen“ verursachen können mit dunklen Einschlüssen und hellem Hof [35]. Neben den nukleären liegen hier auch Zytoplasmaeinschlüsse vor, die zur namensgebenden Zellvergrößerung führen. Im ZNS können neben den Neuronen auch praktisch alle anderen Zellen mit Zytomegalieviren infiziert werden. Cowdry-Typ-A-Einschlüsse mit zentraler Aufhellung des Kernchromatins und Verlagerung an die Kernmembran (allerdings meist ohne deutliche „Eulenaugen“) können auch bei anderen Herpesinfektionen, wie Herpes simplex Typ I und II und Varizella-Zoster-Virus gesehen werden [35]. Pathognomonische intrazytoplasmatische neuronale Einschlüsse findet man bei Rabies als „Negri-Körper“, umschriebene kleine, an Erythrozyten erinnernde Einschlüsse, besonders in Ammonshornneuronen [35]. Sie sind im HESchnitt leicht zu übersehen und werden mit Antikörpern gegen Rabiesantigen markiert. Bei den intrazytoplasmatischen filamentären Einschlusskörpern, die teilweise oder ganz aus Zytoskelettanteilen bestehen, sind die für bestimmte neurodegenerative Erkrankungen typischen Einschlüsse zu nennen, wie die Lewy-Körper beim M. Parkinson und der Demenz mit Lewy-Körpern, die neurofibrillären Tangles beim M. Alzheimer, bei der progressiven supranukleären Lähmung, beim postenzephalitischen Parkinsonismus etc., die Pick-Körper beim M. Pick und verschiedene Einschlüsse bei Motoneuronerkrankungen. Näheres ist in den entsprechenden Kapiteln zu finden. Mit zunehmendem Alter können einige dieser Einschlüsse in geringer Zahl auch ohne klinische Signifikanz auftreten. Zu den filamentären intrazytoplasmatischen Einschlüssen gehören auch die je nach Schnitt-
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
richtung stäbchenförmigen oder ovalen, stark eosinophilen Hirano-Körper, die aus Aktin und α-Aktinin bestehen und meist in Pyramidenzellen des Hippokampus (besonders CA1) vorkommen. Sie stellen offenbar ein normales Altersphänomen dar, können aber bei neurodegenerativen Krankheiten, wie M. Alzheimer verstärkt sein und möglicherweise bei Alkoholkranken eine besondere Verteilung zeigen [10]. Sie scheinen manchmal extraneuronal zu liegen bzw. über Zellgrenzen hinauszureichen, zeigen aber ultrastrukturell eine Lage im Zellkörper oder in Fortsätzen des Neurons. Eosinophile Einschlüsse in Thalamusneuronen ähneln Hirano-Körpern, sind aber kleiner und können im mittleren und höheren Lebensalter auftreten. Sie sind jedoch häufiger bei myotoner Dystrophie, bei der auch stäbchenartige, an Reisigbüschel erinnernde eosinophile Zytoplasmaeinschlüsse in großen Neuronen des Nucleus caudatus vorliegen können (manchmal werden sie aber auch im Alter ohne diese Krankheit gefunden) [10]. Zu den Zytosoleinschlüssen gehören die aus Polyglucosanen bestehenden basophilen Lafora-Körper [10]. Sie treten beim Lafora-Syndrom auf, einer autosomal-rezessiv vererbten, genetisch heterogenen, neurodegenerativen Speicherkrankheit des Kindes- und Jugendalters mit progressiver Myoklonusepilepsie. Sie ähneln den (im Kindesalter seltenen) Corpora amylacea und zeigen ebenfalls eine Amylase(Diastase)resistente PAS-Positivität, werden aber meist von feinen radiären Spikulae umgeben [10]. In Neuronen des Nucleus olivaris inferior können mit zunehmendem Alter (ohne klinische Bedeutung) kristalline, eosinophile, teilweise unscharf abgegrenzte, Ubiquitin-positive Zytoplasmaeinschlüsse auftreten [10, 35]. Zu den membrangebundenen intrazytoplasmatischen Einschlüssen gehören die Kolloid- oder hyalinen Einschlüsse, die vorwiegend in Neuronen des Hypoglossuskerns (manchmal auch in Vorderhornneuronen) meist alter Menschen als blass eosinophile Zytoplasmaabschnitte vorkommen, die ultrastrukturell erweiterten Zisternen des endoplasmatischen Retikulums durch amorphes Material entsprechen [10, 35]. Sie haben keine klinische Relevanz. Ebenfalls membrangebunden sind die elektronendichten BuninaKörper, kleine, perlschnurartige, eosinophile Einschlüsse im Zytoplasma von motorischen Nervenzellen bei Motoneuronerkrankungen [10]. Die granulovakuoläre Degeneration tritt vorwiegend in Pyramidenneuronen des Hippocampus (besonders in CA1) beim normalen Altern auf, ist aber bei M. Alzheimer und M. Pick deutlich verstärkt. Es zeigen sich in hellen Zytoplasmavakuolen kleine basophile Granula. Sie sind elektronendicht, Ubiquitin-positiv und bestehen aus abnormen Ansammlungen verschiedener Proteine (Tubulin, Neurofilamentproteine, Tau-Protein) [10]. Auch Lipofuszin ist membrangebunden und reichert sich durch Oxidation von Lipiden und Lipoproteinen in Lysosomen an (Telolysosomen). Es stellt sich braun-gelblich in der HE-Färbung dar, ist PAS-positiv, säurefest und
11
Gliazellen
autofluoreszent und wird teilweise schon sehr früh in Neuronen nachgewiesen. Es akkumuliert aber mit zunehmendem Alter (auch in Gliazellen) und findet sich bevorzugt in Neuronen des Nucleus olivaris inferior (s. Abb. 1.1a) und des Nucleus dentatus, in kortikalen und hippokampalen Pyramidenneuronen, in großen Nervenzellen von Mandelkern, Thalamus und Hypothalamus und in Motoneuronen von Hirnstamm und Rückenmark [10]. Bei neurometabolischen Erkrankungen treten oft krankheitstypische, membrangebundene zytoplasmatische neuronale Ablagerungen auf. Bei den Reaktionsformen der Nervenzellfortsätze sind die Axonschwellungen oder Sphäroide zu nennen [20]. Sie sind umschriebene, 10–120 μm durchmessende eosinophile Axonauftreibungen als Ausdruck einer (besonders traumatischen oder ischämischen) axonalen Schädigung und bestehen aus Neurofilamenten, Organellen und axonal transportiertem Material, das bei einer Transportunterbrechung akkumuliert [10, 28]. Dies gilt z. B. für das β-Amyloid-Vorläuferprotein, so dass mit einem Antikörper gegen dieses Protein Sphäroide immunhistochemisch markiert werden. Axonschwellungen können aber auch bei neurometabolischen und neurodegenerativen Erkrankungen (mit entsprechend abgelagertem Material, wie z. B. abnormem Tau-Protein) als dystrophische Neuriten vorkommen [28]. Sphäroide stellen den histologischen Hauptbefund bei den neuroaxonalen Dystrophien dar. Axonschwellungen treten mit zunehmendem Alter auch ohne Beziehung zu einem Krankheitsbild gehäuft auf und finden sich lumbosakral in den Vorderhörnern und im Hirnstamm im Bereich des Nucleus gracilis, wo sie nicht selten mineralisiert sind sowie in der Pars reticularis der Substantia nigra und in basalen Anteilen des Globus pallidus [12, 20]. Axonschwellungen der Purkinje-Zellen werden als „Torpedos“ bezeichnet und liegen in der Körnerzellschicht des Kleinhirns (Abb. 1.1d). Sie werden bei zahlreichen degenerativen und metabolischen Kleinhirnerkrankungen gefunden. Ein physiologisches Auftreten mit zunehmendem Alter wird inzwischen bezweifelt [24].
Gliazellen Die Gliazellen sind im Gegensatz zu den ausdifferenzierten Neuronen teilungsfähige Zellen. Sie werden als zentrale Glia des ZNS der peripheren Glia des peripheren Nervensystems (Schwann-Zellen und Mantel- oder Satellitenzellen) gegenübergestellt. Die periphere Glia (s. auch S. 555–7) stammt von der Neuralleiste ab, während zur zentralen Glia die aus dem Neuralrohr entstehende Neuroglia, d. h. Astrozyten, Oligodendrozyten und Ependymzellen sowie die Mikrogliazellen mit mesodermalem Ursprung (Mesoglia) gehören [11, 15, 25, 32, 34]. Der Be-
griff Makroglia wird unterschiedlich verwendet: Einige Autoren verstehen darunter die gesamte zentrale Glia außer der Mikroglia (also die Neuroglia), während andere nur Astrozyten und Oligodendrozyten und manche lediglich die Astrozyten so bezeichnen.
Astrozyten Morphologie und Funktion Astrozyten sind oft sternförmig (griech.: aster = Stern) und stellen die häufigsten und größten Gliazellen des ZNS dar [32, 34]. Unter physiologischen Bedingungen ist der astrozytäre Zellumsatz nur gering mit wenigen proliferierenden und neugebildeten Zellen. Die meisten Astrozyten scheinen postmitotische und langlebige Zellen zu sein [29]. Die sternförmigen Astrozyten werden morphologisch unterteilt in überwiegend in der grauen Substanz gelegene protoplasmatische Astrozyten mit kurzen dicken, stärker verzweigten Fortsätzen und in hauptsächlich in der weißen Substanz vorliegende (mit dem Alter quantitativ zunehmende) fibrilläre Astrozyten mit zahlreichen langen dünnen, wenig verzweigten Fortsätzen [25, 29, 32, 34]. Diese morphologischen Unterschiede sind bedingt durch den Zellgehalt an saurem Gliafaserprotein (GFAP = „glial fibrillary acidic protein“), aus dem die Intermediärfilamente der Astrozyten bestehen [35]. In der HE-Histologie sind diese beiden Astrozyten kaum zu erkennen, da sich die für ihre Identifikation entscheidenden Zellfortsätze hier nicht oder unvollständig darstellen. Es werden praktisch nur ihre runden oder ovalen, 8–9 μm großen blassen Zellkerne mit gesprenkeltem Chromatin gesehen. In der grauen Substanz kann man HE-morphologisch die protoplasmatischen Astrozyten letztlich nicht von kleinen Neuronen unterscheiden, da beide kaum Zytoplasma zeigen und die Zellkerne keine sichere Differenzierung erlauben [12]. In der weißen Substanz ist es im HE-Schnitt oft schwierig, die fibrillären Astrozyten von den häufigeren Oligodendrozyten (mit kleineren und chromatindichteren Kernen) abzugrenzen, wenn die fibrillären Astrozyten keine schmalen eosinophilen Zytoplasmasäume aufweisen [12]. Die Situation ändert sich, wenn es als Folge einer Schädigung des ZNS zu reaktiven Astrozytenveränderungen kommt mit Hypertrophie von Zellkörper und Zellfortsätzen [35]. Die reaktiven Astrozyten sind auch im HE-Bild oft gut zu erkennen mit ihrem eosinophilen oder glasig-hyalinen Zytoplasma, werden aber weiterhin quantitativ und qualitativ (besonders bezüglich ihrer Fortsätze) unterschätzt. Viel deutlicher werden sie in der GFAP-Immunhistochemie, die jetzt das gebräuchlichste Verfahren für die Astrozytendarstellung ist und Färbungen wie PTAH, Holzer und Metallimprägnationen ersetzt hat [35].
12
1
Kapitel 1
GFAP ist im ZNS weitgehend spezifisch für astrozytäre Zellen, GFAP-exprimierende sternförmige Zellen werden aber auch außerhalb des ZNS gefunden, z. B. in Leber, Niere, Pankreas und Lunge [29]. Der GFAP-Gehalt von Astrozyten kann so gering sein, dass er lichtmikroskopisch nicht zu entdecken ist [29, 35]. Dies gilt besonders für protoplasmatische Astrozyten. „Ruhende“ Astrozyten sind auch in der GFAP-Immunhistochemie schlechter zu erkennen als reaktive Astrozyten mit hochreguliertem GFAP-Gehalt. Die GFAP-Immunhistochemie ist ebenfalls äußerst wichtig für die Identifikation astrozytärer Tumorzellen. Auch die weniger spezifischen Proteine Vimentin (mesenchymales Intermediärfilament) und S100-Protein (kalziumbindendes Protein) sind immunhistochemisch im Zytoplasma von Astrozyten zu detektieren. Astrozyten können immunhistochemisch nachweisbare Wachstumsfaktorrezeptoren (z. B. für EGF und BFGF) exprimieren [35]. Astrozyten sind untereinander über „gap junctions“ (Nexus) zu einem das ganze ZNS durchziehenden Netzwerk verbunden [25, 29]. Sie haben ausgeprägte Kontakte mit Blutgefäßen, Fortsätze protoplasmatischer Astrozyten umscheiden Synapsen und Fortsätze fibrillärer Astrozyten stehen in Kontakt mit den Ranvier-Schnürringen der bemarkten Axone [29]. Ultrastrukturell zeigen Astrozyten einen erheblichen Intermediärfilamentgehalt, zytoplasmatische „dense bodies“ und zahlreiche Fortsätze [35]. Ihre morphologische (und funktionelle) Heterogenität erschöpft sich aber nicht in protoplasmatischen oder fibrillären sternförmigen Astrozyten. So gibt es auch zerebelläre Bergmann-Gliazellen (Bergmann-Astrozyten, Bergmann-Stützzellen, Golgi-Epithelzellen) [23, 25, 34, 35]. Ihre Zellkörper liegen in der Purkinje-Zellschicht und senden jeweils einen GFAP-positiven langen Fortsatz zur subpialen Oberfläche der Molekularschicht. Die polare Bergmann-Glia gehört zur radiären Glia (Radiärfaserglia, Radialgliazellen), langen Gliazellen, die bei der ZNSEntwicklung eine entscheidende Rolle spielen, da sie die Neuralrohrwand radiär durchspannen und den unreifen Neuronen bei ihrer Migration aus dem Keimlager als Leitschienen dienen (die Bergmann-Gliazellen bilden die Leitschienen für die Migration aus der äußeren zerebellären Körnerzellschicht, einer transienten subpialen sekundären Proliferationszone) [12, 25]. Nach Abschluss der neuronalen Migration ziehen die meisten Radialgliazellen ihre langen Fortsätze ein und werden zu Astrozyten. Postnatal bleiben nur die Bergmann-Glia und die MüllerZellen der Retina als radiäre Glia erhalten [25]. Weitere polare Astrozyten sind die pilozytischen Astrozyten, die normalerweise nicht auffallen, sondern erst als piloide Gliose mit Rosenthalfasern oder im Tumor (pilozytisches Astrozytom) zu erkennen sind [12]. Sie bilden lange, dünne (lat.: pilus = Haar) bipolare Fortsätze aus und sind periventrikulär, zerebellär und im Rückenmark lokalisiert. Zwar wird man in Anatomiebüchern wohl vergeblich nach einer derartigen eigenen pilozy-
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
tischen Astrozytenpopulation suchen, aber dieses von Neuropathologen vertretene neuroanatomische Konzept ist aufgrund entsprechender pathomorphologischer Befunde sehr hilfreich [12]. Eine weitere Sonderform der Astrozyten sind die Pituizyten der Neurohypophyse [25]. Es werden laufend weitere Funktionen der Astrozyten entdeckt und bei immer mehr ZNS-Erkrankungen wird ihre pathogenetische Relevanz deutlich. Es hat zwar eine gewisse Berechtigung, die Astrozyten als ZNS-Gegenstück zu den Fibroblasten anderer Organe anzusehen, ist aber missverständlich und wird ihrer Bedeutung (besonders auch hinsichtlich der neuronal-glialen Interaktion) nicht gerecht. Diese Analogie mag dahingehend gelten, dass Astrozyten und Fibroblasten in den jeweiligen Organen ubiquitär verbreitete, teilungsfähige Zellen mit Stützfunktion sind und beide auf eine Vielzahl schädigender Einflüsse reagieren [12]. Doch bereits die beiden Zellen angeblich gemeinsame Fähigkeit zur „Narbenbildung“ ist irreführend. Die astrozytäre Gliose als „Glianarbe“ unterscheidet sich schon dadurch von der bindegewebigen Narbe, dass sie lediglich bei mikroskopisch kleinen Nekrosen eine defektdeckende „gliöse Mikronarbe“ ausbilden kann. Größere Nekrosen zeigen zwar eine randliche Gliose, der Gewebsdefekt selbst wird aber nicht gliös durchbaut, sondern bleibt als pseudozystische Kavität bestehen, dem Endstadium der ZNS-typischen Kolliquationsnekrose. Die Stützfunktion der Astrozyten besteht darin, dass ihre Fortsätze überall Lücken zwischen den Nervenzellkörpern, den Neuriten und Dendriten und den Blutgefäßen ausfüllen. So wird ein Großteil des ZNS-Extrazellulärraums, der etwa 20% des ZNS-Gesamtvolumens ausmacht, aber enge und gewundene, z. T. diffusionsbehindernde Interzellulärspalten aufweist, von astrozytären Zellmembranen mit einer riesigen Gesamtoberfläche gesäumt [25]. Mit verschiedenen Transportmechanismen und Ionenkanälen kontrollieren die Astrozyten die Extrazellulärflüssigkeit, z. B. bezüglich ihres Ionenmilieus (und können so die Erregbarkeit benachbarter Neurone modulieren) oder der Konzentration von Neurotransmittern wie Glutamat. Glutamat kann als potentes Neurotoxin wirken und ist bei vielen ZNS-Krankheiten ein wichtiger pathogenetischer Faktor. Astrozyten sind wahrscheinlich die für die Glutamataufnahme wichtigsten Zellen des ZNS [35]. Sie spielen auch eine zentrale Rolle bei der Regulation des ZNS-Wasserhaushalts. Ihnen kommt also eine entscheidende Bedeutung für die neurochemische Homöostase des ZNS zu. Sie haben auch Einfluss auf Struktur und Funktion von Synapsen. Synapsen im gesamten ZNS weisen eine unterschiedliche Umscheidung durch Astrozytenfortsätze auf (Fortsätze eines einzelnen Astrozyten können bis zu über 100.000 Synapsen umscheiden [29]) und diese können z. B. über eine Glutamataufnahme die interneuronale Signalvermittlung beeinflussen. Offenbar spielen Astrozyten sogar über eine
Gliazellen
regulierte Freisetzung von synaptisch aktiven Molekülen („Gliotransmitter“) eine direkte Rolle bei der synaptischen Übertragung [29]. Sie können auch die Bildung funktionstüchtiger reifer Synapsen einschränken bzw. ermöglichen (z. B. über blockierende Astrozytenfortsätze oder deren aktives Zurückziehen und über Signalsubstanzen wie Wachstumsfaktoren) [29, 35]. Über solche Mechanismen können Astrozyten wahrscheinlich sogar Lernprozesse beeinflussen [32]. Eine wichtige Rolle spielen sie auch bei der Blut-HirnSchranke [25, 32, 34], die sich aus den Endothelzellen der ZNS-Kapillaren, einer darunter liegenden (durch Verschmelzung der Basallaminae der Endothelzellen und der Astrozyten meist gemeinsamen) Basallamina und den perivaskulären Astrozytenfortsätzen mit ihren verbreiterten Endfüßchen zusammensetzt. Den Kapillarendothelien mit ihren „tight junctions“ kommt dabei die entscheidende Bedeutung zu. Diese dichten Interzellularkontakte werden aber durch die Astrozytenendfüßchen induziert und erhalten. Neben dieser perivaskulären Gliagrenzmembran mit flächigen Astrozytenendfüßchen (Membrana limitans gliae perivascularis) gibt es auch eine Gliagrenzmembran an der subpialen ZNS-Oberfläche (Membrana limitans gliae superficialis). Astrozyten können auch Signale an piale Arteriolen übermitteln zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden kontinuierlichen Blutversorgung intraparenchymaler Arteriolen [35]. Astrozyten haben eine wichtige Ernährungsfunktion für das ZNS. So sind sie mit ihren perivaskulären Fortsätzen am Austausch von Nährstoffen und Stoffwechselprodukten zwischen Neuronen und Blut beteiligt, da die Neurone selbst nicht direkt mit dem Blut in Kontakt kommen [32]. Sie sind die Hauptglykogenspeicher im ZNS, wobei sich die größten astrozytären Glykogenmengen in Arealen hoher Synapsendichte finden [29]. Astrozyten haben eine ausgeprägte Fähigkeit zur (aeroben) Glykolyse und Laktatbildung auch bei normalen Sauerstoffwerten. Laktat und Ketonkörper können fakultativ (z. B. bei längerem Hungern, Hypoglykämie oder Diabetes mellitus) im ZNS als alternative Energielieferanten zu Glukose fungieren. Möglicherweise übernehmen die Astrozyten sogar eine Art „Ammenfunktion“ für Neurone und stellen ein Zwischenprodukt des Glukosestoffwechsels her, das von den Nervenzellen aufgenommen und oxidiert wird [35]. Astrozyten haben auch eine wichtige Schutzfunktion [25, 29, 32, 35]. Neben ihrer Bedeutung für den Glutamatspiegel kommt ihnen eine Rolle bei immunologischen Abwehrvorgängen zu, z. B. indem sie eventuell als antigenpräsentierende Zellen fungieren und dadurch, dass sich Astrozyten und die ZNS-Immunzellen, die Mikrogliazellen, gegenseitig beeinflussen können. Astrozyten können auch antioxidative Substanzen synthetisieren. Weiter umhüllen sie auch Bündel markloser Nervenfasern im ZNS [25, 34].
13
Astrozyten haben eine essentielle Bedeutung bei der ZNS-Entwicklung [29, 32, 35]: Radiäre Glia spielt eine entscheidende Rolle bei der neuronalen Migration. Sie kann bei der Gehirnentwicklung weitere radiäre Glia, Astrozyten und intermediäre Progenitorzellen, aus denen Gliazellen und Neurone entstehen können, generieren. Astrozyten sind beteiligt an der Differenzierung von Neuronen aus embryonalen und adulten neuralen Stammzellen und können die Neurogenese unterstützende oder hemmende Faktoren sezernieren. Sie haben auch eine Funktion bei der Markscheidenbildung im ZNS und ihr Ausfall oder ihre Dysfunktion können Myelinisierungsstörungen verursachen. Neue Untersuchungen haben nun sogar gezeigt, dass Astrozyten im Hirnstamm eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle der Atmung zukommt [13].
Reaktionsformen der Astrozyten Bei nahezu jeder ZNS-Schädigung kommt es als unspezifische, aber charakteristische Reaktion zu Astrozytenveränderungen, die mit Begriffen wie Gliose, reaktive Gliose, Astrogliose, astrozytäre Gliose, Astrozytose etc. bezeichnet werden [11, 12, 15, 28, 29, 35]. Eine Astrogliose wird von unterschiedlichsten Signalmolekülen ausgelöst, von denen einzelne praktisch von allen Zelltypen des ZNS freigesetzt werden können. Ob die reaktive Gliose auf Verlauf und Therapie einer Krankheit eine günstige oder eher ungünstige Auswirkung hat, ist im Einzelfall oft unklar. Eine reaktive Gliose spricht bei der Mikroskopie einer ZNS-Läsion für eine tatsächliche Pathologie und gegen ein Artefakt. Sie kann aber biopsiediagnostisch Probleme bereiten, da es (besonders in kleinen Proben) manchmal schwierig ist, zwischen astrozytärer Gliose und neoplastischen Astrozyten zu unterscheiden. Die reaktive Astroglia ist keine einheitliche Zellpopulation, sondern zeigt eine funktionelle und regionale Heterogenität und kann abhängig von Art, Lage und Stadium einer Läsion verschiedene morphologische Formen annehmen [35]. Ihr liegt typischerweise eine Vergrößerung (Hypertrophie) und eine Proliferation (Hyperplasie) der Astrozyten zugrunde [12, 29, 35]. Initial kommt es zur Zellvergrößerung mit GFAP-Vermehrung und vermehrtem eosinophilem Zytoplasma sowie oft exzentrischer Lage und Vergrößerung der Zellkerne. Diese können hyperchromatisch oder vesikulär aufgelockert sein mit einem Nukleolus, so dass sie ganglioid aussehen können. Besonders in der weißen ZNS-Substanz finden sich reaktive Astrozyten in Form „gemistozytischer Astrozyten“ („Gemistozyten“, eine Wortschöpfung aus den „gemästeten Astrozyten“ der alten deutschen Neuropathologie), die einen besonders vergrößerten, abgerundeten plumpen Zellleib mit homogen eosinophilem oder eher hyalinem, stark GFAP-positivem Zytoplasma mit plumpen Fortsätzen und exzentrischem Kern zeigen
14
Kapitel 1
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
1
a
b
c
d
Abb. 1.2 a Reaktive Astrozyten in Form stark GFAP-positiver „Gemistozyten“ mit vermehrtem plumpem immunreaktivem Zytoplasma mit plumpen Zellfortsätzen und exzentrischem Zellkern. GFAPImmunhistochemie mit 3,3´-Diaminobenzidin (DAB) als braunem Chromogen. b Reaktive Astrozyten mit proliferierenden GFAP-positiven Astrozyten mit langen unverzweigten immunreaktiven Zellfortsätzen. GFAP-Immunhistochemie mit DAB als braunem Chro-
mogen. c Zwischen Neuronen gelegene Alzheimer-Typ-II-Astrozyten mit vesikulären Kernen ohne abgrenzbares Zytoplasma („nackte Gliakerne“), die z. T. in kleinen Zellgruppen zusammenliegen. HE-Färbung. d Zahlreiche runde basophile Corpora amylacea subependymal, z. T. perivasal akzentuiert. Inset: Einzelnes Corpus amylaceum mit randlich erkennbarem Zytoplasma. HE-Färbung
(Abb. 1.2a). Sie sollen bereits ca. 6 Stunden nach Beginn eines vasogenen Hirnödems zu beobachten sein [15]. Dagegen dauert es etwa 48 Stunden nach Schädigung bis es zur Astrozytenproliferation kommt, die ebenfalls mit einer deutlichen GFAP-Zunahme einhergeht [15]. Während Mitosen in reaktiven Astrozyten nur äußerst selten zu beobachten sind [28], werden zweikernige (oder manchmal auch mehrkernige) Astrozyten häufig gesehen und dürfen nicht einfach für neoplastische Zellen gehalten werden. Proliferierende Astrozyten senden lange Ausläufer in das umgebende Gewebe und man sieht stark GFAP-positive sternförmige reaktive Astrozyten mit langen, oft unverzweigten Fortsätzen (Abb. 1.2b). Bei zunehmender Astrogliose kommt es dann auch zur Überlappung der Fortsätze verschiedener Astrozyten, während physiologisch die einzelnen Astrozyten mit ihren Fortsätzen jeweils ein eigenes Territorium bedecken [29].
In chronischen Krankheitsstadien oder bei langsamen degenerativen Prozessen findet man meist keine akut reaktiven zytoplasmareichen Astrozyten mehr, sondern sie zeigen bezüglich Zellkern und -körper eine „ruhende“ Morphologie. Man sieht eine dichte fibrilläre Gliose, die eigentliche „Glianarbe“ (wie erwähnt bei makroskopischen Nekrosen nicht defektdeckend) [10, 15, 28]. Es kann eine isomorphe fibrilläre Gliose vorliegen (Astrozytenfortsätze passen sich der ursprünglichen Gewebsarchitektur an), die für chronisch-degenerative Prozesse typisch ist. Die anisomorphe fibrilläre Gliose (unregelmäßig angeordnete Zellfortsätze) findet sich meist um destruktive Läsionen (z. B. Infarkte) [10]. Eine Gliose (dann meist gering oder mäßig ausgeprägt) kann manchmal ausschließlich durch eine astrozytäre Hypertrophie ohne Proliferation bedingt sein [35]. Umgekehrt kann bei einer chronischen Gliose auch nur
Gliazellen
eine astrozytäre Hyperplasie, d. h. eine Zunahme der Zahl der Astrozytenkerne ohne prominente Zytoplasmata vorliegen, was im HE-Schnitt eventuell schwer zu erkennen ist [12]. Eine astrozytäre Proliferation kann allerdings manchmal auch dadurch vorgetäuscht werden, dass die GFAP-Hochregulation in reaktiven Astrozyten Zellen sichtbar macht, die zuvor wegen zu geringem GFAP-Gehalt nicht erkennbar waren [29]. Die piloide Gliose mit Rosenthal-Fasern tritt typischerweise an den für pilozytische Astrozyten charakteristischen Stellen (periventrikulär, Kleinhirn, Rückenmark) auf. Bei der Bergmann-Gliose im Kleinhirn liegt eine Proliferation der Bergmann-Gliazellen vor, die zur Verbreiterung des Zellbandes dieser Glia in der Purkinje-Zellschicht führt. Bei nekrotisierenden Läsionen kann es neben der Astrogliose auch zur Kollagenfaservermehrung (z. B. durch Fibroblasten aus Gefäßen oder Meningen) im Sinne einer
15
gliomesodermalen Reaktion kommen. Ein Beispiel ist die Membran und Randgliose eines ZNS-Abszesses [15]. Diese „Narbe“ kann eine neuroprotektive Barriere gegen eine Entzündungsausbreitung bilden. Astrozyten sind gegen hypoxisch-ischämische Schädigungen weniger empfindlich als Neurone und Oligodendrozyten. Ihre letale Schädigung führt über eine Reihe morphologischer Veränderungen zum Zelltod. So kommt es zu einer „wolkigen“ Schwellung von Zellkörper und Fortsätzen, dann wird der Zellkern pyknotisch und verschwindet und es tritt eine Fragmentierung der Fortsätze (Klasmatodendrose) auf [11, 15]. Rosenthal-Fasern sind unterschiedlich große (10–40 μm lange), leuchtend oder eher hyalin eosinophile, rundlich-ovale und längliche, oft korkenzieherförmige Strukturen (Abb. 1.3b) [5, 10, 12]. Sie entsprechen ultrastrukturell geschwollenen Fortsätzen vorwiegend pilozytischer Astrozyten mit elektronen-
a
b
c
d
Abb. 1.3 a Geschwollene eosinophile, mutmaßlich oligodendrozytäre Gliazellen, die extrazelluläre Plasmaproteine aufgenommen haben. HE-Färbung. b Fokal noch erkennbare mehrreihige Ependymanteile (oben) in Umgebung eines pilozytischen Astrozytoms mit massenhaft eosinophilen Rosenthalfasern (Mitte und unten) bei einem jungen Erwachsenen. HE-Färbung. c Strangförmige Nester von Ependymzellen (Mitte) im periventrikulären Marklager kaudal
des Seitenventrikelhinterhorns. HE-Färbung. d Ependymopathia granularis mit Gliaknötchen, das sich in das Ventrikelsystem vorwölbt. Im Bereich des Gliaknötchens weist das Ependym Lücken auf und man erkennt auch ependymale Rosetten und Tubuli offenbar als frustraner Regenerationsversuch bei intrauteriner Blutung. Rechts und links des Gliaknötchens Ependymfältelungen, die auch bei normalem Ependym auftreten können. HE-Färbung
16
1
Kapitel 1
dichtem amorphem granulärem Material, das von dichten Gliafilamenten umgeben wird, mit denen das amorphe Material teilweise verschmilzt. Immunhistochemisch zeigen sie eine randständige GFAP-Positivität und werden mit Antikörpern gegen Ubiquitin und gegen αBCrystallin markiert [10, 15, 28]. Sie finden sich bei einer lange bestehenden ausgeprägten fibrillären Gliose (piloide Gliose) und zwar (entsprechend der Lokalisation pilozytischer Astrozyten) bevorzugt in Rückenmark, Kleinhirn und periventrikulär. So sieht man eine piloide Gliose mit Rosenthal-Fasern z. B. in Umgebung von Syringomyelieherden, Kraniopharyngeomen, Pinealiszysten, Kleinhirnhämangioblastomen etc. [10, 28]. Rosenthal-Fasern sind aber nicht auf für pilozytische Astrozyten typische Areale beschränkt, sondern können z. B. auch in Multiple-Sklerose-Plaques oder subpial vorliegen [5, 28, 35]. Sie sind diagnostisch wichtig in niedriggradigen neuroepithelialen Tumoren wie pilozytischen Astrozytomen (Abb. 1.3b) und Gangliogliomen [5]. Beim M. Alexander sind massenhaft Rosenthal-Fasern in der betroffenen weißen Substanz nachzuweisen. Dieser Leukodystrophie liegen dominante Mutationen im GFAP-Gen auf Chromosom 17 zugrunde [29, 35]. Rosenthal-Fasern werden gelegentlich auch in Hypothalamus und Glandula pinealis des normalen Gehirns gefunden [12]. Eosinophile granuläre Körper treten oft gemeinsam mit Rosenthal-Fasern auf. Sie sind unterschiedlich große, runde, eosinophile oder hyaline, PAS-positive Proteinstrukturen, die oft in Clustern in der Matrix und in Zellfortsätzen niedriggradiger neuroepithelialer Geschwülste (Gangliogliome, pilozytische Astrozytome und pleomorphe Xanthoastrozytome) vorkommen [10, 28]. Ultrastrukturell stellen sie membrangebundene „dense bodies“ dar. Eine Chaslin-Gliose (Randzonengliose, subpiale Gliose) ist eine unspezifische, reaktive Veränderung bei Epilepsiepatienten [16]. Sie zeigt eine Vermehrung subpialer GFAP-positiver Gliafasern, die örtlich unterschiedlich ausgeprägt ist und sich auch tiefer in den Kortex ausdehnen kann. Ähnliche Veränderungen können dabei auch subependymal periventrikulär und perivasal in der weißen Substanz vorliegen. Eine ausgeprägte Astrogliose kommt auch bei der Ammonshornsklerose (Hippokampussklerose) vor, einer wichtigen Ursache einer Temporallappenepilepsie. Dabei stellen die reaktiven Astrozyten nicht nur einfache Folgeveränderungen anfallsbedingter neuronaler Schäden dar, sondern können auch eine funktionelle Rolle bei der Anfallsentstehung spielen [29]. Es gibt zwei nach Alois Alzheimer benannte reaktive Astrozytenveränderungen (die nichts mit dem M. Alzheimer zu tun haben) [10, 12, 15, 20, 28, 35]: Die Alzheimer-Typ-II-Astrozyten finden sich bei einer „metabolischen Astrozytose“ und stellen unter anderem das morphologische Korrelat der hepatischen Enzephalopathie dar. Sie werden daher auch als „Leberglia“ oder wegen
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
ihrer Morphologie als „nackte Gliakerne“ bezeichnet. Es kommt zu einer Vergrößerung der Zellkerne ungefähr auf das Doppelte (auf 15–20 μm). Sie erscheinen vesikulär und blass durch Fehlen von Chromatingranula und zeigen eine deutliche Membran oft mit ein oder zwei neben der Membran gelegenen Nukleolen, Zytoplasma ist praktisch nicht zu erkennen (s. Abb. 1.2c). Auch in der GFAP-Immunhistochemie ist allenfalls eine geringe Zytoplasmamarkierung nachzuweisen, allerdings können die Zellen deutlich S-100-Protein-positiv sein. Alzheimer-Typ-II-Astrozyten liegen meist in kleinen, 2–4 Zellen umfassenden Gruppen vor. Ihre Ursache ist offenbar die Ammoniakerhöhung im Blut, die wahrscheinlich zur Zellschwellung durch oxidativen Stress, verstärkte Permeabilität der inneren Mitochondrienmembran für kleine Moleküle und intrazelluläre Glutaminakkumulation führt. Alzheimer-Typ-II-Astrozyten werden so als mitochondrienreiche, metabolisch aktive Zellen mit Ammoniakentgiftungsfunktion angesehen, während manche Autoren auch regressive Zellveränderungen oder sogar Artefakte diskutieren. Sie werden in der Großhirnrinde, besonders in unteren Kortexschichten gefunden, liegen aber meist zahlreicher in grauen Kerngebieten (wie Globus pallidus und Nucleus dentatus) vor, wo sie (wie auch im Hirnstamm) oft unregelmäßig lobulierte Kerne zeigen. Alzheimer-Typ-I-Astrozyten treten nur beim M. Wilson in größerer Häufung auf. Sie sind deutlich vergrößerte Astrozyten mit ausgeprägtem eosinophilem Zytoplasma und großen, unregelmäßig lobulierten oder auch multiplen Zellkernen. Ähnliche, „neoplastoid“ erscheinende Astrozyten, die selten sogar Mitosen zeigen können, werden auch bei der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML), einer opportunistischen Infektion mit dem Polyomavirus JC gesehen [22]. Zytoplasmareiche Creutzfeldt-Astrozyten (Creutzfeldt-Peters-Zellen) mit Kernveränderungen, die als unterschiedlich große Mikronuklei oder Granularmitosen beschrieben werden, sind zwar nicht spezifisch, aber recht typisch für Entmarkungskrankheiten aus dem Formenkreis der Multiplen Sklerose [12, 35]. Ihr Nachweis sollte besonders bei Biopsien an diese Differentialdiagnose denken lassen. Bei Viruserkrankungen können Astrozyten Einschlüsse aufweisen, wie bei der schon erwähnten Zytomegalievirusinfektion [28], wo sich aber bei den vergrößerten infizierten Zellen mit intrazytoplasmatischen und intranukleären Einschlüssen („Eulenaugenzellen“) die ursprüngliche ZNS-Zelle oft nicht mehr identifizieren lässt. Lipofuszin kann mit zunehmendem Alter außer in Neuronen auch in Astrozyten akkumulieren. Lipidspeicherkrankheiten zeigen eine neuronale und gliale (überwiegend astrozytäre) Lipidspeicherung [28]. Immer mehr zeigt sich die Wichtigkeit glialer (astrozytärer und oligodendroglialer) Zellveränderungen bei verschiedensten neurodegenerativen Erkrankungen. Sie werden genauer bei den jeweiligen Krankheiten darge-
Gliazellen
stellt, einige seien aber kurz erwähnt: Bei den Astrozytenveränderungen handelt es sich meist um Ablagerungen von hyperphosphoryliertem Tau-Protein [10, 28]. Es findet sich bei den für die progressive supranukleäre Lähmung (PSP) charakteristischen „tufted astrocytes“ in den gesamten, lang ausgezogenen Fortsätzen dieser oft zweikernigen Astrozyten. Bei PSP (aber auch bei anderen neurodegenerativen Krankheiten) werden ebenfalls häufig „thorn-shaped astrocytes“ gesehen. Sie zeigen ein Tau-positives Zytoplasma, einen oft kleinen exzentrischen Kern und einzelne kurze Fortsätze. „Astrozytische Plaques“ sind charakteristisch für die kortikobasale Degeneration mit Tau-Positivität in den Fortsatzenden von Astrozyten der grauen Substanz und Tau-Negativität im Zentrum der plaqueartigen Strukturen. Corpora amylacea sind runde, unterschiedlich stark basophile, größenvariable (ca. 10–50 μm), in der HEFärbung graue oder grau-blaue, PAS-positive, Amylase (Diastase)-resistente Ablagerungen (Abb. 1.2d) [10, 12, 28]. Manchmal zeigen sie konzentrische Lamellen und bisweilen kleine eosinophile Abschnitte von Zytoplasma (s. Abb. 1.2d). Es handelt sich nämlich um Einschlüsse in Astrozytenfortsätzen (seltener in Axonen), wobei diese Lage aber im HE-Schnitt normalerweise nicht zu erkennen ist. Sie bestehen überwiegend aus Polyglucosanen sowie kleineren Anteilen z. B. von Tau-Protein und oligodendrozytären Proteinen und sind oft Ubiquitin-positiv. Ultrastrukturell bestehen sie aus 6–7 nm durchmessenden dicht gepackten Filamenten häufig mit amorphem granulärem Material und sind nicht membrangebunden. Corpora amylacea finden sich besonders in subpialen und subependymalen Gehirnabschnitten, um (besonders subkortikale) Blutgefäße herum (Abb. 1.2d) sowie spinal in Hinterhörnern und weißer Substanz. Beim Erwachsenen weisen die Tractus olfactorii oft besonders viele Corpora amylacea auf [12]. Die Zahl der Corpora amylacea nimmt mit dem Alter und bei verschiedensten (besonders neurodegenerativen) Krankheiten zu [10]. Ihre Funktion ist letztlich nicht klar. Diskutiert werden z. B. eine Rolle bei der Akkumulation anorganischer Substanzen aus Blut und Liquor und beim Schutz vor der Erkennung neuronaler und oligodendroglialer Degenerationsprodukte durch Lymphozyten und einer resultierenden Immunaktivierung [10]. Möglicherweise stellen sie auch ein Endstadium der Astrozytendegeneration dar [15]. Äußerst selten scheinen sehr ausgeprägte umschriebene Ansammlungen von Corpora amylacea sogar zu neuroradiologisch sichtbaren Herdläsionen im Gehirn führen zu können [2]. Bei der extrem seltenen Polyglukosankörpererkrankung des Erwachsenen (vgl. S. 612 u. 756) sieht man eine massive diffuse Akkumulation von Corpora amylacea in Hirnrinde und weißer Substanz mit Myelinschädigung [28]. Corpora amylacea dürfen nicht mit mykotischen Strukturen wie Kryptokokken verwechselt werden, die ein weitgehend identisches Färbeverhalten (versilberbar, PASund Alcianblau-positiv) zeigen [12].
17
Autolyseveränderungen der Astrozyten manifestieren sich als perivasale Aufhellungen bzw. erweiterte Perivasalräume, die ultrastukturell dilatierten, geschwollenen Astrozytenendfüßchen entsprechen. Diese Schwellungen können aber auch intravital (dann meist ausgeprägter) bei Hirnödem, z. B. durch ein hypoxisch-ischämisches Ereignis auftreten [12].
Oligodendrozyten Morphologie und Funktion Oligodendrozyten (griech.: oligos = wenig, dendron = Baum) sind deutlich kleiner als Astrozyten und besitzen weniger sowie kürzere und geringer verzweigte Fortsätze und schmale Zytoplasmasäume [32, 34, 36]. Im HESchnitt sieht man nur runde lymphozytenartige Kerne mit einem gleichmäßigen dunklen Chromatin ohne Nukleolus, während Zytoplasma und Fortsätze nicht erkennbar sind. Oligodendrozyten besitzen keine spezifischen Intermediärfilamente, aber Mikrofilamente und ein ausgeprägtes Netzwerk aus Mikrotubuli mit Mikrotubulus-assoziierten Proteinen (MAPs) [27, 35]. Ein spezifischer Antikörper für die zuverlässige Identifikation von Oligodendrozyten in Paraffinschnitten fehlt und wird besonders in der Tumordiagnostik vermisst. Synoptisch mit anderen Befunden können hier z. B. Antikörper gegen MAP 2, MOG (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein), MAG (Myelin-assoziiertes Glykoprotein), S-100 Protein, NogoA, IDH1 (R132H) etc. helfen. Oligodendrozyten sind die Markscheidenbildner des ZNS, im peripheren Nervensystem (PNS) übernehmen die Schwann-Zellen diese Funktion. Während die Schwann-Zelle das Axon mit ihrem Zellleib umhüllt und für ein Myelinsegment eines einzigen Axons zuständig ist, umwickelt der Oligodendrozyt jeweils mit einem Fortsatz ein Internodium und kann Internodien von bis zu über 50 Axonen umhüllen [25, 34, 36]. Benachbarte Myelinabschnitte eines Axons werden von verschiedenen Oligodendrozyten bemarkt. Die Länge des Internodiums ist dabei proportional zur Dicke der Myelinscheide und zum Axondurchmesser [32, 34]. Das myelinisierte Axon des ZNS weist keine Basallamina auf im Unterschied zur bemarkten Nervenfaser des PNS mit einer von den Schwann-Zellen gebildeten durchgehenden Basallamina [34]. Das Myelin von ZNS und PNS zeigt histochemische Unterschiede. In der PAS-LFB-Färbung wird z. B. das PNS-Myelin dunkler gefärbt, wie bei Hirn- und Spinalnerven in der Übergangszone vom zentralen zum peripheren Myelin zu erkennen ist [35] Die Oligodendrozyten sind aber nicht nur für die beschleunigte axonale Impulsübertragung durch die Bemarkung verantwortlich, sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung, Aufrechterhaltung und Regeneration der Axone
18
1
Kapitel 1
[37]. Ist das Axon aber schwer geschädigt, so kommt es zum Untergang der Markscheide [35]. Die Myelinisierung beginnt um die 16. Schwangerschaftswoche, ist jedoch am ausgeprägtesten in den ersten beiden Lebensjahren, wobei sie im Gehirn in kaudorostraler und im Rückenmark in rostrokaudaler Richtung voranschreitet. Wahrscheinlich ist die Bemarkung des ZNS erst spät in der zweiten Lebensdekade abgeschlossen [35]. Entsprechend ihrer Funktion als Markscheidenbildner findet man Oligodendrozyten sehr zahlreich in der weißen ZNS-Substanz, wo sie oft in Reihen zwischen Markfasern angeordnet sind (interfaszikuläre Glia) [15]. Sie kommen aber auch in kleinerer Zahl in der grauen Substanz vor, wo sie sich besonders in den tieferen Schichten der Hirnrinde um die Zellkörper der Neurone gruppieren [5, 12]. Diese perineuronale Satellitose ist mit zunehmendem Alter ein regelhafter Befund letztlich ungeklärter Relevanz [11, 15]. Für die Oligodendrozyten der grauen Substanz wird eine Stützfunktion für Neurone (analog zu Satellitenzellen in Spinalganglien) oder allgemein eine neuroprotektive Funktion angenommen. Möglicherweise handelt es sich bei ihnen auch um Progenitorzellen [35].
Reaktionsformen der Oligodendrozyten Die perineuronale Satellitose der Oligodendrozyten kann auch unspezifisch bei degenerativen Prozessen auftreten [15] und ist oft besonders ausgeprägt und (diagnostisch hilfreich) in oligodendroglialen Tumoren [12]. Die perineuronale Satellitose nichtneoplastischer Oligodendrozyten darf also nicht mit der in Oligodendrogliomen verwechselt werden. (Die Tumorzellen zeigen meist größere und pleomorphere Kerne mit groberem Chromatin und manchmal Nukleolen.) Auch die reihenförmige Anordnung der Oligodendrozyten in der weißen Substanz entlang von Faserbahnen darf man nicht als diffus infiltrierende, gut differenzierte Oligodendrogliomzellen fehldeuten. Diese Gefahren sind noch größer, wenn eine nichtneoplastische (perivasal und perineuronal akzentuierte) Vermehrung von Oligodendrozyten (oligodendrogliale Hyperplasie) vorliegt. Sie kann z. B. bei langjähriger Epilepsie in Temporallappenresektaten, manchmal aber auch als „Zufallsbefund“ in anderen Präparaten gefunden werden [5, 12]. Die Identifikation von (normalen und neoplastischen) Oligodendrozyten im Paraffinschnitt kann durch ein häufiges Artefakt bei verzögerter Gewebsfixation erleichtert werden. Eine Schwellung und Vakuolisierung des Zytoplasmas der Oligodendrozyten führt zu perinukleären Aufhellungshöfen („halos“) der Zellen [12, 35]. Sind viele Oligodendrozyten betroffen, ergibt sich eine „Honigwaben“- oder „Spiegelei“-Architektur des Gewebes. Solche „halos“ können manchmal aber auch als Fixationsartefakt bei anderen Zellen, z. B. Neuronen auftreten.
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
Ein seltener, fast ausschließlich bei Autopsien zu beobachtender Befund sind geschwollene, stark eosinophile Gliazellen im Gehirn, die bevorzugt subpial und subependymal zu finden sind (Abb. 1.3a) [9]. Sie treten wahrscheinlich bei Schädigungen mit Extravasation von Plasmaproteinen wie Hämorrhagien auf. Offenbar können sowohl Astrozyten als auch Oligodendrozyten sehr schnell extrazelluläre Plasmaproteine aufnehmen. Diese eosinophilen Gliazellen sind wohl intakte Zellen (kein Vorkommen in infarziertem Gewebe), allerdings kann ihr Auftreten offenbar postmortal durch eine Fixationsverzögerung verstärkt werden (kein Vorliegen in Biopsien) [9]. Reife Oligodendrozyten sind postmitotische Zellen [37] und nach den Neuronen die empfindlichsten Zellen des ZNS gegen hypoxisch-ischämische Schädigungen [35]. Für die Myelinbildung durchlaufen sie ein hochkomplexes Differenzierungsprogramm und weisen eine hohe metabolische Aktivität auf, was zusammen mit weiteren physiologischen Besonderheiten wie einem hohen Eisengehalt offenbar zu ihrer starken Vulnerabilität führt [4]. Durch das Vorliegen von oligodendroglialen Vorläuferzellen kann es jedoch zu einem Ersatz zugrunde gegangener Zellen bzw. zu einer Oligodendrozytenhyperplasie kommen [35]. Die Reaktionsformen der Oligodendrozyten hängen von Art und Angriffspunkt (Zellkörper oder Markscheide) einer Noxe ab [10]. Es gibt unterschiedliche Schädigungsarten des Myelins [10]: Entmarkung (Demyelinisierung, Demyelinisation) beschreibt einen Verlust von normalen Markscheiden bei weitgehendem Erhalt des Axons. Sie kann durch eine selektive Zerstörung der Markscheiden oder durch eine primäre Schädigung des oligodendroglialen Zellkörpers bedingt sein. Die Ursachen sind unterschiedlich, wie Autoimmunphänomene (z. B. multiple Sklerose), Ischämien, Toxine und metabolische Störungen, Virusinfektionen (z. B. progressive multifokale Leukoenzephalopathie: PML) oder mechanische Schädigungen. Kommt es zur Remyelinisierung, so ist die neugebildete Markscheide dünner und remyelinisierte ZNS-Areale werden in Markscheidenfärbungen schwächer angefärbt. Von Dysmelinisierung (Dysmyelinisation) wird manchmal gesprochen, wenn Myelinscheiden nicht adäquat gebildet oder erhalten werden können (z. B. bei den meist genetisch bedingten Leukodystrophien). Eine Markscheidenschädigung mit einer ödematösen Myelinvakuolisierung durch Flüssigkeitsansammlung zwischen den Myelinlamellen kann z. B. bei der HIV-assoziierten vakuolären Myelopathie, bei bestimmten Stoffwechselstörungen oder bei toxischen Schädigungen auftreten. Bei der Wallerschen Degeneration führt die Degeneration des distalen Teils eines durchtrennten Axons zu Fragmentierung und Untergang auch des Myelins mit Phagozytose durch Makrophagen. Sie läuft im ZNS viel langsamer ab als im PNS und Makrophagen können im ZNS Monate oder sogar Jahre nachweisbar sein [15].
Gliazellen
Bei Virusinfektionen können intranukleäre Einschlüsse in Oligodendrozyten vorkommen, so bei der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML), einer opportunistischen Infektion durch das Polyomavirus JC [22]. Hier findet sich meist ein homogen glasig-hyaliner oder violetter, vergrößerter Oligodendrozytenkern, seltener ein umschriebener kondensierter eosinophiler oder basophiler Kerneinschluss. Oligodendrozytenveränderungen mit intrazytoplasmatischen Ablagerungen von mikrotubulärem oder filamentösem Material kommt eine große Bedeutung bei bestimmten neurodegenerativen Erkrankungen zu [10, 35]. So gibt es im perinukleären Zytoplasma Einschlüsse in Form sog. „coiled bodies“, die überwiegend aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein bestehen. Sie können z. B. bei der progressiven supranukleären Lähmung, der kortikobasalen Degeneration und auch beim M. Alzheimer gefunden werden. Bei der Multisystematrophie (MSA) stellen die verschieden geformten glialen Zytoplasmaeinschlüsse („glial cytoplasmic inclusions“) in Oligodendrozyten das wichtigste histologische Diagnosekriterium dar und bei der MSA handelt es sich möglicherweise sogar um eine primäre „Oligodendrogliopathie“ [37]. Die Einschlüsse bei MSA werden in der Gallyas-Versilberung markiert, sind α-Synuclein-immunreaktiv und stellen sich ultrastrukturell als mikrotubuläre Strukturen mit granulärem Material dar. Die Reifung von Zellen der oligodendroglialen Reihe ist durch einen koordinierten Wechsel in der Expression von Oberflächenantigenen charakterisiert, der sich immunhistochemisch nachweisen lässt. Oligodendrozyten und Astrozyten können während der ZNS-Entwicklung sowie auch reaktiv bei Schädigungen von einer gemeinsamen Präkursor-Stammzelle gebildet werden [11]. Über die sog. NG2-Zellen als oligodendrogliale Progenitorzellen im sich entwickelnden und im reifen ZNS wird noch ausführlicher berichtet.
Ependymzellen Morphologie und Funktion Die Ependymzellen (griech.: ependyma = Oberkleid) sind spezielle Gliazellen, die die inneren Liquorräume (Ventrikelsystem des Gehirns mit Aquädukt und Foramina Luschkae) und den Zentralkanal des Rückenmarks auskleiden [11, 25, 31, 34]. Sie bilden dabei einen einschichtigen Zellverband aus iso- bis hochprismatischen epithelartigen Zellen, die nicht mehr mitotisch aktiv sind. Sie besitzen Mikrovilli und Kinozilien und sind über „gap junctions“ und Desmosomen miteinander verbunden. Die Basalköperchen (Kinetosomen, Blepharoplasten), in denen die Kinozilien verankert sind, lassen sich mit PTAH anfärben [15], was vor der Immunhistochemie
19
wichtig für die Ependymomdiagnostik war. Immunhistochemisch zeigen fetale Ependymzellen eine regional unterschiedliche Vimentin-Positivität, die bis zum Schwangerschaftsende deutlich abnimmt, eine sehr frühe transiente Zytokeratin-Immunreaktivität und eine regional unterschiedliche GFAP- und S-100-Protein-Positivität [10, 35]. Das Ependym des Erwachsenen ist überwiegend S-100-Protein-positiv und zeigt eine variable GFAP- und EMA-Immunreaktivität [5]. Die EMA-Immunhistochemie hat sich bei ependymalen Tumorzellen als hilfreich erwiesen, wo sie eine typische punkt- und ringförmige zytoplasmatische Markierung zeigen kann [18]. Die Ependymzellen sind mit ihren Kinozilien für den Liquortransport wichtig [32]. Sie zeigen eine ausgeprägte Sekretions- und Resorptionstätigkeit und spielen eine große Rolle bei der Flüssigkeits- und Ionenhomöostase zwischen Hirnparenchym und Liquor [32, 35]. Wahrscheinlich beeinflussen sie auch Signalübertragungsvorgänge über den Liquor [32]. Ependymzellen können Wachstumsfaktoren produzieren und damit trophische Funktionen für Progenitorzellen des ZNS ausüben. Möglicherweise können sie auch regulierend auf den Metabolismus von Progenitorzellen einwirken [8]. Es kommt ihnen auch eine wichtige Bedeutung bei der angeborenen, unspezifischen Immunabwehr des ZNS zu [35]. Die elektrophysiologischen Eigenschaften der Ependymzellen ähneln denen von Astrozyten [35].
Reaktionsformen der Ependymzellen Die Höhe der Ependymzellen und die Zahl ihrer Kinozilien zeigen regionale Unterschiede und nehmen mit dem Alter ab, so dass im Erwachsenengehirn die Ependymzellen lichtmikroskopisch oft auch langstreckig kinozilienfrei und abgeflacht, plattenepithelartig aussehen können [12]. Die Ependymzellen liegen auf einer vorwiegend astrozytären subependymalen Gliazellschicht, die sehr faserreich und regional unterschiedlich zelldicht ist (mit Einzelzellen und Zellclustern) und deren Dicke mit dem Alter zunimmt [12, 15]. Zwischen Ependym und dieser Gliazellschicht findet sich nur eine rudimentäre Basallamina [35]. Subependymal um den Seitenventrikel liegen auch Zellen mit den Eigenschaften neuraler Stammzellen vor [15, 35]. Das einschichtige Ependym geht aus einem mehrreihigen zylindrischen, mitotisch aktiven Epithel der Neuralplatte bzw. des Neuralrohrs hervor, das sich ausdünnt. Wenn die ventrikuläre Ependymauskleidung vollständig ist, hört die mitotische Aktivität der Ependymzellen auf [11, 35]. Manchmal können aber auch im adulten Gehirn fokal noch mehrreihige Ependymabschnitte vorliegen (Abb. 1.3b) [35].
20
1
Kapitel 1
Der mit Ependym ausgekleidete spinale Zentralkanal ist im Kindesalter offen, obliteriert meist etwa ab der Pubertät und ist beim Erwachsenen ganz oder weitgehend verschlossen. An seiner Stelle findet man kleine Ependymzellnester ohne epithelartige Anordnung, manchmal mit Ependymrosetten [10, 12]. Ependymzellnester liegen auch im Filum terminale vor und gelten als Ursprung hier auftretender myxopapillärer Ependymome [12]. Zwischen Conus medullaris und Filum terminale lassen sich gelegentlich (manchmal neuroradiologisch sichtbare) Reste des embryonalen Ventriculus terminalis, einer örtlichen Dilatation des Zentralkanals, finden [12]. Bei der Gehirnentwicklung scheint es häufiger zur Fusion von benachbarten Ependymabschnitten der Ränder der Seitenventrikelhörner zu kommen, besonders im Bereich der Enden der Hinterhörner [12]. So kann man hier histologisch oft strangförmige Ependymzellnester (Abb. 1.3c) und Ependymrosetten nachweisen, die bei Autopsien manchmal makroskopisch an eine Entmarkung erinnern. Es können aber überall um die inneren Liquorräume Ependymzellnester mit Ependymrosetten und tubulären Strukturen vorliegen, häufig findet man sie periaquäduktal [10, 12, 35]. Manchmal stellen sie auch frustrane Reparationsvorgänge bei noch proliferierendem Ependym dar (z. B. bei einer intraventrikulär eingebrochenen Keimlagerblutung eines Frühgeborenen) (Abb. 1.3d). Solche subependymalen Ependymzellnester dürften Ursprung seltener extraventrikulärer Ependymome des Gehirns sein. Manchmal kann kaudal eines Hinterhorns eine Art „Zusatzventrikel“ vorliegen, offenbar durch partielle Fusion von weiter rostral gelegenen Ependymabschnitten. Bei einer langstreckigeren Fusion der Enden der Seitenventrikelvorderhörner ohne einen randlichen offenen Ventrikelanteil spricht man von einer Adhäsion, bei einer fokalen Fusion mit lateral noch vorliegenden Ventrikelanteilen von einer Koarktation. Bei beiden könnte es sich um erworbene, z. B. postentzündliche Veränderungen handeln. Bei Autopsien sieht man in Schnitten der Medulla oblongata bisweilen seitlich adhärente Streifen ependymaler Zellen. Hierbei handelt es sich nicht um ektopes Ependym, sondern um Anschnitte der Ependymauskleidung der Aperturae laterales (Foramina Luschkae) [12]. Das normale Ependym kann örtlich gefältelt sein [12, 35]. Diese Undulationen sind ohne klinische Bedeutung und sollten nicht mit einer Ependymopathia granularis verwechselt werden (Abb. 1.3d). Die Ependymopathia granularis (Ependymitis granularis) ist eine unspezifische Reaktion, bei der es durch verschiedenste (oft auch nicht eruierbare) Noxen (z. B. Infektionen, Blutungen, Hydrozephalus) zu einer Proliferation der faserreichen subependymalen Glia kommt mit Bildung von Gliaknötchen, die exophytisch in das Ventrikellumen vorwachsen („ependymale Granulationen“) (Abb. 1.3d) [10–12, 15, 35]. Ihr geht meist eine örtliche Ependymzerstörung voran, so dass im Bereich der Glia-
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
knötchen das Ependym oft fehlt. Trotz des Begriffs „Ependymitis granularis“ ist meist keine Entzündungsreaktion in den Knötchen nachweisbar [10], so dass „Ependymopathia granularis“ vorzuziehen ist. Sie kann selten im Bereich von Engstellen (z. B. Aquädukt) die Liquorzirkulation behindern und zum Hydrocephalus occlusus führen. Bei sehr ausgeprägter Schädigung kann diese subependymale Gliose auch mehr diffus, flächenhaft in das Ventrikelsystem einwachsen. Es gibt aber auch eine echte, z. B. bakterielle, mykotische oder virale Ependymitis. Erwähnt seien die Zytomegalievirus-Ventrikuloenzephalitis mit Infektion von Ependymzellen sowie Infektionen mit Varizella-Zoster-Virus und Mumpsvirus (Letztere können selten eine Aquäduktstenose verursachen) [35]. Bei an den Ventrikel heranreichenden Infarkten ist das Ependym oft noch intakt, da es möglicherweise über den Liquor miternährt wird. Insgesamt sind die ependymalen Reaktionsmöglichkeiten gegen Noxen sehr beschränkt und bestehen vorwiegend im Zelluntergang mit resultierenden Ependymlücken. Es kann auch zur Atrophie des Ependyms mit Zellabflachung kommen (z. B. bei Verschlusshydrozephalus und bei schwerer Hirnatrophie) [10]. Bei mechanischer Schädigung (z. B. durch Hydrocephalus occlusus) treten Ependymlücken besonders im Bereich der glatten Ventrikeloberfläche und weniger der Ventrikelkanten auf [35]. Insgesamt nehmen mit dem Alter die Ependymlücken zu und die subependymale Gliazellschicht wird breiter [15]. Mit zunehmendem Alter treten in den Ependymzellen (wie in Plexusepithelzellen) auch Biondi-Körper auf. Diese β-Amyloid-immunreaktiven, mit Thioflavin S stärker als mit Kongorot angefärbten Amyloidfibrillen aus Bündeln von 10 nm langen geraden Filamenten sind in den Ependymzellen meist als unregelmäßige Stränge angeordnet, während sie im Plexusepithel oft als Biondi-Ringe vorliegen [10].
Tanyzyten Tanyzyten sind spezielle elongierte Ependymzellen mit oft nur einer einzelnen Kinozilie und einem langen (bis 500 μm) basalen Ausläufer [34]). Dieser zieht weit nach subependymal, in perivaskuläre Räume, zu Neuronen oder Gliazellen [34–36]. Besonders im Bereich von drittem Ventrikel und Hypothalamus können diese Fortsätze aber sogar bis nach subpial zur Membrana limitans gliae superficialis reichen [5]. Tanyzyten kommen im Ependym des dritten und vierten Ventrikels vor, besonders in den zirkumventrikulären Organen (ZVO; s. auch unten) [25, 32, 34]. ZVO sind meist unpaare, an die Ventrikel angrenzende, kleine, gefäßreiche Strukturen ohne Blut-HirnSchranke, da ihre Funktion (neuroendokrin oder chemosensorisch) eine direkte Kommunikation mit der Blutbahn erfordert („neurohämale Zonen“) [34]. Zu den ZVO
21
Gliazellen
gehören: Hypophysenhinterlappen und Eminentia mediana, Corpus pineale, Subfornikalorgan, Organum vasculosum laminae terminalis, Subkommissuralorgan und Area postrema [34]. Hier kommt ein Substanzaustausch zwischen Blut und ZNS-Extrazellulärraum durch fenestrierte Kapillaren zustande. Das Fehlen der Blut-HirnSchranke macht aber eine Barriere zwischen Extrazellulärraum der ZVO und Liquor nötig. Sie wird durch das spezielle tanyzytenreiche Ependym gebildet mit hier durch „tight junctions“ verbundenen Zellen [25].
Epithelzellen des Plexus choroideus Morphologie und Funktion Die kubischen Epithelzellen des einschichtigen Plexus choroideus sind spezialisierte Ependymzellen, die ventrikelwärts nur einzelne (lichtmikroskopisch nicht sichtbare) Kinozilien oder dünne Kinozilienbüschel, aber einen reichen Mikrovillibesatz aufweisen und durch „tight junctions“ verbunden sind [23, 25, 34, 40]. Die ultrastrukturell gefältelte basale Oberfläche der Plexusepithelzellen besitzt eine Basallamina [3]. Elektronenmikroskopisch zeigen sie ein raues endoplasmatisches Retikulum, einen gut ausgebildeten Golgi-Apparat, Lysosomen, Lipofuszingranula und Lipidtropfen [23]. Die Plexusepithelzellen sind lichtmikroskopisch größer und von der Form stärker „pflastersteinartig“ als die Ependymzellen [12]. Sie überziehen ein kapillarreiches Stroma, die Tela choroidea, einen Ausläufer der Leptomeninx [23, 25, 34]. Plexusepithel (Lamina choroidea epithelialis) und Tela choroidea bilden den Plexus choroideus [23]. Plexus choroideus findet sich jeweils im Mittelteil (Pars centralis) der Seitenventrikel (am ausgeprägtesten im Atrium, dem hinteren Abschnitt der Pars centralis), in den Temporalhörnern der Seitenventrikel, in den Foramina Monroi, im Dach des dritten und vierten Ventrikels und in den lateralen Rezessus des vierten Ventrikels („Bochdaleksche Blumenkörbchen“, die in den Subarachnoidalraum hineinragen) [12, 23, 34]. Seitenventrikelvorder- und -hinterhörner und der Aquädukt weisen keinen Plexus choroideus auf. Die Plexus choroidei entstehen dadurch, dass sich in der frühen Fetalzeit Teile der Endhirnbläschen und das Dach des dritten und vierten Ventrikels bis auf das Ependym zurückbilden, das mit fibrovaskulärem leptomeningealem Gewebe in Kontakt tritt [23]. Beide stülpen sich dann zottenartig in die Ventrikel ein, wobei die Plexusepithelzellen das Stroma pseudorosettenartig umhüllen. Dabei beeinflussen sich Mesenchym und Epithelzellen gegenseitig in ihrer Entwicklung [3]. Das Epithel induziert z. B. eine verstärkte Angiogenese und die Differenzierung der Gefäße zu Kapillaren vom fenestrierten Typ. Das Mesenchym wirkt auf die Plexusepitheldifferenzie-
rung z. B. über die Produktion von IGF-2, das im Plexusepithel die Bildung von Transthyretin (Präalbumin), einem Schilddrüsenhormon-bindenden Protein, induziert [3]. Die zunächst säulenförmigen Plexusepithelzellen des Feten weisen PAS-positive, glykogenhaltige Granula und so eine klarzellige HE-Morphologie auf. Im Plexusepithel des Erwachsenen fehlen diese Glykogengranula oder sind deutlich reduziert. Im normal weiten adulten Ventrikelsystem nimmt der Plexus choroideus weniger als 25% des Ventrikelvolumens ein, beim Feten füllt er den größten Teil des Ventrikels aus. Immunhistochemisch reagieren die Plexusepithelzellen mit Antikörpern gegen Zytokeratin (besonders niedermolekulare Formen), Vimentin, S-100-Protein und Transthyretin, wobei Transthyretinbefunde aufgrund von Transthyretin (Präalbumin) im Serum besonders bei Blutungen oft schwer zu beurteilen sind. Antikörper gegen den einwärts gleichrichtenden Kaliumkanal Kir7.1 und gegen Stanniocalcin-1, ein homodimerisches Phosphoglykoprotein, reagieren ebenfalls mit Plexusepithelzellen [19]. Die Plexus choroidei produzieren fast den gesamten Liquor cerebrospinalis (ein kleiner Teil wird über transependymale Flüssigkeitsexsudation gebildet) [15], von dem täglich etwa 500 ml hergestellt werden, so dass bei einer Gesamtmenge von etwa 135 ml (davon ca. 25 ml intraventrikulär) der Liquor täglich etwa drei- bis viermal erneuert wird [25]. Die Kapillaren des Plexus choroideus sind dazu fenestriert und die Plexusepithelzellen besitzen in ihrer apikalen, ventrikelwärts gerichteten Membran Na+-K+-ATPase und Wasser- (Aquaporine) und Chloridkanäle, so dass Na+-Ionen aktiv in den Liquor gepumpt werden, denen Cl–-Ionen und Wasser folgen. An der basalen Membran werden Na+-Ionen durch Na+-Kotransporter und Na+-H+-Austauscher sowie Cl–Ionen im Austausch gegen (durch zytoplasmatische Carboanhydrase produziertes) Hydrogencarbonat (HCO3–) aufgenommen [3, 34]. Den Plexusepithelzellen kommt so eine wichtige Funktion bei der Flüssigkeits- und Ionenhomöostase des Gehirns zu. Über sie werden z. B. auch Glukose, einzelne Vitamine, Nukleoside und Transthyretin in den Liquor sezerniert [3]. Sie sind der wesentlichste Bestandteil der Blut-Liquor-Schranke im Ventrikel (im Subarachnoidalraum ist dies das Neurothel der Arachnoidea) und verhindern mit ihren „tight junctions“ weitgehend den parazellulären Substanztransport [3, 25, 34]. Die Basallaminae von Plexusepithel und Endothelzellen haben offenbar Filtrationseigenschaften für akzidentell übergetretene Plasmaproteine [3]. Die Plexusepithelzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Resorption und Entgiftung organischer Verbindungen aus dem Liquor und können z. B. Hämosiderin aus Blutungen resorbieren [23]. Der Plexus choroideus hat auch eine Abwehrfunktion durch Makrophagen im Stroma und an der ventrikulären Epitheloberfläche (Epiplexuszellen oder Kolmer-Zellen) [3, 23].
22
1
Kapitel 1
Reaktionsformen der Epithelzellen des Plexus choroideus Durch eine Infektion der Plexusepithelzellen mit intrazytoplasmatischen und intranukleären Einschlusskörpern kann sich eine Zytomegalievirusinfektion auf dem Liquorweg ausbreiten. In den Plexusepithelzellen kommt es wie in den Ependymzellen zu einer mit dem Alter zunehmenden Ansammlung von Biondi-Körpern (β-Amyloidfibrillen), die in den Plexusepithelzellen oft ringförmig angeordnet sind (Biondi-Ringe) [10, 39]. Eine weitere Altersveränderung der Plexusepithelzellen sind Zytoplasmavakuolisierungen offenbar durch Lipidvakuolen (Abb. 1.4a) [12, 23]. Fast immer treten mit zunehmendem Alter im Plexus choroideus Verkalkungen auf und zwar als unspezifische Stromaverkalkungen und als Psammomkörper mit örtlichen Meningothelzellnestern (aufgrund der leptomeningealen Abstammung des Plexusstromas; sie sind der
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
Ursprung intraventrikulärer Meningeome) (Abb. 1.4b) [5, 12]. Plexus choroideus und Glandula pinealis sind die intrakraniellen Strukturen mit quasi obligaten Verkalkungen [11]. Im Pinealorgan sind sie als „Hirnsand“ (Corpora arenacea, Acervulus) nach der Pubertät praktisch regelhaft nachzuweisen [12]. Ein ebenfalls häufiger (meist asymptomatischer) Befund sind (oft bilaterale) zystische (Abb. 1.4b) und xanthogranulomatöse Veränderungen des Plexus choroideus, besonders im Bereich der atria (hintere Abschnitte des Mittelteils) der Seitenventrikel [12].
NG2-Zellen NG2-Zellen (Polydendrozyten, Synantozyten) [26, 33, 38] werden in der grauen und weißen Substanz des sich entwickelnden und des reifen ZNS gefunden und unterscheiden sich von Neuronen, reifen Oligodendrozyten,
a
b
c
d
Abb. 1.4 a Zytoplasmavakuolisierungen durch Lipidvakuolen in Epithelzellen des Plexus choroideus. HE-Färbung. b Plexus choroideus mit Plexusepithelzellen (links) mit zystenartiger Auflockerung des Plexusstromas (rechts), zwei Psammomkörpern und einem Nest von Meningothelzellen (unten links unterhalb des Gefäßes). HE-
Färbung. c CD68-immunreaktive stäbchenförmige Mikrogliazellen. CD68-Immunhistochemie mit DAB als braunem Chromogen. d Mikrogliaknötchen (oben) im Bereich des Nucleus olivaris inferior mit im unteren Bildteil erkennbaren Olivenneuronen. HE-Färbung
Gliazellen
Astrozyten und Mikrogliazellen. Sie werden durch die Expression des Proteoglycans NG2, eines Typ-1-Transmembranproteins identifiziert und zeigen eine stark verzweigte Morphologie. Sie sollen etwa 5–10% der ZNSGliazellen ausmachen. Ihnen wird ein reges Forschungsinteresse entgegengebracht. Sie wurden ursprünglich als reine oligodendrogliale Progenitorzellen angesehen und können in jedem Alter Oligodendrozyten generieren und sich selbst erneuern. Im unreifen Gehirn scheint aus ihnen aber auch eine Subpopulation protoplasmatischer Astrozyten entstehen zu können. Inwieweit sie auch Neurone generieren können, ist noch nicht ganz geklärt. Sie stehen aber in engem Kontakt mit Nervenzellen und es sind sogar synaptische Kontakte zwischen Axonen und Fortsätzen der NG2-Zellen nachgewiesen. In zahlreichen Hirnregionen besteht eine enge räumliche Beziehung zwischen den Zellkörpern von NG2-Zellen und von Neuronen. NG2-Zellen kommt offenbar eine modulatorische Rolle bei den neuronalen Netzwerken des Gehirns zu. Es sind aber noch viele Fragen offen, z. B. hinsichtlich Ursprungs, möglicher Heterogenität und auch Funktionen dieser Zellen.
Mikrogliazellen Morphologie und Funktion Die Mikrogliazellen sollen ca. 10–20% [15, 25, 31, 35] der Gliazellen des ZNS ausmachen und etwa 100–200 Milliarden Zellen umfassen. Sie sind die ortsständigen Immunzellen des ZNS und werden zum mononukleären (monozytären) Phagozytensystem gerechnet [32, 34]. Die Mikrogliazellen sind an der unspezifischen und spezifischen Immunabwehr beteiligt. Sie sind mesodermaler Herkunft (Mesoglia) und entstehen im Knochenmark aus denselben Vorläuferzellen wie die Blutmonozyten. Sie wandern in der frühen Embryonalzeit in das ZNS ein und differenzieren sich zu Mikrogliazellen [32, 34, 35]. Diese ortsständigen Mikrogliazellen finden sich in der grauen und der weißen Substanz des ZNS, wobei ihre Zahl in der grauen Substanz meist größer ist [31]. Postnatal erneuert sich die ortsständige Mikroglia überwiegend vor Ort durch Zellteilung [7, 25]. Diskutiert wird, ob es im adulten ZNS einen Ersatz von Mikrogliazellen durch aus dem Knochenmark stammende Precursor- oder Progenitorzellen gibt [7, 14]. Eine derartige Mikroglia („bone-marrow-derived microglia“) wäre therapeutisch (z. B. bei neurodegenerativen Erkrankungen) hochinteressant. Offenbar kann unter bestimmten Bedingungen (wie chronischen ZNS-Erkrankungen) tatsächlich eine solche Mikroglia auftreten, allerdings wohl nur in relativ geringem Ausmaße [14]. Sie scheint sich immunphänotypisch und funktionell von ortsständiger Mikroglia zu unterscheiden [14].
23
Manchmal wird im normalen ZNS auch noch eine „perivaskuläre Mikroglia“ abgegrenzt aus schmalen, elongierten Zellen, die direkt perivasal um kleinkalibrige Gefäße, offenbar in den Virchow-Robin-Räumen liegen und einen regelmäßigen Ersatz durch Blutmonozyten zeigen [10, 28]. Sie werden nun aber meist nicht mehr zur Mikroglia gerechnet, sondern als „perivaskuläre Makrophagen“ („perivaskuläre Zellen“) zu einer heterogenen ZNS-Makrophagenpopulation (ZNS-assoziierte Makrophagen), zu der auch Makrophagen in den Meningen und im Plexus choroideus gehören [7]. Die Mikrogliazellen sind die kleinsten Gliazellen und diejenigen mit der größten morphologischen Variabilität. Sie sind nämlich im Gegensatz zu den übrigen ZNSZellen beweglich und können Position und Form ständig ändern [32]. Mit den früher gebräuchlichen Versilberungen wurden eine ramifizierte, eine amöboide und eine intermediäre Mikroglia abgegrenzt, während man nun immunhistochemisch meist zwischen „ruhender“ und „aktivierter“ Mikroglia unterscheidet [35]. Bei der Mikrogliaaktivierung als Reaktion auf unterschiedlichste ZNSVeränderungen kommt es zu einer Proliferation der ortsständigen Mikroglia und einer mikroglialen Expression oder Sekretion verschiedenster Proteine, die meist mit Antigenpräsentation und Inflammation zu tun haben [10, 28, 35]. Die Mikrogliazellen zeigen dabei deutliche Veränderungen von Morphologie und Immunphänotyp. Die ruhenden Mikrogliazellen entsprechen der ramifizierten Mikroglia und weisen lange, dünne, stark verzweigte Zellfortsätze auf [34]. Die aktivierten Mikrogliazellen zeigen kurze und dickere, plumpe Zellfortsätze, sie sind amöboid beweglich und können phagozytotisch tätig sein [34] und eine entsprechende Makrophagenmorphologie zeigen, z. B. als Schaumzellen (Lipophagen, Fettkörnchenzellen, Gitterzellen etc.) mit phagozytierten Lipidsubstanzen aus nekrotischem ZNS-Gewebe oder als Siderophagen mit gespeichertem Hämosiderin [11, 15]. Mikrogliazellen sind im HE-Schnitt oft nur schwer zu erkennen und werden quantitativ unterschätzt. Dies gilt besonders für die ruhende Mikroglia, aber auch für aktivierte, nicht phagozytotisch tätige Mikrogliazellen, weniger für Mikrogliazellen mit Makrophagenmorphologie. Heute wird die Mikroglia meist immunhistochemisch dargestellt mit Markern, die auch bei Blutmonozyten/makrophagen verwendet werden wie CD68 (Abb. 1.4c), HAM-56, HLA-DR etc. Auch CD45 kann bisweilen nützlich sein. Bei der frühen Aktivierung exprimieren Mikrogliazellen CD34 [35]. Obwohl es keinen einzelnen Antikörper gibt, der sicher zwischen „ruhender“ und „aktivierter“ Mikroglia differenziert, ist in der Routinediagnostik mit einem oder wenigen Antikörpern, die man gut kennt und mit entsprechender Erfahrung meist eine ausreichende Beurteilung der Mikroglia möglich. In der Forschung wird dagegen oft eine Batterie von Antikörpern für eine besonders genaue Zelltypisierung benötigt. Denn trotz glei-
24
1
Kapitel 1
cher Morphologie kann ein unterschiedlicher Aktivierungszustand der Mikrogliazellen vorliegen, der sich manchmal nur in geringen Differenzen im Immunphänotyp zeigt [14, 17, 31, 35]. Das morphologische Spektrum der Mikrogliazellen ist aber noch größer als bisher erwähnt. So gibt es von den Umgebungsbedingungen abhängige Unterschiede [31, 35]: Die ruhende, ramifizierte Mikroglia ist gut an die jeweilige Gewebsarchitektur des Gehirns adaptiert und zeigt in der grauen Substanz strahlenförmig angeordnete und in der weißen Substanz parallel oder senkrecht zu den Nervenfaserbahnen ausgerichtete Fortsätze. Auch die Art eines pathologischen Prozesses hat nicht nur Einfluss auf das grundsätzliche Reaktionsmuster der aktivierten Mikroglia (Mikrogliaknötchen, diffuse Mikrogliose, Makrophagen), sondern kann bei gleichem Reaktionsmuster auch morphologische Unterschiede der einzelnen Mikrogliazellen bewirken. Bei einer anterograden axonalen und terminalen synaptischen Degeneration von Neuronen scheinen z. B. aktivierte hyperramifizierte Mikrogliazellen und bei einer ausgeprägten dendritischen Degeneration Stäbchenzellen vorzuliegen [31]. Die Aufgaben der Mikroglia können zum Teil mit „Abräum- und Abwehrzellen“ oder „Müllabfuhr und Polizei“ [32] im ZNS beschrieben werden. Es wird aber ein immer größer werdendes mikrogliales Funktionsspektrum aufgedeckt. Man weiß nun, dass die Mikroglia eine wichtige physiologische Bedeutung hat, dass sie praktisch bei allen neuropathologischen Läsionen Veränderungen zeigt und dass ihr bei unterschiedlichsten ZNS-Erkrankungen eine große pathophysiologische Relevanz zukommt [14, 31, 35]. Mikrogliazellen spielen eine wichtige physiologische Rolle im sich entwickelnden und im adulten ZNS, z. B. bei der Induktion von Apoptose in bestimmten Subpopulationen sich entwickelnder Neurone, bei der Kontrolle der Synaptogenese, bei der Synthese neurotropher Faktoren (z. B. NGF, BDNF, HGF, BFGF) oder bei der Regulation der synaptischen Übertragung [7, 14, 35]. Die Fähigkeit, sich zu bewegen und Form und Position zu ändern, ist für viele Aufgaben der „aktivierten“ Mikroglia essentiell, aber die „ruhende“ Mikroglia (eine irreführende Bezeichnung) schafft für diese Funktionen oft erst die Voraussetzungen. Die ruhende Mikroglia besitzt nämlich sehr bewegliche Fortsätze, die sich kontinuierlich ausdehnen und zusammenziehen und laufend neu gebildet werden [17]. Sie bedecken ein etwa 30–50 μm großes Areal des Gehirns ohne Überlappung mit Fortsätzen benachbarter Mikrogliazellen. Die hohe Beweglichkeit der Zellfortsätze bewirkt offenbar, dass die Mikroglia innerhalb weniger Stunden den gesamten Extrazellulärraum des Gehirns überprüfen kann [17]. Durch diese immunologische Sensorfunktion bemerkt sie sehr schnell Schädigungen und kann früh als aktivierte Mikroglia darauf reagieren [14]. Auch der funktionelle Zustand der Synapsen scheint von der ruhenden Mikroglia regelmäßig
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
überwacht zu werden, so dass sie auch die Informationsverarbeitung des ZNS beeinflusst [14]. Die Mikroglia ist der wichtigste Teil des angeborenen Immunsystems des ZNS und spielt auch eine entscheidende Rolle bei der spezifischen Abwehr im ZNS [35]. Die aktivierten Mikrogliazellen können als antigenpräsentierende Zellen fungieren, als Makrophagen tätig sein, eine große Anzahl von Zytokinen und Chemokinen (mit zum Teil gegensätzlichen Wirkungen) sowie auch für ZNS-Zellen potentiell toxische Substanzen produzieren und die MHC-Klasse-I- und -II-Expression hochregulieren. Mikrogliazellen und Astrozyten interagieren und beeinflussen sich gegenseitig funktionell [14, 17, 35].
Reaktionsformen der Mikrogliazellen Die Mikrogliaaktivierung läuft über die Stimulierung/Aktivierung von sog. Mustererkennungsrezeptoren („patternrecognition receptors“), die die Mikrogliazellen als Teil des angeborenen (unspezifischen) Immunsystems besitzen oder über eine spezifische Immunantwort [35]. Ursächlich kommen die unterschiedlichsten Veränderungen in Frage, ja wahrscheinlich gibt es überhaupt keine ZNSPathologie, bei der die Mikroglia nicht involviert ist [7, 14]. Dabei differenzieren sich die ortsständigen Mikrogliazellen, die im physiologischen Zustand undifferenzierten myeloischen Vorläuferzellen entsprechen, unter dem Einfluss des „granulocyte-macrophage colony-stimulating factor (GM-CSF)“ hin zu einer dendritischen Morphologie und unter dem Einfluss des „macrophage colony-stimulating factor (M-CSF)“ und/oder von Zytokinen hin zu einer histiozytären Morphologie [35]. Die Mikrogliaaktivierung weist drei grundsätzliche morphologische Reaktionsmuster auf [12, 28]: Es kommt z. B. zur Bildung von Mikrogliaknötchen, fokalen knötchenförmigen (und so im HE-Schnitt meist erkennbaren) Mikrogliaansammlungen, wobei diese Knötchen oft noch andere Entzündungszellen und reaktive Astrozyten aufweisen, so dass auch von „inflammatorischen Knötchen“ [35] gesprochen wird (Abb. 1.4d). Mikrogliaknötchen werden typischerweise bei chronischen, meist viralen Enzephalitiden gefunden [28], können z. B. aber auch bei Bakteriämie oder in der weißen Substanz beim Schädelhirntrauma mit diffuser traumatischer Axonschädigung nachweisbar sein [15]. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Neuronophagie, wenn sich Mikrogliazellen um (z. B. virusinfizierte) zugrundegehende Neurone ansammeln [35]. Die diffuse Mikrogliose (Stäbchenzellproliferation) kann bei schwerer Ausprägung ebenfalls im HE-Schnitt gesehen werden durch vermehrte elongierte, stäbchenförmige Zellen [12, 28]. Sie wird hier aber im Vergleich zur Immunhistochemie (s. Abb. 1.4c) quantitativ meist massiv unterschätzt. Sie soll bei subakuter Schädigung des ZNS-Parenchyms ohne oder mit nur geringer Nekro-
Meningen, Blutgefäße, zirkumventrikuläre Organe
se auftreten [28]. Klassisches Beispiel ist die syphilitische progressive Paralyse, die man heute aber kaum noch autoptisch sieht. Die diffuse Mikrogliose kann aber auch bei anderen, oft subakuten Enzephalitiden oder bei langsam verlaufenden Ischämien bzw. bei diffuser hypoxischischämischer Enzephalopathie beobachtet werden [28]. Eine Makrophagenproliferation und Phagozytose tritt auf, wenn es im ZNS zu Nekrosen (vor allem ischämisch oder traumatisch) und zu Entmarkungen kommt. Dabei sind die Makrophagen frühestens etwa 2 Tage nach Schädigung nachweisbar, können aber über Tage und Wochen quantitativ zunehmen und noch Monate oder sogar Jahre vorliegen [28]. Sie bauen die Nekrose komplett ab (= Kolliquationsnekrose, die im ZNS vorherrschende Nekroseform). Diese Makrophagen haben allerdings offenbar einen heterogenen Ursprung: So sind es erstens Makrophagen aus ortsständigen Mikrogliazellen und zweitens (wahrscheinlich quantitativ überwiegend) Makrophagen, die sich aus direkt in die Läsion eingewanderten Blutmonozyten entwickeln [12, 28]. Außer dem Auftreten von Makrophagen, kommt es bei Ischämien auch zu einer frühen (Minuten bis Stunden nach Schädigung) Aktivierung nichtphagozytierender Mikroglia, wahrscheinlich aus vor Ort proliferierten und aus der Umgebung eingewanderten Mikrogliazellen [35]. Ihr wird sowohl eine günstige als auch eine potentiell schädigende Rolle bezüglich des weiteren Krankheitsverlaufs zugeschrieben. Überhaupt können die Mikrogliazellen neben erwünschten Wirkungen wie der Protektion (durch ihre Überwachungs- und immunregulatorischen Funktionen), der Abräumfunktion (durch Phagozytose nekrotischen Gewebes) und der Regeneration auch schädigende Wirkungen (z. B. durch Sezernierung zytotoxischer Substanzen) haben [15], so dass der Mikroglia eine gewisse „Janusköpfigkeit“ nachgesagt wird. Eine diffuse oder fokale Mikrogliaaktivierung mit Mikrogliaproliferation ist oft auch bei neurodegenerativen Erkrankungen nachzuweisen und scheint manchmal zu ihrer Progression beizutragen [35]. Aktuell wird auch vermehrt über die Mikrogliadegeneration mit dystrophischer Mikroglia geforscht [14]. Sie scheint besonders bei Alterungsprozessen und neurodegenerativen Erkrankungen wichtig zu sein. Mikrogliazellen finden sich auch in neuroepithelialen Tumoren, wo sie möglicherweise über Sezernierung von Zytokinen und Wachstumsfaktoren die Tumorproliferation und -invasion fördern [35]. Entmarkungskrankheiten aus dem Formenkreis der multiplen Sklerose können manchmal klinisch einen Hirntumor imitieren und biopsiert werden. In diesen Biopsien dürfen Makrophagen nicht mit (z. B. oligodendroglialen) Tumorzellen verwechselt werden. Dies ist leicht möglich, weil das bis auf die akuten Entmarkungen weitgehend intakte Gewebe hier von den Makrophagen diffus, gliomartig infiltriert wird und die Makrophagen proliferieren und Mitosen zeigen können (auch können
25
die reaktiven Astrozyten mit astrozytären Tumorzellen verwechselt werden) [12, 35]. Granuläres Zytoplasma, deutliche Zellgrenzen und oft exzentrische Zellkerne müssen differentialdiagnostisch an Makrophagen denken lassen. Makrophagen-/Mikrogliamarker wie CD68 bringen dann Klärung. Die HIV-Infektion hat wesentlich die Mikrogliaforschung befördert, da Mikrogliazellen/Makrophagen die wichtigsten ZNS-Zielzellen des HIV sind. Infizierte Zellen können dabei zu mehrkernigen Zellen (Synzytien) verschmelzen.
Meningen, Blutgefäße, zirkumventrikuläre Organe Die Hirn- und Rückenmarkshäute sind mesodermaler Herkunft und bestehen aus harter Hirnhaut (Dura mater, Pachymeninx; griech.: pachys = dick, derb) und weicher Hirnhaut (Leptomeninx; griech.: leptos = zart), bei der man die äußere Arachnoidea mater (arachne, griechisch: Spinne, Spinnengewebe) und die innere Pia mater unterscheidet [25, 32, 34]. Die Dura mater und die Leptomeninx besitzen eigene Blutgefäße und sind innerviert [25]. Im Gegensatz zum Gehirngewebe sind sie äußerst schmerzempfindlich [32]. Die Dura mater ist eine zellarme, derbe, reißfeste Platte aus geflechtartigem, straffem Bindegewebe überwiegend aus Kollagenfasern und wenigen elastischen Fasern [36]. Die intrakranielle Dura mater ist mit dem Periost der Schädelknochen verwachsen, so dass hier das Periost nicht als einzelnes fibröses Gewebsblatt vorliegt und physiologisch im Schädel kein echter Epiduralraum existiert [32]. Allerdings ist die äußere Oberfläche der intrakraniellen Dura außer im Bereich der Suturen nur relativ locker mit den Knochen verbunden [36]. Die spinale Dura mater ist dagegen nicht mit der knöchernen Wirbelsäule verwachsen und es findet sich hier ein mit Fettgewebe und Venenplexus ausgefüllter Epiduralraum [34]. Im Bereich der Sinus durae matris spaltet sich die intrakranielle Dura mater in eine Lamina externa und Lamina interna (periostales äußeres und meningeales inneres Durablatt) auf [34]. Die Lamina interna bildet auch in das Schädelinnere reichende Septen (Falx cerebri, Tentorium cerebelli, Falx cerebelli, Diaphragma sellae und Cavum trigeminale = Cavum Meckeli) [34]. Während die meisten Sinus durae matris zwischen duraler Lamina externa und interna liegen, wird bei den Sinus solcher Septen (z. B. Sinus sagittalis inferior und Sinus rectus) das gesamte Lumen vom inneren Durablatt umgeben. Die Sinus durae matris sind von Endothel ausgekleidete venöse Blutleiter, die das Blut aus den oberflächlichen und tiefen Hirnvenen drainieren. In sie dringen die Arachnoidalzotten (Granulationes arachnoideae, Pacchioni-Granulationen) ein, aus denen der Liquor resorbiert wird [34].
26
1
Kapitel 1
Fettgewebe kann in der Dura mater als Normalbefund vorkommen und sollte in Duraresektaten nicht fehlinterpretiert werden [35]. Die Leptomeninx besteht aus Lamellen flacher epitheloider Zellen, die modifizierten Fibroblasten entsprechen und verschiedene Bezeichnungen (z. B. Meningealzellen, Meningothelzellen oder Arachnoidalzellen) tragen sowie aus Kollagenfasern und wenigen Retikulinfasern und elastischen Fasern [25, 36]. Die Arachnoidea mater (oder nur Arachnoidea) liegt mit mehreren Lamellen dicht gepackter Meningealzellen der Dura mater eng an und es bestehen zwischen ihnen auch einzelne Interzellulärverbindungen, so dass physiologisch kein Subduralraum existiert [12, 32]. Diese Region zwischen Dura mater und Arachnoidea stellt aber eine gewisse Schwachstelle bei Traumatisierungen der Hirnhäute dar. Die der Dura mater anliegenden arachnoidalen Meningealzelllamellen bilden einen geschlossenen Zellverband mit tight junctions und werden als Neurothel bezeichnet, während sonst die Meningealzellen über Desmosomen verbunden sind [25]. Zwischen der Arachnoidea mater als äußerem Blatt der Leptomeninx und ihrem inneren Blatt, der Pia mater, liegt der mit Liquor cerebrospinalis gefüllte Subarachnoidalraum als äußerer Liquorraum. Er wird von in der Arachnoidea und in der Pia mater verankerten spinnengewebsartigen bindegewebigen Arachnoidaltrabekeln durchzogen und enthält zahlreiche Blutgefäße und auch Nervenfasern [23, 36]. Blutgefäße, Nerven und Arachnoidaltrabekel werden hier von Meningealzellen bedeckt [23]. Das Neurothel bildet die Blut-Liquor-Schranke der äußeren Liquorräume und schirmt sie gegen das blutbestimmte Milieu der Dura mater ab [25, 34]. Die Arachnoidea zieht so über die Sulci des Gehirns hinweg, während die Pia mater der Hirnoberfläche anliegt und allen Furchen folgt [25]. Wo sich die Hirnoberfläche von Arachnoidea, Dura mater und innerer Oberfläche des Schädels entfernt, entstehen Erweiterungen des Subarachnoidalraums, die Subarachnoidalzisternen (Cisternae subarachnoideae), wie z. B. die Cisterna cerebellomedullaris, die Cisterna basalis, die Cisterna ambiens etc. Sie können neurochirurgisch wichtig sein, zumal in einigen Hirnnerven und größere Arterien verlaufen [34]. Die spinale Cisterna lumbalis liegt zwischen dem Conus medullaris (auf Höhe des ersten und zweiten Lumbalwirbels) und dem bis in den Sakralbereich reichenden spinalen Durasack [34]. Die Arachnoidalzotten (Granulationes arachnoideae, Pacchioni-Granulationen) sind kleine grauweißliche, pilzförmige, gefäßfreie Ausstülpungen der Arachnoidea in Nachbarschaft der Sinus durae matris, besonders des Sinus sagittalis superior, die sich in die Sinus vorstülpen und von Sinusendothel bedeckt werden [23]. Sie bestehen aus einem Bindegewebskern mit Kanälchen, die mit dem Subarachnoidalraum in Verbindung stehen [25, 34] und es liegen hier (besonders apikal) auch Meningothelzellnester vor [12]. Die Granulationes arachnoideae sind der Hauptort der Liquorresorption, der wohl mittels
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
Transzytose durch das Sinusendothel in das Blut der Sinus abgeleitet wird [25]. Dies wird durch eine örtliche Abflachung des Neurothels erleichtert [34]. Spinale Arachnoidalzotten finden sich in Bereichen, wo die lateralen trichterförmigen Duraaustülpungen in das Epineurium der Nervenwurzeln übergehen. Sie perforieren die Dura mater und stehen in Kontakt mit epiduralen Venen oder Lymphgefäßen [23]. Die Pia mater weist Meningealzellen, feine Kollagenfasern sowie einzelne elastische Fasern und Retikulinfasern auf und wird unterteilt in die innere Intima piae und die äußere Epipia [23, 36]. Die Intima piae bedeckt unmittelbar Gehirn und Rückenmark, wobei zwischen ihr und der ZNS-Oberfläche eine Basallamina liegt, die von den das ZNS-Gewebe begrenzenden Astrozytenendfüßchen (Membrana limitans gliae superficialis) gebildet wird [25, 34]. In der nach außen folgenden Epipia sind die Arachnoidaltrabekel verankert. Die spinale Epipia bildet die Ligamenta denticulata, die sich als Aufhängevorrichtung für das Rückenmark bilateral vom Okziput bis in Höhe des zweiten Lendenwirbels zwischen Rückenmark und Dura mater ausspannen und die Arachnoidea durchbrechen [12, 23]. Auch das Filum terminale soll zu einem großen Teil aus epipialen Kollagenfasern bestehen, weiter liegen Blutgefäße, evtl. Nervenfaszikel, Fettgewebe und Ependymreste des Zentralkanals vor [12]. Manche Autoren sprechen aber auch von einem rein glialen Aufbau des Filum terminale [32, 34]. Die Pia mater umgibt Blutgefäße beim Eintritt in das ZNS-Gewebe mit einer bindegewebigen Hülle, die bis weit nach intraparenchymal reicht. Dieser sich allmählich verengende perivaskuläre Raum wird auch als Virchow-Robin-Raum bezeichnet [25]. Meningeale Tumor- oder Entzündungszellinfiltrate können sich in ihm ausbreiten. In der Pia mater finden sich regelmäßig Makrophagen, Mastzellen und Lymphozyten [36]. Die Leptomeningen weisen auch unterschiedlich stark ausgeprägte Melanozyten auf [12]. Diese im Längsschnitt elongierten schmalen, dunkel pigmentierten Zellen dürfen im Querschnitt nicht mit runden Siderophagen verwechselt werden. Sie stellen die Ursprungszellen äußerst seltener primärer leptomeningealer melanozytärer Tumoren dar (z. B. Melanozytome). Die leptomeningealen Melanozyten sind meist in den ventralen Abschnitten von Medulla oblongata und oberem Zervikalmark akzentuiert. Sie können penetrierenden Hirnarterien über eine kurze Entfernung in die Virchow-Robin-Räume folgen [12]. Die Arachnoidea mater zeigt mit dem Alter eine allmähliche Verdickung und weißliche Trübung durch Ablagerung dichter Kollagenfasern. Diese Veränderungen sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt und meist parasagittal über den Großhirnkonvexitäten betont [12]. Manchmal können sie makroskopisch für eine Meningitis oder Meningeosis neoplastica gehalten werden. Eine abgelaufene Meningitis kann ebenfalls eine leptomeningeale Fibrose auslösen bzw. verstärken und an
Literatur
Engstellen der Liquorzirkulation zu Verschlüssen mit Hydrocephalus occlusus führen. Auch die Granulationes arachnoideae können im höheren Lebensalter eine Hypertrophie durch verstärkte Kollagenisierung zeigen [12]. Daneben lassen sich mit zunehmendem Alter sowie periläsional in der Arachnoidea und besonders in den Arachnoidalzotten Meningothelzellnester finden, die oft auch Wirbelbildungen mit Psammomkörperchen zeigen und das Bild eines Meningeoms aufweisen [12]. Meningothelzellen sind Ursprungszellen der Meningeome. Nichtneoplastische und neoplastische Meningothelzellen reagieren immunhistochemisch mit Antikörpern gegen Vimentin und gegen das epitheliale Membranantigen (EMA). Die spinale Leptomeninx kann (bevorzugt dorsal im Thorakal- und Lumbosakralbereich) weißliche plaqueartige Strukturen aus hyalinisiertem fibrösem Gewebe zeigen [12]. In der Dura mater (besonders in der Falx cerebri) kommt es gelegentlich zu fokalen Ossifikationen. Falx cerebri und benachbarte parasagittale Duraabschnitte lassen mit zunehmendem Alter auch nicht selten Verkalkungen erkennen [12]. Die Blutgefäße des ZNS zeigen einige Besonderheiten. So sind die gesunden Hirnarterien relativ dünnwandig und besitzen nur eine Lamina elastica interna [11]. Die Kapillarendothelzellen des ZNS sind meist durch „tight junctions“ verbunden, was die eigentliche Diffusionsbarriere der Blut-Hirn-Schranke darstellt [34]. Diese verhindert, reduziert oder verlangsamt den Durchtritt bestimmter Moleküle vom Blut in die interstitiellen Räume des ZNS. Vom ZNS benötigte Substanzen werden über spezifische Transportersysteme (Glukosetransporter, Aminosäurentransporter) durch die Schranke transportiert [34]. Zur Blut-Hirn-Schranke gehören außerdem die Basalmembran und die perivaskuläre Gliagrenzmembran (Membrana limitans gliae perivascularis) aus Astrozytenendfüßchen, die Kapillaren und Venolen umgeben [11, 25, 34]. Die Blut-Liquor-Schranke verhindert den Übertritt bestimmter Moleküle vom Blut in das Ventrikelsystem (Schranke durch das Epithel des Plexus choroideus) und in die äußeren Liquorräume (Schranke durch das Neurothel der Arachnoidea) [25, 34]. In den zirkumventrikulären Organen (ZVO; neurohämale Zonen) liegt physiologisch keine Blut-Hirn-Schranke vor und es können hier Substanzen aus dem Blut über fenestrierte Kapillaren in den ZNS-Interzellularraum übertreten [34]. Zu den ZVO gehören: Hypophysenhinterlappen und Eminentia mediana, Corpus pineale, Subfornikalorgan (am vorderen Teil des dritten Ventrikels im Bereich der Columnae fornicis), Organum vasculosum laminae terminalis (im Bereich der Lamina terminalis, der vorderen Wand des dritten Ventrikels), Subkommissuralorgan (im Mittelhirn oben in der Hinterwand des Aquädukts, unterhalb der Commissura posterior) und Area postrema (am Boden des kaudalen Endes des vierten Ventrikels). Das Fehlen der Blut-Hirn-Schranke hat unterschiedliche
27
Gründe: Einige ZVO gehören zum neuroendokrinen System und geben Neurohormone aus ihren Axonen in das Blut ab (Hypophysenhinterlappen, Eminentia mediana, Corpus pineale) [3, 25]. In der Area postrema, dem Brechzentrum des Körpers, müssen die Neurone Kontakt zu im Blut zirkulierenden Substanzen haben, die evtl. Brechreiz auslösen [34]. Das Subfornikalorgan trägt über hypothalamische Verbindungen zur Regulation von Salz- und Wasserhaushalt bei [34]. Das Subkommissuralorgan bildet sich beim Menschen nach der Geburt zurück und beim Erwachsenen können allenfalls noch Reste gefunden werden [12]. Es soll für die Liquorzirkulation und -resorption von Bedeutung sein und möglicherweise eine Rolle beim kongenitalen Hydrozephalus spielen. Dem Organum vasculosum laminae terminalis scheint eine Funktion als Osmorezeptor zuzukommen. In der Tumorpathologie finden die ZVO vermehrt Beachtung als möglicher Ausgangsort neu beschriebener ZNS-Tumoren (chordoides Gliom des dritten Ventrikels, papillärer Tumor der Pinealisregion). Eine Blut-ZNS-Schranke fehlt auch im Bereich der Spinalganglien, was möglicherweise für das Übergreifen von Erregern sowie die Wirkung von Neurotoxinen von Bedeutung ist [15]. Lymphgefäße liegen im ZNS nicht vor.
Literatur 1.
2.
3.
4. 5.
6.
7.
Aamodt S, Wang S (2008) Welcome to your brain. Ein respektloser Führer durch die Welt unseres Gehirns. CH Beck, München Abel TJ, Hebb AO, Keene CD, Born DE, Silbergeld DL (2010) Parahippocampal corpora amylacea: case report. Neurosurgery 66: E1206–E1207 Benninghoff A, Drenckhahn D (Hrsg) (2004) Anatomie. Makroskopische Anatomie, Histologie, Embryologie, Zellbiologie. Band 2: Herz-Kreislauf-System, lymphatisches System, endokrine Drüsen, Nervensystem, Sinnesorgane, Haut. 16. Aufl. Urban & Fischer, München Jena Bradl M, Lassmann H (2010) Oligodendrocytes: biology and pathology. Acta Neuropathol 119: 37–53 Burger PC, Scheithauer BW (2007) Embryology and normal anatomy. In: Burger PC, Scheithauer BW. Tumors of the central nervous system. AFIP Atlas of tumor pathology. Fourth Series, Fascicle 7. American Registry of Pathology, Washington, pp 5–31 Cervós-Navarro J, Schneider H (1980) Pathologie des Nervensystems. Durchblutungsstörungen und Gefäßerkrankungen des Zentralnervensystems. In: Doerr W, Seifert G, Uehlinger E (Hrsg) Spezielle pathologische Anatomie. Ein Lehr- und Nachschlagewerk, Bd 13/I. Springer, Berlin Heidelberg New York Davoust N, Vuaillat C, Androdias G, Nataf S (2008) From bone marrow to microglia: barriers and avenues. Trends Immunol 29: 227–234
28
1
Kapitel 1
8. 9.
10.
11.
12.
13.
14. 15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
Del Bigio MR (2010) Ependymal cells: biology and pathology. Acta Neuropathol 119: 55–73 Del Bigio MR, Deck JHN, Davidson GS (2000) Glial swelling with eosinophilia in human post-mortem brains: a change indicative of plasma extravasation. Acta Neuropathol 100: 688–694 Ellison D, Love S, Chimelli L, Harding BN, Lowe J, Vinters HV (2004) Pathologic reactions in the CNS. In: Ellison D, Love S, Chimelli L, Harding BN, Lowe J, Vinters HV. Neuropathology. A reference text of CNS pathology. 2nd edn. Mosby, Edinburgh London New York Oxford Philadelphia St. Louis Sydney Tokyo, pp 3–25 Esiri M, Perl D (2006) Histology. In: Esiri M, Perl D. Oppenheimer’s diagnostic neuropathology: a practical manual. 3rd edn. Hodder Arnold, London, pp 57–83 Fuller GN, Burger PC (2007) Central nervous system. In: Mills SE (ed) Histology for pathologists. 3rd edn. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia Baltimore New York London Buenos Aires Hong Kong, Sydney Tokyo, pp 273–319 Gourine AV, Kasymov V, Marina N, Tang F, Figueiredo MF, Lane S, Teschenacher AG, Spyer KM, Deisseroth K, Kasparov S (2010) Astrocytes control breathing through pH-dependent release of ATP. Science 329: 571–575 Graeber MB, Streit WJ (2010) Microglia: biology and pathology. Acta Neuropathol 119: 89–105 Graham DI (2006) The central nervous system and its reactions to disease. In: Graham DI, Nicoll JAR, Bone I (eds) Adams & Graham’s introduction to neuropathology. 3rd edn. Hodder Arnold, London, pp 45–65 Gullotta F, Kuchelmeister K (2004) Pathologisch-anatomische Befunde bei Epilepsien. In: Fröscher W, Vassella F, Hufnagel A (Hrsg) Die Epilepsien. Grundlage, Klinik, Behandlung. 2. Aufl. Schattauer, Stuttgart New York, S 79–95 Hanisch UK, Kettenmann H (2007) Microglia: active sensor and versatile effector cells in the normal and pathologic brain. Nat Neurosci 10: 1387–1394 Hasselblatt M, Paulus W (2003) Sensitivity and specificity of epithelial membrane antigen staining patterns in ependymomas. Acta Neuropathol 106: 385–388 Hasselblatt M, Böhm C, Tatenhorst L, Dinh V, Newrzella D, Keyvani K, Jeibmann A, Buerger H, Rickert CH, Paulus W (2006) Identification of novel diagnostic markers for choroid plexus tumors: a microarray-based approach. Am J Surg Pathol 30: 66–74 Jänisch W, Schreiber D, Warzok R (1990) Allgemeine Neuropathologie des Zentralnervensystems (ZNS). In: Jänisch W, Schreiber D, Warzok R. Neuropathologie – Pathomorphologie und Pathogenese neurologischer Krankheiten. Gustav Fischer, Stuttgart New York, S 13–52 Kuchelmeister K, Bergmann M, Gullotta F (1993) Cellular changes in the cerebellar granular layer in AIDS-associated PML. Neuropathol Appl Neurobiol 19: 398–401 Kuchelmeister K, Gullotta F, Bergmann M, Angeli G, Masini T (1993) Progressive multifocal leukoencephalopathy (PML) in the acquired immunodeficiency syndrome
Zellen des Zentralnervensystems und ihre Reaktionsformen
23.
24.
25. 26.
27.
28.
29. 30.
31.
32. 33. 34. 35.
36. 37.
38.
39.
40.
(AIDS). A neuropathological autopsy study of 21 cases. Path Res Pract 189: 163–173 Leonhardt H, Töndury G, Zillkes K (Hrsg) (1987) Anatomie des Menschen. Bd III Nervensystem, Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart New York Louis ED, Faust PL, Vonsattel J-PG, Erickson-Davis C (2009) Purkinje cell axonal torpedoes are unrelated to advanced aging and likely reflect cerebellar injury. Acta Neuropathol 117: 719–721 Lüllmann-Rauch R (2006) Taschenlehrbuch Histologie. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart New York Nishiyama A, Komitova M, Suzuki R, Zhu X (2009) Polydendrocytes (NG 2cells). Multifunctional cells with lineage plasticity. Nat Rev Neurosci 10: 9–22 Richter-Landsberg C (2008) The cytoskeleton in oligodendrocytes. Microtubule dynamics in health and disease. J Mol Neurosci 35: 55–63 Seilhean D, De Girolami U, Gray F (2004) Basic pathology of the central nervous system. In: Gray F, De Girolami U, Poirier J (eds) Escourolle & Poirier Manual of basic neuropathology. 4th edn. Butterworth-Heinemann, Philadelphia, pp 1–20 Sofroniew MV, Vinters HV (2010) Astrocytes: biology and pathology. Acta Neuropathol 119: 7–35 Speckmann E-J, Hescheler J, Köhling R (Hrsg) (2008) Repetitorium Physiologie. 2. Aufl. Urban & Fischer, München Jena Tambuyzer BR, Ponsaerts P, Nouwen EJ (2009) Microglia: gatekeepers of central nervous system immunology. J Leukoc Biol 85: 352–370 Trepel M (2008) Neuroanatomie. Struktur und Funktion. 4. Aufl. Urban & Fischer, München Jena Trotter J, Karram K, Niushiyama A (2010) NG2 cells: Properties, progeny and origin. Brain Res Rev 63: 72–82 Ulfig N (2008) Kurzlehrbuch Neuroanatomie. Thieme, Stuttgart New York Vinters HV, Kleinschmidt-DeMasters BK (2008) General pathology of the central nervous system. In: Love S, Louis DN, Ellison DW (eds) Greenfield’s Neuropathology 8th edn. Hodder Arnold, London, pp 1–62 Welsch U (2003) Sobotta Lehrbuch Histologie. Urban & Fischer, München Jena Wenning GK, Stefanova N, Jellinger K, Poewe W, Schlossmacher MG (2008) Multiple system atrophy. A primary oligodendrogliopathy. Ann Neurol 64: 239–246 Wigley R, Butt AM (2009) Integration of NG2-glia (synantocytes) into the neuroglial network. Neuron Glia Biol 29: 1–8 Wolburg H (2002) Die Zellen des Nervensystems und ihre Verknüpfungen. In: Peiffer J, Schröder JM, Paulus W (Hrsg) Neuropathologie. Morphologische Diagnostik der Krankheiten des Nervensystems und der Skelettmuskulatur. 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 3–20 Wolburg H, Paulus W (2010) Choroid plexus: biology and pathology. Acta Neuropathol 119: 75–88
Kapitel 2
Zytologie des Liquor cerebrospinalis1
2
W. Feiden
Inhalt Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
Liquorzellpräparate mit Tumorzellen . . . . . . . . . . .
38
30
Meningeosis blastomatosa . . . . . . . . . . . . . . . .
38
Liquorzytologische Befundung . . . . . . . . . . . . . .
33
Meningeosis carcinomatosa . . . . . . . . . . . . . . .
39
Methoden zur Herstellung liquorzytologischer Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Primäre Hirntumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
35
Reaktive Liquorzellbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
Immunzytochemische Liquorzelluntersuchung und zweideutige Zellbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Indikationen zur liquorzytologischen Untersuchung
1
Danksagung. Herr Univ.-Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Pfitzer (ehemaliger Direktor des Instituts für Cytopathologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) hat mich seinerzeit in die diagnostische Zytopathologie eingeführt und mich diese in all ihren Facetten gelehrt; dafür und insbesondere für die Überlassung lehrreicher liquorzytologischer Präparate aus seiner Sammlung danke ich ihm herzlich. Ferner danke ich meiner Frau, Dr. med. Silvia Feiden, für ihre Unterstützung und vor allem für die Anfertigung der hier gezeigten mikroskopischen Aufnahmen. Ein Teil der fotografierten Präparate stammt noch aus der Pfitzer’schen Sammlung.
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
30
Kapitel 2
Definition
2
Die „qualitative“ Liquorzytologie hat in allererster Linie die Frage zu beantworten, ob Tumorzellen vorhanden sind oder nicht. Wenn man sich auf das Vorhandensein von Tumorzellen im Liquor cerebrospinalis festlegt, impliziert dies eine therapierelevante Diagnose, im Unterschied zu den entzündlichen Liquorzellbildern, die – mit wenigen Ausnahmen eines direkten Erregernachweises (z. B. Kryptokokkose) – keine definitive Klärung der Ursache der Entzündung liefern. Die Liquorzytologie ist für den Nachweis bzw. Ausschluss von Tumorzellen die definitive Methode und außerdem sehr kostengünstig.
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
bei intraaxialer entzündlicher Erkrankung wie z. B. Encephalomyelitis disseminata, ADEM, Herpesenzephalitis etc. (Abb. 2.13 bis 2.16) 7. V. a. abgelaufene Subarachnoidalblutung: Nachweis bzw. Ausschluss von Erythrozytophagen bzw. Siderophagen
Dabei sind die unter den Punkten 1 und 2 genannten Fragestellungen mit Abstand die häufigsten und im Falle von Tumorzellwachstum im Leptomeningealraum (Meningeosis carcinomatosa/blastomatosa) auch relativ leicht zu beantworten, da in der Regel reichlich Tumorzellen vorhanden und im Lumbalpunktat – als dem Regelfall des Entnahmeortes – nachweisbar sind (s. Abb. 2.1 und 2.7).
Indikationen zur liquorzytologischen Untersuchung Die verschiedenen klinischen Konstellationen bzw. Indikationen zur liquorzytologischen Untersuchung sind in folgender Übersicht zusammengefasst.
Indikationen für die Liquorzytologie 1. V. a. Meningeosis carcinomatosa bei bekanntem Tumorleiden: Karzinom (vor allem Mamma und Lunge), malignes Melanom, selten Sarkome (Abb. 2.1 bis 2.6) 2. V. a. Meningeosis blastomatosa bei bekannter ALL, AML sowie bei Non-Hodgkin-Lymphomen: Erstuntersuchung bei Diagnosestellung sowie Verlaufskontrolle (Abb. 2.7 bis 2.10) 3. Postoperative Nachsorge bei primärem Hirntumor insbesondere bei Medulloblastomen und weiteren embryonalen Tumoren, Ependymom, diffusen Gliomen, ZNS-Lymphom, intrakraniellem Germinom etc. (Abb. 2.11a–c) 4. Primär meningeale bzw. Hirnnerven- oder spinale Symptome bei unbekanntem Primärtumor und klinischem Verdacht auf eine Meningeosis neoplastica; Differentialdiagnose zu Punkt 6 (s. Abb. 2.4) 5. Klinischer/neuroradiologischer Verdacht auf einen primär intraaxialen Tumor mit möglicher Tumorzellabschilferung in den Liquorraum wie z. B. ZNS-Lymphom, Medulloblastomgruppe bzw. embryonale Tumoren, Plexuspapillom, Germinom, aber nicht bei Verdacht auf diffuses Gliom! (Abb. 2.12) 6. Differentialdiagnose primär entzündliche Affektion im Leptomeningealraum wie z. B. tuberkulöse Meningitis, Virusmeningitis, Neuroborreliose, Kryptokokkose bzw. meningeale Mitbeteiligung
Abb. 2.1 Meningeosis carcinomatosa. Große Karzinomzellen mit vakuolisiertem Zytoplasma, typisch für Adenokarzinomzellen. Neu aufgetretene Hirnnervensymptome 10 Jahre nach Lungenkarzinom
Abb. 2.2 Meningeosis carcinomatosa: Mammakarzinomzellen. Typische knopfartige Zytoplasmaprotrusionen (insbesondere Einschub unten links). Mittelgroße rundliche Karzinomzellen mit zentralem prominentem Nukleolus, ähnlich wie bei Immunoblasten (DD)
Definition
31
Abb. 2.3 Meningeosis carcinomatosa bei Adenokarzinom. Formalinvorfixierte Liquorprobe
Abb. 2.5 Nachweis einzelner kleiner Karzinomzellverbände bei intrazerebralen Metastasen. Mitte: Tumorzellen bei bekanntem Siegelringzellkarzinom des Magens. Einschub oben rechts: zweizelliger Verband aus kleinen sehr zytoplasmaarmen Tumorzellen bei bekanntem kleinzelligem Lungenkarzinom
Abb. 2.4 Immunzytochemie an Liquorzellpräparaten. Intranukleäre Expression von TTF1 in Tumorzellen eines Adenokarzinoms. Lungenkarzinom später histologisch bestätigt
Abb. 2.6 Verband großer epitheloider Tumorzellen mit prominenten Nukleolen sowie feinstkörnigem Pigment im Zytoplasma, besonders einer Tumorzelle. Bekanntes malignes Melanom
Die technische Möglichkeit, Blasten im Liquorzellpräparat zu detektieren – insbesondere bei der ALL im Kindesalter – war in den frühen sechziger Jahren der Beginn der diagnostischen Liquorzytologie [16]. Selten einmal führt die liquorzytologische Untersuchung zur primären Tumordiagnose, erst recht nicht bei Hirntumoren. Mit Hilfe immunzytochemischer Zelltypisierungen (Tumorzellen z. B. bei „okkultem“ Lungenkarzinom, intrakraniellem Germinom, Plexuspapillom oder Tumoren der Medulloblastomgruppe einschließlich Pineoblastom) kann eine Zuordnung im Einzelfall durchaus gelingen (s. Abb. 2.4). Ein „positives“ liquorzytologisches Untersuchungsergebnis bei einem Patienten mit einer intraaxialen Läsion hängt von der Lagebeziehung des Herdes zum Liquorraum und von der Tendenz zur Zellabschilfe-
rung in jenen hinein ab. Bei den diffusen Gliomen, deren Wachstum unter der Pia mater vielfach etwas dichter ist, die aber spontan diese Grenze nur selten überschreiten und letztlich im Milieu des Neuropils verbleiben, ist dies kaum einmal gegeben. Bei den diffusen Gliomen ist deshalb die operative (Teil-)Resektion angesagt oder es wird – je nach Lokalisation – eine Biopsie zur Diagnosesicherung durchgeführt. Demgegenüber ist etwa bei Karzinommetastasen, die unter anderem auch im Perivasalraum wachsen und denen eine karzinomtypische Zelldissoziation aus dem Gewebeverband heraus eignet, die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Tumorzellen im lumbal gewonnenen Liquor auch tatsächlich erscheinen – wenn auch meist in deutlich geringerer Zahl als bei einer Meningeosis (s. Abb. 2.5) und zumeist assoziiert mit ei-
32
Kapitel 2
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
2
Abb. 2.7 Meningeosis blastomatosa bei bekanntem diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) mit neu aufgetretenen Hirnnervensymptomen. Einige der Blasten mit kleeblattförmig konfigurierten Kernen
Abb. 2.9 Artifizielle Konglomerate aus Blasten, ähnlich wie bei einem Karzinomzellverband. Bekanntes großzelliges B-Zell-Lymphom
Abb. 2.8 Einzelne Blasten mit typischen nippelartigen Kernprotrusionen. Erstmanifestation einer B-ALL, 11-jähriger Junge
Abb. 2.10 Regressiv veränderte Blasten mit Kernpyknosen und Karyorrhexis. Bekanntes großzelliges B-Zell-Lymphom unter intrathekaler Chemotherapie
ner – auch histologisch am Resektat nachweisbaren – lymphomonozytären Begleitreaktion. Bei klinischem bzw. neuroradiologischem Verdacht auf ein ZNS-Lymphom wird man – ähnlich wie bei den eigentlichen Hirntumoren – um eine Biopsie nicht herumkommen [9], um das Höchstmaß an diagnostischer Sicherheit einschließlich der Lymphomklassifikation zu erreichen, die zu fordern ist, um die Indikation für eine entsprechende aggressive onkologische Therapie begründen zu können. Bei den mittelständigen bzw. intraventrikulären, also vom Liquor cerebrospinalis sozusagen direkt „umspülten“ Hirntumoren wie Ependymomen oder Plexuspapillomen, wird in der Regel eine operative Entfernung des Tumors allein schon aus primär therapeutischer Indikation unumgänglich sein, wenngleich präoperativ ein Tu-
morzellnachweis aus dem Liquor durchaus einmal gelingen kann. Anders dagegen liegen die Verhältnisse nach Hirntumorchirurgie; hier hat die Liquorzytologie – in Kenntnis der histologischen Tumordiagnose – einen klaren Stellenwert in der Tumornachsorge, insbesondere im Hinblick auf eine differenzierte onkologische Therapie bei jenen Hirntumoren, die primär schon eine Tendenz zur Zellabschilferung in den Liquorraum haben. Hier sind an erster Stelle die Medulloblastome und die anderen verwandten primitiven Tumoren (einschließlich des Retinoblastoms) zu nennen, ferner die intrakraniellen Germinome, die Ependymome und weitere seltenere Neoplasien (s. Abb. 2.11a–c).
Liquorzytologische Befundung
33
a Abb. 2.12 Kleinkind mit tumoröser Raumforderung in der Pinealisregion, Hydrocephalus occlusus. Liquor aus Ventrikeldrainage. Tumorzellkomplex aus mittelgroßen Zellen; zytologisch und im Hinblick auf die Lokalisation V. a. Pineoblastom (später am Operationspräparat histologisch bestätigt).
b
Abb. 2.13 Gemischtzellige Pleozytose mit Eosinophilen. Aktivierte Zellen der lymphozytären Reihe mit großen blastären Zellen sowie einer fast reifen Plasmazelle. Neurozystizerkose, Entfernung einer Zyste aus der hinteren Schädelgrube
c Abb. 2.11a–c Postoperative Nachsorge bei Z. n. Hirntumoroperation. a Links: große Tumorzelle mit prominentem Nukleolus, vereinbar mit bekanntem suprasellärem Germinom. Rechts: Verband aus drei großen breit-plasmatischen Tumorzellen, vereinbar mit bekanntem AT/RT (atypischer teratoider rhabdoider Tumor im Großhirn bei einem Kleinkind). b Tumorzellkomplex aus mittelgroßen zytoplasmaarmen Tumorzellen; dichtes Chromatin, keine prominenten Nukleolen. Kind mit bekanntem Medulloblastom. c Zwei breit-plasmatische rundliche Tumorzellen, Karzinomzellen nicht unähnlich. Bekanntes zuvor teilreseziertes diffuses High-gradeAstrozytom supratentoriell (Glioblastom) mit spinaler Liquorabsiedlung
Liquorzytologische Befundung Ähnlich der histologischen Diagnose an einer Gewebeprobe gibt der Untersucher ein Gutachten ab, von dem im Falle des Nachweises von Tumorzellen der behandelnde Arzt gegebenenfalls eingreifende therapeutische Maßnahmen ableitet, wie z. B. eine intrathekale Chemotherapie und/oder Bestrahlung des Gehirns bzw. der Neuraxis. Allein schon deshalb sollte diese Entscheidung – Tumorzellen ja oder nein – in der Hand des dafür ausgebildeten und zuständigen Facharztes (für Pathologie bzw. Neuropathologie) liegen. Gerade der Nachweis von wenigen Tumorzellen und zumal bei heftiger entzündlicher „Be-
34
2
Kapitel 2
gleitpleozytose“ – eine Situation, wie sie bei intraparenchymatösen Neoplasien nicht selten ist – setzt entsprechende Erfahrung sowohl im Verständnis der jeweiligen Tumormorphologie als auch in der speziellen zytologischen Diagnostik voraus, die wesentlicher Bestandteil der Facharztausbildung sind. Tumorzellen im Liquor sind im Normalfall für sich alleine evident (s. Abb. 2.1–2.4, 2.7 und 2.11b). In Grenzfällen „tumorverdächtiger Zellen“ im Liquor kann die detaillierte Kenntnis des Krankheitsbildes bzw. der „Tumoranamnese“ – soweit vom Einsender nicht angegeben – weiterhelfen.
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
Abb. 2.14 Meningeale Kryptokokkose. Gemischtzellige Pleozytose mit neutrophilen Granulozyten, aktivierten Lymphozyten und Monozyten. Ältere Patientin mit klinischem und neurologischem V. a. Tumor (Indikation für die liquorzytologische Untersuchung). Mitte: Talkum-Körnchen (Handschuhpuder): Malteser-Kreuz bei Polarisation. Darunter helle Aussparung mit blasser Ringstruktur in der Mitte: Kryptokokkos. Einschub oben links: Versilberung nach Grocott
Vor allem bei Verdacht auf ein entzündliches Geschehen wird neben der qualitativen Liquorzytologie ein Teil der Liquorprobe mit den Verfahren der Laboratoriumsmedizin und der Mikrobiologie untersucht (Zellzahlbestimmung, Eiweißgehalt, Glukosekonzentration; ggf. ferner Immunglobuline bzw. oligoklonale Banden, Nachweis erregerspezifischer Antikörper, kultureller Bakteriennachweis, Nachweis bakterieller oder viraler DNA/RNA mittels PCR wie z. B. bei Verdacht auf Tuberkulose, M. Whipple oder Herpes-simplex-Enzephalitis), womit eine definitive ätiologische Zuordnung oder zumindest – per Ausschluss – eine Eingrenzung des entzündlichen Prozesses möglich wird. Der Stellenwert der Liquorzytologie liegt hier, bei den primären Entzündungen, eher in der Schnelligkeit der Befunderhebung und damit dem raschen orientierenden Nachweis, dass ein entzündlicher Prozess im Leptomeningealraum vorliegt einschließlich einer Angabe zu dessen Zellqualität und groben quantitativen Ausprägung. So ist z. B. das Liquorzellbild einer floriden Meningopolyradikulitis „Bannwarth“ (s. Abb. 2.15 und 2.16) zwar kein definitiver Beweis einer Neuroborreliose und letztlich „unspezifisch“, aber doch ein schnell und einfach zu erhebender liquorzytologischer Befund, der in Verbindung mit der klinischen Symptomatik und der Anamnese eine ätiologische Zuordnung nahe legt mit der Konsequenz eines raschen Therapiebeginns, bis die „beweisenden“ Laborbefunde vorliegen. Die Befunderhebung und vor allem deren Interpretation und damit Begutachtung hängt wie vieles in der Medizin und vor allem in der histologischen und zytologischen Diagnostik von Erfahrung und tagtäglicher Übung des individuellen Untersuchers ab. Verschiedene reichlich bebilderte Atlanten und Lehrbücher (jedenfalls reichlicher bebildert, als es dieser Artikel erlaubt) sind eine sinnvolle Hilfestellung vor allem für den Anfänger auf diesem diagnostischen Feld [1, 6, 7, 13–16, 20, 23, 24].
Abb. 2.15 Verschiedene Stadien der Transformation bzw. Aktivierung lymphozytärer Zellen bei florider chronischer Entzündung (hier: Meningopolyradikulitis „Bannwarth“ bei gesicherter Neuroborreliose)
Abb. 2.16 Lymphoide Blasten entsprechend Zentroblasten mit peripher gelegenen Nukleolen (unten Mitte, Einschub oben rechts). Zweikernige Plasmazelle. Floride lymphozytäre Pleozytose bei gesicherter Neuroborreliose
Methoden zur Herstellung liquorzytologischer Präparate
35
Methoden zur Herstellung liquorzytologischer Präparate Es gibt einige in der Technik und im Resultat verschiedene Methoden der Zellpräparation für die Liquorzytologie (oder anderer zellarmer Punktatflüssigkeiten), die in den einschlägigen oben zitierten Atlanten und Lehrbüchern erörtert und kritisch besprochen sind. Die Zellzentrifugationstechniken sind weit verbreitet und haben sich für die routinemäßige Untersuchung insbesondere des Liquor cerebrospinalis, aber auch anderer flüssiger, wenige Zellen enthaltender Proben bewährt. Alle hier gezeigten Abbildungen stammen von solchen Präparaten (MGG bzw. Giemsa-Färbung; Aufnahme mit Objektiv 40u; Abb. 2.17 und Abb. 2.7, Objektiv 20u). Ein gewisser Nachteil der Zytozentrifugenpräparation ist eine mögliche Verformung der sowieso schon relativ breit auf dem Objektträger ausgebreiteten Zellen, die schnell eintrocknen oder von denen z. T. nur noch Kernschatten zerplatzter Zellen übrig bleiben können. Die Bildung von Zytoplasma- und Kernprotrusionen stellen ihrerseits typische – wenn auch nicht „spezifische“ – Artefakte der besonders fragilen Tumorzellen dar. Reproduzierbare Artefakte, so wie Kernprotrusionen bei Blasten (s. Abb. 2.8) oder entsprechende Ausstülpungen der Zytoplasmamembran vor allem bei Karzinomzellen der Mamma (s. Abb. 2.2), haben sozusagen ihren eigenen diagnostischen Stellenwert. Vorteile der Zytozentrifuge sind die gute Ausbeute der vorhandenen Zellen und deren Konzentrierung auf eine kleine Fläche sowie die relativ einfache und wenig Zeit in Anspruch nehmende Handhabung im Labor. Eine (Spray-) Fixierung des zentrifugierten Zellsediments ist insofern von großer Bedeutung, als sie für eventuell notwendig werdende immunzytochemische Untersuchungen Voraussetzung ist (s. Abb. 2.4) [8]. Die Technik der Membranfiltration von Liquorzellen erfordert einen höheren Laboraufwand bzw. eine geübte Hand. Die Zellausbeute ist hoch, die morphologische Zellbeurteilbarkeit an den eher abgerundeten, kugelig im Maschenwerk des Filters hängengebliebenen Zellen allerdings gewöhnungsbedürftig. Dieses Verfahren ist vor allem in den USA verbreitet [1, 6]. Die früher (und auch heute noch) zumeist in nervenklinischen Laboren angewandte Zellsedimentation mit der Sayk‘schen Sedimentationskammer [14, 15] – ein Verfahren, das ehemals die Liquorzytologie als diagnostische Methode begründet hat – hat den Nachteil eines höheren Zellverlusts, führt aber zu mikroskopisch „schönen“, relativ artefaktfreien Zellpräparaten. Die Sedimentation dauert 30–60 min. Man braucht deshalb eine Batterie von Sedimentationskammern, wenn mehrere zugleich eingegangene Liquorproben bearbeitet werden müssen.
Abb. 2.17 Fremdkörperriesenzelle aus „Shunt-Liquor“ bei einem Kind mit liegendem Rickham-Reservoir
Die rasche Verbringung und Verarbeitung der Liquorprobe nach dem Eintreffen im Labor ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität der Zellpräparate. Der extrem proteinarme Liquor cerebrospinalis (1/200 des Serums!) ist ein – im Vergleich etwa zum Pleuraerguss – „zellunfreundliches Milieu“. Ferner ist zu bedenken, dass z. B. bei intrakraniellen Läsionen eine gewisse Zeit für die Wanderschaft der Zellen vom Abschilferungsort bis in die Tiefe des lumbalen Duralsacks – der üblichen Punktionsstelle – vergeht, so dass regressive Zellveränderungen auftreten können, bevor die Zellen überhaupt gewonnen sind. Stammt die Liquorprobe von einem Patienten aus dem Klinikum, in dem die liquorzytologische Untersuchung durchgeführt wird, sollte diese unmittelbar nach der Entnahme in das Labor gebracht und dort sofort weiter verarbeitet werden. Eine Lagerung von Liquorproben von bis zu 12 Stunden bei 4 °C kann zu ausreichend guten Zellpräparaten führen. Darüber hinaus ist eine Fixierung angeraten, insbesondere dann, wenn die Liquorproben von weiter entfernt eingesandt werden (Postversand über einen oder mehrere Tage). Die Fixierung in alkoholischen Lösungen hat sich in eigenen Untersuchungen nicht bewährt. Der Alkohol lässt die Zellen sehr stark schrumpfen. Dagegen ist die Fixierung der Liquorzellen in üblicher 4%iger gepufferter Formalinlösung ein akzeptabler Kompromiss, um von auswärts eingesandte Liquorproben untersuchen oder eine notfallmäßig am Wochenende gewonnene Probe für die zytologische Untersuchung erhalten zu können. Dabei wird der Liquorprobe ein etwa gleiches Volumen an Formalinlösung zugegeben. Entzündliche Liquorzellbilder oder Karzinomzellen sind in solchen Proben in der Regel verlässlich zu beurteilen (s. Abb. 2.3). Wegen der relativen Schrumpfung und Härtung der Zellen ist eine etwas höhere Drehzahl bei der Zellzentrifugation angeraten.
36
Kapitel 2
Reaktive Liquorzellbilder
2
Typen und Vorkommen reaktiver Zellen im Liquor sind in Tabelle 2.1 zusammengefasst. Im Zellpräparat eines normalen Liquor kommen nur einzelne kleine Lymphozyten und Monozyten vor. Granulozyten und Plasmazellen deuten grundsätzlich auf eine originäre Entzündung hin, in der Regel ist aber dann auch der Zellgehalt des Präparats erkennbar erhöht. Wenn Liquorproben von Patienten mit neuropsychiatrischen Erkrankungen untersucht werden, die nicht regelmäßig und allenfalls mit einer geringgradigen Pleozytose einhergehen (Kopfschmerzpatienten; Z. n. Krampfanfall; neurodegenerative Erkrankungen; intrazerebrale, im tiefen Hemisphärenmark lokalisierte Prozesse), ist das Liquorzellpräparat zellarm. Es zeigen sich einzelne kleine Lymphozyten und monozytäre Elemente mit wechselnd breitem Zytoplasma und hellen, teils rundlichen, teils nierenförmig gebogenen Kernen (s. Abb. 2.14). Diese Zellen stammen, auch wenn sie bei einer leptomeningealen Reaktion vermehrt sind, aus dem zirkulierenden Blut [19]. Die Kenntnis der quantitativ in der Zellkammer bestimmten Liquorzellzahl kann hilfreich sein, wenn man sich nicht sicher ist, ob im Zellpräparat schon eine reaktive Zellvermehrung im Liquor vorliegt (normale
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
Zellzahl beim Erwachsenen 0–5/μl, bei Kindern 0–20/μl; bei Kleinkindern unter einem Jahr und Neugeborenen 0–30/μl, hier überwiegend Monozyten!). Eine alltäglich und häufig zur Beobachtung kommende lymphomonozytäre Pleozytose ist unspezifisch und findet sich bei den meisten pathologischen Prozessen, die sich extra- oder intraaxial, mit Verbindung zum Liquorraum, abspielen. Die Lymphozyten entsprechen ganz überwiegend TLymphozyten, was mit einer – nur im Zweifelsfall notwendigen – immunzytochemischen Reaktion auf CD3 bestimmt werden kann. Bei einer floriden Entzündung kommen aktivierte bzw. transformierte Lymphozyten vor mit einem etwas breiteren Zytoplasmasaum sowie weniger dichter, etwas aufgelockerter Chromatinstruktur. Bei einer ausgeprägten lymphozytären Reaktion – klassischerweise bei der lymphozytären Meningopolyradikulitis Typ Bannwarth im Rahmen der Neuroborreliose – geht diese Aktivierung bis zu lymphoiden Blasten mit Ähnlichkeit zu Zentro- und Immunoblasten (s. Abb. 2.15 und 2.16). In einer solchen Situation kommt es regelhaft auch zur Ausdifferenzierung zu plasmazytoiden und reifen Plasmazellen. Dieses „bunte Zellbild“ der verschiedenen Aktivierungsstufen bis zu Plasmazellen ist entscheidend in der Differentialdiagnose zur Meningeosis blastomatosa, insbesondere bei einem diffusen großzel-
Tabelle 2.1. Reaktive Zellen im Liquorzellpräparat Zelltyp
Erkrankung
Lymphozyten
Unspezifische Reaktion auf leptomeningeale Reizung (z. B. auch liquornahe gelegene Tumoren); virale M.; chronische bakterielle M. (Tb, Lues, Borreliose); Pilz-M.; Sarkoidose; E.d. und ADEM; Meningeosis carcinomatosa/blastomatosa. Fremdkörper (Shunts); Z. n. Lumbalpunktion bzw. intrathekaler Injektion von Medikamenten oder Kontrastmittel.
Plasmazellen
Bei vielen floriden lymphozytären Reaktionen, meist im Zusammenhang mit bis zu blastenartigen Aktivierungsformen: insbesondere bei chronischer M. (Borreliose, Tb, Lues, Virus-M.), E.d. und ADEM; Sarkoidose.
Monozyten/Makrophagen
Wie bei lymphozytärer Pleozytose. Liquor von Neugeborenen. Gewebezerfall (Ischämie, Entmarkung, Neoplasien). M. Whipple.
– Erythrozytophagen
12 h bis 1 Woche nach Blutung.
– Siderophagen
2 Tage bis Monate nach Blutung.
– Mehrkernige Riesenzellen
Liegende Shunts („Shunt-Liquor“) Z. n. Myelographie mit öligem Kontrastmittel. Differentialdiagnose: kleine Zellverbände vom Plexus choroideus (Ventrikelliquor).
Eosinophile Granulozyten
Fremdkörper („Shunt-Liquor“); Pilz-M.; Parasiten (ZNS-Zystizerkose/-Echinokokkose u. a.). Einzelne eosinophile Granulozyten häufig bei lymphomonozytärer Pleozytose.
Neutrophile Granulozyten
Akute bakterielle M.; Frühphase der viralen sowie der tuberkulösen M. u. Neuroborreliose. In geringerer Zahl bei: intrakraniellen-/intraspinal-intraduralen Tumoren mit Nekrosen. Z. n. Liquorpunktion, Myelographie bzw. intrathekaler Injektion von Medikamenten.
Gemischtes Zellbild
Tuberkulöse M.; Lues; Pilz-M. Abklingende bzw. therapierte bakterielle M.; Hirnabszess.
M. Meningitis; E.d. Encephalomyelitis disseminita („MS“); ADEM akute demyelinisierende Enzephalomyelitis.
Reaktive Liquorzellbilder
ligen B-Zell-Lymphom (DLBCL); bei diesem sieht man im Liquorzellpräparat einerseits Blasten, daneben kleine (reaktive T-)Lymphozyten, aber keine Übergänge. Plasmazellen (s. Abb. 2.16) im Liquorzellpräparat weisen immer auf einen pathologischen, zumeist chronisch-entzündlichen Prozess hin und sind z. B. typisch für das mäßig zellreiche lymphozytär geprägte Zellpräparat einer floriden oder abklingenden Encephalomyelitis disseminata. Bei einer gemischtzelligen Reaktion, wenn also zu Lymphozyten und Monozyten zusätzlich neutrophile Granulozyten hinzutreten, ist z. B. an eine erregerbedingte Meningitis zu denken, z. B. an eine tuberkulöse Meningitis oder an eine Pilzinfektion (s. Abb. 2.14). Ätiologisch unklare entzündliche Zellbilder bei alten Menschen oder Immunkompromittierten sollten immer z. B. an eine Kryptokokkose denken lassen, die am Zellpräparat mit Hilfe der Versilberung nach Grocott leicht nachzuweisen ist (s. Abb. 2.14). Neutrophile Granulozyten können im Übrigen auch in der Frühphase einer Virusmeningitis oder -enzephalitis wie auch der Neuroborreliose vorkommen. Die übliche akute bakterielle Meningitis mit Massen neutrophiler Granulozyten und Monozyten kommt liquorzytologisch eher selten zur Beobachtung, dann aber zuweilen mit Direktnachweis z. B. von Diplokokken. Einzelne neutrophile Granulozyten im Liquorzentrifugat sind dann nicht als pathologischer Befund zu werten, wenn das Präparat insgesamt zellarm ist, aber Erythrozyten in entsprechender Menge einschließt. Die „Kontamination“ des Liquorpunktats mit Zellen aus verletzten Blutgefäßen des Stichkanals kommt relativ häufig vor. Mit bloßem Auge betrachtet, sehen solche Liquorproben zumeist wasserklar oder, wenn die Blutbeimengung erheblich ist, hellgelblich bis rosarot aus. Bei der starken Zellanreicherung in der Zytozentrifuge sammeln sich dann auf dem Objektträger „Massen“ gut erhaltener Erythrozyten an und es muss mit anteiligen Granulozyten gerechnet werden. Häufig sieht man einzelne oder kleinste Verbände von Chondrozyten, die ebenfalls aus dem Stichkanal stammen und auf die Mühen hinweisen, die der Punkteur bei der Gewinnung des Liquor hatte. Kontaminationen bzw. Verunreinigungen des Liquorzellpräparats sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst.
Kontaminationen im Liquorzellpräparat • Handschuhpuder: seit dem Verbot von Handschuhpuder selten, früher häufig! Differentialdiagnose: Cryptococcus neoformans, Corpora amylacea bei älteren Patienten (Handschuhpuder zeigt bei Polarisation typische Malteserkreuze) • Bakterien, Zellulosepartikelchen u. ä. Verunreinigungen aus dem Probenröhrchen bzw. der Zentrifugationskammer • Erythrozyten und anteilige Leukozyten. Blutige Punktion.
37
Achtung: anteilige Granulozyten. Häufig assoziiert mit • Knorpelzellen aus dem Stichkanal, insbesondere bei Lumbalpunktion. Differentialdiagnose: Karzinomzellen (Knorpelzellen zeichnen sich aus durch einen regelmäßigen rund-ovalen Zellleib, einen zentralen rundlichen Kern mit feinkörnigem Chromatin sowie ein ringförmig perinukleär aufgehelltes, ansonsten homogen dichtes Zytoplasma) • Plattenepithelien, Fettbindegewebszellen oder Knochenmarkszellen aus dem Stichkanal • Ependymzellen, Zellen und Zellverbände des Plexus chorioideus, Nerven- und Gliazellen bzw. winzige Partikel von Hirngewebe aus Ventikelliquor bei Ventrikelpunktion oder aktueller Shunt-Einlage
Bei einer Subarachnoidalblutung (SAB) sowie auch posttraumatisch bzw. postoperativ sind etwa 6–12 Stunden nach dem Ereignis Erythrozytophagen und 48 Stunden danach Siderophagen im Liquorzellpräparat (Abb. 2.18) zu erwarten [19]; die Siderophagen können noch Monate nach der SAB bzw. der Gewebetraumatisierung nachweisbar sein. Die Liquorprobe kann – mit bloßem Auge betrachtet – xanthochrom aussehen. Einzelne eosinophile Granulozyten werden nicht selten bei einer überwiegend lymphomonozytären Pleozytose beobachtet, also bei chronisch-entzündlichen Prozessen, ferner kommen sie auch im gemischten Zellbild z. B. der tuberkulösen Meningitis sowie deutlicher vermehrt bei intrakraniellen Parasitosen vor (s. Abb. 2.13). Außerdem sieht man sie auch häufig im „Shunt-Liquor“, also bei liegenden Shunt-Systemen wie Ommaya- und RickhamReservoiren oder verschiedenartigen Ventrikeldrainagen;
Abb. 2.18 Siderophagen mit Pigmentkörnchen im breiten, z. T. schaumigen Zytoplasma. Einige bräunliche Hämatoidinkristalle
38
2
Kapitel 2
dabei kommen auch nicht selten mehrkernige Riesenzellen vom Fremdkörpertyp zur Beobachtung (s. Abb. 2.17), die auch histologisch in verstopften explantierten Katheterröhrchen nachweisbar sein können. Bei AIDS-Patienten bzw. HIV-Infektion wie auch bei andersartigen Zuständen von Immundefizienz (zytostatische Therapie, immunsupprimierende Medikation z. B. nach Organtransplantation usw.) ist die Liquorzelluntersuchung kaum einmal ätiologisch wegweisend. Bei etwa 60% asymptomatischer HIV-Infizierter kann das Liquorzellbild eine geringgradige vorwiegend lymphozytäre Pleozytose aufweisen, die wahrscheinlich in Zusammenhang mit der HIV-Infektion des ZNS und einer intrathekalen Immunreaktion gegen HIV steht. In den späteren Stadien nimmt die Liquorzellzahl wieder ab. Die nekrotisierende herdförmige ZNS-Toxoplasmose oder die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), typische intraaxial gelegene opportunistische Infektionen bei schwerer T-Zell-Insuffizienz, sind im Liquorzellpräparat diagnostisch nicht fassbar; sehr selten einmal gelingt der Nachweis von Toxoplasmazysten im Liquor. Das Gleiche gilt auch für die CMV-Infektion des ZNS [12]. Für die PML sowie auch für andere virale und bakterielle Prozesse im Liquorraum bzw. im Gehirn besteht die Möglichkeit des Nachweises virus- bzw. bakterienspezifischer Nukleinsäure mit Hilfe der PCR; dies ist vor allem bei klinischem Verdacht auf eine PML von Bedeutung oder bei ZNS-Lymphomen, die bei Immundefizienten regelmäßig EBV-assoziiert sind. Heute sehr viel seltener als in früheren Jahren stellt sich gelegentlich die klinische bzw. neuroradiologische Differentialdiagnose zwischen einer – zumal „anbehandelten“ und nicht adäquat ansprechenden – ZNS-Toxoplasmose und einem intrazerebralen Lymphom. Im Liquorzellpräparat kann bei beiden Läsionen eine unspezifische vorwiegend lymphomonozytäre Pleozytose nachweisbar sein, die aber diagnostisch nicht weiterführt. In einem solchen Fall ist eine stereotaktische Biopsie indiziert [10].
Liquorzellpräparate mit Tumorzellen Dadurch, dass die arachnoidalen Deckzellen im Unterschied zum Mesothel keine Reizformen bzw. Proliferate bilden, ergeben sich im Liquorzellpräparat mit Tumorzellen nicht die differentialzytologischen Probleme wie bei der Untersuchung von Pleuraergüssen oder Aszites, so dass schon einzelne Karzinomzellen oder Tumorzellverbände im Liquorzellpräparat für eine definitive Diagnose ausreichend sind (s. Abb. 2.2 und 2.5).
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
Meningeosis blastomatosa Bei der Diagnose einer Meningeosis blastomatosa, die beim Patienten mit bekannter Leukämie bzw. bekanntem malignem Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) im Verlauf entsprechende Symptome zeigt (Tabelle 2.2), ist die zytopathologische Diagnose unproblematisch, wenn reichlich Blasten im Liquor cerebrospinalis vorhanden sind (s. Abb. 2.7). Vor allem auch bei Erstdiagnose einer hämatopoetischen Neoplasie (s. Abb. 2.8) kann es aber vorkommen, dass nur wenige „blastenverdächtige“ Zellen im Liquorzellpräparat zu sehen sind; in solchen Fällen kann der Vergleich mit dem aktuellen Blut- oder Knochenmarksausstrich sehr hilfreich sein. Unter Zytostase regressiv veränderte Blasten sind im direkten mikroskopischen Vergleich mit den „vitalen“ Tumorzellen, wie sie vor dem Beginn der intrathekalen Therapie vorlagen, besser zu beurteilen (s. Abb. 2.10) [4, 18]. Im Zweifelsfall können immunzytochemische Zelltypisierungen – z. B. der Nachweis von CD20 bei einem großzelligen B-ZellLymphom oder CD10 (CALLA) bei akuten lymphoblastischen Leukämien – die Beurteilung absichern [3]. Bei Patienten mit bekannter ALL, AML oder NHL sollte jedes Liquorzentrifugat mit erhöhter Zellzahl Anlass zu besonderer Aufmerksamkeit beim Mikroskopieren sein. Kernprotrusionen sind geradezu pathognomonisch für Tumorblasten im Zytozentrifugenpräparat (s. Abb. 2.8). Die Protrusionen variieren in der Größe und haben häufig die Form einer kleinen Warze. Typisch sind auch sog. „Kleeblattkerne“, vor allem bei Blasten einer AML. Schwieriger ist die Beurteilung, wenn nur eine ganz geringe oder keine sichere Zellzahlerhöhung vorliegt. Dies kommt durchaus z. B. bei Kindern zum Zeitpunkt der Erstdiagnose einer ALL vor [18]. Der immunfluoreszenzmikroskopische Nachweis der terminalen Deoxynucleotidyl-Transferase (TdT) [11] oder die immunzytochemische Multimarkeranalyse auf „Multispot“-Objektträgern [17] können bei zellarmen Liquorproben hilfreich sein, setzen aber einen methodischen Mehraufwand sowie Erfahrung mit diesen Methoden voraus. Die falsch-positive Diagnose einer Meningeosis blastomatosa kann durch eine Blutkontamination der Liquorprobe verursacht werden; für die Beurteilung eines solchen Präparats (frische Erythrozyten ohne Anhalt für Erythrozytophagen oder Siderophagen) ist die Kenntnis des aktuellen peripheren Blutbilds unerlässlich. In Fällen einer CLL oder eines NHL niedrigen Malignitätsgrades (z. B. Immunozytom) mit Pleozytose liegt entweder eine komplizierende entzündliche Erkrankung vor (Meningitis, Enzephalitis, Polyradikulitis) oder es ist – im Falle eines eindeutigen Nachweises von lymphoiden Blasten – davon auszugehen, dass sich die neoplastische Erkrankung in eine hochmaligne blastäre Neoplasie weiterentwickelt hat (Richter-Syndrom).
Liquorzellpräparate mit Tumorzellen Tabelle 2.2. Klinische Symptome bei Meningeosis carcinomatosa/blastomatosa (nach [21]) Meningeale Symptome und Hirndruckzeichen Kopfschmerz
42%
Übelkeit, Erbrechen
16%
Meningismus
10%
Ausfälle im Bereich von Gehirn und Rückenmark Paresen in den Extremitäten
36%
Parästhesien
29%
Hirnorganisches Psychosyndrom
25%
Dementielle Symptome
18%
Ataxie
18%
Epileptische Anfälle
8%
Schwindel
7%
Radikuläre und Hirnnervensymptome Rückenschmerzen
20%
Fazialisparese
19%
Kaudasymptome
12%
Doppelbilder
12%
Sehstörungen
12%
Hörstörungen
10%
Die Diagnose eines primär zerebralen Lymphoms, das neuroradiologisch als „Hirntumor“ (Differentialdiagnose: Glioblastom) oder wie multiple Hirnmetastasen imponieren kann, ist – wie oben schon ausgeführt – eine Domäne der stereotaktischen Hirntumorbiopsie, die von intraparenchymatösen Läsionen verlässliche Befunde an histologischen Proben liefert, einschließlich der Option auf immunhistochemische Typisierung der beteiligten Zellen, die zur Lymphomklassifikation normalerweise notwendig ist. Es handelt sich in fast allen Fällen klassifikatorisch um ein diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL) [9]. Eher selten einmal ist der liquorzytologische Befund – wenn vonseiten des Klinikers überhaupt lumbal punktiert wird – derart eindeutig, dass man mit dem Nachweis zumeist weniger blastärer (B-)Zellen und einer zumeist lebhaften (T-)lymphozytären und monozytären Begleitpleozytose eine einschneidende Therapie begründen möchte. Es macht aber keinen Sinn, durch wiederholte Lumbalpunktionen eine liquorzytologische Diagnose sozusagen „herbeizwingen“ zu wollen; vielmehr sollte, zumal bei dringendem neuroradiologischem Verdacht auf eine intrazebrale Lymphommanifestation, allein schon aus Gründen der Therapie keine Zeit vertan und mit vertretbarem Aufwand und minimalem Risiko für den Patienten eine histologische Klärung der Raumforderung per Biopsie angestrebt werden.
39
Meningeosis carcinomatosa Die beiden epithelialen Neoplasien, bei denen am häufigsten eine Meningeosis carcinomatosa auftritt, sind Mamma- und Lungenkarzinome, und zwar Adenokarzinome. Beim Mammakarzinom ist in der Regel der Primärtumor bekannt. Dies ist bei den Lungenkarzinomen durchaus anders; in bis zu 10% der Fälle von Meningeosis carcinomatosa kann es sich um die Erstdiagnose bei bis dahin noch nicht bekanntem Lungenkarzinom handeln, und bei den meisten dieser Patienten wurde in der Folge auch der Primärtumor in der Lunge gefunden, neben einzelnen Beobachtungen mit Magenkarzinom oder disseminiertem Karzinom unklaren Ursprungs [5]. Bei Lungenkarzinomzellen kann mit dem Nachweis einer intranukleären TTF1- oder intrazytoplasmatischen NapsinA-Expression der entscheidende Hinweis auf den Primärtumor gegeben werden, wobei es sich meist um Adenokarzinome der Lunge handelt (s. Abb. 2.4). Bei massenhaft oder zumindest sehr reichlich im Liquorzellpräparat vorhandenen Tumorzellen handelt es sich in der Regel um eine diffuse Tumorzellaussaat im Liquorraum, zumeist einhergehend mit entsprechenden klinischen Symptomen (Tabelle 2.2, s. Abb. 2.1). Kommen nur einzelne Tumorzellen oder kleine Tumorzellkomplexe vor (s. Abb. 2.5) – häufig mit einer reaktiven Begleitpleozytose einhergehend –, kann es sich um eine umschriebene liquornah gelegene ZNS-Metastase handeln. Karzinomzellen im Liquorzellpräparat sind üblicherweise deutlich größer und zytoplasmareicher als transformierte Lymphozyten bzw. lymphoide Blasten, es sei denn, es handelt sich um einen kleinzelligen Karzinomtyp (s. Abb. 2.1 bis 2.3). Die Zellleiber sind in unterschiedlichem Ausmaß vakuolisiert, was auch an Formalin vorfixierten Zellen eines Adenokarzinoms zu sehen ist (s. Abb. 2.3). Die intrazytoplasmatischen Vakuolen können bei intrathekaler Chemotherapie sehr ausgeprägt und unregelmäßig sein. Das kleinzellige Lungenkarzinom (s. Abb. 2.5) bildet häufig auch im Liquorzentrifugat kleine Tumorzellketten mit typischerweise eingedellten Kernen, ähnlich wie im Sputumausstrich oder in Ergussflüssigkeiten. Ähnliche zytopathologische Bilder können jedoch auch bei Medulloblastomzellen im Liquorzellpräparat vorkommen, was aber differentialdiagnostisch allein schon wegen der ganz anderen Altersgruppe kein Problem darstellt. Kleine Ketten oder rundliche, wenige Zellen umfassende Verbände zytoplasmaarmer Tumorzellen sieht man gelegentlich bei einer Meningeosis carcinomatosa durch ein Mammakarzinom vom lobulären Typ oder Siegelringkarzinomen des Magens (s. Abb. 2.5). Die im malignen Pleuraerguss vorkommenden großen rundlichen Zellkugeln eines disseminierten Mammakarzinoms, die in dieser proteinreichen Flüssigkeit wie in der Zellkultur wachsen, kommen im Liquorzellpräparat praktisch nicht vor.
40
2
Kapitel 2
Gerade bei Tumorzellen von Mammakarzinomen sieht man im Liquorzellpräparat nicht selten kleine knopfartige oder hantelförmige Protrusionen des Zytoplasmas (s. Abb. 2.2), die aber keineswegs spezifisch sind, sondern zu den „reproduzierbaren Artefakten“ in Zytozentrifugenpräparaten zählen. Wenn im Liquorzellpräparat relativ große Tumorzellen mit rundlichen Kernen und einem prominenten Nukleolus gefunden werden, muss differentialdiagnostisch zwischen Karzinomzellen und Tumorzellen eines malignen Melanoms unterschieden werden. Die Entscheidung fällt leicht, wenn die Tumorzellen Melaninpigment enthalten. Melaninpigment kann jedoch fehlen oder nur sehr spärlich vorhanden sein. In solchen Fällen kann mit Hilfe eines immunzytochemischen Nachweises von Protein S-100, melanomassoziiertem Antigen (HMB45) oder Melan-A eine Klärung herbeigeführt werden. Wenn es sich in einem Liquorzellpräparat definitiv um Zellen eines malignen Melanoms handelt, die Vorgeschichte diesbezüglich aber leer ist und auch kein Primärtumor gefunden wird, sollte auch an ein primär meningeales Melanom bzw. eine primäre diffuse Melanoblastose der Meningen gedacht werden, die auch schon im Kindesund Jugendalter vorkommt [2].
Primäre Hirntumoren Bei den eigentlichen Hirntumoren spielt – wie oben dargelegt – die Liquorzytologie in der Primärdiagnostik keine Rolle, wohl aber in der Tumornachsorge nach Operation. Unberührt davon ist die eher seltene und zufällige primär liquorzytologische Diagnose z. B. eines Medulloblastoms oder verwandter primitiver Neoplasien (s. Abb. 2.12), oft bei schon bestehenden Abtropfmetastasen, wie sie zumal bei hochmalignen Medulloblastomen vom anaplastischen/großzelligen Typ als Primärmanifestation vorkommen können (s. Übersicht). Medulloblastome und weitere primitive embryonale Tumoren im ZNS (einschließlich z. B. von Pineoblastomen wie auch Retinoblastomen) manifestieren sich im Liquorzentrifugat in Form kleiner bis mittelgroßer Zellen mit sehr schmalem, z. T. kaum erkennbarem Zytoplasmasaum und plumpen Kernen mit grober Chromatinstruktur, aber ohne prominente Nukleolen (s. Abb. 2.11b und 2.12). Bei operativer Anlage einer Ventrikeldrainage kann der Ventrikelliquor die diagnostischen Tumorzellen enthalten (s. Abb. 2.12). Bei den üblichen diffusen Gliomen astro- und oligodendroglialen Phänotyps sowie auch bei Ependymomen können Tumorzellen im Liquor cerebrospinalis – wenn überhaupt – postoperativ nachweisbar sein, wenn durch die Traumatisierung der Pia mater und Freilegung des Parenchyms Tumorzellen mit dem Liquorraum in Kontakt kommen (s. Abb. 2.11c).
Zytologie des Liquor cerebrospinalis
Beim intrakraniellen Germinom, das sich typischerweise in der Pinealisregion und/oder suprasellär manifestiert und vornehmlich bei älteren Kindern und Jugendlichen auftritt, kann im Einzelfall durch die Liquorzelluntersuchung die primäre Diagnose gestellt werden. Die Zellen sind relativ groß, rundlich bis polygonal, und sie besitzen einen großen rundlichen Kern mit prominentem Nukleolus (s. Abb. 2.11a). Üblicherweise ist (auch histologisch im Biopsiepräparat) eine lebhafte lymphozytäre Begleitreaktion zu sehen, die in der Gewebeläsion bis zur Bildung von Lymphfollikeln oder granulomartigen Entzündungszellinfiltraten reichen kann. Die zytopathologische Beurteilung wird durch den Nachweis von BetaHCG im Liquor unterstützt.
Immunzytochemische Liquorzelluntersuchung und zweideutige Zellbefunde Eine immunzytochemische Untersuchung an Liquorzellpräparaten kann in Einzelfällen von Tumorzellnachweisen hilfreich sein, insbesondere wenn es sich um die Erstdiagnose einer neoplastischen Erkrankung aus dem Liquor (s. Abb. 2.4) oder um zweideutige Zellbefunde handelt. Die klassische zytopathologische Diagnostik steht jedoch nach wie vor an erster Stelle. Dennoch möchte man in einzelnen Fällen eine Untermauerung der zytopathologischen Beurteilung mit Hilfe der Immunzytochemie haben. Diese ist allerdings – im Vergleich zu Histologie – durch den geringen Umfang der Zellpräparate eingeschränkt. Das von Dalquen et al. [8] vorgeschlagene Verfahren, fixierte und gefärbte Zellpräparate abzudeckeln und nachträglich immunzytochemisch zu färben, hat sich als Kompromiss in einzelnen Fällen auch in der qualitativen Liquorzytologie bewährt. Voraussetzung ist, dass die Zytospinpräparate fixiert werden. Auch mit Formalin vorfixierte Zellen sind für die Immunzytochemie geeignet, die – je nach Fragestellung – mit den üblichen, in der Immunhistochemie gebräuchlichen Primärantikörpern und Detektionssystemen durchgeführt wird [6, 8, 14; 16, 23]. Eine liquorzytologische Wiederholungsuntersuchung kann weiterhelfen, sofern dem Patienten eine erneute Lumbalpunktion zumutbar ist. Bei liegendem Shunt-System ist dies unproblematisch. Beim Eingang einer zweiten oder weiteren Liquorprobe speziell zur weiteren immunzytochemischen Zelltypisierung kann methodisch so vorgegangen werden, dass der Liquor vorzentrifugiert wird und die in Nährlösung resuspendierten Liquorzellen auf möglichst viele Zellpräparate verteilt werden [22].
Literatur
Literatur 1. 2.
3.
4. 5.
6. 7.
8.
9. 10.
11.
12.
Andrews JM, Schumann GB (1992) Neurocytopathology. Williams & Wilkins, Baltimore Bamborschke S, Ebhardt G, Szelies-Stock B, Dreesbach HA, Heiss WD (1985) Review und case report: Primary melanoblastosis of the leptomeninges. Clin Neuropathol 4: 47–55 Bamborschke S, Huber M (1992) Liquorzytologie bei meningealer Aussaat von Leukämien und malignen Lymphomen. Sichere Diagnose durch Immunzytochemie. Nervenarzt 63: 218–222 Bell JE (1994) Update on central nervous system cytopathology. I. Cerebrospinal fluid. J Clin Pathol 47: 573–578 Bigner SH (1992) Cerebrospinal fluid (CSF) cytology: Current status and diagnostic applications. J Neuropathol Exp Neurol 51: 235–245 Bigner SH, Johnston WW (1994) Cytopathology of the central nervous system. Arnold, London Dalquen P, Delfs-Jegge S (2000) Liquor cerebrospinalis. In: Feichter G, Dalquen P (Hrsg) Zytopathologie, vol 8. Pathologie. Springer, Berlin Heidelberg, S 383–393 Dalquen P, Sauter G, Epper R, Kleiber B, Feichter E, Gudat F (1993) Immunocytochemistry in diagnostic cytology. In: Pfitzer P, Grundmann E (eds) Recent results in cancer research, vol 133. Springer, Berlin Heidelberg, pp 47–80 Feiden W, Milutinovic S (2002) Primäre ZNS-Lymphome. Morphologie und Diagnostik. Pathologe 23: 284–291 Feiden W, Bise K, Steude U, Pfister HW, Möller AA (1993) The stereotactic biopsy diagnosis of focal intracerebral lesions in AIDS patients. Acta Neurol Scand 87: 228–233 Hoojikass H, Hählen K, Adriaansen HJ, Dekker I, van Zanen GE, van Dongen JJM (1989) Terminal deoxynucleotidyl transferase (TdT)-positive cells in cerebrospinal fluid and development of overt CNS leukemia: A 5-year follow-up study in 113 children with a TdT-positive leukemia or Non-Hodgkin’s lymphoma. Blood 74: 416–422 Katz RL, Alappattu C, Glass JP, Bruner JM (1989) Cerebrospinal fluid manifestations of the neurologic complications of human immunodeficiency virus infection. Acta Cytol 33: 233–244
41
13.
14.
15. 16.
17.
18.
19.
20.
21. 22.
23.
24.
Kjeldsberg CR, Knight JA (1993) Body fluids. Laboratory examination of amniotic, cerebrospinal, seminal, serous & synovial fluids. American Society of Clinical Pathologists Press, Chicago Kluge H, Wieczorek V, Linke E, Zimmermann K, Witte OW (2005) Atlas der praktischen Liquorzytologie. Thieme, Stuttgart New York Kölmel HW (1977) Atlas of cerebrospinal fluid cells. Springer, Berlin Heidelberg New York Koss LG, Melamed MR (2005) Koss´ diagnostic cytology and its histopathologic bases. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia Kranz B, Thiel E, Thierfelder S (1989) Immunocytochemical identification of meningeal leukemia and lymphoma: Poly-L-lysine-coated slides permit multimarker analysis even with minute cerebrospinal fluid cell specimens. Blood 73: 1942–1950 Odom LF, Wilson H, Cullen J, Bank J, Blake M, Jamieson B (1990) Significance of blasts in low-cell-count cerebrospinal fluid specimens from children with acute lymphoblastic leukemia. Cancer 66: 1748–1754 Oehmichen M, Domasch D, Wiethölter H (1982) Origin, proliferation and fate of cerebrospinal fluid cells. J Neurol 227: 145–150 Rosenthal DL (1984) Cytology of the central nervous system. In: Wied GL (Hrsg) Monographs in clinical cytology, vol 8. Karger, New York Stark E (1993) Meningeosis blastomatosa. Dt Ärztebl 90: 858–862B Stark E, Wurster U (1987) Preparation procedure for cerebrospinal fluid that yields cytologic samples suitable for all types of staining, including immunologic and enzymatic methods. Acta Cytol 31: 374–376 Torzewski M, Lackner KJ, Bohl J, Sommer C (2008) Integrated cytology of cerebrospinal fluid. Springer, Berlin Heidelberg Worofka B, Lassmann J, Bauer K, Kristoferitsch W (1997) Praktische Liquorzelldiagnostik. Springer, Wien New York
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
3
A. Hori
Inhalt Embryofetale Entwicklung des Nervensystems . . . . .
45
Spina bifida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
Embryonale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Spina bifida cystica . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
Neurulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Spina bifida occulta, Dermalsinus, Dermoidzyste . .
56
Kanalisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Diastematomyelie und Diplomyelie . . . . . . . . .
57
Retrogressive Differenzierung . . . . . . . . . . . . .
45
Zystische Ausweitung des Ventriculus terminalis . .
57
Orales Neuralrohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Tethered cord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Embryonale Durchblutungssystem und persistente Arterien . . . . . . . . . . . . . . . .
Ventrale Dysraphien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
46 Neurenterische Zyste und relevante Anomalien . . .
57
Dysraphien im Kleinhirnbereich . . . . . . . . . . . .
57
Chiari-Anomalie Typ 2 . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Chiari-Anomalie Typ 3 und Typ 4 . . . . . . . . . .
58
Rhombenzephalozele . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Dandy-Walker-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . .
60
Massenentwicklung des Gehirns sowie Sulkusbzw. Gyrusformation des Großhirns . . . . . . . . .
47
Entwicklung der Hirnrinde (Proliferation, Migration der Matrixzellen und Apoptose) . . . . . . . . . . . .
47
Myelinisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Entwicklungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Ätiopathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Tektozerebelläre Dysraphie mit okzipitaler Enzephalozele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
Diagnostische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . .
51
Meckel-Syndrom (Meckel-Gruber-Syndrom) . . . .
60
Spezielle Fehlbildungsformen . . . . . . . . . . . . . . .
51
Joubert-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
Neuralrohrdefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Atelenzephalie, Aprosenzephalie . . . . . . . . . . . .
62
Dysraphien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Inienzephalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Anenzephalie und Exenzephalie . . . . . . . . . . .
53
Klippel-Feil-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Enzephalozele und Meningozele . . . . . . . . . . .
55
Störungen der enzephalen Seitendifferenzierung und der Kommissuren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
44
3
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Holoprosenzephalien . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Cavum Vergae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
Smith-Lemli-Opitz-Syndrom . . . . . . . . . . . . .
64
Aquäduktstenosen, Divertikel, Verdoppelung des Aquädukts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
Rhombenzephalosynapsis . . . . . . . . . . . . . . .
64 Syringomyelie und Hydromyelie . . . . . . . . . . .
74
Balkenmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 Kollaps des Zentralkanals . . . . . . . . . . . . . . .
74
Septooptische Dysplasie (De-Morsier-Syndrom) . .
66
„Verschmelzung“ der Thalami (Unithalamus) . . . .
66
Mit Schädelanomalien verbundene Störungen der Hirnentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
Kortikale Anomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
Megalenzephalie und Makrozephalie . . . . . . . .
75
Störungen der Nervenzellmigration und Gyrierung
66
Hemimegalenzephalie . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Lissenzephalie I, Pachygyrie, Doppelkortexsyndrom
66
Mikroenzephalie und Mikrozephalie . . . . . . . . .
75
Lissenzephalie II, zerebrookuläre Dysplasien . . . .
68
Seckel-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Mikropolygyrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Akranie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Zerebrale Heterotopien . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Atelenzephalie und Aprosenzephalie (atelenzephalische Mikrozephalie) . . . . . . . . . .
76
Mikrodysgenesie (fokale Dysplasie) und Normvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
Platybasie und basiläre Impression . . . . . . . . . .
76
Porenzephalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
Thanatophore Dysplasie . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Kongenitales bilaterales perisylvisches Syndrom (Foix-Chavany-Marie) . . . . . . . . . . . . . . . .
70
Kraniale Synostosen, Plagiozephalie, Apert-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Arachnoidalzyste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
Ätiologisch charakterisierbare Syndrome (Chromosomenanomalien, fetales Alkoholsyndrom)
77
Anomalien des Kleinhirns (Agenesie, Hypoplasie) und des Hirnstamms . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
Trisomie 21 (Down-Syndrom) . . . . . . . . . . . .
77
Dentatooliväre Anomalien . . . . . . . . . . . . . .
72
Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) . . . . . . . . . . . .
78
Agenesie oder fokale Destruktion der Hirnnervenkerne (Möbius-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) . . . . . . . . . . .
78
Fetales Alkoholsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
78
Anomalien des Ventrikelsystems und des Zentralkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
Anomalien der Hypophyse und des Hypothalamus .
78
Hydrolethalus-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
72
Doppelbildungen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . .
80
Seitenventrikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
Cavum septi pellucidi . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
45
Embryofetale Entwicklung des Nervensystems
Embryofetale Entwicklung des Nervensystems Embryonale Entwicklung Die Embryonalstufen werden nach Carnegie-Stadien eingeteilt. In diesem Kapitel werden für die klinische Neuropathologie möglichst die Gestationstage, -wochen oder -monate und für die Embryonen auch die Körperlänge (Scheitel-Steiß-Länge) mit angegeben.
durch das Neuralrohr verlängert wird. Aus diesem verlängerten Abschnitt differenzieren sich Teile des Sakralmarks, des Kokzygealmarks, des Ventriculus terminalis sowie des Filum terminale in der weiteren Entwicklung. Entwicklungsstörungen in dieser Phase sind Fehlbildungen um den Ventriculus terminalis (Zyste, Myelozystozele usw.). Möglicherweise gehört auch das sakrale subkutane Ependymom dazu.
Retrogressive Differenzierung Neurulation Unter Neurulation versteht man die primäre Bildung des Neuralrohrs (17.–28. Tag), das der Prototyp des Rückenmarks ist. Die Entwicklung des Zentralnervensystems beginnt etwa am 17. Tag mit der Bildung der Neuralplatte (17.–21. Tag; 1–1,5 mm Länge), aus der das Neuralrohr hervorgeht, wobei die Fusion der Neuralrinne multilokulär stattfindet und nicht im Sinne eines Reißverschlusses (19.–26. Tag; 2–3,5 mm Länge). Mit der Neuralrohrbildung findet eine segmentale Gliederung (Somiten-Entstehung) statt. Der Neuroporus anterior, das kraniale Ende des Neuralrohres, schließt sich im Stadium von 13–20 Somiten um den 25. Tag; der kaudale Schluss des Neuralrohrs erfolgt um den 28. Tag (2,5 mm Länge). Die molekularen Abläufe der Fusionsmechanismen der Neuralrinne und die folgende dorsoventrale Differenzierung werden gegenwärtig intensiv untersucht. Ein Schema zur Genexpressionen im sich entwickelnden embryonalen Gehirn (bei der Maus) findet sich bei [124]. Die ventrale Seite des Neuralrohrs hat einen direkten notochordalen Kontakt. Um den 24.–28. Tag, gemeinsam mit der Bildung des Neuralrohrs, spezialisiert sich diese laterale Neuralleiste und bildet in den folgenden Wochen die paravertebralen und viszeralen autonomen Ganglien, das chromaffine System sowie die Schwann-Zellen der peripheren Nerven, die Leptomeningen und die Hautmelanoblasten. Entwicklungsstörungen in dieser Phase werden als Neuralrohrdefekte zusammengefasst.
Kanalisation Unter Kanalisation versteht man die Phase der Verlängerung des kaudalen Rückenmarks (28.–43. Tag). Sie schließt sich an die Neurulation an und beginnt mit der Bildung der kaudalen Rückenmarkendigung bis zum 43./45. Gestationstag. In dieser Phase bilden Fragmente der extraneuralen Ependymzellen mehrere Bläschen, die miteinander fusionieren und ein größeres Bläschen bilden, das am kaudalen Teil des Neuralrohrs entsteht, wo-
Über die retrogressive Differenzierung des kaudalsten Rückenmarksbereichs wird das Filum terminale gebildet (ab dem 43. Tag). Das Filum terminale besteht aus einem intraduralen und einem extraduralen Anteil, d. h. Filum terminale internum und Filum terminale externum. Die Spitze des Filum terminale externum setzt am Kokzygealknochen an und fixiert das Rückenmark. Im gesamten Verlauf des Filum terminale findet sich ein ependymaler Schlauch. In dieser Zeit und in der Fetalzeit wächst die Wirbelsäule stärker als das Rückenmark selbst, so dass das Rückenmark im Spinalkanal nach oben aufzusteigen scheint (Ascensus medullae spinalis). Entwicklungsstörungen in dieser Phase sind Fehlbildungen wie z. B. die Aszensusstörung („tethered cord“).
Orales Neuralrohr Die Entwicklung des oralen Endes des Neuralrohrs führt über die Hirnbläschenbildung, Flexion sowie Seitendifferenzierung zur Gehirnbildung. Nach der Formation des Neuralrohrs werden im oralen Anteil das Telenzephalon, das Mesenzephalon und das Rhombenzephalon gebildet – die drei primären Hirnbläschen [81]. Im Bereich des Rhombenzephalons sind 7 Segmente erkennbar, in denen durch die Beteiligung zahlreicher Gene, insbesondere der Hax-Gene, die spezifische Differenzierung der Segmente reguliert wird [108]. Bei einer Embryolänge von 7–9 mm beginnt der entwicklungsgeschichtlich wesentliche Übergang aus dem 3-Bläschen- in das 5-Bläschen-Stadium. So werden Prosenzephalon, Rhombenzephalon, Mesenzephalon und Metenzephalon gebildet. Die sagittale Teilung des Telenzephalons erfolgt bei einer Embryolänge von 13–17 mm. Die Bildung der die beiden späteren Hemisphären miteinander verbindenden Kommissurenbahnen aus der Lamina reuniens fängt etwa am 60. Gestationstag bei 30 mm Länge an; um den 100. Tag (Länge 130 mm) ist die Entwicklung des Balkens abgeschlossen [91]. Relevante Entwicklungsstörungen der Flexion sind beispielsweise Inienzephalie und das Klippel-Feil-Syn-
46
Kapitel 3
drom. Die Anomalien der Seitendifferenzierung sind vor allem Holoprosenzephalie in unterschiedlichen Schweregraden, Rhombenzephalosynapsis, Balkenmangel, DeMoisier-Syndrom, Septumdefekte.
3 Embryonale Durchblutungssystem und persistente Arterien Die Basilararterien sind während der Embryonalzeit doppelt vorhanden und fusionieren bis zum 16. Carnegie-Stadium. Gelegentlich findet man bei der Autopsie eine un-
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
vollständige Fusion der A. basilaris als Zufallsbefund (Abb. 3.1). Vor der Formation des Circulus Willisi bestehen in allen Kiemensegmenten primitive, sich später rückbildende Arterien. Sie können nicht alle in einem Stadium simultan beobachtet werden: Beispielsweise erscheint die primitive Trigeminalarterie etwa am 10./11. Gestationstag, die primitive otische Arterie am 11. Tag und die primitive Hypoglossalarterie am 28. Tag. Diese „Anastomosen“ zeigen bereits ab dem 33. Tag eine Regression. Unter Umständen können diese primitiven Arterien persistieren. Zu solchen persistierenden primitiven Arterien gehören die olfaktorische, trigeminale, otische, pharyngeale, hypoglossale und proatlantische Ar-
b
a
c Abb. 3.1a–d Normale Entwicklung und normabweichende Entwicklung der Hirnarterien. a Embryonale Basalarterien in Carnegie Stages 13, 14, und 16. Durch Fusion der doppelten Basalarterien wird eine singuläre A. basilaris formiert. b Eine winzige Teilverdoppelung der Basalarterie als Beispiel eines embryonalen Residualzustandes (mangelhafte Fusion). c An der Schädelbasis ist eine von der A. basilaris abgetrennte primitive Trigeminalarterie zu sehen (Pfeil-
d kopf), die an der Hirnbasis mit der A. carotis interna anastomosiert. d Die proximale A. carotis interna wurde von der Schädelbasis präpariert und auf die Basalfläche des Gehirns aufgelegt, um die Anastomose (Pfeilkopf) der primitiven Trigeminalarterie mit der A. basilaris zu demonstrieren. Die Kreise zeigen die abgetrennten Stellen der Karotisarterie am distalen Siphon
Embryofetale Entwicklung des Nervensystems
terie. Die Häufigkeit der persistenten primitiven Arterien ist in der Literatur mit 0,1–1,0% angegeben [151, 167].
47 Tabelle 3.1 Gehirngewicht der Feten Gestationswochen
Massenentwicklung des Gehirns sowie Sulkus- bzw. Gyrusformation des Großhirns Das Hirnvolumen nimmt während der Fetalperiode stark zu, variiert dabei aber zwischen verschiedenen Regionen: Im Vergleich mit anderen Körperorganen entspricht das Hirngewicht im 6. Fetalmonat 21% des Körpergewichts, bei der Geburt 15%, beim Erwachsenen dagegen nur noch 3%. Der Gewichtsanteil der infratentoriellen Strukturen beträgt bei Feten etwa 5–7% des Gesamtgehirngewichts (von der 20. bis zur 40. Gestationswoche zunehmend). Er nimmt postnatal sehr rasch zu – bis zum 4. Monat >9% – und erreicht bereits am Ende des 1. Lebensjahr Werte wie beim Erwachsenen (12,5%; Tabellen 3.1 und 3.2). Die Sulkusformation beginnt mit der sagittalen Teilung der Großhirnhemisphäre durch die Fissura longitudinalis cerebri in der 8. Gestationswoche. Die ersten Furchen (Sylvische Furche, Fissura occipitoparietalis) erscheinen bis zur 15.–16. Woche. Ab der 16. Woche sind Sulcus olfactorius und Sulcus cingularis, etwas später die Fissura calcarina erkennbar. An der Konvexität erscheinen etwa in der 20.–21. Woche die Primärfurchen, die senkrecht zur Neuralachse gebildet werden: zuerst Sulcus centralis, dann Sulci prae- und postcentralis. Danach werden ab der 24. Woche die Sekundärfurchen parallel zur Neuralachse gebildet. Weitere Furchen (Tertiärfurchen) binden die Primär- und Sekundärfurchen. Bis zur Geburt scheinen fast alle Furchen, somit Gyri, gebildet zu sein. Jedoch fehlen ausführliche Beobachtungen über weitere Furchenneubildung bzw. Gyrusentwicklung in den postnatalen sowie infantilen Phasen, die doch zu erwarten ist (z. B. Differenzierung von Planum temporale oder Gyrus Heschl). Die Windungsbildung ist um die 32. Gestationswoche abgeschlossen, obwohl die Anzahl der Furchen geringer ist als im Erwachsenengehirn. Relevante Entwicklungsstörungen in dieser Phase sind Makrenzephalie und Mikorenzephalie, auch Kleinhirnagensie bzw. -hypoplasie.
Entwicklung der Hirnrinde (Proliferation, Migration der Matrixzellen und Apoptose) Parallel zur Gyrusformation sind Migration, Differenzierung sowie ein programmierter Zelltod wesentlich für die Entwicklung der Hirnrinde sowie der Hirnstammstrukturen. Die Wand des Neuralrohrs ist der Ursprungsort der noch undifferenzierten Nerven- und Gliazellen, die später
Gehirngewicht [g]
15–16
50
20–21
80
27–28
180
33–34
290
39–40
400
Tabelle 3.2 Verhältnis der infratentoriellen Strukturen gegenüber dem Gesamgehirngewicht bei Feten im Vergleich zu Kleinkindern und Erwachsenen Scheitel-Steiß-Länge [mm]
Kleinhirn + Hirnstamm/ Gesamtgehirngewicht [%]
100–150
12,5
150–200
9,0
200–250
7,3
250–300
6,2
300–350
6,0
350–400
6,6
400–450
6,9
500–550
8,2
550–600
8,0
4 Mo. postnatal
9,0
Erwachsene
12,5
während der Gehirnentwicklung von der subependymal in der Wand der späteren Ventrikel gelegenen Matrixzellzone aus in Richtung Mantelzone (Rinde) und Basalganglien wandern. Matrixzellen (von Matrix = Ursprung, Mutterboden) differenzieren sich in Neuro- bzw. Glioblasten. Radiale Gliazellen überbrücken zunächst die Distanz zwischen der Ependymschicht und der pialen Oberfläche des ZNS. Diese radialen Gliazellen dienen als Leitschiene für die aus der Matrixzellschicht auswandernden, noch nicht voll ausdifferenzierten Nervenzellen. Die Abwanderung der Neuroblasten aus der Matrixzone beginnt in den 4.–7. Embryonalwochen. Sie rücken nicht nur radial entlang der Radialglia vor, sondern wechseln ihre Migrationsrichtung innerhalb der Intermediärzone auch tangential und tragen dadurch zur tangentialen Verteilung von Neuronen bei [112]. Alle postmitotischen und migrierenden Zellen exprimieren DCX, jedoch nicht mehr nach abgeschlossener Migration [101]. Bei Neugeborenen sind residuale periventrikuläre Matrixzellen im Bereich der Striae terminales noch deutlich
48
3
Kapitel 3
nachzuweisen, bevorzugt perivaskulär. Sie dürfen nicht mit entzündlichen Infiltraten verwechselt werden. Ab der 6. Gestationswoche wird ein dreischichtiges Kortexband gebildet. Hier wandern die neu ankommenden Neuroblasten in die obersten Schichten („inside-out layering“) [125]. Dabei spielen Cajal-Retzius-Zellen eine wichtige Rolle. Sie sind die am frühesten differenzierten Neuralzellen, die beim Menschen bereits am 43. Gestationstag erkennbar sind [95]. Sie liegen quer (deswegen auch als Horizontalzellen bezeichnet) in der obersten Schicht des Kortex und exprimieren das extrazelluläre Protein Reelin, das die Weiterwanderung der Neuroblasten hemmt. Die nachfolgend migrierenden Neuroblasten überholen die bereits in ihrer Wanderung blockierten Neuroblasten, bis auch sie schließlich mit Reelin in Kontakt kommen. So wird eine Schichtenstruktur der Hirnrinde nach dem „Inside-out“-Prinzip etwa bis zur 20. Woche aufgebaut. Neben der Zellmigration von der Matrixzone aus beteiligt sich an der Rindenbildung eine subpiale Matrixzellschicht. Als oberflächliche, akzessorische Zellschicht sind deren Matrixzellen der Membrana limitans gliae superficialis unterlagert. Diese erscheint um die 12.–13. Gestationswoche in den basalen Rindenzonen des Allokortex (anders aufgebaute Rinde im Gegensatz zum Isokortex) mit der typischen Sechsschichtung. Im Isokortex bildet sich die superfizielle Matrixzellschicht um die 13.– 14. Woche, die während der 16.–18. Woche die gesamte Konvexität bedeckt. Die Rückbildung dieser Schicht beginnt in der Inselregion um die 27. Woche und wird abgeschlossen in Stirn- und Okzipitalrinde um die 39. Woche. Matrixzellreste sind dann nur noch im Windungstal der frontotemporalen Grenze in der Nähe des Hippokampus vorhanden. An der Zielfindung der ausgewanderten Neurone, später auch ihrer Fortsätze, an der Kontaktaufnahme mit funktionell gekoppelten anderen Neuronen und mit Gliazellen sowie am physiologischen programmierten Zelltod, dem bis zu 25% der unreifen Neurone während der Entwicklungsperiode des Gehirns anheim fallen, ist ein höchst differenzierter Komplex von chemotropen und trophischen Faktoren wie dem vasointestinalen Peptid (VIP) und verschiedensten Zelladhäsionsmolekülen (CAM) der neuronalen und glialen Elemente sowie der extrazellulären „Matrix“ (ECM) beteiligt [125, 126]. Die Expression von „nerve growth factor“ (NGF) ist begrenzt und genügt nicht, alle angelegten unreifen Nervenzellen an einen Zielort und in Kontakt mit Afferenzen zu bringen. Ein erheblicher Teil der migrierenden Matrixzellen erreicht sein Zielgebiet in der Rinde nicht oder gewinnt keine synaptischen Kontakte. Die Zellen sterben physiologischerweise ab. Der programmierte Zelltod („Apoptose“) bei der Entwicklung eines Individuums moduliert im Kortex die Schichtdicke und Nervenzelldichte. Er läuft in den verschiedenen Regionen ziemlich synchron, jedoch im Ausmaß unterschiedlich ab und steht unter dem Einfluss von Afferenzen insbesondere des Thalamus. Eine
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Reduktion von Afferenzen kurz vor und während der kritischen Phase des Zelltodes verstärkt die Zahl absterbender Neurone. In den medialen Rindenabschnitten sind gewöhnlich mehr Zellen betroffen als lateral [10]. Einen solchen „programmierten Zelltod“ findet man auch in bestimmten zentralen Kerngebieten, wodurch z. B. die Geschlechtsdifferenzierung eines Kerngebiets entsteht. Dieser Sexualdimorphismus wird bei Tieren in verschiedenen Gehirn- und Rückenmarkarealen festgestellt. Bei Menschen ist ein Sexualdimorphismus in den Hypothalamuskernen bekannt [152]. Im Kleinhirn entsteht eine superfizielle Matrixzellschicht (transitorische superfiziale Körnerzellschicht) in der Fetalwoche 8; bis zur 14. Woche verbreitet sie sich über die gesamte Kleinhirnoberfläche und erreicht ihre maximale Dicke in der 24. Woche. Die Matrixzellen wandern in die Kleinhirnrinde hinein und differenzieren sich zu den inneren Körnerzellen. Diese transitorischen superfizialen Körnerzellen persistieren postnatal nicht länger als ein Jahr. Im Gyrus dentatus der Hippokampusformation mit den axonalen Verbindungen seiner Körnerzellen zum CA3-Areal des Ammonshornbandes sind beim erwachsenen Menschen noch Stammzellen nachweisbar, was auf eine wenn auch beschränkte Regenerationsfähigkeit neuralen Gewebes hinweist [33, 85, 158]. Neurale Stammzellen wurden auch im Stria-terminalis-Bereich, aber auch aus dem Filum terminale isoliert [159]. Durch Migrationsstörung in dieser Phase entstehen Lissenzephalie, Gyrusanomalien, und (meningo)kortikale Dysgenesien.
Myelinisation Während die Entwicklung der Großhirnrinde gegen Ende des 2. Lebensjahres abgeschlossen ist, zieht sich die Markscheidenbildung bis zum Ende der 1. Lebensdekade hin. Innerhalb des Rückenmarks erfolgt die Markscheidenbildung um die 14. Fetalwoche in kaudokranialer Richtung; die motorischen Vorderwurzeln werden früher myelinisiert als die sensorischen Hinterwurzeln, die Pyramidenbahn myelinisiert später als die Hinterstränge. Zwischen der 22. und 24. Woche werden der Goll-Strang sowie einige Oliven- und Kleinhirnverbindungen, ferner die Ansa lenticularis myelinisiert. Kurz vor der Geburt schließt sich die Markscheidenentwicklung der kortikound rubrospinalen Bahnen, der Fibrae arcuatae externae, der Brückenfasern, der kortikozerebellären Fasern, der vorderen Kommissur und des N. opticus an. Der Markscheidenbildung geht eine starke Verdichtung des Gliazellbestandes voraus (sog. Myelinisationsgliose). Die Myelinisation der Pyramidenbahn ist etwa ein Jahr postnatal vollendet. Der Verlauf der Myelinisation ist in Abb. 3.2 schematisch dargestellt.
Allgemeines
49
Abb. 3.2 Chronologischer Verlauf der Myelinisation nach Yakovlev und Lecours (1967)
Unter Myelinisationsgliose versteht man eine Ansammlung der Oligodendrogliavorläuferzellen im Bereich der stattfindenden Myelinisierung. Diese Vorläuferzellen besitzen einen großen Kern und leicht basophiles großes Zytoplasma; sie dürfen nicht mit der reaktiven Gliose verwechselt werden. Als „Status marmoratus“ (Status myelinisatus) wird eine pathologische Myelinisation in den Basalganglien bezeichnet, in denen man eine Narbenbildung mit myelinisierten Nervenfasern erkennt. Dieser Herd wird meist durch peri- oder postnatale Komplikationen oder neurologische Erkrankungen verursacht und ist deswegen keine Fehlbildung. Eine abnorme Myelinisierung im Kortex (in der Ulegyrie) wird als „plaques myéliniques“ bezeichnet, die pathogenetisch mit dem Status marmoratus identisch ist.
zephalie beurteilen und den Verdacht auf eine Hydrozephalie äußern. Eine Schätzung des Entwicklungsalters des fetalen Gehirns ist durch Zählung der Furchenzahl an der Konvexität möglich (Abb. 3.4). Man legt hierzu einen Faden suprainsulär parallel zur Fissura longitudinalis cerebri in frontookzipitaler Richtung auf, zählt die Zahl der Kreuzungen des Fadens mit den Furchen und addiert diese Zahl mit 21. Dieser Wert entspricht dem Entwicklungsalter des Gehirns in Fetalwochen, wobei mit einem Normabweichungsbereich von +1 Woche gerechnet werden muss. Allerdings gilt diese Methode nur zwischen der 20. und 36. Fetalwoche.
Allgemeines Ätiopathogenese
Entwicklungsparameter Kopfumfang und die Scheitel-Steiß-Länge sind bei Feten fast gleich, wobei eine individuelle Variation mit +1 cm besteht (Abb. 3.3). Man kann deswegen bereits bei der äußeren Inspektion eines Fetus eine Mikro- bzw. Makro-
Die Gehirnfehlbildung wird nicht durch die Art der Noxen bestimmt, sondern durch den Zeitpunkt ihres Einwirkens. Dadurch ist es möglich, über die Morphologie die teratogenetische Terminationsperiode bzw. teratogenetische Terminationspunkte zu bestimmen.
50
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
3
Abb. 3.3 Scheitel-Steiß-Länge und Kopfumfang sind unabängig vom Alter der Feten, mit 1 cm Abweichung fast gleich (y = x r 1)
Abb. 3.4 Beurteilung des Entwicklungsalters der Fetalgehirne nach einfacher Schätzungsmethode. Links: 22. Fetalwoche (Asymmetrie ist normal), Mitte: 25. Fetalwoche, rechts: 28. Fetalwoche. Der darge-
stellte Unterschied in den Zeichnungen entspricht nicht der tatsächlichen Gehirngröße (Näheres s. Text)
Die meisten Fehlbildungen sind ätiologisch ungeklärt. Außerdem ist oft eine scharfe Trennung exogener Noxen von Genmutationen und Chromosomenanomalien (Letztere treten z. B. nach Virusinfektionen oder Strahleneinwirkungen auf) nicht möglich. Ursachen von ZNS-Fehlbildung sind: • genetische Fehlregulierung einschließlich Chromosomenanomalien: – Einzelmutation, – autosomal-dominante oder rezessive Übertragung, X-verbundene Erbkrankheiten; • exogene Faktoren: – intrauterine Infektion: virale Infektion (Herpes I, II, Rubella, Zytomegalie, Mumps, Varizella),
bakterielle Infektion einschließlich Treponema, Parasiten (Toxoplasmen u. a.); – physikalische Ursachen: Hyperthermie der Mutter, Trauma, Strahlenexposition (Mikrenzephalien, Migrationsstörung); – intrauterine Intoxikation: Ethylalkohol (fetales Alkoholsyndrom), Drogen, Medikamente (z. B. Antiepileptika, Thalidomid und Folsäureantagonisten), Metalle wie Methylquecksilber (fetale MinamataKrankheit) [17], A- oder Hypervitaminose,
Allgemeines
51
Kohlenmonoxyd; – metabolische Entgleisungen oder Erkrankungen der Mutter: Diabetes mellitus (Holoprosenzephalie; kaudale Anlagen- oder Entwicklungsstörung), Hypoxie, Epilepsie (?), Mangelernährung [30], Hypothyreose [7].
lich aufgrund einer Apoptosehemmung). In zahlreichen Tierexperimenten konnte allerdings eine sekundäre Öffnung des bereits regelrecht gebildeten Neuralrohrs nachgewiesen werden [115]. Ikenouchi et al. [74] konnten eine zystische Erweiterung des lumbosakralen Marks in Embryonen beobachten, die eindeutig eine Wiederöffnung des einmal geschlossenen Neuralrohrs andeuten. Das Spektrum der durch Störungen des Neuralrohrschlusses hervorgerufenen Fehlbildungen – der Kerngruppe zentralnervöser Fehlbildungen – ist sehr breit und reicht von den nur röntgenologisch nachweisbaren Anomalien des Wirbelbogenschlusses und der Spina bifida occulta über die Enzephalozelen bis zum Anenzephalus und der Akranie, dem Fehlen der Schädel- und Hirnentwicklung. Neuralrohrdefekte sind bei Mädchen häufiger. Die kaudale Spina bifida ist aber häufiger bei Jungen [140]. Bei Geschwistern von Kindern mit anderen Fehlbildungen kommen öfter Neuralrohrdefekte vor [42]. Eine Zusammenstellung verschiedener Erhebungen ergab eine Wiederholungsrate von 3% bei Anenzephalus- und Spina-bifida-Kranken in einer Geschwisterreihe. In 12,2% dieser Wiederholungsfälle wich das Erscheinungsbild von dem beim vorangegangenen kranken Kind ab [21]. Die schweren dysraphischen Störungen sind sonographisch vielfach bereits pränatal zu diagnostizieren. Anhaltspunkte für ihr Vorliegen geben auch Untersuchungen der Amnionflüssigkeit und der in ihr schwimmenden Zellen. Erhöhung des Spiegels des Alpha-Fetoproteins ist ein empfindlicher Indikator für das Vorliegen dieser Dysraphien. Ätiologisch ist bei den Dysraphien in vielen Fällen ein multifaktorielles Geschehen wahrscheinlich, wie z. B. genetische Prädisposition, mütterliche Krankheit und/oder fetale medikamentöse Exposition. Auch die Erhöhung
Diagnostische Orientierung In den Tabellen 3.3 bis 3.10 werden bestimmte Befundmuster entsprechenden Diagnosen zugeordnet. Mögliche Diagnosen werden in den unteren Zeilen angegeben.
Spezielle Fehlbildungsformen Neuralrohrdefekte Dysraphien Die dysraphischen Störungen entstehen durch eine mangelhafte Neuralrohrformation. Marin-Padilla [94] beobachtete die Reduktion der Neuroblasten am Rand der Neuralplatte bei der normalen Neuralrohrentwicklung. Patten [119] glaubte, dass eine Überproduktion von Zellen am Rand der Neuralrinne eine normale Fusion der Neuralrinne stören könnte (nach neuesten Kenntnissen vermutTabelle 3.3 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des Kopfes Kein Kranium
Kranium offen
Akranie, Anenzephalie, Exenzephalie
Lückenschädel
Groß (y>x+1)*
Klein (y<x+1)*
Verformung
Vorwölbung
Cranio-lacunia bei Chiari-Typ 2
Makrozephalie
Mikrozephalie
Trigonozephalie, thanatophore Dysplasie; Crouzon-Syndrom, MedianCleft-Syndrom, SeckelSyndrom etc.
Enzephalozele, Meningozele, subkutane Ektopien, nasales Gliom
*Siehe Abb. 3.5
Tabelle 3.4 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des äußeren Großhirns Kein Großhirn
Atelenzephalie, Anenzephalie
Nur Mantel vorhanden
Keine/unvollständige Hemisphären
Keine/wenige Furchen Glatte Oberfläche
Kopfsteinpflasteroberfläche
Hydranenzephalie
Holoprosenzephalie
Pachygyrie, Lissenzephalie 1
Mikropolygyrie, Lissenzephalie 2, zerebrookuläre Erkrankungen
Kopfsteinpflasteroberfläche (auch fokal) Mikropolygyrie
Agyrie/Pachygyrie, Mikropolygyrie, fokale kortikale Dysplasie
Tuber
Tuberöse Sklerose
Leptomeningen
Leptomeningeale glioneurale Heterotopie
Hypoplasie, Hydrozephalus, (Atrophie)
Volumenverminderung
Mark
DoppelkortexSyndrom
Laminär
Heterotopie
Chiari 1
Chiari 2
des Unterwurms
Rhombenzephalosynapsis
Fusionierte Kleinhirnhemisphären
Cavum septi pellucidi, Cavum Vergae
Heterotopie
Nicht/wenig vorhanden
Körnerzellschichtagenesie
Normal vorhanden bis zum 1. Lebensjahr
Keine Entwicklungsanomalie
(Syndrome mit) Balkenmangel; evtl. Kommissurendefekt
Balkenmangel
Kleinhirnwurmagenesie
Solitäre Anomalie, dentatoolivare Dysgenesien
Fragmentation
Bei Rhombenzephalosynapsis
Nicht vorhanden
Weitere Kleinhirnkerne
Tektozerebelläre Dysraphie
Je nach der Gyrusanomalie
Divertikel
Joubert-Syndrom, Meckel-Syndrom
Holoprosenzephalie
Univentrikel
Ventrikel
Formanomalie des Mittelhirns
Dentatum
Dandy-WalkerSyndrom
Zyste des 4. Ventrikels
Dysraphie
Holoprosenzephalie oder als Einzelanomalie
Unithalamus
+Posteriore Zele
Agenesie
Basalganglien fehlen
Basalganglien/Thalamus
Kleinhirnwurm fehlt (auch zum Teil)
Gespaltene Kleinhirnhemisphäre
DeMorsierSyndrom, Hydrozephalus
Septumdefekt
Heterotopie der Purkinje- oder Dentatumzellen, Anomalie der Purkinje- und inneren Körnerzellschichten
Weiße Substanz
Superfizielle Körnerzellen
Tabelle 3.7 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen mit Störung der Kleinhirnhistologie
Pontozerebelläre Hypoplasie
der Kleinhirntonsille
Herniation
Kleines Kleinhirn
Subependymale noduläre Heterotopie
Nodulär
Cava
Septum/Balken
Kapitel 3
Agenesie, Hypoplasie, Hemihypoplasie
Kleiner Pons
Kleinhirn nicht/wenig vorhanden
Tabelle 3.6 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des Kleinhirns
Anomalie der Schichtenstruktur
Kortex
3
Oberfläche
Tabelle 3.5 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des inneren Grosshirns
52 Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Spezielle Fehlbildungsformen
53
Tabelle 3.8 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen im Rücken/Wirbelsäulenbereich Externe Inspektion
Wirbelsäule
Hautanomalien: Delle, Spalte, Pigmentation, Depigmentation, Behaarung etc.
Vorwölbung postanal
Schwanz
Spalte
In erster Linie Dysraphien, Lipome
Subkutanes Ependymom
Humanschwanz, Pseudoschwanz
(Rachischisis) Myelomeningozele, Meningozele Myelozystozele, Myelomeningozele, Meningozele
Chiari-Typ 2 bei ca. 50%
Spalte, Fehlen des Sakrum
Spina bifida occulta, Sakralagenesie
Tabelle 3.9 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen des Rückenmarks Aufzweigung oder Teilverdoppelung
Hohlraum
Faszikelanomalie
Heterotopie
Zyste
Mit oder ohne Knochensporn im Spinalkanal
Zentralkanalerweiterung
Unabhängig vom Zentralkanal oder miteinbezogen
Pyramidenbahn
Hinterstrang
Vorderhornzellen
im Hinterstrang
Diastematomyelie oder Diplomyelie
Hydromyelie
Syringomyelie
Fehlen oder Asymmetrie der Kreuzung, dystopischer Verlauf
Deviation des Septum longitudinale dorsale
Spinale Muskelatrophie
Unspezifisch
Neurenterische Zyste, respiratorische Zyste
Tabelle 3.10 Diagnostische Orientierung bei Fehlbildungen der Spinalnervenwurzel Verlaufsanomalien
Heterotopie
Aufsteigender Verlauf der Zervikalwurzeln
Querverlauf der Lumbosakralwurzeln
Hinterwurzeleintritt ins Rückenmark lateral vom Hinterhorn
Nervenzellen im Vorder- sowie Hinterstrang
Chiari-Typ 2; Chiari-Typ 1, tektozerebelläre Dysraphie
Aszensusstörung bei Inienzephalie
Unspezifisch bei schweren Gehirnfehlbildungen
Bei spinaler Muskeldystrophie, kleine Anzahl auch als Normvariante
des Azetylcholinesterasespiegels in der Amnionflüssigkeit gibt Hinweis auf Störungen der Entwicklung des Neuralrohrs [143]. Da teratogene Medikamente, die als Folsäureantagonisten wirken, bekannt sind, wird bei Risikomüttern prophylaktisch bereits vor der Empfängnis eine Folsäuregabe empfohlen.
Anenzephalie und Exenzephalie Bei einer Anezephalie sind sowohl Kranium als auch Hirngewebe dysraphisch gestört. Als pathogenetisch wirksamer Faktor wurde bei 59% der Mütter anenzephaler Kinder ein Folatmangel festgestellt [57]. Die Rate an Fehl- und Früh-
geburten ist bei den Müttern der Kinder mit Anenzephalien deutlich erhöht. Sehr junge Erstgeburten der Mutter und Schwangerschaften in hohem mütterlichem Alter gelten als Risiko einer Anenzephalie der Kinder. Makroskopisch ist bei Anenzephalie die aus Knochendefekt, fehlgebildetem Nervengewebe und Hautdefekt zusammengesetzte Störung unverkennbar (Abb. 3.5). Die Schädelbasis ist ebenfalls fehlgebildet und eine Exophthalmie ist oft vergesellschaftet. Bei jüngeren Feten (bis etwa 19. Fetalwoche) kann eine Exenzephalie beobachtet werden, die ein Zustand der Kranioschisis ohne dysraphische Störung des Gehirns ist, das von Leptomeningen überdeckt und histologisch unterschiedliche Dysgenesien aufweist. Das exenzephale Gewebe kann intrauterin zugrunde gehen [45, 115].
54
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
3
b
a
c
d
e
Abb. 3.5a–e Dysraphien und relevante Zustände. a Kraniorachischisis. b Anenzephalie bei einem Fetus und typische kraniofaziale Anomalie mit Exophthalmos. c Exenzephalie mit nicht zerstörtem
Gehirn bei Kranioschisis. d Enzephalozele posterior. e Bei äußerer Inspektion wurde eine Enzephalozele vermutet, zeigte sich dann jedoch als große Meningozele.
Spezielle Fehlbildungsformen
f
g
h
Mikroskopisch stellt die Anenzephalie eine Area cerebrovasculosa dar, die aus einem Gemisch atypischer, angiomähnlich gestalteter Blutgefäße und irregulärer Streifen zentralnervösen Gewebes zusammengesetzt ist, das im Wesentlichen aus Gliazellen mit uncharakteristisch verteilten, gewöhnlich nicht voll ausdifferenzierten Nervenzellen besteht. Es finden sich weite Bluträume, verlagerte Epidermisschläuche, Ependymzellnester und mit Ependym ausgekleidete tubuläre Strukturen. Nur selten sieht man Ansätze zu einer Rindenbildung. Die Hypophyse fehlt in etwa 50% der Fälle, wobei die Pharyngealhypophyse (s. unten, Abschnitt „Anomalien der Hypophyse und des Hypothalamus“) vorhanden bleibt. Es handelt sich hierbei um keine Hypophysenagenesie, sondern um eine Destruktion. Im noch teilweise erhaltenen Hypophysengewebe erkennt man eine pathologische Vaskularisation, vergleichbar mit der Area cerebrovasculosa. Infolge entsprechender hormoneller Störungen sind die Nebennieren und Gonaden hypoplastisch. In extremen Fällen sieht man eine komplette Kraniorachischisis (Abb. 3.5b). Hierbei sind Brücke und Medulla oblongata ebenfalls nicht entwickelt.
55
i
Abb. 3.5f–i (Fortsetzung) Dysraphien und relevante Zustände. f Schwerste Myeloschisis: das Rückenmark zeigt mit Ausnahme seines kaudalen Endes eine Neuralplattenstruktur. g Typische Diastematomyelie (laterale Aufzweigung des Rückenmarks) an der Stelle eines Knochensporns im Spinalkanal. h Histologisches Bild der Diastematomyelie. Normalerweise sind beide Zweige identisch und von vollständiger Rückenmarkstruktur, hier im distalem Bereich zeigt sich jedoch eine unterschiedliche Darstellung der beiden Anteile. i Diplomyelie. Ventral vom normalen Rückenmark findet sich ein zusätzliches Rückenmark
Enzephalozele und Meningozele Die Enzephalozelen (Abb. 3.5c) liegen in 70% der Fälle in der gespaltenen Squama occipitalis (Cranium bifidum) bei erhaltener hinterer Schädelgrube oder weiter kaudalwärts in Höhe von Foramen magnum und Atlas. Selten sind demgegenüber frontale Enzephalozelen (20% nasofrontal, 10% intranasal) [105]. Entsprechend dem dysraphischen Charakter ist die Mittellinie bevorzugt. Frontal kann es zu einer pilzförmigen Verlagerung zentralnervösen Gewebes in Richtung Orbita, Siebbein bzw. Nase kommen (sog. nasales Gliom). Gewöhnlich sind mit den Enzephalozelen Fehlbildungen auch der übrigen Schädelknochen einschließlich des Gesichtsschädels verbunden. Selten sind die parietalen (hochsagittalen) Zelen, die sich äußerlich vielfach nur als eine pflaumengroße pralle Vorwölbung der Haut äußern, gelegentlich aber auch gestielt als Enzephalozystozelen vorkommen [105]. Im intrakraniellen Anteil des Gehirns sind in solchen Fällen
56
3
Kapitel 3
gelegentlich auffallend tiefe Sulci zwischen dem Scheitellappen und dem Okzipitallappen sichtbar [90]. Falx und Tentorium können hypoplastisch sein oder fehlen [45, 105]. Bei diesen Schizokranien bestehen starke Variationen von einem breiten Übergang des Zelengewebes zum intrakraniellen Hirngewebe bis zu einem pilzförmigen Wachstum nach außen, das nur einen schmalen gliösen Stiel zum intrakraniellen Gewebe hin aufweist. Innerhalb der Zele liegt leptomeningeales Gewebe, vielfach eng verzahnt mit Epidermis und Fettgewebe. Das zentralwärts anschließende, aber wiederum durch zahlreiche schmale Gewebszungen mit dem bindegewebigen Mantel verzahnte zentralnervöse Gewebe kann mit Ependym ausgekleidete Ventrikelausziehungen umgeben, wozu auch verlagertes Plexus-chorioideus-Gewebe gehören kann. Das Gewebe ist meist stark vaskularisiert. Wenn der Inhalt der Zele lediglich aus meningealen Gewebe besteht, d. h. ohne Begleitung des Hirngewebes, spricht man von einer Meningozele.
Spina bifida Störungen des kaudalen Neuralrohrschlusses während der Neurulation und der anschließenden Kanalisation manifestieren sich am häufigsten als Spina bifida. Unter einer Rachischisis versteht man einen offenen Rückenmarkskanal bei fehlendem Verschluss des Medullarrohres, wobei die weichen Häute lateral als Zona epithelioserosa in die Epidermis übergehen. Als die schwerste Form der Rachischisis sieht man eine Neuralplattenstruktur (Myeloschisis: s. Abb. 3.5f). Bei der Meningomyelozele ist das Neuralrohr zwar geschlossen, aber in atypischer Weise, so dass sich in einem Teil des Rückens, meist im lumbosakralen Bereich, ein Bruchsack in die oft buckelförmig vorgewölbte Haut erstreckt. • Enthält er nur Leptomeningen, wird von einer Meningozele gesprochen. • Ist ein liquorgefüllter Hohlraum damit verbunden, so liegt eine Meningozystozele vor. • Ist außer den Leptomeningen auch Rückenmark in die Zele verlagert, so bezeichnet man dies als Meningomyelozele. • Enthält diese einen liquorgefüllten, erweiterten Zentralkanal, so besteht eine Meningomyelozystozele. Bei 100 Meningomyelozelen fand sich in 29% der Fälle eine Hydromyelie, in 14% eine Syringomyelie, in 36% im Bereich der Zele eine vollständige oder partiale Spaltung des Rückenmarks (Diastematomyelie) und in 35% eine offene Neuralplatte. Verdoppelte oder mehrfache Zentralkanäle lagen in 42% der Fälle vor [31].
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Spina bifida cystica Die Spina bifida cystica schließt Meningozele und Meningomyelozele ein und betrifft in etwa 80–90% der Fälle den lumbosakralen Bereich in der Mittellinie. Sie kann von der Haut bedeckt sein und wird in diesem Fall als Kanalisationsstörung interpretiert. Sie kann andererseits von einer bindegewebigen Membran bedeckt sein und wird dann als Neurulationsstörung aufgefasst. Atypische Behaarungen über dem bevorzugten Sitz lumbosakral und Fußdeformierungen sind häufig mit einer Spina bifida gekoppelt. Je nach der Beteiligung des Rückenmarks und der Nervenwurzeln finden sich auch schlaffe Lähmungen und Sensibilitätsstörungen. Typische Spaltbildungen in den Wirbelbögen oder das Fehlen von Wirbelbögen charakterisieren den röntgenologischen Befund. Fibrolipomatöses Gewebe ist mit diesen Fehlbildungen häufig verbunden. Makroskopisch sieht man häufig unter der ebenfalls vielfach fehlgebildeten Epidermis ein fettgewebearmes, wenig Hautanhangsgebilde enthaltendes fibröses Gewebe, in das Zungen zentralnervösen Gewebes verlagert sind. Diese Zungen enthalten Astrozyten, seltener Oligodendrogliazellen und ebenfalls nur selten ausdifferenzierte Nervenzellen. Gelegentlich sieht man Ependymzellnester, selten Ependymschläuche. Bei der van-Gieson-Färbung ist das zentralnervöse Gewebe vielfach durch seine homogen gelbliche Farbe erkennbar. Am Autopsiematerial ist es eher möglich, auch die Beziehungen zum Rückenmark und seinen Hüllen darzustellen.
Spina bifida occulta, Dermalsinus, Dermoidzyste Die Spina bifida occulta zeigt von außen keine Vorwölbung und ist von Haut bedeckt, die gelegentlich eine Hypertrichose, Hyper- oder Hypopigmentierung, einen Naevus vasculosus oder ein Lipom aufweist. Klinisch kann sie stumm bleiben. Radiologisch ist eine offene dorsale Wirbelsäule festzustellen. Es kann eine weitere Kombination mit „tethered cord“ (s. unten) oder Diastematomyelie vorliegen [76]. Die geringste Ausprägung einer Dysraphie ist der Dermalsinus. Hierunter werden feine Fisteln verstanden, die von der Haut der Sakralregion und von der Tiefe der Glutäalfalte aus – öfters mit einer Hypertrichosis oder einem Naevus vasculosus, Hyper- oder Depigmentierungen verbunden – in die Tiefe ziehen. Meist bleiben sie mit ihrem Ende extraspinal, doch gibt es auch Verbindungen mit dem intraspinalen Liquorraum, wodurch meningitische Komplikationen auftreten können. Der Dermalsinus ist häufig gekoppelt mit Dermoidzysten und Lipomen, die subkutan oder intraspinal liegen.
Spezielle Fehlbildungsformen
Die Richtung der Hautfisteln ist – analog zu den Kaudafasern und Nervenwurzeln – kranialwärts über einen Verlauf von 1–3 Segmenten [58]. Der Kanal wird von verhornendem Plattenepithel ausgekleidet.
Diastematomyelie und Diplomyelie Die Definition der Diastematomyelie und der Diplomyelie ist umstritten. Diastematomyelie ist eine laterale Bifurkation des Rückenmarks (s. Abb. 3.5g). Die aufgezweigten Teile können sowohl eine vollständige Rückenmarkstruktur als auch eine Hemimyelie sowie verschiedene Übergangsformen aufweisen. Wir schlugen vor, die Diastematomyelie als laterale Aufzweigung und die Diplomyelie als ventrodorsale Teilverdoppelung des Rückenmarks (bzw. eines zusätzlichen kleinen Rückenmarkgewebsstückes) zu definieren, ohne Berücksichtigung der histologischen Struktur der einzelnen Anteile [60]. Das zusätzliche Gewebe bei Diplomyelie zeigt histologisch meist dysplastische Strukturen. Die Diastematomyelie kommt nicht selten in Kombination mit den verschiedenen Spina-bifida-Formen vor. In der Regel sieht man im Bereich der Aufzweigungsstelle der Diastematomyelie einen Knochensporn oder derbes Bindegewebe, dessen Keimzellen nach der Spaltenbildung des Rückenmarks migrieren und proliferieren.
Zystische Ausweitung des Ventriculus terminalis Bei ungewöhnlich starker Ausweitung des Ventriculus terminalis können unspezifische Symptome wie Rückenschmerzen, Blasenstörung, Muskelschwäche auftreten, die jedoch charakteristischerweise ohne Wurzelsymptomatik sind. Die Symptomatik kann erfolgreich mittels Drainage behandelt werden [97]. Entsteht auf dieser Höhe eine „terminale“ Syringomyelie, so wird sie oft von einem Tethered-cord-Syndrom begleitet [34].
Tethered cord Das Filum terminale wird in der Kanalisationsphase angelegt und entwickelt sich anschließend in der retrogressiven Differenzierungsphase weiter. Tethered cord („tight filum terminale“) ist ein verdicktes und verkürztes Filum terminale, durch das der Konus in abnorm tiefer kaudaler Position fixiert und angespannt wird. Dadurch können verschiedene klinische Symptome verursacht werden. Histologisch kann hierbei entweder eine kollagenfaserige Verdickung des umgebenden Bindegewebes, ein adipöses
57
Gewebe zwischen dem eigentlichen Filum terminale und dessen bindegewebiger Kapsel oder aber ein Gemisch des Binde- und Fettgewebes um das Filum terminale festgestellt werden [68]. Therapeutisch wird das Filum terminale abgeschnitten, wodurch eine Entspannung hervorgerufen wird. Zu merken ist, dass „tethered cord“ auch bei Erwachsenen zu sehen ist. Ein sekundäres Tetherdcord-Syndrom ist nicht selten, wie z. B. bei Narbenbildung nach der Bandscheibenoperation.
Ventrale Dysraphien Die zu 85% bei weiblichen Patienten vorkommende seltene anteriore sakrale Meningozele wird größtenteils erst im frühen Erwachsenenalter klinisch manifest, meist mit einer Meningitis. Sie wird häufig von urogenitalen Fehlbildungen begleitet und kommt in vereinzelten Fällen in Kombination mit einem Lipom, Teratom oder einer Dermoidzyste vor. Im Zelensack finden sich Leptomeningen, Dura und periphere Nerven.
Neurenterische Zyste und relevante Anomalien Die Pathogenese der neurenterischen oder enterogenen Zysten oder auch die Persistenz des frühembryonal vorübergehend vorhandenen Canalis neurentericus ist bis heute umstritten. Sicher ist, dass eine notochordale Spaltung in der früheren Embryonalzeit eine entscheidende Rolle spielt („notochordal split syndrome“); die Determinationsperiode liegt zwischen dem Zeitpunkt der notochordalen Entstehung und der Neurulation (16.–28. Tag). Eine neurenterische Zyste kann von verschiedenen ZNS-Fehlbildungen begleitet werden. Die Zysten werden bevorzugt an der ventralen Oberfläche des Rückenmarks im Bereich des unteren Zervikal- bis oberen Thrakalmarks beobachtet. Vertebrale Defekte können eine Kommunikation zwischen der intraspinalen Zyste und dem Mediastinal- oder Retroperitonealraum sein. Die Wand der Kanalreste bzw. der Zysten wird durch Schleimhautepithel des Magen-Darm-Trakts gebildet, selten auch durch Epithel der Bronchialschleimhaut. Die Zysten enthalten eine klare oder milchige visköse Flüssigkeit. Bei der intravitalen Ruptur der Zyste kann eine „chemische” Meningitis entstehen.
Dysraphien im Kleinhirnbereich In der hinteren Schädelgrube werden verschiedene Formen der Dysraphien als etablierte Syndrome beobachtet.
58
3
Kapitel 3
Häufiger sind Chiari-Anomalien. Chiari [16] beschrieb 3 Typen von zerebellären Anomalien, die er damals als Folge der Hydrozephalie interpretierte. Diese Verteilung war weder systemisch noch relevant zur Pathogenese. Hier werden die Typen 2 und 3 als dysraphische Störungen beschrieben.
Chiari-Anomalie Typ 2 Die Bezeichnung „Arnold-Chiari“-Anomalie für die Chiari-Typ-2-Anomalie stammt von den Schülern Arnolds, die irrtümlicherweise annahmen, dass dieser Fehlbildungskomplex von Chiari zum ersten Mal beschrieben worden sei und die Kleinhirnanomalie von Arnold. Die Anomalie wurde aber ursprünglich 1883 von Cleland beschrieben und von Chiari [16] zitiert. Statt „Arnold-Chiari-Anomalie“ wurde von Friede [45] die Bezeichnung „Cleland-Chiari-Anomalie“ vorgeschlagen. Beim Typ 2 drängt eine starke Hypoplasie der hinteren Schädelgrube das zuerst wachsende Palaeozerebellum (Kleinhirnwurm) in das Foramen magnum (Abb. 3.6). Bei sehr starker Hypoplasie wachsen die Kleinhirnhemisphären wegen der Raumnot auch nach lateroventral um den Hirnstamm; dieser Zustand wird als „reverse cerebellum“ bezeichnet („umgekehrtes Kleinhirn“, weil das Kleinhirn sich auch „ventral“ vom Hirnstamm befindet). Mit den kaudalen Wurmanteilen sind gewöhnlich auch längsgezogene Teile des 4. Ventrikels mit Plexus chorioideus in den rostralen Bereich des Spinalkanals verlagert. An der dorsalen Medulla oblongata ist oft eine Deformation zu sehen. Beim Typ 2 verlaufen die Zervikalnervenwurzeln typischerweise aufwärts. Dieses Phänomen wird durch eine Hypoplasie (Verkürzung) der Halswirbelsäule, kombiniert mit der Hypoplasie der hinteren Schädelgrube, erklärt. Im eigenen Untersuchungsgut war die Chiari-Anomalie Typ 2 in 7 der 13 Fälle (53,8%) von einer lumbalen Spina bifida begleitet. Dem entspricht die Beobachtung, dass bei Feten mit Spina bifida in etwa 57,1% der Fälle (12/21) eine Chiari-Anomalie dieses Typs vorliegt [9]. Eine der weiteren möglichen Komplikationen ist ein Lückenschädel (Craniolacunia), bei dem zahlreiche runde, nur aus dem äußeren und inneren Periost bestehende „Lücken der Kalottenossifikation“ beobachtet werden. Die Lücken verschwinden während der fortschreitenden Ossifikation spontan [129].
Abb. 3.6a–i Chiari- und Dandy-Walker-Anomalien. a Sagittale Aspekte eines normalen Kleinhirns und Hirnstamms. b Kleinhirntonsillenherniation bei Chiari-Anomalie Typ 1. c Herniation des Kleinhirnwurms bei Chiari-Anomalie Typ 2. d Lückenschädel (Craniolacunia) bei Chiari-Anomalie Typ 2. e „Reverse cerebellum“ mit laterofrontalem Wachstum der Kleinhirnhemisphären. f Aufsteigender
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Es handelt sich bei der Chiari-Anomalie Typ 1 um keine Fehlbildung, sondern um eine chronische Kleinhirntosillenherniation [45]. Pathogenetisch werden die Anomalien, Typ 1 und 2, als Folge eines kraniozervikalen Entwicklungskonflikts der neuralen und mesodermalen Gewebe interpretiert [131]. Beim Typ 1 nimmt das Palaeozerebellum den beschränkten Raum der hypoplastischen hinteren Schädelgrube bereits ein, die für das später wachsende Neozerebellum keinen Raum mehr zur Verfügung stellt. Die Konsequenz ist eine chronische Herniation der neozerebellären Anteile, insbesondere der Tonsillen, in das Foramen magnum [2, 71, 148]. Der Typ 1 ist oft kombiniert mit einer meist später entstehenden Syringomyelie des Halsmarkbereichs (s. unten, Abschnitt „Mit Schädelanomalien verbundene Störungen der Hirnentwicklung“). Falls primär eine hochgradige Hypoplasie der hinteren Schädelgrube vorhanden ist, entsteht bereits bei der Entwicklung des Paleozerebellum eine Raumnot, dadurch wird die Chiari-Anomalie Typ 2, wie sie bereits oben beschrieben ist, verursacht.
Chiari-Anomalie Typ 3 und Typ 4 Die seltene Chiari-Anomalie Typ 3 besteht aus einer zervikalen oder zervikookzipitalen Schisis mit zerebellärer Enzephalozele [13, 102, 120]. (Siehe auch „Rhombenzephalozele“.) Beim Typ 4, den Chiari [16] später ergänzte, handelt es sich um eine hochgradige Kleinhirnhypoplasie.
Rhombenzephalozele Im Wesentlichen ist bei der Rhombenzephalozele (4. Ventrikulozele) eine meist große okzipitale subtorkuläre Enzephalozele mit Deformierungen des Rautenhirns verbunden. Zum Zeleninhalt können Teile des Kleinhirns und/oder des verformten Hirnstamms gehören. Am entnommenen Gehirn zeigt sich das Kleinhirn entweder hypo- oder aplastisch. Typischerweise ist der Hirnstamm in ventrodorsaler Richtung mehrfach verformt. Bei der Betrachtung von basal erscheint er von den beiden Okzipitallappen nahezu überdeckt. Dies ist bedingt durch die ventrodorsale Verformung und Herniation des Hirn-
Verlauf der Spinalnervenwurzel bei Chiari-Anomalie Typ 2. g Kleine hintere Schädelgrube bei Chiari-Anomalie Typ 2. h Große hinteren Schädelgrube bei Dandy-Walker-Anomalie. i Dandy-WalkerAnomalie mit Kleinhirnwurmagenesie und zerrissenem Zystenboden des 4. Ventrikels bei einem Jungen
Spezielle Fehlbildungsformen
59
e a
b f
c g
d
i
h
60
Kapitel 3
stamms in den Zelensack [14]. Es besteht ein fließender Übergang zur Chiari-Anomalie Typ 3, bei der eine Enzephalozele (Kleinhirnherniation) kaudal bis zum zervikalen Bereich verschoben ist.
3 Dandy-Walker-Syndrom Das Syndrom besteht aus einer Hypo- oder Aplasie des Kleinhirnwurms und einer mit dem 4. Ventrikel korrespondierenden umfangreichen Zyste zwischen den beiden Kleinhirnhemisphären bis zum First des Tentoriumdaches (Abb. 3.6h,i). Die hintere Schädelgrube ist im Gegensatz zu Chiari-Anomalien stark vergrößert; Sinus transversus und Confluens sinuum sind nach oben (rostral) verlagert. Ein Hydrocephalus internus ist bei etwa 80% der Patienten vorhanden, jedoch seltener hochgradig. Er ist nicht immer mit der Atresie der Apertura mediana ventriculi quarti (Magendi) oder Apertura lateralis ventriculi quarti (Luschkae) verbunden. Makroskopisch zeigt sich nach Entnahme des Gehirns, bei der meist die dorsal des 4. Ventrikels gelegene Zystenwand einreißt, ein breit lateralwärts ausgewalzter Boden des 4. Ventrikels, der seitwärts in die Zystenwand übergeht, die zunächst noch mit einer dünnen Kleinhirnrindenschicht bedeckt ist. Mikroskopisch zeigen Frontalschnitte durch das verbliebene Kleinhirn die einigermaßen normale Rindenbildung in den restlichen Hemisphärenanteilen, aber auch den Übergang in die dorsale Zyste an Stelle des Wurms. Auch diese Fehlbildung ist vielfach kombiniert mit Balkenmangel, Lipomen und Aquäduktstenose. Die jeweilige Kombination der Fehlbildungen bestimmt das klinische Bild, das sich hierbei später manifestiert als bei der Chiari-Anomalie vom Typ 2.
Tektozerebelläre Dysraphie mit okzipitaler Enzephalozele Dieser Anomaliekomplex nimmt eine Mittelstellung zwischen Dandy-Walker- und Chiari-Anomalie vom Typ 2 ein. Man findet einen kongenitalen Hydrozephalus mit Enzephalozele im Hinterkopfbereich (Abb. 3.7a). Die wesentlichen Fehlbildungen finden sich im infratentoriellen Bereich: Agenesie des Kleinhirnwurms, dreieckige Deformierung der horizontalen Ebene des Mittelhirns, dorsale Deformation der Medulla oblongata (Buckelbildung wie bei Chiari-Anomalie Typ 2), gelegentlich eine Zyste im Kleinhirnbasisbereich (wie bei Dandy-Walker-Syndrom). Selten wird eine Dysgenesie der Großhirnrinde mit periventrikulären (nodulären) Heterotopien beobachtet. Gelegentlich findet man im Rückenmark eine Hyperplasie der grauen Substanz mit einer Deviation des Verlaufs der Hinterstränge.
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Meckel-Syndrom (Meckel-Gruber-Syndrom) Ein von Meckel [98] beschriebenes, autosomal-rezessiv vererbtes Syndrom wurde von Gruber [53], unabhängig von Meckel, Dysencephalia splanchnocystica genannt. Typische Anomalien hierbei sind eine okzipitale Enzephalozele, Mikrozephalie, Palatoschisis, polyzystische Nieren und Polydaktylie. Weiterhin können Mikrophthalmie, kardiale und urogenitale Anomalien vorkommen. Abweichend von der Palatoschisis kann eine andere faziale Schisis oder ein hoher harter Gaumen beobachtet werden. Im ZNS werden Mikrenzephalie, Holoprosenzephalie unterschiedlichen Grades, Balkenmangel, zerebelläre Anomalien, Dandy-Walker-Syndrom, tektozerebelläre Dysraphie (eigene Fälle) und retinale Dysplasie beobachtet; seltene Komplikation ist eine Mikropolygyrie. Auch das Fehlen der Neurohypophyse und eine ektopische Adenohypophyse in Zusammenhang mit der Schädelbasisanomalie wurden beschrieben [86]. Phänotypisch ist das Meckel-Syndrom sehr mannigfaltig. Dem entsprechen die molekulargenetischen Befunde: Bekannt ist die Genlokalisation entweder auf Chromosom 11q13 [132] oder auf 19q21–q24 [114]. Eine neue Genlokalisation auf 17q21-q24 wurde mit der Mutation von MKS3 entdeckt. Dieses Gen kodiert das Meckelin [145.]
Joubert-Syndrom Dieses Krankheitsbild kommt familiär [80] oder sporadisch vor. Jungen sind doppelt so häufig betroffen. Die Kinder fallen durch eine episodische Hyperpnoe und Apnoe, abnorme Augenbewegungen, Ataxie sowie eine psychomotorische Retardierung auf. Zusätzlich können hemifaziale Spasmen beobachtet werden. In 50% der Fälle findet sich eine posteriore Meningozele oder Enzephalozele (Abb. 3.7b). Als Komplikationen können Syndaktylie, Kampylodaktylie, Dysplasie der Retina (Kolobom, Leberamaurose) und Nierenzysten auftreten. Molekulargenetisch wurde eine NPHP1-Gendeletion [116] sowie AHI1-Genmutation [37] festgestellt. Morphologisch finden sich außer den Zelen eine fast komplette Agenesie des Kleinhirnwurms, eine Kommunikation des 4. Ventrikels mit der Cisterna magna, Dysplasien der Kleinhirnkerne verschiedener Intensität einschließlich Heterotopie der dysplastischen Rinde sowie der Kleinhirnkerne. Zusätzlich sieht man strukturelle Anomalien des Olivenkerns und Verlaufsanomalien der Pyramidenbahn sowie der Trigeminusbahn. Des Weiteren können verschiedene zerebrale Anomalien beobachtet werden [153].
Spezielle Fehlbildungsformen
61
d
a
e
b
f
c
Abb. 3.7a–f Schwerwiegende Kleinhirnanomalien. a Tektozerebelläre Dysraphie mit okzipitaler Enzephalozele; dreieckige Verformung des Mittelhirns. b Joubert-Syndrom mit Kleinhirnwurmagenesie. Die linke Kleinhirnhemisphäre wurde abgetrennt. c Dentatum-Dysgenesie beim gleichen Fall des Joubert-Syndroms. d Olivendysgenesie beim gleichen Fall. e Inienzephalie mit Retroflexion des Kopfes, Kraniorachischisis (Anenzephalie); f Fusion der Vertebrae im histologischen Bild eines Inienzephalusfetuses. Flexionsstörung und Dysraphien sind gut erkennbar
62
Kapitel 3
Atelenzephalie, Aprosenzephalie
3
Während die Kalotte ausgebildet ist, zeigt das hochgradig mikrenzephale Gehirn anstelle der Großhirnhemisphären eine solide lobulierte Masse gliomesenchymalen Gewebes mit gelegentlicher Verkalkung. Vom Mittelhirn ab kaudalwärts, einschließlich des Kleinhirns, sind die zentralnervösen Strukturen (abgesehen vom Fehlen der Pyramidenbahn) fast normal. Falls nicht nur das Telenzephalon, sondern auch das Dienzephalon fehlt, wird dies als Aprosenzephalie bezeichnet. Die Kinder mit dieser Fehlbildung können bis etwa ein Lebensjahr überleben. Vereinzelt wurde eine Chromosomenanomalie (13q) beschrieben [156].
Inienzephalie Als Inienzephalus (von Inium, Hinterhauptpol) wird eine Sonderform bezeichnet, bei der eine starke Retroflexion des Kopfes bei gegenüber dem Anenzephalus relativ besserer Erhaltung des Schädeldachs vorliegt (Abb. 3.7e,f). Bei direktem Kontakt der Hinterhauptknochen und der oberen thorakalen Wirbelsäule zeigt die Wirbelsäule auf Höhe von C7 eine dorsale Knickung von etwa 90°. Die hiermit verbundene Schädigung der Hinterhauptknochen ist gewöhnlich von einer zervikothorakalen Myelomeningozele begleitet. Das Foramen magnum sowie die obersten Halswirbel sind fehlgebildet; oft gibt es eine Fusion der zervikalen Vertebrae. Obwohl mehr als 200 Fälle in der Literatur bekannt sind, wurden neuropathologische Befunde erst spät ausführlich beschrieben [1]: Mikrenzephalie, Mikropolygyrie, heterotopes gliales Gewebe in den Leptomeningen, Atresie des Ventrikelsystems (Seiten- und 3. Ventrikel), Agenesie des Kleinhirnwurms, große zerebelläre Zyste sowie Meningomyelozele im Zervikothorakalbereich. Aufgrund der Wirbelsäulenentwicklungsanomalien sieht man eine Aszensusstörung des Rückenmarks im lumbosakralen Bereich mit den querlaufenden Spinalnervenwurzeln. Die Determinationsperiode des Iniencephalus occlusus liegt einige Tage nach derjenigen des Anenzephalus, in der Phase der neuraxialen Flexion. Fließende Übergänge bestehen zwischen dem Iniencephalus apertus, der Exenzephalie und den okzipitalen Enzephalozelen. Kinder mit dieser Fehlbildung werden meist tot geboren oder sterben peri- oder neonatal.
Klippel-Feil-Syndrom Hierbei besteht ein ausgeprägter Kurzhals mit Entwicklungsstörungen der Schädelknochen und der Wirbelsäule. Das SGM1-Gen (Segmental-1) spielt eine Rolle [18].
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Störungen der enzephalen Seitendifferenzierung und der Kommissuren Diesen Störungen liegt eine „Fusion“ (bzw. eine Störung der Trennung) der Gehirnstrukturen im Bereich der Mittellinie zugrunde. Das Spektrum des Neuraxialbereichs reicht vom Prosenzephalon (Vorderhirn) über das Mesenzehalon (Mittelhirn) bis zum Metenzephalon (Hinterhirn).
Holoprosenzephalien Die Holoprosenzephalie ist durch mangelhafte oder unvollständige Hemisphärenformation des Telenzephalons und gestörte Ausbildung der Kommissuren gekennzeichnet. Die Fehlbildungskomplexe dieser Gruppe zeigen ein breites Spektrum und werden von verschiedenen äußeren und inneren Fehlbildungen begleitet. Die betroffenen Kinder weisen meist eine kraniofaziale Dysmorphie auf. Hierbei sind Zyklopie, Synophthalmie oder Hypotelorismus (Verringerung des Augenabstands) typisch und werden je nach Intensität der jeweiligen Anomalien beschrieben (Abb. 3.8). Bei der Zyklopie oder Synophthalmie wird der Deszensus der Nasenanlage gestört, so dass die Nase fehlt. Stattdessen findet sich auf der Stirn in der Mittellinie eine Proboskis. Extrem selten findet sich eine verdoppelte Proboskis. Wird die Nase angelegt, kommt es evtl. zur Ausbildung nur einer Nasenöffnung (Fehlen des Nasalseptums). Je nach Grad der Hemisphärenausbildung unterscheidet man eine lobäre, semilobäre und alobäre Holoprosenzephalie. Von einer lobären Holoprosenzephalie spricht man, wenn die Fissura longitudinalis cerebri auf der Mittellinie vorhanden und bei der Lamellierung des Gehirns eine Kontinuität der Hemisphären erkennbar ist. Beim semilobären Typ ist die Fissura nur im okzipitalen Bereich vorhanden. Augenanomalien sind ebenfalls von der Intensität der Gehirnanomalie abhängig. Nicht selten gibt es eine Holoprosenzephalie ohne kraniofaziale Anomalien (etwa 1/4 der Fälle), wodurch der berühmte Ausdruck „The face predicts the brain“ (DeMyer) an Gültigkeit verliert. Nicht selten ist eine Holoprosenzephalie mit vorhandenen Bulbi und Tracti olfactorii (etwa 1/3 der Fälle). Eine Cheilopalatognathoschisis kann unterschiedlich häufig als Begleitanomalie beobachtet werden. Weiter können Anomalien im Gastrointestinaltrakt, in der Anlage der Skelettmuskulatur und des Knochensystems, im Urogenitaltrakt und im kardiovaskulären System auftreten. Klinisch wird die Holoprosenzephalie häufig nicht als solche erkannt (in einer eigenen Serie lautete die präautoptische Ultraschalldiagnose in etwa 50% der Fälle Hydrozephalie; bei Hydranenzephalie fast 100% als „schwere Hydrozephalie“).
Spezielle Fehlbildungsformen
63
a
b
d
c Abb. 3.8a–d Holoprosenzephalie. a Verschiedene faziale Anomalien. b Typisches Aussehen des alobären Holoprosenzephaliegehirns. c Frontalschnittflächen eines Holoprozenzephaliegehirns. d Holo-
prosenzephalie in situ in der frühen Fetalzeit. Die okzipitale Zyste ist bei der Obduktion artefiziell kollabiert
64
3
Kapitel 3
Makroskopisch weist die „klassische“ Form der Holoprosenzephalie ein Fehlen des Interhemisphärenspalts bei einem extrem verkürzten und sehr breiten Gehirn mit scheinbar verschmolzenen Stirnlappen und einem Fehlen der Bulbi und Tracti olfactorii auf. Die Gyrierung des Großhirns ist stark gestört. Das Gehirn enthält nur eine gemeinsame Ventrikelhöhle. Okzipitalwärts weichen die hier nicht verschmolzenen Hemisphären flügelartig lateralwärts ab. Kaudalwärts findet sich ein U-förmiger Hemisphärenabschluss, an dessen Randwulst eine zarte Deckschicht nach Art der Zisternenwände angeheftet ist, die als ursprüngliche Bedeckung des 3. Ventrikels kaudalwärts zu Tentorium bzw. Kleinhirn zieht. Das am Boden des abnormen einzigen Ventrikels liegende Dienzephalon wölbt sich gegen den Ventrikelraum vor und ist makroskopisch meist einigermaßen regelhaft angelegt. In den rostralen Polbereich verlaufen grobe Windungen quer von der einen zur anderen Seite. Die A. cerebri anterior ist nur einfach angelegt. Manchmal besteht eine atypische Lagerung der Hippokampusformation, die sich – lateral der Ventrikelwand folgend – nach rostrodorsal zieht. Aplasie der Falx, Hypo- oder Aplasie des Tentoriums, kurzer Längsdurchmesser der vorderen Schädelgrube, Fehlen der Perforation des Siebbeins in Verbindung mit der Olfaktoriusaplasie sind anzutreffen. Im Kleinhirn und Hirnstamm findet man vor allem eine zerebelläre Hypoplasie, daneben Heterotopie, dentatooliväre Dysplasien sowie eine Anomalie der langen Faserbündel (z. B. Fehlen der Pyramidenbahn) [87]. Zyklopie, Fusion beider Bulbi, Mikrophthalmie oder sonstige Augenanomalien sind häufig mit Kolobom und/oder retinaler Dysgenesie vergesellschaftet. Die Aplasie der Olfaktorii ist zwar typisch für Holoprosenzephalie, jedoch kann dieser Befund nicht selten zufällig bei der Autopsie beobachtet werden, ohne dass klinisch irgendwelche Verdachtsmomente für das Vorliegen einer zentralnervösen Krankheit bestanden hatten. Mikroskopisch erweist sich die Großhirnrinde in den rostralen Gebieten als vorwiegend allokortikal aufgebaut mit einer Architektur, die der Area entorhinalis und parapyriformis ähnelt [45, 168]. In schweren Fällen findet sich eine Fusion nicht nur am Prosenzephalon, sondern auch am Mesenzephalon (Vierhügelplatte). Dadurch bestehen Übergänge zur folgenden Form der Rhombenzephalosynapsis. Bei der Seitendifferenzierung des Neuralrohrs spielt das Gen Shh („sonic hedgehog“) eine wesentliche Rolle. Dieses Gen wird bei der normalen Entwicklung im ventralen Neuralrohr exprimiert und ist beim Vorhandensein von Cholesterol an der Induktion des zephalischen Ekto- und Mesoderms beteiligt. Ein weiteres Gen, nämlich das SIX3, wird ebenfalls bei normaler Differenzierung des Individuums im Augenbulbus und auf der Mittellinie des Telenzephalons exprimiert, wie auch das ZIC2 im dorsalen Neuralrohr.
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Im Übrigen treten Holoprosenzephalien meist sporadisch auf, jedoch besteht ein familiäres Wiederholungsrisiko, wobei eine autosomal-rezessive sowie eine dominante Übertragung diskutiert werden [11, 171]. Bei familiärer Holoprosenzephalie sind bisher folgende chromosomale Genlokalisationen kartiert worden: Chromosom 21q22.3 (HPE1), 2p21 (HPE2), 7q36 (HPE3), 18pter–q11 (HPE4), 13q32 (HPE5). Bei HPE3 wurde das Gen Shh [10], bei HPE2 das Gen SIX3 [163], bei HPE4 das Gen TGIG [52] und bei HPE5 das Gen ZIC2 identifiziert [12]. Häufig findet sich eine Kombination einer Chromosomenanomalie D (Trisomie 13) oder eines Ringchromosoms der Gruppe D mit einem kurzen Arm des Chromosoms 18 oder mit chromosomalem Mosaizismus [45]. Es besteht keine Geschlechtspräferenz. Die Holoprosenzephalie kann auch exogen verursacht sein. Etwa 1–2% der Neugeborenen diabetische Mütter sind holoprosenzephal.
Smith-Lemli-Opitz-Syndrom Gelegentlich sieht man beim Smith-Lemli-Opitz-Syndrom zusätzlich eine Holoprosenzephalie. Das autosomal-rezessive Syndrom [143] besteht morphologisch aus multiplen Anomalien (faziale Dysmorphien, Mikrozephalie, urogenitale Anomalien, rudimentäre Polydaktylie, kutane Syndaktylie) und anderen Hautanomalien. Ein Defekt der 7-Dehydrocholesterol-Reduktase-Aktivität ist hier eine wesentliche Ursache [84]. Dieses Ferment ist auch an der Entstehung der Holoprosenzephalie beteiligt.
Rhombenzephalosynapsis Diese Anomalie ist durch eine Fusion der Kleinhirnhemisphären mit Agenesie des Kleinhirnwurms sowie der Fusion der Colliculi inferiores gekennzeichnet (Abb. 3.9). Ein einziger Nucleus dentatus mit seiner typischen gefälteten Struktur überbrückt die Mittellinie. Weitere Kleinhirnkerne sind anatomisch nicht identifizierbar, stattdessen finden sich mehrere, meist kugelige heterotope Nervenzellgruppen im Mark. Es gibt bei der Rhombenzephalosynapsis – wie bei Holoprosenzephalie – ein breites Spektrum der Intensität der Fehlbildung. So kann die Verschmelzung unvollständig bleiben oder die Nuclei dentati sind nicht verschmolzen, sondern liegen am Dach des 4. Ventrikels in 2 Zellgruppen dicht nebeneinander. Der molekulargenetische Hintergrund der Rhombenzephalosynapsis ist noch nicht bekannt.
Spezielle Fehlbildungsformen
65
a
c
b
Abb. 3.9a–c Rhombenzephalosynapsis. a Keine Kleinhirnwurm mit fusionierten Hemisphären. b Ein einziger Zahnkern steht auf der Mittellinie. c Colliculus inferior ohne Teilung auf links und rechts
Balkenmangel Bei dieser Fehlbildung des Kommissurensystems kann es sich um eine totale Agenesie des Balkens oder um partielle Defekte handeln (Abb. 3.10). Bei der unvollständigen Formation des Balkens ist meist der hintere Anteil betroffen. Bei vollständigem Balkenmangel, der häufigsten Form, ist nur die vordere Kommissur erhalten. Die Hemisphären sind jedoch mit Ausnahme der Lamina terminalis getrennt. Bei der makroskopischen Betrachtung sieht man an der Medianseite der Hemisphären radiär gestellte, vielfach etwas plumpe Windungen ohne die Abgrenzung eines Gyrus cinguli. Auf den Frontalschnitten ist darüber hinaus ein Längsbündel (Probst-Bündel) zu erkennen, das in rostrokaudaler Richtung am Dach der Seitenventrikel verläuft. Beim partiellen Balkenmangel ist ein Probst-Bündel nicht immer erkennbar. Sowohl das Splenium als auch das Rostrum können von Partialdefekten betroffen sein. In Kombination mit dem Balkenmangel finden sich Aquäduktstenosen, zystische Verbreiterungen des Septum pellucidum, Kleinhirnwurmagenesien, Mikropolygyrien, aber auch Aneurysmen der A. cerebri anterior,
Abb. 3.10 Teilagenesie des Balkens. Der hintere Teil des Balkens fehlt, wo der Gyrus cinguli ebenfalls fehlt und die Gyri/Sulci eine radiäre Richtung aufweisen
arteriovenöse Fehlbildungen, Meningeome und – anstelle des Balkens – Lipome. Der 3. Ventrikel ist höher als normal. Sein Dach wird durch eine bindegewebige Membran gebildet, die rostralwärts mit den Fornices in Verbindung steht. Die Commissura hippocampalis (Psalterium) kann fehlen.
66
3
Kapitel 3
Ontogenetisch entstehen Balken, Septum, vordere Kommissuren und Commissura hippocampalis aus einer gemeinsamen Anlage, der Kommissurenplatte. Sie entwickeln sich innerhalb der ersten 14 Embryonaltage. Während die hintere Kommissur in der 5. Woche, die vordere und hippokampale Kommissur in der 7. Woche erscheinen, wird der Balken erst um die 11.–12. Woche gebildet und hat nicht vor der 20. Fetalwoche die volle Dichte der – allerdings noch nicht myelinisierten – Axone gewonnen. Der Balken entwickelt sich zunächst dorsal, dann rostral und zuletzt in seinem kaudalen Ende mit dem Splenium. Der Autor fand eine frühzeitige Sulkusformation bei Balkenmangel in der Fetalzeit [66]. Die Häufigkeit des Balkenmangels wurde in Pneumoenzephalographieserien mit 0,7% angegeben [27]. Klinisch kann der Balkenmangel symptomlos sein, jedoch kann er mit neuropsychologischen Untersuchungen diagnostiziert werden. Immerhin finden sich aber bei etwa 80% der betroffenen Kinder Entwicklungsstörungen. In 70% der Fälle besteht ein Hypertelorismus mit verbreitertem Augenabstand und abgeflachter Stirn. Krampfanfälle sind nicht selten. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass der Balkenmangel häufig mit anderen zentralnervösen Fehlbildungen gekoppelt ist, insbesondere mit dem Aicardi-Syndrom (mit okulären Anomalien und infantilen Spasmen; bei Jungen X-rezessiv, bei Mädchen X-dominant, jedoch letal in der Frühembryonalzeit), aber auch mit Stoffwechseldefekten wie der Hyperglyzinämie [27].
Septooptische Dysplasie (De-Morsier-Syndrom) Bei der septooptischen Dysplasie ist der Septumdefekt mit einer hypothalamohypophysären Hypo- bzw. Dysplasie und einer optischen Hypoplasie verbunden (Abb. 3.11) [25]. Es gibt hierbei auch Fälle ohne Beteiligung des Septum pellucidums und der Olfaktorii. Eine Fusion der vorderen Wand des 3. Ventrikels kann beobachtet werden. Der Hypophysenhinterlappen kann entweder fehlen oder eine Hypoplasie aufweisen. Eine zusätzliche Anomalie ist die Heterotopie oder Dysgenesie im Kleinhirn. Bei diesem Syndrom ist eine Hypophysenhormonfunktionsstörung als Komplikation bekannt, wobei die Mutation eines der Gene HESX1, SOX2 oder SOX3 für den Phänotyp dieser Krankheit verantwortlich sein kann [22, 83]. Für die Entstehung dieses Syndroms sind auch Umweltfaktoren wichtig [83]. Das Fehlen des Septum pellucidum kann Ausdruck einer Agenesie sein, kann aber auch durch einen fetalen oder perinatalen Hydrozephalus und die darauf folgende Druckatrophie verursacht werden.
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
„Verschmelzung“ der Thalami (Unithalamus) Thalamusverschmelzungen mit vollständigen oder weitgehenden Atresien des 3. Ventrikels sind Fehlbildungen, die über die Variationsbreiten in der Größe der Massa intermedia hinausgehen. Mikroskopisch sind anatomisch nicht zuzuordnende Neuronengruppen in der Mittellinie nachweisbar. Sie kommen außer bei Holoprosenzephalie z. B. bei alkoholbedingten Fetopathien vor [117], evtl. als ein einziger Befund im sonst normalen Gehirn.
Kortikale Anomalien Störungen der Nervenzellmigration und Gyrierung Neben den dysraphischen Fehlbildungen und Störungen der telenzephalen Hirnbläschenbildung einschließlich der Fehlbildungen der Kommissurensysteme stellen die Fehlbildungen der Rinde von Groß- und Kleinhirn als Differenzierungsstörungen die dritte große Gruppe der ZNS-Malformationen dar. Am Großhirn gehören hierzu die Lissenzephalien (Synonym: Agyrien), Pachygyrien und Mikropolygyrien, ferner am Kleinhirn Heterotopien.
Lissenzephalie I, Pachygyrie, Doppelkortexsyndrom Die glatte, ungyrierte Oberfläche des Gehirns (Abb. 3.11d), die bis zur 11. Fetalwoche, dem Beginn der Furchenbildung in der Sylvius-Fissura, die Regel ist, wird normalerweise in den darauf folgenden Fetalwochen durch die Bildung der Gyri ersetzt. Unter pathologischen Bedingungen bleibt diese Gyrierung völlig aus (Lissenzephalie/ Agyrie), oder es werden nur breite, flache Windungen gebildet (Pachygyrie), wobei es Übergänge gibt. Bei den Pachygyrien ist die Untergliederung der Rinde weiter fortgeschritten in Richtung der oben erwähnten Sechsschichtung. Die Pachygyrie zeigt jedoch eine ähnliche Histologie wie die Agyrie. Bei Lissenzephalie I liegt unter einer glatten Großhirnoberfläche eine dicke, wenig differenzierte Rindenschicht. Das Marklager ist verschmälert. Der Kortex zeigt histologisch 4 Schichten: • eine marginale (Molekular-)Schicht, • eine oberflächliche neuronale Zellschicht, • eine zellarme Schicht mit tangential verlaufenden myelinisierten Fasern, • eine tiefere neuronale Zellschicht.
Spezielle Fehlbildungsformen
67
a e
b
f
c
d Abb. 3.11a–g DeMorsier-Syndrom (a–c), Lissenzepahlie und Heterotopie. a Septumdysgenesie. b Asymmetrie des Okulus. c Retinale Dysgenesie. d Lissenzephalie Typ 1 ohne Gyrusformation. e Lis-
g senzephalie Typ 2 mit kopfsteinpflasterartiger Gehirnoberfläche. f Mikropolygyrie. Mediane Seiten der Frontallappen bds. g Noduläre Heterotopie, die sich subependymal am Seitenventrikelufer befin-
68
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
3
h
i
Abb. 3.11h–i h Multiple bilaterale subependymale Heterotopie in der Fetalzeit. i Hirnwarze als Zufallsbefund (Pfeilspitze)
Lissenzephalie kann sich sporadisch oder familiär manifestieren. Bei dem Miller-Dieker-Syndrom [26] wurde eine Mikrodeletion auf Chromosom 17p13.3 identifiziert. Das Gen hierfür wurde LIS1 genannt. Die migrationsgehemmten Neuronen können eine weitere Schicht bilden, die unterhalb des Kortex im Marklager liegt (Bandheterotopie, s. unten). LIS1, das eine Untereinheit der Acetylhydroxylase kodiert, die den Abbau des plättchenaktivierenden Faktors (PAF) beeinflusst, wird von Cajal-Retzius-Zellen exprimiert [125]. Nach Dobyns et al. [28] ist die pachy- oder agyrale Anomalie bei der LIS1-Mutation stärker im posterioren Okzipitalbereich und bei der XLIS-Mutation stärker im anterioren Okzipitalbereich ausgeprägt. Das Syndrom weist zusätzliche extrazerebrale Fehlbildungen auf. Bei der Pachygyrie ist die Auffaltung der Hirnoberfläche in die üblichen Windungen und Furchen reduziert, die Windungen sind breiter als normal. Im Grenzbereich der Pachygyrie zum normalen Kortex zeigt die oberflächliche neurale Schicht einen Übergang zum regelrecht aufgebauten Kortex, während die tiefere neuronale Schicht keine Kontinuität aufweist. Dieser Befund unterscheidet die vierschichtige Rindenstruktur der Pachygyrie von der der Mikropolygyrie. Das Claustrum fehlt. Zusätzliche Anomalien sind im Kleinhirn-Medulla-Bereich zu sehen, wo es zur Olivenkernheterotopie und zu Migrationshemmungen bei der Bildung der Kleinhirnrinde kommen kann [78], wohingegen die Dentatumdysgenesie weniger auffällig ist. Das für die X-gebundene Form der Lissenzephalie verantwortliche Gen DCX (auch als XLIS oder Doublecortin bezeichnet) ist auf dem Chromosom Xq22.3–q23 lokalisiert. Bei Jungen weisen alle Neuroblasten im Großhirn eine gestörte Migration auf, wodurch es zur schweren Migrationsstörung kommt. Hingegen wird bei Mädchen
der Phänotyp nur durch ein einzelnes mutiertes Gen (x) beeinflusst, weswegen nur ein Teil der Neuroblasten in der Migration gehemmt ist (Doppelhortex, laminäre Heterotopie, Bandheterotopie). Eine begleitende Kleinhirnwurmhypoplasie ist bei der XLIS-Mutation häufiger als bei der LIS1-Mutation.
Lissenzephalie II, zerebrookuläre Dysplasien Die Typ-II-Lissenzephalie ist eine sog. pachygyre Mikropolygyrie, bei der die Hirnoberfläche ebenfalls windungslos oder -arm jedoch nicht glatt ist, sondern kopfsteinpflasterartig (Abb. 3.11e). Histologisch sind zahlreiche, oft konfluierende Mikrogyrien zu beobachten. Im Kleinhirn bestehen blumenkohlartige kortikale Anomalien. Dieser Typ II ist meist mit okulozerebromuskulären Anomalien einschließlich Walker-Warburg-Syndrom [135] oder der kongenitalen Muskeldystrophie vom Typ Fukuyama verbunden [60, 81, 133]. Das Walker-Warburg-Syndrom und das HARD+ESyndrom (Hydrozephalus, Agyrie, Retinadysplasie und Enzephalozele) werden autosomal-rezessiv vererbt. Einige davon werden durch Mutation von POMT1- und POMT2Genen verursacht. Lissenzephalien vom Typ II, leptomeningeale glioneurale Heterotopien mit mesenchymaler Proliferation und Pyramidenbahnanomalien sind typisch. Oft ist ein Hydrozephalus zu sehen und okuläre Dysplasien von unterschiedlichen Manifestationen sind typisch. Gelegentlich findet sich eine Enzephalozele. Meist besteht allerdings eine Makrenzephalie. Eine gleichzeitig vorliegende Muskeldystrophie ist weniger auffällig [162, 164]. Die Muskeldystrophie Typ Fukuyama wird autosomalrezessiv vererbt. Das Gen FCMD/Fukutin liegt auf dem
Spezielle Fehlbildungsformen
Chromosom 9q31-33. Typisch sind Lissenzephalie II, leptomeningeale glioneurale Heterotopie mit mesenchymaler Proliferation, Hypomyelination der zerebralen weißen Substanz, mikropolygyre Dysgenesie der Kleinhirnrinde, Hypoplasie der Pyramidenbahn und eine allerdings wenig auffallende okuläre Dysplasie. Ein Hydrozephalus tritt meist nicht auf, eher eine Mikrenzephalie [46]. Die zerebrookuläre Dysplasie, von Towfighi et al. [156] beschrieben, mit einem Muskeldystrophiesyndrom ist sozusagen eine Zwischenstufe von den oben genannten Syndromen. Die Vererbung ist autosomal-rezessiv, der Genlokus liegt auf 1p32-34 und das betroffene Gen ist POMGnT1.
Mikropolygyrie Im Gegensatz zur Pachygyrie oder Agyrie sind bei der Mikropolygyrie (Synonym: Polymikrogyrie) die Windungen angelegt, aber häufig atypisch untergliedert und auch zytoarchitektonisch nicht normal sechsschichtig aufgebaut (Abb. 3.11f). Die Mikropolygyrie kann diffus oder fokal beobachtet werden. Häufig kommt sie in der Umgebung enzephaloklastischer Läsionen (z. B. Porenzephalie) vor. Außerdem ist eine regionäre Mikropolygyrie in bestimmten arteriellen Versorgungsgebieten bekannt [128]. Ätiologisch ist die exogene Entstehung der Mikropolygyrien besonders eindrücklich erkennbar bei den fetalen Schädigungen durch Zytomegalie-, Toxoplasmose- oder Rubeoleninfektionen. Die Determinationsperiode liegt frühestens in der 20./21. Gestationswoche. Immerhin zeigt die Kombination mit Pachygyrien, dass die Determinationsperiode ziemlich breit ist. Ein weiteres Argument hierfür ist, dass der Grad der noch im Marklager anzutreffenden migrierenden Nervenzellen variiert. Bei einer sich spät manifestierenden Schädigung sind Nervenzellen in Marklager und Markzungen nur noch vereinzelt erkennbar. Mikroskopisch zeigt die typische Mikropolygyrie eine vierschichtige Rindenstruktur: • Molekularschicht, • obere zelldichte Nervenzellschicht, • Nervenfaserschicht, • innere Nervenzellschicht. Die 3. Schicht ist offenbar durch Zellnekrose und spätere Myelinisierung entstanden; in den beiden Nervenzellschichten sind gelegentlich noch sowohl Körnerals auch Pyramidenzellen als Reste der „normalen“ 6-Schichten-Struktur des Kortex erkennbar. Eine normal ausgebildete 2. Schicht spricht für eine abgeschlossene Nervenzellmigration. Insgesamt ist der pathologische Kortex dünner als der normale Kortex, jedoch ist er dort fast gleich dick, wo Mikropolygyrie zum normalen Kortex übergeht.
69
Zerebrale Heterotopien Zerebrale Heterotopien entstehen durch eine Migrationsstörung der Neuroblasten auf dem Wege von der periventrikulären Matrixzone zur Rinde, wobei die Neuroblasten an heterotoper Stelle weiter differenzieren (Abb. 3.11g,h). Es werden laminäre und noduläre Heterotopien unterschieden. Die laminäre Form (Bandheterotopie) findet sich vorwiegend in Verbindung mit Pachygyrien (Doppelkortexsyndrom, s. oben), aber auch bei einer makroskopisch scheinbar normalen Rindenstruktur. Es ist möglich, dass die laminäre Heterotopie viel heterogener ist, als man bisher annimmt. Die laminäre Heterotopie weist mikroskopisch einen rindenähnlichen Aufbau auf, wobei breite Übergänge zwischen atypisch ungeordnet durcheinander liegenden Zellen verschiedener Typen einerseits, einer ausgebildeten Sechsschichtung andererseits erkennbar sind. Noduläre Heterotopien sind dagegen meist kleiner und finden sich oft periventrikulär. Funktionsstörungen der radialen Glia können die Ursache der Migrationshemmung der Neuroblasten sein. Die Heterotopie kann solitär oder multipel vorhanden und mit einer Mikropolygyrie assoziiert sein. Klinisch zweimal häufiger ist die noduläre Heterotopie bei Mädchen als bei Jungen in epileptischen Fällen. Auch als Zufallsbefund ohne relevante klinische Symptomatik wird sie gefunden; nach eigener Beobachtung ist eine solitäre, kleine Heterotopie (<8 mm Durchmesser) im Großhirnmark als einzige Entwicklungsanomalie bei 0,7% der Routineautopsien zu finden. Bilaterale periventrikuläre noduläre Heterotopien (BPNH) werden bei Patientinnen mit Epilepsie und normaler Intelligenz ohne weitere Fehlbildungen beobachtet (Genlokalisation Xq28); sie werden aber auch bei männlichen Patienten mit Epilepsie und geistiger Retardierung registriert (Genlokalisation möglicherweise auch auf Chromosom X) [54]. Bei einer Patientin mit BPNH, Herzfehler und Koagulopathie durch eine X-dominante Heredität konnte ein verantwortliches Gen als Filamin 1 (FLN1) identifiziert werden [41]. Filamin ist ein aktinbindendes Protein 280 (ABP280), das für die Zellmigration erforderlich ist [92]. Unabhängig von der FLN1-Mutation ist eine Disorganisation von Radialglia für die Entstehung der periventrikulären nodulären Heterotopien verantwortlich [136]. Die geistig retardierten Patienten, deren Mütter während der 8./9. Schwangerschaftswoche die Atombombenexplosion in Hiroshima/Nagasaki erlebten, zeigten in der Kernspintomographie (MRI) bilaterale periventrikuläre Heterotopien. Diejenigen, die während der 12./13. Fetalwoche intrauterin den Atombomben ausgesetzt worden waren, zeigten im MRI jedoch keine eindeutigen Heterotopien, sondern vielmehr Pachygyrien [141].
70
Kapitel 3
Mikrodysgenesie (fokale Dysplasie) und Normvariante
3
Das Problem bei Mikrodysgenesien ist ihre Abgrenzung von „Normvarianten“. Einzelne, locker verstreute Nervenzellen in Marklager und Markzungen von Kleinkindern sind ein sehr häufiger Befund. Nur eine längere Persistenz über das erste Lebensjahr hinaus und eine Verdichtung im tiefen Marklager wird als pathologische Zellheterotopie bzw. Migrationshemmung aufgefasst. Solitäre noduläre Heterotopie ist gelegentlich klinisch stumm (s. oben). Als Hirnwarze (Abb. 3.11i) werden bei sonst normal entwickelter Hirnoberfläche erkennbare kleine, breitbasig und abgeplattet den Gyruskuppen aufgelagerte Rindenprominenzen bezeichnet, die immerhin in 26% aller Fälle einer laufenden Obduktionsserie beobachtet werden konnten [138]. Die Zahl der Warzen pro Gehirn schwankt zwischen 1 und 30, wobei bevorzugt der Gyrus frontalis inferior (31%), der Gyrus frontalis medius (25%) und die übrigen Frontal- und Orbitawindungen beteiligt sind. Innerhalb der Hirnwarze ist die Architektur der Rindenschichtung verändert. Es findet sich vor allem eine verbreiterte Molekularschicht mit atypisch gelagerten und atypisch großen Nervenzellen. Kleinere Ektopien kortikalen Gewebes lassen sich auch innerhalb der Leptomeningen und Dura, sogar intraossär im Warzenfortsatz finden, außerdem als heterotopes Hirngewebe im Nasenbereich. Auch in den Leptomeningen können neurogliale Heterotopien vorkommen [20], sehr oft im Bereich der Hypothalamusoberfläche (leptomeningeale glioneuronale Heterotopie), auch im Windungstal des Insel-Hippokampus-Bereichs. Sie sind in winzigem Maße ohne klinische Bedeutung. Von Bedeutung ist es aber, wenn diese bei kortikalen Dysplasien zu sehen sind, wie z. B. bei Lissenzephalie II, Mikropolygyrie, zerebrookulären Syndromen, Holoprosenzephalie oder verschiedenen Trisomiefällen. Histologisch sind, je nach Intensität, mesodermales Gewebe (Leptomeningen) und glioneuronales Gewebe gemischt. Die einzelnen Nervenzellen, die in den Leptomeningen verstreut vorhanden sind, sind orthotope adrenerge Zellen, in denen immunhistochemisch die Tyrosinhydroxylase nachgewiesen wird [73]. Diese Zellen dürfen nicht als heterotop interpretiert werden. Die Matrixzellheterotopie des Kleinhirns, früher als Spindelzell- und Körnerzellheterotopie bezeichnet, kann als einzig nachweisbare Anomalie bei Feten und Neugeborenen beobachtet werden. Häufig ist sie innerhalb des Nucleus dentatus. Ihre Zellen sind vielfach perivaskulär gelagert. Die Matrixzellansammlungen im Zahnkern bilden sich gegen Ende der Fetalzeit zurück. Bei Frühgeborenen finden sie sich noch in 72% der Fälle; bis zum 4. Postnatalmonat werden sie immer seltener. Ihre Persistenz und ungewöhnliche postnatale Dichte ist ebenso als Dysgenesie zu
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
deuten wie eine olivodentale Dysgenesie. Ihr gemeinsames Vorkommen spricht für gestörte Koordination zwischen der Entwicklung der beiden Zellareale. Dysgenesien zerebellärer Matrixzellen finden sich zu 61% in Verbindung mit anderen Fehlbildungen, vor allem bei Trisomien. Heterotope Nervenzellinseln im Kleinhirnmark, die von Kleinhirnkernen abstammen sollen, werden nach eigener Untersuchung bei Feten in einer Häufigkeit von 27,7%, bei Kindern bis zum 1. Lebensjahr zu 20,0% und bei Erwachsenen zu 13,3% ohne sonstige Anomalien beobachtet. Die Purkinje-Zellen wandern in die Richtung ihrer endgültigen Platzierung in der Zeit zwischen der 6. und 13. Fetalwoche mit Höhepunkt in der 9. und 10. Woche, ausgehend von einer Matrixzone am Dach des 4. Ventrikels. Größere Inseln dicht liegender Purkinje-Zellen sieht man gelegentlich in den Markzungen der Kleinhirnläppchen. In der weißen Substanz des Rückenmarks finden sich bei etwa 2% der eigenen Routineobduktion vereinzelt heterotope Nervenzellen. Sie ähneln denen der ClarkeSäule. In gleicher Häufigkeit werden sie in den Spinalnervenwurzeln angetroffen [65]. Die erste Beschreibung solcher heterotoper Nervenzellen in den Vorderwurzeln des Petromyzon (Neunauge) erfolgte durch Sigmund Freud [43]. Der mangelnde Erfolg einer posterioren Rhizotomie bei der Schmerztherapie wird erklärt durch das Vorhandensein solcher sensorischer Ganglienzellen in den Vorderwurzeln und ihren „transanteroradikulären sensorischen Bahnen“ [19]. Heterotope Nervenzellen ohne Axone und Dendriten im Vorderhorn sowie der Vorderwurzel wurden bei autosomal-rezessiver spinaler Muskelatrophie beschrieben [142].
Porenzephalie Während eine autosomal-dominante Manifestation der Porenzephalie bekannt ist, gibt es diese auch aufgrund bekannter klinischer enzephaloklastischer Manifestationen, wie z. B. schwere intrauterine Traumata oder Folge einer Amniozentese. Morphologisch sieht man einen Substanzdefekt an der Parietalrinde, die oft mit dem Lateralventrikel kommuniziert (Abb. 3.12a). In der Regel findet sich am Rand des Rindendefekts eine fokale Mikropolygyrie. Friede [45] hält Porenzephalie und Schizenzephalie für Synonyme.
Kongenitales bilaterales perisylvisches Syndrom (Foix-Chavany-Marie) Die klinisch als faciopharyngoglossomastikatorische Diplegie bezeichneten bilateralen Infarkte in den Operkula
Spezielle Fehlbildungsformen
71 Abb. 3.12a–c Enzephaloklastische Zustände und Kleinhirnagenesie. a Porenzephalie. b Kongenitale bilaterale perisylvische Nekrose (Foix-Chavany-Marie-Syndrom) bei einem Neugeborenen mit fetofetalem Transfusionssyndrom. c Agenesie des Kleinhirns
a
b
c
wurden zwar bisher nur bei Erwachsenen beschrieben [40], können aber auch kongenital auftreten (Abb. 3.12b). Die klinischen Symptome, wie z. B. Pseudobulbärparalyse der Gesicht-, Zungen-, Kau- und Schlundmuskulatur sowie epileptische Krampfanfälle, können gleich nach der Geburt oder erst später auftreten. Morphologisch ist das Gehirn mikrenzephalisch und zeigt perisylvische Infarkte mit oder ohne fokale Mikropolygyrie; auch periventrikuläre Verkalkungen oder Heterotopien sind beschrieben worden, gelegentlich fehlt das Claustrum. Ätiopathogenetisch ist dieses Syndrom entweder exogen (fetofetale Transfusion, toxisch, infektiös) oder findet sich im Rahmen genetischer Syndrome.
der Arachnoidalmembran von der Dura. Häufig finden sie sich in den Sylviusfurchen (49%), im zerebellopontinen Winkel (11%), im Bereich der Vierhügelplatte (10%), im Kleinhirnwurmbereich (9%) und etwas seltener im interhemisphärischen oder intrapedunkulären Bereich [127]. Gelegentlich können Fragmente von Plexusgewebe innerhalb der Arachnoidalzyste gefunden werden, nicht nur im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels, in dessen Nähe der Plexus chorioideus regulär vorhanden ist, sondern auch in anderen Lokalisationen, wie z. B. am Temporalpol [107].
Anomalien des Kleinhirns (Agenesie, Hypoplasie) und des Hirnstamms Arachnoidalzyste Die Pathogenese der Arachnoidalzyste ist vielfältig. Erworbene Arachnoidalzysten sind häufig. Kongenitale Zysten bestehen aus Arachnoidalzellen mit Vermehrung der Kollagenfasern. Sie entstehen durch die Absplitterung
Bei Agenesie und Hypoplasie des Kleinhirns ist eine Blickdiagnose möglich (Abb. 3.12c). Heterotopien des Kleinhirns bei Feten sowie Neugeborenen bestehen aus Matrix- bzw. Körnerzellen sowie Purkinje-Zellen, die keine regelrechte zerebellokortikale Struk-
72
3
Kapitel 3
tur bilden. Sie finden sich meist im Stiel (Mark) des Flokkulus und im ventralen Nodulusbereich (Paleozerebellum). Sie sind nahezu konstant bei Trisomie 21, aber auch bei Trisomien 13 und 18 zu sehen. Man findet sie aber auch als einzigen Befund im sonst normalen Fetusgehirn im Sinne einer meist klinisch bedeutungslosen Mikrodysgenesie (L’hermitte-Duclos-Anomalie: s. Kap. Tumor).
Dentatooliväre Anomalien Die Stammzellen der Olivenkerne (Nucleus olivaris inferior) stammen subependymal vom Boden des 4. Ventrikels und wandern ventralwärts. Zuerst wird eine Oberlippe, dann eine Unterlippe der Olivenkerne gebildet und erst dann wird eine gefaltete Struktur formiert [106]. Auf dem Migrationsweg kann eine Olivenheterotopie entstehen, wobei hier als Komplikation eine Hypoplasie des Olivenkerns entstehen kann: Die Olivenkerne zeigen keine, nur gering gefaltete Strukturen oder kurze/fehlende Lippen. Die typische physiologische Struktur des Dentatuskerns bildet sich eigenartig aus. Letztlich entsteht die gefaltete Struktur aus der Fusion perivaskulärer Räume [106]. Pathologisch kann der Nucleus dentatus unterschiedliche Strukturen aufweisen. Eine dieser Möglichkeiten ist eine einfache Nervenzellmasse, die dem Nucleus lateralis von Nagetieren ähnlich ist. Eine andere pathologische Ausprägung ist eine Art „Fragmentierung“ des Nervenzellbands im Dentatum, die bei der dreidimensionalen Rekonstruktion als sackförmiges Dentatum mit multiplen Fenestrierungen festgestellt wird. Im fetalen Dentatum werden sehr häufig residuelle Matrixzellen beobachtet, die den transitorischen äußeren Körnerzellen des Kleinhirnkortex [44, 77] entsprechen. Im Kindes- oder Erwachsenenalter sind sie nicht mehr zu beobachten.
Agenesie oder fokale Destruktion der Hirnnervenkerne (Möbius-Syndrom) Das Syndrom besteht klinisch aus einem kongenitalen Ausfall der Hirnnervenfunktionen. Seine Grundlage ist eine uni- oder bilaterale A- oder Hypogenesie der betroffenen Hirnnervenkerne mit peripherer Nervenlähmung. In den betroffenen Kerngebieten ist die Anzahl der Nervenzellen stark reduziert, gelegentlich finden sich auch nur Verkalkungen. Dieses wird häufiger im Nucleus abducens oder Nucleus facialis beobachtet, kann aber gelegentlich auch in beiden gleichzeitig auftreten.
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Anomalien des Ventrikelsystems und des Zentralkanals Anomalien des Ventrikelsystems und des Zentralkanals sowie seine Normvarianten können aus pathogenetischer Sicht wie folgt zusammengefasst werden: • Assoziation mit Gehirnfehlbildungen: Hydrozephalus, komplette Atresie des Seitenventrikels bei Inienzephalie, Divertikel durch Makrogyrie bei thanatophorer Dysplasie; • Anomalie der Furchenformation und Makrogyrie: Teilatresie des Seitenventrikels durch abnorm tiefe Furchenformation; • Fetalstrukturen: Cavum septi pellucidi, Cavum Vergae (sie gehören nicht zum Ventrikelsystem); • Fusion der ependymalen Oberfläche: abgetrennte Hinterhornspitze (Normvariante), Atresie des Aquädukts; Koaptation/Koaktation (Fusion vorwiegend der lateralen Seitenventrikel- mit der Balkenoberfläche bei Erwachsenen; keine angeborene Anomalie); • Dysraphien: Myelozystozele, Rhombenzephalozele (Zele des 4. Ventrikels); • Kollaps und Verschluss des Zentralkanals: keine angeborene Anomalie; • Hydrops: Hydromyelie, Hydrosyringomyelie, terminale Syringomyelie; Zyste des Ventriculus terminalis.
Hydrolethalus-Syndrom Die vorwiegend in Finnland beobachtete autosomal-rezessive Erkrankung (letal meist in neonataler Zeit) ist verbunden mit einem Hydramnion und zeigt – neben Hydrozephalus, Mikrognathie, Polydaktylie – angeborene Herzfehler und urogenitale Anomalien. Neuropathologisch sind außer einem Hydrozephalus ein schlüssellochförmiges Foramen magnum, Aplasie des Olfaktorius, Hypoplasie des Optikusnervs und Kolobom sowie Mittelliniendysgenesie mit Unithalamus zu beobachten. Das verantwortliche Gen HYLS1ist auf Chromosom 11q24.2 lokalisiert [160]. Durch eine Missense-Mutation dieses Gens wird das Syndrom verursacht [99]. Differentialdiagnostisch muss ein Meckel-Syndrom ausgeschlossen werden.
Seitenventrikel Fehlen des Seitenventrikels: Aleksic et al. [1] haben bei 4 von 5 autoptisch untersuchten Inienzephaliefällen ein Fehlen des Seitenventrikels beobachtet und als „Atresie“ bezeichnet (s. Abschnitt Inienzephalie). Hierbei wurde auch eine Verschmelzung der Sylviusfurchen sowie
73
Spezielle Fehlbildungsformen
der Hemisphären beobachtet. An der Stelle des 3. Ventrikels war nur ein rundlicher verschlossener Raum vorhanden. Abnorm tiefe Furchen in Verbindung mit multiplen Divertikeln des Seitenventrikels (s. Abb. 3.15) können plumpe, grobe Windungen (Makrogyrie) verursachen, wie sie bei thanatophorer Dysplasie vorkommen [62]. Eine Abtrennung der Spitze des Hinterhorns des Seitenventrikels (Normvariante) findet sich bei etwa 29% der Europäer bei Erwachsenen [63]. Diese Abtrennung entsteht während der postnatalen Großhirnentwicklungszeit (3–6 Monate postnatal) durch die Verklebung der ependymalen Oberflächen an der schmalsten Stelle des Hinterhorns [165] und wird als ein isolierter, von Ependymzellen ummauerter Raum unilateral oder bilateral sowohl neuroradiologisch als auch autoptisch beobachtet. Klinisch ist das Vorhandensein dieses kleinen Raums ohne Bedeutung. Die physiologische ependymale „Verklebung“ kann in der embryonalen, fetalen oder neonatalen Zeit stattfinden. In der Fetalzeit wird dieses Geschehen in der weißen Substanz des Gyrus fusiformis beobachtet, wenn sich das Ammonshorn bei der Entwicklung einrollt. Im Erwachsenenalter ist eine sekundäre Verklebung der Ventrikeloberfläche als pathologisch zu bewerten. Der Zustand wird als „Koaktation“ (oder „Mikroventrikuli“) bezeichnet. Die Ursache hierfür kann z. B. eine Ventrikulitis sein.
a
b
Cavum septi pellucidi Das Cavum septi pellucidi gehört wie das Cavum Vergae anatomisch nicht zum Ventrikelsystem. Es handelt sich um einen Spaltraum, der zwischen den Septumblättern liegt und sich zwischen den absteigenden Schenkeln der Fornices kaudalwärts erstreckt (Abb. 3.13a). Die inneren Wände besitzen keine ependymale Auskleidung der Oberfläche. Das Cavum septi pellucidi entsteht zwischen der 12. und 22. Gestationswoche durch Nekrobiose. Bis zum 6. Lebensmonat ist es in etwa 85% der Fälle geschlossen. Ein Cavum septi pellucidi ist bei Neugeborenen ein normaler Befund. Es kann ohne klinische Manifestation persistieren. Die Festlegung der Grenze, von welcher Größe ab ein Cavum septi pellucidi als pathologisch und dysontogenetisch aufzufassen ist, ist strittig. Pathogenetisch ähnliche Verhältnisse bieten sich beim kommunizierenden Cavum septi pellucidi, für das zwar in der Mehrzahl der Fälle eine dysontogenetische Störung zu unterstellen ist, andererseits eine traumatische Genese für einige Fälle als gesichert angenommen werden kann. So fanden sich bei Boxern häufig erweiterte und kommunizierende Cava septi, wobei der pathogenetische Mechanismus noch nicht hinreichend geklärt ist.
c Abb. 3.13a–c Cava und Syringomyelie. a Cavum septi pellucidi und Cavum Vergae gleichzeitig in einem Gehirn eines Erwachsenen. b Syringomyelie mit davon unabhängig vorhandenem Zentralkanal. c Starke Gliafaserbildung an der Wand der Syringomyelie (GFAP)
Cavum Vergae Hierunter wird ein Spaltraum verstanden, der im kaudalen Abschnitt des Septum pellucidum zwischen Psalterium und Splenium erscheint (Abb. 3.13a). Beide Cava können miteinander in Verbindung stehen. Das Cavum Vergae beginnt sich etwa in der 26. Woche zu schließen.
74
3
Kapitel 3
Das Vorkommen eines Cavum septi pellucidi oder eines Cavum Vergae kann per se nicht als Zeichen einer Dysplasie gedeutet werden. Andererseits kann eine deutliche Verbreiterung des Kavums als Hinweis auf Anomalien in der Ausbildung der hippokampalen Kommissuren (Psalterium) oder des Balkens verstanden werden. Bei solchen verbreiterten Cava besteht ein häufigeres Vorkommen von Epilepsien [38]. Die röntgenologisch nachweisbaren Normgrenzwerte der Kavumdicke wurden mit 2 mm angegeben [139].
Aquäduktstenosen, Divertikel, Verdoppelung des Aquädukts Stenosen können auftreten, wenn der Aquädukt durch Druck von außen bei Tumoren oder Massenverschiebungen anderer Genese eingeengt wird, wenn es z. B. nach Entzündungen zu Proliferation der Ependymzellen und der subependymalen Glia gekommen ist oder wenn eine dysraphische Störung zu Verschlüssen oder Fehlbildungen des Aquädukts geführt hat. Experimentelle Untersuchungen mit Mumpsvirusinfektionen haben ein breites Spektrum morphologischer Folgen ergeben, das von entzündlichen Infiltraten und dem Bild einer Ependymitis granularis bis zu Aquäduktverschlüssen ohne Zeichen florider oder vorangegangener Entzündung führt, von Aufspaltungen und gabelförmigen, z. T. blind endenden Aquäduktverzweigungen bis zu gliotischen Vernarbungen [79]. Ein die Aquäduktstenose begleitender Hydrocephalus internus wird gewöhnlich als Folge der Stenose (Hydrocephalus occlusus) aufgefasst. Wegen der anatomischen Formvariationen oder Falten der ependymalen Wand des Aquädukts können hier zufällig kleine Divertikel oder eine Verdoppelung beobachtet werden. Dabei spielt auch eine embryonale Residualstruktur eine Rolle, wie z. B. ein Recessus mesocoelicus oder Recessus mesencephalicus posterior. Ein Recessus ventralis kann ein ventrales Divertikel oder eine scheinbare Verdoppelung des Aquädukts verursachen. Bei Dysraphien kann die Mittellinie des ventralen Aquädukts oder des 4. Ventrikels eine tiefe Einkeilung darstellen. Kleine Divertikel im Aquädukt als alleiniger Befund sind klinisch ohne Bedeutung.
Syringomyelie und Hydromyelie Die Syringomyelie ist eine Höhlenbildung im Rückenmark, die sich in kraniokaudaler Richtung ausdehnt (Abb. 3.13b). Sie entsteht nicht nur auf der Basis einer Hydromyelie (ein Erweiterung des Zentralkanals), sondern auch unabhängig vom Zentralkanal und um den
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Zentralkanal. Die Hydromyelie ist eine durch verschiedene Ursachen induzierte Erweiterung des Zentralkanals, die meist im Lumbalbereich zu beobachten ist und die gelegentlich zur Kompressionsnekrose des umgebenden Gewebes und dadurch zu einer ähnlichen Symptomatik wie bei Syringomyelie führen kann. Auf Querschnitten der Syringomyelie sieht man – rostral in der Medulla oblongata als Syringobulbie beginnend – Höhlenbildungen, die mit oder ohne Zusammenhang mit dem Zentralkanal neben diesem liegen. In unmittelbarem Übergang zu der gliotischen Wand der Höhlen – aber auch ohne lokale Beziehungen zu den Höhlen – kommen stiftförmige Gewebsverhärtungen vor (Stiftgliose). Bei der Chiari-Anomalie Typ 1 (s. oben, Abschnitt „Dysraphien im Kleinhirnbereich“) ist die Syringomyelie häufig im Bereich des Halsmarks anzutreffen. Bei ChiariTyp-2-Anomalie oder bei Dandy-Walker-Anomalie kann ebenfalls Syringomylie beobachtet werden. Bei Tumoren, die in der Nähe des Aquädukts wachsen, kann es sekundär ebenfalls zur Entwicklung einer kommunizierenden Syringomyelie kommen [166]. Bei Traumen und Arachnitiden ist dagegen eher mit einer fehlenden Kommunikation mit dem 4. Ventrikel zu rechnen. Die Bevorzugung der mittellinienahen Regionen durch die Höhlenbildung und die Stiftgliosen erklärt das klinische Bild mit der dissoziierten Empfindungsstörung und den vegetativen Symptomen. Syrinxbildungen können auch in der Medulla oblongata, in Pons, Mittelhirn und sogar in den Basalganglien [111] beobachtet werden, haben jedoch häufig Anschluss an die Syringomyelie. Je nach Lokalisation werden sie als Syringobulbie bzw. Syringomesenzephalie bezeichnet.
Kollaps des Zentralkanals Ein Verschluss aufgrund eines Zentralkanalkollapses ist ab dem 10. Lebensjahr zu sehen [169] und ist bei Erwachsenen ein häufiger Befund ohne pathologische Bedeutung. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine primäre Fehlbildung. Offenbar spielt der Zentralkanal bei Jugendlichen und Erwachsenen keine Rolle mehr für die Zirkulation des Liquor cerebrospinalis.
Mit Schädelanomalien verbundene Störungen der Hirnentwicklung Das knöcherne Kranium besteht histogenetisch aus Fibrokranium (Schädelkalotte) und Chondrokranium (Basikranium). Die Schädelanomalien können mit zentralnervöser Fehlbildung, aber auch mit Stoffwechselerkrankungen verbunden sein. Inwieweit an den Schädelanomalien genetische oder exogene Faktoren beteiligt sind, ist noch nicht geklärt.
Spezielle Fehlbildungsformen
Megalenzephalie und Makrozephalie Bei der Megalenzephalie ist das Gehirn überdurchschnittlich groß und schwer, d. h. über 2,5 SD. Die Megalenzephalie ist immer mit einer Makrozephalie – Vergrößerung des Schädels – vergesellschaftet. In der Neuropädiatrie spricht man von einer anatomischen Megalenzephalie, bei der eine familiäre und meist asymptomatische Megalenzephalie eingeschlossen ist, wenn morphologisch lediglich eine Vermehrung der Anzahl und Größe der Zellelemente festgestellt werden kann. Eine symptomatische familiäre Megalenzephalie kann autosomal-dominant, autosomal-rezessiv oder polygen vererbt werden. Eine „anatomische Megalenzephalie“ schließt tuberöse Sklerose, Lhermitte-Duclos-Krankheit oder Gliomatosis cerebri ein. Im engerem Sinne sollte dieser Begriff jedoch nur bei einer primären Hyperplasie des Gehirns verwendet werden. In diesen Fällen sind alle Areale des Gehirns gleichmäßig hyperplastisch. Das Kortexband ist breit und das Volumen des Großhirnmarks vermehrt, während das Ventrikelsystem normal groß ist. Es können Mikroanomalien wie z. B. neuronale Heterotopien vorkommen. Es gibt des Weiteren auch die Bezeichnung einer „metabolischen Megalenzephalie“, die bei Gangliosidosen oder Morbus Alexander gebraucht wird.
Hemimegalenzephalie Gehirnfehlbildungen sind bei der Hemimegalenzephalie die Regel. Hierbei können die Patienten auch eine kontralaterale, gelegentlich auch eine ipsilaterale, Hemihypertrophie des Gesichts und/oder des Körpers aufweisen. Im hemimegalenzephalischen Gehirn können Pachygyrie, Migrationsstörungen, kortikale Dysplasien, Riesennervenzellen, und leptomeningeale glioneurale Heterotopien beobachtet werden. Die Hemimegalenzephalie kann bei Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom, tuberöser Sklerose oder Nävus-Phakomatose Jadassohn auftreten.
Mikroenzephalie und Mikrozephalie Unter Mikrozephalie versteht man einen abnorm kleinen Kopf. Als Ursache kommen Fehlbildungen, enzephaloklastische Prozesse („fetal brain disruption sequence“, Hydranenzephalie, Porenzephalie, multizystische Enzephalopathie) oder angeborene Stoffwechselerkrankungen in Frage. Bei der Mikrenzephalie handelt es sich um eine primäre Hypoplasie des Gehirns mit entsprechenden Fehlbildungen, vorwiegend im Telenzephalon (eine Mikrozephalie ist dabei obligat). In diese Gruppe gehört die Micrencephalia vera (klassische Definition nach Giaco-
75
mini [50]), die autosomal-rezessiv auftritt, wobei 3 Gene identifiziert worden sind: MCPH1 (MCPH = microcephalin), ASPM, SLC25A19. Die Patienten zeigen einen auffällig kleinen Kopf mit einer hirnwindungsartig geformten Kopfschwarte (Cutis verticis gyrata). Die Patienten sind meist schwer bis mittelgradig psychomotorisch retardiert. Das Großhirn ist klein und die Anzahl der Windungen reduziert, das Windungsrelief einfach strukturiert. Die Basalganglien sind meist von normaler Größe. Die infratentoriellen Strukturen sind meist normal ausgebildet, so dass das Kleinhirn bei der makroskopischen Betrachtung auffällig groß wirkt und sein Gewichtsanteil entsprechend hoch ist. Der Kortex zeigt eine 6-schichtige Struktur, wenn auch reduzierte Dicke, im Gegensatz zu mikrozephalischer Lissenzephalie, bei der eine Migrationsstörung eine wesentliche Pathologie ist. Barkovich et al. [4, 5] unterscheiden die MV (Microcephalia vera) von MSG („microcephaly with simplified gyral pattern“). Sie klassifizieren MSG in 5 Typen, wobei sie Myelinisationsstörungen und subependymale Heterotopien mit einschließen. Mikrenzephalie kann symptomatisch oder als Teilsymptom beobachtet werden. Beispielsweise können Röntgenstrahlen bis zum 5. Gestationsmonat eine Mikrenzephalie verursachen. Die Schwangeren, die die Atombombenexplosion in Japan überlebt haben, zeigten eine erhöhte Geburtsrate mikrenzephalischer Babys (Exposition vor 26. Gestationswoche, meist zwischen 8. und 15. Woche) [113]. Molekulargenetisch ist eine Mutation der FGFR3 („fibroblast growth factor 3“) kodierenden Gene verantwortlich. Im Experiment führten auch zahlreiche andere teratogene Faktoren zur Mikrenzephalie, neben Röntgenstrahlen z. B. chemische, DNS-schädigende Mittel wie z. B. Ethylnitrosourea [123] und sogar die Langzeitanwendung von Kortikosteronen [72, 146].
Seckel-Syndrom Seckel-Syndrom ist eine Sonderform der Mikrozephalie. Es tritt sporadisch auf und ist gekennzeichnet durch zusätzliche, charakteristische kraniofaziale Anomalien (fliehende Stirn mit Übergang zur Nasenwurzel ohne frontonasalen Winkel, Exophthalmos, Anti-DownAugenschlitze, Mikrognathie, tiefsitzende dysplastische Ohrmuscheln), intrauterine Entwicklungsretardierung (Hypotrophie/Hyposomie), postnatale mentale Retardierung, evtl. Skelettanomalien sowie unterschiedliche hormonale Störungen. Ursache ist eine reduzierte Neuroblastenproduktion im Telenzephalon und eine primäre Differenzierungsretardierung hormonproduzierender Adenohypophysenzellen [64].
76
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Akranie
3
Als Akranie wird das Fehlen der bindegewebig vorgebildeten Schädelknochen bei Erhaltung, wenn auch anomaler Bildung des Gesichtsschädels bezeichnet. Das ZNS ist beschränkt auf Ansammlungen ungeordneter, von Bindegewebe und Gefäßen durchzogener Nervenzellhaufen, die nur selten topographische Rückschlüsse auf bestimmte Kerngebiete erlauben.
Atelenzephalie und Aprosenzephalie (atelenzephalische Mikrozephalie) Während die Kalotte ausgebildet ist, zeigt das hochgradig mikrenzephale Gehirn anstelle der Großhirnhemisphären eine solide lobulierte Masse gliomesenchymalen Gewebes mit gelegentlicher Verkalkung. Vom Mittelhirn ab kaudalwärts, einschließlich des Kleinhirns, sind die zentralnervösen Strukturen (abgesehen vom Fehlen der Pyramidenbahn) fast normal. Falls nicht nur das Telenzephalon, sondern auch das Dienzephalon fehlt, wird dies als Aprosenzephalie bezeichnet. Vereinzelt wurde eine Chromosomenanomalie (13q) beschrieben [157].
Abb. 3.14 Basiläre Impression durch Atlas und Dens-axis mit Medullakompression bei einem Erwachsenen mit langjähriger Steroidbehandlung gegen rheumatische Arthritis (keine Fehlbildung). Sturz ein Monat vor dem Tode, danach Artikulationsstörung und Atemnot
zu beobachten. Die Hippokampusformation ist dysplastisch. Hier ist zusätzlich eine umschriebene Mikropolygyrie vorhanden. Die infratentoriellen Strukturen sind in der Regel regelrecht strukturiert. Molekulargenetisch ist bei der thanatophoren Dysplasie eine Mutation der FGFR3 („fibroblast growth factor 3“) kodierenden Gene verantwortlich.
Platybasie und basiläre Impression Zu den Fehlbildungen im kraniospinalen Übergangsbereich gehören die röntgenologisch nachweisbare Platybasie und die basiläre Impression, die gelegentlich mit einer okzipitoatlantischen Fusion verbunden ist. Primäre zentralnervöse Störungen sind hiermit nicht verknüpft, doch kann es zu druckbedingten Sekundärschäden (Druck auf Medulla oblongata) kommen. Basiläre Impression wird nicht immer als Entwicklungsanomalie beobachtet, sondern kann sekundär entstehen (Abb. 3.14).
Thanatophore Dysplasie Eine Form der letalen Chondrodystrophie ist die thanatophore Dysplasie, bei der typischerweise ein trilobulär deformierter Kopf zu beobachten ist (einst als Kleeblattschädel beschrieben; Abb. 3.15). Die Form des Gehirns wird durch die primäre Dysplasie bedingt und ist keine sekundäre Deformierung aufgrund der Schädelanomalie. Die Windungen des Temporallappens sind grob und werden durch abnorm tiefe Furchen geteilt, in denen auch Divertikel des Seitenventrikels beobachtet werden können. Periventrikulär sind Heterotopien verschiedener Häufigkeit und Ausdehnung
Kraniale Synostosen, Plagiozephalie, Apert-Syndrom Eine frühzeitige Kraniosynostose wird durch die Dislokation des Ossifikationszentrums auf die Nahtlinie verursacht. Sie wird gelegentlich von einer Hypoplasie des Gesichtsschädels begleitet. Die Sagittalnahtsynostose wird meistens von keinen Anomalien des Gehirns begleitet, jedoch ist das Volumenwachstum des Gehirns gestört. Deswegen kann ein frühzeitiger neurochirurgischer Eingriff indiziert sein. Als Plagiozephalie wird eine asymmetrische Manifestation der kraniofazialen Dysostose mit Synostose der Lambdanaht bezeichnet, als Trigonozephalie die spitzwinklig zulaufende Form beider Stirnbeine. Falx und Sella turcica fehlen hier gewöhnlich [45, 91]. Das sporadisch mit einer Häufigkeit von 1:50.000 Geburten auftretende Apert-Syndrom (Akrozephalosyndaktylie) ist neben der kraniofazialen Synostose gekennzeichnet durch Proptose und mittelfaziale Hypoplasie, mit einer kutanoossären Syndaktylie an Händen und Füßen. Das Syndrom kann von einer okzipitalen Enzephalozele und einem Balkenmangel begleitet werden [49]. Molekulargenetisch wurde eine Mutation im Bereich des FGFR-2-Gens Exon IIIa nachgewiesen [88].
Spezielle Fehlbildungsformen
77
b
a
d
c
Ätiologisch charakterisierbare Syndrome (Chromosomenanomalien, fetales Alkoholsyndrom) Charakteristisch für Gehirnfehlbildungen bei Chromosomenanomalien ist, dass die Determinationsperiode nicht bestimmt werden kann, da die Anomalien durch fehlerhafte Genprogrammierung heterochron entstehen. Alle Chromosomenanomalien weisen in einem hohen Prozentsatz Matrixzellheterotopien im Zahnkern des Kleinhirns auch noch nach dem 4. Lebensmonat auf. Auch andere als die im Folgenden aufgeführten Chromosomenanomalien können mit Fehlbildungen des ZNS verbunden sein, wie die Trisomie 9 (Mikrenzephalie, kra-
Abb. 3.15a–d Thanatophore Dysplasie. a Typisches Aussehen der thanatophoren Dysplasie. b Die rechte Hemisphäre wird von medialer Seite gesehen: grobe Windungen mit tiefen Furchen, insbesondere im Temporallappen. c Divertikel des Seitenventrikels in Richtung der durch die abnorm tiefen Furchen getrennten „Makrogyrien“. d Ammonshorn ist stark dysplastisch; zusätzlich sind subependymale noduläre Heterotopien und Mikropolygyrie vorhanden
niofaziale Anomalien, Dandy-Walker-Anomalie), das 13q-Syndrom (Atelenzephalie) [157] oder die Sexchromosomenanomalie (Adams-Bicker-Syndrom, FragilesX-Syndrom).
Trisomie 21 (Down-Syndrom) Bei Trisomie 21 fehlen spezifische und charakteristische Gehirnbefunde. In seltenen Fällen sind unspezifische Veränderungen wie eine Verminderung des Gehirngewichts, eine verkürzte Hirnlänge (kugelige Form des Gehirns) und ein dorsobasal ausgerichteter Gyrus temporalis superior erkennbar. Im relativ kleinen Kleinhirn kön-
78
3
Kapitel 3
nen histologisch häufig dysgenetische Kleinhirnrindenstrukturen in Nodulus und Flokkulus nachgewiesen werden (zerebelläre Heterotopien). Vielfach sind in den Basalganglien und gelegentlich auch im Großhirnmark Mineralisationen zu beobachten. Mit der Golgi-Methode ließ sich eine frühzeitige Atrophie der Dendriten sowie Verminderung der Zahl der Spines entlang der apikalen sowie basalen Dendriten nachweisen [8, 150]. Weiterhin finden sich gehäuft Herzfehler, Leukämien, M. Hirschsprung sowie die Moyamoya-Krankheit [48]. Frühzeitige degenerative Veränderungen des Gehirns im Sinne eines M. Alzheimer sind typisch. Die Häufigkeit dieses Syndroms wird mit 1,4 pro 1000 Geburten angegeben; sie zeigt eine abnehmende Tendenz.
Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) Im Vordergrund steht die Holoprosenzephalie, jedoch nicht immer. Daneben finden sich im hypoplastischen Kleinhirn Heterotopien in verschiedenen Kombinationen und in schwerster Ausprägung [109, 155]. Sie finden sich nicht nur im Zahn- oder Dachkern, sondern auch im Nucleus cochlearis. Dentatooliväre Dysgenesien sind häufig. Diese Chromosomenanomalie ist bei etwa 1:4600 Geburten zu sehen, bei Mädchen häufiger als bei Jungen. Kraniofaziale Anomalien können vorwiegend an den Akren beobachtet werden. Oft sind gleichzeitig schwere innere Fehlbildungen vorhanden, insbesondere an den Augen, am Herzen und an den omphalointestinalen sowie urogenitalen Organen.
Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) Auch diese Anomalie ist mit telenzephalen Entwicklungsstörungen verbunden. Man sieht eher als Mikrodysgenesien anzusprechende Anomalien in der Entwicklung der Hippokampusregion, des Corpus geniculatum laterale, des Gyrus cuneus und der unteren Olive [100]. Die Häufigkeit wird mit 1:6500 Geburten angegeben. Wie die Trisomie 21 wird das Syndrom bei Kindern älterer Mütter häufiger beobachtet. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen. Die Kinder mit dieser Anomalie haben meist schwere innere Fehlbildungen, werden tot geboren oder sterben früh.
Fetales Alkoholsyndrom Neuropathologisch ist ein breites Spektrum von Hydrozephalie, Heterotopien im Parenchym und in den Leptomeningen, Dandy-Walker-Syndrom, Agenesie des Balkens, Dysraphien und Porenzephalie zu sehen [121], je
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
nach dem Einwirkungszeitpunkt von Äthanol bzw. seinem Metaboliten Azetaldehyd. Dies wird experimentell bestätigt [134]. Klinisch kommt es zu einer Schädigung des Fetus durch schweren Alkoholabusus der Mutter im ersten Trimenon der Schwangerschaft. Die betroffenen Kinder zeigen eine Hyposomie, die bereits in utero erkannt werden kann, eine Mikrozephalie und leichte, jedoch typische kraniofaziale Dysmorphien: kurze Augenspalte, breite Nasenwurzel, flaches und langes Philtrum und dünne Oberlippe, gelegentlich auch Blepharophimose mit nach außen schräg abfallenden Lidachsen. Nach einer Followup-Studie bilden sich diese kraniofazialen Dysmorphien bis zum Adoleszentenalter teilweise zurück [149]. Die Körpergröße kann sich in dieser Zeit dem Durchschnittswert nähern, während der IQ durchschnittlich deutlich erniedrigt bleibt (die Variation ist hierbei sehr groß; die Kinder können bei rechtzeitiger Diagnose und geeigneten Erziehungsmaßnahmen ihre Lernfähigkeit steigern).
Anomalien der Hypophyse und des Hypothalamus Der von den Epithelien des Pharyngealdachs stammende Vorderlappen der Hypophyse (Rathke-Tasche) und der aus der ventralen hypothalamischen Vorstülpung entstandene Hinterlappen haben vom Anfang der Organogenese an Kontakt (4.–5. Gestationswoche). In der mittleren und späteren Fetalzeit sind im Hinterlappen (im posterioren peripheren Bereich) gelegentlich aberrante neuroepitheliale Rosetten vorhanden, nie jedoch postnatal. Aberrante Speicheldrüsenzellen können dagegen im Erwachsenenalter als Zufallsbefund im Hinterlappen in der Nähe der Grenze zur Pars intermedia gefunden werden [137]. Ektopische Speicheldrüsenadenome im Sellabereich [55] entstammen möglicherweise solchen aberranten Speicheldrüsenfragmenten. Als physiologisches Geschehen gilt eine „basophile Invasion“ der ACTH sezernierenden Zellen der Pars intermedia im Hinterlappen [70], beginnend bereits in der Fetalzeit. Etwa in der 8. Gestationswoche entsteht im Kraniopharyngealkanal die Pharyngealhypophyse [69] durch Separation von der eigentlichen Adenohypophyse. Nach der Schließung des Kraniopharyngealkanals bleibt die Pharyngealhypophyse im Pharyngealdach. Die Pharyngealhypophyse existiert physiologisch bei allen Individuen lebenslang, produziert alle Vorderlappenhormone (Beginn der Hormonproduktion: 16.–18. Gestationswoche, etwa 4–6 Wochen später als Pars distalis). Sie kann auf innensekretorische Veränderungen wie bei Schwangerschaft reagieren, ist wegen der kleinen Volumina (1:1000 der Pars distalis) und des Fehlens der Verbindung mit dem Hypothalamus aber nicht fähig, eventuelle Ausfälle der Funktion der Pars distalis zu kompensieren.
Spezielle Fehlbildungsformen
79
Das Fehlen der Hypophyse ist nicht immer gleichbedeutend mit einer Agenesie. Eine solche besteht bei gleichzeitigem Fehlen der Pharyngealhypophyse wie bei Holoprosenzephalie. Bei Anenzephalie fehlt die Hypophyse in 50% der Fälle, jedoch ist hier die Pharyngealhypophyse vorhanden. Man nimmt deswegen an, dass die Hypophyse bei Anenzephalie wegen der dysraphischen Störung zerstört und analog der telenzephalen Dysraphie durch eine Area „hypophyseovasculosa“ ersetzt ist. Unabhängig von der Ursache folgt dem Fehlen der Adenohypophyse eine schwere innersekretorische Störung.
Beim Meckel-Gruber-Syndrom kann die Neurohypophyse fehlen [86]. Das Pallister-Hall-Syndrom besteht aus einer Agenesie der Hypophyse und einem großen hypothalamischen gangliozytären Hamartom. Zusätzlich bestehen Hypopituitarismus, Atresie des Anus und eine postaxiale Polydaktylie. Beim Kallmann-Syndrom liegt ein hereditärer Hypogonadismus mit Anosmie vor. Morphologisch besteht das Syndrom aus Fehlen der hypothalamischen Neuronen, die GnRH produzieren, und einer Aplasie des Olfaktorius. Das verantwortliche Gen KAL1 ist auf Chromosom Xp22.3 lokalisiert [35].
a
c Abb. 3.16a–d Duplicitas bibrachius. a Röntgenbild des Duplicitas bibrachius. Nicht nur der Kopf, sondern auch die Wirbelsäule ist verdoppelt. b Gleicher Fall, wie a. Ein Kopf zeigt eine Lippenspalte,
b
d der zweite Kopf ist normal ausgebildet. c Ein Kopf ist anezephalisch; d beide Köpfe zeigen Anenzephalie
80
Kapitel 3
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
Doppelbildungen des ZNS
3
Unvollständige Verdoppelungen eines Individuums durch inkomplette Teilung der befruchteten Eizelle gehören zu den schwersten Fehlbildungsformen. Darüber hinaus gibt es innerhalb eines Individuums Verdoppelungen einzelner oder mehrerer Organe. Bei der kompletten Verdoppelung des Kopfes kann jeweils ein komplettes Gehirn beobachtet werden (Dicephalus bibrachius, Abb. 3.16), wobei nur ein Kopf oder beide Köpfe verschiedene Fehlbildungen aufweisen können. Bei Dicephalus bibrachius kann auch das Rückenmark verdoppelt sein, das eine symmetrische mediale Hemihypoplasie aufweist. Die Neurone bzw. Neuriten dieser medialen Seiten der beiden Rückenmarke haben keine oder sehr wenige Innervationsziele. Daher erhalten die sich entwickelnden Neurone, die kein synaptisches Ziel finden, keine NGFs („nerve growth factors“) und sterben ab. Beim Zephalopagus sind 2 Gehirne teilweise „verschmolzen“ bzw. unvollständig getrennt (Abb. 3.17). Auch ohne Doppelbildung des Körpers ist eine Verdoppelung von ZNS-Anteilen in unterschiedlicher Ausprägung möglich, insbesondere beim „median cleft face syndrome“ mit hypothalamohypophysärer, hypophysärer, hypophysär-spinaler und/oder Kleinhirn-Rückenmark-Verdoppelung. Das Bild wird verursacht durch (Teil-)Verdoppelung der Notochord (Split-notochordSyndrom). Ein Beispiel ist die Doppelhypophyse: Die beiden Hypophysen besitzen je einen eigenen Hypophysenstiel und befinden sich parallel nebeneinander in jeweils einer eigenen Sella turcica. Die Verteilung und die Population der hormonproduzierenden Zellen sind nach eigenen Untersuchungen in beiden Hypophysen normal. In einem solchem Fall können zusätzlich noch Verdoppelungen verschiedener Gewebe gefunden werden (z. B. Fissura anterior spinalis, Nucleus pulposus), die vom Notochord induziert werden [61, 130].
a
b
Literatur 1.
2.
3. 4.
Aleksic S, Budzilovich G, Greco MA, Feigin I, Epstein F, Pearson J (1983) Iniencephaly: a neuropathologic study. Clin Neuropathol 2: 55–61 Atkinson JLD, Kokmen E, Miller GM (1998) Evidence of posterior fossa hypoplasia in the familial variant of adult Chiari I malformation: case report. Neurosurgery 42: 401–403 Bale PM (1980) Ependymal rests and subcutaneous sacrococcygeal ependymoma. Pathology 12: 237–243 Barkovich AJ, Ferreiro DM, Barr RM, Gressens P, Dobyns WB, Truwit CL, Evrard P (1998) Microlissencephaly: a heterogenous malformation of cortical development. Neuropediatrics 29: 113–119
c Abb. 3.17a–c Zephalothorakopagus. a Typisches externes Bild. b Verdoppelte hintere Schädelgrube und verdoppelte Sella, entsprechend der Doppelkleinhirn und Doppelhypophyse. c Frontalaspekt (oben) und hinterer Aspekt des Gehirns mit verdoppeltem Hirnstamm und Kleinhirn (unten)
Literatur
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13. 14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
Barkovich AJ, Kuzniecky RI, Jackson GD, Guerrini R, Dobyns WB (2001) Classification system for malformations of cortical development; update2001. Neurology 57: 2168–2178 Barr M Jr, Hanson JW, Currey K, Sharp S, Toriello H, Schmickel RD, Wilson GN (1983) Holoprosencephaly in infants of diabetic mothers. J Pediatr 102: 565–568 Bass NH, Young E (1973) Effects of hypothyroidism on the differentiation of neurons and glia in developing rat cerebrum. J Neurol Sci 18: 155–173 Becker LE, Armstrong DL, Chan F (1986) Dendritic atrophy in children with Down's syndrome. Ann Neurol 20: 520–526 Bell JE, Gordon A, Maloney AFJ (1980) The association of hydrocephalus and Arnold-Chiari malformation with Spina bifida in the fetus. Neuropathol Appl Neurobiol 6: 29–39 Belloni E, Muenke M, Roessler E et al. (1996) Identification of sonic hedgehog as a candidate gene for holoprosencephaly. Nat Genet 14: 353–356 Benke PJ, Cohen MM Jr (1983) Recurrence of holoprosencephaly in families with a positive history. Clin Genet 24: 324–328 Brown SA, Warburton D, Brown LY, Yu CY, Roeder ER, Stengel-Rutkowski S, Hennekam RC, Muenke M (1998) Holoprosencephaly due to mutations in ZIC2, a homologue of Drosophila odd-paired. Nat Genet 20: 180–183 Byrne J, Warburton D (1986) Neural tube defects in spontaneous abortions. Am J Med Genet 25: 327–333 Chapman PH, Swearingen B, Caviness VS (1989) Subtorcular occipital encephalocele. Anatomical considerations relevant to operative management. J Neurosurg 71: 375–381 Chiari H (1891) Ueber Veränderungen des Kleinhirns infolge von Hydrocephalie des Grosshirns. Dtsch Med Wochenschr 17: 1172–1175 Chiari H (1895) Ueber Veränderungen des Kleinhirns, des Pons und der Medulla oblongata infolge von kongenitaler Hydrocephalie des Grosshirns. Denkschr Akad Wiss Wien 63: 71–116 Choi BH, Lapham LW, Amin-Zaki L, Saleem T (1978) Abnormal neuronal migration, deranged cerebral cortical organization, and diffuse white matter astrocytosis of human fetal brain: A major effect of methylmercury poisoning in utero. J Neuropathol Exp Neurol 37: 719–733 Clarke RA, Kearsley JH, Walsh DA (1996) Patterned expression in familial Klippel-Feil syndrome. Teratology 53: 152–157 Coggeshall RE, Applebaum ML, Franzen M, Stubbs TB 3rd, Sykes MT (1975) Unmyelinated axons in human ventral roots: a possible explanation for the failure of dorsal rhizotomy to relieve pain. Brain 98: 157–166 Cooper IS, Kernohan JW (1951) Heterotopic glial nests in the subarachnoid space: histopathologic characteristics, mode of origin and relation to meningeal gliomas. J Neuropathol Exp Neurol 10: 16–29
81
21.
22.
23. 24.
25.
26. 27.
28.
29.
30.
31.
32.
33. 34.
35.
36. 37.
Cowchock S, Ainbender E, Prescott G et al. (1980) The recurrence risk for neural tube defects in the United States: a collaborative study. Am J Med Genet 5: 309–314 Dattani MT, Martinez-Barbera JP, Thomas PQ et al. (1998) Mutations in the homeobox gene HESX1/Hesx1 associated with septo-optic dysplasia in human and mouse. Nat Genet 19: 125–133 Daugaard S (1983) Ectopic meningioma of a finger. Case report. J Neurosurg 58: 778–780 Dellmann HD (1985) Fine structural organization of the subfornical organ. A concise review. Brain Res Bull 15: 71–78 de Morsier G (1956) Etude sur les dysraphies crânio-encéphaliques; agénésie du septum lucidum avec malformation du tractus optique. La dysplasie septo-optique. Schweiz Arch Neurol Psychiat 77: 267–292 Dieker H, Edwards RH, ZuRhein G et al. (1969) The lissencephaly syndrome. Birth Defects 5: 53–64 Dobyns WB (1989) Agenesis of the corpus callosum and gyral malformations are frequent manifestations of nonketotic hyperglycinemia. Neurology 39: 817–820 Dobyns WB, Truwit CL, Ross ME, Matsumoto N , Pilz DT, Ledbetter DH, Gleeson JG, Walsh CA, Barkovich AJ (1999) Differences in the gyral pattern distinguish chromosome 17-linked and X-linked lissencephaly. Neurology 53: 270–277 Dolk H, De Wals P, Gillerot Y et al. (1991) Heterogeneity of neural tube defects in Europe. The significance of site of defect and presence of other major anomalies in relation to geographic differences in prevalence. Teratology 44: 547–559 Duckett S, Winick M (1981) Malnutrition and brain dysfunction. In: Black P (ed) Brain dysfunction in children. Etiology, diagnosis and management. Raven, New York, pp 109–130 Emery JL, Lendon RG (1973) The local cord lesion in neurospinal dysraphism (meningomyelocele). J Pathol 110: 83–96 Emery SC, Karpinski NC, Hansen L, Masliah E (1999) Abnormalities in central nervous system development in osteogenesis imperfecta type II. Pediatr Dev Pathol 2: 124–130 Erikson PS (1998) Neurogenesis in the adult human hippocampus. Nat Med 11: 1313–1317 Erkan K, Unal F, Kiris T (1999) Terminal syringomyelia in association with the tethered cord syndrome. Neurosurgery 45: 1351–1359 Fanco B, Guioli S, Pragliola A et al. (1991) A gene deleted in Kallmann's syndrome shares homology with neural cell adhesion and axonal path-finding molecules. Nature 353: 529–536 Farhat SM, Hudson JS (1969) Extracerebral brain heterotopia. Case report. J Neurosurg 30: 190–194 Ferland RJ, Eyaid W, Collura RV et al. (2004) Abnormal cerebellar development and axonal decussation due to mutations in AHI1 in Joubert syndrome. Nat Genet 36: 1008–1013
82
Kapitel 3
38.
39.
3
40.
41.
42.
43.
44. 45. 46.
47.
48.
49.
50. 51. 52.
53.
54.
55.
56.
57.
Finke J, Koch G (1968) Das Cavum septi pellucidi: Vorkommen und Aussagewert. Bericht über 128 Fälle. Dtsch Z Nervenheilkd 193: 154–157 Flynn SD, Yousem SA (1991) Pulmonary meningiomas. A report of two cases. Hum Pathol 22: 469–474 Foix C, Chavany JA, Marie J (1926) Diplegie facio-linguomasticartice d’orgine cortico-souscorticale sans paralysie des membres. Rev Neurol 33: 214–219 Fox JW, Lamperti ED, Eksioglu YZ et al. (1999) Mutations in filamin 1 prevent migration of cerebral cortical neurons in human periventricular heterotopia. Neuron 21: 1315–1325 Fraser FC, Czeizel A, Hanson C (1982) Increased frequency of neural tube defects in sibs of children with other malformations. Lancet 2: 144–145 Freud S (1879) Über Spinalganglien und Rückenmark des Petromyzon. Sitzungsber Kaiserl Akad Wiss Wien 78: 81–167 Friede RL (1973) Dating the development of human cerebellum. Acta Neuropathol 23: 48–58 Friede RL (1989) Developmental neuropathology, 2nd edn. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo Fukuyama Y, Kawazura M, Haruna H (1960) A peculiar form of congenital muscular dystrophy. Report of fifteen cases. Ediatr Univ Tokyo 4: 5–8 Fukuyama Y, Osawa M, Suzuki H (1981) Congenital progressive muscular dystrophy of the Fukuyama type – clinical, genetic and pathological considerations. Brain Dev 3: 1–29 Fukuyama Y, Osawa M, Kanai N (1992) Moyamoya disease (syndrome) and the Down syndrome. Brain Dev 14: 254–256 Gershoni-Baruch R, Nachlieli T, Guilburd JN (1991) Apert’s syndrome with occipital encephalocele and absence of corpus callosum. Child Nerv Syst 7: 231–232 Giacomini C (1885) Contributo allo studio della microcefalia. Arch Psichiatr (Torino) 6: 63–81 Goldring S, Hodges FH, Luse SA (1964) Ectopic neural tissue of occipital bone. J Neurosurg 21: 479–484 Gripp KW, Wotton D, Edwards MC et al. (2000) Mutations in TGIF cause holoprosencephaly and link NODAL signalling to human neural axis determination. Nature Genet 25: 205–208 Gruber GB (1934) Beiträge zur Frage „gekoppelter“ Mißbildungen (Akrocephalo-Syndaktylie und Dysencephalia splanchnocystica). Beitr Pathol Anat 93: 459–476 Guerrini R, Dobyns WB (1998) Bilateral periventricular nodular heterotopia with mental retardation and frontonasal malformation. Neurology 51: 499–503 Hampton TA, Scheithauer BW, Roijiani AM, Kovacs K, Horvath E, Vogt P (1997) Salivary gland-like tumors of the sellar region. Am J Surg Pathol 21: 424–434 Harrist TJ, Gang DL, Kleinman GM, Mihm MC, Hendren WH (1982) Unusual sacrococcygeal embryologic malformations with cutaneous manifestations. Arch Dermatol 118: 643–648 Hibbard ED, Smithells RW (1965) Folic acid metabolism and human embryology. Lancet 1: 1254
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
58.
59. 60.
61. 62.
63.
64.
65.
66.
67.
68. 69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
Hirt HR, Zdrojewski B, Weber G (1972) The manifestations and complications of intraspinal congenital dermal sinuses and dermoid cysts. Neuropädiatrie 3: 231–247 Ho KL (1987) Heterotopic neuroglial tissue in the cerebral dura mater. Clin Neuropathol 6: 246–249 Hori A, Fischer G, Dietrich-Schott B, Ikeda K (1982) Dimyelia, diplomyelia, and diastematomyelia. Clin Neuropathol 1: 23–30 Hori A (1983) A brain with two hypophyses in median cleft face syndrome. Acta Neuropathol 59: 150–154 Hori A, Fischer G, Friede RL (1983) Ventricular diverticles with localized dysgenesis of the temporal lobe in cloverleaf skull anomaly. Acta Neuropathol 60: 132–136 Hori A, Bardosi A, Tsuboi K, Maki Y (1984) Accessory cerebral ventricle of the occipital lobe. Morphogenesis and clinical and pathological appearance. J Neurosurg 61: 767–771 Hori A, Tamagawa K, Eber SW, Westmeier M, Hansmann I (1987) Neuropathology of Seckel syndrome in fetal stage with evidence of intrauterine developmental retardation. Acta Neuropathol 74: 397–401 Hori A (1988) Heterotopic neurons in human spinal nerve roots: what is their clinical significance? J Neurol 235: 348–353 Hori A (1996) Precocious cerebral development associated with agenesis of the corpus callosum in mid-fetal life: a transient syndrome? Acta Neuropathol 91: 120–125 Hori A, Brandis A, Walter GF, Petersen C, Massmann J (1998) Retroperitoneal ectopic neural mass: „abdominal brain“. Presentation of two cases and proposal of classification of paraneuraxial neural ectopia. Acta Neuropathol 96: 301–306 Hori A (1998) Developmental anomalies of the spinal cord. Neuropathology 18: 433–443 Hori A, Schmidt D, Rickels E (1999) Pharyngeal pituitary: development, malformation, and tumorigenesis. Acta Neuropathol 98: 262-272 Hori A, Schmidt D, Kuebber S (1999) Immunohistochemical survey of migration of human anterior pituitary cells in developmental, pathological, and clinical aspects: a review. Microsc Res Tech 46: 59–68 Hori A (2002) Treatment of the Chiari malformation by Drs. H. E. James and A. Brant. (Letter) Child’s Nerv Syst 18: 461–462 Howard E (1968) Reductions in size and total DNA of cerebrum and cerebellum in adult mice after corticosterone treatment in infancy. Exp Neurol 22: 191–208 Iglesias JR, Marin J, Salaices M et al. (1981) Existence and localization of adrenergic neurons in human and cat meninges. Acta Neuropathol Suppl 7: 61–63 Ikenouchi J Uwabe C, Nakatsu T, Hirose M, Shiota K (2002) Embryonic hydromyelia: cystic dilatation of the lumbosacral neural tube in human embryos. Acta Neuropathol 104: 248–254 Jackson FE, Moore BS (1969) Ectopic glial tissue in the occipital scalp. Arch Dis Childh 44: 428–430
Literatur
76. 77. 78. 79.
80.
81.
82.
83. 84.
85.
86.
87.
88.
89. 90. 91.
92.
93.
94.
James CCH, Lassmann LP (1972) Spinal dysraphism: spina bifida occulta. Butterworth, London Jellinger K (1974) Persistent matrix cell nests in human cerebellar nuclei. Neuropädiatrie 5: 28–33 Jellinger K, Rett A (1976) Agyria-pachygyria (lissencephaly syndrome). Neuropädiatrie 7: 66–91 Johnson RT, Johnson KP (1968) Hydrocephalus following viral infection: the pathology of aqueductal stenosis developing after experimental mumps virus infection. J Neuropathol Exp Neurol 27: 591–606 Joubert M, Eisenring JJ, Robb JP, Andermann F (1969) Familial agenesis of the cerebellar vermis. A syndrome of episodic hyperpnea, abnormal eye movements, ataxia, and retardation. Neurology 19: 813–825 Kaleem Z, Fitzpatrick MM, Ritter JH (1997) Primary pulmonary meningioma: Report of a case and review of the literature. Arch Pathol Lab Med 121: 631–636 Kaufmann MH (1983) Occlusion of the neural lumen in early mouse embryos analyzed by light and electron microscopy. J Embryol Exp Morphol 78: 211–228 Kelberman D, Dattani MT (2008) Septo-optic dysplasia – novel insights into the aetiology. Horm Res 69: 257–265 Kelley RL, Roessler E, Hennekam RC, Kosaki K, Jones MC, Palumbos JC, Muenke M (1996) Holoprosencephaly in RSH/Smith-Lemli-Opitz syndrome: does abnormal cholesterol metabolism affect the function of sonic hedgehoc? Am J Med Genet 66: 478–484 Kempermann G, Kuhn HG, Gage FH (1997) Hippocampal neurons in adult mice living in an enriched environment. Nature 386: 493–495 Kjaer KW (1999) Malformations of cranial base structures and pituitary gland in prenatal Meckel syndrome. Acta Pathol Microbiol Immunol Scand A 107: 937–944 Kobori JA, Herrick MK, Urich H (1987) Arhinencephaly. The spectrum of associated malformations. Brain 110: 237–260 Lajeunie E, Cameron R, El Ghouzzi V et al. (1999) Clinical variability in patients with Apert’s syndrome. J Neurosurg 90: 443–447 Lee CM, McLaurin RL (1955) Heterotopic brain tissue as an isolated embryonic rest. J Neurosurg 12: 190–195 Lemberger A, Stein M, Doron J et al. (1989) Sacrococcygeal extradural ependymoma. Cancer 64: 1156–1159 Lemire RJ, Loeser JD, Leech RW et al. (1975) Normal and abnormal development of the human nervous system. Harper & Row, Hagerstown/MD Li MG, Serr M, Edwards K, Ludmann S, Yamamoto D, Tilney LG, Field CM, Hays TS (1999) Filamin is required for ring canal assembly and actin organization during Drosophila oogenesis. J Cell Biol 146: 1061–1074 Lurie IW, Nedzved MK, Lazjuk GI Kirillova IA, Cherstvoy ED, Ostrovskaja TI, Shved IA (1980) The XK-aprosencephaly syndrome. Am J Med Genet 7: 231–234 Marin-Padilla M (1970) Morphogenesis of anencephaly and related malformations. Curr Top Pathol 51: 145-174
83
95.
96.
97.
98.
99.
100.
101.
102.
103.
104.
105. 106.
107.
108.
109.
110.
111.
Marin-Padilla M (1983) Structural organization of the human cerebral cortex prior to the appearance of the cortical plate. Anat Embryol 168: 21–40 Marubayashi T, Matsukado Y (1978) Intracranial extracerebral brain heterotopia. Case report. J Neurosurg 48: 470–474 Matsubayashi R, Uchino A, Kato A, Kudo S, Sakai S, Murata S (1998) Cystic dilatation of ventriculus terminalis in adults. MRI Neuroradiol 40: 45–47 Meckel JF (1822) Beschreibung zweier, durch sehr ähnliche Bildungsabweichungen entstellter Geschwister. Dtsch Arch Physiol 7: 99–172 Mee L, Honkala H, Kopra O, Vesa J, Finnilä S, Visapää I, Sang TK, Jackson GR, Salonen R, Kestilä M, Peltonen L (2005) Hydrolethalus syndrome is caused by a missense mutation in a novel gene HYLS1. Hum Mol Genet 14: 1475–1488 Michaelson PS, Gilles FH (1972) Central nervous system abnormalities in trisomy E (17–18) syndrome. J Neurol Sci 15: 193–208 Mizuguchi M, Qin J, Yamada M, Ikeda K, Takashima S (1999) High expression of doublecortin and KIAA0369m protein in fetal brain suggests their specific role in neuronal migration. Am J Pathol 155: 1713–1321 Mollgard K (1972) Histochemical investigation on the human foetal subcommissural organ. I. Carbohydrates and mucosubstances, proteins and nucleoproteins, esterase, acid and alkaline phosphatase. Histochemie 32: 31–48 Mollgard K, Moller M, Kimble J (1973) Histochemical investigations on the human fetal subcommissural organ. II. The „large granules“. Histochemie 37: 61–74 Moritz JD, Emons D, Wiestler OD, Solymosi L, Kowalewski S, Reiser M (1995) Extracerebral intracranial glioneural hamartoma with extension into the parapharyngeal space. Am J Neuroradiol 16: 1279–1281 Müller K, Unger RR, Eckert H, Dietze R (1969) Über parietale Encephalocelen. Z Kinderheilk 105: 187–209 Murofushi K (1974) Normalentwicklung und Dysgenesien von Dentatum und Oliva inferior. Acta Neuropathol 27: 317–328 Nakagawa Y, Nishida K, Matsumoto K, Cervós-Navarro J, Arigas JJ, Iglesias J (1988) Etiology of arachnoid cysts. Review of surgical and postmortem findings. Neurol Med Chir Tokyo 28: 1096–1102 Noden DM (1991) Cell movements and control of patterned tissue assembly during craniofacial development. J Craniofac Genet Dev Biol 11: 192–213 Norman RM (1966) Neuropathological findings in trisomy 13–15 and 17–18 with special reference to the cerebellum. Dev Med Child Neurol 8: 170–177 Okada S, Nakagawa Y, Hirakawa K (1989) Syringomyelia extending to the basal ganglia. Case report. J Neurosurg 71: 616–617 Okeda R (1978) Heterotopic brain tissue in the submandibular region and lung. Report of two cases and comments about pathogenesis. Acta Neuropathol 43: 217–220
84
3
Kapitel 3
112. O’Rourke NA, Dailey ME, Smith SJ McConnell SK (1992) Diverse migratory pathways in the developing cerebral cortex. Science 258: 299–302 113. Otake M, Yoshimaru H, Schull WJ (1989) Prenatal exposure to atomic radiation and brain damage. Cong Anom 29: 309–320 114. Paavola P, Salonen R, Weisenbach J, Peltonen L (1995) The locus for Meckel syndrome with multiple congenital anomalies maps to chromosome 19q21–q24. Nat Genet 11: 213–215 115. Padmanabhan R (1991) Is exencephaly the forerunner of anencephaly? An experimental study on the effect of prolonged gestation on the exencephaly induced after neural tube closure in the rat. Acta Anat 141: 182–192 116. Parisi MA, Bennet CL, Eckert ML et al. (2004) The NPHP1 gene deletion associated with juvenile nephronophthisis is present in a subset of individuals with Joubert syndrome. Am J Hum Genet 75: 82–91 117. Parks JS (1999) Transcription factors regulating pituitary development. Growth Horm IGF Res Suppl B: 2–8 118. Passarge E, Lenz W (1966) Syndrom of caudal regression in infants of diabetic mothers: observations of further cases. Pediatrics 37: 672–675 119. Patten BM (1953) Embryological stages in the establishing of myeloschisis with spina bifida. Am J Anat 93: 365–395 120. Peach B (1965) Arnold-Chiari malformation. Morphogenesis. Arch Neurol 12: 527–535 121. Peiffer J, Majewski F, Fischbach H, Bierich JR, Volk B (1979) Alcohol embryo- and fetopathy. Neuropathology of 3 children and 3 fetuses. J Neurol Sci 41: 125–137 122. Perez-Castillo A, Martin-Lucas MA, Abrisqueta JA (1984) Is a gene for microcephaly located on chromosome 1? Hum Genet 67: 230–232 123. Pfaffenroth MJ, Das GD, McAllister JP (1974) Teratogenic effects of ethylnitrosourea on brain development in rats. Teratology 9: 305–316 124. Puelles L, Rubenstein JLR (1993) Expression patterns of homeobox and other putative regulatory genes in the embryonic mouse forebrain suggest a numeric organization. Trends Neurosci 16: 472–479 125. Redecker C, Hagemann G, Witte OW (2000) Kortikale Dysgenesien. Aktuelle Aspekte zur Pathogenese und Pathophysiologie. Nervenarzt 71: 238–248 126. Reichardt LF, Tomaselli KJ (1991) Regulation of neural development by the extracellular matrix. In: McDonald JA, Mecham RP (eds) Receptors for extracellular matrix. Academic Press, London, pp 157–193 127. Rengachary SS, Watanabe I (1982) Ultrastructure and pathogenesis of intracranial arachnoid cysts. J Neuropathol Exp Neurol 40: 61–83 128. Richman DP, Stewart RM, Caviness VS Jr (1974) Cerebral micropolygyria in a 27-week fetus: an architectonic and topographic analysis. J Neuropathol Exp Neurol 33: 374–384 129. Rio CE, Pinckney LE, Kennedy LA (1981) Craniolacunia without associated anomalies. Neuroradiology 22: 155–157
Normale und pathologische Entwicklung des Nervensystems
130. Roessmann U (1985) Duplication of the pituitary gland and spinal cord. Arch Pathol Lab Med 109: 518–520 131. Roth M (1986) Cranio-cervical growth collision: another explanation of the Arnold-Chiari malformation and of basilar impression. Neuroradiology 28: 187–194 132. Roume J, Genin E, Cormier-Daire V et al. (1998) A gene for Meckel syndrome maps to chromosome 11q13. Am J Hum Genet 63: 1095–1101 133. Saito Y, Murayama S, Kawai M et al. (1999) Breached cerebral glia limitans-basal lamina complex in Fukuyama type congenital muscular dystrophy. Acta Neuropathol 98: 330–336 134. Sakata-Haga H, Sawada K, Hisano S, Fukui Y (2002) Administration schedule for an ethanol-containing diet in pregnancy affects types of offspring brain malformations. Acta Neuropathol 104: 305–312 135. Santavouri P, Somer H, Sainio K, Rapola J, Kruus S, Nikitin T, Ketonen L, Leisti J (1989) Muscle-eye-brain disease (MEB). Brain Dev 11: 147–153 136. Santi MR, Golden J (2001) Periventricular heterotopia may result from radial glia fiber disruption. J Neuropathol Exp Neurol 60: 856–862 137. Schoshet SS Jr, McCormick WF, Halmi NS (1974) Salivary gland rests in the human pituitary. Light and electron microscopic study. Arch Pathol 98: 193–200 138. Schulze KD, Braak H (1978) Hirnwarzen. Z Mikroskop Anat Forsch (Leipzig) 92: 609–623 139. Schunk H (1963) Congenital dilatation of the septum pellucidum. Radiology 81: 610–618 140. Seller MJ (1986) Neural tube defects and sex ratios. Lancet 2: 227 141. Shull WJ, Nishitani H, Hasuo K et al. (1992) Brain abnormalities among the mentally retarded prenatally exposed to atomic bomb survivors. Technical Report Series of the Radiation Effects Research Foundation. RERF-TR13-91: 1–16 (+ nicht veröffentlichtes internes Dokument, RERF/ Hiroshima-Nagasaki) 142. Simic G (2008) Pathogenesis of proximal autosomal recessive spinal muscular atrophy. Acta Neuropathol 116: 223–234 143. Smith DW, Lemli L, Opitz JM (1964) A newly recognized syndrome of multiple congenital anomalies. J Pediatr 64: 210–217 144. Smith AD, Wald NJ, Cuckle HS et al. (1979) Amniotic fluid acetylcholinesterase as a possible diagnostic test for neural tube defects in early pregnancy. Lancet 1: 685–688 145. Smith UM, Consugar M, Tee LJ et al. (2006) The transmembrane protein meckelin (MKS3) is mutated in Meckel-Gruber syndrome and the wpk rat. Nat Gen 38: 191– 196 146. Sobel EH (1978) Effects of neonatal stunting on the development of rats: early and late effects of neonatal cortisone on physical growth and skeletal maturation. Pediatr Res 12: 945–947 147. Stevenson AC, Johnston HA, Stewart MI, Golding DR (1966) Congenital malformations. A report of a study of
Literatur
148.
149.
150.
151.
152.
153.
154.
155.
156.
157.
158.
series of consecutive births in 24 centres. Bull World Health Org 34 [Suppl]: 1–127 Stovner LJ, Bergan U, Nilsen G, Sjaastad O (1993) Posterior cranial fossa dimension in the Chiari I malformation: relation to pathogenesis and clinical presentation. Neuroradiology 35: 113–118 Streissguth AD, Aase JM, Clarren SK, Randels SP, LaDue RA, Smith DF (1991) Fetal alcohol syndrome in adolescents and adults. J Am Med Assoc 265: 1961–1967 Suetsugu M, Mehraein P (1980) Spine distribution along the apical dendrites of the pyramidal neurons in Down’s syndrome. Acta Neuropathol 50: 207–210 Suttner N, Mura J, Tedeschi H, Ferreira MAT, Wen HT, de Oliveira E, Rhoton AL Jr (2000) Persistent trigeminal artery: a unique anatomic specimen – Analysis and therapeutic implications. Neurosurgery 47: 428–434 Swaab DF, Hofman MA (1995) Sexual differentiation of the human hypothalamus in relation to gender and sexual orientation. Trends Neurosci 18: 264–270 ten Donkelaar HJ, Hoevenaars F, Wesseling P (2000) A case of Joubert’s syndrome with extensive cerebral malformations. Clin Neuropathol 19: 85–93 ten Donkelaar HJ, Lammens M, Hori A (2006) Clinical Neuroembryology: Development and developmental disorders of the human central nervous system. Springer, Heidelberg Berlin Wien New York Tokyo Terplan KL, Sandberg AA, Aceto T Jr (1966) Structural anomalies in the cerebellum in association with trisomy. J Am Med Assoc 197: 557–568 Towfighi J, Sassani JW, Suzuki K (1984) Cerebro-ocular dysplasia-muscular dystrophy (COD-MD) syndrome. Acta Neuropathol 65: 110–123 Towfighi J, Ladda RL, Sharkey FE (1987) Purkinje cell inclusions and „atelencephaly“ in 13q-chromosomal syndrome. Arch Pathol Lab Med 111: 146–150 Van Praag H, Kempermann G, Gage FH (1999) Running increases cell proliferation and neurogenesis in the adult mouse dentate gyrus. Nat Neurosci 2: 266–270
85
159. Varghese M, Olstorn H, Berg-Johnsen J, Moe M, Murrell W, Langmoen I (2009) Isolation of human multipotent neural progenitors from adult filum terminale. Stem Cells Dev 18: 603–613 160. Visapää I, Salonen R, Varilo T et al. (1999) Assignment of the locus for hydrolethalus syndrome to a highly restricted region on 11q23–25. Am J Hum Genet 65: 1086–1095 161. Wakai S, Nakamura K, Arai T, Nagai M (1983) Extracerebral neural tissue mass in the middle cranial fossa extending into the oropharynx in a neonate. Case report. J Neurosurg 59: 692–696 162. Walker AE (1942) Lissencephaly. Arch Neurol Psychiatry 48: 13–29 163. Wallis DE, Roessler E, Hehr U et al. (1999) Mutations in the homeodomain of the human SIX3 gene cause holoprosencephaly. Nat Genet 22: 196–198 164. Warburg M (1987) Ocular malformations and lissencephaly. Eur J Pediatr 146: 450–452 165. Westergaard E (1970) The lateral cerebral ventricles and the ventricular walls. An anatomical, histological and electron-microscopic investigation on mice, rats, hamsters, guinea-pigs and rabbits. Andersboytrykkeriet, Odense 166. Williams B, Timpley WR (1977) Three cases of communicating syringomyelia secondary to midbrain gliomas. J Neurol Neurosurg Psychiatry 40: 80–88 167. Wollschlaeger G, Wollschlaeger PB (1964) The primitive trigeminal artery as seen angiographically and at postmortem examination. Am J Roentgenol 92: 761–768 168. Yakovlev PI (1959) Pathoarchitectonic studies of cerebral malformations. J Neuropathol Exp Neurol 18: 22–55 169. Yasui K, Hashizume Y, Yoshida M, Kameyama T, Sobue G (1999) Age-related morphologic changes of the central canal of the human spinal cord. Acta Neuropathol 97: 253–259 170. Zook EG, Nickey WM, Pribaz JJ (1984) Heterotopic brain tissue in the scalp. Plast Reconstr Surg 73: 660–663 171. Zwetsloot CP, Brouwer OF, Maaswinkel-Mooy PD (1989) Holoprosencephaly: variation of expression in face and brain in three sibs. J Med Genet 26: 274–276
Kapitel 4
Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen
4
C.H. Rickert Inhalt Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
Klinik bei Kindern und Erwachsenen . . . . . . . . . . .
92
Anatomie und Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
Forensische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . .
92
Plexus choroideus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
Pathophysiologie und Pathologie . . . . . . . . . . . . .
92
Liquor cerebrospinalis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
Makropathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
Klassifikation und Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . .
89
Histopathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
Nichtkommunizierender Hydrozephalus . . . . . . .
89
Experimentelle Ansätze und Tiermodelle . . . . . . .
93
Kommunizierender Hydrozephalus . . . . . . . . . .
91
Implizierte Gene und Wiederholungsrisiko . . . . . .
93
Hydrozephalus durch Liquorüberproduktion . . . . .
91
Therapie, Komplikationen und Prognose . . . . . . . . .
94
Kongenitaler Hydrozephalus . . . . . . . . . . . . . .
91
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
88
Kapitel 4
Definition
4
Der Hydrozephalus ist definiert als eine Erweiterung der inneren (Ventrikel) und/oder äußeren (Subarachnoidalraum) Liquorräume mit oder ohne erhöhtem intraventrikulären Druck. Dieser Volumenzunahme liegt eine Liquorzirkulationsstörung zugrunde, die zumeist durch eine Abfluss- bzw. Resorptionsbehinderung und nur selten durch eine Überproduktion des Liquors verursacht ist [16, 17, 31]. Davon müssen Erweiterungen der Liquorräume abgegrenzt werden, die durch eine Atrophie des Hirnparenchyms (Hydrocephalus e vacuo) oder eine zumeist kongenitale Fehlbildung des Ventrikelsystems (Ventrikulomegalie) bedingt sind.
Anatomie und Physiologie Angaben zu den normalen Ventrikelmaßen [60]: Breite des Septum pellucidum: 0,2 cm; Abstand zwischen den Temporalhörnern: 8,0 cm; Länge, Höhe und Breite des III. Ventrikels: 4,4u1,5u0,5 cm; Höhe und Breite des IV. Ventrikels: 1,6u1,7 cm; Abstand zwischen Foramen Monroi und Aquädukt: 3,0 cm; Durchmesser Foramen Monroi: <1 cm; Aquädukt: Durchmesser 0,2 cm, Länge 1,5 cm; Sagittaldurchmesser Cisterna pontis 0,4 cm.
Plexus choroideus Der Plexus choroideus ist am Boden der Seitenventrikel, nach Durchtritt durch die Foramina interventricularia Monroi im Dach des dritten Ventrikels sowie im kaudalen Abschnitt des Velum medullare des vierten Ventrikels lokalisiert, von wo er durch die Aperturae laterales Luschkae als „Bochdalek’sches Blumenkörbchen“ in die Kleinhirnbrückenwinkel austritt. Er besteht aus einem einschichtigen Epithel (Lamina choroidea epithelialis) und einer gefäßführenden Bindegewebsschicht (Tela choroidea). Das Stroma des Plexus entstammt entwicklungsgeschichtlich – wie die Meningen – vom Mesenchym ab, so dass meningeale Reste im Plexus Ursprung für ventrikuläre Meningeome sein können [12]. Die Plexusepithelzellen sind annähernd kubisch und enthalten einen gut ausgebildeten Golgi-Apparat, zahlreiche Lysosomen sowie Lipofuszingranula und Lipidtropfen. Sie sind polar differenziert und zeigen Merkmale transportierender Epithelien (Kinozilienbüschel und Mikrovilli an der ventrikulären sowie Membraneinfaltungen an der basale Oberfläche). Die Epithelzellen enthalten Enzyme des aktiven Transportes (Na+-K+-ATPase) und sind apikal durch „tight junctions“ miteinander verbun-
Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen
den, wodurch der interzelluläre Spalt für den Transport von Makromolekülen verschlossen ist [8, 36, 60]. Die Blutversorgung des Plexus erfolgt in den Seitenventrikeln durch die A. choroidea anterior (aus der A. carotis interior) und A. choroidea posterior lateralis (aus der A. cerebri posterior), im dritten Ventrikel durch die A. choroidea posterior medialis (aus der A. cerebri posterior) und im vierten Ventrikel durch die A. cerebelli inferior posterior (aus der A. vertebralis); der venöse Abfluss erfolgt meist über die V. choroidea und V. cerebri interior [60].
Liquor cerebrospinalis Der Liquor cerebrospinalis erfüllt mehrere Funktionen, die in mechanischem Schutz des ZNS gegenüber traumatischen Druckeinflüssen, der Aufrechterhaltung der Homöostase sowie der Ausscheidung und dem Transport von Stoffwechselprodukten innerhalb des ZNS bestehen. Die Bildung des Liquors stellt eine Ultrafiltration des Blutes dar; diese erfolgt mittels Durchtritt proteinhaltiger Flüssigkeit durch das gefensterte Plexuskapillarendothel in das Plexusstroma mit anschließendem aktiven und selektiven Transport per Pinozytose sowie aus der Sekretion von Stoffen durch das Plexusepithel, so dass der Liquor im Vergleich zum Plasma eine höhere Na+- und Mg2+- und eine niedrigere Ca2+-Konzentration aufweist [20, 38]. Die Gesamtmenge des Liquor cerebrospinalis beträgt beim Erwachsenen etwa 140 ml (110–160 ml), wovon 20 ml auf die Seitenventrikel (deren Plexus die Hauptmenge des Liquors bilden), 5 ml auf den III. und IV. Ventrikel sowie den Aquädukt und der Rest auf den Subarachnoidalraum und Spinalkanal entfallen [65]; dabei nimmt der Liquor 11,4%, das Hirnparenchym 88,6% des intrakraniellen Raumes ein [8]. Die Liquorvolumina beim Kleinkind betragen 80–120 ml und beim Säugling 40–60 ml. Die Syntheserate des Liquor ist konstant und beträgt 0,3–0,4 ml pro Minute, entsprechend 20 ml pro Stunde (500 ml/Tag), so dass der Liquor innerhalb von 24 Stunden drei- bis fünfmal ausgetauscht wird [20]. Während die Liquorproduktion unter physiologischen Bedingungen unabhängig vom intrakraniellen Druck ist, nimmt sie bei deutlichen Druckerhöhungen ab [8, 36]. Etwa 50–80% des Liquors wird im Plexus choroideus, ein geringerer Anteil auch in den Arachnoidal- und Ependymzellen gebildet. Das Hirnparenchym soll mit 10–20% nach dem Plexus der wichtigste Liquorsyntheseort sein, wobei die Produktion möglicherweise von den mitochondrienreichen Kapillarendothelien ausgeht [20]. Der normale Hirndruck ist lagerungs- und belastungsabhängig und beträgt in Ruhe 5–15 mmHg, kann jedoch beim Husten und Pressen auf bis zu 120 mmHg ansteigen; der Hirndruck eines Föten liegt aufgrund des zusätzlichen
Klassifikation und Ätiologie
hydrostatischen und muskulären intrauterinen Drucks bei 55–65 mmHg [8]. Die Liquorbewegung von den Plexus zu den Resorptionsstellen erfolgt durch die sekretionsbedingte Strömung vom Bildungsort weg, die hydrostatische Druckdifferenz, die im Plexus choroideus erzeugte arterielle Pulsationswelle sowie in geringem Umfang durch die Kinozilien der Ependymozyten [20]. Die Liquorzusammensetzung variiert nach Lokalisation: Die Proteinkonzentration beträgt in den Ventrikeln 10 mg/dl, in der Cisterna magna 15–20 mg/dl und lumbal 30–45 mg/dl [36]. Der Liquor fließt von den Seitenventrikeln durch die Foramina interventricularia (Monroi) in den III. Ventrikel und durch den Aquädukt in den IV. Ventrikel, von wo er durch die Aperturae mediana (Magendii) und laterales (Luschkae) in die Cisternae cerebellomedullaris und pontis laterales gelangt. Der frisch produzierte Liquor erreicht beim Menschen in der ersten Stunde die gesamten Seiten- und den III. Ventrikel, nach zwei bis vier Stunden den IV. Ventrikel und die Cisterna cerebellomedullaris [36]. Von dort breitet er sich im Subarachnoidalraum aus, wobei die Ventrikel bereits in der achten Schwangerschaftswoche mit diesem kommunizieren [8]. Ein weiterer, im Tierversuch nachgewiesener Weg besteht in der transparenchymatösen Liquorströmung über die Interzellularräume des Gehirns [36]. Die Liquorresorption erfolgt überwiegend über die Pacchionischen Granulationen und die makroskopisch nicht sichtbaren Villi, die meist in den Sinus sagittalis superior, jedoch auch in andere venöse Blutleiter hineinragen [36]. Die arachnoidalen Villi treten in der 12. Schwangerschaftswoche auf, während die Granulationen erst um den 18. Lebensmonat angetroffen werden; seltene Fälle von kongenitaler Aplasie der Granulationen sind bekannt [18]. Die Liquorresorption besteht aus einem dynamischen transendothelialen Vakuolisierungsprozess mit temporärer Öffnung von Kanälen im Villusendothel, so dass der Liquor vom Subarachnoidalraum in das Blut gelangen kann. Dabei gilt die hydrostatische Druckdifferenz zwischen Subarachnoidalraum und intravenösem Raum (ca. 5 mmHg) als wichtigster Faktor für die Drainage [8]. Weitere Resorptionsstellen des Liquors werden angenommen, so z. B. transependymal und -kapillär durch den Interzellularraum [46], über die Cauda equina, den Zentralkanal des Rückenmarks und das Endoneurium der Hirn- und Rückenmarksnerven. Über Letztere findet der Liquor Anschluss an das Lymphgefäßsystem und kann in Nasennebenhöhlen, nasaler Submukosa und Halslymphknoten nachgewiesen werden [67]. Dieser Weg wird als ursächlich für die bei Kindern mit Shuntverschlüssen anzutreffenden intranasalen und periorbitalen Schwellungen angesehen [36]. Zusätzlich wurde in Tierversuchen eine substantielle Liquorresorption durch die spinalen Meningen und durch die Lamina cribriformis demonstriert [8].
89
Klassifikation und Ätiologie Hydrozephalus bezeichnet die Nettozunahme von Liquor, die bei einem Ungleichgewicht von Produktion und Resorption zustande kommt. Einem Hydrozephalus können dabei eine Vielzahl von möglichen Ursachen zugrunde liegen, und er kann entsprechend spezifischer Faktoren sehr variabel klassifiziert werden: nach Zeitpunkt des Auftretens (fetal vs. infantil vs. adult, kongenital vs. erworben), Ursache (primär idiopathisch vs. sekundär, neoplastisch vs. nichtneoplastisch), Lokalisation (intravs. extraventrikulär), Pathomechanismus (obstruktiv vs. hypersekretorisch, kommunizierend vs. nichtkommunizierend), Einsetzen (akut vs. chronisch) und Verlauf (progressiv vs. arretiert) sowie dem vorherrschenden Druck (Tensionshydrozephalus vs. Normaldruckhydrozephalus) [16, 17, 31, 39]. In fast allen Fällen liegt dem Hydrozephalus eine Erhöhung des Resorptionswiderstands mit einer entweder akuten oder chronischen Hirndruckerhöhung vor. Mit der seltenen Ausnahme der Liquorüberproduktion bei Plexustumoren, ist der Hydrozephalus – wie von Dandy propagiert [13] – meist obstruktiv, sei es durch eine Verlegung mit Erweiterung der inneren (sog. Hydrocephalus occlusus oder internus bzw. nichtkommunizierender Hydrozephalus) oder der äußeren Liquorräume (sog. Hydrocephalus aresorptivus oder externus bzw. kommunizierender Hydrozephalus); dabei weist „nichtkommunizierend“ auf einen gestörten Liquorfluss innerhalb der Ventrikel oder zwischen Ventrikeln und äußeren Liquorräumen, „kommunizierend“ auf eine Abflussstörung distal der Ventrikel innerhalb der basalen Zisternen bzw. des Subarachnoidalraums hin [16, 17, 31, 36]. Zu Letzterem gehört auch der durch nur gelegentliche, vor allem nächtliche Druckspitzen charakterisierte Normaldruckhydrozephalus [10]. Von den o. g. Formen muss der Hydrocephalus e vacuo mit Schwund des Hirngewebes bei Atrophie oder degenerativen Stoffwechselstörungen mit sekundärer Entmarkung durch Speichersubstanzen abgegrenzt werden, bei dem primär keine Abflussbehinderung des unter normalem Druck stehenden Liquors vorliegt; er ist jedoch nicht mit einem Normaldruckhydrozephalus gleichzusetzen.
Nichtkommunizierender Hydrozephalus Zwei Drittel aller nichtkommunizierenden Hydrozephalusfälle beruhen auf primären oder sekundären Aquäduktstenosen mit symmetrischer Erweiterung der Seitenventrikel (s. folgende Übersicht und Abb. 4.1 bis 4.3). Im Kindesalter ist die Ätiologie des nichtkommunizierenden Hydrozephalus häufig multifaktoriell und vom Schädigungszeitraum abhängig, wobei sich bei Frühgeborenen
90
Kapitel 4
Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen
4
Abb. 4.1 Postmeningitischer Hydrozephalus mit hochgradiger Verschmälerung des Balkens und des Bodens des III. Ventrikels
a
b Abb. 4.2a,b Kongenitale Aquäduktstenose mit a schlitzförmig verengtem Lumen sowie b multiplen kleinen Ependymschläuchen (sog. „aqueductal forking“). a HE, b EvG. Originalvergrößerung 320u
die Ursache in 40% pränatal, in 60% perinatal und in weniger als 1% postnatal findet, während dies bei termingerecht Geborenen in 70% pränatal, in 25% perinatal und in weniger als 5% postnatal der Fall ist [23]; dabei weisen etwa 60% der Kinder mit einer Myelomeningozele eine Aquäduktstenose auf [41]. Der engste Abschnitt des Aquäduktes beim Erwachsenen misst 0,8 cm2 (0,4–
Abb. 4.3 Kongenitaler Hydrozephalus mit Balkenagenesie und Polymikrogyrie bei Aquäduktstenose
1,5 cm2) und bei Kindern 0,5 cm2, wobei ein Lumen von unter 0,15 cm2 als pathologisch gilt (s. Abb. 4.2); jedoch ist selbst eine Querschnittsfläche von 0,1 cm2 mit unauffälligen Ventrikeln vereinbar [18, 55]. Während die kongenitale Aquäduktstenose bzw. -atresie durch blande Einengung des Lumens (s. Abb. 4.2a) bzw. multiple kleine Ependymschläuche (sog. „aqueductal forking“) charakterisiert ist (s. Abb. 4.2b), findet sich bei erworbener Aquäduktstenose eine periluminale reaktive Gliose. Das ursprünglich von Dandy propagierte Konzept, dass wegen des von Beginn an existierenden Lumens des Neuralrohrs alle Strikturen des Aquädukts sekundär, d. h. erworben sein müssen, wird durch die Tatsache relativiert, dass unmittelbar nach Verschluss des Neuralrohrs eine Okklusion mit anschließender Wiedereröffnung des Spinalkanals erfolgt [18].
Nichtkommunizierender Hydrozephalus (s. auch Abb. 4.1 bis 4.3) • Tumoren und nichtneoplastische Raumforderungen (z. B. Gliome, Kraniopharyngiome, Pinealistumoren, Kolloidzysten des III. Ventrikels, Medulloblastome und Ependymome, Aneurysmen, Angiome, Zysten) • Leptomeningeale Entzündungen (bakterielle und tuberkulöse Meningitis, Sarkoidose, Abszesse, Parasitosen) • Blutungen (traumatisch, hyperton, kongophil, Vena Galeni-Aneurysma, Keimlagerblutung) • Kongenitale Malformationen (Arachnoidalzysten, Dandy-Walker-Malformation mit Foramenatresien, kongenitale Aquäduktstenose/ -atresie, Arachnoidalzysten, vaskuläre Malformationen, Achondroplasie, Kraniosynostosen, fetale Tumoren) • Ödem (postoperativ/traumatisch)
Klassifikation und Ätiologie
91
Kommunizierender Hydrozephalus Der kommunizierende Hydrozephalus ist in 50% Folge einer Meningitis oder einer Subarachnoidalblutung, wobei Letztere in 15% von einem Normaldruckhydrozephalus gefolgt wird (s. folgende Übersicht) [22]. Dieser tritt fast ausschließlich als Erwachsenenhydrozephalus zur Hälfte sekundär nach Subarachnoidalblutung, Schädel-HirnTraumen, Meningitis oder neurochirurgischen Eingriffen, zur anderen Hälfte idiopathisch auf (Abb. 4.4); er stellt die Phase des Hydrozephalus beim Übergang von der akuten oder konstanten Hirndruckerhöhung zum chronischen, wenn auch minimal progredienten Zustand dar [8, 10]. Fälle von nichtkommunizierendem Normaldruckhydrozephalus bei Patienten mit Aquäduktstenose sind beschrieben worden [62]. Die Ursache des Normaldruckhydrozephalus ist nicht geklärt, es wird jedoch eine ischämische Komponente mit periventrikulärer Entmarkung bei intermittierend erhöhten intrazerebralen Drücken und veränderten parenchymatösen Gefäßen angenommen [10]; in 0,4% der Patienten wird der Normaldruckhydrozephalus als Ursache einer Demenz angesehen [62].
Kommunizierender Hydrozephalus (Abb. 4.4) • Leptomeningeale Entzündungen (bakterielle und tuberkulöse Meningitis) • Blutungen (traumatisch, Subarachnoidalblutung) • Meningeale Karzinomatose • Kongenitale Malformationen (Arnold-ChiariMalformation, Enzephalozele, Lissenzephalie, Agenesie/-plasie der Pacchionischen Granulationen, Einengung des Subarachnoidalraums durch gliale Heterotopien und mesodermale Proliferation bei Walker-Warburg- und Fukuyama-Syndrom, leptomeningeale Lipomatose, Hypervitaminose A, fragiles X-Syndrom) • Idiopathisch
Abb. 4.4 Idiopathischer Hydrozephalus mit Zerfaserung und partieller Destruktion des Septum pellucidum
Kongenitaler Hydrozephalus Die Inzidenz des zumeist nichtkommunizierenden kongenitalen Hydrozephalus beträgt 3–5 Fälle pro 1000 Lebendgeburten [8, 37]. Dabei ist er häufig mit anderen Malformationen wie Myelomeningozelen, Enzephalozelen, Arnold-Chiari- oder Dandy-Walker-Malformationen, Wurmagenesien, Lissenzephalien und/oder zerebrookulomuskulären Syndromen (Miller-Dieker-, Walker-Warburg- und Fukuyama-Syndrom), Holoprosenzephalien, Hydranenzephalien, Schizenzephalien und Agenesien des Foramen Monroi assoziiert (s. folgende Übersicht).
Häufigste Ursachen des kindlichen Hydrozephalus8 • Myelomeningozele (17–54%) • Tumoren (20%) • Idiopathisch (10–15%) • Posthämorrhagisch (10–15%) • Aquäduktstenose (10%) • Postinfektiös (9%) • Hydranenzephalie und Arnold-Chiari Typ II (7%) • X-chromosomal (2%)
Hydrozephalus durch Liquorüberproduktion Diese auch als Hydrocephalus hypersecretorius bezeichnete Erweiterung der Liquorräume tritt in seltenen Fällen bei Vorliegen einer villösen Hypertrophie des Plexus choroideus [2] oder eines Plexuspapilloms auf, wobei die Liquorproduktion auf das Fünffache gesteigert sein kann [38]; selbst nach Entfernung des Plexus choroideus werden jedoch noch 30–60% des Liquors in nichtchoroidalen Strukturen gebildet [36]. Zusätzlich entwickeln zwei Drittel der Patienten trotz Resektion eines Plexuspapilloms einen Shunt-pflichtigen Hydrozephalus [8].
Die Ätiologie des kongenitalen Hydrozephalus ist meist nicht bekannt, in einigen Fällen können jedoch maternale Infektionen (zumeist Zytomegalie, Toxoplasmose, Röteln, Windpocken, Mumps), teratogene Faktoren (ionisierende Strahlen, LSD) und genetische Ursachen („X-linked hydrocephalus“, Syndrom des fragilen XChromosomes, s. unten) nachgewiesen werden; Letztere zeigen mit 66% eine männliche Bevorzugung und sind zumeist mit mentalen Retardierungen assoziiert [41, 56, 66]. In vereinzelten Fällen ist ein Hydrozephalus auch mit einem Basalzellnävussyndrom oder einer
92
Kapitel 4
Achondroplasie assoziiert [66]. Die Liquorproduktion beim kongenitalen Hydrozephalus ist entweder vollständig oder fast normal.
Klinik bei Kindern und Erwachsenen
4
Die klinischen Symptome des Hydrozephalus sind wegen der bei Kleinkindern noch nicht verschlossenen Schädelnähte altersabhängig; dabei kann der kindliche Hydrozephalus wegen der ebenfalls noch nicht abgeschlossenen Myelinisierung erhebliche Proportionen erreichen, bis er klinisch apparent wird. Der normale Kopfumfang bei termingerechter Geburt beträgt 33–36 cm und nimmt anfänglich pro Woche um etwa 1 cm zu. Bei Säuglingen kommt es typischerweise zu einer raschen Zunahme des Schädelwachstums mit Makrokranie bzw. Makrozephalie sowie zu vorgewölbten Fontanellen, Trinkschwäche, Distension der Skalpvenen, dem Phänomen der untergehenden Sonne und Papillenödem sowie u. U. auch zu Apnoe und Bradykardie [8]. Die bei unter neun Monate alten Kindern durchführbare Diaphanoskopie oder Transillumination des Kopfes ist dabei positiv, wenn die Dicke des Hirnparenchymsaums weniger als 1 cm beträgt [37]. Bei älteren Kindern imponieren Kopfschmerzen, Erbrechen, Vigilanzminderung, Ophthalmoplegie, Schulleistungsschwäche und Verhaltensauffälligkeiten [8], wobei jedoch bis zu einem Drittel der Kinder keine klinischen Symptome zeigen [41]. Bei Erwachsenen stehen im Wesentlichen Kopfschmerzen und Merkfähigkeitsstörungen im Vordergrund, während der überwiegend ältere Patienten betreffende Normaldruckhydrozephalus sich in psychischen Alterationen (Mutismus), Gangstörungen und einer Sphinkterinkontinenz äußert [10, 24, 25].
Forensische Implikationen Ein akuter Hydrozephalus gehört zu den gelegentlichen Ursachen eines plötzlichen und unklaren Todesfalles in der Rechtsmedizin. Dabei entwickelt sich der nichtkommunizierende Hydrozephalus zumeist recht akut und ist deshalb potentiell lebensgefährlich [35]. Bei jedem progressiven Hydrozephalus gibt es dabei einen Endpunkt, an dem die Grenzen der Kompensation erreicht sind und jede weitere Druck- und/oder Volumenzunahme katastrophale Folgen haben kann. Das letztendlich destabilisierende Ereignis kann eine zusätzliche Obstruktion, eine akut gesteigerte Liquorproduktion bei erhöhtem Venendruck, ein Hirnödem oder ein Bagatelltrauma sein, das zu respiratorischem und kardialem Versagen führen kann. Diese Vorgänge können sich in einem Zeitraum von 20 min bis zu mehreren Stunden ereignen [35]. Der akute Hydrozephalus kann gelegentlich bei (Klein)Kindern
Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen
auch durch plötzliche Druckerhöhungen aufgrund von Arachnoidalzysten [41], bei jungen Erwachsenen durch akute Verlegung der Foramina Monroi durch Kolloidzysten des III. Ventrikels verursacht werden [5]. Darüber hinaus kann es jedoch auch bei chronischem Hydrozephalus zu plötzlichen und unerwarteten Todesfällen kommen, die zumeist junge Erwachsene betreffen und ohne Prodromi wie Kopfschmerzen oder zerebrale Anfälle eintreten [50]. Epilepsien werden bei Patienten mit Hydrozephalus häufiger angetroffen: Zum Zeitpunkt der Shunt-Anlage leiden zwischen 12 und 30% der Hydrozephaluspatienten an zerebralen Anfällen mit einer konstanten jährlichen Zunahme von 2% [28, 44, 63]; jedoch entwickeln auch nach Anlage eines Shunts noch 7,5–17% der Patienten eine Epilepsie [ 34, 44]. Diese wird auch bei 18% der an einer Arachnoidalzyste leidenden Kinder mit Hydrozephalus beobachtet [8].
Pathophysiologie und Pathologie Nach der sog. Monro-Kelly-Doktrin enthält der geschlossene Schädel drei Anteile: Hirnparenchym, intravasale/ interstitielle Flüssigkeit und Liquor; eine Zunahme einer dieser Komponenten führt dabei zu einer Abnahme der beiden anderen Kompartimente [8]. Bei den obstruktiven Hydrozephalusformen hängt die schädigende Wirkung auf das Hirngewebe nicht nur vom absoluten Liquordruck ab, sondern auch von der ventrikulären Oberfläche, auf die der Druck wirkt, so dass geringgradige Liquordruckerhöhungen bei erweiterten Ventrikeln deletärer sind als hohe Drücke bei schmalen Ventrikeln [25]. Mit Zunahme des Liquors erhöht sich der intraventrikuläre Druck und führt zur Erweiterung des Ventrikelsystems; dies resultiert in einem kompensatorischen Anstieg der Liquorresorption, bis ein neues Äquilibrium erreicht wird [1].
Makropathologie Zu den makroskopischen Veränderungen bei Hydrozephalus gehören die Abflachung der Gyri und das Verstreichen der Sulci, die Erweiterung der inneren Liquorräume mit Abrundung der Ventrikelwinkel und bei chronischen Zuständen eine Atrophie des Hirngewebes mit Ausdünnung von Corpus callosum (s. Abb. 4.1), Septum pellucidum (s. Abb. 4.4) und des Bodens des III. Ventrikels (s. Abb. 4.1). Wegen des geringeren Widerstands der weißen Substanz des Marklagers gegenüber den zellreichen Stammganglien und Thalami sind die Vorderund Hinterhörner zumeist besonders erweitert, während die zentralen Abschnitte der Seiten- sowie der III. und
Pathophysiologie und Pathologie
IV. Ventrikel eher geringer und später betroffen sind. Diese Veränderungen sind zudem altersabhängig, wobei im Säuglingsalter das im unreifen Gehirn relativ größere Hinterhorn stärker betroffen ist, während in höherem Alter Erweiterungen des Vorderhorns dominieren. Bei Kindern werden gelegentlich Druckschädigungen des Splenium corporis callosi durch die Falx cerebri beobachtet, die u. a. durch Kompression der suprakallosalen Anteile der Hippokampusformation zu Gleichgewichtsund Gehstörungen, Inkontinenz und Defiziten des Gedächtnisses führen können [25]. Bei Vorliegen eines nichtkommunizierenden Hydrozephalus lassen sich darüber hinaus auch eventuelle Aquäduktatresien oder -stenosen erkennen.
Histopathologie Das Ependym proliferiert prä- und unmittelbar postnatal, weist danach jedoch nur eine geringe mitotische Aktivität auf, so dass die Reaktionen gegenüber Schädigungen limitiert sind. Beim Hydrozephalus sind histologisch ein abgeflachtes Ventrikelependym mit Zilien- und Mikrovilliverlust sowie Epitheldefekte und -verluste, v. a. im Dach der Seitenventrikel, zu erkennen [8, 15]. Diese Schäden treten bereits 12–24 Stunden nach Liquorobstruktion auf und sind durch zur Ependymoberfläche emigrierende, CD68-positive Makrophagen charakterisiert, insbesondere entlang des Ependyms der Hinterhörner [61]. Bei chronischem Hydrozephalus kommt es im Anschluss praktisch immer zu einer periventrikulärsubependymalen reaktiven Gliose. Der Plexus choroideus weist ein atrophiertes Epithel und fibrosiertes Stroma auf [18]. Zusätzlich werden elektronenmikroskopisch Vakuolisierungen, intrazelluläre Einschlüsse, Verluste von Mitochondrien und Erweiterungen der Interzellulärräume beobachtet [8, 15]. Die weiße Substanz des Marklagers weist ein durch Migration des Liquors bedingtes periventrikuläres Ödem auf, das im CT als Hypodensität imponiert [36]. Zusätzlich kommt es zu einer progressiven, am ehesten durch Dehnung und Druck hervorgerufenen axonalen Schädigung mit Axonuntergängen und sekundärer Myelindegeneration (u. a. im Tractus corticospinalis), wobei MBP („myelin basic protein“) im Liquor von Hydrozephaluspatienten nachgewiesen werden kann [58]. Ebenso wird eine reaktive Astro- und Mikrogliose sowie Phagozytose durch monozytäre Zellen beobachtet; in seltenen Fällen kann die Marklagerschädigung auch die Form eines Infarkts mit zystischer Degeneration annehmen [8, 15]. Im Corpus callosum sind die Blutgefäße reduziert und weisen gelegentlich ein endotheliales Ödem auf. Die hydrozephalusbedingten Veränderungen der grauen Substanz bestehen in schweren chronischen Fällen aus einem Verstreichen der kortikalen Schichten, wobei die
93
Nervenzelldichte durch Kompression erhöht erscheint und die Pyramidenzellen verkleinert, rundlich und desorientiert sind [8, 15]. Sie zeigen Chromatolysen, Kernpyknosen und Vakuolisierungen auf, die bis zum Zelluntergang führen können. Verglichen mit dem Neokortex sind die Veränderungen im Hippokampus gering und der Nucleus caudatus ist unauffällig.
Experimentelle Ansätze und Tiermodelle Das älteste Tiermodell des experimentell induzierten Hydrozephalus stammt von Dandy und Blackfan [13], die bei einem Hund eine Erweiterung der Seiten- und des III. Ventrikels durch Verstopfen des Aquädukts mit Baumwolle erreichten. Seitdem sind zahlreiche Modelle des kongenitalen und erworbenen Hydrozephalus beschrieben worden, die durch biologische, chemische und physikalische Agenzien oder durch Züchtung entsprechender Tierstämme erzeugt werden können (Übersicht bei Crews et al. [11]). Am häufigsten findet die intrathekale Injektion von Kaolin (Aluminium-Silikat) Anwendung, die eine lokale entzündliche Reaktion provoziert. Im Tiermodell induzierbare Liquorzirkulationsstörungen sind der kommunizierende Hydrozephalus (hy-3- und ch-Mäuse, LEW-Ratten, Methyl-Nitroseharnstoff [MNU], Reoviren, Hypervitaminose A), die Aquäduktstenose (Kaolin, LEW/jms-Ratten, Äthyl-Nitroseharnstoff [ENU], Myxoviren, Vitamin-B12- und Folsäuremangel, Trypanblau, Zyanoakrylkleber), die fibröse Einengung des Subarachnoidalraums (Kaolin, Silikonöl, Bakterien, Toxine, Tinte, Paraffin, Gelatine), die Dandy-Walker- (hy1-Maus, Riboflavinmangel, Äthylenthioharnstoff [ETN], 6-Amino-Nikotinamid [ANA]) und Arnold-Chiari-Malformation (Trypanblau) sowie der hydromyelische (hy-3Maus, HVJ-Virus, 6-Amino-Nikotinamid [ANA]) und mikrozephale Hydrozephalus (Strahlen, Ischämie/Anoxie) [4, 8, 18, 27, 42]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ergebnisse in Tiermodellen mit viren- oder teratogeninduziertem Hydrozephalus mit Vorsicht interpretiert werden müssen, da die hervorgerufenen Hirnveränderungen auch Ausdruck des schädigenden Agens und nicht allein Folge des Hydrozephalus sein können [8, 42].
Implizierte Gene und Wiederholungsrisiko Rezente Publikationen weisen darauf hin, dass genetische Faktoren eine wichtige Rolle bei der Ätiologie und Pathogenese des Hydrozephalus spielen und in etwa 40%, insbesondere bei kongenitalen Fällen, ursächlich zugrunde liegen sollen [26]. Mindestens 43 mit hereditärem Hydrozephalus assoziierte Mutanten bzw. Loci sind in Tiermodellen und beim Menschen beschrieben worden [69].
94
4
Kapitel 4
Darüber hinaus sind bislang neun Hydrozephalus-assoziierte Gene im Tiermodell identifiziert worden; beim Menschen ist demgegenüber bislang erst ein solches Gen entdeckt worden [69]. Es sind jedoch zahlreiche Familien mit kongenitalem Hydrozephalus beschrieben, wobei die Loci bzw. Gene der autosomal-rezessiven Formen noch nicht identifiziert werden konnten [6]. Bei autosomaldominanten Fällen ist bei einer kongenitalen Variante eine Mikrodeletion des Chromosoms 8q12.2-21.2 beschrieben worden [64], während bei X-chromosomal assoziiertem kongenitalem Hydrozephalus („X-linked hydrocephalus“) das verantwortliche Gen als L1CAM identifiziert und auf Locus Xq28 lokalisiert werden konnte [29]. Es kodiert für das L1-Protein, das ein Immunglobulin aus der Familie der neuralen Zelladhäsionsmoleküle ist; ein Zusammenhang zwischen X-chromosomal assoziiertem kongenitalem Hydrozephalus und dem Morbus Hirschsprung ist beschrieben, so dass eine L1CAM-Mutation als ätiologisch-pathogenetischer Faktor auch bei der Entstehung der letzteren Erkrankung in Frage kommt [40, 43]. Darüber hinaus existiert das Syndrom des fragilen X-Chromosoms, dessen Defekt auf Xq27.3 lokalisiert ist und das mit Makrozephalie einhergeht [53, 68]. Eine genetische Prädisposition scheint jedoch auch bei einigen Formen des erworbenen („adult onset“) Hydrozephalus vorzuliegen, unter denen autosomal-dominante [45] sowie X-chromosomale [33] Varianten beschrieben worden sind; bei beiden sind jedoch die Loci bzw. Gene noch unbekannt (genauere Details, insbesondere von Befunden bei Ratten, Mäusen und Zebrafischen, finden sich in Zhang et al. [69]). Weiterhin fand sich ein Zusammenhang zwischen Hydrozephalusassoziierten Hirnmissbildungen und chromosomalen Zugewinnen von 1q21.1 [3] bzw. Verlusten von 1p36 [7]. Die Mehrheit der bekannten Hydrozephalus-Genprodukte sind dabei wichtige Zytokine, Wachstumsfaktoren oder Moleküle der Zellsignalkaskaden („pathways“) während der frühen Hirnentwicklung [14, 21, 51, 54, 57, 59]. Das Wiederholungsrisiko ist abhängig von der Ätiologie des Hydrozephalus: Für nicht-X-chromosomale Fälle von kongenitalem Hydrozephalus muss es als gering angesehen werden und liegt etwa zwischen <1 und 4% [69]. Es beträgt 6% für jedwedes Geschwisterkind eines hydrozephalen Kindes mit Aquäduktstenose und 12% für den Bruder eines hydrozephalen Jungen mit Aquäduktstenose, während das Wiederholungsrisiko für das Geschwisterkind eines Jungen mit X-chromosomal assoziiertem kongenitalem Hydrozephalus mit 4% angegeben wird [29].
Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen
wurde [8]. Nach initialer Bevorzugung ventrikuloatrialer Ableitungen werden heute überwiegend ventrikuloperitoneale Shunts angelegt, die eine Funktionsdauer von etwa 5–6 Jahren haben [32], von denen jedoch nach zwei bzw. zehn Jahren nur noch 50% bzw. 15% funktionieren [9]; die durchschnittliche Anzahl der Shunt-Operationen beträgt 2,7 pro Patient [47]. Eine ohne Shunt auskommende Technik ist die endoskopische Ventrikulostomie vom III. Ventrikel in die basalen Zisternen, deren Erfolgsquote bei Aquäduktstenosen 80% beträgt [9]. Die Mortalität bei hydrozephalen Föten beträgt etwa 80%, wobei gelegentlich ein Hirntumor zugrunde liegt [49, 66]. Shunt-bedingte Metastasen sind jedoch in Anbetracht der Vielzahl der eingebrachten Ableitungen und der für einige zerebrale Tumoren typischen Liquoraussaat außerordentlich selten [48]. Bei geringer perioperativer Mortalität liegen die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten nach Shunt-Anlage bei nichtneoplastischem Hydrozephalus zwischen 80 und 95% [28, 32]. Bei 30–50% der pädiatrischen Patienten ist der Intelligenzquotient (IQ) normal, hängt jedoch von der Dicke des kortikalen Mantels ab: Bei weniger als 2 cm liegt der IQ bei unter 80, ab 2,8 cm ist er normal [8]. Bei in den ersten zwei Lebensjahren geshunteten Kindern weisen 40% einen IQ von unter 70 auf, und nur 60% können am normalen Schulunterricht teilnehmen [28]. Shunt-Komplikationen treten im ersten Jahr bei etwa 30–60% der Patienten ein, wobei die Mortalität des Shunt-Versagens bei 1%, die der Shunt-Infektion bei 35% liegt [8, 19, 32].
Literatur 1.
2.
3.
4.
5.
Therapie, Komplikationen und Prognose Neben der operativen Ausräumung eines eventuellen mechanischen Hindernisses ist die Therapie der Wahl die Ableitung des Liquors, die erstmalig 1898 durchgeführt
6.
Azzi GM, Canady AI, Ham S, Mitchell JA (1999) Kaolininduced hydrocephalus in the hamster: temporal sequence of changes in intracranial pressure, ventriculomegaly and whole-brain specific gravity. Acta Neuropathol 98: 245–250 Britz GW, Kim DK, Loeser JD (1996) Hydrocephalus secondary to diffuse villous hyperplasia of the choroid plexus. Case report and review of the literature. J Neurosurg 85: 689–691 Brunetti-Pierri N, Berg JS, Scaglia F et al. (2008) Recurrent reciprocal 1q21.1 deletions and duplications associated with microcephaly or macrocephaly and developmental and behavioral abnormalities. Nat Genet 40: 1466–1471 Bruni JE, Del Bigio MR, Cardoso ER, Persaud TVN (1988) Hereditary hydrocephalus in laboratory animals and humans. Exp Pathol 35: 239–246 Buttner A, Winkler PA, Eisenmenger W, Weis S (1997) Colloid cysts of the third ventricle with fatal outcome: a report of two cases and review of the literature. Int J Legal Med 110: 260–266 Chalmers RM, Andreae L, Wood NW, Durai Raj RV, Casey AT (1999) Familial hydrocephalus. J Neurol Neurosurg Psychiatry 67: 410–411
Literatur
7.
8. 9. 10.
11.
12.
13.
14.
15. 16.
17.
18. 19.
20.
21.
22.
23.
24.
Campeau PM, Ah Mew N, Cartier L, Mackay KL, Shaffer LG, Der Kaloustian VM, Thomas MA (2008) Prenatal diagnosis of monosomy 1p36: a focus on brain abnormalities and a review of the literature. Am J Med Genet 146A: 3062–3069 Choux M, Di Rocco C, Hockley AD, Walker ML (1999) Pediatric Neurosurgery. Churchill Livingstone, London Cinalli G (1999) Alternatives to shunting. Child’s Nerv Syst 15: 718–731 Corkill RG, Cadoux-Hudsen TAD (1999) Normal pressure hydrocephalus: developments in determining surgical prognosis. Curr Opin Neurol 12: 671–677 Crews L, Wyss-Coray T, Masliah E (2004) Insights into the pathogenesis of hydrocephalus from transgenic and experimental animal models. Brain Pathol 14: 312–316 Criscuolo GR, Symon L (1986) Intraventricular meningioma. A review of 10 cases of the National Hospital, Queen Square (1974–1985) with reference to the literature. Acta Neurochir 83: 83–91 Dandy WE, Blackfan KD (1914) Internal hydrocephalus. An experimental, clinical and pathological study. Am J Dis Child 8: 406–482 Davy BE, Robinson ML (2003) Congenital hydrocephalus in hy3 mice is caused by a frameshift mutation in Hydin, a large novel gene. Hum Mol Genet 12: 1163–1170 Del Bigio MR (1993) Neuropathological changes caused by hydrocephalus. Acta Neuropathol 85: 573–585 Ellison D, Love S, Chimelli L, Harding BN, Lowe J, Vinters HV (2004) Hydrocephalus. Neuropathology – A reference text of CNS pathology, 2. Aufl. Mosby, Edinburgh, pp 111–118 Esiri MM (1996) Hydrocephalus, cysts and syrinxes. Oppenheimer’s Diagnostic Neuropathology, 2. Aufl. Blackwell Science, Oxford, pp 142–151 Friede RL (1989) Developmental neuropathology, 2. Aufl. Springer, Berlin, pp 220–246 Gilkes CE, Steers AJW, Minns RA (2000) CSF shunt malfunction: a study of the spectrum of mechanisms and clinical presentation. Child’s Nerv Syst 16: 122 Gjerris F, Børgesen SE (2000) Pathophysiology of cerebrospinal fluid circulation. In: Crockard A, Hayward R, Hoff JT (eds) Neurosurgery – the scientific basis of clinical practice. Blackwell Science, London, pp 147–168 Goto J, Tezuka T, Nakazawa T, Sagara H, Yamamoto T (2008) Loss of Fyn tyrosine kinase on the C57BL/6 genetic background causes hydrocephalus with defects in oligodendrocyte development. Mol Cell Neurosci 38: 203–212 Graff-Radford NR, Torner J, Adams HP, Kassell NF (1989) Factors associated with hydrocephalus after subarachnoid hemorrhage. Arch Neurol 46: 744–752 Hagberg G, Fernell E, von Wendt L (1988) Epidemiology of infantile hydrocephalus in Sweden. Reduced optimality in prepartum, partum and postpartum conditions. A casecontrol study. Neuropediatr 19: 16–23 Hakim S, Adams RD (1965) The special clinical problem of symptomatic hydrocephalus with normal cerebrospinal
95
25.
26.
27. 28.
29.
30.
31.
32. 33.
34. 35. 36.
37.
38.
39. 40.
fluid pressure. Observations on cerebrospinal fluid hydrodynamics. J Neurol Sci 2: 307–327 Hakim S, Venegas JG, Burton JD (1976) The physics of the cranial cavity, hydrocephalus and normal pressure hydrocephalus: mechanical interpretation and mathematical model. Surg Neurol 5: 187–210 Haverkamp F, Wölfle J, Aretz M, Krämer A, Höhmann B, Fahnenstich H, Zerres K (1999) Congenital hydrocephalus internus and aqueduct stenosis: aetiology and implications for genetic counselling. Eur J Pediatr 158: 474–478 Hochwald GM (1985) Animal models of hydrocephalus: recent developments. Proc Soc Exp Biol Med 178: 1–11 Hoppe-Hirsch E, Laroussinie F, Brunet L, Sainte-Rose C, Renier D, Cinalli G, Zerah M, Pierre-Kahn A (1998) Late outcome of the surgical treatment of hydrocephalus. Child’s Nerv Syst 14: 97–99 Jeng LB, Tarvin R, Robin NH (2001) Genetic advances in central nervous system malformations in the fetus and neonate. Semin Pediatr Neurol 8: 89–99 Jouet M, Rosenthal A, MacFarlane JA, Kenwrick S, Donnai D (1993) A missense mutation confirms the L1 defect in X-linked hydrocephalus. Nature Genet 4: 331 Kakita A, Takahashi H (2004) Hydrocephalus. In: Golden JA, Harding BN (eds) Pathology & Genetics. Developmental Neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 126–130 Kang JK, Lee IW (1999) Long-term follow-up of shunting therapy. Child’s Nerv Syst 15: 711–771 Katsuragi S, Teraoka K, Ikegami K, Amano K, Yamashita K, Ishizuka K, Miyakawa T (2000) Late onset X-linked hydrocephalus with normal cerebrospinal fluid pressure. Psychiatry Clin Neurosci 5: 487–492 Keene DL, Ventureyra ECG (1999) Hydrocephalus and epileptic seizures. Child’s Nerv Syst 15: 158–162 Leestma JE (1988) Forensic Neuropathology. Raven Press, New York McComb JG, Davis RL (1991) Choroid plexus, cerebrospinal fluid, hydrocephalus, cerebral edema, and herniation phenomena. In: Davis RL, Robertson DM (eds) Textbook of Neuropathology, 2nd edn. Williams & Wilkins, Baltimore, pp 175–187 Milhorat TH (1996) Hydrocephalus: Pathophysiology and clinical features. In: Wilkins RH, Rengachary SS (eds) Neurosurgery, 2nd edn. McGraw-Hill, New York, pp 3625–3631 Milhorat TH, Hammock MK, Davis DA, Fenstermacher JD (1976) Choroid plexus papilloma. I. Proof of cerebrospinal fluid overproduction. Child’s Brain 2: 273–289 Mori K (1995) Current concept of hydrocephalus: evolution of new classifications. Child’s Nerv Syst 11: 523–532 Nakakimura S, Sasaki F, Okada T, Arisue A, Cho K, Yoshino M, Kanemura Y, Yamasaki M, Todo S (2008) Hirschsprung’s disease, acrocallosal syndrome, and congenital hydrocephalus: report of 2 patients and literature review. J Pediatr Surg 43: E13–17
96
Kapitel 4
41.
42.
4
43.
44. 45.
46.
47.
48.
49. 50.
51.
52.
53.
54.
55.
Norman MG, McGillivray BC, Kalousek DK, Hill A, Poskitt KJ (1995) Congenital malformations of the brain. Oxford University Press, New York, pp 333–339 Oi S, Yamada H, Sato O, Matsumoto S (1996) Experimental models of congenital hydrocephalus and comparable clinical problems in the fetal and neonatal periods. Child’s Nerv Syst 12: 292–302 Okamoto N, Del Maestro R, Valero R, Monros E, Poo P, Kanemura Y, Yamasaki M (2004) Hydrocephalus and Hirschsprung’s disease with a mutation of L1CAM. J Hum Genet 49: 334–337 Piatt JH, Carlson CV (1996) Hydrocephalus and epilepsy: an actuarial analysis. Neurosurgery 39: 722–728 Portenoy RK, Berger A, Gross E (1984) Familial occurrence of idiopathic normal-pressure hydrocephalus. Arch Neurol 41: 335–337 Portnoy HD, Branch C, Castro ME (1994) The relationship of intracranial venous pressure to hydrocephalus. Child’s Nerv Syst 10: 29–35 Richards HK, Kane CO, Seeley H, Madakbas M, Whitfield P, Pickard JD (2000) The U.K. Shunt Registry. Child’s Nerv Syst 16: 123 Rickert CH (1998) Abdominal metastases of pediatric brain tumors via ventriculo-peritoneal shunts. Child‘s Nerv Syst 14: 10–14 Rickert CH (1999) Neuropathology and prognosis of foetal brain tumours. Acta Neuropathol 98: 567–576 Rickert CH, Grabellus F, Varchmin-Schultheiß K, Stöß H, Paulus W (2001) Sudden unexpected death in young adults with chronic hydrocephalus. Int J Legal Med 114: 331–337 Robledo RF, Ciciotte SL, Gwynn B, Sahr KE, Gilligan DM, Mohandas N, Peters LL (2008) Targeted deletion of alphaadducin results in absent beta- and gamma-adducin, compensated hemolytic anemia, and lethal hydrocephalus in mice. Blood 112: 4298–4307 Rosenthal A, Jouet M, Kenwrick S (1992) Aberrant splicing of neural cell adhesion molecule L1 mRNA in a family with X-linked hydrocephalus. Nature Genet 2: 107–112 Sabaratnam M (2000) Pathological and neuropathological findings in two males with fragile-X chromosome. J Intellect Disabil Res 44: 81–85 Saillour Y, Zanni G, Des Portes Vet al. (2007) Mutations in the AP1S2 gene encoding the sigma 2 subunit of the adaptor protein 1 complex are associated with syndromic Xlinked mental retardation with hydrocephalus and calcifications in basal ganglia. J Med Genet 44: 739–744 Shaw CM, Alvord EC (1995) Hydrocephalus. In: Duckett S (ed) Pediatric neuropathology. Williams & Wilkins, Baltimore, pp 149–211
Hydrozephalus und Liquorzirkulationsstörungen
56. 57.
58.
59.
60.
61.
62.
63. 64.
65.
66.
67.
68.
69.
Schurr PH, Polkey CE (1993) Hydrocephalus. Oxford University Press, New York Shen XQ, Miyajima M, Ogino I, Arai H (2006) Expression of the water-channel protein aquaporin 4 in the H-Tx rat: possible compensatory role in spontaneously arrested hydrocephalus. J Neurosurg 105: 459–464 Sutton LN, Wood JH, Brooks BR, Barrer SJ, Kline M, Cohen SR (1983) Cerebrospinal fluid myelin basic protein in hydrocephalus. J Neurosurg 59: 467–470 Tegay DH, Lane AH, Roohi J, Hatchwell E (2007) Contiguous gene deletion involving L1CAM and AVPR2 causes X-linked hydrocephalus with nephrogenic diabetes insipidus. Am J Med Genet 143: 594–598 Töndury G, Kubik S, Krisch B (1987) Hirnhäute und Hirngefäße. In: Leonhardt H, Tillmann B, Töndury G, Zilles K (Hrsg) Anatomie des Menschen – Nervensystem, Sinnesorgane, 20. Aufl. Thieme, Stuttgart, S 186–191 Ulfig N, Bohl J, Neudörfer F, Rezaie P (2004) Brain macrophages and microglia in human fetal hydrocephalus. Brain Dev 26: 307–315 Vanneste JA (1994) Three decades of normal pressure hydrocephalus: are we wiser now? J Neurol Neurosurg Psychiatry 57: 1021–1025 Venes JL, Dauser RC (1987) Epilepsy following ventricular shunt placement. J Neurosurg 66: 154–155 Vincent C, Kalatzis V, Compain S et al. (1994) A proposed new contiguous gene syndrome on 8q consists of Branchio-Oto-Renal (BOR) syndrome, Duane syndrome, a dominant form of hydrocephalus and trapeze aplasia; implications for the mapping of the BOR gene. Hum Mol Genet 3: 1859–1866 Vinters HV, Kleinschmidt-DeMasters BK (2008) Hydrocephalus: pathophysiology, causes and consequences for the central nervous system. In: Love S, Louis DN, Ellison DW (eds) Greenfield’s Neuropathology, 8th edn. Hodder Arnold, London, pp 52–56 Warkany J, Lemire RJ, Cohen MM (1981) Mental retardation and congenital malformations of the central nervous system. Year Book Medical Publishers, Chicago, pp 48–82 Weller RO, Kida S, Zhang ET (1992) Pathways of fluid drainage from the brain – morphological aspects and immunological significance in rat and man. Brain Pathol 2: 277–284 Wisniewski KE, Segan SM, Miezejeski CM, Sersen EA, Rudelli RD (1991) The Fra(X) syndrome: neurological, electrophysiological, and neuropathological abnormalities. Am J Med Genet 38: 476–480 Zhang J, Williams MA, Rigamonti D (2006) Genetics of human hydrocephalus. J Neurol 253: 1255–1266
Kapitel 5
Prä- und Perinatalschäden
5
V.H.J. Hans Inhalt Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
Schäden der grauen und weißen Substanz . . . . . . . .
105
Definitionen und Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
Parasagittaler Hirnschaden und Ulegyrie . . . . . . .
106
Asphyxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
Neonataler Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . .
106
Neonatale Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . . .
98
Porenzephalie und Schizenzephalie . . . . . . . . . .
106
Zerebralparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
Multizystische Enzephalopathie . . . . . . . . . . . .
107
Radiologische Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . .
99
„Near-total“-Asphyxie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
Plazenta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
Hydranenzephalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
Schäden der grauen Substanz . . . . . . . . . . . . . . .
100
Intrakranielle Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
Hypoxie-Ischämie und perinatale Vulnerabilität . . .
100
Subependymale Matrixblutung/Intraventrikuläre Blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
Histopathologie und regionale Besonderheiten . . . .
101 Intraventrikuläre Blutungen beim Reifgeborenen . .
110
Kortex und Hippokampus . . . . . . . . . . . . . . .
101 Kleinhirnblutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110
Tiefe Kerngebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
101 Subduralblutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
Hirnstamm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102 Subarachnoidalblutung . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
Zerebellum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102 Andere Blutungsursachen . . . . . . . . . . . . . . . .
112
Möbius-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 Geburtstraumatische Schäden . . . . . . . . . . . . . . .
112
Schäden der weißen Substanz . . . . . . . . . . . . . . .
103 Zerebrale Schäden bei extrazerebralen Erkrankungen .
112
Periventrikuläre Leukomalazie . . . . . . . . . . . . .
103 Akute Bilirubin-Enzephalopathie (Kernikterus) . . .
112
Telenzephale Leukenzephalopathie . . . . . . . . . . .
105 Angeborene Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
Hämorrhagische periventrikuläre Leukomalazie . . .
105 Plötzlicher Säuglingstod . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
98
Kapitel 5
Allgemeines
5
Das zentrale Nervensystem (im Folgenden auf das Gehirn fokussiert) zeigt während der intrauterinen Entwicklung und der frühen Kindheit besondere Schadensmuster und Reaktionsweisen, die sich von denen des späteren Lebens unterscheiden. Voraussetzung für die Zuordnung pathogenetischer Faktoren zum morphologischen Bild ist die Kenntnis der intrauterinen und neonatalen Entwicklungsstadien von Meningen, Gefäßen, grauer und weißer Substanz, speziell hinsichtlich der Reifung der Gefäße sowie der Auswanderung und Reifung von Neuronen und Gliazellen. Je nach Entwicklungsstadium führt dieselbe Noxe – häufig eine hypoxisch-ischämische, seltener eine infektiös bedingte Schädigung – zu unterschiedlichen Mustern. Es bieten sich hier entweder eine thematische Behandlung entlang der betroffenen Strukturen (graue und weiße Substanz, topographische Regionen) und des Schadensbilds (Nekrose, Blutung, Gliose) oder aber eine Gliederung gemäß des (vermutlichen) Schadenszeitpunktes, des kindlichen Reifestadiums und des schädigenden Ereignisses an. Im Sinne einer praktischen, primär morphologisch orientierten Neuropathologie wird hier die zuerst genannte Systematik gewählt. Es handelt sich immer um eine gewollte Systematisierung und Auftrennung von Befunden, die in der Realität des einzelnen Patienten gemischt nebeneinander oder nacheinander auftreten können. Eine wesentliche Aufgabe des begutachtenden Neuropathologen ist es auch, erworbene Schäden von genetisch bedingten, möglicherweise hereditären Anomalien abzugrenzen, was aufgrund morphologischer Überlappungen und erhaltungsbedingt nicht in allen Fällen zweifelsfrei möglich ist. Auf eine histopathologische Untersuchung sollte nur ausnahmsweise verzichtet werden. Die Befunde sind unabdingbar im Rahmen einer sich eventuell anschließenden humangenetischen Beratung von Eltern, Geschwistern oder anderen Blutsverwandten. Die englischsprachige Literatur bietet dem eingehender interessierten Untersucher einige empfehlenswerte Bücher und Buchbeiträge, jeweils mit reichhaltigem Literaturverzeichnis: Eine kompakte Einführung in das Gebiet findet sich im Handbuch „Greenfield’s Neuropathology“ [16]. Eine exzellente Kombination klinischer, morphologischer und pathophysiologischer Daten legt aus pädiatrischer Sicht Volpe [52] vor. Eine moderne, morphologisch und molekular orientierte Zusammenstellung bietet der Band „Developmental Neuropathology“ der ISN [21]. Aufgrund der sorgfältigen und umfassenden Zusammenstellung auch seltener Befunde bleibt die zuletzt 1989 aufgelegte Monographie von Friede wertvoll [17].
Prä- und Perinatalschäden
Definitionen und Klinik Der Begriff „Perinatalschaden“ wird teilweise voreilig und vereinfachend, außerdem definitorisch uneinheitlich verwendet. Wichtig für zerebrale Schadensmuster in der Fetal- und Neugeborenenperiode sowie ihre Auftretenswahrscheinlichkeit ist das Reifestadium zum Zeitpunkt der Schädigung. Dies beeinflusst auch die klinisch-neurologischen Befunde. Dabei sind die in Tabelle 5.1 zusammengefassten Begriffe gebräuchlich. Bei der zeitlichen Zuordnung von Schäden können immer nur grobe Schätzungen abgegeben werden und es ist größte Vorsicht geboten bei forensischen Aussagen, da der exakte Konzeptionszeitpunkt meist nicht sicher sein dürfte und ein Auftreten der dargestellten Schäden wenige Wochen früher oder später nicht auszuschließen ist.
Asphyxie Ursprünglich ein Aussetzen des Pulses (griech.: DVIX[LD) bezeichnend, wird Asphyxie im experimentellen Kontext verstanden als beeinträchtigter pulmonaler Gasaustausch in Verbindung mit einer metabolischen Azidose. Unter klinischen Bedingungen ist die (perinatale) Asphyxie (PA) eine progrediente Hypoxämie und Hyperkapnie in Verbindung mit einer metabolischen Azidose, gemessen intrapartal oder innerhalb der ersten Lebensstunde. Für eine metabolische Azidose gelten folgende Grenzwerte im fetalen Blut, aus der Nabelschnurarterie oder im postnatal entnommenen Blut Reifgeborener: Basendefizit ≥12 mmol/l und pH <7,00. Die Inzidenz der PA variiert im Bereich 1–8/1000 Lebendgeburten, abhängig von den variablen Kriterien und Definitionen [33, 49].
Neonatale Enzephalopathie Das neurologische Syndrom, das unter anderem – aber keineswegs nur – nach einer perinatalen Asphyxie bei reifen Neugeborenen in der ersten Lebenswoche auftritt, wird als neonatale Enzephalopathie (NE) bezeichnet. Eine klinische Unterteilung in Schweregrade nach Sarnat ist weit verbreitet (Tabelle 5.2). Das klinische Outcome korreliert mit den Schweregraden. Beim Frühgeborenen lassen sich die Kriterien nur eingeschränkt oder nicht anwenden. Der Begriff hypoxisch-ischämische Enzephalopathie wird vielfach nicht empfohlen, da sich eine hypoxisch-ischämische Ätiologie oft nicht beweisen lässt und zudem bei mehr als drei Vierteln der Fälle klinisch kein Anhalt für eine intrapartale Hypoxie bestand [33, 40, 49].
Allgemeines
99
Tabelle 5.1 Geburtshilfliche Begriffe zur zeitlichen Zuordnung eines wahrscheinlich schädigenden Faktors Embryonal
Befruchtung der Eizelle bis 7 + 6. SSW (Organanlage)
Fetal
8 + 0. SSW bis Geburt
Intrapartal
Beginn der Eröffnungswehen bis Abnabelung
Perinatal (uneinheitliche Definition)
Beginn der Eröffnungswehen bis Entbindung Beginn der Eröffnungswehen bis 7. Lebenstag 22 + 0. SSW bis 7. Lebenstag
Neonatal
1. bis 28. Lebenstag
Postnatal
ab 5. Lebenswoche
Säuglingszeit
Geburt bis Ende des ersten Lebensjahres
Frühgeborenes
Lebendgeborenes <37 + 0. SSW
Reifes Neugeborenes
Lebendgeborenes 37 + 0. bis 40 + 6. SSW
Hypotrophes Neugeborenes/SGA = „small for gestational age“
Geburtsgewicht <10. Perzentile
Eutrophes Neugeborenes/AGA = „appropriate for gestational age“
Geburtsgewicht 10.–90. Perzentile
Untergewichtiges Neugeborenes/LBW = „low birth weight infant“
Geburtsgewicht <2500 g
Sehr untergewichtiges Neugeborenes/VLBW = „very low birth weight infant“
Geburtsgewicht <1500 g
Tabelle 5.2 Schweregrade der neonatalen Enzephalopathie (NE) nach Sarnat40. Grad
Symptome
1 (gering)
Dauer ≤24 Stunden, EEG unauffällig, Hyperexzitabilität, Hyperreflexie
2 (mäßig)
Lethargie, Hypotonie, distale muskuläre Hypertonie, multifokale Anfälle, im EEG Anomalien
3 (schwer)
Stupor, schwere Hypotonie, beeinträchtige autonome und Hirnstammfunktionen, Krampfserien, im EEG Nulllinie oder periodische Entladungen
Zerebralparese Die kindliche Zerebralparese („cerebral palsy“, CP), mit einer Inzidenz von etwa 2–2,5/1000 Neugeborenen ist ein nicht progredientes Krankheitsbild, mit Paresen bzw. motorischer Symptomatik (Spastik, Dyskinesie, Ataxie). Die bilateral-spastische Form (als Para- oder Tetraplegie) findet sich zu etwa 2/3 bei ehemaligen Frühegeborenen, dann vor allem mit einer periventrikulären Leukomalazie, und beim Reifgeborenen vor allem mit Zeichen eines globalen hypoxisch-ischämischen Geschehens (beidseitige Schäden an Basalganglien, Thalamus und perizentral kortikal). Die spastische Hemiplegie tritt vor allem beim Reifgeborenen auf, dann mit Läsionen vornehmlich im Versorgungsgebiet der A. cerebri media oder bei Malformationen, und beim Frühgeborenen mit periventrikulären Defekten, am ehesten als Residuen einer Matrixblutung/intraventrikulären Blutung. Hinzu können eine geistige Behinderung oder Epilepsien kommen. In etwa 90% der Fälle lassen sich intrapartale Komplikationen als
(alleinige) Ursache ausschließen. In vielen Fällen liegen antenatale, fetale oder mütterliche Faktoren vor wie: Unreife, Infektionen, chromosomale oder kongenitale Anomalien, fetale Gerinnungsstörung, Steißlage, Mehrlingsschwangerschaft oder Blutung. Kriterien für eine intrapartale Entstehung beim Reifgeborenen sind 1. eine metabolische Azidose, 2. rasches Auftreten einer NE Grad 2 oder 3 und 3. eine CP vom spastisch tetraplegischen oder dyskinetischen Typ. Der kausale Zusammenhang zwischen CP und PA sowie NE ist beständig in der Diskussion [23, 33, 45].
Radiologische Bildgebung Die bildgebenden Verfahren Ultrasonographie und Kernspintomographie erlauben bei unterschiedlicher Verfüg-
100
5
Kapitel 5
barkeit und Aufwand (z. B. Kernspintomographie nur in der Klinik oder in größeren radiologischen Praxen vorhanden; für Neugeborene und Säuglinge häufig Sedierung oder Narkose erforderlich) sowie unterschiedlicher Sensitivität (z. B. in der Ultrasonographie eine nichtzystische, periventrikuläre Leukomalazie oft nicht nachweisbar) die Darstellung struktureller und funktioneller (z. B. MR-Spektrographie oder Blutfluss) Anomalien. Beiden Verfahren ist eine als eher niedrig einzustufende Spezifität zu eigen, was Zeitpunkt und -raum der Entstehung, Ursache sowie eine genaue Pathologie des Schadens anbelangt. Die dabei gewonnenen Befunde sollten aber in jedem Fall bei einer Obduktion zumindest in schriftlicher Form vorliegen und bei einer neuropathologischen Begutachtung Berücksichtigung finden. Wenn pathologische Veränderungen beschrieben wurden, sollten makroskopische/mikroskopische Korrelate bzw. ein Fehlen derselben kommentiert werden. Weitere Untersuchungsverfahren und Befunde der Perinatalmedizin erlauben zwar die Feststellung oder zumindest den Verdacht einer Beeinträchtigung des Kindes (fetale Herzfrequenz, Apgar-Score, Mekonium im Fruchtwasser, Plazenta), sind aber im Einzelfall unspezifisch bezüglich Zeitpunkt/-raum und Ursache der Schädigung und wenig prädiktiv hinsichtlich des neurologischen Outcomes [33].
Plazenta Zu einer eingehenden neuropathologischen Beurteilung möglicher Ursachen einer Hirnschädigung gehören neben der makroskopischen und mikroskopischen Untersuchung des Gehirns – idealerweise auch des Rückenmarks, der Augen, der peripheren Nerven und der Skelettmuskulatur – unbedingt Informationen zum Schwangerschaftsverlauf und zum Gesundheitszustand der Mutter, die ultrasonographischen und/oder kernspintomographischen Befunde sowie der vom Allgemeinpathologen erhobene Befund der Plazenta. Darin sollten folgende Angaben enthalten sein: Gewicht und Größe mit Perzentilenwerten bezogen auf das Gestationsalter, Vorhandensein und Ausdehnung von Infarkten, Vorhandensein und Ausmaß entzündlicher Veränderungen, Nabelschnurlänge, ggf. Gefäßanomalien und Umschlingungen, Zeichen einer Placenta praevia oder einer vorzeitigen Plazentalösung. Die Frage nach möglicher Plazentapathologie sollte beantwortbar sein, um die Genese des neuropathologischen Befunds richtig verstehen zu können. Die verschiedenen Ursachen einer Plazentainsuffizienz sind von Bedeutung für die Entwicklung des ZNS. Bei einem hohen Prozentsatz von Spontanaborten bestehen die Zeichen einer Chorioamnionitis, die auch als häufigste Ursache eines vorzeitigen Geburtsbeginns bei kindlicher Unreife angesehen wird. Es gibt eine positive Korrelation zwischen Plazentaanomalien und bereits innerhalb der
Prä- und Perinatalschäden
ersten Lebensstunde nachweisbaren Matrix- sowie intraventrikulären Blutungen, Marklagergliosen, Zysten und neuronalen Nekrosen bei Unreifgeborenen [1, 22].
Schäden der grauen Substanz Hypoxie-Ischämie und perinatale Vulnerabilität Das Gehirn deckt seinen Energiebedarf wesentlich über oxidative Glykolyse, wobei Sauerstoff und Glukose ständig durch die Blutversorgung zur Verfügung gestellt werden. Bereits kurze Phasen einer zerebralen Hypoxie oder Ischämie führen zu einem neuronalen Energiemangel, der deletäre Mechanismen in Gang setzt, die zu einem apoptotischen oder nekrotischen (Nerven-)Zelluntergang führen. Die Pathomechanismen sind komplex und ähnlich denen, die vom adulten Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma bekannt sind (siehe dort in diesem Band; eine äußerst detaillierte Übersicht gibt Volpe [52]). Insbesondere sind involviert: ATP-Mangel, Ionenpumpversagen, exzitotoxisches Glutamat, intrazelluläres Kalzium und freie Radikale, Caspaseaktivierung, CytochromC-Freisetzung, NO-Synthase-Aktivierung, Lipidmembranperoxidierung, DNA-Oxidation (s. auch unten, Abschnitt „Periventrikuläre Leukomalazie“). Verantwortlich für die besondere und lokal unterschiedlich ausgeprägte Empfindlichkeit des frühkindlichen Gehirns gegenüber eine Hypoxie oder Ischämie (im Weiteren ohne genauere Differenzierung als „hypoxisch-ischämische Schädigung“) sind unter anderem drei physiologische Besonderheiten: 1. Die zerebrovaskuläre Autoregulation, die einen konstanten Blutfluss gewährleistet, ist nur in einem engen Bereich funktionsfähig und in diesem wiederum asphyxieempfindlich. Bereits geringe Blutdruckschwankungen können entweder bei leichter Hypotonie eine ischämische Schädigung oder durch leichten Druckanstieg Blutstauung und Blutungen verursachen. 2. Dichte und Sensitivität der verschiedenen Glutamatrezeptoren (z. B. NMDAR, AMPAR) variieren und führen abhängig vom Entwicklungsalter zu einer regional unterschiedlichen Empfindlichkeit gegenüber einer exzitotoxischen Schädigung. 3. Im Vergleich zum Erwachsenen liegt ein relativer Mangel an antioxidativen Systemen (Superoxiddismutase, Glutathion) vor, mit besonderer Anfälligkeit gegenüber freien Radikalen. Außerdem ziehen regionale Besonderheiten der neuronalen Reifung, des Zellstoffwechsels und der Blutversorgung Schädigungsmuster nach sich, die sich nur in der Perinatalzeit, aber nicht beim reifen Gehirn beobachten lassen [15].
101
Schäden der grauen Substanz
Histopathologie und regionale Besonderheiten Histomorphologisch bietet sich in allen Regionen ein etwa ähnliches Bild. Selektive Nervenzelluntergänge (Nekrosen) imponieren nach ca. 24 Stunden histologisch als vermehrte Azidophilie/Eosinophilie mit Tigrolyse und Kernpyknosen sowie Karyorrhexis, während Apoptosen eher basophil imponieren. Bei kleinen, unreifen Neuronen lässt sich wegen des Mangels an Zytoplasma und der kleinen kompakten Kerne ein Schaden oft nur an einer Karyorrhexis erkennen. Es ist aber immer eine während der Entwicklung physiologische Apoptose gegenüber pathologischen Prozessen zu berücksichtigen, was im Einzelfall rein morphologisch sehr schwierig sein kann. Im Verlauf finden sich nach etwa 3–5 Tagen hypertrophe Astrozyten, Mikrogliaaktivierung (hilfreich zur Abgrenzung gegenüber physiologischen Prozessen) und Makrophagen sowie eine kapilläre Reaktion mit Einsprossung. Nervenzellmumien und auch Kapillaren zeigen nach einiger Zeit eine feingranuläre Mineralisation, gut darstellbar in PAS-, Eisen- oder Kalziumfärbungen. Nach Wochen liegt eine teils spongiöse Fasergliose mit Schaumzellherden vor, in der Rinde teils in laminärer Anordnung. Es ist wichtig, dass postinflammatorische oder postinfektiöse Residualzustände eine identische Morphologie aufweisen können. Drei grundlegende Verteilungsmuster, die sich klar ausgeprägt vor allem bei Reifgeborenen finden sind: 1. ein diffuser Schaden nach sehr schwerem, prolongiertem Verlauf; 2. ein kortikal/tief nukleäres Muster vor allem mit Thalamus und Putamen nach mäßig schwerem, prolongiertem Verlauf und 3. ein hirnstamm-/tief nukleäres Muster vor allem nach schwerem, abruptem Verlauf. Vor allem bei unreifen Kindern finden sich pontosubikuläre und zerebelläre Schäden.
Kortex und Hippokampus In der Akutphase wirkt das Gehirn geschwollen und das Rindenband ist gegenüber dem rötlich gestauten Mark abgeblasst. In der chronischen Phase sind das Rindenband, aber auch das Marklager (Axonverlust) verschmälert, weißlich, sklerotisch und teils zystisch verändert (Abb. 5.1). Durch eine lokale Mindervaskularisation am Sulkusgrund kann der Schaden dort besonders ausgeprägt sein, was zum Bild der Ulegyrie führt (Abb. 5.2; s. auch unten, Abschnitt „Parasagittaler Hirnschaden, Ulegyrie“). Vom Untergang betroffen sind jeweils vor allem die reifen Neurone (bei laminären Nekrosen die Schichten III und V; Abb. 5.3), also beim Reifgeborenen
Abb. 5.1 Ausgeprägte, allgemeine kortikale Atrophie und Gliose sowie Verschmächtigung der weißen Substanz und allseits erweiterte Liquorräume nach schwerer, anhaltender perinataler Asphyxie, einige Monate überlebt. (Aus dem Nachlass von Prof. Dr. Jürgen Peiffer, Tübingen)
a
b Abb. 5.2a,b Ulegyrie mit Astrogliose vor allem am Sulkusgrund (links) und besser erhaltenen neuronalen Strukturen in den mittleren und oberen Windungsabschnitten (rechts). Perinataler Mediainfarkt, Hemisphärotomie und Inselresektion mit 16 Jahren bei Epilepsie (a MAP2; b GFAP, 2,5u)
die Zentralregion und die Sehrinde sowie das Subikulum (vor allem auch beim Frühgeborenen; Abb. 5.4) und CA2-CA4. CA1, der sog. „Sommersche Sektor“ reift erst später und ist daher anders als im Erwachsenenalter nicht dominant betroffen.
Tiefe Kerngebiete Der Thalamus ist besonders empfindlich gegenüber einer hypoxisch-ischämischen Schädigung und dabei charakteristischerweise betroffen (Abb. 5.5). Schäden der tiefen Kerngebiete führen zu einer Choreoathetose, häufig mit spastischer Tetraparese und mentaler Retardierung.
102
Kapitel 5
Prä- und Perinatalschäden
a
b
5
Abb. 5.3 Ausgeprägte laminäre neuronale Nekrosen in Schicht III und V/VI bei Erhalt der weniger empfindlichen Granularzellschichten. Sepsis am 2. Lebenstag, Grenzzoneninfarkt/-ischämie, Läsionektomie mit 5 Monaten (MAP2, 4u)
Abb. 5.4a,b Hochgradige Nervenzellverluste im Subikulum mit ausgeprägter Makrophagenreaktion (auch zweikernig) und Mikrogliaaktivierung. Frühgeburt 28. SSW, Matrixblutung und Hirnstamminfarkt, Tod am 7. Lebenstag (a Nissl; b CD68, 40u)
Schäden vor allem in Pallidum und Nucleus subthalamicus lassen eher an eine Bilirubin-Enzephalopathie denken [s. unten, Abschnitt „Akute Bilirubin-Enzephalopathie (Kernikterus)“]. Eine morphologische Besonderheit, die sich vor allem im Putamen findet, ist der Status marmoratus. Es handelt sich um eine eigenartig marmoriert wirkende Narbenbildung, die durch eine intensive Fasergliose mit Hypermyelinisierung, auch astrozytärer Fortsätze, sowie erhebliche Lichtung des Nervenzellbestands mit mineralisierten Neuronen und Kapillaren charakterisiert ist. Da die normale Myelinisierung im Striatum zwischen dem 6. und 9. Lebensmonat erfolgt, spricht der Nachweis eines Status marmoratus für eine keinesfalls spätere Schädigung.
Hirnstamm Mesenzephalon, Pons und Medulla oblongata zeigen beim Reifgeborenen im Wesentlichen rein neuronale Schäden wohingegen es beim Unreifen bis zu zystischen Nekrosen kommt. Betroffen sein können praktisch alle in diesen Hirnregionen gelegenen Kerngebiete, besonders häufig jedoch Colliculus inferior, Basis pontis und die unteren Olivenkerne [38]. Meistens liegen zusätzlich Nervenzellschäden in anderen Regionen vor, besonders dabei in den tiefen Kerngebieten, vornehmlich dem Thalamus. Eine insgesamt eher seltene Kombination stellt die pontosubikuläre Nekrose dar, bei der Neurone der Basis pontis, des Subikulum, manchmal auch des angrenzenden temporalen Kortex betroffen sind. Nach Monaten kommt es auch makroskopisch zur Atrophie des Pons. Sie tritt vor allem bei unreifen Kindern zwischen der 22. Schwan-
Abb. 5.5 Neuronale Mineralisationen (Pfeil) im Thalamus bilateral bei hypoxisch-ischämischer Schädigung. Verkehrsunfall der Mutter in der 27. SSW, Intensivtherapie, Geburt zum Termin, Tod im 3. Lebensjahr (Nissl, 20u)
gerschaftswoche und dem 2. Lebensmonat auf und scheint vor allem durch Apoptose vermittelt zu sein. Es besteht eine starke Assoziation zur periventrikulären Leukomalazie und zur Matrixblutung.
Zerebellum Besonders empfindlich gegenüber einer hypoxisch-ischämischen Schädigung sind im Kleinhirn der Wurm sowie die Purkinje-Zellen und die äußere Körnerzellschicht.
Schäden der weißen Substanz
103
Vor allem bei sehr unreifen und untergewichtigen Neugeborenen mit begleitenden Lungenproblemen kann es im Verlauf zu einer symmetrischen Hemisphärenhypoplasie kommen.
Möbius-Syndrom Das Möbius-Syndrom ist charakterisiert durch eine ätiologisch heterogene, kongenitale faziale Diplegie und eine bilaterale Abduzensparese. Begleitend können unter anderem Extremitätenanomalien und autistische Störungen auftreten. Häufig finden sich eine Aplasie oder Hypoplasie kranialer Hirnnerven, manchmal zusammen mit einer Hirnstammhypoplasie, oder fokale Nekrosen mit Mineralisationen in diesen Arealen. Oft dürfte es sich um ischämische, destruktive Prozesse handeln, die am ehesten in der 4.–8. SSW auftreten, während der Entwicklung des Hirnstamms und seiner Gefäßversorgung. Auch sind vereinzelt primäre Schäden der Skelettmuskulatur oder periphere Neuropathien beschrieben. Meist handelt es sich um sporadische Fälle. Auch familiäre Fälle sind beschrieben, wobei das HOXA1-Gen involviert sein kann [52].
Abb. 5.6 Frische periventrikuläre Leukomalazie (PVL) bei einem Neugeborenen mit Erweichung, leicht eingesunkenen Läsionen und kleinen, ausfasernden weißlichen Herden im Marklager dorsolateral des Ventrikelhinterhorns. (Aus dem Nachlass von Prof. Dr. Jürgen Peiffer, Tübingen)
Schäden der weißen Substanz Periventrikuläre Leukomalazie Die periventrikuläre Leukomalazie (PVL) stellt ein typisches Schädigungsmuster des Frühgeborenen dar und ist definiert als 1. fokale, vornehmlich periventrikuläre Nekrose mit 2. diffuser, reaktiver Astrogliose in der umliegenden weißen Substanz. Die klassische, morphologische Beschreibung durch Banker und Larroche [5] ist weiterhin gültig: Makroskopisch sieht man bei einem Teil der Fälle, oft bilateral im ventrikelnahen Marklager rostral der Seitenventrikel, entlang der vorderen Ventrikelwinkel und um die Hinterhörner weißlich-blasse oder gelbliche (insbesondere bei Hyperbilirubinämie), manchmal recht scharf umschriebene Herde, die sehr stark erweicht, manchmal aber auch – bei den gelben Herden – in ihrer Konsistenz erhöht sind (Abb. 5.6). Eine Degeneration und Atrophie der langen Bahnen kann sich nach Schädigung der Capsula interna entwickeln. In den vergangenen Jahrzehnten ist die zystische Form der PVL sehr stark zurückgegangen, möglicherweise als Folge verbesserter perinatologischer Intensivmaßnahmen. Gleichwohl bleibt die Inzidenz neurologischer Defizite bei Frühgeborenen hoch, was auf eine wesentliche pathophysiologische Bedeutung der diffusen
Komponente der PVL hinweist. Die Inzidenz der PVL variiert in Obduktionsserien beträchtlich (25–75%), abhängig von den Einschlusskriterien. Beim Lebenden sind belastbare Daten schwierig zu erhalten, da nur die Kernspintomographie erlaubt, die diffuse Komponente darzustellen. Die Ultrasonographie gestattet nicht oder nur in geringem Ausmaß den Nachweis einer nichtzystischen PVL. Risikofaktoren der PVL sind Unreife/Frühgeburtlichkeit, intraventrikuläre/periventrikuläre Blutungen, kardiorespiratorische Störungen, pränatale entzündliche oder infektiöse Erkrankungen bei Mutter oder Kind. Mikroskopisch ist das Bild der PVL je nach Überlebenszeit verschieden. 1. Akut: In den frischen, teils multifokalen und konfluierenden Herden sieht man eine Koagulationsnekrose mit homogenisierter Gewebestruktur und Eosinophilie sowie PAS-Positivität (Abb. 5.7). Im Zentrum der Läsion fällt die Färbeintensität geringer aus und es kann eine spongiöse Auflockerung vorhanden sein. Frische, diffuse Blutextravasate sind möglich. Die Zellkerne werden pyknotisch und sind mengenmäßig reduziert. Axonauftreibungen können früh erkennbar sein. Anders als bei Infarkten des Erwachsenenalters finden sich nur selten neutrophile Granulozyten. 2. Organisation: Innerhalb weniger Tage kommt es zu einer Mikrogliareaktion mit Makrophagen/Lipophagen und einer reaktiven, hypertrophen Astrogliose.
104
Kapitel 5
Prä- und Perinatalschäden
5
Abb. 5.7 Frische PVL mit Verdichtung, Verplumpung und Homogenisierung des axonalen Fasernetzes (Masson-Trichrom, 20u)
Abb. 5.8 Reaktive Astrogliose neben Arealen mit Gewebsuntergang im Rahmen der PVL (GFAP, 20u)
3. Chronisch: Binnen weniger Wochen kommt es zu einer ausgeprägteren Astrogliose mit Astrozytenvermehrung, Fasergliose und Makrophagenherden (Abb. 5.8). Eingelagert finden sich in Eisenfärbungen gut darstellbare Mineralisationen von Axonfragmenten. 4. Als Spätfolgen nach Wochen bis Monaten entstehen neben Glianarben um die Ventrikelwinkel Pseudozysten in variabler Größe mit gliotischen Wänden (Abb. 5.9). Im Verlauf können diese Pseudozysten kollabieren.
zu einer verzögerten Myelinisierung führt, begleitet von einer Mikrogliaaktiverung [3, 6, 25, 28, 51, 52]. Bei ehemaligen (sehr) Frühgeborenen finden sich später häufig kognitive Defizite und Lernstörungen. Dies spricht eher gegen eine isolierte Schädigung der weißen Substanz. Nervenzellverluste finden sich bei etwa einem Drittel der Frühgeborenen mit PVL, vor allem in Thalamus, Globus pallidus, Nucleus dentatus cerebelli und Hippokampus. Eine Astrogliose der tiefen Kerngebiete (Thalamus, Basalganglien) findet sich bei 50–60% und praktisch immer in den pontinen Kerngebieten, damit wesentlich häufiger als bei der telenzephalen Leukenzephalopathie (s. unten). Ein sekundärer Verlust von Pyramidenzellen in Lamina V dürfte zurückzuführen sein auf eine retrograde axonale Degeneration von Projektionsfasern, die durch die Nekrosezone der PVL ziehen. Wegen der Häufigkeit von Schäden der grauen Substanz bei Fällen mit PVL wurde die Bezeichnung „perinatale Panenzephalopathie“ vorgeschlagen, um den neuropathologischen Befunden und wohl auch der Pathophysiologie besser gerecht zu werden. Es scheint nicht so zu sein, dass im unreifen Gehirn nur die weiße Substanz besonders empfindlich ist gegenüber einer (z. B. hypoxisch-ischämischen) Schädigung bei angeblich relativer Resistenz der grauen Substanz [2, 38]. Die Pathogenese der PVL hängt wesentlich von reifungsabhängigen anatomischen und zellbiologischen Gegebenheiten des fetalen Gehirns in der zweiten Schwangerschaftshälfte ab. Das periventrikuläre Marklager stellt ein arterielles Endstromgebiet vor allem der A. cerebri media dar, wobei die Vaskularisation sich noch in Entwicklung befindet. Der zerebrale Blutfluss ist dadurch bereits unter physiologischen Bedingungen grenzwertig niedrig. Die unzureichende zerebrovaskuläre Autoregulation führt zu einer blutdruckpassiven Hirndurchblutung, so dass bereits geringe Blutdruckschwankungen
Vor allem für die älteren Läsionen ist eine retrospektive, exakte Datierung der Schädigung nicht möglich. Die diffuse Astrogliose in der Umgebung der Nekrose geht mit einem Verlust von Präoligodendrozyten einher, was
Abb. 5.9 Zystisch umgewandelte PVL mit gliotischem Rand und Makrophagen im Lumen. Frühgeburt 26. SSW, Sepsis, Tod in der 10. Lebenswoche (Masson-Trichrom, 4u). (Abb. 5.7 bis 5.9 selber Patient)
Schäden der grauen und weißen Substanz
eine relevante Ischämie verursachen. Infektionen der Mutter oder des Feten/Neugeborenen sowie ebenso eine Ischämie selbst führen zu einer Entzündungsreaktion mit Freisetzung von Zytokinen wie TNF-alpha und Interferon-gamma, die zum Teil direkt Präoligodendrozyten schädigen oder aber Mikroglia/Makrophagen aktivieren, die im dritten Schwangerschaftstrimester besonders zahlreich im tiefen Marklager vorhanden sind. Letztere tragen ebenso wie reaktive Astrozyten durch die Freisetzung von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen wesentlich zur Bildung von freien Radikalen bei. Aufgrund ihres Mangels an Superoxiddismutasen und Katalase sind Präoligodendrozyten besonders vulnerabel gegenüber diesen Verbindungen. Zu einem Anstieg des extrazellulären Glutamats kommt es durch unzureichende Energieversorgung bei Hypoxämie/Ischämie und dadurch Versagen der Glutamattransporter und durch eine Freisetzung durch aktivierte Mikroglia. Glutamat führt durch Überaktivierung von AMPA/KA-Rezeptoren auf Präoligodendrozyten zu einem exzitotoxischen Zellschaden und Zelltod, der unter anderem durch exzessiven Ca++-Einstrom sowie auch wieder durch reaktive Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen vermittelt wird [25].
Telenzephale Leukenzephalopathie Die perinatale telenzephale Leukenzephalopathie, im englischen Sprachgebrauch „diffuse white matter gliosis“ (DWMG), ist eine Gliose der weißen Substanz ohne Nachweis von periventrikulären Nekrosen oder Glianarben (Abb. 5.10). Sie ist bei mindestens 40% der Frühgeborenen nachweisbar. Bei besonders ausgeprägten Fällen kann es zur Atrophie der weißen Substanz und des Corpus callosum kommen. Im Gegensatz zur PVL lassen sich praktisch keine Nervenzellverluste in den tiefen Kerngebieten nachweisen. Der Pathomechanismus dürfte ähnlich sein, allerdings mit geringer ausgeprägter und topographisch anders verteilter Ischämie. Risikofaktoren sind Frühgeburtlichkeit, neonatale Sepsis und fieberhafte Infektionen (vor allem gramnegative Erreger) der Mutter. Wenngleich die DWMG eine neuropathologische, und damit post-mortem-Diagnose darstellt, handelt es sich dabei möglicherweise um das histomorphologische Korrelat der bei Frühgeborenen häufig nachweisbaren diffusen Signalauffälligkeiten in der Kernspintomographie und letztlich auch der bei ehemaligen Frühgeborenen häufig auftretenden kognitiven und Verhaltensanomalien. Wichtig ist es, von der DWMG zum einen die Myelinisationsgliose abzugrenzen, die im spätfetalen und im Neugeborenengehirn im Rahmen der beginnenden Bemarkung auftritt. Die nichtmyelinisierenden Oligodendrozytenvorläufer können morphologisch als reaktive Astrogliose fehlgedeutet werden. In besser erhaltenem Gewebe erlaubt die Expression von GFAP in reaktiven
105
a
b
Abb. 5.10a,b Unauffälliges Marklager im Temporallappen (a) bei intrauterinem Fruchttod kurz vor Termin im Vergleich zu einer telenzephalen Leukenzephalopathie (b) bei Geburtseinleitung 10 Tage über dem Termin, dann Notsectio bei pathologischem CTG und Totgeburt (a,b GFAP, 10u)
Astrozyten in der Regel eine Unterscheidung. Allerdings zeigen Astrozyten der weißen Substanz in der späten Fetalzeit (etwa ab 28. SSW) und der frühen Säuglingszeit physiologischerweise eine gewisse Hypertrophie, weshalb es sinnvoll ist, „normale“ Gehirne gleichaltriger Feten und Kinder zum Vergleich zur Verfügung zu haben. Schlechter hierfür sind Fälle z. B. bei intrauterinem Fruchttod oder Spätabort [8, 19, 28, 38].
Hämorrhagische periventrikuläre Leukomalazie Nicht selten (in ca. 25%) kommt es als Komplikation zu petechialen oder flächigen und streifigen Einblutungen in eine klassische PVL, die dorsolateral des Seitenventrikels lokalisiert sind und sich, im Unterschied zu einem periventrikulären hämorrhagischen Infarkt, eher in der Nähe des Trigonums befinden und außerdem vor dem Hintergrund einer ischämischen Koagulationsnekrose entstehen [3, 52].
Schäden der grauen und weißen Substanz Kombinierte Schäden der grauen und weißen Substanz mit Untergang vor allem von Neuronen und Oligodendrozyten, weniger stark von Astrozyten, führen in frühen Reifestadien zu einer vollständig gereinigten und glattwandigen Pseudozyste, später zu dem auch aus dem Er-
106
Kapitel 5
wachsenenalter geläufigen Bild einer spongiös bis multizystisch aufgebauten Läsion, die von lockeren, glialen oder gliovaskulären Septen durchzogen ist. Wenngleich meist eine hypoxisch-ischämische Schädigung verantwortlich ist, ist das Schädigungsmuster jedoch nicht spezifisch dafür und es kommen ätiologisch z. B. auch Infektionen in Frage.
5
Parasagittaler Hirnschaden und Ulegyrie Der parasagittale Hirnschaden (zu verstehen als neben dem Sinus sagittalis gelegen) tritt charakteristischerweise beim Reifgeborenen mit perinataler Asphyxie in den Grenzzonen zwischen den Versorgungsterritorien der großen Hirnarterien auf, am ausgeprägtesten parietookzipital und stellt eine Nekrose der Großhirnrinde und des subkortikalen Marklagers dar, teilweise auch eingeblutet. Im chronischen Stadium kann sich eine gliotische Atrophie (Sklerose), eine Ulegyrie (griech.: RXOK = Narbe) oder auch eine multizystische Enzephalopathie (s. unten, Abschnitt „Multizystische Enzephalopathie“) entwickeln. Die während der Entwicklung relativ geringere Vaskularisation am Sulkusgrund in Rinde und Mark ist als gewissermaßen kleine Grenzzone anatomische Voraussetzung einer regional erhöhten Vulnerabilität. Bei Hypoxie oder Ischämie kommt es im Frühstadium zu einer Erbleichung (elektive Parenchymnekrose) oder Erweichung (Kolliquationsnekrose). Der deutlich gelichtete Nervenzellbestand und eine sehr dichte Fasergliose führen zur lokalen Rindenschrumpfung mit Schwerpunkt in den Windungstälern, was den ulegyren Windungen eine Pilzform verleiht (s. Abb. 5.2). „Mumifizierte“ oder „inkrustierte“ Nervenzellen bzw. Zellteile geben positive Kalk- und oft Eisenreaktionen. Eine pathologische Verdichtung von Markscheiden innerhalb der Rinde wird als Status dysmyelinisatus („plaques fibromyeliniques“) bezeichnet. Das angrenzende Mark zeigt eine subkortikale Leukomalazie, die im Verlauf gliotisch umgewandelt wird [46].
Prä- und Perinatalschäden
finden sich in klinischen Studien fast immer assoziierte Faktoren wie Gerinnungsstörungen, perinatale Komplikationen, vorausgegangene Infekte, Dehydratation oder Herzfehler [11, 41, 54]. Je nach ihrem primären Sitz haben Verschlüsse des Sinus sagittalis superior unterschiedliche Konsequenzen: Im frontalen Drittel können sie ohne wesentliche Folgen ablaufen, weil noch ausreichend Abflussmöglichkeiten anderer Art vorhanden sind. Dagegen sind Thrombosierungen im mittleren Drittel von schwerwiegenden Infarzierungen begleitet. Spätfolgen von Längssinusthrombosen lassen sich an dem charakteristischen Verteilungstyp der Narben entlang der Mantelkante und bei weitgehender Verschonung der Gyri cinguli erkennen. Meist ist außer den Markzungen der mantelkantennahen Windungen auch das Centrum semiovale schwer geschädigt und der Balken erheblich verschmälert. Der Nachweis vorangegangener Thrombosen kann deshalb schwierig sein, weil innerhalb weniger Wochen eine Rekanalisierung einsetzt. Arterienverschlüsse kommen in der Perinatalperiode embolisch bedingt vor. Die Folge des Verschlusses großer Hirnarterien oder auch kleinerer Arterienäste ist oft eine ausgedehnte Zyste. Die Nekrosen können ganze Lappen oder eine Hemisphäre umfassen. Im Extremfall besteht das Bild der globalen Hemisphärennekrose, wobei im Unterschied zur Hydranenzephalie die ursprünglichen Windungsverläufe noch erkennbar sind und die Stammganglien manchmal nur mikroskopisch nachweisbare Veränderungen aufweisen. Das Kleinhirn kann öfters ausgedehntere Narbenbildungen in der Rinde zeigen. Es kommen Grenzgebietsschäden vor, so zwischen den Versorgungsgebieten der Aa. cerebelli inferior und superior. Ist eine ganze Kleinhirnhemisphäre atrophisch, so müssen vaskulär bedingte Narben von sekundären Degenerationen unterschieden werden, wie sie nach ausgedehnten Kreislaufschäden in der kontralateralen Großhirnhemisphäre vor allem im Kindesalter vorkommen [17, 53].
Porenzephalie und Schizenzephalie Neonataler Schlaganfall Der neonatale Schlaganfall stellt sich als thrombembolisches Geschehen bei arteriellem Infarkt, vor allem der A. cerebri media, oder als Sinusvenenthrombose dar und ist eine Ursache für Zerebralparesen. Arterielle Infarkte finden sich vor allem bei Reifgeborenen mit einer Inzidenz von etwa 0,1–0,2/1000 Lebendgeburten. Bei Reifgeborenen mit Neugeborenenanfällen oder einer CP finden sie sich in bis zu 20% der Fälle. Die Inzidenz der Sinusvenenthrombose ist unbekannt. Betroffen sind in 80% oberflächliche und in 40% tiefe Venen, wobei sich in etwa 40% Infarkte entwickeln, zu 80% hämorrhagisch. Es
Die Porenzephalie, erstmals so benannt durch Heschl 1859 (zitiert nach Friede [17]), beschreibt einen umschriebenen, glattwandigen Defekt der lateralen Großhirnrinde im Bereich von Insula und angrenzenden, präund postzentralen Windungen bzw. im Mediaversorgungsgebiet, der oberflächlich von einer dünnen Arachnoidalmembran gedeckt ist und in Kontinuität zum Seitenventrikel steht (Abb. 5.11). Kleinere Läsionen sind spaltförmig ausgebildet und unilaterale Defekte weisen oft geringe kortikale Anomalien auf der Gegenseite auf. Am Rand der Läsion finden sich eine Polymikrogyrie (Typ 1 der älteren Literatur) oder radiär zum Defekt hin verlaufende, malformierte Windungen
Schäden der grauen und weißen Substanz
107
wird für „Schizenzephalien“ in Kalifornien berichtet, dabei ein Drittel mit nichtzentralnervösen Anomalien assoziiert und hiervon die Hälfte als Folge von vaskulären Ereignissen [9, 36, 48].
Multizystische Enzephalopathie
Abb. 5.11 Porenzephalie mit offener Verbindung zwischen Seitenventrikel und Subarachnoidalraum im Versorgungsgebiet der A. cerebri media dextra. (Aus dem Nachlass von Prof. Dr. Jürgen Peiffer, Tübingen)
(Typ 2), wobei Ependym und Rinde unmittelbar aneinander grenzen. Vernarbungen, offensichtliche Blutungsresiduen oder entzündliche Veränderungen fehlen. Assoziiert kommen Atrophien von Thalamus und kortikospinalen Bahnen sowie ein Fehlen des Septum pellucidum vor. Eine Extremform stellt das sog. „basket brain“ dar, bei dem der bilaterale Hemisphärendefekt so ausgedehnt ist, dass in der Mittellinie nur noch entlang der Falx eine dorsale Gewebebrücke erhalten ist, was an einen Korb mit Henkel erinnert. Die Befunde weisen auf einen Schädigungszeitraum mindestens vor der 28. Schwangerschaftswoche hin, unter Berücksichtigung der Heterotopien sogar vor der 20. Schwangerschaftswoche. Von der Porenzephalie abzugrenzen sind andere Läsionen wie zystisch gereinigte Matrixblutungen, zystische Enzephalopathien oder eine zystische PVL. Verwirrend ist der von Yakovlev und Wadsworth [59, 60] benutzte Begriff der Schizenzephalie. In den meisten der dort beschriebenen Fälle ist er synonym mit Porenzephalie („clefts with lips separated“), weshalb Friede den Gebrauch ganz ablehnt. Der sehr seltene Typ ohne Öffnung des Ventrikels zu den weichen Häuten („clefts with fused lips“) mag als morphologisch-deskriptiver Begriff stehen bleiben für eine kortikale Spaltbildung, deutlich tiefer als ein Sulkus, in Nachbarschaft der Primärfurche und mit allseits um den Seitenventrikel erhaltenem, allerdings meist malformiertem Gehirngewebe. Bei familiären Fällen von Porenzephalie finden sich unter anderem Mutationen im COL4A1-Gen (OMIM #175780), was zu einer fehlgebildeten perikapillären Basalmembran mit erhöhtem Risiko für eine Mikroangiopathie und ischämische Infarkte führt. Dies lässt eine vaskuläre Genese für solche Fälle annehmen. Das früher als relevant angeschuldigte EMX2-Gen scheint wohl keine Rolle zu spielen. Eine Prävalenz von 1,5/100.000
Die multizystische Enzephalopathie ist eine ausgedehnte, bilaterale Schädigung der frontoparietalen Großhirnhemisphären mit weitestgehendem Parenchymverlust und Ersatz durch Pseudozysten, die von glialen oder gliovaskulären Septen und Trabekeln durchzogen und von einer Gliose umgeben werden (Abb. 5.12 bis 5.14). Auch Fibrose und Blutungsresiduen (primär oder sekundär) finden sich. Im Randbereich kommen diffuse Nervenzellverluste vor und an der Oberfläche bleibt die Lamina I stellenweise erhalten. Stammganglien, Temporallappen und Hirnstamm sind meist weniger stark geschädigt. Ätiologisch kommt in erster Linie eine hypoxisch-ischämische Schädigung in der späten Schwangerschaft oder früh postnatal in Frage (Nabelschnurvorfall, Zwillingsschwangerschaft, verzögerter Geburtsverlauf etc.), wobei das Schädigungsmuster nicht spezifisch dafür ist, sondern z. B. auch nach einer viralen Enzephalitis auftreten kann. Hinweise für Erblichkeit ergeben sich nicht [17, 55].
„Near-total“-Asphyxie Die „Near-total“-Asphyxie beschreibt ein auffälliges Schädigungsmuster, das sich auf eine kurze, intensive As-
Abb. 5.12 Ausgedehnte multizystische Enzephalopathie im gesamten Frontalhirn mit großen Pseudozysten und gliotischen Trabekeln und Septen. Geburt zum Termin, Atemstillstand am 3. Lebenstag und Tod nach 6 Wochen. (Aus dem Nachlass von Prof. Dr. Jürgen Peiffer, Tübingen)
108
Kapitel 5
Prä- und Perinatalschäden
5
Abb. 5.13 Multizystische Enzephalopathie mit gliotischer Atrophie der Rinde (oben, rechts) und teils pseudozystischer (links), teils locker-spongiös gliotischer (Mitte) Umwandlung des Marklagers. Peripartale Asphyxie, Tod im 3. Lebensjahr (HE, 2,5u)
Abb. 5.15 Blick von basal auf Hydranenzephalus mit nur noch häutig-membranös erhaltenen frontoparietalen Strukturen links und gut erkennbarem Hirnstamm/Kleinhirn rechts. Induzierter Abort in der 28. SSW bei pathologischem Ultraschallbefund „komplexe Hirnfehlbildung“
Hydranenzephalie
a
b
Abb. 5.14a,b Multizystische Enzephalopathie mit inselförmig erhaltenen neuronalen Rindenstrukturen (links) bei ansonsten vollständig solide und trabekulär (rechts) fasergliotisch umgewandelter Rinde und Marklager. Mediainfarkt bei perinataler Streptokokkenmeningitis, Hemisphärotomie und Temporallappenresektion im 2. Lebensjahr bei Epilepsie (a MAP2; b GFAP, 4u)
phyxie (z. B. bei Nabelschnurkompression) zurückführen lässt und häufig zu einer CP führt. Betroffen sind Putamen, Thalamus, Rinde um den Sulcus centralis und der Hirnstamm. Im Verlauf zeigen diese Gebiete eine gliotische Atrophie. Die betroffenen, vulnerablen Regionen stehen durch glutamaterge Verbindungen miteinander in Kontakt, woraus sich ein exzitotoxischer Schädigungsmechanismus ableitet [24].
Die Hydranenzephalie ist die extremste Form einer fetal entstandenen Zirkulationsstörung mit Nekrose beider Großhirnhemisphären unter weitgehendem Erhalt der Stammganglien, Thalami, Pedunculi cerebri und der infratentoriellen Strukturen (Abb. 5.15). Die dünnen meningokortikalen Membranen lassen sich oft nur unter Wasser entfalten und bestehen aus Astrozyten, meist ohne ausgeprägte Fasergliose. Manchmal sind Polymikrogyrien oder atpisch gelagerte Nervenzellen in Rindenresten nachweisbar. Die Menge an nekrotischem Gewebe variiert und die basalen Anteile der Frontal- und Temporallappen sind oft ausgespart. Stammganglien und Thalami weisen meist Nervenzellverluste, Nekrosen und Verkalkungen auf. Die Ätiologie der Hydranenzephalie ist nicht ganz geklärt. In Einzelfällen konnte ein doppelseitiger Karotisverschluss bei erhaltener Basilarisversorgung festgestellt werden und meist dürfte es sich um Folgen einer Ischämie handeln. Aber auch Enzephalitiden oder mütterliche Intoxikationen sind berichtet [18]. Neben sporadischen Fällen gibt es eine autosomal-rezessive Form (OMIM #225790) mit Mutationen im FLVCR2-Gen, die mit einer proliferativen Vaskulopathie assoziiert ist.
Intrakranielle Blutungen Intrakranielle Blutungen in der Perinatalzeit spielen klinisch eine wichtige Rolle aufgrund ihrer großen Häufigkeit sowie der schwerwiegenden, neurologischen
Intrakranielle Blutungen
109
Folgeschäden bzw. ihres fatalen Verlaufs. Die fünf wesentlichen Typen sind intraventrikuläre Blutungen/Matrixblutungen, Kleinhirnblutungen, Subduralblutungen, Subarachnoidalblutungen und verschiedene intraparenchymatöse Blutungen (außerhalb des Kleinhirns). Subarachnoidalblutungen und intraventrikuläre Blutungen sind häufiger und treten wie auch die Kleinhirnblutungen vor allem bei unreifen Kindern auf. Ein schwerwiegender, klinischer Verlauf ist bei Blutungen subdural, im Kleinhirn und intraventrikulär zu beobachten [52].
Subependymale Matrixblutung/Intraventrikuläre Blutung Blutungen in der subependymalen Matrix und die sich daraus ergebenden intraventrikulären Blutungen („intraventricular hemorrhage“, IVH) stellen die häufigste Form einer intrakraniellen Blutung beim Neugeborenen dar und sind charakteristisch für unreife Kinder. In 90% der Fälle tritt das Ereignis während der ersten drei Lebenstage ein. Nicht selten sind die klinischen Symptome so diskret, dass sie nicht auffallen. Bei massiven Blutungen kommt es zu einem katastrophalen Syndrom mit Koma, Dezerebrationsstarre, Atemstörungen und generalisierten tonischen Anfällen. Die Inzidenz beträgt bei einem Geburtsgewicht unter 1500 g etwa 20% und steigt unter 750 g auf über 30% [42]. Methode der Wahl zum Nachweis und zur Bestimmung der Schwere der IVH ist der transkranielle Ultraschall. Die Schädigung hat wesentlichen Einfluss auf die Mortalität sowie die neurologische Entwicklung (motorische und kognitive Defizite). Die grundlegende Läsion ist eine Blutung in der subependymalen Matrix, die durch das sehr fragile Gewebe in den Seitenventrikel einbricht und sich nach kaudal über die Liquorräume ausbreitet (Abb. 5.16). Die Matrix ist zwischen der 28. und 32. SSW zwischen Striatum und Thalamus auf Höhe der Cauda nuclei caudati besonders kräftig angelegt. Aus der zelldichten, proliferationsaktiven Zone entstehen bis etwa zur 20. SSW neuronale Vorläufer, danach gliale Zellen, und im letzten Trimenon bilden sich das gelatinöse Areal bis zur 36. SSW allmählich zurück. Das reiche Gefäßnetz besteht aus teils weiten, teils kapillären Gefäßen mit einer einfachen, hypoxieempfindlichen Endothelzellschicht und unvollständiger Basalmembran. Erst gegen Ende der Schwangerschaft bilden sich eine astrogliale Abstützung und bindegewebige Adventitia, die den unreifen Gefäßen mechanische Stabilität und einen venösen Charakter verleihen [13]. Die arterielle Versorgung aus Ästen der Aa. cerebri anterior et media sowie der A. choroidea anterior stellt um die 24.–28. SSW ein Grenzstromgebiet dar mit Endarterien und nur wenig Anastomosen. Die noch nicht ausgereifte Autoregulation des zerebralen Blutflusses vor allem beim Frühgeborenen führt
Abb. 5.16 Matrixblutung beidseits mit Ventrikeleinbruch (Pfeil) in alle inneren Liquorräume. Amnioninfektionssyndrom, Frühgeburt 25. SSW, rascher Tod
Abb. 5.17 Frische, diffuse Blutung in die ödematös aufgelockerte subependymale Matrix mit Nachweis einer frisch rupturierten Venole (Pfeil). Amnioninfektionssyndrom, Frühgeburt 25. SSW, Sepsis, Tod am 7. Lebenstag (HE, 10u und 40u)
zu einer druckpassiven Durchblutung, was bei fast allen sehr untergewichtigen Neugeborenen in relevantem Ausmaß zu beobachten ist [44]. Aus den mechanisch fragilen Gefäßwänden kommt es zu Matrixblutungen (Abb. 5.17) entweder bei erhöhtem zerebralem Blutfluss (z. B. Blutdruckanstiege, Hyperkarbie oder erniedrigter Hämatokrit) oder bei erhöhtem zerebralvenösem Druck unter der Geburt oder bei Asphyxie. Ein erniedrigter zerebraler Blutfluss, z. B. bei hypoxisch-ischämischen Ereignissen, schädigt die besonders hypoxieempfindlichen Matrixkapillaren mit Blutaustritten dann während der Reperfusion. Die Blutung führt zu einer Destruktion der Matrix mit Verlust vor allem von glialen Vorläufern. Die Blutung wird durch Makrophagen abgeräumt. Kleinere Läsionen können in eine Gliosezone übergehen, während ausgedehnte Blutungen als Residuum Pseudozysten mit astro-
110
5
Kapitel 5
gliotischer Wand und auskleidenden Siderophagen hinterlassen. Der Verlust oligodendroglialer Vorläuferzellen ist möglicherweise verantwortlich für eine Reduktion der weißen Substanz [32]. Eine umschriebene Destruktion der radialen Glia führt zum Abbruch der radialen Migration in dieser Region mit der Konsequenz neuronaler Heterotopien, einer reduzierten kortikalen Dicke und erworbener Dysplasien [34, 35]. In 15–20% der Fälle einer Matrixblutung bei sehr Frühgeborenen (vor der 28. SSW) oder sehr untergewichtigen Kindern kommt es im frontalen oder parietalen Marklager dorsolateral des seitlichen Ventrikelwinkels zu einer typischerweise unilateralen periventrikulären hämorrhagischen Infarzierung, die die neurologische Entwicklung kritisch beeinflusst. Es handelt sich nicht, wie früher angenommen, um eine kontinuierliche Ausdehnung der Blutung. Die Blutung bewirkt wohl eine Kompression oder Thrombose der durch die Matrix führenden V. terminalis mit konsekutiver Schädigung der und Blutung aus den vorgeschalteten Vv. medullares. Dies erklärt unter anderem, warum die vierstufige Klassifikation nach Papile als obsolet zu betrachten ist. Im Verlauf geht die fächerförmige Infarzierung in eine große Pseudozyste mit gliotischer Wand und darin eingelagerten Siderophagen über, die auch mit dem Seitenventrikel kommunizieren kann. Differentialdiagnostisch abzugrenzen ist die häufig (in bis zu 75%) gleichzeitig vorkommende PVL, die arteriell verursacht wird, weiter okzipital liegt, meist symmetrisch und nichthämorrhagisch angelegt ist und in multiple kleine Pseudozysten übergeht [3, 10, 52]. Das in den Ventrikel ausgetretene Blut/Blutgerinnsel kann durch Verschluss der Arachnoidalzotten oder des Aquaeductus Sylvii und der Foramina Luschkae et Magendie zu einem akuten Hydrozephalus (non resorptivus) führen. Eine obliterierende Archnoiditis in der hinteren Schädelgrube oder eine Aquäduktstenose durch Gerinnsel, Ependymschädigung und reaktive Gliose können ei-
Prä- und Perinatalschäden
nen subakuten bis chronischen Liquoraufstau hervorrufen (Abb. 5.18). Der Hydrozephalus kann sich zurückbilden, auf einem stabilen Niveau persistieren oder sich fortschreitend vergrößern. In diesen Fällen werden Lumbalpunktionen, eine Ventrikeldrainage oder ein ventrikuloperitonealer Shunt notwendig. Bei mindestens der Hälfte der Kinder mit Matrixblutung ließen sich auch selektive Nervenzelluntergänge, vor allem in Pons, Hippokampus, Subikulum und unterer Olive nachweisen. Dies betrifft vor allem Kinder, die an einer Ateminsuffizienz verstarben. In der Hälfte der Fälle besteht auch eine Plexusblutung, die bei reifen Kindern den wichtigeren Ursprung einer intraventrikulären Blutung darstellt [3, 43, 52].
Intraventrikuläre Blutungen beim Reifgeborenen Intraventrikuläre Blutungen können seltener auch bei Reifgeborenen entstehen und zeigen dann eine eigene anatomische Verteilung. Zu etwa einem Drittel entstehen sie im Plexus choroideus. In etwa einem Viertel der Fälle finden sich Blutungen vom Thalamus ausgehend und scheinen dann mehrheitlich mit sinuvenösen Thrombosen assoziiert zu sein. In etwa 15% der Fälle entstehen Blutungen im letzten verbliebenen Rest der subependymalen Matrix, die in der Grube zwischen Thalamus und Nucleus caudatus lokalisiert ist. Pathogenetisch kommen prinzipiell die gleichen Faktoren zum Tragen wie auch bei der Matrixblutung/intraventrikulären Blutung des unreif Geborenen. Darüber hinaus scheinen beim Reifgeborenen vermehrt traumatische Faktoren eine Rolle zu spielen, insbesondere finden sich häufiger Beckenendlagen und Zangengeburten in der Anamnese. Außerdem bestehen vermehrt Gerinnungsstörungen mit Hyperkoagulabilität. Die klinischen Symptome können sich in Abhängigkeit vom Entstehungszeitpunkt und der Ursache der Blutung innerhalb der ersten ein oder zwei Tage, aber auch zwei bis vier Wochen nach der Geburt bemerkbar machen. Im weiteren Verlauf kann sich ein auch shuntpflichtiger Hydrozephalus entwickeln. In etwa der Hälfte der Fälle erholen sich reifgeborene Kinder mit einer intraventrikulären Blutung innerhalb von 2–3 Wochen vollständig. In den übrigen Fällen können wesentliche neurologische Defizite auftreten und in einem geringeren Prozentsatz kommt es auch zum Versterben [39, 52, 58].
Kleinhirnblutungen Abb. 5.18 Posthämorrhagischer Hydrocephalus internus. Zwillingsschwangerschaft, Frühgeburt 24. SSW, Matrixblutung, Tod in der 8. Lebenswoche
Kleinhirnblutungen treten vor allem bei unreifen Neugeborenen auf mit einer Inzidenz von 15–25% bei sehr untergewichtigen (< 1500 g) oder sehr frühgeborenen
Intrakranielle Blutungen
(<32. SSW) Kindern. In neuropathologischen Untersuchungen finden sich höhere Inzidenzraten als in klinischen Serien. Die kortikalen oder subkortikalen Blutungen können isoliert oder in Kombination mit Blutungen in anderen Hirnregionen auftreten. Es handelt sich um 1. primäre Blutungen, 2. sekundär hämorrhagisch veränderte, venöse Infarkte, 3. Ausdehnung von primär intraventrikulären oder subarachnoidalen Blutungen in das Kleinhirn, 4. traumatische Kleinhirneinrisse und 5. Zerreißung größerer Venen bzw. okzipitaler, venösen Sinus. Die zuletzt genannten beiden Gruppen finden sich vor allem bei reifgeborenen Kindern. Während bei unreifen Neugeborenen wesentlich häufiger die Kleinhirnhemisphären betroffen sind, ist bei reifen Kindern häufiger eine Blutung im Kleinhirnwurm festzustellen. Die Pathogenese ist multifaktoriell, wobei hypoxischischämische Ereignisse, insbesondere ein RespiratoryDistress-Syndrome sowie Unreife und Septikämie eine Rolle spielen. Die Blutungen können bereits vor dem Weheneintritt auftreten. Eine okzipitale Kompression mit erhöhtem, venösen Druck (perinatal oder postnatal) kann zu einer hämorrhagischen Infarzierung führen. Ebenso wie bei der subependymalen Matrixblutung kann erhöhter arterieller Druck im Rahmen einer druckpassiven Durchblutung zu Zerreißungen der unreifen bzw. in Involution befindlichen Kapillaren führen. Eine Verschiebung der Hinterhauptsschuppe unter die parietalen Schädelknochen spielt bei einer traumatischen Geburt eine Rolle. Als residuelle Läsionen finden sich Siderophagen, Pseudozysten und eine Kleinhirnatrophie, Letztere auch im Zusammenhang mit einem Verlust der äußeren Körnerzellschicht bzw. der paraventrikulären, subependymalen Stammzellen im Rahmen eines Blutungsereignisses.
Subduralblutungen Subduralblutungen sind insgesamt selten in der Perinatalzeit, häufiger beim Reifgeborenen. Es ist wichtig, sie früh klinisch zu erkennen, da sie z. T. erfolgreich behandelt werden können. Anatomisch lassen sich Schäden an unterschiedlichen venösen Strukturen unterscheiden: Tentoriumseinrisse mit Verletzungen u. a. der Vena magna Galeni sowie der eingebetteten Sinus mit supra- und infratentoriellen Hämatomen. Größere Blutungen führen zu einer raschen, letalen Hirnstammkompression. Infratentorielle Blutungen können auch aus dem Sinus occipitalis bei einer okzipitalen Osteodiastase entstehen. Risse der Falx mit Verletzung des Sinus sagittalis inferior führen zu einem interhemisphärischen Hämatom. Verlet-
111
zungen der Brückenvenen haben Blutungen über der Konvexität zur Folge. Die als subdural bezeichneten Hämatome liegen nach Auffassung einiger Autoren primär intradural. Es gibt alle Übergänge von feinen, eher asphyktisch bedingten intraduralen Mikrohämorrhagien, die vielfach multipel und beim unreif Geborenen auftreten, bis zum ausgeprägten, eher traumatisch bedingten, raumfordernden Hämatom. Bei chronifizierten subduralen Hämatomen ist neben Spaltbildungen der ursprünglichen inneren Duralamelle ein weitläufiges Maschenwerk von Neomembranen vorhanden mit Arachnoidalzellnestern und sekundärer Auskleidung meist abgeflachter Arachnothelien. Häufig finden sich Blutungen unterschiedlichen Alters innerhalb der Duramembranen. Zu denken ist in solchen Fällen unbedingt an Kindsmisshandlungen („shaken baby syndrome“) als Ursache wiederholter, nach der zellulären Reaktion zeitlich unterscheidbarer Blutungen. Siderophagen, Kapillarsprossung, Bildung sinusoidaler Gefäßräume, Bindegewebsproliferation und eventuelle entzündliche Begleitreaktionen sind Kriterien, nach denen das Alter der Hämatome annähernd bestimmt werden kann. Ein Übergang in subdurale Hygrome ist nach Resorption des Hämatomblutes bei Kleinkindern häufig. Auffallend ist, dass man auch bei sehr jungen Säuglingen bereits Hygrome nachweisen kann, ohne dass es mikroskopisch gelingt, Zeichen einer vorangegangenen Blutung in Form von Siderophagen nachzuweisen. Wie bei anderen Blutungen mit Anschluss an das Liquorsystem kann sich ein Hydrozephalus entwickeln. Risikofaktoren für größere, meist traumatische Blutungen sind: ein im Vergleich zum Geburtskanal relativ großes Kind, besonders nachgiebiger Schädel wie bei unreifen Kindern, besonders steife Beckenstrukturen wie bei Erstgebärenden oder älteren Mehrfachgebärenden, ungewöhnlich kurzer oder verzögerter Geburtsverlauf, Fuß- oder Steißlagen, schwierige Vakuumextraktion oder Zangeneinsatz mit Rotationsmanövern. Es kommt jeweils zu Dehnungen, die die Reißgrenze für die beanspruchten, venösen Gefäße überschreiten. Auch Gerinnungsstörungen führen zu Subduralblutungen. Therapeutisch ist bei kleineren Blutungen und Fehlen wesentlicher, neurologischer Auffälligkeiten ein Abwarten unter enger klinischer Kontrolle angebracht. In den übrigen Fällen ist eine rasche, neurochirurgische Entlastung angezeigt.
Subarachnoidalblutung Primäre Subarachnoidalblutungen in der Perinatalzeit finden sich über den Großhirnhemisphären, vor allem okzipital sowie auch in der hinteren Schädelgrube, wobei kleine Blutauflagerungen nicht selten bei Obduktionen beobachtet werden, ohne dass klinisch der Verdacht auf eine intrakranielle Blutung bestanden hätte. Blutungs-
112
5
Kapitel 5
quelle sind vermutlich kleine Gefäßanastomosen zwischen leptomeningealen Arterien, die sich im Rahmen der Gehirnentwicklung zurückbilden. Auch Blutungen aus Brückenvenen in den Subarachnoidalraum sind möglich. Beim Auslaufen subarachnoidaler Blutansammlungen in die hintere Schädelgrube oder an die Hirnbasis kann es aufgrund einer Liquorabflussstörung aus dem 4. Ventrikel durch Adhäsionen oder durch eine beeinträchtigte Absorption im Bereich der Pacchionischen Granulationen zu einem Hydrozephalus kommen. Histologisch zeigen sich in den verdickten Meningen Siderophagen. Ursachen, vor allem bei ausgedehnteren Blutungen, können – ähnlich wie bei der Subduralblutung – mechanische Läsionen oder zirkulatorische Störungen im Rahmen der Unreife sein.
Andere Blutungsursachen Andere Ursachen für perinatale, ungewöhnliche intrakranielle Blutungen sind traumatische epidurale oder intrazerebrale Hämatome, hämorrhagische Infarkte (embolisch, thrombotisch), Gerinnungsstörungen, Gefäßanomalien, zerebrale Tumoren und eine vorausgegangene Behandlung mittels extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO). Intraparenchymatöse, intrazerebrale Blutungen beim Feten haben mehrheitlich eine schlechte Prognose [50, 52].
Geburtstraumatische Schäden Der Schädel ist während des Durchtritts durch den Geburtskanal beträchtlichen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Dies gilt insbesondere für übertragene Säuglinge und bei atypischen Kindslagen. Starke Hyperextension (z. B. bei Intubation) und starke Kopfdrehungen im Rahmen der medizinischen Versorgung oder bei der Pflege des Neugeborenen können ebenfalls die Blutversorgung beeinträchtigen und anatomische Strukturen (Blutgefäße) zerreißen. Das Caput succedaneum ist eine umschriebene, selten eingeblutete Schwellung der Kopfschwarte, die während des Durchtretens des Kopfes bei unvollständig erweitertem Muttermund entsteht und sich in wenigen Tagen wieder zurückbildet. Die Galeablutung zwischen Periost und Aponeurose findet sich bei Totgeburten und kommt bei Gerinnungsstörungen oder Vakuumextraktion vor. Wegen des eventuell relevanten Blutverlusts ist eine klinische Beobachtung angezeigt. Das Kephalhämatom ist eine subperiostale Blutung, die durch die Schädelnähte begrenzt wird, sich vor allem nach Zangengeburten findet und mit Schädelfrakturen
Prä- und Perinatalschäden
assoziiert sein kann. Im weiteren Verlauf können das Hämatom und das umgebende Gewebe verkalken. Die Epiduralblutung stellt eine seltene Komplikation bei einer traumatischen Entbindung eines Reifgeborenen dar mit Einblutung zwischen Schädelknochen und Dura, zumeist begleitet von einer linearen Fraktur des Schädelknochens. Intradurale Blutungen und Durarisse betreffen vor allem die Falx cerebri und sind auf Zugkräfte zurückzuführen, die insbesondere im Rahmen einer Zangengeburt auftreten können. Die Subduralblutung ist auf eine Zerreißung oberflächlicher Venen oder Sinus zurückzuführen. Durch die Raumforderung der Blutung oder eine dem Blutungsereignis vorausgegangene hypoxisch-ischämische Phase kommt es zu einem assoziierten Hirnschaden (Näheres unter „Subduralblutungen“). Subarachnoidale Blutungen lassen sich als geburtstraumatische Schäden vor allem bei unreif Geborenen beobachten. Näheres siehe oben unter dem Abschnitt „Subarachnoidalblutungen“.
Zerebrale Schäden bei extrazerebralen Erkrankungen Akute Bilirubin-Enzephalopathie (Kernikterus) Die akute Bilirubin-Enzephalopathie (Kernikterus) ist seit Einführung therapeutischer (z. B. Austauschtransfusion und Phototherapie) und präventiver (z. B. anti-Rh Ig) Maßnahmen deutlich zurückgegangen, tritt mit beschleunigter Entlassung der Neugeborenen aus der klinischen Überwachung in das heimische Umfeld aber wieder häufiger auf. Es handelt sich um eine toxische Schädigung vor allem von Neuronen, aber auch glialer Zellen durch freies Bilirubin, das die Zellmembran und die Mitochondrienmembran schädigt. Es kommt unter anderem zu erhöhten extrazellulären Glutamatkonzentrationen mit Exzitotoxizität über Aktivierung der neuronalen NMDA-Rezeptoren, zu verminderter mitochondrialer Energieproduktion und Apoptose durch Cytochrom-C-Freisetzung Die Pathomechanismen sind nicht vollständig aufgeklärt, sind aber wohl ähnlich wie beim hypoxisch-ischämischen Schaden. Ursachen einer neonatalen, unkonjugierten Hyperbilirubinämie sind: 1. vermehrte Produktion durch Hämolyse (immunvermittelt – Rh- oder ABO-Inkompatibilität, erbliche Erythrozytendefekte – Sphärozytose, Thalassämie), Hämatome, Polyzythämie, Sepsis; 2. gesteigerter enterohepatischer Kreislauf durch Muttermilch, Darmobstruktion; 3. herabgesetzte hepatische Konjugation bei Unreife, Glucose-6-Phosphatdehydrogenase Mangel, CriglerNajjar Syndrom, Hypothyreoidismus.
Zerebrale Schäden bei extrazerebralen Erkrankungen
Physiologischerweise steigt in der ersten Lebenswoche vorübergehend der Bilirubinspiegel. Bei Frühgeborenen hält diese Phase länger an und es werden höhere Maximalwerte erreicht. Kritische Grenze für das Auftreten eines Kernikterus ist für Reifgeborene eine maximale Serumkonzentration für Bilirubin von etwa 200–250 mg/l. Bei unreif Geborenen ist die Grenze zwischen „sicheren“ und „toxischen“ Bilirubinwerten weniger scharf. Kritisch sind außerdem niedriger pH, Konzentration des freien, unkonjugierten Bilirubins, Albuminbindungskapazität, Blut-Hirn-Schranken-Funktion und neuronale Vorschädigung (Suszeptibilität) z. B. durch Asphyxie oder Sepsis. Klinisch fallen Neugeborene mit einer akuten Bilirubin-Enzephalopathie in der ersten Lebenswoche unspezifisch mit Hypotonie, Bewegungsarmut und Apathie auf. Dies geht nach zwei bis drei Tagen über in eine Intermediärphase mit Stupor, Irritabilität und Tonusanstieg vor allem als Opisthotonus. Nach mehreren Tagen kommt es zu einem fortgeschrittenen Stadium mit Koma, Hypertonus und schrillem Schreien. Im Alter von 6–12 Monaten bildet sich dann eine chronische Bilirubin-Enzephalopathie heraus mit extrapyramidalen Anomalien und Blicksowie Hörstörungen. Morphologisch ist die akute Bilirubin-Enzephalopathie charakterisiert durch x eine makroskopische Bilirubinverfärbung spezifischer Kerngebiete (Kernikterus sensu strictu) und x mikroskopisch sichtbare Nervenzelluntergänge. Am deutlichsten fällt der Kernikterus als gelblich (-grünliche) Verfärbung an frischen, unfixierten Gehirnschnitten auf und ist etwa in den ersten 7–10 Tagen der akuten Phase sichtbar (Abb. 5.19). Intensiv betroffen sind: Palli-
Abb. 5.19 Kernikterus mit gelblich verfärbtem Pallidum, Thalamus und Hippokampus beidseits. Frühgeburt und Asphyxie, Überleben für wenige Tage. (Aus dem Nachlass von Prof. Dr. Jürgen Peiffer, Tübingen)
113
dum, Nucleus subthalamicus, Hippokampus (CA2, CA3), Hypothalamus, Substantia nigra, Formatio reticularis, Nucleus dentatus und spinale Vorderhornzellen. Unter den kranialen Hirnnervenkernen sind vor allem Nucleus oculomotorius, vestibularis, facialis betroffen sowie solche, die dem auditorischen Komplex zugehörig sind. Die Verteilung der Nervenzelluntergänge entspricht in etwa der der Bilirubinverfärbung, ist aber nicht identisch. So ist z. B. ein Verlust zerebellärer Purkinje-Zellen häufig. Neurone des Isokortex sind typischerweise nicht geschädigt und lassen, wenn betroffen, vor allem an eine begleitende hypoxisch-ischämische Schädigung denken. Anders als die dabei nachweisbaren azidophilen, geschrumpften Neurone finden sich beim Kernikterus in den ersten Tagen geschwollene Nervenzellen mit basophilem, granulärem und mikrovakuolärem Zytoplasma und unscharf werdender Kernmembran. Am Ende der ersten Woche verbleiben pyknotische Kerne oder mineralisierte Zellen und die Nervenzellzahl nimmt ab, mit einer zunehmenden Astrogliose in den folgenden Wochen. Im Endzustand der chronischen BilirubinEnzephalopathie zeigt sich eine unspezifische Fasergliose mit selektiven Nervenzellverlusten. Eine unspezifische Bilirubinverfärbung des Gehirns kann sich auch unabhängig von einer Bilirubin-Enzephalopathie, dann ohne die typischen neuronalen Veränderungen, in anders geschädigten Gehirnarealen finden, z. B. bei einer PVL, einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie oder eher diffus bei unreifen Neugeborenen [7, 52].
Angeborene Herzfehler Schäden am ZNS finden sich nicht selten bei Säuglingen und Kindern mit angeborenen Herzfehlern, insbesondere bei mikroskopischer Untersuchung. Klinisch sind angeborene Herzfehler nach operativen Eingriffen in bis zu 25% mit neurologischen oder Entwicklungsauffälligkeiten assoziiert. Dies gewinnt angesichts der fortschreitenden Verbesserung chirurgischer und anästhesiologischer Verfahren besondere Bedeutung. In über der Hälfte untersuchter, operierter Fälle fanden sich erworbene, diffuse, akute und chronische Schäden der weißen (PVL, diffuse Gliose) und grauen Substanz (Nervenzellverluste, Gliose), Letztere vor allem in Olive, Großhirnrinde, Hippokampus, Thalamus und Basis pontis. Diese Veränderungen unterscheiden sich von denen der Ära vor der Herzchirurgie, in der Infarkte das Bild dominierten, aber diffuse Schäden weitgehend fehlten. Vor allem bei zyanotischen Herzfehlern kommt es ab dem zweiten Lebensjahr zu Abszessen, meist unifokal, und mit Streptococcus-spp.- oder einer Mischbesiedelung als Erregern. Auch zerebrale Fehlbildungen kommen vor, wie Mikrokephalie, Mikrenkephalie, gestörte Rindendifferenzierung oder Balkenagenesie. Ätiologisch
114
Kapitel 5
werden neben einem thrombotisch-embolischen Geschehen eine gestörte zerebrovaskuläre Autoregulation und entzündliche Mechanismen diskutiert. Daher sollten bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern neurologische und neuroradiologische Untersuchungen sowie eine humangenetische Beratung mit eingeplant werden [17, 20, 28, 31].
Prä- und Perinatalschäden Tabelle 5.3 Differentialdiagnosen des plötzlichen Säuglingstodes (zusammengestellt nach [4, 29 und 37]) Natürlicher Tod
Infektionen
Meningitis, Enzephalitis Sepsis Fehlbildungen
5
Plötzlicher Säuglingstod Der plötzliche Säuglingstod („sudden infant death syndrome“, SIDS) ist definiert als plötzlicher, unerwarteter Tod eines Kindes bis zum vollendeten 12. Lebensmonat, scheinbar während des Schlafes eingetreten, der auch nach vollständiger Autopsie, Untersuchung der Todesumstände und Aufarbeitung der klinischen Vorgeschichte ätiologisch unklar bleibt. Solange diese Kriterien nicht erfüllt sind, sollte von einem plötzlichen unerwarteten Tod im Säuglingsalter („sudden unexpected death in infancy“, SUDI) gesprochen werden. Das SIDS ist eine Ausschlussdiagnose, und in 10–25% der klinischen Verdachtsfälle erbringt die Obduktion eine andersartige, definierte Todesursache. Stets ist auch ein Tod aus nichtnatürlicher Ursache in Betracht zu ziehen. Es sollten standardisierte Obduktionsprotokolle zur Klärung der Todesursache befolgt werden, insbesondere mit Asservierung von Liquor cerebrospinalis, nativem Gehirngewebe und Skelettmuskulatur, mit mikrobiologischer Untersuchung des ZNS sowie neuropathologischer Untersuchung von Gehirn, Rückenmark und Skelettmuskulatur. Die Diagnose oder Vorhersage eines (drohenden) SIDS bei einem lebenden Säugling ist derzeit nicht möglich [4, 30, 47, 56, 57]. In Deutschland wurde bei 22% der im Jahr 2002 verstorbenen Säuglinge die Leichenschaudiagnose plötzlicher Säuglingstod gestellt (m:w ≈ 2:1), was einer Inzidenz von 0,46/1000 Lebendgeborenen entspricht. Wesentliche Risikofaktoren sind: Schlafen in Bauchlage, Schlafen im Bett der Eltern, Kissen und Decken im Säuglingsbett, Substanzmissbrauch der Mutter (Tabak, Alkohol, Kokain, Heroin), Plazentaanomalien, Mutter jünger als 20 Jahre, Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht, Stillen ≤2 Wochen. Polymorphismen in Zytokingenen könnten bei klinischen Subgruppen eine pathogenetische Rolle spielen [14]. Differentialdiagnostisch sind beim SIDS unterschiedliche Erkrankungen in Betracht zu ziehen (Tabelle 5.3). Makroskopisch fällt bei einem Teil der Gehirne ein erhöhtes Gewicht auf, was mit auf eine terminale Blutstauung zurückzuführen sein dürfte. Histopathologisch wirkt das Gehirn bei konventioneller Untersuchung „normal“ oder zeigt allenfalls geringe, unspezifische Veränderungen. In einem Viertel der Fälle lässt sich eine periventrikuläre Leukomalazie nachweisen. Wenngleich für die
Bronchitis, Pneumonie
Zerebral Kardiovaskulär Bronchopulmonal
Stoffwechselerkrankungen
Mitochondriopathien Defekte der beta-Oxidation Glutarazidurie Ahornsirupkrankheit
Varia
Intrakranielle Tumoren Spinale Muskelatrophie Long-QT-Syndrom (Na+oder K+-Kanalerkrankungen)
Nichtnatürlicher Tod
Schütteltrauma („shaken baby syndrome“) Intoxikation Ersticken (absichtlich oder als Unfall) Hyperthermie aus äußerer Ursache
Diagnose im Einzelfall kaum hilfreich, haben (semi-) quantitative Untersuchungen unterschiedliche, pathogenetisch wichtige Befunde ergeben: Reduzierte Nervenzelldichte/Nervenzellzahl in Hirnstammregionen (z. B. Oliva inferior, Nucleus arcuatus) und hypoxieempfindlichen Rindenabschnitten des Isokortex und Hippokampus, verminderter Nachweis von 5-HT-Rezeptoren bzw. -Rezeptorbindungsstellen in Kerngebieten der Medulla oblongata, vermehrt leptomeningeale Neurone, allgemein verzögerte Myelinisierung, Gliose der Oliva inferior und der telenzephalen weißen Substanz, Mikrogliaaktivierung des Gyrus dentatus des Hippokampus. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche pathologische Befunde, die primär für den Tod verantwortlich sein können, um sekundäre Veränderungen, die auf eine primäre Ätiologie hinweisen und um zeitlich determinierte Anomalien, die auf den Zeitraum einer primären Störung schließen lassen [12, 26]. Wenngleich die Pathogenese des SIDS weiterhin nicht geklärt ist, geht man im sog. Triple-Risk-Model davon aus, dass der Tod beim gleichzeitigen Zusammentreffen von drei Faktoren eintritt: 1. erhöhte Vulnerabilität, 2. kritischer Zeitraum und 3. exogener Stressor [27].
Literatur
Als Korrelat einer erhöhten Vulnerabilität werden morphologische und funktionelle Anomalien in Hirnstammbereichen angesehen, die in die kardiorespiratorische Kontrolle und in Aufweckreaktionen involviert sind, insbesondere das medulläre serotonerge System. Dabei finden sich Zeichen von Entwicklungsstörungen und hypoxisch-ischämischen Schäden. Letztere deuten in anderen Gehirnregionen darauf hin, dass akute Situationen dem tödlichen Ereignis bereits früher vorausgegangen sind. Als kritische Entwicklungsperiode ist das erste Lebensjahr mit einem Schwerpunkt auf dem 2. bis 4. Lebensmonat anzusehen. Exogene Stressoren in Form transienter Phasen von Hypoxie, Hyperkarbie, Hyperthermie oder arterieller Hypotonie treten bei allen Säuglingen gelegentlich im Schlaf auf, vor allem bei den oben genannten Risikofaktoren. Erst beim Zusammentreffen der drei Risikofaktoren kommt es dann letztlich zu dem fatalen Ereignis.
115
12.
13.
14.
15.
16.
17. 18.
Literatur 19. 1.
2.
3.
4. 5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
Altshuler G (1993) Some placental considerations related to neurodevelopmental and other disorders. J Child Neurol 8: 78–94 Andiman SE, Haynes RL, Trachtenberg FL et al. (2010) The cerebral cortex overlying periventricular leukomalacia: analysis of pyramidal neurons. Brain Pathol 20: 803– 814 Armstrong D, Norman MG (1974) Periventricular leucomalacia in neonates. Complications and sequelae. Arch Dis Child 49: 367–375 Bajanowski T, Poets C (2004) Der plötzliche Säuglingstod. Dtsch Arztebl 101: A3185–A3190 Banker BQ, Larroche JC (1962) Periventricular leukomalacia of infancy. A form of neonatal anoxic encephalopathy. Arch Neurol 7: 386–410 Bell JE, Becher JC, Wyatt B et al. (2005) Brain damage and axonal injury in a Scottish cohort of neonatal deaths. Brain 128: 1070–1081 Bhutani VK, Johnson L (2009) Kernicterus in the 21st century: frequently asked questions. J Perinatol 29 Suppl 1: S20–24 Counsell SJ, Allsop JM, Harrison MC et al. (2003) Diffusionweighted imaging of the brain in preterm infants with focal and diffuse white matter abnormality. Pediatrics 112: 1–7 Curry CJ, Lammer EJ, Nelson V et al. (2005) Schizencephaly: heterogeneous etiologies in a population of 4 million California births. Am J Med Genet A 137: 181–189 Deeg KH, Staudt F, von Rhoden L et al. (1999) Klassifikation der intrakraniellen Blutungen des Frühgeborenen. Ultraschall Med 20: 165–170 deVeber G, Andrew M, Adams C et al. (2001) Cerebral sinovenous thrombosis in children. N Engl J Med 345: 417–423
20.
21. 22.
23.
24. 25.
26.
27.
28.
29.
Duncan JR, Paterson DS, Hoffman JM et al. (2010) Brainstem serotonergic deficiency in sudden infant death syndrome. Jama 303: 430–437 El-Khoury N, Braun A, Hu F et al. (2006) Astrocyte endfeet in germinal matrix, cerebral cortex, and white matter in developing infants. Pediatr Res 59: 673–679 Ferrante L, Opdal SH, Vege A et al. (2010) Cytokine gene polymorphisms and sudden infant death syndrome. Acta Paediatr 99: 384–388 Folkerth RD, Haynes RL, Borenstein NS et al. (2004) Developmental lag in superoxide dismutases relative to other antioxidant enzymes in premyelinated human telencephalic white matter. J Neuropathol Exp Neurol 63: 990– 999 Folkerth RD, Kinney HC (2008) Disorders of the perinatal period. In: Love S, Louis DN, Ellison DW (eds) Greenfield’s Neuropathology. Edward Arnold, London, pp 241–334 Friede RL (1989) Developmental Neuropathology. Springer, Berlin Heidelberg New York Friede RL, Mikolasek J (1978) Postencephalitic porencephaly, hydranencephaly or polymicrogyria. A review. Acta Neuropathol (Berl) 43: 161–168 Gilles FH, Murphy SF (1969) Perinatal telencephalic leucoencephalopathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 32: 404–413 Glauser TA, Rorke LB, Weinberg PM et al. (1990) Congenital brain anomalies associated with the hypoplastic left heart syndrome. Pediatrics 85: 984–990 Golden JA, Harding BN (2004) Developmental Neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel Grafe MR (1994) The correlation of prenatal brain damage with placental pathology. J Neuropathol Exp Neurol 53: 407–415 Himmelmann K, Hagberg G, Uvebrant P (2010) The changing panorama of cerebral palsy in Sweden. X. Prevalence and origin in the birth-year period 1999–2002. Acta Paediatr 99: 1337–1343 Johnston MV (2005) Excitotoxicity in perinatal brain injury. Brain Pathol 15: 234–240 Khwaja O, Volpe JJ (2008) Pathogenesis of cerebral white matter injury of prematurity. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 93: F153–161 Kinney HC (2009) Neuropathology provides new insight in the pathogenesis of the sudden infant death syndrome. Acta Neuropathol 117: 247–255 Kinney HC, Filiano JJ, White WF (2001) Medullary serotonergic network deficiency in the sudden infant death syndrome: review of a 15-year study of a single dataset. J Neuropathol Exp Neurol 60: 228–247 Kinney HC, Panigrahy A, Newburger JW et al. (2005) Hypoxic-ischemic brain injury in infants with congenital heart disease dying after cardiac surgery. Acta Neuropathol 110: 563–578 Kinney HC, Paterson DS (2004) Sudden Infant Death Syndrome. In: Golden JA, Harding BN (eds) Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 194–203
116
Kapitel 5
30.
31.
32.
5 33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42. 43.
44.
45.
Krous HF, Beckwith JB, Byard RW et al. (2004) Sudden infant death syndrome and unclassified sudden infant deaths: a definitional and diagnostic approach. Pediatrics 114: 234–238 Kupsky WJ, Drozd MA, Barlow CF (1995) Selective injury of the globus pallidus in children with post-cardiac surgery choreic syndrome. Dev Med Child Neurol 37: 135–144 Leviton A, Gilles F (1996) Ventriculomegaly, delayed myelination, white matter hypoplasia, and “periventricular” leukomalacia: how are they related? Pediatr Neurol 15: 127–136 MacLennan A (1999) A template for defining a causal relation between acute intrapartum events and cerebral palsy: international consensus statement. Bmj 319: 1054–1059 Marin-Padilla M (1996) Developmental neuropathology and impact of perinatal brain damage. I: Hemorrhagic lesions of neocortex. J Neuropathol Exp Neurol 55: 758–773 Marin-Padilla M (1999) Developmental neuropathology and impact of perinatal brain damage. III: gray matter lesions of the neocortex. J Neuropathol Exp Neurol 58: 407–429 Merello E, Swanson E, De Marco P et al. (2008) No major role for the EMX2 gene in schizencephaly. Am J Med Genet A 146A: 1142–1150 Otagiri T, Kijima K, Osawa M et al. (2008) Cardiac ion channel gene mutations in sudden infant death syndrome. Pediatr Res 64: 482–487 Pierson CR, Folkert RD, Billiards SS et al. (2007) Gray matter injury associated with periventricular leukomalacia in the premature infant. Acta Neuropathol 114: 619–631 Roland EH, Flodmark O, Hill A (1990) Thalamic hemorrhage with intraventricular hemorrhage in the full-term newborn. Pediatrics 85: 737–742 Sarnat HB, Sarnat MS (1976) Neonatal encephalopathy following fetal distress. A clinical and electroencephalographic study. Arch Neurol 33: 696–705 Sébire G, Tabarki B, Saunders DE et al. (2005) Cerebral venous sinus thrombosis in children: risk factors, presentation, diagnosis and outcome. Brain 128: 477–489 Sheth RD (1998) Trends in incidence and severity of intraventricular hemorrhage. J Child Neurol 13: 261–264 Skullerud K, Westre B (1986) Frequency and prognostic significance of germinal matrix hemorrhage, periventricular leukomalacia, and pontosubicular necrosis in preterm neonates. Acta Neuropathol 70: 257–261 Soul JS, Hammer PE, Tsuji M et al. (2007) Fluctuating pressure-passivity is common in the cerebral circulation of sick premature infants. Pediatr Res 61: 467–473 Stanley F, Blaie E, Alberman E (2001) Birth events and cerebral palsy: facts were not presented clearly. BMJ 322: 50
Prä- und Perinatalschäden
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52. 53.
54.
55.
56. 57.
58.
59.
60.
Takashima S, Armstrong DL, Becker LE (1978) Subcortical leukomalacia. Relationship to development of the cerebral sulcus and its vascular supply. Arch Neurol 35: 470–472 The Royal College of Pathologists, The Royal College of Paediatrics and Child Health (2004) Sudden unexpected death in infancy. A multi-agency protocol for care and investigation. http://www.rcpath.org/resources/pdf/sudi%2 0report%20for%20web.pdf van der Knaap MS, Smit LM, Barkhof F et al. (2006) Neonatal porencephaly and adult stroke related to mutations in collagen IV A1. Ann Neurol 59: 504–511 van Handel M, Swaab H, de Vries LS et al. (2007) Longterm cognitive and behavioral consequences of neonatal encephalopathy following perinatal asphyxia: a review. Eur J Pediatr 166: 645–654 Vergani P, Strobelt N, Locatelli A et al. (1996) Clinical significance of fetal intracranial hemorrhage. Am J Obstet Gynecol 175: 536–543 Volpe JJ (2003) Cerebral white matter injury of the premature infant-more common than you think. Pediatrics 112: 176–180 Volpe JJ (2008) Neurology of the Newborn. Saunders Elsevier, Philadelphia Vosskamper M, Schachenmayr W (1990) Cerebral hemiatrophy: a clinicopathological report of two cases with a contribution to pathogenesis and differential diagnosis. Clin Neuropathol 9: 244–250 Wasay M, Dai AI, Ansari M et al. (2008) Cerebral venous sinus thrombosis in children: a multicenter cohort from the United States. J Child Neurol 23: 26–31 Weidenheim KM, Bodhireddy SR, Nuovo GJ et al. (1995) Multicystic encephalopathy: review of eight cases with etiologic considerations. J Neuropathol Exp Neurol 54: 268–275 Whitwell HL (2005) Forensic Neuropathology. Edward Arnold, London Willinger M, James LS, Catz C (1991) Defining the sudden infant death syndrome (SIDS): deliberations of an expert panel convened by the National Institute of Child Health and Human Development. Pediatr Pathol 11: 677–684 Wu YW, Hamrick SE, Miller SP et al. (2003) Intraventricular hemorrhage in term neonates caused by sinovenous thrombosis. Ann Neurol 54: 123–126 Yakovlev PI, Wadsworth RC (1946) Schizencephalies; a study of the congenital clefts in the cerebral mantle; clefts with fused lips. J Neuropathol Exp Neurol 5: 116–130 Yakovlev PI, Wadsworth RC (1946) Schizencephalies; a study of the congenital clefts in the cerebral mantle; clefts with hydrocephalus and lips separated. J Neuropathol Exp Neurol 5: 169–206
Kapitel 6
6
Neurometabolische Krankheiten mit neuropathologischen Befunden1 H.H. Goebel Inhalt Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
Lysosomale Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
GM2-Gangliosidosen (Tay-Sachs, Sandhoff) . . . . .
128
GM1-Gangliosidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129
Lysosomale Leukodystrophien . . . . . . . . . . . . .
132
Metachromatische Leukodystrophie und Varianten
132
Mukosulfatidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134
Krabbe-Krankheit (Globoidzellleukodystrophie) . . .
1
Typ-II-Glykogenosen und andere seltene neurolysosomale Krankheiten . . . . . . . . . . . . .
152
Okulozerebrorenales Syndrom (Lowe-Syndrom) . .
153
Peroxisomale Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . .
154
Peroxisombiogenesestörungen (Zellweger-Syndrom, neonatale Adrenoleukodystrophie, infantiles Refsum-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
Defekte einzelner peroxisomaler Enzyme . . . . . . .
157
134
X-chromosomale Adrenoleukodystrophie und Adrenomyeloneuropathie . . . . . . . . . . . . . . .
157
Gaucher-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
Refsum-Krankheit vom klassischen Typ . . . . . . .
158
Niemann-Pick-Krankheit mit Sphingomyelinasedefekt (Typen A und B) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mitochondriale Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . .
160
137 Leigh-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
Niemann-Pick-Krankheit ohne primären Sphingomyelinasemangel (Typ C) . . . . . . . . . . .
138
Alpers-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167
Fabry-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140
MELAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167
Farber-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
MERRF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
Sphingolipidosen durch Sphingolipidaktivatorproteindefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kearns-Sayre-Syndrom (KSS) . . . . . . . . . . . . . .
168
142 MNGIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
Mukolipidosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
Oligosaccharidosen, Glykoproteinosen . . . . . . . .
145
Störungen des Pyruvatdehydrogenasekomplexes und der Pyruvatcarboxylase . . . . . . . . . . . . . . .
169
Mukopolysaccharidosen I–IX . . . . . . . . . . . . . .
146
Polyglukosankrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
Neuronale Zeroidlipofuszinosen . . . . . . . . . . . .
147
Lafora-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
Danksagung. Wir danken Frau Astrid Wöber, Herrn Walther Wagner und Herrn Prof. Klaus Harzer, dem Autor des Kapitels 21, „Genetische Stoffwechselstörungen von neuropathologischer Bedeutung“, aus der früheren Auflage dieses Buches für ihre hilfreiche Mitarbeit.
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
118
6
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Typ-IV-Glykogenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
Hyperprolinämie und Histidinämie . . . . . . . . . .
179
Polyglukosankörperchenkrankheit . . . . . . . . . . .
170
Homokarnosinose und Karnosinämie . . . . . . . . .
179
Phosphofruktokinasedefekt oder Glykogenose Typ VII Tarui . . . . . . . . . . . .
Hartnup-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
170 4-Hydroxybutyrazidurie . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
Spongiöse Leukodystrophie Morbus Canavan-van Bogaert-Bertrand . . . . . . . . . . . .
180
Krankheiten des Kupferstoffwechsels . . . . . . . . . . .
180
Morbus Wilson (Kupferstoffwechselstörung) . . . . .
181
Morbus Menkes (Kupfertransportstörung) . . . . . .
183
Acäruloplasminämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
Weitere metabolische Krankheiten . . . . . . . . . . . .
184
CDG-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
Zerebrotendinöse Xanthomatose . . . . . . . . . . . .
186
Galaktosämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186
Lesch-Nyhan-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . .
187
Sjögren-Larsson-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
187
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
Stoffwechselstörungen der Amino- und organischen Säuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
Ahornsirupkrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
Propionazidurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
Methylmalonazidurie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
Hyperglyzinämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
Glutarazidurie (Typ I) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
Hyperammonämien im engeren Sinn . . . . . . . . .
176
Störungen des Homozystein-, Methioninund Methylierungsstoffwechsels . . . . . . . . . . . .
177
Weitere Stoffwechselstörungen von Aminosäuren, organischen Säuren bzw. Intermediaten . . . . . . . .
178
Hyperphenylalaninämien . . . . . . . . . . . . . . . .
178
Hypertyrosinämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
Glutathionmangel (Oxoprolinurie) und Glutathionurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
Einführung Neurometabolische Krankheiten sind neuropathologische metabolische Prozesse, die neben anderen Organen vorwiegend das Nervensystem, vor allem das Gehirn betreffen. Der Diabetes mellitus z. B. beeinträchtigt funktionell und morphologisch-metabolisch das periphere Nervensystem, kaum aber das Gehirn, und dann nur durch zerebrovaskuläre Pathologie mit ihren Folgen und durch eher seltene Hypoglykämieschäden. Neurometabolische Krankheiten werden vererbt oder sind erworben, Letztere werden vielfach als neurotoxische Krankheiten bezeichnet und sollen in diesem Kapitel nicht weiter berücksichtigt werden. Genetische neurometabolische Krankheiten, die zu den „inborn errors of metabolism“ gehören, unter denen sie jedoch nur einen kleinen Teil darstellen, ausführlich nachzulesen in dem vier-
bändigen internationalen metabolischen Standardwerk „The Metabolic and Molecular Basis of Inherited Diseases“ [105] (online 2008), treten hingegen eher im Kindesalter auf, neurotoxische Krankheiten bevorzugen das Erwachsenenalter. Zu den hereditären neurometabolischen Krankheiten gehören die lysosomalen, peroxisomalen, mitochondrialen, Polyglukosankrankheiten und solche des gestörten Stoffwechsels von Kupfer, Eisen, Amino- und organischen Säuren. Sie gründen sich auf katabole, anabole oder kombinierte genmutationsbedingte Defekte, die sich klinisch (Regression oder Retardierung) und morphologisch (Abbau oder Fehlbildung von Strukturen) unterschiedlich bemerkbar machen. Neurometabolische Erkrankungen sind vielfach, aber nicht immer, Multiorgankrankheiten, die sich nach Beteiligung zellulärer Organellen als „multi-organ singlesystem disorders“ als solche des lysosomalen System, des peroxisomalen Systems und des mitochondrialen System,
Einführung
also der entsprechenden genetisch betroffenen Organellen einteilen lassen. Mutationen in ihren Genen bedingen funktionell und strukturell defekte Proteine, meist Komponenten von Enzymen, seltener von Strukturproteinen, z. B. Transporterproteinen. Im pathogenetischen Zentrum der neurometabolischen Krankheiten stehen daher Gendefekte krankheitsspezifischer Proteine, die nach Art und Ort der Mutation dem Funktions- und Strukturdefekt entsprechend das klinische Krankheitsbild charakterisieren. Bestimmte Mutationen erlauben vielfach eine genotypisch-phenotypische Korrelation. Eine genotypisch-morphotypische Korrelation besteht z. B. aufgrund einer spezifischen Ultrastruktur der Lysosomen bei den lysosomalen Krankheiten. Zwar erlauben biochemische und molekulare Untersuchungen bei neurometabolischen Krankheiten intravitale Diagnosen, jedoch vermag die morphologische Manifestation des Krankheitsprozesses in extrazerebralen Organen (Tabelle 6.1) selbst durch Bi-
119
opsie gut zugänglicher Gewebe wie Lymphozyten, Haut, Konjunktiva und Rektum bei lysosomalen Krankheiten oder Skelettmuskulatur bei Mitochondriopathien den Weg zur biochemischen und molekularen Diagnostik zu weisen. Nicht wenige neurometabolische Krankheiten sind sog. Speicherkrankheiten, bei denen wegen eines durch defekte Enzyme pathologisch gestörten Substratabbaus biochemische Produkte intrazellulär abgelagert werden, die nicht nur biochemisch qualitativ und quantitativ bestimmt, sondern auch morphologisch, meist lichtund vor allem auch elektronenmikroskopisch, in den entsprechend betroffenen Geweben dokumentiert werden können. Hierunter fallen besonders die lysosomalen Krankheiten, aber auch peroxisomale und Polyglukosankrankheiten. Die Neuropathologie im Gehirn ist bei neurometabolischen Krankheiten außerordentlich vielfältig, denn es spielen sich vielfältige metabolische Prozesse im Zentral-
Tabelle 6.1 Diagnostisch-bioptische Eignung verschiedener Gewebe bei neurometabolischen Krankheiten Krankheit
Haut
Konjunktiva
Lymphozyten
Muskel
Nerv
Rektum
Hirn
++
+
++
+
+
+
?
++
+
+
+
+
++
++
• GM2-Gangliosidosen: M. Tay-Sachs M. Sandhoff
+ +
+ +
? ?
+ +
++ ++
++ ++
• Farber-Krankheit
++
?
++
++
• Fabry-Krankheit
++
+
+
+
+
+
+
• Niemann-Pick-Krankheit
++
+
+
+
+
++
++
• Gaucher-Krankheit
+
+
• Metachromatische Leukodystrophie
+
+
++
+
++
• Globoidzell-Leukodystrophie Krabbe
+
+
++
+
++
• Typ-II-Glykogenose
+
+
+
++
+
+
+
• Kindliche neuronale Zeroidlipofuszinosen
++
+
++
++
+
++
++
+
+
++
+
++
• Lafora-Krankheit
++
+
+
++
• Typ-IV-Glykogenose
?
++
+
• Polyglukosankörperchen-Krankheit
+
++
++
+
++
Mitochondriale Enzephalomyopathien
++
+
Vakuolär-lysosomale Krankheiten • MPS, ML, Oligosaccharidosen
Gemischt vakuolär-avakuolär-lysosomale Krankheiten • GM1-Gangliosidose Avakuolär-lysosomale Krankheiten
Peroxisomale Krankheiten • Adrenoleukodystrophie Polyglukosankrankheiten
++ = sehr geeignet; + = geeignet; ? = fraglich; = nicht geeignet; MPS Mukopolysaccharidosen; ML Mukolipodosen.
120
6
Kapitel 6
nervensystem ab. Wenn vorzeitig, oft pränatal einsetzend, bewirken sie häufig Missbildungen, z. B. Migrationsstörungen, besonders bei den peroxisomalen Krankheiten, aber auch bei bestimmten Aminosäuredefekten [93] infolge Beeinträchtigung anaboler Stoffwechselprozesse im sich entwickelnden Zentralnervensystem oder des Untergangs neuronaler und glialer Zellpopulationen bei gestörten katabolen Stoffwechselprozessen, besonders bei den lysosomalen, aber auch peroxisomalen Krankheiten. Defekte anabole Stoffwechselprozesse sind oft wenig oder gar nicht progredient, katabole Stoffwechselprozesse häufig oder immer. Letztere zeigen auch eine Dynamik der Entwicklung neuropathologischer Läsionen, deren Endstadium nicht immer das volle neuropathologische Spektrum des individuellen Krankheitsprozesses wiedergibt. Hirnbioptische Befunde ergänzen daher die autoptische Neuropathologie, sind aber vielfach heute nur noch aus historischen Publikationen zu erhalten. Aktuelle diagnostische Hirnbiopsien, zumal bei Kindern, die überwiegend von neurometabolischen Krankheiten betroffen sind, werden angesichts diagnostischer biochemischer und molekularer Möglichkeiten gegenwärtig kaum durchgeführt. Auch sind diagnostische Hirnbiopsien weitestgehend, wenn nicht ausschließlich, topographisch auf wenige Großhirnrindenregionen mit unterliegendem Mark beschränkt. Wenn auch neurometabolische Krankheiten das gesamte Gehirn betreffen, d. h. graue und weiße Substanz, kortikale und subkortikale Regionen, also im weitesten Sinne Panenzephalopathien darstellen (Tabelle 6.2), gibt es doch topographische Schwerpunkte unter den einzelnen Gruppen von Krankheiten oder individuellen Entitäten, also Polioenzephalopathien (Tabelle 6.3) z. B. bei neuronalen lysosomalen Krankheiten wie GM2-Gangliosidosen oder neuronalen Zeroidlipofuszinosen, Leukonzephalopathien oder Leukodystrophien, z. B. bei lysosomalen Leukodystrophien (Tabelle 6.4) oder bei Amino- und organischen Säuredefekten, Vaskulopathien lysosomaler oder mitochondrialer Art, die sich topographisch ubiquitär im Zentralnervensystem manifestieren, sowie Neuronopathien, deren Neuropathologie neuronaler Populationen in der Großhirnrinde, in subkortikalen Hirnregionen oder in der Kleinhirnrinde unterschiedlich ausgeprägt sein kann, oder Gliopathien der Gliazellpopulationen, die besonders durch Defekte und Läsionen der Oligodendrozyten und ihrer Produkte, der Markscheiden, bei Myelinopathien mit Hypo- oder Dysmyelinisierung als Aufbau- und Demyelinisierung als Abbaustörung in großflächigen Markregionen, langen Bahnen des Hirnstamms und kommissuralen Systemen gekennzeichnet sind. Hinzu kommt eine sekundäre Demyelinisierung oder sekundärer Markscheidenzerfall nach primär axonaler, also neuronopathischer Degeneration, die vor allem neuroradiologisch nicht immer von primärer Markpathologie unterschieden werden kann. Gemeinsam sind parenchymatösen Läsionen Reaktionen glialer Zellpopulationen, im Früh-
Neurometabolische Krankheiten Tabelle 6.2 Neurometabolische Panenzephalopathien Lysosomal
• Mukopolysaccharidosen • GM1-Gangliosidose
Peroxisomale Krankheiten
• Peroxisomen-Biogenese-Defekte • Zellweger Syndrom (inkl. M. Zellweger, IRK, NALD)
Tabelle 6.3 Neurometabolische Polioenzephalopathien Lysosomale Krankheiten
• • • • • •
Gangliosidosen Niemann-Pick-Krankheit M. Farber Sialidose Mukolipidose IV Neuronale Zeroidlipofuszinosen
Kupferstoffwechselstörungen
• M. Menkes • M. Wilson
Tabelle 6.4 Neurometabolische Leukoenzephalopathien Lysosomale Krankheiten
Metachromatische Leukodystrophie Mukosulfatidose Krabbe-Globoidzellleukodystrophie
Peroxisomale Krankheiten
Adrenoleukodystrophie
Mitochondriale Krankheiten
Kearns-Sayre-Syndrom
Polyglukosankrankheiten
Polyglukosankörperchenkrankheit
Aminosäurestoffwechseldefekte
stadium der Mikroglia und der Astrozyten mit irreversibler Faserbildung im Spätstadium der Läsionen. Die postmortale Untersuchung fetalen Gewebes ist leider durch oft ausgeprägte Autolyse erheblich beeinträchtigt und dient weitestgehend nur der morphologischen Bestätigung biochemischer und molekularer pränataler Untersuchungsergebnisse, bietet jedoch umfangreiche Möglichkeiten, gestörte Entwicklungsprozesse vorzeitig, d. h. vor der Ausreifung der entsprechenden Hirnregionen, zu dokumentieren. Auch die Retina als markfreies zentralnervöses Gewebe zeigt bei vielen neurometabolischen Krankheiten funktionelle, also klinische, und neuropathologische Befunde, wobei morphologische Läsionen einzigartig auch intravital durch Augenspiegeluntersuchung des Augenhintergrundes zu erkennen sind, etwa der kirschrote Fleck bei neuronalen lysosomalen Krankheiten (Tabelle 6.5) oder eine Retinopathia pigmentosa unterschiedlicher Art bei neuronalen Zeroidlipofuszinosen, peroxisomalen und mitochondrialen Krankheiten.
Lysosomale Krankheiten Tabelle 6.5 Krankheiten mit „kirschrotem Fleck“ am Augenhintergrund bei neuronalen, lysosomalen Krankheiten (durch die atrophische Macula lutea rot, bei Farbigen eher schwarz durchscheinende Aderhaut) umgeben von physiologisch aggregierten Ganglionzellen mit Speicherprozess (nach [10] (S. 467)) Krankheit
Vorkommen
GM2-Gangliosidose
Infantil sehr häufig, juvenil und adult fast nie
GM1-Gangliosidose
Infantil oft, später kaum oder nicht
Niemann-Pick-Typen A und B
Infantil oft, später bisweilen in abgewandelter Form („Acular-halo“Syndrom)
Niemann-Pick-Typ C
Infantil manchmal, später kaum
M. Farber
Beim neurologisch progressiven Subtyp eher als bei anderen Subtypen
Sialidose, Galaktosialidose
Infantil nahezu immer, später nicht selten
„Cherry-red-spotmyoclonus“-Syndrom (Sialidose)
Infantil nahezu immer, später nicht selten
Metachromatische Leukodystrophie
Selten
Es sei darauf hingewiesen, dass einige neurometabolische Krankheiten einerseits so selten, andererseits von so rezenter Dokumentation sind, dass ausreichende postmortale neuropathologische Analysen fehlen und morphologische Befunde, vorwiegend quantitativer Art, d. h. Volumenminderung wie Atrophie oder Pathologie im Marklager bisher nur auf neuroradiologischen Untersuchungen beruhen. So bestehen bisher keine neuropathologischen Beschreibungen der Mukopolysaccharidose IVB, der Morquio-Krankheit oder des M. Danon, bei dem das Symptom der mentalen Retardierung auf eine Pathologie des Zentralnervensystems weist [45, 48, 69, 105].
Lysosomale Krankheiten Lysosomale Krankheiten stellen das klassische Beispiel von Einzelorganellen-Multiorgankrankheiten dar, basierend auf Proteindefekten des endosomal-lysosomalen Systems überwiegend enzymatischer saurer Hydrolasen, von membranlokalisierten Proteinen (Transporterproteinen) oder von intralysosomalen Proteinen vom Aktivator- oder protektiven Typus. Lysosomale Krankheiten sind hereditäre monogenetische Erkrankungen. Lysosomen bauen intrazellulär Proteine, Kohlehydrate und Lipide ab, aber auch exogene biochemische Substanzen,
121
beispielsweise Medikamente. Lysosomen sind auch u. a. an polygenetischen Krankheiten wie Krebs, Arteriosklerose, Arthritis oder der Alzheimer-Krankheit beteiligt, Erkrankungen, die hier nicht Gegenstand der Abhandlung sind. Viele wenngleich nicht alle lysosomalen Krankheiten sind Speicherkrankheiten, die sich je nach funktioneller Bedeutung des individuellen Substrats im jeweiligen Gewebe morphologisch unterschiedlich und nicht selten, vor allem elektronenmikroskopisch, krankheitsspezifisch zu Lebzeiten des Patienten, ja auch selten pränatal, demonstrieren lassen und somit den Weg der weiteren biochemischen und molekularen Diagnose einerseits weisen, andererseits aber auch biochemische und molekulare Ergebnisse bestätigen und ergänzen können. Die ursprünglich beschriebenen lysosomalen Krankheiten waren solche, die durch das Prinzip „ein Gen/Enzymprotein – ein Substrat“ gekennzeichnet waren, zu denen die Sphingolipidosen (Tabelle 6.6), Mukopolysaccharidosen (Tabelle 6.7) und die Typ-II-Glykogenose gehören. Das Spektrum des lysosomalen Stoffwechsels, der lysosomalen Proteine, die Definition lysosomaler Krankheiten und deren Morphologie haben sich jedoch in den letzten Jahren erheblich erweitert. Manche lysosomalen Enzyme sind verifiziert, aber menschlichen lysosomalen Krankheiten (noch) nicht zugeordnet [68]. Neben löslichen lysosomalen Enzymproteinen und deren lysosomalen Enzymen, zu denen vorwiegend Hydrolasen zählen, aber auch Transferasen, die im Lumen der Lysosomen angesiedelt sind, finden sich in der lysosomalen Membran lokalisierte transmembranöse Proteine, deren genetische Defekte für einzelne lysosomale Krankheiten verantwortlich sind. Darüber hinaus gehören inzwischen einige Krankheiten zu den lysosomalen Krankheiten, deren defekte Proteine außerhalb des Lysosoms angesiedelt sind, z. B. in Endosomen oder im endoplasmatischen Retikulum sowie im Golgi-Apparat [28]. Auch die Autophagozytose oder Autophagie, morphologisch erkennbar an autophagischen Vakuolen, wird zunehmend in den Bereich lysosomaler Krankheiten einbezogen [34]. Komplexe Sphingolipide (Abb. 6.1), Mukopolysaccharide (Abb. 6.2) und Glykosaminoglykane oder Oligosaccharide (Abb. 6.3) werden intralysosomal in kaskadenartiger Abfolge durch verschiedene lysosomale saure Hydrolasen (pH 5) abgebaut, deren genetische Blockierung durch fehl- oder nichtgebildete Proteine zu den entsprechenden lysosomalen Krankheiten führt. Hierbei werden endständig Teilmoleküle wie Zucker vom Glukose- oder Galaktosetyp, Phosphat- oder Sulfatgruppen hydrolytisch abgespaltet, deren genetischer Abbaustopp zur intralysosomalen Speicherung der nicht abbaubaren Substanzen führt, ohne dass andere lysosomale Enzyme andernorts in den Abbau der komplexen Substratmoleküle eingreifen können [104]. Die pathophysiologischen Mechanismen, die vom morphologisch-biochemischen Speicherprozess zu Funktionsbeeinträchtigung, Funktionsverlust, klinischen Symptomen und letztlich zum vorzeitigen Tod
122
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Tabelle 6.6 Lysosomale Sphingolipidosen Typ
Eponym
Genort: Chromosom
Gen
Genprodukt
Speicherprodukt
Lysosomale Ultrastruktur
Tay-Sachs-/ Sandhoff
15q23-q24
HEX-A
D-Untereinheit der E-Hexosaminidase A
GM2-Gangliosid
Membranös-zytoplasmatische Körperchen, lamellär
5q13
HEX-B
E-Untereinheit der E-Hexosaminidase A
Membranös-zytoplasmat. Körperchen, lamellär
E-Hexosaminidase B
Membranös-zytoplasmat. Körperchen, lamellär
Gangliosidosen • GM2
6 5q31.3-q33.1
GM2A
GM2-Aktivator-Protein
• GM1
NormanLanding
3p21.33
GLB1
E-Galaktosidase
GM1-Gangliosid
Membranös-zytoplasmatische Körperchen, Vakuolen
Sphingomyelinosen
NiemannPick A+B
11p15.1p15.4
SMPD1, NPD
Sphingomyelinase
Sphingomyelin
Lamellär
C (+D, Nova Scotia)
18q11 14q24.3
NPC1 NPC2
NPC1-Protein NPC2-Protein
Cholesterol Phospholipide Sphingomyelin Sphingolipide
Angiokeratoma corporis diffusum
Fabry
Xq22.1
GLA
D-Galaktosidase
Globotriaosylzeramid Galaktosphingolipide
Lamellär
Disseminierte Lipogranulomatose
Farber
8p21.3/22
ASAH/ AC
Zeramidase
Zeramid Ganglioside
Gekrümmte Tubuli in Farber-Körperchen, Vakuolen, Zebra-Körperchen
10q21
PSAP
SAP-D Prismatisch, Tuffstein, grätenartig, lamellär
Metachromatische Leukodystrophie
Scholz-Henneberg
22q13 10q21
ARSA PSAP
Arylsulfatase A Saposin B
Sulfatid
Mukosulfatidose
Austin
3p26
SUMF1
SUMF1-Protein/FGE („formyl-generating enzyme“)
Sulfatide
GloboidzellLeukodystrophie
Krabbe
14q31
GALC
E-Galaktozerebrosidase
Galaktosylzeramid Psychosin
Nadelartige Profile
M. Gaucher
Gaucher
1q21 10q21
GBA PSAP
E-Glukosidase SAP A+C
Glukozerebrosid Glukozerebrosid
Tubuläre Profile
führen, erscheinen vielfältig und bisher unzureichend charakterisiert, wie etwa die Beeinträchtigung zellulärer Rezeptoren durch toxische Produkte aus dem gestörten lysosomalen Abbau zellulär gestörter Signaltransduktion oder Autophagie [1]. Während viele, vor allem durch Sphingolipiddefekte bedingte lysosomale Krankheiten vorwiegend oder ausschließlich das Nervensystem, zentral wie peripher, be-
treffen, finden sich auch Krankheiten mit lysosomalen Defekten, die das Nervensystem aussparen. Unter den klassischen lysosomalen Krankheiten mit Beteiligung des zentralen Nervensystems gibt es solche Formen, bei gleichem genetischem Enzymdefekt, die das ZNS als Krankheitsort morphologisch und klinisch aussparen, wie beim Morbus Gaucher Typ 1, beim Niemann-Pick-Krankheitstyp B oder das Zentralnervensystem morphologisch aber
nicht verwendet
VIII
Sly-Neufeld
MaroteuxLamy
Morquio
3p21.321.2
7q21.11
5q11-13
3p21.33
16q24.3
(a-r) autosomal-rezessiv; (x) x-chromosomal
(a-r)
(a-r)
VII
IX
(a-r)
VI
(a-r)
nicht verwendet
B
A
12q14
(a-r)
D
17q25.3
Xq28
17q21 8p11.1
Sanfilippo
Hunter
4p16.3
Genort
B C
A
V
IV
III
(x)
Scheie
S H/S
II
Hurler
H
I
(a–r)
Eponym
Typ
Tabelle 6.7 Lysosomale Mukopolysaccharidosen
HYAL 1
GUS B
ARS B
GLB1
GALNS
GNS
MPS 3A, SGSH NAGLU HGSNAT
IDS
IDUA
Gen
Hyaluronan
Dermatansulfat Heparansulfat Chondroitin-46-Sulfat
E-Glukuronidase
Hyaluronidase
Dermatansulfat
Keratansulfat, Chondroitin-46-Sulfat Keratansulfat
Heparansulfat
Arylsulfatase B
E-Galaktosidase
N-Azetylgalaktosansulfatase
D-N-Azetylglukosaminidase Azetyl-CoA Alphaglukosaminidazetyltransferase N-Azetylglukosamin-6-Sulfatase
Heparan-N-Sulfatase (Sulfamidase)
Dermatansulfat Heparansulfat
Dermatansulfat Heparansulfat
D-L-Iduronidase
Iduronatsulfatase
Lysosomales Speicherprodukt
Genprodukt
dito
dito
dito
dito
dito
dito
dito
Neuronal: Zebra- und andere lamelläre Körperchen Nichtneuronal: vakuolär, nicht selten auch Lipofuszin
Lysosomale Ultrastruktur
dito
dito
dito
dito
dito
dito
dito
dito
Nervensystem, mesenchymale Organe, besonders Skelett
Gewebe/Organ
Lysosomale Krankheiten 123
124
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
6
Abb. 6.1 Abbau der Sphingolipide und deren Block bei Sphingolipidosen
kaum klinisch betreffen, wie die infantile Form der TypII-Glykogenose, bei der eine lebenserhaltende Enzymersatztherapie, das Hauptorgan der Glykogenspeicherung, Herz und Skelettmuskulatur, erreicht, nicht jedoch das Gehirn, so dass bei zunehmendem Alter der Patienten infolge des Therapieerfolgs und verlängerter Überlebenszeit auch zentralnervöse klinische Symptome auftreten werden. Variationen im Organbefall und damit der klinischen Symptome bei individuellen lysosomalen Krankheiten gleicher molekulardefekter Gene sind auf unterschiedlich mutierte Proteine und damit unterschiedlich hohe enzymatische Residualaktivitäten zurückzuführen. Beispielsweise bewirken solche verschiedenartige Mutationen des GLB-Gens die GM1-Gangliosidose oder die Mukopolysaccharidose IVA.
Zum lysosomalen Stoffwechsel und seinen Krankheiten im weitesten Sinne gehören einerseits Bildung, Modifizierung, Transport, Reifung und Aktivierung der lysosomalen Proteine auf dem intrazellulären Weg vom endoplasmatischen Retikulum bis zum reifen Lysosom, vielfach unter Verwendung von Mannose-6-Phosphat, wobei genetisch Störungen zwischen endoplasmatischem Retikulum und Lysosom bestehen können. Andererseits kommt die Bereitstellung des Substrats für lysosomale Abbauaktivitäten hinzu, so dass durch Autophagie zelleigene Substanzen unter Bildung von Autophagosomen, durch Endozytose Plasmamembranproteine und durch Phagozytose extrazelluläres Material, z. B. Medikamente, vom Phagosom zum Lysosom gelangen können [94].
125
Lysosomale Krankheiten
Abb. 6.2 Abbau der Mukopolysaccharide und deren Block bei Mukopolysaccharidosen
Wenn auch viele lysosomale Krankheiten vorwiegend im Kindesalter auftreten, nicht selten schon beim Neugeborenen [114], so verschonen doch andere das Erwachsenenalter nicht, entweder durch späten Krankheitsbeginn oder einen protrahierten Krankheitsverlauf. Neuropathologisch sind die Folgen lysosomaler Proteindefekte infolge genetischer Mutationen durch lysosomale Speicherung gekennzeichnet. In Nervenzellen führt die Speicherung neuronal relevanter Substanzen, vorwiegend im Nervenzellperikaryon, zu einer Blähung des Nervenzellleibs mit peripherer Verlagerung des Nervenzellkerns, zum sog. Schaffer-Spielmeyer-Prozess, der bei vielen lysosomalen Krankheiten, vor allem den Sphingolipidosen, im Vordergrund steht. Solche lysosomalen Krankheiten, die vorwiegend Nervenzellen schädigen, sind auch als lysosomale Poliodystrophien zu bezeichnen, andere, die vorwiegend Oligodendrozyten betreffen und damit zu einer Schädigung ihrer Strukturprodukte, der Markscheiden und zu eine Entmarkung führen, als lysosomale Leukodystrophien.
Sind bei lysosomalen (und peroxisomalen) Leukodystrophieformen Lipide betroffen, die im zentralen und peripheren Myelin vorkommen, so finden sich biochemisch, morphologisch und klinisch Defekte des zentralen und peripheren Nervensystems, während bestimmte Myelinproteine, die entweder im zentralen, wie das Proteolipidprotein (PLP), oder im peripheren, wie das periphere Myelinprotein (PMP) 22, Myelin vorkommen, bei Mutationen zu Läsionen mit klinischen Symptomen im zentralen oder im peripheren Nervensystem führen. Sind mesenchymale Elemente lysosomal geschädigt, wie bei den Mukopolysaccharidosen, so findet sich lysosomale Speicherung im Nervensystem ubiquitär dort, wo mesenchymale Elemente, vor allem in den Gefäßwänden, vorkommen. Nach morphologischen, vorwiegend elektronenmikroskopischen Kriterien lassen sich lysosomale Speicherprozesse als vakuolär oder avakuolär bezeichnen. Erstere sind nicht krankheitsspezifisch, sondern nur gruppendiagnostisch relevant, da lysosomale vakuoläre Speicherung bei Mukopolysaccharidosen, Mukolipido-
126
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
6
Abb. 6.3 Abbau der Oligosaccharide und deren Block bei Oligosaccharidosen (nach [142])
sen oder Oligosaccharidosen keine weiteren ultrastrukturellen krankheitsspezifischen Differenzen erkennen lassen, also auf individuelle nosologische Mukopolysaccharidosen, Mukolipidosen oder Oligosasccharidosen nicht hinweisen. Krankheitsspezifischer ist die Ultrastruktur intralysosomal gespeicherter avakuolärer Substrate (Tabelle 6.8), die einerseits Glykogen bei der Typ-II-Glykogenose, andererseits bei verschiedenen Sphingolipidosen mit einzelnen unterschiedlichen Sphingolipiden eine deutlich eigenständige und oft krankheitsspezifisch morphologische Struk-
tur erkennen lassen, wie membranös-zytoplasmatische Körperchen als Ausdruck der Gangliosidspeicherung oder prismatische oder Tuffstein-Muster lysosomal gespeicherter Sulfatide. In der präbiochemischen und prämolekularen Ära reichte der elektronenmikroskopische Nachweis dieser avakuolären spezifischen lysosomalen Substratstrukturen aus, eine Krankheitsdiagnose zu stellen. Der Einsatz der Immunhistologie im Bereich der lysosomalen Krankheiten hat zwei Aspekte lysosomaler Pathologie oder der Pathologie lysosomaler Krankheiten besonders gefördert:
Lysosomale Krankheiten
127
Tabelle 6.8 Ultrastrukturelle Muster der Lysosome im Zentralnervensystem bei lysosomalen Krankheiten Krankheit
Ultrastruktur
GM1
Membranös-zytoplasmatisch; Zebra-Typ in Neuronen; pleomorph in Astrozyten
GM2
Membranös-zytoplasmatisch, Konglomerattyp (Spätform)
Gaucher
Tubulär
Fabry
Vakuolär-„pseudo“-curvilinär-tubulär in Makrophagen; nadelartig/Bananentyp in Schwannzellen; Zebra-Typ in Neuronen
Niemann-Pick
Vakuolär-lamellär in Neuronen und Gaucher-Zellen
Metachromatische-LD
Pleomorphe- und Fischgräten-, Tuffstein-, Honigwaben- sowie Kopfsteinplaster-Muster in Gliazellen und Makrophagen; membranös-zytoplasmatisch, lamellär in Neuronen
Globoidzell-LD
Tubulär in Gliazellen und Globoidzellen = Makrophagen
Sphingolipidaktivator-Proteindefekt
Pleomorph-tubulär in Makrophagen und Neuronen
NCL • CLN1 • CLN2 • CLN3 • CLN5 − 8 • CLN10
• • • • •
Granulär Curvilinär Fingerabdruckprofile Gemischt curvilinär-Fingerabdruckprofile Granulär
• Antikörper gegen lysosomal gespeicherte Substrate, vor allem gegen komplexe Sphingolipide bei verschiedenen lysosomalen Krankeiten, erlauben, die genaue Lokalisation und das Verteilungsmuster entsprechend gespeicherter lysosomaler Substrate in verschiedenen Zellpopulationen verschiedener Regionen des Zentralnervensystems zu erkennen. Damit wird z. T. die ultrastrukturelle Untersuchung entsprechender Zellpopulationen weniger notwendig, was sich vor allem an postmortal verfügbarem Hirngewebe bemerkbar macht, wo ultrastrukturelle Untersuchungen mitunter sehr wenig präzise sind. Zusätzlich können mit diesen neuen immunhistologischen Nachweismethoden archivierte postmortale Hirngewebe verschiedenartiger lysosomaler Krankheiten retroaktiv bearbeitet werden. • Nicht nur an postmortal gewonnenem Hirngewebe, sondern besonders an den inzwischen in großer Zahl verfügbaren Mausmodellen für lysosomale Krankheiten hat sich gezeigt, dass entzündliche oder neuroimmunologische Prozesse bei lysosomalen Krankheiten eine erhebliche Rolle spielen, treten sie doch vielfach vor klinischen Symptomen wie auch vor dem Verlust von Nervenzellpopulationen und Markscheiden sowie deren Produzenten, den Oligodendrozyten, auf. Zwei Grundmuster neuroimmunologischer Reaktion haben sich hierbei ergeben: Parameter der Immunsuppression, z. B. bei M. Gaucher, der Mukopolysaccharidose VII und der D-Mannosidose, sowie der immunologischen Hyperaktivität, z. B. bei der GM2-Gangliosidose, der Globoidzell-Leukodystro-
phie, dem Typ C der Niemann-Pick-Krankheit und der juvenilen neuronalen Zeroidlipofuszinose [15]. Da viele genetische lysosomale Krankheiten Multiorgankrankheiten sind, erlauben sie bei dem jeweiligen Patienten neben einer biochemischen auch eine morphologische Diagnose, je nach Bedeutung des entsprechenden Stoffwechselprodukts im individuellen Zelltyp und individuellen Organ außerhalb des Nervensystems, selbst wenn molekulare Mutationen und entsprechend defekte Proteine, vor allem Enzymproteine, ubiquitär zellulär verankert sind, auch wenn klinische Fehlfunktionen trotz lysosomal-morphologischer Speicherung fehlen. Extrazerebrale morphologische Speicherung (Tabelle 6.9) beim lysosomalen Krankheitsbild lässt sich einerseits bei solchen Krankheiten dokumentieren, bei denen ein bestimmter Zelltyp, etwa Nervenzellen im zentralen und peripheren Nervensystem, in letzterem Fall vor allem im Rektum, betroffen ist, andererseits in myelinproduzierenden Zellen, zentralnervös in Oligodendrozyten, im peripheren Nervensystem in Schwann-Zellen. Das Prinzip der extrazerebralen morphologischen Manifestation lysosomaler Krankheiten und die Bedeutung der extrazerebralen diagnostischen Biopsie, durch das Vorkommen von lysosomaler Speicherung vor Auftreten klinischer Symptome, erlauben auch den präklinischen, sogar pränatalen Nachweis einer lysosomalen Krankheit, etwa bei klinisch noch gesunden, aber genetisch betroffenen Geschwisterkindern zuvor identifizierter Indexpatienten oder die morphologische Bestätigung einer pränatal biochemisch oder molekular gesicherten lysosomalen Krankheit.
128
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Tabelle 6.9 Ultrastruktur und Fundort ultrastruktureller Läsionen in extrazerebralen Geweben bei lysosomalen Krankheiten Krankheit
Elektronenmikroskopie
Fundort
Granulär-osmiophile Ablagerungen (GROD)
Haut, Konjunktiva, Skelettmuskulatur, Lymphozyten, Rektum dito dito Gefäßwände Haut, Konjunktiva, Skelettmuskulatur, Rektum Nerven
Gruppe 1: oft pathognomonisch
6
Infantile NCL und andere GROD-Typen Spät-infantile NCL Juvenile NCL M. Fabry M. Niemann-Pick Metachromatische Leukodystrophie Globoidzellleukodystrophie GM2-Gangliosidose M. Farber
Kürvilineäre Körperchen Fingerabdruckprofile Lamelläre Körperchen Gemischte vakuolär-lamelläre dichte Einschlüsse Prismatische, tuffsteinartige, fischgrätenartige, lamelläre Strukturen Nadelartige Profile Lamelläre und membranöse zytoplasmatische Körperchen Lamellär Bogenförmig, nadelartig Bananenartig
Nerven, dermale Schweißdrüsen Rektum Neurone Mesenchymale Zellen Schwann-Zellen
Gruppe 2: nicht pathognomonisch Mukolipidose I = Sialidose Sialsäure-Speicherkrankheit M. Salla Galaktosialidose Mukolipidose II (“I-cell disease”) Mukolipidose III Mannosidose Aspartylglukosaminurie Fukosidose MPS
GM1-Gangliosidose
Mukolipidose IV
Vakuolär Lamellär Vakuolär Zebra-Körperchen Vakuolär Lamellär (Zebra-Typ) Vakuolär Vakuolär Vakuolär Lamellär Vakuolär Lamellär, granulär Vakuolär Zebra-Körperchen, lamellär
Mesenchymale Zellen Neurone
Vakuolär Lamellär (membranös-zytoplasmatische Körperchen) Vakuolär Lamellär
Mesenchymale Zellen Neurone
Als sekundäre lysosomale Speicherung wird die Ablagerung von Substanzen bezeichnet, die zwar nicht das primäre Substrat des genetisch defekten Proteins darstellen, aber dennoch physiologisch für den Krankheitsprozess relevant sein können, etwa das Psychosin, ein toxisches Abbauprodukt, bei der Krabbe-Leukodystrophie [139]. Auch die vor allem bei Patienten mit lysosomalen Krankheiten und längerer Krankheitsdauer beobachtete vermehrte Bildung von Lipopigmenten, z. B. bei Mukopolysaccharidose Typ III [144], Mukopolysaccharidose Typ IV [43] oder GM1-Gangliosidose [67], gehört zur sog. sekundären lysosomalen Speicherung, die sogar Anlass zur Verwechslung mit genetisch bedingten neuronalen Zeroidlipofuszinosen geben kann.
Mesenchymale Zellen Neurone Mesenchymale Zellen Mesenchymale und neuroektodermale Zellen Mesenchymale Zellen Neuroektodermale Zellen Mesenchymale Zellen Neuroektodermale Zellen Mesenchymale Zellen Neurone
Mesenchymale Zellen Neuroektodermale Zellen
GM2-Gangliosidosen ( Tay-Sachs, Sandhoff) Zu den GM2-Gangliosidosen [46, 69, 118] gehört die klassische neuronale Speicherkrankheit mit dem veralteten Namen „infantile amaurotische Idiotie“ (M. TaySachs). Das vor allem gespeicherte Gangliosid GM2 ist ein Sphingolipid mit 4 Zuckeranteilen („Glykosphingolipid“): N-Acetylgalaktosamin (Hexosamin) plus Galaktose, an die in abzweigender Form eine N-Acetylneuraminsäure (Sialsäure: gangliosidspezifischer Zuckeranteil) gebunden ist, plus Glukose plus Zeramid. Das endständige Hexosamin, das mit dem restlichen Teil des Moleküls Eglykosidisch verbunden ist, wird von diesem normalerweise durch die E-Hexosaminidase A abgespalten, um den Abbau des GM2-Gangliosids zu leisten.
Lysosomale Krankheiten
Ganglioside sind neuronentypische, aber auch ubiquitäre Glykosphingolipide. Der Defekt der E-Hexosaminidase A tritt im homozygoten Zustand der Tay-SachsKrankheit bei der Aschkenasim-Bevölkerung mit einer Frequenz von ca. 1:3500 auf (Heterozygotenfrequenz damit ca. 1:30), bei der nichtjüdischen Bevölkerung nur mit ca. 1:350.000 (Heterozygotenfrequenz ca. 1:300). Bei M. Tay-Sachs (Ursache: Mutationen im HEXA-Gen, das für die E-Untereinheit, nicht die E-Untereinheit der EHexosaminidase A kodiert) fehlt die Aktivität der E-Hexosaminidase A, wodurch sich GM2-Gangliosid vor allem in den Nervenzellen anstaut. Der Anstau führt zur Blähung und schließlich zum Untergang der Nervenzellen. Bei einer besonderen Form der GM2-Gangliosidose („B1-Variante“) ist die Mutation des HEXA-Gens derart, dass nur eine Bindungsstelle für Enzymsubstrate an der E-Hexosaminidase A, anstatt sonst an zwei Stellen, gestört ist, was für die Technik der Aktivitätsbestimmung berücksichtigt werden muss. Der Defekt der E-Hexosaminidase A in Kombination mit jenem der E-Hexosaminidase B löst eine der TaySachs-Krankheit sehr ähnliche GM2-Gangliosidose, den Morbus Sandhoff, aus (GM2-Gangliosidose, Variante 0; Ursache: Mutationen im HEXB-Gen, das für die E-Untereinheit der E-Hexosaminidase A sowie für die E-Hexosaminidase B kodiert), die – nicht gehäuft unter der jüdischen Bevölkerung – eine Frequenz um 1:100.000 haben dürfte (Heterozygotenfrequenz ca. 1:160). Ferner existiert außer den HEXA- und HEXB-Genen noch ein drittes Gen (GM2-Aktivator-Gen), dessen Mutation eine GM2-Gangliosidose („AB-Variante“), jedoch mit normalen E-Hexosaminidase-Aktivitäten, auslöst. Das von diesem Gen kodierte spezielle, GM2-Aktivator genannte Aktivatorprotein ist im Normalfall zur Verfügbarmachung des GM2-Gangliosids für den Angriff der E-Hexosaminidase A unerlässlich, und seine Defizienz bedingt die GM2-Gangliosidose vom Aktivatormangeltyp. Klinik. Das klinische Bild zeigt am Beginn, im Alter von einigen Monaten, den Verlust erworbener Fähigkeiten wie Lächeln, Greifen, Kopfkontrolle. Gestörter, meist schlaffer Muskeltonus, epileptische Anfälle, Sehstörung mit Auftreten des „kirschroten Flecks“ in der Macula lutea (s. Tabelle 6.5) werden meist bis zum Ende des 1. Lebensjahrs deutlich. Blindheit, Schluckstörung, Megalenzephalie (nicht immer), Krampfgeschehen, übersteigerte Reaktion auf Geräusche (Schreckreaktion), Froschhaltung (angezogene Beine trotz überwiegender Muskelschlaffheit) begleiten die völlige Neurodegeneration. Der Tod tritt häufig im 2. oder 3. Lebensjahr ein. Spätinfantile, juvenile und adulte (seltene) Formen von GM2-Gangliosidosen mit späterem Krankheitsbeginn zeigen demenzielle Entwicklung, verschiedene Epilepsieformen, spinozerebelläre Symptome, teils mit Spastik, ferner bisweilen Augenbewegungsstörungen, jedoch geringe retinale Degeneration. Spätfälle können an die
129
Friedreich-Ataxie, amyotrophische Lateralsklerose oder spinale Muskelatrophie erinnern. Leichtere viszerale und evtl. kardiale Beteiligung am Speichergeschehen werden bei der Sandhoff-Krankheit beobachtet. Neuropathologie (Abb. 6.4). Das nur bei der Tay-SachsKrankheit deutlich vergrößerte Gehirn (Gewicht bis zu 40% erhöht) ist von erhöhter Konsistenz, offenbar durch massive Gliafasereinlagerung nach generalisiertem Nervenzelluntergang, und zeigt dazu eine sekundäre diffuse Entmarkung. Der größte Teil der noch vorhandenen Nervenzellen ist gebläht durch LFB- und Sudanschwarzpositive lysosomale (Gangliosid-)Speichergranula. Im Paraffingewebe färbt die PAS-Reaktion das gliale, aber kaum das neuronale Speichermaterial. Ultrastrukturell begegnet man den lysosomalen Speichergranula als oft konzentrisch geschichteten Membrankörpern („membranous cytoplasmic bodies“) und findet sie auch in Astrogliazellen (sowie z. B. schon im Gehirn befallener, unter 20 Wochen alter Feten). Bei der Sandhoff-Krankheit ist der Nervenzellverlust (desgleichen die sekundäre Entmarkung) etwas geringer, die allgemeine Nervenzellblähung aber dem Befund bei der Tay-SachsKrankheit vergleichbar. Bei den späteren, selteneren Formen der GM2-Gangliosidose steht die allgemeine Hirnatrophie im Vordergrund und der neuronale Speicherprozess ist vor allem subkortikal ausgeprägt. Die feinstrukturellen Befunde gleichen aber jenen bei Tay-Sachs- und Sandhoff-Krankheit. Die Sandhoff-Krankheit ist zusätzlich durch viszerale, z. B. histiozytäre und vaskulomurale Speicherung generalisiert, wobei außer dem GM2-Gangliosid weitere Lipid- und Saccharidsubstrate auftreten (durch zusätzlichen Defekt der E-Hexosaminidase B). Die morphologische Biopsiediagnostik aus der Haut zeigt ultrastrukturell z. B. in Schwann-Zellen oder terminalen Axonen konzentrisch oder parallel geschichtete lysosomale Membrankörper. Bei der Sandhoff-Krankheit können weitere Zelltypen teils pleomorphe lamelläre Einschlüsse enthalten. Die Rektumbiopsie, obwohl diagnostisch meist nicht erforderlich, bietet eine Fundgrube lichtmikroskopischer, histochemischer und ultrastruktureller Speichereffekte in den submukösen oder ausgeprägter in den myenterischen, geblähten Neuronen bei GM2-Gangliosidosen. Die Ultrastruktur der „membranous cytoplasmic bodies“ ist nachweisbar.
GM1-Gangliosidose Die GM1-Gangliosidose („generalisierte Gangliosidose“) ist eine klassische neuroviszerale Speicherkrankheit [69, 117, 124]. Ursache sind Mutationen im GLB1-Gen, das für E-Galaktosidase I kodiert (im Gegensatz zu E-Galak-
130
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
6
a
b
c
d
Abb. 6.4a–d GM2-Gangliosidose. a In der Großhirnrinde oberhalb des intakten Marklagers zahlreiche aufgetriebene blau-tingierte ballonierte Nervenzellen, M. Tay-Sachs, Klüver- Barrera. b Mehrere ballonierte Nervenzellleiber zeigen Nissl-Substanz um den peripher gelegenen Kern, M. Tay-Sachs, Kresyl-Violett. c Aufgetriebene Pur-
kinje-Zellen der Kleinhirnrinde mit depopulierter Granularzellschicht, M. Sandhoff, Hämatoxylin-PAS. d Elektronenmikroskopisch mehrere für Gangliosidablagerung typische membrangebundene membranös-zytoplasmatische Körperchen in einer Nervenzelle des Großhirns, M. Tay-Sachs
tosidase II, der E-Galaktozerebrosidase; Typ I wird im Folgenden nur E-Galaktosidase genannt). Die neuronale Speicherung, die in ihrer Auswirkung derjenigen bei GM2-Gangliosidosen vergleichbar ist, erfolgt im Wesentlichen durch GM1-Gangliosid. Dies ist ein sog. höheres Gangliosid. Es wird durch Abspaltung seiner endständigen Galaktose in GM2-Gangliosid umgewandelt, das seinerseits durch Abspaltung des endständigen Hexo-
samins in GM3-Gangliosid überführt wird. Vom GM1Gangliosid wird die Galaktose an ihrer Bindung zum Hexosamin der Zuckerkette normalerweise durch die lysosomale E-Galaktosidase abgespalten, um den Abbau des GM1-Gangliosids zu leisten. Bei der GM1-Gangliosidose fehlt Aktivität der E-Galaktosidase, wodurch sich GM1Gangliosid in Nervenzellen und teils viszeralen Organen anstaut, aber auch andere Lipid- und Nichtlipidsubstrate
Lysosomale Krankheiten
(galaktosebegrenzte Oligo- und Polysaccharide und Glykopeptide) vor allem extraneural angehäuft werden. Obwohl die GM1-Gangliosidose viele Symptome von Mukopolysaccharidosen und Sphingolipidosen vereint und damit ein Kriterium von „Mukolipidosen“ bietet, wird sie im Allgemeinen nicht unter diesen geführt. Krankheiten durch E-Galaktosidase-Defizienz dürften mit einer Frequenz um 1:100.000 auftreten. Klinik. Das klinische Bild der GM1-Gangliosidose zeigt am Beginn, teils unmittelbar nach der Geburt, Leber-Milz-Vergrößerung (selten mit Aszites nach nichtimmunologischem Hydrops fetalis), Dysmorphie des Gesichts und des Schädels sowie Dysostose der Knochen (ähnlich wie bei Mukopolysaccharidose I). Neurologisch kommen fehlende Blickfolge, stereotype Bewegungen, Muskelschlaffheit, selten Myoklonien oder Krampfanfälle und fehlende psychomotorische Entwicklung hinzu. Der „kirschrote Fleck“ der Macula lutea wird in einem großen Teil der Fälle gefunden.
a
131
Der Verlauf gleicht in vielen Zügen dem der infantilen GM2-Gangliosidose. Die Dystrophie infolge starker Leberbeteiligung, aber auch Herz- und Lungenbeteiligung können den Verlauf zusätzlich erschweren, mit Tod im Alter bis zu 2 Jahren. Später beginnende, juvenile und (selten) adulte (besonders in Japan) Verläufe der GM1Gangliosidose kommen vor. Viszerale und Knochenbeteiligung, also die generalisierte Speicherung, kann in den Hintergrund treten und somit den Spätformen der GM2-Gangliosidose ähneln. Neuropathologie (Abb. 6.5). Die Neuropathologie des eher atrophischen, demyelinisierten Gehirns und des übrigen Zentralnervensystems (z. B. Vorderhorn des Rückenmarks) ist von jener der GM2-Gangliosidosen in fein- und ultrastruktureller Hinsicht nicht zu unterscheiden. Die Generalisiertheit der Speicherung kann aber feinstrukturell selbst bei späteren Verläufen der GM1-Gangliosidose nachgewiesen werden. Herz, Lunge, Haut, Vis-
b
d Abb. 6.5a–e GM1-Gangliosidose. a Atrophie des Kleinhirns. b Ausgeprägte Fasergliose des Marklagers, Holzer-Färbung. c Aufgetriebene Nervenzellen der Großhirnrinde, Kresyl-Violett. d Elektro-
c
e nenmikroskopisch komplexes lysosomales Residualkörperchen mit membranös-zytoplasmatischer Komponente (Pfeile). e Blutlymphozyten mit multiplen Vakuolen
132
6
Kapitel 6
zeralorgane und Niere können makrophagische, fibrozytäre, endotheliale, vegetativ-neuronale und epitheliale Speicherphänomene mit Zytoplasmavakuolen oder ultrastrukturell mit teils lipid-membranös geschichteten Speicherlysosomen zeigen. Bei älteren Patienten sind zudem intraneuronal vermehrt Lipopigmente abgelagert [67]. Es bestehen jedoch auch Hinweise, dass eine primäre Demyelinisierung bei Verlust von Oligodendrozyten vorkommt, wobei Oligodendrozyten mit der TUNELTechnik markiert sind und eine Hochregulierung von Caspase 3 immunhistologisch zu beobachten ist – Befunde, die auf eine Apoptose hinweisen – und sich elektronenmikroskopisch große entmarkte Axone demonstrieren lassen, während die Dichte der Axone deutlich weniger gelichtet erscheint [133]. Die E-Galaktosidase hat zahlreiche natürliche Substrate, deren Umsatz bei verschiedenen Mutationen unterschiedlich gestört ist; der Unterschied kann so stark sein, dass der E-Gal-Defekt zu der am selben Gen ausgelösten Krankheit, der Mukopolysaccharidose IVB, führt. Bei dieser ist der Anstau von Keratansulfat (durch EGalaktosidase abbaubares Mukopolysaccharid) höher als bei GM1-Gangliosidose. Jeweils separate Mutationen induzieren offenbar unterschiedlich gefaltete Proteine mit dadurch unterschiedlicher Substrateaffinität. Damit kann die Morquio-B-Krankheit auch als nichtneuronopathische GM1-Gangliosidose bezeichnet werden Andererseits gibt es einen nicht vom GLB1-Gen ausgelösten, tief greifenden Mangel an E-GalaktosidaseAktivität bei der Galaktosialidose, das ist, vereinfacht, eine GM1-Gangliosidose kombiniert mit Sialidose durch Defekt eines übergeordneten Proteins. Analysen des GLB1-Gens ergaben keine eindeutige Korrelation der Mutationspektren und klinischen Phänotypen [96]. Morphologisch geben ebenfalls, nur bei den frühen Verläufen, lysosomale Lymphozytenvakuolen im Blutausstrich und vakuolenhaltige oder opake (bei Spätformen) Speichermakrophagen im Knochenmarkausstrich oft gute Hinweise. Die Ultrastruktur der Hautbiopsie kann teils vaskuoläre, teils membranös geschichtete Speicherlysosomen in Fibroblasten, Makrophagen, Endothelien, Schweißdrüsen und Nervenendigungen zeigen, vor allem bei den früh verlaufenden Formen. Die Rektumbiopsie, obwohl kaum indiziert, ist so aufschlussreich wie bei GM2-Gangliosidosen und zeigt zusätzlich speichernde mesenchymale Zellen. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt durch biochemische Bestimmung der Aktivität der E-Galaktosidase in Leukozyten aus EDTA-Blut, gezüchteten Hautfibroblasten, pränatalem Gewebe oder molekular. Der Nachweis einer erhöhten Urinausscheidung von galaktosebegrenzten Oligosacchariden kann hilfreich sein und ist bei den früh verlaufenden Fällen fast immer positiv. Nicht deutlich erhöhte Ausscheidung kann auf eine milde Verlaufsform hinweisen.
Neurometabolische Krankheiten
Lysosomale Leukodystrophien Metachromatische Leukodystrophie und Varianten Die metachromatische Leukodystrophie (MLD) ist die klassische, biochemisch definierte Entmarkungskrankheit [69, 123, 138]. Ursache sind, falls nicht bei Varianten anders angegeben, Mutationen im Arylsulfatase-A-ASAGen. MLD kann als Sulfatidlipidose bezeichnet werden. Sulfatid ist ein sulfathaltiges Sphingolipid. Die Sulfatgruppe wird vom Sulfatidmolekül (Sulfogalaktosylzeramid) normalerweise durch die Arylsulfatase A (Sulfatidase) abgespalten, um den notwendigen Abbau des Sulfatids zu leisten. Bei der MLD fehlt die Aktivität der Arylsulfatase A, wodurch sich Sulfatid als eines der Hauptmyelinlipide in Oligodendrozyten anstaut. Der Anstau führt zum Zerfall der Markscheiden, deren stark sulfatidhaltige Trümmer schließlich von einwandernden Makrophagen („Myelophagen“) aufgenommen, aber nicht weiter kababolisiert werden, da auch sie die Mutation enthalten. Der Enzymdefekt bedingt in den Oligodendrogliaund Schwann-Zellen und damit in der Markscheide ein Sulfatidübergewicht, liegt aber in gleicher Weise in den Myelophagen vor, wo das vermehrte Sulfatid liegenbleibt und die histochemische Metachromasiereaktion (Metachromasie: Farbumschlag durch dicht gruppierte Sulfatoder andere saure Gruppen) hervorruft. Metachromasie wird bei MLD auch in der zerfallenden Markscheide selbst, z. T. in Nervenzellen, ferner extraneural, z. B. in Nierentubuli sowie in den Gallenwegepithelien (entsprechende klinische Symptome möglich!), teils in großen Mengen, aber auch ubiquitär, z. B. in histiozytären Zellen, gefunden: Sulfatid ist ein myelintypisches, auch nierentypisches und doch ubiquitäres Sphingolipid. Die MLD, die als rezessiv-erbliche Krankheit Mutationen auf beiden Arylsulfatase-A-Allelen voraussetzt, tritt mit einer Frequenz von wohl bis zu 1:40.000 auf; damit beträgt die Heterozygotenfrequenz ca. 1:100. Der Pseudo-Arylsulfatase-A-Mangel löst keine Krankheit aus: Jeder 10.–20. Mensch hat, durch genetische Polymorphie im Arylsulfatase-A-Gen bedingt, eine niedrige oder sehr niedrige Arylsulfatase-A-Aktivität (z. B. 15% der normalen Aktivität oder weniger), ohne klinische oder morphologische Zeichen der MLD zu entwickeln, deren Auftreten an einen noch niedrigeren Aktivitätsspiegel gebunden ist. Es wird vermutet, dass die Kombination von heterozygotem Zustand für MLD und heterozygotem Zustand für Pseudo-Arylsulfatase-A-Mangel das Auftreten von Symptomen begünstigen kann, die denen der multiplen Sklerose ähnlich sind. Eine MLD mit normaler Arylsulfatase A beruht auf Mutationen im Prosaposin-Gen, das für Saposinproteinsequenzen kodiert. Eine davon ist Saposin B, der Sulfatidaktivator, der das Sulfatid für den Angriff der Arylsulfa-
Lysosomale Krankheiten
tase A zugänglich macht („solubilisiert“), aber auch auf andere Sphingolipide in ähnlicher Weise wirkt. Klinik. Das klinische Bild lässt sich grob in spätinfantile, juvenile und adulte (viel seltenere) Formen einteilen [4]. Anfangssymptome sind z. B. Gangstörung (spätinfantile MLD), Lern- und Schreibstörung (juvenile MLD), psychotiforme Bilder (adulte MLD). Später folgen gestörter Muskeltonus, Ataxie und spastische Tetraparese, begleitet von Abnahme der (insbesondere motorischen) Nervenleitgeschwindigkeit, evtl. Liquoreiweißerhöhung, eher selten epileptische Anfälle und schließlich Demenz, Kachexie und Enthirnungsstarre. Neuroradiologische Zeichen von Leukodystrophie sind teils sehr früh festzustellen. Neuropathologie (Abb. 6.6). Die zerebrale Entmarkung spart typischerweise die U-Fasern aus, ist aber sonst diffus verteilt. Das grau verfärbte, sklerotische, dicht mit Gliafasern durchsetzte Marklager enthält große Mengen diffus verteilter Makrophagen, die z. B. in der Hirsch-Peiffer-Färbung mit metachromatischen Granula gefüllt sind. In den Neuronen aller subkortikalen Kerngebiete können ultrastrukturell lysosomale Membrankörper – meist in nicht exzessiver Menge – gefunden werden, wohingegen korti-
133
kale und periphere Nervenzellen weitgehend ausgespart sind. Ubiquitäre histiozytäre Zellen können solche Membrankörper und Fischgräten- oder Tuffsteinmuster zeigen. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt durch biochemische Bestimmung der Arylsulfatase-A-Aktivität in Leukozyten aus EDTA-Blut oder gezüchteten Hautfibroblasten bzw. pränatalen Zellen oder Geweben. Der lipidbiochemische Nachweis der erhöhten Sulfatidausscheidung im Urin ist zusätzlich oft hilfreich, ebenso wie die molekulare Analyse. Die morphologische Biopsiediagnostik markhaltiger Nerven wie des N. suralis, der Haut oder der Konjunktiva ist (nicht immer) aussagekräftig und zeigt degenerierte und rarefizierte Nervenfasern, dünne Markscheiden sowie scholliges metachromatisches Gewebe. Die feinstrukturell granuläre Form dieses Materials in Schwann-Zellen (Abb. 23.2e, S. 608), endoneuralen und vor allem histiozytären Zellen löst sich ultrastrukturell teilweise in pseudokristalline Sulfatidablagerungen mit prismatischen Strukturen, „Fischgräten-“ oder „Tuffsteinmustern“ auf. In den Schwann-Zellen sind auch lysosomale Membranspeicherkörper, teils nach Art von „Myelinfiguren“ oder Zebrakörpern, zu beobachten.
a
b
c
d
Abb. 6.6a–d Metachromatische Leukodystrophie. a Diffuse Entmarkung bilateral im GroEhirnmark, adulte Form. b Auflockerung des Marklagers mit prominenten Makrophagen, adulte Form, Hämatoxylin-Eosin. c Makrophagen im Marklager sind angefüllt mit
braunem metachromatischem Material, spät-infantile Form, saures Kresyl-Violett nach Hirsch-Peiffer. d Elektronenmikroskopisch typische Fischgräten- oder prismatische Muster (Pfeile) der lysosomal gespeicherten Sulfatide
134
Kapitel 6
Mukosulfatidose
6
Diese Krankheit zeigt klinisch und morphologisch Komponenten der metachromatischen Leukodystrophie und einer Mukopolysaccharidose. Zugrunde liegen ihr Mutationen im SUMF-1-Gen auf Chromosom 3p26.2, das für das Formylglyzin-erzeugende Enzym kodiert, dessen Defekt für den Ausfall verschiedenartiger Sulfatasen verantwortlich ist, zu denen auch die Arylsulfatase A der metachromatischen Leukodystrophie sowie die Arylsulfatase B der Mukopolysaccharidose VI gehören. Es sind entsprechende Gewebe und Organe beider lysosomaler Krankheiten, der metachromatischen Leukodystrophie und der Mukopolysaccharidose, betroffen, also an erster Stelle das Nervensystem und das Skelettsystem sowie andere mesenchymale Strukturen. Klinik. Die klinischen Symptome für MLD und MPS sind beim einzelnen Patienten von unterschiedlicher Gewichtung, wobei frühinfantile, spätinfantile und juvenile Formen, je nach unterschiedlichem Krankheitsbeginn, vorkommen. Von Seiten der MPS zeigen sich faziale Dysmorphie und Skelettanomalien. Neuropathologie. Mit unterschiedlicher Gewichtung der MLD- und MPS-Komponenten beim einzelnen Patienten zeigen sich Zeichen der Entmarkung mit Ablagerung von metachomatischem lysosomalem Substrat vor allem in aufgeblähten Makrophagen, ultrastrukturell an MLDMuster erinnernd, zum anderen aber auch lysosomale Vakuolisierung mesenchymaler Gewebeelemente, also der Gefäßwände und Meningen sowie des Plexus chorioideus.
Krabbe-Krankheit (Globoidzellleukodystrophie) Der Morbus Krabbe ist neben der metachromatischen Leukodystrophie die zweite durch gestörten Sphingolipidabbau ausgelöste Leukodystrophie [69, 122, 141]. Wenn bei der metachromatischen Leukodystrophie die Speicherung des Sphingolipids Sulfatid bio- und histochemisch leicht gezeigt werden kann, so gelingt dies für das entsprechende myelintypische Lipid (formal das um die Sulfatgruppe verkürzte Sulfatid, das dann Galaktosylzeramid, auch Galaktozerebrosid heißt) bei der KrabbeKrankheit nicht ohne weiteres. Die Vermehrungen von Galaktozerebrosid und Psychosin (s. unten) nachzuweisen, erfordert gewebslokale Feinanalysen bzw. empfindliche biochemische Methoden. Dennoch ist es formal berechtigt, bei der KrabbeKrankheit von Galaktozerebrosidose zu sprechen. Ursache sind Mutationen im GALC-(E-Galaktozerebrosidase-)
Neurometabolische Krankheiten
Gen. Galaktozerebrosid wird bei seinem normalen Abbau von der E-Galaktozerebrosidase (einer spezifischen E-Galaktosidase, die von dem bei GM1-Gangliosidose betroffenen Enzym verschieden ist) in Galaktose und Zeramid zerlegt. Bei der Krabbe-Krankheit ist die E-Galaktozerebrosidase hochgradig inaktiv. Schon geringe Vermehrungen von Galaktozerebrosid, aber vor allem hohe Vermehrungsfaktoren – wenn auch absolut gesehen niedrig bleibende Mengen – eines zytotoxischen Spurenlipids (Galaktosylsphingosin: Psychosin vom Galaktosetyp, das ist seiner Fettsäure entblößtes Galaktozerebrosid) scheinen den nicht völlig geklärten Entmarkungsprozess in Gang zu bringen. Bei diesem treten aus einwandernden Makrophagen gebildete, evtl. PAS-positive Riesenzellen (Globoidzellen) auf, in denen Galaktozerebrosid vermehrt ist. Die Krabbe-Krankheit tritt in Mittel- und besonders Nordeuropa mit einer Frequenz bis zu 1:50.000 auf (Heterozygotenfrequenz wohl etwas geringer als 1:100). Klinik. Bei der früh einsetzenden Form (ca. 90% der Fälle) der Krabbe-Krankheit kommt es meist um den 4. Lebensmonat (aber fast nie schon neonatal) zu einem erhöhten Muskeltonus bei abgeschwächten Eigenreflexen, zu Krampfbereitschaft, Schreiattacken und psychomotorischem Entwicklungsstillstand. Wenig später entwickeln sich Tetraspastik mit rückwärts überstrecktem Kopf sowie massives Krampfgeschehen. Die Liquoreiweißerhöhung auf das etwa 2- bis 10fache der Norm bei normaler Zellzahl und Verminderung der Nervenleitgeschwindigkeit sind diagnostisch zentrale Parameter. Optikusatrophie, zentrale Fieberschübe, schließlich Enthirnungsstarre gehen dem Tod im Alter von 1–3 Jahren voraus. Die später einsetzende Form der Krabbe-Krankheit [69], bei der evtl. einige Prozent der normalen E-Galaktozerebrosidase-Aktivität biochemisch gerade noch nachweisbar sind, beginnt im Altersbereich von 2–15 Jahren (ganz selten auch adult). Anfangs können Sehstörungen (okzipitaler Beginn der Entmarkung) und Gangstörungen bestehen, später folgen generalisierte Ataxie, Spastik und Demenz. Wechselndes oder geringes Krampfgeschehen, Tetraparese und Kachexie kennzeichnen Spät- oder Endstadien, wobei scheinbar stabile Zwischenstadien eingeschaltet sein können. Die Liquoreiweißerhöhung kann auf eine Tendenz zu „hochnormalen“ Konzentrationen reduziert sein, mittlere oder niedrige Normalwerte findet man eigentlich nie. Die Nervenleitgeschwindigkeit nimmt erst während des späteren Verlaufs ab. Neuropathologie (Abb. 6.7). Das hydrozephale und atrophische Gehirn (mit Kalkstippchen in den Basalganglien) ist meist extrem entmarkt (U-Fasern meist erhalten), das ehemalige Marklager ein graues, schmales, sklerotisch verhärtetes Band. Dieses enthält bei kaum sudanophiler Reaktion lichtmikroskopisch die PAS-positiven Globoid-
Lysosomale Krankheiten
a
135
b
c
d Abb. 6.7a–d Krabbe-Globoidzell-Leukodystrophie (freundlicherweise zur Verfügung gestellt von B. Scheithauer, Mayo-Klinik). a Entmarkung im Kleinhirn; links. b Diffuse Entmarkung im GroEhirnmarklager, Klüver-Barrera-Färbung; rechts: diffuse Faser-
gliose im GroEhirnmarklager, Holzer-Färbung. c Aggregat von mehrkernigen Globoidzellen im Marklager, Hämatoxylin-Eosin. d Elektronenmikroskopisch nadelartige Einschlüsse (Pfeile) in einem Makrophagen
zellen, das sind mehrkernige Riesenzellen mit einer gewissen Gefäßbeziehung, die noch mehr bei einem weiteren PAS-positiven Zelltyp, den teils in Nestern angeordneten, einkernigen Epitheloidzellen, auffallen kann. Beide Zelltypen entsprechen der monozytären Reihe. Die Globoidzellen variieren in ihrer Größe und Vielkernigkeit, wobei kleine wenigkernige Globoidzellen ein anderes immunologisches Profil aufweisen als große vielkernige Globoidzellen, insofern als kleine Globoidzellen HLA-DR und TNF exprimieren, größere jedoch nicht [51]. Der Entmarkungsprozess geht mit einem erheblichen Verlust von Oligodendrozyten einher, offenbar infolge neurotoxischer Wirkung von Psychosin (Galaktosphingosin). Während die Großhirnrinde weitestgehend intakt erscheint, zeigt sich ein erheblicher Nervenzellverlust in der Kleinhirnrinde, im N. dentatus, im Thalamus und in der unteren Olive [51].
Ein dichtes Gliafasernetz ersetzt die untergegangene Oligodendroglia. Der zerebrale Kortex samt Nervenzellen kann weitgehend unauffällig bleiben. Kerngebiete wie Dentatum und Nucleus olivaris zeigen sekundäre Lichtungen der Ganglienzellen, die, soweit noch vorhanden, selbst kein Lipid speichern. Eine subklinische Generalisation der Krankheit ist ultrastrukturell durch Vorkommen von Krabbe-Spießen (s. oben) nicht nur in den globoiden, sondern auch in viszeralen histiozytären und Epithelzellen (z. B. Nierentubuli, Schweißdrüsen) nachweisbar. Bei Feten mit Krabbe-Krankheit sind in der 20. Woche bereits Epitheloid- und Globoidzellen im Rückenmark (wegen der hier frühen Bemarkung) zu finden. Gehirne von später einsetzenden Verlaufsformen enthalten bisweilen keine typischen Globoidzellen, bei kaum geringeren Entmarkungsgraden.
136
Kapitel 6
Bei einer frühinfantil tödlichen generalisierten Lipidose, Prosaposinmangel, ist die E-GalaktozerebrosidaseAktivität sekundär, aber vergleichbar stark erniedrigt wie bei der Krabbe-Krankheit.
6
Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt bei den obigen Symptomen und oft massiven, neuroradiologisch belegbaren Entmarkungszeichen durch biochemische Bestimmung der E-Galaktozerebrosidase-Aktivität in Leukozyten aus EDTA-Blut, gezüchteten Hautfibroblasten und pränatalem Gewebe. Molekulargenetisch kennt man zwar häufige Mutationen (darunter eine große Deletion, die oft mit einem bestimmten, auf dem Gen aber distanten Polymorphismus kombiniert ist), aber auch ein großes Mutationsspektrum. Die elektronenmikroskopische Biopsiediagnostik aus Haut (Nerv allgemein nicht erforderlich) zeigt in Schwann-Zellen markhaltiger Fasern (Abb. 23.2b, S. 608), endoneuralen Makrophagen und oft ekkrinen Schweißdrüsen sog. Krabbe-Spieße, das sind nadel-, sichel- oder bajonettförmige Gebilde, die oft Spalten umschließen und aus Galaktozerebrosid bestehen sollen.
Gaucher-Krankheit Bei Morbus Gaucher gibt es neben der klassischen retikulohistiozytären viszeralen Lipidose (Gaucher-Typ 1) zwei weitere neuronopathische Formen, die Typen 2 und 3, die das Zentralnervensystem einbeziehen [8, 69, 121]. Ursache sind Mutationen im GBA-Gen, das für die E-Glukozerebrosidase (lysosomale E-Glukosidase) kodiert. Wenn Galaktozerebrosid (s. Krabbe-Krankheit) ein myelintypisches Lipid ist, so ist Glukozerebrosid, das Gaucher-Lipid, ein Stammlipid ubiquitärer Sphingolipide, z. B. Blutzellglykolipide, aber auch Ganglioside. Glukozerebrosid wird bei seinem normalen Abbau von der E-Glukozerebrosidase in Glukose und Zeramid zerlegt. Bei der Gaucher-Krankheit ist das Enzym weitgehend (in vitro mit noch 10–20% der normalen Aktivität), aber nicht absolut inaktiv. Dadurch kommt es zum Anstau von Glukozerebrosid bevorzugt in Makrophagen, die sich in „Gaucher-Zellen“ [47] umwandeln (z. B. im Knochenmark und im gesamten retikulohistiozytären System), jedoch kaum zur Speicherung in Epithelien und Nervenzellen. Die E-Glukosidase-Defizienz (Gaucher-Krankheit) tritt mit einer Frequenz von ca. 1:40.000 oder etwas häufiger auf (Heterozygotenfrequenz ca. 1:100), jedoch um eine Größenordnung seltener mit jenen Mutationen, die eine zentralnervöse Beteiligung bedingen. Umgekehrt hat die viszerale Form bei Aschkenasim eine um eine Größenordnung höhere Frequenz. Unter den Mutationen der E-Glukozerebrosidase [96] können einzelne eher dem neuronopathischen, andere
Neurometabolische Krankheiten
eher dem viszeralen klinischen Typ zugeordnet werden (partielle Genotyp-Phänotyp-Korrelation, ohne dass die messbaren enzymatischen Restaktivitäten korrelieren). Das Vorkommen eines nichtenzymkodierenden Pseudogens neben dem eigentlichen Gen stellt ein gewisses molekulargenetisches Problem dar. Eine weitgehende Phänokopie des M. Gaucher Typ 3 beruht auf der Defizienz eines Sphingolipidaktivatorproteins, Saposin C, bei normaler E-Glukozerebrosidase. Eine annähernde Kopie des Gaucher-Typs 2 besteht bei der Prosaposindefizienz. Klinik. Das klinische Bild der infantil-malignen („neuronopathischen“) Gaucher-Krankheit (Typ 2) beginnt intrauterin (z. B. mit nichtimmunologischem Hydrops fetalis und Ichthyosis), postpartal oder wenig später mit Leber-Milz-Vergrößerung, Hyperkinesien, Trismus, Strabismus; später folgen Opisthotonus, Myoklonien, generalisierte Krämpfe, Hautschlaffheit, Stridor, Atemstörungen. Schwerste Retardierung und Dystrophie führen zu einem raschen Ende nach 1–2 Jahren, ohne dass klassische Gaucher-Symptome wie Anämie, Thrombo- und Leukopenie, Knochen- und Lungeninfiltration durch GaucherZell-Massen, Minderwuchs, gelbgraues Hautkolorit bei dem rasch fatalen Verlauf viel zusätzliche Bedeutung gewinnen. Diese Symptome erschweren jedoch das Bild der juvenilen „subakut-neuronopathischen“ Form des M. Gaucher (Typ 3, in Schweden lokal gehäuft als „Norrbottnische Variante“), der nach frühem Beginn eher schleichend, z. B. mit Myoklonusepilepsie, Trismus, Ophthalmoplegie und Demenz, nach etwa 15 Jahren zum Tod führt. Beim klassischen M. Gaucher (Typ 1) gibt es selten neurologische Einzelsymptome, die z. B. durch evtl. raumfordernde, zentralnervöse Gaucher-Zell-Infiltrate oder als Folge von kleinen Blutungen bei thrombopenischer Gerinnungsstörung erklärbar sind; weitere hämatologische Probleme, aber auch Knochenbeteiligung sind hier zu befürchten. Es bleibt abzuwarten, ob neurologische Symptome stärker hervortreten werden, wenn die das Gehirn allerdings nicht erreichende langfristige Enzymersatztherapie den Krankheitsverlauf des Typ 1 deutlich verlängern wird. In jüngster Zeit haben größere Untersuchungen von Parkinson-Kranken eine höhere Heterozygotenrate für pathogene Mutationen im GBA-Gen erbracht [74]. Die entsprechenden Parkinson-Patienten mit pathogen mutierten heterozygoten GBA-Allelen zeigten einen deutlich früheren Beginn ihrer Parkinson-Krankheit als solche ohne mutierte GBA-Allele. Andererseits erkranken ältere Patienten mit M. Gaucher häufiger und früher an M. Parkinson [63]. Neuropathologie. Makroskopisch ist beim GaucherTyp 2 das Gehirn evtl. leicht atrophisch. Mikroskopisch (Tabelle 6.10) findet man zahlreiche geschwollene Neu-
Lysosomale Krankheiten
137
Tabelle 6.10 Neuropathologie des M. Gaucher Typ
Gaucher-Zellen
I
Perivaskulär
II
Perivaskulär, diffus
III
Geringer als II
Saposin-C-Defekt
Neuronale Speicherung
Nervenzellverlust
Nucleus III, Hirnrinde
Gehirn, v. a. Stammganglien, Hirnstamm, Nucleus dentatus, Sehrinde, Hippokampus Nucleus dentatus und Tractus dentatorubrothalamicus
Vorderhornzellen des Rückenmarks
rone (offenbar ohne dass sie biochemisch vermehrt Glukozerebrosid enthalten) und teils sekundäre Entmarkung. Adventitielle, teils PAS-positive Speicherinfiltrate werden gesehen und enthalten wie die Gaucher-Zellen gedrillte tubuläre (s. Tabelle 6.8) Ultrastrukturen, teils als lysosomale „Gaucher-Körper“. Ein zytotoxischer, fettsäureloser Abkömmling des Glukozerebrosids (Psychosin vom Glukosetyp) scheint für den Nervenzelluntergang (z. B. im Dentatum) eine Rolle zu spielen (vgl. die Analogie bei Krabbe-Krankheit). Beim Gaucher-Typ 3 finden sich geschwollene Neurone eher subkortikal z. B. im Hirnstamm; sie zeigen in der Ultrastruktur membranöse Einschlüsse. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt durch biochemische Bestimmung der E-Glukozerebrosidase-Aktivität (Speziallabor) in Leukozyten (EDTA-Blut), gezüchteten Hautfibroblasten und pränatalem Gewebe oder molekular. Bei der morphologischen Diagnostik ist die Knochenmarkzytologie führend; der Geübte erkennt die Gaucher-Zellen an gestreiftem oder geknittert seidenpapierartigem Zytoplasma. Die morphologische Untersuchung einer Hautbiopsie ist wenig aufschlussreich. Die Entnahme eines geschwollenen Lymphknotens, in dem histiozytäre Speicherzellen ultrastrukturell lysosomale Einschlüsse mit „twisted tubules“ (teils aus Glukozerebrosid bestehend) zeigen können, kann in besonderen Fällen sinnvoll sein.
Niemann-Pick-Krankheit mit Sphingomyelinasedefekt (Typen A und B) Ursache der Niemann-Pick-Typen A und B sind Mutationen im ASM-Gen, das für die saure Sphingomyelinase kodiert [69, 103, 119]. Sphingomyelin besteht aus Phosphocholin und Zeramid und wird bei seinem normalen Abbau durch die Sphingomyelinase in diese Komponenten zerlegt. Bei der neuroviszeralen Sphingomyelinlipidose, Niemann-Pick-Typ A, ist die Sphingomyelinase praktisch inaktiv, bei der weitgehend nur viszeralen Sphingomyelinlipidose, Niemann-Pick-Typ B, hat sie noch eine geringe Restaktivität. Sphingomyelin häuft sich
in Viszeralorganen und fast ubiquitär in retikulohistiozytären, mesenchymalen Zellen, bei Typ A besonders auch in zentralen und peripheren Nervenzellen an. Da ein Untertyp des Sphingomyelins mit einer C24-Fettsäure ein wichtiges Myelinlipid ist, beeinträchtigt seine Abbaustörung die Markscheide ebenfalls. Die Defizienz der Sphingomyelinase (Niemann-Pick A und B) tritt wohl seltener als 1:100.000 auf, bei Aschkenasi-Juden jedoch etwas häufiger. Klinik. Das klinische Bild des Typs A ähnelt dem der frühen GM1-Gangliosidose, nur steht die muskuläre Hypotonie („floppy infant“) mehr im Vordergrund, die Epilepsie evtl. mehr im Hintergrund. Der „kirschrote Fleck“ der Macula lutea ist meist vorhanden; eine abortive oder modifizierte Form der Makulaveränderung ist bei juvenilen Typ-B-Verläufen manchmal die einzige erkennbare zentralnervöse Veränderung. Das Todesalter liegt bei Typ A meist unter 4 Jahren. Der Typ B endet zwischen ca. 10 und 50 Jahren (manchmal auch darüber) durch viszerale (Lungeninfiltration, Leberzirrhose), hämatologische (Hypersplenismus) und sekundär kardiale und infektiöse Komplikationen ohne neurologische bzw. demenzielle Zeichen; es sei denn, hämatogene Speicherzellinfiltrate im Nervengewebe führen zu einzelnen Ausfällen. Neuropathologie. Makroskopisch ist bei Niemann-Pick A das Gehirn in den Windungen atrophisch, das Marklager verfestigt und verschmälert, aber eher in zentralen Regionen. Feinstrukturell (Tabelle 6.11) ist die weit verbreitete Neuronenblähung und -rarefizierung sowie Fasergliose (und auch gliale und histiozytäre Speicherung) den Befunden bei früh verlaufenden Gangliosidosen ähnlich, jedoch fehlt meist die PAS-Positivität. Ultrastrukturell sind lysosomale Membrankörper, wie bei der Hautbiopsie erwähnt, in Neuronen, aber auch in Speicherzellen des Plexus und der Meningen sowie in Endothelien zu sehen. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt im Vorfeld am besten über die Zytologie des Knochenmarkausstrichs. Dieser zeigt Speichermakrophagen vom Typ der Niemann-Pick-Zelle (schaumig-vakuoläres Zytoplasma) und, vor allem bei Typ B, vom Typ des „seeblauen
138
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Tabelle 6.11 Neuropathologie verschiedener Formen von Niemann-Pick-Krankheit
6
NiemannPick-Typen
Gen
Genprodukt
Lysosomale Speicherung
Ultrastruktur
Nervenzellverlust
Weitere Befunde
Typ A
SMPD 1, NPD
Sphingomyelinase
Nervenzellen, Gefäße, Makrophagen
Vakuolär-lamellär, ähnlich aber kleiner als membranös-zytoplasmatische Körperchen
–
Groß- und Kleinhirnatrophie
Typ B
SMPD 1, NPD
Sphingomyelinase
Nicht im ZNS
Nicht im ZNS
Nicht im ZNS
Nicht im ZNS
Typ C
NPC 1
Transmembranöses Protein
Vakuolär-lamellär, ähnlich aber kleiner als membranös-zytoplasmatische Körperchen
NPC 2
Lösliches cholesterinbindendes Protein
Nervenzellen, Großhirnrinde, Stammganglien, Mittelhirn, Hirnstamm, Rückenmark Nicht: PurkinjeZellen, Oliven, Gefäße
Mittlere und tiefere Schichten der Großhirnrinde, PurkinjeZellen
Markarmut, Fasergliose in grauer und weißer Substanz, Makrophagen mit Lipiden, nichtlysosomale axonale Spheroide in Mark und langen Bahnen, Alzheimersche Fibrillenbündel und Neuropilfäden ohne Amyloid
NPC 1
Transmembranöses Protein
–
Vakuolär-lamellär, ähnlich aber kleiner als membranös-zytoplasmatische Körperchen
–
–
Typ D
Histiozyten“ (durch Zeroideinlagerung umgewandelte Schaumzelle). Die letzteren Zellen kommen teils beim „seeblauen Histiozytensyndrom“ unbekannter Ursache oder bei Leukämie vor. Zeigen die helleren NiemannPick-Zellen ungefärbter Ausstriche Doppelbrechung im polarisierten Licht (offenbar durch pseudokristalline Sphingomyelindepots), so deutet dies auf NiemannPick A oder B hin. Die Absicherung verlangt meist das Anlegen von Hautfibroblastenkulturen, wobei ein Teil der biopsierten Haut auch direkt ultrastrukturell untersucht werden kann. In den Kulturen (bei Bedarf in pränatalem Gewebe) wird die Sphingomyelinase biochemisch untersucht (Speziallabor; Enzymbestimmungen aus Blutleukozytenfraktionen sind auch möglich). Ist die Aktivität nicht wesentlich vermindert, so ist die E-Galaktosidase-Aktivität zu messen, um die GM1-Gangliosidose auszuschließen, oder ein Test auf Niemann-Pick Typ C zu veranlassen; in beiden Fällen würde allerdings die positive Doppelbrechung an den Speicherzellen fehlen. Im Zweifelsfall ist auch der M. Gaucher noch enzymatisch auszuschließen. Klarheit bringt letztlich die molekulare Analyse. In der Haut kann ultrastrukturell (solange der Nachweis des Sphingomyelinasedefekts noch aussteht) nach feinlamellären (ähnlich wie bei Gangliosidosen), konzentrisch oder fast parallel geschichteten Membrankörpern in mesenchymalen und endothelialen Zellen sowie Schwann-Zellen gesucht werden. Auch Epithelien ekkriner Schweißdrüsen können Einschlüsse enthalten.
Niemann-Pick-Krankheit ohne primären Sphingomyelinasemangel (Typ C) Der Morbus Niemann-Pick des Typs C – nur vom Phänotyp als neuroviszerale Lipidose her der Niemann-PickGruppe zugeordnet – beruht in ca. 95% der Fälle auf Mutationen im NPC1-Gen, das für ein funktionell noch wenig aufgeklärtes integrales, lysosomenassoziiertes, u. a. den Cholesterinstoffwechsel regulierendes Membranprotein (NPC1-Protein) kodiert [69, 88]. Bestimmte lipidbiochemische Veränderungen in Viszeralorganen sind überraschend konstant: Das besondere viszerale Lipidmuster kommt am besten im Milzgewebe zum Ausdruck: Im Sinne einer Multisubstratlipidose treten hier stets mäßige Vermehrungen von freiem Cholesterin, Sphingomyelin und Bis(monoacylglycero)phospha t auf. Dazu kommt eine auffällige Vermehrung von Glukozerebrosid (also das Gaucher-Lipid), dessen Spiegel aber regelhaft dennoch unter jenem der Gaucher-Krankheit bleibt. Andere Glykolipide sind wechselnd vermehrt, Cholesterinester in Milz und Leber auffällig vermindert. Ein wichtiger viszeral-pathogenetischer Faktor scheint darin zu bestehen, dass plasmaabgeleitetes LDL-Cholesterin in Lysosomen und assoziierten Organellen zwar normal vom LDL-Apolipoprotein befreit, aber weder regelhaft aus diesen Organellen exportiert noch, z. B. unter Veresterung mit Fettsäure, prozessiert und rezykliert werden kann.
Lysosomale Krankheiten
Die Cholesterinstörung zieht vermutlich die Störungen anderer Lipide nach sich. Als zerebral-pathogenetisch darf jedoch Plasma-LDL kaum betrachtet werden, und man überlegt, ob hier Mikrozirkulierungsvorgänge des Cholesterins oder weitere, noch unbekannte Funktionen des NPC1-Proteins beeinträchtigt sind. Die Frequenz des Niemann-Pick-Typs C dürfte bei ca. 1:50.000 liegen (Heterozygotenfrequenz ca. 1:110), die Krankheit stellt also keine hohe Rarität dar. Es scheint keine ethnische Häufung vorzuliegen. Der Typ C ist häufiger als die Typen A und B kombiniert. Klinik. Das klinische Bild ist extrem heterogen. Eine Einteilung in pränatale, frühinfantile, spätinfantile, juveniladoleszente und adulte bis spätadulte Formen mag ein wenig orientieren. Der Niemann-Pick-Typ C ist auf der viszeralen Seite eine Erkrankung vor allem des retikulohistiozytären Systems, kann z. B. mit Lymphadenopathie einhergehen. Intrauterin kann Hydrops fetalis vorliegen. Die infantile Form zeigt z. B. kongenital oder später eine deutliche Leber-Milz-Vergrößerung, Dystrophie, Icterus neonatarum prolongatus, Cholestase mit Bilirubinerhöhung, schwere Muskelhypotonie oder finales Leberversagen im 1. Jahr. Extreme Retardierung, Tremor und Spastik, jedoch kaum epileptische Anfälle, begleiten den Hirnabbau bis zum Ende vor 5 Jahren. Die juvenile, häufigste Form kann mit mäßiger (bisweilen schwer fassbarer oder fluktuierender) Leber-Milz-Vergrößerung, Gangstörung, statomotorischer Retardierung, evtl. kirschrotem Makulafleck, demenzieller und epileptischer Entwicklung schleichend einhergehen. Kataplexie, Kleinhirnataxie, Nystagmus, Dystonie und variable (supranukleäre) Ophthalmoplegie, Spastik und Myoklonie sowie verminderte Nervenleitgeschwindigkeit können das Bild bis zum Tod mit ca. 5–20 Jahren begleiten. Die adulten Formen gehen mit psychotiformen bis katatonen und/oder schleichend demenziellen, z. B. mit Verlust der Selbstkontrolle, kombinierten Bildern einher. Anfallsereignisse können eine untergeordnete Rolle spielen sowie zerebelläre und bulbäre Zeichen allmählich zunehmen. Alle psychiatrischen und neurologischen Zeichen können auch fehlen. Die Milzvergrößerung (selten Lebervergrößerung) kann fluktuieren und wird manchmal erst autoptisch verifiziert. Ein NPC2- oder HE1-Gen wurde jedoch einer sehr kleinen Gruppe von Fällen mit einer Niemann-Pick-C-Krankheit zugeordnet, die offensichtlich nicht am NPC1-Gen ausgelöst wird. Die Zellen dieser Fälle können, in Kultur fusioniert mit Zellen NPC1-defekter Fälle, den lysosomalen Cholesterinphänotyp letzterer Zellen – den sie selbst auch haben –, korrigieren, wie ihr eigener Phänotyp korrigiert wird. Man spricht von genetischer Komplementierung und hat den Effekt zweier alternativ aktiver Genprodukte vor sich. Das eine, NPC1-Protein, ist bekannt, das andere, NPC2-Protein, ist ein cholesterinbindendes Protein.
139
Neuropathologie (Abb. 6.8). Neuropathologisch bestehen offenbar zwischen den Typen NP-C1 und NP-C2 keine nennenswerten Unterschiede. Ballonierung von Nervenzellleibern infolge lysosomaler Glykolipidspeicherung findet sich zerebrokortikal und subkortikal, wobei Cholesterinanteile fluoreszenzoptisch durch Filipin nachweisbar sind. Ein vermehrter intraneuronaler Gehalt an Lipopigmenten findet sich bei älteren Patienten. Selten werden auch intraneuronal in subkortikalen Zonen Alzheimersche Fibrillen beobachtet. Eine Auftreibung von Axonen lässt sich ebenfalls subkortikal dokumentieren. Die morphologische Biopsiediagnostik aus Haut, Rektum oder Konjunktiva ist Erfolg versprechend für den ultrastrukturellen Nachweis konzentrisch geschichteter lysosomaler Membrankörper teils mit dunklem Zentrum, aber auch weniger spezifischer „dense bodies“, Myelinfiguren und pleomorpher Körper in perivaskulär-histiozytären mesenchymalen Zellen, teils Schweißdrüsen- und evtl. Schwann-Zellen, sowie in markhaltigen und marklosen, teils dystrophisch aufgetriebenen Axonen. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik sollte mit der Knochenmarkzytologie beginnen (vgl. hierzu die NiemannPick-Typen A und B). Der Nachweis von Niemann-PickZellen, z. T. mit dunklen Einschlüssen oder auch hellen großen Vakuolen und, teils zunehmend mit dem Alter der Patienten, von seeblauen Histiozyten (beide Zelltypen ohne Doppelbrechung des Speichermaterials im polarisierten Licht) engt die Differentialdiagnose bereits sehr ein. Es folgen das Anlegen von Fibroblastenkulturen und in diesen die zytochemische Bestimmung lysosomaler Cholesterinanhäufung nach LDL-Provokation mit dem Fluoreszenzfarbstoff Filipin am besten nach Auschluss eines primären Sphingomyelinasedefekts). Diese Bestimmung liefert aber in manchen, z. B. milden bzw. spät verlaufenden Krankheitsfällen kein sehr sicheres Ergebnis. Biochemisch kann auch die Rate der Cholesterinveresterung gemessen und bei der Krankheit wegen der Cholesterinzirkulationsstörung erniedrigt gefunden werden. Im pränatalen Fall – am ehesten in Familien mit schweren, frühen Krankheitsformen – gelingen analoge Untersuchungen aus Chorionzotten. Die molekulare Analyse des NPC1-Gens ist hilfreich. Die Lipidbiochemie der Milz oder Leber ist bei genügend Erfahrung verlässlich, wenn Biopsie- oder auch Splenektomiegewebe (Formalinfixierung kein Ausschlussgrund!) vorliegt. Eine durch Leberbiopsie zugängliche diagnostisch nutzbare Besonderheit der Erkrankung ist das sehr weitgehende Fehlen von Ferritinimmunoreaktivität in Viszeralorganen. Typ-D-Variante. Der Niemann-Pick-„Typ D“ (NovaScotia-Variante) gehört zum Typ C und entspricht einem genetischen, geographischen Isolat einer besonderen Mutation im NPC1-Gen.
140
6
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
a
b
c
d
Abb. 6.8a–d Niemann-Pick-Krankheit. a Aufgetriebene Nervenzellen (Pfeile), Kunststoff-Semidünnschnitt Methylenblau. b In zahlreichen Nervenzellen ist die lysosomale Tripeptidylpeptidase immunhistologisch ausgeprägt. c Sphingolipidaktivatorproteine
Fabry-Krankheit Der Morbus Anderson-Fabry (die Hautmanifestation als Angiokeratoma corporis diffusum wird – pars pro toto – oft synonym gebraucht) ist die einzige X-chromosomal vererbte Sphingolipidose [69, 120]. Ursache sind Mutationen im D-Gal-Gen (GLA), das für die D-Galaktosidase A kodiert, die vor allem den Abbau der mit einem DGalaktose-Rest endenden Sphingolipide katalysiert. Dabei assistiert übrigens essentiell das Saposin B (sonst auch als Sulfatidaktivator bekannt). Der Mangel an Aktivität der D-Galaktosidase A bei der vaskulär-mesenchymal orientierten Lipidose Fabry führt zum lysosomalen Anstau der Sphingolipide Trihexosylzeramid und Digalaktosylzeramid (und anderer, z. B. blutgruppenrelevanter, D-Galaktose-begrenzter Sphingoglykolipide) in den Gefäßwänden, dem gefäßbezogenen Bindegewebe, der Kornea, dem Myokard, den Nierenglomerula und -tubuli, den kutanen angiomatösen Knötchen, geringgradig in den Nervenzellen, deutlich in der Leptomeninx und bis zu einem gewissen Grad ubiquitär in Makrophagen.
sind immunhistologisch vermehrt dargestellt. d Elektronenmikroskopisch konfluierende membrangebundene Einschlüsse teils vakuolärer Art teils vakuolär-lamellärer Mischung
Der Defekt der D-Galaktosidase A tritt im hemizygoten Zustand (Männer mit M. Fabry) mit einer Frequenz von wohl unter 1:100.000 auf. Heterozygote Konduktorinnen mit Teilmanifestation der Krankheit (bei der X-chromosomalen Vererbung durch „Lyonisierung“ möglich) kommen vor. Auch molekulare Analysen sind möglich. Klinik. Das klinische Bild dürfte nur bei der knappen Mehrzahl der hemizygoten Männer „klassisch“ sein. Sie beginnt im späten Adoleszenten- oder frühen Erwachsenenalter mit Glieder- und Kopfschmerzen – wohl teilweise entsprechend einer zerebralen Vaskulopathie – und manchmal anfallsartig auftretenden schweren Rumpf- und Gliederdysästhesien. Auf der auffällig schweißarmen Haut entstehen stammbetont viele oder nur zerstreute dunkle Papeln und/oder es entwickeln sich subkutane gefäßnahe schmerzhafte Verdickungen. Die Hornhaut kann zur Cornea verticillata (wirbelförmige Trübung) dystrophieren, die Bindehaut reichlich Gefäßschlängelung aufweisen. Die kardiale und renale (teilweise auch intestinale) Beteiligung tritt schleichend auf, führt aber meist vor dem 40. Lebensjahr zum Tod. Jedes Symptom kann entweder fehlen oder sehr stark in den Vordergrund treten. Patien-
Lysosomale Krankheiten
ten mit lange tolerierter obstruktiver Kardiomyopathie (evtl. inklusive Rhythmusstörungen) als Hauptsymptom sind bis ca. 60 Jahre alt geworden. Renal akzentuierte Fälle verlaufen viel rascher. Außer den peripheren sensorisch-neurologischen Zeichen kann eine variable zentralnervöse Symptomatik mit Infarkten vorkommen, jedoch kaum systemisch und ohne Demenz. Psychotiforme und suizidale Neigung, auch durch die aussichtslose Schmerzsituation, wurden beobachtet. Neuropathologie. Die lysosomale Vaskulopathie M. Fabry dokumentiert sich in leptomeningealen und zerebralen Gefäßwänden, endothelial und in glatten Muskelzellen und führt zu Gefäßprovinz-unabhängigen ischämischen Läsionen unterschiedlicher Größe in grauen und weißen Regionen des Gehirns. Histologisch lässt sich die Ablagerung der Glykolipide selektiv in Neuronenpopulationen an der Ballonierung der Nervenzellleiber, dem Schaffer-Spielmeyer-Prozess, ablesen. Glykolipide sind PAS-positiv, zeigen in der kombinierten Luxol-fast-bluePAS-Färbung jedoch eine blaue Farbe. Immunhistochemisch lässt sich mit einem Antikörper das „Fabry“-Substrat Zeramidtrihexosid nicht nur in ballonierten Nervenzellleibern, sondern auch etwas umfänglicher, fast ubiquitär, in Nervenzellpopulationen der Großhirnrinde und subkortikaler grauer Zonen nachweisen [27]. Daneben können in der weißen Substanz der zerebralen und zerebellären Marklager sowie in den Bahnen in Hirnstamm und Rückenmark Axone vielfach ausgeprägt geschwollen erscheinen, womit die gelegentlich beobachtete Demenz bei dieser Krankheit erklärt wird [85]. Selektiver Nervenzellverlust, sei es hypoxisch bedingt oder degenerativ, scheint weniger häufig im Gehirn vorzukommen. Die morphologische Biopsiediagnostik von Hautläsionen zeigt die angiomatösen Veränderungen mit endothelial bis adventitiell, aber auch in Fibroblasten und Makrophagen eingelagertem Speichermaterial, das ultrastrukturell teils den Einschlüssen bei GM2-Gangliosidosen gleicht und bei Überwiegen konzentrischer Lipidlamellen als „Myelinfiguren“ missdeutet werden kann. Solche, teils auch gröber lamellierte Strukturen findet man auch im Myokard und in der Niere, die aber, wenn nur die Diagnose per se in Frage steht, nicht biopsiert werden sollten. Im peripheren Nerven sind perineurale Zellen befallen, jedoch die Schwann-Zellen frei. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt durch die Bestimmung der D-Galaktosidase A, deren Aktivität aus Leukozyten (EDTA-Blut; evtl. Serum/Plasma) und gezüchteten Hautfibroblasten (läsionsnahe Hautentnahme ermöglicht dabei gleichzeitig fein- und ultrastrukturellen Zugang) sowie pränatalem Gewebe gemessen werden kann. Allerdings erlaubt dieser Test keine zuverlässige Diagnose der (symptomatischen oder symptomfreien) Konduktorinnen, so sicher er auch die hemizygoten männlichen Patienten erfasst. Die lipidchemische Urin-
141
analyse auf vermehrte Fabry-Lipide ist oft hilfreich, versagt aber manchmal bei Fehlen renaler Beteiligung und fast immer bei Konduktorinnen.
Farber-Krankheit Der Morbus Farber (disseminierte Lipogranulomatose) ist eine besonders seltene Sphingolipidose, die extraneural generalisiert, aber auch neurodegenerativ und meist im Kindesalter fatal abläuft [30, 69, 77]. Ursache sind Mutationen im neuerdings aufgeklärten Zeramidase-(ASAH/A)-Gen (s. Tabelle 6.6). Der Rumpfanteil aller Sphingolipide, das Zeramid, kann bei der Krankheit durch Defekt der Zeramidase nicht oder fast nicht in seine Bestandteile Sphingosin (fettsäureähnlicher Aminoalkohol) und Fettsäure zerlegt werden und staut sich an. Klinik. Das klinische Bild, mit mehreren Varianten, darunter einer neurologisch-progressiven, umfasst nach der Geburt oft eine monatelang wenig auffällige Phase; dann findet man nicht selten schmerzhafte Gelenkkontrakturen (kleine und große Gelenke befallen) mit lokaler oder disseminierter Bildung subkutaner Knötchen (Lipogranulome, die auch viszeral bzw. pulmonal auftreten, aber auch lange fehlen können). Weitere Symptome sind die tiefe, heisere Stimme mit lautem Atemgeräusch, interindividuell variable psychomotorische Retardierung, bei neurologischem Verlauf Muskelhypotonie (dennoch auch spastische Zeichen), tonisch-klonische Anfälle, leukodystrophe Zeichen, verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit, evtl. kirschroter Makulafleck, ferner bisweilen allgemeine Dystrophie, Lebervergrößerung, Fieberphasen und Knochenbeteiligung. Bis ins Adoleszentenalter protrahierte Fälle sind bekannt. Neuropathologie. Neuropathologisch steht im mäßig atrophisch-hydrozephalen Gehirn die Neuronenblähung mit zerebrokortikal unterschiedlicher Akzentuierung und kortikospinal zunehmender Intensität und PAS-Positivität (aufgrund der sekundären Einlagerung von Gangliosiden und Glykolipiden) im Vordergrund und ist begleitet von signifikantem Nervenzellverlust. Sonst können fast ubiquitär Speicherphänomene makroskopisch-nodulärer, fein- und ultrastruktureller Art nachgewiesen werden. Bei einem bisher nur in wenigen Familien beobachteten kombinierten Defekt von Sphingolipidaktivatorproteinen infolge Prosaposinmangels ist die – genetisch hier unveränderte – Zeramidase insbesondere durch die Defizienz des Saposins D stark beeinträchtigt. Daraus resultiert u. a. Zeramidanstau wie bei M. Farber. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik bedient sich am besten der läsionsgezielten Hautbiopsie. Ein Teil wird zu
142
6
Kapitel 6
Fibroblastenkulturen herangezüchtet, ein anderer inklusive der Subkutis der ultrastrukturellen Untersuchung zugeführt. In den Fibroblastenkulturen (evtl. auch in Blutleukozyten) kann die Aktivität der Zeramidase bestimmt werden, jedoch ist dieser Test besonders schwierig. Ein Beladungstest der kultivierten, lebenden Zellen mit radioaktivem Sphingolipid (z. B. Sphingomyelin) zur Bestimmung der nach Inkubation in das Zeramid übernommenen Radioaktivität kann alternativ eingesetzt werden. Die molekular Analyse ist möglich. Die Ultrastruktur (s. Tabelle 6.6) der subkutanen Knötchen zeigt Schaumzellen (Makrophagen), gefüllt mit in Lysosomenmembranen gebundenen kurvigen Profilen, die nur bedingte Ähnlichkeit mit den kurvilinearen Profilen bei Zeroidlipofuszinose haben. Diese Zellen, aber auch Fibroblasten, Schwann- und Epidermiszellen enthalten evtl. zusätzlich weniger spezifische Einschlüsse („banana bodies“ sowie annähernd rechtwinklig begrenzte Membranstapel).
Sphingolipidosen durch Sphingolipidaktivatorproteindefekte Sphingolipidspeicherkrankheiten, die ihre Ursache nicht in primären Enzymdefekten haben, sondern in Defekten der Sphingolipidaktivatorproteine (Hilfsproteine, die entweder die Sphingolipide für ihren normalen Abbau durch die intakten Enzyme aufbereiten bzw. solubilisieren oder die Enzyme selbst für ihre Abbautätigkeit in einen bestimmten Zustand bringen), sind extrem selten [100]. Genetisch finden sich zwei verschiedene Gene für Sphingolipidaktivatorproteine. Beide Sphingolipidaktivatorproteindefekte werden autosomal-rezessiv vererbt: • Das GM2A-Gen des GM2-Aktivatorprotein auf Chromosom 5q31, das bereits kurz bei den verschiedenen Formen der GM2-Gangliosidose abgehandelt wurde und entsprechende klinische und morphologische Befunde bietet. • Das Sphingolipidaktivatorvorläuferprotein oder Prosaposin-kodierende auf Chromosom 10q21 lokalisierte PSAP-Gen. Prosaposin wird im lysosomalen System zu vier Aktivatorproteinen (SAPs) A-D umgebildet. SAP-A unterstützt das Krabbe-Enzym, SAP-B die Arylsulfatase A, SAP-C die Glukosylzeramidase und SAP-D die Zeramidase. SAPs beeinflussen den Löslichkeitszustand oder die Konformation der entsprechenden lysosomalen Enzymproteine. Ein isolierter Defekt des SAP-D ist beim Menschen bisher nicht bekannt geworden, also auch keine entsprechende lysosomale Krankheit, während Defekte des SAP-A eine Krabbe-Leukodystrophie [111], Defekte des SAP-B eine metachromatische Leukodystrophie und solche des SAP-C einen M. Gaucher bewirken. Klinisch und morphologisch finden sich diese SAP-A-, SAP-B- und
Neurometabolische Krankheiten
SAP-C-bedingten Krankheitsformen bei normaler lysosomaler Aktivität der entsprechenden Enzyme und lassen sich nicht klinisch und morphologisch von den lysosomalen Krankheiten M. Krabbe, metachromatische Leukodystrophie und M. Gaucher unterscheiden. Gehen jedoch Mutationen vom Prosaposin-Gen PSAP aus, so sind offenbar alle vier SAP-A bis -D defekt und verursachen damit ein morphologisch und klinisch komplexes Krankheitsbild, das Komponenten der vier lysosomalen Entitäten Globoidzell-Leukodystrophie, metachromatische Leukodystrophie, M. Gaucher und M. Farber aufweist. Nur wenige Patienten mit PSAP-Mutationen sind beschrieben worden. Sie alle waren bereits nach der Geburt klinisch auffällig und haben nicht die ersten 20 Lebenwochen überlebt. Myoklonien, epileptische Anfälle und Schluckstörungen mit Dystonien fallen auf. Neuropathologie. Ein frühzeitiger, offenbar bereits intrauteriner Krankheitsbeginn greift insofern in den Entwicklungsprozess ein, als Mikropolygyrien mikroskopisch erkennbar sind, wobei auch histologisch fehlortig gelegene Nervenzellen im Marklager und in der äußeren Grohirnrinde nachweisbar sind. Die Nervenzelldichte ist erheblich vermindert, während verbliebene Nervenzellen vielfach einen ausgeprägten Schaffer-Spielmeyer-Prozess, d. h. Ballonierung der Nervenzellleiber kortikal und subkortikal zeigen. Neben einem Mangel an Axonen und entsprechenden Markscheiden finden sich gelegentlich aufgetriebene dystrophische Nervenfasern. Durchsetzt ist das Zentralnervensystem von Makrophagen, die intralysosmal vakuoläre Strukturen aufweisen, wie man sie beim M. Gaucher sieht. In Nervenzellen finden sich pleomorphe lysosomale Einschlüsse sowie dystrophische aufgetriebene Axone [32, 33]. Diagnostik. Diagnostisch geben Diskrepanzen zwischen wenig auffälligen Enzymaktivitäten und dennoch positiven Zeichen einer Sphingolipidose evtl. Hinweise.
Mukolipidosen Mukolipidosen (Tabelle 6.12), sprachlich zusammengesetzt aus Mukopolysaccharidosen und Lipidosen, als Ausdruck von Merkmalen beider lysosomaler Krankheitsgruppen sind nicht nur genetisch, sondern vor allem pathogenetisch heterogen. Diese Heterogenität erlaubt, die Formen der Mukolipidosen unter verschiedenen Gesichtspunkten der lysosomalen Krankheiten zu subsummieren: Mukolipidosis I, auch als Sialidose bekannt [131], unter den Glykoproteinosen der Sialsäuredefekte, Mukolipidosen II–IV, unter multiplen Enzymdefekten [134]. Auch morphologisch zeigt sich daher vakuoläre und avakuoläre lysosomale Speicherung, wenn auch in verschie-
Lysosomale Krankheiten
143
Tabelle 6.12 Mukolipidosen Typ
Name
Genort
Gen
Proteinprodukt
Speicherprodukt
Ultrastruktur
Gewebe/ Organe
I I
Sialidose
6p21
NEU 1
Sialidase 1 = Neuraminidase
Glykopeptide, Sialyloligosaccharide
Lamellär, vakuolär,
ZNS, PNS, Viszera, Haut
II
“I-cell disease”
12q23.3 (α+E)
GNPTAB (α+E)
III A
Pseudo-Hurler-Polydystrophie Pseudo-Hurler-Polydystrophie-Variante
12 q23.3 (α+E) 16p (J)
GNPTAB (α+E) GNPTG (J)
N-Azetylglucosaminyl-1-Phosphotransferase
Oligosaccharide, Mukopolysaccharide
Neuronal: konzentrisch, lamellär; Nonneuronal: vakuolär
ZNS, mesenchymales Gewebe, Skelett
Mukolipidose IV
19p13.23
MCOLN 1
Mucolipin 1 = transmembranöses Ca++-Kanalprotein
Ganglioside, Lipide Mukopolysaccharide, Lipopigmente
Lamellär, vakuolär
ZNS, PNS, Viszera, Haut
A B
III C IV
denen Zelltypen und Organen bei der gleichen Mukolipidose. Aber auch Mukopolysaccharidosen und die GM1Gangliosidose zeigen in neuroektodermalen Zellen avakuoläre/lamelläre lysosomale Residualkörperchen, in bindegewebigen Zellen jedoch vakuoläre Lysosomen. Die Mukolipidose I oder Sialidose ist eine klassische lysosomale Krankheit. Aufgrund eines N-Azetylneuraminidase-/Sialidasedefekts besteht ein milder Krankheitstyp I: generalisierte Hypotonie, Ataxie und Epilepsie sowie ein retinaler kirschroter Fleck, weshalb dieses Krankheitsbild auch ursprünglich als „Cherry-red-spot-myoclonus“-Syndrom bezeichnet wurde. Der Typ II lässt sich unterteilen in kongenitale, infantile und juvenile Formen [116]. Er ist gekennzeichnet durch Dysmorphien, mentale Retardierung und gelegentlich sogar Hydrops fetalis. Vakuolisierte Lymphozyten (Abb. 6.9) sind bei der infantilen Form charakteristisch. Auch andere mesenchymale Zellen zeigen lysosomale Vakuolisierung, während ihre neuronalen und anderen neuroektodermalen Elemente avakuoläre lysosomale Einschlüsse aufweisen. Gleichzeitig gehört die Sialidose zur Gruppe der Sialsäurefefekte (Tabelle 6.13) [116] wie auch die Galaktosialidose [22], ein Krankheitsbild mit gleichem klinischem und morphologischem Bild, wobei jedoch bei der Galaktosialidose neben der Sialidase/Neuraminidase auch die E-Galaktosidase vermindert ist, weil ein für beide Enzyme notwendiges „protektives“ Protein, identisch mit Cathepsin A, durch Mutationen im entsprechenden Gen PPCA defekt ist, so dass es nicht zu einem funktionsfähigen Komplex der beiden Enzyme durch Mangel dieses „protektiven“ Proteins kommt. Eine weitere Sialsäureerkrankung ist die Sialsäurespeicherkrankheit mit einer infantilen und einer adulten Form, der Salla-Krankheit, bei denen Sialin, ein membra-
nöses Transportprotein, mutant ist. Dabei bestehen keine Enzymdefekte, sondern die Sialsäure ist vermehrt in Lysosomen angereichert. Mentale Retardierung und faziale Dysmorphien stehen im klinischen Vordergrund, während morphologisch eine lysosomal-vakuoläre Speicherung charakteristisch ist. Subsummiert unter die Sialsäurekrankheiten wird auch die Sialurie, die jedoch nicht durch lysosomale Defekte gekennzeichnet ist, sondern durch eine vermehrte Synthese der Sialsäure zustande kommt, da das entsprechend defekte Enzym, eine Epimerase, nicht lysosomaler Herkunft ist. Sialsäure wird dabei vermehrt im Zytoplasma gespeichert. Weiterhin wird die Sialurie nicht wie die anderen Sialsäuredefekte autosomal-rezessiv, sondern autosomal-dominant vererbt. Klinisch finden sich auch hier faziale Dysmorphie, Skelettanomalien, Epilepsie und eine Entwicklungsverzögerung. Die Mukolipidosen II und III, die allel zueinander sind, wobei die Mukolipidosis III die mildere Form darstellt, beruhen klinisch auf einem Phosphotransferasedefekt, der verhindert, dass lysosomale Enzyme mit Mannose-6-Phosphat (M-P6) verbunden werden. Beim Defekt der Phosphotransferase wird der M-P6-Rezeptor nicht erkannt, und damit werden die funktionell unfertigen lysosomalen Enzyme nicht weiter im endosomallysosomalen System prozessiert, sondern aus der Zelle ausgeschieden und vermehrt im Plasma oder im Kulturmedium nachgewiesen. Die Mukolipidosen II und III haben aufgrund molekularer Natur jüngst eine nomenklatorische Modifikation erfahren [16]. Die Mukolipidosis II und eine Form der Mukolipidose III (auch ML genannt), ML IIIA, sind jeweils durch mutierte D- und E-Untereinheiten eines Gens GNPTAB gekennzeichnet, während eine Variante der ML III, ML IIIC, durch eine weitere
144
Kapitel 6
6
Neurometabolische Krankheiten
b
a
c
d
Abb. 6.9a–d Mukopolysaccharidose II. a Prominente makroskopische Auflockerung der Virchow-Robin-Räume (Pfeile) um Gefäße im Marklager. b Aufgetriebene Nervenzellleiber in der Brückenhau-
be (Pfeile), Luxol-fast blue-PAS. c Elektronenmikroskopisch lysosomale Vakuolisierung von Schwann-Zellen. Mukolipidose I: d mehrere Vakuolen in einem Lymphozyten
Tabelle 6.13 Sial-Krankheiten Name
Genort
Gen
Proteinprodukt
Speicherprodukt
Ultrastruktur
Gewebe/ Organe
Galaktosialidose
20q13.1
PPGB, GSL, NEBE, GLB 2, CTSA
PPCA: protektives Protein/Cathepsin A
Glykopeptide Sialyloligosaccharide
Vakuolär, lamellär
ZNS, PNS, Viszera, Haut
Infantile SialSpeicherkrankheit Salla-Krankheit
6q14q15
SLC17AS, 51ASD, SLD
Sialin (Transportprotein)
N-Azetylneuraminsäure, freie Sialsäure
Vakuolär
ZNS, PNS, Haut, Konjunktiva
Sialurie (nichtlysosomal, dominant)
9p13.3
GLCNE
UDP-GlcNAc2-Epimerase (nichtlysosomal)
freie Sialsäure
Vakuolär
ZNS, Leber (klinisch)
Lysosomale Krankheiten
mutierte J-Untereinheit mit anderem Genort gekennzeichnet ist (s. Tabelle 6.12). Die Mukolipidosis II wird auch als „I-cell“-Krankheit bezeichnet, da sich in kultivierten Fibroblasten typische Einschlüsse nachweisen lassen. Sie kann schon im frühen Kindesalter auftreten und ist durch faziale Dysmorphie und mentale Retardierung gekennzeichnet, während die Mukolipidosis III einen deutlich milderen Verlauf zeigt. Morphologisch findet sich eine lysosomale Vakuolisierung in nichtneuronalen Zellen, während Neuronen avakuoläre lysosomale Residualkörperchen aufweisen. Die Mukolipidose IV, vorwiegend bei Ashkenazi-Juden, aber zunehmend auch bei anderen Patienten beobachtet, geht zurück auf Mutationen in einem Gen, MCOLN1, das ein endosomal-lysosomales membranöses Kanalprotein, Mukolipin 1 (TRPML 1) kodiert, das eine Übersäuerung des lysosomalen Kompartiments verhindern soll. Sein Ausfall führt zur funktionellen Einschränkung verschiedener lysosomaler saurer Hydrolasen mit entsprechender Anreicherung ihrer Substrate, womit die Mukolipidose IV eine lysosomale Speicherkrankheit darstellt. Klinik. Klinisch finden sich mentale Retardierung, Dysmorphien des Skelettsystems sowie Retinopathia pigmentosa. Morphologisch (Tabelle 6.14) liegen den klinischen Symptomen zerebral und in extrazerebralen Organen vakuoläre und avakuoläre lysosomale Residualkörperchen zugrunde, Letztere nicht selten in Form der membranöszytoplasmatischen Körperchen, wie sie bei Gangliosidosen beobachtet werden [3]. Im Zentralnervensystem erscheint diese Speicherung granulär in Nervenzellen sowie in Astrozyten, Mikroglia und Makrophagen als Hinweis auf die Ubiquität der lysosomalen Speicherung. Darüber
145
hinaus ließen sich autoptisch in kortikalen Grauzonen ein Nervenzellverlust sowie makroskopisch Rindenatrophie, ein verschmälertes Corpus callosum und ein Hydrozephalus dokumentieren [40]. Aufgrund gestörter Autophagie [135] kann es zudem zu einer extralysosomalen Proteinaggregation, etwa von p62 im Zytoplasma, kommen [136]. Weiterhin stellen sich vermehrt abgelagerte Lipopigmente, gekennzeichnet durch Autofluoreszenz, dar, die sich elektronenmikroskopisch in der Haut dokumentieren lassen [3].
Oligosaccharidosen, Glykoproteinosen Oligosaccharidosen sind lysosomale Glykoproteinosen, deren Substrate, verschiedenartige Oligosaccharide, normalerweise in kaskadenartiger Abfolge (s. Abb. 6.3), wie Sphingolipide und Mukopolysaccharide, intralysosomal durch saure Hydrolasen abgebaut werden, wobei entsprechende genetisch bedingte Defekte dieser Enzyme zu intralysosomaler Speicherung von Oligosacchariden und zu den entsprechenden Oligosaccharidosen führen. Die lysosomale Speicherung der Oligosaccharide oder Glykoproteine kommt ubiquitär, d. h. auch extrazerebral, vor, so dass eine bioptische Untersuchung möglich ist, die jedoch bei den einzelnen Formen der Oligosaccharidosen keine zusätzlichen krankheitsspezifischen Befunde liefert. Neuropathologie (Tabelle 6.15). Die vakuoläre lysosomale Speicherung in Bindegwebselementen, d. h. Meningen und Gefäßwänden, führt zu einer Verdickung der weichen Hirnhäute. Die Ballonierung von Nervenzellleibern be-
Tabelle 6.14 Neuropathologie der Mukolipidose IV (nach [40]) Makroskopisch
Nervenzellverlust
Granuläre Speicherung
Ultrastruktur
Rindenatrophie Dünnes Corpus callosum Hydrocephalus e vacuo
Ammonshorn Thalamus Substantia nigra Purkinje-Zellen Brückenfuß Untere Olive Spinale Vorderhornzellen
Neuronen in: • kortikalen Laminae II + VI • Pyramidenzellen des Ammonshorns • Nucleus caudatus • Putamen • Amygdala • Globus pallidus • Claustrum • Nucleus dentatus • Nuclei III, IV, X, XII • Nucleus arcuatus • Brückenfuß • Untere Olive • Spinale Vorder- u. Hinterhörner Astrozyten Mikroglia Makrophagen
GefäEwände: • lamellär Neuronen + Astrozyten: • amorph • granulär • lamellär
146
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Tabelle 6.15 Lysosomale Oligosaccharidosen: genetische und neuropathologische Befunde Name
Genort
Gen
Genprodukt
Speicherprodukt
Lysosomale Ultrastruktur
Weitere Neuropathologie
D-Mannosidose E-Mannosidose
5q21-q22 4q22-25
MANA 2 MANB 1
D-Mannosidase E-Mannosidase
Mannosereiche Oligosaccharide
Vakuolär, selten lamellär in Neuronen, vakuolär in Astrozyten u. Gefäßen
Neuronenverlust in Groß- und Kleinhirnrinde mit Gliose, Markscheidenverlust
Fukosidose
1p34
FUCAI
D-Fukosidase
Oligosaccharide, Glykolipide
Lamellär, vakuolär
Nervenzellverlust: Thalamus, Nucleus dentatus, Purkinje-Zellen
Aspartylglukosaminurie
4q34-35
AGA
Aspartyl-E-NAzetylglukosaminidase
Aspartylglukosamin
Vakuolär mit Lamellen in Neuronen, Glia u. Gefäßen, Lipofuszin in Neuronen
Nervenzellverlust regional mit Gliose
M. SchindlerKanzaki
22q11
NAGA
D-N-Azetylgalaktosaminidase
Oligosaccharide, Glykopeptide
Axonale Sphäroide (wohl nicht lysosomalen Ursprungs), Vakuolen
Axonale Spheroide wie bei neuroaxonaler Dystrophie in Typ I (in Typen II und III unbekannt)
6
ruht auf teils lamellären lysosomalen Einschlüssen, teils vakuolär-lamellären Residualkörperchen, die zu einer Blähung der Nervenzellperikaryen, dem Spielmeyer-SchafferProzess, führen. Bei den Mannosidosen sind Nervenzellen weniger häufig, aber auch Astrozyten betroffen. Bei der Aspartylglukosaminurie findet sich auch Lipofuszin vermehrt in Neuronen. Darüber hinaus lässt sich Nervenzellverlust in Groß- und Kleinhirnrinde bei Mannosidosen, im Thalamus und Kleinhirn bei Fukosidose und regional bei der Aspartylglukosaminurie nachweisen. Die extrem seltene Schindler-Kanzaki-Krankheit [26] zeigt bei der Schindler-Form juveniler Art zusätzlich axonale Auftreibungen, ultrastrukturell von der Art der infantilen neuroaxonalen Dystrophie, die jedoch bei älteren Patienten mit der Kanzaki-Form fehlen. Ob die axonale Auftreibung auf den genetischen Enzymdefekt zurückgeht oder hier eine andere, möglicherweise sogar genetische Ursache zugrunde liegt, ist bisher nicht eindeutig geklärt.
Mukopolysaccharidosen I–IX Mukopolysaccharidosen (Tabelle 6.7) sind lysosomale Speicherkrankheiten aufgrund von Defekten solcher Enzyme, die im Normalfall von den Polysaccharidketten entweder endständige Glieder abspalten oder von diesen Gliedern seitenständige Sulfatgruppen entfernen (Abb. 6.2; oder bei einem Schritt, der bei M. Sanfilippo C gestört ist, ein Glied erst seitenständig acetylieren, damit es bei dem folgenden Schritt in dieser Form abgetrennt werden kann). Ursache sind durchweg Mutationen in den enzymkodierenden Genen.
Mukopolysaccharide sind Seitenarme der Proteoglykane (der Proteinanteil ist das „Rückgrat“), die die Interzellularsubstanz der Binde- und Stützgewebe aufbauen helfen. Der lysosomale Abbau der Proteoglykane geschieht (für die extrazellulären Anteile nach Rückaufnahme in die Zelle) durch Zerlegung der Polysaccharid- und Proteinkomponenten; hier geht es um die Zerlegung der Ersteren. Die Differentialdiagnose muss bei der Überschneidung der klinischen Bilder allerdings biochemisch gestellt werden. Die Häufigkeit aller Mukopolysaccharidosen zusammen scheint deutlich geringer als die der Sphingolipidosen zu sein. Die einzig bei M. Hunter bestehende X-chromosomale Vererbung ist zu erwähnen [69]. Klinik. Klinisch kann von einer Abnahme der starken äußeren Stigmata wie allgemeine und faziale Dysmorphie, Minderwuchs und Gargoylismus sowie der starken Knochenbeteiligung (Dysostosis multiplex, insbesondere Schädelhyperostose) bei M. Hurler zu geringeren Stigmata bei M. Hunter und noch geringeren bei M. Sanfilippo gesprochen werden, so dass beim Letzteren wenig äußere Dysmorphie und nur eine Verdichtung des hinteren Schädeldachs übrig bleiben können. Mentale Funktionen bestehen beim M. Hurler, z. B. dem „Kretinismus“, sind beim M. Hunter nur anfangs weniger gestört, gehen aber beim M. Sanfilippo nach zunächst leichterer Entwicklungsverzögerung stark zurück (begleitet von Tetraparese und Epilepsie), wobei die Patienten häufig von Unruhe bzw. Erregtheit befallen sind. Kursorisch gesprochen endet der M. Hurler vor dem 10., der M. Hunter vor dem 30. und der M. Sanfilippo vor dem 20. Lebensjahr tödlich. Hornhauttrübung, Leber-
Lysosomale Krankheiten
147
vergrößerung, Herz- und Gefäßbeteiligung, Schwerhörigkeit, Hernienneigung sind zusätzliche Symptome bei M. Hurler und – teils weniger – M. Hunter. Beim Morbus Morquio A kommt es ab dem 1.–2. Lebensjahr zum dysostotischen, disproportionierten (großer Schädel) Rumpfkleinwuchs. Die Rückenmarkkompression führt teilweise zu schwersten neurologischen und neuromuskulären Zeichen, auch zur Querschnittslähmung. Bulbäre Kompression kann zu kardiorespiratorischem Versagen vor dem 20. Lebensjahr führen. Der Morbus Morquio B beginnt meist etwas später und verläuft leichter, im Prinzip aber ähnlich, mit Überlebenszeiten bis 50 Jahre. Der Morbus Scheie, allel zum M. Hurler, kann dysosteogen oder durch spinale Duraverdickung neurosymptomatisch werden. Die leichte Dysmorphie ähnelt qualitativ jener bei M. Hurler. Der Verlauf erreicht bei adoleszentem Beginn fast normale Lebensdauer. Der Morbus Maroteaux-Lamy verläuft etwa wie Morquio A oder B, der Rumpfkleinwuchs ist weniger betont. Die Dysmorphie (Kopf, Thorax) kann schon postpartal auffallen. Beim Morbus Sly-Neufeld fehlt die dysosteogene Neurosymptomatik; die teils schon postpartale Dysmorphie mit eigenartiger Fazies und z. B. Kielbrust sowie die im Allgemeinen leichtere mentale Retardierung unterliegen großer Variationsbreite, bis zum Tod z. B. im Adoleszentenalter an pulmokardialen Komplikationen. Extrem frühe schwere Fälle (z. B. mit intrauterinem Hydrops) sowie sehr milde, fast dysmorphiefreie Spätfälle sind bekannt. Der Typ IX, nosographisch ohne ein Eponym, kommt extrem selten vor. Die klinische Symptomatik ist durch Minderwuchs und Schädeldysmorphie sowie durch knochen- und gelenkassoziierte Auffälligkeiten gekennzeichnet, während Hinweise für zentralnervöse Defekte fehlen.
rückgehen, weniger Vakuolen. Daneben jedoch ergibt sich oft eine erhebliche Ablagerung von Lipopigmenten mit ultrastrukturell weitestgehend granulärer Feinstruktur, die immunhistologisch sowohl in Perikaryen wie in proximalen Axonspindeln die typischen Lipopigmente der neuronalen Zeroidlipofuszinose mit der Untereinheit C der mitochindrialen ATP-Synthase enthalten [31] und damit Anlass zu einer Verwechslung mit einer echten neuronalen Zeroidlipofuszinose geben können [144], so dass neben dem Nachweis, dass die Gewebe lysosomal vakuolisiert sind, vor allem eine molekulare Differenzierung zwischen Mutationen in MPS- und NCL-Genen notwendig ist. Bei älteren Patienten ist zudem postmortal z. T. ein erheblicher Ausfall von Nervenzellen, vor allem der Großhirnrinde, bei MPS zu konstatieren. Mesenchymale Elemente der Gefäße und des VirchowRobin-Raums, sowie der Meningen, des Stromas vom Plexus chorioideus zeigen eine ausgeprägte Vakuolisierung durch vakuolär-lysosomale Residualkörperchen, die zu einer erheblichen Ausweitung der Bindegewebsräume führen und damit die Leptomeningen deutlich verdickt erscheinen lassen. Die abgelagerten Mukopolysaccharide färben sich intensiv mit PAS und Alcianblau. Die vermehrte histochemische Aktivität der sauren Phosphatase verweist auf die lysosomale Natur der Speicherprozesse in den Nerven- und Bindegewebszellen, wobei die Nervenzellen vermehrt, obwohl bisher quantitativ nicht bestimmt, in den abgelagerten Lipopigmenten Autofluoreszenz aufweisen. Die morphologische Biopsiediagnostik aus der Haut zielt auf den Nachweis vakuolisierter Fibroblasten und Gefäßwandzellen. Ultrastrukturell enthalten die Vakuolen wenig fibrillogranuläres Material, teilweise lamelläre Membrane (in Schwann-Zellen) und erscheinen sonst leer. Auch Lymphozyten sind lysosomal vakuolisiert (Abb. 23.2.a, S. 608).
Neuropathologie (Tabelle 6.16). Neuropathologische Befunde im Zentralnervensystem sind durch drei Aspekte gekennzeichnet: • Läsionen im Parenchym, besonders in den Nervenzellen, d. h. lysosomale Speicherung; • Läsionen der bindegewebigen Komponenten des Zentralnervensystems; • Verdickung von Plexus choroideus, der Meningen (Leptomeninx und Dura mater) und chondroidossären Strukturen mit Kompression besonders von Rückenmark und Hirnstamm.
Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt zunächst durch den Nachweis der erhöhten Mukopolysaccharidausscheidung im Urin. Der einfache metachromasieabhängige Spot-Test nach Berry ist nicht sehr zuverlässig. Die biochemische Bestimmung der Gesamtfraktion und der chromatographisch differenzierten Polysaccharidtypen (Dermatansulfat und Heparansulfat) führt meist zum Erfolg. Es schließen sich die Aktivitätsbestimmung von bis zu 11 Enzymen meist aus gezüchteten Hautfibroblasten, Blutleukozyten oder auch pränatalem Gewebe und neuerdings die molekulare Analyse an.
Besonders bei den MPS-Formen I und II [80], III [108] sowie IVA [62] zeigen Nervenzellleiber einen deutlichen Schaffer-Spielmeyer-Prozess der Auftreibung durch lysosomale Speicherung, nicht selten auch mit Auftreibung proximaler Axonspindeln oder Meganeuriten. Diese Lysosomen enthalten elektronenmikroskopisch Zebrakörperchen und andere lamelläre Strukturen, die auf eine Speicherung von Glykolipiden und Sphingolipiden zu-
Neuronale Zeroidlipofuszinosen Die neuronalen Zeroidlipofuszinosen (NCL; Tabelle 6.17) [55], im angloamerikanischen Sprachraum als BattenKrankheit bezeichnet, sind die häufigsten neurodegenerativen Krankheiten des Kindesalters mit einer Häufig-
148
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Tabelle 6.16 Neuropathologische Befunde bei Mukopolysacharidosen Typ
Lysosomale Speicherung
MPS I
Weite perivaskuläre Räume, verdickte Leptomeningen Ballonierte Neuronen in Großhirnrinde, Stammganglien, Hirnstamm, Rückenmark
• Hurler
6
Ultrastruktur der Lysosomen
Weitere Befunde
Vakuolär in leptomeningealen und perivaskulären Zellen mit lamellären Einschlüssen, Zebrakörperchen und Lipofuszin in Neuronen Vakuolär in Gefäßwandzellen
Nervenzellverlust im Thalamus, Marklagerabblassung
• Scheie
Nicht in Nervenzellen, nur Gefäßwandzellen
MPS II
Neuronen in Großhirnrinde, subkortikal, Hirnstamm, Rückenmark, Gefäßwand- und Bindegewebszellen
Membranös-zytoplasmatisch, Zebrakörperchen, granuläres Lipofuszin in Neuronen, vakuolär in Mesenchymzellen
Neuronenverlust: Großhirnrinde, Purkinje-Zellen, Entmarkung im Marklager
MPS IIIA
Neuronen der Großhirnrinde, Putamen, Ammonshorn, Thalamus, Pallidum, Hypothalamus, Hirnstamm, Kleinhirn, Rückenmark
Lamellär mit Lipidtropfen, Zebrakörperchen, membranös-zytoplasmatisch in Neuronen, inkl. Dendriten der Purkinjezellen und Lipofuszin in Neuronen
Atrophie von Großhirnrinde und Markabblassung, weite Ventrikel, Nervenzellverlust in Großhirnrinde und Thalamuskernen
MPS IIIB
Neuronen in Großhirnrinde, Stammganglien, Thalamus, Hypothalamus, Hirnstamm, Kleinhirn, Rückenmark
Zebrakörperchen, membranös-zytoplasmatisch in Neuronen in den Dendriten und Gliazellen und Astrozyten, vakuolär in Perizyten und Lipofuszin in Neuronen
Neuronenverlust in Großhirnrinde, erweiterte perivaskuläre Räume mit Makrophagen, Spheroide in Axonen
MPS IIIC
Neuronen wie IIIA
Membranös-granulovaskuolär, kleine Zebrakörperchen in Neuronen inkl. Astrozyten, vakuolär in Perizyten
Atrophie von Hirnrinde und Marklager, weite Ventrikel, Neuronenverlust in Nucleus medialis des Thalamus und Pulvinar
MPS IIID
Leptomeningeale und perivaskuläre Makrophagen, Neuronen, Großhirnrinde, Ammonshorn, Stammganglien, Purkinje-Zellen
Lamellär mit Lipidtropfen in Neuronen, vakuolär in Bindegwebszellen und Lipofuszin in Neuronen
Wenig Neuromelaninpigment in Substantia nigra, Verlust von Purkinjezellen, axonale Spheroide
MPS IVA
Ballonierte Neuronen in Großhirnrinde, besonders Pyramidenzellen III. u. V. Schichten, Ammonshorn, Stammganglien, Thalamus
Lamellär mit Lipidtropfen, selten Zebraund membranös-zytoplasmatische Körperchen sowie Lipofuszin in Neuronen
MPS IVB
In Gefäßwänden und anderen Bindegewebsformationen
Lysosomale Vakuolen
Keine für das Zentralnervensystem bekannt
MPS VI [59]
Pyramidenzellen der Großhirnrinde, Purkinjezellen, Vorderhornneurone
Vakuolär-membranös in Fibroblasten
Spinale Myelopathie durch Kompression möglich; verdickte Dura zervikal
MPS VII [137]
Neuronal ausgeprägt: Hippokampus, Substantia nigra, untere Oliven, Vorderhornzellen, Mäßig stark: Großhirnrinde, Mittelhirn Wenig: Sommersektor, Purkinje-Zellen, Striatum, Brückenfuß, Glia, auch autofluoreszierend
Selten Zebrakörperchen, lamellär mit Lipidtropfen
Nervenzellverlust: Substantia nigra, spinales Vorderhorn
Lysosomale Krankheiten
149
Tabelle 6.17 Aktueller nosographischer Stand der Neuronalen Zeroid-Lipofuszinosen (NCL) Klinische Formen/Eponym
Gen
Chromosom
Genprodukt
Ultrastruktur der Lipopigmente
NCL, infantile (INCL) Santavuori-Haltia
CLN1/PPT1
1p32
Lysosomale Palmitoyl-ProteinThioesterase 1 (PPT 1)
Granuloosmiophile Deposite (GROD)
NCL, spätinfantile (LINCL) Jansky-Bielschowsky
CLN2/TPP1 CLN1
CLN2: 11p15
Lysosomale Tripeptidyl-Peptidase 1 (TPP 1)
Curvilineäre Profile (CP)
NCL, juvenile (JNCL) Spielmeyer-Sjögren-Vogt
CLN3, CLN1 CLN9, CLN10
CLN3: 16p12
Transmembranöses CLN3-Protein (Battenin) in Lysosomen
Fingerabdruckprofile (FP)
NCL, adulte (ANCL) Kufs (autosomal-rezessiv) Parry (autosomal-dominant)
CLN4, CLN1, CLN5, CLN6 DNAJC5
CLN4: unbekannt 20q13.33
Unbekannt
Granulär, CP, FP
Cysteine string protein alpha
Granulär (GROD)
NCL Finnische Variante (vLINCL)
CLN5
13q31-32
Lösliches CLN5-Protein in ER?, Golgi-Apparat?, Lysosomen?
CP, FP
NCL, frühjuvenile Indische-/ Tschechische Roma-Variante (eJNCL/aLINCL) teilweise Lake-Cavanagh
CLN6
15q21-23
Transmembranöses CLN6-Protein
CP, FP
NCL, spätinfantile Türkische Variante (vLINCL)
CLN7/MFSD8
4q28.1-2
Transmembranöses CLN7-Protein in Lysosomen
CP, FP
„Nordische Epilepsie“
CLN8
8p23
Transmembranöses CLN8-Protein des ER und ER-Golgi-Kompartiment
CP, FP
NCL, juvenile (JNCL)
CLN9
Unbekannt
Unbekannt
Granulär, CP, FP
NCL, kongenitale + juvenile (CNCL)
CLN10/CTSD
11p15
Cathepsin D
Granulär
ER Endoplasmatisches Retikulum
keit von etwa 1:12.500. Die kindlichen Formen werden autosomal-rezessiv vererbt, während die adulte Form dem autsosomal-rezessiven oder autosomal-dominanten Erbgang folgt oder sporadisch auftreten kann, also als eigene klinische Altersgruppe der NCL selbst genetisch inhomogen ist. Auch die kindlichen Formen sind genetisch heterogen, wobei die Gene auf verschiedenen Chromosomen (Tabelle 6.17) als CLN-Gene bezeichnet werden. Die entsprechende genetische NCL-Form heißt daher nach der modernen, d. h. genetischen Klassifikation CLNX-Krankheit mit dem Zusatz infantil, juvenil oder adult. Bisher sind die Entitäten CLN1 bis CLN10 bekannt, wobei die Bezeichnungen CLN4 und CLN9, Erstere für die adulte Form, Letztere für eine extrem seltene unklare juvenile Form, bisher chromosomal nicht festgelegt sind, aber die adulte CLN4-Form höchstwahrscheinlich auch mehreren teils neuen unbekannten Genorten zuzuordnen sein wird. In wenigen Fällen jedoch sind bei adulten Patienten mit NCL Mutationen in den Genen CLN1 oder CLN5 dokumentiert worden, so dass auch die Möglichkeit besteht, dass alle adulten Patienten Mutationen von
lediglich bekannten oder unbekannten pädiatrischen Genformen haben könnten. Einige bekannte Gene (CLN1/ PPT1, CLN2/TPP1, CLN10/CTSD) der NCL kodieren lysosomale Enzyme, d. h. lysosomale Proteasen, andere bekannte Gene (CLN3, CLN5, CLN6, CLN7/MFSD8, CLN8) kodieren transmembranöse oder lösliche Proteine der Lysosomen oder ihrer Vorläuferstadien. Die Funktionen dieser nichtenzymgebundenen Proteine sind weitestgehend unbekannt. Die gegenseitigen physiologischen Interaktionen einzelner NCL-Genprodukte erklären, warum bei allen NCL Lipopigmente vermehrt intrazellulär gebildet und intralysosomal gelagert und angereichert bleiben. Darum werden die NCL jetzt auch endgültig als lysosomale Krankheiten angesehen. Während die enzymbezogenen NCL-Krankheiten CLN1, CLN2, und CLN10 biochemisch und molekular und somit auch pränatal diagnostiziert werden können, besteht bei den durch Strukturproteindefekte bedingten NCL-Formen CLN3, CLN5, CLN6, CLN7 und CLN8 nur eine pränatale molekulare Diagnosemöglichkeit, die durch elektronenmikroskopische Gewebeuntersuchungen gezielt gefördert (CLN1,
150
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
6
a
b
c
f
d
e
g
j
h
i
k
Lysosomale Krankheiten
CLN2, CLN3) oder beeinflusst (CLN5 bis CLN8) werden kann, so dass heute eine biochemisch-genetische Enddiagnose bei fast jedem betroffenen Kind mit NCL möglich und erstrebenswert ist. Zwar gibt es bei den einzelnen Genen der NCL Schwerpunktmutationen, die zum Teil Gruppen bestimmter ethnischer Zugehörigkeit zugeordnet werden können, jedoch sind andere Mutationen über die gesamten Gene verteilt. Eine Website (www.ucl.ac.uk/ncl) gibt über den jeweils aktuellen Stand der Mutationsspektren von NCL-Genen Auskunft.
151
Klinik. Die NCL sind gekennzeichnet durch ein Quintett von klinischen Symptomen: familiäres Auftreten, Bewegungsstörungen, Demenz, epileptische Anfälle oft vom Myoklonustyp sowie Sehstörungen außer bei der adulten Form, die im Rahmen der NCL durch fehlende Sehstörung und fehlende Retinapathologie definiert ist. Die einzelnen klinischen Formen der NCL des Kindesalters sind nach unterschiedlichem Krankheitsbeginn in der vormolekularen Ära als kongenital, infantil, spätinfantil, früh-juvenil, juvenil und adult eingeteilt worden, die nur bedingt mit unterschiedlichen genetischen Formen korrelieren. Einzelne Komponenten dieses klinischen Symptomquintetts sind charakteristischerweise als Erstsymptome bestimmten klinischen Formen zugeordnet worden, so das Erstsymptom Epilepsie der CLN2 und das Erstsymptom Sehstörungen der CLN3. Alle NCL sind progrediente Krankheiten, zum Teil mit in der Kindheit oder Jugend letal endendem Krankheitsverlauf. Dieser ist im Allgemeinen umso länger, je später die Krankheit beginnt. Neben diesen klinischen oder klassischen Grundformen der NCL gibt es Varianten, besonders spätinfantile Varianten, die vier verschiedenen Genen (CLN5, CLN6, CLN7/MFSD8, CLN8) zugeordnet werden können. Ursprünglich wurde die spätere CLN6-Form auch als frühjuvenile Form bezeichnet. Nach Kenntnis der verschiedenen NCL-Gene sind zusätzliche Varianten bekanntgeworden, bei denen praktisch genotypisch-phenotypische Korrelationen nicht bestehen, etwa spätinfantile, juvenile oder adulte Patienten mit Mutationen im CLN1/ PPT1-Gen, kongenitale oder juvenile Patienten mit Mutationen im CLN10/CTSD-Gen, spätinfantile oder adulte Patienten mit Mutationen im CLN5-Gen.
Neuropathologie (Abb. 6.10). Die NCL sind neuropathologisch durch zwei Hauptmerkmale gekennzeichnet: den Verlust von Nervenzellen, vor allem in der Großhirnrinde, auch die Kleinhirnatrophie kann deutlich ausgeprägt sein, sowie die vermehrte intrazelluläre Bildung und Ablagerung von Lipopigmenten. Die Beziehung dieser beiden Merkmale zueinander oder ihr Einfluss aufeinander sind bisher unbekannt. Jedoch ist höchstwahrscheinlich der Verlust von Nervenzellen für klinische Ausfallserscheinungen verantwortlich; die Lipopigmentablagerung, deren klinische Auswirkung weitestgehend unbekannt ist, stellt jedoch die Basis der morphologischen Diagnostik dar. Ein Nervenzellverlust trifft vornehmlich Groß- und Kleinhirnrinde, oft umso ausgeprägter, je früher der Krankheitsprozess einsetzt. Beim Tod des an NCL erkrankten Patienten zeigt daher die infantile Form eine hochgradige Großhirnatrophie, besonders der Rinde, die auch bei der spätinfantilen Form deutlich, aber weniger exzessiv ist. Bei juvenilen und adulten Formen ist sie geringer, bei der adulten Form nicht selten fehlend. Bei den klinischen Frühformen der NCL sind die Marklager deutlich verschmälert, die Ventrikel und äußeren Liquorräume verbreitert. Bei der juvenilen Form ist die Substantia nigra abgeblasst, der Nervenzellenverlust bedingt offenbar die Ursache für Parkinson-artige motorische Auffälligkeiten. Der Zellverlust in der Substantia nigra weist auch auf einen subkortikalen Nervenzellverlust hin, dessen Ausmaß in den einzelnen subkortikalen grauen Zonen, einschließlich des Rückenmarks, quantitativ bisher nicht zuverlässig erfasst worden ist. Schon mit bloßem Auge erkennbar, ist die Retina vor allem bei der infantilen und juvenilen NCL hochgradig atrophisch. Die Ursache des Nervenzellverlusts ist bisher weitestgehend unbekannt, jedoch beginnen degenerative Prozesse wohl bereits in den Nervenzellfortsätzen, bevor sie Nervenzellleiber erreichen, selbst wenn in Nervenzellfortsätzen dentritischer oder axonaler Art Lipopigmente kaum abgelagert sind, was durch Mikrogliaaktivierung gekennzeichnet ist, selbst wenn Nervenzellleiber noch vorhanden sind. Die Folge ausgiebigen Nervenzellverlusts in der Großhirnrinde, vor allem bei den frühkindlichen Formen, ist ein Verlust von Markfasern; dem entspricht auch
Abb. 6.10a–k Neuronale Zeroidlipofuszinose. a Hochgradige Atrophie des Großhirns mit Erweiterung des Seitenventrikels, infantile Form. b Deutliche Atrophie des Kleinhirns, infantile Form. c Verbreiterter Subarachnoidalraum zwischen zwei gegenüber liegenden Rindenregionen, deren Zellpopulation fast ausschließlich aus Gliazellen nach Verlust der Nervenzellen besteht, infantile Form, Hämatoxylin-Eosin. d Aufgetriebene Nervenzellen durch dichtgepackte granuläre Lipopigmente, Vorderhorn des Rückenmarks, spät-infantile Form, Aldehyd-Fuchsin. e Autofluoreszierende Lipopigmente in Nervenzellen mit aufgetriebenen proximalen Axonspindeln/Mega-
neuriten und in Gliazellen, adulte Form. f Ablagerung der Untereinheit der mitochondrialen ATP-Synthase in Nerven- und Gliazellen, z. T. Auftreibung proximaler Axonspindeln/Meganeuriten (Pfeile), juvenile Form. g Ablagerung von Sphingolipidaktivatorproteinen in Nervenzellen (Pfeile). h Elektronenmikroskopisch Ablagerung granulierter Lipopigmente (Pfeile) in einem Lymphozyten, infantile Form. i elektronenmikroskopisch Aggregation kürvilineärer Körperchen und Profile, spät-infantile Form. j Intrazellulär immunhistochemischer Nachweis des TPP1-Proteins, infantile Form. k Immunhistochemisches Fehlen des TPP1-Proteins, spät-infantile Form
152
6
Kapitel 6
eine Markscheidenarmut sowie eine Faserbildung durch Astrozyten in grauen und weißen Regionen des Zentralnervensystems. Gemeinsam ist allen NCL-Formen die intralysosomale Ablagerung von Lipopigmenten. Diese Lipopigmente befinden sich vor allem in Nervenzellleibern und proximalen axonalen Segmenten, sog. Axonspindeln oder Meganeuriten wie auch bei anderen neuronalen lysosomalen Krankheiten. Lipopigmente zeigen als lysosomale Residualkörperchen eine vermehrte Aktivität des enzymhistochemischen lysosomalen Markers, saure Phosphatase, und sie unterscheiden sich von anderen lysosomalen Speicherprodukten durch Autofluoreszenz. Die Zusammensetzung der Lipopigmente ist biochemisch noch unvollständig bekannt, jedoch zeigen sich vermehrt Sphingolipid-Aktivatorproteine A und D (SAPs) in CLN1 und CLN10 sowie die Proteinuntereinheit C der mitochondrialen ATP-Synthase (SCMAS) bei CLN2–CLN8. Diese Proteine lassen sich immunhistochemisch eindrucksvoll dokumentieren. Es handelt sich hierbei nicht um mutierte Proteine, da Mutationen in den entsprechenden SAP- und SCMAS-Genen nicht für NCLFormen verantwortlich sind. Andererseits sind Produkte der NCL-Gene bisher nicht zuverlässig als Bestandteil der Lipopigmente identifiziert worden. Lipopigmente finden sich auch in Astrozyten und mesenchymalen Zellelementen, insbesondere Makrophagen, die in depopulierten grauen Zonen reichlich vorkommen. Während die Lipopigmente lichtmikroskopisch infolge der Intensität von SAPs und SCMAS weitestgehend homogen erscheinen, differiert ihre Ultrastruktur bei den verschiedenen klinischen und genetischen Typen. Bei CLN1 und CLN10 finden sich die granuläre Feinstruktur der Lipopigmente, GROD (granuläre osmiophile Deposite) genannt), bei CLN2 kurvilineäre Profile, bei CLN3 Fingerabdruckprofile, bei CLN5–CLN8 gemischte Fingerabdruck- und kurvilineäre Profile, bei adulter NCL alle drei verschiedenen Formen, so dass die elektronenmikroskopische Diagnostik der Lipopigmente durch die differente Ultrastruktur einen Hinweis auf zugrunde liegende Genstörungen bieten kann, in der vormolekulären Ära auch die definitive Diagnose einer NCL sicherte. Mit einem Antikörper gegen das TPP1-Protein lässt sich dessen Mangel bei CLN2 immunhistochemisch dokumentieren. Vor allem ultrastrukturell sind diffentialdiagnostisch das reguläre Lipofuszin oder Alterspigment einerseits und die feine granuläre homogene Struktur der Lipopigmente bei Vitamin-E-Mangel andererseits abzugrenzen. Das ubiquitäre Vorkommen von Lipopigmenten, auch außerhalb des Zentralnervensystems, ermöglicht die intravitale elektronenmikroskopische Diagnostik in zahlreichen Zelltypen, Geweben und Organen, präferentiell in Blutlymphozyten, sekretorischen Anteilen ekkriner Schweißdrüsen, glatten Muskelzellen und Gefäßwandzellen der Haut, in quergestreiften Muskelfasern oder in
Neurometabolische Krankheiten
der Konjunktiva, wobei auch hier eine gute genotypischphenotypisch-morphotypische Korrelation zwischen GROD und CLN1, kürvilineären Profilen und CLN2 sowie Fingerabdruckprofilen und CLN3 besteht. Bei letzterer Form sind zusätzlich die zirkulierenden Blutlymphozyten vakuolisiert, wobei nur einige Vakuolen Fingerabdruckprofile aufweisen, während eine exakte variantentypische Genotypisiernung-Phenotypisierung-Morphotypisierung bei den einzelnen spätinfantilen Varianten der NCL versagt. Jedoch reicht die Ausstrichtechnik von Blutzellen bei CLN3 zur Diagnose aufgrund von lymphozytären Vakuolen nicht aus, da auch Mitochondrien in Lymphozyten bei unzureichender Präparation ausgeprägt vakuolisiert sein und somit lysosomale NCL-Vakuolen vortäuschen können. Fingerabdruckprofile in vakuolären Lysosomen der Lymphozyten, typisch für CLN3 und die klassische juvenile NCL, lassen sich jedoch auch bei einzelnen Mukopolysaccharidosen dokumentieren. Pränatal lassen sich Lipopigmente bereits nachweisen, bei CLN1 in Gefäßwandzellen des Chorion, in Amnionzellen kürvilineäre Profile bei CLN2 und eigenartige Lipopigmentstrukturen im Chorion bei CLN3, während bei den anderen NCL-Varianten pränatale elektronenmikroskopische Befunde bisher nicht bekannt geworden sind. Bei der adulten NCL finden sich verschiedene ultrastrukturelle Muster der Lipopigmente im Zentralnervensystem, GROD bei der dominanten Form und bei CLN1, kurvilineäre und Fingerabdruckprofile bei der autosomalen-rezessiven Form, die auch extrazerebral, z. B. in Haut, Skelettmuskelfasern und Rektum (Abb. 23.2c, S. 608) gleichartige kurvilineäre und Fingerabdruckprofile aufweisen. Die Retina zeigt bei adulter NCL, neben der Erhaltung aller Zellschichten, dennoch NCL-spezifische Lipopigmente in Nervenzellen, vor allem vom Ganglionzelltyp. Bei einzelnen andersartig definierten lysosomalen Krankheiten wie Mukolipidose II, Mukolpolysaccharidosen, finden sich vermehrt Lipopigmente neben den krankheitsspezifischen intralysosomal gespeicherten Substraten.
Typ-II-Glykogenosen und andere seltene neurolysosomale Krankheiten Während die Mehrzahl der lysosomalen Krankheiten unterschiedlicher genetischer Herkunft verschiedenen Gruppen, den Sphingolipidosen, den Mukopolysaccharidosen, den Mukolipidosen oder den Oligosaccharidosen zuzuordnen sind, finden sich wenige, die mit ihrem genetischen Defekt isoliert dastehen (Tabelle 6.18). Bei zwei auf lysosomalen Hydrolasedefekten beruhenden Entitäten, der Typ-2-Glykogense und dem M. Wolman, werden jeweils Glykogen- bzw. Neutralfette intralysosomal gespeichert und zeigen die gleiche Ultrastruktur wie entsprechendes extralysosomales Glykogen oder Fett, so
Lysosomale Krankheiten
153
Tabelle 6.18 Andere lysosomale Krankheiten mit Hirnbeteiligung Krankheit (Name/Eponym)
Genort
Gen
Genprodukt
Speicherprodukt
Lysosomale Ultrastruktur
ZNS-Neuropathologie
M. Wolman/ CholesterylesterSpeicherkrankheit
10q24-q25
LIPA
Saure Lipase
Triglyzeride, Cholesterinester
Neutralfette, Cholesterinnadeln
Neutralfett in Gliazellen und Gefäßwandzellen, Meningen, Neuronen des Hirnstamms, Purkinje-Zellen
Glykogenose Typ II (infantil: M. Pompe)
17q25.2q25.3
GAA
α-1-4-Glukosidase/ saure Maltase
Glykogen
Glykogen
Adult: lysosomales Glykogen in Gefäßwänden, Aneurysmen Infantil: ballonierte, spinale Vorderhornzellen, Glykogen in Gliazellen und Neuronen
M. Danon
Xq24
LAMP2
Lysosomales Membranprotein LAMP2
Zellbestandteile
Autophagozytiertes Zellmaterial
Nicht bekannt
„Action-Myoclonus-Renal Failure“-Syndrom
4q13-q21
LIMP2/ SCARB2
Lysosomales Membranprotein LIMP2
Lipopigment
Elektronendichte, teils lamelläre Einschlüsse
Ablagerung von autofluoreszierendem Material in Astrozyten(?), Laminae I + II, Hirnrinde, Pallidum, Putamen, Bergmann-Glia des Kleinhirns
Zystinose
17p13
CTNS
Zystinosin
Zystin
Membrangebundene Kristalle in Perizyten und Glio(Oligo?)zyten, Neurone(?)
Zystische Nekrose, dystrophische Verkalkung und Entmarkung in Mark und Stammganglien, Spongiose der Hirnrinde
dass ultrastrukturell der lysosomale Charakter dieser Ablagerung nur durch die lysosomale Membran erkennbar ist. Gemäß der ubiquitären Ablagerung von intralysosomalem Glykogen in einer Vielzahl von Zellverbänden und Organen befindet sich intralysosomales Glykogen auch hereditär im Gehirn, insbesondere auch in Nervenzellen, nicht nur bei der infantilen, sondern auch bei postinfantilen Formen [72]. Andere lysosomale Entitäten gehen auf defekte lysosomale Membranproteine, LAMP2, bei der Danon-Krankheit (Abb. 30.5d, S. 707) und LIMP1 beim Syndrom „Aktionsmyoklonie mit Nierenversagen“ („action myoclonus renal failure“) zurück, das durch die Bildung und Ablagerung unspezifischer Lipopigmente gekennzeichnet ist. Während die klinisch verschiedenen Formen der Typ-2Glykogenose, die infantile Form wird auch als M. Pompe bezeichnet, im Spektrum lysosomaler Krankheiten recht häufig sind, stellen die anderen drei Entitäten Raritäten dar, deren ZNS-Befall klinisch auffällig, morphologisch aber noch nicht ausreichend charakterisiert ist. Die Zystinose zeigt einen Defekt des lysosomalen Zystinexports [42], bei schweren Formen renale Rachitis,
fatale Urämie, neuropathologisch Zystinkristalle in Plexus und Meningen, evtl. symmetrische Läsionen in der inneren Kapsel und Brückenarm.
Okulozerebrorenales Syndrom (Lowe-Syndrom) Es handelt sich um eine lysosomale Störung des speziellen Phospholipidstoffwechsels [82]. Phosphatidylinositolphosphate (PIP) mit wechselnder Anzahl von Phosphatgruppen am Inositol sind in der Signaltransduktion aktive Phospholipide, die z. B. mit dem lysosomassozierten Vesikeltransport, speziell den mit Clathrin ausgestatteten Vesikeln, zu tun haben. Der normale Abbau der PIP bedient sich verschiedener Phosphatasen, eine davon ist die vom OCRL-(Oculocerebrorenal-Lowe-)Gen auf dem X-Chromosom kodierte, dann lysosomal lokalisierte OCRL-Phosphatase mit Aktivität gegenüber verschiedenen PIP (als Lipidsubstraten) und Inositolphosphaten. OCRL-mutierte, d. h., den Lowe-Genotyp besitzende
154
6
Kapitel 6
Zellen akkumulieren in vitro PIP im Sinne einer Lipidspeicherung. Klinisch bietet das Lowe-Syndrom bei den minderwüchsigen Knaben kognitive Beeinträchtigungen, bestimmte repetitive Verhaltensstörungen, anfallsweise Temperaturerhöhung, Katarakt und andere Sehbeeinträchtigungen (später Blindheit) sowie ein renales Fanconi-Syndrom schon von Geburt an. Laborchemisch sind verschiedene lysosomale Enzyme im Plasma erhöht, offenbar als Zeichen eines gestörten Umsatzes von Lysosomenmembranen; Mukopolysaccharidveränderungen sind wohl inkonstant. Neuropathologisch findet man Hydrozephalus, Balkenverschmälerung, meningeale Fibrose, Pachygyrie, Mikrogyrie, mikroskopisch rarefizierte Molekularschicht, Nervenzellschrumpfung, Alzheimer-II-Glia, auch fibrilläre Gliose, einzelne Entmarkungsherde, in den Stammganglien Gefäßproliferate mit lumenzugewandten Granulationen sowie Verkalkungen, im Kleinhirn PurkinjeZell-Verlust, Gliaknötchen im Marklager, im Rückenmark geringfügige Entmarkung, evtl. starke Gliose. Vermutlich beruhen nicht alle beschriebenen Fälle der Krankheit auf Mutationen im OCRL-Gen. Das LoweSyndrom nimmt wohl eine Sonderstellung bei den lysosomalen Störungen ein, obwohl es Analogien zu einigen Formen hat.
Peroxisomale Krankheiten Peroxisome sind membranbegrenzte Organellen in denen, neben anderen Stoffwechselprozessen, vor allem die Beta-Oxidation, die Alpha-Oxidation und die OmegaOxidation von Fettsäuren stattfindet. Im Gegensatz zur licht- und elektronenmikroskopisch deutlichen lysosomalen Pathologie ultrastrukturell verschiedener Speicherprodukte, finden sich bei peroxisomalen Krankheiten fehlende oder numerisch reduzierte, verkleinerte, unauffällige sowie auch vergrößerte Peroxisomen, am ehesten in Leberparenchym und Nierentubulusepithelien. Wenn auch das ultrastrukturelle Bild von Zelleinschlüssen bei den peroxisomalen Krankheiten (Tabelle 6.19) nicht die Reichhaltigkeit ultrastruktureller Muster pathologischer Lysosomen aufweist, so lassen sich doch Makrophagen zerebral und extrazerebral demonstrieren, die nadelartige Einschlüsse und lamelläre Profile tragen. Diese strukturieren sich nicht selten in einer Form, die an membranös zytoplasmatische Körperchen der Gangliosidspeicherung erinnern [92]. Andere Einschlüsse sind häufig membranumgeben und deuten auf eine lysosomale, wohl sekundäre Lokalisation. Daneben sind spaltenartige Einschlüsse beschrieben. Im Zentralnervensystem befinden sich elektronenmikroskopisch solche Einschlüsse neben den Makrophagen vor allem in Astrozyten sowie in Nervenfasern und einzelnen Nervenzellen der
Neurometabolische Krankheiten Tabelle 6.19 Elektronenmikroskopie bei peroxisomalen Krankheiten Zelltypen
• • • • • • •
Makrophagen Astrozyten Seltener Oligodendrozyten Nervenzellen der Clarke-Säule Zellen der Nebenniere Schwann-Zellen Retinale Ganglionzellen
Formen
• • • •
Intrazellulär
• Zytoplasmatisch, membrangebunden, lysosomal (gelegentlich mit Lipofuszin)
Strukturmuster
• • • •
Zellweger-Syndrom (auch fetal) Infantiler Morbus Refsum Neonatale Adrenoleukodystrophie Klassische Adrenoleukodystrophie und Adrenomyeloneuropathie • Klassischer Morbus Refsum
Lamelläre Körperchen Lamelläre und nadelartige Profile Lamellär-spaltartige Einschlüsse „Anguläre“ Lysosomen
Clarke-Säule des Rückenmarks. Extrazerebral sind besonders Zellen der Nebenniere betroffen. Diese ultrastrukturellen Profile erlauben daher elektronenoptisch auch außerhalb des Zentralnervensystems eine peroxisomale Krankheit zu diagnostizieren. Besonders häufig zeigen sich diese ultrastrukturellen Profile beim Zellweger-Syndrom, hier schon während der Fetalperiode. Während lysosomale Krankheiten reine Stoffwechselabbaukrankheiten darstellen, bestehen bei peroxisomalen Krankheiten Abbau-, vorwiegend der Fettsäuren, wie auch Synthesestörungen, die sich im Extremfall durch das Fehlen von Peroxisomen in entsprechenden Geweben auch morphologisch dokumentieren lassen. Daher sind peroxisomale Krankheiten ebenfalls, wenn auch nicht ausschließlich, durch Entwicklungsstörungen, also Missbildungen, gekennzeichnet [115], und sie beginnen daher oft bereits pränatal. Peroxisomale Krankheiten erscheinen in drei Gruppen [109]: • Peroxisomale Biogenesekrankheiten (PB; Tabelle 6.20): Wegen der klinischen und morphologischen Ähnlichkeiten werden die beiden ersten PB-Krankheiten als Zellweger-Spektrum [92] oder Zellweger-SyndromSpektrum [115] bezeichnet. • Einzelne peroxisomale Proteindefekte, z. T. auch als „Pseudo-Zellweger-Syndrom, Pseudo-NALD oder Pseudo-IRK“ (Tabelle 6.21) [140] bezeichnet: Nicht alle Proteindefekte, von denen die meisten enzymatischer Natur sind, betreffen das Nervensystem, z. B. die Katalase, während der Phytansäure-Hydroxylase-
Peroxisomale Krankheiten
155
drom [109]. Diese im ersten Lebensjahr zum Tode führende, also schwerer als die schwerstverlaufende kindliche Form der Adrenoleukodystrophie, basiert auf einer Deletion, die nicht nur das ABCD1-Gen der Adrenoleukodystrophie, sondern auch das Nachbargen BEAP31/ DXS 1357E umfasst. Dieses bei drei nicht miteinander verwandten männlichen Säuglingen beobachtete Krankheitsbild stellt neuropathologisch eine Leukoenzephalopathie mit verzögerter Myelinisierung dar [20].
Tabelle 6.20 Peroxisomen-Biogenese-Krankheiten [PBK] (nach [115]) Typ
Gen
Zellweger-Syndrom
PEX 1, 2, 3, 5, 6, 10, 12, 13, 14, 16, 19, 26
Neonatale Adrenoleukodystrophie
PEX 1, 5, 6, 10, 12, 13, 26
Infantile Refsum-Krankheit
PEX 1, 2, 6, 12, 26
Rhizomele Chondrodysplasia punctata
PEX 7
Mildere PBK
PEX 12
Peroxisombiogenesestörungen (Zellweger-Syndrom, neonatale Adrenoleukodystrophie, infantiles Refsum-Syndrom)
Defekt vorwiegend das periphere Nervensystem und die Retina neben anderen Organen bei der Refsum-Krankheit (s. Kap. „Peripheres Nervensystem“) schädigt. Die Neuropathologie einzelner peroxisomaler Enzymdefekte zeigt vielfach ähnliche Befunde wie bei der Neuropathologie von peroxisomalen Biogenesestörungen. Bei einzelnen seltenen peroxisomalen Enzymdefekten ist das Läsionsspektrum im Zentralnervensystem auch noch unvollständig bekannt. Die beiden bekanntesten peroxisomalen Singulärdefekte jedoch, Adrenoleukodystrophie/Adrenomyeloneuropathie und M. Refsum, vielfach auch Erkrankungen des Jugend- und Erwachsenenalters, zeigen etliche Abweichungen in der Neuropathologie von den frühkindlichen peroxisomalen Krankheiten, da vor allem bei Adrenoleukodystrophie und M. Refsum neuropathologische Entwicklungsstörungen, also Missbildungen, fehlen. • Ein Syndrom, gekennzeichnet durch eine, zwei benachbarte Gene betreffende Deletion [20], das CADDS oder „Contiguous-ABCD1-and-DXS1,3,5,7E-gene“-Syn-
Zellweger-Syndrom (ZS), neonatale Adrenoleukodystrophie (NALD) und infantiles Refsum-Syndrom (IRS), als Peroxisombiogenesestörungen zusammengefasst, sind mit der rhizomelen Chondrodysplasia punctata Typ 1 meist (spät)infantil fatal endende neuro- und allgemein dysmetabolische Prozesse, die durch fast globale Ausfälle peroxisomaler Funktionen hervorgerufen werden [69, 109]. Beim ZS (zerebrohepatorenales Syndrom, schwerste Peroxisombiogenesestörung) und meist auch bei NALD (weniger schwer) und teils IRS (evtl. mild) sind normale peroxisomale Strukturen nicht vorhanden. Ursache sind Mutationen in bis zu 13 Genen (PEXGene, bei ZS bisher 12 Gene, oft PEX1, bei NALD 7 Gene, bei IRS 5 Gene), für Faktoren, die zur Biogenese und Funktion der Peroxisomen notwendig sind („peroxisome assembly factors“). Die Faktoren sind Proteine, die den Transport anderer Proteine in die Peroxisomen steuern und teils zu einer bestimmten ATPasen-Familie gehören. RCDP I entsteht durch PEX7-Mutationen.
Tabelle 6.21 Peroxisomale Einzelproteindefekte (nach [140, 109]) Peroxisomale Krankheit
Protein
Gen
Genort
Rhizomele Chondrodysplasia punctata, Typ 2
DHAPAT (Dihydroxyacetonphosphatacyltransferase)
GNPAT
1q42
Rhizomele Chondrodysplasia punctata, Typ 3
Alkyl-DHAP-Synthase
AGPS
2q31
X-chromosomale Adrenoleukodystrophie
ALD-Protein
ABCD1
Xq28
Acyl-CoA-Oxidasemangel
Acyl-CoA-Oxidase
ACOX1
17q25
D-bifunktioneller Proteinmangel
D-bifunktionelles Protein
HSD17B4
5q2
2-Methylacyl-CoA-Racemasemangel
D-Methylacyl-CoA-Racemase
AMACR
5p13.2-q11.1
Sterol-Trägerprotein-X-Mangel
Sterol-Trägerprotein-2
SCP2
1p32
Refsum-Krankheit
Phytanoyl-CoA-Hydroxylase
PHYH/PAHX
10pter-p11.2
Hyperoxalurie, Typ 1
Alaninglyoxylataminotransferase
AGXT
2q36-q37
Acatalasämie
Katalase
CAT
11p13
156
6
Kapitel 6
Die biochemischen Ausfälle erstrecken sich z. B. auf die E-Oxidation überlangkettiger Fettsäuren inklusive der auf die Aktivierung (vgl. X-ALD/X-AMN) folgenden Schritte (Acyl-CoA-Oxidase, Bifunktionalenzym, E-Ketoacyl-CoA-Thiolase), auf die E-Oxidation der – immerhin noch teils E-oxidierbaren – Phytansäure, auf die durch Lipidanalyse oder Enzymbestimmung messbare Ätherlipid-(Plasmalogen-)Biosynthese (Schlüsselenzym: Dihydroxyacetonphosphatacyl-Transferase), auf den (z. B. den Lysinabbau tangierenden) Pipekolsäure-, Gallensäure- und Leukotrienstoffwechsel. ZS, NALD und IRS dürften zusammen seltener als 1:100.000 vorkommen. Klinik. Das klinische Bild des ZS (und teilweise jenes von NALD und IRS) umfasst bei meist postpartalem Beginn eine eigenartige kraniofaziale Dysmorphie, (schlaffes, „rechteckiges“ Gesicht), deutliche Muskelhypotonie, Epilepsie, Hyporeflexie, tapetoretinale Degeneration (anfangs diskret), Hörstörung, Hepatomegalie, Dystrophie, evtl. Ichthyosis, patelläre und azetabuläre Kalkstippchen (Chondrodysplasie), schwerste neurologische Entwicklungsverzögerung, oft nephroglomeruläre Zysten (nicht bei NALD und IRS). Der Tod tritt mit einem Jahr oder auch Jahre später ein. Bei der NALD tritt durch den langsameren Verlauf (meist bis 5 Jahre) das leukodystroph- und adrenokortikal-insuffizient geprägte Bild mehr in den Vordergrund (vgl. X-ALD), die Dysmorphie in den Hintergrund. Das IRS ist etwa intermediär zwischen ZS und NALD anzusiedeln; Osteopenie und Taubheit, teils bei längerer Überlebenszeit, wurden beschrieben.
Neurometabolische Krankheiten
Neuropathologie (Tabellen 6.22 und 6.23). Die Neuropathologie des ZS umfasst (Pachy-)Mikropolygyrie, also Migrationsstörungen, Groß- und Kleinhirnheterotopie des Zellbilds, dysplastische Oliven und andere Kerne. Lokale neuronale Lipidose (feinstrukturell wie gestreift erscheinende Neurone) und Axonauftreibungen kommen in der Clarke-Säule und im Nucleus cuneatus lateralis als primär neuronopathische Zeichen vor. Die Streifung entspricht einer doppelbrechenden Lipidspeicherung mit ultrastruktureller Spaltenbildung, im Wesentlichen also jener in Makrophagen. Zu NALD und IRS gehören kaum HirnTabelle 6.22 Neurohistologische Grundmuster bei peroxisomalen Krankheiten Entwicklungsdefekte
Migrationsstörungen: PBD, Pseudo-PBD, besonders ZS • Polymikrogyrie • Nervenzellheterotopie
Neuronale Degeneration
• AMN • PBD • Refsum-Krankheit
Markstörungen
• Demyelinisierung: ALD, AMN • Hypomyelinisierung, Dysmyelinisierung: PBD
Zellspeicherung
• zytoplasmatisch • lysosomal
ALD Adrenoleukodystrophie; AMN Adrenomyeloneuropathie; PBD Peroxisomen-Biogenese-Defekte; ZS Zellweger-Syndrom
Tabelle 6.23 Neuropathologie des ZNS bei Peroxisomen-Biogenese-Krankheiten [PBK] ZS Pachygyrie
+
Polymikrogyrie
++
Subkortikale neuronale Heterotopien
+
Makrophagen mit „Nadeln“ oder lamellären Körperchen
+
NALD
IRK
RCDP 1
+
(+)
(+)
++
++
Verlust zerebellärer Körnerzellen Verlust von Purkinje-Zellen
+
Dystopie von Purkinje-Zellen im Mark
+
Dysplasie der unteren Olive
+
Neuronale Degeneration
+
Speicherprozess
+
Leukodystrophie
++
+
+
Entzündliche Markinfiltrate
+
Diffuse Gliose
+
Demyelinisierung der Pyramidenbahn
+
Abk.: + positiv, ++ = deutlich; (+) = selten
+
+
+
+
+
157
Peroxisomale Krankheiten Tabelle 6.24 ZNS-Befall bei Peroxisomen-Einzelprotein-Krankheiten [PEPK] Peroxisomale Krankheit
Neuropathologie
Rhizomele Chondrodysplasia punctata, Typ 2
Leukodystrophie, Hirnatrophie [19]
Rhizomele Chondrodysplasia punctata, Typ 3
?
X-chromosomale Adrenoleukodystrophie
Leukodystrophie
Acyl-CoA-Oxidasemangel
Leukodystrophie
D-bifunktioneller Proteinmangel
Dystopie von Purkinje-Zellen im Mark, Dysplasie der unteren Olive, kortikale Dysplasie [58], Leukodystrophie mit Entzündung
2-Methylacyl-CoA-Racemasemangel
Leukoenzephalopathie [18]
Sterol-Trägerprotein-X-Mangel
Leukoenzephalopathie [36]
Refsum-Krankheit
Neuropathie
oder nur Kleinhirnzellheterotopien, zur NALD mehr mit Myelophagen bestückte Entmarkungsherde als zum ZS, wo eher von Dysmyelinisierung gesprochen wird. Allgemeinpathologisch sind cholestatische und zirrhotische Leberveränderungen bei ZS und IRS (weniger bei NALD), adrenokortikale Atrophie mit Speichermakrophagen bei NALD (bei IRS ohne diese Zellen, bei ZS kaum vorkommend), ferner die nephrokortikalen Zysten (nur, aber nicht immer) bei ZS zu vermerken. Diagnostik. Der klinische Phänotyp der Peroxisombiogenesestörungen ist meist charakteristisch genug, um unmittelbar die biochemische Diagnostik anzusteuern. Sie bedient sich als Suchmethode der biochemischen Bestimmung der überlangkettigen Fettsäuren in verschiedenen (auch pränatalen) Geweben inklusive Serum/Plasma, erweitert um jene der Phytansäure darin. Ähnlich zuverlässig ist die Aktivitätsbestimmung der Dihydroxyacetonphosphatacyl-Transferase in Zellkulturen und Organgewebe. Im Urin trifft man z. B. auf erhöhte Gallensäuren vom Typ der Koprostanate sowie u. a. auf nicht regelrecht vom x-Ende her E-oxidierte Leukotriene. Wegen der extremen Heterogenität der Krankheitsgruppe können bei Einzelpatienten sehr unterschiedliche biochemische Parameter festgestellt werden. Die morphologische Biopsiediagnostik erbringt in Makrophagen und Schwann-Zellen nadelartige Spieße. Das – nicht regelmäßige – Fehlen normaler Peroxisomen wird durch die Aktivitäts- oder besser immunzytochemische Abwesenheit der Katalase (peroxisomales Markerenzym) bzw. der sie tragenden Partikel in Leberbiopsie, kultivierten Fibroblasten und Chorionzotten nachgewiesen.
Defekte einzelner peroxisomaler Enzyme Weitere Formen (Tabelle 6.24): Klinische Phänokopien der globalen Peroxisomendefekte ZS und NALD liegen
bei dem ZS-artigen Syndrom, sodann bei Pseudo-ZS und der Pseudo-NALD vor: Dabei entsprechen die klinischen Bilder von ZS und NALD keiner morphischen Abwesenheit von Peroxisomen, sondern einmal dem allgemeinen Defekt der peroxisomalen E-Oxidation, einmal dem speziellen Defekt der E-Ketoacyl-CoA-Thiolase und einmal jenem der Acyl-CoA-Oxidase. Die rhizomele Form der Chondrodysplasia punctata ist eine den abgehandelten Krankheiten nahe stehende Störung mit Minderwuchs, Extremitätenfehlbildung, fazialer Dysmorphie, Katarakten, Gelenkkontrakturen und mentaler Retardierung. Die Diagnose erfolgt über die Bestimmung der (nicht immer) vermehrten Phytansäure und der verminderten Ätherlipide oder Aktivität der Dihydroxyacetonphosphatacyl-Transferase.
X-chromosomale Adrenoleukodystrophie und Adrenomyeloneuropathie Da überlangkettige Fettsäuren in den Peroxisomen E-oxidiert werden, wurden für X-chromosomale Adrenoleukodystrophie (X-ALD) und Adrenomyeloneuropathie (XAMN) peroxisomale Defekte angenommen. Dafür sprach auch die Anhäufung überlangkettiger Fettsäuren bei einem evidenten Peroxisomendefekt, nämlich dem Zellweger-Syndrom, wo die Peroxisomen strukturell fehlen. Biochemisch wurde die entmarkungsbedingt vermehrte zerebrale Cholesterinesterfraktion hinsichtlich ihrer Fettsäurezusammensetzung untersucht und stark angereichert an überlangkettigen (Kettenlänge größer als 22 C-Atome) Fettsäuren (z. B. hoher C26/C22-Quotient) gefunden. Diese Fettsäureanomalie wurde auch in der atrophischen Nebennierenrinde teils in exzessivem Ausmaß und ubiquitär in vielen fettsäurehaltigen Lipiden inklusive Blutplasmalipiden festgestellt [69, 78]. Ursache der X-ALD und der ebenfalls am ALD-Gen ausgelösten X-AMN sind Mutationen in diesem Gen, das
158
6
Kapitel 6
für das ALD-Protein, ein in der Peroxisomenmembran ansässiges Mitglied aus der Kassette ATP-bindender Transportproteine (ABC-Kassette), kodiert. Das defekte Protein bedingt Aktivitätserniedrigung durch Fehlimport des sonst bei X-ALD nicht defekten peroxisomalen Enzyms „Sehr-langkettige-Fettsäuren-Acyl-CoA-Synthase“, das überlangkettige Fettsäuren durch Übertragung des CoA-Rests für den E-oxidativen Abbau aktiviert. Im Normalfall kann das ALD-Protein als Einlasspforte für die peroxisomale E-Oxidation bezeichnet werden. Andere peroxisomale ABC-Transporter als ALD-Protein, z. B. das ziemlich ähnliche ALDR-Protein, können bei ihrer Überexpression in der Zellkultur den ALD-Proteindefekt recht gut kompensieren. Die X-ALD gilt als die häufigste Entmarkungskrankheit bei Knaben. Die Krankheitsfrequenz soll für X-ALD und X-AMN zusammen bis 1:25.000 betragen. Die X-AMN ist die eher spinozerebellär betonte Spätform der X-ALD bei Erwachsenen. X-ALD und X-AMN können in ein und derselben Familie vorkommen; eine auf die Mutationen bezogene Genotyp-Phänotyp-Korrelation fehlt weitgehend. Klinik. Die X-ALD beginnt spätinfantil bis spätjuvenil z. B. mit Verhaltensstörung, Schulschwäche, Sehstörung, Mydriasis, Gangstörung, die sich zu Ataxie, Tetraparese, Blindheit und Taubheit weiterentwickeln. Bildgebende Verfahren zeigen die Entmarkung in peritrigonalen Bereichen und im Splenium des Balkens, von okzipital nach temporoparietal fortschreitend, manchmal auch mehr frontal. Das Liquoreiweiß ist wenig oder mäßig erhöht; Anfälle treten in späteren Stadien auf. Die adrenokortikale Insuffizienz und die gonadale Beteiligung bleiben nicht selten subklinisch, jedoch laborchemisch oft nachweisbar. Die Dezerebration führt zum Tod vor dem 20. Lebensjahr oder noch viel früher. Die X-AMN beginnt um das 20. Jahr oder später, z. B. nach Steroidhormonsubstitution wegen manchmal früh manifester Addison-Symptomatik bei bronzefarbener Haut. Zeichen spastischer Paraparese, Neuropathie (Impotenz, Sphinkterstörungen, die über viele Jahre fortschreiten), zerebellärer Ataxie und leichter Demenz können hinzutreten. Noch spätere Verläufe zeigen evtl. psychotische Bilder und Kleinhirnataxie im Vordergrund. Fast blande Verläufe gibt es auch. Heterozygote Frauen erkranken viel schwächer (wenn überhaupt) als hemizygote Männer, aber auffällige Ausnahmen sind möglich; die Symptome können sehr der X-ALD, kaum der X-AMN entsprechen. Neuropathologie (Abb. 6.11). Neuropathologisch ist die okzipital oft stärkere, frontal asymmetrische Entmarkung (U-Fasern ausgespart) bei X-ALD umfangreich (bei XAMN viel weniger) und bezieht Balken und Fornix, sodann die innere Kapsel, Hirnschenkel, Pons, Pyramiden, ferner im Rückenmark Seiten- und Hinterstränge (bei X-
Neurometabolische Krankheiten
AMN ebenfalls diese sowie andere Bahnen und teils das Kleinhirn) ein. Vor allem in den subkortikalen, frischen Herden, aber auch tiefer, selten auch bei X-AMN, findet man perivasale entzündliche Infiltrate von B- und T-Zellen. Makrophagen und PAS-positive Epitheloidzellen in diesen Infiltraten sind in ihrer Genese wohl den Globoidzellen bei M. Krabbe ähnlich und dürften ehemaliges Markscheidenmaterial gespeichert enthalten. Immunchemisch wurde die Erhöhung verschiedener Immunglobuline nachgewiesen. Nervenzellverluste treten in der Hirnrinde kaum, in der Netzhaut deutlicher auf. Axonauftreibungen kommen vor. Während die Adrenoleukodystrophie in ihren verschiedenen klinischen Formen Demyelinisierung und Dysmyelinisierung [92] (Tabelle 6.25) zeigt, steht bei der Adrenomyeloneuropathie eine axonale Schädigung im Vordergrund, die sich deutlich in den langen Bahnen bemerkbar macht. Elektronenmikroskopisch sind die gestreckten, gepaarten, oft gruppierten Lamellen eine Leitstruktur und sind in wie gestreift erscheinenden, speichernden Makrophagen, Astro- und Oligodendroglia (hier ohne umgebende Membran) und in Schwann-Zellen zu finden. Die Rinde der atrophischen Nebenniere ist fast verschwunden, dagegen liegen Gruppen von Speichermakrophagen sowie teils entzündliche Infiltrate vor. Die restlichen Parenchymzellen enthalten (frei im Zytoplasma) wie die Makrophagen die beschriebenen Einschlüsse. Die Hypophyse zeigt einzelne große basophile und wenig eosinophile Zellen. Die fibrotischen Hoden weisen interstitielle Zellansammlungen und ultrastrukturell gestreckte Einschlüsse in den Leydig-Zellen auf. Der Thymus zeigt evtl. lymphoepitheliale Hyperplasie, die Haut Vermehrung von Melanin. Die morphologische Biopsiediagnostik kann in Speichermakrophagen des Rektums [127] und in Schwann-Zellen (Abb. 23.2d), teils endoneuralen Zellen peripherer (Haut-)Nerven, Vakuolen oder – dann mit spezifischerer Aussage – ultrastrukturell spikuläre oder gestreckte Einschlüsse oft mit gepaarten Lipidlamellen, die helle Spalten begrenzen, darstellen. Eine Abgrenzung gegenüber den Einschlüssen bei M. Krabbe ist elektronenoptisch nicht immer möglich. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt bei Hemi- und Heterozygoten durch biochemische Bestimmung der überlangkettigen Fettsäuren aus Lipiden von Serum, Plasma, gezüchteten Hautfibroblasten, pränatalem Gewebe, Blutzellen sowie heute oft mutationsanalytisch aus DNS-Präparationen.
Refsum-Krankheit vom klassischen Typ Der extrem seltene Morbus Refsum [76, 96] ist meist eine adulte Erkrankung, die auf Diättherapie anspricht (Ent-
Peroxisomale Krankheiten
159
a
b
c
d
Abb. 6.11a–d Adrenoleukodystrophie. a Diffuse Entmarkung im Marklager. b Zahlreiche geblähte Makrophagen im Marklager, Hämatoxylin-Eosin. c Elektronenmikroskopisch mehrere nadelartige
Cholesterineinschlüsse in einem Makrophagen. d Intensive perivaskuläre entzündliche Infiltration im Marklager, Hämatoxylin-Eosin
zug der Phytansäure bzw. ihrer Vorstufen). Ursache sind Mutationen im PAHX-Gen, das für das peroxisomale Enzym Phytanoyl-CoA-Hydroxylase (PhytansäureHydroxylase) kodiert. Dieses Protein hat offenbar auch eine Rolle im Zusammenhang mit Immunophilinbindenden Proteinen. Die exogene Phytansäure ist eine verzweigtkettige Fettsäure, deren Stoffwechsel durch peroxisomale E-Oxidation aktiviert wird; ein Folgeprodukt, Pristansäure, wird dann durch peroxisomale E-Oxidation abgebaut.
Klinik. Das klinische (Voll-)Bild ist durch Nachtblindheit, Miosis, Hörstörung, Anosmie, retinale Pigmentdegeneration, Neuropathie mit verminderter Nervenleitgeschwindigkeit, starke Liquoreiweißerhöhung, EKG-Veränderungen, Ichthyosis, epiphysäre und metatarsale Knochenstörung sowie Kleinhirnataxie gekennzeichnet. Krankheitsbeginn und Tod (trotz Phytansäure-Entzugstherapie) liegen etwa zwischen der 1. (selten früher) und 6. Dekade. Unbehandelt kann die Erkrankung z. B. nach Virusinfekten neurologische Attacken nach Art des Guillain-Barré-Syndroms zeigen.
160
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Tabelle 6.25 Neuropathologische Ähnlichkeiten und Unterschiede bei ALD und AMN
6
ALD (männlich)
AMN
Demyelinisierungsschwerpunkt
Parietookzipital, bilateral konfluierend, entzündlich, Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm, pseudozystisch, Pyramidenbahndegeneration
Rückenmark, Kleinhirn, Marklager: Abblassung, Dysmyelinisierung, aufsteigende und absteigende Traktdegeneration
Zelltypenverlust
Oligodendrozyten
Nervenzellen, Axone, Oligodendrozyten
Einschlüsse
Lamellär in Oligodendrozyten Makrophagen
Mikroglia, Makrophagen
Entzündliche Zellen
Mikroglia/Makrophagen, T-Lymphozyten (CD8), Astrozyten
Immunohistochemie
MHC-I und -II, TNFα (Makrophagen), TNFα (Astrozyten), Interleukin 1, I-CAM, NO, CD1
Astrogliose
Marklager
Degenerierende lange Bahnen
Neuropathologie (Tabelle 6.26). Während neuropathologisch vor allem das periphere Nervensystem durch demyelinisierende und axonale Neuropathie gekennzeichnet ist, belegt durch zahllose Nervenbiopsien, zeigt das Zentralnervensystem, aufgrund einer großen Zahl von Untersuchungen [14] und einer Literaturdurchsicht eine erhebliche Ablagerung von Lipiden in Leptomeningen, den ependymalen Zellen sowie im Plexus chorioideus, epithelial und nichtepithelial, in Astrozyten und Mikroglia der Marksubstanz sowie perivaskulär in Perizyten und Makrophagen des Marklagers, der grauen Substanz, des Hirnstamms und Rückenmarks. Lipofuszin mit entsprechender Lipidanfärbung ist reichlich in Nervenzellen der dritten, fünften und sechsten Schichten der Großhirnrinde abgelagert, aber auch im Hippokampus, dessen Pyramidenzellen und Nervenzellen der Fascia dentata reichlich Lipid enthalten, wobei die Lipide nicht immer ausschließlich intrazellulär liegen. Hinzu kommt Verlust von Nervenzellen, vor allem im Nucleus dentatus, auch unter den PurkinjeZellen des Kleinhirns sowie in der unteren Olive. Nicht diffuser, sondern eher fleckförmiger Markscheidenverlust lässt sich im Bereich der unteren Oliven und des Nucleus dentatus, der Lemnisci mediales und der kortikopontinen Bahnen dokumentieren, wobei dem Markscheidenmangel in langen Bahnen, wie den Pyramidenbahnen oder den aufsteigenden Traktus des Rückenmarks, ein Verlust von Markfasern zugrunde liegt, womit große Ähnlichkeit der pathologischen Läsionen zwischen dem Morbus Refsum und der Adrenomyeloneuropathie besteht.
Tabelle 6.26 Neuropathologie des ZNS bei Refsum-Krankheit (nach [14])
Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt durch biochemische Bestimmung der Phytansäure in Serum/Plasma. Tests der Aktivität der E-Oxidation (s. oben) in gezüchteten Hautfibroblasten sind in Speziallabors möglich. Die Nervenbiospie zeigt eine interstitiell-hypertrophe Neuropathie mit Zwiebelschalenbildung, vesikulärem Markzerfall und Nervenregeneration (Abb. 40.3g, h, S. 831).
Charakteristikum
Fundort
I.
Lipidablagerung (Phytansäure?, Makrophagen)
• Leptomeningen • Ependymzellen • Plexus chorioideus Perivaskulär: Hirnstamm, Rückenmark, Pallidum, Marklager Subpial: Astrozyten, Mikroglia
II.
Vermehrtes Lipofuszin
• Nervenzellen • Hirnrinde − Schichten III, V, VI • Hippokampus
III.
Fokaler oder diffuser Verlust von Markfasern (primär axonal?)
• • • • • • •
Untere Olive Nucleus dentatus Ansa lenticularis Lemniscus medialis Kleinhirnschenkel Pyramidenbahnen Tractus corticopontinus
IV.
Nervenzellverlust
• • • • • •
Purkinje-Zellen Pallidum Untere Olive Nucleus dentatus Nuclei III, VIII Nuclei gracilis und cuneatus
Mitochondriale Krankheiten Mitochondriale Krankheiten sind als Begriff nicht scharf definiert. Mitochondriale Störungen können sich in fast alle Stoffwechselbereiche erstrecken [29, 87]. Im Vergleich zu den Organellen Lysosom und Peroxisom, die
Mitochondriale Krankheiten
morphologisch einfache Kompartimente oder Einschlüsse, umgeben von einer Membran, darstellen, sind Mitochondrien ultrastrukturell sehr komplexe Gebilde. Das Mitochondrion hat nicht nur eine äußere und eine innere Membran, die durch den intramembranösen Raum voneinander getrennt sind, sondern die innere Membran verzweigt sich im Inneren des Mitochondrion in sog. Cristae, die wiederum innercristäre Räume umschließen. In den membranösen und membranfreien Strukturen sind verschiedenartige Proteine angesiedelt, insgesamt mehr als tausend. Die Mehrzahl dieser Proteine wird von nukleären Genen kodiert. Ein besonderes Merkmal evolutionsbiologischer Herkunft ist das mitochondrieneigene, d. h. intramitochondriale DNS-Genom, von dem jeweils mehrere, etwa bis zu zehn, in einem Mitochondrion vorkommen. Das mitochondriale Genom mit DNS besteht aus 16.569 Basenpaaren, deren Zusammensetzung vollständig bekannt ist. Die 37 Gene des mitochondrialen Genoms oder die Stränge des DNS-Moleküls kodieren 22 Transfer-RNS, 2 ribosomale RNS und 13 Proteine, ausschließlich solche der Atmungskettenkomplexe I, III, IV und V (Abb. 33.2, S. 762). Für den mitochondrialen Stoffwechsel relevante pathogenetische Mutationen kommen daher nicht nur in den nukleären Genen mit meist autosomal-rezessivem, gelegentlich auch autosomal-dominantem und sehr selten X-chromosomalem Erbgang vor, sondern auch im mitochondrialen Genom. Da Mitochondrien nur über die Mutter weitergegeben werden, sind hereditäre mitochondriale Krankheiten auf der Basis mitochondrialer Mutationen maternal vererbt. Somit ist das mitochondriale Genom ebenso wie das nukleäre, jedoch in offenbar stärkerem Maß, anfällig für Spontanmutationen. Dadurch können innerhalb eines Mitochondrions, wie auch in zahllosen, z. T. mehrere 100 Mitochondrien tragenden Zellen, „gemischte“ mitochondriale Genome vorkommen, neben dem Wildtyp-Genom mutierte Genome. Dieser Zustand wird als Heteroplasmie bezeichnet. Auch wenn die Weitergabe mitochondrialer mutierter Genome und des Wildtyp-Genoms zufällig erscheint, so ist es doch möglich, dass, mit der Zeit, innerhalb eines Mitochondrion und innerhalb einer Zelle der Grad der Heteroplasmie, ausgedrückt in Prozent als Heteroplasmierate, durch zunehmende Mutationen auf 80–90% so weit ansteigt, dass der mitochondriale Stoffwechsel Schaden nimmt, dysfunktionell wird und innerhalb eines Zellverbands oder eines Organs Anlass zu klinischen Symptomen geben kann. Die strukturelle, funktionelle und vor allem genetische Komplexität des Mitochondrions und seiner Pathologie hat zur Prägung der Begriffe mitochondriale Krankheiten, mitochondriale Zytopathien, Mitochondriopathien und sogar mitochondriale Medizin geführt. Da Mitochondrien, neben zahllosen anderen Funktionen, am Energiestoffwechsel entscheidend beteiligt sind, machen sich mitochondriale Dysfunktionen (Tabelle 6.27) und mitochondriale Erkrankungen besonders in energiebedürftigen Organen wie Skelettmuskel (vgl. S. 761–8)
161
und Gehirn (Tabelle 6.28) bemerkbar. Diese werden als mitochondriale Enzephalomyopathien bezeichnet. Daneben können bei mitochondrialen Defekten auch andere Organe wie Retina, Leber und Niere im Sinn einer MultiTabelle 6.27 Biochemische Defekte bei mitochondrialen Krankheiten Defekte der Atmungskette/der oxidativen Phosphorylierung • Komplex I • Komplex II • Komplex III • Komplex IV • Komplex V • Kombination von Komplexen • Luftsyndrom Defekte im Zitronensäurezyklus • Fumarase-Defekt • Alpha-Ketoglutardehydrogenase-Defekt Defekte der Substratutilisation • Pyruvatcarboxylase-Defekt • Pyruvatdehydrogenase-Defekt • Defekte der β-Oxidation Transportdefekte • Carnitin-Palmitoyltransferase-Defekt • Carnitinmangel • Defekt in der FAD-Aufnahme
Tabelle 6.28 Mitochondriale Krankheiten des Zentralnervensystems (nach [29]) (1) Krankheiten der Atmungskette Hervorgerufen durch Mutationen in mtDNS
• Defekte der Atmungskettenuntereinheiten I, III, IV, V • Defekte von Proteinsynthasegenen • Rearrangements: Deletionen, Duplikationen • Punktmutationen: tRNS, rRNS
Hervorgerufen durch Mutationen in nDNS
• Defekte der Atmungskettenuntereinheiten I, II, III, V • Defekte zusätzlicher Proteine • Defekte der intergenomischen Kommunikation • Defekte, die zu multiplen mtDNS-Deletionen führen • Defekte, die zur Depletion von mtDNS führen
(2) Krankheiten des eingeschränkten mitochondrialen Proteinimports (3) Krankheiten fehlgerichteter mitochondrialer Dynamik Abk.: mtDNS = mitochondriale DNS; nDNS = nukleäre DNS; tRNS = Transfer-RNS; rRNS = ribosomale RNS
162
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Tabelle 6.29 Mitochondriale Enzephalopathien mit mtDNS- und nDNS-Mutationen
6
Abkürzung
Name
KSS
mt
Kearns-Sayre-Syndrom
MELAS
mt
Mitochondriale Enzephalomyopathie, Laktatazidose und schlaganfallähnliche Episoden
MERRF
mt
Myoklonische Epilepsie und „ragged red fibres“
LHON
mt
Leber’sche hereditäre Optikusneuropathie
NARP
mt
Neuropathie, Ataxie, Retinitis pigmentosa
LS
mt n
Leigh-Syndrom
(= SNEM)
Subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie)
MILS
mt
Maternal vererbtes („inherited“) Leigh-Syndrom
MNGIE
n
Myoneurogastrointestinale Enzephalopathie/mitochondriale neurogastrointestinale Enzephalomyopathie
FBSN
mt
Familiäre bilaterale Striatumnekrose
MDS
n
Mitochondrien-Depletions-Syndrom
MSCA
n
Mitochondriales spino-zerebelläres Ataxie-Syndrom
Abk.: mtDNS = mitochondriale DNS; nDNS = nukleäre DNS
organkrankheit betroffen sein. Angesichts der Vielfalt mitochondrialer Proteine vom enzymatischen und Strukturtypus, sind mitochondriale Defekte hereditärer oder erworbener Art an einer Vielzahl von unterschiedlichen Krankheitsprozessen beteiligt, jedoch haben sie nur einen kleineren Anteil im Rahmen der neurometabolischen Krankheiten. Mitochondriale Enzephalomyopathien werden als wichtigste Gruppe der mitochondrialen neurometabolischen Krankheiten solcher mitochondrialer Defekte bezeichnet, die in der Atmungskette, die aus fünf Komplexen besteht, angesiedelt sind. Die individuellen Komplexe Tabelle 6.30 Mutationen mitochondrialer Enzephalopathien (1) Mutationen in mtDNS
• • • • • • • • • •
MERRF MELAS KSS Leigh-Syndrom NARP MILS FBSN LHON LHON und Dystonie Enzephalomyopathie
(2) Mutationen in nDNS
• • • • •
Alpers-Krankheit Leigh-Syndrom MNGIE Leukoenzephalopathie Enzephalomyopathie
Abk.: mtDNS = mitochondriale DNS; nDNS = nukleäre DNS
dieser Atmungskette bestehen aus Untereinheiten, von denen insgesamt 13 vom mitochondrialen Genom, die übrigen 76 vom nukleären Genom kodiert werden. Im engeren Sinne sind daher mitochondriale Enzephalomyopathien Defekte oder Erkrankungen der Atmungskette, d. h. der oxidativen Phosphorylierung [29]. Das Spektrum „mitochondriale Enzephalomyopathien“ hat durch die wachsende Kenntnis von mitochondrial relevanten nukleären Mutationen eine erhebliche Erweiterung erfahren. Angesichts zahlloser Krankheiten, an denen defekte Mitochondrien direkt oder indirekt beteiligt sind, dazu gehören Altersprozesse, neurodegenerative Krankheiten, neurometabolische Krankheiten oder medikamenteninduzierte Schädigungen des Mitochondrions, sind Neurologie [6, 11, 29, 38] und Neuropathologie mitochondrialer Defekte im weitesten Sinn außerordentlich vielfältig und gehören in verschiedene Kategorien (siehe in verschiedenen Kapiteln erörtert), neben eigentlichen Mitochondriopathien auch die der neurodegenerativen, der neurotoxischen und der neurometabolischen Krankheiten. Neurometabolische mitochondriale Krankheiten sind gekennzeichnet durch eine Vielfalt von Eponymen (Tabellen 6.29 und 6.30), wie Leigh-Syndrom, M. Alpers, und Akronyme wie MELAS, MERRF, LHON. Klinisch wie morphologisch zeigen diese mitochondrialen neurometabolischen Krankheiten zwar charakteristische, aber kaum pathognomonische, d. h. exklusiv krankheitsspezifische Befunde, zumal Varianten, Übergangsformen und Überlappungen (Tabelle 6.31) unter diesen einzelnen mitochondrialen neurometabolischen Krankheiten bestehen. Auch genetisch (Tabelle 6.32) sind sie vielfach, besonders das Leigh-Syndrom, heterogen. Die Topographie
Mitochondriale Krankheiten Tabelle 6.31 Neuropathologie mitochondrialer Syndrome Läsion
Syndrom
Status spongiosus
KSS, MELAS (MERRF)
Nekrose
MELAS, LS, MDS, MSCA, FBSN
Nervenzelldegeneration
KSS, MELAS, MERRF
Gliose
KSS, MERRF, LS
Demyelinisierung (Leukoenzephalopathie)
KSS, MERRF, MNGIE, LS
Mineralablagerung
MELAS
der Läsionsmuster ist ebenfalls vielfältig und nicht immer krankheitsspezifisch exklusiv. Durch die wachsende Zahl bekannter Mutationen, weitestgehend nukleärer Herkunft, sind mitochondriale Enzephalopathien oder mitochondriale Enzephalomyopathien beschrieben worden, deren morphologische Substrate im Zentralnervensystem, infolge mangelnder Autopsiebefunde und Autopsiemitteilungen, noch weitestgehend unbekannt sind. Bisher werden dann solche mitochondrialen Krankheiten einfach unspezifisch als mitochondriale Enzephalopathie, Enzephalomyopathie oder Kardioenzephalomyopathie entsprechend mutationsassoziiert benannt [29]. Neuropathologische Läsionen betreffen topographisch (Tabelle 6.33), wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung bei den einzelnen Krankheitsformen, alle Regionen des zentralen Nervensystems [38], vom zerebralen Kortex bis zum Rückenmark, wobei die graue Substanz als Poliodystrophie, vornehmlich bei MERRF, MELAS, dem Leigh-Syndrom und der Alpers-Krankheit, die weiße Substanz als Leukodystrophie oder Leukoenzephalopathie, bei KSS und bei mtDNA-Deletionen betroffen ist [37]. Die histologischen Läsionsmuster umfassen den Status spongiosus (Tabelle 6.34), neuronale Degeneration und Nervenzellverlust, Nekrose, Demyelinisierung sowie Gliose mit unterschiedlicher Verteilung bei verschiedenen Syndromen, vaskuläre Proliferation, vor allem beim Leigh-Syndrom, und Mineralisierung von Nervenzellen und Gefäßwänden bei MELAS [110] oder LeighSyndrom [101]. Diese Läsionsmuster sind zwar charakteristisch, aber nicht für mitochondriale Krankheiten pathognomonisch, wobei sich zerebrokortikale Nekrosen bei mitochondrialen Krankheiten vaskulären Versorgungszonen nicht zuordnen lassen. Während lysosomale Krankheiten durch ihre entitätenspezifischen biochemischen, molekularen, morphologischen und besonders ultrastrukturellen Befunde recht klare biochemisch-molekular-morphologische Korrelationen aufweisen, fehlen bei mitochondrialen Stoffwechseldefekten derartige exakte Korrelationen weitgehend. Unsere Kenntnisse über die Pathomorphologie des Mitochondrions, analog zur Pathomorphologie anderer Orga-
163 Tabelle 6.32 Nukleäre Mutationen bei mitochondrialen Enzephalopathien (nach [38, 29]) Gen
Krankheit
POLG 1
Alpers-Syndrom, MERRF
ANT 1
Chronische progressive externe Ophthalmoplegie
DGUOK
Hepatozerebrales Syndrom mit mitochondrialer Depletion
C 10 ORF 2
Chronische progressive externe Ophthalmoplegie, infantile spinozerebelläre Ataxie
MPV 17
Hepatozerebrales Syndrom mit mitochondrialer Depletion
SUCLA 2
Enzephalomyopathie mit Dystonie
SUCLG 1
Letale infantile Laktatazidose
ECGF 1
MNGIE (mitochondriale neurogastrointestinale Enzephalomyopathie)
PCK 2
(Enzephalo)Myopathie mit mitochondrialer Depletetion
RRM 2B
Enzephalomyopathie mit mitochondrialer Depletion
SURF 1
Leigh-Syndrom, Kardioenzephalomyopathie, Leukodystrophie
NDUFS 1, 4, 8, 7, 2, 3, 6
Leigh-Syndrom, Leukodystrophie
NDUFA 1
Leigh-Syndrom, Leukodystrophie
SDHA, B, C, D
Leigh-Syndrom
NDUFV 1, 2
Leigh-Syndrom, Leukodystrophie
APTX
Ataxie und okulomotorische Apraxie
COQ2
Koenzym-Q-Mangel
PDSS 1, 2
Koenzym-Q-Mangel
BCS 1L
Leigh-Syndrom, Enzephalopathie
UQCRB
Leigh-Syndrom, Enzephalopathie, KomplexIII-Mangel
COX 10, 15 LRPPRC
Leigh-Syndrom, Kardioenzephalomyopathie, Leukodystrophie, Komplex-IV-Mangel
ATPAF 2
Letale infantile Enzephalokardiomyopathie
nellen, wie der Peroxisomen und, besonders vielfältig, der Lysosomen, sind am besten in der Skelettmuskulatur dokumentiert (s. Teil III, S. 761–8; Abb. 33.3, S. 767). Unter Anwendung verschiedenartiger präparativer morphologischer Verfahren zeigt sich ein breites Spektrum der mitochondrialen Pathologie: histologisch sog. „ragged red fibres“, enzymhistochemisch Defekte oxidativer Enzyme wie Cytochrom-C-Oxidase oder Succinatdehydrogenase in den Muskelfasern, immunhistochemisch, ob-
164
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
6 a
d
b
e
c
f
Abb. 6.12a–f Läsionen im Zentralnervensystem bei mitochondrialen Krankheiten. a Kleine zystische Defekte (Pfeile) im GroEhirnmarklager, M. Leigh. b Herde der Geweberarifizierung (Pfeile) im Hirnstamm, M. Leigh. c Auflockerung des Gewebes mit Erhaltung von Nervenzellleibern (Pfeile) und prominenten Kapillaren in einem
Hirnstammherd, M. Leigh, Hämatoxylin-Eosin. d Kleinherdige Nekrosen (Pfeile) der GroEhirnrinde, MELAS. e spongiöse Auflockerung des Gewebes, MELAS, Hämatoxylin-Eosin; f. Verkalkung von Kapillaren in Stammganglien, Kearns-Sayre-Syndrom, KlüverBarrera-Färbung
wohl bisher kaum in der täglichen Diagnostik eingesetzt, Defekte von Untereinheiten der Atmungskettenkomplexe, durch In-situ-Hybridisierung, ebenfalls in der Rountinediagnostik bisher weitestgehend fehlend, der Nachweis von Mutationen im mitochondrialen Genom, elektronenmikroskopisch pathologisch konfigurierte Mitochondrien, zytobiochemisch, d. h. elektronenmikroskopisch-enzymhistochemisch kombiniert, Aktivitätsdefekte in Mitochondrien, immunelektronenmikroskopisch, d. h. elektronen-
mikroskopisch-immunhistochemisch kombiniert, Proteindefekte in Mitochondrien. Diese vielfältigen, mitochondrial-pathologischen Befunde der Skelettmuskulatur sind bisher in nur sehr eingeschränktem Maß bei mitochondrialen Krankheiten des Zentralnervensystems dokumentiert worden. Elektronenmikroskopisch anomal strukturierte Mitochondrien haben sich in Astrozyten beim M. Canavan nachweisen lassen. Akkumulation von Mitochondrien im onkozytären Sinn wurde in Epithelien des Plexus cho-
Mitochondriale Krankheiten Tabelle 6.33 Klinische und morphologische Differentialdiagnose mitochondrialer Enzephalopathien (nach [89] (S. 445)) KearnsSayreSyndrom
MELAS
165 Tabelle 6.34 Vorzugslokalisation und Histologie bei verschiedenen Prozessen mit spongiösen Hirnveränderungen (nach [89] (S. 444))
MERRF
LeighSyndrom
AlpersSyndrom
CanavanKrankheit
Großhirnrinde
(+)
+++
++
Großhirnmark
(+)
(+)
+++
Lokalisation Klinische Symptome Beginn [Jahre]
2–10
0–15 (–46)
3–62
Familiäres Auftreten
+
+
Stammganglien
++
+
+
Augenmuskelparesen
++
(+)
N. opticus
(+)
(+)
Muskelschwäche
++
++
++
Mesenzephalon
+
(+)
Herzblock (AV)
++
+++
+
++
Tegmentum
Retinopathia pigmentosa Hörminderung
+
+
+
Untere Oliven
++
(+)
Ataxie
++
+
++
Kleinhirnrinde
+
+
Krampfanfälle
++
++
Kleinhirnmark
(+)
++
Myoklonien
(+)
++
Rückenmark
(+)
(+)
Hirninfarkte
++
Histologie
Geistige Retardierung
+
+
+
Spongiose
++
++
+++
Laktatazidose
++
++
++ Astrozytenvermehrung
++
+++
++
Gefäßproliferation
+++
+
+
Nervenzelluntergang
(+)
+++
+
Mitochondriales Genom Deletion
++
Punktmutation
++
++
Heteroplasmie
++
++
++
Spongiose
++
+
(+)
Atypisch lokalisierte zerebrale Infarkte
++
Leigh-Herde in Groß- oder Stammhirn
+
+
(+)
Verkalkung in Stammganglien
++
++
(+)
Nervenzellausfälle in verschiedenen Hirnstammkernen
+
(+)
++
Atrophie der Kleinhirnrinde
++
++
++
Hinterstrangdegeneration
+
++
„Ragged red fibres“
++
++
++
Neuropathologische Befunde
Abk.: ++ = mehr als 80% der Fälle; + = 20–80% der Fälle; (+) = weniger als 20% der Fälle; – = weniger als 2% der Fälle
rioideus gefunden. Enzymhistochemisch sind Defekte der Zytochrom-C-Oxidase in Nervenzellen und Gefäßwänden einerseits, und Vermehrung von Mitochondrien in Gefäßwänden andererseits, im Succinat-Dehydrogenase-Nachweis demonstriert worden [7]. Immunohistochemisch
Tabelle 6.35 Immunhistochemie (Defekte) bei mitochondrialen Enzephalopathien Antikörper
• Antikörper gegen Atmungskettenuntereinheiten z. B. COX-I (mtDNS), COX-II (mtDNS), COXIV (nDNS), SDH (nDNS) • Antimitochondriale Antikörper gegen DNS (nukleär und mitochondrial) vermehrt Mitochondrien in Neuronen und Gefäßwänden
Lokalisation
• • • •
Nervenzellen Gefäßwände Leptomeningen Plexus chorioideus
Abk.: mtDNS = mitochondriale DNS; nDNS = nukleäre DNS
(Tabelle 6.35) lassen sich Untereinheiten der Atmungskettenkomplexe, etwa bei Komplex-IV-Untereinheiten COX1, COX2, COX3 und COX4, SDH, der Komplex II oder FeS bei Komplex III normal und deren Defekte bei verschiedenartigen mitochondrialen Krankheiten nachweisen [129]. Auch kann die in der Myopathologie verwendete Kombination der COX/SDH-Preparation eingesetzt werden, um COX-negative, SDH-positive Mito-
166
6
Kapitel 6
chondrienaggregate als Ausdruck einer COX-Defizienz zu dokumentieren. Auch der Heteroplasmiegrad von Wildtyp-Mitochondrien zu mutierten Mitochondrien lässt sich so, unterstützt durch die Lasermikrodissektionstechnik, demonstrieren [7, 130]. Die differenzielle In-situ-Hybridisierung mit Wildtyp- und verschiedenen spezifischen Mutationssonden kann charakteristische Befunde bei KSS erbringen [29, 128]. Somit erlauben diese zusätzlichen enzymhistochemischen, immunhistochemischen und Insitu-Hybridisierungsverfahren bei einzelnen mitochondrialen Enzephalopathien, über das unterschiedliche Verteilungsmuster allgemeiner Läsionsparameter, die einzelnen Formen mitochondrialer Krankheiten aufzuschlüsseln und den Weg zu einer molekularen Analyse zu erleichtern. Andererseits liegen bei vielen neuerdings bekannt gewordenen mitochondrialen Enzephalopathien keine morphologischen postmortalen Befunde vor, sondern Befall und Beteiligung des zentralen Nervensystems werden neuerdings vielfach durch klinische und neuroradiologische Befunde ausschließlich dokumentiert [25, 106], wobei Letztere, zumindest im Fall grauer und/oder weißer Substanz, Mineralisation und vaskulär bedingte Läsionen dokumentieren und topographisch orten können. Generell jedoch erstreckt sich die neuropathologische postmortale Diagnostik des Zentralnervensystems bei neurometabolischen mitochondrialen Krankheiten bisher auf konventionelle histologische und gelegentlich immunhistochemische Verfahren [89]. Im Folgenden sollen einige mitochondriale Enzephalopathien besonders herausgestellt werden. Das LeighSyndrom und das Alpers-Syndrom sind Krankheiten des frühen Kindesalters, während andere mitochondriale Krankheiten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beobachtet werden.
Leigh-Syndrom Das Leigh-Syndrom, vielfach früher auch als LeighKrankheit oder Morbus Leigh sowie auch heute noch als subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie (SNEM) bezeichnet, hat sich als klinisch, morphologisch und genetisch außerordentlich heterogen herausgestellt, so dass man heute von einem Leigh-Syndrom sowie von einem Leigh-ähnlichen („Leigh-like“) Syndrom spricht [39]. Klinik. Das Leigh-Syndrom ist charakteristischerweise eine Krankheit des frühen Kindesalters, wenn auch gelegentlich Jugendliche oder Erwachsene betroffen sind, weshalb eine Entwicklungsverzögerung psychischer, mentaler und motorischer Leistungen, daneben Nystagmus, Augenmuskelbewegungsstörungen, Ataxie und Dystronie sowie Atmungsstörungen und epileptische Anfälle vorkommen. Meist ist das Leigh-Syndrom ein ausschließliches Krankheitsbild des Nervensystems, wenn auch ge-
Neurometabolische Krankheiten
legentlich extraneurale Symptome auftreten, während beim Leigh-ähnlichen Syndrom Atmungsstörungen fehlen [39]. Unter selten erkrankten Jugendlichen oder Erwachsenen befinden sich gelegentlich solche mit kongenitalem Krankheitsbeginn, aber ungewöhnlichem Verlauf (der sonst bei frühzeitig betroffenen Kindern innerhalb der ersten Dekade mit dem Tod endet), die das Jugendoder Erwachsenenalter erleben, daneben solche mit Krankheitsbeginn nach der frühen Kindheit mit oft geringen neurologischen Symptomen [39]. Genetik und Biochemie. Das Leigh-Syndrom ist genetisch so vielseitig, dass autosomal-rezessive, autosomaldominante, X-chromosomale und maternale Erbgänge bestehen, d. h. Mutationen in nukleären Genen wie im mitochondrialen Genom für das Leigh-Syndrom verantwortlich sind [29]. Mutationen an mehreren Stellen im mitochondrialen Genom treten auf, aber auch nukleäre Genmutationen tragen zu diesem Syndrom bei. Mutationsbedingte Defekte beim Leigh-Syndrom ließen sich in den Komplexen I, II, IV und V, bei den Transfer-RNS für Leucin und Lysin, Co-Enzym Q10 sowie dem Pyruvatdehydrogenasekomplex nachweisen [29]. Auch adulte Patienten zeigen Mutationen in verschiedenartigen Genen [39], wobei bei jeweils mitochondrialen und nukleären Genmutationen mehr als 20 verschiedene Mutationen beobachtet wurden [39]. Neuropathologie. Aufgrund der Vielfalt neuropathologischer Befunde sind schon makroskopisch Läsionen im Marklager von solchen der Basalganglien oder besonders des Hirnstamms inspektorisch zu unterscheiden. Das klassische histopathologische Muster des Leigh-Syndroms oder von SNEM ist in der grauen Substanz die Geweberarifizierung mit Proliferation der Kapillaren, Erhaltung der Nervenzellen, Entmarkung und Aktivierung der Astrozyten, ein Gewebebild, das sich vor allem im Hirmstamm symmetrisch nachweisen lässt und recht ähnlich dem Gewebebild in den Corpora mamillaria bei der WernickeEnzephalopathie entspricht, wenn auch hier nicht selten zusätzlich akute oder chronische Hämorrhagien hinzutreten, die bei SNEM ebenso fehlen wie Befall der Corpora mamillaria. Im Hirnstamm sind besonders Regionen am Boden des vierten Ventrikels, in der Umgebung des Aquädukts, in der Brückenhaube, den unteren Oliven und der medullären Haubenregion betroffen. Auch Großhirnrinde sowie Rückenmark (subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie) können befallen sein. Nekrosen (subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie) lassen sich ebenso dokumentieren wie pseudozystische Defekte im Marklager neben einer Entmarkung. Wenn auch das neuropathologische Muster im Zentralnervensystem beim Leigh-Syndrom variantionsreich ist, so ergibt sich bisher jedoch keine genotypisch-morphotypische Korrelation, die bestimmte neuropathologische Läsionskomponenten bestimmten Mutationen zuordnen lässt.
Mitochondriale Krankheiten
Alpers-Syndrom Wenn auch das Alpers-Syndrom heute weitestgehend als mitochondriale Krankheit aufgrund mitochondriotroper Polymerase-Gamma-Mutationen gilt, deuten experimentelle Übertragungsergebnisse spongiöser Dystrophie durch Gewebe eines am Alpers-Syndrom verstorbenen Patienten mit postvakzinaler spongiformer Enzephalopathie im Sinne der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit [71] auf eine Heterogenese des klinischen und morphologischen Spektrums. Mit zunehmenden genetischen Informationen hat sich die Nomenklatur den zahlreichen verschiedenartigen Bezeichnungen wie progressive infantile Poliodystrophie, Poliodystrophia progressiva corticalis, Poliodystrophia cerebri progressiva infantilis, Poliodysplasia cerebri, „polioencephalopathy“, „progressive neuronal degeneration of childhood“, „diffuse progressive degeneration of the grey matter“, „late-juvenile degeneration of the cerebral grey matter“, „diffuse cortical sclerosis“, „cortical encephalomalazia in infancy“, „spongy glioneuronal dystrophy in infancy and childhood“, die einen Hinweis auf die ursprünglich schwere klinische und morphologische Fassbarkeit des Alpers-Syndroms wiedergeben, auf die Bezeichnung Alpers-Syndrom konzentriert und limitiert [29], die eventuell noch auf die Bezeichnung Alpers-Huttenlocher-Krankheit [38] erweitert wird, wobei letzteres Eponym eher auf die Leberbeteiligung weist. Klinik. Das Alpers-Syndrom ist ein Krankheitsbild des frühen Kindesalters, gekennzeichnet durch psychomotorische Entwicklungsverzögerung, Epilepsie, Sehstörungen und Laktatazidose [38]. Genetik und Biochemie. Die meisten Patienten zeigen Mutationen im nukleären Polymerase-Gamma-(POLG 1)-Gen [60]. Es ist auch eine Mutation im mitochondrialen Genom COX-II des Komplexes IV, beschrieben worden, die allerdings auch als „Alpers-ähnlich“ („Alpers-like“) bezeichnet wird [29]. Die POLG-1Mutationen führen zu mitochondrialen DNS-Deletionen [60]. Neuropathologie. Schon makroskopisch lässt sich durch schwammige Gewebeauflockerung eine Großhirnrindenatrophie erkennen, die mikroskopisch durch erheblichen Nervenzellverlust, Astrogliose und schwammartigen, d. h. spongiformen Gewebeumbau und Vakuolisierung gekennzeichnet ist, die auch subkortikal im Thalamus und den Stammganglien besteht. Das Kleinhirn ist durch Verlust von Purkinje- und Körnerzellen der Kleinhirnrinde und von Nervenzellen des Nucleus dentatus gekennzeichnet [60]. Das Marklager kann durch Entmarkung geschädigt sein.
167
MELAS Das Akronym MELAS bedeutet „mitochondrial myopathy, encephalopathy, lactic acidosis, and stroke-like episodes“ [91], heute auch als „mitochondrial encephalopathy, lactic acidosis, and stroke-like episodes“ bezeichnet [113]. Die zwei Hauptkriterien werden heute als schlaganfallähnliche Episoden vor dem 20. Lebensjahr, Enzephalopathie mit epileptischen Anfällen, Demenz und Laktatazidose sowie „ragged red fibres“ der Muskulatur definiert, wobei Schlaganfälle mit 99%, die epileptischen Anfälle mit 96% und die Laktatazidose in Serum oder Liquor mit 95% Häufigkeit vorkamen [113]. Weitere neurologische Symptome sind Seh- und Gedächtnistörungen, Depression und Kopfschmerzen [113]. Gelegentlich finden sich auch endokrine Wachstums-, kardiale, gastrointestinale, pulmonale und renale Störungen neben solchen der Myopathie. Krankheitsbeginn ist meist in den ersten beiden Lebensdekaden. Genetik. Die häufigste Mutation der MELAS-Patienten („common mutation“) liegt auf Position 3242 und verändert die mitochondriale Tansfer-RNS (Leucin). Etwa 30 weitere Punktmutationen, die Tranfer-RNS-Gene anderer Aminosäuren kodieren, sind über das gesamte mitochondriale Genom verstreut [113]. Die Vielzahl dieser zusätzlichen Punktmutationen, die auch das klinische und genetische Spektrum erweitert, bewirkt, dass dieselbe Mutation für mehrere mitochondriale Entitäten verantwortlich ist, sowie genetisch dasselbe mitochondriale Krankheitsbild verschiedenen Genmutationen zugrunde liegt, ein Tatbestand, der auch für andere mt-DNSbedingte mitochondriale Krankheiten gilt und diese sehr kompliziert gestaltet. Im nukleären POLG-1-Gen befinden sich Mutationen für MELAS [25], hierunter besonders mehrere Untereinheiten des Atmungskettenkomplexes I. Neuropathologie. Im Vordergrund stehen der ischämische Infarkt oder infarktähnliche Prozesse der Hirnrinde und des darunter liegenden Marks, wobei jedoch ihre Verteilungsmuster nicht an arterielle Versorgungszonen gebunden sind, so dass offenbar auch Fließstörungen im arteriolären und kapillären Bereich zugrunde liegen, wobei die fokale Nekrose nicht nur in der Rinde, sondern auch in subkortikalen Grauzonen auftritt [11]. Weiterhin finden sich spongiöse Auflockerung des Gewebes, Entmarkung und Nervenzellverlust mit folgender Gliose [126]. Gemäß Mutationen für Untereinheiten im Atmungskettenkomplex lässt sich das Fehlen solch einer Untereinheit, etwa COX II, immunhistochemisch in Nervenzellen, etwa des Hippokampus [129] oder in arteriolären Gefäßwandzellen [29] dokumentieren. Weiterhin lassen sich auch immunhistochemisch vermehrt Mitochondrien in Gefäßwandzellen durch entsprechende anti-
168
Kapitel 6
mitochondriale Antikörper nachweisen, ebenso in Epithelien des Plexus chorioideus [90]. Gelegentlich findet sich Verkalkung der Gefäßwände in Stammganglien. Im Kleinhirn sind Populationen von Purkinje- und Körnerzellen gelichtet. Ultrastrukturell finden sich vermehrt Mitochondrien in Gefäßwandzellen und Plexusepithelien, jedoch offenbar nicht von pathologischer Struktur [126].
6
MERRF MERRF oder „myoclonus epilepsy and ragged red fibres“ beginnt hauptsächlich zwischen Kindheit und frühem Erwachsenenalter mit generalisierten lichtempfindlichen tonisch-klonischen Anfällen, zerebellärer Ataxie, Taubheit und Demenz, wobei myoklonische Phänomene separat oder mit generalizierten Krampfanfällen assoziiert sein können. Gelegentliche schlaganfallähnliche Episoden oder eine Optikusatrophie teilt MERRF mit anderen mitochondrialen Syndromen wie MELAS oder LHON und Leber’sche hereditäre Optikusneuropathie. Pyramidenbahnzeichen, Kleinwuchs und Polyneuropathie weisen auf andere Überlappungsaspekte hin [38]. Genetik. Punktmutationen, am häufigsten in Position 8344, Deletionen und Duplikationen finden sich im mitochondrialen oder im nukleären Genom, bei Punktmutationen in den Transfer-RNS für Serin, Histidin, Lysin, die mit MELAS überlappen können. Mutationen im nukleären POLG-1-Gen können ebenfalls MERRF hervorrufen. Neuropathologie. MERRF ist gekennzeichnet durch einen erheblichen Verlust von Nervenzellen [125], gefolgt von Gliose in Regionen des Hirnstamms, aber auch in Stammganglien, im Mittelhirn, etwa dem Nucleus ruber oder der Substantia nigra. Im Kleinhirn ist vor allem die Population der Purkinjezellen gelichtet, aber auch der Nucleus dentatus ist neuronenverarmt. Nervenzellverlust ist ebenso im Rückenmark anzutreffen wie Degeneration der langen Bahnen. Immunhistochemisch lässt sich der Mangel der COX-II-Unterheit des Komplexes IV der Atmungskette in noch erhaltenen Nervenzellen eindrucksvoll demonstrieren [128]. Elektronenmikroskopisch sind anomale Mitochondrien im Kleinhirn beschrieben [6].
Kearns-Sayre-Syndrom (KSS) Das Kearns-Sayre-Syndrom (KSS) ist gekennzeichnet durch einen klinischen Beginn vor dem 20. Lebenjahr mit zerebellären Symptomen, Minderwuchs, erhöhtem Liquorprotein sowie extrazerebralen Symptomen einer
Neurometabolische Krankheiten
chronisch-progressiven Ophthalmoplegie, Retinopathia pigmentosa, proximaler Muskelschwäche und Reizleitungsstörungen des Herzens. Genetik. Es handelt sich um eine Krankheit des mitochondrialen Genoms, markiert durch einzelne oder mehrere z. T. sehr große Deletionen, seltener Punktmutationen für die Transfer-RNS Leucin, wobei vor allem Enzyme der Atmungskette betroffen sind. Das Kearns-Sayre-Syndrom tritt sporadisch auf und trifft, auch durch entsprechende Mutation, mehrere Gewebe, was auf eine Primärmutation in der maternalen Eizelle hinweist. Neuropathologie. Im Vordergrund steht eine deutlich spongiöse Auflockerung sowohl grauer wie Markregionen des Zentralnervensystems, wobei besonders subkortikale Gebiete betroffen sind. Besonders Marklager von Groß- und Kleinhirn zeigen Markscheidenaufsplitterung im Bereich der „intraperiod line“ und erzeugen damit einen extrazellulären Raum in der Markscheide, möglicherweise aufgrund mitochondrialer Dysfunktionen in Oligodendrozyten. Im Kleinhirn zeigen besonders die Purkinje-Zellen eine erhebliche Verminderung. Weiterhin kann es zu Mineralisation von Gefäßwänden sowie zu Eisenablagerung [86] besonders im Pallidum kommen [6]. Der Verlust der COX-II-Untereinheit von Komplex IV lässt sich immunhistochemisch besonders in den Epithelien des Plexus chorioideus dokumentieren [29]. Infolge großer Deletionen im mitochondrialen Genom lassen sich durch In-situ-Hybridisierung mit entsprechenden Sonden auch diese deletionshaltigen Mitochondrien, weil ausgeprägt vermehrt, in entsprechenden Zellen, z. B. in Epithelien des Plexus chorioideus, dokumentieren [29, 128].
MNGIE Diese mitochondriale Multiorgankrankheit, ursprünglich als „myo-, neuro-, gastrointestinal encephalopathy“ beschrieben [2], auch als „mitochondrial neurogastrointestinal encephalomyoneuropathy“ bezeichnet oder POLIP, d. h. „polyneuropathy, ophthalmoplegia, leukoencephalopathy, intestinal pseudo-obstruction“ genannt, manifestiert sich ebenfalls vor dem 20. Lebensjahr durch Übelkeit, Dysarthrie, Demenz und Ptosis neben ausgeprägten, oft frühzeitigen gastrointestinalen Symptomen [38]. Genetik. Das MNGIE-Syndrom wird autosomal-rezessiv vererbt aufgrund von Mutationen im nukleären Gen für eine zytosolische, nichtmitochondriale Thymidinphosphorylase (TYMP/ECGF 1) auf Chromosom 22q12qter. Die reduzierte Aktivität der Thymidinphosphorylase bewirkt eine Reduktion der Aktivität von Thymidin-
Polyglukosankrankheiten
kinase mit nachfolgender Depletion mitochondrialer DNS und multiplen Deletionen oder Punktmutationen im mitochondrialen Genom [38]. Der nukleäre genetische Defekt wirkt also zuerst auf das mitochondriale Genom, ein Beispiel für intergenomische Signalvermittlung [112]. Neuropathologie. Es finden sich herdförmige Entmarkungszonen mit einem erheblichen Verlust von Nervenzellen in der unteren Olive. Die gastrointestinale Malabsorption kann womöglich durch mangelhafte Vitamin-EZufuhr zu einer Schädigung auch des spinozerebellären Systems führen.
Störungen des Pyruvatdehydrogenasekomplexes und der Pyruvatcarboxylase Der Pyruvatdehydrogenase(PDHC)Komplex besteht aus mehreren Untereinheiten genetisch verschiedener Herkunft: Punktmutationen im E1-Alpha-Gen, lokalisiert auf dem X-Chromosom, sind am häufigsten. Daneben existiert eine Untereinheit E1-Beta auf Chromosom 3p13-q23, eine E2-Untereinheit. Als E3 wird eine Lipoamiddehydrogenase mit Gen auf Chromosom 7q31-32 bezeichnet, während das Protein X-LipoA dem Genort 11p13 zugeordnet wird. Wegen der meisten Mutationen auf dem X-chromosomal lokalisierten E1-Alpha-Untereinheit-Gen werden zwar häufig Jungen betroffen, aber Mädchen mit einem dominanten X-Allel zeigen ebenfalls klinische Symptome. Die Pyruvatcarboxylase wird von 11q13 kodiert [98]. Neuropathologie. Mikrozephalie und partielle Agenesie des Corpus callosum lassen sich bei PDH-Mangel dokumentieren [93]. Häufig liegen jedoch die neuropathologischen Muster des Leigh-Syndroms vor [64]. Beim Pyruvatcarboxylasedefekt finden sich neuropathologisch unzureichende Myelinisierung und vermindert Nervenzellen in der Großhirnrinde, ein dünnes Corpus callosum sowie eine Astrozytose, gelegentlich kleine Infarkte oder Zysten in der Großhirnrinde [98].
169
Polyglukosankrankheiten Polyglukosankrankheiten [44] (Tabelle 6.36) als autosomal-rezessive Enzymdefekte, morphologisch charakterisiert durch aggregiertes, fibrilläres Glykogen und Polyglukosankörper, umfassen drei Krankheitsentitäten, die Lafora-Krankheit, die Glykogenose-IV und die adulte Polyglukosankörperchenkrankheit. Aufgrund des ubiquitären Vorkommens von Glykogen sind sie Multiorgankrankheiten, die in unterschiedlichem Ausmaß das Nervensystem, Leber und quergestreifte Muskelfasern befallen (vgl. S. 756–61). Fibrilläres Glykogen entsteht durch gestörte Interaktion von Glykogensynthase und dem „Branching“-Enzym, das einem linearen und somit fibrillären Aufbau des Glykogens durch die Glykogensynthase durch Verzweigung des Glykogens vorbeugt. Als krankheitsunspezifische Polyglukosanablagerungen sind Corpora amylacea in Astrozytenfortsätzen oder Bielschowsky-Körperchen intraneuronal in den Stammganglien anzusehen. Die Polyglukosan-Filamente lassen sich von anderen Filamenten, etwa vom Intermediär- oder Amyloid-Typ, die Proteine darstellen, durch die Thiéry-Technik erkennen, die ultrastrukturell Glykogen durch Versilberung markiert. Auch Polyglukosankrankheiten sind Multiorgankrankheiten, die es erlauben, durch Biopsien in selektiven extrazerebralen Geweben den Nachweis der Polyglukosanbildung zu führen, wobei sich die Polyglukosaneinschlüsse bei den genetisch verschiedenen Polyglukosankrankheiten biochemisch nicht unterscheiden, sondern sich gemeinsam als PAS-positiv und diastaseresistent erweisen.
Lafora-Krankheit Die Lafora-Krankheit gehört zu den progressiven Myoklonusepilepsien [95] und ist klinisch durch Myklonusepilepsie, Halluzinationen und fortschreitende Demenz gekennzeichnet, die im späten Kindes-/Jugendalter beginnt und über zehn oder mehr Jahre letztlich einen fatalen Verlauf nimmt.
Tabelle 6.36 Polyglukosankrankheiten Name
Eponym
Genort
Gen
Genprodukt
Ultrastruktur
Gewebe/Organ
Glykogenose Typ IV
Andersen
3p12
GBE1
„Branching“-Enzym
Fibrilläres Glykogen
Muskulatur, Leber, Gehirn
Adulte Polyglukosankörperchenkrankheit
–
3p12
GBE1
„Branching“- Enzym
Fibrilläre Polyglukosankörper
Gehirn, periphere Nerven
Myoklonusepilepsie
Lafora
6q24 6p22.3
EPM2A EPM2B/ NHL-RC1
Laforin, Tyrosinphosphatase Malin, E3-Ubiquitinligase
Fibrilläre Polyglukosankörper
Gehirn, Leber, Haut, Muskel
170
6
Kapitel 6
Genetik. 80% der Patienten zeigen entweder Mutationen im EPM2A-Gen, das eine Phosphatase, Laforin, kodiert oder Mutationen im EPM2B/NHLRC1-Gen, das eine E3-Ubiquitin-Ligase, Malin, kodiert. Beide Proteine sind im endoplasmatischen Retikulum angesiedelt und bilden einen Komplex. Physiologisch hemmt der LaforinMalin-Komplex die Glykogensynthase, so dass dessen mutationsbedingte Funktionsbeeinträchtigung die ungebremste Glykogensynthase fibrilläres Glykogen produzieren lässt. Dass 20% der „Lafora“-Familien keine Mutationen in einem der beiden Gene zeigen, spricht für weitere, bisher unbekannte Genorte bei der Lafora-Krankheit. Neuropathologie. Neuropathologisch (Tabelle 6.37; Abb. 6.13) finden sich in neuronalen Perikaryen und Dendriten der Großhirn- und Kleinhirnrinde sowie in subkortikalen Grauzonen einschließlich des Hirnstamms nicht selten ubiquitinpositive Polyglukosaneinschlüsse oder Laforakörper, daneben staubähnliche Granula [57]. Lafora-Körperchen finden sich extrazerebral auch in Leberzellen sowie in apokrinen Schweißdrüsen und Ausführungsgängen der ekkrinen Schweißdrüsen, so dass morphologisch eine adäquate Hautbiopsie die Diagnose sichern kann, jedoch nicht zwischen einem der beiden bekannten Gendefekte zu unterscheiden vermag.
Typ-IV-Glykogenose Die Typ-IV-Glykogenose oder der „Branching“-Enzymdefekt ist eine in verschiedenen klinischen Formen, neonatal, kindlich oder adult, auftretende Erkrankung, vorwiegend der Skelettmuskulatur (vgl. S. 765ff. u. Abb. 30.1d, e, S. 695; Abb. 30.2e, f, S. 707) und des Herzens, woran die Patienten versterben, jedoch auch mit Polyglukosankörperchen intraaxonal im Zentralnervensystem. Im Großhirn finden sich Nervenzellverlust und in verbliebenen Neuronen positives diastaseresistentes Material, offenbar Polyglukosan, das elektronenmikroskopisch extrazerebral dokumentiert werden konnte [66], während in einer anderen Studie [81] im Rückenmark keine Polyglukosankörper gefunden wurden.
Neurometabolische Krankheiten Tabelle 6.37 Topographie neuropathologischer Läsionen bei Polyglukosankrankheiten (nach [17, 99]) Polyglukosankörper
LaforaKrankheit
Adulte Polyglukosankörperchenkrankheit
Glykogenose Typ IV
Großhirnrinde
+
+
+
Stammganglien
+
+
+
Thalamus
+
+
+
Kleinhirn
+
+
+
N. dentatus
+
+
+
Sustantia nigra
+
+
Amygdala
+
Mittelhirn
+
Brücke
+
Medulla
+
+
Marklager
+
+
N. opticus
+
Rückenmark
+
Subpial
+
Subependymal
+
Perivaskulär
+
Nervenzellperikaryen
+
selten
Nervenzellfortsätze
+
+
Astrozyten
+
+
Weitere Neuropathologie
Verlust von PurkinjeZellen, Entmarkung und zystische Defekte im Marklager und Stammganglien, N. opticus, Brücke, Rosenthal-Fasern
Polyglukosankörperchenkrankheit Die adulte Polyglukosankörperchenkrankheit ist vorwiegend eine durch Demenz gekennzeichnete zentralnervöse Erkrankung, die mit Polyglukosanbildung in den Nervenzellfortsätzen, weniger in den Nervenzellperikaryen [84], einhergeht und bei molekularer Analyse Mutationen im „Branching“-Enzymgen GBE1 [12, 73] aufweist. Das Marklager zeigt Entmarkung, sogar stärkeren Zerfall [5].
Phosphofruktokinasedefekt oder Glykogenose Typ VII Tarui In Muskelfasern findet sich bei Phosphofruktokinasedefizienz nicht nur granuläres Glykogen gespeichert (vgl. auch S. 759–760), sondern gelegentlich auch fibrilläres Glykogen, also vom Polyglukosantyp. Während meistens die PFK-Defizienz eine muskuläre und erythrozytäre Krankheit darstellt, finden sich vereinzelt Hinweise auf
Stoffwechselstörungen der Amino- und organischen Säuren
a
171
b
Abb. 6.13a,b Polyglukosankrankheit. a Drei Polyglukosankörperchen (Pfeile) mit verdichtetem Zentrum der Purkinje-Zell-Schicht des Kleinhirns, Lafora-Krankheit, Kresyl-Violett. b Polyglukosan-
körper, elektronenmikroskopisch bestehend aus dicht gepackten Filamenten
zentralnervöse Beteiligung, etwa durch Vorkommen von Krampfanfällen und Rindenblindheit bei einem 7 Monate alten Mädchen, deren Gehirn postmortal Anzeichen der neuroaxonalen Dystrophie zeigte [107], wobei die klinischen Symptome durchaus denen der infantilen neuroaxonalen Dystrophie mit axonalen Spheroideinschlüssen in Zwischenhirn, Stammganglien, Hirnstamm und Rückenmark entsprachen. Nervenzellverlust folgte nicht einem hypoxischen Muster, während Glykogenspeicherung im Gehirn licht- und elektronenmikroskopisch nicht nachgewiesen werden konnte. Möglicherweise handelt es sich hierbei um zwei verschiedene Krankheiten.
beteiligt, so dass auch hepatisch-enzephalopatische Komponenten zum Krankheitsbild gehören können. Um lebensbedrohliche Krisen zu verhindern oder zu überwinden sowie eventuelle diätetisch hilfreiche Maßnahmen einzuleiten, ist eine korrekte Diagnose durch gaschromatographische oder massenspektroskopische Verfahren notwendig, die dann durch molekulare Untersuchungen ergänzt werden müssen. Bioptisch-morphologische Untersuchungen sind wegen fehlender neuropathologischer Charakteristika außerhalb des Zentralnervensystems nicht hilfreich und daher auch in der Diagnostik anders als bei lysosomalen und mitochondrialen Krankheiten nicht indiziert.
Stoffwechselstörungen der Aminound organischen Säuren Stoffwechseldefekte der Aminosäuren und organischen Säuren (Tabelle 6.38) sind hereditäre, weitestgehend autosomal-rezessiv vererbte Krankheiten des katabolen Abbaus dieser Säuren, die jeweils zu ihrem vermehrten Gehalt im Blut, Azidämie, und vermehrter Ausscheidung im Urin, Azidurie, führen. Die katabolen Abbaustoffe sind durch Mutationen in den Genen am Stoffwechsel beteiligter Enzyme bedingt, die teils intramitochondrial, teils im Zytoplasma lokalisiert sind. Amino- und organische Säuredefekte finden sich vielfach im frühen Kindesalter, ja unmittelbar nach der Geburt und können durch toxische Produkte zu abrupten auch lebensbedrohlichen Krisen und nicht selten zum frühzeitigen Tod führen. Diese Patienten zeigen eine nichtprogrediente Enzephalopathie oder mentale Retardierung. Die Leber als Hauptstoffwechselorgan ist vielfach an diesen Krankheiten
Neuropathologie (s. Tabelle 6.38). Bei einigen Formen liegt eine Makrozephalie [143] vor. Neuropathologisch (Abb. 6.14) besteht eine Leukoenzephalopathie oder Leukodystrophie, d. h., es steht eine Schädigung der weißen Substanz, im frühen Kindesalter eher im Bereich von Hirnstamm und Kleinhirn, beim älteren Individuum des Marklagers im Vordergrund, gekennzeichnet durch eine schwammige oder spongiöse Auflockerung der Markstruktur, die, elektronenmikroskopisch, vielfach als Vakuolisiereung der Myelinscheiden und Separation der „intraperiod line“ an der Außenfläche benachbarter Membranen markiert ist, sog. spongiöse Myelinopathie oder spongiöse Leukodystrophie. Kennzeichen des Markscheidenabbaus mit Entmarkung und Makrophagen, die mit Markscheidenmaterial gefüllt sind, sowie reaktive zelluläre oder fibrilläre Gliose finden sich weniger, während die Manifestation der Stoffwechseldefekte im frühesten Kindesalter auch einen Einfluss auf Entwicklungsund Reifungsprozesse des Marklagers haben, also eine unzureichende Markscheidenentwicklung bewirken kön-
172
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
Tabelle 6.38 Neuropathologische Befunde bei Aminosäure- (A) und organischen (B) Säuredefekten Krankheit
Säure
Gen
Chromosomort
Phenylketonurie (PKU) Non-PKU-Hyperphenylalaninämie
Phenylalanin
PAH
12q-24.1
Hypertyrosinämie
Tyrosin
TAT
16q22.1-q22.3
Histidinämie
Histidin
HAL
12q22-q23
Hyperprolinämie I Hyperprolinämie II
Prolin
HP I/PRODH HP II/PSCDH
22q11 1p36
Harnstoffzyklusdefekte
Carbamylphosphat Ornithin Zitrullin Argininsuccinat Arginin
CPS 1 OTC ASS 1 ASL ARG 1
2q35 Xp21.1 9q34 7cen-q11.2 6q23
Ahornsirupkrankheit
Verzweigtkettige Leuzin, Valin, u. Isoleuzin
BCKDHA BCKDHB DBT DLD
19q13.1-q13.2 6q14 1p31 7q31-q32
Nonketotische Hyperglyzinämie
Glyzin
GLDC GCSH AMT
9p22 16q24 3p21.2-p21.1
Homocystinurie
Homocystin
CBS
21q22.3
Canavan-Bertrand-van Bogaert-Krankheit
N-azetyl-Aspartat
ASPA
17p13ter-p13
Glutarazidämie/-urie II
Glutarsäure, u. a.
MADD ETF A ETF B
4q32-qter 15q23-q25 19q13.3
Glutarazidurie I
Glutarsäure
GCDH
19p13.2
Propionazidämie/-urie
Propionsäure
PCCA PCCB
13q32 3q21-q22
Methylmalonazidämie/-urie
Methylmalonsäure
MUT
6p21
(A) Aminosäuredefekte
6
(B) Organische Säuredefekte
nen. Gerade bei längerer Krankheitsdauer kann auch ein Nervenzellverlust konstatiert werden, möglicherweise zusätzlich bedingt durch Hypoglykämie und Hypoxie. Da Stoffwechselstörungen der Amino- und organischen Säuren auch den Energiestoffwechsel beeinträchtigen können, unterscheidet sich die spongiöse Myelinopathie bei diesen Krankheiten nicht von Befunden bei mitochondrialen Enzephalopathien. Das periphere Myelin zeigt sich bei Krankheiten der Amino- und organischen
Säuren nicht betroffen. Gelegentlich finden sich im Gehirn Nekrosen, bei besonderem Befall der Gefäße, auch als Infarkte. Die individuelle Seltenheit und moderne biochemische Präzisierung mancher Aminosäurestoffwechselstörungen haben bewirkt, dass bisher neuropathologische also autoptische Befunde nicht immer in ausreichendem Maß bekannt geworden sind, insbesondere bei unbehandelbaren und damit die Lebensdauer einschränkenden Einzelentitäten, wie dies auch für seltene andere
Stoffwechselstörungen der Amino- und organischen Säuren
Genprodukt
173
Ort des Proteins
Neuropathologie
Phenylalaninhydroxylase
Spongiöse Leukodystrophie
Tyrosinaminotransferase
Spongiose der weißen Substanz
Histidinammonium-Lyase
?
• Prolinoxidase • Pyrrolin-S-carboxylat-Dehydrogenase
• mitochondrial • mitochondrial
? ?
• • • • •
• • • • •
Hirnschwellung, Alzheimer-Typ-II-Glia, zystische Nekrose der grauen und weißen Substanz
Carbamoylphosphat-Synthase 1 Ornithincarbamoyltransferase Argininsuccinat-Synthetase Argininsuccinat-Lyase Arginase
E1 D E1 E E2 E3
冎
D-Ketosäuredehydrogenase
P-Protein H-Protein T-Protein
冎
Glyzindekarboxylase Glyzinabbaukomplex Aminomethyltransferase
intramitochondrial intramitochondrial zytoplasmatisch zytoplasmatisch zytoplasmatisch
innere Mitochondrienmembran
Spongiose der weißen Substanz, verzögerte Markscheidenreigung, Oligodendrogliaverlust, Nervenzellverlust im Kleinhirn, Brückenkernen, Substantia nigra; akut: Hirnödem
Spongiöse Leukodystrophie, verzögerte Myelinisierung intramitochondrial
Cystathionin E-Synthase
Infarkte nach Gefäßfibrosierung
Aspartoacylase
?
Megalencephalie, spongiöse Myelinopathie und Polioenzephalopathie, Nervenzell- und Axon- sowie Oligodendrogliaverlust, selten axonale Spheroide, Alzheimer-Typ-II-Glia, pathologische Mitochondrien in Astrozyten
Multiple Azyl-CoA-Dehydrogenase Elektrotransferflavoprotein D Elektrotransferflavoprotein E
Mitochondrial
Fokale Großhirnrindendysplasie, neuronale Migrationsdefekte, Purkinje-Zell-Mangel, Nervenzellverlust im Striatum
Glutaryl-CoA-Dehydrogenase
Mitochondrial
Spongiöse Myelinopathie, Gliose, Nervenzellverlust im Striatum
Propionyl-CoA-Carboxylase-D-Untereinheit Propionyl-CoA-Carboxylase-E-Untereinheit
Spongiöse Myelinopathie
Methylmalonyl CoA-Mutase
Spongiöse Myelinopathie
neurometabolische Krankheiten vom lysosomalen, peroxisomalen, mitochondrialen oder CDG-Typ gilt. Entscheidende Abbauschritte der – von der „Ahornsirupkrankheit“ bekannten – verzweigten Aminosäuren Leuzin, Isoleuzin und Valin sowie der Aminosäuren Lysin und Tryptophan erfolgen in der mitochondrialen Matrix. Die energiebildungsrelevanten Endprodukte sind Acetyl-CoA, Succinyl-CoA und Acetoacetat (Ketonkörper).
Auf dem Weg zu diesen Endprodukten gibt es eine Reihe von krankheitserzeugenden, durch Mutationen bedingte Enzymstörungen, die zu entsprechenden Veränderungen wasserlöslicher Metaboliten führen. Diese können wiederum durch massenspektrometrische Analyse als Screening und zur Vordiagnose aus Serum und Urin identifiziert und quantifiziert werden. In einigen Stoffwechselzentren werden diese im Neonatalscreening erfasst, was für die Prognose entscheidend ist. Oft sind
174
Kapitel 6
Neurometabolische Krankheiten
dabei die Carnitinester der Aminosäurenmetaboliten hilfreiche Marker. Krankheitsspezifische Enzymbestimmungen und DNA-Analysen sind in gezüchteten Fibroblasten, teils in pränatalen Geweben möglich. Es folgt eine Auswahl der wichtigsten (autosomalrezessiv vererbten) Krankheiten.
Ahornsirupkrankheit
6
a
b
c Abb. 6.14a–c Propionazidämie. a Deutliche Auflockerung im subkortikalen Marklagerbereich des Großhirns, Klüver-Barrera-Färbung. b Spongiöse Auflockerung der Großhirnrinde, HämatoxylinEosin. c Deutliche spongiöse Auflockerung des Kleinhirnmarklagers, Verlust von Purkinje-Zellen und Proliferation der BergmannGlia, Hämatoxylin-Eosin
Die im Zytoplasma durch Transaminierung gebildeten 2Oxo-Abkömmlinge (Oxosäuren) von Leuzin, Isoleuzin, Valin (sämtlich erhöht; bei „Teil-Ahornsirupkrankheiten“ wie Hypervalinämie, Hyperleuzin-/Isoleuzinämie entsprechend etwas verschobenes Muster) treten in das Mitochondrium bis in die Matrix ein, können dort aber nicht oxidativ dekarboxyliert werden. Die Oxosäuren sind neurotoxisch, können und müssen durch kontrollierte diätetische Reduktion von Leuzin, Isoleuzin, Valin vor dem 7. Lebenstag (bei gleichzeitigem Ausgleich von etwa negativer Energiebilanz und Azidose) wirksam gesenkt werden. Das klinische Bild, dessen Ursache durch den Uringeruch nach Ahornsirup (ähnlich Karamell) vermutet werden kann, ist in unbehandelten Fällen durch Atmungsstörung, Myoklonien, aufgeweitete Schädelnähte, Opisthotonus, Hypoglykämie, metabolische Azidose, Lethargie und Koma gekennzeichnet und führt nach einigen Wochen oder Monaten zu spastischer Zerebralparese und Tod. Bei den intermittierenden, intermediären, thiaminabhängigen und ophthalmoplegischen (mildesten) Formen treten die Symptome krisenhaft und später oder kaum auf. Die oft akut notwendige Metabolitendiagnostik erfolgt meist, evtl. noch nicht immer im Rahmen des Neugeborenen-Screenings. Im Liquor cerebrospinalis sind die Veränderungen teils noch deutlicher als im Serum. Laktazidämie und Hyperammonämie können hinzukommen und zeigen die Entgleisung angekoppelter Stoffwechselwege. Neuropathologisch führendes Zeichen ist die spongiöse Degeneration vor allem in bereits myelinisierten Bezirken, speziell im Bereich des Pallidums und des Kleinhirns. Hirnödem, Migrationsstörungen und Nervenzelluntergänge, Kleinhirnkörnerschichtnekrosen, Oligodendrogliaverminderung, Bemarkungsstörung unter Einschluss des Rindenmarkbereichs, jedoch ohne sudanophile Makrophagen, wurden beschrieben. Bei therapierten Fällen sind diese Veränderungen deutlich geringer. Bei Krankheiten wie Isovalerylazidurie (Schweißgeruch der Patienten), Hydroxymethylglutaryl-CoA-LyaseDefizienz, -Ketothiolase-Defizienz können die genannten Oxosäuren zwar dekarboxyliert werden, aber die nachfolgenden enzymatischen Abbauschritte sind gestört. Die Lyasedefizienz resultiert im Darniederliegen der Bildung von energierelevanten Ketonkörpern (Aceto-
Stoffwechselstörungen der Amino- und organischen Säuren
acetat kann nicht aus 3-Hydroxy-3-methyl-glutarylCoA entstehen) und tritt bei jedem 50.000. Säugling mit schwerer Hypoglykämie, Hypoketose, Azidose, Hyperammonämie, Erbrechen, Hemiplegie, Choreoathetose und Koma auf. Sind die genannten Enzymreaktionen jedoch intakt, so können die im Folgenden genannten Krankheiten durch enzymatische Abbaustörungen des Nachfolgeprodukts Propionyl-CoA (das außerdem aus dem Abbau kohlenstoffungeradzahliger Fettsäuren anfällt) in Frage kommen.
175
Bei einer Form ist die Synthese beider Koenzyme gestört, und Methylcobalamin fehlt dann auch als Kofaktor der Methioninsynthase, so dass Methylmalonazidurie mit Homozystinurie aufgrund von Methioninmangel kombiniert auftritt. Laborchemisch werden bei Methylmalonazidurie neben anderen Auffälligkeiten in Serum und Urin Carnitinester als Propionylcarnitin und Methylmalonylcarnitin gefunden.
Hyperglyzinämie Propionazidurie Bei der Propionazidurie findet sich ein Aktivitätsmangel der Propionyl-CoA-Carboxylase (PCC), die im Normalfall die Umwandlung von Propionyl-CoA in Methylmalonyl-CoA leistet. Die PCC kann gestört sein durch Mutationen in ihrer D- oder E-Untereinheit, aber auch indirekt durch Mangel an Holocarboxylasesynthase und, wegen Biotinabhängigkeit der Letzteren, noch indirekter durch genetischen Mangel an Biotinidase. Dieses Enzym macht das Biotin aus der meist vorliegenden Vitaminform, Biocytin, verfügbar. Mutationen der PCC führen zum Syndrom der ketotischen Hyperglyzinämie mit schwerer Ketoazidose, Fettleber und Kleinhirnrindendegeneration. Ferner führen meist indirekte (biotinabhängige und -beeinflussbare) Störungen der Holocarboxylasesynthase zur multiplen Carboxylasedefizienz mit zusätzlicher oder alternativer Muskelhypotonie, Epilepsie, Hautveränderungen, Haarausfall, Entwicklungsretardierung. Neben PCC und Pyruvatcarboxylase ist 3-Methyl-crotonyl-CoA-Carboxylase die dritte mitochondriale von der Holocarboxylasesynthase abhängige Karboxylase. Wenn sie durch Mutation isoliert ausfällt, ist die resultierende, teils an die spinale Muskelatrophie Werdnig-Hoffmann erinnernde Störung nicht durch Biotin beeinflussbar. Laborchemisch ist Propionazidurie, neben anderen Veränderungen, durch starkes Vorkommen von Propionylcarnitin in der Serum- und Urinmassenspektrometrie gekennzeichnet.
Methylmalonazidurie Zur Methylmalonazidurie kommt es, wenn Methylmalonyl-CoA in seiner Umlagerung zu Succinyl-CoA gestört ist. An der Umlagerung sind Methylmalonyl-CoA-Mutase und Vitamin B12 in Form seiner Derivate Adenosylund Methylcobalamin beteiligt. Störungen können Mutase-Apoenzym-Mutationen sein oder die Synthese der Cobalaminkoenzyme betreffen.
Die Hyperglyzinämie, sofern nicht begleitend bei Propionazidurie und Methylmalonazidurie, ist als nichtketotische Hyperglyzinämie eine eigenständige Krankheit. Bei dieser ist Glyzin auf einem mitochondrialen Weg (evtl. aber auch auf einem anderen; die einfachste Aminosäure Glyzin hat Beziehung zu vielen Stoffwechselwegen) in seinem desaminierenden oder dekarboxylierenden Abbau gestört, der normalerweise zu einem für die Bindung an Tetrahydrofolat bestimmten C1Fragment führt. Das klinische Bild bietet postpartale Lethargie bei erhöhtem Muskeltonus, der aber bei Auftreten von Azidose – die dann abhängig von Proteinzufuhr ist – erschlafft. Krisen mit Erbrechen, Atemstörung und Thrombopenie können lebensbedrohlich sein. Bei der nichtazidotischen Verlaufsform sind psychomotorischer Rückstand, Spastik und Krampfanfälle auch bei juvenilen Fällen fatal. Neuropathologisch finden sich Hirnödem und Bemarkungsstörung („graues Mark“) besonders des Balkens; mikroskopisch sieht man feinspongiöse Veränderungen bei Myelinvakuolisierung durch alle Markbereiche, selbst des Rückenmarks, und vermehrt fettbeladene Astrozyten, jedoch keine Myelophagen. Bei Alkoholfixierung wird interstitielles Proteinmaterial zu doppelbrechenden Kristallen gefällt. Ultrastrukturell zeigen sich geblähte Dendriten und Oligodendrozyten, außerdem astrozytäre Fibrillose und Einschlüsse.
Glutarazidurie (Typ I) Die Glutarazidurie I resultiert, unabhängig vom LeuzinIsoleuzin-Valin-Stoffwechsel, aus dem gestörten, intramitochondrialen Stoffwechsel eines Folgeprodukts der Aminosäuren Lysin, Hydroxylysin und Tryptophan, nämlich Glutaryl-CoA, durch Mutationen der GlutarylCoA-Dehydrogenase. Dieses Enzym reagiert in zwei Schritten: Glutaryl-CoA wird zunächst in GlutaconylCoA, dann aus diesem in Crotonyl-CoA überführt. Der Defekt des Enzyms verursacht ein schweres neurologisches Krankheitsbild mit dyston-dyskinetischer
176
6
Kapitel 6
Bewegungsstörung und Makrozephalie. Akute enzephalopathische Krisen täuschen evtl. eine Enzephalitis vor, jedoch sind für die – oft gute – Prognose eine Diagnose (organische Säuren im Urin) und Therapie (Metabolitenelimination, Carnitinsubstitution, Diät, Infektinterventionsprogramm) vor der ersten Krise nötig. Neben wechselnder Rumpfhypotonie, Zittrigkeit und Schreckhaftigkeit kann das frontal betonte, perzentilenflüchtige Kopfwachstum ein früher Krankheitshinweis sein. Frontotemporale Flüssigkeitsansammlungen in sonographischer, sodann neuroradiologischer Bildgebung entsprechen einer frontotemporalen Hirnatrophie, bei der zerebrale Blutungen durch Brückenveneneinrisse leicht entstehen, mehrzeitige subdurale Hämatome und Hygrome folgen und als kindsmisshandlungsbedingt (Schütteltrauma) fehlgedeutet werden können. Bei der ersten, evtl. einzigen, aber entscheidenden Stoffwechselkrise, die oft durch einen Infekt oder Fieberzustand eingeleitet wird und mit hoher spezifischer Organazidurie einhergeht, bei der aber, anders als bei anderen Organaziduriekrankheiten, metabolische Azidose mit Laktazidose, Hypoglykämie, Laktazidose, Hyperammonämie durchaus selten sind, werden selektiv und minutenschnell Neurone des Kaudatums und Pallidums zerstört (später neuroradiologisch nachweisbar), mit der Folge schwerer Dystonie und Dyskinesie, auch dementsprechender Neuropathologie. Hinzu kommen Spongiose des Marklagers und Kleinhirnatrophie. Leichtere, mehr oder weniger krisenfreie Verläufe bei einer Patientenminderheit bieten die Symptome eventuell mit schleichender Ausprägung. Mit der Gefahr der Nicht- oder Spätdiagnose behaftet haben diese Patienten keine günstige Prognose, sterben bei interkurrenten Krankheiten oder unter unbeeinflussbarer Hyperthermie. Massenspektrometrisch sind in Serum und Urin erhöhte Konzentrationen von Glutarsäure, 3-Hydroxyglutarsäure, Glutaconsäure und Glutarylcarnitin nachweisbar, evtl. erst eindeutig bei Untersuchungswiederholung. Die Frequenz der Typ-I-Glutarazidurie ist wahrscheinlich deutlich höher als 1:100.000. Häufig findet sich eine Makrozephalie [41]. Die Neurohistopathologie besteht charakteristischerweise aus einer hochgradigen Atrophie des Striatums, d. h. des Nucleus caudatus wie des Putamen, sowohl bei im frühen Kindesalter verstorbenen Patienten wie auch bei Langzeitüberlebenden. Zelluläre und fibrilläre Astrozytose kommt in diesen und anderen Regionen, u. a. auch in der unteren Olive, vor. Vakuolisierung des Marklagers oder von Markfaserbahnen ist eher spärlich. Die hier behandelten Organazidurien neigen, ähnlich wie die zuvor aufgeführten Krankheiten, stark zu akuten, lebensbedrohlichen Krisen, bei denen toxische Metaboliten sofort zu eliminieren sind. Die Prognose hängt von strikter, lebenslanger, spezifischer, für essentielle Aminosäuren balancierter Diät ab. Carnitinsubstitution ist fast immer angezeigt.
Neurometabolische Krankheiten
Hyperammonämien im engeren Sinn Die Quelle des Ammoniumions NH4+ ist ganz allgemein der Proteinstoffwechsel. Die Erhöhung des Ammoniakspiegels (Konzentration des NH4+ und seiner nicht ionisierten, die Blut-Hirn-Schranke umgehenden Form NH3) führt im Nervengewebe zu teils massiven Veränderungen (Hirnödem, Status spongiosus, Astrogliaschwellung und -proliferation, Atrophie) [13, 69]. Bei genetischen, heute oft durch entsprechende Mutationen (Tabelle 6.38) belegten Defekten der Enzyme des Harnstoffzyklus, dessen Funktion vor allem in der Ammoniumfixierung in Harnstoff besteht, werden viele intermediäre Metaboliten umreguliert. Die erhöhte Ammoniumkonzentration beeinträchtigt z. B. den Glutamat(Transmitter-)Stoffwechsel und die Bereitstellung energiereichen Phosphats, löst aber auch eine kompensatorische Ammoniakentgiftung über intermediäre Metaboliten in Umgehung der Harnstoffbildung aus. Die vor allem 6 wichtigen enzymatischen Schritte der Harnstoffbildung (im Harnstoffzyklus selbst liegen eigentlich nur 4 davon) finden teils im Mitochondrium, teils im Zytoplasma statt. Das Mitochondrium kann bei Störungen der Harnstoffbildung direkte oder indirekte, teils ultrastrukturell erkennbare Schäden erleiden. Die Hyperammonämie I beruht auf dem Defekt der in den Mitochondrien der Hepatozyten lokalisierten Carbamylphosphatsynthase. Die Hyperammonämie II entspricht der Defizienz der ebenfalls dort lokalisierten Ornithin-carbamyl-Transferase und wird X-chromosomal vererbt; auch bei einem Teil der Konduktorinnen (Heterozygoten) treten Symptome auf. Die Zitrullinämie resultiert aus dem Aktivitätsmangel (3 Typen mit unterschiedlicher Kinetik und Organausprägung) der zytoplasmatisch lokalisierten Argininosukzinatsynthase, die Argininosukzinaturie oder -ämie aus dem Defekt der ebenfalls zytosolischen Argininosukzinatlyase. Es gibt noch die Defizienzen der zytosolischen Arginase (mit teils mildem Verlauf) und der hepatomitochondrialen N-Acetylglutamatsynthase, deren Rolle in der Aktivierung der Carbamylphosphatsynthase liegt. Eine Besonderheit ist das HHH-Syndrom [69, 132], bei dem offenbar eine harnstoffzyklusassoziierte Transportstörung zu Hyperornithinämie, Hyperammonämie und Homozitrullinurie führt. Unter den genannten Störungen treten nur die Hyperammonmämie II und die Argininosukzinaturie häufiger als 1:100.000 auf; die kumulative Häufigkeit für die Gesamtheit der Harnstoffzyklusdefekte wird auf 1:8000 geschätzt. Klinik. Das klinische Bild kann postpartal nach wenigen Tagen ohne adäquate Therapie (wie Hämodialyse, selektive intravenöse Pharmaka zur Ausschleusung von Ammoniak und Überflussstickstoff über alternative Stoff-
Stoffwechselstörungen der Amino- und organischen Säuren
wechselwege, hochkalorische proteinarme, mit essentiellen Aminosäuren angereicherte Diät) im hyperammonämischen Koma enden. Erbrechen, Atemstörung, Lethargie, in der zerebralen MR-Spektroskopie Glutaminerhöhung, Hypotonie, Fieber, Tremor, Ataxie und Epilepsie, später Spastik sowie Hepatomegalie und – eher selten – Ikterus zeichnen z. B. das Bild früh neurodegenerativ verlaufender Fälle. Akzessorische Symptome sind Tachykardie, Hautund Haarveränderungen, manchmal viszerale und Hirnblutungen. Im adulten Alter können psychomotorische Retardierung, Halluzinieren und schwere Psychosyndrome, aber auch teils spastische Paraparese auftreten. Neuropathologie. Neuropathologisch sind die oben erwähnten, wenig spezifischen Veränderungen dahingehend zu ergänzen, dass akut schwellungsbedingte Ventrikelverengung, bei längeren Verläufen jedoch Ventrikelerweiterung, Rindenatrophie und -nekrosen, Ulegyrien, Einblutungen bzw. Infarkte, hochgradige spongiöse Auflockerung (bisweilen auch nur Ödem, bisweilen aber große Zysten, selbst extreme Hydrozephalie), Kernikterus und -nekrosen (z. B. im Dentatum) vorkommen. Feinstrukturell gibt es spongiös bis gliotische Bereiche mit Gefäßproliferaten, immer wieder durchsetzt mit protoplasmatischer Glia (Alzheimer-II-Glia mit ihren „leberzellkernartig“ aufgeblasenen und aufgehellten Kernen) sowie teils akute Nervenzelluntergänge und elektive Parenchymnekrosen (z. B. im Kleinhirn). Herdförmige oder weit greifende Bemarkungsstörungen oder Entmarkung, teils mit Myelophagen, werden beschrieben. Ultrastrukturell lässt sich z. B. das astrozytäre Ödem in Form von Vakuolisierung nachweisen. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik ist – wegen der vor dem ersten Koma bei Neugeborenen zwingenden Therapie – oft dringlich und geht vom Nachweis der teils extremen Hyperammonämie aus. Daran schließt sich eine massenspektrometrische Analyse von Metaboliten in Plasma und Liquor (Glutamin, Alanin, Zitrullin, Argininosukzinat) sowie Urin (Orotsäure) an, außerdem von Enzymaktivitäten aus bioptischem Lebergewebe, teils Erythrozyten und sehr begrenzt Fibroblastenkulturen nach einem bestimmten, Speziallabors vorbehaltenen Schema. Dabei wird gegen eine ganze Reihe genetischmetabolisch definierter Krankheiten mit – meist geringergradiger – sekundärer Hyperammonämie differenziert. Pränatal gelingen Enzymbestimmungen aus gezüchtetem Fruchtgewebe nur bei Zitrullinämie und Argininosukzinaturie, da die sonst betroffenen Enzyme nur hepatisch exprimiert sind; entsprechende Genstörungen sind aber öfters der DNA-Analyse zugänglich. Terminologische Probleme. Hyperammonämische Krankheitsverläufe werden teilweise angesprochen als „Reye-artiges“ Syndrom (in Abgrenzung vom nicht erb-
177
lich bedingten Reye-Syndrom, das viral-infektiös ausgelöst wird und nicht sicher mit Azetylsalizylsäuremedikation korreliert ist, als zerebrohepatisches Syndrom auftritt und klinisch bei Hyperammonämie an Harnstoffzyklusstörungen, aufgrund von Transaminasenerhöhung und Laktazidose aber eher nicht an diese denken lässt). Wird die etwas fragliche Bezeichnung für eine der vielen oben angedeuteten hyperammonämischen Störungen, aber auch z. B. bei der sog. familiären lysinurischen Proteinintoleranz sowie beim Mangel der Fructose-1,6-Diphosphatase benützt, so ordnet man ihr außer der Hyperammonämie klinisch-chemisch Hypoglykämie (sowohl bei Hypoketose als auch bei ketoazidotischer glukoneogenetischer Insuffizienz), Organazidurie sowie eine Neigung zur phasischen Wiederholung zu.
Störungen des Homozystein-, Methioninund Methylierungsstoffwechsels Die schwefelhaltige Aminosäure Homozystein fällt nach Entmethylierung des wichtigsten Methylgruppendonators im Stoffwechsel, des Adenosylmethionins, an. Kann Homozystein durch Defekt der Zystathioninsynthase nicht zu Zystathionin weiterverwertet werden, so häufen sich Methionin und Homozystein in Blut und Urin an (Homozystinurie I; in der hier besprochenen Krankheitsgruppe relativ häufig), wobei das vermehrte Methionin durch Remethylierung des vermehrten Homozysteins entsteht. Bei intakter Zystathioninsynthetase, jedoch defekter Remethylierung (hierbei erniedrigtes Adenosylmethionin im Liquor) häufen sich Homozystein und Zystathionin an (Homozystinurie II), und es kommt zum Methioninmangel (der sich u. U. negativ auf die Bildung von Neurotransmittern auswirkt). Die Remethylierung zum Methionin ist ein komplizierter Vorgang, der gleichzeitig Vitamin B12 und Folsäure (als N5-Methyltetrahydrofolat) als Kofaktoren benötigt. Kann durch Defekt einer Reduktase das Methyltetrahydrofolat nicht aus Methylentetrahydrofolat bereitgestellt werden, so ist die Remethylierung des Homozysteins gestört [69, 76, 79]. Die Störung liegt aber auch bei Inaktivität des Remethylierungsenzyms (Methioninsynthase) selbst vor. So gibt es 2 Formen der Homozystinurie II. Die zweite Form hat außer der Unterform mit mutiertem Protein der Methioninsynthase noch die Unterform mit Ausfall des Vitamin-B12-abhängigen Synthasekoenzyms, die mit der B12-abhängigen Methylmalonazidurie kombiniert ist. Neben der Remethylierung unterliegt Homozystein im Normalfall auch seiner Verkürzung um eine Methylengruppe zum Zystein in 2 Schritten. Sowohl der Schritt der Zystathioninsynthase, die Serin an Homozystein ankondensiert, als auch der Schritt der Lyase, die 2-Oxobutyrat vom gebildeten Zystathionin abspaltet, sind Vita-
178
6
Kapitel 6
min-B6-abhängig. Die Störung des ersten Schritts bedingt die Homozystinurie I, die des zweiten Zystathioninurie (bei der Zystathionin somit aus anderem Grund als bei Homozystinurie II erhöht ist). Die Rolle der Vitaminkofaktoren bei der genannten Reihe von Störungen ist bedeutend. Ein hoch dosierter Substitutionsversuch (ggf. ergänzt durch methyllieferndes Betain) ist angezeigt, jedoch bei direkten Enzymmutationen nicht aussichtsreich. Die Analogie der Rollen von Pteridinkörpern (Tetrahydrofolat bzw. Tetrahydrobiopterin) bei Homozystinurie II und maligner Phenylketonurie sei erwähnt. Klinik. Die klinischen Bilder der im metabolischen Sinn einander benachbarten Störungen beinhalten mentale Retardierung starken oder verschwindenden Grades, Augenlinsenstörungen und andere, generalisierte (MarfanSyndrom-artige) Bindegewebsstörungen, helle Haare und Hautflecken, Neigung zu Thrombembolie (Hirn, Herz, Lunge; angeblich auch bei Heterozygoten), teils psychotische Erregtheit, Bluthochdruck, Epilepsie und Dystonie. Gelten diese Symptome etwas bevorzugt für juvenile bis ältere Patienten mit Homozystinurie I, so zeigen solche mit Typ II entweder bereits postpartale Apnoe und generalisierte Krämpfe oder spätere Hyperkinesie und Spastik, oder sie erreichen mit geringeren Symptomen das Erwachsenenalter. Beim Vitamin-B12-abhängigen Typ II kommt oft die megaloblastische Anämie hinzu; die Epilepsie zeigt eher einen Petit-mal-Typ. Bei der Zystathioninurie (meist eher mild) sind Augen- und Ohrmissbildungen, auch Taubheit beschrieben worden. Neuropathologie. Sie umfasst – sehr unterschiedlich – Hirnatrophie, Balkenhypoplasie, Mikrogyrie, Sinusthrombosen, Infarkte und „perivasale Lücken“. Feinstrukturell gibt es Erweichungen und Mikroentmarkungen (auch in den U-Fasern), ferner Endothelzellproliferation und Gefäßwandverdickung bis zur fibrinoiden Nekrose, teils auch allgemeine oder lokal starke Entmarkung (z. B. im Pallidum), teils bis ins Rückenmark reichende Spongiose. Ultrastrukturell sollen bei Homozystinurie II Hirano- und kristalloide Körper in kortikalen Neuronen bzw. Purkinje-Zellen vorkommen. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik ergibt sich aus den erwähnten Metabolitenveränderungen in Plasma und Urin und sekundär aus dem klinischen Ansprechen auf substituierte Kofaktoren, für die auch die evtl. beeinträchtigte intestinale Resorption (z. B. von Vitamin B12) zu berücksichtigen ist. Der Sulfitoxidasemangel mit klinischer Ähnlichkeit zur Homozystinurie I bedingt Rückstau von Sulfit ins Gewebe, stark erhöhtes, einfachem Test zugängliches Sulfit und erniedrigtes Sulfat im Urin. Meist ist die Sulfitoxidasedefizienz kombiniert mit den Defizienzen der Xan-
Neurometabolische Krankheiten
thindehydrogenase und Aldehydoxidase und beruht auf dem Mangel des den 3 Enzymen gemeinsamen Kofaktors (heißt dann genauer Molybdänkofaktormangel). Die genaue Metabolitenanalyse im Urin zeigt ein ziemlich typisches Spektrum. Klinisch treten in den ersten Lebenswochen refraktäre Anfälle, Hypomotilität auf; weitere Symptome sind faziale und orale Dysmorphien, Augenlinsendislokation, neuroradiologisch multiple Zysten (nicht zu verwechseln mit der periventrikulären Leukomalazie bei Frühgeborenen). Tritt kein Frühtod ein, so kommt es zu schwerer mentaler Retardierung, Pyramidenbahnzeichen, Choreoathetose. Neuropathologisch schließen die schweren Läsionen zystische Nekrosen im Marklager, Neuronenverlust und Gliose in der Rinde ein und finden sich evtl. asymmetrisch und auf das Kleinhirn ausgedehnt.
Weitere Stoffwechselstörungen von Aminosäuren, organischen Säuren bzw. Intermediaten Dutzende von Störungen von biologischen, meist wasserlöslichen Intermediaten sind beschrieben worden. Grundsätzlich wird hier auf die Fachliteratur verwiesen [69, 105] und die folgende Auswahl eher exemplarisch gesehen. Die diagnostische Zugänglichkeit der betreffenden Metaboliten in Blutfraktionen und Urin dient hier weiterhin eher der Krankheitsgruppierung als die allenfalls mehrheitlich anzunehmende „zytoplasmatische Lokalisation“ der defekten Enzyme.
Hyperphenylalaninämien Die klassische, durch Diät behandelbare genetische Stoffwechselstörung ist die Phenylketonurie (PKU; Synonyme: M. Fölling, „Phenylbrenztraubensäure-Schwachsinn“). Sie kommt zusammen mit anderen Hyperphenylalaninämien häufiger als 1:10.000 vor. Neugeborenen-Screening, gefolgt von früher und konsequenter Therapie über Jahre, sind heute weitgehender Standard, so dass die schweren klinischen und neuropathologischen Bilder der PKU ausbleiben. Es gibt die klassische PKU (PhenylalaninhydroxylaseApoenzym-Defekt), die maligne, dennoch behandelbare PKU (Hydroxylasekoenzymstörungen: Mangel an Tetrahydrobiopterin-Kofaktor durch dessen fehlende reduktive Regeneration oder Synthese). Die maternale PKU (irreführender Name für die Schädigung des Fetus bei Schwangeren mit PKU) tritt auf, wenn nicht ab der Konzeption in der Schwangerschaft erneut diätetisch behandelt wird.
Stoffwechselstörungen der Amino- und organischen Säuren
Klinik. Klinisch gilt es, bei der klassischen PKU (die z. B. pigmentarme Kinder betrifft und mit Erbrechen und Erregbarkeit einsetzen kann) vor allem die mentale Retardierung durch die strenge Diät zu vermeiden. Bei der malignen PKU werden durch zusätzliche Substitution von Kofaktor sowie Dopa und 5-Hydroxytryptophan (Transmittervorstufen, deren Synthese von dem jenseits der Blut-Hirn-Schranke wenig verfügbaren Kofaktor abhängt), Symptome wie Rigor, Myoklonien, Krampfanfälle, Temperaturstörungen sowie Demyelinisierungsbilder abgewendet. Neuropathologie. Neuropathologisch dominieren bei unbehandelten Fällen die Verschmälerung des Marklagers zu erniedrigtem Hirngewicht, Mikrozephalie und evtl. Hydrozephalie. Feinstrukturell findet man neuronale Migrationsstörungen, Status spongiosus, verzögerte Myelinisierung und teils ausgeprägte Entmarkung (bei eher erhaltenen U-Fasern) mit Myelophagen, z. B. in der Sehstrahlung, auch im zervikalen Rückenmark, narbige Gliaveränderungen, Nervenzelldegenerationen, ferner ultrastrukturelle Einschlüsse in Oligodendrozyten. Diagnostik. Die intravitale Diagnostik erfolgt durch massenspektrometrische Metabolitenbestimmung in Blut, Plasma und Urin. Die Phenylalaninhydroxylase ist nur in Leber, Niere und Pankreas exprimiert, kann aber natürlich aus verschiedensten DNA-Proben molekulargenetisch, so auch meist im heterozygoten und pränatalen Zustand untersucht werden.
Hypertyrosinämien Typ I geht mit Leberzirrhose, Typ II (M. Richner-Hanhart) mit Keratosis corneopalmoplantaris einher; es finden sich meist psychomentale Retardierung und evtl. Spastik. Die Enzymdefekte liegen metabolisch in der Nähe des Phenylalaninstoffwechsels. Die Neuropathologie ist kaum bekannt.
Glutathionmangel (Oxoprolinurie) und Glutathionurie Das glutamathaltige Tripeptid Glutathion ist wichtig wegen seines chemischen Reduktionspotentials (z. B. bei der Insulininaktivierung) und für den transmembranösen Aminosäuretransport. Zwei Enzyme des Glutathionaufbaus und eines des -abbaus können defekt sein (und daher kann Glutathionmangel bzw. -überschuss entstehen). Klinische Zeichen sind psychomotorische Retardierung, Verhaltensstörung, spastische Parese, periphere
179
Neuromyopathie, Azidose (bei Oxoprolinurie), evtl. hämolytische Anämie, spinozerebelläre Degeneration; neuropathologisch gibt es Kleinhirnatrophie, besonders der Körnerzellen, prä-, postzentrale und thalamische Infarkte sowie elektive Parenchymnekrosen.
Hyperprolinämie und Histidinämie Bei der Hyperprolinämie sind zwei verschiedene Enzymdefekte bekannt. Es gibt zusätzliche Hyperglyzinämie. Auffällig sind Gesichtsausdruck, Nierenstörung, Hörstörung, Ichthyosis, (nicht immer) mentale Retardierung und Krämpfe. Darüber hinaus finden sich kortikaler Nervenzellverlust, Hypomyelinisierung und Spongiose. Die Histidinämie resultiert aus einem spezifischen Enzymdefekt (Histidase). Oft sieht man mentale Retardierung, Dysarthrie, Krämpfe und Ataxie.
Homokarnosinose und Karnosinämie Hierbei handelt es sich um Dipeptidosen aufgrund eines Defekts des zerlegenden Enzyms. Bei der Homokarnosinose finden sich Retardierung, Paraplegie, retinale Pigmentauffälligkeit und kortikale Atrophie. Die Karnosinämie tritt meist bei Knaben auf mit postpartaler Epilepsie, Symptomen kortikaler, basalganglionärer und bulbärer Beteiligung sowie peripherer Neuropathie.
Hartnup-Syndrom Dem Hartnup-Syndrom liegt eine Transportstörung neutraler Aminosäuren (z. B. Tryptophan) zugrunde, mit deren Vermehrung auch im Urin. Klinische Zeichen sind intestinale und pellagraartige Hautstörungen, Lichtempfindlichkeit, Ataxie, Nystagmus, psychische Auffälligkeit, Tremor und koordinativ-dystone Bewegungsstörung. Neuropathologisch sieht man eine massive hydrozephale Hirnatrophie; daneben imponieren diffuser Nervenzellverlust, Entmarkung und Gliose (in den Sehbahnen akzentuiert) sowie Purkinje-Zell-Verlust und/oder -Dendriten-Auftreibung.
4-Hydroxybutyrazidurie Sie beruht auf einer Vermehrung der 4-Hydroxybuttersäure als Ausweichreaktion bei gestörter Umwandlung
180
Kapitel 6
der GABA (c-Aminobuttersäure) in Sukzinat auf der Stufe der hier defekten Sukzinatsemialdehyd-Dehydrogenase. Kennzeichnend sind psychomotorische inklusive Sprachretardierung, Muskelhypotonie, selten Krämpfe, Ataxie und okuläre Dyspraxie. Die Gabe von Vigabatrin erhöht die – nicht erniedrigte – GABA mit teils bessernder Wirkung.
6
Spongiöse Leukodystrophie Morbus Canavan-van Bogaert-Bertrand Während spongiöse oder schwammige, d. h. vakuoläre Auflockerung des Hirngewebes bei einer Vielzahl von Krankheitsprozessen unterschiedlicher Zuordnung und unterschiedlicher Ätiologie vorkommt, etwa bei mitochondrialen Enzephalopathien, Aminosäuredefekten, den Prionkrankheiten, entweder mit Betonung der grauen Substanz oder der weißen Substanz, hier als spongiöse Myelinopathie bezeichnet, steht eine schwammartige Auflockerung des Gehirngewebes bei der spongiösen Hirndystrophie, die auch als metabolische spongiöse Leukodystrophie oder M. Canavan-van Bogaert-Bertrand bezeichnet wird, ganz im Vordergrund. Es ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, bedingt durch Mutationen im ASPA-Gen des ausschließlich oligodendrozytären Gewebeenzyms Aspartoazylase. Daher kommt es auch zur mangelhaften Bildung zentralen Myelins, also einer Leukodystrophie. Biochemisch ist die Aspartoazylase am komplexen Stoffwechsel von N-Azetyl-NAspartat (NAA) und N-Azetylaspartylglutamat (NAAG) beteiligt, die vermehrt in Geweben abgelagert und in Form einer Aspartatazidurie im Urin ausgeschieden werden [65]. Unter den verschiedenen Mutationen im ASPA-Gen, das auf Chromosom 17p13-ter lokalisiert ist, finden sich häufig bei Ashkenazi-Juden die beiden Punktmutationen E285A und Y281X, wobei beim M. Canavan-van Bogaert-Bertrand neben der kongenitalen Form auch eine infantile Form vorkommt. Die häufigste klinische Form existiert bei Patienten mit späterem, juvenilem Beginn. Die Dauer des Krankheitsverlaufs richtet sich jedoch nicht immer strikt nach dem Krankheitsbeginn. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch psychomotorische Entwicklungsverzögerung, Amaurose infolge zentraler Sehstörungen, Bewegungsstörungen, und nicht selten Epilepsie, gelegentlich mit einer myoklonischen Variante. Außerdem besteht eine Makrozephalie. Neuropathologie. Die Makrozephalie geht mit einer Megalenzephalie, also Hirnvergrößerung einher. Im Vordergrund steht histologisch eine spongiöse Auflockerung der weißen Substanz, die sich im Großhirn, besonders an der Rindenmarkgrenze, im Kleinhirn in den PurkinjeZell- und Körnerschichten manifestiert. Darüber hinaus
Neurometabolische Krankheiten
liegt eine spongiöse Myelinopathie auch in Stammganglien und Hirnstamm vor. Die Vakuolisierung oder spongiöse Auflockerung des Gewebes besteht intrazellulär in Nervenzellfortsätzen und Astrozyten. Die Vakuolizierung der Markscheiden jedoch befindet sich zwischen den Lamellen im Bereich der sog. „intraperiod line“, d. h., es kommt zu einer Aufsplitterung an der äußeren Seite der zu Markscheiden gewordenen oppositionalen Oligodendrozytenmembranen, womit die Vakuolisierung im extrazellulären Raum liegt. Wie es aufgrund der in den Oligodendrozyten gelegenen, bei der Canavan-Krankheit mutierten Aspartoazylase zu einer Schwellung und offensichtlichen Wasseransammlung im Extrazellularraum der oligodendrogliären Markscheide kommt, ist bisher unbekannt. Verlust von Nervenzellen, Astrozyten und Oligodendrogliazellen lassen sich ebenso dokumentieren, wie gelegentlich Sphäroide in Axonen. Ultrastrukturell zeigen sich pathologische Mitochondrien in Astrozyten, gekennzeichnet durch größere, anomale Cristae-Muster und mitochondriale Einschlüsse.
Krankheiten des Kupferstoffwechsels Kupfer und Eisen. Verschiedenartige Krankheiten gestörten Kupfer- und Eisenstoffwechsels (Tabelle 6.39) betreffen Gehirn und andere Organe als Multiorgankrankheiten oder nur einzelne Organe, unter denen besonders Leber und Gehirn rangieren [23, 70]. Generell sind zentralnervöse Krankheiten des Kupferstoffwechsels vom Multiorgantyp, während solche des Eisenstoffwechsels vorwiegend das Gehirn ausschließlich betreffen, wobei lediglich die Azäruloplasminämie sich als eine Stoffwechselstörung hauptsächlich zerebral manifestiert. Hierbei kommt es entweder zu Mangelzuständen oder exzessiver Ablagerung, wobei Erstere enzymatische Funktionen beeinträchtigen, Letztere eher toxisch wirken. Genetisch finden sich autosomalrezessive (M. Wilson), X-chromosomale (M. Menkes) oder selten autosomal-dominante (Neuroferritinopathie) Erbgänge. Einige mit gestörtem lokalem Eisenstoffwechsel einhergehende Erkrankungen des ZNS werden auch unter den neurodegenerativen Krankheiten abgehandelt, wie die Neuroferritinopathie, der M. Friedreich oder die heute als „Neurodegeneration mit Eisenablagerung“ (NBIA), früher als „Hallervorden-Spatz-Krankheit“ bezeichnete Erkrankung. Im Vordergrund der zentralnervösen Pathologie stehen die Stammganglien, die auch bei anderen Lebererkrankungen klinische und neuropathologische Befunde zeigen (hepatische Enzephalopathie). Während Kupfer und Eisen als Komponenten von enzymatischen Strukturproteinen essentiell sind, wirken sie ungebunden bei Überladung äußerst toxisch. Es bestehen
Krankheiten des Kupferstoffwechsels Tabelle 6.39 Zentralnervöse Krankheiten des Kupfer- und Eisenstoffwechsels Kupfer
• M. Wilson (hepatolentikuläre Degeneration) • M. Menkes
Eisen
• Acaeruloplasminämie • Neuronale Degeneration mit Eisenüberladung (NBIA, früher Hallervorden-Spatz-Krankheit) • Neuroferritinopathie
daher intrazellulär und interzellulär außerordentlich komplexe Systeme mit der Beteiligung verschiedenartiger Proteine, die die reguläre Funktion entsprechender kupfer- und eisenhaltiger Enzyme gewährleisten und gleichzeitig ungebundenes Kupfer und Eisen verhindern. Auch Störungen dieser Proteinträger von Kupfer oder Eisen durch genetische aber auch erworbene Defekte führen zu den verschiedenartigen Krankheitsbildern des Kupferund Eisenstoffwechsels (Tabelle 6.40).
181
Morbus Wilson (Kupferstoffwechselstörung) Die Wilson-Krankheit wurde auch hepatolentikuläre Degeneration oder Pseudosklerose genannt; die Begriffe sollen an die Beteiligung des Nucleus lentiformis bzw. an die multiple Sklerose erinnern. Kupfer wird über den Darm aufgenommen, an das kupferbindende, aber auch oxidoreduktaseartige, blau gefärbte Plasmaprotein Zäruloplasmin gebunden, durch dieses zur Zelle transportiert (wo es für kupferhaltige Enzyme, z. B. Zytochrome der Atmungskette, benötigt wird) und über die Galle und Niere ausgeschieden [21]. Beim M. Wilson ist die Kupferbilanz positiv. Wie man aus Studien an dem Wilson-Tiermodell der Long-Evanscinnamon-Ratte weiß, befindet sich das zu hoch toxischer Gewebskonzentration angehäufte Kupfer vor allem intralysosomal in unlöslicher Form – der M. Wilson ist also zum Teil eine lysosomale Krankheit –, ist aber auch zytosolisch an Metallothionein gebunden. Ursache des M. Wilson sind Mutationen im ATP7B-Gen (s. Tabel-
Tabelle 6.40 Kupfer- und Eisendefekte Krankheit
M. Wilson
M. Menkes
Acäruloplasminämie
NBIA
Neuroferritinopathie
Erbgang
Autosomal-rezessiv
X-chromosomal
Autosomal-rezessiv
Autosomal-rezessiv
Autosomaldominant
Gen
ATP7B
ATP7A
CP
PANK2, PLA2G6
FTL1
Genprodukt
ATP7b-Protein (Cu-Transporter)
ATP7a-Protein
Zäruloplasmin
Pantothenkinase, Ca++-abhängige Gruppe 6-Phospholigase A2
Leichtkette des Ferritin
Ablagerung
Kupfer
Eisen
Eisen
Eisen
Neuropathologie
Nervenzellen • Neuronenverlust in Großhirnrinde und Striatum • Kupferablagerung • Pseudozystische Defekte Astroglia • Alzheimer-Glia I + II Opalski-Zellen
Nervenzellen • Verlust im Kleinhirn, Großhirn Astroglia • pathologisch: Alzheimer Glia I + II • eisenbeladen globuläre Auftreibung in Stammganglien, Amygdala, Substantia nigra, Nucleus dentatus Sonstiges Eisenablagerung, Stammganglien, Thalamus, Nucleus dentatus, Neuronen und Astrozyten
• Ablagerung von Eisenpigmenten und Lipofuszin in Neuronen und Glia, gelegentlich Alzheimer-Fibrillen oder LewyKörperchen • Diffus axonale Spheroide mit Defekten in Pallidum und Substantia nigra sowie Großhirnrinde und Hirnstamm
Eisen-FerritinKörperchen diffus, besonders in Stammganglien o pseudozystische Defekte auch im Kleinhirn
CCC Confronting Cisternae Complex
Nervenzellen Verlust in Thalamus, Nucleus ruber, Clarke-Säule, RM, Hippokampus • n CCC-PurkinjeZellen (EM) • Entmarkung im Centrum ovale und Kleinhirn • Verlust von Körner- und PurkinjeZellen • Verdickung der äußeren Körnerschicht
182
Kapitel 6
le 6.40), das für das im „späten Endosom“ deutlicher als im Golgi-Apparat lokalisierte ATP7B-Protein, eine kupferpumpende ATPase, kodiert. Pathogenetisch scheint der unkontrollierte Kupfertransport zur Kupferanreicherung im Gewebe und zu einer Verminderung der Kupfereliminierung in die Galle zu führen.
6
Klinik. Die starke klinische Heterogenität des M. Wilson mit seiner Häufigkeit von etwas mehr als 1:100.000 ist bisher kaum erklärbar. Neben der durch die verschiedenen ATP7B-Mutationen selbst bedingte Heterogenität wird die An- oder Abwesenheit eines teilweise schützenden Apolipoprotein-E-Genotyps und eines zugehörigen Proteinphänotyps (vgl. M. Alzheimer!) als Krankheitsmodifikator diskutiert. Man unterscheidet eine vorwiegend abdominale, frühe oder spätere Form mit Lebervergrößerung, -funktionsstörung, -zirrhose und renaler tubulär-distaler Azidose, sodann die häufigste juvenile (hepatoneuromuskuläre) Form, ferner eine späte MS-artige oder parkinsonoide psychoorganopathologische Form. Von primär neurologischer Seite gliedert man auch in eine infantile, rigide, choreatische, dystone Form, sodann eine schleichende
Neurometabolische Krankheiten
Form mit Rigor (teils jedoch auch Muskelhypotonie) und (Intentions)Tremor, schließlich eine extrapyramidal-kortikale Form (evtl. auch eine zerebelläre Form) mit fakultativer Epilepsie und psychopathologischen Zeichen. Die neurologischen Symptome werden offenbar führend durch Befall der extrapyramidal-motorischen Systeme bestimmt (obwohl der erhöhte Kupfergehalt in anderen zerebralen Systemen ebenso nachweisbar ist). Ein klassisches, evtl. frühes, jedoch nicht obligates Symptom ist der Kayser-Fleischer-Ring der Kornea (Einlagerung von Kupfersalzen). Die bildgebenden Verfahren zeigen neben geringen zerebralen und zerebellären Anomalien fast immer Veränderungen in den Basalganglien. Weitere fakultative Symptome sind Dysarthrie, Gangstörung, Kontrakturen, rudernde Armbewegungen, Apathie, Demenz, Ikterus, Aszites, intestinale Beschwerden, Hypomimie, Speichelfluss und retrahierte Oberlippe. Neuropathologie. Neuropathologisch (Abb. 6.15) ist die allgemeine Hirnatrophie nicht obligat, aber häufig findet sich die Inselregion eingesunken. Das Putamen ist oft verschmälert und etwas dunkel. Manchmal sieht man Erweichungsherde. Feinstrukturell gibt es Auffälligkeiten
a
b
c
d
Abb. 6.15a–d Wilson Krankheit. a Pseudozystische Auflockerung (Pfeile) im Putamen. b Histologisches Äquivalent der pseudozystischen Geweberarifizierung, Hämatoxylin-Eosin. c Große Astro-
zytenkerne (Pfeile) im Putamen, Hämatoxylin-Eosin. d AlzheimerFibrillen in einer Nervenzelle (Pfeil), Hämatoxylin-Eosin
Krankheiten des Kupferstoffwechsels
der Astroglia sowie verstreute und lokale spongiöse Auflockerungen (z. B. im Nucleus subthalamicus, Thalamus und Nucleus ruber) mit wenigen Lipophagen und dystrophischen, wuchernden Kapillaren, auch in den Erweichungen. Pallidum, Substantia nigra und andere Kerne zeigen Phagozyten mit Metallpigment (Eisen, Kupfer). Im Kortex, Neostriatum und Nucleus dentatus sind die Nervenzellen rarefiziert, im Pallidum und in der Medulla teils verkalkt. Ultrastrukturell finden sich in der Alzheimer-II-Glia Lipofuszin- und Glykogenkörner, in der Opalski-Glia zahlreiche Lysosomen und Glukosankörper. Diagnostik. Die intravitale Diagnose bedient sich der nicht unbedingt zuverlässig erniedrigten Plasmaspiegel von Kupfer und Zäruloplasmin (das Letztere ist manchmal nur um ca. 75% herunterreguliert), des Radiokupfertests und der penicillaminprovozierten Kupferausscheidung. DNA-analytisch können Mutationssuche im ATP7B-Gen und Bestimmung genflankierender Marker, auch bei Heterozygoten, erfolgreich sein.
Morbus Menkes (Kupfertransportstörung) Der Morbus Menkes hat einige Analogien zum M. Wilson und entsteht aus Störungen des Transports und der auf intrazelluläre Ziele gerichteten Sortierung von Kupfer. Die fatale neurodegenerative Krankheit wird Xchromosomal vererbt [21, 69]. Ursache sind Mutationen im ATP7A-Gen, das eine kupferpumpende ATPase mit 65%iger Homologie zu der bei Wilson-Krankheit defekten ATPase kodiert. Das normale MNK-Protein scheint zwischen Trans-Golgi-Netzwerk und Plasmamembran und von dieser abgeleiteten Vesikeln zu zirkulieren und bei der Ankunft von Kupfer an plasmamembranösen Kompartimenten Überschüsse eindringenden Kupfers unmittelbar wieder auszuschleusen. Fehler oder Fehlen des MNK-Proteins scheinen intrazelluläre, evtl. nur lokale störende Kupferüberschüsse hervorzurufen. Das Menkes-äquivalente Tiermodell der scheckigen („brindled, mottled, macular“) Maus zeigt in Astrozytenkulturen, denen Kupfer gefüttert wird, dass die Astroglia extrem viel Kupfer anhäuft. Bei der Krankheit wird vermutlich von der Glia zu wenig Kupfer an die Neuronen für die Ausstattung einer Reihe teils mitochondrial lokalisierter kupferabhängiger Enzyme vermittelt (Zytochrome, Zytochromoxidase, Monoaminoxidase, Superoxiddismutase). Funktionell adäquat lokalisiertes Kupfer fehlt offenbar auch mesenchymalen, ossären, vaskulären, muskulären, renalen und ektodermalen Zellsystemen. Unter den Letzteren sind die Haare zu erwähnen, deren oft helle, geknickt-gedrehte („kinky hair“; Pili torti) oder drahtbürstig-stoppelige („steely hair“) Erscheinung der humanen Krankheit zu dem Namen Tricho-
183
poliodystrophie verholfen hat. Die Störung anderer kupferabhängiger Enzyme wie Lysinoxidase und Tyrosinase scheint zusätzlich eine Rolle zu spielen. Klinik. Das klinische Bild der Menkes-Krankheit ist äußerlich durch diverse Binde- und Stützgewebsstörungen (evtl. kurzes Kinn, Pes equinovarus u. a.) sowie die erwähnten Haarveränderungen gezeichnet. Neurologisch werden innerhalb weniger Lebensmonate psychomotorische Retardierung und fokale bis generalisierte Krampfanfälle beobachtet. Dazu kommen Spastik, Horizontalnystagmus, evtl. Optikusatrophie und Hypothermie, bis zum Tod mit knapp 1–3 (oder mehr) Jahren. EEG-Veränderungen vom Typ FIRDA (frontal intermittierende, rhythmische Deltaaktivität, das sind exogen unbeeinflussbare Extremspindeln) sind bekannt. Neuropathologie. Neuropathologisch können eine meningozerebrale Beteiligung bei allgemeiner Angiodysplasie mit stark geschlängelten Gefäßen (die mikroskopisch intimale Verdickungen und Strukturdefekte der Elastica interna aufweisen können) sowie subdurale Hämatome und Rindennekrosen auffallen. Eine starke Hirnatrophie mit Konsistenzvermehrung des (poly)mikrogyrischen Kortex sowie Hydrozephalie sind die Regel. Feinstrukturell ist Nervenzellausfall weit verbreitet (z. B. kortikal und retinal, sodann in Thalamus und Nucleus ruber, sehr stark in den Corpora geniculata, in der Kleinhirnkörnerzellschicht, spinal in der Clarke-Säule). Astrozytenproliferation mit Faserbildung und Status spongiosus ergänzen das Bild. Die rarefizierten Purkinje-Zellen erscheinen an ihren Grenzen verwaschen, denn ultrastrukturell tragen sie zahllose, die verdickten Synapsen einbeziehende Dornen, und zeigen zellleibnahe oder dendritische, zum Zellleib hin gebogene Sprossen („Trauerweidenmuster“) sowie dendritoaxonale Auftreibungen. Experimentell kann man durch pharmakologischen Kupferentzug bei Ratten Axonschwellungen erzeugen. Das auch als Ehlers-Danlos (Typ IX) bezeichnete OHS („Occipital-horn“-Syndrom) mit psychomotorischer Retardierung, Muskelatrophie, Bindegewebshyperelastizität und okzipitalen Exostosen kann als Abortivform der Menkes-Krankheit mit extraneuraler Betonung aufgefasst werden. Viele intraneurale kupferabhängige Funktionen scheinen bei neurodegenerativen Prozessen (etwa M. Alzheimer) bisweilen gestört zu sein. Nicht nur bei den Krankheiten mit defekten kupferpumpenden ATPasen scheinen Kupfertransportstörungen vorzuliegen. Der Kupferfluss scheint in verschiedenen Zellen des Intestinums, der Glia, Muskulatur, Chorionzotten bei Defekten verschiedener Transportfaktoren unter Anhäufung des Kupfers unterbrochen werden zu können. Das in diesen „Kupferinseln“ festgehaltene Metall fehlt an anderer Stelle, z. B. in den Neuronen.
184
Kapitel 6
Diagnostik. Die intravitale Diagnose bedient sich – wie beim M. Wilson – der bei M. Menkes zuverlässig niedrigen Plasmaspiegel von Kupfer und Zäruloplasmin. Ein Kupferfixationstest an gezüchteten Fibroblasten und pränatalen Zellen, bei dem Menkes-Zellen exogen appliziertes Kupfer vermehrt fixieren, ist schwierig und bleibt Speziallabors vorbehalten. In post- oder pränatal erhaltenenen DNA-Proben sind z. T. die Mutationen des ATP7A-Gens nachweisbar. Die radiochemische Neutronenaktivierungsanalyse kann pränatal erhöhtes Kupfer in Chorionzotten zeigen, jedoch ist die Methode kontaminationsanfällig.
6
Neurometabolische Krankheiten
Proteineinschlüsse enthalten Ubiquitin und 4-A-Hydroxynonenal, das an der Lipidperoxidation beteiligt ist [61]. Diese globulären Strukturen oder grumös-schaumigen Spheroidkörperchen [83] finden sich in Astrozyten, nicht jedoch in Nervenzellen, wobei Letztere Sphäroide in Axonen wie bei der NBIA aufweisen. Die globulären Strukturen liegen auch in Astrozyten des Globus pallidus, der Amygdala, der Substantia nigra und des Nucleus dentatus [83]. Die grumösen Spheroide bilden sich offenbar in perivaskulären Astrozytenfortsätzen und können Kapillaren kranzartig dicht umlagern. Besonders stark exprimieren sie Ferritin und die Mangansuperdismutase.
Acäruloplasminämie Weitere metabolische Krankheiten Mutationen im Acäruloplasmingen führen im Serum zu einem Mangel des in der Leber gebildeten, auf Astrozyten exprimierten Zäruloplasmin, das in den Eisenstoffwechsel eingreift. Sein Fehlen führt zur Eisenablagerung in viszeralen Organen und im Gehirn, wo es vor allem auf Gliazellen toxisch wirkt. Die Krankheit wird autosomal-rezessiv vererbt durch Mutationen im CP-Gen. Sie macht sich im frühen Erwachsenenalter durch Diabetes mellitus, Retinadegeneration, Anämie und neurologische Symptome der Demenz, Dystonie, Dysarthrie, und Ataxie bemerkbar. Neuropathologie. Hauptort pathologischer Veränderungen sind die Stammganglien, besonders das Striatum, das, ebenso wie die Großhirnrinde, Verlust von Nervenzellen zeigt. Besonders auffällig aber sind Astrozyten in bizarren Formen mit Kernen, die an Alzheimer-Typ-I-Glia erinnern und mit Eisen beladen sind. Diese eisenhaltigen
CDG-Syndrom Das CDG- (ursprünglich „carbohydrate-deficient glycoprotein“ [54], später „congenital disorders of glycosylation“ [9, 53] genannte Syndrom stellt eine Gruppe von Multiorgankrankheiten dar, bei denen Störungen der synthetischen Protein-N-Glykolysierung vorliegen (Tabelle 6.41) [52], wobei CDG-I-Defekte der Glykanbildung und deren Verknüpfung mit Proteinen, CDG-IIDefekte der Glykane im endoplasmatischen Retikulum und im Golgi-Apparat beinhalten. Mindestens zwölf Formen, CDG-Ia bis CDG–Il, beruhen auf verschiedenen Synthase- und Transferasedefekten, während CDG-II aus den Untergruppen a bis d, ebenfalls bedingt durch Transferase- oder Transporterdefekte, besteht [53]. Das Spektrum des CDG-Syndroms hat sich inzwischen ausgewei-
Tabelle 6.41 Kongenitale Defekte der Glykolisierung (nach [9, 53]) Krankheit
Defektes Protein
Defektes Gen
ZNS betroffen
Defekte der Protein-N-Glykosylierung CDG-Ia
Phosphomannomutase II
PMM2
Pontozerebelläre Hypo-/Atrophie
CDG-Ib
Phosphomannose-Isomerase
MPI
Nein
CDG-Ic
Dol-P-Glc: Man9-GlcNAc2-P-P-Dol-Glucosyltransferase (Glukosyltransferase I)
ALG6
Hirnatrophie
CDG-Id
Dol-P-Man: Man5-GlcNAc2-P-P-Dol-Mannosyltransferase (Mannosyltransferase VI)
ALG3
Mikrozephalie
CDG-Ie
GDP-Man: Dol-P-Mannosyltransferase 1
DPM1
Mikrozephalie
CDG-If
Lec35 (Man-P-Dol-Anwendung 1)
MPDU1
Erweiterte Liquorräume
CDG-Ig
Dol-P-Man: Man7-GlcNAc2-P-P-Dol-Mannosyltransferase (Mannosyltransferase VIII)
ALG12
Mikrozephalie
CDG-Ih
Dol-P-Glc: Glc1-Man9-GlcNAc2-P-P-DolGlukosyltransferase (Glukosyltransferase II)
ALG8
Leukoenzephalopathie
6
185
Weitere metabolische Krankheiten Tabelle 6.41 Fortsetzung Krankheit
Defektes Protein
Defektes Gen
ZNS betroffen
CDG-Ii
GDP-Man: Man1-GlcNAc2-P-P-Dol-Mannosyltransferase (Mannosyltransferase II)
ALG2
Hypomyelinisierung
CDG-Ij
UDP-GlcNAc: Dol-P-GlcNAc-P-transferase
DPAGT1
Mikrozephalie
CDG-Ik
GDP-Man: GlcNAc2-P-P-Dol-Mannosyltransferase (Mannosyltransferase I)
ALG1
Hirnatrophie
CDG-Il
Αlpha-1,2-Mannosyltransferase
ALG9
Mikrozephalie
CDG-IIa
N-Azetyglukosaminyltransferase II
MGAT2
Ja
CDG-IIb
Glukosidase I
GCS1
Ja
CDG-IIc
GDP-Fukosetransporter
SLC35C1/FUCT1
Ja
CDG-IId
Beta-1,4-Galaktosyltransferase
B4GALT1
Dandy-Walker-Syndrom
CDG-IIe
Konservierte oligomere Golgi-KomplexUntereinheit 7
COG7
Große Cisterna cerebelli superior
CDG-IIf
CMP-Sialsäuretransporter
SLC35A1
Noch nicht bekannt
CDG-IIg
Konservierte oligomere Golgi-KomplexUntereinheit 1
COG1
Zerebrale und zerebelläre Atrophie
• Glukuronyltransferase/N-Actylglukosaminyl-transferase • Beta-1,4-Galaktosyltransferase 7
EXT1/EXT2
Nein
B4GALT7
Nein
• Polypeptid-N-Azetylgalaktosaminyltransferase 3
GALNT3
Nein
• O-Mannosyltransferase 1+2
POMT1/POMT2
Hirn- und Augenmissbildungen
• O-Mannose-ß-1,2-N-Azetylglukosaminyltransferase
POMGNT1
Hirn- und Augenmissbildungen
• O-fukosespezifische β-1,3-N-Azetylglukosaminyltransferase
SCD03
Nein
GNE
Nein
Defekte der Protein-O-Glykosylierung O-Xylosylglykan-Defekte • multiple Knorpelexostosen • Ehlers-Danlos-Syndrom O-N-Azetylgalaktosaminylglykan-Defekt • Familiäre tumoröse Kalzinose O-Mannosylglykan-Defekte • Walker-Warburg-Syndrom • Muskel-Auge-HirnKrankheit O-Fukosylglykan-Defekt • Spondylokostale Dysostose Typ 3
Kombinierte Protein-N- und Protein-O-Glykosylierungsdefekte Erbliche Einschlusskörperchenmyopathie
UDP-GlcNAc-Epimerase/Kinase
Defekte der Lipidglykosylierung Infantile Epilepsie Typ „Amish“
Laktosylzeramide-Alpha-2,3-Sialyltransferase (GM3-Synthase)
ST3GAL5
Diffuse Atrophie
Glykosylphosphatidylinositol-Defekt
Phosphatidylinositolglykan, Klasse M
PIGM
Noch nicht bekannt
Peters-plus-Syndrom
Beta-1,3-Galaktosyltransferase
B3GALTL
Zerebrale Minderentwicklung u. Atrophie
186
6
Kapitel 6
tet auf Defekte in der Protein-O-Glykolysierung, wie das Ehlers-Danlos-Syndrom oder kombinierte Hirnmissbildungen mit kongenitaler Muskeldystrophie (WalkerWarburg-Syndrom) sowie auf kombinierte Protein-Nund Protein-O-Glykolysierungsdefekte und jüngst auf Defekte in der Lipidglykolysierung [53]. Aufgrund der Glykolysierungsdefekte in zahlreichen Organen, multipel, gelegentlich auch isoliert, vor allem der Leber, ist die klinische Symptomatik außerordentlich vielfältig, wobei das zentrale und das periphere Nervensystem oft betroffen sind [52, 75]. Die überwältigende Mehrzahl der einzelnen CDG-Krankheiten wird autosomal-rezessiv vererbt; nur das multiple Exostosensyndrom erscheint autosomal-dominant. Schon kurz nach der Geburt auftretend, gelegentlich jedoch erst im Erwachsenenalter, zeigen sich klinisch Entwicklungsverzögerung, mentale Retardierung und epileptische Anfälle. Die Methode der isoelektrischen Fokusierung von Serumtransferrin, assoziiert mit Verminderung der Neuraminsäure, bereitet den Weg zur weiteren Diagnostik. Neuropathologisch sind nur wenige Beobachtungen bekannt. Im Vordergrund stehen oligopontozerebellare Atrophie, gekennzeichnet durch hochgradigen Verlust von Körner- und Purkinje-Zellen, sowie Neuronen des Brückenfußes und der unteren Olive [50] bei CDG-Ia. Selten lassen sich ultrastrukturell in Nervenzellen offenbar lysosomale lamelläre Einschlüsse vom Zebrakörperchentyp oder vom membranös-zytoplasmatischen Körperchentyp nachweisen [35]. Daneben finden sich bei verschiedenen CDG-Syndromen Mikrozephalie, Hirnatrophie, Leukoenzephalopathie, wobei in den letzten Jahren Befunde zur Beteiligung des Zentralnervensystems weitestgehend auf klinischen und neuroradiologischen Untersuchungsergebnissen beruhen.
Zerebrotendinöse Xanthomatose Die zerebrotendinöse Xanthomatose ist eine nichtlysosomale, mitochondriale Speicherkrankheit, bei der Cholesterin in zahlreichen Organen, besonders im Zentralnervensystem gespeichert wird. Sie geht zurück auf einen autosomal-rezessiv vererbten Defekt der mitochondrialen Sterol-27-Hydroxylase, deren Gen sich in verschiedenen Mutationen gezeigt hat. Die Blockierung der Gallensäurebiosynthese durch die defekte mitochondriale Sterol-27Hydroxylase führt zu einer vermehrten Ablagerung von Cholesterinprodukten. Äußerlich sieht man Xanthome, d. h. Knötchen der Haut, besonders im Bereich der Achillessehne, die von cholesterinhaltigen Makrophagen-Riesenzellen bevölkert sind. Derartige Xanthome finden sich als Ausdruck einer Multiorgankrankheit auch in zahlreichen anderen Geweben, einschließlich des peripheren und zentralen Nervensystems.
Neurometabolische Krankheiten
Die zerebrotendinöse Xanthomatose mit Mutationen im Erwachsenenalter ist progredient und zeigt ein breites neurologisches Spektrum mentaler Retardierung, Demenz, Ataxie, Spastik, gelegentlich Epilepsie und psychiatrische Erkrankungen. Neuropathologie. Innerhalb des Zentralnervensystems, besonders im Kleinhirn, finden sich Xanthome im Marklager assoziiert mit Entmarkung und zystischer Degeneration, worin sich Makrophagen, Cholesterinnadeln und Cholesterinspalten nachweisen lassen. Purkinje- und Körnerzellen sind vermindert. Xanthome sind auch im Globus pallidus beobachtet worden, zusätzlich Makrophagen in den Stammganglien und im Großhirnmarklager, einhergehend mit Entmarkung. Mittelhirn, Hirnstamm und Rückenmark können betroffen sein. Die gespeicherten Makrophagen erscheinen nicht selten als Schaumzellen und sind vielfach perivaskulär aggregiert. Entmarkung der langen Bahnen des Rückenmarks wird gelegentlich beobachtet [102].
Galaktosämie Für den Säugling ist die Umwandlung der aus dem Milchzucker stammenden Galaktose in das „ungiftige“, glykolytisch abbaubare und nutzbare Glukose-1-phosphat unerlässlich. Für diese Umwandlung sind 3 Stoffwechselschritte kritisch: • die Bildung von Galaktose-1-phosphat unter Wirkung der Galaktokinase; • die Übertragung der Uridylyl-(Uridinmonophosphat-) Gruppe aus Uridyldiphosphat-(UDP-)Glukose (aktive Glukose) auf Galaktose-1-phosphat durch die vom GALT-Gen kodierte Uridylyltransferase unter Bildung von UDP-Galaktose; • die Umwandlung von UDP-Galaktose in UDP-Glukose durch die Epimerase. UDP-Glukose wird durch ein weiteres Enzym in Glukose1-phosphat, das Anschluss an die Glykolysekette findet, verwandelt. Genetische Defekte betreffen selten die Galaktokinase, viel häufiger die Transferase (Größenordnung 1:10.000) und extrem selten die Epimerase [49, 69]. Galaktosämien werden heute meist durch das Neugeborenen-Screening erfasst und sofort durch Milch- bzw. Milchzuckerentzug behandelt. Dabei werden zwar die körperlichen Symptome weitgehend, aber psychomentale Retardierungen nicht unbedingt verhindert, wofür eine bereits intrauterin einsetzende Hirnschädigung verantwortlich zu sein scheint, die durch eine – bei Galaktosämierisiko durchaus zu empfehlende – galaktosearme Diät der Schwangeren evtl. gemildert werden kann. Eine Störung ovarieller Funktionen weiblicher Feten soll dadurch ebenfalls vermeidbar werden.
Weitere metabolische Krankheiten
Klinik. Klinisch zeigen sich beim unbehandelten Transferasemangel postpartal oder später Erbrechen, intrakranielle Drucksteigerung, Lebervergrößerung, Apathie, später Ikterus, Leberzirrhose bis zum Leberkoma, „Öltropfenkatarakt“ der Augenlinse durch das Galaktosefolgeprodukt Galaktitol, Hämolyse, Galaktosurie, renale Aminoazidurie und Azidose, evtl. (bei protrahierten Fällen) mentale, extrapyramidale und zerebelläre Dysfunktionen. Auch behandelte Fälle erreichen fast nie einen normalen IQ. Der Galaktokinasemangel führt meist nur zur Katarakt, evtl. zu Muskelschwäche und Epilepsie. Der Epimerasemangel erscheint klinisch entweder stumm oder entspricht offenbar etwa dem Transferasemangel. Diagnostik. Die spezifische Diagnostik neonatal „gescreenter“ Fälle erfolgt durch Enzymbestimmungen in Erythrozyten, Leukozyten und kultivierten Hautfibroblasten (teils pränatalem Gewebe). Die Analyse der Transferase muss berücksichtigen, dass pathogene Mutationen im GALT-Gen zu Transferasemolekülen nicht nur mit keiner oder geringer, sondern auch mit hoher Restaktivität, ja über normalhoher Aktivität in vitro führen können. Diese Variabilität macht die enzymaktivitätsbasierte Zuordnung (z. B. Patient oder nur heterozygoter Überträger) teilweise besonders schwierig, entspricht hoher genotypischer Heterogenität und erklärt auch einen Teil der bekannten Divergenz der klinischen Phänotypen. Elektrophoretisch können die dem Allelspektrum entsprechenden Enzymphänotypen nach ihrer Wanderungsgeschwindigkeit differenziert und dann getrennt auf ihre Aktivität untersucht werden. Heute ist natürlich die Erkennung des genetischen Transferasestatus durch Analyse des GALT-Gens in DNS-Proben oft sicher möglich, wenn auch nicht unbedingt einfacher. Neuropathologie. Neuropathologisch kennt man beim Transferasemangel Mikrozephalie, diffuse Astrogliose und Entmarkung, fokale Nekrosen, Purkinje-Zell-Chromatolysen und -Verlust.
Lesch-Nyhan-Syndrom Das Lesch-Nyhan-Syndrom (Hypoxanthin-GuaninPhosphoribosyltransferase-(HPRT-)Mangel) ist eine Purinstoffwechselstörung, die X-chromosomal vererbt wird („juvenile Gicht“ mit Harnsäurevermehrung in Blut und Urin, Nierenschaden). Der Dopaminstoffwechsel ist indirekt gestört. Klinik. Klinisch umfasst das Lesch-Nyhan-Syndrom die Trias von Dystonie, kognitiven Defekten und Selbstverstümmelung mit Beginn im frühen Kindesalter und einer Überlebenszeit bis zur vierten Lebensdekade. Bei diesen Patienten sind die HPRT-Enzymaktivitäten minimal.
187
Fehlen Selbstverstümmelung oder neurologische Defekte, so spricht man von Varianten, die durch höhere Restaktivitäten des HPRT-Enzyms gekennzeichnet sind und trotz frühen Krankheitsbeginns eine fast doppelt so lange Lebensdauer ermöglichen [56]. Die häufigsten Mutationen sind Punktmutationen in dem X-chromosomalen HPRT-Gen [56]. Die meisten Patientinnen mit ungünstiger Inaktivierung des normalen X-chromosomalen HPRT-Allels zeigen eine schwere klassische Verlaufsform, wobei möglicherweise die milderen Varianten bei manifesten Überträgerinnen unerkannt bleiben. Neuropathologie. Neuropathologisch sind offenbar weniger als 35 Patienten beschrieben worden [24], wobei die ausgeprägtesten und deutlichsten Veränderungen im Kleinhirn vorliegen. Es findet sich vor allem fokaler Verlust von Körnerzellen der inneren Körnerzellschicht bei besserer Erhaltung der Purkinje-Zellen und spärlicher Bergmann-Gliose. Im Vergleich zu größeren Verlusten von inneren Körnerzellen erscheinen Purkinje-ZellLeiber eher klein und verarmt an perikaryonellen Korbfasern. Läsionen im Großhirn, Stammhirn und Rückenmark sind jedoch extrem selten, unspezifisch und möglicherweise Folge prämortaler Schädigung [24]. Zusätzlich findet sich oft eine Mikrozephalie, offenbar bei normalgroßen Ventrikeln, als Ausdruck einer Entwicklungsstörung, nicht einer Atrophie des Gehirns. Neuropathologische Läsionen bei den Varianten, also klinisch geringgradig ausgeprägten Formen, sind kaum bekannt.
Sjögren-Larsson-Syndrom Das Sjögren-Larsson-Syndrom [97] entsteht (nicht immer) durch Mutationen der Fettsäurealkohol-NAD+Oxidoreduktase, genauer ihrer Fettsäurealdehyddehydrogenase-Untereinheit. Das Enzym kontrolliert den Spiegel von Fettsäurealkoholen (z. B. mit 16–18 C-Atomen), wie sie, in Monoestern gebunden, natürliche Hautwachse und in Acylglyceryläthern (Plasmalogenen) Lipidbestandteile des Myelins bilden. Bei der Krankheit sind die Alkohole im Plasma erhöht; frühe oder bis ins adulte Alter reichende Symptome sind Ichthyosis, mentale Retardierung, spastische Parese, evtl. „glitzernde“ Netzhautflecke, Dysarthrie, Anfälle und leicht dysmorpher Minderwuchs. In Nordschweden beträgt die Prävalenz bis 1:12.000, sonst wesentlich weniger. Die Krankheit ist teilweise als „nichtlysosomale Neurolipidose“ aufzufassen; in der MR-Spektroskopie kann in der periventrikulären weißen Substanz evtl. „freies Lipid“ nachgewiesen werden. Neuropathologie. Neuropathologisch findet sich zum einen Entmarkung in Marklagern von Groß- und Kleinhirn sowie in Gehirnbahnen, zum anderen Ablagerung in
188
6
Kapitel 6
den Astrozytenfortsätzen perivaskulär, subependymal, supial von lipidhaltigem Material sowie axonale Spheroidbildung in grauen Zonen des Hirnstamms und Kleinhirns sowie im Marklager [145]. Das Syndrom ist auch ein Beispiel für „Neuroichthyosis“: Neurokutane Bilder sind nicht ganz selten und bei multiplem Sulfatasemangel (für die Ichthyosis zuständig ist der Steroidsulfatasemangel), Refsum-Krankheit und anderen peroxisomalen Störungen beobachtet worden, ferner beim Rud-Syndrom (Ichthyosis, Hypogonadismus, Minderwuchs, mentale Retardierung, Epilepsie, Retinitis pigmentosa; heute nicht als Entität akzeptiert), der Triglyzeridspeicherkrankheit und dem M. Gaucher Typ 2.
Literatur 1.
2.
3.
4. 5.
6.
7.
8.
9.
10.
Ballabio A, Gieselmann V (2009) Lysosomal disorders: from storage to cellular damage. Biochim Biophys Acta 1793: 684–696 Bardosi A, Creutzfeldt W, DiMauro S, Felgenhauer K et al. (1987) Myo-, neuro-, gastrointestinal encephalopathy (MNGIE syndrome) due to partial deficiency of cytochrome-c-oxidase. A new mitochondrial multisystem disorder. Acta Neuropathol 74: 248–258 Bargal R, Goebel HH, Latta E, Bach G (2002) Mucolipidosis IV: Novel mutation and diverse ultrastructural spectrum in the skin. Neuropediatrics 33: 199–202 Baumann N, Federico A, Suzuki K (1991) Late onset neurometabolic genetic disorders. Dev Neurosci 13: 185–376 Berkhoff M, Weis J, Schroth G, Sturzenegger M (2001) Extensive white-matter changes in case of adult polyglucosan body disease. Neuroradiology 43: 234–236 Betts J, Lightowlers RN, Turnbull DM (2004) Neuropathological aspects of mitochondrial DNA disease. Neurochem Res 29: 505–511 Betts J, Jaros E, Perry RH, Schaefer AM et al. (2006) Molecular neuropathology of MELAS: level of heteroplasmy in individual neurones and evidence of extensive vascular involvement. Neuropathol Appl Neurobiol 32: 359–373 Beutler E, Grabowski GA (2001) Gaucher disease. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGrawHill, New York, pp 3635–3668 Bönnemann CG, Goebel HH (2004) Metabolic disorders: Disorders of carbohydrate metabolism. The congenital disorders of glycosylation. In: Golden JA, Harding AE (eds) Developmental Neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 226–234 Breitbach-Faller N, Harzer K (2002) Genetische Stoffwechselstörungen von neuropathologischer Bedeutung. In: Peiffer J, Schröder JM, Paulus W (Hrsg) Neuropathologie. Morphologische Diagnostik der Krankheiten des Nervensystems und der Skelettmuskulatur, 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 457–515
Neurometabolische Krankheiten
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17. 18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
Brown GK, Squier MV (1996) Neuropathology and pathogenesis of mitochondrial diseases. J Inherit Metab Dis 19: 553–572 Bruno C, Servidei S, Shanske S, Karpati G et al. (1993) Glycogen branching enzyme deficiency in adult polyglucosan body disease. Ann Neurol 33: 88–93 Brusilow SW, Horwich AL (2001) Urea cycle enzymes. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 1909–1963 Cammermeyer J (1975) Refsum’s disease: neuropathological aspects. In: Vinken PJ, Bruyn GW (eds) Handbook of clinical neurology: system disorders and atrophies, part I. North Holland Publishing Company, Amsterdam, pp 231–261 Castaneda JA, Lim MJ, Cooper JD, Pearce DA (2008) Immune system irregularities in lysosomal storage disorders. Acta Neuropathol 115: 159–174 Cathey SS, Kudo M, Tiede S, Raas-Rothschild A et al. (2008) Molecular order in mucolipidosis II and III nomenclature. Am J Med Genet A 146A: 512–513 Cavanagh JB (1999) Corpora-amylacea and the family of polyglucosan diseases. Brain Res Rev 29: 265–295 Clarke CE, Alger S, Preece MA, Burdon MA et al. (2004) Tremor and deep white matter changes in alpha-methylacyl-CoA racemase deficiency. Neurology 63: 188–189 Clayton PT, Eckhardt S, Wilson J, Hall CM et al. (1994) Isolated dihydroxyacetonephosphate acyltransferase deficiency presenting with developmental delay. J Inherit Metab Dis 17: 533–540 Corzo D, Gibson W, Johnson K, Mitchell G et al. (2002) Contiguous deletion of the X-linked adrenoleukodystrophy gene (ABCD1) and DXS1357E: a novel neonatal phenotype similar to peroxisomal biogenesis disorders. Am J Hum Genet 70: 1520–1531 Culotta VC, Gitlin JD (2001) Disorders of copper transport. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3105–3126 d’Azzo A, Andria G, Strisciuglio P, Galjaard H (2001) Galactosialidosis. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3811–3826 de Bie P, Muller P, Wijmenga C, Klomp LW (2007) Molecular pathogenesis of Wilson and Menkes disease: correlation of mutations with molecular defects and disease phenotypes. J Med Genet 44: 673–688 Del Bigio MR, Halliday WC (2007) Multifocal atrophy of cerebellar internal granular neurons in lesch-nyhan disease: case reports and review. J Neuropathol Exp Neurol 66: 346–353 Deschauer M, Tennant S, Rokicka A, He L et al. (2007) MELAS associated with mutations in the POLG1 gene. Neurology 68: 1741–1742 Desnik RJ, Schindler D (2001) Alpha-N-acetylgalactosaminidase deficiency: Schindler disease. In: Scriver CR,
Literatur
27.
28.
29. 30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38. 39. 40.
41.
42.
Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3483–3505 deVeber GA, Schwarting GA, Kolodny EH, Kowall NW (1992) Fabry disease: immunocytochemical characterization of neuronal involvement. Ann Neurol 31: 409–415 Dierks T, Schlotawa L, Frese MA, Radhakrishnan K et al. (2009) Molecular basis of multiple sulfatase deficiency, mucolipidosis II/III and Niemann-Pick C1 disease – Lysosomal storage disorders caused by defects of non-lysosomal proteins. Biochim Biophys Acta 1793: 710–725 DiMauro S, Schon EA (2008) Mitochondrial disorders in the nervous system. Annu Rev Neurosci 31: 91–123 Dumontel C, Suzuki K, Vanier MT (2004) Metabolic disorders: Farber disease. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & Genetics. Developmental Neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 251–252 Elleder M, Sokolová J, Hrebícek M (1997) Follow-up study of subunit c of mitochondrial ATP synthase (SCMAS) in Batten disease and in unrelated lysosomal disorders. Acta Neuropathol 93: 379–390 Elleder M, Vanier MT, Harzer K, Suzuki K (2004) Metabolic disorders: Sphingolipid activator protein deficiency. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & Genetics. Developmental Neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 266–268 Elleder M, Jerabkova M, Befekadu A, Hrebicek M et al. (2005) Prosaposin deficiency – a rarely diagnosed, rapidly progressing, neonatal neurovisceral lipid storage disease. Report of a further patient. Neuropediatrics 36: 171–180 Eskelinen EL, Saftig P (2009) Autophagy: a lysosomal degradation pathway with a central role in health and disease. Biochim Biophys Acta 1793: 664–673 Eyskens F, Ceuterick C, Martin J-J, Janssens G et al. (1994) Carbohydrate-deficient glycoprotein syndrome with previously unreported features. Acta Paediatr 83: 892–896 Ferdinandusse S, Denis S, Clayton PT, Graham A et al. (2000) Mutations in the gene encoding peroxisomal αmethylacyl-CoA racemase cause adult-onset sensory motor neuropathy. Nat Genet 24: 188–191 Filosto M, Tomelleri G, Tonin P, Scarpelli M et al. (2007) Neuropathology of mitochondrial diseases. Biosci Rep 27: 23–30 Finsterer J (2006) Central nervous system manifestations of mitochondrial disorders. Acta Neurol Scand 114: 217–238 Finsterer J (2008) Leigh and Leigh-like syndrome in children and adults. Pediatr Neurol 39: 223–235 Folkerth RD, Alroy J, Lomakina I, Skutelsky E et al. (1995) Mucolipidosis IV: Morphology and histochemistry of an autopsy case. J Neuropathol Exp Neurol 54: 154–164 Funk CB, Prasad AN, Frosk P, Sauer S et al. (2005) Neuropathological, biochemical and molecular findings in a glutaric acidemia type 1 cohort. Brain 128: 711–722 Gahl WA, Thoene JG, Schneider JA (2001) Cystinosis: A disorder of lysosomal membrane transport. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic &
189
43.
44.
45.
46.
47. 48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55. 56.
57.
58.
59.
molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGrawHill, New York, pp 5085–5108 Gilles FH, Deuel RK (1971) Neuronal cytoplasmic globules in the brain in Morquio‘s syndrome. Arch Neurol 25: 393–403 Goebel HH, Bönnemann C (2004) Disorders of carbohydrate metabolism. Polyglucosan disorders. In: Golden JA, Harding BN (eds) Pathology & genetics. Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 221–225 Golden JA, Harding AE (Hrsg) (2004) Pathology & genetics. Developmental neuropathology, ISN Neuropath Press Basel Gravel RA, Kaback MM, Proia RL, Sandhoff K et al. (2001) The GM2 gangliosidoses. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3827–3876 Hansen HG, Graucob E (1985) Hematologic cytology of storage diseases. Springer, Berlin Heidelberg New York Hoffmann GF, Zschocke J, Nyhan WL (2010) Inherited metabolic diseases – A clinical approach. Springer, Berlin Heidelberg New York Holton JB, Walter JH, Tyfield LH (2001) Galactosemia. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 1553–1587 Horslen SP, Clayton PT, Harding BN, Hall NA et al. (1991) Olivopontocerebellar atrophy of neonatal onset and disialotransferrin developmental deficiency syndrome. Arch Dis Child 66: 1027–1032 Itoh M, Hayashi M, Fujioka Y, Nagashima K et al. (2002) Immunohistological study of globoid cell leukodystrophy. Brain Dev 24: 284–290 Jaeken J, Carchon H (2004) Congenital disorders of glycosylation: a booming chapter of pediatrics. Curr Opin Pediatr 16: 434–439 Jaeken J, Matthijs G (2007) Congenital disorders of glycosylation: a rapidly expanding disease family. Annu Rev Genomics Hum Genet 8: 261–278 Jaeken J, Stibler H, Hagberg B (1991) The carbohydratedeficient glycoprotein syndrome: a new inherited multisystemic disease with severe nervous system involvement. Acta Paediatr Scand Suppl 375: 1–71 Jalanko A, Braulke T (2009) Neuronal ceroid lipofuscinoses. Biochim Biophys Acta 1793: 697–709 Jinnah HA, Ceballos-Picot I, Torres RJ, Visser JE et al. (2010) Attenuated variants of Lesch-Nyhan disease. Brain 133: 671–689 Kaufman MA, Dwork AJ, Willson NJ, John S et al. (1993) Late-onset Lafora‘s disease with typical intraneuronal inclusions. Neurology 43: 1246–1248 Kaufmann WE, Theda C, Naidu S, Watkins PA et al. (1996) Neuronal migration abnormality in peroxisomal bifunctional enzyme defect. Ann Neurol 39: 268–271 Keller C, Briner J, Schneider J, Spycher M et al. (1987) Mucopolysaccharidosis 6-A (Maroteaux-Lamy disease): com-
190
Kapitel 6
60.
61. 62.
63.
6 64.
65.
66.
67.
68. 69.
70. 71.
72.
73.
74.
75.
76.
parison of clinical and pathologico-anatomic findings in a 27-year-old patient. Helv Paediatr Acta 42: 317–333 Kollberg G, Moslemi AR, Darin N, Nennesmo I et al. (2006) POLG1 mutations associated with progressive encephalopathy in childhood. J Neuropathol Exp Neurol 65: 758–768 Kono S, Miyajima H (2006) Molecular and pathological basis of aceruloplasminemia. Biol Res 39: 15–23 Koto A, Horwitz AL, Suzuki K, Tiffany CW et al. (1978) The Morquio syndrome: neuropathology and biochemistry. Ann Neurol 4: 26–36 Kraoua I, Stirnemann J, Ribeiro MJ, Rouaud T et al. (2009) Parkinsonism in Gaucher‘s disease type 1: ten new cases and a review of the literature. Mov Disord 24: 1524–1530 Kretzschmar HA, DeArmond SJ, Koch TK, Patel MS et al. (1987) Pyruvate dehydrogenase complex deficiency as a cause of subacute necrotizing encephalopathy (Leigh disease). Pediatrics 79: 370–373 Kumar S, Mattan NS, de Vellis J (2006) Canavan disease: a white matter disorder. Ment Retard Dev Disabil Res Rev 12: 157–165 Lamperti C, Salani S, Lucchiari S, Bordoni A et al. (2009) Neuropathological study of skeletal muscle, heart, liver, and brain in a neonatal form of glycogen storage disease type IV associated with a new mutation in GBE1 gene. (short report # 163). J Inherit Metab Dis online DOI 10.1007/s10545-009-1134-8 Lowden JA, Callahan JW, Gravel RA, Skomorowksi MA et al. (1981) Type 2 GM1-gangliosidosis with long survival and neuronal ceroid lipofuscinosis. Neurology 31: 719–724 Lubke T, Lobel P, Sleat DE (2009) Proteomics of the lysosome. Biochim Biophys Acta 1793: 625–635 Lyon G, Kolodny EH, Pastores GM (2006) Neurology of hereditary metabolic diseases of children, 3rd edn. McGraw-Hill, New York Madsen E, Gitlin JD (2007) Copper and iron disorders of the brain. Annu Rev Neurosci 30: 317–337 Manuelidis EE, Rorke LB (1989) Transmission of Alpers’ disease (chronic progressive encephalopathy) produces experimental Creutzfeldt-Jakob disease in hamsters. Neurology 39: 615–621 Martini C, Ciana G, Benettoni A, Katouzian F et al. (2001) Intractable fever and cortical neuronal glycogen storage in glycogenosis type 2. Neurology 57: 906–908 Massa R, Bruno C, Martorana A, de Stefano N et al. (2008) Adult polyglucosan body disease: proton magnetic resonance spectroscopy of the brain and novel mutation in the GBE1 gene. Muscle Nerve 37: 530–536 Mitsui J, Mizuta I, Toyoda A, Ashida R et al. (2009) Mutations for Gaucher disease confer high susceptibility to Parkinson disease. Arch Neurol 66: 571–576 Morava E, Wosik H, Karteszi J, Guillard M et al. (2008) Congenital disorder of glycosylation type Ix: review of clinical spectrum and diagnostic steps. J Inherit Metab Dis 31: 450–456 Moser HW (1996) Neurodystrophies and neurolipidoses. In: Vinken PJ, Bruyn GW (eds) Handbook of clinical neurology, vol 66. Elsevier, Amsterdam
Neurometabolische Krankheiten
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
84. 85.
86.
87.
88.
89.
Moser HW, Linke T, Fensom AH, Levade T et al. (2001) Acid ceramidase deficiency: Faber lipogranulomatosis. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3573–3588 Moser HW, Smith KD, Watkins PA, Powers JM et al. (2001) X-linked adrenoleukodystrophy. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3257–3301 Mudd SH, Levy HL, Kraus JP (2001) Disorders of transulfuration. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 2007–2056 Nagashima K, Sakakibara K, Endo H, Konishi Y et al. (1977) I-cell disease (mucolipidosis II): Pathological and biochemical studies of an autopsy case. Acta Pathol Jpn 27: 251–264 Nolte KW, Janecke AR, Vorgerd M, Weis J et al. (2008) Congenital type IV glycogenosis: the spectrum of pleomorphic polyglucosan bodies in muscle, nerve, and spinal cord with two novel mutations in the GBE1 gene. Acta Neuropathol 116: 491–506 Nussbaum RL, Suchy SF (2001) The oculocerebrorenal syndrome of Lowe (Lowe syndrome). In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 6257–6266 Oide T, Yoshida K, Kaneko K, Ohta M et al. (2006) Iron overload and antioxidative role of perivascular astrocytes in aceruloplasminemia. Neuropathol Appl Neurobiol 32: 170–176 Okamoto K, Llena JF, Hirano A (1982) A type of adult polyglucosan body disease. Acta Neuropathol 58: 73–77 Okeda R, Nisihara M (2008) An autopsy case of Fabry disease with neuropathological investigation of the pathogenesis of associated dementia. Neuropathology 28: 532–540 Oldfors A, Fyhr IM, Holme E, Larsson NG et al. (1990) Neuropathology in Kearns-Sayre syndrome. Acta Neuropathol 80: 541–546 Oldfors A, Tulinius M, Nennesmo I, Harding B (2004) Metabolic disorders: Mitochondrial disorders. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & genetics. Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 296–302 Patterson MC, Vanier MT, Suzuki K, Morris JA et al. (2001) Niemann-Pick disease type C: a lipid trafficking disorder. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3611–3634 Paulus W (2002) Spongiöse Dystrophien und mitochondriale Enzephalopathien. In: Peiffer J, Schröder JM, Paulus W (Hrsg) Neuropathologie. Morphologische Diagnostik der Krankheiten des Nervensystems und der Skelettmuskulatur, 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 435–456
Literatur
90.
91.
92.
93.
94.
95.
96. 97.
98.
99.
100.
101.
102.
103.
104.
Paulus W, Peiffer J (1990) Intracerebral distribution of mitochondrial abnormalities in 21 cases of infantile spongy dystrophy. J Neurol Sci 95: 49–62 Pavlakis SG, Phillips PC, DiMauro S, De Vivo DC et al. (1984) Mitochondrial myopathy, encephalopathy, lactic acidosis, and strokelike episodes: a distinctive clinical syndrome. Ann Neurol 16: 481–488 Powers JM (2004) Peroxisomal disorders. In: Golden JA, Harding BN (eds) Pathology & genetics. Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 287– 295 Prasad AN, Bunzeluk K, Prasad C, Chodirker BN et al. (2007) Agenesis of the corpus callosum and cerebral anomalies in inborn errors of metabolism. Congenit Anom (Kyoto) 47: 125–135 Pryor PR, Luzio JP (2009) Delivery of endocytosed membrane proteins to the lysosome. Biochim Biophys Acta 1793: 615–624 Ramachandran N, Girard JM, Turnbull J, Minassian BA (2009) The autosomal recessively inherited progressive myoclonus epilepsies and their genes. Epilepsia 50 (Suppl 5): 29–36 Riess O, Schöls L (1998) Neurogenetik. Springer, Berlin Heidelberg New York Rizzo WB, Craft DA (1991) Sjögren-Larsson syndrome. Deficient activity of the fatty aldehyde dehydrogenase component of fatty alcohol:NAD+ oxidoreductase in cultured fibroblasts. J Clin Invest 88: 1643–1648 Robinson BH (2001) Lactic acidemia: disorders of pyruvate carboxylase and pyruvate dehydrogenase. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGrawHill, New York, pp 2275–2296 Robitaille Y, Carpenter S, Karpati G, DiMauro S (1980) A distinct form of adult polyglucosan disease with massive involvement of central and peripheral neuronal processes and astrocytes. Brain 103: 315–336 Sandhoff K, Kolter T, Harzer K (2001) Sphingolipid activator proteins. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3371–3388 Sarnat HB, Marin-Garcia J (2005) Pathology of mitochondrial encephalomyopathies. Can J Neurol Sci 32: 152–166 Schimschock JR, Alvord EC Jr, Swanson PD (1968) Cerebrotendinous xanthomatosis. Trans Am Neurol Assoc 93: 64–65 Schuchmann EH, Desnick RJ (2001) Niemann-Pick disease types A and B: acid sphingomyelinase deficiencies. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3589–3610 Schulze H, Kolter T, Sandhoff K (2009) Principles of lysosomal membrane degradation: Cellular topology and biochemistry of lysosomal lipid degradation. Biochim Biophys Acta 1793: 674–683
191
105. Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (2001) The Metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York 106. Sedel F, Tourbah A, Fontaine B, Lubetzki C et al. (2008) Leukoencephalopathies associated with inborn errors of metabolism in adults. J Inherit Metab Dis 31: 295–307 107. Servidei S, Bonilla E, Diedrich RG, Kornfeld M et al. (1986) Fatal infantile form of muscle phosphofructokinase deficiency. Neurology 36: 1465–1470 108. Shimamura K, Hakozaki H, Takahashi K, Kimura A et al. (1976) Sanfilippo B syndrome. A case report. Acta Pathol Jpn 26: 739–764 109. Shimozawa N (2007) Molecular and clinical aspects of peroxisomal diseases. J Inherit Metab Dis 30: 193–197 110. Sparaco M, Bonilla E, DiMauro S, Powers JM (1993) Neuropathology of mitochondrial encephalomyopathies due to mitochondrial DNA defects. J Neuropathol Exp Neurol 52: 1–10 111. Spiegel R, Bach G, Sury V, Mengistu G et al. (2005) A mutation in the saposin A coding region of the prosaposin gene in an infant presenting as Krabbe disease: first report of saposin A deficiency in humans. Mol Genet Metab 84: 160–166 112. Spinazzola A, Zeviani M (2005) Disorders of nuclear-mitochondrial intergenomic signaling. Gene 354: 162–168 113. Sproule DM, Kaufmann P (2008) Mitochondrial encephalopathy, lactic acidosis, and strokelike episodes: basic concepts, clinical phenotype, and therapeutic management of MELAS syndrome. Ann N Y Acad Sci 1142: 133–158 114. Staretz-Chacham O, Lang TC, LaMarca ME, Krasnewich D et al. (2009) Lysosomal storage disorders in the newborn. Pediatrics 123: 1191–1207 115. Steinberg SJ, Dodt G, Raymond GV, Braverman NE et al. (2006) Peroxisome biogenesis disorders. Biochim Biophys Acta 1763: 1733–1748 116. Strehle EM (2003) Sialic acid storage disease and related disorders. Genet Test 7: 113–121 117. Suzuki K, Vanier MT (2004) Metabolic disorders: GM1 gangliosidosis. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & genetics. Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 237–239 118. Suzuki K, Vanier MT (2004) Metabolic disorders: GM2 gangliosidosis. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & genetics. Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 240–243 119. Suzuki K, Vanier MT (2004) Metabolic disorders: Niemann-Pick disease types A and B. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & genetics. Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 244–246 120. Suzuki K, Vanier MT (2004) Metabolic disorders: Fabry disease. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & Genetics. Developmental Neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 253–255 121. Suzuki K, Vanier MT (2004) Metabolic disorders: Gaucher disease. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & Genetics. Developmental Neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 247–250
192
6
Kapitel 6
122. Suzuki K, Vanier MT (2004) Metabolic disorders: Globoid cell leukodystrophy (Krabbe disease). In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & genetics. Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 263–265 123. Suzuki K, Vanier MT (2004) Metabolic disorders: Metachromatic leukodystrophy. In: Golden JA, Harding AE (eds) Pathology & genetics. Developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, pp 256–260 124. Suzuki Y, Oshima A, Nanba E (2001) β-galactosidase deficiency (β-galactosidosis): GM1 gangliosidosis and Morquio B disease. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The Metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3775–3809 125. Takeda S, Wakabayashi K, Ohama E, Ikuta F (1988) Neuropathology of myoclonus epilepsy associated with ragged-red fibers (Fukuhara’s disease). Acta Neuropathol 75: 433–440 126. Tanahashi C, Nakayama A, Yoshida M, Ito M et al. (2000) MELAS with the mitochondrial DNA 3243 point mutation: a neuropathological study. Acta Neuropathol 99: 31–38 127. Tanaka K, Yamano T, Shimada M, Ohno M et al. (1987) Electronmicroscopic study on biopsied rectal mucosa in adrenoleukodystrophy. Neurology 37: 1012–1015 128. Tanji K, Bonilla E (2007) Optical imaging techniques (histochemical, immunohistochemical, and in situ hybridization staining methods) to visualize mitochondria. Methods Cell Biol 80: 135–154 129. Tanji K, Bonilla E (2008) Light microscopic methods to visualize mitochondria on tissue sections. Methods 46: 274–280 130. Tanji K, Kunimatsu T, Vu TH, Bonilla E (2001) Neuropathological features of mitochondrial disorders. Semin Cell Dev Biol 12: 429–439 131. Thomas GH (2001) Disorders of glycoprotein degradation: alpha-mannosidosis, beta-mannosidosis, fucosidosis, and sialidosis. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The Metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3507– 3533 132. Valle D, Simell O (2001) The hyperornithinemias. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The Metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGrawHill, New York, pp 1857–1895 133. van der Voorn JP, Kamphorst W, van der Knaap MS, Powers JM (2004) The leukoencephalopathy of infantile GM1
Neurometabolische Krankheiten
134. 135.
136.
137.
138.
139.
140.
141.
142.
143.
144.
145.
gangliosidosis: oligodendrocytic loss and axonal dysfunction. Acta Neuropathol 107: 539–545 Vellodi A (2005) Lysosomal storage disorders. Br J Haematol 128: 413–431 Venugopal B, Mesires NT, Kennedy JC, Curcio-Morelli C et al. (2009) Chaperone-mediated autophagy is defective in mucolipidosis type IV. J Cell Physiol 219: 344–353 Vergarajauregui S, Puertollano R (2008) Mucolipidosis type IV: the importance of functional lysosomes for efficient autophagy. Autophagy 4: 832–834 Vogler C, Levy B, Kyle JW, Sly WS et al. (1994) Mucopolysaccharidosis VII: postmortem biochemical and pathological findings in a young adult with beta-glucuronidase deficiency. Mod Pathol 7: 132–137 von Figura K, Gieselmann V, Jaeken J (2001) Metachromatic leukodystrophy. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The Metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3695–3724 Walkley SU, Vanier MT (2009) Secondary lipid accumulation in lysosomal disease. Biochim Biophys Acta 1793: 726–736 Wanders RJ, Waterham HR (2006) Peroxisomal disorders: the single peroxisomal enzyme deficiencies. Biochim Biophys Acta 1763: 1707–1720 Wenger DA, Suzuki K, Suzuki Y, Suzuki K (2001) Galactosylceramide lipidosis: globoid cell leukodystrophy (Krabbe disease). In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The Metabolic & molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3669–3694 Willems PJ, Gatti R, Darby JK, Romeo G et al. (1991) Fucosidosis revisited: a review of 77 patients. Am J Med Genet 38: 111–131 Williams CA, Dagli A, Battaglia A (2008) Genetic disorders associated with macrocephaly. Am J Med Genet A 146A: 2023–2037 Wisniewski KE, Rudelli R, Laure-Kaminonowska M, Sklower S et al. (1985) Sanfilippo disease, type A with some features of ceroid-lipofuscinosis. Neuropediatrics 16: 98–105 Yamaguchi K, Handa T (1998) Sjögren-Larsson syndrome: postmortem brain abnormalities. Pediatr Neurol 18: 338–341
Kapitel 7
7
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns1 D.R. Thal Inhalt Altersveränderungen des Gehirns . . . . . . . . . . . . .
194
Spezifische Altersveränderungen . . . . . . . . . . . .
194
Lipofuszin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
194
Axonauftreibungen (axonale Sphäroide, axonale Dystrophie) . . . . . .
195
Hirano-Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195
Granulovakuoläre Degeneration . . . . . . . . . . .
195
Alzheimersche Neurofibrillenveränderungen (NFTs) und Neuropilfäden . . . . . . . . . . . . . .
195
Senile Plaques . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
Familiäre Alzheimer-Krankheit („early-onset“ oder „familial Alzheimer’s disease“) .
201
Sporadische Alzheimer-Krankheit („late-onset“ oder „sporadic Alzheimer’s disease“) . .
201
Mechanismen der Nervenzellschädigung . . . . . .
202
Neuropathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
Neuropathologische Stadien der Alzheimer-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . .
203
Diagnosekriterien: „National Institute on Aging – Alzheimer’s Association guidelines for the neuropathologic assessment of Alzheimer’s disease“ . . . .
204
Sonderformen der Alzheimer-Krankheit . . . . . . .
207
Nukleäre Nervenzelleinschlüsse: Marinesco-Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
„Tangle-predominant Alzheimer’s disease“ . . . . . .
207
Gliale Einschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
„Plaque-predominant Alzheimer’s disease“ . . . . .
207
Alters- und geschlechtsabhängige hypothalamische τ-Aggregate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200
Familiäre Alzheimer-Krankheit mit „Cotton-wool“-Plaques und spastischer Paraparese
207
Morbus Alzheimer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200
Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201
1
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Danksagung. Für die Bereitstellung von Abbildungen danke ich Herrn Professor Dr. H. Braak (Ulm) und Frau I. Szasz (Frankfurt am Main).
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
207
194
Kapitel 7
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns
Altersveränderungen des Gehirns
7
Das Gehirn des Menschen zeigt im Alter zahlreiche Veränderungen an Nerven- und Gliazellen, im extrazellulären Raum und an Blutgefäßen, die auch bei neurodegenerativen Krankheiten, dann jedoch in stärkerem Umfang nachweisbar sind. Inwieweit diese Veränderungen bei asymptomatischen Individuen bereits Zeichen eines beginnenden Krankheitsprozesses darstellen oder als normale Altersveränderungen anzusehen sind, ist derzeit nicht endgültig einzuordnen. Häufige altersassoziierte Veränderungen sind: Lipofuszinansammlungen im Soma von Nervenzellen, neurofibrilläre Veränderungen, senile Plaques, Lewy-Körper (s. Systematrophien), Hirano-Körper, Marinesco-Körper, axonale Sphäroide, granulovakuoläre Veränderungen, zerebrale Amyloidangiopathie (CAA; s. Kreislaufstörungen des ZNS), argyrophile Einschlüsse in Gliazellen und im Hypothalamus, mikrovaskuläre Veränderungen („small vessel disease“) und die Atherosklerose größerer Gefäße (s. Kreislaufstörungen des ZNS). Darüber hinaus sind häufig eine Verminderung der Synapsendichte, der Nervenzellzahl und der Myelinisierung des Marklagers bei älteren Menschen zu beobachten. Makroskopisch macht sich dies in einer geringgradigen Gewichts- und Volumenreduktion des Gehirns bemerkbar. Mikroskopisch lässt sich der Nervenzellverlust in spezifischen Kortexarealen verifizieren, während andernorts Rinden- und Kerngebiete ohne Veränderungen des Nervenzellgehalts zu finden sind. Diese Affektion ist Zeichen einer selektiven Vulnerabilität bestimmter Neurone für degenerative Prozesse im Alter. Im Folgenden werden die wichtigsten Veränderungen beschrieben, die im Rahmen des Alterungsprozesses auftreten.
Spezifische Altersveränderungen Lipofuszin Lipofuszin ist ein Abbauprodukt des lysosomalen Stoffwechsels und findet sich generell im Zytoplasma von Zellen in Form gelb-brauner Aggregate [12]. Lipofuszin besitzt eine starke Autofluoreszenz und zeigt elektronenmikroskopisch eine vakuoläre und eine granuläre Komponente (Abb. 7.1). Es ist mit der PAS und der Aldehydfuchsin-Färbung gut anfärbbar (s. Abb. 7.1). Lipofuszin besteht biochemisch aus Lipiden und Proteinen. Dabei sind in der vakuolären Komponente überwiegend Neutralfette enthalten, während die granuläre Komponente neben verschiedensten Lipiden auch Proteine enthält. Sowohl Nervenzellen als auch Gliazellen und Gefäßzellen können im Gehirn Lipofuszin-Granula aufweisen. Ner-
a
b
c Abb. 7.1a–c Lipofuszin. a Nervenzellen besitzen im Zytoplasma des Perikaryons Pigmentansammlungen, z. B. Lipofuszin, das mit der Aldehydfuchsin-Darrow-Red-Färbung bläulich angefärbt wird (Pfeile). b Unter fluoreszenzmikroskopischer Anregung mit UVLicht zeigt Lipofuszin eine charakteristische Autofluorezenz (Pfeile). c Ultrastrukturell bestehen die Lipofuszingranula aus einer elektronendichten granulären (G) und einer vakuolären Komponente (V). Der Messbalken in c entspricht: a,b = 6 μm; c = 40 nm
venzellen als postmitotische Zellen akkumulieren ihr Leben lang Abbauprodukte des lysosomalen Stoffwechsels in Form von Lipofuszin im Zellsoma. Abhängig von ihrer physiologischen Aktivität nimmt der Lipofuszingehalt verschiedener Nervenzellen mit dem Alter unterschiedlich stark zu und erlaubt eine Klassifizierung von Nervenzelltypen (Pigmentarchitektonik des Kortex) [3]. Bei Neugeborenen ist eine solche Unterscheidung der verschiedenen Nervenzelltypen noch nicht möglich. Hier ist zwar Lipofuszin bereits in äußerst geringem Umfang nachweisbar, aber sowohl histologisch als auch elektronenmikroskopisch zeigen sich noch nicht die charakteristischen Muster, die später deutlich ausgeprägt sind. Mit zunehmendem Alter findet zwar keine wesentliche Veränderung des charakteristischen Musters in den Zellen mehr statt, aber die granuläre Komponente nimmt im Verhältnis zur vakuolären Komponente weniger stark zu, d. h., es kommt zu einer überproportionalen Akkumulation von Neutralfetten in alternden Nervenzellen. Im Rahmen des Alterungsprozesses ist keine Assoziation einer Lipofuszinakkumulation mit einer altersspezifischen Erkrankung bekannt. Allerdings können Muta-
195
Altersveränderungen des Gehirns
tionen in Genen lysosomaler Proteine und Enzyme zur abnormen Akkumulation von Lipofuszin-artigem Material im Kindes- bzw. Jugendalter führen [30]. Diese Ablagerungen gehen zumeist mit kognitiven Symptomen einher und werden als Ceroid-Lipofuszinosen zusammengefasst (s. Neurometabolische Krankheiten mit neuropathologischen Befunden).
Axonauftreibungen (axonale Sphäroide, axonale Dystrophie) Hierbei handelt es sich um in der HE-Färbung gut erkennbare kugelige Strukturen in der weißen Substanz (zumeist Hinterstränge des Rückenmarkes, z. B. Tractus spinobulbares medialis et lateralis) älterer Individuen (Abb. 7.2a). Die Sphäroide bestehen aus Ansammlungen aufgestauter Neurofilamente, Mitochondrien, „dense bodies“ und Anteilen des endoplasmatischen Retikulums.
Hirano-Körper Diese eosinophilen, stäbchenförmigen intrazytoplasmatischen Einschlüsse finden sich häufig in Assoziation zu Alzheimer-typischen Veränderungen im Ammonshornsektor CA1 (Abb. 7.2b). Hirano-Körpern selbst wird kein Krankheitswert zugeschrieben. Diese Zelleinschlüsse sind häufig auch bei Alzheimer-, Pick- und Guam-Parkinson-Patienten zu finden. Ultrastrukturell handelt es sich um parakrystallines Material [13]. Immunhistochemisch konnten W-Protein, Aktin, Aktin-assozierte Proteine, Neurofilamente, C-terminale Abschnitte des Amyloid-Vorläufer-Proteins (APP), Ubiquinone und „advanced glycation endproducts“ (AGEs) als Bestandteile nachgewiesen werden.
a
b
Abb. 7.2 a Axonkugel im Marklager (Pfeil). b Hirano-Körper (Pfeile). c Granulovakuoläre Degeneration (Pfeile) in einer Nervenzelle.
Granulovakuoläre Degeneration Hierbei handelt es sich um intrazytoplasmatische, vakuolenartige Veränderungen, die zumeist in Nervenzellen der Ammonshornsektoren CA1 and CA2 zu finden sind (Abb. 7.2c) [22]. In den Vakuolen findet sich zentral basophiles, argyrophiles Material, das sich mit Antikörpern gegen W-Protein, Kasein-Kinase 1δ und 1ε und phosphoryliertes TDP43-Protein anfärben lässt. Diese Veränderungen sind oft mit Alzheimer-typischen Veränderungen mittleren bis schwereren Grades vergesellschaftet. Ein großer Teil der Alzheimer-Patienten weist neben kognitiv unauffälligen Individuen diese Veränderungen auf. Darüber hinaus findet sich die granulovakuoläre Degeneration vermehrt auch bei Guam-ALS, Morbus Pick, Morbus Parkinson und Down-Syndrom.
Alzheimersche Neurofibrillenveränderungen (NFTs) und Neuropilfäden Hierbei handelt es sich um Zytoskelettveränderungen, die von Alois Alzheimer erstmals dem Krankheitsbild einer Demenz zugeordnet wurden [1]. Synonym werden die Begriffe Neurofibrillendegeneration und „neurofibrillary tangles“ benutzt. Als NFTs im engeren Sinne bezeichnet man argyrophile Fibrillenbündel im Soma von Nervenzellen, die entweder kugelige oder flammenförmige Aggregate bilden (Abb. 7.3) [1]. Neuropilfäden im Gegensatz dazu sind argyrophile Aggregate in Dendriten, die im Neuropil angefärbt werden (s. Abb. 7.3) [4]. NFTs sind durch spezielle Versilberungen (Bielschowsky- und Gallyas-Färbungen), Thioflavin S und immunhistochemisch mit Antikörpern gegen abnorm phosphoryliertes W-Protein darstellbar. Auch die Kongo-Rot-Färbung kann, wenn auch weniger sensitiv, NFTs markieren.
c Hämatoxylin- & Eosin-Färbung. Der Messbalken in c entspricht: a = 25 μm; b,c = 6 μm
196
Kapitel 7
a
7
b
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns
d
c
Abb. 7.3a–d Alzheimer-assoziierte W-Veränderungen im Gehirn älterer, kognitiv gesunder Menschen. a NFT (Pfeil). b Neuropilfäden (Pfeile; NT) sind Dendritenanschnitte, die Alzheimer-assoziierte Neurofibrillenaggregate enthalten. c Neuritischer Plaque (Pfeile; NP). Hier sind Amyloid-E-Protein-Ablagerungen (nicht angefärbt)
mit dystrophen Neuriten, die aus aggregierten, W-Protein enthaltenden Fibrillen (Pfeile) bestehen, assoziiert. Daneben erkennt man Nervenzellen mit NFTs. d Elektronenmikroskopisch bestehen die NFTs aus gepaarten helikalen Filamenten (Pfeile; PHF). Der Messbalken in d entspricht: a,b = 10 μm; c = 30 μm; d = 20 nm
Sowohl die Aggregation als auch das Vorkommen von abnorm phosphoryliertem τ-Protein im Zellsoma und in Dendriten sind bereits pathologische Veränderungen. Physiologischerweise findet sich das Mikrotubulus-assoziierte Protein τ im Axon und ist hier an der Regulation des axonalen Transports beteiligt. Nichtphosphoryliertes τ-Protein bindet dabei an die für den axonalen Transport dienenden Neurofilamente und blockiert diesen dadurch. Wird τ phosphoryliert, bindet es nicht mehr an den Neurofilamenten und ein axonaler Transport ist möglich. Im Soma und in den Dendriten kommt τ physiologischerweise praktisch nicht vor (Abb. 7.4). Unter pathologischen Bedingungen wird W abnorm phosphoryliert und in das Soma und Dendritenkompartiment der Nervenzelle verlagert (s. Abb. 7.4). Aus diesen verlagerten Proteinen können sich dann gepaarte helikale Filamente (s. Abb. 7.3) und im Weiteren fibrilläre Aggregate bilden, die über einen mehrere Jahre andauernden Degenerationsprozess letztendlich zum Absterben der Nervenzelle führen. Zurück bleibt dann ein extrazelluläres Aggregat von Fibrillenbündeln, das von Astrozyten im Sinne einer Gliosereaktion umgeben wird. NFTs und Neuropilfäden kommen sowohl im Gehirn kognitiv normaler Personen als auch bei Alzheimer-Patienten vor. Das Verteilungsmuster der NFTs ist bei nichtdementen Patienten zumeist auf bestimmte Gehirnregionen beschränkt, während Alzheimer-Patienten NFTs in weiten Teilen des Gehirns aufweisen [4, 27]. Die Ausbreitung der Neurofibrillenpathologie beginnt in der Regio transentorhinalis und breitet sich über die Regio entorhinalis, das Ammonshorn und weitere limbische Areale schließlich auf den gesamten Neokortex aus [4]. Primäre Rindenfelder werden dabei zuletzt befallen. Das Ausbreitungsmuster der NFTs wird in den Braak-Stadien beschrieben (s. Abb. 7.11). Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl der Individuen zu, die NFTs aufweisen. Dabei finden sich auch
immer häufiger fortgeschrittene Stadien der Ausbreitung der NFTs [5]. NFTs finden sich neben ihrer Rolle als „Alterserscheinung“ bzw. charakteristische Veränderung für den Morbus Alzheimer auch bei anderen Erkrankungen: beim Down-Syndrom, bei frontotemporaler Demenz mit Parkinsonismus und Mutation im W-Gen, Dementia pugilistica, progressiver supranukleärer Paralyse, kortikobasaler Degeneration, subakuter sklerosierender Panenzephalitis, tuberöser Sklerose, fokaler kortikaler Dysplasie, Sturge-Weber-Syndrom, Morbus Niemann-Pick, und Bleienzephalopathie.
tau
Senile Plaques Senile Plaques sind extrazelluläre Ablagerungen des Amyloid-β-Proteins (Aβ) im Parenchym des ZNS [17]. Aβ ist ein aus 39–43 Aminosäuren bestehendes Peptid, das aus dem Amyloidvorläuferprotein (APP) durch β- und γ-Sekretase-Spaltung freigesetzt wird (Abb. 7.5) [11]. Unter physiologischen Bedingungen überwiegt die α-Sekretase-Spaltung zwischen den Aminosäuren 16 und 17 der Aβ-Region. Bei diesem Spaltweg kommt es nicht zur Freisetzung von Aβ. Die β-Sekretase-Spaltung erfolgt klassischerweise durch das Enzym BACE-1 [29], während die γ-Sekretase einem Proteinkomplex aus vier Proteinen entspricht. Dies sind Presenilin 1 (PS1) oder Presenilin 2 (PS2) zusammen mit Nicastrin, Pen-2 und Aph1 (s. Abb. 7.5) [15]. AE hat die Tendenz, untereinander Oligomere und fibrilläre Aggregate zu bilden. Fibrilläre Aggregate von AE können dabei als senile Plaques zur Darstellung gelangen (Abb. 7.6). In Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass AE-Oligomere und fibrilläres AE Nervenzellveränderungen ver-
Altersveränderungen des Gehirns
197
Abb. 7.5 Schematische Darstellung des Amyloid Vorläuferproteins (APP), das ein Membranprotein darstellt und seiner pathologischen Spaltung durch die β-Sekretase (BACE-1) und den γ-SekretaseKomplex. Die resultierenden Spaltprodukte sind das Aβ40 und das Aβ42 Peptid. Der γ-Sekretase-Komplex besteht aus den Proteinen Presenilin 1 oder 2, Nicastrin, Aph-1 und Pen-2. Die α-SekretaseSchnittstelle zwischen den Aminosäuren 16 und 17 des Aβ-Peptids ist die dominierende Schnittstelle des APP, so dass unter physiologischen Bedingungen APP zumeist in nichtamyloidogene Spaltprodukte abgebaut wird. Nur geringe Mengen von Aβ werden unter normalen Bedingungen freigesetzt [11]. (Gedruckt mit freundlicher Genehmigung der American Association for the Advancement of Science [26])
Abb. 7.4a–c Physiologische Verteilung und alters- und Alzheimerassoziierte Veränderungen der Verteilung von τ-Protein. a Physiologische Funktion von τ-Protein. τ-Protein ist ein axonales Protein, das an der Regulierung des axonalen Transports beteiligt ist. Im Soma und in den Dendriten kommt τ physiologischerweise praktisch nicht vor. In nichtphosphoryliertem Zustand bindet τ an Mikrotubuli und hält den axonalen Transport auf. Phosphoryliertes τ-Protein bindet nicht an Mikrotubuli und gibt den Transport frei. b Erstes Zeichen einer alters- bzw. Alzheimer-assoziierten Störung des Neurons ist die Umverteilung von abnorm phosphoryliertem τ-Protein in das Soma und die Dendriten von Nervenzellen. In diesem Stadium ist die Nervenzelle in der Regel noch funktionsfähig. c Nach Umverteilung von τ in das Soma und die Dendriten kommt es zur Ausbildung von NFTs, die letzten Endes zunächst die neuronale Funktion schädigen und dann zum Untergang der Nervenzelle führen
ursachen können. Dabei kommt es zunächst zu einer Schädigung von Nervenzellfortsätzen, insbesondere von Dendriten. Die senilen Plaques lassen sich durch die CampbellSwitzer-Versilberung und durch Antikörper gegen C-terminale Aminosäurensequenzen von Aβ darstellen. Weniger sensitiv sind Antikörper gegen den N-terminus von Aβ, die Thioflavin S und die Kongorot-Färbung. Die beiden letztgenannten Färbungen sind dabei beweisend für den Amyloidcharakter der senilen Plaques. Darüber hin-
aus zeigen Amyloidplaques eine blaue Autofluoreszenz bei Anregung mit ultraviolettem Licht. Biochemisch überwiegt in den senilen Plaques Aβ42 über Aβ40 [14, 19]. Die senilen Plaques finden sich zumeist in der grauen Substanz. In der weißen Substanz finden sich senile Plaques nur selten bei nichtdementen Patienten, während sie hier bei Alzheimer-Patienten in der Regel auch zu finden sind. Morphologisch lassen sich unterschiedliche Typen von senilen Plaques unterscheiden (s. Abb. 7.6). Die unterschiedlichen Typen sind häufig spezifisch für bestimmte Regionen [24]. So findet sich „Lake-like“Amyloid nur in der presubikulären Region. Eine besondere Bedeutung kommt den neuritischen Plaques zu. Diese Plaques stellen parenchymale Aβ-Ablagerungen dar, die mit dystrophen Veränderungen an angrenzenden Neuriten einhergehen (s. Abb. 7.6) [27]. Dabei sind neuritische Plaques, bei denen neuritische Veränderungen τ-Aggregate aufweisen (PHF-Typ; neuritischer Plaque im engeren Sinne), von solchen zu unterscheiden, die keine τ-Veränderungen in den aufgetriebenen, APP (Amyloidvorläuferprotein)-positiven dystrophen Neuriten zeigen (APP-Typ). Der APP-Typ neuritischer Plaques wird von einigen Autoren nicht als neuritischer Plaque bezeichnet. Für die Konsensuskriterien der neuropathologischen Diagnose Morbus Alzheimer werden nur die neuritischen Plaques des PHF-Typ berücksichtigt, die sich auch mit den klassischen Versilberungstechniken (Bielschowsky, Bodian, Gallyas) zur Darstellung bringen lassen. Ultrastrukturell zeigen die AE-Aggregate Fibrillenbündel von 5–10 nm Durchmesser, die teils in Zügen, teils einzeln ohne Vorzugsrichtung im Extrazellularraum des Neuropils zu finden sind (s. Abb. 7.6).
198
Kapitel 7
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns
7 a
b
c
d
e
h
f
i
Diffuser Plaque
g
j
Kernplaque
Altersveränderungen des Gehirns
199
Prinzipiell findet man alle Typen seniler Plaques sowohl im Gehirn älterer, nichtdementer Personen als auch bei Alzheimer-Patienten [24]. Der Hauptunterschied zeigt sich im Verteilungsmuster (s. Abb. 7.12) [24, 25]. Lewy-Plaques sind senile Plaques, bei denen α-Synuklein-positive dystrophe Neuriten auftreten. Dieser Plaquetyp tritt bei der Parkinson-Krankheit bzw. der Demenz mit Lewy-Körpern auf. Darüber hinaus finden sich bei Prionerkrankungen plaqueartige Proteinablagerungen im Hirnparenchym. Diese „Prion“-Plaques enthalten zumeist kein Aβ.
Nukleäre Nervenzelleinschlüsse: Marinesco-Körper Marinesco-Körper sind rundliche, intranukleäre, eosinophile Einschlüsse in Nervenzellen [16], die zumeist in pigmentieren Hirnstammkernen bei alten Menschen vorkommen können. Immunhistochemisch sind Ubiquitin und p62 nachweisbar (Abb. 7.7). Diese Einschlüsse besitzen per se keinen eigenen Krankheitswert und müssen differentialdiagnostisch von nukleären Einschlüssen bei neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Morbus Huntington, frontotemporale Demenz etc.) abgegrenzt werden. Hierbei ist insbesondere das Verteilungsmuster der nukleären Einschlüsse in den pigmentierten Nervenzellen hilfreich. Neuere Studien zeigen eine Assoziation der Anzahl der Marinesco-Körper mit der Parkinson-Krankheit bzw. mit der Demenz mit Lewy-Körpern. Das Auftreten von Marinesco-Körpern korreliert invers mit dem Nachweis von Dopamintransportern und der Tyrosinhydroxylase.
Gliale Einschlüsse Neben neuronalen Zelleinschlüssen finden sich auch immer wieder Einschlüsse in Gliazellen. Hierbei unterschei-
Abb. 7.6a–j Typen seniler Plaques im Gehirn älterer Menschen. a Diffuser Plaque. b Kernplaque mit zentralem Amyloidkern (synonym: klassischer Plaque). c „Lake-like“-Amyloid (Pfeile) stellt einen ortsspezifischen Typ diffuser Plaques im Presubikulum dar. d „Fleecy amyloid“ ist ein Typ diffuser Plaques, der transient in den unteren Schichten der Regio entorhinalis (Pfeile) und im Ammonshornsektor CA1 auftritt. Es handelt sich hierbei um AE-Ablagerungen, bei denen N-terminale AE-Epitope immunhistochemisch nicht darstellbar sind. e Subpiales „Band-like“-Amyloid ist eine weitere Unterform der diffusen Plaques, die spezifisch für die Molekularschicht (Pfeile) neo- und allokortikaler Hirnabschnitte ist. f Der Marklagerplaque vom diffusen Typ ist durch diffus verteilte nichtkondensierte AE-Ablagerungen charakterisiert (Pfeile). g Marklagerplaque vom globulären Typ. Charakteristisch sind hier dichtere
Abb. 7.7 Marinesco-Körper in Nervenzellen der Substantia nigra in der Markierung mit dem Antikörper gegen p62 (Pfeil). Der Messbalken entspricht 20 μm
det man zwischen nukleären und zytoplasmatischen Einschlüssen. Nukleäre Zelleinschlüsse sind selten und dann zumeist mit einer viralen Erkrankung assoziiert. Diese lassen sich zumeist mit Antikörpern gegen Ubiquitin, TDP-43 oder p62 markieren. Zytoplasmatische Einschlüsse finden sich in Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen. Aβ
In der Nähe seniler Plaques finden sich z. T. Astrozyten und Mikrogliazellen, in deren Zytoplasma Aβ-positives Material zu finden ist (Abb. 7.8a). Insbesondere Plaqueformen, die überwiegend aus „N-terminal trunkiertem Aβ“ bestehen, sind häufig mit Aβ-positiven Astrozyten assoziiert. Mikrogliazellen, die zytoplasmatisches Aβ enthalten, sind häufig nach Immunisierung gegen Aβ zu finden.
„globuläre“ Aggregate in Assoziation (Pfeil) mit diffusen AE-Ablagerungen. h Der neuritische Plaque ist durch die Kombination von AE-Ablagerungen (braun markiert) und neurofibrilläre Aggregate enthaltende dystrophe Neuriten (schwarz mittels Gallyas-Versilberung markiert: Pfeile) gekennzeichnet. i Selbst diffuse Plaquetypen, wie das „fleecy amyloid“ bilden fibrilläre Aggregate (Pfeile). j Elektronenmikroskopisch erkennt man die zu kleinen Bündeln zusammengelagerten Amyloidfibrillen. Die elektronendichten Markierungen sind Resultat einer durchgeführten immunelektronenmikroskopischen Markierung mit Antikörpern gegen AE. Goldmarkierte Sekundärantikörper und Silberverstärkung. Der Messbalken in j entspricht: a,b = 20 μm; c = 200 μm; d = 400 μm; e,g = 40 μm, f = 60 μm; h = 15 μm; i = 5 μm; j = 25 nm
200
Kapitel 7
a
7
b
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns
c
Abb. 7.8a–c Gliale Einschlüsse. a AE-enthaltender Astrozyt. Der Astrozyt ist mit einem Antikörper gegen saures Gliafaserprotein (GFAP; blau) gefärbt, während die Immunreaktion gegen AE in braun detektiert ist. b „Coiled body“ in einem Oligodendrozyten im Marklager. „Coiled bodies“ bestehen aus Aggregaten abnorm phos-
phorylierten W-Proteins, das hier immunhistochemisch dargestellt ist. c W-positiver Astrozyt. Diese Zellen enthalten Aggregate abnorm phosphorylierten W-Proteins, das z. T. argyrophile fibrilläre Zelleinschlüsse bildet, wie hier in der Gallyas-Färbung gezeigt ist. Der Messbalken in c entspricht: a–c = 9 μm
τ-Einschlüsse
stimmten Antikörpern erkennen, so dass prinzipiell eine Kreuzreaktion mit einem anderen Protein nicht auszuschließen ist. Die D-Synuklein-positiven Aggregate in den Oligodendrozyten neurologisch gesunder alter Menschen erinnern an Papp-Lantos-Körper, wie sie bei der multiplen Systematrophie gefunden werden.
Gliale Einschlüsse von Proteinaggregaten, die aus abnorm phosphoryliertem W-Protein bestehen, finden sich in Oligodendrozyten und in Astrozyten. Diese Einschlüsse sind in der Regel ubiquitiniert und mit dem Antikörper gegen das p62-Protein markierbar. Oligodendrozyten zeigen insbesondere bei Patienten über 80 Jahren häufiger W-positive Einschlüsse im Sinne sog. „coiled bodies“ (Abb. 7.8b). Diese Veränderungen lassen sich auch mit der Gallyas-Versilberung darstellen und finden sich bei klinisch Gesunden, aber auch bei Patienten mit Tauopathien, z. B. der Silberkornkrankheit („argyrophilic grain disease“) oder der kortikobasalen Degeneration. Astrozytäre W-Einschlüsse findet man im Sinne von „tufted astrocytes“ oder W-positiven Astrozyten (Abb. 7.8c). Auch diese Veränderungen findet man neben ihrem Vorkommen bei spezifischen Erkrankungen wie der progressiven supranukleären Paralyse (PSP) und der Silberkornkrankheit auch bei älteren kognitiv Gesunden. Eine Sonderform W-positiver Astrozyten sind periventrikuläre und subpiale „thorn-shaped“ Astrozyten [21]. Diese Astrozyten findet man zumeist im Bereich des medialen Temporallappens; sie treten unabhängig von Alzheimer-assoziierten Veränderungen auf. Sie sind mit keinerlei klinischen Symptomen assoziiert, finden sich aber nahezu ausschließlich bei Individuen über 60 Jahren. Inwieweit Wpositive Astrozyten in diesen Bereichen mit Störungen der Blut-Hirn-Schranke einhergehen, ist unklar.
Alters- und geschlechtsabhängige hypothalamische τ-Aggregate Im mediobasalen Hypothalamus zeigen alte Männer häufig perivaskuläre, fortsatzförmige argyrophile Veränderungen in der posterioren Eminentia mediana und im angrenzenden Nucleus infundibularis, die abnorm phosphoryliertes W-Protein enthalten (Abb. 7.9) [20]. Derzeit ist nicht definitiv geklärt, welche Zellen für diese Aggregate verantwortlich sind. Bei gleich alten Frauen kommen derartige Veränderungen nur sehr selten vor, so dass geschlechtspezifische, möglicherweise hormonelle Einflüsse für die Ausbildung dieser Veränderungen angeschuldigt werden. Klinische Veränderungen, die auf diese männerspezifische W-Pathologie zurückzuführen sind, sind nicht bekannt. Eine Assoziation zur AlzheimerKrankheit besteht nicht.
Morbus Alzheimer
α-Synuklein-Einschlüsse
D-Synuklein-positives Material findet man vereinzelt auch in Astrozyten, Mikrogliazellen und Oligodendrozyten nichtdementer und neurologisch unauffälliger Patienten. D-Synuklein-positives Material in Astrozyten und Mikrogliazellen lässt sich zumeist nur mit be-
tau
Der Morbus Alzheimer ist die häufigste Erkrankung aus dem Formenkreis der neurodegenerativen Erkrankungen. Vor dem 65. Lebensjahr ist diese Erkrankung selten. Nach dem 65. Lebensjahr nimmt ihr Auftreten stark zu. Etwa 20–50% der über 85-Jährigen sind befallen.
Morbus Alzheimer
201
Vollbild der Demenz mit Agnosie, Apraxie und Aphasie aus. Die klinische Phase erstreckt sich dabei zumeist über fünf bis zehn Jahre. Im Endstadium sind die Patienten vollständig pflegebedürftig und erliegen letzten Endes den internistischen Komplikationen des krankheitsbegleitenden Marasmus und der Immobilität, häufig einer Pneumonie. Die klinische Diagnostik wurde in den letzten Jahren durch die Etablierung der Liquordiagnostik für W und AE, sowie durch die Einführung von AE-Liganden [z. B. 11Cmarkiertes Pittsburgh Compound B (PIB)] für die PETBildgebung deutlich verbessert. Dennoch ist die definitive Bestätigung der Diagnose Morbus Alzheimer zurzeit erst nach dem Tod durch die Autopsie möglich. Abb. 7.9 Argyrophile Veränderungen im mediobasalen Hypothalamus alter Männer. Die Gallyas-Färbung zeigt fortsatzförmige, perivaskulär akzentuierte argyrophile Veränderungen. Der Messbalken entspricht 25 μm
Generell werden familiäre Formen der AlzheimerKrankheit von sporadischen Formen unterschieden. Familiäre Formen sind in der Regel durch Mutationen im APP-, Presenilin-1- oder Presenilin-2-Gen verursacht und führen zu einem frühen Auftreten klinischer Symptome, meist vor dem 60. Lebensjahr („early-onset Alzheimer’s disease“ oder präsenile Demenz). Sporadische Formen der Alzheimer-Krankheit werden in der Regel erst nach dem 65. Lebensjahr manifest, repräsentieren aber über 90% der Alzheimer-Fälle (senile Demenz oder Altersdemenz). Eine eindeutige Zuordnung zu einer Mutation ist bei dieser Form der Erkrankung nicht möglich. Das Apolipoprotein-E-H4-Allel ist derzeit der einzige gesicherte, genetische Risikofaktor, der das Auftreten der sporadischen Alzheimer-Krankheit begünstigt. Die Entwicklung der Alzheimer-Pathologie findet sich darüber hinaus auch beim Down-Syndrom (Trisomie des Chromosoms 21, auf dem auch der APP-Lokus liegt). Dadurch bedingt, wird vermehrt APP exprimiert und vermehrt AE freigesetzt. Morphologische Veränderungen finden sich hier bereits mit 20 Jahren. Eine Demenz kann sich ab dem 35. Lebensjahr entwickeln. Das Muster der morphologischen Veränderungen unterscheidet sich nicht von dem anderer Alzheimer-Fälle. Klinisch ist die Alzheimer-Krankheit durch schleichend einsetzende Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses charakterisiert. Dabei kann es insbesondere bei familiären Formen zu zusätzlichen Symptomen, z. B. im Sinne einer spastischen Paraparese kommen. Die Störungen des Kurzzeitgedächtnisses stellen noch nicht das Vollbild einer Demenz dar, sondern werden zunächst als mildes kognitives Defizit („mild cognitive impairment“ = MCI) manifest. Im weiteren Verlauf bildet sich dann das
Pathogenese Pathogenetisch sind familiäre von sporadischen Formen der Alzheimer-Krankheit zu unterscheiden. Die wesentlichen Mechanismen, die zum Nervenzelluntergang führen, sind dabei wohl beiden Erkrankungsformen gemeinsam.
Familiäre Alzheimer-Krankheit („early-onset“ oder „familial Alzheimer’s disease“) Diese Form der Alzheimer-Krankheit wird durch Mutationen im Amyloid-Vorläuferprotein (APP), Presenilin-1(PSEN1-) und -2-(PSEN2-)Gen verursacht und in der Regel autosomal-dominant vererbt [2]. Diese Mutationen besitzen allesamt direkten Einfluss auf die Produktion von AE, da sie entweder in dessen Vorläuferprotein (APP) liegen oder in dem Enzym, das AE am C-Terminus freisetzt, d. h. in der J-Sekretase, deren aktives Zentrum durch Presenilin 1 oder 2 repräsentiert wird (s. Abb. 7.5) [31]. Hierdurch bedingt wird vermehrt AE freigesetzt, das dann allem Anschein nach den pathologischen Prozess der Aggregation und Ablagerung von AE und der Nervenzellschädigung auslöst. Bedingt durch den starken Effekt der Mutationen auf die AE-Produktion, werden diese Formen der AlzheimerKrankheit zumeist schon im mittleren Erwachsenenalter zwischen dem 35. und 60. Lebensjahr manifest.
Sporadische Alzheimer-Krankheit („late-onset“ oder „sporadic Alzheimer’s disease“) Diese Form der Alzheimer-Krankheit manifestiert sich zumeist nach dem 65. Lebensjahr und zeigt keinen Bezug zu bekannten vererbbaren Mutationen. Mit dem Apoli-
202
7
Kapitel 7
poprotein-E-H4-Allel eines Polymorphismus im Apolipoprotein-E-(APOE-)Gen existiert ein gesicherter genetischer Risikofaktor [7]. Eine genetisch begründbare vermehrte Produktion von AE liegt bei der sporadischen Form der Alzheimer-Krankheit, soweit bekannt, nicht vor. Deshalb wird von vielen Autoren angenommen, dass bei dieser Form der Alzheimer-Krankheit ein Problem beim Abbau von AE vorliegt. Der Abbau von AE kann auf verschiedenen Wegen erfolgen: • zellulärer Abbau durch Astrozyten und Mikrogliazellen, • enzymatischer Abbau durch Neprilysin, InsulinDegrading-Enzym (IDE) und Plasmin, • Transport über die Blut-Hirn-Schranke und • Drainage über perivaskuläre Räume. Hinweise für eine pathogenetische Rolle dieser Abbauwege von AE bei der sporadischen Form der AlzheimerKrankheit ergeben sich durch die Beteiligung von Apolipoprotein E an der zellulären Aufnahme von AE über LRP und durch die Kolokalisation von AE und Apolipoprotein E in den perivaskulären Räumen. Man geht derzeit davon aus, dass eine Alteration eines oder mehrerer dieser AE-Abbauwege zu einem Anstieg des AE-Gehalts im Gehirn führt, das in der Folge aggregiert, senile Plaques bildet und zu Alterationen an Nervenzellen führt. Darüber hinaus wird diskutiert, dass primäre Veränderungen an den Nervenzellen (v. a. durch τ-Veränderungen) auch ohne Aβ zum Nervenzellverlust beim Morbus Alzheimer beitragen können.
Mechanismen der Nervenzellschädigung Man nimmt derzeit an, dass lösliche oligomere AE-Aggregate Auslöser der Alzheimer-Krankheit sind. Die Ausbildung tauopathischer Veränderungen, das sind NFTs und Neuropilfäden, sowie der Untergang von Nervenzellen und Synapsen werden als sekundär angesehen. Argumente hierfür sind zum einen die im zeitlichen Verlauf parallele Zunahme der Ausbreitung der senilen Plaques und NFTs und zum anderen die Tatsache, dass AE im Tiermodell in der Lage ist, in W-transgenen Mäusen NFTs in typischer Verteilung zu induzieren, die W-transgene Mäuse in Abwesenheit von AE bzw. nach Immunisierung nicht entwickeln [9]. Als Pathomechanismus wird angenommen, dass AE-Aggregate mit Synapsen interagieren und diese funktionell und strukturell schädigen. Welche Rolle intrazelluläre AE-Aggregate in der Pathogenese der Alzheimer-Krankheit spielen, ist derzeit noch nicht eindeutig geklärt und wird kontrovers diskutiert. Eine weitere durch Aβ-Ablagerungen verursachte Gewebsschädigung ist der CAA zuzuschreiben. Diese kann
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns
zu Blutungen und Infarkten führen (s. Kreislaufstörungen des ZNS). Andererseits können NFTs in Frühstadien auch ohne erkennbare Plaquepathologie auftreten [5]. Deshalb ist davon auszugehen, dass AE zwar in den meisten Fällen eine den Krankheitsverlauf triggernde Funktion hat, diese aber nicht in jedem Fall zur Ausbildung von NFTs und Neuropilfäden benötigt wird. Neben der W-Protein-Phosphorylierung werden auch oxidativer Stress, Exzitotoxizität und inflammatorische Einflüsse als pathogenetisch relevant angesehen. Darüber hinaus korreliert der Untergang von Nervenzellen und die Entwicklung einer Demenz gut mit der Neurofibrillenpathologie, so dass ein Entstehen der Alzheimer-Krankheit allein durch AE bedingt unwahrscheinlich ist. Hierfür spricht auch, dass viele APP-transgene Mausmodelle zwar senile Plaques, aber keinen Nervenzellverlust zeigen.
Neuropathologie Generell unterscheiden sich familiäre und sporadische Alzheimer-Fälle nicht wesentlich in ihrem morphologischen Erscheinungsbild. Nur wenige Sonderformen zeigen spezifische Veränderungen, die eine Subklassifizierung rechtfertigen. Makroskopisch imponiert im Endstadium der Erkrankung ein atrophes Gehirn mit klaffenden Sulci und massiv verschmälerten Gyri (Abb. 7.10). Die Seitenventrikel sind deutlich erweitert (s. Abb. 7.10). In früheren Stadien kommt es zunächst zu einer Atrophie des medialen Temporallappens. Das Gehirngewicht ist in der Regel um mehr als 15% reduziert. Die mit dem Morbus Alzheimer assoziierte CAA kann zu Mikroblutungen, lobären Blutungen und zu (Mikro-) Infarkten führen, die ebenfalls im Gehirn von AlzheimerPatienten nachweisbar sein können. Mikroskopisch ist die Alzheimer-Krankheit durch das Vorhandensein von senilen Plaques, NFTs, Neuropilfäden und der CAA charakterisiert (s. Abb. 7.3 und 7.6) [1]. Substrat für die Demenz ist der damit einhergehende Verlust von Neuronen und die Verminderung der Synapsendichte. Darüber hinaus finden sich bei Alzheimer-Patienten häufig Veränderungen im Sinne der granulovakuolären Degeneration und Hirano-Körper (s. Abb. 7.2). Aβ-positive Astrozyten in der nähe von senilen Plaques (s. Abb. 7.8a) sind zumeist in Assoziation mit diffusen Plaques einschließlich „fleecy amyloid“ zu finden. Auch intraneuronal akkumuliert Aβ bei Alzheimer-Patienten, insbesondere in Pyramidenzellen [10]. Beim Nachweis von intraneuronalem AE kommt es im besonderen Maße darauf an sicherzustellen, dass bei Durchführung der Immunhistochemie Kreuzreaktionen mit APP, das physiologischerweise von Nervenzellen expri-
Morbus Alzheimer
a
b
Abb. 7.10a–c Hemisphärenschnitte durch das Großhirn eines kognitiv Gesunden (a) und eines Alzheimer-Patienten (b,c). a Bei dem Gehirn eines nichtdementen Individuums sind die Gyri deutlich prominenter und W-Veränderungen finden sich nach Markierung mit dem Antikörper gegen abnorm phosphoryliertes W-Protein nur in der Regio entorhinalis/transentorhinalis (Pfeile). b Das Gehirn des Alzheimer-Patienten zeigt dagegen eine deutliche Verschmälerung
miert wird, durch Benutzung C-Terminus-spezifischer AE-Antikörper verhindert werden. Da NFTs, senile Plaques und CAA auch bei nichtdementen Patienten auftreten, wurden Stadiensysteme entwickelt, die die Verteilung der Alzheimer-typischen Veränderungen, z B. NFTs, senile Plaques und die CAA, bei Dementen und Nichtdementen beschreiben [4, 25]. Ein Teil der Alzheimer-Fälle zeigt dystrophe Neuriten, die D-Synuklein-Aggregate enthalten. Neben wenigen sporadischen AD-Fällen finden sich solche Veränderungen vor allem bei familiären Formen der AlzheimerKrankheit. Lewy-Körper kommen dabei nicht vor. Andernfalls ist ein Übergang in eine Demenz mit Lewy-Körpern zu diskutieren. Ultrastrukturell zeigen die senilen Plaques und die CAA fibrilläre Proteinaggregate, die zu Amyloidfibrillen zusammengelagert sind (s. Abb. 7.6j). Die AE-Aggregate an Blutgefäßen zeigen ähnliche Ansammlungen von Amyloidfibrillen wie die senilen Plaques. NFTs und Neuropilfäden bestehen ebenfalls aus fibrillären Proteinaggregaten. Die zeigen ultrastrukturell allerdings das Muster gepaarter helikaler Filamente (s. Abb. 7.3d).
203
c der Gyri, klaffende Sulci (S), einen erweiterten Seitenventrikel (V) und Gallyas-positive Neurofibrillenveränderungen überall im Kortex (erkennbar an der schwarzen Markierung der Rinde; Pfeile). c In gleicher Weise ist der gesamte Kortex auch mit AE-Plaques gefüllt (braun markiert; Pfeile). Darüber hinaus sind auch im Bereich der Basalganglien, des Thalamus und des Mittelhirns markierte Plaques nachweisbar (Pfeile). Der Messbalken in c entspricht: a–c = 6 mm
Neuropathologische Stadien der Alzheimer-Krankheit Die „Braak“-Stadien beschreiben das Ausbreitungsmuster der NFTs im Gehirn des Menschen (Tabelle 7.1, Abb. 7.11) [4]. Als Erstes finden sich NFTs in den Nervenzellen der Regio transentorhinalis. Von dort aus breiten sich die NFTs in den entorhinalen Kortex (Stadium II), das Ammonshorn (Stadium III), den angrenzenden temporalen Neokortex (Stadium IV), auf weitere tertiäre und sekundäre Rindenfelder (Stadium V) und zum Schluss auch auf primäre Rindenfelder aus (Stadium VI). Dieses auf der Gallyas-Versilberung (erlaubte Alternativen Bodian, Bielschowsky) basierende Stadiensystem ist inzwischen für einen Antikörper gegen abnorm-phosphoryliertes W-Protein (AT-8) adjustiert worden [6]. Dieses Stadiensystem berücksichtigt weniger die NFTs, sondern vielmehr die Dichte der Neuropilfäden in definierten Hirnregionen (s. Tabelle 7.1). Für die Stadieneinteilung in der Praxis werden die in den NIA-AA-Kriterien vorgeschriebenen Regionen beurteilt. Die Verteilung der senilen Plaques, d. h. der AE-Ablagerungen im Hirnparenchym folgt ebenfalls einem hierarchischen Muster (Abb. 7.12) [25]. Hierbei treten die ersten senilen Plaques im Neokortex auf (Phase 1). Erst in Phase 2 werden limbische Areale (Hippokampus,
204
Kapitel 7
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns
Tabelle 7.1 Braak-Stadien: Die Tabelle zeigt die diagnostisch bedeutenden Regionen für die Einteilung in die Braak-Stadien zum einen anhand der klassischen Gallyas-Silbertechnik [4] und zum anderen anhand immunhistochemischer Präparate mit Antikörpern gegen abnorm phosphoryliertes W-Protein [6] Stadium
7
Gallyas-Färbung
Antikörperfärbung mit einen Antikörper gegen abnorm phophoryliertes τ-Protein (AT8)
Staging entsprechend der Verteilung von Neurofibrillenveränderungen
Staging nach dem Anfärbemuster des Neuropils
I
Regio transentorhinalis (häufig auch Raphe-Kerne und NBM)
Regio transentorhinalis
II
pre-D-Schicht der Regio entorhinalis
Regio entorhinalis und Ammonshorn
III
Ammonshorn, pri-D-Schicht der Regio entorhinalis
Gyrus occipitotemporalis
IV
Basaler Neokortex, Fascia dentata: plexiforme Schicht
Gyrus temporalis inferior und Inselrinde
V
Gesamter Neokortex außer primären Rindenfeldern, CA4
Gesamter Neokortex außer primären Rindenfeldern
VI
Primäre Rindenfelder und Presubikulum
Primäre Rindenfelder
Es werden für jedes Stadium jeweils nur die stadienrelevanten, neu in den Krankheitsprozess einbezogenen Regionen genannt. Weitere befallene Regionen sind der Abb. 7.11 zu entnehmen. NBM Nucleus basalis Meynert.
Amygdala, Gyrus cinguli) befallen. Im weiteren Verlauf kommt es zur Ablagerung von AE-Plaques in den Stammganglien, dem Dienzephalon (Phase 3), dem Mittelhirn und der Medulla oblongata (Phase 4) und zuletzt im Kleinhirn und dem Pons (Phase 5). Für die Praxis werden zur Bestimmung der AE-Phasen anti-AE-gefärbte Hippokampus-, Basalganglien-, Mittelhirn- und Kleinhirnpräparate beurteilt. Die Dichte der neuritischen Plaques wird nach CERAD klassifiziert [18]. Als neuritische Plaques werden hier nur solche akzeptiert, die sich mit der Bielschowsky-, Thioflavin-S- oder Gallyas-Methode markieren lassen. Inzwischen wird alternativ auch die immunhistochemische Darstellung der Plaques mit Antikörpern gegen W-Protein akzeptiert. W-positive dystrophe Neuriten werden dabei auch als Merkmal neuritischer Plaques angesehen [27]. Die Dichte der neuritischen Plaques wird abhängig vom Alter semiquantitativ klassifiziert (Abb. 7.13, Tabelle 7.2). Der Plaque-Score C wird dabei als für die Diagnose Morbus Alzheimer beweisend angesehen, B besagt, dass ein Morbus Alzheimer wahrscheinlich ist, A, dass diese Krankheit möglich ist, und 0 spricht gegen das Vorliegen einer Alzheimer-Krankheit (s. Tabelle 7.2). Für diese Einteilung werden Gyrus temporalis superior et medialis, Gyrus frontalis medialis, Lobus parietalis inferior, Gyrus cinguli und das Mesenzephalon untersucht.
Derzeit wird die pathologische Diagnose Morbus Alzheimer entsprechend der „National Institute on Aging– Alzheimer’s Association guidelines for the neuropathologic assessment of Alzheimer’s disease” (kurz: NIA-AAKriterien) gestellt 27. Diese Kriterien fußen auf dem sog. ABC-Score, d.h. der Ausbreitung der Aβ-Plaques (AβPhasen = A), NFTs (Braak-Stadien = B) und der Dichte der neuritischen Plaques (CERAD = C) (Abb. 7-11, 7-13). Es wird empfohlen Alzheimer-assoziierte Pathologie in jedem Fall deskriptiv mittels des ABC-Scores anzugeben: A, B, C 0 = keine Pathologie; A1 = Aβ-Phase 1, A2 = AβPhase 2, A3 = Aβ-Phasen 3 + 4 + 5; B1 = Braak-Stadien I + II, B2 = Braak-Stadien III+IV, B3 = Braak-Stadien V+VI; C1 = geringe Plaquedichte, C2 = moderate Plaquedichte, C3 = hohe Plaquedichte. Hierfür werden folgende Regionen untersucht: Gyrus temporalis superior et medius, Gyrus frontalis medius, Lobus parietalis inferior, Gyrus cinguli, Occipitalkortex, Hippocampus in Höhe der Regio entorhinalis, Hippocampus in Höhe Corpus geniculatum laterale, Stammganglien, Nucleus basalis Meynert, Amygdala, Thalamus,
Abb. 7.11a,b Braak-Stadien. a Verteilung der Alzheimer’schen Neurofibrillenveränderungen in den Regionen des medialen Temporallappens. Die Pfeile markieren die Regionen, die für die Stadi-
endiagnose relevant sind. b Verteilung der Alzheimer‘schen Neurofibrillenveränderungen über das gesamte Gehirn. (Gedruckt mit freundlicher Genehmigung von Acta Neuropathologica [4])
Diagnosekriterien: „National Institute on Aging–Alzheimer’s Association guidelines for the neuropathologic assessment of Alzheimer’s disease”
Morbus Alzheimer
a
b
Braak-Stadien
205
206
Kapitel 7
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns Tabelle 7.2 Altersbezogener CERAD-Score für die Klassifikation der Alzheimer-Krankheit [18]
7
Abb. 7.12. Phasen der Ausbreitung der AE-Ablagerungen im Gehirn. Neu befallene Regionen sind jeweils rot markiert. Die Phasen 4 und 5 entsprechen den Befunden bei Alzheimer-Patienten, während die Phasen 1–3 in der Regel nicht mit kognitiven Defiziten einhergehen. (Gedruckt mit freundlicher Genehmigung der American Association for the Advancement of Science [26] und von Neurology [25])
Abb. 7.13 CERAD-Klassifikation zur Bestimmung der Plaquedichte. Die Plaquedichte wird in Frontal-, Parietal- und Temporallappen auf der Basis einer Versilberung (z. B. Gallyas oder Bielschowsky) oder der Thioflavin-S-Färbung semiquantitativ erhoben. Diese Plaquedichte wird für die Klassifizierung entsprechend der NIA-AA-Kriterien benutzt. Für die CERAD-Klassifikation der Alzheimer-Krankheit wird die Plaquedichte entsprechend Tabelle 7.4 in altersabhängige Plaque-Scores umkodiert
Mesencephalon, Pons, Medulla oblongata, und das Kleinhirn. Voraussetzung für die Diagnose Morbus Alzheimer ist, dass klinisch die Symptomatik einer Demenz besteht. Der Nachweis von Alzheimer Pathologie ohne die klinische Angabe einer Demenz oder kognitiver Störungen berechtigt in keinem Fall zur Diagnose Morbus Alzheimer. Ein solcher Befund soll nur deskriptiv als „Alzheimer-assoziierte Pathologie“ unter Angabe des ABCScores dokumentiert werden. Die Diagnosekriterien ge-
<50 Jahre
50–75 Jahre
>75 Jahre
0
Keine Plaques
Keine Plaques
Keine Plaques
A
–
–
Geringe Plaquedichte
B
–
Geringe Plaquedichte
Moderate Plaquedichte
C
Plaques
Moderate – hohe Plaquedichte
Hohe Plaquedichte
ben die Wahrscheinlichkeit an, mit der die klinische Demenz durch die Alzheimer Krankheit bedingt ist: • Hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine Demenz durch den Morbus Alzheimer bedingt ist: ABC-Score: A1-3, B3, C2,3 • Mittlere Wahrscheinlichkeit, dass eine Demenz durch den Morbus Alzheimer bedingt ist: ABC-Score: A1-3, B2,3, C1-3 • Geringe Wahrscheinlichkeit, dass eine Demenz durch den Morbus Alzheimer bedingt ist: ABC-Score: A1-3, B0-3, C0-3 • Keine Alzheimer Krankheit: ABC-Score: A0, B0-3, C0 (NFTs entsprechend B2 und B3 sind in diesem Fall eher durch eine nicht-Alzheimer Tauopathie zu erklären). Veränderungen im Sinne anderer neurodegenerativer Erkrankungen (z.B. Demenz mit Lewy Körpern oder Silberkornkrankheit) und zerebrovaskuläre Veränderungen können zusammen mit Alzheimer-assoziierten Veränderungen zu einer Demenz führen, die dann als Mischdemenz bezeichnet wird. Die jeweiligen Komponenten werden in der Diagnose mit aufgeführt. Alzheimer-assoziierte Veränderungen werden auch hier mittels ABC-Score dokumentiert.Gewebe, das bei Hirnblutungen älterer Patienten, die operativ behandelt werden, entnommen wird, und diagnostische Biopsate können ebenfalls Alzheimertypische Veränderungen enthalten. Eine Beurteilung von Alzheimer-typischen Veränderungen ist somit am Biopsat nur sehr eingeschränkt möglich und muss unter Berücksichtigung der anatomischen Lage der Entnahmestelle und der klinischen Diagnose erfolgen.
207
Literatur
Sonderformen der Alzheimer-Krankheit „Tangle-predominant Alzheimer’s disease“ Diese Form der Alzheimer-Krankheit ist durch das zumindest weitgehende Fehlen von senilen Plaques gekennzeichnet. Morphologisch imponieren NFTs insbesondere im medialen Temporallappen. Subkortikal finden sich praktisch keine tauopathischen Veränderungen. Ein Teil der Tangle-predominanten Alzheimer-Fälle zeigt Silberkörner („argyrophilic grains“) und oligodendrogliale W-Einschlüsse, so dass diese Fälle einen Übergang zur Silberkornkrankheit („argyrophilic grain disease“) diskutieren lassen [28].
„Plaque-predominant Alzheimer’s disease“ Die „plaque-predominant Alzheimer’s disease“ ist durch eine nur sehr geringe bis fehlende neurofibrilläre W-Pathologie gekennzeichnet. In diesen Fällen findet sich dann zumeist Lewy-Körper-Pathologie, so dass ein Übergang zur Demenz mit Lewy-Körpern zu diskutieren ist [23].
Familiäre Alzheimer-Krankheit mit „Cottonwool“-Plaques und spastischer Paraparese
4. 5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
Hierbei handelt es sich um eine familiäre Form der Alzheimer-Krankheit, die auf einer Deletion in Exon 9 im Presenilin 1 Gen beruht [8]. Diese Form geht mit einer charakteristischen Klinik mit Entwicklung einer spastischen Paraparese einher. Morphologisch fallen bei dieser Form zahlreiche, große, eosinophile, sog. „Cottonwool“-Plaques auf. „Cotton-wool“-Plaques besitzen eine homogene Morphologie. Einen Plaquekern haben diese Plaques nicht, die aus diffusem AE bestehen und in der Thioflavin-S-Färbung nur sehr schwach markiert sind. Daneben finden sich wie bei anderen Alzheimer-Fällen auch CAA und NFTs.
14.
15.
16.
17.
Literatur 1. 2.
3.
Alzheimer A (1907) Ueber eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde. Allg Zschr Psych 64: 146–148 Bertram L, Tanzi R (2003) Genetics of Alzheimer’s disease. In: Dickson D (ed) Neurodegeneration: The molecular pathology of dementia. ISN Neuropath Press, Basel, pp 40–46 Braak H (1974) On the structure of the human archicortex. I. The cornu ammonis. A Golgi and pigmentarchitectonic study. Cell Tissue Res 152: 349–383
18.
19.
Braak H, Braak E (1991) Neuropathological stageing of Alzheimer-related changes. Acta Neuropathol 82: 239–259 Braak H, Braak E (1997) Frequency of stages of Alzheimer-related lesions in different age categories. Neurobiol Aging 18: 351–357 Braak H, Alafuzoff I, Arzberger T, Kretzschmar H, Del Tredici K (2006) Staging of Alzheimer disease-associated neurofibrillary pathology using paraffin sections and immunocytochemistry. Acta Neuropathol 112: 389–404 Corder EH, Saunders AM, Strittmatter WJ et al. (1993) Gene dose of apolipoprotein E type 4 allele and the risk of Alzheimer’s disease in late onset families. Science 261: 921–923 Crook R, Verkkoniemi A, Perez-Tur J et al. (1998) A variant of Alzheimer’s disease with spastic paraparesis and unusual plaques due to deletion of exon 9 of presenilin 1. Nat Med 4: 452–455 Gotz J, Chen F, van Dorpe J, Nitsch RM (2001) Formation of neurofibrillary tangles in P301l tau transgenic mice induced by Abeta 42 fibrils. Science 293: 1491–1495 Gouras GK, Tsai J, Naslund J et al. (2000) Intraneuronal Abeta42 accumulation in human brain. Am J Pathol 156: 15–20 Haass C, Koo EH, Mellon A, Hung AY, Selkoe DJ (1992) Targeting of cell-surface beta-amyloid precursor protein to lysosomes: alternative processing into amyloid-bearing fragments. Nature 357: 500–503 Hannover A (1842) Mikroskopische Undersögelser af Nervensystemet. Kgl Danske Videns Kabernes Selskabs Naturv Math Alh Kbh 10: 1–112 Hirano A (1994) Hirano bodies and related neuronal inclusions. Neuropathol Appl Neurobiol 20: 3–11 Iwatsubo T, Odaka A, Suzuki N, Mizusawa H, Nukina N, Ihara Y (1994) Visualization of A beta 42(43) and A beta 40 in senile plaques with end-specific A beta monoclonals: evidence that an initially deposited species is A beta 42(43). Neuron 13: 45–53 Kimberly WT, LaVoie MJ, Ostaszewski BL, Ye W, Wolfe MS, Selkoe DJ (2003) Gamma-secretase is a membrane protein complex comprised of presenilin, nicastrin, Aph1, and Pen-2. Proc Natl Acad Sci U S A 100: 6382–6387 Marinesco J (1902) Sur la presence des corpuscles acidophiles paranucleolaires dans les cullules du locus niger et du locus ceruleus. C.R. Acad Sci Paris 134: 1000–1002 Masters CL, Simms G, Weinman NA, Multhaup G, McDonald BL, Beyreuther K (1985) Amyloid plaque core protein in Alzheimer disease and Down syndrome. Proc Natl Acad Sci USA 82: 4245–4249 Mirra SS, Heyman A, McKeel D et al. (1991) The Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease (CERAD). Part II. Standardization of the neuropathologic assessment of Alzheimer’s disease. Neurology 41: 479–486 Roher AE, Lowenson JD, Clarke S et al. (1993) Structural alterations in the peptide backbone of beta-amyloid core protein may account for its deposition and stability in Alzheimer’s disease. J Biol Chem 268: 3072–3083
208
Kapitel 7
20.
21.
22.
23.
7 24.
25.
26.
Schultz C, Braak H, Braak E (1996) A sex difference in neurodegeneration of the human hypothalamus. Neurosci Lett 212: 103–106 Schultz C, Ghebremedhin E, Del Tredici K, Rub U, Braak H (2004) High prevalence of thorn-shaped astrocytes in the aged human medial temporal lobe. Neurobiol Aging 25: 397–405 Simchowicz T (1911) Histopathologische Studien über die senile Demenz. In: Nissl F, Alzheimer A (Hrsg) Histologie und histopathologische Arbeiten über die Großhirnrinde. Fischer, Jena, S 267–444 Terry RD, Hansen LA, DeTeresa R, Davies P, Tobias H, Katzman R (1987) Senile dementia of the Alzheimer type without neocortical neurofibrillary tangles. J Neuropathol Exp Neurol 46: 262–268 Thal DR, Rüb U, Schultz C, Sassin I, Ghebremedhin E, Del Tredici K, Braak E, Braak H (2000) Sequence of Abetaprotein deposition in the human medial temporal lobe. J Neuropathol Exp Neurol 59: 733–748 Thal DR, Rüb U, Orantes M, Braak H (2002) Phases of Abeta-deposition in the human brain and its relevance for the development of AD. Neurology 58: 1791–1800 Thal DR, Del Tredici K, Braak H (2004) Neurodegeneration in normal brain aging and disease. Sci Aging Knowledge Environ 2004: PE26
Morbus Alzheimer und Altersveränderungen des Gehirns
27.
28.
29.
30.
31.
The National Institute on Aging – Alzheimer’s Association (2011) National Institute on Aging – Alzheimer’s Association guidelines for the neuropathologic assessment of Alzheimer’s disease. Draftversion (http://www.alz.org/research/diagnostic_criteria/#newreco) Ulrich J, Spillantini MG, Goedert M, Dukas L, Staehelin HB (1992) Abundant neurofibrillary tangles without senile plaques in a subset of patients with senile dementia. Neurodegeneration 1: 257–284 Vassar R, Bennett BD, Babu-Khan S et al. (1999) Beta-secretase cleavage of Alzheimer’s amyloid precursor protein by the transmembrane aspartic protease BACE. Science 286: 735–741 Wisniewski KE, Golabek AA, Kida E (2004) The neuronal ceroid lipofuscinoses. In: Golden JA, Harding BN (eds) Pathology & genetics: developmental neuropathology. ISN Neuropath Press, Basel, p 270 Wolfe MS, Xia W, Ostaszewski BL, Diehl TS, Kimberly WT, Selkoe DJ (1999) Two transmembrane aspartates in presenilin-1 required for presenilin endoproteolysis and gamma-secretase activity. Nature 398: 513–517
Kapitel 8
Nicht-Alzheimer-Demenzen
8
M. Neumann Inhalt Lewy-Körperchen-Demenzen . . . . . . . . . . . . . . .
210
Kortikobasale Degeneration . . . . . . . . . . . . .
214
Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
210
Progressive supranukleäre Blickparese . . . . . . . .
215
Demenz mit Lewy-Körpern . . . . . . . . . . . . . . .
210
Erkrankung mit argyrophilen Körnchen . . . . . . .
216
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
210
Andere sporadische FTLD-Tau-Subtypen . . . . . .
216
Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
210
Familiäre FTLD-Tau (FTDP-17T) . . . . . . . . . .
216
Konsensuskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211
FTLD-TDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
216
Parkinson-Krankheit mit Demenz . . . . . . . . . . .
211
Morphologie und FTLD-TDP-Subtypen . . . . . . .
217
Frontotemporale Lobärdegeneration . . . . . . . . . . .
212
Familiäre Formen der FTLD-TDP . . . . . . . . . .
217
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
212
FTLD-FUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
Klinische Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . .
212
Atypische FTLD-U . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
Epidemiologie und Genetik . . . . . . . . . . . . . .
212
NIFID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
Neuropathologische/molekulare Klassifikation der FTLDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
BIBD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
213 FTLD-UPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
FTLD-Tau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
213 FTLD-NI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220
Morbus Pick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
210
Kapitel 8
Lewy-Körperchen-Demenzen Definition
8
Lewy-Körperchen („Lewy bodies“, LB) sind eosinophile, zytoplasmatische Einschlüsse, die erstmals 1912 von Friedrich Lewy im dorsalen Vaguskern bei M. Parkinson beschrieben wurden und die charakteristischen neuropathologischen Veränderungen bei der Parkinson-Krankheit darstellen (s. Kap. 9). Mit der Entdeckung von D-Synuklein als Hauptproteinkomponente der Lewy-Körperchen [56] lag nun ein spezifisches Markerprotein für die immunhistochemische Detektion der LBs vor, was dazu führte, dass LBs im Hirnstamm und Kortex darüber hinaus in dementiellen Erkankungen zunehmend an Beachtung gewonnen haben. Die LB-Pathologie kann hierbei in unterschiedlichem Ausmaß mit Alzheimer-Pathologie assoziiert sein. Diese Variabilität hat unter anderem dazu geführt, dass eine Reihe verschiedener, nicht einheitlich verwendeter Begriffe für Lewy-Köperchen-Erkrankungen mit Demenz in der Vergangenheit in der Literatur verwendet wurden. Als Beispiel seien hier Alzheimer-Krankheit mit Parkinson-Krankheit, Lewy-bodyVariante der Alzheimer-Krankheit, diffuse Lewy-Körperchen-Erkrankung und senile Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ genannt. 1996 wurden erstmals klinische und neuropathologische Kriterien, des nun mehrheitlich als Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) bezeichneten Krankheitsbildes, verfasst [36]. Im Folgenden zeigte sich, dass es fließende Übergänge bzw. Überlappungen mit der Parkinson-Krankheit mit Demenz (PDD) gibt und rein morphologisch eine Abgrenzung PDD von DLB nicht möglich ist. Um dem Rechnung zu tragen, wurde der Begriff Lewy-Körperchen-Demenz eingeführt, um die Demenzformen mit Lewy-Pathologie (PDD und DLB) zusammenzufassen [28].
Demenz mit Lewy-Körpern In neueren Studien gilt die DLB als zweithäufigste Ursache einer dementiellen Erkrankung im höheren Lebensalter (>65 Jahre) [37]. Konsensuskriterien für die klinische und neuropathologische Diagnose der DLB liegen mittlerweile in einer dritten überarbeiteten Version vor [37].
Klinik Essentielles Merkmal für die klinische Diagnose DLB ist das Vorhandensein eines progredienten kognitiven Abbaus. Richtungsweisende diagnostische Kernsymptome
Nicht-Alzheimer-Demenzen
sind deutliche Fluktuationen der kognitiven Fähigkeiten, visuelle Halluzinationen und Parkinson-Symptome. Hilfreiche weiterer diagnostische Merkmale stellen REMSchlafstörungen, Neuroleptika-Überempfindlichkeit und verminderte Dopamin-Transporter-Aufnahme in den Basalganglien in der SPECT- oder PET-Bildgebung dar. Für die Abgrenzung von PDD spielt die zeitliche Reihenfolge des Auftretens der einzelnen Symptome eine besondere Bedeutung. Bestand ein Parkinson-Syndrom >1 Jahr vor den ersten Zeichen einer dementiellen Entwicklung, soll die Diagnose einer PDD gestellt werden, ansonsten soll die Diagnose DLB gestellt werden. An dieser teils umstrittenen 1-Jahres-Regel wurde überwiegend aus wissenschaftlichen Gründen, hinsichtlich Vergleichbarkeit von klinischen Studien, festgehalten [37].
Morphologie Der makroskopische Befund bei DLB ist wenig richtungsweisend. Es kann eine diffuse, frontale oder hippokampal betonte Atrophie auffallen. Eine Abblassung der S. nigra findet sich häufig, allerdings meist nicht so ausgeprägt wie bei Patienten mit reiner Parkinson-Krankheit. Charakteristisches histologisches Merkmal der DLB ist die Lewy-Pathologie bestehend aus • Hirnstamm-Typ-Lewy-Körperchen, • kortikalen Lewy-Körperchen, • neuritischer Pathologie, sog. Lewy-Neuriten. Während Hirnstamm-Typ-LBs aufgrund ihrer typischen Core- und Halostruktur meist bereits in der H&EFärbung in den pigmentierten Kerngebieten des Hirnstamms auffallen (Abb. 8.1a), sind die kortikalen LBs weniger scharf begrenzt und nur sehr schwer und unzuverlässig in der H&E-Färbung zu detektieren (Abb. 8.1b). Als spezifischste und sensitivste Nachweismethode für Lewy-Pathologie wird Immunhistochemie mit Antikörpern gegen D-Synuklein empfohlen. Hirnstamm-Typ-LBs finden sich typischerweise im dorsalen Vaguskern, Locus coeruleus und Substantia nigra (Abb. 8.1c). Kortikale LBs finden sich am häufigsten im Nucleus basalis Meynert, Gyrus parahippocampalis, Gyrus cinguli sowie mit abnehmender Häufigkeit im temporalen, frontalen (Abb. 8.1d) und parietalen Kortex. Kortikale LBs sind betont in den unteren kortikalen Rindenschichten zu sehen. Lewy-Neuriten (LN) stellen sich insbesondere im CA2/3-Sektor des Ammonshorns, aber auch weitverbreitet in den meisten anderen betroffenen Hirnregionen mit LBs dar (Abb. 8.1c–e). Auffällig ist eine teils ausgeprägte LN-Pathologie im Striatum bei DLB. Eine reine Lewy-Pathologie stellt eher die Ausnahme dar. In der Regel findet sich zusätzliche Alzheimer-Pathologie mit neurofibrillären Tangles und senilen Plaques,
Lewy-Körperchen-Demenzen
a
c
211
b
d
e
Abb. 8.1a–e Lewy-Körperchen Demenz. a Lewy-Körperchen von Hirnstamm-Typ. b Kortikale Lewy-Körperchen (Pfeile). c–e Immunhistochemie für D-Synuclein mit Darstellung von c Lewy-Kör-
perchen und Lewy-Neuriten im Hirnstamm. d Lewy-Körperchen und Lewy-Neuriten im frontalen Kortex. e Lewy-Neuriten in der CA2/3 Region des Hippokampus
deren Ausprägung entsprechend Braak & Braak-Stadium und CERAD klassifiziert werden soll (s. Kap. 7). Neben spongiösen Auflockerungen der Gewebematrix in atrophen Kortexregionen gibt es insbesondere im temporalen Kortex gelegentlich spongiforme Veränderungen, wie man sie typischerweise bei Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen beobachtet (s. Kap. 12). Im Zweifelsfall sollte mittels anti-PrP-Immunhistochemie das Vorliegen einer Prionkrankheit ausgeschlossen werden.
gie führt dazu, dass die klinischen Syndrome einer DLB nur in einem Bruchteil der Patienten tatsächlich vorliegen, während andere Patienten eher typische klinische Symptome einer Alzheimer-Krankheit aufweisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die beobachteten neuropathologischen Veränderungen mit dem klinischen Bild einer DLB einhergehen, ist direkt proportional zum Schweregrad der Lewy-Pathologie und umgekehrt proportional mit dem Schweregrad der Alzheimer-Pathologie. Um dem Rechnung zu tragen, wird in den DLBKonsensuskriterien vorgeschlagen, die Wahrscheinlichkeit (hoch, mittel, gering) anzugeben, inwiefern zu erwarten ist, dass die neuropathologischen Veränderungen mit dem klinischen Bild einer DLB assoziiert sind (Tabelle 8.2).
Konsensuskriterien Je nach semiquantitativer Bestimmung des Schweregrads (Score 0–4) und Verteilungsmuster der Lewy-Pathologie in definierten Hirnregionen wird ein Hirnstamm-, limbischer oder neokortikaler Verteilungstyp der Lewy-Pathologie unterschieden (Tabelle 8.1) [37]. Wie bereits erwähnt, stellt eine reine Lewy-Pathologie jedoch eher die Ausnahme dar und man findet unterschiedliche Ausprägungen einer Alzheimer-Pathologie. Diese teils deutlich ausgeprägte gemischte Patholo-
Parkinson-Krankheit mit Demenz Kumulativ entwickeln 30–40% aller Parkinson-Patienten eine Demenz, wobei sich bei fast 70% der ParkinsonPatienten, die älter als 80 Jahre sind, dementielle Syn-
212
Kapitel 8
Nicht-Alzheimer-Demenzen
Tabelle 8.1 Ermittlung des Verteilungsmusters der Lewy-Pathologie bei DLB und PDD. (Mod. nach McKeith et al. [37]) Hirnstamm
Limbisch und basales Vorderhirn
Neokortikal
Verteilungstyp
IX-X
LC
SN
NbM
AMY
TE
GC
TC
FC
PC
Hirnstammbetont
1–3
1–3
1–3
0–2
0–2
0–1
0–1
0
0
0
Limbisch/transitionell
1–3
1–3
1–3
2–3
2–3
1–3
1–3
0–2
0–1
0
Diffus neokortikal
1–3
1–3
1–3
3–4
3–4
32–4
2–4
2–3
1–3
0–2
Gradierung der Lewy-Pathologie: 0 keine; 1 wenig; 2 mäßig viel; 3 ausgeprägt; 4 sehr ausgeprägt. IX Dorsales Glossopharyngeusareal; X Dorsales Vagusareal; LC Locus coerules; SN Substantia nigra; NbM Nucleus basalis Meynert; AMY Amygdala; TE transentorhinal; GC Gyrus cinguli; TC temporaler Kortex; FC frontaler Kortex; PC parietaler Kortex.
8
drome finden. Wie bereits bei der DLB erwähnt, soll die Diagnose Parkinson-Krankheit mit Demenz bei Patienten mit langjährigem Parkinson-Syndrom und erst spät im Verlauf sich entwickelnder Demenz verwendet werden. Die neuropathologischen Veränderungen sind deutlich überlappend mit der DLB und ohne Kenntnis klinischer Angaben ist eine Abgrenzung nicht möglich [28].
Frontotemporale Lobärdegeneration Grundlagen
Tabelle 8.2 Ermittlung der Wahrscheinlichkeit, dass neuropathologische Veränderungen mit dem klinischem Syndrom einer DLB assoziiert sind. (Mod. nach McKeith et al. [37]) Alzheimer-typische Pathologie Verteilungstyp Lewy-Pathologie
CERAD 0-A, B&B 0–II
CERAD B, B&B III–IV
CERAD C, B&B V–VI
Hirnstammbetont
Gering
Gering
Gering
Limbisch/ transitionell
Hoch
Mittel
Gering
Diffus neokortikal
Hoch
Hoch
Mittel
Der Terminus frontotemporale Lobärdegeneration (FTLD) umfasst eine klinisch, genetisch und neuropathologisch heterogene Gruppe degenerativer Erkrankungen, dessen Gemeinsamkeit die bevorzugt frontale und/oder temporale Lobärlappenatrophie (Abb. 8.2) darstellt.
Klinische Syndrome Charakteristische klinische Symptome bei FTLD sind Veränderungen der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens, der Exekutivfunktionen sowie der Sprachproduktion. Je nach Auftreten und Ausprägung der einzelnen Symptome werden drei klinische Krankheitsbilder unterschieden: • frontotemporale Demenz vom Verhaltenstyp („behavioural variant FTD“, bvFTD), • semantische Demenz (SD), • progrediente nichtflüssige Aphasie (PNFA).
Abb. 8.2 Makroskopischer Befund bei frontotemporaler Lobäratrophie mit deutlicher Atrophie der Großhirnrinde frontal und temporal
Daneben kommt es relativ häufig zum zusätzlichen Auftreten von neurologischen Störungen im Sinne eines Parkinson-Syndroms oder einer Motoneuronerkrankung [42].
Etwa 5–15% aller Demenzen im Erwachsenenalter liegt eine FTLD zugrunde. In der präsenilen Altergruppe (<65 Jahre Erkrankungsalter) ist die FTLD die zweithäufigste Ursache einer dementiellen Erkrankung [5]. Bei
Epidemiologie und Genetik
Frontotemporale Lobärdegeneration
etwa 25–50% aller Fälle findet man eine positive Familienanamnese mit autosomal-dominantem Erbgang für dementielle Erkankungen. Derzeit sind Mutationen in den Genen kodierend für das Mikrotubuli-assoziierte Protein Tau (MAPT), Progranulin (GRN), „Valosin-containing protein” (VCP) und „charged multivesicular body protein 2B” (CHMP2B) bekannt. Weiterhin besteht bei mehreren Familien mit FTD und Motoneuronerkrankung eine Koppelung an einen Genort auf Chromosom 9p [51].
213 Tabelle 8.3 Terminologie und molekulare Klassifikation der FTLD. (Mod. nach Mackenzie et al. [34]) Überbegriff
Pathologische Subtypen
FTLD-Tau
M. Pick
Assoziierte Gene
Kortikobasale Degeneration Progressive supranukleäre Blickparese Erkrankung mit argyrophilen Körnchen
Neuropathologische/molekulare Klassifikation der FTLDs Der Großteil der FTLD weist abnorme intrazelluläre Proteinablagerungen (Einschlusskörperchen) auf. In den vergangenen Jahren konnte ein Großteil der spezifisch akkumulierenden Proteine bei FTLD identifiziert werden. Dies hat nicht nur zu einem raschen Erkenntnisgewinn über die zugrunde liegenden Pathomechanismen der FTLD geführt, sondern auch zu einem Wandel der neuropathologischen/molekularen Klassifikation und Terminologie der FTLD (Tabelle 8.3) [33, 34]. Etwa 40% der FTLD-Fälle weisen Einschlüsse, bestehend aus dem Mikrotubuli-bindenden Protein Tau (FTLD-Tau) auf. Der neuropathologisch häufigste Subtyp der FTLD war bis vor kurzem durch das Auftreten von Tau- und D-Synuklein-negativen Einschlüssen charakterisiert, die sich nur mit dem unspezifischen Markerprotein Ubiquitin anfärben ließen und deshalb als FTLDU bezeichnet wurden. Das ubiquitinierte Protein der meisten FTLD-U-Fälle konnte kürzlich als TAR-DNAbindendes Protein 43 (TDP-43) identifiziert werden. Diese Form wird nun als FTLD-TDP bezeichnet und macht etwa 50% aller FTLD-Fälle aus. Etwa 5–10% der FTLDFälle sind durch Ablagerungen des Proteins FUS charakterisiert (FTLD-FUS). Seltenere FTLD Formen sind solche mit Tau-, TDP-43- und FUS-negativen, Ubiquitinpositiven Einschlüssen (FTLD-UPS), in denen das akkumulierende Protein noch identifiziert werden muss, sowie solche ohne erkennbare Einschlusskörperchen (FTLDNI).
FTLD-Tau Unter dem Begriff FTLD-Tau werden alle Formen der FTLD zusammengefasst, deren Hauptmerkmal Einschlüsse, bestehend aus abnorm phosphoryliertem TauProtein sind. Die einzelnen Subtypen der FTLD-Tau unterscheiden sich jedoch durch typische krankheitsspezifische Eigenschaften bezüglich Morphologie, Verteilungsmuster und
FTDP-17T
MAPT
Andere FTLD-TDP
Subtyp 1 Subtyp 2
Chrom 9p
Subtyp 3
GRN
Subtyp 4
VCP
Nicht klassifizierbar FTLD-FUS
Atypische FTLD-U NIFID BIBD
FTLD-UPS
Sporadische Formen FTD-3
CHMP2B
FTLD-NI UPS Ubiquitin-Proteasom-System; NI „no inclusions“; BIBD „basophilic inclusion body disease“; FTD-3 Chromosome 3-gekoppelte frontotemporale Demenz; NIFID „neuronal intermediate filament inclusions disease“.
Lokalisation der Einschlüsse (neuronal/glial) und hinsichtlich der biochemischen Zusammensetzung der TauAggregate (Abb. 8.3) [48]. Das Protein Tau ist ein Phosphoprotein und gehört zur Gruppe der Mikrotubuli-assoziierten Proteine [2]. Das Tau-Gen (MAPT) liegt auf Chromosom 17q21. Unter normalen Bedingungen werden im Gehirn des Erwachsenen durch alternatives RNA-Splicing von Exon 2, 3, und 10 sechs Tau-Isoformen transkribiert und exprimiert. Die Isoformen unterscheiden sich in einem aminoterminalen Insert von 0 (0N), 29 (1N) oder 58 (2N) Aminosäuren Länge und in einem carboxyterminalen Insert. Einschluss des carboxyterminalen Inserts führt zu 3 Isoformen mit je 4 Repeats (4R); die anderen 3 Isoformen besitzen je 3 Repeats (3R; s. Abb. 8.3). Diese Repeats und anschließende Sequenzen stellen die Mikrotubuli-bindenden Domänen von Tau dar. Die Identifizierung von Mutationen im MAPT-Gen bei familiären Formen der FTLD untermauerte die di-
214
Kapitel 8 a
Nicht-Alzheimer-Demenzen
rogene Gruppe der FTLD verwendet, obwohl inzwischen belegt ist, dass nur ein kleiner Prozentsatz (5–10%) der FTLD Patienten tatsächlich das neuropathologische Bild eines M. Pick zeigen [14].
b
8
Abb. 8.3a,b Tau-Protein und biochemisches Profil bei FTLD-Tau. a Schematische Darstellung der sechs Isoformen des Tau-Proteins. b Schematische Darstellung des biochemischen Profils von unlöslichem Tau-Protein bei FTLD-Tau-Subtypen. Sarkosyl-unlösliches Tau aus Gehirnen von Alzheimer-Patienten zeigten drei Hauptbanden (60, 64, 68 kDa) sowie eine schwächere 72-kDa-Bande. Nach Dephosphorylierung zeigen sich sechs Banden, entsprechend einer Akkumulation aller 6 Tau-Isoformen. Bei PSP, CBD und AGD stellen sich nur zwei Hauptbanden (64, 68 kDa) sowie variabel eine schwache 72-kDa-Bande dar. Nach Dephosphorylierung stellen sich drei Banden dar, einer selektiven Akkumulation von 4R-Isoformen entsprechend. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich beim M. Pick, in dem nach Dephosphorylierung ebenfalls meist nur drei Banden zur Darstellung kommen, die einer selektiven Akkumulation von 3R-Isoformen entsprechen. Bei FTDP-17T Patienten können sich, abhängig von der MAPT-Mutation, alle drei Ablagerungsmuster finden
Morphologie. Pathognomonisch für die Diagnose M. Pick ist der Nachweis von runden, versilberbaren Einschlüssen, in Nervenzellen, den sog. Pick-Körperchen („Pick bodies“, PBs). PBs können mit der Bielschowsky-Versilberung und zahlreichen Tau-Antikörpern dargestellt werden können. Im Gegensatz zu Tau-Ablagerungen bei anderen FTLDTau-Entitäten und der Alzheimer-Krankheit sind die PBs beim M. Pick nicht phosphoryliert an Serin262 und lassen sich nicht mittels Gallyas-Versilberung darstellen. Elektronenmikroskopisch bestehen die PBs aus locker arrangierten geraden 15 nm breiten Fibrillen. PBs finden sich regelmäßig im Gyrus dentatus (Abb. 8.4a), CA1-Sektor und Subikulum des Hippokampus, im Neokortex und in zahlreichen subkortikalen Kerngebieten. Im Neokortex treten die Einschlüsse überwiegend in den Schichten II und IV auf. An subkortikalen Regionen sind insbesondere das striatopallidonigrale System und der laterale Tuberkern des Hypothalamus betroffen. Weiterhin finden sich pathologische Tau-Ablagerungen in Axonen und in variablem Ausmaß auch in Astrozyten. Weniger spezifisch aber häufig vorhanden sind ballonierte Nervenzellen im Kortex (Pick-Zellen), die sich gut mit Antikörpern gegen αB-Crystallin und Neurofilament darstellen lassen. Biochemie. Biochemische Analysen der unlöslichen TauFraktion aus Hirnhomogenaten zeigen meist zwei Hauptbanden von 64 und 60 kDa sowie eine schwache 68-kDaBande (s. Abb. 8.3b). Diese Banden entsprechen hyperphosphorylierten 3R-Isoformen. In neueren Studien wurde jedoch auf eine gewisse Heterogenität der TauAblagerungen bei M. Pick hingewiesen [39, 65].
Kortikobasale Degeneration
rekte Beteiligung dieses Proteins am neurodegenerativen Prozess und hat wesentlich zum Verständnis der pathogenetischen Prozesse bei FTLD-Tau beigetragen (s. unten) [20, 50].
Morbus Pick Arnold Pick beschrieb vor mehr als 100 Jahren das Auftreten einer progressiven Aphasie und Persönlichkeitsänderungen als die häufigste klinische Manifestation frontotemporaler Atrophien [49]. Morbus Pick wird im klinischen Alltag noch heute häufig synonym für die hete-
Die CBD wurde erstmals in den 1960er Jahre als eine klinikopathologische Entität beschrieben [52]. Während die ersten Beschreibungen Veränderungen der Motorik, wie Rigor und Apraxie, in den Vordergrund stellten und die Abwesenheit kognitiver Störungen bis spät in den Krankheitsverlauf betonten, zeigen aktuellere Publikationen, dass eine Demenz vom frontalen Typ oder eine Aphasie relativ häufig mit dem neuropathologischen Bild einer CBD assoziiert sind [41] (s. auch Kap. 9). Morphologie. Die CBD zeigt häufig eine frontoparietal betonte Atrophie, gelegentlich mit deutlicher Asymmetrie. Die Substantia nigra pars compacta ist meist depigmentiert. Die Tau-Pathologie umfasst neurofibrilläre Tangles im Kortex, Basalganglien und Hirnstamm
Frontotemporale Lobärdegeneration
215
d
a
b
c
e
f
g
Abb. 8.4a–g FTLD-Tau. Immunhistochemie mit einem Antikörper gegen phosphoryliertes Tau. a Pick-Körperchen im Gyrus dentatus bei M. Pick. b Globoider Tangle bei CBD. c Tau-Pathologie in Zellfortsätzen („threads”) bei CBD. d Oligodendroglialer Einschluss
(„coiled body”) bei CBD. e Astrozytärer Plaque bei CBD. f „Tufted astrocytes” bei PSP. g Argyrophile Körnchen in der CA1-Region des Hippokampus bei AGD
(Abb. 8.4b), eine ausgedehnte Taupathologie in Zellfortsätzen („Threads“), insbesondere die weiße Substanz frontoparietal und die Capsula interna betreffend (Abb. 8.4c), ausgeprägte gliale Ablagerungen in Form von „coiled bodies“ in Oligodendrozyten (Abb. 8.4d), „thornshaped“ Astrozyten und astrozytären Plaques (Abb. 8.4e), die von vielen Autoren als pathognomonisch für CBD eingeschätzt werden [12]. In betroffenen kortikalen Regionen stellen sich typischerweise ballonierte, achromatische Neurone in hoher Dichte dar. Diese sind zwar nicht pathognomonisch für CBD, werden aber in so hoher Dichte üblicherweise nur bei CBD gesehen.
Hauptsymptomen supranukleäre Ophthalmoplegie, pseudobulbäre Lähmung, Nackendystonie und Demenz beschrieben [58]. Frontalhirnzeichen werden im Verlauf der Erkrankung häufig beschrieben [55] (s. auch Kap. 9).
Biochemie. Biochemisch setzt sich die unlösliche Fraktion von Tau bei CBD überwiegend aus 4R-Isoformen zusammen (Abb. 8.3b) [13].
Progressive supranukleäre Blickparese Die PSP wurde 1964 von Steele, Richardson und Olszewki als eine heterogene Multisystemdegeneration mit den
Morphologie. In den Routinefärbungen fällt häufig bereits eine Atrophie des Globus pallidus, des Nucleus subthalamicus und des Hirnstamms auf. Charakteristische histologische Veränderungen sind Tau-positive neurofibrilläre Tangles überwiegend in subkortikalen Kerngebieten, Hirnstamm und Kleinhirn. Sie stellen sich häufig globoid dar. Kortikale Regionen, insbesondere präfrontal und präzentral, können ebenfalls betroffen sein. Neben neuronaler Tau-Pathologie stellt sich eine ausgeprägte gliale Pathologie dar, mit relativ spezifischen Ablagerungen in Astrozyten in Form von „tufted astrocytes“ (Abb. 8.4f), sowie weniger spezifischen Einschlüssen in Form von „thorn-shaped” Astrozyten und oligodendroglialen „coiled bodies“ [29]. Biochemie. Die unlösliche Fraktion der Tau-Ablagerungen besteht bei PSP überwiegend aus 4R-Isoformen (Abb. 8.3b) [7].
216
Kapitel 8
Erkrankung mit argyrophilen Körnchen Argyrophile Körnchen („argyrophilic grains“, AG) wurden initial als neuropathologische Veränderungen bei Patienten mit progressiver Demenz beschrieben [6]. Die
klinische Bedeutung von AGs und die Charakterisierung des klinischen Phänotyps einer Erkrankung mit AGs sind derzeit nicht hinreichend geklärt. AGs sind jedoch bei einer Untergruppe von Patienten mit klinischen Zeichen einer FTD beschrieben [21, 60]. Morphologie. AGs sind kleine spindelige oder kom-
8
maförmige, Tau-positive Ablagerungen in Dendriten (Abb. 8.4g), die vorwiegend im Hippokampus und limbischen Regionen einschließlich der Amygdala gefunden werden [59]. Weiterhin finden sich meist oligodendrogliale Einschlüsse („coiled bodies“) in der subkortikalen weißen Substanz sowie achromatische Neurone insbesondere in der Amygdala. Häufig ist das Auftreten von AGs auch im Zusammenhang mit anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz oder PSP beschrieben. Biochemie. Biochemisch setzten sich die AGs überwiegend aus 4R-Isoformen zusammen (Abb. 8.3b) [66].
Andere sporadische FTLD-Tau-Subtypen Seltene Formen der FTLD-Tau sind die Tangle-prädominante Demenz [22], die sporadische multiple Systemtauopathie [4] und die Tauopathie der weißen Substanz mit globulären Einschlüssen [25].
Familiäre FTLD-Tau (FTDP-17T) 1994 wurde erstmals eine familiäre Form der FTD mit Parkinsonimus an einen Genort auf Chromosom 17q21-22 gekoppelt. In der Folge wurden weitere ähnliche Familien identifiziert und unter dem Begriff FTDP-17 subsumiert [15]. 1998 wurden erstmals Mutationen in MAPT bei FTDP-17 Familien entdeckt (FTDP-17T) [20, 50]. Derzeit sind mehr als 40 unterschiedliche MAPT Mutationen in über 130 Familien beschrieben (AD&FTD-Mutation-Database: http://www.molgen.ua.ac.be/FTDMutations). Funktionelle Untersuchungen verschiedener TauMutationen haben gezeigt, dass es mehrere verschiedene Mechanismen gibt, die zu einer Tau-Dysfunktion führen können. Die meisten Exonmutationen zeigen eine verminderte Bindungsfähigkeit des mutierten Proteins an Mikrotubuli. Einige dieser Mutationen führen darüber hinaus auch zu einer erhöhten Aggregationstendenz.
Nicht-Alzheimer-Demenzen
Mutationen im Intron 10 und einige Mutationen im Exon 10 modifizieren das alternative Splicing von Exon 10, was zu einer Verschiebung der 3R:4R-Ratio zugunsten der 4R-Isoform führt. Klinisch findet sich eine gewisse Heterogenität der Symptomatik zwischen einzelnen Familien und auch innerhalb betroffener Familien [62]. Auch neuropathologisch stellen FTDP-17T-Patienten eine heterogene Gruppe dar. Bei MAPT-Mutationen, die zu einer Verschiebung der 3R:4R-Ratio zugunsten der 4R-Isoform führen, steht häufig eine gliale Tau-Pathologie im Vordergrund. Hier zeigen sich dann viele Einschlüsse in Astrozyten und Oligodendrozyten in Form von „coiled bodies“ und „tufted astrocytes“. Andere Mutationen spiegeln das Bild eines M. Pick, PSP, CBD oder auch einer Erkrankung mit AGs wider [17, 62].
FTLD-TDP In den 90er Jahren wurden erstmals bei Patienten mit Demenz und Motoneuronsymptomatik (MND-Demenz) zytoplasmatische Einschlusskörperchen beschrieben, die sich nicht mit Antikörpern gegen Tau- und D-Synuklein darstellen ließen, sondern nur mit dem unspezifischen Markerprotein Ubiquitin. In der Folge wurde diese Art von Einschlusskörperchen auch in Patienten mit reiner FTD beobachtet (FTD-MND-Typ). Vergleichende Studien zeigten, dass die Pathologie in beiden Erkrankungen vergleichbar ist, unabhängig von der klinischen Präsentation, weshalb im Weiteren meist der Überbegriff FTLDU für diese Form der FTLD verwendet wurde [48]. Die Identität des ubiquitinierten Proteins in den meisten sporadischen und familären FTLD-U-Fällen konnte mit der Identifizierung des TAR-DNA-bindenden Proteins 43 (TDP-43) als Hauptproteinkomponente in den Einschlüssen geklärt werden [43] und in der Folge wurde der Begriff FTLD-TDP für diese FTLD-Form eingeführt [33]. TDP-43 ist darüber hinaus auch das pathologische Protein in den Einschlüssen bei den meisten Fällen mit amyotropher Lateralsklerose (s. Kap. 9) [31, 35, 43]. TDP-43 ist ein hoch konserviertes Kernprotein mit 2 RNA-bindenden Domänen, einer glycinreichen C-terminalen Region sowie nukleären Lokalisations- und Exportsequenzen (Abb. 8.5a). Die Funktion von TDP-43, insbesondere im Gehirn, ist bislang nur unzureichend bekannt. Es wurde eine Rolle bei der Verarbeitung, Prozessierung und Stabilisierung von mRNA, als Transkriptionsrepressor und bei der microRNA-Prozessierung beschrieben [8, 27]. Im Krankheitsprozess findet eine massive Umverteilung von TDP-43 vom Kern ins Zytoplasma statt, wo es zur Bildung pathologischer Einschlusskörperchen kommt. TDP43 wird im Krankheitsprozess biochemisch verändert, so dass es hyperphosphoryliert und teils N-terminal trunkiert vorliegt. Dies führt zu einem charakteristischen bioche-
Frontotemporale Lobärdegeneration
a
b Abb. 8.5a,b TDP-43 Protein und biochemisches Profil bei FTLDTDP. a Schematische Darstellung des TDP-43-Proteins (NLS nukleäre Lokalisationssequenz; NES nukleäre Exportsequenz; RRM RNAbindende Region; GLY glycinreiche Region). b Biochemisches Profil von unlöslichem TDP-43 bei FTLD-TDP im Vergleich zu Kontrollgewebe in einem Immunoblot für TDP-43. FTLD-TDP zeigt Auftreten von zusätzlichen Banden entsprechend * C-terminalen Fragmenten (~25 kDa), ** höhermolekularem Volllänge-TDP-43 (~45 kDa) und *** hochmolekularem „smear“
mischen Bandenprofil von TDP-43 bei FTLD-TDP im Immunoblot (s. Abb. 8.6b) [43]. Der Nachweis von Mutationen im TDP-43-Gen bei Patienten mit ALS und FTLD unterstreicht die direkte pathogenetische Bedeutung der TDP-43-Dysfunktion bei diesen Erkrankungen [35, 57].
Morphologie und FTLD-TDP-Subtypen Mit Antikörpern gegen TDP-43 lassen sich bei FTLDTDP folgende pathologische Ablagerungen darstellen (Abb. 8.6): • zytoplasmatische Einschlüsse in Nervenzellen, • zytoplasmatische oligodendrogliale Einschlüsse, • dystrophe Neuriten, • intranukleäre neuronale Einschlüsse. Neuronale zytoplasmatische Einschlüsse finden sich regelmäßig in den Nervenzellen des Gyrus dentatus sowie betont im frontalen und temporalen Neokortex und im Striatum. Neben kompakten Einschlüssen finden sich häufig auch Nervenzellen mit diffuser zytoplasmatischer TDP-43-Färbung, sog. „preinclusions“ [16]. Insbesondere bei Patienten mit Motoneuronsymptomatik stellen sich meist auch zytoplasmatische Einschlüsse in den motorischen Nervenzellen im Hirnstamm und Rückenmark dar. Ein charakteristisches Merkmal in Zellen mit zytoplasmatischen Einschlüssen ist das Fehlen der physiologischen nukleären TDP-43-Immunoreaktivität.
217
Eine neuritische Pathologie findet sich insbesondere in betroffenen kortikalen Hirnregionen und in der CA1-Region bei einem Teil der FTLD-TDP [18]. Intranukleäre Kerneinschlüsse bei FTLD-TDP zeigen eine charakteristische linsenförmige Morphologie und sind am besten im frontalen sowie temporalen Kortex und Striatum zu finden. Neben Ablagerungen in Nervenzellen, kann mittels TDP-43-Immunfärbung auch eine teils ausgeprägte Pathologie in der weißen Substanz mit kommaförmigen Einschlüssen in Oligodendrozyten dargestellt werden [44]. Aufgrund der Morphologie und laminären Verteilung der TDP-43-Pathologie können vier unterschiedliche histologische Subtypen unterteilt werden (Tabelle 8.4, Abb. 8.6b–e) [10, 30, 54]. Die genauen Ursachen für die unterschiedlichen Verteilungsmuster sind bislang nicht bekannt. Ihre Bedeutung wird jedoch durch die relativ gute Korrelation mit klinischen Syndromen bei FTLDTDP und mit zugrunde liegenden Gendefekten bei familiären FTLD-TDP-Formen unterstrichen.
Familiäre Formen der FTLD-TDP FTLD durch Mutationen im Progranulin-Gen. Bei einigen der ursprünglich an Chromosom 17q21 gekoppelten FTLD-Familien konnten keine Mutationen im MAPTGen gefunden werden, was für ein zweites FTLD-Gen in dieser Region sprach. Dieses wurde 2006 als ProgranulinGen (GRN) identifiziert [1, 11] und rasch wurden zahlreiche Mutationen (>68) in mehr als 200 Familien beschrieben (AD&FTD-Mutation-Database: http://www. molgen.ua.ac.be/FTDmutations). Mutationen in GRN sind mindestens so häufig wie MAPT-Mutationen als Ursache einer familiären FTLD anzusehen. Progranulin ist ein multifunktionelles Protein mit beschriebenen Funktionen als neurotropher Wachstumsfaktor sowie bei Wundheilung- und Entzündungsprozessen [3]. Bei den pathogenen GRN-Mutationen handelt es sich vor allem um heterozygote Nonsense-, Frame-shift- und Splice-siteMutationen, die zur Ausbildung sog. Nullallele und einer Haploinsuffizienz führen [1, 11, 51]. Im Einklang mit diesem Mechanismus ist das Fehlen von Progranulin in den ubiquitinierten Einschlüssen [1]. Stattdessen weisen alle bislang untersuchten GRN-Mutationsfälle eine TDP-43Pathologie entsprechend einem FTLD-TDP-Subtyp-3Verteilungsmuster auf (s. Abb. 8.6d, Tabelle 8.4) [10]. FTLD durch Mutationen im Valosin-containing-Protein-Gen. Mutationen des Valosin-containing-ProteinGens (VCP) auf Chromosom 9p13-p12 führen zu einer autosomal-dominanten Form einer Einschlusskörpermyopathie assoziiert mit einem M. Paget der Knochen und einer frontotemporalen Demenz (IBMPFD: „inclusion body myopathy associated with Paget disease of the bone and frontotemporal dementia“) [23]. Im Gehirn finden
218
Kapitel 8
Nicht-Alzheimer-Demenzen
a
b
c
d
e
f
8
Abb. 8.6a–g FTLD-TDP. Immunhistochemie mit einem Antikörper gegen TDP-43. a Neuronale zytoplasmatische Einschlüsse im Gyrus dentatus. Zellen mit Einschlüssen zeigen keine physiologische TDP-43-Kernfärbung. b FTLD-TDP-Subtyp 1 mit langen dystrophen Neuriten. c FTLD-TDP-Subtyp 2 mit runden neuronalen zytoplasmatischen Einschlüssen. d FTLD-TDP-Subtyp 3 mit komma-
g
förmigen neuronalen zytoplasmatischen Einschlüssen und kurzen neuritischen Profilen. e FTLD-TDP-Subtyp 4 mit überwiegend intranukleären neuronalen Einschlüssen und kurzen neuritischen Profilen. f Charakteristischer lentiformer intranukleärer Einschluss. g Oligodendrogliale Einschlüsse in der weißen Substanz
Tabelle 8.4 Heterogenität der FTLD-TDP-Subtypen Subtyp 1*
Subtyp 2*
Subtyp 3*
Subtyp 4*
Neuronale Pathologie
Lange neuritische Ablagerungen, wenige zytoplasmatische Einschlüsse
Zytoplasmatische Einschlüssen, wenig neuritische Pathologie
Zytoplasmatische, meist kommaförmige Einschlüsse und kurze neuritische Ablagerungen
Neuronale intranukleäre Einschlüsse und kurze neuritische Ablagerungen
Laminäre Verteilung
ORS > URS
ORS = URS
ORS >> URS
ORS > URS
Gliale Einschlüsse
0–+
++ – +++
++ – +++
0
Klinik
SD
bvFTD oft mit MND
bvFTD/PNFA
IBMPFD
Assoziiertes Gen in familiären Formen
–
Chrom 9p
GRN
VCP
ORS: Obere Rindenschichten; URS: Untere Rindenschichten; SD: Semantische Demenz; bvFTD: Frontotemporale Demenz vom Verhaltenstyp; MND: „motor neuron disease“; PNFA: Progressive nicht-flüssige Aphasie; IBMPFD: „Inclusion body myopathy associated with Paget’s disease of the bone and frontotemporal dementia“; *Klassifizierung nach Sampathu et al. [10], Cairns et al. [54].
Frontotemporale Lobärdegeneration
sich charakteristischerweise zahlreiche TDP-43-positive intranukleäre Einschlüsse und dystrophe Neuriten bei wenigen zytoplasmatischen Einschlüssen [45] entsprechend einem FTLD-TDP-Subtyp-4-Verteilungsmuster (s. Abb. 8.6e, Tabelle 8.4). FTLD mit Koppelung an Chromosom 9p. Eine weitere familiäre Form der FTLD, oft in Kombination mit einer Motoneuronsymptomatik, zeigt eine Kopplung an einen Genort auf Chromosom 9p [38, 61, 63]. Alle bislang neuropathologisch beschriebenen Fälle zeigen eine TDP-43Pathologie, die mit Überwiegen von zytoplasmatischen Einschlüssen dem Verteilungsmusters eines FTLD-TDPSubtyp 2 entspricht (s. Abb. 8.6c, Tabelle 8.4) [10]. Im Einklang mit der klinischen Motoneuronsymptomatik zeigen diese Fälle typischerweise auch eine TDP-43-Pathologie in motorischen Nervenzellen.
FTLD-FUS Der Begriff FTLD-FUS umfasst drei distinkte klinischpathologische FTLD-Entitäten, die durch die Akkumulation des Proteins „Fused in Sarcoma“ (FUS) charakterisiert sind [34, 35]. FUS ist darüber hinaus auch das pathologische Protein in Einschlüssen bei einer familiären Form der amyotrophen Lateralsklerose mit Mutationen im FUS-Gen (s. Kap. 9) [26, 64]. FUS ist ein ubiquitär exprimiertes multifunktionales DNA-RNA-bindendes Protein. Ihm wird eine Beteiligung an zahlreichen Zellprozessen wie Zellproliferation, DNAReparatur, Transkriptionsregulation sowie RNA- und miRNA-Prozessierung zugeschrieben, wobei die genauen Funktionen, insbesondere im Gehirn, derzeit nur unzureichend geklärt sind [27].
Atypische FTLD-U Etwa 5–20% der früher als FTLD-U klassifizierten Fälle weisen keine TDP-43-Pathologie auf und wurden als atypische FTLD-U (aFTLD-U) beschrieben [32, 53]. Diese Patienten zeigen einen homogenen klinischen Phänotyp mit sehr frühem Erkrankungsbeginn bei negativer Familienanamnese und schweren Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen. Neuropathologisch findet sich eine ausgeprägte frontotemporale und striatale Atrophie sowie eine Hippokampussklerose. Es stellen sich Ubiquitinund FUS-positive zytoplasmatische Einschlüsse in Nervenzellen (Abb. 8.7a) und häufig auch Oligodendroyzten dar (Abb. 8.7g). Daneben finden sich insbesondere im Hippokampus charakteristische FUS-positive intranukleäre Einschlüssen mit ungewöhnlicher Morphologie (bogen- und teils ringförmig; Abb. 8.7b,c) [46].
219
NIFID Die neuronale Intermediärfilament-EinschlusskörperKrankheit (NIFID) ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, die typischerweise den frühen Beginn einer bvFTD, assoziiert mit pyramidalen und extrapyramidalen Bewegungsstörungen zeigt [9]. Diese Entität wurde ursprünglich aufgrund von neuronalen Einschlüsse immunoreaktiv für alle Klasse-IV-Intermediärfilamente (Neurofilamente, D-Internexin) definiert, wobei sich nur ein Teil der Einschlusskörperchen mit diesen Markern dargestellt. Die derzeit sensitivste Methode zur Darstellung der gesamten NIFID-Pathologie ist Immunhistochemie mit Antikörpern gegen FUS [47]. Hiermit stellen sich zahlreiche neuronale und gliale Einschlüssen betont im frontalen und temporalen Kortex (Abb. 8.7d), Hippokampus, Basalganglien, Thalamus und Hirnstamm dar sowie vereinzelt intranukleäre Einschlüsse. Der Großteil der FUSpositiven Einschlüsse ist negativ für Intermediärfilamente. Zellen mit Einschlüssen, immunoreaktiv für Intermediärfilamente, weisen hingegen zusätzlich auch immer FUS-positive Ablagerungen auf, was dafür spricht, dass FUS vermutlich eine zentralere Bedeutung in der Pathogenese dieser Entität spielt.
BIBD Der Begriff „basophilic inclusions body disease“ (BIBD) wurde für eine klinisch und pathologisch heterogene Gruppe von Erkrankungen beschrieben, deren Gemeinsamkeit das Vorhandensein von basophilen, runden neuronalen zytoplasmatischen Einschlusskörperchen in der H&E-Färbung ist (Abb. 8.7e). Das klinische Spektrum umfasst amyotrophe Lateralsklerose, ALS mit Demenz und reine FTD. FUS-Immunohistochemie stellt nicht nur die basophilen Einschlüsse dar, sondern eine ausgeprägte neuronale und gliale Pathologie betont frontal (Abb. 8.7f), in Basalganglien, Hirnstamm und Rückenmark. Intranukleäre Einschlüsse finden sich üblicherweise nicht [40].
FTLD-UPS Nur noch wenige FTLD-Fälle weisen Einschlüsse auf, die sich nur mit Antikörpern gegen das Ubiquitin-Proteasom-System (z. B. Ubiquitin, p62) darstellen lassen. Neben einzelnen sporadischen Fällen zählt hierzu insbesondere die seltene Form der familiären FTLD, die mit Mutationen im CHMP2B-Gen einhergeht [19].
220
Kapitel 8
Nicht-Alzheimer-Demenzen
b
a
c
e
f
d
8
Abb. 8.7a–g. FTLD-FUS. a–d,f,g Immunhistochemie mit einem Antikörper gegen FUS. a Neuronale zytoplasmatische Einschlüsse im Gyrus dentatus bei aFTLD-U. b,c Charakteristische intranukläre Einschlüsse bei aFTLD-U. d Neuronale Einschlüsse im temporalen
FTLD-NI Für FTLD-Fälle, in denen trotz ausführlicher Immunhistochemie und Durchführung von Spezialfärbungen keine Einschlusskörperchen nachgewiesen werden können, soll entsprechend der neuen Terminologie der Begriff FTLD-NI („no inclusions“) verwendet werden [33]. Für diesen Subtyp wurde früher der Begriff „dementia lacking distinctive histopathology (DLDH)“ verwendet [24]. Dank optimierter und sensitiver immunhistochemischer Methoden wurden die meisten früher als DLDHklassifizierte FTLD-Fälle als FTLD-TDP oder FTLD-FUS klassifiziert. FTLD mit tatsächlicher FTLD-NI-Pathologie ist nun extrem selten.
g Kortex bei NIFID. e Basophiler Einschluss in den Basalganglien bei BIBD. f Zahlreiche zytoplasmatische Einschlüsse unterschiedlicher Morphologie im frontalen Kortex bei BIBD. g Oligodendrogliale Einschlüsse bei FTLD-FUS
Literatur 1.
2.
3. 4.
5.
Baker M, Mackenzie IR, Pickering-Brown SM et al. (2006) Mutations in progranulin cause tau-negative frontotemporal dementia linked to chromosome 17. Nature 442: 916–919 Ballatore C, Lee VM, Trojanowski JQ (2007) Tau-mediated neurodegeneration in Alzheimer’s disease and related disorders. Nat Rev Neurosci 8: 663–672 Bateman A, Bennett HP (2009) The granulin gene family: from cancer to dementia. Bioessays 31: 1245–1254 Bigio EH, Lipton AM, Yen SH et al. (2001) Frontal lobe dementia with novel tauopathy: sporadic multiple system tauopathy with dementia. J Neuropathol Exp Neurol 60: 328–341 Bird T, Knopman D, VanSwieten J et al. (2003) Epidemiology and genetics of frontotemporal dementia/Pick’s disease. Ann Neurol 54 (Suppl 5): S29–31
Literatur
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17. 18.
19.
20.
21.
Braak H, Braak E (1989) Cortical and subcortical argyrophilic grains characterize a disease associated with adult onset dementia. Neuropathol Appl Neurobiol 15: 13–26 Buee L, Delacourte A (1999) Comparative biochemistry of tau in progressive supranuclear palsy, corticobasal degeneration, FTDP-17 and Pick’s disease. Brain Pathol 9: 681–693 Buratti E, Baralle FE (2008) Multiple roles of TDP-43 in gene expression, splicing regulation, and human disease. Front Biosci 13: 867–878 Cairns NJ, Grossman M, Arnold SE et al. (2004) Clinical and neuropathologic variation in neuronal intermediate filament inclusion disease. Neurology 63: 1376–1384 Cairns NJ, Neumann M, Bigio EH et al. (2007) TDP-43 in familial and sporadic frontotemporal lobar degeneration with ubiquitin inclusions. Am J Pathol 171: 227–240 Cruts M, Gijselinck I, van der Zee J et al. (2006) Null mutations in progranulin cause ubiquitin-positive frontotemporal dementia linked to chromosome 17q21. Nature 442: 920–924 Dickson DW, Bergeron C, Chin SS et al. (2002) Office of Rare Diseases neuropathologic criteria for corticobasal degeneration. J Neuropathol Exp Neurol 61: 935–946 Forman MS, Zhukareva V, Bergeron C, Chin SS, Grossman M, Clark C, Lee VM, Trojanowski JQ (2002) Signature tau neuropathology in gray and white matter of corticobasal degeneration. Am J Pathol 160: 2045–2053 Forman MS, Farmer J, Johnson JK et al. (2006) Frontotemporal dementia: clinicopathological correlations. Ann Neurol 59: 952–962 Foster NL, Wilhelmsen KC, Sima AAF, Jones MZ, D’Amato CJ, Gilman S, Conference P (1997) Frontotemporal dementia and parkinsonism linked to chromosome 17: a consensus conference. Ann Neurol 41: 706–715 Geser F, Martinez-Lage M, Robinson J et al. (2009) Clinical and pathological continuum of multisystem TDP-43 proteinopathies. Arch Neurol 66: 180–189 Goedert M (2005) Tau gene mutations and their effects. Mov Disord 20 (Suppl 12): S45–52 Hatanpaa KJ, Bigio EH, Cairns NJ et al. (2008) TAR DNABinding Protein 43 Immunohistochemistry Reveals Extensive Neuritic Pathology in FTLD-U: A MidwestSouthwest Consortium for FTLD Study. J Neuropathol Exp Neurol 67: 271–279 Holm IE, Englund E, Mackenzie IR, Johannsen P , Isaacs AM (2007) A Reassessment of the neuropathology of frontotemporal dementia linked to chromosome 3. J Neuropathol Exp Neurol 66: 884–891 Hutton M, Lendon CL, Rizzu P et al. (1998) Association of missense and 5’-splice-site mutations in tau with the inherited dementia FTDP-17. Nature 393: 702–705 Ishihara K, Araki S, Ihori N, Shiota J, Kawamura M, Yoshida M, Hashizume Y, Nakano I (2005) Argyrophilic grain disease presenting with frontotemporal dementia: a neuropsychological and pathological study of an autopsied case with presenile onset. Neuropathology 25: 165–170
221
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
Jellinger KA, Attems J (2007) Neurofibrillary tangle-predominant dementia: comparison with classical Alzheimer disease. Acta Neuropathol 113: 107–117 Kimonis VE, Fulchiero E, Vesa J, Watts G (2008) VCP disease associated with myopathy, Paget disease of bone and frontotemporal dementia: review of a unique disorder. Biochim Biophys Acta 1782: 744–748 Knopman DS, Mastri AR, Frey WH, Sung JH , Rustan T (1990) Dementia lacking distinctive histologic features: a common non- Alzheimer degenerative dementia. Neurology 40: 251–256 Kovacs GG, Majtenyi K, Spina S et al. (2008) White matter tauopathy with globular glial inclusions: a distinct sporadic frontotemporal lobar degeneration. J Neuropathol Exp Neurol 67: 963–975 Kwiatkowski TJ Jr, Bosco DA, Leclerc AL et al. (2009) Mutations in the FUS/TLS gene on chromosome 16 cause familial amyotrophic lateral sclerosis. Science 323: 1205–1208 Lagier-Tourenne C, Polymenidou M, Cleveland DW (2010) TDP-43 and FUS/TLS: emerging roles in RNA processing and neurodegeneration. Hum Mol Genet 19: R46–64 Lippa CF, Duda JE, Grossman M et al. (2007) DLB and PDD boundary issues: diagnosis, treatment, molecular pathology, and biomarkers. Neurology 68: 812–819 Litvan I, Agid Y, Calne D et al. (1996) Clinical research criteria for the diagnosis of progressive supranuclear palsy (Steele-Richardson-Olszewski syndrome): Report of the NINDS-SPSP International Workshop. Neurology 47: 1–9 Mackenzie IR, Baborie A, Pickering-Brown S, Plessis DD, Jaros E, Perry RH, Neary D, Snowden JS, Mann DM (2006) Heterogeneity of ubiquitin pathology in frontotemporal lobar degeneration: classification and relation to clinical phenotype. Acta Neuropathol (Berl) 112: 539–549 Mackenzie IR, Bigio EH, Ince PG et al. (2007) Pathological TDP-43 distinguishes sporadic amyotrophic lateral sclerosis from amyotrophic lateral sclerosis with SOD1 mutations. Ann Neurol 61: 427–434 Mackenzie IR, Foti D, Woulfe J, Hurwitz TA (2008) Atypical frontotemporal lobar degeneration with ubiquitin-positive, TDP-43-negative neuronal inclusions. Brain 131: 1282–1293 Mackenzie IR, Neumann M, Bigio EH et al. (2009) Nomenclature for neuropathologic subtypes of frontotemporal lobar degeneration: consensus recommendations. Acta Neuropathol 117: 15–18 Mackenzie IR, Neumann M, Bigio EH et al. (2010) Nomenclature and nosology for neuropathologic subtypes of frontotemporal lobar degeneration: an update. Acta Neuropathol 119: 1–4 Mackenzie IR, Rademakers R, Neumann M (2010) TDP43 and FUS in amyotrophic lateral sclerosis and frontotemporal dementia. Lancet Neurol 9: 995–1007 McKeith I, Galasko D, Kosaka K et al. (1996) Consensus guidelines for the clinical and pathological diagnosis of de-
222
Kapitel 8
37.
38.
39.
40.
8
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49. 50.
51.
52.
mentia with Lewy bodies (DLB): report of the consortium on DLB international workshop. Neurology 47: 1113–1124 McKeith IG, Dickson DW, Lowe J et al. (2005) Diagnosis and management of dementia with Lewy bodies: third report of the DLB Consortium. Neurology 65: 1863–1872 Morita M, Al-Chalabi A, Andersen PM et al. (2006) A locus on chromosome 9p confers susceptibility to ALS and frontotemporal dementia. Neurology 66: 839–844 Mott RT, Dickson DW, Trojanowski JQ et al. (2005) Neuropathologic, biochemical, and molecular characterization of the frontotemporal dementias. J Neuropathol Exp Neurol 64: 420–428 Munoz DG, Neumann M, Kusaka H, Yokota O, Ishihara K, Terada S, Kuroda S, Mackenzie IR (2009) FUS pathology in basophilic inclusion body disease. Acta Neuropathol 118: 617–627 Murray R, Neumann M, Forman MS et al. (2007) Cognitive and motor assessment in autopsy-proven corticobasal degeneration. Neurology 68: 1274–1283 Neary D, Snowden JS, Gustafson L et al. (1998) Frontotemporal lobar degeneration: a consensus on clinical diagnostic criteria. Neurology 51: 1546–1554 Neumann M, Sampathu DM, Kwong LK et al. (2006) Ubiquitinated TDP-43 in frontotemporal lobar degeneration and amyotrophic lateral sclerosis. Science 314: 130–133 Neumann M, Kwong LK, Truax AC et al. (2007) TDP-43positive white matter pathology in frontotemporal lobar degeneration with ubiquitin-positive inclusions. J Neuropathol Exp Neurol 66: 177–183 Neumann M, Mackenzie IR, Cairns NJ et al. (2007) TDP43 in the ubiquitin pathology of frontotemporal dementia with VCP gene mutations. J Neuropathol Exp Neurol 66: 152–157 Neumann M, Rademakers R, Roeber S, Baker M, Kretzschmar HA, Mackenzie IR (2009) A new subtype of frontotemporal lobar degeneration with FUS pathology. Brain 132: 2922–2931 Neumann M, Roeber S, Kretzschmar HA, Rademakers R, Baker M, Mackenzie IR (2009) Abundant FUS-immunoreactive pathology in neuronal intermediate filament inclusion disease. Acta Neuropathol 118: 605–616 Neumann M, Tolnay M, Mackenzie IR (2009) The molecular basis of frontotemporal dementia. Expert Rev Mol Med 11: e23 Pick A (1892) Ueber die Beziehungen der senilen Hirnatrophie zur Aphasie. Prager Med Wochenschr 17: 165–167 Poorkaj P, Bird TD, Wijsman E et al. (1998) Tau is a candidate gene for chromosome 17 frontotemporal dementia. Ann Neurol 43: 815–825 Rademakers R, Hutton M (2007) The genetics of frontotemporal lobar degeneration. Curr Neurol Neurosci Rep 7: 434–442 Rebeiz JJ, Kolodny EH, Richardson EP Jr (1967) Corticodentatonigral degeneration with neuronal achromasia: a progressive disorder of late adult life. Trans Am Neurol Assoc 92: 23–26
Nicht-Alzheimer-Demenzen
53.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
Roeber S, Mackenzie IR, Kretzschmar HA, Neumann M (2008) TDP-43-negative FTLD-U is a significant new clinico-pathological subtype of FTLD. Acta Neuropathol 116: 147–157 Sampathu DM, Neumann M, Kwong LK et al. (2006) Pathological heterogeneity of frontotemporal lobar degeneration with ubiquitin-positive inclusions delineated by ubiquitin immunohistochemistry and novel monoclonal antibodies. Am J Pathol 169: 1343–1352 Sha S, Hou C, Viskontas IV, Miller BL (2006) Are frontotemporal lobar degeneration, progressive supranuclear palsy and corticobasal degeneration distinct diseases? Nat Clin Pract Neurol 2: 658–665 Spillantini MG, Schmidt ML, Lee VMY, Trojanowski JQ, Jakes R, Goedert M (1997) α-Synuclein in Lewy bodies. Nature 388: 839–840 Sreedharan J, Blair IP, Tripathi VB et al. (2008) TDP-43 mutations in familial and sporadic amyotrophic lateral sclerosis. Science 319: 1668–1672 Steele J, Richardson J, Olszewski J (1964) Progressive supranuclear palsy; a heterogeneous degeneration involving the brain stem, basal ganglia and cerebellum with vertical gaze and pseudobulbar palsy, nuclear dystonia and dementia. Archives of Neurology 10: 333–359 Tolnay M, Clavaguera F (2004) Argyrophilic grain disease: a late-onset dementia with distinctive features among tauopathies. Neuropathology 24: 269–283 Tsuchiya K, Mitani K, Arai T, Yamada S, Komiya T, Esaki Y, Haga C, Yamanouchi H, Ikeda K (2001) Argyrophilic grain disease mimicking temporal Pick‘s disease: a clinical, radiological, and pathological study of an autopsy case with a clinical course of 15 years. Acta Neuropathol 102: 195–199 Valdmanis PN, Dupre N, Bouchard JP, Camu W, Salachas F, Meininger V, Strong M, Rouleau GA (2007) Three families with amyotrophic lateral sclerosis and frontotemporal dementia with evidence of linkage to chromosome 9p. Arch Neurol 64: 240–245 van Swieten J, Spillantini MG (2007) Hereditary frontotemporal dementia caused by Tau gene mutations. Brain Pathol 17: 63–73 Vance C, Al-Chalabi A, Ruddy D et al. (2006) Familial amyotrophic lateral sclerosis with frontotemporal dementia is linked to a locus on chromosome 9p13.2-21.3. Brain 129: 868–876 Vance C, Rogelj B, Hortobagyi T et al. (2009) Mutations in FUS, an RNA processing protein, cause familial amyotrophic lateral sclerosis type 6. Science 323: 1208–1211 Zhukareva V, Mann D, Pickering-Brown S et al. (2002) Sporadic Pick‘s disease: a tauopathy characterized by a spectrum of pathological tau isoforms in gray and white matter. Ann Neurol 51: 730–739 Zhukareva V, Shah K, Uryu K et al. (2002) Biochemical analysis of tau proteins in argyrophilic grain disease, Alzheimer‘s disease, and Pick‘s disease : a comparative study. Am J Pathol 161: 1135–1141
Kapitel 9
9
Systematrophien
M. Tolnay, W. Paulus Inhalt Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224
Fragiles X-Tremor-/Ataxiesyndrom . . . . . . . . .
238
Definition und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . .
224
Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
Autoptische Asservierung . . . . . . . . . . . . . . . .
224
Degenerative Krankheiten mit Chorea . . . . . . . . . .
238
Funktionelle Anatomie der Stammganglien . . . . . .
225
Huntington-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
Funktionelle Anatomie des Kleinhirns . . . . . . . . .
225
Weitere Formen der Chorea . . . . . . . . . . . . . . .
241
Systematrophien und abnorme Proteinablagerungen
228
Hereditäre Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
Degeneration der Motoneuronen . . . . . . . . . . . . .
228
Chorea minor (Chorea Sydenham) . . . . . . . . . .
241
Amyotrophe Lateralsklerose . . . . . . . . . . . . . .
229
Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
Spinale Muskelatrophien . . . . . . . . . . . . . . . .
232
Degeneration mit Akinese, Tremor und Rigor . . . . . .
241
Hereditäre spastische Paraparese . . . . . . . . . . . .
233
Lewy-Körper-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
Degenerative Krankheiten mit Ataxie . . . . . . . . . . .
233
Parkinson-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
Friedreich-Ataxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235
Progressive supranukleäre Paralyse . . . . . . . . . . .
244
Spinozerebelläre Ataxien . . . . . . . . . . . . . . . .
236
Kortikobasale Degeneration . . . . . . . . . . . . . . .
245
Weitere Formen der Ataxie . . . . . . . . . . . . . . .
236
Multiple Systematrophie . . . . . . . . . . . . . . . . .
246
Ataxia telangiectasia . . . . . . . . . . . . . . . . .
236
Weitere Formen des Parkinsonismus . . . . . . . . . .
246
Dentato-Rubro-Pallido-Luys-Atrophie (DRPLA) . .
238
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
224
Kapitel 9
Grundlagen Definition und Abgrenzung
9
Systematrophien bezeichnen hereditäre oder sporadische, progressiv fortschreitende Erkrankungen, die bevorzugt ein neuronales System betreffen, wie beispielsweise das erste und zweite motorische Neuron bei der amyotrophen Lateralsklerose oder nigrostriatale Neurone bei der Parkinson-Krankheit. Häufig findet ein retrogrades oder anterogrades (transneuronales) Übergreifen auf das funktionell gekoppelte nachfolgende oder vorausgehende Neuron statt, und die Mitbeteiligung zusätzlicher neuronaler Systeme ist praktisch die Regel. Systematrophien sind nicht nur auf Neurone bzw. neuronale Systeme beschränkt; oftmals findet sich auch eine signifikante Mitbeteiligung von Gliazellen, insbesondere von Astrozyten und Oligodendrozyten. Sekundär können beispielsweise mikrogliale Veränderungen oder Entmarkungsvorgänge auftreten. Nicht zu den Systematrophien gehören vaskulär, ischämisch, hypoxisch, entzündlich, toxisch oder neoplastisch verursachte Läsionen. Die ätiologische Klärung diverser Krankheitsbilder hat dazu geführt, dass diese nicht mehr den Systematrophien, sondern anderen Krankheitsgruppen zugeordnet werden konnten. So wird heute z. B. die GerstmannScheinker-Sträussler-Krankheit unter den Prionenkrankheiten subsummiert (s. Kap. 12). Systematrophien kommen nur selten in prototypischer Reinform vor, vielmehr finden sich unterschiedliche Kombinationen und Übergangsformen verschiedener Systematrophien. Bei den nachfolgend besprochenen nosologischen Entitäten sind jeweils die klassischen idealtypischen Erscheinungsformen dargestellt, im Wissen darum, dass eine hohe Variabilität im klinischen und pathologischen Bild besteht. In der Tat gehen die histopathologischen Veränderungen über das hauptsächlich befallene neuronale System hinaus und man müsste streng genommen in den meisten Fällen von einer „Multisystematrophie“ oder einer „Multisystemdegeneration“ sprechen. Wir verzichten aber nach Möglichkeit auf diese Begriffe, da sie in der Literatur uneinheitlich gebraucht werden: Teils versteht man darunter nur die multiple Systematrophie, „multiple system atrophy“ (s. unten), teils Krankheitsbilder aus dem Spektrum des Parkinson-plusSyndroms (z. B. die progressive supranukleäre Paralyse oder kortikobasale Degeneration, s. unten) oder aber alle neurodegenerativen Erkrankungen, die mehrere neuronale System betreffen. Durch die teils atemberaubenden Fortschritte der Neurogenetik konnte in den vergangenen Jahren das verantwortliche Gen für zahlreiche heredodegenerative Erkrankungen identifiziert werden. Diese Entwicklung schreitet rasant fort und es ist davon auszugehen, dass in
Systematrophien
naher Zukunft die für die meisten neurodegenerativen Erkrankungen relevanten Genmutationen bekannt sein werden. Die Ergebnisse der Neurogenetik beeinflussen die Diagnostik der hereditären Systematrophien und ihrer zahlreichen Unterformen entscheidend. So wurden in den vergangenen Jahren beispielsweise die Klassifikationen der hereditären spastischen Paraparesen, der spinozerebellären Ataxien und der hereditären ParkinsonKrankheit bereits auf eine molekulargenetische Grundlage gestellt (s. Tabellen 9.4, 9.6, 9.8). Bereits heute kann eine Vielzahl neurodegenerativer Erkrankungen molekulargenetisch zu Lebzeiten des Patienten sicher diagnostiziert werden, ohne dass hierzu die Gewinnung von Nervengewebe erforderlich wäre. Die Neurowissenschaften, insbesondere auch die Neuropathologie, stehen vor der großen Herausforderung, nicht nur die wechselseitigen Beziehungen zwischen Klinik, Morphologie und Molekulargenetik zu entschlüsseln, sondern auch die Funktion und Wechselwirkungen ursächlich verantwortlicher und modulierender Gene im normalen und pathologischen Zustand zu verstehen. Die Angaben zur Genetik in diesem Kapitel geben den Stand des Jahres 2010 wieder. Für die jeweils aktuellsten Informationen sei auf OMIM (Online Mendelian Inheritance in Man), die Online-Datenbank des National Center for Biotechnology Information, verwiesen (http:// www.ncbi.nlm.gov/Omim/).
Autoptische Asservierung Gerade die häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Alzheimer-Krankheit, andere häufige Demenzformen, Parkinson-Krankheit, andere mit Parkinsonismus einhergehende Erkrankungen) können auch heute noch nur durch eine postmortale Hirnuntersuchung definitiv diagnostiziert werden. Voraussetzung für eine optimale neuropathologisch-autoptische Untersuchung gerade von neurodegenerativen Erkrankungen ist eine adäquate autoptische Gewebsasservierung. Dabei muss neben den morphologischen zunehmend auch den molekularbiologischen Erfordernissen Rechnung getragen werden. Eine international häufig praktizierte Technik besteht darin, das Gehirn einschließlich Hirnstamm und Kleinhirn in der Sagittalebene zu halbieren, um dann eine Hälfte (entweder in toto oder in Frontalscheiben) bei – 80 °C tiefzugefrieren und die andere Hälfte nach Fixation in gepuffertem Formalin für die konventionelle Paraffineinbettung aufzuarbeiten. Je kürzer das Post-mortemIntervall und je rascher die Hirnentnahme erfolgt, desto besser eignet sich das Gewebe für molekulare Untersuchungen. Für molekularbiologische Untersuchungen sollten Gehirn, möglichst auch Rückenmark, autonome
Grundlagen
und spinale Ganglien, periphere Nerven und Muskeln innerhalb von 24 h, besser innerhalb von 12 h, entnommen und asserviert werden. Um trotz des erheblichen logistischen, zeitlichen, technischen und finanziellen Aufwands einer optimalen neuropathologischen Autopsie geeignetes Hirngewebe gewinnen zu können, wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung das Deutsche Referenzzentrum für Krankheiten des Nervensystems (Brain-Net) eingerichtet (http//:www.brain-net.net). Es besteht aus mehreren neuropathologischen Einrichtungen (Brain Bank Centers) in Deutschland, die eine autoptische Untersuchung und optimale Asservierung des Nervensystems von Patienten mit neuropsychiatrischen Krankheiten, aber auch von Kontrollgehirnen nach standardisierten Methoden und diagnostischen Kriterien gewährleisten. Die Brain-Bank-Zentrale ist rund um die Uhr erreichbar (Tel. +49 89 2180-78345) und ist bei der Organisation der Autopsie behilflich.
Funktionelle Anatomie der Stammganglien Die Stammganglien sind eine komplex miteinander verschaltete Gruppe subkortikaler Kerne, die für die Bewegungsautomatik und unwillkürliche Bewegungen verantwortlich zeichnen. Dabei erhält das Striatum (Kaudatum und Putamen) als zentrale afferente Struktur u. a. isokortikale, thalamische und nigrale Zuflüsse. Das mediale Pallidum und die Zona reticulata der Substantia nigra bilden die wesentlichen efferenten Schenkel via den ventrolateralen Thalamus zum Isokortex und werden vom Striatum – durch jeweils spezifische Neurotransmitter – direkt und indirekt über das laterale Pallidum und den Nucleus subthalamicus innerviert; Abb. 9.1 zeigt eine vereinfachte schematische Übersicht. Anhand dieses Modells lässt sich die Symptomatik von Erkrankungen der Stammganglien gut erklären [1, 21]. Hyperkinestische Störungen wie Chorea, Athetose und Ballismus beruhen danach auf einer reduzierten, hypokinetische Störungen wie Parkinsonismus dagegen auf einer gesteigerten Aktivität des Nucleus subthalamicus mit konsekutiver Disinhibition bzw. Inhibition thalamokortikaler Bahnen (s. Abb. 9.1). Demgegenüber ist die Pathophysiologie einiger anderer Erkrankungen der Stammganglien wie Dystonie oder Tic unklarer, und es fehlen wegweisende histopathologische Veränderungen.
Funktionelle Anatomie des Kleinhirns Das Kleinhirn dient der Optimierung von Bewegungen (rasche und fließende Ausführung, Zielgenauigkeit), indem es vor der endgültigen Ausführung einen Entwurf
225
von der präfrontalen und prämotorischen Hirnrinde erhält, der entsprechend den Inhalten vestibulärer, optischer und propriozeptiver Afferenzen über dentatothalamokortikale Bahnen modifiziert wird. Anatomie, Verschaltung und Funktion des Kleinhirns sind äußerst komplex und durchaus noch nicht vollkommen verstanden. Im Folgenden wird die funktionelle Anatomie insofern dargestellt, als sie zum Verständnis der wichtigsten zerebellären Systematrophien notwendig ist. Entwicklungsgeschichtlich unterscheidet man: • Archizerebellum (Vestibulozerebellum, Urkleinhirn), bestehend aus Flokkulus, Nodulus und Uvula, das afferent und efferent mit dem Gleichgewichtsorgan verschaltet ist. Läsionen in diesen Regionen gehen klinisch mit Astasie, Abasie und Rumpfataxie einher. • Paläozerebellum (Spinozerebellum, Altkleinhirn) mit Oberwurm und paramedianen Anteilen des Vorderlappens als Ziel spinozerebellärer Bahnen. Die Hauptaufgabe besteht in der Tonusregulierung. • Neozerebellum (Pontozerebellum, Neukleinhirn) mit Hemisphären, Tonsillen, Folium und Tuber, die efferent mit Nucleus ruber und Thalamus, afferent mit den Brückenkernen und unteren Oliven verschaltet sind und hauptsächlich der Koordination der Willkürmotorik dienen. Schädigungen in diesen Regionen äußern sich in Gliedmaßenataxie, Dysmetrie, Asynergie, Adiadochokinese, Intentionstremor und/oder muskulärer Hypotonie. Somatotopisch sind dabei die Beine mit dem Lobulus centralis, die Arme mit dem Culmen und der Kopf mit dem Lobulus simplex assoziiert. Histologisch gliedert sich die Kleinhirnrinde von außen nach innen in die zellarme Molekularschicht mit Korbzellen, Sternzellen, überwiegend unbemarkte Axone und Dendriten, die schmale Purkinje-Zellschicht mit der astrozytären Bergmann-Glia und die Körnerzellschicht. In der Kleinhirnrinde trifft man auf die folgenden Neuronentypen (Abb. 9.2): • Purkinje-Zellen: Die überaus hypoxieempfindlichen Zellen sind in den üblichen Färbungen nur mit ihrem Perikaryon und Kern darstellbar. Wird bereits das Dendritennetz in der Molekularschicht sichtbar, ist dies meist bereits Folge der Autolyse. • Körnerzellen: Die eng stehenden Zellen mit runden oder ovalären, 5–8 μm großen Kernen reagieren sowohl auf Hypoxie als auch auf toxische und ödembedingte Schädigungen empfindlich. Eine generelle Aufblähung und Abblassung der Körnerzellen ist meist Folge agonaler oder postmortaler Veränderungen. Diese sog. akute Körnerzellnekrose muss von echten degenerativen Veränderungen abgegrenzt werden, bei denen in der Regel auch die Purkinje-Zellen mitbetroffen sind und es zu einer Gliareaktion kommt. Bei den kernarmen Anteilen innerhalb der Körnerzellschicht, den Glomeruli cerebellosi, handelt es sich um komplexe synaptische Strukturen zwischen gebündelten Moosfaserendigungen
226
Kapitel 9
Systematrophien
9
Abb. 9.1 Vereinfachtes Schema der funktionellen Anatomie und Pathologie der Stammganglien. Inhibitorische Bahnen und Neurotransmitter sind gestrichelt, exzitatorische mit durchgehenden Linien dargestellt. Die rechteckigen Strukturen kennzeichnen die Kerngebiete, die rundovalen Strukturen die Transmitter der entsprechenden Bahnen. Die primär betroffenen Regionen sind waagerecht (Huntington-Krankheit), senkrecht (Parkinson-Krankheit) und quer (Ballismus) schraffiert und mit einem Blitzzeichen versehen. Die Pfeile symbolisieren eine reduzierte (Pfeil nach unten) oder gesteigerte (Pfeil nach oben) Aktivität inhibitorischer oder exzitatorischer Bahnen bei Parkinson-Krankheit (P), Huntington-Krankheit (H) und Ballismus (B). Der Ballismus beruht auf einer Läsion des Nucleus subthalamicus mit konsekutiver Reduktion exzitatorischer Afferenzen zum medialen Pallidum und zur Substantia nigra reticulata
sowie einer Disinhibition thalamokortikaler Projektionen. In frühen Stadien der Huntington-Krankheit sind Subpopulationen inhibierender striataler Neuronen betroffen, die zum lateralen Pallidum und zur Substantia nigra reticulata projizieren; dies führt zu einer Disinhibition des lateralen Pallidums und schließlich ebenfalls über eine verminderte Aktivität des Nucleus subthalamicus zu einer Disinhibition thalamokortikaler Projektionen. Bei der ParkinsonKrankheit dagegen kommt es wegen des Ausfalls dopaminerger nigrostriataler Impulse zu einem Ungleichgewicht striataler Projektionsneurone mit vermehrter Aktivität inhibierender Projektionen zum lateralen Pallidum, einer Disinhibition subthalamischer Efferenzen und schließlich einer Inhibition thalamokortikaler Projektionen. ENK Enkephalin; SP Substanz P. (Mod. nach Albin et al. [1])
(„Moosfaserrosetten“), Körnerzelldendriten, Axonen und Dendriten der Golgizellen sowie Kletterfaserkollateralen. Bei akuten Kreislaufstörungen und Ödemzuständen können die Glomeruli vergrößert sein. • Korb- und Sternzellen liegen in der Molekularschicht in der Nachbarschaft der Purkinje-Zellen und enden mit ihrem Axon an deren Dendriten bzw. Perikarya.
Korb- und Sternzellen sind inhibitorische Interneurone, die Afferenzen von den gleichen Zelltypen, geringer von den Parallelfasern der Körnerzellen und von den Kletterfasern erhalten. Korb- und Sternzellen ähneln sich stark in der parasagittalen Anordnung der Dendritenbäume innerhalb eines schmalen Sektors quer zur Ausrichtung der Parallelfasern, doch ist bei
Grundlagen
227
Abb. 9.2 Nervenzellen und ihre Verschaltung in der Kleinhirnrinde. Inhibitorische Bahnen und Neurotransmitter sind gestrichelt, exzitatorische mit durchgehenden Linien dargestellt. Die dreieckförmigen Strukturen repräsentieren die Dendriten, die Pfeile die Axonen, die
Umhüllungen der Pfeile die Markscheiden. Afferenzen laufen über Moos- und Kletterfasern zur Kleinhirnrinde, während die Efferenzen von den Purkinje-Zellen ausgehen. ACh Azetylcholin, ADEN Adenosin, ASP Aspartat, GLU Glutamat, SP Substanz P, SS Somatostatin
den Korbzellen das Dendritennetz in der Molekularschicht verzweigter und das Axon länger. • Die Golgi-Zellen liegen innerhalb der Körnerzellschicht und bilden Synapsen mit Moosfaserendigungen und Körnerzelldendriten.
Die Efferenzen des Kleinhirns beginnen bei den Purkinje-Zellen, deren hemmende Impulse in den Kleinhirnkernen umgeschaltet werden, und zwar im N. fastigii (vom Archizerebellum zu den Nn. vestibulares), in den Nn. globosus et emboliformis, die zusammen den N. interpositus bilden (vom Paläozerebellum zu Formatio reticularis, N. ruber, Thalamus und Rückenmark), und im N. dentatus (vom Neozerebellum zu N. ruber und Thalamus). Weitgehend gleichartige Symptome können bei Schädigung sowohl des zerebellären Kortex als auch der Afferenzen und Efferenzen auftreten. Das Kleinhirn wird mit dem übrigen Zentralnervensystem durch die drei Kleinhirnschenkel verbunden, die jeweils bestimmte Bahnen enthalten: • Pedunculus cerebelli superior (Brachium conjunctivum, Bindearm) als Mittelhirnverbindung: spinale Afferenzen (Tractus spinocerebellaris anterior) zum Paläozerebellum; Efferenzen aus allen Kleinhirnkernen,
Die Afferenzen des Kleinhirns laufen entweder vom Großhirn über Brückenkerne und Moosfasern zu den Körnerzellen, wo sie über deren Parallelfasern die Purkinje-ZellDendriten erreichen, oder sie werden über die Kletterfasern der unteren Olive zu den Purkinje-Zellen verschaltet (s. Abb. 9.2). Die Oliven erhalten Afferenzen u. a. vom Nucleus ruber über die zentrale Haubenbahn, wobei es bei deren Läsionen oder bei Läsionen (meist Infarkten) im Zahnkern in den ersten Monaten zu Vakuolisierung der Olivenzellen, Dendritenschwellungen und Astrogliose als Ausdruck einer transneuronalen Degeneration kommen kann (sog. Olivenpseudohypertrophie).
228
9
Kapitel 9
vor allem zum kontralateralen N. ruber und zu kontralateralen verschiedenen Thalamuskernen, ferner zur Formatio reticularis, zu Augenmuskelkernen und zur unteren Olive. Gekreuzte Efferenzen zu den Nn. vestibulares laufen als Hakenbündel (Fasciculus uncinatus) oberhalb des Schenkels. • Pedunculus cerebelli medialis (Crus pontocerebellaris, Brachium pontis) als Brückenverbindung: Afferenzen aus den Brückenkernen von der kontralateralen Großhirnhemisphäre. • Pedunculus cerebelli inferior (Crus medullocerebellaris, Corpus restiforme) als Medulla-oblongata-Verbindung: Afferenzen aus dem Vestibularapparat, dem Rückenmark (Tractus spinocerebellaris posterior von der Stilling-Clarke-Säule und dem N. cuneatus accessorius zum Paläozerebellum), der Formatio reticularis und der kontralateralen unteren Olive; Efferenzen vom N. fastigii und direkt vom Kleinhirnkortex zu den Nn. vestibulares.
Systematrophien und abnorme Proteinablagerungen Zahlreiche neurodegenerative Erkrankungen gehen mit abnormen Einschlüssen im Zytoplasma und Zellfortsätzen von Neuronen, Astrozyten und/oder Oligodendrozyten einher (Tabelle 9.1). In den vergangenen Jahren konnte ein großer Teil dieser Einschlüsse der abnormen Akkumulation spezifischer Proteine zugeordnet werden und es wurde der Begriff der Proteinopathien eingeführt. Im Rahmen der Systematrophien spielen insbesondere das Mikrotubulus-assoziierte Protein W (tau; Tauopathien, wie z. B. progressive supranukleäre Paralyse, kortikobasale Degeneration), das präsynaptische Protein D-Synuklein (Synukleinopathien wie z. B. Parkinson-Krankheit, multiple Systematrophie) und das TDP-43-Protein (z. B. amyotrophe Lateralsklerose, frontotemporale lobäre Degeneration) eine herausragende Rolle. Es ist hervorzuheben, dass diese Proteine nicht nur bei den verschiedenen sporadischen neurodegenerativen Erkrankungen intrazellulär abgelagert werden, sondern Mutationen ihrer Gene zu – viel selteneren – hereditären Systematrophien führen können. Wenn auch die ätiologische und pathogenetische Bedeutung der Einschlüsse noch nicht abschließend geklärt ist, so bilden sie doch für die neuropathologische Diagnose bzw. Differentialdiagnose eine oft wegweisende Hilfe (s. Tabelle 9.1). Neben dem Typ des abnorm abgelagerten Proteins sind insbesondere auch die Form der Einschlüsse bzw. die betroffenen Zellen für die einzelnen Systematrophien charakteristisch (z. B. astrozytäre τ-Ablagerung in Form von „tufted astrocytes“ bei der progressiven supranukleären Paralyse, s. Abb. 9.7b; α-Synuklein Einschlüsse in Oligodendrozyten in Form „glialer zyto-
Systematrophien Tabelle 9.1 Auswahl von Proteineinschlüsse bei Systematrophien Krankheit
Abbildung
Einschlüsse
Protein
ALS
9.3
Hyaline Einschlüsse „Skein-like inclusions“
TDP-43 (FUS, selten)
Huntington
9.5
Kerneinschlüsse Neuritische Einschlüsse
Huntingtin
Parkinson
9.6
Lewy-Körper Lewy-Neuriten
α-Synuklein
PSP
9.7
„Globose tangles“ Neuropilfäden „Coiled bodies“ „Tufted astrocytes“
τ
CBD
9.8
„Tangles“ Neuropilfäden „Coiled bodies“ „Astrocytic plaques“
τ
MSA
9.9
Gliale und neuronale zytoplasmatische Einschlüsse Kerneinschlüsse Neuropilfäden
α-Synuklein
ALS amyotrophe Lateralsklerose, PSP progressive supranukleäre Paralyse, CBD kortikobasale Degeneration, MSA multiple Systematrophie, TDP-43 TAR-DNA-bindendes Protein 43, FUS „fused in sarcoma protein“
plasmatischer Einschlüsse“ bei der multiplen Systematrophie, s. Abb. 9.9b). In den Routinefärbungen (HE, Nissl- und Markscheidenfärbungen) sind manche Einschlusskörper oft nur schwer oder gar nicht erkennbar. Neben der Durchführung von Versilberungen (insbesondere Versilberungen nach Gallyas-Braak und Bielschowsky) ist heute zu einer korrekten neuropathologischen Autopsiediagnostik die immunhistochemische Untersuchung unabdingbar (z. B. phosphorylierungsabhängige τ-Antikörper wie AT8, Antikörper gegen α-Synuklein und TDP-43 – s. auch Kap. 8).
Degeneration der Motoneuronen Diese Gruppe der Systematrophien (engl.: „motor neuron diseases“) umfasst unterschiedliche, ursächlich heterogene Erkrankungen, die vorwiegend das motorische Nervensystem betreffen und mit einer Degeneration des ersten (kortikalen) und/oder zweiten (bulbären oder spinalen) motorischen Neurons einhergehen. Je nach Beteiligung unterscheidet man
Degeneration der Motoneuronen
• • • • •
amyotrophe Lateralsklerose (1. und 2. Motorneuron), primäre Lateralsklerose (1. Motoneuron), hereditäre spastische Parese (1. Motoneuron), progressive Bulbärparalyse (2. Motoneuron bulbär), spinale Muskelatrophie (2. Motoneuron spinal).
Amyotrophe Lateralsklerose Klinik. Das mittlere Erkrankungsalter der sporadischen amyotrophen Lateralsklerose (ALS) liegt bei etwa 55 Jahren, dasjenige der viel selteneren familiären ALS liegt mit etwa 46 Jahren niedriger. Die jüngsten Patienten erkranken bereits im Alter von 15–30 Jahren. Männer sind insgesamt häufiger betroffen als Frauen (1,5:1). Die Inzidenz der ALS beträgt weltweit etwa 2,0–2,5 Fälle pro 100.000 Einwohner. Leitsymptom der ALS ist das gemeinsame Auftreten von Degenerationszeichen der Pyramidenbahn (1. Motoneuron) und der Vorderhornzelle (2. Motoneuron). Erstsymptome sind oft Muskelkrämpfe und Faszikulationen. Im Verlauf treten Lähmungen und Muskelatrophien auf, die oft fokal und distal an einer Extremität beginnen und sich dann auf benachbarte Körperregionen ausbreiten. Etwa 25% der Fälle weisen einen bulbären Beginn auf mit primärer Beteiligung der Kau- und Schluckmuskulatur („progressive Bulbärparalyse“). Positive Pyramidenbahnzeichen (positives Babinski-Zeichen), Kloni oder ein spastischer Muskeltonus können ebenfalls beobachtet werden. In den meisten Fällen verläuft die ALS progredient. Die mittlere Überlebensdauer beträgt rund 3,5 Jahre nach Beginn der ersten Symptome. In seltenen Fällen werden auch langsam progrediente Verläufe beobachtet; etwa 5% aller Patienten überleben länger als 10 Jahre.
229
Genetik. 90–95% der ALS-Fälle treten sporadisch auf, der Rest der Patienten weist eine positive Familienanamnese auf und leidet an einer familiären ALS (fALS). Die Gruppe der fALS-Fälle ist sehr heterogen und es werden autosomal-dominante und autosomal-rezessive Erbgänge beschrieben. Bei etwa 20% der Fälle mit autosomal-dominanter ALS und 2% der sporadischen ALSFälle finden sich Punktmutationen im SOD1-Gen auf Chromosom 21q22 für die zytosolische Kupfer-Zink-Superoxid-Dismutase (Cu-Zn-SOD), ein Enzym, das der Entgiftung freier Radikale dient. Derzeit sind mehr als 120, meist autosomal-dominant vererbte Mutationen auf dem SOD1-Gen beschrieben. Es ist wichtig zu betonen, dass neben dem SOD1-Gen eine Vielzahl weitere Gene zur fALS führen können, u. a. Alsin, Sentaxin, vesikelassoziiertes Membranprotein, Angiogenin, TAR-DNA-bindendes Protein 43 und FUS („fused in sarcoma protein“; Tabelle 9.2). Ferner sind zahlreiche weitere Genmutationen bei sporadischen ALS-Fällen beschrieben [41]. Ätiologie. Die Ätiologie der sporadischen Form der ALS ist weitgehend unbekannt. Insbesondere werden u. a. freie Radikale, Exzitotoxizität, oxidativer Stress, mitochondriale Dysfunktion und autoimmune Mechanismen diskutiert [6]. Umweltfaktoren konnten bislang nicht schlüssig nachgewiesen werden. Morphologie. Makroskopisch können die Vorderwurzeln verschmälert und grau, die Seitenstränge des Rückenmarks gräulich und die Präzentralregion atrophisch erscheinen. Zur optimalen Untersuchung der Zentralregion bietet sich eine besondere Sektionstechnik an: Am Hemisphärenspalt sucht man zuerst den Lobulus parietalis auf, schneidet an dessen vorderem und hinteren Rand
Tabelle 9.2 Genetik der amyotrophen Lateralskerose (Auswahl) Name
Lokus
Genprodukt
Vererbung
Klinik
ALS1
21q
SOD1
AD
ALS, klassisch
ALS2
2q33
ALSIN
AR
Frühform, 1. Motoneuron
ALS3
18q21
n.b.
AD
ALS, klassisch
ALS4
9q34
SETX
AD
Frühform, Verlauf langsam
ALS5
15q15
n.b.
AR
Frühform
ALS6
16q21
FUS/TLS
AD
ALS, klassisch
ALS7
20ptel-p13
n.b.
AD
ALS, klassisch
ALS8
20q13.3
VAPB
AD
variabel
ALS
14q11.2
Angiogenin
AD
ALS, klassisch
ALS
1p36.22
TDP-43
AD
ALS, klassisch
ALS amyotrophe Lateralsklerose, SOD1 Kupfer-Zink-Superoxid Dismutase, SETX Senataxin, FUS/TLS „fused in sarcoma/translated in liposarcoma“, VAPB Vesikel-assoziiertes Membranprotein, TDP-43 TAR-DNA-bindendes Protein 43, AD autosomal-dominant, AR autosomal-rezessiv, n.b. nicht bekannt
230
Kapitel 9
frontal, so dass man eine um etwa 2- bis 3-mal so dicke Frontalscheibe gewinnt wie üblich. Aus dieser Scheibe wird ein bis in das Marklager reichender Block herausgeschnitten, indem mit dem Skalpell ein Schnitt quer zu den – schräg nach rostoventral verlaufenden – Prä- und Postzentralwindungen geführt wird. Durch einen kleinen Horizontalschnitt oberhalb der Stammganglienebene wird dieser Block zum Marklager hin abgetrennt. Aus ihm können nun Schnitte gewonnen werden, die die Zentralwindungen optimal treffen.
9
Mikroskopie. Betroffen sind bevorzugt die großen, seltener und oft erst später die mittelgroßen und kleinen Nervenzellen des spinalen Vorderhorns (v. a. zervikal und lumbal gut erkennbar), die motorischen Hirnnervenkerne (V, VII, IX, X, XII) und die Pyramidenzellen der Präzentralregion. Weitgehend ausgespart bleiben die motorischen Augenmuskelkerne (III, IV, VI) und die für Blasen- und Mastdarmregulation wichtige medialste Gruppe der sakralen ventrolateralen Vorderhornneuronen, der Nucleus Onufrowicz (engl.: „Onuf ’s nucleus“). Die kortikospinalen Bahnen zeigen eine unterschiedlich stark ausgeprägte sekundäre Degeneration mit Entmarkung und Makrophagen, besonders deutlich zu erkennen in den Seiten- und Vordersträngen des Rückenmarks (Abb. 9.3a) und im Brückenfuß, weniger im Großhirnmarklager, innerer Kapsel und Hirnschenkel. In den betroffenen motorischen Kerngebieten bestehen Nervenzellverlust, Geisterneurone mit schattenhafter Darstellung eines geblähten argentophilen Zellleibes, geschrumpfte und abnorm lipofuszinreiche Neurone, Tigrolysen, Neuronophagien sowie eine reaktive Astro- und Mikrogliose (Abb. 9.3b). Die reaktive Astrogliose kann über die unmittelbar betroffenen Schädigungsorte hinausgehen. Die Veränderungen sind unterschiedlich alt, so dass typischerweise weitgehend intakte und hochgradig geschädigte Nervenzellen nebeneinander angetroffen werden. Als Folge der geschilderten degenerativen Veränderungen resultiert eine neurogen bedingte Muskelatrophie (Abb. 40.1d, e, S. 826). In noch erhaltenen 2. motorischen Neuronen in den Vorderhörnern und im Hirnstamm (V, VII, XII) lassen sich unterschiedliche abnorme Einschlüsse nachweisen [2, 22, 27]: • Bunina-Körper sind kleine eosinophile, hyaline intrazytoplasmatische Einschlüsse, die weder für Ubiquitin noch für TDP-43 immunoreaktiv sind und sich bei sorgfältiger Suche in praktisch allen ALS-Fällen finden lassen. • Ubiquitin und TDP-43-immunoreaktive Einschlüsse. Diese lassen sich unterteilen in fädige, strähnenartige Einschlüsse („skein-like“ inclusions; Abb. 9.3c) und in kompakte, hyaline Einschlüsse (Abb. 9.3d), die an Lewy-Körper der Parkinson-Erkrankung erinnern („Lewy body-like inclusions“; Abb. 9.3e), sich jedoch nicht mit α-Synuklein anfärben lassen. In seltenen Fällen von familiärer ALS finden sich ferner Ubiquitin und FUS-positive Einschlüsse.
Systematrophien
Neben den intrazytoplasmatischen Einschlüssen finden sich oft durch Neurofilamentbündel aufgetrieben Axone, sog. axonale Sphäroide (Abb. 9.3f). Diese sind jedoch nicht für ALS spezifisch. Differentialdiagnose. Von der ALS im engeren Sinne sind seltene ALS-Varianten und ALS-ähnliche Krankheitsbilder abzugrenzen: Die juvenile Form der ALS ist definiert durch einen Krankheitsbeginn vor dem 25. Lebensjahr, ist überwiegend hereditär (überwiegend autosomal-rezessiv, seltener autosomal-dominant) und ist im Verlauf wesentlich gutartiger. Betroffen sind häufig auch die Hinterstränge und periphere Nerven. Während die oben für ALS typischen Einschlüsse fehlen, finden sich in einem Teil der Fälle basophile Einschlüsse [26, 28]. Die bei den Chamorro endemisch auftretende ALSForm auf Guam geht klinisch mit Demenz und Parkinsonismus einher und zeigt τ-immunoreaktive neurofibrilläre Tangles in Vorder- und Hinterhorn, Hirnstamm und Hirnrinde sowie zusätzliche TDP-43-positive Einschlüsse [11]. Eine ähnliche endemische Form existiert auf der japanischen Halbinsel Kii. Die in Südindien beschriebene Madras-Form der ALS ist klinisch charakterisiert durch einen frühen Beginn, einen relativ benignen Verlauf, häufig asymmetrische oder faziobulbäre Muskelbeteiligungen und bei einem Drittel der Patienten Taubheit. Neuropathologische Besonderheiten sind geringgradige chronischentzündliche Veränderungen und das Fehlen neuronaler Einschlüsse [31]. Bei der ALS mit frontotemporaler Demenz findet man im temporalen und frontalen Kortex einen Neuronenverlust mit Astrogliose und laminär ausgerichteter Spongiose in den oberen Rindenschichten begleitet von TDP-43oder (seltener) FUS-immunoreaktiven Einschlüssen im Zytoplasma von Nervenzellen und deren Fortsätzen und/ oder innerhalb deren Zellkernen. Solche Einschlüsse finden sich typischerweise auch in den Körnerzellen der Fascia dentata des Hippokampus [10]. Die geschilderten Veränderungen können auch unabhängig von einer ALS zu einer frontotemporalen Demenz führen. Heute wird davon ausgegangen, dass die ALS, die ALS mit frontotemporaler Demenz und die frontotemporale Demenz ohne ALS ein klinisch-pathologisches Spektrum innerhalb der TDP-43- und FUS-Proteinopathien bilden (s. Kap. 8). Während bei der typischen, rasch verlaufenden ALS Thalamus, Striatum, Nucleus subthalamicus, Substantia nigra, Locus caeruleus, N. dentatus und andere Regionen lediglich geringfügig involviert sind (diskreter Nervenzellverlust, Gliose), können bei ALS-Varianten mit zerebellären, extrapyramidalen, autonomen, sensorischen oder aphasischen Symptomen entsprechende weitere Systeme degeneriert sein. Dies ist besonders häufig der Fall bei iatrogen prolongiertem Verlauf durch maschinelle
Degeneration der Motoneuronen
231
a
b
c
d
e
f
Abb. 9.3a–f Amyotrophe Lateralsklerose. a Sekundäre Degeneration der absteigenden kortikospinalen Bahnen des Rückenmarks (Holmes-Luxol). b Ausfall von Motoneuronen im Vorderhorn mit reaktiver Gliose. c „Skein-like“ und d „dense body“ in verbliebenen
Vorderhornneuronen (immunhistochemische Färbung mit einem Antikörper gegen TDP-43). e An Lewy-Körper erinnernder Vorderhorneinschluss (Pfeil). f Axonaler Sphäroid im Vorderhorn (HolmesLuxol)
Beatmung (Augenmuskelkerne, untere Oliven, Hinterstränge, spinozerebelläre Bahnen, Nucleus Onufrowicz) und bei der hereditären Form (Hinterstränge, spinozerebelläre Bahnen, mitunter Kleinhirnrinde). Letztendlich gibt es sehr seltene echte Kombinationen mit anderen
Systemerkrankungen (z. B. Huntington-Krankheit, PickKrankheit, Pallidumdegenerationen u. a.). Das Postpoliosyndrom entwickelt sich bei 30% der Poliomyelitispatienten durchschnittlich 25 Jahre nach dem akuten paralytischen Ereignis. Es kommt zu fokalen, sehr lang-
232
Kapitel 9
sam progredienten Paresen und Atrophien (vgl. Abb. 40.2e, f; S. 829). Pathologisch finden sich Ausfälle motorischer Neuronen mit Gliose und geringgradigen lymphozytären Infiltraten, aber keine ALS-typischen Einschlüsse [32]. Sekundäre Motoneuronkrankheiten: Verschiedene infektiöse (HIV-1, HTLV-I, Syphilis, Creutzfeldt-JakobKrankheit), autoimmune (Anti-GM1-Gangliosid-Antikörper), toxische (Blei, Quecksilber, Arsen, Thallium, Cadmium, Mangan, Lathyrismus), endokrinologische (Hyper- und Hypothyreoidismus, Hyperparathyreoidismus), vaskuläre (Vaskulitis, Ischämie) und tumoröse/paraneoplastische (Lymphome, monoklonale Gammopathien) Prozesse können die motorischen Neurone schwerpunktmäßig befallen und zu ALS-ähnlichen sekundären Motoneuronkrankheiten führen [16].
9
Spinale Muskelatrophien Die spinalen Muskelatrophien (SMA) (s. auch Kap. 40) bilden eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch fortschreitende periphere Paresen bedingt durch einen progredienten Verlust spinaler Motoneurone charakterisiert sind. Trotz des Namens können durchaus auch bulbäre Neurone mitbetroffen sein, in ganz seltenen Fällen sind diese gar hauptsächlich betroffen. Klinik. In aller Regel bestehen symmetrische schlaffe Lähmungen mit entsprechender Muskelatrophie. Faszikulationen und abgeschwächte Reflexe werden beobachtet, die Sensibilität ist erhalten, die Pyramidenbahn bleibt intakt. Genetisch werden autosomal-rezessiv, autosomaldominant und X-chromosomal vererbte Formen unterschieden. Die mit Abstand größte Gruppe bildet die autosomal-rezessive vererbte SMA, die für über 95% der Fälle verantwortlich zeichnet [24]. Dabei werden folgende Formen unterschieden (Tabelle 9.3): • Die infantile schwere Form (SMA1, Werdnig-Hoffmann-Krankheit) beginnt bereits intrauterin und manifestiert sich innerhalb der ersten 6 Lebensmonate. 95% der Kinder erleben das 2. Lebensjahr nicht und versterben infolge Parese der Atemmuskulatur. • Die infantile intermediäre Form (SMA2) manifestiert sich innert der ersten 18 Lebensmonate und verläuft
Systematrophien
über 4–16 Jahre, ohne dass diese Kinder des Stehens oder Gehens mächtig sind. • Die juvenile milde Form (SMA3, Kugelberg-WelanderKrankheit) ermöglicht die Standfähigkeit und oft auch die Gehfähigkeit. Diese gehen dann aber im Verlauf mit etwa 15–20 Jahren wieder verloren. Neben diesen drei Hauptformen wurde zusätzlich eine relativ milde adulte Form (SMA4) beschrieben mit Beginn im Erwachsenenalter und Verlauf über mehrere Dekaden. Epidemiologie. Die Inzidenz beträgt weltweit rund 1:10.000 Lebendgeburten mit einer Carrierfrequenz von etwa 1:50). Die SMA ist damit die zweithäufigste neuromuskuläre Erkrankung des Kindesalters (nach den Dystrophinopathien) und ebenso die zweithäufigste letal ausgehende autosomal-rezessive Krankheit (nach der zystischen Fibrose). Genetik. Den 3 SMA-Typen liegt ein gemeinsamer Gendefekt auf Chromosom 5q13 zugrunde [24]. Die für SMA wichtige Region beinhaltet 4 relevante Gene und ist dupliziert, so dass für jedes Gen zwei Kopien vorliegen, telomer und centromer. Diese 4 Gene sind: • SMN („survival motor neuron“), • NAIP („neuronal apoptosis inhibitory protein“), • p44 (eine Untereinheit des TranskriptionsfaktorsTFIIH). • H4F5. Das Gros der SMA-Fälle ist durch eine homozygote Deletion des telomeren SMN-Gens, SMN1, bedingt, in einigen wenigen Fällen sind aber auch Punktmutationen, kleine Deletionen oder Insertionen beschrieben. Mutationen des SMN1-Gens liegen allen drei SMA-Formen zugrunde, aber in den klinisch milder verlaufenden SMA2und SMA3-Formen liegt eine vermehrte Anzahl an Kopien des SMN2-Gens vor, die zumindest partiell den Verlust von SMN1 kompensieren kann. Unklar ist, ob beschriebene Mutationen anderer in dieser Region lokalisierten Gene (z. B. NAIP) den klinischen Verlauf der Erkrankung allenfalls modifizieren können. Morphologie. Die SMA1 ist neuropathologisch am besten charakterisiert. Makroskopisch fällt eine Atrophie der
Tabelle 9.3 Hauptformen der spinalen Muskelatrophie (autosomal-rezessiver Erbgang) Typ
Krankheitsbeginn
Motorische Fähigkeiten
Sterbealter
Typ 1, schwere Form (Werdnig-Hoffmann)
0–6 Monate
Können nie sitzen
<2 Jahre
Typ 2, intermediäre Form
7–18 Monate
Sitzen, nie stehen
>2 Jahre
Typ 3, milde Form (Kugelberg-Welander)
>18 Monate
Sitzen und stehen
Erwachsenenalter
Typ 4, adulte Form
2.–3. Dekade
Gehen als Erwachsene
Erwachsenenalter
Degenerative Krankheiten mit Ataxie
vorderen spinalen Nervenwurzeln auf. Histologisch besteht ein ausgeprägter Ausfall von Motoneuronen in den Vorderhörnern und in den motorischen Hirnnervenkernen unter Aussparung autonomer Kerngebiete im thorakolumbalen und des Nucleus Onufrowicz im sakralen Rückenmark. Die Betz-Zellen (1. Motoneuron) und die Pyramidenbahnen sind nicht betroffen. Neben dem Nervenzellausfall kann eine eher gering ausgeprägte Gliose beobachtet werden. Verbliebene Motoneurone sind oftmals gebläht bzw. balloniert, andere wiederum atrophisch. Gelegentlich finden sich Neuronophagien. Motoneurone bei der SMA1 können Ansammlungen abnorm phosphorylierter Neurofilamente aufweisen, Ubiquitin-Immunoreaktivität findet sich im Gegensatz zur ALS diffus im Zellkörper verteilt. Neben der beschriebenen Hauptgruppe existiert eine Vielzahl seltenerer SMA-Formen, die sich durch Krankheitsbeginn und -verlauf, Erbgang und Gendefekt unterscheiden [18]. Zur jeweils aktualisierten Übersicht siehe http://www.musclegenetable.org.
Hereditäre spastische Paraparese Die hereditäre spastische Paraparese (HSP) ist eine heterogene Gruppe genetisch determinierter Erkrankungen, die mit einer langsam fortschreitenden spastischen Paraparese der unteren Extremitäten einhergeht (syn.: Strümpell-Lorrain-Syndrom) [30]. Klinik und Epidemiologie. Obligate klinische Symptome sind progressive Gangstörung mit spastischem Hypertonus, Hyperreflexie und Pyramidenbahnzeichen der unteren Extremitäten. Die HSP wird klinisch in eine einfache („pure“) und in eine komplexe („complicated“) Form unterteilt, wobei Letztere durch unterschiedliche zusätzliche Symptome wie u. a. Optikusatrophie, Retinopathie, Taubheit, extrapyramidalmotorische Zeichen, Ataxie, periphere Neuropathie, mentale Retardierung, Demenz, Epilepsie oder Ichthyose gekennzeichnet sind. Der Krankheitsbeginn liegt zwischen Kindheit und Senium. Die Prävalenz liegt in Europa zwischen 2,0 und 4,3 pro 100.000. Genetik. Der Erbgang kann sowohl autosomal-dominant, autosomal-rezessiv oder X-chromosomal sein. Derzeit sind mindestens 41 chromosomale Loci und 17 Gene identifiziert worden (Tabelle 9.4). Die autosomal-dominanten Formen sind am häufigsten (etwa 70% der Familien). Während die Mehrzahl der Fälle der sog. einfachen Formen autosomal-dominant vererbt sind, tendieren die komplexen Formen eher zu einem autosomal-rezessiven Erbgang. Morphologie. Neuropathologisch steht eine Degeneration der langen auf- und absteigenden Bahnen des Rücken-
233
marks im Vordergrund. Die Degeneration der kortikospinalen Bahnen ist in der thorakolumbalen Region am stärksten ausgeprägt. Die spinozerebellären Bahnen und die Hinterstränge, insbesondere der Fasciculus gracilis auf Höhe des Zervikalmarks, sind ebenfalls mitbetroffen. Der Befall von Betz-Zellen wird kontrovers diskutiert. In Muskelbiopsien von Patienten mit Parapleginmutationen wurden mitochondriale Veränderungen beschrieben. αund/oder β-Synuklein-Pathologie wurde in Einzelfällen von HSP beschrieben. Differentialdiagnose. Eine Reihe von Krankheiten kann sich klinisch wie eine hereditäre spastische Paraparese manifestieren (z. B. zervikale Myelopathie, Arnold-Chiari-Krankheit, perinatal entstandene Läsionen, spinale Angiome, multiple Sklerose, funikuläre Spinalerkrankung, HTLV-I-Infektion, M. Krabbe, Arginasedefizienz, Neurolathyrismus). Bei hereditären Krankheiten mit Mutationen im Prionprotein-Gen (P105L) oder im Präsenilin-1-Gen (Exon-9-Deletion) wurde über im Vordergrund stehende spastische Paraparesen berichtet. Die dafür jeweils charakteristischen pathologischen Befunde erlauben aber bei Kenntnis der klinischen Symptomatik eine definitive Diagnose. Die spastische Spinalparalyse (primäre Lateralsklerose, s. auch ALS) ist eine sehr seltene sporadische Krankheit, die ausschließlich das 1. Motoneuron betrifft. Der Krankheitsbeginn liegt im mittleren Erwachsenenalter (35–67 Jahre) und verläuft über 4–34 Jahre (Mittel 15 Jahre) unter dem Bild einer progredienten spinobulbärer Spastik. Klinisch, elektromyographisch und myelographisch fehlen Hinweise auf Demenz, periphere Paresen und zervikale Myelopathie. Morphologisch findet man neben der Pyramidenbahndegeneration im Gyrus praecentralis einen nahezu kompletten Verlust der BetzRiesenzellen und einen Ausfall von Pyramidenzellen in der 3. und 5. Schicht mit assoziierter Gliose, während Vorderhörner und motorische Hirnnervenkerne intakt sind [29].
Degenerative Krankheiten mit Ataxie Neurodegenerative Erkrankungen, die mit Ataxie einhergehen, können grob in zwei Hauptgruppen unterteilt werden, in primäre und sekundäre Formen (Tabelle 9.5). Bei den primären Formen handelt es sich überwiegend um hereditäre Erkrankungen, die schwerpunktmäßig in diesem Kapitel beschrieben werden sollen. Die olivopontozerebelläre Degeneration (OPCA), die unter den sporadischen Formen der primären Ataxien aufgeführt wird, soll im Abschnitt der multiplen Systematrophie vorgestellt werden. In die Gruppe der sekundären Ataxien fallen u. a. medikamentös-toxische, vaskuläre, infektiöse, metabolische, autoimmune und
234
Kapitel 9
Systematrophien
Tabelle 9.4 Genetische Klassifikation der hereditären spastischen Paraparesen
9
Typ
Genprodukt
Genort
Vererbung
Phänotyp
SPG 1
L1CAM
Xq28
X
Komplex
SPG 2
PLP1
Xq22
X
Einfach oder komplex
SPG 3
Atlastin
14q11-21
AD
Einfach
SPG 4
Spastin
2p22-21
AD
Einfach oder komplex
SPG 5
n.b.
18q12-13
AR
Einfach
SPG 6
NIPA1
15q11.1
AD
Einfach
SPG 7
Paraplegin
16q24
AR
Einfach oder komplex
SPG 8
n.b.
8q23-24
AD
Einfach
SPG 9
n.b.
10q23.3-24.1
AD
Komplex
SPG 10
KIF5A
12q13
AD
Einfach oder komplex
SPG 11
n.b.
15q13-15
AR
Einfach oder komplex
SPG 12
n.b.
19q13
AD
Einfach
SPG 13
HSP60 (Chaperonin)
2q33.1
AD
Einfach
SPG 14
n.b.
3q27-28
AR
Komplex
SPG 15
n.b.
14q22-24
AR
Komplex
SPG 16
n.b.
Xq11.2
X
Einfach oder komplex
SPG 17
Seipin (BSCL2)
11q12-14
AD
Komplex (Silver-Syndrom)
SPG 18
reserviert
SPG 19
n.b.
9q33-34
AD
Einfach
SPG 20
Spartin
13q13
AR
Komplex (Troyer-Syndrom)
SPG 21
Maspardin (ACP33)
15q21-22
AR
Komplex (Mast-Syndrom)
SPG 23
n.b.
1q24-32
AR
Komplex
SPG 24
n.b.
13q14
AR
Komplex
SPG 25
n.b.
6q23-24.1
AR
Komplex
SPG 26
n.b.
12p11.1-q14
AR
Komplex
SPG 27
n.b.
10q22.1-24.1
AR
Einfach
SPG 28
n.b.
14q21-22
AR
Einfach
SPG 29
n.b.
1p31.1-21.1
AD
Komplex
SPG 30
n.b.
2p
AR
Komplex
SPG 32
n.b.
14q
AR
Einfach
AD
PLP1 „proteolipid protein“, KIF5A „kinesin heavy chain (KIFA5) gene“, X X-chromosomal, AD autosomal-dominant, AR autosomalrezessiv, n.b. nicht bekannt
paraneoplastische Erkrankungen, ebenso seltene kongenitale Formen. Frühere pathologische Klassifikationen erfolgten oft nach dem anatomischen Schwerpunkt der Veränderungen (z. B. spinale, zerebelläre, spinozerebelläre und olivopontozerebelläre Atrophien). Häufige Übergänge und Kombinationen zwischen die-
sen Formen lassen aus heutiger Sicht diese Einteilung als wenig sinnvoll erachten. Die überwiegende Mehrzahl der primären Ataxien sind hereditärer Natur, wobei autosomal-rezessive, autosomal-dominante und X-chromosomale Erbgänge beschrieben werden (s. Tabelle 9.5).
Degenerative Krankheiten mit Ataxie
235
Tabelle 9.5 Klassifikation der hereditären und sporadischen Ataxien Primäre Formen AR
AD
X-chromosomal
• SCAs • DRPLA • Episodische Ataxie
• Fragiles X-Tremor-/Ataxie-Syndrom • Seltene Formen
Hereditär • Friedreich-Ataxie • Friedreich-Ataxie, Typ 2 • Zerebelläre Ataxie mit frühem Beginn und erhaltenen Sehnenreflexen • Zerebelläre Ataxie mit Vitamin-E-Defizit • Ataxie-Telangiektasie • Ataxie-Telangiektasie-ähnlich • Frühe Ataxie mit okulomotorischer Apraxie • Seltene Formen Sporadisch • Multiple Systematrophie (s. Kap. 13) • Idiopathische zerebelläre kortikale Degeneration • Idiopathische olivopontozerebelläre Degeneration (s. Kap. 13) Sekundäre Formen u. a. Toxine, Medikamente, vaskulär, paraneoplastisch, autoimmun, metabolisch, infektiös, kongenital AR autosomal-rezessiv, AD autosomal-dominant, SCA spinozerebelläre Ataxie, DRPLA Dentato-Rubro-Pallido-Luys-Atrophie
Friedreich-Ataxie Es handelt sich um eine autosomal-rezessiv vererbte, meist im Kindes- und Jugendalter auftretende chronischfortschreitende Ataxie mit Degeneration von Hinterwurzeln und Hintersträngen aufgrund einer GAA-Trinukleotid-Expansion im Frataxin-Gen auf Chromosom 9q13. Klinik und Epidemiologie. Die Friedreich-Ataxie (FA) ist die häufigste aller hereditären Ataxien mit einer Prävalenz von etwa 1–2 Fällen pro 100.000. Der Krankheitsbeginn ist meist vor dem 30. Lebensjahr (Mittel: 15 Jahre), selten im Kleinkindes- oder späteren Erwachsenenalter. Die Krankheit verläuft chronisch-progredient, im Durchschnitt sind die Patienten etwa 15 Jahre nach Krankheitsbeginn an den Rollstuhl gebunden. Sensible Ataxie (100%), Muskelschwäche (80%), Atrophien, Areflexie (100%), Pallhypästhesie (90%) und Ausfälle der Tiefensensibilität vor allem an den Beinen gehen den zerebellären Symptomen und den Pyramidenbahnzeichen (70–100%) für gewöhnlich voraus. Sehr häufig besteht eine Kardiomyopathie, die letztendlich zum Tode führen kann. Häufig sind ferner Kyphoskoliose (95%) und Spreizhohlfuß (sog. Friedreich-Fuß). Weitere fakultative Symptome sind u. a. Optikusatrophie und Visusstörung, Schwerhörigkeit, Parästhesien, Spastik, Tremor und Typ-1-Diabetes.
Genetik und Pathogenese. Bei autosomal-rezessiver Vererbung liegt in den meisten Fällen eine abnorme Expansion des Trinukleotids GAA im ersten Intron des FRDA-Gens auf dem Chromosom 9q13 vor. Normale Allele haben weniger als 40 GAA-Repeats, die Anzahl der GAA-Repeats bei FA schwankt zwischen 70 und über 1000 (meist 600–1000). Das FRDA-Gen kodiert für das mitochondriale Protein Frataxin, das bei der Erkrankung stark reduziert ist. Je länger die GAA Expansion, desto früher der Krankheitsbeginn. In etwas 2–5% der Fälle liegt zusätzlich zur GAA-Expansion eine Punktmutation auf dem FRDA-Gen vor. Obschon die genaue Funktion für Frataxin nicht bekannt ist, geht man davon aus, dass dieses eine Rolle im mitochondrialen Eisentransport spielt. Neben der klassischen FA sind auch seltene hereditäre Fälle von FA ohne FRDA-Genmutation beschrieben, wobei der Genlokus auf dem Chromosom 9p23-p11 liegt (FA-Typ 2). Morphologie. Makroskopisch erscheint das Rückenmark verschmälert mit Betonung der Hinter- und Seitenstränge. Histologisch findet sich ein Verlust bemarkter Axone in den Hintersträngen (v. a. Fasciculus gracilis), der kortikospinalen Bahnen (v. a. Seitenstränge) und der spinozerebellären Bahnen (v. a. dorsal). Die Clarke’schen Säulen weisen einen hochgradigen Neuronenverlust auf. Ein solcher findet sich auch in den dorsalen Spinalganglien. Im Kleinhirn ist überwiegend der Nucleus dentatus betroffen, während dem die Kleinhirnrinde (Purkinje-
236
Kapitel 9
Zellen) oft nur leicht- bis mäßiggradige Veränderungen aufweist. Bei genauer Untersuchung findet man nicht selten geringer ausgeprägte Degenerationen weiterer Regionen (u. a. Präzentralkortex, Nucleus dentatus, untere Olive, vestibuläre und auditorische Hirnstammkerne, Pallidum). Eine axonale sensible Neuropathie ist häufig (Abb. 23.3g; S. 617) (vgl. S. 630).
Spinozerebelläre Ataxien
9
Die spinozerebellären Ataxien (SCA) bilden eine heterogene Gruppe autosomal-dominant vererbter Erkrankungen, die meist im Erwachsenenalter manifest werden. Hauptsymptom ist eine progressive Ataxie mit unterschiedlich manifester Degeneration von Brückenfuß, unteren Oliven, Kleinhirnrinde und spinalen Bahnen. Klinik und Epidemiologie. Die Krankheiten beginnen meist jenseits des 20. Lebensjahres. Es dominiert die zerebelläre Ataxie, wobei in unterschiedlichem Ausmaß Hinterstrangsymptome hinzukommen können. Die zerebelläre Ataxie äußert sich initial in einer Gangunsicherheit, bei Mitbeteiligung der Hemisphären in einer Unsicherheit beim Greifen, bei Läsionen des Nucleus dentatus in einem Haltungstremor. Dazu folgen weitere zerebelläre Symptome wie Dysarthrie und okulomotorische Störungen. Fakultativ sind kognitive Beeinträchtigungen, Optikusatrophie, Spastik, extrapyramidalmotorische und peripher-neurologische Symptome. Über alles gerechnet beträgt die Häufigkeit aller Formen der autosomal-dominant vererbten Formen der SCA etwa 1–5 pro 100.000. Genetik. Es handelt sich derzeit um mindestens 28 autosomal-dominant vererbte Krankheiten, wobei der Gendefekt bei 13 Formen bekannt ist (Tabelle 9.6). Von Bedeutung sind die bei insgesamt 6 Formen (SCA 1, 2, 3, 6, 7, 17) zu beobachtenden abnormen CAG-Trinukleotid Expansionen. Bei diesen Erkrankungen führen die abnorm verlängerten Polyglutaminanteile zu toxischen Effekten des Proteins. Je mehr CAG-Wiederholungen vorliegen, desto früher tritt die Krankheit auf, desto rascher progressiv verläuft sie und desto ausgedehnter ist die Symptomatik. Die „Instabilität“ der Expansion, d. h. ihre Zunahme bei der Vererbung (vor allem paternal), erklärt die Antizipation, d. h. die zunehmend schwerere und frühere Symptomatik in nachfolgenden Generationen. Morphologie. Neuropathologische Merkmale sind noch nicht für alle beschriebenen SCA-Formen bekannt. Generell lässt sich festhalten, dass sich bei der Kleinhirndegeneration makroskopisch eine Atrophie der Windungen mit Reduktion der weißen Substanz findet (Abb. 9.4a). Mikroskopisch sind in der Regel Purkinje- und Körnerzell-
Systematrophien
atrophien gleich stark ausgeprägt, doch kann auch ein Zelltyp bevorzugt betroffen sein. Bei den Spätformen liegt der Schwerpunkt bei den Purkinje-Zellen, im Oberwurm und im Vorderlappen, während man bei den Frühformen eher eine diffuse Atrophie der gesamten Kleinhirnrinde, vor allem der Körnerzellen und des Neozerebellums, findet. Bei Purkinje-Zell-Schädigung sieht man eine Hyperplasie der Bergmann-Glia, eine verschmälerte gliotische Molekularschicht mit Ansammlungen von Gliazellen entlang der Purkinje-Zell-Dendriten und in Spezialfärbungen „leere Körbe“ um ausgefallene PurkinjeZellen (Abb. 9.4b). Bei Körnerzellschädigung imponieren eher Dendritenauftreibungen der Purkinje-Zellen, während man die sog. torpedoförmigen Auftreibungen eher an den Axonen und Axonkollateralen innerhalb der Körnerzellschicht sieht. Sekundäre Veränderungen kommen nach PurkinjeZellausfall im Nucleus dentatus und in anderen inneren Kleinhirnkernen, retrograd transsynaptisch auch in den unteren Oliven (vor allem dorsal) und den akzessorischen Oliven vor. Häufig sind weitere Regionen geringgradiger beteiligt, so Neokortex, Striatum, Substantia nigra und die langen Bahnen des Rückenmarks. Bei mehreren genetischen Formen, die mit einer abnormen CAG-Expansion einhergehen, wurden intranukleäre und/oder zytoplasmatische ubiquitinierte und für das jeweilige Protein (z. B. Ataxin 1) immunoreaktive neuronale Einschlüsse beschrieben. Die genetischen Formen unterscheiden sich tendenziell auch morphologisch, ohne dass aber im Einzelfall aufgrund des histologischen Bilds sichere Rückschlüsse auf den Genotyp möglich wären. Beschrieben sind u. a. OPCA-Pathologie bei SCA1, Beteiligung der Substantia nigra bei SCA2 und SCA3, Degeneration von Vorderhornneuronen und relativ geringe Atrophie der Kleinhirnrinde bei SCA3, axonale Neuropathie bei SCA4, eine weitgehend reine zerebellooliväre Atrophie bei SCA6 sowie Retinopathia pigmentosa bei SCA7.
Weitere Formen der Ataxie Die Vielfalt der hereditären Ataxieformen ist in den Tabellen 9.5 und 9.6 wiedergegeben. Stellvertretend für die weiteren Formen seien hier je eine autosomal-rezessiv, autosomal-dominant und X-chromosomal vererbte Form dargestellt.
Ataxia telangiectasia Dies ist die häufigste Form fortschreitender Ataxie in den ersten 5 Lebensjahren. Es handelt sich dabei um eine autosomal-rezessive Erbkrankheit (Inzidenz 1:100.000)
Degenerative Krankheiten mit Ataxie
237
Tabelle 9.6 Genetische Klassifikation der autosomal-dominanten spinozerebellären Ataxien Typ
Genort
Genprodukt
Phänotyp
SCA 1
6q23
Ataxin 1
CAG repeat, ADCA I
SCA 2
12q24
Ataxin 2
CAG repeat, ADCA I
SCA 3
14q24-32
Ataxin 3
CAG repeat ADCA I, MJD
SCA 4
16q22
Puratrophin 1
ADCA I oder III
SCA 5
11p11-q11
beta-Spectrin
ADCA III
SCA 6
19p13
CACNA1A
CAG repeat, ADCA III
SCA 7
3p21-12
Ataxin 7
CAG repeat, ADCA II
SCA 8
13q21
Ataxin 8
CTG repeat, ADCA III
SCA 10
2q13
Ataxin 10
Intron ATTCT repeat, ADCA III
SCA 11
15q14-21
n.b.
ADCA III, milde Spätform
SCA 12
5q21-33
PPP2R2B
5’ nicht übersetztes CAG repeat, ADCA I
SCA 13
19q13.3-13.4
KCNC3
Frühform, Entwicklungsretardierung
SCA 14
19q3.4
PKC-gamma
ADCA I oder III
SCA 15
3p26.1-25.3
n.b.
ADCA III, langsame Progression
SCA 16
8q22.1-q24
n.b.
ADCA III
SCA 17
6q27
TBP
CAG im TBP, ADCA I
SCA 18
7q22-32
n.b.
Sensomotorische Neuropathie
SCA 19/22
1p21-q21
n.b.
Kongnitive Ausfälle (bei SCA 19)
SCA 20
11p13-q11
n.b.
Verkalkung des Nucleus dentatus
SCA 21
7p21.3-15.1
n.b.
Extrapyramidale Symptome
SCA 23
20p13-12.3
n.b.
Hyperreflexie
SCA 25
2p21-13
n.b.
Frühform, sensorische Neuropathie
SCA 26
19p13.3
n.b.
ADCA III
SCA 27
13q34
FGF-14
ADCA I
SCA 28
18p11.22-q11.2
n.b.
Frühform, langsame Progression
ADCA autosomal-dominante zerebelläre Ataxie, ADCA I zerebelläre Ataxie mit zusätzlichen extrazerebellären Symptomen, ADCA II zerebelläre Ataxie mit Retinadegeneration, ADCA III zerebelläre Ataxie ohne zusätzliche extrazerebelläre Symptome, MJD MachdoJoseph-Erkrankung, CACNA1A spannungsabhängiger P/Q-Kalziumkanal, PPP2R2B Proteinphosphatase P2R2B, KCNC3 spannungsabhängiger Kaliumkanal, PKC-gamma Proteinkinase C-gamma, TBP TATA-box-bindendes Protein, FGF-14 Fibroblastenwachstumsfaktor-14, n.b. nicht bekannt
mit im Kindesalter beginnender progressiver Ataxie, okulomotorischer Dyspraxie, konjunktivalen, kutanen und seltener meningozerebralen Telangiektasien, zellulärer und humoraler Immundefizienz und gestörten DNA-Reparaturmechanismen. Etwa die Hälfte der Patienten entwickelt ein Malignom, meist Leukämien oder maligne Lymphome. Mit zunehmendem Alter treten gehäuft Karzinome, Melanome und Hirntumoren auf. Für die Erkrankung verantwortlich sind Mutationen im ATM-(„ataxia-telangiectasia mutated“-)Gen auf Chromo-
som 11q22, das zur Familie der Phosphatidylinositol-3Kinasen gehört [23, 34]. Neuropathologische Befunde sind ein massiver Ausfall der Purkinje-Zellen, geringer der Körnerzellen, Degeneration von Nucleus dentatus, unterer Olive, Substantia nigra, Locus coeruleus, Hinterstrang und Vorderhorn, Lewy-Körper-ähnliche neuronale Einschlüsse vor allem in der Substantia nigra sowie polymorphe, hyperchromatische Kerne, vor allem in der Adenohypophyse und in den Satellitenzellen der Spinalganglien.
238
Kapitel 9
a
9
Systematrophien
b
Abb. 9.4a,b Spinozerebelläre Atrophie. a Deutliche Atrophie des Kleinhirns. b Leere Körbe um untergegangene Pyramidenzellen (Immunhistochemie mit Antikörper gegen Neurofilament)
Dentato-Rubro-Pallido-Luys-Atrophie (DRPLA) Die DRPLA ist eine „Multisystematrophie“, die nosologisch diversen Krankheitsbildern zugeordnet werden kann, u. a. den autosomal-dominant vererbten spinozerebellären Ataxien und den Parkinson-plus-Syndromen. Es handelt sich hierbei um eine praktisch ausschließlich in Japan vorkommende autosomal-dominant vererbte Krankheit, aufgrund einer CAG-Repeat-Expansion im Atrophin-1-Gen auf Chromosom 12p.13.31. Klinisch finden sich abhängig vom Erkrankungsalter in unterschiedlicher Ausprägung myoklone Epilepsie, Ataxie, kognitive Ausfälle bis hin zur Demenz und Chorea. Vor allem im Erwachsenenalter kann die Abgrenzung zur HuntingtonKrankheit oder anderen Formen der spinozerebellären Ataxie schwierig sein. Atrophie, Degeneration, Nervenzellverlust und Gliose finden sich u. a. im lateralen Pallidum, Nucleus subthalamicus, Nucleus ruber, Nucleus dentatus, den davon abhängigen Fasersystemen und gelegentlich den Hintersträngen. In verschiedenen Hirnregionen finden sich in Neuronen und Gliazellen intranukleäre, für Ubiquitin und Atrophin 1 immunoreaktive Einschlüsse.
Gedächtnisverlust, Parkinsonismus, Paresen der unteren Extremitäten, periphere Neuropathie und autonome Dysfunktion charakterisiert ist. Neuropathologische Untersuchungen zeigen einen stark ausgeprägten Verlust an Purkinje-Zellen mit Bergmann-Gliose. In unterschiedlichen Hirnregionen finden sich intranukleäre eosinophile Einschlüsse in Neuronen und Astrozyten.
Differentialdiagnose Von den primären, meist hereditären, seltener sporadischen Formen der degenerativen Krankheiten mit Ataxie müssen die sekundären Krankheiten abgegrenzt werden, die zu symptomatischen Kleinhirnrindenläsionen führen können. Darunter fallen u. a. metabolische Krankheiten (u. a. Sphingolipidosen, Zeroidlipofuszinose, Adrenoleukodystrophie, Hypothyreose, Hypo- und Hyperparathyreoidismus, Hypoglykämie), toxische Schädigungen (Phenytoin, Alkohol), Paraneoplasien, Infektionen (Varizellen, Prionkrankheiten), postinfektiöse und postvakzinale immunologische Prozesse, chronische Ischämie durch Arteriosklerose der Kleinhirnarterien sowie perinatale Hypoxie.
Fragiles X-Tremor-/Ataxiesyndrom Degenerative Krankheiten mit Chorea Das fragile X-Syndrom, die häufigste Form der vererbten mentalen Retardierung, ist durch eine CGG-TrinukleotidExpansion (>200) im FMR1-Gen auf dem Chromosom Xq27.3 verursacht. Männer mit einer Trinukleotidexpansion von 75–150 CGG-Repeats (sog. Permuationslänge) können im Erwachsenenalter ein neurologisches Syndrom entwickeln, das durch eine Ataxie, Intentionstremor und in unterschiedlicher Ausprägung durch kognitive Defizite,
Huntington-Krankheit Es handelt sich um eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die auf einer CAG-Trinukleotidexpansion im Huntingtin-Gen auf Chromosom 4p16 beruht. Sie geht mit choreatischen Hyperkinesen, zunehmender Demenz und hochgradiger Atrophie des Neostriatums einher.
Degenerative Krankheiten mit Chorea
Klinik und Epidemiologie. Die Krankheit beginnt zwischen dem 5. und 80. Lebensjahr, meist jedoch in der 4. oder 5. Dekade. Neben der häufigsten klassischen Form, werden eine juvenile (>10%) und eine Spätform (>20%) unterschieden. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer der klassischen Form liegt zwischen 12 und 17 Jahren. Leitsymptom ist die hyperkinetische Chorea, worunter unwillkürliche, abrupt und irregulär einsetzende, nichtrepetitive und zufällig verteilt auftretende Bewegungen verstanden werden, die alle Körperregionen betreffen können. Progressive Demenz, Depression, Anorexie und eine Vielzahl weiterer fakultativer Symptome wie Akinese, Rigor, Tremor, Athetose, Dystonie, Ataxie, Spastik, Dysarthrie oder Psychose treten im Verlauf hinzu. Die Huntington-Krankheit ist mit einer Häufigkeit von etwa 5–10 pro 100.000 in Mitteleuropa die häufigste Ursache eines vererbten hyperkinetischen Syndroms. Die juvenile Form (Westphal-Variante, bei Beginn jünger als 16 Jahre, <10% der Patienten) ist durch einen initial dominierenden akinetisch-rigiden Parkinsonismus, häufigere paternale Vererbung (80–90%) und einen besonders schweren Verlauf gekennzeichnet. Typisch ist die Antizipation (s. unten), wobei innerhalb einer Familie der Erkrankungsbeginn zunehmend früher und die Ausprägung der Krankheit zunehmend schwerer wird. Genetik. Der Gendefekt der Huntington-Krankheit wird autosomal-dominant vererbt, etwa 0,04–0,1% der Fälle sind auf Neumutationen zurückzuführen. Der zugrunde liegende Gendefekt besteht aus einer verlängerten Wiederholung von CAG-Repeats im Gen IT15 („interesting transcript“) auf Chromosom 4. Das Gen IT15 kodiert für das Protein Huntingtin. Während die CAG-Repeatzahl normalerweise zwischen ca. 16 und 20 schwankt, liegt diese bei Huntington-Patienten in der Regel über 40. Zwischen 36 und 39 Repeats liegt ein Graubereich, in dem die Krankheit fakultativ ausbrechen kann. Die CAGRepeat-Zahl ist bei der Meiose instabil und kann besonders bei paternaler Vererbung stark zunehmen. Mit zunehmender Länge der CAG-Repeats kommt es zu einem früheren Krankheitsbeginn, wobei dieser Zusammenhang allerdings nur bei hohen Repeat-Zahlen ersichtlich ist. Die Länge der CAG-Repeats variiert von Generation zu Generation. Insbesondere bei paternaler Vererbung kommt es häufig zu einer Zunahme der CAGRepeat-Länge. Gegebenenfalls kann dies das Auftreten eines juvenilen Morbus Huntington nach sich ziehen. Das Phänomen des früheren Erkrankungsalter bei paternaler Vererbung wird als Antizipation bezeichnet. Ätiologie und Pathogenese. Wie die Mutation im Huntingtin-Gen zum bevorzugten Untergang striataler Neurone führt, ist immer noch unklar, zumal Huntingtin, ein Protein von 350 kD mit unbekannter Funktion, in somatischen Geweben ubiquitär exprimiert wird. Huntingtin scheint eine Rolle in der Embryogenese zu spielen, da ho-
239
mozygote Huntingtin-Knockout-Mäuse bereits am 8. Embryonaltag sterben und hemizygote Huntingtin-Knockout-Mäuse überleben, jedoch neurologische Defizite aufweisen. Ebenso ist die Rolle des mutierten Huntingtins unklar. Diverse transgene Mausmodelle, die auf einer Überexpression von trunkiertem oder nichttrunkiertem mutiertem Huntingtin beruhen, zeigen eine entsprechende Neurodegeneration, einschließlich der bei Huntington beobachteten intranukleären Huntingtin-positiven neuronalen Einschlüsse [37, 40]. Inwiefern diese Einschlüsse einen neurotoxischen oder neuroprotektiven Effekt aufweisen, wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Wie bei zahlreichen anderen neurodegenerativen Erkrankungen werden auch bei der Huntington-Krankheit pathogenetische Faktoren wie Exzitotoxizität, oxidativer Stress und mitochondriale Störungen diskutiert. Da Vorstufen der Quinolinsäure, ein potenter Agonist der NMethyl-D-Aspartat-(NMDA-)Gruppe der Glutamatrezeptoren, im Striatum von Choreapatienten vermehrt sind, könnten endogene Exzitotoxine oder das jeweils charakteristische Expressionsmuster von Glutamatrezeptoren eine Rolle beim Untergang bestimmter Neuronen spielen. Weitere diskutierte Faktoren sind eine Neurotoxizität von Dopamin, eine Störung von Transkriptionsmechanismen durch mutiertes Huntingtin und eine Bindung der verlängerten Polyglutaminkette an Glyceraldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase mit konsekutiver Inhibition der Glykolyse. Als Folge des Ausfalls kleiner Striatumneurone sind deren Enzyme und Neurotransmitter (GABA, met-Enkephalin, Substanz P) im Striatum stark reduziert im Vergleich zu denjenigen der großen Neurone (Somatostatin, Neuropeptid Y, NADPH-Diaphorase), deren Aktivität normal oder sogar gesteigert sein kann. Dabei soll der Verlust GABAerger inhibitorischer Neurone zum lateralen Pallidum eine vermehrte Inhibition des Nucleus subthalamicus und schließlich eine für die Symptomatik relevante Disinhibition thalamokortikaler Bahnen induzieren (s. Abb. 9.1). Morphologie. Makroskopisch steht im Vordergrund die Atrophie des Neostriatums mit einer Abflachung des Nucleus caudatus und entsprechender Erweiterung der Vorderhörner der Seitenventrikel (Abb 9.5a). Frontaler Kortex, Pallidum, Amygdala und Thalamus können fakultativ ebenfalls atrophisch sein. Der Balken kann verdünnt erscheinen. Mikroskopisch besteht im Neostriatum mit Schwerpunkt im ventralen und lateralen Nucleus caudatus eine starke, mitunter subtotale Reduktion der kleinen Neurone bei intensiver Astrogliose (Abb. 9.5b), bei relativer Zunahme der oligodendroglialen Zelldichte und relativem Verschontbleiben der mittelgroßen und großen Neurone. Betroffen sind besonders diejenigen Neurone, die in Golgi-Imprägnationen zahlreiche Stacheln an den Dendriten zeigen („spiny neurons“).
240
Kapitel 9
Systematrophien
a
b
c
d
9
Abb. 9.5a–d Huntington-Krankeit. a Hochgradige Atrophie des Kaudatumkopfs und Erweiterung der Seitenventrikel. b Deutlicher Nervenzellausfall im Kaudatumkopf mit ausgeprägter reaktiver As-
trogliose. c Fadenförmiger neuritischer Einschluss (Pfeil) und d intranukleärer Kerneinschluss (Pfeil) in der frontalen Hirnrinde (Immunhistochemie mit einem Antikörper gegen Ubiquitin)
Tabelle 9.7 Vonsattel-Gradierung des Striatums bei der Huntington-Krankheit Grad
Makroskopische Atrophie von
Mediale Oberfläche des Kaudatums
Neuronenverlust und Gliose in Kaudatum
Putamen
Pallidum
Kaudatum
Putamen
Pallidum
0
–
–
–
Konvex
–*
–
–
1
–
–
–
Konvex
+
(+)
–
2
+
(+)
-
Konvex
+
+
(+)
3
++
+
(+)
Gerade
++
+
(+)
4
+++
++
+
Konkav
+++
++
+
* nur morphometrisch nachweisbarer Neuronenverlust (30–40%) im Kaudatumkopf
Das pathologische Ausmaß der Striatumschädigung wird nach Vonsattel et al. [38, 39] auf einer 5-stufigen klinikkorrelierten Skala gradiert (Tabelle 9.7). Im Nucleus caudatus ist der Schwanz stärker als der Körper und dieser wiederum stärker als der Kopf betroffen. Im Putamen
sind kaudale und dorsale Regionen schwerer involviert als rostrale und ventrale Regionen. Im Krankheitsverlauf breiten sich die neostriatalen Läsionen von kaudal nach rostral und von dorsoventral nach mediolateral aus. In unterschiedlichem, meist aber deutlich
Degeneration mit Akinese, Tremor und Rigor
geringerem Ausmaß betroffen sind Pallidum, Nucleus subthalamicus, Nucleus accumbens, Nucleus ruber, Substantia nigra, ventrolateraler Thalamus, lateraler Hypothalamus, untere Oliven, Nucleus dentatus und Kleinhirnrinde (Reduktion der Purkinje-Zellen). Morphometrische Studien haben ferner einen Neuronenverlust im Neokortex, entorhinalen Kortex und im Hippokampus ergeben. Diagnostisch hilfreich ist der Nachweis intranukleärer und/oder neuritischer Einschlüsse mittels Antikörper gegen Ubiquitin und/oder Huntingtin (Abb. 9.5c,d) [25]. Einschlüsse finden sich im Neokortex und Hippocampus, seltener in Neostriatum, Amygdala, Nucleus dentatus und Nucleus ruber [7]. Nukleäre Einschlüsse finden sich vor allem bei Patienten mit langen CAG-Repeat-Expansionen.
Weitere Formen der Chorea Hereditäre Formen Unter dieses Kapitel fallen seltene autosomal-dominant (AD), autosomal-rezessiv (AR) und X-chromosomalrezessiv (XR) vererbte Erkrankungen, die entweder ausschließlich oder unter anderem eine choreatische Symptomatik aufweisen. Hierzu gehören u. a. die ChoreaAkanthozytose (Neuroakanthozytose, AR, CHAC-Gen), das McLeod-Syndrom (XK-Gen, XR), die Huntingtonähnliche Chorea 1 (AD, Prion-Gen) und 2 (AD, JPH3Gen) und die benigne hereditäre Chorea (AD, TITF-1Gen) [19]. Die Neuropathologie all dieser Erkrankungen ist oft nur wenig bekannt.
Chorea minor (Chorea Sydenham) Die Chorea minor tritt in den ersten beiden Dekaden 1– 6 Monate nach einer akuten Streptokokken-A-Infektion auf. Es handelt sich nicht um eine Systemdegeneration, sondern um eine Immunreaktion mit Antikörpern gegen striatale Neuronen. Neuropathologisch bestehen disseminierte perivaskuläre Lymphozyteninfiltrate und Gliaknötchen, seltener Arteriitiden oder Embolien. Die Prognose ist günstig, Rezidive und persistierende Symptome können aber vorkommen.
Differentialdiagnose Abzugrenzen sind insbesondere zahlreiche nichthereditäre Erkrankungen, die mit einer Chorea einhergehen können. Diese können medikamentös, infektiös, immunologisch, endokrin/hormonell, metabolisch, traumatisch, hypoxisch, neoplastisch oder vaskulär bedingt sein [19].
241
Degeneration mit Akinese, Tremor und Rigor Lewy-Körper-Krankheit Der Begriff Lewy-Körper-Krankheit umfasst ein Spektrum neurodegenerativer Erkrankungen, die neuropathologisch durch den Nachweis von Lewy-Körpern (LK) und Lewy-Neuriten (LN) charakterisiert sind. Dazu gehören: • Parkinson-Krankheit, • Demenz mit Lewy-Körpern (s. Kap. 8), • autonome Dysfunktion, • Lewy-Körper-Dysphagie. LK und LN verteilen sich in diesen Erkrankungen mit unterschiedlichen topischen Schwerpunkten, allerdings sind fließende Übergänge und Überlappungen eher Regel als Ausnahme. LK und LN bestehen zur Hauptsache aus dem präsynaptischen Protein-α-Synuklein, weshalb diese Gruppe von Erkrankungen zum Formenkreis der sog. αSynukleinopathien gehört. Diese erfasst neben den LKKrankheiten auch die multiple Systematrophie (s. unten).
Parkinson-Krankheit Die Parkinson-Krankheit ist durch die Symptomentrias Bradykinese/Akinese, Rigor und Ruhetremor mit Nervenzellverlust und LK in pigmentierten Hirnstammkernen definiert. Als Synonyme sind Paralysis agitans, idiopathischer Morbus Parkinson und Schüttellähmung gebräuchlich. Klinik und Epidemiologie. Die Häufigkeit der Parkinson-Krankheit nimmt mit steigendem Alter zu, wobei das mittlere Erkrankungsalter bei etwa 61 Jahren und die mittlere Krankheitsdauer bei rund 13 Jahren liegt. Seltenerweise tritt die Krankheit vor dem 40. Lebensjahr auf, wobei zwischen juvenilem (Beginn <21 Jahren) und frühem (Beginn zwischen 21 und 40 Jahren) Parkinsonismus unterschieden wird. Nach der Alzheimer-Krankheit ist die Parkinson-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, wobei von einer weltweiten Prävalenz von etwa 30–190 pro 100.000 auszugehen ist. Neben den Kardinalsymptomen Bradykinese/Akinese, Rigor und Ruhetremor können schon früh (evtl. als Erstmanifestion) vegetative Symptome auftreten, zudem in späteren Stadien Depression und Demenz (sog. Parkinson-Demenz, s. Kap. 8). Pathogenese. Die Pathogenese der Parkinson-Krankheit ist letztendlich unbekannt, doch wird eine komplexe Interaktion zwischen Umweltfaktoren und genetisch bedingten Faktoren diskutiert. Wie bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen auch werden insbesondere ab-
242
Kapitel 9
Systematrophien
Tabelle 9.8 Genetik der hereditären Parkinson-Krankheit
9
Name
Locus
Genprodukt
Vererbung
Pathologie
PARK1
4q21
α-Synuclein
AD
Deg. Sn, LK
PARK2
6q25-27
Parkin
AR
Deg. Sn, keine LK
PARK3
2p13
n.b.
AD
Deg. Sn, LK (einige mit SP, NFT)
PARK4
4q21
α-Synuclein*
AD
Deg. Sn, Lk
PARK5
4p14
UCHL-1
AD
n.b.
PARK6
1p35-37
PINK1
AR
n.b.
PARK7
1p38
DJ-1
AR
n.b.
PARK8
12cen
LRRK2
AD
unterschiedlich, α-Syn +/– τ Pathologie
PARK9
1p36
ATP13A2
AR
n.b.
PARK10
1p32
n.b.
AD (?)
n.b.
PARK11
2q34
n.b.
AD (?)
n.b.
PARK12
Xq31
n.b.
X
n.b.
PARK13
2p12
OmiHtrA2
n.b.
n.b.
AD autosomal-dominant, AR autosomal-rezessiv, X X-chromosomal, Sn Substantia nigra, LK Lewy-Körper, SP senile Plaques, NFT neurofibrilläre Tangles, α-Synuklein* im Gegensatz zu PARK1 finden sich hier nicht Mutationen, sondern Duplikationen oder Triplikationen des α-Synukleingens, UCHL-1 Ubiquitin-C-terminale Hydrolase L1, PINK1 PTEN-induziere Kinase 1, LRKK2 Leucine-reiche Repeat-Kinase 2, ATP13A2 lyosomale ATPase, OmiHTrA2 Serin-Protease HTrA2, auch Omi genannt, n.b. nicht bekannt
norme Proteinaggregation (α-Synuklein), defekter Proteinabbau (defektes Ubiquitin-Proteasomen-System) und mitochondriale Dysfunktion mit nachfolgend oxidativem Stress, Bildung freier Radikale, Neuroinflammation und Exzitotoxizität mit ins Feld geführt [14, 36]. Für die klinische Manifestation spielt der Ausfall dopaminerger nigrostriataler Neurone mit entsprechender Reduktion von Dopamin eine zentrale pathogenetische Rolle. Zusätzliche Schädigungen nichtdopaminerger Systeme führen zu zahlreichen weiteren Neurotransmitter- bzw. Neuromodulatorstörungen, die Grundlage der individuellen komplexen klinischen Manifestationen sind [20]. Klassische Symptome sollen erst dann auftreten, wenn über 50% der nigrostriatalen Neurone ausgefallen sind. Genetik. Familiäre Formen der Parkinson-Krankheit mit Mendel’schem Erbgang sind relativ selten und machen weniger als 10% aller Fälle aus. Derzeit sind 13 Genorte lokalisiert und 9 Gene identifiziert worden (Tabelle 9.8) [3]. Mutationen im α-Synuklein-Gen und häufiger im LRRK2-Gen führen zu autosomal-dominant vererbter Parkinson-Krankheit. Autosomal-rezessiv vererbte Frühformen der Parkinson-Krankheit werden insbesondere durch Parkin-Genmutationen verursacht. Eine besondere Rolle kommt dem Protein α-Synuklein zu, da neben den seltenen α-Synuklein-Genmutationen die mit Abstand häufigste sporadische Form der
Parkinson-Krankheit aus α-Synuklein bestehende LK und LN aufweist. Morphologie. Bereits makroskopisch ist in vielen Fällen eine Abblassung der Substantia nigra (Abb. 9.6a), manchmal auch des Locus coeruleus, bis hin zum vollständigen Pigmentverlust sichtbar [17]. Die Ursache besteht in einem mikroskopisch nachweisbaren Untergang der melaninhaltigen und tyrosinhydroxylasepositiven Nervenzellen vor allem in den zelldichtesten Arealen der Zona compacta der Substantia nigra (Area A9), geringer in der Area retrorubralis (A8) und im ventralen Tegmentum (VTA, A10); das Melanin liegt frei im Neuropil („Pigmentinkontinenz“) oder wird phagozytiert. Es besteht eine Astroglia- und Mikrogliareaktion (Abb. 9.6b). Lateral sind mehr nigrale Neurone als medial ausgefallen [17]. Charakteristisch sind Lewy-Körper (LK) in den verbliebenen Neuronen der Substantia nigra und des Locus coeruleus (Abb. 9.6c). Es handelt sich hierbei um rundliche, homogene, eosinophile intrazytoplasmatische Einschlüsse von 5–25 μm mit einem schmalen hellen Saum, der elektronenmikroskopisch aus radiär orientierten Neurofilamenten besteht, während die zentralen Anteile dicht gepackte Filamente, granuläres und vesikuläres Material aufweisen. LK lassen sich immunhistochemisch besonders gut mit Antikörpern gegen α-Synuklein nachweisen (Abb. 9.6d). LN lassen sich im Gegensatz zu den LK nur immunhistochemisch (α-Synuklein, Ubiquitin),
Degeneration mit Akinese, Tremor und Rigor
243
a
b
c
d
Abb. 9.6a–d Parkinson-Krankheit. a Mittelhirnquerschnitte: deutliche Abblassung der Substantia nigra bei Parkinson-Krankheit (links) im Vergleich zur kräftigen Pigmentierung bei einer Kontrollperson (rechts). b Nervenzellverlust und deutliche reaktive Gliose in der Pars compacta der Substantia nigra. c In einer noch verbliebe-
nen Nervenzelle findet sich ein Lewy-Körper (Pfeil); d Immunhistochemische Färbung mit einem Antikörper gegen α-Synuklein zeigt Lewy-Körper und zahlreiche Lewy-Neuriten. Letztere sind in der HE-Färbung nicht darstellbar
nicht aber mit konventionellen Färbemethoden darstellen (Abb. 9.6d). Eine diffuse Immunoreaktivität für α-Synuklein findet sich in den sog. „pale bodies“, schwach eosinophile Einschlüsse, die ringartig von Neuromelanin umgeben sind. Die modernen immunhistochemischen Methoden machen es im Gegensatz zu früher zwar wesentlich einfacher, LK und LN nachzuweisen, allerdings erlaubt der bloße Nachweis von LK und LN alleine noch nicht die Diagnose einer Parkinson-Krankheit. In der Tat finden sich in Gehirnen von asymptomatisch Verstorbenen in bis zu 13% der Fälle LK und LN (sog. „incidental Lewy body disease“) [4]. Im Gegensatz zum bloßen Nachweis von LK und LN scheint dem Ausmaß des Untergangs nigrostriataler Neurone in Bezug auf klinische Symptome eine diagnostisch bedeutendere Rolle zuzukommen. LK und LN sind bei weitem nicht nur auf Substantia nigra und Locus coeruleus beschränkt. Neben zahl-
reichen Kerngebieten im Hirnstamm, finden sich LK und LN auch in neokortikalen Hirnregionen und in subkortikalen Kerngebieten, wie z. B. in der Amygdala. Im Gegensatz zu den LK im Hirnstamm, sind kortikale LK nur schwach eosinophil ohne einen hellen Randsaum und werden deshalb in den Routinefärbungen meist übersehen. Ähnlich wie für die τ-Pathologie (Tangles, Threads) bei der Alzheimer-Krankheit wurde kürzlich eine Stadieneinteilung hinsichtlich der zeitlich-räumlichen Ausbreitung der Lewy-Pathologie bei der Parkinson-Krankheit beschrieben. Demnach soll die Pathologie in kaudalen Anteilen des Hirnstamms (Medulla oblongata) ihren Anfang nehmen und sich danach via pontine Kerngebiete über das Mittelhirn in diverse kortikale und subkortikale Großhirnregionen ausbreiten [5, 8]. Frühste Veränderungen der Lewy-Pathologie wurden zudem auch im zentralen (Rückenmark) und peripheren autonomen
244
Kapitel 9
Nervensystem beschrieben [4]. Da sich in Spätstadien der Parkinson-Erkrankung LK und LN in beträchtlichem Umfang in zahlreichen Großhirnregionen finden, ist rein neuropathologisch, d. h. ohne Kenntnisse der klinischen Symptome, eine Abgrenzung zur Demenz mit Lewy-Körper praktisch nicht möglich.
Progressive supranukleäre Paralyse Es handelt sich um eine in den meisten Fällen sporadische Erkrankung mit progressiver Bradykinese und vertikaler Blickparese, bedingt durch einen Nervenzellausfall mit neuronalen und glialen τ-Einschlüssen in Hirnstamm und Stammganglien. Als Synonym gebräuchlich ist das Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom.
9
Klinik und Epidemiologie. Im Vergleich zur Parkinson-Krankheit ist die progressive supranukleäre Paralyse (PSP) deutlich seltener, mit einer Prävalenz von etwa 6 Fällen pro 100.000. Die Krankheit manifestiert sich mit etwa 60 Jahren. Klinisch stehen Parkinson-Symptome im Vordergrund, insbesondere aber eine vertikale Blickparese und rezidivierende Stürze. Früh beginnende Demenz (meist vom frontotemporalen Typ), Dysphagie, Dysarthrie, ausgeprägter Nackenrigor und Störungen der mimischen Muskulatur sind weitere klinische Symptome [33]. Es wurde in einer Subgruppe von PSP-Patienten eine atypische klinische Manifestion beschrieben, die sich zumindest im Frühstadium kaum von der klassischen Parkinson-Krankheit unterscheiden lässt [42]. Das Geschlechterverhältnis ist in etwa ausgeglichen. Die Erkrankung verläuft stetig progredient, die durchschnittliche Überlebensdauer beträgt etwa 6 Jahre.
a
Systematrophien
Genetik. Hereditäre Fälle kommen sehr selten vor, in einigen wenigen sind τ-Genmutationen beschrieben. PSPFälle sind häufiger mit dem sog. H1-Haplotyp des τ-Gens assoziiert [15]. LRKK-Genmutationen können ebenfalls zum klinisch-pathologischen Bild einer PSP führen (s. Tabelle 9.8). Morphologie. Makroskopisch findet sich klassischerweise eine Atrophie des Nucleus subthalamicus, des Mittelhirns, des Tegmentum pontis und des oberen Kleinhirnschenkels. Die Substantia nigra und in geringerem Ausmaß der Locus coeruleus erscheinen abgeblasst. Dritter und vierter Ventrikel einschließlich des Aquädukts sind erweitert. In einigen Fällen findet sich ferner eine Atrophie der frontalen und temporalen Hirnrinde. Mikroskopisch sind zahlreiche Regionen degeneriert, so Pallidum, Nucleus subthalamicus, Substantia nigra, Brückenfußkerne, Striatum (große Neuronen), Thalamus, Nucleus ruber, Nucleus dentatus, Locus coeruleus, obere Vierhügel- und andere Hirnstammkerne. Diese Regionen zeigen in unterschiedlichem Ausmaß einen Verlust an Neuronen und eine Gliose. Hauptmerkmal der PSP sind argyrophile neuronale und gliale Einschlüsse, die zur Hauptsache aus dem abnorm phosphorylierten τ-Protein bestehen, wobei die sog. 4-Repeat-τIsoformen vorherrschen (s. Kap. 8). Die neurofibrillären Läsionen der PSP bestehen aus Tangles (insbesondere „globose tangles“; Abb. 9.7a) und neuritischen Neuropilfäden („threads“). Die gliale τ-Pathologie findet sich sowohl in Oligodendrozyten (in Form von „coiled bodies“) als auch in Astrozyten. Letztere finden sich in Form sog. „tufted astrocytes“ und sind, wenn auch nicht pathognomonisch, charakteristisch für die PSP (Abb. 9.7b).
b
Abb. 9.7a,b Progressive supranukleäre Paralyse. a So genannte „globose tangles“ im Striatum (phosphorylierungsabhängiger Antikörper gegen τ). b „Tufted astrocyte“ in der Gallyas-Versilberung
Degeneration mit Akinese, Tremor und Rigor
Kortikobasale Degeneration Die kortikobasale Degeneration (CBD, auch kortikobasalganglionäre Degeneration genannt) ist charakterisiert durch einen in der Regel sporadischen progressiven Parkinsonismus und neuropsychologische Störungen, die mit Nervenzellausfall und ausgeprägter τ-Pathologie in der Substantia nigra, Stammganglien und Neokortex einhergehen. Klinik und Epidemiologie. Die Krankheit ist äußerst selten, die Prävalenz dürfte unter 1 pro 100.000 Fälle liegen. Das Erkrankung manifestiert sich im Alter zwischen 50 und 70 Jahren. Das klinische Bild ist oft seitenbetont, im Vordergrund steht ein akinetisch rigides Hemiparkinsonsyndrom. Myoklonien fokale Dystonien, Dysphasien, Apraxien und kognitive Störungen sind weitere Symptome [33]. Letztere können insbesondere unter dem Bild einer frontotemporalen Demenz schon früh auftreten [13].
a
c Abb 9.8a–d Kortikobasale Degeneration. a Rindenatrophie in der Präzentralregion. b Balloniertes Neuron im prämotorischen Kortex. c Zahlreiche fadenförmige neuritische Einschlüsse („threads“) und
245
Genetik. Die CBD ist in den meisten Fällen sporadisch, einzelne familiäre Fälle mit τ-Genmutationen sind beschrieben. Wie die PSP, so ist auch die CBD häufiger mit dem H1-τ-Gen Haplotyp assoziiert [15]. Morphologie. Makroskopisch besteht oft eine asymmetrische Atrophie der Großhirnrinde, insbesondere der prä- und postzentralen Region (Abb. 9.8a). In Fällen mit frontotemporaler Demenz können zudem die frontale und temporale Rindenregion atrophisch erscheinen. Die Substantia nigra ist abgeblasst. Mikroskopisch erscheint die betroffen Großhirnrinde verschmälert, es findet sich ein oftmals ausgeprägter Neuronenverlust, Gliose und laminär ausgerichtete Spongiose, mit Betonung in den oberen Rindenschichten. Ballonierte Neuronen („ballooned neurons“) sind typisch, jedoch nicht pathognomonisch für die CBD (Abb. 9.8b). Globus pallidus, Striatum, Nucleus subthalamicus, Thalamus, Nucleus ruber, Substantia nigra und diverse pontine Kerngebiete zeigen einen unterschiedlich ausge-
b
d oligodendrogliale Einschlüsse (Pfeile) dargestellt mittels GallyasVersilberung. d „Astrocytic plaque“ markiert durch Pfeilspitzen (phosphorylierungsabhängiger Antikörper gegen τ)
246
Kapitel 9
prägten Nervenzelluntergang mit Gliose. Auch die CBD ist durch eine ausgeprägte argyrophile τ-Pathologie charakterisiert, wiederum, ähnlich wie bei der PSP, sind es auch hier überwiegend abnorm phosphorylierte 4-Repeat-τ-Isoformen, die sowohl in Neuronen als auch in Gliazellen abgelagert werden. Neben neurofibrillären Tangles, finden sich insbesondere in subkortikalen Kerngebieten eine sehr hohe Anzahl an Neuropilfäden („threads“, Abb. 9.8c) und in der weißen Substanz oligodendrogliale Einschlüsse in Form von „coiled bodies“ (Abb. 9.8c). Typisch für die CBD sind astrozytäre Plaques („astrocytic plaques“, Abb. 9.8d). Im Gegensatz zu den senilen Plaques (s. Kap. 7) findet sich in astrozytären Plaques kein β-Amyloid.
Multiple Systematrophie
Systematrophien
phie des Putaments mit grünlich-dunkler Verfärbung liegt bei der MAS-P vor (Abb. 9.9a). Substantia nigra und Locus coeruleus erscheinen abgeblasst. Mikroskopisch. Lokalisation und Schweregrad des Neuronenverlusts, der Gliose und der Marklagerveränderungen variieren stark, sind vom MSA-Typ abhängig und umfassen in unterschiedlicher Ausprägung Großhirnrinde, subkortikale Kerngebiete, Marklager, Mittelhirn, Kleinhirn, Brücke, Medulla oblongata und Rückenmark. Unabhängig von dieser Verteilung ist die MSA durch argyrophile, insbesondere α-Synuklein-immunoreaktive Einschlüsse charakterisiert: • gliale zytoplasmatische Einschlüsse (Abb. 9.9b), • neuronale zytoplasmatische Einschlüsse (Abb. 9.9c), • gliale und neuronale nukleäre Einschlüsse, • Neuropilfäden („threads“; Abb. 9.9c).
9 Historisch gesehen vereint der heutige Begriff der multiplen Systematrophie (MSA) drei Erkrankungen, die früher aufgrund ihrer Klinik und topographisch-anatomischen Verteilung der Pathologie als separate Entitäten geführt wurden: olivopontozerebelläre Atrophie (überwiegend zerebelläre Ataxie), striatonigrale Degeneration (überwiegend Parkinsonismus) und das Shy-Drager-Syndrom (überwiegend autonome Dysfunktion). All diesen Entitäten sind pathognomonische gliale zytoplasmatische Einschlüsse („glial cytoplasmic inclusions“ – GCI) gemeinsam, die zur Hauptsache aus α-Synuklein bestehen. Damit gehört die MSA zum Formenkreis der α-Synukleinopathien. Klinik und Epidemiologie. Je nach topographischer Ausbreitung der Pathologie resultiert im Spektrum der MSA ein unterschiedliches Krankheitsbild, welches aber im weitesten Sinne dem „Parkinson-plus-Syndrom“ zugeordnet werden kann. Diagnostische Konsensuskriterien empfehlen, dass die MSA nach den vorherrschenden motorischen Symptomen eingeteilt werden soll [12]: • MSA-P: Fälle mit vorherrschendem Parkinsonismus, • MSA-C: Fälle mit zerebellärer Symptomatik, wie z. B. Ataxie. Der Begriff „Shy-Drager-Syndrom“ wird nicht länger verwendet. Die Erkrankung beginnt in der Regel in der 4. bis 6. Dekade, der Verlauf ist progredient und beträgt im Mittel etwa 6 Jahre. Die Prävalenz liegt in der Größenordnung von 4 Fällen pro 100.000. Genetik. Derzeit ist für die MSA keine Genmutation bekannt, insbesondere keine Mutation des α-SynukleinGens. Morphologie. Makroskopisch findet sich eine Atrophie der Großhirnrinde (insbesondere bei MSA-C), eine Atro-
Weitere Formen des Parkinsonismus Zahlreiche andere Erkrankungen können mit Parkinsonismus oder einem Parkinson-plus-Syndrom einhergehen, u. a.: Vaskulärer Parkinsonismus: Multiinfarktenzephalopathie, Binswanger-Kranheit, insbesondere aber ein Status cribrosus der Stammganglien (Globus pallidus, Abb. 9.10a) können ursächlich einen Parkinsonismus bedingen. Toxisch bedingter Parkinsonismus: Bei MPTP-Intoxikation, die experimentell als In-vivo-Modell bei Primaten oder bei Drogenabhängigen durch verunreinigtes Heroin hervorgerufen wird, finden sich in der Substantia nigra Nervenzellverluste und eosinophile Einschlusskörper, die aber nicht Lewy-Körpern entsprechen. Beim neuroleptikainduzierten Parkinsonismus bestehen keine sicheren morphologischen Veränderungen. Postenzephalitischer Parkinsonismus. Dieser trat im Durchschnitt 9 Jahre nach der Encephalitis-lethargica(Economo-)Pandemie von 1915–1927 auf, wird aber heute nur noch äusserst selten beobachtet. Es bestehen subtotale Nervenzellausfälle und Tangles vom Alzheimer-Typ in der Substantia nigra und in anderen Kernen des oberen Hirnstamms bei relativ gut erhaltenem Neokortex 9. Die Dementia pugilistica, eine bei 9–50% der Boxveteranen auftretende, oft mit Parkinson-Symptomatik und Psychose verbundene, teils progressive Demenz, ist charakterisiert durch eine Atrophie von Neokortex, Substantia nigra und Locus coeruleus mit zahlreichen Tangles und Neuropilfäden, daneben auch Plaques, wie bei der Alzheimer-Krankheit 35. Inflammatorische, neoplastische oder traumatische Läsionen, welche die Subsantia nigra oder nigrale Bahnen schädigen können ebenfalls mit einer ParkinsonSymptomatik einhergehen.
Literatur
247
b
a Abb. 9.9a–c Multiple Systematrophie. a Horizontalschnitt auf Höhe der Stammganglien. Deutliche Atrophie und schmutzig grau-grünliche Verfärbung des Putamen. b Gliale zytoplasmatische Einschlüsse in Oligodendrozyten (Gallyas-Versilberung). c Neuronale zyto-
c plasmatische (Pfeile) und zahlreiche fadenförmige („threads“) neuritische Einschlüsse im Hirnstamm (Immunhistochemie mit einem Antikörper gegen α-Synuklein)
Literatur 1.
2.
3.
4. Abb. 9.10 Vaskulär bedingte Parkinson-Krankheit. Deutlicher Status cribrosus und Astrogliose im Globus pallidus
Albin RL, Young AB, Penney JB (1989) The functional anatomy of basal ganglia disorders. Trends Neurosci 12: 366–375 Arai T, Hasegawa M, Akiyama H, Ikeda K, Nonaka T, Mori H, Mann D, Tsuchiya K, Yoshida M, Hashizume Y, Oda T (2006)TDP-43 is a component of ubiquitin-positive tau-negative inclusions in frontotemporal lobar degeneration and amyotrophic lateral sclerosis. Biochem Biophys Res Commun 351: 602–611 Biskup S, Gerlach M, Kupsch A, Reichmann H, Riederer P, Vieregge P, Wüllner U, Gasser T (2008) Genes associated with Parkinson syndrome. J Neurol 255 Suppl 5: 8–17 Bloch A, Probst A, Bissig H, Adams H, Tolnay M (2006) Alpha-synuclein pathology of the spinal and peripheral autonomic nervous system in neurologically unimpaired elderly subjects. Neuropathol Appl Neurobiol 32: 284–295
248
Kapitel 9
5.
6.
7.
8.
9.
9
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
Braak H, Del Tredici K, Rüb U, de Vos RA, Jansen Steur EN, Braak E (2003) Staging of brain pathology related to sporadic Parkinson’s disease. Neurobiol Aging 24:197-211 Bruijn LI, Miller TM, Cleveland DW (2004) Unraveling the mechanisms involved in motor neuron degeneration in ALS. Annu Rev Neurosci 27: 723–749 Braak H, Braak E (1992) Allocortical involvement in Huntington’s disease. Neuropathol Appl Neurobiol 18: 539–547 Del Tredici K, Rüb U, De Vos RA, Bohl JR, Braak H (2002) Where does parkinson disease pathology begin in the brain? J Neuropathol Exp Neurol 61: 413–426 Geddes JF, Hughes AJ, Lees AJ, Daniel SE (1993) Pathological overlap in cases of parkinsonism associated with neurofibrillary tangles. A study of recent cases of postencephalitic parkinsonism and comparison with progressive supranuclear palsy and Guamanian parkinsonism-dementia complex. Brain 116: 281–302 Geser F, Martinez-Lage M, Robinson J, Uryu K, Neumann M, Brandmeir NJ, Xie SX, Kwong LK, Elman L, McCluskey L, Clark CM, Malunda J, Miller BL, Zimmerman EA, Qian J, Van Deerlin V, Grossman M, Lee VM, Trojanowski JQ (2009) Clinical and pathological continuum of multisystem TDP-43 proteinopathies. Arch Neurol 66: 180–189 Geser F, Winton MJ, Kwong LK, XuY, Xie SX, Igaz LM, Garruto RM, Perl DP, Galasko D, Lee VM, Trojanowski JQ (2007) Pathological TDP-43 in parkinsonism-dementia complex and amyotrophic lateral sclerosis of Guam. Acta Neuropathol 115: 133–145 Gilman S, Wenning GK, Low PA, Brooks DJ, Mathias CJ, Trojanowski JQ, Wood NW, Colosimo C, Dürr A, Fowler CJ, Kaufmann H, Klockgether T, Lees A, Poewe W, Quinn N, Revesz T, Robertson D, Sandroni P, Seppi K, Vidailhet M (2008) Second consensus statement on the diagnosis of multiple system atrophy. Neurology 71: 670–676 Grimes DA, Lang AE, Bergeron CB (1999) Dementia as the most common presentation of cortical-basal ganglionic degeneration. Neurology 53: 1969–1974 Henchcliffe C, Beal MF (2008) Mitochondrial biology and oxidative stress in Parkinson disease pathogenesis. Nat Clin Pract Neurol 4: 600–609 Houlden H, Baker M, Morris HR, MacDonald N, Pickering-Brown S, Adamson J, Lees AJ, Rossor MN, Quinn NP, Kertesz A, Khan MN, Hardy J, Lantos PL, St George-Hyslop P, Munoz DG, Mann D, Lang AE, Bergeron C, Bigio EH, Litvan I, Bhatia KP, Dickson D, Wood NW, Hutton M (2001) Corticobasal degeneration and progressive supranuclear palsy share a common tau haplotype. Neurology 56:1702–1706 Ince PG, Lowe J, Shaw PJ (1998) Amyotrophic lateral sclerosis: current issues in classification, pathogenesis and molecular pathology. Neuropathol Appl Neurobiol 24: 104–117 Jellinger K, Mizuno Y (2003) Parkinson’s disease. In: Dickson D (ed) Neurodegeneration: the molecular pathology
Systematrophien
18. 19. 20. 21. 22.
23.
24. 25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34. 35.
of dementia and movement disorders. ISN Neuropath Press, Basel, pp159–187 Kaplan JC (2009) The 2009 version of the gene table of neuromuscular disorders. Neuromuscul Disord 19: 77–98 Kosinski CM, Landwehrmeyer B (2007) Choreatische Bewegungsstörungen. Nervenarzt 78 Suppl 1: 37–50 Lang EA, Lozano AM (1998) Parkinson’s disease (first of two parts). N Engl J Med 339: 1044–1053 Lang EA, Lozano AM (1998) Parkinson’s disease (second of two parts. N Engl J Med 339: 1130–1143 Leigh PN, Whitwell H, Garofalo O et al. (1991) Ubiquitinimmunoreactive intraneuronal inclusions in amyotrophic lateral sclerosis. Morphology, distribution, and specificity. Brain 114: 775–788 Li A, Swift M (2000) Mutations at the ataxia-telangiectasia locus and clinical phenotypes of A-T patients. Am J Med Genet 92: 170–177 Lunn MR, Wang CH (2008) Spinal muscular atrophy. Lancet 371: 2120–2133 Maat-Schieman M, Roos R, Losekoot M et al. (2007) Neuronal intranuclear and neuropil inclusions for pathological assessment of Huntington’s disease. Brain Pathol 17: 31–37 Matsumoto S, Kusaka H, Murakami N et al. (1992) Basophilic inclusions in sporadic juvenile amyotrophic lateral sclerosis: an immunocytochemical and ultrastructural study. Acta Neuropathol 83: 579–583 Neumann M, Sampathu DM, Kwong LK et al. (2006) Ubiquitinated TDP-43 in frontotemporal lobar degeneration and amyotrophic lateral sclerosis. Science 314: 130–133 Rabin BA, Griffin JW, Crain BJ, Scavina M, Chance PF, Cornblath DR (1999) Autosomal dominant juvenile amyotrophic lateral sclerosis. Brain 122: 1539–1550 Pringle CE, Hudson AJ, Munoz DG, Kiernan JA, Brown WF, Ebers GC (1992) Primary lateral sclerosis. Clinical features, neuropathology and diagnostic criteria. Brain 115: 495–520 Salinas S, Proukakis C, Crosby A, Warner TT (2008) Hereditary spastic paraplegia: clinical features and pathogenic mechanisms. Lancet Neurol 7: 1127–1138 Shankar SK, Gourie-Devi M, Shankar L, Yasha TC, Santosh V, Das S (2000) Pathology of Madras type of motor neuron disease (MMND). A histological and immunohistochemical study. Acta Neuropathol 99: 428–434 Shimada A, Lange DJ, Hays AP (1999) Amyotrophic lateral sclerosis in an adult following acute paralytic poliomyelitis in early childhood. Acta Neuropathol 97: 317–321 Sha S, Hou C, Viskontas IV, Miller BL (2006) Are frontotemporal lobar degeneration, progressive supranuclear palsy and corticobasal degeneration distinct diseases? Nat Clin Pract Neurol 2: 658–665 Taylor AM, Byrd PJ (2005) Molecular pathology of ataxia telangiectasia J Clin Pathol 58: 1009–1015 Tokuda T, Ikeda S, Yanagisawa N, Ihara Y, Glenner GG (1991) Re-examination of ex-boxers’ brains using immunohistochemistry with antibodies to amyloid E-protein and tau protein. Acta Neuropathol 82: 280–285
Literatur
36. 37.
38. 39.
Toulouse A, Sullivan AM (2008) Progress in Parkinson’s disease-where do we stand. Prog Neurobiol 85: 376–392 Vonsattel JP (2008) Huntington disease models and human neuropathology: similarities and differences. Acta Neuropathol 115: 55–69 Vonsattel JP, DiFiglia M (1998) Huntington disease. J Neuropathol Exp Neurol 57: 369–384 Vonsattel JP, Myers RH, Stevens TJ Ferrante RJ, Bird ED, Richardson EP Jr (1985) Neuropathological classification of Huntington’s disease. J Neuropathol Exp Neurol 44: 559–577
249
40. 41. 42.
Walker FO (2007) Huntington’s disease. Semin Neurol 27: 143–150 Wijesekera LC, Leigh PN (2009) Amyotrophic lateral sclerosis. Orphanet J Rare Dis 4: 3 Williams DR, de Silva R, Paviour DC et al. (2005) Characteristics of two distinct clinical phenotypes in pathologically proven progressive supranuclear palsy: Richardson’s syndrome and PSP-parkinsonism. Brain 128: 1247–1258
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
10
W. Roggendorf Inhalt Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
Gefäße des ZNS und ihre Versorgungsund Drainagebereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
Arterielle Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
Venöse Drainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
255
Spinale Blutversorgung . . . . . . . . . . . . . . . .
256
Aufbau der ZNS-Gefäße und Unterscheidungskriterien . . . . . . . . . . . .
256
Perivaskuläre Drainage der interstitiellen Flüssigkeit . . . . . . . . . . . . .
257
Globale Ischämien (hypoxische Hirnschäden) . . . .
263
Intravitaler Hirntod . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265
Regionale Ischämien (anämische Hirninfarkte) . . .
265
Kolliquationsnekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
Koagulationsnekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . .
268
Gliale Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
269
Lakunärer Infarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
269
Inkomplette Nekrose (elektive Parenchymnekrose) .
269
Hämorrhagische Infarkte . . . . . . . . . . . . . . . .
269
Physiologie und Pathophysiologie der Hirndurchblutung und des Hirnstoffwechsels . . . .
257
Spontane intrakranielle Blutungen . . . . . . . . . . . .
270
Autoregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257
Hypertensive Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . .
270
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt . . . . . . . . . . . . . .
258
Massenblutungen bei anderen Krankheiten . . . . . .
272
Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273
Ischämieformen und neuropathologischer Befund .
258
Sakkuläre Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . .
273
Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
Arteriosklerotische Aneurysmen . . . . . . . . . . .
274
Herdverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
Entzündliche Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . .
275
Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . .
260
Disseziierende Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . .
275
Selektive Vulnerabilität, Apoptose, Penumbra . . . .
260
Gefäßspasmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
Exzitotoxizität und Genexpression nach Ischämie .
261
Hirngefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
Entzündung, Neurogenese, Angiogenese . . . . . . .
261
Arteriosklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
Neuroprotektion, Konditionierung . . . . . . . . . .
262
Altersveränderungen an Hirngefäßen (Seneszentenarteriosklerose) . . . . . . . . . . . . .
278
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
252
Kapitel 10 Zerebrale Mikroangiopathie („small vessel disease“)
10
Kreislaufstörungen des ZNS
278
Kalzifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287
Atherosklerose kleiner Gefäße . . . . . . . . . . . . .
278
Verkalkungen der Pallidumgefäße . . . . . . . . . .
287
Arteriolosklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278
Fahr-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287
Fibrinoide Nekrose, (Lipo)Hyalinose . . . . . . . . .
278
Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288
Mikroaneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278
Hypoglykämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288
Multiinfarktdemenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279
Coma diabeticum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
Binswanger-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279
Thrombotische Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . .
289
CADASIL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
281
Arterielle Thrombosen . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
Zerebrale Amyloidangiopathie . . . . . . . . . . . . .
282
Thrombosen der Hirnvenen und Sinus . . . . . . . .
289
Vaskulitiden und andere Angiopathien . . . . . . . .
283
Blut-Hirn-Schranke und Hirnödem . . . . . . . . . . . .
291
Primäre Angiitis des ZNS . . . . . . . . . . . . . . .
283
Pathogenetische Aspekte (Ödemausbreitung, Ödemformen) . . . . . . . . . . .
291
Panarteriitis nodosa . . . . . . . . . . . . . . . . . .
283 Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) . . . . . .
284 Ödemdrainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
Wegener-Granulomatose . . . . . . . . . . . . . . .
285 Kreislaufstörungen des Rückenmarks . . . . . . . . . . .
293
Riesenzellarteriitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285 Ischämische Rückenmarkinfarkte . . . . . . . . . . .
293
Thrombendangitis obliterans . . . . . . . . . . . . .
285 Vaskuläre Fehlbildungen und Myelopathien . . . . .
294
Sneddon-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
Takayasu-Arteriitis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287
Angiodyskinetische nekrotisierende Myelopathien (Foix-Alajouanine) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
Moya-Moya-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . .
287
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
Fibromuskuläre Dysplasie . . . . . . . . . . . . . . .
287
Grundlagen Gefäße des ZNS und ihre Versorgungs- und Drainagebereiche Arterielle Versorgung Normale Anatomie
Die Kenntnis der normalen Anatomie der zentralnervösen Gefäße und ihrer Versorgung ist die Voraussetzung für die Deutung eines Nekrose- oder Blutungsbezirks. Bestimmte topographische Verteilungen erlauben viel-
fach auf den ersten Blick eine Aussage darüber, ob eine venöse Abflussstörung oder der Verschluss eines bestimmten Arterienastes vorlag, ob das Grenzgebiet von Arterien betroffen ist oder ob angesichts einer unsystematischen Verteilung eher an embolische Vorgänge zu denken ist. Beispiele für charakteristische Verteilungsmuster werden auf den anschließenden Schemata und Abbildungen geboten (Übersicht der normalen Anatomie bei Cervós-Navarro und Lang [20, 93]). Anastomosen, Kollateralen und Endarterien
Die Frage, ob eine arterielle Stenose oder eine venöse Abflussbehinderung zu anämischen Infarkten oder hämor-
Grundlagen
rhagischen Infarzierungen führt, kann nicht beantwortet werden ohne Kenntnis der Ausgleichsmechanismen, also eventueller Anastomosen oder Kollateralen. Von Anastomosen ist zu sprechen, wenn 2 Versorgungssysteme durch ein Netzwerk miteinander verbunden sind, in dem weder die Strömungsrichtung, noch das Kaliber eindeutig festgelegt sind. Kollateralen sind demgegenüber parallelisierte Ausweichswege („Einbahnstraßen“), die die Versorgung eines Areals auch dann sichern, wenn eine der zuführenden Arterien einen Verschluss erfährt. Ein Beispiel für solche Kollateralwege sind die beiden Vertebralarterien. Wird durch starke Kopfdrehungen oder -neigungen eine der beiden Arterien mechanisch eingeengt, so ist die Versorgung durch die andere gewöhnlich sichergestellt – vorausgesetzt, dass diese Parallelarterie ausreichend weit ist. Analoges gilt für die beiden Karotiden. Beispiele für Anastomosen finden sich vor allem im Bereich der Hirnstammgefäße. Hier gibt es beispielsweise bei einem Verschluss der A. basilaris Umgehungskreisläufe von allerdings begrenzter Kompensationsfähigkeit mit Strömungsumkehr von der A. cerebri posterior über die A. cerebelli superior zur A. cerebelli inferior und zum Vertebralsystem. Das Problem der Endarterien ist gekoppelt mit der Frage der Anastomosen. Es bestehen zwar im Bereich der Rindenarteriolen Anastomosen, doch reichen diese bei
253
einer allgemeinen Kreislaufinsuffizienz nicht aus, um die Versorgung in den Grenzgebieten zwischen den 3 Arterien zu sichern. Eine genaue Übersicht zur Versorgung des Kortex und seiner Anastomosen geben Duvernoy et al. [36]. Varianten
So eindeutig festgelegt die Grenzen der 3 großen Hirnarterien sind (Abb. 10.1), so variabel sind die Äste z. B. innerhalb der A. cerebri posterior, vor allem aber die Gestalt des Circulus Willisii, der zu 25–79% nicht „lehrbuchmäßig“ angelegt ist und zu 3–4% überhaupt keinen Ring mehr darstellt. Vor allem die Aa. communicantes posteriores weisen starke Variationen und auch sehr unterschiedliche Dicken auf (25% hypoplastisch) [93]. Die A. communicans anterior ist ebenfalls häufig atypisch angelegt, darunter bei 32% der Erwachsenen verdoppelt oder zumindest auf einen kurzen Abschnitt ihres Verlaufs aufgespalten [20]. Persistenz embryonaler Gefäße
Solche Anomalien können auch mit einer Persistenz embryonaler Gefäße verbunden sein, die eine Verbindung zwischen den Karotiden und dem Basilariszufluss schaffen (s. Kap. 3).
Abb. 10.1 Arterielle Versorgungsgebiete des Gehirns auf Koronarschnitten
254
Kapitel 10
Vertebralis-Basilaris-System
Wegen der Versorgung der vitalen tegmentalen Zentren ist dieser hintere arterielle Versorgungsbereich von besonderer Bedeutung. Die Neigung der Vertebralarterien zu sehr unterschiedlicher Ausbildung und die Neigung der A. basilaris zu atherosklerotischen Wandveränderungen verleiht diesem arteriellen Zuflussbereich ein besonderes klinisches Gewicht. Die Vertebralarterien selbst erkranken erst später. Die arteriellen Versorgungsgebiete von Medulla oblongata, Brücke und Zwischenhirn gehen aus Abb. 10.2 und 10.3 hervor. Klinisch sind von besonderer Bedeutung die durch das dorsolaterale (Wallenberg-)Syndrom (s. Abb. 10.28c) hervorgerufenen Ausfallerscheinungen, bedingt durch
Kreislaufstörungen des ZNS
Verschlüsse von Ästen der A. cerebelli inferior posterior. Häufiger als das Wallenberg-Syndrom sind Infarkte am Brückenfuß, die je nach Verteilung unterteilt werden in paramediane Infarkte (durch A. pontis paramedialis bei Verschluss der A. basilaris, selten der A. cerebellaris superior) und laterobasale Infarkte (durch Verschluss der kurzen Zirkumferenzäste aus der A. basilaris oder der A. cerebelli inferior anterior) sowie mesenzephale Infarkte und Infarkte im Thalamus. Das Kleinhirn weist an seiner Dorsalfläche meist kleinere Infarkte bei Stenosen der A. cerebelli superior auf, während die Unterflächen der Kleinhirnhemisphären durch Verschlüsse der A. cerebelli inferior posterior betroffen werden.
10
Abb. 10.2 Arterielle Versorgungs- und venöse Drainagegebiete in der Brücke
Abb. 10.3 Arterielle Versorgungs- und venöse Drainagegebiete in Höhe der Medulla oblongata. Keine Identität in den Raphekerngebieten
Grundlagen
Venöse Drainage Mantelvenen
Das venöse Drainagesystem des Gehirns ist variabler als das arterielle Zuflusssystem, doch sind auch hier die Grenzen der Drainagebereiche vor allem im Bereich des Hirnmantels ziemlich eindeutig festzulegen (Abb. 10.4). Von diagnostischem Interesse ist vor allem das Areal des Gyrus cinguli: Bei Thrombosen des Sinus sagittalis superior bleibt es ausgespart, während es beim Verschluss der A. cerebri anterior in die Nekrose einbezogen ist. Bei isoliertem Cingulumbefall stellt sich die Frage der Thrombose des Sinus sagittalis inferior bzw. einer Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis. Tiefe Venen
Die Bedeutung der tiefen Hirnvenen erweist sich bei Perinatalschäden (s. Kap. 5), aber auch bei Thrombosierungen
255
der inneren Hirnvenen oder der V. cerebri magna. Zur V. cerebri magna bzw. zu deren Übergang in den Sinus rectus zieht auch die große V. basilaris (Rosenthal). Ihre Äste haben Verbindungen in Richtung Sinus petrosus, Sinus cavernosus und Sinus sphenoparietalis (s. Abb. 10.4). Venöse Drainage des Hirnstamms
Auch sie erfolgt im Wesentlichen zur V. basilaris und zum Sinus rectus hin, also zur mittleren Schädelgrube, was von Bedeutung bei einer starken supratentoriellen Hirndrucksteigerung ist, bei der der venöse Abfluss bei noch erhaltenem arteriellen Zufluss über das Vertebralissystem behindert sein kann, ferner bei entsprechenden Durchblutungsstörungen in Brücke und Medulla oblongata. Arterieller und venöser Bereich decken sich auf den Schnitten durch Brücke und Medulla oblongata in den lateralen Arealen einigermaßen, median und paramedian dagegen nicht voll, vor allem in Hinblick auf die Umgebung des Aquädukts (s. Abb. 10.3).
Abb. 10.4a,b Schema der venösen Abflüsse aus dem Gehirn zu den verschiedenen Sinus sowie entsprechende Anastomosen
256
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Arteriovenöse Fisteln
Als seltene Fehlbildung ist ein arterieller Zufluss aus extrakranialen Arterien in den Sinus sagittalis superior aufzufassen. Hierdurch wird der Sinus arterialisiert und es kommt zu einer Strömungsumkehr in den dorsalen Brückenvenen, die zu schweren Kreislaufstörungen und der Entwicklung einer Demenz führen kann [31, 48, 172].
Spinale Blutversorgung Arterielle Blutversorgung
Am Rückenmark erfolgt die arterielle Zufuhr aus zwei unterschiedlichen Ursprüngen: • kranialwärts aus der A. subclavia über Äste des Truncus costocervicalis, gering aus den Aa. vertebrales; • kaudalwärts von der Aorta durch die A. radicularis magna Adamkiewicz.
10
Diese Hauptzuflussarterie tritt in 75% der Fälle thorakal, in 25% lumbal, in 10% kaudal von L1 in den Spinalkanal ein [74]. Kommt es z. B. durch starke Stenosen oder Verschlüsse der Bauchaorta zu Stenosen auch der A. radicularis magna, so sind ischämische Läsionen bevorzugt im unteren Thorakalbereich die Folge. Innerhalb des Rückenmarks bestehen Längsanastomosen über die A. spinalis anterior und die Aa. spinales posteriores, wobei die beiden großen Gefäßterritorien miteinander verbunden sind. Im jeweiligen Segment übernehmen die A. spinalis anterior und die Aa. spinales posteriores, die durch Rami laterales miteinander verbunden sind, die segmentale Versorgung. Trotz dieser ausgeprägten Anastomosenbildung stellen zumindest die Binnengefäße funktionelle Endarterien dar [74]. Venöse Drainage im Spinalbereich
Die venösen Anastomosen sind wesentlich ausgeprägter und auch funktionell wirksamer. Die inneren venösen Abflüsse des Rückenmarks sind radial symmetrisch angeordnet, meist horizontal, und münden in longitudinale Anastomosen. Die vorderen und hinteren medianen Venen sind am konstantesten und haben den größten Durchmesser [171].
Aufbau der ZNS-Gefäße und Unterscheidungskriterien Zum Verständnis der Zirkulationsstörungen des ZNS sind nicht nur Kenntnisse der Versorgungssysteme und Drainagen notwendig, sondern auch die wesentlichen Merkmale der Arteriolen, Venolen und Kapillaren und ihre Abgrenzung von den großen Gefäßen. Da es lichtmikroskopisch nicht immer einfach ist, kleine intrazerebrale
Abb. 10.5 Kortikale Arteriole mit geschlossenem, porenfreiem Endothel (unten), einer einreihigen glatten Muskelzelllage und vereinzelten intimalen glatten Muskelzellfortsätzen (Pfeil). Die im Querschnitt kubischen glatten Muskelzellen zeigen dem Kern kappenförmig aufsitzende Organellen, ein dichtes Filamentgerüst im Zytoplasma und eine geringe Pinozytose. Zum Teil artifizielle Vakuolisierung der perivaskulären Zellen (postmortales Intervall des autoptisch gewonnenen Materials 4 h). (Vergr. 6000:1)
Arterien von Arteriolen und Venolen abzugrenzen, werden die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale kurz zusammengefasst: • Arterien sind charakterisiert durch eine durchgehende Lamina elastica interna, eine mehrlagige Muskelzellschicht (Media) und Kollagen in der Adventitia. Im Neokortex sind praktisch keine Arterien nachweisbar. • Arteriolen weisen ca. 1–3 glatte Muskelzelllagen in der Media auf und nur spärlich Kollagenfasern in der Adventitia (Abb. 10.5). Bei Menschen sind vereinzelt intimanahe Muskelzellen nachweisbar. • Kapillaren fehlt die Muskelzelllage, sie weisen unter pathologischen Bedingungen gelegentlich segmental Kollagen in der Adventitia auf. • Venolen sind lichtoptisch von den Kapillaren nicht durch den Wandaufbau, sondern durch die Größe abgrenzbar. • Venen weisen eine sehr schmale Media, meist nur eine Lage glatter Muskelzellen auf. Eine Lamina elastica interna fehlt. Im Neokortex sind Venen praktisch nicht nachweisbar. Zur feineren Untergliederung der Mikrozirkulationsgefäße ist eine ultrastrukturelle oder eine immunhistologische Untersuchung notwendig (Tabelle 10.1) [136, 138]. Neben der ultrastrukturellen Charakterisierung spielt zunehmend die molekulare Struktur der Gefäßwände eine Rolle sowie relevante Marker, wie sie für die Struktur der „tight junctions“, der Pinozytosevesikel und der Perizyten beschrieben sind [114].
Grundlagen Tabelle 10.1 Unterscheidungskriterien für die Hirngefäße Endothel/ Basalmembran
Lamina elastica
Muskelzellena
Gefäßdurchmesser [μm]
Arterie
+
+
+
>150
Arteriole
+
–
+
10–150
Kapillare
+
–
–
7–10
Venole
+
–
–
10–50
Vene
+
–
r
>50
a Immunhistologischer
257
min [90]. Das Blutvolumen des Gehirns beträgt etwa 130 ml, die mittlere Kreislaufzeit 8,0 s. Bei normaler Durchblutung wird das Blut im Gehirn also 8-mal in der Minute ausgetauscht. Der O2-Verbrauch von 100 g Hirngewicht beträgt in der Minute 3,7 ml, der Glukoseverbrauch 5,5 mg. Pro Minute verbraucht das Gehirn also gut 50 ml Sauerstoff und 80 mg Glukose. Der Glukosebedarf des Gehirns liegt pro Tag zwischen 100 und 150 g. Der Energiebedarf des Gehirns wird mit etwa 17 cal/100 g/min berechnet. Das Gehirn benötigt damit etwa 20% des Ruheenergiebedarfs des Gesamtorganismus [90].
Nachweis von D-Aktin.
Autoregulation Perivaskuläre Drainage der interstitiellen Flüssigkeit Interstitielle Flüssigkeit wird im Gehirn entlang der Wand von Kapillaren und Arterien drainiert. Neue Tracer-Studien zeigen den komplexen Aufbau der Adventitia in den verschiedenen Kompartiments der Arterien und Kapillaren. Damit entspricht die Funktion der ZNS-Gefäße in sehr effektiver Weise der lymphatischen Drainage des ZNS [186]. Experimentelle Studien haben darüber hinaus gezeigt, dass die Drainage für interstitielle Flüssigkeiten sich von der Drainage des Liquors im normalen ZNS unterscheidet (s. auch Kap. Ödemdrainage). Die Konsequenz eines alterierten Gefäßsystems und damit gestörten Drainagesystems speziell für den M. Alzheimer wird von Weller [185] dargestellt.
Pathologische Einflüsse auf die Hirndurchblutung können innerhalb bestimmter Grenzen durch die Autoregulation ausgeglichen werden. Man versteht darunter die Fähigkeit eines Organs, oberhalb und unterhalb eines Grenzwerts des mittleren arteriellen Blutdrucks die Durchblutung unabhängig von Schwankungen des Perfusionsdrucks konstant zu halten. Diese Fähigkeit beruht auf Widerstandsänderungen der Gefäße und ist unter physiologischen Bedingungen an zahlreichen Organen, wie z. B. Herz, Niere, Leber und Gehirn, zu finden. Die Autoregulationskurve für das Gehirn ist schematisch in Abb. 10.6 dargestellt. Der Mechanismus der Autoregulation am ZNS ist bisher ungeklärt, es scheint sich um ein Zusammenwirken von metabolischen und myogenen Komponenten zu handeln [90]. Bei Hypertonikern tritt charakteristischerweise eine dauerhafte Rechtsverschiebung auf.
Innervation
Eine Innervation der Hirngefäße ist für Arterien, Arteriolen und Venen intrazerebral und meningeal durch ultrastrukturelle und fluoreszenzmikroskopische Untersuchungen nachgewiesen, sie wird dagegen bei Kapillaren und Venolen in der Regel vermisst [20, 136, 138].
Gehirndurchblutung und Gewebe-pH
Die Autoregulation reagiert besonders empfindlich gegenüber Normabweichungen des Gewebe-pHs. Innerhalb der regulatorischen Bereiche erfolgt auf steigenden
Physiologie und Pathophysiologie der Hirndurchblutung und des Hirnstoffwechsels 100 g Hirngewebe werden im Durchschnitt unter normalen Bedingungen pro Minute von 50–55 ml Blut durchströmt. Bei einem mittleren Hirngewicht von 1400– 1500 g ergibt dies eine Durchblutung des ganzen Gehirns von etwa 750 ml in der Minute. Dies entspricht etwa 15% des Herzminutenvolumens für ein Organ, das 1–2% des Körpergewichts ausmacht. Innerhalb der grauen Substanz ist hierbei von einem Mittelwert von 86,6u17,1 ml/ 100 g/min der Durchblutung auszugehen, für die weiße Substanz von einem Mittelwert von 21,7u3,7 ml/100 g/
Abb. 10.6 Schematische Darstellung der Autoregulationskurve. (Nach Kuschinsky 1987)
258
Kapitel 10
pCO2 bzw. sinkenden extrazellulären Gewebe-pH eine Vasodilatation mit Erniedrigung des Gefäßwiderstands. Pulmonale Insuffizienzen mit erhöhtem pCO2 führen dementsprechend zu einer Beschleunigung der zerebralen Zirkulationszeit. Unter pathologischer Gewebeazidose geht die Vasodilatation in eine Vasoparalyse über. In frischen Ischämiezonen kommt es daher initial zu einer Hyperämie mit lokal beschleunigter Durchströmung (Luxusperfusion) bei gleichzeitig herabgesetzter Sauerstoffausschöpfung. Das ebenfalls ungünstig wirkende Gegenstück hierzu ist eine Vasokonstriktion im nicht geschädigten Hirngewebe, die unter bestimmten Bedingungen zu extremer Konstriktion, dem Vasospasmus, führen kann.
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
10
Wesentliche Zirkulationsstörungen des Gehirns werden verursacht durch • Unterbrechung der gleichmäßigen Durchblutung des Gehirns, entweder durch systemische Faktoren wie beispielsweise kardial bedingte Kreislaufstillstände oder durch lokale Faktoren, z. B. Thrombose; • Erniedrigung des O2-Partialdrucks im Blut; • intrakranielle Blutungen (s. unten); • Steigerung des intrakraniellen Drucks. Diesen relativ uniformen Störungsmustern können unterschiedliche Krankheiten zugrunde liegen, wie z. B. eine Angiopathie, eine Koagulopathie oder andere.
Definitionen Hypoxie
Unter Hypoxie versteht man im Allgemeinen eine Verminderung des Sauerstoffpartialdrucks, unabhängig davon, wo dieser eintritt (z. B. Blut, Gewebe). Wegen der vielfältigen Ursachen der Hypoxie können verschiedene Hypoxieformen unterschieden werden: • hypoxische Hypoxie (dieser Begriff hat sich insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum durchgesetzt und ist ein Synonym für hypoxämische Hypoxie), • anämische Hypoxie, • ischämische Hypoxie. Hypoxische Hypoxie ist eine Verminderung des Sauerstoffpartialdrucks im Blut, gelegentlich und genauer auch als hypoxämische Hypoxie bezeichnet. Ursachen hierfür können eine obstruktive Lungenerkrankung sein, eine Obstruktion der oberen Atemwege oder ein niedriger O2Gehalt der eingeatmeten Luft (z. B. beim Bergsteigen).
Kreislaufstörungen des ZNS
Das Gehirn kompensiert eine hypoxische Hypoxie auf 3 Wegen: • die O2-Ausschöpfung des Blutes wird gesteigert, • die zerebrale Durchblutung steigt an und • es kommt zu Hyperventilation via Hyperkapnie. Somit lässt sich die hypoxische Hypoxie von der globalen Ischämie (s. unten) unterscheiden. Bei der globalen Ischämie sinkt im Gegensatz zur hypoxischen Hypoxie die Hirndurchblutung. Es kommt weiter zu einem drastischen Anstieg des Laktat- und Proteinmetabolismus. Morphologisch lassen sich Gewebeschäden mit Nervenzelluntergängen nachweisen. Solche Gewebeschäden sind bei der hypoxischen Hypoxie praktisch nicht nachweisbar. Zahlreiche Untersuchungen, insbesondere über den Einfluss großer Höhen (z. B. beim Bergsteigen) sind Grundlage dieser Daten (Übersicht bei Auer u. Beneviste [6]). Unter anämischer Hypoxie versteht man eine Hypoxie aufgrund eines erniedrigten Hämoglobins, z. B. bei Leukämien oder bei Blutverlust. Gelegentlich wird auch von einer ischämischen Hypoxie gesprochen. Sie besteht in einer Einschränkung der Organdurchblutung und ist ein Synonym für Ischämie.
Ischämieformen und neuropathologischer Befund Unter Ischämie versteht man eine befristete oder andauernde Reduktion der zerebralen Durchblutung, die zum Funktionsausfall des Gehirns führt. Neben dieser allgemeinen Definition der Ischämie werden im Einzelnen komplette irreversible Ischämie, globale und regionale Ischämien (Hirninfarkte) unterschieden (Tabelle 10.2). Zellveränderungen bei der kompletten irreversiblen Ischämie werden in ihrer Beurteilung erschwert durch agonale und postmortale Veränderungen sowie Autolyse. Diese Artefakte werden wesentlich durch die äußeren Umstände beim Eintritt des Todes beeinflusst, da gewöhnlich Gehirne von Patienten zur Untersuchung kommen, die im Krankenhaus gestorben sind und bei denen die zerebrale Zirkulation eine erhebliche Fluktuation aufweist. Für postmortale Veränderungen sind der Zeitraum zwischen Tod und Fixation (postmortales Intervall) des Gehirns sowie Temperaturschwankungen wesentlich. Bis zu 2 h nach dem Tod sind bei Raumtemperatur keine wesentlichen strukturellen und biochemischen Störungen zu erwarten.
Epidemiologie Da Hypoxieschäden, Infarkte und Massenblutungen in den epidemiologischen Daten nicht immer getrennt aufgeführt werden, sind sie auch an dieser Stelle zusammen-
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
259
Tabelle 10.2 Ischämieformen und neuropathologischer Befund Form
Befund
Komplette irreversible Ischämie
Eintritt des Todes: Ischämische Zellveränderungen sind denen der Autolyse um einige Stunden voraus
Globale Ischämie mit unterschiedlich ausgeprägter Reperfusion oder inkompletter Ischämie
Elektive Parenchymnekrose, hypoxische Hirnschäden
Regionale intraarterielle Ischämie (thrombotisch oder embolisch)
Anämischer oder hämorrhagischer Hirninfarkt
Regionale venöse Ischämie
Hämorrhagischer Hirninfarkt
Regionale arterioläre Ischämie
Lakunärer Hirninfarkt oder andere Mikroinfarkte
gefasst dargestellt. Die hohe Bedeutung zerebralvaskulärer Schäden zeigen große Statistiken einzelner Länder oder Zusammenfassungen von Europa. Hieraus ergibt sich für Europa eine Mortalität an Hirndurchblutungsstörungen von 90–200 Fällen auf 100.000 Einwohner. Insgesamt treten 110–290 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner auf [102]. Eine größere Obduktionsstatistik aus Oslo nennt 32% Todesfälle an ischämisch-zerebrovaskulären Krankheiten. 10% davon entfielen auf thrombembolische Verschlüsse mit und ohne Infarkt, 16% auf Infarkte, 15% auf lakunäre Infarkte, 7% auf klinische Schlaganfallsyndrome ohne gesicherten Gefäßverschluss und ohne Infarkt. Darüber hinaus fanden sich etwa 7% spontane Hirnblutungen [79]. Die Framingham-Studie hat an einer Gesamtpopulation von 5184 Einwohnern in einem Zeitraum von über 26 Jahren festgestellt, dass 198 Männer und 196 Frauen in diesem Zeitraum an einem Insult erkrankt waren, davon starben 223, darunter 84 mit einem zweiten und 27 mit einem dritten Insult [147]. Die Mortalität nach Krankheitsgruppen ist wie folgt: 15% bei Hirninfarkt (n=22), 16% bei Embolien (n=63), 46% bei Subarachnoidalblutungen (n=39), 82% bei spontanen intrazerebralen Hämatomen (n=7). Ähnliche Daten wie die Framingham-Studie zeigt auch die Oxford-Studie [8, 144, 145]. Darüber hinaus liegt eine erhebliche geographische Variation vor [170]. Neben den unten aufgeführten Risikofaktoren spielen wohl auch Umwelteinflüsse eine Rolle [195]. Unter den Risikofaktoren ist nach übereinstimmender Meinung die Hypertonie von größtem Gewicht [101]. Bei atherosklerotisch bedingten thrombotischen Hirninfarkten fand sich eine Hypertonie in der FraminghamStudie 7-mal häufiger als bei normotensiven Patienten [82], wobei der systolische Blutdruck das entscheidende Kriterium war. Eine entsprechende finnische Vergleichsuntersuchung fand eine Hypertonie in der Vorgeschichte ischämischer zerebraler Infarkte bei Männern 2,5-mal, bei Frauen 1,5-mal häufiger als in der übrigen finnischen Bevölkerung.
Des Weiteren zu nennen sind Zigarettenrauchen (1,5mal häufiger bei Männern, 3-mal häufiger bei Frauen), Gebrauch oraler Kontrazeptiva (zum Zeitpunkt des Insults 2,5-mal häufiger als bei den übrigen Frauen im gebärfähigen Alter), deutliches Übergewicht (2-mal häufiger als Untergewicht). Die hohe Bedeutung der Hypertonie ist bei der Gruppe mit zerebralen Blutungen verständlicherweise besonders eindrucksvoll, liegt diesen doch außer Aneurysmen und Angiomen vorwiegend eine hypertensive Angiopathie zugrunde. Thrombosen und Embolien stellen die Hauptursachen zerebraler Infarkte dar. Blutviskosität, Sauerstoffsättigung des Blutes und ähnliche systematische Faktoren beeinflussen selbstverständlich ebenfalls die Manifestation vor allem thrombotischer Vorgänge. Stark herabgesetzter Blutdruck kann der Auslöser für eine Mangelversorgung in den Grenzgebieten der großen Hirnarterien sein.
Herdverteilung Unter 400 Infarkten mit einem Nekrosedurchmesser von mehr als 0,5 cm fand sich die in Tabelle 10.3 wiedergegebene Verteilung der Herde [79]. Es überwiegen die sowohl Rinde als auch Mark betreffenden, vielfach multiplen Infarkte. Knapp 10% entfallen auf Grenzgebietsschäden, was für die Bedeutung systemischer Kreislaufinsuffizienzen spricht. Der Anteil sicher embolisch bedingter Infarkte liegt bei etwa einem Drittel. Anämische Infarkte machen insgesamt etwa 58%, hämorrhagische Infarkte 42% aus, wobei hämorrhagische Infarzierungen besonders häufig sind bei embolisch bedingten Infarkten. Grenzgebietsschäden entsprachen stets dem Bild des anämischen Infarkts. Der relativ hohe Anteil von Infarkten im Bereich des Kleinhirns und des Hirnstamms weist auf mechanische Alterationen der zuführenden Arterien hin, z. B. medulläre Infarkte im Anschluss an chiropraktische Maßnahmen.
260
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Tabelle 10.3 Verteilung der Infarkte auf die Gefäßterritorien Lokalisation
Nicht embolisch (n=244)
Embolisch (n=103)
A. chorioidalis anterior
8
0
A. cerebri anterior
23
2
A. cerebri media
99
64
A. cerebri anterior und media
12
10
Anterior-Media-Grenzgebiet
19
7
Karotis-Versorgungsgebiet
Vertebralis-Basilaris-Versorgungsgebiet Kleinhirn
10
10
5
Hirnstammäste
20
0
A. cerebri posterior
44
11
Übergreifende Infarkte
5
3
Grenzgebiet
4
1
Ätiologie und Pathogenese Wesentliche Störungen bei Hypoxie, Ischämie und Hirninfarkt sind definitionsgemäß die Reduktion des Blutflusses und damit eine Mangelversorgung mit Sauerstoff und Stoffwechselprodukten sowie Kalzium, Kalium, Proteinen und anderen. So sind zwar die Ursachen vielfältig, aber die morphologische Manifestation ist in der Regel relativ uniform. Da nun darüber hinaus globale oder regionale, reversible oder irreversible Störungen vorliegen können, ist die Pathogenese oft unentwirrbar. Allerdings haben zahlreiche neue Untersuchungen, insbesondere tierexperimentelle Studien, dazu geführt, das Zusammenspiel unterschiedlicher pathogenetischer Faktoren genauer zu beschreiben. Wesentliche Bedeutung kommt hierbei dem Verständnis der selektiven Vulnerabilität der Nervenzellen und den unterschiedlichen Formen der Nervenzellenuntergänge zu. Darüber hinaus hat die Charakterisierung der Ischämiezonen mit der Unterteilung in Kernzone und Periinfarktgebiet zu einer erheblichen Verbesserung therapeutischer Maßnahmen geführt. Folgende Konzepte spielen eine wesentliche Rolle. Dirnagl [34] schlägt eine Ischämiekaskade vor: Auf eine frühe Schädigung durch Exzitotoxizität folgt eine entzündliche zelluläre Reaktion und schließlich Apoptose (Abb. 10.7). Für die Grenzzone kommt darüber hinaus der Neurogenese und der Angiogenese sowie der Neuroprotektion eine wesentliche Bedeutung zu.
Abb. 10.7 Schematische Darstellung der Ischämiekaskade nach arteriellem Verschluss. (Mod. nach Dirnagl 1999)
Selektive Vulnerabilität, Apoptose, Penumbra Unter selektiver Vulnerabilität versteht man das Phänomen, dass bei globaler hypoxischer Schädigung des Gehirns bestimmte Regionen oder bestimmte Nervenzellpopulationen besonders vulnerabel sind. Aus der Humanpathologie ist die Vulnerabilitätsstaffelung innerhalb der Kleinhirnrinde, bei der die Purkinje-Zellen zuerst absterben, und am Ammonshorn, die größere Empfindlichkeit des Sommer-Sektors gegenüber dem Gyrus dentatus bekannt. Darüber hinaus sind Hirnregionen besonders vulnerabel und als Regel gilt, dass bei der globalen Ischämie die am weitesten distal gelegenen Gefäßterritorien, sog. Wasserscheide, im Vergleich zu anderen Hirnregionen am ehesten der Nekrose anheim fallen. Auch innerhalb der Zellen selbst gibt es eine Vulnerabilitätsstaffelung. Neuronen sind empfindlicher als Oligodendrogliazellen und diese vulnerabler als Astrozyten. Die Ursache für diese Vulnerabilität ist nicht vollständig geklärt. Wesentliche Konzepte zum Verständnis sind kalziumabhängige Mechanismen, unterschiedliche neuronale Rezeptoren bzw. die Rezeptormodulation. Darüber hinaus werden eine glutamatinduzierte Neurotoxizität und Störungen der Proteinsynthese diskutiert (Abb. 10.8) [55, 160, 176]. Der Begriff Pathoklise [180] umfasst die zelleigenen Stoffwechseleigenschaften, die eine gegenüber anderen Zellregionen unterschiedliche Reaktionsweise auf bestimmte Noxen begründen. In seiner Unbestimmtheit ist dieser Begriff allerdings wenig fruchtbar und wenig gebräuchlich. Der Begriff Apoptose muss von der selektiven Vulnerabilität abgegrenzt werden. Unter Apoptose versteht man einen programmierten Zelltod bzw. einen verzögerten Zelltod durch allmähliches Löschen der Zellfunktion. Dieser Begriff ist von dem der Nekrose durch Strukturmechanismen und Zeitablauf grundsätzlich verschieden (vgl. Kap. 1). Penumbra: Die zentrale Region eines ischämischen Hirninfarkts, in der die Nervenzellen und Glia zugrunde gehen, ist umgeben von einer Zone, in der die Hirndurchblutung zum Teil erhalten ist. Diese Randzone des Infarkts wird Penumbra genannt. Der Begriff ist aus dem Lexikon der Astronomie entlehnt und meint einen Halbschatten, der entsteht, wenn eine partielle Mondfinsternis vorliegt. Bei der fokalen Ischämie ist die Ausdehnung der Kernzo-
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
261
Abb. 10.8 Synopsis der selektiven Vulnerabilität im Hippokampus bei experimentell induzierter Epilepsie (Ratte), Hypoglykämie (Ratte) und Ischämie (mongolische Gerbil). Die Analyse der regionalen Proteinsynthese erlaubt in einem frühen Stadium der Wiedererholung (1–3 h) eine Identifikation von Ganglienzellen, bei denen ein hohes Risiko für eine irreversible Zellschädigung besteht. Bei Kontrolltieren ist durch die konstitutiv hohe Proteinsyntheserate in Ganglienzellen im Vergleich zur Neuroglia eine homogene intensive Markierung aller Ganglienzellen des Pyramidenzellbandes (CA) und der Körnerzellen des Gyrus dentatus(DG) zu erkennen. Die
Grenze zwischen den Subsektoren CA1 und CA3 ist durch eine Pfeilspitze markiert. Status epilepticus führt zur bevorzugten Hemmung der Proteinsynthese im CA3-Sektor des Pyramidenzellbandes. Bei Hypoglykämie sind Ganglienzellen im CA1-Sektor und in der Hilusregion des Gyrus dentatus betroffen. Ischämie führt zur Zellschädigung bei Pyramidenzellen der CA1-Region, die übrigen Sektoren des Pyramidenzellbandes und der Gyrus dentatus sind relativ resistent (Aufnahmen von Frau Prof. M. Kiessling, Institut für Neuropathologie, Universität Heidelberg)
ne und der Penumbra bemerkenswert variabel in Abhängigkeit von Zeitdauer und Ausmaß der Mangeldurchblutung. Das Konzept der Penumbra von Hossmann [66] und Dirnagl et al. [34] spielt bei der Pathophysiologie des Infarkts eine besondere Rolle. Es ist das grundsätzliche Konzept zum Verständnis der Infarktausdehnung räumlich und zeitlich, es ist ebenso die Grundlage für ein therapeutisches Vorgehen bei der akuten neurologischen Symptomatik [62]. Das heißt, im Gegensatz zur Kernzone, die der Nekrose unwiederbringlich anheim fällt, ist die Penumbra funktionell gestört, die neuronale Funktion ist aber reversibel, wenn die Durchblutung wieder hergestellt ist oder neuroprotektive Maßnahmen erfolgen.
sion in den Dendriten, darüber hinaus durch Stimulation unterschiedlicher Glutamatrezeptoren zur Störung intrazellulärer Mechanismen wie Proteinexpression und Aktivierung molekularer Mechanismen, die dann zum verzögerten Nervenzelltod führen [65]. Ischämie wie auch andere Stressfaktoren aktivieren ein komplexes genetisches Programm. Hierzu gehören Gene, die für die Hitzeschockproteine kodieren und Gene, die in der frühen Phase der Ischämie involviert sind; sie werden unter dem Begriff IEG („immediate early genes“) zusammengefasst. Zu ihnen gehören C-Fos, CJun und Krox [119]. Neuere Studien mit Mikro-Array-DNA-Technik haben neben „immediate early genes“ weitere heraufregulierte Gene gefunden, die den RNA-Metabolismus, die Entzündung, trophische Faktoren sowie Zellsignalwege kontrollieren und zwar schon nach wenigen Stunden der Ischämie [96, 148].
Exzitotoxizität und Genexpression nach Ischämie Die Beobachtung der toxischen Wirkung von Glutamat auf die Nervenzelle durch Olney [124] führte zu dem Konzept der Exzitotoxizität. Es besagt, dass nicht nur O2Reduktion oder Glukoseverminderung den Nervenzelltod verursachen, sondern auch eine Überstimulierung durch Glutamat, ein ubiquitär im Gehirn vorkommender Neurotransmitter. Hierbei kommt es zu einer frühen Lä-
Entzündung, Neurogenese, Angiogenese Entzündung
Im Konzept der ischämischen Kaskade [34] spielt die Entzündung eine wesentliche Rolle. Zunächst verstand
262
10
Kapitel 10
man unter Entzündung im Bezug zum Infarkt eher die zelluläre Reaktion auf die Nekrose, wie sie weiter unten unter dem Stichwort „gliale Reaktion“ beschrieben worden ist. Zahlreiche neue Untersuchungen dagegen weisen auf die zweischneidige Rolle der Entzündung hin: nämlich eine weitere Schädigung des Gehirns durch z. B. toxische Mediatoren wie NOS oder aber auch eine protektive Wirkung durch Stimulation der Neurogenese, z. B. mittels trophischer Faktoren (NGF und BDNF u. a.) [89]. Eine Zusammenfassung der molekularen Mechanismen im Zusammenspiel zwischen Entzündung und neuronaler Plastizität sowie Regenerationsprogramme im Gehirn geben Dirnagl [34] und Kriz [89]. Der zeitliche Ablauf der Entzündung ist wie folgt: Sowohl die kalziumabhängige Aktivierung intrazellulär als auch die Hypoxie selbst triggern eine Vielzahl von proinflamatorischen Genen, z. B. Interferon oder Nuklearfaktor KB oder TNF-D. In der Konsequenz kommt es zur Expression von Adhäsionsmolekülen an der Endotheloberfläche, gefolgt von einem Einstrom von Neutrophilen in das Hirnparenchym, gefolgt von Makrophagen und Monozyten, prädominant in den Tagen 5–7 nach Ischämie. Die residenten Zellen im Gehirn, also Mikroglia und Astrozyten, zeigen bereits 4–6 Stunden nach Ischämie eine Hypertrophie und Aktivierung. Bereits 24 Stunden nach einer Ischämie ist die mikrogliale Reaktion voll entwickelt, insbesondere in der Penumbra [34]. Obgleich die molekularen Mechanismen sehr komplex sind und nur partiell aufgeklärt, so kommt doch dem Verständnis der entzündlichen Reaktion in der Pathogenese des Infarkts eine wesentliche Rolle zu, insbesondere um weitere therapeutische Strategien zu entwickeln. Neurogenese
Die aktuellen Hypothesen zur Plastizität des Gehirns werden durch folgende wesentliche Befunde gestützt: Sowohl nach transienter globaler Ischämie als auch nach regionalen ischämischen Infarkten kommt es zur endogenen Neurogenese entweder im Gyrus dentatus des Ammonshorns oder in der Penumbra beim ischämischen Infarkt [78, 94]. Hierbei sind insbesondere drei Regionen zu nennen: der Gyrus dentatus im Hippokampus, die subventrikuläre Zone des Seitenventrikels und die posteriore periventrikuläre Zone des Gyrus dentatus (Abb. 10.9). Eine Übersicht über die molekularen Mechanismen, die möglichen endogenen Mediatoren und die exogenen Stimulatoren der Neurogenese geben Wiltrout et al. [192]; die Studien zur infarktinduzierten Proliferation, Migration und Differenzierung neuronaler Stammzellen sind zusammengefasst von Liu et al. [95]. Angiogenese
Neurogenese und Angiogenese wirken beim Infarkt eng zusammen. So befinden sich neuronale Stammzellen konzentrisch um Blutgefäße. Die Induktion dieser Angiogenese in den ischämischen Grenzzonen findet 3–4 Tage
Kreislaufstörungen des ZNS
Abb. 10.9 Neuronale Stammzellen aus der subventrikulären Zone der Ratte. Doppelfärbung mit GFAP für Gliazellen (grün) und DCX für Stammzellen (blau). (Aufnahme von Nina Hellström, Institute of Neuroscience and Physiology, Universität Göteborg, Schweden)
nach dem Infarkt statt und resultiert aus komplexen molekularen Mechanismen. Hierzu gehören das Angiopoetinrezeptorsystem, der VEGF-Rezeptor, FGF und Endothelprogenitorzellen (EPC) [9].
Neuroprotektion, Konditionierung Unter Neuroprotektion versteht man die Erhaltung von Struktur und funktioneller Integrität des Gehirns durch verschiedene Maßnahmen der Intervention. So kann z. B. in der Penumbra die Nekrose der Neurone durch eine geeignete Wiederherstellung der Blutzufuhr sichergestellt werden. Neuroprotektive Maßnahmen umfassen antiexzitotoxische, antiapoptotische und antientzündliche Maßnahmen [66]. Allerdings ist die gegenwärtige therapeutische Anwendung beschränkt, da lediglich Daten aus tierexperimentellen Studien vorliegen und nur vereinzelte Mitteilungen zu klinischen Untersuchungen [49]. Der Begriff ischämische Konditionierung beschreibt das Phänomen einer ischämischen Periode, die per definitionem keine Schädigung hervorruft und das Gehirn in einen Zustand versetzt, der anschließende gewöhnliche ischämische Schädigungen verhindert oder verringert. Ischämische Schädigung ist hierbei nicht strikt begrenzt auf das Gehirn, sie kann ebenso in anderen Organen, z. B. im Herzen, auftreten [158]. Diese Tatsache ist Gegenstand zahlreicher neuerer Untersuchungen geworden. Insbesondere tierexperimentelle Studien dienen als Modell, um zu verstehen, wie das Gehirn sich selbst schützt. Die molekularen und funktionalen Veränderungen, die zu einer Ischämietoleranz beitragen bzw. die mit einer Toleranz einhergehen, sind im Review von Obrenovitch [121] zusammengefasst. Danach tragen verschiedene Mechanismen zur Ischämietoleranz bei, z. B. Antioxidanzien oder entzündliche Zellveränderungen in Mikroglia,
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
Leukozyten u. a., insbesondere das „heat shock protein 70“, ein Protein, das über verschiedene Wege zur Ischämietoleranz beiträgt. Im Rahmen der Konditionierung kommt es allerdings auch zu strukturellen Veränderungen im Hirngewebe, wenngleich auch nicht zu seiner Schädigung, die sich in Verhaltensänderungen und einer gesteigerten Neurogenese nachweisen lassen [158]. Interessanterweise bekommt die Theorie der Konditionierung eine weitere Variante durch neuere Untersuchungen zur transienten ischämischen Attacke (TIA). In einer retrospektiven Studie mit Infarktpatienten, die früher eine TIA hatten, zeigt sich ein wesentlich besserer klinischer Verlauf verglichen mit Patienten ohne vorherige TIAs [183]. Möglicherweise stellt die transiente ischämische Attacke ein Analogon zu den tierexperimentellen Studien der Konditionierung dar [159].
263
a
Globale Ischämien (hypoxische Hirnschäden) Vorübergehende Herz- oder Atemstillstände und schwere Schockzustände mit Absinken des arteriellen Drucks auf unter 70 mmHg führen zu irreversiblen Hirnschädigungen, sofern die Wiederbelebungszeit überschritten ist. Der Zeitraum einer tolerablen Unterbrechung der Hirndurchblutung wird in der Regel mit 5 min angegeben. Bei guter Herzleistung und ausreichender Durchblutung im unmittelbaren Anschluss an das Ende der Ischämie können die Zeiten auf ca. 15 min verlängert sein, bevor schwere Schädigungen einsetzen [107]. Auch unterhalb dieser kritischen Grenze kann eine Herabsetzung des Systemblutdrucks zu regionalen Ischämien führen, falls bereits lokale Vorschädigungen nachweisbar sind. Globale Ischämien, die die Wiederbelebungszeit überschreiten, waren früher mit einem Überleben selten vereinbar. Durch moderne Methoden der Intensivbehandlung können Patienten solche Zustände länger überleben, wenn auch mit schweren Hirnschädigungen, die sich klinisch als sog. apallisches Syndrom äußern. Morphologie. Nicht jeder hypoxische Hirnschaden führt zum intravitalen Hirntod (s. unten). Die morphologischen Folgen am Hirngewebe können sich vielmehr auf ausgedehnte kortikale Nekrosen, auf symmetrische Nekrosen der Stammganglien oder des Mes- oder Metenzephalons beschränken. Der Ablauf der Nekrosen ist bei regionalen und globalen Ischämien ähnlich: entweder in Form der elektiven Parenchymnekrose, bei der die Schädigung sich auf Nervenzellen konzentriert und die übrigen Gewebselemente weitgehend verschont, oder in Form der mehr oder weniger vollständigen Gewebsnekrose, meist als Kolliquationsnekrose. Makroskopisch finden sich bei schwerem Zerebralschaden vielfach ausgedehnte Schrumpfungen und Er-
b Abb. 10.10 a Schwere hypoxische Schädigung der Hirnrinde mit laminärer Nekrose sowie Marklagernekrose (Unfallschock, 8 Wochen vor dem Tod). b Laminäre Nekrose der Hirnrinde mit Gliareaktion in der Randzone (zugrunde gegangene 3.–5. Nervenzellschicht der Rinde)
weichungen des Hirnmantels (Abb. 10.10), wobei auf den Frontalschnitten eine Lamellierung der verschmälerten Rinde erkennbar ist (lamelläre Nekrose). Gewöhnlich weisen auch die Stammganglien Nekrosen auf. Das Marklager kann sich bereits makroskopisch durch seinen prall-elastischen Gewebswiderstand als geschädigt erweisen. Nach Narkosezwischenfällen oder Barbituratvergiftungen können sich die makroskopisch wahrnehmbaren Schädigungen auf symmetrische Stammgangliennekrosen beschränken [128]. Darüber hinaus sind bei der noch nicht zum Hirntod führenden globalen Ischämie meist schwere Kolliquationsnekrosen vor allem in den Konvexitätsabschnitten vorhanden (s. Abb. 10.39b). Mikroskopisch steht die elektive Parenchymnekrose, die isolierte Schädigung der Nervenzellen, im Vordergrund, sie tritt selten global in allen Hirnregionen gleichmäßig stark auf (s. Abb. 10.10). Hypoxische Hypoxien sind eher ihre Ursache als lokale Gefäßverschlüsse. Die histologische Bezeichnung für die hierfür typische Schädigungsform ist die ischämische Nervenzellschädigung. Der Name ist nur zum Teil zutreffend, verallgemeinert er doch einen pathogenetischen Teilaspekt. Bei Hypoglykämien, toxischen Zuständen oder in der Umgebung von
264
10
Kapitel 10
Kontusionsherden kann man die ischämische Nervenzellnekrose in gleicher Weise antreffen wie bei Hypoxie. Der vor allem an den großen motorischen Nervenzellen deutliche Komplex des rauen endoplasmatischen Retikulums (lichtmikroskopisch Nissl-Schollen) lockert sich hierbei zunächst auf, nicht selten verbunden mit einer leichten Zellblähung und Randschollenkranzbildung, sie gelten innerhalb des Zeitraums weniger Stunden als reversibel. Das ultrastrukturelle Substrat dieser Tigrolyse ist eine Auflösung des rauen endoplasmatischen Retikulums. Dem Zerfall der Nissl-Schollen parallel geht eine Homogenisierung des Karyoplasmas mit noch deutlichem Nukleolus einher. Die frühesten Veränderungen bereits nach wenigen Minuten kompletter Ischämie, die ultrastrukturell nachweisbar sind, bestehen in verklumptem Nervenzellchromatin [77]. Im Rahmen dieser ischämischen Zellveränderungen schließt sich eine Schrumpfung des Zytoplasmas und des Kerns an, die zu charakteristischen Dreiecksformen führen. In der HEFärbung kommt es zu einer ausgeprägten Eosinophilie (Abb. 10.11), während im Kresylviolettbild der Zellleib abblasst. Diese eosinophilen Zytoplasmaveränderungen treten frühestens nach 7 h auf, gewöhnlich nach 12–18 h [77]. Sie werden als Koagulationsnekrose der einzelnen Nervenzelle gedeutet. Allerdings wird von den zahlreichen neueren experimentellen Untersuchungen zum zeitlichen Ablauf der Ischämie einzelner Zellen eine erhebliche Abhängigkeit von der lokalen Rezirkulation gezeigt. Es wird daher postuliert, dass der irreversible Zelluntergang in 2 Formen abläuft: • in der oben beschriebenen raschen eosinophilen Koagulationsnekrose, • in Form einer neuronalen Degeneration, dem verzögerten Nervenzelltod. Man versteht unter verzögertem Nervenzelltod eine langsame neuronale Degeneration, die Tage nach einer kompletten, kurz dauernden Ischämie auftreten kann (Abb. 10.12). Die Ursache des verzögerten Nervenzelltodes ist nicht grundsätzlich geklärt. Faktoren, die eine Rolle spielen, sind die Störung der neuronalen Proteinsynthese und die Exzitotoxizität. Die Bedeutung des verzögerten Nervenzelltodes liegt darin, dass Neuronen nicht einfach unwiederbringlich zerstört werden, sondern oft ein noch normales Erscheinungsbild zeigen (sowohl histologisch als auch physiologisch), wie zahlreiche Untersuchungen gezeigt haben [64, 52, 130]. Sie sind daher zu einem bestimmten Zeitabschnitt (therapeutisches Fenster) für Interventionen zugänglich. Anmerkung zur Präparation: Vor allem bei der Beurteilung geringgradiger Nervenzellschädigungen ist zu beachten, dass die Art der Gewebeentnahme und Fixierung nicht ohne Einfluss auf das histologische Bild ist. Bei Biopsiepräparaten aus dem Hirngewebe ist regelmäßig in den Randzonen mit starken artefiziellen Nervenzell-
Kreislaufstörungen des ZNS
Abb. 10.11. Frische ischämische Nervenzellschädigung mit ausgeprägter Eosinophilie bei länger andauerndem Kreislaufstillstand (HE-Färbung)
Abb. 10.12 Atrophische Nervenzellen mit Betonung der Nervenzellfortsätze (HE-Färbung)
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
schrumpfungen zu rechnen. Auch unter experimentellen Bedingungen mit Perfusionsfixierungen ist bei selbst geringem Druck auf das Gewebe im unfixierten Zustand mit „dark neurons“ zu rechnen. Das umgebende Neuropil also reagiert auf Nervenzelluntergänge mit einer Veränderung der Mikrogliazellen nach relativ kurzer Zeit (wenigen Stunden) und im längeren Zeitverlauf mit reaktiver Gliose, insbesondere der Astrozyten (s. auch unten, „Gliale Reaktionen“).
Intravitaler Hirntod Pathogenese. Schwere globale Ischämien, bei denen die Überlebenszeit des Hirngewebes überschritten wurde, führen durch den Zusammenbruch der energieabhängigen Schrankenfunktionen und Membranstrukturen zu einem malignen Hirnödem. Hierbei kommt es zunächst zu Störungen des venösen Abflusses aus der Schädelkapsel, schließlich zur Unterbrechung der arteriellen Zufuhr, sobald der Hirndruck den arteriellen Druck überschreitet. Die Manifestationszeit, die zwischen dem Beginn der globalen Ischämie und dem Beginn der klinischen Zeichen des intravitalen Hirntodes liegt, beträgt durchschnittlich 24 h, allerdings bei einer Variationsbreite von 1–11 Tagen [153]. Die Unterbrechung der arteriellen Zuflüsse ist angiographisch oder dopplersonographisch nachweisbar und gehört neben Apnoe, der fehlenden Reaktion auf Schmerzreize, der fehlenden Lichtreaktion der weitgestellten Pupillen und dem Verlust anderer Hirnstammreflexe sowie dem Nulllinien-EEG zu den klinischen Kriterien des Hirntodes [194]. Morphologie. Der Morphologe steht bei der Analyse eines Falles vielfach vor der Schwierigkeit, Schädigungen unterschiedlichen Alters vor sich zu haben. Dies gilt vor allem für posttraumatische Fälle intravitalen Hirntodes (s. auch Kap. 14). Zu unterscheiden sind hier die Primärschäden, die während des Hirndruckanstiegs entstehenden traumatischen Sekundärschäden und die durch die komplette Ischämie bedingten Spätschäden. Bei Fällen mit längerer Erhaltung des Lebens durch entsprechende Reanimationsmaßnahmen ist es gewöhnlich unschwer möglich, diese Differenzierungen aufgrund der unterschiedlichen intravitalen Gewebsreaktionen oder der typischen morphologischen Muster vorzunehmen. Makroskopisch imponiert bei intravitalem Hirntod meist eine dunkelrot-violette oder auch – in fixiertem Zustand – schmutzig-braune Farbe der Hirnoberfläche. Es bestehen mehr oder weniger stark ausgeprägte fleckförmige Subarachnoidalblutungen. Sie umgeben vielfach die leptomeningealen Gefäße, die über den verstrichenen Sulci verlaufen. Die Tonsillendruckzeichen sind extrem ausgebildet. Meist ist es bereits zur Nekrose der Tonsillen, wenn nicht zu einer zerfließlichen Nekrose auch der
265
Kleinhirnhemisphären gekommen. Freischwimmende Purkinje-Zellen und andere Fragmente des Kleinhirngewebes im Liquorzellsediment weisen bereits intravital auf derartige Nekrosen hin. Auf den Frontalschnitten ist das Großhirn gewöhnlich dunkelzyanotisch verfärbt und sehr brüchig. Einblutungen in die den Tentoriumzügeln benachbarten Rindenabschnitte des Gyrus parahippocampalis, in Hirnschenkel und Brücke sind häufig. Das Gewicht dieser Gehirne ist meist extrem hoch (1600– 1800 g). Die leptomeningealen und inneren Venen sind gewöhnlich prall gefüllt und frisch thrombosiert. Das mikroskopische Bild hängt nicht zuletzt mit der agonalen Situation zusammen, d. h. mit der Frage, ob es nach Einsetzen der totalen Ischämie noch einmal zu einer wenn auch frustranen Rezirkulation kam oder nicht. Hat eine solche Rezirkulation stattgefunden, so finden sich nicht nur prall gefüllte Gefäße, die zwischen den Blutzellaggregationen auch bereits Fibrinausfällungen aufweisen können, sondern Emigrationen von vorwiegend neutrophilen Granulozyten in das perivaskuläre Gewebe. Anzeichen einer intravitalen zelligen Reaktion, insbesondere einer Makrophagenbildung, gehören dagegen bei der reinen globalen Ischämie, der keine primäre, z. B. traumatisch bedingte, Hirnschädigung vorangegangen war, nicht zum typischen Bild. Man findet vielmehr eine weitgehende Erbleichung der Nerven- und Glia- sowie der Gefäßwandzellen. Die verbliebenen Kerne sind schmal und homogen. Am ehesten identifizierbar sind die Purkinje-Zell-Reste, während die Körnerzellkerne der Kleinhirnrinde geschwollen und chromatolytisch oder in zahlreiche Kerntrümmer zersprengt erscheinen. Der Pathogenese des intravitalen Hirntodes entsprechend finden sich deutliche Demarkationszonen an den Grenzen des intrakraniellen Raums: Am Canalis opticus im Verlauf des Tractus opticus und in Höhe des Segments C1 bis C3 des Rückenmarks zeigt sich histologisch die Abgrenzung in Form einer ödematösen Gewebeauflockerung und einer randständigen Makrophagenbildung [152]. Gewöhnlich besteht auch eine Nekrose des Hypophysenvorderlappens. Die Bedeutung der Einkapselung des Gehirns bei steigendem Hirndruck für die Entstehung des intravitalen Hirngewebstodes erweist sich im Übrigen auch bei Trepanationsöffnungen. Das im Öffnungsbereich gelegene Hirngewebe kann hierbei von der Gewebsnekrose ausgenommen sein, weil es offenbar eine noch ausreichende Blutversorgung vom Narbenrand her erfährt. 36% der Fälle des intravitalen Hirntodes zeigen sekundäre Brückenblutungen [153].
Regionale Ischämien (anämische Hirninfarkte) Der überwiegende Teil anämischer Hirninfarkte ist verursacht durch Verschlüsse und Stenosen der Gefäße zuführender Arterien, hierzu gehören die stenosierende
266
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Kolliquationsnekrose Kolliquationsnekrosen können im Umfang zwischen Lakunen, die die unmittelbare Umgebung einer Arteriole betreffen, und Nekrosen im Versorgungsbereich einer der großen Hirnarterien oder der Gesamtnekrose im Sinne des intravitalen Hirntodes schwanken. Kolliquationsnekrosen sind nicht nur Folge von Ischämien und Anoxie, sondern z. B. auch ein Begleitsymptom der nekrotisierenden Enzephalitis (s. Kap. 9). Stadium I (frische Nekrose)
10 Abb. 10.13 MRT-Nachweis eines überwiegend kortikalen, aber auch striolentikulären frischen Infarkts. Axiale FLAIR-Sequenz mit kortikaler Hyperintensität im temporalen Mediastromgebiet und einem großen Teil der Inselrinde rechts; zusätzlich kleine lakunäre Hyperintensitäten striolentikulär. (Aufnahme von Dr. T. Wilhelm, Neuroradiologie, TU München)
Arteriosklerose, Thromben und Embolien sowie raumfordernde Prozesse (Tumoren), Hirndruck und Spasmen. Klinischen und pathologisch-anatomischen Beschreibungen regionaler Durchblutungsstörungen sind verschiedene Begriffe zugeordnet: Einerseits spricht man lediglich von Infarktsyndromen, da die Lokalisation austauschbar ist, andererseits kennt der klinische Sprachgebrauch den Begriff Insult (Stroke), der sowohl Hirninfarkt als auch intrazerebrale Blutungen einschließt, aber auch reversible neurologische Defizite (transiente ischämische Attacken) und prolongierte reversible neurologische Defizite. Unter anämischem Hirninfarkt (ischämische Enzephalomalazie) versteht man den Verschluss eines zuführenden arteriellen Gefäßes, dem eine Mangeldurchblutung des abhängigen Gefäßabschnitts folgt (Abb. 10.13). Der Begriff Erweichung wird gelegentlich synonym mit ischämischer Enzephalomalazie verwandt, sollte aber auf ein bestimmtes Stadium der Kolliquationsnekrose beschränkt sein. Die häufigste Folge eines anämischen Hirninfarkts ist die Kolliquationsnekrose. Sonderformen wie Koagulationsnekrose, lakunärer Kleinstinfarkt und inkomplette Nekrosen sowie Erbleichung und hämorrhagischer Infarkt werden weiter unten abgehandelt.
Makroskopisch ist die frische Läsion nach 12 h abgrenzbar mit fester, erhabener Schnittfläche (Abb. 10.14a). Histologisch gleicht das Bild zunächst weitgehend dem der elektiven Parenchymnekrose (Abb. 10.14b). Die Störung der Blut-Hirn-Schranke und die entsprechende Schwellungsreaktion der Endothelzellen, der Perizyten und der Astrozytenfortsätze ist allerdings ausgeprägter. Ab 30 h können die ersten Makrophagen an der Herdgrenze auftreten. Die Periinfarktzone (Penumbra) bietet histologisch ein uneinheitliches Bild (s. oben). Stadium II (Erweichung)
In diesem Stadium beginnt die Auflösung der Gewebsstruktur, die Kolliquation. Makroskopisch sind innerhalb der ersten 2–3 Tage die Infarktbereiche geschwollen, vielfach auf der frischen, unfixierten Schnittfläche stärker rosa-fleckig gezeichnet und weicher als das angrenzende Gewebe. Mit zunehmendem Alter wird das Gewebe noch weicher, geht in eine weißlich-gelbliche Farbe über, um innerhalb einiger Wochen zu zerfallen und sich kleinzystisch umzuwandeln (Abb. 10.14c). Nur wenn ein anämischer Infarkt das Hirngewebe eines Kleinkindes trifft, kann es zu einer rascheren und auch weit ausgedehnteren zystischen Einschmelzung des Nekrosenbereichs kommen. Solche Einschmelzungen sahen wir bereits nach 3 Wochen. Eine Demarkation des Infarktbezirks ist schon wenige Tage nach der Schädigung angedeutet. Mikroskopisch sieht man nach 48 h eine bereits deutliche Vermehrung von Makrophagen (Abb. 10.14d). Sie bilden sich aus Mikroglia, perivaskulären Zellen und aus hämatogenen Monozyten, die in den Infarktbereich einwandern und nach 3–4 Tagen wieder in Richtung der Venolen und Venen abzuwandern beginnen. Soweit markhaltige Bereiche betroffen wurden, sind die Markscheiden zunächst abgeblasst, um schließlich zu zerfallen und als Myelinbruchstücke in die mononukleären Makrophagen aufgenommen zu werden. Bei Sudanfettfärbungen erkennt man entsprechende „Fettkörnchenzellen“ (Abb. 10.14d). Die Randzone des anämischen Infarkts weist gewöhnlich einen deutlichen Ödemmantel mit grobspongiöser Gewebsauflockerung auf. Man sieht bereits gegen Ende des ersten Tages nach der Schädigung Axonschwellungen. Benachbart im scheinbar Gesunden
267
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
a
b
c
d
e
liegende Nervenzellen können das Bild der ischämischen Nervenzellschädigung oder auch Bilder der primären Reizung aufweisen, durchqueren doch ihre Fortsätze vielfach den Nekrosebereich, wo sie ebenfalls durch Unterbrechung der regionalen Axonblutversorgung der Nekrose verfallen. Stadium III (Resorption und Organisation)
Dieses Stadium erreicht in der 2. und 3. Woche den Höhepunkt. Die Übergänge zum Stadium II sind fließend. Während der Auflösung des Gewebes und seiner Resorption in unzähligen Phagozyten sprossen die Kapillaren vor allem von den Randzonen in den Nekrosebereich hinein. Die Kapillarsprossen sind in der Regel sehr zellreich. Selten können sie vielkernige, riesenzellähnliche
Abb. 10.14 a Frischer Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri media links mit Mittellinienverschiebung von links nach rechts und geringer hämorrhagischer Komponente. b Frische ischämische Nervenzellveränderungen des Kortex mit ausgeprägter Eosinophilie des Zytoplasmas. Einzelne Neurone sind intakt. c Erweichung im Versorgungsgebiet der A. cerebri media 10 Tage nach Thrombose im Bereich eines Mediaastes, Nekrose von Kortex und Marklager. d Zahlreiche Fettkörnchenzellen (Hirnmakrophagen, Gitterzellen, Lipophagen) aus einem Infarkt des Stadiums II. Färbung mit Sudan III. e Alte, weitgehend zystisch umgewandelte Nekrose im Versorgungsgebiet der A. cerebri media rechts. Infarkt im Stadium III
Sprossen bilden. Am Herdrand kann es zu Lymphozyteninfiltraten kommen. In der Wand neugebildeter Kapillaren, aber auch in erhaltenen Arteriolen und Venolen bilden sich Retikulinfasern. Die in der Mantelzone des Infarkts in Verbindung mit dem Umgebungsödem proliferierenden zytoplasmareichen Astrozyten (Abb. 10.15) bilden Gliafasern. Diese erzeugen gemeinsam mit den Kollagenfasern, die von den Gefäßen oder auch – bei rindennahem Sitz des Infarkts – von den Meningen aus in das Narbengewebe vordringen, eine gemischt gliös-mesenchymale Narbe. Meistens wird der nekrotische Defekt aber nicht voll von diesen Glia- und Kollagenfasern gedeckt, vielmehr führt die Kolliquationsnekrose zum zystenähnlichen Defekt (Abb. 10.14e).
268
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Im Kleinkindesalter imprägnieren sich die irreversibel ischämisch geschädigten Nervenzellen besonders häufig mit Eisen- und Kalksalzen.
Koagulationsnekrose
Abb. 10.15 Reaktive Gliose im Randbereich eines alten Infarkts mit ausgeprägter Darstellung der Astrozytenfortsätze. Darstellung des glialen sauren Faserproteins (GFAP, ABC-Methode)
10
An den Rändern liegen vielfach noch Wochen nach dem Infarkt Makrophagen. Liegt die Erweichung oberflächennah, so pflegt die Molekularschicht erhalten zu bleiben, weil ihre Gefäßversorgung offenbar von der Pia her noch ausreichend gesichert ist. Immerhin sind diese schmalen Streifen der Molekularschicht meist von pathologischen Gliazellformen durchsetzt oder enthalten Lipo- bzw. (nach Blutungen) Siderophagen. Der enthaltene Streifen der Molekularschicht lässt es gewöhnlich zu, ischämisch bedingte Nekrosen von traumatisch bedingten zu unterscheiden, bei denen die Molekularschicht zerstört oder in die Narbe einbezogen ist. Auch hinsichtlich der Lokalisation unterscheiden sich die ischämischen Infarkte innerhalb der Rinde von den traumatisch verursachten Narben dadurch, dass sie gewöhnlich nicht – wie die Letzteren – auf der Windungskuppe angesiedelt sind, sondern in dem schlechter versorgten Windungstal. Handelt es sich um zahlreiche Mikronekrosen oder um umschriebene Nekrosen mit Schwerpunkt in den Grenzzonen zwischen den Versorgungsgebieten der 3 großen Hirnarterien, so wird auch von einer Granularatrophie bzw. von einem Grenzzoneninfarkt gesprochen (s. unten, „Sneddon-Syndrom“). An der Phagozytose nekrotischen Gewebes beteiligen sich zwar vorwiegend die mononukleären Makrophagen [123], doch nehmen die Astrozyten, in den Grenzzonen selten sogar Nervenzellen an der Phagozytose teil. Vorwiegend in den Randgebieten trifft man auf Nervenzellinkrustationen durch Eisen- und Kalksalze. Der Eisengehalt dieser nekrotischen Zellen ist unabhängig davon, ob ein anämischer oder ein hämorrhagischer Infarkt bestand. Frühestens treten sie 7–8 Tage nach dem Infarkt auf. Sie können über Jahrzehnte liegen bleiben.
Es handelt sich hierbei um eine besondere Form der regional begrenzten Gewebsnekrose, bei der der nekrotische Bereich nicht der langsamen Kolliquation verfällt, sondern weitgehend unabgebaut liegen bleibt. Experimentell lassen sich derartige Nekrosen durch Hitze- und Strahleneinwirkung reproduzieren. In der Humanpathologie treten sie im Zusammenhang mit Vaskulopathien nur selten auf, wurden früher aber öfter im Rahmen von Strahlenspätschädigungen beobachtet. Sie kommen ferner in Verbindung mit Angiomen, insbesondere bei der angiodysgenetischen nekrotisierenden Myelopathie (Foix-Alajouanine) vor [75]. Die formale Genese der Koagulationsnekrose wurde in Verbindung zu einer plasmatischen Gewebsinfiltration gebracht [197]. Morphologie. Makroskopisch hebt sich die Koagulationsnekrose auf den Frontalabschnitten durch ihre scharfe Abgrenzung und ihre meist erhöhte Konsistenz vom übrigen Hirngewebe ab. Mikroskopisch finden sich in der Demarkierungszone teils kleinzystische Gewebsauflockerungen, teils gemischt gliös-mesenchymale Narben, zwischen denen Lipo- und Siderophagen angetroffen werden können. Selten sieht man hier Fremdkörperriesenzellen, wird doch offenbar die Koagulationsnekrose als Fremdkörper behandelt, der auch zu Immunreaktionen mit Ansammlung von Lymphoidzellen und Plasmazellen führt. Im Inneren der Koagulationsnekrose sind die Gefäße manchmal noch deutlich erkennbar, wenn auch meist mit einer entweder fibrosierten oder fibrinoid-nekrotischen Wand. Von den Gefäßwänden können Kollagenfasern in den nekrotischen Bereich hineinsprossen. Lipophagen finden sich aber allenfalls in geringer Menge. Stattdessen kann der nekrotische Bereich von feinkörnigen Kalkkonkrementen übersät sein. Kolloide Degeneration
Eine Sonderform der Koagulationsnekrose stellt die kolloide Degeneration dar, die ursprünglich im Rahmen der Lues cerebrospinalis und der progressiven Paralyse beschrieben worden ist, aber auch unabhängig davon – wenn auch sehr selten – vorkommen kann. Wie bei der Koagulationsnekrose liegt eine vollständige Gewebsnekrose vor. Der Begriff bezieht sich also nicht auf die auch als Koagulationsnekrose gewertete ischämische Nervenzellschädigung allein. Die kolloid-degenerativ veränderten Gewebspartien wirken speckig-homogen, sind
Hypoxie, Ischämie, Hirninfarkt
269
Makroglia
Abb. 10.16 Reaktive Mikrogliaproliferation mit zahlreichen aktivierten Mikrogliazellen im Bereich eines frischen Infarkts. Mikrogliadarstellung mit Antikörper Ki-M1P (CD68)
Bereits in den Frühstadien der Ischämie finden sich Astrozyten- und später auch Oligodendrogliazellschwellungen, jedoch keine Zelluntergänge. Die Schwellungen hängen zusammen mit der Schädigung der Nervenzellmembran durch Elektrolyt- und Flüssigkeitsverschiebungen. Hier zeigt sich, dass experimentell bereits nach 15-minütiger Ischämiedauer Astrozytenveränderungen nachweisbar sind. Demgegenüber reagieren die Oligodendroglia und die Kapillaren erst nach 60 min [51]. Die proliferierenden Astrozyten bilden filamentreiche Fasern, die in späteren Stadien zu einer gliösen Deckung der weitgehend von Nervenzellen entblößten „erbleichten“ Areale führen oder im Randbereich einer Nekrose nachweisbar sind (s. Abb. 10.15). Treten diese elektiven Parenchymnekrosen im frühen Kindesalter auf, so kann es hier zu gliotisch vernarbten Rindenpartien und zu einer Fehlmyelinisierung kommen (vgl. Kap. 4). Eine detaillierte Übersicht zur Rolle der Astrozyten beim anämischen Hirninfarkt gibt Norenberg [118].
aber in den Randpartien vielfach sekundär verkalkt oder weisen sogar eine knöcherne Metaplasie auf [127].
Lakunärer Infarkt Gliale Reaktionen Die gliale Reaktion verläuft in Abhängigkeit vom Nekrosetyp unterschiedlich und ist insbesondere bezüglich der Mikrogliapopulation noch nicht ausreichend untersucht. Bei kompletten Nekrosen, wie dem ischämischen Infarkt gehen alle Gliapopulationen, Oligodendroglia, Astroglia und Mikroglia zugrunde. Bei inkompletten, wie der oben besprochenen elektiven Parenchymnekrose oder in der Penumbra der anämischen Infarkte, sind die glialen Zellen nur reversibel geschädigt. Mikroglia
Eine ausführliche Darstellung der Mikroglia, Funktion und Plastizität findet sich in Kap. 1. Im Wesentlichen besteht die Zellpopulation der Mikroglia aus folgenden unterschiedlichen Subtypen: • ramifizierte oder ruhende Mikroglia; • aktivierte oder amöboide Mikroglia; • phagozytierende Mikroglia und • perivaskuläre Mikroglia. Bei der globalen Ischämie des Gehirns wird die ruhende Mikroglia stark aktiviert und ist innerhalb von Stunden nachweisbar. Nach zwei bis vier Tagen wird die phagozytierende Mikroglia (Hirnmakrophagen) nachgewiesen. Bei der fokalen Ischämie sind die Befunde und Zeitabläufe grundsätzlich gleichartig, spielen sich aber überwiegend in der Penumbra ab (Abb. 10.16) Die Abläufe der Mikrogliatransformationen sind komplex und Gegenstand zahlreicher Untersuchungen [83, 154].
Er entsteht durch umschriebene kleine vollständige Nekrosen, denen die gleichen Gewebsveränderungen wie bei der Kolliquationsnekrose zugrunde liegen. Sie treten insbesondere bei Hypertonikern auf (s. unten).
Inkomplette Nekrose (elektive Parenchymnekrose) Wirkt sich eine regionale Ischämie in Form der elektiven Parenchymnekrose aus, so kann es zu Erbleichungen kommen. Dieser Begriff ist auf die mangelnde Färbbarkeit ischämisch geschädigter Nervenzellen zurückzuführen. Solche Erbleichungen können bestimmten Rindenschichten folgen (laminär) oder ohne Rücksicht auf zytoarchitektonische Grenzen auftreten (pseudolaminär).
Hämorrhagische Infarkte Hämorrhagische Infarkte im arteriellen Versorgungsgebiet unterscheiden sich vom anämischen Infarkt durch zahlreiche konfluierende kleinere Blutungen, die meist auf die Rinde beschränkt sind. Erklärungen für die lokalisatorische Besonderheit gibt es nicht. Die Histologie entspricht der beim anämischen Hirninfarkt, lediglich die Komponente der Blutung verursacht eine ausgeprägte Pigmentierung der Phagozyten. Ursächlich werden einerseits eine Erhöhung des venösen Drucks (z. B. intra-
270
Kapitel 10
kranieller Drucksteigerung) genannt, der eine primär anämische Läsion von rückwärts blutig imbibiert. Andererseits kann es bei einer Rezirkulation in teils nekrotisches Gewebe zu Blutaustritten durch defekte Gefäßwände kommen (s. Abb. 10.28d). Hämorrhagische Infarkte durch Verschlüsse im venösen Drainagegebiet führen über eine Stauung zur Erythrodiapedese und zum Gewebsuntergang (s. Abschnitt „Thrombosen der Hirnvenen und Sinus“).
Spontane intrakranielle Blutungen
10
Blutungen in die Schädelhöhle haben äußere Ursachen, wie Traumata, oder geschehen aus inneren Ursachen, also spontan. Blutungen in die Dura, subdural und intrazerebral, die Folgen eines Traumas sind, werden an anderer Stelle besprochen (s. Kap. 15). Spontane intrakranielle Blutungen können einerseits subarachnoidal, meistens als Folge eines sakkulären Aneurysmas, oder andererseits entsprechend einer kompakten Blutung in die weiße Masse (Massenblutung) sowohl supra- als auch infratentoriell auftreten. Häufigkeit und Klinik. Häufigste Ursache einer intrazerebralen Massenblutung (ICB) sind: • Hypertonus 50% • Zerebrale Amyloidangiopathie 12% • Antikoagulanzien 10% • Tumoren 8% • Drogen 6% • Angiome und Aneurysmen 5% Andere Ursachen sind selten [39]. Die konsequente Anwendung der antihypertensiven Therapie hat zwar die Häufigkeit der intrazerebralen Massenblutung beim Hypertonus deutlich gesenkt [117], demgegenüber ist die Inzidenz der Aneurysmablutung nicht geändert. Die modernen bildgebenden Verfahren haben die klinische Abgrenzung einzelner Krankheitsbilder erleichtert, insbesondere die Unterscheidung zwischen ischämischem Hirninfarkt und ICB. Die klinischen Symptome sind durch die Lokalisation oder durch die Ausdehnung der Blutung bestimmt und setzen in der Regel schlagartig ein. Schwere ausgedehnte Blutungen gehen mit Hemiplegie, schwerer Bewusstseinsstörung und Blickabweichung einher. Weniger ausgedehnte Läsionen, z. B. im Putamen, sind durch sensomotorische Hemiparesen, Gesichtsausfälle und neuropsychologische Störungen gekennzeichnet. Kleinere Blutungen können sog. lakunäre Syndrome verursachen und sind von umschriebenen ischämischen Insulten klinisch oft nicht zu differenzieren [13]. Für die Prognose ist bedeutungsvoll, ob ein Ventrikeleinbruch (meistens in die vorderen Seitenventrikel) und
Kreislaufstörungen des ZNS
eine Tamponade des 4. Ventrikels erfolgt. Diese Komplikationen sind prognostisch ebenso ungünstig wie primäre Brückenblutungen.
Hypertensive Enzephalopathie Unter der hypertonischen Enzephalopathie (syn.: hypertensive Angiopathie) werden sowohl die der Hypertonie eigenen Hirngefäßveränderungen als auch ihre Folgen für das Hirngewebe zusammengefasst. Trotz der vorhandenen Beziehung zur Arteriosklerose lässt sich die hypertensive Hirnerkrankung als eigenständiges Krankheitsbild aus mehreren Gründen abgrenzen [20]: • Der Hochdruck ist der pathogenetische Hauptfaktor bei der hypertensiven Enzephalopathie, aber nur einer der Risikofaktoren bei der Arteriosklerose. • Die Gefäßveränderungen der hypertensiven Enzephalopathie sind morphologisch deutlich von der Arteriosklerose abzugrenzen und betreffen im Übrigen überwiegend die Arteriolen. • Die Folgen der Läsion am Hirngewebe sind bei der Arteriosklerose und bei der hypertensiven Enzephalopathie unterschiedlich. Ätiologie und Pathogenese. Die zahlreichen lichtoptischen und ultrastrukturellen sowie vereinzelten immunhistologischen Untersuchungen an humanem und tierexperimentellem Gewebe ergeben kein klares Bild der vielschichtigen Veränderungen bei der hypertensiven Enzephalopathie und erhellen ebenso wenig die Ursachen der katastrophalen Folge in Form der Massenblutung. Es kommt zu komplexen Schädigungen sowohl zellulärer Elemente als auch von Bestandteilen der extrazellulären Matrix. Hierbei kommt sowohl der Veränderung des Zytoskeletts in Endothel- und Muskelzellen besondere Bedeutung zu [4, 140] als auch den Kollagentypen der extrazellulären Matrix. Diese Veränderungen der Gefäßwand zeigen starke Parallelen zu Altersveränderungen der Mikrozirkulationsgefäße, so dass man von einer frühzeitigen Alterung der Hirngefäße beim Hypertonus sprechen kann. Warum es bestimmte Prädilektionsstellen für die Massenblutung gibt, ist weiterhin unklar. Untersuchungen ergeben ein unterschiedliches Intermediärfilamentmuster in den verschiedenen Hirngefäßarealen [139]. So ist offenbar Vimentin in den größeren Hirnstammarterien nur vermindert nachweisbar. Die ausgedehnten tierexperimentellen Untersuchungen zeigen, dass zunächst eine Schädigung der Endothelzelle auftritt. Durch Plasmainsudation in den subendothelialen Raum kommt es zur Einlagerung unterschiedlicher Substanzen zwischen Endothel und Media [190]. Bei Anhalten oder Fortschreiten dieses Prozesses wird die
Spontane intrakranielle Blutungen
271
a
b
c
d
Abb. 10.17 a Frische hypertensive Massenblutung im Versorgungsgebiet der A. lenticulostriata; Raumforderungszeichen: Verschiebung des Gyrus cinguli sowie Einbruch in das Ventrikelsystem. b Alte, weitgehend abgeräumte Massenblutung im Versorgungsgebiet der A. cerebri media rechts. c Status lacunaris im Bereich des
Thalamus links, entsprechend weitgehend abgeräumten Kleinstinfarkten im Endstromgebiet von Arteriolen. d Status cribrosus im Marklager mit Untergängen von weitgehend zellfreiem perivaskulärem Gewebe, mit zentraler Arteriole
Gefäßwand weitgehend umgebaut im Sinne der lichtoptisch und elektronenmikroskopisch beschriebenen (s. unten) degenerativen Veränderungen [120, 189]. Entscheidend ist hierbei die Chronizität des Prozesses. Der Hochdruck schädigt das zentrale Nervensystem bei chronischem Bestehen durch die Entwicklung spezifisch hypertensiver Gefäßwandveränderungen einerseits und durch die Verstärkung anderer Arteriopathien, wie der Arteriosklerose, andererseits. Akute hypertensive Krisen führen darüber hinaus zur Dekompensation des vaskulären Systems.
Anhand der unterschiedlichen Pigmentierung lassen sich frische und ältere Blutungen unterscheiden. Frische Blutungen weisen überwiegend eine dunkle, fast schwärzliche Farbe auf und sind im fixierten Zustand fest. Ältere Blutungen, die sich bereits in Organisation befinden, weisen eine bräunlich-rote Färbung auf und sind in ihrer Konsistenz weicher (Abb. 10.17b). Weitere meist typische, aber nicht pathognomonische Kennzeichen für die Hirnbeteiligung bei der hypertonischen Hirngefäßerkrankung sind Lakunen (Abb. 10.17c), Kriblüren (Abb. 10.17d) und Kugelblutungen. Lakunen sind umschriebene Gewebsnekrosen vor allem in den Stammganglien von 5 bis etwa 20 mm Durchmesser. In der Regel liegen diesen Kleinstinfarkten Verschlüsse in den zuführenden Arterien und Arteriolen zugrunde [13, 40, 41]. Bei gehäuftem Auftreten spricht man von „Status lacunaris“. Kriblüren sind perivaskuläre Gewebsuntergänge, die in der Regel ein zentrales Gefäß erkennen lassen. Der Tastbefund lässt sich mit einem Stoppelbart vergleichen. Hauptsächlich werden hierfür entweder der stark erhöhte Gefäßinnendruck („Zerhämmerungsdruck“; [199]) oder eine Mangelversorgung in der Gefäßumgebung, die sich
Morphologie. Makroskopisch ist die Massenblutung (Abb. 10.17a) in das parietale Marklager, meist ausgehend von der A. lenticulostriata (die Arterie des Gehirnschlags bei den alten Anatomen), der eindrucksvollste Befund; weitere Vorzugslokalisationen der Massenblutungen sind mit jeweils ca. 10% das Marklager des Kleinhirns und die Brücke. In anderen Lokalisationen sind Massenblutungen als Folge des Hypertonus eher untypisch. Insbesondere okzipitale Blutungen müssen differentialdiagnostisch von der Amyloidangiopathie bei älteren Patienten abgegrenzt werden.
272
Kapitel 10
auch enzymhistochemisch nachweisen lässt, verantwortlich gemacht [47]. Kugelblutungen sind kleine, bis 10 mm große Blutungen, meist an der Mark-Rinden-Grenze. Die größeren basalen Gefäße weisen gelegentlich eine ausgeprägte skalariforme Arteriosklerose auf [20]. Nicht selten fehlen aber die makroskopisch beschriebenen Zeichen des Hypertonus, was darauf hinweist, dass die Mikrozirkulationsgefäße, also die Arteriolen, besonders geschädigt sind. Auf die Divergenz zwischen klinisch manifestem Hypertonus und fehlender Morphologie oder lediglich diskreten histologischen Anzeichen weisen Untersucher immer wieder hin [143].
10
Mikroskopie. Am konstantesten unter den lichtoptisch fassbaren morphologischen Veränderungen sind folgende histologische Befunde: Hyalinose (fibrinoide Nekrose), Arteriolosklerose und Mikroaneurysmen. Diese Befunde, die unter dem Begriff Mikroangiopathie zusammengefasst sind, werden detailliert in einem eigenen Abschnitt abgehandelt (s. „Mikroangiopathie“). Die histologische Untersuchung der Massenblutung sowie auch der Kugelblutungen weist ein feingewebliches Bild auf, das den allgemeinen pathohistologischen Beschreibungen der Blutungen und ihrer Organisation folgt. Nach 3–4 Tagen treten die ersten Siderophagen auf (Abb. 10.18b).
Kreislaufstörungen des ZNS
Nach etwa 11 Tagen kann Hämatoidin nachgewiesen werden. Darüber hinaus kommt es zu diesem Zeitpunkt zur Glia- und Kapillarreaktion in der Blutungsumgebung. Residuen alter Blutungen weisen eine stärkere Fasergliose in der Umgebung auf. Hier sind häufig Rosenthal-Fasern und Axonkugeln noch Monate nach der Läsion nachweisbar. Elektronenmikroskopisch zeigen ultrastrukturelle Untersuchungen der beim chronischen Hypertonus veränderten Hirngefäße hauptsächlich geschädigte Arteriolen, während Kapillaren und Venolen weniger betroffen sind. Der Hyalinose liegt meist eine ausgeprägte Vermehrung der extrazellulären Matrix (Basalmembrankollagen und andere Kollagentypen und Proteoglykane) zugrunde. Nur mehr wenige glatte Muskelzellen sind am Wandaufbau des Gefäßes beteiligt (Abb. 10.19). Auch die Muskelzellen selbst sind erheblich alteriert im Sinne von degenerativen Veränderungen wie Filamentverlust, zytoplasmatischer Auflockerung und nur noch rudimentär vorhandenen Zellverbindungen zu den benachbarten Muskelzellen einerseits und zu den Endothelzellen andererseits. Dieser Verlust der myomyalen und myoendothelialen Kontaktzonen führt möglicherweise zu einer geringeren Reagibilität der Gefäßwand, wobei unklar ist, ob hierbei die nervöse Regulation eine Rolle spielt. Insbesondere tierexperimentelle Studien zeigen, dass auch Plasmaausfällungen insbesondere von Fibrin regelmäßig nachweisbar sind [60, 141].
Massenblutungen bei anderen Krankheiten Nicht selten führen Leukosen und andere Bluterkrankungen zu Massenblutungen, die neben einer großen frischen Blutung, die für das klinische Bild verantwortlich
a
b Abb. 10.18 a Mikroaneurysma bei hypertoner Enzephalopathie. b Blutungsresiduen einer kleinen Kugelblutung im Kortex beim chronischen Hypertonus (Berliner-Blau-Reaktion)
Abb. 10.19 Marklagerarteriole mit ausgeprägter Hyalinose. Verbreiterter subendothelialer Raum mit Basalmembranmaterial und Resten von Muskelendothelverbindungen. Schmale atrophische Muskelzellen an der luminalen Seite der Tunica media, Fibrose der Adventitia (Vergr. 3400:1)
273
Spontane intrakranielle Blutungen
ist, kleinere multilokuläre, teils konfluierende Blutungen erkennen lassen [2]. Bei Tumoren des Gehirns können gelegentlich Massenblutungen unter dem klinischen Bild eines Schlaganfalls auftreten. Hier sind es vor allem Glioblastome, Oligodendrogliome und Mischgliome, bei denen Massenblutungen nachweisbar sind [87]. Von Metastasen im Gehirn bluten solche von malignen Melanomen, Chorionkarzinomen, Nierenkarzinomen und Lungenkarzinomen besonders häufig [99]. Selten sind Massenblutungen bei Sepsis – hier liegen überwiegend kleinere, z. T. konfluierende Blutungen vor –, bei Aids [110] und bei markumarisierten Patienten [44, 193]. Bei atypischen Massenblutungen, die z. B. okzipital oder frontal lokalisiert sind, muss auch an die zerebrale Amyloidangiopathie gedacht werden [149].
Aneurysmen Die Aneurysmen der großen Hirnarterien können nach morphologischen und ätiologischen Gesichtspunkten untergliedert werden in • sakkuläre Aneurysmen, • arteriosklerotische Aneurysmen, • entzündliche Aneurysmen, • disseziierende Aneurysmen.
Sakkuläre Aneurysmen Epidemiologie. Angaben zur Häufigkeit der sakkulären Aneurysmen (syn.: beerenförmige Aneurysmen, kongenitale Aneurysmen) schwanken zwischen 1 und 9%, je nachdem, welche Kriterien bei der Untersuchung angewandt worden sind. Aufgrund größerer Untersuchungen ist von einer Häufigkeit von 1–2% auszugehen [106]. Dabei liegen ca. 95% im Bereich der A. cerebri anterior und der A. cerebri media, während 5% im posterioren Abschnitt (A. basilaris und A. posterior) nachweisbar sind. Es wird geschätzt, dass ca. 5% der Bevölkerung Aneurysmen von mehr als 3 mm Größe aufweisen. In dem Untersuchungsgut von McCormick und Nofzinger [106] lagen in ca. 16% der untersuchten Fälle rupturierte Aneurysmen vor. Untersuchungen von größeren Kollektiven mit rupturierten und unrupturierten Aneurysmen haben gezeigt, dass unrupturierte sakkuläre Aneurysmen mit einem Durchmesser von weniger als 10 mm eine geringe Wahrscheinlichkeit aufweisen zu rupturieren. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass intrakranielle sakkuläre Aneurysmen mit zunehmendem Alter an Durchmesser gleichfalls zunehmen [188]. Nicht selten finden sich bei einem Patienten mehrere Aneurysmen; präzise Angaben hierzu fehlen. Insgesamt sind Frauen häufiger betroffen als Männer, wobei der
Altersgipfel von rupturierten Aneurysmen in der 5. und 6. Lebensdekade liegt. Klinik. Hinsichtlich der charakteristischen Symptome eines Aneurysmas muss zwischen Symptomen bei rupturierten und nichtrupturierten Aneurysmen unterschieden werden. Letztere zeigen insbesondere im frontalen Bereich Gesichtsfeldeinengungen und gelegentlich Okulomotoriusparesen. Aneurysmen im Bereich der A. basilaris können gelegentlich klinische Bilder zeigen, wie sie auch bei Kleinhirntumoren beschrieben werden (Okulusmotoriusparesen, Trigeminusneuralgien und Paraparesen). Wichtigstes Symptom der rupturierten Aneurysmen ist der aus voller Gesundheit heraus einschießende vernichtende Kopfschmerz. Dazu treten Meningismus und, je nach Schweregrad, Somnolenz und neurologische Herdsymptome bis hin zur Hemiparese. Hier sind eine kraniale Computer- bzw. Magnetresonanztomographie und unter bestimmten Voraussetzungen eine Liquorpunktion unerlässlich. Die Patienten sind durch die Gefahr einer Nachblutung, Vasospasmen und Hirndruck vital bedroht. Charakteristisch sind gelegentlich auch auslösende Faktoren, wie schwere körperliche Anstrengung; allerdings treten Aneurysmablutungen auch in völliger Ruhe auf, z. B. während des Schlafs in den frühen Morgenstunden. Ätiologie und Pathogenese. Hirnarterien und Hirngefäße weisen im Vergleich zu den Arterien in anderen Körperorganen Besonderheiten auf, wie beispielsweise eine fehlende Lamina elastica externa und eine geringer ausgeprägte Mediazelllage; somit liegt physiologischerweise eine „schwache“ Gefäßwand vor. Diese Strukturbesonderheiten legten es nahe, dass zunächst Mediadefekte, wie sie bei Neugeborenen nachweisbar sind, für die Entstehung verantwortlich gemacht wurden [43]. Diese Mediadefekttheorie oder Anlagestörung der Hirngefäße ist immer wieder in Zweifel gezogen worden. Der eigentliche zugrunde liegende Mechanismus der Aneurysmaentwicklung ist unklar. Am ehesten kommen degenerative Veränderungen in der Gefäßwand in Frage, und möglicherweise gehen beide, degenerative Veränderung und angelegter Defekt, Hand in Hand. Eine Übersicht geben Sekhar und Heros [155]. Untersuchungen konnten zeigen, dass experimentell erzeugter Hochdruck an den basalen Gefäßen der Ratte zur Degeneration der Lamina elastica und der Muskelzellen der Media führt [61]. Morphologie. Der Aneurysmasack sitzt dem Gefäß breitbasig oder gestielt auf. Makroskopisch sind rupturierte Aneurysmen, insbesondere bei ausgedehnter subarachnoidaler Blutung nicht immer einfach nachzuweisen. Im fixierten Zustand wird
274
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Abb. 10.20 Kleines, ca. 7 mm großes nicht rupturiertes sackförmiges Aneurysma der A. crebri media. Das Aneurysma ist fibrosiert und sitzt breitbasig der Gefäßwand auf
10
sehr leicht die Aneurysmawand bei der Präparation zerstört, so dass es empfehlenswert ist, bei Verdacht auf aneurysmatische Blutung das Gehirn und die basalen Gefäße im unfixierten Zustand durch großzügiges Abschwemmen der Blutbestandteile darzustellen. Nicht selten ist hierbei der Tastbefund entscheidend, da Aneurysmen oft fibrosiert oder thrombosiert sind (Abb. 10.20). Die Darstellung der eigentlichen Rupturstelle, meist im Fundus, ist mitunter schwierig, da sie meist dem Hirn zugewandt lokalisiert ist. Neben der Subarachnoidalblutung führt die Ruptur oft zu einer intrazerebralen Massenblutung, die Anschluss an das Ventrikelsystem gewinnt und dieses tamponiert. Neben der Blutung sind auch Komplikationen, wie anämische Infarkte im Versorgungsgebiet der entsprechenden Arterien nachweisbar, für die eine spastische Konstriktion des Gefäßes als ursächlich angesehen wird (s. Abschnitt „Gefäßspasmen“). Weiterhin kommt es zu den allgemeinen Raumforderungszeichen durch die Blutung, wie z. B. die Verschiebung der Mittellinie und Unkusherniation. Diese intrakranielle Druckerhöhung kann bis zum Bild des Hirntods führen. Histologisch zeigt die Wand des Aneurysmas eine extreme Veränderung in Form nahezu vollständig fehlender Tunica media und fehlender Lamina elastica interna. Die Aneurysmawand ist nahezu komplett aus kollagenen Faserelementen aufgebaut, in die einzelne Muskelzellen und Fragmente elastischen Materials eingestreut sind (Abb. 10.21). In der Umgebung des Aneurysmas sind nicht selten arteriosklerotische Wandveränderungen nachweisbar, allerdings selten in unmittelbarem Bezug zur aneurysmatischen Aussackung. Das frisch rupturierte Aneurysma ist charakterisiert durch Blutauflagerungen und Fibrin in unmittelbarer Nachbarschaft zu der stark verdünnten Aneurysmawand. Siderophagen und Bindegewebsveränderungen sind wesentliche Indizes für die zeitliche Zuordnung einer älteren Ruptur.
Abb. 10.21 Sackförmiges Aneurysma der A. cerebri anterior, unten regelhafter Aufbau der Arterie mit Lamina elastica interna, Tunica media und Adventitia sowie angrenzendes Hirngewebe. Am Übergang vom Gefäß zum Aneurysma wird die Lamina elastica interna fragmentiert, an der Spitze des Aneurysmas ist kein elastisches Material mehr nachweisbar. Stärkere Fibrose der Aneurysmawand (EvG, Paraffinschnitt)
Arteriosklerotische Aneurysmen Bei diesen spindelzelligen (fusiformen) Aneurysmen stehen arteriosklerotische Veränderungen im Vordergrund. Die Patienten sind in der Regel älter, allerdings kommen gelegentlich auch bei Kindern und Jugendlichen oder jungen Erwachsenen solche Aneurysmen vor, so dass Defekte der Tunica media möglicherweise eine besondere Rolle spielen. Klinisch können bei nicht rupturierten, basilären spindelzelligen Aneurysmen wegen der Nachbarschaft zum Kleinhirn Raumforderungszeichen, Störungen der Hirnnerven oder Zeichen einer Hinterstrangdegeneration auftreten. Spindelzellige Aneurysmen machen ca. 7% der Aneurysmen aus. Makroskopisch steht eine starke Erweiterung der Gefäße besonders der A. basilaris im Vordergrund. Gewöhnlich sind starke lumeneinengende Thrombosierungen nachweisbar. Rupturen sind selten. Histologisch werden degenerative Veränderungen der Gefäßwand und arteriosklerotische Veränderungen mit Fibrose, Atheromatose und Kalzinose nachgewiesen. Die Leptomeningen sind gleichfalls fibrosiert und weisen häufig Residuen von Mikroblutungen auf.
275
Spontane intrakranielle Blutungen
Entzündliche Aneurysmen Entzündliche Aneurysmen (syn.: mykotische Aneurysmen) sind selten, verlässliche Angaben zur Häufigkeit fehlen deswegen. Klinisch stehen internistische Grunderkrankungen, wie beispielsweise bakteriell infizierte Emboli oder lokale Infektionen im Vordergrund. Morphologisch liegen meist kleine Aussackungen vor, die breitbasig dem Gefäß aufsitzen. Histologisch finden sich schwere entzündliche Veränderungen der Gefäßwand, wie sie vergleichbar bei anderen Arteritiden gesehen werden. Die Entzündung überwiegt in der Adventitia und in den Vasa vasorum und greift erst später auf die intimalen Schichten über. Man erkennt nekrotische glatte Muskelfasern, Makrophagen und rupturierte elastische Fasern, nicht selten spiralig aufgerollt [12].
Abb. 10.22 Disseziierendes Aneurysma der A. basilaris bei einer 32-jährigen Frau mit einer Dissektion beider Aa. vertebrales, die sich bis in die A. basilaris fortsetzte. Hochgradige Einengung des Lumens und ausgedehnte Einblutung zwischen Lamina elastica interna und Tunica media
Disseziierende Aneurysmen Disseziierende Aneurysmen (syn.: traumatische Aneurysmen, intramurale Hämatome) betreffen am häufigsten die A. vertebralis und die A. carotis interna und kommen sowohl intrakraniell als auch extrakraniell vor. Auf Klinik und Pathologie gehen Caplan [19] und O’Connell et al. [122] ausführlich ein. Bei intrakraniellen Aneurysmen sind häufig jüngere Patienten betroffen, mit einem durchschnittlichen Alter von 35 Jahren und ohne vaskuläre Grunderkrankungen. Bei älteren Patienten liegt die Dissektion häufiger extrakraniell. Hier werden degenerative Veränderungen als prädisponierend angesehen [16]. Klinisch sind extrakranielle Aneurysmen der Vertebralarterien gekennzeichnet durch meist okzipitale oder im Nacken gelegene Schmerzen. Neurologische Symptome der Medulla oder des Kleinhirns treten schleichend oder akut auf. Ursächlich werden chiropraktische Manipulationen und andere heftige Drehbewegungen am Kopf (z. B. beim Autofahren) angesehen. Intrakranielle Dissektionen verursachen meistens ischämische Insulte, subarachnoidale Blutungen mit entsprechender Klinik und gehen mit einer hohen Morbidität und Mortalität einher. Sie können die Folge von stumpfen Halstraumen (z. B. Boxer), gedeckten Hirnverletzungen und Schädelbasisfrakturen sein. Morphologisch liegen hier intimale Dissektionen (Abb. 10.22) oder Mediarisse vor, die zu ausgedehnten Blutungen in der Gefäßwand und in die Umgebung führen. Nicht durch Trauma bedingte disseziierende Aneurysmen kommen im Zusammenhang mit der zerebralen Amyloidangiopathie vor (s. unten).
Gefäßspasmen Der zerebrale Gefäßspasmus (syn.: zerebraler Vasospasmus) ist in seiner Tragweite und Häufigkeit erst durch verbesserte bildgebende Verfahren erkannt worden. Betroffen sind hauptsächlich Patienten mit Subarachnoidalblutungen, bei denen in 30% der Fälle mit einem Gefäßspasmus zu rechnen ist. Er tritt 3–4 Tage nach dem Blutungsereignis auf und erreicht ein Maximum nach 10 Tagen. In der Folge dieser Gefäßspasmen können umschriebene Hirninfarkte auftreten. Makroskopisch sind sichere Gefäßspasmen nur durch moderne angiographische Verfahren zu fassen. Histologische Untersuchungen zeigen, dass es zu einer stark gewellten Lamina elastica interna kommt, darüber hinaus sind Nekrosen der Tunica media nachweisbar [126]. Im späteren Stadium kommt es zur Atrophie und Fibrose der Muskelzellschicht und zu entzündlichen Veränderungen in der Umgebung sowie in der Intima [69]. Ultrastrukturell konnte gezeigt werden, dass es akut zur ausgeprägten Protrusion der Endothelzellen kommt (Abb. 10.23), wobei das Lumen nahezu vollständig verschlossen wird und eine starke Verformung der Muskelzellen der Media nachweisbar ist [98, 137]. Nach längerer Dauer sind granuläre Körper in den Muskelzellen und extrazellulär nachweisbar [166]. Pathogenese. Einerseits werden vasoaktive Stoffwechselprodukte, wie z. B. Prostaglandine, Serotonin, die durch subarachnoidale Blutungen freigesetzt werden, für die extreme Gefäßkontraktion verantwortlich gemacht [27]. Andererseits sollen auch Peptide, wie Endothelin eine Rolle spielen [108]. Auffällig ist nach experimentellen
276
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Letztendlich sind die genauen Ursachen und Mechanismen des Vasospasmus sowohl unter experimentellen Bedingungen als auch bei verschiedenen Grundkrankheiten (subarachnoidale Blutung, Schädeltraumen, maligne Hypertonie) ungeklärt.
Hirngefäßerkrankungen Arteriosklerose
Abb. 10.23 Spastische Kontraktion einer Arteriole des Kortex. Extreme Faltung der Tunica media, Tuschepartikel im Restlumen des Gefäßes (experimentelle Bedingungen wie in Abb. 10.24, Vergr. 2640:1)
10
a
b Abb. 10.24 a Segmentaler Spasmus einer meningealen Arterie. Zustand nach respiratorischer Alkalose im Tierexperiment. b Perlschnurartige Gefäßverengung beim Spasmus einer intrakortikalen Arteriole. Experimentelle Bedingungen wie in Abb. 10.24a
Untersuchungen, dass häufig segmentale Spasmen (Abb. 10.24) auftreten, die auch durch mechanische und elektrische Reize ausgelöst werden können und zu einer kompletten lokalen Zirkulationsstörung führen [105].
Schädigungen des Hirngewebes treten sowohl durch arteriosklerotische Veränderungen der extrazerebralen Basisgefäße und der intrazerebralen Gefäße als auch durch Veränderungen an großen zuführenden Arterien auf. Zwischen dem Ausmaß und dem zeitlichen Einsetzen der Arteriosklerose an den großen Körperarterien und an den zerebralen Arterien bestehen keine sicheren Parallelen. Eine zerebrale Arteriosklerose wird in größeren Obduktionsserien nur in 1–5% der Fälle beobachtet [76]. Schwere atheromatöse Veränderungen der Basisarterien müssen wiederum nicht notwendigerweise mit intrazerebralen Nekrosen verbunden sein. Ebenso besteht keine Korrelation zwischen atherosklerotischen Veränderungen an den Basisarterien und Veränderungen der kleinen Arterien der Konvexität. 21% der Erwachsenen mit schwerer Arteriosklerose der Basisgefäße hatten intakte intrazerebrale Arterien, während andererseits 55% von Patienten mit ausgeprägten intrazerebralen Atherosklerosen nur geringfügige Veränderungen an den Basisarterien aufwiesen [7]. In der zeitlichen Staffelung erkrankten zuerst die Vertebralarterien, dann die Karotiden in ihrem intrakraniellen Anteil, dann die großen Basisarterien in der Reihenfolge A. basilaris, A. cerebri media, A. cerebri posterior und A. cerebri anterior. Es folgen die kleineren basalen Äste und die größeren basalen Zweige sowie schließlich Anteile der Konvexitätsarterien [175]. In Japan ergab sich eine abweichende Vulnerabilität mit bevorzugter Schädigung der proximalen Anteile der A. cerebri posterior bei nur geringer Beteiligung der A. carotis [115]. Erste atheromatöse Wandveränderungen können bereits im Säuglings- und Kindesalter beobachtet werden. Ab dem 40. Lebensjahr nimmt die Häufigkeit der Atherosklerose rasch zu und ist bei über 75-Jährigen in 95% der Fälle deutlich. Hinsichtlich des Geschlechtsverhältnisses sind zunächst die Männer bevorzugt betroffen, nach der Menopause die Frauen [178]. Pathogenese. Die intrakraniellen Arterien unterscheiden sich von den übrigen Körperarterien durch das Fehlen der Lamina elastica externa und durch eine schmale Tunica media. Dadurch ergibt sich eine besondere Aus-
Hirngefäßerkrankungen
gangssituation für arteriosklerotische Schädigungsprozesse im Gehirn. Grundsätzlich gelten aber die gleichen pathologischen und pathogenetischen Bedingungen wie bei den anderen Körperarterien [113]. Das Wesentliche an der Genese der Arteriosklerose ist ihre multifaktorielle Natur. Einzelne Krankheiten sind selten direkt mit der Entstehung der Arteriosklerose in Verbindung zu bringen, weder im humanen System noch in tierexperimentellen Studien. Zu den wesentlichen Faktoren gehören: • Gefäßarchitektur (diese ist nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung der atheromatösen Veränderungen, sind doch bevorzugt an den Verzweigungsstellen oder an ausgeprägten Knickbildungen Läsionen anzutreffen); • metabolische Störungen (hierzu gehören u. a. Diabetes mellitus und Hyperlipidämien); • Schädigungen durch Zigarettenrauchen. Über den Stellenwert der einzelnen Faktoren herrscht Unklarheit. Möglicherweise spielt auch die virale Genese wieder eine stärkere Rolle, da neuere Untersuchungen auf die Beteiligung der Herpesviren hinweisen (Übersicht bei Hajjar [57]). Unbestritten von Bedeutung für die Morphologie ist die plasmatische Durchtränkung der Intima und die Aktivierung der glatten Muskelzellen der Media, die in die Intima einwachsen und eine Umwandlung von kontraktilen in metabolisch aktive Myozyten erfahren. Diesen primären Störungen folgen nekrobiotische Vorgänge, die schließlich zur Bildung von Cholesterinestern, Schaumzellen und Kalkablagerungen führen. Neben den Gewebsschädigungen, die durch arteriosklerotische Veränderungen der unmittelbaren Wandabschnitte verursacht sind, muss zur Erklärung der Gewebsnekrose im Gehirn auch embolisch verschlepptes Material herangezogen werden, das sich aus atheromatösen Beeten in großen proximalen Arterienabschnitten gelöst hat. 20–40% der einseitigen extrakraniellen Karotisverschlüsse bleiben klinisch folgenlos, ebenso 75% der einseitigen Vertebralisverschlüsse. Ursache ist hierfür möglicherweise die Fähigkeit zur Kollateralversorgung. Darüber hinaus können arteriosklerotisch bedingte Stenosen oder gar Verschlüsse in proximalen Arterienabschnitten insbesondere der A. carotis interna oder an der A. vertebralis die Wirkung anderer Wandprozesse verschärfen, weil bei Blutdruckabfall oder Viskositätsänderungen dann die Versorgung des Gewebes nicht mehr gewährleistet ist. Morphologie. Makroskopisch sind die atheromatösen Veränderungen besonders deutlich an den basalen Arterien erkennbar. Die Zerstörung der Lamina elastica interna und die Schädigung der Tunica media führt zu einer Ausdehnung und Verlängerung des arteriellen Gefäßschlauches sowie zu einem Elastizitätsverlust (Abb. 10.25a), der sich besonders gut an der A. basilaris und den Verte-
277
a
b
c Abb. 10.25 a Massive Arteriosklerose der extrazerebralen basalen Gefäße mit Schlängelung der ampullenartig erweiterten A. basilaris. b Hyalinose einer meningealen kleinen Arterie (van-Gieson-Färbung). c Arteriolosklerose einer kleinen kortikalen Arteriole, hier mit ausgeprägter Fibrose der Adventitia, verursacht durch eine kräftige Kollagenvermehrung (Immunhistologie/Kollagen Typ VI)
bralarterien beobachten lässt. Die Einlagerung von atheromatösem Material und die lokale Wandsklerose führen zur Knickbildung und bogenförmigen Verdrehungen. Mikroskopisch entsprechen die Veränderungen an den Hirnarterien durchaus denen an Gefäßen der anderen Körperorgane. Intimaödeme besonders an den Verzweigungsstellen weisen auf frische Initialstadien hin. Kommt es zu stärkeren Verquellungen der Intimaabschnitte und zu einer Aufsplitterung der Lamina elastica interna und einem Übergreifen auf die Media, so kann in
278
Kapitel 10
diesem Stadium eine sehr intensive Proliferation glatter Muskelzellen mit Einwanderung in die Intima beobachtet werden. Hier kommt es besonders ausgeprägt an der Intima-Media-Grenze zur Verfettung der aktivierten Myozyten. Mit der Schaumzellbildung und der Ausfällung von Cholesterinkristallen geht in der Regel eine Stenosierung des Gefäßes einher. Hier kann es bei Endothelzerstörungen zu thrombotischen Auflagerungen kommen. Elektronenmikroskopisch stellen sich diese Veränderungen ähnlich wie in anderen Körperarterien dar [63].
Altersveränderungen an Hirngefäßen (Seneszentenarteriosklerose)
10
Altersveränderungen der Gefäße sind nicht immer scharf von den arteriosklerotischen Veränderungen an sich abzugrenzen. Neben einer ausgeprägten Aufsplitterung der Lamina elastica interna kommt es zu stärkerer Fibrose der gesamten arteriellen Gefäßwand. Darüber hinaus werden mit unterschiedlichen Techniken (Elektronenmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie, Mikroangiographie) neben Fibrosen der Kapillaren und Venen zahlreiche Knäuelbildungen der kleinen intrazerebralen Gefäße gesehen [58, 131] sowie Torsionen der Arteriolen beobachtet [1].
Zerebrale Mikroangiopathie („small vessel disease“) Unter Mikroangiopathie versteht man allgemein die pathologische Veränderung der kleinen Gefäße (Kapillaren, Venolen, Arteriolen und kleine Venen und Arterien) im Gehirn. Somit umfasst der Begriff Mikroangiopathie folgende Befunde: (Lipo)Hyalinose, fibrinoide Nekrose, Mikroaneurysmen, Atherosklerose und Arteriolosklerose. Zahlreiche Autoren schränken allerdings die Mikroangiopathie ein auf die spezielle Pathologie der Gefäße beim chronischen Hypertonus, M. Binswanger sowie Veränderungen im Alter.
Atherosklerose kleiner Gefäße Kleine Arterien (150–900 m) zeigen im Wesentlichen die gleichen Veränderungen wie große Arterien, verursacht durch Diabetes mellitus, Hypertonus, Hypercholesterinämie u. a. Durch diese Grundkrankheiten verlagert sich, so die Hypothese, die Schädigung in die Peripherie, so von den großen perforierenden Ästen der Arterien nach meningeal.
Kreislaufstörungen des ZNS
Arteriolosklerose Unter Arteriolosklerose versteht man eine verdickte Wand der Arteriolen (10–150 m im Durchmesser) durch einerseits Fibrose und Hyalinose, wobei es zum Verlust der glatten Muskelzellen kommt (s. Abb. 10.19). Andererseits kommt es zur Verdickung der Basalmembran. Allerdings gibt es Überlappungen zwischen Arteriolosklerose und Lipohyalinose auf der einen und einer Tunica-media-Hyperplasie beim chronischen Hypertonus auf der anderen Seite. Differentialdiagnostisch muss die Arteriolosklerose abgegrenzt werden von Angiopathien bestimmter Krankheitsbilder, wie beispielsweise der kongophilen Angiopathie und CADASIL.
Fibrinoide Nekrose, (Lipo)Hyalinose Der Begriff Hyalinose beruht auf der Färbbarkeit und der lichtoptischen Erscheinung, wobei besonders in der Elastica-van-Gieson-Färbung die Wand homogen milchglasartig dargestellt wird (s. Abb. 10.25b). Auf Stufenschnitten zeigt sich, dass diese Veränderung oft auf Segmente des Gefäßes beschränkt ist. Der gelegentlich synonym verwandte Begriff „fibrinoide Nekrose“ dagegen entspricht einer Fibrindurchtränkung der Gefäßwand und tritt überwiegend bei der malignen Hypertonie auf. Der häufig benutzte Begriff Lipohyalinose wurde von Miller geprägt und wird sehr unterschiedlich angewandt. Neuere Untersuchungen zeigen ein komplexes Bild molekularbiologischer Abläufe [92], detaillierte Untersuchungen zum Aufbau der extrazellulären Matrix bei den unterschiedlichen Mikroangiopathien werden vermisst. Vereinzelt liegen Befunde vor, so zur Immunhistologie der spontanhypertensiven Ratte, des M. Binswanger und zum chronischen Hypertonus (s. Abb. 10.25c) [46, 140, 198].
Mikroaneurysmen Die Häufigkeit von Mikroaneurysmen ist umstritten. Gelegentlich trifft man Wandaussackungen und verdünnte Gefäßwände im Schnittpräparat an (s. Abb. 10.18a). Systematische Untersuchungen an Dickschnitten [29] weisen sie besonders gehäuft an der Mark-Rinden-Grenze sowie in den Stammganglien nach. Neuere Untersuchungen mit anderen Techniken zeigen [23], dass es sich hierbei wohl um Torsionen, also um Projektionen im angiographischen Bild handelt, während echte Mikroaneurysmen selten sind. Die sichere Identifikation von Mikroaneurysmen am Paraffinschnitt ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
Hirngefäßerkrankungen
Multiinfarktdemenz Die multiplen Nekrosen sind bei der Multiinfarktdemenz (syn: Multiinfarktenzephalopathie und vaskuläre Demenz) nicht auf das Marklager beschränkt. Die Stammganglien sind ebenso wie die Rindenabschnitte gewöhnlich mitbetroffen. Außerdem sind im Gegensatz zur Binswanger-Enzephalopathie die Nekrosen größer und die U-Fasern nicht ausgespart (Abb. 10.28a,b). Gegen eine Zusammenfassung der Binswanger-Krankheit und der Multiinfarktdemenz sprechen folgende Argumente: Klinisch ist das Demenzbild zwar ein gemeinsames Endstadium, doch bei der Binswanger-Krankheit treten über lange Jahre langsam fortschreitende Wesensveränderungen auf, während Paresen und ähnliche Herdausfälle fehlen oder nur gering ausgeprägt sind. Bei der Multiinfarktdemenz enthält die Vorgeschichte häufig Herzrhythmusstörungen, außerdem Zeichen wiederholter Schlaganfälle. Pathogenetisch ist bei der Multiinfarktde-
a
b Abb. 10.26a,b Encephalopathia subcorticalis chronica (M. Binswanger). a Diffuse kleinherdige, z. T. konfluierende Nekrosen des subkortikalen frontalen Marklagers. b Markscheidenfärbung desselben Falls mit ausgeprägter subkortikaler Entmarkung bei Aussparung der U-Fasern im Bereich des okzipitalen Lappens
279
menz wohl von embolischen Streuungen bei thrombotischen Gefäßwandaufbrüchen oder Herzklappenveränderungen auszugehen. Allerdings ergeben sich Schwierigkeiten der Abgrenzung im pathologisch-anatomischen Bild gegenüber anderen Demenzerkrankungen. Hierzu liegen detaillierte Übersichten vor [18, 50, 70, 112]. Darüber hinaus wird von anderen Autoren auf die Heterogenität bei der vaskulären Demenz hingewiesen [179] und vorgeschlagen, M. Binswanger, CADASIL, vaskuläre Demenz sowie Alzheimer mit vaskulärer Demenz unter dem Begriff „vascular cognitive impairment“ zu subsumieren [142].
Binswanger-Krankheit Bei der Binswanger-Krankheit handelt es sich um eine besondere Schädigungsform des Gehirns in der Kombination von Atherosklerose und allerdings nicht obligater Hypertonie mit multiplen Mikronekrosen im Marklager unter weitgehender Verschonung der Rinde. Wie bei der Multiinfarktdemenz angedeutet, herrscht auch bei der Binswanger-Krankheit keine einheitliche Definition vor (syn: Enzephalopathia chronica progressiva subcorticalis, „subcortical ischemic vascular dementia“, „subcortical arteriosclerotic encephalopathy“, „poststroke dementia“). Makroskopisch sind Konfiguration und Hirngewicht normal, allerdings weisen die basalen Gefäße in 60% der Fälle eine mäßige bis starke Arteriosklerose auf. Seitenventrikel und auch der 3. Ventrikel sind mäßig bis stark erweitert; im Marklager findet sich manchmal eine graue Verfärbung bei erhöhter Festigkeit (Abb. 10.26a). In 87% der untersuchten Fälle sind Lakunen nachweisbar [42]. Insbesondere im periventrikulären Marklager finden sich nekrotische Veränderungen. Histologisch zeigt sich auf Markscheidenschnitten, aber auch im Gieson-Präparat eine diffuse Entmarkung dieser Gebiete (s. Abb. 10.26b). Die mit Nekrosen verbundenen Gefäße weisen Hyalinose und Wandfibrosierungen auf. Die Nekrosen können unterschiedliches Alter haben und zeigen entsprechende Übergänge. Neuere Untersuchungen weisen auf die Beziehung zur Mikroangiopathie hin. Charakteristischerweise werden die U-Fasern von der Entmarkung verschont. In fast allen Fällen lässt sich ein Status cribrosus nachweisen. Pathogenese. Die Erklärungen von Binswanger und Alzheimer, dass arteriosklerotische Veränderungen in den langen penetrierenden Arteriolen des Marklagers wesentlich für die Entstehung der Marklagerschäden sind, findet vielfach Unterstützung [42, 76, 167]. Durch eine ausgeprägte Hyalinose der Arteriolenwand kommt es zur Mangelversorgung auch der unmittelbaren Gefäßumgebung. Möglicherweise liegt eine direkte Schädigung auch der abgehenden Kapillaren vor [71].
280
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
a
10 Abb. 10.27 Koronares MRT in FLAIR-Sequenz. Flächenförmige, ausschließlich das Marklager betreffende deutliche Signalerhöhung beidseits. Lakunärer Infarkt in den Stammganglien, Verdacht auf Leukoaraiosis. (Aufnahme von Prof. Solymosi, Abt. Neuroradiologie, Universität Würzburg)
Zahlreiche CT- und MRT-Untersuchungen zeigen eine Rarefikation des Marklagers (Abb. 10.27); dieser Befund ist rein deskriptiv auch als Leukoaraiosis bezeichnet worden. Révész et al. [133] haben die Befunde des MRT mit den histologischen Befunden korreliert und gezeigt, dass Abschnitte mit MRI-abnormalen Signalanhebungen mit Abschnitten axonaler und myelinen Veränderungen sowie kleinen Lakunen korrespondieren. Immunhistologische Arbeiten zeigen in der Gefäßwand eine Veränderung der extrazellulären Matrix, eine ausgeprägte Deposition von Kollagen Typ I, III, IV, V und VI [198]. Alternative Konzepte rücken daher direkte ischämische Folgeerscheinungen, Ödemfolgen und chronische Hypoxie in den Vordergrund [7, 91, 196].
Abb. 10.28 a Multiinfarktdemenz mit zahlreichen Nekrosen im Stadium III im Marklager und Stammganglien. b Multiple umschriebene Kleinhirnnekrosen bei Multiinfarktdemenz. c Nekrose im dorsolateralen Bereich der Medulla oblongata bei Thrombose des Ramus circumflexus der A. basilaris, klinisch Wallenberg-Syndrom. d Hämorrhagischer Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri posterior links
b
c
d
Hirngefäßerkrankungen
281
CADASIL Hierbei handelt es sich um eine autosomal-dominante Arteriopathie, die zu rezidivierenden Hirninfarkten führt und mit einer progredienten Demenz einhergeht (syn.: familiäre zerebrale Arteriosklerose, hereditäre Multiinfarktdemenz, familiäres Binswanger-Syndrom). Nach der Erstbeschreibung von Sourander und Walinder [161] fanden Tournier-Lasserve et al. [177] den Gendefekt auf Chromosom 19 und prägten das Akronym CADASIL (cerebrale autosomal-dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie). Genetik. Das defekte Gen 19p13 kodiert für Notch 3 ein transmembranöses Rezeptorprotein, das eine Rolle während der Entwicklung bei der Differenzierung von Muskelzellen spielt [80]. Weitere Untersuchungen weisen auf eine Punktmutation hin, auch Deletionen sind beschrieben [32].
Abb. 10.29 Meningeale kleine Arterie bei einer 47-jährigen Patientin mit CADASIL. Es kommt zu einer ausgeprägten Verdickung der Gefäßwand sowie Ablagerung reichlich PAS-positiven granulären Materials in der Media und betont in der Adventitia (PAS-Reaktion, Vergr. 100:1). (Aufnahme von Frau Priv.-Doz. A. Bornemann, Institut für Hirnforschung, Universität Tübingen)
Epidemiologie. CADASIL tritt in verschiedenen ethnischen Gruppen auf, größere Anzahl von Fällen sind bisher bei Europäern beschrieben, in deutschen, französischen und finnischen Familien [22, 33]. Zwischenzeitlich sind viele hundert Familien weltweit beschrieben und es wird eine Inzidenz von 4:100.000 angegeben [81]. Klinik. Die Kardinalsymptome von CADASIL sind rezidivierende ischämische Infarkte, kognitive Defizite, Demenz und Migräne mit Aura. Die Präsentation der Symptome und der Krankheitsbeginn können erheblich variieren. Die ersten Infarkte treten bereits mit 30 Jahren auf, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen 40 und 50 Jahren. Psychiatrische Symptome sind die zweithäufigste Symptomengruppe. In der deutschen Studie zeigten 41% der Patienten kognitive Defizite, 28% eine Demenz, 38% der Patienten hatten eine Migräne mit Aura. Selten treten epileptische Anfälle auf, Hypertonus ist meist nicht nachweisbar. Die Laborparameter sind unauffällig. MRT-Untersuchungen zeigen in 96% der Fälle eine charakteristische Hyperintensität periventrikulär und in der weißen Substanz. Untersuchungen des zerebralen Blutflusses mit SPECT und PET weisen auf einen reduzierten zerebralen Blutfluss hin, der morphologisch nachweisbaren Gehirnzerstörungen vorausgeht [33]. Pathologie. Makroskopisch zeigt das Gehirn bei der Sektion häufig lakunäre Infarkte im Marklager und im Hirnstamm, wobei der Kortex in der Regel gut erhalten ist. Blutungen sind untypisch. Histologisch weisen die Arterien der Leptomeningen und des Marklagers eine verdickte Tunica media auf mit basophilem granulärem Material, das PAS-positiv ist (Abb. 10.29).
Abb. 10.30 Elektronenmikroskopisches Bild der Wand einer kleinen intrazerebralen Arteriole mit zahlreichen granulären Ablagerungen, überwiegend in der Adventitia in unmittelbarem Kontakt zu glatten Muskelzellen. Das Inset zeigt eine stärkere Vergrößerung der granulären Ablagerungen. Gleicher Fall wie in Abb. 10.29. (Aufnahme von Frau Priv.-Doz. A. Bornemann)
Ultrastrukturell lassen sich Ablagerungen von granulärem osmiophilem Material (0,2–0,8 lm durchmessend) zwischen den degenerierten glatten Muskelzellen und in der Adventitia nachweisen (Abb. 10.30). Filamentäres Material (insbesondere Amyloidfibrillen) wird vermisst. CADASIL ist zwar auf das ZNS beschränkt, dennoch sind die charakteristischen Ablagerungen in fast allen Organen nachweisbar. Somit eignet sich die Muskel- und Nervenbiopsie insbesondere auch die Hautbiopsie zu einer spezifischen Diagnose [151].
GOM
282
Kapitel 10
Pathogenese. Die genauen pathogenetischen Mechanismen sind noch unklar. Aufgrund der Schädigung der glatten Muskelzellen sowie der benachbarten osmiophilen Granula wird vermutet, dass der Gefäßumbau ursächlich für die lakunären Infarkte ist. Da überwiegend großkalibrige Arteriolen und kleine Arterien betroffen sind, liegt das Schädigungsmuster, insbesondere wird das Marklager betroffen, in der besonderen Angioarchitektur begründet.
Kreislaufstörungen des ZNS
chischen Folge befallen, ähnlich wie sie für die senilen Plaques vorliegt [168]. Histologisch sind Amyloid-β-Ablagerungen vor allem in der Adventitia und Tunica media durch eine Kongofärbung mit Doppelbrechung oder immunhistologisch nachweisbar (Abb. 10.32a–c).
Zerebrale Amyloidangiopathie
10
Die zerebrale Amyloidangiopathie (CAA; syn: kongophile Angiopathie, drusige Gefäßwandentartung) ist eine Erkrankung, die häufig bei älteren Menschen auftritt und besonders die meningealen und kortikalen Gefäße befällt. Obgleich seltene hereditäre Formen bekannt sind, tritt die CAA in der Regel sporadisch auf. Sie findet sich häufig in der Assoziation mit dem M. Alzheimer, tritt aber auch ohne Demenz auf. Klinisch ist die kongophile Angiopathie meist stumm. Durch die Einlagerungen von E-Amyloid (ein fibrilläres, gefaltetes Protein) in die Gefäßwand tritt eine Fragilität auf, die Ursache für intrakranielle Blutungen sein kann, sowohl kleine als auch Massenblutungen, oft atypisch lokalisiert und Anlass für eine neurochirurgische Intervention. Eine definitive Diagnosestellung ist nur durch einen histologischen Befund möglich. Pathologie. Makroskopisch ist das Gehirn bei der CAA unauffällig, es sei denn, in Folge der CAA ist eine intrakranielle Massenblutung aufgetreten. Diese ist meist atypisch lokalisiert, bevorzugt frontal oder okzipital (Abb. 10.31). Prädelektionsstellen für die CAA sind kleine meningeale und kortikale Arterien und Arteriolen [132]. Weitere Hirnregionen werden in einer hierar-
a
b
c
Abb. 10.31 Spontane mehrzeitige atypische Massenblutung parietookzipital links bei einer 83-jährigen Frau mit zerebraler Amyloidangiopathie. Dunkel-rot-schwarz die frische Blutung, rot-gelblich die alte Blutung
Abb. 10.32a,b Hyalinose. a Ausgeprägte Hyalinose der Gefäßwand in Arteriolen mit Ablagerung von Amyloid (Kongorotdarstellung). b Gleiches Präparat mit Polarisationsoptik. Es kommt zu einer gelblich-grünlichen Doppelbrechung im Bereich des kongophilen Materials. c Arterioläres intrakortikales Gefäß mit ausgeprägter Ablagerung von E-Amyloidablagerungen in der Tunica media und Adventitia. Eine Kapillare ist gleichfalls betroffen. (Immunhistologie für E-Amyloid)
283
Hirngefäßerkrankungen
Pathogenese. Die Pathogenese der CAA ist unklar. Nach Révész et al. [134] werden im Wesentlichen 3 Hypothesen diskutiert. 1. Systemisch: Amyloid-β wird in zahlreichen Zellen gebildet und in Gefäßen abgelagert. 2. Vaskulär: Gefäßwandzellen bilden Amyloid-β. 3. Drainage: Der perivaskuläre Drainageweg ist insbesondere bei alten Menschen gestört und führt daher zu Ablagerungen von Amyloid-β in der Gefäßwand. Die Beziehung der CAA zur Alzheimer-Krankheit wird in den Übersichtsarbeiten von Thal et al. [169] und Weller et al. [185] ausführlich dargelegt. Weitere Formen der CAA [familiäre Amyloidose, finnischer Typ (FAF), familiäre Demenz, britischer Typ (FBD) u. a.] sind biochemisch, molekular-pathologisch und genetisch unterschiedliche Krankheiten, denen die Ablagerung von Amyloid gemeinsam ist [134].
Vaskulitiden und andere Angiopathien Entzündliche Gefäßerkrankungen des Zentralnervensystems sind eine Herausforderung für Kliniker und Neuropathologen, da sowohl sehr unterschiedliche Symptome präsentiert werden als auch die Morphologie oft unspezifisch und schwierig zu interpretieren ist. Darüber hinaus werden Pathogenese und Ätiologie kontrovers diskutiert. Neben zahlreichen systemischen Vaskulitiden, bei denen das ZNS mitbeteiligt ist, wie z. B. bei der Panarteriitis nodosa oder bei dem systemischen Lupus erythematodes, gibt es wenige primäre kranielle oder zerebrale Manifestationen der Angiitis: die Riesenzellarteriitis, die Takayasu-Arteriitis und die primäre Angiitis des Zentralnervensystems.
Vaskulitiden des ZNS • Primäre kraniale Vaskulitiden – Takayasu-Arteriitis – Riesenzellarteriitis – Primäre ZNS-Angiitis • Zerebrale Manifestationen von Systemerkrankungen – Systemischer Lupus erythematodes – Panarteriitis nodosa – Wegener-Granulomatose – Churg-Strauss-Syndrom – Sjögren-Syndrom – Behçet-Syndrom • Infektiöse Erkrankungen – Borreliose – Tuberkulose • Viral bedingte Vaskulitiden und andere
Primäre Angiitis des ZNS Synonyme für diese Erkrankung sind intrakranielle Vaskulitis und granulomatöse Angiitis des ZNS. Das klinische Bild der meist erwachsenen Patienten ist uneinheitlich: Kopfschmerzen, multifokale neurologische Defizite, unspezifische MRT-Befunde; in der Angiographie sieht man segmentale Einschnürungen der zerebralen Arterien (Abb. 10.33a,b). Da bei generell schlechter Prognose eine aggressive Suppressionstherapie nicht selten erfolgreich ist, werden zunehmend offene Biopsien durch den Neurochirurgen durchgeführt [3, 28, 163]. Dabei sollte neben leptomeningealem Gewebe auch ein Gewebsblock des angrenzenden Kortex vorliegen. Die Histologie zeigt ein dichtes, entzündliches, überwiegend lymphozytäres Infiltrat, Histiozyten und Plasmazellen sind spärlich. Hierbei wird oft die gesamte Gefäßwand durchsetzt. Riesenzellen sind in einem Teil der Fälle nachweisbar (Abb. 10.34). Der neuropathologische Befund ist unspezifisch, und differentialdiagnostisch müssen systemische granulomatöse Entzündungen, z. B. eine Sarkoidose, eine Riesenzellarteriitis, und bei fehlenden Riesenzellen auch lymphatische Grunderkrankungen (angiotropes Lymphom) abgegrenzt werden.
Panarteriitis nodosa Epidemiologie. Das Zentralnervensystem ist bei dieser Krankheit (syn.: Periarteriitis nodosa) relativ selten beteiligt. Angesichts von Literaturangaben über die Häufigkeit, die zwischen 8% und 80% einer zerebralen Beteiligung schwanken [20], neigen wir jedenfalls der niedrigeren Zahl zu. Morphologie. Vielfach beschränkt sich das Bild auf unspezifische entzündliche Infiltrate. Knötchenförmige Auftreibungen („nodosa“) sind ausgesprochen selten [182]. Es kann dann zu perlschnurartigen Auftreibungen und Verhärtungen der Gefäßwand kommen, die durch ihre helle Farbe zusätzlich auffallen. Liquorpleozytosen und Subarachnoidblutungen kommen gelegentlich in Abhängigkeit vom Sitz des Prozesses vor. Es sind dann die Arterienwände meist durchgehend durch alle Schichten entzündlich infiltriert, wobei lediglich die Media relativ geringer betroffen ist. Fibrinoide Nekrosen von Wandsegmenten sind ebenfalls eher selten. Sie finden sich vor allem bei den knotigen Formen. In der Adventitia kann es zu Granulombildungen mit Übergreifen auf das angrenzende Hirngewebe kommen. In der Intima herrschen Gewebsschwellung und lymphozytäre, in perakuten Fällen auch
284
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Abb. 10.34 Bioptischer Nachweis einer granulomatösen Angiitis subkortikal mit Riesenzellen, epitheloiden Zellen und Lymphozyten in der Gefäßumgebung; mäßige Gliose im angrenzenden Parenchym (HE-Färbung; gleicher Fall wie in Abb. 10.33)
10
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Epidemiologie und Pathogenese. Bei dieser ebenfalls disseminiert auftretenden Systemkrankheit sind Frauen im Verhältnis von 6:1 gegenüber Männern häufiger betroffen; der Krankheitsgipfel liegt im 2. und 3. Lebensjahrzehnt [35]. Der zu den Autoimmunkrankheiten zu zählende SLE betrifft das Zentralnervensystem in 20–25% der Fälle, wobei wie bei der Panarteriitis nodosa die zufällige Verteilung der Gefäßwandentzündung die klinische Symptomatologie bestimmt.
Abb. 10.33a,b 23-jähriger Mann mit Sprachstörung, Pleozytose im Liquor, Verdacht auf Vaskulitis. a Axiales MRT in Protonenwichtung; das Marklager und den Kortex betreffende Signalsteigerung beidseits. Die runde Signalminderung entspricht der Biopsiestelle. b DSA der linken A. carotis communis in Schrägposition. Multiple umschriebene Kaliberschwankungen an den zerebralen Gefäßen, besonders ausgeprägt an der A. cerebri anterior (Pfeile). (Aufnahmen von Prof. Solymosi, Abt. Neuroradiologie, Universität Würzburg)
granulozytäre Infiltrate vor, während in der Adventitia eher lymphoplasmazelluläre Infiltrate angetroffen werden. Ist es nicht zur Gewebsnekrose gekommen, so sind doch vielfach perivaskuläre ödematöse Gewebsauflockerungen sichtbar [103]. Eosinophile Granulozyten können den Infiltraten beigemengt sein.
Morphologie. Fibrinoide Gefäßveränderungen und LEKörper finden sich seltener als in den übrigen Körperorganen. Die Gefäßveränderungen können aus unspezifischen Intima- und Adventitiainfiltraten bestehen, wobei die kleinen Arterien der Leptomeningen und der Hirnrinde bevorzugt befallen sind. In fortgeschrittenen Stadien sieht man Intimaproliferate und Thrombenbildungen, wobei die Infiltrate auch auf die Venen übergreifen [129]. Erythrodiapedesen, Blutungen und Nekrosen von uncharakteristischem Verteilungstyp können die Folge der Gefäßveränderungen sein. Dabei kommen selten auch Koagulationsnekrosen oder das Bild der sog. kolloiden Degeneration vor. Diagnostisch ist der Nachweis von LE-Zellen bedeutungsvoll. Es handelt sich hierbei um basophile, strukturlose Zytoplasmaeinschlüsse, die durch AntigenAntikörper-Reaktionen mit entsprechender Kernschädigung entstehen, wobei die geschwollenen, homogenisierten Kerne ausgestoßen und in Makrophagen aufgenommen werden können.
285
Hirngefäßerkrankungen
Wegener-Granulomatose In seltenen Fällen kann hier ebenfalls das Zentralnervensystem betroffen sein [20]. Eine spezielle nosologische Differenzierung gelingt dabei meist ebenso wenig wie beim LE. Das Bild ähnelt der Panarteriitis, doch sind perivasale gemischtzellige Granulome und Mikrogliabeteiligung deutlicher.
Riesenzellarteriitis Klinik. Diese Krankheit (syn.: Arteriitis temporalis, M. Horton) ist durch die schmerzhafte Schwellung in der Umgebung der A. temporalis superficialis gekennzeichnet, die mit starken Kopfschmerzen und mit Sehstörungen gekoppelt sein kann. Vorwiegend ist das höhere Lebensalter betroffen, wobei regionale Unterschiede nachgewiesen wurden [45, 54]. Es besteht keine Bevorzugung des Geschlechts. Die Diagnose ist leicht durch Biopsie der Temporalarterie zu stellen [38]. Allerdings ist der Befall der Arterie oft segmental, so dass ein ausreichend großes Stück der Arterie in Stufenschnitten aufgearbeitet werden muss. Selbst dann sind falsche-negative Biopsiebefunde nicht ungewöhnlich und müssen bei entsprechender charakteristischer Klinik relativiert werden. Die Pathogenese und die Beziehung zur Polymyalgia rheumatica ist ungeklärt. Morphologie. Mikroskopisch zeigt sich eine Arteriitis mit lymphozytären und granulozytären Zellen unter Bevorzugung des subendothelialen Intimagewebes und der Adventitia. Gelegentlich können auch eosinophile Granulozyten beigefügt sein. Charakteristisch ist das Auftreten von mehrkernigen Zellen vom Typ der Fremdkörperriesenzellen, gewöhnlich um Elastikafragmente (Abb. 10.35a,b). Die Muskelschicht ist gelegentlich fibrinoid degeneriert. Das morphologische Bild ist abhängig von der Krankheitsphase. Unterschieden werden eine exsudative Initialphase, eine produktive Hauptphase und eine regressive Endphase. Die Riesenzellarteriitis beschränkt sich keineswegs auf die A. temporalis superficialis, sondern kann auch auf intrazerebrale Gefäße übergreifen; gefährdet ist insbesondere die A. ophthalmica [181]. Die Feststellung einer Arteriitis temporalis muss daher zu therapeutischen Konsequenzen führen. Die Prognose ist bei Exzision der entzündlichen Gefäßabschnitte in der Temporalarterie und einer Dexamethasonbehandlung günstig [20].
a
b Abb. 10.35 a Temporalarterie mit ausgeprägter Entzündung im Bereich der Lamina elastica interna, übergreifend auf Media und Adventitia. Erhebliche Stenose durch Intimaproliferation (Elasticavan-Gieson-Färbung). b Wand einer A. temporalis mit ausgeprägter Entzündung am Übergang von Media zur Intima, hier mit Riesenzellen, zahlreichen Lymphozyten, die z. T. die Media locker infiltrieren (HE-Färbung)
Thrombendangitis obliterans Diese arterielle Verschlusskrankheit (syn.: Endangitis obliterans, Winiwarter-Bürger-Krankheit) befällt mit wenigen Ausnahmen Männer, vorwiegend zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Ein hoher Zigarettenverbrauch ist stark mit der Krankheit korreliert. Betroffen sind besonders die kleinen und mittleren Extremitätenarterien. Eine zerebrale Beteiligung ist umstritten und muss vom Antiphospholipidsyndrom (Sneddon-Syndrom) abgegrenzt werden.
286
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Sneddon-Syndrom
10
Das Sneddon-Syndrom [syn.: Antiphospholipid-Syndrom (APS), Hughes-Syndrom] ist eine ungewöhnliche Manifestation von arterieller und venöser Thrombose im Gehirn und in der Haut (Livedo retikularis) und geht häufig mit einem erhöhten Antiphospholipid einher [68, 157]. Klinisch zählt das Sneddon-Syndrom zum Formenkreis der APS. Das APS wird eingeteilt in ein primäres APS (Patienten, die keine Hinweise auf andere Immunerkrankungen haben) oder in ein sekundäres APS (Patienten, bei denen andere Autoimmunerkrankungen bekannt sind, wie z. B. der systemische Lupus erythematodes). Die neurologische Symptomatik ist charakterisiert durch anämische Hirninfarkte, Anfälle oder auch eine progrediente Demenz und andere neurologische Erkrankungen. Ein internationales Konsensusstatement für die Klassifikation des APS liegt vor [191]. Wesentliche Bedeutung kommt der computertomographischen Untersuchung zu, die eine kortikale Atrophie und muliple hypodense Areale aufweist [104, 146]. Pathogenetisch wird eine reaktive endotheliale Hyperplasie der kleinen Gefäße angenommen, die mit Thromben vergesellschaftet ist, also eine nichtentzündliche zerebrale Vaskulopathie. Serologisch zeigen sich oft erhöhte Antiphospholipid-Antikörper, familiäre Formen sind selten [100, 164]. Morphologie. Makroskopisch zeigt das Gehirn in ausgeprägten Fällen zahlreiche umschriebene, nicht mehr frische multilokuläre Infarkte (Abb. 10.36). Überwiegend sind die Rinde und das angrenzende Marklager betroffen; die größeren basalen und meningealen Gefäße zeigen makroskopisch wenig Veränderungen. Gering ausgeprägte Fälle weisen nur vereinzelt kleinere zystische Läsionen auf. Histologisch sind überwiegend die kleinen Arterien und Arteriolen durch eine ausgeprägte Endothelhyperplasie charakterisiert. Hier kommt es zu zahlreichen, teilweise obturierenden Endothelpolstern (Abb. 10.37a,b). Darüber hinaus sind rekanalisierte Gefäße und Gefäßwandnekrosen nachweisbar. Die Infarkte weisen unterschiedliche Stadien von frisch bis alt auf, begleitet von einer ausgeprägten Gliose und Abräumreaktion (s. Abb. 10.37a,b). Auffällig ist eine massive Mikrogliaproliferation auch in nekrosefernen Arealen, die eine chronische Hypoxie vermuten lassen. In weniger ausgeprägten Fällen sind die Mikrogliareaktion, die elektive Parenchymnekrose und diskrete Gefäßwandveränderungen die einzigen Anhaltspunkte für eine zerebrale Beteiligung.
Abb. 10.36 Granularatrophie der Rinde mit kleinen, unterschiedlich alten Infarkten der Rinde; Multiinfarktenzephalopathie bei Verdacht auf zerebrale Vaskulitis. (Aufnahme von J. Peiffer)
a
b Abb. 10.37 Antiphospholipidsyndrom. a Intimahyperplasie der meningealen Arterien mit hochgradiger Lumeneinengung sowie nicht mehr frischer angrenzender Hirninfarkt. b Intimapolster in stärkerer Vergrößerung sowie ein verschlossenes kleines meningeales Gefäß. Im Randgebiet stärkere astrogliale Reaktion als Folge des Infarkts. Markierung des Endothels mit dem Faktor VIII durch Immunhistochemie
Hirngefäßerkrankungen
Takayasu-Arteriitis Synonyme sind Takayasu-Krankheit, „pulseless disease“, Aortenbogensyndrom). Die Takayasu-Arteriitis (TA) ist eine Arteriitis unklarer Ätiologie im Bereich des Aortenbogens und der abgehenden Arterie (A. carotis communis u. a.), wobei die Entzündung unspezifisch ist. Klinisch sind unterschiedliche Symptome wie Sehstörungen, schwindende Arterienpulse, sekundäre Hypertension und Myokardinfarkte führend. TA tritt gehäuft in Asien auf. In Japan weist eine Autopsiestudie eine Inzidenz von 1:3000 Fälle auf, wobei junge Frauen 7- bis 8-mal häufiger als Männer betroffen sind [116]. Morphologisch kommt es zu einer Stenose der Gefäße mit einem histologischen Bild ähnlich der Panarteriitis [109].
Moya-Moya-Krankheit Moya-Moya-Krankheit (MMK) weist typischerweise eine Stenose und/oder einen Verschluss der basalen Gefäße des Gehirns sowie der A. carotis interna auf. Dabei kommt es zu einer ausgeprägten Netzstruktur. MMK hat daher ihren Namen von der an Tabakrauchwolken erinnernden Gefäßzeichnung im Angiogramm. Betroffen sind überwiegend Kinder zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr und Erwachsene in der 4. Dekade. Bei Kindern stehen transiente ischämische Attacken und Anfälle klinisch im Vordergrund, bei Erwachsenen Blutungen und Mikroaneurysmen. Morphologisch finden sich neben segmental geschrumpften Gefäßen ausgeprägte varikös veränderte Gefäße, gelegentlich Thromben [72]. Zeichen der Arteriosklerose und entzündliche Veränderungen fehlen histologisch [88]. Die Ursache von MMK ist unklar. Neuerdings werden Wachstumsfaktoren wie der „fibroblast growth factor“ verantwortlich gemacht [165].
Fibromuskuläre Dysplasie Diese sich vorwiegend an den Nierenarterien manifestierende Krankheit kann ebenfalls die Hirnarterien betreffen und Ursache von Stenosierungen und Parenchymnekrosen sein [97]. Charakteristisch ist der neuroradiologische Befund mit perlkettenähnlichen lokalen Gefäßwandausweitungen und Stenosierungszonen, die über längere Abschnitte hintereinander geschaltet sind. Epidemiologie und Klinik. Betroffen sind vorwiegend Frauen im jüngeren und mittleren Lebensalter, doch ist auch bei Kindern mit dem klinischen Bild eines Schlaganfalls an die fibromuskuläre Dysplasie zu denken [156]. Sowohl transitorische ischämische Attacken als auch
287
durch Gefäßverschlüsse mit anämischen Infarkten zu erklärende Schlaganfälle kommen vor, ferner Subarachnoidalblutungen durch Gefäßwandeinrisse. Diese nichtarteriosklerotische Wanderkrankung ist mit den der extravasalen Blutung vorausgehenden intramuralen Blutungen einer der möglichen pathogenetischen Faktoren von Aneurysmen. Lokalisation und Morphologie. Neben den mittleren Abschnitten der A. carotis interna sind Hauptstämme der intrazerebralen Arterien von den segmental auftretenden stenotischen Ausweitungen betroffen. Mikroskopisch fehlen entzündliche Veränderungen. Man trifft auf eine Mediahyperplasie, selten auch auf entsprechende Verbreiterungen und Fibrosierungen von Intima und Adventitia unter Frakturierung, Lückenbildung oder Verlust der elastischen Fasern. Vor allem die sich an der Karotis manifestierenden Stenosen sind einer operativen Behandlung zugänglich [162]. Die Ätiologie ist unbekannt.
Kalzifikationen Verkalkungen der Pallidumgefäße Die Arterien des Pallidums weisen bei älteren Menschen öfter Kalkeinlagerungen in die Media auf. Das Spektrum reicht vom feinsten, strukturlosen Körnchen an einzelnen Mediaabschnitten über die Einlagerung von Kalkspangen bis zu einer vollständigen Umwandlung der Media, die dann auch nicht selten von einer erheblichen Lumeneinengung durch eine Verbreiterung der Intima begleitet ist. Die Intima bietet dann vielfach ein sehr lockeres kollagenfaseriges, zellarmes Maschenwerk, das in der Regel keine Makrophagen enthält. Trotz dieser erheblichen Lumeneinengung kann die Mediaverkalkung nicht zu den arteriellen Verschlusskrankheiten von klinischer Bedeutung gezählt werden. Neben diesen Mediaverkalkungen kommen auch Verkalkungen von Arteriolen und Kapillaren vor, wobei man den Eindruck umfangreicher freier Kalkkonkremente gewinnen kann. Ähnliche Kalkablagerungen finden sich auch nicht selten innerhalb der Lamina circumvoluta medullaris des Ammonshorns. Diese Kalkablagerungen entstehen auf einer Matrix von Mukopolysacchariden bzw. Mukoprotein durch Einlagerung von Kalziumphosphat, aber auch Magnesium-, Mangan- und Eisensalzen. Kalzium-EiweißVerbindungen werden als Pseudokalk bezeichnet.
Fahr-Syndrom Dieses Syndrom (syn.: „cerebral calcinosis“, familiäre idiopathische zerebrale Verkalkung, striatodentale Kalzi-
288
Kapitel 10
fikation) unterscheidet sich hinsichtlich der formalen Pathogenese nicht von den Kalkeinlagerungen in den Pallidumarterien. Charakteristisch ist die symmetrische Ausprägung der Verkalkungen in beiden Pallida (Abb. 10.38c) und in den Nuclei dentati (Abb. 10.38a). In der Regel sind die Kapillaren und Arteriolen bevorzugt betroffen (Abb. 10.38b).
10 a
Kreislaufstörungen des ZNS
Es kann zu ausgedehnten Kalkkonkrementen kommen, was die intravitale Diagnostik mit Hilfe der Computertomographie oder bereits der Schädelleeraufnahme erlaubt. Im Computertomogramm fanden sich derartige symmetrische Stammganglienverkalkungen unter 8000 Untersuchungen in 2% der Fälle [53]. Es handelt sich beim Fahr-Syndrom nicht um eine Krankheitseinheit. Neben klinisch symptomlos verlaufenden Fällen gibt es vor allem im mittleren und höheren Lebensalter Erkrankungsfälle, die mit Hyperkinesen, Parkinsonismus, zerebellär-ataktischen Störungen oder auch Demenzen einhergehen. Als Ursache kommen ein Hypoparathyreoidismus, ein Pseudohypoparathyreoidismus und exogene Einflüsse durch Medikamente in Frage. Die Mehrzahl der Fälle tritt sporadisch auf, doch gibt es auch Beobachtungen eines familiären Auftretens mit starker Penetranz [14, 125]. Entsprechend den klinischen Ausfallerscheinungen sind beim Fahr-Syndrom auch die Gewebsschäden ausgeprägter. Die Kalkablagerungen können von lokalen Entmarkungen und Fasergliosen begleitet sein. Selten gibt es Kalkablagerungen innerhalb der Gefäßwand auch bereits bei Kleinkindern und sogar bei Feten. Elektronenmikroskopisch lassen sich die Mineralisationen in den Initialstadien zunächst innerhalb der Basalmembranen nachweisen [56].
Diabetes mellitus Hypoglykämie
b
c Abb. 10.38 a Morbus Fahr mit Kalkkonkrementablagerungen in den Zahnkernen der Kleinhirnhemisphären. b Ausgedehnte Kalkkonkremente im Neostriatum bei einem Patienten mit M. Down (Aufnahmen von J. Peiffer). c M. Fahr mit Kalkkonkrementen im Striatum beiderseits. Röntgenaufnahmen einer Koronarscheibe postmortal
Sinkt der Blutzucker unter die physiologische Norm von etwa 50 mg%, so besteht eine Hypoglykämie, die in der Lage ist, das Zentralnervensystem zu schädigen. Übelkeit, Heißhunger, Schweißausbrüche oder Abgeschlagenheit sind klinische Prodrome der zentralnervösen Störungen mit Übergang zu Somnolenz bis zum tiefen Koma, oft verbunden mit motorischen Reizerscheinungen. Ursächlich kommen mangelnde Nahrungszufuhr, Stoffwechselstörungen wie Galaktosämie, Glykogenspeicherkrankheiten oder leuzininduzierte Hypoglykämien, schwere Leberinsuffizienzen, vor allem aber die Überproduktion von Insulin bzw. iatrogen bedingte Überdosierungen in Frage. Morphologie. Im Vordergrund stehen neben typischen ischämischen Nervenzellschädigungen Kernpyknosen der Nerven- und Gliazellen, darüber hinaus aber auch ausgedehntere elektive Parenchymnekrosen, die vielfach laminär oder pseudolaminär den Windungstälern folgen. Körnerzellnekrosen sowie Homogenisierung der Purkinje-Zellen sind ebenfalls eine sehr häufige Folge, vor allem nach dem Umschlag eines diabetischen in ein hypoglykämisches Koma.
Thrombotische Gefäßverschlüsse
Bei frühgeborenen Säuglingen, bei denen mit einer Hypoglykämiehäufigkeit von 10 bzw. 15% zu rechnen ist [26], kommt es hierunter auch zu Entwicklungsstörungen des Zentralnervensystems.
Coma diabeticum Pathogenese. Beim diabetischen Koma besteht zwar eine Überschwemmung des Hirngewebes mit Glukose, gleichzeitig jedoch eine starke Zurückdrängung des zerebralen Sauerstoffverbrauchs und des Glukoseverbrauchs, so dass paradoxerweise trotz der Überschwemmung der Gewebsflüssigkeit mit Glukose die zentralnervöse Glukoseaufnahme und -verbrennung reduziert sind. „Das Parenchym erstickt buchstäblich im Zuckerwasser und wird gleichzeitig ausgetrocknet“ [11]. Pathogenetisch bedeutungsvoll sind weiterhin Kaliumverluste und eine Azidose, die zur Zuckerstoffwechselstörung und der histotoxischen Hypoxidose hinzutreten. Morphologie. Die Folge ist eine Kombination der oben genannten Hirnschädigungen bei Hypoglykämie mit noch ausgeprägteren laminären Parenchymnekrosen und Körnerzellnekrosen der Kleinhirnrinde sowie Parenchymschädigungen disseminierter Art in Großhirnrinde, Striatum und Pallidum [11]. Im Übrigen beherrschen meist die Folgen der mit dem Diabetes mellitus verbundenem Atherosklerosen das morphologische Bild.
Thrombotische Gefäßverschlüsse Arterielle Thrombosen Unter 3600 Obduktionen von Erwachsenen fanden sich 2,5% mit Thrombosen von Hirnarterien. Bevorzugt sind die großen Arterienstämme in der Reihenfolge A. cerebri media, A. basilaris und A. carotis interna sowie A. vertebralis [111]. Pathogenese. Ursächlich kommen vor allem arterielle Verschlusskrankheiten in Frage, soweit Veränderungen des Endothels und der übrigen Wandschichten die Hauptursache der Thrombenentstehung sind. Die Arteriosklerose spielt hierbei die bedeutendste Rolle. Darüber hinaus sind Wandverhältnisse sowie Störungen der Gerinnungsmechanismen, die die Zirkulationsgeschwindigkeit und den regionalen zerebralen Blutfluss beeinflussen, wesentliche pathogenetische Faktoren. Morphologie. Makroskopisch zeigen frisch thrombosierte Gefäße im unfixierten Zustand einen rotbraunen, im fixierten eher körnigen, dunkelroten Gefäßinhalt, der in Abhängigkeit vom Alter des Thrombus der Gefäßwand
289
mehr oder weniger intensiv anhaftet. Bei älteren Thrombosen, bei denen bereits Organisationsvorgänge vorliegen, ist der Thrombus grau verfärbt. Bei frischen Thrombosen ist es makroskopisch schwer möglich, sie von terminalen oder von postmortalen Blutgerinnseln zu unterscheiden. Mikroskopisch ist eine solche Unterscheidung leichter, soweit Endothelzerstörungen und eine beginnende Organisation vorliegen. Bereits nach 2–3 Tagen beginnt die Einwanderung von Fibroblasten und nachfolgende Phagozytose. Ein unterschiedliches Netzwerk kollagener Fasern durchspinnt später das ursprüngliche Lumen, das rekanalisiert werden kann.
Thrombosen der Hirnvenen und Sinus Der Blutgehalt in den intrakraniellen Sinus und venösen Gefäßen entspricht 70% der gesamten intrakraniellen Blutmenge. Somit haben Abflussstörungen ebenso katastrophale Folgen für die zerebrale Durchblutung wie arterielle Versorgungsstörungen. Allerdings ist die Lokalisation der Störung wesentlich für den Grad der Schädigung des Gehirns, weil die komplexen venösen Drainagen (s. Abb. 10.4) unterschiedlich ausgebildete Anastomosen aufweisen. Während einige Abschnitte der Sinus ohne Folgen verschlossen sein können, sind Störungen im Bereich der V. Galeni deletär. Auch werden graduelle Okklusionen der Sinus z. B. durch Tumoren besser toleriert als akute Verschlüsse durch Traumata oder chirurgische Intervention. Klinik und Epidemiologie. Die venösen Thrombosen unterscheiden sich hinsichtlich der Altersgipfel, der Geschlechtsverteilung und der Pathogenese deutlich von den arteriellen Thrombosen. Die Perinatalzeit bietet einen ersten Gipfel der Häufigkeit, ein zweiter Gipfel liegt im Erwachsenenalter. Der Häufigkeitsgipfel liegt in der 3. Dekade, wobei 60% Frauen und 40% Männer betroffen sind [37]. Wichtige klinische Zeichen sind Kopfschmerzen, Vigilanzstörungen, Meningismus und Sehstörungen (Hirnödem). Sie sind unterschiedlich ausgeprägt, je nachdem ob die Störung langsam, progredient oder plötzlich einsetzt. Wesentliche Bedeutung kommt hier in der Befunderhebung der neuroradiologischen Diagnostik zu [173] (s. Abb. 10.40c). Prognose. Die Mortalitätsangaben zur Sinusthrombose schwanken je nach Studie sehr stark, ältere Untersuchungen geben bis 100% an, nach neueren Untersuchungen liegt die Mortalität zwischen 5 und 27%. Im Allgemeinen ist die Prognose günstig, 78% der betroffenen Patienten haben keine oder nur geringe neurologische Defizite [37].
290
10
Kapitel 10
Pathogenese. Entzündliche Erkrankungen spielen eine wesentlich größere Rolle als bei arteriellen Thrombosen, besonders gefährdet sind Patienten mit eitrigen Meningitiden. In einem größeren Untersuchungsgut fanden sich 21% der Sinusthrombosen auf entzündlicher Grundlage, zu 76% fanden sich hormonelle Einflüsse bei Frauen [37]. Orale Kontrazeptiva führen zur Veränderung im Gerinnungssystem [86]. Rauchen die betroffenen Frauen regelmäßig Zigaretten, so erhöht sich das Thromboserisiko um das 22fache gegenüber Nichtraucherinnen, die keine Kontrazeptiva einnehmen. Seltene Komplikationen sind venöse Thrombosen gegen Ende der Schwangerschaft und kurz nach der Geburt. Weitere Ursachen für Thrombosen sind Tumorinfiltrationen der Gefäß- und Sinuswände, Bluterkrankungen (Polyzythämie) und Fehlbildungen z. B. im Bereich der V. Galeni (Abb. 10.39). Auf den Zusammenhang zwischen Thrombosen und arteriovenösen Fisteln im Bereich der spinalen Dura wird von verschiedenen Autoren hingewiesen [31, 173].
Kreislaufstörungen des ZNS
beobachtet werden können, sind diese Venen prall gefüllt und häufig von einer unterschiedlich breiten Zone hämorrhagisch infarzierten Gewebes umgeben (Abb. 10.40a). Der Sinus sagittalis superior ist thrombotisch verschlossen (s. Abb. 10.40b). Auf den Frontalschnitten entscheidet die Lokalisation des hämorrhagischen Infarkts gewöhnlich auf den ersten Blick über venöse oder arterielle Störungen.
Morphologie. Bei Thrombosen der Brückenvenen, wie sie besonders über den zentroparietalen Abschnitten a
a
b
c b Abb. 10.39 a Venöse Missbildung (sog. Aneurysma) der V. Galeni (s. Pfeil) bei einem 2 Wochen alten Säugling (sagittale Schnittführung). b Schwere Hirnschädigung, wohl aufgrund einer intrauterinen Kreislaufstörung. (Aufnahmen von J. Peiffer)
Abb. 10.40 a Gehirn mit ausgedehnter Thrombosierung der Brückenvenen und angrenzenden hämorrhagischem Infarkt. Zustand nach Thrombose des Sinus sagittalis superior. b Querschnitt durch den Sinus sagittalis superior mit Verschluss durch Thrombose. c Darstellung der Thrombose im Sinus sagittalis superior (Angiographie). (Aufnahmen von J. Peiffer)
Blut-Hirn-Schranke und Hirnödem
Mikroskopisch finden sich im Gefäß ähnliche Bilder wie bei arteriellen Thromben. Das Gewebe zeigt Seround Erythrodiapedesen perivenös. Im Versorgungsbereich der betroffenen Venen ist das Parenchym feinspongiös aufgelockert, es finden sich Übergänge von der elektiven Parenchymnekrose bis zur vollständigen Kolliquationsnekrose des Gewebes. Wird eine Venen- oder Sinusthrombose längere Zeit überlebt, finden sich kleinzystisch umgewandelte Mark-Rinden-Areale mit kräftiger Gliafaserproliferation und spärlichen Lipo- und Siderophagen.
Blut-Hirn-Schranke und Hirnödem Der Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe ist im Bereich des ZNS mit Ausnahme weniger kleiner Areale durch die Blut-Hirn-Schranke (BHS) selektiv geregelt. Morphologisch kann man diese Restriktion aufgrund folgender elektronenmikroskopischer Befunde verstehen: Das Endothel der Mikrozirkulationsgefäße des ZNS weist erstens keine Poren auf, wie sie in den anderen Organen, z. B. der Muskulatur, üblich sind, besitzt zweitens nur wenig pinozytotische Aktivität und zeigt drittens sog. „tight junctions“, also Strukturen, die Endothelfugen abdichten (s. Kap. 1). Darüber hinaus sind auch Basalmembran und Gliaendfüße an der abluminalen Seite des Endothels an der BHS beteiligt. Insbesondere die Glia ist hier für Induktion und Erhaltung dieser Barriere mit verantwortlich [135, 187]. Eine BHS besteht nicht innerhalb der Glandula pinealis, der Area postrema, der Eminentia mediana und der übrigen zirkumventrikulären Organe mit Beziehungen zu neuroendokrinen Zellen. Sie fehlt ferner an den Gefäßen des Plexus choroideus. Da in diesen Arealen eigentlich eine Trennung von Blut- und Liquorraum vorliegt, wird präziser von einer Blut-Liquor-Schranke gesprochen. In den von der BHS-Funktion ausgenommenen Hirnarealen finden sich ähnlich wie in den übrigen Organen fenestrierte Endothelien. Es handelt sich um Regionen, in denen der humorale Austausch zwischen Hirngewebe und Blut sowie umgekehrt funktionell bedeutungsvoll ist. Die wesentlichen Funktionen der BHS sind: • Schutz des ZNS vor den Blutbestandteilen, • selektiver Transport von Metaboliten in beiden Richtungen.
Pathogenetische Aspekte (Ödemausbreitung, Ödemformen) Der Erhalt der Schrankenfunktion ist eine aktive Stoffwechselleistung, Störungen der Blut-Hirn-Schranke sind daher eine Folge zahlreicher unterschiedlicher
291
Grunderkrankungen wie Hirntumor, Intoxikation, Schädel-Hirn-Trauma, intrazerebrale Blutung und Hirninfarkt. Das Hirnödem weist ein hohes Maß regionaler Variabilität auf. Man kann davon ausgehen, dass bei unterschiedlichen Ödemformen eine Rangfolge in der Ödemneigung der Hirnregionen vorliegt. Der normale Wassergehalt der Hirnrinde liegt bei 80% (bei Neugeborenen etwa 90%), jener der weißen Substanz bei 68%. Die ödematöse Rinde enthält 83% Wasser, die ödematöse weiße Substanz aber 80%. Das Ödem des Marklagers ist eher extrazellulär, das der Rinde eher intrazellulär, wobei die Wasser einlagernden Zellen im wesentlichen Astrozyten sind [21]. Der kaudale Hirnstamm gilt dagegen als relativ ödemresistent. Andererseits lagern umschriebene Regionen des Hirnstamms, z. B. die Gegend des Locus coeruleus, rasch Wasser ein. Die regionale Variabilität des Ödems ist nicht nur von pathophysiologischem Interesse: Die Klinik wird vom Ausmaß des Ödems mitbestimmt, das einen pathologischen Prozess begleitet. Der Mechanismus, der den Wassertransport transmembranös regelt, spielt eine entscheidende Rolle zum Erhalt der Homöostase sowohl unter physiologischen als auch unter pathologischen Bedingungen. Auf die komplexe Pathophysiologie und die involvierten molekularen Mechanismen kann hier nicht detailliert eingegangen werden. Als wesentliches Molekül kann lediglich auf Aquaporin (AQP) hingewiesen werden [5, 84]. Die umfangreiche Literatur zur Pathophysiologie ist von Tomita [174] zusammenfassend dargestellt. Es lassen sich im Wesentlichen zwei Formen des Ödems unterscheiden: • Zelluläres Ödem (vorwiegend des Astrozyten): Hierbei kommt es zu unspezifischer Elektrolytverschiebung und allgemeiner Stoffwechselstörung, wobei die Ursache, die der humanen Pathologie zugrunde liegt, sehr heterogen sein kann, wie z. B. Hypoxie, Hyperglykämie, Entzündungen und andere Erkrankungen. • Ödem als Folge der Störung der Blut-Hirn-Schranke (sog. vasogenes Ödem): Hierbei wirken verschiedene Faktoren als Ödemmediatoren mit, wie z. B. Neurotransmitter, freie Fettsäuren, biogene Amine (Noradrenalin, Histamin) und zahlreiche lysosomale Enzyme [24, 25]. Eiweißreiche Flüssigkeit durchdringt das Endothel mittels erhöhter pinozytotischer Aktivität oder durch Vakuolisierung des Endothelzytoplasmas. Hierbei werden die „tight junctions“ meist nicht betroffen. Die Ödemflüssigkeit sammelt sich dann in dem subendothelialen Raum und in der umgebenden Glia. Mit fortschreitendem Ödem wird der interzelluläre Raum des Marklager durchflutet, wobei Axone im Wesentlichen intakt bleiben. Eine Sonderform des Ödems sind hypoosmolare Ödeme, die insbesondere eine Rolle beim Hirntrauma spielen. Durch eine exzessive Flüssigkeitsgabe, die wegen der Blutverluste notwendig ist, kommt es zu einer Reduzie-
292
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
Morphologie
Abb. 10.41 86-jährige Frau mit chronischer myeloischer Leukämie. Tumormanifestation temporal links mit zentraler Nekrose und ausgeprägtem peritumoralem Ödem
10
rung der Serumosmolarität, worauf eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung außerhalb der Hirngefäße in der Hirnsubstanz selbst folgt, was mit einem Anstieg des intrakraniellen Drucks verbunden zu einer verminderten Durchblutung führt. Bei hydrostatischen Ödemen kommt es – bei intakten Endothelien – zu einem plötzlichen Anstieg des intravaskulären oder des transmuralen Drucks, was zu einem Austritt von Flüssigkeit in den extrazellulären Raum des Gehirns führt. Ein besonders gravierendes Beispiel für diese Ödemform können Patienten bieten, bei denen wegen eines Tumors, der zu hohem intrakraniellem Druck geführt hat, eine neurochirurgische Entlastung durch Entfernung der knöchernen Kalotte durchgeführt wurde. Es kann hier zu einer rapiden Herniation des Gehirns, einer gefürchteten Komplikation, kommen. Das peritumorale Ödem ist oft eine Inkonstante. So können z. B. in der Gruppe der Meningeome das eine Mal ausgedehnte peritumorale Ödembezirke auftreten, das andere Mal nicht [15]. Hier wird eine Interaktion zwischen Tumorprodukten und umgebendem Gewebe oder eine unterschiedliche Kapillarstruktur diskutiert. Bei höher malignen Tumoren kommt es in der Regel zu einer Störung der Blut-Hirn-Schranke und damit zu einem perifokalen Ödem (Abb. 10.41). Das hydrozephale Ödem ist durch einen erhöhten Wasser- und Natriumgehalt der periventrikulären und weißen Substanz gekennzeichnet, bedingt durch einen Einstrom von Liquor durch das Ependym in das Hirngewebe bei Liquorabflussstörungen. Bei derartigen, vorwiegend die weiße Substanz betreffenden Ödemzuständen kommen ebenfalls sowohl extra- wie intrazelluläre Ödemfolgen vor, generell gilt das Mark als ödembereiter als die graue Substanz. Die allgemeine Morphologie intrakranieller Drucksteigerungen und ihre Folgen werden in Kap. 18 besprochen.
Makroskopisch zeigt sich das Hirnödem je nach Ausmaß der Drucksteigerung bereits von außen in einem Tonsillendruckkonus und in Unkusdruckfurchen. Auf dem frischen Schnitt wirken die Schnittflächen sehr flüssigkeitsreich, sind grau getönt, gelegentlich rötlich tingiert. Letzteres wegen einer mangelnden Fixierung (ödemreiche Gehirne stellen für das Fixans eine Diffusionsbarriere dar). Neben flüssigkeitsreichen gibt es auch trockene klebrige Schnittflächen, was ursprünglich zu der Differenzierung zwischen Hirnödem und Hirnschwellung geführt hat. Unterscheidungen, die heute nicht mehr aufrecht zu erhalten sind. In seltenen Fällen kommt es zur Ödemnekrose. Die U-Fasern sind gegenüber den ödematösen Auftreibungen bemerkenswert resistent, was mit dem abweichenden Faserverlauf zusammenhängt. Mikroskopisch reicht das Spektrum von feinsten perikapillären Aufhellungsräumen über ausgeprägte Serodiapedesen zur Marknekrose mit Bildung von Makrophagen bei fortdauerndem Ödem. Innerhalb der grauen Substanz ist das Ödem fein spongiös. Die Nervenzellen verlieren an Färbbarkeit entsprechend hypoxischen Veränderungen. Bei schweren Ödemen kann es zur Markdestruktion kommen, gleichfalls unter dem Bild hypoxisch ischämischer Veränderungen der Oligodendroglia. Bei Astrozyten beginnt die Schädigung im Bereich der Fortsätze. Bei Störungen der Blut-Hirn-Schranke sieht man elektronenmikroskopisch im Bereich der Gefäße eine starke Auflockerung des perivaskulären Raums, eine gesteigerte pinozytotische Aktivität in den Endothelien, wobei die „tight junctions“ intakt erscheinen (Abb. 10.42). In der Rinde ist eine Schwellung protoplasmatischer Astrozytenfortsätze nachzuweisen, im Marklager ist eine starke Erweiterung des extrazellulären Raumes der meist intakten Myelinlamellen erkennbar.
Ödemdrainage Die Hauptabflusswege des Liquors gehen über die Pacchioni-Granulationen zu den Sinus und über die Hinterwurzeln in das Lymphsystem. Darüber hinaus bestehen aber noch Beziehungen zwischen Liquor und Lymphsystem über die kranialen Nerven, die Lamina cribriformis und den Bulbus olfactorius, den Tractus opticus, den N. trigeminus und den N. acusticus und von dort über die lymphatischen Gefäße zu den entsprechenden Lymphknoten [30]. Durch entsprechende Tracer ließen sich solche Abflüsse experimentell bei verschiedenen Tierspezies nachweisen [17]. Daneben ist eine Kompartimentierung des subarachnoidalen Raums nachgewiesen worden, die eine direkte
Kreislaufstörungen des Rückenmarks
293
Verständnis vaskulärer Infarkte wichtige Schlussfolgerungen: • Der isolierte Gefäßverschluss spielt für die Entstehung der vaskulären Rückenmarkläsion eine eher untergeordnete Rolle. Vor allem die extramedulläre, arterielle Gefäßversorgung zeigt eine erstaunliche Plastizität. Die Toleranz des Rückenmarks bezüglich Funktion und Struktur gegenüber Anoxie und Ischämie ist relativ hoch. • Die Annahme unzureichend vaskularisierter und deshalb vulnerabler Grenzzonen im Bereich des Rückenmarks ist im Wesentlichen nicht haltbar. • Entscheidend ist die Störanfälligkeit der terminalen Strombahn, vor allem der dicht kapillarisierten grauen Substanz des Rückenmarks. Einmal in Gang gekommene Perfusionsstörungen der terminalen Strombahn führen zur Nekrose vor allem zentral gelegener Strukturen der grauen Substanz. In der weißen Substanz spielen zusätzlich reaktive Durchblutungserhöhung und eine pathologische Permeabilität der Gefäße eine entscheidende Rolle [150].
Abb. 10.42 Kapillare aus der peritumoralen Ödemzone mit kräftiger Vakuolisierung des Endothels. Nekrosen der periendothelialen Zellen und Flüssigkeitseinlagerung im perivaskulären Raum sowie in der jenseits der Basalmembran gelegenen Astroglia. Die Endothelzellfugen („tight junctions“) sind intakt (Vergr. 8500:1)
Liquordrainage außerhalb der Pacchioni-Granulationen ermöglicht [184]. Über die Liquordrainage hinaus spielen diese Wege eine Rolle für den Kontakt antigenen Materials aus dem ZNS mit dem Lymphsystem bei dem sonst durch die Blut-Hirn-Schranke und die Blut-LiquorSchranke als immunologisch geschützt geltenden ZNS [30, 186].
Daraus ergibt sich ein besonderes Läsionsmuster bei hypoxischen und ischämischen Infarkten, wobei gerade nicht die Grenzzone, sondern zentrale Areale betroffen sind. Hier sind selten segmentale begrenzte Läsionen zu finden, meist dehnt sich der Prozess spindelförmig über mehrere Segmente aus. Man kann plurisegmentale Schäden der grauen Substanz finden: • bikonisch nach oben und unten ausgehend, • säulenartig im zentralen Vorderhorn. Die letztere Form wird besonders bei hypoxischen Schädigungen nach Kreislaufstillstand gefunden (Abb. 10.43a). Betrifft die Nekrose den gesamten Querschnitt, so dehnt sie sich stiftförmig im ventralen Hinterstrangfeld über mehrere Segmente nach oben und unten aus (Abb. 10.43b). Auch Blutungen folgen diesem stiftförmigen Ausbreitungsmuster.
Ischämische Rückenmarkinfarkte Kreislaufstörungen des Rückenmarks Pathologische Veränderungen am Rückenmark, die gefäßbedingt sind, stellen zwar nur einen kleinen Teil der großen Gruppe „Kreislaufstörungen“ des ZNS dar, folgen aber eigenen, z. T. nicht geklärten Gesetzmäßigkeiten, so dass es notwendig ist, sie von Großhirnläsionen abzugrenzen. Die wichtigsten Erkrankungen sind ischämische Infarkte (Myelomalazie), hypoxische Störungen, Schädigungen durch vaskuläre Fehlbildungen einschließlich Blutungen (Hämatomyelie) und sog. vaskuläre Myelopathien. Aus der Anatomie und der hier nicht näher ausgeführten Hämodynamik ergeben sich für das
Myelomalazien sind selten und unabhängig von Hirninfarkten. Klinisch ist eine akute Paraparese mit dissoziierten Empfindungsstörungen kaudal der Läsion typisch. Morphologie. Makroskopisch ist das Rückenmark in dem lädierten Abschnitt konsistenzvermindert, im frischen Zustand geschwollen. Auf dem Querschnitt ist eine verwaschene Schmetterlingsfigur erkennbar (Abb. 10.44a). Diskrete makroskopische Befunde müssen von artefiziellen Läsionen des Rückenmarks abgegrenzt werden (der häufigste Rückenmarkbefund ist der Artefakt). Mikroskopisch zeigt sich die Nekrose – je nachdem, welches
294
Kapitel 10
Kreislaufstörungen des ZNS
10 a
b
Abb. 10.43a,b Schematische Darstellung der Kreislaufstörungen des Rückenmarks (nach Schneider 1980). a Bei globalischämischen Läsionen kommt es zur säulenförmigen Schädigung der grauen Substanz, insbesondere der Vorderhörner. b Regionale Raumforderungen des Rückenmarks, z. B. durch Tumoren, Traumata oder regionale Ischämie, führen zur schwerpunktmäßigen Schädigung eines oder mehrerer Segmente mit nachfolgender stiftförmiger Nekrose, besonders im ventralen Hinterstrang nach oben und unten (Myelomalazie)
Stadium vorliegt – von ähnlicher histologischer Beschaffenheit wie bei der Kolliquationsnekrose im Großhirn (Abb. 10.44b).
a
Pathogenese. Selten sind thrombotische Störungen nachzuweisen. Meist liegt die Störung im Bereich der Aorta oder der schmalen zuführenden Arterien, z. B. kann ein disseziierendes Aneurysma zu Ausfällen im Rückenmark führen. Häufigste Ursache sind Traumen und andere Kompressionen wie beispielsweise Tumoren. Durch eine verstärkte Kompression kommt es zu Mikrozirkulationsstörungen, die zu den geschilderten Abläufen bis hin zur Nekrose führen [74]. b
Vaskuläre Fehlbildungen und Myelopathien Vaskuläre Malformationen können einerseits durch Kompression intramedullär, intradural oder extradural zur Rückenmarkschädigung führen. Nicht selten sind es Blutungen aus solchen Malformationen, die klinisch zu
Abb. 10.44 a Komplette Myelomalazie durch die raumfordernde Metastase eines Medulloblastoms intradural bei Th10. Stiftförmige Ausbreitung der Nekrose bis Th7 nach rostral und bis L3 nach kaudal. b Die Metastase in den weichen Rückenmarkhäuten (vgl. Th10 in a) führte zur Erweichung des gesamten Rückenmarkquerschnitts, wobei die Schmetterlingsfigur noch schattenhaft angedeutet ist
Literatur
einer akuten Parese führen. Das pathologisch-anatomische Bild entspricht dann der kompressionsbedingten Myelomalazie [67, 102]. Andererseits gibt es arteriovenöse Malformationen, die durch hämodynamische Faktoren zu einer Mikrozirkulationsstörung des Rückenmarks führen.
295
3.
4.
5.
Angiodyskinetische nekrotisierende Myelopathien (Foix-Alajouanine) Das Foix-Alajouanine-Syndrom ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern wird als die Folge einer venösen Abflussstörung bei arteriovenösen Fisteln aufgefasst [75]. Klinisch steht eine unspezifische thorakolumbale Querschnittssymptomatik, meist chronisch oder schubweise progredient, im Vordergrund [85]. Wesentliche Bedeutung kommt der Angiographie zu. Makroskopisch findet sich eine knotenförmige Auftreibung der Rückenmarkvenen mit ausgeprägter Schlängelung, nicht selten ist auch nur eine stark wandverdickte Vene nachweisbar. Histologisch zeigt das Rückenmark eine plasmatische Infiltration mit Nekrose und Persistenz der Ganglienzellen. Die gliale und mesenchymale Reaktion ist gering. Entscheidend für die Zuordnung der Läsion ist die arteriovenöse Fistel, die in der Rückenmarkdura lokalisiert ist. Sie besteht aus mehreren zuführenden Arterien und in der Regel einer stark umgebauten (arterialisierten) Vene. Die Pathogenese ist unklar. In erster Linie wird an eine erworbene Fehlbildung gedacht. Es sind fast ausschließlich Männer mittleren Alters betroffen bei einer Vorzugslokalisation vom unteren thorakalen Mark bis sakral, einer Region, die durch ihre besondere Hämodynamik vermehrt vulnerabel ist [59]. Experimentelle Untersuchungen unterstützen die Vorstellung einer komplexen hämodynamischen Schädigung [10]. Seltene Erkrankungen des Rückenmarks sind neben vaskulären Myelopathien intramedulläre Blutungen und Schädigungen des Rückenmarks bei anderen Grunderkrankungen wie Strahlenmyelopathie, postmyelotischer Angiopathie und entzündlichen Erkrankungen spinaler Gefäße (Übersicht bei Schneider [150]).
Literatur
6.
7. 8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17. 18.
1.
2.
Akima M, Nonaka H, Kagesawa M, Tanaka K (1986) A study on the microvasculature of the cerebral cortex. Fundamental architecture and its senile change in the frontal cortex. Lab Invest 55: 482–489 Almaani WS, Awidi A (1982) Spontaneous intracranial bleeding in hemorrhagic diathesis. Surg Neurol 17: 137–140
19.
Alrawi A, Trobe JD, Blaivas M, Musch DC (1999) Brain biopsy in primary angiitis of the central nervous system. Neurology 53: 858–860 Alvarez H, Burrows P, Comoy J, De Victor D, Durand PH et al. (1991) Contribution à l’etude et au traitement des malformations artérioveineuses cérébrales de l’enfant. Riv Neurol 4: 399–492 Amry-Moghaddam M, Ottersen OP (2003) The molecular basis of water transport in the brain. Nat Rev Neurosci 4: 991–1001 Auer RN, Beneveniste H (1996) Hypoxia and related conditions. In: Graham DI, Lantos PL (eds) Greenfield’s neuropathology. Arnold, London Baker AB, Jannone A (1959) Cerebrovascular disease. Neurology 9: 312–332; 391–396; 441–446 Bamford J, Sandercock P, Dennis M, Burn J, Warlow C (1990) A prospective study of acute cerebrovascular disease in the community: the Oxfordshire Community Stroke Project 1981–86. J Neurol Neurosurg Psychiatry 53: 16–22 Beck H, Plate KH (2009) Angiogenesis after cerebral ischemia. Acta Neuropathol DOI 10.1007/s00401-0090483-6 Bederson JB, Wiestler OD, Brüstle O, Roth P, Frick R, Yasargil MG (1991) Intracranial venous hypertension and the effects of venous outflow obstruction in a rat model of arteriovenous fistula. Neurosurgery 29: 341–350 Bodechtel G, Erbslöh F (1958) Die Veränderungen des Zentralnervensystems beim Diabetes mellitus. In: Scholz W (Hrsg) Nervensystem. (Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie, Bd XIII/2b, S 1717–1739). Springer, Berlin Göttingen Heidelberg Bohmfalk GL, Story JL, Wissinger JP, Brown WE (1978) Bacterial intracranial aneurysm. J Neurosurg 48: 369–382 Boiten J, Lodder J (1991) Lacunar infarcts: pathogenesis and validity of the clinical syndromes. Stroke 22: 1374–1378 Boller F, Boller M, Gilbert J (1977) Familial idiopathic cerebral calcifications. J Neurol Neurosurg Psychiatry 40: 280–285 Bradac GB, Ferszt R, Schoerner S (1986) Brain edema around meningeomas; a morphological and NMR study. Neuroradiol 28: 304–311 Bradac GB, Kaernbach A, Bolk-Weischedel D, Finck GA (1981) Spontaneous dissecting aneurysm of cervical cerebral arteries. Neuroradiol 21: 149–154 Bradbury M (1981) Lymphatics and the central nervous system. Trends Neurosci 4: 100–101 Bruandet A, Richard F, Bombois S, Maurage CA, Deramecourt V, Lebert F, Amouyel P, Pasquier F (2008) Alzheimer’s disease with cerebrovascular disease and vascular dementia: clinical features and course compared with Alzheimer’s disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry 80: 133–139 Caplan LR (1986) Miscellaneous cerebrovascular conditions. Semin Neurol 6: 267–276
296
Kapitel 10
20.
21.
22.
23.
24. 25.
10
26. 27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34. 35.
36. 37.
Cervós-Navarro J (1980) Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen des Gehirns. In: Doerr W, Seifert G (Hrsg) Spezielle pathologische Anatomie, Bd 13/1. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 1–412 Cervós-Navarro J, Ferszt R (1980) Brain edema, pathology, diagnosis and therapy. (Advances in Neurology 28). Raven, New York Chabriat H, Vahedi K, Iba Zizen MT et al. (1995) Clinical spectrum of CADASIL: a study of 7 families. Lancet 346: 934–939 Challa VR, Moody DM, Bell MA (1992) The charcotbouchard aneurysm controversy. Impact of a new histologic technique. J Neuropathol Exp Neurol 51: 264–271 Chan PH, Fishman RA (1984) The role of arachidonic acid in vasogenic brain edema. Fred Proc 43: 210 Chan PH, Schmidley W, Fishman RA, Longar SM (1984) Brain injury, edema and vascular permeability changes induced by oxygen-derived free radicals. Neurology 34: 315–320 Chase HP, Marlow RA, Dabiere CS, Welch NN (1973) Hypoglycemia and brain development. Pediatrics 52: 513–520 Chehrazi BB, Giri S, Joy RM (1989) Prostaglandins and vasoactive amines in cerebral vasospasm after aneurysmal subarachnoid hemorrhage. Stroke 20: 217–224 Chu CT, Gray L, Goldstein LB, Hulette CM (1998) Diagnosis of intracranial vasculitis: a multi-disciplinary approach. J Neuropathol Exp Neurol 57: 30–38 Cole FM, Yates PO (1967) The occurrence and significance of intracerebral microaneurysms. J Pathol Bacteriol 93: 393–411 Cserr HF, Harling-Berg CJ, Knopf PM (1992) Drainage of brain extracellular fluid into blood and deep cervical lymph and its immunological significance. Brain Pathol 2: 269–276 Dichgans J, Gottschaldt M, Voigt K (1972) Arteriovenöse Dura-Angiome am Sinus transversus. Klinische Symptome, charakteristische arterielle Versorgung und häufige venöse Abflußstörungen. Zentralbl Neurochir 33/1: 1–18 Dichgans M, Herzog J, Gasser T (2001) NOTCH3 mutation involving three cysteine residues in a family with typical CADASIL. Neurology 57: 1714–1717 Dichgans M, Mayer M, Uttner I et al. (1998) The phenotypic spectrum of CADASIL: clinical findings in 102 cases. Ann Neurol 44: 731–739 Dirnagl U, Iadecola C, Moskowitz MA (1999) Pathobiology of ischaemic stroke. Trends Neurosci 22: 391–397 Dubois EL (1976) The clinical picture of systemic lupus erythematosus. In: Dubois EL (ed) Lupus erythematosus, 2nd edn. Univ of South Calif Press, Los Angeles, pp 232–437 Duvernoy HM, Delon S, Vannson JL (1981) Cortical blood vessels of the human brain. Brain Res Bull 7: 519–579 Einhäupl KM, Villringer A, Haberl RLM et al. (1990) Clinical spectrum of sinus venous thrombosis. In: Einhäupl KM et al. (eds) Cerebral sinus thromboses. Plenum, New York, S 149
Kreislaufstörungen des ZNS
38.
39.
40. 41. 42. 43.
44.
45.
46.
47. 48.
49. 50.
51.
52.
53.
54.
55.
Erbslöh F (1954) Nosologische und klinische Besonderheiten der sog. Arteriitis temporalis. Verh Dtsch Ges Inn Med 60: 702–706 Feldman E (1994) Intracerebral hemorrhage. In: Fisher M (ed) Clinical atlas of cerebrovascular disorders. Wolfe, London, pp 11.1–11.17 Fisher CM (1969) The arterial lesion underlying lacunes. Acta Neuropathol (Berl) 12: 1–15 Fisher CM (1982) Lacunar strokes and infarcts. A review. Neurology 32: 871–876 Fisher CM (1989) Binswanger‘s encephalopathy. A review. J Neurol 236: 65–79 Forbus WD (1930) On the origin of miliary aneurysms of the superficial cerebral arteries. Bull Johns Hopk Hosp 47: 239–284 Forfar JC (1979) A 7-year analysis of hemorrhage in patients on long-term anticoagulant treatment. Br Heart J 42: 128–132 Franzén P, Sutinen S, Knorring J (1992) Giant cell arteritis and polymyalgia rheumatica in a region of Finland: an epidemiologic, clinical and pathologic study, 1984–1988. J Rheumatol 19: 273–280 Frederiksson K, Nordborg C, Kalimo H, OlssonY, Johannsson BB (1988) Cerebral microangiopathy in strokeprone spontaneously hypertensive rats. An immunohistochemical and ultrastructural study. Acta Neuropathol. 75: 241–252 Friede RL (1962) An enzyme histochemical study of cerebral arteriosclerosis. Acta Neuropathol 2: 58–72 Friede RL, Schubinger O (1981) Direct drainage of extracranial arteries into the sagittal sinus associated with dementia. J Neurol 225: 1–8 Fukuda S, Warner DS (2007) Cerebral protection. Br J Anaesth 99: 10–17 Garcia JH, Brown GG (1992) Vascular dementia: neuropathologic alterations and metabolic brain changes. J Neurol Sci 109: 121–131 Garcia JH, Kalimo H, Kamiyo Y, Trump BF (1977) Cellular events during partial cerebral ischemia. Virchows Arch B 25: 191–206 Garcia JH, Liu KF, Ho KL (1995) Neuronal necrosis after middle cerebral artery occlusion in Wistar rats progresses at different time intervals in the caudoputamen and the cortex. Stroke 26: 636–642 Goldschneider HG, Lischewski R, Claus D, Streibl W, Weiblinger G (1980) Klinische, endokrinologische und computertomographische Untersuchungen zur symmetrischen Stammganglienverkalkung (M. Fahr). Arch Psychiat Nervenkr 228: 53–65 González-Gay M, Alonso MD, Agüero JJ et al. (1992) Temporal arteritis in an northwestern area of Spain: study of 57 biopsy proven patients. J Rheumatol 19: 277–280 Grishin AA, Gee CE, Gerber U et al. (2004) Differential calcium-dependent modulation of NMDA currents in CA1 and CA3 hippocampal pyramidal cells. J Neurosci 24: 350–355
Literatur
56.
57. 58. 59.
60.
61.
62.
63. 64.
65.
66.
67. 68. 69. 70.
71.
72.
73.
74. 75.
Guseo A, Boldizsar F, Gellert M (1975) Elektronenoptische Untersuchungen bei „striato-dentaler Calcification“ (Fahr). Acta Neuropathol 31: 305–313 Hajjar DP (1991) Viral pathogenesis of atherosclerosis. Am J Pathol 139: 1195–1211 Hassler O (1965) Vascular changes in senile brains. A microangiographic study. Acta Neuropathol 5: 40–53 Hassler W, Thron A, Grote E (1989) Hemodynamics of spinal duralarteriovenous fistulas. An intraoperative study. J Neurosurg 70: 360–370 Hazama F, Amano S, Haebara H, Yamori Y, Okamoto K (1976) Pathology and pathogenesis of cerebrovascular lesions in SHR. In: Cervòs-Navarro J et al. (eds) The cerebral vessel wall. Raven, New York, pp 245–252 Hazama F, Kataoka H, Yamada E et al. (1986) Early changes of experimentally induced cerebral aneurysms in rats. Am J Pathol 124: 399–404 Heiss WD (2000) Ischemic penumbra: evidence from functional imaging in man. J Cereb Blood Flow Metab 20: 1276–1293 Hoff HF (1973) Human intracranial atherosclerosis. Virchows Arch A 361: 97–108 Horn M, Schlote W (1992) Delayed neuronal death and delayed neuronal recovery in the human brain following global ischemia. Acta Neuropathol 85: 79–87 Hossmann KA (1994) Glutamate-mediated injury in focal cerebral ischemia: the excitotoxin hypothesis revised. Brain Pathol 4: 23–36 Hossmann KA (2005) Pathophysiology of focal brain ischemia. In: Kalimo H (ed) Cerebrovascular diseases. Allen Press, Lawrence, pp 201–214 Hossmann KA, Kleihues P (1973) Reversibility of ischemic brain damage. Arch Neurol 29: 375–384 Hughes GRV (1983) Thrombosis, abortion, cerebral disease and the lupus anticoagulant. Br Med J 287: 1088–1089 Hughes JT, Schianchi PM (1978) Cerebral artery spasm. J Neurosurg 48: 515–525 Hulette C, Nochlin D, McKeel D, Morris JC, Mirra SS, Sumi SM, Heyman A (1997) Clinical-neuropathologic findings in multi-infarct dementia: A report of six autopsied cases. Neurology 48: 668–672 Iglesias-Rozas JR, Holdorff B, Steiner G (1974) Trastornos vasculares en la encefalopatia subcortical cronica progressiva de Binswanger. Patologia VII: 11–18 Ikeda E, Hosoda Y (1993) Distribution of thrombotic lesions in the cerebral arteries in spontaneous occlusion of the circle of Willis: Cerebrovascular moyamoya disease. Clin Neuropathol 12: 44-48 Ince PG, Fernando MS (2003) Neuropathology of vascular cognitive impairment and vascular dementia. Int Psychogeriatr 15: 71–75 Jellinger K (1980) Morphologie und Pathogenese spinaler Durchblutungsstörungen. Nervenarzt 51: 65–77 Jellinger K, Minauf M (1968) Angiodysgenetische nekrotisierende Myelopathie. Arch Psychiat Nervenkr 211: 377–404
297
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83. 84. 85.
86.
87.
88.
89.
90.
91.
92.
93.
Jellinger K, Neumayer E (1964) Progressive subkortikale vaskuläre Enzephalopathie Binswanger. Eine klinischneuropathologische Studie. Arch Psychiat Nervenkr 205: 523–555 Jenkins LW, Povlishock JT, Becker DP, Miller DJ, Sullivan HG (1979) Complete cerebral ischemia. Acta Neuropathol 48: 113–125 Jin K, Wang X, Xie L et al. (2006) Evidence for stroke-induced neurogenesis in the human brain. PNAS 103: 13198–13202 Jörgensen L, Torvik A (1969) Ischaemic cerebrovascular diseases in an autopsy series, part 1 and 2. J Neurol Sci 3: 490–509; 9: 285–320 Joutel A, Dodick DD, Parisi JE, Cecillon M, TournierLasserve E, Bousser MG (2000) De novo mutation in the Notch3 gene causing CADASIL. Ann Neurol 47: 388–391 Kalimo H, Kalaria R (2005) Hereditary forms of vascular dementia. In: Kalimo H (ed) Pathology and genetics: cerebrovascular diseases. ISN Neuropath Press, Basel Kannel WB, Dawber TR, Sorlie P, Wolf PA (1976) Components of blood pressure and risk of atherothrombotic brain infarction: the Framingham study. Stroke 7: 327–331 Kato H, Walz W (2000) The initiation of the microglial response. Brain Pathol 10: 137–143 Kimelberg HK (2004) Water homeostasis in the brain: basic concepts. Neuroscience 129: 851–860 Koenig E, Thron A, Schrader V, Dichgans J (1989) Spinal arteriovenous malformations and fistulae: clinical, neuroradiological and neurophysiological findings. J Neurol 236: 260–266 Köhler GK, Krankenhagen B, Westphal K (1977) Hirninfarkte unter der Einnahme von Ovulationshemmern. Fortsch Neurol Psychiat 45: 293–305 Kondziolka D, Bernstein M, Resch L et al. (1987) Significance of hemorrhage into brain tumors: clinicopathological study. J Neurosurg 67: 852–857 Kono S, Oka K, Sueishi K (1990) Histopathologic and morphometric studies of leptomeningeal vessels in Moyamoya-disease. Stroke 21: 1044–1050 Kriz J, Lalancette-Hébert M (2009) Inflammation, plasticity and real-time imaging after cerebral ischemia. Acta Neuropathol 117: 497–509 Kuschinsky W (1987) Physiologie der Hirndurchblutung und des Hirnstoffwechsels. In: Hartmann A, Wassmann H (Hrsg) Hirninfarkt – Ätiologie, Diagnose, Prophylaxe und Therapie. Urban & Schwarzenberg, München Kuwabara Y, Ichiya Y, Otsuka M et al. (1992) Cerebrovascular responsiveness to hypercapnia in Alzheimer’s dementia of the Binswanger type. Stroke 23: 594–598 Lammie AG (2005) Small vessel disease. In: Kalimo H (ed) Pathology and genetics. Cerebrovascular diseases, vol 5. Allen Press, Lawrence Lang J (1979) Gehirn- und Augenschädel. In: Lang J, Wachsmuth W (Hrsg) Praktische Anatomie, Bd I/1/B. Springer, Berlin Heidelberg New York
298
Kapitel 10
94.
95.
96.
97.
98.
99.
10
100.
101. 102.
103.
104.
105.
106. 107.
108.
109.
110.
111.
Liu J, Solway K, Messing RO, Sharp FR (1998) Increased neurogenesis in the dentate gyrus after transient global ischemia in gerbils. J Neurosci 18: 7768–7778 Liu YP, Lang BT, Baskaya MK, Dempsey RJ, Vemuganti R (2009) The potential of neural stem cells to repair strokeinduced brain damage. Acta Neuropathol DOI 10.1007/ s00401-009-0516-1 Lu XC, Williams AJ, Yao C et al. (2004) Microarray analysis of acute and delayed gene expression profile in rats after focal ischemic brain injury and reperfusion. J Neurosci Res 77: 843–857 Lüscher TF, Lie JT, Stanson AW et al. (1987) Arterial fibromuscular dysplasia. Subject review. Mayo Clin Proc 62: 931–952 Macdonald RL, Weir BKA, Chen MH, Grace MAG (1991) Scanning electron microscopy of normal and vasospastic monkey cerebrovascular smooth muscle cells. Neurosurg 4: 544–549 Mandybur TI (1977) Intracranial hemorrhage caused by metastatic tumors. Neurology 27: 650–655 Marinho JL, Piovesan EJ, Leite Neto MP et al. (2007) Clinical, neurovascular and neuropathological features in Sneddon’s syndrome. Arg Neuropsiquiatr 65: 390–395 Marquardsen J (1978) The epidemiology of cerebrovascular disease. Acta Neurol Scand Suppl 67: 57–75 Marquardsen J (1986) Epidemiology of strokes in Europe. In: Barnett HJM, Stein BM, Mohr JP, Yatsu FM (eds) Stroke, pathophysiology, diagnosis and management. Churchill Livingstone, Edinburgh, pp 31–43 Martin H, Noetzel H (1959) Die Gehirnbeteiligung bei generalisierter Panarteriitis nodosa. Beitr Path Anat 121: 347–374 Martinelli A, Martinelli P, Ippoliti M, Guiliani S, Coccagna G (1991) Sneddon syndrome presenting with hemicranic attacks: a case report. Acta Neurol Scand 83: 201–203 Matakas F, Cervós-Navarro J, Roggendorf W, Christmann U, Sasaki S (1977) Spastic constriction of cerebral vessels after electric convulsive treatment. Arch Psychiat Nervenkr 224: 1–9 McCormick WF, Nofzinger JD (1965) Saccular intracranial aneurysm. J Neurosurg 22: 155–159 Miller JR, Myers RE (1972) Neuropathology of systemic circulatory arrest in adult monkeys. Neurology 22: 888–904 Mima T, Yanagisawa M, Shigeno T et al. (1989) Endothelium acts in feline and canine cerebral arteries from the adventitial side. Stroke 20: 1553–1556 Miyata T (2005) Takayasu arteritis. In: Kalimo H (ed) Pathology & genetics. Cerebrovascular diseases. ISN Neuropath Press, Basel Mizusawa H, Hirano A, Llena JF, Shintaku M (1988) Cerebrovascular lesions in acquired immune deficiency syndrome (AIDS). Acta Neuropathol 76: 451–457 Moossy O (1959) Development of cerebral atherosclerosis in various age groups. Neurology 9: 569–574
Kreislaufstörungen des ZNS
112. Munoz DG (1991) The pathological basis of multi-infarct dementia. Alzheimer Disease and Associated Disorders 5: 77–90 113. Munro JM, Cotran RS (1988) Biology of disease. The pathogenesis of atherosclerosis. Lab Invest 58: 249–261 114. Nag S (2005) Anatomy and structure of brain blood vessels. In: Kalimo H (ed) Pathology & genetics: cerebrovascular diseases. Neuropath Press, Basel, pp 39–46 115. Nakumura M, Yamamoto H, Kikuchi Y, Ishihara Y, Sata T (1971) Cerebral atherosclerosis in Japanese. I. Age related to atherosclerosis. Stroke 2: 400–408 116. Nasu T (1975) Takayasu‘s truncoarteritis in Japan. Pathol Microbiol 43: 140–146 117. Nicholls ES, Johansen HL (1983) Implications of changing trends in cerebrovascular and ischemic heart disease. Stroke 14: 153–156 118. Norenberg MD (1998) Astrocytes in ischemic injury. In: Ginsberg MD, Bogousslavsky J (eds) Cerebrovascular disease: pathophysiology, diagnosis, and management. Blackwell Science, Oxford, pp 113–129 119. Nowak TS Jr, Kiessling M (1999) Reprogramming of gene expression after ischemia. In: Walz W (ed) Cerebral ischemia. Humana, Totowa/NJ 120. Nyland H, Skre H (1977) Cerebral calcinosis with late onset encephalopathy unusual type of pseudo-pseudohypoparathyreoidism. Acta Neurol Scand 56: 309–325 121. Obrenovitch TP (2008) Molecular physiology of preconditioning-induced brain tolerance to ischemia. Physiol Rev 88: 211–247 122. O’Connell BK, Towfighi J, Brennan RW et al. (1985) Dissecting aneurysms of head and neck. Neurology 35: 993–997 123. Oehmichen M (1978) Mononuclear phagocytes in the central-nervous system. Springer, Berlin Heidelberg New York 124. Olney JW (1971) Glutamate-induced neuronal necrosis in the infant mouse hypothalamus. J Neuropathol Exp Neurol 30: 75–90 125. Pantelakis S (1954) Un type particulier d‘angiopathie sénile du système nerveux central: l‘angiopathie congophile. Monatsschr Psychiat Neurol 128: 219–256 126. Peerless S, Kassell N, Komatsu K, Hunter I (1979) Cerebral vasospasm. Acute proliferative vasculopathy; II. Morphology. In: Wilkins R (ed) Cerebral arterial spasm. Williams & Wilkins, Baltimore 127. Peiffer J (1959) Zur kolloiden Degeneration der Hirnrinde bei progressiver Paralyse. Arch Psychiat Z Neurol 198: 659–672 128. Peiffer J (1963) Symmetrische Pallidum- und Nigranekrosen nach unbemerkt gebliebenem Zwischenfall bei Barbituratnarkose. Dtsch Z Nervenheilk 184: 586–606 129. Pilz P, Wallnöfer H, Klein J (1980) Thrombophlebitis der inneren Hirnvenen bei generalisiertem Lupus erythematodes. Arch Psychiatr Nervenkr 228: 31–42 130. Postler E, Lehr A, Schluesener H, Meyermann R (1997) Expression of the S-100 proteins MRP-8 and -14 in ischemic brain lesion. Glia 19: 27–34
Literatur
131. Ravens JR (1978) Vascular changes in the human senile brain. Adv Neurol 20: 487–501 132. Révész T, Ghiso J, Lashley T, Plant G, Rostagno A, Frangione B, Holton JL (2003) Cerebral amyloid angiopathies: A pathologic, biochemical and genetic view. J Neuropathol Exp Neurol 62: 885–898 133. Révész T, Hawkins CP, duBoulay EPGH, Barnard RO, McDonald WIM (1989) Pathological findings correlated with magnetic resonance imaging in subcortical arteriosclerotic encephalopathy (Binswanger’s disease) J Neurol Neurosurg Psychiatry 52: 1337–1344 134. Révész T, Holton JL, Lashley T, Plant G, Frangione B, Rostagno A, Ghiso J (2009) Genetics and molecular pathogenesis of sporadic and hereditary cerebral amyloid angiopathies. Acta Neuropathol DOI 10.1007/s00401009-0501-8 135. Risau W, Wolburg H (1990) Development of the bloodbrain barrier. Trends Neurosci 13: 174–178 136. Roggendorf W, Cervós-Navarro J (1977) Ultrastructure of arterioles in the brain. Cell Tissue Res 178: 495–515 137. Roggendorf W, Cervós-Navarro J (1982) Ultrastructural characteristics of spasm in intracerebral arterioles. J Neurol Neurosurg Psychiatry 45: 120–125 138. Roggendorf W, Cervós-Navarro J, Lazarro-Lacalle (1978) Ultrastructure of venules in the cat brain. Cell Tissue Res 192: 474 139. Roggendorf W, Künzig B (1992) Zur Verteilung der intermediären Filamente in intrakraniellen Gefäßen des Menschen. Acta Histochem Suppl 17: 99–106 140. Roggendorf W, Opitz H, Schuppan D (1988) Altered expression of collagen type VI in brain vessels of patients with chronic hypertension. Acta Neuropathol 77: 55–60 141. Roggendorf W, Schrempf R, Opitz H, Cervós-Navarro J (1987) Characterization of intimal smooth muscle cells in intracerebral arterioles and arteries. In: Cervós-Navarro J, Ferszt R (eds) Stroke and microcirculation. Raven, New York, pp 123–128 142. Román GC, Sachdev P, Royall DR, Bullock RA, Orgogozo JM, López-Pousa S, Arizaga R, Wallin A (2004) Vascular cognitive disorder: a new diagnostic category updating vascular cognitive impairment and vascular dementia. J Neurol Sci 226: 81–87 143. Rothemund E, Frische M (1973) Klinisch-pathologische Studie zur Entstehung der intracerebralen Gefäßhyalinose bei Hypertonie. Arch Psychiatr Nervenkr 217: 195–206 144. Rothwell PM, Coull AJ, Giles MF et al. (2004) Change in stroke incidence, mortality, case-fatality, severity, and risk factors in Oxfordshire, UK from 1981 to 2004 (Oxford Vascular Study). Lancet 363: 1925–1933 145. Rothwell PM, Coull AJ, Silver LE et al. (2005) Populationbased study of event-rate, incidence, case fatality, and mortality for all acute vascular events in all arterial territories (Oxford Vascular Study). Lancet 366: 1773–1783 146. Rumpl E, Rumpl H (1979) Recurrent transient global amnesia in a case with cerebrovascular lesions and livedo reticularis (Sneddon syndrome). J Neurol 221: 127–131
299
147. Sacco RL, Wolf BS, Kannel WB, McNamara PM (1982) Survival and recurrence following stroke. The Framingham study. Stroke 13: 290–295 148. Schmidt-Kastner R, Zhang B, Belayev L, Khoutorova L, Amin R, Busto R, Ginsberg MD (2002) DNA microarray analysis of cortical gene expression during early recirculation after focal brain ischemia in rat. Brain Res Mol Brain Res 108: 81–93 149. Schmitt H, Barz J (1978) Cerebral massive hemorrhage in congophilic angiopathy and its medicolegal significance. Forensic Sci Int 12: 187–201 150. Schneider H (1980) Kreislaufstörungen und Gefäßprozesse des Rückenmarks. In: Doerr W, Seifert G, Uehlingen E (Hrsg) Spezielle pathologische Anatomie, Bd 13/1. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 511–650 151. Schröder JM, Sellhaus B, Jorg J (1995) Identification of the characteristic vascular changes in a sural biopsy of a case with cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy (CADASIL). Acta Neuropathol (Berl) 89: 116–121 152. Schröder R (1978) Chronomorphologie of brain death. Adv Neurosurg 5: 346–348 153. Schröder R, Richard KE (1980) Time-interval between a brain lesion and the onset of brain death. A contribution to the inherent dynamics of malignant brain swelling. Neurosurgery 3: 183–188 154. Schwab JM, Nguyen TD, Postler E, Meyermann R, Schluesener HJ (2000) Selective accumulation of cyclooxygenase-1-expressing microglial cells/macrophages in lesions of human focal cerebral ischemia. Acta Neuropathol 99: 609–614 155. Sekhar LN, Heros RC (1981) Origin, growth, and rupture of saccular aneurysms. A review. Neurosurgery 8: 248–260 156. Shields WD, Ziter FA, Osborn AG, Allen J (1977) Fibromuscular dysplasia as a cause of stroke in infancy and childhood. Pediatrics 59: 899–901 157. Sneddon IB (1965) Cerebrovascular lesions and livedo reticularis. Br J Dermatol 77: 180–185 158. Sommer C (2008) Ischemic preconditioning: Postischemic structural changes in the brain. J Neuropathol Exp Neurol 67: 85–92 159. Sommer C (2009) Neuronal plasticity after ischemic preconditioning and TIA-like preconditioning ischemic periods. Acta Neuropathol DOI 10.1007/s00401-008-0473-0 160. Sommer C, Kiessling M (1995) Selective c-jun expression in CA1 neurons of the gerbil hippocampus during and after acquisition of an ischemia-tolerant state. Brain Pathol 5: 135–144 161. Sourander P, Walinder J (1977) Hereditary multi-infarct dementia. Acta Neuropathol (Berl) 39: 247–254 162. Starr DS, Lawrie GM, Morris GC (1981) Fibromuscular disease of carotid arteries. Long term results of graduated internal dilatation. Stroke 12: 196–199 163. Stübgen P, Lotz BP (1991) Isolated angiitis of the central nervous system: involvement of penetrating vessels at the base of the brain. J Neurol 238: 235–238
300
10
Kapitel 10
164. Szymyrka-Kaczmarek M, Daikeler T, Benz D, Koetter I (2005) Familial inflammatory Sneddon’s syndrome-case report and review of the literature. Clin Rheumatol 24: 79–82 165. Takao M, Ikeda E (2005)Moyamoya Disease. In: Kalimo H (ed) Pathology and genetics. Cerebrovascular diseases, vol 5. ISN Neuropath Press, Basel 166. Tani E, Yamagata S, Ito Y (1978) Intercellular granules and vesicles in prolonged cerebral vasospasm. J Neurosurg 48: 179–189 167. Tanoi Y, Okeda R, Budka H (2000) Binswanger’s encephalopathy: serial sections and morphometry of the cerebral arteries. Acta Neuropathol 100: 347–355 168. Thal DR, Ghebremedhin E, Orantes M, Wiestler OD (2003) Vascular pathology in Alzheimer disease: Correlation of cerebral amyloid angiopathy and arteriosclerosis/ lipohyalinosis with cognitive decline. J Neuropathol Exp Neurol 62: 1287–1301 169. Thal DR, Griffin WST, de Vos RAI, Ghebremedhin E (2008) Cerebral amyloid angiopathy and its relationship to Alzheimer’s disease. Acta Neuropathol 115: 599–609 170. Thrift AG, Dewey HM, Macdonell RA et al. (2001) Incidence of the major stroke subtypes: initial findings from the North East Melbourne stroke incidence study (NEMESIS). Stroke 31: 1732–1738 171. Thron A (1988) Vascular anatomy of the spinal cord. Neuroradiological investigations and clinical syndromes. Springer, Wien New York 172. Thron A, Koenig E, Peiffer J, Rossberg C (1987) Dural vascular anomalies of the spine–an important cause of progressive radiculomyelopathy. In: Cervós-Navarro J, Ferszt R (eds) Stroke and micro-circulation. Raven, New York, pp 159–165 173. Thron A, Wessel K, Linden D, Schroth G, Dichgans J (1986) Superior sagittal sinus thrombosis: neuroradiological evaluation and clinical findings. J Neurol 233: 283–288 174. Tomita M (2005) Pathophysiology of brain edema. In: Kalimo H (Hrsg) Pathology & genetics: Cerebrovascular diseases. Neuropath Press, Basel, pp 39–46 175. Toole JF, Yuson CP, Janeway R, Johnston F, Davis C et al. (1978) Transient ischemic attacks: a prospective study of 225 patients. Neurology 28: 746–753 176. Torres-Munoz JE, Van Waveren C, Keegan MG et al. (2004) Gene expression profiles in microdissected neurons from human hippocampal subregions. Brain Res Mol Brain Res 127: 105–114 177. Tournier-Lasserve E, Joutel A, Melki J et al. (1993) Cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy maps to chromosome 19q12. Nat Genet 3: 256–259 178. Ule G, Kolkmann FW (1972) Pathologische Anatomie. In: Gänsehirt H (Hrsg) Der Hirnkreislauf. Thieme, Stuttgart, S 47–160 179. Vinters HV, Ellis WG, Zarow C, Zaias BW, Jagust WJ, Mack WJ, Chui HC (2000) Neuropathologic substrates of
Kreislaufstörungen des ZNS
180.
181.
182.
183.
184.
185.
186.
187.
188.
189.
190.
191.
192.
193.
194.
ischemic vascular dementia. J Neuropathol Exp Neurol 59: 931–945 Vogt C, Vogt O (1922) Erkrankungen der Großhirnrinde im Licht der Topistik, Pathoklise und Pathoarchitektonik. J Physiol Neurol (Lpz) 28: 1 Warzok R, Oppermann A, Coulon G, Bourrin JC (1984) Riesenzellangiitis des Gehirns. Zentralbl Allg Pathol 129: 251–258 Wechsler W (1959) Beitrag zur Pathogenese cerebraler und spinaler Gewebsschäden bei Panarteriitis nodosa. Arch Psychiatr Z Neurol 198: 331–364 Weih M, Kallenberg K, Bergk A et al. (1999) Attenuated stroke severity after prodromal TIA. A role for ischemic tolerance in the brain? Stroke 30: 1851–1854 Weller RO (2005) Drainage pathways of CSF and interstitial fluid. In: Kalimo H (ed) Pathology & genetics: Cerebrovascular diseases. Neuropath Press, Basel, pp 50–55 Weller RO, Boche D, Nicoll JAR (2009) Microvasculature changes and cerebral amyloid angiopathy in Alzheimer’s disease and their potential impact on therapy. Acta Neuropathol DOI 10.1007/s00401-009-0498-z Weller RO, Kida S, Zhang ET (1992) Pathways of fluid drainage from the brain-morphological aspects and immunological significance in rat and man. Brain Pathol 2: 277–284 Westergaard E, van Deurs B, Brondsted HE (1977) Increased vesicular transfer of horseradish peroxidase across cerebral endothelium, evoked by acute hypertension. Acta Neuropathol 37: 141–152 Wiebers DO, Whisnant JP, Sundt TM, O’Fallon WM (1987) The significance of unruptured intracranial saccular aneurysm. J Neurosurg 66: 23–29 Wiener J, Giacomelli F (1973) The cellular pathology of experimental hypertension. VII. Structure and permeability of the mesenteric vasculature in angiotensin-included hypertension. Am J Pathol 72: 221–240 Wiener J, Spiro D, Lattes RG (1965) The cellular pathology of experimental hypertension. II. Arteriolar hyalinosis and fibrinoid change. Am J Pathol 47: 457–485 Wilson WA, Gharavi AE, Koike T et al. (1999) International consensus statement on preliminary classification criteria for definite antiphospholipid syndrome: report of an international workshop. Arthritis Rheum 42: 1309–1311 Wiltrout C, Lang B, Yan Y, Dempsey RJ, Vemuganti R (2007) Repairing brain after stroke: A review on post-ischemic neurogenesis. Neurochemistry International 50: 1028–1041 Wintzen AR, de Jonge H, Loelinger EA, Bots GT (1984) The risk of intracerebral hemorrhage during oral anticoagulant treatment: a population study. Ann Neurol 16: 553–558 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (1982) Kriterien des Hirntodes. Dtsch Ärztebl 79: 45–55. Fortschreibungen: Dtsch Ärztebl 83 (1987): 2940–2946; 88 (1991): 2855–2860; 94 (1997): 1032–1039. Ergänzungen gemäß Transplantationsgesetz: Dtsch Ärztebl 95 (1998): 1509–1516
Literatur
195. Wolf PA, Kannel WB, D‘Agostino RB (1998) Epidemiology of stroke. In: Ginsberg MD, Bogousslavsky J (eds) Cerebrovascular disease: pathophysiology, diagnosis, and management. Blackwell Science, Oxford 196. Yao H, Sadoshima S, Kuwabara Y, Ichiya Y, Fujishima M (1990) Cerebral blood flow and oxygen metabolism in patients with vascular dementia of the Binswanger type. Stroke 21: 1694–1699 197. Zeman W (1955) Veränderungen durch ionisierende Strahlen. In: Scholz W (Hrsg) Nervensystem. (Handbuch
301
der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie, Bd 13/1b, S 340). Springer, Berlin Göttingen Heidelberg 198. Zhang WW, Olsson Y (1997) The angiopathy of subcortical arteriosclerotic encephalopathy (Binswanger’s disease): immunohistochemical studies using markers for components of extracellular matrix, smooth muscle actin and endothelial cells. Acta Neuropathol 93: 219–224 199. Zülch KJ (1961) Die Pathogenese von Massenblutung und Erweichung unter besonderer Berücksichtigung klinischer Gesichtspunkte. Acta Neurochir (Wien) 7: 51–117
Kapitel 11
11
Infektionen des ZNS
M. Deckert Inhalt Allgemeine Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . .
304
Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
315
Klassifikation zentralnervöser Infektionen . . . . . .
304
Cryptococcose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
316
Mechanismen der Invasion . . . . . . . . . . . . . . .
304
Candida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
Bakterielle Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . .
305
Aspergillose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
Akute, bakterielle, eitrige Meningitis . . . . . . . . . .
305
Mucor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
308
Protozoeninfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
318
Tuberkulöse Meningitis . . . . . . . . . . . . . . . .
308
Zerebrale Toxoplasmose . . . . . . . . . . . . . . . . .
318
Tuberkulom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
Konnatale zerebrale Toxoplasmose . . . . . . . . . .
318
Osteomyelitis der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . .
309
Postnatale zerebrale Toxoplasmose . . . . . . . . . .
318
Neurosarkoidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
Zerebrale Malaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
319
Idiopathische Pachymeningitis hypertrophicans . . .
309
Amöben-Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . .
320
Metastatisch-septische Herdenzephalitis . . . . . . .
310
Helminthen-Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . .
320
Hirnabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
310
Neurozystizerkose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320
Subdurales Empyem . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
Schistosoma-Infektion des ZNS . . . . . . . . . . . .
321
Epiduraler Abszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
Echinokokkus-Infektion des ZNS . . . . . . . . . . .
321
Morbus Whipple . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
Virale Infektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . .
321
Spirochäteninfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313
Allgemeine neuropathologische Charakteristika viraler ZNS-Infektionen . . . . . . .
322
Neurolues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313 Poliomyelitisvirusinfektion . . . . . . . . . . . . . . .
322
Meningovaskuläre Syphilis . . . . . . . . . . . . . .
314 Masernvirusinfektionen des ZNS . . . . . . . . . . . .
323
Neuroborreliose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
314 Maserneinschlusskörperenzephalitis . . . . . . . . .
323
Pilzinfektionen des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . .
315 Subakute sklerosierende Panenzephalitis . . . . . .
323
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
304
11
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Rubella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
Rabies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis . . . . . . . . . .
324
HIV-Infektion des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
Varicella-zoster-Virus-Infektion . . . . . . . . . . . .
324
Opportunistische Infektionen des ZNS bei Immundefizienz . . . . . . . . . . . . . .
327
Cytomegalievirus Infektion . . . . . . . . . . . . . . .
325 Opportunistische Pilzinfektionen . . . . . . . . . . .
327
Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325 Opportunistische Parasiteninfektionen . . . . . . . .
328
Konnatale Cytomegalievirus-Infektion des ZNS . . .
325 Opportunistische bakterielle Infektionen . . . . . . .
328
Adulte Cytomegalievirus-Infektion des ZNS . . . . .
325 Opportunistische virale Infektionen . . . . . . . . .
328
Arbovirusinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
325 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
329
Allgemeine Charakteristika Infektionen des ZNS unterscheiden sich in ihrem klinischen Verlauf, den Komplikationen und potentiellen permanenten Schäden wesentlich von Infektionserkrankungen anderer Organe. Dies ist durch die hohe Differenzierung des Gehirns mit eingeschränkter Regenerationsfähigkeit sowie durch den physiologischerweise herabregulierten immunologischen Phänotyp des Gehirns bedingt. Um das ZNS vor einer Infektion zu schützen, sind drei anatomische Kompartimente vorgeschaltet, nämlich Schädelknochen, Hirnhäute und Blut-Hirn-Schranke, die den Eintritt von Agenzien in das Gehirn streng reglementieren. Außerdem ist im gesunden Zustand der immunologische Phänotyp des Gehirns herabreguliert. Dazu gehören eine fehlende Expression von MHC-Klasse-I- und -II-Antigenen auf hirneigenen Zellen und niedrige Komplementspiegel im Gehirnparenchym sowie im Liquorraum. Des Weiteren ist die Zahl intrazerebraler Leukozyten gering. Diese Organcharakteristika bestimmen den Verlauf und die Prognose einer Entzündung zusammen – wie bei Infektionen anderer Organen auch – mit Eigenschaften des infektiösen Agens (Virulenz, Affinität zu spezifischen neuroanatomischen Strukturen und/oder Kompartimenten des Gehirns) sowie Eigenschaften des Wirtsorganismus (Alter, Immunstatus). So sind Immundefekte des Wirts mit charakteristischen Infektionen des ZNS assoziiert. Beispielsweise prädisponieren Defekte des Komplementsystems zu einer Meningokokkenmeningitis, Granulozytopenien und Lymphozytopenien zu Infektionen durch diverse Bakterien und Pilze. Eine CD4-Defizienz, z. B. bei AIDS-Patienten, prädisponiert zu Infektionen durch Parasiten, Mykobakterien und einigen Viren.
Klassifikation zentralnervöser Infektionen Die Klassifikation der Infektionen des ZNS kann aufgrund der Topographie, des ätiologischen Agens und des klinischen Verlaufs vorgenommen werden. Aufgrund der Topgraphie unterscheidet man: x Osteitis: Entzündung des Knochens x Epidurale Infektion: Entzündung zwischen Knochen und Dura, tritt spinal, aber nicht im Bereich des Schädels auf x S ubdurales Empyem: Entzündung zwischen harter und weicher Hirnhaut, spinal auftretend x Meningitis: Entzündung im Subarachnoidalraum zwischen Arachnoidea und Pia mater x Enzephalitis: Entzündung des Gehirnparenchyms. Formen der Enzephalitis: Polioenzephalitis: Entzündung der grauen Substanz Entzündung der weißen Substanz Panenzephalitis: Entzündung der grauen und weißen Substanz – Phlegmonöse Enzephalitis: diffuse Entzündung des Gehirnparenchyms – Abszedierende Enzephalitis (Hirnabszess): abgekapselte Entzündung des Gehirnparenchyms – Ventrikulitis: Entzündung des Ventrikelsystems, d. h. seiner Wände und/oder im Lumen.
Mechanismen der Invasion Infektöse Agenzien können das ZNS erreichen x direkt: durch Invasion benachbarter Strukturen, x hämatogen: durch Streuung von Infektionsherden, besonders aus Herz, Lunge,
305
Bakterielle Infektionen des ZNS
x axonal: unter Benutzung von Axonen peripherer Nerven und Hirnnerven. Des Weiteren spielt eine Reaktivierung im ZNS latent und asymptomatisch persistierender Erreger eine Rolle, vor allem bei immundefizienten Personen.
Bakterielle Infektionen des ZNS Bakterien können eine Meningitis, einen Abszess (epidural oder im Parenchym), eine Ventrikulitis und ein subdurales Empyem hervorrufen. Der Verlauf einer bakteriellen ZNS-Infektion kann akut, subakut oder chronisch sein. Das Erregerspektrum zeigt eine Abhängigkeit vom Alter und Immunstatus des Patienten (Tabelle 11.1) [29].
Akute, bakterielle, eitrige Meningitis Pathogenese. Eine Meningitis ist die häufigste Form einer bakteriellen Infektion des ZNS. Die meisten Fälle treten sporadisch auf. Epidemien sind seltener und meist mit Neisseria meningitidis assoziiert. Die afrikanische Sub-Sahara-Zone ist ein klassisches Gebiet, in dem durch Meningokokken der Serogruppe A wiederholt Epidemien einer Meningitis hervorgerufen werden [49]. Der Infektionsweg ist hämatogen oder per continuitatem von einem Infektionsherd in der Nachbarschaft (Sinusitis, Otitis, Osteomyelitis, Orbitainfektion, dentaler Abszess). Um die Meningen zu erreichen, muss das Pathogen eine Reihe von Barrieren überwinden (Abb. 11.1). Die meisten Fälle entwickeln sich im Rahmen einer Bakteriämie, z. B. aufgrund einer Invasion des Blutstroms nach einer Besiedlung der nasopharyngealen Mukosa. Relevante bakterielle Meningitiserreger stammen aus dem Respirationstrakt (z. B. Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae). Diese Pathogene werden in der Regel durch Tröpfcheninfektion über den
respiratorischen Weg von Mensch zu Mensch übertragen. Für Neisseria meningitidis stellt die menschliche respiratorische Mukosa das einzige natürliche Reservoir dar. Für die Kolonisierung der respiratorischen Mukosa sind Bestandteile der Polysaccharidkapsel, Fimbrien, Pili sowie die Produktion bakterieller Enzyme wichtig. Bakterien können die mukosale Barriere durch oder zwischen Epithelzellen durchbrechen oder in phagozytischen Vakuolen das Epithel durchwandern, um den Blutstrom zu erreichen. Im Blutstrom haben gekapselte Bakterien wie Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis, Streptococcus pneumoniae, Streptokokken der Gruppe B und Escherichia coli Überlebensvorteile. Bei der Invasion der Meningen finden komplexe Interaktionen zwischen Endothelzellen zerebraler Gefäße und mikrobiellen Faktoren statt. Zunächst wird die Adhäsion an die Endothelzellen von zerebralen Gefäßen und Gefäßen des Plexus choroideus durch Rezeptoren bakterieller Pathogene erleichtert. Neben der parazellulären Passage mit Durchbrechen interzellulärer endothelialer Verbindungen und Verletzung des Endothels besteht die Möglichkeit des transzellulären Transports sowie der Invasion innerhalb von Leukozyten. Sobald Bakterien das Liquorkompartiment erreicht haben, sind die Abwehrmechanismen des Wirts insuffizient, da im Liquor nur niedrige Immunglobulin- und Komplementspiegel sowie nur wenige Makrophagen vorhanden sind. Dadurch haben Bakterien einen Überlebensvorteil. Ihre Replikation führt zur Autolyse mit Freisetzung bakterieller Zellwandbestandteile und Komponenten wie Peptidoglykane, Lipopolysaccharide, Teichonsäure, Lipoteichonsäure, Zellwandfragmente, die die entzündliche Reaktion des Wirtsorganismus sowie die Produktion von Zytokinen und Chemokinen triggern. In der frühen Phase werden proinflammatorische Zytokine wie Tumor-Nekrose-Faktor (TNF), Intereukin(IL)-1E, IL-6 von Makrophagen, Endothelzellen und Gliazellen produziert, die zur NF-NB-Aktivierung führen und eine Kaskade weiterer entzündlicher Mediatoren triggern, u. E. von IL-8, „macrophage inflammatory protein“ (MIP), „platelet-activating factor“ (PAF), Prostaglandi-
Tabelle 11.1 Ätiologie der bakteriellen Meningitis in Abhängigkeit vom Patientenalter Bakterium
Neugeborene (< 1 Monat)
Kinder (1 Monat bis 15 Jahre)
Erwachsene (>15 Jahre)
H. influenzae
40–60%
N. meningitidis
25–40%
10–35%
S. pneumoniae
10–20%
30–50%
Gramnegative Bakterien
50–60%
Gr.-B-Streptokokken
20–50%
Listeria sp.
2–10%
306
11
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Abb. 11.1 Pathophysiologie der akuten bakteriellen, eitrigen Meningitis. Nach Überwindung von Mukosa und Blut-Hirn-Schranke (BBB) vermehren sich Bakterien im Subarachnoidalraum (SAR). Zerfallende Bakterien setzen Lipopolysaccharide (LPS), (Lipo)Teichonsäure ((L)TS) frei. Dadurch werden Makrophagen (MI) zur Produktion löslicher Mediatoren angeregt. Dies stimuliert die Hochregulation von Zelladhäsionsmolekülen (CAM) auf zerebralen
Endothelzellen, wodurch die Rekrutierung weiterer Makrophagen und neutrophiler Granulozyten (PMN) stimuliert wird, die weitere proinflammatorische und antibakteriell wirkende Zytokine ausschütten. Zum Teil induzieren die Mediatoren auch Veränderungen des zerebralen Blutflusses, aktivieren hirneigene Mikrogliazellen und Astrozyten und/oder wirken neurotoxisch
nen, Matrixmetalloproteasen, Stickstoffoxid (NO) und reaktiven Sauerstoffradikalen (ROS). Dadurch werden neutrophile Granulozyten und weitere Makrophagen an den Ort des entzündlichen Geschehens gelockt. Neben einer Phagozytose von Bakterien kommt es dabei auch zu Schäden der zerebralen Vaskulatur mit Steigerung der Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke und konsekutiv zu Veränderungen des zerebralen Blutflusses, der in der frühen Phase zu-, in fortgeschrittenen Phasen abnimmt. Eine globale Reduktion des zerebralen Blutflusses, die durch einen Verlust der Autoregulation des zerebralen Blutflusses, durch einen gesteigerten intrazerebralen Druck und durch systemische Hypotension bedingt sein kann, eventuell mit einer Hypoperfusion infolge einer arteriellen Vaskulitis, kann zu erheblichen ischämischen Schäden, bis hin zum ischämischen Hirninfarkt, führen und permanente neurologische Schäden bewirken. Des Weiteren modulieren proinflammatorische Mediatoren wie NO und ROS den zerebralen Blutfluss.
verantwortlich sind, befallen charakteristischerweise die Großhirnkonvexität (Haubenmeningitis). Bei perakuten Formen, die zum Tod innerhalb von 24 Stunden führen, insbesondere im Rahmen des Waterhouse-FriedrichsenSyndroms, sieht man eine massive, generalisierte Hirnschwellung, gestaute Gefäße und multiple Petechien, während Eiter fehlt und eine Entzündungsreaktion trotz Anwesenheit zahlreicher Bakterien gar nicht ausgebildet wurde. Bei akuten Formen sieht man eine unterschiedlich stark ausgeprägte Schwellung des Gehirns, dessen Oberfläche mit einem grau-gelblich-grünlichen, eitrigen Exsudat bedeckt ist, das sich in die Virchow-Robin-Räume erstreckt (Abb. 11.2). Das Exsudat ist über der Konvexität und in den basalen Zisternen, wo der Subarachnoidalraum am tiefsten ist, besonders prominent. Mikroskopie: Im eitrigen Exsudat lassen sich in den frühen Phasen intra- und extrazelluläre Bakterien und neutrophile Granulozyten nachweisen (Abb. 11.3). Ein korrespondierendes Bild zeigt der Liquor cerebrospinalis. Meningeale Gefäße sind erweitert und können auch Zeichen der muralen Entzündung zeigen. Es kann zu fibrinoiden Nekrosen und thrombotischen Gefäßverschlüssen mit ischämischer Schädigung des entsprechend versorgten Parenchyms kommen. Bei einem Übergreifen der Entzündung auf leptomeningeale Venen kann sich
Morphologie. Bei den meisten akuten bakteriellen eitrigen Meningitiden finden sich, unabhängig vom Pathogen, gleiche morphologische Veränderungen im Gehirn. Makroskopie: Bakterien wie Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis, die zusammen für ca. 80% der bakteriellen Infektionen weltweit
Bakterielle Infektionen des ZNS
Abb. 11.2 Akute, eitrige bakterielle Meningitis. Gelblich-gräulichgrünliches, eitriges Exsudat im Subarachnoidalraum der Konvexität der Großhirnhemisphären
Abb. 11.3 Akute, eitrige bakterielle Meningitis. Zellreiches, eitriges Exsudat im Subarachnoidalraum. HE
eine Thrombophlebitis entwickeln, die fortschreiten und schließlich zu einer Sinusvenenthrombose führen kann. Das Exsudat erstreckt sich entlang perivaskulärer Räume in Großhirnrinde, Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark. Gegen Ende der ersten Woche kommt es zu Veränderungen des zellulären Zusammensetzung des entzündlichen Infiltrats im Subarachnoidalraum, in dem nun Makrophagen, Lymphozyten, Plasmazellen und Fibroblasten dominieren, während neutrophile Granulozyten zahlenmäßig zurückgehen (Abb. 11.4). Bei erfolgreicher Therapie sind in der Regel bereits nach wenigen Tagen mit morphologischen Techniken keine Bakterien mehr nachweisbar. Im angrenzenden Gehirngewebe, d. h. in der Regel in oberen Kortexschichten, können geschrumpfte, pyknotische Nervenzellen nachweisbar sein. Des Weiteren sind Mikrogliazellen und Astrozyten aktiviert, was man an morphologischen Veränderungen wie z. B. einer Induktion von MHC-Klasse-I- und –II-Antigenen und Zelladhäsionsmolekülen auf Mikrogliazellen bzw. Astrozyten erkennen kann. Diese Aktivierung hirn-
307
Abb. 11.4 Liquor cerebrospinalis bei akuter, eitriger bakterieller Meningitis unter Behandlung nach fünf Tagen. Neutrophile Granulozyten, Makrophagen und Monozyten dominieren das zytologische Bild. Pappenheim
eigener Mikrogliazellen und Astrozyten bedeutet aber auch, dass diese Zellpopulationen ebenso wie Neurone immunologisch aktiv zu den Abwehrmechanismen der Immunantwort beitragen, was auch die Produktion proinflammatorischer Mediatoren beinhaltet. Viele Überlebende weisen Langzeitfolgen mit neurologischen Symptomen und Behinderungen auf. Ihre Art und Häufigkeit hängt vom Alter der Patienten bei Erkrankung und vom zugrunde liegenden Pathogen ab; so ist bei der Streptococcus pneumoniae-Meningitis die Komplikationsrate größer als bei Meningitiden durch Haemophilus influenzae und Neisseria meningitidis [27]. Bei erfolgreich behandelten Meningitiden können als Langzeitfolge eine Verdickung der Meningen sowie eine leichte subpiale Fasergliose resultieren. Komplikationen der bakteriellen Meningitis sind (neben Ödem und Infarkt) – oft fokale – neuronale Verluste. Insbesondere Neuronenverluste im Hippokampus und Gyrus dentatus können zu einer Lernbehinderung führen [32, 40]. Subdurale Effusionen (Hygrome) treten gelegentlich als Komplikation bei Kleinkindern auf. Außerdem kann ein subdurales Empyem entstehen. Durch fibrinöse Verklebungen im Bereich der Wände des Ventrikelsystems kann es zu Liquorzirkulationsstörungen mit Entwicklung eines Hydrozephalus kommen. Sollte dieser die Anlage eines Shunts zur Liquorableitung erfordern, besteht auch die potentielle Gefahr der Entwicklung einer bakteriellen Shunt-Infektion, die in der Regel durch Staphylokokken verursacht wird und zu einer Ventrikulitis führt. Da Listeria monocytogenes neben Makrophagen, Ependymzellen und Epithelzellen des Plexus choroideus auch Neurone als Zielzelle infiziert, kann sich als Komplikation einer Meningitis – insbesondere bei unvollständiger Therapie – ein Hirnstammabszess oder eine Rhombenzephalitis entwickeln [39]. Von einer cerebralen Listeriose sind immungeschwächte Patienten wie ältere Menschen, Diabetiker und Feten bedroht.
308
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Tuberkulose Pathogenese. Ursächlich ist bei immunkompetenten Personen Mycobacterium tuberculosis verantwortlich. Bei immundefizienten Patienten verursacht Mycobacterium avium intrazellulare Infektionen des ZNS. Mycobacterium tuberculosis erreicht das ZNS hämatogen von einem extrazerebral gelegenen Primärherd im Rahmen der hämatogenen Dissemination, meist bei Miliartuberkulose. Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis können zu einer Entzündung der Meningen, des Gehirnparenchyms und der zerebralen Gefäße führen. Folgende Formen werden unterschieden: x Meningitis, x Tuberkulom, x Osteomyelitis der Wirbelsäule.
Abb. 11.5 Tuberkulöse Meningitis. Die Hirnbasis ist mit einem zähen, gräulichen, gelatinösen Exsudat bedeckt, das die Gefäße des Circulus arteriosus und die Hirnnerven bedeckt und ummauert
Tuberkulöse Meningitis
11
Makroskopie. Zur Induktion der tuberkulösen Meningitis, der häufigsten Manifestationsform der Tuberkulose im ZNS, reichen bereits wenige Bakterien aus. Es handelt sich in der Regel um eine chronische Meningitis, die gelegentlich subakut beginnen kann. Im Subarachnoidalraum ist ein gelatinöses, zähes, grau-glasiges, grünliches Exsudat nachweisbar, das am prominentesten über der Hirnbasis ist (basale Meningitis) und sich um die Fossa interpeduncularis erstreckt, die Hirnnerven und das Rückenmark umgibt (Abb. 11.5). Es kann auch in den Seitenventrikeln vorhanden sein und dort den Plexus choroideus bedecken. Subpiale Herde (Rich) können sich in der initialen Phase der klinisch asymptomatischen hämatogenen Dissemination bilden. Die Ventrikel sind of mäßiggradig erweitert aufgrund der Entwicklung eines obstruktiven oder kommunizierenden Hydrozephalus. Von den Meningen ausgehend kann die Entzündung auf das benachbarte Parenchym übergreifen und so zu einer tuberkulösen Meningoenzephalitis führen. Mikroskopie. Nur in der sehr frühen Phase tragen neutrophile Granulozyten zum entzündlichen Infiltrat bei. Sehr bald dominieren Lymphozyten das Infiltrat, zu dem auch Makrophagen, einige Plasmazellen, Epitheloidzellen und Fibroblasten beitragen. Verkäsende Nekrosen sind ebenso charakteristisch wie mehrkernige Riesenzellen vom Langhans-Typ, die in kleiner Menge vorhanden sein können und so in einer bioptischen Probe möglicherweise nicht nachweisbar sind (Abb. 11.6). Da die Zahl der Mykobakterien sehr variabel ist, muss die ZiehlNeelsen-Färbung nicht in jedem Fall säurefeste Stäbchen zur Darstellung bringen, so dass bei negativem Ausfall PCR-Untersuchungen obligat sind. Bei immunsuppri-
Abb. 11.6 Tuberkulöse Meningitis. Verkäsendes entzündliches Infiltrat mit mehrkernigen Riesenzellen vom Langhans-Typ und zahlreichen Lymphozyten im Subarachnoidalraum des Pons. HE
mierten Patienten sind Mykobakterien in der Regel zahlreich vorhanden, während die Entzündung weniger granulomatös imponiert und normalerweise keine multinukleären Riesenzellen nachweisbar sind. Im Parenchym kann es in der Nachbarschaft eines ausgeprägten meningealen Infiltrats zu einer diffusen Entzündung mit einer prominenten Mikrogliaaktivierung und einer Astrogliose kommen. Häufig kommt es zum entzündlichen Befall kleiner und mittelgroßer Arterien mit entzündlicher Durchsetzung von Adventitia und Intima oder einer Panarteriitis (Abb. 11.7). Dabei kann es zu Gefäßverschlüssen mit der Folge eines ischämischen Infarkts kommen. Auch Venen können befallen sein und thrombosieren. Mit der Zeit wird das entzündliche Infiltrat durch ein hyalinisiertes Bindegewebe ersetzt.
Bakterielle Infektionen des ZNS
309
Riesenzellen vom Langhans-Typ umgeben. Die äußere Schicht besteht aus Kollagen, Fibroblasten, Lymphozyten und Monozyten. Mit der Zeit ist eine Verkalkung möglich. Das umgebende Gehirnparenchym zeigt eine ausgeprägte Gliose. Früher stellte ein zerebelläres Tuberkulom bei Kindern sogar die häufigste intrazerebrale Raumforderung dar.
Osteomyelitis der Wirbelsäule
Abb. 11.7 Vaskulitis bei tuberkulöser Meningitis. Durchsetzung der Wand eines leptomeningealen Gefäßes durch ein entzündliches, lymphozytär dominiertes Infiltrat bei tuberkulöser Meningitis. Elastica-van-Gieson
Abb. 11.8 Tuberkulome bei tuberkulöser Meningitis. Tuberkulome mit verkäsendem Zentrum im Subarachnoidalraum mit Übergreifen auf den benachbarten Kortex und raumfordernder Wirkung. Cresyl-Violett
Tuberkulom Ein Tuberkulom entwickelt sich durch sich vermehrende Tuberkel, wodurch es zu einer Größenzunahme im Parenchym oder abgekapselt in den Meningen kommt. Tuberkulome können singulär oder – häufiger – multipel vorkommen und raumfordernd wirken (Abb. 11.8). Tuberkulome stellen sich als eine graue, fokal umschriebene, eingekapselte, eventuell raumfordernde, im Subarachnoidalraum gelegene, gelblich-graue Masse dar, deren Durchmesser in der Regel weniger als 1 cm beträgt, jedoch die Größe einer Orange erreichen kann. Tuberkulome kommen häufiger multipel als singulär vor. Sie finden sich bevorzugt in Kleinhirn und Brücke. Ihr Zentrum ist verkäsend nekrotisch, von teils fester Konsistenz, und wird von einem grauen, derben, gelatinösen Rand gesäumt, an den eine gliotische Zone grenzt. Die zentrale Nekrose ist von Lymphozyten, Epitheloidzellen und
Ein tuberkulöse Osteomyelitis der Wirbelsäule kann sich auf den Epiduralraum ausdehnen.
Neurosarkoidose Die Sarkoidose ist eine entzündliche Multisystemerkrankung unbekannter Ätiologie. Etwa 5% der Patienten weisen eine neurologische Beteiligung auf. Dabei kann jeder Teil des ZNS befallen sein. Eine neurologische Affektion kann auch isoliert in Abwesenheit einer systemischen Erkrankung auftreten. Am häufigsten findet sich eine Beteiligung von Meningen, subpialem Gehirnparenchym, Hirnnerven, Hypothalamus und Hypophyse. Die Meningitis nimmt einen chronischen Verlauf. Die Meningen der Hirnbasis, des Hirnstammes, Kleinhirnes, Rückenmarkes und im Bereich von Nervenwurzeln sind verdickt. Histologisch stellt sich eine granulomatöse Entzündung dar. Die Granulome bestehen aus Epitheloidzellen, mehrkernigen Riesenzellen, T- und B-Lymphozyten sowie Monozyten und Fibroblasten. Typischerweise sind sie nicht verkäsend, können jedoch in seltenen Fällen eine zentrale Nekrose aufweisen. Zentral können sie fibrosieren (Abb. 11.9). Von den Meningen können die Granulome sich entlang der Virchow-Robin-Räume in das benachbarte Gehirnparenchym ausdehnen und über eine zerebrale Vaskulitis zu einem Infarkt führen. Läsionen im Gehirnparenchym können periventrikuläre Areale einbeziehen. Aufgrund der Verdickung der basalen Meningen oder einer Obstruktion des Aquäduktes kann sich ein Hydrozephalus entwickeln.
Idiopathische Pachymeningitis hypertrophicans Diese Erkrankung ist eine Ausschlussdiagnose bei Nachweis einer chronischen fibrosierenden Entzündung der Dura im Bereich von Schädel oder Spinalkanal, ohne dass ein pathogenes infektiöses Agens nachweisbar ist. Zu den
310
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Abb. 11.11 Hirnabszess. Hirnabszess im Tegmentum mesencephali mit raumfordernder Wirkung und Kompression des Aquädukts Abb. 11.9 Sarkoidose. Chronische Entzündung der zervikalen Dura, die sich bis in den Hirnstamm erstreckte. Mehrkernige Riesenzelle sowie von Makrophagen gesäumte, kleine zentrale Nekrose, Lymphozyten und ausgeprägte Fibrose. HE
Infiltrate bestehen aus neutrophilen Granulozyten, Makrophagen und Lymphozyten. Es gibt Übergänge zu kleinen Mikroabszessen, in deren Zentrum eine Nekrose nachweisbar ist.
11 Hirnabszess
Abb. 11.10 Metastatisch-septische Herdenzephalitis. Perivaskuläres Infiltrat aus Lymphozyten und neutrophilen Granulozyten mit perivaskulärem Ödem. HE
entzündlichen Infiltraten können Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen und auch Riesenzellen beitragen. Differentialdiagnostisch sind eine Tuberkulose, Sarkoidose, Lues und andere nichtinfektiöse Erkrankungen, z. B. aus dem rheumatischen Formenkreis, Vaskulitiden und auch Tumorerkrankungen auszuschließen.
Metastatisch-septische Herdenzephalitis Bei septischen Embolien mit Streuung aus verschiedenen Primärherden (Endokarditis, Lungenabszess, Bronchiektasen) kann sich eine metastatisch-septische Herdenzephalitis entwickeln. Mikroskopisch beobachtet man multiple, kleine, disseminierte entzündliche Infiltrate, die Gefäßwände durchsetzen (Abb. 11.10). Die
Per definitionem handelt es sich um eine fokale, vom umgebenden Gehirngewebe abgekapselte, im Gehirnparenchym gelegene Entzündung mit zentraler Nekrose und äußerer, bindegewebig-gliöser Kapsel (Abb. 11.11). Der Hirnabszess stellt nach der akuten eitrigen Meningitis die häufigste Manifestation einer bakteriellen ZNS-Infektion dar. Außer Bakterien können Pilze und der Parasit Toxoplasma gondii einen Hirnabszess hervorrufen. Pathogenese. Während in der präantibiotischen Ära Staphylococcus aureus der häufigste Erreger war, ist dieses Bakterium nun die häufigste Ursache des traumatischen und postoperativen Hirnabszesses, während Streptokokken und Anaerobier heute für die Mehrzahl der Fälle verantwortlich sind [5, 6, 13, 21]. Eine chronische Otitis media und/oder Mastoiditis führt wesentlich häufiger zu einer intrakraniellen Infektion als eine akute Infektion. Insbesondere das Cholesteatom ist häufig mit einem otogenen Hirnabszess assoziiert. Auch chronische odontogene Infektionen können zu einem Hirnabszess führen. Etwa 50% der Abszesse entstehen durch Ausbreitung einer in der Nachbarschaft gelegenen Entzündung (Nasennebenhöhlen ca. 10%, Mittelohr ca. 35%, Zahnwurzel ca. 2%) [23]. Ätiologisch verantwortlich sind Streptococcus milleri, Staphylokokken und Bacteroides; Mischinfektionen sind häufig. Eine hämatogene Streuung ist für ca. 25% aller Abszesse verantwortlich. Bei Kindern mit kongenitalen
Bakterielle Infektionen des ZNS
311
Abb. 11.12 Schematischer Aufbau eines voll ausgebildeten Hirnabszesses
Herzvitien mit Rechts-Links-Shunt können septische Emboli die pulmonale Zirkulation umgehen. Bei Erwachsenen gehen septische Emboli von Bronchiektasen, Lungenabszessen oder einer subakuten Endokarditis aus. Hier sind Streptococcus viridans sowie microaerophile/ anaerobe Streptokokken verantwortlich. Pulmonale Infektionsherde (Lungenabszess, Bronchiektasen), Endokarditiden und kardiale Vitien mit Rechts-Links-Shunt (pulmonale arterivenöse Malformation, kongenitale Herzdefekte, offener Ductus arteriosus) sind klinisch relevante Ursachen eines Hirnabszesses. Hämatogen entstandene Abszesse liegen oft am Übergang zwischen grauer und weißer Substanz und treten häufig multipel auf. Bevorzugt ist das Versorgungsgebiet der A. cerebri media involviert. 5–10% der Fälle entstehen durch Einbringen von Bakterien im Rahmen einer penetrierenden Verletzung (Schädel-Hirn-Trauma, Operation). In 75–90% der Fälle ist der Abszess solitär. Alle Areale des Gehirns können betroffen sein. Die Lokalisation hängt von der Ätiologie ab. So führt eine Sinusitis zumeist zu einem frontal gelegenen Abszess, während eine Mastoiditis/Otitis media einen Abszess im Temporallappen hervorrufen. Insgesamt findet man Abszesse am häufigsten frontotemporal und parietal, in abnehmender Häufigkeit in parietaler, zerebellärer und okzipitaler Lage. Ein Abszess aus septischer Ursache entwickelt sich häufig im Stromgebiet der A. cerebri media, kann jedoch prinzipiell überall im Gehirn entstehen. Im Rahmen einer septischen Streuung können sich multiple Abszesse in verschiedener topographischer Verteilung entwickeln. Ein singulärer oder mehrere Erreger können verantwortlich sein. In 20–25% der Fälle gelingt es nicht, ein pathogenes Agens in der Kultur zu identifizieren.
Abb. 11.13 Hirnabszess im frühen Kapselstadium. Eine zentrale, scharf demarkierte Nekrose ist von einem zellreichen, neovaskularisierten Granulationsgewebe umgeben. Bindegewebe ist noch nicht nachweisbar. HE
Eine Immundefizienz prädisponiert ebenfalls zu Abszessen. Hier ist ätiologisch an Toxoplasma gondii, Nocardia, Listeria monocytogenes – das charakteristischerweise eine Rhombenzephalitis hervorruft –, gramnegative Bakterien, Mykobakterien und Pilze zu denken. Entwicklung eines Hirnabszesses. Ein Hirnabszess entwickelt sich in charakteristischer Sequenz über einen definierten Zeitraum von ca. 1–3 Wochen. Dann weist er einen geschichteten Wandaufbau auf (Abb. 11.12, 11.13). Initial tritt fokal, meist an der Grenze zwischen grauer und weißer Substanz, wo die kollaterale Gefäßversorgung am schlechtesten ist, eine mikrovaskuläre Schädigung auf. Das Vorhandensein eines vorgeschädigten Areals ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung
312
11
Kapitel 11
eines Hirnabszesses. Dabei können vier Stadien unterschieden werden: x Frühe Zerebritis (1.–3. Tag nach Infektion): In diesem Stadium der fokalen eitrigen Enzephalitis schädigen Bakterien kleine Gefäße und gelangen durch die geschädigten Gefäßwände in das benachbarte, avitale Parenchym, in dem sich kleine Nekrosen entwickeln und wo sie eine lokale Entzündung initiieren. Mikroskopisch erscheint die Läsion unscharf begrenzt. Außer gestauten, eventuell thrombosierten Gefäßen können Petechien sowie einige neutrophile Granulozyten vorhanden sein. x Späte Zerebritis (4.–9. Tag nach Infektion): In diesem Stadium der fokalen eitrigen Enzephalitis mit konfluierender zentraler Nekrose ist ein nekrotisches, eitrig eingeschmolzenes Zentrum von einer dünnen Schicht von Entzündungszellen umgeben. Das Infiltrat besteht vor allem aus neutrophilen Granulozyten und Makrophagen. Im Zentrum können Bakterien nachweisbar sein. Das Gewebe ist ödematös verändert. x Frühes Kapselstadium (10.–13. Tag nach Infektion): Nun sind weitere Makrophagen und Monozyten sowie Lymphozyten und Plasmazellen eingewandert, die eine weitere Schicht von Entzündungszellen anlagern. Diese liegen zwischen zahlreichen, neu gebildeten Kapillaren. Kollagenfasern sprossen aus, die die Kapsel des Abszesses bilden. Diese ist in diesem Stadium noch sehr schwach ausgebildet. Im angrenzenden, ödematösen Gehirngewebe sind reaktive Astrozyten nachweisbar. x Spätes Kapselstadium ( >14. Tag nach Infektion): Zu diesem Zeitpunkt weisen die meisten Abszesse eine deutliche Struktur mit einer zentralen Nekrose auf, die von einem Granulationsgewebe, bestehend aus neutrophilen Granulozyten, Makrophagen und Lymphozyten, gesäumt wird. Nach außen schließt sich eine nun deutlicher ausgebildete Kapsel aus Fibroblasten- und Kollagenschichten an, die von Entzündungszellen, zumeist Lymphozyten und Plasmazellen, sowie kleinen, radiär angeordneten kapillären Gefäßen durchsetzt ist. Angrenzend findet sich reaktiv verändertes Gehirngewebe mit aktivierten Mikrogliazellen und reaktiven Astrozyten, die auch zwischen den kollagenen Fasern liegen. Mit der Zeit nimmt die Kollagenablagerung zu. Dadurch kommt es zur Verdickung der Kapsel. Zum Kortex hin ist sie am kräftigsten und zum Ventrikel hin meist nur dünn ausgeprägt. Die Größe eines Abszesses ist sehr variabel. Er hat meist eine ovale Form und kann auch gekammert sein. Auch, wenn ein Abszess abgekapselt ist, ist zu bedenken, dass er bestenfalls eine gut kontrollierte Infektion darstellt, jedoch keine erfolgreiche Elimination des Pathogens mit Ausheilung der Läsion bedeutet. Deshalb
Infektionen des ZNS
ist es möglich, dass sich das Gleichgewicht zwischen Bakterium, Abgrenzung der Infektion und der Immunreaktion verschiebt und dass dadurch bedingt Komplikationen auftreten können. So kann es zu einer in der Regel letalen Ventrikelruptur, einer Meningitis, einem epiduralen Abszess oder einem subduralen Empyem kommen. Weitere Komplikationen können ein obstruktiver Hydrozephalus, ein Hirnödem sowie – selten – eine Blutung sein.
Subdurales Empyem Ein subdurales Empyem macht ca. 20% aller intrakraniellen Infektionen aus. Ursächlich sind meist Streptokokken und Staphylokokken. Ätiologisch kommt es zur Ausbreitung einer Infektion in den Subduralraum zumeist direkt, z. B. von paranasalen Sinus. Bei bis zu 50% der Patienten bestehen gleichzeitig eine fokale Osteomyelitis und ein extraduraler Abszess. Bei Kleinkindern kann ein subdurales Empyem auch als Komplikation einer Meningitis entstehen. Das Empyem besteht aus Eiter und einer gemischtzelligen entzündlichen Infiltration.
Epiduraler Abszess Intrakraniell, wo die Dura mit dem Schädelknochen adhärent ist, ist ein epiduraler Abszess eine Rarität, spinal (thorakal: 50–80%, lumbal: 15–40%) ebenfalls selten. Er erstreckt sich über verschiedene Wirbelkörperhöhen. In 60–90% der Fälle ist Staphylococcus aureus ätiologisch verantwortlich. Auch Pilze und Würmer können ursächlich sein. In der Regel entsteht ein epiduraler Abszess bei spinaler Lage durch Fortleitung einer Osteomyelitis oder – in den seltenen Fällen kranialer Lokalisation – fortgeleitet von einer Nebenhöhleninfektion. Mit zunehmender Raumforderung durch einen sich vergrößernden epiduralen Abszess kann es zu einer Kompression des Rückenmarks kommen. Extradural, zwischen Dura und dem Periost der Wirbelsäule, ist Eiter, umgeben von Granulationsgewebe, nachweisbar.
Morbus Whipple Pathogenese. Es handelt sich um eine Multisystemerkrankung. Das Bakterium Tropheryma whipplei, ein PASpositives Stäbchen, verursacht eine chronische Infektion, die zu drei Formen neurologischer Manifestation führen kann:
Spirochäteninfektionen
313
1. Rezidiv im ZNS bei zuvor behandelter systemischer Erkrankung, 2. ZNS-Beteiligung beim klassischen M. Whipple und 3. isolierte neurologische Symptome durch Tropheryma whipplei ohne histologischen Hinweis auf eine systemische Beteiligung. In der Regel liegt bei einer ZNS-Affektion auch eine intestinale Beteiligung (mit einem Malabsorptionssyndrom) vor. In 6–63% der Patienten wird klinischerseits eine ZNS-Beteiligung berichtet. Man geht davon aus, dass es sich um eine oral erworbene Infektion handelt. Sobald eine Dissemination einsetzt, ist das Gehirn ein bevorzugt befallenes Organ. Die Prognose bei Patienten mit ZNS-Beteiligung ist schlecht. Mehr als 25% der Patienten sterben innerhalb von vier Jahren, weitere 25% sind schwer beeinträchtigt. Neben dem M. Whipple mit symptomatischer ZNS-Affektion konnte in Liquoruntersuchungen auch eine asymptomatische Form mit Demonstration von Tropheryma whipplei DNA nachgewiesen werden. Patienten mit M. Whipple weisen einen Defekt ihrer Makrophagen auf, die die Bakterien zwar phagozytieren, jedoch nicht vollständig degradieren können. Ursächlich führt eine inadäquate Produktion von IL-12 zu einer verminderten Interferon-J-Produktion von T-Lymphozyten und einer defekten Makrophagenaktivierung [12]. Makroskopie. Etwa 1–2 mm große, gelblich-weißliche Knötchen sind diffus in der kortikalen, subkortikalen und zerebellären grauen Substanz sowie subependymal verteilt. Thalamus, Hypothalamus, der Nucleus dentatus des Kleinhirns und periventrikuläre Regionen können betroffen sein. Mikroskopie. Die multiplen, kleinen, als Knötchen imponierenden Läsionen, enthalten perivaskulär, meningeal und intraparenchymatös inkl. subependymaler Regionen clusternde, schaumzellig transformierte Makrophagen, die PAS-positives, diastaseresistentes Material enthalten (Abb. 11.14). Dabei handelt es sich um grampositive, stäbchenförmige bakterielle Erreger, die auch mittels Versilberung darstellbar sind. Bakterien können auch extrazellulär im Gewebe vorkommen. Mittels PCR lässt sich spezifische bakterielle RNA (16S-RNA) nachweisen. Lymphozyten und Plasmazellen sind nicht typisch, können jedoch in seltenen Fällen einmal vorkommen. Eine reaktive Astrogliose ist charakteristisch.
Spirochäteninfektionen Zu den das ZNS befallenden Spirochäten, die klinisch relevante, permanente neurologische Symptome hervorrufen, gehören Treponema pallidum und Borrelia
Abb. 11.14 Morbus Whipple. Perivaskulär clusternde, schaumzellig transformierte Makrophagen, die PAS-positive Stäbchen enthalten. Sehr ausgeprägtes Ödem mit reaktiven Astrozyten. Perjodsäure-Schiff-Reaktion
burgdorferi, die Verursacher der Lues und der Borreliose („Lyme disease“).
Neurolues Pathogenese. Treponema pallidum, eine 5–15 Pm lange Spirochäte, infiziert das ZNS bei einigen, aber nicht allen Patienten in der frühen Phase der Infektion. Im Gegensatz zu früheren Meinungen ist eine Neurosyphilis keine ausschließlich späte bzw. tertiäre Manifestation der Erkrankung, sondern kann jederzeit nach Infektion auftreten. Klassifikation. Aufgrund morphologischer Befunde unterscheidet man folgende Formen: x asymptomatische ZNS-Beteiligung, x Meningitis, x meningovaskuläre Syphilis, x parenchymatöse Neurosyphilis, x progressive Paralyse, x Tabes dorsalis. Asymptomatische ZNS-Beteiligung
Bei einer asymptomatischen Neurosyphilis bei klinischneurologisch unauffälligen Patienten mit serologischen oder klinischen Zeichen einer Syphilis sind im Liquor Veränderungen wie eine Pleozytose und ein reaktiver Venereal-Disease-Research-Laboratory-Test nachweisbar, die ursächlich durch eine Lues bedingt sind. In der präantibiotischen Ära entwickelten ca. 20% der Patienten mit einer asymptomatischen Neurolues eine klinisch manifeste Neurosyphilis [17]. Eine asymptomatische
314
Kapitel 11
ZNS-Beteiligung kann sowohl in den früheren Stadien der Krankheit als auch im Tertiärstadium vorkommen und einer symptomatischen Form vorausgehen. Meningitis
Die Meningitis im frühen Sekundärstadium oder sogar im Primärstadium ist morphologisch von aseptischen Meningitiden anderer Ursachen nicht unterscheidbar. Sie tritt in der Regel 1–2 Jahre nach einer Primärinfektion auf.
Meningovaskuläre Syphilis
11
Die meisten Fälle treten ca. 7 Jahre nach Primärinfektion auf. Die meningovaskuläre Syphilis ist eine Kombination einer chronischen Meningitis mit einer multifokalen Arteriitis. Die chronische Leptomeningitis kann sich diffus oder lokalisiert an der Hirnbasis manifestieren. Die Meningen sind verdickt und fibrosiert. Selten können sie Gummata (s. unten) enthalten. Das Infiltrat besteht aus Lymphozyten und Plasmazellen. Infolge einer leptomeningealen Fibrose kann sich ein Hydrozephalus entwickeln. Die Arteriitis (Heubner-Arteriitis) kann große, mittlere und kleine Arterien und Arteriolen involvieren. Vor allem die A. cerebri media und ihre Äste, besonders die lentikulären Äste, sowie die A. cerebri posterior sind suszeptibel gegenüber der Entzündung. Infiltrate aus Lymphozyten und Plasmazellen sind in der Adventitia mit Übergreifen auf die Media lokalisiert. Die Media ist verdünnt, während die Lamina elastica interna intakt bleibt. Durch Kollagen ist die Intima konzentrisch verdickt. Aufgrund der entzündlichen Veränderungen können betroffene Gefäße sich thrombotisch verschließen mit der Folge von Ischämie und Infarkt, so dass eine Schlaganfallsymptomatik resultiert. Auch meningeale Venen und Hirnnerven können von einem entzündlichen Infiltrat umgeben sein. Parenchymatöse Syphilis
Die parenchymatöse Neurosyphilis manifestiert sich als progressive Paralyse mit Demenz und Tabes dorsalis. Aufgrund einer chronischen Meningoenzephalitis entwickelt sich in ca. 5% der Fälle eine Demenz. Die Meningen sind verdickt und fibrosiert und enthalten schüttere lymphoplasmazelluläre Infiltrate, die auch perivaskulär im Gehirnparenchym auftreten. Dabei kommt es zu einer Atrophie der Hirnrinde mit einem Verlust der normalen kortikalen Schichtung, Verlust von Neuronen, Proliferation von Astrozyten mit Entwicklung einer reaktiven Gliose und einer sehr prominenten Aktivierung von Mikrogliazellen. Spirochäten sind nur in der Minderheit der Fälle im Kortex nachweisbar. Klinisch können alle dementiellen Erkankungen imitiert werden.
Infektionen des ZNS
Die Tabes dorsalis, die sich in der Regel 15–20 Jahre nach der Primärinfektion entwickelt, entsteht aufgrund einer chronischen Entzündung der Hinterwurzeln und Spinalganglien mit assoziierter Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks. Die selektive Degeneration der hinteren Spinalnervenwurzeln ist lumbosakral am schwersten ausgeprägt. Durch die Beteiligung der Spinalganglien kommt es zu einer sekundären Waller-Degeneration der Hinterstränge mit einer Atrophie des Rückenmarks. Die Hinterwurzeln sind verschmälert und grau verfärbt. Entzündliche Veränderungen fehlen zumeist zum Zeitpunkt der autoptischen Untersuchungen oder sind nur sehr spärlich vorhanden; dann sind einige Lymphozyten und Plasmazellen in den spinalen Meningen, die fibrosiert und verdickt sind, und in den Spinalganglien, in denen ein Verlust von Nervenzellen stattgefunden hat, nachweisbar. Gummata sind späte Manifestationen der tertiären Lues und ähneln Tuberkulomen. Sie treten am häufigsten im Bereich der Konvexität des Gehirns auf und sind sowohl dura- als auch gehirnadhärent und dabei in das Gehirngewebe eingebettet. Mit einem Durchmesser von 1–4 cm können sie raumfordernde Wirkung haben. Sie sind von derber Konsistenz. Ihr nekrotisches Zentrum ist umgeben von einem Wall aus Plasmazellen, Lymphozyten, Epitheloidzellen, mehrkernigen Riesenzellen vom Fremdkörpertyp und kollagenem Gewebe. Spirochäten sind nur selten detektierbar. Konnatale Lues
Auch bei Übertritt von Spirochäten via Plazenta auf den Feten kann es zu einem Befall des ZNS kommen. Dabei können sich eine Porenzephalie und Mikrogyri entwickeln.
Neuroborreliose Die Spirochäte Borrelia burgdorferi (Länge 9–30 μm) wird von Zecken der Gattung Ixodes (Ixodes ricinus) übertragen, die als Parasiten auf Wild, Nagetieren, insbesondere Mäusen, und auch auf Haustieren leben. Die Übertragung erfolgt im Nymphenstadium der Zecken im Frühjahr und Frühsommer durch den Speichel der Zecken. Die Borreliose ist endemisch in Europa, Nordamerika und Asien. Nach dem Zeckenbiss kommt es zur lokalen Proliferation von Borrelia burgdorferi und anschließender Verbreitung über die Haut. Innerhalb von Tagen oder Wochen folgt eine hämatogene Ausbreitung. Wahrscheinlich gelangen die Spirochäten schon in der frühen Phase der Infektion in das ZNS. Bereits 18 Tage nach Infektion gelang eine Isolation von Spirochäten aus dem Liquor. Ungefähr ein bis zwei Monate nach der Infektion findet sich Borrelia burgdorferi bevorzugt in ZNS, Haut,
Pilzinfektionen des ZNS
Herz und Gelenken und kann in diesen Organen bei ausbleibender Behandlung persistieren. Borrelien lassen sich in Gewebeproben, auch im Gehirn, mittels GiemsaFärbung, Silberimprägnation (Whartin-Starry, modifizierte Dieterle-Methode), immunhistochemisch oder PCR nachweisen. Die Borreliose entwickelt sich als entzündliche Antwort auf die Spirochäten. Die zelluläre Immunantwort mit einer lymphozytären Proliferation ist kräftig und hält lange an. Die humorale Immunreaktion entwickelt sich langsamer. Antikörper vom IgM-Typ erreichen ihr Maximum nach 3–6 Wochen. Hohe IgG Titer können über Jahre persistieren, auch während der Remission. Obwohl die Zahl der Spirochäten in den Organen meist nur gering ist, löst Borrelia burgdorferi eine starke Immunreaktion durch eine toll-like-Rezeptoren-vermittelte Zytokinund Chemokinproduktion aus. Außerdem kommt es zu einer Ablage von Immunkomplexen in den Geweben mit einer sekundären Aktivierung des Komplementsystems. Kreuzreaktive Epitope zwischen den Spirochäten und Wirtsproteinen können eine autoimmune Reaktion in Gang setzen [3]. Klinischerseits werden drei Stadien der Borreliose unterschieden. Im ersten Stadium ist die Haut betroffen; im zweiten Stadium, das Wochen bis Monate später auftritt, sind Nervensystem und/oder Herz involviert; im dritten Stadium, das nach einigen Jahren eintritt, bestehen neurologische Symptome und/oder eine Arthritis. Eine neurologische Beteiligung tritt bei ca. 5–20% der betroffenen Patienten auf. Eine Neuroborreliose kann ohne vorhergehende Hautmanifestation (Erythema chronicum migrans) vorkommen mit einer klinischen Manifestation Wochen bis Monate nach der Infektion. In der frühen Neuroborreliose treten Neuropathien der Hirnnerven, eine lymphozytäre Meningitis, Radikulitiden und periphere Neuropathien auf. Bei der Meningitis kommt es zu einer meist lymphozytären (>90%) Pleozytose (100–200 Zellen/mm3), auch Plasmazellen sind häufig (9%). Gelegentlich fallen zytologisch Immunoblasten und häufige Mitosen auf, so dass differentialdiagnostisch ein hämatopoetischer Tumor erwogen wird; die Zellen sind jedoch polyklonaler Natur. Das Eiweiß ist im Liquor zumeist erhöht (100–300 mg/ dl) mit einer Erhöhung von IgG (90%), IgM (90%), IgA (75%), Nachweis spezifischer anti-Borrelia burgdorferiAntikörper sowie oligoklonaler IgG-Banden. IgG und spezifische anti-Borrelia burgdorferi-Antikörper können über Jahre persistieren, auch in Abwesenheit einer Krankheitsaktivität. Die Glukosespiegel sind meist normal, können bei länger bestehender Krankheit aber auch niedrig sein. Bei der chronischen progressiven Enzephalomyelitis, die selten ist (100-mal seltener als eine frühe Neuroborreliose), tritt eine progrediente Verschlechterung über Monate und Jahre ein. Diffuse, multifokale Veränderungen treten auf und betreffen Gehirn, Rückenmark,
315
Hirnnerven und periphere Nerven. Der Liquor ist meist pathologisch. Die späte Enzephalopathie, der ebenfalls eine chronische Enzephalomyelitis zugrunde liegt, beginnt Monate bis Jahre nach der Infektion. Die Veränderungen im Liquor sind weniger prominent. Es gibt nur wenige dokumentierte neuropathologische Berichte [1, 35]. Darin wurden eine perivaskuläre Entzündung oder eine Vaskulitis sowie multifokale demyelinisierende Herde in der periventrikulären weißen Substanz beschrieben. Die Pathogenese der ZNS-Läsionen ist unklar. Sowohl eine Immunpathologie (bei einigen Patienten wurden Antikörper gegen basisches Myelinprotein entdeckt) als auch ein direkter, durch die Spirochäten verursachter Effekt (Organismen bzw. ihre DNA wurden in zentralnervösen Gewebeproben nachgewiesen) werden diskutiert.
Pilzinfektionen des ZNS Pathogenese Prinzipiell können alle primären fungalen Pathogene des Menschen eine ZNS-Infektion hervorrufen. Die meisten Pilzinfektionen des ZNS treten bei Patienten mit einer das Immunsystem beeinträchtigenden Grunderkrankung auf. Auch wenn einige Patienten keinen offensichtlichen Immundefekt oder eine Krankheit aufweisen, so liegt doch bei den meisten ein prädisponierender Faktor vor, der eine Invasion (prinzipiell) relativ avirulenter Pilze ermöglicht. Zu den prädisponierenden Faktoren zählen: immunsuppressive Therapie (Zytostatika, Kortikoide), maligne Tumoren, insbesondere hämatopoetische Tumoren, Organtransplantation, Drogenabusus, HIV-Infektion, Diabetes mellitus, Schwangerschaft, Verbrennungen und chronische Lungenerkrankungen. Die Aufnahme der Pilze erfolgt u. a. über Inhalation aus der Umgebung. In diesen Fällen ist primär der Respirationstrakt befallen und das ZNS wird in der Regel durch hämatogene Dissemination erreicht. Selten kann es auch durch direktes Übergreifen von Infektionen der Nachbarschaft (Nasennebenhöhlen, Orbita, Knochen) auf das Gehirn kommen. Die Art des zugrunde liegenden Immundefekts determiniert die erhöhte Suszeptibilität gegenüber bestimmten Pathogenen. So prädisponiert eine chemotherapieinduzierte Neutropenie zu Candida- und AspergillusInfektionen, Kortikosteroidmedikation zu einer Cryptococcus-Meningitis, während HIV-infizierte Patienten zu Infektionen mit Cryptococcus und Histoplasma capsulatum neigen. Ein Diabetes mellitus und eine bestehende Schwangerschaft erleichtern eine Invasion von Pilzen durch eine Suppression normaler Immunreaktionen. Dabei bestimmen der Immunstatus des Patienten und
316
11
Kapitel 11
dessen Grunderkrankung entscheidend die Prognose der ZNS-Pilzinfektion. Pilzinfektionen manifestieren sich in der Regel als Meningitis oder Hirnabszess. Form und Größe der Pilze bestimmen die intrazerebrale Manifestation der von ihnen hervorgerufenen Erkrankung [10]. Hefepilze, die einen Durchmesser bis zu ca. 20 m erreichen können, wie Candida, Cryptococcus und Histoplasma, führen zu einer Meningitis. Pseudohyphen, die in ihrer Größe zwischen Hefepilzen und Hyphen liegen, wie z. B. Candida, verschließen kleine Gefäße (Arteriolen) des Gehirnparenchyms. Daraus resultieren kleine Infarkte, die sich in Mikroabszesse entwickeln. Sich verzweigende Hyphen wie Aspergillus und Mucor verlegen große und mittelgroße Arterien mit der Folge extensiver Infarkte. Die Entzündungsreaktion wird hinsichtlich der zellulären Zusammensetzung des Infiltrats und dessen Ausmaß vom Immunstatus des Wirts wesentlich (mit)bestimmt. Mikroskopisch wird der Nachweis von Pilzen durch PAS- und Versilberungsreaktionen geführt. Des Weiteren stehen spezifische Antikörper zur immunhistochemischen Detektion spezifischer Pilze zur Verfügung.
Infektionen des ZNS
Abb. 11.15 Zerebrale Cryptococcose. Multiple Zysten in der grauen Substanz in der Nachbarschaft des Subarachnoidalraumes mit Übergreifen auf die benachbarte Großhirnrinde
Cryptococcose Pathogenese und Makroskopie. Cryptococcus neoformans (Durchmesser 5–20 μm), ein kugeliger, unverzweigter Hefepilz ist der häufigste meningitisverursachende Pilz. Da T-Lymphozyten vom Th1-Typ [20], die proinflammatorische Zytokine sezernieren, für die Pilzelimination wichtig sind, treten die meisten ZNS-Infektionen bei Patienten mit einer Schwäche der Th1-Zellen wie HIV-Infektion, Organtransplantation und Kortikoidtherapie auf. Tatsächlich ist Cryptococcus neoformans häufigste Ursache einer Pilzerkrankung bei AIDS-Patienten [24]. Das primär befallene Organ ist nach Pilzaufnahme per Inhalation die Lunge, von wo der Pilz im Rahmen der hämatogenen Dissemination ins ZNS gelangt, zu dem er eine Affinität aufweist [20]. Eine Dissemination kann sowohl während der primären Infektion als auch während einer Reaktivierung bei Immundefizienz Jahre später erfolgen. Cryptococcus hat eine bemerkenswerte Neigung, den Subarachnoidalraum zu infizieren. In tropischen Ländern entwickeln auch immunkompetente Personen eine chronische Meningitis mit einem benignen Verlauf [41]. Die Meningen sind verdickt, so dass sich im Rahmen der Meningitis oft ein Hydrozephalus entwickelt. In etwa der Hälfte der Fälle entwickeln sich zusätzlich zur Meningitis im benachbarten Parenchym kleine, seifenblasenoder honigwabenähnliche Zysten (Abb. 11.15). Mit der ZNS-Invasion ist die Anwesenheit einer dicken, gelati-
Abb. 11.16 Zerebrale Cryptococcose. Ausbildung eines Abszesses mit einer zentralen Nekrose, die von ödematösem Gehirngewebe mit einem entzündlichen Infiltrat gesäumt wird. Das Infiltrat setzt sich aus mehrkernigen, Cryptococcusenthaltenden makrophagocytären Riesenzellen und Lymphozyten zusammen. HE
nösen Polysaccharidkapsel assoziiert. Diese lässt sich mit Alcianblau oder Mucicarmin sowohl in einer Gewebeprobe als auch am Liquorsediment darstellen. Cryptococcus neoformans kann auch – seltener – einen Hirnabszess hervorrufen (Abb. 11.16). Mikroskopie. Die meningeale Entzündung kann schwach oder kräftig ausgeprägt sein. Das Infiltrat besteht aus Lymphozyten, Plasmazellen und multinukleären Riesenzellen, die oft Pilze in ihrem Zytoplasma enthalten. Zysten im Parenchym enthalten Cryptococcom bei entweder nur schwach ausgeprägter oder fehlender Entzündungsreaktion. Ein Cryptococcom kann einen tumorähnlichen, raumfordernden Effekt haben. Die Ausprägung ist variabel mit vielen oder wenigen Pilzen und einer relativ schwach ausgeprägten Entzündungsreaktion sowie einer intensiven fibrosierenden Reaktion.
317
Pilzinfektionen des ZNS
Candida Pathogenese und Makroskopie. Candida ist ein auf Haut und intestinalen Schleimhäuten regulär vorkommender Hefepilz, der Bestandteil der normalen intestinalen Flora ist. Bei Patienten mit Neutropenie kann Candida im Rahmen einer hämatogenen Aussaat eine Meningitis und einen Hirnabszess hervorrufen. Dabei treten intrazerebrale Läsionen in der Regel in Assoziation mit Befall anderer Organe eher spät im Krankheitsverlauf auf. Am häufigsten verursacht Candida multiple Hirnabszesse, typischerweise in der Verteilung der A. cerebri media.
Abb. 11.17 Zerebrale Aspergillose. Keilförmiger Infarkt durch Aspergillus mit grünlich-gelblicher, entzündlicher Erweichung
Mikroskopie. In Gefäßen, die der Pilz direkt invadiert, perivaskulär und in der Umgebung von Nekrosen sind die Pilze als (schwach basophile) Pseudohyphen oder knospende Hefepilze nachweisbar. Die Ausprägung der Entzündungsreaktion ist variabel und kann Mikroabszesse, die neutrophile Granulozyten und mononukleäre Zellen sowie Granulome, die Lymphozyten, Makrophagen, Plasmazellen und gelegentliche multinukleäre Riesenzellen enthalten, umfassen. Manchmal kommt es auch nur zur Ausbildung einer schwachen lymphozytären Entzündungsreaktion.
Aspergillose Pathogenese und Makroskopie. Die Erkrankung wird meist durch den Fadenpilz Aspergillus fumigatus hervorgerufen. Die Infektionswege sind hämatogen von der Lunge als dem Organ der Primärinfektion nach Inhalation ausgehend oder durch direkte Invasion, ausgehend von benachbarten paranasalen Sinus. Insbesondere sind Patienten mit Neutropenie und Graft-versusHost-Disease betroffen. Der Pilz kann zu Infarkt, Abszess und – seltener – zu einem Granulom oder einer Meningitis führen (Abb. 11.17). Eine Angioinvasion durch Hyphen ist häufig, kann kleine und große Gefäße betreffen und zu Infarkten und Blutungen führen (Abb. 11.18). Mikroskopie. Die Entzündungsreaktion ist variabel ausgeprägt. In der frühen Phase dominieren neutrophile Granulozyten, später Makrophagen. Abszesse können ein eitriges, nekrotisches Zentrum enthalten, an dessen Grenze zahlreiche neurophile Granulozyten liegen. Manchmal bilden sich auch Granulome aus. Bei Ausbildung einer granulomatösen Entzündung bilden Lymphozyten, epithelioide Makrophagen und Riesenzellen das Infiltrat; Kollagen ist in unterschiedlichen Mengen als Zeichen der fibrosierenden Entzündung nachweisbar.
Abb. 11.18 Zerebrale Aspergillose. Zahlreiche Aspergillushyphen invadieren zerebrale Gefäße und von dort aus das umgebende Gehirnparenchym. Versilberung nach Grocott
Mucor Pathogenese und Makroskopie. Mucor ist ein ubiquitär vorkommender Fadenpilz. In ca. 70% der Fälle weisen die Patienten einen Diabetes mellitus auf. Auch Patienten mit hämatopoetischen Tumoren und Empfänger von Nierentransplantaten sind gefährdet. Die Mucormykose gilt als aggressivste invasive Pilzinfektion beim Menschen. Es werden zwei ZNS-Manifestationsformen unterschieden: x Die rhinozerebrale Mucormykose ist die häufigste Form der Mucor-Infektion. Dabei breiten sich die Pilze, ausgehend von im Gesichtsbereich (Orbita, Nasennebenhöhlen) lokalisierten Herden durch die Lamina cribrosa ins Gehirn aus. Entsprechend entwickeln sich Nekrosen besonders ausgeprägt im basalen Bereich der Frontallappen. Da Mucor eine besondere Affinität zur Lamina elastica interna arterieller Gefäße besitzt, neigt der Pilz dazu, die Arterien der Orbita, die Aa. carotides internae und den Sinus cavernosus zu invadieren mit
318
Kapitel 11
der Folge einer Thrombose. Eine Thrombose der A. carotis interna ist in ca. einem Drittel der autoptisch untersuchten Mucorfälle nachweisbar [42]. x Bei der ZNS-Infektion durch hämatogene Dissemination, ausgehend von einer extrazerebralen Quelle, z. B. Lunge, sind häufig die Basalganglien befallen. Mikroskopie. Hyphen sind in und um Gefäßwände von Meningen und Gehirnparenchym gelegen. Gefäßverlegungen und -verschlüsse kommen durch Hyphen und Thromben zustande und führen zu extensiven hämorrhagischen Infarkten. Das entzündliche Infiltrat kann von neutrophilen Granulozyten dominiert oder gemischtzellig inkl. multinukleärer Riesenzellen sein.
Protozoeninfektion Zerebrale Toxoplasmose
11
Toxoplasma gondii ist ein obligat intrazellulärer Parasit mit einer hohen Affinität zum ZNS, der klassischerweise eine nekrotisierende Enzephalitis hervorruft.
Konnatale zerebrale Toxoplasmose Bei mütterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft und transplazentarer Übertragung, deren Risiko im letzten Trimenon der Schwangerschaft am höchsten ist, kann das Gehirn befallen werden. Makroskopie. Vor allem periventrikulär und subpial entwickeln sich Nekrosen. Des Weiteren sind intrazerebrale Verkalkungen, ein obstruktiver Hydrozephalus aufgrund einer Aquäduktstenose und eine Mikrozephalie charakteristisch.
Infektionen des ZNS
Primärinfektion ins Gehirn gelangt sind, bei einer Immunsuppression mit einer CD4-T-Zell-Schwäche. Bei HIV-infizierten Patienten entwickelt sich eine opportunistische Toxoplasma-Encephalitis bei CD4-T-Zellzahlen unter 100/mm3. Während die Inzidenz der opportunistischen Toxoplasma-Encephalitis bei HIV-negativen, aus anderen Gründen immunsupprimierten, vor allem organtransplantierten Patienten durchschnittlich bei ca. 5% liegt, entwickeln ca. 30–50% der AIDS-Patienten eine Toxoplasma-Encephalitis. Deshalb ist eine Evaluation der Toxoplasma gondii-Antikörper im Serum sinnvoll, wenn die CD4-T-Zellen noch nicht so stark abgefallen sind, dass dadurch die Antikörperproduktion beeinträchtigt sein könnte. Bei positivem Antikörpernachweis sollte der Patient eine prophylaktische Therapie gegen Toxoplasma gondii erhalten. Makroskopie. Typisch sind multifokale Abszesse, häufig mit ausgedehnten Nekrosen. Bevorzugt liegen die Läsionen in den Stammganglien sowie an der Rinden-MarkGrenze in den Großhirnhemisphären (Abb. 11.19). Mikroskopie. In den krümeligen Nekrosen sind oft noch Toxoplasma gondii-Antigen und gelegentlich Toxoplasma gondii-Zysten nachweisbar. In Abhängigkeit vom Immunstatus des Patienten werden die Nekrosen von Infiltraten gesäumt, die aus mononukleären Zellen, Makrophagen und Lymphozyten gesäumt werden. Die Infiltrate liegen im (noch) vitalen Parenchym, wo auch die Parasiten in Form von Pseudozysten nachweisbar sind (Abb. 11.20). Bei der nekrotisierenden Toxoplasma-Encephalitis sind auch Parasiten in Form freier, replikationsaktiver Tachyzoiten, die intra- und extrazellulär gelegen sind, sowie parasitophorer Vakuolen nachweisbar (Abb. 11.21). Klassisch sind eine prominente, ubiquitäre Aktivierung von Mikrogliazellen, die fokal sog. Mikrogliaknötchen ausbilden, sowie eine Astrozytenaktivierung. Es kann auch zu einer Vaskulitis mit Thrombose und
Mikroskopie. Extensive Nekrosen, die verkalken, sind ein typischer Befund. Schaumzellige Makrophagen sind nachweisbar. Eventuell kann man Lymphozyten und Mikrogliaknötchen sowie Toxoplasmen in Form von Tachyund Bradyzoiten nachweisen.
Postnatale zerebrale Toxoplasmose Pathogenese. Die starke Zunahme der Häufigkeit der zerebralen Toxoplasmose ist auf die HIV-Infektion zurückzuführen. Die Toxoplasma-Encephalitis ist die häufigste opportunistische Infektion des ZNS bei AIDS-Patienten [30]. Es kommt zur Reaktivierung im ZNS persistierender Parasiten, die im Rahmen der meist asymptomatischen
Abb. 11.19 Zerebrale Toxoplasmose. Große Abszesse durch Toxoplasma gondii in beiden Stammganglien mit Einengung des Ventrikelsystems bei einem AIDS-Patienten
Protozoeninfektion
Abb. 11.20 Zerebrale Toxoplasmose. Entzündliches Infiltrat, bestehend aus Lymphozyten und Makrophagen/aktivierten Mikrogliazellen in der Nähe einer eosinophilen Toxoplasmazyste. HE
Abb. 11.21 Zerebrale Toxoplasmose mit Parasiten in einer parasitophoren Vakuole sowie als freie Trophozoiten im Gehirnparenchym. Anti-T. gondii Immunhistochemie; leichte Gegenfärbung mit Hämalaun
fibrinoider Nekrose kommen. Der Parasitennachweis erfolgt immunhistochemisch. Die Zysten sind auch PASpositiv und stellen sich in der Giemsa-Färbung dar. Unbehandelt verläuft eine opportunistische Toxoplasma-Encephalitis aufgrund der massiven Erregervermehrung, die großflächige Nekrosen im Gehirnparenchym induzieren, letal. Bei erfolgreicher Therapie verbleibt nach Ausheilung häufig eine Abszesshöhle mit randständiger fibrös-gliotischer Narbe.
Zerebrale Malaria Pathogenese. Die zerebrale Malaria wird durch Plasmodium falciparum verursacht und tritt in 1–10% der Plasmodium falciparum-infizierten Patienten auf. Am häu-
319
Abb. 11.22 Zerebrale Malaria. Makroskopisch fallen eine gräuliche Verfärbung sowie eine Stauung zahlreicher Blutgefäße auf
figsten sind nicht-immune Patienten betroffen wie Kinder bis zum vierten Lebensjahr und Reisende in endemische Gebiete. Neben proinflammatorischen Mediatoren wie TNF, der in hoher Konzentration bei afrikanischen Kindern mit zerebraler Malaria zirkuliert, spielen mechanische Faktoren durch die Sequestration und dichte Lagerung infizierter Erythrozyten in zerebralen Gefäßen eine Rolle. Parasitenhaltige Erythrozyten adhärieren an das Endothel zerebraler Gefäße, die mit einer verstärkten Expression verschiedener Zelladhäsionsmoleküle inkl. des interzellulären Adhäsionsmoleküls ICAM-1 und vaskulären Zelladhäsionsmoleküls VCAM-1 reagieren und mechanisch obstruiert werden, so dass es zu einer hypoxischen Schädigung des Gehirnparenchyms mit einer Störung der Blut-Hirn-Schranke kommt [4, 14, 25, 43, 44]. Makroskopie. Das Gehirn ist ödematös geschwollen und dadurch schwer. Auf der Schnittfläche ist die ubiquitäre Stauung kleiner Blutgefäße auffällig, insbesondere in der grauen Substanz, die grau oder rosa verfärbt ist, und in den Meningen (Abb. 11.22). Mikroskopie. Bei perakuten Fällen besteht eventuell lediglich eine kapilläre Stauung. Ansonsten sind die Gefäße mit parasitenhaltigen Erythrozyten gefüllt, die Malariapigment, das aus Hämatin besteht, enthalten (Abb. 11.23). Vor allem in der subkortikalen weißen Substanz sieht man sehr zahlreiche, kleine Petechien. Kapillaren können nekrotisch sein. Lymphozyten und Makrophagen können das Gehirnparenchym infiltrieren. Es kommt auch zu einer Aktivierung von Astrozyten und Mikrogliazellen, die Mikrogliaknötchen ausbilden. Typisch sind Dürck-Granulome; dies sind fokale Ansammlungen mononukleärer Zellen, aktivierter Mikrogliazellen, die Eisen und Lipid enthalten, und aktivierter Astrozyten, die eine kleine, im Stadium der Resorption befindliche Ringblutung umgeben.
320
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Die granulomatöse Amöbenenzephalitis wird von verschiedenen Acanthamoeba verursacht, die auf hämatogenem Weg in das Gehirn gelangen. Sie ist seltener und vorläuft in der Regel ebenfalls letal. Die Meningen enthalten ein Exsudat. Nekrosen, Blutungen, Erweichungsherde können weit verbreitet sein. Mikroskopisch findet sich perivaskulär eine granulomatöse Entzündung. Die entzündlichen Infiltrate setzen sich aus Lymphozyten, Makrophagen, mehrkernigen Riesenzellen und Plasmazellen zusammen. Die Gefäßwände werden durchsetzt und/oder umgeben von Zysten oder Trophozoiten.
Abb. 11.23 Zerebrale Malaria. Kapilläre Stase durch Erythrozyten und Hämatin. HE
11
Die Prognose ist schlecht mit einer Mortalitätsrate von bis zu 40% bei Kindern, vor allem in Entwicklungsländern. In westlichen Ländern mit optimaler intensivmedizinischer Therapie liegt die Mortalität hingegen bei 5– 11%. Während ca. 10% der überlebenden Kinder neurologische Folgeschäden aufweisen, behalten überlebende Erwachsene nur selten Folgeschäden [8, 38, 46].
Amöben-Infektionen des ZNS ZNS-involvierende Amöben-Infektionen manifestieren sich als Abszess, Meningoenzephalitis oder Enzephalitis. Es handelt sich um seltene Erkrankungen, die lebensbedrohlich sind. Die primäre Meningoenzephalitis wird durch Naegleria fowleri hervorgerufen, die zumeist beim Schwimmen in amöbenhaltigem Wasser erworben wird. Ausgehend von einer Infektion der Nasennebenhöhlen kommt es zu einer ZNS-Invasion über die Lamina cribriformis. Es entwickelt sich eine diffuse, eitrige, gelegentlich hämorrhagisch-nekrotisierende Meningoenzephalitis mit einem ausgeprägten Hirnödem, die innerhalb weniger Tage letal verläuft. Der Bulbus olfactorius ist in der Regel nekrotisch, und Trophozoiten finden sich im N. olfactorius sowie perivaskulär sowie in der Adventitia von Arteriolen und mittelgroßen Arterien. Ein Amöbenabszess wird durch Entamoeba histolytica hervorgerufen, in der Regel infolge einer extrazerebralen Amöben-Infektion (Abszess der Leber und/oder Lunge) und verläuft in der Regel tödlich. Es bildet sich ein Abszess mit einem nekrotischen Zentrum aus. Eine Kapselbildung bleibt aus. Mikroskopisch sind in der Gewebenekrose und am Rand des Abszesses Entamoeba histolyticaTrophozoiten nachweisbar. Im umgebenden Gehirngewebe sind Infiltrate aus Lymphozyten, Makrophagen, Plasmazellen und wenigen neutrophilen Granulozyten nachweisbar.
Helminthen-Infektionen des ZNS Viele Helminthen können Infektionen des ZNS verursachen.
Neurozystizerkose Pathogenese. Die Erkrankung wird durch die LarvaForm Cysticercus cellulosae des Schweinebandwurms Taenia solium nach oraler Aufnahme von Taenia soliumEiern hervorgerufen. Es handelt sich um die häufigste Wurmerkrankung des ZNS, bei der der Mensch als Zwischenwirt fungiert und nicht, wie normalerweise, als Endwirt. Vom Dünndarm ausgehend verteilen sich die ausgereiften Cysticerci und erreichen Gehirn und auch die Skelettmuskulatur. Makroskopie. Es handelt sich um etwa 1–2 cm große Cysticerci, ovale, durchsichtige Zysten, die einen singulären Skolex mit vier Saugnäpfen enthalten. Zysten kommen in Meningen, Ventrikelsystem und Gehirnparenchym vor. Sie führen zu einer Meningitis und Vaskulitis bzw. zu einem mechanischen Hydrozephalus. Mikroskopie. Mikroskopisch kann der SKolex nachgewiesen werden (Abb. 11.24). Er weist eine dreischichtige Zystenwand mit einer äußeren kutikulären Schicht, einer mittleren pseudoepithelialen Zellschicht und einer inneren retikulären Schicht mit Kalkeinlagerungen auf. Solange innerhalb von Zysten gelegene Larven vital sind, ist die Immunreaktion des Wirts minimal. Neurologische Symptome und neuropathologische Veränderungen werden eher durch die Immunantwort des Wirts auf den Wurm als durch die Wurminfektion per se hervorgerufen, wenn nach Absterben der Larven Entzündungszellen rekrutiert werden. Entzündliche Infiltrate bestehen aus eosinophilen und neutrophilen Granulozyten, Lymphozyten, Makrophagen und Riesenzellen vom Fremdkörpertyp. Im Zentrum der Läsion kann nekrotischer Debris vorkommen, in dem man manchmal noch Wurm-
321
Virale Infektionen des ZNS
von Schistosoma japonicum können das Gehirn erreichen, während die größeren Eier von Schistosoma mansoni häufiger das Rückenmark befallen. Durch Ablagerung von Eiern in den Meningen wird eine granulomatöse Entzündung mit (perivaskulären) Lymphozyten, eosinophilen Granulozyten, Makrophagen und mehrkernigen Riesenzellen in Gang gesetzt. Es kann zu einer Vaskulitis mit Mikroinfarkten und Ausbildung von Granulomen kommen. In der Umgebung entwickelt sich eine Gliose.
Abb. 11.24 Zerebrale Zystizerkose. Scharf vom angrenzenden, gliotischen Gehirnparenchym abgegrenzter Skolex eines Zystizerkus, der einen dreischichtigen Wandaufbau aufweist. HE
Echinokokkus-Infektion des ZNS Menschen infizieren sich durch die orale Aufnahme von Echinokokkuseiern, die von Hunden ausgeschieden wurden. Nach der Penetration der Darmwand kommt es zur hämatogenen Aussaat der Larven, wobei das ZNS nur selten befallen wird. Die Zysten können über lange Zeit asymptomatisch bleiben und dann infolge Größenzunahme oder raumfordernder Wirkung auffallen [19]. Die Zysten können intrazerebral, intrakraniell subdural und intraspinal gelegen sein.
Virale Infektionen des ZNS
Abb. 11.25 Zerebrale Zystizerkose. Nekrotischer Debris eines zerfallenen, abgestorbenen Zystizerkus, umgeben von einem zellreichen entzündlichen Infiltrat aus eosinophilen Granulozyten, Lymphozyten und Makrophagen und einer Fibrose. HE
bestandteile erkennen kann (Abb. 11.25). Mit andauernder Immunantwort des Wirts kommt es umgebend im Granulationsgewebe zu einer Fibrose und einem Kollaps der Zystenhöhle, so dass der Wurm durch die Fibrose ersetzt werden kann. Im Endstadium ist eventuell nur noch eine bindegewebige Kapsel ohne oder mit einer zentralen Nekrose vorhanden. Verkalkungen sind möglich. Eventuell sieht man histologisch nur noch kleine verkalkte Reste mit einem lymphoytären Infiltrat [37].
Schistosoma-Infektion des ZNS Bereits früh im Verlauf einer Infektion können sich adulte Würmer in Gefäßen des Rückenmarks oder des Gehirns absiedeln [36]. Zu späteren Zeitpunkten der Infektion findet man sie häufiger im ZNS aufgrund einer Embolisierung aus vertebralen venösen Plexus. Die kleinen Eier
Pathogenese. Die meisten viralen Infektionen des ZNS führen zu einer relativ benignen, selbstlimitierten Entzündung. Darüber hinaus können Viren zu schweren Entzündungen des ZNS führen mit letalem Ausgang oder mit residuellen schweren neurologischen Symptomen (z. B. Anfälle, Lähmungen). Es gibt Viren mit einer hohen Affinität zum ZNS sowie einem speziellen Tropismus zu bestimmten neuroanatomischen Strukturen. Viele Virusinfektionen des ZNS zeigen einen charakteristischen zeitlichen Verlauf. Folgende Erkrankungen des ZNS können durch Viren hervorgerufen werden: x Meningitis, x Enzephalitis, x Myelitis, x Radikulitis, x Neuritis. Eine akute virale Meningitis (aseptische Meningitis) und Meningoenzephalitis stellen die meisten viralen Infektionen des ZNS dar. Sie treten häufig epidemisch auf. Etwa 60–90% werden von Enteroviren verursacht, und die meisten der verbleibenden Fälle sind Arbovirus-bedingt. Sie verlaufen zumeist benigne. Lymphozyten sind in den Meningen und perivaskulär in einigen oberflächlich gelegenen kortikalen Gefäßen lokalisiert. Gewebeproben werden in der Regel nicht entnommen.
322
11
Kapitel 11
Viren können das ZNS auf mehreren Wegen erreichen, wobei die Eintrittsroute durch virale Faktoren bestimmt wird. Neben dem hämatogenen Weg, der für Entero- und Arboviren typisch ist, erreichen Viren wie Rabies- und Herpes simplex-Virus das ZNS auf neuronalem Weg. Dabei schließen sich eine Virämie und eine neuronale Wanderung zum ZNS gegenseitig nicht aus, sondern können simultan stattfinden. Die Ausbreitung des Virus und die infizierten Areale des ZNS werden vom Alter des Patienten und den Mechanismen der Exposition bestimmt. Hämatogene Infektion: Hier gehen der ZNS-Infektion eine primäre und sekundäre Virämie voraus. Zunächst muss das Virus die epitheliale Barriere des Wirtsorganismus zerstören, um eine virale Replikation an der Eintrittspforte in den Organismus in Gang zu setzen. Nach lokaler Invasion findet in den infizierten Epithelzellen eine lokale Immunreaktion statt. Dann setzt die primäre Virämie ein, in deren Folge sekundäre Organe infiziert werden. Die sekundäre virale Replikation ermöglicht für die nachfolgende sekundäre Virämie hohe virale Titer im Blut, was die Absiedlung in weitere Organe einschließlich des ZNS erleichtert. Um vom Blut ins ZNS zu gelangen, bestehen vier Möglichkeiten: x Infektion von Endothelzellen zerebraler Gefäße durch das Virus, x virale Leakage entlang des geschädigten Endothels, x kolloidaler Transport, Pinozytose (passives Durchwandern des Endothels), x Transport durch die Endothelschicht innerhalb von Leukocyten (Prinzip des trojanischen Pferds). Neuronaler Transport: Entlang peripherer Nerven und Hirnnerven können Viren mit dem axonalen Transport ins ZNS gelangen. Dabei ist das Virus im Nerven vor der Immunantwort des Organismus geschützt. So gelangt Rabies entlang der myoneuralen Route unter möglicher Benutzung peripherer Nerven und Hirnnerven ins ZNS, nachdem es an myogene Azetylcholinesterase-Rezeptoren bei der Infektion gebunden hat. Das Virus kann sowohl anterograd als auch retrograd axonal transportiert werden, ist dabei vor der antikörpermediierten Immunreaktion geschützt und gelangt so zu den Neuronen, besonders des Hirnstamms und des limbischen Systems. Auch ein transsynaptischer Transport zwischen Neuronen scheint möglich zu sein. Eine Ausbreitung von Zelle zu Zelle innerhalb des ZNS ist auch Voraussetzung für die Entwicklung einer Krankheit. Die aus einer Virusinfektion beim Patienten resultierende Erkrankung hängt von den Eigenschaften des Virus ebenso wie von denen des Patienten ab. Virale Gene bestimmen die Virulenz des infektiösen Agens und dessen Eintritt in das ZNS. Daraus resultiert eine virale Prädilektion für bestimmte neuroanatomische Regionen und/oder Nervenzellpopulationen (Neurotropismus). Dabei kann ein Virus auch verschiedene Rezeptoren für
Infektionen des ZNS
unterschiedliche Zellpopulationen aufweisen. Einige Viren können mit Neurotransmitterrezeptoren im ZNS interagieren. Tatsächlich bestimmt die Fähigkeit des Virus, mit bestimmten Rezeptoren im ZNS zu interagieren und daran zu binden, seinen Neurotropismus. Nach der viralen Replikation und dem Verlassen der dafür benutzten Wirtszelle breitet sich das Virus im ZNS aus. Hierzu ist aufgrund des begrenzten Extrazellulärraums das Neuropil sehr geeignet. Prinzipiell haben Viren mehrere Möglichkeiten, sich im ZNS auszubreiten: x durch sequentielle Infektion diverser Zellen, x via Extrazellulärraum, x via neuronalem axoplasmatischen Transport, x innerhalb anderer Zellen wie Lymphozyten, Makrophagen und Gliazellen (Prinzip des trojanischen Pferds). Dabei kann ein Virus auch mehrere dieser Wege nutzen. Auch Wirtseigenschaften (Alter, Immunstatus) regulieren das Ausmaß und die Lokalisation der Erkrankung. Für die Immunantwort sind Mediatoren, vor allem Interferone, wichtig, da sie mit der Infektion interferieren, die Synthese viraler Proteine hemmen und Bindungseigenschaften des Virus modifizieren können. Nach der Expression viraler Hüllproteine in der Zellmembran der Wirtszelle kann diese vom Immunsystem erkannt werden, das die infizierte Zelle zerstört. Auch Neurone, die häufig Zielzellen einer Reihe von Viren sind, zeigen bei irreversibler Schädigung eine Hochregulation von MHC-KlasseI-Antigen auf ihrer Oberfläche und können dann von CD8+-T-Lymphozyten erkannt werden [31, 34].
Allgemeine neuropathologische Charakteristika viraler ZNS-Infektionen Gemeinsame morphologische Charakteristika, die auf eine ZNS-Infektion viraler Genese hinweisen, sind: x Infiltrate, vor allem aus T- und B-Lymphozyten, Plasmazellen und Monozyten. Die Infiltrate können sehr unterschiedlich stark ausgeprägt und gelegentlich sehr schwach sein; x (Neurolyse mit) Neuronophagie, x Vorkommen viraler Bestandteile als Einschlusskörper im Zytoplasma oder Kern der virusinfizierten Zielzelle, x Aktivierung von Mikrogliazellen mit möglicher Ausbildung von Mikrogliaknötchen, x Aktivierung von Astrozyten.
Poliomyelitisvirusinfektion Pathogenese. Das Poliomyelitisvirus, das zur Gruppe der Enteroviren gehört, führt nach oraler Infektion via Oro-
Virale Infektionen des ZNS
323
pharynx und Dünndarm nach Penetration der Mukosa zur einer transienten Virämie und erreicht regionale Lymphknoten. Nach einer weiteren Virämie erreicht das Virus das ZNS, wo es eine hohe Affinität zum Rückenmark und hier zu den motorischen Vorderhornzellen besitzt, so dass sich eine lytische Infektion von Motoneuronen entwickelt. Das Virus weist einen Neurotropismus auf und bindet an CD155 [16]. Nur in den ersten Tagen nach Einsetzen der schlaffen Lähmungen kann Virus aus dem Rückenmark isoliert werden.
men eines ADEM-Syndroms hervorrufen. In der Regel kommt es zu einer aseptischen Meningitis. Deutlich seltener sind eine subakute oder chronische direkte Maserninfektion, d. h. eine Maserneinschlusskörperenzephalitis und eine subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE).
Makroskopie. In der grauen Substanz des Vorderhorns des Rückenmarks und den motorischen Kernen von Brücke, Medulla oblongata und Gyrus praecentralis entwickelt sich eine nekrotisierende Entzündung.
Sie entwickelt sich innerhalb von Monaten nach der Primärinfektion bei Patienten mit gestörten zellvermittelten Immunrektionen. Überall im Gehirn, bevorzugt in Parietallappen, Basalganglien und Hirnstamm, sind infizierte gliale und neuronale Zellen nachweisbar, die eosinophile Einschlusskörper zumeist in ihrem Kern, gelegentlich auch im Zytoplasma enthalten. Es sind reaktive Astrozyten und aktivierte Mikrogliazellen nachweisbar, wobei die Entzündungsreaktion oft nur spärlich ausgeprägt ist. Die Erkrankung verläuft innerhalb einiger Wochen tödlich.
Mikroskopie. In den Meningen und der grauen Substanz bildet sich eine ausgeprägte Entzündung. Lymphozyten bilden perivaskuläre Cuffs. Es kommt zu ausgedehnten Neuronophagien mit Ansammlungen von aktivierten Mikrogliazellen und Makrophagen, die untergegangene Neurone abräumen (Abb. 11.26). In der chronischen Phase entwickelt sich bei Überlebenden eine neurogene Muskelatrophie, die durch einen Verlust motorischer Vorderhornzellen mit Atrophie und Fibrose der Vorderwurzeln bedingt ist. Ansonsten ist das Rückenmark eher unauffällig; entzündliche Infiltrate fehlen meist oder sind äußerst spärlich.
Masernvirusinfektionen des ZNS Das Masernvirus kann nach respiratorischer Transmission entweder das ZNS direkt infizieren oder eine autoimmune Reaktion gegen ZNS-Antigene im Rah-
Maserneinschlusskörperenzephalitis
Subakute sklerosierende Panenzephalitis Die subakute sklerosierende Panencephalitis (SSPE) ist eine chronisch-progrediente Enzephalitis, die sich als seltene Spätkomplikation ca. 5–10 Jahre nach einer Maserninfektion manifestiert und auf ein klonales, replikationsdefizientes Masernvirus zurückzuführen ist, das sich langsam weit im ZNS ausgebreitet hat. Zum Zeitpunkt der Manifestation der neurologischen Symptomatik besteht eine extensive Infektion, die bei sehr unterschiedlicher Verteilung der Läsionen in der Regel Großhirnrinde, weiße Substanz, Stammganglien und Thalamus betrifft. Nukleäre und zytoplasmatische Einschlusskörper sind in Neuronen und Oligodendrozyten bei einer sehr stark ausgeprägten Entzündung nachweisbar. Die entzündlichen Infiltrate bestehen vor allem aus CD4+- und CD8+-T-Zellen sowie Monozyten und Plasmazellen. In Liquor und Serum ist eine starke Antikörperreaktion gegen Masernvirus nachweisbar. Obwohl die Immunreaktion sehr stark ausgeprägt ist, scheint sie defizient zu sein, da es nicht gelingt, das Virus zu eliminieren, so dass die SSPE letal verläuft.
Rubella Abb. 11.26 Akute Poliomyelitis. Floride Infektion im motorischen Vorderhorn des Rückenmarks. Zellreiches entzündliches Infiltrat aus Lymphozyten, Makrophagen/aktivierten Mikrogliazellen in unmittelbarer Nähe infizierter Neurone, von denen einige im Stadium der Neuronophagie sind und keinen Zellkern mehr erkennen lassen. HE
Dieses Togavirus, das respiratorisch übertragen wird, ist als kongenitale Infektion gefährlich mit der Infektion von Gefäßen (Arterien, Venen, Kapillaren), aus der eine Ischämie resultiert.
324
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Herpes simplex Virus-Enzephalitis Makroskopie. Die Herpes simplex-Virus-Enzephalitis ist die häufigste Manifestation einer akuten nekrotisierenden, hämorrhagischen Enzephalitis [47]. Herpes simplex-Virus führt zu einer akuten Entzündung mit Stauung von Gefäßen und/oder Blutungen. Zumeist sind die Temporallappen betroffen, typischerweise asymmetrisch, unter Einbeziehung benachbarter Strukturen (Inselregion, Gyrus cinguli, posteriorer orbitaler frontaler Kortex). Darüber liegende Gefäße sind gestaut. Bei insuffizienter Therapie kommt es nach ca. zwei Wochen zu einer Nekrose, die sehr umfangreich sein kann; sie wird nachfolgend resorbiert.
11
Mikroskopie. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass die Entzündung über die makroskopisch betroffenen Areale hinausgeht. Die früheste mikroskopisch nachweisbare Veränderung besteht in einer Stauung kapillärer und anderer kleiner Gefäße und Petechien, die auf den ersten Blick unspezifisch und undramatisch anmuten können. In den Meningen sind Lymphozyten und Makrophagen in mäßiger Zahl nachweisbar. Im Kortex weisen Gliazellen, Endothelzellen und Nervenzellen ein hypereosinophiles Zytoplasma auf; ihre Kerne sind oft pyknotisch und enthalten z. T. homogene, eosinophile Einschlüsse. Später entwickelt sich die hämorrhagische Nekrose mit perivaskulären mononukleären Infiltraten; letztere sind vor allem in der zweiten und dritten Woche der Infektion besonders deutlich (Abb. 11.27). Nach der zweiten Woche sind Mikrogliaknötchen und perineuronale leukozytäre Satellitosen nachweisbar. Erst spät manifestiert sich eine astrozytäre Gliose. Intranukleäre Einschlüsse (Cowdry-Typ A) sind bei ca. 50% der Patienten, zumeist in der ersten Woche, nachweisbar. Sie erscheinen homogen eosinophil und sind z. T. von einem hellen, irregulären Saum kondensierten Chromatins umgeben. Virales Antigen kann immunhistochemisch bis zu ca. drei Wochen nach Beginn der Enzephalitis nachgewiesen werden (Abb. 11.28). Alternativ ist ein Nachweis mittels PCR möglich. Bei überlebenden, nicht erfolgreich therapierten Patienten bildet sich eine Defekthöhle, deren Wände bräunlich-gelblich verfärbt sind, mit einer glialen Narbe aus. Es kommt zur Schrumpfung betroffener Hirnareale (Abb. 11.29).
Abb. 11.27 Floride Herpes simplex Virus-Enzephalitis. Hämorrhagische Nekrose im Temporallappen mit perivaskulären und diffus das zerfallende Gehirnparenchym durchsetzenden lymphozytären Infiltraten. HE
Abb. 11.28 Floride Herpes simplex-Enzephalitis. Herpes simplex Virus-infiziertes Neuron in der hämorrhagischen Nekrose des Temporallappens. Anti-Herpes simplex Virus-Immunhistochemie, leichte Gegenfärbung mit Hämalaun
Varicella-Zoster-Virus-Infektion Zwei Manifestationsformen von Infektionen des Nervensystems sind zu unterscheiden, Varizellen und Zoster. Die Varizelleninfektion ist selten von einer akuten Zerebellitis begleitet, die benigne und selbstlimitiert ist. Beim
Abb. 11.29 Herpes simplex Virus-Enzephalitis. Zustand nach Herpes simplex Virus-Enzephalitis des Temporallappens mit großer Defekthöhle, deren Wände bräunlich verfärbt sind
Virale Infektionen des ZNS
325
Zoster handelt es sich um eine Reaktivierung einer latenten Infektion in Ganglienzellen von Hirnnervenkernen und Spinalganglien. Im betroffenen Ganglion sieht man eine lymphozytäre Entzündung und eine Chromatolyse als Zeichen des neuronalen Untergangs. Mit dem axonalen Transport gelangen Viren in das Dermatom der betroffenen Ganglienzellen. Bei immunsupprimierten Patienten (HIV-Infektion) kann das Varicella-Zoster-Virus eine Enzephalitis, Ventrikulitis, transverse Myelitis und eine Vaskulitis leptomeningealer Gefäße verursachen.
Cytomegalievirus-Infektion Pathogenese
Abb. 11.30 Cytomegalievirus-Ependymitis. Akute Entzündung des Ependyms der Seitenventrikel, die rötlich verfärbt sind, mit Übergreifen auf das periventrikuläre Gehirngewebe
Zerebrale Komplikationen einer Cytomegalievirus-Infektion wie eine Enzephalitis sind bei immunkompetenten Personen ungewöhnlich, bei HIV-Patienten sowie als konnatale Infektion bei transplazentarer Virusausbreitung häufig. Cytomegalievirus ist die häufigste Ursache einer intrauterinen viralen Infektion. Cytomegalievirus gelangt während einer Virämie ins Gehirn, entweder durch die Infektion zerebraler Endothelzellen mit anschließendem Befall von Astrozyten und Nervenzellen und Entwicklung einer Enzephalitis. Außerdem kann Cytomegalievirus das Gehirn über den Liquor erreichen.
Konnatale Cytomegalievirus-Infektion des ZNS Es handelt sich um eine nekrotisierende Enzephalitis oder Ventrikuloenzephalitis. Entzündliche Infiltrate bestehen aus Lymphozyten, Makrophagen und Mikrogliaknötchen. Typischerweise finden sind Cytomegalieviruseinschlüsse, die als „Eulenaugenzellen“ bezeichnet werden, in Neuronen, Gliazellen einschließlich Ependymzellen; auch Endothelzellen zerebraler Gefäße können infiziert sein. Überlebende Kinder zeigen als Residuen häufig eine Mikrozephalie, Mikrogyrie, Porenzephalie, periventrikuläre Verkalkungen und einen Hydrozephalus.
Adulte Cytomegalievirus-Infektion des ZNS Die Enzephalitis ist durch multiple entzündliche Foki mit Aktivierung von Astrozyten und Mikrogliazellen charakterisiert. Bei liquorigener Aussaat erfolgt die Replikation in infizierten Epithelzellen des Plexus choroideus. Bei der Ventrikulitis kommt es zu einer Ependymitis, evtl. mit
Abb. 11.31 Cytomegalievirus-Ependymitis. Infektion des Ependyms durch Cytomegalievirus mit Ausbildung sog. Eulenaugenzellen, die durch große, intranukleäre virale Einschlüsse charakterisiert sind. Die ependymale Auskleidung des Ventrikelsystems ist teilweise zerstört. Anti-Cytomegalievirus Immunhistochemie, Gegenfärbung mit Hämalaun
Nekrosen des Ependyms und der subependymalen Glia (Abb. 11.30, 11.31). Des Weiteren kann Cytomegalievirus eine Myeloradikulitis hervorrufen.
Arbovirusinfektionen Pathogenese. Arboviren werden auf den Menschen durch einen Vektor (Zecken, Nager) übertragen. Die meisten menschlichen Infektionen verlaufen asymptomatisch. Eine Reihe von Arboviren kann eine Enzephalitis hervorrufen. Makroskopie. Die Meningen können normal oder leicht getrübt sein und ein entzündliches Infiltrat enthalten.
326
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
Das Gehirnparenchym ist gestaut mit fokalen Petechien. Veränderungen finden sich in der weißen Substanz der Großhirnrinde, des Mittelhirns, der Basalganglien, des Kleinhirns, des Hirnstamms und des Rückenmarks. Mikroskopie. Perivaskuläre Cuffs mononukleärer Zellen, Neuronophagie infizierter Zellen und Gliose sind nachweisbar.
Rabies
11
Pathogenese. Rabies kann alle Säuger infizieren. Nahezu ausschließlich alle menschlichen Tollwutfälle treten infolge des Bisses eines infizierten Tieres auf. Die Inkubationszeit ist sehr unterschiedlich; es werden Intervalle von 10 Tagen und mehr als einem Jahr nach Biss angegeben [22]. Nach der viralen Inokkulation kann das Virus entlang des Axoplasmas des peripheren Nerven direkt zum ZNS ohne eine vorangehende lokale Replikation transportiert werden. Alternativ ist auch eine lokale Replikation im Muskel an der Stelle der Inokkulation mit sich anschließendem Transport zum ZNS möglich. Dabei erfolgt der Aufstieg vom Rückenmark zum Gehirn extrem schnell. Schmerzen und Parästhesien im Bereich der Wunde haben ihr morphologisches Äquivalent wahrscheinlich in einer Ganglionopathie der Hinterwurzeln. Makroskopie. Das Gehirn kann äußerlich geschwollen sein oder normal wirken. Die Infektion ist weit verbreitet unter Einbeziehung des limbischen Systems, Hippokampus, des Hirnstamms und des Kleinhirns. Mikroskopie. Die graue Substanz ist bevorzugt befallen. Infizierte Nervenzellen enthalten Virusbestandteile. Die für Rabies spezifischen Negri-Körper sind Nebenprodukte der viralen Replikation (Abb. 11.32). Es handelt sich um rundlich-ovale, eosinophile Einschlüsse im neuronalen Zytoplasma. Sie können überall im ZNS vorhanden sein, sind aber am leichtesten in Purkinje-Zellen, hippokampalen Pyramidenzellen und Nervenzellen der Hirnstammkerne nachweisbar. Auffällig ist die Diskrepanz zwischen der Virusmenge und der begrenzten Entzündungsreaktion, bestehend aus lymphozytären Infiltraten und Cluster aktivierter Mikrogliazellen. Es finden sich ausgedehnte Neuronophagien.
HIV-Infektion des ZNS Pathogenese. Neurologische Erkrankungen bei HIVPatienten können einerseits auf eine direkte ZNS-Infektion durch das HI-Virus bedingt (HIV-Enzephalopa-
Abb. 11.32 Rabiesvirusinfektion. Virale Einschlüsse im Zytoplasma und partiell im Kern rabiesinfizierter Nervenzellen. Anti-RabiesImmunhistochemie, leichte Gegenfärbung mit Hämalaun
thie), andererseits Folgen der HIV-induzierten Immunsuppression sein [29, 41]. Etwa 20–30% der Patienten, die an AIDS versterben, weisen neuropathologische Veränderungen auf, die direkt auf die HIV-Infektion des ZNS zurückzuführen sind. Hierzu gehören x aseptische Meningitis, x HIV-Enzephalopathie/HIV-Enzephalitis, x vakuoläre Myelopathie. HIV gelangt bereits früh in der Infektion, bereits zum Zeitpunkt der Serokonversion, in das ZNS. Zu diesem Zeitpunkt kann sich eine aseptische Meningitis manifestieren. Man nimmt an, dass das Virus innerhalb von Makrophagen in das Gehirn gelangt (Mechanismus des trojanischen Pferds). Zielzelle des Virus im ZNS sind Makrophagen. Es kommt zu einer Aktivierung hirneigener Mikrogliazellen und Makrophagen mit Produktion proinflammatorischer Mediatoren wie TNF, IL-1, IL-6, iNOS und Radikale wie Superoxidanionen, ROS und Quinolinsäure. Diese Mediatoren wirken ebenso wie das virale Protein gp120 neurotoxisch. In der Folge kommt zu einer Apoptose von Neuronen. Auch die Schädigung von Astrozyten und Oligodendrozyten, die ebenfalls neurotoxische Mediatoren freisetzen können, kann durch eine Beeinträchtigung trophischer Funktionen zur Nervenzellschädigung beitragen. Im Gehirn von HIV-Patienten wurde auch eine Apoptose von Astrozyten und Endothelzellen beschrieben. Klinisch resultiert eine Demenz (AIDS-Demenz-Komplex). Diese tritt in ca. 20–30% der AIDS-Patienten im Spätstadium der Erkrankung auf. Eine vakuoläre Myelopathie wird autoptisch bei 5–30% der AIDS-Patienten beobachtet [11, 28]. Durch die Einführung der antiviralen Therapie („highly active antiretroviral therapy“, HAART) konnte die Progression der Erkrankung dramatisch beeinflusst werden. Das Bild der HIV-Enzephalopathie hat sich darunter offensichtlich verändert und zeigte eine stärker
327
Virale Infektionen des ZNS
Abb. 11.33 HIV-Enzephalopathie. Makroskopisch erkennbare diffuse Atrophie der grauen Substanz. Die weiße Substanz ist gräulich verfärbt. Hydrocephalus e vacuo
Abb. 11.34 HIV-Enzephalopathie. Mehrkernige Riesenzelle in der weißen Substanz. HE
entzündliche Komponente mit einer sehr ausgeprägten Infiltration des Gehirnparenchyms durch HIV-infizierte Makrophagen/Monozyten und Destruktion der weißen Substanz [15, 26]. Außer direkten HIV-induzierten neuropathologischen Veränderungen treten neurologische Komplikationen der HIV-Infektion bei fortgeschrittener Immundefizienz auf. Hierzu gehören opportunistische Infektionen durch Viren, Pilze und Parasiten sowie Tumorerkrankungen. Makroskopie der HIV-Enzephalopathie. In fortgeschrittenen Stadien der AIDS-Erkrankung besteht eine diffuse Atrophie des Gehirns mit einer generalisierten kortikalen Atrophie und diffusen Veränderungen der grau verfärbten, diffus abgeblassten weißen Substanz. Entsprechend ist das Ventrikelsystem erweitert (Abb. 11.33). Mikroskopie der HIV-Enzephalopathie. Es findet sich eine ubiquitär verteilte, mäßiggradig ausgeprägte Entzündung [48]. Sie ist subkortikal am deutlichsten ausgeprägt [33]. Charakteristisch ist die Ausbildung von Mikrogliaknötchen. Lymphozyten tragen zu den entzündlichen Infiltraten bei. In der weißen Substanz findet man diffus verteilte Entmarkungsherde und eine variabel ausgeprägte astrozytäre Gliose. Ein Charakteristikum sind multinukleäre Riesenzellen, die für die HIV-Enzephalopathie diagnostisch sind (Abb. 11.34). Sie enthalten HIV-Antigen, das mittels Immunohistochemie mit Antikörpern gegen p24 und gp41 des Virus nachgewiesen werden kann (Abb. 11.35). Mehrkernige Riesenzellen sind oft mit Mikrogliaknötchen und entzündlichen Infiltraten assoziiert. Mikroskopie der vakuolären Myelopathie. Mikroskopisch erscheinen die Hinterstränge und der Tractus corticospinalis lateralis der spinalen weißen Substanz vakuolisiert. Die thorakalen Segmente sind am stärksten
Abb. 11.35 HIV-Enzephalopathie. Mehrkernige Riesenzelle in der weißen Substanz, die das p24-Protein des HI-Virus enthält. Antip24-Immunhistochemie, Gegenfärbung mit Hämalaun
betroffen. Es kommt zum Abbau von Myelin mit Auftreten von Myelophagen sowie zum Verlust von Axonen. Lymphozytäre Infiltrate und Riesenzellen fehlen; virales Antigen ist nicht nachweisbar.
Opportunistische Infektionen des ZNS bei Immundefizienz Potentielle pathogene Ursachen opportunistischer Infektionen sind Pilze, Bakterien und Viren [50].
Opportunistische Pilzinfektionen Der Pilz, der am häufigsten bei AIDS-Patienten zu einer ZNS-Infektion führt, ist Cryptococcus neoformans [24]. Bis zu 5–10% der AIDS-Patienten entwickeln eine zere-
328
Kapitel 11
Infektionen des ZNS
brale Cryptococcose, in der Regel als Meningitis mit milder oder gar fehlender Entzündungsreaktion. Aspergillus fumigatus kann einen Hirnabszess hervorrufen.
Opportunistische Parasiteninfektionen
11
Der Parasit Toxoplasma gondii induziert eine opportunistische Enzephalitis bei ca. 20–30% der AIDS-Patienten. Die Toxoplasma-Enzephalitis ist die häufigste opportunistische Infektion des ZNS bei AIDS-Patienten [30]. Eine zerebrale Toxoplasmose ist bei Vorliegen einer fokalen oder multifokalen Erkrankung des Gehirns mit Raumforderung differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen. Bei HIV-Patienten können sich infolge der Reaktivierung latent im ZNS persistierender Toxoplasma gondii-Zysten rasch multiple, große Abszesse mit sehr ausgedehnten Toxoplasma gondii-induzierten Nekrosen entwickeln (s. Abb. 11.19). Als wichtigste Differentialdiagnose ist ein primäres ZNS-Lymphom, das in der Regel Epstein-BarrVirus-assoziiert ist, zu erwägen.
Abb. 11.36 Progressive multifokale Leukenzephalopathie. Entmarkungsherde verschiedener Größe, teils konfluierend der Faserbahnen des Brückenfußes. HE-Luxol-Fast-Blue
Opportunistische bakterielle Infektionen Opportunistische bakterielle Infektionen werden durch Mycobacterium tuberculosis und Mycobacterium avium intracellulare verursacht. Bei der Mycobacterium avium intracellulare-Infektion sind große Mengen von Mykobakterien im Zytoplasma von Makrophagen nachweisbar, wobei die Schädigung des Gehirnparenchyms in der Regel mild ist. Auch die Neurosyphilis ist bei HIV-infizierten Personen gehäuft. Bakterielle Infektionen verlaufen bei HIV-Patienten häufig atypisch.
Opportunistische virale Infektionen Cytomegalievirus-Infektion
Die Cytomegalievirus-Infektion ist als häufigste virale opportunistische Infektion zu nennen. Progressive multifokale Leukenzephalopathie
Die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) ist eine durch Polyomaviren, in der Mehrzahl der Fälle durch das JC-Virus, verursachte opportunistische Infektion. Die Inzidenz der PML ist durch die HIV-Infektion stark gestiegen [18]. Aufgrund einer Beeinträchtigung der zellvermittelten Immunität kommt es zur Reaktivierung latent im ZNS persistierender Viren [7]. Das Virus kann auch in B-Lymphozyten und in der Niere persistieren [7]. Makroskopisch fallen auf der Schnittfläche des Gehirns multiple, grau verfärbte Areale auf, die konfluieren kön-
Abb. 11.37 Progressive multifokale Leukenzephalopathie. Herd mit subtotaler Entmarkung, singulären Myelophagen und prominenten, reaktiven Astrozyten. HE-Luxol-Fast-Blue
nen. Betroffen sind die weiße Substanz der Großhirnhemisphären, der Kortex, die tiefe graue Substanz, Kleinhirn und Hirnstamm. Auch das Rückenmark kann, allerdings selten, betroffen sein. Mikroskopische Charakteristika sind multiple Entmarkungsherde, schaumig transformierte Makrophagen, bizarre Astrozyten mit vergrößerten, polymorphen, hyperchromatischen Kernen, die einen astrozytären Tumor imitieren können, sowie Oligodendrozyten mit stark basophilem Kern, der virale Einschlüsse enthält, die sich homogen amphophil darstellen und immunhistochemisch identifiziert werden können (Abb. 11.36 bis 11.38). Außerdem kann das Virus elektronenmikroskopisch und durch in-situ-Hybridisierung nachgewiesen werden. Mit diesen Techniken wurden zahlreiche Viruspartikel intranukleär in Oligodendrozyten, aber nicht in Astrozyten nachgewiesen. Hingegen wurde in Astrozyten ebenso wie in Oligoden-
Literatur
329
9.
10.
11.
12. 13.
14. Abb. 11.38 Progressive multifokale Leukenzephalopathie. Nukleäre Akkumulation des JC-Virus in Oligodendrozyten. Anti-JC-Virus Immunhistochemie, Gegenfärbung mit Hämalaun
15.
16.
drozyten virale RNA identifiziert [45]. Lymphozytäre Infiltrate sind selten, können jedoch vorkommen, und ihr Nachweis wurde mit etwas besseren Prognose assoziiert [8, 9].
17.
18.
Literatur 19. 1.
2.
3.
4.
5.
6. 7. 8.
Bertrand E, Szpak GM, Pilkowska E et al. (1999) Central nervous system infection caused by Borrelia burdgorferi. Clinicopathological correlation of three post-mortem cases. Folia Neuropathol 37: 43–51 Bleggi-Torres LF, de Medeiros DC, Werner B et al. (2000) Neuropathological findings after bone marrow transplantation: an autopsy study of 180 cases. Bone Marrow Transplant 25: 301–307 Cardavid D (2004) Lyme disease and relapsing fever. In: Scheld WM, Whitley RJ, Marra CM (eds) Infections of the central nervous system. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, pp 659–690 Clark IA, Virelizier JL, Carswell EA et al. (1981) Possible importance of macrophage-derived mediators in acute malaria. Infect Immun 32: 1058–1066 de Louvois J, Gortavai P, Hurley R (1977) Bacteriology of abscesses of the central nervous system: a multicentre prospective study. Br Med J 2: 981–984 de Louvois J (1978) Bacteriology and chemotherapy of brain abscess. J Antibmicrob Chemother 4: 395–413 Dörries K (1998) Molecular biology and pathogenesis of human polyomavirus infections. Dev Biol Stand 94: 71–79 Dumas M, Léger JM, Pesre-Alexandre M (1986) Manifestations neurologiques et psychiatriques des parasitoses. Congrès de Psychiatrie et du Neurologie de Langue Francaise, LXXXIV Session. Masson, Paris, pp 143–146
20.
21.
22. 23.
24.
25.
26.
Du Pasquier RA, Koralnik IJ (2993) Inflammatory reaction in progressive multifocal leukoencephalopathy: harmful or beneficial? J Neurovirol 1: 25–31 Ellison D, Love S, Chimelli L et al. (2994) Neuropathology. A reference text of CNS pathology. Mosby, Edinburgh, pp 351–366 Epstein LG, Gendelman HE (1993) Human immunodeficiency virus type I infection of the nervous system: pathogenetic mechanisms. Ann Neurol 33: 429–436 Fenollar F, Puéchal X, Raoult D (2007) Whipple’s disease. New Engl J Med 356: 55–66 Heinemann HS, Braude AI (1963) Anaerobic infection of the brain: observation on eighteen consecutive cases of brain abscess. Am J Med 35: 682–697 Grau GE, Tylor TE, Molyneux ME et al. (1989) Tumor necrosis factor and disease severity in children with falciparum malaria. New Engl J Med 320: 1586–1591 Gray F, Chrétien F, Vallat-Decouvelaere AV et al (2993) The changing pattern of HIV neuropathology in the HAART era. J Neuropathol Exp Neurol 62: 429–440 Gromeier M, Lu HH, Bernhardt G et al. (1995) The human poliovirus receptor. Receptor-virus interaction and parameters of disease specificity. Ann N Y Acad Sci 753: 19–36 Hahn RD, Clark EG, Felsovanyi A et al. (1946) Asymptomatic neurosyphilis: prognosis. Am J Syph Genorrhea Vener Dis 30: 513–548 Hooper DC, Pruitt AA, Rubin RH (1982) Central nervous system infection in the chronically immunosuppressed. Medicine (Baltimore) 61: 166–188 Huang DB, Schantz PM, White AC (2004) Helminthic infections. In: Scheld WM, Whitley RJ, Marra CM (eds) Infections of the central nervous system. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, pp 797–827 Huffnagle GB, McNeil LK (1999) Dissemination of C. neoformans to the central nervous system: role of chemokines, Th1 immunity and leukocyte recruitment. J Neurovirol 5: 76–81 Ingham HR, Slekon JB, Roxby CM (1977) Bacteriological study of otogenic brain abscess: chemotherapeutic role of metronidazole. Br Med J 2: 991–993 Johnson RT (1998) Viral infections of the nervous system. Lippincott-Raven, Philadelphia Kastenbauer A, Pfister HW, Wispelwey B, Scheld WM 2004) Brain abscess. In: Scheld WM, Whitley RJ, Marra CM (eds) Infections of the central nervous system. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, pp 479–507 Kovacs JA, Kovacs AA, Polis M et al. (1985) Cryptococcosis in the acquired immunodeficiency syndrome. Ann Intern Med 103: 533–538 Kwiatkowski D, Hill AVS, Allsopp CEM et al. (1990) TNF concentration in fatal cerebral, non-fatal cerebral and uncomplicated Plasmodium falciparum malaria. Lancet 336: 1201–1204 Langford TD, Letendre SL, Larrea GJ et al. (2003) Changing pattern sin the neuropathogenesis of HIV during the HAART era. Brain Pathol 13: 195–210
330
Kapitel 11
27.
28.
29.
30. 31.
32.
11
33.
34. 35. 36. 37. 38.
39.
Leib SL, Täuber MG (2004) Pathogenesis and pathophysiology of bacterial infections. In: In: Scheld WM, Whitley RJ, Marra CM (eds) Infections of the central nervous system. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, pp 331–346 Lipton SA, Gendelman HE (1995) Dementia associated with the acquired immunodeficiency syndrome. New Engl J Med 332: 934–940 Loos KL, Tunkel AR, Scheld WM (2004) Acute bacterial meningitis. In: Scheld WM, Whitley RJ, Marra CM (eds) Infections of the central nervous system. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, pp 347–422 Luft BJ, Remington JS (1992) Toxoplasmic encephalitis in AIDS. Clin Infect Dis 15: 211–222 Medana IM, Gallimore A, Oxenius A et al. (2000) MHC class I-restricted killing of neurons by CD8 + T-lymphocytes is effected through the Fas/FasL, but not the perforin pathway. Eur J Immunol 30: 3623–3633 Nau R, Brück W (2002) Neuronal injury in bacterial meningitis: mechanisms and implications for therapy. Trends Neurosci 25: 38–45 Navia BA, Cho ES, Petito CK et al. (1986) The AIDS dementia complex: II. Neuropathology. Ann Neurol 19: 525–535 Neumann H, Cavalié A, Jenne DE et al. (1995) Induction of MHC class I in neurons. Science 269: 549–552 Oksi J, Kalimo H, Mattila RJ et al. (1996) Inflammatory brain changes in Lyme borreliosis. Brain 199: 2143–2154 Pitella JE (1997) Neuroschistosomiasis. Brain Pathol 7: 649–662 Pitella JE (1997) Neurocysticercosis. Brain Pathol 7: 681–693 Salord F, Alloughiche B, Gaussorgues P et al. (1991) Severe falciparum malaria (21 cases). Intencive Care Med 17: 449–454 Schlüter D, Chaoud S, Lassmann H, Schumann A, Hof H, Deckert-Schlüter M (1996) Intracerebral targets and immunomodulation of murine Listeria monocytogenes meningoencephalitis. J Neuropathol Exp Neurol 55: 14–24
Infektionen des ZNS
40.
41.
42. 43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
Schlüter D, Domann E, Buck C, Hain T, Hof H, Chakraborty T, Deckert-Schlüter M (1998) Phosphatidylcholinespecific phospholipase C from Listeria monocytogenens is an important virulence factor in murine cerebral listeriosis. Infect Immun 66: 5930–5938 Schmutzhard E, Boongird P, Gerstenbrand F et al. (1990) Is cryptococcal meningoencephalitis in the tropics a distinct entity? A retrospective study from Thailand. Trop Geegr Med 42: 133–139 Schwartz JC (1985) Rhinocerebral mucormycosis: three case reports and subject review. J Emerg Med 3: 11–19 Silamut K, Phu NH, Whitty C et al. (1999) A quantitative analysis of the microvascular sequestration of malaria parasites in the human brain. Am J Pathol 155: 395–410 Turner GDH, Morrison H, Jones M et al. (1994) An immunohistochemical study of the pathology of fatal malaria: evidence for widespread endothelial activation and a potential role for intercellular adhesion molecule-1 in cerebral sequestration. Am J Pathol 145: 1057–1069 Voneinsiedel RW, Fife TD, Aksami AJ et al. (1993) Progressive multifocal leukoencephalopathy in AIDS – a clinicopathological study and review of the literature. J Neurol 240: 391–406 Waller D, Krishna S, Crawley J et al. (1995) Clinical features and outcome of severe malaria in Gambian children. Clin Infect Dis 21: 577–587 Whitley RJ, Lakeman F (1995) Herpes simplex virus infections of the central nervous system: therapeutic and diagnostic considerations. Clin Infect Dis 20: 414–420 Wiley CA, Achim C (1994) Human immunodeficiency virus encephalitis is the pathological correlate of dementia in acquired immunodeficiency syndrome. Ann Neurol 36: 673–676 World Health Organization (1998) Control of epidemic meningococcal disease. World Health Organization Practical Guidelines, Geneva Zelman IB, Mossakowski MJ (1998) Opportunistic infections of the central nervous system in the course of acquired immune deficiency syndrome (AIDS). Morphological analysis of 172 cases. Folia Neuropathol 36: 129–144
Kapitel 12
12
Prionkrankheiten
H. Kretzschmar Inhalt Prionprotein (PrP), infektiöses Agens der spongiformen Enzephalopathien . . . . . . . . . . .
332
Struktur und Funktion der PrP-Gene . . . . . . . . .
332
Konversionprozess von PrPC zu PrPSc . . . . . . . . .
334
Prionkrankheiten im Tierreich . . . . . . . . . . . . .
340
Skrapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
Bovine spongiforme Enzephalopathie . . . . . . . .
340
Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
Pathogene Mutationen des humanen Prionproteingens (PRNP) . . . . . . . .
335
Prionkrankheiten des Menschen . . . . . . . . . . . .
341
Modelle in transgenen Tieren . . . . . . . . . . . . . .
335
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) . . . . . . . . .
341
Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
Kuru . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
Prionpathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) . .
347
Neuroinvasion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
Letale familiäre Insomnie („fatal familial insomnia“ oder FFI) . . . . . . . . .
347
Neuropathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336 Fortschritte in der In-vivo-Diagnostik . . . . . . . . .
347
Neuronaler Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348
Weitere morphologische Charakteristika . . . . . . .
337 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
332
Kapitel 12
Prionprotein (PrP), infektiöses Agens der spongiformen Enzephalopathien
12
Prionkrankheiten oder transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) sind übertragbare neurodegenerative Krankheiten, die bei Mensch und Tieren auftreten [90] (Tabellen 12.1–12.3). Klinisch gehen sie mit einer meist stark ausgeprägten Demenz und einer Reihe neurologischer Symptome wie Ataxie, Myoklonien oder Erblindung einher; sie nehmen immer einen tödlichen Verlauf. Die wichtigsten pathologischen Veränderungen sind Prionproteinablagerung im ZNS, spongiöse Gewebedegeneration, Nervenzellverlust und Gliose [61]. Dabei ist im Ausprägungsgrad dieser Veränderungen bei verschiedenen Spezies und sogar innerhalb einer Spezies bei verschiedenen Erregerstämmen eine große Variationsbreite zu beobachen. Die Prionkrankheiten können sporadisch, ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) auftreten. Sie können beim Menschen auch hereditär bedingt sein und sind dann durch Mutationen des Prionproteingens (PRNP) verursacht. Prionkrankheiten können als infektiöse Krankheiten weitergegeben werden. Auch die idiopathischen, sporadisch auftretenden und die familiären Erkrankungsfälle lassen sich im Experiment durch intrazerebrale Inokulation von Hirngewebe auf Labortiere übertragen. Als infektiöses Agens wird heute das „Prion“ angesehen, das keine Nukleinsäure zu besitzen scheint und vorwiegend oder ausschließlich aus einem in seiner Konformation veränderten körpereigenen Protein, dem Prionprotein (PrP), besteht [89]. Die historisch gesehen zunächst nahe liegende Annahme, dass das Agens ein unkonventionelles oder „langsames“ Virus sein könne, wurde durch den fehlenden Nachweis einer viralen Nukleinsäure stark in Zweifel gebracht. Hingegen fand sich ein Protein regelmäßig mit der Infektivität assoziiert. Der Begriff Prion („proteinaceous infectious particle“) wurde vorgeschlagen, um das infektiöse Agens von Viren oder Viroiden abzugrenzen [89]. Prionen wurden ursprünglich als kleine proteinhaltige Partikel definiert, die chemischen und physikalischen Behandlungen widerstehen, die Nukleinsäuren verändern; eine derzeitige Arbeitshypothese ist, dass Prionen infektiöse Partikel sind, die keine Nukleinsäure besitzen und im Wesentlichen oder ausschließlich aus Protein bestehen [90]. Kern der Prionhypothese ist die Veränderung eines normalen Proteins, das vom Wirtsgenom kodiert wird, der sog. zellulären Isoform des Prionproteins (PrPC), in eine konformationell veränderte Isoform, die SkrapieIsoform des Prionproteins (PrPSc), die der Grundbaustein des infektiösen Agens (des Prions) ist. Entsprechend der Prionhypothese bedarf das Prion für seine Propagation vom Wirtsorganismus synthetisiertes
Prionkrankheiten Tabelle 12.1 Abkürzungen und Definitionen BSE
Bovine spongiforme Enzephalopathie
CJD
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
(n)vCJD
(Neue) Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
FFI
Tödliche familiäre Insomnie („fatal familial insomnia“)
GSS
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
PK
Proteinase K
Prion
Infektiöses Agens der Prionkrankheiten („proteinaceous infectious particle“)
Prnp
Prionproteingen
Prnp0/0
Ablation von Prnp (in sog. Prnp-Knock-out- oder Prnp-Null-Mäusen)
PRNP
Humanes PrP-Gen
PrPC
Zelluläre Isoform des Prionproteins
PrPSc
Skrapie-Isoform des Prionproteinsa
PrPres
PK-resistente Form des Prionproteins, die in vitro aus PrPC entstehen kann. Bis heute ist es nicht gelungen zu zeigen, das PrPres infektiös istb
TSE
Transmissible spongiforme Enzephalopathie
a
b
Dieses Protein zeigt eine erhöhte Resistenz gegen Verdauung mit PK. Es ist eng mit der Infektiosität assoziiert und ist im Sinne der Prionhypothese der entscheidende Baustein des infektiösen Agens, des Prions. Unglücklich ist, dass der Terminus von manchen Arbeitsgruppen auch für PK-resistentes PrP gebraucht wird, das aus erregerhaltigem Hirngewebe stammt, was zu einer unscharfen Abgrenzung vom Terminus PrPSc führt.
PrPC; Organismen, die kein PrPC produzieren, sollten resistent gegen Prionkrankheiten sein. Dies ließ sich experimentell an PrP-Gen-knock-out-(Prnp0/0-) Mäusen zeigen, die in der Tat resistent gegen Skrapie sind [15].
Struktur und Funktion der PrP-Gene Das humane PrPC ist ein Glykoprotein von 253 Aminosäuren Länge vor der zellulären Prozessierung [65] (Abb. 12.1). Das humane Prionproteingen (PRNP) ist auf dem kurzen Arm des Chromosoms 20 lokalisiert und hat eine relativ einfache genomische Struktur bestehend aus 2 Exons mit einem Intron von 13 kb Länge. Der gesamte proteinkodierende Teil des Gens („open reading frame“) ist auf dem Exon 2 lokalisiert [91]. Alle bislang bei Säugetieren untersuchten PrP-Gene haben eine ähnliche genomische Struktur mit nur 2 oder 3 Exons, wobei der prote-
Prionprotein (PrP), infektiöses Agens der spongiformen
333
Tabelle 12.2 Prionkrankheiten des Menschen Krankheit
Ätiologie bzw. Übertragungsweg
Idiopathisch Sporadische CJD (sCJD)
Unbekannt (möglicherweise spontane Konversion von PrPC zu PrPSc oder spontane PRNP-Mutation)
„Fatal sporadic insomnia“
Wie bei sCJD (bislang nur beobachtet bei Codon-129-MM-Patienten mit PrPSc Typ 2)
Erworben Iatrogene CJD (iCJD)
Akzidentelle Übertragung duch Behandlung mit prionkontaminierten chirurgischen Instrumenten, Wachstumshormonpräparaten, Dura-mater-Grafts etc.
Neue Variante der CJD (nvCJD)
Infektion durch bovine Prionen (BSE-kontaminierte Lebensmittel oder andere Produkte)
Kuru
Ritueller Kannibalismus der Fore-Bevölkerung in Neu-Guinea (historisch)
Hereditär Familiäre CJD (fCJD)
Unterschiedliche PRNP-Mutationen
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
Unterschiedliche PRNP-Mutationen
„Fatal familial insomnia“ (FFI)
PRNP-Mutation D178N mit M129
Tabelle 12.3 Prionkrankheiten der Tiere Krankheit
Wirt
Ätiologie bzw. Übertragungsweg
Skrapie (Traberkrankheit)
Schaf und Ziege
Orale/maternale Infektion genetisch anfälliger Schafe
Bovine sponigforme Enzephalopathie (BSE)
Rind
Infektion durch kontaminiertes Knochenmehl
Feline spongiforme Enzephalopethie (FSE)
Katzen
Infektion durch kontaminiertes Knochenmehl
Transmissible Mink-Enzephalopathie (TME)
Mink (Nerz)
Infektion durch kontaminiertes Futter
„Chronic wasting disease“
Langohrhirsch und Wapiti (Rocky Mountains)
Unbekannt
inkodierende Teil nie durch ein Intron unterbrochen wird [30]. Auf Aminosäurenebene findet sich eine starke Homologie zwischen Mensch und anderen Säugetierspezies: 93–99% zu Primaten, 91–92% zu Nagern und 92–93% zu Wiederkäuern [94]. Das Prionprotein hat eine flexible N-terminale Hälfte, die C-terminale Hälfte enthält drei α-Helices und zwei kurze β-strands [92]. Die Nterminale Hälfte enthält mehrere Kupferbindungsstellen. Die physiologische Funktion von PrPC ist unbekannt; es scheint eine Rolle bei der Signaltransduktion und dem Schutz der Zelle vor oxidativem Stress zu spielen. Ein beim Menschen beschriebener Methionin-(M-) Valin-(V-)Polymorphismus an der Aminosäureposition 129 des PRNP hat Konsequenzen sowohl für das Auftreten der sporadischen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit als auch für die klinischen und neuropathologischen Charakteristika der sporadischen und erblichen Varianten humaner Prionkrankheiten. Mehrere Studien haben eine deutliche Überrepräsentation von Homozygoten
bei sporadischen CJD-Fällen beschrieben (71,6% MM, 11,7% MV, 16,7% VV) im Vergleich zur normalen Population (37% MM, 51% MV, 12 VV). Auch der Phänotyp der sporadischen CJD wird vom Codon 129 beeinflusst; beispielsweise werden bei sporadischer CJD Kuru-Plaques nur bei heterozygoten Patienten beobachtet. Das Codon 129 beeinflusst auch den klinischen Phänotyp sporadischer und einiger erblicher Prionkrankheiten [85]. PrPC ist ein Membranprotein, das vorwiegend auf der Oberfläche von Neuronen, aber auch von Astrozyten und einer Vielzahl anderer Zellen exprimiert wird [63, 80]. Das humane PrPC hat eine N-terminale Signalsequenz von 22 Aminosäuren. Der C-Terminus wird beim Anhängen eines Glykosylphosphatidylinositols (GPI) am Serinrest 230 um 23 Aminosäuren verkürzt. Das reife PrPC ist auf der Zelloberfläche über einen GPI-Anteil verankert [100]. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass PrP in einer alternativen Membrantopologie vorkommen
334
12
Kapitel 12
Prionkrankheiten
Abb. 12.1 Strukturelle Charakteristika des humanen Prionproteins. Dargestellt sind die zelluläre Isoform des Prionproteins (PrPC), der proteaseresistente Kern von PrPSc, Charakteristika der sekundären Struktur des Proteins sowie Polymorphismen und Mutationen des
Prionprotein-Gens (PRNP). Die Zahlen beziehen sich auf Aminosäurereste. SP Signalpeptid, GPI Glycosylphosphatidylinositol, CHO Glykosylierungsstellen, S1, S2 β-Faltblattanteile, H1, H2, H3 Helices [92], PK Proteinase-K-Schnittstellen
könnte, deren Rolle für die Krankheitsentstehung noch unklar ist [44]. Es bestehen 2 N-Glykosylierungsstellen an den Aminosäureresten 181 und 197, die bei verschiedenen Varianten der humanen CJD bestimmte Unterschiede zu zeigen scheinen [83].
Einfluss eines PrPSc-Moleküls stattfindet. In diesem Prozess muss eine hohe Aktivierungsenergie überwunden werden, Chaperone und eine Energiequelle mögen dazu nötig sein. Die beiden Hypothesen, die auch der „Lansbury-“ und „Prusiner“-Mechanismus genannt wurden, schließen sich gegenseitig keineswegs aus [27]. Der Arbeitsgruppe Claudio Soto gelang 2001 in einer „protein misfolding cyclic amlification“ (PMCA) genannten Reaktion die In-vitro-Amplifikation von PK-resistentem PrP in wiederholten Zyklen von Beschallung und Inkubation [93]; dabei wurde als Seed PrPSc aus Hamstergehirnen eingesetzt und als Substrat für die Umwandlung PrPC in Hamsterhirnhomogenaten zugeführt. Es ließ sich zeigen, dass das neu entstandene PK-resistente PrP in einer seriellen PMCA-Reaktion (sPMCA) in Lage ist, als Seed für nachfolgende PMCA-Zyklen zu funktionieren und somit die PMCA-Reaktikon ein autokatalytischer Prozess ist [7]. Das neu generierte PrP erwies sich im Tierversuch als infektiös [17], ja sogar genau so infektiös wie das aus Gehirnen von Scrapie-infizierten Hamstern [106]. Die PMCA-Reaktion ist ein langwieriger und bis jetzt nicht gut standardisierbarer Prozess, es ist daher noch fraglich, ob sie sich für die Routinediagnostik eignet. Ähnliche Konversionsreaktionen verwenden rekombinantes PrP, das in Zyklen geschüttelt und inkubiert wird; solche Reaktionen haben bislang PK-resistentes PrP amplifiziert und sind an menschlichem Material nicht etabliert [2].
Konversionprozess von PrPC zu PrPSc Die Konversion von PrPC zu PrPSc ist ein später posttranslationeller Prozess, der in Skrapie-infizierten Zellkulturen stattfindet, nachdem PrPC seine normale Lokalisation auf der Zelloberfläche erreicht hat oder sogar später. Warum es so selten zu dieser Umwandlung kommt und wie PrPSc die Konversion von PrPC initiiert, ist nicht bekannt. In einem Nukleationsmodell wird vorgeschlagen, dass PrPC und PrPSc im Gleichgewicht sind. PrPSc ist nur dann stabil, wenn es sich an ein PrPSc-Aggregat anlagert, ein Prozess, der mit der Kristallbildung verglichen worden ist. Die spontane Bildung von initialen PrPSc-Aggregaten wäre in diesem Modell ein extrem seltenes Vorkommnis. Sobald sich aber ein initiales Aggregat gebildet hat, könnte sich die weitere Anlagerung von PrP-Monomeren relativ schnell fortsetzen. Im Gegensatz dazu geht das Umfaltungsmodell davon aus, dass PrPC zunächst entfaltet wird und der Konversionsprozess in einer Umfaltung des Moleküls unter dem
335
Krankheitsbilder
Pathogene Mutationen des humanen Prionproteingens (PRNP) Die genetisch bedingten Prionkrankheiten gelten heute nicht mehr als so selten wie früher angenommen. In systematischen Untersuchungen zeigt sich, dass eine Familie mit einer erblichen Prionkrankheit auf 2,5 Mio. Einwohner in Deutschland zu finden ist [110]. In Familien mit erblichen Prionkrankheiten wurde eine Vielzahl verschiedener Punktmutationen und Insertionsmutationen im offenen Leserahmen („open reading frame“, ORF) des PRNP beschrieben (s. Abb. 12.1). Die Insertionsmutationen finden sich in einer Oktapeptid-repeatRegion in der N-terminalen Hälfte des Proteins, während die Punktmutationen in der C-terminalen Hälfte des Proteins konzentriert sind. Die Analyse der Daten in einem epidemiologischen Projekt in Deutschland hat gezeigt, dass ungefähr die Hälfte der Familien mit Mutationen des PRNP angibt, von einer erblichen, tödlichen neurologischen Erkrankung in ihrer Familie nichts zu wissen. Bei genetisch bedingten Prionkrankheiten des Menschen fanden sich besonders häufig die Mutationen E200K, P1021 und D178N-CJD/ FFI, auf die weiter unten bei der Behandlung der verschiedenen Krankheitsgruppen eingegangen wird. Eine ganz andere Art von Mutation des PRNP liegt bei verschiedenen sog. Insertionsmutationen vor. Das normale Protein hat 5 Repeats im N-Terminus (1 Nonarepeat, 4 Oktarepeats, Aminosäuren 51–91), wogegen die mutierten Prionproteine zwischen 1 und 9 zusätzliche Oktarepeats haben. Die klinischen und pathologischen Charakteristika, die mit Insertationsmutationen verbunden sind, sind außerordentlich variabel; es finden sich Patienten mit einem klassischen CJD-Phänotyp oder mit GSS, aber auch Patienten mit keinem morphologisch erkennbaren Phänotyp, die klinisch lediglich eine progressive Demenz zeigen [19, 21]. Identische Rearrangements der Oktapeptide sind in voneinander unabhängigen Familien nie entdeckt worden. Man vermutet, dass die Bildung von Extrarepeats auf einem ungleichen Crossover und auf Rekombination beruht.
infektiöse Natur der so generierten Krankheit wurde durch serielle Transmission auf Hamster (10% der Tiere) und transgene Mäuse, die das mutierte Protein auf niedrigem Niveau exprimieren (40% der Tiere) und nicht spontan erkranken, gezeigt [49]. Die Krankheit konnte allerdings nicht auf normale Wildtypmäuse übertragen werden. In weiteren Experimenten zeigte sich jedoch, dass auch transgene Linien, die normale PrP-Gene überexprimieren, eine spontane letale Krankheit entwickeln können [107]; diese Krankheit zeigt eine Degeneration der Skelettmuskulatur und der peripheren Nerven, aber auch spongiforme Veränderungen im Gehirn. Auch diese Krankheit soll übertragbar sein. Auf der anderen Seite entwickeln transgene Tiere, die die P102-homologe Mutation auf normalem Niveau exprimieren, keine spontane neurodegenerative Krankheit [69]. Letztlich könnte in den beschriebenen Tiermodellen die Überproduktion von PrP eine wichtigere pathogenetische Rolle spielen als das alleinige Vorliegen einer Mutation. Die Übertragung humaner Prionerkrankungen auf Mäuse hat sich als kompliziertes Unterfangen erwiesen. In den meisten Laboratorien wird sCJD mit nur einer geringen Effizienz von etwa 10% und Inkubationszeiten über 500 Tage auf Wildtypmäuse übertragen [103]. Die Einführung eines humanen Prnp-Transgens reicht nicht aus, diese Speziesbarriere zu brechen; erst die Einkreuzung auf den Prnp0/0-Hintergrund führt zu einer Reduktion der Inkubationszeit auf 250–270 Tage [104]. Mäuse, die ein chimäres humanmurines Transgen (MHu2M) exprimieren, zeigen noch kürzere Inkubationszeiten. Im Gegensatz zu den Erfahrungen mit sCJD ist vCJD auf Wildtypmäuse mit einer Inkubationszeit von ca. 300 Tagen gut übertragbar [14]. Experimente mit PRNP-Knock-in Mäusen haben gezeigt, dass für die Übertragung des BSE-Erregers auf den Menschen eine Speziesbarriere zu existieren scheint, während vCJD vermutlich auf alle humanen PRNP-Genotypen übertragbar ist [8].
Krankheitsbilder Prionpathogenese
Modelle in transgenen Tieren Neuroinvasion Für die Prionforschung wurden die meisten transgenen Linien durch Pronukleusinokuation mit zufälliger Geninsertion ins Mausgenom erzeugt. Transgene Mäuse, die ein murines Prnp mit einer P102L-homologen Mutation (bei der Maus entspricht dies dem Codon 101) überexprimieren, die beim Menschen das GerstmannSträussler-Scheinker-Syndrom hervorruft, entwickelten spontan eine neurodegenerative Krankheit, die anderen Prionkrankheiten der Maus sehr ähnlich ist [50]. Die
Für die Invasion des zentralen Nervensystems nach peripherer Inokulation (z. B. iatrogen) oder nach oraler Erregeraufnahme werden zwei verschiedene Wege diskutiert: • Transport in Blutzellen, möglicherweise nach Amplifikation von Prionen im lymphoretikulären System (LRS); • Transport in peripheren/enterischen Nerven.
336
12
Kapitel 12
Möglicherweise besteht der natürliche Übertragungsweg in einer Kombination von Amplifikationen im LRS und Transport durch periphere Nerven. Eine Bedeutung des LRS für die Übertragung ist seit langem beschrieben. Bei experimentell infizierten Mäusen ließ sich eine Infektivität in der Milz 4 Tage nach intraperitonealer und sogar intrazerebraler Inokulation nachweisen. In diesen Fällen ging die Replikation der Prionen in der Milz der intrazerebralen Replikation voraus, sogar nach initialer intrazerebraler Inokulation. Bei der vCJD akkumuliert PrPSc im lymphatischen Gewebe der Mandeln und der Appendix, in einem Fall sogar 8 Monate vor dem Ausbruch der Erkrankung [46]. Welche Zellen die Prionreplikation im LRS unterstützen, ist noch nicht genau bekannt. Follikulär dendritische Zellen (FDC) werden in erster Linie angeschuldigt. In der Tat ließ sich in diesen Zellen eine PrPSc-Akkumulation nachweisen. Im experimentellen System bei der Maus sind funktionelle B-Lymphozyten notwendig für die Neuroinvasion; die Expression von PrPC auf der Oberfläche dieser Zellen ist jedoch nicht notwendig. B-Lymphozyten beeinflussen u. U. indirekt die Neuroninvasion, indem sie die Entwicklung von reifen Milz-FDCs als Ort der Prionreplikation ermöglichen [56]. Ein Szenario, in dem das Agens zunächst durch mobile Immunzellen zu FDCs transportiert wird, wo es amplifiziert und sich zu peripheren Nerven ausbreitet, scheint möglich und mag besonders für Fälle mit niedrigdosiger Infektion von Bedeutung sein. Es gibt Belege dafür, dass Prionen so über das sympathische Nervensystem und die Nervi splanchnici [39], aber auch über den Nervus vagus [74] das ZNS erreichen können.
Neuropathologie Makroskopisch stellen sich die Gehirne von Patienten, die an Prionkrankheiten verstorben sind, unterschiedlich dar; bei manchen sind keine oder nur sehr geringgradige Anzeichen einer Atrophie zu sehen, in anderen Fällen liegt eine deutlich ausgeprägte Hirnatrophie mit Erweiterung der Ventrikel und extremer Verschmälerung der Hirnrinde vor. Spezifische Veränderungen, die schon makroskopisch eine Verdachtsdiagnose nahe legen würden, gibt es nicht. In lichtmikroskopischen Routinefärbungen (HE, PAS) ist CJD durch spongiöse Veränderungen, Nervenzellverlust, astrozytäre Gliose und in ca. 15% der Fälle durch sog. Kuru-Plaques gekennzeichnet. Außer einer mitunter ganz massiven Mikroglia- bzw. Makrophagenaktivierung sind üblicherweise keine zellulären immunologischen Reaktionen zu erkennen. Nervenzellverlust, astrozytäre Gliose und Mikrogliaaktivierung sind bei vielen Erkrankungen des Gehirns zu finden und spielen deshalb bei Verdacht auf CJD diagnostisch nur eine untergeordnete
Prionkrankheiten
Rolle. Bestimmte Formen der spongiösen Veränderungen haben einen Anspruch auf Spezifität für Prionkrankheiten; Kuru-Plaques sind pathognomonisch.
Neuronaler Zelltod Nervenzelltod in unterschiedlichem Ausmaß ist ein Charakteristikum aller Prionkrankheiten. Er wird von keiner zellulären entzündlichen Reaktion begleitet. Lediglich eine astrozytäre und mikrogliale Reaktion ist regelmäßig vorhanden. Mit der In-situ-Endlabelling-Technik (ISEL), die auf der Inkorporation markierter Nukleotide in fragmentierte DNA durch die terminale Transferase basiert, ließ sich in einem Skrapiemodell in der Maus zeigen, dass es sich um einen apoptotischen Nervenzelltod handelt [38]. Elektronenmikroskopie des Kleinhirns von terminal kranken Mäusen zeigte Zellen mit homogen kondensiertem Chromatin, dunklem Zytoplasma, Membranblasen und mitunter nukleärer Fragmentation als morphologische Charakteristika der Apoptose. Zwei Mechanismen werden als Ursache für den neuronalen Zelltod bei Prionkrankheiten diskutiert, die Loss-offunction- und die Gain-of-function-Hypothese. Eine Reihe elektrophysiologischer Daten von Prnp0/0-Mäusen lassen sich so deuten, dass fortschreitender Verlust von PrPC bei Prionkrankheiten zu einer Beeinträchtigung der synaptischen Transmission und zum neuronalen Zelltod führen könnte. Andere Experimente haben gezeigt, dass PrPSc toxische Effekte auf primäre Neuronen in Zellkultur hat. Forloni et al. (1993) haben argumentiert [28], dass dieser toxische Effekt in einem Teil des Proteins verankert sein könnte, das im Gehirn abgelagert wird, und haben ein Peptid entsprechend der humanen PrP-Sequenz von Aminosäure 106–126 (PrP106–126) identifiziert, das einen maximalen neurotoxischen Effekt ausübt. Nach Behandlung mit LLME, einer Substanz, die die Anzahl der Mikrogliazellen stark reduziert, verliert die Zugabe von PrP106–126 ihren toxischen Effekt auf gemischte Nervenzellkulturen. Weiterhin ließ sich zeigen, dass PrP106–126 und PrP27–30, der proteaseresistente Kern von PrPSc, keinen toxischen Effekt auf Zellen von Prnp0/0-Mäusen ausüben, die kein PrPC synthetisieren [38]. In weiteren Zellkulturexperimenten ließ sich zeigen, dass Mikrogliazellen ihren neurotoxischen Effekt durch die Absonderung reaktiver Sauerstoffradikale entfalten. Es scheint also so, dass die zelluläre Expression von PrPC und die Gegenwart von Mikroglia notwendig für den neurotoxischen Effekt von PrP27–30 und PrP106– 126 in vitro sind. Diese Interpretation wurde durch Experimente mit Hirngewebstransplantationen in Prnp0/0-Mäuse bestätigt. Bei diesen Tieren waren nur Prnp+/+-Zellen gegenüber den toxischen Effekt von PrPSc empfindlich [9].
Krankheitsbilder
Die Frage, ob Mikrogliaaktivierung ein sekundäres Phänomen ist oder dem neuronalen Zelltod vorangeht und möglicherweise an der Induktion des neuronalen Zelltods beteiligt ist, wurde in einer Verlaufsstudie mit 3 verschiedenen Skrapiestämmen bei der Maus untersucht. Es ergab sich, dass Mikrogliaaktivierung sehr früh in der Inkubationszeit in Erscheinung tritt. Das Muster der Mikrogliaaktivierung war dem Muster und dem Zeitverlauf der PrPSc-Akkumulation parallel. Mikrogliaaktivierung geht eindeutig dem apoptotischen neuronalen Zelltod in allen untersuchten Modellen voraus. Weiterhin zeigt die quantitative Analyse der Mikrogliaaktivierung und des Zelltods im Kleinhirn, dass der Zeitverlauf und das Ausmaß des neuronalen Zelltods mit dem Zeitverlauf der Mikrogliaaktivierung korreliert [37]. Zusammen mit den Daten aus Zellkulturuntersuchungen zeigt dies, dass Mikrogliaaktivierung auch am neurotoxischen Effekt von PrPSc in vivo beteiligt ist.
Weitere morphologische Charakteristika Der Ausdruck spongiöse Veränderungen wird als Oberbegriff für verschiedene lichtmikroskopisch unterscheidbare Hohlraumbildungen des Hirnparenchyms verwandt (Tabelle 12.4). Spongiforme Veränderungen (Abb. 12.2a) sind kleine, mitunter opak erscheinende blasenartige Gebilde im Neuropil, etwa 2–10 μm im Durchmesser, die im wesentlichen Hohlraumbildungen in Nervenzellfortsätzen entsprechen. Sie liegen vereinzelt oder in Gruppen im Neuropil und sind in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Prionkrankheiten des Menschen anzutreffen. Konfluierende Vakuolen (Abb. 12.2b) sind traubenartig zusammenhängende Hohlräume mit Durchmessern von 10–50 μm und finden sich in erster Linie bei CJD-Patienten mit Homozygotie für Methionin am Codon 129 in
337
Verbindung mit PrPSc vom Typ 2 (s. unten). Die beschriebenen spongiformen Veränderungen und konfluierenden Vakuolen sind nur bei den Prionkrankheiten zu finden. Als Status spongiosus wird ein Gewebsbild mit fast vollständigem Nervenzellverlust, ausgeprägter astrozytärer Gliose und Gewebsauflockerung mit großen perizellulären Spaltraumbildungen bezeichnet. Der Status spongiosus wird außer bei den Prionkrankheiten auch im Endstadium verschiedener neurodegenerativer und metabolischer Erkankungen beobachtet. Bei der spongiösen Degeneration der 1. und 2. Rindenschicht handelt es sich um vakuoläre Schrumpfspaltenbildung, die häufig im Spätstadium neurodegenerativer Erkrankungen mit starker kortikaler Atrophie wie dem M. Alzheimer, dem M. Pick, der ALS mit Demenz, aber auch bei Prionkrankheiten zu finden ist. Amyloidablagerungen in Form von Kuru-Plaques, multizentrischen Plaques oder floriden Plaques finden sich bei den Prionkrankheiten nur bei bestimmten Kombinationen genetischer und epigenetischer Determinanten (s. unten). PrPSc ist der einzige bislang bekannte Bestandteil der Amyloidplaques bei den Prionkrankheiten. Die bei Extraktion von Hirnhomogenaten mit SDS entstehenden PrPSc-haltigen Prion rods oder srapieassoziierten Fibrillen (SAF) werden von manchen Arbeitsgruppen ebenfalls als Amyloid bezeichnet. Kuru-Plaques sind schon in der HE- oder PAS-Färbung erkennbare, homogene eosinophile PrP-Ablagerungen (Abb. 12.3b). Die lichtmikroskopische Erkennbarkeit in Routinefärbungen wie der HE-Färbung unterscheidet sie von den „plaqueartigen Ablagerungen“, die kleiner sind als Kuru-Plaques und die sich nur immunhistochemisch mit Antikörpern gegen PrP darstellen lassen. Kuru-Plaques sind pathognomonisch für Prionkrankheiten, finden sich jedoch nur in einer geringen Anzahl idiopathischer oder sporadischer Fälle, in denen sie ausschließlich mit Methionin-Valin-Heterozygotie am Codon 129 des PRNP und dem PrPSc-Typ 2 vergesellschaftet sind [85]. Kuru-Plaques
Tabelle 12.4 Neuropathologie der Spongiösen Veränderungen Spongiöse Veränderung
Morphologie
Vorkommen
Spongiforme Veränderungen
Kleine (2–10 μm) rund-ovale, überwiegend in neuronalen Fortsätzen gelegene Hohlräume
CJD (alle Subtypen)
Konfluierende Vakuolen
Große (10–50 μm), traubenartig zusammenhängende Hohlräume
CJD (insbesondere MM2)
Status spongiosus
Fast vollständiger Nervenzellverlust, ausgeprägte astrozytäre Gliose, Gewebsauflockerung, große perizelluläre Spalträume
CJD; Endstadium neurodegenerativer Erkrankungen mit starker kortikaler Atrophie (M. Alzheimer, M. Pick, ALS mit Demenz)
Andere spongiöse Veränderungen
Irreguläre Gewebsauflockerung, „Ödemblasen“
Enzephalitis, posthypoxisch u. a.
Die Bezeichnungen sind mit geringen Abweichungen international gebräuchlich. Der Begriff „spongiöse Veränderung“ wird hier als Oberbegriff für alle pathologischen Veränderungen verwandt, die mit mikroskopischer Hohlraumbildung im Hirnparenchym einhergehen.
338
12
Kapitel 12
Prionkrankheiten
a
b
c
d
Abb. 12.2a–d Histologische und immunhistochemische Befunde der Prionkrankheiten des Menschen. a Spongiforme Veränderungen im Kortex bei einem sporadischen CJD-Fall (MM1). Es finden sich feine, teils opak erscheinende Vakuolen im Neuropil des Neokortex. HE-Färbung, Vergr. 40:1 (Originalvergrößerung). b Konfluierende Vakuolen bei sCJD. Dieser Typ der konfluierenden Vakuolen stellt sich bei den MM2-Fällen dar. Die Vakuolen sind überwiegend in den oberen Rindenschichten lokalisiert. Immunhistochemische Darstellung von PrPSc (APAAP); Vergr. 40:1 (Originalvergröße-
rung). c Darstellung des synaptischen PrPSc-Ablagerungstyps mit der PET-blot-Technik [95]. Man beachte die homogene feindisperse PrPSc-Ablagerung (braun) in der Körnerzellschicht und z. T. auch in der Molekularschicht des Kleinhirns. Vergr. 5:1 (Originalvergrößerung). d Perineuronale Färbung bei sCJD. Perineuronale PrP-Färbung, bei der sich z. T. auch intrazytoplasmatisches PrP anfärbt, ist für Valinhomozygotie am Codon 129 in Verbindung mit dem PrPSc-Typ 2 (VV2) typisch. Immunhistochemische Darstellung von PrPSc (rot); Vergr. 63:1 (Originalvergrößerung)
finden sich in erster Linie in der Körnerzellschicht des Kleinhirns. Im zerebralen Kortex sind sie mit Routinefärbungen meist nur schwer zu identifizieren. Multizentrische Plaques finden sich regelmäßig bei GSS; sie bestehen zumeist aus einer zentralen größeren PrPSc-Ablagerung, die von kleineren „Satelliten“ umgeben ist, und werden deshalb auch als „Kokardenplaques“ bezeichnet (Abb. 12.3c). Floride Plaques bestehen aus einem zentralen Kern, der von einem Ring spongiformer Veränderungen umgeben ist (Abb. 12.3d). Die Ähnlichkeit mit einer Blumenblüte hat diesen Plaques das Attribut „floride“ eingebracht. Das Zentrum der Plaques stellt sich weniger homogen als bei den Kuru-Plaques dar und hat ein fädiges oder strähniges Aussehen. Die bisher beschriebenen pathologischen Charakteristika sind in histologischen Routinefärbungen wie der Hämatoxylin-Eosin-Färbung zu erkennen. Mit Anti-
körpern gegen das Prionprotein lässt sich mit immunhistochemischen Methoden zeigen, dass PrPSc in KuruPlaques, multizentrischen Plaques und auch in floriden Plaques vorhanden ist. Darüber hinaus lässt sich PrPSc immunhistochemisch auch in Form weiterer Strukturen und Lokalisationen nachweisen, nämlich in plaqueartigen Ablagerungen (Abb. 12.3a), in synaptischer Ablagerungsform (Abb. 12.2c), perivakuolär und perineuronal. Die Technik der immunhistochemischen Detektion von PrPSc unterscheidet sich nicht von den sonst in der Pathologie und Neuropathologie üblichen Methoden zur Darstellung von Proteinen. Entscheidend für die Sichtbarmachung von PrPSc ist jedoch eine denaturierende Vorbehandlung der Gewebeschnitte. Bewährt haben sich eine Präinkubation in Guanidiumhydrochlorid, Autoklavieren in H2O und das sog. hydrolytische Autoklavieren in 10 mM HCl-Lösung [25] sowie Kombinationen dieser Techniken.
339
Krankheitsbilder
a
b
c
d
Abb. 12.3a–d PrP-Ablagerung in Plaques und „plaqueartige“ Typen. a Plaqueartiger Ablagerungstyp im Kleinhirn bei einem CJDFall (VV2). Die immunhistochemisch als größere granuläre Strukturen erkennbaren PrP-Ablagerungen sind bei üblichen lichtmikroskopischen Färbungen (HE, PAS, Kongorot) nicht erkennbar. Immunhistochemische Darstellung von PrPSc (rot); Vergr. 20:1 (Originalvergrößerung). b Kuru-Plaque im Kleinhirn bei einem sporadischen CJD-Fall (MV2); daneben eine Purkinje-Zelle. HE, Vergr. 63:1 (Originalvergrößerung). c Multizentrischer Plaque („Kokardenplaque“) im Kortex eines Patienten mit Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS). Diese Form der Prionproteinablagerung wird nur bei Individuen mit bestimmten Mutationen des
Prionproteingens beobachtet. Immunhistochemische Dartstellung des PrPSc (braun); Vergr. 20:1 (Originalvergrößerung). d „Floride“ Plaque, umgeben von konfluierenden Vakuolen in einem CJD-Fall der neuen Variante (vCJD) aus Großbritannien (Präparat von Dr. James Ironside, Creutzfeldt-Jakob Disease Surveillance Unit, Edinburgh). Bei stärkerer Vergrößerung zeigen diese Plaques, deren Form an eine Blüte erinnern soll (deshalb „floride“ Plaques), häufig einen Kern, der aus feinen Fäden zusammengesetzt ist und von Vakuolen umgeben wird. Diese Form der Prionproteinablagerung wurde beim Menschen bislang nur bei der vCJD beobachtet. HEFärbung, Vergr. 40:1 (Originalvergrößerung)
Von vielen Arbeitsgruppen werden die Gewebeschnitte mit Ameisensäure vorbehandelt. Dies führt einerseits zu einer Steigerung der immunhistochemischen Darstellbarkeit von PrPSc [55] und hat andererseits den zusätzlichen Effekt einer drastischen Inaktivierung des Erregers [11]. PrPC ist nach routinemäßiger Aufarbeitung des Gewebes nicht darstellbar, so dass sich eine Behandlung der histologischen Schnitte mit Proteinase K (PK) zur Unterscheidung der beiden Prionproteinformen erübrigt. PK-Behandlung führt häufig zu einer noch deutlicheren Darstellung von PrPSc. Mit immunhistochemischen Methoden lassen sich folgende Formen der PrPSc-Ablagerungen im Gewebe darstellen: • Plaqueartige Ablagerungen bestehen aus kleineren Ansammlungen des Prionproteins, die in der HE-Fär-
bung nicht zu erkennen, aber mit immunhistochemischer Detektion des Prionproteins gut darzustellen sind (s. Abb. 12.3a). Sie finden sich bei VV2-Patienten (s. unten). • Synaptische PrP-Ablagerungen wurden zuerst von Kitamoto et al. (1992) beschrieben. Dabei handelt es sich um feine PrPSc-Ablagerungen, in der Regel in der Körnerzellschicht des Kleinhirns erkennbar, aber auch in der Molekularschicht des Kleinhirns und im Neokortex anzutreffen (s. Abb. 12.2c). • Perivakuoläre Ablagerungen stellen sich bei etwa einem Drittel der MM1/MV1-Fälle und bei den MM2-Fällen der sCJD dar (s. unten). • Perineuronale Ablagerungen finden sich im Neokortex als Charakteristikum bei der sCJD mit VV2-Konstellation (s. Abb. 12.2d).
340
12
Kapitel 12
Die immunhistochemische Darstellung von PrPSc ist in fast allen Fällen humaner Prionkrankheiten positiv. Sie ist derzeit der beste und sicherste Nachweis einer Prionkrankheit und hat sich in zahlreichen Zweifelsfällen bewährt, bei denen mit lichtmikroskopischen Routinefärbungen keine sichere Diagnose gestellt werden konnte. Mehrmonatige Gewebsfixation in Formalin stört den immunhistochemischen Nachweis von PrPSc empfindlich oder kann diesen vollends unterbinden. Weiterhin fällt auf, dass der PrPSc-Nachweis häufig nur in bestimmten Hirnregionen gelingt, während spongiforme Veränderungen häufig auch in immunhistochemisch negativen Arealen vorhanden sind und angenommen werden muss, dass PrPSc auch in diesen Regionen vorhanden sein sollte. Bei einzelnen Unterformen humaner Prionkrankheiten wie der FFI und der VV1-Konstellation der sCJD (s. unten) ist mit den derzeit gängigen immunhistochemischen Methoden PrPSc kaum oder überhaupt nicht darstellbar. Es wurde deshalb eine neue Technik, das Paraffin-embedded-tissue-(PET-)blot-Verfahren entwickelt, bei dem unter starker Proteinase-K-Einwirkung formalinfixiertes und paraffineingebettetes Gewebe direkt auf Nitrozellulosemembranen übertragen wird. PrPSc lässt sich dann in der Membran mit spezifischen Antikörpern hochsensibel nachweisen [95]. Qualitativ sehr gute elektronenmikroskopische Untersuchungen wurden an experimentell infizierten Nagetieren und Primaten durchgeführt [52]. In murinen Skrapiemodellen sind ultrastrukturelle Vakuolen in erster Linie in Neuriten anzutreffen. Sie treten in geringerer Dichte auch in Axonen, Axonterminalen und im neuralen Perikaryon auf, ferner auch in Astrozyten, Oligodendrozyten und im Myelin. Diese Vakuolen können von einer Membran oder einer Doppelmembran umgeben sein oder auch ohne Membran vorkommen. Die Genese der Vakuolen ist nicht klar; sie könnten ihren Ursprung im glatten endoplasmatischen Retikulum oder anderen subzellulären Organellen wie den Mitochondrien haben. Die pathogenetische Bedeutung der Vakuolen ist letztlich nicht bekannt. Aus experimentellen Untersuchungen kann man schließen, dass nichtvakuolierte Gehirnregionen infektiös sein können [3, 54], dass Prionreplikation und Infektiosität der Vakuolisierung vorausgehen [13] und dass in bestimmten experimentellen Systemen Vakuolen praktisch nicht zu beobachten sind [71]. Vakuolen, die morphologisch nicht von den bei Prionkrankheiten beschriebenen Vakuolen zu unterscheiden sind, werden auch bei Mäusen mit vorzeitiger Alterung [112] und bei der Tollwutinfektion von Skunks und Füchsen beobachtet [16]. Ähnliche Vakuolen sind auch bei retroviralen Infektionen der Maus zu finden [97]. So genannte tubulovesikuläre Strukturen wurden bereits 1968 von David-Ferreira et al. [24] bei experimentell mit Skrapie infizierten Mäusen gesehen und später auch bei CJD beschrieben [66]. Es handelt sich um Partikel
Prionkrankheiten
von 30–35 nm Größe, die in Axonpräterminalen und -terminalen, aber auch in Dendriten zu finden sind. Nach den bisherigen Beschreibungen handelt es sich um krankheitsspezifische Partikel, deren Identität unbekannt ist. Immunhistochemisch lässt sich in diesen Strukturen PrP nicht nachweisen [67].
Prionkrankheiten im Tierreich Skrapie Skrapie, eine Krankheit, die bei Schafen und Ziegen vorkommt, ist seit mehr als 200 Jahren bekannt und war die erste Prionkrankheit, deren infektiöse Natur 1936 von den französischen Wissenschaftlern Cuillé und Chelle gezeigt wurde [23]. Betroffene Tiere fallen durch ein abnormes Verhalten auf, wie z. B. Kratzen, Zittern, Ataxie und andere motorische Veränderungen. Es gibt keine bekannten hereditären Prionkrankheiten im Tierreich, jedoch üben allelische Variationen im ovinen PrPC einen starken Einfluss auf die Suszeptibilität gegenüber natürlichem und experimentellem Skrapie aus. Obwohl die Krankheit über Jahrhunderte bekannt ist und ihre infektiöse Natur vor über 60 Jahren erkannt wurde, ist der natürliche Übertragungsmodus nicht hinreichend erforscht. Maternelle Transmission scheint gesichert zu sein, aber es gibt auch Berichte über die Transmission der Erkrankung durch Schafhaltung auf Weideflächen, die früher von Skrapie-infizierten Herden benutzt wurden. Skrapie kann experimentell auf viele Säugetierspezies übertragen werden; jedoch zeigen epidemiologische Studien, dass Skrapie offensichtlich oral nicht auf den Menschen übertragbar ist.
Bovine spongiforme Enzephalopathie BSE ist eine Erkrankung der Rinder, die zum ersten Mal 1986 in Großbritannien beschrieben wurde. Man schätzt, dass seitdem über eine bis drei Million Tiere infiziert wurden [1, 99]. Es besteht kein Zweifel, dass BSE durch die Verfütterung von kontaminiertem Knochenmehl, das von Schafen, Rindern und Schweinen stammte, verbreitet wurde. Dennoch bleibt der Ursprung der BSE unklar. Es gilt als sicher, dass eine Veränderung in der Fettextraktionsmethode einschließlich einer Temperaturveränderung, die bei der Verarbeitung in den späten 70er Jahren vorgenommen wurde, dem infektiösen Agens ermöglichte, den Herstellungsprozess zu überleben und vom Schaf auf das Rind übertragen zu werden. Da in der Stammtypisierung und im PrPSc-Bandenmuster in der
Krankheitsbilder
Western-blot-Analyse sich alle Skrapiestämme bis jetzt von der BSE unterscheiden, kann die alternative Hypothese, nämlich die Übertragung einer mit niedriger Inzidenz vorhandenen präexistenten natürlichen BSE, als Konsequenz der genannten Veränderungen des Verarbeitungsprozesses nicht ausgeschlossen werden. Die mittlere Inkubationszeit der BSE beträgt ca. 5 Jahre; die meisten Tiere manifestieren die Krankheit nicht, da sie im Alter vom 2–3 Jahren geschlachtet werden. BSE ist experimentell auf viele Spezies übertragbar, sie hat die Speziesbarriere zum Menschen überwunden und verursacht die vCJD.
Sonstige Zusätzlich gibt es eine Anzahl von selteneren Prionkrankheiten, einige mit unbekanntem Ursprung wie die Chronic Wasting Disease, die Cervidae in den Rocky Mountains befällt (s. Tabelle 12.3). Sie scheint von Skrapie-befallenen Schafen auf Hirsche übertragen worden zu sein und breitet sich in den USA und Kanada rasant aus. In manchen Regionen sind mehr als 20% der frei lebenden Hirsche befallen. Man geht davon aus, dass die CWD nicht gut auf den Menschen übertragbar ist. Andere Prionkrankheiten wurden durch kontaminierte Futtermittel von Schaf oder Rind übertragen, wie etwa die transmissible Mink-Enzephalopathie. Wieder andere, z. B. feline spongiforme Enzephalopathie und „exotic ungulate encephalopathy“, wurden offenbar durch die Verfütterung von BSE-kontaminiertem Tierfutter verursacht.
Prionkrankheiten des Menschen Spongiforme Enzephalopathien des Menschen (s. Tabelle 12.2) wurden in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts als seltene neurodegenerative, z. T. erbliche Krankheiten von Hans Gerhard Creutzfeldt und Alfons Jakob beschrieben [22, 51]. Kuru, eine tödliche neurodegenerative Erkrankung in der Fore-Bevölkerung in Neuguinea wurde erst 1957 beobachtet [32]. In den 30er Jahren konnten Cuillé und Chelle zeigen, dass Skrapie auf experimentellem Wege übertragbar ist [23]. William Hadlow diskutierte 1959 neuropathologische Ähnlichkeiten zwischen Skrapie bei Schafen und Kuru [43], worauf es Gajdusek, Gibbs und Alpers gelang, Kuru auf Schimpansen zu übertragen [31] und später auch die Übertragung der CJD auf Menschenaffen experimentell erfolgte [36]. Eine erbliche spongiforme Enzephalopathie, das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) des Menschen wurde erstmals 1981 experimentell auf Pri-
341
maten übertragen [72]. Ende der 80er Jahre wurde die erste Mutation des Prionproteingens in einer GSS-Familie identifiziert [48].
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit tritt in den meisten Fällen (ca. 90%) sporadisch auf, ohne dass eine Infektionsquelle oder der Modus der Krankheitsentstehung bekannt wären (idiopathisch). Im Sinne der Prionhypothese ist gut denkbar, dass die sporadisch auftretenden Erkrankungsfälle durch einen spontanen Konversionsprozess des Prionproteins de novo entstehen. Die CJD kann iatrogen übertragen werden (iCJD), sie kann vom BSE-Erreger verursacht werden und zeigt dann beim Menschen ein besonderes klinischneuropathologisches Bild, das als variante CJD (vCJD) bezeichnet wird. Zu einem geringen Prozentsatz wird die CJD autosomal-dominant vererbt (gCJD für genetische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit). Sporadische CJD (sCJD)
Die sCJD betrifft in der Regel Patienten im 7. Lebensjahrzehnt. Erste Auffälligkeiten sind im Allgemeinen Demenz und verschiedene neurologische Symptome, häufig Ataxie und Myoklonien. Die klinischen Kriterien, die Masters et al. (1979) aufgestellt haben [73], wurden modifiziert in einer großen europaweiten CJD-Studie akzeptiert und auch von der WHO empfohlen (s. Übersicht). Eine definitive Diagnose kann nur durch die neuropathologische oder biochemische Untersuchung des Gehirns gestellt werden. Klinische Kriterien für die Diagnose „wahrscheinliche CJD“ sind eine rasch fortschreitende demenzielle Erkrankung, typische EEG-Veränderungen oder Nachweis des 14-3-3-Proteins im Liquor bei einem klinischen Verlauf unter 2 Jahren und mindestens 2 der folgenden Symptome: Myoklonien, akinetischer Mutismus, pyramidale/extrapyramidale Symptome, visuelle/zerebelläre Störungen. Sind keine typischen EEG-Veränderungen vorhanden oder ist das 14-3-3-Protein nicht nachweisbar, aber 2 der 4 genannten Symptome, lautet die Diagnose „mögliche CJD“. Wie im Folgenden beschrieben, sind diese Symptome bei verschiedenen Subtypen der sCJD in unterschiedlicher Form und Häufigkeit vertreten, so dass sie klinisch nicht mit gleicher Zuverlässigkeit diagnostiziert werden können. Anders gesagt werden bestimmte Subtypen klinisch häufig entsprechend den genannten Kriterien als „möglicherweise CJD“ oder sogar „andere Erkrankung“ kategorisiert; Klärung bringt die neuropathologische Untersuchung des Gehirns.
342
12
Kapitel 12
Diagnostische Kriterien der humanen Prionkrankheiten (vgl. WHO 1998, www.cjd.ed.ac.uk) 1. Sporadische CJD Kriterien I Rasch progressive Demenz II A Myoklonien B Viusuelle oder zerebelläre Probleme C Pyramidale oder extrapyramidale Symptome D Akinetischer Mutismus III Typisches EEG Definitionen 1.1 Gesicherte CJD: Neuropathologisch/immunhistochemisch gesichert 1.2 Wahrscheinliche CJD: I + zwei von II + III oder Mögliche CJD + positiver 14-3-3-Test 1.3 Mögliche CJD: I + zwei von II + Dauer unter zwei Jahre 2. Akzidentell übertragene (iatrogene) CJD 2.1 Sicher: Sichere CJD mit anerkanntem iatrogenem Risikofaktor 2.2 Wahrscheinlich: A. Progressives überwiegend zerebelläres Syndrom bei Empfängern von menschlichen Hypophysenhormonen B. Wahrscheinliche CJD mit anerkanntem iatrogenem Risikofaktor 3. Genetische TSE 3.1 Sicher: 3.1.1 Definitive TSE plus definitive oder wahrscheinliche TSE bei einem Verwandten 1. Grades 3.1.2 Sichere TSE mit einer pathogenen Mutation 3.2 Wahrscheinlich: 3.2.1 Progressive neuropsychiatrische Erkrankung plus sichere oder wahrscheinliche TSE bei einem Verwandten 1. Grades 3.2.2 Progressive neuropsychiatrische Erkrankung plus pathogene PRNP-Mutation 4. vCJD Kriterien I A Progressive neuropsychiatrische Erkrankung B Krankheitsdauer >6 Monate C Routineuntersuchungen legen keine alternative Diagnose nahe D Kein Hinweis auf eine familiäre TSEForm
Prionkrankheiten
II A Frühe psychiatrische Symptome B Persistierende schmerzhafte sensorische Symptome C Ataxie D Myoklonien oder Chorea oder Dystonie E Demenz III A Das EEG zeigt nicht das typische Bild der sporadischen CJD in der frühen Krankheitsphase B Bilaterales ausgeprägtes MRI-Signal im Pulvinar IV Positive Tonsillenbiopsie Definitionen 4.1 Sichere vCJD 1A plus neuropathologische Bestätigung 4.2 Wahrscheinliche vCJD 4.2.1 und 4/5 von II und IIIA und IIIB 4.2.2 I und IVA 4.3 Mögliche vCJD I und 4/5 von II und IIIA
Bei der sCJD können sich alle oben beschriebenen pathologischen Veränderungen finden, mit Ausnahme der multizentrischen Plaques, die nur bei der GSS beobachtet werden, und der floriden Plaques, die nur bei der neuen Variante der CJD beschrieben wurden. Spezielle pathologisch-anatomische Verteilungsmuster, die auch mit besonderen klinischen Bildern assoziiert sind, sind seit langem bekannt: • Von Heidenhain wurde eine Variante beschrieben, bei der spongiforme Veränderungen, Nervenzellverlust und Gliose besonders im okzipitalen Kortex auffallen; klinisch steht eine kortikale Blindheit im Vordergrund und ist zumeist erstes und führendes Symptom [45]. • Eine weitere Variante wurde von Brownell und Oppenheimer beschrieben; sie ist klinisch durch Ataxie und pathologisch durch einen ausgeprägten Befall des Kleinhirns charakterisiert [12]. • Bei der „panenzephalopathischen Variante“ der CJD handelt es sich um eine ausgeprägte spongiforme Degeneration mit Ansammlung von Makrophagen in der weißen Substanz des Gehirns [76]. • Eine „U “ mit Mikroplaques und anderen Besonderheiten wurde 2008 von Gambetti bei 12 Valin-homozygoten Patienten beschrieben [33]. Die betroffenen Patienten zeigten CJD-ähnliche Symptomatik, aber nur minimale Mengen an PrP, das eine geringe Proteaseresistenz aufweist, mitunter nur eine PrP-Bande von 7 kD zeigt. Ein ganz ähnlicher Fall war 2007 auch in Deutschland beobachtet worden [58]. Derzeit ist noch unbekannt, ob es sich dabei um eine infektiöse Krankheit handelt.
343
Krankheitsbilder
Abb. 12.4 Western-Blot-Analyse des humanen PrPSc. Dargestellt sind die Primärstruktur von PrPC und des proteaseresistenten Kerns von PrPSc (PrP 27–30) sowie die drei PrPSc-Banden nach PK-Verdau im Western Blot. Die untere Bande bei ca. 21 kDa (PrPSc Typ 1) bzw. 19 kDa (PrPSc Typ 2) stellt das nichtglykosilierte PrPSc dar. Die mitt-
lere Bande repräsentiert das einfach glykosylierte PrPSc und die obere Bande das doppelt glykosylierte PrPSc. Bei der vCJD entsprechen die Banden in ihrer Größe dem PrPSc-Typ 2, die doppelt glykosylierte Bande erscheint besonders stark ausgeprägt. Die Zahlen am linken Rand bezeichnen das Molekulargewicht
Die Vielfalt der klinischen Erscheinungsbilder und pathologischen Veränderungen stand zunächst in einem gewissen Gegensatz zur Prionhypothese, derzufolge das krankheitsauslösende Prionprotein in den sporadischen Fällen ja nur in einer Form vorkommen kann, nämlich der vom Wirtsgenom kodierten. Pathologie und Klinik der sCJD werden wesentlich durch den Methionin-Valin(MV-)Polymorphismus am Codon 129 bestimmt. Parchi et al. [84] gelang es zusätzlich, zwei PK-resistente PrPScIsoformen bei sporadischen CJD-Fällen mit unterschiedlichen Wanderungsmustern (Größe) auf Westernblots zu zeigen (PrPSc-Typ 1: 20 kDa und PrPSc-Typ 2: 19 kDa; Abb. 12.4). Die Ursache für die beiden unterschiedlichen Schnittstellen der PK, die ca. 2 kDa voneinander entfernt sind, also ungefähr bei den Aminosäureresten 82 und 97 des PrPSc-Moleküls, hängt vermutlich mit unterschiedlichen Konformationen in dieser Region des Moleküls zusammen. Bestimmte Eigenschaften des PrPSc (Typ 1 und Typ 2) werden bei der experimentellen Transmission erhalten oder fungieren sogar als „Schablone“ für weitere PrPSc-Bildung. Dies konnte anhand der Transmission von FFI und fCJD (E200K), beide mit Typ-2-PrPSc, und sCJD mit Typ-1-PrPSc auf transgene Mäuse gezeigt werden. Hier entsprach das nach Übertragung isolierbare PrPSc in 2 Größenklassen jeweils dem Inokulum. Das Glykosylierungsmuster, wie im Westernblot zu sehen, wurde jedoch nicht propagiert [102]. Wie in einer großen Studie an über 300 Patienten mit sCJD gezeigt wurde, determinieren die beiden PrPScIsotypen 1 und 2 zusammen mit dem Genotyp am
Codon 129 die klinischen und pathologischen Eigenschaften der Krankheit [85]. In dieser Untersuchung waren fast 90% aller sCJD-Patienten homozygot am Codon 129, mit deutlichem Überwiegen der Methioninhomozygoten. PrPSc vom Typ 1 ist ganz überwiegend bei Methioninhomozygoten zu finden, während das PrPSc vom Typ 2 vorwiegend bei Valinhomozygoten anzutreffen ist. Es lassen sich somit 6 Subtypen der sCJD molekular voneinander abgrenzen (Tabelle 12.5), die klinischen und pathologischen Phänotypen entsprechen. Nicht so selten können im Western Blot Mischtypen, insbesondere MM1 mit PrPSc-2-Anteilen beobachtet werden. Dass das Vorkommen beider Proteinformen in ein und demselben Erkrankungsfall nicht die Regel ist, konnte in sorgfältigen Untersuchungen gezeigt werden [82]. Es hat sich weiterhin gezeigt, dass bei genauer und aufwendiger Untersuchung des PrPSc-Proteins nach PK-Verdau in Western Blots nach langen Gelläufen die bekannten zwei Subtypen sich weiter differenzieren lassen und dass diese weiteren differenzierten Proteintypen gut mit den klinisch und pathologisch beobachteten CJD Phänotypen korrelieren [81]. Genetische CJD (gCJD)
Bei einer der ersten Beschreibungen der CreutzfeldtJakob-Krankheit, die damals noch spastische Pseudosklerose genannt wurde, handelte es sich um einen familiären Fall, bei dem später die D178N-(129V-)Mutation des Prionproteingens nachgewiesen werden konnte [62]. Die spongiformen Enzephalopathien des Menschen galten daher schon früh als neurodegenerative und z. T.
Andere Klassifikation
Myoklonische HeidenhainVariante
Ataktische Variante, BrownellOppenheimerVariante
Kuru-PlaqueVariante
Thalamische Variante, „sporadic fatal insomnia“ (SFI)
–
–
MM1 oder MV1
VV2
MV2
MM-2, thalamisch
MM-2, kortikal
VV1
1
2
15,3 (14–16)
15,7 (9–36)
15,6 (8–24)
17,1 (5–72)
6,5 (3–8)
3,9 (1–18)
Krankheitsdauer [Monate]
39,3 (24–49)
64,3 (49–77)
52,3 (36–71)
59,4 (40–81)
61,3 (41–80)
65,5 (42–91)
Alter zu Erkrankungsbeginn
Progressive Demenz, kein typisches EEG
Progressive Demenz, kein typisches EEG
Insomnie und psychomotorische Hyperaktivität in den meisten Fällen, zusätzlich Ataxie und kognitive Beeinträchtigung, kein typisches EEG
Ataxie und progressive Demenz, kein typisches EEG, in manchen Fällen lange Krankheitsdauer (>2 Jahre)
Ataxie zu Beginn, Demenz spät im Verlauf der Krankheit, in den meisten Fällen kein typisches EEG
Rasch fortschreitende Demenz, Myoklonien früh und prominent, typisches EEG; visuelle Beeinträchtigung oder unilateraler Beginn in 40% der Fälle
Klinische Charakteristika
Ausgeprägte pathologische Veränderungen im zerebralen Kortex und Striatum, Hirnstammkerne und Kleinhirn nicht betroffen; keine großen konfluierenden Vakuolen; nur minimale synaptische PrPSc-Färbung
Große konfluierende Vakuolen mit perivakuolärer PrPSc-Färbung in allen kortikalen Schichten; kaum Veränderungen im Kleinhirn
Prominente Atrophie des Thalamus und der unteren Olive mit nur geringen pathologischen Veränderungen in anderen Regionen; spongiforme Veränderungen fokal oder abwesend; minimale PrPSc-Ablagerung
Kuru-Plaques besonders im Kleinhirn, weitere pathologische Veränderungen ähnlich wie bei VV2-Fällen mit konsistenteren plaqueähnlichen Ablagerungen
Subkortikale Kerne einschließlich des Hirnstamms besonders befallen; im Neokortex sind spongiöse Veränderungen häufig auf die tiefen Schichten beschränkt; immunhistochemisch plaqueähnliche fokale PrPSc-Ablagerungen und prominente perineuronale Färbung
„Klassische“ CJD-Pathologie: Spongiforme Veränderungen mit kleinen runden bis ovalen Vakuolen von 2–10 μm Größe, überwiegend in neuronalen Fortsätzen; oft ist der okzipitale Kortex besonders betroffen; „synaptische“ PrPSc-Ablagerung zusätzlich in einem Drittel der Fälle konfluierende Vakuolen und perivakuoläres PrPSc-Färbung
Neuropathologische Charakteristika
Kapitel 12
2
9
16
70
Fälle [%]
12
sCJD-Variante
Tabelle 12.5 Molekulare Klassifikation der sporadischen CJD
344 Prionkrankheiten
Krankheitsbilder
erbliche Leiden. Derzeit sind an über 30 PRNP-Mutationen bekannt (s. Tabelle 12.1), die zu genetisch bedingten CJD führen, manche davon nur in einzelnen Familien. Genetische (hereditäre) Formen der CJD sind von der sporadischen CJD häufig weder klinisch noch pathologisch unterscheidbar [111]. Es finden sich jedoch nicht selten längere klinische Verläufe als bei der sCJD. Die E200K-Mutation ist weltweit die häufigste Ursache für die gCJD, sie findet sich bei mehr als 50% aller gCJD-Patienten. Sie ist klinisch und neuropathologisch von der sporadischen CJD nicht zu unterscheiden. Diese Mutation ist auch die Ursache für einen CJD-Cluster bei libyschen Juden in Israel. Ursprünglich glaubte man, dass diese erhöhte CJD-Inzidenz auf den Verzehr von Schafgehirnen oder -augen zurückzuführen sei [53]; es hat sich jedoch in den letzten Jahren herausgestellt, dass in jedem Erkrankungsfall dieser Gruppe mindestens ein PRNPAllel die Mutation E200K trägt und dass diese Mutation genetisch mit der CJD verbunden ist [41]. Andere Cluster sind seit längerem in der Slowakei, in Chile, Italien und Frankreich bekannt. Die lokalen Häufungen von CJD in manchen Regionen der Slowakei sind familiäre Fälle mit einer E200K-Mutation. Die Penetranz dieser Mutation ist etwas umstritten. Sie wurde von manchen mit 56% angegeben, wird jedoch heute allgemein mit 100% beziffert, ebenso wie die anderen PRNP-Mutationen [40]. Andere Punktmutationen, die bei gCJD gefunden wurden, sind V180I, T183A, R208H, V210I und M232R. Auch Insertionsmutationen können Ursache des klinischen Bildes einer fCJD sein. Der Krankheitsphänotyp, der durch die D178NMutation hervorgerufen wird, ist durch den Polymorphismus am Codon 129 determiniert, der entweder Methionin oder Valin kodiert [42]. Valin am Codon 129 des mutierten Allels ist mit der familiären CreutzfeldtJakob-Krankheit vergesellschaftet, während Methionin am Codon 129 in Verbindung mit der D178N-Mutation den FFI-Phänotyp hervorruft. Die biochemische Analyse des PrPSc aus Gehirnmaterial von FFI- und CJD-D178NPatienten hat zwei verschiedene Proteine in Bezug auf die Größe des proteaseresistenten Kerns und die relative Verteilung der Glykosylierungsformen gezeigt [77]. Während die FFI lange als große Rarität galt, nimmt man heute an, dass sie nach CJD-E200K und GSS-P102L die dritthäufigste genetische Prionkrankheit ist. In Deutschland ist sie die am häufigsten zu beobachtende hereditäre Prionkrankheit [59, 110].
345
und Wachstumshormon von Leichenhypophysen [18] und Dura-mater-Implantate [105]. Die Transmission durch kontaminiertes humanes Wachstumshormon (HGH) hat wegen der großen Anzahl möglicherweise betroffener Personen besonderes Aufsehen erregt. Weltweit wurden mehr als 194 HGHassoziierte Fälle registriert [10], 8000 Personen haben zwischen 1963 und 1985 allein in den USA HGH erhalten. Seit 1985 wird überwiegend rekombinantes HGH verwendet, es werden jedoch immer wieder einzelne Erkrankungsfälle mit sehr langer Inkubationszeit berichtet. Im Februar 1987 wurde über den ersten CJD-Fall berichtet, der mit einem Dura-mater-Graft (Lyodura) in Verbindung gebracht wird [105]. Im selben Jahr wurden die Sammel- und Verarbeitungsbedingungen für Dura mater geändert, um ein mögliches Risiko der Übertragung durch Dura-mater-Grafts zu minimieren oder auszuschließen. Weitere Fallberichte aus Deutschland, Italien, Spanien, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich, den USA und Japan legten die Vermutung nahe, dass vor 1987 verarbeitete Lyodura in der Tat mit einem erhöhten CJD-Risiko assoziiert war. Weltweit wurden bislang an die 200 iCJD Fälle nach Dura-Implantation berichtet [10]. Die durchschnittliche Inkubationszeit liegt bei etwa 7 Jahren, es werden jedoch Einzelfälle mit Inkubationszeiten von mehr als 20 Jahren publiziert [64]. Das klinische Erscheinungsbild der iCJD ist dem der sCJD sehr ähnlich, variiert jedoch in Grenzen in Abhängigkeit von Infektionsweg. Die meisten durch Duramater-Implantation übertragenen Fälle sind von der sCJD nicht zu unterscheiden, bei manchen scheint in frühen Stadien eine zerebelläre Symptomatik im Vordergrund zu stehen [47]. Die Therapie mit Hypophysenhormonen erfolgte über periphere Injektion, das klinische Bild soll überwiegend in einer zerebellären Symptomatik bestehen, kognitive Veränderungen sollen spät, wenn überhaupt hinzutreten [70]. Auch die neuropathologischen Veränderungen sind denen bei sCJD-Fällen vergleichbar; lediglich bei einzelnen Fällen, die durch Duramater-Implantation übertragen wurden, wurden floride Plaques in geringer Dichte berichtet [64, 98]. Drei Fälle einer wahrscheinlichen Transmission von vCJD durch Bluttransfusion von asymptomatischen Spendern, die später vCJD entwickelten, wurden berichtet. In einem vierten Fall war ein Patient an einer nichtneurologischen Erkrankung verstorben, PrPSc wurde aber in der Milz nachgewiesen [10, 87].
Iatrogen übertragene CJD (iCJD)
Auf die Möglichkeit einer iatrogenen CJD-Übertragung wurde erstmals 1974 von Duffy et al. im Zusammenhang mit einer Korneatransplantation von einem Spender mit CJD hingewiesen [26]. In den folgenden Jahren wurde über andere Übertragungsmodi berichtet, wie die Übertragung durch kontaminierte EEG-Tiefenelektroden [4], neurochirurgische Instrumente [109], Gonadotrophin
Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD)
Eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beobachteten Will et al. 1996 [108] bei 10 Patienten im Vereinigten Königreich. Diese Patienten hatten ein mittleres Alter von 29 Jahren und waren zunächst mit psychiatrischen Veränderungen aufgefallen, während sich CJDtypische Symptome später entwickelt hatten.
346
Kapitel 12
Die bei der Autopsie gefundenen neuropathologischen Veränderungen waren außergewöhnlich. Es fanden sich weit verbreitete Ablagerungen von PrPSc in vielen Regionen des Gehirns in einer Art und Weise, wie sie vor 1996 beim Menschen nur bei hereditären Fällen beschrieben worden waren. Zusätzlich fanden sich sog. floride Plaques mit einer zentralen PrP-Akkumulation und umgebenden Vakuolen, die bis dahin bei Prionkrankheiten des Menschen noch nicht beobachtet worden waren (s. Abb. 12.3d). Die sichere Diagnose beruht auf einer Untersuchung von Hirngewebe: • neuropathologische Untersuchung einschließlich Immunhistochemie mit Antikörpern gegen PrP, • Western-blot-Analyse mit Antikörpern gegen PrP, • ggf. Isolation von Skrapie-assoziierten Fibrillen oder „Prion rods“.
12
Von 1996 bis März 2009 wurden 169 primäre Fälle der vCJD im Vereinigten Königreich registriert. 44 Fälle wurden in anderen Ländern beobachtet, davon 23 in Frankreich gefolgt von Spanien (5 Fälle) und Irland (4 Fälle; Quelle: www.cjd.ed.ac.uk, März 2009). Mit Ausnahme eines klinisch möglichen heterozygoten vCJD-Falls waren alle bis jetzt beobachteten vCJDPatienten methioninhomozygot am Codon 129 des Prionproteingens; der jüngste Patientin war 12 Jahre zu Beginn der Krankheit, der älteste Patient war 74 Jahre alt. vCJD zeigt auffällige neue Charakteristika im extrazerebralen Verteilungsmuster von PrPSc, nämlich in Tonsillen, Lymphknoten, Milz und Appendix. Es überrascht daher nicht, dass vCJD ganz offensichtlich durch Bluttransfusion übertragbar ist [10, 87]. Es wird heute als sicher angenommen, dass vCJD durch den Verzehr von Nahrungsmitteln oder anderen Produkten, die große Mengen des BSE-Agens (BSE-Prionen) enthalten, verursacht wird. Dies wird durch epidemiologische und eine Vielzahl experimenteller Daten unterstützt. Das Auftreten der vCJD 10 Jahre nach der BSE in dem Land mit der höchsten Inzidenz der BSE ist mit dieser Hypothese sehr gut vereinbar. Das PrPSc-Bandenmuster der vCJD ist – anders als bei der sporadischen CJD (s. Abb. 12.4) – dem der BSE ähnlich. Obwohl BSE und vCJD unterschiedliche pathologische Phänotypen zeigen, rufen beide Krankheiten nach Transmission auf genetisch homogene Tiere (Inzuchtmäuse) praktisch ein identisches Muster hervor, während bei diesen Mäusestämmen in Typisierungsexperimenten alle untersuchten Skrapiestämme und sCJD-Fälle deutlich unterschiedlich waren [14]. Diese Befunde wurden bei transgenen Tieren bestätigt, die das bovine PrP exprimieren [96]. Letztendlich besteht daher kein vernünftiger Zweifel, dass die BSE auf den Menschen übertragbar ist und die vCJD verursacht. Die verfügbaren epidemiologischen Daten reichen allerdings nicht aus, die Anzahl der in den
Prionkrankheiten
nächsten Jahren zu erwartenden Fälle verlässlich abzuschätzen, da weder die mittlere Inkubationszeit noch die Form der epidemiologischen Kurve, der genaue Übertragungsmodus oder irgendein anderer Parameter bekannt ist, der möglicherweise die Übertragung beeinflusst. Die Zahl der in Großbritannien jährlich neu auftretenden Fälle ist deutlich rückläufig. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass weitere Häufigkeitsgipfel möglicherweise in genetisch anders gelagerten Gruppen oder durch sekundäre Transmission etwa durch Bluttransfusion zu beobachten sein werden [68, 87, 111]. Hinweise zur Durchführung von Autopsien bei CJD-Verdacht
Es wird Folgendes vorgeschlagen: Augen- und Mundschutz tragen sowie Schnittverletzungen durch Unterziehen von Kevlar-Handschuhen oder Kettenhandschuhen unter Latexhandschuhe vorbeugen. Der Sektionstisch wird mit Plastikfolien abgedeckt und die Körpersektion wird als In-situ-Sektion im Bodybag durchgeführt. Knochenschnitte werden mit einer Handsäge durchgeführt, um Schwebestäube zu vermeiden. Flüssigkeiten sind sofort mit saugfähigem Material (Zellstoff) aufzunehmen. Die Hirnentnahme erfolgt als letzter Sektionsschritt. Tischabdeckung, Zellstoff und Einmalmaterial sind in Verbrennungstonnen zu entsorgen, und der Inhalt ist als infektiös zu deklarieren. Die Hirnsektion erfolgt nach mindestens zweiwöchiger Formalinfixierung. Wichtig ist, daran zu denken, dass die Formalinfixierung keine effektive Dekontamination des Gewebes bewirkt und auch die Formalinflüssigkeit als infektiös betrachtet und mit dem Verbrennungsabfall entsorgt werden muss. Nach dem Zuschnitt der Gehirnproben werden diese in Histologiekapseln für eine Stunde in konzentrierter Ameisensäure dekontaminiert und anschließend für 2 Tage in frischem, 4%igem gepuffertem Formalin nachfixiert und in Paraffin eingebettet. Die Ameisensäuredekontamination reduziert die Infektiosität mindestens um einen Faktor 107 [11]. Das infektiöse Agens (Prion) weist eine hohe Hitze-, Detergenz- und Strahlungsresistenz auf. Als Dekontaminationsmaßnahme für Instrumente und Oberflächen haben sich folgende Maßnahmen bewährt: Dampfautoklavieren von autoklavierbarem Material bei 134 °C für 1 h, bei 121 °C für 4,5 h oder bei 136 °C in zwei aufeinander folgenden Zyklen von je 36 min Länge. Bei nichtautoklavierbarem Material Einlegen in 2 N NaOH (2-mal mindestens 30 min). Arbeitsflächen werden mit 2 N NaOH mehrfach abgewischt, um eine längere Einwirkzeit zu gewährleisten. NaOH ist sehr gut auf Stahloberflächen, jedoch nicht auf Aluminium oder Zinkoberflächen zu verwenden. Alternativ kann eine Natriumhypochloridlösung angewandt werden, die mindestens 20.000 ppm freies Chlor enthalten muss. Kontaminierte Haut wird 5–10 min 1 N NaOH ausgesetzt, danach gründlich mit Wasser abgespült.
347
Krankheitsbilder
Alle Restmaterialen, Einweggeräte und kontaminierte Flüssigkeiten werden in gekennzeichnete Verbrennungstonnen gegeben und verschlossen.
Kuru Diese Krankheit wurde bis in die 60er Jahre unseres Jahrhunderts durch rituellen Kannibalismus im Fore-Volk in Neuguinea verbreitet. Sie gehört zusammen mit der iatrogenen CJD und der neuen Variante der CJD zu den erworbenen Prionkrankheiten des Menschen. Die genauen Bedingungen des bei den Fore praktizierten rituellen Kannibalismus in einem Ahnenkult sind nicht bekannt. Mit dem Ende dieser Gebräuche Anfang der 60er Jahre kam die Krankheit zu einem Ende; es wurde allerdings in der Folge über Inkubationszeiten von mehr als 3 Jahrzehnten berichtet. Die Krankheit war in erster Linie durch Ataxie und andere neurologische Ausfallserscheinungen charakterisiert, während Demenz sehr spät und in manchen Fällen wohl gar nicht auftrat. Neuropathologisch wird darauf hingewiesen, dass das Kleinhirn besonders stark von pathologischen Veränderungen betroffen gewesen sei und sich besonders häufig Kuru-Plaques gefunden hätten.
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) GSS wurde erstmals 1928 beschrieben (Gerstmann 1928; Gerstmann et al. 1936) und kann, wie wir heute wissen, durch eine Reihe unterschiedlicher Mutationen des PRNP verursacht werden [34, 35]. Klinisch erscheinen die Patienten überwiegend ataktisch. Sie entwickeln Dysphagie, Dysarthrie, Hyporeflexie und Demenz, die sich in vielen Fällen erst spät und nicht immer sehr ausgeprägt darstellt. Bemerkenswert ist, dass die klinische Manifestation einer CJD oder GSS bei Trägern derselben Mutation in ein und derselben Familie beobachtet werden kann und eine sichere Unterscheidung mit klinischen Mitteln nicht immer möglich ist. Neuropathologisch stellt sich die GSS als eigene Entität dar, die durch große multizentrische prionproteinhaltige Amyloidplaques definiert wird. Andere pathologische Charakteristika variieren beträchtlich. So finden sich z. T. ausgeprägte spongiforme Veränderungen bei der P102L-Mutation, neurofibrilläre Tangles bei den Mutationen Y145*, F198S und Q217R und eine Amyloidangiopathie bei der Y145*-Mutation. Am häufigsten findet sich bei GSS-Familien die P102L-Mutation, die auch bei der erstbeschriebenen Familie identifiziert wurde [60]. Weitere PRNP-Mutationen, die bei GSS-Familien gefunden wurden, sind P105L und A117V.
Experimentell ist es gelungen, mit Hirngewebe von P102L-Fällen eine spongiforme Enzephalopathie auf Primaten und Nagetiere zu übertragen [72, 101]. So konnte gezeigt werden, dass GSS eine genetische und transmissible (infektiöse) Krankheit ist. Transgene Mäuse, die ein murines PrP-Gen mit der P102L-Mutation exprimieren, entwickeln spontan eine neurodegenerative Krankheit, die von Skrapie nicht zu unterscheiden ist. Diese Krankheit ist auf transgene Mäuse übertragbar [49, 50].
Letale familiäre Insomnie („fatal familial insomnia“ oder FFI) Die FFI (letale familiäre Insomnie) fällt häufig durch Insomnie und Dysautonomie auf, später zeigen sich Ataxie, Dysarthrie, Myoklonie und Dysfunktion der Pyramidenbahnen. Schließlich entwickeln die betroffenen Patienten eine weitgehende Insomnie und Demenz, Rigidität, Dystonie und Mutismus [78]. Neuropathologisch ist die FFI durch Nervenzellverlust und astrozytäre Gliose vorwiegend im Thalamus (anteroventraler und mediodorsaler Kern) sowie in der unteren Olive gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu variieren die Veränderungen im Kortex sehr stark und sind am deutlichsten im limbischen Kortex ausgeprägt. Der entorhinale Kortex ist praktisch immer betroffen. Spongiforme Veränderungen sind in vielen Fällen nur minimal ausgeprägt und nur in wenigen kortikalen Regionen zu finden. PrP-Ablagerungen sind mit herkömmlichen immunhistochemischen Methoden mitunter kaum darstellbar, besonders bei Fällen mit einem kurzen klinischen Verlauf, so dass die Krankheit häufig erst nach molekulargenetischer Untersuchung des PRNP oder mit Hilfe des PET-Blot [95] mit Sicherheit diagnostiziert werden kann [86]. FFI wird ausschließlich bei Patienten mit einer D178N-Mutation des PRNP, bei dem sich ein Methionincodon an der Position 129 desselben Allels findet, identifiziert [75]. In manchen Fällen scheint diese Konstellation jedoch zu einem Krankheitsbild zu führen, das von der klassischen CJD nur schwer zu unterscheiden ist. Die sporadische MM2T-Variante der CJD (Tabelle 12.5) hat große Ähnlichkeit mit der FFI und wird von manchen als sporadische letale Insomnie („sporadic falal insomnia“, sFI) beizeichnet [79].
Fortschritte in der In-vivo-Diagnostik Obwohl Transmissionsstudien darauf hindeuten, dass eine niedrige Erregerdichte im Liquor vorhanden sein kann, ist es bislang mit allgemein verfügbaren Techniken
348
12
Kapitel 12
wie der Western-blot-Analyse oder ELISA nicht gelungen, PrPSc-Aggregate direkt dort nachzuweisen. Basierend auf einem konfokalen Zweifarbfluoreszenz-Korrelationsspektroskopie-(FCS-) Ansatz, einer Technik, die sich für Einzelmolekülnachweise eignet, wurde eine neue, hochsensitive Methode, die „Scanning-for-intensely-fluorescent-targets-(SIFT-)Technik“ für PrPSc entwickelt [6]. Bei dieser Technik werden pathologische Prionproteinaggregate durch spezifische fluoreszierende Antikörper markiert. Es entstehen dadurch intensiv fluoreszierende Zielmoleküle (PrPSc-Aggregate), die in einem speziellen Scanning-Verfahren in einer Zweifarbfluoreszenz-Intensitätsverteilungsanalyse untersucht werden. In einem diagnostischen Modellsystem waren PrPSc-Aggregate bis zu einer Konzentration von 2 pM PrPSc nachweisbar, was mit einer Aggregatkonzentration von ungefähr 2 fM korreliert. Dies war mehr als eine Größenordnung sensitiver als die Western-blot-Analyse. PrPSc-spezifische Signale wurden in einer Reihe von Liquorproben von CJD-Patienten entdeckt. Es ist damit zum ersten Mal gelungen, PrPSc im Liquor direkt nachzuweisen. Derzeit muss man jedoch verschiedenen In-vitro-Prion-Amplifikationsverfahren wie der PMCA [2, 93] ein größeres Entwicklungspotential zutrauen, obwohl deren Mechanismen nicht verstanden werden und die Verfahren artefaktanfällig sind.
Prionkrankheiten
Literatur 1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Therapie Derzeit ist keine kausal wirksame Therapie der CJD etabliert. Viele zunächst in vitro oder in Zellkultur vielversprechend aussehende Ansätze haben sich im Tierversuch oder beim Einsatz am Menschen als entweder unverträglich oder nicht wirksam erweisen. Ein Beispiel dafür ist Quinacrin, das die PrPSc-Vermehrung in Zellkultur hemmt [57], aber beim Einsatz an CJD-Patienten keine nachweisbare Wirkung zeigt [20]. Tetrazykline scheinen in vitro und im Tierversuch mit PrPSc direkt zu interagieren, die Infektiosität zu vermindern und die Überlebenszeit zu verlängern [29]; sie werden probeweise bei CJD-Patienten eingesetzt. In mehreren Arbeitsgruppen wird mit High-throughput-Screening-Verfahren nach Substanzen gesucht, die die Amplifikation von PrPSc verhindern [5]. Da Zellen für die Vermehrung von Prionen zelluläres PrPC benötigen und daher Prnp0/0Mäuse nicht mit Prionen infiziert werden können, gelingt es, mit anti-PrP-siRNA-produzierenen retroviralen Konstrukten in chimären Mäusen die Skrapie-Inkubationszeit zu verlängern [88]; das Problem dieser Therapieform besteht darin, dass die Retroviren mit den derzeit angewandten Techniken nur eine geringe Anzahl von Zellen im Organismus erreichen.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
Anderson RM, Donnelly CA, Ferguson NM et al. (1996) Transmission dynamics and epidemiology of BSE in British cattle. Nature 382: 779–788 Atarashi R, Moore RA, Sim VL, Hughson AG, Dorward DW, Onwubiko HA, Priola SA, Caughey B (2007) Ultrasensitive detection of scrapie prion protein using seeded conversion of recombinant prion protein. Nat Methods 4: 645–650 Baringer JR, Bowman KA, Prusiner SB (1983) Replication of the scrapie agent in hamster brain precedes neuronal vacuolation. J Neuropathol Exp Neurol 42: 539–547 Bernoulli C, Siegfried J, Baumgartner G, Regli F, Rabinowicz T, Gajdusek DC, Gibbs CJ Jr (1977) Danger of accidental person-to-person transmission of Creutzfeldt-Jakob disease by surgery. Lancet 1: 478–479 Bertsch U, Winklhofer KF, Hirschberger T et al. (2005) Systematic identification of antiprion drugs by highthroughput screening based on scanning for intensely fluorescent targets. J Virol 79: 7785–7791 Bieschke J, Giese A, Schulz-Schaeffer W, Zerr I, Poser S, Eigen M, Kretzschmar H (2000) Ultrasensitive detection of pathological prion protein aggregates by dual-color scanning for intensely fluorescent targets. Proc Natl Acad Sci USA 97: 5468–5473 Bieschke J, Weber P, Sarafoff N, Beekes M, Giese A, Kretzschmar H (2004) Autocatalytic self-propagation of misfolded prion protein. Proc Natl Acad Sci USA 101: 12207–12211 Bishop MT, Hart P, Aitchison L et al. (2006) Predicting susceptibility and incubation time of human-to-human transmission of vCJD. Lancet Neurol 5: 393–398 Brandner S, Isenmann S, Raeber A, Fischer M, Sailer A, Kobayashi Y, Marino S, Weissmann C, Aguzzi A (1996) Normal host prion protein necessary for scrapie-induced neurotoxicity. Nature 379: 339–343 Brown P, Brandel JP, Preece M, Sato T (2006) Iatrogenic Creutzfeldt-Jakob disease: the waning of an era. Neurology 67: 389–393 Brown P, Wolff A, Gajdusek DC (1990) A simple and effective method for inactivating virus infectivity in formalin-fixed tissue samples from patients with Creutzfeldt-Jakob disease. Neurology 40: 887–890 Brownell B, Oppenheimer DR (1965) An ataxic form of subacute presenile polioencephalopathy (CreutzfeldtJakob disease). J Neurol Neurosurg Psychiatry 28: 350–361 Bruce ME (1985) Agent replication dynamics in a long incubation period model of mouse scrapie. J Gen Virol 66 (Pt 12): 2517–2522 Bruce ME, Will RG, Ironside JW et al. (1997) Transmissions to mice indicate that ‘new variant’ CJD is caused by the BSE agent. Nature 389: 498–501 Bueler H, Aguzzi A, Sailer A, Greiner RA, Autenried P, Aguet M, Weissmann C (1993) Mice devoid of PrP are resistant to scrapie. Cell 73: 1339–1347
Literatur
16.
17. 18.
19.
20.
21. 22.
23.
24.
25.
26.
27. 28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
Bundza A, Charlton KM (1988) Comparison of spongiform lesions in experimental scrapie and rabies in skunks. Acta Neuropathol 76: 275–280 Castilla J, Saa P, Hetz C, Soto C (2005) In vitro generation of infectious scrapie prions. Cell 121: 195–206 Cochius JI, Burns RJ, Blumbergs PC, Mack K, Alderman CP (1990) Creutzfeldt-Jakob disease in a recipient of human pituitary-derived gonadotrophin. Aust N Z J Med 20: 592–593 Collinge J, Brown J, Hardy J et al. (1992) Inherited prion disease with 144 base pair gene insertion. 2. Clinical and pathological features. Brain 115 (Pt 3): 687–710 Collinge J, Gorham M, Hudson F et al. (2009) Safety and efficacy of quinacrine in human prion disease (PRION-1 study): a patient-preference trial. Lancet Neurol 8: 334–344 Collinge J, Owen F, Poulter M et al. (1990) Prion dementia without characteristic pathology. Lancet 336: 7–9 Creutzfeldt HG (1920) Über eine eigenartige herdförmige Erkrankung des Zentralnervensystems. Z Ges Neurol Psychiatr 57: 1–8 Cuillé J, Chelle P-L (1936) La maladie dite tremblante du mouton est-elle inoculable? C R Acad Sci (III) 203: 1552–1554 David-Ferreira JF, David-Ferreira KL, Gibbs CJ Jr, Morris JA (1968) Scrapie in mice: ultrastructural observations in the cerebral cortex. Proc Soc Exp Biol Med 127: 313–320 Doi-Yi R, Kitamoto T, Tateishi J (1991) Immunoreactivity of cerebral amyloidosis is enhanced by protein denaturation treatments. Acta Neuropathol 82: 260–265 Duffy P, Wolf J, Collins G, DeVoe AG, Streeten B, Cowen D (1974) Letter: Possible person-to-person transmission of Creutzfeldt-Jakob disease. N Engl J Med 290: 692–693 Eigen M (1996) Prionics or the kinetic basis of prion diseases. Biophys Chem 63: A1–18 Forloni G, Angeretti N, Chiesa R, Monzani E, Salmona M, Bugiani O, Tagliavini F (1993) Neurotoxicity of a prion protein fragment. Nature 362: 543–546 Forloni G, Iussich S, Awan T et al. (2002) Tetracyclines affect prion infectivity. Proc Natl Acad Sci USA 99: 10849– 10854 Gabriel JM, Oesch B, Kretzschmar H, Scott M, Prusiner SB (1992) Molecular cloning of a candidate chicken prion protein. Proc Natl Acad Sci USA 89: 9097–9101 Gajdusek DC, Gibbs CJ, Alpers M (1966) Experimental transmission of a Kuru-like syndrome to chimpanzees. Nature 209: 794–796 Gajdusek DC, Zigas V (1957) Degenerative disease of the central nervous system in New Guinea; the endemic occurrence of kuru in the native population. N Engl J Med 257: 974–978 Gambetti P, Dong Z, Yuan J et al. (2008) A novel human disease with abnormal prion protein sensitive to protease. Ann Neurol 63: 697–708 Gerstmann J (1928) Über ein noch nicht beschriebenes Reflexphänomen bei einer Erkrankung des zerebellaren Systems. Wien Med Wochenschr 78: 906–908
349
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43. 44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
Gerstmann J, Sträussler E, Scheinker I (1936) Über eine eigenartige hereditär-familiäre Erkrankung des Zentralnervensystems. Zugleich ein Beitrag zur Frage des vorzeitigen lokalen Alterns. Z Neurol 154: 736–762 Gibbs CJ Jr, Gajdusek DC, Asher DM, Alpers MP, Beck E, Daniel PM, Matthews WB (1968) Creutzfeldt-Jakob disease (spongiform encephalopathy): transmission to the chimpanzee. Science 161: 388–389 Giese A, Brown DR, Groschup MH, Feldmann C, Haist I, Kretzschmar HA (1998) Role of microglia in neuronal cell death in prion disease. Brain Pathol 8: 449–457 Giese A, Groschup MH, Hess B, Kretzschmar HA (1995) Neuronal cell death in scrapie-infected mice is due to apoptosis. Brain Pathol 5: 213–221 Glatzel M, Heppner FL, Albers KM, Aguzzi A (2001) Sympathetic innervation of lymphoreticular organs is rate limiting for prion neuroinvasion. Neuron 31: 25–34 Goldfarb LG, Brown P, Mitrova E et al. (1991) CreutzfeldtJacob disease associated with the PRNP codon 200Lys mutation: an analysis of 45 families. Eur J Epidemiol 7: 477–486 Goldfarb LG, Korczyn AD, Brown P, Chapman J, Gajdusek DC (1990) Mutation in codon 200 of scrapie amyloid precursor gene linked to Creutzfeldt-Jakob disease in Sephardic Jews of Libyan and non-Libyan origin. Lancet 336: 637–638 Goldfarb LG, Petersen RB, Tabaton M et al. (1992) Fatal familial insomnia and familial Creutzfeldt-Jakob disease: disease phenotype determined by a DNA polymorphism. Science 258: 806–808 Hadlow WJ (1959) Scrapie and kuru. Lancet ii: 289–290 Hegde RS, Tremblay P, Groth D, DeArmond SJ, Prusiner SB, Lingappa VR (1999) Transmissible and genetic prion diseases share a common pathway of neurodegeneration. Nature 402: 822–826 Heidenhain A (1929) Klinische und anatomische Untersuchungen über eine eigenartige organische Erkrankung des Zentralnervensystems im Praesenium. Z Ges Neurol Psychiatr 118: 49–114 Hilton DA, Fathers E, Edwards P, Ironside JW, Zajicek J (1998) Prion immunoreactivity in appendix before clinical onset of variant Creutzfeldt-Jakob disease. Lancet 352: 703–704 Hoshi K, Yoshino H, Urata J, Nakamura Y, Yanagawa H, Sato T (2000) Creutzfeldt-Jakob disease associated with cadaveric dura mater grafts in Japan. Neurology 55: 718–21 Hsiao K, Baker HF, Crow TJ et al. (1989) Linkage of a prion protein missense variant to Gerstmann-Straussler syndrome. Nature 338: 342–345 Hsiao KK, Groth D, Scott M et al. (1994) Serial transmission in rodents of neurodegeneration from transgenic mice expressing mutant prion protein. Proc Natl Acad Sci USA 91: 9126–9130 Hsiao KK, Scott M, Foster D, Groth DF, DeArmond SJ, Prusiner SB (1990) Spontaneous neurodegeneration in transgenic mice with mutant prion protein. Science 250: 1587–1590
350
Kapitel 12
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
12 58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
Jakob A (1921) Über eigenartige Erkrankungen des Zentralnervensystems mit bemerkenswertem anatomischem Befunde (spastische Pseurosklerose-Encephalomyelopathie mit disseminierten Degenerationsherden). Dtsch Z Nervenheilkd 70: 132–146 Jeffrey M, Goodbrand IA, Goodsir CM (1995) Pathology of the transmissible spongiform encephalopathies with special emphasis on ultrastructure. Micron 26: 277–298 Kahana E, Alter M, Braham J, Sofer D (1974) Creutzfeldtjakob disease: focus among Libyan Jews in Israel. Science 183: 90–91 Kim YS, Carp RI, Callahan SM, Wisniewski HM (1987) Incubation periods and survival times for mice injected stereotaxically with three scrapie strains in different brain regions. J Gen Virol 68 (Pt 3): 695–702 Kitamoto T, Ogomori K, Tateishi J, Prusiner SB (1987) Formic acid pretreatment enhances immunostaining of cerebral and systemic amyloids. Lab Invest 57: 230–236 Klein MA, Frigg R, Raeber AJ, Flechsig E, Hegyi I, Zinkernagel RM, Weissmann C, Aguzzi A (1998) PrP expression in B lymphocytes is not required for prion neuroinvasion. Nat Med 4: 1429–1433 Korth C, May BC, Cohen FE, Prusiner SB (2001) Acridine and phenothiazine derivatives as pharmacotherapeutics for prion disease. Proc Natl Acad Sci USA 98: 9836–9841 Krebs B, Bader B, Klehmet J et al. (2007) A novel subtype of Creutzfeldt-Jakob disease characterized by a small 6 kDa PrP fragment. Acta Neuropathol 114: 195–199 Kretzschmar H, Giese A, Zerr I, Windl O, Schulz-Schaeffer W, Skworc K, Poser S (1998) The German FFI cases. Brain Pathol 8: 559–561 Kretzschmar HA, Honold G, Seitelberger F, Feucht M, Wessely P, Mehraein P, Budka H (1991) Prion protein mutation in family first reported by Gerstmann, Straussler, and Scheinker. Lancet 337: 1160 Kretzschmar HA, Ironside JW, DeArmond SJ, Tateishi J (1996) Diagnostic criteria for sporadic Creutzfeldt-Jakob disease. Arch Neurol 53: 913–920 Kretzschmar HA, Neumann M, Stavrou D (1995) Codon 178 mutation of the human prion protein gene in a German family (Backer family): sequencing data from 72year-old celloidin-embedded brain tissue. Acta Neuropathol 89: 96–98 Kretzschmar HA, Prusiner SB, Stowring LE, DeArmond SJ (1986) Scrapie prion proteins are synthesized in neurons. Am J Pathol 122: 1–5 Kretzschmar HA, Sethi S, Foldvari Z, Windl O, Querner V, Zerr I, Poser S (2003) Iatrogenic Creutzfeldt-Jakob disease with florid plaques. Brain Pathol 13: 245–249 Kretzschmar HA, Stowring LE, Westaway D, Stubblebine WH, Prusiner SB, Dearmond SJ (1986) Molecular cloning of a human prion protein cDNA. DNA 5: 315–324 Liberski PP, Budka H, Sluga E, Barcikowska M, Kwiecinski H (1991) Tubulovesicular structures in human and experimental Creutzfeldt-Jakob disease. Eur J Epidemiol 7: 551–555
Prionkrankheiten
67.
68.
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80.
Liberski PP, Jeffrey M, Goodsir C (1997) Tubulovesicular structures are not labeled using antibodies to prion protein (PrP) with the immunogold electron microscopy techniques. Acta Neuropathol 93: 260–264 Llewelyn CA, Hewitt PE, Knight RS, Amar K, Cousens S, Mackenzie J, Will RG (2004) Possible transmission of variant Creutzfeldt-Jakob disease by blood transfusion. Lancet 363: 417–421 Manson JC, Jamieson E, Baybutt H et al. (1999) A single amino acid alteration (101L) introduced into murine PrP dramatically alters incubation time of transmissible spongiform encephalopathy. EMBO J 18: 6855–6864 Markus HS, Duchen LW, Parkin EM, Kurtz AB, Jacobs HS, Costa DC, Harrison MJ (1992) Creutzfeldt-Jakob disease in recipients of human growth hormone in the United Kingdom: a clinical and radiographic study. Q J Med 82: 43–51 Marsh RF, Sipe JC, Morse SS, Hanson RP (1976) Transmissible mink encephalopathy. Reduced spongiform degeneration in aged mink of the Chediak-Higashi genotype. Lab Invest 34: 381–386 Masters CL, Gajdusek DC, Gibbs CJ Jr (1981) CreutzfeldtJakob disease virus isolations from the Gerstmann-Straussler syndrome with an analysis of the various forms of amyloid plaque deposition in the virus-induced spongiform encephalopathies. Brain 104: 559–588 Masters CL, Harris JO, Gajdusek DC, Gibbs CJ Jr, Bernoulli C, Asher DM (1979) Creutzfeldt-Jakob disease: patterns of worldwide occurrence and the significance of familial and sporadic clustering. Ann Neurol 5: 177–188 McBride PA, Schulz-Schaeffer WJ, Donaldson M, Bruce M, Diringer H, Kretzschmar HA, Beekes M (2001) Early spread of scrapie from the gastrointestinal tract to the central nervous system involves autonomic fibers of the splanchnic and vagus nerves. J Virol 75: 9320–9327 Medori R, Tritschler HJ, LeBlanc A et al. (1992) Fatal familial insomnia, a prion disease with a mutation at codon 178 of the prion protein gene. N Engl J Med 326: 444–449 Mizutani T, Okumura A, Oda M, Shiraki H (1981) Panencephalopathic type of Creutzfeldt-Jakob disease: primary involvement of the cerebral white matter. J Neurol Neurosurg Psychiatry 44: 103–115 Monari L, Chen SG, Brown P et al. (1994) Fatal familial insomnia and familial Creutzfeldt-Jakob disease: different prion proteins determined by a DNA polymorphism. Proc Natl Acad Sci USA 91: 2839–2842 Montagna P, Cortelli P, Avoni P et al. (1998) Clinical features of fatal familial insomnia: phenotypic variability in relation to a polymorphism at codon 129 of the prion protein gene. Brain Pathol 8: 515–520 Montagna P, Gambetti P, Cortelli P, Lugaresi E (2003) Familial and sporadic fatal insomnia. Lancet Neurol 2: 167–176 Moser M, Colello RJ, Pott U, Oesch B (1995) Developmental expression of the prion protein gene in glial cells. Neuron 14: 509–517
Literatur
81.
82.
83. 84.
85.
86.
87.
88.
89. 90. 91.
92.
93.
94.
95.
96.
97.
Notari S, Capellari S, Giese A et al. (2004) Effects of different experimental conditions on the PrPSc core generated by protease digestion: implications for strain typing and molecular classification of CJD. J Biol Chem 279: 16797–16804 Notari S, Capellari S, Langeveld J et al. (2007) A refined method for molecular typing reveals that co-occurrence of PrP(Sc) types in Creutzfeldt-Jakob disease is not the rule. Lab Invest 87: 1103–1112 Parchi P, Capellari S, Chen SG et al. (1997) Typing prion isoforms. Nature 386: 232–234 Parchi P, Castellani R, Capellari S et al. (1996) Molecular basis of phenotypic variability in sporadic Creutzfeldt-Jakob disease. Ann Neurol 39: 767–778 Parchi P, Giese A, Capellari S et al. (1999) Classification of sporadic Creutzfeldt-Jakob disease based on molecular and phenotypic analysis of 300 subjects. Ann Neurol 46: 224–233 Parchi P, Petersen RB, Chen SG et al. (1998) Molecular pathology of fatal familial insomnia. Brain Pathol 8: 539–548 Peden AH, Head MW, Ritchie DL, Bell JE, Ironside JW (2004) Preclinical vCJD after blood transfusion in a PRNP codon 129 heterozygous patient. Lancet 364: 527–529 Pfeifer A, Eigenbrod S, Al-Khadra S, Hofmann A, Mitteregger G, Moser M, Bertsch U, Kretzschmar H (2006) Lentivector-mediated RNAi efficiently suppresses prion protein and prolongs survival of scrapie-infected mice. J Clin Invest 116: 3204–3210 Prusiner SB (1982) Novel proteinaceous infectious particles cause scrapie. Science 216: 136–144 Prusiner SB (1998) Prions. Proc Natl Acad Sci USA 95: 13363–13383 Puckett C, Concannon P, Casey C, Hood L (1991) Genomic structure of the human prion protein gene. Am J Hum Genet 49: 320–329 Riek R, Hornemann S, Wider G, Billeter M, Glockshuber R, Wuthrich K (1996) NMR structure of the mouse prion protein domain PrP(121-321). Nature 382: 180–182 Saborio GP, Permanne B, Soto C (2001) Sensitive detection of pathological prion protein by cyclic amplification of protein misfolding. Nature 411: 810–813 Schatzl HM, Da Costa M, Taylor L, Cohen FE, Prusiner SB (1995) Prion protein gene variation among primates. J Mol Biol 245: 362–374 Schulz-Schaeffer WJ, Tschoke S, Kranefuss N et al. (2000) The paraffin-embedded tissue blot detects PrP(Sc) early in the incubation time in prion diseases. Am J Pathol 156: 51–56 Scott MR, Will R, Ironside J, Nguyen HO, Tremblay P, DeArmond SJ, Prusiner SB (1999) Compelling transgenetic evidence for transmission of bovine spongiform encephalopathy prions to humans. Proc Natl Acad Sci USA 96: 15137–15142 Sharpe AH, Hunter JJ, Chassler P, Jaenisch R (1990) Role of abortive retroviral infection of neurons in spongiform CNS degeneration. Nature 346: 181–183
351
98.
99.
100.
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
108.
109.
110.
111.
112.
Shimizu S, Hoshi K, Muramoto T et al. (1999) CreutzfeldtJakob disease with florid-type plaques after cadaveric dura mater grafting. Arch Neurol 56: 357–362 Smith PG, Bradley R (2003) Bovine spongiform encephalopathy (BSE) and its epidemiology. Br Med Bull 66: 185–198 Stahl N, Borchelt DR, Hsiao K, Prusiner SB (1987) Scrapie prion protein contains a phosphatidylinositol glycolipid. Cell 51: 229–240 Tateishi J, Ohta M, Koga M, Sato Y, Kuroiwa Y (1979) Transmission of chronic spongiform encephalopathy with kuru plaques from humans to small rodents. Ann Neurol 5: 581–584 Telling GC, Parchi P, DeArmond SJ et al. (1996) Evidence for the conformation of the pathologic isoform of the prion protein enciphering and propagating prion diversity. Science 274: 2079–2082 Telling GC, Scott M, Hsiao KK et al. (1994) Transmission of Creutzfeldt-Jakob disease from humans to transgenic mice expressing chimeric human-mouse prion protein. Proc Natl Acad Sci USA 91: 9936–9940 Telling GC, Scott M, Mastrianni J, Gabizon R, Torchia M, Cohen FE, DeArmond SJ, Prusiner SB (1995) Prion propagation in mice expressing human and chimeric PrP transgenes implicates the interaction of cellular PrP with another protein. Cell 83: 79–90 Thadani V, Penar PL, Partington J et al. (1988) Creutzfeldt-Jakob disease probably acquired from a cadaveric dura mater graft. Case report. J Neurosurg 69: 766–769 Weber P, Giese A, Piening N, Mitteregger G, Thomzig A, Beekes M, Kretzschmar HA (2006) Cell-free formation of misfolded prion protein with authentic prion infectivity. Proc Natl Acad Sci USA 103: 15818–15823 Westaway D, DeArmond SJ, Cayetano-Canlas J et al. (1994) Degeneration of skeletal muscle, peripheral nerves, and the central nervous system in transgenic mice overexpressing wild-type prion proteins. Cell 76: 117–129 Will RG, Ironside JW, Zeidler M et al. (1996) A new variant of Creutzfeldt-Jakob disease in the UK. Lancet 347: 921–925 Will RG, Matthews WB (1982) Evidence for case-to-case transmission of Creutzfeldt-Jakob disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry 45: 235–238 Windl O, Giese A, Schulz-Schaeffer W et al. (1999) Molecular genetics of human prion diseases in Germany. Hum Genet 105: 244–252 Wroe SJ, Pal S, Siddique D et al. (2006) Clinical presentation and pre-mortem diagnosis of variant Creutzfeldt-Jakob disease associated with blood transfusion: a case report. Lancet 368: 2061–2067 Yagi H, Irino M, Matsushita T et al. (1989) Spontaneous spongy degeneration of the brain stem in SAM-P/8 mice, a newly developed memory-deficient strain. J Neuropathol Exp Neurol 48: 577–590
Kapitel 13
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
13
T. Kuhlmann Inhalt Klinik und Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
Makroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
Histologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
Akute und chronische Läsionsstadien . . . . . . . . .
354
Axonale und oligodendrogliale Pathomechanismen .
356
Axonale Schädigungsmechanismen . . . . . . . . .
356
Oligodendrogliale Schädigungsund Reparaturmechanismen . . . . . . . . . . . . .
357
Veränderungen in der normal erscheinenden weißen Substanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358
Histologische Klassifikationen . . . . . . . . . . . . .
358
Verwandte demyelinisierende Erkrankungen . . . . .
358
Marburg-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358
Balos konzentrische Sklerose . . . . . . . . . . . . . .
358
Neuromyelitis optica (NMO) . . . . . . . . . . . . . .
360
Schilders diffuse Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . .
360
Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) . . .
361
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
361
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
354
Kapitel 13
Klinik und Verlauf
13
Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste, erworbene entzündlich-demyelinisierenden Erkrankung des zentralen Nervensystems, deren klinische Symptomatik und pathologischen Charakteristika erstmals von JeanMartin Charcot 1868 beschrieben worden sind [11, 22]. Die Häufigkeit der MS ist weltweit sehr unterschiedlich; die höchsten Prävalenzen werden in Europa und Nordamerika gefunden, wobei die Angaben in verschiedenen Studien deutlich variieren (zwischen ca. 50 und 200 Patienten/100.000 Einwohner) [33]. In Deutschland waren 2000 schätzungsweise 120.000 Menschen von der Erkrankung betroffen, jährlich werden ca. 2500 Patienten neu diagnostiziert [27]. Frauen sind etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer [50]. Die klinischen Symptome, die durch eine gestörte Weiterleitung der Aktionspotentiale entstehen, sind sehr variabel und hängen von der Lokalisation der ZNS-Läsionen ab. Die häufigsten Symptome sind sensorische und motorische Ausfälle, Sehstörungen, Schwindel, Gleichgewichts- und Blasenstörungen [14]. Auch kognitive und psychische Beeinträchtigungen sind nicht selten [56]. Die MS hat ein heterogenes klinisches, radiologisches und histopathologisches Erscheinungsbild; der klinische Verlauf des individuellen Patienten ist nicht vorhersehbar. Etwa 50% der unbehandelten Patienten sind 15 Jahre nach Diagnosestellung auf eine Gehhilfe angewiesen [65]. Bei ca. 85–90% der Patienten beginnt die MS mit einem schubhaften Verlauf, bei dem Symptome für Tage oder Wochen bestehen, gefolgt von einer vollständigen oder partiellen Remission. Etwa 50% der schubhaften MS-Fälle gehen im späteren Verlauf der Erkrankung in einen sekundär progredienten Verlauf über. Eine primär progrediente MS findet sich nur in ca. 10% der MSPatienten [42].
Ätiologie und Pathogenese Die Ätiologie und Pathogenese der MS ist nach wie vor nicht vollständig geklärt; letztendlich scheint es sich um ein fatales Zusammenspiel von Genen, Umwelt und (Auto-)Immunsystem zu handeln. Für die nordeuropäische kaukasische Bevölkerung beträgt das Risiko, an MS zu erkranken, ca. 1:400, während für Geschwister eines MS-Patienten das Risiko etwa bei 2% und für eineige Zwillinge etwa bei 35% liegt. Trotz dieser populationsgenetischen Hinweise auf eine genetische Ursache der MS konnten bisher nur wenige Risikogene, wie z. B. bestimmte MHC-II-Allele (DR15, DQ6) identifiziert werden [14]. Eine Reihe von Umweltfaktoren (Viren, Bakterien, Sonnenexposition, Vitamin D etc.) sind mit der Multiplen Sklerose in Verbindung gebracht
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
worden, bisher hat sich allerdings bei keinem dieser Umweltfaktoren ein Einfluss auf die MS sicher bestätigen lassen [18]. Das Immunsystem spielt eine wichtige Rolle bei der Erkrankung [3]. Ein Schlüsselereignis zur Auslösung eines MS-Schubs scheint die Aktivierung peripherer TZellen zu sein, die gegen ein ZNS-Antigen gerichtet sind. Wahrscheinlich variiert dieses Zielantigen von Patient zu Patient; auch eine Veränderung des „Ziel“-Antigens über die Zeit innerhalb eines Patienten ist vorstellbar („epitope spreading“) [63]. Nach der Aktivierung in der Peripherie exprimieren T-Zellen vermehrt Moleküle wie Selektine und Integrine, die mit entsprechenden Liganden auf den ZNS-Endothelien interagieren und so den T-Lymphozyten erlauben, an das Endothel zu binden und letztendlich in das ZNS einzuwandern. Hier werden die Lymphozyten reaktiviert und lösen eine Entzündungsreaktion aus, die zur Zerstörung von Myelin, Oligodendrozyten und Axonen führt. Das Voranschreiten der klinischen Symptomatik in der progredienten Krankheitsphase bei gleichzeitiger deutlicher Reduktion der Gadoliniumanreichernden Läsionen und fehlendem Ansprechen auf immunmodulatorische Therapien spricht für eine eher untergeordnete Rolle des Immunsystems in der späteren Krankheitsphase. Stattdessen stehen in dieser Phase eventuell neurodegenerative Mechanismen im Vordergrund; dazu passt auch die im Verlauf der Krankheit zunehmende Hirnatrophie [19].
Makroskopie MS-Läsionen können in jeder Lokalisation des ZNSgefunden werden, allerdings gibt es einige Prädilektionstellen, wie das periventrikuläre Marklager, Nn. optici, Kleinhirn und Rückenmark. Die Läsionen besitzen makroskopisch eine bräunliche-gräuliche Farbe und sind von härterer Konsistenz aufgrund der gliotischen Umbauvorgänge in der Läsion (Abb. 13.1). Vollständig remyelinisierte Läsionen können makroskopisch schwierig zu detektieren sein; das Gleiche gilt für kortikale Läsionen, die bei Patienten in der chronischen Erkrankungsphase relativ häufig vorkommen.
Histologie Akute und chronische Läsionsstadien Multiple demyelinisierte Läsionen mit einem relativen Erhalt der Axone sind das charakteristische morphologische Korrelat der Multiplen Sklerose (Abb. 13.2a,b). Histopathologisch unterscheiden sich akute und chronische MS-Läsionen deutlich von einander. Akute Läsi-
Histologie
Abb. 13.1 Bei der MS können zahlreiche (periventrikuläre) Läsionen im Marklager detektiert werden. Einige der Läsionen sind mit Pfeilen markiert
a
c
355
onsstadien sind aufgrund des ausgeprägten entzündlichen Infiltrats hyperzellulär. Die Entzündungsreaktion wird durch Makrophagen/Mikrogliazellen dominiert, die ca. 10- bis 15-mal häufiger in MS-Läsionen vertreten sind als T-Lymphozyten; wobei CD8-positive T-Zellen in der Regel etwas häufiger sind als CD4-positive T-Zellen (Abb. 13.2c–f). B-Lymphozyten und Plasmazellen sind dagegen in vergleichsweise geringer Anzahl nachzuweisen. Zur Hyperzellularität in akuten Läsionsstadien tragen zudem die zahlreichen reaktiv veränderten Astrozyten bei (Abb. 13.2g). Die Grenze zwischen entmarkter Läsion und der benachbarten normal erscheinenden weißen Substanz kann sowohl scharf als auch unscharf verlaufen [43]. Im Randbereich des demyelinisierten Plaques finden sich in frühen Läsionsstadien häufig Myelin-phagozytierende Makrophagen; anhand der im Zytoplasma von Makrophagen nachweisbaren Myelinabbauprodukten kann auf das relative Alter der
b
d
g Abb. 13.2a–e Akute, früh aktive MS-Läsion. MS-Läsionen sind durch eine Entmarkung (a, LFB-PAS-Färbung) bei relativem Erhalt der Axone (b, Bielschowsky-Färbung) charakterisiert. In früh aktiven Läsionen können im Zytoplasma von Makrophagen sowohl LFB-positive (c), als auch MBP-positive (d) und CNP-positive (e) Myelinabbauprodukte gefunden werden. T-Zellen (d; Anti-CD3Immunhistochemie) und reaktive Astrozyten (e; Anti-GFAP-Im-
e
f
h munhistochemie) sind in deutlich geringerer Anzahl als Makrophagen/Mikrogliazellen in MS-Läsionen nachweisbar. Parallel zur Demyelinisierung kommt es in akuten Läsionen auch zur Remyelinisierung, die durch feine unregelmäßige Myelinscheiden (Pfeilköpfe) gekennzeichnet ist; Oligodendrozyten sind in diesen Arealen reichlich nachweisbar (Pfeile; Anti-CNP-Immunhistochemie)
356
13
Kapitel 13
Läsion geschlossen werden [8]. In sog. früh aktiven Läsionen lassen sich mittels immunhistochemischer Untersuchungen sowohl die selteneren Myelinproteine wie z. B. MOG (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein) und MAG (Myelin-assoziiertes Glykoprotein) als auch die häufigeren Myelinproteine PLP (Proteolipidprotein) und MBP (Myelin-basisches Protein), die zusammen etwa zwischen 25 und 55% der Myelinproteine ausmachen [15, 30], nachweisen (s. Abb. 13.2c–e). Früh aktive Läsionen enthalten zudem Makrophagen, die bestimme Aktivierungs- und Differenzierungsmarker wie z. B. MRP 14 („myeloid-related protein“), ein Mitglied der S100-Familie sowie 27E10 exprimieren [8]. Die kleineren Myelinproteine werden innerhalb weniger Tage vollständig phagozytiert, so dass in sog. spät aktiven Läsionen nur noch die häufigeren Myelinproteine PLP und MBP nachweisbar sind. In inaktiven Läsionen, in denen das Myelin nicht mehr aktiv abgebaut wird, persistieren PAS-(„periodic acid Schiff “) positive Makrophagen bis zu 6 Monate [8, 28]. Chronische Läsionen sind dagegen in der Regel hypozellulär und besitzen eine scharfe Grenze zur normal erscheinenden weißen Substanz. In den demyelinisierten Arealen finden sich häufig nur noch wenige Entzündungszellen. Plaques mit einem ringförmigen, vor allem aus Mikroglia bestehenden entzündlichen Infiltrat werden als chronisch aktive Läsionen bezeichnet, während chronisch inaktiven Läsionen dieser Randsaum fehlt (Abb. 13.3a–c). Akute Läsionen finden sich häufiger in Patienten mit einem fulminanten Verlauf oder frühen MS-Stadien bzw. in sekundär-progredienten Patienten mit weiterhin stattfindenden Schüben, während chronische Läsionen vor allem mit einem chronisch progredienten Krankheitsverlauf assoziiert sind [39].
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
a
b
Axonale und oligodendrogliale Pathomechanismen Axonale Schädigungsmechanismen Als Ursache des permanenten neurologischen Defizits bei MS-Patienten werden der akkumulierende axonale Schaden und Verlust vermutet [61]. In chronischen Läsionen findet sich ein Verlust von 50–60% der Axone [20], der anhand von immunhistochemischen Färbungen (z. B. Anti-Neurofilament) oder Versilberungstechniken (Bielschowsky-Färbung) sichtbar gemacht werden kann. Frühe Zeichen einer axonalen Schädigung sind eine Dephosphorylierung der axonalen Neurofilamente und Ausbildung axonaler Spheroide, die durch eine Durchtrennung des Axons oder eine funktionelle Störung des anterograden Transports entstehen. Dieser akute axonale Schaden, der mit dem Ausmaß der Entzündung korreliert, kann z. B. mittels immunhistochemischer Färbungen zum Nachweis
c Abb. 13.3a–c Chronische MS-Läsion. Chronische MS-Läsionen besitzen in der Regel eine scharfe Grenze zur NEWS (a, Anti-MBPImmunhistochemie) und häufig einen hyperzellulären Randsaum bestehend aus aktivierten Mikrogliazellen (b, Anti-CD68-Immunhistochemie). In der NEWS lassen sich eine diffuse Mikrogliaaktivierung bzw. Mikrogliaknötchen beobachten (c, Anti-CD68-Immunhistochemie)
Histologie
357
von APP detektiert werden [36] (Abb. 13.4a–d). In akuten Läsionen finden sich bis zu 11.000 solcher geschädigter Axone pro mm3 [62]. Weitere Mechanismen, die zum axonalen Verlust in MS-Läsionen beitragen, sind Wallersche Degeneration und eine axonale Schädigung aufgrund der chronischen Demyelinisierung [6, 25]. Die Plaques sind in der Multiplen Sklerose nicht auf die weiße Substanz begrenzt; entmarkte Läsionen finden sich auch im Kortex, den Basalganglien, den neuronalen Kerngebieten des Hirnstamms oder der grauen Substanz des Rückenmarks [7, 23]. Über 90% der MS-Autopsiefälle weisen kortikale Läsionen auf (Abb. 13.5). Etwa 15–25% der Großhirn- und ca. 38% des Kleinhirnkortex sind im Durchschnitt demyelinisiert, wobei die kortikale Entmarkung besonders prominent bei Patienten mit einem chronischen Krankheitsverlauf sind [38, 39]. Während die Anzahl der Nervenzellen in kortikalen Läsionen allenfalls geringgradig reduziert zu sein scheint, findet sich spinal ein deutlicher Nervenzellverlust, der dem von Patienten mit einer amyotrophen Lateralsklerose gleicht [55, 64].
Oligodendrogliale Schädigungsund Reparaturmechanismen In akuten Läsionen kann das Ausmaß des oligodendroglialen Verlusts variabel sein. Etwa 30% der Läsionen mit früh aktiven Läsionsarealen weisen einen deutlichen oligodendroglialen Verlust auf, in den übrigen ca. 70% findet sich ein relativer Erhalt der Oligodendroglia [43]. In chronischen Läsionen ist die Anzahl der Oligodendrozyten dagegen in der Regel stark reduziert. In tierexperimentellen Studien und In-vitro-Experimenten konnten zahlreiche Signalkaskaden und Faktoren wie z. B. Liganden von Zelltodrezeptoren, T-Zellen, Komplement, Antikörper, Zytokine, Glutamat und Sauerstoffradikale identifiziert werden, die in der Lage sind Oligodendrozyten und ihre Vorläuferzellen via Apoptose, Nekrose oder Lyse zu eliminieren; welche dieser zahlreichen Mechanismen auch eine Rolle bei der MS spielen, ist noch nicht abschließend geklärt [9]. Neben der De- kann auch eine Remyelinisierung beobachtet werden, die mit einem reduzierten akuten axonalen Schaden assoziiert ist und wahrscheinlich einen axonprotektiven Effekt hat [34]. Elektronenmikroskopisch weisen remyelinisierte Axone verkürzte Internodien und einen für den Axondurchmesser zu dünne Myelinscheide auf. Lichtmikroskopisch sind remyelinisierte Areale durch dünne, irregulär geformte Myelinscheiden charakterisiert (s. Abb. 13.2h); in akuten Läsionen verlaufen aktive Myelinphagozytose und Remyelinisierung häufig zeitgleich nebeneinander. Während in frühen Läsionen remyelinisierte Areale in ca. 80% der Läsionen nachweisbar sind, weisen chronische
b
c
a
d
Abb. 13.4a–c Akuter axonaler Schaden. Schematische Darstellung der Ausbildung von axonalen Spheroiden beim akuten axonalen Schaden. Der distale Anteil des geschädigten Axons geht mittels Wallerscher Degeneration zugrunde (a). Die axonalen Spheroide können sowohl anhand von immunhistochemischen Färbungen (b: Anti-Neurofilament-Immunhistochemie; d: Anti-APP-Immunhistochemie) als auch mit Versilberungstechniken (c, BielschowskyFärbung) sichtbar gemacht werden
Abb. 13.5 Kortikale Läsionen sind ein häufiges Phänomen bei MSPatienten mit einem progredienten Krankheitsverlauf (Anti-MBPImmunhistochemie). Die Pfeilköpfe markieren die Grenze zwischen Marklager und Kortex
358
Kapitel 13
Läsionen nur in etwas über 35% der Läsionen eine Remyelinisierung von mehr als 50% des Läsionsareals auf [24, 51]. Vollständig remyelinisierte Läsionen, sog. „shadow plaques“, machen nur ca. 20% der chronischen Läsionen aus. Mitursächlich für diese letztendlich unzureichende Remyelinisierung scheint ein Differenzierungsblock der oligodendroglialen Vorläuferzellen zu sein, der vor allen in chronischen Läsionstadien beobachtet wird [10, 24, 37].
Veränderungen in der normal erscheinenden weißen Substanz
13
Die Läsionen machen bei der Mehrheit der Patienten mit einem sekundär progredienten Verlauf nur ca. 5% der gesamten weißen Substanz aus [12]; zudem gibt es nur eine schwache Korrelation zwischen dem Läsionsvolumen und dem Ausmaß der klinischen Behinderung bei Patienten (klinikoradiologisches Paradox) [4]. Für die klinische Symptomatik scheinen also nicht nur die Läsionen, sondern auch pathologische Veränderungen in der normal erscheinenden weißen Substanz (NEWS) ursächlich zu sein. Histopathologisch findet sich in der NEWS eine geringe Mikrogliaaktivierung, ein diffuser axonaler Schaden und einzelne Lymphozyten (Abb. 13.3c). Diese diffusen Veränderungen in der weißen Substanz sind besonders prominent in progredienten Krankheitsverläufen, ohne dass eine signifikante Korrelation mit dem Ausmaß der fokalen Demyelinisierung beobachtet werden konnte [39]. Passend zu einer diffusen Mikrogliaaktivierung in der NEWS kann auch eine Hochregulation von proinflammatorischen Molekülen auf mRNA- und Proteinebene detektiert werden, gleichzeitig exprimieren Oligodendrozyten, eventuell als Reaktion auf den proinflammatorischen Stimulus neuroprotektive und antiinflammatorische Faktoren [68]. Ein Teil der beobachteten morphologischen Veränderungen in der NEWS können auf präläsionale Veränderungen zurückgeführt werden, die mittels MRT-Spektroskopie identifiziert werden können, bevor die eigentlichen Läsionen entstehen [60].
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
vorgeschlagen, die sowohl auf der entzündlichen als auf der demyelinisierenden Aktivität basiert: • Läsionen mit Entzündung und Makrophagen mit Myelinabbauprodukten im Zytoplasma (= entzündlich und demyelinisierende Läsionen); • Läsionen mit Entzündung und Makrophagen ohne Myelinabbauprodukten im Zytoplasma (= entzündliche Läsionen); • Läsionen mit Makrophagen mit Myelinabbauprodukten, jedoch ohne perivaskuläre Infiltrate (= demyelinisierende Läsionen); • Läsionen ohne entzündliche Infiltrate und Myelinabbauprodukten (= inaktive Läsionen) [40]. Die Histopathologie der früh aktiven Läsionen, also von Läsionen, in denen MOG, MAG oder CNP im Zytoplasma von Makrophagen nachgewiesen werden kann, ist sehr variabel und kann in vier verschiedene immunpathologische Subtypen eingeteilt werden [44]. Diese Klassifikation bezieht die Plaquelokalisation, das oligodendrogliale Überleben, Myelingenexpression sowie Komplementaktivierung und den Nachweis von Immunglobulinanblagerungen mit ein (Abb. 13.6).
Verwandte demyelinisierende Erkrankungen Marburg-Krankheit Die Marburg-Krankheit als eine besonders fulminant verlaufende Variante der MS wurde von Otto Marburg 1906 beschrieben [45]. Diese Verlaufsform der MS ist durch einen rasch progredienten Krankheitsverlauf charakterisiert, der innerhalb eines Jahres aufgrund des Mitbefalls des Hirnstamms zum Tod führt. Häufig finden sich große konfluierende hemispherale Läsionen [13]. Histopathologisch sind die demyelinisierenden Läsionen destruktiver als typische MS-Läsionen und durch eine massive Infiltration mit Makrophagen, einen ausgedehnten axonalen Schaden und nekrotische Veränderungen gekennzeichnet; neben Makrophagen und TLymphozyten können auch neutrophile Granulozyten gefunden werden [5, 28]. Die Ursachen für den aggressiven Krankheitsverlauf sind bisher unklar.
Histologische Klassifikationen Eine allgemein akzeptierte Klassifikation von MS-Läsionen existiert nicht. Verschiedene Kriterien, wie z. B. die Expression von MHC II, Adhäsionsmolekülen, Zytokinen oder die Anzahl der Makrophagen/Mikrogliazellen bzw. ihr Aktivierungsstatus wurden verwendet, um die Läsionsaktivität zu bestimmen. Da diese Klassifikationen jedoch in der Regel nicht das Stadium der Demyelinisierung berücksichtigen, wurde 1998 eine Klassifikation
Balos konzentrische Sklerose 1928 beschrieb Balo erstmalig einen Patienten mit einer konzentrischen Sklerose [2]. Klinisch manifestiert sich Balos konzentrische Sklerose in der Regel monophasisch mit akut oder subakut einsetzenden Symptomen und einem fulminanten Krankheitsverlauf, gelegentlich werden auch schubhafte Verläufe berichtet [17]. In MRT-
Histologie
359
Abb. 13.6 Immunpathologische Subtypen bei der MS. Früh aktive Läsionen können in vier immunpathologische Subtypen eingeteilt werden. In allen vier Subtypen findet man Makrophagen/Mikrogliazellen und T-Zellen als Entzündungszellen. In Subtyp 2 kommen zusätzlich Immunglobulin- und Komplementablagerungen auf degenerierenden Myelinscheiden und im Zytoplasma von Makrophagen zur Darstellung. Subtyp 3 ist durch zugrunde gehende Oligodendrozyten mit pyknotischen oder kondensierten Zellkernen im Bereich des aktiven Myelinabbaus und einem isolierten Verlust von
MAG charakterisiert, während die übrigen Myelinproteine noch exprimiert werden. Subtyp 4, der durch degenerierende Oligodendrozyten in einem schmalen an die Läsion angrenzenden Streifen gekennzeichnet ist, ist bisher nur bei wenigen Patienten mit einem primär progredienten Krankheitsverlauf beschrieben worden. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob es sich bei den verschiedenen immunpathologischen Subtypen um das Korrelat unterschiedlicher Pathomechanismen oder um verschiedene Stadien der Läsionsentstehung handelt. Modifiziert nach [35]
Aufnahmen (T2) finden sich irregulär verlaufende, konzentrisch angeordnete hyper- und hypointense Areale; ebenso alternieren in akuten Läsionen Kontrastmittel anreichernde und nicht anreichernde Areale [32]. Balos konzentrische Sklerose, die als eine seltene Variante der
MS angesehen wird, zeichnet sich histologisch durch konzentrisch angeordnete demyelinisierte Streifen aus, die sich mit Arealen mit erhaltenem Myelin abwechseln (Abb. 13.7). In Einzelfällen finden sich bei Patienten sowohl konzentrisch angeordnete Balo- als auch MS-
360
Kapitel 13
Abb. 13.7 Balos konzentrische Sklerose mit alternierenden myelinisierten und nicht myelinisierten Arealen (Heidenhain-Färbung)
13
typische Läsionen [48]. Histologisch sind früh aktive Balo-Läsionen durch Oligodendrozyten mit pyknotischen, fragmentierten oder kondensierten Zellkernen sowie einem isolierteren Verlust von MAG charakterisiert und ähneln somit dem immunpathologischen Subtyp 3 der MS. Wie die alternierende Anordnung von demyelinisierten und myelinisierten Arealen entsteht, ist unklar. Moore et al. postuliert eine sich zentrifugal ausbreitende Läsion, deren demyelinisierende Aktivität herunterreguliert wird, um sich dann an der Peripherie erneut auszubreiten [47]. Passend zu dieser Hypothese findet sich am Rand aktiv demyelinisierender Areale eine Heraufregulation von neuroprotektiven Faktoren wie z. B. hsp70, HIF1a und D110 in Oligodendrozyten, was eventuell zum Überleben von Oligodendrozyten und zum Erhalt des Myelins beiträgt [59].
Neuromyelitis optica (NMO) Die NMO wurde 1894 sowohl von Devic als auch Gault beschrieben [16, 22]. Die typische klinische Symptomatik von Patienten mit einer NMO besteht aus einer Opikusneuritis und einer transversen Myelitis, wobei diese Symptome nicht gleichzeitig auftreten müssen [49]. Die demyelinisierenden Läsionen sind vor allem in Sehnerv, Rückenmark und Dienzephalon lokalisiert; können aber, vor allem in chronischen Krankheitsstadien, auch in anderen ZNS-Arealen gefunden werden [52]. Lange war es umstritten, ob es sich bei der NMO um eine Variante der MS handelt oder um ein eigenständiges Krankheitsbild. In letzter Zeit hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass es sich um eine schubhafte demyelinisierende Erkrankung handelt, die aufgrund ihrer Klinik, der Bildgebung und der serologischen Befunde von der MS abgegrenzt werden muss [66]. Histopathologisch ist die NMO durch demyelinisierende Läsionen charakterisiert, die sowohl die weiße als
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
auch die graue Substanz betreffen können. Das entzündliche Infiltrat besteht in akuten Läsionen vor allem aus Makrophagen und T-Zellen, daneben finden sich im Gegensatz zur MS auch zahlreiche eosinophile und neutrophile Granulozyten. Aufgrund des ausgeprägten axonalen Schadens kommt es auch zu Nekrosen. Häufig finden sich in diesen nekrotischen Arealen stark fibrosierte und hyalinisierte Gefäßwände. Chronische Läsionen sind durch eine ausgeprägte Gliose, zystische Veränderungen und eine Atrophie von Rückenmark und Sehnerven charakterisiert. Im Serum von NMO-Patienten konnte ein Antikörper identifiziert werden, der gegen Aquaporin-4 (AQP4), einem Wasserkanal, gerichtet ist, der im gesunden ZNS auf astrozytären Endfortsätzen lokalisiert ist [41]. In NMO-Läsionen wird ein Verlust von AQP4 beobachtet, der häufig mit perivaskulären Immunglobulin- und Komplementablagerungen assoziiert ist [53]. Diese Befunde legen eine Autoimmunreaktion gegen AQP4 bei der NMO nahe; die kausale pathogenetische Rolle von anti-AQP4-Antikörpern ist allerdings noch nicht bewiesen.
Schilders diffuse Sklerose Schilders diffuse Sklerose, die erstmalig 1912 von Paul Schilder beschrieben worden ist, ist eine seltene Krankheitsentität, die zunächst nur sehr unscharf definiert worden ist. Zahlreiche Krankheitsfälle, die zunächst als Schilders diffuse Sklerose klassifiziert wurden, stellten sich später als Leukodystrophien, subakute sklerosierende Panenzephalitiden, progressive multifokale Leukenzephalopathien oder MS-Fälle heraus [52]. 1986 definierte Poser Kriterien, um „wahre“ Fälle von Schilders diffuser Sklerose zu identifizieren: symmetrische, das Zentrum semioval einbeziehende demyelinisierende Läsionen (mindesten 3×2 cm), keine weiteren Läsionen, unauffälliges PNS, normale Nebennierenfunktion, unauffällige VLC-Fettsäuren, Histologie identisch zu MS [53, 58]. Bei den Patienten handelt es sich in der Regel um Kinder, obwohl auch ältere Patienten mit einer diffusen Sklerose beschrieben worden sind [46]. Klinisch manifestiert sich die Erkrankung mit einem subakuten Verlauf und fokal neurologischen Symptomen und/oder psychiatrischen Symptomen. Die Krankheit kann remittieren oder progredient verlaufen. Aufgrund eines raumfordernden Effekts in der Bildgebung werden die Läsionen gelegentlich für einen Tumor oder einen Abszess gehalten und biopsiert [21]. Histologisch gleichen die Läsionen bei Schilders diffuser Sklerose MSPlaques.
Literatur
Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)
361
Literatur 1.
Vor allem Kinder und junge Erwachsene sind von der ADEM betroffen. Die Erkrankung verläuft in der Regel monophasisch, wobei das Krankheitsbild durch eine multifokale neurologische Symptomatik, die häufig mit Bewusstlosigkeit einhergeht, gekennzeichnet ist [29]. Neben monophasischen sind auch schubhafte Verläufe beschrieben worden, so dass im Einzelfall eine Unterscheidung zwischen ADEM und einer kindlichen Multiplen Sklerose aufgrund der klinischen Symptomatik schwierig sein kann. Ein monophasischer, polysymptomatischer Verlauf bei Kindern unter 10 Jahren, klinische Präsentation mit einer Meningoenzephalitis, Enzephalopatie, beidseitiger Optikusneuritis, Liquorpleozytose ohne Nachweis von oligoklonalen Banden und ein für eine MS untypischer MRT-Befund sprechen für das Vorliegen einer ADEM [67]. Die exakten pathophysiologischen Mechanismen der ADEM sind unbekannt; da bei dieser Erkrankung jedoch häufig ein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Infekt bzw. einer Impfung und dem Ausbruch der Erkrankung beschrieben wird, wird auch bei der ADEM eine durch eine Impfung/einen Infekt ausgelöste Autoimmunreaktion als Ursache der Erkrankung diskutiert [31]. Histopathologisch ist die Demyelinisierung im Gegensatz zu der Multiplen Sklerose auf schmale perivaskuläre Areale begrenzt; gelegentlich können diese perivaskulär entmarkten Areale auch zu größeren Läsionen konfluieren [57]. Im Bereich der perivaskulären Entmarkung finden sich zahlreiche schaumige Makrophagen und wenige CD4- und CD8positive T-Lymphozyten bzw. B-Zellen. Die Abgrenzung von einer MS ist insbesondere in kleinen Biopsien schwierig, da solche periventrikulären Demyelinisierungsherde auch in der Nähe von MS-Läsionen beobachtet werden können. Eine der ADEM verwandte Erkrankung ist die akute hämorrhagische nekrotisierende Leukenzephalitis (AHLE), auch Hurst-Syndrom genannt. Das Hurst-Syndrom ist durch kleine Einblutungen, Fibrinablagerungen und entzündliche Infiltrate, bestehend aus Lymphozyten, Makrophagen und zahlreichen neutrophilen Granulozyten gekennzeichnet; diese Veränderungen finden sich häufig im Bereich nekrotischer kleiner Gefäße. Ähnlich wie bei der ADEM ist die Entmarkung in der Regel auf die entzündlichen Areale beschränkt; allerdings finden sich hier auch vermehrt zerstörte Axone, so dass es sich eher um Nekrosen als um eine „echte“ Entmarkungsherde handelt [1, 26].
2. 3. 4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11. 12.
13.
14. 15.
16. 17.
18.
Adams RD, Kubik CS (1952) The morbid anatomy of demyelinative diseases. Am J Med 12: 510–546 Bálo J (1928) Leukoencephalitis periaxialis concentrica. Arch Neurol Psychiatry 19: 242–264 Bar-Or A (2008) The immunology of multiple sclerosis. Semin Neurol 28: 29–45 Barkhof F (2002) The clinico-pathological paradox in multiple sclerosis revisited. Curr Opin Neurol 15: 239–245 Bitsch A, Wegener C, da Costa C, Bunkowski S, Reimers CD, Prange HW, Brück W (1999) Lesion development in Marburg’s type of acute multiple sclerosis: from inflammation to demyelination. Mult Scler 5: 138–146 Bjartmar C, Kinkel PR, Kidd G, Rudick RA, Trapp BD (2001) Axonal loss in normal-appearing white matter in a patient with acute MS. Neurology 57: 1248–1252 Bo L, Vedeler CA, Nyland HI, Trapp BD, Mork SJ (2003) Subpial demyelination in the cerebral cortex of multiple sclerosis patients. J Neuropathol Exp Neurol 62: 723–732 Brück W, Porada P, Poser S, Rieckmann P, Hanefeld F, Kretzschmar HA, Lassmann H (1995) Monocyte/macrophage differentiation in early multiple sclerosis lesions. Ann Neurol 38: 788–796 Buntinx M, Stinissen P, Steels P, Ameloot M, Raus J (2002) Immune-mediated oligodendrocyte injury in multiple sclerosis: molecular mechanisms and therapeutic interventions. Crit Rev Immunol 22: 391–424 Chang A, Tourtellotte WW, Rudick R, Trapp BD (2002) Premyelinating oligodendrocytes in chronic lesions of multiple sclerosis. New Engl J Med 346: 165–173 Charcot M (1868) Histologie de la sclérose en plaques. Gaz. Hopital (Paris) 41: 554–555 Chard D, Miller D (2009) Is multiple sclerosis a generalized disease of the central nervous system? An MRI perspective. Curr Opin Neurol 22: 214–218 Colucci M, Roccatagliata L, Capello E, Narciso E, Latronico N, Tabaton M, Mancardi GL (2004) The 14-3-3 protein in multiple sclerosis: a marker of disease severity. Mult Scler 10: 477–481 Compston A, Coles A (2002) Multiple sclerosis. Lancet 359: 1221–1231 Deber CM, Reynolds SJ (1991) Central nervous system myelin: structure, function, and pathology. Clin Biochem 24: 113–134 Devic C (1894) Myelite subaigue compliquee de nevrite optique. Bull Med 35: 18–30 Dreha-Kulaczewski SF, Helms G, Dechent P, Hofer S, Gartner J, Frahm J (2009) Serial proton MR spectroscopy and diffusion tensor imaging in infantile Balo’s concentric sclerosis. Neuroradiology 51: 113–121 Ebers GC (2008) Environmental factors and multiple sclerosis. Lancet Neurol 7: 268–277
362
Kapitel 13
19.
20.
21.
22. 23.
24.
25.
26.
27.
13 28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
Fisher E, Lee JC, Nakamura K, Rudick RA (2008) Gray matter atrophy in multiple sclerosis: a longitudinal study. Ann Neurol 64: 255–265 Ganter P, Prince C, Esiri MM (1999) Spinal cord axonal loss in multiple sclerosis: a post-mortem study. Neuropathol Appl Neurobiol 25: 459–467 Garell PC, Menezes AH, Baumbach G, Moore SA, Nelson G, Mathews K, Afifi AK (1998) Presentation, management and follow-up of Schilder’s disease. Pediatr Neurosurg 29: 86–91 Gault F (1894) De la neuromyélite optique aiguë. Lyon Gilmore CP, Donaldson I, Bo L, Owens T, Lowe J, Evangelou N (2009) Regional variations in the extent and pattern of grey matter demyelination in multiple sclerosis: a comparison between the cerebral cortex, cerebellar cortex, deep grey matter nuclei and the spinal cord. J Neurol Neurosurg Psychiatry 80: 182–187 Goldschmidt T, Antel J, Konig FB, Bruck W, Kuhlmann T (2009) Remyelination capacity of the MS brain decreases with disease chronicity. Neurology 72: 1914–1921 Griffiths I, Klugmann M, Anderson T et al. (1998) Axonal swellings and degeneration in mice lacking the major proteolipidprotein of myelin. Science 280: 1610–1613 Hart MN, Earle KM (1975) Haemorrhagic and perivenous encephalitis: a clinico-pathological review of 38 cases. J Neurol Neurosurg Psychiatry 38: 585–591 Hein T, Hopfenmüller W (2000) Hochrechnung der Zahl an Multiple Sklerose erkrankten Patienten in Deutschland. Nervenarzt 71: 288–294 Hu W, Lucchinetti CF (2009) The pathological spectrum of CNS inflammatory demyelinating diseases. Semin Immunopathol 31: 439–453 Hynson J, Kornberg A, Coleman L, Shield L, Harvey A, Kean M (2001) Clinical and neuroradiologic features of acute dissiminated encephalomyelitis in children. Neurology 22: 1308–1312 Jahn O, Tenzer S, Werner HB (2009) Myelin proteomics: molecular anatomy of an insulating sheath. Mol Neurobiol 40: 55–72 Jorens P, VanderBorght A, Ceulemans B et al. (2000) Encephalomyelitis-associated antimyelin autoreactivity induced by streptococcal exotoxins. Neurology 54: 1433–1441 Karaarslan E, Altintas A, Senol U et al. (2001) Baló’s concentric sclerosis: clinical and radiologic features of five cases. AJNR Am J Neuroradiol 22: 1362–1367 Koch-Henriksen N, Sorensen PS (2010) The changing demographic pattern of multiple sclerosis epidemiology. Lancet Neurol 9: 520–532 Kornek B, Storch MK, Weissert R, Wallstroem E, Stefferl A, Olsson T, Linington C, Schmidbauer M, Lassmann H (2000) Multiple sclerosis and chronic autoimmune encephalomyelitis. A comparative quantitative study of axonal injury in active, inactive, and remyelinated lesions. Am J Pathol 157: 267–276 Kuhlmann T (2009) Schädigungs- und Reparaturmechanismen in Multiple-Sklerose-Läsionen. Nervenheilkunde 28: 593–601
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
Kuhlmann T, Lingfeld G, Bitsch A, Schuchardt J, Brück W (2002) Acute axonal damage in multiple sclerosis is most extensive in early disease stages and decreases over time. Brain 125: 2202–2212 Kuhlmann T, Miron V, Cuo Q, Wegner C, Antel J, Bruck W (2008) Differentiation block of oligodendroglial progenitor cells as a cause for remyelination failure in chronic multiple sclerosis. Brain 131: 1749–1758 Kutzelnigg A, Faber-Rod JC, Bauer J et al. (2007) Widespread demyelination in the cerebellar cortex in multiple sclerosis. Brain Pathol 17: 38–44 Kutzelnigg A, Lucchinetti CF, Stadelmann C et al. (2005) Cortical demyelination and diffuse white matter injury in multiple sclerosis. Brain 128: 2705–2712 Lassmann H, Raine CS, Antel J, Prineas JW (1998) Immunopathology of multiple sclerosis: report on an international meeting held at the Institute of Neurology of the University of Vienna. J Neuroimmunol 86: 213–217 Lennon VA, Wingerchuk DM, Kryzer TJ et al. (2004) A serum autoantibody marker of neuromyelitis optica: distinction from multiple sclerosis. Lancet 364: 2106–2112 Lublin FD (2003) Multiple sclerosis classification and overview. In: Lazzarini R (ed) Myelin biology and disorders. Elsevier, San Diego, pp 691–699 Lucchinetti C, Brück W, Parisi J, Scheithauer B, Rodriguez M, Lassmann H (1999) A quantitative analysis of oligodendrocytes in multiple sclerosis lesions. A study of 113 cases. Brain 122: 2279–2295 Lucchinetti C, Brück W, Parisi J, Scheithauer B, Rodriguez M, Lassmann H (2000) Heterogeneity of multiple sclerosis lesions: implications for the pathogenesis of demyelination. Ann Neurol 47: 707–717 Marburg O (1906) Die sogenannte akute Multiple Sklerose (Encephalomyelitis periaxialis scleroticans). Jahrb Psychiat Neurol 27: 213–312 Miyamoto N, Kagohashi M, Nishioka K et al. (2006) An autopsy case of Schilder’s variant of multiple sclerosis (Schilder’s disease). Eur Neurol 55: 103–107 Moore GR, Berry K, Oger JJ, Prout AJ, Graeb DA, Nugent RA (2001) Balo’s concentric sclerosis: surviving normal myelin in a patient with a relapsing-remitting dinical course. Mult Scler 7: 375–382 Moore GR, Neumann PE, Suzuki K, Lijtmaer HN, Traugott U, Raine CS (1985) Balo’s concentric sclerosis: new observations on lesion development. Ann Neurol 17: 604–611 O’Riordan JI, Gallagher HL, Thompson AJ et al. (1997) Clinical, CSF, and MRI findings in Devic’s neuromyelitis optica. J Neurol Neurosurg Psychiatry 60: 382–387 Orton SM, Herrera BM, Yee IM, Valdar W, Ramagopalan SV, Sadovnick AD, Ebers GC (2006) Sex ratio of multiple sclerosis in Canada: a longitudinal study. Lancet Neurol 5: 932–936 Patrikios P, Stadelmann C, Kutzelnigg A et al. (2006) Remyelination is extensive in a subset of multiple sclerosis patients. Brain 129: 3165–3172
Literatur
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
Pittock SJ, Weinshenker BG, Lucchinetti CF, Wingerchuk DM, Corboy JR, Lennon VA (2006) Neuromyelitis optica brain lesions localized at sites of high aquaporin 4 expression. Arch Neurol 63: 964–968 Poser CM (1985) Myelinoclastic diffuse sclerosis. In: Koetsier JC (ed) Handbook of clinical neurology. Elsevier Science, Amsterdam, pp 419–428 Roemer S, Parisi JE, Lennon VA et al. (2007) Pattern-specific loss of auaporin-4 immunoreactivity distinguishes neuromyelitis optica from multiple sclerosis. Brain 130: 1194–1205 Schirmer L, Albert M, Buss A, Schulz-Schaeffer WJ, Antel JP, Bruck W, Stadelmann C (2009) Substantial early, but nonprogressive neuronal loss in multiple sclerosis (MS) spinal cord. Ann Neurol 66: 698–704 Smestad C, Sandvik L, Landro NI, Celius EG (2010) Cognitive impairment after three decades of multiple sclerosis. Eur J Neurol 17: 499–505 Sobel RA, Moore GRW (2008) Acute disseminated encephalomyelitis and related disorders. In: Love S, Louis DN, Ellison DW (eds) Greenfield’ neuropathology. Edward Arnold, London, pp 1580–1584 Sobel RA, Moore GRW (2008) Schilder’s disease (myelinoclastic diffuse sclerosis). In: Love S, Louis DN, Ellison DW (eds) Greenfield’s neuropathology. Edward Arnold, London, pp 1569–1570 Stadelmann C, Ludwin S, Tabira T et al. (2005) Tissue preconditioning may explain concentric lesions in balo’s type of multiple sclerosis. Brain 128: 979–987
363
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
Tartaglia MC, Narayanan S, De Stefano N et al. (2002) Choline is increased in pre-lesional normal appearing white matter in multiple sclerosis. J Neurol 249: 1382–1390 Trapp BD, Nave KA (2008) Multiple sclerosis: an immune or neurodegenerative disorder? Annu Rev Neurosci 31: 247–269 Trapp BD, Peterson J, Ransohoff RM, Rudick R, Mork S, Bo L (1998) Axonal transection in the lesions of multiple sclerosis. New Engl J Med 338: 278–285 Vanderlugt CL, Miller SD (2002) Epitope spreading in immune-mediated diseases: implications for immunotherapy. Nat Rev Immunol 2: 85–95 Wegner C, Esiri MM, Chance SA, Palace J, Matthews PM (2006) Neocortical neuronal, synaptic, and glial loss in multiple sclerosis. Neurology 67: 960–967 Weinshenker BG, Bass B, Rice GP, Noseworthy J, Carriere W, Baskerville J, Ebers GC (1989) The natural history of multiple sclerosis: a geographically based study. I. Clinical course and disability. Brain 112 (Pt 1): 133–146 Wingerchuk DM, Lennon VA, Lucchinetti CF, Pittock SJ, Weinshenker BG (2007) The spectrum of neuromyelitis optica. Lancet Neurol 6: 805–815 Young NP, Weinshenker BG, Lucchinetti CF (2008) Acute disseminated encephalomyelitis: current understanding and controversies. Semin Neurol 28: 84–94 Zeis T, Probst A, Steck AJ, Stadelmann C, Bruck W, Schaeren-Wiemers N (2009) Molecular changes in white matter adjacent to an active demyelinating lesion in early multiple sclerosis. Brain Pathol 19: 459–466
Kapitel 14
14
Intoxikation
M. Oehmichen Inhalt Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
367
Trimethylzinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Typen toxischer Schädigungen des ZNS . . . . . . . .
367
Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Morphologische Veränderungen . . . . . . . . . . . .
367
Kohlenmonoxid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Funktionelle Differenzierung . . . . . . . . . . . . . .
368
Akute CO-Intoxikation . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Metalle und Metalloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
368
Intervallärer Verlauf der CO-Intoxikation . . . . . .
374
Aluminium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
368
Chronische CO-Intoxikation . . . . . . . . . . . . .
375
Arsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
369
Nitrite und Nitrosegase . . . . . . . . . . . . . . . . .
375
Anorganische Arsenverbindungen . . . . . . . . . .
369
Schwefelwasserstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
375
Organische Arsenverbindungen . . . . . . . . . . . .
369
Zyanwasserstoff und Zyanide . . . . . . . . . . . . . .
375
Bismut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
369
Gifte in Industrie und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . .
376
Blei und Bleiverbindungen . . . . . . . . . . . . . . .
369
Kohlenstoffverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . .
376
Anorganische Bleiverbindungen . . . . . . . . . . .
369
Acrylamid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
Organische Bleiverbindungen . . . . . . . . . . . . .
370
Aliphatische Kohlenwasserstoffe . . . . . . . . . . .
376
Mangan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
370
Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe . . . .
376
Platin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
371
Methylchlorid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
Quecksilber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
371
Tetrachlorkohlenstoff . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
Elementares Quecksilber und anorganische Quecksilberverbindungen . . . .
Trichlorethylen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
371 Halogenierte zyklische Kohlenwasserstoffe . . . . . .
377
Organische Quecksilberverbindungen . . . . . . . .
372 Hexachlorophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Thallium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
372 Lindan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Zinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373 Schwefelkohlenstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Triethylzinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373 Methylalkohol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
366
14
Kapitel 14
Intoxikation
Phosphorsäureester . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Cannabinoide (Haschisch und Marihuana) . . . . . .
387
Insektizide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
377
Lösungsmittel („glue sniffing“) . . . . . . . . . . . . .
388
Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
378
Meskalin und Lysergsäurediäthylamid (LSD) . . . . .
388
Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
378
Morphin und Heroin . . . . . . . . . . . . . . . . . .
388
Meperidin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Biologische Gifte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389
Diphenylhydantoin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Pflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389
Tryptophan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389
Salizylate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Algen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Antiprotozoenmedikamente . . . . . . . . . . . . . .
379
Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Chloroquin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Schlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Clioquinol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
Fische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
390
Zytostatika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
Mikroorganismen (bakterielle Toxine) . . . . . . . . .
390
Methotrexat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
Metabolisch bedingte Intoxikation . . . . . . . . . . . .
391
Vincristin und Vinblastin . . . . . . . . . . . . . . .
380
Funikuläre Spinalerkrankung . . . . . . . . . . . . . .
391
Alkohol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
Leber- und Nierenkrankheiten . . . . . . . . . . . . .
391
Metabolismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
380
Hepatische Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . .
391
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
Renale Enzephalopathien . . . . . . . . . . . . . . .
392
Entzugssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
382
Urämische Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . .
392
Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
382
Dialyseenzephalopathie (dialyseassoziierte Enzephalopathie, DAE) . . . . . . . . . . . . . . . .
393
Akute Alkoholintoxikation . . . . . . . . . . . . . .
382 Pankreasverursachte ZNS-Krankheiten . . . . . . . .
393
Chronische Alkoholintoxikation . . . . . . . . . . .
382 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
393
Alkoholische Feto- und Embryopathie . . . . . . . .
386 Pankreatische Enzephalopathie . . . . . . . . . . . .
393
Rauschdrogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387 Enzephalopathien nach Organtransplantation . . . .
393
Amphetamin, Metamphetamin, Kokain . . . . . . . .
387 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
394
Crack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387
367
Grundlagen
Grundlagen Vorsätzliche Vergiftungen durch dritte Hand sind heute eher selten. Sie wurden in den letzten Jahren vor allem im Zusammenhang mit Giftbeibringung bei alten, hilflosen Patienten beobachtet, zum Teil offenbar um den Sterbeprozess zu verkürzen (aktive Sterbehilfe) [161, 165]. Die Mehrzahl der Vergiftungen bei Kindern erfolgt im Sinne eines Unfallgeschehens, durch versehentliche Einnahme von Haushalts- und Reinigungsmitteln oder aber iatrogen, durch versehentliche Überdosierung mit Medikamenten [124]. Im Vordergrund der öffentlichen Diskussion stehen allerdings der Tod durch Alkoholund Drogenintoxikationen.
Typen toxischer Schädigungen des ZNS Das Ausmaß jeder Vergiftung ist abhängig von der Löslichkeit, der Dosis, der Art der Beibringung, der Konzentration, der Resorption und der Genetik. Die Giftbeibringung erfolgt versehentlich (gewerbliche, ökologische oder medizinische Vergiftung) oder absichtlich (im Rahmen eines Suizids, einer Sucht oder eines Tötungsdelikts). Der Beweis einer Intoxikation ist in der Regel durch eine chemisch-toxikologische Analyse von Blut, Harn oder Liquor gegeben. Diese ist u. a. auch längere Zeit nach der Giftbeibringung noch möglich, z. B. durch Untersuchung von Haaren [204] oder – an der Leiche – von Knochen mit Liegezeiten über Jahre [198]. Der Verdacht ergibt sich einerseits bei Fehlen einer anderen Erklärung des Krankheits- oder Todesgeschehens, andererseits aber durch klinische Symptome bzw. auch durch morphologische Veränderungen, die der Pathologe/Neuropathologe erfassen kann. Besonders bei länger überlebten Vergiftungen können morphologische Veränderungen hinweisend sein, oder – selten – sogar beweisend. In den letzten Jahren wurde die Aufmerksamkeit zunehmend auf die Toxikogenetik konzentriert (Übersicht [170, 266]). Entsprechend diesen Untersuchungen variiert die Wirkung von Medikamenten und illegalen Drogen auch in Abhängigkeit vom Genotyp, wie u. a. bereits auch an der „allergischen Diathese“ erkennbar, so dass sich in ungeklärten Einzelfällen zusätzlich eine genetische Untersuchung empfiehlt. Für eine Großzahl von toxisch wirksamen Substanzen ist entweder das Nervensystem das Zielorgan oder aber es wird sekundär geschädigt, so dass bei längerer Überlebenszeit nahezu immer auch – allerdings überwiegend unspezifische – morphologische Veränderungen im ZNS zu erwarten sind, unabhängig von der Art des Giftes und seinem primären Angriffspunkt. Der lokale Angriffspunkt neurotoxischer Substanzen im ZNS ist unterschiedlich, wobei entsprechend der Pathoklise von Vogt
und Vogt [258] eine gewisse topische Spezifität besteht. Die Pathoklise ermöglicht auch, Krankheiten experimentell zu simulieren, die mit einer lokalen herdförmigen, neuronalen oder axonalen Degeneration einhergehen [20, 37]. Der Vorgang der Intoxikation ist zwar von Substanz zu Substanz unterschiedlich, aber in vielen Fällen findet sich in der Endphase ein ähnlicher Mechanismus, der mit dem Begriff „Exzitotoxizität“ bezeichnet wird [169a]. Hierbei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem Nervenzellen durch Glutamat und ähnliche Substanzen, sog. endogene Exzitotoxine, zerstört werden. Bei Bindung von NMDA, Kainat oder Glutamat an NMDA- und AMPARezeptoren der Nervenzellen werden diese aktiviert und lassen vermehrt Ca2+ in die Zelle eindringen, wodurch zahlreiche Enzyme wie Phospholipasen, Endonukleasen und Proteasen stimuliert werden. Dieser Mechanismus wird u. a. durch organeigene Vorgänge eingeleitet. Durch eine Ischämie kann sich eine Anreicherung von Glutamat und Aspartat in der extrazellulären Flüssigkeit entwickeln, wobei der Zelltod zusätzlich bei Mangel an Sauerstoff und Glukose beschleunigt wird. So kann sich u. a. bei einem Trauma zu wenig Adenosintriphosphat bilden, wodurch die elektrochemischen Gradienten bestimmter Ionen – u. a. auch die Funktion des Glutamattransporters – aufgehoben werden, d. h. der Abtransport von Glutamat wird verhindert [223]. Ob jedoch auch oral zugeführte Substanzen, z. B. Aspartam, bei bestehender BlutHirn-Schranke für Glutamat, direkt – und nicht über die Ischämie – Einfluss auf das ZNS nehmen können, wurde – und wird – diskutiert [18]. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass toxische Substanzen wie Aminooxyazetat – mit Angriff auf die mitochondriale Atemkette – zu einer Degeneration von Nervenzellen führen [104].
Morphologische Veränderungen Folgende morphologische Symptome lassen den Verdacht auf eine Intoxikation aufkommen (Übersicht: [97, 163, 230]): • Hirnödem [106]: abhängig von der Lipophilie der toxischen Substanz, der Molekülgröße, der Transportkapazität und dem Carrier-Mechanismus (z. B. Kationisation oder Glykolysation). Dabei ist ein zytotoxisches Ödem infolge einer Membranschädigung (Schwermetalle, Triethylzinn) oder Schädigung des Enzymsystems in der Membran (Schwermetalle, Zyanid) von einem vaskulären Ödem (z. B. Alkohol) zu unterscheiden [118], wobei jedoch beide Ödemtypen einerseits auch kombiniert, andererseits auch hintereinander auftreten können. Bekannt ist ferner das Hirnödem als Folge einer Wasserintoxikation bei einem Missverhältnis von zugeführten Elektrolyten und Flüssigkeit, wie es u. a. im Rahmen der Hämodialyse eintreten kann [273].
368
14
Kapitel 14
• Neuronale und axonale Schädigung infolge einer Störung des Axoplasmatransports [156], z. B. durch Aluminium, Acrylamid, Colchicin, Organphosphate und Alkohol. • Neuronale Schädigung infolge einer Störung des Energiestoffwechsels, vor allem durch Zyanide, Kohlenmonoxid, aber auch durch Äthanol und Organphosphate. • Schädigung der weißen Substanz durch Triethylzinn, INH, Blausäure, Kohlenmonoxid, Kupfer, Diphtherietoxin sowie durch Zytostatika, Rauschdrogen und Umwelttoxine [67]. • Entstehung von herdförmigen Nekrosen, z. B. durch Sauerstoffentzug und Kohlenmonoxid, Methanol, Schwermetalle und Methotrexat. • Schädigung und funktionale Störung des cholinergen Systems [51, 99], z. B. durch Phosphorsäureester, Chlostridium-, Botulinum- und Tetanustoxin, Colchicin, Alkohol, Aluminium. • Schädigung und funktionale Störung des noradrenergen Systems, z. B. durch Alkohol, Amphetamin, Kokain, Cannabinoide. • Einflussnahme auf das Transmittersystem [51], und besonders die Rezeptoren, wobei vor allem die exzitatorischen Rezeptoren betroffen sind, d. h. die GABARezeptoren und die Azetylcholinrezeptoren, die in der Folge überwiegend mit funktionellen Veränderungen einhergehen – z. B. durch Ischämie (s. o.). • Einflussnahme auf das optische System [149], z. B. durch Methanol, Schwefelkohlenwasserstoff, Methylquecksilber und Organphosphate. • Teratogene Wirkung auf das sich entwickelnde Nervensystem während der Pränatalperiode, z. B. durch Alkohol, Methylquecksilber. • Kanzerogene Wirkung, z. B. durch Cadmium.
Funktionelle Differenzierung Auf zellulärer Ebene lässt sich zusätzlich folgende funktionelle Differenzierung vornehmen [94]: Störung des neuronalen oxidativen Metabolismus durch toxische Einwirkungen im Sinne einer Hypoxie oder Ischämie, wobei besonders die großen Nervenzellen sensitiv sind, im Gegensatz zur Hypoglykämie, bei der vor allem kleinere Nervenzellen betroffen sind. Toxische Substanzen können ferner zu einer Störung der Homöostase des Elektrolytgleichgewichts führen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorgänge: • Proteinsynthesehemmung, z. B. durch Adriamycin; • Störung der Zytosklettstruktur, z. B. durch Platin; • Gliareaktion auf toxische Substanzen (z. B. Astrozytenveränderungen bei Lebererkrankung, Oligodendrogliaveränderung bei Triethylzinnintoxikation); • Kapillarschädigung, z. B. durch Schwermetalle wie Arsen oder durch Inhalation von Methylbromid.
Intoxikation
Metalle und Metalloide Aluminium Aluminium (Al) in oxidierter Form ist ubiquitär. Es findet sich in reiner Form vor allem in der metallverarbeitenden Industrie. Als Antazidum wird kolloidales Aluminium in der Therapie verwandt. Es wurde ein auf Aluminiumintoxikation zurückgeführtes Krankheitsbild beschrieben, bei dem durch chronische Dialyse mit aluminiumhaltiger Dialyseflüssigkeit Aluminium in den Körper gelangte, die sog. Aluminiumenzephalopathie [6]. Aluminiumphosphid wird im Iran als Ausräucherungsmittel verwendet und kann zu inhalatorischen Vergiftungen führen. Pathogenese. Durch erhöhten Aluminiumspiegel im Blut bei offenbar vorgeschädigter Blut-Hirn-Schranke [143] gerät Aluminium in das Gehirn, wo es in erhöhter Konzentration nachweisbar ist [43]. Auf zellulärer Ebene ist bekannt (Übersicht: [254]), dass Aluminium den langsamen Transport von neurofilamentären Proteinen (NFP) hemmt, wodurch es zu einer Anreicherung von NFP am proximalen Ende des Axons kommt, mit Vermehrung der Neurofilamente im Perikarion. Die Ähnlichkeit der klinischen Symptomatik sowie eine auch bei der Demenz vom Alzheimer-Typ beobachtete erhöhte Aluminiumkonzentration im Gehirn [43] ließ die Hypothese aufkommen, dass auch die Alzheimer-Krankheit durch eine Aluminiumanreicherung im Gehirn entsteht. Neben diesen – offenbar aluminiumspezifischen – Veränderungen wurde eine Aluminiumphosphid-induzierte Hyperglykämie beschrieben, die zusätzlich Einfluss auf ein tödliches Geschehen nehmen kann [145]. Klinik. Das Krankheitsbild ist durch eine progressive Demenz gekennzeichnet mit Sprachstörungen, Myoklonus, Epilepsie vom fokalen und/oder generalisierten Typ, Herdsymptomen und Bewusstseinsverlust. Es wird u. a. eine aluminiuminduzierte Degeneration der Motoneuronen von einer Dialyseenzephalopathie unterschieden. Differentialdiagnostisch muss an eine Alzheimer-Erkrankung gedacht werden. Die Krankheit kann tödlich enden. Morphologie. Die morphologischen Veränderungen sind uncharakteristisch. Es finden sich geschrumpfte Ganglienzellen, ohne einen eindeutigen Ganglienzellverlust [247]. Die neuronale Degeneration basiert z. T. auf Veränderungen des Zytoskeletts im Sinne einer desorganisierten Aggregation von 10-nm-Filamenten, die morphologisch nicht von Alzheimer-Fibrillenveränderungen zu unterscheiden sind [216]. Unterschiede ließen sich u. a. immunhistochemisch nachweisen: Bei Aluminiumintoxikation reagieren Neuronen nicht mit Antikörpern gegen MAP-2, b-Tubulin oder Ubiquitin, während
Metalle und Metalloide
bei Alzheimer-Krankheit eine Immunreaktivität besteht [232]. Gleichzeitig finden sich bei der Aluminiumintoxikation eine Mikrogliavermehrung, eine Astrozytenproliferation sowie eine spongiforme Auflockerung des Neuropils in der 2. und 3. Rindenschicht. Mit einer Versilberungstechnik gelang es Reusche und Seydel [194], granulär in Nervenzellen abgelagertes Aluminium nachzuweisen. Reusche und Mitarbeiter [193] beschrieben ferner intrazytoplasmatische argyrophile Einschlüsse in Epithelien des Plexus choreoideus, in Neuronen und in kortikaler Glia – Veränderungen, die auch bei der dialyseassoziierten Enzephalopathie als typisch anzusehen sind (vgl. S 391ff.). Die gleiche Autorengruppe aber konnte eindeutig nachweisen, dass eine Aluminiumintoxikation nicht Ursache der Alzheimer-Krankheit ist.
Arsen Anorganische Arsenverbindungen Anorganische Arsen-(As-)Verbindungen sind farblos, ohne Geruch und Geschmack und sie sind wasserlöslich. Sie finden in der Glasmanufaktur, bei der Wollkonservierung und als Pestizid Anwendung. Immer wieder sind vorsätzliche akute oder auch chronische Intoxikationen im forensischen Rahmen beschrieben worden. Klinik. Klinisch finden sich bei der akuten Intoxikation vor allem gastrointestinale Symptome sowie ein Schocksyndrom, wobei die Überlebenszeit bei massiver Überdosierung offenbar nicht mehr als 24 h beträgt [126]. Bei Überleben entwickeln sich sensorische Ausfälle. Bei chronischer Intoxikation werden Zeichen einer peripheren Neuropathie deutlich [127], wobei gastrointestinale Störungen fehlen können. Gleichzeitig findet sich in der Regel eine Hyperkeratose an Händen und Füßen sowie weiße Querstreifen in den Nagelbetten, sog. Mees’sche Streifen. Das Fortschreiten einer arseninduzierten Polyneuropathie lässt sich durch Applikation des wasserlöslichen 2,3-Dimercaptopropansulfonats (DMPS) verhindern. Morphologie. Morphologisch ist das Krankheitsbild durch eine axonale Degeneration der peripheren, dicken Fasern gekennzeichnet [99], offenbar z. T. kombiniert mit einer segmentären Demyelinisation [42], teilweise übergehend in ein Guillain-Barré-ähnliches Snydrom [52]. Veränderungen des ZNS sind demgegenüber nicht bekannt.
Organische Arsenverbindungen Klinik. Anwendung fanden organische Arsenverbindungen vor allem im Rahmen der Behandlung von
369
Syphilis und Trypanosomiadis. Klinisch sind die Zeichen einer Enzephalopathie, einer exfoliativen Dermatitis, sowie eine periphere Neuropathie beschrieben. Die Behandlung mit BAL hat sich bewährt. Man geht davon aus, dass als Ursache weniger die direkt toxische Wirkung eine Rolle spielt als vielmehr ein allergisches Geschehen [1]. Morphologie. Morphologisch ist eine Enzephalopathie durch perikapilläre Blutungen, vor allem im Mittelhirnbereich, gekennzeichnet (hämorrhagische Enzephalopathie [101]). Zum Teil äußert sich das Krankheitsbild in Form einer akuten hämorrhagischen Leukenzephalitis [1], die u. a. auf die allergisch-hyperergische Genese verweist. Schließlich wurde ein Guillain-Barré-ähnliches Syndrom beschrieben.
Bismut Klinik. Bismut (Bi) findet bei Behandlung von Obstipation, Magengeschwüren sowie Verdauungsstörungen nach Dickdarmentfernung Anwendung. Klinisch dominieren gastrointestinale Ausfälle mit Durchfall und Blutungen. Eine Hirnbeteiligung wird vor allem an psychischen Veränderungen wie Angst, Depression, Ataxie, Tremor und Demenz erkennbar. Am Ende des Krankheitsprozesses tritt ein Koma ein, das zum Tode führen kann. Die Pathogenese ist ungeklärt. Auffällig ist, dass offenbar eine individuell unterschiedliche Sensibilität für Bismut besteht. Morphologie. Im Vordergrund stehen ein Purkinje-ZellVerlust sowie ein neuronaler Ausfall in der Ammonshornformation [129]. Es findet sich ferner ein neuronaler Verlust mit Mikrogliaproliferation auf Höhe der Basalganglien. Erhöhte Bismutspiegel konnten in der frontalen Rinde, in den Basalganglien und der Kleinhirnrinde beobachtet werden.
Blei und Bleiverbindungen Anorganische Bleiverbindungen In den USA wird mit 12.000 bis 16.000 jährlichen Erkrankungsfällen und 200 Todesfällen gerechnet. Kinder sind besonders gefährdet. Pathologische Bleiwerte fanden sich bei 10–25% der Slumkinder [131]. Eine Massenvergiftung mit Blei wurde kürzlich in Leipzig beobachtet [32]: Man stellte fest, dass illegales Marihuana mit Blei gestreckt worden war. In Staub- und Dampfform oxidiert metallisches Blei (Pb) zu Bleioxid. Gefahrenquellen sind Arbeitsverfahren, bei denen Blei oder seine Verbindungen, insbesondere in
370
Kapitel 14
Staub-, Rauch- oder Dampfform, auftreten. Früher spielten Bleifarben und bleihaltige Glasuren sowie wasserleitende Bleirohre eine große Rolle. Heute stellen Autoabgase und Exposition gegenüber Bleitetraethyl die wesentliche Ursache von Vergiftungen dar. Die Aufnahme von Blei erfolgt über die Lungen sowie den Gastrointestinaltrakt. Der Bleigehalt des Gehirns ist abhängig von der Bleikonzentration im Blut. Pathogenese. Blei wirkt einerseits auf die Blut-HirnSchranke, andererseits offenbar direkt toxisch auf die Membranen der Neuronen mit Beeinträchtigung der Kalium-Natrium-Pumpe im Sinne eines oxidativen Stresses [3]. Gleichzeitig besteht ein Einfluss auf die Neurotransmitter, insbesondere auf das GABAerge System, dessen Beeinträchtigung für die Symptomatik der Bleienzephalopathie verantwortlich gemacht wird [220]. Es wird angenommen, dass Blei u. a. zu einem erhöhten Kupferspiegel führt, der die ATPase der Zellmembran hemmt, wodurch die Natrium-Kalium-Pumpe gestört wird und Blei in das Zellinnere gelangt [158]. Damit erklärt sich einerseits die Durchlässigkeit der Blut-HirnSchranke, andererseits das häufigere Vorkommen von Bleivergiftungen mit Enzephalopathie bei Kindern.
14
Klinik. Die akute Vergiftung des Erwachsenen ist durch Darmkolik, Erbrechen und Durchfall gekennzeichnet, während Koma und Krämpfe eher selten sind; durch eine chronische Vergiftung des Erwachsenen entwickeln sich demgegenüber Zeichen der Obstipation, Hautblässe, Kopfschmerzen, Übelkeit und Terminalzeichen eines schweren organischen Psychosyndroms. Neben zentralnervösen Störungen treten Schädigungen der peripheren Nerven auf. Bei Kindern dominiert ein ausgeprägtes Hirnödem mit Hirndruckzeichen als Hinweis auf die Enzephalopathie. Morphologie. Die Veränderungen durch Bleiintoxikation des Gehirns sind vielfältig, weder konstant, noch spezifisch. Makroskopisch finden sich bei der akuten Vergiftung vor allem Zeichen des Hirnödems und der Hyperämie; gelegentlich sieht man petechiale Blutungen in grauer und weißer Substanz sowie – bei chronischer Intoxikation – eine Groß- und Kleinhirnatrophie. Mikroskopisch sind bei der akuten Vergiftung Zeichen einer Störung der Blut-Hirn-Schranke mit perivaskulären, eiweißreichen Exsudationen erkennbar; in seltenen Fällen kann ein Marködem zu diffusen Entmarkungen und – in Verbindung mit lockeren Lymphozyteninfiltraten – zu einem der Multiplen Sklerose (M. Schilder) ähnlichen Bild führen. Im Vordergrund der chronischen Vergiftungen steht die Proliferation von Kapillaren in Groß- und Kleinhirnrinde sowie eine Astrozytenproliferation und Vermehrung der Mikroglia in der Molekularschicht der Kleinhirnrinde [177]. Der Purkinje-Zell-Bestand ist gelichtet, die Körnerzellen sind öfter atrophisch.
Intoxikation
Hyalinosen der Arteriolen werden ebenso wie Alzheimer-Fibrillen-Veränderungen beschrieben [159]. Der Bleigehalt im Knochenmark korreliert mit dem Vorkommen relativ dicht liegender Kalkkonkremente innerhalb der Körnerzellen der Kleinhirnrinde und dem Pallidum [224]. Als offensichtlicher Ausdruck der Schädigung der peripheren Nerven vom Typ der Waller-Degeneration ist die zentrale Chromatolyse der Vorderhornzellen anzusehen [62] (vgl. Kapitel 21; S. 581).
Organische Bleiverbindungen In den 20er Jahren wurde Tetraethylblei als Additiv des Benzins verwendet. Heute finden sich Intoxikationen vor allem nach Sniffing von Benzin (s. Abschnitt „Lösungsmittel“). Morphologie. Im Zentrum steht eine kortikale und zerebelläre Atrophie mit selektivem Verlust von Nervenzellen in Hippokampus und Kleinhirn sowie eine Chromatolyse in der Formatio reticularis [110].
Mangan Mangan (Mn) gehört zu den essentiellen Spurenelementen, aber ist in großen Dosen toxisch. Mn wird in Manganminen abgebaut (Chile, Marokko, Kuba) und findet Anwendung bei der Stahlherstellung sowie bei der Fabrikation elektrischer Batterien. Beschrieben wurden Vergiftungen vor allem bei Minenarbeitern in Marokko [199], aber offenbar auch nach Duschen unter manganhaltigem Wasser [56]. Die Einnahme erfolgt oral (Nahrung, Wasser) oder inhalatorisch (Stahlherstellung). Da sich Mangan an Transferrin bindet, kann es auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Es kommt zu einer Akkumulation, vor allem im Globus pallidus, Kaudatum und Putamen [53]. Klinik. Es dominieren zu Beginn der Intoxikation vor allem psychiatrische Ausfälle wie Erregungszustände, Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Affektlabilität u. a. Später treten extrapyramidale Störungen auf, die dem Parkinson-Syndrom ähnlich sind: Akinesien, Dystonien usw. [148]. Pathogenese. Pathogenetisch handelt es sich offenbar um eine Reduktion des Dopamin- und Homovanillinsäurespiegels im Striatum [29] sowie um eine Reduktion des Adrenalins [17]. Morphologie. Es entwickelt sich eine Degeneration von Nervenzellen, vor allem des medialen Segments des
371
Metalle und Metalloide
Globus pallidus, und der Substantia nigra reticularis, mit Ausparung der Pars compacta und ohne Nachweis von Lewy-Körpern [179].
Platin Platin (Pt) wurde in der chemischen Form des Cisplatins, in Kombination mit Cyclophosphamid, in den 70er Jahren in die Chemotherapie eingeführt. Nach intravenöser Applikation traten periphere Neuropathien und Hörstörungen auf [75]. Nach intrakarotider Applikation wurden zentralnervöse Ausfallserscheinungen beobachtet [66].
a
Morphologie. Morphologisch lässt sich ein Axonverlust an großen myelinisierten und unmyelinisierten Fasern beobachten, zusammen mit einer Gliose im Bereich der Vorderhörner des Rückenmarks [252]. Nach lokaler intraarterieller Injektion kommt es zu einem schweren neuronalen Verlust, offenbar durch die direkte neurotoxische Wirkung des Platins [70]. b
Quecksilber Elementares Quecksilber und anorganische Quecksilberverbindungen Quecksilber (Hg) fand bei der Herstellung von Thermometern, Thermostaten, Quecksilberfarben usw. Anwendung. Anorganische Quecksilberverbindungen sind weit verbreitet als Imprägnier- und Konservierungsmittel von Holz, Rostschutzmittel, Verstärkung fotografischer Platten und als Desinfektionsmittel (Quecksilbercyanid). Quecksilber-1-chlorid wird als Arzneimittel verwendet. Hin und wieder erfolgte eine Quecksilberapplikation, überwiegend in Form einer Beibringung von Sublimat, im Rahmen eines Suizids oder einer Tötung [71]. Da Quecksilberdampf farb- und geruchlos ist, kann es versehentlich eingeatmet werden. Inzwischen kommen derartige Vergiftungsfälle infolge verbesserter Schutzmaßnahmen kaum noch vor. Neuerdings wird die Verwendung von Amalgam in der Zahnmedizin als toxisch diskutiert, ohne dass bisher stichhaltige Beweise für eine Toxizität erbracht worden sind. Klinisch kennzeichnend sind Affektlabilität, Depression, Erethismus, Ataxie, und – selten – Tremor. Morphologie. Bei einem Fall mit klassischen Zeichen einer Quecksilberintoxikation wurden strukturelle Veränderungen beschrieben [61]: Makroskopisch und mikroskopisch konnten zwar nur geringe neuronale Ausfälle oder gliöse Reaktionen im Nervensystem beobachtet
c Abb. 14.1a–c Quecksilber Vergiftung, 41 Jahre nach Inhalation von anorganischem Quecksilber. Schwermetall-enthaltende Granula in: a einer Purkinjezelle, b einer Pyramidenzelle der Großhirnrinde, c einem peripheren Nerven. Der Patient litt nach einer Boiler-Explosion in einem Amalgamwerk an schwerer Ataxie und Tremor. (Eosin-Färbung, Vergrößerung a x500, b,c x1000). (Abbildung freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. H. Wiethölter, Stuttgart)
werden, jedoch fand sich Quecksilber in den lysosomalen „dense bodies“ zahlreicher Nervenzellen sowie peripherer Nerven – auch noch nach Jahrzehnten [84] (Abb. 14.1). Es ist jedoch unklar, wie es zu den entsprechenden neurologischen und psychopathologischen Ausfallserscheinungen kommt. Pathogenese. Aufgrund der Lipophilie durchdringen Quecksilber und seine Verbindungen unschwer die Blut-
372
Kapitel 14
Hirn-Schranke. Sie hemmen die Respiration von Mitochondrien und Synaptosomen [253], wodurch es zu einer Reduktion der zellulären Oxidation von Hirnzellen kommen kann [77]. Der Energiezusammenbruch und die Verletzung der Zellmembran führt zu einer Zunahme des Kalziumgehalts in den Nervenendungen [16], einer Hemmung der Proteinsynthese, einer Zerstörung der Mikrotubuli, zu oxidatem Stress und Triggerung des exzitotoxischen Mechanismus [207], – mit der Folge eines Untergangs von Neuronen.
Organische Quecksilberverbindungen
14
Bei unsachgemäßer Abfallbeseitigung oder Abfallaufarbeitung können große Mengen von organischen Quecksilberverbindungen entstehen. Da Mikroorganismen im Wasser in der Lage sind, anorganische Verbindungen in organische Verbindungen (Methylquecksilber) zu verwandeln, stellt das Verzehren von Meerestieren eine gewisse Gefahr dar. In Japan entwickelte sich die Minimata-Krankheit unter japanischen Fischern, die quecksilberverseuchte Fische in einer Bucht fingen, in die stark quecksilberhaltige Industrieabwässer eingeleitet worden waren [62]. Da Methylquecksilber ein effektives Fungizid darstellt, fand es bei der Behandlung von Saatweizen Anwendung; im Irak entwickelte sich eine ausgedehnte Vergiftungswelle mit über 500 Todesfällen, verursacht durch derart behandelten Weizen [14]. Pathogenese. Grundlage für die Neurotoxizität ist die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke durch organisches Quecksilber und die Gefahr einer Kumulation in den Neuronen bei einer Halbwertszeit von über 70 Tagen [134]. Offenbar beeinträchtigt Methylquecksilber die Proteinsynthese, so dass es zu einer reduzierten Inkorporation von Aminosäuren in die Proteine von sensorischen Ganglien und peripheren Nerven kommt. Nach Experimenten ist davon auszugehen, dass der primäre Effekt über eine unvollständige Phosphorylierung von Uridin zu einer Hemmung der RNS-Synthese führt [208]. Klinik. Bei der akuten Intoxikation stehen gastrointestinale Symptome im Vordergrund, während bei der chronischen Intoxikation Parästhesien, Müdigkeit, Schwindel und Ataxien auftreten. Es wurden zusätzlich Gesichtsfeldausfälle beschrieben [132]. Methylquecksilber ist ferner für die Plazentaschranke durchgängig und führt zur Störung der fetalen Hirnentwicklung [140]. Morphologie. Das morphologische Bild ist durch einen neuronalen Verlust in der Großhirnrinde – insbesondere im Bereich der Kalkarina – und der Kleinhirnrinde gekennzeichnet. Bereits makroskopisch ist manchmal eine Rindenatrophie erkennbar. Mikroskopisch findet sich
Intoxikation
eine spongiöse Auflockerung der Großhirnrinde unter Bevorzugung der 2.–4. Rindenschicht mit massiver Gliazellproliferation [236]. Im Kleinhirn ist der Ausfall der Körnerzellen auffällig, der besonders in der Tiefe der Windungstäler ausgeprägt ist, während die PurkinjeZellen gut erhalten bleiben. Axontorpedos werden häufig beobachtet. In der Kleinhirnrinde können stark ausgeprägte Dendritenveränderungen der Purkinje-Zellen mit Hirschgeweih- und Morgensternfiguren auftreten [62]. Die Stammganglien sind in der Regel gut erhalten, während im Rückenmark eine Entmarkung im Bereich der Hinterstränge (seltener der Pyramidenseitenstränge) beobachtet wird.
Thallium Thallium (Tl) findet sich als Spurenelement ubiquitär im Erdboden und in der pflanzlichen Nahrung. Metallisches Thallium wird in der Industrie bei Speziallegierungen verwendet. Die größte toxikologische Bedeutung hat Thallium-1-sulfat, das in vielen Ratten- und Mäusegiften enthalten ist. Thalliumverbindungen sind zumeist farb-, geruch- und geschmacklos und fanden aus diesem Grund häufig bei Tötungsdelikten und beim Suizid Anwendung [152]. Thalliumverbindungen sind nicht nur neurotoxisch, sondern auch hepatotoxisch. Pathogenese. Im Rahmen der Proteinbiosynthese soll es durch eine Anreicherung von Thallium in den Mitochondrien zu einer Reduktion der mitochondrialen oxidativen Phosphorylierung kommen [147]. Gleichzeitig entwickelt sich eine Störung des axonalen Transports mit der Folge einer Dying-back-Neuropathie [35]. Klinik. Akut dominieren gastrointestinale Symptome wie Durchfall, Erbrechen und krampfartige Bauchschmerzen. Bei chronischer Intoxikation stellen Parästhesien die ersten Symptome dar, es folgen Krämpfe, delirante Zustände und Koma. Daneben finden sich periphere Ausfälle, extrapyramidale und psychische Störungen [15]. Wesentliche sichtbare Symptome der chronischen Intoxikation sind der Haarausfall und Veränderungen der Nagelbetten (sog. Mees’sche-Streifen; s. auch unter „Arsen“) [71]. Morphologie. Das Gehirn ist makroskopisch ödematös und zeigt im Marklager von Groß- und Kleinhirn disseminierte Blutungen [36]. Mikroskopisch sind Nekrosen sichtbar, betont in der subthalamischen Region, der Substantia nigra und auf Höhe der kortikospinalen Verbindungen [37]. Daneben werden primär degenerative Veränderungen der Nervenzellen in der Groß- und Kleinhirnrinde, den hypothalamischen Kernen, den Olivenkernen und dem Corpus striatum beobachtet,
Gase
wobei das Fehlen einer Gliareaktion auffällt. Peripher zeigt sich vor allem eine Degeneration der Nervenfasern, mit der Folge einer Polyneuropathie vom Dying-backTyp (Chromatolyse der Vorderhornneuronen [36]).
Zinn Triethylzinn Metallisches Zinn (Sn) ist praktisch nicht toxisch, während organische Zinnverbindungen lipidlöslich sind, schnell resorbiert werden und auf das Nervensystem einwirken können. Organische Zinnverbindungen finden in der Kunststoffindustrie, als Desinfektionsmittel sowie als Fungizide und Insektizide Verwendung. Triethylzinn als toxische Substanz wurde bekannt, als 1953/54 in Frankreich 110 Todesfälle beobachtet wurden: Es wurde das bakterizid wirksame Präparat Stalinon appliziert, das 10% Triethylzinn enthielt [5]. Dabei wurden Schwindel, Erbrechen, Kopfschmerz, Photophobie und Sehstörungen, zerebrale Anfälle, sensible Störungen und Verlust der Sphinkterkontrolle beobachtet. Der Tod trat nach 4–10 Tagen ein. Triethylzinn hat eine besondere Affinität zum Myelin [130] und eine toxische Wirkung auf die Mitochondrien, in denen es zu einer Störung der oxidativen Phosphorylierung kommt [49]. Das morphologische Kennzeichen ist ein ausgeprägtes Hirnödem mit Zeichen der Einklemmung, makroskopisch wie mikroskopisch, zusammen mit einer spongiösen Auflockerung der weißen Substanz – unter weitgehender Verschonung der Axone [41].
373
diger Verbrennung kohlenstoffhaltiger Substanzen, z. B. Kohle, Benzin usw. Überwiegend werden Vergiftungsfälle im Rahmen eines Unfallgeschehens, z. T. jedoch auch im Rahmen eines Suizids (Einleiten von Autoabgasen in das Fahrzeuginnere) beobachtet. Das Stadtgas enthält auch heute noch CO, jedoch auf 3% reduziert, und kann allenfalls bei chronischer Belastung Symptome verursachen und zum Tode führen. Pathogenese. Durch CO kommt es zu einer Einschränkung des Sauerstofftransports über eine kompetetive Hemmung: CO hat eine 250fach höhere Affinität zum Hämoglobin (Hb) als Sauerstoff, so dass sich ein Komplex Kohlenmonoxid-Hämoglobin (CO-Hb) bildet. Die Folge ist ein mitochondrialer, oxidativer Stress der Nervenzellen [276]. Sind 60–70% des Hämoglobins an CO gebunden, so ist die Konzentration mit Sicherheit tödlich. Die Folge ist eine Sauerstoffminderversorgung des Gehirns mit Ausbildung eines zytotoxischen Hirnödems. Als offenbar besonders vulnerabel erwies sich der Globus pallidus [226]. Neben einer Schädigung als Folge des Sauerstoffmangels ist jedoch zusätzlich auch von einer direkt toxischen (zytotoxischen) Wirkung auszugehen [60], die die klinischen und morphologischen Veränderungen – vor allem bei intervallären und/oder chronischem Verlauf – erklären (Übersicht: [162]). Es kommt offenbar durch das im Plasma gelöste CO zusätzlich zu einem Reperfusionsschaden [275]. Man muss ferner davon ausgehen, dass CO eine Degradation ungesättigter Fettsäuren verursacht, wodurch sich u. a. Entmarkungen in der weißen Substanz des Gehirns erklären [238].
Akute CO-Intoxikation Trimethylzinn Es sind nur wenige Fälle einer Trimethylzinnintoxikation beschrieben worden, wobei wesentliche Symptome eine tiefe Depression, emotionelle Störungen anderer Art, Vergesslichkeit und Libidoverlust waren [201]. Morphologisch fanden sich geschwollene Nervenzellen mit exzentrischem, teils pyknotischem Kern und Verlust der NisslSubstanz mit zytoplasmatischen Einschlüssen im Mandelkern, in der temporalen Rinde, in den Basalganglien sowie in den pontinen Kernen [24].
Gase Kohlenmonoxid Kohlenmonoxid (CO) ist ein farbloses, geruchloses Gas mit einer der Luft ähnlichen Dichte (Übersicht: [158]). CO ist etwas leichter als Luft. Es entsteht bei unvollstän-
Klinik. Die Klinik hängt vom Prozentsatz des an das HB gebundenen Kohlenmonoxids ab und reicht von Kopfschmerz (CO-Hb: 20%), Schwindel über Brechreiz und Benommenheit (CO-Hb: 30%) bis zur Bewusstlosigkeit (CO-Hb: 40%) und führt schließlich zur zentralen Atemund Kreislauflähmung (CO-Hb: 50–60%; [71]). Eine Handlungsunfähigkeit – und damit ursächlich auch in vielen Fällen für den Tod – setzt in der Regel bei einem CO-Hb von 30–40% akut ein. Morphologie. Tritt der Tod akut ein, so fällt makroskopisch ausschließlich die kirschrote Farbe des Blutes auf, sowie die hellrote Farbe der Haut- und auch der makroskopischen Hirnschnitte (Abb. 14.2a–c) bei der Obduktion, sowie auch später nach Formalinfixierung (s. auch S. 432f.). Vereinzelt kann es bei massiver Stauung auch zu Blutaustritten kommen. Wird die akute Intoxikation überlebt, treten Veränderungen auf, die bei systemischem Sauerstoffmangel zu beobachten sind: laminäre Rindennekrosen, Nervenzellausfälle in der Hippokampusforma-
374
Kapitel 14
Intoxikation
a
b
c
d
14
Abb. 14.2a–d Kohlenmonoxidvergiftung. Akute Vergiftung mit kirschroter Dura mater bei Autopsie (a) sowie auch der Hirnoberfläche, 14 Tage nach Formalinfixation zugleich mit Zeichen einer
Hirnschwellung (b) und Rotverfärbung auch eines formalinfixierten Frontalschnitts (c). Mit Verzögerung eintretende bilaterale Pallidum-Nekrose bei überlebter CO-Intoxikation (d)
tion, Purkinje-Zell-Ausfall, Marknekrosen und bilaterale Pallidumnekrosen (Abb. 14.2d; zur Differentialdiagnose der Pallidumnekrose vgl. [175].
weiteren 10–30 Tagen alle Zeichen einer progressiven Enzephalopathie mit Demenz, Akinesien und Rigidität bis zum Koma beobachtet werden. Morphologisch finden sich konfluierende Entmarkungsherde mit Schwellung der Oligodendrozyten und Proliferation der Astrozyten. Die Entmarkung ähnelt mit der kleinfleckigen Verteilung bei unscharfer Randbildung dem Muster der multifokalen Leukoenzephalopathie; es bestehen fließende Übergänge bis zur vollständigen Entmarkung („Grinker’s disease“). Als Ursache wird ein Marködem mit Blutdruckabfall und Azidose diskutiert [27].
Intervallärer Verlauf der CO-Intoxikation Klinik. Nach einem Koma von Tagen bis Wochen in der 1. Krankheitsphase tritt eine zunehmende Bewusstseinsklarheit auf, woraufhin – in einer 2. Phase – nach
375
Gase
Chronische CO-Intoxikation Klinik. Es können bei geringen CO-Konzentrationen der Atemluft vor allem Kopfschmerzen und Übelkeit auftreten. Durch ihre stärkere Bindungsaffinität von CO an Hb sowie aufgrund der davon abhängigen geringeren Abatmung von CO, kommt es zu einer Kumulation, wobei auch Tage und Wochen nach der ersten Exposition schließlich alle Zeichen einer akuten Intoxikation auftreten können – bis hin zum Eintritt des Todes. Morphologisch dominieren die oben beschriebenen Sauerstoffmangelschäden sowie Marknekrosen.
Nitrite und Nitrosegase Nitrite, besonders Natriumnitrit, finden in der Farbstoffindustrie Anwendung. Natriumnitrit wurde abzulagerndem Fleisch zugefügt, um ihm eine frische rosa Farbe zu geben. Spinat enthält Nitrat, das in Nitrit umgewandelt werden kann. Kinder sind besonders gefährdet. Durch Oxidation des zweiwertigen Eisens im Hämoglobin zu dreiwertigem Eisen (Methämoglobin) entsteht eine ungenügende Sauerstofftransportkapazität, deren Folge ein zentraler Sauerstoffmangel ist. Nitrosegase entstehen beim Erhitzen von Salpetersäure bzw. bei Zusammentreffen dieser Säure mit Metallen oder organischen Substanzen, u. a. beim Schweißen. Vor allem NO2 und N2O4 wirken auf Atemwege und können über ein Lungenödem zum Tode führen. Bei Einatmung entwickeln sich über Methämoglobin Atemnot, Zyanose, Erbrechen, Schwindel und Blutdruckabfall wie bei einer Nitritvergiftung. Morphologisch ist bei Intoxikation mit Nitriten und Nitrosegasen jeweils die Folge eines cerebralen Sauerstoffmangels nachweisbar. Vereinzelt wurde eine Purpura cerebri beobachtet.
Schwefelwasserstoff Schwefelwasserstoff (H2S) ist ein farbloses, brennbares, im Gemisch mit Sauerstoff explosionsfähiges, nach faulen Eiern riechendes Gas, das schwerer als Luft ist. Es kommt in vulkanischen Gegenden vor und entsteht bei Salz- und Schwefelsäureherstellung. Es tritt auch aus Hochöfen aus und entsteht überall dort, wo menschliche, tierische oder pflanzliche Materie in Fäulnis übergeht. Schwefelwasserstoffgas wird überwiegend durch Inhalation aufgenommen. Die Wirkungsweise von H2S ist bisher unbekannt. Es wird u. a. vermutet, dass eine intrazelluläre Atemhemmung eintritt; eine eindeutige Klärung liegt bisher jedoch nicht vor.
Klinisch werden zunächst Schleimhautreaktionen beobachtet, anschließend Kopfschmerzen, Schwindel, Ataxie, Dyspnoe, Blutdruckabfall, Krämpfe, Bewusstlosigkeit, Atem- und Herzstillstand. Werden akut hohe Dosen appliziert, so kommt es zu einem schlagartigen Atemstillstand innerhalb von Sekunden bzw. Minuten. Morphologisch wurden im akuten Fall Kongestion sowie Ödem beschrieben [172]; bei längerer Überlebenszeit traten Zeichen eines generalisierten Sauerstoffmangels bis hin zu einem intravitalen Hirntod auf [23].
Zyanwasserstoff und Zyanide Akute Zyanidvergiftungen finden sich heute allenfalls im Rahmen des Suizids bzw. der vorsätzlichen Tötung (u. a. Sterbehilfe). Chronische Vergiftungen durch zyanhaltige Fruchtkerne oder Pflanzen sind eher selten. Von gewisser Bedeutung soll das Auftreten von Blausäure in Brandgasen beim Verschwelen stickstoffhaltiger Kunststoffe sein, wobei Mischintoxikationen (zusammen mit Kohlenmonoxid) auftreten können. Vereinzelt wurden Fälle beobachtet, die eine akute Intoxikation aufgrund intensivmedizinischer Maßnahmen überlebten. Die tödliche Dosis ist extrem gering. Da der Tod in der Regel sofort eintritt, sind ärztlichen Maßnahmen meistens frustran. Die Dosis letalis liegt für • Blausäure bei 1–2 mg/kg; • Natrium- und Kaliumcyanid bei 2–3 mg/kg; • bittere Mandeln: 70 Stück für den Erwachsenen, 6–7 Stück für Kinder. Pathogenese. Die Blausäure (Zyanwasserstoff, HCN) bzw. ihre Salze, die Zyanide, sind durch Bittermandelgeruch gekennzeichnet. Sie sind gut lipidlöslich und diffundieren schnell. Sie binden sich an das dreiwertige Eisen der Zytochromoxidase und hemmen dadurch die zelluläre Sauerstoffaufnahme. Die Folge ist eine histotoxische Anoxie mit innerer Erstickung. Klinik. In Sekunden entwickelt sich ein Koma mit Krämpfen. Der Tod tritt mit allen Zeichen des Erstickens innerhalb von wenigen Sekunden ein. Die Diagnose sollte durch sofortige Untersuchung des Blutes auf Zyanide gestellt werden, da sowohl bei Lagerung des Blutes als auch post mortem – in der Leiche selbst – ein Abbau der Zyanide stattfindet [231]. Morphologie. Die Morphologie der akuten Todesfälle ist durch eine massive Kongestion gekennzeichnet, manchmal zusammen mit perivaskulären und subarachnoidalen Blutungen. Bei längeren Überlebenszeiten, die allerdings extrem selten beobachtet wurden, finden sich Purkinje-Zell-Ausfälle, Gliose der Großhirnrinde sowie disseminierte petechiale Blutungen, umschriebene
376
Kapitel 14
Marknekrosen und bilaterale Pallidumnekrosen [115] sowie auch – offenbar in Einzelfällen – eine pseudolaminäre Nekrose der kortikalen Rinde [197].
Intoxikation
am peripheren Nervensystem führt [144]. Morphologisch werden distal aufsteigende Axonopathien beobachtet.
Halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe Gifte in Industrie und Umwelt Die hier aufgeführten Substanzen sind keiner einheitlichen chemischen Gruppe zuzuordnen. Sie lassen sich auch nicht scharf von der ersten Gruppe (Metalle and Metalloide) abgrenzen, in der bereits Substanzen aufgeführt wurden, die als Industrie- und Umweltgifte Bedeutung haben. Ferner muss an dieser Stelle auch auf ein eigenes Krankheitsbild verwiesen werden, das ebenso wenig klassifizierbar ist, die multiple Chemikalienunverträglichkeit („multiple chemical sensitivity syndrome“ = MCS). Hierbei handelt es sich um eine erworbene Störung, meist im Zusammenhang mit einer belegbaren Fremdstoffexposition, die durch rezidivierende Symptome mehrerer Organsysteme, u. a. des ZNS, des vegetativen und peripheren Nervensystems, gekennzeichnet ist. Die Störungen werden offenbar durch chemische Stoffe verursacht, die bei einer Dosis auftreten, die von der klassischen toxikologischen Dosis-Wirkungs-Beziehung erheblich abweicht [173]. Allerdings sind neuropathologsiche Veränderungen bisher nicht beschrieben worden.
14 Kohlenstoffverbindungen Acrylamid Acrylamid wird industriell besonders bei der Papierherstellung und bei der Herstellung von Fasern und Farben angewandt. Es handelt sich um ein kumulatives Neurotoxin, d. h., erst nach Überschreitung eines Schwellenwerts treten Symptome auf. Die klinischen Ausfälle entsprechen einer peripheren Neuropathie, beginnend mit reversiblen Parästhesien, gefolgt von motorischer Schwäche und evtl. Ataxie [228].
Aliphatische Kohlenwasserstoffe Diese Substanzen finden als Lösungsmittel in der Klebstoffindustrie wie auch in der Mineralölindustrie Anwendung. Als besonders neurotoxisch erwiesen sich n-Hexan und Methyl-n-butylketon. Vergiftungen kommen durch orale Zufuhr (besonders bei Kindern) vor wie auch bei der Aufnahme durch Schnüffeln von Lösungsmitteln. Pathogenetisch kommt es durch die Lösungsmittel zu einer axonalen Schädigung, die über den Mechanismus eines „dying back“ zu Ausfallserscheinungen vor allem
Auch die halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffe werden überwiegend als Lösungs- und Kältemittel eingesetzt, heute vor allem in der Kunststoffindustrie. Sie werden über die Atemwege inkorporiert und sind wegen ihrer Lipidlöslichkeit für die Blut-Hirn-Schranke durchgängig.
Methylchlorid Bei dieser vor allem in der Kälteindustrie verwendeten Substanz tritt klinisch eine akute Vergiftung mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindelgefühl, Tremor, unsicherem Gang und Blutdruckabfall auf [239]. Chronische Vergiftungen führen zu Somnolenz und Ausfallserscheinungen des extrapyramidalen Systems und zu Polyneuropathien. Morphologisch finden sich Nekrosen der Körnerzellschicht im Kleinhirn sowie Axontorpedos in der Körner- und Purkinje-Zell-Schicht. Die Nervenzellen im Bereich der Hinterstrangkerne sind durch ausgeprägte Chromatolyse und Vakuolisierung gekennzeichnet. Die Nervenzellen von Hinter- und Vorderhörnern enthalten beschichtete argentophile Einlagerungen. Durchgehend sind Zeichen der neuroaxonalen Dystrophie nachweisbar [120].
Tetrachlorkohlenstoff Die Intoxikation imponiert in Form eines rauschähnlichen Zustands mit Übelkeit und Kopfschmerzen. Morphologisch werden schwere Körnerzellnekrosen im Kleinhirn mit Bergmann-Glia-Wucherung und Degeneration der dendritischen Spines innerhalb der Molekularschicht beobachtet [48]. Ähnlich sind die Veränderungen bei Thiophenintoxikationen [98]. Es entwickeln sich eine Aufsplitterung der Markscheiden und spongiöse Veränderungen im Marklager, vor allem subependymal sowie im Kleinhirnmarklager und den markreichen Fasern der Brücke und der Medulla oblongata [248].
Trichlorethylen Anwendung findet die Substanz als industrielles Reinigungsmittel sowie als Suchtmittel von Schnüfflern, was auch für die Substanz Toluol gilt [159]. Klinisch ent-
377
Gifte in Industrie und Umwelt
wickeln sich vor allem Koordinationsstörungen im Sinne von Ataxie und Dysarthrie [136] sowie Dysphagien und Trigeminusanästhesien [125]. Zum Teil kommt es zu vasomotorischen und gastrointestinalen Störungen. Morphologische Untersuchungen liegen ausschließlich aus der Klinik vor, in der Hirnatrophien beobachtet werden konnten [108].
Störungen vom Parkinson-Typ aus [180]. Neuropathologische Beobachtungen wurden nur in wenige Fälle beschrieben, die durch disseminierte neuronale Degeneration in der Großhirnrinde, den Basalganglien und dem Kleinhirn gekennzeichnet sind. Eine Gliose und Demyelination des Rückenmarks wurde beobachtet [9].
Methylalkohol Halogenierte zyklische Kohlenwasserstoffe Hexachlorophen Hexachlorophen (HCP) findet sich als Zusatz in Kosmetika und Seifen, wobei die Substanz wegen ihrer Bakterizidie Verwendung findet. Hexachlorophen wirkt auf die Markscheiden toxisch und führt zu einer vakuolären Enzephalopathie [141], die durch eine Spongiose des Marklagers gekennzeichnet ist. Differentialdiagnostisch muss an eine Triethylzinnvergiftung gedacht werden. Besonders betroffen sind Frühgeburten und Neugeborene mit desquamierenden Hautaffektionen. Unklar ist, ob Hexachlorophen auch eine Todesursache darstellen kann, da die damit behandelten Säuglinge in der Regel bereits aufgrund ihrer Unreife besonders gefährdet sind [182].
Lindan Lindan wird primär als Insektizid eingesetzt. In der Medizin wird die Substanz bei der äußeren Behandlung von Skabies und Pedikulose verwendet. Bei Überdosierung – sowohl durch massive kutane Resorption als auch bei oraler Aufnahme – kann es zu einer akuten Intoxikation mit Mydriasis, Hyperglykämie, Zyanose, Atemnot sowie Bewusstseinsstörung, Krampfanfällen und Herzversagen kommen. Bei chronischer Intoxikation werden neuropsychiatrische Ausfallserscheinungen deutlich. Morphologisch wurden u. a. ausgedehnte Nekrosen der kleinen Blutgefäße in Lungen, Nieren und Gehirn beschrieben [251].
Schwefelkohlenstoff Intoxikationen kommen vor allem im Rahmen von Tätigkeiten vor, die mit der Behandlung von Gummi und Viskosefasern zu tun haben. Betroffen ist neben dem Nervensystem das kardiovaskuläre System. Die Klinik ist durch eine sensorische Neuropathie bestimmt, gefolgt von einer motorischen Schwäche in den distalen Extremitäten. Selten bilden sich eine akute Psychose wie auch neurologische Ausfälle im Sinne extrapyramidaler
Methylalkohol ist eine farblose, etwas nach Weingeist riechende, aber nicht unangenehm schmeckende Flüssigkeit, die leicht entzündlich ist. Sie findet Verwendung als Frostschutzmittel in Motorkühlern, als Lösungsmittel für Farben, Klebstoff, Reinigungsmittel usw. Eingenommen wird Methylalkohol entweder in Verwechslung von Methanol und Ethanol oder aber (z. B. während der Prohibition in Amerika) als Alkoholersatz. Einatmen und perkutane Aufnahme wurden beschrieben. 10 ml können schwere Vergiftungen, 30–100 ml tödliche Vergiftungen hervorrufen. Morphologisch finden sich im Gehirn Hyperämie und Ödem [171] mit perivaskulärer Lokalisation von hämorrhagischen Nekrosen, Auftreten einer hämorrhagischen Leukenzephalopathie [96] und bilateralen Nekrosen des Putamens mit zystischen Veränderungen [59]. Bei langsam eintretendem Tod werden u. a. neben symmetrischen Erweichungsherden im rostralen Anteil des Putamen (Abb. 14.3a) neuronale Veränderungen im Sinne von Ganglienzellschwellung, Chromatolyse und Zelluntergängen in den Basalganglien, im Corpus geniculatum laterale, Entmarkungen (Abb. 14.3b,c) in der Marksubstanz und im Rückenmark beobachtet [120]. Eine neuere Untersuchung mittels CT beschreibt an einem relativ großen Untersuchungsmaterial (n=42) vor allem Blutungen im Putamen und Marknekrosen in der subkortikalen Inselregion [234].
Phosphorsäureester Insektizide Phosphorsäureester finden als Schädlingsbekämpfungsmittel Anwendung. Intoxikationen entstehen im Rahmen akzidenteller oder suizidaler Giftaufnahme, selten auch bei Giftmord. Anwendung fand diese Substanzgruppe auch als Kampfstoff (s. unten). Phosphorsäureester unterschiedlicher Arten führen zu einer Hemmung der Cholinesterase, wobei manche direkt wirksam werden (z. B. Dichlorvos), andere indirekt: So wird u. a. Parathion (E 605) im Körper zu Paraoxon (E 600) metabolisiert; Paraoxon aber ist toxisch, während Parathion selbst unwirksam ist.
378
Kapitel 14
Intoxikation
chemischen Nachweis von Azetylcholinesterase lässt sich auch die Hemmung dieses Enzyms [164] sowie die Hemmung der unspezifischen Esterase der Monozyten im peripheren Blut [167] nachweisen. Wird eine Vergiftung durch intensivmedizinische Maßnahmen überlebt, können Zeichen einer systemischen Ischämie sichtbar werden.
Kampfstoffe
a
b
14
c Abb. 14.3a–c. Methanolvergiftung. a Beginnende bilaterale Putamennekrose und deutliche, teilweise zystische Entmarkung (b,c) sowie neuronale Degeneration (c) (b,c Luxol-fast-blue, Vergrößerung b x100, c x300)
Klinik. Die akute Vergiftung ist durch Angstgefühl, Kopfschmerz, Ataxie, Koma und Krämpfe sowie Muskelschwäche und fibrilläre Muskelzuckungen gekennzeichnet. Weitere Symptome sind Miosis, Speichelfluss und Durchfälle. Die Symptome treten innerhalb von 10 min bis 2 h auf; Todesursache ist ein zentraler Atemstillstand. Morphologie. Akut werden im Gehirn ausschließlich Hyperämie und Ödem beobachtet [168]. Durch histo-
Im 2. Weltkrieg wurden chemische Kampfstoffe entwickelt: in England das Diisopropyfluorphosphat (DFP), in Deutschland das 10-mal toxischere Tabun. In der Folgezeit wurde zunächst das nochmals 5- bis 10-mal toxischere Sarin und schließlich das nochmals 5- bis 10-mal toxischere Soman (Pinakolylester) entwickelt (Übersicht: [217]). Die Resorption dieser Substanzen erfolgt über Haut und Atmung. Klinisch imponieren zunächst Atemstörungen und eine Miosis; danach entwickelt sich eine Krampfbereitschaft, die in einen Status epilepticus übergeht. Die Kampfstoffe sind z. T. wegen der extrem geringen Konzentrationen im Körper nicht direkt nachweisbar. Ein Indiz allerdings ist der Nachweis einer Hemmung der Cholinesterase, die auch die pathophysiologische Wirkung erklärt. Die Substanz Sarin wurde ferner in den letzten Jahren durch den Anschlag der Aum-Sekte (1995) in der UBahn von Tokyo weltbekannt, bei dem 12 Menschen starben [235]. Auch der Gasanschlag von Matsumoto im Jahre 1994, bei dem 4 Menschen starben, ging offenbar auf die gleiche Sekte zurück. Experimentelle Untersuchungen konnten mittels subletaler Dosen morphologische Veränderungen am Gehirn nachweisen [109]. Durch Sarin kam es zu einem signifikanten Nervenzellverlust in der CA1- und CA3-Region der Ammonshornformation, durch Soman hingegen waren zusätzlich noch Nervenzellen auch der frontalen Rinde betroffen.
Medikamente Alle zu der Gruppe der Sedativa, Hypnotika und Analgetika gehörenden Medikamente (Barbiturate, Benzodiazepine, Brom, Methaqualon, Pyrazolderivate, Salizylderivate u. a. m.) wirken zwar auf das Zentralnervensystem, führen jedoch bei Überdosierung allenfalls zu geringen und unspezifischen morphologischen Veränderungen im Sinne einer primär neurotoxischen Wirkung. Alle diese Medikamente können jedoch sekundär über eine zentrale Atemlähmung zu einer systemischen Hypoxie/Ischämie führen, die ihrerseits morphologische Ausfallserscheinungen am Gehirn auslöst.
Medikamente
Meperidin Als synthetisches, narkotisch wirkendes Analgetikum wurde in den 70er Jahren Meperidin (1-Methyl-4-phenyl-1,2,3,6-tetrahydropyridin [=MPT], Demorol) entwickelt. Es wurde illegal zusammen mit Heroin als Rauschmittel verwendet. Dieses Medikament führt zu einem Parkinson-Syndrom, das offenbar durch einen medikamentenbedingten neuronalen Ausfall in der Substantia nigra und im Striatum bedingt ist. MPT ist in den Stoffwechsel katecholaminerger Neurone involviert. Das Enzym Monaminoxidase B entwickelt einen toxischen Metaboliten, der sich in der Zelle anreichert und dort gespeichert wird.
Diphenylhydantoin Der Wirkstoff Diphenylhydantoin (Phenytoin) findet seit Jahrzehnten Anwendung als Antiepileptikum. Klinisch treten bei chronisch überdosierter Applikation Tremor, Ataxie, Doppelbilder sowie Schwindel und Erbrechen auf. Diese Symptome sind reversibel. Morphologisch kann bei Überdosierung eine Rindenatrophie des Kleinhirns mit Schwund der Purkinje- und Körnerzellen auftreten [44], zusammen mit einer Gliose in der Molekularschicht. Bezüglich der Pathogenese wurde lange diskutiert, ob es sich ausschließlich um hypoxisch bedingte, im Krampfanfall entstandene Schäden handelt. Seit einiger Zeit geht man davon aus, dass das Diphenylhydantoin primär neurotoxisch wirksam ist [260].
379
Enzephalopathie mit Bewusstseinsverlust [135] und zu einer Asystolie. Neuropathologische Befunde sind bisher rar. In einem Fall wurde eine diffuse Markschädigung bei weitgehend intakter grauer Substanz beschrieben [189], in einem anderen Fall ein Hirninfarkt [246].
Antiprotozoenmedikamente Chloroquin Die Chloroquin enthaltenden Pharmaka sind lysosomotrop und finden als Medikamente bei der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen und Malaria Anwendung. Der amphiphile Charakter wirkt sich membranstabilisierend aus, ist aber auch Ursache einer Nebenwirkung, die das Chloroquin gemeinsam mit einer Reihe anderer amphiphiler Substanzen hat, so den trizyklischen Neuroleptika, den Cholesterolsynthesehemmern (Triparanol), dem Appetitzügler Chlorphentermin und dem Herzmittel Perhexilin [54]. Klinisch werden Zeichen einer Polyneuropathie erkennbar; bei akuter Intoxikation werden exogene Psychosen beobachtet, zusammen mit Zwangshandlungen und Phobien. Todesfälle wurden nicht beschrieben. Morphologisch sind Zeichen einer experimentellen Neurolipidose (Speicherungsdystrophie) charakteristisch. Man findet in den Nervenzellen – mit Schwerpunkt Spinalganglien – membranöse Schichtungskörper vom Typ multilamellärer Körperchen oder auch lamellär oder hexagonal angeordnete kristalloide Einschlüsse [119]. Das Bild ähnelt der GM2-Gangliosidose bzw. der neuroviszeralen Zeroidlipofuszinose (vgl. S. 586).
Tryptophan Clioquinol L-Tryptophan wurde u. a. zur Behandlung von Depressionen, prämenstruellen Syndromen und bei Entzugsbehandlung appliziert. 1989 wurden als Folgen der Einnahme schwere Myalgien und eine Eosinophilie beobachtet (eosinophiles Myalgiesyndrom), zusammen mit zahlreichen anderen Symptomen (Gesichtsödem, sklerodermieähnliche Hautveränderungen, Myopathie, pulmonale Manifestationen usw. [30]). Im Zentrum stehen Symptome einer Polyneuropathie (vgl. S. 586).
Salizylate Die Einnahme erfolgt wegen großer Schmerzen oder in suizidaler Absicht bzw. akzidentell bei Kindern. Bei Überdosierung kommt es infolge einer Stoffwechselentgleisung mit fulminantem Leberausfall zu einer metabolischen
Clioquinol wurde medizinisch zur Behandlung von Diarrhöen durch Amöben, Lamblien und Shigellosen angewandt. In Japan wurden nach chronischer Behandlung von Diarrhöen Zeichen einer subakuten myelooptischen Neuropathie (SMON) beschrieben [137]. Diese Krankheit trat epidemisch auf. Klinisch sind führende Symptome: eine Abnahme des Sehvermögens, Hinterstrangataxie, Zeichen einer Pyramidenbahnläsion und sensomotorische Ausfälle zusammen mit Blasenstörungen. Pathogenetisch handelt es sich um eine zentrale distale Axonopathie [213], wobei eine Störung des axonalen Transports als Ursache erörtert wird [240]. Morphologisch dominierend sind Ödemveränderungen in Groß- und Kleinhirn mit Gliose. Entmarkungsherde finden sich im N. opticus und im Bereich der Hinterstränge sowie der Vorder- und Seitenstränge des Rückenmarks.
380
Kapitel 14
Intoxikation
Zytostatika Nicht nur in den hier aufgeführten Zytostatika, sondern sicher auch in allen übrigen hochpotenten Medikamenten dieser Arzneimittelgruppe sind Einwirkungen auf das ZNS zu beobachten. So wurde u. a. neuerdings bekannt, dass das Medikament Rituximab ursächlich für eine progressive multifokale Leukoenzephalopathie ist (2008, Dtsch Ärztebl 105: A 1866).
Methotrexat
14
Methotrexat ist ein Folsäureantagonist und wird als Zytostatikum, besonders bei der Behandlung von Leukämien, verwendet. Zur Heilung von Leukämien findet Methotrexat u. a. intrathekal Anwendung, in Kombination mit kranialer und kraniospinaler Bestrahlung. Im Rahmen dieser kombinierten Behandlung kann eine neurale Schädigung auftreten. Auch eine intravenöse Applikation von Methotrexat in ausreichend hoher Dosis kann bereits neurotoxisch wirken. Eine Applikation während der Schwangerschaft kann zu einer zytostaischen Embryoapathie führen, mit der Folge einer schweren Hirnschädigung, die einer massiven hypoxischen Schädigung gleichzusetzen ist [163]. Akut können klinisch vorübergehend Zeichen der Verwirrtheit, Lethargie und Kopfschmerzen auftreten. Als Folge einer chronischen Behandlung werden Müdigkeit, Reizbarkeit, Ataxie und Verwirrtheit beobachtet, und hin und wieder auch eine Spastik. Morphologie. Nach intraventrikulärer Methotrexatapplikation kann eine Leukenzephalopathie beobachtet werden, die überwiegend periventrikulär lokalisiert ist, oder multifokal mit Koagulationsnekrosen [221] und Axonschwellungen einhergeht (Abb. 14.4a,b). Nach intrathekaler Applikation in Verbindung mit einer Bestrahlung kann eine Entmarkung auftreten sowie die Kombination einer disseminierten Nekrose mit extensiver Entmarkung, besonders im Centrum ovale [203]. Es ist auffällig, dass keine wesentliche Zellreaktion zu beobachten ist.
a
b Abb. 14.4a,b Methotrexatintoxikation mit periventrikulärer Entmarkung
tin zu beobachten ist. Die Substanzen dürfen weder intraventrikulär noch intrathekal appliziert werden. In Einzelfällen einer versehentlichen Fehlapplikation ist es zu subakuten Todesfällen gekommen. Morphologie. Überwiegend finden sich Zeichen einer axonalen Degeneration mit Vermehrung von Neurotubuli und Neurofilamenten. Bei intrathekaler Applikation treten Zeichen der primären Zellreizung und Zelltoxizität mit ausgeprägter Aggregation von Neurofilamenten auf und führen über ein subpiales und subependynäres Ödem – im Intervall – zum Tode [269].
Vincristin und Vinblastin Sowohl Vincristin als auch Vinblastin sind Spindelinhibitoren, die eine Störung der Zellteilung in der Metaphase bewirken. Durch gleichzeitige Affinität zu Mikrotubuli kommt es zu einer Hemmung des axoplasmatischen Transports [39] und es entwickelt sich eine Aggregation der Mikrotubuli innerhalb des Axons. Klinisch dominierend ist eine sensomotorische, periphere Neuropathie, die besonders bei intravenöser Applikation von Vincris-
Alkohol Metabolismus Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland geht man von 4,5 Millionen Alkoholabhängigen und ca. 40.000 Alkoholtoten im Jahr aus. Als Todesursachen wurden nach Schmidt und DeLint [235] festgestellt: Leberzir-
Alkohol
rhose, Krebserkrankungen des Magens und des oberen Verdauungstrakts, Apoplexie, Selbstmord und Unfall. Der über den Magen-Darm-Trakt zugeführte Alkohol diffundiert aus dem gastrointestinalen Kompartiment in das Blutgefäßsystem. Der Abbau des Alkohols erfolgt enzymatisch über 4 Wege – überwiegend über die Leber: • Alkoholdehydrogenase, • mikrosomales alkoholoxidierendes System, • Katalase, • Bindung an Glukuronsäure. Die Alkoholdehydrogenase (ADH) steht dabei ganz im Vordergrund. Sie baut den Alkohol oxidativ zu Azetaldehyd ab, das seinerseits durch die Azetaldehyddehydrogenase oxidativ zu Essigsäure abgebaut wird. Der Hauptabbau des Alkohols läuft über diesen Weg, wobei die ADH-Familie eine größere Anzahl von Isoenzymen und ein atypisches Enzym umfasst [264]. Der genetisch angelegte Enzymbesatz bestimmt ebenso wie die Enzymaktivität die Abbaurate. Bei Asiaten – im Vergleich zu Europäern – ist die atypische ADH bei bis zu 90% der Bevölkerung vertreten, womit eine deutlich geringere Alkoholverträglichkeit verbunden ist [4]. ADH kommt überwiegend in der Leber vor, jedoch auch in anderen Organen – so u. a. im ZNS. Während die ADH der Leber stimulierbar ist [188] – sog. adaptive Abbaubeschleunigung –, ist die Azetaldehydhydrogenase in ihrer Adaptivität eingeschränkt. Insofern kommt es durch Erhöhung der Alkoholdosis vor allem zu einer Anreicherung von Azetaldehyd im Blut, das im Vergleich zum Alkohol als deutlich toxischer anzusehen ist. Der Abbau von Alkohol im Körper erfolgt nahezu gradlinig (und nicht exponentiell) mit einer Geschwindigkeit von 0,15/h), überwiegend in der Leber. Der Alkohol verteilt sich im Gehirn in wässriger Lösung und lässt sich dort in einer Konzentration nachweisen, die etwa der Blutkonzentration entspricht. Da als wesentlicher toxischer Faktor das Aldehyd angesehen wird und da bekannt ist, dass dieser Metabolit nur bei sehr hoher Blutkonzentration auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann [100], stellt sich die Frage, wie sich erhöhte Azetaldehydspiegel im Hirngewebe erklären. Alkoholhaltige Getränke enthalten unterschiedliche Fuselöle, die toxisch auf zahlreiche Organsysteme wirken. Im Vordergrund stehen als Zielorgane die Leber und das kardiovaskuläre System [11], bei gleichzeitig bestehender negativer Beeinflussung der Organe des Magen-DarmTrakts und der Bauchspeicheldrüse. Der Tod kann jedoch auch ohne fassbare Organerkrankungen eintreten.
381
Klinik Die akute Alkoholintoxikation (Übersicht: [26]) ist psychopathologisch gekennzeichnet durch den „Rausch“, der sich in 3 Stadien einteilen lässt: 1. Leichter Rausch, Blutalkoholkonzentration (BAK) 0,5– 1,5‰ bzw. 10,8–32,5 mmol/l = 50–150 mg/dl: allgemeine Enthemmung, Herabsetzung der psychomotorischen Leistungsfähigkeit, Koordinationsstörungen. 2. Mittelgradiger Rausch, BAK 1,5–2,5‰ bzw. 32,5– 54,2 mmol/l = 150–250 mg/dl: euphorische Glücksstimmung oder aggressive Gereiztheit, Verminderung der Selbstkritik, Befriedigung triebhafter Bedürfnisse, Gefährdung des Straßenverkehrs. 3. Schwerer Rauschzustand, BAK: >2,5‰ bzw. >54,2 mmol/l = >250 mg/dl: Bewusstseinsstörung, Verlust des realen Situationsbezugs, Desorientiertheit, illusionäre situative Verkennung usw. 4. Todesfälle einer akuten Alkoholvergiftung weisen einen Blutalkoholspiegel von 2,0–6,7‰ auf, in der Regel ab 4‰. Die Folge ist eine (zentrale) Ateminsuffizienz und konsekutive Herzinsuffizienz infolge einer Hypoxämie und eines verminderten venösen Rückflusses [189]. Der chronische Alkoholmissbrauch lässt sich durch folgende Kriterien definieren [227]: • abnormes Trinkverhalten, • somatische alkoholbezogene Schädigung, • psychosoziale alkoholbezogene Schädigung, • Entwicklung von Toleranz und Entzugssyndrom (körperliche Abhängigkeit), • Entzugssymptom auf subjektiver Ebene (psychische Abhängigkeit). Lange Zeit wurde der chronische Alkoholiker ausschließlich durch sein Trinkverhalten und die damit verbundene soziale Veränderung gekennzeichnet. Klinische Ausfallserscheinungen treten zumeist erst später auf. Die neurologischen Ausfallserscheinungen sind durch folgende Krankheitsbilder charakterisiert: Alkoholische Enzephalopathie: Dieses Krankheitsbild ist assoziiert mit Demenz sowie innerer und äußerer Hirnatrophie – vor allem mit einer Atrophie von Frontalund Temporallappen, einer Kleinhirnatrophie – sowie mit einer alkoholischen Epilepsie. Wernicke-Korsakow-Syndrom: Etwa 3–5% der Alkoholiker sind durch diese psychopathologische Symptomatik betroffen. Die Krankheit ist durch Thiaminmangel bedingt und es entwickeln sich sukzessive – allerdings in unterschiedlicher Reihenfolge – folgende Symptome [241]: • Augenmuskellähmung mit Pupillenstörung und Gangunsicherheit, • leichte delirante Symptome, • Korsakow-Psychose mit Verlust des Altgedächtnisses, Verminderung der Spontaneität, Konfabulation und Störung der Konzentration.
382
Kapitel 14
Delir und Halluzinose: In Kombination mit den genannten Störungen – aber auch unabhängig davon – kann es zur Ausbildung deliranter Zustände kommen wie auch zur Halluzinose mit Parästhesien bzw. taktilen Halluzinationen [73, 74], wobei kleine fadenziehende Tiere beschrieben werden. Ferner können sich schizophrenieähnliche Psychosen entwickeln. Anfallsleiden: Die gehäuft bei Alkoholikern beobachteten hirnorganischen Anfälle (Grand mal) werden in 7,8% der Fälle [270] bzw. in 5–35% der Fälle [150] beschrieben und können sowohl nach exzessivem Alkoholgenuss wie auch im Entzug beobachtet werden [19]. Zum Teil ist das Anfallsleiden jedoch assoziiert mit zerebralen Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas, das im Zusammenhang mit dem Alkoholismus (traumatisch durch Sturz oder durch tätliche Auseinandersetzung) entstanden sein kann.
Entzugssyndrom
14
Nach akutem Alkoholentzug können sich folgende Symptome entwickeln [76]: • Symptome des perzeptiven/kognitiven Systems (zuzuordnen den kortikalen Strukturen): Nausea, Tinnitus, Sehstörungen, Parästhesien, optische, akustische oder taktile Halluzinationen, motorische Unruhe; • affektive Störungen (dem limbischen System zuzuordnen): Tremor, vermehrte Schweißausbrüche, Depression, Angst; • Störungen der Bewusstseinslage, des Kontakts, des Ganges usw. (dem Hirnstamm zuzuordnen); • Anfallsleiden (s. oben); • Delirium tremens [237]. Das Delirium tremens ist definiert im Sinne einer generalisierten, akuten, vorübergehenden, organischen Krankheit des höheren Nervensystems mit Einschränkung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit (ICD 10). Damit verbunden ist eine erhöhte Mortalität, vor allem bei älteren Patienten [249]. Die Pathogenese ist nicht ausreichend geklärt. Es dürften generalisierte Stoffwechselstörungen kombiniert mit Kreislaufstörungen ursächlich sein, wobei u. a. Magnesiummangel und respiratorische Alkalose – als Folge einer Hyperventilation [255] – oder auch ein erhöhter Acetocholinspiegel bzw. eine Aktivierung des gesamten cholinergen Systems eine Rolle spielen dürften [237]. Pathologisch-anatomische Studien liegen nur vereinzelt vor und zeigen allenfalls unspezifische Veränderungen bzw. auch nur die alkoholtypischen Läsionen [102].
Intoxikation
Pathologie Akute Alkoholintoxikation Die pathologisch-anatomischen Veränderungen nach akuter Alkoholzufuhr sind unspezifisch und gekennzeichnet durch ein Hirnödem sowie eine Kongestion. Folgender pathophysiologischer Ablauf lässt sich diesem morphologischem Bild zuordnen: Infolge einer zentralen Atemlähmung kommt es zu einem Rückstau von Blut in der rechten Herzkammer mit der Folge eines akuten Rechtsherzversagens. Die Kongestion erklärt sich zusätzlich über eine Vasomotorenlähmung, die zu einer Hyperämie führt, wobei dieses Geschehen möglicherweise auch auf eine Anreicherung von Azetat im Gehirn zurückgeführt werden kann [218]. Die Folgen sind neben der Stauung zusätzlich nachweisbare perivaskuläre Blutaustritte, insbesondere periventrikulär. Neuronale Veränderungen sind in der Regel zwar nicht zu beobachten, aber immer eine Hirnvolumenvermehrung [85].
Chronische Alkoholintoxikation In einer groß angelegten Studie [242] wurden bei 127 chronischen Alkoholikern neuropathologische Untersuchungen durchgeführt, wobei sich in rund 50% der Fälle ein alkoholassoziierter Befund erheben ließ: zerebellare Atrophie (37%), Wernicke-Enzephalopathie (14%), zentrale pontine Myelinolyse (2 Fälle), hepatogene Enzephalopathie (1 Fall). Diese Veränderungen traten bei Frauen und Männern gleichermaßen auf (s. a. [139]). Neben den unten aufgeführten, eher spezifischen alkoholbedingten Veränderungen des Gehirns muss auf sekundäre pathologische Prozesse verwiesen werden, die für einen chronischen Alkoholiker ein erhöhtes Risiko darstellen: • Traumatische Hirnschäden können durch alkoholbedingte motorische Unsicherheit sowie auch durch das Milieu bedingt sein. • Vaskuläre Schäden, insbesondere Schlaganfälle, werden bei Alkoholikern gehäuft beobachtet, wobei es sich jedoch offenbar überwiegend um ischämische Nekrosen – nicht jedoch um hämorrhagische Infarkte – handelt [79]. • Intrazerebrale Blutungen sind Folge eines erhöhten Blutdrucks und einer Leberfunktionsstörung mit Gerinnungsstörungen. • Insuffizienz des Immunsystems als Folge einer mangelhaften Ernährung. Die chronische Alkoholintoxikation stellt nahezu regelmäßig das Mischbild eines neurotoxischen Effekts von Alkohol mit sekundären Struktur- und Funktionsstörungen
Alkohol
dar – in der Regel als Folge gleichzeitiger Veränderungen im Sinne von: 1. Verdauungsstörungen mit konsekutivem Vitaminmangel. So stehen kausalgenetisch u. a. der Thiaminmangel sowie die zentralen Veränderungen im Rahmen einer hepatischen Enzephalopathie im Vordergrund der sekundären Folgeerscheinungen. 2. Der Thiaminmangel ist bedingt durch eine zu geringe oder falsche Nahrungsaufnahme, nicht ausreichende Absorption und/oder Abnahme der Phosphorylierung des Enzymkofaktors des Vitamins (Thiaminpyrophosphat, TPP). So lässt sich eine signifikante niedrigere Aktivität des TPP-abhängigen Enzyms im zerebellaren Wurm (Vermis) alkoholischer Patienten nachweisen [33]. 3. Besteht eine alkoholisch oder anders verursachte Leberzirrhose, so lassen sich nahezu regelmäßig Astrozytenveränderungen beobachten, im Sinne sog. Alzheimer-II-Astrozyten, vor allem im Putamen, sowie Alzheimer-I-Astrozyten und Opalsky-Zellen (s. S. 391f). Eine Analyse der alkoholspezifischen Hirnschädigung erfolgte durch Harper [86], der als primär alkoholtoxischbedingte Folgen beschreibt: • Marklagerschädigung mit innerer und äußerer Hirnatrophie; • Nervenzellverlust der Großhirnrinde, des Hypothalamus und des Kleinhirns; • Dendriten- und Synapsenschäden zusammen mit rezeptor- und transmitterbedingten Veränderungen als frühes Äquivalent funktioneller und kognitiver Defizite. Als klinische Folgen können u. a. Demenz und ataktischmotorische Störungen auftreten – Symptome, die jedoch nicht in jedem Fall zu beobachten sind. Als strittig erwies sich die Frage, ob sich im Hippokampus neuronale Schäden entwickeln: Von einigen Autorengruppen wurden neuronale Schäden beim Menschen beschrieben (Literatur bei [21]), von anderen Autorengruppen verneint (Literatur bei [83]). Anzumerken ist ferner, dass ein Teil der funktionellen Ausfälle sowie auch der morphologischen Veränderungen bei Entzugsbehandlung reversibel sein können. Das gilt insbesondere für die „Hirnatrophie“. Es wird davon ausgegangen, dass eine partielle Regeneration im Sinne einer erneuten Dendritenaussprossung, Rearborisierung und Bildung neuer Synapsen stattfindet [223], was offenbar auch innerhalb von 2 Wochen möglich zu sein scheint [139]. Diffuse Hirnveränderungen
Es handelt sich um unspezifische Hirnveränderungen mit Atrophie von Rinde und weißer Substanz (Abb. 14.5a,b,d), woraus u. a. eine Gewichtsreduktion des Gehirns resultiert – beim Mann im Mittel von 1430 g auf 1350 g [92]. Wie gezeigt werden konnte, besteht eine Ab-
383
hängigkeit der Atrophie von der Trinkmenge und der Dauer der Alkoholabhängigkeit [82]. Die Atrophie beruht einerseits auf einer Reduktion des präfrontalen Marklagers [122] sowie einer Reduktion u. a. des Corpus callosum [90]. Es ist davon auszugehen, dass das Marklager gegenüber Alkohol generell vulnerabler als die graue Substanz ist [80]. Die Atrophie erwies sich jedoch z. T. als reversibel (s. oben), wobei u. a. jedoch auch eine bestimmte Dauer der Entzugsbehandlung Voraussetzung ist [244]. Im Detail lässt sich zusätzlich eine Reduktion neuronaler Elemente in der Großhirnrinde nachweisen, die jedoch offensichtlich vor allem bei Patienten mit einem Wernicke-Korsakow-Syndrom (s. unten) besteht [122]. Harper et al. [94] konnten eine Reduktion der Neurone im frontalen Kortex beobachten; offenbar waren vor allem die großen Pyramidenzellen betroffen [91]. Gesichert ist ferner eine Reduktion der Dendritenverzweigungen in der 3. Nervenzellschicht der Rinde sowie eine Abnahme der Dendriten-Spines in der 5. Nervenzellschicht [65]. Außerdem zeigte sich, dass sowohl die Gesamtzahl der Purkinje-Zellen wie auch deren Dichte abnimmt und dass dieses Phänomen offenbar dosisabhängig ist [112]. Alkoholtoxische Kleinhirnatrophie (Abb. 14.6a,b)
Pathologisch-anatomisch fand sich eine Atrophie der Kleinhirnrinde bei 26,8% bzw. bis zu 42% chronischer Alkoholiker [243], wobei eine Schrumpfung vor allem des vorderen oberen Wurms zu beobachten war. Die Atrophie beruhte auf einer Reduktion des Marklagers, einer Reduktion der Molekularschicht (Stratum moleculare) des Wurms und einer Abnahme der Purkinje-ZellDichte mit reaktiver Proliferation der Astrozyten, der Bergmann-Glia. Gleichzeitig lässt sich eine Reduktion der Dendritenverzweigung nachweisen [64]. Die Kleinhirnatrophie ist klinisch gekennzeichnet durch Ataxie und Koordinationsstörungen vor allem der unteren Extremitäten. Als wesentliche Ursache für die Kleinhirnatrophie wird der Thiaminmangel angesehen [2]. Wernicke-Korsakow-Syndrom
Sowohl aus Sicht der Klinik als auch der Pathologie sind die Übergänge zwischen dem Wernicke- und dem Korsakow-Syndrom fließend; beide Veränderungen müssen als Folge einer Alkoholintoxikation in Kombination mit Thiaminmangel erklärt werden, ebenso wie eine gleichzeitige Mikroglia- und Astrogliaaktivierung. Zu unterscheiden sind ein akuter und ein mehr chronischer Verlauf. Der eher seltene akute Verlauf ist durch eine Kombination von Desorientiertheit, Verwirrtheit und vegetativen Ausfällen gekennzeichnet, mit schlechter Prognose. Makroskopisch wie mikroskopisch lassen sich frische, z. T. reaktionslose kapilläre Blutungen nachweisen, die betont in den Corpora mamillaria, jedoch ebenso in den paraventrikulären Nuklei, besonders im Nucleus supraopticus und in der Vierhügelplatte (Lamina quadri-
384
Kapitel 14
Intoxikation
b
a
c
d
e
14
Abb. 14.5a–e Chronische Alkoholvergiftung. a Rindenatrophie; b Atrophie ist teilweise bedingt durch Abnahme der Nervenzelldichte und sekundäre Gliose (HE, Vergrößerung x200); c atrophische, dunkelbraun verfärbte Corpora mamillaria sowie extremer
Hydrocephalus internus und deutliche Balkenatrophie; d Atrophie auch der subkortikalen weißen Substanz, die allerdings – eher selten – verbunden ist auch mit einer zystischen Entmarkung (e)
gemina) [40] auftreten und hier zu einer Atrophie führen (s. Abb. 14.5c). Im chronischen Verlauf treten ebenso die oben genannten klinischen Symptome auf. Morphologisch lassen sich folgende Veränderungen antreffen: Makroskopisch dominieren neben einer Hirnatrophie infolge einer Reduktion der grauen (Abb. 14.5a,b) und weißen (Abb. 14.5d,e) Substanz, atrophische, braun gefärbte Mamillarkörper (Abb. 14.5c) sowie periventrikuläre Blutungen unterschiedlichen Alters auf Höhe des 3. und 4. Ventrikels so-
wie des Aquädukts [97]. Mikroskopisch findet sich in den Mamillarkörpern eine Gewebeauflockerung mit Astrogliose und massiver Kapillarproliferation bei Nachweis von Siderophagen. Gleichzeitig besteht eine Reduktion der Synapsen und Dendriten [87]. Bei den Gefäßveränderungen handelt es sich um eine Gefäßdilatation und Schwellung der Endothelien sowie eine fibrinoide Degeneration, wobei selektiv Arteriolen und Kapillaren betroffen sind [169]. Die neuronalen Elemente sind überwiegend gut erhalten, mit Ausnahme der oberen fronta-
Alkohol
385
len Assoziationsrinde, des Hypothalamus und des Kleinhirns. In einem Großteil der Fälle finden sich neuronale Veränderungen auch in den thalamischen Kernen (in 53–100% der Fälle [88]), wobei u. a. perineuronale Vakuolen und offenbar degenerierende Neurone, z. T. mit eosinophiler Zellveränderung und Zytoplasmavakuolisierung in Folge eines exzitatorischen Prozesses zu beobachten sind. Alle genannten Veränderungen lassen sich experimentell u. a. durch eine Reduktion der Thiamin(Vitamin-B1-)Zufuhr erzeugen und sind bei chronischen Alkoholikern durch eine enterale Resorptionsstörung bei alkoholischer Gastroenteritis erklärbar. a
Zentrale pontine Myelinolyse
b Abb. 14.6a,b Chronische Alkoholvergiftung. Kleinhirnrindenatrophie, betont im oberen Wurmbereich, a makroskopisch und b mikroskopisch, mit Atrophie der Molekularschicht und Reduktion der Purkinje-Zellen (Kresyl, Vergrößerung x300)
a Abb. 14.7a,b Zentrale pontine Myelinolyse. a Makroskopie mit zentraler zystischer Nekrose; b Mikroskopie mit zentraler Entmarkung
Primär ursächlich ist offenbar nicht die Zytotoxizität von Alkohol allein, sondern eine sekundäre Elektrolytverschiebung im Sinne einer Hyponatriämie [57] – oder aber diese pathologischen Veränderung tritt als Folge einer raschen klinischen Korrektur einer Hyponatriämie oder in einer Kombination mit anderen Faktoren auf [28, 157]. Insofern ist diese morphologische Veränderung nicht als spezifisch für eine Intoxikation durch Alkohol anzusehen. Es handelt sich morphologisch um einen gliös-myelinolytischen Prozess, der bevorzugt im rostralen zentralen Brückenfuß zu beobachten ist. Makroskopisch ist das Geschehen durch eine scharf begrenzte symmetrische Entmarkung der zentralen pontinen Anteile, überwiegend in der Umgebung der Raphe, gekennzeichnet (Abb. 14.7a, s. auch [241]). Mikroskopisch handelt es sich um einen selektiven Entmarkungsprozess mit erhaltenen Neuronen und Axonen bei Schwund der Oligoden-
b (Luxol-fast-blue, Vergrößerung x10). (Die Fotografien wurden dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Prof. M. Tsokos, Berlin)
386
Kapitel 14
drozyten (Abb. 14.7b). Eine Vermehrung der Makrophagen in Kombination mit einer spongiösen Auflockerung ist erkennbar. Klinisch stehen pseudobulbär-paralytische Symptome wie Dysphagie, Dysarthrie und Schlucklähmung im Vordergrund. Das Krankheitsbild kann übergehen in Tetraparesen und in eine Enthirnungsstarre [22], wobei die kausalgenetische Diagnose klinischerseits meist nicht gestellt wird. Marchiafava-Bignami-Syndrom
Es handelt sich um ein ausgesprochen seltenes Krankheitsbild, das ausschließlich bei Alkoholikern, insbesondere bei italienischen Rotweintrinkern, aber auch bei japanischen Reisweintrinkern, zu beobachten ist [28]. Makroskopisch lässt sich zum Teil eine streifenförmige Grautönung des Balkens erkennen, mit einer Gewebeauflockerung, die ähnlich strukturiert ist wie bei der zentralen pontinen Myelinolyse. Mikroskopisch handelt es sich um eine Entmarkung im Balken mit Übergriff auch auf das tiefe frontoparietale Marklager.
Intoxikation
chronischen Alkoholismus darstellt: Zwar fanden sich nur bei 9% von 1030 hospitalisierten Alkoholikern klinische Ausfallserscheinungen im Sinne einer Polyneuropathie [256], aber nach anderen Untersuchungen bestehen in 93% der Fälle bereits EMG-Veränderungen [45]. Alkoholische Myopathie
Die alkoholische Myopathie (s. auch Kap. 34, S. 779) tritt bei etwa 46% ambulanter [250] bzw. 60% stationärer chronischer Alkoholiker auf [140a]. Sie ist offensichtlich Folge einer direkten myotoxischen Wirkung des Alkohols. Akut kann es zu einer Muskelfasernekrose kommen [78], wobei vor allem die proximalen Muskeln der Extremitäten (symmetrisch, asymmetrisch oder fokal) betroffen sind. Die Typ-I-Fasern sind offenbar selektiv vulnerabel. Subjektiv wird neben motorischen Störungen vor allem über Schmerzen geklagt. Eine chronische Intoxikation führt aber auch zu einer Atrophie der Typ-II-Fasern, bei der Muskelschwäche und Atrophie im Vordergrund stehen [78].
Alkoholische Myelopathie
14
Es liegen nur Einzelfallbeschreibungen vor [205]; aus klinischer Sicht stehen spastische Paraparesen und eine Blasenlähmung im Vordergrund. Nahezu regelmäßig sind Leberschäden nachweisbar, die auch für sich genommen ursächlich sein können. Sage et al. [205] schildern jedoch auch Fälle ohne Leberschädigung und Vitaminmangel, so dass eine primär alkoholtoxische Wirkung zu erörtern ist. Ursächlich wird neben der chronischen Alkoholintoxikation vor allem ein Vitamin-B12- und Nikotinsäuremangel erörtert. Es entwickelt sich eine Degeneration der Vorderhornzellen, wobei u. a. auch – oder zusätzlich – Folgen einer aufsteigenden Waller-Degeneration bei primärer peripherer Neuropathie diskutiert werden [257]. Neuropathie des autonomen Nervensystems
Nach detaillierten Untersuchungen wurde in 16% von 30 untersuchten Fällen eine isolierte parasympathische Neuropathie und in 20% der Fälle eine kombinierte parasympathische und sympathische Neuropathie beobachtet [107]. Morphologisch konnte eine signifikante Reduktion der Dichte myelinisierter Nervenfasern im distalen Anteil des N. vagus festgestellt werden, zusammen mit axonaler Degeneration und Dying-back-Veränderungen [263]. Ein plötzlicher, unerwarteter Tod von Alkoholikern mit gleichzeitig bestehender Wernicke-KorsakowSymptomatik kann u. a. bei Kombination mit diesen Veränderungen beobachtet werden [107]. Neuropathie des peripheren Nervensystems (Polyneuropathie)
Die Morphologie wird in Kap. 21 (S. 579) beschrieben. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die alkoholische Neuropathie eine der häufigsten klinischen Folgen eines
Alkoholische Feto- und Embryopathie Alkohol kann zytotoxisch und neurotoxisch bei Embryonen und Feten wirksam werden, da der Alkohol die BlutPlazenta-Schranke überschreitet und die Enzymsysteme beim Fetus bzw. beim Embryo noch nicht ausreichend ausgebildet sind [267]. Die Folgen sind vielfältig, wobei eine Abhängigkeit vom Zeitpunkt der intrauterinen Schädigung besteht (fetales Alkoholsyndrom, FAS). Als Folgen werden u. a. beschrieben: intrauterine Hypotrophie, kraniofaziale Dysmorphie, extrakranielle Skelettfehlbildungen [200]. Am Gehirn wurden Migrationsstörungen mit neuroglialen Heterotopien und Hydrocephalus internus festgestellt [176]. In umfangreichen experimentiellen Untersuchungen fand man vor allem Migrationsstörungen am Kleinhirn [259]. Wisniewski et al. [272] beschreiben die neuropathologischen Veränderungen der alkoholischen Feto- und Embryopathie wie folgt: • Mikroenzephalopathie, • Hydrozephalus, • zerebellare Missbildungen, • Agenesie des Balkens und der Commissura anterior, • Hypoplasie des N. opticus, • Verlust oder Mangel an retinalen Ganglienzellen, • meningeale glioneuronale Heterotopie, • neuronale Mikrodysplasie. Zwischenzeitlich ist bekannt, dass durch Alkohol – zumindest im Tierversuch – intrauterin ein massiver Zelltod mit Absterben von mehreren Millionen Nervenzellen eintritt. Offenbar erfolgt der Nervenzelltod über die Blockierung des NMDA-Rezeptors und die Aktivierung des GABA-Rezeptors [103].
Rauschdrogen
Rauschdrogen Rauschdrogen sind zunehmend verbreitet und stellen ein großes soziales, ökonomisches, psychologisches und medizinisches Problem dar. Besonders die zunehmende Anzahl an jugendlichen Drogentoten führt zu erheblicher Diskussion in der Öffentlichkeit. Wenn auch im Folgenden jede Wirkstoffgruppe für sich beschrieben wird, so ist doch festzustellen, dass die meisten Drogenabhängigen polytoxikoman sind, d. h., sie nehmen als Drogen alles auf, was am Zentralnervensystem wirksam werden kann: anregende Substanzen wie Amphetamine, Kokain, sedierende Substanzen wie Alkohol, Codein, Morphin bzw. Heroin, Barbiturate, Benzodiazepine usw. – wie auch Halluzinogene wie LSD, Meskalin und zahlreiche andere Substanzen (Übersicht: [72]). Bekannt ist ferner, dass besonders in der Substitutionsbehandlung verwendete Substanzen wie Methadon, Codein und Dihydrocodein selbst toxisches Potential aufweisen und Drogenabhängige diese Substanzen in hochtoxischen Dosen aufnehmen, wobei u. a. die Kombination mit anderen, illegalen Drogen fatal wirken kann. Da in der Neuropathologie jedoch immer nur der Endzustand erfasst wird, ist es praktisch nie möglich, zu differenzieren, durch welche Substanz welche morphologische Veränderung entstanden ist. Tierversuche helfen in dieser Hinsicht vergleichsweise wenig. Überwiegend stellt sich in der Praxis ein morphologisches Endbild als Mischbild aus den Folgen zahlreicher subletaler Intoxikationen dar. Nichtsdestotrotz soll an dieser Stelle versucht werden, anhand der einzelnen Rauschdrogen die toxischen Folgeveränderungen darzustellen.
Amphetamin, Metamphetamin, Kokain Amphetamin, Metamphetamin (MDMA und MDEA) und Kokain sind stimulierende illegale Rauschdrogen. Intravenöse Applikation von hohen Dosen dieser Substanzen kann zum akuten Tod führen, wobei eine Korrelation zwischen Toleranz und Dosis besteht. Wie es zum Eintritt des Todes kommt, ist bisher im Einzelnen unbekannt; am ehesten ist an eine Kreislaufdysregulation zu denken. Diese aber wird verstärkt, wenn gleichzeitig eine körperliche Belastung besteht, z. B. Diskothekenbesuch mit extremen Tanzzeiten und Dehydration durch Schweißabsonderung. Klinik. Klinisch entsteht durch Missbrauch von Stimulanzien eine psychische Abhängigkeit. Als Folge kann eine akute Psychose auftreten, die große Ähnlichkeit mit der schizophrenen Psychose aufweist. Starkes Schwitzen, Blutdruckanstieg, Hyperaktivität, Erregungszustände, Krämpfe und Zyanose sind klinische Begleiterschei-
387
nungen. Es kann zur Entwicklung von Delir sowie zu Arrhythmien und zum Kollaps kommen. Pathogenese. Alle drei Substanzen setzen mit ihrer Wirkung am peripheren und zentralen sympathischen Neuron an, wodurch es über eine Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin zu einer erhöhten Noradrenalinfreisetzung kommt, die eine Erregung des Zentralnervensystems – wie auch des vegetativen Nervensystems – zur Folge hat. Psychisch äußert sich die Intoxikation in einer Euphorie, erhöhter Risikobereitschaft, Omnipotenzgefühl und Enthemmung sowie somatisch in zahlreichen vegetativen Störungen [58], insbesondere eine Hyperthermie bei Metamphetamineinnahme [222]. Während Amphetamin synthetisch hergestellt wird, handelt es sich bei Kokain um einen Extrakt aus Kokablättern. Morphologie. Die Hirnveränderungen sind in der Regel unspezifisch und gekennzeichnet durch Ödem und Kongestion. In einzelnen Fällen kommt es zu Gehirnblutungen, die auf eine vorübergehende Blutdrucksteigerung zurückgeführt werden. Methamphetamin hat offenbar einen zusätzlichen neurotoxischen Effekt im Zusammenwirken mit reaktivem Sauerstoff und Stickstoff, wodurch es zu neuronalen Ausfällen über Nekrose und Apoptose kommt [46].
Crack Eine Zunahme der Todesfälle wurde in den USA nach Einführung der basischen Form des sonst als Hydrochlorid benutzten Kokains, des Crack, beobachtet [128]. Ferner wurden ursächlich auf Crack folgende Syndrome zurückgeführt: • Syndrome der vorderen Spinalarterien, • Syndrom der lateralen Medulla oblongata • ischämische Attacken im Versorgungsgebiet der A. cerebri media und der Basalarterie. Bei Vergleich einer Gruppe von Konsumenten von Kokainhydrochlorid mit Konsumenten von Crack konnte festgestellt werden, dass in der ersten Gruppe vor allem hämorrhagische Hirninfarkte auftraten, während in der zweiten Gruppe ischämische und hämorrhagische Infarkte gleichermaßen zu beobachten waren [151]. Auffällig war in der ersten Gruppe, dass die Hälfte aller Fälle mit zerebraler Blutung eine Blutung aus einem Aneurysma aufwies.
Cannabinoide (Haschisch und Marihuana) Der Wirkstoff (delta)9-Tetrahydrocannabinol wird vorwiegend durch Rauchen aufgenommen und führt
388
Kapitel 14
zu einem vorübergehenden Rauschzustand. Dauerschäden des Zentralnervensystems wurden morphologisch nicht nachgewiesen, während andererseits diskutiert wird, ob nicht psychotische Episoden – oder gar Schizophrenie – durch Cannabinoid induziert werden [133].
Lösungsmittel („glue sniffing“)
14
Lösungsmittel sind u. a. in Benzin, Klebstoffen, Reinigungs- und Lösungsmitteln, Lacken usw. enthalten und im Handel unschwer käuflich erwerbbar. Es handelt sich vor allem um die Wirksubstanzen Benzin, Benzol, Toluol, Xylol, Styrene und Trichlorethylen. Werden diese Lösungsmittel eingeatmet, evtl. mittels einer über den Kopf gestülpten Plastiktüte, dann entwickeln sich rauschähnliche Zustände. Die Einatmung der Lösungsmittel kann aber auch unbeabsichtigt während eines Arbeitsprozesses stattfinden. Die Lösungsmittel können zu einer Enzephaloneuropathie führen mit Persönlichkeitsänderung und Demenz, wobei sich zunächst ein psychoorganisches Syndrom entwickelt, bestehend aus Erinnerungsstörung, Störung von Intelligenz und Emotionen [186]. Überwiegend sind die Störungen reversibel. Eindeutige Todesfälle wurden nicht beschrieben, aber Einzelfälle mit Beschreibung einer diffusen Hirnatrophie [209], zerebellaren Dysfunktion [136] sowie einer Leukenzephalopathie von Groß- und Kleinhirn mit Entmarkung [121].
Meskalin und Lysergsäurediäthylamid (LSD) Beide Substanzen werden von Drogenabhängigen verwendet, wirken auf das Zentralnervensystem und entwickeln eine zunehmende Toleranz. Primäre Todesfälle infolge einer Intoxikation sind bisher nicht bekannt geworden. Allerdings kann infolge der Wirkung dieser Substanzen eine Fehlhandlung erfolgen, die zum Tode führt („Ich kann fliegen“ – woraufhin der Intoxierte vom Balkon springt). Neuropathologische Veränderungen wurden nicht bekannt.
Morphin und Heroin Morphin findet aufgrund des analgetischen Effekts vor allem im Rahmen der ambulanten und stationären Behandlung von schwersten Schmerzzuständen Anwendung. Heroin entspricht chemisch Diacetylmorphin und ist in der Wirkung dem Morphin ähnlich, wobei der analgetische Effekt geringer, der euphorisierende Effekt
Intoxikation
jedoch größer ist. Beide Substanzen können oral und parenteral eingenommen werden und sind relativ lange im Urin nachweisbar [190]. Heroin wird vor allem von Drogenabhängigen als harte Droge intravenös appliziert, wobei es u. a. durch unsauberes Spritzenbesteck ebenso wie durch Zugabe von Streckungsmitteln und „needle sharing“ zu Infektionen (Hepatitis, HIV) einerseits, andererseits auch zu heroinunabhängigen Intoxikationen und Symptomen kommen kann. In Abhängigkeit von der individuellen und aktuellen Toleranz, der Schnelligkeit der Anflutung und der Dosis kann sich akut ein Atemstillstand entwickeln. Pathogenese. Der Pathomechanismus ist bisher nicht eindeutig geklärt. Offenbar kommt es bei Überdosierung zu einer Überflutung des Gehirns mit Morphin, wodurch die Opiatrezeptoren des Atemzentrums akut blockiert werden, mit der Folge der Auslösung einer zentralen Atemlähmung. Der Rauschzustand wird über ein komplexes System hemmender und stimulierender Effekte auf das Transmittersystem erreicht. Die Konzentration der Wirkstoffe im Gehirn entspricht weitgehend der Blutkonzentration. Bei akuten Todesfällen ist sie im Kleinhirn größer als in der Medulla oblongata, während sich bei längerer andauernder Agonie das Verhältnis umkehrt [187]. Eine letale Dosis konnte bisher bei chronisch Drogenabhängigen nicht festgestellt werden, da extrem unterschiedliche Toleranzen bestehen; es ist aber davon auszugehen, dass Serumkonzentrationen oberhalb von 100 mg/ml – in der Regel – tödlich sind [146]. Morphologie. Beim akuten Tod werden als direkte Folge der Heroineinnahme eine Kongestion sowie ein Hirnödem erkennbar [195]. Erfolgte die Applikation eines Antidots (Nalorphin) oder eine künstliche Beatmung, so kann der Patient überleben, ohne geringste Zeichen von neurotoxischen Folgeveränderungen aufzuweisen. Bei längerer Überlebenszeit werden alle Zeichen einer generalisierten Hypoxie nachweisbar, z. T. mit Entmarkungsherden, so dass das Bild der intervallären Form der COVergiftung ähnelt [233] – im Sinne einer hypoxischen Enzephalopathie [166]. Bei chronischer i.v.-Drogenabhängigkeit lassen sich demgegenüber nahezu regelmäßig zahlreiche Folgeveränderungen antreffen, die für wiederholte Phasen eines Sauerstoffmangels sprechen. Hierbei handelt es sich um einen neuronalen Ausfall (Abb. 14.8a,b) mit lokaler Astrozyten- und Mikrogliavermehrungen, die besonders auffällig in der Hippokampusformation sind und die z. T. zusammen mit selektivem und segmentalem Nervenzellausfall in der CA1-Region des Ammonshorns sowie der Purkinje-ZellSchicht zu beobachten sind [166]. Immer wieder werden symmetrische Pallidumnekrosen (Abb. 14.8c) beobachtet [10], wie sie in gleicher Weise auch bei reiner CO-Intoxikation auftreten.
Biologische Gifte
389
a
b
c
d
Abb. 14.8a–d Ischemische Enzephalopathie bei chronisch Drogenabhängigen. a Rindenatrophie des Großhirns bei einem 20-jährigen Drogenabhängigen, der eine akute Intoxikation 5 h überlebt hat;
Neben diesen unspezifischen Folgeerscheinungen wird in Einzelfällen auch eine Querschnittsmyelopathie bei Heroinabhängigen beschrieben [117]; überwiegend handelt es sich um schlaffe Paresen, die z. T. rückläufig sind. Ein morphologisches Äquivalent liegt nur in den seltensten Fällen vor: lokalisierte Auftreibung des Zervikalmarks (nachgewiesen im Myelogramm), unspezifische Nekrosen der grauen Substanz bzw. nekrotisierende Vaskulitis. Auffällig ist das Auftreten nach vorübergehendem Entzug, weshalb u. a. eine allergische Genese erörtert wird. Eine besondere Form der Schädigung ist das Auftreten einer Leukenzephalopathie. Sie wird vor allem nach Inhalation von Heroin, z. B. zusammen mit Zigaretteninhalation, beobachtet und wurde ausschließlich in Europa beschrieben, nicht jedoch in den Vereinigten Staaten [166]. Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass eine der häufigsten – auch tödlichen – Spätkomplikationen des intravenös Betäubungsmittelabhängigen die HIV-Infektion ist, die sich in unterschiedlicher Form manifestieren kann (s. Kap. 11).
b Kleinhirnrindenatrophie; c bilaterale Markerweichung; d bilaterale Pallidumnekrose, wie sie besonders nach Inhalation von Heroin beobachtet wird
Biologische Gifte Pflanzen Es gibt eine große Anzahl an Pflanzen, die als „giftig“ bezeichnet werden. Dabei besteht hier – wie bei allen sog. giftigen Substanzen – eine Korrelation zwischen Dosis und Wirkung, so dass eine kleine Dosis sogar eine positive, evtl. sogar therapeutische Wirkung haben kann, während eine große Dosis tödlich ist (Übersicht [202]).
Pilze Pflanzliche Gifte finden sich u. a. in Pilzen, deren Verzehr klinisch teils gastrointestinale, teils zentralnervöse Ausfälle hervorrufen kann; morphologische Befunde im Zentralnervensystem wurden jedoch bisher nicht bekannt. Die Differentialdiagnose der Pilzvergiftungen ist der Übersicht von Flammer [69] zu entnehmen. Auf drei unterschiedliche Pilzarten sei verwiesen:
390
Kapitel 14
• Der Genuss von Risspilzen oder Faserköpfen führt in wenigen Minuten bis zu einer Stunde zu einem Muskarinsyndrom mit starkem Schweißausbruch, Speichel- und Tränenfluss, Hitzegefühl, langsamem Pulsschlag, engen Pupillen und Sehstörungen. Differentialdiagnostisch muss an eine Vergiftung durch Phosphorsäureester gedacht werden. • Der Fliegenpilz ruft in wenigen Minuten bis zu 2 Stunden ein Pantherinasyndrom hervor, mit Müdigkeit, Taumel, Schwindel, Trübung des Bewusstseins bis zur Bewusstlosigkeit. Die Patienten wirken insgesamt verlangsamt; zum Teil fühlen sie sich euphorisch, gleichgültig und gelöst wie in einem Rauschzustand. Innerhalb von 15–24 h kann der Tod infolge eines Kreislaufversagens eintreten. Differentialdiagnostisch muss an einen Alkoholrausch bzw. Einnahme von Opiaten gedacht werden. • Beim Knollenblätterpilz kommt es in der 1. Phase (innerhalb von 6–24 h) zu gastrointestinalen Störungen mit erheblichem Wasserverlust und Oligurie; in der 2. Phase treten alle Zeichen einer akuten Leberdystrophie ein.
Algen
14
Im Jahr 1987 erkrankten zahlreiche Einwohner in Kanada, nachdem sie gezüchtete Muscheln gegessen hatten. Hauptsymptome waren Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Desorientiertheit und länger anhaltende Erinnerungsstörungen. Die Krankheit wurde durch Demoinsäure verursacht, wobei es sich um eine Aminosäure handelt, die durch die einzellige Alge „Nitzschia pungens“ freigesetzt wurde und die angereichert in den Muscheln nachweisbar war [178]. Klinisch wurde in Einzelfällen eine Temporallappenepilepsie beobachtet [38]. Neuropathologisch konnten Schäden in der CA3-Region des Hippokampus nachgewiesen werden, mit ausgeprägter bilateraler Sklerose nach neuronalem Verlust in der CA1- und CA3-Region [34].
Tiere Auch Intoxikationen durch tierische Gifte können zentralnervöse Symptome verursachen, ohne dass jedoch bisher wesentliche neuropathologische Äquivalente nachweisbar wurden.
Schlangen Unter den Schlangen sind in Deutschland vor allem die Kreuzotter und die Aspisviper von Bedeutung, die im
Intoxikation
Wesentlichen Toxalbumine freisetzen, d. h. Hämolysine, Neurotoxine, Hämorrhagene, Koaguline, Proteasen und andere Enzyme. Die klinischen Folgen sind starke Schmerzen an der Bissstelle, mit entstehendem Ödem und dunkler Verfärbung, die sich rasch ausbreitet. In der Folge entstehen Schocksymptome sowie alle Zeichen einer vermehrten Blutungsneigung mit blutigem Erbrechen, blutigen Durchfällen, Abfallen des Blutdrucks und Hämolyse.
Fische Unter den Fischen sind aus Japan der Kugelfisch und der Blowfish bzw. Pufferfisch bekannt. Das Gift ist beim Kugelfisch vor allem in Galle und Leber (Tetrodotoxin) bzw. beim Pufferfisch in den Ovarien enthalten. Das Gift nimmt Einfluss auf die Natrium-Kalium-Pumpe in der Zellmembran und führt akut zu einer Unterbrechung der neuronalen Funktion mit Paralyse, Koma und Tod. Spezifische morphologische Veränderungen wurden nicht beschrieben. Bienengift kann in seltenen Einzelfällen eine Neuropathie verursachen [206]. Auch die Pfeilgiftfrösche („poison-dart frogs“) sind giftig über ihre Ausscheidung von Batrachotoxin, das sowohl auf das Herz als auch auf das Gehirn hochtoxisch wirkt [55]. Neuropathologische Befunde sind dem Autor bisher nicht bekannt.
Mikroorganismen (bakterielle Toxine) Vor allem anaerobe Sporenbildner (Chlostridium botulinum, Chlostridium tetani) bilden Toxine, die lebensgefährlich sein können und im ZNS u. a. ihr Zielorgan haben. Von Bedeutung ist daneben das Diphterietoxin. Chlostridium botulinum bildet ein Toxin, das bei 80 °C inaktiviert wird. Die Aufnahme erfolgt oral über Nahrungsmittel oder über Hautwunden. Das Botulinustoxin bindet sich an die peripheren cholinergen, präsynaptischen Axonendigungen und blockiert die Freisetzung von Azetylcholin [160]. Klinisch werden Kopfschmerzen, Schwindel und Paresen der Hirnnerven beobachtet. Morphologische Veränderungen wurden bisher nicht beschrieben. Chlostridium tetani produziert das Toxin Tetanospasmin, das bei 65 °C inaktiviert wird. Gerät das Toxin in Wunden, so kann es zur Toxämie kommen. Klinisch werden Übelkeit, Reizbarkeit, Kopfschmerzen und Spasmen der Gesichtsmuskulatur (Risus sardonicus) beobachtet. Der Tod kann durch Schock oder Ateminsuffizienz eintreten. Pathogenetisch handelt es sich um eine Bindung des Toxins an präsynaptische Bindungsstellen cholinerger Synapsen [184, 185], wobei das Toxin retrograd bis zu den Vorderhörnern gelangt.
391
Metabolisch bedingte Intoxikation
Morphologisch finden sich ausschließlich unspezifische Veränderungen. Als charakteristisch werden die Zytoplasmavakuolen motorischer Vorderhornzellen beschrieben [156]. Das nichtsporenbildende Corynebacterium diphtheriae bildet ein Toxin, das stereospezifisch an Membranrezeptoren gebunden und durch Endozytose in das Zellinnere transportiert wird. Klinisch entwickelt sich das Bild einer Polyneuropathie, in einigen Fällen in Form einer aufsteigenden Lähmung vom Guillain-Barré-Typ. Morphologisch findet sich ein Markscheidenzerfall überwiegend im Bereich der peripheren Nerven bei relativ gut erhaltenen Axonen – vor allem im Bereich der Spinalganglien der hinteren Wurzeln – ohne Zeichen der Entzündung [111].
Metabolisch bedingte Intoxikation Funikuläre Spinalerkrankung Ätiologie und Pathogenese. Der wesentliche pathogenetische Faktor der funikulären Spinalerkrankung (funikuläre Myelose, „subacute combined degeneration of spinal cord“) ist eine B12-Hypovitaminose, entweder aufgrund eines Mangels an Intrinsic-Faktor (perniziöse Anämie, seltener Magenkarzinom) oder einer Anomalie im Ileum (Zöliakie, M. Crohn, M. Whipple, Resektion, Fischbandwurm). Sehr selten sind Folsäuremangel und Malnutrition die Ursache. Die Reduktion der B12-abhängigen Methioninsynthase und die dadurch beeinträchtigten Methylierungsreaktionen im Zentralnervensystem werden für die Demyelinisierung verantwortlich gemacht [210]. Klinik. Parästhesien, Hinterstrangsymptome, Spastik und abgeschwächte Muskeleigenreflexe sind neurologische Leitsymptome, die der megaloblastären Anämie vorausgehen können. Psychosen sind nicht selten. MRtomographisch stellen sich die spinalen Herde hypointens (T1) bzw. hyperintens und Kontrastmittel anreichernd (T2) dar. Morphologie. Unscharf begrenzte, zum Konfluieren neigende Herde finden sich in der weißen Substanz des Rückenmarks, können aber auch auf das Großhirn übergreifen. Bevorzugt betroffen sind die Hinterstränge, die spinozerebellären und Pyramidenvorderstränge, insbesondere zervikal und thorakal, während die graue Substanz in der Regel verschont bleibt. Histologisch bestehen Markscheidenzerfall mit lange persistierenden Fettkörnchenzellen und im Zentrum ein spongiöses Lückenfeld mit Sphäroiden. Die Gliareaktion ist in frischeren Stadien gering, doch können alte Herde fasergliotisch vernarben. In fortgeschrittenen Fällen kommt es durch Konfluieren
der Einzelherde zu ausgedehnteren Strangdegenerationen [58]. Die Spongiose beruht auf der Kombination einer spongiösen Myelinopathie mit einem interstitiellen Ödem [245].
Leber- und Nierenkrankheiten Hepatische Enzephalopathie Pathogenese. Wenn Nahrungsmittel aus dem Verdauungstrakt von der Leber nicht mehr vollständig verstoffwechselt werden, wird das Gehirn über portokavale Shunts mit toxischen Konzentrationen von Ammoniak, Phenol- und Indolderivaten, kurzkettigen Fettsäuren, essentiellen Aminosäuren und Methioninsulfoxid überflutet. Ein relatives Überwiegen der aromatischen über die verzweigtkettigen Aminosäuren im Serum führt zu veränderten Konzentrationen der Neurotransmitter, insbesondere zu einer Zunahme von Glutamat und Serotonin sowie auch der GABA- und Benzodiazepinrezeptoren [7]. Weiterhin wirken sich Hypoglykämie, Elektrolytund pH-Störungen ungünstig auf die Hirnfunktion aus, so dass die hepatische Enzephalopathie pathogenetisch ein multifaktorielles Geschehen darstellt. Klinik. Das Gehirn ist bei 15–30% der Leberkrankheiten beteiligt, insbesondere bei akuten Leberdystrophien verschiedener Genese und bei fortgeschrittener Leberzirrhose. Beim akuten Leberzerfall steht das rasch einsetzende Koma mit einer deliranten Initialsymptomatik und gelegentlichen Krämpfen im Vordergrund. Bei den chronischen Hepatopathien dominieren psychische Veränderungen (Affekt-, Gedächtnis-, Orientierungs- und Antriebsstörungen), „flapping tremor“ („Flügelschlagen“), zerebelläre und extrapyramidale Störungen sowie charakteristische EEG-Veränderungen. Morphologie. Grobspongiöse Veränderungen finden sich bei chronischen Hepatopathien bevorzugt im Neostriatum und im Zahnkern, aber auch in der Groß- und Kleinhirnrinde, besonders subpial und an der Rinden-MarkGrenze. Bei akuter Leberschädigung ist die Spongiose meist Ausdruck eines zytotoxischen Ödems, das hier mit nur gering ausgeprägten Astrozytenveränderungen assoziiert ist [265]. Für die astroglialen Veränderungen sind wahrscheinlich Ammoniak und Mangan verantwortlich [96]. Die folgenden Veränderungen sind in gleicher Weise auch bei chronischer Alkoholintoxikation, sekundär, bei einer gleichzeitig bestehenden Leberzirrhose zu beobachten (vgl. S 382ff.). Hierzu gehören Alzheimer-II-Glia, Alzheimer-I-Glia und Opalski-Zellen. Häufig findet sich Alzheimer-II-Glia (Leberglia) [48]: Diese für Hepatopathien typische, aber nicht spezifische Schädigungsform ist charakterisiert durch Vergröße-
392
Kapitel 14
Intoxikation
an Nervenzellen, besonders deutlich in der PurkinjeZell-Schicht [48]. Sonstige seltene Veränderungen umfassen spongiöse Strangdegenerationen im Rückenmark oder Entmarkungsprozesse am peripheren Nerv. Die besonders bei akuter Leberschädigung vorkommenden Ischämiezeichen in der Groß- und Kleinhirnrinde sowie die intrazerebralen Blutungen vom Purpurabild bis zur Massenblutung besitzen eine andere Pathogenese als die eigentliche hepatische Enzephalopathie und beruhen auf hepatogenen Gerinnungsstörungen und damit verbundenen Schockzuständen. Abb. 14.9 Alzheimer-II-Glia (HE, Vergrößerung x1000)
Renale Enzephalopathien
14
rung, zentrale Hypochromasie und häufig Kernwandhyperchromatose des Astrozytenkerns, der oval, nierenförmig oder gelappt sein kann. Intranukleär bestehen manchmal PAS-positive glykogenhaltige Einschlüsse, die von einer proteinhaltigen Kugelschale (Karyosphäridion) umgeben sein können [10]. Durch das Auftreten prominenter, häufig randständiger Nukleolen können die Zellen kleinen Neuronen ähneln. Zellfortsätze fehlen oder sind stark verklumpt (Klasmatodendrose); das Zytoplasma ist oft lipofuszinreich. Die Alzheimer-II-Glia tritt typischerweise in Gruppen von 2 (bis 4) Zellen auf (Abb. 14.9). Sie ist kräftig positiv für S-100-Protein, aber (im Gegensatz zu reaktiven Astrozyten) negativ oder nur schwach positiv für das saure Gliafaserprotein (GFAP) [116]. Man findet sie bevorzugt in den Stammganglien und in den unteren Schichten der Großhirnrinde, dagegen kaum in der weißen Substanz (diffuse gliale Poliodystrophie). Die Alzheimer-I-Glia unterscheidet sich von den in den Routinefärbungen „nackt“ erscheinenden Kernen der Alzheimer-II-Glia durch ihr gut angefärbtes, deutlich erkennbares und GFAP-positives Zytoplasma. Häufig sind monströse Kerne und mehrkernige Zellen. Die Alzheimer-I-Glia kann auch bei einer Vielzahl von nichthepatogenen Läsionen auftreten. Opalski-Zellen sind durch ein großes, ovales, feingranuläres oder gering schaumiges, PAS- und GFAPpositives Zytoplasma und einen kleinen, häufig peripher gelegenen Kern charakterisiert; es handelt sich wahrscheinlich um Degenerationsformen der Alzheimer-IGlia. Sie treten insgesamt selten auf und sind am häufigsten im Thalamus, im Pallidum und in der Substantia nigra bei chronischen Hepatopathien, insbesondere bei der Wilson-Krankheit, zu sehen. Die Oligodendroglia ist in ihrem Bestand gelichtet. Wie bei manchen beginnenden Entmarkungen sieht man elektronenmikroskopisch Filamentansammlungen, gelegentlich vermehrte Mikrotubuli und parakristalline Strukturen, den neuronalen Hirano-Körpern entsprechend. Im Tierexperiment zeigte sich ein 15%iger Verlust
Es geht hier – sinnentsprechend im Anschluss an die hepatische Enzephalopathie – um zerebrale Veränderungen bei Urämie und Dialysetherapie. Die Angiopathien bei renaler Hypertonie und die urämische Polyneuropathie werden in den entsprechenden Kapiteln (Kap. 10) abgehandelt.
Urämische Enzephalopathie Pathogenese. Eine eindeutige und als Hauptfaktor anzusehende Noxe ist nicht bekannt, doch unterstreicht die Besserung durch die Dialyse die Rolle niedermolekularer Substanzen. Von Bedeutung sind die verschlechterte Glukoseutilisation, eine Inaktivierung von Transmittern und zerebralen Enzymen, eine Beeinträchtigung der BlutHirn-Schranke sowie die verminderte Infektionsresistenz. Weitere pathogenetische Faktoren sind die Auswirkungen der chronischen Niereninsuffizienz auf Blutbildung, Gerinnung, Herzfunktion, Säure-Basen-Haushalt und Elektrolytregulation. Möglicherweise fungiert das Parathormon durch eine gesteigerte Aufnahme von Kalziumionen in die Zellen als Toxin. Beim akuten Nierenversagen sind Schockzustände zu beachten. Schließlich können sich Grunderkrankungen, die zur Urämie geführt haben, am Gehirn manifestieren, so z. B. der Diabetes mellitus oder Kollagenosen. Klinik. Fluktuierende psychische Symptome (Desorientiertheit, Insomnie, Stupor, Koma), zerebelläre und extrapyramidale Störungen und Krampfanfälle dominieren das Bild [31]. Morphologie. Häufig besteht makroskopisch ein Hirnödem mit Hirndruckzeichen, gelegentlich eine Purpura cerebri und nicht selten ein Subduralhämatom. Mögliche histologische Veränderungen sind vakuoläre oder geschrumpfte Neurone mit Kernpyknose, Alzheimer-II-
Metabolisch bedingte Intoxikation
Glia, Schwellungen der Oligodendroglia und geringe perivaskuläre Entmarkungen im Marklager (beim akuten urämischen Ödem), eine metastatisch-septische Herdenzephalitis und Gliaknötchen (bei gesteigerter Infektionsbereitschaft), hyaline oder fibrinöse Thrombenbildungen in den kleinen Gefäßen (bei Hyperkoagulopathie) sowie Blutungen und Nekrosen (bei Hypertonie). Terminale Körnerzellnekrosen des Kleinhirns sind häufiger als bei Kontrollen. Morphologische Veränderungen können bei der Urämie allerdings auch gänzlich fehlen. Insgesamt sind die histologischen Läsionen unspezifisch und inkonstant, so dass es scheint, als seien die Veränderungen sekundär. Ein spezifisches histologisches Korrelat der urämischen Enzephalopathie gibt es nicht.
Dialyseenzephalopathie (dialyseassoziierte Enzephalopathie, DAE) Pathogenese. Wahrscheinlich sind toxische Konzentrationen von Aluminium verantwortlich (s. 368f.), das offenbar weniger aus oral zugeführten Gelen, als (überwiegend) aus dem Dialysat stammt. Von der Dialyseenzephalopathie abzugrenzen ist das Disequilibriumsyndrom, das auf einem Hirnödem bei beschleunigter Dialyse beruht. Klinik. Psychoorganische Symptome bis zu Demenz, Dysarthrie, Myoklonien, Krampfanfällen und typische EEG-Veränderungen treten frühestens 2 Jahre nach Beginn der Dialyse auf und führen ohne Nierentransplantation meist innerhalb von 18 Monaten zum Tode. Nachdem dem Dialysat Aluminium entzogen worden war, ist die Krankheit selten geworden [31]. Morphologie. Beschrieben wurden Spongiose der oberen Rindenschichten, vor allem in den operkulären Anteilen des Frontal- und Temporallappens [271], geschrumpfte Neuronen, vermehrt Lipofuszin, axonale Sphäroide, Alzheimer-II-Glia und Mikrogliareaktion. Diese Veränderungen sind relativ diskret, unspezifisch und inkonsistent, wobei fraglich ist, ob sie die Ursache der ausgeprägten klinischen Symptome sind. Mit Hilfe verschiedener Silberimprägnationen fand man einerseits Neurofibrillenverklumpungen besonders in der Präzentralregion, im roten Kern, im Zahnkern und in der unteren Olive [216], andererseits aluminiumreiche granuläre Einschlüsse, besonders in den Epithelien des Plexus chorioideus, aber auch in Neuronen und in Gliazellen der grauen Substanz [192].
393
Pankreasverursachte ZNS-Krankheiten Diabetes mellitus Neben den an anderer Stelle beschriebenen Veränderungen an den Gefäßen (s. Kap. 10) sowie auch der peripheren und autonomen Nerven (s. Kap. 19 [214]) treten klinische und neuropathologische Veränderungen auch am ZNS auf – bei länger anhaltenden bzw. rezidivierenden niedrigen oder hohen Glukosespiegeln im Blut. Es wird vermutet, dass die Überflutung mit exzitatorisch wirksamen Aminosäuren einen wesentlichen pathogenetischen Faktor darstellt [29]. Bei der hypoglykämischen Enzephalopathie mit anhaltendem Koma werden diffuse axonale Schädigungen [50] und Markschädigungen 154] beobachtet. Auffällig war im Tierexperiment ferner eine Schädigung der Nervenzellen des Gyrus dentatus im Ammonshorn, wie sie weder bei Ischämie noch nach Krampfanfällen beobachtet wird [13]. Als Folge einer Hyperglykämie sind die morphologischen Veränderungen eher spärlich. Yaguchi et al. [274] fanden nach Experimenten mit Mäusen eine Expression von alpha B-Crystallin in Oligodendrozyten der weißen Substanz. Beobachtet wurde ferner eine Ausweitung von Infarktgebieten nach Gefäßverschluss bei gleichzeitig bestehender Hyperglykämie im Tierversuch [47].
Pankreatische Enzephalopathie Klinisch wird, allerdings sehr selten, am 2.–5. Tag nach einer Pankreasnekrose eine symptomatische Psychose beobachtet, evtl. zusammen mit Krampfanfällen, multifokalen neurologischen Ausfällen und Koma. Morphologisch besteht das Bild einer Purpura cerebri mit frischen perivaskulären Markscheidenauflockerungen und Ringblutungen. Der Schwerpunkt der Veränderungen liegt im Marklager und in den Stammganglien. Gefäßwandnekrosen und reaktive Astrozyten werden beschrieben. Die Pathogenese ist ungeklärt und wohl uneinheitlich, doch wurden zirkulierende pankreatische Enzyme, toxische, vasoaktive Peptide, Fettembolien und Mikrozirkulationsstörungen im Rahmen eines Schocksyndroms diskutiert [211]. Die Ergebnisse tierexperimenteller Untersuchungen lassen vermuten, dass verschiedene Zytokine wie TNF und Interleukin-6 an der Induktion eines vasogenen Hirnödems beteiligt sind [63].
Enzephalopathien nach Organtransplantation Mehrere Faktoren sind an der Entstehung neurologischer Symptome und neuropathologischer Veränderungen be-
394
Kapitel 14
teiligt: die zur Transplantation führende Grunderkrankung, neurotoxische und immunsuppressive Medikamente sowie eine Graft-versus-host-Reaktion. Häufigkeit und Art neuropathologischer Veränderungen variieren in verschiedenen Autopsieserien sehr stark pathologische Befunde in 91% der Fälle (Bleggi-Torres et al [25]: davon 59% intrakranielle Blutungen, 9% Pilzinfektionen), 72% (Mohrmann et al. [153]: davon 39% Blutungen, 16% anoxische Schäden, 13% Infarkte, 9% Pilzinfektionen, 7% therapieinduzierte Leukoenzephalopathie) bzw. 9% (Trzepacz et al. [249]: davon 6% Toxoplasmose). Ursache für diese Variabilität kann in den unterschiedlichen therapeutischen Maßnahmen, in den unterschiedlich angewandten diagnostischen Methoden wie auch in den Erfassungskriterien liegen. In einer autoptischen Serie von 500 Patienten, die an der University of Pittsburgh transplantiert und einheitlich neuropathologisch untersucht wurde, gab es keinen signifikanten Unterschied der Häufigkeit neuropathologischer Befunde nach verschiedenen Organtransplantationen (Leber, Herz, Lunge, Niere, Knochenmark) [142]; zerebrovaskuläre Komplikationen waren am häufigsten bei 44–59% der Patienten. Seltene Läsionen sind primär zerebrale Lymphome, progressive multifokale Leukoenzephalopathie, Wernicke-Krankheit, Toxoplasmose, Vaskulitis und Sinusthrombose.
Intoxikation
9.
10.
11.
12.
13.
14. 15. 16.
17.
18.
14
Literatur 1.
2. 3.
4.
5.
6.
7.
8.
Adams JH, Haller L, Boa FY, Doua F, Dago A, Konian K (1986) Human African trypanosomiasis (T. b. gambiense): a study of 16 fatal cases of sleeping sickness with some observations on acute reactive arsenical encephalopathy. Neuropathol Appl Neurobiol 12: 81–94 Adams RD (1976) Nutritional cerebellar degeneration. Elsevier, Amsterdam Adonaylo VN, Oteiza PI (1999) Lead intoxication : antioxidant defensees and oxidative damage in rat brain. Txicology 135: 77–85 Agarwal DP, Goedde HW (1995) Genetische Aspekte des Alkoholstoffwechsels und des Alkoholismus. In: Seitz HK, Lieber CS, Simanowski U (Hrsg) Handbuch Alkohol – Alkoholismus – Alkoholbedingte Organschäden. Barth, Leipzig Alajouanine TH, Dérobert L, Thieffry S (1958) Etude clinique d’ensemble de 210 cas d’intoxication par les sels organiques d’étain. Rev Neurol 98: 85–96 Alfrey AC, LeGendre GR, Kaehny WD (1976) The dialysis encephalopathy syndrome. Possible aluminium intoxication. N Engl J Med 294: 184–188 Albrecht J, Jones EA (1999) Hepatic encephalopathy: molecular mechanisms underlying the clinical syndrome. J Neurol Sci 170: 138–146 Alfrey AC, LeGendre GR, Kaehny WD (1976) The dialysis encephalopathy syndrome. Possible aluminium intoxication. N Engl J Med 294: 184–188
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
Alpers BJ, Lewy FH (1940) Changes in the nervous system following carbon-disulfide poisoning in animals and in man. Arch Neurol Psychiatr 44: 725–739 Altmann HW (1972) Glycogenhaltige Karyosphäriden in Gliakernen bei hepatogener Encephalopathie. Virchows Arch Cell Pathol 11: 263–267 Altura BM, Altura BT (1987) Peripheral and cerebrovascular actions of ethanol, acetaldehyde, and acetate: relationship to divalent cations. Alcohol Clin Exp Res 11: 99–111 Anderson SN, Skullerud K (1999) Hypoxic/ischemic brain damage, especially pallidal lesions, in heroin addicts. Forensic Sci Int 102: 51–59 Auer RN, Wieloch T, Olsson Y, Siesjö BK (1984) The distribution of hypoglycemic brain damage. Acta Neuropathol (Berl.) 64: 177–191 Bakir F, Damluji S, Amin-Zaki L, Murtadha M et al. (1973) Methylmercury poisoning in Iraq. Science 181: 230–241 Bank WJ, Pleasure DE, Suzuki K, Nigro M, Katz R (1972) Thallium poisoning. Arch Neurol 26: 456–464 Bano Y, Hasan M (1989) Mercury induced time-dependent alterations in lipid profiles and lipid peroxidation in different body organs of cat-fish Heteropneustes fossilis. J Environ Sci Health B 24: 145–166 Barbeau A, Inoue N, Cloutier T (1976) Role of manganese in dystonia. In: Eldridge R, Fahn S (eds) Advances in neurology, vol 14. Raven, New York, pp 339–352 Barinaga M (1990) Amino acids: how much existent is too much? Science 247: 20–22 Bartolomei F, Suchet L, Barrie M, Gastaut JL (1997) Alcoholic epilepsy: a unified and dynamic classification. Eur Neurol 37: 13–17 Baumgarten HG, Zimmermann B (1992) Cellular and subcellular targets of neurotoxins: the concept of selective vulnerability. In: Herken H, Hucho F (eds) Selective neurotoxicity. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp 1–27 Bengochea O, Gonzalo LM (1990) Effect of chronic alcoholism on the human hippocampus. Histol Histopathol 5: 349–357 Berlet H, Quadbeck G, Ule G (1983) Chemische Krankheitsursachen und Nervensystem: Exogene Intoxikation. In: Berlet H, Noetzel H, Quadbeck G, Schlote W, Schmidt UP, Ule G (Hrsg) Pathologie des Nervensystems II: Entwicklungsstörungen – chemische und physikalische Krankheitsursachen. (Spezielle pathologische Anatomie, Bd XIII/2, S 310–377). Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo Bersch W, Meinhof U, Ule G, Berlet H, Thiess AM (1974) Pathomorphologische und pathochemische Befunde bei akuter H2S-Vergiftung. Verh Dtsch Ges Pathol 58: 502 Besser R, Krämer G, Thümler R, Bohl J, Gutmann L, Hopf HC (1987) Acute trimethyltin limbic-cerebellar syndrome. Neurology 37: 945–950 Bleggi-Torres LF, de Medeiros BC, Werner B et al. (2000) Neuropathological findings after bone marrow transplantation: an autopsy study of 180 cases. Bone Marrow Transplant 25: 301–307
Literatur
26.
27.
28.
29.
30.
31. 32.
33.
34.
35.
36.
37. 38.
39.
40. 41.
42.
43.
Böning J, Holzbach E (1987) Klinik und Pathophysiologie des Alkoholismus. In: Kisker KP, Lauter H, Meyer J-E, Müller C, Strömgren E (Hrsg) Abhängigkeit und Sucht. (Psychiatrie der Gegenwart, Bd III) Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio, S 143–177 Bonilla E, Diez-Ewald M (1974) Effect of l-DOPA on brain concentration of dopamine and homovanillic acid in rats after chronic manganese chloride administration. J Neurochem 22: 297–299 Bratzke H, Neumann K (1989) Zentrale pontine Myelinolyse. Morphologie und forensische Bedeutung. Z Rechtsmed 102: 79–97 Brown GK, Squier MV (1996) Neuropathology and pathogenesis of mitochmondrial diseases. J Inherit Metab Dis 19: 553–572 Bulpitt KH, Verity MA, Clements PH, Paulus AG (1990) Association of L-tryptophan and an illness resembling eosinophilic fascilities. Arth Rheum 33: 918–929 Burn DJ, Bates D (1998) Neurology and the kidney. J Neurol Neurosurg Psychiatry 65:810–821 Busse FP, Fiedler GM, Leichte A, Hentschel H, Stumvoll M (2008) Bleiintoxikation durch gestrecktes Marihuana in Leipzig. Dtsch Ärztebl 105: 757–762 Butterworth RF, Kril JJ, Harper CG (1993) Thiaminedependent enzyme changes in the brains of alcoholics: Relationship in the Wernicke-Korsakoff syndrome. Alcoholism 17: 1084–1088 Carpenter S (1990) The human neuropathology of encephalopathic mussel toxin poisoning. Can Dis Weekly Rep 16: 73–74 Cavanagh JB (1979) The dying back process. A common denominator in many naturally occurring and toxic neuropathies. Arch Pathol Lab Med 103: 659–664 Cavanagh JB, Fuller NH, Johnson HRM, Rudge P (1974) The effects of thallium salts, with particular reference to the nervous system changes. Quart J Med 43: 293–319 Ceccarelli B, Clementi F (eds) (1979) Neurotoxins: tools in neurobiology. Raven, New York Cendes F, Andermann F, Carpenter S et al. (1995) Temporal lobe epilepsy caused by domoic acid intoxication: Evidence for glutamate receptor-mediated excitotoxicity in humans. Ann Neurol 37: 123–126 Chan SY, Worth R, Ochs S (1980) Block of axoplasmic transport in vitro by vinca alkaloids. J Neurobiol 11: 251–264 Colmant HJ (1965) Encephalopathien bei chronischem Alkoholismus. Enke, Stuttgart Cossa P, Duplay J, Fishgold A, Arfel-Capdevielle G et al. (1958) Toxic brain diseases caused by stalinon; anatomoclinical and electroencephalic aspects. Rev Neurol (Paris) 98: 97–108 Crapper McLachlan DR, De Boni U (1980) Aluminium in human brain disease – an overview. Neurotoxicology 1: 3–16 Crapper McLachlan DR, Farnell B, Galin H, Karlik S, Eichhorn G, De Boni U (1983) Aluminium in human
395
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
brain disease. In: Sarkar B (ed) Biological aspects of metals and metal-related diseases. Raven, New York, pp 209–225 Dam M (1972) The density and ultrastructure of Purkinje cells following diphenylhydantoin treatment in animals and man. Acta Neurol Scand Suppl 49: 3–65 D‘Amour ML, Butterworth RF (1994) Pathogenesis of alcoholic peripheral neuropathy: direct effect of ethanol or nutritional deficit? Metabol Brain 9: 133–140 Davidson C, Gow AJ, Lee TH, Ellinwood EH (2001) Methamphetamine neurotoxicity: necrotic and apoptotic mechanisms and relevance to human abuse and treatment. Brain Res Rev 36: 1–22 DeCourten-Myers GM, Kleinholz M, Wagner KR, Myers RE (1989) Fatal strokes in hyperglycemic cats. Stroke 20: 1707–1715 Diemer NH (1978) Glial and neuronal changes in experimental hepatic encephalopathy. Acta Neurol Scand 58 (Suppl 71) Doctor SV, Fox DA (1983) Immediate and long-term alterations in maximal electroshock seizure responsiveness in rats neonatally exposed to triethylin bromide. Toxicol Appl Pharmacol 68: 268–281 Dolinak D, Smith C, Graham DI (2000) Hypoglycaemia as a cause of axonal injury. Neuropathol Appl Neurobiol 26: 448–453 Dolly JO (1992) Peptide toxins that alter neurotransmitter release. In: Herken H, Hucho F (eds) Selective neurotoxicity. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp 681– 717 Donofrio PD, Wilbourn AJ, Albers JW, Rogers L, Salanga V, Greenberg HS (1987) Acute arsenic intoxication presenting as Guillain-Barré-like syndrome. Muscle Nerve 10: 114–120 Dorman DC, Struve MF, Marshall MW, Parkinson CU, James RA, Wong BA (2006) Tissue manganese concentration in young male rhesus monkeys following subchronic manganese sulfate inhalation. Toxicol Sci 92: 201–210 Drenckhahn D, Lüllmann-Rauch R (1979) Drug-induced experimental lipidosis in the nervous system. Neuroscience 4: 697–712 Dumbacher JP, Wako A, Derrickson SR, Samuelson A, Spande TF, Daly JW (2004) Melyrid beetles (Choresine): a putative source for the batrachotoxin alkaloids found in poison-dart frogs and toxic passerine birds. Proc Natl Acad Sci USA 101: 15857–15860 Elsner RJ, Spangler JG (2005) Neurotoxicity of inhaled manganese: public health danger in the shower? Med Hypotheses 65: 607–616 Endo Y, Oda M, Hara M (1981) Central pontine myelinolysis. A study of 37 cases in 1000 consecutive autopsies. Acta Neuropathol 53: 145–153 Erbslöh F (1958) Funikuläre Spinalerkrankung. In: Scholz W, Lubarsch O, Henke F, Rössle R (Hrsg) Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie. Bd XIII/2B. Springer, Berlin Göttingen Heidelberg, S 1526– 1601
396
Kapitel 14
59. 60. 61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
14
68.
69. 70.
71.
72.
73.
74. 75.
76.
77.
Erlanson P, Fritz H, Hagstam KE et al. (1965) Severe methanol intoxication. Acta Med Scand 177: 393–408 Ernst A, Zibrak JD (1998) Carbon monoxide poisoning. New Engl J Med 339: 1603–1608 Escourolle R, Bourdon R, Galli A, Galle P, Jaudon MC, Hauw JJ, Gray F (1977) Etude neuropathologique et toxicologique de douze cas d‘encéphalopathie bismuthique (EB). Rev Neurol 133: 153–163 Eto K, Takeuchi T (1978) A pathological study of prolonged cases of minamata disease. Acta Pathol Jap 28: 565– 584 Farkas G, Marton J, Nagy Z et al. (1998) Experimental acute pancreatitis results in increased blood-brain barrier permeability in the rat: a potential role for tumor necrosis factor and interleukin 6. Neurosci Lett 242: 147–150 Ferrer I, Fabreques I, Pineda M, Gracia I, Ribalta T (1984) A Golgi study of cerebellar atrophy in human chronic alcoholism. Neuropathol Appl Neurobiol 10: 245–253 Ferrer I, Fabregues I, Rairiz J, Galofre E (1986) Decreased numbers of dendritic spines on cortical pyramidal neurons in human chronic alcoholism. Neurosci Lett 69: 115– 119 Feun LG, Wallace S, Stewart DJ et al. (1984) Intracarotid infusion of cis-diaminedichloroplatinum in the treatment of recurrent malignant brain tumours. Cancer 54: 794– 799 Filley CM, Kleinschmidt-DeMasters BK (2001) Toxic leukoencephalopathy. N Engl J Med 345: 425–432 Fisher CM and Adams RD (1956) Diphtheritic polyneuritis – a pathological study. J Neuropathol Exp Neurol 15: 243–268 Flammer R (1980) Differentialdiagnose der Pilzvergiftungen. Fischer, Stuttgart Freedman MS, Schneiderman JH, Turley J, DePetrillo AD (1987) Neurologic complications following intra-arterial cis-platinum chemotherapy. Can J Neurol Sci 14: 325–327 Geldmacher v. Mallinckrodt M (1975) Forensische Toxikologie. In: Mueller B (Hrsg) Gerichtliche Medizin, Bd 2. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 691–988 Geschwinde T (1998) Rauschdrogen. Marktformen und Wirkungsweisen. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio Glass IB (1989a) Alcoholic hallucinosis: a psychiatric enigma: 1. the development of an idea. Brit J Addict 84: 29–41 Glass IB (1989b) Alcoholic hallucinosis: a psychiatric enigma: 2. Follow-up studies. Brit J Addict 84: 151–164 Granowetter L, Rosenstock JG, Packer J (2004) Enhanced cis-platinum neurotoxicity in pediatric aptients with brain tumors. J Neuro-Oncology 4: 293–297 Gross MM, Rosenblatt SM, Malenkowski B, Broman M, Lewis E (1972) Classification of acute alcohol withdrawal syndromes. Q J Stud Alc 33: 400–407 Grundt IK, Bakken AM (1986) Adenine nucleotides in cultered brain cells after exposure to methyl mercury and triethyl lead. Acta Pharmacol Toxicol 59: 11–16
Intoxikation
78. 79.
80.
81.
82.
83.
84.
85. 86.
87. 88.
89.
90. 91.
92.
93. 94. 95.
96.
Haller RG, Knochel JP (1984) Skeletal muscle disease in alcoholism. Med Clin North Am 68: 91–103 Hansagi H, Romelsjö A, Gerhardsson de Verdier M, Andréasson S, Leifman A (1995) Alcohol consumption and stroke mortality. Stroke 26: 1768–1773 Hansen AU, Simonsen J (1991) The manner and cause of death in a forensic series of chronic alcoholism. Forensic Sci Int 49: 171–178 Harding AJ, Baker KG, Harper CG, Kril JJ, Halliday GM (1998) Cerebellar neuron loss in alcoholics. Eighteenth annual meeting of the Australian Neuroscience Society, Canberra, Australia. Australian Neuroscience Society Harding AJ, Halliday GM, Ng JL, Harper CG, Kril JJ (1996) Loss of vasopressin-immunoreactive neurons in alcoholics is dose-related and time-dependent. Neuroscience 72: 699–708 Harding AJ, Wong A, Svoboda M, Kril JJ, Halliday GM (1997) Chronic alcohol consumption does not cause hippocampal neuron loss in humans. Hippocampus 7: 78–87 Hargreaves RJ, Evans JG, Janota I, Magos L, Cavanagh JB (1988) Persistent mercury in nerve cells 16 years after metallic mercury poisoning. Neuropathol Appl Neurobiol 14: 443–452 Harper CG (1982) Neuropathology of brain damage caused by alcohol. Med J Aust 2: 277–282 Harper CG (1998) The neuropathology of alcohol-specific brain damage, or does alcohol damage the brain? J Neuropath Exp Neurol 57: 101–110 Harper CG (2007) The neurotoxicity of alcohol. Hum Exp Toxicol 26: 251–257 Harper CG, Butterworth R (1997) Nutritional and metabolic disorders. In: Graham DI, Lantos PL (eds) Greenfields’s neuropathology. Arnold, London, pp 601–655 Harper CG, Dixon G, Sheedy D, Garrick T (2003) Neuropathological alterations in alcoholic brains. Studies arising from the New South Wales Tissue Resource Centre. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 27: 951–961 Harper CG, Kril JJ (1988) Corpus callosum thickness in alcoholics. Brit J Addict 83: 577–580 Harper CG, Kril JJ (1989) Patterns of neuronal loss in the cerebral cortex in chronic alcoholic patients. J Neurol Sci 92: 81–89 Harper CG, Kril JJ (1993) Neuropathological changes in alcoholics. In: Hunt WJ, Nixon SJ (eds) Alcohol-induced brain damage. US Department of Health and Human Services, Washington/DC, pp 39–69 Harper CG, Kril JJ, Daly J (1987) Are we drinking our neurones away? BMJ 294: 534–536 Haschek WM, Rousseaux CG (1998) Fundamentals of toxicologic pathology. Academic Press, San Diego Hazell AS, Butterworth RF (1999) Hepatic encephalopathy: An update of pathophysiologic mechanisms. Proc Soc Exp Biol Med 222: 99–112 Henze T, Scheidt P, Prange HW (1986) Methanol poisoning. Clinical, neuropathologic and computerized tomography findings. Nervenarzt 57: 658–661
Literatur
97. 98.
99.
100. 101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
108.
109.
110.
111.
112.
113.
114.
Herken H, Hucho F, eds (1992) Selective neurotoxicity. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo Herndon RM (1968) Thiophen induced granule cell necrosis in the rat cerebellum. An electron microscopic study. Exp Brain Res 6: 49–68 Hörtnagel H, Hanin J (1992) Toxic affecting the cholinergic system. In: Herken H, Hucho F (eds) Selective neurotoxicity. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp 293–332 Hunt WA (1996) Role of acetaldehyde in the actions of ethanol on the brain – a review. Alcohol 13: 147–151 Hurst EW (1959) The lesions produced in the central nervous system by certain organic arsenical compounds. J Pathol Bacteriol 77: 523–534 Ikeda K, Mizutani Y, Kariya N, Kosaka K (1993) Neuropathological analysis of alcoholics with protracted delirium. Neurol Psychiat Brain Res 1: 217–219 Ikonomidou C, Bittigau P, Ishimaru MJ et al. (2000) Ethanol – induced apoptotic neurodegeneration and fetal alcohol syndrome. Science 287: 1056–1060 Ikonomidou C, Turski L (1996) Neurodegeneration disorders: clues from glutamate and energy metabolism. Crit Rev Neurobiol 10: 239–263 Illowsky Karp B, Laureno R (1993) Pontine and extrapontine myelonilysis: a neurologic disorder following rapid correction of hyponatremia. Medicine 72: 359–366 Johansson BB (1992) Protective barriers in the nervous system against neurotoxic agents: the blood-brain barrier. In: Herken H, Hucho F (eds) Selective neurotoxicity. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp 67–80 Johnson RH, Robinson BJ (1988) Mortality in alcoholics with autonomic neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 51: 476–480 Juntunen H, Hernberg S, Eistola P, Hupli V (1980) Exposure to industrial solvents and brain atrophy. Eur Neurol 19: 366–375 Kadar T, Shapira S, Cohen G, Sahar R, Alkalay D, Raveh L (1995) Sarin-induced neuropathology in rats. Hum Exp Toxicol 14: 252–259 Kaelan C, Harper C, Vieira BI (1986) Acute encephalopathy and death due to petrol sniffing: Neuropathological findings. Aust NZ J Med 16: 804–807 Kaplan JG (1980) Neurotoxicity of selected biological toxins. In: Spencer PS, Schaumburg HH (eds) Experimental and clinical neurotoxicology. Williams & Wilkins, Baltimore, pp 631–648 Karhunen PJ, Erkinjuntti T, Laipala P (1994) Moderate alcohol consumption and loss of cerebellar Purkinje cells. Brit Med J 308: 1663–16677 Kelly DF, Herr DL, Kemmerle-Pierre C (1995) Effects of acute alcohol intoxication on outcome of head injury. Crit Care Med 23: A245 Kennedy P, Cavanagh JB (1976) Spinal changes in the neuropathy of thallium poisoning. J Neurol Sci 29: 295– 301
397
115. Kim YH, Foo M, Terry RD (1982) Cyanide encephalopathy following therapy with sodium nitroprusside. Arch Pathol Lab Med 106: 392–393 116. Kimura T, Budka H, Soler-Federsppiel S (1986) An immunocytochemical comparison of the glia-associated proteins glial fibrillary acidic protein (GFAP) and S-100 protein (S100P) in huma brain tumors. Clin. Neuropathol 5: 21–27 117. Kishorekumar R, Yagnik P, Dhopesh V (1985) Acute myelopathy in a drug abuser following an attempted neck vein injection. J Neurol Neurosurg Psychiatry 48: 843–844 118. Klatzo J (1977) Pathologic aspects of the blood-brain barrier. In: Roizin L, Shiraki H, Grcevic N (eds) Neurotoxicology. Raven, New York, pp 577–584 119. Klinghard GW (1976) Lysosomen bei experimenteller Speicherdystrophie durch chronische Intoxikation mit Chlorochin. Verh Dtsch Ges Pathol 60: 229–232 120. Kolkmann FW, Volk B (1976) Über Körnerzellnekrosen bei der experimentellen Methylchloridvergiftung des Meerschweinchens. Exp Pathol 10: 298–308 121. Kornfeld M, Moser AB, Moser HW et al. (1994) Solvent vapor abuse leukoencephalopathy. Comparison to adenoleukodystrophy. J Neuropathol Exp Neurol 53: 389– 398 122. Kril JJ, Halliday GM, Svoboda MD, Cartwright H (1997) The cerebral cortex is damaged in chronic alcoholics. Neuroscience 79: 983–998 123. Kringsholm B (1976) Akute tödliche Alkoholvergiftung. Z Rechtsmed 78: 313–319 124. Kruse K, Oehmichen M (eds) (1994) Vergiftungen im Kindesalter. Hansisches Verlagskontor, Lübeck 125. Lawrence WH, Partyka EK (1981) Chronic dysphagia and trigeminal anesthesia after trichloroethylene exposure. Ann Intern Med 95: 710 126. Lech T, Trela F (2005) Massive acute arsenic poisonings. Forensic Sci Int 151: 273–277 127. Le Quesne PM, McLeod JG (1977) Peripheral neuropathy following a single exposure to arsenic. Clinical course in four patients with electrophysiological and histological studies. J Neurol Sci 32: 437–451 128. Levine SR, Brust JCM, Futrell N et al. (1991) A comparative study of the cerebrovascular complications of cocaine: Alkaloidal versus hydrochloride – a review. Neurology 41: 1173–1177 129. Liessens JL, Monstrey J, Vanden-Eeckhout E, Djudzman R, Martin JJ (1978) Bismuth encephalopathy. A clinical and anatomopathological report of one case. Acta Neurol Belg 78: 301–309 130. Lock EA, Aldridge WN (1975) The binding of triethyltin to rat brain myelin. J Neurochem 25: 871–876 131. Ludwig GD (1977a) Lead poisoning. In: Goldensohn ES, Appel SH (eds) Scientific approaches to clinical neurology. Lea & Febiger, Philadelphia, pp 1347–1373 132. Ludwig GD (1977b) Mercury poisoning. In: Goldensohn ES, Appel SH (eds) Scientific approaches to clinical neurology. Lea & Febiger, Philadelphia, pp 1380–1383
398
14
Kapitel 14
133. Luzi S, Morrison PD, Powell J, di Forti M, Murray RM (2008) What is the mechanism whereby cannabis use increases risk of psychosis? Neurotox Res 14: 105–112 134. Magos L (1975) Mercury and mercurials. Br Med Bull 31: 241–245 135. Mäkelä AL, Lang H, Korpela P (1980) Toxic encephalopathy with hyperammonaemia during high-dose salicylate therapy. Acta Neurol Scand 61: 146–156 136. Malm G, Lying-Tunell U (1980) Cerebellar dysfunction related to toluene sniffing. Acta Neurol Scand 62: 188–190 137. Mamoli B, Thaler A, Heilig P, Siakos G (1975) Subakute Myelo-Optico-Neuropathie (S.M.O.N.) nach Clioquinolmedikation. J Neurol 209: 139–147 138. Mann K (1992) Alkohol und Gehirn. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio 139. Mann K, Batra A, Günther A, Schroth G (1992) Do women develop alcoholic brain damage more readily than men? Alcohol Clin Exp Res 16: 1052–1056 140. Marsh DO, Myers GJ, Clarkson TW, Amin-Zaki L, Tikriti S, Majeed MA (1980) Fetal methylmercury poisoning: clinical and toxicological data on 29 cases. Ann Neurol 7: 348–353 140a. Martin F, Ward K, Slavin G, Levi J, Peters TJ (1985) Alcoholic skeletal myopathy, a clinical and pathological study. QJN 55: 233–251 141. Martinez AJ, Boehm R, Hadfield MG (1974) Acute hexachlorphene encephalopathy: Clinico-neuropathological correlation. Acta Neuropathol 28: 93–103 142. Martinez AJ (1998) The neuropathology of organ transplantation: comparison and contrast in 500 patients. Pathol Res Pract 194: 473–486 143. McDermott JR, Smith AI, Ward MK, Parkinson IS, Kerr DNS (1978) Brain-aluminium concentration in dialysis encephalopathy. Lancet I: 901–904 144. McLean DR, Jacobs H, Mielke BW (1980) Methanol poisoning. A clinical and pathological study. Ann Neurol 8: 161–167 145. Mehrpour O, Alfred S, Shadnia S, Keyler OE, Saltaninejad K, Chalaki N, Sedaghat M (2008) Hyperglycemia in acute aluminium phosphatide poisoning as a potential prognosis factor. Hum Exp Toxicol 27: 591–595 146. Meissner C, Recker S, Reiter A, Friedrich HJ, Oehmichen M (2002) Fatal versus non-fatal heroin „overdose“: blood morphine concentrations with fatal outcome in comparison to those of intoxicated drivers. Forensic Sci Int 130: 49–54 147. Melnick RL, Monti LG, Motzkin SM (1976) Uncoupling of mitochondrial oxidative phosphorylation by thallium. Biochem Biophys Res Commun 69: 68–73 148. Mena I (1979) Manganese poisoning. In: Vinken PJ, Bruyn GW (eds) Handbook of clinical neurology, vol. 36. NorthHolland, Amsterdam, pp 217–237 149. Merigan WH, Weiss B (eds) (1980) Neurotoxicity of the visual system. Raven, New York 150. Meyer JG, Forst R (1977) A psychometric evaluation of the acute tremolous state. J Neurol (Brux) 215: 127–133
Intoxikation
151. Mody CK, Miller BL, McIntyre, Cobb SK, Goldberg MA (1988) Neurologic complications of cocaine abuse. Neurology 38: 1189–1193 152. Moeschlin S (1980) Thallium poisoning. Clin Toxicol 17: 133–146 153. Mohrmann RL, Mah V, Vinters HV (1990) Neuropathologic findings after bone marrow transplantation: an autopsy study. Hum Pathol 21: 630–639 154. Mori F, Nishie M, Houzen H, Yamaguchi J, Wakabayashi K (2006) Hypoglycemic encephalopathy with extensive lesions in the cerebral white matter. Neuropathology 26: 147–152 155. Moore KA, Kunsman GW, Levine BS, Herman MM, Cervenak J, Hyde TM (1997) A comparison of ethanol concentrations in the occipital lobe and cerebellum. Forens Sci Int 86: 127–134 156. Müller HA, Jeschke R (1970) Cytologische Befunde an den motorischen Vorderhornganglienzellen beim Tetanus. Verh Dtsch Path Ges 54: 650 157. Mundle G, Friese S, Köhnke MD (1999) Central pontine myelinolysis in a normonatraemic alcoholic patient. Addict Biol 4: 351–354 158. Niklowitz WJ (1977) Subcellular mechanisms in lead toxicity: significance in childhood encephalopathy, neurological requelae and late dementias. In: Roizin L, Shiraki M, Grcevic N (eds) Neurotoxicology. Raven, New York, pp 289–298 159. Niklowitz WJ, Mandybur TI (1975) Neurofibrillary changes following childhood lead encephalopathy. J Neuropathol Exp Neurol 34: 445–455 160. Ochs S (1992) Kinetic and metabolic disorders of axoplasmic transport induced by neurotoxic agents. In: Herken H, Hucho F (eds) Selective neurotoxicity. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp 81–110 161. Oehmichen M (Hrsg) (1996) Lebensverkürzung, Tötung und Serientötung – eine interdisziplinäre Analyse der Euthanasie. Schmidt-Römhild, Lübeck 162. Oehmichen M (2000) Hyperthermie, Brand und Kohlenmonoxid im rechtsmedizinischen Aufgabenspektrum. In: Oehmichen M (Hrsg) Hyperthermie, Brand und Kohlenmonoxid. (Research in Legal Medicine, vol 21). SchmidtRömhild, Lübeck, S 15–25 163. Oehmichen M, Auer RN, König HG (2009) Forensic neuropatholgy and associated neurology. Springer, Berlin Heidelberg New York 164. Oehmichen M, Besserer K (1982) Forensic significance of acetylcholine esterase histochemistry in organophosphate intoxication. Z Rechtsmed 89: 149–165 165. Oehmichen M, Meissner C (2000) Life shortening and physician assistance in dying. Euthanasia from the viewpoint of German Legal Medicine. Gerontology 46: 212–218 166. Oehmichen M, Meissner C, Reiter A, Birkholz M (1996) Neuropathology in non-human immunodeficiency virusinfected drug addicts: hypoxic brain damage after chronic intravenous drug abuse. Acta Neuropathol 91: 642–646
Literatur
167. Oehmichen M, Pedal J, Besserer K, Gencic M (1984) Inhibition of nonspecific esterase activity. Absence of monocyte esterase activity due to phosphoric and thiophosphoric acid ester intoxication. Forensic Sci Int 25: 181–189 168. Oehmichen M, Schlote W, Mallach MJ (1983) Hirnveränderungen bei Parathion-Vergiftung: Beobachtungen in 42 Fällen. Z Rechtsmed 90: 173–189 169. Okeda R, Taki K, Ikari R, Funata N (1995) Vascular changes in acute Wernicke’s encephalopathy. Acta Neuropathol 89: 420–424 169a. Olney J (1990) Excitotoxin-mediated death in youth and old age. Prog Brain Res 86: 37–51 170. Orphanides G, Kimber I (2003) Toxicogenetics: application and opportunities. Toxicol Sci 75: 1–6 171. Orthner H (1949) Neuartige Hirnbefunde bei Methyl-Alkohol-Vergiftung. Zentralbf Allg Pathol 85: 11–16 172. Osetowska E (1971) Gases. In: Minckler J (ed) Pathology of the nervous system. McGraw-Hill, New York, pp 1642–1655 173. Pall ML (2007) Explaining „unexplained illness“. Disease paradigma for chronic fatigue syndrome, multiple chemical snsitivity, fibromyalgia, post-traumatic stress disorder, Gulf war syndrome and others. New York London, Harrington Park Press/Haworth Press 174. Pankow D (1981) Toxikologie des Kohlenmonoxids. Volk und Gesundheit, Berlin 175. Pankratz M, Solnek M, v. Meyer L (1988) Symmetrische Linsenkernläsionen bei Vergiftungen. In: Bauer G (Hrsg) Festschrift„ für Wilhelm Holczabek. Deuticke, Wien, S 501–506 176. Peiffer J, Majewski F, Fischbach H, Bierich JR, Volk B (1979) Alcohol embryo- and fetopathy. J Neurol Sci 41: 125–137 177. Pentschew A (1965) Morphology and morphogenesis of lead encephalopathy. Acta Neuropathol 5: 133–160 178. Perl DP, Olanow CW (2007) The neuropathology of managenese-induced Parkinsonism. J Neuropathol Exp Neurol 66: 675–682 179. Perl TM, Védard L, Kosatzsky T et al. (1990) An outbreak of toxic encephalopathy caused by eating mussels contaminated with domoic acid. New Engl J Med 322: 1775–1780 180. Peters HA, Levine RL, Matthews CG, Chapman LJ (1988) Extrapyramidal and other neurologic manifestations associated with carbon disulfide fumigant exposure. Arch Neurol 45: 537–540 181. Polaczek-Kornecki T, Zelazny T, Walczak Z, Dendura S (1972) Experimentelle Untersuchungen über den Todesmechanismus bei akuter Alkoholvergiftung; die Rolle der Ateminsuffizienz. Anaesthesist 21: 266–270 182. Powell HC, Lampert PW (1977) Hexachlorophene neurotoxicity. In: Roizen L, Shiraki H, Grcevic N (eds) Neurotoxicology. Raven, New York, pp 381–389 183. Powell HC, Myers RR, Lampert PW (1980) Edema in neurotoxic injury. In: Spencer PS, Schaumburg HH (eds) Experimental and clinical neurotoxicology. Williams & Wilkins, Baltimore, pp 118–137
399
184. Price DL, Griffin J, Peck K (1975a) Tetanus toxin: evidence for binding at presynaptic nerve endings. Brain Res 121: 379–384 185. Price DL, Griffin J, Young A, Peck K, Stoks A (1975b) Tetanus toxin: direct evidence for retrograde axonal transport. Science 188: 945–947 186. Pryor GT (1990) Assessing neurotoxic consequences of solvent abuse: A developing animal model for toluene-induced neurotoxicity. In: Spencer JW, Boren JJ (eds) Residual effects of abused drugs on behavior. Rockville/MD (NIDA Research Monograph 101) 187. Püschel K (1992) Drogenabhängigkeit aus rechtsmedizinischer Sicht. In: Oehmichen M, Patzelt D, Birkholz M (Hrsg) Drogenabhängigkeit. Schmidt-Römhild, Lübeck (Research in legal medicine, vol 4, pp 23–38 188. Raskin NH, Sokoloff L (1974) Changes in brain alcohol dehydrogenase activity during chronic ethanol ingestion and withdrawal. J Neurochem 22: 427–434 189. Rauschka H, Aboul-Enein F, Bauer J, Nobis H, Lassmann H, Schmidbauer M (2007) Acute cerebral white matter damage in lethal salicylate intoxication. Neurotoxicology 28: 33–37 190. Ray R, Prabhu GG, Mohan D, Nath LM, Neki JS (1979) Chronic cannabis use and cognitive functions. Indian J Med Res 69: 996–1000 191. Reiter A, Rohwer J, Friedrich HH, Oehmichen M (2001) Time of drug elimination in chronic drug abusers. Forens Sci Int 119: 248–253 192. Reusche E, Koch V, Friedrich HJ, Nunninghoff D, Stein P, Rob PM (1996) Correlation of drug-related aluminum intake and dialysis treatment with deposition of argyrophilic aluminum-containing inclusions in CNS and in organ systems of patients with dialysis-associated encephalopathy. Clin Neuropathol 15: 342–347 193. Reusche E, Pilz P, Oberascher G, Lindner B, Egensperger R, Gloeckner K, Trinka E, Iglseder B (2001) Subacute fatal aluminium encphalopathy after reconstructive otoneurosurgerry: a case report. Human Pathol 32: 1136– 1140 194. Reusche E, Seydel U (1993) Dialysis associated encephalopathy. Light and electron microscopic morphology and topography with evidence of aluminium by laser micro„probe mass analysis. Acta Neuropathol 86: 249– 258 195. Richter RW, Pearson J, Bruun B (1973) Neurological complications of addiction to heroin. Bull NY Acad Med 49: 3–21 196. Riley JN, Walker DW (1978) Morphological alterations in hippocampus after longterm alcohol consumption in mice. Science 201: 646–648 197. Riudavets MA, Pollak PA, Troncoso JC (2005) Pseudolaminar necrosis in cyanides intaxication. A neuropathologicy case report. Am J Forensic Med Pathol 26: 189–191 198. Rochholz G, Fischer F, Schütz S, Ritz-Timme S, Kaatsch H-J (1999) Nachweis von Drogen und Medikamenten in humanem Knochengewebe. Rechtsmedizin 9: A84
400
14
Kapitel 14
199. Rodier J (1955) Manganese poisoning in Moroccan miners. Br J Indust Med 12: 21–35 200. Rosett HL, Weiner L (1984) Alcohol and the fetus: a clinical perspective. Oxford University Press 201. Ross WD, Emmett EA, Steiner J, Tureen R (1981) Neurotoxic effects of occupational exposure to organotins. Am J Psychiatry 138: 1092–1095 202. Roth L, Daundere M, Kormann K (2006) Giftpflanzen, Pflanzengift. $. Aufl, Hamburg, Nicol Verlag 203. Rubinstein LJ, Herman MM, Long TF, Wilbur JR (1975) Disseminated necrotizing leukoencephalopathy: a complication of treated central nervous system leukemia and lymphoma. Cancer 35: 291–305 204. Sachs H (1997) Drogennachweis in Haaren. In: Kijewski H (Hrsg) Das Haar als Spur. (Research in legal medicine, vol 16) Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 119–133 205. Sage JI, Van Uitert RL, Lepore FE (1984) Alcoholic myelopathy without substantial liver disease. A syndrome of progressive dorsal and lateral column dysfunction. Arch Neurol 41: 999–1001 206. Saida K, Mendell JR, Sahenk Z (1977) Peripheral nerve changes induced by local application of bee venom. J Neuropathol Exp Neurol 36: 783–796 207. Sanfeliu C, Sebastià J, Cristòfol R, Rodriguez-Farré E (2003) Neurotoxicity of organomercurial compounds. Neurotox Res 5: 283–305 208. Sarafian T, Verity MA (1986) Mechanism of apparent transcription inhibition by methylmercury in cerebellar neurons. J Neurochem 47: 625–631 209. Sasa M, Igarashi S, Miyazaki T, Miyazaki K, Nauno S, Matsuda I (1978) Equilibrium disorders with diffuse brain atrophy in long-term toluene sniffing. Arch Otolaryngol 221: 103–169 210. Scalabrino G (2001) Subacute combined degeneration one century later. The neurotrophic action of cobalamin (vitamin B12) revisited. J Neuropathol Exp Neurol 60: 109–120 211. Schachenmayr W (1987) Pankreatitis-assoziierte Hirnbefunde: gibt es eine pankreatische Encephalopathie? Verh Dtsch Ges Pathol 71: 280–283 212. Schalinski S, Schmid S, Tsokos M (2008) Zentrale pontine Myelinolyse. Rechtsmedizin 18: 454–456 213. Schaumburg HH, Spencer PS (2000) Clioquinol. In: Spencer PS, Schaumburg HH (eds) Experimental and clinical neurotoxicology. Oxford University Press, New York Oxford 214. Schmidt RE, Dorsey DA, Beaudet LN, Parvin CA, Zhang W, Sima AA (2004) Experimental rat models of typus 1 and 2 diabetes differ in sympathetic neuroaxonal dystrophy. J Neuropathol Exp Neurol 63: 450–460 215. Schmidt W, DeLint J (1972) Causes of death in alcoholics. Q J Stud Alcohol 33: 171–185 216. Scholtz CL, Swash M, Gray A, Kogeorgos J, Marsh F (1987) Neurofibrillary neuronal degeneration in dialysis dementia: a feature of aluminium toxicity. Clin Neuropathol 6: 93–97 217. Schrader G (1963) Die Entwicklung neuer insektizider Phosphorsäure-Ester. Verlag Chemie, Weinheim
Intoxikation
218. Schwartz JA, Speed NM, Gross MD, Lucey MR, Bazakis AM, Hariharan M, Beresford TP (1993) Acute effects of alcohol administration on regional cerebral blood flow: the role of acetate. Alcohol Clin Exp Res 17: 1119– 1123 219. Schwechheimer K, Hashemian A (1995) Neuropathologic findings after organ transplantation. An autopsy study. Gen Diagn Pathol 141: 35–39 220. Schwedenberg TH (1959) Leukoencephalopathy following carbon monoxide asphyxia. J Neuropathol Exp Neurol 18: 597–608 221. Shapiro WR, Chernik NL, Posner JB (1973) Necrotizing encephalopathy following intraventricular instillation of methotrexate. Arch Neurol 28: 96–102 222. Sharma HS, Sjöquist PO, Ali SF (2007) Drugs of abuseinduced hyperthermia, blood-brain barrier dysfunction and neurotoxicity: neuroprotective effects of a new antioxidant compound. Curr Pharm Des 13: 1903–1923 223. Siegel GJ, Agranoff BW, Albers RW Fisher SK, Uhler MD, eds (1999) Basic neurochemistry: molecular, cellular, and medical aspects. 6th edn., Lippincott, Williams & Wilkins, Philadelphia 224. Silbergeld EK (1983) Localization of metals: issues of importance to neurotoxicology of lead. Neurotoxicology 4: 193–200 225. Slyter H, Liwnicz B, Herrick MK, Mason R (1980) Fatal myelo-encephalopathy caused by intrathecal vincristine. Neurology 30: 867–871 226. Song SY, Okeda R, Funata N, Higoshino F (1983) An experimental study of the pathogenesis of the selective lesion of the globus pallidus in acute carbon monoxide poisoning in cats. Acta Neuropathol 61: 232–238 227. Soyka M, Küfner H (2008) Alkoholismus – Missbrauch und Abhängigkeit. Thieme, Stuttgart 228. Spencer PS, Schaumburg HH (1974) A review of acrylamide neurotoxicity. Part I. Properties, uses and human exposure. Can J Neurol Sci 1: 151–169 229. Spencer PS, Schaumburg HH (1980) Recent morphological studies of txic neuropathy. Dev Toxicol Environ Sci 8: 3–11 230. Spencer PS, Schaumburg HH (eds) (1980/2000) Experimental and chemical neurotoxicology. Williams & Wilkins. Baltimore/Oxford University Press, New York Oxford 231. Stimpfl T, Grassberger M, Andresen H (2007) Zyanidvergiftung. Rechtsmedizin 17: 343–350 232. Strong MJ, Wolff AB, Wakayama I, Garruto RM (1991) Aluminium-induced chronic myelopathy in rabbits. Neurotoxicology 12: 9–21 233. Sudo K (1968) Über einen Fall mit ausgedehnten fleckförmigen Entmarkungen als Folge eines protrahierten Ödems nach akuter Morphium Intoxikation. Kyushu Neuropsychiatry 14: 198–206 234. Taheri MS, Moghaddam HH, Moharamzad Y, Dadgari S, Nahvi V (2010) The value of brain CT findings in acute methanol toxicity. Eur J Radiol 73: 211–214
Literatur
235. Takatori T, Nagano M, Iwase H, Sakurada K (2006) Sarin poisoning diagnosis in the Tokyo subway. In: Oehmichen M, Meissner C (eds) Terrorism. (Research in Legal Medicine, vol 34) Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 113–134 236. Takeuchi T, Eto N, Eto K (1979) Neuropathology of childhood cases of methylmercury poisoning (Minamata disease) with prolonged symptoms, with particular reference to the decortication syndrome. Neurotoxicology 1: 1–20 237. Taylor D, Lewis S (1993) Delirium. J Neurol Neurosurg Psychaitry 56: 742–751 238. Thom SR (1990) Carbon monoxide-mediated brain lipid peroxidation in the rat. J Appl Physiol 68: 997–1003 239. Thomas E (1960) Veränderungen des Nervensystems bei Vergiftungen mit niedrigen Halogenkohlenwasserstoffen. Dtsch Z Nervenheilkd 180: 530–561 240. Thomas PK, Schaumburg HH, Spencer PS, Kaeser HE, Pallis CA, Clifford RF, Wadia NH (1984) Central distal axonopathy syndromes: newly recognized models of naturally occurring human degenerative disease. Ann Neurol 15: 313–315 241. Thomson AD, Marshall EJ (2006) The natural history and pathophysiology of Wernicke’s encephalopathy and Korsakoff`psychosis. Alcohol Alcohol 41: 151–158 242. Torvik A (1987) Brain lesions in alcoholics: Neuropathological observations. Acta Med Scand Suppl 717: 47–54 243. Torvik A, Lindboe CF, Rodge S (1982) Brain lesions in alcoholics. A neuropathological study with clinical correlations. J Neurol Sci 56: 233–248 244. Trabert W, Betz T, Niewald M, Huber G (1995) Significant reversibility of alcoholic brain shrinkage within 3 weeks of abstinence. Acta Psychiatr Scand 92: 87–90 245. Tredici G, Buccellato FR, Cavaletti G, Scalabrino G (1998) Subacute combined degeneration in totally gastrectomized rats: an ultrastructural study. J Submicrosc Cytol Pathol 30: 165–173 246. Treib J, Blaes F, Haase A, Ohlmann D, Pindur G, Hamann GF (1996) Hirninfarkt nach chronischer Azetylsalizilatsäure Vergiftung. Nervenartzt 67: 333–334 247. Tripathi SK, Pandey SK (2007) The effect of aluminium phosphatide on the human brain: a histological study. Med Sci Law 47: 141–146 248. Tripier MF, Bérard M, Toga M, Martin-Bouyer G, Le Breton R, Garat J (1981) Hexachlorophene and the central nervous system. Acta Neuropathol 53: 65–74 249. Trzepacz PT, Teague GB, Lipowski ZJ (1985) Delirium and other organic mental disorders in a general hospital. Gen Hosp Psychiatry 7: 101–106 250. Urbano-Marquez A, Estruch R, Navarro-Lopez F, Grau JM, Mont L, Rubin E (1989) The effects of alcoholism on skeletal„ and cardiac muscle. N Engl J Med 320: 409–415 251. Velvart J, Moeschlin S (1980) Insektizide. In: Moeschlin S (Hrsg) Klinik und Therapie der Vergiftungen. Thieme, Stuttgart, S 422–444 252. Verity MA (1997) Toxic disorders. In: Graham DI, Lantos PI (eds) Greenfield’s neuropathology. Arnold, London, pp 755–797
401
253. Verity MA, Brown WJ, Cheung M (1975) Organic mercurial encephalopathy: in vivo and in vitro effects of methyl mercury on synaptosomal respiration. J Neurochem 25: 759–766 254. Verstraeten SV, Aimo L, Oteiza PI (2008) Aluminium and lead: molecular mechanisms of brain toxicity. Arch Toxicol 82: 789–802 255. Victor M (1977) Some observations on the neurological effects of alcohol intoxication and withdrawal. In: Roizin L, Shiraki M, Grcevic N (eds) Neurotoxicology. Raven, New York, pp 517–531 256. Victor M, Adams RD, Collins GH (1971) The WernickeKorsakoff syndrome. A clinical and pathological study; 245 patients, 82 with post-mortem examinations. Contemp Neurol Ser 7: 1–206 257. Victor M, Adams RD, Collins GH (1989) The WernickeKorsakoff syndrome, 2nd edn. Davis, Philadelphia 258. Vogt C, Vogt O (1937) Sitz und Wesen der Krankheit im Lichte der topistischen Hirnforschung und des Variierens der Tiere. J Psychol Neurol 47: 237–457 259. Volk B (1980) Paired helical filaments in rat spinal ganglia following chronic alcohol administration: an electron microscopic investigation. Neuropathol Appl Neurobiol 6: 143–153 260. Volk B, Kirchgässner N, Detmar M (1986) Degeneration of granule cells following chronic phenytoin administration and electron microscopic investigation of the mouse cerebellum. Exp Neurol 91: 60–70 261. Vycudilik W (1988) Vergleichende Morphinbestimmungen an Gehirnteilen mittels kombinierter GC/MS. Eine Möglichkeit zur Eingrenzung der Überlebenszeit. Z Rechtsmed 99: 263–272 262. Wada K, Fujii Y, Watanabe H, Satoh M. Furuichi Y (1991) Cadmium directly acts on endothelin receptor and inhibits endothelin binding acticity. FEBS Lett 285: 71 263. Walsh TJ, Clark AW, Parhad IM, Green WR (1982) Neurotoxic effects of cisplatin therapy. Arch Neurol 39: 719–720 264. Wartburg JP v, Bethune JL, Vallee BL (1964) Human liver alcohol dehydrogenase. Kinetic and physiochemical properties. Biochemistry 3: 1775–1782 265. Watanabe A, Shiota T, Tsuji T (1992) Cerebral edema during hepatic encephalopathy in fulminant hepatic failure. J Med 23: 29–38 266. Waters MD, Fostel JM (2004) Toxicogenomics and systems toxicology: aims and prospects. Nat Rev Genet 5: 936–948 267. West JR, Goodlett CR, Bonthius DJ, Hamre KM, Marcussen B (1990) Cell population depletion associated with fetal alcohol brain damage: mechanisms of BAC-dependent cell loss. Alcohol Clin Exp Res 14: 813–818 268. Whetsell WO (2002) The mammalian striatum and neurotoxic injury. Brain Pathol 12: 482–487 269. Williams ME, Walker AN, Bracikowski JP et al. (1983) Ascending myeloencephalopathy due to intrathecal vincristine sulfate. Cancer 51: 2041–2047
402
Kapitel 14
270. Wilkinson P, Kornaczewski A, Rankin JG, Santamaria JN (1971) Physical disease in alcoholism. Initial survey of 1000 patients. Med J Aust 1: 1217–1223 271. Winkelman MD, Ricanati ES (1986) Dialysis encephalopathy: neuropathological aspects. Hum Pathol 17: 823–833 272. Wisniewski K, Dambska W, Sher JH, Qazi Q (1983) A clinical neuropathology study of the fetal alcohol syndrome. Neuropediatrics 14: 197–201 273. Wizemann V, Wabel P, Chamney P, Zaluska W, Moisssl U, Rode C, Malecka-Masalaska T, Marcelli D (2009) The mortality risk of overhydration in hemodialysis patients. Nephrol Dial Transplant 24: 1574–1579
14
Intoxikation
274. Yaguchi M, Nagashima K, Izumi T, Okamoto K (2003) Neuropathological study of C57BL/6Akita mouse type 2 diabetic model: enhanced expression of alphaB-crystallin in oligodendroncytes. Neuropathology 23: 44–50 275. Yamada M, Ohno S, Okayasu I et al. (1986) Chronic manganese poisoning: A neuropathological study with determination of manganese distribution in the brain. Acta Neuropathol 70: 273–278 276. Zhang J, Piantadosi CA (1992) Mitochondrial oxidative stress after carbon monoxide hypoxia in the rat brain. J Clin Invest 90: 1193–1199
Kapitel 15
15
Trauma
M. Oehmichen, H.G. König Inhalt Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
Primäre Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
426
Mechanisches Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
Sekundäre Veränderungen . . . . . . . . . . . . . .
427
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
Rückenmarkverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . .
427
Verletzung von Kopfschwarte und Schädel . . . . . .
405
Blutung in die spinalen Hüllen . . . . . . . . . . . .
428
Verletzung der Dura mater . . . . . . . . . . . . . . .
405
Spinaltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
428
Epiduralhämatom (EDH) . . . . . . . . . . . . . . .
407
Schleudertrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
429
Subduralhämatom (SDH) . . . . . . . . . . . . . . .
408
Spezielle physikalische Traumen . . . . . . . . . . . . . .
430
Sonderformen der subduralen Blutung . . . . . . .
410
Thermisches Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
430
Subarachnoidalblutung (SAB) . . . . . . . . . . . . .
413
Hypothermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
430
Offene Hirnverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
Hyperthermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
431
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
Elektrotrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
432
Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
Verletzung durch Niederspannungskontakt . . . . .
432
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
417
Gedeckte Hirnverletzung . . . . . . . . . . . . . . . .
417
Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
418
Molekulare und zelluläre Mechanismen . . . . . . .
421
Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
422
Intrazerebrale und intraventrikuläre Blutung . . . .
423
Sekundäre Veränderungen . . . . . . . . . . . . . .
424
Dementia pugilistica . . . . . . . . . . . . . . . . . .
424
ZNS-Folgeschäden ohne primäre ZNS-Verletzung . .
425
Fettembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425
Luftembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425
Gefäßverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425
Hirnstammverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426
Verletzung durch Hochspannungskontakt und Blitzschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
434
Strahlungstrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435
Akute Strahlenschäden . . . . . . . . . . . . . . . .
435
Chronische Strahlenschäden . . . . . . . . . . . . .
435
Akustisches Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
Knalltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
Ultraschalltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
Barotrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
437
Dekompressionstrauma . . . . . . . . . . . . . . . .
437
Luftembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
438
Höhenkrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
438
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
438
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
404
Kapitel 15
Terminologie
15
Der Begriff „Trauma“ ist aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet „Wunde“, wobei jede Folge einer schädigenden äußeren Einwirkung gemeint ist – im Sinne einer von außen verursachten „Verletzung“ eines Organismus. Sowohl der Vorgang des Verletzens wie auch sein Resultat werden im Deutschen mit demselben Worten „Trauma“ bzw. „Verletzung“ benannt. Wissenschaftlich ist dieser Mangel an Eindeutigkeit der Terminologie nicht akzeptierbar, besonders wenn die differenzierte Betrachtung der oft komplexen Wirkungskette von der äußeren Einwirkung („Traumatisierung“) bis zum schädigenden Ergebnis im Körper („Trauma“) Gegenstand der Überlegungen ist. Es soll deshalb begrifflich zwischen diesen beiden Bereichen (der Traumatisierung und deren Ergebnis) unterschieden werden. In der Traumatologie bietet es sich an, schon wegen ihrer ungleich größeren Häufigkeit mechanisch erzeugte Verletzungen („mechanische Traumen“) getrennt von solchen zu betrachten, die auf spezielle physikalische Einwirkungen zurückzuführen sind. Bei diesen Einwirkungen handelt es sich um eine Auswahl von Traumatisierungsarten mit Wirkungen auf das ZNS, darunter u. a. auch „spezielle“ mechanische. Alle resultierenden Verletzungen („spezielle physikalische Traumen“) aber sind gleichermaßen gekennzeichnet durch Gewebedurchtrennung, Gewebeverlust, Blutung und/oder Nekrose. Zunächst sollen hier die mechanisch bedingten Verletzungen des ZNS, und, in einem weiteren Kapitel, spezielle physikalisch bedingte Verletzungen beschrieben werden. Die Abbildungen sind z. T. aus der Monographie „Forensic Neuropathology and Associated Neurology“ [164] übernommen, die von den selben Autoren wie dieses Kapitel verfasst wurde.
Mechanisches Trauma Grundlagen Die klinische Systematik der durch mechanische Gewalteinwirkung erzeugten Verletzungen des zentralen Nervensystems unterscheidet das offene von dem gedeckten Trauma. Aus morphologischer Sicht werden ferner traumatische Veränderungen des Hüllsystems von den Verletzungen des Hirnparenchyms unterschieden sowie primäre – durch äußere Einwirkung entstandene – Veränderungen, von sekundären, die durch zusätzliche, körpereigene (pathophysiologischen) Mechanismen beeinflusst sind. Die Fragen an den Neuropathologen zielen u. a. auf das Ausmaß der primären Verletzungen und ihre sekundären Folgen, auf ihre Lokalisation sowie die Rekon-
Trauma
struktion des Verletzungsvorgangs und des gesamten Krankheitsablaufs. Sie erfordern eine Analyse der Biomechanik ihrer Entstehung und der Pathophysiologie der Folgeveränderungen [25, 67, 187, 205, 220]. Es ist evident, dass die primären Veränderungen, die zum Zeitpunkt des Todes festgestellt werden, nur zum Teil unmittelbare Folgen der mechanischen Einwirkung sind, wenn das Trauma zunächst überlebt wurde. In Abhängigkeit von der Überlebenszeit – und in Abhängigkeit von vielen anderen Faktoren – entwickeln sich sekundäre Veränderungen (z. B. Ödem, Blutungen, ischämische Veränderungen, Zellreaktionen im Sinne einer Narbenbildung, Entzündungen, Thrombosen usw.), die ihrerseits weitere Schäden – und morphlogische Veränderungen – induzieren (Hypoxie, Azidose, Embolie). Schließlich stellt sich immer auch die Frage nach der Prognose, einerseits unter dem Aspekt des potentiellen Überlebens bei möglicher fehlerhafter medizinischer Behandlung, andererseits aber auch bezüglich der zu erwartenden chronischen Ausfallserscheinungen. Gleichzeitig kann es zusätzlich es zu funktionellen Ausfällen kommen, ohne dass primäre Strukturschäden nachweisbar werden, wobei die geänderte Funktion ihrerseits Strukturveränderungen induzieren kann. Es treten z. B. vorübergehende Asystolien, Blutdruckabfälle oder Gefäßspasmen auf, die postmortal nicht nachweisbar sind und die zu Durchblutungsstörungen (Ischämie, Hypoxie) führen können; ein generalisierter Krampfanfall kann eine Kreislaufdekompensation zur Folge haben, ohne dass morphologische Äquivalente für ein solches Geschehen sprechen müssen. Es muss u. a. an die Möglichkeit eines neuralen Schocks – insbesondere eines spinalen Schocks – gedacht werden, der selbst als Todesursache zu diskutieren ist [220, 227], ohne dass typische Schockveränderungen sichtbar werden. Von Bedeutung ist naturgemäß die Frage nach der Todesursache, die oftmals – auch bei schweren SchädelHirn-Verletzungen – nicht allein in den Verletzungen des Gehirns zu sehen ist. Die Schwere einer zusätzlichen, primären oder sekundären Schädigung anderer Organe – und damit ihre potentielle Todesursächlichkeit – ist nicht nur von der Lokalisation der Einwirkung und dem Ausmaß der abgegebenen Energie allein abhängig, sondern ggf. auch vom Vorhandensein einer Organvorschädigung, vom Alter des Patienten [94], von chemischen Einflüssen wie Alkohol und Medikamente [46], vom Auftreten einer Infektion oder Sepsis, vom Vorhandensein zusätzlicher Verletzungen, die möglicherweise eine Asphyxie, einen Herzstillstand, eine generalisierte Hypoxie, eine Embolie usw. zur Folge haben, und natürlich auch von der Zeitspanne zwischen Ereignis und Einleitung erster lebensrettender Maßnahmen.
405
Mechanisches Trauma
Verletzung von Kopfschwarte und Schädel Das Hüllsystem von Gehirn und Rückenmark umfasst die äußeren Weichteile – Haut und Muskulatur –, die Knochen und die Dura mater, die Arachnoidea, den liquorenthaltenden Subarachnoidalraum und die Pia mater. Zu den „äußeren“ Weichteilen des Kopfes gehören die Kopfschwarte einschließlich der Haare sowie die Gesichtsweichteile, die bei mechanischer Gewalteinwirkung einerseits bereits einen Teil der abgegebenen Energie (z. B. bei Schlag mehr als 35%) absorbieren können [67], und deren Verletzungstopographie und -morphologie andererseits Informationen über den Ort der Gewalteinwirkung, ihre Art und Intensität sowie über das einwirkende Werkzeug liefert – Informationen, die zu den wesentlichen Grundlagen einer Rekonstruktion des Geschehens gehören. Klinisch sowie pathophysiologisch ist von Bedeutung, dass Verletzungen der Kopfschwarte über eine bakterielle Durchwanderung Ausgangspunkt von Infektionen des Gehirns sein können, mit Ausbildung einer eitrigen Meningoenzephalitis oder eines Abszesses. Der Schädel zeigt in Abhängigkeit vom Lebensalter eine unterschiedliche Morphologie, Biometrie und Stabilität gegenüber äußerer mechanischer Gewalteinwirkung. Der Schädel des Erwachsenen, 30- bis 40-jährigen Menschen hält eine Zugspannung in der Größenordnung von etwa 10 kPa und eine Druckspannung von 5–31 kPa aus [67]. Ist die Spannung größer, treten Brüche auf, die dem Pathologen Informationen über Werkzeug, Art, Ort, Richtung und Intensität der Gewalteinwirkung liefern sowie über die zeitliche Reihenfolge bei mehreren Einwirkungen. Prinzipiell sind (indirekte) Berstungsbrüche wie z. B. durch Sturz von (direkten) Biegungsbrüchen, wie z. B. Impressionsfrakturen durch Hammerschlag, zu unterscheiden. Zu unterscheiden sind ebenso eine – durch direkte Gewalteinwirkung gekennzeichnete – „Stoßpolseite“ mit einem „Bruchzentrum“ von einer diametral gegenüber gelegenen „Gegenpolseite“ mit indirekt entstandener Fraktur, wie z. B. die Sogfraktur in der Orbita [61].
Verletzung der Dura mater Anatomie. Die harte Hirnhaut (Dura mater) setzt sich aus zwei miteinander verwachsenen Membranen zusammen. Die äußere Membran stellt zugleich das Periost des Schädelknochens dar. Die innere Membran steht in direktem Kontakt mit der Arachnoidea. Äußere und innere Membran bilden eine durchgehende, ausgesprochen stabile und nur gering elastische Auskleidung des intrakraniellen und intraspinalen Raumes. Durch eine lokal begrenzte Duplikatur in Form der Falx cerebri und des Tentorium cerebelli wird die Schädelhöhle in eine rechte und linke Hemisphäre sowie die vordere und hintere
Schädelgrube aufgeteilt. Die Dura enthält die großen venösen Blutleiter, vor allem den Sinus sagittalis superior, und zahlreiche andere, vor allem an der Schädelbasis. Brückenvenen verbinden die äußere Membran der Dura mit der Innenseite des Schädels sowie – durch den Schädelknochen hindurch – mit der Kopfschwarte, so dass eine Kontinuität von der Kopfschwarte bis zur Arachnoidea/Pia und zum Gehirn besteht. Der durch die Dura mater gebildete Innenraum des ZNS ist an den Nervenwurzeln sowie im Bereich der Villi arachnoidales (Pacchioni-Granulationen) für Flüssigkeit und Proteine durchgängig. So erfolgt die Resorption und der Abtransport von Liquor, Proteinen sowie auch korpuskulären und zellulären Bestandteilen über diesen Weg [149, 225]. Klassifikation. Verletzungen der Dura mater im Sinne einer Zusammenhangstrennung werden zusammen mit der begleitenden Schädelfraktur als „offene Hirnverletzung“ bezeichnet und als solche gesondert angesprochen (s. S. 414ff.). Häufiger als komplette Zusammenhangstrennungen sind jedoch Gefäßrupturen mit Blutungen in den Epidural- bzw. Subduralspalt (Epiduralhämatom, EDH; Subduralhämatom, SDH). Je nach Art und Ausmaß der Gewalteinwirkung kann es bei derartigen Verletzungen, gleichzeitig zu traumatisierungsbedingten Parenchymblutungen kommen, überwiegend im Rindenbereich. Diese sind im Zusammenhang mit einer epiduralen Blutung eher selten. Allerdings sind begleitende Hirnverletzungen im Sinne von axonalen Schäden, insbesondere bei subduralen Blutungen, nahezu regelmäßig zu beobachten [154]. Ebenso finden sich zusammen mit subduralen Blutungen öfters Zeichen von Scherungsverletzungen in Form von Parenchymblutungen, vor allem in der ersten Frontalwindung (s. Abb. 15.2). Sekundär kann es ferner zu einer intrakraniellen Raumverdrängung kommen, überwiegend in Form einer lateral (Abb. 15.1) bzw. kaudal gerichteten Massenverschiebung mit der Gefahr einer Einklemmung (Herniation). Die Durablutungen treten überwiegend in der Folge einer stumpfen Gewalteinwirkung auf den Kopf auf, und – nur extrem selten – spontan in der Folge einer arachnoidalen Gefäßmissbildung oder -krankheit. Die traumatisierungsbedingte Durablutung erfolgt oftmals ohne gleichzeitige Hirnbeteiligung, so dass sich unschwer auch das Fehlen einer primären klinischen Symptomatik – direkt im Anschluss an die Traumatisierung – erklärt (sog. „luzides Intervall“). Von den durch äußere Gewalteinwirkung erzeugten Durahämatomen zu differenzieren sind spontane EDHs und SDHs, die besonders bei Antikoagulanzienbehandlung und Leukämien zu beobachten sind, die aber auch im Rahmen ärztlicher Eingriffe auftreten können, z. B. bei der Epiduralanästhesie [137]. Klinik. Eine neurologische Symptomatik tritt oft mit Verzögerung bzw. nach einem symptomfreien Intervall – häufig erst als Folge einer Raumverdrängung durch die Blutung – auf, die unterschiedlich schnell erfolgen kann.
406
Kapitel 15
Trauma
a
b
15
c
d
e
Abb. 15.1a–e Intrakranielle Raumverdrängung bei linksseitigem Durahämatom (Subduralhämatom, SDH). a Das linksseitige SDH führt zu einer Verdrängung des Hirnparenchyms nach rechts mit linksseitigem Ödem, Falxeinkerbung und Blutung im linken Gyrus cingulus (oberer Pfeil) und linksseitige Mittelhirnblutung (unterer Pfeil). b Streifenförmige Hippokampusblutung links (Pfeile) als Fol-
ge einer Druckeinwirkung durch die Umschlagfalte eines Zügels des Kleinhirnzelts. c Zentrale Brückenblutung. d Einkerbung des Balkens durch die Falx cerebri. e Druckbedingte Einschnürung der oberen Kleinhirnfläche bei infratentoriellem Druck gegen das Kleinhirnzelt bei infratentorieller Raumverdrängung
Auch am Gehirn selbst sind die wesentlichen morphologischen Veränderungen oftmals ausschließlich als Folge der Raumverdrängung zu interpretieren, wobei klinischerseits eine zunehmende Bewusstseinstrübung, eine Halbseitensymptomatik oder ein hirnorganischer Anfall zu beobachten sind, während morphologisch Veränderungen im Sinne eines Ödems mit Zeichen der Seitenverschiebung und Einklemmung vorherrschen.
die zwischen dem knöchernen Schädel und der Dura gelegen ist, von der Subduralblutung, die zwischen Dura mater und Arachnoidea lokalisiert ist. Ein unterschiedlicher biophysikalischer Mechanismus sowie ein differenter klinischer Ablauf begründen diese Differenzierung zusätzlich. Die Blutungen dehnen sich auf der Außen- bzw. Innenseite der Dura mater aus, eher selten auf Außen- und Innenseite gleichzeitig. Sie finden sich überwiegend einseitig und können sich über den Hemisphären bis in die Schädelgruben (Abb. 15.5d), auch in die hintere Schädel-
Morphologie. Es werden pathologisch-anatomisch unterschieden die Epiduralblutung bzw. extradurale Blutung,
Mechanisches Trauma
a
b
c Abb. 15.2a–c Scherungsverletzungen in Form von traumatisierungsbedingten, eingebluteten, spaltförmigen Einrissen, im Marklager der obersten Stirnlappenwindung, a links, b rechts, c beidseitig
grube, hinein ausdehnen. Die mikroskopischen Befunde der Blutung selbst, d. h. die Resorption und Organisation der Blutung, sind abhängig von der Überlebenszeit: Es werden zunächst Zeichen der Gerinnung, dann Zeichen einer aseptischen entzündlichen Reaktion, d. h. Resorption und Organisation, erkennbar, die eine gewisse Zeitab-
a
407
hängigkeit aufweisen [164, 224]. Vor allem bei der Subduralblutung werden regelmäßig auch intradurale Blutaustritte erkennbar. Primäre Rindenblutungen können je nach Art und Ausmaß der Gewalteinwirkung lokal oder multipel auftreten. Häufig liegen sie – besonders bei fatalen Rotationstraumatisierungen – im Sinne von Scherungsverletzungen vor (Abb. 15.2), oftmals kombiniert mit Balkenblutungen. Im Übrigen lassen sich nahezu regelmäßig bei Überlebenszeiten von 1,5–3 h Axonschäden nachweisen, die lokal betont oder auch diffus (Abb. 15.3) auftreten können [21, 152]. Die sekundären Veränderungen sind für beide Formen der Durablutungen nahezu identisch: Es kommt u. a. zu der beschriebenen seitlichen Massenverschiebung mit Zeichen einer Herniation des Gyrus cingulus am unteren Ende der Falx cerebri, evtl. kombiniert mit Blutungen und Nekrosen in dieser Windungskuppe (Abb. 15.1a,d). Durch Raumverdrängung nach kaudal entwickelt sich eine ein- oder doppelseitige Herniation der Hippokampusformation an den Zügeln des Kleinhirnzeltes (Abb. 15.1b), wobei die Herniation ebenso mit einer lokalen Blutung verbunden sein kann. Durch Druck nach kaudal können sich ferner Nekrosen und Einblutungen in den Hirnschenkeln bzw. in den medialen Anteilen der Brücke entwickeln (Abb. 15.1c, 15.13b–d). Bei Volumenvermehrung – und konsekutiver Druckerhöhung – in der hinteren Schädelgrube werden auch an der Kleinhirnoberfläche Schnürfurchen sichtbar (Abb. 15.1e).
Epiduralhämatom (EDH) Ein EDH ist in der Regel die Folge einer arteriellen Blutung (>50%), so dass auch relativ frühzeitig – wenn nicht gar unmittelbar – nach traumatischer Einwirkung eine klinische Symptomatik auftritt. Ein sog. „luzides“ Inter-
b
Abb. 15.3a,b Axonale Verletzungen („axonal injuries“), a im Balken, primär traumatisierungsbedingt, b im Marklager – Z-förmig – offenbar ischämiebedingt (β-APP, Vergrößerung a ×100, b ×500)
408
Kapitel 15
vall – bis zum ersten Auftreten von Ausfallserscheinungen – kann zwar vorhanden sein, ist aber im Vergleich mit dem klinischen Verlauf bei Ausbildung eines SDH eher selten und eher kurz. Die Mortalität ist aus diesem Grunde im Vergleich zum SDH deutlich größer, auch bei zeitlich optimaler neurochirurgischer Intervention. Pathogenese. Überwiegend als Folge eines durch äußere Gewalteinwirkung erzeugten Einrisses der A. meningea media bzw. ihrer Äste, oder – seltener – auch nach Einriss eines venösen Sinus entwickelt sich eine Blutung zwischen Schädelinnenseite und Dura. In der Regel liegt gleichzeitig eine Schädeldachfraktur infolge stumpfer Gewalteinwirkung vor – besonders im Schläfenbereich (Abb. 15.1a) –, wodurch die innenseitig an der Tabula interna verlaufenden arteriellen Gefäße verletzt werden.
15
Klinik. Je nach Ausmaß der Raumverdrängung durch die forcierte arterielle Blutung entwickelt sich entweder sofort oder nach kurzem Intervall von Minuten bis Stunden eine zunehmende Bewusstseinstrübung, evtl. kombiniert mit neurologischen Ausfällen, insbesondere mit Halbseitensymptomatik und herdseitiger Mydriasis. Für die Diagnostik von Bedeutung ist, dass nach einer Schädeldachfraktur bzw. auch nur nach einer Fissur der Tabula interna immer die Gefahr der Ausbildung eines EDH besteht, auch wenn primär keine neurologischen Ausfälle vorhanden sind. Röntgenologisches (CCT-Befund) und pathologisches Kennzeichen ist die Einblutung zwischen Schädel und Dura, wobei die Form des Hämatoms eher flachkuppig ist, und – wegen der stark haftenden Innenverbindung von Schädel und Dura – an den Rändern im Profil spitz ausläuft (vgl. auch Abb. 15.1b). Ein CCT ist erforderlich und sollte auch bei Bagatelltraumatisierungen eine Standarduntersuchung darstellen. Eine frühzeitige CCT-Untersuchung kann lebensrettend sein, da die Prognose von der Frühzeitigkeit der chirurgischen Intervention abhängt. Morphologie. Die Blutung liegt in der Regel unter der Fraktur des Schädeldachs (Abb. 15.4a,b). Selten bildet sich ein EDH auch am Stoßgegenpol auf der kontralateralen Seite. Manchmal – besonders bei Kindern – wird die Dura schon durch einfache Kompression ohne Fraktur des noch elastischen Schädeldachs von der Innenseite des Schädelknochens gelöst, wodurch es zu sekundären Gefäßeinrissen kommen kann [47, 135]. Auch wenn eine Beteiligung des Hirnparenchyms im Sinne von primär traumatisierungsbedingten intrazerebralen Blutungen selten ist, werden doch immer wieder lokale oder disseminierte Axonverletzungen innerhalb des Hirnparenchyms beobachtet, insbesondere am Balken und am Hirnstamm, als Hinweis darauf, dass das Gehirn selbst – und nicht nur das Hüllsystem – durch das traumatische Geschehen in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Trauma
Prognose. Ein EDH führt bei fortlaufender Blutung durch die intrakranielle Massenverschiebung und die dadurch bedingte schnelle Zunahme des Schädelinnendrucks nahezu unweigerlich über eine Einklemmung des Hirnstamms zum Tod. Unter diesen Umständen kann nur eine frühzeitige Entlastung durch eine Operation das Leben retten und – bei sehr frühzeitigem Eingriff – zu einer Restitutio ad integrum führen.
Subduralhämatom (SDH) Klinisch und morphologisch werden akute, subakute und chronische SDH unterschieden, wobei als Sonderform das subdurale „Hygrom“ und als SDH spezieller Ursache das „Schütteltrauma“ beschrieben werden. Das SDH tritt 3bis 5-mal häufiger als das EDH auf (Übersicht: [132]). Pathogenese. Das SDH entsteht nahezu ausschließlich durch äußere Gewalteinwirkung, überwiegend infolge einer venösen Blutung und, nur im Ausnahmefall, aufgrund einer arteriellen Verletzung [29, 106, 134]. Selten werden auch spontane Blutungen z. B. als Folge einer Gefäßmissbildung oder bei Gerinnungsstörung bzw. nach Applikation von Antikoagulanzien beobachtet. Ursache des nichtspontanen SDH ist der Riss einer oder mehrerer Brückenvenen. Diese Ruptur ist in nahezu allen Fällen Folge einer Rotationsbeschleunigung des Kopfes. Aufgrund unterschiedlicher Trägheitsmomente von Schädel und Gehirn entwickelt sich eine Zugspannung in den Brückenvenen [104]. Diese Spannung ist naturgemäß besonders groß, wenn der Spaltraum zwischen Dura und Gehirn vergrößert ist, wie z. B. bei Hirnatrophie. In etwa 30–50% der Fälle lässt sich der Ort der Blutungsquelle in der Leptomeninx aufgrund einer zusätzlichen, lokalen, subarachnoidalen Einblutung rekonstruieren. In Einzelfällen kann sogar der Riss in der Brückenvene für das bloße Auge sichtbar sein. Durch postmortale Kontrastmittelinjektion lässt sich die Rupturstelle lokalisieren [131]. Die Intensität der äußeren Gewalteinwirkung kann durchaus unterschiedlich sein: Es genügt ein Sturz auf der Ebene oder ein Schlag gegen das Kinn. Auch eine selbst kaum registrierte Bagatelltraumatisierung kann zur Ausbildung eines SDH führen, insbesondere wenn eine Hirnatrophie vorliegt wie bei Alkoholikern oder älteren Personen. Rückschlüsse auf den Ort der Gewalteinwirkung sind aufgrund der Lage des SDH alleine nicht möglich, gelingen jedoch in der Regel anhand der Lokalisation eines begleitenden Gesichts- oder Kopfschwartenhämatoms. Gelegentlich werden auch zweiseitige Hämatome beobachtet, wobei in der Regel eines der beiden klinisch führend ist. Werden zusätzlich Rindenblutungen ausgebildet, so können sie im Sinne eines Stoßgegenpols zusätzlich einen Anhalt für den Ort der Gewalteinwirkung geben (s. Abschnitt „Biomechanik“).
Mechanisches Trauma
409
a
b
c
d
Abb. 15.4a–d Schädelkalotte und Gehirn bei Epiduralhämatom rechts. a Schädel mit typisch lokalisierter Frakturlinie temporoparietal. b Asymmetrisches Gehirn mit rechtsseitiger Abflachung des Parenchyms und linksseitiger Schwellung. Das Gehirn nach der
Einnahme aus der Schädelkapsel und nach Formalinfixierung mit rechtsseiter parietotemporaler Abflachung – c von oben gesehen bzw. von vorne auf die Schnittfläche d gesehen
Im Übrigen lassen sich unterschiedliche Formen und Ursachen des SDH beobachten, die abhängig vom Lebensalter sind: • Während der Perinatalperiode kann sich als Geburtstrauma, vorwiegend bei Reifgeborenen, ein SDH zusammen mit einem Tentoriumsriss einstellen, wobei klinisch ein symptomfreies Intervall von 2–3 Tagen mit sich anschließend ausbildender Hirndrucksymptomatik beobachtet werden kann. • Bei Säuglingen und Kleinkindern ist die Ursache eines SDH in der Regel ein Sturz oder aber eine Schütteltraumatisierung (Kindesmisshandlung, s. unten).
• Bei Erwachsenen ist in der Regel der zeitliche Zusammenhang zwischen traumatischer Einwirkung und klinischer Symptomatik offensichtlich, so dass die richtige Diagnose unschwer gestellt werden kann. Im Einzelfall können aber Schwierigkeiten bei der Zuordnung zu einer traumatischen Einwirkung bestehen, wenn das Zeitintervall zwischen Traumatisierung und klinischer Symptomatik zu groß ist (z. B. bei chronischem SDH), oder wenn eine nichtregistrierte Bagatelltraumatisierung ursächlich war. • Im höheren Lebensalter dominiert klinisch oftmals nicht so sehr die Halbseitenlähmung und Bewusst-
410
Kapitel 15
seinsstörung als Folge der Massenverschiebung, sondern ein organisches Psychosyndrom. Besonders wenn eine Bagatelltraumatisierung ursächlich ist, kann die Diagnose mit Schwierigkeiten verbunden sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn das SDH nicht ein-, sondern doppelseitig ausgebildet ist [83]. Diagnose. Sind Zeichen einer Traumatisierung des Kopfes vorhanden, z. B. ein Kopfschwarten- oder Gesichtshämatom, muss immer auch an die Gefahr der Entwicklung eines Durahämatoms gedacht werden, auch wenn zunächst keine neurologischen Ausfallserscheinungen vorliegen, d. h., es muss im Zweifelsfalle eine 24-stündige klinische Beobachtung erfolgen. Die Diagnose wird heute überwiegend mit Hilfe des CCT gestellt. Wenn nach einer Traumatisierung auch nur diskrete neurologische Auffälligkeiten bestehen, ist eine CCT-Untersuchung absolut indiziert. Röntgenologisch lässt sich zwar das Hämatom selbst nicht darstellen, aber die Verlagerung des Pinealisschattens, die als Hinweis auf eine Massenverschiebung gilt. Akutes Subduralhämatom
15
Da das SDH überwiegend auf eine venöse Blutung zurückzuführen ist, setzt die Symptomatik in der Regel langsamer ein und tritt später auf als bei dem EDH. Als akut wird eine Blutung bezeichnet, die sich innerhalb von ca. 72 h nach der Traumatisierung klinisch manifestiert. Morphologisch ist das akute SDH durch frische Bluteinlagerungen zwischen harter Hirnhaut und Arachnoidea gekennzeichnet (Abb. 15.5). Das Blut ist bei der Obduktion in der Regel locker geronnen und fließt ab, so dass nach Formalinfixation von Dura und Gehirn keine – oder nur geringe – Residuen von Blut an der Durainnenseite zurück bleiben. Allerdings lässt sich häufig eine begleitende Subarachnoidalblutung und regelmäßig eine Massenverschiebung des Großhirns sowie eine einseitige Abflachung der Hemisphären erkennen. Subakutes Subduralhämatom
Ein subakutes SDH liegt vor, wenn die klinische Symptomatik später als 72 h und früher als 2–3 Wochen nach der traumatischen Einwirkung auftritt. Das Blut ist in der Regel geronnen, wobei beginnende Zeichen einer Zellreaktion im Sinne des Auftretens von Granulozyten, Erythrophagen, Makrophagen und Siderophagen nachweisbar werden (Abb. 15.6). Das Hämatom wird in der Anfangsphase durch ein dichtes Netz ausgefällter Fibrinfäden zusammengehalten, die als erstes Zeichen einer Reaktion nachweisbar sind. Zunehmend werden einzelne Retikulinfasern wie auch Kollagenfasern erkennbar, und es kommt über eine Kapillar- und Veneneinsprossung zur Organisation der Blutung. Chronisches Subduralhämatom
Das chronische SDH setzt eine Überlebenszeit von ca. 3 Wochen voraus. Es ist durch ein langsames Wachstum
Trauma
(evtl. auch über Wochen und Monate) gekennzeichnet, wobei sich klinische Symptome nur sehr verzögert entwickeln. Das Erkennen eines Zusammenhangs mit einer länger zurückliegenden Traumatisierung kann schwierig, manchmal sogar unmöglich sein und gelingt nur in etwa 50% der Fälle. Die lange Überlebenszeit führt auch zu einer differenten Morphologie, die durch Resorption und Organisation gekennzeichnet ist. Bei subakutem bis chronischem SDH bildet sich auf der arachnoidalen Seite der Durablutung – ausgehend von der Dura – eine Membran (Neomembran) und durch Resorption möglicherweise ein flüssigkeitsgefüllter Hohlraum (Zyste bzw. Hygrom, s. unten), in den hinein es aus den neugebildeten Venolen bzw. Kapillaren zu Rezidivblutungen kommen kann. Durch diesen Vorgang kann die zeitliche Zuordnung eines SDH schwierig werden. Sie ist auch aufgrund makroskopischer und histologischer Kriterien in der Regel mit einer erheblichen Unschärfe verbunden [224]. Davon zu differenzieren sind jedoch wiederholte traumatische Einwirkungen mit rezidivierenden Blutungen, wie z. B. nach wiederholten Schütteltraumatisierungen von Säuglingen und Kleinkindern, mit Ausbildung mehrfacher Neomembranen, erkennbar auch an unterschiedlichen Formen der Zellreaktion.
Sonderformen der subduralen Blutung Subdurales Hygrom
Das Hygrom ist eine flüssigkeitsgefüllte Exsudationszyste an der Durainnenseite. Sein Entstehungsmechanismus ist bisher ungeklärt und wird kontrovers diskutiert [111]. Neben spontan auftretenden Hygromen – besonders bei Kleinkindern und Neugeborenen [69] – gibt es posttraumatische subdurale Hygrome, die sich nach der Altersverteilung der Patienten und dem klinischen Bild weitgehend wie Subduralhämatome verhalten. Sie entstehen innerhalb von 24–72 h nach einem traumatischen Ereignis und können spontan bzw. nach konservativer Therapie wieder verschwinden [81], wobei u. U. eine Durapunktion ursächlich sein kann [202]. Häufig gehen sie in ein chronisches SDH über [111]. Pathogenese. Vor allem das frühe Auftreten lässt Zweifel an der Richtigkeit der Hypothese eines osmotischen Druckgradienten zwischen Liquorraum und Hämatom aufkommen. Diese Hypothese geht davon aus, dass eine langsame Auflösung des Hämatoms durch Liquorzufluss stattfindet. Untersuchungen (vgl. Diskussion bei [234]) wiesen nach, dass die Osmolarität zwischen Hämatomflüssigkeit, Venenblut und Liquor keinen signifikanten Unterschied aufweist [222]. Eher ist wahrscheinlich, dass Hygrome nicht über ein Subduralhämatom, sondern durch einen traumatisierungsbedingten Einriss der
Mechanisches Trauma
411
a
b
c
d
Abb. 15.5a–d Subduralhämatom links. a Intakte Dura mater mit durchscheinender linksseitiger Blutung bei Autopsie. b Hämatom über der linken Hemisphäre, bei teilweise entfernter Dura. c Durahämatom mit sichtbarer Massenverschiebung von links nach rechts
– nach Horizontalschnitt durch das Gehirn auf Höhe der Sägeschnittebene. d Linksseitiges Subduralhämatom, bis auf die Schädelbasis reichend
412
Kapitel 15
a
c
15
Trauma
b
d
Abb. 15.6a–d Histologie eines Subduralhämatoms in der Phase des Blutungsabbaus. a Sternförmiges Einwachsen von Kollagenfasern (van Gieson, Vergrößerung ×100). b Diffuse Infiltration des Hämatoms mit Retikulin- und Kollagenfasern (Gomori, Vergrößerung ×500). c Zunehmendes Einwachsen von dünnwandigen, weitlumigen venösen Gefäßen, zusammen mit Hämosiderin-enthaltenden
Makrophagen (Gomori, Vergrößerung ×200). d Rezidivierende Blutung, erkennbar an einer Schicht Hämosiderin-enthaltender Makrophagen neben einer zweiten Schicht mit frischer (reaktionsloser) Einblutung innerhalb des Subarachnoidalraumes (Berliner-BlauReaktion, Vergrößerung ×100)
Arachnoidea unter ventilartigen Bedingungen an der Rissstelle entstehen [6].
liches Aufschlagen des Kopfes an harten Gegenständen der Umgebung noch verstärkt sein. Besonders gravierend ist bei dieser Traumatisierungsart, dass sie nicht mit einer einzigen Gewalteinwirkung einhergeht, sondern mit mehreren aufeinanderfolgenden, z. T. also schon auf vorgeschädigtes Gewebe treffenden Einwirkungen, oft in einer ganzen Serie (Schüttelsequenz) und in mehreren Serien in Folge. Die Gesamtdauer einer Schütteltraumatisierung kann Minuten betragen. Die insgesamt erzeugte Schädigung, das Schütteltrauma, ist biomechanisch als eine Art Vielfachschleudertrauma einzuordnen und stellt sich klinisch durch ein ganzes Syndrom von Erscheinungen dar. Leitsymptom ist ein SDH, typischerweise begleitet von zusätzlichen einoder beidseitigen retinalen Blutungen. Außerdem gehören zum Syndrom klinische (und neuropathologische) Zeichen einer ischämischen Enzephalopathie und oftmals eine epidurale Blutung der Dura spinalis im HWSBereich (Abb. 15.7; s. auch [162, 164, 182]). Wesentlich ist, dass nach dieser Traumatisierung keine äußeren Zeichen einer mechanischen Einwirkung (kein Kopfschwartenhämatom) vorliegen müssen, da der Kopf
Schütteltrauma
Als besondere Form der Kindesmisshandlung gilt das körperliche Schädigen eines Säuglings durch Schütteln (Übersicht: [141]). Der Säugling (in der Regel jünger als 1 Jahr) wird dabei mit beiden Händen an den angelegten Oberarmen oder direkt an der Brust gefasst und durch Sequenzen von schnellen Vor- und Rückwärtsbewegungen des Rumpfes geschüttelt. Der wegen der (in diesem Alter) nur schwach ausgebildeten Halsmuskulatur des Säuglings nur lose pendelnd über den Hals an den Rumpf gekoppelte Kopf ist dabei wegen seiner relativ großen Masse zu sich heftig aufschaukelnden VorwärtsRückwärts-Schleuderbewegungen anregbar. Diese können im Zenit der Bewegungsbahnen zu erheblichen Rotationsgeschwindigkeiten und Radialbeschleunigungen und vor allem an den Umkehrpunkten der Bewegung zu großen zirkulären Rotationsbeschleunigungen des Kopfes führen (Peitschenschlageffekt). Letztere können durch heftigen Aufprall an Brust und Rücken und durch zusätz-
Mechanisches Trauma
a
413
b
Abb. 15.7a,b Halswirbelsäule eines Säuglings nach Schütteltraumatisierung (parasagittaler Sägeschnitt) mit epiduraler Blutung. a Halswirbelsäule nach Entfernung des Halsmarks mit epidural an-
haftenden Blutresten. b Halsmark mit noch anhaftender Dura spinalis und frischer Blutauflagerung
nicht immer zusätzlich irgendwo hart aufschlägt. Das Fehlen äußerer Zeichen macht die klinische Diagnose schwer (Differentialdiagnose bei überlebtem Trauma: Enzephalopathie anderer Genese; im Todesfall: plötzlicher Säuglingstod). Aus diesem Grunde wurde in den letzten Jahren auch in Frage gestellt, ob das Schütteln überhaupt ursächlich für die Ausbildung eines SDH sei und nicht vielmehr ein spontaner Entstehungsmechanismus zugrunde gelegt werden müsse [54, 212]. Diese Schlussfolgerung wurde aber aus empirischen Gründen nicht als allgemeine Lehrmeinung anerkannt (vgl. [163]). Wird jedoch äußerlich eine Kopfschwartenverletzung festgestellt, muss differentialdiagnostisch immer auch ein „Sturz“ des Kindes (z. B. vom Wickeltisch) diskutiert werden (Lit. bei [162]) – ein Argument, das die Sorgeberechtigten oft als Erklärung für die Entstehung des SDH heranziehen, um sich dem Vorwurf einer Körperverletzung oder gar Tötung des Säuglings zu entziehen.
Trauma zusammen mit SDH oder mit Rindenblutungsherden auf. Es kann aber auch infolge einer traumatisierungsbedingten Ruptur der Arachnoidea, oder zusammen mit Schädelfrakturen an der Hirnbasis [106] zu einer isolierten SAB kommen. Über spontane basale arterielle SAB nach Ruptur eines Hirnbasisaneurysmas wird in Kap. 10 berichtet. Daneben ist jedoch eine Reihe von Fällen einer durch äußere Einwirkungen verursachten basalen arteriellen SAB ohne jegliche Gefäßvorschädigung bekannt [89, 106]. Es kann traumatisierungsbedingt zur Einwirkung von Zugkräften auf die Gefäßwand, auch der großen basalen Arterien, kommen, was evtl. zusammen mit einer Erhöhung des arteriellen Innendrucks zum Einriss eines Gefäßes des Circulus arteriosus Willisii führt, wobei überwiegend Rotationsbeschleunigungen als ursächlich anzusehen sind. Sie induzieren offenbar einerseits eine durch Zentrifugalkräfte bedingte Innendrucksteigerung und andererseits, aufgrund der differenten, trägheitsbedingten Bewegung von Gehirn und Schädel, eine Zerrung der Gefäßwand, was schließlich zur Ruptur führt. Im Einzelfall kann es schwierig sein, den forensisch relevanten Kausalzusammenhang zwischen Traumatisierung und Blutung nachzuweisen. Vor allem die zeitliche Koinzidenz ist dann von Bedeutung.
Subarachnoidalblutung (SAB) Pathogenese. Venöse SAB als Folge einer mechanischen Gewalteinwirkung treten bei gedecktem Schädel-Hirn-
414
Kapitel 15
Klinik. Die Symptomatik der basalen traumatisierungsbedingten SAB ist charakteristisch: In der Regel handelt es sich um alkoholisierte Opfer, die im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zu Boden gehen und akut bewusstlos liegen bleiben. Ob nun beim Schlag oder beim Sturz die für die SAB relevanten Rotationsbeschleunigungen erzeugt wurden, lässt sich im Nachhinein manchmal nur schwer rekonstruieren. Grundsätzlich sind für Sturztraumatisierungen viel eher hohe Rotationsbeschleunigungen zu erwarten als für Schlag (s. Abschnitt „Biomechanik“). In der Regel tritt auch bei sofort einsetzenden Reanimationsmaßnahmen wenig später eine zentralbedingte Asystolie bzw. ein Atemstillstand ein.
15
Morphologie. Für eine basal gelegene Subarachnoidalblutung ist bei Verdacht auf eine äußere Ursache die Morphologie von wesentlicher Bedeutung, da differentialdiagnostisch immer eine spontane Aneurysmablutung ausgeschlossen werden muss. Die Blutmassen können in beiden Fällen die große basale Zisterne vollständig ausfüllen. Bei sorgfältiger Präparation des Gefäßringes während der Obduktion, evtl. unter fließendem Wasser, lässt sich das Fehlen eines Aneurysmasacks nachweisen, und unter der Lupe kann oftmals auch der durch äußere Gewalteinwirkung erzeugte Gefäßriss verifiziert werden. Im forensischen Bereich stellt sich, wie erwähnt, die Frage nach dem Kausalzusammenhang zwischen Gewalteinwirkung und Tod, d. h., es muss eine Gefäßmissbildung oder eine Gefäßkrankheit ausgeschlossen werden. Aus der Vorgeschichte muss zuerst eine zeitliche Koinzidenz zwischen Gewalteinwirkung und Symptomatik hervorgehen. Aus der Morphologie muss der Nachweis erfolgen, dass kein Aneurysma und keine Vorschädigung der Gefäße vorliegt, weshalb u. a. der Ausschluss einer Arteriosklerose, einer idiopathischen Medianekrose, einer Hyalinose oder Amyloidose Voraussetzung für die Annahme einer Gefäßruptur durch eine äußere Gewalteinwirkung ist.
Offene Hirnverletzung Eine offene Hirnverletzung liegt vor, wenn Kopfschwarte, Schädel und Dura durchtrennt sind. Dies kann als Folge stumpfer Gewalteinwirkung bei Impressionsfrakturen mit Durchspießung der Dura mater ebenso der Fall sein wie bei einfachen Frakturen, z. B. auf Höhe des Augenhöhlendachs mit der Folge einer Liquorfistel oder – extrem – bei Eröffnung des Schädelinnenraums durch ein von außen perforierendes Werkzeug. Besonders die mit der Eröffnung des intrazerebralen Raums verbundene Gefahr einer bakteriellen Infektion des Gehirns fordert die klinische Differenzierung einer offenen von einer gedeckten Hirnverletzung. Klinik und Morphologie hängen von der Intensität der Gewalteinwirkung und von ihrer Lokalisation ab. Offene
Trauma
Hirnverletzungen treten sowohl bei Verkehrs- und anderen Unfällen als auch bei Gewalttaten mit den unterschiedlichsten Tatwerkzeugen auf, auch bei Suiziden (z. B. bei Schuss oder bei Sturz aus der Höhe). Bei Fremdtötungen handelt es sich häufig um die Folgen einer Gewalteinwirkung auf den Kopf mit Hammer, Stuhlbein, Beil, Messer etc. und vor allem auch mit Schusswaffen (s. S. 415f.).
Klinik Die klinische Symptomatik wie auch die morphologischen Veränderungen der offenen und der gedeckten SchädelHirn-Verletzungen sind abhängig von der Masse (m) und Geschwindigkeit (v) des auf den Kopf einwirkenden Gegenstands und dessen kinetischer Energie (E = mv2/2). Dies gilt analog auch für den Kopf selbst, seine Masse und Geschwindigkeit, wenn er der bewegte Teil ist, z. B. bei Sturz auf eine feste Unterlage. Gleichzeitig besteht eine Abhängigkeit davon, wo und wie die Energie umgesetzt wird: Bei einem Hammerschlag kann z. B. die aufgewendete Energie lokal begrenzt verbraucht werden, wodurch der Schädel imprimiert und das Gehirn evtl. nur lokal geschädigt wird, ohne dass Zeichen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Bewusstseins auftreten müssen. Andererseits kann ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss mit kleiner Masse durch die vergleichsweise große Energieabgabe bei Durchschuss durch das Gehirn zu einem akut einsetzenden Kreislaufstillstand führen. Ferner besteht eine Abhängigkeit von der Lokalisation der Hirnverletzung: Ein Schusskanal durch das frontale Marklager ohne Berührung von Ventrikelsystem oder Hirnstamm kann mit einer – allerdings allenfalls kurzfristig – aufrecht erhaltenen Handlungsfähigkeit einhergehen, während eine Zertrümmerung des Hirnstamms unmittelbar zu einem Atem- und Kreislaufstillstand führt.
Morphologie Die Morphologie ist vor allem durch die Lokalisation und das Ausmaß der Eröffnung des Schädels und der Hirnbeteiligung, wie auch durch die Art der Hirnverletzung selbst bestimmt. Stich und Hieb
Das Gehirn wird ebenso wie Kopfschwarte und Schädelknochen scharfrandig und geradlinig ohne wesentlichen Nekrosesaum durchtrennt (Abb. 15.8). In Abhängigkeit von der Lokalisation der Verletzungen treten Blutungen unterschiedlichen Ausmaßes auf, die u. a. auch ausschlaggebend für die klinische und morphologische Folgeschädigung sein können. Unabhängig von der Blutung sind klinisch herdförmige oder generalisierte Ausfallser-
Mechanisches Trauma
415
a
b
c
d
Abb. 15.8a–d Offenes Schädel-Hirn-Trauma: Stichverletzung von Kopf und Gehirn mit einem Meißel. a Kopfschwarte, b Schädel , c Hirnoberfläche, d Gehirn im Querschnitt mit Einblutungen am Ort der Stichverletzung
scheinungen entsprechend der Topik von Gewebezertrümmerung zu erwarten. Als Todesursache muss in den Fällen einer isolierten Schädel-Hirn-Verletzung ein zentraler Kreislaufstillstand angenommen werden. Schuss
Maßgebend für die klinischen Folgen sind u. a. der anatomische Verlauf des Schusskanals und die längs dieses Verlaufs erfolgte Energieabgabe des Projektils [193]. Direkte
Verletzungsfolge durch das Projektil ist der (permanente) Schusskanal mit Hirngewebszertrümmerung. Rund um diese Trümmerzone herum bildet sich eine Blutungszone (Abb. 15.9), die entsprechend der unterschiedlichen Gefäßversorgung unregelmäßig gestaltet ist. Um die Blutungszone herum liegt als Folge einer nur kurzzeitig gebildeten (temporären) Wundhöhle (Abb. 15.10, s. auch [85, 86]) eine Zone mit Nekrosen, vor allem der Astrozyten und der neuralen Elemente (Neurone und Axone) [158, 161, 239].
416
Kapitel 15
a
Trauma
b
15
c
d Abb. 15.9a–d Schussverletzungen mit Gegenüberstellung von Befunden bei Hirnsektion und MRT-Untersuchung am fomalinfixierten, isolierten Gehirn (zwei unterschiedliche Fälle). a Eingebluteter, querverlaufender Schusskanal links frontal (Einschuss linke Schläfe), mit sekundären Rindenblutungen rechts frontotemporal.
b MRT-Bild auf gleicher Schnitthöhe wie a. c Frontalschnitte mit Hirngewebszertrümmerung auf Höhe des permanenten Schusskanals. d Horizontalschnitt des gleichen Gehirns mittels MRT mit Darstellung einer Aufhellungszone um den permanenten Schusskanal herum, als Äquivalent einer temporären Wundhöhle
417
Mechanisches Trauma
Abb. 15.10 Hirndurchschuss mit Handfeuerwaffen niedriger Energie (<500 J): Permanenter Schusskanal mit umgebender Verlet-
Die Schussrichtung ist am isolierten Gehirn allenfalls aufgrund der Einsprengung von Fremdkörpern in das Hirnparenchym – in Form von Knochensplittern und Projektiltrümmern – erkennbar, am ehesten röntgenologisch [191], da die Fremdkörperdichte im Einschussbereich immer größer als im Ausschussbereich ist. Am Schädel selbst lässt sich die Schussrichtung anhand der trichterförmigen Erweiterung von Schusslücken im Knochen erkennen, die in Schussrichtung weist. Neben direkten traumatischen Veränderungen werden (indirekt entstandene) Rindenblutungsherde beobachtet, die in schusskanalfernen Teilen der Hirnoberfläche in der Rinde von Windungskuppen auftreten [70]. Ferner finden sich Axonschäden, auch in größerer Entfernung vom Schusskanal, die offenbar einerseits Folge der Ausbildung der temporären Wundhöhle sind, andererseits Äquivalente einer fortgeleiteten Energie im Sinne einer diffusen axonalen Schädigung (DAI) [103, 159]. Endzustand
Wird ein offenes Schädel-Hirn-Trauma überlebt, kommt es zunächst zu Abräumvorgängen und danach zur „Narbenbildung“ [228], d. h. zu einer engen Verflechtung von Kollagen- und Gliafasern, und einer Verwachsung des vernarbten Hirngewebes mit dem Oberflächengewebe (Dura, Knochen, Haut). Fremdkörper können in dem Narbengewebe abgekapselt sein. Hier können sich auch nach Jahren kleine Koagulationsnekrosen sowie Makrophagenansammlungen oder Lymphozytennester finden, d. h. lokale Entzündungsherde, die möglicherweise aufflammen und aktiv werden können [229].
zungszone aus zertrümmerten Zellen und Zellfortsätzen als Äquivalent einer temporären Wundhöhle
Komplikationen Eine regelmäßige Komplikation ist beim offenen (wie beim gedeckten) Schädel-Hirn-Trauma das Hirnödem. Bei Schussverletzungen, die nicht akut zum Tode führen, kann es über die Ausbildung der temporären Wundhöhle und später über ein Hirnödem und verzögert eintretende Blutungen zur intrakraniellen Raumforderung kommen, wodurch sich u. a. verdrängungsbedingte Brückenblutungen ausbilden können. Jede offene Schädel-Hirn-Verletzung geht ferner mit einer bakteriellen Kontamination einher. Bei fehlender Antibiose entwickelt sich eine Wundinfektion im Sinne einer eitrigen Meningitis, einer Hirnphlegmone oder auch eines Hirnabszesses. Alle genannten Formen der Entzündung sind prognostisch extrem ungünstig. Selbst Jahre nach einer vernarbten offenen Hirnverletzung kann es zum Aufflammen einer Entzündung im abgekapselten Herd kommen, evtl. auch zur Ausbildung eines Spätabszesses [172]. Auch bei Kopfdurchschuss oder Kopfsteckschuss, besonders aus geringerer Entfernung, muss an eine Kontamination des gesamten Schusskanals mit Schussresiduen (Schmauch, Treibsatz, Öl, Metallabriebe, Schmutz u. a.) gedacht werden, die von sich aus ein Granulationsgewebe induzieren [193].
Gedeckte Hirnverletzung Die gedeckte Hirnverletzung setzt eine intakte, in ihrer Kontinuität nicht unterbrochene Dura mater voraus,
418
Kapitel 15
wodurch ein gewisser Schutz vor Infektion des Hirnparenchyms gewährleistet ist. Skalierung
15
Um vergleichbare Angaben zur zeitlichen Entwicklung und Schwere der Verletzungsfolgen und zur Prognose bei Hirnverletzungen zu ermöglichen, erfolgt eine grobquantitative Einteilung der klinischen Symptomatik entsprechend der Glasgow-Koma-Skala [55, 88] bzw. des morphologischen Befundes entsprechend des GlasgowKontusionsindexes [3]: • Klinisch sind entsprechend der Glasgow-Koma-Skala u. a. 4 Stadien zu unterscheiden, die zunächst von einer vorübergehenden Verwirrtheit ohne Bewusstseinsverlust und ohne Amnesie ausgehen (Stadium 1) und bis hin zum lang dauernden Bewusstseinsverlust, zur vollständigen Amnesie, den Herdzeichen und schließlich dem Hirntod (Stadium 4) reichen – jeweils mit und ohne Schädelfrakturen. • Morphologisch gilt der Kontusionsindex, der einerseits die Tiefe der Rindenblutungen (0: fehlend; 1: nicht die gesamte Kortexdicke durchsetzend; 2: die gesamte Kortexdicke durchsetzend; 3: sich auf die weiße Substanz ausdehnend) und andererseits auch die Ausprägung der Blutungen berücksichtigt (0: fehlend; 1: lokalisiert; 2: mäßig ausgeprägt; 3: stark ausgeprägt). Aus den beiden Indizes wird durch Multiplikation ein gemeinsamer Index gebildet, der zu den Hauptschädigungsorten in Beziehung gesetzt wird, nämlich Stirnhirn, Temporal-, Okzipital- und Parietallappen sowie Rinde ober- und unterhalb der Fossa Sylvii und auf Höhe der Kleinhirnhemisphäre. Die so ermöglichten Korrelationen [1] zeigen, dass • die ausgeprägtesten Rindenblutungen bei Patienten mit Schädelfrakturen auftreten, • geringere Rindenblutungen bei Patienten mit diffuser Schädigung der weißen Substanz zu beobachten sind, • die Rinde frontal und temporal am häufigsten und intensivsten geschädigt ist, • das Ausmaß der Schädigung am Gegenpol meist schwerer ist als am Stoßpol selbst, • eine Rindenblutung in der hinteren Schädelgrube als Gegenpolverletzung nur ausnahmsweise zu beobachten ist, • die Dauer der posttraumatischen Amnesie sich für die Prognose am aussagekräftigsten erweist. Zweifellos wird die Prognose nicht nur durch die direkte oder indirekte Schädigung des Gehirns bestimmt, sondern auch durch gleichzeitig vorliegende Verletzungen anderer Organe. Vor allem eine Contusio cordis oder eine durch Polytrauma bedingte Schocksituation mit Störung von Atmung und Kreislauf erhöhen die schädigende Wirkung einer Hirnverletzung über eine sekundäre Schrankenstörung (Hirnödem). Bei kindlichen Traumata spielt die Ausbildung des Hirnödems die entscheidende Rolle [1].
Trauma
Entsprechend einer neueren Klassifikation [64] können die gedeckten Hirntraumata auch danach unterschieden wurden ob sie „lokal begrenzt“ oder aber „diffus“ erscheinen. Zur zweiten Gruppe gehören: diffuse axonale Schädigungen (DAI), hypoxische Hirnschäden, diffuse Hirnschwellung und diffuse Gefäßverletzungen. Da es sich jedoch bei diesen diffusen „Schädigungen“ um eine Überlappung von primären, traumatisierungsbedingten Verletzungen und sekundären Folgeveränderungen handelt, wurde diese Einteilung hier nicht übernommen.
Biomechanik Die von außen her auf den Kopf kinetisch übertragbaren Kräfte, ihre Einwirkungsdauer (Stoßzeit) und die resultierende Schädelbeschleunigung sind bei harter stumpfer Gewalteinwirkung nicht nur von den kinematischen Daten des Stoßkörpers abhängig, sondern auch – kopfseitig – von den Eigenschaften der Hülle (äußere Weichteile und Schädel) und damit von der anatomischen Lokalisation der Anstoßstelle. Die dämpfende Wirkung der Weichteile ist im frontalen Gesichtsbereich höher als am Hinterkopf; Elastizität und Bruchfestigkeit des Schädels sind temporal anders als parietal oder okzipital. Für die mechanische Belastung des Gehirns sind aber nicht nur die Dämpfungseigenschaft und die Elastizität der Hülle von Bedeutung, sondern auch, ob die Hülle standhält oder zerstört wird, ob also an der Anstoßstelle eine Quetschrisswunde der Kopfschwarte, ob Biegungsfrakturen oder gar eine vollständige Impression des Schädels und ob umlaufende Berstungsfrakturen ausgebildet werden oder nicht. An gedeckten Hirnverletzungen entstehen schließlich – je nach Intensität und Art der auftretenden inneren Belastungen – insbesondere Einblutungen im Stoßpolbereich und/oder herdförmige Rindenblutungen im Bereich des Gegenpols (Rindenblutungsherde, Abb. 15.11). Die Einblutungen im Polbereich können sich als ausgedehnte, flächenhafte oder herdförmige Blutungen darstellen, sie können aber auch völlig fehlen. Bei intaktem Schädel ist häufig ausschließlich die stoßferne Seite des Gehirns verletzt; dies stimmt mit klinischen Beobachtungen überein, wonach rein summarisch das Auftreten von Rindenblutungsherden in Gegenpollokalisation weit überwiegt. Daneben aber können auch fernab der Pol-GegenpolLokalisation Blutungen in rindenfernen Bereichen auftreten, die als scherungsbedingt primär durch die äußere Einwirkung oder aber als Folge des sekundären Hirndrucks erklärbar sind. Die wesentlichen dynamischen Belastungen des Gehirns bei harter stumpfer Gewalteinwirkung auf den Kopf sind Überdruck, Unterdruck und Scherung. Welche dieser Belastungen bei einer bestimmten Art, Einwirkungsgeometrie und Kinetik der äußeren Gewalteinwirkung,
Mechanisches Trauma
für welche Art und Lokalisation von Gehirnverletzung verantwortlich ist, blieb Gegenstand zahlreicher Hypothesen. Die bisher am besten belegte Hypothese für die Entstehung von herdförmigen Rindenblutungen des Gehirns wurde von Sellier und Unterharnscheidt [194] ausführlich untersucht und begründet. Nach ihren Erkenntnissen sind die Rindenblutungsherde im Gegenpolbereich nicht auf Prellung, sondern – ganz im Gegenteil – auf Zugbelastung zurückzuführen (s. auch [13]). Sie beruhen nicht etwa darauf, dass das Gehirn von der Anstoßseite zur gegenüberliegenden Seite des Schädels geschleudert und dort an der Schädelwand reflektiert wird – also einen Gegenstoß („contrecoup“) erleidet. Vielmehr kommt es in Folge einer äußeren, harten, stumpfen Gewalteinwirkung kurzer Stoßdauer und ausreichender Stärke durch die Beschleunigung des Schädels zu einem momentanen Überdruck am Stoßpol und – entsprechend auf der diametral entgegengesetzten Seite – kurzzeitig zur Ausbildung einer – je nach lokaler Schädelkrümmung mehr oder weniger flachkuppigen – Unterdruckzone. Dort können sich in den flüssigen Kompartimenten wie Blut und Liquor bei Unterschreiten des kritischen Dampfdrucks Gasbläschen („Kavitationen“) bilden, deren heftiges Kollabieren beim Verschwinden des Unterdruckes zu Gefäßrupturen und herdförmigen Blutungen führt. Bekannt ist das Kavitationsphänomen in der Biologie (z B. Pistolenkrebs) und vor allem in der Strömungstechnik und Materialkunde, wo es z. B. beim Betrieb von Schiffsschrauben, ausgelöst durch kleinste Profilfehler, zur Ausbildung von Unterdrücken und Kavitationen kommen kann, deren Implosion den Stahl der Propellerblätter so stark schädigt, dass die ganze Schraube schließlich zerstört wird. Im medizinischen Bereich geht die Kavitationshypothese auf Gross [66] zurück, der die Entstehung von Gasbläschen in Flüssigkeiten bei kurzzeitigem Unterdruck experimentell belegte. Die Hypothese fand ihre Bestätigung u. a. in den experimentellen Untersuchungen von Nahum et al. [144] an Leichen und den darauf gestützten Finite-Elemente-Modellrechnungen von Ruan et al. [186]. Danach entstehen – z. B. bei zentralen okzipitalen Stößen mit harter, flächenhafter Einwirkung ausreichender Stärke (als Untergrenze werden 125 g Kopfbeschleunigung genannt) bei Stoßdauern von einigen Millisekunden – im Gegenpolbereich nur Bruchteile von Millisekunden später temporäre Unterdrücke von maximal ca. 100 kPa (ca.1 atm), was ausreicht, Kavitationen zu erzeugen. Lubock und Goldsmith [125] gelang es, experimentell durch harte, schnelle Stöße auf flüssigkeitsgefüllte Hohlkugeln in den verschiedensten Flüssigkeiten Kavitationen zu erzeugen und mittels Schnellkamera fotografisch festzuhalten. In Gelatine hingegen ließen sich keine Gasbläschen freisetzen. Dies erklärte das Fehlen von Kavitationen innerhalb der Hirnsubstanz selbst und entsprach den von Sellier und Unterharnscheidt [194] gemachten Beobachtungen, wonach bei Rindenblutungsherden un-
419
mittelbar nach der Gewalteinwirkung keinerlei Zerreißungen des umgebenden Hirngewebes gefunden wurden. Sie beschrieben die Blutungen im frühesten Stadium im mikroskopischen Bild als perivaskuläre Blutungen, bei denen die Gefäße einen Erythrozytenmantel aufweisen und das umliegende Hirngewebe lediglich verdrängt ist. Lubock und Goldsmith [125] konnten bei ihren experimentell erzeugten Kavitationen außerdem nachweisen, dass bei dem bereits gegen Ende des temporären Unterdruckintervalls erfolgten Kollaps der Gasbläschen sehr kurzzeitig Druckspitzen (Spikes) von mindestens 400– 500 MPa entstehen, die sie für die Gefäßverletzungen verantwortlich machten. Der größte strukturelle Schaden passiert demnach beim Kollabieren der Kavitationen. Theoretisch werden für die hierbei zu erwartenden Druckspitzen sogar 1–10 GPa vorausgesagt. Young und Morfey [238] untersuchten für stumpfe, harte Gewalteinwirkungen in einfachen Finite-ElementeModellrechnungen die Bildung von Kavitationen in Abhängigkeit von der Stoßzeit für Stoßdauern von 0,05– 10 ms. Sie fanden für kürzere Stoßzeiten höhere primäre Drücke und Unterdrücke am Stoßpol bzw. Stoßgegenpol. Da im weiteren zeitlichen Verlauf eine Vorzeichenumkehr der Druckverteilung eintrat und es auch am Stoßpol zu negativen Drücken – und am Gegenpol zu Überdrücken – kam, schlossen sie aus diesem Oszillieren der Druckverteilung, dass die Ausbildung von Kavitationen auch am Stoßpol als Verletzungsmechanismus für dort beobachtete Rindenblutungsherde zu diskutieren ist. Die Bezeichnung „Rindenprellungsherde“ für herdförmige Rindenblutungen im Bereich gegenüber dem Anstoßpunkt ist nach den gemachten Ausführungen nicht zutreffend. Es handelt sich nicht um die Folge einer „Prellung“ der Hirnrinde von einem Aufprall an der inneren Schädelwand, sondern um die Folge der Implosion von Kaviationen, die durch negativen Druck (Sog) am Stoßgegenpol erzeugt werden. Auch der Ausdruck „Gegenstoßstelle“ oder „Contre-coup-Region“ ist deshalb irreführend. Am Gegenpol findet überhaupt kein Stoß zwischen Gehirn und Schädelknochen statt, und als rein topografische Bezeichnung für den Ort gegenüber der Anstoßstelle ist der Terminus „Stoßgegenpol“ korrekter. Das Vorliegen von Rindenblutungsherden an einer einzigen Stelle des Gehirns kann im konkreten Fall zur Rekonstruktion der Einwirkungsstelle und Richtung der ursächlichen Gewalt herangezogen werden. Weist z. B. die Kopfhaut auf verschiedenen Seiten des Kopfes Hämatome auf, so ist die gesuchte Anstoßstelle diametral entgegengesetzt zum Ort der Rindenblutung im dort gelegenen Hämatom zu suchen; die Stoßrichtung verläuft von dieser Stelle (Stoßpol) in Richtung der Rindenblutungsherde (Stoßgegenpol). Sturz
Als meist harte, stumpfe, großflächige Gewalteinwirkung gehört der Sturz in der Regel zu den Beschleunigungs-
420
15
Kapitel 15
traumatisierungen. Es gibt immer eine relevante bewegte Masse (Kopfmasse = ca. 4,5 kg) und bei hartem Auftreffen schon bei reaktionslosem Sturz in der Ebene eine Beschleunigung, die wegen des abrupten Abbremsens aus Fallgeschwindigkeiten von 5–6 m/s über 1–2 cm bei einer kurzen Stoßdauer von wenigen Millisekunden über 200 g beträgt. Damit aber wird die kritische Grenze für die Ausbildung von Kavitationen am Stoßgegenpol überschritten. Die häufigste Anstoßlokalisation ist okzipital, und es sind deshalb am häufigsten Rindenblutungsherde im frontobasalen Bereich zu erwarten, was die klinische Statistik bestätigt. Für andere Anstoßlokalisationen gilt Entsprechendes, allerdings in z. T. erheblich reduziertem Ausmaß. So kommt es bei frontalen Stürzen in der Ebene häufig zu Abstützreaktionen, und bei seitlichem Aufkommen macht sich oft die zugewandte Schulter dämpfend bemerkbar. Der Sturz in der Ebene dient in der Traumatologie häufig als Standardvergleichsfall. Einerseits kommt es nach rechtsmedizinischer Erfahrung beim Erwachsenen, wenn er z. B. im Gehen ausrutscht und reaktionslos nach dorsal auf harten, planen Untergrund stürzt und dort mit dem Hinterkopf aufschlägt, gerade eben zu einer Schädelberstungsfraktur. Andererseits lässt sich dieser Fall vereinfacht abschätzen. Der Normalerwachsene trägt beim Gehen seinen Kopf schwerpunktsbezogen in einer Höhe von etwa h = 1,6 m und damit auf einem potentiellen Energieniveau von Epot = mgh = 70 Nm (mit Kopfmasse m = 4,5 kg, Erdbeschleunigung g = 10 m/s2). Bei vollständiger Energieumwandlung entspricht dieser Wert auch der experimentell ermittelten Grenzbelastung für die Ausbildung einer Schädelfraktur. Schlag
Vor allem bei manuell-instrumentellen Traumatisierungen mit kleinflächiger, harter, stumpfer Gewalteinwirkung und relativ kleiner bewegter Masse wird der kritische Unterdruck in der Stoßgegenpolregion nicht erreicht. Der wesentliche Energieumsatz erfolgt lokal an der Einwirkungsstelle und führt hier z. T. zu Quetsch- und Risswunden der Kopfschwarte und Impressionsfrakturen des Schädels, bestenfalls mit Berstungsfrakturausläufern. Es bleibt im Wesentlichen bei einem Impressionstrauma mit Hirnverletzungen am Stoßpol. Die globale Auswirkung auf den Schädel in Form einer kurzzeitigen, hohen Schädelbeschleunigung ist zu gering, so dass der Unterdruck im Gegenpolbereich meist unter der kritischen Grenze bleibt und keine Kavitationen ausgebildet werden, auch wenn der Schlag auf den Kopf ohne Widerlager erfolgt. Die häufigste Anstoßlokalisation ist erfahrungsgemäß parietal, und unter allen anderen Lokalisationen ist der Anteil von Schlägen auf das bereits am Boden liegende Opfer – also den widergelagerten Kopf – erheblich. Beides behindert jedoch eine Kopfbeschleunigung zusätzlich, so dass auch aus diesem Grunde für Schlagtraumatisierungen nur selten Rindenblutungsherde am Gegenpol zu erwarten sind.
Trauma
Schlag versus Sturz
Eine Differenzierung aufgrund anderer morphologischer Kriterien wurde wiederholt versucht, zuletzt unter Berücksichtigung des Phänomens einer diffusen axonalen Schädigung („diffuse axonal injury“, DAI) [1, 50, 51]. Es zeigte sich, dass die DAI vor allem bei Sturzgeschehen zu beobachten ist, d. h. überwiegend bei Akzelerationstraumatisierungen (s. auch [153]). Eine sichere Diskriminierung erlaubt aber dieses Kriterium im Einzelfall nicht. Beim Schlag entstehen die Verletzungen vor allem am Ort der maximalen Gewalteinwirkung (Stoßpol). Bei intakt bleibendem Schädel werden möglicherweise lokale Deformationsvorgänge mit Eindellung und Zurückschnellen des Knochens wirksam. Bei stärkerer Einwirkung erfolgt der Energieabbau über eine relativ große Wegstrecke durch die Verformungs- und Brucharbeit. Die Beschleunigungswerte bleiben niedrig, und die durch Unterdruck an der stoßabgewandten Hirnoberfläche entstehenden Verletzungen werden kaum noch ausgebildet oder fehlen sogar in der Regel völlig. Andererseits entwickeln sich unter diesen Bedingungen ausgedehntere Blutungen im Bereich der Stoßstelle, die nicht nur auf die Windungskuppen beschränkt bleiben, sondern bis in die Tiefe des Marklagers reichen. Zusammenfassend gilt: Neben der umgesetzten Energie und der Traumatisierungskinetik (Kopf ruhend auf Widerlager, Kopf ruhend frei, Kopf bewegt) haben vor allem der Verformungswiderstand und der Verformungsweg – und damit die erzeugte Beschleunigung des Kopfes – Einfluss auf Art und Ausmaß der Hirnblutung. Außerdem entstehen sowohl bei Akzelerationswie auch bei Rotationstraumatisierungen Scherkräfte, die zu Einrissen von Axonen und Markscheiden führen sowie zum Einriss von Gefäßen in der Tiefe des Marklagers, verbunden mit einer sofort einsetzenden Bewusstlosigkeit [222]. Schädel-Hirn-Trauma im Säuglingsund Kleinkindesalter
Säuglinge und Kleinkinder zeigen auffallend selten Verletzungen an der stoßabgewandten Seite, da ihr Schädeldach offenbar noch zu elastisch ist und nachgibt. Damit entsteht am Stoßgegenpol kein relevanter Unterdruck und folglich kommt es auch nicht zu Kavitationen. Dies ließ sich u. a. experimentell belegen: Wurde vor dem Stoß am Gegenpol eine kleine Öffnung gesetzt, so ließen sich wegen des Druckausgleichs keine Kavitationen erzeugen. Umgekehrt werden ausgedehnteste Verletzungen an der stoßabgewandten Hirnoberfläche bei sehr dickem, wenig elastischem und bruchfreiem Schädel angetroffen. Wachsende Fraktur
Eine weitere Besonderheit des Kleinkindesalters – seltener bei offenen, häufiger bei gedeckten Hirnverletzungen – stellt die wachsende Fraktur der Schädel-
Mechanisches Trauma
knochen dar, die durch einen erhöhten Innendruck entsteht. Bei Frakturen der Schädelkonvexität mit Durariss kann es durch Abfließen von Liquor cerebrospinalis in die Galea zur Kephalhydrozele kommen. Das Phänomen der wachsenden Fraktur erklärt sich durch ein traumatisch bedingtes Hirnödem, wodurch zunächst die Bruchstücke des noch weichen Schädelknochens klaffend auseinander gehalten werden. Die Dura retrahiert sich an den Verletzungsstellen vom Knochen. Der Knochen ist nur durch die Faszie und Muskulatur, nicht jedoch von Seiten der Dura vaskularisiert und bildet daher nur unzulänglich Osteoblasten [91]. Die Verformbarkeit des Schädels bei noch nicht abgeschlossener Ossifikation spielt hierfür eine maßgebende Rolle. Die Entwicklung eines Hydrocephalus aresorptivus nach Subarachnoidalblutung begünstigt offenbar das Entstehen der wachsenden Fraktur. Durch den gestauten Liquor und durch Einpressen des ohnehin ödematös aufgelockerten traumatisierten Gewebes in die Fraktur hinein entwickelt sich eine Vergrößerung des Frakturspalts. Nach klinischen Beobachtungen fielen 50% derartiger Fälle in das 1. Lebensjahr, 90% wurden vor dem Ende des 3. Lebensjahres diagnostiziert [42]. Mikroskopisch findet sich in den Narbenabschnitten innerhalb der Galea und des Bruchspalts typisches zentralnervöses, allerdings in der Regel gliotisch verändertes Gewebe in inniger Verbindung mit kollagenen Bindegewebsfasern. Gelegentlich bestehen auch ependymausgekleidete Spalträume im Sinne einer traumatischen Porenzephalie.
Molekulare und zelluläre Mechanismen Die molekulare Interpretation der Schädigungsfolgen ist bisher weitgehend unbekannt. Ausführlich wird diese Frage jedoch bei Graham et al. [64] erörtert. Hier soll nur kurz auf diese Problematik eingegangen werden. Sharp et al. [198] konnten nachweisen, dass sowohl das fos-Antigen ebenso wie auch das fos-abhängige Antigen durch eine Hirnschädigung hochreguliert („up-regulated“) werden. Diese Stimulation wird durch die NMDARezeptoren vermittelt: Offenbar werden durch das Trauma exzitatorisch wirksame Aminosäuren freigesetzt, die an den NMDA-Rezeptoren depressorisch wirksam werden. Die hieraus resultierende Depolarisation stimuliert die Abgabe von fos in den Nervenzellen der Rinde, wodurch eine biochemische Adaptation der Neurone an das Trauma ermöglicht wird. Durch das primäre Trauma erfolgt zusätzlich eine Aktivierung spezifischer Gene, die der bcl-2-Gen-Familie (u. a. Bax, bcl-x) zugehören, wodurch sich das Phänomen der Apoptose im Areal der Blutungsherde erklären lässt [236]. Nach mechanischer Gewalteinwirkung und Blutaustritt lassen sich zusätzliche, apoptoseunabhängige neuro-
421
nale Schäden beobachten, offenbar vermittelt über die Expression des „immediate early gene“, der Freisetzung von Hitzeschockproteinen sowie von Zytokinen – Vorgänge, die offenbar z. T. bereits nach 30 min wirksam werden und bis zu 6 bzw. 12 h anhalten [181]. Die Zytokinexpression (TNF-α, IL-1β) an experimentell kontusioniertem Rückenmark wurde im zeitlichen Ablauf quantitativ verfolgt, wobei der Höhepunkt der Expression nach 5–6 h beobachtet werden konnte [196]. Wiederholt wurde festgestellt, dass sich Individuen in ihrer Reaktion (und der Prognose) auf ein Schädel-HirnTrauma in Abhängigkeit von ihrem Apo-E-Genotyp unterscheiden [145]. Eine Korrelation zwischen Apo-Eimmunreaktiven Plaques und β-Amyloid 42 [43] wurde bestätigt [76]. Empirisch lag ferner aufgrund von epidemiologischen Daten ein Zusammenhang zwischen Kopfverletzungen und Alzheimer-Erkrankung nahe [59]. Diese letztgenannte Hypothese wurde allerdings in der groß angelegten prospektiven Rotterdam-Studie (6645 Patienten) in Frage gestellt [136]. Axonschäden treten sowohl im Gebiet der Blutungen (lokale Axonschäden) wie auch in größerer Entfernung auf – und hier teilweise diffus (DAI) –, wobei eine Konzentration der diffusen Schädigungen vor allem im Balken [21] und in der Brücke [2] beobachtet wurden (Abb. 15.3). Durch die heute zur Verfügung stehende immunhistochemische Nachweismethode (β-Amyloid-Precursor-Protein [β-APP]) [58, 199] lässt sich das Phänomen ca. 1,5–3 h nach der Traumatisierung nachweisen (s. auch [152]). Axonale Verletzungen treten jedoch z. T. auch verzögert auf, wobei als Ursache ein quantitativ unterschiedliches Ausmaß der Unterbrechung des intraaxonalen Transports zugrunde gelegt werden kann [179]. Axonale Schäden treten schließlich auch sekundär auf, als Folge einer ischämischen Schädigung, die unabhängig – oder aber auch abhängig – von einer traumatisierungsbedingten Schädigung sein kann [52, 64, 154]. Neben den Axonschädigungen, die relativ gut untersucht worden sind, können zusätzlich Dendritenschäden nachgewiesen werden, die allerdings bisher nur von einzelnen Arbeitsgruppen systematisch erfasst wurden [117]. Als wesentliche zytologische Reaktion auf das Trauma muss die Mikrogliareaktion angesehen werden, die einerseits im engen räumlichen Zusammenhang mit der Blutung und sekundären Ischämie [63], andererseits aber auch diffus auftritt [140]. Bei der lokalen Mikrogliaaggregation besteht eine Zeitabhängigkeit [110, 150, 155]. Einen lokalen Zusammenhang mit der axonalen Schädigung gibt es allerdings offenbar nicht [155]. Eine Mikrogliareaktion muss ferner zwar als unspezifisch angesehen werden, ist aber ein allgemeiner Marker des pathologischen Zustands des ZNS [62].
422
Kapitel 15
Morphologie In Abhängigkeit von Art und Intensität der Gewalteinwirkung sind nicht nur die klinischen, sondern auch die morphologischen Veränderungen unterschiedlich ausgeprägt. Commotio cerebri
Den geringsten Grad einer Hirnschädigung stellt die Commotio cerebri dar, die mit einem kurzen (maximal 1 h), vorübergehenden Bewusstseinsverlust einhergeht. Morphologisch werden allenfalls Zeichen einer leichten Hirndrucksteigerung nachweisbar. Tierexperimentell konnte eine kurzfristig gestörte Schrankenfunktion ohne Nervenzelluntergang beobachtet werden [178]. Erfolgt eine stärkere oder wiederholte mechanische Schädigung des Gehirns, wird submikroskopisch eine Mitochondrienschwellung in den Nervenzellen erkennbar, wie auch eine Verstärkung der Schrankenstörung, die vor allem im Sinne eines Summationseffekts bei wiederholten unterschwelligen Traumatisierungen auftritt [12, 122]. Contusio cerebri
15
Besteht ein Bewusstseinsverlust länger als eine Stunde bzw. werden nach Aufklaren neurologische Ausfälle festgestellt, muss von einer Contusio cerebri ausgegangen werden. Primäre Schädigungen treten in Form von Blutungen auf, die überwiegend im Bereich der Windungskuppen in der Rinde gelegen sind (Abb. 15.11), jedoch auch auf das Marklager übergreifen können [119, 120]. Diese imponieren makroskopisch streifenförmig oder
a
Trauma
kugelförmig und können konfluieren. Sie sind primär perivaskulär lokalisiert und verdrängen das umgebende Neuropil. Mikroskopische Veränderungen sind abhängig von der Überlebenszeit sowie von zusätzlichen Einflüssen wie Azidose, Hypoxie, Hypotension bzw. Perfusion, Elektrolytstoffwechsel usw. Die zeitabhängigen morphologischen Veränderungen erweisen sich als bedeutungsvoll für die Altersschätzung von Blutungsherden, wie sie in der forensischen Pathologie erforderlich sein können [160]: Bereits innerhalb der ersten Minuten sind Granulozyten nachweisbar, innerhalb der ersten 2 Tage Makrophagen, ab dem 3. Tag einzelne Siderophagen, ab dem 11. Tag Hämatoidin. Eine Proliferation von Kapillaren und Astrozyten findet sich ab dem 2.–3. Tag. Spätfolgen der Rindenblutungsherde: Es erfolgt ein Abbau von nekrotischem Gewebe und extravasalem Blut, so dass ein zystisch umgewandelter, napfförmiger Hohlraum im Sinne einer gliös-mesenchymalen Narbe entsteht (Abb. 15.12b), verbunden mit einem breiten Saum ausgeprägter Markscheidenabblassung und Fasergliose. An den Rändern greifen schmale Reste der Molekularschicht häufig über die stark geschrumpfte, schizogyre Einsenkung (Abb. 15.12). In diesem kortikalen Grenzgebiet sind häufig verkalkte, mit Blutzerfallsprodukten imbibierte, mumifizierte Nervenzellen und Astrozyten erkennbar. Bei einem Teil der Fälle mit schwerster traumatisierungsbedingter Hirnschädigung, die längere Zeit überlebt haben, ist ferner davon auszugehen, dass sich diffuse Amyloid-β-Protein-positive Plaques entwickeln, die bereits bei Überlebenszeiten von nur 3 Tagen nachgewiesen worden sind [57].
b
Abb. 15.11a,b Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma mit typischer Verteilung von Rindenblutungen (Pfeilköpfe). Der Stoßpol entspricht jeweils dem dicken Pfeil (a okzipital, b temporal links), wobei die
Rindenblutungen in der Mehrzahl – und in größerer, flächenhafter Ausdehnung – diagonal gegenüber, am Gegenpol, liegen
Mechanisches Trauma
423
a
b
c
d
Abb. 15.12a–d Narbenstadium eines gedeckten Schädel-Hirn-Traumas mit schüsselförmigen, rostfarbenen Rindendefekten frontobasal (a,b) und Entmarkungen (c,d). (b van Gieson, Vergrößerung ×5)
Verletzungen von Marklager und Axonen
Primäre, durch äußere Gewalteinwirkung bedingte Schädigungen im Marklager treten häufiger auf als bisher vermutet. Bei den primären Markverletzungen handelt es sich um Markblutungen, die im Rahmen der „intrazerebralen Blutungen“ (s. n.) beschrieben werden, und um lokale oder diffuse axonale Schädigungen, die von einem Ödem und/ oder Blutungen umgeben sind [5]. An Parenchymeinrissen können Axonschwellungen in Form von Retraktionskugeln liegen, die meist in Verbindung mit einer ödematösen Gewebeauflockerung und Lipophagen auftreten. Es können auch Blutungen vorhanden sein, die ebenso resorbiert werden wie in der Rinde. Derartige Markschäden werden betont im Balken und Hirnstamm beobachtet (s. oben). Besonders gefährdet sind kleine Kinder mit ihrer starken Verformbarkeit des Schädels [47, 120].
Intrazerebrale und intraventrikuläre Blutung Reine intrazerebrale Blutungen, die nicht auf die Rinde beschränkt sind bzw. nicht von der Rinde ausgehen, finden sich in etwa 15% aller Fälle einer mechanischen Hirnschädigung. Derartige Blutungen stehen nicht in
Kontakt mit der Hirnoberfläche, sie treten überwiegend in Mehrzahl auf und finden sich in der Tiefe der Hemisphären [88]. Ältere Autoren beschreiben die Markblutungen in Verlängerung der Stoßrichtung, von der Anstoßstelle ausgehend, und nennen diese Blutungen auch Stoßkanalblutungen [180]. Davon unterscheiden sich die Scherungsverletzungen, die überwiegend bei Rotationstraumatisierungen im Zusammenhang mit Subduralblutungen und diffuser axonaler Schädigung beobachtet werden. Im gleichen Zusammenhang können auch intraventrikuläre Blutungen entstehen, insbesondere nach Balkenblutungen bzw. Blutungen in den Fornices. Die Entstehungsweise intrazerebraler Blutungen ist allerdings nicht eindeutig geklärt und dürfte von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass es zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung zur Ruptur eines (oder mehrerer) intraparenchymatösen Gefäße kommt, wodurch einzelne große oder zahlreiche kleine Blutungen entstehen, die kurzfristig nach der Gewalteinwirkung beobachtet werden. In ähnlicher Weise muss die Entstehung von intraventrikulären Blutungen verstanden werden, wobei es offenbar durch Rotationsbewegungen des Gehirns zu
424
Kapitel 15
Gefäßrupturen im periventrikuären Parenchym bzw. in den Fornices kommt. Überlebt der Patient längere Zeit, können sich die Blutungen ausdehnen, konfluieren und schließlich auch – zeitlich verzögert – zur Todesursache werden [56, 203]. Entsprechend ihrer Lokalisation lassen sich sog. Basalganglienhämatome abgrenzen [127]. Wie Adams et al. [4] zeigen konnten, treten sie bei Patienten auf, bei denen nach der traumatischen Einwirkung selten ein luzides Intervall zu beobachten ist, bei denen aber gehäuft Scherungsverletzungen des Hirngewebes sowie diffuse axonale Schädigungen zu beobachten sind. Diese Patienten haben offenbar eine diffuse mechanische Hirnschädigung erlitten, wobei sich die verursachende Energieabgabe überwiegend als extrem groß erwies.
Trauma
Hirnlappen in Form eines hämorrhagischen Infarkts ausdehnend, als Folge einer z. T. vorübergehenden (bzw. unvollständigen) Kompression der A. cerebri occipitalis. Neben diesen druckbedingten Veränderungen ist jedoch regelmäßig auch von ischämischen Hirnveränderungen auszugehen, die entweder lokal bzw. perifokal in den Blutungsbezirken auftreten oder generalisiert – unter Einbeziehung auch der Hippokampusformation – zu beobachten sind [63]. Auch in den sekundär geschädigten Hirnabschnitten finden sich regelmäßig Axonschäden [91].
Dementia pugilistica Sekundäre Veränderungen
15
Die sekundären Veränderungen sind zum Teil für die Psychopathologie des postkontusionellen Syndroms von wesentlicherer Bedeutung als die primäre Schädigung. Sie sind überwiegend Folge des erhöhten Hirndrucks, verursacht durch die, allerdings vorübergehenden, Schrankenstörungen. Es finden sich sekundäre (ödembedingte) morphologische Veränderungen in folgenden Hirnabschnitten (vgl. Abb. 15.1): • in den mediobasalen Rindengebieten der Schläfenlappen (Schnürfurchen durch supratentorielle Druckerhöhung); • an der Balkenoberseite (einschneidende Falx), in Form einer Balkeneinkerbung sowie – bei seitlicher Massenverschiebung – in Form einer Einkerbung, evtl. kombiniert mit einer Blutung in der Windungskuppe des Gyrus cingulus; • an den kontralateralen Hirnschenkelrändern durch supratentoriellen Druck gegen den Tentoriumzügel bei einseitiger Raumverdrängung (die klinische Herdlokalisation kann dadurch erschwert sein, dass homolaterale Pyramidenzeichen auftreten); • an den Dorsalflächen der Kleinhirnhemisphären (als Folge einer infratentoriellen Drucksteigerung); • an den Kleinhirntonsillen mit Nekrosen infolge supraund/oder infratentorieller Drucksteigerung. Die Tonsillen können hämorrhagisch infarziert oder bei der Abklemmung im Foramen magnum nekrotisch verändert sein – allerdings nur in Folge eines intrakraniellen Kreislaufstillstands [164]; • im Mittelhirn (Blutung und Nekrose infolge vorwiegend venöser Stauungen in den medialen Brückenabschnitten); • an der basalen Rinde von Temporal- und/oder Okzipitallappen (einseitig oder beidseitig), sich evtl. auf die gesamten zugehörigen Rindenareale dieser beiden
Bei einer Reihe von progressiven degenerativen Erkrankungen wird eine traumatische Genese als Kofaktor erörtert [209]: Demenz vom Alzheimer-Typ [74], Pick-Krankheit [134], Parkinson-Krankheit [65], amyotrophische Lateralsklerose und Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung [17]. Histologisch werden eine gesteigerte Tau-Phosphorylierung und eine fleckförmig verteilte Neurofibrilleneinlagerung vor allem in den oberen Schichten des Frontal- und Temporallappens beobachtet [124a]. Daneben findet man Amyloidplaques. Eine innere und äußere Atrophie wird als Folge von einmaligen oder wiederholten subarachnoidalen Blutungen angesehen. Von besonderem Interesse musste in dieser Hinsicht die Untersuchung der Gehirne von Boxern sein, die vereinzelt zu Lebzeiten neurologische Symptome sowie eine progressive Demenz entwickeln [37]. Diese kann Jahre nach der letzten traumatischen Einwirkung – sowohl bei Amateur- als auch bei Berufsboxern beobachtet werden, wenn sie eine lange Boxkarriere hinter sich haben und wiederholt knock-out geschlagen wurden. Bei der Analyse von 15 Boxergehirnen wurde festgestellt, dass auffällige Veränderungen des Septum pellucidum mit Vergrößerung des Kavums auftraten und dass eine Fensterung des interventrikulären Septums vorlag [36]. In einzelnen Fällen waren die angrenzenden Fornices und das Corpus callosum verdünnt, es fanden sich ein Nervenzellverlust und Narben im Kleinhirn, eine Degeneration der Substantia nigra sowie zahlreiche Neurofibrillen in den Nervenzellen der Großhirnrinde und des Hirnstamms. Senile Plaques waren demgegenüber praktisch nicht zu sehen. Durch eine Nachuntersuchung derselben 15 Fälle Jahrzehnte später konnte die Anwesenheit von Amyloid-β-Protein (β-A4-Amyloid) in Form von diffusen senilen Plaques in der Rinde nachgewiesen werden, so dass offenbar doch eine große Ähnlichkeit mit der Demenz vom Alzheimer-Typ bestand [57, 184, 217].
425
Mechanisches Trauma
ZNS-Folgeschäden ohne primäre ZNS-Verletzung Auch ohne primäre mechanische Einwirkung auf das ZNS kann das Gehirn bei hirnfernen Verletzungen oder gar im Rahmen einer Polytraumatisierung mitbetroffen sein. Überwiegend handelt es sich um Folgeveränderungen, die im Rahmen einer Hypoxie/Ischämie auftreten, auf die oben bereits wiederholt hingewiesen wurde. Wesentlich sind ferner vor allem die Embolien.
Fettembolie Pathogenese. Eine zerebrale Fettembolie setzt nahezu immer auch eine Fettembolie der Lungen voraus, es sei denn, das Foramen ovale ist offen. Im kleinen Kreislauf entwickelt sich durch eine massive Einschwemmung von Fetttröpfchen eine Erhöhung des Strömungswiderstands, wodurch sich ein konsekutives Rechtsherzversagen ausbilden kann. Wird dieser Zustand überlebt, wird nach einem Intervall von 18 h bis zu 4 Tagen eine zerebrale Fettembolie beobachtet, die ihrerseits zum Tode führen bzw. am tödlichen Geschehen mitbeteiligt sein kann. Der Weitertransport der Fetttropfen aus dem kleinen in den großen Kreislauf erfolgt u. a. über geöffnete Anastomosen der Lungengefäße. Klinik. Es treten uncharakteristische zerebrale Symptome auf, die differentialdiagnostisch an ein posttraumatisches Hirnödem denken lassen. Besteht eine initiale Bewusstlosigkeit, dann lässt sich ein Intervallsyndrom nicht mehr feststellen, so dass die zerebrale Fettembolie verdeckt wird. Im Übrigen können bei primärer Bewusstseinsklarheit psychopathologische Veränderungen auftreten, wie akut eintretende Verwirrtheit, Eintrübung des Sensoriums, zerebrale Krämpfe, ebenso wie zusätzlich allgemeine klinische Symptome einer Fettembolie, wie u. a. das Auftreten petechialer Blutungen in der Haut des Rumpfes. Die Mortalität ist sehr hoch, so dass bei entsprechenden Symptomen die Prognose als ernst bezeichnet werden muss [70], zumal therapeutische Maßnahmen bis heute kaum Erfolg versprechen. Morphologie. Makroskopisch erkennt man auf den Hirnflachschnitten multiple punktförmige Blutungen, typischerweise im Sinne einer „purpura cerebri“, überwiegend in der weißen Substanz des Großhirns. Im Kleinhirn sind Rinde und Mark gleichermaßen betroffen. In der Regel besteht gleichzeitig ein Hirnödem. Mikroskopisch werden Ring- oder Kugelblutungen erkennbar, wobei die im Zentrum gelegene Gefäßlichtung im frühen Stadium durch Fetttröpfchen verschlossen ist. Wird die Embolie längere Zeit überlebt, finden sich lipidenthaltende Makrophagen, vor allem perivaskulär, ebenso wie
Siderophagen. Nach Überlebenszeiten von Monaten treten umschriebene perivaskuläre Gliosen mit Entmarkungsherden auf und es entwickelt sich eine Ausweitung der inneren Liquorräume, die als Folge einer ödembedingten Markschädigung interpretiert werden. Da immer wieder unterschiedlich alte Veränderungen zu beobachten sind, ist von einem schubweisen Verlauf auszugehen [70]. Differentialdiagnose. Vereinzelt treten Fälle einer posttraumatischen Hirnpurpura ohne Fettembolie auf. In diesen Fällen ist entweder eine Verbrauchskoagulopathie mit Gefäßthrombose anzunehmen, eine Freisetzung von Gewebsthrombokinase aus verletzten Organen oder eine diffuse Gefäßschädigung anderer Genese [64]. Differentialdiagnostisch muss bei einer Purpura auch an eine Quecksilbervergiftung mit konsekutiver Endothelschädigung (Salvarsan-Behandlung) bzw. an extreme Unterkühlung (s. unten) gedacht werden.
Luftembolie Sowohl bei mechanischer Eröffnung großer herznaher Venen (durch Unterdruck gelangt Luft in das Gefäßsystem) als auch bei rascher Erniedrigung des Atmosphärendrucks (Caisson-Trauma – primär in Flüssigkeit gelöstes Gas bildet bei Druckabnahme Gasbläschen; s. S. 437f.), kommt es zur Ansammlung von Gasblasen im Kreislaufsystem. Bei venöser Luftembolie gelangen die Bläschen zunächst in die Lungengefäße, die sie jedoch z. T. passieren und sich u. a. in die Hirngefäße verteilen können. Im CCT sind gasgefüllte Aussparungen erkennbar und führen zur klinischen Diagnose. Morphologisch lässt sich in allen Fällen postmortal ein extrem ausgeprägtes Hirnödem und in seltenen Einzelfällen eine blasenförmige Aussparung in den Gefäßlichtungen nachweisen (Abb. 15.18).
Gefäßverletzungen Erfolgt eine stumpfe Gewalteinwirkung direkt auf die A. carotis communis oder kommt es bei einer HWSTraumatisierung zu einer Verletzung der Vertebralarterie, z. B. bei einer tätlichen Auseinandersetzung, einem Boxkampf oder im Rahmen einer HWS-Schleudertraumatisierung bei Verkehrsunfällen, kann eine Intimaschädigung mit konsekutiver Thrombose die Folge sein. Seltener wird eine intramurale Aneurysmabildung mit nachfolgender Thrombose beobachtet [171]. Als Traumafolge kann auch eine Thrombose der A. basilaris auftreten [105, 129]. Auf traumatisierungsbedingte Subarachnoidalblutungen wurde bereits oben verwiesen. Diffuse Gefäßschäden als Folge äußerer Gewaltein-
426
Kapitel 15
wirkung beschreiben Graham et al. [64]. Auf sie wurde bereits hingewiesen (s. oben).
Hirnstammverletzung Der Hirnstamm kann sowohl Ort einer primären als auch einer sekundären Schädigung sein.
Trauma
Primäre Verletzungen Morphologie. Die primär traumatisch verursachten Blutungen liegen meist am Rande des Mittelhirns [24] (Abb. 15.13) und sind häufig mit Frakturen im Bereich der Schädelbasis verbunden [41]. Die Blutungen werden in der Regel nur kurzfristig überlebt [106]. Neben den makroskopisch erkennbaren Blutungen finden sich
15 a
c Abb. 15.13a–d Brückenblutungen. a Primär traumatisierungsbedingte Brückenblutung rechts lateral nach Fraktur der rechten Schädelbasis. b,c sekundäre, zentral gelegene Brückenblutung als Folge
b
d einer supratentoriellen, symmetrischen Raumverdrängung (b HE, Vergrößerung ×2). d Zentrale, abgeheilte, sekundäre Brückenblutung in Form einer Zyste (van Gieson, Vergrößerung ×1)
Mechanisches Trauma
im Hirnstamm mikroskopisch nachweisbare Nekrosen sowie axonale Verletzungen. Der Hirnstamm ist besonders bei Beschleunigungstraumatisierungen erheblichen Zug- und Scherungskräften ausgesetzt, die – wie oben beschrieben – vor allem bei Rotation sogar zu Einrissen in den Aufzweigungen der großen Basalarterien führen können. Um so eher aber sind die kleineren, intraparenchymatösen, arteriellen und venösen Gefäße gefährdet. Klinik. Prognostisch sind derartige Hirnstammläsionen ungünstig. Sie finden ihren Ausdruck in einem protrahierten Koma. Es können klinisch folgende Symptomkomplexe beobachtet werden: • Mittelhirnsyndrom, klinisch gekennzeichnet durch Bewusstlosigkeit, gesteigerten Muskeltonus, Streckkrämpfe, Massenbewegungen, leichtere Störungen der Atem-, Herz- und Kreislauf- sowie Temperaturregulation, verbunden mit Störungen der Augenmotorik und Pupillenreaktion; • Bulbärsyndrom mit tiefem Koma, schlaffem Muskeltonus, Herz-Kreislauf- und Atemregulationsstörungen (Schlaf-Wach-Rhythmus erhalten, Haltungs- und Steuerungsreflexe auslösbar, ohne Reaktion auf Außenreiz bei geöffneten Augen); • Coma vigile bzw. apallisches Syndrom im Sinne einer traumatischen Dezerebration – bei massiv geschädigter Großhirnrinde, die funktionell vom Hirnstamm abgeschaltet ist; • Locked-in-Syndrom im Sinne einer Tetraplegie einschließlich Hirnnervenlähmung sowie Verlust der Schlaf-Wach-Periodik bei erhaltener vertikaler Augenmotilität und Lidbewegungen sowie erhaltenem Bewusstsein.
Sekundäre Veränderungen Die sekundären Brückenblutungen sind demgegenüber als Folgeveränderungen bei Erhöhung des supra- und infratentoriellen Drucks (Raumverdrängung) zu verstehen und treten nahezu regelmäßig bei Durahämatomen auf – allerdings nur in Ausnahmefällen bei hypoxisch-ischämischem Hirnödem. Durch venöse Stauung kommt es zu Einblutungen in zentralen Anteilen des Hirnstamms, die häufig keilförmig imponieren und bereits zwischen den kaudalen Nigraabschnitten basal des Aquädukts sichtbar werden [133]. Diese medianen Hirnstammblutungen sollen auftreten, wenn bei noch erhaltener arterieller Zufuhr der venöse Abfluss durch den supratentoriellen Hirndruck verhindert wird [130]. Die Morphologie ist durch Blutungen und/oder Nekrosen der zentralen Anteile der Brücke gekennzeichnet.
427
Rückenmarkverletzung Wirbelsäulen- und Rückenmarktraumen treten vor allem bei Verkehrsunfällen, Sturz, Schuss, Sport- und Arbeitsunfällen auf. Die Wirbelsäule einschließlich der den Spinalkanal auskleidenden Dura mater spinalis und der umgebenden – überwiegend muskulären – Weichteile schützt das Rückenmark gegen stumpfe Gewalteinwirkung, wobei der segmentäre Aufbau der Wirbelsäule einerseits die Beweglichkeit ermöglicht, andererseits aber auch durch vorhandene Lücken, vor allem im Halsbereich, für perforierende Gewaltwirkung durchgängig ist. Durch den Austritt der Nervenfasern im Wurzelbereich ergibt sich ein weiterer Locus minoris resistentiae, da die Nervenfasern selbst nur eine geringe Elastizität aufweisen. Anatomisch und funktionell verhält sich das Hüllsystem des Rückenmarks ebenso wie das Hüllsystem des Gehirns; nur wird die enge Beziehung zwischen beiden Duraschichten am Foramen magnum gelöst, wo sich innerhalb des Spinalkanals die innere Duraschicht zur Dura mater spinalis verselbständigt, während die äußere Schicht die Periostfunktion allein weiterführt. Der knöcherne Spinalkanal ist relativ weit und extradural mit Fettgewebe und Venenplexus ausgekleidet, wodurch eine gewisse freie Beweglichkeit des Rückenmarks ermöglicht wird. Das Rückenmark ist von weicher Konsistenz und wenig elastisch, so dass bereits geringe Einengungen oder Verkrümmungen des Spinalkanals zu einer Beeinträchtigung des Rückenmarks bzw. der Nervenwurzeln führen können. Während Verletzungen der Wurzeln der vom Rückenmark ausgehenden peripheren Nerven durch sekundäre Zugspannung eher häufig sind, treten direkte Verletzungen nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit Wirbelsäulenfrakturen auf. Das Rückenmark kann durch Druck- oder Zugspannung in sagittaler und/oder lateraler Richtung sowie durch Torsion um die Längs- und Querachse aus seiner Normallage verschoben werden. Besondere anatomische Strukturen liegen im Verbindungsteil Hals-Kopf vor, wo durch die hier versteckt liegender Medulla oblongata mit den Zentren für Atemund Kreislaufregulation bei Verletzung jeweils die Gefahr eines akuten zentralen Todes gegeben ist. Die Biomechanik der Wirbelsäule und der Wirbelsäulenverletzung ist Grundlage verschiedener umfangreicher Monographien [z. B. 25, 187, 188, 219, 220]. Prinzipiell kann das Rückenmark auf gleiche Weise verletzt werden wie das Gehirn. Das Rückenmark selbst reagiert relativ uniform, wobei die äußeren Strukturen durchaus erhalten zu sein scheinen, während die Funktionen jedoch vollständig unterbrochen sind (Querschnittslähmung).
428
Kapitel 15
Blutung in die spinalen Hüllen Epiduralblutung
Blutungen können entlang der Außenseite des Durasacks (Abb. 15.4) auftreten, führen jedoch allenfalls im oberen Halswirbelsäulenbereich zu einer klinisch relevanten Raumverdrängung im Sinne einer Kompression des Halsmarks. Neben durch äußere Gewalteinwirkungen bedingten Blutungen werden auch spontane Blutungen beobachtet [78, 215], unabhängig von Antikoagulanzienbehandlung oder Leukämie. Bei den traumatisierungsbedingten Blutungen handelt es sich überwiegend um venöse Blutungen, die sich flächenhaft ausbreiten und nur im seltenen Einzelfall eine Raumverdrängung verursachen können. Epiduralblutungen wurden u. a. auch im Zusammenhang mit Schütteltraumatisierungen bei Säuglingen (s. S. 412f.) beobachtet, wobei jedoch die klinische Relevanz bisher unklar blieb. Subduralblutung
Auch Blutungen innerhalb des subduralen Spaltraums sind bei Verletzungen der Wirbelsäule zu beobachten, aber nur in seltenen Einzelfällen [156] führen sie – offen-
Trauma
bar unter bestimmten Bedingungen – zu einer klinischen Symptomatik oder zu einer Beteiligung des Rückenmarks, da sich die Blutung in der Regel entlang des Subduralspalts ausdehnen kann und nicht zu einer Kompression führen muss. Subarachnoidalblutung
Entlang des Rückenmarks sind Aneurysmen der arteriellen Gefäße praktisch nicht bekannt. Subarachnoidalblutungen treten daher ausschließlich im Zusammenhang mit Kontusionen oder anders gearteten mechanischen Belastungen auf, wobei der Ort der Blutung mit dem Ort der Gewalteinwirkung korrespondiert.
Spinaltrauma Offenes Spinaltrauma
Die offene Rückenmarkverletzung ist durch Eröffnung der Dura mater spinalis gekennzeichnet, die durch eine Nadel z. B. bei Lumbalpunktion [40], durch operativen Eingriff, Messerstich (Abb. 15.14), Schuss oder bei Aufreißen der Dura durch Knochensplitter als Folge von Wir-
15
a
b
c
d
Abb. 15.14a–d Stichverletzung des Rückenmarks auf Höhe der Halswirbelsäule (zwei unterschiedliche Fälle). a,b Messerstichverletzung im Nacken mit Stichkanal auf Höhe der Processi dorsales.
c,d Schnittverletzung mit Durchtrennung der Halsweichteile sowie eines rückwärtigen Wirbelkörperfortsatzes und scharfer Durchtrennung des Halsmarks
429
Mechanisches Trauma
a
b
c
Abb. 15.15a–c Gedecktes Spinaltrauma nach massiver Akzellerationsbelastung (drei unterschiedliche Fälle). a Einblutungen in die
Bandscheiben (Pfeile), b mit epiduraler Blutung (Pfeilköpfe), c mit subduraler Blutung
belkörperfrakturen, eintreten kann. Stichverletzungen im oberen Halsmark stellen eine Todesursache bei Tötungsdelikten dar, besonders wenn sie im Bereich der zervikokranialen Verbindung liegen. Wird eine offene Spinalverletzung überlebt, dann besteht, wie bei offenen Hirnverletzungen, immer die Gefahr einer Infektion.
myelie vorliegt [113]. Rostral und kaudal finden sich in der Randregion der primären Verletzung Axonschwellungen und Axonkugeln sowie Dendritenschäden, die durch das Fehlen einer Immunreaktion auf mikrotubiliassoziiertes Protein 2 (Map 2) gekennzeichnet sind [117]. Gleichzeitig werden Veränderungen im Sinne einer retrograden (Waller-) und anterograden Degeneration erkennbar [77]. Das angrenzende Neuropil weist ausgeprägte spongiöse Auflockerungen auf.
Gedecktes Spinaltrauma (traumatische Myelopathie)
Durch stumpfe Gewalteinwirkung auf die Wirbelsäule – entweder bei Fremdeinwirkung oder auch durch Sturz aus großer Höhe – kann es zu einer Kontusion des Rückenmarks kommen (Abb. 15.15), mit und ohne Frakturen der Wirbelkörper. Durch Kontusion kann sich eine vorübergehende – oder andauernde – Minderdurchblutung mit der Folge einer Nekrose entwickeln. Gleichzeitig kommt es nahezu regelmäßig durch mechanische und/ oder ischämische Einflüsse zum Blutaustritt, so dass eingeblutete Nekrosen entstehen. Selten verursacht ein traumatisierungsbedingter Nucleus-pulposus-Prolaps über Embolisierung von Nucleus-pulposus-Gewebe spinale Durchblutungsstörungen. Makroskopisch wird eine lokale, auf Segmente unterschiedlicher Anzahl beschränkte Erweichung feststellbar, wobei die Kontinuität des Rückenmarks sowie – in der Regel – auch die zugehörigen äußeren Hüllen erhalten bleiben. Mikroskopisch bleibt die Leptomeninx meist erhalten, ebenso auch ein ringförmiger Saum des äußeren Neuropils, während die Nekrose im Zentrum des Rückenmarkquerschnitts gelegen ist. In Abhängigkeit von der Überlebenszeit kommt es hier zur Verflüssigung (Kolliquation) und zu Abräumvorgängen, so dass am Ende nur noch ein vom Neuropil ummantelter Hohlraum, ähnlich einer Zyste, im Sinne einer posttraumatischen Syringo-
Schleudertrauma Durch die vergleichsweise große träge Masse des Kopfes kann es bei Rumpfbeschleunigung akut zu einer Überbeugung/Überstreckung am zervikokranialen Übergang bzw. der HWS kommen. Hierbei können Verletzungen entstehen, überwiegend durch Retroflexion. Meist jedoch liegt eine Kombination von Rotations-, Stauchungs- und Zerrungsbelastungen vor. In Abhängigkeit von dem Ausmaß der Gewalteinwirkung sind alle Varianten der morphologischen und klinischen Folgeerscheinungen zu beobachten: Sie beginnen bei der Zerrung von Muskulatur, Sehnen und Nerven (Radikulopathie; s. auch [33]) und reichen über eine Luxation bis hin zur Wirbelfraktur. Die Hauptbelastung liegt offenbar meist auf Höhe der 4. und 5. Halswirbelkörper, die auch am häufigsten luxieren und frakturieren. Die Verletzungen des innen gelegenen Halsmarkes hängen davon ab, inwieweit der Spinalkanal durch das Trauma vorübergehend oder andauernd eingeengt worden ist. Erstaunlicherweise wurden geschlechtsspezifische Un-
430
Kapitel 15
terschiede beobachtet, die allerdings noch weiter verfolgt werden müssen [121]. Die Morphologie der Verletzungen selbst entspricht den bereits beschriebenen Veränderungen des Rückenmarks. Eher selten ist die Fraktur des Dens axis, d. h. der sog. Genickbruch. Dieser tritt bei extremer Beugung nach vorne (Hyperextension) auf und führt durch Verlagerung von Bruchstücken des Dens in Richtung Medulla zum Atemstillstand; es kann akut zum Eintritt des Todes kommen. Das reine Schleudertrauma ohne Beeinträchtigung des Halsmarks ist häufig Anlass für orthopädische, neurologische, neurochirurgische oder rechtsmedizinische Begutachtung, da ein morphologisches Äquivalent, das als Ursache der angegebenen Beschwerden zu interpretieren wäre, fehlen kann. So ist bis heute strittig, ob es sich bei den Beschwerden tatsächlich um einen mechanisch bedingten organischen Prozess [22] oder um ein funktionelles Syndrom [19] handelt.
Spezielle physikalische Traumen Thermisches Trauma
15
Die Funktionsfähigkeit des menschlichen Körpers setzt u. a. eine Homöothermie voraus, die über hypothalamische Regelzentren gesteuert wird. Die physiologischen Temperaturgrenzen sind extrem eng und liegen zwischen 36,5 und 37 °C [87]. Extreme Veränderungen zwischen 25 °C auf der einen Seite und 42–43 °C auf der anderen Seite sind zwar mit dem Leben noch vereinbar, führen jedoch zu erheblichen Funktionseinbußen und sind lebensgefährlich. Temperaturen außerhalb dieser Grenzen sind – mit Ausnahmen – praktisch immer tödlich [23, 26]. Auch das Gehirn selbst ist an der Wärmeproduktion des Körpers aktiv beteiligt; im Gehirn wird unter allen Umständen eine stabile Temperaturhomöostase angestrebt, trotz erheblich variabler Stoffwechselleistungen [95]. Von wesentlicher Bedeutung für die zentrale Steuerung sind das Kreislaufsystem und die Haut, wobei die Wärmeabgabe über Strahlung, Konvektion, Leitung und Verdunstung geregelt wird. Dabei ist von der Temperatur die Stoffwechselaktivität des Gehirns – und damit der O2- und Glukoseverbrauch des Gehirns – abhängig [158]. Unter speziell diesem Gesichtspunkt ist das Gehirn nicht nur als Steuerungsorgan, sondern auch als Zielorgan betroffen [167]. Eine Reduktion des Stoffwechsels im Gehirn bei Unterkühlung hat jedoch auch zur Folge, dass das Gehirn weniger sauerstoffmangelempfindlich wird und damit längere Zeit auch bei geringerer oder gar unterbrochener Sauerstoffzufuhr funktionell erhalten bleibt.
Trauma
Hypothermie Generalisierte Hypothermie wird naturgemäß vor allem in den kalten Jahreszeiten beobachtet und findet sich unter den aktuellen Bedingungen der westlichen Länder im städtischen Bereich vor allem bei Wohnsitzlosen, die im Freien nächtigen. Unterkühlungen werden ferner bei Verschüttungen durch Lawinen beobachtet, wie auch bei Wasserunfällen, insbesondere bei Schiffsunglücken, jedoch auch während des Freizeitsports bei Schwimmern und Bootsfahrern. Im Rahmen von chirurgischen Eingriffen, die mit der Gefahr einer länger dauernden Ischämie des Gehirns verbunden sind (z. B. bei Herztransplantationen), wird iatrogen eine Hypothermie erzeugt – im Sinne einer hypothermen Neuroprotektion –, um den Hirnstoffwechsel zu reduzieren und damit die Ischämiezeit des Gehirns zu verlängern. Lokale Hypothermie des Gehirns im Sinne eines Kältetraumas findet in der experimentellen Neurotraumatologie Anwendung, um möglichst blutungsfreie, sterile Nekrosen zu erzeugen und die Wundheilung am Gehirn zu beschleunigen. Pathophysiologisch wird bei generalisierter Unterkühlung vor allem der Hirnstoffwechsel reduziert, mit der Folge einer Zunahme der ischämischen Toleranz, jedoch auch der Gefahr zunehmender Nekroseneigung, vor allem der Haut an den Akren, infolge peripherer angiospastischer Durchblutungsstörungen. Hierbei kommt es zur Freisetzung von Kalium [189] und einer Zunahme des Azetons im Blut. Klinik. Eine niedrige Kerntemperatur des menschlichen Körpers von weniger als 28 °C verursacht Kreislaufstörungen und neurologische Ausfälle, wobei die Mortalitätsrate sehr hoch ist [101, 109, 124]. Damit verbunden ist aber andererseits auch eine bedeutend längere Ischämiezeit des Gehirns [216]: So wurden bei erfolgreich reanimierten einzelnen Patienten u. a. Ischämiezeiten infolge einer Asystolie von ca. 30 min und länger [15, 139], oder bis zu 4 h [223] beobachtet. Während der Hypothermie ist das energetische Gleichgewicht besser austariert als bei Normothermie, d. h., der ATP-Abbau ist stärker reduziert als die ATP-Synthese [45]. Die Chance zum Überleben ergibt sich zwar grundsätzlich aus der erhöhten Toleranz des Gehirns gegenüber einer Ischämie, wobei zum Überleben jedoch spezielle Aufwärmungsmaßnahmen und Kontrolluntersuchungen unverzichtbar sind. Morphologie. Spezifische morphologische Veränderungen des ZNS sind im Fall einer akuten generalisierten Hypothermie nicht nachweisbar. Allenfalls lässt sich ein erhöhter Azetonspiegel im Blut als Indikator einer Hypothermie feststellen, ebenso wie äußere Symptome des Erfrierens (Kälteerythem, Frostblasen [49]). Tritt der Tod verzögert ein, evtl. nach frustraner Aufwärmung, so fin-
Spezielle physikalische Traumen
den sich Hyperämie, Ödem und Blutungen des Gehirns, sog. Kältepurpura, u. a. in der Umgebung des 3. Ventrikels [82, 172]. Das lokale Kältetrauma jedoch führt im Sinne einer sterilen Nekrose zu einer (überwiegend) lokalen Zellreaktion (Vermehrung der Granulozyten, Makrophagen, Astrozyten und Fibroblasten in der Nekrose) und zu Zytokinfreisetzung.
Hyperthermie Hyperthermiebedingte Krankheitsbilder als Folge einer generalisierten Überwärmung treten beim Arbeiten in großer Hitze auf, in Versammlungsräumen mit geringer Frischluftzufuhr oder aber im Sommer durch länger dauernde Sonneneinstrahlung, bei hoher Lufterwärmung während einer lang anhaltenden Hitzewelle bzw. in der Wüste. So wurden im Juli 1995 in Chicago mindestens 700 Todesfälle registriert, die auf die Hitze zurückzuführen waren [195]. Neben einer hohen Umgebungstemperatur haben u. a. Luftfeuchtigkeit, Windbewegung, O2Gehalt der Atmosphäre und Bekleidung Einfluss auf die Funktionen des Organismus. Im Gegensatz zur Hypothermie hat die Hyperthermie eine durchgehend schädigende Wirkung auf das Gehirn [35]. Auf zellulärer Ebene kommt es durch Hitzeeinwirkung auf das Gehirn zu einer deutlichen Hochregulierung der neuronalen Nitritoxidsynthase (NOS) und des Hitzeschockproteins (Hsp70) [8, 226], sowie zu einer Aktivierung der Astroglia [30]. Bekannt ist ferner, dass das Gehirn selbst mit einer Hyperthermie reagieren kann, z. B. nach Einnahme illegaler Drogen, insbesondere nach Einnahme von Methamphetamin [27, 95]. Klinik. Neben den oben genannten Einflussfaktoren spielen u. a. auch das Lebensalter, der primäre Gesundheitszustand und die Flüssigkeitszufuhr eine wichtige Rolle, wobei die Kreislaufverhältnisse und das Ausmaß der Dehydration berücksichtigt werden müssen. Die folgenden klinischen Bilder sind zu unterscheiden: Hitzekollaps
Ein Hitzekollaps kann sowohl bei hoher Außentemperatur als auch bei vermehrter endogener Wärmebildung, z. B. durch Fieber oder extreme körperliche Belastung, auftreten. Er ist durch Weitstellung der peripheren Gefäße und das Versacken des Blutvolumens im Sinne einer Hypovolämie gekennzeichnet und geht mit Schwitzen, Müdigkeit, Muskelschmerzen, Benommenheit usw. einher. Der Hitzekollaps wird nahezu immer überlebt, so dass morphologische Befunde nicht vorliegen. Die funktionellen Veränderungen sind im Wesentlichen hämodynamisch bedingt. Nach Kilbourne [93] allerdings enden 15% der klinisch relevanten Fälle tödlich.
431
Insolation
Die Insolation, der sog. „Sonnenstich“, ist pathophysiologisch dem „Hitzschlag“ nahezu gleichzusetzen. Er tritt bei lang anhaltender Sonneneinwirkung auf den (unbedeckten) Kopf ein, offenbar infolge einer lokalen Erwärmung des Gehirns um 1,5–2,5 °C [102]. Ohne Prodrome entwickelt sich akut eine Symptomatik mit Kopfschmerz, Sehstörung, Übelkeit, Delir, Verwirrtheit und Koma. Die Insolation wird in der Regel ebenfalls überlebt, wobei jedoch eine länger anhaltende Symptomatik auf ein bestehendes Hirnödem hinweist. In Todesfällen, die dann allerdings in der Regel pathophysiologisch nicht exakt vom Hitzschlag zu trennen sind, beherrschen das Ödem und die Kongestion das morphologische Bild [108]. Hitzschlag
Klinik. Der Hitzschlag stellt ein Versagen der dienzephalen Temperaturregulation dar. Die Hitzeerschöpfung ist dabei u. a. Folge einer gleichzeitigen Dehydration zusammen mit Salzmangel. Es dominieren Hitzekrämpfe der Muskulatur infolge des starken Salzverlusts. Zunehmend entwickeln sich bei weiterer Exposition neurologische Ausfallserscheinungen bis hin zum Koma. Es handelt sich um ein absolut ernst zu nehmendes Krankheitsbild, das in etwa 50% der Fälle zum Tode führt [72, 200]. Pathogenese. Es liegen nur wenige Untersuchungen vor, die sich speziell dieser Frage widmen. Sharma a. Westman [197] konnten nachweisen, dass es durch Hitzeeinwirkung zu einer Störung der Blut-Hirn-Schranke kommt und dass sich über zusätzliche sekundäre ischämische Veränderungen zerebrale Funktionsstörungen erklären. Morphologie. Die Morphologie des Hitzschlags ist durch hämodynamisch bedingte Schäden (Schock und Schrankenstörungen) charakterisiert, wobei plasmatische und zelluläre Extravasation beschrieben werden [82, 204]. Auffällig sind neuronale Ausfallserscheinungen in der Kleinhirnrinde [201]. Ferner treten petechiale Blutungen auf [108], evtl. Purpura [192], z. T. im Sinne einer hämorrhagischen Enzephalitis [28], wobei vereinzelt Nervenzellschwellungen beobachtet werden [192]. Dominierend aber sind das Hirnödem und die Ischämie. Gleichzeitig erfolgt eine Hochregulierung von GFAP und Vimentin in Astrozyten sowie eine vermehrte neuronale Expression von Hitzeschockproteinen, Nitritoxidsynthetase und Hämoxygenase, wodurch u. a. das morphologische Bild bestimmt wird [197]. Brandeinwirkung
Klinik. Im Rahmen eines Brandgeschehens kann es über direkte Flammen- und Hitzeeinwirkung oder auch durch eine Rauchgasvergiftung zum Tode kommen. Primär – und bestimmend – ist allerdings in der Regel eine gleichzeitig erfolgende Einatmung von Kohlenmonoxid (s. S. 373ff.), die zur Bewusstlosigkeit führt und wegen
432
Kapitel 15
ihrer Lebensbedrohlichkeit primär behandelt werden muss. Die Kohlenmonoxidintoxikation kann in kürzester Zeit über eine Bewusstseinsstörung zur Handlungsunfähigkeit führen, so dass dem Brandopfer nur eine geringe (oder gar keine) Möglichkeit zur Flucht bzw. zur Brandabwehr bleibt und die direkte Brandeinwirkung im Wesentlichen am Körper des Bewusstlosen (oder Toten) erfolgt. Eine zweite Gefahr ist durch ein Inhalationstrauma gegeben, das zum funktionellen Versagen der Lungen führen kann. Erst an dritter Stelle stehen Brandwunden in Gesicht bzw. Kopfschwarte und Folgeveränderungen am Gehirn, wobei der Weichteilschwund, bis zum Schädel erfolgen kann, der auch selbst in die Brandverletzung mit einbezogen sein kann.
15
Morphologie. Im akuten Todesfall ist am Gehirn die COIntoxikation dominierend, mit makroskopisch erkennbarer hellroter („kirschroter“) Verfärbung (Abb. 15.16e,f), die auch am formalinfixierten Hirn noch sichtbar ist. Erkennbar kann ferner eine Verkochung der Hirnoberfläche (Koagulation; Abb. 15.16b,c) bzw. des gesamten Gehirns sein, besonders dann, wenn die gesamten Kopfweichteile durch Brandeinwirkung geschwunden sind und das Schädeldach evtl. hitzebedingt geborsten ist. Das Gehirn kann insgesamt verkleinert sein (Hitzeschrumpfung), wobei die Strukturen der grauen und weißen Substanz jedoch weiterhin differenzierbar sind. Das Gehirn ist teilweise – oder in toto – extrem dehydriert [44, 96]. Diese Veränderungen aber entstehen postmortal – ebenso wie das Auftreten einer Blutansammlung im Epiduralraum (epidurales Brandhämatom; vgl. Abb. 15.16e,f). Das Brandhämatom erklärt sich durch hitzebedingte Ausschwitzung von Blutbestandteilen und Knochenmark inkl. Fett aus den Knochen des Schädeldaches [43] und kann Anlass zu differentialdiagnostischen Überlegungen geben: Handelt es sich evtl. um ein präexistentes, durch äußere Gewalteinwirkung bedingtes EDH? Ebenso können hitzebedingte Berstungsbrüche (Abb. 15.16a,b) mit präexistenten Schädelbrüchen verwechselt werden. In allen diesen Fällen spricht der nahezu regelmäßig nachweisbare hohe Gehalt an Kohlenmonoxidhämoglobin von >50% dafür, dass der Tod bereits vor der Hitzeeinwirkung auf das Gehirn durch CO-Intoxikation eingetreten ist [60, 147]. Wird eine Brandeinwirkung überlebt und sind Brandwunden vorherrschend – auch wenn der Kopf und das Gehirn ausgespart sein sollten – so werden sekundäre Phänomene bestimmend, die als Folge der Brandwunden bzw. der Wundheilung anzusehen sind. Je nach Ausdehnung der zerstörten Hautoberfläche bzw. der Tiefe des thermischen Weichteildefekts lassen die Brandfolgen eine unterschiedliche Prognose zu, die u. a. auf dem Verlust an Plasmaproteinen – mit der Konsequenz eines generalisierten Ödems – und einer Infektion der verletzten Haut (septischer Schock) beruht [157]. Bei einem Frühtod nach Verbrennungen entwickelt
Trauma
sich klinisch zunächst eine Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma. Morphologisch finden sich eine Hyperämie und ein Ödem als Folge der veränderten Hämodynamik und eines toxischen Gefäßschadens [68]. Durch die gleichzeitig eintretende vermehrte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für Plasmaproteine entsteht das Bild einer serösen Entzündung mit intravasalen Thromben und z. T. auch intra- und extravasalen Fibrinkugeln als Zeichen eines Schockgeschehens [68]. Perivasale spongiöse Auflockerung, perivasale, lipidenthaltende Makrophagen, Hirnblutungen, perivaskuläre Siderophagen, Nervenzellschrumpfung und -abblassung sowie eine Astrogliaproliferation wurden beschrieben [82]. Bei längerer Überlebenszeit dominieren ischämische Schäden unterschiedlichen Ausmaßes. Der Spättod nach Verbrennung ist vor allem durch Infektionen von verbrannten Hautarealen sowie auch durch Infektionen der Atemwege – besonders bei gleichzeitigem Inhalationstrauma – mit nachfolgender Sepsis bedingt. Es entwickeln sich eine vermehrte Wassereinlagerung, auch in das Gehirn, sowie systemische hypoxische Schäden. Ein Hydrocephalus internus wird ebenso beschrieben wie eine hypoxische Enzephalopathie, die vor allem bei Kindern zu beobachten ist. Eine häufige Komplikation am Gehirn ist die entzündliche Beteiligung bei sekundärer Sepsis im Sinne einer ZNS-Infektion (15% der Fälle) oder sekundärer Veränderungen (septischer arterieller Verschluss oder DIC) mit nachfolgendem Infarkt (18% der Fälle) oder einer intrazerebralen Blutung [231].
Elektrotrauma Verletzung durch Niederspannungskontakt Zu den Niederspannungen zählen die im häuslichen Bereich gebräuchlichen elektrischen Wechselspannungen von 220 V und 380 V. Bei Stromtodesfällen durch Kontakt mit diesen Spannungen handelt es sich überwiegend um Unfalltod und extrem selten um Suizid oder Mord. In den USA werden ca. 1000 Stromtodesfälle im Jahr gezählt [112], allerdings neben 100.000 überlebten Elektrounfällen [138] und weiteren Hochspannungsunfällen. Daneben aber werden immer wieder auch z. T. tödliche Unfälle infolge von Blitzeinwirkung bekannt. Blitzeinwirkungen sind auf pathogenetischer Ebene mit Stromunfällen an Hochspannungsanlagen vergleichbar (s. unten). Klinik. Die größte Gefahr ergibt sich durch Stromeinfluss auf das Reizleitungssystem des Herzens, wodurch es zur Asystolie kommen kann – mit allen Folgeveränderungen – auch des Gehirns (hypoxische Enzephalopathie [32]). Die Frühsymptomatik wird bestimmt durch die Qualität und Quantität elektrischer Einwirkungen. Als
Spezielle physikalische Traumen
433
a
b
c
d
e
f
Abb. 15.16a–f Brandeinwirkung am Kopf. a Verkohlung der Kopfund Gesichtsweichteile mit nahezu komplettem Weichteilschwund. b Absplitterung der Tabula externa im Scheitelbereich. c,d Verkochung
der äußeren Hirnstrukturen (Pfeilköpfe). e Kirschrote Färbung der Dura mater mit gespannter Dura als Zeichen einer Hirnschwellung. e,f epidurale Auflagerung von verkochtem Blut (Brandhämatom)
434
Kapitel 15
Folge eines Stromflusses, z. B. bei Kontakt mit einer Haushaltsspannung von 220 V, kann es zu einer akuten Symptomatik kommen, im Sinne von Parästhesien, Muskelschmerz, Muskelkrampf, Bewusstseinsverlust, Reflexverlust usw. [79, 80]. Überschreitet dabei der Stromfluss über das Herz eine gewisse Schwelle, so entwickelt sich eine Asystolie durch Kammerflimmern mit der Folge eines Atemstillstands. Als Spätfolgen nach überlebter Stromeinwirkung werden neben einer hypoxischen Enzephalopathie vor allem Spinalatrophien sowie spastische Spinalparalyse und hirnorganische Anfälle beschrieben, die allerdings z. T. im Intervall auftreten können und auch überwiegend wieder verschwinden [116, 174]. Psychopathologische Störungen können länger anhalten und in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung auftreten [92].
15
Pathogenese. Prinzipiell sind bei Elektroeinwirkung thermische von elektrisch-funktionellen Schäden zu unterscheiden. Thermische Schäden können in Form von lokalen Nekrosen bis zur vollständigen Verkohlung und Verbrennung reichen. Das Ausmaß der Folgen funktioneller Schäden basiert auf dem Ausmaß der Elektrolytverschiebung, d. h. auf der molekularen Ebene [218] und ist abhängig • von der Art des Stroms (Gleichstrom, Wechselstrom, hochfrequente Ströme, Impulsströme), • von der Art der Einwirkung (Art und Ort des Berührungskontakts einer Stromquelle bzw. des Überschlags einer Hochspannung, Stromweg durch den Körper u. Ä.), • von quantitativen Faktoren wie Höhe der elektrischen Spannung, Stromstärke, Größe des elektrischen Körperwiderstands, Dauer des Stromflusses und Stromfrequenz (niederfrequenter/hochfrequenter Wechselstrom [79, 80]). Natürlich ist auch der primäre Gesundheitszustand des Opfers von Bedeutung [14]: So können offenbar Körperkontakte mit Spannungen von 25 V bereits gefährlich [84] und von 46 V tödlich [207] sein. Im Nervensystem kommt es durch Ionenverschiebung zu Störungen von Reizbildung und Reizleitung – besonders am Herzen. An den Gefäßen kann sich eine Permeabilitätsstörung als Folge von Gefäßspasmen entwickeln. Schließlich werden sekundäre mechanische und toxische Schäden beobachtet. Morphologie. Eine venöse Hyperämie tritt zusammen mit unterschiedlich ausgeprägten Diapedeseblutungen, vor allem in der Umgebung des 3. Ventrikels des Gehirns, am Boden der Rautengrube und in der Großhirnrinde (Rinden-Mark-Grenze) auf – allerdings auch bis hin zu ausgedehnten Blutungen [206]. Die Blutungen sind einerseits durch die venöse Hyperämie, andererseits durch Gefäßspasmen und durch eine strombedingte Blutdruck-
Trauma
steigerung verursacht [99]. Das Hirnödem ist sowohl Folge einer elektrisch bedingten Schrankenstörung als auch der Blutdrucksteigerung. Demyelinisation, Chromatolyse und Gefäßwandveränderungen fanden sich bei 5 zum Tode Verurteilten, die auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet worden waren [201a]. In Einzelfällen werden zerebrale venöse Thromben beschrieben [169, 211]. Als Späterkrankung wird eine elektrotraumatische Spinalatrophie beschrieben [116, 168, 174], die Wochen bis Monate nach der Einwirkung auftreten kann. Ursache ist eine Erweichung mit Entmyelinisierung des Halsmarks auf Höhe des 5. bis 7. Halswirbelkörpers, die mit Blutungen einhergehen kann und in einer Höhlenbildung endet [7]. Ferner wurde eine spastische Spinalparalyse beobachtet [99, 166], jeweils mit Entmarkung im Hinterund Hinterseitenstrang. Vereinzelt bildet sich ein Hydrocephalus internus aus [11]. Ungeklärt sind bisher psychopathologische Spätfolgen ohne morphologisches Äquivalent, die als posttraumatisches Stresssyndrom in Erscheinung treten [92, 176, 177].
Verletzung durch Hochspannungskontakt und Blitzschlag Klinik. Sowohl bei Unfällen an Hochspannungsanlagen als auch bei Blitzeinwirkung entstehen Verletzungen, selbst ohne direkten Berührungskontakt, durch Überschlag in der Luft. Bei Gewitter kann es unter verschiedensten Umständen zum Blitzschlag kommen, der lebensgefährlich – aber nicht immer tödlich – ist [20, 100, 126]. Der Tod kann infolge Kammerflimmerns akut eintreten [118]. Wenn der Blitzschlag zunächst überlebt wird, dominieren sekundäre Veränderungen (Brandverletzungen, zerebrale Ischämie infolge einer – evtl. vorübergehenden – Asystolie u. Ä.), die von sich aus auch zum Tode führen können. In Fällen des dauerhaften Überlebens muss an permanente kardiale Funktionsstörungen gedacht werden. Morphologie. Verbrennungswunden sind an den Orten des Stromübertritts in der Haut erkennbar. Erfolgt der Hochspannungsüberschlag im Kopfbereich, so kommt es zu lokalen Verbrennungen, die zunächst Ober- und Unterhaut betreffen, jedoch auch mit subarachnoidalen oder sogar parenchymatösen Hirnblutungen einhergehen können [9, 98]. In einem Fall wurde eine epidurale Blutung beobachtet [142], in anderen Einzelfällen auch Blutungen in die Basalganglien [9]. Im Gehirn kann es zu petechialen Blutungen kommen, zu einer Verbreiterung der perivaskulären Spalträume, zur Ausbildung von Gasblasen als Folge der Elektolyse, zu Thromben kleiner Gefäße, zu neuronalen Veränderungen – bis hin zur hypoxischen Enzephalopathie mit Hirnödem –, während im Rückenmark eine Demyelinisation möglich ist [97].
435
Spezielle physikalische Traumen
Strahlungstrauma Ionisierende Strahlen wirken auf zellulärer und molekularer Ebene und können folgende Störungen verursachen: • Störungen im Bereich der Zellkernsubstanz mit Verlust der Replikationsfähigkeit der DNS sowie Störung der Chromosomen und Auslösung von Mutationen und abnormem Zellwachstum [189a]; • Inaktivierung von Enzymen, Erzeugung freier Bindungsradikale oder -valenzen an Molekülen und Atomen; • Reduktion des Hirnstoffwechsels, besonders des zerebralen Glukoseverbrauchs [38]; • Abtötung von Zellen [31] und Organismen durch Zerstörung des organischen Molekulargefüges.
chermaßen in Form einer akuten Strahlennekrose geschädigt; zwischen 50 und 70 Gy entwickelt sich eine Partialnekrose im Strahlenzentrum. Das Gewebe reagiert mit einer Nekrose und reaktiven Gliose; es kommt zu Kalkeinlagerung, entzündlichen Reaktionen, Gefäßproliferation und Hyalinisation. Es infiltrieren zunehmend T-Zellen (CD4, CD8) und Makrophagen; freigesetzt werden TNF-α sowie Interleukin-6 [107]. Bei weiterer Reduzierung ergibt sich eine erhöhte Vulnerabilität der Markscheiden gegenüber den Nervenzellen. Die Nervenzellen zeigen Veränderungen im Sinne einer zentralen Chromatolyse. Durch Störung der Blut-Hirn-Schranke entwickelt sich ein Hirnödem, das maßgebend für die morphologischen Folgen ist. Die Oligodendroglia ist strahlensensibler als die Astroglia, die ihrerseits strahlensensibler als die Nervenzelle ist. Transitorische Strahlenmyelopathie
Die Strahlungsenergie wirkt durch Radiolyse des Wassers innerhalb des Gewebes und löst die Freisetzung von OHund H-Radikalen aus, u. a. durch Reaktion mit Aminosäuren sowie den SH-Gruppen an Zell- und Organellenmembranen. Im Bereich komplexerer Moleküle ändern Strahlen die Aktivität von Enzymen, wodurch eine Akkumulation von enzymabhängigen Substanzen entsteht. Der entscheidende pathogenetische Faktor aber ist die Schädigung der Reproduktionskapazität der Zelle mit der Folge einer akuten Strahlennekrose bis hin zur Mutation. Vulnerabel sind vor allem die teilungsfähigen Zellen innerhalb des ZNS, also vor allem die Endothel- und Muskelzellen der Gefäßwand sowie die Gliazellen [75, 213]. Die kombinierte Wirkung auf Gefäßwände und Parenchym verursacht in frühen Stadien eine Schädigung besonders der Oligodendroglia und des übrigen Parenchyms, während Astrozyten in der Umgebung aktiviert werden können [237]. In Spätstadien entwickeln sich vor allem Schädigungen der Gefäßwand [148]. Als wesentliche Einflussfaktoren werden heute Zytokine und Wachstumsfaktoren angesehen [107]. Das kindliche zentrale Nervensystem weist eine deutlich erhöhte Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden Strahlen auf [210], die, beginnend im Fetalstadium, mit zunehmendem Alter geringer wird. Das noch in Entwicklung und Bemarkung befindliche Gehirn zeigt mithin eine erhöhte Strahlensensibilität.
Akute Strahlenschäden Strahlennekrose
Bei einer Ganzkörperbestrahlung von mehr als 100 Gy tritt der Tod innerhalb von Stunden ein, wobei im Tierexperiment ab 50 Gy die Schädigung des ZNS führend ist. Bei lokaler Bestrahlung des Kopfes mit dem Betatron sind oberhalb von 70 Gy graue und weiße Substanz glei-
Das Rückenmark ist generell empfindlicher gegenüber ionisierenden Strahlen als das Großhirn [190], offenbar durch eine vergleichsweise geringere Knochenabsorption bedingt [48]. Besonders der Zervikalbereich kann bei Bestrahlung von Tumoren in der Mundhöhle und in den Pharynx- und Larynxabschnitten betroffen sein. Die für die Bestrahlung in diesem Bereich angegebene Toleranzdosis schwankt zwischen 10 und 60 Gy [48]. Unter den heute üblichen therapeutischen Bedingungen (55–60 Gy, verteilt auf 5–6 Wochen) ist in einer durchschnittlichen Häufigkeit von 1–5% mit einer Strahlenmyelopathie zu rechnen. Die besondere Vulnerabilität der Oligodendroglia führt bevorzugt zu Entmarkungen, die betont in den Hintersträngen auftreten und die als Ursache des Lhermitte-Zeichens angesehen wird (unangenehme elektrisierende Parästhesien bei Kopfbeugung).
Chronische Strahlenschäden Die Latenzzeit zwischen Bestrahlung und Beginn der klinischen Symptome liegt zwischen wenigen Monaten und 13 Jahren – im Mittel bei 16,4 Monaten [48]. Es wird eine akut entstehende von einer progredienten chronischen Form unterschieden: • Akut einsetzender Strahlenspätschaden: Sowohl am Gehirn als auch – besonders – am Rückenmark können sich innerhalb kurzer Zeit Symptome einer Spätschädigung ausbilden. Innerhalb von Tagen können sich u. a. inkomplette oder komplette Querschnittssyndrome ebenso wie andere zentralnervöse Ausfallserscheinungen entwickeln, wobei morphologisch nicht die Gefäßwandveränderungen, sondern eine Schädigung der Glia mit Entmarkung bis zum Grad der Marknekrose im Vordergrund stehen. Die in ihrer Replikationsfähigkeit geschädigten Gliazellen entwickeln nach mehreren Mitosestadien während
436
Kapitel 15
der Latenzzeit Funktionsstörungen, wie sie auch bei Endothelzellen beobachtet werden [75]. • Chronisch-progredienter Strahlenspätschaden: Klinisch stehen bei Rückenmarkschäden ausgeprägte sensible Störungen (54%) im Vordergrund, während eine Kombination von motorischen und sensiblen Ausfällen (21%) bzw. initiale Paresen (22%) deutlich seltener zu beobachten sind [48]. Bei dieser prognostisch ungünstigen Form von Spätschaden steht die vaskuläre Komponente im Vordergrund (Abb. 15.17). Gleichzeitig wird eine Abblassung der Markscheiden bis zur völligen Entmarkung sowie eine leichte spongiöse Auflockerung beobachtet.
Akustisches Trauma
Trauma
PREVENT (Preventing Violent Explosive Neurotrauma) im Rahmen der DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), und es konnte ein Heft der Zeitschrift Journal of Neurotrauma unter den Gasteditoren Kochanek und Kollegen (Vol 26, Heft 3, 2009) diesem Thema gewidmet werden. Wenn auch kein Zweifel daran besteht, dass eine Hirnschädigung durch Schallwellen stattfinden kann, so liegen bisher jedoch keine neuropathologischen Untersuchungen vor. Zurzeit werden vor allem Tiermodelle entwickelt, die dazu dienen, das Zustandekommen isolierter schallbedingter Hirnschädigungen zu studieren. Eine Übersicht über den aktuellen Stand morphologischer Folgeveränderungen wird von Cernak et al. [29a] und Leung et al. [115a] gegeben. Diese Autoren beschreiben neuronale Schwellungen, Gliareaktionen und eine Myelinzertrümmerung.
Knalltrauma Spätestens seit der monographischen Übersicht von Pfander et al. [175] ist die Wirkung von Schallwellen auf das Gehirn außer Zweifel. Dieses Thema aber ist besonders heute hochaktuell durch die Folgewirkungen bei Veteranen des Irak- und Afghanistan-Krieges [128a]. Inzwischen besteht in den USA das Forschungsprogramm
Ultraschalltrauma Eine akzidentelle Exposition hochdosierter Ultraschalleinwirkung ist selten; wirksam werden dabei vor allem thermische Veränderungen [39]. Mit Frequenzen bis zu 10 MHz wird heute Ultraschall im Rahmen der di-
15
a
b
c
b
Abb. 15.17a–d Strahlungsbedingte Verletzungen des Gehirns. a–c Hyalinisierung der intrazerebralen Gefäße, fibrinoide Nekrose.
d Extreme Gliose des Hirnparenchyms (a,b Trichrom, c van Gieson, d Holzer; Vergrößerungen a,c,d ×300, b ×1000)
Spezielle physikalische Traumen
a
437
b
Abb. 15.18a,b Tauchunfall. a Intravenöse, blasenförmige Aussparungen als Hinweis auf Gasblasen im Blut. b Intrazerebrale, kreis-
runde Parenchymaussparungen infolge Gasfreisetzung aus dem Gewebe (a,b HE, Vergrößerung a,b ×100)
agnostischen Sonographie angewandt. Durch Ultraschall kommt es außerdem zu einer mechanischen Einwirkung auf das Gewebe, deren Ausmaß von der Dosierung (Frequenz, Intensität und Expositionszeit) abhängig ist [123]. Die Bestrahlung von Hirngewebe mit Ultraschall von 2,7 MHz für 2 s verursachte beim anästhesierten Tier eine Temperatur von 55 °C. Wird das ZNS mit hochenergetischem fokussiertem Ultraschall behandelt, so entsteht eine lokale Koagulationsnekrose, deren Ausdehnung von der Dosierung abhängig ist [10, 71].
ein Ausgleich über die Lunge erfolgen kann. Das Auftreten von Gas in freiem, nicht gelöstem Zustand beim Auftauchen hängt von der Korrelation zwischen Auftauchtiefe und der Auftauchzeit ab, die für den jeweils nötigen, gefahrlosen Druckausgleich berechnet werden muss.
Barotrauma Dekompressionstrauma Das Dekompressionstrauma (Caisson-Trauma) tritt bei Unfällen von professionellen Tauchern (Brückenbau, Bau von Bohrinseln) ebenso auf wie bei solchen von Sporttauchern. Auch im Rahmen von Therapiemethoden der Alternativmedizin (Ozon- und Überdruckbehandlung) kann es zum Caisson-Trauma kommen. Ab etwa 100 m Tauchtiefe tritt der Tiefenrausch ein, mit Euphorie, Denkund Koordinationsstörungen [208]. Es besteht zusätzlich die Gefahr einer Sauerstoffvergiftung (Oxidose) mit hirnorganischem Anfall und Bewusstseinsverlust. Pathogenese. Die Krankheitsbilder entstehen bei Änderung des Atmosphärendrucks von übernormal auf normal. Beim Tauchen steigt in der Tiefe des Wassers der hydrostatische Druck, der auf dem menschlichen Körper lastet, proportional zur Tauchtiefe an. Die Druckerhöhung bedingt eine proportional stärkere Lösung der Atemgase, insbesondere von Stickstoff, in Blut und Gewebe, so dass es hier zu einer Übersättigung kommt. Wird zu schnell aufgetaucht [75] und erfolgt mithin die Dekompression zu schnell, werden die im Überdruck gelösten Gase in Form von Bläschen wieder freigesetzt, ohne dass
Morphologie. Die frei werdenden Gase sind intra- sowie interzellulär ebenso wie extra- und intravasal nachweisbar [147]. Es kann eine Gasblasenembolie ebenso wie eine lokale Gasblasenentstehung beobachtet werden, zusammen mit einer Störung der Mikrozirkulation, einer disseminierten intravaskulären Gerinnung und Lipidembolie bzw. Fettembolie [170]. Im Gehirn finden sich herdförmig spongiöse Auflockerungen und Zeichen einer Schrankenstörung sowie multiple blasenförmige Gewebeverdrängungen, die wie ausgestanzt wirken (Abb. 15.18). Die gleichzeitig zu beobachtenden Schrankenstörungen sind offenbar nicht Folge der Gasfreisetzung, sondern die Konsequenz der sekundären Ischämie [73]. Angemerkt werden muss jedoch, dass der Nachweis einer blasenförmigen Freisetzung von Gas für sich genommen keinen Beweis für einen „vitalen“ Vorgang darstellt und damit auch die Todesursache nicht bewiesen werden kann. Der gleiche Vorgang einer Dekompression erfolgt auch bei der Bergung einer frischen Leiche, in deren Blut nach einem Tauchgang unter Überdruck gelöstes Gas enthalten ist, das bei Druckentlastung – auch in der Leiche – wieder freigesetzt wird [151]. Bei Berufstauchern kann es aufgrund rezidivierender Gasfreisetzung zu chronischen, kleinherdigen Narben im Zentralnervensystem kommen, wobei besonders das Rückenmark betroffen ist [143, 214]. Außerdem kann sich eine chronische Gefäßerkrankung entwickeln [167]. Klinik. Als nachweisbare Veränderungen treten auf: Bradykardie, Muskel- und Knochenschmerz, Schock, Bewusstseinsverlust und Lähmungen disseminierter Art [173]. Die Diagnose wird anamnestisch und/oder röntgenologisch gestellt.
438
Kapitel 15
Luftembolie Venöse Luftembolien entstehen bei operativen Eingriffen durch Eröffnung herznaher Venen oder nach Schädelbasisfrakturen durch Eröffnung der großen venösen Sinus. Früher verursachten Infusionspumpen ohne Rückschlagventil wiederholt tödliche Luftembolien: sie pumpten atmosphärische Luft in das Gefäßsystem, wenn die Infusionsflasche keine Flüssigkeit mehr enthielt. Arterielle Luftembolien können beim Tauchgang auftreten, wenn bei extremer Ausdehnung der Lungen diese einreißen (Barotrauma) und Luft in das Gefäßsystem gelangt [235]. Arterielle Gasembolien sind auch im Rahmen hyperbarer Sauerstoffbehandlung beschrieben worden [18]. Klinisch treten akute Krämpfe, Sehstörungen und Paresen auf. Morphologie. Ischämische Enzephalomalazien sowie ischämische Ganglienzellveränderungen (Tigrolyse) sind ebenso zu beobachten wie gasbedingte Vakuolen in Gefäßen und Kapillaren sowie Mikrozirkulationsstörungen. Immer wieder wurden in der Rinde, den Meningen sowie – seltener – im Mark lokalisierte, kleinfleckige Blutungen beobachtet [84], die in topographischem Zusammenhang mit den durch Luftembolie verschlossenen Gefäßen stehen [185]. Perikapillär und periarteriolär kommt es zur Ansammlung von Luft-Plasma-Gemischen oder zu Luftblähung der kapillären Gliakammern und der Virchow-Robin-Räume (Emphysem der Gefäßscheide nach Rössle [185]).
15
Trauma
heitsbild zeigt einerseits klinische Zeichen einer AMS, ist jedoch zusätzlich durch neurologische Ausfälle gekennzeichnet, durch eine Gangataxie und durch Bewusstseinsstörungen. Ein vasogenes Ödem des Corpus callosum sowie Mikroblutungen werden als charakteristische morphologische Veränderungen beschrieben [90]. Die Symptomatik erklärt sich durch den erhöhten Hirndruck [232], wobei eine venöse Hypertension als zusätzlicher pathogener Faktor angesehen wird [233]. Dieses Krankheitsbild wurde in 27% der 406 Fälle beschrieben [115]. • Höheninduziertes Lungenödem („high-altitude pulmonary edema“, HAPE). Hierbei handelt es sich um ein Krankheitssyndrom mit dem Leitsymptom eines Lungenödems, das bei anhaltenden pathologischen Druckverhältnissen ebenso fatal enden kann wie HACE. Dieses Krankheitsbild wurde isoliert in 34% der Fälle beobachtet; in Kombination mit HACE in 27% der Fälle [115].
Literatur 1.
2.
3.
Höhenkrankheit Die Höhenkrankheit tritt etwa ab 3500–5500 m Höhe auf und ist durch einen Sauerstoffmangel im Sinne einer Hypoxidose gekennzeichnet, wodurch es zu einer Einschränkung der Zellfunktion kommt. Klinisch und pathologisch-anatomisch werden die im Folgenden aufgeführten Formen der Höhenkrankheit unterschieden [16, 183]. Ob sich im Einzelfall eine dieser Formen ausbildet und welche, ist nicht vorherzusagen. Offenbar bestehen erheblich individuelle Unterschiede, die durch Training bis zu einem gewissen Grad auszugleichen sind. • Akute Bergkrankheit („acute mountain sickness“, AMS) mit den klinischen Symptomen einer generaliserten Hirnhypoxie und der morphologischen Folge einer elektiven Nervenzellnekrose. AMS wurde in ca. 18% (von 406 untersuchten Fällen) beobachtet [115]. Ursächlich ist offenbar eine hypobare Hypoxie, wobei die eigentlichen Mechanismen unbekannt sind. Im Tierexperiment konnte ein neuronaler Ausfall in der CA3Region des Hippokampus beobachtet werden [128]. • Höheninduziertes Hirnödem („high-altitude cerebral edema“, HACE). Dieses als Entität angesehene Krank-
4.
5.
6.
7. 8.
9.
Adams JH, Scott G, Parker LS, Graham DI, Doyle D (1980) The contusion index: a quantitative approach to cerebral contusions in head injury. Neuropathol Appl Neurobiol 6: 319–324 Adams JH, Graham DI, Muray LS, Scott G (1982) Diffuse axonal injury due to non-missile head injury in humans: an analysis of 45 cases. Ann Neurol 12: 557–563 Adams JH, Doyle D, Graham DI et al. (1985) The contusion index: a reappraisal in human and experimental nonmissile head injury. Neuropathol Appl Neurobiol 11: 299–308 Adams JH, Doyle D, Graham DI, Lawrence AE, McLellan DR (1986) Deep intracerebral (basal ganglia) haematomas in fatal nonmissile head injury in man. J Neurol Neurosurg Psychiatry 49: 1039–1043 Adams JH (1992) Head injury. In: Adams JH, Duchen LW (eds) Greenfields neuropathology. Arnold, London, pp 106–152 Albuquerque FC, Giannotta SL (1997) Arachnoid cyst rupture producing subdural hygroma and intracranial hypertension: case reports. Neurosurgery 41: 951–955 Alexander L (1938) Electrical injuries to central nervous system. Med Clin North Am 22: 663–688 Alm P, Sharma HS, Hedlund S, Sjöquist P-O, Westman J (1998) Nitric oxide in the pathophysiology of hyperthermic brain injury. Influence of a new anti-oxidant compound H-290/51. Amino Acids 14: 95–103 Andrews CJ, Eadie M, ten Duis HJ (1992) Pathophysiology of lightning injury. In: Andrews CJ, Cooper MA, Darveniza M, Mackerras D (eds) Lightning injuries: electrical, medical and legal aspects. CRC, Boca Raton/FL, pp 71–114
Literatur
10.
11. 12. 13.
14.
15.
16. 17.
18.
19. 20. 21.
22. 23. 24.
25. 26. 27.
28. 29.
Aström KE, Bell E, Ballantine HT Jr, Heidensleben E (1961) An experimental neuropathological study of the effects of high frequency focused ultrasound on the brain of the cat. J Neuropathol Exp Neurol 20: 484–520 Bach W (1950) Hirnorganische Dauerfolgen nach Verletzung durch Blitzschlag. Nervenarzt 21: 16–20 Bakay L, Lee JC, Lee GC, Peng JR (1977) Experimental cerebral contusion. J Neurosurg 47: 525–531 Bandak FA (1997) Impact traumatic brain injury: a mechanical perspektive. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms. Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 59–83 Barnes GR, Madie P, Blackmore DK (1996) Assessment of the human aspects of electric lancing of whales by measurement of current densities in the brain and heart of dead animals. Med Biol Eng Comput 34: 436–440 Barratt-Boyes BG, Neutze JM, Clarkson PM, Shardey GC, Brandt PWT (1976) Repair of ventricular septal defect in the first two years of life using profound hypothermia-circulatory arrest techniques. Ann Surg 184: 376–390 Basnyat B, Murdoch DR (2003) High altitude illness. Lancet 361: 1967–1974 Behrmann S, Mandybur T, McMenemey WH (1962) Un cas de maladie Creutzfeld-Jakob à la suite d’un traumatisme cérébrale. Rev Neurol 107: 453–459 Benson J, Adkinson C, Collier R (2003) Haperbaric oxygen therapy of iatrogenic cerebral arterial gas embolism. Undersea Hyperb Med Summer 30: 117–126 Berry H (2000) Chronic whiplash syndrome as a functional disorder. Arch Neurol 57: 592–594 Blount BW (1990) Lightning injuries. Am Fam Physician 42: 405–415 Blumbergs PC, Scott G, Manavis J, Wainwright H, Simpson DA, McLean AJ (1995) Topography of axonal injury as defined by amyloid precursor protein and the sector scoring method in mild and severe closed head injury. J Neurotrauma 12: 565–571 Bogduk N, Teasell R (2000) Whiplash – The evidence for an organic etiology. Arch Neurol 57: 590–591 Boulant JA (1991) Thermoregulation. Raven, New York, pp 1–21 Bratzke H (1997) The origin of brain stem hemorrhages. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms. Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 93–104 Breig A (1978) Adverse mechanical tension in the central nervous system. Wiley & Sons, New York Brinkmann K, Schaefer H (1982) Der Elektrounfall. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 139–202 Brown PL, Wise RA, Kiyatkin EA (2003) Brain hyperthermia is induced by methamphetamine and exacerbated by social interaction. J Neurosci 23: 3924 Büchner F (1962) Allgemeine Pathologie, 4. Aufl. Urban & Schwarzenberg, München Cave WS (1983) Acute nontraumatic subdural hematoma of arterial origin. J Forensic Sci 28: 786–789
439
29a. Cernak I, Wang Z, Jiang J, Bian X, Savic J (2001) Ultrastructural and functional characteristics of blast injuryinduced neurotrauma. J Trauma 50: 695–706 30. Cervos-Navarro J. Sharma HS, Westman J. BongcamRudloff E (1998) Glial reactions in the central nervous system following heat stress. Progr Brain Res 115: 241–274 31. Chan YL, Yeung DK, Leung SF, Cao G (1999) Proton magnetic resonance spectroscopy of late delayed radiation-induced injury of the brain. J Magn Reson Imaging 10: 130–137 32. Cherington H, Yarnell PR, London SF (1995) Neurologic complications of lightning injuries. West J Med 162: 413– 417 33. Chien A, Eliav E, Sterling M (2008) Whiplash (grade II) and cervical radiculopathy ahare a similar sensory presentation: an investigation using quantitative sensory testing. Clin J Pain 24: 595–603 34. Cooper GJ, Dudley HAE, Gann DS, Little RA, Maynard RL (1997) Scientific foundations of trauma. ButterworthHeinemann, Oxford 35. Corbett D, Thornhill J (2000) Temperature modulation (hypothermic and hyperthermic conditions) and its influence on histological and behavioural outcomes following cerebral ischemia. Brain Pathol 10: 145–152 36. Corsellis JAN, Bruton CJ, Freeman-Browne D (1973) The aftermath of boxing. Psychol Med 3: 270–303 37. Corsellis JAN (1989) Boxing and the brain. BMJ 298: 105–109 38. D’Avella D, Cicciarello R, Cagliardi ME, Albiero F, Mesiti M, Russi E, D’Aquino A, Tomasello F (1994) Progressive pertubations in cerebral energy metabolism after experimental whole-brain radiation in the therapeutic range. J Neurosurg 81: 774–779 39. Davies JWL (1997) Interactions of heat with tissues. In: Cooper GJ, Dudley HAF, Gann DS, Little RA, Maynard RL (eds) Scientific foundations of trauma. ButterworthHeinemann, Oxford, pp 389–409 40. Dick JPR (1992) Hazards of lumbar puncture. In: Chritchley E, Eisen A (eds) Diseases of the spinal cord. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp 35–40 41. Dirnhofer R, Patschneider H (1977) Zur Entstehung von Hirnstammverletzungen. Z Rechtsmed 79: 25–45 42. Döpper T, Spaar FW, Orthner H (1972) Zur Neuropathologie des posttraumatischen Hirndrucks im Kindesalter. Z Neurol 202: 37–51 43. Dotzauer G (1974) Zum Problem des sog. Brandhämatoms. Z Rechtsmed 75: 21–24 44. Dotzauer G, Jacob H (1952) Über Hirnschäden unter akutem Verbrennungstod. Dtsch Z Gerichtl Med 41: 129–146 45. Erecinska M, Thoresen M, Silver IA (2003) Effects of hypothermia on energy metabolism in mammalian central nervous system. Cereb Blood Flow Metab 23: 513–530 46. Flamm ES, Demopoulos HV, Seligman MI, Thomasula JJ, De Crescito V, Ransohoff J (1977) Ethanol potentiation of central nervous system trauma. J Neurosurg 46: 328–335
440
Kapitel 15
47.
48. 49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
15
56.
57.
58.
59.
60.
61.
Freytag E (1963) Autopsy findings in head injuries from blunt forces. Statistical evaluation of 3367 cases. Arch Pathol 75: 402–413 Fröscher W (1976) Die Strahlenschädigung des Rückenmarks. Fortschr Neurol Psychiat 44: 94–135 Fujita MO, Oritani S, Zhu B-L, Quan L, Ishida K Maeda H (1998) Post-mortem blood acetone concentration in forensic autopsy. In: Abstracts of the 6th Indo-Pacific Congress on Legal Medicine and Forensic Sciences, Kobe, PS 3–6 Geddes JF, Vowles GH, Beer TW, Ellison DW (1997) The diagnosis of diffuse axonal injury: implications for forensic practice. Neuropathol Appl Neurobiol 23: 339–347 Geddes JF, Whitwell HL, Graham DI (2000) Traumatic axonal injury: practical issues for diagnosis in medicolegal cases. Neuropathol Appl Neurobiol 26: 105–116 Geddes JF, Hachshow AK, Vowles GH, Nicols CO, Whitewell HL (2001) Neuropathology of inflicted head injury in children. I Patterns of brain damage. Brain 124: 1290– 1298 Geddes JF, Vowles GH, Hachshow AK, Nicols CO, Scott IS, Whitewell HL (2001) Neuropathology of inflicted head injury in children. II. Microscopic brain injury in infantss. Brain 124: 1299–1306 Geddes JF, Tasker RC, Hackshaw SK, Nickols CD, Adams GG, Whitwell HL, Scheimberg I (2003) Dural haemorrhage in non-traumatic infant death: does it explain the bleeding in „shaken baby syndrome“? Neuropathol Appl Neurobiol 29: 14–22 Gennarelli TA, Spielman GM, Langfitt TW et al. (1982) Influence of the type of intracranial lesion on outcome from severe head injury. J Neurosurg 56: 26–36 Gentleman D, North F, Macpherson P (1989) Diagnosis and management of delayed traumatic haematomas. Brit J Neurosurg 3: 367–372 Gentleman SM, Lynch A, Graham DI, Roberts GW (1992) Deposition of bA4 amyloid protein in the brain following severe head trauma. Clin Neuropathol 11: 137–185 Gentleman SM, Nash AJ, Sweeting CJ, Graham DI, Roberts GW (1993) b-Amyloid precursor protein (b-APP) as a marker of axonal injury after head injury. Neuroscience Letters 160: 139–144 Gentleman SM, Graham DI (1997) Head injury and Alzheimer-type pathology: some forensic considerations. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms. (Research in legal medicine, vol. 17) Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 161–171 Gerling I, Meißner, C, Reiter A, Oehmichen M (2000) Tod durch thermische Einwirkung. In: Oehmichen M (Hrsg) Hyperthermie, Brand und Kohlenmonoxid. (Research in legal medicine, vol 21). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 241–264 Geserick G (1997) Extraordinary types of contrecoup injury. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms. Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 85–92
Trauma
62.
63.
64.
65. 66. 67. 68.
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77. 78.
Graeber MB, von Eitzen U, Grasbon-Frodl E, Egensperger R, Kösel S (1997) Microglia: a „sensor“ of pathology in the human CNS. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms. (Research in legal medicine, vol 17) Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 239–252 Graham DI, Ford I, Adams JH, Doyle D, Teasdale GM, Lawrence AE, McLellan, DR (1989) Ischaemic brain damage is still common in fatal non-missile head injury. J Neurol Neurosurg Psychiatry 52: 346–350 Graham DJ, Gennarelli TA, McIntosh TK (2002) Trauma. In Graham DI, Lantos PL (eds) Greenfield’s neuropathology, 7th edn, vol 1. Arnold, London New York New Dehli, pp 823–898 Grimberg L (1934) Paralysis agitans and trauma. J Nerv Ment Dis 79: 14–42 Gross AG (1958) A new theory on the dynamics of brain concussion and brain injury. J Neurosurg 15: 548–561 Gurdjian ES (1975) Impact head injury. Thomas, Springfield/IL Hagedorn M, Pfrime B, Mittermayer C, Sandritter W (1975) Intravitale und pathologisch-anatomische Beobachtungen beim Verbrennungsschock des Kaninchens. Beitr Pathol 155: 398–409 Hellbusch LC (2007) Benign extracerebral fluid collections in infancy: clinical presentation and long-term follow-up. Neurosurgery 107 (Suppl 2): 119–125 Henn R (1989) Schädeltrauma In: Cervos-Navarro J, Ferszt R (Hrsg) Klinische Neuropathologie. Thieme, Stuttgart, S 299–319 Heyck H, Höpker W (1952) Hirnveränderungen bei der Ratte nach Ultraschall. Monatsschr Psychiat Neurol 123: 42–64 Hiss J, Kahana T, Kugel C (1994) Fatal classic and exertional heat stroke – report of four cases. Med Sci Law 34: 339–343 Hjelde A, Bolstad G, Brubakk AO (2002) The effect of air bubbles on rabbit blood barrier. Undersea Hyperb Med 29: 31–38 Hollander D, Strich SJ (1970) Atypical Alzheimer’s disease with congophilic angiophathy presenting with dementia of acute onset. In: Wolstenholme GEW, O’Connor M (eds) Alzheimer’s disease and related conditions. Churchill, London, pp 105–124 Hopewell JW (1979) Late radiation damage to the central nervous system: a radiobiological interpretation. Neuropathol Appl Neurobiol 5: 329–343 Horsburgh K, Cole GM, Yang F et al. (2000) β-Amyloid (Abeta)42(43), abeta42, abeta40 and apoE immunostaining of plaques in fatal head injury. Neuropathol Appl Neurobiol 26: 124–132 Hughes JT (1978) Pathology of the spinal cord. LloydLuke, London Hussenbocus SM, Wilby MJ, Cain C, Hall D (2009) Spontaneous spinal epidural hematoma: a case report and literature review. J Emerg Med (Epub ahead of print)
Literatur
79.
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
88.
89.
90.
91.
92.
93.
94.
IEC (1987) International Electrotechnical Commission. Effects of current passing through the human body – Part 2: Special aspects. Technical Report IEC 479–2, Genf IEC (2005) International Electrotechnical Commission. Effects of current on human beings and lifestock – Part 1: General aspects. Technical Report IEC TS 60479-1, Genf Ishibashi A, Yokokura Y, Miyagi J (1994) Clinical analysis of nineteen patients with traumatic subdural hygromas. Kurume Med J 41: 81–85 Jacob H (1955) Wärme- und Kälteschädigungen des Zentralnervensystems. In: Lubarsch O, Henke F, Rössle R (Hrsg) Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie, Bd XII/3. Springer, Berlin Göttingen Heidelberg, S 288–326 Jacobsen PL, Farmer TW (1979) The „hypernormal“ CT scan in dementia: Bilateral isodense subdural hematoms. Neurology 29: 1522–1524 Janssen W (1967) Zur Pathogenese und forensischen Bewertung von Hirnblutungen nach cerebraler Luftembolie. Dtsch Z Gerichtl Med 61: 62–80 Janzon B (1997) Projectile-material interactions: simulants. In: Cooper GJC, Dudley HAF, Gann DS, Little RA, Maynard RL (eds) Scientific foundations of trauma. Butterworth-Heinemann, Oxford, pp 26–36 Janzon B, Hull JB, Ryan JM (1997) Projectile-material interactions: soft tissue and bone. In: Cooper GJC, Dudley HAF, Gann DS, Little RA, Maynard RL (eds) Scientific foundations of trauma. Butterworth-Heinemann, Oxford, pp 37–52 Jelkmann W (2000) Physiologische Möglichkeiten und Grenzen der Wärmeabwehr. In: Oehmichen M (Hrsg) Hyperthermie, Brand und Kohlenmonoxid. (Research in legal medicine, vol 21). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 63–77 Jennett B, Snoek J, Bond MR, Brooks N (1981) Disability after severe head injury: oberservations on the use of the Glasgow outcome scale. J Neurol Neurosurg Psychiatry 44: 285–293 Kaiser Ch, Schnabel A, Berkefeld J, Bratzke H (2008) Traumatic rupture of the intracranial vertebral artery due to rotational acceleration. Forensic Sci Int 182: 15–17 Kallenberg K, Dehnert C, Dörfler A, Schellinger PD, Balley DM, Knauth M, Bärtsch PD (2008) Microhemorrhages in nonfatal high-attitude cerebral edem. J Cereb Blood Flow Metab 28: 1635–1642 Kaur B, Rutty GN, Timperley WR (1999) The possible role of hypoxia in the formation of axonal bulbs. J Clin Pathol 52: 203–209 Kelley KM, Tkachenko TA, Pliskin NH, Fink JW, Lee RC (1999) Life after electrical injury. Ann NY Acad Sci 888: 356–363 Kilbourne EM (1997) Heat waves and hot environments. In: Noji EK (ed) The public health consequences of disasters. Oxford University Press, New York, pp 245–269 Kirkpatrick JB, Pearson J (1978) Fatal cerebral injury in the elderly. J Am Geriatr Soc 26: 489–497
441
95.
96.
97. 98.
99. 100.
101.
102.
103.
104. 105.
106. 107.
108. 109. 110.
111.
112. 113. 114.
Kiyatkin EA (2004) Brain hyperthermia as physiological and pathological phenomena. Curr Neurovascular Res 1: 77–90 Klein H (1975) Körperschäden und Tod durch Hitze. In: Mueller B (Hrsg) Gerichtliche Medizin, 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 504–533 Kleinschmidt-DeMasters BK (1995) Neuropathology of lightning-strike injuries. Sem Neurol 15: 323–328 Kleiter I, Luerding R, Diendorfer G, Rek H, Bogdahn U, Schalke B (2007) A lightning strike to the head causing a visual cortex defect with simple and complex visual hallucinations. J Neurol Neurosurg Psychiat 78: 423–426 Koeppen S, Pranse F (1955) Klinische Elektropathologie. Thieme, Stuttgart König HG, Pedal I (1983) Analyse eines Blitzunfalls. In: Barz J, Bösche J, Frohberg H, Joachim H, Käppner R, Mattern R (Hrsg) Fortschritte der Rechtsmedizin. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 77–88 Kornberger E, Mair P (1996) Important aspects in the treatment of severe accidental hypothermia: the Innsbruck experience. J Neurosurg Anesthesiol 8: 83–87 Koslowski L, Krause F (1970) Kälte und Wärme. In: Siegenthaler W (Hrsg) Klinische Pathophysiologie. Thieme, Stuttgart, S 970–982 Koszyca B, Blumbergs PC, Manavis J, Wainwright H et al.(1998) Widespread axonal injury in gunshot wounds to the head using amyloid precursor protein as a marker. J Neurotrauma 15: 675–683 Krauland W (1961) Über die Quellen des akuten und chronischen subduralen Hämatoms. Thieme, Stuttgart Krauland W, Stögbauer R (1961) Zur Kenntnis der Schlagaderverletzungen am Hirngrund bei gedeckten stumpfen Gewalteinwirkungen. Beitr Gerichtl Med 21: 171–180 Krauland W (1982) Verletzungen der intrakraniellen Schlagadern. Springer, Berlin Heidelberg New York Kureshi SA, Hofman FM, Schneider JH, Chin LS, Apuzzo ML, Hinton DR (1999) Cytokine expression in radiationinduced delayed cerebral injury. Neurosurgery 35: 822–829 Lahl R (1974) Hirngefäße und Insolation. In: Schulze HAF (Hrsg) Zerebrovaskuläre Insuffizienz. Fischer, Jena Larach MG (1995) Accidental hypothermia. Lancet 345: 493–498 Lassmann H (1997) In situ staging of CNS white matter lesions. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms (Research in legal medicine, vol 17). SchmidtRömhild, Lübeck, pp 253–259 Lee KS, Bae WK, Doh JW, Bae HG, Yun IG (1998) Origin of chronic subdural haematoma und relation to traumatic subdural lesions. Brain Inj 12: 901–910 Lee RC (1997) Injury by electrical forces: pathophysiology, manifestations, and therapy. Curr Probl Surg 34: 677–764 Leestma JE (2008) Forensic neuropathology. Boca Raton/ FL, CRC Press Lende RA, Erickson TC (1961) Growing skull fractures of childhood. J Neurosurg 18: 479–489
442
15
Kapitel 15
115. Leshem E, Pandey P, Shlim DR, Hiramatsu K, Sidi Y, Schwartz E (2008) Clinical features of patients with severe altitude illness in Nepal. J Travel Med 15: 315–322 115a. Leung LY, VandeVord PJ, Dal Cengio AL, Bir C, Yang KH, King AI (2008) Blast related neurotrauma: a review of cellular injury. Mol Cell Biomech 5: 155–168 116. Levine NS, Atkins A, McKee DW, Peck SD, Pruitt BA (1975) Spinal cord injury following electrical accidents: case reports. J Trauma 15: 459–464 117. Li GL, Ahlgren S, Farooque M, Holtz A, Olsson Y (1997) Lesions of axons and dendrites in spinal cord trauma. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms (Research in legal medicine, vol 17). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 187–201 118. Lifschultz BD, Donoghue MD, Donoghue ER (1993) Deaths caused by lightning. J Forens Sci 38: 353–358 119. Lindenberg R, Freytag E (1957) Morphology of cortical contusions. Arch Pathol 63: 23–42 120. Lindenberg R, Freytag E (1969) Morphology of brain lesions from blunt trauma in early infancy. Arch Pathol 87: 298–305 121. Linder A, Carlsson A, Svensson MY, Siegmund GP (2008) Dynamic responses of females and male volunteers in rear impact. Traffic Inj Prev 9: 592–599 122. Liu HC, Lee JC, Bakay L (1979) Experimental cerebral concussion. Acta Neurochir 47: 105–122 123. Lizzi FL, Ostromogilsky M (1987) Analytical modelling of ultrasonically induced tissue heating. Ultrasound Med Biol 13: 707–718 124. Locher T, Walpoth BH, Pfluger D, Althaus U (1991) Kasuistik und prognostische Faktoren. Schweiz Med Wochenschr 121: 1020–1028 124a. Lossemore M, Knowles DH, Whyte GP (2007) Amateur boxing and risk of chronic traumatic brain injury: systematic review of observational studies. Brit Med J 335: 809–812 125. Lubock P, Goldsmith W (1980) Experimental cavitation studies in a model head-neck system. J Biomechanics 13: 1041–1052 126. Mackerras D (1992) Occurrence of lightning death and injury. In: Andrews CJ, Cooper MA, Darveniza M, Mackerras D (eds) Lightning injuries: electrical, medical and legal aspects. CRC, Boca Raton/FL, pp 39–46 127. MacPherson P, Teasdale E, Dhaker S, Allerdyce G, Galbraith S (1986) The significance of traumatic haematoma in the region of the basal ganglia. J Neurol Neurosurg Psychiatry 49: 1039–1043 128. Maiti P, Singh SB, Muthuraju S, Veleri S, Ilavazhagan G (2007) Hypobaric hypoxia damages the hippocampal pyramidal neurons in the rat brain. Brain Res 1175: 1–9 128a. Martin EM, Lu WC, Heimick K, French L, Warden DL (2008) Traumatic brain injuries sustained in the Afghanistan and Iraq war. J Trauma Nurs 15: 94–99 129. Mastaglia FL, Savas S, Kakulas BA (1969) Intracranial thrombosis of the internal carotid artery after closed head injury. J Neurol Neurosurg Psychiatry 32: 382–388
Trauma
130. Matakas FL (1975) Zur Genese sekundärer Hirnstammblutungen. Zentralbl Allg Pathol 119: 223 131. Maxeiner H (1997) Detection of ruptured cerebral bridging veins at autopsy. Foresic Sci Int 89: 103–110 132. Maxeiner H (2009) Subduralblutungen. Ursachen, Arten, Folgen und forensische Aspekte. Rechtsmedizin 19: 111–126 133. Mayer ET (1967) Zentrale Hirnschäden nach Einwirkung stumpfer Gewalt auf den Schädel. Arch Psychiat Z Neurol 210: 238–262 134. McDermott M, Fleming JFR, Vanderlinden RG, Tucker WS (1984) Spontaneous arterial subdural hematoma. Neurosurgery 14: 13–18 135. Mealey J (1960) Acute extradural hematomas without demonstrable skull fractures. J Neurosurg 17: 27–34 136. Mehta, KM, Ott, A, Kalmijn S, Slooter AJC, van Duijn CM, Hofman A, Breteler MMB (1999) Head trauma and risk of dementia and Alzheimer’s disease – The Rotterdam Study. Neurology 53: 1959–1962 137. Meikle J, Bird S, Naghtingale JJ, White N (2008) Detection and management of epidural hematomas related to anaesthesia in the UK: a rationa survey of current praxis. Br J Anaesh 101: 400–404 138. Mellen PF, Weedn VW, Kao G (1992) Electrocution: a review of 155 cases with emphasis on human factors. J Forensic Sci 37: 1016 139. Messmer BJ, Schallberger U, Gattiker R, Senning A (1976) Psychomotor and intellectual development after deep hypothermia and circulatory arrest in early infancy. J Thorac Cardiovasc Surg 72: 495–502 140. Meyermann R, Engel S, Wehner H-D, Schlüsener HJ (1997) Microglial reactions in severe closed head injury. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms (Research in legal medicine, vol 17). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 261–278 141. Minns RA, Brown JK (2005) Neurological perspectives of non-accidental head injury and whiplash/shaken baby sndrome: an overview. In Minns RA, Brown JK (eds) Shaking and other non-accidental head injuries in children. Cambridg, University Press, pp 1–105 142. Morgan ZV, Headly RN, Alexander EA, Sawyer CG (1958) Atrial fibrillation and epidural hematoma associated with lightning stroke. N Engl J Med 259: 956–959 143. Mørk SJ, Morild I, Brubakk AO, Eidsvik S, Nyland H (1994) A histopathologic and immunocytochemical study of the spinal cord in amateur and professional divers. Undersea Hyperb Med 21: 391–402 144. Nahum AM, Smith R, Ward CC (1977) Intracranial pressure dynamics during head impact. Proc 21th Stapp Car Crash Conf: 339–366 145. Nicoll JAR, Graham DI (1997) Apolipoprotein E and head injury. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms. Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 155– 160
Literatur
146. Nilsson B, Nordström CH (1977) Experimental head injury in the rat. J Neurosurg 47: 262–273 147. Novomeský F (1994) Histopathologic features of severe decompression shock: an animal model. In: Oehmichen M, van Laak U, Püschel K, Birkholz M (Hrsg) Der Tauchunfall. (Research in legal medicine, vol 6). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 51–59 148. O’Connor MM, Mayberg MR (2000) Effects of radiation on cerebral vasculature: a review. Neurosurgery 46: 138–151 149. Oehmichen M, Wiethölter H, Grüninger G, Wolburg W (1982) Time-dependency of the lymphatic efflux of intracerebrally applied corpuscular tracers. Light and electron microscopic investigations. Lymphology 15: 112–125 150. Oehmichen M, Eisenmenger W, Raff G, Berghaus G (1986) Brain macrophages in human cortical contusions as indicator of survival period. Forens Sci Int 30: 281–301 151. Oehmichen M, van Laak U (1994) Der tödliche Tauchunfall und seine Begutachtung. In: Oehmichen M, van Laak U, Püschel K, Birkholz M (Hrsg) Der Tauchunfall. (Research in legal medicine, vol 6). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 195–204 152. Oehmichen M, Meissner, C, Schmidt V, Pedal I, König HG (1997) Axonal injury (AI) in a forensic-neuropathological material. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms (Research in legal medicine, vol 17). SchmidtRömhild, Lübeck, pp 203–224 153. Oehmichen M, Meissner, C, Schmidt V, Pedal I, König HG, Saternus KS (1998) Axonal injury – a diagnostic tool in forensic neuropathology? A review. Forensic Sci Int 95: 67–83 154. Oehmichen M, Meissner C, Schmidt V, Pedal I, König HG (1999) Pontine axonal injury after brain trauma and nontraumatic hypoxic-ischemic brain damage. Int J Legal Med 112: 261–267 155. Oehmichen M, Theuerkauf I, Meissner C (1999) Is traumatic axonal injury (AI) associated with an early microglial activtion? Application of a double-labeling technique for simultaneous detection of microglia and AI. Acta Neuropathol 97: 491–494 156. Oehmichen M, Meissner C (1999) Traumatic induced total myelomalacia of the cervical spinal cord associated with a space-occupying subdural hematoma. Clin Neuropathol 18: 308–312 157. Oehmichen M (2000) Hyperthermie, Brand und Kohlenmonoxid im rechtsmedizinischen Aufgabenspektrum. In: Oehmichen M (Hrsg) Hyperthermie, Brand und Kohlenmonoxid. (Research in legal medicine, vol 21). SchmidtRömhild, Lübeck, pp 15–25 158. Oehmichen M, Meissner C, König HG (2000) Brain injury after gunshot wounding: morphometric analysis of cell destruction caused by temporary cavitation. J Neurotrauma 17: 155–162 159. Oehmichen M, Meissner C, König HG (2001) Brain injury after survived gunshot to the head: reactive alterations at sites remote from the missile track. Forens Sci Int 115: 189–197
443
160. Oehmichen M, Walter T, Meissner C (2003) Time course of cortical hemorrhages flollowing closed traumatic brain injury. Stzatistical analysis of posttraumatic histomorphological alterations. J Neurotrauma 20: 87–103 161. Oehmichen M, Meissner C, König HG, Gehl HB (2004) Gunshot injuries to the head and brain caused by low velocity hand guns and rifles. A review. Forensic Sci Int 146: 111–120 162. Oehmichen M, Meissner C. Saternus K-S (2005) Fall or shaken: traumatic brain injury in children caused by falls or abuse at home. A review on biomechanics and diagnosis. Neuropediatrics 36: 240–245 163. Oehmichen M, Schleiss D, Pedal I, Saternus K-S, Gerling I, Meissner C (2008) Shaken baby syndrome: re-examination of diffuse axonal injury as cause of death. Acta Neuropathol (Berlin) 116: 317–329 164. Oehmichen M, Auer RN, König HG (2009) Forensic neuropathology and associated neurology. Springer, Berlin Heidelberg New York 165. Oehmichen M, Jakob S, Mann S, Saternus K-S, Pedal I, Meissner C (2009) Macrophage subsets in mechanical brain injury (MBI). Legal Med 11: 118–124 166. Osyoka P (1963) Messtechnische Untersuchungen über Stromstärke, Einwirkungsdauer und Stromweg bei elektrischen Wechselstromunfällen an Menschen und Tier. Bedeutung und Auswertung für Strakstromanlagen. Elektromed 8: 153–179 167. Palmer AC, Calder IM, Yates PO (1992) Cerebral vasculopathy in divers. Neuropathol Appl Neurobiol 18: 113–124 168. Panse F (1975) Electrical trauma. In: Braakman (ed) Handbook of clinical neurology, vol 23/1. North-Holland, Amsterdam, pp 683–729 169. Patel A, Lo R (1993) Electric injury with cerebral venous thrombosis. Case report and review of the literature. Stroke 24: 903–905 170. Pedal I (1994) Autopsie und Histologie nach Todesfällen beim Sporttauchen. In: Oehmichen M, van Laak U, Püschel K, Birkholz M (Hrsg) Der Tauchunfall. (Research in legal medicine, vol 6). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 129–147 171. Peiffer J (1977) Neuropathologische Grundlagen. In: Anders G, Felten R, Kirsch A (Hrsg) Boxen und Gesundheit. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, S 173–180 172. Peters G (1970) Klinische Neuropathologie. Thieme, Stuttgart 173. Petropoulos EA, Timiras PS (1974) Biological effects of high altitude as related to increased solar radiation, temperature fluctuations and reduced partial pressure of oxygen. Prog Biometeorol 1: 295–311 174. Petty CP, Parkin G (1986) Electrical injury to the central nervous system. Neurosurgery 19: 282–284 175. Pfander F, Bongartz H, Brinkmann H (1975) Das Knalltrauma. Springer, Berlin Heidelberg New York 176. Pliskin NH, Capelli-Schellpfeffer M, Law RT, Malina AC, Kelley KM, Lee RC (1998) Neuropsycological symptom presentation after electrical injury. J Trauma 44: 709–715
444
15
Kapitel 15
177. Pliskin NH, Fink J, Malina A, Moran S, Kelley KM, CapelliSchellpfeffer M, Lee R (1999) The neuropsychological effects of electrical injury. Ann NY Acad Sci 888: 140–149 178. Povlishock JT, Becker DP, Miller JD, Jenkins LW, Dietrich WD (1979) The morphopathologic substrates of concussion? Acta Neuropathol 47: 1–11 179. Povlishock JT (1997) The pathogenesis and implications of axonal injury in traumatically injured animal and human brain. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms (Research in legal medicine, vol 17). SchmidtRömhild, Lübeck, pp 175–185 180. Prokop O, Göhler W (1976) Forensische Medizin. Fischer, Stuttgart 181. Raghupathi R, Saatman KE, Smith DH, McIntosh TK (1997) Genomic responses to experimental brain injury: implications for therapeutic intervention. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms (Research in legal medicine, vol 17). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 143–153 182. Reece RM, Ludwig S (eds) (2001) Child abuse: medical diagnosis and management. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia Baltimore New York 183. Roach RC, Hackett PH (2001) Frontiers of hypoxia research: acute mountain sickness. J Exp Biol 204: 3161–3170 184. Roberts GW, Allsop D, Bruton C (1990) The occult aftermath of boxing. J Neurol, Neurosurg Psychiatry 53: 373–378 185. Rössle R (1948) Über die ersten Veränderungen des menschlichen Gehirns nach arterieller Luftembolie. Virchows Arch Pathol Anat 315: 461–480 186. Ruan JS, Khabil TB, King AI (1993) Finite element modeling of direct head impact. Proc 37th Stapp Car Crash Conf. 69–81 187. Sances A, Thomas DJ, Ewing CL, Larson SJ, Unterharnscheid F (eds) (1986) Mechanisms of head and spine trauma. Aloray Publ Goshen, New York 188. Saternus KS (1977) Die Verletzungen von Halswirbelsäule und von Halsweichteilen. Hippokrates, Stuttgart 189. Schaller MD, Fischer AP, Perret CH (1990) Hyperkalemia: a prognostic factor during acute severe hypothermia. JAMA 264: 1842–1845 189a. Schmitt HP (1983) Die physikalischen Schäden des ZNS und seiner Hüllen. (Pathologie des Nervensystems II). Springer, Berlin Heidelberg New York, S 657–902 190. Scholz W, Ducho EG, Breit A (1959) Experimentelle Röntgenschäden am Rückenmark des erwachsenen Kaninchens. Psychiatr Neurol Jap 61: 417–441 191. Schumacher M, Oehmichen M, König HG, Einighammer H, Bien S (1985) Computertomographische Untersuchungen zur Wundballistik kranialer Schußverletzungen. Beitr Gerichtl Med 43: 95–101 192. Schwab W (1925) Über Hirnveränderungen bei Sonnenstich. Schweiz Med Wochenschr 6: 33–38
Trauma
193. Sellier K, Kneubuehl B (2001) Wundballistik und ihre ballistischen Grundlagen, 2. Aufl., Springer, Berlin Heidelberg New York 194. Sellier K, Unterharnscheidt F (1963) Mechanik und Pathomorphologie der Hirnschäden nach stumpfer Gewalteinwirkung auf den Schädel. Springer, Berlin Göttingen Heidelberg (Hefte zur Unfallheilkunde 76) 195. Semenza JC, Rubin CH, Falter KH, Selanikio JD, Flanders WD, Howe HL, Wilhelm JL (1996) Heat-related deaths during the july 1995 heat wave in Chicago. New Engl J Med 335: 84–90 196. Semple-Rowland SL, Miller RC, Hurley SD, Streit WJ (1997) Cytokine gene transcription profiles in contused spinal cord. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms (Research in legal medicine, vol 17). SchmidtRömhild, Lübeck, pp 121–142 197. Sharma HS, Westman J (2000) Pathophysiology of hyperthermic brain injury. Current concepts, molecular mechanisms and pharmacological strategies. In: Oehmichen M (Hrsg) Hyperthermie, Brand und Kohlenmonoxid. (Research in legal medicine, vol 21). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 79–120 198. Sharp JW, Sagar SM, Hisanaga K, Jasper P, Sharp FR (1990) The NMDA receptor mediates cortical induction of fos and fos-related antigens following cortical injury. Exp Neurology 109: 323–332 199. Sheriff FE, Bridges LR, Sivaloganatham S (1994) Early detection of axonal injury after human head trauma using immunocytochemistry for β-amyloid precursor protein. Acta Neuropathol 87: 55–62 200. Sherman R, Copes R, Stewart RK, Dowling G, Guidotti TL (1989) Occupational death due to heat stroke: report of two cases. CMAJ 140: 1057–1058 201. Shibolet S, Coll R, Gilat T, Sohar E (1967) Heat stroke: its clinical picture and mechanism in 36 cases. Q J Med 36: 525–548 201a. Silversides J (1964) The neurological sequelae of electric injury. Can Med Ass 91: 195–204 202. Sinha A, O’Shea L (2008) Subdural hygroma after dural puncture. Anaesth Intensive Care 36: 124–125 203. Snoek J, Jennett B, Adams JH, Graham I, Doyle D (1979) Computerised tomography after recent severe head injury and patients without acute intracranial haematoma. J Neurol Neurosurg Psychiatry 42: 215– 225 204. Sohal RS, Sun SC, Colcolough HL, Burch GE (1968) Heat stroke. An electron microscopic study of endothelial cell damage and disseminated vascular coagulation. Arch Intern Med 122: 43–47 205. Stalhammar DA (1990) Mechanism of brain injuries. In: Braakman R (ed) Handbook of clinical neurology, vol 13/57: Headinjury. Elsevier, Amsterdam, pp 17–41 206. Stanley LD, Suss RA (1985) Intracerebral hematoma secondary to lightning stroke: case report and review of the literature. Neurosurgery 16: 686–688
Literatur
207. Stevenson LD (1942) Electrical injuries to the nervous system. Arch Neurol Psychiatry 48: 179–186 208. Strauss RH, Prockop LD (1973) Decompression sickness among scuba divers. J Am Med Assoc 223: 637–640 209. Strich SJ (1976) Cerebral trauma. In: Blackword W, Corsellis JAN (eds) Greenfield’s neuropathology, 3rd edn. Arnold, London, pp 327–360 210. Sundaresan N, Guiterrez FA, Larsen MB (1978) Radiation myelopathy in children. Ann Neurol 4: 47–50 211. Sure U, Kleihues P (1997) Intracerebral venous thrombosis and hematoma secondary to high-voltage brain injury. J Trauma 42: 1161–1164 212. Talbert DG (2009) Shaken baby syndrome: Does it exist? Med Hypotheses 72: 131–134 213. Tedeschi CG, Eckert WG, Tedeschi LG (eds) (1977) Forensic medicine: Study in trauma und environmental hazzards. Saunders, Philadelphia 214. Tetzlaff K, Friege L, Hutzelmann A, Reuter M, Holl D, Leplow B (1999) Magnetic resonance signal abnormalities and neuropsyhcological deficits in elderly compressed-air divers. Eur Neurol 42: 194–199 215. Thiele RH, Hage ZA, Surdell DL, Ondra SL, Batjer HH, Bendok BR (2008) Spontaneous spinal epidural hematoma of unknown etiology: case report and literature review. Neurocrit Care 9: 242–246 216. Tipton M, Eglin C, Genser M, Golden F (1999) Immersion deaths and deterioration in swimming performance in cold water. Lancet 354: 626–629 217. Tokuda T, Ikeda S, Yanagisawa N, Ihara Y, Glenner GG (1991) Reexamination of ex-boxers’ brains using immunohistochemistry with antibodies to amyloid β-protein and tau protein. Acta Neuropathol 82: 280–285 218. Tsong TY, Su Z-D (1999) Biological effects of electric shock and heat denaturation and oxidation of molecules, membranes, and cellular functions. Ann NY Acad Sci 888: 211–232 219. Tucci KA, Landy HJ, Green BA, Eismont FJ (1992) Trauma and paraplegia. In: Chritchley E, Eisen A (eds) Diseases of the spinal cord. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp 409–427 220. Unterharnscheidt F (1992, 1993, 1994) Traumatologie von Hirn und Rückenmark. In: Doerr W, Seifert G (Hrsg) Spezielle pathologische Anatomie, Bd XIII/6a–c, 7. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio 221. Vinken PJ, Bryn GW, Klawan HL, Braakman R (eds) (1990) Head injury. (Handbook of clinical neurology, vol 57). Elsevier, Amsterdam 222. Voigt GE, Löwenhielm CGP, Ljung CBA (1977) Rotational cerebral injuries near the superior margin of the brain. Acta Neuropathol 39: 201–209 223. Walpoth BH, Walpoth-Aslan BN, Mattle HP et al. (1997) Outcome of survivors of accidental deep hypothermia and circulatory arrest treated with extracorporeal blood warming. N Engl J Med 337: 1500–1505 224. Walter T, Meissner C, Oehmichen M (2009) Pathomorphological staging of subdural hemorraghes. Statistical
445
225.
226.
227. 228.
229.
230.
231.
232.
233.
234. 235.
236.
237.
238.
239.
analysis of posttraumatic histomorphological alterations. Legal Med 11: S56–S62 Weller RO, Djuanda E, Yow H-Y, Carare RO (2009) Lymphatic drainage of the brain and pathophysiology of neurological disease. Acta Neuropathol (Berlin) 117: 1–14 Westman J, Sharma HS (1998) Heat shock response in the central nervous system following hyperthermia. Progr Brain Res 115: 207–239 White AH, Panjabi MM (1978) Clinical biomechanics of the spine. Lippincott, Philadelphia Williams AJ, Hartings JA, Lu XC, Rolli ML, Tortella FC (2005) Penetrating ballistic-like brain injury in the rat: differential time courses of hemorrhage, cell death, inflammation, and remote degeneration. J Neurotrauma 23: 1828–1846 Williams AJ, Wei HH, Dave JR, Tortella FC (2007) Acute and delayed neuroinflammatory response following experimental penetrating ballistic brain injury in the rat. J Neuroinflammation 4: 17 Williams AN, Sunderland R (2002) Neonatal shaken baby syndrome: an aetiological view from Down Under. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 86: F29–F30 Winkelman MD, Galloway PG (1992) Central nervous system complications of thermal burns: a postmortem study of 139 patients. Medicine (Baltimore) 71: 271–283 Wilson MH, Milledge J (2008) Direct measurement of intracranial pressure at high altitude and correlation of ventricular size with acute mountain sickness: Brain Cummins’ results from the 1985 Kishtwar expedition. Neurosurgery 63: 970–974 Wilson MH, Newman S, Zmray CH (2009) The cerebral effects of ascent to high altitudes. Lancet Neurol 8: 175– 191 Wippold FJ (1996) Definition and pathophysiogy of subdural hygroma. Am J Roentgenol 167: 1061 Wolf HK, Moon RE, Mitchell PR, Burger PC (1990) Barotrauma and air embolism in hyperbaric oxygen therapy. Am J Forens Med Pathol 11: 149–153 Yakovlev AG, Faden AL (1997) Traumatic brain injury regulates expression of ced-related genes modulating neuronal apoptosis. In: Oehmichen M, König HG (eds) Neurotraumatology – biomechanic aspects, cytologic and molecular mechanisms (Research in legal medicine, vol 17). Schmidt-Römhild, Lübeck, pp 107–120 Yang T, Wu S-L, Liang J-C, Rao Z-R, Ju G (2000) Timedependent astroglial changes after gamma knife radiosurgerey in the rat forebrain. Neurosurgery 47: 407–416 Young PG, Morfey CL (1998) Intracranial pressure transients caused by head impacts. Proc Int IRCOBI Conf: 391– 403 Zhang J, Yoganandan N, Pintar FA, Gennarelli TA (2005) Temporal cavitzy and pressure distribution in a brain simulant following ballistic penetration. J Neurotrauma 22: 1335–1347
Kapitel 16
16
Epilepsien
I. Blümcke Inhalt Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
Epilepsieassoziierte Tumoren . . . . . . . . . . . . . .
455
Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
Fokale kortikale Dysplasien . . . . . . . . . . . . . . .
457
Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
Rasmussen- und limbische Enzephalitis . . . . . . . .
459
Klinisch-pathologische und genetische Klassifikation der Epilepsien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Epilepsien mit metabolischen Ursachen . . . . . . . .
460
448 Schäden durch Antikonvulsiva . . . . . . . . . . . . .
460
Pathomechanismen der Epilepsien . . . . . . . . . . . .
449 Todesursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
460
Pathophysiologische Mechanismen . . . . . . . . . .
449 Genetisch determinierte Epilepsien . . . . . . . . . . . .
461
Zelluläre und molekulare Pathomechanismen . . . .
450 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
462
Neuropathologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . .
451
Hippokampussklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . .
453
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
448
Kapitel 16
Grundlagen Definition Epilepsie ist der Oberbegriff für sowohl ätiologisch und phänomenologisch unterschiedliche Formen anfallsartig auftretender unwillkürlicher Bewegungsabläufe oder abnormer Sinnesempfindungen mit oder ohne Bewusstseinsstörung, denen eine plötzliche Depolarisation einer Gruppe von Nervenzellen und eine abnorme Synchronisation mit Ausbreitung solcher Entladungen zugrunde liegt.
Epilepsien
(„fokale“, „generalisierte“ Anfälle) im Vordergrund, bei der internationalen Klassifikation der Epilepsien und epileptischen Syndrome (IKES) von 1989 das Manifestationsalter, der klinische Verlauf und die Prognose. Eine Revision dieser ILAE-Klassifikationen wurde jüngst vorgeschlagen [13], und berücksichtigt vor allem die diagnostische Spezifität genetisch determinierter Syndrome (geordnet nach Lebensalter bei Anfallsbeginn) und grenzt hiervon nichtsyndromale Epilepsien mit spezifischen strukturellen oder metabolischen Ursachen ab (s. folgende Übersicht). Diese Einteilung wird derzeit kontrovers diskutiert. Sie fußt allerdings deutlich stärker auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Anfallsentstehung und kann daher leichter um klinisch-pathologisch und genetisch kohärente Entitäten erweitert werden.
Epidemiologie
16
Im Laufe ihres Lebens haben 2–5% der Bevölkerung einen epileptischen Anfall durchgemacht. An einer manifesten Epilepsie leiden 0,5–1%. Als Faustregel gilt, dass einer von 20 Menschen irgendwann einmal einen Anfall erlitten hat und einer von 200 wegen einer aktiven Epilepsie behandlungsbedürftig ist. Die Inzidenzraten werden mit 20–70/100.000/Jahr angegeben, wobei Kinder am häufigsten betroffen sind, die Rate im frühen Erwachsenenalter sinkt, um im fortgeschrittenen Alter wieder anzusteigen. 40% der Erwachsenenanfälle äußern sich in komplexen Partialanfällen, 60% in deren Kombination mit sekundär generalisierten großen Anfällen. In etwa 30% treten primär generalisierte tonisch-klonische Anfälle auf, weniger als 5% manifestieren sich als Absencen oder myoklonische Anfälle. In all diesen Zahlen sind Fieberkrämpfe nicht enthalten. Etwa ein Drittel der Epilepsiepatienten erleidet weniger als einen Anfall pro Jahr, ein Drittel 1–12 Anfälle pro Jahr, ein weiteres Drittel mehr als einen Anfall im Monat [116, 122].
Klinisch-pathologische und genetische Klassifikation der Epilepsien Die Zuordnung neuropathologischer Befunde zu bestimmten epileptischen Syndromen erfordert eine von Klinikern wie Morphologen gemeinsam anerkannte, auf international definierten Kriterien beruhende Klassifikation. Eine solche Klassifikation ist Voraussetzung für die Vergleichbarkeit von Befunden und muss jeder wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich sein. Die erste international anerkannte Klassifikation der Epilepsien wurde 1970 von Henri Gastaut publiziert [60] und 1981 um die Einteilung von Anfällen [42] und 1989 um epileptische Syndrome [43] erweitert. Dementsprechend stand bei der 1981 von der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) herausgegebenen Klassifikation die Anfallsform
Internationale Klassifikation der Epilepsien [13] Elektroklinische Syndrome (nach Anfallsbeginn) x Neonatale Periode (<44. Schwangerschaftswoche) – Benigne familiäre neonatale Epilepsie (BFNE) – Frühe Myoklonusenzephalopathie (EME) – Ohtahara-Syndrom x Frühe Kindheit (<1. Lebensjahr) – Epilepsie der frühen Kindheit mit wandernden fokalen Anfällen – West-Syndrom – Myoklonusepilepsie der frühen Kindheit (MEI) – Benigne infantile Epilepsie – Benigne familiäre infantile Epilepsie – Dravet-Syndrom – Myoklonusenzephalopathie bei nichtprogressiven Erkrankungen x Kindheit (1–12 Lebensjahre) – Fieberkrämpfe plus (FS+; Beginn auch in früher Kindheit möglich) – Panayiotopoulos-Syndrom – Epilepsie mit myoklonisch-atonischen Anfällen – Benigne Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes (BECTS) – Autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie (ADNFLE) – Okzipitale Epilepsie mit Beginn in später Kindheit (Gastaut) – Epilepsie mit myoklonischen Absencen – Lennox-Gastaut-Syndrom – Epileptische Enzephalopathie mit kontinuierlichen „spike and waves“ während des Schlafs (CSWS) – Landau-Kleffner-Syndrom – Absence-Epilepsie der Kindheit
Pathomechanismen der Epilepsien
x Jugendliche (12–18 Lebensjahre) und Erwachsene (>18. Lebensjahr) – Juvenile Absence-Epilepsie (JAE) – Juvenile Myoklonusepilepsie (JME) – Epilepsie mit generalisierten tonischklonischen Anfällen (ausschließlich) – Progressive Myoklonusepilepsie (PME) – Autosomal-dominante Epilepsie mit akustischen Merkmalen (ADEAF) – Andere familiäre Temporallappenepilepsien x Epilepsien mit weniger spezifischen Altersbeziehungen – Familiäre fokale Epilepsie mit variablen Herden – Reflexepilepsie Epilepsien mit eindeutiger Konstellation x Mesiale Temporallappenepilepsie mit Hippokampussklerose (MTLE mit HS) x Rasmussen-Syndrom x Gelastische Anfälle bei hypothalamischem Hamartom x Hemikonvulsion-Hemiplegie-Epilepsie Epilepsien bei strukturellen oder metabolischen Ursachen x Fehlbildungen der kortikalen Entwicklung (Hemimegalenzephalie etc.) x Neurokutane Syndrome (TSC, Sturge-Weber etc.) x Tumoren x Infektionen x Verletzungen x Angiome x Perinatale Schädigungen x Schlaganfall x Weitere Epilepsien unbekannter Ursache Epileptische Anfälle, die traditionell nicht als Epilepsie diagnostiziert werden x Benigne Frühgeborenenkrämpfe (BNS) x Fieberkrämpfe (FS)
Pathomechanismen der Epilepsien Epilepsien sind vielgestaltig und nicht auf einen ursächlichen Pathomechanismus zurückzuführen. Die meisten Epilepsien werden entweder durch genetische Veränderungen oder strukturelle Gehirnläsionen hervorgerufen. Allerdings lassen sich bei einzelnen Patienten auch bei gleicher „Ätiologie“ weder Anfallsbeginn, Semiologie noch medikamentöser Therapieerfolg sicher vorhersagen. Daher müssen alle an der Anfallsentstehung (Iktogenese) und Ausbildung epileptogener Netzwerke (Epileptogenese) beteiligten zellulären und molekularen Bau-
449
steine einzeln betrachtet und mit dem genetischen Hintergrund, der zellulären und regionalen Lokalisation sowie dem Entwicklungsstadium in Bezug gesetzt werden. Tatsächlich haben klinische und experimentelle Untersuchungen bislang ganz unterschiedliche Mechanismen für eine gesteigerte und synchrone neuronale Membrandepolarisation im epileptogenen Netzwerk nachgewiesen. Durch Verfügbarkeit entsprechender tierexperimenteller Modelle für elektrophysiologische, strukturelle und molekulare Untersuchungen standen bislang Temporallappenepilepsien und genetisch determinierte Epilepsien im Mittelpunkt. Häufig bilden diese Tiermodelle die menschliche Krankheitssituation nur unbefriedigend ab, so dass zunehmend auf neuropathologisch klassifiziertes menschliches Operationsgewebe zurückgegriffen werden muss. Die experimentellen Studien sollen letztendlich auch neue und wirksame Mechanismen für die antiepileptische Pharmakotherapie identifizieren, da 30–40% aller Epilepsiepatienten eine Pharmakoresistenz entwickeln [84].
Pathophysiologische Mechanismen Zu den intrinsischen Mechanismen einer gesteigerten Membranerregung von Nervenzellen gehören „aktive“ Veränderungen in spannungsabhängigen oder ligandengesteuerten Ionenkanälen, z. B. durch transkriptionelle Regulation von Kaliumkanälen [8, 14]. Daneben können auch „passive“ Veränderungen des Membranpotentials, des Membranwiderstands sowie der neuronalen Geometrie die Membraneigenschaften zugunsten einer erhöhten Erregbarkeit verschieben. Diese pathophysiologischen Mechanismen führen in der Regel zu einer hochamplitudigen Membrandepolarisation der betroffenen Nervenzelle, die mit hochfrequenten Serien von Aktionspotentialen einhergeht und mit einer Hyperpolarisation endet. Dieses elektrische Phänomen wird als „paroxysmaler Depolarisationsshift (PDS)“ bezeichnet [8, 96] und kann bei Stromableitungen von Nervenzellen aus einem epileptogenen Fokus bereits zum Zeitpunkt eines interiktualen EEG-Spikes nachgewiesen werden. Diese Mechanismen spielen vor allem bei genetisch determinierten Epilepsiesyndromen eine Rolle, da hier die genetischen Veränderungen zumeist Ionenkanäle kodierende Gene betreffen (s. unten). Änderungen in der synaptischen Verbindung zwischen Nervenzellen stellen einen weiteren wichtigen Pathomechanismus dar. So findet sich im epileptogenen Gewebe eine Zunahme exzitatorischer Verbindungen durch Änderungen in der Neurotransmitter-RezeptorFunktion und -Verteilung sowie durch axonale Sprossung („sprouting“) [37]. Neben der Zunahme exzitatorischer Verbindungen kann auch der Mechanismus der neuronalen Inhibition, z. B. durch den Neurotransmitter Gam-
450
16
Kapitel 16
ma-Amino-Buttersäure, eine hypersynchrone Netzwerkentladung induzieren. Dies spielt vor allem in thalamokortikalen Schaltkreisen eine Rolle (Absence-Epilepsien) [135]. Interessanterweise ist dasselbe Phänomen nicht nur durch einen Verlust der Inhibition zu erklären, sondern bestimmte inhibitorische Nervenzellpopulationen können durch ihre extensive Verbindung eine gesteigerte Synchronizität des Netzwerks hervorrufen. Im Hippokampus gilt dies für Interneurone des Stratum lacunosum moleculare, die die Rhythmogenese des neuronalen Netzwerks steuern. Durch Zunahme exzitatorischer Stimulation und Änderungen in der synaptischen Verarbeitung wechseln diese Zellen vom Theta- zum hochfrequenten Gamma-Rhythmus [51]. Als weitere pathophysiologische Mechanismen der Epileptogenese sind mitochrondriale Dysfunktionen aufgedeckt worden. Mitochondrien sind zelluläre Organellen, die für den Energiehaushalt und die Kalziumhomeostase der Nervenzellen unabdingbar sind. So können seltene Mutationsereignisse in der mitochondrialen mtDNA zu einer schweren Epilepsie führen, z. B. beim MERRFSyndrom [114]. Aber auch bei der häufigen Hippokampussklerose (HS; s. Tabelle 16.1) kann ein Verlust von Komplex-I-Proteinen der mitochondrialen Atmungskette nachgewiesen werden. Diese Untersuchungen belegen eine unmittelbare Beteiligung der Mitochondrien bei der Epileptogenese [82]. In jüngerer Zeit belegen Experimente die Beteiligung der Astrozyten am Mechanismus der neuronalen Erregung und auch am Pathomechanismus der Epileptogenese [50, 100]. Astrozyten kontrollieren die Homeostase im Extrazellularraum durch Kaliumaufnahme und -pufferung. Darüber hinaus können sie Glutamat aus dem synaptischen Spalt aufnehmen und sogar freisetzen [15]. Die Kaliumaufnahme von Astrozyten ist bei einem Verlust von einwärts gleichrichtenden Kaliumkanälen im epileptogenen Fokus vermindert. Diese Veränderungen führen zu einer verstärkten Depolarisation von Glia- und Nervenzellen nach aktivitätsabhängiger Kaliumfreisetzung. Dies konnte auch experimentell in menschlichem Epilepsiegewebe nachgewiesen werden [58]. Da jeder dritte Epilepsiepatient nicht auf eine medikamentöse Therapie anspricht, bleibt die Pharmakoresistenz eine weiterhin große Herausforderung. Derzeit werden drei unterschiedliche Hypothesen zur Pharmakoresistenz diskutiert. x Die Drug-Transporter-Hypothese postuliert eine Zunahme der medikamentenausschleusenden Multidrug-Transporter-Moleküle (z. B. P-Glykoproteine). Diese Moleküle treten vor allem in der Blut-HirnSchranke (Endothelien) betroffener Gehirnareale auf, so dass zu wenig Medikament am erforderlichen Wirkungsort ankommt [87]. x Die Drug-Target-Hypothese belegt eine Verminderung der Empfindlichkeit oder Bindungseigenschaft der medikamentösen Zielstruktur im Verlauf der Er-
Epilepsien
krankung (z. B. durch Änderungen der molekularen Zusammensetzung von Kanalproteinen und Rezeptoruntereinheiten [7]). x Der „anlagebedingte Schweregrad der Erkrankung“ (Inherent-Disease-Severity-Hypothese) wird ebenfalls als Pathomechanismus der Pharmakoresistenz genannt [111]. Denn nach wie vor ist eine hohe Anfallsfrequenz vor Therapiebeginn ein prognostisch ungünstiger Parameter für den Verlauf der Epilepsie und auch für die Entwicklung einer Pharmakoresistenz. Somit scheinen mehrere neurobiologische Pathomechanismen für die Pharmakoresistenz verantwortlich. Zweifelsohne bedürfen Untersuchungen zur Aufklärung von Pathomechanismen der Iktogenese und Epileptogenese einer tierexperimentellen Überprüfung. Hierfür stehen zahlreiche Systeme zur Verfügung, in denen beispielsweise durch neuroaktive Pharmaka ein Status epilepticus induziert wird (Kainsäure, Pilocarpin). Daneben finden genetische Modelle mit gezielter Ausschaltung/ Aktivierung von Kandidatengenen eine breite Anwendung für elektrophysiologische und biochemische Untersuchungen. Die zunehmende Verfügbarkeit von menschlichem Gehirngewebe, das im Rahmen epilepsiechirurgischer Eingriffe gewonnen wird, stellt zudem eine wichtige Möglichkeit der Validierung tierexperimenteller Analysen dar. Diese experimentellen Ansätze bieten somit ein wichtiges Instrument zum besseren Verständnis der Epileptogenese und zur Entwicklung neuer zielgerichteter medikamentöser Therapieansätze.
Zelluläre und molekulare Pathomechanismen Neben den erwähnten elektrophysiologischen Pathomechanismen der gesteigerten Erregbarkeit von Zellmembranen und neuronalen Netzwerken spielen auch Änderungen der zellulären und molekularen Zusammensetzung eine wichtige Rolle. Durch hochauflösende histomorphologische Analysen, Einsatz zellspezifischer Antikörper sowie molekular-biologischer Untersuchungsmethoden in anatomisch exzellent charakterisiertem Gewebe konnte die Neuropathologie einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis epileptogener Pathomechanismen leisten. Da sich viele wissenschaftliche Untersuchungen mit der mesialen Temporallappenepilepsie und Hippokampussklerose (MTLE-HS) beschäftigen, wird für diese chronische und häufig mit Pharmakoresistenz einhergehende Epilepsieform seit längerem ein gemeinsames klinischpathogenetisches Modell diskutiert. Interessanterweise spielt hierbei auch die Erkenntnis eine Rolle, dass das menschliche Gehirn und speziell der Hippokampus zeitlebens über die Fähigkeit zur Neubildung von Nervenzellen verfügt (Neurogenese) [53]. So steigern Anfälle zu-
Neuropathologische Befunde
nächst die Neurogenese im Hippokampus [29, 117], und die fehlerhafte Integration neu gebildeter Nervenzellen in bestehende neuronale Schaltkreise kann ursächlich zu einer gesteigerten Erregbarkeit und zur Epileptogenese beitragen [104]. Bei chronischen Epilepsien wird hingegen eine Verminderung der Neurogenese beschrieben [66], was die häufig zu beobachtenden kognitiven und mnestischen Defizite bei Patienten mit Temporallappenepilepsie (TLE) zu erklären hilft [44, 105]. Denn sowohl im Tiermodell als auch im menschlichen Hippokampus stellt die Neurogenese von Körnerzellen des Gyrus dentatus ein zelluläres Korrelat der Gedächtnisbildung dar [44, 115]. Somit leistet die Epilepsieforschung auch einen wichtigen translationellen Beitrag zur klinischen Bedeutung und Prüfung neurobiologischer Konzepte. Aus unseren bisherigen neuropathologischen und molekular-biologischen Studien lässt sich folgendes Modell zur molekularen Pathogenese der MTLE-HS ableiten [32]. Wir gehen davon aus, dass ein schädigendes Frühereignis (z. B. frühkindliche Fieberkrämpfe vor dem 4. Lebensjahr, s. unten) beim betroffenen Patienten eine Störung oder Verzögerung in den postnatalen Entwicklungsund Reifungsprozessen des Hippokampus induziert. Hierbei könnte vor allem eine quantitative und qualitative Änderung der Neurogenese beteiligt sein [29, 103]. Die Migration und anatomische Integration neugebildeter Nervenzellen wird durch eine Vielzahl molekularer Signalkaskaden gesteuert, unter denen das Glykoprotein Reelin eine herausragende Rolle einnimmt [57]. Reelin wird von den bereits früh in der Entwicklung angelegten Cajal-Retzius-Zellen der Molekularschicht im Kortex und Hippokampus zeitlebens exprimiert und ist bei Architekturstörungen im Hippokampus (sog. Körnerzelldispersion) signifikant vermindert [65]. Die abnorme Steuerung der Genexpression kann allerdings nicht mit dem selektiven Verlust der Cajal-Retzius-Zellen erklärt werden (wie dies für die Somatostatin- und NPY-produzierenden Interneurone zutrifft [47]). Bei Patienten mit Hippokampussklerose ist die Anzahl der Cajal-RetziusZellen sogar erhöht [23]. Daher scheinen epigenetische Regulationsmechanismen auch bei Epilepsien eine Rolle zu spielen [72, 91], und es wurde bereits eine verstärkte Methylierung des Reelin-Promoters bei TLE-Patienten mit Körnerzelldispersion nachgewiesen [81]. Diese Daten belegen eindrucksvoll, dass die Kombination aus histologischer Untersuchung mit einer zell- und regionenspezifischen molekularen Analyse einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der molekularen Pathogenese bei Epilepsien liefert [10]. Warum die MTLE-HS in der Mehrzahl nur eine Hemisphäre betrifft kann bislang allerdings nicht hinreichend erklärt werden. Nach diesem prädisponierenden Frühereignis („initial precipitating injury“ [95]), ist sowohl klinisch als auch experimentell eine anfallsfreie Latenzphase zu beobachten. In dieser Phase ändert sich vor allem das Genexpressionsprofil und damit einhergehend die zelluläre und re-
451
gionale Verteilung epilepsierelevanter Proteine, z. B. von Glutamatrezeptor-Untereinheiten. Hierbei könnte eine aktivitätsinduzierte epigenetische (Fehl-)Regulation der Genexpression eine Rolle spielen, und das Risiko der Anfallsentstehung und Chronifizierung (Epileptogenese) erhöhen. Die Hippokampussklerose mit den charakteristischen segmentalen Nervenzellausfällen wäre somit eher als Folge der molekularen und strukturellen Umbauvorgänge zu bewerten. Der Untergang von Nervenzellen folgt hierbei dem Muster der Apoptose. Dieses pathogenetische Modell wird auch durch die Erkenntnis gestützt, dass nicht jede Schläfenlappenepilepsie in eine Hippokampussklerose mündet [27]. Wir sehen bei etwa 20% aller MTLE-Patienten keine segmentalen Nervenzelluntergänge im Hippokampus, obwohl Schwere und Häufigkeit der Anfälle gegenüber HS-Patienten nicht unterschiedlich verteilt sind. Bei diesen Patienten beginnt die Epilepsie signifikant später und der hippokampalen Epileptogenese liegt wahrscheinlich ein sog. Kindling-Phänomen zugrunde [98], d. h., durch epileptische Anfälle ausgelöste molekulare Umbauvorgänge begünstigen die Chronifizierung einer Epilepsie ohne strukturelles Korrelat. Die Kenntnis der molekularen Pathogenese stellt immer nur eine Momentaufnahme der derzeitig verfügbaren Forschungsergebnisse dar und kann für die unterschiedlichen strukturellen Läsionen variieren, z. B. mesiale Temporallappensklerose vs. kortikale Dysplasie vs. epilepsieassoziierte Tumoren (s. unten). Denn am menschlichen Gewebe kann die feingewebliche und molekulargenetische Analyse immer erst zu einem sehr späten Zeitpunkt erfolgen, wenn nämlich eine Pharmakoresistenz vorliegt und die Operation als letzte therapeutische Möglichkeit für eine langfristige Anfallsfreiheit indiziert ist. Dennoch leisten die neuropathologischen Arbeiten am menschlichen Gewebe einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Erkrankung.
Neuropathologische Befunde Während bei familiären („generalisierten“) Epilepsiesyndromen keine oder nur minimale strukturelle Gehirnveränderungen beschrieben sind (die Ergebnisse entstammen meist früheren Autopsieserien [97], die heute kaum noch für mikroskopische und/oder molekulare Studien verfügbar sind), steht die histopathologische Diagnostik bei Epilepsien mit strukturellen Ursachen weiterhin im Blickpunkt des klinischen und wissenschaftlichen Interesses. Mittels hochauflösender Magnetresonanztomographie können strukturelle Läsionen in bis zu 84% aller Patienten mit fokalen Epilepsien detektiert werden [3, 83]. Diese Werte nähern sich älteren neuropathologischen Autopsieserien an, die spezifische Läsionsmuster in 85% nachweisen konnten [106]. Mit derzeit ca. 500 Eingriffen
452
Kapitel 16
pro Jahr hat sich die Epilepsiechirurgie in Deutschland bei der Behandlung chronischer, pharmakoresistenter Epilepsien etabliert, insbesondere, da eine randomisierte Studie den Vorteil des epilepsiechirurgischen Eingriffs bei Temporallappenepilepsien gegenüber medikamentöser Langzeittherapie belegt [138]. Ziel der neuropathologischen Untersuchung ist eine zuverlässige Diagnose und Klassifikation der prächirurgisch charakterisierten Läsion, was in manchen Fällen bereits eine Vorhersage der postoperativen Anfallskontrolle ermöglicht. Darüber hinaus ist die einheitliche Diagnose der strukturellen Veränderungen eine wichtige Voraussetzung für weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen. Allerdings gibt es bislang noch nicht für alle strukturellen Läsionen international anerkannte histopathologische Klassifikationssysteme [3, 12, 27, 31, 102]. Für die morphologische Diagnostik sind die Klärung von Art und Ort der verantwortlich zu machenden Grundkrankheit und der Nachweis eventueller Folgeerscheinungen der Epilepsie bedeutungsvoll. Für die Interpretation des neuropathologischen Befundes ist die Kenntnis folgender Faktoren wichtig: x der Zeitraum des wahrscheinlichen Einsetzens der Grundkrankheit bzw. der Schädigung (z. B. Trauma),
Epilepsien
x ob und wann invasive prächirurgische Diagnostik (z. B. mittels subduraler oder intrazerebraler Elektrodenimplantation) durchgeführt wurde, x das Manifestationsalter der Epilepsie, x die Krankheitsdauer, x das Vorhandensein von extrazerebralen Begleitkrankheiten oder von Ereignissen wie Narkosezwischenfällen, die Auswirkungen auf das ZNS haben konnten, x eine familiäre Belastung mit Anfallsleiden. Die neuropathologische Diagnostik sollte daher in enger Kooperation mit dem behandelnden Epilepsiezentrum arbeiten. Im Folgenden sollen die neuropathologischen Befunde der häufigsten Läsionsmuster, die mit einer pharmakoresistenten Epilepsie einhergehen und gut auf eine neurochirurgische Behandlung ansprechen, betrachtet werden (Tabelle 16.1). Die Schläfenlappenepilepsie ist hierbei immer noch das häufigste klinische Erkrankungsbild, wobei zunehmend auch extratemporale, durch Tumoren, Gefäßprozesse oder Missbildungen erzeugte Krampfherde mit Erfolg neurochirurgisch reseziert werden [21]. Die Betrachtung dieser großen neuropathologisch aufgearbeiteten Fallserie leidet naturgemäß unter der Einschränkung, dass nur pharmakoresistente Epilep-
Tabelle 16.1 Übersicht neuropathologischer Befunde bei Patienten mit pharmakoresistenten fokalen Epilepsien
16
Diagnose
Häufigkeit
Alter OP [Jahre]
Beginn [Jahre]
Dauer [Jahre]
Hippokampussklerose
1612 (33%)
35
12
23
Duale Pathologie
268 (5%)
26
10
16
– HS + FCD
98 (37%)
16
8
18
– HS + Tumoren
75 (28%)
29
12
18
Tumoren
1294 (27%)
28
17
12
– Gangliogliom
614 (48%)
25
13
13
– DNT
215 (17%)
26
14
12
Fehlbildungen
673 (14%)
18
6
13
– FCD Typ I*
84 (13%)
14
5
9
– FCD Typ II
270 (40%)
18
4
14
Vaskuläre Läsionen
295 (6%)
36
23
13
– Kavernom
208 (71%)
38
26
12
Glianarben
243 (5%)
26
11
15
Enzephalitis
71 (2%)
20
14
9
– Rasmussen
33 (47%)
14
7
8
Keine Läsionen
384 (8%)
29
13
16
Auswertung von 4840 Fällen, die dem Neuropathologischen Referenzzentrum für Epilepsie-Chirurgie zur Verfügung gestellt wurden. Alter, Beginn und Dauer der Epilepsie in Jahren. Duale Pathologie: HS plus zweite eigenständige Läsion (z. B. FCD, Tumor, Gefäßmissbildung). Eine international akzeptierte Definition bleibt bislang Thema kontroverser Diskussionen. FCD fokale kortikale Dysplasien. FCD Typ I*: diese Zahlen beziehen sich noch auf die Einteilung nach Palmini [102]
Neuropathologische Befunde
sien operativ angegangen wurden, also nicht ohne weiteres Aufschlüsse über andere Epilepsieformen und über Anfälle vom Typ der TLE geben, die erfolgreich auf Antikonvulsiva ansprechen und/oder nicht operiert werden müssen/können.
Hippokampussklerose Wilhelm Sommer hat 1880 die durch Schrumpfung und Gewebsverhärtung bereits autoptisch erkennbare Ammonshornsklerose (AHS, heute syn. mit Hippokampussklerose) erstmals detailliert beschrieben [120]. Bis heute konzentrieren sich die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen bei Epilepsiepatienten auf diese Läsion. Die gebräuchliche anatomische Gliederung basiert dabei auf Studien von Lorente de No [86]. Die primäre Afferenz erreicht den Hippokampus im Gyrus dentatus, über den Tractus perforans aus dem entorhinalen Kortex; von den Körnerzellen des Gyrus dentatus wird das Signal über die Moosfasern an den CA4- und CA3-Sektor gesendet, um dann über Schaffer-Kollateralen die Nervenzellen des CA1-Sektors zu innervieren. Eine detaillierte Beschreibung aller bekannten hippokampalen Schaltkreise ist als interaktive Webseite („Anatomie des Gedächtnisses“) in der Publikation von van Stiren et al. hinterlegt [134]. Histopathologische Untersuchungen an Operationsgewebe von Patienten mit einer pharmakoresistenten Temporallappenepilepsie (TLE) identifizieren die Hippokampussklerose (HS) als häufigste Entität [22]. In einer großen Serie von 3311 TLE-Patienten, die in Deutschland im Zeitraum von 1995 bis 2007 operativ behandelt wurden, fand sich eine HS in 48%. Wenn man die gesamte Kohorte von 4840 Epilepsiepatienten mit einer neurochirurgischen Therapie betrachtet, findet sich die HS in 33,3% (s. Tabelle 16.1). Darüber hinaus zeigen 5,5% eine sog. duale Pathologie. Hierbei handelt es sich um die Kombination einer HS mit einer kortikalen Dysplasie, einem Tumor oder einer anderen primären Läsion, die pathogenetisch eigenständig ist. Da weder die Pathogenese der HS noch vieler anderer epilepsieassoziierter Läsionen zweifelsfrei bewiesen ist, bleibt der Begriff der dualen Pathologie bis heute kontrovers und wird von verschiedenen Arbeitsgruppen unterschiedlich eingesetzt [94]. In aller Regel findet sich bei TLE-Patienten mit HS auch ein neuronaler Zelluntergang im Mandelkern (Amygdala) und entorhinalen Kortex [141]. Da diese Veränderungen durch eine reaktive Astrogliose demarkiert werden und somit auch in der hochauflösenden Bildgebung (1,5- oder 3-Tesla-MRT) zu erkennen sind, wird klinischerseits häufig von einer mesialen Temporallappensklerose (MTS) gesprochen. Dieser Begriff ist in der klinisch-diagnostischen Neuropathologie wenig gebräuchlich, da eine anatomische Rekonstruktion der Amygdala und des entorhi-
453
nalen Kortex im epilepsiechirurgischen Präparat meist nicht zweifelsfrei gelingt. Ein pathogenetisches Modell der MTLE-HS wurde bereits oben vorgestellt. Nachfolgend wird daher vor allem der typische klinische Verlauf skizziert. Etwa 50% der Patienten erleiden eine frühe Schädigung vor dem 4. Lebensjahr [32]. Hierbei handelt es sich häufig um komplizierte Fieberkrämpfe. Daneben können auch Geburtstraumen, Schädel-Hirn-Traumen oder Meningitiden beobachtet werden. Im Mittel sind die Patienten 11,5 Jahre alt, wenn komplex-partielle Anfälle spontan wiederkehren (s. Tabelle 16.1). Welche strukturellen, molekularen und funktionellen Veränderungen bereits zu dem frühesten Zeitpunkt des ersten Anfalls zugrunde liegen, lässt sich naturgemäß histopathologisch nicht untersuchen und die Diagnose einer HS ist in der Regel erst nach einer sehr langen Zeit mit Entwicklung einer Pharmakoresistenz gegenüber den gebräuchlichen antiepileptischen Medikamenten (im Mittel handelt es sich um 23,3 Jahre) möglich. Zum Zeitpunkt der Operation sind die Patienten im Mittel 34,6 Jahre alt, beide Geschlechter sind in gleicher Weise betroffen. Auch gibt es keinen Seitenunterschied in der Häufigkeit der betroffenen Hemisphäre. Hereditäre Temporallappenepilepsien mit Hippokampussklerose sind eine Rarität [59] und daher scheinen primär genetische Veränderungen bei der Pathogenese der HS keine Rolle zu spielen. Die HS ist histopathologisch charakterisiert durch einen segmentalen Pyramidenzellverlust im Sommer-Sektor CA1, im Sektor CA3 und CA4 (Abb. 16.1). Auf der anderen Seite sind die Pyramidenzellen des Sektors CA2 sowie die Körnerzellen des Gyrus dentatus häufig noch erhalten und gelten als weniger empfänglich gegenüber epilepsieassoziierter Zellschädigung. Neben der Pyramidenzellpopulation sind auch Interneurone betroffen. So finden sich Untergänge der Neuropeptid-Y- und Somatostatin-immunreaktiven Interneurone [47]. In den Sektoren mit Nervenzellverlusten entsteht eine reaktive Astrogliose, die zu einer bereits tastbaren Verhärtung des Gewebes führt und die Bezeichnung der Hippokampussklerose geprägt hat [36]. Es bleibt eine besondere Herausforderung, den Mechanismus der selektiven neuronalen Zellschädigung bei morphologisch ähnlichen Zelltypen der verschiedenen Hippokampussektoren zu verstehen. Mögliche Pathomechanismen sind bereits in den vorhergehenden Abschnitten erläutert worden. Diese schließen aberrante neuronale Schaltkreise ein, die z. B. durch pathologisches Aussprossen der Moosfasern bedingt sind (Abb. 16.1) [127], sowie molekulare Reorganisationen spezifischer Ionenkanäle und Neurotransmitterrezeptoren [8]. Histopathologisch lässt sich der Schweregrad einer HS nach NeuN-immunhistochemischer Färbung semiquantitativ bestimmen und ergibt typischerweise vier Ausprägungen [27]. Am häufigsten findet sich eine schwere Hippokampussklerose (HS Typ 1b), bei der alle Sektoren des
454
Kapitel 16
a
b
c
16
Epilepsien
d
e
f
Abb. 16.1a–f. Hippokampussklerose. Das Pyramidenzellband des menschlichen Hippocampus (a) gliedert sich in die Sektoren CA1CA4 (nach [86]). Der Gyrus dentatus (GD) ist durch ein dichtes Körnerzellband charakterisiert. Dem CA1-Sektor schließt sich das Subiculum (Subic) an. KO Kontrolle (Autopsiepräparat). Die Hippokampussklerose (HS, b) ist durch einen segmentalen Ausfall in den Sektoren CA1 (Pfeil) und CA4 (Stern) gekennzeichnet (Operationspräparat; Darrow-Red-Pigment-Färbung nach Braak). Darüber hinaus sind meist auch Pyramidenzellen in CA3 rarefiziert. Das Körnerzellband ist weitgehend erhalten, auch wenn in dem abgebildeten Fall die innere Lippe deutlich verschmälert ist (Pfeilspitzen). Derartige Befunde sind mit einer erheblichen mnestischen Leistungsminderung der betroffenen Patienten assoziiert [105]. Sofern weitere Anteile des mesialen Temporallappens einer histologischen Untersuchung zugänglich sind, kann bei MTLE-HS-Patienten meist auch eine Sklerose der basolateralen Amygdalakerngebiete und im ento-
rhinalen Kortex diagnostiziert werden [141] (im klinischen Sprachgebrauch als mesiale Temporallappensklerose, MTS, bezeichnet). c TIMM-Färbung zur Darstellung zinkhaltiger Moosfasersynapsen im menschlichen Hippokampus. Als Moosfaser bezeichnet man die Axone der Körnerzellen, die in die Sektoren CA4 und CA3 projizieren. d Bei HS-Patienten lässt sich in der TIMM-Färbung typischerweise eine aberrante axonale Reoganisation der Moosfasern nachweisen. Dabei sprossen Axonkollateralen in die Molekularschicht des Gyrus dentatus aus (s. auch [127]). e Einzelzelldarstellung nach Lucifer-Yellow-Injektion und dreidimensioanler Rekonstruktion konfokaler lasermikroskopischer Analyse. Hier abgebildet eine typische Pyramidenzelle aus dem CA4-Sektor des menschlichen Hippokampus (Autopsiepräparat) [35]. f Bei HS-Patienten finden sich aberrante dendritische Verzweigungen in erhaltenen Nervenzellen des CA4-Sektors, die eine zelluläre Grundlage fehlerhafter hippokampaler Netzwerke darstellen können
Pyramidenzellbandes einen ausgeprägten, bis zu 90%igen Nervenzellausfall aufweisen (ausgenommen das Körnerzellband!). Bei der klassischen Hippokampussklerose (HS Typ 1a) stellt sich das Punctum maximum des Nervenzellverlusts in den Sektoren CA1 und CA4 dar. Daneben gibt es zwei atypische Varianten. Bei der HS Typ 2 dominiert der Nervenzellausfall den Sektor CA1, begleitet von einer reaktiven Astrogliose. Diese Läsion muss von einer transienten hypoxischen Schädigung abgegrenzt werden, die ebenfalls die CA1-Region bevorzugt betrifft, jedoch das Subikulum einbezieht und durch einsprossende Ka-
pillaren das Bild der pseudolaminären Rindennekrose prägt. Eine weitere atypische HS-Variante ist durch einen Nervenzellausfall vorwiegend im Bereich des CA4-Sektors charakterisiert (HS Typ 3). Bei 10% aller untersuchten Hippokampusresektate findet sich hingegen kein signifikanter Nervenzellverlust (keine HS). Diese Beobachtung legt nahe, dass nicht jede Temporallappenepilepsie zu einer unmittelbaren Nervenzellschädigung im Hippokampus führt. Hingegen müssen für die Entwicklung einer HS prädisponierende Faktoren vorliegen, wie z. B. frühkindliche Hirnschädigungen (s. oben). Aus die-
Neuropathologische Befunde
ser Einteilung von HS-Varianten ergibt sich klinisch ein wichtiger Hinweis auf die wahrscheinliche Anfallsfreiheit nach der Operation. So zeigt die klassische HS nach einem Jahr noch bei 73% der Patienten eine vollständige Anfallsfreiheit, während die atypische HS-Typ-3-Variante mit nur 28% deutlich ungünstiger verläuft. Diese Einteilung ist nicht nur für das weitere klinische Management der Patienten hilfreich, sondern eröffnet auch neue Wege, unterschiedliche Pathomechanismen der HS gezielt zu erforschen. Das Körnerzellband folgt einem vom Pyramidenzellverlust scheinbar unabhängigen Schädigungsmuster bei TLE-Patienten [27], und ist auch für die Voraussage der postoperativen Anfallsfreiheit weniger aussagekräftig [25, 123]. So findet sich bei etwa 50% aller TLE-Patienten eine Körnerzelldispersion [71]. Das Muster der Körnerzelldispersion variiert von ektopen Nervenzellen in der Molekularschicht, über die Spreizung des gesamten Körnerzellbandes mit unscharfer Begrenzung zur Molekularschicht, bis hin zur Ausbildung einer zweiten aberranten Körnerzellschicht [25]. Darüber hinaus zeigt sich bei diesem Muster immer auch ein signifikanter Körnerzellverlust. Allerdings besteht eine enge Korrelation zwischen Körnerzellpathologie und Gedächtnisleistung [25, 105], auch wenn sich der histopathologische Befund „nur“ als Körnerzellverlust“ (GCD Typ 1) präsentiert oder zusätzlich mit einer Architekturstörung assoziiert ist (GCD Typ 2). Zukünftige klinische Studien werden sich darauf konzentrieren, derartige subfeldspezifische Pathologiemuster bereits während des prächirurgischen Monitorings zu detektieren, z. B. durch hochauflösende MRT oder funktionell bildgebende Methoden (PET).
Epilepsieassoziierte Tumoren In der Serie des Neuropathologischen Referenzzentrums für Epilepsie-Chirurgie (Epilepsie-Register) wurden in insgesamt 1294 Fällen Langzeitepilepsie-assoziierte Tumoren (LEAT) diagnostiziert (s. Tabelle 16.1). Dabei nehmen das Gangliogliom (WHO Grad I) und der dysembryoplastische neuroepitheliale Tumor (DNT, WHO Grad I) mit 64% aller Fälle eine herausragende Rolle ein (Abb. 16.2). Diese Tumoren sind hauptsächlich im Temporallappen lokalisiert und durch einen biphasischen Aufbau mit glialer und neuronaler Differenzierung charakterisiert [89]. Leider werden diese Tumoren immer noch spät diagnostiziert. So dauert die Epilepsie im Mittelwert schon 13,2 Jahre an, bevor ein neurochirurgischer Eingriff bei über 75% der Patienten zu einer vollständigen Anfallsfreiheit führt [40]. Dies ist auch vor dem Hintergrund kritisch zu hinterfragen, dass chronische Epilepsien einen erheblichen Einfluss auf die psychisch-motorische sowie soziale Entwicklung junger Patienten hat (der Epilepsiebeginn liegt im Mittel bei 13 Jahren; s. Tabelle 16.1).
455
Die histopathologische Diagnostik epilepsieassoziierter Tumoren stellt weiterhin eine Herausforderung für den Neuropathologen dar, vor allem, da die WHO-Kriterien aufgrund fehlender klinisch-pathologischer Langzeitstudien weniger scharf festgelegt sind [12]. Da diese Tumoren immer durch ein breites Spektrum morphologischer Varianten gekennzeichnet sind, ist der Einsatz immunhistochemischer Zusatzuntersuchungen notwendig [90]. Etwa 80% der Gangliogliome exprimieren das onkofetale CD34-Epitop [34]. Dieses Epitop ist in DNTs nicht nachweisbar. Es fehlt ebenfalls in den differentialdiagnostisch abzugrenzenden Oligodendrogliomen oder diffusen Astrozytomen. Allerdings weist ein kleiner Prozentsatz pilozytischer Astrozytome sowie 73% der pleomorphen Xanthoastrozytome eine CD34-Immunoreaktivität auf [24, 107]. Ein weiterer wichtiger immunhistochemischer Marker ist das neuronale Markerprotein MAP2, das in seiner embryonalen Splicevariante in praktisch allen astrozytären und oligodendroglialen Tumorzellen nachweisbar ist [26]. In Gangliogliomen findet sich hingegen die MAP2-Immunreaktivität ausnahmslos in Nervenzellen. Bei den DNTs sind die in dem spezifischen glioneuronalen Element nachweisbaren „floating neurons“ ebenfalls MAP2-positiv. Die differentialdiagnostische Abgrenzung von Gangliogliomen und DNTs gegenüber den semimalignen diffusen Astrozytomen und Oligodendrogliomen (WHO Grad II) ist klinisch außerordentlich wichtig. In großen Serien konnte mittlerweile gezeigt werden, dass Langzeitepilepsie-assoziierte Tumoren (LEAT), einschließlich Gangliogliom, DNT, subependymalem Riesenzellastrozytom, angiozentrischem Gliom und isomorpher Astrozytomvariante (analog WHO Grad I), einen prognostisch sehr günstigen Verlauf aufweisen [112]. Eine maligne Progression kann nur in Ausnahmefällen beobachtet werden, z. B. bei Gangliogliomen [92]. Auch bei LEATs steht die molekulare Diagnostik im Blickpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Molekulargenetische Untersuchungen zeigen bei Einsatz der komparativen genomischen Hybridisierung oder der Interphase-Fluoreszens-in-situ-Hybridisierung in 66% der Gangliogliome genetische Aberrationen. Interessanterweise konnte ein Verlust des CDKN2A/B- und DMBT1Gens sowie eine CDK4-Amplifikation bereits sowohl in niedriggradigen Gangliogliomen (WHO Grad I) als auch nach deren anaplastischer Transformation beobachtet werden [70]. Interphase-FISH-Untersuchungen zeigen diese Veränderungen ausschließlich in der glialen Zellkomponente, nicht aber in den dysplastischen Nervenzellen. Die bisherigen molekular-genetischen Daten wären demnach mit einer „Two-Hit-Hypothese“ vereinbar, nämlich dass Gangliogliome aus einer dysplastischen Vorläuferläsion durch neoplastische Transformation der glialen Zellkomponente hervorgehen [9, 34]. Darüber hinaus sind weitere molekulare Veränderungen in Gangliogliomen abgrenzbar. Diese schließen Multi-Drug-
456
Kapitel 16
a
Epilepsien
b
c
e
d
16
f
g
Abb. 16.2a–h. Langzeitepilepsie-assoziierte Tumoren. 53-jähriger Patient mit Epilepsie. Konsekutive magnetresonanztomographische Untersuchungen (T2) zeigten innerhalb eines Jahres keine Größenzunahme (a,b). Weiße Pfeile deuten auf rechtstemporomesiale Läsion, die irrtümlich als posttraumatisch diagnostiziert wurde. c Der Patient verstarb plötzlich. Die Gehirnsektion deckte einen Tumor im rechten mesialen Temporallappen (ohne Beteiligung des Hippokampus) auf. Der Messbalken entspricht 5 mm. Mikroskopisch findet sich das typische Bild eines multinodulären Wachstums (d) mit spezifischem glioneuronalen Element. Der Pfeil deutet auf ein sog. „floating neuron“ (e). Der Befund entspricht somit einem DNT (WHO Grad I).
h Messbalken in d = 1 mm, in e = 40 μm. (Bilder a–e mit freundlicherweise Genehmigung von Dr. Macaulay, Halifax, Canada.) f 32-jähriger männlicher Patient mit chronischer, therapieresistenter Epilepsie und tumorverdächtiger Läsion links temporal (Pfeilspitze). g Im Operationspräparat fand sich eine hypomyelinisierte Läsion im Marklager (Pfeilspitze) ohne erkennbare neokortikale Raumforderung. Der Messbalken entspricht 5 mm. h Mikroskopisch typisches Muster eines glioneuronalen Tumors (Pfeil weist auf dysplastische Nervenzelle im Inset; Messbalken = 30 μm) sowie einer kräftigen CD34-Expression, die sich in den angrenzenden Neokortex erstreckt (NCx; Messbalken = 1 mm)
Neuropathologische Befunde
Transportergene (s. oben) ein und betreffen aberrant regulierte Neurotransmitterrezeptoren sowie auch „gap junctions“ (Connexine) [55, 109]. Häufig wird eine mikrogliale Entzündungskomponente in diesen Tumoren beobachtet und diese Veränderungen scheinen einen wichtigen Beitrag zur Epileptogenese zu leisten [2]. Inwiefern die beschriebenen Veränderungen bei Gangliogliomen und DNTs eine fokale Übererregbarkeit neuronaler Netzwerke hervorrufen, ist weitgehend unbekannt. Es werden derzeit mehrere Hypothesen diskutiert. x Zum einen könnte die neuronale Tumorkomponente selbst zu der epileptogenen Aktivität beitragen. Hierfür spricht der immunhistochemische Nachweis aberrant exprimierter Neurotransmitterrezeptoren. Allerdings fehlt bislang der Nachweis einer funktionellen Integration in die erregenden neuronalen Schaltkreise. Im Einzelfall konnten nach Implantation intrazerebraler Tiefenelektroden in einen Tumor iktogene Entladungen aus dem Tumorzentrum abgeleitet werden [79]. x Darüber hinaus scheint die inflammatorische Komponente direkt an der Epileptogenese beteiligt [2]. x Eine alternative Hypothese favorisiert epilepsieprovozierende Veränderungen im angrenzenden Gehirnparenchym. Hier sind eine Vielzahl von aberrant exprimierten neuroaktiven Molekülen sowohl immunhistochemisch als auch molekular-biologisch nachgewiesen worden. Die Beobachtungen werden von der klinischen Erfahrung gestützt, das eine neurochirurgische Resektion des Tumorherdes allein nicht zu einer sicheren Anfallskontrolle führt. Während des prächirurgischen Monitorings wird daher das den Tumor umgebende Gewebe zur Überprüfung eingeschlossen. x Bei Läsionen im Temporallappen muss zudem von einem sog. Kindling-Mechanismus der beteiligten limbischen Strukturen (Hippokampus und Amygdala) ausgegangen werden. Da die beschriebenen Tumoren als dysembryoplastischen Ursprungs angesehen werden, d. h., sie sind bereits während der Gehirnentwicklung angelegt, ist das den Tumor einbettende Kortexgewebe in seiner Architektur häufig verändert und wird in der internationalen Konsensus-Klassifikation der fokalen kortikalen Dysplasien als assoziierte FCD Typ IIIb (s. unten) eingestuft [33].
Fokale kortikale Dysplasien Mit dem Fortschritt bildgebender Verfahren lassen sich bei Patienten mit pharmakoresistenten Epilepsien zahlreiche Fehlbildungen der kortikalen Entwicklung erkennen. In der Tat ist das histopathologische Spektrum dieser Fehlbildungen sehr breit [3, 119]. Prominente Vertreter sind die sog. Hemimegalenzephalie, die Polymikrogy-
457
rie oder die noduläre Heterotopie. Die häufigsten epilepsieassoziierten Fehlbildungen sind aber fokale kortikale Dysplasien (FCD), die in ihrer Größe und Lokalisation erheblich variieren [41, 128] oder sich der Bildgebung auch vollständig entziehen können. Nach einer neuen von der ILAE vorgeschlagenen Klassifikation können FCDs histopathologisch in drei Typen eingeteilt werden [30, 31] (s. folgende Übersicht). Eine FCD vom ILAE Typ I ist als kortikale Architekturstörung definiert, die im MRT meist schwierig zu detektieren ist, häufiger bei jungen Kindern auftritt, und mehrere Lappen einschließen kann [28, 121, 129]. Wir unterscheiden drei histopathologische Typ-I-Varianten (Abb. 16.3); bei der FCD Typ Ia treten vermehrt neuronale Mikrokolumnen als Ausdruck einer vertikalen Architekturstörung in Erscheinung, während eine Störung der horizontalen Schichtenbildung einer FCD Typ Ib zuzuordnen ist. Demgegenüber ist die FCD Typ II durch spezifische zytologische Merkmale gekennzeichnet. Bei der FCD Typ IIa finden sich bizarr vergrößerte dysmorphe Nervenzellen, häufig ohne erkennbare anatomische Ausrichtung. Lassen sich darüber hinaus auch Ballonzellen mit großem opakem Zytoplasma und radiär ausstrahlenden kleinsten Fortsätzen erkennen, handelt es sich um eine FCD Typ IIb (Abb. 16.3). Diese Ballonzellen ähneln denen in kortikalen Tubern und weisen in der Tat molekulare Veränderungen im TSC1-/TSC2-Genkomplex auf (s. unten).
Internationale Klassifikation der fokalen kortikalen Dysplasien (FCD) 31 x FCD ILAE Type I (isolierte Form) – vertikale Architekturstörung (FCD Type Ia) – horizontale Architekturstörung (FCD Type Ib) – vertikale und horizontale Architekturstörungen (FCD Type Ic) x FCD ILAE Type II (isolierte Form) – dysmorphe Nervenzellen (FCD Type IIa) – dysmorphe Nervenzellen und Ballonzellen (FCD Type IIb) x FCD ILAE Type III (assoziierte Form) – HS-assoziiert (FCD Typ IIIa) – Tumorassoziiert (FCD Typ IIIb) – assoziiert mit vaskulärer Fehlbildung (FCD Typ IIIc) – assoziiert mit anderen frühkindlichen Läsionen (FCD Typ IIId) – FCD Typ III (NOS) – primäre Läsion steht der mikroskopischen Untersuchung nicht zur Verfügung FCD Focal Cortical Dysplasia; HS Hippokampussklerose; ILAE International League against Epilepsy; NOS not otherwise specified (mod. nach [30]).
458
Kapitel 16
a
Epilepsien
b
c
d
e
f
16
g
h
Abb. 16.3a–k. Fokale kortikale Dysplasien. a Normaler, sechsschichtig aufgebauter Neokortex. NeuN-Immunhistochemie. b FCD Type Ia mit mikrokolumnärer Organisation (vertikale Aufbaustörung, Pfeil) und fehlender Abgrenzung der Schichten III und IV bei einem jungen Kind mit multilobären Anfällen und schwerer psychomotorischer Retardierung. Messbalken = 400 μm (gilt auch für a und c). c FCD Typ Ib mit horizontaler Schichtungsstörung parietookzipital bei einem 23-jährigen männlichen Patienten mit therapierefraktärer Epilepsie seit früher Kindheit. d Im MRT-FLAIR stellt sich die FCD Typ IIb typischerweise mit einem hyperintensen „transmantle sign“ (Pfeil) dar, das vom Ventrikel bis in den Kortex reicht. e Makroskopisch erkennt man bei der FCD Typ IIb eine auffällige Hypomyelinisierung (Pfeil). Messbalken in mm. f FCD Typ IIa. In der Lupenvergrößerung findet sich bei dieser FCD-Variante eine fast vollständige Aufhebung der Schichtenbildung (mit Ausnahme von Schicht I). Messbalken = 800 μm g Die Unterscheidung zwischen FCD Typ IIa und IIb erfolgt durch den Nachweis von
i
k
Ballonzellen in IIb. HE-Färbung. Messbalken = 20 μm. h–k Beispiele für assoziierte FCD-Typ-III-Varianten. h FCD Typ IIIa im Temporallappen bei einem Patienten mit MTLE-HS. Auffällig ist der Verlust der äußeren Pyramidenzellschicht und prominenter äußerer Körnerzellschicht [131]. Die gleiche neokortikale Architekturstörung war auch bei einem Patienten mit leptomeningealer Angiomatose (nicht abgebildet) zu erkennen (i), wird aber aufgrund ihrer Assoziation mit einer vaskulären Malformation als FCD Typ IIIc bezeichnet. Messbalken (gilt auch für g und k) = 200 μm. k In unmittelbarer Nachbarschaft zu der horizontalen Aufbaustörung fanden sich bei demselben Patienten (i) vermehrte Mikrokolumnen. Obwohl sich keine spezifischen histopathologischen Unterschiede zwischen FCD Typ I und Typ III herausarbeiten lassen, sind bei assoziierten FCDs häufiger horizontale und vertikale Architekturstörungen kombiniert zu erkennen. Abbildungen freundlicherweise überlassen von Dr. Urbach, Bonn (d) und Dr. Thom, London, UK (f)
Neuropathologische Befunde
Die neue ILAE-Klassifikation grenzt darüber hinaus auch assoziierte FCD-Varianten ab, die typischerweise im temporalen Neokortex bei Patienten mit MTLE-HS auftritt (FCD Typ IIIa) [131], in der Umgebung von LEAT-Tumoren beobachtet werden kann (FCD Typ IIIb; s. oben) oder vaskuläre Fehlbildungen begleitet (FCD Typ IIIc). Die häufigste Ursache für neonatale Anfälle ist eine hypoxisch-ischämische Enzephalopathie [48]. Die Spätfolgen der oft nur passageren Anfallsepisode hängen mehr von der Grundkrankheit (z. B. perinatale Asphyxie, intrazerebrale Blutung, Leukoenzephalopathie, Rindendysgenesien) ab als von einer unmittelbaren Schädigung durch die Krämpfe, obwohl Letztere in der Lage sind, die weitere Reifung des Neokortex zu hemmen und eine Epilepsieentstehung zu begünstigen. Histopathologisch findet sich in diesen Fällen oft eine assoziierte fokale kortikale Dysplasie Typ IIId [93]. Dass diese im Wesentlichen den kortikalen Schichtenaufbau betreffenden „assoziierten“ Architekturstörungen maßgeblich an der Ausdehnung der epileptogenen (oder irritativen) Zone beteiligt sind, wird von vielen Autoren favorisiert [31], bleibt jedoch Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen. Neben den FCDs lassen sich histologisch auch milde Formen der kortikalen Entwicklungsstörung detektieren. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um heterotope (persistierende oder neu gebildete) Nervenzellen in Schicht I (mMCD Typ I) oder in der angrenzenden weißen Substanz (mMCD Typ II) [102]. Diese milden Entwicklungsstörungen bleiben Gegenstand kontroverser Diskussionen, da sich keine auffälligen Überschneidungen mit klinischen Krankheitsbildern, neuroradiologischen Befunden oder der postchirurgischen Anfallskontrolle ergeben. Die exakte Klassifikation von Fehlbildungsvarianten ist für eine weiterführende molekular-genetische Untersuchung essentiell. So konnten bereits der Genlokus bzw. das betroffene Gen selbst bei einigen Krankheitsbildern identifiziert werden, wie z. B. bei der periventrikulären nodulären Heterotopie (Filamin A auf Chromosom Xq28). Bei Polymikrogyrien wurden sowohl autosomaldominante als auch autosomal-rezessive und geschlechtsspezifische Stammbäume untersucht und eine Vielzahl von Genloci charakterisiert [63]. Bei der FCD Typ IIb ist mittlerweile eine Beteiligung des mTOR-Signalweges akzeptiert, was auch die histomorphologische Ähnlichkeit zu kortikalen Tubern bei TSC-Patineten erklärt [11, 46]. Sowohl in dysmorphen Nervenzellen als auch in Ballonzellen finden sich Allelverluste des TSC1-Gens auf Chromosom 9q34.13 sowie eine Aktivierung der assoziierten mTOR-Signalkaskade [85]. Diese erfolgreiche wissenschaftliche Aufklärung fußt auch auf den einheitlich verwendeten neuropathologischen Merkmalen der Läsion, die bereits durch die Erstbeschreibung von David Taylor 1971 definiert wurden [33, 130]. Entsprechend transparent stellen sich die molekularen Befunde zur Pathogene-
459
se dar und können für neue zielgerichtete medikamentöse Therapiestrategien zur Hemmung des mTOR-Signalwegs herangezogen werden [85]. Epilepsien treten naturgemäß auch bei zahlreichen komplexen Fehlbildungen auf, wie dem Aicardi-Syndrom [1]. Dieses ist klinisch durch eine Trias bestehend aus infantilen Spasmen vor dem 3. Lebensmonat, chorioretinalen Lakunen und einer Balkenagenesie charakterisiert und betrifft nur weibliche Individuen (X-chromosomalgebundene Erkrankung). Männliche Feten sterben meist intrauterin. Neuropathologisch lassen sich zudem Polymikrogyrien erkennen, die bei der klinischen Bildgebung nicht selten übersehen werden, wahrscheinlich aber maßgeblich zu der schweren Epilepsie (und geistigen Retardierung) beitragen. Epileptische Anfälle sind auch ein häufiges Symptom bei zerebraler Manifestation von Phakomatosen, insbesondere bei kortikalen Tubern (TSC) oder bei der SturgeWeber-Meningoangiomatose.
Rasmussen- und limbische Enzephalitis Die Rasmussen-Enzephalitis ist eine Sonderform der Epilepsie im Kindes- und Jugendalter, die mit fokalen, vielfach sekundär generalisierten Anfällen, auch einer Epilepsia partialis continua oder einem Status epilepticus, mit Hemiparesen und einem demenziellen kognitiven Abbau einhergeht [17]. Sie wird zu den Autoimmunkrankheiten gezählt, begründet durch den histopathologischen Nachweis nervenzellattakierender CD8-positiver T-Lymphozyten [16], Mikrogliaknötchen, >10 Lymphozyten/mm2 im Neuropil, Nervenzelldepletion und Astrogliose in einer Hemisphäre. Diese Veränderungen finden sich meistens im Neokortex, können aber auch auf Mark und Stammganglien übergreifen. Aufgrund der schlechten Prognose zur medikamentösen Anfallskontrolle (insbesondere bei Epilepsia partialis continua) kann eine neurochirurgische Hemispherotomie oder Hemisphärektomie erfolgreich sein [18]. Davon abzugrenzen ist die limbische Enzephalitis [64], die regional meist auf den Temporallappen begrenzt bleibt, sonst aber die histomorphologischen Merkmale der Rasmussen-Enzephalitis teilt. In longitudinalen MRT-Studien konnte in mehreren Fällen zunächst eine einseitig betonte Hippokampusschwellung beobachtet werden, die sich innerhalb weniger Monate in eine Hippokampusatrophie umwandelt [133]. Ätiologisch ist bei dieser häufig erst im Erwachsenenalter auftretenden limbischen Enzephalitis ein paraneoplastisches Syndrom auszuschließen (50% Bronchialkarzinome, 20% Hodentumoren, 8% Mammakarzinome). Neben paraneoplastischen Autoantikörpern gegen intrazelluläre Antigene wie Ma, Hu, Ta/Ma2 können in Speziallabors auch sog. Neuropil-Antikörper (z. B. gegen spannungsabhängige Kaliumkanäle, VGKC, gerich-
460
Kapitel 16
tet) nachgewiesen werden und bestätigen die Diagnose [77]. In letztgenannten Fällen zeigt die Therapie mit immunsupprimierenden oder -modulierenden Substanzen eine deutlich bessere Prognose als bei Patienten mit Nachweis von Antikörpern gegen intrazellulären Antigene [19].
Epilepsien mit metabolischen Ursachen Das Alpers-Huttenlocher-Syndrom, das einen Cytochrom-C-Oxydase-(Komplex-IV-)Mangel aufweist, gehört zu den metabolisch verursachten Epilepsien. Es kann mit einer Epilepsia partialis continua gekoppelt sein und ist morphologisch gekennzeichnet durch ausgedehnte spongiöse Rindenveränderungen mit Nervenzelluntergängen in Groß- und Kleinhirnrinde und Stammganglien sowie einer starken Astrogliose (progressive infantile Poliodystrophie), die einseitig betont sein können. In 67% der Patienten mit Alpers-Syndrom konnte eine Mutation in der Gamma-Untereinheit der DNS-Polymerase (POLG, Chromosom 15q25) nachgewiesen werden [140]. Dieses Enzym ist direkt an der mitochondrialen DNSReplikation beteiligt. Huttenlocher beschrieb darüber hinaus bei seinen kindlichen Patienten eine Leberzirrhose [73]. Weitere mitochondriale Enzephalopathien können typischerweise mit einer Epilepsie vergesellschaftet sein, wie z. B. MERFF.
16
Schäden durch Antikonvulsiva Klinische, durch radiologische Befunde gestützte Erfahrungen sowie experimentelle Untersuchungen zeigten, dass bei Antikonvulsiva-Überdosierungen oder nach Suizidversuchen mit Antikonvulsiva Kleinhirnschädigungen vorkommen, besonders durch Diphenylhydantoinpräparate. Morphologisch lassen sich in solchen Fällen diffuse Purkinje-Zell-, seltener auch Körnerzelluntergänge nachweisen, die elektronenmikroskopisch im Experiment auch durch atypische Dendritensprossungen belegbar sind [99]. Unter Vigabatrinbehandlung wurden psychotische Episoden beschrieben [110]. Mit Valproat behandelte Kleinkinder sind durch Leberfunktionsstörungen gefährdet (geringe therapeutische Breite bei hoher Wirksamkeit). Plötzliche Todesfälle wurden vor allem bei 3bis 10-jährigen Kindern beobachtet. Darüber hinaus muss eine teratogene Wirkung von Valproinsäure bei schwangeren Epilepsiepatientinnen angenommen werden [52]. Diese scheint sich aus der hemmenden Wirkung der Valproinsäure auf die epigenetisch entscheidend wirksame Histon-Deacetylase zu erklären [61]. Tierexperimentell konnte zudem eine Störung der kognitiven Ent-
Epilepsien
wicklung bei in utero behandelten Ratten nachgewiesen werden [56]. Teratogene Wirkungen haben darüber hinaus Hydantoinderivate (z. B. mit Fingerhypoplasien). Eine größere italienische Studie fand Missbildungen von Klinodaktylien und Hüftgelenkdysplasien über dysraphische Störungen bis zum Anenzephalus bei 9,1% der Neugeborenen (bei Kontrollen 2,2%), geringgradige Normabweichungen bei weiteren 13,3% [4]. Bei behandlungsbedürftigen Schwangeren ist daher eine sorgfältige Überwachung der Antikonvulsivaspiegel unverzichtbar. Iatrogene Schäden können im Übrigen auch bei der prächirurgischen Diagnostik in Verbindung mit der Einbringung subduraler Streifen- und Gitterelektroden innerhalb der Leptomeningen und der oberflächlichen Rindenschichten sowie intrazerebraler Tiefenelektroden entstehen. Dass deswegen eine Risikoabwägung zu erfolgen hat, ist selbstverständlich. Die durch diese diagnostischen Eingriffe ausgelöste inflammatorische Reaktion im Gehirnparenchym kann oftmals die neuropathologische Diagnostik erschweren. Bei einer entzündlichen Verdachtsdiagnose sollte daher nach Rücksprache mit den klinischen Kollegen zunächst eine Folgereaktion nach invasiver EEG-Ableitung (Zeitpunkt und Lokalisation in Bezug zum Resektat) diskutiert werden.
Todesursachen Die Feststellung der Todesursachen ist bei Epilepsien insofern problematisch als in der Mehrzahl der Fälle die Grundkrankheit die Lebensdauer bestimmt. Eine erhöhte Mortalität besteht insbesondere bei Patienten mit einem Status epilepticus [5]. Sie liegt bei 5–6% in Kindern, bei 10–30% in Erwachsenen und ist bei symptomatischen Epilepsien wesentlich von der Grundkrankheit abhängig. Nach einer Statistik in den USA erfolgte der Tod in 20% der Fälle im Status epilepticus, in 17% im Zusammenhang mit anfallsbedingten Verletzungen oder Erstickungen [113]. Ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Anfall und Tod wurde in 31% der Fälle angenommen, einschließlich plötzlicher Herztodesfälle und Blutungen. Beunruhigend hoch bleibt der Anteil plötzlicher unerwarteter Todesfälle („sudden unexpected death in epilepsy“, SUDEP) mit rund 10% [143]. Bisherige Erklärungsversuche für die Mors subita weichen voneinander ab und es finden sich keine aussagekräftigen histomorphologischen Befunde [132]. Diskutiert werden Fettembolien, eine akute Hirndrucksteigerung, eine Nebenniereninsuffizienz, paroxysmale autonome Dysfunktionen und fatal ausgehende Synkopen. Es spricht einiges dafür, dass die letztgenannte Ursache am ehesten zutrifft [78]. Eigenartig ist der häufige Eintritt des Todes in den Nachtstunden, offenbar im Schlaf. Im Schlaf-EEG lassen sich in der Tat vorübergehende Phasen erhöhter Krampfbereitschaft nachweisen [69].
Genetisch determinierte Epilepsien
Genetisch determinierte Epilepsien Es wurden mittlerweile über 20 Gene identifiziert, in denen Mutationen oder Deletionen als Ursache für die meist noch als idiopathisch bezeichneten Epilepsien gelten [101, 118]. Diese Gene kodieren ganz überwiegend spannungsabhängige, seltener auch ligandengesteuerte Ionenkanäle (Tabelle 16.2). Die Aufklärung dieser genetischen Defekte hat nicht nur unser Verständnis über die molekularen Mechanismen der Membranerregung von Nervenzellen revolutioniert (s. auch oben), sondern sind zunehmend von klinischer Bedeutung. Spezifische Gentests werden bereits für die Syndromdiagnostik eingesetzt (diagnostische Tests), dienen aber auch der Vor-
461
hersage des möglichen Anfallsbeginns in Patienten mit familiärer Belastung (prädiktive Tests) [101]. Ein weiteres aktuelles Gebiet umfasst die Pharmakogenetik [88, 118]. Hierbei sucht man genomweit nach Varianten (z. B. Single Nucleotide Polymorphismen), die mit Ansprechen oder Versagen bestimmter Antiepileptika assoziiert sind. Der klinische Nutzen einer solchen prädiktiven Untersuchungsmethode ist offensichtlich, allerdings bleibt die Datenlage bislang kontrovers und ist noch nicht für den klinischen Einsatz standardisiert. Neuropathologische Befunde sind bei genetisch determinierten Epilepsien selten. Bei der juvenilen Myoklonusepilepsie wurden beispielsweise Mikrodysgenesien innerhalb der Rinde als Zeichen von Reifungsstörungen beschrieben [74]. Demgegenüber finden sich bei 70% der
Tabelle 16.2. Genetisch determinierte Epilepsiesyndrome. (Mod. nach [101, 118]) Lokus
Gen
Literatur
Benign familial neonatal seizures
20q13.3 8q24
KCNQ2 KCNQ3
Biervert et al. 1998 [20] Charlier et al. 1998 [38]
Benign familial neonatal-infantile seizures
2q12–q24.3
SCN2A
Heron et al. 2002 [68]
Ohtahara syndrome
9q34.1 Xp22.13
STXBP1 ARX
Saitsu et al. 2008 [108] Kato et al. 2007 [76]
Early onset spasms
Xp22
STK9/CDKL5
Kalscheuer et al. 2003 75
X-linked infantile spasms
Xp22.13
ARX
Stromme et al. 2002 125
Dravet syndrome
2q24
SCN1A
Claes et al. 2001 [39]
Genetic epilepsy with febrile seizures plus
2q24 19q13.1 5q34
SCN1A SCN1B GABRG2
Escayg et al. 2001 [54] Wallace et al. 1998 [137] Baulac et al. 2001 [6]
Childhood absence epilepsy with febrile seizures
5q34
GABRG2
Wallace et al. 2001 [136]
Epilepsy and mental retardation limited to females
Xq22
PCDH19
Dibbens et al. 2008 [49]
Early-onset absence epilepsy
1p35–p31.1
SLC2A1
Suls et al. 2009 [126]
Juvenile myoclonic epilepsy
5q334-–q35 3q26 15q13.3
GABRA1 CLCN2 CHRNA7
Cossette et al. 2002 [45] Kleefuss-Lie et al. 2009 [80] Helbig et al. 2009 [67]
AD nocturnal frontal lobe epilepsy
20q13.2–q13.3
CHRNA4
Steinlein et al. 1995 [124]
AD partial epilepsy with auditory features
10q24
LGI1
Gu et al. 2002 [62]
Syndromes beginning in the first year
Syndromes with prominent febrile seizures
Idiopathic generalized epilepsies
Focal epilepsies
AD autosomal-dominant. KCNQ2 Kaliumkanal KV7.2; KCNQ3 Kaliumkanal KV7.3; SCN2A Natriumkanal NaV1.2; STXBP1 Syntaxinbindendes Protein 1; ARX ähnlich zum Aristaless-Homeobox-Protein; STK9/CDKL5 ähnlich zur zyklinabhängigen Kinase 5; SCN1A Natriumkanal NaV1.1; SCN1B E1-Untereinheit des Natriumkanals; GABRG2 gamma2-Untereinheit des GABAA-Rezeptors; PCDH19 Protocadherin; SLC2A1 Glukosetransporter (Typ 1); GABRG1 D1-Untereinheit des GABAA-Rezeptors; CLCN2 Chloridkanal 2; CHRNA7 D7-Untereinheit des nikotinergen Acetylcholinrezeptors ; CHRNA4 D4-Untereinheit des nicotinergen Acetylcholinrezeptors; LGI1 Protein mit leucinreichen Wiederholungen
462
16
Kapitel 16
jungen Patienten (<1 Jahr) mit Propulsiv-Petit-mal-Epilepsien (West-Syndrom, infantile Spasmen mit EEG-Zeichen der Hypsarrhythmie) Zeichen pränataler Entwicklungsstörungen im Sinne zerebraler Atrophien oder Missbildungen sowie in 90% eine geistige Retardierung. Das West-Syndrom wird daher den symptomatischen Epilepsien zugeordnet. Eine familiäre Disposition besteht nur bei 3–4% der Patienten. Dazu zählen die X-chromosomalen infantilen Spasmen. Der betroffene Genlokus kodiert für ein Analog der zyklinabhängigen Kinase 5 [75], das an der Neuroblastenmigration beteiligt sein könnte. Das Dravet-Syndrom („severe myoclonic epilepsy in infancy“) tritt ebenfalls de novo im ersten Lebensjahr auf und zeigt einen meist progressiven Verlauf. Viele Kinder entwickeln schwere psychomotorische Defizite [139], wobei spezifische neuropathologische Läsionsmuster fehlen („epileptische Enzephalopathie“). Unten den zahlreichen Kandidatengenen findet sich bei Patienten mit Dravet-Syndrom häufig eine Mutation des SCN1A-Natriumkanals [39]. Interessanterweise ist dieser Natriumkanal vor allem in hemmenden GABAergen Interneuronen exprimiert, wodurch eine epileptogene Enthemmung neuronaler Netzwerke resultiert [142]. Genetisch determinierte fokale Epilepsien sind sehr selten. Ein mögliches Beispiel wäre die Rolandische Epilepsie, die durch zentrotemporale „Roland-Spikes“ im EEG charakterisiert ist und vorwiegend im frühen Schulalter auftritt. Eine morphologische Läsion ist nicht nachweisbar; allerdings ist auch eine genetische Disposition bislang nicht bewiesen. Insgesamt wäre ein Gendefekt bei fokalen Epilepsien pathogenetisch schwerlich zu erklären. Umso interessanter ist der Nachweis einer Mutation in der neuronalen nikotinergen Acetylcholin-RezeptorD4-Untereinheit bei der autosomal-dominanten nächtlichen familiären Frontalhirnepilepsie [124]. Jede Durchführung genetischer Untersuchungen unterliegt dem Gendiagnostikgesetz von 2009. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass Epilepsiepatienten mit einem positiven Testergebnis in ihrem sozialen Umfeld stärker stigmatisiert werden [101]. Darüber hinaus führt das Wissen einer genetischen Ursache der Erkrankung bei Patienten immer wieder zu erheblichen psychischen Belastungen.
Epilepsien
4.
5. 6.
7. 8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
Literatur 18. 1. 2.
3.
Aicardi J (2005) Aicardi syndrome. Brain Dev 27: 164–171 Aronica E, Gorter JA, Redeker S et al. (2005) Distribution, characterization and clinical significance of microglia in glioneuronal tumours from patients with chronic intractable epilepsy. Neuropathol Appl Neurobiol 31: 280–291 Barkovich AJ, Kuzniecky RI, Jackson GD et al. (2005) A developmental and genetic classification for malformations of cortical development. Neurology 65: 1873–1887
19.
20.
Battino D, Binelli S, Caccamo ML et al. (1992) Malformations in offspring of 305 epileptic women: a prospective study. Acta Neurol Scand 85: 204–207 Bauer J (1999) Mortalität und Morbidität der Status epileptici. Epilepsieblätter 12: 7–12 Baulac S, Huberfeld G, Gourfinkel-An I et al. (2001) First genetic evidence of GABA(A) receptor dysfunction in epilepsy: a mutation in the gamma2-subunit gene. Nat Genet 28: 46–48 Beck H (2007) Plasticity of antiepileptic drug targets. Epilepsia 48 (Suppl 1): 14–18 Beck H, Yaari Y (2008) Plasticity of intrinsic neuronal properties in CNS disorders. Nat Rev Neurosci 9: 357– 369 Becker AJ, Blumcke I, Urbach H et al. (2006) Molecular neuropathology of epilepsy-associated glioneuronal malformations. J Neuropathol Exp Neurol 65: 99–108 Becker AJ, Chen J, Zien A et al. (2003) Correlated stageand subfield-associated hippocampal gene expression patterns in experimental and human temporal lobe epilepsy. Eur J Neurosci 18: 2792–2802 Becker AJ, Urbach H, Scheffler B et al. (2002) Focal cortical dysplasia of Taylor‘s balloon cell type: Mutational analysis of the TSC1 gene indicates a pathogenic relationship to tuberous sclerosis. Ann Neurol 52: 29–37 Becker AJ, Wiestler OD, Figarella-Branger D et al. (2007) Ganglioglioma and gangliocytoma. In: Louis DN, Ohgaki H, Wiestler OD, Cavenee W (eds) WHO Classification of Tumours of the Central Nervous System. IARC, Lyon, pp 103–105 Berg AT, Berkovic SF, Brodie MJ et al. (2010) Revised terminology and concepts for organization of seizures and epilepsies: report of the ILAE Commission on Classification and Terminology, 2005–2009. Epilepsia 51: 676–685 Bernard C, Anderson A, Becker A et al. (2004) Acquired dendritic channelopathy in temporal lobe epilepsy. Science 305: 532–535 Bezzi P, Gundersen V, Galbete JL et al. (2004) Astrocytes contain a vesicular compartment that is competent for regulated exocytosis of glutamate. Nat Neurosci 7: 613–620 Bien CG, Bauer J, Deckwerth TL et al. (2002) Destruction of neurons by cytotoxic T cells: a new pathogenic mechanism in Rasmussen’s encephalitis. Ann Neurol 51: 311– 318 Bien CG, Granata T, Antozzi C et al. CE (2005) Pathogenesis, diagnosis and treatment of Rasmussen encephalitis: a European consensus statement. Brain 128: 454–471 Bien CG, Schramm J (2009) Treatment of Rasmussen encephalitis half a century after its initial description: promising prospects and a dilemma. Epilepsy Res 86: 101–112 Bien CG, Urbach H, Schramm J et al. (2007) Limbic encephalitis as a precipitating event in adult-onset temporal lobe epilepsy. Neurology 69: 1236–1244 Biervert C, Schroeder BC, Kubisch C et al. (1998) A potassium channel mutation in neonatal human epilepsy. Science 279: 403–406
Literatur
21.
22. 23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
Binder DK, Podlogar M, Clusmann H et al. (2009) Surgical treatment of parietal lobe epilepsy. J Neurosurg 110: 1170–1178 Blumcke I (2009) Neuropathology of focal epilepsies: a critical review. Epilepsy Behav 15: 34–39 Blumcke I, Beck H, Suter B et al. (1999) An increase of hippocampal calretinin-immunoreactive neurons correlates with early febrile seizures in temporal lobe epilepsy. Acta Neuropathol (Berl) 97: 31–39 Blumcke I, Giencke K, Wardelmann E et al. (1999) The CD34 epitope is expressed in neoplastic and malformative lesions associated with chronic, focal epilepsies. Acta Neuropathol 97: 481–490 Blumcke I, Kistner I, Clusmann H et al. (2009) Towards a clinico-pathological classification of granule cell dispersion in human mesial temporal lobe epilepsies. Acta Neuropathol 117: 535–544 Blumcke I, Müller S, Buslei R et al. (2004) Microtubule-associated protein-2 immunoreactivity: a useful tool in the differential diagnosis of low-grade neuroepithelial tumors. Acta Neuropathol (Berl) 108: 89–96 Blumcke I, Pauli E, Clusmann H et al. (2007) A new clinico-pathological classification system for mesial temporal sclerosis. Acta Neuropathol 113: 235–244 Blumcke I, Pieper T, Pauli E et al. (2010) A distinct variant of focal cortical dysplasia type I characterised by magnetic resonance imaging and neuropathological examination in children with severe epilepsies. Epileptic Disord 12: 172– 180 Blumcke I, Schewe JC, Normann S et al. (2001) Increase of nestin-immunoreactive neural precursor cells in the dentate gyrus of pediatric patients with early-onset temporal lobe epilepsy. Hippocampus 11: 311–321 Blumcke I, Spreafico R (2011) An international consensus classification for focal cortical dysplasias. Lancet Neurol 10: 26–27 Blümcke I, Thom M, Aronica E et al. (2011) The clinicopathological spectrum of Focal Cortical Dysplasias: a consensus classification proposed by an ad hoc Task Force of the ILAE Diagnostic Methods Commission. Epilepsia 52: 158–174 Blumcke I, Thom M, Wiestler OD (2002) Ammon‘s horn sclerosis: a maldevelopmental disorder associated with temporal lobe epilepsy. Brain Pathol 12: 199–211 Blumcke I, Vinters HV, Armstrong D et al. (2009) Malformations of cortical development and epilepsies. Epileptic Disord 11: 181–193 Blumcke I, Wiestler OD (2002) Gangliogliomas: an intriguing tumor entity associated with focal epilepsies. J Neuropathol Exp Neurol 61: 575–584 Blumcke I, Zuschratter W, Schewe JC et al.(1999) Cellular pathology of hilar neurons in Ammon’s horn sclerosis. J Comp Neurol 414: 437–453 Bouchet, Cazauvielh (1825) De l‘épilepsie considérée dans ses rapports avec l‘aliénation mentale. Arch Gen Med 9: 510–542
463
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52. 53.
Brusa R, Zimmermann F, Koh DS et al. (1995) Early-on-set epilepsy and postnatal lethality associated with an editingdeficient GluR-B allele in mice. Science 270: 1677–1680 Charlier C, Singh NA, Ryan SG et al. (1998) A pore mutation in a novel KQT-like potassium channel gene in an idiopathic epilepsy family. Nat Genet 18: 53–55 Claes L, Del-Favero J, Ceulemans B et al. (2001) De novo mutations in the sodium-channel gene SCN1A cause severe myoclonic epilepsy of infancy. Am J Hum Genet 68: 1327–1332 Clusmann H, Kral T, Fackeldey E et al. (2004) Lesional mesial temporal lobe epilepsy and limited resections: prognostic factors and outcome. J Neurol Neurosurg Psychiatry 75: 1589–1596 Colombo N, Salamon N, Raybaud C et al. (2009) Imaging of malformations of cortical development. Epileptic Disord 11: 194–205 Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1981) Proposal for revised clinical and electrographic classification of epileptic seizures. Epilepsia 22: 489–501 Commission on Classification and Terminology of the International League against Epilepsy (1989) Proposal for revised classification of epilepsies and epileptic syndromes. Epilepsia 30: 389–399 Coras R, Siebzehnrubl FA, Pauli E et al. (2010) Low proliferation and differentiation capacities of adult hippocampal stem cells correlate with memory dysfunction in humans. Brain 133: 3359–3372 Cossette P, Liu L, Brisebois K et al. (2002) Mutation of GABRA1 in an autosomal dominant form of juvenile myoclonic epilepsy. Nat Genet 31: 184–189 Crino PB (2007) Focal brain malformations: a spectrum of disorders along the mTOR cascade. Novartis Found Symp 288: 260–272; discussion 272–281 de Lanerolle NC, Kim JH, Robbins RJ et al. (1989) Hippocampal interneuron loss and plasticity in human temporal lobe epilepsy. Brain Res 495: 387–395 Deprez L, Jansen A, De Jonghe P (2009) Genetics of epilepsy syndromes starting in the first year of life. Neurology 72: 273–281 Dibbens LM, Tarpey PS, Hynes K et al. (2008) X-linked protocadherin 19 mutations cause female-limited epilepsy and cognitive impairment. Nat Genet 40: 776–781 Ding S, Fellin T, Zhu Y et al. (2007) Enhanced astrocytic Ca2+ signals contribute to neuronal excitotoxicity after status epilepticus. J Neurosci 27: 10674–10684 Dugladze T, Vida I, Tort AB et al. (2007) Impaired hippocampal rhythmogenesis in a mouse model of mesial temporal lobe epilepsy. Proc Natl Acad Sci USA 104: 17530–17535 Duncan S (2007) Teratogenesis of sodium valproate. Curr Opin Neurol 20: 175–180 Eriksson PS, Perfilieva E, Bjork-Eriksson T et al. (1998) Neurogenesis in the adult human hippocampus. Nat Med 4: 1313–1317
464
Kapitel 16
54.
55.
56.
57.
58.
59.
60. 61.
62.
63.
16
64.
65.
66.
67.
68.
69. 70.
Escayg A, MacDonald BT, Meisler MH et al. (2000) Mutations of SCN1A, encoding a neuronal sodium channel, in two families with GEFS+2. Nat Genet 24: 343–345 Fassunke J, Majores M, Tresch A et al. (2008) Array analysis of epilepsy-associated gangliogliomas reveals expression patterns related to aberrant development of neuronal precursors. Brain 131: 3034–3050 Frisch C, Husch K, Angenstein F et al. (2009) Dose-dependent memory effects and cerebral volume changes after in utero exposure to valproate in the rat. Epilepsia 50: 1432–1441 Frotscher M, Haas CA, Forster E (2003) Reelin controls granule cell migration in the dentate gyrus by acting on the radial glial scaffold. Cereb Cortex 13: 634–640 Gabriel S, Njunting M, Pomper JK et al. (2004) Stimulus and potassium-induced epileptiform activity in the human dentate gyrus from patients with and without hippocampal sclerosis. J Neurosci 24: 10416–10430 Gambardella A, Labate A, Giallonardo A et al. (2009) Familial mesial temporal lobe epilepsies: clinical and genetic features. Epilepsia 50 (Suppl 5): 55–57 Gastaut H (1970) Clinical and electroencephalographical classification of epileptic seizures. Epilepsia 11: 102–113 Gottlicher M, Minucci S, Zhu P et al. (2001) Valproic acid defines a novel class of HDAC inhibitors inducing differentiation of transformed cells. Embo J 20: 6969–6978 Gu W, Brodtkorb E, Steinlein OK (2002) LGI1 is mutated in familial temporal lobe epilepsy characterized by aphasic seizures. Ann Neurol 52: 364–367 Guerrini R, Dobyns WB, Barkovich AJ (2008) Abnormal development of the human cerebral cortex: genetics, functional consequences and treatment options. Trends Neurosci 31: 154–162 Gultekin SH, Rosenfeld MR, Voltz R et al. (2000) Paraneoplastic limbic encephalitis: neurological symptoms, immunological findings and tumour association in 50 patients. Brain 123: 1481–1494 Haas CA, Dudeck O, Kirsch M et al. (2002) Role for reelin in the development of granule cell dispersion in temporal lobe epilepsy. J Neurosci 22: 5797–5802 Hattiangady B, Shetty AK (2010) Decreased neuronal differentiation of newly generated cells underlies reduced hippocampal neurogenesis in chronic temporal lobe epilepsy. Hippocampus 20: 97–112 Helbig I, Mefford HC, Sharp AJ et al. (2009) 15q13.3 microdeletions increase risk of idiopathic generalized epilepsy. Nat Genet 41: 160–162 Heron SE, Crossland KM, Andermann E et al. (2002) Sodium-channel defects in benign familial neonatal-infantile seizures. Lancet 360: 851–852 Hirsch CS, Martin DL (1971) Unexpected death in young epileptics. Neurology 21: 682–690 Hoischen A, Ehrler M, Fassunke J et al. (2008) Comprehensive characterization of genomic aberrations in gangliogliomas by CGH, array-based CGH and interphase FISH. Brain Pathol 18: 326–337
Epilepsien
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
84. 85.
86.
87.
Houser CR (1990) Granule cell dispersion in the dentate gyrus of humans with temporal lobe epilepsy. Brain Res 535: 195–204 Huang Y, Doherty JJ, Dingledine R (2002) Altered histone acetylation at glutamate receptor 2 and brain-derived neurotrophic factor genes is an early event triggered by status epilepticus. J Neurosci 22: 8422–8428 Huttenlocher PR, Solitare GB, Adams G (1976) Infantile diffuse cerebral degeneration with hepatic cirrhosis. Arch Neurol 33: 186–192 Janz D (1997) The idiopathic generalized epilepsies of adolescence with childhood and juvenile age of onset. Epilepsia 38: 4–11 Kalscheuer VM, Tao J, Donnelly A et al. (2003) Disruption of the serine/threonine kinase 9 gene causes severe Xlinked infantile spasms and mental retardation. Am J Hum Genet 72: 1401–1411 Kato M, Saitoh S, Kamei A et al. (2007) A longer polyalanine expansion mutation in the ARX gene causes early infantile epileptic encephalopathy with suppression-burst pattern (Ohtahara syndrome). Am J Hum Genet 81: 361– 366 Kerling F, Blumcke I, Stefan H (2008) Pitfalls in diagnosing limbic encephalitis - a case report. Acta Neurol Scand 118: 339–342 Kerling F, Dutsch M, Linke R et al. (2009) Relation between ictal asystole and cardiac sympathetic dysfunction shown by MIBG-SPECT. Acta Neurol Scand 120: 123–129 Kirschstein T, Fernandez G, Grunwald T et al. (2003) Heterotopias, cortical dysplasias and glioneural tumors participate in cognitive processing in patients with temporal lobe epilepsy. Neurosci Lett 338: 237–241 Kleefuss-Lie A, Friedl W, Cichon S et al. (2009) CLCN2 variants in idiopathic generalized epilepsy. Nat Genet 41: 954–955 Kobow K, Jeske I, Hildebrandt M et al. (2009) Increased reelin promoter methylation is associated with granule cell dispersion in human temporal lobe epilepsy. J Neuropathol Exp Neurol 68: 356–364 Kunz WS, Kudin AP, Vielhaber S et al. (2000) Mitochondrial complex I deficiency in the epileptic focus of patients with temporal lobe epilepsy. Ann Neurol 48: 766– 773 Kuzniecky R, Murro A, King D et al. (1993) Magnetic resonance imaging in childhood intractable partial epilepsies: pathologic correlations. Neurology 43: 681–687 Kwan P, Brodie MJ (2000) Early identification of refractory epilepsy. N Engl J Med 342: 314–319 Lamparello P, Baybis M, Pollard J et al. (2007) Developmental lineage of cell types in cortical dysplasia with balloon cells. Brain 130: 2267–2276 Lorente de Nó R (1934) Studies on the structure of the cerebral cortex. II: Continuatiuon of the study of the Ammonic system. J Psychol Neurol 46: 113–177 Loscher W (2007) Drug transporters in the epileptic brain. Epilepsia 48 (Suppl 1): 8–13
Literatur
88.
89.
90.
91.
92.
93.
94.
95.
96.
97.
98.
99.
100.
101.
102.
103.
104.
Loscher W, Klotz U, Zimprich F et al. (2009) The clinical impact of pharmacogenetics on the treatment of epilepsy. Epilepsia 50: 1–23 Luyken C, Blumcke I, Fimmers R et al. (2003) The spectrum of long-term epilepsy-associated tumors: long-term seizure and tumor outcome and neurosurgical aspects. Epilepsia 44: 822–830 Luyken C, Blumcke I, Fimmers R et al. (2004) Supratentorial gangliogliomas: histopathologic grading and tumor recurrence in 184 patients with a median follow-up of 8 years. Cancer 101: 146–155 Ma DK, Jang MH, Guo JU et al. (2009) Neuronal activity-induced Gadd45b promotes epigenetic DNA demethylation and adult neurogenesis. Science 323: 1074– 1077 Majores M, von Lehe M, Fassunke J et al. (2008) Tumor recurrence and malignant progression of gangliogliomas. Cancer 113: 3355–3363 Marin-Padilla M, Parisi JE, Armstrong DL et al. (2002) Shaken infant syndrome: developmental neuropathology, progressive cortical dysplasia, and epilepsy. Acta Neuropathol (Berl) 103: 321–332 Marusic P, Tomasek M, Krsek P et al. (2007) Clinical characteristics in patients with hippocampal sclerosis with or without cortical dysplasia. Epileptic Disord 9 (Suppl 1): S75–82 Mathern GW, Babb TL, Vickrey BG et al. (1995) The clinical-pathogenic mechanisms of hippocampal neuron loss and surgical outcomes in temporal lobe epilepsy. Brain 118: 105–118 Matsumoto H, Ajmonemarsan C (1964) Cellular Mechanisms in Experimental Epileptic Seizures. Science 144: 193–194 Meencke HJ, Janz D (1984) Neuropathological findings in primary generalized epilepsy: a study of eight cases. Epilepsia 25: 8–21 Mody I, Heinemann U (1987) NMDA receptors of dentate gyrus granule cells participate in synaptic transmission following kindling. Nature 326: 701–704 Ney GC, Lantos G, Barr WB et al. (1994) Cerebellar atrophy in patients with long-term phenytoin exposure and epilepsy. Arch Neurol 51: 767–771 Oberheim NA, Tian GF, Han X et al. (2008) Loss of astrocytic domain organization in the epileptic brain. J Neurosci 28: 3264–3276 Ottman R, Hirose S, Jain S et al. (2010) Genetic testing in the epilepsies--report of the ILAE Genetics Commission. Epilepsia 51: 655–670 Palmini A, Najm I, Avanzini G et al. (2004) Terminology and classification of the cortical dysplasias. Neurology 62: S2–8 Parent JM, Elliott RC, Pleasure SJ et al. (2006) Aberrant seizure-induced neurogenesis in experimental temporal lobe epilepsy. Ann Neurol 59: 81–91 Parent JM, Yu TW, Leibowitz RT et al. (1997) Dentate granule cell neurogenesis is increased by seizures and con-
465
105.
106.
107.
108.
109.
110. 111.
112.
113. 114.
115.
116. 117.
118.
119.
120.
121.
122. 123.
tributes to aberrant network reorganization in the adult rat hippocampus. J Neurosci 17: 3727–3738 Pauli E, Hildebrandt M, Romstock J et al. (2006) Deficient memory acquisition in temporal lobe epilepsy is predicted by hippocampal granule cell loss. Neurology 67: 1383–1389 Peiffer J (1993) Neuronale Schäden durch Epilepsien. Klinisch-neuropathologische Korrelationsversuche zur Frage der Krampfschäden beim Menschen. Thieme, Stuttgart Reifenberger G, Kaulich K, Wiestler OD et al. (2003) Expression of the CD34 antigen in pleomorphic xanthoastrocytomas. Acta Neuropathol 105: 358–364 Saitsu H, Kato M, Mizuguchi T et al. (2008) De novo mutations in the gene encoding STXBP1 (MUNC18-1) cause early infantile epileptic encephalopathy. Nat Genet 40: 782–788 Samadani U, Judkins AR, Akpalu A et al. (2007) Differential cellular gene expression in ganglioglioma. Epilepsia 48: 646–653 Sander JW, Hart YM, Trimble MR et al. (1991) Vigabatrin and psychosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 54: 435–439 Schmidt D, Loscher W (2009) New developments in antiepileptic drug resistance: an integrative view. Epilepsy Curr 9: 47–52 Schramm J, Luyken C, Urbach H et al. (2004) Evidence for a clinically distinct new subtype of grade II astrocytomas in patients with long-term epilepsy. Neurosurgery 55: 340–347; discussion 347–348 Schwade ED, Otto O (1954) Mortality in epilepsy. JAMA 156: 1526 Shoffner JM, Lott MT, Lezza AM et al. (1990) Myoclonic epilepsy and ragged-red fiber disease (MERRF) is associated with a mitochondrial DNA tRNA(Lys) mutation. Cell 61: 931–937 Shors TJ, Miesegaes G, Beylin A et al.(2001) Neurogenesis in the adult is involved in the formation of trace memories. Nature 410: 372–376 Shorvon SD (1990) Epidemiology, classification, natural history, and genetics of epilepsy. Lancet 336: 93–96 Siebzehnrubl F, Blumcke I (2008) Neurogenesis in the human hippocampus and its relevance to temporal lobe epilepsies. Epilepsia 49: 55–65 Sisodiya S, Cross JH, Blumcke I et al. (2007) Genetics of epilepsy: epilepsy research foundation workshop report. Epileptic Disord 9: 194–236 Sisodiya SM (2004) Malformations of cortical development: burdens and insights from important causes of human epilepsy. Lancet Neurol 3: 29–38 Sommer W (1880) Die Erkrankung des Ammonshorns als aetiologisches Moment der Epilepsie. Arch Psychiat Nervenkr 308: 631–675 Spreafico R, Blumcke I (2010) Focal Cortical Dysplasias: clinical implication of neuropathological classification systems. Acta Neuropathol 120: 359–367 Stefan H (1999) Epilepsien. Thieme, Stuttgart New York Stefan H, Hildebrandt M, Kerling F et al. (2009) Clinical prediction of postoperative seizure control: structural,
466
Kapitel 16
124.
125.
126.
127.
128.
129.
130.
131.
132.
16
133.
functional findings and disease histories. J Neurol Neurosurg Psychiatry 80: 196–200 Steinlein OK, Mulley JC, Propping P et al. (1995) A missence mutation in the neuronal nicotinic acetylcholine receptor D4 subunit is associated with autosomal dominant nocturnal frontal lobe epilepsy. Nature Gen 11: 201–203 Stromme P, Mangelsdorf ME, Scheffer IE et al. (2002) Infantile spasms, dystonia, and other X-linked phenotypes caused by mutations in Aristaless related homeobox gene, ARX. Brain Dev 24: 266–268 Suls A, Mullen SA, Weber YG et al. (2009) Early-onset absence epilepsy caused by mutations in the glucose transporter GLUT1. Ann Neurol 66: 415–419 Sutula TP, Cascino G, Cavazos J et al. (1989) Mossy fiber synaptic reorganization in the epileptic human temporal lobe. Ann Neurol 26: 321–330 Tassi L, Colombo N, Garbelli R et al. (2002) Focal cortical dysplasia: neuropathological subtypes, EEG, neuroimaging and surgical outcome. Brain 125: 1719–1732 Tassi L, Garbelli R, Colombo N et al. (2010) Type I focal cortical dysplasia: surgical outcome is related to histopathology. Epileptic Disord 12: 181–191 Taylor DC, Falconer MA, Bruton CJ et al. (1971) Focal dysplasia of the cerebral cortex in epilepsy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 34: 369–387 Thom M, Eriksson S, Martinian L et al. (2009) Temporal lobe sclerosis associated with hippocampal sclerosis in temporal lobe epilepsy: neuropathological features. J Neuropathol Exp Neurol 68: 928–938 Thom M, Seetah S, Sisodiya S et al. (2003) Sudden and unexpected death in epilepsy (SUDEP): evidence of acute neuronal injury using HSP-70 and c-Jun immunohistochemistry. Neuropathol Appl Neurobiol 29: 132–143 Urbach H, Soeder BM, Jeub M et al. (2006) Serial MRI of limbic encephalitis. Neuroradiology 48: 380–386
Epilepsien
134. van Strien NM, Cappaert NL, Witter MP (2009) The anatomy of memory: an interactive overview of the parahippocampal-hippocampal network. Nat Rev Neurosci 10: 272–282 135. von Krosigk M, Bal T, McCormick DA (1993) Cellular mechanisms of a synchronized oscillation in the thalamus. Science 261: 361–364 136. Wallace RH, Marini C, Petrou S et al. (2001) Mutant GABA(A) receptor gamma2-subunit in childhood absence epilepsy and febrile seizures. Nat Genet 28: 49–52 137. Wallace RH, Wang DW, Singh R et al. (1998) Febrile seizures and generalized epilepsy associated with a mutation in the Na+-channel beta1 subunit gene SCN1B. Nat Genet 19: 366–370 138. Wiebe S, Blume WT, Girvin JP et al. (2001) A randomized, controlled trial of surgery for temporal-lobe epilepsy. N Engl J Med 345: 311–318 139. Wolff M, Casse-Perrot C, Dravet C (2006) Severe myoclonic epilepsy of infants (Dravet syndrome): natural history and neuropsychological findings. Epilepsia 47 (Suppl 2): 45–48 140. Wong LJ, Naviaux RK, Brunetti-Pierri N et al. (2008) Molecular and clinical genetics of mitochondrial diseases due to POLG mutations. Hum Mutat 29: E150–E172 141. Yilmazer-Hanke DM, Wolf HK, Schramm J et al. (2000) Subregional pathology of the amygdala complex and entorhinal region in surgical specimens from patients with pharmacoresistant temporal lobe epilepsy. J Neuropathol Exp Neurol 59: 907–920 142. Yu FH, Mantegazza M, Westenbroek RE et al. (2006) Reduced sodium current in GABAergic interneurons in a mouse model of severe myoclonic epilepsy in infancy. Nat Neurosci 9: 1142–1149 143. Ziegler HK, Kamecke A (1967) On the unexpected death of epileptics. Nervenarzt 38: 343–347
Kapitel 17
Psychiatrische Erkrankungen
17
S. Weis Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
468
Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Makroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Mikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Neurone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
Makroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Gliazellen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
Mikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Astroglia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
Neurone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Oligodendroglia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
Synapsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Neurotransmission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
Dendriten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Signaltransduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
Glia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
Genetische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
Neurotransmitterhypothesen . . . . . . . . . . . . . .
471
Assoziation – Linkage – SNP . . . . . . . . . . . . .
473
Signaltransduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
471
Funktionelle Genomics . . . . . . . . . . . . . . . .
473
Genetische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
471
Proteomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Assoziation – Linkage – SNP . . . . . . . . . . . . .
471
Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Funktionelle Genomics . . . . . . . . . . . . . . . .
471
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Proteomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
471
Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Neuroentwicklungshypothese . . . . . . . . . . . . . .
471
Makroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Neurodegenerative Hypothese . . . . . . . . . . . . .
471
Mikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Hypothese des reduzierten Neuropils . . . . . . . . .
472
Neurone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Gliale Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
Synapsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Bipolare Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
Gliazellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
Astrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
468
Kapitel 17 Oligodendrozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
474
Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476
Mikroglia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
475
Makroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476
Neurotransmission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
475
Mikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476
Neuroendokrinologische Dysfunktion . . . . . . . . .
475
Neurotransmission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476
Signaltransduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
475
Signaltransduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476
Genetische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
475
Genetische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476
Assoziation – Linkage – SNP . . . . . . . . . . . . .
475
Assoziation – Linkage – SNP . . . . . . . . . . . . .
476
Funktionelle Genomics . . . . . . . . . . . . . . . .
475
Funktionelle Genomics . . . . . . . . . . . . . . . .
477
Proteomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
475
Proteomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
477
Autismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476
Konnektivitätshypothese . . . . . . . . . . . . . . . .
477
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
477
Spezifische oder diagnostisch richtungsweisende neuropathologische Veränderungen auf makroskopischer oder mikroskopischer Ebene sind bei psychiatrischen Erkrankungen nicht sicher zu finden. Nicht ohne Grund gibt es den bekannten Ausspruch: „Schizophrenia is the graveyard of neuropathology“. Das Ziel der biologischen Psychiatrie ist es, die nichtorganischen Erkrankungen des Nervensystems unter Einsatz aller biologischer und bildgebender Untersuchungsmethoden zu charakterisieren [14, 22]. Einen ersten Aufschwung dieser biologisch orientierten Forschung lieferte die Einführung von CT, struktureller und funktioneller Kernspintomographie (MRT, fMRT, MRS, DTI) sowie nuklearmedizinischer Techniken (SPECT, PET). Zweitens bieten die Errungenschaften der Molekularbiologie und Genetik ein weites Betätigungsfeld. Da der Zugang zu klinisch gut untersuchten Gehirnen verstorbener psychiatrischer Patienten über die Jahrzehnte beschränkt war und teilweise immer noch ist, hinken neuropathologisch fundierte Studien hinterher. Der neuropathologische Kontext liefert jedoch die Grundlagen zur Interpretation dieser Erkrankungsformen als Erkrankungen des Gehirns. Facetten neuropathologischer Veränderungen umfassen abwei-
chende Gyrierungsmuster (Abb. 17.1a,b), fokaler Neuronenverlust (Abb. 17.1c), Aufbaustörungen der Hirnrinde (Abb. 17.1d), Veränderungen der weißen Substanz (Abb. 17.1e), Gefäßveränderungen (Abb. 17.1f) sowie Pigmentierungsmuster in der Substantia nigra (Abb. 17.1g,h). Hirnregionen von Bedeutung sind: dorsolateraler präfrontaler Kortex (DLPFC), Thalamus, Hippokampus, Temporallappen, Amygdala, anteriorer Gyrus cinguli [32, 40]. Die wesentlichen Veränderungen sind im Bereich der Neurotransmission (Transmittervorstufen, Syntheseenzyme, Transmitter, Rezeptoren, Abbauenzyme im synaptischen Spalt, Transporter, retrograde Messenger, postsynaptische Effektoren und Autorezeptoren [59, 62]), Signaltransduktion (Aufnahme, Übertragung, Weiterleitung des Signals und Antwort der Zelle auf das Signal [27, 47]), Assoziations- und Kopplungsanalysen [11], Single Nucleotid Polymorphismen (SNP)], Epigenetik, funktionellem Genom, Proteom und Metabolom zu finden. Als Endophänotyp wurde eine Variable die vererbbar (bevorzugt nachgewiesen durch Assoziation mit einem Kandidatengen oder -genregion) und mit der Erkrankung assoziiert ist definiert und zur Korrelation mit anderen Parametern herangezogen [25]. Es sei anzuführen, dass die Glia, insbesondere die Astrocyten aber auch die Oliogodendrocyten, eine zentrale Rolle bei der Neurotransmis-
Abb. 17.1a–h Exemplarische morphologische Veränderungen, die bei psychiatrischen Erkrankungen beschrieben wurden und die Schwierigkeit reproduzierbarer Befunde verdeutlichen. a Linke Hemisphäre mit stärkergradig ausgeprägten Entwicklungsstörungen in der Zentralregion. b Rechte Hemisphäre des gleichen Patienten wie in
a mit normaler Gyrierung. c Kleine Foci mit Verlusten an Neuronen. d Entwicklungsbedingt gestörter Aufbau der Hirnrinde. e Myelinblässe und -verlust. f Hyalinotische Wandverdickungen der Gefäße, auch bei jungen Patienten. g Geringe Pigmentierung der Substantia nigra. h Reduziertes Melanin in den Neuronen der Substantia nigra
Einleitung
17
Psychiatrische Erkrankungen
469
Einleitung
a
b
c
d
e
f
g h
470
Kapitel 17
sion spielen [50, 68]. Allgemein bleibt zu sagen, dass die publizierten Ergebnisse nicht konstant sind: Widersprüchlichkeit der Untersuchungsergebnisse ist die Regel.
Glied des Globus pallidus, Nucleus mediodorsalis und Nucleus medialis pulvinar des Thalamus wurden beschrieben [28].
Schizophrenie
Mikroskopie
Klinik
Neurone
Die Schizophrenie ist charakterisiert durch eine Störung des Fühlens, Denkens, Wahrnehmens und Handelns. Grundsymptome umfassen Störungen des Gedankengangs (Assoziationsstörungen), der Affektivität und des subjektiven Erlebens des Ich wie Ambivalenz, Autismus, Antriebsstörung, Depersonalisation. Akzessorische Symptome sind Halluzinationen, Wahn und psychomotorische Störungen (katatone Symptome). Folgende Subtypen der Schizophrenie können unterschieden werden: 1. paranoid-halluzinatorisch, 2. hebephren, 3. kataton und 4. undifferenziert. Die Negativsymptomatik umfasst Ausdrucksarmut, Affektverflachung, Antriebsverlust, Sprachverarmung, Apathie, die Positivsymptomatik Wahnvorstellungen, Halluzinationen, zerfahrenes Denken, Erregtheit und bizarres Verhalten [30, 43].
Bildgebung
17
Psychiatrische Erkrankungen
Pneumoenzephalographische Untersuchungen zeigten in 60% der Fälle Auffälligkeiten des Ventrikelsystems. In CTUntersuchungen wurde über eine Erweiterung der Seitenventrikel in Form eines veränderten Ventrikel-Hirn-Verhältnisses berichtet. Mittels voxelbasierter Morphometrie wurden Reduktionen der grauen Substanz (Insel, Gyrus parahippocampalis, Thalamus, Gyrus cinguli, Gyrus postcentralis, Gyrus frontalis medius) beschrieben [67]. Der Begriff der „Hypofrontalität“ wurde geprägt, um im Frontallappen Reduktionen des zerebralen Blutflusses und Glukosestoffwechsels zu beschreiben. MRS-Studien des präfrontalen Kortex zeigten reduzierte Konzentrationen des neuronalen Metaboliten N-Acetyl-Aspartat (NAA) sowie von neuronalen Membranmarkern [71].
Es scheint zu keinem Verlust an Neuronen zu kommen. Die Ergebnisse sind jedoch abhängig von den verwendeten morphometrischen Methoden. Die Gruppe um Selemon und Goldman-Rakic [57] berichtet von erhöhten Neuronendichten. In der Brodmann-Area (BA) 9 war die Dichte in allen Schichten erhöht, signifikant in den Schichten III–V. In BA17 war die Dichte in den Schichten II–VI, signifikant in den Schichten III und VI erhöht. Die Gabe von typischen oder atypischen Antipsychotika zeigte in einem Affenmodell keinen Einfluss auf die Neuronendichte; die Gliazelldichten waren jedoch erhöht. Reduzierte Neuronengrößen wurden beschrieben. Der Neuropilraum an der Peripherie kortikaler Kolumnen war in BA9 reduziert.
Synapsen Elektronenmikroskopisch fanden sich eine Erhöhung der Volumendichte der postsynaptischen Dichte sowie reduzierte Spineflächen. Immunhistochemische Untersuchungen zu Synapsenproteinen ergaben keine schlüssigen Ergebnisse: Synaptophysin war reduziert in BA 9, 10, 20 und 46, unverändert in BA8, 17 und 20 und erhöht in BA24; SNAP-25 reduziert in BA10 und 47, unverändert in BA8, 17 und 20 und erhöht in BA9 und 24; rab 3A reduziert oder unverändert in BA9, 46; GAP-43 reduziert oder unverändert in BA17 und erhöht in BA9, 10, and 20 [28].
Dendriten Die mittlere Spine-Dichte von Schicht-III-Pyramidenneuronen war im Frontal- und Temporallappen reduziert. In BA46 war die mittlere Spine-Dichte und Gesamtlänge der basalen Dendriten von Pyramidenneuronen in Schicht III signifikant erniedrigt.
Makroskopie Glia Das Hirngewicht unterscheidet sich nicht signifikant. Volumenreduktionen von Amygdala, Hippokampus, Gyrus parahippocampalis, Entorhinalregion, innerem
Während zwei Studien über eine erhöhte Gliose berichten, zeigen die meisten Studien keine Hinweise auf Gliose.
471
Schizophrenie
Neurotransmitterhypothesen • Dopaminhypothese [46, 54]: Exzess an dopaminerger Neurotransmission. Reduktion der DA-Neurotransmission im DLPFC durch niedrige Spiegel des mengenlimitierenden Enzyms in der DA-Synthese sowie des DA-Transporters. Erhöhte Dichte an D1-Rezeptoren im DLPFC (PET-Studie). Stark reduzierter DAMetabolismus durch Transition von Guanin zu Adenosin im Cathechol-O-Methyltransferase (COMT)Gen. Im postmortalem Gehirn keine Veränderungen für das COMT-Protein oder -mRNA. • Glutamathypothese [37, 51, 69]: Störung der Glutamat-Neurotransmission über den N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Receptor. Neuregulin-1(NRG1)-ErbB4Signaling reduziert NMDA-Rezeptor-mediierte Ströme in DLPFC-Pyramidenzellen. Im postmortalen Gehirn erhöhte Tyrosinphosphorylierung von ErbB4 und reduzierte Tyrosinphosphorylierung der NMDA2A-Rezeptoruntereinheit. • GABA-Hypothese [24]: Veränderungen in inhibitorischen GABA-Neuronen. Postmortemstudien zeigten reduzierte Konzentration der mRNA von Glutamatdecarbocylase (GAD67) und des GABA-Membrantransporters. Parvalbumin-mRNA im DLPFC reduziert. GABA-A Rezeptoren im DLPFC hochreguliert. • Cholinhypothese [49]: Im postmortalen Gehirn ist die alpha7-Untereinheit des nikotinischen Azetylcholinrezeptors, der eine Rolle beim auditorischen Gating spielt, reduziert. Es scheint, dass sich die Patienten durch exzessives Rauchen selbst medizieren; durch Stimulation der nACh-Receptoren sind sie in der Lage, kurzfristig den mit den sensorischen Gating-Veränderungen verbunden Distress zu regulieren.
Signaltransduktion Untersuchungen zu unterschiedlichen Signaltransduktionswegen (G-Protein-gekoppelte Signaltransduktion, cAMP, Phospholipase C, Inositol, Proteinkinase A, Proteinkinase C) sind widersprüchlich. Für weiterführende Arbeiten wird auf die Literaturliste verwiesen [14, 28, 30, 35, 64–66].
nicht vor: die Erkrankung ist polygenetisch. Die involvierten Gene können zu folgenden funktionellen Kategorien zusammengefasst werden: metabolische Stoffwechselwege von Neurotransmittern (Dopamin, GABA) mit ihren Rezeptoren und Transportern, Immunantwort (Interleukin 3) und Signaltransduktion [3, 21, 29, 45, 55].
Funktionelle Genomics In der Summe beziehen sich Gendysregulationen auf präsynaptische Funktion, synaptisches Signaling, synaptische Plastizität, proteolytische Funktion, neuronale Entwicklung, Signaltransduktion, Myelinisierung, Oligodendrozyten, Zytoskelettfunktion, Energiemetabolismus, intrazelluläre Signaltransduktion, Chromatinfunktion, mitochondriale Funktion, oxidative Stressantwort, astrozytenassoziierte Gene, Wachstumsfaktoren sowie neurotrophe Faktoren und ihre Rezeptoren, Neuritenaussprossung, Proteinumsatz [9, 38].
Proteomics Zusammenfassend sind Proteine mit synpatischer sowie neuronaler Plastizitätsfunktion (Neuritensprossung, Zellmorphogenese) beteiligt.
Neuroentwicklungshypothese Weinberger [70] schlug pränatale Entwicklungsstörungen vor, die bei Krankheitsbeginn zu Tage gefördert werden und Abweichungen von normalen Entwicklungsprozessen (überschießendes Pruning von neuronalen und synaptischen Verbindungen) umfassen. Die klinischen Erscheinungen treten mit einer Latenzzeit von bis zu drei Dekaden auf. Die auslösenden Ereignisse sind bis jetzt nicht bekannt; man vermutet, dass es sich um neuronale Reifungsprozesse handelt (Neuronen- und Gliaproliferation und -migration, axonale und dendritische Proliferation, programmierter Zelltod, Myelinisation, synaptische Ausreifung) sowie Umweltfaktoren wie In-utero-Exposition von Trauma, Infektion, Stress und Drogenabusus [34].
Genetische Befunde Neurodegenerative Hypothese Assoziation – Linkage – SNP Das Krankheitsrisiko in der Gesamtpopulation beträgt 1%. Bei Familienangehörigen steigt das Risiko auf 10%. Ein Mendel-ähnlicher Vererbungsmechanismus liegt
Obwohl sich keine klaren histologischen Hinweise auf einen neurodegenerativen Prozess finden, basiert die neurodegenerative Hypothese auf klinischer, kernspintomographischer und neurobiologischer Evidenz [39]:
472
Kapitel 17
Krankheitsprogression bei der Mehrzahl der Patienten, klinische Deterioration zeichnet sich in einem steigenden Schweregrad als auch Persistenz psychotischer und Negativsymptome, kognitiver Einschränkungen sowie reduzierter sozialer und funktioneller Fähigkeiten ab [39].
Hypothese des reduzierten Neuropils Diese Hypothese beruht auf den Befunden aus dem Labor von Selemon und Goldman-Rakic [57]: Bei erhöhter neuronaler Zelldichte kommt es zu einem reduzierten Anteil an Neuropil, bedingt durch eine Rarefizierung des Dendritenbaums.
Gliale Hypothese Die veränderte Genexpression von myelinspezifischen Proteinen sowie ein Verlust von Oligodendrozyten in der Hirnrinde legt eine Beteiligung dieses Zelltyps nahe. Astrozyten mit ihren Fortsätzen beteiligen sich an der TripartiteSynapse (prä- und postsynaptische Verdichtung sowie Astrozytenfortsätze) [42]. Die Rolle der Astrozyten an der Neurotransmission besteht in der Wiederaufnahme des Transmitters aus dem synaptischen Spalt, dem Abbau von Transmittern, ihrer Umwandlung in einzelne Vorstufen und Abgabe dieser Vorstufen an das Neuron.
Bipolare Erkrankung
17
Klinik Bipolare Störungen sind rezidivierende affektive Erkrankungen, bei denen depressive und (hypo)manische Episoden abwechseln. Manische Störungen können mit oder ohne psychotische Symptome oder als Hypomanie auftreten. Die depressiven Phasen überwiegen zumeist. Nach DSM-IV ergibt sich die folgende Einteilung: 1. bipolare Erkrankung I (eine oder mehrere manische Episoden begleitet von Depression), 2. bipolare Erkrankung II (eine oder mehrere depressive Episoden begleitet von mindestens einer hypomanischen Episode), 3. zyklothyme Erkrankung und 4. bipolare Erkrankung nicht näher spezifiziert.
Psychiatrische Erkrankungen
Bildgebung [2, 33, 63] • CT: Erweiterung der lateralen Ventrikel. • MRI: Volumenreduktion des Frontallappens. Vergrößerte Volumina von Basalganglien, Thalamus, Hippokampus und Amygdala. UBOs („unidentified bright objects“) sind gehäuft bei bipolaren Patienten und werden auf eine vaskuläre Genese zurückgeführt. Hyperintensitäten der weißen Substanz sind häufiger, insbesondere bei älteren Patienten. • SPECT und PET: reduzierter Blutfluss und Metabolismus im Frontallappen. Erhöhte Aktivität in der manischen Phase im Temporallappen. • MRS: Veränderungen von Phosphomonoester, Phosphodiester, Phosphocreatinin, Lipiden, Kreatinin, Cholin, N-Azetyl-Aspartat, Glutamat und pH im Frontallappen, G. cinguli, Thalamus, Basalganglien, Temporallappen und Hippokampus.
Makroskopie Das Hirngewicht ist nicht signifikant verändert.
Mikroskopie Neurone [53] • Präfrontaler Kortex: Reduktion der Dichte in der Schicht III der BA9. Keine Veränderungen in den Schichten IV und VI. Reduktion der primär glutamatergen großen Pyramidenzellen in Schicht III und Va der BA9. • Anteriorer G. cinguli (BA24): reduzierte Dichte in den Schichten III, V, und VI des subgenualen Teils. Reduktion der Dichte von Nichtpyramidenzellen in Schicht II des pregenualen Anteils. Keine Veränderung der Neuronengröße. • Hippokampus: Reduktion der Nichtpyramidenneurone in CA2. Verminderte Spine-Dichte der apikalen Dendriten von Pyramidenneuronen im Subikulum. • Hypothalamus: Reduktion im Nucleus paraventricularis. • Locus coeruleus: Anstieg der noradrenergen Neurone im Locus coeruleus. Verlust serotoninerger Neurone in ventralen Kerngebieten des rostralen Nucleus dorsalis raphe.
473
Bipolare Erkrankung
Gliazellen
Signaltransduktion
Reduktion der Gliazelldichte im Gyrus cinguli und im präfrontalen Kortex. Patienten ohne Lithium- oder Valproinsäuretherapie zeigten signifikante Reduktionen der Glia.
Untersuchungen zu unterschiedlichen Signaltransduktionswegen (G-Protein-gekoppelte Signaltransduktion, Steroidhormonrezeptor, intrazelluläre Second-Messenger-cAMP und Ca2+, Phospholipase C, Inositol, Proteinkinase A, Wnt-Signaling, Proteinkinase C, „glycogen synthase kinase 3“) sind widersprüchlich [48, 56].
Astroglia Keine Veränderungen der Dichte GFAP-positiver Astrozyten in der Entorhinalrinde. Signifikante Reduktion der mRNA für GFAP in der weißen Substanz des Gyrus cinguli. Reduzierte Mengen an GFAP bei Immunoblottechniken und 2D-Gelelektrophorese.
Oligodendroglia Elektronenmikroskopische Zeichen der präfrontal (BA10) und im Nucleus caudatus.
Apoptose
Neurotransmission [60] • Serotonin (5-HT). Reduziert: mittleres 5-HT(1A)-Rezeptorbindungspotential, 5-Hydroxyindolessigsäure, 5-HT(2A) mRNA. Erhöht: 5-HT(1B) mRNA. • Dopamin (DA). Reduziert: Homovalininsäure (HVA). Erhöht: neuronaler Kalziumsensor 1, D1-mRNA-Expression. • Noradrenalin/Adrenalin. Erhöht: NA-Umsatzrate (Verhältnis NA zu 3-Methoxy-4-hydroxyphenylethyleneglycol, MHPG). • Glutamat. Reduziert: Bindungsdichte von [3H]MK-, NR3A mRNA, NF-L, PSD95, und SAP102-Transkripte, Expression von EAAT3 und EAAT4. • GABA. Reduziert: Plasmaspiegel, Dichte von GAD65immunpositiven Terminals, Expression von ReelinmRNA, GAD67-Protein und mRNA, Dichte der GAD(65)-positiven Neurone, Proteinkonzentrationen von GAD65- und -67-kDa, Reelin-410- und -180kDa, Dichte und Größe von Parvalbumin-immunpositiven Neuronen in CA1, Dichte GABAerger sowie Calbindin-positiver Neurone präfrontal BA9. Erhöht: Promoter-CpG Hypermethylierung-DNA-Methyltransferase 1 (DNMT1) mRNA und Proteinexpression in den Interneuronen in BA9, Dichte der [(3)H]flumazenil Bindung an die Benzodiazepinbindungsstelle am GABA(A)-Rezeptor. • Aspartat: NAA im Gyrus temporalis superior reduziert • Azetylcholin: keine Unterschiede.
Genetische Befunde Assoziation – Linkage – SNP [20] Folgenden Genen kommt eine Rolle zu: Serotonintransporter, neuronale Tryptophanhydroxylase, Dopaminrezeptor 4, Dopamintransporter, Dopamin- and cAMPreguliertes Phosphoprotein of 32 kDa, D-AminosäureOxidaseaktivator, Dystrobrevin-Bindungsprotein 1, Neuregulin 1, „disrupted in schizophrenia 1“ und brainderived neurotrophic factor“. Andere vielversprechende Gene umfassen: Dopaminrezeptor 1, Serotoninrezeptoren, Catechol-O-Methyltransferase, Monoaminooxidase A, GABA-A-Rezeptor alpha 1, GABA-A-Rezeptor alpha 5, Preproenkephalin und Tachykinin 1.
Funktionelle Genomics [58] • Erhöhte Expression für: Serotonintransporterprotein, Komponenten des NF-κB-Transkriptionsfaktorkomplexes, Caspase-8-Precursor und Transducer von erbB2 (Tob), Transkription oder Translation, Stressantwort und molekulare Chaperone. • Verringerte Expression für: „transforming growth factor-beta1“, mitochondriale Proteine, oxidative Phosphorylierung und ATP-abhängige Prozesse der Proteasomdegradation, Rezeptoren, Kanäle oder Transporter. Veränderungen in der Expression von Oligodendrozyten-undmyelinbezogenenGenen:„myelin-associated glycoprotein“, „myelin oligodendrocyte glycoprotein“, „basic-helix-loop protein OLIG2“, „high mobility group protein transcription factor SOX10“, „galactosylceramide“, „proteolipid protein 1“, „gene for oligodendrocyte-specific protein CLDN11“, „neuregulin receptor ERB3“ und Transferrin. • Therapieeffekte: Valproinsäure führt im Tierversuch zu Veränderungen der Expression von Genen mit Funktion bei synaptischer Transmission, Ionenkanäle und -Transporter, „G-protein signaling“, Lipid-, Glukose- und Aminosäuremetabolismus, Transkriptionsund Translationsregulation, Phosphoinositolzyklus, Proteinkinasen und -phosphatasen sowie Apoptose.
474
Kapitel 17
Proteomics Im anterioren Gyrus cinguli waren folgende Proteine verändert: Aconitathydratase, Malatdehydrogenase, Fruktosebisphosphat-Aldolase A, ATP-Synthase, Succinyl-CoA-Ketoacid-Transferase, carbonische Anhydrase, alpha- and betaTubulin, „dihydropyrimidinase-related protein-1 and -2“, neuronales Protein 25, Trypsin-Precursor, Glutamatdehydrogenase, Glutaminsynthetase, Sorcin, vakuoläre ATPase, Kreatinkinase, Albumin und Guanin, nukleotidbindende Protein-beta-Untereinheit. Im dorsolateralen präfrontalen Kortex waren metabolische Proteine, mitochondrienassoziierte Proteine sowie Septin 5, 6 und 11 verändert [52].
Depression Klinik Beschwerden folgender Symptomebenen treten im Verlauf eines depressiven Syndroms auf: Affekt (Stimmung, Emotionen), Psychomotorik (Antrieb, Manie), Denken (Denkabläufe, Denkinhalte, Motivation, Kognition), Selbstwahrnehmung (Krankheitsgefühl, Körpererleben), körperliche Beschwerden und vegetative Symptome und soziale und interaktive Störungen [43].
Psychiatrische Erkrankungen
• Anteriorer Gyrus cinguli: Reduktion der Größe in Schicht VI. Keine Veränderungen in der Dichte. Erhöhte Dichte in Schicht V. • Hippokampus: Erhöhte Dichte von Körnerzellen im Gyrus dentatus sowie von Pyramidenzellen in CA1– CA4. Reduzierte Größe der Pyramidenzellen. • Thalamus: Erhöhte Anzahl an Neuronen in den mediodorsalen und anteroventralen/ anteromedialen Kerngebieten. • Hypothalamus: Reduktion im Nucleus paraventricularis. Keine Veränderungen im Nucleus supraopticus. Erhöhte Zahl Corticotropin-releasing hormonimmunreaktiver Neurone im Nucleus paraventricularis. • Locus coeruleus: Verlust von Neuronen. Keine Veränderungen im Volumen des Locus coeruleus. Verlust an noradrenergen Neuronen. • Nucleus raphe dorsalis: Keine Veränderungen der Gesamtzahl. Verlust der Tryptophanhydroxylase-Immunreaktivität in Neuronen.
Synapsen Keine Veränderungen für Synaptophysin-Immunreaktivitäten.
Gliazellen Bildgebung
17
Volumenreduktion folgender Regionen: dorsaler medioanterolateraler Frontalkortex, orbitaler ventrolateraler Frontalkortex, subgenuale und pregenuale Anteile des anterioren Gyrus cinguli, posteriore Anteile des Gyrus cinguli, Gyrus parahippocampalis, Amygdala, ventromediales Striatum, Hippokampus, Gyrus temporalis superior und medialer Thalamus [19].
Makroskopie Keine signifikanten Veränderungen des Hirngewichts.
Reduktion der Zahl im subgenualen Gyrus cinguli. Keine Veränderung der Zellgröße. Reduzierte Dichte in Schicht VI des suprakallosalen anterioren Gyrus cinguli. Reduzierte Dichte und Glia/Neuron-Verhältnis in der Amygdala. In BA9 verringerte Dichte und Vergrößerung der Somata in allen kortikalen Schichten.
Astrozyten Keine signifikanten Unterschiede für phosphoryliertes GFAP im präfrontalen Kortex und Hippokampus. Keine Unterschiede in der Dichte und Größe von GFAPimmunpositiven Astrozyten im DLPFC. Im Westernblot reduzierte Mengen an GFAP im Vergleich zu Kontrollen.
Mikroskopie Neurone • Präfrontaler Kortex: Reduktion der Zelldichte und -größe. Dichte oder Größe von Nichtpyramidenzellen nicht verändert.
Oligodendrozyten Reduktion der Immunreaktivität für das basische Myelinprotein.
475
Autismus
Mikroglia Erniedrigte numerische Dichte Cr3/43-immunpositiver Mikroglia. Erhöhung CD68-immunpositiver Makrophagen in der grauen Substanz und Reduktion in der weißen Substanz.
Signaltransduktion Besonderes Augenmerk wurde auf den „brain-derived neurotrophic factor“ sowie auf das „cAMP-responsive element binding protein“ (CREB) gelegt [10].
Genetische Befunde Neurotransmission [5, 16,72] Assoziation – Linkage – SNP [17, 36] • Serotonin (5-HT): Beteiligung serotoninerger Neurone in den Raphekernen, antidepressive Wirksamkeit von Serotoninwiederaufnahmehemmern. • Noradrenalin: Verlust noradrenerger Neurone im Locus coeruleus. • Dopamin: Beteiligung des dopaminergen mesokortikolimbischen Systems, aufgezeigt durch Auftreten von Depression unter Neuroleptikabehandlung, antidepressive Effekte von Anti-Parkinson-Medikamenten, Erhöhung der dopaminergen Neurotransmission durch Psychostimulanzien. • Azetylcholin: Cholinerge Kerngruppen im basalen Vorderhirn (z. B. Nucleus basalis Meynert). Cholinagonisten produzieren depressive Symptome, Überaktivität des Systems mit Ähnlichkeit zur schizophrenen Negativsymptomatik. • GABA: Im DLPFC war die Dichte und Größe Calbindin-immunreaktiver Neurone in den Schichten II und IIIa signifikant reduziert. Reduktion der Dichte und Größe von kalziumbindenden proteinimmunreaktiven Nervenzellen. • Glutamat: erhöhte Werte für die NR1- und NR2CUntereinheiten des NMDA-Rezeptors.
Neuroendokrinologische Dysfunktion [23, 26] Dysfunktionen in den folgenden neuroendokrinologischen Systemen wurden beschrieben: hypothalamischhypophysär-adrenales (HHA) System (Veränderungen der CRH, ACTH- und Kortisolsekretion), hypothalamisch-hypophysär-thyreoidales (HHT) System (erniedrigte T3- bei erhöhten Reverse-T3-Konzentrationen), hypothalamisch-hypophysär-somatotrophes (HHS) System (Störungen der Schlafarchitektur), hypothalamischhypophysär-gonadales (HHG) System (depressive Verstimmungen in der Postpartalzeit).
Beteiligte Chromosomenregionen: 15q25-q26, 17p12 und 8p22-p21.3. Kandidatengene sind: Serotonintransporter (Insertion/Deletionspolymorphismen in der Promotorregion), Serotoninrezeptor 2A, „brain-derived neurotrophic factor“, Tryptophanhydroxylase und Angiotensin-Converting-Enzym.
Funktionelle Genomics Veränderte Expression von Genen mit Beteiligung bei: RNA-Bindung, Regulierung von enzymatischen Aktivitäten und Proteinmetabolismus, Transkription, Zellmetabolismus, GABAerge Neurotransmission, Myelinstrukturelemente, Synthese von Myelinbestandteilen, Regulation der Myelinbildung, axonales Wachstum und synaptische Funktion. Weitere Gene umfassen SOX10, Stresscopin und Forkhead box D3.
Proteomics Überwiegend betroffen sind mitochondrienbezogene Proteine sowie solche mit Bezug zu Zytoplasma, Zytoskelett und Zellmembran. Die Gabe von Antidepressiva (Venlafaxin und Fluoxetin, d. h. Reuptake-Inhibitoren) führte zu veränderten Proteinen folgender Pathways: Neurogenese (Insulin-like Wachstumsfaktor 1, Gliamaturationsfaktor), Erhalt neuronaler Fortsätze (hippokampales cholinerges neurostimulierendes Peptid, PCTAIRE3), neuronale Regeneration („collapsin response mediator protein“), neuronales vesikuläres Zelltrafficking und synaptische Plastizität („ras-related protein 4a“, „ras-related protein 1b“, Heat-Schock-Protein 10, Neurosteroide und Antiapoptose.
476
Kapitel 17
Autismus Klinik Autismus gehört zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen („pervasive developmental disorders“) und ist gekennzeichnet durch stereotype Verhaltensweisen, die auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Verknüpfung von Wahrnehmungen innerhalb der einzelnen Sinnesbereiche (intramodale Integration), insbesondere aber zwischen den Sinnesbereichen (intermodale Integration) schließen lassen. Autistische Verhaltensweisen umfassen: mangelhafte Beziehung zur Person, Gegenständen und Situationen, heftige Reaktionen auf unwesentliche Reize, stereotype Verhaltensmuster, Rückzug oder Absperrung bei Kontaktangeboten, Mangel an wirklichkeitsbezogenen Handlungsmustern, isolierte Interessen und verzögerte Sprachentwicklung [7].
Bildgebung
17
Die weiße Substanz ist disproportional größer als die graue Substanz. Ein überschießendes Wachstum von kurzen bis mittellangen kortikokortikalen Verbindungen wird angenommen. Die äußeren Anteile der weißen Substanz (Fibrae arcuatae) in allen Lappen, betont im Frontallappen, sind volumenmäßig erhöht (Überschuss an Assoziationsfasern, die für eine Überzahl an kortikalen Minikolumnen gebraucht werden). DTI-Untersuchungen zeigen eine Erhöhung im Volumen der Verbindungen und der Faseranzahl sowie eine reduzierte Anisotropie der weißen Substanz im ventromedialen präfrontalen Kortex, anterioren Gyrus cinguli und in den oberen temporalen Regionen. Ein erhöhter Gyrifikationsindex wurde für den Frontallappen beschrieben. fMRI: relativ höhere Aktivierung im Gyrus temporalis superior und relativ niedrigere Aktivierung im Gyrus frontalis inferior als Zeichen eines Ungleichgewichts zwischen inhibitorischen und exzitatorischen Neuronen [31, 61].
Makroskopie Zwei Phasen abnormen Wachstums gehen dem Auftreten von klinischen Symptomen voraus: reduzierte Kopfgröße zum Zeitpunkt der Geburt, gefolgt von einem plötzlichen und exzessivem Wachstum zwischen dem 1. und 2. Monat und dem 6. und 14. Monat [15]. Der mittlere Kopfumfang der Patienten liegt in der 60. bis 70. Perzentile. 20% der Patienten zeigen eine Makrozephalie. Ein erhöhtes Hirngewicht bzw. Hirnvolumen wurde erhoben. Befunde über eine Hypoplasie oder
Psychiatrische Erkrankungen
Hyperplasie des Kleinhirnwurms sind kontrovers. Die Rindendicke ist betont in den Sulci verbreiterter als in den Gyri [6].
Mikroskopie Im Isokortex finden sich keine Veränderungen der Neuronengröße, Schichtung der Rinde oder der Zelldichte. Im limbischen System (Hippokampus, Subikulum, Amygdala, entorhinaler Kortex, Corpora mamillaria, septale Kerngebiete) und im Kleinhirn sind die Neurone verkleinert und dichter gepackt. Eine Reduktion der Zahl an Purkinje- und Körnerzellen wurde beschrieben [4]. Eine Minikolumne besteht aus radiär angeordneten Pyramidenzellen (Schicht II–VI), Interneuronen (Schicht I– VI), Axonen und Dendriten. Ihre Zahl ist erhöht, ihre Breite reduziert mit verringertem Neuropil, kleineren Neuronen und Nukleolen [12]. Reaktive Astrogliose sowie Mikrogliose sind im Kleinhirn erhöht und in Verbindung mit einem Ausfall an Purkinje-Zellen zu sehen. Eine reaktive Astrogliose in der Hirnrinde zeigt sich wahrscheinlich mit Erhöhung der Zellzahl und Zellfortsätzen. Reaktive Mikrogliose am Übergang von grauer zur weißen Substanz [13].
Neurotransmission Angenommen werden Veränderungen des serotoninergen, GABAergen und glutaminergen Systems. Wegen der reduzierten Mikrokolumnenbreite wurde eine Reduktion der GABAergen Interneurone angenommen, die zu einem Defizit an kortikaler Inhibition führt. MRS zeigt eine reduzierte Cholinkonzentration [7, 8].
Signaltransduktion Besonderes Augenmerk wurde auf den Hepatozytenwachstumsfaktor und seinen Rezeptor MET, Reelin sowie Neurotrophine gelegt.
Genetische Befunde Assoziation – Linkage – SNP Bei monozygoten Zwillingen kommt Autismus 12-mal, bei zweieiigen Zwillingen 4-mal häufiger vor als in der Normalpopulation. Ein monogenetischer Über-
Literatur
tragungsmodus wurde ausgeschlossen. Zahlreiche Suszeptibilitäts- und protektive Gene wurden angeführt [1, 73].
477
3.
4.
Funktionelle Genomics
5.
Erhöhte Expression des exzitatorischen Aminosäurentransporters 1 und des Glutamatrezeptors AMPA1. 6.
Proteomics Im Liquor fanden sich erhöhte Konzentrationen von Apolipoprotein B-100, „complement factor H related protein“ (FHR1), Komplement C1q und Fibronektin 1 (FN1). Im Hirngewebe war die Polarität (saurer) der Glyoxalase I (Glo1) erhöht. Ein SNP C419A verursachte eine Ala111Glu-Veränderung in der Proteinsequenz. Der SNP war signifikant häufiger bei autistischen Patienten zu finden als in Kontrollen.
Konnektivitätshypothese Autismus ist eine Erkrankung des Assoziationskortex sowohl seiner Neurone als auch seiner Projektionen. Es ist eine Erkrankung der Konnektivität, insbesondere der intrahemisphärischen und hier besonders der intrakortikalen Konnektivität [41, 44]. Entwicklungsgeschichtlich bedingte Veränderungen der neuronalen Organisation mit Erhalt bzw. Überentwicklung (Überschuss) lokaler neuronaler Kreise und Unterentwicklung der Verbindungen innerhalb und zwischen kortikalen Systemen werden angenommen. Die Triple-hit-Hypothese postuliert 1. eine kritische Periode während der Hirnentwicklung (erstes Trimenon), 2. eine zugrunde liegende Vulnerabilität und 3. exogene Stressoren.
7.
8.
9. 10.
11.
12.
13. 14.
15.
16.
17.
Chromosom 7q31 gilt als Kandidatengenregion [18]. 18.
Literatur 1.
2.
Abrahams BS, Geschwind DH (2008) Advances in autism genetics: on the threshold of a new neurobiology. Nat Rev Genet 9: 341–355 Adler CM, DelBello MP, Strakowski SM (2006) Brain network dysfunction in bipolar disorder. CNS Spectr 11: 312–320
19.
20.
Allan CL, Cardno AG, McGuffin P (2008) Schizophrenia: from genes to phenes to disease. Curr Psychiatry Rep 10: 339–343 Amaral DG, Schumann CM, Nordahl CW (2008) Neuroanatomy of autism. Trends Neurosci 31: 137–145 Anisman H, Merali Z, Hayley S (2008) Neurotransmitter, peptide and cytokine processes in relation to depressive disorder: comorbidity between depression and neurodegenerative disorders. Prog Neurobiol 85: 1–74 Bauman ML, Kemper TL (2005) Neuroanatomic observations of the brain in autism: a review and future directions. Int J Dev Neurosci 23: 183–187 Baumann ML, Kemper TL (eds.) (2008) The neurobiology of autism, 2nd edn. Johns Hopkins University Press, Baltimore Blatt GJ (2005) GABAergic cerebellar system in autism: a neuropathological and developmental perspective. Int Rev Neurobiol 71: 167–178 Bray NJ (2008) Gene expression in the etiology of schizophrenia. Schizophr Bull 34: 412–418 Brunoni AR, Lopes M, Fregni F (2008) A systematic review and meta-analysis of clinical studies on major depression and BDNF levels: implications for the role of neuroplasticity in depression. Int J Neuropsychopharmacol 11: 1169–1180 Burmeister M, McInnis MG, Zöllner S (2008): Psychiatric genetics: progress amid controversy. Nature Reviews Genetics 9: 527–540 Casanova MF (2006) Neuropathological and genetic findings in autism: the significance of a putative minicolumnopathy. Neuroscientist 12: 435–441 Casanova MF (2007) The neuropathology of autism. Brain Pathol 17: 422–433 Charney DS, Nestler EJ (eds) (2009) Neurobiology of mental illness, 3rd edn. Oxford University Press, Oxford Courchesne E (2004) Brain development in autism: early overgrowth followed by premature arrest of growth. Ment Retard Dev Disabil Res Rev 10: 106–111 Cowen PJ (2008) Serotonin and depression: pathophysiological mechanism or marketing myth? Trends Pharmacol Sci 29: 433–436 Danese A (2008) Genetic opportunities for psychiatric epidemiology: on life stress and depression. Epidemiol Psichiatr Soc 17: 201–210 DiCicco-Bloom E, Lord C, Zwaigenbaum L, Courchesne E, Dager SR, Schmitz C, Schultz RT, Crawley J, Young LJ (2006) The developmental neurobiology of autism spectrum disorder. J Neurosci 26: 6897–6906 Drevets WC, Price JL, Furey ML (2008) Brain structural and functional abnormalities in mood disorders: implications for neurocircuitry models of depression. Brain Struct Funct 213: 93–118 Escamilla MA, Zavala JM (2008) Genetics of bipolar disorder. Dialogues Clin Neurosci 10: 141–152
478
Kapitel 17
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27. 28.
29.
30. 31. 32.
17
33.
34.
35.
36. 37.
38.
39.
Fanous AH, Kendler KS (2008) Genetics of clinical features and subtypes of schizophrenia: a review of the recent literature. Curr Psychiatry Rep 10: 164–170 Förstl H, Hautzinger M, Roth G (Hrsg) (2006) Neurobiologie psychischer Störungen. Springer, Berlin Heidelberg New York Golden SH (2007) A review of the evidence for a neuroendocrine link between stress, depression and diabetes mellitus. Curr Diabetes Rev 3: 252–259 Gonzalez-Burgos G, Lewis DA (2008) GABA neurons and the mechanisms of network oscillations: implications for understanding cortical dysfunction in schizophrenia. Schizophr Bull 34: 944–961 Gottesman II, Gould TD (2003) The endophenotype concept in psychiatry: etymology and strategic intentions. Am J Psych 160: 636–645 Grippo AJ, Johnson AK (2009) Stress, depression and cardiovascular dysregulation: a review of neurobiological mechanisms and the integration of research from preclinical disease models. Stress 12: 1–21 Hancock JT (2005) Cell signalling, 2nd edn. Oxford University Press, Oxford Harrison PJ, Roberts GW (eds) (2000) The neuropathology of schizophrenia. Progress and interpretation. Oxford University Press, Oxford Harrison PJ (2007) Schizophrenia susceptibility genes and their neurodevelopmental implications: focus on neuregulin 1. Novartis Found Symp 288: 246–255 Hirsch SR, Weinberger D (eds) (2003) Schizophrenia, 2nd edn. Blackwell, Boston Hrdlicka M (2008) Structural neuroimaging in autism. Neuro Endocrinol Lett 29: 281–286 Kaplan GB, Hammer RP (2002) Brain circuitry and signalling in psychiatry. American Psychiatry Publishing Inc., Arlington Keener MT, Phillips ML (2007) Neuroimaging in bipolar disorder: a critical review of current findings. Curr Psychiatry Rep 9: 512–520 Keshavan M, Kennedy, Murray R (2004) Neurodevelopment and Schizophrenia. Cambridge University Press, Cambridge Koros E, Dorner-Ciossek C (2007) The role of glycogen synthase kinase-3beta in schizophrenia. Drug News Perspect 20: 437–445 Krishnan V, Nestler EJ (2008) The molecular neurobiology of depression. Nature 455: 894–902 Krivoy A, Fischel T, Weizman A (2008) The possible involvement of metabotropic glutamate receptors in schizophrenia. Eur Neuropsychopharmacol 18: 395– 405 Lang UE, Puls I, Muller DJ, Strutz-Seebohm N, Gallinat J (2007) Molecular mechanisms of schizophrenia. Cell Physiol Biochem 20: 687–702 Lieberman JA (1999) Is schizophrenia a neurodegenerative disorder? A clinical and neurobiological perspective. Biol Psych 46: 729–739
Psychiatrische Erkrankungen
40. 41.
42.
43.
44.
45. 46.
47. 48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
Mesulam MM (2000) Principles of behavioral and cognitive neurology, 2nd edn. Oxford University Press, Oxford Minshew NJ, Williams DL (2007) The new neurobiology of autism. Cortex, connectivity, and neuronal organization. Arch Neurol 64: 945–950 Mitterauer B (2005) Nonfunctional glial proteins in tripartite synapses: a pathophysiological model of schizophrenia. Neuroscientist 1: 192–198 Möller HJ, Laux G, Kapfhammer HP (2008) Psychiatrie und Psychotherapie, 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Müller RA (2008) From loci to networks and back again: anomalies in the study of autism. Ann N Y Acad Sci 1145: 300–315 Mulle JG (2008) Genomic structural variation and schizophrenia. Curr Psychiatry Rep 10: 171–177 Murray RM, Lappin J, Di Forti M (2008) Schizophrenia: from developmental deviance to dopamine dysregulation. Eur Neuropsychopharmacol 18 (Suppl 3): S129–134 Nelson J (2008) Structure and function in cell signalling. John Wiley, San Francisco Newberg AR, Catapano LA, Zarate CA, Manji HK (2008) Neurobiology of bipolar disorder. Expert Rev Neurother 8: 93–110 Ochoa EL, Lasalde-Dominicci J (2007) Cognitive deficits in schizophrenia: focus on neuronal nicotinic acetylcholine receptors and smoking. Cell Mol Neurobiol 27: 609– 639 Parpura V, Haydon PG (2009) Astrocytes in (Patho) Physiology of the Nervous system. Springer, Berlin Heidelberg New York Paz RD, Tardito S, Atzori M, Tseng KY (2008) Glutamatergic dysfunction in schizophrenia: from basic neuroscience to clinical psychopharmacology. Eur Neuropsychopharmacol 18: 773–786 Pennington K, Beasley CL, Dicker P, Fagan A, English J, Pariante CM, Wait R, Dunn MJ, Cotter DR (2008) Prominent synaptic and metabolic abnormalities revealed by proteomic analysis of the dorsolateral prefrontal cortex in schizophrenia and bipolar disorder. Mol Psychiatry 13: 1102–1117 Rajkowska G, Halaris A, Selemon LD (2001) Reductions in neuronal and glial density characterize the dorsolateral prefrontal cortex in bipolar disorder. Biol Psychiatry 49: 741–752 Remington G (2008) Alterations of dopamine and serotonin transmission in schizophrenia. Prog Brain Res 172: 117–140 Rietkerk T, Boks MP, Sommer IE, Liddle PF, Ophoff RA, Kahn RS (2008) The genetics of symptom dimensions of schizophrenia: review and meta-analysis. Schizophr Res 102: 97–205 Schloesser RJ, Huang J, Klein PS, Manji HK (2008) Cellular plasticity cascades in the pathophysiology and treatment of bipolar disorder. Neuropsychopharmacology 33: 110–133
Literatur
57.
58.
59. 60.
61.
62.
63.
64.
65.
Selemon LD (2003) Regional specificity in the neuropathology of schizophrenia: A morphometric analysis of Broca’s area 44 and area 9. Arch Gen Psychiatry 60: 69–77 Serretti A, Mandelli L (2008) The genetics of bipolar disorder: genome ‘hot region’, genes, new potential candidates and future directions. Molecular Psychiatry 13: 742–771 Siegel GJ, Albers RW, Brady ST, Price DL (2007) Basic neurochemistry, 7th edn. Academic Press, New York Soares JC, Gershon S (eds) (2000) Bipolar disorders. Basic mechanisms and therapeutic implications. Marcel Dekker, New York Stanfield AC, McIntosh AM, Spencer MD, Philip R, Gaur S, Lawrie SM (2008) Towards a neuroanatomy of autism: a systematic review and meta-analysis of structural magnetic resonance imaging studies. Eur Psychiatry 23: 289–299 Stahl SM (2008) Stahl’s essential psychopharmacology. Neuroscientific basis and practical applications, 3rd edn. Cambridge University Press, Cambridge Strakowski SM, Delbello MP, Adler CM (2005) The functional neuroanatomy of bipolar disorder: a review of neuroimaging findings. Mol Psychiatry 10: 105–116 Tandon R, Keshavan MS, Nasrallah HA (2008) Schizophrenia, „Just the Facts“: what we know in 2008 part 1: overview. Schizophr Res 100: 4–19 Tandon R, Keshavan MS, Nasrallah HA (2008) Schizophrenia, „just the facts“ what we know in 2008. 2. Epidemiology and etiology. Schizophr Res 102: 1–18
479
66.
67.
68. 69.
70.
71.
72.
73.
Torrey EF, Barci BM, Webster MJ, Bartko JJ, MeadorWoodruff JH, Knable MB (2005) Neurochemical markers for schizophrenia, bipolar disorder, and major depression in postmortem brains. Biol Psych 57: 252–260 van Haren NE, Bakker SC, Kahn RS (2008) Genes and structural brain imaging in schizophrenia. Curr Opin Psychiatry 21: 161–167 Verkhratsky A, Butt A (2007) Glial neurobiology. John Wiley, San Francisco Watis L, Chen SH, Chua HC, Chong SA, Sim K (2008) Glutamatergic abnormalities of the thalamus in schizophrenia: a systematic review. J Neural Transm 115: 493–511 Weinberger DR (1987) Implications of normal brain development for the pathogenesis of schizophrenia. Arch Gen Psych 44: 660–669 Williams LM (2008) Voxel-based morphometry in schizophrenia: implications for neurodevelopmental connectivity models, cognition and affect. Expert Rev Neurother 8: 1049–1065 Yadid G, Friedman A (2008) Dynamics of the dopaminergic system as a key component to the understanding of depression. Prog Brain Res 172: 265–286 Yang MS, Gill M (2007) A review of gene linkage, association and expression studies in autism and an assessment of convergent evidence. Int J Dev Neurosci 25: 69–85
Kapitel 18
18
Tumoren
W. Paulus, M. Hasselblatt Inhalt Allgemeine neuroonkologische Grundlagen . . . . . . .
483
Gemästetzelliges Astrozytom . . . . . . . . . . . . .
499
Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
483
Pilozytisches Astrozytom . . . . . . . . . . . . . . .
499
Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
484
Pilomyxoides Astrozytom . . . . . . . . . . . . . . .
501
Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . .
486
Subependymales Riesenzellastrozytom . . . . . . . .
501
Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
487
Pleomorphes Xanthoastrozytom . . . . . . . . . . .
502
Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik . . . . . . . . . .
Desmoplastisches infantiles Astrozytom . . . . . . .
502
488 Anaplastisches Astrozytom . . . . . . . . . . . . . .
503
MGMT-Methylierungsstatus . . . . . . . . . . . . .
488 Gradierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
503
Allelverluste von 1p und 19q . . . . . . . . . . . . .
488 Glioblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
504
IDH1-Mutationsstatus . . . . . . . . . . . . . . . .
489 Riesenzell-Glioblastom . . . . . . . . . . . . . . . .
505
BRAF-Fusionstranskriptstatus . . . . . . . . . . . .
489 Gliosarkom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
505
Pathologie der intrakraniellen Raumforderung . . . .
489 Sonstige Glioblastomvarianten . . . . . . . . . . . .
506
Stereotaktische Biopsie . . . . . . . . . . . . . . . . .
490 Gliomatosis cerebri . . . . . . . . . . . . . . . . . .
506
Liquorzytologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
491 Oligodendrogliale Tumoren und Mischgliome . . . .
506
Immunhistologie (Immunhistochemie) . . . . . . . .
491 Anaplastisches Oligodendrogliom . . . . . . . . . .
507
Antikörper und Antigene . . . . . . . . . . . . . . .
491 Oligoastrozytäre Mischgliome . . . . . . . . . . . .
507
Anwendung und Interpretation . . . . . . . . . . . .
493 Ependymale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
507
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
493 Grad-II-Ependymome . . . . . . . . . . . . . . . . .
507
Neuroepitheliale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . .
496 Anaplastisches Ependymom . . . . . . . . . . . . .
509
Astrozytäre Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
496 Myxopapilläres Ependymom . . . . . . . . . . . . .
509
Fibrilläres Astrozytom . . . . . . . . . . . . . . . . .
496 Subependymom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
510
Protoplasmatisches Astrozytom . . . . . . . . . . . .
498 Tumoren des Plexus choroideus . . . . . . . . . . . .
510
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
482
18
Kapitel 18
Tumoren
Plexuspapillom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
510
Medulloblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517
Atypisches Plexuspapillom . . . . . . . . . . . . . .
510
Medulloepitheliom . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
518
Plexuskarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
510
Ependymoblastom und ETANTR (ETMR) . . . . .
519
Cholesteringranulom . . . . . . . . . . . . . . . . .
511
Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor . . . . . .
519
Neuroepitheliale Tumoren mit unklarer Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tumoren der Pinealisregion . . . . . . . . . . . . . . .
520
511 Pineozytom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
520
Astroblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
511 Pineoblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
520
Chordoides Gliom des dritten Ventrikels . . . . . . .
512 Tumoren mit intermediärer Differenzierung . . . .
520
Angiozentrisches Gliom . . . . . . . . . . . . . . . .
512 Papillärer Tumor der Pinealisregion . . . . . . . . .
521
Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
512 Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
521
Neuronale und glioneuronale Tumoren . . . . . . . .
512 Melanotische Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . .
521
Gangliogliom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
512 Mesenchymale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
522
Gangliozytom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
513 Meningeome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
522
Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns . . . .
513 Grad-I-Meningeome . . . . . . . . . . . . . . . . . .
522
Anaplastisches Gangliogliom . . . . . . . . . . . . .
513 Grad-II-Meningeome . . . . . . . . . . . . . . . . .
524
Papillärer glioneuronaler Tumor . . . . . . . . . . .
513 Grad-III-Meningeome . . . . . . . . . . . . . . . . .
525
Rosettenformender glioneuronaler Tumor des vierten Ventrikels . . . . . . . . . . . . . . . . .
514
Hämangioperizytom . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
526
Glioneuronaler Rosettentumor . . . . . . . . . . . .
514
Hämangioblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
526
Desmoplastisches infantiles Gangliogliom . . . . . .
514
Mesenchymale, nichtmeningotheliale Tumoren . . .
527
Zentrales Neurozytom und extraventrikuläres Neurozytom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Chordom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
527
514 Periphere Nervenscheidentumoren . . . . . . . . . . . .
528
Zerebelläres Liponeurozytom . . . . . . . . . . . . .
515 Neurinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
528
Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor . . .
515 Neurofibrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
529
Neuronale Hamartome . . . . . . . . . . . . . . . .
516 Maligner peripherer Nervenscheidentumor . . . . . .
529
Polares Spongioblastom . . . . . . . . . . . . . . . .
516 Seltene Nervenscheidentumoren . . . . . . . . . . . .
530
Zerebrales Neuroblastom . . . . . . . . . . . . . . .
516 Nervenscheidenmyxom . . . . . . . . . . . . . . . .
530
Ästhesioneuroblastom . . . . . . . . . . . . . . . . .
516 Perineuriom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
530
Paragangliom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517 Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
530
Primitive neuroektodermale Tumoren . . . . . . . .
517
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen Maligne Lymphome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
531
Primäre Non-Hodgkin-Lymphome des Zentralnervensystems . . . . . . . . . . . . . . . .
531
Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
532
Keimzelltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
532
Zysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
532
Tumoren der Sellaregion . . . . . . . . . . . . . . . . . .
532
Kraniopharyngeome . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
532
Granularzelltumor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
534
Pituizytom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
535
Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse . . . . .
535
Neurokutane Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
535
Neurofibromatose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
535
Neurofibromatose Typ 1 . . . . . . . . . . . . . . . .
535
Neurofibromatose Typ 2 . . . . . . . . . . . . . . . .
536
Tuberöse Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
536
Von-Hippel-Lindau-Krankheit . . . . . . . . . . . . .
536
Sturge-Weber-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . .
537
Vaskuläre Hamartome . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
537
Kapilläre Teleangiektasien . . . . . . . . . . . . . . . .
537
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen Klinik Das klinische Bild der Hirntumoren wird geprägt durch Hirndruckzeichen wie morgendliches Erbrechen, Kopfschmerzen, Visusstörung, Stauungspapille und psychoorganisches Syndrom. Dazu können je nach Lokalisation des Tumors neurologische Herdsymptome (Hemiparese, Aphasie, Ataxie) oder auch hormonale Störungen treten. Intrakranielle Gliome und Meningeome manifestieren sich in 30–50% mit fokalen oder generalisierten Krampfanfällen [222]. Je maligner der Tumor, desto kürzer ist
483 Kavernöse Angiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
537
Arteriovenöse Malformationen . . . . . . . . . . . . .
538
Venöse Malformationen . . . . . . . . . . . . . . . . .
538
Meningeoangiomatose . . . . . . . . . . . . . . . . . .
539
Metastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
539
Metastasen von Hirntumoren . . . . . . . . . . . . . .
539
Hirnmetastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
539
Paraneoplasien des Zentralnervensystems . . . . . . . .
540
Kleinhirndegeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540
Stiff-Person-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540
Opsoklonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540
Enzephalomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
541
Hirnschädigungen durch Malignomtherapie . . . . . . .
541
Strahlennekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
541
Diffuse Leukoenzephalopathie . . . . . . . . . . . . .
541
Zweittumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
541
Therapieinduzierte Tumorveränderungen . . . . . .
541
Spätfolgen der Bestrahlung . . . . . . . . . . . . . . .
542
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
542
meist die Anamnese. Etwa 3–10% der Hirntumoren bleiben zu Lebzeiten symptomlos und werden erst autoptisch diagnostiziert. Bildgebende Verfahren erlauben eine exakte präoperative topographische Diagnostik und innerhalb gewisser Grenzen auch Rückschlüsse auf die Art des Tumors. Bereits in der kranialen Computertomographie (CT) ist der Nachweis in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle möglich. Die Kernspintomographie (NMR, MRI) erreicht oft eine bessere Beurteilung der Beziehung zu den Nachbarstrukturen und ist der CT insbesondere im zervikospinalen Übergangsbereich und bei intraspinaler Lokalisation des Tumors überlegen. Für die Operationsplanung erlangen spezielle Verfahren wie die Diffusions-
484
Kapitel 18
Tensor-Bildgebungs-gestützte Traktographie und die funktionelle MRI zunehmende Bedeutung [114, 215]. Bei den meisten Hirntumoren ist die Operation die Therapie der Wahl. Bestrahlung und Chemotherapie erfolgen vor allem bei den malignen Tumoren. Die Behandlung orientiert sich neben der histologischen Diagnose am klinischen Verlauf, der Lokalisation des Tumors sowie dem Alter und dem Allgemeinzustand des Patienten. Dabei stellt der Neuropathologe die Diagnose, aber grundsätzlich nicht die Indikation für bestimmte Therapieverfahren. Da die Qualität und Validität der Diagnose direkt mit der Menge des untersuchten Tumorgewebes korreliert, ist stets das gesamte und so viel Material wie möglich zur neuropathologischen Untersuchung einzusenden. Dringend zu warnen ist vor Versendungen getrennten Materials an verschiedene Institutionen und vor einer Aufteilung des Gewebes im Operationssaal. Dagegen ist die Versendung an zentrale Referenzstellen bei problematischen Fällen und im Rahmen von Therapiestudien unverzichtbar; diese darf aber grundsätzlich nur von der lokalen (neuro)pathologischen Einrichtung ausgehen.
Epidemiologie
18
Daten zur Häufigkeit von Hirntumoren schwanken selektionsbedingt erheblich. Bei 1,2–2,6% der Autopsiefälle trifft man auf einen Hirntumor. Nach Schätzungen der International Agency for Research on Cancer (IARC) liegt die Inzidenz hirneigener Tumoren (Anzahl der Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr) weltweit bei 3,8 für die männliche und bei 3,2 für die weibliche Bevölkerung, was global jährlich etwa 238.000 Neuerkrankungen entspricht [50]. Im Vergleich zu weniger entwickelten Ländern ist die Hirntumorinzidenz in industrialisierten Ländern höher. Das Lebenszeitrisiko, also das Risiko, im Laufe des Lebens an einem Hirntumor zu erkranken, liegt bei etwa 0,7% [28]. In der ehemaligen DDR, die (im Gegensatz zur Bundesrepublik) über ein nationales Krebsregister verfügte, betrug die Inzidenz 6,7 [91]. Nach Angaben des aus diesem Krebsregister hervorgegangenen „Gemeinsamen Krebsregisters der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen“ ergibt sich für die Jahre 2005 und 2006 eine weitestgehend unveränderte Inzidenz von 6,4 [64]. Die Zahlen für andere Industrieländer sind vergleichbar: so wird die Inzidenz hirneigener Tumoren in den USA in den Jahren 2004–2006 mit 6,5 angegeben [28]. Auch hier ist die zeitliche Entwicklung der Hirntumorinzidenz für die meisten Tumorentitäten stabil bzw. leicht rückläufig. Zwar war in den USA und Kanada eine leichte Zunahme der Zahl maligner Gliome bei älteren Patienten auffällig [82]; es scheint allerdings wahrschein-
Tumoren
lich, dass Artefakte aufgrund besserer Diagnostik sowie veränderter histologischer Kriterien zu diesem Befund zumindest beitragen haben [42]. Bei zerebralen Lymphomen ist nach einer Zunahme der Inzidenz [143] in den letzten Jahren eine Trendumkehr zu beobachten, wofür zumindest teilweise die effektivere Behandlung HIVInfizierter Patienten (HAART) verantwortlich sein dürfte [7, 84]. In den Jahren 2004–2006 machten zerebrale Lymphome in den Vereinigten Staaten nur noch 2,4% aller von CBTRUS registrierten Hirntumoren aus [28]. Über die relative Häufigkeit der einzelnen Tumorentitäten orientiert (Tabelle 18.1), zu der kritisch zu äußern ist, dass in den Serien uneinheitliche Terminologien und Klassifikationen angewandt wurden; beispielsweise wurden von manchen Autoren Lymphome unter den Sarkomen und Germinome unter den Pinealistumoren subsumiert [241]. Der Anteil der Hirntumoren an den malignen Tumoren ist bei Kindern mit 20–25% wesentlich höher als bei Erwachsenen (1–4%). Hirntumoren bilden hier nach den Leukämien die zweitgrößte Tumorgruppe. Insgesamt ist die Häufigkeit von Hirntumoren bei Kindern jedoch seltener als bei Erwachsenen: die altersspezifische Inzidenz liegt bei Kindern (0–14 Jahre) bei 4,6 während sie in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen 35,0 beträgt [28]. Weiterhin ist die 5-Jahres-Überlebensrate nach Diagnosestellung eines Hirntumors bei Kindern mit 71,5% wesentlich günstiger als bei Erwachsenen [28]. Wie Tabelle 18.1 zu entnehmen ist, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen hinsichtlich der Häufigkeit der auftretenden Tumorentitäten. Bei kongenitalen Tumoren (Krankheitsbeginn in der Perinatalperiode) dominieren Teratome [184], bei Säuglingen atypische teratoide/rhabdoide Tumoren (AT/RT), Astrozytome sowie Tumoren des Plexus choroideus, und bei Kindern Astrozytome und Medulloblastome. Bei über 60 Jahre alten Patienten trifft man autoptisch vor allem auf Meningeome (35–40%), Glioblastome (20–25%) und Hypophysenadenome (10–20%) [92]. Die Geschlechtsverteilung weist bei Meningeomen ein Überwiegen des weiblichen Geschlechts auf (M:W etwa 1:2), während die meisten übrigen Tumoren unterschiedlich ausgeprägt bei Männern etwas häufiger auftreten; dies betrifft vor allem Medulloblastome und Glioblastome (M:W jeweils etwa 1,6:1) sowie auch Keimzelltumoren und Epidermoide (M:W etwa 2,2:1) [28]. Mit Ausnahme von Keimzelltumoren, die in Japan und Taiwan bis zu 14% der kindlichen Hirntumoren ausmachen [236] und auch bei asiatischstämmigen Amerikanern häufiger als in der Gesamtbevölkerung auftreten [66], sind ausgeprägte ethnische Besonderheiten selten. Geringer ausgeprägte ethnische Unterschiede kommen jedoch vor: So ist in den USA bei Patienten mit schwarzer Hautfarbe im Vergleich zu Patienten mit weißer Hautfarbe die Inzidenz astrozytärer Tumoren geringer; bei Glioblastomen liegt das Verhältnis bei etwa 0,5:1 [28].
Zentrales Hirntumorregister der Vereinigten Staaten [28]
158.088
B
Alle
10,3
17,1
2,1
1,9
0,2
1,4
0,2
1,0
8,7
33,8
–
*
*
0,9
2,4
0,4
–
12,7
0,7
–
0,7
4,7
Autor
Anzahl der Fälle
Autopsie (A)/Biopsie (B)
Altersgruppen
Astrozytäre Tumoren
Glioblastome
Oligodendrogliale Tumoren
Ependymale Tumoren
Plexustumoren
Neuronale Tumoren
Pinealisparenchymtumoren
Medulloblastome/PNET
Nervenscheidentumoren
Meningeome
Lipome
Melanozytäre Tumoren
Hämangioperizytome
Hämangioblastome
Maligne Lymphome
Keimzelltumoren
Epidermoide/Dermoide
Hypophysenadenome
Kraniopharyngeome
Metastasen
Vaskuläre Hamartome
Unklassifizierte Tumoren
2,2
–
–
1,3
6,9
0,8
0,5
*
1,2
*
0,4
0,4
20,7
4,9
3,4
0,4
0,2
0,6
3,0
2,6
24,6
23,4
Alle
A
2768
[92]
3,2
3,8
7,1
2,1
6,6
*
*
*
1,3
*
–
*
16,6
6,8
4,2
*
0,4
0,6
4,3
9,6
12,2
12,6
Alle
A+B
9000
[241]
0,5
–
1,1
6,2
1,1
2,1
1,7
0,7
1,1
0,2
0,0
0,6
1,5
0,7
21,0
0,4
0,4
1,1
10,1
2,8
3,1
36,0
0–16 Jahre
A+B
810
[97]
8,8
–
–
4,2
0,1
–
–
–
–
–
–
–
1,2
–
21,5
1,1
*
*
10,7
*
*
39,9
0–14 Jahre
B
11.829
Europäische Kindertumordatenbank ACCIS (1978– 1997) [170]
7,1
–
–
4,9
0,2
*
4,4
*
*
0,0
*
*
1,2
–
21,9
1,0
2,4
1,8
8,8
1,6
2,6
35,3
0–14 Jahre
B
4831
Kinderkrebsregister Mainz, (1980–1999a) [107]
1,8
–
–
2,1
0,0
1,4
11,1
0,3
0,7
0,3
2,6
2,6
2,5
0,7
9,6
0,6
2,9
16,5
6,5
1,7
4,2
18,3
0-1 Jahre
A+B
722
[90]
2,2
*
0,0
5,6
0,0
0,0
53,9
0,0
0,0
0,0
0,0
9,0
0,0
0,0
1,1
0,0
2,2
7,9
0,0
1,1
14,6
0,0
Pränatal
A+B
89
[184]
Tabelle 18.1 Relative Häufigkeit der Hirntumoren (* Tumoren sind im Kollektiv enthalten, wegen verwendeter Klassifikation aber nicht quantifizierbar; – Tumoren wurden in das Kollektiv nicht aufgenommen)
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen 485
486
Kapitel 18
Ätiologie und Pathogenese
18
Durch chemische Karzinogene wie Alkylnitrosoharnstoffe können im Tierversuch Gliome, seltener Gliosarkome und maligne periphere Nervenscheidentumoren induziert werden. Die Substanzen können oral, subkutan, intravenös oder transplazentar verabreicht werden. Es kommt dabei zu Alkylierungen von DNA-Basen, die wegen eines organspezifischen Mangels an Reparaturenzymen im Gehirn länger als in anderen Organen persistieren und schließlich Basenfehlpaarungen, Punktmutationen und Onkogenaktivierungen verursachen. Die häufig multizentrischen Tumoren liegen bevorzugt periventrikulär, im Hippokampus oder im subkortikalen Großhirnmarklager. Histologisch und immunhistologisch ähneln sie humanen Hirntumoren; während die periventrikulären Frühstadien Oligodendrogliomen oder Neurozytomen gleichen, sind die größeren Tumoren heterogener und können astrozytäre, ependymale, neuronale und undifferenzierte Elemente beinhalten [10]. Die Bedeutung dieser tierexperimentellen Studien für den Menschen ist unklar. Im Tierexperiment können mehrere Viren (u. a. ASV, Adenoviren, SV40, JC, BK) nach zerebraler Inokulation Hirntumoren induzieren. Bei humanen Hirntumoren ist eine alleinige virale Genese jedoch bisher nicht gesichert. So konnten zwar DNA-Sequenzen von SV40-Virus in verschiedenen hirneigenen Tumoren nachgewiesen werden [88], ein Kausalzusammenhang bleibt aber fragwürdig [156]. Genom des Epstein-Barr-Virus ist in 50–100% der primär zerebralen Lymphome immundefizienter Patienten nachweisbar und wahrscheinlich an deren Pathogenese beteiligt. Einige hereditäre Erkrankungen gehen mit einer gesteigerten Inzidenz von Hirntumoren einher, so insbesondere Keimbahnmutationen von Tumorsuppressorgenen bei der Neurofibromatose (NF1, NF2), der tuberösen Sklerose (TSC1, TSC2)[35], dem Li-Fraumeni-Syndrom (TP53)[227], dem Rhabdoidtumorprädispositionssyndrom (SMARCB1/INI1) [188] und anderen seltenen Syndromen. Immundefizienzsyndrome wie das Wiskott-Aldrich-Syndrom prädisponieren zu primär zerebralen Lymphomen. Die molekulare Basis der sehr seltenen familiären Hirntumoren ohne assoziierte Läsionen und ohne zusätzliche extrakranielle Tumoren ist bisher unbekannt. Ein Trauma als Kofaktor in der Ursachenkette wird vor allem bei gutachterlichen Fragestellungen diskutiert. Bei kritischer Betrachtung der Literatur muss bei einigen Fällen ein kausaler Zusammenhang angenommen werden (z. B. korrodierte Stopfnadel, Granatsplitter o. Ä. im Tumor). Zülch hat folgende Kriterien formuliert, bei denen ein ursächlicher Zusammenhang erwogen werden muss [241]: • guter Gesundheitszustand vor dem Trauma, • angemessene Schwere des Traumas,
Tumoren
• gleiche Lokalisation von Trauma und Tumor, • angemessenes zeitliches Intervall zwischen Trauma und Tumor (im Allgemeinen Jahre), • histologische Sicherung des Tumors, • den versorgungsrechtlichen Definitionen des Unfalls entsprechender Mechanismus. Bei den beschriebenen Tumoren handelte es sich überwiegend um Meningeome, Sarkome und Glioblastome. Klare Risikofaktoren wie bei manchen Karzinomen sind bei Hirntumoren nicht bekannt, doch wurden zahlreiche Prädispositionen beschrieben, die mit einer (zum Teil statistisch nicht signifikanten) leicht erhöhten Inzidenz einhergehen können [129]. Dazu gehören bei kindlichen Hirntumoren Erstgeburtlichkeit, höheres Geburtsgewicht, Einnahme verschiedener Medikamente und Hormonstörungen während der Schwangerschaft, Haustiere, und Tätigkeiten der Eltern (besonders des Vaters) in bestimmten Bereichen wie Landwirtschaft, Transport und medizinisches Labor. Bei erwachsenen Patienten fand man unter anderem eine Häufung früherer Schädeltraumata, Meningitiden, dentaler Röntgenuntersuchungen sowie eine berufliche Exposition mit elektromagnetischen Feldern, Formaldehyd, Metall oder Gummi, hier möglicherweise durch N-Nitroso-Verbindungen verursacht. Auch bei Arbeitern in der Textilindustrie, Kraftfahrern, Bestattern, Schneidern, Anatomen und Pathologen wurde über eine Häufung von Hirntumoren berichtet. Andere Studien fanden, dass Gliompatienten eine proteinreichere und fettärmere Kost zu sich nahmen. Diese epidemiologischen Studien sind jedoch häufig wissenschaftlich angreifbar und nicht frei von Artefakten. So hielt beispielsweise der vehement vertretene Zusammenhang zwischen einer Mobiltelefonnutzung und dem Auftreten von Hirntumoren einer größeren Metaanalyse nicht stand [1]. Einziger, bislang gesicherter ätiologischer Umweltfaktor bleibt eine vorausgegangene Strahlenexposition, wobei eine erhöhte Inzidenz sowohl bei Überlebenden der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki [239] als auch bei Patienten, die (meist im Rahmen der Behandlung eines anderen Tumors) therapeutische Bestrahlungen des Neurokraniums erhalten hatten [182, 205], beobachtet wurde. Nach diagnostischen Röntgenuntersuchungen hingegen ergab sich in einer Kohorte von 92.957 Kindern keine signifikante Auswirkung auf die Tumorinzidenz [71]. Die neuroimmunologischen Wechselwirkungen zwischen Hirntumoren und Immunsystem sind vielfältig und bisher ganz überwiegend für maligne Gliome untersucht worden. Glioblastome zeigen häufig entzündliche Infiltrate aus T-Zellen (CD8+ > CD4+) und Makrophagen, für die einerseits abnorme Tumorzellantigene, andererseits von den Tumorzellen gebildete Zytokine und chemotaktische Faktoren verantwortlich sind. Da Makrophagen und Mikrogliazellen, aber auch Meningeom- und
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen
Gliomzellen selbst, Histokompatibilitätsantigene exprimieren, können sie als antigenpräsentierende Zellen fungieren. Allerdings besteht – zumindest bei Gliomen – keine sichere Korrelation zwischen der Infiltratdichte und der Prognose. Zudem ist die Immunabwehr gegen Gliome trotz deren Expression von Histokompatibilitätsantigenen eingeschränkt, wozu wahrscheinlich neben Störungen nachgeschalteter Signalwege [139] eine geringe Immunogenität und ausgeprägte antigenetische Heterogenität der Tumorzellen sowie Produktion einer die Lymphozyten inhibierenden perizellulären Extrazellulärmatrix beitragen. Weiterhin beeinträchtigen Gliome häufig zelluläre Immunreaktionen, indem sie (zum Teil systemisch zirkulierende) immunsuppressive Substanzen sezernieren (TGFβ2, Interleukin 10, Prostaglandin E2), während relevante proinflammatorische Zytokine (B7-2, GM-CSF, Interleukin 12) nicht exprimiert werden [44, 159, 231]. Auch wenn eine Immuntherapie von Gliomen – außer im Tierversuch – zunächst keine ermutigenden Ergebnisse gezeigt hatte, ist insbesondere die Impfung gegen Tumorbestandteile mit Hilfe dendritischer Zellen weiterhin Gegenstand intensiver Forschung [225]. Erste Ergebnisse klinischer Studien liegen mittlerweile vor [39, 234]. Ob dieser Therapieansatz sich in relevanter Weise auf die Prognose auswirken kann, bleibt jedoch abzuwarten. Die Extrazellulärmatrix des Gehirns besteht im Wesentlichen aus Kollagenen, nichtkollagenen Glykoproteinen (Laminin, Fibronektin, Vitronektin, Tenaszin, Osteopontin, SPARC, Thrombospondin) sowie aus Proteoglykanen (Aggregan, Versican, Brevican, Phosphacan, Hyaluronsäure). Sie beeinflusst biologische Eigenschaften neuroepithelialer Tumorzellen wie Proliferation, Migration und Differenzierung, zum Teil durch direkte Interaktionen, zum Teil durch Bindung von Wachstumsfaktoren an Matrixkomponenten. Im Vergleich zum nichtneoplastischen Hirngewebe ist sie in Tumoren vermehrt, wobei einige Komponenten neoexprimiert werden. Speziell können astrozytäre Tumorzellen besonders in vitro, aber auch in vivo, Matrixkomponenten und Matrixrezeptoren produzieren, die von normalen Astrozyten nicht synthetisiert werden (z. B. verschiedene β1-Integrine, Tenaszin, Vitronectin, Osteopontin und Kollagen VIII). Für das diffuse Infiltrationsmuster der Gliome ist die Wechselwirkung zwischen Tumorzelle und Matrix verantwort-
487
lich, so eine Produktion bestimmter matrixdegradierender Enzyme und eine Modulation der Matrixrezeptoren (überwiegend β 1-Integrine) und anderer Moleküle (NCAM, CD24, MGP). Gliaspezifische Zell-MatrixInteraktionen dürften auch eine wesentliche Ursache für die Seltenheit extrakranieller Metastasen von Hirntumoren sein [165]. Eine Expression von Wachstumsfaktoren (z. B. FGF, PDGF, EGF, TGF, IGF, EPO) sowie meist die dazugehörigen Rezeptoren aus der Familie der Tyrosinkinaserezeptoren wurde in Hirntumoren, besonders in malignen Gliomen, nachgewiesen. Häufig induziert der jeweilige Wachstumsfaktor auch eine Proliferation von Gliomzellinien, so dass es zu einer positiven Rückkopplung im Sinne einer autokrinen Sekretion kommen kann. Von besonderer Bedeutung ist der Rezeptor des „epidermal growth factor“ (EGFR), dessen Gen insbesondere in primären Glioblastomen häufig amplifiziert und überexprimiert ist. Zudem wurden Angiogenesefaktoren (VEGF, FGF2) in Gliomzellen lokalisiert, die zum einen die massiven Gefäßproliferate erklären, zum anderen aber auch einen möglichen Ansatzpunkt für eine antiangiogenetische Behandlung darstellen könnten [154]. Angesichts der in unselektierten Patientengruppen allenfalls mäßigen Effektivität verschiedener gegen Tyrosinkinasrezeptorsignalwege gerichteten Behandlungsansätze richtet sich das Augenmerk auf die Identifizierung von Patientengruppen, die möglicherweise besonders von einer Behandlung profitieren könnten. Tabelle 18.2 fasst einige (meist im Rahmen individueller Heilversuche angeforderte) Untersuchungen in ihrem klinischen Kontext zusammen. Meningeome werden in ihrem Wachstum von weiblichen Sexualhormonen beeinflusst. Eine Expression von Progesteronrezeptoren ist mit einer geringeren Rezidivwahrscheinlichkeit assoziiert [87].
Genetik In den letzten Jahren wurden bedeutende Fortschritte in der genetischen Charakterisierung von Hirntumoren erzielt. So wurde für verschiedene hereditäre Tumorkrankheiten (z. B. Neurofibromatose, tuberöse Sklerose) der
Tabelle 18.2 Molekularpathologische Untersuchungen in Zusammenhang mit sog. Targeted Therapies Signalweg
Medikament
Wirkstoffgruppe
Neuropathologische Untersuchung
EGF
Erlotinib
Tyrosinkinaseinhibitor
EGFR [69] pAkt [223] PTEN [121]
PDGF
Imatinib
Tyrosinkinaseinhibitor
PDGFR [70]
VEGF
Bevacizumab
Monoklonaler gegen VEGF gerichteter Antikörper
VEGF [199]
488
Kapitel 18
Gendefekt aufgedeckt (s. unten); für Patienten mit LiFraumeni-Syndrom steht mit Advexin gar eine gentherapeutische Behandlungsmöglichkeit mit einem adenoviralen TP53 exprimierenden Vektor zur Verfügung [204]. Zum anderen wurden neben diesen Keimbahnmutationen bei den meisten Hirntumoren somatische Mutationen in Onkogenen und Tumorsuppressorgenen identifiziert, die zum Teil für die molekulare Pathogenese von erheblicher Bedeutung sind und bei verschiedenen Tumoren (vor allem bei Glioblastomen und Medulloblastomen) eine molekulare Typisierung ermöglicht haben [33, 157].
Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik Auch wenn die derzeit (2011) aktuellen Therapieempfehlungen der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft (NOA) festhalten, dass molekulare Marker (noch) nicht zur Entscheidung über Strahlen- und Chemotherapie herangezogen werden sollten, richtet sich das Augenmerk zunehmend auf die Identifizierung von Patientengruppen, die eine besonders günstige oder ungünstige Prognose aufweisen oder möglicherweise von neuen Therapieformen besonders profitieren könnten. Die Entwicklung robuster diagnostischer, prognostischer und prädiktiver molekularer Marker stellt darum einen wichtigen Schwerpunkt der neuropathologischen Forschung dar, der insbesondere bei Gliomen [80, 186] aber auch bei kindlichen Hirntumoren [173] zunehmend in die klinisch-neuropathologische Diagnostik Einzug hält.
MGMT-Methylierungsstatus
18 Epigenetische Veränderungen (Promotorhypermethylierung) des für das DNA-Reperaturenzym O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase kodierenden MGMT-Gens werden bei etwa bei etwa 45% der Glioblastome (s. unten) beobachtetet und gehen mit einer besseren Prognose und einem besseren Ansprechen auf eine Chemotherapie mit Alkylanzien wie zum Beispiel Temozolomid einher [212, 213]. Der Nachweis einer Hypermethylierung von CpG-reichen Sequenzen im Bereich des MGMT-Promotors wird in der Regel mithilfe einer methylierungsspezifischen PCR (MSP) geführt. Hierbei wird aus Nativgewebe oder Paraffinmaterial isolierte DNA in einem ersten Schritt einer Bisulfitbehandlung unterzogen, wobei lediglich unmethyliertes Cytosin zu Uracil konvertiert wird. Mithilfe spezifischer Primersysteme, die entweder gegen die methylierte oder unmethylierte Zielsequenz gerichtet sind, kann in der sich anschließenden PCR eine qualitative Aussage zum Methylierungsstatus der Probe gemacht
Tumoren
werden. Die Aussagekraft der MSP hängt wesentlich von Menge und Beschaffenheit des Tumorgewebes ab. So ist das Ausmaß der MGMT-Methylierung innerhalb des Tumors zwar relativ homogen, das Untersuchungsergebnis kann jedoch durch Kontamination mit nichtneoplastischen Hirngewebe oder die Anwesenheit ausgedehnter Tumornekrosen verfälscht werden. Auch die Qualität der isolierten DNA kann (insbesondere bei Verwendung paraffineingebetteten formalinfixierten Materials) ein Problem darstellen. Darum ist eine sorgfältige interne und externe Validierung erforderlich, um Richtigkeit und Vergleichbarkeit der Befunde zu gewährleisten.
Allelverluste von 1p und 19q Oligodendrogliale Tumoren repräsentieren den ersten Hirntumortyp, bei dem gezeigt werden konnte, dass molekulargenetische Veränderungen stark mit der Prognose korrelieren: Patienten, deren Tumoren chromosomale Verluste auf 1p und/oder 19q aufweisen, haben eine wesentlich günstigere Prognose als Patienten mit Tumoren ohne diese genetischen Veränderungen [100]. Im Rahmen der neuropathologischen Diagnostik kann der Nachweis von 1p/19q-Allelverlusten ein weiterer Beleg für eine oligodendrogliale Differenzierung sein und bei der Abgrenzung gegenüber anderen klarzelligen Tumorentitäten helfen. Die Untersuchung oligodendroglialer Tumoren auf 1p/19q-Allelverluste kann mithilfe verschiedener Methoden erfolgen. Bei der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), werden gegen die entsprechenden Genabschnitte gerichtete fluoreszenzmarkierte Sonden direkt mit Gewebeschnitten hybridisiert. Vorteile sind neben der Möglichkeit, die Untersuchungen an Schnitten von formalinfixiertem paraffineingebettetem Gewebe durchführen zu können, auch die Unabhängigkeit des Verfahrens von der Verfügbarkeit von Blutproben. Bei anderen Testverfahren wie der Mikrosatelliten-PCR wird das Vorhandensein von Allelverlusten durch den Vergleich von DNA-Polymorphismen in Tumorgewebe und normalem Kontrollgewebe untersucht. Hierzu werden nach DNA-Isolation aus Paraffinmaterial oder Nativgewebe Primersysteme, die gegen Mikrosatellitensequenzen auf den interessierenden Chromosomenabschnitten gerichtet sind, eingesetzt. Der Test ist immer dann informativ, wenn bei einem heterozygot vorliegenden Merkmal der Verlust des maternalen oder paternalen Allels im Gewebe des oligodendroglialen Tumors nachgewiesen werden kann („loss of heterozygosity“, LOH). Da nicht alle Patienten für alle untersuchten Merkmale heterozygot sind, werden üblicherweise mehrere auf 1p oder 19q liegende Mikrosatelliten mit verschiedenen Primersystemen untersucht, um die Aussagekraft der Methode zu gewährleisten. Die Untersuchung ist jedoch an das Vorhanden-
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen
sein von Kontroll-DNA (EDTA- oder Zitratblut) gebunden, was die Logistik retrospektiver Untersuchungen an archivierten Paraffinblöcken erheblich erschwert. Allelverluste von 1p und 19q können auch mithilfe der Multiplex-ligationsabhängigen Probenamplifizierung (MLPA) [99] oder quantitativen PCR-Verfahren, die nicht auf Kontroll-DNA des Patienten angewiesen sind [153], untersucht werden.
IDH1-Mutationsstatus Mutationen des für die Isocitratdehydrogenase 1 kodierenden IDH1-Gens (R132) sind charakteristisch für diffuse astrozytäre Tumoren und oligodendrogliale Tumoren und mit einer günstigeren Prognose assoziiert [73]. Die Entwicklung eines gegen mutiertes IDH1 Protein (R132H) gerichteten und mittlerweile kommerziell erhältlichen Antikörpers [20] (s. Abb. 18.2c) hat den Nachweis wesentlich vereinfacht. In der neuropathologischen Diagnostik ist die IDH1-Immunhistochemie nicht nur bei der Unterscheidung der Infiltrationszone diffuser astrozytärer Tumoren von reaktiv veränderten Astrozyten sehr hilfreich [21], sondern erlaubt auch die Abgrenzung von diffusen astrozytären und oligodendroglialen Tumoren von pilozytischen Astrozytomen bzw. anderen klarzelligen Tumoren, da Letztere in der Regel keine Expression von mutiertem IDH1-Protein aufweisen [22, 23]. Besonders bemerkenswert ist die Beobachtung, dass IDH1-positive Glioblastome eine günstigere Prognose als IDH1-negative anaplastische Astrozytome aufweisen [74], da hier zum ersten Mal die prognostische Aussagekraft eines immunhistochemischen Markers der Histologie überlegen zu sein scheint. Sequenzierung bzw. andere PCR-basierte Verfahren haben eine gewisse Bedeutung bei uneindeutigem immunhistochemischen Färberergebnis oder Verdacht auf das Vorliegen einer Nicht-R122HMutation behalten.
BRAF-Fusionstranskriptstatus Molekulargenetisch lassen sich in der Mehrzahl der pilozytischen Astrozytome (insbesondere bei kindlichen Tumoren der hinteren Schädelgrube) 7q34-Duplikationen nachweisen, bei denen onkogene BRAF-KIAA1549Fusionstranskripte mit nachfolgender Aktivierung des MAPK-Signalwegs entstehen [101]. Da BRAF-KIAA1549Fusionstranskripte in diffusen astrozytären Tumoren gewöhnlich nicht vorkommen, hat deren Nachweis eine wichtige diagnostische Bedeutung bei der Abgrenzung pilozytischer Astrozytome von diffusen astrozytären Tumoren [119, 130]. Mittels RT-PCR lassen sich die drei häufigsten Fusionstranskripte [102] bei 79% der in
489
der ersten Lebensdekade diagnostizierten pilozytischen Astrozytome nachweisen. Bei älteren Patienten mit pilozytischen Astrozytomen sind Fusionstranskripte unabhängig von der Lokalisation weniger häufig (sie sind im Alter von 11–20 Jahren bei 51%, im Alter von 21–30 Jahren bei 42%, im Alter von 31–40 Jahren 30% und im Alter von mehr als 40 Jahren bei nur noch 7% der Patienten nachweisbar). Auch bei extrazerebellären pilozytischen Astrozytomen treten BRAF-KIAA1549-Fusionstranskripte seltener auf [86]. In einem Teil der extrazerebellären pilozytischen Astrozytome wurden (wie in pleomorphen Xanthoastrozytomen und Gangliogliomen) aktivierende BRAF-Mutationen (V600E) beschrieben [202].
Pathologie der intrakraniellen Raumforderung Neben der lokalen Gewebsschädigung durch den Tumor ist die Raumforderung Hauptursache klinischer Funktionsstörungen. Die Besonderheiten der intrakraniellen Raumforderung erklären sich aus dem beschränkten Volumen des knöchernen Schädels, so dass eine Ausbreitung des Tumors nur auf Kosten des ortsständigen Gewebes, anfänglich der Liquorräume, später zumeist des Hirngewebes, möglich ist. Dabei entsprechen die Folgen von nichtneoplastischen Raumforderungen (z. B. intrakraniellen Hämatomen, Abszessen, Hirnödem) den Gegebenheiten bei Hirntumoren. Bei supratentoriellen Raumforderungen ist – vom möglichen Hirngewebsprolaps bei offenen Hirnverletzungen abgesehen – die einzige Ausweichmöglichkeit die durch Schädelbasis und Tentoriumschenkel gebildete Lücke in Richtung der hinteren Schädelgrube und weiter in Richtung Foramen magnum (Abb. 18.1). Raumfordernde Prozesse innerhalb der hinteren Schädelgrube führen sowohl zu Massenverschiebungen in Richtung Foramen magnum als auch in Richtung Tentoriumschlitz. Folgende Befunde sind makroskopisch als Zeichen der Massenverschiebung zu erheben: Bei der supratentoriellen Drucksteigerung sind die Gyri verbreitert und abgeplattet, die Sulci verschmälert (c in Abb. 18.1). Es finden sich Einengungen eines Seitenventrikels (d in Abb. 18.1), Verschiebungen der Stammganglien und des Septum pellucidum in Richtung Gegenseite (e in Abb. 18.1) sowie Verschiebungen eines Gyrus cinguli unter dem Falxrand zur Gegenseite (subfalxiale oder suprakallosale Herniation; f in Abb. 18.1). Verschiebungen in axialer Richtung führen zu einem Anpressen medialer Strukturen des Schläfenlappens gegen den Tentoriumrand, zu uni- oder bilateralen Einkerbungen an der Oberfläche des Gyrus parahippocampalis („Unkusschnürfurche“), zum Teil mit Einblutungen in die oberen Rinden-
490
Kapitel 18
Abb. 18.1 Intrakranielle Massenverschiebungen bei supratentorieller Raumforderung. Erklärung der Ziffern im Text
18
schichten bis in die Ammonshornformation hinein, sowie schließlich zu einer Hernienbildung in Richtung hintere Schädelgrube („Hiatushernie“, „Unkushernie“; g in Abb. 18.1). Wird im Zusammenhang mit der Hernienbildung der gegenüberliegende Hirnschenkel gegen den ihm anliegenden Tentoriumzügel gepresst, so kann es zu einer keilförmigen Nekrose des Hirnschenkels („Kernohan-Kerbe“; h in Abb. 18.1) und zu Pyramidenbahnzeichen auf der zum Tumor ipsilateralen Seite kommen. Hämorrhagische Infarzierungen treten auch im Bereich der medialen Okzipitallappenrinde, besonders der Fissura calcarina auf, wahrscheinlich durch eine Abklemmung der A. cerebri posterior. Eine dorsale Verschiebung zur Falx kann in einer Schnürfurche in Balkenmitte resultieren. Selten sind Druckläsionen des 3. und 6. Hirnnervs oder des Hypophysenstiels. Terminal kommt es zu teils massiven Blutungen in den zentralen Abschnitten von Mittelhirn und Brücke (i in Abb. 18.1); pathogenetisch wurden hier venöse Stase, Überdehnung der Äste der A. basilaris, lokale Kompression und supratentorielle Dekompression diskutiert. Bei der infratentoriellen Drucksteigerung können sich an den Lobuli quadrangulares beidseits lateral der Wurmregion Einkerbungen der Kleinhirnoberfläche durch das Tentorium (zum Teil mit Kompression von Kleinhirnarterien) einstellen, außerdem bei jeder intrakraniellen Raumforderung ein Kleinhirntonsillendruckkonus. Die in das Foramen magnum prolabierten Tonsillen kompri-
Tumoren
mieren die Medulla oblongata und können – je nach Akuität und Ausmaß des Hirndrucks – hämorrhagisch infarziert bzw. nekrotisch werden (j in Abb. 18.1). Abtropfendes nekrotisches Kleinhirnrindengewebe aus den Tonsillen kann Anlass dafür sein, dass im Liquor-Zellsediment Purkinje-Zellen und ähnliche Rindenelemente gefunden werden. Bei der Bewertung des Kleinhirntonsillenkonus ist eine gewisse Zurückhaltung geboten, wenn nicht auch anderweitige deutliche Zeichen einer Massenverschiebung bzw. Hirndrucksteigerung vorliegen; er ist von der Lagerung abhängig und bis zu einem gewissen Grad physiologisch. Die Folgen einer Raumforderung hängen auch von verschiedenen anderen Faktoren ab, wie dem Alter des Patienten (vergrößertes nichtzerebrales intrakranielles Volumen bei älteren Patienten mit Hirnatrophie, wachsende Fontanelle bei Kindern), dem arteriellen und venösen Blutvolumen, einem sich eventuell zusätzlich entwickelnden Hydrozephalus durch Verschluss der Liquorwege sowie den metabolischen und hämodynamischen Effekten des Hirnödems. So kann es vor allem bei bereits vorbestehenden Gefäßerkrankungen zu juxtaneoplastischen Infarkten kommen. In Tumoren kann zudem die Entwicklung von Zysten und Blutungen raumfordernd wirken. Das Ausmaß der neurologischen und pathologischen Folgen einer Raumforderung ist eher mit ihrer Wachstumsgeschwindigkeit als mit ihrer Größe korreliert, da einerseits schnell wachsende Tumoren oft ein massives Hirnödem verursachen, andererseits bei langsamem Wachstum eine bessere funktionelle Adaptation des Hirngewebes möglich ist.
Stereotaktische Biopsie Vor einer nichtoperativen Therapie (z. B. bei malignem Lymphom oder bei inoperablem Tumor) ist eine histologische Diagnose erforderlich, wobei das Gewebe durch eine stereotaktische Biopsie gewonnen wird. Auch bei optimalen Voraussetzungen (räumliche Nähe von Operationssaal und Neuropathologie, Schnellschnittuntersuchungen während der Biopsie, Diskussion zwischen dem Neurochirurgen und dem Neuropathologen vor und während der Biopsie) kann dabei eine korrekte Diagnose in höchstens 90% der Fälle gestellt werden. Stets ist zu berücksichtigen, dass die Qualität einer Diagnose von der Menge des untersuchten Materials abhängt. Problematisch in diesem Zusammenhang kann es sein, wenn nur die perifokale entzündliche oder gliotische Reaktion, Kernatypien in der perifokalen Gliose (besonders um maligne Lymphome oder um Demyelinisierungen) oder degenerierte, nekrotische oder fibrosierte Tumorareale vorliegen. Ein besonderes Problem verursacht die ausgeprägte intratumorale Heterogenität neuro-
491
Allgemeine neuroonkologische Grundlagen
epithelialer Tumoren bezüglich Differenzierung und Malignität: Bei einer an einer beliebigen Stelle eines Glioms entnommenen Biopsie von wenigen Millimetern Durchmesser, die dem Grad II entspricht, handelt es sich mit etwa 30%iger Wahrscheinlichkeit um ein malignes Gliom mit hier nicht nachweisbarer Anaplasie [161]. Bei stereotaktisch entnommenen Proben lässt sich diese Unsicherheit durch Serienbiopsien und gezielte Entnahmen aus computertomographisch oder kernspintomographisch verdächtigen Arealen reduzieren, nicht aber gänzlich ausschließen: stereotaktische Biopsate wurden (artefiziell) gutartiger gradiert als offene Resektate [65, 138]. Die Validität der Diagnose eines stereotaktisch biopsierten niedriggradigen Glioms ist daher zu relativieren. Eine größere Sicherheit bei stereotaktischen Biopsaten, ist von der Anwendung molekulargenetischer Untersuchungen zu erwarten. Zusätzlich angefertigte Quetschpräparate (mit Methylenblau gefärbte, zwischen Objektträger und Deckglas komprimierte winzige Gewebsfragmente) können häufig wichtige Informationen liefern [147]. Vorteile von Quetschpräparaten („smears“) sind die Geschwindigkeit, die rasche Erlernbarkeit, der geringe technische Aufwand, die exzellente zytologische Qualität zum Beispiel von Kerndetails und die sehr geringe Gewebsmenge, die notwendig ist. Dem steht das Fehlen der histologischen Struktur entgegen; auch lassen sich nur weiche Proben gut quetschen und für die Interpretation sind der klinische Kontext und die Lokalisation wichtiger als bei Schnittpräparaten, um das Spektrum der diagnostischen Möglichkeiten a priori schon einzuengen. Immerhin ermöglichen Quetschpräparate eine Näherungsdiagnose (z. B. benignes versus malignes Gliom) in Richtung des „Goldstandards“ histologisches Präparat in bis zu 90% der Fälle [53]; es ist aber dringend davor zu warnen, die Diagnose nur anhand des Quetschpräparats zu stellen.
Liquorzytologie Die qualitative Untersuchung des Liquorzellsediments kann Hinweise auf das Vorliegen oder die Art eines Tumors liefern [9, 115]. Zytologische Malignitätskriterien sind • Zellverbände, • mehrkernige Zellen, • große oder multiple Nukleolen, • hohe Kern-Zytoplasma-Relation, • Kernpolymorphie, • Zytoplasmabasophilie.
täre Elemente. Die Indikation zur Lumbalpunktion wird bei Hirntumorverdacht wegen der Gefahr der Einklemmung streng gestellt. Die größte Bedeutung kommt der Liquorzytologie in der Diagnostik einer tumorösen Meningeosis zu.
Immunhistologie (Immunhistochemie) Antikörper und Antigene Wie Tabelle 18.3 zu entnehmen ist, gibt es keine für bestimmte Hirntumoren spezifischen Antigene; der negative oder positive Ausfall einer Immunreaktion kann eine bestimmte Diagnose nur mehr oder weniger wahrscheinlich machen. Die Feststellung, dass Antikörper keine „Marker“, sondern allenfalls „Wegweiser“ sind [194] hat weiterhin Gültigkeit. Die immunhistochemische Reaktion zeigt allenfalls eine Differenzierung (oft nicht einmal dies), nicht aber die Histogenese des Tumors an. Zu den in der Neuroonkologie nützlichen Antigenen und Antikörpern gehören die folgenden: GFAP
GFAP („glial fibrillary acidic protein“, saures Gliafaserprotein) ist ein Hauptprotein glialer Intermediärfilamente. Man findet GFAP typischerweise in normalen, besonders aber in reaktiven und neoplastischen Astrozyten sowie in Ependymomzellen; daneben können einige Tumorzellen in Oligodendrogliomen GFAP-positiv sein. Der Wert einer positiven GFAP-Reaktion liegt in der Unterstützung der Diagnose eines Glioms und in der Demaskierung der glialen Komponente bei gliösmesenchymalen Mischgeweben. Vorteilhaft ist die relative Beständigkeit des Antigens gegenüber verschiedenen Fixierungs- und Einbettungstechniken. Die Liste nichtastrozytärer Zellen, die GFAP-positiv sein können, ist lang und beinhaltet u. a. Schwanns-Zellen um kleine nichtmyelinisierte Axone, Kupffer-Sternzellen, Knorpelzellen, Tubulusepithelien der Niere, Epithelien der Linse und myoepitheliale Zellen in Mamma und Speicheldrüse; glücklicherweise bereiten diese nichtglialen, GFAP-positiven Zellen in der neuroonkologischen Differentialdiagnostik aber nur selten ernsthafte Probleme. Manche Antikörper gegen GFAP reagieren kreuz mit anderen Intermediärfilamentproteinen wie Vimentin. Die Unterscheidung von reaktiven ortsständigen Astrozyten und GFAP-positiven Tumorzellen ist oft nicht sicher möglich, so in Medulloblastomen oder Hämangioblastomen. Neuronale Antigene
Differentialdiagnostisch sind stets nichtneoplastische Zellen zu erwägen, z. B. Ependymzellverbände, Knorpelzellen oder stark aktivierte lymphozytäre oder monozy-
Neuronale Antigene sind in neuronalen und glioneuronalen Tumoren sowie häufig auch in primitiven neuroektodermalen Tumoren (Medulloblastom etc.) nachweis-
492
Kapitel 18
Tumoren
Tabelle 18.3 Immunhistologie von Hirntumoren
Astrozytom
Vimentin
GFAP
Desmin
Zytokeratine1
EMA1
S100
Synaptophsin
NSE
+++
+++
-/+
-/+++
-/+++
+++
-
++
Glioblastom
+++
+++
-/+
-/+++
-/+++
+++
-
+++
Oligodendrogliom
++
++
-/+
-/++
-
+++
+
++
Ependymom
++
+++
-
+/++
++
+++
-
++
Plexuspapillom
+++
++
-
+++
++
+++
-/++
++
Medulloblastom
++
++
+
-/+
-
+
+++
+++
Neurozytom
+
+
-
-
-
++
+++
+++
Meningeom
+++
(+)
-
++
+++
++
-
+++
Hämangioperizytom
+++
-
(+)
-/++
(+)
+
-
++
Hämangioblastom2
+++
+
+
-/++
(+)
++
++
++
Neurinom
+++
++
(+)
+
++
+++
-
+
MPNST
+++
+
+
(+)
+
++
-
++
Karzinom-Metastase
++
(+)
(+)
+++
+++
+
+
++
GFAP „glial fibrillary acidic protein“ (saures Gliafaserprotein), EMA epitheliales Membran-Antigen, NSE neuronspezifische Enolase, MPNST maligner peripherer Nervenscheidentumor; +++: >80% der Tumoren mit positiven Tumorzellen, ++ : >20% der Tumoren mit positiven Tumorzellen, +: >5% der Tumoren mit positiven Tumorzellen,(+): Positivität von Tumorzellen in Einzelfällen möglich, –: (bisher) keine positiven Tumoren beschrieben. 1Unterschiedliche Ergebnisse mit verschiedenen Antikörpern, 2Immunreaktion der Stromazellen
18
bar. Gut bewährt haben sich dabei monoklonale (Klon SY38) oder polyklonale Antikörper gegen Synaptophysin, ein Membranglykoprotein präsynaptischer Vesikel. Das Antigen zeigt eine hohe Spezifität für neuronale Zellen. Nach Möglichkeit sollten zusätzliche neuronale Antigene untersucht werden wie Neurofilamente, Klasse-III-βTubulin, Mikrotubuli-assoziierte Proteine (MAPs) oder das im Zellkern exprimierte Protein NeuN. Im Gegensatz dazu ist die sog. „neuronspezifische“ Enolase (NSE) in beinahe jedem Hirntumor vorhanden (Tabelle 18.3); dennoch kann eine Immunfärbung für NSE sinnvoll sein, da die neuronal differenzierten Zellen meist eine wesentlich stärkere Reaktivität als nichtneuronale Zellen aufweisen. Epitheliales Membranantigen (EMA)
Gegen das epitheliale Membranantigen (EMA) gerichtete Antikörper sind für eine Reihe von Fragestellungen in der von Hirntumordiagnostik hilfreich. So ist in Meningeomen (wie in Meningothelien) eine kräftige EMA-Immunreaktivität charakteristisch. In atypischen teratoiden/ rhabdoiden Tumoren kann der Nachweis einer herdförmigen EMA-Expression als Beleg für die epitheliale Differenzierung von Tumorzellen dienen. In Ependymomen hingegen kann über den Nachweis einer punkt- oder ringförmigen Anfärbung von (Mikro)lumina eine ependymale Differenzierung sensitiv belegt werden (s. auch Abb. 18.10) [75].
Antikörper gegen Lymphozytenantigene
Paraffingängige Antikörper gegen Lymphozytenantigene (z. B. gegen CD3, CD5, CD10, CD20, CD30, CD45) sind unverzichtbare Hilfsmittel zur Klassifizierung zerebraler Lymphome auch am Paraffinschnitt. Klinische Korrelate des zytologischen Typs sind jedoch bei Hirnlymphomen bisher nicht bekannt. Primärtumorlokalisation
Hilfreich ist die Immunhistochemie bei der Suche nach der Lokalisation des (bei der Operation noch unbekannten) Primärtumors der Hirnmetastasen von Adenokarzinomen [8, 171]. Eine besondere Bedeutung haben dabei die Zytokeratinsubtypen CK7 und CK20, der thyroidale Transkriptionsfaktor-1 (TTF1) sowie auch das „gross cystic disease fluid protein-15“ (GCDFP15). Charakteristische (aber nicht beweisende) Muster sind CK7+/ CK20–/TTF1+/GCDFP15– bei Bronchialkarzinom, CK7+/ CK20–/TTF1–/GCDFP15+ bei Mammakarzinom und CK7–/CK20+/TTF1–/GCDFP15– bei Kolonkarzinom. Für bestimmte Lokalisationen weitgehend spezifische Antigene sind Thyreoglobulin sowie das prostataspezifische Antigen (PSA) und die prostataspezifische alkalische Phosphatase (PSAP); Hirnmetastasen von Schilddrüsenund Prostatakarzinomen werden aber nur selten angetroffen. Die Untersuchung auf Östrogen- und Progesteronrezeptoren besitzt eine niedrige Spezifität und ist zumindest diagnostisch nicht sinnvoll.
Klassifikation
Proliferationsmarker
Sie besitzen den Vorteil, quantitative Daten zu liefern, was allerdings durch den Einfluss technischer Faktoren und unterschiedliche Auswertemethoden relativiert wird. Ihre diagnostische Bedeutung steht in einem gewissen Kontrast zu den zahlreichen damit durchgeführten Studien. Gegenwärtig mit Abstand am häufigsten untersucht wird das proliferationsassoziierte Antigen Ki-67, meist mit dem Antikörper MIB1. Die Proliferationsindices korrelieren meist mit dem Malignitätsgrad, überlappen aber stark. Ein Grund dafür liegt in der ausgeprägten intratumoralen Heterogenität auch hinsichtlich der Proliferation [31]. Nur in wenigen, aber immerhin in einigen multivariat durchgeführten Studien an glialen Tumoren und Meningeomen wird über eine eigenständige (also vom Malignitätsgrad unabhängige) prognostische Bedeutung des MIB1-Index berichtet [16, 176]. Unter anderem aufgrund der beträchtlichen methodischen Unterschiede zwischen verschiedenen Laboren lassen sich diagnostische Schwellenwerte nicht angeben [142]. Dennoch erscheint es – gerade bei kleinen Biopsaten – sinnvoll, MIB1-Färbungen durchzuführen und mit den im selben Labor gewonnenen Werten zu vergleichen. Paraffingängige Antikörper gegen andere Antigene bleiben dagegen von fraglichem diagnostischen Nutzen, da nur wenig Erfahrung vorliegt.
Anwendung und Interpretation Bei Anwendung und Interpretation immunhistologischer Befunde sind einige Punkte zu beachten: • Mit unerwarteten, nicht ins Schema passenden Immunreaktionen ist stets zu rechnen [54]. Teils liegt eine aberrante Expression, teils eine Kreuzreaktion vor. Als ein Beispiel sei die seltene GFAP-Positivität von Karzinommetastasen (meist Nierenzellkarzinome) genannt. Auf der anderen Seite geht eine unerwartete Immunreaktion oft mit einer ungewöhnlichen histologischen Differenzierung einher: So können zum Beispiel sekretorische Anteile in Meningeomen und die (sehr seltenen) adenomatösen, plattenepithelialen oder epitheloiden Differenzierungen astrozytärer Tumorzellen zytokeratinpositiv sein [192]. • Antigene, die man gemeinhin nicht erwartet, wurden auch entsprechend selten untersucht, so dass für seltene Expressionen keine sicheren Daten vorliegen. Als Faustregel mag gelten, dass es kein Antigen gibt, dessen Nachweis ein Gliom grundsätzlich ausschließt. • Wenn ein Antikörper länger bekannt ist und häufiger eingesetzt wurde, stellt sich im Allgemeinen heraus, dass seine Spezifität geringer als erwartet ist. Beispiele sind Antitrypsine und CD68, die früher als „Histiozytenmarker“ angesprochen wurden, oder der „Melanommarker“ HMB45; diese Antikörper sind aber nicht selten auch in Gliomen nachweisbar.
493
• Verschiedene Antikörper gegen dieselbe Antigenfamilie können unterschiedliche Reaktionen zeigen: Bis zu 96% der Astrozytome sind zytokeratinpositiv mit dem Antikörper AE1/AE3, einige auch mit KL1, CAM5.2, CK5, CK7 und CK20, nicht aber mit Lu5, KSpan1-8, K8.60, K8.12, LP34, PKK-1 und PKK-2 [54, 155]. • Die Möglichkeit der Phagozytose von extrazellulären Antigenen durch die Tumorzelle ist zu bedenken. Gerade reaktive und neoplastische Astrozyten sind dazu befähigt. Außerdem kann eine Phagozytose von GFAP durch Makrophagen (z. B. in Infarkten oder im Liquor) oder histiozytären Tumorzellen eine gliale Differenzierung vortäuschen. • Sowohl falsch-positive als auch falsch-negative Ergebnisse können durch die prä- und intraoperative Behandlung des Gewebes bedingt sein (Embolisation, Koagulation, Laser). Transport (Eintrocknen sehr kleiner Proben!), Fixierung und Temperatur der Paraffineinbettung sind wesentliche Variablen. Da die Vitalität der Zellen im Liquor häufig reduziert ist, sind solche Probleme hier besonders ausgeprägt. • Durch die immunhistologische Technik bedingte Artefakte sind häufiger als erwartet; das Mitführen geeigneter Negativ- und Positivkontrollen ist darum zwingend erforderlich. Zusammenfassend vermag die Immunhistologie bei bestimmten Fragestellungen wertvolle Hinweise zu geben, die diagnostischen Überlegungen in Bahnen zu lenken und die Diagnose zu unterstützen. Grundsätzlich sollte aber der konventionellen Histologie Vorrang eingeräumt werden; weder Diagnose noch Malignitätsgrad dürfen sich allein auf die Immunhistologie stützen. Das sorgfältige und aufgeschlossene Betrachten technisch guter HE- und Bindegewebsfärbungen ist für die Diagnosefindung wichtiger und im Zweifelsfalle entscheidender als eine breit angelegte Immunhistologie mit recht häufig nicht erklärbaren und unerwarteten Ergebnissen.
Klassifikation Die Gliederung der Tumoren stützt sich auf die WHOKlassifikation (Tabelle 18.4) [133]. Die Einordnung der Tumoren nach der WHO-Klassifikation hat sich weltweit durchgesetzt. An der im Jahre 2007 veröffentlichten 4. Auflage, wirkten über 70 Autoren aus 19 Ländern mit [134]. In der WHO-Klassifikation wird den Tumoren zum Teil ein Malignitätsgrad auf einer vierstufigen Skala zugeordnet, von den benignen Grad-I-Tumoren, die durch eine Operation im Prinzip komplett entfernt werden können, zu den histologisch hochmalignen Grad-IV-
494
Kapitel 18 Tabelle 18.4 WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems. Wiedergegeben aus [133] Tumor
Morphologiekode
Tumoren des neuroepithelialen Gewebes
Tumoren Tabelle 18.4 (Fortsetzung) Tumor
Morphologiekode
Angiozentrisches Gliom
9431/1**
Neuronale Tumoren und neurogliale Mischtumoren
Astrozytische Tumoren
Dysplastisches Gangliozytom des Zerebellums (Lhermitte-Duclos)
9493/0
Desmoplastisches infantiles Astrozytom/ Gangliogliom
9412/1
Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor
9413/0
Gangliozytom
9492/0
Gangliogliom
9505/1
Anaplastisches Gangliogliom
9505/3
Zentrales Neurozytom
9506/1
9440/3
Extraventrikuläres Neurozytom
9506/1**
– Riesenzellglioblastom
9441/3
Zerebelläres Liponeurozytom
9506/1**
– Gliosarkom
9442/3
Papillärer glioneuronaler Tumor
9509/1**
Gliomatosis cerebri
9381/3
Rosettenformender glioneuronaler Tumor des IV. Ventrikels
9509/1**
Paragangliom
8680/1
Pilozytisches Astrozytom
9421/1*
– Pilomyxoides Astrozytom
9425/3**
Subependymales Riesenzellastrozytom
9384/1
Pleomorphes Xanthoastrozytom
9424/3
Diffuses Astrozytom
9400/3
– Fibrilläres Astrozytom
9420/3
– Gemistozytisches Astrozytom
9411/3
– Protoplasmatisches Astrozytom
9410/3
Anaplastisches Astrozytom
9401/3
Glioblastom
Oligodendrogliale Tumoren Oligodendrogliom
9450/3
Anaplastisches Oligodendrogliom
9451/3
Oligoastrozytäre Tumoren Oligoastrozytom
9382/3
Anaplastisches Oligoastrozytom
9382/3
Tumoren der Pinealisregion Pineozytom
9361/1
Pinealisparenchymtumor intermediärer Differenzierung
9362/3
Pineoblastom
9362/3
Papillärer Tumor der Pinealisregion
9395/3**
Ependymale Tumoren
18
Subependymom
9383/1
Myxopapilläres Ependymom
9394/1
Ependymom
9391/3
– Zelluläres
9391/3
– Papilläres
9393/3
– Klarzelliges
Embryonale Tumoren Medulloblastom
9470/3
– Desmoplastisches/noduläres Medulloblastom
9471/3
– Medulloblastom mit extensiver Nodularität
9471/3**
9391/3
– Tanyzytisches
9391/3
– Anaplastisches Medulloblastom
9474/3**
Anaplastisches Ependymom
9392/3
– Großzelliges Medulloblastom
9474/3 9473/3
Choroides Plexuspapillom
9390/0
Primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET) des ZNS
Atypisches choroides Plexuspapillom
9390/1**
– Neuroblastom des ZNS
9500/3
Choroides Plexuskarzinom
9390/3
– Ganglioneuroblastom des ZNS
9490/3
– Medulloepitheliom
9501/3
Choroider Plexustumor
Andere neuroepitheliale Tumoren Astroblastom
9430/3
– Ependymoblastom
9392/3
Chordoides Gliom des III. Ventrikels
9444/1
Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor
9508/3
495
Klassifikation Tabelle 18.4 (Fortsetzung) Tumor
Tabelle 18.4 (Fortsetzung) Morphologiekode
Tumoren der kranialen und paraspinalen Nerven Schwannom (Neurilemom, Neurinom)
9560/
– zelluläres
9560/0
– plexiformes
9560/0
– melanotisches
9560/0
Neurofibrom
9540/0
– plexiformes
9550/0
Perineuriom – NOS
9571/0
– malignes
9571/3
Maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST)
Tumor
Morphologiekode
Hibernom
8880/0
Liposarkom
8850/3
Solitärer fibröser Tumor
8815/0
Fibrosarkom
8810/3
Malignes fibröses Histiozytom
8830/3
Leiomyom
8890/0
Leiomyosarkom
8890/3
Rhabdomyom
8900/0
Rhabdomyosarkom
8900/3
Chondrom
9220/0
Chondrosarkom
9220/3
Osteom
9180/0
– epitheloider
9540/3
Osteosarkom
9180/3
– mit mesenchymaler Differenzierung
9540/3
Osteochondrom
9210/0
– melanotischer
9540/3
Hämangiom
9120/0
– mit glandulärer Differenzierung
9540/3
Epitheloides Hämangioendotheliom
9133/1
Meningeale Tumoren
Hämangioperizytom
9150/1
Tumoren der meningothelialen Zellen
Anaplastisches Hämangioperizytom
9150/3
Meningiom
9530/0
Angiosarkom
9120/3
– Meningotheliales
9531/0
Kaposi-Sarkom
9140/3
– Fibröses (fibroblastisches)
9532/0
Ewing-Sarkom (PNET)
9364/3
– Transitionales (gemischtes)
9537/0
Primäre melanozytische Läsionen
– Psammomatöses
9533/0
Diffuse Melanozytose
8728/0
– Angiomatöses
9534/0
Melanozytom
8728/1
– Mikrozystisches
9530/0
Malignes Melanom
8720/3
– Sekretorisches
9530/0
Meningeale Melanomatose
8728/3
– Lymphoplasmazytenreiches
9530/0
Andere meningeale Neoplasmen
– Metaplastisches
9530/0
Hämangioblastom
– Chordoides
9538/1
Lymhome und hämatopoetische Neoplasmen
– Klarzelliges
9538/1
Malignes Lymphom
9590/3
– Atypisches
9539/1
Plasmozytom
9731/3
– Papilläres
9538/3
Granulozytisches Sarkom
9930/3
– Rhabdoides
9538/3
Keimzelltumoren
– Anaplastisches (malignes)
9530/3
Germinom
9064/3
Embryonales Karzinom
9070/3
Dottersacktumor
9071/3
Choriokarzinom
9100/3
Mesenchymale Tumoren Lipom
8850/0
Angiolipom
8861/0
9161/1
496
Kapitel 18 Tabelle 18.4 (Fortsetzung) Tumor
Morphologiekode
Teratom
9080/1
– Reifes
9080/0
– Unreifes
9080/3
– Maligne Form
9084/3
Gemischte Keimzelltumoren
9085/3
Tumoren der Sellaregion Kraniopharyngiom
9350/1
– Adamantinomatöses
9351/1
– Papilläres
9352/1
Granularzelltumor
9582/0
Pituizytom
9432/1**
Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse
8291/0**
Tumoren
praktisch nie komplett reseziert werden und gehen meist in maligne Gliome über. Zu beachten ist, dass früher auch noch andere Gradierungssysteme für Gliome in Gebrauch waren, wie dreistufige Skalen oder die vierstufige Skala nach Kernohan, bei der beispielsweise das Glioblastom vom Grad III oder Grad IV sein kann; auch wenn diese Systeme mittlerweile obsolet sind, erscheint es sinnvoll, dem Malignitätsgrad stets „WHO“ anzuhängen. Die biologische Wertigkeit von Hirntumoren wird nicht nur durch den histologischen Malignitätsgrad, sondern auch entscheidend von der Lokalisation, der Ausdehnung, dem Alter und dem Allgemeinzustand des Patienten bestimmt. Das in der allgemeinen Tumorpathologie übliche TNM-Staging wird in der Neuroonkologie nicht angewendet, u. a. weil Lymphknoten- und Organmetastasen sehr selten sind.
Neuroepitheliale Tumoren
Metastatische Tumoren *Morphologiekodierung der International Classification of Diseases for Oncology (ICD-O) [614A] und der Systematized Nomenclature of Medicine (http://snomed.org). Das Verhalten wird folgendermaßen kodiert: /0 für benigne Tumoren, /3 für maligne Tumoren und /1 für Borderline- oder unsicheres Verhalten. ** Die kursiven Nummern sind provisorische Kodierungen, die für die 4. Auflage der ICD-O vorgeschlagen wurden. Obwohl erwartet wird, dass sie in die nächste ICD-O-Ausgabe aufgenommen werden, bleiben momentan Änderungen vorbehalten.
18
Tumoren (Tabelle 18.5). Meist ergibt sich der Malignitätsgrad eindeutig aus der Diagnose und ist daher redundant: So entsprechen z. B. anaplastische Gliome immer dem Grad III. Mehrere Tumortypen haben allerdings keinen Malignitätsgrad und einige Tumoren können einen von zwei Graden haben. Der Malignitätsgrad ist kein notwendiger Bestandteil der Diagnose, kann aber zur Verdeutlichung dienen. Wenn von malignen oder höhergradigen („high-grade“) Gliomen die Rede ist, meint man meist die anaplastischen Gliome (III) und die Glioblastome (immer Grad IV) zusammen. Während früher die diagnostischen Begriffe „maligne“ und „anaplastisch“ als Synonyme verwendet wurden, hat man sich nun darauf geeinigt, die Grad-III-Tumoren als anaplastisch (z. B. „anaplastisches Meningeom“) zu bezeichnen. Die Gliome der Grade I und II werden oft als benigne oder als niedriggradig („low-grade“) bezeichnet; dies ist histologisch und für die Grad-I-Tumoren auch klinisch-biologisch zutreffend. Gliome vom Grad II können jedoch wegen ihrer diffusen Infiltration
Astrozytäre Tumoren Fibrilläres Astrozytom Das fibrilläre Astrozytom (Grad II WHO) ist ein überwiegend supratentoriell lokalisierter Tumor des jungen Erwachsenenalters. Wie bei den anderen diffusen astrozytären Tumoren wird die Prognose durch das eine vollständige Resektion erschwerende Wachstumsmuster sowie die Tendenz zur malignen Progression bestimmt. Die mittlere Überlebenszeit beträgt nach Diagnosestellung etwa 6–8 Jahre. Makroskopisch ist das Gewebe diffus aufgetrieben, wobei am frischen Schnitt eine leichte Rosatönung, am fixierten Gewebe eine fahle Blässe vorherrscht (Abb. 18.2a). Die Tumoren sind zäh-elastisch, manchmal gummiähnlich und nicht selten zystisch. Mikroskopisch überwiegen Zellen mit unregelmäßig oder parallel ausgerichteten Zytoplasmafortsätzen, zwischen denen sich spongiöse Hohlräume bilden. Im Gegensatz zum Oligodendrogliom mit seinen perinukleären Schrumpfräumen liegen die länglichen oder längsovalen Kerne beim fibrillären Astrozytom an den scheinbaren Überschneidungspunkten des Fasergitters (Abb. 18.2b). Bei der breiten Infiltrationszone sind die Tumorgrenzen makroskopisch nicht und mikroskopisch kaum zu bestimmen. Verkalkungen sind selten. Mitosen fehlen oder sind sehr spärlich (weniger als 1 in 20 Gesichtsfeldern bei 400facher Vergrößerung). Nekrosen und Gefäßproliferate sind nicht nachweisbar. Die Tumorzellen exprimieren GFAP, wobei Ausmaß und Intensität jedoch unterschiedlich ausfallen können. Die Ki67/MIB1-Proliferationsrate liegt meist unter 4% (Mittel: 2,5%). Wie
Neuroepitheliale Tumoren
497
Tabelle 18.5 WHO-Gradierung der Tumoren des zentralen Nervensystems WHO-Grad
I
II
III
IV
Astrozytäre Tumoren Subependymales Riesenzellastrozytom
z
Pilozytisches Astrozytom
z
Pilomyxoides Astrozytom
z
Diffuses Astrozytom
z
Pleomorphes Xanthoastrozytom
z
Anaplastisches Astrozytom
z
Glioblastom
z
Oligodendrogliale Tumoren Oligodendrogliom
z
Anaplastisches Oligodendrogliom
z
Oligoastrozytäre Tumoren Oligoastrozytom
z
Anaplastisches Oligoastrozytom
z
Ependymale Tumoren Subependymom
z
Myxopapilläres Ependymom
z
Ependymom
z
Anaplastisches Ependymom
z
Tumoren des Plexus choroideus Plexuspapillom
z
Atypisches Plexuspapillom
z
Plexuskarzinom
z
Andere neuroepitheliale Tumoren Angiozentrisches Gliom
z
Chordoides Gliom des III. Ventrikels
z
Neuronale Tumoren und neurogliale Mischtumoren Gangliozytom
z
Gangliogliom
z
Anaplastisches Gangliogliom
z
Desmoplastisches infantiles Astrozytom und Gangliogliom
z
Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor
z
Zentrales Neurozytom
z
Extraventrikuläres Neurozytom
z
Zerebelläres Liponeurozytom
z
Paragangliom der Cauda equina
z
Papillärer glioneuronaler Tumor
z
Rosettenformender glioneuronaler Tumor des IV. Ventrikels
z
498
Kapitel 18
Tumoren
Tabelle 18.5 (Fortsetzung) WHO-Grad
I
II
III
z
z
IV
Tumoren der Pinealisregion Pineozytom
z
Pinealisparenchymtumor intermediärer Differenzierung Pineoblastom
z
Papillärer Tumor der Pinealisregion
z
z
Embryonale Tumoren Medulloblastom
z
Primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET) des ZNS
z
Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor
z
Nervenscheidentumoren Neurofibrom
z
Neurinom
z
Perineuriom
z
Maligner peripherer Nervenscheidentumor
z
z
z
z
z
Meningeale Tumoren Meningeom
z
Atypisches Meningeom
z
Chordoides Meningeom
z
Klarzelliges Meningeom
z
Anaplastisches Meningeom
z
Papilläres Meningeom
z
Rhabdoides Meningeom
z
Hämangioperizytom
18
z
Anaplastisches Hämangioperizytom Hämangioblastom
z z
Tumoren der Sellaregion Kraniopharyngeom
z
Granularzelltumor der Neurohypophyse
z
Pituizytom
z
Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse
z
bei anderen Grad-II-Astrozytomen sind Mutationen des IDH1-Gens (Abb. 18.2c) außerordentlich häufig [5]; die Bedeutung für die molekularpathologische Diagnostik wird detailliert im Abschnitt „Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik“ (s. oben) dargestellt. Mutationen des TP53-Tumorsuppressorgens kommen in etwa 35% der Fälle vor.
Protoplasmatisches Astrozytom Das protoplasmatische Astrozytom (Grad II WHO) ist vom fibrillären Astrozytom (aber auch vom pilozytischen Astrozytom und vom dysembryoplastischen neuroepithelialen Tumor) unscharf abgegrenzt, weshalb die diagnostischen Kriterien stark variieren: Manche sehr erfah-
Neuroepitheliale Tumoren
499
schwach positiv, selten auch negativ. Der mittlere Ki67/ MIB1-Index liegt unter 1%. In der bislang einzigen klinisch-pathologischen Untersuchung betrug das mittlere Alter der 16 Patienten bei Diagnosestellung 22 Jahre, wobei sich die überwiegend temporal oder frontal lokalisierten Tumoren klinisch durch Krampfanfälle bemerkbar machten. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug mehr als 85% [175].
Gemästetzelliges Astrozytom a
b
c Abb. 18.2a–c Fibrilläres Astrozytom. Makroskopie mit diffuser Auftreibung der linken Hirnhemisphäre (a) sowie Histologie (b) mit immunhistochemischem Nachweis von mutiertem IDH1-Protein (c)
rene Neuropathologen haben diese Diagnose noch niemals gestellt, während sie an anderen Institutionen großzügig vergeben wird. Idealtypisch handelt es sich um makroskopisch weiche und von kleinen Zysten durchsetzte Tumoren des Großhirns, die histologisch rundliche oder rundovale Kerne, mäßig reichlich Zytoplasma (etwas mehr als beim fibrillären Astrozytom), eine ausgeprägte mikrozystische Auflockerung sowie reichlich wässrige, eosinophile Matrix zeigen. Die wenigen Zellfortsätze sind nur auf kurze Strecken verfolgbar. GFAP ist oft nur
Das gemästetzellige Astrozytom (Grad II WHO) besteht überwiegend aus dichtgelagerten, pflasterförmigen Astrozyten mit weit ausgedehntem (15–40 μm), homogen-eosinophilem (gemästetzelligem) Zytoplasma (Abb. 18.3a). Die Kerne sind meist exzentrisch gelegen und gelegentlich multipel, die spärlichen Zellfortsätze sind kurz und plump. Für die Diagnose ist ein Anteil von mindestens 20% gemästetzelligen Tumorzellen erforderlich. Die Tumorzellen exprimieren GFAP (Abb. 18.3b). Der Ki67/MIB1-Index liegt insgesamt meist unter 4%, wobei zwischen den gemästetzelligen Tumorzellen liegende kleinzelligere Anteile in der Regel proliferativ aktiver sind. Häufiger als bei den beiden ersterwähnten Astrozytomformen sind Zeichen einer beginnenden Anaplasie. Dementsprechend ist die Prognose auch der histologisch noch nicht malignen Tumoren ungünstiger (5-Jahres-Überlebensrate etwa 20%) als die der anderen Grad-II-Astrozytome [124]; dies rechtfertigt jedoch noch nicht die generelle Einstufung als Grad III. Mutationen des TP53-Tumorsuppressorgens mit nukleärer Akkumulation von p53-Protein (Abb. 18.3c) sind bei mehr als 80% der Tumoren nachweisbar [230] und somit häufiger als bei den anderen Grad-II-Astrozytomen.
Pilozytisches Astrozytom Das pilozytische Astrozytom (Grad I WHO) tritt überwiegend bei jungen Patienten im Bereich des Kleinhirns (Abb. 18.4a) und der Mittellinie (Hypothalamus, Thalamus/Basalganglien, Chiasma opticum, Brücke), seltener in den Großhirnlappen auf. Die 5- und 20-Jahres-Überlebensraten liegen (mit Ausnahme hypothalamischer Tumoren) bei über 85%; bei kompletter Entfernung sind Dauerheilungen möglich. Makroskopisch sind die Tumoren relativ gut abgegrenzt, meist blassgelb und können derb, schwammigweich oder von umfangreichen Zysten durchsetzt sein. Mikroskopisch bestehen die isomorphen Tumorzellen aus länglichen Kernen und bipolarem Zytoplasma, das zu langen Fortsätzen ausgezogen ist. Züge parallel verlaufender Zellen sind charakteristisch, die oft mosaikartig
500
Kapitel 18
Tumoren
a a
b b
18
c c Abb. 18.3a–c Gemästetzelliges Astrozytom. Histologie (a) mit gemästetzelligen Tumorzellen mit GFAP-Expression (b) und nukleärer Akkumulation von p53-Protein (c)
mit mikrozystischen Arealen verschachtelt sind (biphasisches Muster; Abb. 18.4b); Letztere zeigen nicht selten eine Beteiligung auch sternförmiger Astrozyten sowie häufig eine stärkere Kernpolymorphie. Die RosenthalFasern, gewissermaßen die Visitenkarte des pilozytischen Astrozytoms, erscheinen als wurmförmige, seltener unregelmäßig abgerundete eosinophile Gebilde und sind besonders subpial, perivaskulär und im bipolaren Faserverlauf anzutreffen (Abb. 18.4c). Es handelt sich dabei um Intermediärfilamente mit angelagertem elektronendich-
d Abb. 18.4a–d Pilozytisches Astrozytom Makroskopie mit typischer Lokalisation eines zystischen Tumors im Bereich des Kleinhirns (a) und Histologie mit biphasischem Wachstumsmuster (b), bestehend aus kompakteren Abschnitten mit Rosenthal-Fasern (c) sowie aufgelockerten Abschnitten mit eosinophilen granulären Körpern (d)
Neuroepitheliale Tumoren
tem Material. Immunhistologisch sind Rosenthal-Fasern positiv für αB-Crystallin, Ubiquitin und in unterschiedlichem Ausmaß für GFAP [221]. Weiterhin trifft man häufig auf granuläre eosinophile Körper (Abb. 18.4d), Verkalkungen, Gefäßfibrosierungen, angiomatoid assoziierte Gefäße mit variabler endothelialer Hyperplasie sowie Areale mit perinukleär optisch leeren Höfen wie beim Oligodendrogliom. Nicht selten wächst der Tumor in die Leptomeningen ein, wobei innige Verflechtungen mit kollagenen Fasern auftreten; das Durchbrechen der Glia limitans externa ist bei diesem Tumor kein Malignitätskriterium. Sehr selten wird eine Absiedlung von Tumorzellen entlang der Liquorwege beobachtet, die hier jedoch in der Regel kein Zeichen eines aggressiveren biologischen Verhaltens darstellt. Eine maligne Entartung ist bei pilozytischen Astrozytomen ein sehr seltenes Ereignis, kann aber auch noch nach Jahrzehnten auftreten. Solche Tumoren zeigen dann die Kriterien des anaplastischen Astrozytoms oder des Glioblastoms, wobei pilozytische Merkmale noch mehr oder weniger gut zu erkennbar sind. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einerseits ansonsten typische Grad-ITumoren eindrucksvolle Gefäßproliferate und (nicht ganz selten) auch ausgedehnte flächenhafte Nekrosen aufweisen können, ohne dass sie sich klinisch bösartig verhalten würden, und andererseits auch im Bereich des Kleinhirn höhergradige Gliome mit malignerem Verlauf vorkommen. Molekulargenetisch sind in sporadischen pilozytischen Astrozytomen häufig Duplikationen des BRAF-Gens mit onkogenen Rearrangements nachweisbar, während die für diffuse Astrozytome charakteristischen IDH1-Mutationen praktisch nicht vorkommen [119]. Die Bedeutung für die molekularpathologische Diagnostik wird im Kap. „Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik“ dargestellt. Für die bei der Neurofibromatose Typ 1 insbesondere im Bereich des Nervus opticus auftretenden pilozytischen Astrozytome ist ein Verlust der NF1-Expression charakteristisch. Differentialdiagnostisch sind pilozytische Gliosen abzugrenzen, die reichlich Rosenthal-Fasern enthalten können und besonders in der Umgebung von Hämangioblastomen und infiltrierenden Zellzapfen des Kraniopharyngeoms auftreten. Da diese Tumoren in Regionen auftreten, die auch das pilozytische Astrozytom bevorzugt, ist es wichtig, stets das gesamte Operationsmaterial sorgfältig aufzuarbeiten, um Fehldiagnosen zu vermeiden.
Pilomyxoides Astrozytom Eine Sonderform des pilozytischen Astrozytoms stellt das pilomyxoide Astrozytom (Grad II WHO) dar. Dieses ist gekennzeichnet durch meist hypothalamische Lokalisation, Auftreten bei Kindern und Säuglingen, monomorphe,
501
a
b Abb. 18.5a,b Pilomyxoides Astrozytom. Monophasisches Wachstumsmuster mit Gefäßbezug (a) vor dem Hintergrund einer myxoiden Matrix (b)
myxoide Histologie ohne Rosenthal-Fasern und einen gewissen Gefäßbezug der Tumorzellen (Abb. 18.5). Bei pilomyxoiden Astrozytomen besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit des Rezidivs und der Aussaat über die Liquorräume [51, 220].
Subependymales Riesenzellastrozytom Das subependymale Riesenzellastrozytom (Grad I WHO) tritt überwiegend bei Kindern auf (Mittel: 13 Jahre) und ist regelmäßig mit einer tuberösen Sklerose (s. unten) assoziiert; umgekehrt haben 6–16% der Patienten mit tuberöser Sklerose ein subependymales Riesenzellastrozytom. Symptome entstehen meist durch eine Liquorblockade. Sehr selten sind massive, teils letale intratumorale Blutungen. Makroskopisch wölben sich derbe, scharf vom Marklager abgrenzbare Knoten mit weißlicher asbestartiger Schnittfläche gegen das Lumen eines Seitenventrikels vor (s. Abb. 18.38b). Mikroskopisch handelt es sich um große Zellen mit rundovalem, bandförmigem oder spindeligem, homogen-eosinophilem Zytoplasma und teils weiten Zellfortsätzen (s. Abb. 18.38c). Die
502
Kapitel 18
Kerne sind oft multipel, peripher gelegen und können ausgesprochen chromatinreich und polymorph sein; bei prominentem Nukleolus verleihen sie der Zelle einen neuronähnlichen Aspekt. Es werden Gruppen oder Züge von Zellen ausgebildet. Häufig sind rundliche, teils konfluierende Kalkkonkremente. Nekrosen und Mitosen kommen selten vor, haben aber dann keine prognostische Bedeutung. Immunhistologisch findet sich in den meisten Tumoren eine Positivität für GFAP. Häufig werden auch neuronale Antigene (Neurofilament, KlasseIII-β-Tubulin, Neuropeptide etc.) exprimiert, zum Teil in denselben Tumorzellen wie GFAP [132]; man hat deshalb auch vom subependymalen Riesenzelltumor gesprochen.
Tumoren
a
Pleomorphes Xanthoastrozytom
18
Das pleomorphe Xanthoastrozytom (PXA, WHO-GradII) ist überwiegend im Temporal-, Frontal- oder Parietallappen von Kindern und jungen Erwachsenen lokalisiert [63, 111]. Eine oder mehrere, schon in der Bildgebung erkennbare Zysten mit Tumorknoten sind charakteristisch. Der Tumor wächst in den Leptomeningen und infiltriert herdförmig das Hirngewebe, selten auch die Dura mater. Mikroskopisch imponiert eine Mischung aus einerseits großen Zellen mit ausgesprochen polymorphen, hyperchromatischen, teils monströsen oder multiplen Kernen und eosinophilem oder schaumigem („xanthomatösem“) Zytoplasma sowie andererseits spindeligen Zellen, die sich zu Zellzügen oder storiformen Strukturen formieren (Abb. 18.6a,b). Ein feinverzweigtes Retikulin- bzw. Basalmembrannetzwerk umhüllt einzelne oder Gruppen von Tumorzellen (Abb. 18.6c). Perivaskuläre lymphozytäre Infiltrate und eosinophile oder blasse, fein- oder grobgranuläre Körper sind häufig. Nekrosen oder zahlreiche Mitosen (5 oder mehr in zehn 400×-Gesichtsfeldern) gehören nicht zum Bild und signalisieren den Übergang in einen malignen Tumor. Dieser sollte nach WHO-Konvention nicht als anaplastisches PXA, sondern als PXA mit Anaplasie („PXA with anaplastic features“) bezeichnet werden. Angiomatöse, epitheloide und gangliogliomatöse Varianten kommen vor. Der Tumor wurde ursprünglich als ein intrakranielles Analogon des kutanen fibrösen Histiozytoms aufgefasst und als fibröses Xanthom der Meningen bezeichnet, wegen der Positivität für GFAP aber als Gliom reklassifiziert und von subpialen Astrozyten abgeleitet [111]. Die Ki67/MIB1-Proliferationsrate der Tumorzellen liegt meist bei unter 1%. Molekularpathologisch ist in über 50% der Fälle eine aktivierende Punktmutation des BRAF-Gens (V600E) nachweisbar [202]. Der Verlauf ist nicht vorhersehbar: es gibt sowohl jahrzehntelange rezidivfreie Verläufe als auch seltener rasche Übergänge in ein Glioblastom; jedenfalls ist die
b
c Abb. 18.6a–c Pleomorphes Xanthoastrozytom. Zellzüge spindeliger Zellen (a) und große Zellen mit polymorphen Kernen und eosinophilem oder schaumigem Zytoplasma (b) mit feinem Retikulinnetzwerk (c)
Prognose im Allgemeinen besser als die Pleomorphie vermuten lässt. Die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten liegen bei 80% bzw. 70% [63].
Desmoplastisches infantiles Astrozytom Desmoplastische infantile Astrozytome (Synonym: duraadhärente zerebrale Astrozytome) sind große (6–
Neuroepitheliale Tumoren
Abb. 18.7 Desmoplastisches infantiles Astrozytom. Histologie mit Zellzügen spindeliger Astrozyten und kollagenen Fasern
13 cm), derbe und zystische Tumoren des Frontal- oder Parietallappens, die bei Kindern in den ersten 18 Lebensmonaten auftreten [217]. Mikroskopisch sind GFAP-positive monomorphe, spindelige, oft gewellte Astrozyten mit fibrohistiozytären Zellen und kollagenen Fasern unter Ausbildung von Zellzügen verwoben (Abb. 18.7). Es kann daher leicht zu Verwechslungen mit fibromatösen oder anderen mesenchymalen Tumoren kommen. Daneben sieht man herdförmig Astrozyten mit rundovalem eosinophilem Zytoplasma, die an kleine gemästete Formen erinnern. Im Gegensatz zum pleomorphen Xanthoastrozytom fehlen Riesenzellen, Schaumzellen, mehrkernige Zellen oder höhergradig polymorphe Kerne. Nekrosen und pathologische Gefäße sind nicht nachweisbar. Der überwiegend leptomeningeale Tumor infiltriert meist sowohl den Kortex als auch die Dura. Oft besteht eine teils schon histologisch, häufiger erst immunhistologisch erkennbare neuronale Differenzierung großer Zellen, zumeist kombiniert mit zelldichten Nestern unreifer kleinzelliger neuroektodermaler Elemente, zum Teil mit Mitosen. Diese Fälle werden als desmoplastische infantile Gangliogliome bezeichnet [226]. Da sie sich aber klinisch und (bis auf die neuronale Differenzierung) pathologisch nicht von den rein astrozytären Tumoren unterscheiden, können die beiden Tumortypen auch als „desmoplastische supratentorielle neuroepitheliale kindliche Tumoren“ zusammengefasst werden [163]. Rezidive oder eine maligne Entartung treten bei ansonsten typischen Tumoren in der Regel nicht auf.
Anaplastisches Astrozytom Anaplastische Astrozytome (Grad III WHO) sind Tumoren des Erwachsenenalters (mittleres Alter bei Diagnosestellung 51 Jahre); sie machen etwa 35% aller Astrozytome aus. Die 2- und 5-Jahres-Überlebensraten betragen 38–
503
60% bzw. 15–25%. Anaplastische Astrozytome zeigen histologische Malignitätszeichen, aber noch nicht das Vollbild des Glioblastoms. Von diagnostischer und prognostischer Bedeutung ist neben gesteigerter Zelldichte und Kernpolymorphie vor allem eine erhöhte Mitoserate. Der Ki67/MIB1-Proliferationsindex liegt typischerweise zwischen 5 und 10%. Eine geringgradige Hyperplasie und Hypertrophie von Endothelzellen kann vorkommen, nicht aber höhergradig pathologische Blutgefäße, die – wie auch flächenhafte Nekrosen – typisch für Glioblastome sind und die Diagnose eines anaplastischen Astrozytoms ausschließen. Selbst bei nur herdförmigem Anaplasienachweis liegt bereits ein anaplastisches Astrozytom vor. Auch molekulargenetisch ist das anaplastische Astrozytom zwischen Grad-II-Astrozytom und Glioblastom anzusiedeln. Zu den TP53-Mutationen, die in etwa gleicher Häufigkeit wie bei Grad-II-Astrozytomen vorliegen (35%), kommen Abberrationen von Genen für zellzyklusregulierende Proteine wie CDKN2A/p16-Deletion, Inaktivierung des Retinoblastom(RB)-Tumorsuppressorgens, p19ARF-Deletion und CDK4-Amplifikation. Inaktivierungen bisher nicht identifizierter Tumorsuppressorgene auf den Chromosomen 19q und 22q, detektiert durch einen Verlust der Heterozygotie („loss of heterozygosity“, LOH), findet man in 46% bzw. 30% der Fälle. Eine EGFR-Amplifikation ist in weniger als 10% der Fälle nachweisbar [112].
Gradierung Histologischer Malignitätsgrad und Prognose sind bei Astrozytomen eng korreliert, doch weisen auch ungünstige Lokalisation, Tumorgröße, kurze Anamnese, hohes Alter, niedriger Karnofsky-Index und geringes Ausmaß der Resektion auf eine ungünstige Prognose. Wenngleich sich die meisten Astrozytome mehr oder weniger eindeutig gradieren lassen, liegen intermediäre Formen in der Natur der Sache. Es hängt von der Person des Neuropathologen und den örtlichen Gegebenheiten ab, ob hier eine intermediäre und biologisch zutreffendere, aber klinisch schwer verständliche und oft nicht erwünschte Diagnose gestellt wird (Grad II–III, Grad III–IV). Ist man unter Entscheidungsdruck, einen (nichtpilozytischen) astrozytären Tumor auf der vierstufigen Skala einzuordnen, kann die einfach und schnell durchzuführende Gradierungshilfe von Daumas-Duport et al. [36] nützlich sein, die auf dem Vorhandensein von vier morphologischen Kriterien beruht: • Kernatypien (Hyperchromasie und/oder deutliche Form- und Größenvariabilität), • Mitosen (regelrechte oder pathologische), • Endothelproliferation (vaskuläre Lumina werden von mehr als einer Lage Endothelzellen umgeben), • flächenhafte Nekrosen.
504
Kapitel 18
Der eindeutige Nachweis von 3 oder 4 dieser Kriterien entspricht dem Grad IV (Glioblastom), von 2, 1 und 0 Kriterien den Graden III (anaplastisches Astrozytom), II und I. Bei der Gradierung von Astrozytomen ist immer deren ausgeprägte intratumorale histologische Heterogenität zu berücksichtigen: So zeigten 82% der untersuchten Gliome erschiedene Gradierungen innerhalb desselben Tumors, 62% sowohl benigne (II) als auch maligne (III oder IV) Komponenten [161]. Eine zuverlässige Gradierung astrozytärer Tumoren anhand des immunhistologisch ermittelten Proliferationsindex ist im Einzelfall nicht möglich, da die Werte zwar mit dem Malignitätsgrad korrelieren, aber stark überlappen: Der Anteil proliferierender, Ki-67-positiver Zellen beträgt 0–1,9% (Grad II), 0,6–10,9% (Grad III) und 0,9–16,2% (Grad IV).
Tumoren
a
Glioblastom
18
Glioblastome (Grad IV WHO) umfassen etwa 40% der Gliome und gehören mit 12–20% zu den häufigsten Hirntumoren. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung liegt bei 55 Jahren, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen (1,3:1). Trotz bedeutender neurochirurgischer und radiologischer Fortschritte besitzt der Tumor noch immer eine äußerst schlechte Prognose (2-JahresÜberlebensrate 5–12%). Bei der gegenwärtigen Standardtherapie (Operation mit anschließender Bestrahlung und Temozolomid-Chemotherapie) beträgt die mediane Lebenserwartung 8–13 Monate. Bei Langzeitüberlebenden liegen nicht selten Fehldiagnosen vor, insbesondere von als Glioblastom fehlinterpretierten oligodendroglialen Tumoren [122]. Auf der anderen Seite gibt es bei definitiven Glioblastomen durchaus Langzeitüberlebende mit bis zu jahrezehntelangen Krankheitsverläufen [123, 210]. Makroskopisch bevorzugt der Tumor das Marklager der Großhirnlappen und breitet sich häufig in den Kortex, die Stammganglien und schmetterlingsförmig über den Balken auf die Gegenseite aus. Die Infiltrationszone führt zu einer diffusen Auftreibung des Gewebes. Charakteristisch ist die sog. bunte Schnittfläche, die bedingt ist durch ein Nebeneinander von grau-rosa gefärbten soliden Tumorpartien, gelblichen Nekrosebereichen, grünlichen verflüssigten Nekrosen („Gallertzysten“) sowie frischen und älteren, rot oder schwärzlich erscheinenden Blutungen (Abb. 18.8a). Die Konsistenz wechselt zwischen derben Tumorpartien und weichen Nekrosearealen. Bereits kleine Tumoren können von einem massiven Ödem umgeben sein. In 2–8% besteht ein multizentrisches Wachstum. Mikroskopisch findet sich neben einer hohen Zelldichte eine meist ausgeprägte Kern- und Zellpolymorphie mit hyperchromatischen, unregelmäßig geformten Kernen und mehrkernigen Zellen (multiformes Glioblastom,
b
c
d Abb. 18.8a–d Glioblastom. Makroskopie mit bunter Schnittfläche (a) und Histologie mit polymorphen Tumorzellen und Mitosen (Pfeile, b), strichförmigen Tumornekrosen (c) und girlandenförmigen Aufreihungen pathologischer Blutgefäße (d)
Neuroepitheliale Tumoren
Abb. 18.8b). Daneben gibt es Tumoren mit einem Überwiegen spindeliger oder kleiner rundlicher monomorpher Zellen (fusiforme und globuliforme Glioblastome). Wesentlich für die Diagnose sind flächenhafte Nekrosen, die sehr ausgedehnt sein können und bis zu 80% der Tumorfläche einnehmen. Charakteristisch sind strichförmige Nekrosen, die palisadenartig von einem Saum dichtliegender Tumorzellen umrandet sind (Abb. 18.8d). Hinzu kommen die ausgeprägten Gefäßproliferate („pathologische Gefäße“), einerseits in Form weitlumiger („lakunärer“), manchmal thrombosierter Gefäße mit breiten, fibrosierten oder schmalen, brüchigen Wänden, andererseits – vor allem an den Tumorrändern und perinekrotisch – in Form glomerulumähnlicher Gefäßknäuel. Diese weisen eine sehr starke Vermehrung (Hyperplasie) und Vergrößerung (Hypertrophie) von Endothelien, daneben auch von Perizyten und glatten Muskelzellen auf (Abb. 18.8c). Mitosen in variabler Zahl sind praktisch immer nachweisbar. Blutungen unterschiedlichen Alters mit entsprechenden Residuen in Form von Sidero- und Lipophagen sind häufig erkennbar. In vielen Fällen bestehen dichte perivaskuläre Lymphozyteninfiltrate, vor allem im Randbereich. Immunhistochemisch exprimiert das Glioblastom als astrozytärer Tumor GFAP; die Färbeintensität und der Anteil GFAP-positiver Tumorzellen schwanken allerdings zwischen den Tumoren und meist auch innerhalb eines Tumors stark. Anaplastische Oligodendrogliome oder Ependymome mit Nekrosen und pathologischen Blutgefäßen sind keine Glioblastome. Die Blut-Hirn-Schranke (s. Kap. Hirnödem) ist in malignen Gliomen nicht mehr intakt. Dies äußert sich radiologisch in der Aufnahme von Kontrastmittel als wichtigem diagnostischem Zeichen, therapeutisch in der besseren Tumorgängigkeit von Zytostatika und morphologisch neben den oben beschriebenen Hyperplasien und Hypertrophien in ultrastrukturellen Abnormitäten pathologischer Gefäße. Die genetischen Daten unterscheiden sich im Durchschnitt, je nachdem, ob das Glioblastom sekundär aus einem Grad-II- oder Grad-III-Astrozytom entsteht oder ob es sich primär entwickelt. Primäre Glioblastome entstehen bei älteren Patienten und sind charakterisiert durch EGFR-Amplifikation (40%) und -Überexpression (60%), MDM2-Amplifikation (<10%) und -Überexpression (50%), CDKN2A/p16-Deletion (30–40%) und PTEN-Mutation (30%), während sekundäre Glioblastome bei jüngeren Patienten auftreten und häufiger TP53Mutationen (> 65%) aufweisen [112]. Epigenetische Veränderungen mit einer Promotorhypermethylierung des für das DNA-Reperaturenzym O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase kodierenden MGMT-Gens gehen mit einer besseren Prognose einher. Die Bedeutung für die molekularpathologische Diagnostik wird detailliert im Kapitel „Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik“ dargestellt.
505
Riesenzell-Glioblastom Riesenzell-Glioblastome (Grad IV WHO) bestehen überwiegend aus monströsen (bis zu 500 μm Durchmesser), polymorphen, oft mehrkernigen, eosinophilen, variabel GFAP-positiven, gelegentlich xanthomatösen Riesenzellen. Die Tumoren sind relativ scharf abgegrenzt, zeigen zahlreiche, auch atypische Mitosen, Nekrosen, aber nur geringe endotheliale Proliferate. Häufigere genetische Veränderungen sind TP53-Mutationen (75–90%) und PTEN-Mutationen (33%), während CDKN2A-Deletionen und EGFR-Amplifikationen seltener sind [169]. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 42 Jahre. Die etwas günstigere Prognose als die der Glioblastome beruht vielleicht auf der geringeren diffusen Hirninvasion, möglicherweise aber auch auf einer in manchen Serien nicht erfolgten Abgrenzung gegenüber dem pleomorphen Xanthoastrozytom.
Gliosarkom Gliosarkome (Grad IV WHO) zeigen ein biphasisches Wachstum mit glial und mesenchymal („sarkomatös“) differenzierten Abschnitten [140]. Die gliale Komponente ist meist astrozytär differenziert und GFAP-positiv; ganz überwiegend ist die gliale Komponente isoliert als Glioblastom einzuordnen, während andere Gliomtypen nur sehr selten vertreten sind. Die mesenchymale, bindegewebsreiche und GFAP-negative Komponente entspricht bei den meisten Gliosarkomen einem Fibrosarkom, doch wurden unter anderem auch rhabdomyo-, leiomyo-, chondro-, osteo- und angiosarkomatöse Elemente beschrieben. Die mesenchymal differenzierte Komponente wurde früher als eine sarkomatöse Transformation des proliferierten Gefäßbindegewebes interpretiert. Gegenwärtig denkt man eher an eine mesenchymale Transdifferenzierung der Gliomzellen, da auch in der mesenchymal differenzierten Komponente häufig einzelne GFAP-positive Tumorzellen nachweisbar sind und in beiden Komponenten identische chromosomale und molekulargenetische Veränderungen (Verlust von Chromosom 10, TP53-Mutationen, PTEN-Mutationen, MDM2/CDK4Koamplifikationen) gefunden wurden [164, 181]. Klinisch und prognostisch unterscheiden sich Gliosarkome nicht wesentlich von Glioblastomen [140]. Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind eine Tumorinfiltration in die Leptomeningen mit reaktiver Desmoplasie, eine mesenchymale Organisation flächenhafter Nekrosen oder fibrinöser Exsudate, Astrozytom-Fibrom-Kompositionstumoren und Sarkome mit Gliose oder sekundärem Gliom (Sarkogliome).
506
Kapitel 18
Tumoren
Sonstige Glioblastomvarianten Bei den sehr seltenen desmoplastischen Glioblastomen (malignen Gliofibromen) sezernieren die eindeutig astrozytär differenzierten Tumorzellen eine kollagenhaltige Extrazellulärmatrix, mitunter auch Knorpelgrundsubstanz [29]. Als Angiogliom wurden historisch ganz verschiedene Läsionen bezeichnet, so der zelluläre Typ des Hämangioblastoms, gemischte Gliome/Hämangioblastome, gemischte Gliome/Angiome, sehr gefäßreiche niedriggradige Gliome sowie auch Angiome mit Gliose. a
Gliomatosis cerebri
18
Bei der Gliomatosis cerebri (diffuse Gliomatose) besteht makroskopisch eine Auftreibung des Gehirns bei insgesamt erhaltener Konfiguration ohne umschriebene Tumormasse. Mikroskopisch sind die graue und weiße Substanz beider Großhirnhemisphären, seltener auch zusätzlich Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark, diffus von Gliazellen durchsetzt. Obwohl kleine, bipolare, relativ schwach GFAP-positive Astrozyten überwiegen, können Oligodendrozyten und Mikrogliazellen am neoplastischen Prozess beteiligt sein, äußerst selten auch einmal die alleinige neoplastische Population stellen. Die proliferative Aktivität ist unterschiedlich, meist aber relativ hoch. In den stärker betroffenen Arealen kommen Markscheidenabblassungen und Nekrosen vor. Pathologische Blutgefäße finden sich im Allgemeinen nicht. Die Grenzen zwischen einem breitflächig diffus infiltrierenden Astroztyom und einer Gliomatosis cerebri sind fließend und einheitliche Kriterien fehlen. Auch wenn die meisten Fälle autoptisch diagnostiziert worden sind und die Diagnose allein aufgrund einer Biopsie nicht gestellt werden kann, ermöglicht die typische Histologie in Verbindung mit dem Kernspintomogramm doch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Diagnosestellung [179].
b
c
Oligodendrogliale Tumoren und Mischgliome Das Oligodendrogliom (Grad II WHO) tritt überwiegend bei Erwachsenen in den Großhirnhemisphären auf (mittleres Manifestationsalter 40 Jahre). Die 5- und 10Jahres-Überlebensraten betragen 71% bzw. 54%. Makroskopisch sind die Windungen aufgetrieben, die Schnittfläche ist weich, grau, gelegentlich körnig oder zystisch (Abb. 18.9a). Mikroskopisch dominiert die „Honigwaben-“ oder „Spiegeleistruktur“ (monomorphe kleine rundliche Kerne innerhalb eines ungefärbten Hohlraums; Abb. 18.9b), die zwar ein Artefakt, aber diagnostisch hilfreich ist; die Honigwabenstruktur ist im
Abb. 18.9a–c Oligodendrogliom. Makroskopie (a) und Histologie mit wabenförmig angeordneten klarzelligen Tumorzellen (b) und Expression des Oligodendrozytenmarkers Nogo-A (c)
Gefrierschnitt nicht zu sehen und kann in schnell fixiertem Gewebe oder im sekundär formalinfixierten paraffineingebetteten Gefriergewebe fehlen. Daneben können oligodendrogliale Tumorzellen mit eosinophilem Zytoplasma und peripherem Kern beigemengt sein, die gemästeten Astrozyten ähneln, aber kleiner als diese sind (sog. „minigemistocytes“). Verkalkungen sind häufig, besonders am Tumorrand, aber nicht spezifisch. Ein dichtes
Neuroepitheliale Tumoren
maschendrahtartiges Netzwerk dünnwandiger Gefäße ist typisch. Die Grenze zum Marklager ist häufig scharf, wogegen die graue Substanz diffus infiltriert wird; hier kommt es zu einem Umwachsen von ortsständigen Neuronen („perineuronale Satellitose“) sowie zu perivaskulären und subpialen Gruppenbildungen. Infiltration der Leptomeningen ist nicht selten. Einzelne Mitosen können auftreten, nicht aber Nekrosen oder ausgeprägt pathologische Blutgefäße. Immunhistologisch sind neoplastische Zellen im Gegensatz zur normalen Oligodendroglia negativ für basisches Myelinprotein und myelinassoziiertes Glykoprotein. Eine Expression des Oligodendrozytenmarkers Nogo-A (Abb. 18.9c) findet sich in 73% der Tumoren [125]. GFAP wird von reaktiven ortsständigen Astrozyten sowie von ansonsten typischen („gliofibrillären“) oder kleinen gemästetzelligen oligodendroglialen Tumorzellen exprimiert. Daneben kann etwa die Hälfte der Oligodendrogliome, meist herdförmig und schwach, neuronale Antigene (Synaptophysin, Neurofilament) exprimieren [233], wobei allerdings die Abgrenzung zu infiltriertem Hirngewebe problematisch ist. Die Ki67/MIB1-Proliferationsrate liegt bei unter 5%. Zu den häufigsten genetischen Veränderungen zählen Inaktivierungen von (bislang unbekannten) Tumorsuppressorgenen auf den Chromosomen 1p (40–90%) und 19q (50–80%), deren Bedeutung für die molekularpathologische Diagnostik detailliert im Kapitel „Molekularpathologische Untersuchungen in der neuropathologischen Diagnostik“ abgehandelt wird. Differentialdiagnostisch sind stets andere neuroektodermale Tumoren mit Honigwabenstruktur zu bedenken: • Neurozytome sind praktisch immer und durchgehend synaptophysinpositiv, fibrillär und vorzugsweise in der Mittellinie um den Seitenventrikel lokalisiert. • Klarzellige Ependymome beinhalten häufig typische Ependymomabschnitte und enthalten oft zytoplasmatische Lumina, die immunhistochemisch für EMA reagieren; in Zweifelsfällen ist die Elektronenmikroskopie hilfreich, da bei Neurozytomen Mikrotubulibündel und abortive Synapsen, bei Ependymomen interzelluläre Verbindungen, Mikrovilli und selten Zilien gefunden werden können. • Der dysembryoplastische neuroepitheliale Tumor unterscheidet sich durch seine multinoduläre Architektur, die zusätzliche kortikale Dysplasie und das neuroradiologische Bild.
Anaplastisches Oligodendrogliom Das anaplastische Oligodendrogliom (Grad III WHO) zeigt mehrere histologische Malignitätskriterien wie stark erhöhte Zelldichte, ausgeprägte Kernpolymorphie, zahlreiche Mitosen, Nekrosen oder pathologische Blutgefäße
507
(z. B. glomeruloide Strukturen). Die Korrelation zwischen Malignitätsgrad und Prognose ist bei Oligodendrogliomen geringer als bei Astrozytomen. Die größte prognostische Relevanz scheinen Mitosen und der Nachweis pathologischer Gefäßproliferaten zu besitzen. Die Gradierung nach Daumas-Duport et al. (s. oben) korreliert auch bei Oligodendrogliomen mit der Prognose [206]. Molekulargenetisch finden sich zusätzlich zu den für oligodendrogliale Tumoren charakteristischen 1p/19qAllelverlusten eine Vielzahl weiterer Veränderungen wie beispielsweise Deletionen, die den CDKN2A-Genort auf 9p21 betreffen.
Oligoastrozytäre Mischgliome Oligoastrozytäre Mischgliome (Oligoastrozytome, Grad II oder III WHO) zeigen die unterschiedlich differenzierten Gliomtypen entweder in getrennten Regionen oder miteinander vermischt. Beide Tumorkomponenten müssen eindeutig sein; allerdings findet man in Mischgliomen nicht selten zusätzlich Zellen mit astrozytär-oligodendroglialer, intermediärer Differenzierung. Auszuschließen ist die Infiltrationszone eines diffusen Astrozytoms in weiße Substanz, die Infiltrationszone eines Oligodendroglioms mit reaktiver Astrogliose sowie eine Oligodendrogliom mit „minigemistocytes“ oder anderen GFAP-positiven Tumorzellen. Bei anaplastischen Mischgliomen ergeben sich im Einzelfall klassifikatorische Schwierigkeiten, so bei Formen mit Nekrosen und pathologischen Blutgefäßen; die WHO-Klassifikation schlägt hier den Begriff „Glioblastom mit oligodendroglialer Komponente“ vor.
Ependymale Tumoren Grad-II-Ependymome Das Ependymom (Grad II WHO) tritt in der Umgebung des Ventrikelsystems und des Zentralkanals mit zweigipfliger Altersverteilung auf, wobei intrakranielle Tumoren häufiger bei Kindern (mittleres Alter 6 Jahre) und spinale Tumoren häufiger bei Erwachsenen (mittleres Alter 30– 40 Jahre) anzutreffen sind. Für die Prognose spielt auch der Resektionsgrad eine wesentliche Rolle, bei pädiatrischen intrakraniellen Ependymomen beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate etwa 50%. Makroskopisch sind die Tumoren relativ gut abgegrenzt und derb mit bunter Schnittfläche (Abb. 18.10a). Mikroskopisch ist die radiäre Anordnung der Tumorzellen um ein zentral gelegenes Gefäß (Pseudorosette; Abb. 18.10b) charakteristisch. Diese kernfreien Strahlenkränze werden durch die Fortsätze der Tumorzellen gebildet, deren Kerne am peripheren Zellende gelagert sind.
508
Kapitel 18
a
b
Tumoren
Seltener trifft man auf echte ependymale Rosetten, bei denen die Tumorzellen kugelige oder tubuläre Räume ausbilden und das Ependym imitieren (Abb. 18.10c). Rosetten wie bei Medulloblastomen mit einem fibrillären Zentrum ohne Lumen („Homer-Wright-Rosetten“) kommen nur ausnahmsweise vor. Die monomorphen rundovalen Kerne besitzen eine deutliche Kernmembran und reichlich gleichmäßig und punktartig verteiltes Chromatin. Die Blutgefäße sind häufig hyalinisiert und gelegentlich verkalkt. Immunhistologisch findet man GFAP vor allem in den perivaskulären Pseudorosetten. Oberflächenstrukturen färben sich mit Antikörpern gegen das epitheliale Membranantigen (EMA) an. Recht charakteristisch sind punkt- oder ringförmige zytoplasmatische EMA-Immunreaktivitäten (Abb. 18.10d) [75]; diese Strukturen entsprechen intrazytoplasmatischen Mikrorosetten, die auch elektronenmikroskopisch nachweisbar sind [110]. Nicht selten findet sich kleinherdig auch eine Zytokeratinexpression. Ependymomspezifische Antigene sind bislang nicht bekannt; gegen Zilienbestandteile gerichtete Antikörper lassen eine für die Diagnostik ausreichende Spezifität vermissen. Molekulargenetisch spielen die bei astrozytären Tumoren relevanten Gene (TP53, CDKN2A, CDK4, PTEN) bei Ependymomen praktisch keine Rolle. Während Mutationen des NF2(Neurofibromatose Typ 2)Tumorsuppressorgens in bis zu 50% der spinalen GradII-Ependymome zu finden sind, sind die mit intrakraniellen Ependymomen assoziierten offenbar recht heterogenen genetischen Veränderungen Gegenstand intensiver Forschung. Varianten
18
c
d Abb. 18.10a–d Ependymom. Makroskopie (a) und Histologie mit perivaskulären Pseudorosetten (b) oder ependymalen Rosetten (c) sowie charakteristischer punkt- und ringförmiger EMA-Immunreaktivität (d)
Das klarzellige Ependymom besteht überwiegend aus Zellen mit perinukleär optisch leeren Höfen wie bei Oligodendrogliomen und Neurozytomen; wenn sich herdförmig keine ependymalen Pseudorosetten oder Rosetten finden, ist zur sicheren Diagnose der elektronenmikroskopische Nachweis ependymaler Charakteristika (Zilien, Blepharoblasten, Mikrovilli, intrazelluläre Lumina) notwendig [144]. Die klarzelligen zentralen Neurozytome wurden früher fälschlicherweise als „Ependymom des Foramen Monroi“ bezeichnet. Das zelluläre Ependymom ist zelldicht aber nicht mitosereich und besitzt wenige Pseudorosetten. Papilläre Ependymome zeigen eine pseudopapilläre Anordnung von Tumorzellen um gefäßhaltige Papillen; zur Abgrenzung von Plexuspapillomen, papillären Meningeomen und Karzinommetastasen ist die Immunhistologie hilfreich. Das tanyzytische Ependymom besteht aus Zügen fibrillärer, bipolar orientierter Zellen; eher tangential verlaufende, schmale, fibrilläre perivaskuläre Strukturen, aber keine echten perivaskulären Pseudorosetten sind entwickelt; der Tumor bevorzugt infratentorielle Regionen und das Rückenmark; die sichere Diagnose und Abgrenzung von astrozytären
Neuroepitheliale Tumoren
509
Tumoren gelingt oft nur mit Hilfe elektronenmikroskopischer Untersuchungen [128]. Sehr seltene Varianten sind Ependymome mit riesenzelliger, lipomatöser, vakuolärer, melanotischer oder ausgeprägter epithelialer (Siegel ringzellependymom) Differenzierung oder auch Ependymome mit Neuropilinseln. Außerhalb des Zentralnervensystems sind Ependymome Raritäten, die unter anderem im mediastinalen und retroperitonealen Weichteilgewebe und im Bereich des Ovars beschrieben wurden.
Anaplastisches Ependymom Das anaplastische Ependymom (Grad III WHO) ist ein maligner vor allem intrakraniell lokalisierter Tumor, der bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen auftritt. Mikroskopisch weist der Tumor Zeichen der Anaplasie auf und ist vor allem durch eine deutlich erhöhte Mitoserate charakterisiert. Die zelldichten Tumoren besitzen häufig auch pathologische Blutgefäße und Nekrosen mit perinekrotischer Zelldichtesteigerung (Pseudopalisaden). Eine Expression von GFAP und punktförmige EMA-Immunreaktivitäten sind nachweisbar, wenn auch meist weniger ausgeprägt als in Grad-II-Ependymomen. Im Gegensatz zu astrozytären Tumoren ist die prognostische Wertigkeit einzelner Anaplasiezeichen weniger gut charakterisiert. So hat das Auftreten von Nekrosen (selbst mit perifokaler Zelldichtesteigerung) bei intrakraniellen Tumoren nicht unbedingt eine prognostische Wertigkeit [126]. Die teils widersprüchlichen Ergebnisse vieler klinischer Studien beruhen zumindest teilweise auf der erheblichen Heterogenität der untersuchten Patientenkollektive (intra- und extrakranielle Lokalisation der Tumoren, verschiedene Altersgruppen und Therapieschemata). Auch dem Resektionsgrad kommt eine wichtige prognostischer Bedeutung zu. Das Ependymoblastom/ETMR (Grad IV WHO) ist kein Synonym für das anaplastische Ependymom, sondern ein embryonaler Tumor. Er ähnelt histologisch dem Medulloblastom, ist aber durch „ependymoblastische“ Rosetten (mehrreihig mit Mitosen um ein „echtes“, also nichtvaskuläres Lumen) gekennzeichnet (Abb. 18.11; siehe auch Abschnitt „Neuronale und glioneuronale Tumoren).
Myxopapilläres Ependymom Das myxopapilläre Ependymom (Grad I WHO) tritt vor allem im Bereich des Conus medullaris oder des Filum terminale auf (mittleres Manifestationsalter 36 Jahre), äußerst selten in anderen spinalen Segmenten, intrazerebral, präsakral oder subkutan. Dieser gutartige Tumor rezidiviert nach makroskopisch kompletter Resektion in
Abb. 18.11 Ependymoblastom. Histologie mit zell- und mitosereichen ependymoblastomatösen Rosetten
Abb. 18.12 Myxopapilläres Ependymom. Histologie mit (pseudo) papillär um Bindegewebe angeordneten Tumorzellen mit hyalinisierten Gefäßen und muzinöser Matrix
nur 10%, doch sind Fälle mit extraneuraler Metastasierung beschrieben worden. Mikroskopisch sind die Tumorzellen (pseudo)papillär um Bindegewebe angeordnet, das vermehrte, weitlumige und hyalinisierte Gefäße, eine basophile muzinöse Matrix sowie Blutungen aufweisen kann (Abb. 18.12). Charakteristisch sind eine niedrige Zelldichte, vakuoläre Zytoplasmata der kubischen Tumorzellen und eine myxoide Struktur aufgrund mikrozystischer Degeneration und muzinöser Sekretion der Tumorzellen. Die Ki67/MIB1-Proliferationsrate beträgt im Mittel 1%. Einzelne Mitosen oder Kernatypien können auftreten und sind nicht Zeichen von Malignität [209]. Die Abgrenzung gegenüber konventionellen Ependymomen kann in Einzelfällen Schwierigkeiten bereiten, hat aber bei typischer Lokalisation offenbar nur wenig prognostische Bedeutung [95]. Diffe-
510
Kapitel 18
Tumoren
rentialdiagnostisch sind andere Tumoren des Filum terminale und der Sakrokokzygealregion zu erwägen, so Paragangliome, Chordome, myxoide Chondrosarkome und papilläre Adenokarzinome. Das immunhistochemische Muster (GFAP-positiv, zytokeratinnegativ, synaptophysinnegativ) kann hilfreich sein.
Subependymom Das benigne Subependymom (Grad I WHO) wächst intra- oder periventrikulär, seltener im Rückenmark. Multiplizität ist nicht selten. Während die meisten Subependymome kleiner als 1 cm sind und zufällig bei der Autopsie Erwachsener als in das Ventrikellumen sich vorwölbende Tumoren (Abb. 18.13a) entdeckt werden, ist eine Minderzahl symptomatisch (postoperative 5- bzw. 15-JahresÜberlebensraten 75% und 65%). Mikroskopisch sind bei insgesamt sehr niedriger Zelldichte Gruppen von Kernen (die denen beim Ependymom gleichen) in ein fibrilläres Zellfortsatzgeflecht locker eingestreut (Abb. 18.13b). Perivaskuläre Pseudorosetten, Verkalkungen und eine mikrozystische Degeneration sind häufig, Positivität für GFAP ist die Regel. Der Ki67/MIB1-Index ist sehr niedrig und liegt meist bei unter 1,5%. Ultrastrukturell lassen sich sowohl astrozytäre als auch ependymale Differenzierungen nachweisen. Kernatypien, Mitosen oder zusätzliche Areale mit ausschließlich ependymaler Differenzierung korrelieren nicht mit der Prognose [131].
a
b Abb. 18.13a,b Subependymom. Makroskopie (a) und Histologie mit in ein fibrilläres Zellfortsatzgeflecht eingestreuten Gruppen von Kernen (b)
Atypisches Plexuspapillom Tumoren des Plexus choroideus Plexuspapillom
18
Plexuspapillome (Grad I WHO) treten überwiegend bei Kindern im Bereich der Seitenventrikel auf, bei Erwachsenen sind sie häufiger im 4. Ventrikel lokalisiert. In 5% der Fälle liegen die Tumoren im 3. Ventrikel. Die 5-JahresÜberlebensrate liegt bei über 95%. Dem makroskopisch blumenkohlartigen Aspekt entspricht histologisch ein regelmäßiger papillärer Aufbau wie beim Plexus choroideus wobei ein einreihiges monomorphes Epithel einem gefäßreichem Stroma aufsitzt (Abb. 18.14a). Die mitotische Aktivität ist nicht erhöht. Mukoide, melanotische und onkozytäre Varianten kommen vor. Das isolierte Auftreten verschiedener atypischer histologischer Faktoren (erhöhte Zelldichte, unstrukturiertes Wachstum, erhöhte Polymorphie, Nekrosen) hat keinen signifikanten Effekt auf die Rezidivhäufigkeit [93]. Die Tumorzellen exprimieren Zytokeratine (meist CK8/18), Transthyretin und den Kaliumkanal Kir7.1 [79]. GFAP-positive und S100-positive Tumorzellen finden sich in etwa 30% bzw. 90% der Fälle. Eine maligne Progression ist selten [94].
Atypische Plexuspapillome (WHO-Grad II) sind histologisch und in ihrem klinischen Verhalten zwischen Plexuspapillom und Plexuskarzinom anzusiedeln [237]. Histologisch sind atypische Plexuspapillome durch eine erhöhte mitotische Aktivität (≥2 Mitosen/10 400×Gesichtsfelder) charakterisiert [93].
Plexuskarzinom Plexuskarzinome (Grad III WHO) können im Gegensatz zu Plexuspapillomen durch eine alleinige Operation in der Regel nicht dauerhaft geheilt werden. In der ganz überwiegenden Mehrzahl treten Plexuskarzinomen bei Kleinkindern auf; das mittlere Erkrankungsalter liegt unter 3 Jahren [137]. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 60%. Malignitätskriterien eines Plexuskarzinoms sind erfüllt, wenn vier der fünf folgenden histologischen Malignitätszeichen vorliegen: erhöhte mitotische Aktivität, Kernpolymorphie, erhöhte Zelldichte, Nekrosen sowie unstrukturiertes Wachstum (Abb. 18.14b). Eine
511
Neuroepitheliale Tumoren
jedoch in der Regel im Gegensatz zu AT/RT und CRINET die SMARCB1/INI1-Expression erhalten [106, 237].
Cholesteringranulom
a
Die häufigen und nur in großen Ausnahmefällen neurologisch symptomatischen Cholesteringranulome („Xanthogranulome“) sind derbe, graugelbliche Knoten im Stroma des Plexus chorioideus. Sie sind aus knolligen Cholesterinablagerungen, Fremdkörpergranulomen und chronisch-entzündlichen Veränderungen aufgebaut. Dagegen bestehen die makroskopisch oft unauffälligen und gehäuft bei Hyperlipidämie auftretenden Xanthome nur aus das Stroma dilatierend ausfüllenden Schaumzellen ohne entzündliche Veränderungen [148].
Neuroepitheliale Tumoren mit unklarer Differenzierung
b Abb. 18.14a,b Tumoren des Plexus choroideus. Histologie des Plexuspapilloms (a) mit gut differenzierten an den Plexus choroideus erinnernden papillären Strukturen. Plexuskarzinom (b) mit gesteigerter mitotischer Aktivität, erhöhter Zelldichte und -polymorphie sowie Aufhebung des papillären Wachstumsmusters
Hirninfiltration ist nicht selten. Vor der Diagnose eines Plexuskarzinoms bei Erwachsenen sollte differentialdiagnostisch immer sorgfältig die Möglichkeit einer papilläre Metastase eines (noch unbekannten) extrazerebralen Karzinoms erwogen werden. Für das Vorliegen einer Metastase verdächtig sind Positivität für karzinoembryonales Antigen (CEA), während eine Immunreaktivität für Transthyretin (Präalbumin) oder den Kaliumkanal Kir7.1 eher für einen primären Plexustumor spricht [67, 79]. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist bei Lokalisation des Tumors im Bereich des dritten Ventrikels differentialdiagnostisch auch das Vorliegen eines sog. papillären Tumors der Pinealisregion zu bedenken [78] (s. Abschnitt „Tumoren der Pinealisregion“). Bei Kleinkindern differentialdiagnostisch abzugrenzen sind Keimzelltumoren, Medulloepitheliome, atypische teratoide/rhabdoide Tumoren (AT/RT) sowie der kribriforme neuroepitheliale Tumor (CRINET), ein seltener SMARCB1/INI1-negativer Tumor mit Ausbildung von kribriformen Oberflächen und möglicherweise günstigerer Prognose als AT/RT [81]. In Plexuskarzinomen ist
Hier sind einige sehr seltene gliale Tumorentitäten zusammengefasst, bei denen der Typ der glialen Differenzierung unklar ist.
Astroblastom Das Astroblastom ist ein sehr seltener Tumor, der meist in den Großhirnhemisphären von Kindern und jungen Erwachsenen auftritt [14]. Er ist typischerweise relativ gut umschrieben und kontrastmittelaufnehmend. Entscheidend ist die Histologie mit perivaskulären Pseudorosetten zytoplasmareicher, GFAP-positiver Gliazellen; wesentliche Unterschiede zum Ependymom bestehen in breiteren Anheftungsstellen an den Gefäßen, dem häufigeren Auftreten pseudopapillärer Strukturen durch Degeneration gefäßferner Areale, dem irregulär verklumpten Chromatin der Tumorzellkerne, der ausgeprägten vaskulären und perivaskulären Hyalinisierung und der Lokalisation außerhalb des Ventrikels. Benigne und maligne Varianten kommen neben asymptomatischen, zufällig bei der Autopsie entdeckten Tumoren vor. Die Eigenständigkeit des Astroblastoms ist nicht unumstritten. Histogenetisch wurde er (wie auch mitunter Subependymome, manche Ependymome und pilozytische Astrozytome) von Tanyzyten abgeleitet [195]. Übergänge zwischen Astroblastomen und verschiedenen astrozytären Tumoren sowie astroblastomatöse Areale in Astrozytomen und Glioblastomen kommen vor; als Astroblastom werden aber nur Tumoren mit überwiegendem astroblastomatösen Phänotyp be-
512
Kapitel 18
zeichnet. Die genetischen Veränderungen (v. a. chromosomale Zugewinne auf 19 und 20q) scheinen typisch zu sein und sind bei Astrozytomen und Ependymomen nicht so häufig [14].
Tumoren
bei eine primär meningeale Lokalisation nur autoptisch und bei fehlender Infiltration des Zentralnervensystems gesichert werden kann. So genannte nasale Gliome sind Ansammlungen von Astrozyten, zum Teil auch von anderen Gliazellen, Nervenzellen und leptomeningealem Gewebe im Bereich der Nasenwurzel [56].
Chordoides Gliom des dritten Ventrikels Das chordoide Gliom des dritten Ventrikels ist ein langsam wachsender (Grad II WHO), solider, kontrastmittelanreichernder Tumor des Erwachsenenalters [11, 180]. Diese Tumoren wurden zunächst als Meningeome mit ungewöhnlicher GFAP-Expression beschrieben, dann aber als Gliome reklassifiziert. Histologisch sieht man epitheloide Tumorzellen mit eosinophilem Zytoplasma und monomorphem rundovalem Kern, die kleine Verbände und Trabekel bilden und in ein muzinöses, basophiles Stroma mit reichlich lymphozytären Infiltraten eingelagert sind. Immunhistochemisch sind die Tumoren positiv für GFAP, Vimentin und CD34, teilweise auch für S100-Protein, EMA und Zytokeratine. Die Ki67/MIB1Proliferationsrate liegt bei unter 5%, meist bei unter 2%. Wesentliche numerische chromosomale Veränderungen oder Mutationen in Tumorsuppressorgenen oder Onkogenen, die bei Gliomen häufig involviert sind, scheinen nicht zu bestehen [180].
Angiozentrisches Gliom
18
Das angiozentrische Gliom (Grad I WHO) ist ein seltener Tumor, der insbesondere bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt. Angiozentrische Gliome sind typischerweise oberflächlich im Bereich der Großhirnrinde lokalisiert und machen sich klinisch vor allem durch epileptische Anfälle bemerkbar [229]. Mikroskopisch sind monomorphe gliale Tumorzellen mit bipolaren Fortsätzen und einem angiozentrischen Wachstumsmuster charakteristisch. Immunhistochemisch exprimieren die Tumorzellen EMA und GFAP aber keine neuronalen Antigene. Die mitotische Aktivität ist niedrig. Die operative Entfernung des Tumors wirkt sich in der Regel auch günstig auf die Anfallshäufigkeit aus. Rezidive sind sehr selten.
Neuronale und glioneuronale Tumoren Gangliogliom Gangliogliome (Grad I WHO) sind gemischt glial/neuronale Tumoren junger Patienten (Mittel 10–20 Jahre). Klinisch bestehen meist Krampfanfälle. Sie bevorzugen den mediobasalen Temporallappen, sind aber auch häufig in anderen Großhirnlappen, in Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark lokalisiert. Makroskopisch sind sie typischerweise knotig, derb, hellfarben, oft zystisch und nicht raumfordernd. Mikroskopisch überwiegt zumeist die gliale Komponente nach Art eines fibrillären oder pilozytischen Astrozytoms (Abb. 18.15a); andere Gliakomponenten sind extrem selten. Eingestreut sind abnorme Nervenzellen, die sich von ortsständigen, „überrannten“ Neuronen durch ungeordnete Lagerung, irreguläre Ausrichtung der Fortsätze oder atypische Größe und Form unterscheiden (Abb. 18.15b); eine einzelne doppelkernige Nervenzelle ist aber für die Diagnose nicht ausreichend. Die neoplastischen Neurone zeigen häufig Nissl-Substanz und eine zytoplasmatische Vakuolisierung. Elektronenmikroskopisch wurden „dense core vesicles“ wie bei sympathischen Ganglienzellen, immunhistologisch neuronale Antigene wie Synaptophysin, Neurofilament oder Chromogranin A nachgewiesen [43]. Häufiger als bei normalen Neuronen ist eine zytoplasmatische oder intensive perizelluläre Synaptophysin-Immunreaktivität, die aber nicht spezi-
Sonstige Heterotope Gliome gehen von versprengtem Gliagewebe aus. Bei meningealen Gliomen (Gliomatosen) handelt es sich um lokalisierte (oder diffus ausgebreitete), meist astrozytär, seltener oligodendroglial differenzierte Tumoren von Erwachsenen in den Leptomeningen [152], wo-
Abb. 18.15 Gangliogliom. Histologie mit Nachweis mehrkerniger ganglioider Tumorzellen (Inset)
Neuroepitheliale Tumoren
fisch ist [177]. Charakteristisch sind Verkalkungen, angiomatoide Formationen, Lymphozyteninfiltrate und Bindegewebsstränge, die neuronale Zellnester septieren. Molekulargenetisch sind in einem Teil der Gangliogliome aktivierende BRAF-Mutationen (V600E) nachweisbar [202].
Gangliozytom Beim Gangliozytom (Grad I WHO) steht die neuronale Komponente deutlich im Vordergrund, während die Gliakomponente fehlt oder auf spärliche, nicht sicher neoplastische Astrozyten beschränkt ist.
Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns Das dysplastische Gangliozytom des Kleinhirns (Grad I WHO, Synonyme: Purkinjeom, Lhermitte-DuclosKrankheit) tritt überwiegend in der zweiten bis vierten Lebensdekade auf. Es wird zum Teil als Hamartom aufgefasst; allerdings sind Rezidive nach mehreren Jahren bekannt. In mindestens der Hälfte der Fälle ist es Teil des autosomal-dominant vererbten Cowden-Syndroms, bei dem es aufgrund einer Keimbahnmutation des PTEN/ MMAC1-Tumorsuppressorgens zu multiplen zerebralen und extrazerebralen Fehlbildungen und Tumoren kommt (Megalenzephalie, Heterotopien, Polydaktylie, Leontiasis ossea, gastrointestinale Polypose, orale Papillomatose, Tricholemmome im Gesicht, Keratosen, Schilddrüsentumoren, Mammakarzinome) [151, 189]; dabei kann das dysplastische Gangliozytom die erste Manifestation des Cowden-Syndroms sein. Computertomographisch imponiert eine unscharf abgrenzbare, nicht Kontrastmittel aufnehmende, fokal oft kalkhaltige und teils raumfordernde Kleinhirnläsion. Makroskopisch sind einzelne Kleinhirnläppchen oder ganze Lobuli deutlich verbreitert und aufgetrieben. Mikroskopisch finden sich in der Körnerzellschicht abnorm große und relativ zytoplasmareiche, oft säulenartig angeordnete Neurone; diese greifen auf die Molekularschicht über, die abnorm reich an parallel oder senkrecht zur Oberfläche verlaufenden myelinisierten Axonen ist, eine Spongiose und fokale Verkalkungen aufweisen kann (Abb. 18.16). Regelrechte Körner- und Purkinje-Zellen fehlen in den betroffenen Arealen ebenso wie die Bergmann-Glia mit ihren radialen Fortsätzen. Die angrenzende Markzunge ist verschmälert. Ultrastruktur und axonale Ausrichtung der abnormen Neurone entsprechen den Körnerzellen, doch reagieren die größeren Formen immunhistologisch wie Purkinje-Zellen (Leu-4, L7, PEP19).
513
Anaplastisches Gangliogliom Bei den sehr seltenen anaplastischen Gangliogliomen (Grad III WHO) entspricht die gliale Komponente einem malignen Gliom; die Wahrscheinlichkeit der Verwechslung mit einem infiltrierenden malignen Gliom ist hoch. Die äußerst seltenen Ganglioglioneuroblastome beinhalten unreife neuronale Elemente.
Papillärer glioneuronaler Tumor Der papilläre glioneuronale Tumor (Grad I WHO) ist typischerweise ein makroskopisch gut abgegrenzter, zystischer Tumor der Großhirnhemisphären bei Jugendlichen oder jüngeren Erwachsenen [116]. Mikroskopisch sieht man pseudopapilläre Formationen mit hyalinisierten Blutgefäßen, die von GFAP-positiven einreihigen Astrozyten überkleidet werden, sowie teils monomorphe, neurozytomartige, teils polymorphe neuronale Tumorzellen. Histologische Malignitätszeichen fehlen; Rezidive sind bislang nicht bekannt.
a
b Abb. 18.16a,b Dysplastisches Gangliozytom des Kleinhirns. Histologie mit abnormen oft säulenartig angeordneten Neuronen, in Körner- und Molekularschicht (a) und immunhistochemische Färbung für Neurofilament (b)
514
Kapitel 18
Tumoren
Rosettenformender glioneuronaler Tumor des vierten Ventrikels Als Rosettenformender glioneuronaler Tumor des vierten Ventrikels (RGNT, Grad I WHO) wird ein seltener, langsam wachsender Tumor im Bereich des vierten Ventrikels bei jungen Erwachsenen bezeichnet, der sich klinisch typischerweise mit Hydrozephalus oder einer Kleinhirnsymptomatik bemerkbar macht [117]. Mikroskopisch ist für RGNT ein biphasisches Wachstumsmuster mit glialer und neuronaler Komponente charakteristisch. Die neuronale Komponente besteht aus neurozytären Tumorzellen, die neurozytomatöse Rosetten mit synaptophysinpositivem Zentrum und/oder perivaskuläre Pseudorosetten ausbilden. Die dominierende gliale Komponente besitzt typischerweise Charakteristika eines pilozytischen Astrozytoms.
a
Glioneuronaler Rosettentumor
18
Der glioneuronale Rosettentumor ist ein seltener supratentorieller Tumor der Großhirnhemisphären, der bei jüngeren Erwachsenen mit Epilepsie beschrieben wurde [219]. Mikroskopisch handelt es sich um Grad-II- oder Grad-III-Astrozytome, in die multiple, neuronal differenzierte (z. B. Synaptophysinexpression) Inseln eingelagert sind. Die wallartige Abgrenzung der neuronalen Tumorzellinseln hat Anlass zu der Bezeichnung „Rosettentumor“ gegeben; dieser Ausdruck ist griffig und einprägsam, aber etwas irreführend, da „Rosette“ in der Neuroonkologie bereits durch mehrere andere histologische Strukturen belegt ist. Der Tumor ist einer der wenigen glioneuronalen Tumoren, die histologisch und klinisch maligne sein können.
Desmoplastisches infantiles Gangliogliom Das desmoplastische infantile Gangliogliom wurde bereits beim desmoplastischen infantilen Astrozytom abgehandelt.
Zentrales Neurozytom und extraventrikuläres Neurozytom Das zentrale Neurozytom (Grad II WHO) ist im Seitenventrikel (selten im 3. Ventrikel) lokalisiert und oft am Septum pellucidum angeheftet. Es macht 0,2–0,5% aller Hirntumoren und knapp die Hälfte aller supratentoriellen intraventrikulären Tumoren aus. Klinisch bestehen
b Abb. 18.17a,b Neurozytom. Histologie mit typischer Honigwabenstruktur (a) und Ausbildung von Neuropilinseln (b)
bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen (mittleres Alter 29 Jahre) Hirndrucksymptome aufgrund eines obstruktiven Hydrozephalus. Makroskopisch ist der oft kalkhaltige Tumor gut umschrieben, in der Bildgebung hyper- oder isodens mit multiplen hypodensen Arealen und mäßiger homogener Kontrastmittelaufnahme. Lange rezidivfreie Verläufe sind häufig; Rezidive können aber (vor allem innerhalb der ersten postoperativen Jahre) auftreten [238]. Mikroskopisch sieht man monomorphe kleine rundovale Kerne mit fein gesprenkeltem Chromatin inmitten optisch leerer, seltener schwach eosinophiler Zytoplasmaräume (Honigwabenstruktur; Abb. 18.17). Kernfreie, fibrilläre, häufig perivaskulär lokalisierte Neuropilinseln, eine Septierung in Zellnester oder Reihen, einzelne Mitosen und Verkalkungen kommen vor. Charakteristisch sind eine auch histologisch scharfe Abgrenzung und ein prominentes, fein verzweigtes kapilläres Netzwerk. Eine immunhistologisch (Expression von Synaptophysin, Klasse-III-β-Tubulin oder mikrotubuliassoziierten Proteinen) oder elektronenmikroskopisch (Synapsen, „dense core vesicles“, klare Vesikel, Mikrotubulibündel) nachweisbare neuronale Differenzierung ist ein wichtiges Kriterium für die Abgrenzung des Tumors vom Oligodendrogliom und klarzelligen Ependymom. Selten sind GFAP-positive Tumorzellen, ganglioide Zel-
515
Neuroepitheliale Tumoren
len mit Expression von Neurofilament oder HomerWright-Rosetten erkennbar. Der Ki67/MIB1-Proliferationsindex liegt in der Regel unter 2%. Zentrale Neurozytome mit erhöhter proliferativer Aktivität (>2–3%) haben eine höhere Rezidivrate, weswegen für diese Tumoren die Bezeichnung „atypisches Neurozytom“ vorgeschlagen worden ist. Die sehr seltene anaplastische Variante des Neurozytoms zeigt zahlreiche Mitosen, Nekrosen und pathologische Gefäße. Als extraventrikuläres Neurozytom (Grad II WHO) werden Tumoren bezeichnet, die ohne Bezug zum Ventrikelsystem im Hirnparenchym lokalisiert sind. Extraventrikuläre Neurozytome sind nicht nur atypisch lokalisiert, sondern oft auch histologisch ungewöhnlich (z. B. weit fortgeschrittene neuronale oder astrozytäre Differenzierung: „Ganglioglioneurozytom“ o. Ä.).
Abb. 18.18 Liponeurozytom. Histologie mit Inseln lipomatös differenzierter Tumorzellen
Zerebelläres Liponeurozytom Das zerebelläre Liponeurozytom (Grad II WHO) ist ein wenig proliferierender (Ki67/MIB1 meist <5%) Tumor des Erwachsenenalters aus isomorphen rundlichen Zellen mit neuronaler (immunhistochemische Expression von Synaptophysin, MAP-2 etc.) und fokaler lipomatöser Differenzierung (Abb. 18.18). Der Tumor wurde früher unter anderem als Neurolipozytom, Medullozytom, lipomatöses Medulloblastom oder lipomatöses Glioneurozytom bezeichnet [211].
a
Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor Der dysembryoplastische neuroepitheliale Tumor (DNT, Grad I WHO) manifestiert sich klinisch mit epileptischen Anfällen, die in der Regel vor dem 20. Lebensjahr beginnen und nur schwer medikamentös behandelbar sind [37]. Neuroradiologisch finden sich recht charakteristische supratentorielle, hypodense, „pseudozystische“ Läsionen der Großhirnrinde ohne Raumforderung. Die verbreiterte Rinde ist vom sog. „spezifischen glioneuronalen Element“ durchsetzt, einem mukoid aufgelockerten Gefüge aus Neuronen, Astrozyten und Oligodendrozyten, wobei an deutlich erkennbaren, senkrecht zur Hirnoberfläche verlaufenden Kapillaren Oligodendrozytenfortsätze ansetzen und teils rosettenartige Strukturen bilden. Daneben sieht man heterogene knotenförmige Herde („Noduli“) aus Oligodendrozyten, Astrozyten und Neuronen, die anderen niedriggradigen Gliomen oder glioneuronalen Tumoren ähneln (Abb. 18.19). Zelluläre Atypien sind allenfalls diskret; vereinzelt trifft man auf zweikernige Neurone. Der „DNT“ unterscheidet sich vom Oligoastrozytom durch irregulär eingestreute ab-
b Abb. 18.19a,b Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor. Histologie mit nodulärem Wachstumsmuster (a) und spezifischem glioneuronalem Element (b)
norme Neurone und das geringere Alter, vom Gangliogliom durch das Vorherrschen der Oligodendroglia und das Fehlen von polymorphen Neuronen, lymphozytären Infiltraten und kräftigem Bindegewebsstroma, und von beiden Tumoren durch die intrakortikale Lokalisation, die multinoduläre Struktur und eine oft zusätzlich vor-
516
Kapitel 18
liegende fokale kortikale Dysplasie mit irregulärer neuronaler Schichtung. Leider haben uneinheitliche Beschreibungen der Histologie und eine Ausdehnung des Tumorspektrums auf „einfache“ Formen (ohne Noduli, aber mit glioneuronalem Element) oder gar „unspezifische“ Formen (ohne Noduli und ohne glioneuronales Element) [38] zu einer unscharfen Abgrenzung geführt. Entgegen der zwischenzeitlichen Empfehlung der Erstbeschreiberin, alle kortikalen Tumoren junger Patienten mit typischer Klinik als DNT zu betrachten, wird die neuropathologische Diagnose im Allgemeinen neuropathologisch (aufgrund der typischen, „komplexen“ Histologie) und nicht klinisch gestellt. Der DNT ist fast immer operativ heilbar; eine maligne Progression ist selten [72].
Neuronale Hamartome
18
Neuronale Hamartome des Hypothalamus-/Hypophysenbereichs bestehen aus großen, ausdifferenzierten Nervenzellen, die ortsständigen Neuronen ähneln und in reichlich Neuropil eingestreut sind. Mindestens zwei verschiedene klinisch-pathologische Gruppen werden unter diesem Begriff zusammengefasst. Erstens Tumoren am Boden des dritten Ventrikels, die mit Lachanfällen oder Pubertas praecox einhergehen [41]. Zweitens hypothalamische, supraselläre oder intraselläre Tumoren (auch als Gangliozytome bezeichnet) mit Produktion eines hypothalamischen Releasing-Hormons, häufig mit einem Hypophysenadenom assoziiert [58]. Daneben gibt es das hypothalamische Hamartoblastom im Rahmen des Pallister-Hall-Syndroms (Hypophysenagenesie, Hypopituitarismus, Gesichtsdeformitäten, Polydaktylie, anorektale Atresie, pulmonale, kardiale und renale Fehlbildungen); die Nervenzellen sind undifferenzierter als beim Hamartom, aber nicht mitotisch aktiv.
Polares Spongioblastom Das äußerst seltene und heterogene polare Spongioblastom zeigt Zellzüge paralleler spindeliger Zellen mit langen bipolaren Fortsätzen und einer ausgeprägten Palisadenstellung der Kerne wie beim Neurinom, allerdings mit einer mehr oder weniger deutlichen, nur immunhistochemisch oder elektronenmikroskopisch nachweisbaren neuronalen Differenzierung. Die Zellen sollen den fetalen Spongioblasten gleichen. Da histologisch gleichartige Strukturen selten herdförmig in Neuroblastomen, aber auch in Astrozytomen, Ependymomen, Oligodendrogliomen, Neurozytomen und Medulloblastomen beobachtet werden können, wurde die Eigenständigkeit des polaren Spongioblastoms bezwei-
Tumoren
felt [200] und der Tumor aus der WHO-Klassifikation entfernt. Früher wurden auch pilozytische Astrozytome als (polare) Spongioblastome bezeichnet; dies ist heute obsolet.
Zerebrales Neuroblastom Als primär zerebrale Neuroblastome werden in der Literatur typische Neurozytome („differenzierte Neuroblastome“), Neurozytome mit gesteigerter Proliferation („atypische Neurozytome“) und (meist supratentorielle) primitive neuroektodermale Tumoren mit ausgeprägter neuronaler Differenzierung bezeichnet. Aufgrund dieser uneinheitlichen Terminologie und des fehlenden Nachweises der molekulargenetischen Marker des Nebennierenneuroblastoms (Amplifikation des MYCN-Onkogens, Deletion des Chromosoms 1p) bei den meisten zerebralen Tumoren erscheint es sinnvoll, den Ausdruck „primär zerebrales Neuroblastom“ zu vermeiden.
Ästhesioneuroblastom Ästhesioneuroblastome (Synonym: olfaktorische Neuroblastome) werden vom olfaktorischen Epithel abgeleitet, dessen basale Zellen sich auch noch bei Erwachsenen zu Epithelien oder neurosensorischen Rezeptoren ausdifferenzieren. Sie treten bevorzugt im 2. oder 6. Dezennium (Mittel 41 Jahre) am Dach der Nasenhöhlen auf, haben bei Diagnosestellung in 25% durch die Lamina cribrosa nach intrakraniell infiltriert und können dann primär zentralnervöse Symptome verursachen. Metastasen bestehen in 10–40%. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 50–80%; jahrzehntelange Verläufe kommen vor. Neben den histologischen, immunhistologischen und elektronenmikroskopischen Charakteristika des Neuroblastoms können (besonders bei älteren Patienten) epitheliale Strukturen dominieren („ Ästhesioneuroepitheliome“) und Übergänge zu neuroendokrinen (kleinzelligen) Karzinomen, Karzinoiden oder Adenokarzinomen auftreten. Die Tumoren sind positiv für neuronale Antigene (Synaptophysin, Chromogranin, Neurofilamente). Vereinzelt wird GFAP exprimiert. Der Nachweis von Zytokeratinen geht meist mit einer histologisch erkennbaren epithelialen Differenzierung einher [6]. Genetische Veränderungen, die typisch sind für periphere primitive neuroektodermale Tumoren und Ewing-Tumoren (t(11;22)(q24;q12), EWS-GenRearrangement, Expression des MIC2-Antigens) oder für das klassische Neuroblastom (1p-Deletion, MYCNAmplifikation), finden sich bei Ästhesioneuroblastomen nicht.
517
Neuroepitheliale Tumoren
Paragangliom Paragangliome sind im Allgemeinen gutartige, abgekapselte Tumoren der autonomen Ganglien. Die Tumoren, die der Neuropathologe antrifft, sind meist parasympathisch („Chemodektome“) und entstammen zwei Lokalisationen: Zum einen treten sie nicht selten im Bereich der Cauda equina auf, zum anderen können sie vom Glomus jugulare ausgehen und sich vom Mittelohr über das Felsenbein nach intrakraniell in den Kleinhirnbrückenwinkel ausdehnen. Andere Lokalisationen (Sella, Pinealis, Orbita) sind Raritäten. Mikroskopisch entsprechen Paragangliome Phäochromozytomen in ihrer nesterförmigen Struktur („Zellballen“), den runden bis polygonalen Zellen, dem Gefäßreichtum, versilberbaren Granula, dem nicht seltenen Auftreten von Mitosen und Kernpolymorphie, der Expression von Synaptophysin, Chromogranin und Neuropeptiden sowie den S100-positiven und selten auch GFAP-positiven Sustentakularzellen. Die Tumoren der Cauda equina (Grad I WHO) zeigen oft eine gangliozytäre Komponente. Bis zu 50% der Tumoren rezidivieren lokal. Die maligne Variante mit lokaler Invasion und Fernmetastasierung kann zahlreiche Mitosen, Nekrosen, Gefäßeinbrüche oder Fehlen der Sustentakularzellen aufweisen, zum Teil aber von Tumoren mit gutartigem Verlauf histologisch nicht unterschieden werden.
günstigen und das unterschiedliche Ansprechen auf die Therapie bei unterschiedlich lokalisierten PNET nicht berücksichtigen. Unzweifelhaft ist, dass es unter den embryonalen Tumoren Formen mit distinkter Histologie gibt (Medulloepitheliom, Ependymoblastom, atypischer teratoider/rhabdoider Tumor).
Medulloblastom Das Medulloblastom (Grad IV WHO) (Synonym: PNET der hinteren Schädelgrube) tritt überwiegend bei Kindern, selten bei Erwachsenen (Mittel: 13 Jahre, Gipfel: 3–8 Jahre) in der wurmnahen Kleinhirnregion, seltener in einer Kleinhirnhemisphäre (dies häufiger bei Erwachsenen), in Brücke oder Mittelhirn auf. Die Anamnese mit Hirndruckzeichen oder zerebellären Symptomen ist kurz. Nach Operation, Chemotherapie und Bestrahlung liegt die 5-Jahres-Überlebensrate inzwischen bei 50–80%. Rezidive nach mehr als 5 Jahren sind selten. Makroskopisch sind Medulloblastome unscharf begrenzt, grau und weich. Eine leptomeningeale Aussaat äußert sich in einer zuckergussartigen Trübung. Spinale Liquormetastasen bestehen in 15–40%, extraneurale
Primitive neuroektodermale Tumoren Als primitive neuroektodermale Tumoren (PNET; Synonym: embryonale Tumoren) wird eine Gruppe histologisch hochmaligner (Grad IV WHO), klein-, rund- und dichtzelliger, meist mitose- und nekrosereicher Tumoren zusammengefasst, die überwiegend wenig differenziert sind, zum Teil eine histologisch deutlich erkennbare, häufiger eine immunhistologisch nachweisbare neuroepitheliale, nicht selten zusätzlich eine mesenchymale Differenzierung erkennen lassen. Das PNET-Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass unterschiedlich lokalisierte und bezeichnete Tumoren (Medulloblastom, zerebrales Neuroblastom, Pineoblastom) histologisch weitgehend gleichartig sind und dasselbe Differenzierungsspektrum (neuronal, astrozytär, ependymal, melanotisch, mesenchymal etc.) zeigen können. Das PNET-Konzept hat die neuropathologischen Gemüter erhitzt und in Befürworter („lumpers“) [191] und Gegner („splitters“) [193] gespalten. Letztere, d. h. die Verfechter der klassischen Terminologie, berufen sich auf die Hypothese, dass jeder Tumor ein bestimmtes Differenzierungspotential und eine eigene Histogenese aufweist: So soll das Medulloblastom der äußeren Körnerzellschicht entstammen. Außerdem würde das PNET-Konzept klinische Entitäten verwischen, eine nachlässige histologische Diagnostik be-
a
b Abb. 18.20a,b Medulloblastom. Histologie des klein-, rund- und blauzelligen Tumors (a) und Infiltration des Kleinhirngewebes (b)
518
18
Kapitel 18
Metastasen (besonders Knochen und Lymphknoten) in 4%. Mikroskopisch liegen rundliche bis rübchenförmige chromatinreiche Kerne vor, ohne dass in der Regel lichtmikroskopisch deutlichere Zellleiber sichtbar wären (Abb. 18.20). Neben flächenhaften Nekrosen sieht man zahlreiche disseminierte Einzelzellnekrosen. Zelldichte und Mitoserate sind sehr hoch. Tumoren mit großen blasigen Kernen und prominenten Nukleolen sollen besonders aggressiv sein (großzellige Variante) [61, 228]. In etwa einem Drittel besteht eine ringförmige Anordnung der Kerne um ein fibrilläres Zentrum (Homer-WrightRosetten), im Längsschnitt als Zellreihen imponierend; dies wird als neuroblastische Differenzierung aufgefasst. In weniger als 6% der Fälle werden atypische, aber reif erscheinende Ganglienzellen angetroffen (neuronale Differenzierung). Immunhistologisch findet man bei adäquater Fixation in nahezu allen Fällen eine Positivität für neuronale Antigene (Synaptophysin, β-Tubulin und/oder Neuropeptide). In zahlreichen Untersuchungen schwankte der Anteil von Tumoren mit GFAP-positiven Tumorzellen zwischen 0% und 100% (Mittel etwa 30%), abhängig vor allem von der Interpretation positiver Zellen. Je nach Studie wurde ein günstiger, ein ungünstiger oder (meist) kein Einfluss einer glialen, neuronalen oder neuroblastischen Differenzierung auf die Prognose beschrieben. Molekulargenetisch haben Tumoren mit hoher c-myc-Expression eine ungünstigere Prognose [173]. Auch TP53-Mutationen sind mit einer ungünstigen Prognose in Verbindung gebracht worden [216]. Beim desmoplastischen Medulloblastom werden helle große Zellen läppchenartig von dunklen Zellsträngen mit eingewobenen Retikulinfasern eingescheidet (Abb. 18.21). Das durchschnittliche Alter ist höher (Mittel 18 Jahre). Oft ist die laterale Kleinhirnhemisphäre betroffen. GFAPund Synaptophysinpositivität wird besonders in den hellen Zellinseln beobachtet [109] in denen zudem die proliferative Aktivität niedriger ist (Abb. 18.21c). Als weitere Tumorzelldifferenzierungen können sehr selten quergestreifte Muskulatur (Medullomyoblastom), andere mesenchymale Elemente (z. B. Knorpel) und Melanin (melanotisches Medulloblastom) beobachtet werden. Zerebrale oder spinale primitive neuroektodermale Tumoren (PNET) sind zentralnervöse Tumoren außerhalb der hinteren Schädelgrube, die dem Medulloblastom histologisch gleichen. Eine neuroblastische Differenzierung besteht häufig bei Kleinkindern, eine Positivität für GFAP mit unscharfer Grenze zum kleinzelligen Glioblastom oftmals bei Erwachsenen.
Medulloepitheliom Medulloepitheliome (Grad IV WHO) sind äußerst seltene aggressive zerebrale Tumoren ganz überwiegend des Kleinkindesalters. Sie bestehen aus tubulären, papil-
Tumoren
a
b
c Abb. 18.21a–c Desmoplastisches Medulloblastom. Histologie mit Ausbildung nodulärer Strukturen und Inseln niedrigerer Zelldichte („pale islands“, a) mit eingewobenen Retikulinfasern (b) sowie immunhistochemische Färbung für Ki67/MIB1 (c). Beachte die relativ niedrigere proliferative Aktivität im Bereich der „pale islands“
lären oder bandförmigen Strukturen mehrschichtiger, zylindrischer oder kubischer Zellen, die einer Basalmembran aufsitzen und das Medullarepithel des embryonalen Neuralrohres imitieren (Abb. 18.22). Mitosen sind häufig [146].
519
Neuroepitheliale Tumoren
a Abb. 18.22 Medulloepitheliom. Histologie mit bandförmigen Strukturen, die das Medullarepithel des embryonalen Neuralrohrs imitieren
Ependymoblastom und ETANTR (ETMR) Das Ependymoblastom (Grad IV WHO) ist ein embryonaler Tumor und nicht mit dem anaplastischen Ependymom zu verwechseln. Ependymoblastome trifft man überwiegend supratentoriell (häufig periventrikulär) bei Kleinkindern und Säuglingen an; die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei unter 10%. Mikroskopisch ähnelt der Tumor dem Medulloblastom, ist aber durch „ependymoblastische“ Rosetten (mehrreihig mit Mitosen um ein „echtes“, also nichtvaskuläres Lumen) gekennzeichnet (s. Abb. 18.11). Der sog. embryonale Tumor mit Neuropilinseln und echten Rosetten („embryonal tumor with abundant neuropil and true rosettes“, ETANTR) wurde im Jahre 2000 als neue Entität beschrieben. Es handelt sich um einen malignen Tumor der neben ependymoblastischen Rosetten unterschiedlich ausgedehnte Neuropilinseln aufweist [47, 60]. Da sowohl ETANTR als auch Ependymoblastome molekulargenetisch eine charakteristische Amplifikation von 19q13.42 aufweisen [120] und vermutlich Enden eines morphologischen Spektrums abbilden, ist für beide Tumoren die übergreifende Bezeichnung embryonaler Tumor mit mehrschichtigen Rosetten (ETMR) vorgeschlagen wurden [167].
Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor Atypische teratoide/rhabdoide Tumoren (AT/RT) treten ganz überwiegend (95%) bei unter 5-Jährigen in Großoder Kleinhirn, äußerst selten auch bei Erwachsenen auf. Sie wurden in der Vergangenheit wahrscheinlich häufig als Medulloblastom oder PNET fehldiagnostiziert; die
b Abb. 18.23a,b Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor. Histologie mit rhabdoiden Tumorzellen (a) und Immunhistochemie mit Verlust der nukleären Expression von SMARCB1/INI1 in den Tumorzellen (b)
Abgrenzung ist aber sehr wichtig, da AT/RT eine wesentlich ungünstigere Prognose besitzen [118]. Mikroskopisch ähneln sie den malignen Rhabdoidtumoren: großer blasiger Kern mit prominentem Nukleolus, reichlich eosinophiles Zytoplasma mit (variablen, oft fehlenden) perinukleären Einschlüssen (Abb. 18.23a), denen elektronenmikroskopisch Intermediärfilamentbündel entsprechen, hohe Zelldichte, zahlreiche Nekrosen sowie ein aggressiver Verlauf. Neben dieser rhabdoiden Komponente finden sich sehr häufig kleinzellige Anteile, die isoliert einem primitiven neuroektodermalen Tumor entsprechen sowie seltener epitheliale und mesenchymale Differenzierungen. Immunhistologisch sind die Tumoren positiv für Vimentin und epitheliales Membranantigen, variabel auch für Zytokeratin, GFAP, Neurofilamentprotein und Muskelaktin, nicht aber für Desmin. Im Gegensatz zu anderen Hirntumoren ist die Genetik von AT/RT erstaunlich homogen: Über 95% der Tumoren zeigen genetische Veränderungen, die das auf 22q11.2 gelegene SMARCB1/INI1-Gen betreffen [89, 173] und mit einem Verlust der nukleären SMARCB1/INI1-Proteinexpression in den Tumorzellkernen einhergehen [105]
520
Kapitel 18
(Abb. 18.23b). Keimbahnmutationen dieses Kernbestandteils des Chromatin-Remodelling-Komplexes im Rahmen des sog. Rhabdoidtumorprädispositionssyndroms sind bei 35% der Patienten nachweisbar und mit jüngerem Alter und einer besonders ungünstigen Prognose assoziiert [46]. Alternativ zu SMARCB1/INI1 können in seltenen Fällen jedoch auch genetische Veränderungen anderer Mitglieder des Chromatin-Remodelling-Komplexes an der Entstehung von AT/RT beteiligt sein [203], weswegen der immunhistochemische Befund einer erhaltenen INI1-Expression die Diagnose eines AT/RT zwar unwahrscheinlicher macht aber keinesfalls ausschließt. Einzelne rhabdoide Zellen können auch in anderen Hirntumorentitäten vorkommen und sind nicht für die Diagnose eines AT/RT ausreichend.
Tumoren
a
Tumoren der Pinealisregion Tumoren der Pinealisregion machen etwa 1% aller Hirntumoren aus; davon entstammen etwa 25% den Parenchymzellen der Glandula pinealis (Zirbeldrüse, Epiphyse), während die anderen 75% Keimzelltumoren oder andere Hirntumoren darstellen [201]. Das früher als „ektopisches Pinealom“ bezeichnete Germinom sollte nicht mit dem Pineozytom verwechselt werden.
Pineozytom
18
Pineozytome (Pinealozytome) (Grad I WHO) treten meist bei Erwachsenen auf. Mikroskopisch besitzen sie monomorphe rundliche Kerne, ein eosinophiles Zytoplasma und häufig unipolare Zellfortsätze, die Rosetten oder größere, unregelmäßig geformte kernfreie fibrilläre Areale bilden („pineozytomatöse Rosetten“). Die (nicht immer vorhandene) Lagerung in Zellnestern mit einem schmalen septierenden Bindegewebsstroma imitiert die Grundstruktur der Glandula pinealis (Abb. 18.24a). Pineozytome wachsen verdrängend. Immunhistochemisch exprimieren die Tumorzellen Synaptophysin und NSE, zum Teil auch andere neuronale Antigene, und mitunter GFAP oder photosensorische Proteine (Rhodopsin, retinales S-Antigen). Eine neuronale oder astrozytäre Differenzierung kann gelegentlich schon in den Routinefärbungen erkennbar sein und Übergänge zum Gangliogliom zeigen.
Pineoblastom Pineoblastome (Pinealoblastome, PNET der Pinealisregion; Grad IV WHO) sind infiltrierende Tumoren vor
b Abb. 18.24a,b Pinealisparenchymtumoren. Histologie von Pineozytom (a) und Pineoblastom (b)
allem des Kindes- und Jugendalters. Mikroskopisch handelt es sich um klein- und dunkelzellige, zelldichte, zytoplasmaarme und mitosereiche Tumoren (Abb. 18.24b). Homer-Wright-Rosetten, Nekrosen, Einblutungen und eine hohe Mitoserate sind charakteristisch. Die große Ähnlichkeit zum Medulloblastom bereitet differentialdiagnostische Schwierigkeiten, wenn sich ein Pineoblastom auf dem Liquorweg oder ein Medulloblastom nach anterior ausbreitet. Die Assoziation mit bilateralem Retinoblastom (trilaterales Retinoblastom) ist meist genetisch bedingt. Retinoblastische (Flexner-Rosetten mit echtem Lumen, Photorezeptorproteine), selten auch ektomesenchymale und melanotische Differenzierungen können auftreten.
Tumoren mit intermediärer Differenzierung Histologische Übergangsformen zwischen Pineozytom und Pineoblastom sind häufig und werden als „Tumoren des Pinealisparenchyms mit intermediärer Differenzierung“ bezeichnet. Dabei kann eine Zunahme von Mitoserate und Nekrosen sowie das Fehlen einer Neurofilamentexpression mit einer schlechteren Prognose korreli-
Neuroepitheliale Tumoren
521
Nicht nur die typische Lokalisation an der Hinterwand des dritten Ventrikels, sondern auch die meist fehlende Expression des Kaliumkanals Kir7.1 erlaubt in der Regel eine Abgrenzung gegenüber Tumoren des Plexus choroideus [78]. Im Gegensatz zu Pinealisparenchymtumoren ist die Färbung für Synaptophysin negativ. Der klinische Verlauf ist von Rezidiven geprägt und unsicher [52], weswegen der Tumor bei Fehlen sicherer prognostisch aussagekräftiger histologischer Kriterien als Grad II oder Grad III WHO eingeordnet wird. Eine Liquoraussaat von Tumorzellen kommt in Einzelfällen vor. a
Sonstige
b Abb. 18.25a,b Papillärer Tumor der Pinealisregion. Histologie mit locker dehiszenten papillären Strukturen (a) und Immunhistochemie mit punktförmiger Expression von Zytokeratin (b)
ert sein [103]. Bei Fehlen sicherer prognostisch relevanter histologischer Kriterien wurde in der aktuellen WHOKlassifikation auf eine eindeutige Gradierung verzichtet (Grad II oder Grad III).
Papillärer Tumor der Pinealisregion Als papillärer Tumor der Pinealisregion (PTPR) wird ein seltener neuroepithelialer Tumor im Bereich der Pinealisloge bezeichnet, der sich möglicherweise von den spezialisierten Ependymzellen des subkommissuralen Organs ableitet und vor allem bei jungen Erwachsenen auftritt [104]. Mikroskopisch bilden die epithelial anmutenden Tumorzellen locker dehiszente papillärer Strukturen aus und sitzen mit breiten plumpen Fortsätzen dem gefäßreichen Stroma auf (Abb. 18.25a). Die mitotische Aktivität ist moderat erhöht, nicht selten bestehen kleinflächige Tumornekrosen. Die Tumorzellen exprimieren Zytokeratin, typischerweise mit punktförmigen Anfärbungen im Bereich der gefäßwärts gerichteteten Fortsätze (Abb. 18.25b). Im Gegensatz zu Ependymomen findet sich meist keine EMA-Expression.
Seltene zystische Pineozytome sind zu unterscheiden von Teratomen, pilozytischen Astrozytomen, Epidermoidzysten, Arachnoidalzysten und den symptomatischen benignen Gliazysten der Glandula pinealis (Pinealiszysten) [49]. Letztere haben einen Durchmesser von über 1 cm und sind mit einer goldgelben Flüssigkeit angefüllt. Die glatte Zystenwand besteht aus einer äußeren Bindegewebskapsel, einer zwischengeschalteten Lage nichttumorösen Pinealisparenchyms und einer schmalen inneren Schicht aus gliotischem Gewebe [113].
Melanotische Tumoren Intrazytoplasmatisches Melanin kann als eine sehr seltene Differenzierung in mehreren (wahrscheinlich in praktisch allen) Hirntumoren auftreten, so in Astrozytomen, Ependymomen, Plexuspapillomen, Gangliogliomen, Paragangliomen, primitiven neuroektodermalen Tumoren, Meningeomen und Nervenscheidentumoren [12]. Elektronenmikroskopisch handelt es sich dabei entweder um melanosomales Melanin oder um Neuromelanin. Diese Tumoren unterstreichen die enge ontogenetische Beziehung zwischen den der Neuralleiste entstammenden Melanozyten und zerebralen neuroektodermalen Zellen. Das primär intrakranielle Melanozytom ist dagegen ein echter melanozytärer Tumor, der vermutlich von den meningealen Melanozyten ausgeht, vor allem in der hinteren Schädelgrube sowie spinal auftritt und gerne rezidiviert. Es ähnelt dem kutanen blauen Nävus in seinen großen länglichen, melanosomales Melanin enthaltenden Zellen, die Züge und Wirbel ausbilden. Obwohl der duraadhärente Tumor makroskopisch einem Meningeom gleicht, unterscheidet er sich davon u. a. durch das Fehlen immunhistologischer (EMA) und elektronenmikroskopischer (Desmosomen, interdigitierende Fortsätze) Charakteristika der Meningothelien. Dagegen werden melanozytäre Antigene wie S100, Melan A und HMB45 expri-
522
Kapitel 18
miert. Auch maligne Melanome und diffuse Formen kommen primär intrakraniell vor, müssen aber von einer Melanommetastase abgegrenzt werden. Die diffuse Melanozytose (diffuse Melanose) manifestiert sich meist bei Kindern durch Krampfanfälle und Hirndruck und ist durch eine diffuse Verdickung und Verfärbung der Leptomeningen mit Infiltration der Virchow-RobinRäume gekennzeichnet.
Mesenchymale Tumoren Meningeome Grad-I-Meningeome
18
Meningeome des Grades I (WHO) sind Tumoren der Meningothelien (Arachnoidaldeckzellen) und kommen in jedem Lebensalter vor, wobei sich eine gewisse Bevorzugung der 6. und 7. Lebensdekade ergibt. Sie treten häufiger bei Frauen als bei Männern auf (intrakraniell 2:1, spinal 4:1). Wegen des langsamen Wachstums bleiben die Patienten oft lange symptomlos. Vorzugssitze sind Falx, Tentorium, die Meningen der Großhirnkonvexität, Keilbein, Olfaktoriusrinne, Klivus, Kleinhirnbrückenwinkel, Foramen magnum, Optikusscheide und Spinalkanal sowie selten die Epiphyse und das intraventrikuläre Stroma des Plexus choroideus. Ektope Lokalisationen wie z. B. in Lunge, Finger u. a. sind Raritäten. In 2–8% bestehen multiple Tumoren. Makroskopisch sind Meningeome sehr derb, manchmal höckerig und von grauer Schnittfläche. Sie haften oft fest an der Innenseite der Dura mater, können diese und die Sinuswände durchwandern und in die Knochenmarksräume eindringen, ohne destruierend zu sein. Sie wölben sich gegen das Hirn vor, sind aber meist gut davon abgegrenzt (Abb. 18.26). Mikroskopisch ähnelt das Bild, da sich Meningeome histogenetisch von den Arachnoidaldeckzellen ableiten, einerseits den physiologischerweise häufig vorkommenden Arachnoidaldeckzellnestern, unterstreicht aber andererseits das äußerst breite Differenzierungsspektrum dieses Zelltyps. Es werden zahlreiche Subtypen unterschieden. Meningotheliomatöses Meningeom
Beim häufigen meningotheliomatösen Typ (Abb. 18.26c) imponieren Zellen mit reichlich eosinophilem Zytoplasma, das schlecht oder nicht abgrenzbar ist; dieser (pseudo)synzytiale Eindruck beruht auf einer nur ultrastrukturell erkennbaren intensiven fingerförmigen Verflechtung der Zellfortsätze. Die Kerne sind rundoval, besitzen eine deutliche Kernmembran, wenig fein verteiltes Chromatin und nicht selten rundliche Zytoplasmainvaginationen („Lochkerne“). Typisch sind einige mehrschich-
Tumoren
tige Wirbelbildungen spindeliger Zellen („Zwiebelschalenformationen“), von Bindegewebssträngen septierte Tumorzellknoten und Kalkkugeln, die oft konzentrisch geschichtet sind und meist von den Gefäßwänden ausgehen („Psammomkörper“). Fibröses Meningeom
Das fibröse Meningeom als zweiter Haupttyp besteht aus Zellzügen spindeliger Zellen mit längsovalen Kernen und bipolaren Fortsätzen (Abb. 18.26d). Im Vergleich zum Neurinom sind die eingeflochtenen kollagenen Fasern dicker und in der van-Gieson-Färbung kräftiger rot, die Kerne plumper und storiforme Strukturen häufiger. Transitionales Meningeom
Beim transitionalen Meningeom kann es sich um das örtlich getrennte Auftreten der beiden Haupttypen innerhalb eines Tumors oder um eine einheitlich intermediäre Differenzierung handeln. Wirbelbildungen sind zahlreich. Die Anwendung dieser Kriterien ist interindividuell sehr variabel; das transitionale Meningeom ist eine der unschärfsten Diagnosen in der Neuropathologie. Die Mehrzahl der übrigen, meist seltenen Typen der WHO-Klassifikation [133] orientiert sich nicht an Zellform und Gewebsarchitektur, sondern an bestimmten Differenzierungen oder degenerativen Veränderungen, weshalb mehrere Typen innerhalb desselben Tumors auftreten können. Diese Typen werden dann diagnostiziert, wenn sie anteilsmäßig überwiegen und sehr deutlich vorhanden sind, während man ansonsten von einer Komponente sprechen kann (z. B. „fibröses Meningeom mit sekretorischer und mikrozystischer Komponente“). Psammomatöses Meningeom
Das psammomatöse Meningeom ist durch sehr zahlreiche Psammomkörper gekennzeichnet, die dem Tumor eine kalkharte Konsistenz verleihen (Abb. 18.26e). Er ist vor allem spinal lokalisiert. Angiomatöses Meningeom
Das angiomatöse Meningeom zeigt zahlreiche dicht gelegene, weitlumige und fibrosierte Gefäße mit nur spärlich eingeschalteten Tumorzellen; daneben gibt es den mikrovaskulären Typ, der oft mit mikrozystischer Degeneration, Kernpolymorphie und schaumigen Zytoplasmen einhergeht (Abb. 18.26f) und dadurch einem Hämangioblastom ähneln kann (in der Regel aber gut davon abzugrenzen ist). Die Blutgefäße einschließlich der fibrosierten Areale machen wenigstens die Hälfte der gesamten Anschnittsfläche aus [76]. Mikrozystisches Meningeom
Mikrozystische Meningeome zeigen sternförmige oder bipolare Tumorzellen, eine spongiös-retikuläre Auflocke-
Mesenchymale Tumoren
523
a
b
c
d
e
f
g
h
Abb. 18.26a–h Grad-I-Meningeome. Makroskopie (a,b) und Histologie des meningotheliomatösen (c), fibrösen (d), psammoma-
tösen (e), angiomatösen (f), mikrozystischen (g) und sekretorischen Meningeoms (h)
524
Kapitel 18
Tumoren
rung der Fortsätze sowie seröse Exsudate und können Astrozytome vortäuschen (Abb. 18.26g). Etwas unscharf ist die Abgrenzung vom myxoiden Meningeom, das eine an PAS- und Alzianblau-positiven Glykosaminoglykanen reiche Extrazellulärmatrix und oft ein vakuoläres Zytoplasma besitzen soll. Sekretorisches Meningeom
Das sekretorische Meningeom ist durch zahlreiche Pseudopsammomkörper definiert (Abb. 18.26h). Es handelt sich dabei um eosinophile, PAS-positive, rundlichhomogene oder schollig zerfallende, nicht kalkhaltige Körper, die ultrastrukturell in intra- oder extrazellulären Lumina gelegen sind, die auch Mikrovilli enthalten. Die dazugehörigen Tumorzellen sind positiv für Zytokeratine, IgA, IgG und CEA. In der Umgebung findet sich meist eine erhebliche Hyperplasie der Gefäßwandzellen. Klinisch ist ein ausgeprägtes peritumorales Ödem charakteristisch.
a
Lymphozyten- und plasmazellreiches Meningeom
Beim Lymphozyten- und plasmazellreichen Meningeom dominieren polyklonale reaktive Infiltrate das Bild, so dass nach der (ansonsten typischen) meningothelialen Komponente gesucht werden muss. Differentialdiagnostisch sind Plasmozytome und ein inflammatorischer myofibroblastischer Tumor (Plasmazellgranulom) auszuschließen. In einigen Fällen wurde ein Auftreten bei Patienten mit hämatologischen Grunderkrankungen beschrieben.
b
Metaplastisches Meningeom
18
Das metaplastische Meningeom zeigt fokal ausgeprägte mesenchymale Differenzierungen (Knochen, Knorpel, Fett). Auch die noch relativ häufige xanthomatöse Degeneration (schaumige Zytoplasmen, die an Makrophagen erinnern), wird hierunter subsumiert. Neben diesen Grad-I-Meningeomen existiert eine Reihe von Grad-II- und Grad-III-Meningeomen, die eine höhere Rezidivneigung aufweisen.
c Abb. 18.27a–c Grad-II-Meningeome. Histologie des klarzelligen (a), chordoiden (b) und atypischen (c) Meningeoms
Grad-II-Meningeome Klarzelliges Meningeom
Chordoides Meningeom
Der klarzellige Typ zeigt ein ungefärbtes oder schwach eosinophiles, glykogenreiches, gut abgrenzbares Zytoplasma (Abb. 18.27a). Typisch sind ein unstrukturiertes („patternless“) Wachstum sowie eine Bevorzugung des Kleinhirnbrückenwinkels und der Cauda equina. Besonders intrakranielle Formen rezidivieren häufiger und werden deshalb schon als Grad II WHO gradiert. Spinale Formen werden aber als I gradiert, sofern nicht allgemein Kriterien des atypischen oder anaplastischen Meningeoms erfüllt sind (s. unten).
Beim chordoiden Meningeom (Grad II WHO) sieht man Zytoplasmavakuolen, Zellgruppierungen und eine myxoide Struktur wie beim Chordom (Abb. 18.27b), sowie massive lymphoplasmazelluläre Infiltrate mit Keimzentren. Manche Patienten, besonders Kinder und Jugendliche, zeigen eine mikrozytäre Anämie, die sich nach der Resektion zurückbildet. Beziehungen zum CastlemanSyndrom werden diskutiert.
Mesenchymale Tumoren
525
Atypisches Meningeom
Atypische Meningeome (Grad II WHO) rezidivieren im Durchschnitt häufiger und schneller als Grad-I-Meningeome, verhalten sich aber biologisch weniger aggressiv als anaplastische Meningeome. Die Diagnose stellt in der Regel noch keine Indikation für eine Strahlentherapie dar. Ein atypisches Meningeom ist definiert durch mindestens eines der drei folgenden histologischen Kriterien: • gesteigerte Mitoserate, d. h. mindestens 4 Mitosen pro 10 „high-power fields“ (Gesichtsfeld von 0,16 mm2 bei 400facher Vergrößerung) oder • mindestens drei der folgenden fünf Eigenschaften: gesteigerte Zelldichte, kleine Zellen mit hohem KernZytoplasma-Verhältnis, prominente Nukleolen, unstrukturiertes („patternless“, „sheet-like“) Wachstum (Abb. 18.27c), flächenhafte Nekrosen oder • Hirngewebsinfiltration mit zapfenförmiger Infiltration des umgebenden Hirngewebes durch Tumorzellverbände. Bei der Beurteilung der Atypie oder Anaplasie benötigt man Angaben über eine eventuell präoperativ erfolgte therapeutische Embolisation; diese kann zu flächenhaften Nekrosen gleichen Alters, nekrobiotischen Arealen mit Kernpyknose und Zytoplasmaeosinophilie, mikrozystischer Auflockerung und perinekrotisch gesteigerter proliferativer Aktivität führen.
a
b
Grad-III-Meningeome Rhabdoides Meningeom
Rhabdoide Meningeome (Grad III WHO) sind seltene Tumoren, die überwiegend aus „rhabdoiden“ Zellen, also aus rundlichen Tumorzellen mit exzentrischem Kern, prominenten Nukleolen und eosinophilen Einschlüssen aus Intermediärfilamenten bestehen (Abb. 18.28a). Meist sind weitere Zeichen der Anaplasie vorhanden. Meningeome mit einzelnen rhabdoiden Zellen sollten nicht als rhabdoide Meningeome bezeichnet werden. Im Gegensatz zu AT/RT und malignen rhabdoiden Tumoren des Weichteilgewebes ist die nukleäre Expression von SMARCB1/INI1 in rhabdoiden Meningeomen erhalten [172]. Papilläres Meningeom
Das seltene papilläre Meningeom zeigt in den überwiegenden Tumorarealen perivaskuläre pseudopapilläre Strukturen (Abb. 18.28b). Es tritt überwiegend bei Kindern auf, infiltriert in 75% das Gehirn, metastasiert in 20% und wird deswegen schon als Grad III (WHO) eingeordnet. Anaplastisches Meningeom
Anaplastische (maligne) Meningeome (Grad III WHO) zeigen entweder eine eindeutig maligne Zytologie (die
c Abb. 18.28a–c Grad-III-Meningeome. Histologie des rhabdoiden (a), papillären (b) und anaplastischen Meningeoms (c). Beachte die massiv erhöhte mitotischer Aktivität (>20 Mitosen/10 HPF, Pfeile)
einem Karzinom, Sarkom oder Melanom entspricht) oder sie weisen eine sehr stark erhöhte Mitoserate auf, d. h. mindestens 20 Mitosen pro 10 „high-power fields“ (Gesichtsfeld von 0,16 mm2 bei 400facher Vergrößerung, Abb. 18.28c). Immunhistologisch ist die für normale und neoplastische Arachnothelien charakteristische Kombination aus epithelialem Membranantigen (EMA) und Vimentin typisch (s. Tabelle 18.3). Auch die Positivität für demosomale Antigene wie Desmoplakin kann hilfreich sein. Elektronenmikroskopisch kann der Nachweis interdigi-
526
Kapitel 18
Tumoren
tierender Zellfortsätze und von Desmosomen für die Diagnose eines Meningeoms nützlich sein. Genetisch weisen etwa 60% der (sporadischen) Meningeome Mutationen des NF2-Tumorsuppressorgens auf Chromosom 22q auf, meist mit der Folge eines trunkierten Merlin-Moleküls. Aufgrund multipler, wiederkehrender chromosomaler Verluste und Zugewinne ist es sehr wahrscheinlich, dass mehrere Tumorsuppressorgene und Onkogene eine Rolle in der Progression zum atypischen und anaplastischen Meningeom spielen; die molekulargenetische Grundlage der Progression ist aber bislang noch nicht aufgedeckt worden.
Hämangioperizytom
18
Das Hämangioperizytom (Grad II WHO) macht 0,5–7% (Mittel 2%) der meningealen Tumoren aus (mittleres Alter 43 Jahre), imponiert radiologisch und makroskopisch wie ein Meningeom, entspricht histologisch und ultrastrukturell aber dem Hämangioperizytom der Weichgewebe, weshalb es auch nicht mehr als hämangioperizytotisches Meningeom bezeichnet wird. Histologische Charakteristika sind hohe Zelldichte, sehr zahlreiche, häufig obliterierte Kapillaren, denen sich unmittelbar Tumorzellen mit ovalen oder länglichen Kernen und schlecht erkennbarem Zytoplasma anschließen, größere schlitzförmige und geweihartig verzweigte dünnwandige Gefäße (Abb. 18.29) und oft (aber nicht obligat) ein dichtes perizelluläres Retikulinnetzwerk, dem ultrastrukturell basalmembranähnliches Material entspricht. Von den Grad II Hämangioperizytomen wird das anaplastische Hämangioperizytom (Grad III WHO) abgegrenzt, dass durch erhöhte mitotische Aktivität (mehr als 5 Mitosen/10 HPF) und/oder Nekrosen sowie mindestens zwei der Kriterien Einblutung, Kernatypien, höhere Zelldichte charakterisiert ist [141]. Meningeale Hämangioperizytome unterscheiden sich weiterhin von Meningeomen durch das Überwiegen von Männern (60%), eine schlechtere Prognose (5- bzw. 15-JahreÜberlebensraten 65% und 21%, Rezidive in 26–91%, Metastasen in 10–68%), einen häufigeren Sitz am Tentorium und in der hinteren Schädelgrube (33%), die immunhistochemische Negativität für epitheliales Membranantigen und Desmoplakin, die häufige Positivität für CD34 (33-100%) und das Fehlen von Inaktivierungen des NF2-Gens.
Hämangioblastom Das Hämangioblastom (Grad I WHO, Synonyme: kapilläres Hämangioblastom, Lindau-Tumor, Angioretikulom) ist ein selten rezidivierender benigner Tumor,
Abb. 18.29 Hämangioperizytom. Histologie mit spindeligen Tumorzellen und hirschgeweihartigen Blutgefäßen
der überwiegend bei Erwachsenen (Mittel: 42 Jahre) auftritt und 1,1–2,4% der Hirntumoren ausmacht. Hämangioblastome sind typischerweise im Kleinhirn lokalisiert (80%), treten aber auch retinal, selten zerebral, meningeal oder spinal, extrem selten auch in anderen Organen wie peripheren Nerven, Pankreas, Niere und Leber auf. Auch wenn die meisten Hämangioblastome sporadisch auftreten, stellen sie eine charakteristische Komponente der von Hippel-Lindau-Krankheit dar. Insbesondere hier sind multiple Hämangioblastome nicht selten, was die Abgrenzung von einem Tumorrezidiv zu einem unabhängigen Zweittumor erschweren kann. Makroskopisch sind Hämangioblastome überwiegend zystisch, fest und scharf abgegrenzt (Abb. 18.30). Mikroskopisch sieht man sehr zahlreiche, überwiegend kapilläre Gefäße neben weitlumigen, teils fibrosierten Gefäßen. Die Retikulinfärbung demaskiert kollabierte Kapillaren. Zwischen den Gefäßen liegen die Stromazellen (interstitielle Zellen), entweder einzeln mit spindelig-kleinem Zytoplasma (retikulärer Typ, Abb. 18.30b) oder in Nestern mit gut abgrenzbarem, rund-fettigschaumigem, seltener homogen-eosinophilem oder klarem Zytoplasma und zentralen, mitunter hyperchromatischen oder polymorphen Kernen (zellulärer Typ, Abb. 18.30c), einem Paragangliom ähnelnd [77]. Immunhistochemisch sind die Stromazellen oft positiv für Vimentin und neuroendokrine Antigene (NCAM, NSE, Neuropeptide), aber negativ für epitheliale Antigene (EMA, Zytokeratine: Abgrenzung zum klarzelligen Nierenzellkarzinom!) und endotheliale Antigene (CD31, CD34, Faktor-VIII-bezogenes Antigen). Vor allem beim zellulären Subtyp markiert GFAP nicht nur vom Tumor überrannte reaktive Astrozyten, sondern (insbesondere in deren Nachbarschaft) auch Stromazellen. Die mittlere KI67/MIB1-Proliferationsrate liegt beim retikulären Subtyp bei unter 1%, beim zellulären Subtyp bei 4% [77].
527
Mesenchymale Tumoren
Mesenchymale, nichtmeningotheliale Tumoren
a
b
c Abb. 18.30a–c Hämangioblastom. Makroskopie mit typischer Lokalisation eines zystischen Tumors im Bereich des Kleinhirns mit Einblutungen (a) sowie Histologie des retikulären (b) und zellulären (c) Subtyps
Da ein nichtneoplastisches Analogon der Stromazelle unbekannt ist, hat man in zahlreichen immunhistologischen Untersuchungen die rätselhafte Histogenese dieses Tumors zu klären versucht. Dabei wurden u. a. eine endotheliale, histiozytäre, meningeale, undifferenziert mesenchymale, astrozytäre und neuroendokrine Natur favorisiert. Da die Stromazellen Erythropoetin produzieren, kann selten eine sekundäre Polyzythämie auftreten.
Prinzipiell können nahezu alle benignen und malignen Weichteiltumoren auch primär im Bereich des Zentralnervensystems oder seiner Hüllen auftreten. Intrakranielle Lipome (0,4% der Hirntumoren), die wie extrazerebrale Tumoren aus reifen Fettzellen bestehen, findet man in allen Altersgruppen. Sie sind überwiegend in der Mittellinie lokalisiert, besonders auf dem Balken, aber auch in der Vierhügelregion, suprasellär/interpedunkulär und im Kleinhirnbrückenwinkel. Malignisierung ist nicht bekannt. In 0,1–0,2% aller Autopsien sind sie ein Zufallsbefund, nicht selten finden sich (meist gering ausgeprägte) begleitende Hirnfehlbildungen. Während die meisten spinalen Lipome intradural wachsen, ist das seltene Angiolipom (Angiomyolipom) auf den Epiduralraum beschränkt. Bei der seltenen spinalen epiduralen Lipomatose handelt es sich nicht um einen Tumor, sondern um eine diffuse Hypertrophie des epiduralen Fettgewebes, die unter Dauerbehandlung mit Steroiden auftreten kann. Primär im ZNS oder in den Meningen entstehende Fibrome, Leiomyome, Rhabdomyome, Chondrome, Osteome, Myxome, epitheloide Hämangioendotheliome u. a. sind Raritäten. Wenn anaplastische Meningeome, Hämangioperizytome, vom Knochen infiltrierende Tumoren und Metastasen ausgeschlossen werden, bleibt ein kleiner Rest primär intrazerebraler oder meningealer Sarkome (weniger als 0,1% der Hirntumoren). Histologisch werden sie wie Sarkome anderer Lokalisation klassifiziert, wobei unter anderem auch Rhabdo- und Leiomyosarkome, Fibrosarkome, Chondrosarkome und Angiosarkome auftreten können. Gliosarkome sind nur durch eine komplette Gewebsaufarbeitung abzugrenzen. Die Unterscheidung zwischen einem primär intrakraniellen Sarkom und einer Metastase ist rein histologisch nicht möglich. Die primär meningeale Sarkomatose ist definiert als ein auf die weichen Hirnhäute beschränktes, nicht umschriebenes, sondern extensiv und diffus wachsendes Sarkom. Bei den meisten der bisher beschriebenen Fälle handelt es sich wahrscheinlich um kleinzellige, maligne, nichtsarkomatöse Tumoren (Karzinome, Lymphome, PNET etc.) [17]. Falls es die Entität „primär meningeale Sarkomatose“ gibt, ist sie extrem selten.
Chordom Es soll hier nur auf eine Variante, das neuropathologisch relevante chondroide Chordom, hingewiesen werden, das nahezu ausschließlich in der hinteren Schädelgrube auftritt und von der sphenookzipitalen Synchondrose ihren Ausgang nimmt. Mikroskopisch besteht der Ein-
528
Kapitel 18
druck einer chordoiden und chondroiden Differenzierung. Immunhistologisch werden in der chordoiden wie in der chondroiden Komponente – wie auch bei anderen Chordomen – S100, Vimentin, epitheliale Antigene (EMA, Zytokeratine) und auch der notochordale Marker Brachyury exprimiert. Die Prognose soll etwas günstiger als bei anderen Chordomen sein. Bei Kleinkindern auftretende wenig differenzierte Klivuschordome mit aggressivem biologischen Verlauf sollen molekulargentisch durch einen SMARCB1/INI1Expressionsverlust charakterisiert sein [145]. Als Ecchordosis physaliphora bezeichnet man präpontine (seltener sakrokokzygeale) gelatinöse Knötchen von unter 2 cm, die histologisch und immunhistologisch dem Notochord und dem Chordom entsprechen, in 0,6–5% der Autopsien gefunden werden können und fast immer symptomlos sind [198].
Tumoren
a
Periphere Nervenscheidentumoren Sie leiten sich von den Hüllzellen der peripheren Nerven bzw. der Hirnnerven ab. Die Tumorzellen entsprechen daher meist Schwann-Zellen und können seltener auch ultrastrukturelle Charakteristika von Perineuralzellen und (insbesondere bei Neurofibromen) von Fibroblasten aufweisen.
b
Neurinom
18
Neurinome (Grad I WHO, Synonyma: Schwannom, Neurilemmom, Neurolemmom) sind gutartig; eine maligne Entartung ist extrem selten. Sie können prinzipiell an allen Hirnnerven, Nervenwurzeln und peripheren Nerven lokalisiert sein; am häufigsten sind sie jedoch im Kleinhirnbrückenwinkel anzutreffen. Diese „ Akustikusneurinome“ gehen vom vestibulären Teil des achten Hirnnervs aus. An den spinalen Nervenwurzeln können Sanduhrgeschwülste mit intra- und extraspinalem Anteil bei erweitertem Foramen intervertebrale auftreten. Die sehr seltenen Neurinome des zerebrospinalen Parenchyms werden von vaskulären Nervenästen abgeleitet [25]. Makroskopisch sind die Neurinome in der Regel scharf abgegrenzt, gekapselt und derb (Abb. 18.31a). Auf dem Schnitt sind sie weiß, graurosa oder gelblich gefleckt und gelegentlich zystisch. Mikroskopisch dominieren sich durchflechtende Zellzüge mit bipolar orientierten länglichen oder geschlängelten Kernen und langen Zellfortsätzen. Eingewobenes feines Kollagen zeigt in der van-Gieson-Färbung ein zartes Orange und ist mit Retikulinfärbungen darstellbar. Auf dem Querschnitt erscheinen die Kerne klein und rund. Charakteristisch, aber nicht immer nachweisbar, ist
c Abb. 18.31a–c Neurinom. Makroskopie mit typischer Lokalisation im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels (a) und Histologie mit Antoni-A- (b) und Antoni-B-Anteilen (c)
eine Palisadenstellung der Kerne, wobei Kernreihen mit kernarmen Zellfortsatzbündeln alternieren (Abb. 18.31b). Dieses Muster (Zellzüge, längliche Kerne) wird als Antoni-A-Typ dem Antoni-B-Typ gegenübergestellt, bei dem die Fortsätze der eher sternförmigen Tumorzellen ein lockeres Geflecht ausbilden (Abb. 18.31c); insbesondere bei diesem retikulären Wachstumstyp können die Tumorzellen in eine wässrige Matrix eingelagert und herdförmig fettig degeneriert sein („Schaumzellnester“). Einzelne große, unregelmäßig geformte und hyperchromatische Kerne und gelegentlich auch flächenhafte Nekrosen können auftreten und sind nicht Zeichen einer malignen
Periphere Nervenscheidentumoren
Entartung. Anteile des peripheren Nervs sind allenfalls am Rand des Tumors nachweisbar. Häufig trifft man in Neurinomen auf fibrosierte zellarme Gefäßwände und Ablagerungen von Hämosiderin. Selten findet man intrazelluläres Lipofuszin oder Melanin („melanotisches Neurinom“); kommen zum Melanin Psammomkörper hinzu, handelt es sich bei etwa der Hälfte der Fälle um eine Manifestation des Carney-Komplexes, einer autosomal-dominant vererbte Kombination aus Gesichtspigmentation, kardialen Myxomen und endokriner Überaktivität (Cushing-Syndrom oder Akromegalie) aufgrund einer Mutation des Gens für die R1D-Untereinheit der Proteinkinase A [24, 27]. Immunhistologisch sind Neurinome typischerweise positiv für S100 und Vimentin, vereinzelt und kleinherdig auch für GFAP, im Gegensatz zu den Meningeomen aber negativ für Desmoplakin und etwas seltener als diese auch EMA-positiv. Elektronenmikroskopisch findet man Charakteristika von Schwann-Zellen, wie eine perizelluläre Basallamina, seltener Mesaxon-ähnliche Formationen und „long spacing collagen“. Genetisch bestehen bei 60% der sporadischen Neurinome Mutationen des NF2Tumorsuppressorgens; noch häufiger kommt es zu einem Verlust des NF2-Genprodukts Merlin, offenbar auch durch andere Mechanismen. Für im Rahmen der seltenen familiären Schwannomatose auftretende Neurinome kann (wie in AT/RT) ein Verlust der SMARCB1/INI1Expression charakteristisch sein [160].
529
a
b Abb. 18.32a,b Neurofibrom. Typische Histologie des Neurofibroms (a) und eines plexiformes Neurofibroms bei NF1 mit Auftreibung von Nervenfaszikeln (b)
Neurofibrom Neurofibrome (Grad I WHO) können entweder als nichtgekapselte Hauttumoren oder als Tumoren der Nervenwurzeln, Spinalganglien, peripheren und autonomen Nerven auftreten. Plexiforme Neurofibrome größerer Nerven und multiple kutane Neurofibrome sind Kennzeichen der Neurofibromatose (NF1). 5–10% der plexiformen Neurofibrome entarten. Histologisch unterscheiden sich Neurofibrome von Neurinomen durch eine basophile, an Glykosaminoglykanen reiche Extrazellulärmatrix, und kräftigere kollagene Faserbündel (Abb. 18.32a). Im Tumor treten häufig teils bemarkte Axone auf. Dichte Züge spindeliger Zellen alternieren mit ausgedehnten zellarmen und bindegewebsreichen Abschnitten. Seltener als in Neurinomen sind Zysten, Eisenpigment, Schaumzellen, fibrosierte Gefäße, eine Palisadenstellung der Kerne und eine elektronenmikroskopisch oder immunhistologisch (S100Protein) fassbare Schwann-Zell-Differenzierung. Seltene intermediäre Nervenscheidentumoren sind nicht eindeutig als Neurinom oder Neurofibrom klassifizierbar oder beinhalten beide Komponenten in getrennten Arealen. Das plexiforme Wachstumsmuster (das auch selten bei Neurinomen beobachtet werden kann) zeigt eine fusi-
forme oder zylindrische Auftreibung des Nervs, der histologisch ein Auseinanderdrängen der Nervenfasern durch das matrixreiche Tumorgewebe entspricht (Abb. 18.32b). Daneben gibt es den bei Neurinomen vorherrschenden globulären Wachstumstyp an Nervenstämmen, der, zumindest bei solitären Tumoren, nicht mit der Neurofibromatose assoziiert ist. Selten sind Stapel von Lamellen ausgebildet, die Tastkörperchen ähneln und ultrastrukturell aus Basallaminae, Kollagenfibrillen und Tumorzellfortsätzen bestehen. Sind diese Strukturen zahlreich, spricht man vom Tastkörperchenneurofibrom.
Maligner peripherer Nervenscheidentumor Die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit malignen peripheren Nervenscheidentumoren (MPNST, Grad II, III oder IV WHO, Synonyme: Neurofibrosarkom, neurogenes Sarkom) beträgt 34%. Bei einer Assoziation mit der NF1 (etwa 50%) ist die Prognose noch ungünstiger. MPNST entstehen entweder primär oder auf dem Boden eines (meist plexiformen) Neurofibroms. Am häufigsten
530
18
Kapitel 18
sind kräftige periphere Nerven betroffen, die spindelförmig aufgetrieben sind. Kriterien der Malignität sind Mitosen, erhöhte Zelldichte, Fehlen einer Kapsel bei infiltrativem Wachstum, ausgedehnte Nekrosen und häufig gesteigerte Polymorphie. Züge aus Spindelzellen durchflechten sich „fischgrätenartig“. Wenn charakteristische neurinomatöse oder neurofibromatöse Strukturen nicht nachweisbar sind, müssen andere mesenchymale spindelzellige Tumoren, insbesondere ein Fibrosarkom, differentialdiagnostisch berücksichtigt werden. Für einen MPNST sprechen ein geschlängelter Verlauf von Kernen und Zellfortsätzen sowie eine wechselnde Zelldichte. Eine S100-Expression ist in nur 50–70% der MPNST nachweisbar. Etwa 10% der MPNST enthalten Komponenten anderer Sarkomtypen [45]. MPNST mit einer rhabdomyosarkomatösen Komponente werden als maligner Tritontumor bezeichnet, Tumoren mit drüsigen tubulären, teils muzinösen Strukturen als glandulärer MPNST. Epitheloide MPNST zeigen ein Wachstum epithelartiger rundlicher Zellen in Nestern. Wenn der Tumor nicht in einem peripheren Nerv entstanden und nicht Teil eines charakteristischen MPNST ist, kann die Abgrenzung von einem malignen Melanom unmöglich sein, zumal auch melanotische epitheloide MPNST und „neurotrope Melanome“ beschrieben wurden. Differentialdiagnostisch von MPNST abzugrenzen sind: • zelluläre (zellreiche) Neurinome, die als Variante des Neurinoms (Grad I WHO) etwa 3–5% der Nervenscheidentumoren ausmachen. Zelldichte, Mitoserate, Chromatinreichtum und Kernpolymorphie sind gesteigert, allerdings nicht so stark wie in MPNST. Trotz dieser Histologie rezidivieren sie in weniger als 5% der Fälle und metastasieren nicht, weshalb eine aggressive Therapie nicht indiziert ist [26]; • Intraneurale Synovialsarkome sind aufgrund der ähnlichen Histologie und des immunhistochemischen Expressionsprofils sehr schwierig von MPNST abzugrenzen. Molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis der für Synovialsarkome charakteristischen t(X;18)-Translokation sind weiterführend; • periphere primitive neuroektodermale Tumoren (pPNET), die bei älteren Kindern und jungen Erwachsenen an den Extremitäten, axial oder in der Lunge („Askin-Tumor“) auftreten, histologisch Neuroblastomen oder Medulloblastomen weitgehend gleichen, immunhistochemisch jedoch eine Expression von CD99 und charakteristische molekulargenetischen Veränderungen (EWS-Fusionstranskripte) aufweisen; • melanotische neuroektodermale Tumoren (melanotische Progonome, retinale Anlagetumoren), die meist im 1. Lebensjahr in Knochen (vor allem Kiefer) oder Weichteilen, selten auch in der Dura und im Gehirn auftreten und eine alveoläre Struktur sowie neuroblastische und melanozytäre Differenzierung zeigen.
Tumoren
Seltene Nervenscheidentumoren Nervenscheidenmyxom Nervenscheidenmyxome zeigen in einer basophilen muzinösen Matrix S100-positive spindel- und sternförmige Zellen, die von Bindegewebssträngen läppchenartig septiert werden. Im Bereich des ZNS treten diese Tumoren am häufigsten an den spinalen Nervenwurzeln auf [162]. Entgegen früherer Ansichten ist das Nervenscheidenmyxom nicht identisch mit dem Neurothekeom.
Perineuriom Perineuriome sind ausschließlich aus Perineuralzellen aufgebaut. Die benignen, zellarmen und häufig sklerosierten Weichteiltumoren bestehen aus spindeligen, geschlängelten Zellen mit dünnen Fortsätzen, die zum Teil Wirbel ausbilden. Sie sind EMA-positiv, S100-negativ und besitzen elektronenmikroskopisch eine inkomplette perizelluläre Basallamina sowie pinozytotische Vesikel [62]. Diese Weichteilperineuriome (ohne Beziehung zu einerm größeren Nerv) sind von den intraneuralen Perineuriomen zu unterscheiden, die meist in peripheren Nerven der Extremitäten auftreten und histologisch aus Perineuralzellen mit Zwiebelschalenformationen innerhalb des Endoneuriums aufgebaut sind [48] (Abb. 20.4i; S. 572; vgl. auch S. 662).
Sonstige Beim benignen, häufig kongenitalen fibrolipomatösen Hamartom sind Epi- und Perineurium eines Nervs, überwiegend der oberen Extremität, von fibroadipösem Gewebe überwachsen [207]. Das neuromuskuläre Hamartom („benigner Tritontumor“) tritt bei Kindern an großen Nervenstämmen auf und zeigt Ansammlungen reifer Nerven sowie quergestreifter, seltener glatter Muskelfasern innerhalb der selben Perimysialscheide [224]. Myxomatöse Zysten (Nervenscheidenganglien) beruhen auf einer (wohl traumatischen) Degeneration der Nervenscheide, meist des N. peroneus. Sie entsprechen histologisch den Ganglien synovialen Ursprungs [3]. Neurome sind keine Tumoren, sondern posttraumatische Regenerationen, die den peripheren Nerv spindelförmig auftreiben können und histologisch aus ungeordneten Proliferationen von Nervenfaszikeln mit teils bemarkten Axonen, teils zwiebelschalenartig angeordneten Schwann-Zellen und einer Fibrose bestehen (vgl. Abb. 20.1f; S. 567).
531
Maligne Lymphome
Maligne Lymphome Primäre Non-Hodgkin-Lymphome des Zentralnervensystems Primäre Non-Hodgkin-Lymphome des Zentralnervensystems (PZNSL) treten bei immunkompetenten und bevorzugt bei immunsupprimierten Patienten auf (AIDS, nach Organtransplantation). Im CT sieht man umschriebene, homogen Kontrastmittel aufnehmende Läsionen im subkortikalen ventrikelnahen Marklager mit nur geringem Ödem. Daneben gibt es diffuse, subependymale oder meningeale Formen. Die Tumoren sind in 60% supratentoriell gelegen (Hemisphären, Stammganglien, Balken), in 30% (50–80% bei AIDS) multilokulär. Metastasen treten in 10–22% transliquoral, in 4–27% außerhalb des ZNS auf. In 5–20% besteht eine Augenbeteiligung (Uveitis, Lymphom). Makroskopisch liegt oft eine bunte Schnittfläche wie bei einem Glioblastom vor; das Gewebe kann aufgetrieben, selten sogar unauffällig erscheinen (Abb. 18.33a). Mikroskopisch ist ein diffuses Wachstumsmuster sowie – besonders im Randbereich – ein angiozentrisches Infiltrationsmuster mit Tumorzellen innerhalb konzentrischer perivaskulärer Retikulinringe typisch (Abb. 18.33b). Teils bestehen dichte Zellverbände wie bei einer Karzinommetastase, teils eine lockere, enzephalitisähnliche Tumorzellinfiltration mit ausgeprägten reaktiven Veränderungen (T-Zellen, polymorphe gemästete Astrozyten, Spongiose); bei geringer Zelldichte sieht man eine Mikrogliareaktion, bei höherer Zelldichte zahlreiche Makrophagen. AIDS-assoziierte Lymphome sind oft von ausgedehnten Nekrosen durchsetzt. Das gemeinsame Leukozytenantigen (LCA, CD45) ist fast immer nachweisbar. Ganz überwiegend handelt es sich um hochmaligne B-Zell-Lymphome, die CD20 exprimieren (Klon L26 arbeitet am Paraffinschnitt meist zuverlässig, Abb. 18.33c). Nach der WHO-Klassifikation können mehr als 95% der PZNSL als „diffus-großzellig“ eingeordnet werden. T-Lymphome machen nur 1– 3% der PZNSL aus. Da eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie der PZNSL die Behandlung der Wahl ist, dient die bei klinisch-radiologischem Verdacht durchgeführte stereotaktische Biopsie lediglich der Diagnosesicherung. Deren Aussagekraft kann durch eine bereits eingeleitete Steroidtherapie deutlich geschmälert werden, da hierdurch in 40–80% eine (temporäre) Regression induziert wird („ghost tumor“). Histologisch sind dann nur eine Astrogliose und T-Lymphozyten zu sehen [59]. Zur Abgrenzung von Entzündungen kann in Zweifelsfällen der immunhistologische (nur eine leichte Kette) und molekularbiologische (Rearrangement der Immunglobulingene; mit Hilfe der PCR auch am Paraffinschnitt möglich) Nachweis der Monoklonalität zielführend sein. Der Nachweis von Tumorzellen im
a
b
c Abb. 18.33a–c Primär zerebrales Lymphom. Makroskopie (a) und Histologie mit angiozentrischem Infiltrationsmuster (b) sowie immunhistochemischer Expression des B-Zell-Markers CD20 (c)
Liquor gelingt in 10–22%, etwas häufiger bei zusätzlicher Immunzytologie. Es ist unbekannt, warum Lymphome in einem Organ ohne ein reguläres lymphatisches System entstehen. Bei Lymphomen immundefizienter Patienten spielt eine chronische Stimulation durch das B-lymphotrope und potentiell onkogene Epstein-Barr-Virus wahrscheinlich eine Rolle. Für zerebrale Endothelien spezifische Adhäsionsmoleküle auf extrazerebral transformierten Lymphomzellen könnten das Angehen im Gehirn vermitteln.
532
Kapitel 18
Sonstige Primär nodale Lymphome befallen das ZNS sekundär in 8–27% (klinisch) bzw. 10–46% (autoptisch), insbesondere hochmaligne Formen mit leukämischer Aussaat. Betroffen sind dabei die Dura (15%), der spinale Epiduralraum mit oder ohne Kompression (2–8%) und die Leptomeningen (4–30% klinisch, 60–94% autoptisch), hier z. T. mit einer makroskopisch zuckergussähnlichen Verdickung und Trübung. Über die Virchow-RobinRäume kann es zu perivaskulären Tumorzellinfiltraten kommen; isolierte intrazerebrale tumoröse Herde sind aber selten (9% der Fälle mit sekundärem ZNS-Befall). Besonders häufig (etwa 70%) ist eine Gehirnbeteiligung (meist zerebrale Tumorblutungen und/oder Meningeosis) bei akuten Leukämien. Intrakranielle Blutungen und ZNS-Infektionen bestehen in 14–37% und 16%. Raritäten sind primär intrakranielle Hodgkin-Lymphome, großzellig-anaplastische (Ki-1) Lymphome, angiotrope Lymphome („maligne Angioendotheliomatose“), lymphomatoide Granulomatosen und Plasmozytome [98].
Keimzelltumoren
18
Keimzelltumoren machen insgesamt 0,3–0,8% der Hirntumoren aus. Sie treten insbesondere bei Kindern und Jugendlichen auf (M:W etwa 1:2,2). Während Keimzelltumoren in Europa 4,4% der kindlichen Hirntumoren ausmachen, stellen sie in Japan und Taiwan einen Anteil von bis zu 14% [236]. Es handelt sich um Tumoren der Mittellinie mit Befall der Pinealisregion (33–62%), der suprasellären Region (30–43%) oder beiden Regionen gleichzeitig (6%). Seltenere Lokalisationen sind unter anderem Ventrikel, Basalganglien oder Rückenmark. Diese Altersverteilung und das überwiegende Auftreten in regulatorischen Zentren für die Gonadotropinsekretion unterstreichen eine pathogenetische Rolle pubertärer neuroendokriner Ereignisse im Zusammenhang mit einer abnormen Keimzellmigration. Histologie, Immun-
Tumoren
histologie, Ultrastruktur und Molekulargenetik entsprechen derjenigen der Ovarial- und Hodentumoren [83, 185]. Im Gehirn überwiegen Germinome (52–65%), Teratome (6–20%, reife, unreife und maligne Formen) und Mischtumoren (10–27%); reine Dottersacktumoren, embryonale Karzinome und Chorionkarzinome sind selten. Einen Überblick über das immunhistochemische Expressionsprofil gibt Tabelle 18.6.
Zysten Mehrere Zysten mit unterschiedlicher Histologie, Histogenese und Lokalisation können dem Neuropathologen begegnen (Abb. 18.34, 18.35). Tabelle 18.7 gibt einen vereinfachten Überblick. Übergangsformen, Metaplasien, atypische Epithelien, ungewöhnliche Lokalisationen und degenerative oder entzündliche Veränderungen sind bei den meisten Formen nicht selten und haben in der Literatur zu Begriffsvielfalt und terminologischer Unklarheit geführt. Wahrscheinlich besitzen Kolloidzysten, enterogene und respiratorische Zysten eine gleichartige Histound Pathogenese, zeigen aber je nach Lokalisation eine bevorzugte Differenzierung. Einige spinale extradurale Zysten können kompressionbedingte neurologische Symptome verursachen, so Perineuralzysten (in Nervenwurzel oder Spinalganglion), meningeale Zysten (eigentlich epidurale Meningealdivertikel), Synovialzysten oder pseudozystische Aussackungen des Ligamentum flavum (sog. Flavumzysten).
Tumoren der Sellaregion Kraniopharyngeome Die benignen, suprasellären, seltener intrasellären Tumoren verursachen visuelle, endokrine und kognitive Störungen. Histogenetisch wurden Reste der RathkeTasche, metaplastische Hypophysenvorderlappenzellen und versprengtes Zahnleistengewebe diskutiert.
Tabelle 18.6 Immunhistochemisches Expressionsprofil von Keimzelltumoren α-Fetoprotein
β-HCG
PLAP
Zytokeratin
OCT4
Germinom
–
–
+
–
+
Teratom
+
–
–
+
–
Dottersacktumor
+
–
+/–
+
–
Embryonales Karzinom
–
–
+
+
+
Chorionkarzinom
–
+
+/–
+
–
Tumoren der Sellaregion
a
b
533
a
b
Abb. 18.34a,b Kolloidzyste. Makroskopie mit typischer Lokalisation im Bereich des dritten Ventrikels (a) und Histologie (b) mit homogen eosinophilem Zysteninhalt und kubischem Epithel mit Zilien (Inset)
Makroskopisch sind die knolligen Tumoren oft ausgedehnt und gut abgegrenzt (Abb. 18.36). Es werden zwei klinisch-pathologische Typen unterschieden: • Der adamantinomatöse Typ tritt in jedem Lebensalter, überwiegend aber bei Kindern und Jugendlichen auf. Makroskopisch bestehen oft Zysten mit motorölähnlichem Inhalt. Histologisch entsprechen die Tumoren den Adamantinomen (Ameloblastomen) oder den kalzifizierenden odontogenen Zysten des Kiefers mit dem mehrschichtigen Plattenepithel, einer palisadenartigen basalen Lage zylindrischer Zellen, Wirbelbildungen spindeliger Zellen, sowie trabekulären und retikulären Tumorzellarchitekturen. Verhornungen („wet keratin“) und Verkalkungen, teils mit Fremdkörperreaktion, sind typisch. Das die infiltrierenden Tumorzapfen umgebende Hirngewebe zeigt oft lymphozytäre Infiltrate und eine Gliose mit zahlreichen Rosenthal-Fasern (cave: Verwechslung mit pilozytischem Astrozytom!). • Der seltenere papilläre Typ findet sich dagegen praktisch nur bei Erwachsenen (hier bis zu ein Drittel der Kraniopharyngeome), ist oft im 3. Ventrikel lokalisiert, radiologisch solide, besser umschrieben und ne-
c Abb. 18.35a–c Zysten. Epidermoidzyste mit abgeschilferten Hornlamellen (a), Arachnoidalzyste mit eingestreuten Arachnoidaldeckzellen (b) und enterogene Zyste mit intestinal anmutendem Zylinderepithel (c)
ben den plattenepithelialen Papillen durch das Fehlen von Palisaden, Kalk, Hornknötchen und „Motoröl“ gekennzeichnet. Ob die Prognose günstiger als beim adamantinomatösen Subtyp ist wird uneinheitlich beurteilt [34, 218]. Abzugrenzen von den Kraniopharyngeomen sind Xanthogranulome der Sellaregion. Diese bestehen histologisch aus wetzsteinförmigen Cholesterinablagerungen, Makrophagen (Xanthomzellen), Nekrosen, lymphozy-
534
Kapitel 18
Tumoren
Tabelle 18.7 Zysten im Bereich des Zentralnervensystems Vermutliche Pathogenese
Lokalisation
Histologische Auskleidung
Zysteninhalt
Besonderheiten
Literatur
Epidermoidzyste (Abb. 18.35a)/ Dermoidzyste
Ektodermal; Keimzellen, selten Trauma
Kleinhirnbrückenwinkel, parasellär, Schädel, spinal
Epidermis; Dermoidzyste mit Hautanhangsgebilden
Geschichtete Hornlamellen; Dermoidzyste mit Haaren, Talg
1% der Hirntumoren, selten karzinomatöse Entartung
[55]
Kolloidzyste (Abb. 18.34)
Endodermal paraphyseal? neuroektodermal?
Dach des III. Ventrikels
Kubisches Epithel, Zilien, einreihig
Gallertig, histologisch homogen und eosinophil
Typischer CT-Befund (hyperdens); 1% der Hirntumoren
[127]
Respiratorische Zyste
Endodermal; Metaplasie von Meningothelien?
Hirnstamm, subarachnoidal
Respiratorisches Epithel
Gelatinös
–
[40]
Enterogene Zyste (= neurenterische Zyste; (Abb. 18.35c)
Endodermal
Spinal, zervikothorakal, intradural
Intestinal anmutendes Zylinderepithel (PAS-positiv)
Gelatinös
In 30% Wirbelkörperanomalien, fakultativ Drüsen, Muskel, Knorpel etc.
[136]
Glioependymale Zyste (= ependymale Zyste = neurogliale Zyste)
Neuroektodermal
Vierhügelregion, retrozerebellär, intrazerebral u. a.
Ependym auf Astroglia oder Basalmembran
Klare Flüssigkeit
Ependymlage häufig nicht erhalten
[55]
Arachnoidalzyste (Abb. 18.35b)
Meningeal; Trauma, Entzündung oder Malformation
Sylvische Fissur, Kleinhirnbrückenwinkel, spinal
Arachnoidalzellen und Kollagen
Klare Flüssigkeit
–
[55]
Rathke-Zyste
Rathke-Tasche
Intrasellär, selten suprasellär
Kubisches Epithel, z. T. Zilien
Dick- oder dünnflüssig, häufig klar
Asymptomatische Zysten in 2–26% der Autopsien
[149]
18 tären und fibrohistiozytären Infiltraten sowie Hämosiderin (Abb. 18.37). Klinisch unterscheiden sie sich von den Kraniopharyngeomen durch häufigeres Auftreten im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter, überwiegend intraselläre Lokalisation, ausgeprägtere endokrinologische Defizite und eine günstigere Prognose [166].
Granularzelltumor Granularzelltumoren, früher auch als „Granularzellmyoblastome“ oder „Choristome“ bezeichnet, weisen Tumorzellen mit großen, gut abgrenzbaren Zytoplasmen mit zahlreichen eosinophilen, PAS-positiven Granula lysosomalen Ursprungs auf. Verschiedene Tumoren werden als Granularzelltumor bezeichnet:
Der Granularzelltumor der Neurohypophyse (Grad I WHO) [30] wird meist von den lokalen Gliazellen (Pituizyten) abgeleitet und entspricht histologisch den (nicht raumfordernden und asymptomatischen) „tumorettes“, die in bis zu 17% der Autopsien im Hypophysenhinterlappen, Hypophysenstiel oder Infundibulum nachweisbar sind. Hiervon abzugrenzen sind intrazerebrale Granularzelltumoren, bei denen es sich um überwiegend maligne, meist GFAP-positive Tumoren vermutlich astrozytärer Genese handelt, was auch durch die gelegentlich nachweisbare granularzellige Komponenten in Astrozytomen und Glioblastomen unterstützt wird [57]. Die histologisch gutartigen Granularzelltumoren außerhalb des ZNS (z. B. in peripheren Nerven, Skelettmuskulatur, Zunge, Haut) werden von den SchwannZellen abgeleitet [158].
535
Neurokutane Syndrome
a Abb. 18.37 Xanthogranulom der Sellaregion. Histologie mit Cholesterinspalten, Hämosiderin und Fremdkörperriesenzellen
tumsmuster mit Ausbildung von Zellzügen spindeliger Tumorzellen, die sich für S100 und (variabel) für GFAP anfärben [15].
Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse b
Spindelzellonkozytome der Adenohypophyse (Grad I WHO) sind seltene gutartige nichtneuroendokrine Tumoren der Adenohypophyse. Mikroskopisch weisen die Tumorzellen eine onkozyäre Differenzierung mit ausgedehnten eosinophilen feingranulären Zytoplasmen auf und färben sich mit gegen Mitochondrien gerichteten Antikörpern sowie S100 und EMA an [190].
Neurokutane Syndrome
c Abb. 18.36a–c Kraniopharyngeom. Makroskopie eines großen adamantinomatösen Kraniopharyngeoms mit typischer suprasellärer Lokalisation (a) und Histologie mit von einer palisadenartigen basalen Lage zylindrischer Zellen ausgehendem mehrschichtigem Plattenepithel (b) und Nachweis von sog. „wet keratin“ (c)
Pituizytom Pituizytome (Grad I WHO) sind seltene gliale Tumoren die von der Neurohypophyse ausgehen und sich klinisch mit Gesichtsfeldausfällen, Kopfschmerzen oder Funktionsstörungen der Hypophyse bemerkbar machen. Mikroskopisch besitzen Pituizytome ein kompaktes Wachs-
Darunter werden überwiegend hereditäre, seltener auch sporadische, systemische Erkrankungen mit Fehlbildungen, Hamartomen und Tumoren der Haut, des Auges, des Zentralnervensystems und anderer Organe zusammengefasst. Historische Bezeichnungen für diese Gruppe sind u. a. Phakomatosen und neuroektodermale Dysplasien. Neben den hier besprochenen häufigsten Syndromen gibt es eine große Zahl weiterer, sehr seltener Syndrome [197].
Neurofibromatose Neurofibromatose Typ 1 Die autosomal-dominant vererbte Neurofibromatose Typ 1 (NF1, Synonyme: periphere Neurofibromatose, Neurofibromatose von Recklinghausen) ist relativ häufig,
536
Kapitel 18
die Inzidenz wird auf 1:3000 geschätzt. Sie wird meist bereits im Kindesalter mit Café-au-lait-Flecken der Haut, axillären oder inguinalen pigmentierten makulären Läsionen auffällig [196, 235]. Weiter charakteristisch sind multiple (meist plexiforme) Neurofibrome, pigmentierte Hamartome der Iris (Lisch-Knötchen), Skelettabnormitäten (Skoliose, osteolytische Fibrome, Wirbelkörperund Keilbeindeformitäten) und eine Angiopathie mit Proliferation intimaler Myofibroblasten. Bilaterale pilozytische Astrozytome im Bereich des Sehnervs (Optikusgliome) mit häufig stabilem klinischen Verlauf sind charakteristisch, aber auch Glioblastome können auftreten. Außerhalb des ZNS werden unter anderem Phäochromozytome und embryonale Rhabdomyosarkome gehäuft beobachtet. Ursächlich sind Mutationen des auf dem Chromosom 17q11.2 gelgenen NF1-Gens, das für ein ubiquitär exprimiertes, Ras-GTPase-aktivierendes Protein (Neurofibromin) kodiert und eine hohe Spontanmutationsrate zeigt. Die Diagnose wird anhand klinischer Kriterien gestellt, während die direkte genetische Diagnose aufgrund der Komplexität des Gens und der Verschiedenheit der Mutationen aufwendig ist [178].
Neurofibromatose Typ 2
18
Die ebenfalls autosomal-dominant vererbte Neurofibromatose Typ 2 (NF2, zentrale Neurofibromatose) ist seltener (Inzidenz 1:40.000) und manifestiert sich meist im Erwachsenenalter mit intrakraniellen und intraspinalen Neurinomen, Meningeomen und Gliomen. Charakteristisch sind bilaterale Akustikusneurinome sowie (seltener) hamartomatöse Hirnläsionen wie die Meningeoangiomatose, die intramedulläre Schwannose und gliale Mikrohamartome. Katarakte und retinale Hamartome kommen vor. Das verantwortliche Suppressorgen auf dem Chromosom 22q12 kodiert für ein nahezu ubiquitär exprimiertes, mit dem Zytoskelett assoziiertes Protein der Zellmembran (Merlin/Schwannomin).
Tuberöse Sklerose Die autosomal-dominant vererbte Krankheit (Synonym: Bourneville-Pringle-Krankheit, Inzidenz 1:6000; 50–70% Neumutationen) macht sich typischerweise bereits in der Kindheit mit Minderbegabung und Krampfanfällen bemerkbar, wobei jedoch subklinische Verläufe häufiger als früher vermutet sind [35]. Typische Hautveränderungen sind pigmentarme Flecken (90%), perinasale Angiofibrome („Adenoma sebaceum“, 50–90%), und Chagrinleder-ähnliche derbe Herde (fibröse Hamartome, 20–40%). Es kommt zu gingivalen, sub- und periungualen Fibromen (20%), Peri-, En- oder Exostosen, kardialen Rhabdomyo-
Tumoren
men (25–65%), renalen Angiomyolipomen (45–90%), pulmonalen Fibromyomen und Lymphangiomyomatosen, Hämangiomen von Leber und Milz sowie flachen retinalen Riesenzellastrozytomen („Phakomen“, 20–50%). Hirnarterienaneurysmen sind gehäuft. Auch andere Fehlbildungen wie Syndaktylien oder Kolobome können auftreten. Die definitive, wahrscheinliche oder Verdachtsdiagnose einer tuberösen Sklerose wird anhand einer Kombination klinischer und/oder pathologischer Kriterien gestellt [35]. Neuropathologisch-makroskopisch und neuroradiologisch finden sich zahlreiche gegen das Lumen der Seitenventrikel vorwölbende, weißliche, derbe, glatt begrenzte, teils verkalkte, „kerzentropfenartige“, subependymale Knoten, die in Marklager und Stammganglien übergehen. Größere symptomatische Tumoren treten bei 5–20% der Patienten auf und werden als subependymale Riesenzellastrozytome bezeichnet (Abb. 18.38). Analoge Veränderungen bestehen in der Großhirnrinde: Es handelt sich dabei um gut abgegrenzte, oft multiple, blasse, derbe, knotige Vorwölbungen der Oberfläche („Tuber“) von bis zu einigen Zentimetern mit unscharfer Rinden-Mark-Grenze (Abb. 18.38a). Histologisch bieten sie irregulär eingestreute große, teils monströse oder mehrkernige astrozytäre und/oder neuronale Zellen (wie beim subependymalen Riesenzellastrozytom), eine Aufhebung der regulären Rindenschichtung, einer Reduktion von Nervenzellen, Markscheiden und Synapsen sowie eine Gliose („Sklerose“). Im Großhirnmarklager trifft man auf neuronale Heterotopien. Verantwortlich sind Mutationen des TSC1-Gens auf Chromosom 9q oder (häufiger) des TSC2-Gens auf Chromosom 16p. TSC1 kodiert für Hamartin, das in zytoplasmatischen Vesikeln lokalisiert ist, und TSC2 für Tuberin, das mit Hamartin interagiert. Eine Zuordnung von TSC1- oder TSC2-Mutationen zu einem spezifischen Phänotyp ist nicht möglich.
Von-Hippel-Lindau-Krankheit Für diese autosomal-dominant vererbte Krankheit, deren Inzidenz auf 1:40.000 geschätzt wird, ist das Auftreten von Hämangioblastomen charakteristisch, die nicht nur zerebellär, sondern auch spinal und im Bereich der Nervenwurzeln lokalisiert sein können. Im Bereich der Retina auftretende Hämangioblastome werden als retinale „Angiome“ bezeichnet und kommen bei 40–68% der Patienten vor. Außerhalb des ZNS ist eine Reihe von Tumoren mit der von-Hippel-Lindau-Krankheit assoziiert. Es handelt sich um Nierenzellkarzinome, Phäochromozytome und Zystadenome von Pankreas und Nebenhoden, neuroendokrine Tumoren des Pankreas und Paragangliome. Zysten im Bereich von Niere und Pankreas sind häufig.
Vaskuläre Hamartome
537
Sturge-Weber-Krankheit Es handelt sich um eine kongenitale, überwiegend sporadisch auftretende, meist unilaterale, kombinierte Gefäßfehlbildung (Synonyme: zerebrofaziale oder zerebrotrigeminale Angiomatose), die sowohl bestimmte, vom N. trigeminus versorgte Areale der Gesichtshaut (Naevus flammeus) als auch herdförmig die ipsilaterale Hirnoberfläche, in 40% die Aderhaut der Augen und sehr selten andere Organe befällt [214]. In der Leptomeninx sieht man kapilläre und venöse Teleangiektasien, in der darunter liegenden Rinde ausgeprägte Verkalkungen, in der Umgebung Nervenzellausfälle und Gliosen. a
Vaskuläre Hamartome Vaskuläre Hamartome machen 3–9% der intrakraniellen Raumforderungen aus und sind für 20–40% der intrakraniellen Blutungen verantwortlich. Auch wenn die Läsionen aufgrund von Mikroblutungen, Fibrosen, Gefäßdilatationen u. Ä. wachsen können, handelt es sich nicht um echte Tumoren, sondern um kongenitale Konglomerate abnormer Gefäße. b
Kapilläre Teleangiektasien
c Abb. 18.38a–c Tuberöse Sklerose. Tuber mit unscharfer RindenMark-Grenze (a) sowie Makroskopie (b) und Histologie (c) des subependymalen Riesenzellastrozytoms (SEGA)
Erste Symptome treten meist im frühen Erwachsenenalter auf. Die mediane Lebenserwartung beträgt 49 Jahre, wobei als häufigste Todesursache Nierenzellkarzinome zu nennen sind. Verantwortlich sind Mutationen des VHL-Gens auf Chromosom 3p25, das in verschiedenen Epithelien und im Gehirn vor allem in Neuronen exprimiert wird [32].
Kapilläre Teleangiektasien bestehen aus extrem weitgestellten Kapillaren, seltener auch Venolen und Venen mit manchmal leicht fibrosierter Wand. Zwischen den sich nicht unmittelbar berührenden ektatischen Gefäßen liegt Hirngewebe, selten mit leichter Gliose, einzelnen Siderophagen oder Verkalkungen. Meist handelt es sich um sehr kleine, oft makroskopisch kaum erkennbare oder wenige Zentimeter messende Herde, die meist ein Zufallsbefund sind, selten aber auch Ursache tödlicher Massenblutungen sein können. 35% sind in der zentralen Brücke, 45% im Großhirn gelegen.
Kavernöse Angiome Bei kavernösen Angiomen (Kavernomen) grenzen die meisten Gefäße ohne zwischengeschaltetes Hirngewebe aneinander (Abb. 18.39). Die abnormen Gefäße sind weitlumig, besitzen ein einreihiges Endothel und zeigen oft Fibrosen, Verkalkungen und Thrombosen. Elastisches Material und Muskelzellen sind nur selten nachweisbar. In der Umgebung trifft man auf reichlich Hämosiderin, Rosenthal-Fasern, Sphäroide und eine Gliose. Histologische Übergänge zu kapillären Teleangiektasien sind
538
Kapitel 18
Tumoren
a
Abb. 18.39 Kavernöses Angiom. Histologie mit dicht beieinander liegenden abnormen weitlumigen Gefäßen
nicht selten [187]. Kavernome bevorzugen das subkortikale Großhirnmarklager, die Stammganglien und die Brücke, in der Dura können sie makroskopisch ein Meningeom imitieren. Sie treten in 16–25% der Fälle multipel auf, sind meist 0,1–2 cm groß und können raumfordernd wirken sowie Massenblutungen oder Krampfanfälle verursachen. Kavernome können familiär gehäuft auftreten. Zugrunde liegen unter anderem genetische Veränderungen des KRIT1-Gens (CCM1), des CCM2/Malcavernin-Gens (CCM2) oder des PDCD10-Gens (CCM3) [183].
Arteriovenöse Malformationen
18
Arteriovenöse Malformationen (Abb. 18.40) zeigen die Charakteristika von Venen und Arterien, allerdings meist einen irregulären Wandaufbau mit variabler Ausprägung der einzelnen Wandschichten, Fibrosierung, aneurysmatischer Dilatation, Verkalkung, Thrombose und Rekanalisierung, selten auch arteriosklerotischen Plaques. Oft ist der Gefäßtyp nicht erkennbar. Bei fehlenden Kapillaren bestehen arteriovenöse Kurzschlüsse, die zu periangiomatösen Ischämien mit Infarkten, Verlust oder Kalkinkrustation von Neuronen führen können. Hämosiderin, lymphozytäre Infiltrate und Gliosen sind häufig. Betroffen sind alle Regionen des Zentralnervensystems, besonders aber die von der A. cerebri media versorgten. Oft sind die ausgedehnten AV-Malformationen pyramidenförmig mit einer leptomeningealen Basis und einer nach innen reichenden Spitze. Mit einer Inzidenz von 0,2–0,6% sind sie die häufigsten zerebralen Gefäßmalformationen. Klinisch kommt es zu Krampfanfällen oder in 65% zu Blutungen. Sie sind von traumatisch entstandenen arteriovenösen Fisteln im Sinus cavernosus zu unterscheiden. Eine Variante der AV-Malformation manifestiert sich in zentralen Regionen im Kleinkindesalter. Dabei entwi-
b Abb. 18.40a,b Arteriovenöse Malformation. Makroskopie (a) und Histologie mit abnormen arteriell oder venös differenzieren Gefäßen (b)
ckeln sich massive Erweiterungen der Tentoriumsinus und der zur Vena Galeni führenden Venen („Dysplasie der Vena Galeni“), die zur Mittelhirnkompression, zu multizystischen Nekrosen sowie zur Herzinsuffizienz führen können.
Venöse Malformationen Venöse Malformationen bestehen aus einer oder mehreren hochgradig ektatischen Venen („Varizen“) in Verbindung mit einer Gruppe kleinerer, aber immer noch ektatischer Venen. Die Gefäßwände sind schmal, besitzen Muskelzellen, aber keine Elastika, und zeigen oft degenerative Veränderungen. Bevorzugt lokalisiert sind sie im Großhirnmarklager, im Kleinhirn und in den Stammganglien. Den spinalen Formen liegen häufig arteriovenöse Durafisteln zugrunde. Etwa 5% der vaskulären Hamartome sind gemischte vaskuläre Malformationen, die aus mehr als einem der vier oben erwähnten Typen bestehen [4].
539
Metastasen
Meningeoangiomatose Bei der Meningeoangiomatose findet man in der Großhirnrinde proliferierte kleinkalibrige Gefäße, die von spindeligen Zellen umhüllt werden (Abb. 18.41); diese bilden in den Leptomeningen Wirbel und verkalkte Plaques und sind immunhistologisch vaskulären Fibroblasten oder Meningothelien zuzurechnen. Häufig besteht eine Neurofibromatose Typ 2.
Metastasen Metastasen von Hirntumoren Eine Infiltration in die Meningen ist bei niedriggradigen Gliomen, besonders bei pilozytischen Astrozytomen und Oligodendrogliomen, nicht selten und nicht mit einem bösartigen Verlauf assoziiert. Dagegen findet man bei malignen neuroepithelialen Tumoren ein Abtropfen von Tumorzellen in den Liquor oder multifokale Liquormetastasen in 5–77% der malignen Gliome und in 15–50% der Medulloblastome, wobei sich die höheren Werte auf autoptische, die niedrigeren auf klinische Untersuchungen beziehen. Reaktive Meningealfibrosen sollten in diesen Fällen von desmoplastischen Medulloblastomen oder Gliosarkomen abgegrenzt werden. Neurale Reinvasionen oder Austapezierungen der ependymalen Oberfläche können vorkommen. Im Gegensatz dazu entwickeln sich systemische Metastasen nur in 0,4% aller neuroektodermaler Tumoren. 40% der Patienten sind Kinder. Bei den Tumoren handelt es sich vorwiegend um Medulloblastome (20–40% der Metastasen; 0,4–9% aller Medulloblastome), Glioblastome/Gliosarkome/maligne Astrozytome (25–30%/0,5%), Meningeome (20%/<0,1%) und Ependymome (10%/0,3– 6,2%). Hauptsitz der Metastasen sind bei Medulloblastomen Knochen (90%) und Lymphknoten, bei Gliomen Lunge und Lymphknoten und bei Meningeomen die Lunge. Die betroffenen Lymphknoten sind zervikal (60%), seltener hilär und/oder mediastinal (30%) lokalisiert; 75% der Knochenmetastasen bestehen in der Wirbelsäule. Todesursache ist meist der zerebrale Tumor, nicht die Metastase. Nicht berücksichtigt sind hier primär zerebrale Lymphome, die autoptisch in 4–27% extrakranielle Tumorherde aufweisen. Systemische Metastasen kommen spontan vor (8%), selten sogar als Erstmanifestation, doch tritt die Mehrzahl nach Operationen auf. Die Rolle therapeutisch angelegter Shunts wird kontrovers diskutiert. Als mögliche Gründe für die Seltenheit extraneuraler Hirntumormetastasen wurden angeführt: die fehlende Infiltrationsfähigkeit der Tumorzellen durch Basalmembranen und Endothel, die Struktur intrakranieller Venen (kräftige Binde-
Abb. 18.41 Meningeoangiomatose. Histologie mit in die Großhirnrinde einwachsenden kleinkalibrigen Gefäßen, die von spindeligen Zellen umhüllt werden und Wirbel und verkalkte Plaques ausbilden. GFAP-Färbung zur Verdeutlichung des Infiltrationsmusters
gewebseinscheidung der duralen Sinus, Kollabieren zerebraler Venen bei benachbartem Tumor), eine rasche Nekrose von Tumorzellen im Blutstrom, das Nichtangehen neuralen Gewebes in anderen Organen, der relativ kurze klinische Verlauf, so dass es nicht mehr zur Metastasierung kommt, sowie das Fehlen eines regulären lymphatischen Systems im Gehirn [174].
Hirnmetastasen Autoptisch sind bei 10–20% der Karzinompatienten Hirnmetastasen nachweisbar. Die häufigsten Primärtumoren sind Bronchialkarzinome (54–72% der Hirnmetastasen), gefolgt von Mammakarzinomen (20–34%), malignen Melanomen und Nierenzellkarzinomen. Einige Tumoren metastasieren besonders häufig in das Gehirn, so Chorionkarzinome (9–83% der Tumoren), maligne Melanome (8–75%), Mamma- (18–37%) und Bronchialkarzinome (15–49%), andere dagegen nur selten, wie gastrointestinale Karzinome sowie Gallengangs- und Uteruskarzinome (jeweils weniger als 2% der Tumoren), doch kann prinzipiell jeder maligne Tumor in das Gehirn metastasieren. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 2%. Bei Kindern überwiegen Absiedelungen von Rhabdomyosarkomen und Keimzelltumoren. Makroskopisch handelt es sich um scharf abgegrenzte, solitäre oder multiple, unsystematisch verteilte Knoten
540
Kapitel 18
a
Tumoren
Mechanismen schädigen. Die neurologischen Symptome können der klinischen Manifestation des Primärtumors z. T. um Jahre vorausgehen. Diese paraneoplastischen Syndrome sind mit spezifischen Tumortypen assoziiert. Pathogenetisch liegen wahrscheinlich gemeinsame Epitope zwischen Tumor und Hirngewebe zugrunde, so dass sich die Immunabwehr nicht nur gegen den extrazerebralen Tumor, sondern auch gegen das normale Hirngewebe richtet. Die bei einem Teil der Patienten nachgewiesenen Autoantikörper sind im Liquor in höherer Konzentration als im Serum vorhanden; neurologisch unauffällige Karzinompatienten und gesunde Kontrollpersonen zeigen die Antikörper im Allgemeinen nicht. Man unterscheidet folgende paraneoplastische Syndrome [108]:
Kleinhirndegeneration
b Abb. 18.42a,b Hirnmetastasen. Makroskopie mit multiplen Metastasen in typischer Lokalisation im Bereich der Rinden-Mark-Grenze (a) und Histologie einer mäßig differenzierten Hirnmetastase eines Adenokarzinoms (b). Beachte die relativ deutliche Abgrenzung der Metastase vom umgebenden Hirngewebe
Die Kleinhirndegeneration zeigt eine ausgeprägte Lichtung der Purkinje-Zellen, die – im Unterschied zu den toxischen Degenerationen – diffus beide Hemisphären und den Wurm betrifft. Seltener sind auch die Körnerzellen reduziert. Entzündliche Infiltrate sind in der Regel nicht vorhanden. Klinisch imponieren subakute, massive zerebelläre Symptome bei Mamma-, Endometrium-, Ovarial- und Bronchialkarzinomen sowie M. Hodgkin. Bei den Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren wurden Autoantikörper (anti-Yo) gegen zytoplasmatische Purkinje-Zell-Antigene nachgewiesen [85].
Stiff-Person-Syndrom
18
mit gewisser Bevorzugung der Rinden-Mark-Grenze, der Grenzversorgungsgebiete der großen Hirnarterien und des Kleinhirns (Abb. 18.42). Das Umgebungsödem kann massiv sein. Bei oberflächennahem Sitz oder auch primär kommt es zu einer Meningeosis carcinomatosa mit Aussaat von Tumorzellen in den Liquor, so dass bei der liquorzytologischen Untersuchung eine intravitale Diagnose möglich ist. Selten sind diffuse Hirnkarzinosen, die nur histologisch diagnostiziert werden können. Bei knotigen oder diffusen Durakarzinosen überwiegen Mamma- und Prostatakarzinome. Mehrfach wurde über Karzinommetastasen in Hirntumoren, vor allem in Meningeomen, berichtet.
Paraneoplasien des Zentralnervensystems Karzinome, seltener andere Tumoren, können das Nervensystem nicht nur durch Metastasen oder Infiltration, sondern auch durch indirekte, überwiegend immunologische
Ein Stiff-Person-Syndrom (generalisierte Tonuserhöhung der Muskulatur) kann auch bei Patienten mit Karzinomen der Mamma- und anderer Organe auftreten. Beim paraneoplastischen Stiff-Person-Syndrom spielen im Serum nachweisbare Autoantikörper gegen Amphiphysin eine pathogenetische Rolle [208, 232].
Opsoklonus Der Opsoklonus (unwillkürliche, ungerichtete, ständige, rasche Augenbewegungen) ist meist mit Ataxie und Myoklonien verbunden und tritt bei Patienten mit Neuroblastomen, Mamma- und kleinzelligen Bronchialkarzinomen auf. Pathologisch wurden bisher nur spärliche mononukleäre Infiltrate, aber keine Nervenzellausfälle beschrieben. Patientinnen mit Mammakarzinomen können Autoantikörper (anti-Ri) gegen Nervenzellkerne besitzen [135].
541
Hirnschädigungen durch Malignomtherapie
Enzephalomyelitis Die Enzephalomyelitis kann unterschiedliche Regionen befallen, so den Hippokampus, die Amygdala und den Gyrus cinguli (klinisch: limbische Enzephalitis mit Amnesie, Verwirrtheit und Verhaltensstörungen [68]), die Medulla oblongata (Hirnstammenzephalitis mit Schwindel, Nystagmus, Dysarthrie und Diplopie) und das Vorderhorn des Rückenmarks (motorische Neuropathie). Weitere Lokalisationen bilden die Spinalganglien (sensorische Neuropathie) und autonomen Ganglien (Dysautonomie). Meist (70%) sind mehrere dieser Regionen gleichzeitig betroffen. Pathologisch trifft man auf perivaskuläre, überwiegend lymphozytäre (B- und T-)Infiltrate, Nervenzellausfälle, Entmarkungen, Mikrogliareaktionen und Astrogliosen. In zerebralen Neuronen kann zytoplasmatisches und nukleäres IgG nachgewiesen werden. Meist (78%) bestehen kleinzellige Bronchialkarzinome oder testikuläre Tumoren sowie oft Autoantikörper (anti-Hu, anti-Ma, anti-Ta), die mit den Kernen praktisch aller Neurone im zentralen und peripheren Nervensystem und mit kleinzelligen Bronchialkarzinomen reagieren. Ein Großteil der zerebralen Infiltratlymphozyten erkennt das Hu-Antigen.
Hirnschädigungen durch Malignomtherapie Bestrahlung und Chemotherapie haben, neben einer Optimierung der operativen Technik, in den letzten Jahren die Prognose mancher kindlicher Hirntumoren (z. B. des Medulloblastoms) dramatisch verbessert, in geringerem Ausmaß auch eine Lebensverlängerung bei adulten Patienten mit malignen Gliomen bewirkt. Dies wurde zum Teil durch Nebenwirkungen der aggressiven Therapie am Zentralnervensystem erkauft; zudem treten wegen der längeren Überlebenszeit vermehrt Spätschäden auf.
Strahlennekrose An Strahlenreaktionen („Strahlennekrosen“) des Gehirns unterscheidet man frühe, schon nach 3 Monaten nachweisbare Formen (pathologisch: kleinherdige Demyelinisierungen mit lymphoplasmazellulären Infiltraten wie bei Enzephalomyelitis disseminata) und nach Monaten, Jahren, selten Jahrzehnten auftretende späte Formen (pathologisch: Koagulationsnekrose, Demyelinisierung, fibrinoide Nekrose der Gefäßwände, fibrinöse Exsudate mit fibröser Organisation, Gliose mit teils polymorphen Astrozytenkernen, wenig oder keine entzündlichen Infiltrate). Die späte Strahlennekrose ist klinisch, radiologisch
und auch makroskopisch nicht immer sicher von einem Tumorrezidiv zu unterscheiden. Neu entwickelte Bildgebungsmethoden wie beispielsweise die Amid-ProtonTransfer-MRT [240] versprechen in Zukunft eine bessere Differenzierung von Tumorrezidiv und Strahlennekrose.
Diffuse Leukoenzephalopathie Die diffuse Leukoenzephalopathie (disseminierte nekrotisierende Leukoenzephalopathie) kann sich nach intrathekaler Chemotherapie (besonders Methotrexat), vor allem aber nach zusätzlicher Bestrahlung (über 24 Gy) entwickeln. Die Ätiologie ist allerdings nicht ganz geklärt, da gleichartige Veränderungen selten auch ohne Therapie auftreten können. Die Krankheit äußert sich in Krampfanfällen, Demenz und Ataxie, meist bei Leukämie- und Lymphompatienten. Makroskopisch sieht man im Marklager des Großhirns, seltener des Kleinhirns, zahlreiche konfluierende, weiche, graubraune Herde. Mikroskopisch bestehen umschriebene Koagulationsnekrosen, Entmarkungen, zum Teil verkalkte axonale Sphäroide, Spongiosen, eine Reduktion der Oligodendroglia bei astrozytärer Gliose und nur geringer lymphozytärer und makrophagozytärer Reaktion. Die Veränderungen können auf die Brücke, die Hirnschenkel, seltener das Rückenmark beschränkt sein und dann zahlreiche Sphäroide beinhalten (fokale spongiös-axonopathische Enzephalomyelopathie [168]. Diskrete Herde können nach intravenöser Gabe von Zytostatika bobachtet werden.
Zweittumoren Mehrere Jahre (5 Monate bis 26 Jahre, Mittel 9 Jahre) nach Bestrahlung eines Hirntumors, einer Tinea capitis oder nach prophylaktischer Bestrahlung des Schädels bei ALL können Zweittumoren im Gehirn auftreten. Meist handelt es sich um Meningeome, Sarkome, Glioblastome, Astrozytome und Non-Hodgkin-Lymphome. Dabei lag die Strahlendosis zwischen 3 und 60 Gy. Typische genetische Veränderungen wurden bei diesen Tumoren nicht gefunden [13]. Bei Retinoblastomen und wahrscheinlich auch bei ALL besteht eine genetische Prädisposition zur Entwicklung von Zweittumoren.
Therapieinduzierte Tumorveränderungen Die (erwünschte) Schädigung des Tumors nach Strahlenund Chemotherapie äußert sich bei malignen Gliomen nicht selten in einem gehäuften Auftreten mehrkerniger Riesenzellen mit monströsen, oft hyperchromatischen
542
Kapitel 18
Kernen bei niedriger Mitoserate. Die Gefäßwände sind im Gegensatz zu den pathologischen Gliomgefäßen häufig zellarm, fibrosiert oder fibrinoid nekrotisch. Zusätzlich zu den scharf demarkierten strichförmigen Glioblastomnekrosen trifft man auf unscharf begrenzte, oft inkomplette und serös durchtränkte Nekroseareale, zum Teil mit ausgeprägter mesenchymaler Organisation. Bei kindlichen Glioblastomen und Medulloblastomen wurde in Einzelfällen nach Chemotherapie eine ganglioide bzw. neuronale Ausdifferenzierung beschrieben [19, 96].
Tumoren
8.
9. 10.
11.
Spätfolgen der Bestrahlung 12.
Die Bestrahlung des Neurokraniums geht besonders bei Kindern mit einer diffusen Schädigung mit Entwicklung progredienter kognitiver Einschränkungen einher. Einen Hauptrisikofaktor stellt ein jüngeres Alter zum Behandlungszeitpunkt dar [150], weswegen bei Kinder unter 3 Jahren eine Bestrahlung nur in Ausnahmefällen durchgeführt wird. Selten wurden nach Bestrahlung Nervenzellausfälle in der Großhirnrinde, Rindenverbreiterung mit Riesenneuronen [18], eine Gliose des Marklagers, Dilatationen des 3. Ventrikels und Wandschädigungen großer Arterien mit Thrombosen, zerebralen und spinalen Blutungen [2] beschrieben.
13.
14.
15.
16.
Literatur 1.
18
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Ahlbom A, Feychting M, Green A, Kheifets L, Savitz DA, Swerdlow AJ (2009) Epidemiologic evidence on mobile phones and tumor risk: a review. Epidemiology 20: 639–652 Allen JC, Miller DC, Budzilovich GN, Epstein FJ (1991) Brain and spinal cord hemorrhage in long-term survivors of malignant pediatric brain tumors: a possible late effect of therapy. Neurology 41: 148–150 Arnold PM, Oldershaw JB, McDonald LW, Langer BG (1990) Myxomatous cyst of the brachial plexus. Case report. J Neurosurg 73: 782–784 Awad IA, Robinson JR, Jr., Mohanty S, Estes ML (1993) Mixed vascular malformations of the brain: clinical and pathogenetic considerations. Neurosurgery 33: 179–188; discussion 188 Balss J, Meyer J, Mueller W, Korshunov A, Hartmann C, von Deimling A (2008) Analysis of the IDH1 codon 132 mutation in brain tumors. Acta Neuropathol 116: 597–602 Banerjee AK, Sharma BS, Vashista RK, Kak VK (1992) Intracranial olfactory neuroblastoma: evidence for olfactory epithelial origin. J Clin Pathol 45: 299–302 Batara JF, Grossman SA (2003) Primary central nervous system lymphomas. Curr Opin Neurol 16: 671–675
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
Becher MW, Abel TW, Thompson RC, Weaver KD, Davis LE (2006) Immunohistochemical analysis of metastatic neoplasms of the central nervous system. J Neuropathol Exp Neurol 65: 935–944 Bell JE (1994) Update on central nervous system cytopathology. I. Cerebrospinal fluid. J Clin Pathol 47: 573–578 Bilzer T, Reifenberger G, Wechsler W (1989) Chemical induction of brain tumors in rats by nitrosoureas: molecular biology and neuropathology. Neurotoxicol Teratol 11: 551–556 Brat DJ, Scheithauer BW, Staugaitis SM, Cortez SC, Brecher K, Burger PC (1998) Third ventricular chordoid glioma: a distinct clinicopathologic entity. J Neuropathol Exp Neurol 57: 283–290 Brat DJ, Giannini C, Scheithauer BW, Burger PC (1999) Primary melanocytic neoplasms of the central nervous systems. Am J Surg Pathol 23: 745–754 Brat DJ, James CD, Jedlicka AE et al. (1999) Molecular genetic alterations in radiation-induced astrocytomas. Am J Pathol 154: 1431–1438 Brat DJ, Hirose Y, Cohen KJ, Feuerstein BG, Burger PC (2000) Astroblastoma: clinicopathologic features and chromosomal abnormalities defined by comparative genomic hybridization. Brain Pathol 10: 342–352 Brat DJ, Scheithauer BW, Staugaitis SM, Holtzman RN, Morgello S, Burger PC (2000) Pituicytoma: a distinctive low-grade glioma of the neurohypophysis. Am J Surg Pathol 24: 362–368 Bruna J, Brell M, Ferrer I, Gimenez-Bonafe P, Tortosa A (2007) Ki-67 proliferative index predicts clinical outcome in patients with atypical or anaplastic meningioma. Neuropathology 27: 114–120 Budka H, Pilz P, Guseo A (1975) Primary leptomeningeal sarcomatosis. Clinicopathological report of six cases. J Neurol 211: 77–93 Caccamo D, Herman MM, Urich H, Rubinstein LJ (1989) Focal neuronal gigantism and cerebral cortical thickening after therapeutic irradiation of the central nervous system. Arch Pathol Lab Med 113: 880–885 Cai DX, Mafra M, Schmidt RE, Scheithauer BW, Park TS, Perry A (2000) Medulloblastomas with extensive posttherapy neuronal maturation. Report of two cases. J Neurosurg 93: 330–334 Capper D, Zentgraf H, Balss J, Hartmann C, von Deimling A (2009) Monoclonal antibody specific for IDH1 R132H mutation. Acta Neuropathol 118: 599–601 Capper D, Sahm F, Hartmann C, Meyermann R, von Deimling A, Schittenhelm J (2010) Application of mutant IDH1 antibody to differentiate diffuse glioma from nonneoplastic central nervous system lesions and therapy-induced changes. Am J Surg Pathol 34: 1199–1204 Capper D, Weissert S, Balss J et al. (2010) Characterization of R132H mutation-specific IDH1 antibody binding in brain tumors. Brain Pathol 20: 245–254 Capper D, Reuss D, Schittenhelm J et al. (2011) Mutationspecific IDH1 antibody differentiates oligodendrogliomas
Literatur
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32. 33.
34.
35. 36.
37.
38.
and oligoastrocytomas from other brain tumors with oligodendroglioma-like morphology. Acta Neuropathol 121: 241–252 Carney JA (1990) Psammomatous melanotic schwannoma. A distinctive, heritable tumor with special associations, including cardiac myxoma and the Cushing syndrome. Am J Surg Pathol 14: 206–222 Casadei GP, Komori T, Scheithauer BW, Miller GM, Parisi JE, Kelly PJ (1993) Intracranial parenchymal schwannoma. A clinicopathological and neuroimaging study of nine cases. J Neurosurg 79: 217–222 Casadei GP, Scheithauer BW, Hirose T, Manfrini M, Van Houton C, Wood MB (1995) Cellular schwannoma. A clinicopathologic, DNA flow cytometric, and proliferation marker study of 70 patients. Cancer 75: 1109–1119 Casey M, Vaughan CJ, He J et al. (2000) Mutations in the protein kinase A R1alpha regulatory subunit cause familial cardiac myxomas and Carney complex. J Clin Invest 106: R31–38 CBTRUS (2010) Primary brain tumors in the United States statistical report 2004–2006. Central Brain Tumor Registry of the United States, Hinsdale Cerda-Nicolas M, Kepes JJ (1993) Gliofibromas (including malignant forms), and gliosarcomas: a comparative study and review of the literature. Acta Neuropathol 85: 349–361 Cohen-Gadol AA, Pichelmann MA, Link MJ et al. (2003) Granular cell tumor of the sellar and suprasellar region: clinicopathologic study of 11 cases and literature review. Mayo Clin Proc 78: 567–573 Coons SW, Johnson PC (1993) Regional heterogeneity in the proliferative activity of human gliomas as measured by the Ki-67 labeling index. J Neuropathol Exp Neurol 52: 609–618 Couch V, Lindor NM, Karnes PS, Michels VV (2000) von Hippel-Lindau disease. Mayo Clin Proc 75: 265–272 Crawford JR, MacDonald TJ, Packer RJ (2007) Medulloblastoma in childhood: new biological advances. Lancet Neurol 6: 1073–1085 Crotty TB, Scheithauer BW, Young WF, Jr., Davis DH, Shaw EG, Miller GM, Burger PC (1995) Papillary craniopharyngioma: a clinicopathological study of 48 cases. J Neurosurg 83: 206–214 Curatolo P, Bombardieri R, Jozwiak S (2008) Tuberous sclerosis. Lancet 372: 657–668 Daumas-Duport C, Scheithauer B, O’Fallon J, Kelly P (1988) Grading of astrocytomas. A simple and reproducible method. Cancer 62: 2152–2165 Daumas-Duport C, Scheithauer BW, Chodkiewicz JP, Laws ER, Jr., Vedrenne C (1988) Dysembryoplastic neuroepithelial tumor: a surgically curable tumor of young patients with intractable partial seizures. Report of thirty-nine cases. Neurosurgery 23: 545–556 Daumas-Duport C, Varlet P, Bacha S, Beuvon F, CerveraPierot P, Chodkiewicz JP (1999) Dysembryoplastic neuroepithelial tumors: nonspecific histological forms – a study of 40 cases. J Neurooncol 41: 267–280
543
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
De Vleeschouwer S, Fieuws S, Rutkowski S et al. (2008) Postoperative adjuvant dendritic cell-based immunotherapy in patients with relapsed glioblastoma multiforme. Clin Cancer Res 14: 3098–3104 Del Bigio MR, Jay V, Drake JM (1992) Prepontine cyst lined by respiratory epithelium with squamous metaplasia: immunohistochemical and ultrastructural study. Acta Neuropathol 83: 564–568 Deonna T, Ziegler AL (2000) Hypothalamic hamartoma, precocious puberty and gelastic seizures: a special model of „epileptic“ developmental disorder. Epileptic Disord 2: 33–37 Deorah S, Lynch CF, Sibenaller ZA, Ryken TC (2006) Trends in brain cancer incidence and survival in the United States: Surveillance, Epidemiology, and End Results Program, 1973 to 2001. Neurosurg Focus 20: E1 Diepholder HM, Schwechheimer K, Mohadjer M, Knoth R, Volk B (1991) A clinicopathologic and immunomorphologic study of 13 cases of ganglioglioma. Cancer 68: 2192–2201 Dix AR, Brooks WH, Roszman TL, Morford LA (1999) Immune defects observed in patients with primary malignant brain tumors. J Neuroimmunol 100: 216–232 Ducatman BS, Scheithauer BW (1984) Malignant peripheral nerve sheath tumors with divergent differentiation. Cancer 54: 1049–1057 Eaton KW, Tooke LS, Wainwright LM, Judkins AR, Biegel JA (2011) Spectrum of SMARCB1/INI1 mutations in familial and sporadic rhabdoid tumors. Pediatr Blood Cancer 56: 7–15 Eberhart CG, Brat DJ, Cohen KJ, Burger PC (2000) Pediatric neuroblastic brain tumors containing abundant neuropil and true rosettes. Pediatr Dev Pathol 3: 346–352 Emory TS, Scheithauer BW, Hirose T, Wood M, Onofrio BM, Jenkins RB (1995) Intraneural perineurioma. A clonal neoplasm associated with abnormalities of chromosome 22. Am J Clin Pathol 103: 696–704 Engel U, Gottschalk S, Niehaus L, Lehmann R, May C, Vogel S, Janisch W (2000) Cystic lesions of the pineal region – MRI and pathology. Neuroradiology 42: 399–402 Ferlay J, Bray F, Pisani P, Parkin DM (2010) GLOBOCAN 2008, Cancer Incidence and Mortality Worldwide: IARC CancerBase No. 10. International Agency for Research on Cancer, Lyon Fernandez C, Figarella-Branger D, Girard N, Bouvier-Labit C, Gouvernet J, Paz Paredes A, Lena G (2003) Pilocytic astrocytomas in children: prognostic factors--a retrospective study of 80 cases. Neurosurgery 53: 544–553; discussion 554–545 Fevre-Montange M, Hasselblatt M, Figarella-Branger D et al. (2006) Prognosis and histopathologic features in papillary tumors of the pineal region: a retrospective multicenter study of 31 cases. J Neuropathol Exp Neurol 65: 1004– 1011 Firlik KS, Martinez AJ, Lunsford LD (1999) Use of cytological preparations for the intraoperative diagnosis of stereo-
544
Kapitel 18
54.
55.
56.
57. 58.
59.
60.
61.
62.
63.
18 64.
65.
66.
67.
68.
tactically obtained brain biopsies: a 19-year experience and survey of neuropathologists. J Neurosurg 91: 454–458 Franke FE, Schachenmayr W, Osborn M, Altmannsberger M (1991) Unexpected immunoreactivities of intermediate filament antibodies in human brain and brain tumors. Am J Pathol 139: 67–79 Friede RL (1989) Meningeal cysts. In: Friede RL (ed) Developmental neuropathology. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 209–230 Gambini C, Rongioletti F, Rebora A (2000) Proliferation of eccrine sweat ducts associated with heterotopic neural tissue (nasal glioma). Am J Dermatopathol 22: 179–182 Geddes JF, Thom M, Robinson SF, Revesz T (1996) Granular cell change in astrocytic tumors. Am J Surg Pathol 20: 55–63 Geddes JF, Jansen GH, Robinson SF, Gomori E, Holton JL, Monson JP, Besser GM, Revesz T (2000) ‘Gangliocytomas’ of the pituitary: a heterogeneous group of lesions with differing histogenesis. Am J Surg Pathol 24: 607–613 Geppert M, Ostertag CB, Seitz G, Kiessling M (1990) Glucocorticoid therapy obscures the diagnosis of cerebral lymphoma. Acta Neuropathol 80: 629–634 Gessi M, Giangaspero F, Lauriola L et al. (2009) Embryonal tumors with abundant neuropil and true rosettes: a distinctive CNS primitive neuroectodermal tumor. Am J Surg Pathol 33: 211–217 Giangaspero F, Rigobello L, Badiali M, Loda M, Andreini L, Basso G, Zorzi F, Montaldi A (1992) Large-cell medulloblastomas. A distinct variant with highly aggressive behavior. Am J Surg Pathol 16: 687–693 Giannini C, Scheithauer BW, Jenkins RB, Erlandson RA, Perry A, Borell TJ, Hoda RS, Woodruff JM (1997) Softtissue perineurioma. Evidence for an abnormality of chromosome 22, criteria for diagnosis, and review of the literature. Am J Surg Pathol 21: 164–173 Giannini C, Scheithauer BW, Burger PC, Brat DJ, Wollan PC, Lach B, O’Neill BP (1999) Pleomorphic xanthoastrocytoma: what do we really know about it? Cancer 85: 2033–2045 GKR (2009) Krebsinzidenz 2005-2006 im Erfassungsgebiet des Gemeinsamen Krebsregisters. Broschuere.de Verlag, Berlin Glantz MJ, Burger PC, Herndon JE, 2nd, Friedman AH, Cairncross JG, Vick NA, Schold SC Jr (1991) Influence of the type of surgery on the histologic diagnosis in patients with anaplastic gliomas. Neurology 41: 1741–1744 Goodwin TL, Sainani K, Fisher PG (2009) Incidence patterns of central nervous system germ cell tumors: a SEER Study. J Pediatr Hematol Oncol 31: 541–544 Gottschalk J, Jautzke G, Paulus W, Goebel S, CervosNavarro J (1993) The use of immunomorphology to differentiate choroid plexus tumors from metastatic carcinomas. Cancer 72: 1343–1349 Gultekin SH, Rosenfeld MR, Voltz R, Eichen J, Posner JB, Dalmau J (2000) Paraneoplastic limbic encephalitis: neurological symptoms, immunological findings and tumour association in 50 patients. Brain 123: 1481–1494
Tumoren
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80. 81.
82.
83.
Haas-Kogan DA, Prados MD, Tihan T et al. (2005) Epidermal growth factor receptor, protein kinase B/Akt, and glioma response to erlotinib. J Natl Cancer Inst 97: 880–887 Haberler C, Gelpi E, Marosi C, Rossler K, Birner P, Budka H, Hainfellner JA (2006) Immunohistochemical analysis of platelet-derived growth factor receptor-alpha, -beta, ckit, c-abl, and arg proteins in glioblastoma: possible implications for patient selection for imatinib mesylate therapy. J Neurooncol 76: 105–109 Hammer GP, Seidenbusch MC, Schneider K, Regulla DF, Zeeb H, Spix C, Blettner M (2009) A cohort study of childhood cancer incidence after postnatal diagnostic X-ray exposure. Radiat Res 171: 504–512 Hammond RR, Duggal N, Woulfe JM, Girvin JP (2000) Malignant transformation of a dysembryoplastic neuroepithelial tumor. Case report. J Neurosurg 92: 722–725 Hartmann C, Meyer J, Balss J et al. (2009) Type and frequency of IDH1 and IDH2 mutations are related to astrocytic and oligodendroglial differentiation and age: a study of 1,010 diffuse gliomas. Acta Neuropathol 118: 469–474 Hartmann C, Hentschel B, Wick W et al. (2010) Patients with IDH1 wild type anaplastic astrocytomas exhibit worse prognosis than IDH1-mutated glioblastomas, and IDH1 mutation status accounts for the unfavorable prognostic effect of higher age: implications for classification of gliomas. Acta Neuropathol 120: 707–718 Hasselblatt M, Paulus W (2003) Sensitivity and specificity of epithelial membrane antigen staining patterns in ependymomas. Acta Neuropathol 106: 385–388 Hasselblatt M, Nolte KW, Paulus W (2004) Angiomatous meningioma: a clinicopathologic study of 38 cases. Am J Surg Pathol 28: 390–393 Hasselblatt M, Jeibmann A, Gerss J, Behrens C, Rama B, Wassmann H, Paulus W (2005) Cellular and reticular variants of haemangioblastoma revisited: a clinicopathologic study of 88 cases. Neuropathol Appl Neurobiol 31: 618–622 Hasselblatt M, Blumcke I, Jeibmann A et al. (2006a) Immunohistochemical profile and chromosomal imbalances in papillary tumours of the pineal region. Neuropathol Appl Neurobiol 32: 278–283 Hasselblatt M, Bohm C, Tatenhorst L et al. (2006b) Identification of novel diagnostic markers for choroid plexus tumors: a microarray-based approach. Am J Surg Pathol 30: 66–74 Hasselblatt M (2008) Molekulare Diagnostik von Gliomen. Pathologe 29: 422–427 Hasselblatt M, Oyen F, Gesk S et al. (2009) Cribriform neuroepithelial tumor (CRINET): a nonrhabdoid ventricular tumor with INI1 loss and relatively favorable prognosis. J Neuropathol Exp Neurol 68: 1249–1255 Hess KR, Broglio KR, Bondy ML (2004) Adult glioma incidence trends in the United States, 1977–2000. Cancer 101: 2293–2299 Ho DM, Liu HC (1992) Primary intracranial germ cell tumor. Pathologic study of 51 patients. Cancer 70: 1577–1584
Literatur
84.
85.
86.
87.
88.
89.
90.
91.
92.
93.
94.
95.
96.
97.
98.
Hoffman S, Propp JM, McCarthy BJ (2006) Temporal trends in incidence of primary brain tumors in the United States, 1985-1999. Neuro Oncol 8: 27–37 Honnorat J, Antoine JC, Derrington E, Aguera M, Belin MF (1996) Antibodies to a subpopulation of glial cells and a 66 kDa developmental protein in patients with paraneoplastic neurological syndromes. J Neurol Neurosurg Psychiatry 61: 270–278 Horbinski C, Hamilton RL, Nikiforov Y, Pollack IF (2010) Association of molecular alterations, including BRAF, with biology and outcome in pilocytic astrocytomas. Acta Neuropathol 119: 641–649 Hsu DW, Efird JT, Hedley-Whyte ET (1997) Progesterone and estrogen receptors in meningiomas: prognostic considerations. J Neurosurg 86: 113–120 Huang H, Reis R, Yonekawa Y, Lopes JM, Kleihues P, Ohgaki H (1999) Identification in human brain tumors of DNA sequences specific for SV40 large T antigen. Brain Pathol 9: 33–42 Jackson EM, Sievert AJ, Gai X et al. (2009) Genomic analysis using high-density single nucleotide polymorphismbased oligonucleotide arrays and multiplex ligation-dependent probe amplification provides a comprehensive analysis of INI1/SMARCB1 in malignant rhabdoid tumors. Clin Cancer Res 15: 1923–1930 Jänisch W, Schreiber D, Gerlach H (1980) Tumoren des Zentralnervensystems bei Feten und Säuglingen. Gustav Fischer, Jena Jänisch W, Lammel H, Staneczek W (1986) Zur Epidemiologie der Geschwülste des Zentralnervensystems in der DDR. Zentralbl Pathol 132: 145 Jänisch W, Schreiber D, Güthert H (1988) Neuropathologie. Tumoren des Nervensystems. Gustav Fischer, Stuttgart Jeibmann A, Hasselblatt M, Gerss J et al. (2006) Prognostic implications of atypical histologic features in choroid plexus papilloma. J Neuropathol Exp Neurol 65: 1069–1073 Jeibmann A, Wrede B, Peters O, Wolff JE, Paulus W, Hasselblatt M (2007) Malignant progression in choroid plexus papillomas. J Neurosurg 107: 199–202 Jeibmann A, Egensperger R, Kuchelmeister K et al. (2009) Extent of surgical resection but not myxopapillary versus classical histopathological subtype affects prognosis in lumbo-sacral ependymomas. Histopathology 54: 260–262 Jeibmann A, Hasselblatt M, Pfister S et al. (2009) From glioblastoma to gangliocytoma: an unforeseen but welcome shift in biological behavior. J Neurosurg Pediatr 4: 475–478 Jellinger K, Machacek E (1982) Rare intracranial tumours in infancy and childhood. In: Voth D, Gutjahr P, Langmaid C (eds) Tumours of the central nervous system in infancy and childhood. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 44–52 Jellinger KA, Paulus W (1992) Primary central nervous system lymphomas – an update. J Cancer Res Clin Oncol 119: 7–27
545
99.
100.
101.
102.
103.
104. 105.
106.
107.
108. 109.
110.
111.
112.
113.
114. 115.
Jeuken J, Cornelissen S, Boots-Sprenger S, Gijsen S, Wesseling P (2006) Multiplex ligation-dependent probe amplification: a diagnostic tool for simultaneous identification of different genetic markers in glial tumors. J Mol Diagn 8: 433–443 Jeuken JW, von Deimling A, Wesseling P (2004) Molecular pathogenesis of oligodendroglial tumors. J Neurooncol 70: 161–181 Jeuken JW, Wesseling P (2010) MAPK pathway activation through BRAF gene fusion in pilocytic astrocytomas; a novel oncogenic fusion gene with diagnostic, prognostic, and therapeutic potential. J Pathol 222: 324–328 Jones DT, Kocialkowski S, Liu L, Pearson DM, Backlund LM, Ichimura K, Collins VP (2008) Tandem duplication producing a novel oncogenic BRAF fusion gene defines the majority of pilocytic astrocytomas. Cancer Res 68: 8673–8677 Jouvet A, Saint-Pierre G, Fauchon F et al.(2000) Pineal parenchymal tumors: a correlation of histological features with prognosis in 66 cases. Brain Pathol 10: 49–60 Jouvet A, Fauchon F, Liberski P et al. (2003) Papillary tumor of the pineal region. Am J Surg Pathol 27: 505–512 Judkins AR, Mauger J, Ht A, Rorke LB, Biegel JA (2004) Immunohistochemical analysis of hSNF5/INI1 in pediatric CNS neoplasms. Am J Surg Pathol 28: 644–650 Judkins AR, Burger PC, Hamilton RL et al. (2005) INI1 protein expression distinguishes atypical teratoid/rhabdoid tumor from choroid plexus carcinoma. J Neuropathol Exp Neurol 64: 391–397 Kaatsch P, Rickert CH, Kuhl J, Schuz J, Michaelis J (2001) Population-based epidemiologic data on brain tumors in German children. Cancer 92: 3155–3164 Kaiser R (1999) Parneoplastische Syndrome. Nervenarzt 70: 688–701 Katsetos CD, Herman MM, Frankfurter A et al.(1989) Cerebellar desmoplastic medulloblastomas. A further immunohistochemical characterization of the reticulin-free pale islands. Arch Pathol Lab Med 113: 1019–1029 Kawano N, Ohba Y, Nagashima K (2000) Eosinophilic inclusions in ependymoma represent microlumina: a light and electron microscopic study. Acta Neuropathol 99: 214–218 Kepes JJ, Rubinstein LJ, Eng LF (1979) Pleomorphic xanthoastrocytoma: a distinctive meningocerebral glioma of young subjects with relatively favorable prognosis. A study of 12 cases. Cancer 44: 1839–1852 Kleihues P, Ohgaki H (2000) Phenotype vs genotype in the evolution of astrocytic brain tumors. Toxicol Pathol 28: 164–170 Klein P, Rubinstein LJ (1989) Benign symptomatic glial cysts of the pineal gland: a report of seven cases and review of the literature. J Neurol Neurosurg Psychiatry 52: 991–995 Klingebiel R, Bohner G (2009) Neuroimaging. Recent Results Cancer Res 171: 175–190 Kluge H, Wieczorek V, Linke E, Zimmermann K, Witte OW (2005) Atlas der praktischen Liquorzytologie. Thieme, Stuttgart
546
18
Kapitel 18
116. Komori T, Scheithauer BW, Anthony DC et al. (1998) Papillary glioneuronal tumor: a new variant of mixed neuronal-glial neoplasm. Am J Surg Pathol 22: 1171–1183 117. Komori T, Scheithauer BW, Hirose T (2002) A rosette-forming glioneuronal tumor of the fourth ventricle: infratentorial form of dysembryoplastic neuroepithelial tumor? Am J Surg Pathol 26: 582–591 118. Kordes U, Gesk S, Fruhwald MC et al. (2010) Clinical and molecular features in patients with atypical teratoid rhabdoid tumor or malignant rhabdoid tumor. Genes Chromosomes Cancer 49: 176–181 119. Korshunov A, Meyer J, Capper D et al. (2009) Combined molecular analysis of BRAF and IDH1 distinguishes pilocytic astrocytoma from diffuse astrocytoma. Acta Neuropathol 118: 401–405 120. Korshunov A, Remke M, Gessi M et al. (2010) Focal genomic amplification at 19q13.42 comprises a powerful diagnostic marker for embryonal tumors with ependymoblastic rosettes. Acta Neuropathol 120: 253–260 121. Koul D (2008) PTEN signaling pathways in glioblastoma. Cancer Biol Ther 7: 1321–1325 122. Kraus JA, Wenghoefer M, Schmidt MC et al. (2000) Longterm survival of glioblastoma multiforme: importance of histopathological reevaluation. J Neurol 247: 455–460 123. Krex D, Klink B, Hartmann C et al. (2007) Long-term survival with glioblastoma multiforme. Brain 130: 2596–2606 124. Krouwer HG, Davis RL, Silver P, Prados M (1991) Gemistocytic astrocytomas: a reappraisal. J Neurosurg 74: 399–406 125. Kuhlmann T, Gutenberg A, Schulten HJ, Paulus W, Rohde V, Bruck W (2008) Nogo-a expression in glial CNS tumors: a tool to differentiate between oligodendrogliomas and other gliomas? Am J Surg Pathol 32: 1444–1453 126. Kurt E, Zheng PP, Hop WC, van der Weiden M, Bol M, van den Bent MJ, Avezaat CJ, Kros JM (2006) Identification of relevant prognostic histopathologic features in 69 intracranial ependymomas, excluding myxopapillary ependymomas and subependymomas. Cancer 106: 388–395 127. Lach B, Scheithauer BW, Gregor A, Wick MR (1993) Colloid cyst of the third ventricle. A comparative immunohistochemical study of neuraxis cysts and choroid plexus epithelium. J Neurosurg 78: 101–111 128. Langford LA, Barre GM (1997) Tanycytic ependymoma. Ultrastruct Pathol 21: 135–142 129. Lantos PL, VandenBerg SR, Kleihues P (1997) Tumours of the nervous system. In: Graham DI, Lantos PL (eds) Greenfield´s Neuropathology. Arnold, London, pp 583–879 130. Lawson AR, Tatevossian RG, Phipps KP, Picker SR, Michalski A, Sheer D, Jacques TS, Forshew T (2010) RAF gene fusions are specific to pilocytic astrocytoma in a broad paediatric brain tumour cohort. Acta Neuropathol 120: 271–273 131. Lombardi D, Scheithauer BW, Meyer FB, Forbes GS, Shaw EG, Gibney DJ, Katzmann JA (1991) Symptomatic sube-
Tumoren
132.
133.
134.
135.
136.
137.
138.
139.
140.
141.
142.
143.
144.
145.
pendymoma: a clinicopathological and flow cytometric study. J Neurosurg 75: 583–588 Lopes MB, Altermatt HJ, Scheithauer BW, Shepherd CW, VandenBerg SR (1996) Immunohistochemical characterization of subependymal giant cell astrocytomas. Acta Neuropathol 91: 368–375 Louis DN, Ohgaki H, Wiestler OD, Cavenee WK (eds) (2007) WHO Classification of tumours of the central nervous system. IARC Press, Lyon Louis DN, Ohgaki H, Wiestler OD, Cavenee WK, Burger PC, Jouvet A, Scheithauer BW, Kleihues P (2007) The 2007 WHO classification of tumours of the central nervous system. Acta Neuropathol 114: 97–109 Luque FA, Furneaux HM, Ferziger R et al. (1991) Anti-Ri: an antibody associated with paraneoplastic opsoclonus and breast cancer. Ann Neurol 29: 241–251 Mackenzie IR, Gilbert JJ (1991) Cysts of the neuraxis of endodermal origin. J Neurol Neurosurg Psychiatry 54: 572–575 Mazloom A, Wolff JE, Paulino AC (2010) The impact of radiotherapy fields in the treatment of patients with choroid plexus carcinoma. Int J Radiat Oncol Biol Phys 78: 79–84 McGirt MJ, Villavicencio AT, Bulsara KR, Friedman AH (2003) MRI-guided stereotactic biopsy in the diagnosis of glioma: comparison of biopsy and surgical resection specimen. Surg Neurol 59: 277–281; discussion 281–272 Mehling M, Simon P, Mittelbronn M, Meyermann R, Ferrone S, Weller M, Wiendl H (2007) WHO grade associated downregulation of MHC class I antigen-processing machinery components in human astrocytomas: does it reflect a potential immune escape mechanism? Acta Neuropathol 114: 111–119 Meis JM, Martz KL, Nelson JS (1991) Mixed glioblastoma multiforme and sarcoma. A clinicopathologic study of 26 radiation therapy oncology group cases. Cancer 67: 2342–2349 Mena H, Ribas JL, Pezeshkpour GH, Cowan DN, Parisi JE (1991) Hemangiopericytoma of the central nervous system: a review of 94 cases. Hum Pathol 22: 84–91 Mengel M, von Wasielewski R, Wiese B, Rudiger T, Muller-Hermelink HK, Kreipe H (2002) Inter-laboratory and inter-observer reproducibility of immunohistochemical assessment of the Ki-67 labelling index in a large multicentre trial. J Pathol 198: 292–299 Miller DC, Hochberg FH, Harris NL, Gruber ML, Louis DN, Cohen H (1994) Pathology with clinical correlations of primary central nervous system non-Hodgkin’s lymphoma. The Massachusetts General Hospital experience 1958-1989. Cancer 74: 1383–1397 Min KW, Scheithauer BW (1997) Clear cell ependymoma: a mimic of oligodendroglioma: clinicopathologic and ultratructural considerations. Am J Surg Pathol 21: 820–826 Mobley BC, McKenney JK, Bangs CD et al. (2010) Loss of SMARCB1/INI1 expression in poorly differentiated chordomas. Acta Neuropathol 120: 745–753
Literatur
146. Molloy PT, Yachnis AT, Rorke LB et al. (1996) Central nervous system medulloepithelioma: a series of eight cases including two arising in the pons. J Neurosurg 84: 430–436 147. Moss TH, Nicoll JAR, Ironside JW (1997) Intra-operative Diagnosis of CNS Tumours. Arnold, London 148. Muenchau A, Laas R (1997) Xanthogranuloma and xanthoma of the choroid plexus: evidence for different etiology and pathogenesis. Clin Neuropathol 16: 72–76 149. Mukherjee JJ, Islam N, Kaltsas G et al. (1997) Clinical, radiological and pathological features of patients with Rathke’s cleft cysts: tumors that may recur. J Clin Endocrinol Metab 82: 2357–2362 150. Mulhern RK, Merchant TE, Gajjar A, Reddick WE, Kun LE (2004) Late neurocognitive sequelae in survivors of brain tumours in childhood. Lancet Oncol 5: 399–408 151. Nelen MR, Kremer H, Konings IB et al. (1999) Novel PTEN mutations in patients with Cowden disease: absence of clear genotype-phenotype correlations. Eur J Hum Genet 7: 267–273 152. Ng HK, Poon WS (1998) Primary leptomeningeal astrocytoma. Case report. J Neurosurg 88: 586–589 153. Nigro JM, Takahashi MA, Ginzinger DG, Law M, Passe S, Jenkins RB, Aldape K (2001) Detection of 1p and 19q loss in oligodendroglioma by quantitative microsatellite analysis, a real-time quantitative polymerase chain reaction assay. Am J Pathol 158: 1253–1262 154. Norden AD, Drappatz J, Wen PY (2008) Novel anti-angiogenic therapies for malignant gliomas. Lancet Neurol 7: 1152–1160 155. Oh D, Prayson RA (1999) Evaluation of epithelial and keratin markers in glioblastoma multiforme: an immunohistochemical study. Arch Pathol Lab Med 123: 917– 920 156. Ohgaki H, Huang H, Haltia M, Vainio H, Kleihues P (2000) More about: cell and molecular biology of simian virus 40: implications for human infections and disease. J Natl Cancer Inst 92: 495–497 157. Ohgaki H, Kleihues P (2007) Genetic pathways to primary and secondary glioblastoma. Am J Pathol 170: 1445–1453 158. Ordonez NG, Mackay B (1999) Granular cell tumor: a review of the pathology and histogenesis. Ultrastruct Pathol 23: 207–222 159. Parney IF, Farr-Jones MA, Chang LJ, Petruk KC (2000) Human glioma immunobiology in vitro: implications for immunogene therapy. Neurosurgery 46: 1169–1177; discussion 1177–1168 160. Patil S, Perry A, Maccollin M, Dong S, Betensky RA, Yeh TH, Gutmann DH, Stemmer-Rachamimov AO (2008) Immunohistochemical analysis supports a role for INI1/ SMARCB1 in hereditary forms of schwannomas, but not in solitary, sporadic schwannomas. Brain Pathol 18: 517–519 161. Paulus W, Peiffer J (1989) Intratumoral histologic heterogeneity of gliomas. A quantitative study. Cancer 64: 442–447
547
162. Paulus W, Jellinger K, Perneczky G (1991) Intraspinal neurothekeoma (nerve sheath myxoma). A report of two cases. Am J Clin Pathol 95: 511–516 163. Paulus W, Schlote W, Perentes E, Jacobi G, Warmuth-Metz M, Roggendorf W (1992) Desmoplastic supratentorial neuroepithelial tumours of infancy. Histopathology 21: 43–49 164. Paulus W, Bayas A, Ott G, Roggendorf W (1994) Interphase cytogenetics of glioblastoma and gliosarcoma. Acta Neuropathol 88: 420–425 165. Paulus W, Baur I, Dours-Zimmermann MT, Zimmermann DR (1996) Differential expression of versican isoforms in brain tumors. J Neuropathol Exp Neurol 55: 528–533 166. Paulus W, Honegger J, Keyvani K, Fahlbusch R (1999) Xanthogranuloma of the sellar region: a clinicopathological entity different from adamantinomatous craniopharyngioma. Acta Neuropathol 97: 377–382 167. Paulus W, Kleihues P (2010) Genetic profiling of CNS tumors extends histological classification. Acta Neuropathol 120: 269–270 168. Peiffer J (1987) Encephalomyelopathies associated with extracerebral malignant tumors. Pathol Res Pract 182: 585–608 169. Peraud A, Watanabe K, Schwechheimer K, Yonekawa Y, Kleihues P, Ohgaki H (1999) Genetic profile of the giant cell glioblastoma. Lab Invest 79: 123–129 170. Peris-Bonet R, Martinez-Garcia C, Lacour B, Petrovich S, Giner-Ripoll B, Navajas A, Steliarova-Foucher E (2006) Childhood central nervous system tumours--incidence and survival in Europe (1978–1997): report from Automated Childhood Cancer Information System project. Eur J Cancer 42: 2064–2080 171. Perry A, Parisi JE, Kurtin PJ (1997) Metastatic adenocarcinoma to the brain: an immunohistochemical approach. Hum Pathol 28: 938–943 172. Perry A, Fuller CE, Judkins AR, Dehner LP, Biegel JA (2005) INI1 expression is retained in composite rhabdoid tumors, including rhabdoid meningiomas. Mod Pathol 18: 951–958 173. Pfister SM, Korshunov A, Kool M, Hasselblatt M, Eberhart C, Taylor MD (2010) Molecular diagnostics of CNS embryonal tumors. Acta Neuropathol 120: 553–566 174. Pilkington GJ (1997) The paradox of neoplastic glial cell invasion of the brain and apparent metastatic failure. Anticancer Res 17: 4103–4105 175. Prayson RA, Estes ML (1996) MIB1 and p53 immunoreactivity in protoplasmic astrocytomas. Pathol Int 46: 862– 866 176. Preusser M, Heinzl H, Gelpi E et al. (2008) Ki67 index in intracranial ependymoma: a promising histopathological candidate biomarker. Histopathology 53: 39–47 177. Quinn B (1998) Synaptophysin staining in normal brain: importance for diagnosis of ganglioglioma. Am J Surg Pathol 22: 550–556 178. Rasmussen SA, Friedman JM (2000) NF1 gene and neurofibromatosis 1. Am J Epidemiol 151: 33–40
548
18
Kapitel 18
179. Reich P, Walther EU, Liebetrau M et al. (2000) Gliomatosis cerebri. Nervenarzt 71: 481–484 180. Reifenberger G, Weber T, Weber RG et al. (1999) Chordoid glioma of the third ventricle: immunohistochemical and molecular genetic characterization of a novel tumor entity. Brain Pathol 9: 617–626 181. Reis RM, Konu-Lebleblicioglu D, Lopes JM, Kleihues P, Ohgaki H (2000) Genetic profile of gliosarcomas. Am J Pathol 156: 425–432 182. Relling MV, Rubnitz JE, Rivera GK et al. (1999) High incidence of secondary brain tumours after radiotherapy and antimetabolites. Lancet 354: 34–39 183. Riant F, Bergametti F, Ayrignac X, Boulday G, TournierLasserve E (2010) Recent insights into cerebral cavernous malformations: the molecular genetics of CCM. FEBS J 277: 1070–1075 184. Rickert CH (1999) Neuropathology and prognosis of foetal brain tumours. Acta Neuropathol 98: 567–576 185. Rickert CH, Simon R, Bergmann M, Dockhorn-Dworniczak B, Paulus W (2000) Comparative genomic hybridization in pineal germ cell tumors. J Neuropathol Exp Neurol 59: 815–821 186. Riemenschneider MJ, Jeuken JW, Wesseling P, Reifenberger G (2010) Molecular diagnostics of gliomas: state of the art. Acta Neuropathol 120: 567–584 187. Rigamonti D, Johnson PC, Spetzler RF, Hadley MN, Drayer BP (1991) Cavernous malformations and capillary telangiectasia: a spectrum within a single pathological entity. Neurosurgery 28: 60–64 188. Roberts CW, Biegel JA (2009) The role of SMARCB1/INI1 in development of rhabdoid tumor. Cancer Biol Ther 8: 412–416 189. Robinson S, Cohen AR (2000) Cowden disease and Lhermitte-Duclos disease: characterization of a new phakomatosis. Neurosurgery 46: 371–383 190. Roncaroli F, Scheithauer BW, Cenacchi G, Horvath E, Kovacs K, Lloyd RV, Abell-Aleff P, Santi M, Yates AJ (2002) „Spindle cell oncocytoma“ of the adenohypophysis: a tumor of folliculostellate cells? Am J Surg Pathol 26: 1048–1055 191. Rorke LB (1983) The cerebellar medulloblastoma and its relationship to primitive neuroectodermal tumors. J Neuropathol Exp Neurol 42: 1–15 192. Rosenblum MK, Erlandson RA, Budzilovich GN (1991) The lipid-rich epithelioid glioblastoma. Am J Surg Pathol 15: 925–934 193. Rubinstein LJ (1985) Embryonal central neuroepithelial tumors and their differentiating potential. A cytogenetic view of a complex neuro-oncological problem. J Neurosurg 62: 795–805 194. Rubinstein LJ (1986) Inaugural Dorothy S. Russell memorial lecture. Immunohistochemical signposts – not markers – in neural tumour differentiation. Neuropathol Appl Neurobiol 12: 523–537 195. Rubinstein LJ, Herman MM (1989) The astroblastoma and its possible cytogenic relationship to the tanycyte. An
Tumoren
196. 197.
198.
199.
200.
201.
202.
203.
204.
205.
206.
207.
208.
209.
210.
211.
electron microscopic, immunohistochemical, tissue- and organ-culture study. Acta Neuropathol 78: 472–483 Ruggieri M (1999) The different forms of neurofibromatosis. Childs Nerv Syst 15: 295–308 Ruggieri M, Pascual-Castroviejo I, Di Rocco C (eds) (2008) Neurocutaneous disorders. Phakomatoses and hamartoneoplastic syndromes. Springer, Wien Sarasa JL, Fortes J (1991) Ecchordosis physaliphora: an immunohistochemical study of two cases. Histopathology 18: 273–275 Sathornsumetee S, Cao Y, Marcello JE et al. (2008) Tumor angiogenic and hypoxic profiles predict radiographic response and survival in malignant astrocytoma patients treated with bevacizumab and irinotecan. J Clin Oncol 26: 271–278 Schiffer D, Cravioto H, Giordana MT, Migheli A, Pezzulo T, Vigliani MC (1993) Is polar spongioblastoma a tumor entity? J Neurosurg 78: 587–591 Schild SE, Scheithauer BW, Schomberg PJ, Hook CC, Kelly PJ, Frick L, Robinow JS, Buskirk SJ (1993) Pineal parenchymal tumors. Clinical, pathologic, and therapeutic aspects. Cancer 72: 870–880 Schindler G, Capper D, Meyer J et al. (2011) Analysis of BRAF V600E mutation in 1,320 nervous system tumors reveals high mutation frequencies in pleomorphic xanthoastrocytoma, ganglioglioma and extra-cerebellar pilocytic astrocytoma. Acta Neuropathol 121: 397–405 Schneppenheim R, Fruhwald MC, Gesk S et al. (2010) Germline nonsense mutation and somatic inactivation of SMARCA4/BRG1 in a family with rhabdoid tumor predisposition syndrome. Am J Hum Genet 86: 279–284 Senzer N, Nemunaitis J (2009) A review of contusugene ladenovec (Advexin) p53 therapy. Curr Opin Mol Ther 11: 54–61 Shapiro S, Mealey J Jr, Sartorius C (1989) Radiation-induced intracranial malignant gliomas. J Neurosurg 71: 77–82 Shaw EG, Scheithauer BW, O’Fallon JR, Tazelaar HD, Davis DH (1992) Oligodendrogliomas: the Mayo Clinic experience. J Neurosurg 76: 428–434 Silverman TA, Enzinger FM (1985) Fibrolipomatous hamartoma of nerve. A clinicopathologic analysis of 26 cases. Am J Surg Pathol 9: 7–14 Sommer C, Weishaupt A, Brinkhoff J, Biko L, Wessig C, Gold R, Toyka KV (2005) Paraneoplastic stiff-person syndrome: passive transfer to rats by means of IgG antibodies to amphiphysin. Lancet 365: 1406–1411 Sonneland PR, Scheithauer BW, Onofrio BM (1985) Myxopapillary ependymoma. A clinicopathologic and immunocytochemical study of 77 cases. Cancer 56: 883–893 Sonoda Y, Kumabe T, Watanabe M, Nakazato Y, Inoue T, Kanamori M, Tominaga T (2009) Long-term survivors of glioblastoma: clinical features and molecular analysis. Acta Neurochir (Wien) 151: 1349–1358 Soylemezoglu F, Soffer D, Onol B, Schwechheimer K, Kleihues P (1996) Lipomatous medulloblastoma in adults.
Literatur
212.
213.
214. 215.
216.
217.
218.
219.
220.
221.
222.
223.
224.
225.
226.
A distinct clinicopathological entity. Am J Surg Pathol 20: 413–418 Stupp R, Mason WP, van den Bent MJ et al. (2005) Radiotherapy plus concomitant and adjuvant temozolomide for glioblastoma. N Engl J Med 352: 987–996 Stupp R, Hegi ME, Mason WP et al. (2009) Effects of radiotherapy with concomitant and adjuvant temozolomide versus radiotherapy alone on survival in glioblastoma in a randomised phase III study: 5-year analysis of the EORTCNCIC trial. Lancet Oncol 10: 459–466 Sujansky E, Conradi S (1995) Outcome of Sturge-Weber syndrome in 52 adults. Am J Med Genet 57: 35–45 Suzuki Y, Yagi K, Kodama T, Shinoura N (2009) Corticospinal tract extraction combining diffusion tensor tractography with FMRI in patients with brain diseases. Magn Reson Med Sci 8: 9–16 Tabori U, Baskin B, Shago M et al. (2010) Universal poor survival in children with medulloblastoma harboring somatic TP53 mutations. J Clin Oncol 28: 1345–1350 Taratuto AL, Monges J, Lylyk P, Leiguarda R (1984) Superficial cerebral astrocytoma attached to dura. Report of six cases in infants. Cancer 54: 2505–2512 Tavangar SM, Larijani B, Mahta A, Hosseini SM, Mehrazine M, Bandarian F (2004) Craniopharyngioma: a clinicopathological study of 141 cases. Endocr Pathol 15: 339–344 Teo JG, Gultekin SH, Bilsky M, Gutin P, Rosenblum MK (1999) A distinctive glioneuronal tumor of the adult cerebrum with neuropil-like (including „rosetted“) islands: report of 4 cases. Am J Surg Pathol 23: 502–510 Tihan T, Fisher PG, Kepner JL, Godfraind C, McComb RD, Goldthwaite PT, Burger PC (1999) Pediatric astrocytomas with monomorphous pilomyxoid features and a less favorable outcome. J Neuropathol Exp Neurol 58: 1061–1068 Tomokane N, Iwaki T, Tateishi J, Iwaki A, Goldman JE (1991) Rosenthal fibers share epitopes with alpha B-crystallin, glial fibrillary acidic protein, and ubiquitin, but not with vimentin. Immunoelectron microscopy with colloidal gold. Am J Pathol 138: 875–885 van Breemen MS, Wilms EB, Vecht CJ (2007) Epilepsy in patients with brain tumours: epidemiology, mechanisms, and management. Lancet Neurol 6: 421–430 van den Bent MJ, Brandes AA, Rampling R et al. (2009) Randomized phase II trial of erlotinib versus temozolomide or carmustine in recurrent glioblastoma: EORTC brain tumor group study 26034. J Clin Oncol 27: 1268–1274 Van Dorpe J, Sciot R, De Vos R, Uyttebroeck A, Stas M, Van Damme B (1997) Neuromuscular choristoma (hamartoma) with smooth and striated muscle component: case report with immunohistochemical and ultrastructural analysis. Am J Surg Pathol 21: 1090–1095 Van Gool S, Maes W, Ardon H, Verschuere T, Van Cauter S, De Vleeschouwer S (2009) Dendritic cell therapy of high-grade gliomas. Brain Pathol 19: 694–712 VandenBerg SR (1993) Desmoplastic infantile ganglioglioma and desmoplastic cerebral astrocytoma of infancy. Brain Pathol 3: 275–281
549
227. Varley JM (2003) Germline TP53 mutations and Li-Fraumeni syndrome. Hum Mutat 21: 313–320 228. von Hoff K, Hartmann W, von Bueren AO, Gerber NU, Grotzer MA, Pietsch T, Rutkowski S (2010) Large cell/anaplastic medulloblastoma: outcome according to myc status, histopathological, and clinical risk factors. Pediatr Blood Cancer 54:369–376 229. Wang M, Tihan T, Rojiani AM et al. (2005) Monomorphous angiocentric glioma: a distinctive epileptogenic neoplasm with features of infiltrating astrocytoma and ependymoma. J Neuropathol Exp Neurol 64: 875–881 230. Watanabe K, Peraud A, Gratas C, Wakai S, Kleihues P, Ohgaki H (1998) p53 and PTEN gene mutations in gemistocytic astrocytomas. Acta Neuropathol 95: 559–564 231. Waziri A (2010) Glioblastoma-derived mechanisms of systemic immunosuppression. Neurosurg Clin N Am 21: 31–42 232. Wessig C, Klein R, Schneider MF, Toyka KV, Naumann M, Sommer C (2003) Neuropathology and binding studies in anti-amphiphysin-associated stiff-person syndrome. Neurology 61: 195–198 233. Wharton SB, Chan KK, Hamilton FA, Anderson JR (1998) Expression of neuronal markers in oligodendrogliomas: an immunohistochemical study. Neuropathol Appl Neurobiol 24: 302–308 234. Wheeler CJ, Black KL, Liu G et al. (2008) Vaccination elicits correlated immune and clinical responses in glioblastoma multiforme patients. Cancer Res 68: 5955–5964 235. Williams VC, Lucas J, Babcock MA, Gutmann DH, Korf B, Maria BL (2009) Neurofibromatosis type 1 revisited. Pediatrics 123: 124–133 236. Wong TT, Ho DM, Chang KP et al. (2005) Primary pediatric brain tumors: statistics of Taipei VGH, Taiwan (19752004). Cancer 104: 2156–2167 237. Wrede B, Hasselblatt M, Peters O et al. (2009) Atypical choroid plexus papilloma: clinical experience in the CPTSIOP-2000 study. J Neurooncol 95: 383–392 238. Yasargil MG, von Ammon K, von Deimling A, Valavanis A, Wichmann W, Wiestler OD (1992) Central neurocytoma: histopathological variants and therapeutic approaches. J Neurosurg 76: 32–37 239. Yonehara S, Brenner AV, Kishikawa M, Inskip PD, Preston DL, Ron E, Mabuchi K, Tokuoka S (2004) Clinical and epidemiologic characteristics of first primary tumors of the central nervous system and related organs among atomic bomb survivors in Hiroshima and Nagasaki, 1958-1995. Cancer 101: 1644–1654 240. Zhou J, Tryggestad E, Wen Z et al. (2011) Differentiation between glioma and radiation necrosis using molecular magnetic resonance imaging of endogenous proteins and peptides. Nat Med 17: 130–134 241. Zülch KJ (1986) Brain tumors. Their biology and pathology. 3rd edn. Springer, Berlin Heidelberg New York
Periphere Nerven J.M. Schröder
II
19 Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Nervenbiopsie . . . . . . . 553
24 Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien. . . . . . . . . . . 641
20 Physikalische Schäden peripherer Nerven . 565
25 Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen . . . . . . . 653
21 Nutritive und toxische Neuropathien. . . . 577 26 Tumoren des peripheren Nervensystems. . 661 22 Neuropathien bei systemischen Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . 591 23 Hereditäre Neuropathien . . . . . . . . . . 597
27 Paraneoplastische Neuropathien . . . . . . 665
Kapitel 19
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Nervenbiopsie
19
J.M. Schröder Inhalt Normale Strukturen peripherer Nerven . . . . . . . . .
555
Nervenfasern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
555
Axone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
556
Markscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
556
Endoneurium, Perineurium und Epineurium . . . . .
558
Funktionelle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
559
Einführung in die morphologischen Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . .
560
Auswahl eines Nervs zur Biopsie . . . . . . . . . . . .
560
Technik der Nervenbiopsie . . . . . . . . . . . . . . .
560
Morphologische Untersuchungstechniken . . . . . .
561
Indikationen zur Nervenbiopsie . . . . . . . . . . . .
562
Komplikationen einer Nervenbiopsie . . . . . . . . .
562
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
563
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
554
Kapitel 19
Alle deutlich erkennbaren Lebensäußerungen werden über die peripheren Nerven vermittelt, von der Motorik, einschließlich der Mimik und Gestik, bis zu den vegetativen Funktionen wie Schweißsekretion, Erröten, Darm-, Harnblasen- und Sexualfunktionen u. a. Entsprechend zahlreich sind die Funktionsstörungen, die durch periphere Neuropathien ausgelöst werden. Dazu gehören einerseits Reizsymptome wie Schmerzen und andererseits Ausfallssymptome wie Lähmungen und Gefühlsstörungen, namentlich Unempfindlichkeit gegenüber Berührungen, Schmerz und Temperatur.
In der Arzneimittelstatistik rangieren Schmerz- und Rheumamittel mit Abstand an erster Stelle, und in einer neurologischen Praxis steht die Zahl der Behandlungsfälle mit Krankheiten aus dem Bereich des sensorischen und neuromuskulären Systems vor anderen Erkrankungen, insbesondere den in der Todesursachenstatistik an erster Stelle stehenden Kreislaufstörungen. Daraus wird die praktische Bedeutung des peripheren motorischen und sensorischen Nervensystems ersichtlich.
19
Es gibt 158 mit einem Namen versehene periphere Nerven, die zumeist paarig angelegt sind, und 434 Muskeln, die jeweils mit motorischen Nervenfasern versorgt sind, sowie eine bis zu den feinsten Muskelfasern, Tastkörperchen und Endaufzweigungen verteilte Auffächerung des peripheren Nervensystems, so dass eine umfassende morphologische Untersuchung der peripheren Nerven schier unmöglich ist. Die verschiedenen motorischen, sensorischen und vegetativen Komponenten weisen weitläufige topographische und funktionelle Bezüge auf. Dennoch lassen sich viele Erkrankungen des peripheren Nervensystems durch eine einfache Biopsie aus einem einzigen betroffenen peripheren Nerv morphologisch zweifelsfrei diagnostizieren. Historisches zur Nomenklatur. Die „peripheren Neuropathien“ wurden früher den „zentralen Neuropathien“ als somatischen Erkrankungen des Nervensystems und den „Psychopathien“ als rein psychischen Erkrankungen gegenübergestellt. Daher ist auch heute noch die umständliche Bezeichnung der Erkrankungen der peripheren Nerven als „periphere Neuropathien“ üblich. Häufig wird aber einfach, wie auch im vorliegenden Text, von „Neuropathien“ gesprochen, wenn die „peripheren Neuropathien“ gemeint sind. Klassifikation. In einer internationalen Klassifikation der neuromuskulären Krankheiten der „Research Group on Neuromuscular Diseases of the World Federation of Neurology“ sind insgesamt 809 Positionen aufgeführt [62]. Davon sind 271 Positionen den Formen und Ursachen
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
peripherer Neuropathien, 163 den spinalen Muskelatrophien, 28 den Erkrankungen der motorischen Endplatte und 347 den eigentlichen Myopathien, genauer gesagt: den primären Erkrankungen der Skelettmuskulatur selbst zugeordnet. Nach einer aktuellen Gentabelle sind gegenwärtig allein 61 hereditäre Neuropathien zu unterscheiden (s. Kap. 23). Neuropathien lassen sich nach verschiedenen Aspekten klassifizieren. Die internationale Klassifikation orientiert sich, wie auch die vorliegende Darstellung, an ätiologischen Gesichtspunkten. In vielen Fällen ist jedoch die Ursache einer Erkrankung, also die Ätiologie, unbekannt, so dass speziell bei der Untersuchung von Nervenbiopsien eine Klassifikation nach allgemeinpathologischen, d. h. nach strukturellen Aspekten im Sinne einer Organ-, Zell- oder Organellenpathologie zu bevorzugen ist [45, 47]. Klassifikation der Neuropathien nach strukturellen Aspekten: In der Regel unterscheidet man dabei Erkrankungen des Interstitiums von denen des eigentlichen Parenchyms, d. h. der Neurone, insbesondere im Bereich des Perikaryons (Neuronopathien) bzw. ihrer Axone (Axonopathien) und der Schwann-Zellen bzw. der von ihnen gebildeten Markscheiden (Myelinopathien). Dabei können einzelne Nerven betroffen sein (Mononeuropathie) oder mehrere einzelne Nerven (Multiplextyp der Neuropathie bzw. der Mononeuropathie: Mononeuropathia multiplex) oder die Nervenwurzeln (Radikulopathien) oder viele Nerven in annähernd symmetrischer Verteilung (Polyneuropathien). Eine derartige Einteilung der Erkrankungen peripherer Nerven nach dem Befall des Interstitiums oder des Parenchyms, eines einzelnen oder mehrerer Nerven ist zu ergänzen durch Angaben über die bevorzugte Beteiligung jeweils des motorischen, sensiblen (sensorischen) oder autonomen Neuronensystems und der zentralen und/oder peripheren Zellabschnitte bzw. -fortsätze der peripheren Neurone (Perikaryon; Fortsätze zentral und/ oder peripher; Axon proximal, distal; s. folgende Übersicht) sowie der intraneuralen Zellorganellen andererseits (Zellkern, Nukleolen, Lysosomen, Peroxisomen, Mitochondrien, Neurofilamente, Mikrofilamente, Mikrotubuli, endoplasmatisches oder axoplasmatisches Retikulum u. a.). In einem Allgemeinkrankenhaus bleiben wegen der Vielzahl der Ursachen, der Schwierigkeit der Diagnostik und der Unspezifität der meisten Veränderungen etwa 40% der Erkrankungen des peripheren Nervensystems ätiologisch ungeklärt, in einem Spezialkrankenhaus sind es noch etwa 13% [31]. Das Standardwerk über periphere Neuropathien in 2 Bänden mit insgesamt 2753 Seiten ist inzwischen in der 4. Auflage erschienen [16].
Normale Strukturen peripherer Nerven
Topographische Ausfallsmuster peripherer neuronaler Systeme A. Motorisch I. Peripher: z. B. spinale Muskelatrophien II. Zentral: z. B. spastische Spinalparalyse III. Peripher und zentral: z. B. amyotrophische Lateralsklerose B. Motorisch-sensorisch-autonom I. Axonal: Axon degeneriert distal akzentuiert („dying back“) mit Regenerationsmöglichkeit: häufigster Typ der peripheren Neuropathien II. Neuronal: Axon einschließlich Perikaryon degeneriert ohne Regenerationsmöglichkeit: z. B. alkoholische Neuropathie III. Demyelinisierend: z. B. HMSN (CMT) Typ I und III, MLD, GBS C. Sensorisch-autonom I. Peripherer und zentraler Fortsatz primär distal betroffen: z. B. HSAN Typ I und II II. Peripherer Fortsatz primär proximal betroffen: z. B. toxisch durch IDPN III. Zentraler Fortsatz distal betroffen: z. B. toxisch durch Clioquinol („SMON“)
Normale Strukturen peripherer Nerven Die peripheren Nerven bestehen aus Nervenfasern (Abb. 23.2a, 26.3a–c), Blutgefäßen und Bindegewebe. Sie werden von einer zellulären und bindegewebigen Hülle umgeben (Peri- und Epineurium). Die Nervenfasern sind zusammengesetzt aus einem Axon und differenzierten Schwann-Zellen, die einzelne (markhaltige Nervenfasern) oder mehrere Axone (marklose Nervenfasern = Remak-Fasern) in regelmäßigen Abständen umschließen. Die Axone sind Fortsätze der Perikaryen von Zellen, die entweder innerhalb der grauen Substanz der Lamina ventralis des Hirnstamms oder der Vorderhörner des Rückenmarks liegen oder in den sensorischen Ganglien der Hirnnerven und Spinalnerven bzw. in den Ganglien des autonomen Nervensystems lokalisiert sind. Periphere Glia Der Begriff „Glia“ oder „Neuroglia“ wurde früher auf das ZNS beschränkt angewandt und umfasste die Astroglia, die Oligodendroglia und die Mikroglia. Im angloamerikanischen Schrifttum hat es sich in Verbindung mit dem Verlust der Kenntnis der ursprünglichen Bedeutung des von Virchow eingeführten griechischen Wortes „Glia“ (= Leim
555
oder Kitt) für die nichtneuronalen Zwischenzellen im ZNS eingebürgert, auch die Schwann-Zellen, die nur im peripheren Nervensystem vorkommen, der Glia zuzuordnen. Sie stammen überwiegend von der Neuralleiste ab und wandern während der Embryogenese zusammen mit den aussprossenden Nervenfasern in die Peripherie. Dort unterscheidet man Schwann-Zellen, die als marklose oder markbildende Zellen die Axone vom Mesenchym isolieren; Satellitenzellen, die im Spinalganglion die großen Nervenzellen, und Darmgliazellen, die im Darmplexus Axonbündel vom Bindegewebe separieren. Während der Entwicklung sind die Vorläufer der Schwann-Zellen noch ohne Basallamina. Die Zellen proliferieren und erzeugen Pakete aus wenigen Schwann-Zellen und marklosen Axonen. Die Nervenzellen stehen entweder in synaptischem Kontakt mit anderen Neuronen in den Hinterhörnern des Rückenmarks oder in autonomen Ganglien, oder sie stehen mit sekretorischen oder muskulären Effektorzellen in Verbindung, während die sensorischen Axone entweder freie terminale Verzweigungen aufweisen oder in spezialisierten eingekapselten Endorganen endigen. Im Folgenden werden die wichtigsten Komponenten des peripheren Nervs beschrieben; weitere Einzelheiten bezüglich der Zellsomata, der Axone, der Markscheiden und der Nervenendigungen sind der Spezialliteratur zu entnehmen [16, 39, 45], wobei auch eine umfangreiche Kollektion digitaler Abbildungen sensorischer Rezeptoren mit ihrer Innervation, Verteilung und Funktion (Merkel-Zellen, Meissner-Korpuskel, Vater-Pacini-Körper, Geschmacksknospen, Sehnenorgane, Muskelspindeln, Haarrezeptoren u. a.) unter http://pns.ucsd.edu/Winkelmann.images allgemein verfügbar ist.
Nervenfasern Die Nervenfasern werden aufgrund ihrer Kaliber in 3 Gruppen eingeteilt: • Die Gruppe A umfasst die größeren Fasern mit den schnellsten Leitungsgeschwindigkeiten (somatische markhaltige afferente und efferente Nervenfasern). • Zur Gruppe B gehören die markhaltigen präganglionären Fasern des autonomen Nervensystems. • Die Gruppe C umfasst markhaltige Nervenfasern mit den kleinsten Durchmessern und mit langsamer Leitungsgeschwindigkeit, die marklosen viszeralen und marklosen somatischen afferenten Nervenfasern sowie die postganglionären marklosen efferenten Fasern.
556
Kapitel 19
Fasern der Gruppe A werden entsprechend ihrem Kaliber und ihrer Funktion unterteilt in die afferenten Gruppen I, II und III sowie in die efferenten Gruppen α, β, und γ (zur physiologischen Nervenfaserklassifikation s. Dyck u. Thomas [16]). Fasern der Gruppe I umfassen die primären sensorischen Fasern der Muskelspindeln und Sehnenorgane, die der Gruppe II die Fasern der sekundären sensorischen Endigungen in den Muskelspindeln und von kutanen afferenten Rezeptoren; zur Gruppe III gehören Fasern, die für die nozizeptive und einige andere Aspekte der kutanen Sensibilität zuständig sind. Die efferenten α-Fasern sind ausschließlich skeletomotorische Fasern; zu den β-Fasern gehören die kombiniert skeletomotorisch/fusimotorischen Fasern; die γ-Fasern sind ausschließlich fusimotorische (die Muskelspindeln innervierende) Nervenfasern. Die Durchmesser der marklosen Nervenfasern reichen von 0,2–3 μm; sie zeigen im normalen N. suralis eine unimodale Verteilung mit einem Häufigkeitsgipfel bei ungefähr 1,5 μm. Die Kaliber (äußere Faserdurchmesser) der markhaltigen Nervenfasern betragen im normalen menschlichen Nerv 3– 15 μm. Die markhaltigen Nervenfasern werden auf dem Querschnitt im Verhältnis 1:1 von Schwann-Zellen umhüllt, diejenigen der marklosen im Verhältnis 1:2 bis 1:16 von histogenetisch gleichartigen Zellen, die aber vielfach nach dem Erstbeschreiber der marklosen Nervenfasern als Remak-Zellen bezeichnet werden.
Axone
19
Die Axone werden von einer speziellen Zellmembran, dem Axolemm, umhüllt, das im Bereich der RanvierSchnürringe eine Spezialisierung mit einer charakteristischen subaxolemmalen Verdichtungszone aufweist. Im Axoplasma sind verschiedene Komponenten des Zytoskeletts zu unterscheiden, darunter die 5–7 nm dünnen Mikrofilamente, die mit einem Durchmesser von 8–12 nm deutlich dickeren Neurofilamente, die als NF-Triplet aus 3 Untereinheiten zusammengesetzt sind (NF-L mit 68 kD, NF-M mit 145 kD und NF-H mit 200 kD) sowie die 23–25 nm messenden Mikrotubuli („Neurotubuli“). Die Mikrotubuli sind aus 13 globulären Untereinheiten mit einem Durchmesser von jeweils 4 nm zusammengesetzt und bestehen im Wesentlichen aus dem Protein αund β-Tubulin sowie weiteren mikrotubulusassoziierten Proteinen (MAPs) wie MAP1 (350 kD), MAP2 (280 kD) und einer Gruppe von nahe verwandten Proteinen mit wesentlich niedrigerem Molekulargewicht mit der Bezeichnung τ-(Tau-)Proteine (50–70 kD). Die axonalen Mitochondrien sind etwa 0,1–0,3 μm im Durchmesser breit und bis zu 10 μm lang; sie bilden ein Netzwerk, das einer ständigen Fusion oder Fission unterliegt (vgl. CMT2A; Kap. 26).
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
Das glatte endoplasmatische Retikulum, auch als axoplasmatisches Retikulum bezeichnet, besteht aus einem dreidimensional entwickelten kontinuierlichen Netz, das vom Perikaryon bis in die distalen Verzweigungen des Axons reicht. Das axoplasmatische Retikulum bildet die sekretorischen Vesikel im Bereich der Nervenendigungen. Doch gibt es Vesikel mit einem Durchmesser zwischen 40 und 100 nm auch im gesamten Verlauf der peripheren Axone, insbesondere an den Ranvier-Schnürringen. Sekundäre Lysosomen und endozytotische „coated“ Vesikel kommen ebenfalls vor, denen insbesondere an der neuromuskulären Endplatte und den RanvierSchnürringen eine Bedeutung beim Transport extrazellulärer Substanzen von der Axonoberfläche zu dem glatten endoplasmatischen Retikulum oder den synaptischen Vesikeln zukommt. In den Axonen findet ein sog. langsamer intraaxonaler anterograder Transport mit einer Geschwindigkeit von 0,25–4 mm pro Tag und ein rascher Transport mit Geschwindigkeiten von über 400 mm/Tag statt; doch ist auch ein Transport mit intermediären Geschwindigkeiten um 100 mm/Tag beschrieben worden. Ein retrograder Transport findet mit Geschwindigkeiten von etwa 200 mm/Tag statt. Bewegungen von Organellen entlang der Mikrotubuli werden nach distal durch Kinesin und nach proximal durch Dynein bewirkt [44]. Kinesin soll auch bei der Bewegung der Mikrotubuli gegeneinander und somit am langsamen axonalen Transport beteiligt sein (Literatur s. [27]). Bestimmte Substanzen werden vermutlich innerhalb des kontinuierlichen glatten endoplasmatischen Retikulums transportiert [13].
Markscheiden Die Schwann-Zellen bilden die Markscheiden, die in regelmäßigen Abständen mit einer Länge von 200–250 μm bis etwa 1500 μm in sog. Internodien oder internodalen Segmenten der markhaltigen peripheren Nervenfasern angeordnet sind. Kürzere, sog. interkalierte Markscheidensegmente, kommen gelegentlich wohl als Folge einer rein paranodalen Nervenschädigung im „normalen“ Nerven vor. Die Dicke der Markscheiden hängt vom Axonkaliber ab, wobei dickere Nervenfasern in der Regel auch breitere Markscheiden aufweisen. Die Relation zwischen Axondurchmesser (d) und Faserdurchmesser (D) wird in der Literatur durch die Relation d/ D oder g ausgedrückt [43]. Die Werte für g sind bei den kleineren Nervenfasern größer als bei den dickeren; bei Letzteren erreichen sie etwa den Wert 0,6. In den dorsalen und ventralen Spinalnervenwurzeln haben die größeren Fasern in der Regel eine verhältnismäßig dünne Markscheide mit einem g-Wert über 0,7 [58]. Da sich diese Verhältnisse nach einer De- und Regeneration oder Demyelinisation und Remyelination ändern, besondere Verhält-
Normale Strukturen peripherer Nerven
557
a
b Abb. 19.1a,b Schematische Zeichnung a einer Schwann-Zelle mit Markscheide und b den wichtigsten Proteinen der peripheren Markscheiden (nach Arroyo u. Scherer [2], mod. von Scherer u. Arroyo [42]). a Die Markscheidenlamelle einer Schwann-Zelle ist entspiralisiert gedacht, um die Anteile mit kompaktem Myelin im Vergleich zu den Schmidt-Lanterman-Inzisuren sowie den paranodalen sowie adaxonalen Zytoplasmaeinschüben in die Doppellamelle der Markscheide zu illustrieren. Die Nexus („gap junctions“) sind als orangefarbene, die Desmosomen („adherens junctions“) als violette Ovale zwischen den Reihen der Zonulae occludentes („tight junctions“, zwei kontinuierliche grüne Linien, auch in den Inzisuren) eingezeichnet. Die paranodalen Schwann-Zell-Fortsätze (Mikrovilli) sowie die angrenzenden Internodien und Schnürringe („node“), äußeres und inneres Mesaxon und die Basallamina sind ebenfalls ge-
kennzeichnet. Die nodale Axonmembran ist blau, die paranodale rot und die juxtaparanodale grün markiert. b Die Anordnung der im Myelin enthaltenen Proteine ist im Bereich aneinander grenzender Membranen von kompakten und nichtkompakten Markscheidenabschnitten unterschiedlich. Im peripheren Nervensystem enthält die kompakte Markscheide P0, MBP und PMP-22 (während im ZNS PLP und MBP enthalten ist). Im nichtkompakten Markscheidenanteil der Paranodien und Inzisuren sind E-Cadherin, MAG, DM20, Cx32 und ein unbekanntes Claudin enthalten. Connexin-32 (Cx32) ist den Nexus („gap junctions“), E-Cadherin den Desmosomen („adherens junctions“), Claudin den Zonulae occludentes („tight junctions“) zugeordnet; P0 und MAG haben extrazelluläre immunglobulinähnliche Domänen (Halbkreise); PMP-22, Cx32, DM20 und Claudin haben jeweils 4 transmembranöse Domänen
nisse an den Initialsegmenten der Spinalganglienzellen bestehen und auch während der Entwicklung Veränderungen auftreten, ist anzunehmen, dass das Verhältnis zwischen Axonkaliber und Markscheidendicke von der Oberfläche des Axolemms abhängt, mit dem die Schwann-Zelle in Kontakt steht. Die Abhängigkeiten von Nervenleitungsge-
schwindigkeit, Entladungsfrequenz [17] und Widerstand der Markscheide sowie elektrischer Kapazität in Relation zur Dicke und Länge (Volumen) von Axon und Markscheide [50] sind noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Die Markscheiden stehen an den Ranvier-Schnürringen über spezielle Kontakte der einzelnen, spiralig um
558
19
Kapitel 19
das Axon gewundenen Markscheidenlamellen mit desmosomenähnlichen Verbindungen untereinander und über sog. transversale Bänder mit dem Axon in Kontakt (Abb. 19.1 [2, 42]), so dass der adaxonale Raum zwischen Axon und Markscheide und der nodale Raum weitgehend voneinander isoliert sind. Doch kontaktieren nicht alle Markscheidenlamellen dicker Nervenfasern das Axon im Paranodium; manche sind in das paranodale Myelin verlagert („axoglial dysjunction“) und bilden die „Dornen“ auf dem „double bracelet (‚Armreif ‘) de Nageotte“ [5, 6]. Zwischen zwei Markscheidensegmenten – im Bereich des Ranvier-Schnürrings – finden sich ca. 1,0–4,2 μm dünne, nackte Axonabschnitte, die auch von den fingerförmigen Fortsätzen (Mikrovilli) der beiden aneinander grenzenden Schwann-Zellen nur unvollständig bedeckt werden; die freiliegenden Axonabschnitte sind 0,7– 2,1 μm lang [6]. Die Mikrovilli enthalten F-Actin, Ezrin, Radixin und Moesin (Literatur s. [42]). Im Bereich des Ranvier-Knotens ist das Neurilemm, die wie ein Schlauch die gesamte Nervenfaser umschließende Basallamina der Schwann-Zellen, die einzige strukturelle Barriere, die den nackten nodalen Axonabschnitt vom endoneuralen Interstitium abgrenzt. In der nodalen Basallamina sind neurale Zelladhäsionsmoleküle (N-CAM), L1/NgCAM und Tenascin/Cytotactin angereichert; im nodalen Spaltraum sind es zusätzlich dazu Hyaluronsäure, Versican/ Hyaluronectin und das Gangliosid GM1; im paranodalen Anteil der Schwann-Zelle sind es das myelinassoziierte Proteoglycan (MAG), das Oligodendrozyten-MyelinProteoglycan (OMPG), Connexin32, E-Cadherin, Actin, das Gangliosid GQ1b und GD1b, der Kaliumkanal KV1,5 und die alkalische Phosphatase; im nodalen Axolemm sind es der spannungsabhängige Natriumkanal sowie die Zytoskelettproteine Spectrin und Ankyrin [11, 12, 42]. Demgegenüber ist im kompakten, internodalen Anteil der Markscheiden hauptsächlich „Myelinprotein Zero“ (MPZ = P0), peripheres Myelinprotein mit dem Molekulargewicht von 22 kD (PMP-22) und myelinbasisches Protein (MBP) enthalten (s. Abb. 19.1). Das „dystroglycan-related protein 2“ (DRP2) ist in Zytoplasmaeinschüben an der Oberfläche der markhaltigen Nervenfasern nachweisbar, unterbrochen von Caveolin-1-immunreaktiven Streifen mit extrem schmalem Zytoplasma zwischen Markscheide und Schwannzelloberfläche, wie es bereits von Ramon y Cajal 1928 [7] dokumentiert worden ist. Bezüglich weiterer biochemischer Wechselwirkungen sei auf die Spezialliteratur und auf die hereditären Neuropathien verwiesen, die durch Mutationen in den jeweiligen Komponenten entstehen (PMP22, P0, Cx32, Periaxin, DRP2, LamA2 u. a.). Dem Ranvier-Knoten kommt eine besondere funktionelle Bedeutung zu. Da die isolierend wirkende Markscheide die elektrische Kapazität der Axonmembran vermindert und ihren Widerstand gleichzeitig erhöht, kann das Aktionspotential die Internodien fast verzögerungs-
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
frei überspringen und somit von Knoten zu Knoten mit stark erhöhter Geschwindigkeit fortgeleitet werden. Man bezeichnet dies als saltatorische Erregungsleitung (Literatur s. [36]). Innerhalb der Markscheiden sind Zytoplasmaeinschübe an der Stelle der sog. größeren dichten Linien vorhanden, die einerseits einen kompletten Ring um das Axon im Bereich der innersten Lamelle der spiraligen Markscheiden-Membran-Duplikatur bis hin zum Schnürring und andererseits im kompakten Bereich der Markscheide bilden, wo sie in aufeinander folgenden Lamellen eingelagert sein können und hier das feinstrukturelle Korrelat der lichtmikroskopisch erkennbaren Schmidt-Lanterman-Inzisuren (oder -Einkerbungen) bilden. Die Markscheidenlamellen sind hier nicht kompaktiert wie in den übrigen Anteilen der Markscheide. Die Kontinuität der Lamellen bleibt zwar aufrechterhalten, aber die größere dichte Linie wird durch eine kontinuierliche Zytoplasmaspirale aufgespalten, wodurch das äußere, abaxonale, nukleäre und das innere, adaxonale Schwann-Zell-Kompartiment miteinander verbunden werden und die Spirale von Golgi-Rezzonico der Lichtmikroskopie entsteht. Auch die intraperiodische Linie der Markscheiden beiderseits der zytoplasmatischen Spirale teilt sich im Bereich der Inzisuren auf, so dass eine potentielle, sehr lange spiralige extrazelluläre Verbindung zwischen dem Endoneurium und dem periaxonalen Raum (zwischen Axon und Markscheide) besteht. Doch ist auch eine viele kürzere, radiäre Diffusion möglich, die über die spezialisierten Kontakte zwischen den Membranen erfolgt [42]. Den Schmidt-Lanterman-Einkerbungen kommt darüber hinaus wahrscheinlich eine besondere Bedeutung beim Längenwachstum der Markscheiden zu. Myelinisation und Dicke der Markscheiden werden durch Neuregulin-1 (NRG1), Typ III, an der Oberfläche der Axone reguliert [40]. Bezüglich weiterer biochemischer und molekulargenetischer Wechselwirkungen zwischen Axonen und Schwann-Zellen sowie der extrazellulären Matrix, speziell hinsichtlich der Entwicklung der Markscheiden (Myelinisation), sei auf die aktuelle, umfangreiche Spezialliteratur verwiesen [26, 33].
Endoneurium, Perineurium und Epineurium Im Endoneurium wird durch das umgebende Perineurium und das Endothel der endoneuralen Blutgefäße (BlutNerven-Schranke) ein spezielles endoneurales Mikromilieu gewährleistet, das für die Funktion der Axone, Schwann-Zellen und anderen endoneuralen Zellen von Bedeutung ist [34]. Zwischen den einzelnen Nervenfasern liegen längsorientierte Kollagenfibrillen, Elauninkomponenten und eine amorphe extrazelluläre Substanz, die zusammen mit den Nervenfasern das Endoneurium bilden. Darin sind außerdem kleine Blutgefäße und einige
Funktionelle Aspekte
andere Zellen enthalten, zu denen einerseits Fibroblasten gehören, die das endoneurale Bindegewebe bilden, andererseits einzelne Makrophagen hämatogenen Ursprungs und Mastzellen. Eine spezielle Bedeutung perikapillärer Zellkomponenten („Perizyten“) wird diskutiert. Diese verschiedenen Komponenten des Endoneuriums werden durch eine spezialisierte mehrschichtige Scheide im Sinne einer Diffusionsbarriere [25] eingehüllt, die aus alternierenden flachen Schichten von Perineuralzellen, Kollagenfibrillen und elastischen Fasern gebildet wird, das Perineurium. Große Nervenstämme bestehen aus mehreren Nervenfaszikeln (Funiculi), die jeweils von einem eigenen Perineurium umhüllt werden. Diese Nervenfaszikel werden oft wiederum durch perineurale Septen unvollständig in zwei oder mehr Faszikel unterteilt. Einzelne oder mehrere Faszikel werden von einem Epineurium internum und externum umhüllt, in dem die Blut- und Lymphgefäße verlaufen [29, 53] und das zusammen mit Fettgewebe eine mechanische Stabilisierung und Abgrenzung gegen benachbarte Arterien, Venen, Lymphbahnen und Muskelfaszien, Gelenke und Ligamente gewährleistet.
Funktionelle Aspekte Die subjektiven und elektrophysiologischen Parameter peripherer Nerven werden von Alter, Geschlecht und anthropometrischen Faktoren (Größe, Gewicht) beeinflusst [20, 55]. Zur Funktionsprüfung des peripheren Nervensystems dienen u. a. • die Elektromyographie, mit der die elektrische Aktivität der Muskelfasern abgeleitet wird, • die Neurographie, durch die motorische und sensible Nervenfasern im Hinblick auf Nervenerregungsleitungsgeschwindigkeit (NLG), motorische Antwortpotentiale, Latenzzeit, Amplitude und Dauer der Potentiale untersucht werden. Die Berechnung der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit (v) erfolgt nach der Formel v = s : t aus der Latenzzeitdifferenz (t) und der Distanz zwischen den Reizpunkten (s). Die motorischen Nervenleitungsgeschwindigkeiten liegen am Unterarm normalerweise bei 50–60 m/s, am Unterschenkel bei 40–50 m/s; in proximalen Nervenabschnitten sind die Nervenleitgeschwindigkeiten physiologischerweise etwas höher [57, 59]. Die sensiblen Nervenleitgeschwindigkeiten werden an der oberen Extremität an den Nn. medianus, ulnaris und radialis, an der unteren Extremität an den Nn. peroneus und suralis untersucht, wobei auch hier Latenz, Amplitude, Dauer und Phasenzahl bestimmt werden. Aus der gemessenen Latenzzeit (zum 1. positiven Gipfel) und der Distanz zwischen Reiz und Ableitelektrode lässt sich die sensible Nervenleitgeschwindigkeit errechnen. Dabei ist
559
die Temperaturabhängigkeit der Nervenleitgeschwindigkeit zu berücksichtigen und die Haut auf mindestens 34,5 °C zu erwärmen. Der am häufigsten pathologisch veränderte neurophysiologische Parameter ist die Latenzverzögerung nach einem Doppelreiz am N. suralis [57]. Diese motorischen und sensiblen Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen erfassen nur die distalen Gliedmaßenabschnitte; zur Erfassung weiter proximal gelegener Nervenläsionen müssen Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen mit Reflex- und F-Wellen-Messungen kombiniert werden. Dadurch wird die gesamte Verlaufsstrecke des untersuchten Nervs, einschließlich der Nervenplexus und Nervenwurzeln, in die Funktionsprüfung einbezogen. • F-Antworten erfolgen durch rekurrente Erregung einzelner α-Motoneurone mit konsekutiver Impulsaussendung über dasselbe Axon zum Muskel. Dort lässt sich die eintreffende Erregung als sog. F-Antwort registrieren. Da die Impulswelle die Gesamtstrecke der motorischen Nervenfaser annähernd zweimal durchläuft, wirken sich Impulsleitungsverzögerungen im Sinne einer verstärkten Latenzverlängerung dieser Antwort aus. • Der H-Reflex (nach Hoffmann benannt) ist ein elektrisch ausgelöster monosynaptischer Eigenreflex, bei dem die elektrische Stimulation am N. tibialis in Höhe der Kniekehle, die Ableitung des Reflexpotentials vom M. soleus erfolgt. Dabei läuft eine aszendierende Impulswelle über den N. tibialis, den N. ischiadicus, den Beinplexus und die Wurzel S1 zum Hinterhorn und wird dann auf α-Motoneurone im Vorderhorn umgeschaltet, deren Erregung zur Aussendung der Reflexantwort führt. Krankhafte Veränderungen im afferenten oder efferenten Schenkel des Reflexbogens bedingen damit eine Latenzzunahme und/oder Amplitudenminderung des Reflexpotentials. Für differenziertere Messungen im Hirnnervenbereich wird der Orbicularis-oculi-Reflex verwendet. Stimuliert wird der N. supraorbitalis. Die Impulswelle verläuft über den ersten Trigeminusast zur Brücke und wird dort auf den gleichseitigen Fazialiskern umgeschaltet. Eine zweite Reflexbahn verläuft über die laterale Medulla oblongata nach mehreren synaptischen Umschaltungen zum ipsiund kontralateralen Fazialiskern. Der ipsilaterale Fazialiskern wird somit zweimal aktiviert und sendet eine frühe und eine spätere Reflexantwort aus, die im M. orbicularis oculi mit einer Latenz von etwa 10–30 ms erscheint [57]. Im kontralateralen M. orbicularis oculi ist lediglich die spätere Reflexkomponente registrierbar. Dadurch sind krankhafte Veränderungen im N. trigeminus, N. facialis sowie in der Brücke und der lateralen Medulla oblongata nachweisbar. Zur Testung der Temperaturempfindlichkeit [59] und vegetativer Funktionsstörungen [1, 60] gibt es weitere differenzierte Methoden. Motorische Störungen, z. B.
560
Kapitel 19
Gangstörungen im Alter, erfordern ein umfassenderes Spektrum differentialdiagnostischer Erwägungen und Tests; sie sind keineswegs nur auf Alterung und Erkrankungen des peripheren motorischen und sensorischen Nervensystems, wie z. B. die häufigen diabetischen oder alkoholischen Neuropathien, sondern auf zentralnervöse und andere Ursachen zurückzuführen [22].
Einführung in die morphologischen Untersuchungsmethoden
Voraussetzung für eine differenzierte morphologische Untersuchung der peripheren Nerven ist eine einwandfreie Exzisions- und Fixationstechnik, da die peripheren Nerven außerordentlich artefaktanfällig sind.
Die eindrucksvollen Fortschritte in der Diagnostik der peripheren Neuropathien während der vergangenen 60 Jahre sind nur möglich geworden durch Einführung differenzierter Untersuchungsverfahren mit Kunststoffeinbettung und Elektronenmikroskopie sowie Zupfpräparation einzelner Nervenfasern, Morphometrie, Immunhistochemie und Molekularbiologie. Diese Techniken sind allerdings optimal aussagefähig nur bei lege artis durchgeführter Exzisions-, Fixations- und Präparationstechnik, Einbettung oder Tiefkühlung und DNA-Asservierung.
Auswahl eines Nervs zur Biopsie
19
Am häufigsten wird der sensible und autonome Komponenten enthaltende N. suralis an der Grenze zwischen dem mittleren und unteren Drittel des Unterschenkels untersucht.
Die übliche Exzisionsstelle liegt kurz oberhalb des Malleolus lateralis der Fibula. An dieser Stelle ist der Nerv bereits durch die Faszie hindurchgetreten, liegt relativ oberflächlich unter dem subkutanen Fettgewebe und zeigt die geringsten Variationen hinsichtlich der Faszikel- und Nervenfaserzahl: ca. 9–16 (21) Faszikel, 4600–9600 markhaltige und 19.000–68.000 marklose Nervenfasern [51]. Nach Jacobs und Love [21] sind es 3360–7950 markhaltige und 10.500–45.500 marklose pro Nerv, 4080–25.890 markhaltige pro mm2 und 17.300–193.200 marklose pro mm2, je nach Alter, wobei die Querschnittsfläche von der Geburt bis zum Alter von 77 Jahren zwischen 0,20 und
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
1,20 mm2 liegt. Der N. suralis ist in qualitativer und quantitativer Hinsicht zweifellos der bestuntersuchte Nerv des Menschen, wobei auch für verschiedene Altersstufen hinreichend Kontrollwerte zur Verfügung stehen [16, 38, 49, 50]. Auch zu Hirnnerven und autonomen Nerven gibt es altersentsprechende morphometrische Daten [35]. Mit optisch-elektronischen Methoden lässt sich der Schweregrad einer Neuropathie am besten mit Hilfe der Markscheidenfläche pro Areal bestimmen; dadurch lassen sich allerdings nicht demyelinisierende von axonalen oder neuronalen Formen einer Neuropathie unterscheiden [48, 52]. Andere sensorische Nerven wie der N. peroneus superficialis, Hautäste des N. peroneus profundus am Fuß, der N. saphenus, der N. radialis superficialis und der N. auricularis major [63] lassen sich in besonderen Fällen ebenfalls untersuchen; doch sind die Kontrollwerte dieser und anderer Nerven weniger konstant und die Ausfälle oder Narben gravierender. Im Übrigen sind die Ausfälle generell in proximalen Nervenabschnitten wegen des häufig distal akzentuierten Befalls der Nerven geringer und morphologisch in der Regel entsprechend schwieriger zu klassifizieren. Zur Bestimmung von Neuropathien, bei denen überwiegend die kleinen autonomen markhaltigen Nervenfasern ausgefallen sind, werden heute vielfach Hautstanzbiopsien empfohlen (Literatur z. B. [10, 24], die jedoch den Nachteil haben, dass die großen Nervenfasern nicht mitbeurteilt werden können und jeweils nur ein sehr kleiner Anteil in verschiedenen Richtungen verlaufender, also nicht optimal orientierter Nervenfasern beurteilt werden kann. Die Treffsicherheit auch bei vaskulitischen Neuropathien ist stark herabgesetzt. In Einzelfällen sind sogar Spinalganglien bioptisch untersucht worden [18, 28]. Unter den gemischt sensorisch-motorischen Nerven ist der N. musculocutaneus [19] oder der laterale Anteil vom Endast des N. peroneus profundus zu bioptischen Untersuchungen des motorischen Systems herangezogen worden [15]. Im letzteren Fall werden laterale Faszikel oberhalb des Fußgelenks exzidiert mit der Konsequenz von Ausfällen im M. extensor digitorum brevis; doch zeigt dieser Muskel schon im frühen Alter Fasertypengruppierungen als Hinweis auf „physiologischerweise“ auftretende Nervenfaserausfälle. Der Nerv zum M. peroneus brevis eignet sich wegen seiner größeren Länge noch besser; doch darf man ihn selbstverständlich nur exzidieren, wenn seine Funktion ohnehin ausgefallen ist und der Fuß nicht mehr gehoben werden kann.
Technik der Nervenbiopsie Präparation. Während der Nervenexzision müssen einerseits Quetsch- und Zerrungsartefakte an den empfind-
Einführung in die morphologischen Untersuchungsmethoden
lichen Nervenfasern vermieden und andererseits dem Patienten Unannehmlichkeiten erspart werden (Details zur Lokalanästhesie und operativen Technik bei [56]). Die Biopsie kann ambulant durchgeführt werden. Durchführung. Zu exzidieren ist ein etwa 5 cm (3–9 cm) langer Nervenabschnitt, von dem ein 3 cm langer Teil möglichst innerhalb weniger Minuten in eine geeignete Fixationslösung aus gepuffertem Glutaraldehyd (z. B. 3,9% Glutaraldehyd in 0,1 mol Phosphatpuffer nach Sørensen) eingebracht werden muss (Details sind im Internet verfügbar z. B. unter http://www.ukaachen.de/content/page/6539251). Zur optimalen Längsorientierung kann man • den zu exzidierenden Nervenabschnitt in situ proximal und distal im Abstand von ca. 3 cm an ein steriles Holzstäbchen (z. B. das hintere Ende eines Wattestäbchens) binden und nach der Exzision durch vorsichtiges Auseinanderschieben der Fäden am Stäbchen (das entsprechend wenige Millimeter länger sein muss) noch 2–4 mm strecken, wobei man dem Zug der längsorientierten elastischen Fasern im Nerven entgegenwirken muss, um eine optimale Streckung der Nervenfasern zu erreichen. • Oder man kann ein geeignetes Gewicht mit einem kleinen Haken an das distale Ende hängen und das proximale Ende mit einem Faden am Korken der Flasche mit der Fixationslösung befestigen, wie es Dyck und Lofgren [15] am Beispiel einer sog. Faszikelbiopsie illustriert haben, bei der nur einzelne Faszikel eines Nerven in einer Länge von ca. 3 cm entnommen werden. • Oder der Nerv lässt sich auf einem festen Papier- oder Pappstreifen aufgrund der Eigenklebrigkeit des Gewebes unter leichtem Zug so auflegen, dass die Eigenelastizität des Nerven einigermaßen ausgeglichen und die Nervenfasern anschließend in gestrecktem Zustand in der oben genannten Fixationslösung fixiert werden können.
Die übliche 4%ige Formaldehydlösung (= Formol-, = 10%ige Formalinlösung, ohne Puffer usw.) eignet sich nicht für die Fixation peripherer Nerven. Sie führt zu groben Artefakten vor allem an den Markscheiden.
Ein weiterer, je nach Bedarf unterschiedlich langer Nervenabschnitt sollte für immunhistochemische, enzymhistochemische und evtl. biochemische und molekulargenetische Untersuchungen unfixiert bleiben und in flüssigem Stickstoff tiefgefroren werden.
561
Morphologische Untersuchungstechniken Die Aufteilung des ca. 3 cm langen Nervenabschnitts erfolgt nach der Exzision und Fixation so bald wie möglich im Labor. Von dem 3 cm langen Nervenabschnitt ist mindestens 1 cm für Zupfpräparate, 1 cm für die Plastikeinbettung (für Semidünnschnitte und Elektronenmikroskopie) und der Rest für die Paraffineinbettung vorzusehen. Bei der Einbettung des Nervs sowohl in Paraffin als auch in Epoxydharz ist eine optimale Quer- und Längsorientierung erforderlich. Zur adäquaten Auswertung müssen (bei Bedarf) auch morphometrische Methoden für die Bestimmung der Zahl und Größe der (lichtmikroskopisch am besten in Semidünnschnitten bestimmbaren) markhaltigen und der (nur elektronenmikroskopisch sicher quantifizierbaren) marklosen Nervenfasern sowie der (planimetrisch oder mit dem Messokular oder mit interaktiven Bildanalysegeräten auswertbaren) Nervenquerschnittsflächen verfügbar sein, damit in Zweifelsfällen pathologische von normalen Befunden, insbesondere auch im kritischen Grenzbereich der altersentsprechenden Norm, abgegrenzt werden können. Echte (nichtpathologische) Kontrollfälle in verschiedenen Lebensaltersstufen sind aus ethischen Gründen in der Regel nur aus dem Obduktionsgut verfügbar (s. oben). Versand: Kann der exzidierte und fixierte Nerv nicht unmittelbar am Ort weiterverarbeitet werden, sollte er so bald wie möglich in der oben erwähnten gepufferten Glutaraldehydlösung an ein geeignetes Speziallabor mit den genannten Untersuchungsmöglichkeiten versandt werden. Der unfixierte tiefgefrorene Nervenabschnitt muss in einem Kühlgefäß zusammen mit genügend Trockeneis verschickt werden, so dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird. Der N. suralis eignet sich auch für eine kombinierte Nerv-Muskel-Biopsie zusammen mit dem M. peroneus brevis. Durch eine solche kombinierte Biopsie erhält man Einblicke sowohl in das sensorische als auch in das motorische Nervensystem. In der klinischen Praxis sind jedoch Muskelbiopsien etwa 3-mal so häufig wie Nervenbiopsien indiziert. Manche Krankheiten des peripheren Nervensystems, speziell der kleinen Nervenfasern, lassen sich durch eine Hautbiopsie (z. B. bei der Polyglukosankörperkrankheit) an den darin stets enthaltenen, relativ spärlichen vegetativen und sensiblen Nervenfasern und -faszikeln diagnostizieren [8, 9, 23, 24, 30], evtl. auch durch die einfachere Konjunktivalbiopsie. Wenn Ganglienzellen mit ihren Perikaryen für die Diagnose erforderlich sind, hilft oft eine Rektumbiopsie (z. B. beim Hirschsprung-Syndrom, bei Gangliosidosen und Amyloidosen), die aber tief genug reichen muss, um Ganglienzellen des Plexus mucosus (Meissner) oder sogar des Plexus myentericus (Auerbach) zu erhalten.
562
Kapitel 19
Indikationen zur Nervenbiopsie
19
Die Indikationen zur Nervenbiopsie sind heute einigermaßen gut umrissen [4, 32, 41, 48, 54, 61]. Die Biopsie ist besonders hilfreich bei der Diagnose bestimmter systemischer Krankheiten, die zu Neuropathien vom Multiplextyp (multiple Mononeuropathiesyndrome) führen, so z. B. bei Angiitiden (= Vaskulitiden) und Amyloidosen. Lysosomale Stoffwechselstörungen, wie die metachromatische Leukodystrophie, die Krabbe-Krankheit, die Fabry-Krankheit u. a., gehen zwar mit pathognonomischen Veränderungen im peripheren Nerven einher, doch lassen sie sich in der Regel leichter durch biochemische Blutanalysen diagnostizieren. Ausnahmen bilden evtl. Fälle mit juveniler oder adulter metachromatischer Leukodystrophie, bei denen der biochemische Nachweis des inkompletten Arylsulfatasemangels schwierig sein kann. In zunehmender Zahl sind heute bei hereditären Neuropathien molekulargenetische Analysen zugrunde liegender DNA-Mutationen verfügbar; doch hilft eine vorausgehende Nervenbiopsie vielfach bei der Eingrenzung der zu analysierenden Gene (s. unten). Weitere, seltene Indikationen sind die Riesenaxonneuropathie und die infantile neuroaxonale Dystrophie. Auch demyelinisierende Neuropathien lassen sich als solche zuverlässig mit Hilfe einer Nervenbiopsie diagnostizieren, insbesondere wenn Zupfpräparate mit untersucht werden können, d. h. isolierte, einzelne Nervenfasern mit mehreren aufeinander folgenden Internodien, wie man sie nach Osmierung und Glyzerinisierung peripherer Nerven gewinnen kann. Schnittpräparate von längsorientierten Nervenabschnitten sind in dieser Hinsicht nur aufschlussreich, wenn ungleichmäßig dick myelinisierte, aufeinander folgende Internodien nachweisbar sind. Querorientierte Schnittpräparate von Nerven sind auf eine demyelinisierende Form der Neuropathie verdächtig (nicht beweisend), wenn einzeln liegende, in Relation zum Axonkaliber unverhältnismäßig dünn myelinisierte Nervenfasern vorkommen; sog. Zwiebelschalenformationen (s. unten) sind jedoch in der Regel beweisend. Fokal gefaltete („focally folded“), hyperplastische Markscheiden mit im Überschuss gebildeten Markscheidenanteilen, die oft paranodal anzutreffen sind, sind auf eine tomakulöse Neuropathie verdächtig, wenn artifizielle Deformationen ausgeschlossen werden können, Basallamina-Zwiebelschalenformationen auf kongenitale Hypomyelinsationsneuropathien (s. dort). Biopsien sind auch gerechtfertigt bei der Analyse generalisierter „kryptogenetischer“ Neuropathien, bei denen sorgfältige klinische Analysen nicht zur Aufklärung der Ursachen geführt haben. Krankheitsbilder, die sich in untypischer Weise als distale Axonopathien manifestieren (chronische demyelinisierende Neuropathien, Vaskulitis oder Sarkoidose, Lymphominfiltration), werden gelegent-
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
lich erst durch die Biopsie erkannt. Sofern die Diagnose klinisch einigermaßen gesichert ist (Diabetes mellitus, Alkoholismus, Porphyrie, Urämie, Guillain-Barré-Syndrom, metabolisch-toxische Erkrankungen mit gesicherter Ätiologie etc.), ist eine Biopsie nicht erforderlich. Distale symmetrische axonale Neuropathien, wie sie meistens mit metabolischen oder toxischen Ursachen verbunden sind, zeigen in der Regel unspezifische morphologische Veränderungen, so dass die Biopsie weniger aufschlussreich ist als sorgfältige klinische Untersuchungen. Allerdings weist die Synchronizität der Veränderungen im peripheren Nerv häufig auf eine zeitlich begrenzte exogene Schädigung hin, so dass langsam progressive, genetisch bedingte Neuropathien ausgeschlossen werden können. Manchmal ist auch schon der Ausschluss einer Miterkrankung wichtig, z. B. der Ausschluss einer amyotrophischen Lateralsklerose durch den Nachweis eines Befalls des sensorischen Nervensystems über eine Suralisbiopsie (wobei zu betonen ist, dass der N. suralis in aller Regel ein rein sensibler Nerv ist). Wenn auch vielfach pathognomonische (pathognostische) Veränderungen in Nervenbiopsien nachweisbar sind, muss man doch oft damit rechnen, dass nur krankheitsgruppenspezifische (z. B. „entzündliche“, axonale oder myelinopathische) Veränderungen zu finden sind, evtl. auch nur unspezifische Faseratrophien und mehr oder weniger selektive Nervenfaserausfälle usw. In letzterem Falle ist aber in der Regel noch eine Aussage über den Schweregrad und das Stadium der Schädigung sowie über die Akuität (Progredienz) des Prozesses und über das Ausmaß der Regeneration oder Restitution möglich. Im Übrigen gibt es immer wieder überraschende Biopsieergebnisse.
Komplikationen einer Nervenbiopsie Detaillierte Untersuchungen über die subjektiven Symptome während und nach Suralisbiopsien bei 97 Patienten haben Dyck et al. [14] und bei 56 von 80 Patienten Neundörfer et al. [37] mitgeteilt. Während der Durchschneidung des Nervs (oder einzelner Nervenfaszikel) in Lokalanästhesie kommt es für 1 oder 2 Sekunden zu einem scharfen stechenden und brennenden Schmerz. Die späteren Symptome waren geringfügig bei 30% und störend bei 10% (Schmerzen und Parästhesien). Die Sensibilität in der primär anästhetischen Zone hatte sich fast vollständig normalisiert. Asbury und Gilliatt [3] weisen auf Wundinfektionen, schmerzhafte Neurombildungen im proximalen Stumpf, persistierende Dysästhesien an der Ferse und am lateralen Fußrand sowie auf eine lokale Thrombophlebitis als mögliche Komplikationen hin. Bleibende Dysästhesien aufgrund eines Neuroms oder aufgrund von Wundheilungsstörungen fanden sich jedoch nur selten.
Literatur
In den nächsten Kapiteln folgt eine kurze Darstellung der wichtigsten Veränderungen und Krankheiten der peripheren Nerven, die sich teilweise noch auf eine ebenfalls im Springer-Verlag erschienene ausführlichere Abhandlung der Themen stützt [45, 46]. Die Veränderungen an den Nervenzellkörpern (am Perikaryon) werden in Zusammenhang mit den Zellveränderungen im Zentralnervensystem an anderer Stelle aufgeführt.
563
15.
16. 17. 18.
Literatur 19. 1.
2. 3.
4. 5.
6.
7. 8.
9.
10.
11.
12. 13.
14.
Appenzeller O (1990) The autonomic nervous system. An introduction to basic and clinical concepts. Elsevier, Amsterdam Arroyo EJ, Scherer SS (2000) On the molecular architecture of myelinated fibers. Histochem Cell Biol 113: 1–18 Asbury AK, Gilliatt RW (eds) (1987) Peripheral nerve disorders. A practical Approach. Butterworth-Heinemann, London Asbury AK, Thomas PK (eds) (1995) Peripheral nerve disorders. Butterworth-Heinemann, London Berthold C-H, Fraher JP, King RHM, Rydmark M (2005) Microscopic anatomy of the peripheral nervous system. In: Dyck PJ, Thomas PK (ed) Peripheral neuropathy. Elsevier Saunders, Philadelphia, pp 35–91 Bertram M, Schröder JM (1993) Developmental changes at the node and paranode in human sural nerves: morphometric and fine-structural evaluation. Cell Tissue Res 273: 499–509 Cajal SR (1928) Degeneration and regeneration of the nervous system. University Press, Oxford Ceuterick-de Groote C, Martin JJ (1998) Extracerebral biopsy in lysosomal and peroxisomal disorders. Ultrastructural findings. Brain Pathol 8: 121–132 Ceuterick C, Martin JJ (1992) Electron microscopic features of skin in neurometabolic disorders. J Neurol Sci 112: 15–29 Dabby R, Vaknine H, Gilad R, Djaldetti R, Sadeh M (2007) Evaluation of cutaneous autonomic innervation in idiopathic sensory small-fiber neuropathy. J Peripher Nerv Syst 12: 98–101 Devaux J, Alcaraz G, Grinspan J, Bennett V, Joho R, Crest M, Scherer SS (2003) Kv3.1b is a novel component of CNS nodes. J Neurosci 23: 4509–4518 Devaux JJ, Kleopa KA, Cooper EC, Scherer SS (2004) KCNQ2 is a nodal K+ channel. J Neurosci 24: 1236–1244 Droz B, Koenig HL, Di Giamberardino L, Couraud JY, Chretien M, Souyri F (1979) The importance of axonal transport and endoplasmic reticulum in the function of cholinergic synapse in normal and pathological conditions. Prog Brain Res 49: 23–44 Dyck PJ, Litchy WJ, Minnerath S, Bird TD, Chance PF, Schaid DJ, Aronson AE (1993) Hereditary motor and sen-
20.
21.
19. 23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
sory neuropathy with diaphragm and vocal cord paresis. Ann Neurol 35: 608–516 Dyck PJ, Lofgren EP (1966) Method of fascicular biopsy of human peripheral nerve for electrophysiologic and histologic study. Mayo Clin Proc 41: 778–784 Dyck PJ, Thomas PK (2005) Peripheral Neuropathy. Elsevier Saunders, Philadelphia Friede RL (1984) Cochlear axon calibres are adjusted to characteristic frequencies. J Neurol Sci 66: 193–200 Griffin JW, Cornblath DR, Alexander E, Campbell J, Low PA, Bird S, Feldman EL (1990) Ataxic sensory neuropathy and dorsal root ganglionitis associated with Sjogren’s syndrome. Ann Neurol 27: 304–315 Hall SM, Hughes RA, Atkinson PF, McColl I, Gale A (1992) Motor nerve biopsy in severe Guillain-Barré syndrome. Ann Neurol 31: 441–444 Herman RM, Brower JB, Stoddard DG, Casano AR, Targovnik JH, Herman JH, Tearse P (2007) Prevalence of somatic small fiber neuropathy in obesity. Int J Obes (Lond) 31: 226–235 Jacobs JM, Love S (1985) Qualitative and quantitative morphology of human sural nerve at different ages. Brain 108: 897–924 Jahn K, Zwergal A, Schniepp R (2010) Gangstörungen im Alter. Dtsch Artzebl Int 107: 306–316 Kennedy WR, Nolano M, Wendelschafer-Crabb G, Johnson TL, Tamura E (1999) A skin blister method to study epidermal nerves in peripheral nerve disease. Muscle Nerve 22: 360–371 Kennedy WR, Wendelschafer-Crabb G, Johnson T (1996) Quantitation of epidermal nerves in diabetic neuropathy. Neurology 47: 1042–1048 Klemm H (1970) Das Perineurium als Diffusionsbarriere gegenüber Peroxydase bei epi- und endoneuraler Applikation. Z Zellforsch Mikrosk Anat 108: 431–445 Krause S, Stendel C, Senderek J, Relvas JB, Suter U (2008) Small Rho GTPases are key regulators of peripheral nerve biology in health and disease. J Peripher Nerv Syst 13: 188–199 Kushkuley J, Chan WK, Lee S, Eyer J, Leterrier JF, Letournel F, Shea TB (2009) Neurofilament cross-bridging competes with kinesin-dependent association of neurofilaments with microtubules. J Cell Sci 122: 3579–3586 Malinow K, Yannakakis GD, Glusman SM et al. (1986) Subacute sensory neuronopathy secondary to dorsal root ganglionitis in primary Sjogren’s syndrome. Ann Neurol 20: 535–537 Mawrin C, Schütz G, Schröder JM (2001) Correlation between the number of epineurial and endoneurial blood vessels in diseased human sural nerves. Acta Neuropathol (Berl) 102: 364–372 McArthur JC, Stocks EA, Hauer P, Cornblath DR, Griffin JW (1998) Epidermal nerve fiber density: normative reference range and diagnostic efficiency [see comments]. Arch Neurol 55: 1513–1520
564
Kapitel 19
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39. 40.
41. 42.
43.
19
44.
45. 46.
47.
48.
McLeod JG, Tuck RR, Pollard JD, Cameron J, Walsh JC (1984) Chronic polyneuropathy of undetermined cause. J Neurol Neurosurg Psychiatry 47: 530–535 Midroni G, Bilbao JM (1995) Biopsy diagnosis of peripheral neuropathy. Butterworth-Heinemann, Boston Oxford Melbourne Mirsky R, Woodhoo A, Parkinson DB, Arthur-Farraj P, Bhaskaran A, Jessen KR (2008) Novel signals controlling embryonic Schwann cell development, myelination and dedifferentiation. J Peripher Nerv Syst 13: 122–135 Mizisin AP, Weerasuriya A (2010) Homeostatic regulation of the endoneurial microenvironment during development, aging and in response to trauma, disease and toxic insult. Acta Neuropathol 121: 291–312 Moriyama H, Amano K, Itoh M, Shimada K, Otsuka N (2007) Morphometric aspects of peripheral nerves in adults and the elderly. J Peripher Nerv Syst 12: 205–209 Mumenthaler M, Stöhr M, Müller-Vahl H (2007) Läsionen peripherer Nerven und radikuläre Syndrome. Thieme, Stuttgart, New York Neundörfer B, Grahmann F, Engelhardt A, Harte U (1990) Postoperative effects and value of sural nerve biopsies: a retrospective study. Eur Neurol 30: 350–352 Ouvrier RA, McLeod JG, Conchin T (1987) Morphometric studies of sural nerve in childhood. Muscle Nerve 10: 47–53 Peters A, Palay SL, Webster Hd (1991) The fine structure of the nervous system. WB Saunders, London Quintes S, Goebbels S, Saher G, Schwab MH, Nave KA (2010) Neuron-glia signaling and the protection of axon function by Schwann cells. J Peripher Nerv Syst 15: 10–16 Schaumburg HH, Berger AR, Thomas PK (1992) Disorders of peripheral nerves. Davis, Philadelphia Scherer SS, Arroyo EJ (2002) Recent progress on the molecular organization of myelinated axons. J Peripher Nerv Syst 7: 1–12 Schmitt FO, Bear RS (1937) The optical properties of vertebrate nerve axons as related to fiber size. J Cellul Comp Physiol 9: 261–273 Schnapp BJ, Crise B, Sheetz MP, Reese TS, Khan S (1990) Delayed start-up of kinesin-driven microtubule gliding following inhibition by adenosine 5’-[beta,gammaimido]triphosphate. Proc Natl Acad Sci USA 87: 10053– 10057 Schröder JM (ed) (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (2001) Pathology of peripheral nerves. An atlas of structural and molecular pathological changes. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (1987) Pathomorphologie der peripheren Nerven. In: Neundörfer B, Schimrigk K, Soyka K (eds) Polyneuritiden und Polyneuropathien. Edition Medizin VCH, Weinheim, S 11–104 Schröder JM (1998) Recommendations for the examination of peripheral nerve biopsies. Virchows Arch 432: 199– 205
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57. 58.
59.
60.
61. 62.
63.
Schröder JM, Bohl J, Brodda K (1978) Changes of the ratio between myelin thickness and axon diameter in the human developing sural nerve. Acta Neuropathol (Berl) 43: 169–178 Schröder JM, Bohl J, von Bardeleben U (1988) Changes of the ratio between myelin thickness and axon diameter in human developing sural, femoral, ulnar, facial, and trochlear nerves. Acta Neuropathol (Berl) 76: 471–483 Schröder JM, Gibbels E (1977) Marklose Nervenfasern im Senium und im Spätstadium der Thalidomid-Polyneuropathie: quantitativ-elektronenmikroskopische Untersuchungen. Acta Neuropathol (Berl) 39: 271–280 Schröder JM, Sommer C (1991) Mitochondrial abnormalities in human sural nerves: fine structural evaluation of cases with mitochondrial myopathy, hereditary and nonhereditary neuropathies, and review of the literature. Acta Neuropathol (Berl) 82: 471–482 Schütz G, Schröder JM (1997) Number and size of epineurial blood vessels in normal and diseased human sural nerves. Cell Tissue Res 290: 31–37 Sommer C, Brandner S, Dyck PJ et al. (2008) 147th ENMC international workshop: guideline on processing and evaluation of sural nerve biopsies, 15–17 December 2006, Naarden, The Netherlands. Neuromuscul Disord 18: 90– 96 Stetson DS, Albers JW, Silverstein BA, Wolfe RA (1992) Effects of age, sex, and anthropometric factors on nerve conduction measures [see comments]. Muscle Nerve 15: 1095–1104 Stevens JC, Löfgren EP, Dyck PJ (1973) Histometric evaluation of branches of peroneal nerve: technique for combined biopsy of muscle nerve and cutaneous nerve. Brain Res 52: 37–59 Stöhr M (1992) Elektromyographie und Elektroneurographie. Urban & Schwarzenberg, München Thomas PK, Landon DN, King RHM (eds) (1997) Diseases of the peripheral nerves. Arnold, London Sydney Auckland Verdugo R, Ochoa JL (1992) Quantitative somatosensory thermotest. A key method for functional evaluation of small calibre afferent channels. Brain 115: 893–913 Vinken PJ, Bruyn GW (eds) (1999) The autonomic nervous system, part i, revised series 30. Elsevier, Amsterdam Vital C, Vallat JM, Vital A (2008) Nerve biopsy is still very useful: a personal view. J Peripher Nerv Syst 13: 103–104 Walton J, Rowland LP, McLeod JG (1994) World Federation of Neurology Research Group on Neuromuscular Disorders. J Neurol Sci 124 (Suppl): 109–130 Webster HD, Schröder JM, Asbury AK, Adams RD (1967) The role of Schwann cells in the formation of “onion bulbs” found in chronic neuropathies. J Neuropathol Exp Neurol 26: 276–299
Kapitel 20
20
Physikalische Schäden peripherer Nerven J.M. Schröder Inhalt Allgemeine Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
566
Spinalwurzelausriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
573
Spezielle Nervenläsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
568
Nervenüberstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
573
Kompression und Perkussion . . . . . . . . . . . . . .
568
Frost- und Hitzeschäden . . . . . . . . . . . . . . . .
573
Kontinuitätsunterbrechung . . . . . . . . . . . . . . .
571
Strahlen- und Stromschäden . . . . . . . . . . . . . .
574
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
574
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
566
Kapitel 20
Zu diesem Thema gibt es aufgrund von Kriegsverletzungen, Verkehrsunfällen und anderen Ursachen von Nervenverletzungen eine besonders umfangreiche Literatur [8, 12, 25, 30, 44, 46, 50, 51, 58, 65].
Allgemeine Reaktionen Zum Verständnis der allgemeinen Reaktionen der peripheren Nerven ist eine Darstellung der Reaktionen nach mechanischen Verletzungen aufschlussreich (Tabelle 20.1 und Abb. 20.1). Je nach dem Schweregrad einer peripheren Nervenquetschung oder -zerrung oder einer Verletzung mit Kontinuitätsunterbrechung des Nervs kommt es zu unterschiedlichen funktionellen und morphologischen Störungen, die in Tabelle 20.1 zusammengefasst sind. Die 1943 von Seddon vorgeschlagene Klassifikation der peripheren Nervenverletzungen umfasste
Physikalische Schäden peripherer Nerven
• Neurapraxie, • Axonotmesis und • Neurotmesis. Mit der Neurapraxie war ein lokalisierter Leitungsblock bei Erhaltung der distalen Nervenleitung gemeint. Dabei kommt es zu einer vollständigen Restitution der Funktion innerhalb von 6–8 Wochen, da diesem Typ der Nervenfaserschädigung lediglich eine segmentale (Abb. 20.1a) oder paranodale Demyelinisation zugrunde liegt. Diese ist durch einen selektiven Zerfall der Markscheiden entweder nur in der Nachbarschaft des Ranvier-Schnürrings (paranodal) oder in einem gesamten, ca. 0,3–1,5 mm langen, jeweils von einer einzigen Schwann-Zelle gebildeten Markscheidensegment (Internodium) oder in mehreren Segmenten gekennzeichnet (Abb. 20.1a,a‘). Sie wird durch die nach etwa 3 Wochen einsetzende Remyelinisation funktionell weitgehend ausgeglichen, wenn auch strukturell aufgrund der verkürzten, neu gebildeten und
Tabelle 20.1. Traumatische Nervenläsionen (vgl. Abb. 20.1) Form der Schädigung
Folgen und Komplikationen der Restitution
A
Veränderungen der Markscheide
Remyelinisation beginnt nach 3 Wochen
I.
Paranodale Demyelinisation
Interkalierte Segmente
II.
Segmentale Demyelinisation
B
a)
Einmalig („Neurapraxie“)
1. Verkürzung der Internodien nach Remyelinisation auf ca. 300 μm 2. Reduktion der Markscheidendicke in Relation zum Axonkaliber
b)
Rezidivierend
1. 2. 3. 4.
Zwiebelschalenformationen „Hypertrophie“ des Nervs Sekundäre axonale Atrophie, evtl. Degeneration Reaktive endoneurale Bindegewebsvermehrung
Axonale Veränderungen I.
Kompression
Distal: Atrophie Proximal: Auftreibung
II.
Unterbrechung nur der Axone („Axonotmesis“)
1. Waller-Degeneration des distalen Nervenabschnittes mit Ausbildung Büngnerscher Bänder (proliferierte Schwann-Zellen) 2. Folgen bei verhinderter oder frustraner Regeneration: a) Retrograde Atrophie mit Synapsenverlust am Motoneuron („synaptic stripping“) b) Retrograde Degeneration (Neuronenverlust) 3. Folgen bei optimal ausgerichteter Regeneration a) Regeneration ca. 1 mm pro Tag b) Überschussbildung und Gruppierung regenerierter Axone in Büngner-Bändern c) Verkürzung der neu gebildeten Internodien auf ca. 300 μm (wie oben) d) Reduktion der Markscheidendicke in Relation zum Axonkaliber
III.
Unterbrechung der Kontinuität des gesamten Nervenquerschnitts („Neurotmesis“)
1. Regeneration ungeordnet mit Neurombildung und Minifaszikeln
20
2. Aberrierende Regeneration 3. Fehlinnervation motorisch und sensorisch Klinische Folgen: Kausalgien, Phantomschmerzen, -empfindungen, Mitbewegungen fehlinnervierter Muskeln
567
Allgemeine Reaktionen
a
a'
c
c'
b
b'
d
d'
e
f
Abb. 20.1a–f Schema der drei wichtigsten Schädigungsformen des peripheren Nervs mit den entsprechenden Ausheilungsbildern. a,a‘ Längs- und Querschnittsbild eines Nervs mit einem bzw. mehreren segmental demyelinisierten Axonen, die in ihrer Kontinuität nicht unterbrochen sind. Die Schwann-Zellen der betroffenen Internodien sind proliferiert und enthalten noch einzelne Markscheidenabbauprodukte. b,b‘ Längs- und Querschnitte der zugehörigen Ausheilungsbilder. Die demyelinisierten Axone werden dünn remyelinisiert. Die neu gebildeten Internodien sind verkürzt. Einzelne überschüssig proliferierte Schwann-Zellen liegen in einigem Abstand meistens schalenförmig angeordnet neben den remyelinisierten Nervenfasern. c,c‘ Längs- und Querschnittbild von degenerierenden Nervenfasern, deren Kontinuität vollständig unterbrochen ist. In den proliferierenden Schwann-Zellen und eingewanderten Makrophagen liegen reichlich Markscheidenabbauprodukte. d,d‘ Die aus der unterbrochenen Nervenfaser aussprossenden multiplen Nervenfaserregenerate liegen bei erhaltenem Endoneurium bündelförmig an der Stelle der degenerierten Nervenfaser. Die regenerierten
e'
f'
f''
Nervenfasern sind unterschiedlich dick und bleiben z. T. unbemarkt. e,e‘ Distal einer kompletten Unterbrechung des gesamten Nervs bleiben die proliferierten Schwann-Zellen an der Stelle der degenerierten Nervenfasern in Gestalt der Büngner-Bänder im Endoneurium longitudinal orientiert liegen, auch wenn sie nicht wieder reinnerviert werden. f, f ‘,f ‘‘ Der bindegewebig organisierte Nervendefekt oder das Transplantat wird „neuromatös“ reinnerviert, wobei kleine Bündel regenerierter dünner Nervenfasern durch ein neu gebildetes Perineurium (gestrichelt) von dem Bindegewebe der Umgebung isoliert werden (Minifaszikel) (f,f ‘). Einzelne Nervenfaserzweige biegen lateralwärts ab, rekurrieren oder endigen frei im Bindegewebe. Andere erreichen den distalen Nervenfaszikel (f ‘‘) und finden Anschluss an die Büngner-Bänder. Die Nervenfaserbündel werden hier nicht mehr von neu gebildeten Perineuralzellen, sondern vom präexistenten Perineurium des ursprünglichen Faszikels gegenüber der Umgebung abgegrenzt. Einzelne aberrante Faszikel liegen, von einem separaten Perineurium umhüllt, im Epineurium des distalen Nervenabschnittes
568
20
Kapitel 20
Physikalische Schäden peripherer Nerven
etwa um das Dreifache vermehrten Internodien und der Verschmälerung der Markscheiden keine Restitutio ad integrum erreicht wird (Abb. 20.1b, b‘). Demgegenüber ist die „ Axonotmesis“, z. B. nach einer Quetschung, durch eine selektive Unterbrechung der Axone bei erhaltenem Bindegewebsgerüst des peripheren Nervs charakterisiert. Die Folge ist eine 2–3 Tage später einsetzende Degeneration (nicht einfach Nekrose) des distalen Nervenfaserabschnittes nach dem Waller-Gesetz (Waller-Degeneration) (vgl. Abb. 20.1c,c‘). Dabei werden Axone und Markscheiden durch die proliferierenden, d. h. sich um das 6- bis 8fache vermehrenden SchwannZellen unter Mitwirkung von Makrophagen innerhalb und außerhalb der ursprünglichen Basallamina der jeweiligen Nervenfaser bis in die Peripherie abgebaut (Literatur siehe z. B. [52]). Die dabei ablaufenden biochemischen Prozesse sind recht genau untersucht (Details s. [12]). Übrig bleiben an der Stelle der degenerierten Nervenfasern die sog. Büngner-Bänder (Abb. 20.1c,c‘, 20.2c,d), die zumindest teilweise noch nach Monaten und Jahren von proximal aussprossende Axone (Abb. 20.1d,d‘, 20.2e–g, 20.3, 20.4g) wieder exakt an ihren adäquaten Zielort leiten können. Als „Neurotmesis“ (Abb. 20.1e) bezeichnete Seddon die vollständige Unterbrechung des peripheren Nerven, die allerdings im Unterschied zur Axonotmesis aufgrund der gestörten Schienung der regenerierenden Axone zu einem weniger befriedigenden Regenerationsergebnis führt (Abb. 20.1f,f“, 20.4g). Demgegenüber sind die Regenerationsergebnisse nach der Axonotmesis zufriedenstellend (Abb. 20.2b), sofern die Regenerationsstrecke oder das Endgebiet nicht bereits fibrosiert sind, was nach einem Zeitraum von etwa 2 Jahren zu erwarten ist. Im Übrigen wird das Regenerationsergebnis negativ vom Alter [59] und positiv von Wachstumsfaktoren (Neurotrophinen) beeinflusst wie dem Nervenwachstumsfaktor (NGF = „nerve growth factor“; vgl. [5, 27, 43], BDNF = „brain-derived growth factor“, NT-3 = Neurotrophin-3, NT-4 = Neurotrophin-4 [37], PDGFR-α = „platelet-derived growth factor-α“) sowie von „extrazellulär regulierter Proteinkinase“ (ERK) und „c-Jun-NH2terminalen Kinasen“ (JNKs), Phosphatidylinositol-3Kinase und mitogenaktivierter Proteinkinase (MAP)
[65]. Als speziell protektiv für Motoneurone gilt GDNF („glial cell line-derived neurotrophic factor“), der sich in Therapieversuchen mit Plasmiden oder Adenovektoren wie auch FGF-2 und TGFβ2 an die Schwann-Zellen heranbringen lässt [31]. Ein Zuviel an NGF führt jedoch zur Hemmung des Wachstums zumindest sensorischer Axone [9]. Im Übrigen spielen zweifellos örtliche Durchblutungsverhältnisse eine entscheidende Rolle. Wichtig ist außerdem, wenn auch in seiner Bedeutung noch wenig erfasst, nach dem Aussprossen sog. Pionierfasern (1. Stadium der Regeneration) in einem 2. Stadium der Kontakt regenerierender Nervenfasern mit adäquaten Endorganen [62]. Dadurch wird vermutlich proximal und distal über einen elektrochemischen „cross talk“ die Regeneration benachbarter Nervenfasern angeregt. Nach Nervenverletzungen rechnet man grob mit einer Regenerationsgeschwindigkeit von 1 mm pro Tag, wobei das Überbrücken der Verletzungsstelle nach einer Latenz von etwa 7 Tagen drei oder mehr Wochen dauert, die Regeneration im distalen Nerven aber mit 3–4 mm/Tag erfolgt [33]. In der Haut von Gesunden beträgt die kollaterale Sprossungsgeschwindigkeit der Nervenfasern nach einer 3 mm großen Hautbiopsie nur 8 μm/Tag [17]. Ähnlich langsam wird die Kornea nach einer Transplantation reinnerviert.
Abb. 20.2a–h Repräsentative Ausschnitte aus dem N. ischiadicus (Ratte). a Kontrollnerv. b 12 Monate nach einem Quetschtrauma (distal der Quetschzone). Die größten regenerierten Nervenfasern werden von (in Relation zum Axonkaliber) disproportioniert dünnen Markscheiden umgeben. Die Pfeile weisen auf atrophische Nervenfasern hin. c–h Experimentelle Isoniazidneuropathie. N. ischiadicus verschiedener Ratten: c 4 Tage, d 3 Wochen, e 7 Wochen nach Beginn der INH-Intoxikation, f nach 3-monatiger und g nach 24monatiger Überlebenszeit im Anschluss an eine kurzfristige INH-
Intoxikation. Die Zahl der im Überschuss regenerierten Nervenfasern und der proliferierten Schwann-Zellen hat sich nach 2 Jahren deutlich zurückgebildet, das endoneurale Bindegewebe ist aber deutlich vermehrt. h Kontrollratte im relativ hohen Alter von 3,5 Jahren mit den verschiedensten Formen spontaner Nervenfaserveränderungen: Degeneration und Regeneration, Demyelinisation und Remyelinisation, Büngner-Bänder, Ödem und Vermehrung des endoneuralen Bindegewebes. (a,b,f,g: Vergr. 720:1; c–e: 1000:1; h: 690:1)
Spezielle Nervenläsionen Kompression und Perkussion Durch eine Quetschung werden die Axone komprimiert oder unterbrochen, sofern die Quetschung lang und stark genug ist [16]. Es resultiert eine paranodale Markscheidenintussuszeption, evtl. auch eine segmentale Demyelinisation (mit anschließender Remyelinisation) oder sogar eine axonale Degeneration (mit nachfolgender Regeneration) [35]. Bei chronischer Nervenkompression und Einklemmung resultiert eine Schwellung der Axone und des Nerven proximal der Kompressionsstelle mit leichter Verdickung des Perineuriums und nach Monaten und Jahren eine
Spezielle Nervenläsionen
a
569
b
c
d
e
f
g
h
570
Kapitel 20
a
b
c
20
d
Physikalische Schäden peripherer Nerven
Spezielle Nervenläsionen
Entwicklung von Renaut-Körpern (Abb. 20.4h), das sind kissenartige ovale oder rundliche Anhäufungen endoneuraler Bindegewebselemente, die neben mukoiden Substanzen, Mannose, N-Acetyl-Glucosamin (GlcNAc), Kollagen Typ IV, Laminin und Tenaszin auch reichlich Oxytalanfasern (filamentöser Anteil elastischer Fasern) und in Richtung EMA- (epitheliales Membranantigen-), Glut-1- und Claudin-1-positive Perineuralzellen differenzierte endoneurale Fibroblasten enthalten [41, 61]. Derartige und andere Veränderungen sind bei Einklemmung des N. medianus am Handgelenk (Karpaltunnelsyndrom, Literatur s. [10]), des N. ulnaris am Ellenbogen sowie den oberflächlichen Fingernerven, an der Spina iliaca anterior (Meralgia paraesthetica), ausnahmsweise auch einmal bilateral nach einem Kaiserschnitt [39], am N. suralis [36], N. peroneus [2] und an anderen Nerven festgestellt worden. Vermutlich ist auch am Fuß die Morton-Metatarsalgie (Abb. 20.4h) vor allem Folge einer Druckwirkung, wobei jeweils eine druckbedingte Ischämie als pathogenetischer Faktor mit zu berücksichtigen ist. Durch eine starke Erschütterung des Nerven (Perkussionsverletzung), z. B. durch Schlag mit einem stumpfen Gegenstand und Kompression des Nerven gegen darunter liegende knöcherne Strukturen, kommt es zu einer Kombination von segmentalen Demyelinisationen mit periaxonalem und intramyelinischem Ödem sowie axonaler Unterbrechung.
Kontinuitätsunterbrechung Nach einer partiellen oder vollständigen Nervendurchschneidung im Bereich offener Wunden oder Verletzungen wachsen die Axone am proximalen Nervenende aus und führen durch multiple, sich verzweigende und aberrierende Axonsprosse (Abb. 20.1d) zu einer Auftreibung, die als Neurom bezeichnet wird (Sonderfall: Amputationsneurom nach Amputation einer Extremität,
Abb. 20.3a–d Regenerierende Nervenfasern bei der Isoniazidneuropathie. a–c Zupfpräparate von regenerierenden Nervenfasern 6 Wochen nach Beginn der Isoniazidapplikation. a Umfangreiche Markscheidenabbauprodukte liegen neben einer dünn myelinisierten Nervenfaser (Vergr. 620:1). b Zahlreiche Schwann-Zell-Kerne (Pfeilköpfe) und ein μ-Granulum (Pfeil) in einem Büngner-Band, das durch eine kleine markhaltige Nervenfaser mit kurzen Internodien reinnerviert worden ist (R Ranvier-Schnürringe; Vergr. 620:1). c Bündel mit verwundenen dünnen regenerierten Nervenfasern neben einer Faser mit inkomplett remyelinisierten Internodien, deren Kerne durch Pfeilköpfe gekennzeichnet sind (Vergr. 620:1). d Bündel von 7 regenerierenden Nervenfasern (mit den Ziffern 1–7) in einem
571
evtl. mit sog. Phantomschmerzen; Literatur s. [25, 58]). Ein Neurom besteht aus regenerierten Axonen, SchwannZellen, perineuralen Hüllen um die zahlreichen neu entstandenen kleinen Nervenfaszikel (Minifaszikel [48]; Abb. 20.4d,f) und vermehrtem epineuralen Bindegewebe mit Blut- und Lymphgefäßen. Aus dem proximalen Stumpf wachsen zusammen mit Axonen und Perineuralzellen auch Schwann-Zellen aus, die nur teilweise mit den Büngner-Bändern im distalen Nervenabschnitt in Verbindung treten. Es resultiert eine anisomorphe Reinnervation („Neurotisation“) mit inkompletter Reinnervation des distalen Nervenabschnitts und in der Regel unbefriedigendem Heilungsergebnis (Schmerzen, Kausalgien). Die fehlgeleiteten, aberrierenden Nervenfasern, die keine adäquaten motorischen, sensorischen oder vegetativen Kontakte herstellen können, atrophieren im Laufe von Monaten (Abb. 20.4b) oder Jahren und degenerieren schließlich mit ihren Perikaryen (retrograde Atrophie und Degeneration; Abb. 20.4c). Autologe Nerventransplantate können Nervendefekte recht erfolgreich überbrücken, wenn sie nicht zu lang und zu dick sind [49]; homologe (Abb. 20.4e,f) oder allogene Transplantate (Abb. 20.4d) bedürfen jedoch einer aufwendigen Immunsuppression [26], deren Nebenwirkungen gegenüber dem zu erhoffenden, erst nach vielen Monaten zu erwartenden Regenerationserfolg abgewogen werden müssen. Seit den ersten Versuchen mit agargefüllten Röhrchen („Edinger-Röhren“) sind zahlreiche andersartige Leitschienen, so z. B. mit Schwann-Zellen angereicherte und mit längsorientierten Kanälen versehene, immunologisch aufgearbeitete Kollagenstrukturen eingesetzt worden, um aussprossende Axone mit oder ohne Zugabe von Wachstumsfaktoren oder Schwann-Zellen in die richtige Richtung zu lenken. Deren Ergebnisse sind bei Überbrückungslängen unter 3 cm in der Regel recht positiv (Literatur s. [1, 7, 31, 40, 49, 62, 63]). So waren im Experiment u. a. auch die nur ca. 8 mm langen Transplantate aus einem transpermeablen Röhrchen mit „funktionellen Schwann-Zellen“ in Matrigel erfolgreich, die aus mensch-
Büngner-Band, 3 Monate nach kontinuierlicher Isoniazidapplikation. Das größte Axon (1) ist durch nur 2 kompaktierte Markscheidenlamellen remyelinisiert. Zwei andere (5 und 7) enthalten zahlreiche vesikuläre Strukturen und mehrere Mitochondrien. Der Pfeil weist auf zwei weitere Fortsätze, bei denen es sich möglicherweise um degenerierende Axonsprossen handelt. Die Schwann-Zell-Fortsätze enthalten vermehrte intermediäre Filamente und Mikrotubuli sowie Fetttropfen, die offenbar während der Einbettung partiell extrahiert worden sind. Die Kollagenfilamente zwischen den reinnervierten Schwann-Zellen sind dünner als im umgebenden Endoneurium (Vergr. 16.500:1)
572
Kapitel 20
a
Physikalische Schäden peripherer Nerven
b
c
f
g
d
e
20
h
i
573
Spezielle Nervenläsionen
lichen Nabelschnüren gezüchtet worden waren [32]. Experimente mit 9–10 cm langen Transplantaten sind im Regelfall jedoch nur erfolgreich, wenn es sich um autologe Implantate handelt [49]. Kontrovers diskutiert werden die unterschiedlichen experimentellen Ergebnisse einer End-zu-Seit-Implantation eines intakten Nerven in einen denervierten distalen Nervenfaszikel zur Seitwärtsreinnervation über ein sog. epineurales Fenster, angeblich durch das erhaltene Perineurium hindurch [6].
Spinalwurzelausriss Durch Überstreckung eines Nervenstammes, des Nervenplexus und der spinalen Nervenwurzeln kann es zu irreparablen Nervenwurzelausrissen am Rückenmark kommen [28], bei denen die motorischen Axone im peripheren Nerven sowie die aufsteigenden sensorischen Axone im Rückenmark degenerieren, während die distalen sensorischen Axone mit ihren bipolaren Zellkörpern trotz Ausfalls der Sensibilität erhalten bleiben; denn die Läsion ist zentral der Spinalganglien lokalisiert [45]. Experimentelle Versuche zur operativen Reimplantation ausgerissener Nervenwurzeln in das Rückenmark sind von begrenztem Erfolg gewesen [19, 20]. Eine astrozytäre Narbe würde jeweils das Einwachsen von Axonen verhindern. Andererseits behindern aus humanen Progenitorzellen gezüchtete Astrozyten in der Gewebekultur offensichtlich nicht das Einwachsen von Axonen, Schwann-Zellen und Fibroblasten in longitudinal orientierte, dreidimensionale Kollagenstrukturen (OptiMaix3D, Matricel GmbH, Aachen) [15].
Abb. 20.4a–i Normaler (a) und retrograd veränderter (b) N. ischiadicus vom Hund, 6 Monate nach der Implantation eines homologen, ineffektiven, ca. 10 cm langen Nerventransplants distal von b. Die Axone in b sind größtenteils geschrumpft, die Markscheiden mehr oder weniger stark kollabiert, ohne dass es schon zur Degeneration gekommen wäre (Vergr. 380:1). c Retrograde Nervenfaserausfälle im N. ischiadicus eines 46-jährigen Mannes, der bereits im Alter von 4 Jahren beinamputiert worden war. Fast alle großen markhaltigen Nervenfasern sind retrograd degeneriert. Übrig geblieben sind überwiegend kleine regenerierte markhaltige Nervenfasern (Vergr. 96:1). d 2,5 cm langes frisches allogenes Nerventransplantat 1 Jahr nach der Implantation. Zahlreiche regenerierte Nervenfasern scheinen mitten im Bindegewebe zu liegen; nur rechts unten ist noch ein größerer Faszikel getroffen (Vergr. 220:1). e Proximal von f, einem 3,2 cm langen tiefgekühlten homologen Nerventransplantat, erscheinen die Nervenfasern und die Architektur des Endoneuriums (in diesem Ausschnitt) weitgehend normal. In f liegen mehrere, z. T. sehr kleine Faszikel („Minifaszikel“) eng nebeneinander. Die
Nervenüberstreckung Der Grad der Schädigung hängt von der Reißkraft und der Geschwindigkeit der Einwirkung ab [54]. Eine leichte Überstreckung führt zu einem reversiblen Erregungsleitungsblock [51]. Die dann auftretende Paralyse bildet sich innerhalb von Stunden zurück. Die Erklärung für eine derartige Paralyse ist unklar, da der Zeitraum für eine De- und Remyelinisation zu kurz ist. Bei stärkeren Graden der Streckung resultiert eine Axonunterbrechung, schließlich auch mit Zerreißung des neuralen Bindegewebes, was zu intraneuralen Blutungen führen kann. Eine intraneurale Fibrose behindert dann die Regeneration.
Frost- und Hitzeschäden Bei Exposition gegenüber Temperaturen unter 10 °C kommt es zur Schädigung der peripheren Nerven, die vulnerabler sind als das übrige Gewebe, wobei die Axone der markhaltigen Nervenfasern zuerst geschädigt werden [23]. Möglicherweise ist wie beim Hitzetrauma [21] eine Schädigung der Blut-Nerven-Schranke entscheidend. Das resultierende ausgeprägte endoneurale Ödem führt zu erhöhtem intraneuralen Druck, der wegen des Fehlens endoneuraler Lymphgefäße und der dadurch bedingten mangelhaften Abflussmöglichkeit zur Schädigung der peripheren Nervenfasern führt. Bei Brandverletzungen der Haut sind Fernwirkungen aufgrund eines systemischen inflammatorischen Reaktionssyndroms (SIRS) durch eine Reihe von Mediatoren möglich. Dazu gehören
regenerierten Nervenfasern sind darin deutlich dünner als proximal, insbesondere die Markscheiden der größten Nervenfasern sind dünner als die im proximalen Nervenabschnitt (e). g Distal eines 3,1 cm langen Cialit-konservierten Nerventransplantats ½ Jahr nach der Implantation. Die reichlich regenerierten, unterschiedlich großen, überwiegend dünn myelinisierten, z. T. atrophischen Nervenfasern haben teilweise zu einer „Hyperneurotisation“ der BüngnerBänder geführt (Pfeile; Vergr. 770:1). h Kompressionsneuropathie; sog. Metatarsalgie (Morton) bei einer 51-jährigen Patientin. Das Perineurium ist stark verbreitert. Die Zahl der markhaltigen Nervenfasern ist reduziert, und es finden sich nur noch dünne, regenerierte Nervenfasern. Die Pfeilköpfe weisen auf Renaut-Körper in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung hin (Vergr. 156:1). i Perineuriom im N. radialis eines 5-jährigen Jungen. Unverhältnismäßig dünn myelinisierte, demyelinisierte oder degenerierte Nervenfasern werden komplett von einzelnen oder mehreren Schichten von Perineuralzellen umhüllt (Vergr. 450:1)
574
Kapitel 20
der Lipidplättchen-aktivierende Faktor, Prostaglandin E2, die proinflammatorischen Zytokine Interleukin 1β, Interleukin 6, Tumor-Nekrose-Faktor α und Interferon δ sowie reaktive Sauerstoffmetaboliten. Die Kombination der Faktoren mit Stickstoffoxid (NO) kann nach einer Brandverletzung eine Kaskade induzieren, die Zellschäden in Herz, Lunge, Leber, Niere, Milz und Gastrointestinaltrakt verursachen sowie zu einer peripheren Neuropathie beitragen kann [18].
Physikalische Schäden peripherer Nerven
2.
3.
4.
Strahlen- und Stromschäden
20
Strahlenschäden. Die akute Strahlenschädigung peripherer Nerven ist auf eine Ischämie aufgrund von Gefäßverschlüssen zurückzuführen [24]. Diese kann zu einem Erregungsleitungsblock führen [56]. Eine Strahlenspätschädigung peripherer Nerven [50, 57, 60] ist selten, tritt bevorzugt im Bereich des Plexus brachialis auf, z. B. als Folge einer Bestrahlung eines Mammakarzinoms, und entwickelt sich nach einem Zeitraum von wenigen Wochen bis zu 30 Jahren [64], zumeist aber wohl 3–4 Jahre nach einer Bestrahlung. Je höher die applizierte Dosis, umso kürzer das Latenzintervall, umso rascher die Progredienz der neurologischen Ausfälle und umso schwerer die letztlich resultierende Lähmung (Literatur s. [33, 47]). Mikroskopisch steht eine Fibrose im Vordergrund [14]. Im Anschluss an eine Bestrahlung ist die Myelinisationsfähigkeit der Schwann-Zellen beeinträchtigt [29]. Die Veränderungen lassen auf eine strahleninduzierte Hypoxidose aufgrund einer Gefäßschädigung schließen [22]. Noch viele Jahre nach einer Bestrahlung können sich Neurinome entwickeln [53], auch einmal ein malignes Schwannom (MPNST) [38], ein Neurofibrosarkom [11] oder ein Triton-Tumor [34]. Bei Überlebenden der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki sind Tumoren kranialer und spinaler Nerven (Schwannome) statistisch signifikant häufiger als bei Kontrollen und schon bei niedrigen Strahlendosen (<1 Sv) aufgetreten [42]. Stromschäden. Diese manifestieren sich morphologisch am peripheren Nerven erst nach langer Latenz [13], vereinzelt auch in Form einer ALS [55]. Eine transkutane monophasische, niedrig- oder hochfrequente Nervenstimulation mit 4 oder 100 Hz hat im Experiment einen negativen Einfluss auf das Regenerationsergebnis [4], Ähnliches gilt für ein elektromagnetisches Feld (72 Hz, 2 G für 30 min) [3].
Literatur 1.
Ahmed MR, Basha SH, Gopinath D, Muthusamy R, Jayakumar R (2005) Initial upregulation of growth factors and inflammatory mediators during nerve regeneration in the
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11. 12. 13. 14.
15.
16.
17.
18.
presence of cell adhesive peptide-incorporated collagen tubes. J Peripher Nerv Syst 10: 17–30 Aprile I, Caliandro P, La Torre G et al. (2005) Multicenter study of peroneal mononeuropathy: clinical, neurophysiologic, and quality of life assessment. J Peripher Nerv Syst 10: 259–268 Baptista AF, Goes BT, Menezes D et al. (2009) PEMF fails to enhance nerve regeneration after sciatic nerve crush lesion. J Peripher Nerv Syst 14: 285–293 Baptista AF, Gomes JR, Oliveira JT, Santos SM, VannierSantos MA, Martinez AM (2008) High- and low-frequency transcutaneous electrical nerve stimulation delay sciatic nerve regeneration after crush lesion in the mouse. J Peripher Nerv Syst 13: 71–80 Blexrud MD, Lee DA, Windebank AJ, Brunden KR (1990) Kinetics of production of a novel growth factor after peripheral nerve injury. J Neurol Sci 98: 287–299 Bontioti E, Kanje M, Lundborg G, Dahlin LB (2005) Endto-side nerve repair in the upper extremity of rat. J Peripher Nerv Syst 10: 58–68 Bozkurt A, Deumens R, Beckmann C et al. (2009) In vitro cell alignment obtained with a Schwann cell enriched microstructured nerve guide with longitudinal guidance channels. Biomaterials 30: 169–179 Ciaramitaro P, Mondelli M, Logullo F et al. (2010) Traumatic peripheral nerve injuries: epidemiological findings, neuropathic pain and quality of life in 158 patients. J Peripher Nerv Syst 15: 120–127 Conti AM, Fischer SJ, Windebank AJ (1997) Inhibition of axonal growth from sensory neurons by excess nerve growth factor. Ann Neurol 42: 838–846 Donato G, Galasso O, Valentino P et al. (2009) Pathological findings in subsynovial connective tissue in idiopathic carpal tunnel syndrome. Clin Neuropathol 28: 129–135 Ducatman BS, Scheithauer BW (1983) Postirradiation neurofibrosarcoma. Cancer 51: 1028–1033 Dyck PJ, Thomas PK (2005) Peripheral neuropathy. Elsevier Saunders, Philadelphia Farrell DF, Starr A (1968) Delayed neurological sequelae of electrical injuries. Neurology 18: 601–606 Fritzemeier CU (1985) Tierexperimentelle Untersuchungen über den Einfluß von ionisierenden Strahlen auf autologe Nerventransplantate. Habilitationsschrift. Düsseldorf Fuhrmann T, Hillen LM, Montzka K, Woltje M, Brook GA (2010) Cell-cell interactions of human neural progenitorderived astrocytes within a microstructured 3D-scaffold. Biomaterials 31: 7705–7715 Gallant PE (1992) The direct effects of graded axonal compression on axoplasm and fast axoplasmic transport. J Neuropathol Exp Neurol 51: 220–230 Hahn K, Sirdofsky M, Brown A, Ebenezer G, Hauer P, Miller C, Polydefkis M (2006) Collateral sprouting of human epidermal nerve fibers following intracutaneous axotomy. J Peripher Nerv Syst 11: 142–147 Higashimori H, Whetzel TP, Carlsen RC (2008) Inhibition of inducible nitric oxide synthase reduces an acute peri-
Literatur
19.
20.
21.
22.
23.
24. 25.
26.
27.
28.
29.
30. 31.
32.
33.
34.
pheral motor neuropathy produced by dermal burn injury in mice. J Peripher Nerv Syst 13: 289–298 Hoffmann CFE, Marani E, Oestreicher AB, Thomeer RTWM (1993) Ventral root avulsion versus transection at the cervical 7 level of the cat spinal cord. Resto Neurol Neurosci 5: 291–302 Holtzer CA, Marani E, Lakke EA, Thomeer RT (2002) Repair of ventral root avulsions of the brachial plexus: a review. J Peripher Nerv Syst 7: 233–242 Hoogeveen JF, Troost D, Wondergem J, van der Kracht AH, Haveman J (1992) Hyperthermic injury versus crush injury in the rat sciatic nerve: a comparative functional, histopathological and morphometrical study. J Neurol Sci 108: 55–64 Jacobs JM, Myers R (1993) Adaptation of tibial nerve myelinated fibre parameters to reduced limb length caused by irradiation. Neuropathol Appl Neurobiol 19: 52–56 Kennett RP, Gilliatt RW (1991) Nerve conduction studies in experimental non-freezing cold injury: I. Local nerve cooling. Muscle Nerve 14: 553–562 Kieran SM, Cahill RA, Sheehan S, Barry MC (2004) Radiation-induced femoral arteritis. Ir Med J 97: 179–180 Krücke W (1974) Pathologie der peripheren Nerven. In: Olivecrona H, Tönnis W, Krenkel W (eds) Handbuch der Neurochirurgie, Bd VII/3. Springer, Berlin Heidelberg New York pp 1–267 Kvist M, Kanje M, Ekberg H, Corbascio M, Dahlin LB (2008) Costimulation blockade in transplantation of nerve allografts: long-term effects. J Peripher Nerv Syst 13: 200–207 Lindholm D, Thoenen H (eds) (1990) Role of neurotrophic factors in peripheral nerve regeneration. Springer, Berlin Heidelberg New York Livesey FJ, Fraher JP (1992) Experimental traction injuries of cervical spinal nerve roots: a scanning EM study of rupture patterns in fresh tissue. Neuropathol Appl Neurobiol 18: 376–386 Love S, Gomez S (1984) Effects of experimental radiationinduced hypomyelinating neuropathy on motor end-plates and neuromuscular transmission. J Neurol Sci 65: 93–109 Mackinnon SE, Dellon AL (1988) Surgery of the peripheral nerve. Thieme, Stuttgart Madduri S, Gander B (2010) Schwann cell delivery of neurotrophic factors for peripheral nerve regeneration. J Peripher Nerv Syst 15: 93–103 Matsuse D, Kitada M, Kohama M et al. (2010) Human umbilical cord-derived mesenchymal stromal cells differentiate into functional Schwann cells that sustain peripheral nerve regeneration. J Neuropathol Exp Neurol 69: 973–985 Mumenthaler M, Stöhr M, Müller-Vahl H (2007) Läsionen peripherer Nerven und radikuläre Syndrome. Thieme, Stuttgart New York Mut M, Cataltepe O, Soylemezoglu F, Akalan N, Ozgen T (2004) Radiation-induced malignant triton tumor associated with severe spinal cord compression. Case report and review of the literature. J Neurosurg 100: 298–302
575
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44. 45.
46. 47.
48.
49.
50. 51.
Ochoa J, Fowler TJ, Gilliatt RW (1972) Anatomical changes in peripheral nerves compressed by a pneumatic tourniquet. J Anat 113: 433–455 Oflazoglu B, Us O, Somay G, Bingol CA, Beyaz EA (2005) Isolated sural nerve neuropathies. J Peripher Nerv Syst 10: 392–393 Omura T, Sano M, Omura K, Hasegawa T, Doi M, Sawada T, Nagano A (2005) Different expressions of BDNF, NT3, and NT4 in muscle and nerve after various types of peripheral nerve injuries. J Peripher Nerv Syst 10: 293–300 Paolini S, Raco A, Di Stefano D, Esposito V, Ciappetta P (2006) Post-radiation intramedullary malignant peripheral nerve sheath tumor. J Neurosurg Sci 50: 49–53 Paul F, Zipp F (2006) Bilateral meralgia paresthetica after cesarian section with epidural analgesia. J Peripher Nerv Syst 11: 98–99 Pfister LA, Papaloizos M, Merkle HP, Gander B (2007) Nerve conduits and growth factor delivery in peripheral nerve repair. J Peripher Nerv Syst 12: 65–82 Pina-Oviedo S, Del Valle L, Baquera-Heredia J, OrtizHidalgo C (2009) Immunohistochemical characterization of Renaut bodies in superficial digital nerves: further evidence supporting their perineurial cell origin. J Peripher Nerv Syst 14: 22–26 Preston DL, Ron E, Yonehara S, Kobuke T, Fujii H, Kishikawa M, Tokunaga M, Tokuoka S, Mabuchi K (2002) Tumors of the nervous system and pituitary gland associated with atomic bomb radiation exposure. J Natl Cancer Inst 94: 1555–1563 Raivich G, Hellweg R, Graeber MB, Kreutzberg GW (1990) The expression of growth factor receptors during nerve regeneration. Restor Neurol Neurosci 1: 217–223 Samii M (1990) Peripheral nerve lesions. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (1985) Degeneration und Regeneration nach Plexus-brachialis-Verletzung. In: Hase U, Reulen H-J (eds) Läsionen des Plexus brachialis. De Gruyter, Berlin New York, pp 65–70 Schröder JM (ed) (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Müller-Felber W (2009) Nebenwirkungen der Strahlentherapie auf periphere Nerven. In: Heinen F, Böhmer J, Hufschmidt AEA (eds) Pädiatrische Neurologie. Diagnose und Therapie mit Pediatric Clinical Scouts. Kohlhammer, Stuttgart, S 690–693 Schröder JM, Seiffert KE (1970) Die Feinstruktur der neuromatösen Neurotisation von Nerventransplantaten. Virchows Arch B Cell Pathol 5: 219–235 Schröder JM, Seiffert KE (1972) Untersuchungen zur homologen Nerventransplantation. Morphologische Ergebnisse. Zentralbl Neurochir 33: 103–118 Seddon HJ (1975) Surgical disorders of the peripheral nerves. Churchill Lingingstone, Edinburgh Seddon HJ (1943) Three typies of nerve injury. Brain 66: 237–288
576
Kapitel 20
52.
53.
54.
55.
56.
57. 58. 59.
60.
61.
62.
63. 64.
20 65.
Seiler N, Schröder JM (1970) Beziehungen zwischen Polyaminen und Nucleinsäuren. II. Biochemische und feinstrukturelle Untersuchungen am peripheren Nerven während der Wallerschen Degeneration. Brain Res 22: 81–103 Shore-Freedman E, Abrahams C, Recant W, Schneider AB (1983) Neurilemomas and salivary gland tumors of the head and neck following childhood irradiation. Cancer 51: 2159–2163 Singh A, Kallakuri S, Chen C, Cavanaugh JM (2009) Structural and functional changes in nerve roots due to tension at various strains and strain rates: an in-vivo study. J Neurotrauma 26: 627–640 Sirdofsky MD, Hawley RJ, Manz H (1991) Progressive motor neuron disease associated with electrical injury. Muscle Nerve 14: 977–980 Soto O (2005) Radiation-induced conduction block: resolution following anticoagulant therapy. Muscle Nerve 31: 642–645 Stoll BA, Andrews JT (1966) Radiation-induced peripheral neuropathy. Brit Med J 1: 834–837 Sunderland S (ed) (1978) Nerves and nerve injuries. Churchill Livingstone, Edinburgh London New York Tanaka K, Zhang QL, Webster HD (1992) Myelinated fiber regeneration after sciatic nerve crush: morphometric observations in young adult and aging mice and the effects of macrophage suppression and conditioning lesions. Exp Neurol 118: 53–61 Vujaskovic Z (1997) Structural and physiological properties of peripheral nerves after intraoperative irradiation. J Periph Nerv Sys 2: 343–349 Weis J, Alexianu ME, Heide G, Schröder JM (1993) Renaut bodies contain elastic fiber components. J Neuropathol Exp Neurol 52: 444–451 Weis J, Schröder JM (1989) Differential effects of nerve, muscle, and fat tissue on regenerating nerve fibers in vivo. Muscle Nerve 12: 723–734 Weis J, Schröder JM (1989) The influence of fat tissue on neuroma formation. J Neurosurg 71: 588–593 Wilbourn AJ (2005) Brachial plexus lesions. In: Dyck PJ, Thomas PK (eds) Peripheral neuropathy. Elsevier Saunders, Philadelphia, pp 1367–1368 Yamazaki T, Sabit H, Oya T et al. (2009) Activation of MAP kinases, Akt and PDGF receptors in injured peripheral nerves. J Peripher Nerv Syst 14: 165–176
Physikalische Schäden peripherer Nerven
Kapitel 21
Nutritive und toxische Neuropathien
21
J.M. Schröder Inhalt Nutritive Neuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
578
Weitere nichtmetallische organische Substanzen . .
583
Vitaminmangelneuropathien . . . . . . . . . . . . . .
578
Organische Phosphorverbindungen . . . . . . . . .
583
Vitamin-B1-Mangel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
578
Chlorierte Kohlenwasserstoffe . . . . . . . . . . . .
583
Vitamin-B2-Komplex-Mangel . . . . . . . . . . . . .
578
Medikamentös-toxisch bedingte Polyneuropathien .
584
Vitamin-B6-Mangel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
578
Anästhetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
584
Vitamin-B12-Mangelneuropathie . . . . . . . . . . .
579
Chloroquin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
585
Vitamin-E-Mangelneuropathie . . . . . . . . . . . .
579
Isonikotinsäurehydrazid (INH) . . . . . . . . . . . .
585
Alkoholische Neuropathie . . . . . . . . . . . . . . . .
579
Amiodaron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
585
Toxische Neuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
580
Zytostatika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
585
Gewerbe- und Umweltgifte . . . . . . . . . . . . . . .
580
Weitere Medikamente und Substanzen . . . . . . .
586
Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
580
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
587
Nichtmetallische Verbindungen – aliphatische Kohlenwasserstoffe . . . . . . . . . . . .
582
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
578
Kapitel 21
Nutritive Neuropathien Vitaminmangelneuropathien Vitamin-B1-Mangel Die bekannteste, wenn auch nicht ausschließlich durch Thiaminmangel verursachte Vitaminmangelkrankheit ist Beriberi bei thiaminarmer, kohlenhydratreicher Kost aus geschältem Reis. Zu unterscheiden ist eine schnell verlaufende, nasse Form, die durch kardiale Symptome gekennzeichnet ist und häufiger Kinder befällt, und die chronische, trockene Form, die durch eine akrodistal betonte symmetrische sensomotorische Polyneuropathie charakterisiert ist. Eine pathogenetische Bedeutung des Thiaminmangels wird auch beim Strachan-Syndrom (Hinterstrangataxie, Optikusatrophie, Schwerhörigkeit, Polyneuropathie), bei der primären Degeneration des Corpus callosum (Marchiafava-Bignami-Syndrom) und bei der Kleinhirndegeneration vermutet. Ebenso ist die Wernicke-Enzephalopathie Folge eines Vitamin-B1-Mangels; das dabei auftretende amnestische Syndrom in Verbindung mit einer Polyneuropathie wird auch als Korsakow-Symptomenkomplex bezeichnet, wobei dieser in der Regel alkoholisch bedingt ist. Doch kann ein VitaminB1-Mangel auch im Zusammenhang mit gastrointestinalen Erkrankungen, insbesondere Malresorption, chronischen Infektionen und bei allgemeiner Mangelernährung auftreten. Prädisponierend ist möglicherweise ein genetisch bedingter Transketolasemangel, der bei normaler Diät nicht auffällt, bei Fehlernährung aber zum Vitaminmangel führt.
21
Morphologie. Am häufigsten sind die Nerven in den distalen Gliedmaßenabschnitten, der Vagus und der N. phrenicus betroffen. Im Vordergrund steht eine axonale Degeneration mit distal betontem Ausfall. Segmentale Demyelinisationen sind proximal beobachtet worden und werden deshalb eher als sekundär angesehen. Eine Chromatolyse der Ganglienzellen in den Spinalganglien und in den Vorderhörnern begleitet die distale Degeneration von Axonen. Im Tractus gracilis des Rückenmarks sind ebenfalls Nervenfaserdegenerationen nachweisbar, so dass die Verteilung der Schäden einer zentral-peripheren distalen Axonopathie entspricht. Die kleinen markhaltigen und marklosen Axone erscheinen relativ gut erhalten, wobei allerdings ein ausgeprägtes intrafaszikuläres Ödem besteht [45]. Elektronenmikroskopisch lässt sich eine Anhäufung abgeflachter membrangebundener Vakuolen sowie eine Verminderung der Neurofilamente und Mikrotubuli in den distalen Abschnitten peripherer Axone und in zentralwärts orientierten Axonen primärer sensorischer Neurone nachweisen [46].
Nutritive und toxische Neuropathien
Pathogenese. Es ist unklar, ob der Thiaminmangel die Neuropathie allein oder zusammen mit anderen Vitaminmangelzuständen verursacht. Im Experiment ist es nicht einfach, durch Thiaminmangel eine Neuropathie hervorzurufen.
Vitamin-B2-Komplex-Mangel Zu diesem Komplex gehören Riboflavin, Nikotinamid, Nikotinsäure sowie Folsäure und Pantothensäure. Die Nikotinsäure wurde früher auch Niacin genannt. Riboflavinmangel gemeinsam mit Niacinmangel verursacht die Pellagra. Da Vitamin B2 bei der Umwandlung von Pyridoxinhydrochlorid in Pyridoxalphosphat eine Rolle spielt, sind Vitamin-B2- und -B6-Mangel miteinander verknüpft. Die Pellagra ist gekennzeichnet durch eine Kombination von Hautveränderungen, gastrointestinalen Störungen und Symptomen vonseiten des Nervensystems. Zu den Letzteren gehören Verhaltensstörungen, Demenz, Erkrankungen des Rückenmarks und eine unterschiedlich ausgeprägte periphere Neuropathie. Die klinische Diagnose sollte aufgrund der Triade „Diarrhoe, Dermatitis, Demenz“ einfach sein, wird aber z. B. in Zusammenhang mit AIDS leicht übersehen [17]. Die pathologischen Veränderungen bestehen in einer Degeneration und einem Ausfall von Nervenfasern, wenn auch detaillierte Studien mit neueren morphologischen Methoden fehlen. Die Pellagra soll auf einem Mangel an Niacin und seinem Vorläufer, dem Tryptophan, beruhen; doch sind die Zusammenhänge nicht gesichert [42]. Eine Neuropathie nach Pantothensäuremangel ist nur selten beobachtet worden [4].
Vitamin-B6-Mangel Die Vitamin-B6-Gruppe, Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin, spielt bei der Synthese von Neurotransmittern (GABA, Dopamin, Noradrenalin, Serotonin) und auch für den Protein- und Lipidmetabolismus eine Rolle. Der Vitamin-B6-Mangel ist einerseits von Bedeutung bei der Entstehung der alkoholischen Polyneuropathie (s. unten); zum anderen interferiert Isoniazid (s. dort) mit dem Pyridoxinmetabolismus. Isoniazid verbindet sich mit dem Kofaktor Pyridoxalphosphat und bildet eine inaktive Substanz. Durch eine Pyridoxinmangeldiät lässt sich im Experiment eine periphere Neuropathie hervorrufen; auch bei Freiwilligen, die den Antagonisten Desoxipyridoxin eingenommen hatten, trat eine Neuropathie auf. Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang ist, dass eine Überdosierung von Vitamin B6 neurotoxisch
579
Nutritive Neuropathien
wirkt [35]. Bei dieser Neuropathie schreitet die Wirkung auch nach Absetzen des Vitamins fort („Coasting“-Phänomen) [6]. Nach einer langfristig applizierten Überdosis von 9,6 g Pyridoxin/Tag war nicht nur eine sensorische, sondern auch eine schwere motorische Neuropathie aufgetreten [22].
Vitamin-B12-Mangelneuropathie Beim Vitamin-B12-Mangel resultiert eine symmetrische, überwiegend sensorische Polyneuropathie im Sinne einer Axonopathie mit oder ohne Myelopathie (funikuläre Spinalerkrankung, funikuläre „Myelose“), Optikusatrophie und Demenz [20]. Es kommt überwiegend zentral zu einem intramyelinischen und interstitiellen Ödem aufgrund einer Gleichgewichtsstörung zwischen myelinotoxischen Zytokinen (TNF-alpha) und myelinotoxischen Wachstumsfaktoren (NGF) [53]. Die zentralen Fortsätze der primären sensorischen Neurone erscheinen dabei vulnerabler als die peripheren sensorischen Axone. Zur Bestimmung einer solchen Neuropathie mit elektrophysiologischen Methoden soll der N. suralis am Fußrücken am besten geeignet sein [78]. Im Übrigen gehört die Bestimmung von B12 im Serum zusammen mit den Metaboliten (Methylmalonsäure mit oder ohne Homocystein) zu den Tests mit der höchsten Erfolgsrate zur Identifizierung peripherer Neuropathien [19].
je nach Untersuchungsmethode. Sie korreliert mit dem Alter der Patienten, der Dauer des Alkoholismus, einer Leberfunktionsstörung, einer Makrozytose und den Blutzuckerwerten. Epidemiologie. Der Alkoholkonsum hat in der Bundesrepublik Deutschland von 3 l reinem Äthanol pro Kopf und Jahr auf 12 l zugenommen. Die Zahl der Suchtkranken ist schwer zu bestimmen; doch sollen es 1,5–2 Mio. Alkoholkranke sein [51]. Im Jahr 1987 wurden in den Ländern der alten BRD für alkoholische Getränke 32 Milliarden D-Mark ausgegeben. Die Bundesanstalt für Straßenwesen verzeichnete allein durch alkoholbedingte Verkehrsunfälle im Jahr 1985 Folgekosten von 37 Milliarden D-Mark. Es ist unklar, warum es nur bei einem Teil der Alkoholiker zu einer Neuropathie kommt. Einige Patienten benötigen mehr Vitamin B1; die Transketolase, ein thiaminabhängiges Enzym, das aus Fibroblasten dieser Patienten zu gewinnen ist, zeigt eine abnorme Apoenzym-Koenzym-Dissoziation, die genetisch vorgegeben ist [7]. Bemerkenswert ist die Alkoholunverträglichkeit vieler Asiaten, denen die normale Alkoholdehydrogenase in der Leber fehlt. Klinik. Zur Definition des Alkoholikers gehört, dass sein Alkoholkonsum • das Maß der Trinkgewohnheit der Gesellschaft übersteigt, • seine Gesundheit schädigt, • seine zwischenmenschlichen Beziehungen und/oder • seine Lebensqualität beeinträchtigt.
Vitamin-E-Mangelneuropathie Beim Vitamin-E-Mangel kommt es zu einer distalen Axonopathie, die sowohl zentral als auch peripher nachweisbar ist. Das neurologische Syndrom, das in Verbindung mit der Abetalipoproteinämie auftritt, beruht wahrscheinlich auf einem Mangel an diesem Vitamin, da eine Behandlung mit Vitamin E zur Besserung führt. Doch gibt es auch ein idiopathisches Vitamin-E-Mangelsyndrom [51, 84].
Alkoholische Neuropathie Die alkoholische Neuropathie durch Ethanol (Ethylalkohol) ist neben der diabetischen wahrscheinlich die häufigste Neuropathie überhaupt; sie steht in Zusammenhang mit einem Mangel an Vitamin B1, B6 und Folsäure. Ein zusätzlicher direkt-toxischer Effekt durch Alkohol lässt sich nicht ausschließen und wird bei gut Ernährten sogar als der wichtigste Faktor angesehen [86]. Die Inzidenz einer Neuropathie bei Alkoholikern beträgt 32–76%,
Die alkoholische Neuropathie entwickelt sich nach chronischem und in der Regel schwerem Alkoholmissbrauch; sie entsteht langsam und besteht aus einer distalen symmetrischen sensomotorischen Neuropathie, die schmerzhaft sein kann.
Die Beschwerden, Schwäche und Muskelkrämpfe, sind häufig. Neben motorischen Symptomen treten Sensibilitätsverlust, Parästhesien in Gestalt reißend-ziehender Spontanschmerzen und Druckschmerzhaftigkeit auf. Pallästhesie und Lagesinn werden eher gestört als die Qualitäten der Oberflächensensibilität, wobei die Tiefensensibilitätsstörung im Sinne einer „Pseudotabes alcoholica“ im Vordergrund stehen kann. Die Störungen sind distal akzentuiert (strumpf- oder handschuhförmig). Vegetative Störungen mit Hyperhidrose, marmorierte Haut und Störungen des Nagelwachstums an den Füßen gehören zu einer schweren alkoholischen Polyneuropathie, während Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktionen nur selten auftreten. Brennendes Gefühl an den Fußsohlen ist ebenfalls häufig. Eine akute oder subakute
580
Kapitel 21
alkoholische Neuropathie kann gelegentlich ein GuillainBarré-Syndrom imitieren [75]. Morphologie. Die wichtigsten Veränderungen bestehen in einer distal akzentuierten Degeneration von Axonen. Anzeichen einer segmentalen Demyelinisation sind nur gelegentlich mitgeteilt worden und wahrscheinlich als sekundäre segmentale Demyelinisation aufgrund einer axonalen Atrophie zu interpretieren.
21
Pathogenese. Die Ähnlichkeiten zwischen klinischen und pathologischen Veränderungen bei der alkoholischen Neuropathie und Beriberi haben zur Vermutung geführt, dass die alkoholische Neuropathie überwiegend das Ergebnis eines Vitamin-B-Mangels und nicht auf direkte toxische Wirkungen des Alkohols zurückzuführen ist [82]. Ein toxischer Effekt peroral applizierten Alkohols, der zur distalen axonalen Degeneration beiträgt, ist jedoch im Experiment festgestellt worden [8]. Eine direkte toxische Wirkung lässt sich jedenfalls nicht ausschließen, wenn auch Versuche zur experimentellen Reproduktion einer alkoholischen Neuropathie bei Macacusaffen [27] trotz langfristiger peroraler Alkoholapplikation zu keiner Neuropathie geführt haben und die Untersuchungsergebnisse bei kleineren Tieren nicht eindeutig sind. Eine direkte dreiminütige experimentelle Immersion des N. ischiadicus von Ratten mit 10%igem Ethylalkohol führt zu einer charakteristischen, subperineural akzentuierten axonalen Degeneration mit spärlichen, wahrscheinlich nur retrograden Formen einer paranodalen und segmentalen Demyelinisation. Zentrale und gegenseitige Abschnitte des Ischiadikus bleiben erhalten [58]. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass man konzentrierten Ethylalkohol in der Histologie auch als Fixationsmittel einsetzen kann. In der Leber wird Alkohol durch die Alkoholdehydrogenase des Zytosols, durch die Katalase der Peroxisomen sowie durch das mikrosomale ethanoloxidierende System des glatten endoplasmatischen Retikulums oxidiert. Dabei entsteht Acetaldehyd, der in einem weiteren Schritt zu Acetyl-CoA weiter oxidiert wird. Dieses wird zur Synthese verwendet oder im Zitratzyklus, meist in der Muskulatur, zu CO2 und H2O abgebaut. Der toxische Alkoholmetabolit, der Acetaldehyd, scheint zumindest für die Leberschädigung verantwortlich zu sein, insbesondere für die Leberverfettung, der Vitamin-B1-Mangel aber für das Wernicke-Korsakow-Syndrom. Wegen der häufigen Unterernährung der Alkoholiker sind andere Ursachen, wie Eiweiß- und weitere Vitaminmangelzustände im Rahmen einer allgemeinen Malnutrition als Ursachen schwer abgrenzbar. Bei angeborenem Alkoholdehydrogenasemangel in der Leber besteht, wie bereits erwähnt, eine erhöhte Alkoholempfindlichkeit.
Nutritive und toxische Neuropathien
Toxische Neuropathien Die Kenntnis der exogen-toxischen Neuropathien und ihre Abgrenzung von hereditären oder endogen-metabolisch bedingten Neuropathien spielt u. a. bei der Begutachtung von Berufskrankheiten eine praktisch wichtige Rolle. Zu derartigen Begutachtungen sind Spezialkenntnisse erforderlich, die der aktuellen neurowissenschaftlichen Originalliteratur und zusammenfassenden Werken [18, 72, 80] sowie den arbeitsmedizinischen Informationen zu entnehmen sind. Viele Neurotoxine haben sich als sehr nützlich für die neurobiologische Forschung erwiesen (z. B. Tetrodotoxin, das sich irreversibel mit den Natriumkanälen verbindet und diese blockiert). Andere Neurotoxine dienen als Modelle zur Aufklärung von pathologischen Reaktionsmustern im peripheren Nervensystem (z. B. Isoniazid, dessen neurotoxischer Effekt bei der Behandlung der Tuberkulose als dosislimitierend gilt; vgl. Abb. 20.2c–g, 20.3a–d; s. Abschnitt „Medikamentös-toxisch bedingte Polyneuropathien“). Eines der stärksten Neurotoxine überhaupt wird sogar zur lokalen Injektionsbehandlung eingesetzt (Botulinustoxin bei Dystonien, Spastik, Strabismus, in der Kosmetik usw.; Literatur s. [62, 66]). Auch die diphtherische Neuropathie ist nicht primär infektiös und entzündlich, sondern toxisch bedingt, wobei das Toxin des Corynebacterium diphtheriae u. a. die Proteinsynthese in den Schwann-Zellen hemmt, einschließlich der Synthese des basischen Markscheidenproteins und Proteolipids (s. Kap. 24, Abschnitt „Postdiphtherische Neuropathie“). Im Folgenden werden die Wirkungen einiger ausgewählter Neurotoxine besprochen, die Modellcharakter haben und vielfach zur Erweiterung unserer Kenntnisse von der Pathogenese peripherer Neuropathien geführt haben.
Gewerbe- und Umweltgifte Metalle Arsen
Eine periphere Neuropathie ist die Hauptmanifestation der neurologischen Symptome bei der Intoxikation durch anorganische Arsenverbindungen und stellt die häufigste Komplikation nach Mord- und Suizidversuchen mit Arsen dar. Es dient auch heute noch als Rattengift. Chronische Vergiftungen können im Umgang mit arsenhaltigen Farben, Konservierungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln auftreten. Klinik. Eine Neuropathie kann akut auftreten nach massiver Arsenaufnahme oder langsam nach chronischen
Toxische Neuropathien
niedrigen Dosen oder wiederholter Exposition. Gastrointestinale Störungen treten nach akuter Intoxikation auf. Bei chronischer Gabe sind Hautpigmentierungen und eine Hyperkeratose zu beobachten. In beiden Fällen entwickelt sich eine distal akzentuierte, bevorzugt sensorische Neuropathie, die manchmal von stark schmerzhaften Dysästhesien begleitet wird. Morphologie. Histopathologisch ist in Biopsien bei Fällen mit akuter Intoxikation und bei chronischen Fällen ein Ausfall von Axonen festzustellen, wobei es zum Ausfall markhaltiger Nervenfasern aller Größenklassen kommt, während die marklosen Axone ausgespart bleiben und nur spärliche segmentale Demyelinisationen vorkommen. Die Analyse einer Nervenbiopsie 3 Jahre nach einer Arsenintoxikation ergab reichlich regenerierte markhaltige und marklose Axone. Durch Lasermikroprobenmassenanalyse ließ sich das Arsen nur in der 1. Biopsie nachweisen [23]. Darin fielen auch membrangebundene Vakuolen in verschiedenen endoneuralen Zellen auf, wie sie in ähnlicher Form nach der Applikation hochmolekularer Substanzen auftreten (s. dort). Ein Guillain-Barré-ähnliches Syndrom ist u. a. auch nach der Applikation der organischen Arsenverbindung Melarsoprol aufgetreten. Blei
Blei kann als Beispiel für ein Neurotoxin gelten, das ganz verschiedene Krankheitsbilder induziert [76]. • Bei erwachsenen Menschen führt die Bleiintoxikation zu einer bevorzugten Erkrankung des motorischen Systems, wobei die oberen Extremitäten stärker betroffen sind als die unteren, so dass es zu einer Schwäche und Atrophie der Extensoren des Handgelenks und der Finger kommt mit Fallhand und herabfallenden Füßen. • Bei Embryonen, Säugetieren und Kindern besteht der überwiegende Effekt von Blei in einer hämorrhagischen Enzephalopathie, die auf eine Schädigung der Blutgefäße im Zentralnervensystem zurückzuführen ist. • Im Experiment führt Blei nach oraler Gabe bei Ratten zu einer selektiven segmentalen Demyelinisation, ähnlich wie sie schon von Gombault in seiner klassischen Beschreibung der segmentalen Demyelinisation nach der experimentellen Bleiintoxikation von Meerschweinchen beschrieben worden ist [24]. • Bei erwachsenen Meerschweinchen kommt es zu einer Kombination einer segmentalen Entmarkung mit axonaler Degeneration.
Demnach führt Blei unter verschiedenen Umständen, je nach den äußeren und inneren Bedingungen, zu einer Myelinopathie, Axonopathie, Neuronopathie oder Vaskulopathie.
581
Bei der Entwicklung der Neuropathie spielt ein endoneurales Ödem eine wichtige Rolle. Bei chronischer oraler Applikation von 4%igem Bleikarbonat erreicht die Bleikonzentration im Nerven einen Gipfel nach 3–5 Wochen. Zu diesem Zeitpunkt setzt eine segmentale Demyelinisation ein. Zwar gibt es eine Blut-Nerven-Barriere gegenüber Blei; doch bei chronischer Aufnahme tritt das Blei in das Endoneurium ein und häuft sich dort an. Das Blei bindet sich an das Myelin. Quecksilber
Die wichtigste neurotoxische Wirkung von organischem wie auch von anorganischem Quecksilber richtet sich gegen das zentrale Nervensystem; doch kann auch eine sensorische Neuropathie auftreten. Der primäre Angriffspunkt des Quecksilbers ist dann in den Spinalganglien zu suchen. Quecksilber übt seine zelluläre Wirkung durch Bindung an Sulfhydrylgruppen aus [76]. Thallium
Thallium wird heute vor allem als Ratten- und Mäusegift verwendet, kann aber auch bei der Produktion von sog. Hütten- und Hochofenzement frei werden. Intoxikationen sind am häufigsten bei Selbstmord- und Mordversuchen mit Rattengift beobachtet worden, können aber auch bei Einatmen von thalliumhaltigem Staub oder durch Resorption über die Haut bei Verwendung thalliumhaltiger Haarentferner auftreten. Das Gift wird aber vornehmlich über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen. Klinik. Klinisch ist eine vorwiegend sensorische und häufig schmerzhafte distale Polyneuropathie festzustellen, der später distale motorische Symptome folgen. Gastrointestinale Störungen werden durch die akute Intoxikation induziert; wenn größere Mengen gegeben werden, kommt es zu Verwirrtheitszuständen, Koma und Krampfanfällen. Charakteristisch ist eine Alopezie, die sich aber nicht vor 2–4 Wochen nach der Einnahme entwickelt. Nachuntersuchungen 11 Monate nach einer akuten Thalliumvergiftung ergaben eine gute Rückbildung der Symptome nach anfänglich erheblicher Leitungsgeschwindigkeitsreduktion der rascheren Fasern [85]. Cadmium
Eine Cadmiumintoxikation führt zu einer schmerzhaften Neuropathie, die im Japanischen „Itai-Itai“-Krankheit genannt wird (analog unserem Schmerzensausruf: „Auaaua“) [55, 77]. Durch die experimentelle Cadmiumintoxikation sind unsere Kenntnisse über die Entstehungsweise bestimmter topographischer Ausfallsmuster im peripheren sensorischen Nervensystem erweitert worden. So führt die akute Cadmiumintoxikation aufgrund der besonderen Feinstruktur der Kapillaren und Venolen in den kranialen und spinalen sensorischen Ganglien – sie gehören anders als die Kapillaren im Zentralnerven-
582
Kapitel 21
system und in den peripheren Nerven dem fenestrierten Typ an – zu lokalen Hämorrhagien in den Spinalganglien. Es handelt sich also nicht um eine besondere, inhärente Vulnerabilität der sensorischen Neurone selbst, die zu diesem speziellen topographischen Erkrankungsmuster des peripheren Nervensystems führt, sondern um eine Besonderheit der Blut-Ganglien-Schranke. Ähnliches gilt für das Adriamycin und Cisplatin bzw. Platin (s. unten), aber wohl auch für Quecksilber (s. oben). Platin
Platin ist in Form von cis-Diamin-Dichlorplatin II (Cisplatin), weitläufig als Zytostatikum in Gebrauch, speziell bei der Behandlung des Ovarialkarzinoms. Histopathologisch ist eine sensorische Neuropathie nachweisbar, die vor allem die großen Fasern betrifft. Autoptisch ist auch eine Degeneration der Hinterstränge festzustellen. Im Experiment ist morphometrisch eine leichte Reduktion der Größe der Spinalganglienzellen mit Linksverschiebung im Faserspektrum der peripheren Nervenfasern nachweisbar, ohne dass jedoch schwerwiegende Nervenfaserausfälle auftreten [10]. Neurographisch kommt es zu einer Reduktion der Amplitude des sensorischen Nervenaktionspotentials sowie zu einer Verlängerung der sensorischen Latenzen [49]. Gold
Eine periphere Neuropathie tritt in 0,5–1% der Patienten mit rheumatoider Arthritis auf, die Injektionen von Goldsalzen erhalten (Chrysotherapie); doch müssen die verschiedenen anderen möglichen Ursachen einer Neuropathie bei der rheumatoiden Arthritis abgegrenzt werden (s. Kap. 25, Abschnitt „Rheumatoide Arthritis“).
Nichtmetallische Verbindungen – aliphatische Kohlenwasserstoffe Acrylamid
21
Unter den aliphatischen Kohlenwasserstoffen ist das Acrylamid als monomere Substanz hoch neurotoxisch, als polymere Substanz, wie sie bei der Papierbehandlung und als Festiger z. B. in der Farbenindustrie verwendet wird, aber nicht toxisch. Es wird über den Magen-DarmTrakt, die Luftwege und die Haut in den Organismus aufgenommen und führt zu einer zentralen und peripheren distalen Axonopathie. Bevorzugt sind die langen und großen markhaltigen Nervenfasern in den peripheren Nerven und in den Hintersträngen betroffen, wie ausführliche experimentelle Untersuchungen ergeben haben [72]. Die Suralnervenbiopsie im Restitutionsstadium hat einen Ausfall großer markhaltiger Nervenfasern ergeben. In fortgeschrittenen Stadien sind in zunehmendem Maße auch die dünnen markhaltigen Fasern
Nutritive und toxische Neuropathien
betroffen. Die marklosen Nervenfasern sind nur bei starker Intoxikation geschädigt. Die frühesten Veränderungen bestehen in multifokaler Anhäufung paranodaler Neurofilamente; distal davon kommt es zur axonalen Degeneration. Hexacarbone und Schwefelkohlenstoff
Die Hexacarbone sind eine Gruppe aliphatischer Kohlenwasserstoffe, die als Lösungsmittel in der Industrie verwendet werden. Dabei dient n-Hexan als Lösungsmittel für Klebstoffe und Methyl-n-Butylketon (MBK) bei der Herstellung von PVC. Beide werden metabolisiert zu 2,5Hexandion (2,5-HD), das unter diesen Substanzen am stärksten neurotoxisch wirkt. Zu Vergiftungen kommt es einerseits in der Schuhindustrie und andererseits beim Missbrauch durch süchtiges Einatmen derartiger Lösungsmittel („Schnüfflerneuropathie“). Es kommt zu einer langsam progressiven distalen sensomotorischen Neuropathie mit einem eigentümlichen klinischen Phänomen, dem schon in Zusammenhang mit der Pyridoxinüberdosierung erwähnten „coasting“, das in einer Progression der Neuropathie bis zu 4 Monaten nach Beendigung der Exposition besteht. Nervenbiopsien bei Patienten ergeben einen Verlust der größeren markhaltigen Nervenfasern. Bei noch erhaltenen Fasern finden sich Veränderungen im Sinne von Riesenaxonen mit fokalen Auftreibungen, die vermehrte Neurofilamente enthalten und zu einer lokalen Verschmälerung der Markscheide führen. Ähnliche Riesenaxone sind auch im Fasciculus gracilis bei einem Autopsiefall festgestellt worden [54]. Die experimentellen Veränderungen ähneln denen nach Acrylamid und Schwefelkohlenstoff, bei denen ebenfalls eine distale multifokale Riesenaxonneuropathie auftritt, die anfänglich die präterminalen Anteile der größeren und längeren markhaltigen Nervenfasern betrifft. Der Pathomechanismus ist nicht völlig geklärt; doch ist anzunehmen, dass eine Wechselwirkung mit der Glykolyse auftritt, indem das Enzym Glyceraldehyd-3-PhosphatDehydrogenase gehemmt wird, wie es auch nach Acrylamid- und Schwefelkohlenstoffintoxikation zu finden ist. Eine weitere Hypothese besagt, dass es zu einer abnormen Querverbindung zwischen den axonalen Neurofilamenten kommt. Eine Interferenz des Acrylamids mit der Phosphorylierung von Neurofilamenten wird ebenfalls als Ursache der Neuropathie diskutiert [72]. Kohlenmonoxid
Nach einem Koma aufgrund einer Kohlenmonoxidvergiftung treten Kompressionsschäden, möglicherweise mitbedingt durch eine Hypoxie oder Bedingungen wie bei der Neuropathie durch intensivmedizinische Behandlung (s. dort), auf. Symmetrische Neuropathien sind jedoch neben vielen anderen Folgen ebenfalls beschrieben worden [5]. Im Experiment fanden sich axonale und paranodale Markscheidenveränderungen.
583
Toxische Neuropathien
Weitere nichtmetallische organische Substanzen Ethylenoxid
Ethylenoxid ist ein weit verbreitetes gasförmiges Sterilisationsmittel, das bei chronischer Exposition zu einer Polyneuropathie führen kann. Im Vordergrund stehen aber Haut- und Schleimhautläsionen, Lungenödem sowie zentralnervöse Störungen. In der Suralisbiopsie findet sich ein zunehmender Ausfall markhaltiger Nervenfasern und stellenweise eine feinvesikuläre Schwellung paranodaler Markscheidenlamellen [37, 63]. Diaminoproprionitril
Das Dimethylaminoproprionitril (DMAPN), das als Katalysator für Polymerisationsprozesse in der Kunststoffherstellung dient, führt zu einer distalen sensorischen Neuropathie in den Beinen mit zusätzlichen sensorischen Symptomen in den unteren sakralen Dermatomen, Blasenstörungen und Impotenz. Die Suralisnervenbiopsie hat einen Ausfall an markhaltigen und marklosen Nervenfasern mit unspezifischen axonalen Veränderungen ergeben. Iminodiproprionitril
Noch ausführlicher sind die Veränderungen beim b,b’Iminodiproprionitril (IDPN) untersucht worden. Diese Substanz führt im Experiment durch Beeinträchtigung des langsamen axonalen Transportes zu massiven Anhäufungen von Neurofilamenten in proximalen Axonabschnitten mit riesigen Axonauftreibungen analog denen bei der Riesenaxonneuropathie des Menschen und den toxischen Neuropathien aufgrund von 2,5-Hexandion, Kohlenstoffdisulfid und Aluminium [25, 28].
Organische Phosphorverbindungen Alkylphosphate, von denen mehr als 60.000 synthetisiert worden sind, werden vor allem als Insektizide, aber auch als Vertilgungsmittel von Milben und Nematoden eingesetzt (sog. Pestizide). Die bekanntesten sind das Paraxon (E 600) und Parathion (E 605) sowie die Nervenkampfgifte („C-Waffen“: Tabun, Sarin, Soman und viele andere) und die Triarylphosphate (Triorthokresylphosphat), die u. a. in der Kunststoffindustrie sowie als Schmiermittel für Maschinen und Motoren Verwendung finden. Diese Substanzen haben einerseits akute cholinesterasehemmende Wirkungen, andererseits aber auch später auftretende neurotoxische Wirkungen; Paraxon und Parathion zeigen vornehmlich die ersteren Nebenwirkungen, die Triarylphosphate dagegen mehr neurotoxische Schädigungen, die mit einer gewissen Verzögerung von etwa 3 Wochen nach der Giftaufnahme einsetzen, während
das Triorthokresylphosphat keine cholinesterasehemmenden Wirkungen aufweist, sondern unmittelbar stark neurotoxisch wirkt. Beim sog. intermediären Syndrom (IMS), das nach 4–5 Tagen auftritt, sind beide Wirkungsweisen kombiniert [15]. Am bekanntesten ist das Triorthokresylphosphat, das im Jahr 1959 zu einer Massenvergiftung in Marokko geführt hat. Autoptische Untersuchungen ergaben eine zentral-periphere distale Axonopathie, die auch im Experiment nachgewiesen werden konnte, wobei die größeren und längeren Fasern bevorzugt betroffen sind. Am Anfang stehen Vermehrungen des axoplasmatischen Retikulums. Pathogenese. Die meisten organischen Phosphorsäureester hemmen einerseits die Acetylcholinesteraseaktivität, andererseits hemmen sie eine Esterase, die sich von der Acetylcholinesteresterase unterscheidet und als „neurotoxische“ oder „Neuropathy-Target-Esterase“ (NTE) bezeichnet wird [30], deren normale Funktion noch nicht bekannt ist. Diese Organophosphate führen zur Phosphorylierung der NTE, wonach ein zweiter Pathomechanismus einsetzt, der eine „Alterung“ des Phosphorylesterasekomplexes bewirkt; dieser sei verantwortlich für die verzögerte neurotoxische Wirkung der Organophosphate. Wechselwirkungen zwischen organischen Phosphorverbindungen mit dem Lipidstoffwechsel, lysosomalen Funktionen, insbesondere der sauren Phosphatase und 2‘,3‘-zyklischer Nukleotid-3‘-Phosphohydrolase oder Proteinen sind jedoch nicht auszuschließen, darunter auch die Ca++/Calmodulinkinase II ([1]; vgl. auch [15]).
Chlorierte Kohlenwasserstoffe Trichlorethylen
Trichlorethylen ist ein Lösungsmittel und ein Anästhetikum, das zu einer kranialen Neuropathie mit Bevorzugung des 5. und 7. Hirnnerven führt. Autoptisch ließ sich eine axonale Degeneration im N. trigeminus und in den Wurzeln feststellen. Im Anschluss an eine Exposition gegenüber einem Abbauprodukt, dem Dichlorazetylen, trat ein orofazialer Herpes simplex auf. So lässt sich vermuten, dass die ungewöhnliche Lokalisation der neurotoxischen Wirkung auf einer Aktivierung von Herpesviren beruhen könnte [11]. Tetrachlorkohlenstoff
Tetrachlorkohlenstoff wird in der Industrie als Fettlösungsmittel eingesetzt. Sowohl die akute wie die chronische Vergiftung führen zu Leber- und Nierenschäden und zentralnervösen Störungen. Eine symmetrisch-sensible, später motorische Neuropathie ist bei chronischer Exposition gelegentlich beobachtet worden [73].
584
Kapitel 21
Dichlorbenzol und Pentachlorphenol
Dies sind Schädlingsbekämpfungsmittel, die nach chronischer Exposition – allerdings in Kombination mit DDT – in seltenen Fällen zu einer symmetrisch-sensiblen Polyneuropathie geführt haben. Hexachlorophen
Hexachlorophen findet als Desinfektionsmittel und Deodorant Verwendung. Bei früh- und neugeborenen Kindern, die zur Desinfektion in einer entsprechenden Lösung gebadet wurden, ist es zu zentralnervösen Störungen u. a. mit Krampfanfällen und Koma gekommen. Es gelangt über die Haut oder über den MagenDarm-Trakt in den Organismus und führt zu einer spongiösen Myelopathie, die vor allem im zentralen Nervensystem auftritt; aber auch im peripheren Nerven kommt es zu einer Vakuolisierung des internodalen Myelins, auf die eine segmentale Entmarkung folgt. Die Axone schwellen paranodal an, wobei auch im Experiment eine überwiegende Markscheidenschädigung nachweisbar ist [16]. Polychlorierte Biphenyle
Polychlorierte Biphenyle (PCBs) wie Chlorophen, Phenochlor, Apochlor und Kanachlor 400 sind sehr stabile Fettlösemittel, die in der Elektrotechnik als Transformatorenöle sowie in der Farbstoff- und Kunststoffindustrie verwendet werden. Im Experiment konnte ein Ausfall großer markhaltiger Nervenfasern festgestellt werden [44]. DDT
21
DDT (1,1,1-Trichloro-2,2-bis(p-chlorophenyl)-ethan = Dichlordiphenyltrichlorethan) war eines der am weitesten verbreiteten Kontaktinsektizide, bevor chlorhaltige Insektizide wegen ihrer mangelnden biologischen Abbaubarkeit durch organische Phosphorverbindungen (s. oben) u. a. ersetzt worden sind. Beim Menschen kommt es durch Hautkontakt, Einatmung von Puder oder unbeabsichtigte perorale Aufnahme zu Vergiftungen. Sowohl bei akuten als auch bei chronischen Vergiftungen sind überwiegend das zentrale und weniger das periphere Nervensystem betroffen. Die Polyneuropathie ist durch Sensibilitätsstörungen mit Parästhesien, Spontanschmerzen und Muskelkrämpfen gekennzeichnet. Die motorischen Ausfälle sind an den unteren Extremitäten distal betont, greifen aber auch auf die oberen Extremitäten über [72]. Histopathologische Untersuchungen an Zupfpräparaten haben im Experiment an Ratten eine Degeneration von Axonen zusammen mit den Markscheiden ergeben [43]. Dichlorphenoxyessigsäure
Die Dichlorphenoxyessigsäure (2,4-D) ist ein Pflanzenschutzmittel, das in der Landwirtschaft benutzt wurde und zu einer vorwiegend symmetrischen sensiblen Polyneuropathie mit Sensibilitätsstörungen auch im Trigemi-
Nutritive und toxische Neuropathien
nusbereich und sensomotorischen Ausfällen an den unteren und geringeren Grades auch an den oberen Extremitäten geführt hat (Literatur s. [42]). Spanisches toxisches Öl-Syndrom
Das „Spanish-toxic-oil“-Syndrom (TOS) wurde 1981 in Spanien nach Genuss von mineralölverunreinigtem Rapskeimöl beobachtet, in dem man Aniline und saure Acetanilide fand [33, 69, 74]. Klinisch im Vordergrund standen anfangs Fieber, Dyspnoe, Lungenödem, Arthralgien, Myalgien, Hauteffloreszenzen, Pruritus, generalisierte Lymphadenopathie, Splenomegalie und Eosinophilie. Im zweiten Stadium dominierten Hepatomegalie, abdominelle Symptome, Erbrechen, Durchfälle, Dysphagie, Leukozytose, Eosinophilie und Thrombozytopenie. Als Spätfolgen traten schwere Neuromyopathien mit sklerodermieartigen Hautveränderungen, Gelenkkontrakturen, Raynaud-Phänomen, SiccaSyndrom und pulmonaler Hypertonie auf. Noch nach 12 Jahren bestanden bei 85% der Patienten Symptome: an erster Stelle Muskelkrämpfe gefolgt von Ermüdbarkeit, Arthalgien, kognitive und psychiatrische Probleme und Weichteilempfindlichkeit [32]. Schwerere neuromuskuläre Folgen waren nicht nachweisbar. Histopathologisch fanden sich im akuten Stadium Zeichen einer generalisierten, nichtnekrotisierenden Vaskulitis [40]. Trotz intensiver, internationaler Forschungsarbeiten ist die Pathogenese des TOS nach wie vor ungeklärt.
Medikamentös-toxisch bedingte Polyneuropathien Unter der großen Zahl neurotoxisch wirkender Medikamente werden im Folgenden nur einzelne mit charakteristischen Veränderungen im peripheren Nervensystem beschrieben. Der Schweregrad einer Neuropathie lässt sich elektrophysiologisch oder mit einfachen Methoden klinisch quantifizieren durch Bestimmung der motorischen, sensorischen und autonomen Ausfälle, durch Schmerzreize, Reflex-, Vibrations- und Kraftmessung sowie durch das sensible Aktionspotential und das zusammengesetzte („compound“) Aktionspotential [9]. Bezüglich weiterer Einzelheiten sei auf die Spezialliteratur verwiesen [72, 83]. Viele Medikamente haben mehr oder weniger toxische Nebenwirkungen sowohl im peripheren Nervensystem als auch in den Muskelfasern, z. B. Chloroquin (s. unten) oder die Statine (s. S. 779).
Anästhetika Nach der experimentellen Injektion der Lokalanästhetika 2-Chloroprocain, Tetracain, Procain, Itidocain oder Mepi-
585
Toxische Neuropathien
vacain in das Bindegewebe oder die Faszie in der Umgebung eines Nervs kommt es zu einem subperineuralen, interstitiellen und perivaskulären Ödem mit axonaler Degeneration und Demyelinisation, Degranulierung von Mastzellen, Proliferation von Fibroblasten und Aktivierung von Makrophagen [31]. Das Perineurium wird dabei penetriert und das Barrierensystem geschädigt. Das endoneurale Ödem wird durch den Gehalt der Anästhetika an Natriumbisulfid, das den Lösungen als Antioxidans beigegeben wird, verstärkt, aber nicht dadurch allein ausgelöst.
Beispiel erstmalig feinstrukturell kurzfristige und langfristige Regenerationsphänomene im peripheren Nerven im Anschluss an eine Intoxikation untersucht werden konnten (Abb. 20.2e–g). Durch zusätzliche Gabe von 50–100 mg Pyridoxin täglich kann die Erkrankungsrate beim Menschen erheblich gesenkt werden; doch sind andererseits neurotoxische Wirkungen durch Überdosierung des Pyridoxins selbst zu vermeiden (s. oben).
Amiodaron Chloroquin Das Chloroquin (Resochin), das ursprünglich als Antimalariamittel und gegen Amöbiasis und Leishmaniosis eingesetzt wurde, findet allgemein als antiphlogistisches Mittel bei der Behandlung rheumatischer Erkrankungen sowie in der Dermatologie Anwendung. Die neurotoxischen Wirkungen entwickeln sich nach Langzeitbehandlung in Gestalt von Reizleitungsstörungen am Herzen, Depigmentierungen der Haare, Veränderungen der Kornea und Retina sowie einer Neuromyopathie. Histopathologisch und elektronenmikroskopisch ist eine Ablagerung markscheidenähnlicher, sog. membranöser zytoplasmatischer Körperchen sowohl in den Muskelfasern als auch in den Nervenfasern (Axonen und Schwann-Zellen), Endothelzellen und anderen Komponenten der peripheren Nerven nachweisbar. Am stärksten sind derartige Phospholipidproteine im Perikaryon der Ganglienzellen abgelagert, so dass die Veränderungen im Sinne einer Lipidthesaurismose analog einer Gangliosidose gedeutet worden sind. Nach der experimentellen Injektion von Chloroquin resultiert im Rahmen autophagischer Reaktionen des lysosomalen Systems u. a. auch eine Aβ-Amyloidausfällung, zumindest im Muskel [29]. Pathogenetisch kommt es zu einer Hemmung der Neuraminidaseaktivität in den Lysosomen [34, 62, 72].
Isonikotinsäurehydrazid (INH) Das INH (Isoniazid) ist auch heute noch als Tuberkulostatikum das Mittel der Wahl. Durch eine Interferenz des INH mit dem Vitamin-B6-Metabolismus kommt es zu Komplikationen vonseiten des zentralen und peripheren Nervensystems mit distal akzentuierter sensomotorischer Neuropathie. Bei hoch dosierter Intoxikation im Experiment resultiert eine Störung der Blut-Nerven-Schranke mit starkem endoneuralen Ödem und evtl. Erythrodiapedesen [57, 59–61]. Trotz fortgesetzter Isoniazidapplikation tritt eine intensive Regeneration ein [56], an deren
Die Substanz wird als Antiarrhythmikum verwendet und führt gelegentlich nach längerer Medikation zu einer sensomotorischen Neuropathie. Die Suralisbiopsie ergibt einen Ausfall markhaltiger Nervenfasern (Abb. 23.3h), wahrscheinlich auch der marklosen Axone. Die Lysosomen enthalten besondere lamelläre Substanzen in den Schwann-Zellen, Fibroblasten und Perineuralzellen, aber ebenso in den Muskelfasern [41]. Der Jodgehalt des Gewebes ist stark erhöht. Die Lipidspeicherung in Nerv und Muskel wird als sekundäre Folge der Anhäufung der Substanz und ihrer Metaboliten im Gewebe gedeutet.
Zytostatika Die neurotoxischen Effekte von Zytostatika sind vielfach dosislimitierend. Ihre Kenntnis ist deshalb von wesentlicher Bedeutung. Die wichtigsten sind platinhaltige Zytostatika, Vincaalkaloide [2], Taxane, Suramin, Bortezomib [79] und Thalidomid [83]. Taxol
Dieses pflanzliche Alkaloid, eine antimitotische Substanz, die die Mikrotubuli stabilisiert und deren Synthese fördert, wird als Zytostatikum speziell beim Ovarialkarzinom verwendet und aus Eiben (Taxus = Eibe) gewonnen. Es verursacht eine dosisabhängige sensorische Neuropathie. Das Taxol (Paclitaxel) bindet sich an Tubulin und bewirkt eine Anhäufung von Mikrotubuli. Wenn es intraneural in den Nerven injiziert wird, bilden sich tubuläre Aggregate sowohl in den Axonen als auch in den Schwann-Zellen [52]. Eine Anhäufung von Mikrotubuli ist sogar zwischen den Markscheidenlamellen in den Schmidt-Lanterman-Inzisuren sowie in den paranodalen Markschlingen nachweisbar [81]. Zudem kommen multinukleäre Schwann-Zellen vor, die mit einer großen Zahl zytoplasmatischer Mikrotubuli gefüllt sind. Die Myelinisation der regenerierenden Axonsprosse ist nach lokaler Taxolinjektion verzögert, ebenso ist die Zahl der Schwann-Zellen durch Hemmung der Mitose und der
586
Kapitel 21
Zellmigration reduziert. In vitro kommt es zu einer Störung der polaren Orientierung der Mikrotubuli, die nach Entfernung des Taxols nicht reversibel ist und einen neuartigen Pathomechanismus für die Entstehung einer Polyneuropathie darstellt [68]. Innerhalb von 2 Wochen nach der Quetschung des Nerven und einer lokalen Injektion von Taxol entstehen Riesenaxonknospen, von denen eine zweite Welle regenerierender Axone ausgeht, die aus dünnen, in verschiedenen Richtungen gewundenen axonalen Zweigen bestehen und keine Schwann-Zell-Umhüllung aufweisen. Beim Menschen entwickelt sich die Neuropathie nach Dosen, die über 200 mg/m2 liegen [39]. Gegenüber der Neurotoxität des semisynthetischen Taxan-Derivats Docetaxel hätten Progesteron und Dihydroprogesteron einen gewissen protektiven Effekt [50]. Thalidomid
21
Fälle mit bevorzugt sensorischer Polyneuropathie sind bei dieser lange Zeit weitläufig als harmloses Schlafmittel verwendeten Substanz beobachtet worden, allerdings nur bei relativ wenigen Patienten, so dass eine besondere Disposition angenommen werden muss. Außerdem waren gelegentlich Anzeichen einer Schädigung des Tractus corticospinalis nachweisbar. Nervenbiopsien in der Restitutionsphase haben einen Ausfall der großen markhaltigen Nervenfasern und eine Vermehrung der Zahl kleiner markhaltiger Fasern als Zeichen einer Regeneration ergeben [13, 36]. Im Experiment kommt es bei langfristiger Gabe während der postnatalen Entwicklung zu einer Reduktion der Axonkaliber- und Markscheidendickenzunahme [64]. Es wirkt während der Waller-Degeneration hemmend auf die Zellproliferation [65]. Thalidomid verursacht jedoch bei Einnahme während der Schwangerschaft bekanntermaßen Fehlbildungen, insbesondere Phokomelien und Amelien der oberen Extremitäten, und wird seither als Schlafmittel nicht mehr verwendet. Doch wird es jetzt als Immunsuppressivum bei der Behandlung des Erythema nodosum leprosum, einer Komplikation der lepromatösen Lepra, und bei HIV-Infizierten mit Mundulzera eingesetzt [26], außerdem bei multiplem Myelom, WaldenströmMakroglobulinämie, myelodysplastischen Syndromen, akuter myeloischer Leukämie, Myelofibrose mit myeloider Dysplasie, Graft-versus-Host-Reaktionen, Prostatakarzinom, Nierenkrebs, malignen Gliomen, Kaposi-Sarkom und kolorektalem Karzinom [83]. Bei Kindern ist es in Zusammenhang mit der Therapie chronisch-ulzerierender Aphthen, Colitis ulcerosa und myxopapillärem Ependymom zu einer Neuropathie vom axonalen Typ gekommen, wobei mit einer verzögerten Wirkung selbst nach Absetzen des Thalidomids („coasting“) zu rechnen ist [21].
Nutritive und toxische Neuropathien
Weitere Medikamente und Substanzen Tryptophan
Seit dem Frühjahr 1989 erkrankten Patienten nach der Einnahme des Sedativums L-Tryptophan an einem bis dahin unbekannten Beschwerdebild, das als EosinophilieMyalgie-Syndrom (IMS) bezeichnet wird. Bis August 1990 wurden über 1530 Fälle in den USA registriert, darunter 27 Todesfälle; in der Bundesrepublik waren es bis März 1990 84 Fälle; im eigenen Untersuchungsgut sind es unter ca. 1000 Muskelbiopsien 3 Fälle, wovon eine Patientin über 5 Monate täglich 1000 mg L-Tryptophan erhielt. Charakteristisch sind eine diffuse Fasziitis in der Regel, wenn auch nicht immer, mit Beteiligung eosinophiler Granulozyten, eine interstitielle Myositis, Bluteosinophilie, Polyneuropathie und zusätzliche Kardiomyopathie [3]. Morphologie. Relativ charakteristisch ist eine nichtnekrotisierende Vaskulitis, die überwiegend als Venolitis auftritt, teilweise okklusiv ist und in der Regel größere Arterien oder Arteriolen ausspart. Im Nerv findet man eine Epi- und Perineuritis peripherer Nervenfaszikel mit axonaler Degeneration [70]. Die entzündlichen Infiltrate bestehen überwiegend aus mononukleären Zellen (Makrophagen und Lymphozyten) sowie vereinzelten Eosinophilen. Obwohl sich elektrophysiologisch häufig Befunde wie bei einer gemischten sensomotorischen Polyneuropathie von teils demyelinisierendem, teils axonalem Typ ergeben, konnte histopathologisch bisher keine Demyelinisierung dokumentiert werden [67]. Pathogenese. Die Veränderungen ähneln denen bei der sog. eosinophilen Fasziitis (Shulman-Syndrom), deren Pathogenese ungeklärt ist. Epidemiologische Daten haben ergeben, dass eine starke Assoziation zwischen dem L-Tryptophanprodukt eines Herstellers, der rund 80% des in den USA verkauften L-Tryptophans produziert, und der Entwicklung des Eosinophilie-Myalgie-Syndroms besteht [3, 38, 69]. Mittels Hochdruckflüssigkeitschromatographie ließ sich ein L-Tryptophandimer in der mit gentechnischen Methoden produzierten Substanz nachweisen, die das potentielle Agens darstellen könnte. Andererseits entwickelt sich nur bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten, die dieses L-Tryptophanprodukt einnehmen, das typische Krankheitsbild [74]. Die errechnete Inzidenz beträgt 1,4/1000, was auf individuelle disponierende Kofaktoren schließen lässt oder eine sehr ungleichmäßige Verteilung der potentiellen Noxe voraussetzt. Auch ein veränderter intestinaler Tryptophanmetabolismus wird als Ursache diskutiert. Das epidemieähnliche Auftreten des Eosinophilie-MyalgieSyndroms und zahlreiche klinische Symptome sowie die histopathologischen Veränderungen erinnern an das Toxic-oil-Syndrom (s. oben).
Literatur
Hochmolekulare Substanzen wie Polyvinylpyrrolidon und Dextrane
Langzeitfolgen treten auch nach Applikation bestimmter hochmolekularer Substanzen auf, die im Gewebe offensichtlich nicht abgebaut werden können und in Vakuolen gespeichert werden. Dazu gehören Polyvinylpyrrolidon [48], das zur Verbesserung der Langzeitwirkung z. B. von Insipidin retard oder Impletol verwendet wurde, sowie Dextrane und Hydroxyaethylstärke (HAES), die als Plasmaexpander dienen. Letztere können lebenslang persistierenden Juckreiz auslösen [47]. Dabei handelt es sich um charakteristische, manchmal zahlreiche, ca. 1 μm große, PAS-positive, elektronenmikroskopisch weitgehend leere, membranbegrenzte Vakuolen, die am Rand eine Zone mit stark osmiophilem Material aufweisen und offenbar permanent nachweisbar bleiben [48, 58].
587
3.
4.
5.
6.
7.
Heroin
Bei einer Reihe von Patienten ist im Abstand von Stunden bis zu einem Tag nach einer i.v.-Injektion von Heroin nach lang währendem Abusus oder nach Wiederaufnahme von Injektionen eine Mononeuritis multiplex mit Ausfällen entweder im Bereich des Armplexus oder des Lumbosakralplexus beschrieben worden [12]. In einigen Fällen trat auch eine Polyradikuloneuritis vom GuillainBarré-Typ auf, deren neuroallergische Genese allerdings nicht erwiesen ist [71]. Bei Fällen ohne druckbedingte Läsion bestand 3–36 h nach intravenöser oder intranasaler Selbstapplikation von Heroin eine Plexopathie oder eine symmetrische distale axonale sensomotorische Neuropathie, die auf eine toxische Genese schließen ließ, zumal zusätzlich eine massive Rhabodomyolyse mit CK-Werten zwischen 5000 und 100.000 U/l vorlag [14].
8.
Multiples Chemikaliensensitivitäts-(MCS-)Syndrom
12.
Von zunehmender Bedeutung ist heute das durchaus umstrittene sog. Multiple Chemikaliensensitivitäts-(„Multiple chemical sensitivity“; MCS-)Syndrom, das insbesondere nach chronischer minimaler Exposition gegenüber kohlenwasserstoffhaltigen Lösungsmitteln und Pestiziden jeder Art berichtet, von manchen Autoren aber einer Pseudotoxizität im Rahmen subjektiver Verhaltensstörungen zugerechnet wird [72].
9.
10.
11.
13.
14.
15.
Literatur 16. 1.
2.
Abou-Donia MB, Lapadula DM (1990) Mechanisms of organophosphorus ester-induced delayed neurotoxicity: type I and type II. Annu Rev Pharmacol Toxicol 30: 405–440 Balayssac D, Cayre A, Authier N et al. (2005) Patterns of P-glycoprotein activity in the nervous system during vincristine-induced neuropathy in rats. J Peripher Nerv Syst 10: 301–310
17. 18. 19.
Bartz-Bazzanella P, Genth E, Pollmann HJ, Schröder JM, Völker A (1992) Eosinophilie-Myalgie-Syndrom mit Fasziitis und interstitieller Myositis nach L-TryptophanEinnahme. Z Rheumatol 51: 3–13 Bean WB, Hodges RE, Daum KE (1955) Panthothenic acid deficiency induced in human subjects. J Clin Investig 34: 1073–1084 Bennetto L, Powter L, Scolding NJ (2008) Accidental carbon monoxide poisoning presenting without a history of exposure: A case report. J Med Case Reports 2: 118 Berger AR, Schaumburg HH, Schroeder C, Apfel S, Reynolds R (1992) Dose response, coasting, and differential fiber vulnerability in human toxic neuropathy: a prospective study of pyridoxine neurotoxicity. Neurology 42: 1367–1370 Blass JP, Gibson GE (1977) Abnormality of a thiamine-requiring enzyme in patients with Wernicke-Korsakoff syndrome. N Engl J Med 297: 1367–1370 Bosch EP, Pelham RW, Rasool CG et al. (1979) Animal models of alcoholic neuropathy: morphologic, electrophysiologic, and biochemical findings. Muscle Nerve 2: 133–144 Cavaletti G, Jann S, Pace A et al. (2006) Multi-center assessment of the Total Neuropathy Score for chemotherapy-induced peripheral neurotoxicity. J Peripher Nerv Syst 11: 135–141 Cavaletti G, Tredici G, Marmiroli P, Petruccioli MG, Barajon I, Fabbrica D (1992) Morphometric study of the sensory neuron and peripheral nerve changes induced by chronic cisplatin (DDP) administration in rats. Acta Neuropathol (Berl) 84: 364–371 Cavanagh JB, Buxton PH (1989) Trichloroethylene cranial neuropathy: is it really a toxic neuropathy or does it activate latent herpes virus? J Neurol Neurosurg Psychiatry 52: 297–303 Challenor YB, Richter RW, Bruun B, Pearson J (1973) Nontraumatic plexitis and heroin addiction. Jama 225: 958–961 Chaudhry V, Cornblath DR, Polydefkis M, Ferguson A, Borrello I (2008) Characteristics of bortezomib- and thalidomide-induced peripheral neuropathy. J Peripher Nerv Syst 13: 275–282 Dabby R, Djaldetti R, Gilad R, Herman O, Frand J, Sadeh M, Watemberg N (2006) Acute heroin-related neuropathy. J Peripher Nerv Syst 11: 304–309 De Bleecker JL, De Reuck JL, Willems JL (1992) Neurological aspects of organophosphate poisoning. Clin Neurol Neurosurg 94: 93–103 De Jesus PV Jr, Pleasure DE (1973) Hexachlorophene neuropathy. Arch Neurol 29: l80–182 Delgado-Sanchez L, Godkar D, Niranjan S (2008) Pellagra: rekindling of an old flame. Am J Ther 15: 173–175 Dyck PJ, Thomas PK (2005) Peripheral neuropathy. Elsevier Saunders, Philadelphia England JD, Gronseth GS, Franklin G et al. (2009) Practice parameter: the evaluation of distal symmetric polyneuropathy: the role of laboratory and genetic testing (an evi-
588
Kapitel 21
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28. 29.
30.
21
31.
32.
33.
34.
dence-based review). Report of the American Academy of Neurology, the American Association of Neuromuscular and Electrodiagnostic Medicine, and the American Academy of Physical Medicine and Rehabilitation. PM R 1: 5–13 Fine EJ, Soria E, Paroski MW, Petryk D, Thomasula L (1990) The neurophysiological profile of vitamin B12 deficiency. Muscle Nerve 13: 158–164 Fleming FJ, Vytopil M, Chaitow J, Jones HR Jr, Darras BT, Ryan MM (2005) Thalidomide neuropathy in childhood. Neuromuscul Disord 15: 172–176 Gdynia HJ, Muller T, Sperfeld AD, Kuhnlein P, Otto M, Kassubek J, Ludolph AC (2008) Severe sensorimotor neuropathy after intake of highest dosages of vitamin B6. Neuromuscul Disord 18: 156–158 Goebel HH, Schmidt PF, Bohl J, Tettenborn B, Kramer G, Gutmann L (1990) Polyneuropathy due to acute arsenic intoxication: biopsy studies. J Neuropathol Exp Neurol 49: 137–149 Gombault A (1880) Contribution a l’etude anatomique de la névrite parenchymateuse subaigue ou chonique.Névrite segmentaire péri-axile (suite). Arch Neurol (Paris) I: 177–190 Griffin JW, Gold BG, Cork LC, Price DL, Lowndes HE (1982) IDPN neuropathy in the cat: coexistence of proximal and distal axonal swellings. Neuropathol Appl Neurobiol 8: 351–364 Günzler V (1992) Thalidomide in human immunodeficiency virus (HIV) patients. A review of safety considerations. Drug Saf 7: 116–134 Hallett M, Fox JG, Rogers AE, Nicolosi R, Schoene W, Goolsby HA, Landis DM, Pezeshkpour G (1987) Controlled studies on the effects of alcohol ingestion on peripheral nerves of macaque monkeys. J Neurol Sci 80: 65– 71 Hoffmann PN, Griffin JW (eds) (1993) The control of axonal caliber. Saunders, Philadelphia Ikezoe K, Furuya H, Arahata H, Nakagawa M, Tateishi T, Fujii N, Kira J (2009) Amyloid-beta accumulation caused by chloroquine injections precedes ER stress and autophagosome formation in rat skeletal muscle. Acta Neuropathol 117: 575–582 Johnson MK (1990) Organophosphates and delayed neuropathy – is NTE alive and well? Toxicol Appl Pharmacol 102: 385–399 Kalichman MW, Powell HC, Myers RR (1988) Pathology of local anesthetic-induced nerve injury. Acta Neuropathol (Berl) 75: 583–589 Kaufman LD, Izquierdo Martinez M, Serrano JM, GomezReino JJ (1995) 12-year followup study of epidemic Spanish toxic oil syndrome. J Rheumatol 22: 282–288 Kilbourne EM, Rigau-Perez JG, Heath CW Jr, Zack MM, Falk H, Martin-Marcos M, de Carlos A (1983) Clinical epidemiology of toxic-oil syndrome. Manifestations of a New Illness. N Engl J Med 309: 1408–1414 Klinghardt GW (1974) Experimental lesions of the nervous and muscular systems due to chloroquine: models of
Nutritive und toxische Neuropathien
35.
36.
37. 38.
39.
40.
41.
42. 43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
various storage dystrophies (author’s transl). Acta Neuropathol (Berl) 28: 117–141 Krinke G, Naylor DC, Skorpil V (1985) Pyridoxine megavitaminosis: an analysis of the early changes induced with massive doses of vitamin B6 in rat primary sensory neurons. J Neuropathol Exp Neurol 44: 117–129 Krücke W, Hartrott HHv, Schröder JM, Thomas E, Gibbels E, Scheid W (1971) Licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen zum Spätstadium der Thalidomidneuropathie. Fortschr Neurol Psychiatr Grenzgeb 39: 15–50 Kuzuhara S, Kanazawa I, Nakanishi T, Egashira T (1983) Ethylene oxide polyneuropathy. Neurology 33: 377–380 Lehnert H (1990) Eosinophilie-Myalgie-Syndrom und Einnahme L-Tryptophan-haltiger Arzneimittel. Dt Ärztebl 87: C11255–C11257 Lipton RB, Apfel SC, Dutcher JP et al. (1989) Taxol produces a predominantly sensory neuropathy. Neurology 39: 368–373 Mateo IM, Izquierdo M, Fernandez-Dapica MP, Navas J, Cabello A, Gomez-Reino JJ (1984) Toxic epidemic syndrome: musculoskeletal manifestations. J Rheumatol 11: 333–338 Meier C, Kauer B, Müller U, Ludin HP (1979) Neuromyopathy during chronic amiodarone treatment. A case report. J Neurol 220: 231–239 Neundörfer B (ed) (1987) Polyneuritiden und Polyneuropathien. Edition Medizin VCH, Weinheim Novak EM, Werneck LC (1984) Experimental neuropathy induced by DDT: analysis of the nerves by microdissection of the fibers. Arq Neuropsiquiatr 42: 242–250 Ogawa M (1971) Electrophysiological and histological studies of experimental chlorobiphenyl poisoning. Fukuoka Acta Med 62: 74–78 Ohnishi A, Tsuji S, Igisu H et al. (1980) Beriberi neuropathy. Morphometric study of sural nerve. J Neurol Sci 45: 177–190 Prineas J (1970) Peripheral nerve changes in thiamine-deficient rats. An electron microscope study. Arch Neurol 23: 541–548 Reimann S, Szepfalusi Z, Kraft D, Luger T, Metze D (2000) Hydroxyethyl starch accumulation in the skin with special reference to hydroxyethyl starch-associated pruritus. Dtsch Med Wochenschr 125: 280–285 Reske-Nielsen E, Bojsen-Moller M, Vetner M, Hansen JC (1976) Polyvinylpyrrolidone-storage disease. Light microscopical, ultrastructural and chemical verification. Acta Pathol Microbiol Scand A 84: 397–405 Riggs JE, Ashraf M, Snyder RD, Gutmann L (1988) Prospective nerve conduction studies in cisplatin therapy. Ann Neurol 23: 92–94 Roglio I, Bianchi R, Camozzi F et al. (2009) Docetaxel-induced peripheral neuropathy: protective effects of dihydroprogesterone and progesterone in an experimental model. J Peripher Nerv Syst 14: 36–44 Rommelspacher H, Wanke K, Caspari D, Topel H (1989) Alkoholismusforschung im internationen Vergleich. Dt Ärztebl 86B: 2197–2204
Literatur
52. 53.
54. 55.
56.
57. 58. 59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
Röyttä M, Raine CS (1986) Taxol-induced neuropathy: chronic effects of local injection. J Neurocytol 15: 483–496 Scalabrino G (2009) The multi-faceted basis of vitamin B12 (cobalamin) neurotrophism in adult central nervous system: Lessons learned from its deficiency. Prog Neurobiol 88: 203–220 Schaumburg HH, Berger AR, Thomas PK (1992) Disorders of peripheral nerves. Davis, Philadelphia Schröder JM (2000) Cadmium. In: Spencer PS and Schaumburg HH (eds) Oxford University Press, New York Oxford Schröder JM (1968) Die Hyperneurotisation Büngnerscher Bänder bei der experimentellen Isoniazid-Neuropathie: Phasenkontrast- und elektronenmikroskopische Untersuchungen. Virch Arch Abt B Zellpath 1: 131–156 Schröder JM (2000) Isoniazid. In: Spencer PS and Schaumburg HH (eds) Oxford University Press, New York Oxford Schröder JM (ed) (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (1970a) Zur Feinstruktur und quantitativen Auswertung regenerierter peripherer Nervenfasern. In: Proceedings of the VIth International Congress of Neuropathology. Masson et Cie, Paris, pp 628–646 Schröder JM (1970b) Zur Pathogenese der Isoniazid-Neuropathie. I. Eine feinstrukturelle Differenzierung gegenüber der Wallerschen Degeneration. Acta Neuropathol 16: 301–323 Schröder JM (1970c) Zur Pathogenese der Isoniazid-Neuropathie. II. Phasenkontrast- und elektronenmikroskopische Untersuchungen am Rückenmark, an den Spinalganglien und Muskelspindeln. Acta Neuropathol 16: 324–341 Schröder JM, Himmelmann F (1992) Fine structural evaluation of altered Schmidt-Lanterman incisures in human sural nerve biopsies. Acta Neuropathol (Berl) 83: 120– 133 Schröder JM, Hoheneck M, Weis J, Deist H (1985) Ethylene oxide polyneuropathy: clinical follow-up study with morphometric and electron microscopic findings in a sural nerve biopsy. J Neurol 232: 83–90 Schröder JM, Matthiesen T (1985) Experimental thalidomide neuropathy: the morphological correlate of reduced conduction velocity. Acta Neuropathol (Berl) 65: 285–292 Schröder JM, Sellhaus B, Wöhrmann T, Kögel B, Zwingenberger K (1995) Inhibitory effects of thalidomide on cellular proliferation, endoneurial edema and myelin phagocytosis during early wallerian degeneration. Acta Neuropathol (Berl) 89: 415–419 Schroeder AS, Ertl-Wagner B, Britsch S et al. (2009) Muscle biopsy substantiates long-term MRI alterations one year after a single dose of botulinum toxin injected into the lateral gastrocnemius muscle of healthy volunteers. Mov Disord 24: 1494–1503 Seidman RJ, Kaufman LD, Sokoloff L, Miller F, Iliya A, Peress NS (1991) The neuromuscular pathology of the Eosinophilia-Myalgia syndrome. J Neuropathol Exp Neurol 50: 49–62
589
68.
69.
70.
71. 72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80. 81.
82.
83.
Shemesh OA, Spira ME (2009) Paclitaxel induces axonal microtubules polar reconfiguration and impaired organelle transport: implications for the pathogenesis of paclitaxel-induced polyneuropathy. Acta Neuropathol 119: 235–248 Slutsker L, Hoesly FC, Miller L, Williams LP, Watson JC, Fleming DW (1990) Eosinophilia-myalgia syndrome associated with exposure to tryptophan from a single manufacturer. Jama 264: 213–217 Smith BE, Dyck PJ (1990) Peripheral neuropathy in the eosinophilia-myalgia syndrome associated with L-tryptophan ingestion [see comments]. Neurology 40: 1035– 1040 Smith W, Wilson AF (1975) Guillan-Barre syndrome in heroin addiction. Jama 231: 1367–1368 Spencer PS, Schaumburg HH (eds) (2000) Experimental and Clinical Neurotoxicology. Oxford University Press, New York Oxford Stevens H, Forster FM (1953) Effect of carbon tetrachloroide on the nervous system. AMA ARch Neurol Psychiatry 70: 635–649 Swygert LA, Maes EF, Sewell LE, Miller L, Falk H, Kilbourne EM (1990) Eosinophilia-myalgia syndrome. Results of National Surveillance. JAMA 264: 1698– 1703 Tabaraud F, Vallat JM, Hugon J, Ramiandrisoa H, Dumas M, Signoret JL (1990) Acute or subacute alcoholic neuropathy mimicking Guillain-Barré syndrome. J Neurol Sci 97: 195–205 Thomas PK, Landon DN, King RHM (eds) (1997) Diseases of the peripheral nerves. Arnold, London Sydney Auckland Tischner KH, Schröder JM (1972) The effects of cadmium chloride on organotypic cultures of rat sensory ganglia. A light and electron microscope study. J Neurol Sci 16: 383– 399 Turgut B, Turgut N, Akpinar S, Balci K, Pamuk GE, Tekgunduz E, Demir M (2006) Dorsal sural nerve conduction study in vitamin B(12) deficiency with megaloblastic anemia. J Peripher Nerv Syst 11: 247–252 Velasco R, Petit J, Clapes V, Verdu E, Navarro X, Bruna J (2010) Neurological monitoring reduces the incidence of bortezomib-induced peripheral neuropathy in multiple myeloma patients. J Peripher Nerv Syst 15: 17–25 Vinken PJ, Bruyn GWE (1994/1995) Intoxications of the nervous system. Elsevier, Amsterdam Vuorinen VS, Röyttä M (1990) Taxol-induced neuropathy after nerve crush: long-term effects on Schwann and endoneurial cells. Acta Neuropathol (Berl) 79: 653–662 Windebank A (1993) Polyneuropathy due to nutritional deficiency and alcoholism. In: Dyck P, Thomas P, Griffin J, Low P, Poduslo J (eds) Peripheral neuropathy. WB Saunders, Philadelphia, pp 1310–1321 Windebank AJ, Grisold W (2008) Chemotherapy-induced neuropathy. J Peripher Nerv Syst 13: 27–46
590
Kapitel 21
84.
85.
86.
21
Yokota T, Wada Y, Furukawa T, Tsukagoshi H, Uchihara T, Watabiki S (1987) Adult-onset spinocerebellar syndrome with idiopathic vitamin E deficiency. Ann Neurol 22: 84–87 Yokoyama K, Araki S, Abe H (1990) Distribution of nerve conduction velocities in acute thallium poisoning. Muscle Nerve 13: 117–120 Zambelis T, Karandreas N, Tzavellas E, Kokotis P, Liappas J (2005) Large and small fiber neuropathy in chronic alcohol-dependent subjects. J Peripher Nerv Syst 10: 375–381
Nutritive und toxische Neuropathien
Kapitel 22
Neuropathien bei systemischen Stoffwechselstörungen
22
J.M. Schröder Inhalt Diabetische Neuropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
592
Neuropathien bei Akromegalie . . . . . . . . . . . . . .
594
Urämische Polyneuropathie . . . . . . . . . . . . . . . .
593
Neuropathien bei intensivmedizinischer Behandlung („critical illness polyneuropathy“) . . . . . . . . . . . . . .
594
Neuropathien bei Lebererkrankungen . . . . . . . . . .
593 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
594
Neuropathien bei Hypothyreose und Hyperthyreose . .
593
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_22, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
592
Kapitel 22
Diabetische Neuropathie Die diabetische Neuropathie ist neben der alkoholischen Polyneuropathie die weitaus häufigste periphere Neuropathie. Die Prävalenzrate variiert sowohl beim Typ-I- als auch beim Typ-II-Diabetes in Abhängigkeit von den Untersuchungsmethoden und den demographischen Daten zwischen 5 und 90% [17]. Klinik. Zu unterscheiden sind • eine symmetrische Polyneuropathie, • eine bevorzugt sensorische oder autonome Form, • fokale sowie multifokale Neuropathien. Zu den Letzteren gehören Hirnnervenausfälle, insbesondere im Bereich des III. und VII. Nervs sowie eine thorakoabdominale Neuropathie, ein fokaler Befall der Gliedergürtelnerven und das Syndrom einer proximalen motorischen Neuropathie (diabetische Amyotrophie) [4, 25]. Neben sensiblen und motorischen Ausfällen findet sich bei einem Drittel der Fälle ein Restless-legs-Syndrom, das ebenso wie thermische Dysästhesien (Burning-feet-Symptome) auf einen bevorzugten Befall der kleinen sensorischen Nervenfasern („small fiber sensory neuropathy“) im Sinne einer Übererregbarkeit der CFasern und eine Aδ-Faser-Deafferentierung zurückzuführen ist [12].
22
Histopathologie. Bei der symmetrischen Polyneuropathie ist ein Ausfall sowohl der markhaltigen als auch der marklosen Axone nachgewiesen worden, der distal betont ist, aber bevorzugt die dorsalen Nervenwurzeln betrifft. Dazu gehört ein Ausfall von Ganglienzellen in den Spinalganglien und den Vorderhörnern des Rückenmarks. Als Substrat der dabei akut auftretenden Schmerzen wird ein aktiver Nervenfaseruntergang angesehen, der speziell in Zupfpräparaten nachweisbar ist [1]; bei chronischen Schmerzen dominiert die regenerative Aktivität. Entsprechend dem Ausfall sensorischer Ganglienzellen kommt es zur Degeneration von Fasern in den Hintersträngen. Demnach liegt eine zentral-periphere distale Axonopathie vor. Bei der sog. diabetischen pseudosyringomyelischen Neuropathie findet sich ein bevorzugter Ausfall der kleinen markhaltigen und marklosen Axone. Vermutlich gibt es ein Spektrum zwischen Fällen mit bevorzugtem Ausfall kleiner Fasern und solchen mit bevorzugtem Ausfall großer markhaltiger Fasern. Segmentale Demyelinisationen kommen vor, sind aber vermutlich sekundärer Art und treten proximal von distal degenerierenden Axonen auf. Kleine Zwiebelschalenformationen kommen gelegentlich vor als Hinweis auf eine rekurrierende Demyelinisation und Remyelinisation, doch ist die Korrelation zwischen dem Schweregrad der axonalen Ausfälle und der Demyelinisation nicht
Neuropathien bei systemischen Stoffwechselstörungen
strikt, so dass eine unabhängige Wirkung der diabetischen Stoffwechsellage auf die Funktion der Axone und Schwann-Zellen anzunehmen ist [3]. Bei unbehandeltem Diabetes sollen segmentale Demyelinisations- und Remyelinisationsvorgänge stärker ausgeprägt sein. Bei einer Kombination einer diabetischen Stoffwechsellage mit einer hereditären motorisch-sensorischen Neuropathie vom Typ Ia ist die Neuropathie wesentlich stärker und weniger typisch ausgeprägt als bei einer unkomplizierten HMSN Ia [2, 23]. Eine Vermehrung von π-Granula in den SchwannZellen ist beschrieben worden, aber nicht quantitativ erwiesen. Eine Verdickung der Basallaminae der SchwannZellen kommt gelegentlich vor, ist aber an den Blutgefäßen wesentlich stärker ausgeprägt. Das autonome System zeigt degenerative Veränderungen an den autonomen Ganglien und vermehrte Einlagerungen von PAS-positiven Substanzen in Ganglienzellen des sympathischen Systems. Die Zahl der Nervenfasern in den Arteriolen der unteren Extremitäten ist reduziert, auch sind Anomalien der Innervation der Blasenwand und der Corpora cavernosa berichtet worden. Die eingangs erwähnten fokalen und multifokalen Nervenläsionen beruhen auf einem unterschiedlichen Verlust von Nervenfasern in den verschiedenen Nervenfaszikeln, wobei vermutlich vaskuläre Faktoren eine Rolle spielen. Veränderungen, die bei einer multiplen Mononeuropathie im Sinne einer ischämischen Veränderung interpretiert worden waren, haben sich als Renaut-Körper erwiesen [25]. Doch sind fokale ischämische Läsionen wahrscheinlich demyelinisierender Art in einem mit Hilfe von Serienschnitten untersuchten isolierten III. Hirnnerven beschrieben worden. Das endoneurale Bindegewebe ist oft vermehrt. Die Basallamina der Perineuralzellen ist verdickt [5], und es sind Kalzifikationen im Perineurium nachweisbar, die häufiger sind als bei anderen Neuropathien [14]. Seit langem sind Verdickungen und Hyalinisierungen der Wand kleiner Blutgefäße im Nerven bekannt, die teilweise auf eine Vermehrung und Reduplikation der Basallamina zurückzuführen sind. Eine starke Vermehrung und Verbreiterung der Basallaminae endoneuraler Blutgefäße sind bei chronischen Neuropathien häufig, aber statistisch signifikant häufiger bei Diabetikern anzutreffen. Eine Vermehrung verschlossener endoneuraler Kapillaren beim Vergleich mit altersentsprechenden Kontrollen soll mit dem Schweregrad der Neuropathie korrelieren [8], doch ist dieser Befund bisher in anderen Serien nicht bestätigt worden [25]. Pathogenese. Die klinische Heterogenität der diabetischen Neuropathie lässt auf eine multifaktorielle Genese schließen, wobei die erhöhte Glukose zu verschiedenen, sekundären Störungen des Metabolismus führt [27]. Dabei spielen Matrixmetalloproteinasen (MMPs),
Neuropathien bei Hypothyreose und Hyperthyreose
mitogenaktivierte Proteinkinasen (MAPKs) [6] und viele andere Substanzen (z. B. Wachstumsfaktoren) eine Rolle, auf die hier trotz der großen klinischen Bedeutung der diabetischen Neuropathie nicht näher eingegangen werden kann. Diese sind wohl in der Summe Ursache der schlechten Regenerationsfähigkeit diabetischer Nerven [13]. Einige fokale Veränderungen wie die des III. Hirnnerven könnten ischämischer Natur sein. Eine ischämische Ursache sämtlicher Formen der diabetischen Neuropathie ist unwahrscheinlich. Eine abnorme Empfindlichkeit gegenüber äußeren Druckwirkungen erklärt zumindest einige fokale Ausfälle in diesem Sinne. Symmetrische Polyneuropathien haben wahrscheinlich eine metabolische Grundlage. Eine Verminderung der Natrium- und Kalium-ATPase-Aktivität sekundär zur reduzierten Konzentration von Myo-Inositol, wozu auch erhöhte neurale Sorbitolwerte beitragen mögen, wird u. a. als Ursache dieser symmetrischen Polyneuropathieformen beim Diabetes mellitus diskutiert. Diese Veränderungen können mit dem axonalen Transport interferieren. Auch ein Ungleichgewicht zwischen einer kompensatorischen Biogenese der Mitochondrien und ihrer Aufspaltung („Fission“) mit Vermehrung in Spinalganglien und Axonen einschließlich erhöhter Caspase-3-Aktivität und vermehrter mitochondrialer DNA wird als wichtiger pathogenetischer Faktor diskutiert [29]. Durch Insulinüberdosierung kann es zur Hypoglykämie und dadurch bedingtem Ausfall von Vorderhornzellen mit konsekutivem Verlust von Motoneuronen einschließlich ihrer peripheren Axone kommen. Darüber hinaus sind dispositionelle Faktoren bei der Manifestation einer diabetischen Neuropathie von Bedeutung. So addieren oder potenzieren sich die pathogenetischen Faktoren bei der Kombination einer diabetischen Stoffwechsellage mit einer hereditären motorisch-sensorischen Neuropathie z. B. vom Typ Ia (HMSN Ia = CMT1A; s. unten), so dass, wie bereits erwähnt, die Neuropathie wesentlich stärker und weniger typisch ausgeprägt ist als bei einer unkomplizierten CMT 1A.
Urämische Polyneuropathie Bei ausgeprägter Niereninsuffizienz kann es zu einer symmetrischen distalen sensomotorischen Polyneuropathie kommen, die vermutlich auf gestaute Metabolite zurückzuführen ist. Autoptisch ist eine distal akzentuierte axonale Degeneration mit Chromatolyse in den Vorderhornzellen zu finden. Zusätzlich zu dem Ausfall von Axonen kommt es aufgrund einer Atrophie von Axonen zur sog. sekundären segmentalen Demyelinisation, die bei der urämischen Neuropathie erstmalig als solche durch statistische Analysen an gezupften Einzelfasern beschrieben und defi-
593
niert worden ist [9, 24]. Bei milder verlaufenden Fällen dominiert ein Ausfall nur der großen markhaltigen Nervenfasern, während die kleinen und die marklosen Axone relativ ausgespart sind. Im Rahmen einer immunkomplexbedingten, rapid progressiven Glomerulonephritis im Anschluss an eine Streptokokken-Typ-A-Infektion ist es zu einer extrem ausgeprägten Neuropathie mit Degeneration nahezu sämtlicher markhaltiger und markloser Nervenfasern gekommen [22]. Welche Rolle dabei allerdings die Urämie, die Immunkomplexe oder ein sekundäres immunreaktives Syndrom (SIRS) gespielt haben, ist nicht geklärt.
Neuropathien bei Lebererkrankungen Bei Patienten mit akuter oder chronischer Lebererkrankung kommt es in der Regel nicht zur peripheren Neuropathie, nur beim Alkoholismus, der seinerseits eine Neuropathie verursachen kann, oder wenn ein Guillain-Barré-Syndrom „postinfektiös“ auf eine akute virale Hepatitis folgt. Auch kann es bei primärer biliärer Zirrhose zu einer Neuropathie kommen. Bei Letzterer kann sich eine sensorische Neuropathie entwickeln; die Nervenbiopsie zeigt dann xanthomatöse Ablagerungen im Perineurium [26]. Doch gibt es auch Patienten mit primärer biliärer Zirrhose und Neuropathie ohne xanthomatöse Infiltrate, wobei dann eine immunologische Ursache der Neuropathie zu diskutieren ist [7].
Neuropathien bei Hypothyreose und Hyperthyreose Die häufigste Form einer peripheren Neuropathie beim Hypothyreoidismus ist eine fokale Kompressionsneuropathie, in der Regel im Karpaltunnel. Selten entwickelt sich eine symmetrische sensorimotorische Polyneuropathie, die sich bei der Behandlung des Hypothyreoidismus zurückbildet. Nervenbiopsien ergaben Anzeichen einer segmentalen Demyelinisation, vermehrte Glykogenablagerungen sowohl im Zytoplasma von Schwann-Zellen als auch in Axonen [16]. Elektrophysiologischen Untersuchungen zufolge dominieren demyelinisierende Veränderungen im motorischen System sowie myopathische Anomalien [10]. Morphometrische und elektronenmikroskopische Untersuchungen haben axonale Veränderungen ergeben [21]. Nach eigenen Untersuchungen sind die Basallaminae um die endomysialen Kapillaren ungewöhnlich stark verbreitert [20], wobei diese vermutlich den mukoiden Substanzen (Ödem) früherer Mitteilungen entsprechen. Bei schwerer Hyperthyreose oder beim sog. ThyreoidSturm (Thyreotoxikose) kann es zur sog. Basedow-Para-
594
Kapitel 22
plegie kommen [18]. Elektronenmikroskopisch sind vor allem Veränderungen an den Markscheiden und Mitochondrien aufgefallen [15]. Eine Assoziation einer Schilddrüsenkrankheit oder einer Hashimoto-Thyreoiditis mit einer sensorischen Neuropathie ist jedoch eine Seltenheit [28]. Ob diese immunologisch bedingt ist oder auf der Schilddrüsenfunktionsstörung beruht, ist ungeklärt.
Neuropathien bei Akromegalie Am häufigsten tritt hierbei ein Karpaltunnelsyndrom auf. Eine generalisierte Neuropathie kann sich ebenfalls entwickeln, die unabhängig von einem Diabetes ist [25]. Die Nervenquerschnittsfläche ist verbreitert, das subperineurale und endoneurale Bindegewebe vermehrt und die Dichte der markhaltigen und marklosen Axone reduziert. In Zupfpräparaten ist eine Kombination einer axonalen Degeneration mit einer segmentalen Demyelinisation zu finden.
Neuropathien bei systemischen Stoffwechselstörungen
4. 5.
6.
7.
8.
9.
10.
Neuropathien bei intensivmedizinischer Behandlung („critical illness polyneuropathy“) Eine gemischt motorische und sensorische Polyneuropathie kann sich bei Patienten auf der Intensivstation mit Sepsis und Multiorganversagen entwickeln. Diese manifestiert sich in der Regel erst, wenn versucht wird, den Patienten vom Ventilator unabhängig zu machen. Nervenbiopsien ergaben eine axonale Degeneration. Die Ursache ist nicht geklärt, aber zweifellos vielfältig, vermutlich vor allem (medikamentös-)toxisch und hypoxisch [4]. Es kommt zu einer erhöhten Expression von E-Selektin in den Gefäßendothelien [11]. Gleichzeitig besteht oft eine „Critical-illness“-Myopathie [19] (s. dort).
Literatur 1.
22 2.
3.
Archer AG, Watkins PJ, Thomas PK, Sharma AK, Payan J (1983) The natural history of acute painful neuropathy in diabetes mellitus. J Neurol Neurosurg Psychiatry 46: 491– 499 Beckmann A, Schröder JM (2000) Screening for CharcotMarie-Tooth type 1A and hereditary neuropathy with liability to pressure palsy in archival nerve biopsy samples by direct-double-differential PCR. Acta Neuropathol 100: 459–463 Behse F, Buchthal F, Carlsen F (1977) Nerve biopsy and conduction studies in diabetic neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 40: 1072–1082
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
Bolton CF, Breuer AC (1999) Critical illness polyneuropathy. Muscle Nerve 22: 419–424 Bradley JL, Thomas PK, King RH, Watkins PJ (1994) A comparison of perineurial and vascular basal laminal changes in diabetic neuropathy. Acta Neuropathol (Berl) 88: 426–432 Cavaletti G, Miloso M, Nicolini G, Scuteri A, Tredici G (2007) Emerging role of mitogen-activated protein kinases in peripheral neuropathies. J Peripher Nerv Syst 12: 175–194 Charron L, Peyronnard JM, Marchand L (1980) Sensory neuropathy associated with primary biliary cirrhosis. Histologic and morphometric studies. Arch Neurol 37: 84–87 Dyck PJ, Hansen S, Karnes J, O’Brien P, Yasuda H, Windebank A, Zimmerman B (1985) Capillary number and percentage closed in human diabetic sural nerve. Proc Natl Acad Sci USA 82: 2513–2517 Dyck PJ, Johnson WJ, Lambert EH, O’Brien PC (1971) Segmental demyelination secondary to axonal degeneration in uremic neuropathy. Mayo Clin Proc 46: 400–431 El-Salem K, Ammari F (2006) Neurophysiological changes in neurologically asymptomatic hypothyroid patients: a prospective cohort study. J Clin Neurophysiol 23: 568–572 Fenzi F, Latronico N, Refatti N, Rizzuto N (2003) Enhanced expression of E-selectin on the vascular endothelium of peripheral nerve in critically ill patients with neuromuscular disorders. Acta Neuropathol (Berl) 106: 75–82 Gemignani F, Brindani F, Vitetta F, Marbini A, Calzetti S (2007) Restless legs syndrome in diabetic neuropathy: a frequent manifestation of small fiber neuropathy. J Peripher Nerv Syst 12: 50–53 Kennedy JM, Zochodne DW (2005) Impaired peripheral nerve regeneration in diabetes mellitus. J Peripher Nerv Syst 10: 144–157 King RH, Llewelyn JG, Thomas PK, Gilbey SG, Watkins PJ (1989) Diabetic neuropathy: abnormalities of Schwann cell and perineurial basal laminae. Implications for diabetic vasculopathy. Neuropathol Appl Neurobiol 15: 339–355 Pandit L, Shankar SK, Gayathri N, Pandit A (1998) Acute thyrotoxic neuropathy – Basedow’s paraplegia revisited. J Neurol Sci 155: 211–214 Pollard JD, McLeod JG, Honnibal TG, Verheijden MA (1982) Hypothyroid polyneuropathy. Clinical, electrophysiological and nerve biopsy findings in two cases. J Neurol Sci 53: 461–471 Rota E, Quadri R, Fanti E, Isoardo G, Poglio F, Tavella A, Paolasso I, Ciaramitaro P, Bergamasco B, Cocito D (2005) Electrophysiological findings of peripheral neuropathy in newly diagnosed type II diabetes mellitus. J Peripher Nerv Syst 10: 348–353 Sahni V, Gupta N, Anuradha S, Tatke M, Kar P (2007) Thyrotoxic neuropathy – an underdiagnosed condition. Med J Malaysia 62: 76–77
Literatur
19.
20. 21.
22.
23.
24.
25.
26. 27. 28.
29.
Schorl M, Röhrer S, Valerius-Kukula S, Kemmer T (2009) Critical-illness-Polyneuropathie: Inzidenz und Auswirkung auf di Beatmungsdauer bei Patienten in der Frührehabilitation nach Schweren neurologischen und neurochirurgischen Erkrankungen. Akt Neurol 36: 168–173 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Shinoda K, Hosokawa S, Mozai T (1987) Peripheral neuropathy in hypothyroidism. II. Morphometrical and electron microscopical studies on sural nerve in hypothyroidism and axonal atrophy in hypothyroid polyneuropathy. Bull Osaka Med Sch 33: 149–163 Sommer C, Schröder JM (1992) Immune-mediated neuropathy and myopathy in post-streptococcal disease: electron-microscopical, morphometrical and immunohistochemical studies. Clin Neuropathol 11: 77–86 Thiex R, Schröder JM (1998) PMP-22 gene duplications and deletions identified in archival, paraffin-embedded sural nerve biopsy specimens: correlation to structural changes. Acta Neuropathol 96: 13–21 Thomas PK, Hollinrake K, Lascelles RG, DJ OS, Baillod RA, Moorhead JF, Mackenzie JC (1971) The polyneuropathy of chronic renal failure. Brain 94: 761–780 Thomas PK, Landon DN, King RHM (eds) (1997) Diseases of the peripheral nerves. Arnold, London Sydney Auckland Thomas PK, Walker JG (1965) Xanthomatous neuropathy in primary biliary cirrhosis. Brain 88: 1079–1088 Tomlinson DR, Gardiner NJ (2008) Diabetic neuropathies: components of etiology. J Peripher Nerv Syst 13: 112–121 Toth CC (2005) Severe sensory neuropathy occurring in association with Hashimoto’s thyroid disease. J Peripher Nerv Syst 10: 394–395 Vincent AM, Edwards JL, McLean LL, Hong Y, Cerri F, Lopez I, Quattrini A, Feldman EL (2010) Mitochondrial biogenesis and fission in axons in cell culture and animal models of diabetic neuropathy. Acta Neuropathol 120: 477–489
595
Kapitel 23
23
Hereditäre Neuropathien
J.M. Schröder Inhalt Hereditäre Neuropathien aufgrund spezifischer metabolischen Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
598
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN), vom Typ Charcot-Marie-Tooth (CMT), hereditäre sensorisch-autonome Neuropathien (HSAN) und motorische Neuropathien (HMN) . . . . . . . . . . 615
Amyloidneuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
598
Familiäre Amyloidosen . . . . . . . . . . . . . . . .
603
Primäre Amyloidosen (Paramyloidosen) . . . . . . .
606
Weitere Formen der Amyloidose . . . . . . . . . . .
606
CMT1, dominant erblich . . . . . . . . . . . . . . .
615
Porphyrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
606
CMT2 = HMSN II, axonaler Typ . . . . . . . . . .
619
Lipidstoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . .
606
Autosomal-dominante, intermediäre Formen einer CMT-Neuropathie (CMTDI = DI-CMT) . . .
623
Lysosomal (autosomal-rezessiv erblich) . . . . . . .
606
Lysosomal, X-chromosomal-rezessiv erblich . . . . .
610
CMT3 = HMSN III, Dejerine-Sottas-Syndrome (DSS) . . . . . . . . . . .
624
Proteolipidanomalien (autosomal-rezessiv erblich) .
610
Kongenitale Amyelinisation (Shah-Waardenburg-Syndrom; PCWH) . . . . . . .
624
Peroxisomale Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . .
611 CMT4, autosomal-rezessiv (AR-CMT) . . . . . . .
625
Hereditäre motorische und sensorische Neuropathien (HMSN) vom Typ Charcot-Marie-Tooth (CMT) und Dejerine-Sottas (DS) . . . . . . . . . . . . . . . . 615
Adrenoleukodystrophie und Adrenomyeloneuropathie . . . . . . . . . . . .
611
CMTX = HMSN X . . . . . . . . . . . . . . . . . .
626
Refsum-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
612
Hereditäre sensorische und autonome Neuropathien (HSAN) . . . . . . . . .
626
Optico-cochleo-dentatum-Degeneration (OCDD, Nyssen-van Bogaert) . . . . . . . . . . . .
612
HSAN 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
627
Oxalosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
613
HSAN 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
627
Mukopolysaccharidosen . . . . . . . . . . . . . . . . .
613
HSAN 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
628
Glykogenstoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . .
613
HSAN 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
628
Erkrankungen mit defekter DNA-Reparatur . . . . .
613
HSAN 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
628
Neuropathien bei mitochondrialen Erkrankungen . .
614
HSAN mit spastischer Paraplegie . . . . . . . . . . .
629
Neuropathien bei gonadaler Dysgenesie . . . . . . . .
614
X-chromosomal-rezessive sensorische Neuropathie .
629
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_23, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
598
Kapitel 23 Weitere hereditäre Krankheiten mit Störungen des autonomen Nervensystems . . . . . . . . . . . .
629
Distale hereditäre motorische Neuropathien (dHMN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
629
Hereditäre neuralgische Amyotrophie (HNA) . . . .
630
Eine Neuropathie als ein wichtiges Symptom kann bei einer großen Zahl bekannter Erbkrankheiten auftreten. Zweckmäßigerweise werden diese unterteilt in hereditäre Neuropathien mit oder ohne bekannte spezifische metabolische Störung. Bei Letzteren lassen jedoch vielfach bekannte Gendefekte auf spezifische Strukturdefekte schließen, die ihrerseits den Stoffwechsel beeinflussen. So wird die Abgrenzung metabolischer Störungen von strukturellen Defekten mit deren Folgen manchmal schwierig. In der eingangs erwähnten Gentabelle monogener neuromuskulärer Krankheiten sind 57 Positionen den hereditären motorischen und sensorischen Neuropathien gewidmet (http://www.musclegenetable.org). Eine Druckversion ist in Neuromuscular Disorders 20(2010): 88–91 verfügbar (modifiziert in Tabelle 23.1), allerdings ohne primär mitochondrial oder peroxisomal bedingte Krankheiten, Mukopolysaccharidosen und andere wohl definierte Stoffwechselkrankheiten, die im Folgenden zuerst beschrieben werden.
Hereditäre Neuropathien aufgrund spezifischer metabolischen Störungen Amyloidneuropathien
23
Amyloid ist ein „stärkeähnliches“ hyalines Material mit Glykoproteincharakter, das systemisch oder lokal zumeist extrazellulär aggregiert. Es gibt mehr als 20 verschiedene Amyloidarten, die pathogenetisch und in ihrer chemischen Zusammensetzung zu unterscheiden sind. Gemeinsam sind ihnen die sog. β-Fibrillen sowie ein wechselnder Gehalt eines Glykoproteins mit der Bezeichnung Amyloid-PKomponente (AP), das auch im Serum vorkommt (SAP) und dem C-reaktiven Protein der akuten Entzündungsphase entspricht. Die Prognose ist ungünstig.
Hereditäre Neuropathien Hereditäre periphere Neuropathien bei vorwiegendem Befall des ZNS . . . . . . . . . . . . . . .
630
Friedreich-Ataxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
630
Infantile neuroaxonale Dystrophie . . . . . . . . . . .
630
Riesenaxonneuropathie . . . . . . . . . . . . . . . . .
630
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
632
Klassifikation. Eine Beteiligung des peripheren Nervensystems (Abb. 23.1) tritt sowohl bei • den hereditären (familiären) Amyloidosen als auch bei • der sog. primären Amyloidose, d. h. der Amyloidose als Folge eines Myeloms (Plasmozytom) bzw. der damit verbundenen Waldenström-Makroglobulinämie oder bei zumindest anfänglich als benigne eingeschätzten Gammopathien auf. Bei den sog. sekundären Amyloidosen aufgrund entzündlicher Krankheiten u. a. ist das periphere Nervensystem nicht betroffen. Allgemeine Histopathologie der Amyloidosen. Die Vorläufersubstanzen des Amyloids unterliegen einer physikochemischen Veränderung, die innerhalb von Zellen oder außerhalb, induziert durch Makrophagen (Zellen des retikuloendothelialen Systems), abläuft und zur Ausfällung β-geschichteter Strukturen führt. Die βgeschichtete Molekularstruktur bewirkt die Rotfärbung des Amyloids durch Kongorot mit der charakteristischen grünlichen Fluoreszenz (sog. Dichroismus) im polarisierten Licht. Feinstrukturell bestehen die Amyloidablagerungen bei allen Amyloidosen in gleicher Weise aus 7,5–8,0 nm dünnen unverzweigten steifen Fibrillen, die entweder irregulär angeordnet sind oder zu parallelen oder fächerförmigen oder manchmal sternförmigen Ablagerungen der Bündel von Filamenten führen (Abb. 23.1e). Die Ablagerungen enthalten regelmäßig kleine Mengen einer sekundären Komponente, der P-Komponente (AP). Diese besteht aus 9 nm dicken pentagonalen Scheibchen, wenn man Extrakte der Amyloidablagerungen untersucht. Diese sind identisch mit dem zirkulierenden α-Glykoprotein (Serumamyloidprotein, SAP), das unspezifisch an die Amyloidablagerungen adsorbiert wird zusammen mit anderen Substanzen wie Polysacchariden, Komplementkomponenten, Lipoprotein und Fibrinogen.
Hereditäre Neuropathien
599
Tabelle 23.1 Hereditäre periphere Neuropathien sowie ihre Genorte und Genprodukte* Krankheit
Erbgang
GenLokus
Symbol des Genprodukts und Protein
Ziffern nach OMIM
Schlüsselzitate
A) Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien vom Typ I (HMSN I) = Charcot-Marie-Tooth 1 (CMT 1), demyelinisierend Autosomal-dominant (AD-CMT1) CMT1A, allelisch zu CMT1E, HNPP, DSS
AD
17p11.2
PMP22 peripheres Myelinprotein 22
118220 601097
Vance et al. (1989), Matsunami et al. (1992), Patel et al. (1992), Timmerman et al. (1990, 1992), Valentijn et al. (1992), Roa et al. (1982)
CMT1B, allelisch zu CMT2I, CMT2J, CMT4E
AD
1q22
MPZ peripheres Myelinprotein Zero (P0)
118200 159440
Bird et al. (1982), Guiloff et al. (1982), Hayasaka et al. (1993a), Kulkens et al. (1993)
CMT1C
AD
16p13
LITAF Lipopolysaccharid-induzierter TNF-Faktor
601098 603795
Street et al. (2002, 2003)
CMT1D, allelisch zu CMT4E, DSS
AD
10q21.1
EGR2 early growth response 2 (Krox-20 homolog)
129010 607678
Warner et al. (1998), Street et al. (2003)
CMT1E (mit Taubheit), allelisch zu CMT1A, DSS
AD
17p11.2
PMP22 peripheres Myelinprotein 22
118300 601097
Kovach et al. (1999), Boerkoel et al. (2002)
HNPP (hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen; tomakulöse Neuropathie), allelisch zu CMT1A, CMT1E, DSS
AD
17p11.2
PMP22 peripheres Myelinprotein 22
162500 601097
Chance et al. (1993), Nicholson et al. (1994), Mariman et al. (1994)
CMT1F
AD
8q21
NEFL neurofilament light polypeptide 68 kDa
162280 607734
Jordanova et al. (2003)
CMT mit kongenitalem vertikalen Talus
AD
2q31-q32
HOX10 (HOX4) Homeobox D10
142984
Shrimpton et al. 2004
Verlangsamte NLG
AD
8p23
ARHGEF10 Rho-Guanine-NucleotidExchange-Factor-10
608136 608236
De Jonghe et al. (1999), Verhoeven et al. (2003)
Dominant intermediär (CMTDI = DI-CMT) CMTDIA
AD
10q24.1q25.1
?
606483
Verhoeven et al. (2001)
CMTDIB, allelisch zu CNM
AD
19p1213.2
DNM2 Dynamin 2
602378 606482
Züchner et al. (2005)
CMTDIC
AD
1p35
YARS Tyrosyl-tRNA-Synthetase
603623 608323
Jordanova et al. (2003, 2006)
CMTDID, allelisch zu CMT1B, CMT4E, CMT2I, CMT2J, DSS
AD
1q22
MPZ Myelin-Protein Zero
159440 607791
Mastaglia et al. (1999)
6
600
Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
Tabelle 23.1 (Fortsetzung) Krankheit
Erbgang
GenLokus
Symbol des Genprodukts und Protein
Ziffern nach OMIM
Schlüsselzitate
B) Neuropathien vom Charcot-Marie-Tooth Typ 2 (= CMT2), axonal CMT2, autosomal-dominant CMT2A
AD
1p36.2
MFN2 Mitofusin 2
608507 609260
Ben Othmane et al. (1993a), Züchner et al. (2004)
CMT2B
AD
3q21
RAB7 RAS-Oncogen-Familie
600882 602298
Percak-Vance et al. (1997), Kok et al. (2003)
CMT2C
AD
12q23q24
?
606071
Klein et al. (2003), McEntagart et al. (2005)
CMT2D, allelisch zur distalen spinalen Muskelatrophie Typ V
AD
7p15
GARS Glycyl-Transfer-RNA-Synthetase
660287 601472
Ionasesco et al. (1996), Antonellis et al. (2003)
CMT2E, allelisch zu CMT1F
AD
8p21
NEFL Neurofilament light Polypeptid 68 kDa
162280 607684
Birouk et al. (2003), Züchner et al. (2004), Claramunt et al. (2005)
CMT2F
AD
7q111221
HSPB1 Heat-shock 27-kDa Protein-1
602195 606595
Ismailov et al. (2001), Evgrafov et al. (2004)
CMT2G
AD
12q12q13
?
608591
Nelis et al. (2004)
CMT2H, möglicherweise allelisch zu CMT4A
AR
8q21.3
?
607731
Barhoumi et al. (2001)
CMT2I, allelisch zu CMT1B, DSS, CMT4E
AD
1q22
MPZ Myelin-Protein Zero
159440 607677
Auer-Grumbach et al. (2003)
CMT2J, mit Hörverlust und Pupillenanomalie, allelisch zu CM1B u. a.
AD
1q22
MPZ
159440 607736
De Jonghe et al. (1999), Chapon et al. (1999)
CMT2K, allelisch zu CMT4A
AD
8q13-q21
GDAP1 gangliosid-induced differentiation-associated protein 1
606598 607831
Birouk et al. (2003), Senderek et al. (2003), Claramunt et al. (2005)
CMT2L, allelisch zu dHMN
AD
12q24
HSPB8 heat shock protein 8
608014 608673
Tang et al. (2004, 2005)
HMSN P(Okinawa-Typ)
AD
3q13
?
604484
Takashima et al. (1997, 1999)
CMT2B1, allelisch zu LGMD1B, EDMD2, EDMD3 u. a.
AR
1q21.2
LMNA Lamin A/C
150330 605588
Bouhouch et al. (1999), De Sandre et al. (2002), Worman u. Bonne (2007)
CMT2B2
AR
19q13
?
605589
Leal et al. (2001)
CMT2C, allelisch zu CMT2K und CMT4A
AR
8q13-q21
GDAP1 Gangliosid-induced differentiation-associated protein 1
606598 607831
Nelis et al. (2002), Birouk et al. (2003), Senderek et al. 2003, Claramunt et al. (2005)
CMT2, autosomal-rezessiv
23
6
Hereditäre Neuropathien
601
Tabelle 23.1 (Fortsetzung) Krankheit
Erbgang
GenLokus
Symbol des Genprodukts und Protein
Ziffern nach OMIM
Schlüsselzitate
C) Dejerine-Sottas-Syndrom (DSS oder CMT3) DSSA, hypertrophische Neuropathie (Dejerine-Sottas), dominant, allelisch zu CMT1A, CMT1E, HNPP
AD
17q11.21
PMP22 peripheres Myelin-Protein 22
145900 601097
Roa et al. (1993b)
DSSB, hypertrophische Neuropathie, dominant, allelisch zu CMT1B, CMT2I, CMT2J, CMT4E
AD
1q21-q23
MPZ Myelin Protein Zero
145900 159440
Hayasaka et al. (1993b)
DSSC, hypertrophische Neuropathie, rezessiv, allelisch zu CMTX1
AD (digenisch)
10q21.1
EGR2 Krox-20 GJB1 Connexin 32
129010 145900 304040
Chung et al. (2005)
DSSE (= CMT4F), hypertrophische Neuropathie, rezessiv
AR
19q13
PRX Periaxin
145900 605725
Berkoel et al. (2001), Takashima et al. (2002)
D) CMT, autosomal-rezessiv (AR-CMT1 = CMT4) CMT4A, allelisch zu CMT2K
AR
8q13-q21
GDAP1 Gangliosid-induziertes differenzierungsassoziiertes Protein1
214400 606598
Ben Othmane et al. (1993b), Baxter et al. (2002), Cuesta et al. (2002), Senderek et al. (2003)
CMT4B1, Neuropathie mit fokal gefaltetem Myelin
AR
11q22
MTMR2 Myotubularin-related Protein-2
601382 603557
Bolino et al. (1996), Previtali et al. (2003)
CMT4B2, Neuropathie mit fokal gefaltetem Myelin
AR
11p15
SBF2 SET-binding factor 2 (= MTMR13) (pseudophosphatase branch of myotubularins)
604563 607697
Azzedine et al. (2003), Senderek et al. (2004)
CMT4C
AR
5q23-33
SH3TC2 SH3-domain and tetratricopeptide repeats 2 (= KIAA1985)
601596 608206
LeGuern et al. (1996), Senderek et al. (2003)
CMD4D, hereditäre motorische und sensorische Neuropathie LOM (mit Taubheit) (HMSN L)
AR
8q24
NDRG1 N-MYC downstream regulated gene 1
601455 605262
Kalaydjieva et al. (1996, 2000), Baethmann et al. (1998), Hunter et al. (2003)
CMT4E, kongenitale Hypomyelinisationsneuropathie, allelisch zu CMT1D
EGR2
129010 605253
Warner et al. (1996)
CMT4E, kongenitale Hypomyelinisationsneuropathie, allelisch zu CMT1B, CMT2I, CMT2J, DSS
MPZ
159440 605253
Warner et al. (1996)
6
602
Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
Tabelle 23.1 (Fortsetzung) Krankheit
Erbgang
GenLokus
Symbol des Genprodukts und Protein
Ziffern nach OMIM
Schlüsselzitate
CMT4F, Periaxinneuropathie, allelisch zu DSSE, kongenitale Hypomyelinisationsneuropathie
AR
19q13
PRX Periaxin
145900 605725
Delague et al. (2000), Guilbot et al. (2001), Takashima et al. (2002)
CMT4G, Russischer Typ
AR
10q22
?
605285
Rogers et al. (2000), Thomas et al. (2001)
CMT4H
AR
12p21
FDG4 Frabin
609311 611104
De Sandre-Giovanelli et al. (2005), Delague et al. (2007), Stendel et al. (2007)
CMT4J
AR
6q21
FIG4 (=KIAA0274) Polyphosphoinositid-Phosphatase)
609390 611228
Chow et al. (2007)
E) X-chromosomale Neuropathien CMT X1, allelisch zu DSS
XD
Xq13
GJB Gap junction protein, beta 1 32kDa (Connexin 32)
302800 304040
Bergoffen et al. (1993), Bone et al. (1995), Senderek et al. (1999)
CMT X2
XR
Xp22.2
?
302801
Ionasesco et al. (1992)
CMT X3
XR
Xq26
?
302802
Huttner et al. (2006)
CMT X4, axonale motorischsensorische Neuropathie mit Taubheit und mentaler Retardierung (Cowchock-Syndrom)
XR
Xq24-q26
?
310490
Priest et al. (1995)
CMTX 5 mit Hörverlust und Optikusneuropathie
XR
Xq22-q24
PRPS1 Phosphoribosyl-Pyrophosphat-Synthase 1
311070 311850
Kim et al. (2007)
Adrenoleukodystrophie
XR
Xq28
ALD
300100
Aubourg et al. (1987), Moser et al. (1993)
F) HSAN-, HMN-, Amyloid- und andere Neuropathien
23
HSAN1, hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ I
AD
9q22.1-3
SPTLC1 Serine Palmitoyltransferase long chain base subunit 1
162400 605712
Nicholson et al. (1996), Bejaoui et al. (2001), Dawkins et al. (2001)
HSAN1B, mit Husten und gastrointestinalem Reflux
AD
3q24-p22
?
608088
Kok et al. (2004)
HSAN 2, hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ II
AR
12p13
WNK1 WNK-Lysin-defiziente Protein-Kinase 1
201300 605232
Lafreniere et al. (2004), Shekarabi et al. (2008)
HSAN3, familiäre Dysautonomie (Riley-Day-Syndrom)
AR
9q31
IKBKAP Inhibitor des Kappa-B-Kinase-Komplex-assoziierten Proteins
223900 603722
Blumenfeld et al. (1993), Anderson et al. (2001), Slaugenhaupt et al. (2001)
6
Hereditäre Neuropathien
603
Tabelle 23.1 (Fortsetzung) Krankheit
Erbgang
GenLokus
Symbol des Genprodukts und Protein
Ziffern nach OMIM
Schlüsselzitate
HSAN5, hereditäre sensorische autonome Neuropathie Typ V
AD, AR
1p13.1
NGFB nerve growth factor (BetaPolypeptid)
162030
Einarsdottir et al. (2004)
Distale hereditäre motorische Neuropathie Typ II, (dHMN2), allelisch zu CMT2L
AD
12q244
HSPB8 heat shock protein 8
158590 608014
Timmerman et al. (1996), Irobi et al. (2004)
HMSN L, hereditäre motorische und sensorische Neuropathie LOM (mit Taubheit)
AR
8q24
NDRG1 Nmyc downstream regulated gene1
601455 605262
Kalaydjieva et al. 1996, 2000), Baethmann et al. (1998), Hunter et al. (2003)
ACCPN, Agenesie des Corpus callosum mit peripherer Neuropathie
AR
15q13q14
SLC12A6 (=KCC3) Solute carrier family 12 (Kaliumchlorid-Ko-Transporter)
218000 604878
Casaubon et al. (1996), Howard et al. (2002a,b)
HNA, hereditäre neuralgische Amyotrophie (familiäre Plexus-brachialis-Neuropathie)
AD
17q25
SEPT9 Septin 9
604061
Pellegrino et al. (1996), Kuhlenbäumer et al. (2005)
Riesenaxon-Neuropathie (GAN)
AR
16q24.1
GAN1 Gigaxonin
256850 605379
Ben Hamida et al. (1997), Bomont et al. (2000)
CCFDN, kongenitale Katarakte, faziale Dysmorphie und Neuropathie
AR
18p23
CTDP1 CTD-Phosphatase-Untereinheit 1
604168 604927
Varon et al. (2003)
Familiäre Amyloidneuropathie
AD
18q11.2q12.1
TTR Transthyretin
176300
Costa et al. (1978), Tawara et al. (1983), Saraiwa et al. (1995)
Amyloidose Typ IV, Iowa
AD
11q23qter
APOA1 Apolipoprotein A1
107680
Nichols et al. (1989)
Amyloidose Typ V (Finnisch)
AD
9q33
GSN Gelsolin
105120
Maury et al. (1990)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 88-91. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
Familiäre Amyloidosen Bei den hereditären (= familiären) Formen der Amyloidose (vgl. Tabelle 23.1) ist die Neuropathie das wichtigste Symptom [172]. Genetik und Klinik. Es handelt sich um Proteinopathien, die durch genetisch verändertes • Transthyretin (TTR; Präalbumin), • Apolipoprotein oder • Gelsolin bedingt sind. Die den abnormen Proteinen wiederum zugrunde liegenden Punktmutationen der DNA mit den entspre-
chenden Aminosäuresubstitutionen werden in zunehmender Zahl aufgeklärt (vgl. z. B. [24, 106, 165]). Mindestens sieben Typen der hereditären Amyloidneuropathie sind klinisch zu differenzieren. Alle werden dominant vererbt. • Typ I beruht auf einer Variante des Transthyretins (TTR) mit einer Valin-Leucin-Transposition an Position 30 des Moleküls. Während mutiertes TTR zu einer autosomal-dominant erblichen Krankheit führt, resultiert Wildtyp-TTR in einer sporadischen Amyloidkrankheit, der senilen systemischen Amyloidose, die üblicherweise im Alter über 80 Jahren auftritt [106]. Die Neuropathie beginnt an den oberen Extremitäten (Andrade-Typ, beschrieben auch als Portugal-, Mittelmeer-, Schweden-, Irland-, Japan- etc. Form) oder an
604
Kapitel 23
a
Hereditäre Neuropathien
b
d
23
c
e
605
Hereditäre Neuropathien
•
•
•
•
den unteren Extremitäten. Beide Typen führen aber später zu einer generalisierten Polyneuropathie. Die klinischen Symptome gleichen denen bei der sporadischen primären Amyloidose. Typ II (Rukavina-Typ; beschrieben auch als schweizerische/Indiana- und deutsche/Maryland-Form) manifestiert sich durch ein Karpaltunnelsyndrom, dem ebenfalls später eine generalisierte Neuropathie folgt. Dieser Typ wird verursacht durch eine Variante des TTR mit einer Serin-Isoleucin-Substitution an Position 84. Der Typ III (Van-Allen- oder Iowa-Form) ist gekennzeichnet durch eine symmetrische Polyneuropathie, die häufig von Duodenalgeschwüren und Niereninsuffizienz begleitet wird. Der Krankheit liegt eine Variante des Apolipoproteins AI zugrunde. Davon unterscheidet sich der Typ IV (finnische oder Meretoja-Form) durch eine kraniale Neuropathie, eine netzförmige Korneadystrophie und nur geringe Beteiligung der Glieder. Das Amyloid stammt vom Plasma-Gelsolin ab. Die klinischen Aspekte der drei anderen Formen, insbesondere vom Typ V (jüdisch), Typ VI (appalachisch) und Typ VII (deutsch) sind weniger detailliert beschrieben worden. Bei diesen stammt das Amyloid ebenfalls vom TTR ab (bezüglich weiterer Details s. [210]).
Morphologie. Amyloidablagerungen kommen bei allen diesen Krankheiten vor. Beim Typ I und II der hereditären Amyloidneuropathie beginnt die Erkrankung oft mit einem Karpaltunnelsyndrom, was u. a. auf Amyloidablagerungen im Retinaculum carpi in der Flexorenloge zurückzuführen ist. Anfangs fallen bevorzugt die kleinen markhaltigen und marklosen Axone aus [60]. Später resultiert ein diffuser Nervenfaserausfall. In Zupfpräparaten dominiert die axonale Degeneration; doch ist gelegentlich eine segmentale Demyelinisation und Remyelinisation nachweisbar. In den sensorischen und autonomen Ganglien liegen die Amyloidablagerungen im Bindegewebe oder in den Blutgefäßwänden. In den sensorischen Ganglien können die Kapselzellen von Amyloid umgeben sein, insbesondere die der kleinen Nervenfasern.
Abb. 23.1a–e Amyloidneuropathie bei einem 64-jährigen Mann. Die Amyloidose konnte aufgrund der Geringfügigkeit der Ablagerungen aus der Rektumbiopsie nicht diagnostiziert und immunologisch nicht näher charakterisiert werden. a Die Zahl der markhaltigen (und marklosen) Nervenfasern ist hochgradig reduziert. Im Bildausschnitt ist nur noch eine große Faser (Pfeil) übrig geblieben (Vergr. 155:1). b Perikollagenes Amyloid in einem Nervenfaszikel
Im peripheren Nerven ist das Amyloid im Epineurium und Endoneurium und in den Blutgefäßwänden nachweisbar. Die unterschiedlichen Amyloidoseformen lassen sich teilweise durch entsprechende, z. T. bereits kommerziell erhältliche Antikörper immunhistochemisch unterscheiden [119], wenn auch mit falsch-negativen Biopsien und falschen Immunmarkierungen zu rechnen ist; deshalb ist die DNA-Analyse der TTR- u. a. Mutationen für eine definitive Diagnose unerlässlich [165]. Die Kombination einer Nerven- mit einer Muskelbiopsie erhöht die Wahrscheinlichkeit, das meist herdförmig abgelagerte Amyloid lichtmikroskopisch nachweisen zu können [236]. Elektronenmikroskopisch sind die Amyloidfibrillen im Endoneurium oft in engem Zusammenhang mit der Basallamina der Schwann-Zellen oder Blutgefäße oder in Verbindung mit Makrophagen zu finden. Differentialdiagnose. Eine diffuse Infiltration der peripheren Nerven besteht auch bei einigen (nichthereditären) Fällen mit Myelom oder Waldenström-Makroglobulinämie (s. unten), wobei die Neuropathie allerdings in den meisten Fällen mit diesen Erkrankungen nicht auf eine Amyloidose, sondern auf direkte humorale Wirkungen vonseiten der Immunglobuline zurückzuführen ist, die bei diesen Krankheiten zirkulieren. Pathogenese. Wie es zum Nervenfaserausfall kommt, ist nicht in allen Einzelheiten geklärt. Möglicherweise spielt die Ischämie durch perivaskuläre Ablagerungen von Amyloid eine gewisse Rolle; doch ist die mechanische Wirkung der oft umfangreichen Ablagerungen möglicherweise von größerer Bedeutung. Die enge Anlagerung der Amyloidfibrillen an die Basallamina der SchwannZellen lässt eine direkte metabolische Einwirkung auf die Schwann-Zellen vermuten. Doch ist nicht auszuschließen, dass die nur in wenigen Fällen durch eine Autopsie erwiesene Ablagerung von Amyloid in den spinalen und autonomen Ganglien den Hauptschädigungsfaktor darstellt. Die Wirkung noch nichtaggregierten, löslichen Amyloids im Endoneurium ist nicht geklärt. Im Herzen ist eine Form mit kurzen, dicht gepackten, unorientierten Fibrillen von einer Form mit langen Strängen kongophiler doppelbrechender Fibrillen zu unterscheiden, in denen die TTR-Moleküle nahezu intakt erscheinen [16].
(Pfeilköpfe; Vergr. 170:1). c–e Elektronenmikroskopischer Nachweis von endoneuralem Amyloid, in c zwischen endoneuralen Kollagenfaserbündeln und 2 Fibroblasten (im Bild oben und unten; Vergr. 5800:1). d Verflechtung von endoneuralen Kollagenfibrillen und Amyloid (Vergr. 6900:1). e Die einzelnen Amyloidfibrillen sind erst bei höherer Auflösung zu erkennen (Pfeile; Vergr. 32.900:1)
606
Kapitel 23
Primäre Amyloidosen (Paramyloidosen) Klinik. Die Neuropathie aufgrund einer primären Amyloidose (Paramyloidose) tritt in der Regel langsam progressiv auf mit distaler symmetrischer sensorimotorischer Polyneuropathie, die an den unteren Extremitäten beginnt. Häufig besteht ein Spontanschmerz. Die sensorischen Ausfälle treten vor den motorischen Symptomen auf und betreffen in der Regel stärker die Schmerz- und Temperaturempfindung als die Modalitäten der großen Fasern. Oft besteht gleichzeitig eine autonome Neuropathie. Distale motorische Symptome treten später auf. Die peripheren Nerven können verdickt sein. Bei Patienten mit einem nachgewiesenen Myelom kann am Anfang ein Karpaltunnelsyndrom stehen [106]. Morphologie. Im peripheren Nervensystem wird Immunoamyloid vom Leichtkettentyp abgelagert (AL-Typ der Amyloidose) [209]. Sonst entsprechen die Befunde weitgehend denen bei familiären Amyloidosen (s. oben). Selten entwickeln sich in peripheren Nerven Amyloidome. Diese beruhen ebenfalls zumeist auf Amyloidosen vom λ-Leichtketten-Typ, z. B. im Ganglion Gasseri [110] oder im Plexus lumbosacralis, letztere als Folge einer Plasmazellkrankheit ebenfalls vom λ-Leichtkettentyp oder aufgrund eines lymphoplasmazellulären Lymphoms [109].
Weitere Formen der Amyloidose Eine Neuropathie entsteht nicht bei der sog. sekundären Amyloidose mit Ablagerung von AA-Amyloid, das als Folge chronisch-entzündlicher Erkrankungen gebildet wird. Gleiches gilt für die Gruppe der sog. lokalisierten Amyloidosen (senile, endokrine, Hämodialyse- u. a. Amyloidosen).
Hereditäre Neuropathien
tremitäten, manchmal fokal oder asymmetrisch. Eine sensorische Symptomatik ist eher am Stamm als an den Extremitäten nachweisbar; sie kann mit autonomen Symptomen und Bauchschmerzen, Erbrechen, Tachykardie und Hypertension verbunden sein. Verhaltensstörungen sind ebenfalls häufig. Die Attacken werden häufig durch bestimmte Medikamente, insbesondere Barbiturate, ausgelöst. Die Erholung setzt langsam ein und ist oft inkomplett. Morphologie. In Nervenbiopsien sind sowohl axonale als auch demyelinisierende Veränderungen nachgewiesen worden [3], wobei aber die axonalen Veränderungen dominieren [248]. Aufgrund klinischer Überlegungen würde wohl eine distale Axonopathie vom „Dying-back“Typ im Vordergrund stehen; doch sind anfänglich proximale Muskeln und Hirnnerven betroffen. Ausfälle von motorischen Vorderhornzellen können vorkommen, ebenso eine Chromatolyse in Zellen des Ganglion coeliacum. Besondere Anomalien der Peroxisomen, in denen die betroffenen Enzyme lokalisiert sind, konnten bisher nicht nachgewiesen werden. Pathogenese. Die hepatischen Porphyrien sind mit Ausnahme des ALA-Dehydratasemangels, der autosomalrezessiv vererbt wird, sämtlich autosomal-dominant erblich. Sie sind auf Störungen der Hämsynthese zurückzuführen. Die akute intermittierende Porphyrie beruht auf einem Mangel an Hydroxymethylbilansynthase [164] bei der Hämsynthese, während die hereditäre Koprophorphyrie auf einen Defekt der KoproporphyrinogenOxidase zurückzuführen ist. Bei der Porphyria variegata besteht ein Mangel an Protoporphyrinogen-Oxidase. Wie es über die Anhäufung von ALA oder die gestörte Aktivität von Enzymen der Hämbiosynthese im peripheren Nerven [248] oder über andere, sekundäre Folgen der Stoffwechselstörung zu neuronalen Funktionsstörungen kommt, ist nicht geklärt, wenn auch eine direkte toxische Wirkung der erhöhten Delta-Aminolävulinsäure anzunehmen ist [2].
Porphyrien Lipidstoffwechselstörungen
23
Die peripheren Nerven können betroffen sein bei den hepatischen Porphyrien, sowohl bei der hereditären akuten intermittierenden Form [164] als auch bei der Porphyria variegata oder der wesentlich selteneren hereditären Koproporphyrie und dem Deltaaminolävulinsäure(ALA)-Dehydratase-Mangel [132], wobei alle etwa gleiche Symptome aufweisen. Klinik. Im Vordergrund steht die charakteristische Trias Bauchschmerzen, Psychose und Neuropathie [2]. Porphyrische Attacken können bevorzugt mit motorischen Ausfällen verbunden sein, die proximal oder distal lokalisiert oder generalisiert auftreten, manchmal in den oberen Ex-
Lysosomal (autosomal-rezessiv erblich) Metachromatische Leukodystrophie
Die metachromatische Leukodystrophie (Sulfatidlipidose) kann als Musterbeispiel einer lysosomalen Stoffwechselkrankheit gelten. Im Vordergrund steht eine Demyelinisation sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem, die auf einen Mangel an Arylsulfatase A zurückzuführen ist. Klinik. Alle Formen der metachromatischen Leukodystrophie sind vor allem durch Ausfälle vonseiten des zen-
Hereditäre Neuropathien
tralen Nervensystems charakterisiert, bei einigen Fällen ist aber klinisch und elektrophysiologisch eine periphere Neuropathie nachweisbar, die im Vordergrund steht. Morphologie. Die pathologischen Veränderungen in den peripheren Nerven sind bei allen Formen der metachromatischen Leukodystrophie ähnlich; doch kommen geringe Unterschiede vor, die wahrscheinlich auf die unterschiedliche Dauer der Erkrankung zurückzuführen ist. Das gilt sowohl für die übliche Form als auch für die Variante mit multiplem Sulfatasemangel wie für die Aktivatormangelvariante. Bei der häufigsten Form, der spätinfantilen Variante, zeigen die peripheren Nerven eine Verminderung der Zahl markhaltiger Nervenfasern und Anzeichen für eine segmentale Demyelinisation und Remyelinisation. Der Ausfall von Fasern ist weniger auffällig bei den Fällen mit juvenilem und adultem Beginn. Es kommt zu fortschreitender Demyelinisation und Remyelinisation mit den Folgen im Sinne einer hypertrophischen Neuropathie. Charakteristisch ist die Anhäufung von 0,5–1 μm im Durchmesser großen Granula in der perinukleären Region der Schwann-Zellen; diese färben sich mit saurem Kresylviolett (Hirsch-Peiffer-Färbung) [237] oder Toluidinblau metachromatisch braunrötlich. Sie zeigen eine positive Saure-Phosphatase-Reaktion und sind daher als Lysosomen zu identifizieren. Die Granula können im Zytoplasma der Schwann-Zellen sowohl markhaltiger als auch markloser Axone sowie in Makrophagen vorkommen. Elektronenmikroskopisch findet sich eine Lamellierung der membrangebundenen Einschlüsse mit einer Periodizität von 5,6–5,8 nm. Derartige Substanzen können auch in prismatischen Stapeln, in „Tuffstein-Körpern“, die vulkanischem Gestein ähneln, und in „Zebrakörpern“ vorkommen (Abb. 23.2e). Myelinähnliche Figuren mit konzentrischem lamellären Material und einer größeren Periodizität von 8 nm finden sich ebenfalls in SchwannZellen markhaltiger Axone [243]; diese sind vermutlich Markscheidenabbauprodukte und von Elzholz-Körpern (μ-Granula) nicht zu unterscheiden. Pathogenese. Das Ausmaß der Demyelinisation ist nicht mit der Ablagerung metachromatischer Substanzen in den Schwann-Zellen korreliert. Diese Einschlüsse kommen auch in Schwann-Zellen markloser Axone und in fetalen Nerven vor, bevor eine Demyelinisation einsetzt, so dass sie nicht auf Markscheidenabbauprodukte zurückgeführt werden können. Eine mögliche Ursache der Demyelinisation besteht in abnormen Markscheidenbestandteilen oder in zytotoxisch wirksamen, abnormen Substanzen wie der Sulphogalaktosylsphingosine [56]. Globoidzellige Leukodystrophie
Diese ebenfalls autosomal-rezessive Krankheit (Synonyme: Krabbe-Krankheit; Galaktosylzeramidlipidose) wird beherrscht von zentralnervösen Symptomen
607
(s. dort); eine begleitende periphere Neuropathie ist jedoch die Regel; die meisten Fälle beginnen in der frühen Kindheit; spätinfantile, juvenile und sogar Fälle mit Beginn im Erwachsenenalter kommen jedoch gelegentlich vor. Morphologie. Die Zahl normal myelinisierter Nervenfasern ist reduziert. Vielfach dominiert eine segmentale Demyelinisation und Remyelinisation. Die SchwannZellen sowohl der markhaltigen als auch der marklosen Nervenfasern enthalten charakteristische, in verschiedenen Richtungen orientierte gerade oder gekrümmte prismatische oder tubuläre Einschlüsse im Zytoplasma (Abb. 23.2b), wie sie auch in Makrophagen beobachtet werden. Diese Einschlüsse ähneln denen in den bei dieser Krankheit typischen Globoidzellen des Zentralnervensystems. Bei spät auftretender Krabbe-Krankheit [128] kommen kurvilineare lamelläre zytoplasmatische Einschlüsse in Schwann-Zellen und Fibroblasten vor; im Vordergrund steht dann eine Hypomyelinisation statt einer segmentalen Demyelinsation wie bei der infantilen Krabbe-Krankheit. Bei einem erwachsenen Patienten fehlten die markhaltigen Nervenfasern vollständig, während bei seinem Bruder eine Hypomyelinisation ohne Demyelinisationszeichen vorlag [177]. Pathogenese. Die Erkrankung beruht auf einem Mangel an Galaktozerebrosid-β-Galaktosidase, die Galaktozerebrosid in Ceramid und Galaktose aufspaltet. Die Schädigung der Oligodendrozyten und Schwann-Zellen ist vermutlich direkt auf die Anhäufung der Galaktozerebroside oder ihres Vorläufers, des Psychosins (Galaktosphingosin), zurückzuführen [135]. In der Gewebekultur führt Psychosin jedenfalls zu einer reversiblen toxischen Schädigung der Schwann-Zellen, wobei Ausfällungen membranöser Strukturen, Retraktionen der Fortsätze und anderes nachweisbar sind [214]. Niemann-Pick-Krankheit
Die Niemann-Pick-Krankheit stellt eine klinisch und biochemisch heterogene Gruppe von Sphingomyelinlipidosen mit autosomal-rezessivem Erbgang dar. Diese werden unterteilt in biochemisch und molekulargenetisch unterscheidbare Entitäten: • Typ I (früher Typ A und B) mit einem primären Sphingomyelinasemangel aufgrund von Mutationen im Spingomyelinphosphodiesterase-(SMPD1-)Gen mit einem akuten, letalen neuronopathischen Typ A und einem chronischen, viszeralen Typ B, die beide auf eine unterschiedliche, residuale Aktivität der Sphingomyelinase zurückzuführen sind; doch kommen auch Zwischenformen vor [133, 196]; • Typ II (früher Typ C und D) mit sekundären Veränderungen der Sphingomyelinaseaktivität und Störungen des intrazellulären Lipidtransports [120]. Dieser Typ ist in ca. 95% auf Mutationen im NPC1-Gen auf Chro-
608
Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
a
b
c
d
23 e
609
Hereditäre Neuropathien
mosom 18q11 zurückzuführen, das ein großes Membranglykoprotein im sog. späten endosomalen System kodiert; die übrigen Fälle beruhen auf Mutationen im NPC2-Gen auf Chromosom 14q24.3, das ein kleines lösliches lysosomales Protein mit cholesterinbindenden Eigenschaften kodiert [230]. Der Typ I ist durch eine Hepatosplenomegalie mit progressiver Verschlimmerung und Tod vor dem 2. Lebensjahr charakterisiert, wobei Ablagerungen im peripheren Nerv zwar vorkommen, die Symptome vonseiten des zentralen Nervensystems aber stark dominieren (s. dort). Über eine periphere Neuropathie beim Typ I (= Typ A) der Niemann-Pick-Krankheit berichten Landrieu und Said [113]. Morphologie. Nervenbioptisch zeigen isolierte Fasern eine segmentale Demyelinisation und zahlreiche osmiophile Körper in den Schwann-Zellen. Elektronenmikroskopisch lassen sich drei verschiedene Einschlüsse nachweisen: • lysosomale Einschlüsse, wie sie üblicherweise bei der Niemann-Pick-Krankheit in den Ganglienzellen vorkommen; • Einschlüsse in den Markscheiden, die mit der Markscheide in Verbindung stehen als Zeichen einer schweren Myelinopathie; • myelinähnliche Figuren im Axoplasma. Die Neuropathie beim häufigeren, klinisch und genetisch sehr heterogenen Typ II (= Typ C) ist weniger stark ausgeprägt und durch sog. seeblaue Makrophagen gekennzeichnet, die u. a. auch im Nerven vorkommen können [184]. Die Gefäßendothelien weisen kurvilineare Strukturen auf, die aber nicht denen entsprechen, die für bestimmte Zeroidlipofuszinosen typisch sind [30]. Außerdem sind pleomorphe osmiophile lamelläre Einschlüsse in Hautfibroblasten und perivaskulären Histiozyten nachweisbar, die sich schon in einer Hautbiopsie identifizieren lassen.
endozytosierten LDL-(„low density lipoprotein“-)gebundenen Cholesterins mit Anreicherung von Cholesterin, Sphingomyelin und Bis-(mono-Acyl)-Glycerophosphat [34, 231]. Therapieversuche. Beim Typ I wird eine Enzymersatztherapie versucht; beim Typ II laufen Versuche, mit einem Inhibitor der ceramidspezifischen Glykosyltransferase (Miglustat) die viszerale Cholesterinspeicherung und die Glykolipidspeicherung in den Nervenzellen zu reduzieren [156]. Cockayne-Syndrom
Diese rezessiv erbliche Multisystemkrankheit aufgrund von Mutationen der CSA- und SCB-Gene ist durch eine Wachstumsverlangsamung, Progerie, kutane Photosensitivität, Mikrozephalie, mentale Retardierung, Pigmentatrophie der Retina, Taubheit und Ataxie gekennzeichnet. Die klinischen, genetischen und neuropathologischen Symptome überlappen sich teilweise mit denen bei zerebrookulofazioskelettalem und dem Xeroderma-pigmentosum-CS-Syndrom [245]. Die zerebralen Veränderungen entsprechen denen einer Leukodystrophie. In den Nervenbiopsien dominiert eine Demyelinisation und Hypomyelinisation mit Ablösungen terminaler Markschlingen vom Axon [184]. Auffällige granuläre lysosomale Einschlüsse kommen in den Schwann-Zellen vor [148]. Weitere autosomal-rezessiv erbliche Lipidstoffwechselstörungen
Pathogenese. Es handelt es sich um eine lysosomale Multisubstratlipidose aufgrund einer Sequestrierung
Periphere Neuropathien sind gelegentlich bei einer Reihe seltener Lipidstoffwechselstörungen beschrieben worden. Dazu gehören die zerebrotendinöse Xanthomatose (Synonyma: Cholestanolose; Farber-Krankheit) [54], die membranöse Lipodystrophie (Nasu-Hakola-Krankheit) [88] und die Lipomatosen [31]. Charakteristische histologische und ultrastrukturelle Anomalien sind auch bei verschiedenen anderen Krankheiten zu beobachten, die in der Regel nicht mit einer peripheren Neuropathie einhergehen. Dazu gehören die GM1- und die GM2-Gangliosidosen [87] (Abb. 143 in [184]), die Ceroid-Lipofuszinosen (Abb. 23.2c), die Gaucher- und die Wolman-Krankheit (s. dort).
Abb. 23.2a–e Pathognostische Schwann-Zell-Einschlüsse. a Die Mukopolysacchardidvakuolen (Pfeile), z. T. mit Glykogengranula, bei einem 8-jährigen Mädchen mit Sanfilippo-Krankheit vom Typ A sind von den marklosen Axonen (A) und Kollagentaschen (K) zweifelsfrei zu unterscheiden (Vergr. 8000:1). b Prismatische oder nadelförmige Schwann-Zell-Einschlüsse (Pfeil) bei Krabbe-Leukodystrophie (Vergr. 14.700:1). c Kurvilineares Zytosom (Pfeilkopf) bei Zeroidlipofuszinose in einer Rektumbiopsie. Ein Katecholamingranulum ist durch einen dünnen Pfeil gekennzeichnet (Vergr. 16.100:1). d
Adrenoleukodystrophie mit Neuropathie von überwiegend demyelinisierendem Typ bei einer 41-jährigen Frau, deren Sohn ebenfalls erkrankt ist. Die trilaminären, d. h. 3fach (Pfeile) oder mehrfach (Pfeilköpfe) geschichteten Strukturen (Membrankomplexe) liegen in einzelnen Schwann-Zellen in großer Zahl, unterschiedlich orientiert, nebeneinander (Vergr. 64.700:1). e Fingerabdruck- (F) und prismatisch geschichtete Körper (P) in einer Schwann-Zelle bei metachromatischer Leukodystrophie einer 32-jährigen Patientin (Vergr. 57.000:1)
610
Kapitel 23
Lysosomal, X-chromosomal-rezessiv erblich Fabry-Krankheit
Diese X-chromosomal-rezessiv erbliche Krankheit (Synonyme: Glykosphingolipidlipidose; Angiokeratoma corporis diffusum) beruht auf einem Mangel an α-Galaktosidase. Homozygote Männer entwickeln bei dieser Krankheit teleangiektatische Veränderungen am unteren Stamm, am Gesäß sowie dilatierte konjunktivale Blutgefäße, eine Korneadystrophie und zerebrale, kardiale und renale Veränderungen. Zum Krankheitsbild gehört eine sensorische und autonome Neuropathie, die von schweren paroxysmalen Schmerzanfällen in den Extremitäten begleitet wird (Fabry-Krisen). Diese treten in der Kindheit oder während der Adoleszenz auf. Heterozygote Frauen können eine leichtere Manifestationsform der Krankheit aufweisen, entwickeln in der Regel aber keine neuropathischen Symptome. Morphologie. In Nervenbiopsien lassen sich ein bevorzugter Ausfall kleiner markhaltiger und markloser Axone sowie lamellierte Einschlüsse in den Perineuralzellen, aber auch in den Endothelzellen nachweisen. Diese Substanzen bestehen aus Glykosphingolipiden, die elektronenmikroskopisch alternierende helle und dunkle Linien mit einer Periodizität von etwa 5 nm aufweisen. Diese Einschlüsse kommen entweder als flache Stapel oder konzentrische lamellierte Körper vor. Autoptisch ließ sich eine Speicherung dieser Substanzen in den Ganglienzellen der Spinalganglien nachweisen, hier allerdings in geringerer Zahl [147].
Proteolipidanomalien (autosomal-rezessiv erblich) Analphalipoproteinämie (Tangier-Krankheit)
23
Die Tangier-Krankheit wird benannt nach einer Insel in der Chesapeake-Bucht. Das wichtigste klinische Symptom besteht, abgesehen von einem Befall der peripheren Nerven, in einer Ablagerung von Cholesterinestern in Makrophagen verschiedener Gewebe, insbesondere in den Tonsillen, die dadurch vergrößert und gelb gefärbt sind, in der Milz, im Knochenmark, in Lymphknoten der intestinalen Submukosa und in der Haut. Darauf ist auch das hohe Risiko einer koronaren Herzerkrankung in einem Teil der Familien zurückzuführen. Etwa die Hälfte der Fälle entwickelt eine Neuropathie, die drei verschiedene Formen annehmen kann. • Die 1. Form ist durch ein pseudosyringomyelisches Syndrom mit Beginn im Erwachsenenalter gekennzeichnet. Die betroffenen Individuen entwickeln eine Schwäche der Gesichtsmuskulatur und der kleinen
Hereditäre Neuropathien
Handmuskeln, eine allgemeine Sehnenareflexie und einen Sensibilitätsverlust, der den Stamm und die proximalen Anteile der Gliedmaßen betrifft, wobei am Anfang vor allem die Schmerz- und Temperaturempfindung betroffen ist. • Die 2. Form besteht in einer rekurrierenden multifokalen Neuropathie und • die 3. in einer distalen sensomotorischen Neuropathie. Die Serumkonzentration der „High-density“-Lipoproteine (HDL) ist stark reduziert, und die geringen Mengen, die noch übrig geblieben sind, sind abnorm strukturiert. Die Plasmacholesterinwerte sind in der Regel reduziert, die Triglyzeridwerte jedoch normal oder erhöht. Die Erkrankung ist auf Mutationen im Gen ABC1, das den humanen ATP-Kassetten-bindenden Transporter 1 (ABC1) kodiert, auf Chromosom 9q31 zurückzuführen [174]. Bis heute ist ungewiss, ob sich die drei klinischen Formen genetisch unterscheiden, auch wenn dies wahrscheinlich ist. Morphologie. In Nervenbiopsien vom pseudosyringomyelischen Typ fand sich ein erheblicher Ausfall an marklosen Axonen, aber auch von markhaltigen Fasern, insbesondere der kleinkalibrigen. Zupfpräparate haben eine deutliche segmentale Demyelinisation ergeben. Der Hauptbefund besteht in einer Anhäufung zahlreicher Lipidtropfen und pleomorpher Einschlüsse im Zytoplasma der Schwann-Zellen (s. Abb. 23.5a,b). Diese bestehen aus Neutralfetten und Cholesterinestern. In fortgeschrittenen Stadien erscheint das Endoneurium zumindest einzelner Nervenfaszikel fast vollständig fibrosiert [255] (s. Abb. 23.5a). Pathogenese. Die Ursache für die Anhäufung der Substanzen in den Schwann-Zellen ist nicht eindeutig geklärt; möglicherweise beruht sie auf einem gestörten Transport der Lipide vom Golgi-Komplex zur Plasmamembran [152]. Nervenbiopsien mit multifokaler Neuropathie zeigen eine ausgeprägte Demyelinisation und Remyelinisation bei Begrenzung der Lipidtropfen auf Schwann-Zellen mit marklosen Axonen. Abetalipoproteinämie
Die neurologischen Symptome dieser autosomal-rezessiv erblichen Krankheit (Synonyme: Bassen-KornzweigSyndrom, Neuroakanthozytose) bestehen in einer spinozerebellären Degeneration mit symmetrischer distaler peripherer Neuropathie und Pigmentdegeneration der Retina. Die Symptome treten innerhalb der ersten zwei Dekaden auf und sind verbunden mit einer intestinalen Malabsorption und abnormen Erythrozyten (Akanthozytose). Genetik. Die Krankheit beruht auf Mutationen im MTPGen, das ein mikrosomales Triglyzerid-Tranfer-Protein
Hereditäre Neuropathien
kodiert [240]. Dadurch kommt es zu einem defekten Aufbau und einer gestörte Sekretion von Apolipoprotein B enthaltenden Lipoproteinen im Plasma. Morphologie. Eine Demyelinisation und ein Ausfall von Axonen in den peripheren Nerven ist beschrieben worden, ebenso ein inkonstanter Ausfall von Vorderhornzellen. Pathogenese. Es bestehen heute gute Anhaltspunkte dafür, dass die späteren neurologischen Symptome teilweise sekundär auf den Mangel an fettlöslichen Vitaminen, insbesondere auf einen ausgeprägten Vitamin-EMangel zurückzuführen sind, der wiederum auf einer intestinalen Resorptionsstörung beruht [219]. Doch bestand eine große Variabilität in der Progression und dem Schweregrad des klinischen Phänotyps trotz adäquater Behandlung mit hohen Dosen fettlöslicher Vitamine; das Vorkommen einer schweren Retinopathie und Neuropathie korrelierte nicht mit dem Typ und der Position der Mutation, sondern eher mit dem Alter zum Zeitpunkt der Diagnose und dem Beginn der Behandlung mit fettlöslichen Vitaminen, die offensichtlich einen Stillstand der Neuropathie und anderer Komplikationen bewirken können [250]. Demnach modulieren genetische und nichtgenetische Faktoren die klinische Ausprägung der Erkrankung.
Peroxisomale Stoffwechselstörungen Die Peroxisomen wirken mit bei der Synthese der Plasmalogene und der Gallensäuren sowie beim Abbau der sehr langkettigen (>22) und der verzweigten Fettsäuren wie der Pipekolinsäure und der Phytansäure. Diese Fettsäuren werden erst in den Peroxisomen oxidiert und anschließend zum weiteren Abbau in die Mitochondrien transferiert. Unter den peroxisomalen Erkrankungen werden solche unterschieden, bei denen multiple Enzyme oder nur einzelne der mehr als 50 in deren Matrix enthaltene Enzyme betroffen sind (s. folgende Übersicht) [166, 167, 239]. Mutationen der zugehörigen PEX-Gene (PEX 1–19) zeigen nur eine schwache Korrelation mit den verschiedenen Phänotypen, wobei ähnlich wie bei den mitochondrialen Krankheiten dasselbe Gen unterschiedliche Phänotypen hervorrufen und umgekehrt unterschiedliche Gene dasselbe Krankheitsbild auslösen können. Im Folgenden werden nur die mit einer peripheren Neuropathie verbundenen peroxisomalen Krankheiten beschrieben: die Adrenoleukodystrophie, die Adrenomyeloneuropathie, die infantile sowie die (möglicherweise nicht peroxisomal bedingte) adulte Refsum-Krankheit (s. unten und Kap. Stoffwechselkrankheiten) und die seltene Optico-cochleo-dentatum-Degeneration (Nyssen van Bogaert), die auf einem Mangel an peroxisomalem D-bifunktionalen Protein beruht (s. unten).
611
Klassifikation peroxisomaler Krankheiten (nach Powers 2008) I. Krankheiten der peroxisomalen Biogenese (PBK) und multipler peroxisomaler Funktionen • Zerebrohepatorenales (Zellweger-) Syndrom (ZS) • Neonatale Adrenoleukodystrophie (NALD) • Infantiles Refsum-Syndrom oder Phytansäurespeicherkrankheit • Hyperpipekolische Azidämie • Rhizomelische Chondrodysplasia punctata (RCDP), Typ I, klassisch II. Morphologisch intakte Peroxisomen mit isolierter Enzymopathie • A. Pseudo-PBK 1. Acyl-CoA-Oxidase-Mangel (Pseudo-NALD) 2. Thiolasemangel (Pseudo-ZS) 3. Bifunktionaler Proteinmangel 4. Di- und Trihydroxycholestanolmangel 5. RCDP Typ II, III (DHAP-Acyltransferase-, Alkyl-DHAP-Synthase-Mangel) 6. Mevalonat-Kinase-Mangel 7. Zellweger-ähnliches Syndrom • B. Adrenoleukodystrophie (ALD) und Adrenomyeloneuropathie (AMN) • C. Refsum-Krankheit, adult, klassisch und atypische Refsum-Krankheit • D. Verschiedenes 1. Glutarazidurie, Typ III 2. Hyperoxalurie, Typ I (Alaninglyoxylataminotransferasemangel) 3. Acatalasämie III. Andere
Adrenoleukodystrophie und Adrenomyeloneuropathie Zu unterscheiden sind zwei Hauptformen: • die klassische Adrenoleukodystrophie, die in der Kindheit auftritt und • die im Erwachsenenalter bei milderem Verlauf auftretende Adrenomyeloneuropathie. Darüber hinaus lassen sich verschiedene Untertypen differenzieren, wozu kindliche, adoleszente, adulte, zerebrale, präsymptomatische und asymptomatische Formen gehören sowie die sich nur als Addison-Krankheit manifestierende Form. Doch gibt es verschiedene Untertypen in ein- und derselben Sippe [111, 192]. Klinik. Bei der Adrenoleukodystrophie handelt es sich um eine X-chromosomal vererbte Krankheit (Ausnahme:
612
Kapitel 23
neonatale ADL), bei der sowohl das Nervensystem als auch die Nebennierenrinde betroffen sind. In typischen Fällen kommt es nicht zu klinischen Anzeichen einer peripheren Neuropathie, obwohl charakteristische Einschlüsse in den Schwann-Zellen nachweisbar sind. Bei anderen Fällen dominieren Rückenmarks- und periphere Nervensymptome gegenüber zerebralen Ausfallserscheinungen. Diese Krankheit wird daher als Adrenomyeloneuropathie von der eigentlichen Adrenoleukodystrophie abgegrenzt. Morphologie. Die peripheren Nerven zeigen bei allen Fällen einen langsam progredienten Ausfall sowohl an markhaltigen als auch an marklosen Axonen mit Anzeichen einer Demyelinisation und Remyelinisation und Andeutungen von hypertrophischen Veränderungen (Zwiebelschalenformationen). Elektronenmikroskopisch lassen sich charakteristische trilaminären Einschlüsse in den Schwann-Zellen nachweisen (Abb. 23.2d), deren Lamellen aus 3 oder mehr parallelen elektronendichten, 2–5 nm dicken Schichten bestehen, die ihrerseits wieder von einem hellen 2–7 nm breiten Spalt getrennt sind [189]. In Leberzellen liegen sie oft zusammen in sog. angulierten Lysosomen [167]. Pathogenese. Die wichtigste Veränderung besteht in einer biochemisch nachweisbaren Anhäufung sehr langkettiger Fettsäuren, speziell des Hexakosanats, einer 26 Kohlenhydrate langen unverzweigten Fettsäure. Diese lässt sich im Gehirn und in der Nebenniere sowie in kultivierten Hautfibroblasten nachweisen. Die zugrunde liegende Stoffwechselstörung beruht auf einer mangelhaften β-Oxidation sehr langkettiger Fettsäuren durch die Peroxisomen, wobei jedoch eine Beteiligung der Mitochondrien noch nicht auszuschließen ist.
Refsum-Krankheit
23
Die wichtigsten neurologischen Symptome bei dieser autosomal-rezessiv erblichen Krankheit (Synonyme: Phytansäurespeicherkrankheit; Heredopathia atactica polyneuritiformis) besteht in einer chronischen distalen symmetrischen sensomotorischen Neuropathie in Verbindung mit einer Ataxie und Pigmentdegeneration der Retina. Die Symptome treten in der Regel in der 2. bis 3. Dekade auf. Die peripheren Nerven können tastbar vergrößert sein. Eine sensorineurale Taubheit, Ichthyose und eine Kardiomyopathie können zusätzlich vorhanden sein. Die Erkrankung verläuft langsam progressiv oder rekurrierend und remittierend. Im Serum und im Gewebe häuft sich eine langkettige Fettsäure an: die 3,7,11,15-Tetramethylhexadekaonsäure (Phytansäure). Sie entstammt dem Phytol der Nahrung und häuft sich an, da ein Block bei der α-Oxidation zu α-Hydroxyphytansäure besteht.
Hereditäre Neuropathien
Autoptisch lässt sich eine Hypertrophie der Nerven nachweisen, die in den proximalen Abschnitten maximal ausgeprägt ist, am deutlichsten in dem Nervenplexus der Gliedergürtel. Die Verdickung der Nerven kann diffus oder knotenförmig sein und die spinalen Nervenwurzeln sowie die sensorischen Ganglien einschließen. Morphologie. Das Endoneurium ist verbreitert und kann mukoide Substanzen enthalten. Die Zahl der markhaltigen Nervenfasern ist reduziert, und hypertrophische Veränderungen (sog. Zwiebelschalenformationen), manchmal extremen Ausmaßes, kommen vor. Doch sind diese Veränderungen nicht immer sehr ausgeprägt. Im N. suralis überwiegt manchmal der Verlust an markhaltigen Nervenfasern in Verbindung mit Gruppen proliferierter SchwannZellen (Abb. 40.3g, h, vgl. auch [70]). Die anfangs als pathognomonisch beschriebenen parakristallinen Einschlüsse in den Mitochondrien der Schwann-Zellen haben sich als unspezifische Veränderungen erwiesen, die bei zahlreichen verschiedenen Neuropathien auftreten [194]. Pathogenese. Während der Nachweis einer peroxisomalen Stoffwechselstörung bei der Erwachsenenform der Refsum-Krankheit bisher nicht gelang, sondern, wie eingangs erwähnt, nur vermutet wird, ist die genetisch differente, autosomal-rezessive, infantile Form, bei der sowohl die Phytansäure als auch die Pipekolinsäure und die sehr langkettigen Fettsäuren im Gewebe angehäuft sind, auf einen peroxisomalen Defekt zurückzuführen. Diese peroxisomale Erkrankung wird daher als infantile RefsumKrankheit abgegrenzt. Eine periphere Neuropathie tritt dabei aber nicht regelmäßig auf.
Die Erwachsenenform der Refsum-Krankheit ist eine der wenigen hereditären Stoffwechselleiden, die sich effektiv behandeln lässt, und zwar durch eine gemüsearme Diät, wodurch eine Reduktion des Phytols, des Vorläufers der Phytansäure, in der Nahrung erzielt wird.
Optico-cochleo-dentatum-Degeneration (OCDD, Nyssen-van Bogaert) Bei systematischer Suche werden stark ausgeprägte periphere Neuropathien bei Krankheiten gefunden, bei denen das periphere Nervensystem bis dahin nicht untersucht worden ist, so z. B. bei der Optico-cochleo-dentatum-Degeneration (OCDD, Nyssen-van Bogaert), die auf einen Mangel an peroxisomalem D-bifunktionalen Protein (DBP) zurückzuführen ist und wie die Adrenoleukodystrophie (vgl. Abb. 23.2d) elektronenmikroskopisch durch überwiegend bilaminäre und trilaminäre
Hereditäre Neuropathien
Strukturen im Zytoplasma der Astrozyten, Mikrogliaund Schwann-Zellen gekennzeichnet ist [189]. Im N. suralis waren bei dem einzigen bisher daraufhin untersuchten Fall 80–90% der markhaltigen Nervenfasern ausgefallen. DBP katalysiert als peroxisomales Enzym den zweiten und dritten Schritt der peroxisomalen β-Oxidation der Fettsäuren und ihrer Derivate. Bei seinem Mangel häufen sich im Plasma die sehr langkettigen Fettsäuren an, ebenso die α-Methyl-verzweigten Fettsäuren wie die Pristansäure und Gallensäure-Intermediärprodukte wie Dihydroxyund Trihydroxycholestanolsäure u. a. [66], was in der Regel, wenn auch nicht immer, eine Diagnose des seltenen (1:100.000), rezessiv erblichen DBP-Mangels erlaubt.
Oxalosen Unter den primären Hyperoxalurien werden zwei Erkrankungen des Glyoxalatmetabolismus unterschieden. Bei der primären Hyperoxalurie vom Typ 1 ist der zugrunde liegende Stoffwechseldefekt bekannt: Es besteht ein Mangel an dem peroxisomalen Enzym Alanin-GlyoxylatAminotransferase [69]. Die häufigere Form ist die glykolische Azidurie, bei der es zu einer massiven Ablagerung von Oxalaten in den Geweben einschließlich der peripheren Nerven kommt. Die Neuropathie kann vorwiegend motorisch, häufiger aber sensorisch sein und ist dann als eine Kombination segmentaler Demyelinisationen und axonaler Ausfälle gekennzeichnet. Morphologie. Die Oxalatkristalle sind in der Wand epineuraler Arterien, in sensorischen Ganglien und sympathischen Ganglien sowie in peripheren Nervenstämmen nachweisbar. Kristalle sind auch innerhalb von Axonen zu finden [80, 137]. Eine kombinierte Leber- und Nierentransplantation führt zu einer Besserung der Neuropathie.
Mukopolysaccharidosen Bei den Mukopolysaccharidosen werden Glukosaminoglykane (Mukopolysaccharide) aufgrund einer rezessiv erblichen Stoffwechselstörung in den Lysosomen verschiedener Gewebe abgelagert. Im Vordergrund kann eine Kompressionsneuropathie stehen, so beim Hurler- und beim Scheie-Syndrom, gelegentlich aber auch eine Friedreich-Ataxie-Symptomatik [95]. Schwann-Zell-Einschlüsse können ohne klinisch manifeste Neuropathie vorkommen; sie werden bei der Hurler- und bei der Hunter-Krankheit, insbesondere aber beim Sanfilippo-Syndrom beobachtet (Abb. 23.2a), ebenso bei der I-Zell-Krankheit.
613
Beim α- und β-Mannosidasemangel [117] sind ähnliche intrazytoplasmatische Vakuolen nachweisbar wie bei den Mukopolysaccharidosen.
Glykogenstoffwechselstörungen Diese sind in der Regel nur mit geringen Ablagerungen von Glykogen in den Ganglienzellen, Schwann-Zellen oder glatten Muskelzellen und Endothelzellen der Blutgefäße der peripheren Nerven verbunden, die keine spezifische Diagnose erlauben. Die quergestreiften Muskelfasern sind in der Regel viel stärker betroffen. Nur bei der Glykogenose vom Typ IV (AndersonKrankheit) sind mehr oder weniger zahlreiche charakteristische Polyglukosankörper in Axonen, Schwann-Zellen, Perineuralzellen und glatten Muskelzellen unter anderem auch der Vasa nervorum eingelagert [73, 191]. Die Polyglukosankörper sind in Axonen 2–60 μm groß [225] und bestehen aus Filamenten, die durch ein abnorm langkettige Glykogen gebildet werden, und, sofern sie nicht in Lysosomen sequestriert sind, also nicht wie bei der Lafora-Krankheit von einer Membran umgeben werden [26, 27], aus einer granulären Komponente (s. Kap. 33). Genetik. Nicht nur bei der im Kindesalter auftretenden autosomal-rezessiven Anderson-Krankheit, sondern auch bei der adulten Polyglucosankörperkrankheit finden sich Mutationen im Gen des Glykogen-Branching-Enzyms auf Chromosom 3 mit entsprechend variabler Reduktion der Aktivität dieses Enzyms [251]. Die perinatale (pränatale oder kongenitale) Form ist besonders stark ausgeprägt, verläuft innerhalb weniger Monate letal und ist mehr durch pleomorphe Einlagerungen in den Muskelfasern als durch Einschlüsse in den Axonen und Schwann-Zellen gekennzeichnet [145]. Zugrunde liegen entsprechend schwerwiegende Mutationen des GBE1-Gens (Deletionen u. a.). Bei Heterozygoten kann das Krankheitsbild wie bei der Erwachsenenform ausgeprägt sein, und auch Polyglucosankörper sind vereinzelt im peripheren Nerven nachweisbar [127, 225].
Erkrankungen mit defekter DNA-Reparatur Die Symptome bei der Ataxia telangiectatica (Louis-BarSyndrom) sind am ausgeprägtesten im zentralen Nervensystem. Bei dieser Erkrankung, wie auch beim Xeroderma pigmentosum (Desantis-Cacchione-Syndrom), dominiert ein Ausfall der großen sensorischen Fasern in den peripheren Nerven zusammen mit einem entsprechenden Verlust der größeren Zellen in den Spinalganglien [220].
614
Kapitel 23
Ein Zusammenhang zwischen der defekten DNA-Reparatur und der Entwicklung der neurologischen Ausfälle wird diskutiert [125].
Neuropathien bei mitochondrialen Erkrankungen Mitochondriale Erkrankungen bilden eine heterogene Gruppe von Krankheiten, die durch strukturelle, numerische oder funktionelle Anomalien der Mitochondrien gekennzeichnet sind. Eine Klassifikation der mitochondrialen Krankheiten wird dadurch erschwert, dass gleichartige Krankheitsbilder durch Mutationen unterschiedlicher Gene entstehen und umgekehrt identische Mutationen unterschiedliche Krankheitsbilder verursachen können. Mittlerweile gibt es eine große Zahl von Syndromen oder Symptomkombinationen aufgrund von mehreren Hundert identifizierten Punktmutationen, großen und kleinen Deletionen, Duplikationen, Tandemduplikationen, Kombinationen von Deletionen mit Duplikationen und multiplen Deletionen der mitochondrialen DNA (mtDNA), die in laufend aktualisierten Datenbanken erfasst und aufgelistet werden (s. S. 761ff. und http://www.mitomap.org). Multiple mtDNA-Deletionen treten vor allem bei primär nukleären DNA-Mutationen mit Mendelschem Erbgang auf, während die Mutationen der mtDNA selbst maternal vererbt werden oder sporadisch auftreten. Diese betreffen mehr die Skelettmuskulatur und werden deshalb dort ausführlicher beschrieben. Klinik. Zwischen den klinisch abgrenzbaren Krankheitsbildern gibt es Übergänge, z. B. können Patienten mit MELAS (mitochondriale Enzephalopathie mit Laktazidose und schlaganfallähnlichen Episoden) sowohl KS(Kearns-Sayre-) als auch MERRF-Symptome (Myoklonusepilepsie mit Ragged-red-Fasern im Muskel) oder andere Zeichen einer mitochondrialen Myopathie aufweisen (s. unten) [36, 76, 82, 159].
Leitsymptom bei vielen mitochondrialen Erkrankungen sind die äußeren Augenmuskellähmungen mit entsprechenden Blickparesen.
23
Eine periphere Neuropathie kann beim KSS besonders ausgeprägt sein. Doch auch bei MELAS und MERRF kommen neben vorwiegend zentralnervösen Symptomen Neuropathien vor. Bei NARP (Neuropathie, Ataxie und Retinitis pigmentosa) gehört die Neuropathie zur Definition, bei LHON (Lebersche hereditäre Opikusneuroretinopathie) bildete die Neuropathie eine Untergruppe in der gängigen Klassifikation der HMSN (Typ VI) [61,
Hereditäre Neuropathien
194]. Beim M. Leigh sind die Markscheiden in Relation zum Axonkaliber zu dünn [93, 180]. Auch beim EkbomSyndrom, das mit Lidlipomen, Ataxie und Myoklonusepilepsie assoziiert ist, gehört eine Neuropathie zum Krankheitsbild [28], ebenso bei der myo-, neuro- und gastrointestinalen Enzephalopathie (MNGIE) [8, 178, 226], die nukleär kodiert wird [144], und seltenen anderen Mitochondriopathien. Morphologie. Die Mitochondriopathien sind oft mit einer Neuropathie vom überwiegend neuronalen/ axonalen Typ mit mehr oder weniger starken Ausfällen, aber relativ häufig auch mit unverhältnismäßig dünn myelinisierten Axonen verbunden. Die elektronenmikroskopisch vor allem im Zytoplasma der Remak-Zellen markloser Axone nachweisbaren Mitochondrien mit granulär-hexagonal-parakristallinen und amorphen Einschlüssen sind unspezifisch und können bei zahlreichen verschiedenartigen Neuropathien auftreten; in den Schwann-Zellen markhaltiger Nervenfasern sind abnorme Mitochondrien mit verbreiterter Matrix und atypisch angeordneten Cristae jedoch von diagnostischer Bedeutung [183, 194]. Elektronenmikroskopischmorphometrisch erscheint die Zahl und Größe der Mitochondrien in den Vasa nervorum bei Mitochondriopathien erhöht [136]; doch ist dies nicht immer evident. Pathogenese. Die bevorzugte Expression der mtDNAMutationen im Nervensystem und in der Muskulatur (Skelett- und Herzmuskulatur) ist nicht verwunderlich, da diese Gewebe weitgehend von der mitochondrialen Energieversorgung abhängen, einen besonders hohen Sauerstoffverbrauch aufweisen und ihr Parenchym aus postmitotischen, terminal differenzierten Zellen besteht, die keiner physiologischen Mauserung unterliegen und somit keine Möglichkeit zur Eliminierung der mutierten mtDNA haben.
Neuropathien bei gonadaler Dysgenesie Eine periphere Neuropathie kann bei 46XY gonadaler Dysgenesie vorkommen, die bei einigen Fällen auf Mutationen im „desert hedghog homolog“ (Drosophila)-Gen (DHH) zurückzuführen ist. Die Suralisbiopsie ergab eine Minifaszikelformation bei einem Patienten mit partieller Gonadendysplasie und einer solchen Mutation; bei einem anderen Fall mit einer DHH-Mutation fanden sich jedoch keine Minifaszikel, wohl aber bestand eine ausgeprägte Neuropathie vom axonalen Typ mit reichlich Regenerationsgrupen [6].
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN), vom Typ CharcotMarie-Tooth (CMT), hereditäre sensorischautonome Neuropathien (HSAN) und motorische Neuropathien (HMN) Diese werden nach dem bevorzugten Befall des motorischen, sensorischen oder autonomen Systems in Verbindung mit dem bevorzugten Befall der Markscheiden oder der Axone sowie dem Erbmodus klassifiziert. Die mittlerweile bekannten 61 Gendefekte (Mutationen) oder Genloci sind in der Tabelle 23.1 aufgelistet. Dabei ist es zweckmäßig, die kongenitalen Formen, die mit einer Anlagestörung einhergehen und kaum progredient sind (z. B. ein völliges Fehlen nur der Markscheiden im Sinne einer kongenitalen Amyelinisation [s. unten] oder das kongenitale Fehlen großer markhaltiger Fasern [139, 176] oder das Fehlen sämtlicher markhaltiger Nervenfasern [190]), von solchen zu unterscheiden, die erst im Laufe des Lebens auftreten und üblicherweise (im Unterschied zu exogenen oder entzündlichen Formen einer Neuropathie) langsam progredient sind. Sind zusätzliche Symptome zu den Anzeichen einer peripheren Neuropathie vorhanden (z. B. vonseiten des zentralen Nervensystems), spricht man von „komplizierten“ oder komplexen Neuropathien, die in der Regel rezessiv erblich und schwerer ausgeprägt sind als die dominant erblichen.
Hereditäre motorische und sensorische Neuropathien (HMSN) vom Typ CharcotMarie-Tooth (CMT) und Dejerine-Sottas (DS) Diese sind sehr heterogen und werden unterteilt in demyelinisierende Typen (CMT1: autosomal-dominant erblich; CMT4: autosomal-rezessiv erblich; DSS: autosomaldominant oder rezessiv) und einen axonalen Typ (CMT2: autosomal-dominant oder rezessiv), wobei die Grenzen unscharf sind und Genmutationen, die primär Markscheidenproteine betreffen, aus unklaren Gründen zu klinisch und morphologisch axonalen Formen oder einer sog. intermediären Form einer Neuropathie (ID: intermediär dominant; IR: intermediär rezessiv) führen können (z. B. bei Mutationen im Cx32-, MPZ-, DNM2-, YARS- und GDAP1-Gen). Außerdem gibt es X-chromosomal-dominant oder -rezessiv erbliche Formen. Die Einteilung in Typ I und II = dominant erblich und Typ III = rezessiv erblich (Dejerine Sottas-Typ) ist aufgrund der neueren molekulargenetischen Befunde obsolet geworden. Eine Datenbank für hereditäre Neuropathien wird regelmäßig in Antwerpen unter http://molgen.www.uia. ac.be/CMTMutations aktualisiert. In der neuromuskulären Datenbank http://musclegenetable.org werden die auch in Online Mendelian Inheritance in Man (OMIM)
615
(http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim) erfassten, gegenwärtig >60 Formen hereditärer Neuropathien unterschieden, die aber zum Teil allelisch zueinander sind (Tabelle 23.1).
CMT1, dominant erblich CMT1A (HMSN Ia)
Dies ist mit ca. 70% die häufigste Neuropathie vom Typ Charcot-Marie-Tooth; sie beruht in der Regel auf einer Duplikation des peripheren Markscheidenproteins mit dem Molekulargewicht von 22 kDalton (PMP22; Literatur s. [140, 141]). Genetik. Molekulargenetisch sind beim Typ CMT1A Punktmutationen oder eine Duplikation der 1,5 Megabasen-DNA-Region für das periphere Myelinprotein P22 (PMP22) am Genort 17p11.2 festgestellt worden [122, 169]. Die Duplikation lässt sich u. a. auch durch Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung im Interphasenkern lymphoblastoider Zellen der Patienten direkt nachweisen [170]. Bei der tomakulösen Neuropathie (Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen bzw. „pressure palsies“, HNPP; s. unten) liegt demgegenüber eine Deletion dieses Genorts vor, so dass diese beiden eindeutig verschiedenen Krankheiten als reziproke Produkte ungleichen Crossovers angesehen werden. Demgegenüber führen Punktmutationen am Genort 17p11.2 bei Heterozygoten bemerkenswerterweise zu der sonst als rezessiv erblich geltenden HMSN III (Dejerine Sottas-Syndrom; DSS; s. unten). Der Typ I erschien z. T. mit der Duffy-Blutgruppe auf dem Chromosom 1 gekoppelt (= HMSN Ia), während andere Fälle keine Kopplung aufwiesen (= HMSN Ib) [63]. Diese Typisierung (Ia und Ib) ist beibehalten worden, obwohl inzwischen erwiesen ist, dass der wesentlichere Unterschied auf Mutationen in verschiedenen Genen beruht (Typ Ia: PMP22-Duplikation; Typ Ib: Myelinprotein-Zero-(MPZ = P0)Mutationen; s. unten). Klinik. Die CMT1A beginnt zumeist in der 1. oder 2. Lebensdekade mit Fußdeformitäten und Gehbehinderung. Neurologisch lässt sich eine distale Schwäche und Atrophie an den Unterschenkeln („Storchenbeine“) feststellen mit Verlust der Sehnenreflexe, geringen distal akzentuierten („strumpfförmigen“) Sensibilitätsstörungen und Hohlfuß. Früh sind auch die oberen Extremitäten betroffen mit „handschuhförmigen“ Sensibilitätsstörungen und Handschwäche [25]. Einige Fälle zeigen Ataxie und Armhaltetremor („Roussy-Levy-Syndrom“) und evtl. eine Skoliose. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist erheblich reduziert. Ein Diabetes mellitus verstärkt die motorischen und sensorischen Symptome [204].
616
Kapitel 23
Morphologie. Neben einem zunehmenden Ausfall von Nervenfasern finden sich vor allem wiederholte, ausgeprägte, segmentale Demyelinisationen und Remyelinisationen. Letztere führen zu sog. „Zwiebelschalenformationen“ mit konzentrischer Vermehrung der Schwann-Zellen und des endoneuralen Kollagens um demyelinisierte oder remyelinisierte Nervenfasern [186, 244] (Abb. 23.3d; 23.4a–d). Dies wiederum kann eine tastbare „Hypertrophie“ des Nervs bewirken. Gelegentlich ist eine Invasion von Schwann-Zellen und Markscheiden durch Makrophagen nachweisbar [29]. Nur vereinzelt, wenn überhaupt, kommen sog. Tomacula vor (s. unten: Tomakulöse Neuropathie, HNPP). Bei gleichzeitig bestehendem Diabetes mellitus wird die Neuropathie verstärkt und statt der Zwiebelschalenformationen finden sich BüngnerBänder aufgrund des dominierenden Ausfalls von Nervenfasern [217]. Autoptisch ließ sich bei der CMT1A ein fortscheitender Ausfall von Vorderhornzellen und Spinalganglienzellen nachweisen bei Chromatolyse der erhaltenen Zellen, verbunden mit einer Degeneration von Nervenfasern in den Hintersträngen, insbesondere im Fasciculus gracilis. Tomakulöse Neuropathie (HNPP)
Diese ursprünglich als familiäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen („hereditary neuropathy with liability to pressure palsies“, HNPP; Molekulargenetik s. oben) bezeichnete Neuropathie ist ebenfalls dominant erblich. Die Krankheit ist im eigenen Untersuchungsgut häufiger als nach der Zahl der Veröffentlichungen zu erwarten (in 10 von 1000 kombinierten Nerv-Muskel-Biopsien).
23
Hereditäre Neuropathien
durch segmentale oder paranodale De- und Remyelinisationsvorgänge, insbesondere aber durch Verdoppelungen und Verdreifachungen der Markscheidendicke in umschriebenen Markscheidensegmenten gekennzeichnet (Abb. 23.3f) [10, 124, 131, 217]. Dies ist besonders gut in Zupfpräparaten einzelner osmierter Nervenfasern nachweisbar. Auffällig häufig bleiben die inneren Marklamellen an remyelinisierten Nervenfasern nicht kompaktiert [92, 224, 249]. Vereinzelt sind etwas ähnliche, zumindest auffällige paranodale Markschlingen auch bei paraproteinämischen Neuropathien beschrieben worden [171]. CMT1B (= HMSN Ib)
Neuropathien aufgrund von Mutationen im Markscheidenprotein P0-(„myelin protein zero“; MPZ-)Gen sind vielgestaltig [202, 241]. Sie treten entweder schon im frühen Kindesalter auf mit verzögertem Beginn des Laufens (s. kongenitale Hypomyelinisationsneuropathien) oder im Alter von etwa 40 Jahren, sind klinisch aber manchmal auch nicht vom Typ 1A zu unterscheiden (Literatur s. [205]). Die Phänotypen sind allelisch zu CMTID, CMT2I, CMT2J, CMT4E und DSS (s. Tabelle 23.1). P0 bildet mit einem Anteil von ca. 50% den wichtigsten Bestandteil des Myelins. Durch das P0-Glycoprotein lässt sich auch eine experimentell-allergische Neuritis auslösen, und Antikörper gegen P0 sind in 20% der Fälle mit CIDP zu finden [86].
Klinik und Morphologie. Klinisch ist die HNPP weniger stark ausgeprägt als die CMT1A. Mikroskopisch ist sie
Morphologie. Mikroskopisch variiert das Erscheinungsbild außerordentlich. Neben einer kongenitalen Form mit stark demyelinisierender Komponente und sog. Basallamina-Zwiebelschalenformationen (s. Abb. 23.5c) gibt es bei Erwachsenen mit weniger stark ausgeprägter Neuropathie Ausfallsmuster, die entweder überwiegend einer demyelinisierenden oder einer überwiegend axo-
Abb. 23.3a–i Repräsentative querorientierte Ausschnitte aus dem N. suralis. a 8 Tage alter, b 7 Jahre alter Junge; c 87-jähriger Greis. Die Nervenfasern weisen im Alter von (5–) 7 Jahren die größten Axonkaliber auf. Im Alter gibt es vielfältige regressive Veränderungen. d Fortgeschrittene, autosomal-rezessiv erbliche Neuropathie vom ausgeprägt demyelinisierenden Typ (Dejerine-Sottas) bei einem 8-jährigen Mädchen mit extrem verlangsamter NLG (2,5 m/ s). Die Axone sind innerhalb der Zwiebelschalenformationen noch relativ gut erhalten, aber teils demyelinisiert (Pfeilköpfe), teils zu dünn remyelinisiert (also nicht primär „hypomyelinisiert“) (dünne Pfeile). Das endoneurale Bindegewebe ist stark vermehrt. Eine vakuolisierte Zelle liegt im Zentrum. e Autosomal-dominant erbliche hypertrophische Neuropathie (Charcot-Marie-Tooth) mit zahlreichen Zwiebelschalenformationen um relativ dick myelinisierte (dünne Pfeile) oder demyelinisierte (Pfeilköpfe) Axone. Die Nervenfasern sind durch die proliferierten Schwann-Zellen, das vermehrte endoneurale Kollagen und ein endoneurales Ödem stark dissoziiert. Ein erheblicher Teil der großen und kleinen markhaltigen Nerven-
fasern ist ausgefallen. f Tomakulöse Neuropathie mit stark verdickten Markscheiden (Pfeilköpfe), hypomyelinisierten Nervenfasern (dicke Pfeile) und Markscheidenabbauprodukten (dünne Pfeile). g Friedreich-Ataxie mit Ausfall nahezu sämtlicher großer markhaltiger Nervenfasern; nur noch 2 sind übrig geblieben (Pfeile), davon ist eine atrophisch, während die dünnen markhaltigen Nervenfasern nahezu sämtlich erhalten, wenn auch z. T. ebenfalls atrophisch sind. Eindeutige Regenerationsgruppen sind nur selten zu sehen. h Bevorzugter Ausfall der kleinen markhaltigen Nervenfasern bei sensomotorischer Neuropathie nach 50 kg Gewichtsverlust durch Appetitzügler (Amiodaron). Die relativ zahlreichen Markscheidenabauprodukte weisen auf die rasche Progredienz der Neuropathie hin. i Fortgeschrittene hereditäre, autosomal-rezessive sensorischautonome Neuropathie (HSAN 2) mit Ausfall nahezu sämtlicher markhaltiger Nervenfasern bei einem 9-jährigen Jungen, dessen Bruder ebenfalls erkrankt ist. Die marklosen Axonen sind (nach dem elektronenmikroskopischen Befund) ebenfalls stark betroffen. (a–i Vergr. 370:1)
617
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
a
b
c
d
e
f
g
h
i
618
23
Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
a
b
c
d
Abb. 23.4a–d Demyelinisierende hypertrophische Neuropathie vom Typ der CMT1A (= HMSN Ia) bei einer 10-jährigen Patientin. a Ausgeprägte Zwiebelschalenformationen um dick (dicker Pfeil) oder dünn (dünner Pfeil) remyelinisierte oder demyelinisierte (Pfeilkopf) Nervenfasern. Das endoneurale Bindegewebe ist vermehrt (Vergr. 648:1). b Zwiebelschalenformation um ein demyelinisiertes Axon (A). In den schalenförmig um dieses Axon angeordneten SchwannZell-Fortsätzen sind wiederholt marklose Axone nachweisbar (Pfeilköpfe). Dazwischen liegen fingerförmige Zellfortsätze vermutlich von Makrophagen, die nicht von einer Basallamina umgeben wer-
den. Daneben liegt ein größerer Makrophage mit Markscheidenabbauprodukten (M) und ein Lymphozyt (L). Zwischen den SchwannZell-Fortsätzen sind reichlich Kollagenfilamente eingelagert (Vergr. 5800:1). c Dünn remyelinisierte Nervenfaser mit Markschlingen (Pfeilköpfe) und einem adaxonalen membranösen zytoplasmatischen Körperchen (Pfeil), umgeben von Schwann-Zell- und Fibroblastenfortsätzen (Vergr. 5900:1). d Dick remyelinisierte Nervenfaser mit 3–5 schalenartig angeordneten Schwann-Zell-Fortsätzen, die bemerkenswert dicht liegen und von basallaminaähnlichem Material sowie Kollagenfibrillen voneinander getrennt werden. (Vergr. 4800:1)
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
nalen Form der Neuropathie entsprechen oder einen intermediäre Typ aufweisen [202]. Elektronenmikroskopisch stehen Kompaktierungsstörungen der Markscheiden im Vordergrund, wobei die Kompaktierung der größeren dichten Linie auf der zytoplasmatischen Seite der Markscheidenlamellen ausbleibt (s. Abb. 23.5d). Diese Kompaktierungsstörung unterscheidet sich auf diese Weise von derjenigen bei IgM-Gammopathien, bei denen die intermediäre Linie verbreitert ist (s. dort). Pathogenetisch spielt eine C5b-9-induzierte JNK1-Aktivierung für die P0-mRNA-Stabilität und Regulation der Myelin-GenTranskription eine Rolle [45]. CMT1C
Diese Neuropathie ist auf Mutationen in einem „small integral membrane protein of the lysosomal/late endosome“ (SIMPLE-)Gen (früher als Lipopolysaccharid-induziertes TNF-Faktor-(LITAF-)Gen benannt) zurückzuführen (s. Tabelle 23.1) [12, 114, 212]. SIMPLE-Mutationen seien nur bei 0,6% der Fälle mit dominanter CMT1 zu finden. Histopathologische Untersuchungen liegen bisher nicht vor. CMT1D
Diese Neuropathie beruht auf Mutationen im Earlygrowth-response-2-(EGR2-)Gen (= Krox20-Gen). Klinisch sind Veränderungen wie bei der CMT1A oder der kongenitalen Hypomyelinisationsneuropathie zu finden. Histopathologisch besteht eine demyelinisierende Form der Neuropathie [49]. CMT1E
Diese Neuropathie ist allelisch zur CMT1A, doch besteht zusätzlich eine Schwerhörigkeit. CMT1F
Bei dieser Neuropathie ist das Neurofilament-leicht-Polypeptid mit 68 kDa aufgrund von Mutationen im NEFLGen betroffen. Histopathologisch dominiert entweder ein Ausfall von Nervenfasern oder eine demyelinisierende Komponente [256]. Weitere dominant erbliche Neuropathien vom CMT-1-Typ
Zwei weitere, seltene, autosomal-dominant erbliche Neuropathien vom demyelinisierenden Typ sind in Tabelle 23.1 aufgelistet; weitere werden zweifellos in Zukunft noch entdeckt werden.
CMT2 = HMSN II, axonaler Typ Autosomal-dominant erblich
Die dominant erblichen axonalen oder neuronalen Formen der motorisch-sensorischen Neuropathien vom Typ
619
Charcot-Marie-Tooth, bei denen distal bevorzugt die Axone degenerieren (und regenerieren), werden der heterogenen Gruppe der CMT2 (HMSN II) zugeordnet (Tabelle 23.1). Unterschieden werden je nach dem betroffenen Gen oder Genort die Formen CMT2A bis CMT2L und CMT2P (Tabelle 23.1). Darunter sind mehrere allelisch zu den bereits unter den überwiegend demyelinisierenden CMT1-Formen aufgeführten Neuropathien, so die durch Mutationen in den Genen NEFL und MPZ. Rein axonal sind, soweit bekannt, die folgenden Gene betroffen: MFN2, GARS, HSPB1 und HSBP8. Mutationen im GDAP1-Gen können sowohl autosomal-dominant als auch -rezessiv vorkommen (s. CMT2K und CMT4A). Viele klinische Symptome und histopathologische Veränderungen sind den axonalen Formen der hereditären Neuropathien gemeinsam, wobei allerdings noch nicht alle Formen in verschiedenen Schweregraden und in unterschiedlichem Alter untersucht worden sind. Die Neuropathien vom Typ CMT2 werden im Folgenden einzelnen Sonderformen vorangestellt. Klinik. Die klinischen Symptome ähneln denen bei den dominant erblichen (demyelinisierenden) Fällen mit CMT1; doch treten sie in der Regel später in Erscheinung und zeigen eine weniger starke Beteiligung der oberen Extremitäten, eine geringere Ataxie, geringere Sehnenreflexabschwächungen und Sensibilitätsausfälle (Literatur s. [222]). Die Skelettdeformitäten sind ebenfalls weniger auffällig, was vermutlich auf dem späteren Beginn der Erkrankung beruht. Die Nervenleitgeschwindigkeit liegt entweder im Normbereich oder ist nur mäßiggradig reduziert (>38 m/s) [81]. Bestimmte Formen zeichnen sich evtl. aus durch Ulzerationen an den Füßen, zusätzliche Zwerchfell- und Stimmbandlähmungen und durch einen Beginn in den kleinen Handmuskeln. Autosomal-rezessiv erbliche Fälle vom axonalen Typ sind in aller Regel stärker betroffen. Das gilt insbesondere für die Fälle, die bereits in der Kindheit erkranken [154]. Morphologie. Nervenbiopsien ergeben vor allem einen Ausfall an Nervenfasern mit nur geringen Zeichen der dann vermutlich sog. sekundären Demyelinisation (aufgrund axonaler Atrophie). An der Stelle der ausgefallenen Nervenfasern sind jedoch vielfach charakteristische, eng zusammenliegende Bündel regenerierter Nervenfasern nachweisbar (Abb. 23.5e,f), die an der Stelle distal degenerierter Nervenfasern in deren Büngner-Bändern im Überschuss aussprossen [182]. Die Zahl der marklosen Nervenfasern ist bei einigen Fällen ebenfalls reduziert, sofern dies bestimmt wurde. Das endoneurale Bindegewebe ist normal oder leicht vermehrt. Typische Zwiebelschalenformationen („hypertrophische“ Veränderungen) sind jedoch nicht zu finden, obwohl die in Büngner-Bändern regenerierenden Nervenfasern manchmal Zwiebel-
620
23
Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
a
b
c
d
e
f
schalenformationen vortäuschen oder zurücklassen können, wenn die im Überschuss regenerierten Fasern wiederholt degenerieren und regenerieren (Abb. 23.6f). Typisch ist jedenfalls für hereditären Neuropathien, da sie chronisch verlaufen, ein Nebeneinander von degenerierenden und regenerierenden Fasern, deren Zahl jeweils von der Chronizität des jeweiligen Prozesses bestimmt wird.
Das gleichzeitige Vorkommen zahlreicher degenerierender Fasern, die sich etwa im gleichen Stadium der Degeneration befinden, spricht gegen eine hereditäre Neuropathie; dann sollten toxische, mechanische oder immunologische und andere Ursachen erwogen werden.
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
621
Abb. 23.5 Hereditäre Neuropathien, a,c,e Semidünnschnitte, Toluidinblau-gefärbt; b,d,f korrespondierende elektronenmikroskopische Aufnahmen zu diesen Nerven. a Tangier-Krankheit (Abetalipoproteinämie). Fast alle markhaltigen und marklosen Nervenfasern sind in diesem Nerven ausgefallen; dennoch ist das Endoneurium mit Fibroblasten, Kollagen, einigen Büngner-Bändern und Blutgefäßen erhalten geblieben. Typischerweise sind perivaskulär vereinzelt lipidgefüllte Makrophagen nachweisbar (Pfeil). b Elektronenmikroskopisch sind in einem perivaskulären Makrophagen reichlich Lipidtropfen zu sehen, die nicht von einer Membran umgeben sind. c Kongenitale Hypomyelinisationsneuropathie aufgrund einer P0Mutation. Die noch vorhandenen Markscheiden sind unverhältnismäßig dünn in Relation zum Axonkaliber und von BasallaminaZwiebelschalenformationen umgeben. Die Zahl der Schwann-Zellen ist gemessen an den Kernen erheblich vermehrt. d Elektronen-
mikroskopisch ist im oberen Längsschnitt rechts und links vom Schnürring eine unterschiedlich breite Markscheide und im unteren eine mangelhafte Kompaktierung der äußeren Markscheidenlamellen zu erkennen, die rechts die gesamte Markscheiden betrifft (Pfeilköpfe). e Kongenitale axonale Neuropathie vom Typ CMT2A. Die Zahl der großen markhaltigen Nervenfasern ist deutlich reduziert. Wiederholt sind kleine Gruppen mit 2 oder 3 eng zusammen liegenden regenerierten Nervenfasern zu sehen (Pfeil). f Elektronenmikroskopisch ist hier eine typischer Regenerationsgruppe mit markhaltigen und noch nicht wieder remyelinisierten, marklosen Nerven an der Stelle einer proximal degenerierten großen markhaltigen Nervenfaser getroffen, die in einem Büngner-Band nach distal vorgewachsen sind. Ein dazwischen liegender endoneuraler Fibroblast enthält auffallend viele geschwollene Mitochondrien (Pfeil). Drumherum liegen reichlich proliferierte Schwann-Zell-Fortsätze
Autoptisch findet sich eine Chromatolyse und ein Ausfall von Vorderhornzellen mit zahlreichen Corpora amylacea in den Vorderhörnern sowie von Spinalganglienzellen mit distal akzentuiertem Ausfall von Axonen in den Spinalwurzeln und peripheren Nerven. Ausfälle im Zentralnervensystem sind zumeist nicht vorhanden, von Axonen in den Hintersträngen des Rückenmarks abgesehen, die sekundär auf den Verlust an Spinalganglienzellen zurückzuführen sind. Die Ausfälle sind am stärksten in der Lumbosakralregion und in den Fasciculi graciles ausgeprägt [13].
degenerierenden und regenerierenden Axonen besonders eindrucksvoll (Abb. 23.5e,f). Elektronenmikroskopisch sind Veränderungen der äußeren mitochondrialen Membran vor allem dort im Axon zu finden, wo paranodale Ausstülpungen zu einer Anhäufung von Mitochondrien geführt haben [234]. Außerdem kommen abnorm geschwollene Mitochondrien in endoneuralen Fibroblasten vor (Abb. 23.5f). Im Zyoplasma von Schwann-Zellen sind Mitochondrien mit engverzweigten Cristae beobachtet worden [207]. CMT2B
CMT2A
Diese Neuropathie ist die häufigste hereditäre Neuropathie vom axonalen Typ. Sie ist auf Mutationen im MFN2-Gen zurückzuführen, das ein Protein, Mitofusin-2, in der äußeren Mitochondrienmembran kodiert [253]. Somit handelt es sich um eine Mitochondriopathie, die aber nukleär vererbt wird. Dadurch wird das normalerweise bestehende Gleichgewicht zwischen Fusion und Fission des mitochondrialen Netzes beeinträchtigt. Mfn2 reguliert die Substratoxidation über das OXPHOS-System [161]. Klinik. Sehr schwere Verläufe mit Beginn im frühen Kindesalter und langsame Verläufe mit Beginn im Erwachsenenalter kommen vor, z. T. mit Optikusatrophie, Tremor und Parkinsonismus [7]. Typisch sind distaler Sensibilitätsverlust, distale Schwäche und Muskelatrophie, Pes cavus und Skoliose, wobei die Nervenleitungsgeschwindigkeit relativ gut erhalten bleibt („axonaler Typ“). Etwa 25% der Fälle mit MFN2-Mutationen sind asymptomatisch und haben eine normale NLG [116]. Morphologie. Je nach Beginn der Erkrankung ist die Zahl der markhaltigen Nervenfasern unterschiedlich stark reduziert. Bei frühem Beginn im Kindesalter ist das bei axonalen Neuropathien häufige Nebeneinander von
Diese autosomal dominante Neuropathie ist auf Mutationen im RAB7-Gen zurückzuführen (s. Tabelle 23.1). Dabei können evtl. ausschließlich ulzeromutilierende Veränderungen ohne motorische Symptome vorhanden sein [84]. CMT2C
Mutationen im Kationen-Kanal-Gen TRPV4 („transient receptor potential vanalloid 4“) auf Chromosom 12q23q24 (s. Tabelle 23.1) verursachen ein vielfältiges Spektrum von Neuropathien [252]: die hereditäre motorischsensorische Neuropathie vom Typ 2C, eine skapuloperoneale spinale Muskelatrophie und eine kongenitale distale spinale Muskelatrophie. CMT2D
Diese autosomal-dominante Neuropathie ist auf Mutationen im GARS-Gen zurückzuführen (s. Tabelle 23.1). CMT2E
Histopathologisch kommen teils überwiegend axonale, teils deutlich demyelinisierende Formen vor [256], obwohl das verantwortliche NEFL-Gen ein axonales Protein kodiert (Tabelle 23.1). Vereinzelt sind Riesenaxone beobachtet worden [64].
622
23
Kapitel 23
Hereditäre Neuropathien
a
b
c
d
e
f
Abb. 23.6 a Neuroaxonale Dystrophie bei einem 3-jährigen türkischen Jungen mit nur wenigen, lichtmikroskopisch erkennbar dystrophischen Axonen und vielen relativ dünnen Markscheiden. Die Zahl der Nervenfasern ist nicht wesentlich reduziert. b Riesenaxonneuropathie bei einem 11 Monate alten türkischen Mädchen mit extrem aufgetriebenen Axonen, die von abnormen Neurofilamenten ausgefüllt sind. Die Markscheiden um einige derartige Axone fehlen oder sind stark verdünnt. c Tomakulöse Neuropathie (hereditäre Neuropathie mit Neigungen zur Drucklähmung = „pressure palsies“; HNPP) bei einer 48-jährigen Frau, wobei nur eine einzelne Nervenfaser eine typische tomakulöse Nervenfaser mit 3facher Markscheidendicke aufgrund einer Intussuszeption der Markscheide aufweist, während die meisten anderen Nervenfasern weitgehend unauffällig erscheinen, von einzelnen unverhältnismäßig dünn myelinisierten
Axonen abgesehen. d Autosomal-rezessiv erbliche schwere Hypo-/ Hypermyelinisationsneuropathie bei einem 11-jährigen Jungen. Die Zahl der Nervenfasern ist stark reduziert. Die erhaltenen Nervenfasern weisen vielfach ausgeprägte Markschlingen auf; andere Nervenfasern sind demyelinisiert oder zu dünn remyelinisiert (a–d Toluidinblau). e Guillain-Barré-Syndrom (GBS) bei einem 33-jährigen Mann nach aktiver Hepatitis-B-Schutzimpfung. Reaktion mit Antikörpern gegen T-Lymphozyten. f Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) bei einem 51-jährigen Mann. Nebeneinander finden sich teils unverhältnismäßig dünn remyelinisierte, isoliert liegende große Axone mit angedeuteten Zwiebelschalenformationen, teils kleine Gruppen mit regenerierten Nervenfasern, die eng zusammen liegen. Insgesamt ist die Zahl der markhaltigen Nervenfasern erheblich reduziert
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
623
CMT2F
CMTDIA
Diese autosomal-dominante Neuropathie vom axonalen Typ ist allelisch zur distalen motorischen Neuropathie und auf Mutationen im HSPB1 zurückzuführen (s. Tabelle 23.1).
Diesem Typ (s. Tabelle 23.1) ist zwar ein Genlokus, aber noch kein Gen zugeordnet.
CMT2G und CMT2H
Diese autosomal-dominant erblichen Neuropathien sind auf Mutationen in noch unbekannten Genen zurückzuführen, deren Genloci aber schon bekannt sind (s. Tabelle 23.1). CMT2I
Histopathologisch sind teils demyelinisierende (CMT1B; s. dort), teils überwiegend axonale Formen (CMT2I) zu beobachten, die allelisch zueinander sind (Tabelle 23.1); auch allelische intermediäre Formen kommen vor (CMTID; s. dort) [202]. CMT2J
Diese ist zusätzlich zu den übrigen Veränderungen mit Hörverlust und pupillären Anomalien verbunden (s. Tabelle 23.1). CMT2K
Die axonale Variante dieser autosomal-dominanten Neuropathie ist allelisch zur autosomal rezessiven, homozygoten CMT4A (s. dort) und wie diese auf Mutationen im GDAP1 („ganglioside-induced differentiationassociated protein 1“-)Gen zurückzuführen; bei letzterer ist eine intermediäre, teils axonale, teils demyelinisierende Form (CMTID) abzugrenzen [198].
CMTDIB
Diesem intermediären Typ einer peripheren Neuropathie liegt eine Mutation des DNM2-Gens zugrunde, das Dynamin 2 kodiert [254]. Auch eine axonale neonatale Variante, ebenfalls bei Mutationen in der dem Pleckstrin homologen Domäne des Proteins, kommt vor. Die Krankheit ist allelisch zu einer bestimmten Form der dominanten zentronukleären Myopathie (CNM; s. dort). Die Muskelschwäche ist evtl. kombiniert mit bilateraler Ptose und Ophthalmoplegie, manchmal auch mit bilateralem Katarakt bei neonatalem Beginn [18, 97]. Bei einigen Fällen dominiert die myopathische, in anderen Fällen die neuropathische Symptomatik, ohne dass bei Letzterer Zeichen einer Myopathie vorlägen, von einzelnen angulär-atrophischen (neurogenen?) Muskelfasern abgesehen [19]. Differentialdiagnose. Eine komplexe, autosomal-rezessiv erbliche Neuropathie, kombiniert mit kongenitalen Katarakten und fazialer Dysmorphie (CCFDN), ist auf Mutationen im CTDP1-Gen zurückzuführen (Tabelle 23.1). Zugrunde liegt ein demyelinisierender Pathomechanismus, der sowohl peripheres als auch zentrales Myelin betrifft [38]. CMTDIC
Dieser peripheren Neuropathie liegen Mutationen im YARS-Gen zugrunde, das eine Tyrosyl-tRNA-Synthetase kodiert (Tabelle 23.1).
CMT2L
Diese autosomal-dominante Neuropathie vom axonalen Typ ist allelisch zur distalen motorischen Neuropathie und auf Mutationen im HSPB8-Gen zurückzuführen (s. Tabelle 23.1).
CMTDID
HMSN P
Weitere CMTID-Formen
Dieser autosomal dominante, axonale Okinawa-Typ einer Neuropathie basiert auf Mutationen in einem noch nicht bekannten Gen auf Chromosom 3q13 (s. Tabelle 23.1).
Im Übrigen gibt es noch andere periphere Neuropathien, die einen intermediären Typ aufweisen können, die aber noch keine spezielle Zuordnung in den Datenbanken erhalten haben. Dazu gehören z. B. bestimmte Fälle, die durch Mutationen im NEFL-Gen verursacht und allelisch zur CMT1F sind [256], sowie Fälle, die auf Mutationen im GDAP1-Gen zurückzuführen und allelisch zur CMT2K bzw. CMT4A sind (s. dort). Auch Mutationen im Cx32 können einen teils axonalen, teils demyelinisierenden Typ einer Neuropathie verursachen, obwohl das Connexin-32-Protein an den Kontaktstellen der Markscheiden lokalisiert ist und eine primär demyelinisierende Form der Neuropathie vermuten lassen würde [197, 201].
Autosomal-dominante, intermediäre Formen einer CMT-Neuropathie (CMTDI = DI-CMT) Diese Gruppe peripherer Neuropathien ist dominant erblich und stellt nach elektrophysiologischen und morphologischen Gesichtspunkten einen intermediären, teils axonalen, teils demyelinisierende Typ dar (NLG um 38 m/s).
Diese Form ist auf Mutationen im MPZ-Gen zurückzuführen [202] und allelisch zu CMT1B, CMT4E, CMT2I, CMT2J und DSS (s. dort und Tabelle 23.1).
624
Kapitel 23
CMT3 = HMSN III, Dejerine-Sottas-Syndrome (DSS) Die anfänglich als autosomal-rezessiv erblich angesehene, demyelinisierende, hypertrophische, Form der hereditären motorischen und sensorischen Neuropathie ist heterogen, wird aber manchmal immer noch als DejerineSottas-Syndrom (DSS) bezeichnet [153]. In diesen Rahmen gehören auch Fälle mit kongenitaler Hypomyelinisationsneuropathie (CH) [78], die ebenfalls heterogen sind. Durch molekulargenetische Untersuchungen ist klar geworden, dass sowohl das DSS als auch die CH auf Punktmutationen in verschiedenen Genen beruhen können: • MPZ (Abb. 23.6c,d) [241], • EGR-2-(„early growth response 2“-) (= Krox 20) [242], • PMP22 [50] und in • PRX [213]. Allerdings können Mutationen im MPZ- und PMP22Gen, wie bereits oben ausgeführt, noch zu ganz anderen Phänotypen führen (Tabelle 23.1). Klinik. Im Vordergrund steht eine sensomotorische Neuropathie, die oft mit einer Ataxie und Skelettdeformitäten und bei der DSS mit evtl. tastbar verdickten peripheren Nerven verbunden ist. Diese Krankheitsform verläuft rascher als die CMT1, die Nervenleitungsgeschwindigkeit ist stark reduziert.
23
Morphologie. Nervenbiopsien ergeben beim DSS vielfach abnorm dünne oder fehlende Markscheiden, wobei Fasern sämtlicher Durchmesser betroffen sind (s. Abb. 23.4a–d). Die Demyelinisation führt regelmäßig zu einer Schrumpfung der Axondurchmesser. Um die zu dünn oder noch nicht remyelinisierten Axone sind Schwann-Zellen zwiebelschalenförmig in einzelnen oder mehreren Schichten angeordnet. Dazwischen liegen Kollagenfibrillen, die den Hauptanteil der Hypertrophie der Nerven bewirken. Da weniger das Parenchym der Nerven selbst als das Bindegewebe vermehrt ist, handelt es sich nicht um eine echte Hypertrophie, sondern eher um eine Pseudohypertrophie. Fälle mit einer kongenitalen Hypomyelinisationsneuropathie zeigen vielfach Basallamina-Zwiebelschalenformationen, die aus einzelnen oder mehreren Schichten von Basallaminae bestehen [78] und offensichtlich darauf zurückzuführen sind, dass die Schwann-ZellFortsätze in den anfänglich durch wiederholte Demyelinisation und Remyelinisation regulär gebildeten Zwiebelschalenformationen degenerieren. Es handelt sich dann um besonders schwere Erkrankungsformen der Schwann-Zellen.
Hereditäre Neuropathien
Kongenitale Amyelinisation (Shah-Waardenburg-Syndrom) Dieses Syndrom ist auf SOX10-Mutationen zurückzuführen [89, 90, 162, 163]. Eine besondere Variante wird „PCWH“ genannt [233] und umfasst eine periphere demyelinisierende Neuropathie, eine zentrale dysmyelinisierende Leukoenzephalopathie, eine sensorineuraler Taubheit aufgrund einer Aplasie des N. cochlearis [9] sowie eine abnorme Melanozytenmigration (WaardenburgSyndrom) und eine Aganglionose des Rektosigmoids (Hirschsprung-Krankheit) [155a]. Morphologie. Charakteristisch ist das fast vollständige Fehlen von Markscheiden (Amyelinisation) im peripheren Nerven, trotz einer pro Areal annähernd normalen Zahl von Schwann-Zellen, und eine ausgeprägte Dysmyelinisation im ZNS [89], ähnlich wie es vorher bei Fällen mit Amyelinisation nur im peripheren Nervensystem [32, 155] oder mit einem Fehlen der Markscheiden sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem bei Arthrogryposis multiplex congenita beschrieben worden ist [187]. Pathogenese. Die Amyelinisation im peripheren Nerven ist offensichtlich auf eine Insuffizienz der SchwannZellen zurückzuführen, wobei relativ große Axone mit einem Durchmesser deutlich über 1 μm (bis etwa 3 μm) und unverhältnismäßig vielen Neurofilamenten pro Querschnitt in einer 1:1-Relation zu den Schwann-Zellen stehen und somit als Prämyelinfasern anzusehen sind, deren Myelinisierung jedoch ausgeblieben ist. Diese Form der Amyelinisation ist zu unterscheiden von einer Neuropathie, bei der die Neurone fehlen, die normalerweise eine Markscheidenbildung induzieren würden. In beiden Situationen erscheinen die primär marklosen Axone (Remak-Fasern) bemerkenswert gut erhalten, allerdings zahlenmäßig reduziert. Aufgrund des Fehlens der Markscheiden und der Reduktion der Zahl der Nervenfasern insgesamt ist die Größe, wenn auch nicht die Zahl der Nervenfaszikel stark reduziert, so dass der N. suralis mit einem Durchmesser um 0,5 mm (normal: ca. 1–2 mm) als solcher makroskopisch kaum noch zu erkennen ist. Ätiologie. Die Anomalien der Melanozytenmigration, der Schwann-Zellen und der Neurone beim ShahWaardenburg-Syndrom lassen sich, wie bereits erwähnt, auf eine Anlagestörung der Neuralleiste aufgrund von SOX10-Mutationen zurückführen [90, 233].
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
CMT4, autosomal-rezessiv (AR-CMT)
625
geweih-förmig“), vermutlich aufgrund einer besonderen Art von Atrophie.
CMT4A
CMT4D = HMSN L
Diese ist allelisch zur CMT2K, die durch heterozygote Mutationen im GDAP1-Gen bedingt ist. Die Veränderungen sind bei Homozygotie in der Regel stärker ausgeprägt als bei Heterozygotie und dominantem Erbgang (s. oben: CMT2K und Tabelle 23.1). Das entsprechende Protein ist in der Membran der Mitochondrien lokalisiert. Somit handelt sich um eine Mitochondriopathie, die aber, ähnlich wie bei der CMT2A, die auf Mutationen im Mitofusin2-Gen zurückzuführen ist, nukleär, also nicht durch mitochondriale DNA kodiert wird.
Diese schwere, ebenfalls autosomal-rezessiv erbliche, überwiegend demyelinisierende Neuropathie ist erstmalig bei Zigeunern in der Bulgarischen Stadt Lom (HMSN L) festgestellt worden. Sie beruht auf Mutationen im „N-myc downstream regulated gene 1“ (NDRG1) auf Chromosom 8 [5, 98, 99]. Histopathologisch stehen demyelinisierende Veränderungen und Basallamin-Zwiebelschalenformationen zusammen mit Nervenfaserausfällen im Vordergrund. CMT4E
CMT4B1
Diese als CMT4B1 bezeichnete, autosomal-rezessiv erbliche motorische und sensorische Neuropathie ist auf Mutationen im „myotubularin-related-protein-2“-Gen (MTMR2) auf Chromosom 11 zurückzuführen [20]. Sie ist von der CMT4B2 abzugrenzen, die auf Mutationen im MTMR13-Gen zurückzuführen ist (s. unten), wobei allerdings das klinische und das histopathologische Bild ähnlich sind. Morphologie. Neben Nervenfasern mit unverhältnismäßig dünnen Markscheiden und demyelinisierten Nervenfasern kommen auch Nervenfasern mit ausgedehnten Markschlingen vor, die das Niveau der Nervenfaserkontur überragen. Diese Neuropathie wurde daher auch als „kongenitale Hypo- und Hypermyelinisationsneuropathie (HMSN IVb)“ bezeichnet [227]; sie ist mit exzessiver (hypertrophischer) Markschlingenbildung verbunden [149]. Zwiebelschalenformationen sind dabei ebenfalls nachweisbar. Im Unterschied zur tomakulösen Neuropathie sind die Markscheiden jedoch nicht rings um das Axon herum verdickt, sondern in Form von Markschlingen ein- oder mehrseitig, auswärts oder einwärts vorgewölbt; doch gibt es offensichtlich Zwischenformen [68].
Diese überwiegende demyelinisierende Variante einer Neuropathie ist allelisch zu CMT1B (s. dort). CMT4F
Dieser schweren Neuropathie liegen Mutationen im Periaxin-(PRX-)Gen zugrunde. Histopathologisch stehen demyelinisierende Veränderungen mit BasallaminaZwiebelschalenformationen, vermehrte Markschlingen und vereinzelt auch tomakulöse Markscheiden im Vordergrund. Die transversalen Bänder zwischen Axon und terminalen Markscheidenlamellen sind offenbar primär betroffen. Besonders bemerkenswert ist, dass bei dieser Neuropathie mit Antikörpern gegen die defekten Abschnitte des Periaxins erstmalig bei einer Neuropathie vom CMT-Typ immunhistochemisch eine spezifische Diagnose gestellt werden konnte, nämlich durch den Nachweis eines partiellen Defekts des in den Markscheiden lokalisierte Periaxins [213]. CMT4G (Russischer Typ)
Diese Neuropathie ist dem Chromosomenort 10q22 zugeordnet, doch ist das zugehörige Gen noch nicht identifiziert (s. Tabelle 23.1). CMT4H
CMT4B2
Diese ist, wie bereit oben erwähnt, auf Mutationen im „Myotubularin-related-protein 13“ (MTMR13-[=SBF])Gen zurückzuführen [200] und histopathologisch ebenfalls mit ausgeprägten Markschlingen im Sinne einer Hyperplasie der Markscheiden verbunden (s. oben).
Diese Neuropathie ist auf Mutationen im Fabrin-Gen (FGD4) zurückzuführen (s. Tabelle 23.1). CMT4J
Diese Neuropathie beruht auf Mutationen im FIG4(KIAA0274-)Gen (s. Tabelle 23.1).
CMT4C
CMT4 bei Merosin-Mangel (MDC1A)
Diese ist unter den autosomal-rezessiv erblichen Neuropathien besonders häufig und kann sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Sie beruht auf Mutationen im KIAA1985 (= SH3TC2-)Gen [199]. Histopathologisch dominieren Ausfälle von Nervenfasern und demyelinisierende Veränderungen mit sog. Basallamina-Zwiebelschalenformationen. Die Schwann-Zellen der übrig gebliebenen marklosen Axone sind auffällig dünn („Hirsch-
Bei der kongenitalen Muskeldystrophie vom Typ MDC1A aufgrund von Mutationen im LAMA2-Gen (Laminin-α2-Kette des Merosins = Laminin 2) (s. dort) besteht gleichzeitig eine Neuropathie vom Hypo-/Hypermyelinisationstyp. Diese Form der Neuropathie wurde vorübergehend auch als CMT4F klassifiziert und wird vor allem unter den in Tiermodellen ausführlich untersuchten Laminin-Erkrankungen aufgeführt [65].
626
Kapitel 23
Als HMSN V wurde die Kombination einer peripheren Neuropathie vom Charcot-Marie-Tooth-Typ in Kombination mit einer spastischen Spinalparese bezeichnet [57]. Doch kommen manchmal schon bei der CMT2 elektrophysiologisch fassbare Symptome vonseiten der Pyramidenbahn vor [37]. Im N. suralis waren dabei vor allem die großen markhaltigen Nervenfasern ausgefallen mit wenigen oder stark ausgeprägten Zwiebelschalenformationen [72]. Periphere Neuropathie mit Agenesie des Corpus callosum (ACCPN)
Diese auch als Charlevoix-Krankheit bezeichnete, komplexe, autosomal-rezessive Neuropathie ist auf Mutationen im SLC12A6-Gen zurückzuführen (s. Tabelle 23.1).
CMTX = HMSN X X-chromosomal erbliche Neuropathien kommen in einer dominanten und mehreren rezessiv erblichen Formen vor. CMTX1 = HMSN X1
Bei der X-chromosomal dominanten HMSN (HMSN X1) aufgrund von Mutationen des GJB1-Gens (s. Tabelle 23.1) ähneln die klinischen Aspekte denen der CMT1, doch sind überwiegend Männer betroffen, nicht aber deren Söhne. Konduktorinnen weisen in der Regel nur geringe oder subklinische Erkrankungsformen auf. Ein Tremor im Sinne des Roussy-Levy-Syndroms und Hörstörungen können damit ebenfalls verbunden sein. Mehr als 300 genomische Varianten des GJB1-Gens sind inzwischen bekannt [118], wobei allelische Varianten in der kodierenden Region von Cx32 ein diagnostisches Problem sein können [15].
23
Morphologie. Nervenbiopsien ergeben einen Verlust sowohl an markhaltigen als auch an marklosen Axonen, Bündel regenerierter Nervenfasern und eine weniger stark ausgeprägte De- und Remyelinisation mit auffällig vielen großen Axonen, die unverhältnismäßig dünn myelinisiert sind (Literatur s. [79, 201]). Unklar ist, weshalb das Markscheidenprotein Connexin 32 betreffende Mutationen auch eine intermediäre oder überwiegend axonale Form der Neuropathie verursachen kann. Bei einem Mausmodell gehen axonale Veränderungen (Verminderung der Axondurchmesser, Vermehrung von Neurofilamenten mit distaler Verlangsamung des axonalen Transports) den demyelinisierenden voraus [232]. CMTX2-5
Auch X-chromosomal-rezessiv erbliche Formen der CMTX kommen vor (CMTX2-5) [91] (s. Tabelle 23.1). In einer zufälligen, besonders unglücklichen Kombinati-
Hereditäre Neuropathien
on war die X-chromosomale Neuropathie mit der Xchromosomalen Becker-Form der Muskeldystrophie kombiniert („Double trouble“) [14]. Weitere HMSN-Formen
Noch immer werden, wenn auch in abnehmender Zahl, neue Genloci oder Gene mit pathogenen Mutationen und deren Pathomechanismen entdeckt, die zu peripheren Neuropathien führen. Morphologische Untersuchungsergebnisse stehen manchmal noch aus früheren Zeiten zur Verfügung, als Biopsien eine wichtigere Methode zur Aufklärung der Ätiologie gewesen waren als die heute verfügbaren molekulargenetischen Methoden. Das gilt z. B. für eine Neuropathie mit dysplastischen Perineuralzellen, Katarakt und mentaler Retardierung [193, 218], die vermutlich autosomal-rezessiv vererbt wird und immunhistochemisch durch die EMA-Reaktion und elektronenmikroskopisch durch bizarr geformte Perineuralzellen zu diagnostizieren ist. Eine andere Neuropathie ist durch eigentümliche osmiophile membrangebundene zytoplasmatische Einschlüsse in Schwann-Zellen gekennzeichnet [195]. Auch die eingangs erwähnte autosomal-rezessive Neuropathie mit entwicklungsbedingtem Fehlen großer markhaltiger Nervenfasern, mentaler Retardierung, Taubheit und Epilepsie [139] ist bisher erst morphologisch definiert. Die molekulargenetische Zuordnung steht noch aus. Im Übrigen gibt es eine große Zahl erblicher Krankheiten, bei denen eine periphere motorisch-sensorische Neuropathie manchmal oder regelmäßig als komplizierender Nebenbefund vorkommt, so die CMT2B1 bei den Muskeldystrophien vom Typ EDMD2 oder LGMD1B aufgrund von LMNA-Mutationen mit Lamin-A/C-Mangel; bei der kongenitalen Muskeldystrophie aufgrund LAMA2-Mutationen mit Merosin-(= Laminin-alpha2-) Mangel, bei der myotonischen Dystrophie [52] oder der okulopharyngealen Muskeldystrophie bzw. bei bestimmten distalen und anderen Myopathien.
Hereditäre sensorische und autonome Neuropathien (HSAN) Seltene hereditäre Neuropathien, sämtlich vom axonalen/ neuronalen Typ, bei denen ausschließlich oder überwiegend das sensorische und/oder autonome System, nicht aber oder kaum das motorische Neuronensystem betroffen ist, werden dieser ebenfalls heterogenen Krankheitsgruppe zugerechnet. Bisher sind zwei Gene für autosomal-dominant erbliche Formen (SPTL1, RAB7) und fünf Gene für autosomal-rezessiv erbliche Formen (WNK1/ HSAN2, NTRK1, NGFB, CCT5 und IKBKAP) identifiziert worden, wobei aber erst 19% der Patienten in dieser Krankheitsgruppe einer bestimmten Mutation zugeord-
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
net werden konnten [173]. Sie sind zu unterscheiden von akuten Formen der sensorischen Neuropathie [247], die nicht hereditär, sondern in der Regel immunologisch, angiopathisch oder toxisch bedingt sind. Das gilt insbesondere für die akute Pandysautonomie, die eine Sonderform des Guillain-Barré-Syndroms darstellt (s. unten). Einige kongenitale Formen der HSAN beruhen offensichtlich auf Entwicklungsstörungen markloser (HSAN 4 und 5; s. unten) und/oder markhaltiger Nervenfasern. Klinisch im Vordergrund stehen Störungen der Schmerz- und Temperaturempfindung sowie vegetativer Funktionen (Schweißbildung, Hautrötung, Darmfunktionen u. a.). Bei der Entstehung von Schmerzen spielt der Capsaicin-Rezeptor (TRPV1) eine besondere Rolle. TRPV1 ist ein von den Liganden geregelter, nichtselektiver Kationenkanal, der außer durch Capsaicin durch Hitze oberhalb der Schadensschwelle, Säuerung des Gewebes und endogene Lipidsignalmoleküle wie Endocannabinoid-Anandamid- und Lipoxygenaseprodukte aktiviert wird [115]. TRPV1 ist von entscheidender Bedeutung für bestimmte Schmerzmodalitäten, speziell für den neuropathischen Schmerz, wobei die marklosen C-Fasern und die zugehörigen Nozizeptorzellen in den Spinalganglien für die Schmerzempfindung zuständig sind und immunhistochemisch quantifiziert werden können. Sensibilitätsausfälle, Parästhesien und neuropathische Schmerzen lassen sich mit besonderen klinischen Tests quantifizieren [206], wobei z. B. die Schwelle der Berührungsempfindlichkeit individuell variiert und beispielsweise bei gesunden Indern durchschnittlich höher liegt [94].
627
Morphologie. Suralnervenbiopsien haben einen Verlust an Axonen ohne wesentliche Anzeichen einer segmentalen Demyelinisation ergeben. Marklose und kleine markhaltige Nervenfasern sind stärker betroffen als große Fasern bei distaler Akzentuierung in den Gliedmaßen. Die Spinalganglienzellen fallen progressiv aus [51], wobei auch die Nervenfasern, die in das Rückenmark eindringen, insbesondere im Lissauer-Trakt, vermindert sind. Manchmal besteht nur ein Burning-feet-Syndrom [62, 211]. Dabei sind Nervenfaserausfälle und im Einzelfall sogar entzündliche Infiltrate im (rein sensorischen) Suralnerven nachweisbar [184]. Differentialdiagnose. Neuropathien mit einem bevorzugten Ausfall kleiner Nervenfasern (A-Delta- und C-Fasern; „small fiber neuropathy“) gibt es in einer distal akzentuierten und in einer „nichtlängenabhängigen Variante“. Letztere wird als Ganglioneuropathie oder Neuronopathie interpretiert und tritt beim Sjögren-Syndrom, bei rheumatoider Arthritis, Hepatitis-C-Virus-Infektion, M. Crohn, beeinträchtigter Glukosetoleranz und idiopathisch auf. Die distal akzentuierte Variante tritt eher bei gestörtem Glukosemetabolismus und älteren Patienten auf [71]. Klinisch dominieren in beiden Fällen brennende Schmerzen. Juckreiz und Allodynien nach leichter Berührung kommen eher bei der nichtlängenabhängigen Variante vor. Neuropathien mit bevorzugtem Befall der kleinen Nervenfasern werden heute vielfach durch Hautbiopsien verifiziert [35, 43, 83, 102, 129, 130] (siehe auch HSAN 3).
HSAN 2 HSAN 1 Die autosomal-dominante hereditäre sensorische und autonome Neuropathie vom Typ 1 (HSAN 1; Synonym: Thévenard-Syndrom) wurde ursprünglich als hereditäre sensorische radikuläre Neuropathie beschrieben [51]. Sie ist dominant erblich und auf Mutationen im SPTLC1-(Serin-Palmitoyl-Transferase-Long-Chain, Subunit-1-) Gen auf Chromosom 9q22.1-22.3 zurückzuführen [11, 47, 142]. Mutationen im SPTLC2-Gen (Homodimer) ließen sich bei mehreren Familien ausschließen [46]. Klinik. Die Symptome beginnen in der 2., 3. oder 4. Lebensdekade mit Sensibilitätsverlust, insbesondere gegenüber Schmerzen und Temperaturen, wobei anfänglich die distalen unteren Gliedmaßenanteile und erst später die oberen betroffen werden. Spontanschmerz kann als lästiges Symptom auftreten, und neuropathische Ulzerationen und Atrophien können folgen. Eine geringe distale Muskelschwäche und -atrophie ist oft nachweisbar. Außerdem besteht eine distale Anhidrose in den Gliedmaßen, aber die autonomen Funktionen sind sonst erhalten.
Diese hereditäre sensorische und autonome Neuropathie (HSAN2) tritt kongenital auf, ist autosomal-rezessiv erblich und auf Mutationen im nervensystemspezifischen Exon des WNK1/HSN2-(with-no-lysine(K)-1-) Gens [203] zurückzuführen. Es besteht ein Sensibilitätsverlust für alle Modalitäten. Die Krankheit ist langsam progredient und führt zu distalen Mutilationen. Autonome Funktionsstörungen bestehen in einer Anhidrose und in gustatorischem Gesichtsschwitzen. Morphologie. Die Suralisnervenbiopsie ergibt eine ausgeprägte Faszikelatrophie mit hochgradigem Ausfall an markhaltigen Nervenfasern aller Größen bei relativer Erhaltung der marklosen Axone (s. Abb. 23.3i) [146, 150]. Große vakuolisierte Fibroblasten können im Endoneurium auffallen [4]; doch kommen sie nicht nur bei dieser Erkrankung vor. Ein Fall mit subtotaler Aplasie sämtlicher markhaltiger Nervenfasern im N. suralis [190] gehört wahrscheinlich in diese Kategorie. Pathogenese. Eine Transplantation der Nervenfaszikel von Patienten mit HSAN 2 in den N. ischiadicus von
628
Kapitel 23
Mäusen ergab eine normale Myelinisation der regenerierenden Axone durch die Schwann-Zellen des Patienten [59]. Demnach ist das Fehlen markhaltiger Axone bei den Patienten mit dieser Erkrankung wahrscheinlich auf einen Defekt in der Entwicklung von Axonen oder auf eine axonale Degeneration in utero zurückzuführen und nicht auf eine Störung der Funktion der Schwann-Zellen.
HSAN 3 Die hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ 3 (HSAN 3; Synonyme: Riley-Day-Syndrom, familiäre Dysautonomie) ist auf Mutationen im Gen für den Inhibitor des dem Kappa-B-Kinase-Komplex assoziierten Proteins (IKBKAP) zurückzuführen (s. Tabelle 23.1), wird ebenfalls rezessiv vererbt und tritt kongenital auf, am häufigsten unter Ashkenasi-Juden. Klinik. Bereits während der Kindheit bestehen Schwierigkeiten beim Füttern. Es kommt zu wiederholtem Erbrechen und zu Lungeninfektionen bei einer Reihe autonomer Funktionsstörungen wie verminderter Tränenbildung, gestörter Temperaturregulation, episodischer Hypertension, lageabhängiger Hypotension sowie Hautfleckung und exzessivem Schwitzen bei emotionaler Erregung. Die Sehnenreflexe sind erloschen und ein Verlust der Schmerzempfindlichkeit besteht von Geburt an. Die fungiformen Papillen der Zunge entwickeln sich nicht. Eine Kyphoskoliose kann vorhanden sein. Die sensorischen Modalitäten der großen Nervenfasern sind erst bei älteren Patienten betroffen.
23
Morphologie. Es besteht eine Aplasie der kleinen sensorischen und autonomen Neurone, wobei das sympathische System stärker betroffen ist als das parasympathische; doch fallen auch postnatal noch Neurone aus. Biopsien der sensorischen Nerven haben eine entsprechende Aplasie bzw. einen Ausfall der kleinen marklosen und markhaltigen Axone mit einem nur geringen Verlust an großen markhaltigen Nervenfasern ergeben [1, 185]. Die Zahl der Neurone ist auch im Lissauer-Trakt reduziert [158]. Die sympathischen Ganglien enthalten weniger Neurone, während die präganglionären Neurone im Rückenmark kaum betroffen sind. Die parasympathischen Ganglien sind in unterschiedlichem Ausmaß betroffen [157]. Die kleinen Vorderhornzellen im Rückenmark können ebenfalls reduziert sein [58].
HSAN 4 Die hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ 4 (kongenitale sensorische Neuropathie mit Anhi-
Hereditäre Neuropathien
drose) ist ebenfalls autosomal-rezessiv erblich und auf Mutationen im N-Tyrosin-Kinase-Rezeptor-1-(NTRK1-) Gen auf Chromosom 1 zurückzuführen [77, 126]. Es ist eine seltene Krankheit, die sich bereits wenige Monate nach der Geburt durch einen Verlust des Antriebs, verminderte motorische Entwicklung und unerklärliche Fieberanfälle (Hyperthermie) zu erkennen gibt. Die Kinder reagieren nicht normal auf schmerzhafte Reize. Hautulzerationen, Knochenfrakturen und Selbstverstümmelungen mit der Komplikation einer Osteoarthritis können auftreten. Verminderte Sehnenreflexe und ein ausgeprägter Verlust der Schmerz- und Temperaturempfindung sowie in geringerem Ausmaß auch der Berührungsempfindlichkeit sind nachweisbar. Die Schweißbildung fehlt oder ist stark reduziert, kann aber auch normal sein [85]. Eine kognitive Beeinträchtigung und aggressives Verhalten können ebenfalls vorkommen. Vereinzelt ist auch einmal ein Beginn im Erwachsenenalter mit schmerzhafter Charcot-Arthropathie beschrieben worden [246]. Morphologie. Die kleinen Ganglienzellen in den Spinalganglien und die dünnen Fasern in den Hinterwurzeln sowie im Lissauer-Trakt fehlen. Die spinale Bahn des N. trigeminus ist schmächtig. In den peripheren sensorischen Nerven fehlen die marklosen Nervenfasern fast vollständig [74, 235].
HSAN 5 Die hereditäre sensorische Neuropathie Typ V beruht auf Mutationen im NGFB-(Nervenwachstums-FaktorBeta-)Gen [134], wobei Mutationen im spannungsabhängigen Natriumkanal Nav1.7 in den sympathischen Ganglien und Nozizeptoren nachgewiesen werden konnten [44]. Hierher gehören Fälle mit kongenitaler sensorischer Neuropathie und selektivem Verlust der kleinen markhaltigen Nervenfasern. Diese waren gekennzeichnet durch ausgedehntes oder generalisiertes Fehlen von Antworten auf schmerzhafte Reize, wiesen sonst aber keine klinischen Anzeichen für eine Neuropathie auf. Sie wurden als Patienten mit kongenitaler Indifferenz gegenüber Schmerzen oder Asymbolie für Schmerzen bezeichnet. Bei einem der Fälle war eine starke Verminderung der Zahl von Aδ-Fasern und eine geringe Reduktion der C-Fasern im N. suralis festzustellen [62]. Außerdem waren sudomotorische Funktionsstörungen zu beobachten. Ähnliche Fälle sind von anderen beschrieben worden [53, 121]. Das Erhaltenbleiben der großkalibrigen sensorischen Fasern passt dazu, dass die sensorischen Nervenaktionspotentiale, sofern man sie mit den üblichen Techniken bestimmt, normal sind.
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
HSAN mit spastischer Paraplegie Diese mutilierende sensorische Neuropathie ist mit einer spastischen Paraplegie verbunden, autosomal-dominant oder -rezessiv erblich und auf Mutationen im Cct5-(zytosolischen Chaperonin-containing t-complex peptide-1-) Gen zurückzuführen [22, 173].
X-chromosomal-rezessive sensorische Neuropathie Diese Form ist bisher bei 5 Mitgliedern einer Familie mit neuropathischen Deformierungen und Ulzerationen an den Füßen beschrieben worden [96]. Die Abgrenzung komplexer Formen X-chromosomal erblicher weiterer Syndrome ist dabei zu berücksichtigen (Literatur s. [67]).
Weitere hereditäre Krankheiten mit Störungen des autonomen Nervensystems Störungen des autonomen (vegetativen) Nervensystems gibt es bei verschiedenen komplexen Syndromen. Fehlregulationen der Orthostase kommen z. B. vor als Nebenlokalisation von Symptomen bei der infantilen hypertrophischen Pylorusstenose [188]. Gastrointestinale Störungen mit Defäkationsproblemen treten auf beim Hirschsprungund Walker-Warburg-Syndrom sowie bei mindestens 18 weiteren primären oder sekundären Neuropathien des autonomen Systems und 23 gastrointestinalen Myopathien [105], dabei ist das Shah-Waardenburg-Syndrom durch einen besonders komplizierten und schweren Phänotyp gekennzeichnet, der auf Mutationen im SOX10-Gen zurückzuführen ist (s. oben, kongenitale Amyelinisation). Okuläre Funktionsstörungen gibt es beim Adie-Syndrom; Schmerzu. a. Symptome bei der reflexsympathetischen Dystrophie (RSD; Morbus Sudeck) etc. Details sind der Spezialliteratur zu entnehmen (z. B. [184]). Bei familiären und sporadischen Formen der ParkinsonKrankheit, z. B. als Folge einer SNCA-Duplikation, und bei Patienten mit Lewy-Körpern, Parkinsonismus und Demenz, kommt es zu schweren Ausfällen der Sympathikusfasern in epikardialen Nerven und im Myokard, wobei einzelne erhaltene Axone α-Synukleineinschlüsse aufweisen, diese Einschlüsse aber in den besser erhaltenen sympathischen Ganglien noch reichlicher vorhanden sind [151]. Ebenfalls betroffen sind der Meissner- und Auerbach-Plexus myentericus [23]. Auch die multiple Systematrophie (MAS) und die pure autonome Funktionsstörung (PAF) sind α-Synukleinopathien, bei denen das autonome Nervensystem mehr oder weniger stark mitbetroffen ist [238] (s. dort). Im N. suralis waren bei der MAS 23% der marklosen Nervenfasern (affe-
629
rente sensorische und postganglionäre sympathische Fasern) ausgefallen, allerdings ohne nachweisbare Vermehrung von α-Synuklein in den Schwann-Zellen [101], bei der PAF sogar mehr als 40% [100]. Bei der amyotrophischen Lateralsklerose (ALS) ist in einzelnen sporadischen Fällen TDP-43 als wesentliche Komponente in den ubiquinierten Ablagerungen u. a. in Neuronen von Spinalganglien, nicht aber von sympathischen Ganglien nachgewiesen worden [143]. Hereditäre Fälle mit TDP-43-Proteinopathie sind daraufhin offenbar noch nicht untersucht worden. Demgegenüber sind zwar bei der Alzheimer-Krankheit keine Tau-Ablagerungen (Neurofibrillenveränderungen) in peripheren Ganglien gefunden worden, wohl aber Neurofibrillenveränderungen in sympathischen Ganglien ohne Alzheimerkrankheit (Literatur s. [238]). Beim fragilen X-Tremor-/Ataxie-Syndrom aufgrund einer erhöhten Zahl an CGG-Wiederholungen im FMR1Gen kommt es neben den charakteristischen, wenn auch sehr variablen Befunden am Gehirn und Rückenmark zu typischen intranukleären Einschlüssen in den Spinalganglien, den paraspinalen sympathischen Ganglien, den myenterischen Ganglien des Magens und am subendokardialen Ganglion des Herzens, wenn auch die Suralnerven und der N. ischiadicus außer einem geringen Verlust kleiner und großer markhaltiger Nervenfasern keine Besonderheiten aufweisen [17]. Die Kerneinschlüsse und klinischen Symptome würden denen bei der neuronalen intranukleären hyalinen Einschlusskrankheit (INIBD) entsprechen [75]. Eisen- und Ferritinfärbungen wurden nicht durchgeführt, so dass unklar ist, ob die intranukleären Einschlüsse den granulären Kerneinschlüssen bei der Neuroferritinopathie [39, 41, 181] gleichen.
Distale hereditäre motorische Neuropathien (dHMN) Spinale Muskelatrophien, die distal akzentuiert sind (DSMA), werden von einigen Autoren den sog. distalen hereditären motorischen Neuropathien (dHMN) zugerechnet [48, 221, 223]. Allerdings gibt es z. B. bei der Seipinopathie aufgrund von Mutationen im Gen für die Berardinelli-Seip kongenitale Lipodystrophie 2 (BSCL2) klinische Untertypen mit Befall der Füße („foot drop“; dHMN-II) oder der Handmuskeln (dHMN-V) und solche, bei denen nicht nur die distalen motorischen Nerven, sondern auch das periphere sensorische System (der N. suralis) mitbetroffen sind [33] oder bei denen zusätzlich eine spastische Paraparese besteht (Silver-Syndrom). Das Gen für Typ I, III und IV ist offenbar noch nicht identifiziert, das für Typ IIA und IIB ist HSPB8 („heat shock protein 8“) bzw. HSPB1 (s. Tabelle 23.1 sowie die allelischen CMT2L bzw. CMT2F). Offenbar besteht ein Kontinuum zwischen der axonalen Form der Neuropathie vom Typ Charcot-Marie-Tooth und der „distalen heredi-
630
Kapitel 23
tären motorischen Neuropathie“ [208]; die sensorischen Ausfälle werden gegenüber den motorischen klinisch eher unterschätzt und variieren innerhalb großer Familien.
Hereditäre neuralgische Amyotrophie (HNA) Die hereditäre neuralgische Amyotrophie (HNA; Synonym: familiäre Plexus-brachialis-Neuropathie) ist auf Mutationen im Septin 9 (SEPT9-Gen) zurückzuführen [108]. Auffälligstes klinisches Zeichen sind rekurrierende episodische Armschmerzen [160]. Nervenbiopsien ergaben ausgedehntere Läsionen als nach dem klinischen Bild vermutet; denn auch sensorische Nerven waren betroffen mit fokal unterschiedlichem Befall der Faszikel [228]. Perivaskuläre entzündliche Infiltrate sowohl epineural als auch endo- und subperineural lassen auf eine immunpathogenetische Bedeutung schließen [104]. Differentialdiagnostisch sind primär entzündliche und traumatische Formen einer Plexus-brachialis-Läsion abzugrenzen [42, 123].
Hereditäre periphere Neuropathien bei vorwiegendem Befall des ZNS An dieser Stelle seien beispielhaft nur drei Krankheiten aufgeführt, die mit charakteristischen histopathologischen Veränderungen auch im peripheren Nervensystem einhergehen. Auf die verschiedenen dominant erblichen spinozerebellären Ataxien (Literatur s. [229] kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Bezüglich besonderer Gefäßkrankheiten, die u. a. auch aufgrund spezifischer Veränderungen im peripheren Nervensystem diagnostiziert werden können wie CADASIL und die Neuroferritinopathie, sei auf die entsprechenden Kapitel verwiesen. Weitere Systematrophien und Stoffwechselkrankheiten, bei denen die peripheren Nerven involviert sind, werden in den entsprechenden Kapiteln beschrieben.
Hereditäre Neuropathien
rienmatrix aufgrund einer Expansion von GAA-Trinukleitiden im ersten Intron des Frataxin-(FRX-)Gens zurückzuführen [40, 112, 179]. Die Krankheit tritt in der Regel vor dem 25. Lebensjahr auf mit progressiver Ataxie, Muskelschwäche, Dysarthrie, Sensibilitätsstörungen, Areflexie und positivem Babinski-Zeichen. Vereinzelt kann es zu einer Skoliose, Nystagmus, Optikusatrophie, Taubheit und Diabetes mellitus kommen. Auch das Herz ist betroffen, meist im Sinne einer linksventrikulären Hypertrophie, manchmal schon als Todesursache in der Kindheit [168]. Histopathologisch ist die Friedreich-Ataxie durch einen stark bevorzugten Ausfall der großen markhaltigen Nervenfasern im N. suralis gekennzeichnet (s. Abb. 23.3g), der auf einen entsprechenden Ausfall großer Spinalganglienzellen zurückzuführen und mit einer dazu gehörigen Hinterstrangdegeneration verbunden ist. Das motorische System ist in geringerem Ausmaß mitbetroffen. Die Verminderung des Frataxins als Chaperon-Protein führt zur Anhäufung von Eisen in den Mitochondrien, zu mitochondrialer Funktionsstörung und oxidativer Beeinträchtigung, wobei Antioxidanzien zu einer Verlangsamung der Progression dieser Krankheit führen würden [168]. In den Satellitenzellen degenerierter Neurone der Spinalganglien von Autopsiefällen war das Ferritin vermehrt [107]. Eine Ferritin- oder Ferroportin-Vermehrung war in den Suralnerven jedoch nicht nachweisbar [138].
Infantile neuroaxonale Dystrophie Diese manifestiert sich durch dystrophische Axonveränderungen im peripheren und zentralen Nervensystem [103]; deshalb wird das Krankheitsbild in Zusammenhang mit den zentralnervösen Symptomen beschrieben (s. dort).
Riesenaxonneuropathie
Die autosomal-rezessiv erbliche Friedreich-Ataxie ist auf eine Störung des Eisenstoffwechsels in der Mitochond-
Diese autosomal-rezessiv erbliche Krankheit ist auf Mutationen im Gigaxonin-(GAN1-)Gen [21], wenn auch wohl nicht in allen Fällen [216] zurückzuführen und durch Neurofilamentanhäufungen in Axonen, aber Vermehrungen von intermediären Filamenten auch in ande-
Abb. 23.7a–e Riesenaxonneuropathie bei einem 11 Monate alten Mädchen (wie in Abb. 23.6b). Die Axone sind hochgradig aufgetrieben (A in a, b). Deren Markscheiden sind z. T. extrem dünn, doch kommt auch eine Nervenfaser mit unverhältnismäßig dicker Markscheide vor (N in b; Vergr. a 674:1, b 1022:1). c Die Neurofilamente
sind in den Riesenaxonen an Zahl erheblich vermehrt (Vergr. 38.200:1). d Mikrotubuli sind zwischen den vermehrten Neurofilamenten in diesem Bildausschnitt nicht enthalten (Vergr. 81.200:1). e Rasterlektronenmikroskopische Aufnahme eines einzelnen Haars mit einer durch Pfeilköpfe markierten pathognostischen Rille
Friedreich-Ataxie
23
Hereditäre periphere Neuropathien bei vorwiegendem
631
a
b
c
d
e
632
Kapitel 23
ren Zellen gekennzeichnet. Die Filamentanhäufungen führen zu histopathologisch gut erkennbaren Axonauftreibungen in mehr oder weniger zahlreichen Nervenfasern (s. Abb. 23.6b; Abb. 23.7). Die Filamente unterscheiden sich von normalen Neurofilamenten durch das Fehlen von Seitenarmen und Ablagerung amorpher Substanzen [55, 175, 215] . In den meisten Fällen findet sich eine charakteristische Rille in den Haaren, die eine Diagnose erlaubt (Abb. 23.7e).
Literatur 1.
2. 3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
23
11.
12.
13.
Aguayo AJ, Nair CP, Bray GM (1971) Peripheral nerve abnormalities in the Riley-Day syndrome. Findings in a sural nerve biopsy. Arch Neurol 24: 106–116 Albers JW, Fink JK (2004) Porphyric neuropathy. Muscle Nerve 30: 410–422 Anzil AP, Dozic S (1978) Peripheral nerve changes in porphyric neuropathy: findings in a sural nerve biopsy. Acta Neuropathol 42: 121–126 Asbury AK, Cox SC, Baringer JR (1971) The significance of giant vacuolation of endoneurial fibroblasts. Acta Neuropathol 18: 123–131 Baethmann M, Göhlich-Ratmann G, Schröder JM, Kalaydjieva L, Voit T (1998) HMSNL in a 13-year-old Bulgarian girl. Neuromusc Disord 8: 90–94 Baets J, Dierick I, Groote CC et al. (2009) Peripheral neuropathy and 46XY gonadal dysgenesis: a heterogeneous entity. Neuromuscul Disord 19: 172–175 Banchs I, Casasnovas C, Montero J, Martinez-Matos JA, Volpini V (2008) Two Spanish families with Charcot-Marie-Tooth type 2A: clinical, electrophysiological and molecular findings. Neuromuscul Disord 18: 974–978 Bardosi A, Creutzfeldt W, DiMauro S et al. (1987) Myo-, neuro-, gastrointestinal encephalopathy (MNGIE syndrome) due to partial deficiency of cytochrome-c-oxidase. A new mitochondrial multisystem disorder. Acta Neuropathol (Berl) 74: 248–258 Barnett CP, Mendoza-Londono R, Blaser S et al. (2009) Aplasia of cochlear nerves and olfactory bulbs in association with SOX10 mutation. Am J Med Genet A 149A: 431–436 Behse F, Buchthal F, Carlsen F, Knappeis GG (1972) Hereditary neuropathy with liability to pressure palsies. Electrophysiological and histopathological aspects. Brain 95: 777–794 Bejaoui K, Wu C, Scheffler MD, Haan G, Ashby P, Wu L, de Jong P, Brown RH Jr (2001) SPTLC1 is mutated in hereditary sensory neuropathy, type 1. Nat Genet 27: 261–262 Bennett CL, Shirk AJ, Huynh HM et al. (2004) SIMPLE mutation in demyelinating neuropathy and distribution in sciatic nerve. Ann Neurol 55: 713–720 Berciano J, Combarros O, Figols J, Calleja J, Cabello A, Silos I, Coria F (1986) Hereditary motor and sensory neuro-
Hereditäre Neuropathien
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
pathy type II. Clinicopathological study of a family. Brain 109: 897–914 Bergmann C, Senderek J, Hermanns B, Jauch A, Janssen B, Schröder JM, Karch D (2000) Becker muscular dystrophy combined with X-linked Charcot-Marie-Tooth neuropathy. Muscle Nerve 23: 818–823 Bergmann C, Zerres K, Rudnik-Schoneborn S, Eggermann T, Schröder JM, Senderek J (2002) Allelic variants in the 5’ non-coding region of the connexin32 gene: possible pitfalls in the diagnosis of X linked Charcot-Marie-Tooth neuropathy (CMTX). J Med Genet 39: e58 Bergstrom J, Gustavsson A, Hellman U et al. (2005) Amyloid deposits in transthyretin-derived amyloidosis: cleaved transthyretin is associated with distinct amyloid morphology. J Pathol 206: 224–232 Bibi G, Malcov M, Yuval Y, Reches A, Ben-Yosef D, Almog B, Amit A, Azem F (2010) The effect of CGG repeat number on ovarian response among fragile X premutation carriers undergoing preimplantation genetic diagnosis. Fertil Steril 94: 869–874 Bitoun M, Bevilacqua JA, Prudhon B et al. (2007) Dynamin 2 mutations cause sporadic centronuclear myopathy with neonatal onset. Ann Neurol 62: 666–670 Bitoun M, Stojkovic T, Prudhon B, Maurage CA, Latour P, Vermersch P, Guicheney P (2008) A novel mutation in the dynamin 2 gene in a Charcot-Marie-Tooth type 2 patient: clinical and pathological findings. Neuromuscul Disord 18: 334–338 Bolino A, Muglia M, Conforti FL et al. (2000) Charcot-Marie-Tooth type 4B is caused by mutations in the gene encoding myotubularin-related protein-2. Nat Genet 25: 17–19 Bomont P, Cavalier L, Blondeau F et al. (2000) The gene encoding gigaxonin, a new member of the cytoskeletal BTB/kelch repeat family, is mutated in giant axonal neuropathy. Nat Genet 26: 370–374 Bouhouche A, Benomar A, Bouslam N, Chkili T, Yahyaoui M (2006) Mutation in the epsilon subunit of the cytosolic chaperonin-containing t-complex peptide-1 (Cct5) gene causes autosomal recessive mutilating sensory neuropathy with spastic paraplegia. J Med Genet 43: 441–443 Braak H, de Vos RA, Bohl J, Del Tredici K (2006) Gastric alpha-synuclein immunoreactive inclusions in Meissner’s and Auerbach’s plexuses in cases staged for Parkinson’s disease-related brain pathology. Neurosci Lett 396: 67–72 Brett M, Persey MR, Reilly MM et al. (1999) Transthyretin Leu12Pro is associated with systemic, neuropathic and leptomeningeal amyloidosis. Brain 122: 183–190 Burns J, Bray P, Cross LA, North KN, Ryan MM, Ouvrier RA (2008) Hand involvement in children with Charcot-MarieTooth disease type 1A. Neuromuscul Disord 18: 970–973 Busard H, Gabreels-Festen A, Van t’Hof M, Renier W, Gabreels F (1990) Polyglucosan bodies in sural nerve biopsies. Acta Neuropathol (Berl) 80: 554–557 Busard HL, Gabreels-Festen AA, Renier WO, Gabreels FJ, Stadhouders AM (1987) Axilla skin biopsy: a reliable test for the diagnosis of Lafora’s disease. Ann Neurol 21: 599–601
Literatur
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
Calabresi PA, Silvestri G, DiMauro S, Griggs RC (1994) Ekbom’s syndrome: lipomas, ataxia, and neuropathy with MERRF [see comments]. Muscle Nerve 17: 943–945 Carvalho AA, Vital A, Ferrer X, Latour P, Lagueny A, Brechenmacher C, Vital C (2005) Charcot-Marie-Tooth disease type 1A: clinicopathological correlations in 24 patients. J Peripher Nerv Syst 10: 85–92 Ceuterick C, Martin JJ (1994) Nerve biopsy findings in Niemann-Pick type II (NPC) [letter; comment]. Acta Neuropathol (Berl) 88: 602–603 Chalk CH, Mills KR, Jacobs JM, Donaghy M (1990) Familial multiple symmetric lipomatosis with peripheral neuropathy. Neurology 40: 1246–1250 Charnas L, Trapp B, Griffin J (1988) Congenital absence of peripheral myelin: abnormal Schwann cell development causes lethal arthrogryposis multiplex congenita. Neurology 38: 966–974 Chen B, Zheng R, Luan X, Zhang W, Wang Z, Yuan Y (2009) Clincial and pathological study of distal motor neuropathy with N88S mutation in BSCL2. Neuropathology 29: 543–547 Chen CS, Patterson MC, Wheatley CL, O’Brien JF, Pagano RE (1999) Broad screening test for sphingolipid-storage diseases [see comments]. Lancet 354: 901–905 Chien HF, Tseng TJ, Lin WM, Yang CC, Chang YC, Chen RC, Hsieh ST (2001) Quantitative pathology of cutaneous nerve terminal degeneration in the human skin. Acta Neuropathol (Berl) 102: 455–461 Ciafaloni E, Ricci E, Shanske S et al. (1992) MELAS: clinical features, biochemistry, and molecular genetics. Ann Neurol 31: 391–398 Claus D, Waddy HM, Harding AE, Murray NM, Thomas PK (1990) Hereditary motor and sensory neuropathies and hereditary spastic paraplegia: a magnetic stimulation study. Ann Neurol 28: 43–49 Cordelli DM, Garone C, Marchiani V et al. (2010) Progressive cerebral white matter involvement in a patient with Congenital Cataracts Facial Dysmorphisms Neuropathy (CCFDN). Neuromuscul Disord 20: 343–345 Crompton DE, Chinnery PF, Fey C et al. (2002) Neuroferritinopathy: a window on the role of iron in neurodegeneration. Blood Cells Mol Dis 29: 522–531 Cruz-Martinez A, Anciones B, Palau F (1997) GAA trinucleotide repeat expansion in variant Friedreich’s ataxia families. Muscle Nerve 20: 1121–1126 Curtis AR, Fey C, Morris CM et al. (2001) Mutation in the gene encoding ferritin light polypeptide causes dominant adult-onset basal ganglia disease. Nat Genet 28: 350–354 Cusimano MD, Bilbao JM, Cohen SM (1988) Hypertrophic brachial plexus neuritis: a pathological study of two cases. Ann Neurol 24: 615–622 Dabby R, Vaknine H, Gilad R, Djaldetti R, Sadeh M (2007) Evaluation of cutaneous autonomic innervation in idiopathic sensory small-fiber neuropathy. J Peripher Nerv Syst 12: 98–101
633
44. 45.
46.
47.
48.
49.
50.
51. 52.
53.
54.
55.
56.
57.
Danziger N, Willer JC (2009) [Congenital insensitivity to pain]. Rev Neurol (Paris) 165: 129–136 David S, Hila S, Fosbrink M, Rus H, Koski CL (2006) JNK1 activation mediates C5b-9-induced P0 mRNA instability and P0 gene expression in Schwann cells. J Peripher Nerv Syst 11: 77–87 Dawkins JL, Brahmbhatt S, Auer-Grumbach M et al. (2002) Exclusion of serine palmitoyltransferase long chain base subunit 2 (SPTLC2) as a common cause for hereditary sensory neuropathy. Neuromuscul Disord 12: 656–658 Dawkins JL, Hulme DJ, Brahmbhatt SB, Auer-Grumbach M, Nicholson GA (2001) Mutations in SPTLC1, encoding serine palmitoyltransferase, long chain base subunit-1, cause hereditary sensory neuropathy type I. Nat Genet 27: 309–312 De Jonghe P, Timmerman V, De Visser M et al. (1998) Classification and diagnostic guidelines for Charcot-Marie-Tooth type 2 (CMT2-HMSNII) and distal hereditary motor neuropathy (distal HMN-spinal CMT). 2nd Workshop of the European CMT-Consortium, 53rd ENCM International Workshop, 26–28 September 1997, Naarden, Niederlande. J Periph Nerv Sys 3: 283–307 De Jonghe P, Timmerman V, Nelis E et al. (1999) A novel type of hereditary motor and sensory neuropathy characterized by a mild phenotype. Arch Neurol 56: 1283–1288 De Jonghe P, Timmerman V, Nelis E, Martin JJ, Van Broeckhoven C (1997) Charcot-Marie-Tooth Disease and related peripheral neuropathies. J Periph Nerv Sys 2: 370–387 Denny-Brown D (1951) Hereditary sensory radicular neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatr 14: 237–252 Dieler R, Schröder JM (1990) Lacunar dilatations of intrafusal and extrafusal terminal cisternae, annulate lamellae, confronting cisternae and tubulofilamentous inclusions within the spectrum of muscle and nerve fiber changes in myotonic dystrophy. Pathol Res Pract 186: 371–382 Donaghy M, Hakin RN, Bamford JM et al. (1987) Hereditary sensory neuropathy with neurotrophic keratitis. Description of an autosomal recessive disorder with a selective reduction of small myelinated nerve fibres and a discussion of the classification of the hereditary sensory neuropathies. Brain 110: 563–583 Donaghy M, King RH, McKeran RO, Schwartz MS, Thomas PK (1990) Cerebrotendinous xanthomatosis: clinical, electrophysiological and nerve biopsy findings, and response to treatment with chenodeoxycholic acid. J Neurol 237: 216–219 Donaghy M, King RH, Thomas PK, Workman JM (1988) Abnormalities of the axonal cytoskeleton in giant axonal neuropathy. J Neurocytol 17: 197–208 Dulaney JT, Moser HW (1978) Sulfatide lipidosis: metachromatic leukodystrophy. In: Stanbury JB, Wyngaarden JB, Fredrickson DS (eds) The metabolic basis of inherited disease. McGraw-Hill, New York Dyck PJ, Chance P, Lebo R, Carney JA (1993) Hereditary motor and sensory neuropathies. In: Dyck PJ, Thomas PK,
634
Kapitel 23
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67. 68.
69.
23
70.
71.
72.
Griffin JW, Low PA, Poduslo JF (eds) Peripheral neuropathy. WB Saunders, Philadelphia, pp 1094–1136 Dyck PJ, Kawamura Y, Low PA, Shimono M, Solovy JS (1978) The number and sizes of reconstructed peripheral autonomic, sensory and motor neurons in a case or dysautonomia. J Neuropathol Exp Neurol 37: 741–755 Dyck PJ, Lais AC, Sparks MF, Oviatt KF, Hexum AL, Steinmuller D (1979) Nerve xenografts to apportion the role of axon and Schwann cell in myelinated fiber absence in hereditary sensory neuropathy, type II. Neurology 29: 1215– 1221 Dyck PJ, Lambert EH (1969) Dissociated sensation in amyloidosis. Compound action potential, quantitative histologic and teased-fiber, and electron microscopic studies of sural nerve biopsies. Arch Neurol 20: 490–507 Dyck PJ, Litchy WJ, Minnerath S, Bird TD, Chance PF, Schaid DJ, Aronson AE (1993) Hereditary motor and sensory neuropathy with diaphragm and vocal cord paresis. Ann Neurol 35: 608–516 Dyck PJ, Low PA, Stevens JC (1983) „Burning feet“ as the only manifestation of dominantly inherited sensory neuropathy. Mayo Clin Proc 58: 426–429 Dyck PJ, Ott J, Moore SB, Swanson CJ, Lambert EH (1983) Linkage evidence for genetic heterogeneity among kinships with hereditary motor and sensory neuropathy, type I. Mayo Clin Proc 58: 430–435 Fabrizi GM, Cavallaro T, Angiari C, Bertolasi L, Cabrini I, Ferrarini M, Rizzuto N (2004) Giant axon and neurofilament accumulation in Charcot-Marie-Tooth disease type 2E. Neurology 62: 1429–1431 Feltri ML, Wrabetz L (2005) Laminins and their receptors in Schwann cells and hereditary neuropathies. J Peripher Nerv Syst 10: 128–143 Ferdinandusse S, Ylianttila MS, Gloerich J et al. (2006) Mutational spectrum of D-bifunctional protein deficiency and structure-based genotype-phenotype analysis. Am J Hum Genet 78: 112–124 Finsterer J (2009) Ataxias with autosomal, X-chromosomal or maternal inheritance. Can J Neurol Sci 36: 409–428 Gabreels-Festen AA, Joosten EM, Gabreels FJ, Stegeman DF, Vos AJ, Busch HF (1990) Congenital demyelinating motor and sensory neuropathy with focally folded myelin sheaths. Brain 113: 1629–1643 Galloway G, Giuliani MJ, Burns DK, Lacomis D (1998) Neuropathy associated with hyperoxaluria: improvement after combined renal and liver transplantations. Brain Pathol 8: 247–251 Gelot A, Vallat JM, Tabaraud F, Rocchiccioli F (1995) Axonal neuropathy and late detection of Refsum’s disease. Muscle Nerve 18: 667–670 Gemignani F, Giovanelli M, Vitetta F, Santilli D, Bellanova MF, Brindani F, Marbini A (2010) Non-length dependent small fiber neuropathy. A prospective case series. J Peripher Nerv Syst 15: 57–62 Gemignani F, Guidetti D, Bizzi P, Preda P, Cenacchi G, Marbini A (1992) Peroneal muscular atrophy with heredi-
Hereditäre Neuropathien
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
tary spastic paraparesis (HMSN V) is pathologically heterogeneous. Report of nerve biopsy in four cases and review of the literature. Acta Neuropathol (Berl) 83: 196–201 Goebel HH, Shin YS, Gullotta F, Yokota T, Alroy J, Voit T, Haller P, Schulz A (1992) Adult polyglucosan body myopathy. J Neuropathol Exp Neurol 51: 24–35 Goebel HH, Veit S, Dyck PJ (1980) Confirmation of virtual unmyelinated fiber absence in hereditary sensory neuropathy type IV. J Neuropathol Exp Neurol 39: 670–675 Gokden M, Al-Hinti JT, Harik SI (2009) Peripheral nervous system pathology in fragile X tremor/ataxia syndrome (FXTAS). Neuropathology 29: 280–284 Goto Y, Horai S, Matsuoka T, Koga Y, Nihei K, Kobayashi M, Nonaka I (1992) Mitochondrial myopathy, encephalopathy, lactic acidosis, and stroke-like episodes (MELAS): a correlative study of the clinical features and mitochondrial DNA mutation. Neurology 42: 545–550 Greco A, Villa R, Fusetti L, Orlandi R, Pierotti MA (2000) The Gly571Arg mutation, associated with the autonomic and sensory disorder congenital insensitivity to pain with anhidrosis, causes the inactivation of the NTRK1/nerve growth factor receptor. J Cell Physiol 182: 127–133 Guzzetta F, Ferriere G, Lyon G (1982) Congenital hypomyelination polyneuropathy. Pathological findings compared with polyneuropathies starting later in life. Brain 105: 395–416 Hahn AF, Brown WF, Koopman WJ, Feasby TE (1990) Xlinked dominant hereditary motor and sensory neuropathy. Brain 113: 1511–1525 Hall BM, Walsh JC, Horvath JS, Lytton DG (1976) Peripheral neuropathy complicating primary hyperoxaluria. J Neurol Sci 29: 343–349 Harding AE, Thomas PK (1980) Genetic aspects of hereditary motor and sensory neuropathy (types I and II). J Med Genet 17: 329–336 Hirano M, Cleary JM, Stewart AM, Lincoff NS, Odel JG, Santiesteban R, Santiago Luis R (1994) Mitochondrial DNA mutations in an outbreak of optic neuropathy in Cuba [see comments]. Neurology 44: 843–845 Holland NR, Crawford TO, Hauer P, Cornblath DR, Griffin JW, McArthur JC (1998) Small-fiber sensory neuropathies: clinical course and neuropathology of idiopathic cases. Ann Neurol 44: 47–59 Houlden H, King RH, Muddle JR, Warner TT, Reilly MM, Orrell RW, Ginsberg L (2004) A novel RAB7 mutation associated with ulcero-mutilating neuropathy. Ann Neurol 56: 586–590 Huehne K, Zweier C, Raab K et al. (2008) Novel missense, insertion and deletion mutations in the neurotrophic tyrosine kinase receptor type 1 gene (NTRK1) associated with congenital insensitivity to pain with anhidrosis. Neuromuscul Disord 18: 159–166 Hughes RA, Allen D, Makowska A, Gregson NA (2006) Pathogenesis of chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy. J Peripher Nerv Syst 11: 30–46
Literatur
Hund E, Grau A, Fogel W et al. (1997) Progressive cerebellar ataxia, proximal neurogenic weakness and ocular motor disturbances: hexosaminidase A deficiency with late clinical onset in four siblings. J Neurol Sci 145: 25–31 88. Iannaccone S, Ferini-Strambi L, Nemni R, Marchettini P, Corbo M, Pinto P, Smirne S (1992) Peripheral motor-sensory neuropathy in membranous lipodystrophy (Nasu’s disease): a case report. Clin Neuropathol 11: 49–53 89. Inoue K, Shilo K, Boerkoel CF, Crowe C, Sawady J, Lupski JR, Agamanolis DP (2002) Congenital hypomyelinating neuropathy, central dysmyelination, and WaardenburgHirschsprung disease: phenotypes linked by SOX10 mutation. Ann Neurol 52: 836–842 90. Inoue K, Tanabe Y, Lupski JR (1999) Myelin deficiencies in both the central and the peripheral nervous systems associated with a SOX10 mutation. Ann Neurol 46: 313–318 91. Ionasescu VV, Trofatter J, Haines JL, Summers AM, Ionasescu R, Searby C (1992) X-linked recessive Charcot-Marie-Tooth neuropathy: clinical and genetic study. Muscle Nerve 15: 368–373 92. Jacobs JM, Gregory R (1991) Uncompacted lamellae as a feature of tomaculous neuropathy. Acta Neuropathol (Berl) 83: 87–91 93. Jacobs JM, Harding BN, Lake BD, Payan J, Wilson J (1990) Peripheral neuropathy in Leigh’s disease. Brain 113: 447–462 94. Jain S, Muzzafarullah S, Peri S, Ellanti R, Moorthy K, Nath I (2008) Lower touch sensibility in the extremities of healthy Indians: further deterioration with age. J Peripher Nerv Syst 13: 47–53 95. Jellinger K, Paulus W, Grisold W, Paschke E (1990) New phenotype of adult alpha-L-iduronidase deficiency (mucopolysaccharidosis I) masquerading as Friedreich’s ataxia with cardiopathy. Clin Neuropathol 9: 163–169 96. Jestico JV, Urry PA, Efphimiou J (1985) An hereditary sensory and autonomic neuropathy transmitted as an X-linked recessive trait. J Neurol Neurosurg Psychiatry 48: 1259–1264 97. Jungbluth H, Cullup T, Lillis S, Zhou H, Abbs S, Sewry C, Muntoni F (2009) Centronuclear myopathy with cataracts due to a novel dynamin 2 (DNM2) mutation. Neuromuscul Disord 20: 49–52 98. Kalaydjieva L, Gresham D, Gooding R et al. (2000) N-myc downstream-regulated gene 1 is mutated in hereditary motor and sensory neuropathy-Lom. Am J Hum Genet 67: 47–58 99. Kalaydjieva L, Nikolova A, Turnev I et al. (1998) Hereditary motor and sensory neuropathy-Lom, a novel demyelinating neuropathy associated with deafness in gypsies. Clinical, electrophysiological and nerve biopsy findings. Brain 121: 399–408 100. Kanda T, Tomimitsu H, Yokota T, Ohkoshi N, Hayashi M, Mizusawa H (1998) Unmyelinated nerve fibers in sural nerve in pure autonomic failure. Ann Neurol 43: 267–271 101. Kanda T, Tsukagoshi H, Oda M, Miyamoto K, Tanabe H (1996) Changes of unmyelinated nerve fibers in sural
635
87.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
108.
109.
110.
111. 112.
113.
114.
115.
nerve in amyotrophic lateral sclerosis, Parkinson’s disease and multiple system atrophy. Acta Neuropathol (Berl) 91: 145–154 Kennedy WR, Wendelschafer-Crabb G, Johnson T (1996) Quantitation of epidermal nerves in diabetic neuropathy. Neurology 47: 1042–1048 Kimura S, Sasaki Y, Warlo I, Goebel HH (1987) Axonal pathology of the skin in infantile neuroaxonal dystrophy. Acta Neuropathol (Berl) 75: 212–215 Klein CJ, Dyck PJ, Friedenberg SM, Burns TM, Windebank AJ (2002) Inflammation and neuropathic attacks in hereditary brachial plexus neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 73: 45–50 Knowles CH, De Giorgio R, Kapur RP et al. (2009) Gastrointestinal neuromuscular pathology: guidelines for histological techniques and reporting on behalf of the Gastro 2009 International Working Group. Acta Neuropathol 118: 271–301 Kodaira M, Sekijima Y, Tojo K, Tsuchiya A, Yazaki M, Ikeda S, Hoshii Y, Tachibana S (2008) Non-senile wildtype transthyretin systemic amyloidosis presenting as bilateral carpal tunnel syndrome. J Peripher Nerv Syst 13: 148–150 Koeppen AH, Morral JA, Davis AN, Qian J, Petrocine SV, Knutson MD, Gibson WM, Cusack MJ, Li D (2009) The dorsal root ganglion in Friedreich‘s ataxia. Acta Neuropathol 118: 763–776 Kuhlenbäumer G, Hannibal MC, Nelis E et al. (2005) Mutations in SEPT9 cause hereditary neuralgic amyotrophy. Nat Genet 37: 1044–1046 Ladha SS, Dyck PJ, Spinner RJ, Perez DG, Zeldenrust SR, Amrami KK, Solomon A, Klein CJ (2006) Isolated amyloidosis presenting with lumbosacral radiculoplexopathy: description of two cases and pathogenic review. J Peripher Nerv Syst 11: 346–352 Laeng RH, Altermatt HJ, Scheithauer BW, Zimmermann DR (1998) Amyloidomas of the nervous system: a monoclonal B-cell disorder with monotypic amyloid light chain lambda amyloid production. Cancer 82: 362–374 Lake BD (ed) (1992) Lysosomal and perioxisomal disorders. Edward Arnold, London Melbourne Auckland Lamont PJ, Davis MB, Wood NW (1997) Identification and sizing of the GAA trinucleotide repeat expansion of Friedreich‘s ataxia in 56 patients. Clinical and genetic correlates. Brain 120: 673–680 Landrieu P, Said G (1984) Peripheral neuropathy in type A Niemann-Pick disease. A morphological study. Acta Neuropathol (Berl) 63: 66–71 Latour P, Gonnaud PM, Ollagnon E et al. (2006) SIMPLE mutation analysis in dominant demyelinating CharcotMarie-Tooth disease: three novel mutations. J Peripher Nerv Syst 11: 148–155 Lauria G, Morbin M, Lombardi R et al. (2006) Expression of capsaicin receptor immunoreactivity in human peripheral nervous system and in painful neuropathies. J Peripher Nerv Syst 11: 262–271
636
23
Kapitel 23
116. Lawson VH, Graham BV, Flanigan KM (2005) Clinical and electrophysiologic features of CMT2A with mutations in the mitofusin 2 gene. Neurology 65: 197–204 117. Levade T, Graber D, Flurin V et al. (1994) Human betamannosidase deficiency associated with peripheral neuropathy. Ann Neurol 35: 116–119 118. Li M, Cheng TS, Ho PW et al. (2009) -459C>T point mutation in 5‘ non-coding region of human GJB1 gene is linked to X-linked Charcot-Marie-Tooth neuropathy. J Peripher Nerv Syst 14: 14–21 119. Linke RP (1999) Praktische Hinweise zur Diagnose und Therapie generalisierter Amyloidosen. Deutsches Ärzteblatt 96: B-662–B-663 120. Liscum L (2000) Niemann-Pick type C mutations cause lipid traffic jam. Traffic 1: 218–225 121. Low PA, Burke WJ, McLeod JG (1978) Congenital sensory neuropathy with selective loss of small myelinated fibers. Ann Neurol 3: 179–182 122. Lupski JR, de Oca-Luna RM, Slaugenhaupt S et al. (1991) DNA duplication associated with Charcot-Marie-Tooth disease type 1A. Cell 66: 219–232 123. Maas JJ, Beersma MF, Haan J, Jonkers GJ, Kroes AC (1996) Bilateral brachial plexus neuritis following parvovirus B19 and cytomegalovirus infection. Ann Neurol 40: 928–932 124. Madrid R, Bradley WG (1975) The pathology of neuropathies with focal thickening of the myelin sheat (tomaculous neuropathy). Studies on the formation of the abnormal myelin sheath. J neurol Sci 25: 415–448 125. Malandrini A, Guazzi GC, Alessandrini C, Federico A (1990) Peripheral nerve involvement in ataxia telangiectasia: histological and ultrastructural studies of peroneal nerve biopsy in two cases. Clin Neuropathol 9: 109–114 126. Mardy S, Miura Y, Endo F et al. (1999) Congenital insensitivity to pain with anhidrosis: novel mutations in the TRKA (NTRK1) gene encoding a high-affinity receptor for nerve growth factor. Am J Hum Genet 64: 1570–1579 127. Massa R, Bruno C, Martorana A, de Stefano N, van Diggelen OP, Federico A (2008) Adult polyglucosan body disease: proton magnetic resonance spectroscopy of the brain and novel mutation in the GBE1 gene. Muscle Nerve 37: 530–536 128. Matsumoto R, Oka N, Nagahama Y, Akiguchi I, Kimura J (1996) Peripheral neuropathy in late-onset Krabbe’s disease: histochemical and ultrastructural findings. Acta Neuropathol (Berl) 92: 635–639 129. McArthur JC, Stocks EA, Hauer P, Cornblath DR, Griffin JW (1998) Epidermal nerve fiber density: normative reference range and diagnostic efficiency [see comments]. Arch Neurol 55: 1513–1520 130. McCarthy BG, Hsieh ST, Stocks A et al. (1995) Cutaneous innervation in sensory neuropathies: evaluation by skin biopsy. Neurology 45: 1848–1855 131. Meier C, Moll C (1982) Hereditary neuropathy with liability to pressure palsies. Report of two families and review of the literature. J Neurol 228: 73–95
Hereditäre Neuropathien
132. Mercelis R, Hassoun A, Verstraeten L, De Bock R, Martin JJ (1990) Porphyric neuropathy and hereditary delta-aminolevulinic acid dehydratase deficiency in an adult. J Neurol Sci 95: 39–47 133. Mihaylova V, Hantke J, Sinigerska I et al. (2007) Highly variable neural involvement in sphingomyelinase-deficient Niemann-Pick disease caused by an ancestral Gypsy mutation. Brain 130: 1050–1061 134. Minde J, Andersson T, Fulford M et al. (2009) A novel NGFB point mutation: a phenotype study of heterozygous patients. J Neurol Neurosurg Psychiatry 80: 188–195 135. Miyatake T, Suzuki K (1973) Additional deficiency of psychosine galactosidase in globoid cell leukodystrophy: an implication to enzyme replacement therapy. Birth Defects Orig Artic Ser 9: 136–140 136. Molnar M, Neudecker S, Schröder JM (1995) Increase of mitochondria in vasa nervorum of cases with mitochondrial myopathy, Kearns-Sayre syndrome, progressive external ophthalmoplegia and MELAS. Neuropathol Appl Neurobiol 21: 432–439 137. Moorhead PJ, Cooper DJ, Timperley WR (1975) Progressive peripheral neuropathy in patient with primary hyperoxaluria. Br Med J 2: 312–313 138. Morral JA, Davis AN, Qian J, Gelman BB, Koeppen AH (2010) Pathology and pathogenesis of sensory neuropathy in Friedreich‘s ataxia. Acta Neuropathol 120: 97–108 139. Müller HD, Mugler M, Ramaekers VT, Schröder JM (2000) Hereditary motor and sensory neuropathy with absence of large myelinated fibers due to absence of large neurons in dorsal root ganglia and anterior horns, clinically associated with deafness, mental retardation, and epilepsy (HMSN-ADM). J Periph Nerv Sys 5: 1–11 140. Nelis E, Haites N, Van Broeckhoven C (1999) Mutations in the peripheral myelin genes and associated genes in inherited peripheral neuropathies. Hum Mutat 13: 11–28 141. Nelis E, Van Broeckhoven C, De Jonghe P et al. (1996) Estimation of the mutation frequencies in Charcot-MarieTooth disease type 1 and hereditary neuropathy with liability to pressure palsies: a European collaborative study. Eur J Hum Genet 4: 25–33 142. Nicholson GA, Dawkins JL, Blair IP et al. (1996) The gene for hereditary sensory neuropathy type I (HSN-I) maps to chromosome 9q22.1-q22.3. Nat Genet 13: 101–104 143. Nishihira Y, Tan CF, Onodera O et al. (2008) Sporadic amyotrophic lateral sclerosis: two pathological patterns shown by analysis of distribution of TDP-43-immunoreactive neuronal and glial cytoplasmic inclusions. Acta Neuropathol 116: 169–182 144. Nishino I, Spinazzola A, Hirano M (2001) MNGIE: from nuclear DNA to mitochondrial DNA. Neuromuscul Disord 11: 7–10 145. Nolte KW, Janecke AR, Vorgerd M, Weis J, Schröder JM (2008) Congenital type IV glycogenosis: the spectrum of pleomorphic polyglucosan bodies in muscle, nerve, and spinal cord with two novel mutations in the GBE1 gene. Acta Neuropathol 116: 491–506
Literatur
146. Nukada H, Pollock M, Haas LF (1982) The clinical spectrum and morphology of type II hereditary sensory neuropathy. Brain 105: 647–665 147. Ohnishi A, Dyck PJ (1974) Loss of small peripheral sensory neurons in Fabry’s disease. Archiv Neurol 31: 120–127 148. Ohnishi A, Mitsudome A, Murai Y (1987) Primary segmental demyelination in the sural nerve in Cockayne’s syndrome. Muscle Nerve 10: 163–167 149. Ohnishi A, Murai Y, Ikeda M, Fujita T, Furuya H, Kuroiwa Y (1989) Autosomal recessive motor and sensory neuropathy with excessive myelin outfolding. Muscle Nerve 12: 568–575 150. Ohta M, Ellefson RD, Lambert EH, Dyck PJ (1973) Hereditary sensory neuropathy, type II. Clinical, electrophysiologic, histologic, and biochemical studies of a Quebec kinship. Arch Neurol 29: 23–37 151. Orimo S, Uchihara T, Nakamura A et al. (2008) Cardiac sympathetic denervation in Parkinson‘s disease linked to SNCA duplication. Acta Neuropathol 116: 575–577 152. Orso E, Broccardo C, Kaminski WE et al. (2000) Transport of lipids from golgi to plasma membrane is defective in tangier disease patients and Abc1-deficient mice [In Process Citation]. Nat Genet 24: 192–196 153. Ouvrier RA, McLeod JG, Conchin TE (1987) The hypertrophic forms of hereditary motor and sensory neuropathy. A study of hypertrophic Charcot-Marie-Tooth disease (HMSN type I) and Dejerine-Sottas disease (HMSN type III) in childhood. Brain 110: 121–148 154. Ouvrier RA, McLeod JG, Morgan GJ, Wise GA, Conchin TE (1981) Hereditary motor and sensory neuropathy of neuronal type with onset in early childhood. J Neurol Sci 51: 181–197 155. Palix C, Coignet J (1978) Un cas de polyneuropathie péripherique neo-natale par amyélinisation. Pediatrie 33: 201–207 155a. Parthey K, Kornhuber M, Kunze C, Wand D, Nolte KW, Nikolin S, Weis J, Schröder JM (2011) SOX10 mutation with peripheral amyelination and developmental disturbance of axons. Muscle & Nerve (in press) 156. Patterson MC, Vecchio D, Prady H, Abel L, Wraith JE (2007) Miglustat for treatment of Niemann-Pick C disease: a randomised controlled study. Lancet Neurol 6: 765–772 157. Pearson J, Pytel B (1978) Quantitative studies of ciliary and sphenopalatine ganglia in familial dysautonomia. J Neurol Sci 39: 123–130 158. Pearson J, Pytel BA (1978) Quantitative studies of sympathetic ganglia and spinal cord intermedio- lateral gray columns in familial dysautonomia. J Neurol Sci 39: 47–59 159. Peiffer J, Kustermann-Kuhn B, Mortier W et al. (1988) Mitochondrial myopathies with necrotizing encephalopathy of the Leigh type. Pathol Res Pract 183: 706–716 160. Pellegrino JE, Rebbeck TR, Brown MJ, Bird TD, Chance PF (1996) Mapping of hereditary neuralgic amyotrophy (familial brachial plexus neuropathy) to distal chromosome 17q. Neurology 46: 1128–1132
637
161. Pich S, Bach D, Briones P et al. (2005) The Charcot-MarieTooth type 2A gene product, Mfn2, up-regulates fuel oxidation through expression of OXPHOS system. Hum Mol Genet 14: 1405–1415 162. Pingault V, Bondurand N, Kuhlbrodt K et al. (1998) SOX10 mutations in patients with Waardenburg-Hirschsprung disease. Nat Genet 18: 171–173 163. Pingault V, Guiochon-Mantel A, Bondurand N et al. (2000) Peripheral neuropathy with hypomyelination, chronic intestinal pseudo-obstruction and deafness: a developmental „neural crest syndrome“ related to a SOX10 mutation. Ann Neurol 48: 671–676 164. Pischik E, Kauppinen R (2009) Neurological manifestations of acute intermittent porphyria. Cell Mol Biol (Noisy-le-grand) 55: 72–83 165. Plante-Bordeneuve V, Ferreira A, Lalu T, Zaros C, Lacroix C, Adams D, Said G (2007) Diagnostic pitfalls in sporadic transthyretin familial amyloid polyneuropathy (TTRFAP). Neurology 69: 693–698 166. Powers JM (1995) The pathology of peroxisomal disorders with pathogenetic considerations. J Neuropathol Exp Neurol 54: 710–719 167. Powers JM (2008) Peroxisomal disorders. In: Love S, Louis DN, Ellison DW (eds) Greenfield‘s Neuropathology. Hodder Arnold, London, pp 642–673 168. Quercia N, Somers GR, Halliday W, Kantor PF, Banwell B, Yoon G (2010) Friedreich ataxia presenting as sudden cardiac death in childhood: clinical, genetic and pathological correlation, with implications for genetic testing and counselling. Neuromuscul Disord 20: 340–342 169. Raeymaekers P, Timmerman V, Nelis E et al. (1991) Duplication in chromosome 17p11.2 in Charcot-Marie-Tooth neuropathy type 1a (CMT 1a). The HMSN Collaborative Research Group. Neuromuscul Disord 1: 93–97 170. Rautenstrauss B, Fuchs C, Liehr T, Grehl H, Murakami T, Lupski JR (1997) Visualization of the CMT1A duplication and HNPP deletion by FISH on stretched chromosome fibers. J Peripher Nerv Syst 2: 319–322 171. Rebai T, Mhiri C, Heine P, Charfi H, Meyrignac C, Gherardi R (1989) Focal myelin thickenings in a peripheral neuropathy associated with IgM monoclonal gammopathy. Acta Neuropathol (Berl) 79: 226–232 172. Reilly MM, Staunton H (1996) Peripheral nerve amyloidosis. Brain Pathol 6: 163–177 173. Rotthier A, Baets J, De Vriendt E et al. (2009) Genes for hereditary sensory and autonomic neuropathies: a genotype-phenotype correlation. Brain 132: 2699–2711 174. Rust S, Rosier M, Funke H et al. (1999) Tangier disease is caused by mutations in the gene encoding ATP-binding cassette transporter 1 [see comments]. Nat Genet 22: 352– 355 175. Sabatelli M, Bertini E, Servidei S, Fernandez E, Magi S, Tonali P (1992) Giant axonal neuropathy: report on a case with focal fiber loss. Acta Neuropathol (Berl) 83: 543–546 176. Sabatelli M, Mignogna T, Lippi G et al. (1998) Hereditary motor and sensory neuropathy with deafness, mental retar-
638
Kapitel 23
177.
178.
179.
180.
181.
182.
183. 184. 185.
186.
187.
188.
189.
23
190.
191.
192.
dation, and absence of sensory large myelinated fibers: confirmation of a new entity. Am J Med Genet 75: 309–313 Sabatelli M, Quaranta L, Madia F et al. (2002) Peripheral neuropathy with hypomyelinating features in adult-onset Krabbe’s disease. Neuromuscul Disord 12: 386–391 Said G, Lacroix C, Plante-Bordeneuve V et al. (2005) Clinicopathological aspects of the neuropathy of neurogastrointestinal encephalomyopathy (MNGIE) in four patients including two with a Charcot-Marie-Tooth presentation. J Neurol 252: 655–662 Schöls L, Amoiridis G, Przuntek H, Frank G, Epplen JT, Epplen C (1997) Friedreich‘s ataxia. Revision of the phenotype according to molecular genetics. Brain 120: 2131– 2140 Schröder JM (1982) Feinstrukturell-morphometrische Analyse anaboler Myelinisationsstörungen im peripheren Nerven. In: Hübner H (Hrsg). Fischer, Stuttgart, S 272–275 Schröder JM (2005) Ferritinopathy: diagnosis by muscle or nerve biopsy, with a note on other nuclear inclusion body diseases. Acta Neuropathol (Berl) 109: 109–114 Schröder JM (2006) Neuropathology of Charcot-MarieTooth and related disorders. Neuromolecular Med 8: 23–42 Schröder JM (1993) Neuropathy associated with mitochondrial disorders. Brain Pathol 3: 177–190 Schröder JM (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (2001) Pathology of peripheral nerves. An atlas of structural and molecular pathological changes. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (1967) The role of Schwann cells in the formation of onion bulbs found in chronic neuropathies. J Neuropathol Exp Neurol 26: 135–136 Schröder JM, Bohl J (1978) Altered ratio between axon caliber and myelin thickness in sural nerves of children. In: Peripheral neuropathies. In: Canal N (ed) Peripheral neuropathies. Elsevier, Amsterdam, pp 49–62 Schröder JM, Dieler R, Skopnik H, Steinau G (1992) Immunohistochemical reactivity of neuropeptides in plasticembedded semithin sections of the myenteric plexus in infantile hypertrophic pylorus stenosis. Acta Histochem Suppl 42: 341–344 Schröder JM, Hackel V, Wanders RJ, Göhlich-Ratmann G, Voit T (2004) Optico-cochleo-dentate degeneration associated with severe peripheral neuropathy and caused by peroxisomal D-bifunctional protein deficiency. Acta Neuropathol (Berl) 108: 154–167 Schröder JM, Heide G, Ramaekers V, Mortier W (1993) Subtotal aplasia of myelinated nerve fibers in the sural nerve. Neuropediatrics 24: 286–291 Schröder JM, May R, Shin YS, Sigmund M, Nase-Hüppmeier S (1993) Juvenile hereditary polyglucosan body disease with complete branching enzyme deficiency (type IV glycogenosis). Acta Neuropathol (Berl) 85: 419–430 Schröder JM, Mayer M, Weis J (1996) Mitochondrial abnormalities and intrafamilial variability of sural nerve bio-
Hereditäre Neuropathien
193.
194.
195.
196.
197.
198.
199.
200.
201.
202.
203.
204.
205.
psy findings in adrenomyeloneuropathy. Acta Neuropathol (Berl) 92: 64–69 Schröder JM, Rollnik JD, Schubert M, Dengler R (1999) Demyelinating sensorimotor neuropathy with congenital cataract, mental retardation, and unique, dysplastic perineurial cells within the endoneurium. Acta Neuropathol (Berl) 98: 421–426 Schröder JM, Sommer C (1991) Mitochondrial abnormalities in human sural nerves: fine structural evaluation of cases with mitochondrial myopathy, hereditary and nonhereditary neuropathies, and review of the literature. Acta Neuropathol (Berl) 82: 471–482 Schröder JM, Wang JF, Sindern E, Malin JP (1999) Polyneuropathy with osmiophilic membrane-bound, cytoplasmic inclusions in Schwann cells (POMCIS). Acta Neuropathol 98: 427–432 Schuchman EH (2007) The pathogenesis and treatment of acid sphingomyelinase-deficient Niemann-Pick disease. J Inherit Metab Dis 30: 654–663 Senderek J, Bergmann C, Quasthoff S, Ramaekers VT, Schröder JM (1998) X-linked dominant Charcot-MarieTooth disease: nerve biopsies allow morphological evaluation and detection of connexin32 mutations (Arg15Trp, Arg22Gln). Acta Neuropathol (Berl) 95: 443–449 Senderek J, Bergmann C, Ramaekers VT et al. (2003) Mutations in the ganglioside-induced differentiation-associated protein- 1 (GDAP1) gene in intermediate type autosomal recessive Charcot-Marie- Tooth neuropathy. Brain 126: 642–649 Senderek J, Bergmann C, Stendel C et al. (2003) Mutations in a gene encoding a novel SH3/TPR domain protein cause autosomal recessive Charcot-Marie-Tooth type 4C neuropathy. Am J Hum Genet 73: 1106–1119 Senderek J, Bergmann C, Weber S et al. (2003) Mutation of the SBF2 gene, encoding a novel member of the myotubularin family, in Charcot-Marie-Tooth neuropathy type 4B2/11p15. Hum Mol Genet 12: 349–356 Senderek J, Hermanns B, Bergmann C et al. (1999) X-Linked dominant Charcot-Marie-Tooth neuropathy: clinical, electrophysiological, and morphological phenotype in four families with different connexin32 mutations. J Neurol Sci 167: 90–101 Senderek J, Hermanns B, Lehmann U et al. (2000) Charcot-Marie-Tooth neuropathy type 2 and P0 point mutations: two novel amino acid substitutions (Asp61Gly; Tyr119Cys) and a possible „hotspot“ on Thr124Met. Brain Pathol 10: 235–248 Shekarabi M, Girard N, Riviere JB et al. (2008) Mutations in the nervous system – specific HSN2 exon of WNK1 cause hereditary sensory neuropathy type II. J Clin Invest 118: 2496–2505 Sheth S, Francies K, Siskind CE, Feely SM, Lewis RA, Shy ME (2008) Diabetes mellitus exacerbates motor and sensory impairment in CMT1A. J Peripher Nerv Syst 13: 299–304 Shy ME, Jani A, Krajewski K et al. (2004) Phenotypic clustering in MPZ mutations. Brain 127: 371–384
Literatur
206. Singleton JR, Bixby B, Russell JW et al. (2008) The Utah Early Neuropathy Scale: a sensitive clinical scale for early sensory predominant neuropathy. J Peripher Nerv Syst 13: 218–227 207. Sole G, Ferrer X, Vital C, Martin-Negrier ML, Vital A, Latour P (2009) Ultrastructural mitochondrial modifications characteristic of mitofusin 2 mutations (CMT2A). J Peripher Nerv Syst 14: 206–207 208. Solla P, Vannelli A, Bolino A et al. (2010) Heat shock protein 27 R127W mutation: evidence of a continuum between axonal Charcot-Marie-Tooth and distal hereditary motor neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 81: 958– 962 209. Sommer C, Schröder JM (1989) Amyloid neuropathy: immunocytochemical localization of intra- and extracellular immunoglobulin light chains. Acta Neuropathol (Berl) 79: 190–199 210. Staunton H (ed) (1991) Familial amyloid polyneuropathies. Elsevier, Amsterdam 211. Stögbauer F, Young P, Kuhlenbäumer G et al. (1999) Autosomal dominant burning feet syndrome. J Neurol Neurosurg Psych 67: 78–81 212. Street VA, Bennett CL, Goldy JD et al. (2003) Mutation of a putative protein degradation gene LITAF/SIMPLE in Charcot-Marie-Tooth disease 1C. Neurology 60: 22–26 213. Takashima H, Boerkoel CF, De Jonghe P et al. (2002) Periaxin mutations cause a broad spectrum of demyelinating neuropathies. Ann Neurol 51: 709–715 214. Tanaka K, Webster HD (1993) Effects of psychosine (galactosylsphingosine) on the survival and the fine structure of cultured Schwann cells. J Neuropathol Exp Neurol 52: 490–498 215. Taratuto AL, Sevlever G, Saccoliti M, Caceres L, Schultz M (1990) Giant axonal neuropathy (GAN): an immunohistochemical and ultrastructural study report of a Latin American case. Acta Neuropathol (Berl) 80: 680–683 216. Tazir M, Vallat JM, Bomont P et al. (2002) Genetic heterogeneity in giant axonal neuropathy: an Algerian family not linked to chromosome 16q24.1. Neuromuscul Disord 12: 849–852 217. Thiex R, Schröder JM (1998) PMP-22 gene duplications and deletions identified in archival, paraffin-embedded sural nerve biopsy specimens: correlation to structural changes. Acta Neuropathol 96: 13–21 218. Thomas PK, King RHM, Workman JM, Schröder JM (2000) Hypertrophic perineurial dysplasia in multifocal and generalized peripheral neuropathies. Neuropathol Appl Neurobiol 26: 536–543 219. Thomas PK, Landon DN, King RHM (eds) (1997) Diseases of the peripheral nerves. Arnold, London Sydney Auckland 220. Thrush DC, Holti G, Bradley WG, Campbell MJ, Walton JN (1974) Neurological manifestations of xeroderma pigmentosum in two siblings. J Neurol Sci 22: 91–104 221. Timmerman V, De Jonghe P, Simokovic S et al. (1996) Distal hereditary motor neuropathy type II (distal HMN II):
639
222.
223.
224.
225.
226.
227.
228.
229.
230. 231. 232.
233.
234.
235.
236.
mapping of a locus to chromosome 12q24. Hum Mol Genet 5: 1065–1069 Timmerman V, Lupski JR, De Jonghe P (2006) Molecular genetics, biology, and therapy for inherited peripheral neuropathies. Neuromolecular Med 8: 1–2 Timmerman V, Raeymaekers P, Nelis E et al. (1992) Linkage analysis of distal hereditary motor neuropathy type II (distal HMN II) in a single pedigree. J Neurol Sci 109: 41–48 Trockel U, Schröder JM, Reiners KH, Toyka KV, Goerz G, Freund HJ (1983) Multiple exercise-related mononeuropathy with abdominal colic. J Neurol Sci 60: 431–442 Ubogu EE, Hong ST, Akman HO, Dimauro S, Katirji B, Preston DC, Shapiro BE (2005) Adult polyglucosan body disease: a case report of a manifesting heterozygote. Muscle Nerve 32: 675–681 Uncini A, Servidei S, Silvestri G et al. (1994) Ophthalmoplegia, demyelinating neuropathy, leukoencephalopathy, myopathy, and gastrointestinal dysfunction with multiple deletions of mitochondrial DNA: a mitochondrial multisystem disorder in search of a name. Muscle Nerve 17: 667–674 Vallat JM, Gil R, Leboutet MJ, Hugon J, Moulies D (1987) Congenital hypo- and hypermyelination neuropathy. Two cases. Acta Neuropathol (Berl) 74: 197–201 van Alfen N, Gabreels-Festen AA, Ter Laak HJ, Arts WF, Gabreels FJ, van Engelen BG (2005) Histology of hereditary neuralgic amyotrophy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 76: 445–447 van de Warrenburg BP, Notermans NC, Schelhaas HJ et al. (2004) Peripheral nerve involvement in spinocerebellar ataxias. Arch Neurol 61: 257–261 Vanier MT, Millat G (2003) Niemann-Pick disease type C. Clin Genet 64: 269–281 Vanier MT, Suzuki K (1998) Recent advances in elucidating Niemann-Pick C disease. Brain Pathol 8: 163–174 Vavlitou N, Sargiannidou I, Markoullis K, Kyriacou K, Scherer SS, Kleopa KA (2010) Axonal pathology precedes demyelination in a mouse model of X-linked demyelinating/type I Charcot-Marie Tooth neuropathy. J Neuropathol Exp Neurol 69: 945–958 Verheij JB, Sival DA, van der Hoeven JH, Vos YJ, Meiners LC, Brouwer OF, van Essen AJ (2006) Shah-Waardenburg syndrome and PCWH associated with SOX10 mutations: a case report and review of the literature. Eur J Paediatr Neurol 10: 11–17 Verhoeven K, Claeys KG, Züchner S et al. (2006) MFN2 mutation distribution and genotype/phenotype correlation in Charcot-Marie- Tooth type 2. Brain 129: 2093–2102 Vital A, Fontan D, Julien J, Talon P, Heron B, Routon MC, Ponsot G, Vital C (1998) Congenital insensitivity to pain with anhydrosis. Report of two unrelated cases. J Peripher Nerv Syst 3: 125–132 Vital C, Lagueny A, Mercie P, Viallard JF, DelabrousseMayoux JP, Vital A (2010) Usefulness of combined nerve
640
Kapitel 23
237.
238.
239.
240.
241.
242.
243.
244.
245.
246.
247.
248.
23 249.
250.
and muscle biopsy in the diagnosis of amyloid neuropathy – a study of 6 new cases. Clin Neuropathol 29: 59–64 von Hirsch T, Peiffer J (1955) Über histologische Methoden in der Differentialdiagnose von Leukodystrophien und Lipidosen. Arch Psychatr Nervenkr 194: 88–104 Wakabayashi K, Mori F, Tanji K, Orimo S, Takahashi H (2010) Involvement of the peripheral nervous system in synucleinopathies, tauopathies and other neurodegenerative proteinopathies of the brain. Acta Neuropathol 120: 1–12 Wanders RJ, Schutgens RB, Barth PG (1995) Peroxisomal disorders: a review. J Neuropathol Exp Neurol 54: 726–739 Wang J, Hegele RA (2000) Microsomal triglyceride transfer protein (MTP) gene mutations in Canadian subjects with abetalipoproteinemia. Hum Mutat (Online) 15: 294–295 Warner LE, Hilz MJ, Appel SH et al. (1996) Clinical phenotypes of different MPZ (P0) mutations may include Charcot- Marie-Tooth type 1B, Dejerine-Sottas, and congenital hypomyelination. Neuron 17: 451–460 Warner LE, Mancias P, Butler IJ, McDonald CM, Keppen L, Gene Koob K, Lupski JR (1998) Mutations in the early growth response 2 (EGR2) gene are associated with hereditary myelinopathies. Nat Genet 18: 382–384 Webster HD (1962) Schwann cell alterations in metachromatic leukodystrophy: preliminary phase and electron microscopic abservations. J Neuropathol Exp Neurol 21: 534–554 Webster HD, Schröder JM, Asbury AK, Adams RD (1967) The role of Schwann cells in the formation of „onion bulbs“ found in chronic neuropathies. J Neuropathol Exp Neurol 26: 276–299 Weidenheim KM, Dickson DW, Rapin I (2009) Neuropathology of Cockayne syndrome: Evidence for impaired development, premature aging, and neurodegeneration. Mech Ageing Dev 130: 619–636 Wieczorek S, Bergstrom J, Saaf M, Kotting J, Iwarsson E (2008) Expanded HSAN4 phenotype associated with two novel mutations in NTRK1. Neuromuscul Disord 18: 681–684 Windebank AJ, Blexrud MD, Dyck PJ, Daube JR, Karnes JL (1990) The syndrome of acute sensory neuropathy: clinical features and electrophysiologic and pathologic changes [see comments]. Neurology 40: 584–591 Yamada M, Kondo M, Tanaka M, Okeda R, Hatakeyama S, Fukui T, Tsukagoshi H (1984) An autopsy case of acute porphyria with a decrease of both uroporphyrinogen I synthetase and ferrochelatase activities. Acta Neuropathol 64: 6–11 Yoshikawa H, Dyck PJ (1991) Uncompacted inner myelin lamellae in inherited tendency to pressure palsy. J Neuropathol Exp Neurol 50: 649–657 Zamel R, Khan R, Pollex RL, Hegele RA (2008) Abetalipoproteinemia: two case reports and literature review. Orphanet J Rare Dis 3: 19
Hereditäre Neuropathien
251. Ziemssen F, Sindern E, Schröder JM, Shin YS, Zange J, Kilimann MW, Malin JP, Vorgerd M (2000) Novel missense mutations in the glycogen-branching enzyme gene in adult polyglucosan body disease. Ann Neurol 47: 536– 540 252. Zimon M, Baets J, Auer-Grumbach M et al. (2010) Dominant mutations in the cation channel gene transient receptor potential vanilloid 4 cause an unusual spectrum of neuropathies. Brain 133: 1798–1809 253. Züchner S, Mersiyanova IV, Muglia M et al. (2004) Mutations in the mitochondrial GTPase mitofusin 2 cause Charcot-Marie-Tooth neuropathy type 2A. Nat Genet 36: 449–451 254. Züchner S, Noureddine M, Kennerson M et al. (2005) Mutations in the pleckstrin homology domain of dynamin 2 cause dominant intermediate Charcot-Marie-Tooth disease. Nat Genet 37: 289–294 255. Züchner S, Sperfeld AD, Senderek J, Sellhaus B, Hanemann CO, Schröder JM (2003) A novel nonsense mutation in the ABC1 gene causes a severe syringomyelia-like phenotype of Tangier disease. Brain 126: 920–927 256. Züchner S, Vorgerd M, Sindern E, Schröder JM (2004) The novel neurofilament light (NEFL) mutation Glu397Lys is associated with a clinically and morphologically heterogeneous type of Charcot-Marie-Tooth neuropathy. Neuromuscul Disord 14: 147–157
Kapitel 24
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
24
J.M. Schröder Inhalt Neuropathien bei infektiösen Krankheiten . . . . . . . .
642
Postdiphtherische Neuropathie . . . . . . . . . . . . .
645
Neuropathien bei Herpesvirusinfektionen . . . . . .
642
Immunologisch bedingte und verwandte Neuropathien
646
Herpes simplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
642
Guillain-Barré-Syndrom (GBS) . . . . . . . . . . . . .
646
Herpes Zoster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
642
Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
647
Ebstein-Barr-Virus (EBV) . . . . . . . . . . . . . . .
643 Fazialislähmung (Bell’sche Lähmung) . . . . . . . . .
647
Zytomegalievirus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
643 Idiopathische Trigeminusneuralgie . . . . . . . . . . .
647
AIDS-Neuropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
643 Tinnitus, Hörsturz, Morbus Meniére . . . . . . . . . .
647
Lepröse Neuropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
643 Vaskulitiden und Neuropathien . . . . . . . . . . . . . .
648
Lepromatöse Lepra . . . . . . . . . . . . . . . . . .
644 Perineuritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
648
Tuberkuloide Lepra . . . . . . . . . . . . . . . . . .
644 Sensorische Perineuritis . . . . . . . . . . . . . . . . .
648
Chagas-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
644 Granulomatöse Perineuritis beim Cogan-Syndrom .
648
Lyme-Borreliose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
645 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
649
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_24, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
642
Kapitel 24
In dieser klinisch besonders wichtigen, weil häufigen und therapierbaren Gruppe von Neuropathien sind die infektiösen Neuropathien, die bei Herpes zoster, AIDS, der in unseren Breitengraden seltenen Lepra, der ChagasKrankheit und Lyme-Borreliose auftreten, zu unterscheiden von den hier wesentlich häufigeren entzündlichen Erkrankungen, bei denen keine Erreger nachweisbar sind und die daher vielfach als Autoaggressionskrankheiten oder immunbedingte Krankheiten des peripheren Nervensystems interpretiert werden. Zu den letztgenannten gehören die Polyneuritiden, namentlich die akute idiopathische entzündliche Polyradikuloneuritis (Guillain-Barré-Syndrom), die chronische rekurrierende oder chronisch-progressive inflammatorische (entzündliche) demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) und eine Vaskulitis, die auf das periphere Nervensystem begrenzt ist. Systemische entzündlichen Erkrankungen der Gefäße der peripheren Nerven sind im eigenen Untersuchungsgut besonders häufig (s. unten: ca. 20 primäre und 24 sekundäre Vaskulitisformen!), ebenso Neuropathien aufgrund von Erkrankungen des lymphoretikulären Systems bzw. bei Dysproteinämien (inkl. der Paraproteinämien). Wesentlich seltener sind entzündliche Neuropathien, die bei der Sarkoidose oder der (sensorischen) Perineuritis auftreten.
Neuropathien bei infektiösen Krankheiten Neuropathien bei Herpesvirusinfektionen Von den 80 bei Mensch und/oder Tier nachgewiesenen Herpesviren lösen nur 8 Infektionen beim Menschen aus, darunter führen nur 5 zu einer Erkrankung des peripheren Nervensystems [20], nämlich das • Herpes-simplex-Virus, HSV-1 und HSV-2; • Varizella-zoster-Virus, VZV; • Zytomegalievirus, CMV; • und das Epstein-Barr-Virus, EBV.
Herpes simplex
24
Das Herpes-simplex-Virus verursacht schmerzhafte Bläschen um den Mund (HSV-1) oder die Genitalien (HSV2). Die meisten Infektionen sind subklinisch und führen zu einer latenten Infektion der Neurone in den Ganglien. Zu den neurologischen Komplikationen gehören eine Enzephalitis (zumeist durch HSV-1), eine aseptische Meningitis und eine rekurrierende Radikulopathie (zumeist durch HSV-2). HSV-1 kann auch die Ursache der Bellschen Lähmung sein (s. unten).
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
Herpes Zoster Die primäre Infektion mit einem Varizella-Zoster-Virus verursacht Windpocken, in der Regel bei Kindern, während der Zoster (= Herpes Zoster = Gürtelrose) als Folge der Reaktivierung des Virus anzusehen ist, das in den sensorischen Ganglienzellen latent erhalten geblieben ist. Klinik. Der Herpes Zoster ist eine Krankheit, die durch einen Kranz von Vesikeln im Dermatom eines sensorischen Nervs gekennzeichnet ist, dem in der Regel 4– 5 Tage des Krankseins und von Schmerzen vorausgehen. Die Vesikel bleiben etwa 7 Tage erhalten, trocknen dann aus und hinterlassen Narben sowie postherpetische Schmerzen, die bei Patienten im Alter über 40 Jahren für Monate anhalten können.
Das Dermatom eines jeden sensorischen Nervs kann betroffen sein, meistens ist es jedoch der V. Hirnnerv oder der 3.–10. Thorakalnerv. Gelegentlich werden die sensorischen Symptome von motorischen Zeichen begleitet. Sogar der N. facialis kann betroffen sein [18]. Selten tritt eine akute Myelitis auf.
Morphologie. Entzündung, Nekrose und Hämorrhagie in den Spinalganglien sind beim Zoster schon früh beschrieben worden. Das Virus wird bei den Windpocken nach der primären Infektion des Nasopharynx entlang den sensorischen Nerven retrograd in den Axonen zu den spinalen oder kranialen Ganglien transportiert (ähnlich dem Herpes-simplex-Virus). Eine Immunsuppression z. B. bei AIDS [56], Lymphomen oder zytotoxischer Therapie kann den Zoster auslösen. Nach der Reaktivierung in den Ganglien breitet sich das Virus zentrifugal in den sensorischen Nerven in Richtung auf die Haut aus und kann dann sowohl in den Ganglien als auch in den Nerven elektronenmikroskopisch oder immunfluoreszenzmikroskopisch nachgewiesen werden [15]. Durch Southern-Blot-Hybridisierung ist die Varizella-Zoster-Virus-DNA in infizierten Sakralganglien und in normalen Trigeminusganglien bei menschlichen Autopsiefällen nachgewiesen worden [19]. Im latenten Zustand ist das Varizella-Zoster-Virus auch in nichtneuronalen Zellen der menschlichen Spinalganglien zu identifizieren, während das latente Herpes-simplexVirus primär in Neuronen lokalisiert ist [11]. Eine zentripetale Ausbreitung kann auch die Hinterwurzeln und die Hinterhörner des Rückenmarks erfassen, wodurch eine Myelitis entsteht. Die vielfältigen Komplikationen der Varizella-Zoster-Virus-Infektion sind von Kennedy zusammengefasst worden [32].
643
Neuropathien bei infektiösen Krankheiten
Ebstein-Barr-Virus (EBV) Das EBV verursacht die infektiöse Mononukleose und ist bei den meisten Menschen in latenter Form vorhanden. Die neurologischen Komplikationen sind sehr variabel. Möglich sind eine aseptische Meningitis, eine (akute, demyelinisierende Enzephalitis, Myelitis, Neuritis, Myeloneuritis oder Enzephalomyeloneuritis. Die Suralnervenbiopsie ergab einen schweren Ausfall markhaltiger und markloser Nervenfasern, vereinzelt verbunden mit epineuralen perivaskulären entzündlichen Infiltraten [63].
Zytomegalievirus Die CMV-Infektion bei Immunkompetenten ist entweder asymptomatisch oder sie verursacht ein mononukleoseähnliches Syndrom. Bei immuninkompetenten Patienten ist es die häufigste opportunistische Infektionskrankheit, wobei sowohl das zentrale als auch das periphere Nervensystem betroffen sein kann. Nervenbiopsien haben granulozytäre Infiltrate mit multifokalen fibrinoiden Nekrosen endoneuraler Gefäße ergeben. CMVAntigen-positive „Eulenaugen“-Einschlüsse in den Kernen kommen sowohl in Entzündungszellen als auch in Schwann-Zellen vor.
AIDS-Neuropathie Human-immune-deficiency-virus-(= HIV-)Infektionen können mit verschiedenen Neuropathien assoziiert sein [50]: • durch direkte Virusinfektion, • über einen immunologischen Pathomechanismus (akute oder chronische inflammatorische Neuropathie), • durch opportunistische Infektionen (z. B. Zytomegalie) oder durch • medikamentöse Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten wie Didanosin, Zalcitabin oder Stavudin, die den oxidativen Metabolismus der Mitochondrien beeinträchtigen, nicht aber Zidovudin, das wohl keine Neuropathie, aber eine mitochondriale Myopathie verursacht (s. dort). Klinische Anzeichen einer Neuropathie bestehen etwa bei der Hälfte der Patienten, pathologische Veränderungen sind sogar in etwa 90% der Fälle mit AIDS („acquired immune deficiency syndrome“) nachweisbar. Apolipoprotein-E-(APOE-ε4-)Träger sind dabei doppelt so häufig betroffen wie APOE-ε4-negative Patienten [16].
Klinik. Klinisch sind entsprechend verschiedene Formen einer Neuropathie beschrieben worden [56]. In der Prä-AIDS-Phase der Infektion können eine Mononeuritis multiplex und Hirnnervenerkrankungen auftreten. Bei einigen dieser Fälle ist eine Vaskulitis beschrieben worden, die auf eine Immunkomplexerkrankung zurückgeführt wird [17]. Nach Manifestation von AIDS findet sich als häufigste klinische Form eine sensorische Polyneuropathie mit distal akzentuiertem Sensibilitätsverlust, Dysästhesien und Allodynien (Schmerzen nach unschädlichem Reiz) [35]. Schließlich ist eine autonome Neuropathie abzugrenzen, die in den AIDS-Endstadien auftritt [10]. Morphologie. In einzelnen Fällen ist ein HIV-Nachweis im Nerven gelungen [4]. Eine relativ benigne Form und eine der frühesten, die im Verlauf der HIV-Infektion auftritt, in der Regel während der Patient sonst noch asymptomatisch ist, besteht in einer akuten oder subakuten rekurrierenden demyelinisierenden Neuropathie [8, 9, 39]. Dabei handelt es sich um segmentale Demyelinisationen, die mit einer variablen axonalen Schädigung sowie perivaskulären mononukleären Zellinfiltraten im Endo- und Perineurium verbunden sind. Die Grundlage dieser Erkrankung ist vermutlich ein Autoimmunprozess im Sinne eines Guillain-Barré-Syndroms. Schließlich dominiert eine „Dying-back“-Form der axonalen Degeneration; aber segmentale Demyelinisationen aufgrund entzündlicher Veränderungen können weiterhin vorhanden sein. Pathologische Veränderungen in autonomen Nerven sind u. a. in der Darmwand asymptomatischer HIV-infizierter Patienten zu finden, ebenso bei solchen mit AIDS [24]. Eine sensorische Ganglionitis mit Ataxie und Radikuloneuritis aufgrund einer opportunistischen Zytomegalievirusinfektion kann zu einem Cauda-equina-Syndrom führen [13].
Lepröse Neuropathie Eine Infektion mit dem Mycobacterium leprae manifestiert sich vor allem an der Haut, an den Schleimhäuten und an den peripheren Nerven. Die sehr lange Inkubationszeit beträgt 4–15 Jahre oder mehr, wobei die Symptome bei der tuberkuloiden Lepra früher beginnen als bei der lepromatösen Form. Anfangs stehen Hautveränderungen im Vordergrund, seltener die periphere Neuropathie. Die Klassifikation der Lepra beruht auf Unterschieden in der immunologischen Reaktion. Diese umfasst ein Spektrum zwischen geringer zellulärer Immunität (lepromatöser Lepra), bei der die Bakterien in den infizierten Zellen proliferieren und nur wenige entzündliche Reaktionen auftreten, bis zu starken zellulären Immunreaktionen (tuberkuloide Lepra), bei denen eine starke entzünd-
644
Kapitel 24
liche Reaktion stattfindet und nur wenige Erreger nachweisbar sind. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es Grenzfälle, die wiederum unterschieden werden in eine lepromatöse Übergangsform, eine intermediäre und eine tuberkuloide Übergangsform. Auch gibt es eine unbestimmte Gruppe von frühen Fällen, die noch nicht die charakteristischen Veränderungen der polaren Typen aufweisen. Sie können sich in beide Richtungen entwickeln. Übergänge von der einen in die andere Form kommen vor. Der Leprominhauttest ist bei der tuberkuloiden Lepra positiv, bei der lepromatösen aber negativ.
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
Endoneural sind in frühen Stadien ein Ödem, später eine dichte Fibrose nachweisbar. Letzteres ist vermutlich auf eine Aktivierung der Fibroblasten durch Interleukin I und den Tumornekrosefaktor bedingt, die wiederum durch aktivierte Makrophagen abgegeben werden [58]. Auch Matrixmetalloproteinasen (MMPs) spielen eine wichtige Rolle [65]; sie kontrollieren die Blut-NervenSchranke und erleichtern die Einwanderung der Immunzellen sowie die entzündliche Demyelinisation. Das Perineurium wird ebenfalls von vakuolisierten Makrophagen infiltriert, wobei es zur Zerstörung von Perineuralzellen kommt, so dass die normale perifaszikuläre Grenzschicht zerstört wird.
Lepromatöse Lepra Tuberkuloide Lepra
24
Die Nerven erscheinen anfänglich relativ gut erhalten, doch besteht eine intensive entzündliche Reaktion, die überwiegend das Epineurium und Perineurium betrifft. Dadurch kommt es zur Verdickung der Nerven. Die einzelnen Nervenfaszikel sind recht unterschiedlich stark betroffen. Eine lymphozytäre Vaskulitis ist sowohl epineural als auch perineural und endoneural nachweisbar, doch sind Gefäßverschlüsse selten. Die Bazillen sind in großer Zahl vorhanden; sie liegen in epineuralen und endoneuralen Fibroblasten, Perineuralzellen, Zellen der Makrophagen-/Histiozytenreihe, in Schwann-Zellen und in Endothelzellen. Sie ließen sich in den Schwann-Zellen nicht nachweisen, wenn nicht auch andere Zellen in ihrer Nachbarschaft betroffen waren. Die Fibroblasten proliferieren erheblich, die Infektion der Zellen breitet sich offensichtlich vom Perineurium auf das Endoneurium aus, wobei die bindegewebigen Septen und Blutgefäße als Eintrittspforte dienen. Nur selten sind Bazillen in Axonen beobachtet worden. Sie sind dann von einer Doppelmembran eingehüllt, was auf eine Umhüllung durch das Zytoplasma von Schwann-Zellen schließen lässt. Die Bazillen werden in Schwann-Zellen und Makrophagen von hellen Räumen umgeben, die in Makrophagen große Vakuolen bilden können und das charakteristische lichtmikroskopische Bild der schaumigen Leprazellen verursachen. In der Nachbarschaft der entzündlichen Reaktionen kommt es zu Demyelinisationen und Ausfällen von Axonen, die von Fall zu Fall variieren. Die Demyelinisation ist möglicherweise auf eine Infektion und Degeneration der Schwann-Zellen zurückzuführen. Sie kann aber auch auf einer Abgabe von Proteasen und Wasserstoffsuperoxid durch aktivierte Makrophagen beruhen. Der selektive Verlust von Schmerz- und Temperaturempfindung und die Anhidrose lassen vermuten, dass die kleinen markhaltigen und marklosen Nervenfasern bevorzugt betroffen sind, was jedoch morphometrisch nur schwer nachweisbar ist, da die Läsionen fleckförmig auftreten.
Bei der tuberkuloiden Lepra ist der Verlauf benigner und weniger rasch progredient. Die Hautnerven können lokal unregelmäßig verdickt sein. Im Vordergrund steht ein entzündliches Granulom, das aus epitheloiden Zellen (Makrophagen), mehrkernigen Riesenzellen und Lymphozyten besteht, wobei die Letzteren in der Regel an der Peripherie der Granulome liegen. Bazillen sind nur selten nachweisbar, auch wenn Antigene des M. leprae festzustellen sind. Solche Granulome finden sich überwiegend in kutanen und subkutanen Nerven nahe den Hautveränderungen; sie sind mit einer starken Auflösung der neuralen Architektur verbunden. Einige Faszikel sind vollständig zerstört mit nur wenigen erhaltenen Nervenfasern; andere benachbarte Faszikel können relativ normal erscheinen. Eine zentrale Nekrose kann in den Granulomen vorkommen und führt zur Bildung verkäsender Abszesse. Schließlich resultiert eine ausgedehnte Endoneuralfibrose.
Chagas-Krankheit Diese Krankheit beruht auf einer Infektion durch Trypanosoma cruzi und ist in Brasilien endemisch. In der Kindheit tritt in der Regel ein akutes septikämisches Stadium auf. Das chronische Stadium ist meist das Ergebnis einer Zerstörung der Ganglienzellen im peripheren autonomen System, die während des akuten Stadiums erfolgt. Früher wurde vermutet, dass diese Zerstörung auf eine Freisetzung von Neurotoxinen aus den Parasiten zurückzuführen ist. Doch sind signifikant mehr CD-57-(Natural-Killer-)Zellen und TIA-1-zytotoxische Lymphozyten in den intestinalen Ganglien nachweisbar [12]. Außerdem lässt der Nachweis von Antikörpern gegen basisches Myelinprotein (MBP) auf einen Autoimmunprozess schließen, der über T-Zellen zur Neuropathie führt [48]. Die klinischen Auswirkungen sind auf Störungen der parasympathischen Innervation von Herz- sowie Magen-
Neuropathien bei infektiösen Krankheiten
Darm- und Urogenitaltrakt zurückzuführen. Folgen sind ein Megaösophagus und ein Megakolon, während andere Anteile des Gastrointestinaltrakts weniger oft betroffen sind.
645
ist ihre Bedeutung unklar [61]. Doch der Nachweis von GM1-Antikörpern im Serum spricht ebenfalls für einen Autoimmunprozess [57].
Postdiphtherische Neuropathie Lyme-Borreliose
Die Spirochäte Borrelia burgdorferi verursacht eine infektionsbedingte Multisystemerkrankung. Der Erreger wird übertragen durch Zeckenbiss. Das Hauptreservoir des Erregers bildet das Damwild.
Typischerweise tritt die Krankheit in 3 Stadien auf: 1. Am Anfang steht das Erythema migrans. 2. Es folgen eine Karditis, Arthritis und Meningopolyneuritis. 3. Die chronischen Veränderungen bestehen in einer Akrodermatitis chronica atrophicans und in arthritischen und neurologischen Manifestationen. Die peripheren Nerven erkranken im 2. Stadium in verschiedener Weise und umfassen Hirnnervenbeteiligungen, insbesondere des N. facialis, eine Plexopathie, eine multifokale Neuropathie und selten eine akute generalisierte Neuropathie, die einem Guillain-Barré-Syndrom ähnelt (Zecken-Paralyse [51]). Im 3. Stadium können eine milde distale sensomotorische Neuropathie und ein Karpaltunnelsyndrom als häufige Manifestationsform auftreten. Morphologie. In Nervenbiopsien sind perivaskuläre Infiltrate von Lymphozyten und Plasmazellen um einige endoneurale, perineurale und epineurale Blutgefäße nachweisbar. Eine Endarteriitis obliterans ist gelegentlich vorhanden, nicht aber eine eindeutig nekrotisierende Vaskulitis. Eine axonale Degeneration ist häufig. Das Muster der Zytokinimmunreaktivität unterscheidet sich nicht wesentlich von dem bei einer vaskulitischen Neuropathie, doch ist das Perineurium stärker verbreitert und die Neovaskularisation stärker ausgeprägt [59]. Spirochäten sind in peripheren Nerven nicht nachgewiesen worden [44, 45], sie sind aber wahrscheinlich in geringer Zahl vorhanden, da sie in anderen Geweben, wenn auch selten, identifiziert worden sind. Autoptisch sind durch Lymphozyten und Plasmazellen infiltrierte autonome Ganglien beobachtet worden. Pathogenese. Die Ursache der Neuropathie ist nicht klar. Offensichtlich spielt die Gefäßbeteiligung als Ursache des multifokalen Musters der Erkrankung eine Rolle. Kreuzreagierendes Serum-IgM gegen Antigene der Borrelia burgdorferi und axonale Antigene sind vorhanden, doch
Die diphtherische Neuropathie wird durch das Exotoxin des Corynebacterium diphtheriae verursacht, so dass es sich nicht um eine entzündliche Polyneuritis im Sinne einer durch Zellinfiltrate charakterisierten Neuropathie handelt. Sie entwickelt sich nur bei manifester Rachenoder Wunddiphtherie. Wegen der in unseren Breiten üblichen Impfung im Kindesalter kommt sie hier nur noch selten vor; doch treten immer wieder lokale Epidemien auf. Allerdings kann eine Diphtherie-Tetanus-PertussisVakzination bei einer hereditären Neuropathie mit der Gefahr einer schwereren Verlaufsform verbunden sein [43]. Klinik. Die Symptome beginnen in der Regel zwischen 3 und 14 Tagen nach der Infektion. Zuerst kommt es zu einem Hirnnervensyndrom, das seinen Höhepunkt um den 45. Tag hat, und von einem Tetraplegiesyndrom mit einem Höhepunkt um den 90. Tag gefolgt wird. Bei leichteren Fällen entwickeln sich lediglich Hirnnervenausfälle; Lähmungen der Atemmuskulatur erreichen ihren Kulminationspunkt zwischen dem 30. und 60. Tag. Die Rückbildung der Symptome findet in der Reihenfolge des Eintretens statt und ist nach etwa 4 Monaten abgeschlossen. Morphologie. Die diphtherische Neuropathie ist von besonderer Bedeutung, da eine der wichtigsten und häufigsten allgemeinpathologischen Reaktionen des peripheren Nerven, nämlich die segmentale Demyelinisation, erstmalig in einem menschlichen peripheren Nerven bei der diphtherischen Neuropathie beschrieben worden ist (Meyer 1881), nachdem Gombault (1880–1881) [22] kurz vorher das lichtmikroskopische Bild der segmentalen Demyelinisation erstmalig bei der experimentellen Bleineuropathie des Meerschweinchens beschrieben hatte. Die primäre segmentale Demyelinisation ist auf eine Störung der Schwann-Zell-Funktion oder des Myelins selbst zurückzuführen. Zur Degeneration von Axonen kommt es nur in besonders schweren Fällen [40]. Die experimentelle diphtherische Neuropathie wurde später mehrfach als Modell der segmentalen Demyelinisation untersucht [70]. Dabei löst sich die helikale Zytoplasmaschicht des Myelins vom Axolemm ab und das Myelin retrahiert sich, so dass eine Erweiterung des nodalen Spaltraums entsteht. Die Markscheiden lösen sich zuerst am Schnürring auf (paranodale Demyelinisation) oder das gesamte Internodium ist betroffen; schließlich bleibt das entmarkte Axon übrig, das von kleinen Myelinovoiden in Schwann-Zell-Fortsätzen umgeben wird
646
Kapitel 24
oder extrazellulär innerhalb der Basallamina liegt [2]. Der Nerv wird dann von Makrophagen infiltriert, die die Markscheidenabbauprodukte zumindest teilweise aufnehmen. Gleichzeitig proliferieren die Schwann-Zellen, die den Hauptteil des Myelinabbaus besorgen.
Immunologisch bedingte und verwandte Neuropathien Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
24
Das GBS ist mit seinen 6 Varianten die weltweit führende Ursache für eine akute neuromuskuläre Paralyse [26]. Es handelt sich um eine akute oder subakute monophasische Autoaggressionskrankheit, bei der klinisch vorwiegend das motorische System betroffen erscheint [25, 30, 31]. Die Verteilung der Schwäche kann proximal, distal oder generalisiert sein. Häufig ist eine Fazialisschwäche. Eine Atemlähmung kann eine künstliche Beatmung erfordern. Sensorische Symptome sind weniger auffällig. Im Liquor fällt ein erhöhter Proteingehalt bei gering vermehrter Zellzahl auf („dissociation cyto-albuminique“). Die Nervenerregungsleitungsgeschwindigkeit ist stark reduziert, evtl. bis zu einem Leitungsblock. Die Inzidenz beträgt 1–2 auf 100.000 pro Jahr [41] in Deutschland; basierend auf DRG-(„disease-relatedgroups“-)Statistiken: 1,6–1,89 [37]. Zu unterscheiden sind • die wichtigste und häufigste Form, die akute inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (AIDP), die der experimentell-allergischen Neuritis (EAN) ähnelt und vor allem durch gegen die Markscheidenproteine P0, P2 und PMP22 gerichtete T-Zellen verursacht wird. Antikörper und Komplement sind ebenfalls involviert. Bei dieser Form sind die Reflexe oft schon früh erloschen, obwohl sie auch erhalten oder sogar gesteigert sein können; in der Regel ist vor allem die Propriozeption betroffen, während Schmerz und Temperaturempfindung besser erhalten bleiben. Allerdings bestehen oft Schmerzen vor allem in geschwächten Muskeln, die ähnlich einem Muskelkater empfunden werden [54], wobei die marklosen Nervenfasern, zu denen auch die Schmerzfasern gehören, nicht primär betroffen sind. • Weitere Varianten des GBS sind eine akute motorische axonale Neuropathie (AMAN), • eine akute sensorischen Neuronopathie (ASN) und • eine akute motorisch-sensorische axonale Neuropathie (AMSAN), die etwa bei einem Viertel der Fälle im Anschluss an eine Campylobacter-jejuni-Infektion auftreten und durch IgG-Antikörper ausgelöst werden. Diese Antikörper können aufgrund molekularer (Kohlenhydrat-)Mimikry nicht zwischen GM1-, GD1a- und GT1a-Gangliosiden in den Markscheiden
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
und Lipooligosacchariden in C.-jejuni-Isolaten unterscheiden [73]. Die Antikörper induzieren Makrophagen, um am Ranvier-Schnürring zwischen Axon und Markscheide einzudringen. Es kommt zur paranodalen Ablösung der Markscheidenlamellen vom Axon und dadurch zum evtl. noch rasch reversiblen Erregungsleitungsblock. Doch ist auch die gangliosidreiche präsynaptische Komponente der motorischen Endplatte, die außerhalb der Blut-Nerven-Schranke liegt, Angriffsstelle für Antikörper [71]. • Bei der selteneren bulbären Form mit Beteiligung der Hirnnerven (Polyneuritis cranialis; ca. 11% der Fälle) spricht man von einem Miller-Fisher-Syndrom, wobei Anti-GQ1b-IgG-Antikörper entscheidend sind [73]. • Bei stark bevorzugtem Befall des autonomen Systems resultiert evtl. eine akute Pandysautonomie. Zu deren autonome Störungen gehören eine atonische Blasenschwäche, Herzrhythmusstörungen, eine arterielle Hypertension oder eine orthostatische Hypotonie, ebenso eine distale Anhidrose. Autoantikörper gegen autonome Nerven sind vereinzelt nachgewiesen worden [23]. Kinder können ebenfalls betroffen sein [54], wobei klinisch nicht selten eine akute entzündliche Demyelinisation sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem nachweisbar ist [1]. Morphologie. Die Erkrankung ist durch fokale perivaskuläre entzündliche Invasion des Endoneuriums mit mononukleären Zellen (s. Abb. 23.6e), durch entsprechende Demyelinisationsherde und Schwann-Zell-Proliferation gekennzeichnet. Die Axone sind in variablem Ausmaß mitbetroffen. Je nach dem Zeitpunkt der Untersuchung finden sich unterschiedliche Stadien der Remyelinisation, die nach ca. 2–3 Wochen einsetzt und bleibende Spuren hinterlässt: in Relation zum Axonkaliber zu dünn remyelinisierte Nervenfasern mit segmental verkürzten Internodien, angedeutete Zwiebelschalenformationen und herdförmig vermehrtes endoneurales Bindegewebe. Elektronenmikroskopisch ist aufgrund der Invasion der peripheren Nerven durch mononukleäre Zellen eine fokale Auflösung der Markscheiden, gelegentlich mit Aufspaltung der einzelnen Lamellen durch flache Makrophagenfortsätze, zu beobachten. Pathogenese. Vermutlich handelt es sich um eine T-Zellausgelöste Immunreaktion, bei der die Komplementkaskade aktiviert wird und CD4+CD25+-T-regulatorische Zellen beteiligt sind [7]. B-Zellen, humorale Faktoren und Makrophagen spielen jedoch zusätzlich eine wichtige Rolle. Je stärker die Entzündung im Nerven ausgeprägt ist, desto mehr Axone werden geschädigt und degenerieren (axonaler Typ des GBS). Das ist insbesondere bei der durch Injektion von P2-sensibilisierten T-Zellen ausgelösten Form der EAN (Adoptive-Transfer EAN = AT-EAN) zu finden [38, 53].
Immunologisch bedingte und verwandte Neuropathien
Ätiologie. Die Ursache des GBS ist nicht gesichert, doch sind etwa 2/3 der Patienten ca. 2–3 Wochen vorher an einer Infektion erkrankt, bei der das Zytomegalie-, Epstein-Barr-, Hepatitis- und Varizellavirus, HIV, Mykoplasmen oder am häufigsten Erreger eine Rolle spielen, die zu einfachen Erkrankungen des Respirations- und Gastrointestinaltrakts (Campylobacter) führen (molekulares Mimikry) [27, 49, 73–75]. Die Krankheit tritt nicht nur postinfektiös, sondern auch postvakzinal auf, nach Traumen, Operationen oder Behandlungen mit Hyperthermie, gelegentlich auch beim M. Hodgkin und immunologisch bedingten Erkrankungen. Eine Verbindung mit besonderen HLA-Antigenen ist nicht gesichert [31]. Dennoch besteht eine Disposition zur Entwicklung eines GBS, wenn bestimmte Mutationen im Gen des TNFD vorhanden sind [42]. Auch bestimmen IgG-Rezeptor-IIa-Allele die Empfänglichkeit für das GBS und deren Schweregrad [67]. Prognose. Trotz optimaler Therapie sterben 5–8% der Patienten, 25% erfordern eine künstliche Beatmung über zumindest eine gewisse Zeit und 10–20% sind nach einem Jahr deutlich behindert und benötigen Gehhilfen oder mehr [41].
Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) Diese Variante ähnelt klinisch der akuten entzündlichen Polyradikuloneuritis (GBS), zeichnet sich aber durch einen chronisch rekurrierenden oder chronisch-progressiven Verlauf aus [34]. Außer motorischen und sensorischen Symptomen kann Müdigkeit als unterschätztes Symptom einer CIDP zur Klinikaufnahme führen [6]. Die chronisch rekurrierenden Fälle weisen bei weiblichen Patienten eine Assoziation mit dem HLA-DRB1*15-Haplotyp auf, der stark mit der multiplen Sklerose assoziiert ist, was aber in anderen Studien nicht für die CIDP, sondern nur für HLADRB1*11 und die anti-MAG-Neuropathie bestätigt werden konnte [21]. Die Inzidenz beträgt 2–4 auf 100.000 pro Jahr. Trotz intensiver antiinflammatorischer Therapie bleiben bei einer erhebliche Zahl von Patienten schwere chronische Behinderungen bestehen [41]. Morphologie. Fokal können entzündliche Infiltrate vorkommen, diese werden aber meistens vermisst [5, 36, 62, 68]. Im Vordergrund steht eine mehr oder weniger ausgedehnte segmentale Demyelinisation und Remyelinisation mit sog. hypertrophischen Veränderungen, d. h. Zwiebelschalenformationen (s. Abb. 23.6f), die als unspezifische Folge einer chronischen demyelinisierenden Neuropathie auftreten [69]. Dabei bleiben die proliferierten SchwannZellen zum Großteil erhalten und bilden dadurch, geschient von der jeweiligen Basallamina der ursprünglichen Nervenfaser, die „Zwiebelschalen“. Es bestehen
647
endoneurale Herde mit einer Chemokin- und Chemokin-Rezeptor-Expression sowie T-Zell- und Makrophagenaktivierung [29]. Wegen des Fehlens regulatorischer T-Zell-Mechanismen würde es zu dem für die CIDP typischen chronischen Verlauf kommen. Im Übrigen sind Nervenfaserausfälle nachweisbar, so dass die Abgrenzung gegenüber einer hereditären Form der demyelinisierenden Neuropathie (CMT1; s. oben) schwierig sein kann. Doch sind die Veränderungen bei der CIDP eher fokal ausgeprägt als gleichmäßig über alle Faszikel verteilt wie bei den hereditären Formen einer demyelinisierenden Neuropathie.
Fazialislähmung (Bell’sche Lähmung) Die Ursache der „idiopathischen“ Bell’schen Lähmung ist noch immer nicht eindeutig geklärt, so dass ihre hiesige Zuordnung zu den Autoimmunprozessen nicht bewiesen ist. Die einseitige Lokalisation und der akute Beginn wären damit vereinbar. Eine Herpes-simplex- oder Zosterätiologie ist jedoch nicht ausgeschlossen [46], zumal die gegenüber Plazebo durchgeführte Therapie mit Valacyclovir wohl ein etwas besseres Ergebnis erbracht hat [28]. Mit bleibenden einseitigen inkompletten Gesichtslähmungen ist zu rechnen.
Idiopathische Trigeminusneuralgie Das morphologische Substrat und die Ursache der „idiopathischen“ Trigeminusneuralgie sind ebenso wenig geklärt wie die der Bell’schen Lähmung, obwohl die Schmerzattacken („Tic douloureux“) bei der Trigeminusneuralgie zu den stärksten gehören, die beim Menschen beobachtet werden. Lichtmikroskopisch waren segmentale Entmarkungen und vergrößerte Axone sowie „Mikroneurome“ zu finden, elektronenmikroskopisch auch eine „degenerative Hypermyelinisation“ u. a. [33]; doch sind die Veränderungen schwer von exzisionstraumatischen Artefakten zu unterscheiden. Ätiologisch wird u. a. eine mikrovaskuläre Kompression diskutiert.
Tinnitus, Hörsturz, Morbus Meniére Ätiologie und Pathogenese von Tinnitus und Hörsturz sind nicht geklärt. Diskutiert werden Durchblutungsstörungen, Infektionen, immunologische Vorgänge (vgl. Cogan-Syndrom; s. unten), eine Störung der Ionenkanäle und hereditäre Ursachen [64]. Der Hörsturz ist die häufigste Ursache für eine akute Innenohrschwerhörigkeit. Nur bei einer kleinen Zahl von akuten Innenohrschwer-
648
Kapitel 24
hörigkeiten ist die Ursache bekannt: akustische Traumen, ototoxische Medikamente, Mittelohrentzündungen, Barotraumen, virale Infektionen u. a. Der idiopathische Hörsturz tritt ohne Schwindel auf. Bei gleichzeitigem Schwindel ist an einen M. Meniére zu denken, dessen histopathologisches Substrat in Gestalt von „hyperplastischem Myelin“ [72] vermutlich wie bei der Trigeminusneuralgie (s. oben) exzisionstraumatisch entstanden ist.
Vaskulitiden und Neuropathien Entzündliche Zellinfiltrate in der Gefäßwand oder perivaskulär erfüllen das histopathologische Kriterium einer Vaskulitis, sofern es sich nicht um akut, während einer protrahierten Exzision (Biopsie) auftretende Leukodiapedesen von Ganulozyten handelt (sog. „chirurgische Infiltrate“). Da ganz vereinzelte perivaskuläre Lymphozyten im Epineurium wohl auch schon einmal in einem „normalen“ Nerven vorkommen können, wird von manchen Autoren der zusätzliche Nachweis einer (fibrinoiden) Nekrose der Gefäßwand zur Definition einer Vaskulitis gefordert, obwohl dies nur für das akute Stadium gelten kann. Eine Vaskulitis kann vorkommen • in Zusammenhang mit dem als primäre, organspezifische entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven angesehenen Guillain-Barré-Syndrom und der CIDP, • als eigenständige Vaskulitis, die nur auf das periphere Nervensystem begrenzt sein soll [14], • bei den oben erwähnten infektiösen Neuropathien und • bei den zahlreichen bekannten, vielfach nur klinisch unterscheidbaren, etwa 20 primären und 24 sekundären Vaskulitiden (vgl. [52]), die eigenständig oder in Verbindung mit einer chronischen Krankheit aus dem Formenkreis der Kollagenosen (Gefäß-BindegewebsKrankheiten) auftreten („systemische Vaskulitiden“; vgl. Abb. 30.2 u. 40, S. 831).
24
Je nach Schnittebene, Verlaufsstadium und Schweregrad der Krankheit können verschiedene Bilder bei gleicher Grundkrankheit auftreten und andererseits gleiche histopathologische Bilder bei verschiedenen Grundkrankheiten auftreten. Das macht eine spezifische histopathologische Diagnose im Einzelfall schwierig, vor allem wenn nur unspezifische Veränderungen im Sinne einer chronischen Vaskulitis (z. B. im Intervallstadium) mit mehr oder weniger spärlichen entzündlichen, mononukleären Zellinfiltraten vorliegen. Auf das häufige Vorkommen falsch-negativer Befunde sei hier ausdrücklich hingewiesen, mit denen bei Nervus-suralis-Biopsien wegen des fokalen Charakters der entzündlichen Gefäßver-
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
änderungen in etwa 43% der Fälle zu rechnen ist [60]. Wie oft spärliche perivaskuläre mononukleäre Zellinfiltrate als „Normalbefund“ zu werten sind, ist umstritten; nach eigenen Erfahrungen sind diese jeweils als Indiz für irgendeinen entzündlichen abgelaufenen oder anderswo schwelenden Prozess zu werten. Eine zusätzliche Hautbiopsie ergänzt die diagnostischen Möglichkeiten, speziell durch den Nachweis perivaskulärer Makrophagen bei nichtsystemischer vaskulitischer Neuropathie [66]. Details zu den verschiedenen Formen der Vaskulitis werden bei den infektiösen Neuropathien, den immunologisch bedingten Neuropathien und bei den Gefäßerkrankungen sowie bei den interstitiellen Myositiden beschrieben (s. jeweils dort).
Perineuritis Sensorische Perineuritis In seltenen Fällen wird eine Perineuritis beobachtet, die entweder nur das sensorische System betrifft [3] oder, was nach eigenen Beobachtungen sehr selten vorkommt, sowohl das sensorische als auch das motorische Nervensystem befällt. Klinisch dominieren Schmerzen als hervorstechendes Symptom. Bei der Berührung betroffener Nerven lässt sich das Tinel-Zeichen auslösen. Morphologie. Es besteht eine chronische entzündliche zelluläre Infiltration des Perineuriums mit einem unterschiedlich stark ausgeprägten Verlust von Nervenfasern in den betroffenen Faszikeln. Vereinzelt sind Riesenzellen beobachtet worden. Pathogenese und Differentialdiagnose. Die Pathogenese ist nicht geklärt. Eine tuberkuloide Lepra oder eine Sarkoidose, bei denen bekanntermaßen eine perineuritische Zellinfiltration vorkommt, ließ sich bei den wenigen mitgeteilten Fällen mit sog. sensorischer Perineuritis nicht nachweisen. Auch dürfen entzündliche Infiltrate um ein das Perineurium penetrierendes Gefäß nicht mit einer eigenständigen Perineuritis verwechselt werden. Die Veränderungen ähneln denen beim sog. spanischen toxischen Ölsyndrom [55] (s. Kap. 21). Mit einem Perineuriom (s. S. 662) sind die Veränderungen nicht zu verwechseln.
Granulomatöse Perineuritis beim Cogan-Syndrom Ungewöhnliche entzündliche Veränderungen vor allem im Bereich der inneren Schichten des Perineuriums ließen sich beim Cogan-Syndrom nachweisen, bei dem es
Literatur
sich um eine extrem variable Autoimmunkrankheit mit nichtinfektiöser interstitieller Keratitis, Iridozyklitis, vestibuloauditorischer Funktionsstörung und systemischer Vaskulitis handelt [47]. Morphologie. Fokal ließen sich zahlreiche abgerundete, EMA-immunreaktive Perineuralzellen unter dem Perineurium einerseits und entlang der von Perineuralzellen und Perizyten begleiteten endoneuralen Blutgefäße nachweisen. Einzelne dieser Zellen hatten mehr als einen Kern, ohne dass typische Riesenzellen nachweisbar gewesen wären. Elektronenmikroskopisch waren diesen Zellen von Bündeln aus Kollagenfibrillen durchzogen, manchmal geradezu gefüllt mit Fibrillen und Basallamina-ähnlichem Material. Ähnliche Veränderungen sind sonst nicht beschrieben worden. Die Zahl der Nervenfasern war stark reduziert im Sinne einer fokal akzentuierten Neuropathie vom axonalen Typ.
Literatur 1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Adamovic T, Riou EM, Bernard G, Vanasse M, Decarie JC, Poulin C, Gauvin F (2008) Acute combined central and peripheral nervous system demyelination in children. Pediatr Neurol 39: 307–316 Allt G, Cavanagh JB (1969) Ultrastructural changes in the region of the node of ranvier in the rat caused by diphtheria toxin. Brain 92: 459–468 Asbury AK, Gale MK, Cox SC, Baringer JR, Berg BO (1972) Giant axonal neuropathy – a unique case with segmental neurofilamentous masses. Acta Neuropathol (Berl) 20: 237–247 Bailey RO, Baltch AL, Venkatesh R, Singh JK, Bishop MB (1988) Sensory motor neuropathy associated with AIDS. Neurology 38: 886–891 Berger JR, Gallo B (1998) Chronic inflammatory polyradiculoneuropathy associated with alopecia universalis. Muscle Nerve 21: 124–125 Boukhris S, Magy L, Gallouedec G, Khalil M, Couratier P, Gil J, Vallat JM (2005) Fatigue as the main presenting symptom of chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy: a study of 11 cases. J Peripher Nerv Syst 10: 329–337 Chi LJ, Wang HB, Wang WZ (2008) Impairment of circulating CD4+CD25+ regulatory T cells in patients with chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy. J Peripher Nerv Syst 13: 54–63 Cornblath DR, McArthur JC (1988) Predominantly sensory neuropathy in patients with AIDS and AIDS-related complex. Neurology 38: 794–796 Cornblath DR, McArthur JC, Kennedy PG, Witte AS, Griffin JW (1987) Inflammatory demyelinating peripheral neuropathies associated with human T-cell lymphotropic virus type III infection. Ann Neurol 21: 32–40
649
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18. 19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
Craddock C, Pasvol G, Bull R, Protheroe A, Hopkin J (1987) Cardiorespiratory arrest and autonomic neuropathy in AIDS. Lancet 2: 16–18 Croen KD, Ostrove JM, Dragovic LJ, Straus SE (1988) Patterns of gene expression and sites of latency in human nerve ganglia are different for varicella-zoster and herpes simplex viruses. Proc Natl Acad Sci USA 85: 9773–9777 da Silveira AB, Lemos EM, Adad SJ, Correa-Oliveira R, Furness JB, D’Avila Reis D (2007) Megacolon in Chagas disease: a study of inflammatory cells, enteric nerves, and glial cells. Hum Pathol 38: 1256–1264 Dalakas MC (1988) Morphologic changes in the muscles of patients with postpoliomyelitis neuromuscular symptoms. Neurology 38: 99–104 Dyck PJ, Benstead TJ, Conn DL, Stevens JC, Windebank AJ, Low PA (1987) Nonsystemic vasculitic neuropathy. Brain 110: 843–853 Esiri MM, Tomlinson AH (1972) Herpes Zoster. Demonstration of virus in trigeminal nerve and ganglion by immunofluorescence and electron microscopy. J Neurol Sci 15: 35–48 Geranmayeh F, Christian L, Turkheimer FE, Gentleman SM, O’Neill KS (2005) A need to clarify the role of apolipoprotein E in peripheral nerve injury and repair. J Peripher Nerv Syst 10: 344–345 Gherardi R, Lebargy F, Gaulard P, Mhiri C, Bernaudin JF, Gray F (1989) Necrotizing vasculitis and HIV replication in peripheral nerves [letter]. N Engl J Med 321: 685–686 Gilchrist JM (2009) Seventh cranial neuropathy. Semin Neurol 29: 5–13 Gilden DH, Rozenman Y, Murray R, Devlin M, Vafai A (1987) Detection of varicella-zoster virus nucleic acid in neurons of normal human thoracic ganglia. Ann Neurol 22: 377–380 Gilden DH, Tyler KL (2005) Herpes virus infektions and peripheral neuropathy. In: Dyck PJ, Thomas PK (eds) Peripheral neuropathy. Elsevier Saunders, Philadelphia, pp 2117–2127 Gironi M, Guerini FR, Beghi E et al. (2008) HLA-DRB1 polymorphisms distribution in chronic dysimmune polyneuropathy. Neuromuscul Disord 18: 967–969 Gombault A (1880) Contribution a l’etude anatomique de la névrite parenchymateuse subaigue ou chonique.-Névrite segmentaire péri-axile (suite). Arch Neurol (Paris) I: 177–190 Granberg V, Ejskjaer N, Peakman M, Sundkvist G (2005) Autoantibodies to autonomic nerves associated with cardiac and peripheral autonomic neuropathy. Diabetes Care 28: 1959–1964 Griffin GE, Miller A, Batman P, Forster SM, Pinching AJ, Harris JR, Mathan MM (1988) Damage to jejunal intrinsic autonomic nerves in HIV infection. Aids 2: 379–382 Hall SM, Hughes RA, Atkinson PF, McColl I, Gale A (1992) Motor nerve biopsy in severe Guillain-Barré syndrome. Ann Neurol 31: 441–444 Halstead SK, Humphreys PD, Zitman FM, Hamer J, Plomp JJ, Willison HJ (2008) C5 inhibitor rEV576 protects against
650
Kapitel 24
27.
28. 29.
30. 31. 32. 33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
24
43.
44.
neural injury in an in vitro mouse model of Miller Fisher syndrome. J Peripher Nerv Syst 13: 228–235 Hartung HP, Pollard JD, Harvey GK, Toyka KV (1995) Immunopathogenesis and treatment of the Guillain-Barré syndrome – Part II. Muscle Nerve 18: 154–164 Hughes RA (2008) Treating nerves: a call to arms. J Peripher Nerv Syst 13: 105–111 Hughes RA, Allen D, Makowska A, Gregson NA (2006) Pathogenesis of chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy. J Peripher Nerv Syst 11: 30–46 Hughes RA, Cornblath DR (2005) Guillain-Barre syndrome. Lancet 366: 1653–1666 Hughes RAC (1990) Guillain-Barré syndrome. Springer, London Berlin Heidelberg Kennedy PGE (ed) (1987) Neurological complications of varicella-zoster virus. Butterworths, London Kerr FWL (1970) Fine structure and functional characteristics of the primary trigeminal neuron. In: Hassler R, Walker AE (eds) Trigeminal neuralgia, Pathogenesis and Pathology. WB Saunders, Philadelphia, pp 11–21 Koller H, Kieseier BC, Jander S, Hartung HP (2005) Chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy. N Engl J Med 352: 1343–1356 Kolson DL, Gonzalez-Scarano F (2010) Human immunodeficiency virus-associated distal sensory polyneuropathy: still common after many successes. Arch Neurol 67: 534–535 Lamb NL, Patten BM (1991) Clinical correlations of antiGM1 antibodies in amyotrophic lateral sclerosis and neuropathies. Muscle Nerve 14: 1021–1027 Lehmann HC, Kohne A, Meyer zu Horste G, Kieseier BC (2007) Incidence of Guillain-Barre syndrome in Germany. J Peripher Nerv Syst 12: 285 Linington C, Izumo S, Suzuki M, Uyemura K, Meyermann R, Wekerle H (1984) A permanent rat T cell line that mediates experimental allergic neuritis in the Lewis rat in vivo. J Immunol 133: 1946–1950 Lipkin WI, Parry G, Kiprov D, Abrams D (1985) Inflammatory neuropathy in homosexual men with lymphadenopathy. Neurology 35: 1479–1483 Lozhnikova SM, Pirogov VN, Piradov MA, Sakharova AV, Liudkovskaia IG (1997) Diphtheritic polyneuropathy: clinico-morphologic study. Arkh Patol 59: 11–17 Lunn MP, Leger JM, Merkies IS, Van den Bergh P, van Schaik IN (2008) 151st ENMC international workshop: Inflammatory Neuropathy Consortium, 13th–15th April 2007, Schiphol, The Netherlands. Neuromuscul Disord 18: 85–89 Ma JJ, Nishimura M, Mine H et al. (1998) Genetic contribution of the tumor necrosis factor region in GuillainBarre syndrome. Ann Neurol 44: 815–818 Mandich P, Grandis M, Varese A et al. (2010) Severe neuropathy after diphtheria-tetanus-pertussis vaccination in a child carrying a novel frame-shift mutation in the small heat-shock protein 27 gene. J Child Neurol 25: 107–109 Meier C, Grahmann F, Engelhardt A, Dumas M (1989) Peripheral nerve disorders in Lyme-Borreliosis. Nerve bio-
Entzündliche und ätiologisch ungeklärte Neuropathien
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51. 52.
53.
54.
55.
56.
57.
58. 59.
psy studies from eight cases. Acta Neuropathol (Berl) 79: 271–278 Meier C, Grehl H (1988) Vaskulitische Neuropathie bei Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom. Ein Beitrag zum Verständnis der Pathologie und Pathogenese neurologischer Komplikationen bei Lyme-Borreliose. Dtsch Med Wochenschr 113: 135–138 Murakami S, Mizobuchi M, Nakashiro Y, Doi T, Hato N, Yanagihara N (1996) Bell palsy and herpes simplex virus: identification of viral DNA in endoneurial fluid and muscle [see comments]. Ann Intern Med 124: 27–30 Nolte KW, Hans VJ, Schattenfroh C, Weis J, Schröder JM (2008) Perineurial cells filled with collagen in ‚atypical‘ Cogan’s syndrome. Acta Neuropathol 115: 589–596 Oliveira EC, Fujisawa MM, Hallal Longo DE et al. (2009) Neuropathy of gastrointestinal Chagas’ disease: immune response to myelin antigens. Neuroimmunomodulation 16: 54–62 Oomes PG, Jacobs BC, Hazenberg MP, Banffer JR, van der Meché FG (1995) Anti-GM1 IgG antibodies and Campylobacter bacteria in Guillain-Barré syndrome: evidence of molecular mimicry. Ann Neurol 38: 170–175 Osio M, Muscia F, Zampini L, Nascimbene C, Mailland E, Cargnel A, Mariani C (2006) Acetyl-l-carnitine in the treatment of painful antiretroviral toxic neuropathy in human immunodeficiency virus patients: an open label study. J Peripher Nerv Syst 11: 72–76 Pearn J (1977) Neuromuscular paralysis caused by tick envenomation. J Neurol Sci 34: 37–42 Peter HH (1991) Vasculitiden. In: Gerok W, Hartmann F, Schustger HP (eds) Klinische Immunologie. Band 9, Innere Medizin der Gegenwart. Urban & Schwarzenberg, München, S 637 Pilartz M, Jess T, Indefrei D, Schröder JM (2002) Adoptive transfer-experimental allergic neuritis in newborn Lewis rats results in inflammatory infiltrates, mast cell activation, and increased Ia expression with only minor nerve fiber degeneration. Acta Neuropathol (Berl) 104: 513–524 Rabie M, Nevo Y (2009) Childhood acute and chronic immune-mediated polyradiculoneuropathies. Eur J Paediatr Neurol 13: 209–218 Ricoy JR, Cabello A, Rodriguez J, Téllez I (1983) Neuropathological studies on the toxic syndrome related to adulterated rapeseed oil in Spain. Brain 106: 817–835 Robinson-Papp J, Simpson DM (2009) Neuromuscular diseases associated with HIV-1 infection. Muscle Nerve 40: 1043–1053 Rupprecht TA, Elstner M, Weil S, Pfister HW (2008) Autoimmune-mediated polyneuropathy triggered by borrelial infection? Muscle Nerve 37: 781–785 Said G (1990) Studies in the mechanisms of nerve lesions in leprous neuropathy. N Neurosci 2: 85–94 Schäfers M, Neukirchen S, Toyka KV, Sommer C (2008) Diagnostic value of sural nerve biopsy in patients with suspected Borrelia neuropathy. J Peripher Nerv Syst 13: 81–91
Literatur
60. 61.
62.
63.
64. 65.
66.
67.
68.
69.
70.
71. 72.
73.
74.
75.
Schröder JM (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Sigal LH, Tatum AH (1988) Lyme disease patients’ serum contains IgM antibodies to Borrelia burgdorferi that crossreact with neuronal antigens. Neurology 38: 1439–1442 Stewart JD, McKelvey R, Durcan L, Carpenter S, Karpati G (1996) Chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy (CIDP) in diabetics. J Neurol Sci 142: 59–64 Suarez GA, Fealey RD, Camilleri M, Low PA (1994) Idiopathic autonomic neuropathy: clinical, neurophysiologic, and follow-up studies on 27 patients. Neurology 44: 1675– 1682 Suckfüll M (2009) Hörsturz – Erwägungen zur Pathophysiologie und Therapie. Dtsch Ärztebl Int 106: 669–676 Teles RM, Antunes SL, Jardim MR et al. (2007) Expression of metalloproteinases (MMP-2, MMP-9, and TACE) and TNF-alpha in the nerves of leprosy patients. J Peripher Nerv Syst 12: 195–204 Uceyler N, Devigili G, Toyka KV, Sommer C (2010) Skin biopsy as an additional diagnostic tool in non-systemic vasculitic neuropathy. Acta Neuropathol 120: 109–116 van der Pol WL, van den Berg LH, Scheepers RH et al. (2000) IgG receptor IIa alleles determine susceptibility and severity of Guillain-Barre syndrome. Neurology 54: 1661–1665 Vital A, Lagueny A, Julien J et al. (2000) Chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy associated with dysglobulinemia: a peripheral nerve biopsy study in 18 cases [In Process Citation]. Acta Neuropathol (Berl) 100: 63–68 Webster HD, Schröder JM, Asbury AK, Adams RD (1967) The role of Schwann cells in the formation of „onion bulbs“ found in chronic neuropathies. J Neuropathol Exp Neurol 26: 276–299 Webster Hd, Spiro D, Waksman B, Adams RD (1961) Phase and electron microscopic studies of experimental demyelination. II. Schwanncell changes in guinea pig sciatic nerves during experimental diphteritic neuritis. J Neuropath Exp Neurol 20: 5–34 Willison HJ (2005) The immunobiology of Guillain-Barre syndromes. J Peripher Nerv Syst 10: 94–112 Ylikoski J, Collan Y, Palva T (1981) Further observations on the eighth nerve in Menière’s disease. Acta Neuropathol 54: 157–159 Yuki N, Kuwabara S (2007) Axonal Guillain-Barre syndrome: carbohydrate mimicry and pathophysiology. J Peripher Nerv Syst 12: 238–249 Yuki N, Sato S, Itoh T, Miyatake T (1991) HLA-B35 and acute axonal polyneuropathy following Campylobacter infection [see comments]. Neurology 41: 1561–1563 Yuki N, Takahashi M, Tagawa Y, Kashiwase K, Tadokoro K, Saito K (1997) Association of Campylobacter jejuni serotype with antiganglioside antibody in Guillain-Barré syndrome and Fisher’s syndrome. Ann Neurol 42: 28–33
651
Kapitel 25
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
25
J.M. Schröder Inhalt Allgemeine Histopathologie der Gefäßveränderungen in peripheren Nerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
654
Neuropathien bei Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . .
656
Panarteriitis nodosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
657
Churg-Strauss-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
657
Rheumatoide Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
657
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) . . . . . . .
658
Progressive systemische Sklerose . . . . . . . . . . . .
658
Sjögren-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
658
Wegener-Granulomatose . . . . . . . . . . . . . . . .
658
Mucosis fungoides (Szésary-Syndrom) . . . . . . . .
658
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
658
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_25, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
654
Kapitel 25
Allgemeine Histopathologie der Gefäßveränderungen in peripheren Nerven Neuropathien gibt es bei zahlreichen verschiedenartigen peripheren Gefäßerkrankungen (s. Abb. 38.1). Diese Neuropathien sind vermutlich ischämisch bedingt durch • Verschlüsse großer Arterien bei Arteriosklerose, Embolien und Vaskulitiden, z. B. Panarteriitis nodosa oder Thrombangiitis obliterans (Winiwarter-Buerger), • Kompressionen (z. B. Traumen, Tumoren, Tourniquets) oder • Kompartmentsyndrome (z. B. Tibialis-anterior-Syndrom). Während einige Autoren einen Verlust markhaltiger Nervenfasern, insbesondere der großen, beschrieben haben, fanden andere ausgedehnte segmentale Demyelinisationen und Remyelinisationen. Die experimentelle Embolisation mit Arachidonsäure hat aber vor allem eine axonale Degeneration ergeben, wobei die kleinen markhaltigen und die nichtmyelinisierten Axone vulnerabler sind als die großen markhaltigen Nervenfasern [21]. Die experimentelle Mikroembolisation mit Polystyrenkugeln (mit einem Durchmesser von 15 ± 0,8 μm) führt zu Nervenfaserdegenerationen, wobei das Zentrum der Faszikel zuerst betroffen ist. Dabei bedarf es, vermutlich wegen der besonders reichlichen Versorgung des Nerven mit Kollateralen, einer wesentlich größeren Zahl an Emboli (ca. 6 Millionen [19]), um im N. ischiadicus der Ratte Nervenfaserdegenerationen hervorzurufen als um im Muskel der hinteren Extremitäten von Ratten Muskelfasernekrosen auszulösen (ca. 1 Million pro A. iliaca communis [28]). Die Auswirkungen einer Ischämie mit anschließender Reperfusion auf periphere Neurone sind besonders ausführlich am experimentellen Modell einer intestinalen Unterbrechung der Blutzirkulation für eine Stunde mit immunhistochemischer Aufarbeitung 2 Stunden bis 4 Wochen danach analysiert worden [25]: Die Dendriten von Neuronen mit NOS-(Nitric-oxide-synthase-)Immunre-
25
Abb. 25.1 a Chronische rheumatoide Arthritis bei einer 65-jährigen Frau. Ausgeprägte Angiitis mit granulierender Reaktion im Epineurium. Erhebliche Proliferation von Kapillaren (Pfeile) und massenhaft, z. T. regressiv veränderte (pyknotische) Infiltratzellen nach Aurodetoxintherapie. Fortgeschrittene Neuropathie vom neuronalen Typ (Vergr. 137:1). b Umschriebene epineurale Mikrovaskulitis unklarer Genese mit pyknotischen perivaskulären lymphozytären Zellinfiltraten und Neuropathie vom überwiegend axonalen Typ (HE-Färbung, Vergr. 300:1). c Ausgeprägte Vaskulitis (mit fibrinoider Nekrose) bei Kryoglobulinämie (41-jährige Patientin). Im
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
aktivität (inhibitorische Motoneurone und Inteneurone) sind nach 24 Stunden alteriert und geschwollen; sie bleiben noch 28 Tage nach der Schädigung vergrößert. Neurone vom morphologischen Typ II (intrinsische, primär afferente Neurone), erkennbar an ihrer NeuN-Immunreaktivität, erscheinen nach 24 Stunden und 7 Tagen geschrumpft. Sie weisen an der Oberfläche eine geringe Bläschenbildung auf. Calretinin-Neurone, von denen viele exzitatorische Motoneurone sind, bleiben unverändert. Nervenzellausfälle waren an diesem Modell nicht nachweisbar. Demnach reagieren die verschiedenen intestinalen Neurone ganz unterschiedlich auf eine einstündige Ischämie. Mit entsprechend unterschiedlichen Reaktionen peripherer spinaler oder bulbärer motorischer und sensorischer sowie autonomer Neurone ist in ähnlicher Weise beim Menschen zu rechnen, auch wenn diese bisher nicht in gleicher Weise ausführlich analysiert worden sind. Die Basallaminae der endo- und epineuralen Kapillaren können durch Degeneration und Regeneration der Endothelzellen vermehrt, aber auch durch metabolische oder Permeabilitätsstörungen verbreitert sein, vor allem beim Diabetes mellitus [23, 24, 39]. Die Verbreiterung der Basallaminae ist zumindest dort, wo diese morphometrisch analysiert werden konnten, nämlich im Perineurium, reversibel [3]. Im Sinne eines regressiven Phänomens sind dabei Verdichtungen des Zytoplasmas und der Kerne von Perizyten und anderen Gefäßwandzellen zu werten. Andererseits gibt es an endoneuralen Kapillaren auch eine Vermehrung von Endothelzellen und im Epineurium eine Abdissoziation glatter Muskelzellen von der Gefäßwand in das umgebende Epineurium (Abb. 25.1d) [30]. Fenestrationen endoneuraler Kapillaren sind ausnahmsweise bei makroglobulinämischer Neuropathie und beim Diabetes mellitus beschrieben worden; in frühen Stadien der Waller-Degeneration, 2–6 Tage nach Durchschneidung des N. phrenicus der Maus, sind Fenestrationen häufig nachweisbar. Sonst grenzen die Endothelzellen der endoneuralen Kapillaren mit Zonulae occludentes („tight junctions“) dicht aneinander (morphologisches Substrat der Blut-Nerven-Schranke). Bei der
Epineurium fallen außer entzündlichen (mononukleären) Zellinfiltraten starke Kapillarproliferationen auf; die Zahl der Kapillaren ist erheblich (kompensatorisch) vermehrt (Pfeile). Die Neuropathie ist dem neuronalen Typ zuzurechnen und noch verhältnismäßig geringgradig ausgeprägt (Vergr. 160:1). d Sklerodermie (67-jährige Patientin). Die epineuralen Blutgefäße zeigen eine Auflockerung und Sklerosierung der Wand mit herdförmiger adventitieller Abdissoziation von glatten Muskelzellen (Pfeile), die nicht mit entzündlichen Zellinfiltraten verwechselt werden dürfen (Vergr. 488:1)
655
Allgemeine Histopathologie der Gefäßveränderungen in
a
c
d
b
656
25
Kapitel 25
Maus besteht allerdings normalerweise eine Durchlässigkeit der Kapillaren für Albumin. Ein endoneurales Ödem aufgrund von Plasmaexsudaten und gesteigerter Gefäßpermeabilität bis hin zu Erythrodiapedesen gibt es bei zahlreichen akuten Neuropathien (z. B. bei der Isoniazid-Neuropathie, s. oben). Bei bestimmten experimentellen Neuropathien lässt sich durch direkte Messung ein gesteigerter endoneuraler Druck nachweisen [14]. Der erhöhte Druck vermindert die Durchblutung der Nervenfaszikel. Die epineuralen Blutgefäße haben bei der relativ großen Zahl z. B. der von uns untersuchten Nervenbiopsien nur ausnahmsweise massive Mediaverkalkungen sowie feinere Kalksalzausfällungen auch in anderen Wandabschnitten aufgewiesen (so bei einem Fall mit Polyglukosankörpermyopathie). Selbst bei einem Fall mit klinisch nachgewiesener, schwerer Mönckeberg-Mediaverkalkung in weiter proximal gelegenen größeren Arterien fanden sich distal, in den wesentlich kleineren Blutgefäßen des Suralnerven, keine Verkalkungen. Feinere Kalksalzablagerungen kommen jedoch häufiger vor. Epineurale Kapillarproliferationen fallen manchmal in Zusammenhang mit massiven epineuralen entzündlichen Infiltraten und angiitischen Gefäßstenosen oder -verschlüssen bei rheumatoider Arthritis, Kryoglobulinämien (Abb. 25.1a,c) und granulomatösen Entzündungsprozessen auf [7, 18, 30, 31, 33]. Im Übrigen gibt es bei der rheumatischen Arthritis ein breites Spektrum entzündlicher Gefäßveränderungen von einer Vaskulitis in Gestalt einer Kapillaritis bis zu ausgeprägten Formen der Panarteriitis. Die große Zahl möglicher degenerativer, reaktiver, regenerierender, entzündlicher, metabolischer und blastomatöser Gefäßveränderungen im peripheren Nerven ist nur unvollständig dokumentiert. Sie unterscheiden sich aber wohl nicht wesentlich von denen in manchen anderen Organen. Einige wurden bereits erwähnt. Diagnostisch von spezieller Bedeutung sind hämorrhagische Diathesen, z. B. Blutungen bei thrombozytopenischer Purpura [17] oder Intoxikationen, z. B. durch Isoniazid (s. dort). Elektronenmikroskopisch sind u. a. Vermehrungen intermediärer Filamente in den Endothelzellen endoneuraler Kapillaren bei verschiedenartigen Erkrankungen nachweisbar, so auch bei Dysglobulinämien [29]. Bemerkenswert und charakteristisch, wenn auch nicht absolut pathognostisch, sind die pleomorphen, laminierten, hexagonalen und anderen Endothelzelleinschlüsse bei der Fabry-Krankheit [13, 20]. Auch bei der Sandhoff-Krankheit lassen sich nach eigenen Beobachtungen charakteristische Endothelzelleinschlüsse nachweisen [29]. Pathognomonisch sind granuläre Ablagerungen an glatten Muskelzellen epineuraler und anderer Gefäße bei CADASIL [31, 32]. Spezifische granuläre Fe-haltige Kerneinschlüsse in Gefäßwandzellen sind bei der Neuroferritinopathie nachweisbar und erlauben ebenfalls eine Diagnose [27].
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
Neuropathien bei Vaskulitiden Die peripheren Nerven sind besonders gut vaskularisiert; dennoch kann es, wie schon erwähnt, bei Gefäßveränderungen aufgrund einer der bekannten etwa 20 primären und 24 sekundären Vaskulitiden [22] eigenständig oder in Verbindung mit einer Grundkrankheit aus dem Formenkreis der Kollagenosen (Gefäßbindegewebskrankheiten) zu Ausfällen oder Schädigungen von Nervenfasern, selten sogar einmal zu einer Art Infarkt (mit erhaltenem Bindegewebe) kommen [4, 12, 26, 37]. Im peripheren Nerven sind deshalb auch im Experiment Ischämie-ReperfusionsFolgen festzustellen [10]. Relativ häufig sind im Spätstadium perivaskuläre Eisenablagerungen nachweisbar [1].
Der klinische Verdacht auf eine Vaskulitis als Ursache einer Neuropathie bildet im eigenen Krankheitsgut, wie bereits erwähnt, die häufigste Indikation zur Nervenbiopsie. Pro Querschnitt sind im N. suralis außer einer A. nutritia 57 r 16 überwiegend kleinere epineurale Blutgefäße vorhanden, die sich in einer Nervenbiopsie zusätzlich zu den Nervenfasern auswerten lassen, zumal sie größtenteils optimal, nämlich longitudinal orientiert sind.
Umstritten ist die Interpretation spärlicher mononukleärer Zellinfiltrate um kleine epineurale Blutgefäße („Mikrovaskulitis“) im Sinne einer Vaskulitis, wenn diese nicht mit einer „fibrinoiden Nekrose“ verbunden sind. Dann kann als Kriterium für eine „wahrscheinliche Vaskulitis“ das gleichzeitige Vorkommen einer der folgenden Veränderungen gelten: regenerierende bzw. proliferierte kleine Blutgefäße (Abb. 25.1c), eine endoneurale Purpura, ein asymmetrischer Nervenfaserausfall und eine asymmetrische Verteilung akut degenerierender Axone mit Myelin-Ovoiden in Semidünnschnitten [38]. Jedenfalls findet man mit oder ohne typische nekrotisierende Gefäßveränderungen an einem epineuralen Blutgefäß vielfach mononukleäre Infiltrate um einzelne kleinere Gefäße ohne Zeichen einer Nekrose (Abb. 25.1b), möglicherweise auch als Hinweis auf ein nichtflorides Intervallstadium einer chronischen Vaskulitis [29]. Klinik. Als häufige Folge einer Vaskulitis resultiert eine Mononeuropathie oder Mononeuropathia multiplex (Multiplextyp der Neuropathie). Am häufigsten ist eine Neuropathie bei der Panarteriitis nodosa nachweisbar. Asbury u. Johnson [2] haben 11 verschiedene Vaskulitiden zusammengestellt, die mit einer peripheren Neuropathie verbunden sein können: • die Panarteriitis nodosa, • die allergische Granulomatose (Churg-Strauss-Syndrom), • die Hypersensitivitätsangiitis,
657
Neuropathien bei Vaskulitiden
• die Vaskulitis bei chronischer rheumatoider Arthritis, – bei systemischem Lupus erythematodes, – bei progressiver systemischer Sklerose, – beim Sjögren-Syndrom und – bei Wegener-Granulomatose; • die kraniale (Riesenzell-)Arteriitis, • die Köhlmeier-Degos-Arteriitis (Papulosis atrophicans maligna) und • die Mikrovaskulitis der Nerven mit Ganglionitis als paraneoplastisches Phänomen bei Karzinomen. Zu dieser Liste lassen sich noch die vaskulitischen Veränderungen • beim neuromuskulären Syndrom als Folge der Einnahme gealterten Rapsöls in Spanien (s. dort), • bei der gemischten Kryoglobulinämie (Abb. 25.1c), bei der es in der Mehrzahl zu einer Neuropathie mit bevorzugtem Befall der kleinen Nervenfasern kommt [7] sowie • beim hypereosinophilen Syndrom nach Einnahme von Tryptophan (s. dort) hinzufügen. Ob es bei den verschiedenartigen Vaskulitiden über eine Ischämie und/oder über immunologische Pathomechanismen zur Nervenfaserschädigung kommt, ist im Einzelfall schwer zu entscheiden. Die Prognose bei den nekrotisierenden Vaskulitiden ist ungünstig. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug bei 34 langfristig untersuchten Patienten nur 37% [9].
Panarteriitis nodosa Hierbei sind die Arterien des Nervs in 76% der Fälle betroffen, während z. B. die Muskelbiopsie nur in 27% der klinischen Verdachtsfälle einen positiven Befund ergab [29]. In der Regel dominieren Nervenfaserausfälle im Sinne der Waller-Degeneration, ohne Bevorzugung eines bestimmten Fasertyps. Auch kann es zu einem neuromatösen Umbau von Nervenfaszikeln kommen, wahrscheinlich als Folge einer ischämisch bedingten, peripheren elektiven Parenchymnekrose. Klinik. Als charakteristisches klinisches Bild resultiert eine progressive multifokale periphere Neuropathie, die sowohl die motorischen als auch die sensorischen Funktionen umfasst und oft von Schmerzen begleitet wird („Mononeuritis multiplex“). Die Symptome können plötzlich oder allmählich auftreten und sich bilateral aufaddieren, so dass schließlich ein symmetrisches Bild resultiert. Morphologie. Es findet sich eine nekrotisierende Arteriitis der Vasa nervorum, wie sie auch in anderen Körperteilen zu beobachten ist (Abb. 40, S. 831). In der Regel
sind mittelgroße Arterien betroffen; in manchen Schnittebenen finden sich jedoch ausschließlich geringfügige perivaskuläre Zellinfiltrate um kleinere Blutgefäße. Im Endoneurium dominiert eine mehr oder weniger akut verlaufende axonale Degeneration, die Fasern aller Größen betrifft, auch die marklosen Axone [36]. Demyelinisationsherde ohne Verlust von Axonen sollen ebenfalls vorkommen. Eindeutige frische Nerveninfarkte sind jedoch nicht beschrieben worden, wenn man von hämorrhagischen Veränderungen absieht [37]. Wenn die Nervenbiopsie mit einer Muskelbiopsie kombiniert wird, erhöht sich die Treffsicherheit der Diagnose einer „Vaskulitis“ generell um ca. 30–40% und reduziert die Zahl „falsch-negativer“ Biopsien entsprechend (Tabelle 9 bei [29]) [38]. Eine zusätzliche Hautbiopsie ergänzt die diagnostischen Möglichkeiten, speziell durch den Nachweis perivaskulärer Makrophagen bei nichtsystemischer vaskulitischer Neuropathie [35].
Churg-Strauss-Syndrom Hierbei handelt es sich um eine Variante der Panarteriitis nodosa, die 20% der Fälle mit systemischer Vaskulitis ausmacht. Von den 13 ursprünglich von Churg und Strauss [5] mitgeteilten Fällen hatten 9 eine Neuropathie. Das Nervensystem sei in 60% betroffen, meistens in Form einer peripheren Neuropathie [6]. Wichtigstes klinisches Kennzeichen ist die ausgeprägte eosinophile Leukozytose mit Beteiligung der Lungen, mit spät auftretendem Asthma und mit extravaskulären Granulomen. Histopathologisch zu unterscheiden ist im peripheren Nerven eine Form mit Myeloperoxidase-antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (MPOANCA), bei der in 5 von 8 Fällen eine nekrotisierende Vaskulitis mit oder ohne fibrinoider Nekrose der Gefäßwand vorkam, von einer Form ohne MPO-ANCA, bei der in 5 von 14 untersuchten Fällen eosinophile Granulozyten im Epineurium und bei 2 Fällen auch im Endoneurium nachweisbar waren, die bei ANCA-positiven Fällen nicht zu finden waren. So seien zwei Pathomechanismen wirksam: eine ANCA-abhängige fibrinoide Gefäßnekrose und direkte toxische Wirkungen von Eosinophilen im Endoneurium (OKA et al.; ANP, eingereicht 28.09.2010).
Rheumatoide Arthritis Bei dieser Krankheit können die peripheren Nerven in verschiedener Weise betroffen sein (Abb. 25.1). Ein Karpaltunnelsyndrom kann sekundär auf eine Tendosynoviitis und Arthritis der Karpaltunnelknochen zurückzuführen sein; doch kommen auch andere Kompres-
658
Kapitel 25
sionsneuropathien aufgrund von Gelenkveränderungen vor. Dazu gehören digitale Mononeuropathien und eine relativ benigne distale sensorische Neuropathie, die vor allem die unteren Extremitäten betrifft. Die stärkste Ausprägung einer Neuropathie findet sich in Form einer progressiven multifokalen Neuropathie, die derjenigen bei der Panarteriitis nodosa ähnelt. Sie ist nicht notwendigerweise mit schweren oder aktiven Gelenkerkrankungen verbunden. Morphologie. Hier gibt es ein Spektrum von Gefäßveränderungen, das von einer akuten nekrotisierenden Vaskulitis bis zu geringen Intimapoliferationen mit Erhaltenbleiben der Elastica interna und partiellem oder vollständigem Verschluss des Gefäßlumens reicht (Abb. 25.1a). Andere Gefäße zeigen eine geringfügige entzündliche Infiltration mit Ablagerung von etwas fibrinoidem Material. In einzelnen Schnitten, zuverlässiger aber in Serienschnitten lassen sich lokalisierte Areale mit Nervenfaserausfällen vor allem im Zentrum der Faszikel nachweisen, die an den größeren Nerven im mittleren Oberschenkelbereich und mittleren Oberarmbereich beginnen und zu einer mehr diffusen Form der axonalen Degeneration weiter distal führt. Als Ursache der Ausfälle wird eine ischämische Schädigung angenommen, die sich an den Grenzgebieten der Blutgefäße (im Bereich der „Wasserscheide“) manifestiert; eindeutige Infarkte sind jedoch nicht festgestellt worden [34].
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Diese Erkrankung kann ebenfalls mit verschiedenen, unterschiedlich ausgeprägten Formen einer peripheren Neuropathie verbunden sein, wenn auch das periphere Nervensystem weniger häufig betroffen ist als bei der rheumatoiden Arthritis. Die häufigste Manifestationsform ist eine progressive multifokale Neuropathie, die auf eine Vaskulitis zurückzuführen ist. Eine symmetrische distale sensorimotorische Neuropathie und eine akute, überwiegend motorische Neuropathie mit Aspekten eines Guillain-Barré-Syndroms sind ebenfalls beschrieben worden, wenn auch die histopathologische Grundlage dafür nicht näher definiert ist [34].
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
Sjögren-Syndrom Dieses Syndrom umfasst die Kombination einer Keratoconjunctivitis sicca und/oder eine Sklerodermie mit rheumatoider Arthritis, SLE oder anderen Gefäßbindegewebskrankheiten. Dabei kann eine symmetrische sensomotorische oder sensorische Neuropathie auftreten, die mit einer Trigeminus- oder autonomen Neuropathie vergesellschaftet ist. Nervenbiopsien zeigen eine axonale Degeneration und perivaskuläre entzündliche Infiltrate [16]. Bei Fällen mit einer ataktischen sensorischen und autonomen Neuropathie hat die Biopsie von Spinalganglien ergeben, dass Nervenzellen ausfallen und eine Infiltration durch TLymphozyten mit fokaler Anhäufung um Neurone vorliegt [8].
Wegener-Granulomatose Granulome im Respirationstrakt, eine Arteriitis und eine Nephropathie mit anti-Neutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCAs) kennzeichnen diese Krankheit [11]. Die peripheren Nerven können durch Granulome betroffen sein, oder es tritt eine diffuse multifokale Neuropathie auf, ähnlich wie man sie bei der Panarteriitis sieht.
Mucosis fungoides (Szésary-Syndrom) Hierbei finden sich neben perivaskulären mononukleären Infiltraten auch sog. Szésary-Zellen, bei denen es sich um mononukleäre Zellen mit in charakteristischer Weise eingebuchteten, sog. „zerebriformen“ Kernen handelt. Wegen der spezifischen Struktur der T-Zell-Rezeptoren (TCR) lassen sich durch molekulare Identifizierung individuelle T-Zellklone feststellen und diagnostische Tests für diese und andere Erkrankungen herstellen [15].
Literatur 1.
Progressive systemische Sklerose
25
Bei der Sklerodermie findet sich nur selten eine Neuropathie; doch können fokale oder multifokale Ausfälle auftreten, wobei wiederum die Arteriitis als Ursache in Frage kommt. Als unspezifisches Zeichen einer Angiopathie lassen sich dabei auch Abdissoziationen glatter Muskelzellen nachweisen [30] (Abb. 25.1d).
2. 3.
Adams CW, Buk SJ, Hughes RA, Leibowitz S, Sinclair E (1989) Perls’ ferrocyanide test for iron in the diagnosis of vasculitic neuropathy. Neuropathol Appl Neurobiol 15: 433–439 Asbury AK, Johnson PC (1978) Pathology of peripheral nerve. Major Probl Pathol 9: 1–311 Beggs JL, Johnson PC, Olafsen AG, Watkins CJ, Targovnik JH, Koep LJ (1989) Regression of perineurial cell basement membrane in a human diabetic following isogenic pancreas transplant. Acta Neuropathol (Berl) 79: 108–112
Literatur
4.
5. 6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13. 14.
15.
16.
17.
18.
19.
Bouche P, Leger JM, Travers MA, Cathala HP, Castaigne P (1986) Peripheral neuropathy in systemic vasculitis: clinical and electrophysiologic study of 22 patients. Neurology 36: 1598–1602 Churg J, Strauss L (1951) Allergic granulomatosis, allergic angiitis and periarteritis nodosa. Amer J Path 27: 277 Fruguglietti ME, Napoli L, Sciacco M, Ripolone M, Serafini M, Grimoldi N, Bresolin N, Moggio M, Prelle A (2009) Severe acute multineuropathy in Churg-Strauss syndrome in a patient with a history of melanoma. Clin Neuropathol 28: 125–128 Gemignani F, Brindani F, Alfieri S, Giuberti T, Allegri I, Ferrari C, Marbini A (2005) Clinical spectrum of cryoglobulinaemic neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 76: 1410–1414 Griffin JW, Cornblath DR, Alexander E, Campbell J, Low PA, Bird S, Feldman EL (1990) Ataxic sensory neuropathy and dorsal root ganglionitis associated with Sjogren’s syndrome. Ann Neurol 27: 304–315 Hawke SH, Davies L, Pamphlett R, Guo YP, Pollard JD, McLeod JG (1991) Vasculitic neuropathy. A clinical and pathological study. Brain 114: 2175–2190 Iida H, Schmeichel AM, Wang Y, Schmelzer JD, Low PA (2007) Orchestration of the inflammatory response in ischemia-reperfusion injury. J Peripher Nerv Syst 12: 131–138 Kafka SP, Condemi JJ, Marsh DO, Leddy JP (1994) Mononeuritis multiplex and vasculitis. Association with antineutrophil cytoplasmic autoantibody [see comments]. Arch Neurol 51: 565–568 Kissel JT, Riethman JL, Omerza J, Rammohan KW, Mendell JR (1989) Peripheral nerve vasculitis: immune characterization of the vascular lesions [see comments]. Ann Neurol 25: 291–297 Kocen RS, Thomas PK (1970) Peripheral nerve involvement in Fabry’s disease. Arch Neurol 22: 81–88 Lundborg G, Myers R, Powell H (1983) Nerve compression injury and increased endoneurial fluid pressure: a „miniature compartment syndrome“. J Neurol Neurosurg Psychiatry 46: 1119–1124 Maciejewski JP, O’Keefe C, Gondek L, Tiu R (2007) Immune-mediated bone marrow failure syndromes of progenitor and stem cells: molecular analysis of cytotoxic T cell clones. Folia Histochem Cytobiol 45: 5–14 Mellgren SI, Conn DL, Stevens JC, Dyck PJ (1989) Peripheral neuropathy in primary Sjogren’s syndrome. Neurology 39: 390–394 Moon JS, Dyck PJ, Engelstad JK, Witt LV, Letendre L (2007) Hemorrhagic polyneuropathy in idiopathic thrombocytopenic purpura. J Peripher Nerv Syst 12: 286–289 Nolte KW, Hans VJ, Schattenfroh C, Weis J, Schroder JM (2008) Perineurial cells filled with collagen in ‚atypical‘ Cogan’s syndrome. Acta Neuropathol 115: 589–596 Nukada H, Dyck PJ (1984) Microsphere embolization of nerve capillaries and fiber degeneration. Am J Pathol 115: 275–287
659
20. 21. 22.
23.
24.
25.
26.
27.
28. 29. 30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
Ohnishi A, Dyck PJ (1974) Loss of small peripheral sensory neurons in Fabry’s disease. Archiv Neurol 31: 120–127 Parry GJ, Brown MJ (1982) Selective fiber vulnerability in acute ischemic neuropathy. Ann Neurol 11: 147–154 Peter HH (1991) Vasculitiden. In: Gerok W, Hartmann F, Schustger HP (eds) Klinische Immunologie. Band 9, Innere Medizin der Gegenwart. Urban & Vogel, München, S 637 Powell HC, Rodriguez M, Hughes RA (1984) Microangiopathy of vasa nervorum in dysglobulinemic neuropathy. Ann Neurol 15: 386–394 Powell HC, Rosoff J, Myers RR (1985) Microangiopathy in human diabetic neuropathy. Acta Neuropathol (Berl) 68: 295–305 Rivera LR, Thacker M, Castelucci P, Bron R, Furness JB (2009) The reactions of specific neuron types to intestinal ischemia in the guinea pig enteric nervous system. Acta Neuropathol 118: 261–270 Said G, Lacroix-Ciaudo C, Fujimura H, Blas C, Faux N (1988) The peripheral neuropathy of necrotizing arteritis: a clinicopathological study. Ann Neurol 23: 461–465 Schröder JM (2005) Ferritinopathy: diagnosis by muscle or nerve biopsy, with a note on other nuclear inclusion body diseases. Acta Neuropathol (Berl) 109: 109–114 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (1986) Proliferation of epineurial capillaries and smooth muscle cells in angiopathic peripheral neuropathy. Acta Neuropathol (Berl) 72: 29–37 Schröder JM, Sellhaus B, Jörg J (1995) Identification of the characteristic vascular changes in a sural nerve biopsy of a case with cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy (CADASIL). Acta Neuropathol (Berl) 89: 116–121 Schröder JM, Züchner S, Dichgans M, Nagy Z, Molnar MJ (2005) Peripheral nerve and skeletal muscle involvement in CADASIL. Acta Neuropathol 110: 587–599 Schütz G, Schröder JM (1997) Number and size of epineurial blood vessels in normal and diseased human sural nerves. Cell Tissue Res 290: 31–37 Thomas PK, Landon DN, King RHM (eds) (1997) Diseases of the peripheral nerves. Arnold, London Sydney Auckland Uceyler N, Devigili G, Toyka KV, Sommer C Skin biopsy as an additional diagnostic tool in non-systemic vasculitic neuropathy. Acta Neuropathol 120: 109–116 Vital A, Vital C (1985) Polyarteritis nodosa and peripheral neuropathy. Ultrastructural study of 13 cases. Acta Neuropathol (Berl) 67: 136–141 Vital C, Canron MH, Vital A (2008) Hemorrhagic neuropathy associated with vasculitis. J Peripher Nerv Syst 13: 249–250
660
Kapitel 25
38.
39.
25
Vital C, Vital A, Canron MH, Jaffre A, Viallard JF, Ragnaud JM, Brechenmacher C, Lagueny A (2006) Combined nerve and muscle biopsy in the diagnosis of vasculitic neuropathy. A 16-year retrospective study of 202 cases. J Peripher Nerv Syst 11: 20–29 Yasuda H, Dyck PJ (1987) Abnormalities of endoneurial microvessels and sural nerve pathology in diabetic neuropathy. Neurology 37: 20–28
Neuropathien aufgrund peripherer Gefäßerkrankungen
Kapitel 26
Tumoren des peripheren Nervensystems
26
J.M. Schröder Neurinome (Schwannome) . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
Neurome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
Neurofibrome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
Perineuriome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
Neurofibrosarkome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
Tumoren des Parasympathicus . . . . . . . . . . . . . . .
662
Merkel-Zell-Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
Paragangliome
Mesenchymale u. a. Tumoren. . . . . . . . . . . . . . . .
662
Chemodektome
Hämangiome, Kavernome
Tumoren des Sympathicus . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hämangioblastome
Sympathicogoniome
Myxome
Neuroblastome
Epidermoide
Gangliozytome
Granularzelltumoren
Ganglioneurome
Zysten und Pseudozysten . . . . . . . . . . . . . . . .
662
662
Phäochromozytome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
Karzinoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
ASKIN-Tumoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_26, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
662
26
Kapitel 26
Tumoren des Nervensystems werden ausführlich in Kap. 18 dargestellt (siehe auch den Band „Kopf-HalsRegion, Weichgewebstumoren, Haut“ in der vorliegenden Serie „Pathologie“, Hrsg. G. Klöppel, H. H. Kreipe, W. Remmele [1]). Eine ausführliche, reichlich mit farbigen lichtmikroskopischen und mit elektronenmikroskopischen Aufnahmen ausgestattete monographische Darstellung ist in der AFIP-Serie erschienen [8]. Genetische Aspekte von Tumoren des Nervensystems sind in einer weiteren Monographie zusammengefasst [4]. Weitere deutschsprachige Darstellungen der Tumoren des peripheren Nervensystems sind auch andernorts verfügbar [5, 9]. Zu den wichtigsten Tumoren der peripheren Nerven gehören die in der Regel gutartigen Neurinome (= Schwannome, Neurilemmome) und Neurofibrome [7], die zur sog. neurofibromatösen Neuropathie führen können [10, 12]. Die Neurofibromatose ist in der Regel autosomal-dominant erblich, gehört zu den mindestens 23 verschiedenen, außerordentlich vielgestaltigen Phakomatosen (s. dort) und kommt in zwei genetisch unterschiedlichen Formen vor: der Neurofibromatose vom Typ I (von-Recklinghausen-Krankheit), die auf Mutationen im NF1-Gen beruht, und der Neurofibromatose vom Typ II, die auf Mutationen im (Tumor-Suppressor-)Gen für das Protein Schwannomin (Synonym: Merlin) zurückzuführen ist s. Kap. 18). In der Peripherie, d. h. in der Haut, entstehen die Merkel-Zell-Tumoren. Als „maligne periphere Nervenscheidentumoren (MPNST)“ werden die malignen Neurinome und die Neurofibrosarkome bezeichnet, die relativ häufig bei der Neurofibromatose aus Neurofibromen hervorgehen. Außerdem können Lymphome, Myelome und Zellen der myeloischen Reihe (granulozytäre Sarkome) [6] und Tumoren der Nachbarschaft auf periphere Nerven übergreifen. Primäre Lymphome in peripheren Nerven sind allerdings sehr selten [11]. Im Übrigen sind Hämangiome, Kavernome, Hämangioblastome, Myxome, Myxofibrome, Epidermoide und Granularzelltumoren zu erwähnen, die primär in peripheren Nerven entstehen können, sowie Tumoren, die auf das periphere Nervensystem übergreifen. Zu den Letzteren gehören auch die Zysten oder Pseudozysten („Ganglien“), die von benachbarten Gelenkkapseln ausgehen und zur operativ schwer behandelbaren „Neuropathia pseudocystica“ führen können [5]. Umschriebene oder diffus wachsende Leiomyome sind seltene gutartige Tumoren sowohl des Epi- als auch des Endoneuriums [2], die von reaktiv proliferierenden perivaskulären glatten Muskelzellen im Epineurium als unspezifisches Zeichen einer Angiopathie unterschieden werden müssen (Abb. 27.2d). Neurome sind demgegenüber auf eine regenerative Aktivität des peripheren Nerven, nicht jedoch auf ein autonomes Wachstum zurückzuführen (s. Kap. 20: Traumatische Nervenschädigungen). Auch die Renaut-Köper,
Tumoren des peripheren Nervensystems
die im Nerven erhebliche Volumina einnehmen können, sind keine Neoplasmen, sondern Folge chronischer Druckwirkungen [13]. Eine fokale Verdickung der peripheren Nerven kann selten einmal auf eine umschriebene Veränderung zurückzuführen sein, die als Perineuriom („lokalisierte hypertrophische Neuropathie“, „hypertrophische Mononeuritis“) bezeichnet wird. Dabei erscheinen hyperplastische Perineuralzellen (wie bei den Zwiebelschalenformationen die Schwann-Zellen) um die markhaltigen oder demyelinisierten oder degenerierten Nervenfasern, aber gelegentlich auch um endoneurale Kapillaren schalenartig proliferiert (Abb. 20.4i). Im Unterschied zu den üblichen Zwiebelschalenformationen bei den sog. hypertrophischen Neuropathien (s. dort) werden die Nervenfasern jedoch, etwas ähnlich den Minifaszikeln im Neurom, komplett von EMA-positiven, S100-negativen Perineuralzellen umhüllt [3]. Dabei liegt im Zentrum eines solchen Kompartments, anders als in den Minifaszikeln, jeweils nur eine einzelne, zumeist in Relation zum Axonkaliber unverhältnismäßig dünn myelinisierte („hypomyelinisierte“) Nervenfaser. Anomalien u. a. im Chromosom 22 und Beziehungen zur Neurofibromatose vom Typ 2 werden diskutiert [7]. Zu den Tumoren des peripheren Nervensystem, wenn auch nicht der peripheren Nerven selbst gehören die Paragangliome oder Chemodektome als Tumoren der parasympathischen Neurone, die Sympathikogoniome, Neuroblastome, Gangliozytome und Ganglioneurome als Tumoren der Neurone des sympathischen Nervensystems, die Phäochromozytome als Tumoren der chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks, die Karzinoide (im Magendarmtrakt) und ASKIN-Tumoren (im Bronchialsystem) als Tumoren des diffusen neuroendokrinen Zellsystems (das Amine aufnehmen und dekarboxylieren kann im „Amine Precursor Uptake and Decarboxylation System“ oder APUD-System).
Literatur 1.
2.
3.
4.
5.
Cardesa A, Mentzel T, Rudolph P, Slootweg PJ (eds) (2009) Kopf-Hals-Region, Weichgewebstumoren, Haut. Springer, Berlin Heidelberg New York Cerri F, Gavazzi A, Previtali SC et al. (2009) Diffuse intraneural leiomyoma in a case of sensorimotor neuropathy. Acta Neuropathol 117: 595–597 Chou SM (1992) Immunohistochemical and ultrastructural classification of peripheral neuropathies with onionbulbs. Clin Neuropathol 11: 109–114 Kleihues P, Cavenee WK (eds) (2000) Pathology & genetics: tumours of the nervous system. International Agency for Research on Cancer, Lyon Krücke W (1974) Pathologie der peripheren Nerven. In: Olivecrona H, Tönnis W, Krenkel W (eds) Handbuch der
Literatur
6.
7.
8.
9. 10.
11.
12.
13.
Neurochirurgie, Bd VII/3. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 1–267 Mauermann ML, Angius D, Spinner RJ, Letendre LJ, Amrami KK, Dyck PJ (2008) Isolated granulocytic sarcoma presenting as a brachial plexopathy. J Peripher Nerv Syst 13: 153–156 Scheithauer BW, Louis DN, Hunter S, Woodruff JM, Antonescu CR (2007) Schwannoma. In: Louis DN, Ohgaki H, Wiestler OD, Cavenee WK (eds) WHO Classification of Tumours of the Central Nervous System. International Agency for Research on Cancer, Lyon, pp 152–162 Scheithauer BW, Woodruff JM, Erlandson RA (1999) Tumors of the peripheral nervous system. Armed Forces Institute of Pathology, Washington, DC Schröder JM (ed) (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Sperfeld AD, Hein C, Schröder JM, Ludolph AC, Hanemann CO (2002) Occurrence and characterization of peripheral nerve involvement in neurofibromatosis type 2. Brain 125: 996–1004 Teng LH, Lu DH, Xu QZ (2009) Tumor arising in the right sciatic nerve of a 58-year-old man. Neuropathology 29: 637–639 Thomas PK, King RH, Chiang TR, Scaravilli F, Sharma AK, Downie AW (1990) Neurofibromatous neuropathy [see comments]. Muscle Nerve 13: 93–101 Weis J, Alexianu ME, Heide G, Schröder JM (1993) Renaut bodies contain elastic fiber components. J Neuropathol Exp Neurol 52: 444–451
663
Kapitel 27
Paraneoplastische Neuropathien
27
J.M. Schröder Inhalt Karzinomatöse Neuropathien . . . . . . . . . . . . . . .
666
Neuropathien bei Dys- und Paraproteinämien . . . . . .
667
Neuropathien bei lymphoretikulären Erkrankungen . .
666
Benigne monoklonale Paraproteinämien . . . . . . .
668
Lymphome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
666
Waldenström-Makroglobulinämie . . . . . . . . . . .
670
Leukämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
667
Kryoglobulinämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
670
Myelome (Plasmozytome) . . . . . . . . . . . . . . . .
667
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
670
Polycythaemia vera rubra . . . . . . . . . . . . . . . .
667
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_27, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
666
27
Kapitel 27
Neben einer direkten Invasion der Spinalwurzeln, der großen Nervenplexus oder isolierter peripherer Nerven durch Karzinome gibt es periphere Neuropathien, die paraneoplastisch entstehen, also nicht auf eine direkte Invasion durch maligne Zellen zurückzuführen sind. Diese treten speziell bei Bronchialkarzinomen auf und können unterteilt werden in eine subakute sensorische Neuropathie und seltenere Fälle einer sensomotorischen Neuropathie [28, 66]. Letztere können weiter unterteilt werden in akute, subakute und chronische Formen; rekurrierende Formen sind ebenfalls beobachtet worden. Es handelt sich um symmetrische Polyneuropathien, die in der Regel distal akzentuiert sind. Bei den lymphoretikulären Krankheiten ist oft nicht zu unterscheiden, ob sie paraneoplastisch oder metastatisch bedingt sind. Deshalb werden sie hier und nicht bei den Tumoren beschrieben.
Karzinomatöse Neuropathien Morphologie. Bei der karzinomatösen sensorischen Neuropathie findet sich ein Ausfall von Nervenfasern in den sensorischen Nervenwurzeln sowie in den peripheren Nerven. Dieser Ausfall von Nervenfasern kann in den sensorischen Nerven nahezu komplett sein, während in den gemischten Nerven ein inkompletter Ausfall vorliegt, der auf das Erhaltenbleiben der motorischen Nervenfasern zurückzuführen ist [66]. Die Veränderungen in den Vorderhornzellen des Rückenmarks und in den Vorderwurzeln sind gering. In den Spinalganglien kommt es zu einem ausgeprägten Verlust der Ganglienzellen und zu einer Proliferation von Kapselzellen mit Bildung von Nageotte-Residualknötchen an der Stelle degenerierter Neurone. Perivaskuläre, lymphozytäre Infiltrate kommen in den meisten betroffenen Ganglien vor; diese breiten sich aber nicht auf die Nervenwurzeln aus. Die zervikalen und lumbalen sensorischen Ganglien sind stärker betroffen als die der thorakalen Region. Einzelne Ganglien sind manchmal ausgespart. In den Hintersträngen des Rückenmarks ist eine sekundäre axonale Degeneration nachweisbar. Manchmal sind bevorzugt die großen markhaltigen Nervenfasern peripher und zentral ausgefallen [38]. Eine begleitende entzündliche Infiltration des Zentralnervensystems in Verbindung mit einer karzinomatösen Ganglioradikuloneuritis kann zu einer limbischen Enzephalitis, einer diffusen Enzephalomyelitis oder einer umschriebenen Myelitis führen. Der auslösende Tumor ist in der Regel ein kleinzelliges Bronchialkarzinom. Bei Patienten mit karzinomatöser sensomotorischer Neuropathie besteht die wichtigste Veränderung der peripheren Nerven ebenfalls in einem Verlust an Axonen, wobei gelegentlich eine segmentale Demyelinisation beschrieben worden ist. Entzündliche Infiltrate kommen
Paraneoplastische Neuropathien
gelegentlich vor. In den Spinalganglien sind Ganglienzellen ausgefallen, aber nicht in gleichem Maße wie bei der karzinomatösen sensorischen Neuropathie. Außerdem ist eine Degeneration in den Hintersträngen nachweisbar sowie eine Degeneration von Vorderhornzellen. Pathogenese. Der Pathomechanismus der nicht durch eine direkte Invasion bedingten karzinomatösen Neuropathie ist unklar. Zirkulierende antineurale Antikörper sind bei Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom festgestellt worden; sie würden mit Schwann-Zellen und Tumorzellen kreuzreagieren; diese Antikörper sind jedoch nicht eindeutig mit dem Auftreten paraneoplastischer Syndrome korreliert [12–14]. Andererseits haben Graus et al. [11] einen polyklonalen, komplementbindenden Antikörper („Anti-Hu“) festgestellt, der regelmäßig im Serum und im Liquor von Patienten mit kleinzelligen Bronchialkarzinomen und subakuter sensorischer Neuropathie nachzuweisen ist. Dieser reagiert mit einem 35- bis 38-kD-Protein aus dem Gehirn und ist identisch mit einem Antigen im Tumor. Demnach könnte es sich um eine immunologisch ausgelöste sensorische Ganglionitis handeln [7].
Neuropathien bei lymphoretikulären Erkrankungen Lymphome Die peripheren Nerven können bei Lymphomen vor allem über medikamentös-toxische, aber auch über immunologische, paraneoplastische und neoplastische Pathomechanismen betroffen sein [15]. Die Hirnnerven und spinalen Nervenwurzeln werden in der Regel ausgehend von leptomeningealen Lymphommetastasen direkt infiltriert. Gleiches gilt für die Nervenplexus und einzelne periphere Nervenstämme [70]. Seltener sind eine diffuse Infiltration der Nerven im Sinne einer Neurolymphomatose oder eine intravaskuläre Lymphomatose. Die Spinalwurzeln können außerdem durch eine Kompression aufgrund meningealer Ablagerungen oder Wirbelzusammenbrüche geschädigt werden [8, 10, 26, 51, 56, 64]. Darüber hinaus gibt es jedoch wie beim Karzinom eine Reihe nichtmetastatischer Neuropathien, die in eine subakute Neuropathie, eine akute oder chronische rekurrierende demyelinisierende Neuropathie und eine subakute motorische Neuropathie unterteilt werden. Eine subakute sensorische Neuropathie ist nur selten mit einem Lymphom vergesellschaftet, doch ähneln die klinischen und pathologischen Symptome denen der karzinomatösen sensorischen Neuropathie [24, 37, 60]. Bei Patienten mit einem Hodgkin-Lymphom kann entweder eine fokale Infiltration, manchmal in der Art einer nodulären Fasziitis [40], oder eine akute demyelinisierende
Neuropathien bei Dys- und Paraproteinämien
Neuropathie mit klinischen und pathologischen Symptomen wie bei einem Guillain-Barré-Syndrom vorkommen oder eine chronische rekurrierende demyelinisierende Neuropathie. Eine subakute motorische Neuropathie tritt selten, dann aber mit einem charakteristischen klinischen Verlauf in Erscheinung. Autoptisch lässt sich eine neuronale Degeneration der Vorderhornzellen feststellen bei nur geringer Degeneration von Nervenfasern in den Hintersträngen.
Leukämien In der Regel kommt es sowohl bei akuten wie bei chronischen lymphatischen Leukämien zu einer direkten Invasion der Spinalwurzeln oder der peripheren Nerven [62]. Einzelne Fälle ohne eine solche Erklärungsmöglichkeit und mit Symptomen ähnlich einem Guillain-BarréSyndrom sind jedoch mitgeteilt worden.
Myelome (Plasmozytome) Eine Miterkrankung der peripheren Nerven erfolgt wesentlich häufiger bei Myelomen als bei anderen malignen Tumoren und kann in verschiedenen Formen auftreten [30–35, 50, 51]. Einerseits ist eine Kompression der Hirnnerven und der Spinalwurzeln durch ein Plasmozytom oder sekundär als Folge einer Wirbelfraktur, aber auch eine geringe endoneurale Infiltration durch Plasmazellen möglich. Andererseits kann es bei einem Myelom zu einer Amyloidose kommen [52], die zu einer generalisierten Neuropathie oder zur Kompression des N. medianus im Karpaltunnel führt. Eine sensomotorische Neuropathie mit bevorzugter distaler Degeneration von Axonen kann ebenfalls auftreten und ist dann als nichtmetastatische, paraneoplastische Fernwirkung aufzufassen. Eine chronische demyelinisierende Neuropathie, die vorwiegend das motorische Nervensystem betreffen soll, ist manchmal Folge eines osteosklerotischen Myeloms [18, 19]. Hier ist als Ursache einer Neuropathie auch die Waldenström-Makroglobulinämie infolge einer malignen lymphoproliferativen Erkrankung zu nennen (s. unten). Die Kombination eines Plasmozytoms mit einer vorwiegend demyelinisierenden Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, mit vermehrtem monoklonalem (M-) Protein und Haut-(Skin-)veränderungen wird kurz als POEMS oder Crow-Fukase-Syndrom (Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, Pigmentierungsstörung, Anasarka und Dysglobulinämie) bezeichnet [16, 17, 32, 46, 58]. Die Polyneuropathie wird
667
auf angiogene Faktoren wie VGF und EPO zurückgeführt [49], die endokrine Funktionsstörung auf Antikörper, die gegen die Hypophyse gerichtet sind. Die meisten derartigen Fälle sind in Japan beobachtet worden.
Polycythaemia vera rubra Diese Erkrankung ist gelegentlich mit einer generalisierten sensomotorischen Neuropathie verbunden [67], die durch Ischämie aufgrund erhöhter Blutviskosität und gestörter Thrombozytenfunktion bedingt sei [42].
Neuropathien bei Dys- und Paraproteinämien Bei Dysproteinämien (Störungen der quantitativen Zusammensetzung der normalen Immunglobuline) und Paraproteinämien (abnorme Immunglobuline bei proliferativen Erkrankungen der Plasmazellen oder B-Zellen sowie bei sog. „benignen monoklonalen Gammopathien“, bei denen zumindest im Stadium der Untersuchung weder ein Myelom noch ein Lymphom nachweisbar ist) kann es zu pathologischen Immunglobulinablagerungen im peripheren Nerven kommen. Die kleineren Immunglobuline IgA (MG 160.000), IgG (MG 140.000) sowie die Leichtketten vom O- und N-Typ (MG 22.000) werden von der normalen Blut-Nerven-Schranke, vermutlich aufgrund eines aktiven Transports durch Pinozytosevesikel, wie er für die Peroxidase (MG 40.000) nachgewiesen worden ist, in geringen Mengen hindurch gelassen, während IgM (MG 900.000) und andere größere Eiweißmoleküle zumindest normalerweise nicht im Endoneurium anzutreffen sind [27]. Unter pathologischen Bedingungen, wenn die Blut-Nerven-Schranke durchlässig wird, dringen u. a. Immunglobuline in das Endoneurium ein, ohne dass man daraus eine Immunopathie ableiten könnte.
Als Regel gilt: Im akuten Stadium ist (vorübergehend) IgM nachweisbar, im chronischen Stadium IgG, IgA, so bei „allergischen“ Krankheiten, einschließlich Thrombangiitis und „Immunvaskulitis“, Urtikaria und Purpura allergica Schoenlein-Henoch.
Bei einer Entzündung wird prinzipiell die gesamte Komplementkaskade aktiviert; doch wird C1a sehr schnell, C3b und C3d mittelschnell und C9 nur sehr langsam abgebaut. Entsprechend ist C1a nur im floriden Stadium der Entzündung, das langlebige C9 aber wie IgG vor allem im chronischen Stadium nachweisbar [27].
668
27
Kapitel 27
Die Leichtketten können durch Proteolyse zu kleineren Polypeptidketten abgebaut werden, die sich zu einer EFaltblattstruktur zusammenlegen und Amyloid (s. dort) bilden. Leichtketten können aber auch im Gewebe abgelagert werden, ohne dass sich die färberischen und ultrastrukturellen Eigenschaften des Amyloids entwickeln. Elektronenmikroskopisch sind die Leichtkettenablagerungen durch feine Granula charakterisiert, die zu größeren Haufen aggregieren können, oder sie bilden parallele Fibrillen mit einem Durchmesser von 11–14 nm, so dass sie sich von den 7,5–8,0 nm dicken unverzweigen Amyloidfilamenten unterscheiden.
Benigne monoklonale Paraproteinämien Bestimmte Paraproteinämien, die auch als „monoklonale Gammopathien von unbekannter Signifikanz“ (MGUS) bezeichnet werden, sind in zunehmendem Maße (bei 27–70% der Patienten) als Ursache einer spät auftretenden Polyneuropathie erkannt worden. Sie sind zumeist mit einer IgM-Paraproteinämie verbunden [3, 35], in der Regel aufgrund von N-Leichtketten. Meistens sind Männer betroffen. Klinik. Es entwickelt sich eine chronische distale sensomotorische Neuropathie mit Tremor und Ataxie. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist stark reduziert. Insgesamt 8 von 17 Patienten mit einer IgM-Gammopathie, die über einen Zeitraum von 3–15 Jahren beobachtet worden sind, waren verstorben, wenn auch jeweils nicht an der peripheren Neuropathie selbst [36]. Morphologie. Man sieht einen Ausfall markhaltiger Nervenfasern und Anzeichen für eine chronische Demyelinisation und Remyelinisation mit Zwiebelschalenformationen. Fokale Markscheidenverdickungen ähnlich den Tomacula bei der hereditären Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen sind gelegentlich, wie bereits erwähnt, bei paraproteinämischen Neuropathien festgestellt worden [63], manchmal in größerer Zahl [44],
Abb. 27.1a–d Rekurrierende Polyradikuloneuritis nach dreimaligem Rezidiv (auch schon vor 6 und 2 Jahren) bei einer 32-jährigen Frau. a „Lockeres“ Myelin in der äußeren Schicht der internodalen Markscheide, aber auch in der inneren Schicht der einwärts gestülpten Markschlinge (M). Das Axon ist dünn, jedoch gemessen an der Dichte der Neurofilamente, nicht erkennbar komprimiert (Vergr. 7560:1). b Der Raum zwischen Axon und Markscheide ist stark dilatiert und mit einem feinflockigen plasmaähnlichen Material gefüllt (Sternchen). Das Axon (A) erscheint, auch gemessen an seiner erhöhten Neurofilamentdichte, erheblich geschrumpft; die äußeren Markscheidenlamellen sind „locker“ angeordnet, aber auch ein um-
Paraneoplastische Neuropathien
wobei diese eher auf vermehrte Markschlingen als auf eine echte Intussuszeption durch Hypermyelinisation in Längsrichtung wie bei der tomakulösen Neuropathie (s. dort) zurückzuführen sind (bzgl. elektronenmikroskopischer Befunde s. unten). Pathogenese. Bei bestimmten Fällen konnte eine eindeutige immunhistochemische Reaktivität der Paraproteine mit peripherem Nervenmyelin festgestellt werden. Dabei ist das myelinassoziierte Glykoprotein (MAG) ein Zielantigen [1, 2, 4, 17, 18, 24, 29, 36, 39, 45, 57]. Eine Reaktion der Paraproteine mit anderen peripheren Nervenantigenen ist jedoch ebenfalls möglich. Bemerkenswert ist der Nachweis von Immunglobulinablagerungen speziell über Arealen mit lockerem Myelin. IgM-Ablagerungen am Ranvier-Schnürring sind mit einem multifokalen Leitungsblock in Verbindung gebracht worden [47, 48], IgG-Ablagerungen jedenfalls beim GBS mit nicotinischen Acetylcholin-Rezeptor-Kanälen [22]. Hier wird die Abgrenzung zum GBS problematisch, bei dem auch Immunglobuline bzw. Antikörper von pathogenetischer Bedeutung sind (s. dort). Wegen der in vielen Fällen jedoch ungewissen pathogenetischen Beziehung zwischen der monoklonalen Gammopathie einerseits und der Polyneuropathie andererseits ist das bereits erwähnte Akronym „MGUS“ in Gebrauch [6]. Umso bemerkenswerter sind dann charakteristische sog. immunotaktoide Ablagerungen im Endoneurium einschließlich der Gefäßlumina, die bei einer monoklonalen IgG-N-Gammopathie gefunden worden sind und aus massenhaft mikrotubulären Aggregaten bestehen [31]. Die Demyelinisation sei komplementabhängig [30]. Monoklonale Antikörper, die mit GM1- und GD1BGangliosiden reagieren und zu motorischen Neuropathien bzw. Neuronopathien führen, sind ebenfalls beschrieben worden [41]. Im Experiment lässt sich eine axonale Form des Guillain-Barré-Syndroms durch Sensibilisierung mit GM1-Gangliosiden hervorrufen [68, 69]. Eine demyelinisierende Form der Polyneuropathie kann ebenfalls bei Patienten mit benignen monoklonalen
schriebenes Segment der inneren (Vergr. 5740:1). c Das kompakte Myelin geht an den gekennzeichneten Stellen in „lockeres“ Myelin über (Pfeile). Der Abstand zwischen den Myelinlamellen beträgt im kompakten Bereich 13 nm, im „lockeren“ 26 nm. Die dünneren intraperiodischen Linien (ursprünglich extrazelluläres Mesaxon) sind hier stellenweise um eine Linie vermehrt (im Foto gerade nicht mehr eindeutig erkennbar; Vergr. 29.300:1). d Tomakulöse Neuropathie mit abdominalen Koliken. „Nichtkompaktiertes“ Myelin mit Zytoplasma zwischen den komplex eingefalteten adaxonalen Oberflächenmembranen der Schwann-Zelle (Vergr. 25.200:1)
Neuropathien bei Dys- und Paraproteinämien
a
c
d
669
b
670
27
Kapitel 27
IgG-Gammopathien auftreten [5]. Die Symptome ähneln denen der CIDP. Doch die Beziehungen zwischen der Neuropathie und dem Paraprotein sind nicht geklärt. Monoklonale IgG-N-Leichtketten sollen sich auch mit Neurofilamenten verbinden können [33]; allerdings ist bei derartigen immunhistochemischen Untersuchungsergebnissen stets mit unspezifischen Bindungen zu rechnen [53]. Neuropathien bei IgA-Paraproteinen sind seltener [54]. Gelegentlich tritt bei Patienten mit benigner IgGoder mit monoklonaler IgA-Gammopathie das dermatoendokrine Crow-Fukase-Syndrom auf (s. oben).
Paraneoplastische Neuropathien
ähnlich den immunotaktoiden Ablagerungen bei einer MGUS-Neuropathie [31] beobachtet worden sind, wie sie auch in Kryopräzipitaten aus dem Serum nachweisbar sind. Die in Abb. 25e dargestellten Kapillarproliferationen im Epineurium sind offensichtlich kompensatorisch als Folge von Gefäßverschlüssen aufgetreten. Bei einem IgM-N produzierenden Lymphom zeigten die intravaskulären Präzipitate charakteristische Fingerabdruckmuster [43]. Eine Perineuritis kann dabei ebenfalls vorkommen (s. oben).
Literatur Waldenström-Makroglobulinämie Hierbei handelt es sich um den Sonderfall einer chronischen lymphoretikulären proliferativen Erkrankung, die mit zirkulierenden monoklonalen IgM-Paraproteinen verbunden ist. In der Regel ist ein der Erkrankung zugrunde liegendes Lymphom (Plasmozytom) nachweisbar. Dabei kann eine chronische distale sensomotorische Neuropathie mit entweder überwiegend axonaler Degeneration oder segmentaler Demyelinisation auftreten. Im Endoneurium können herdförmige lymphozytäre Infiltrate oder einzelne Plasmazellen vorhanden sein, ebenso Ablagerungen von IgM im Endoneurium, insbesondere über dem Myelin [61], und über dem Perineurium [25]. Elektronenmikroskopisch ist bei einigen Fällen sog. lockeres Myelin mit abnormer Periodizität der vermutlich neugebildeten Markscheidenlamellen durch Verbreiterung der intermediären Linien auf etwas das Doppelte festzustellen [17, 21] (vgl. Abb. 27.1a–c). In den erweiterten Zwischenräumen (an der Stelle des ehemaligen Extrazellulärraums) ist immunelektronenmikroskopisch IgM nachweisbar [23].
Kryoglobulinämien Sowohl bei der essentiellen als auch bei den sekundären Kryoglobulinämien kann eine Neuropathie an den unteren Extremitäten auftreten [20, 55, 65]. Die meisten Patienten haben eine vorwiegend sensorische Neuropathie, wobei die kleinen sensorischen Nervenfasern bevorzugt betroffen sind [9]. Eine Vaskulitis, die die Vasa nervorum betrifft (s. Abb. 25.1c), ist dabei möglicherweise auf Kryoglobulinablagerungen mit Aktivierung von Komplement zurückzuführen. Eine Ischämie der Nerven durch intravaskuläre Kryoglobulinablagerungen ist zu vermuten, da z. B. bei einem Fall mit einem Myelom [59] Ablagerungen dicht gepackter tubulärer Strukturen im Endoneurium, in den Wänden der Vasa nervorum und im Lumen einzelner Gefäße
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
Baig S, Yu-Ping J, Olsson T, Cruz M, Link H (1991) Cells secreting anti-MAG antibody in patients with polyneuropathy associated with M component. Brain 114: 573–583 Bain PG, Britton TC, Jenkins ICH et al. (1996) Tremor associated with benign IgM paraproteinaemic neuropathy. Brain 119: 789–799 Bollensen E, Steck AJ, Schachner M (1988) Reactivity with the peripheral myelin glycoprotein P0 in serum from patients with monoclonal IgM gammopathy and polyneuropathy. Neurology 38: 1266–1270 Braun PE, Frail DE, Latov N (1982) Myelin-associated glycoprotein is the antigen for a monoclonal IgM in polyneuropathy. J Neurochem 39: 1261–1265 Di Troia A, Carpo M, Meucci N et al. (1999) Clinical features and anti-neural reactivity in neuropathy associated with IgG monoclonal gammopathy of undetermined significance [In Process Citation]. J Neurol Sci 164: 64–71 Donofrio PD, Kelly JJ Jr (1989) AAEE case report #17: Peripheral neuropathy in monoclonal gammopathy of undetermined significance. Muscle Nerve 12: 1–8 Drlicek M, Bodenteich A, Setinek U, Tucek G, Urbanits S, Grisold W (2000) T cell-mediated paraneoplastic ganglionitis – an autopsy case. Acta Neuropathol (Berl) 99: 599–602 Dubas F, Saint-Andre JP, Pouplard-Barthelaix A, Delestre F, Emile J (1990) Intravascular malignant lymphomatosis (so-called malignant angioendotheliomatosis): a case confined to the lumbosacral spinal cord and nerve roots. Clin Neuropathol 9: 115–120 Gemignani F, Brindani F, Alfieri S, Giuberti T, Allegri I, Ferrari C, Marbini A (2005) Clinical spectrum of cryoglobulinaemic neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 76: 1410–1414 Gherardi R, Gaulard P, Prost C, Rocha D, Imbert M, Andre C, Rochant H, Farcet JP (1986) T-cell lymphoma revealed by a peripheral neuropathy. A report of two cases with an immunohistologic study on lymph node and nerve biopsies. Cancer 58: 2710–2716 Graus F, Cordon-Cardo C, Posner JB (1985) Neuronal antinuclear antibody in sensory neuronopathy from lung cancer. Neurology 35: 538–543
Literatur
12. 13.
14.
15.
16.
17.
18.
19. 20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
Grisold W, Drlicek M (1999) Paraneoplastic neuropathy. Curr Opin Neurol 12: 617–625 Grisold W, Drlicek M, Jellinger K, Popp W (1989) Sensorische Neuronopathie bei kleinzelligem Bronchuskarzinom. Fallbericht und neuroimmunologische Befunde. Akt Neurol 16: 15–20 Grisold W, Drlicek M, Popp W, Jellinger K (1987) Antineuronal antibodies in small cell lung carcinoma – a significance for paraneoplastic syndromes? Acta Neuropathol (Berl) 75: 199–202 Grisold W, Klimpfinger M, Maehr B, Pont J, Struhal W, Urbanits S, Vass A, Vesely M (2007) Peripheral nerve involvement in lymphoma: the meninges as the crucial barrier between meningoradicular spread and neurolymphomatosis. J Peripher Nerv Syst 12: 58–60 Jacobs JM (1996) Morphological changes at paranodes in IgM paraproteinaemic neuropathy. Microsc Res Tech 34: 544–553 Jacobs JM, Scadding JW (1990) Morphological changes in IgM paraproteinaemic neuropathy. Acta Neuropathol (Berl) 80: 77–84 Kelly JJ, Adelman LS, Berkman E, Bhan I (1988) Polyneuropathies associated with IgM monoclonal gammopathies. Arch Neurol 45: 1355–1359 Kelly JJ, Kyle RA, Latov N (1987) Polyneuropathies associated with plasma cell dyscrasias. Martinus Nijhoff, Boston Khella SL, Frost S, Hermann GA, Leventhal L, Whyatt S, Sajid MA, Scherer SS (1995) Hepatitis C infection, cryoglobulinemia, and vasculitic neuropathy. Treatment with interferon alfa: case report and literature review. Neurology 45: 407–411 King RH, Thomas PK (1984) The occurrence and significance of myelin with unusually large periodicity. Acta Neuropathol (Berl) 63: 319–329 Krampfl K, Mohammadi B, Buchwald B, Jahn K, Dengler R, Toyka KV, Bufler J (2003) IgG from patients with Guillain-Barre syndrome interact with nicotinic acetylcholine receptor channels. Muscle Nerve 27: 435–441 Lach B, Rippstein P, Atack D, Afar DE, Gregor A (1993) Immunoelectron microscopic localization of monoclonal IgM antibodies in gammopathy associated with peripheral demyelinative neuropathy. Acta Neuropathol (Berl) 85: 298–307 Latov N, Hays AP, Sherman WH (1988) Peripheral neuropathy and anti-MAG antibodies. Crit Rev Neurobiol 3: 301–332 Leschziner GD, Roncaroli F, Moss J, Guiloff RJ (2009) Nineteen-year follow-up of Waldenstrom’s-associated neuropathy and Bing-Neel syndrome. Muscle Nerve 39: 95–100 Levin KH, Lutz G (1996) Angiotropic large-cell lymphoma with peripheral nerve and skeletal muscle involvement: early diagnosis and treatment. Neurology 47: 1009–1011 Liebert UG, Seitz RJ, Weber T, Wechsler W (1985) Immunocytochemical studies of serum proteins and immuno-
671
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
globulins in human sural nerve biopsies. Acta Neuropathol 68: 39–47 McLeod JG (1993) Paraneoplastic neuropathies. In: Dyck PJ, Thomas PK et al. (eds) Peripheral neuropathy. WB Saunders, Philadelphia London Toronto, pp 1583–1590 Meucci N, Baldini L, Cappellari A, Di Troia A, Allaria S, Scarlato G, Nobile-Orazio E (1999) Anti-myelin-associated glycoprotein antibodies predict the development of neuropathy in asymptomatic patients with IgM monoclonal gammopathy. Ann Neurol 46: 119–122 Monaco S, Bonetti B, Ferrari S et al. (1990) Complementmediated demyelination in patients with IgM monoclonal gammopathy and polyneuropathy. N Engl J Med 322: 649–652 Moorhouse DF, Fox RI, Powell HC (1992) Immunotactoid-like endoneurial deposits in a patient with monoclonal gammopathy of undetermined significance and neuropathy [see comments]. Acta Neuropathol (Berl) 84: 484– 494 Nakanishi T, Sobue I, Toyokura Y et al. (1984) The CrowFukase syndrome: a study of 102 cases in Japan. Neurology 34: 712–720 Nemni R, Feltri ML, Fazio R, Quattrini A, Lorenzetti I, Corbo M, Canal N (1990) Axonal neuropathy with monoclonal IgG kappa that binds to a neurofilament protein. Ann Neurol 28: 361–364 Nemni R, Mamoli A, Fazio R et al. (1991) Polyneuropathy associated with IgA monoclonal gammopathy: a hypothesis of its pathogenesis. Acta Neuropathol (Berl) 81: 371– 376 Nobile-Orazio E, Manfredini E, Carpo M et al. (1994) Frequency and clinical correlates of anti-neural IgM antibodies in neuropathy associated with IgM monoclonal gammopathy. Ann Neurol 36: 416–424 Nobile-Orazio E, Meucci N, Baldini L, Di Troia A, Scarlato G (2000) Long-term prognosis of neuropathy associated with anti-MAG IgM proteins and its relationship to immune therapies [In Process Citation]. Brain 123: 710–717 Notermans NC, Wokke JH, Lokhorst HM, Franssen H, van der Graaf Y, Jennekens FG (1994) Polyneuropathy associated with monoclonal gammopathy of undetermined significance. A prospective study of the prognostic value of clinical and laboratory abnormalities. Brain 117: 1385–1393 Ohnishi A, Ogawa M (1986) Preferential loss of large lumbar primary sensory neurons in carcinomatous sensory neuropathy. Ann Neurol 20: 102–104 Olsson T, Sun JB, Solders G, Xiao BG, Höjeberg B, Ekre HP, Link H (1993) Autoreactive T and B cell responses to myelin antigens after diagnostic sural nerve biopsy. J Neurol Sci 117: 130–139 Parrett BM, Orgill DP, Marsee DK, Freedman AS, Raut CP (2007) Novel presentation of intraneural nodular fasciitis of the sciatic nerve. J Peripher Nerv Syst 12: 61–63 Pestronk A (1991) Invited review: motor neuropathies, motor neuron disorders, and antiglycolipid antibodies. Muscle Nerve 14: 927–936
672
Kapitel 27
42.
27
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
Poza JJ, Cobo AM, Marti-Masso JF (1996) Peripheral neuropathy associated with polycythemia vera. Neurologia 11: 276–279 Prior R, Schober R, Scharffetter K, Wechsler W (1992) Occlusive microangiopathy by immunoglobulin (IgM-kappa) precipitation: pathogenetic relevance in paraneoplastic cryoglobulinemic neuropathy. Acta Neuropathol (Berl) 83: 423–426 Rebai T, Mhiri C, Heine P, Charfi H, Meyrignac C, Gherardi R (1989) Focal myelin thickenings in a peripheral neuropathy associated with IgM monoclonal gammopathy. Acta Neuropathol (Berl) 79: 226–232 Ritz M-F, Erne B, Ferracin F, Vital A, Vital C, Steck AJ (1999) Anti-MAG IgM penetration into myelinated fibers correlates with the extent of myelin widening. Muscle Nerve 22: 1030–1037 Saida K, Kawakami H, Ohta M, Iwamura K (1997) Coagulation and vascular abnormalities in Crow-Fukase syndrome. Muscle Nerve 20: 486–492 Santoro M, Thomas FP, Fink ME et al. (1990) IgM deposits at nodes of Ranvier in a patient with amyotrophic lateral sclerosis, anti-GM1 antibodies, and multifocal motor conduction block [see comments]. Ann Neurol 28: 373–377 Santoro M, Uncini A, Corbo M, Staugaitis SM, Thomas FP, Hays AP, Latov N (1992) Experimental conduction block induced by serum from a patient with anti- GM1 antibodies. Ann Neurol 31: 385–390 Scarlato M, Previtali SC, Carpo M et al. (2005) Polyneuropathy in POEMS syndrome: role of angiogenic factors in the pathogenesis. Brain 128: 1911–1920 Schenone A, Primavera A, De Martini I, Bianchini D, Mancardi GL (1989) Amyloid neuropathy in light chain multiple myeloma [see comments]. Clin Neuropathol 8: 156–157 Solders G, Nennesmo I, Ernerudh J, Cruz M, Vrethem M (1999) Lymphocytes in sural nerve biopsies from patients with plasma cell dyscrasia and polyneuropathy [In Process Citation]. J Peripher Nerv Syst 4: 91–98 Sommer C, Schröder JM (1989) Amyloid neuropathy: immunocytochemical localization of intra- and extracellular immunoglobulin light chains. Acta Neuropathol (Berl) 79: 190–199 Sommer C, Schröder JM (1988) Binding of swine IgM immunoglobulins to peripheral nerve myelin sheaths in electron microscopic immunocytochemistry. Acta Neuropathol (Berl) 77: 100–103 Suarez GA, Kelly JJ Jr (1993) Polyneuropathy associated with monoclonal gammopathy of undetermined significance: further evidence that IgM-MGUS neuropathies are different than IgG-MGUS. Neurology 43: 1304–1308 Thomas FP, Lovelace RE, Ding XS et al. (1992) Vasculitic neuropathy in a patient with cryoglobulinemia and antiMAG IGM monoclonal gammopathy. Muscle Nerve 15: 891–898 Thomas FP, Vallejos U, Foitl DR et al. (1990) B cell small lymphocytic lymphoma and chronic lymphocytic leuke-
Paraneoplastische Neuropathien
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
mia with peripheral neuropathy: two cases with neuropathological findings and lymphocyte marker analysis. Acta Neuropathol (Berl) 80: 198–203 Trapp BD, Andrews SB, Wong A, O’Connell M, Griffin JW (1989) Co-localization of the myelin-associated glycoprotein and the microfilament components, F-actin and spectrin, in Schwann cells of myelinated nerve fibres. J Neurocytol 18: 47–60 Umehara F, Izumo S, Zyounosono M, Osame M (1990) An autopsied case of the Crow-Fukase syndrome: a neuropathological study with emphasis on spinal roots. Acta Neuropathol (Berl) 80: 563–567 Vallat JM, Desproges-Gotteron R, Leboutet MJ, Loubet A, Gualde N, Treves R (1980) Cryoglobulinemic neuropathy: a pathological study. Ann Neurol 8: 179–185 Vallat JM, Jauberteau MO, Bordessoule D, Yardin C, Preux PM, Couratier P (1996) Link between peripheral neuropathy and monoclonal dysglobulinemia: a study of 66 cases. J Neurol Sci 137: 124–130 Vital A, Vital C (1993) Immunoelectron identification of endoneurial IgM deposits in four patients with Waldenstrom’s macroglobulinemia: a specific ultrastructural pattern related to the presence of cryoglobulin in one case. Clin Neuropathol 12: 49–52 Vital A, Vital C, Ellie E, Ferrer X, Lagueny A, Ferrer AM, Broustet A, Gbikpi-Benissan G (1993) Malignant infiltration of peripheral nerves in the course of acute myelomonoblastic leukaemia: neuropathological study of two cases. Neuropathol Appl Neurobiol 19: 159–163 Vital A, Vital C, Julien J, Baquey A, Steck AJ (1989) Polyneuropathy associated with IgM monoclonal gammopathy. Immunological and pathological study in 31 patients. Acta Neuropathol (Berl) 79: 160–167 Vital A, Vital C, Radl J, Zurcher C (1989) Inflammatory demyelinating neuropathy in C57BL/KaLwRij mice. Neuropathol Appl Neurobiol 15: 543–548 Vital C, Deminiére C, Lagueny A et al. (1988) Peripheral neuropathy with essential mixed cryoglobulinemia: biopsies from 5 cases. Acta Neuropathol (Berl) 75: 605–610 Wang JF, Schröder JM (1998) Morphometric evaluation of paraneoplastic neuropathies associated with carcinomas, lymphomas, and dysproteinemias. J Peripher Nerv Syst 3: 259–266 Yiannikas C, McLeod JG, Walsh JC (1983) Peripheral neuropathy associated with polycythemia vera. Neurology 33: 139–143 Yuki N, Kuwabara S (2007) Axonal Guillain-Barre syndrome: carbohydrate mimicry and pathophysiology. J Peripher Nerv Syst 12: 238–249 Yuki N, Yamada M, Koga M et al. (2001) Animal model of axonal Guillain-Barre syndrome induced by sensitization with GM1 ganglioside. Ann Neurol 49: 712–720 Zuber M, Gherardi R, Imbert M, Gaulard P, Kuentz M, Poirier J (1987) Peripheral neuropathy with distal nerve infiltration revealing a diffuse pleiomorphic malignant lymphoma. J Neurol 235: 61–62
Skelettmuskulatur J.M. Schröder
28 Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Gewebsentnahme . . . . 675 29 Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen und allgemeine Reaktionen 685
III 35 Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 36 Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen . . . . . . . . . . . . . . . . 787 37 Entzündliche Myopathien . . . . . . . . . . 793
30 Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . . 689 38 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 31 Kongenitale Myopathien . . . . . . . . . . . 719 32 Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten . . . . . . . . . 743 33 Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 34 Myoglobinurien, Myositis ossificans, nutritive, toxische und paraneoplastische Myopathien, Amyloidosen . . . . . . . . . 777
39 Erkrankungen der motorischen Endplatten und Muskelspindeln . . . . . . . . . . . . . 813 40 Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 823
Kapitel 28
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik der Gewebsentnahme
28
Inhalt Normale Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
676
Nervöse Versorgung der Muskulatur . . . . . . . . . .
681
Faserkaliber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
676
Stütz- und Bindegewebe des Muskels . . . . . . . . .
681
Entwicklung der Muskelfasern . . . . . . . . . . . . .
676
Technik der Muskelbiopsie . . . . . . . . . . . . . . . . .
682
Feinstruktur normaler Muskelfasern . . . . . . . . . .
678
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
683
Die wichtigsten histochemischen Muskelfasertypen .
680
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_28, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
676
Kapitel 28
Normale Muskulatur
28
Das Gewicht der quergestreiften Muskulatur macht beim Erwachsenen etwa 40–45% des Körpergewichtes aus, beim Neugeborenen sind es etwa 24%. Beim Menschen lassen sich nicht weniger als 434 Muskeln zählen. Insgesamt soll es etwa 250 Mio. quergestreifte Muskelfasern im menschlichen Körper geben. Jede Muskelfaser ist eine große vielkernige Riesenzelle, deren Länge und Breite innerhalb eines Muskels und von einem Muskel zum anderen erheblich variieren kann. Die längste isolierte Muskelfaser aus dem längsten Muskel des Menschen, einem 52 cm langen M. sartorius, war 34 cm lang [1]. Die spindelförmige Gestalt der meisten Muskeln ist einerseits durch die Form der Einzelfasern und andererseits durch eine größere Zahl von Muskelfasern im Muskelbauch bedingt, während an den Muskelenden weniger Muskelfasern vorhanden sind. Am Sehnenende eines Muskels geht die einzelne Muskelfaser in eine Sehnenfibrille über, die sich mit den Fibrillen anderer Muskelfasern zur Bildung der Sehne vereinigt.
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
Für die spezielle Muskeldiagnostik ist eine genaue Kenntnis des Faserkaliberspektrums eines jeden untersuchten Muskels erforderlich [11, 15, 16, 23].
Ohne Kenntnis des Entnahmeorts und ohne Bestimmung der Muskelfaserkaliber kann man sich in der Muskeldiagnostik grob irren.
Entwicklung der Muskelfasern
Das Muskelfaserkaliber hängt von der Art des untersuchten Muskels, dem Trainingszustand, dem Alter und Geschlecht des Patienten sowie von der Untersuchungstechnik ab (Abb. 28.1). In der Regel gelten Fasern mit einem Kaliber unter 20 μm als atrophisch; doch kommen derartig dünne Muskelfasern normalerweise bereits in den äußeren Augenmuskeln sowie überall in den Muskelspindeln vor (Literatur s. [29]). Im M. masseter sind die Typ-2-Fasern im Mittel nur 17,9 μm dick, die Typ-1-Fasern aber 33,2 μm [23]. Als hypertrophisch müssen andererseits z. B. im M. quadriceps Fasern mit einem Durchmesser von über 80 μm gelten. Zur Bestimmung einer Atrophie oder Hypertrophie von Muskelfasern sind in der Diagnostik Okularmikrometer unerlässlich; Muskelfaserhistogramme (Faserkaliberspektren; s. Abb. 28.1a,c,d) aufgrund von Mikrofotografien oder automatischen Auswertungsverfahren sind im unteren Bereich oft unzuverlässig.
Schon bei den niederen Wirbeltieren (Zyklostomen und Fischen) muss man bei der Körpermuskulatur zwischen einer Stammmuskulatur für Rumpf und Extremitäten und einer viszeralen Muskulatur für den Kopf und die Kiemenregion unterscheiden [6]. Aus dem nichtsegmentierten Mesoderm entstehen die quergestreiften Muskeln des Kopfes, des Halses einschließlich der Halseingeweide, des Beckenausgangs und der Haut (sowie der Herzmuskulatur und aller glatten Muskelzellen, mit Ausnahme der Irismuskeln und der myoepithelialen Elemente der Schweißdrüsen, die ektodermalen Ursprungs sind). In den ersten Wochen des Embryonallebens bestehen die Zellhaufen, aus denen sich die Myotome entwickeln, aus eng liegenden Zellen von spindelförmiger Gestalt. Mit fortschreitender Entwicklung können 2 Zelltypen unterschieden werden: Der eine Typ nimmt die Gestalt sich teilender Bindegewebszellen an, der andere Typ zeigt die stärker granulierten Kerne der primitiven Muskelzellen. Letztere werden Myoblasten genannt und vermehren sich durch mitotische Teilung. In der 7.–9. Woche verlängern sich die Zellen und werden vielkernig (Myozyten). Dabei entstehen die Myozyten durch Fusion von Myoblasten. In der 9. Woche bilden sich in der Peripherie der Myozyten die ersten Myofibrillen, d. h., die Myozyten werden zu Myotuben, deren Kerne zentral liegen. Schließlich entwickeln sich die Muskelfasern mit vollständig ausgebildeter Querstreifung und Kernen, die an der Peripherie unter dem Sarkolemm angeordnet sind. Als wichtige Regenerationsreserve bleiben unter der Basallamina der Muskelfasern sog. Satellitenzellen liegen, die undifferenzierten Vorstufen von Myoblasten entsprechen. Diese Satellitenzellen können unter pathologischen
Abb. 28.1a–d Muskelfaserkaliberspektren. a Kaliberspektren im M. quadriceps von infantilen Kontrollfällen. b Mittlere Muskelfaserkaliber in Kryostatschnitten während der Entwicklung; weiße Kreise: Typ-1-Fasern, schwarze Kreise: Typ-2-Fasern (nach Dubowitz u. Brooke 1973). c Kaliberspektren zu Fällen mit Muskeldystrophien und d zu Fällen mit „Central-core-“ und „Multicore-Krankheiten“ sowie mit kongenitaler Fasertypendisproportion (nach [29]). Das
Alter in Wochen (W) oder Jahren (J), Geschlecht, Zahl (n) der gemessenen Typ-1- (oben) und Typ-2-Fasern (unten), das mittlere Faserkaliber (x) beider Fasertypen, die Zahl der untersuchten Fälle (F) und das zahlenmäßige Verhältnis von Typ-2- zu Typ-1-Fasern pro Areal (eingekreist) sind in den einzelnen Abbildungen angegeben. Beckers Typ A ist identisch mit der Duchenne-Muskeldystrophie
Faserkaliber
Normale Muskulatur
677
a
c
b
d
Normalwerte für die mittleren Faserdurchmesser Becker‘s Typ A Central Core Multicore Fasertypendisproportion
Becker‘s Typ B facioscapulohumerale MD
678
28
Kapitel 28
Bedingungen proliferieren und Myoblasten bilden, die wiederum analog den Verhältnissen während der Entwicklung zu Myozyten fusionieren und zur weiteren Entwicklung in Myotuben und Muskelfasern führen können. Zum Zeitpunkt der Geburt zeigen die Typ-1- und -2Fasern im M. vastus lateralis mittlere Kaliber von 12– 13 μm im Kryostatschnitt [11] (s. Abb. 28.1b).
Feinstruktur normaler Muskelfasern Die Muskelfasern sind vielkernige Riesenzellen, die neben den zellüblichen Organellen, wie Kernen, GolgiKomplexen, Lysosomen, Peroxisomen, Mitochondrien, Lipidtropfen, Glykogengranula und Mikrotubuli, andere, spezifisch differenzierte Zellbestandteile enthalten (Literatur s. [9] u. a.; Abb. 28.2). Den im Folgenden kursiv gedruckten darunter sind bereits bestimmte Myopathien aufgrund von Mutationen der sie kodierenden Gene zugeordnet (siehe die jeweiligen Kapitel): • die charakteristischen quergestreiften Myofibrillen mit den Komponenten – Myosin (Myosin I, II, V, VII) sowie Aktin, – dem Troponin/Tropomyosin-(Tn/Tm-)Komplex, – den Sarkomer-assoziierten Proteinen: α-Actinin, Desmin, Plectin, Telethonin, Myotilin, Filamin C, Cofilin 2, Selenoprotein N2, Bag3, CapZ, ZASP, MLP, Xin, Mink, Titin, Nebulin, C-Protein, Obscurin, Myopodin, Myopalladin, Tripodin and „muscle specific RING finger (MURF) proteins“ [5, 14], – den Hitzeschockproteinen (HSPs) einschließlich αBCrystallin und • zwei verschiedene Membransysteme: – das mit dem Sarkolemm in direkter Verbindung stehende transversale tubuläre System (T-System), – das sarkoplasmatische Retikulum (SR; longitudinales oder L-System). Die beiden Membransysteme stehen im Bereich der Triaden miteinander in Kontakt. Hier sind junktionale Proteine (Triadenproteine) wie Junctophiline, Triadin, Mitsugumine und Calumin lokalisiert; sie sind für die Exzitationskontraktionskopplung von Bedeutung (Literatur s. [22, 35]). Das sarkoplasmatische Retikulum zeigt eine faserspezifische Organisation [28]: Langsame Fasern (Typ 1; s. unten) exprimieren die Ca2+-abhängige „langsame“ ATPase SERCA2 und die schnellen, mitochondrienarmen, weißen Fasern (Typ 2) die „schnelle“ SERCA1. Letztere haben ein stärker entwickeltes SR mit einer ca. 6- bis 7-mal höheren Expression von SERCA1, Calmodulinkinase II (CaMKII) und RyR1. Natrium-, Kalium-, Kalzium- und Chloridkanäle sind im Sarkolemm und dem damit verbundenen T-System lokalisiert und entscheidend an der Erregungsausbreitung beteiligt.
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
Mit dem Sarkolemm verbunden sind die Komponenten des Dystrophin-Glykoprotein-Komplexes (Sarkoglycan-Komplex) [21] und assoziierte extramyofibrilläre Proteine: • Dystrophin, α- und β-Dystroglycan, α-, β-, γ- und δSarcoglycan, wobei α-Sarcoglycan identisch ist mit Adhalin, das von dem arabischen Wort Adhal für Muskel abgeleitet ist [10]; • Integrine, Lektine und Caveolin [19], wobei diese mit den Lamininen in der Basallamina verbunden sind und α2-Laminin dem Merosin entspricht [36]; Weitere Proteine sind dem Ubiquitin-Proteasom-System zugeordnet. In quergestreiften Muskelfasern sind Proteasomen (26S) und Prosomen (20S-Proteasomen) mit der Sarkomerorganisation verbunden und dienen u. a. dem konstitutiven Umsatz kontraktiler Proteine des AktinMyosin-Komplexes [12]. Das lösliche Enzym Calpain 3 (kalziumaktivierte neutrale Protease, CANP3) gehört ebenfalls zur Familie der nichtlysosomalen Cysteinproteasen, denen auch Ubiquitin sowie das l- und m-Calpain (jetzt Calpain-1 und -2 genannt) zugeordnet werden. Mutationen des Calpain-3Gens (CANP3) können zum Typ 2A der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp führen (s. Kap. 33). Calpain sowie sein Inhibitorprotein Calpstatin bindet in Höhe des Z-Bandes spezifisch an Titin [31]. Ihm wird auch eine Bedeutung bei der Auflösung der Muskelsteifheit Rigor mortis zugesprochen [26]. Sarkoplasma und Organellen sind an der Oberfläche von einer feinen Plasmamembran, dem Sarkolemm, umhüllt, das von einer Basalmembran (besser: Basallamina) an der Außenseite bedeckt ist. Ursprünglich umfasste der Begriff „Sarkolemm“ 4 Schichten: das Plasmalemm, die Basalmembran, ein 30 nm breites feines Flechtwerk von Kollagenfibrillen und eine äußere Schicht feiner Filamente variabler Dicke. Das T-System steht mit den Terminalzisternen des sarkoplasmatischen Retikulums an der Stelle der Triaden in Höhe der A-I-Band-Grenze in einer Art synaptischem Kontakt. Auf diese Weise kann es bei einer Erregung der Muskelfasermembran über das T-System zu einer annähernd synchronen Anregung des sarkoplasmatischen Retikulums mit Abgabe von Kalziumionen im Bereich der Terminalzisternen und damit zur annähernd simultanen Auslösung des Kontraktionsmechanismus über den gesamten Muskelfaserquerschnitt kommen. Die Erschlaffungsphase wird durch die Rückresorption der Kalziumionen in die longitudinale Komponente des sarkoplasmatischen Retikulums eingeleitet. Nach dem klassischen Filamentgleitmechanismus ist der Kontraktionszyklus charakterisiert durch Ca2+-Freisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum, das als Speicherorganell für Kalzium dient mit einer gegenüber dem Sarkoplasma ca. 1000-mal höheren Konzentration (1 mM gegenüber 1 μM), vermittelt über Calsequestrin
Normale Muskulatur
Abb. 28.2 Diagramm der wichtigsten intermediären Filamente und Zytoskelettproteine, die die extrazelluläre Matrix mit den strukturellen Muskelproteinen verbinden und aufgrund von Mutationen zu Myopathien der Skelett- und Herzmuskulatur führen können. Die Z-Bänder halten die Aktinfilamente zusammen und sind von entscheidender Bedeutung für die Übertragung der Spannung entlang den Myofibrillen. Die Desminfilamente sind 10 nm dünne intermediäre Filamente und umhüllen die Z-Bänder; sie sind mit ihnen und untereinander durch Plektinfilamente verbunden. Desmin bindet die benachbarten Myofibrillen aneinander und an das Sarkolemm
679
sowie an die Kerne (zusammen mit den Proteinen, die den intermediären Filamenten assoziiert sind). Das Hitzeschockprotein αB-Crystallin schützt als Chaperon die Desminfilamente vor stressinduzierten Schädigungen. Mutationen von Desmin, αB-Crystallin und Plektin verursachen eine erhöhte Fragilität der Myofibrillen und führen bei repetitiver mechanischer Beanspruchung zu ihrer Zerstörung. Auch Mutationen der anderen Proteine (Dystrophin, Aktin, Sarcoglycankomplex, Kernprotein Emerin und intermediäre Kernfilamente Lamin A und C sowie Caveolin und Laminin 2 oder Merosin) führen zu Myopathien. (Mod. nach [6a])
Laminin-2 Dystroglycan Komplex Caveolin Filamen C Myotilin Dystrobrevin Syncoilin Syntrophins Zasp Bag3 Myosin Actin Desmin a-Actin Plectin αB-Crystallin Emerin Lamin A und C
680
28
Kapitel 28
und die anschließende Ca2+-Bindung an den TroponinTropomyosin-(Tn/Tm-)Komplex. Dieser Prozess führt zur Entfernung des Tn/Tm-Komplexes vom Aktin (Entkopplung). Danach erfolgt ein vierschrittiger Kontraktionszyklus [33]: 1. ATP-Hydrolyse am Myosinkopf (Energieaufladung); 2. Verknüpfung von Aktin und Myosin (Querbrückenbindung); 3. Drehung der Querbrücken unter ADP-Freisetzung („Kraftschlag“), wobei das Myosinfilament am Aktinfilament in Richtung Z-Scheibe entlang gleitet (Sarkomerverkürzung von ca. 2,2 μm auf 1,8 μm des Z-zu-ZAbstandes); 4. Schritt: Die Querbrücken verbleiben am Aktin, bis erneut eine ATP-Bindung erfolgt (Ablösung). Eine Übersicht über Kontraktionsmodelle und die Sarkomerdynamik findet sich u. a. bei Telley [32].
Die wichtigsten histochemischen Muskelfasertypen Im Allgemeinen wird die myofibrilläre ATPase-Reaktion im Säugermuskel als das wichtigste und konstanteste histochemische Unterscheidungsmerkmal der enzymhistochemischen Muskelfasertypen angesehen, wobei die Kontraktionsgeschwindigkeit einer Muskelfaser und die Aktivität ihrer myofibrillären Adenosintriphosphatase (ATPase) direkt miteinander korrelieren: In schnellen Muskelfasern ist die ATPase dreimal so aktiv wie in langsamen; außerdem ist sie in schnellen Zuckungsfasern alkalistabil und säurelabil, während sie in langsamen Muskelfasern umgekehrt säurestabil und alkalilabil ist. Viele Säugermuskeln sind zusammengesetzt aus einer mosaikartigen Mischung dieser beiden Haupttypen von Muskelfasern. Fasern mit säurestabiler Aktomyosin-ATPase überwiegen in langsamen Muskeln, während diejenigen mit alkalistabiler ATPase in schnellen Muskeln dominieren. Die extrafusalen Muskelfasern (außerhalb der Muskelspindeln gelegen) besitzen über die gesamte Länge der Fasern nur eine einzige Form des Enzyms, während intrafusale Muskelfasern in verschiedenen Abschnitten jeweils eine andere Aktomyosin-ATPase enthalten können. Durch bestimmte Puffer kann man eine „Umkehr der ATPase-Reaktion“ in den Muskelfasern (die routinemäßig bei pH 9,4 durchgeführt wird) erreichen, indem man den pH-Wert auf 4,6 und 4,2 einstellt bzw. die Kryostatschnitte in einer entsprechenden Pufferlösung präinkubiert. Die Muskelfasern lassen sich danach relativ leicht und zuverlässig in die Typen 1, 2A, 2B und 2C einteilen [4]. • Die Typ-1-Fasern mit säurestabiler ATPase-Reaktion (starke Reaktion bei pH 4,2, schwache Reaktion bei
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
pH 9,4) zeigen eine starke Nukleotidadenin-Dinukleotid-Tetrazolium-Reduktase- und Succinatdehydrogenase-Reaktion (d. h. eine starke oxidative Aktivität), aber eine geringe α-Glyzerophosphat-, PAS- und Phosphorylase-Reaktion (d. h. eine geringe glykolytische Aktivität). • Die Typ-2A-Fasern weisen dagegen eine starke ATPase-Reaktion bei pH 9,4, schwache oxidative Reaktionen, aber starke glykolytische Aktivitäten auf. • Für die Typ-2B-Fasern gilt das Gleiche; doch zeigen sie im Gegensatz zu den Typ-2A-Fasern nach Präinkubation bei pH 4,6 noch eine relativ starke ATPase-Reaktion. Erst nach Präinkubation im stark sauren Bereich, d. h. bei pH 4,2, zeigen sowohl Typ-2A- als auch Typ2B-Fasern eine annähernd gleich schwache Reaktion. Ihre ATPase ist also im stark sauren Bereich instabil. • Die Typ-2C-Fasern sind intermediäre, noch undifferenzierte, d. h. unreife oder unausgereifte reinnervierte Muskelfasern, die sowohl bei pH 9,4 als auch nach Präinkubation bei pH 4,6 und pH 4,2 eine relativ starke Reaktion zeigen. Zu unterscheiden sind die Muskelfasern auch mit Hilfe der immunhistochemisch nachweisbaren schweren Myosinketten („myosin heavy chain“, MyHC), wobei Fasern mit nur einem Myosintyp (MyHC-I, MyHC-fetal oder MyHC-kardial α) und solche mit verschiedenen Myosintypen („hybride“ Fasern) z. B. in der daraufhin analysierten Kaumuskulatur zu differenzieren sind [18]. Die TypI-Fasern sind hier normalerweise größer als die Typ-IIFasern (so dass man hier nicht einfach eine selektive Typ2-Muskelfaseratrophie diagnostizieren darf, vgl. Tabelle 34.2). Außerdem sind hier wie in vielen anderen Muskeln intramuskuläre Unterschiede der Faserzusammensetzung zu berücksichtigen. Durch eine komplizierte immunhistochemische Doppelfärbung gleichzeitig mit Antikörpern gegen die langsame Myosin-Isoform (MyHC I, kodiert durch das MYH7-Gen) sowie gegen die rasche Myosin-Isoform (MyHC IIA, kodiert durch das MYH2-Gen) lassen sich die genannten Fasertypen • 1 (MyHC I, langsam, oxidativ; braun-gefärbt), • 2A (MyHC IIA, schnell, aerob; rot-gefärbt), • 2B (MyHC IIX, kodiert durch das MYH1-Gen; ultraschnell, glykolytisch; blass-blau bzw. ungefärbt) und • 2C (MyHC I und IIA, also „hybrid“; rot-braun gefärbt) noch sicherer unterscheiden als mit der konventionellen ATPase-Technik [25]. Nach einer De- und Reinnervation oder De- und Regeneration vermischen sich die MyosinTypen. Mutationen des MYH7-Gens verursachen sowohl Herz- als auch Skelettmuskelkrankheiten oder beides zugleich, weil MyHC I sowohl im Herz- als auch Skelettmuskel vorkommt (s. Kap. 34). Demgegenüber manifes-
Normale Muskulatur
tieren sich Mutationen des MYH2-Gens nur als Skelettmuskelkrankheit, da MyHC IIA nur im Skelettmuskel vorhanden ist. Eine Myopathie aufgrund von Mutationen im MYH1-Gen für die MyHC IIX-Isoform ist bisher noch nicht beschrieben worden. Bemerkenswert sind einzelne rasche Fasern mit starker oxidativer und glykolytischer Aktivität (histochemische „Superfasern“).
Generell gilt, dass Zuckungsgeschwindigkeit und Ausdauer einer Muskelfaser im Prinzip unabhängige Variable sind, die weitgehend durch die Aktivität der Motoneurone determiniert werden. Der Myosintyp wird außerdem durch unterschiedlich lange Kontraktionsstrecken bestimmt [17].
Nervöse Versorgung der Muskulatur Die alphamotorischen Nervenfasern verzweigen sich innerhalb eines Muskels vielfältig, bevor sie die einzelnen Muskelfasern innervieren. In der äußeren Augenmuskulatur versorgt jeweils eine motorische Nervenfaser nur etwa 2 tonische und 36 Zuckungsfasern, während dieses Verhältnis im M. triceps surae etwa 1:2000 betragen soll, wenn man die Zahl der Nervenfasern mit der Zahl der Muskelfasern in Beziehung setzt. Während die alphamotorischen Nervenfasern, die die extrafusalen Muskelfasern versorgen und zur eigentlichen Kontraktion des Muskels führen, bei der Katze nur etwa 19% der gesamten somatischen Nervenversorgung eines Muskels ausmachen, erhalten die Rezeptoren (Muskelspindeln, GolgiRezeptoren, Pacini-Körperchen und andere sensorische Endorgane) einen wesentlich größeren Teil an Nervenfasern eines „motorischen“ Nervs. Außerdem gibt es marklose vegetative und sensorische Axone (Schmerzund Temperaturfasern), die als freie Nervenendigungen unter anderem an den Muskelgefäßen sowie im Fett- und Bindegewebe enden [2, 3]. Die motorischen Nervenendigungen sind an den langsamen Zuckungsfasern weniger komplex und differenziert strukturiert als an den raschen Zuckungsfasern [38]. Molekularbiologisch sind an der motorischen Endplatte von Bedeutung: • der Acetylcholinrezeptor (AchR), • die muskelspezifische Rezeptortyrosinkinase (MuSK); • Agrin [20], das zur extrazellulären Matrix hin orientiert ist, die Entwicklung der neuromuskulären Endplatte kontrolliert und die Anreicherung des AChRs in der Muskelfasermembran unter der Nervenendigung bestimmt, • Rapsyn [13], das auf der zytoplasmatischen Seite der postsynaptischen Membran mit dem Rezeptor assozi-
681
iert ist und für die Anreicherung des AChRs an der neuromuskulären Endplatte essentiell ist, • β-Dystroglycan, Utrophin und der Syntrophinkomplex [37], • Dystrobrevin, das mit Syntrophin und Dystrophin verbunden und an der Bildung und Erhaltung der neuromuskulären Endplatte beteiligt ist [27] und • Laminin β2. Auf 50–75 μm dicken Kryostatschnitten lässt sich die terminale Aufzweigung der motorischen Axone bestimmen. Demnach zeigen nur etwa 10% der subterminalen Nervenfasern Aufzweigungen; die meisten der terminal verzweigten Nervenfasern innervieren 2 Muskelfasern, nur wenige 3 oder gar 4. Unter pathologischen Bedingungen kann sich diese terminale Innervationsrelation (TIR) aber verändern. Die Muskelspindeln enthalten prinzipiell 2 unterschiedlich differenzierte, dünne, „intrafusale“ Muskelfasern, die von einer perineuriumähnlichen Kapsel umgeben werden und mit 3 verschiedenen, spezifisch differenzierten motorischen und 2 verschiedenen sensorischen Nervenendigungen in komplexer Verbindung stehen [2]. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Kernkettenund den Kernhaufenfasern beträgt beim Menschen 0–10 zu 1–4 (Durchmesser: 11–14 bzw. 21–28 μm). Die motorischen Nervenfasern, die die intrafusalen Muskelfasern innervieren, werden als gammamotorische Fasern bezeichnet; die wenigen Nervenfasern, die sowohl intra- als auch extrafusale Muskelfasern versorgen, als betamotorische.
Stütz- und Bindegewebe des Muskels Jede Muskelfaser wird von einer bindegewebigen Hülle umgeben, die die einzelnen Fasern in Bündeln (Faszikeln) bis zu mehreren hundert Fasern zusammenfasst. Mehrere dieser Bündel vereinigen sich und bilden die sekundären und tertiären Faszikel. Die bindegewebige Hülle des Muskels wird Epimysium genannt. Von ihm aus ziehen Ausläufer zwischen die primären, sekundären und tertiären Faszikel. Sie bilden das Perimysium und bestehen aus unterschiedlichen Mengen von kollagenem, retikulärem und elastischem Bindegewebe, zusammen mit Fettzellen. Die Blut- und Lymphgefäße sowie die Nervenfaszikel liegen in dieser bindegewebigen Scheide. Ein feines Netz von Bindegewebsfasern umhüllt schließlich jede einzelne Muskelfaser. In diesem, dem Endomysium, liegen Kapillaren, Nervenfasern, Fibroblasten, Histiozyten und Mastzellen.
682
Kapitel 28
Technik der Muskelbiopsie
28
Entscheidend für die Fortschritte der Myopathologie sind vor allem adäquate muskelbioptische Untersuchungsmethoden gewesen, so dass an dieser Stelle ein Hinweis auf die optimale, in der Regel unerlässliche, lege artis erforderliche Biopsietechnik und Präparation [2a, 29] angezeigt erscheint.
Bei der Auswahl des Muskels für die Biopsie sollte man vermeiden, Gewebe aus hochgradig paretischen oder atrophischen Muskelgruppen zu entnehmen, da hier möglicherweise nur finale, uncharakteristische Befunde zu erheben sind. Das Muskelgewebe kann vollständig durch Fett- oder Bindegewebe ersetzt sein. Andererseits ist es unzweckmäßig, einen Muskel zu untersuchen, der klinisch nicht betroffen erscheint. Für eine Biopsie ist deshalb am besten ein Muskel geeignet, der leichte bis mittelschwere klinische Symptome aufweist (Schwäche, Schmerzen, Atrophie, Hypertrophie, Schwellung u. a.). Am häufigsten werden bei proximaler Prozesslokalisation die Mm. quadriceps femoris, biceps brachii und deltoideus für eine Biopsie in Frage kommen, bei distalen Prozessen die Mm. tibialis anterior, gastrocnemius und peroneus. Letzterer eignet sich auch für die Untersuchung zusammen mit dem rein sensorischen N. suralis (kombinierte Nerv-Muskelbiopsie) [30, 34]. Hinsichtlich der chirurgischen Technik empfiehlt es sich, in Lokalanästhesie zu operieren, dabei aber den Muskel nicht im Exzisionsbereich selbst, sondern in dessen Umgebung mit dem Lokalanästhetikum zu infiltrieren. Der Hautschnitt über dem Muskelbauch muss etwa 3–5 cm lang und parallel zum Muskelfaserverlauf ausgerichtet sein. • Erstens wird für Semidünnschnitte und elektronenmikroskopische Untersuchungen nach der Inzision der Faszie ein schmales Muskelfaserbündel von etwa 2,5 cm Länge und einem Durchmesser von ca. 0,5 cm stumpf an den Längsseiten isoliert und mit 2 Fäden im Abstand von 2 cm so umstochen, dass die Fäden das Bündel umfassen und so eine optimale Orientierung des Muskelgewebes dazwischen gewährleisten. Dieses wird an einem aufgelegten sterilen, etwa 3 cm langen und 2 mm dicken Holzstäbchen (z. B. dem rückwärtigen Ende eines Wattestäbchens) durch 2 Ligaturen befestigt und unter größter Schonung des Muskelgewebes (d. h. unter Vermeidung von Traumatisierungen des mittleren Abschnittes) entnommen. Vor der anschließenden Fixation sollte der entnommene Muskelstreifen leicht gestreckt werden, indem man die beiden Ligaturen in Richtung des jeweiligen Stabendes leicht auseinander zieht. Dadurch werden die Sarko-
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
mere gestreckt, so dass die feinstrukturelle Beurteilung erleichtert wird. Anschließend wird dieser Gewebeteil für die Semidünnschnitt- und elektronenmikroskopische Untersuchung sofort in gepuffertem Glutaraldehyd (z. B. 6%ig mit 0,1-molarem Phosphatpuffer nach Sørensen) fixiert. • Zweitens wird ein etwa 2×0,5×0,5 cm großes Gewebsstück exzidiert und für die Paraffineinbettung in 4%igem neutralem Formaldehyd fixiert (für die Übersicht und zur Feststellung fokaler entzündlicher Veränderungen besonders wichtig). • Drittens ist ein Muskelabschnitt, der bei Erwachsenen mindestens 1 cm3 groß sein sollte, für histochemische, biochemische und molekulargenetische Untersuchungen zu entnehmen, der aber nicht fixiert werden darf, sondern sofort bzw. spätestens innerhalb von ca. 30 min in flüssigem Stickstoff tiefgefroren werden muss. Dieser Muskelabschnitt kann anschließend zusammen mit reichlich Trockeneis (es sind ca. 5 kg pro Tag Aufbewahrungs- bzw. Transportzeit in einer Styroporbox erforderlich) an entsprechend eingerichtete Speziallaboratorien zur weiteren enzym- und immunhistochemischen, biochemischen und molekulargenetischen Untersuchung weitergeleitet bzw. versandt werden. Einzelne Enzyme reagieren auch ohne Tieffrieren, aber Kühlung oberhalb des Gefrierpunktes, noch bis etwa 24 h nach der Entnahme (z. B. die myofibrilläre ATPase nach Präinkubation bei pH 4,2). Die Acetylcholinesterase ist resistenter und sogar noch an Moorleichen nachgewiesen worden.
Langsames Einfrieren auf Trockeneis etc. oder eine Unterbrechung der Kühlkette führt zu groben Artefakten durch Eiskristallbildung („Vakuolen“) in den Muskelfasern und ist daher kontraindiziert.
Nadelbiopsien haben den Vorteil, dass sie perkutan ausgeführt werden können [7, 24], doch besteht die Gefahr, dass fokale Veränderungen, z. B. bei myositischen Prozessen, übersehen werden und dass relativ mehr Exzisionsartefakte auftreten. Bei Verlaufsstudien können sie die Belastung des Patienten durch eine offene Biopsie vermeiden helfen und von Nutzen sein. Die Präparation motorischer Endplatten erfordert eine Darstellung der motorischen Innervationszone jeweils im Muskelbauch durch elektrophysiologische Reizung und Feststellung des initialen Kontraktionsbereichs („Motor-point“-Biopsie z. B. der Interkostalmuskulatur, s. [8]).
Literatur
Literatur 1.
2.
2a.
3. 4.
5.
6. 6a.
7. 8. 9. 10.
11.
12.
13.
14.
Adams RD, Denny-Brown D, Pearson CM (1965) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Barker D (1974) The morphology of muscle receptors. In: Barker D, Hunt CC, MacIntyre AK (eds) Handbook of sensory physiology, vol III, part 2: Muscle receptors. Springer, Berlin Heidelberg New York Bergmann M, Weis J, Probst-Cousin S (2009) Muskelbiopsie. Indikationen und Technik. Pathologe 30: 345– 351 Boyd IA, Davey MR (1968) Composition of peripheral nerves. Livingstone, Edinghurgh Brooke MH, Kaiser KK (1974) Trophic functions of the neuron. II. Denervation and regulation of muscle. The use and abuse of muscle histochemistry. Ann N Y Acad Sci 228:121–144 Claeys KG, van der Ven PF, Behin A et al. (2009) Differential involvement of sarcomeric proteins in myofibrillar myopathies: a morphological and immunohistochemical study. Acta Neuropathol 117: 293–307 Clara M (1959) Das Nervensystem des Menschen. Barth, Leipzig Dalakas MC, Park KY, Semino-Mora C, Lee HS, Sivakumar K, Goldfarb LG (2000) Desmin myopathy, a skeletal myopathy with cardiomyopathy caused by mutations in the desmin gene. N Engl J Med 342: 770–780 Edwards RH, Jones DA, Maunder C, Batra GJ (1975) Needle biopsy for muscle chemistry. Lancet 1: 736–740 Engel AG (1970) Locating motor end plates for electron microscopy. Mayo Clin Proc 45: 450–454 Engel AG, Franzini-Armstrong L (eds) (2004) Myology basic and clinical. McGraw-Hill, New York Fardeau M, Matsumura K, Tome FM, Collin H, Leturcq F, Kaplan JC, Campbell KP (1993) Deficiency of the 50 kDa dystrophin associated glycoprotein (adhalin) in severe autosomal recessive muscular dystrophies in children native from European countries. C R Acad Sci III 316: 799–804 Farkas-Bargeton E, Diebler MF, Arsenio-Nunes ML, Wehrle R, Rosenberg B (1977) Histochemical, quantitative and ultrastructural maturation of human fetal muscle. J Neurol Sci 31: 245–259 Foucrier J, Bassaglia Y, Grand MC, Rothen B, Perriard JC, Scherrer K (2001) Prosomes form sarcomere-like banding patterns in skeletal, cardiac, and smooth muscle cells. Exp Cell Res 266: 193–200 Gillespie SK, Balasubramanian S, Fung ET, Huganir RL (1996) Rapsyn clusters and activates the synapse-specific receptor tyrosine kinase MuSK. Neuron 16: 953–962 Gregorio CC, Perry CN, McElhinny AS (2005) Functional properties of the titin/connectin-associated proteins, the muscle-specific RING finger proteins (MURFs), in striated muscle. J Muscle Res Cell Motil 26: 389–400
683
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
Johnson MA, Polgar J, Weightman D, Appleton D (1973) Data on the distribution of fibre types in thirty-six human muscles. An autopsy study. J Neurol Sci 18: 111–129 Johnson MA, Sideri G, Weightman D, Appleton D (1973) A comparison of fibre size, fibre type constitution and spatial fibre type distribution in normal human muscle and in muscle from cases of spinal muscular atrophy and from other neuromuscular disorders. J Neurol Sci 20: 345–361 Korfage JA, Brugman P, Van Eijden TM (2000) Intermuscular and intramuscular differences in myosin heavy chain composition of the human masticatory muscles [In Process Citation]. J Neurol Sci 178: 95–106 Korfage JAM, Brugman P, An Eijden TMGJ (2000) Intermuscular and intramuscular differences in myosin heavy chaincomposition of the human masticatory muscles. J Neurol Sci 178: 95–106 McNally EM, de Sa Moreira E, Duggan DJ et al. (1998) Caveolin-3 in muscular dystrophy. Hum Mol Genet 7: 871–877 Meier T, Hauser DM, Chiquet M, Landmann L, Ruegg MA, Brenner HR (1997) Neural agrin induces ectopic postsynaptic specializations in innervated muscle fibers. J Neurosci 17: 6534–6544 Ozawa E, Mizuno Y, Hagiwara Y, Sasaoka T, Yoshida M (2005) Molecular and cell biology of the sarcoglycan complex. Muscle Nerve 32: 563–576 Phimister AJ, Lango J, Lee EH et al. (2007) Conformationdependent stability of junctophilin 1 (JP1) and ryanodine receptor type 1 (RyR1) channel complex is mediated by their hyper-reactive thiols. J Biol Chem 282: 8667–8677 Polgar J, Johnson MA, Weightman D, Appleton D (1973) Data on fibre size in thirty-six human muscles. An autopsy study. J Neurol Sci 19: 307–318 Porro RS, Webster HF, Tobin W (1969) Needle biopsy of skeletal muscle: a phase and electron microscopic evaluation of its usefulness in the study of muscle dsease. J Neuropathol Exp Neurol 28: 229–242 Raheem O, Huovinen S, Suominen T, Haapasalo H, Udd B (2010) Novel myosin heavy chain immunohistochemical double staining developed for the routine diagnostic separation of I, IIA and IIX fibers. Acta Neuropathol 119: 495– 500 Raynaud F, Fernandez E, Coulis G et al. (2005) Calpain 1titin interactions concentrate calpain 1 in the Z-band edges and in the N2-line region within the skeletal myofibril. Febs J 272: 2578–2590 Sadoulet-Puccio HM, Rajala M, Kunkel LM (1997) Dystrobrevin and dystrophin: an interaction through coiledcoil motifs. Proc Natl Acad Sci USA 94: 12413–12418 Salanova M, Priori G, Barone V et al. (2002) Homer proteins and InsP(3) receptors co-localise in the longitudinal sarcoplasmic reticulum of skeletal muscle fibres. Cell Calcium 32: 193–200 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York
684
Kapitel 28
30. 31.
28 32.
33. 34.
35.
36. 37.
38.
Schröder JM (1998) Recommendations for the examination of peripheral nerve biopsies. Virchows Arch 432: 199–205 Sorimachi H, Kinbara K, Kimura S et al. (1995) Musclespecific calpain, p94, responsible for limb girdle muscular dystrophy type 2A, associates with connectin through IS2, a p94- specific sequence. J Biol Chem 270: 31158–31162 Telley IA, Denoth J (2007) Sarcomere dynamics during muscular contraction and their implications to muscle function. J Muscle Res Cell Motil 28: 89–104 Tortora GJ, Derrikson BH (2008) Anatomie und Physiologie. Wiley-VCH, Weinheim Weis J, Nikolin S, Nolte K (2009) Neurogene Muskelatrophien und selektive Muskelfaseratrophien: Wegweisende Befunde in der Biopsiediagnostik neuromuskulärer Erkrankungen. Pathologe 30: 379–383 Weisleder N, Takeshima H, Ma J (2008) Immuno-proteomic approach to excitation-contraction coupling in skeletal and cardiac muscle: Molecular insights revealed by the mitsugumins. Cell Calcium 43: 1–8 Wewer UM, Engvall E (1996) Merosin/laminin-2 and muscular dystrophy. Neuromuscul Disord 6: 409–418 Worton R (1995) Muscular dystrophies: diseases of the dystrophin-glycoprotein complex [comment]. Science 270: 755–756 Zacks SI (1973) The motor endplate. Krieger, Huntington New York
Anatomisch-physiologische Grundlagen und Technik
Kapitel 29
Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen und allgemeine Reaktionen
29
J.M. Schröder Inhalt Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
686
Spezifische Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687
Allgemeinpathologische Reaktionen . . . . . . . . . . .
686
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
688
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_29, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
686
29
Kapitel 29
Die Diagnostik der Skelettmuskelerkrankungen hat schon in den Jahren 1970–1990 außerordentliche Fortschritte erfahren, die vor allem auf die Entwicklung neuer Methoden in der Histochemie, Immunhistochemie, Zytochemie, Biochemie und Elektronenmikroskopie beruhten. Seit etwa 1987 sind durch die Entwicklung und relativ leichte Verfügbarkeit molekularbiologischer, insbesondere molekulargenetischer Methoden – Western Blot, Southern Blot, Northern Blot, Polymerasekettenreaktion (PCR) mit anschließender automatisierter DNA-Sequenzierung – grundlegende Kenntnisse zur Vererbung und Pathogenese hinzugekommen, die heute unerlässlich für eine differenzierte Diagnostik der hereditären neuromuskulären Krankheiten sind (s. unten).
Klassifikation Die von einer internationalen Forschergruppe unter der Federführung von Lord Walton erstellte Klassifikation sämtlicher bekannter neuromuskulärer Krankheiten umfasste seinerzeit mehr als 809 Erkrankungen oder Schädigungsformen, bei denen die Skelettmuskulatur primär oder sekundär betroffen ist, darunter 347 eigenständige Muskelerkrankungen [8]. Inzwischen sind allein unter den nukleär vererbten monogenen neuromuskulären Krankheiten 495 Positionen aufgrund von Mutationen in 272 Genen erfasst (Kaplan 2010 [6a], erweitert und jeweils aktualisiert in http://www.musclegenetable.org), von denen hier die wiedergegeben sind, die primär die Skelettmuskulatur (Tabellen 30.1, 31.1, 31.2, 32.1, 33.1), die neuromuskulären Endplatten (Tabelle 39.2) und die Spinalnerven (spinale Muskelatrophien; Tabelle 40.1) betreffen. Die hereditären Kardiomyopathien, bei denen die Skelettmuskulatur oft mitbetroffen ist, sind hier nicht näher aufgeführt, ebenso wenig die hereditären Ataxien und Paraplegien, bei denen die Skelettmuskulatur z. T. nur indirekt in Mitleidenschaft gezogen ist. Die derzeit definierten 61 hereditären peripheren Neuropathien werden im Kap. 23 beschrieben. Die bekannten genetischen Einzelheiten zu den mitochondrial-maternal und nukleär vererbten hereditären mitochondrialen Krankheiten haben seit der ersten Auflage dieses Bandes eine solche Komplexität erreicht, dass sie sich vollständig und aktuell nur noch mit Methoden der digitalen Datenverarbeitung erfassen lassen (http:// mitomap.org; s. S. 761). Eine umfassende Darstellung des aktuellen Kenntnisstandes hinsichtlich der Erbkrankheiten des Menschen, einschließlich der neuromuskulären Krankheiten, findet sich im Internet unter „Online Mendelian Inheritance in Man“ (OMIM; http:// www.ncbi.nlm.nih.gov).
Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen
Derartige Listen liefern zwar eine hilfreiche Klassifikation neuromuskulärer Krankheiten; doch besteht immer wieder das Dilemma, dass einerseits bestimmte Gene und Mutationen unterschiedliche Krankheitsbilder verursachen können, die demnach allelisch zueinander sind, dass aber andererseits klinisch wohldefinierte Krankheitsbilder wiederum auf unterschiedliche Gene zurückzuführen sein können.
Zu unterscheiden sind Erkrankungen der Skelettmuskulatur selbst (sog. primäre Myopathien) von Erkrankungen der Muskulatur, die als Folge von endokrinen, traumatischen, ischämischen, entzündlichen und anderen nichtneurogenen Einwirkungen auftreten. Abzugrenzen sind diese wiederum von Erkrankungen der motorischen Endplatte (z. B. Myasthenien) und von neurogenen Muskelveränderungen, namentlich der „neurogenen Muskelatrophie“. Letztere ist nach dem eigenen Biopsiegut – heute wohl zusammen mit der ätiologisch unspezifizierten „senilen Sarkopenie“ – die häufigste Erkrankung der Skelettmuskulatur, ohne in der ICD-10 als solche aufgeführt zu sein. Sie wird unter anderem verursacht durch Erkrankungen der peripheren oder zentralen motorischen Neurone, gelegentlich auch in Kombination mit Störungen der zentralen und peripheren Tonusregulation. Der Begriff „Myopathie“ wird manchmal als Oberbegriff für die Gesamtheit aller Muskelkrankheiten, oft aber auch eingeengt gebraucht im Sinne einer Abgrenzung gegenüber primär neurogenen Muskelatrophien und Myositiden. Die von einer deutschen Forschergruppe erarbeitete und mit dem angloamerikanischen Sprachgebrauch verglichene Nomenklatur der neuromuskulären Krankheiten wurde in einer ergänzungsfähigen Kurzform zusammengefasst, allerdings noch nicht aktualisiert [10]. Eine klinisch-therapeutisch orientierte alphabetische Liste neuromuskulärer Erkrankungen ist unter http://neuromuscular.wustl.edu/ zu finden.
Allgemeinpathologische Reaktionen Die allgemeinpathologischen Reaktionen der Skelettmuskulatur können hier aus Platzgründen nicht als differentialdiagnostische Hilfe für sämtliche myopathologische Krankheiten diskutiert werden. Doch seien hier wenigstens die wichtigsten Veränderungen bzw. Reaktionen aufgelistet; bezüglich der Details sei auf die Darstellung in den nachfolgenden Kapiteln und auf die Spezialliteratur verwiesen (z. B. [1–3, 6, 9, 12]). • Muskelfaserkaliberänderungen: – Atrophie, neurogen oder myopathisch (DD: Hypoplasie), – Hypertrophie (DD: Pseudohypertrophie);
Spezifische Myopathien
• charakteristische Strukturveränderungen: – Z-Band-Strömen, Minicore-, Central-core- und Target-Fasern, Myofibrillolyse, Superkontraktion, Überstreckung, – Nemalin-, zytoplasmatische und Sphäroidkörper; Desmin-, Aktin- und Myosin-Einschlüsse, – Ringbinden mit oder ohne sarkoplasmatische Massen, – Zebra-, Fingerabdruck-, Reduktions-, tubulofilamentöse, konzentrische, parakristalline u. a. Körper, – Kerneinschlüsse, -deformierungen, -vermehrungen, -verlagerungen u. a., – mitochondriale Einschlüsse, Verformungen, Vermehrungen und Defekte, – Glykogen-, Polyglucosan-, Neutralfett-, Phospholipid- u. a. Sarkoplasma-Einschlüsse, – Proliferationen des sarkoplasmatischen Retikulums (verschiedene tubuläre Aggregate), – Proliferation und Schwellung des T-Systems (DD: Artefakt u. a.), – Sarkolemminvaginationen, -defekte, Exozytose-, Pinozytose- u. a. Anomalien, – Faseraufsplitterungen (DD: Sehnenansatz), – Basallaminaverbreiterungen, -ablösungen, -unterbrechungen, – immunhistochemisch nachweisbare, spezifische Proteindefekte: Sarkolemm: Dystrophin, Sarcoglycane, Dysferlin, Caveolin-3, Laminin α2, Kollagen VI, Integrin α7; Kernmembran: Emerin; Zytoskelett: Desmin, Plektin; myofibrilläre Proteine: Aktin, Myosin, Telethonin, Titin; Enzyme: Calpain-3; • Formen der Muskelfasernekrose: – (segmentale) Nekrose (ehemals: „hyaline Degeneration“) mit myophagischer Reaktion (Myophagie), – fokale Nekrose („Deltafasern“), – fokale Degeneration mit autophagischen Vakuolen und myelinähnlichen Phospholipidausfällungen (ehemals: „Lipophanerose“); • Muskelfaserregeneration: – Satellitenzellproliferation, – Differenzierung zu Myoblasten, Myozyten, Myotuben, Muskelfasern; • entzündliche Erkrankungen und Reaktionen des Muskels: – Autoimmunprozesse mit mononukleären u. a. Zellinfiltraten, – Vaskulitiden, – Infektionen; • Fibrose und Fettvakatwucherung: • Tumoren, • Muskeldefekte, • Veränderungen der motorischen Endplatte, • Veränderungen der Muskelspindeln. Grundsätzlich wichtig ist, dass die Muskelfasern gut und rasch regenerieren. Dabei sind die Satellitenzellen von
687
wesentlicher Bedeutung. Eine Woche nach experimentell-embolischen Mikroinfarkten sind die regenerierten Muskelfasern noch an einzelnen zentralständigen Kernen und etwas geringeren Faserdurchmessern zu erkennen, aber sonst schon bemerkenswert gut restituiert [9]. Allgemeines zur Regeneration des Muskelgewebes ist der Spezialliteratur zu entnehmen (s. auch traumatische und toxische Muskelschäden, Muskelkater, Myoglobinurie, Satellitenzellen, Stammzellen [7] usw.). Doch sei schon hier vermerkt, dass es bis heute keine sichere Methode gibt, die häufige Frage zu entscheiden, ob eine einzelne dünne Muskelfaser hypotrophisch, neurogenatrophisch (denerviert) oder myogen-atrophisch/regenerierend ist, auch nicht durch den Nachweis neonatalen Myosins [11].
Bezüglich immunhistochemischer Techniken ist zu betonen, dass stets positive und negative Kontrollen der Reaktion erforderlich sind, z. B. eine positive βSpectrin-Reaktion im Fall einer negativen Dystrophin-Reaktion, sofern nicht sog. revertierte Muskelfasern innerhalb des Präparates eine Kontrolle der Reaktion gewährleisten.
Spezifische Myopathien Unter den Erkrankungen, die nach dem derzeitigen Kenntnisstand primär auf Veränderungen an den Muskelfasern selbst zurückzuführen sind, stehen zwar an erster Stelle die genetisch determinierten Krankheiten. Häufiger sind allerdings neben den bereits erwähnten neurogenen Muskelatrophien die entzündlichen Erkrankungen, die in einer repräsentativen Serie von 1000 Muskelbiopsien etwa ein Drittel (28%) aller Fälle umfassten [9]. Hereditär und somit genetisch determiniert sind nicht nur die Muskeldystrophien, sondern auch die sog. kongenitalen Myopathien, viele mitochondriale Myopathien, die myotonischen Krankheiten, familiäre periodische Paralysen einschließlich der malignen Hyperthermien („Kanalkrankheiten“), Störungen des Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsels, einige Myoglobinurien und die Myositis ossificans generalisata, Krankheiten der neuromuskulären Endplatte, des peripheren und zentralen Nervensystems sowie andere komplexe Systemkrankheiten, bei denen die Skelettmuskeln miterkrankt oder sekundär betroffen sind (s. oben, Tabellen). Auch ein Teil der Fehlbildungen gehört in diese Gruppe. Die Häufigkeit erblicher neuromuskulärer Krankheiten wird auf mindestens 1:3000 geschätzt [4, 5].
688
Kapitel 29
Literatur 1.
29
2. 3. 4.
5.
6. 6a. 7.
8. 9. 10.
11. 12.
Adams RD, Denny-Brown D, Pearson CM (1965) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Carpenter S, Karpati G (eds) (2001) Pathology of skeletal muscle, 2nd edn. University Press, Oxford Dubowitz V, Sewry CA (2007) Muscle biopsy: a practical approach. Saunders Elsevier, London Emery AE (1991) Population frequencies of inherited neuromuscular diseases – a world survey. Neuromuscul Disord 1: 19–29 Emery AE (1991) Population frequencies of neuromuscular diseases – II. Amyotrophic lateral sclerosis (motor neurone disease). Neuromuscul Disord 1: 323–325 Engel AG, Franzini-Armstrong L (eds) (2004) Myology basic and clinical. McGraw-Hill, New York Kaplan J-C (2010) The 2010 version of the gene table of neuromuscular disorders. Neuromusc Disord 20: 72–94 Meng J, Adkin CF, Arechavala-Gomeza V, Boldrin L, Muntoni F, Morgan JE (2010) The contribution of human synovial stem cells to skeletal muscle regeneration. Neuromuscul Disord 20: 6–15 Rowland LP, McLeod JG (1994) Classification of neuromuscular disorders. J Neurol Sci 124 (Suppl): 109–130 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Hopf HC, Wagner G, Amelung F (Hrsg) (1989) Neuromuskuläre Krankheiten. Springer, Berlin Heidelberg New York Sewry CA (2010) Muscular dystrophies: an update on pathology and diagnosis. Acta Neuropathol 120: 343–358 Walton JN (1974) Disorders of voluntary muscle. Churchill, Livingstone, Edinburgh, London
Klassifikationen der Skelettmuskelerkrankungen
Kapitel 30
30
Muskeldystrophien
J.M. Schröder Inhalt X-chromosomal erbliche Krankheiten . . . . . . . . . .
690
Muskeldystrophie vom Typ Duchenne . . . . . . . . .
690
Muskeldystrophie vom Typ Becker . . . . . . . . . . .
697
Emery-Dreifuss-Muskeldystrophien (EDMD) . . . .
697
X-chromosomal erbliche EDMD aufgrund von EMD-Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . .
Hereditäre myofibrilläre Myopathien und Plektinmyopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
705
Myofibrilläre Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . .
705
Plektinmyopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
706
Andere Myopathien mit besonderen Vorzugslokalisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
706
Distale Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
706
698
X-chromosomal-rezessive EDMD aufgrund von Mutationen im FHL1-Gen . . . . . . . . . . . .
698
Okuläre Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
708
Autosomal-dominante und -rezessive EDMD aufgrund von LMNA-Mutationen . . . . . . . . . .
698
Autosomal-dominante okulopharyngeale Muskeldystrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
709
Autosomal-dominante EDMD-Formen aufgrund von Mutationen im SYNE1 und SYNE2-Gen . . . .
699
Autosomal-rezessive okulopharyngeale Muskeldystrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
709
Weitere Formen X-chromosomaler neuromuskulärer Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . .
699
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD) . . .
699
Muskeldystrophien vom Gliedergürteltyp . . . . . . .
701
Autosomal-dominant erbliche Formen der Gliedergürteldystrophie . . . . . . . . . . . . . . .
702
Autosomal-rezessiv erbliche Formen der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp . . . . .
702
LGMD2A–2N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
703
Autosomal-dominant erbliche Myopathie mit kongenitalen Kontrakturen, Ophthalmoplegie und autophagischen Vakuolen . . . . . . . . . . . . . 709 Kongenitale Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . .
709
Weitere kongenitale Muskeldystrophien . . . . . . . . .
711
Arthrogryposis multiplex congenita . . . . . . . . . . .
711
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
711
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_30, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
690
30
Kapitel 30
Die Muskeldystrophien sind eine heterogene Gruppe genetisch determinierter Krankheiten mit progressivem Skelettmuskelschwund, bei denen in der Regel entsprechende (gravierende) Veränderungen am zentralen oder peripheren Nervensystem fehlen. Die verschiedenen Formen der Muskeldystrophie unterscheiden sich hinsichtlich Genetik, Krankheitsbeginn, Krankheitsbild, Verlauf, Pathomorphologie und Topik voneinander. Je rascher der Verlauf, je zahlreicher die akuten Muskelfasernekrosen, desto stärker ist als wichtiger klinischer Parameter die Kreatinkinase-(CPK-)Reaktion im Serum erhöht. Eine Muskelbiopsie erlaubt eine Differenzierung oder gibt die Richtung für spezifische genetische Analysen vor.
X-chromosomal erbliche Krankheiten Muskeldystrophie vom Typ Duchenne Die von Duchenne de Boulogne beschriebene und nach ihm benannte Muskeldystrophie ist nach der zystischen Fibrose mit einem Fall auf etwa 3500 männliche Lebendgeborene die häufigste Erbkrankheit mit progredientem malignem Verlauf im Kindesalter. Sie ist auch, von einigen anderen, z. T. wohldefinierten Stoffwechselleiden abgesehen, die schwerste Form einer erblichen Muskelerkrankung. Das Synonym „pseudohypertrophische Muskeldystrophie“ ist unzweckmäßig, da die Pseudohypertrophie (der Waden) bei sonst typischen Fällen fehlen kann und auch bei anderen Formen neuromuskulärer Krankheiten vorkommt. Genetik. Durch die revolutionäre Entdeckung von Dystrophin als dem Produkt des abnormen Gens durch Hoffman et al. [69] und Koenig et al. [79, 80] mit Methoden der reversen Gentechnik ist die Erforschung der neuromuskulären Krankheiten in ein neues Stadium getreten. Dystrophin ist ein Zytoskelettprotein mit hohem Molekulargewicht, das die Muskelplasmamembran im Zytoskelett verankert (s. Abb. 30.2). Der Erbgang ist X-chromosomal-rezessiv, d. h., die Übertragung erfolgt durch heterozygote Frauen (Konduktorinnen) auf durchschnittlich 50% ihrer Söhne. Das defekte Gen ist auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms lokalisiert (Xp21; Tabelle 30.1, Pos. 1.1) und mit 2,3 Megabasen eines der größten bekannten Gene. Die deshalb auch Xp21-Dystrophie genannte Muskeldystrophie kann aufgrund von Chromosomentranslokationen und -anomalien selten einmal bei Mädchen sowie beim TurnerSyndrom (z. B. bei den Chromosomenanomalien X0, X/ XX etc.) auftreten. Ein Drittel der Fälle ist auf Spontanmutationen zurückzuführen. Betroffene einschließlich der Konduktorinnen lassen sich heute relativ zuverlässig mit dem MLPA („multiplex ligation-dependent probe amplification“-)Test identifizieren, evtl. mit zusätzlicher
Muskeldystrophien
kompletter Sequenzierung des Gens, wobei etwa 60% der Fälle auf Deletionen beruhen, 20% auf Duplikationen und 10% auf Punktmutationen [151]. Pathogenese. Pathogenetisch steht die Hypothese eines primären Plasmamembrandefekts aufgrund des Mangels an Dystrophin im Zentrum der Diskussion. Man spricht deshalb auch von Dystrophinopathien und meint damit die verschiedenen genetischen Varianten einschließlich der allelen Becker-Dystrophie (s. unten). Dadurch kann es zu einem abnormen Kalziumeinstrom in die Muskelfaser und zu herdförmigen Destruktionsherden an der Oberfläche der Faser mit nachfolgender segmentaler Nekrose kommen. Ein nachgewiesener 42–61%iger Mangel an Vinculin, einem weiteren Zytoskelettprotein, spielt zumindest bei der Dystrophie vom Typ Duchenne möglicherweise eine zusätzliche Rolle [100]. Von den Xp21-Dystrophien abzugrenzen sind Fälle mit Anomalien dystrophinassoziierter Glykoproteine, die eine Duchenne-ähnliche Muskeldystrophie verursachen können, aber autosomal-rezessiv erblich sind [183] (vgl. Abb. 30.2 und Tabelle 30.1, Pos. 1.17–1.20; s. unten). Klinik. Die ersten Symptome treten zumeist während des Stehen- und Gehenlernens vor dem 3. Lebensjahr auf. Die Atrophien manifestieren sich vor allem im Bereich des Beckengürtels, des Rumpfs, später auch des Schultergürtels und generalisieren schließlich. Beim Aufstehen stützen sich die Jungen mit den Händen an den Beinen ab (Gower-Zeichen). Die Serumkreatinphosphokinase-(CK-)Aktivität ist so hoch wie bei kaum einer anderen neuromuskulären Erkrankung (um 10.000 IE und mehr). Auch die Serumpyruvatkinase kann erhöht sein, kaum jedoch die anderen Serumenzyme. Eine ausgeprägte Kreatinurie kommt häufig vor. Morphometrie. Die histopathologischen Veränderungen im Muskel hängen stark vom untersuchten Stadium der Erkrankung ab.
Entscheidend für die Diagnose ist der immunhistochemische Nachweis eines Fehlens von Dystrophin an der Oberfläche der (unfixierten, uneingebetteten) Muskelfasern im Kryostatschnitt (Abb. 30.1a). Eine negative Reaktion bedarf allerdings einer positiven Dystrophin-Kontrollreaktion an einem nichtdystrophischen Fall. Außerdem ist die Immunreaktivität des Gewebes zu testen, z. B. mit einer Spektrin- oder Utrophin-Reaktion, wobei Letztere bei der Duchenne-Dystrophie verstärkt ausfällt (s. unten).
Einzelne Dystrophin-positive Fasern kommen jedoch bei 40% der Duchenne-Patienten vor, wenn auch nicht häu-
X-chromosomal erbliche Krankheiten
691
Tabelle 30.1 Muskeldystrophien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
1.
Muskeldystrophien (MD)
1.1
Typ Duchenne/Becker
XR
Xp21.2
DMD (= DYS) (Dystrophin)
310200
Monaco et al. (1986) Burghes et al. (1987) Koenig et al. (1987, 1988) Hoffman et al. (1987, 1988)
1.2
Emery-Dreifuss, X-chromosomal, Typ 1
XR
Xq28
EMD (Emerin)
310300
Hodgson et al. (1986) Romeo et al. (1988) Bione et al. (1994, 1995) Klauck et al. (1995) Nigro et al. (1995)
1.3
Emery-Dreifuss, X-chromosomal, Typ 2, allelisch zu Reduktionskörpermyopathie, XMPMA und XPMD
XR
Xq26.3
FHL1 (four and a half LIM domain 1)
300163
Gueneau et al. (2009)
1.4
Emery-Dreifuss, autosomal-dominant
AD
1q11-q23
EDMD-AD = LMNA (Lamin A/C)
181350
Bonne et al. (1999) Worman u. Bonne (2007)
1.5
Emery-Dreifuss, autosomal-rezessiv
AR
1q21.2
EDMD3 (LMNA) (Lamin A/C)
604929
Raffaele di Barletta (2000) Worman u. Bonne (2007)
1.6
Emery-Dreifuss mit Nesprin-1-Defekt
AD
6q25
SYNE1 (nuclear envelope spectrin repeat containing 1 = Nesprin-2)
608441
Zhang et al. (2007)
1.7
Emery-Dreifuss mit Nesprin-2-Defekt
AD
4q23
SYNE2 (nuclear envelope spectrin repeat containing 2 = Nesprin-2)
608442
Zhang et al. (2007)
1.8
Fazioskapulohumerale MD (FSHD)
AD
4q35
(Protein?)
158900
Wijmenga et al. (1990, 1993) Upadhyaya et al. (1990, 1992) Wright et al. (1993) Van Deutekom et al. (1993) Van der Maarel et al. (2005) Gabellini et al. (2002, 2006)
1.9
Muskeldystrophie mit generalisierter Lipodystrophie
AR
17q21-q23
PTRF (polymerase I und transcript release factor; cavin-1)
603198
Hayashi et al. (2009)
Gliedergürtel MD, dominant 1.10
LGMD1A
AD
5q22-q34
MYOT (Myotilin = Titin immunoglobulin domain protein)
159000 609200
Speer et al. (1992) Hauser et al. (2000)
1.11
LGMD1B mit kardialem Befall
AD
1q11-21
LMNA (Lamin A/C)
159001 150330
van der Kooi et al. (1992) Muchir et al. (2000) Worman u. Bonne (2007)
1.12
LGMD1C
AD
3p25
CAV3 (Caveolin-3)
601253 607780
Minetti et al. (1998) McNally et al. (1998)
6
692
Kapitel 30
Muskeldystrophien
Tabelle 30.1 Fortsetzung
30
Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
1.13
LGMD1D mit Kardiomyopathie
AD
7q
?
603511
Speer et al. (1999)
1.14
LGMD1E mit dilatativer Kardiomyopathie
AD
6q23
?
602067
Messina et al. (1997)
1.15
LGMD1F
AD
7q32
?
608423
Palenzuela et al. (2003)
1.16
LGMD1G
AD
4q21
?
609115
Starling et al. (2005)
Gliedergürtel MD, rezessiv 1.17
LGMD2A
AR
15q15.1
CAPN3 (Calpain 3)
253600
Beckmann et al. (1991) Young et al. (1992) Richard et al. (1995, 1997)
1.18
LGMD2B; distal: MiyoshiMyopathie
AR
2p13
DYSF (Dysferlin)
603009 254130
Bashir et al. (1994, 1998) Liu et al. (1998)
1.19
LGMD2C
AR
13q12
SGCG (J-Sarkoglykan)
253700 608896
Ben Othmane et al. (1992) Azibi et al. (1993) Noguchi et al. (1995) McNally et al. (1996) Piccolo et al. (1996)
1.20
LGMD2D
AR
17q12q21.33
SGCA (Adhalin = D-Sarkoglykan)
600119
Roberds et al. (1994) Piccolo et al. (1995) Passos-Bueno et al. (1995) Ljunggren et al. (1995) Carrié et al. (1997)
1.21
LGMD2E
AR
4q12
SGCB (E-Sarcoglycan)
600900
Lim et al. (1995) Bönnemann et al. (1995, 1996)
1.22
LGMD2F; mit dilatativer Kardiomyopathie
AR
5q33
SGCD (G-Sarcoglycan)
601287 606685
Passos-Bueno et al. (1996) Nigro et al. (1996) Tsubata et al. (2005)
1.23
LGMD2G; mit dilatativer Kardiomyopathie
AR
17q11
TCAP (Titin-Cap = Telethonin)
604488 601954
Moreira et al. (1997) Moreira et al. (2000)
1.24
LGMD2H
AR
9q31-q34
TRIM32 (Tripartite motif containing 32)
602290
Weiler et al. (1998) Frosk et al. (2002)
1.25
LGMD2I, allelisch zur kongenitalen MD mit abnormer Glykolisierung von Dystroglykan
AR
19q13.3
FKRP (Fukutin-related protein)
606596 607155 606612
Driss et al. (2000) Brockington et al. (2001a)
1.26
LGMD2J, allelisch zu TMD, HMERF, CMD1G
AR
2q31
TTN (Titin)
188840 608807
Hackman et al. (2003)
1.27
LGMD2K, allelisch zum WWS
AR
9q34
POMT1 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 1)
607423 609308
Balci et al. (2005) D’Amico et al. (2006)
1.28
LGMD2L, allelisch zum WWS
AR
11p14.3
ANOS (TMEM16E) (Anoctamin 5)
607440
Jarry et al. (2007) Bolduc et al. (2008)
6
X-chromosomal erbliche Krankheiten
693
Tabelle 30.1 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
1.29
LGMD2M, allelisch zu FCMD
AR
9q31
FKTN (Fukutin)
1.30
LGMD2N, allelisch zu WWS und MEB
AR
14q24.3
POMT2 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 2)
607439
Bianchieri et al. (2007)
1.31
LGMD2O, allelisch zu WWS, MEB
AR
1p34
POMGNT1
606822
Godfrey et al. (2007) Clement et al. (2008)
2.
Kongenitale Muskeldystrophien
2.1
MDC1A (kongenitale Muskeldystrophie mit Merosinmangel)
AR
6q2
LAMA2 (Laminin-D2-Kette des Merosins = Laminin-2)
156225 607855
Tomé et al. (1994) Hillaire et al. (1994) Helbling Leclerc et al. (1995) Allamand et al. (1997)
2.2
MDC1B (kongenitale Muskeldystrophie mit sekundärem Merosinmangel)
AR
1q42
?
604801
Brockington et al. (2000)
2.3
MDC1C mit abnormer Glykosylierung, allelisch zu LGMD2I, WWS, MEB
AR
19q13
FKRP (Fukutin-related protein)
606596 606612
Brockington et al. (2001b) Topaloglu et al. (2003)
2.4
MDC1D
AR
22q12
LARGE (like-glycosyl transferase)
603590 608840
Longman et al. (2003)
2.5
Fukuyama-Typ der CMD (FCMD), allelisch zu WWS
AR
9q31-q33
FCMD (Fukutin)
253800 607440
Toda et al. (1993) Kobayashi et al. (1998)
2.6
Walker-Warburg-Syndrom (WWS), allelisch zu Fukuyama-CMD und LGMD 2L
AR
9q31-q33
FCMD (Fukutin)
236670 607440
Beltran-Valero de Bernabe et al. (2003)
2.7
Walker-WarburgSyndrom, allelisch zu LGMD 2K
AR
9q34
POMT1 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 1)
236670 607423
Hayashi et al. (1998) Beltran-Valero de Bernabe et al. (2003)
2.8
Walker-WarburgSyndrom, allelisch zu LGMD2N, MEB
AR
14q24.3
POMT2 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 2)
236670 607439
van Reeuwijk et al. (2005, 2006)
2.9
Walker-WarburgSyndrom, allelisch zu LGMD2I, MDC1C, MEB
AR
19q13
FKRP (Fukutin-related protein)
606596
Beltran-Valero de Bernabe et al. (2002)
2.10
Walker-Warburg-Syndrom, allelisch zu MEB
AR
1p3
POMGNT1 (O-Mannose β1,2-NAcetylglucosaminylransferase)
236670 606822
Taniguchi et al. (2003)
2.10a
Walker-WarburgSyndrom, allelisch zu MDC1D
AR
22q12
LARGE (like-glycosyl transferase)
603590
Van Reeuwijk et al. (2007)
6
MIM
Schlüsselzitate
Murakami et al. (2006) Godfrey et al. (2006)
694
Kapitel 30
Muskeldystrophien
Tabelle 30.1 Fortsetzung
30
Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
2.11
Muscle-Eye-Brain Disease (Muskel-Auge-GehirnKrankheit), allelisch zu WWS
AR
1p3
POMGNT1 (O-Mannose β1,2-NAcetylglucosaminylTransferase)
253820 606822
Yoshida et al. (2001) Taniguchi et al. (2003)
2.12
MEB, allelisch zu LGMD2I, MDC1C, WWS
AR
19q13
FKRP (Fukutin-related protein)
606596
Beltran-Valero de Bernabe et al. (2004)
2.13
MEB, allelisch zum WWS
AR
14q24.3
POMT2 (Protein-O-Mannosyl-Transferase 2)
253280 607439
Mercuri et al. (2006)
2.14
Rigid-spine-Syndrom (RSMD), allelisch zu CFTD, MultiminicoreKrankheit und Desminabhängiger Myopathie mit Mallory-Körpern
AR
1p36
SEPN1 (Selenoprotein N1)
602771 606210
Mogadaszadeh et al. (1998,2001) Ferreiro et al. (2002a, 2004)
2.15
Ullrich-Syndrom (UCMD), allelisch zur Bethlem-Myopathie
AR
21q22.3
COL6A1 (Kollagen Typ VI, Untereinheit α1)
120220 254090
Pan et al. (2003) Giusti et al. (2005)
2.16
UCMD, allelisch zur Bethlem-Myopathie
AR
21q22.3
COL6A2 (Kollagen Typ VI, Untereinheit α2)
120240 254090
Vanegas et al. (2001) Higuchi et al. (2001)
2.17
UCMD, allelisch zur Bethlem-Myopathie
AR
2q37
COL6A3 (Kollagen Typ 6, Untereinheit α3)
120250 254090
Demir et al. (2002)
2.18
Bethlem-Myopathie; wie 2.15
AD
21q22.3
COL6A1
158810
Jöbsis et al. (1996)
2.19
Bethlem-Myopathie, wie 2.16
AD
21q22.3
COL6A2
158810
Jöbsis et al. (1996)
2.20
Bethlem-Myopathie, wie 2.17
AD
21q22.3
COL6A3
158810
Jöbsis et al. (1996)
2.21
Bethlem-Myopathie
AR
2Q37
COL6A3
158810
Speer et al. (1996) Bertini et al. (1998) Pan et al. (1998) Gualandi et al. (2009)
2.22
Kongenitale Muskeldystrophie mit Integrinmangel
AR
12q13
ITGA7 (Integrin D7)
600536
Hayashi et al. (1998)
2.23
Kongenitale Muskeldystrophie mit Dynamindefekt, allelisch zu CNM und CMTD1B
AD
19q13.2
DNM2 (Dynamin 2)
602378
Susman et al. (2009)
2.24
Kongenitale Muskeldystrophie mit Gelenkhyperlaxidität
AR
3p23-21
?
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 72–77. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
Tetreault et al. (2006)
X-chromosomal erbliche Krankheiten
figer als in 0,01–6,81% der Fasern [47]; sie sind normotroph und werden als Zeichen einer „somatischen Reversion der Mutation“ interpretiert („revertierte Fasern“; Abb. 30.1a). Sind mehr Fasern immunreaktiv gegenüber Dystrophin-Antikörpern, handelt es sich vermutlich um mildere Formen des Xp21-Dystrophie (Becker-Typ; s. unten). Eine Korrelation zwischen der Zahl der revertierten Fasern und den zugrunde liegenden Deletionen ließ sich nicht nachweisen [171]. Anfangs bestehen die histopathologischen Veränderungen hauptsächlich aus einer Variabilität der Faserkaliber mit fokalen Arealen degenerierender oder regenerierender Fasern (Abb. 28.1c; 30.1a, 30.2a). In späteren Stadien nehmen die Faserkalibervariationen zu, ebenso das Ausmaß der Degeneration oder Regeneration. Es kommen in charakteristischer Weise abgerundete, opake Fasern vor mit sog. Deltaläsionen [106], d. h. keilförmig unter dem defekten Sarkolemm gelegenen myofibrillären Destruktionsherden. Außerdem finden sich sog. „myoballs“ (abgerundete Myoblasten-ähnliche Zellen), zentrale Kerne, aufgesplitterte Fasern sowie Proliferationen des Binde- und Fettgewebes [93]. Bemerkenswert sind auch eine Zunahme der Satellitenzellen sowie eine Vergrößerung der Muskelfaserkerne.
695
Mit weiterem Fortschreiten der Erkrankung erscheint die regenerative Aktivität weniger ausgeprägt [72] und es kommt zu einem zunehmenden Verlust an Muskelfasern, zu einem Ersatz durch Bindegewebe und später auch durch Fettgewebe. In den Endstadien der Erkrankung ist das Muskelgewebe weitgehend durch Fettgewebe mit übrig bleibenden Inseln von Muskelfasern ersetzt (Abb. 30.2b). Histochemisch fällt anfangs eine Prädominanz der Typ-1-Fasern auf und später eine häufigere Atrophie der Typ-1-Fasern als der Typ-2-Fasern [171] sowie der relative Verlust einer Differenzierung der verschiedenen Fasertypen nach der myofibrillären ATPase-Reaktion bei pH 9,4. Die immunhistochemische Utrophin-Reaktion ist verstärkt, die α-Dystrobrevin-1- und 2-Isoform-Reaktionen sind reduziert. Die mittlere Kapillargröße zwischen den Muskelfasern ist erhöht, ihre Basallaminae erscheinen redupliziert und verbreitert. Im Bereich der motorischen Endplatten findet sich eine fokale Atrophie der postsynaptischen Falten, aber kein Hinweis auf eine Degeneration der Nervenendigungen. Das Herz ist bei 50–80% aller Fälle mit progressiver Muskeldystrophie mitbeteiligt, wobei es bei der DuchenneMuskeldystrophie am häufigsten und am schwersten betroffen ist. Bei 7 von 8 autoptisch untersuchten Fällen
a
b
c
d
e
f
Abb. 30.1 a Duchenne-Muskeldystrophie. Immunhistochemische Reaktion auf Dystrophin (Dys-2). Das Dystrophin fehlt an der Oberfläche der meisten Muskelfasern, nicht aber an der Oberfläche der sog. revertierten Muskelfasern („revertant fibers“). b Myotonische Dystrophie. Eine immunhistochemische Reaktion mit Antikörpern gegen Desmin weist eine deutliche Expression im Bereich der sarkoplasmatischen Massen auf, während die zentralen Anteile mit regulär orientierten Myofibrillen keine wesentlichen Reaktionen aufweisen. Typisch für die myotonische Dystrophie sind auch die vielen mehr oder weniger zentralständigen Kerne und die starken Muskelfaserkaliberdifferenzen. c Ausgeprägte infantile mitochondriale Myopathie nach Trichromfärbung. Die starke Vermehrung der
Mitochondrien ist aus den fuchsinophilen (rötlichen) Ablagerungen unter dem Sarkolemm und zwischen den Myofibrillen ersichtlich. d Polyglukosankörpermyopathie (Glykogenose Typ IV) im PASPräparat. Viele Muskelfasern weisen herdförmige PAS-positive Einlagerungen auf, bei denen es sich um die pathognostischen Polyglukosankörper handelt. e Infantile fatale Form einer Polyglukosankörpermyopathie mit extrem starker Anhäufung ungefärbter rundlicher Ablagerungen in den Muskelfasern. Das endomysiale und perimysiale Bindegewebe ist erheblich vermehrt. f Hyaline Einschlusskörpermyopathie, wobei die Einschlusskörper nach der ATPase-Reaktion bei pH 4,2 in den Muskelfasern stark angefärbt sind (Myosin)
696
Kapitel 30
Muskeldystrophien
30 a
b
c
d
e
f
Abb. 30.2 a Duchenne-Muskeldystrophie. M. vastus lateralis eines 22 Monate alten Knaben. Ausgeprägte Muskelfaserkaliberschwankungen mit Störungen der Myofibrillenarchitektur und auffällig große, zentral verlagerten Kernen (Pfeile). Das endomysiale Bindegewebe zwischen den Muskelfasern ist deutlich vermehrt (Vergr. 720:1). b Fortgeschrittenes Stadium der Duchenne-Muskeldystrophie bei einem 21-Jährigen. Das Fett- und Bindegewebe ist im Sinne einer Vakatwucherung stark vermehrt. Die meisten Muskelfasern sind atrophisch und von Bindegewebe ummauert, nur wenige sind normal dick. Keine hypertrophischen Fasern (Stadium der Dekompensation; HE; Vergr. 63:1). c Myotonische Dystrophie. M. peroneus longus einer 56-jährigen Frau. Typische Ringbinden (Pfeilköpfe) mit sarkoplasmatischen Massen (s) und ausgeprägten Kernvermehrungen sowie -zentralverlagerungen (Vergr. 510:1). d Familiäre „Multimini-
core-Krankheit“. 6-jähriger Junge. M. quadriceps mit fokalen Myofibrillendefekten (Pfeile) (Vergr. 1120:1). e Hypokaliämische periodische Paralyse. M. vastus lateralis eines 47-jährigen Mannes, der seit dem 17. Lebensjahr an Stunden bis 2 Tage andauernden Lähmungsanfällen litt. Die Muskelfasern enthalten einzelne oder mehrere Vakuolen, die untereinander in Verbindung stehen können. Die Sarkolemmkerne sind vermehrt und vielfach zentral verlagert. Die Faserkalibergröße variiert erheblich. In einer Faser oben rechts sind Kalziumsalze ausgefällt (Pfeile; Vergr. 540:1). f Elektronenmikroskopische Vergrößerung der in e abgebildeten Faser mit Kalziumablagerungen: charakteristische konzentrische Präzipitate in Gestalt von LiesegangRingen (Ausfällungsmuster in gesättigten kolloidalen Lösungen). Ein Teil der elektronendichten Ablagerungen wird von Membranen des sarkoplasmatischen Retikulums umgeben (Vergr. 32.000:1)
X-chromosomal erbliche Krankheiten
fand sich eine beträchtliche myokardiale Fibrose; davon zeigten 5 eine ausgeprägte Fibrose des epimyokardialen Anteils der freien Wand des linken Ventrikels. Demnach ist die Duchenne-Muskeldystrophie eine generalisierte Herz- und Skelettmuskelkrankheit [54]. Die Kardiomyopathie ist mit erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod der Patienten verbunden. Das gilt nicht nur für die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne/Becker, sondern auch für die Sarkoglykanopathien, die Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie (unabhängig vom zugrunde liegenden Gendefekt), die myotonische Dystrophie, Calpainopathie und die Merosin-negative kongenitale Myopathie, während bei der FSH-Dystrophie, der okulopharyngealen Muskeldystrophie und den Merosin-positiven Myopathien keine Herzbeteiligung zu erwarten ist [114]. Intelligenzstörungen sind wiederholt beschrieben worden; sie sind auf eine Störung der Hirnentwicklung während des Fetallebens zurückzuführen, aber nicht immer nachweisbar [126]. Doch haben die meisten pathologisch-anatomischen Untersuchungen am Gehirn keine konstante Anomalie ergeben [40]. Dystrophin ist auch in der Membran von Nervenzellen nachweisbar, so dass bei „Dystrophinopathien“ grundsätzlich mit einer Beteiligung des Nervensystems zu rechnen ist. Verlauf und Prognose. Die Patienten erreichen nicht das fortpflanzungsfähige Alter. Im Unterschied zur milder verlaufenden Xp21-Muskeldystrophie vom Becker-Typ (s. unten) ist mit Rollstuhlabhängigkeit (bzw. Verlust der Gehfähigkeit ohne Gehhilfen) bereits im Alter von bis zu 13 Jahren zu rechnen [72, 99]; die mittlere Lebenserwartung liegt auch bei optimaler Betreuung unter 20 (18–25) Jahren. Versuche durch Hochregulierung von Utrophin, einem Dystrophin-Homolog, den Verlauf der Krankheit zu beeinflussen, befinden sich in einem vorklinischen Stadium [102].
Muskeldystrophie vom Typ Becker Diese Krankheit wird wie die Duchenne-Muskeldystrophie durch einen X-chromosomalen geschlechtsgebundenen Mechanismus übertragen [11]. Auch verhält sich diese Form der Muskeldystrophie hinsichtlich des klinischen Bildes und der Verteilung der Muskelschwäche ähnlich wie der Typ Duchenne, doch ist die Krankheit weniger stark ausgeprägt und der Verlauf langsamer. Die Erkrankung beginnt meistens erst im Alter von 7 Jahren. Gehen ist noch jenseits des 20.–30. Lebensjahres möglich. Die CK-Werte im Serum sind beträchtlich erhöht. Etwa 50% der Patienten weisen Symptome vonseiten des Herzens auf, manchmal bevor die Skelettmuskulatur auffällt. Herztransplantationen haben bei 2 von 5 erfolgreich operierten Patienten zur beruflichen Reintegration ge-
697
führt [11]. Beim Vergleich zwischen 29 Patienten mit einer Muskeldystrophie, zumeist vom Becker-Typ, und Patienten mit einer nichtischämischen Herzkrankheit ergab keinen wesentlichen Unterschied hinsichtlich des Erfolgs einer Herztransplantation [178]. Morphologie. Die histopathologischen und histochemischen Befunde entsprechen einer Kombination der Befunde bei der Duchenne-Muskeldystrophie mit denen einer Gliedergürteldystrophie (s. unten) [88]. Die Dystrophinreaktionen fallen sehr variabel aus, entweder schwächer als im Normalen oder völlig negativ oder aber inkomplett [112, 113], so dass manchmal erst die Immunoblotuntersuchung zum Nachweis des abnormen Dystrophins oder die DNA-Analyse zur endgültigen Diagnose führt [22]. In allen Biopsien fand sich eine Zunahme der Kaliberschwankungen mit Verbreiterung des Kaliberspektrums (Abb. 28.1c). Neben vielen kleinen, atrophischen Fasern lassen sich auch mäßig hypertrophische Fasern nachweisen. Große abgerundete opake Fasern kommen in der Hälfte der Fälle vor. Die Fasertypendifferenzierung ist nicht beeinträchtigt, während dies bei der Duchenne-Dystrophie häufig der Fall ist. Ein zahlenmäßiges Überwiegen der Typ-1-Fasern wurde ebenfalls nicht beobachtet. Zentrale Kerne und aufgesplitterte Fasern kommen reichlich vor, eine Veränderung, die sonst häufiger bei den Gliedergürteldystrophien als bei der Duchenne-Dystrophie beobachtet wird. Basophile Fasern liegen als Zeichen der Regeneration in allen Präparaten vor; kleine Gruppen basophiler Fasern sind jedoch seltener als bei der Duchenne-Dystrophie anzutreffen. Besondere myofibrilläre Architekturstörungen sind nur selten zu finden. Eine Fibrose ist in der Regel nachweisbar, meist in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung. Auch pyknotische Kernhaufen in atrophischen Fasern sind gelegentlich zu beobachten, was sonst eher bei neurogenen Muskelatrophien zu finden ist. Das Faserspektrum ist unimodal, doch liegen gelegentlich atrophische Fasern in kleinen Gruppen von 3–5 Fasern zusammen, die eher dystrophinnegativ sind als die großen Fasern. Die Spinalwurzeln und die Vorderhornzellen sind bei dieser Krankheit bisher keiner eingehenden morphometrischen Analyse zugeführt worden.
Emery-Dreifuss-Muskeldystrophien (EDMD) Die EDMD ist heterogen (s. Tabelle 30.1, Pos. 1.3–1.6). Beschrieben werden zwei X-chromosomale (EDMD1, EDMD6), eine autosomal-rezessive (EDMD3) und drei autosomal-dominante Formen (EDMD2, EDMD4, EDMD5), die sich klinisch überlappen, aber molekulargenetisch aufgrund von Mutationen in 6 verschiedenen
698
Kapitel 30
Genen (EMD, FHL1, LMNA, SYNE1 und SYNE2) zu unterscheiden sind. Charakteristisch sind frühe Kontrakturen, eine langsam progressive Muskelschwäche und die unabdingbare Beteiligung sowohl des Herzens als auch der Skelettmuskulatur [61].
30
X-chromosomal erbliche EDMD aufgrund von EMD-Mutationen Die X-chromosomal-rezessive Muskeldystrophie vom Typ Emery-Dreifuss (EDMD) ist durch eine langsam progressive Schwäche mit Schwund der skapulohumeralen, tibialen sowie peronealen Muskulatur und mit frühen Kontrakturen an den Ellenbeugen, den Achillessehnen und den dorsalen Halsmuskeln gekennzeichnet, evtl. bevor es zu einer Muskelschwäche kommt. Häufig tritt eine Kardiomyopathie auf, die mit Überleitungsstörungen verbunden ist [56]. Die CK-Werte im Serum sind normal oder bis auf das 10fache erhöht. Konduktorinnen können klinisch manifeste myopathische Veränderungen und Herzrhythmusstörungen aufweisen, die wie bei den manifest erkrankten männlichen Patienten zum plötzlichen Tod führen können, ohne dass eine Skelettmuskelschwäche besteht. Genetik. Die ursprüngliche, X-chromosomal-rezessive Form der Krankheit ist auf Mutationen im EMD-Gen auf Chromosom Xq28 zurückzuführen, das ein Protein mit der Bezeichnung Emerin – nach dem englischen Genetiker A.E.H. Emery – kodiert [175, 181]. Das Emerin ist in der inneren Kernmembran verankert, einer Komponente der Kernwand (s. Abb. 28.2), und interagiert direkt mit Lamin A/C (s. unten). Ein besonders schwerer Verlauf ist bei der Kombination einer Mutation im Emerin- und im Desmin-Gen zu beobachten („double trouble“) [109]. Morphologie. Histopathologisch sind myopathische Veränderungen einschließlich autophagischer Vakuolen, immunhistochemisch das pathognostische Fehlen des Emerins in den Kernen der Muskelfasern und elektronenmikroskopisch Defekte in der Kernmembran nachweisbar [51, 52, 117, 146].
X-chromosomal-rezessive EDMD aufgrund von Mutationen im FHL1-Gen Diese ist allelisch mit der Reduktionskörpermyopathie, der X-chromosomalen Myopathie mit posturaler Muskelatrophie und generalisierter Hypertrophie (XMPMA) [176] und der skapuloperonealen Myopathie (XPMD) [133] (s. jeweils dort). Das Fehlen oder die Reduktion des FHL1-Proteins lässt sich im Immunoblot nachweisen, während der Nachweis auf Schnitten schwieriger ist [141].
Muskeldystrophien
Autosomal-dominante und -rezessive EDMD aufgrund von LMNA-Mutationen Diese Formen der EDMD sind auf autosomal-dominante oder rezessive Mutationen im Lamin A/C-kodierenden LMNA-Gen (Pos. 1.4–1.5 in Tabelle 30.1) zurückzuführen [19, 20]. Sie sind allelisch zu den Muskeldystrophien vom Gliedergürteltyp 1B (LGMD1B) und CMD1A sowie zu verschiedenen anderen Krankheiten wie CMT2B1, einer familiären partiellen Lipodystrophie, Progerie-Syndromen, einer mandibuloakralen Dysplasie und einer restriktiven Dermatopathie, ohne dass sich zurzeit eine klare Genotyp-Phänotyp-Korrelation herstellen ließe [28]. Das klinische Erscheinungsbild dieser EDMD-Formen ist dementsprechend außerordentlich variabel [97]. Im Übrigen kann eine Lipodystrophie in Kombination mit einer Muskeldystrophie auch auf Mutationen im Polymerase-I- bzw. dem Transkriptionsfaktor PTRF (Cavin)-Gen zurückzuführen sein. Immunhistochemisch ist dabei Cavin und Caveolin-3 reduziert [125]; elektronenmikroskopisch ist die Zahl der Caveolen entsprechend stark vermindert [66] (vgl. LGMD1C). Histopathologisch ist die autosomal-dominante EMD mit Defekten von Lamin A/C in der Kernmembran verbunden, allerdings ohne dass dies aufgrund der Heterozygotie immunhistochemisch nachweisbar wäre. Offenbar besteht eine reziproke Expression von Lamin B1 und Emerin, wobei Emerin in den Kernen der Muskelfasern, Lamin B1 aber in den Kernen der Endothelzellen nachweisbar ist. Demgegenüber käme Lamin B2 in allen Kernen vor [91]. Neben uncharakteristischen myopathischen Alterationen finden sich Invaginationen der Kernmembran in 10% der Kerne, die zu sog. Pseudoinklusionen führen können; periphere Kondensationen des Chromatins in 20% der Kerne, Störungen der Chromatinverteilung, insbesondere Ablösungen des Heterochromatins von der Kernmembran und scharfe Grenzen zwischen dem Heterochromatin und dem Interchromatin in 10% der Muskelfasern [128, 142]. In Herzmuskelzellen sind die Kernveränderungen besonders stark ausgeprägt. Bei einzelnen Fällen kommen zudem tubulofilamentöse Kerneinschlüsse wie bei der Einschlusskörpermyositis und Heterochromatinvorwölbungen („blebs“) in Verbindung mit einem Verlust der Kernmembran, Kernfragmentierungen, apoptoseähnliche Bilder sowie myelinähnliche Kerneinlagerungen vor [50]. Pathogenese. Wie LMNA-Mutationen zu den Alterationen der Muskelfaserkerne führen, ist nicht geklärt; doch finden sich im Sehnenansatzbereich der Muskelfasern von Mäusen mit einer Nullmutation des LMNAGens besonders zahlreiche Kerne, die auch vielfach degenerative Veränderungen aufweisen als Zeichen für die besondere Empfindlichkeit dieser Muskelfaserkerne gegenüber mechanischem Stress [101]. Dies könnte für die
699
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD)
frühe Entwicklung von Kontrakturen bei diesen Patienten von Bedeutung sein.
Autosomal-dominante EDMD-Formen aufgrund von Mutationen im SYNE1 und SYNE2-Gen Diese Mutationen beeinflussen Nesprin-1 bzw. Nesprin-2 (ein die Spektrin-Wiederholungssequenz enthaltendes Protein der Kernmembran; Tabelle 30.1) [184].
Weitere Formen X-chromosomaler neuromuskulärer Krankheiten Die X-chromosomal erbliche myotubuläre Myopathie wird unter den sog. kongenitalen Myopathien beschrieben (s. Kap. 31), die ebenfalls X-chromosomal erbliche bulbospinale Muskelatrophie (Kennedy-Krankheit) unter den neurogenen Muskelatrophien (Kap. 40). Das X-chromosomal erbliche Barth-Syndrom (kardioskeletale Myopathie mit Kleinwuchs, Neutropenie und abnormen Mitochondrien sowie 3-Methylgluconacidurie und erniedrigten Blutcholesterinwerten) beruht auf Mutationen im TAZ-Gen und führt zu Veränderungen des Proteins mit der Bezeichnung Tafazzin [121]. Die X-chromosomal-dominant erbliche DanonKrankheit [35] (S. 760) und die allelische, X-chromosomal-rezessiv erbliche Kalimo-Krankheit [75, 132] (Pos. 5.10 in Tabelle 31.2, S. 726), die jeweils durch zahlreiche granulovakuoläre, z. T. exozytotische und Basallamina-ausgekleidete Einschlüsse in den Muskelfasern gekennzeichnet (Abb. 30.4d) und mit einer Kardiomyopathie verbunden sind, werden inzwischen als Glykogenose (GSD) vom Typ Ib klassifiziert. Anders als ursprünglich angenommen, handelt sich nicht um Muskeldystrophien im Sinne der Definition. Zugrunde liegen Mutationen im LAMP2-Gen, das das Lysosomen-assoziierte Membran-Protein 2 kodiert (s. Kap. 33).
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD) Die FSHD ist die dritthäufigste Muskeldystrophie mit einer Prävalenz von 1:20.000. Sie ist dominant, vereinzelt auch rezessiv erblich [162], offensichtlich heterogen, aber in der Regel dem Chromosomenort 4q35 zugeordnet [59]. Die molekulargenetischen Grundlagen sind kompliziert, wobei eine Deletion einer Untergruppe von D4Z4-Makrosatelliten-Wiederholungen in der subtelomerischen Region von Chromosom 4q die Krankheit
verursacht, sofern dies bei einem bestimmten Haplotyp von 4qter geschieht (4qA161) [145]. Eine molekulargenetische Diagnose ist auch durch Bestimmung der im Krankheitsfall reduzierten Repetitionslänge mit einer Restriktionsenzymverdaumethode möglich [122, 164]. Lokalisation, Klinik und Verlauf. Betroffen sind vorwiegend der Schultergürtel und das Gesicht. Die faziale Schwäche kann der skapulohumeralen vorausgehen. Darauf hatte bereits Duchenne (1872) hingewiesen, der auch eine ausführliche Beschreibung dieser Erkrankung einige Jahre vor Landouzy und Dejerine (1894) lieferte, obwohl der Name der letztgenannten Autoren in der Regel mit dieser Erkrankung verbunden wird (Literatur s. [135]). Bei der von Wilhelm Erb (1884) [46] beschriebenen „progressiven Muskelatrophie“ hat es sich um eine juvenile skapulohumerale Form gehandelt (s. unten). Die Erkrankung beginnt in der Regel während der Pubertät, doch auch jederzeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Häufig kommen abortive und mild erkrankte Fälle vor. Die Muskelschwäche breitet sich in der Regel innerhalb von 20–30 Jahren vom Gesicht und dem Schultergürtel auf die Beckenmuskulatur aus. Selten tritt eine schwere Behinderung auf. Die Patienten bleiben aktiv und erreichen ein normales Lebensalter. Die CK-Werte sind bei jungen Patienten mit nur geringen klinischen Symptomen in der Regel leicht erhöht, während sie nach der 5. Dekade in der Regel auf normale Werte absinken. Kochleär bedingter Hörverlust, „Coat’s syndrome“ und in seltenen infantilen Fällen mentale Retardierung können ebenfalls vorkommen [87], ausnahmsweise auch einmal eine Kombination mit einer mitochondrialen Myopathie [53]. Morphologie. Das histopathologische Bild der faszioskapulohumeralen Dystrophie variiert stark in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf. Im Vordergrund steht eine erhöhte Variabilität der Größe beider Hauptfasertypen. Das Faserkaliberspektrum ist entsprechend unimodal verbreitert (Abb. 28.1c). Auffallend häufig kommen isoliert liegende atrophische Fasern vor. Diese Fasern können von reichlich Bindegewebe umgeben sein (Abb. 30.3a). Das gilt auch für sog. lobulierte und aufgesplitterte Fasern (Abb. 30.3b). Eine Fibrose ist selten; sie erreicht nie stärkere Grade. Gelegentlich ist einmal eine Ringbinde zu finden, allerdings ohne sarkoplasmatische Massen. Die Z-Streifen sind in einzelnen Fasern multifokal geringfügig verbreitert; sog. zytoplasmatische Körperchen liegen gelegentlich in deren Nachbarschaft. Fleck- oder wirbelförmig veränderte Typ-1-Fasern sind selten. Kernveränderungen sind nicht auffällig. Einige zentralständige Kerne kommen jedoch vor. Vereinzelt sind Fasernekrosen nachweisbar, ebenso Myophagien und basophile Fasern.
700
Kapitel 30
Muskeldystrophien
30
a
b
c
d
e
f
Abb. 30.3 a Faszioskapulohumerale Muskeldystrophie. M. deltoideus eines 17-jährigen Jungen. Herdförmige Faserveränderungen mit fokalen Vermehrungen des Bindegewebes um die veränderten Fasern. In Relation zur Schwere des Krankheitsbildes bemerkenswert geringe Veränderungen (Vergr. 590:1). b Gleicher Fall wie in a. Longitudinale Faseraufspaltung mit herdförmiger Kernvermehrung, sonst regelrechte Myofibrillenstruktur (Vergr. 700:1). c Familiäre okulopharyngeale Muskeldystrophie. M. tibialis anterior einer 61-jährigen Frau. Starke Kaliberschwankungen mit vermehrten Kernen und fokalen Degenerationsherden vor allem in subsarkolemmalen Regionen. Das Bindegewebe ist um die (in manchen
Myotubuläre Myopatnie
Regionen auch gruppenförmig angeordneten) atrophischen Muskelfasern deutlich vermehrt (Vergr. 420:1). d Gleicher Fall wie in c. Fokale Degradation mit myelinähnlichen Figuren, autophagischen Vakuolen und vermehrtem Glykogen, das z. T. von Vakuolen eingeschlossen ist (Vergr. 16.000:1). e, f Zentronukleäre Myopathie unklarer Genese (vgl. Tabelle 31.1, S. 725). Die Sarkolemmkerne sind vermehrt und vielfach zentralständig. e Einzelne Fasern sind atrophisch oder teilatrophisch (myofibrilläre ATPase-Reaktion). f Eine Faser im Bild links ist abgeflacht. Ein leerer Sarkolemmschlauch und eine akute Fasernekrose sind ebenfalls zu erkennen (HE; Vergr. 120:1)
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD)
Mononukleäre Zellinfiltrate kommen häufig vor; dabei ist es schwierig, Formen der Myositis mit fazioskapulohumeraler Verteilung oder mit Befall der fazialen und distalen Muskulatur voneinander abzugrenzen. Besonders bemerkenswert ist außerdem, dass häufig eine Diskrepanz besteht zwischen den relativ geringfügigen pathologischen Veränderungen und der ausgeprägten klinischen Schwäche desselben Muskels.
Histochemisch lässt sich weder eine gruppierte Atrophie noch eine Fasertypengruppierung nachweisen; es überwiegen gelegentlich die Typ-2-Fasern gegenüber den Typ-1-Fasern. Auffällig war bei einer schweren Verlaufsform eine Überexpression des Fibroblastenwachstumsfaktors FGF und seines Rezeptors [130]. Elektronenmikroskopisch sind in einzelnen Fällen mit distaler Betonung tubulofilamentöse Einschlüsse in Kern und Sarkoplasma zusammen mit autophagischen Vakuolen nachweisbar [127]. Differentialdiagnose. Abzugrenzen ist gegenüber der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie das skapuloperoneale Syndrom, das mit einem Muskelschwund und einer Muskelschwäche proximal an den oberen Extremitäten und zugleich distal an den untern Extremitäten einhergeht und sowohl neurogenen als auch myogenen Ursprungs sein kann. Dabei gibt es sporadische, autosomaldominante und X-chromosomal-rezessive Erbgänge, so dass die differentialdiagnostische Abklärung einer ausführlichen histopathologischen, histochemischen, klinischen und genetischen Analyse bedarf [148].
Muskeldystrophien vom Gliedergürteltyp Zum Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Dystrophino- und Sarkoglykanopathien sowie der Calpainound α2-Lamininopathie sind einige Hinweise zur normalen Anordnung der Zytoskelettproteine erforderlich, die die extrazelluläre Matrix mit den strukturellen Muskelproteinen verbinden (s. Abb. 28.2). Dystrophin liegt auf der zytoplasmatischen Seite der Plasmamembran und bildet mit mehreren Proteinen und Glykoproteinen (dystrophinassoziierte Glykoproteine, DAGs) den Dystrophin-Glykoproteinkomplex (DGK). Zu diesem Komplex gehören außer Dystrophin 3 Subkomplexe: • der Dystroglykankomplex mit α- und β-Dystroglykan, • der Sarkoglykankomplex (SGK) mit α-, β-, γ- und δSarkoglykan, • der Syntrophinkomplex mit α-, β1- und β2-Syntrophin.
701
Der DGK wiederholt sich in Perioden von etwa 130 nm entlang dem Sarkolemm. Außerdem dürfte Dystrophin auch am Zusammenhalt der kontraktilen Proteine mit dem Sarkolemm im Bereich der Z-Linie beteiligt sein; dies ist aus der rippenförmigen („kostameren“) Wiederholung immunzytochemischer Reaktionen entlang dem Sarkolemm im Z-Linien-Bereich – mit Perioden von etwa 2250 nm – zu vermuten. Dystrophin ist am N-terminalen Ende mit der filamentösen Aktinkomponente des Zytoskeletts und am C-terminalen Ende mit β-Dystroglykan verbunden. Möglicherweise ist es auch mit γ-Sarkoglykan verbunden. γ-Sarkoglykan kann über α-, β- und δ-Sarkoglykan eine Verbindung zum β-Dystroglykan ermöglichen, das extrazellulär über α-Dystroglykan und α2-Laminin (Merosin) die Basallamina kontaktiert. Terminologie. Die juvenile Form einer progressiven Muskelatrophie wurde ursprünglich von Wilhelm Erb (1884) [46] beschrieben, bei der es sich um eine skapulohumerale Form gehandelt habe. Der Oberbegriff einer Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp wurde von Walton und Natrass (1954) [170] eingeführt. Die Gliedergürtelformen der Muskeldystrophie werden nach der englischen Bezeichnung „limb girdle muscular dystrophy“ mit dem Akronym LGMD versehen und dem Typ 1 zugeordnet, sofern sie autosomal-dominant vererbt werden (LGMD 1A–E). Die autosomal-rezessiv vererbten Formen werden als LGMD 2A–I klassifiziert [62] (s. Tabelle 30.1). Keineswegs alle lassen sich mit den heute verfügbaren Methoden eindeutig diagnostizieren, bei den folgenden Gliedergürteldystrophien seien es z. B. nur 22% [124]. In einer Serie von 76 australischen Patienten mit einer Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp seien die Calpainopathien mit 8% und die Dysferlinopathien mit 5% die häufigsten, es folgen die LGMD2I- (FKRP-bedingten) Fälle mit 3% [90]. Klinik und Genetik. Die Muskeldystrophien vom Gliedergürteltyp manifestieren sich meist primär im Beckengürtel bzw. Oberschenkelbereich mit späterem Aufsteigen in den Schultergürtel. Die Manifestation erfolgt im frühen und späten Erwachsenenalter und seltener in den ersten Lebensjahren [180]. Charakteristisch ist der autosomal-dominante oder -rezessive Erbgang; dadurch ist der pelvifemorale Typ (Leyden-Möbius) vom X-chromosomal-rezessiven BeckerTyp der Muskeldystrophie zu unterscheiden. Die in der Regel benigneren spinalen Muskelatrophien und verschiedene andere kongenitale Myopathien sowie Fälle mit einer Polymyositis mit ähnlicher Lokalisation müssen von anderen autosomal und X-chromosomal erblichen Krankheitsbildern abgegrenzt werden. Morphologie. Muskelbioptisch finden sich ausgeprägte Kaliberschwankungen mit Faserdurchmessern zwischen
702
30
Kapitel 30
2 und 100 μm. Doch kommen auch extrem hypertrophische Fasern mit Durchmessern über 250 μm vor. Die atrophischen Fasern liegen bei der Schultergürtelform wie bei der faszioskapulohumeralen Form vielfach einzeln. Eine bevorzugte Atrophie eines bestimmten Fasertyps ist nicht nachweisbar. Atrophische Fasergruppen mit mehr als 5 Fasern sind auf eine neurogene (spinale) Muskelatrophie verdächtig. Häufig dominieren Typ-1-Fasern. Bei einigen Fällen fehlen die 2B-Fasern. Zentralständige Kerne sind häufig nachweisbar, darunter auch bläschenförmige (aktivierte) Kerne. Fasernekrosen kommen ebenfalls häufig vor, doch liegen diese zumeist einzeln. Basophile Fasern und Myophagien finden sich seltener als bei der Duchenne-Dystrophie. Gefleckte oder wirbelförmig veränderte Fasern sind besonders häufig zu finden und als diagnostischer Hinweis auf eine Gliedergürteldystrophie zu werten. Auch Ringbinden kommen bei über der Hälfte der Patienten vor, allerdings ohne die für die myotonische Dystrophie typischen sarkoplasmatischen Massen (vgl. Abb. 30.2c). Eine Fibrose und Fettvakatwucherung ist bei fortgeschrittenen Fällen teilweise recht ausgeprägt (Abb. 30.2b). Reaktiv-entzündliche Zellinfiltrate können gelegentlich zu einer Verwechslung mit einer Polymyositis führen. Bei der Diagnose müssen klinische und genetische Aspekte berücksichtigt werden, da der immunhistochemische Nachweis nicht immer gelingt (so z. B. beim Mangel an Caveolin oder Calpain) [22]. Der jeweilige Proteinmangel lässt sich aber im Western-Blot nachweisen (s. unten). Verlauf und Prognose. Der Schweregrad der Erkrankung variiert erheblich. Einige Fälle erkranken früh und zeigen eine rasche Progredienz; bei anderen Fällen, die in der Kindheit erkranken, verläuft die Krankheit sehr langsam progressiv, so dass die Patienten bis ins Erwachsenenalter gehfähig bleiben. Die CK-Werte sind in der Regel deutlich erhöht.
Autosomal-dominant erbliche Formen der Gliedergürteldystrophie Diese lassen sich mit Ausnahme der Caveolin-3-bedingten LGMD1C nicht spezifisch immunhistochemisch identifizierten, da jeweils nur ein Allel betroffen ist und das entsprechende Protein in immunhistochemisch ausreichender Menge durch das nicht mutierte Allel gebildet wird. Die LGMD1A beruht auf Mutationen im MyotilinGen (MYOT) auf Chromosom 5q31 [65]. Sie ist allelisch 1. zur distalen Myotilinopathie, 2. zu einer myofibrillären Myopathie und 3. zu einer Sonderform der Sphäroidkörpermyopathie.
Muskeldystrophien
Histopathologisch finden sich fokale Auflösungen der Myofibrillen mit abnormen Ablagerungen, die stark mit Antikörpern gegen Myotilin reagieren, Z-Bandströmen und zahlreiche „rimmed“ oder nicht „rimmed“ Vakuolen in zentraler oder subsarkolemmaler Position, die ebenfalls mit diesen Antikörpern reagieren [119, 139]. Die LGMD1B ist allelisch zur autosomal-dominanten Form der Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie (s. unten), zur Neuropathie vom Typ CMT2B1 und zu verschiedenen weiteren Phänotypen (z. B. zur sog. restriktiven Dermopathie u. a.; MIM 151660, 176670, 275210). Sie beruht, wie bereits erwähnt, auf einem Mangel an Lamin A/C aufgrund von Mutationen im LMNA-Gen [19, 108, 177] und ist mit einer Kardiomyopathie verbunden. Muskelbioptisch ist eine erhöhte Muskelfaserkalibervariabilität nachweisbar, ebenso vermehrt zentral liegende Kerne, Faseraufsplitterungen und eine leichte Fett- und Bindegewebsvermehrung sowie einzelne Nekrosen. Immunhistochemisch reagieren Antikörper gegen die Kernmembranproteine Emerin, Nesprin und Lamin normal. Elektronenmikroskopisch ist eine ungleichmäßige Verteilung des Kernchromatins aufgefallen [142]. Die LGMD1C beruht auf einen Mangel an Caveolin 3 aufgrund von Mutationen im CAV3-Gen und ist allelisch zur distalen Myopathie mit Caveolin-3-Defekt, HyperCKämie und Rippling-Muskelkrankheit und zu einer familiären hypertrophischen Kardiomyopathie. Immunhistochemisch und im Western-Blot ist eine deutliche Verminderung von Caveolin 3 nachweisbar. Doch reicht die aufgrund eines dominant-negativen Effekts des mutierten Proteins nur schwach verminderte immunhistochemische Reaktion [27] zur Diagnose nicht aus; zur definitiven Feststellung ist eine Western-Blot-Untersuchung [22] oder der Nachweis einer pathogenen Mutation erforderlich. Die sog. Rippling-Muskelkrankheit ist durch abnorme, elektrisch stumme Kontraktionen gekennzeichnet, die ebenfalls, wie erwähnt, auf Mutationen im Caveolin-3Gen basieren [15]. Elektronenmikroskopisch lassen sich Unregelmäßigkeiten und ein Mangel an Pinozytosevesikeln im Sarkolemm nachweisen, während die Endothelzellen vergleichsweise massenhaft derartige Vesikel enthalten [82]. Die LGMD1D, LGMD1E, LGMD1F und LGMD1G sind bereits einem Genlokus, aber noch keinem bestimmten Gen zugeordnet; sie lassen sich immunhistochemisch noch nicht differenzieren (s. Tabelle 30.1).
Autosomal-rezessiv erbliche Formen der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp Diese 14 folgenden Formen der Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp (LGMD2A–N) sind erst in den Jahren 1991–2007 mit molekulargenetischen Methoden diffe-
Fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD)
renziert worden, wobei sie relativ selten vorkommen und wegen des rezessiven Erbgangs mit in der Regel nur kleinen Fallzahlen innerhalb einer Familie schwerer zu erfassen sind als die dominant erblichen Formen. Das Kürzel für das jeweilige Gen ist im folgenden Abschnitt kursiv in Klammern hinter der Abkürzung der jeweiligen Myopathieform eingetragen. Weitere Einzelheiten zur Genetik sind aus der Tabelle 30.1 (Pos. 1.17–1.31) zu ersehen. Während sich die LGMD 2B durch das Fehlen von Dysferlin (Dysferlinopathie; Abb. 30.4) und die LGMD 2G durch das Fehlen von Telethonin immunhistochemisch diagnostizieren lassen, versagt die Immunhistochemie beim Versuch, bei der LGMD2A einen Calpain-3-Mangel nachzuweisen (s. unten). Bei den Sarkoglykanopathien lassen sich zwar Defekte immunhistochemisch feststellen, aber die einzelnen Sarkoglykanopathien (D-, E-, J-, G-, Hund ]-Sarkoglykanopathie) sind nicht sicher voneinander abzugrenzen, da die Expression der einzelnen Komponenten des tetramerischen Sarkoglykankomplexes sehr variabel ist und in der Regel mehrere Komponenten betroffen sind. Auf eine molekulargenetische Analyse kann deshalb zu deren Diagnose nicht verzichtet werden. Das gilt auch für E-Dystroglycan, das, wie bereits erwähnt, zusammen mit den Sarkoglykanen den DystrophinGlykoprotein-Komplex (DGC) bildet (Literatur s. [78]; vgl. Abb. 28.2). Die Dystrophinexpression ist oft mitbetroffen. Bei der Calpainopathie [141] und der GammaSarkoglykanopathie [9] sind vereinzelt eosinophile Infiltrate nachzuweisen. Die übrigen mikroskopischen Veränderungen sind unspezifisch „dystrophisch“. Das Gen des H-Sarkoglykans ist für das MyklonusDystonie-Syndrom verantwortlich, während dem ]-Sarkoglykan bisher noch keine Krankheit zugeschrieben werden konnte. Mutationen des Gens für D-Dystroglykan (DAG1) konnten bisher ebenfalls nicht als Ursache für irgendeine Muskeldystrophie des Menschen identifiziert werden; doch sind Anomalien der Glykosylierung des D-Dystroglykans für verschiedene kongenitale Muskeldystrophien einschließlich FMCD, WWS, MEB, MDC1C, MDC1D sowie für LGMD2K und LGMD2I verantwortlich („Dystroglykanopathien“), die auf 6 verschiedene Gene zurückzuführen sind: FKRP, Fukutin, POMT1, POMT2, POMGNT1 und LARGE [92, 111] (s. unten).
LGMD2A–2N Im Folgenden werden besondere Details zu den einzelnen autosomal-rezessiv erblichen Glidergürteldystrophien aufgeführt. Die LGMD2A (CAPN 3) entspricht klinisch weitgehend einer juvenilen skapulohumeralen Form der Muskeldystrophie. Die Muskelfasern haben typischerweise,
703
wenn auch keineswegs alle ein lobuliertes Aussehen, das auf einer fokalen subsarkolemmalen Anhäufung von Mitochondrien mit angrenzenden Einziehungen des Sarkolems beruht. Der zugrunde liegende Calpainmangel lässt sich immunhistochemisch bisher nicht sicher nachweisen; es ist dazu eine Western-Blot-Untersuchung [22] oder eine molekulargenetische Analyse erforderlich [71, 129], wenn die Immunoblotreaktion keine Proteinreduktion ergibt. Sekundär kann ein Calpainmangel auftreten, wenn ein primärer Dysferlin- [3], Titin- [156] oder Caveolin-3-Mangel [95] vorliegt. Pathogenese. Calpain 3 ist ein Mitglied der CalpainFamilie kaliumabhängiger Proteinasen, das an Titin gebunden ist, als Sensor der sarkomerischen Integrität und Funktion dient, zwar nicht an deren Entwicklung, aber an deren Aufrechterhaltung und Reparatur mitwirkt. Mutationen führen offensichtlich zu einem Funktionsverlust, dessen genauer Pathomechanismus noch nicht geklärt ist [12]. Die LGMD2B (DYSF; Dysferlinmangelmyopathie, Dysferlinopathie)) ist allelisch zu einer autosomal-rezessiv erblichen, distalen Myopathie (Miyoshi-Myopathie) (vgl. Abschn. „Distale Myopathien“), die in Japan erstmalig (anfänglich auf Japanisch und erst später auf Englisch) von der Arbeitsgruppe von Miyoshi [60, 103, 104] und in Deutschland unabhängig davon erstmalig von Kuhn und Schröder (1981) [83] beschrieben worden ist. Die Krankheit beginnt in der 2. bis 3. Lebensdekade, wobei das distale anteriore Kompartiment bevorzugt betroffen ist, manchmal aber auch im späten Erwachsenenalter, dann vor allem den Stamm und die proximale Muskulatur betreffend [77]. Sie beruht auf einem Mangel an Dysferlin [8, 89], dessen Fehlen muskelbioptischimmunhistochemisch (Abb. 30.4e) und durch WesternBlot nachweisbar ist. Anfangs dominieren Faserdegenerationen, in späten Stadien ein typisch dystrophisches Bild (Abb. 30.4a,b) mit Fettvakatwucherung und Bindegewebsvermehrung. Vereinzelt kommen mononukleäre Zellinfiltrate vor [32], die eine Myositis oder Vaskulitis vortäuschen können (Abb. 30.4a). Elektronenmikroskopisch sind neben zahlreichen verschiedenartigen „dystrophischen“ Veränderungen charakteristische extrazelluläre osmiophile, Basallamina-ähnliche amorphe Ablagerungen an der Oberfläche der Muskelfasern nachweisbar, wie sie bei keiner anderen Myopathie zu finden sind (Abb. 30.4f). Die LGMD2C (SCGC; γ-Sarkoglykanopathie) hat einen klinischen Phänotyp etwas ähnlich dem der Duchenne-Muskeldystrophie, gelegentlich verbunden mit episodischer Myoglobinurie. Muskelbioptisch ist sie durch einen dystrophischen Prozess ebenfalls ähnlich der Duchenne-Form charakterisiert. Im späteren Stadium nehmen auch die Typ-1-Muskelfasern an Zahl bis auf 60–90% zu. Immunhistochemisch lässt sich ein Fehlen des γ-Sarkoglykans nachweisen. Das Dystrophin ist manch-
704
Kapitel 30
Muskeldystrophien
30
a
b
c
d
e Abb. 30.4a–e Dysferlinopathie (distale, autosomal-rezessive Myopathie vom Typ Miyoshi) bei einer 27-jährigen Frau aus den Vereinigten arabischen Emiraten (a,b) und ihrem 6 Jahre jüngeren Bruder (c–e). a Dystrophische Muskelveränderungen mit starken Kaliberschwankungen, fokaler Fettvakatwucherung und irreführenden, an einen primär entzündlichen Prozess erinnernden herdförmigen mononukleären perivaskuläre Zellinfiltraten (HE-Färbung). b Schmale fuchsinophile Säume in der Peripherie mehrerer Muskelfasern (modifizierte Trichrom-Färbung nach Gomori). c Die immunhistochemische Dysferlinreaktion am normalen Kontrollmuskel weist eine deutliche Reaktion (Braunfärbung) an der Faseroberfläche auf. d Im erkrank-
ten Muskel fehlt diese Reaktion. e Elektronenmikroskopisch sind zahlreiche extrazelluläre amorphe Ablagerungen ähnlich einem Membran-Attacke-Complex (MAC) an der Oberfläche dieser Muskelfaser zu sehen, die teilweise von Basallamina-ausgekleideten Sarkolemminvaginationen umschlossen werden (dünne Pfeile). Fokal besteht eine Verbindung zwischen einer solchen extrazellulären Ablagerung und dem Sarkoplasma (dickerer Pfeil). Der Pfeilkopf weist auf einen Defekt der Basallamina der Muskelfaser hin, wo auch die subsarkolemmale Verdichtungszone fehlt. Originalvergrößerung 1:10.000
Hereditäre myofibrilläre Myopathien und Plektinmyopathie
mal sekundär vermindert. Außerdem kommt es gelegentlich sekundär zu einem totalen, intermediären oder leichten Mangel an α-, β- und δ-Sarkoglykan. Die LGMD2D (SGCA; α-Sarkoglykanopathie, Adhalinmangelmyopathie) zeigt muskelbioptisch ebenfalls ausgeprägte dystrophische Veränderungen. Immunhistochemisch ist ein Fehlen des α-Sarkoglykans nachweisbar, das in der Regel auch mit einem Fehlen von β- und δ-Sarkoglykan verbunden ist; jedoch ist γ-Sarkoglykan vorhanden. Dystrophin ist vermindert oder normal [42, 43]. Die LGMD2E (SGCB; β-Sarkoglykanopathie) beruht auf einem Mangel an β-Sarkoglykan [41], dessen Fehlen zusammen mit den übrigen Sarkoglykanen immunhistochemisch in der Muskelbiopsie nachweisbar ist. Die immunhistochemische Expression von Dystrophin, β-Dystroglykan und δ2-Lamin erschien normal, während die von α-, γ- und δ-Sarkoglykan stark und die von α-Dystroglykan bei Mitgliedern einer Amish-Familie deutlich vermindert war. Die LGMD2F (SGDC; δ-Sarkoglykanopathie) ist immunhistochemisch aufgrund des Fehlens aller 4 Sarkoglykane, speziell aber des δ-Sarkoglykans, zu vermuten [115, 123, 157, 158]. Die LGMD2G (TCAP) beruht auf einem Mangel an Telethonin, das ein sarkomerisches Protein ist [107]. LGMD2G ist allelisch zu einer besonderen Form einer Kardiomyopathie (CMD1N). Telethonin ist am Z-Band lokalisiert und bietet Bindungsstellen für Titin und andere Z-Band-assoziierte Proteine während des Aufbaus der Sarkomere. Morphologie. Muskelbioptisch finden sich außer einer starken Variation der Faserkaliber wiederholt zentralständige Kerne und eine milde endomysiale Fibrose. Die meisten atrophischen Fasern erscheinen nach der NADH-Reaktion lobuliert. Der Telethoninmangel ist histochemisch und im Immunoblot nachweisbar [120]. Elektronenmikroskopisch bestehen offenbar nur geringe Störungen der myofibrillären Organisation. Die LGMD2H (TRIM32) ist allelisch zur sarkotubulären Myopathie (s. dort). Sie ist als autosomal-rezessiv erbliche Myopathie erstmalig bei Hutterer-Brüdern aus Süd-Dakota sowie bei zwei nicht-Hutterschen Brüdern aus Deutschland beschrieben worden und auf Mutationen im Tripartit-Motif-enthaltenden Protein-32-(TRIM32-)Gen zurückzuführen [134, 173]. Auch gleichzeitiges Vorkommen von LGMD2H und LGMD2I ist bei Hutterer-Brüdern beschrieben worden, allerdings ohne dass die Myopathie stärker ausgeprägt gewesen wäre als bei den Familienmitgliedern mit nur einer homozygoten Mutation [55]. LGMD2I (FKRP) ist allelisch zur kongenitalen Muskeldystrophie mit abnormer Glykosylierung von α-Dystroglykan (MDC1C), zur MEB-Krankheit sowie zum Walker-Warburg-Syndrom [14] und beruht auf einem Mangel an Fukutin-related protein [39] (s. dort). Letzteres ist vermutlich eine Glykosyltransferase, die eine Rolle bei der Glykosylierung insbesondere von α-Dystroglykan
705
spielt [110]. FKRP ist im Golgi-Apparat und im endoplasmatischem Retikulum lokalisiert [76]. Die Skelettmuskulatur ist unterschiedlich stark betroffen, ebenso die Herzmuskulatur, allerdings ohne schwere ventrikuläre Herzrhythmusstörungen oder Herzstillstand [169]. LGMD2J (TTN) beruht auf einem Titindefekt [156, 161] und ist allelisch 1. zu einer kongenitalen Myopathie mit fataler Kardiomyopathie und anderen Kardiomyopathien, 2. zur tibialen Muskeldystrophie (Udd) [155] (s. dort) und 3. zu einer autosomal-dominanten Myopathie mit proximaler Muskelschwäche und früher Beteiligung der Atemmuskulatur (HMERF). In Finnland beträgt die Häufigkeit der wichtigsten Mutation 1:10.000. Pathogenese. TTN ist das bisher größte bekannte Gen und Titin ein riesiges Protein, das sich vom Z-Band bis zur M-Linie erstreckt; es ist an der Myofibrillogenese beteiligt, dient als strukturelle Schiene, vermittelt dem Sarkomer seine Elastizität und hat sensorische und Signalfunktionen. Je nach Art der Mutation resultieren die o. g. verschiedenen Formen einer Myopathie und/oder Kardiomyopathie [63]. Da jeweils nur ein Teil des Proteins betroffen ist, lässt sich immunhistochemisch nur mit spezifisch gestalteten Antikörpern eine sichere Diagnose stellen [156]. LGMD2K (POMT1) ist allelisch zum Walker-Warburg-Syndrom [6] (Pos. 2.7 in Tabelle 30.1; s. dort). LGMD2L (FCMD) ist allelisch zur kongenitalen Myopathie vom Fukuyama-Typ (FCMD, Pos. 2.5 in Tabelle 30.1; s. dort). LGMD2M ist bisher noch nicht auf ein bestimmtes Gen zurückzuführen, wenn auch der Genlokus bereits bestimmt ist [34]. LGMD2N (POMT2) ist allelisch zu einem weiteren Walker-Warburg-Syndrom (WWS) und zur Muscle-EyeBrain-(MEB-)Krankheit (Pos. 2.8 und 2.13 in Tabelle 30.1; s. dort). LGMD2O (POMGNT1) ist ebenfalls allelisch zu einem WWS und MEB (s. unten).
Hereditäre myofibrilläre Myopathien und Plektinmyopathie Myofibrilläre Myopathien Die myofibrillären Myopathien sind dominant erblich und durch abnorme Ablagerung und Fehlorientierung von Myofibrillen gekennzeichnet (s. Abb. 31.1). Inzwischen sind molekulargenetisch 9 Formen zu unterscheiden, die immunhistopathologisch zwar richtungswei-
706
Kapitel 30
send, aber noch nicht eindeutig, sondern erst molekulargenetisch zweifelsfrei zu differenzieren sind. Sie werden unter den kongenitalen Myopathien beschrieben (s. Kap. 31).
Plektinmyopathie
30
Eine spät auftretende, autosomal-rezessive Gliedergürtelform der Muskeldystrophie resultiert aus einem Mangel an Plektin, das immunhistochemisch durch die fehlende Expression von Plektin am Sarkolemm und in der Haut mit monoklonalen Antikörpern nachgewiesen werden kann [57] (s. Tabelle 31.2, Pos. 5.14, S. 725). Plektin ist mit den intermediären Filamenten assoziiert und stellt ein Bindungsprotein dar, das Desmin an die Z-Bänder bindet (s. Abb. 28.2) [68, 138], speziell die Isoformen 1d und 1f, während Plektin 1b mit den Mitochondrien verbunden ist [81]. Die Krankheit ist mit einer Epidermolysis bullosa simplex assoziiert, da Plektin auch in den basalen Keratinozyten der Haut fehlt. Plektin bindet in der Haut mit dem häufigsten humanen intermediären Filament, nämlich dem Keratin. Differentialdiagnose. Einige rezessiv erbliche Myopathien werden unter den kongenitalen Myopathien beschrieben, andere unter den kongenitalen Muskeldystrophien oder den distalen Myopathien. Wichtig ist es auch, die ebenfalls rezessiv erblichen und histopathologisch zumeist gut diagnostizierbaren Glykogen- und Lipidspeicherkrankheiten abzugrenzen (s. dort).
Andere Myopathien mit besonderen Vorzugslokalisationen Auf Myopathien mit fazioskapulohumeraler Vorzugslokalisation und Gliedergürteldystrophien wurde bereits hingewiesen. Über okuläre Syndrome bei mitochondrialen Myopathien wird weiter unten eingegangen, ebenso auf die okulopharyngeale Muskeldystrophie. Im Folgenden werden zuerst die distalen Myopathien dargestellt, die allerdings manchmal allelisch zu den Gliedergürteldystrophien sind.
Distale Myopathien Bei den distalen Myopathien tritt die Muskelschwäche zuerst entweder an den Füßen oder an den Händen auf. Wichtig ist, dass eine neurogene Ursache ausgeschlossen wird; denn in der Regel sind distale Muskelatrophien
Muskeldystrophien
bzw. -paresen auf die häufig distal akzentuierten Polyneuropathien oder auf spinale Muskelatrophien verschiedenster Genese zurückzuführen. Zu unterscheiden sind 13 hereditäre distale Myopathien, zu denen genetische Details in der Tabelle 31.2, S. 725 (Pos. 4.1–4.13) aufgeführt sind: • Die distale schwere juvenile, autosomal-rezessive Myopathie (Miyoshi) ist allelisch zur LGMD2B (s. dort) und auf Mutationen im Dysferlin-Gen zurückzuführen. Sie ist rasch progredient und histopathologisch durch nekrotisierende Faserveränderungen ohne Vakuolen gekennzeichnet (s. Abb. 30.4a–e) [83]. • Die sog. tibiale Muskeldystrophie beruht auf TTNMutationen, wobei manchmal nahezu ausschließlich der M. tibialis anterior betroffen ist [64, 154, 155]; sie ist allelisch zur LGMD 2J, HMERF, CMH9 und CMD1G. • Die distale Myopathie mit sog. „rimmed vacuoles“ (Nonaka) ist auf Mutationen im GNE-Gen zurückzuführen und offensichtlich allelisch zur hereditären Einschlusskörpermyopathie (= „hereditäre inclusion body myositis“ = hIBM) [116] (s. dort) und vermutlich auch zu der distalen Myopathie mit autophagischen Vakuolen [70, 105, 147]. Die hIBM kann dominant [45] oder rezessiv erblich [2] und sowohl proximal als auch distal ausgeprägt sein [4, 5, 67]. Diese Myopathien sind lichtmikroskopisch durch Ubiquitin-positive autophagische Vakuolen (= „rimmed vacuoles“) und elektronenmikroskopisch durch membranöse zytoplasmatische Körper in den Vakuolen und daneben und/oder in Kernen liegende charakteristische tubulofilamentöse Einschlüsse mit einem Durchmesser von ca. 15–20 nm gekennzeichnet, wie sie auch bei der sporadischen Einschlusskörpermyositis vorkommen (Abb. 30.5a). Das Sarkolemm weist eine vermehrte PNA-(Peanut-Agglutinin-)Lektin-Färbung auf, was eine reduzierte Sialysierung der Glykokonjugate aufgrund von Mutationen im GNE-Gen anzeigen soll; dieses Gen kodiere das Schlüsselenzym der Sialinsäuresynthese [166]. Als unspezifische Ablagerung ist bei diesen durch Vakuolen gekennzeichneten Myopathien, aber ebenso bei der okulopharyngealen Myopathie und vermutlich allen Myopathien mit autophagischen Vakuolen in Verbindung mit diesen Vakuolen neben Amyloid unter anderem auch das TAR-DNA-bindende Protein-43 (TDP-43) nachzuweisen [85, 172], dem eine Rolle bei der Genexpression zukommt und das als Charakteristikum in zytoplasmatischen Einschlüssen von Neuronen bei der ALS („motor neuron disease“, MND), der frontotemporalen lobären Degeneration (FTLD) und der MND mit FTLD gilt. • Die distale, autosomal-dominante Myopathie Typ Laing beruht auf Mutationen im kardialen Schwerkettenmyosin-Typ-7-Gen (MYH7) [98]. Sie ist allelisch zur Myosinspeichermyopathie (s. Kap. 31) und bestimmten
Andere Myopathien mit besonderen Vorzugslokalisationen
707
a
b
c
d
e
f
Abb. 30.5a–f Pathognostische, nur elektronenmikroskopisch differenzierbare Muskelfaserveränderungen bei verschiedenartigen Myopathien. a Tubulofilamentöse Muskelfasereinschlüsse (F) bei der Einschlusskörpermyositis. Der Durchmesser der einzelnen Filamente beträgt ca. 15–21 nm; sie liegen hier in unmittelbarer Nachbarschaft von membranösen zytoplasmatischen (myelinähnlichen) Körpern, die zu dem Bild der autophagischen Vakuolen („rimmed vacuoles“) führen; denn die myelinähnlichen Korpuskel lösen sich im Kryostatschnitt größtenteils aus dem Sarkoplasma und hinterlassen artifizielle Hohlräume (Vergr. 10.000:1). b Okulopharyngeale Muskeldystrophie mit typischem Kerneinschluss, in dem 8,5-nm-Filamente in verschiedenen Richtungen orientiert sind (Vergr. 175.000:1). c Myopathie mit besonderen tubulären Aggregaten. Die einzelnen Tubuli sind ca. 30 nm breit und enthalten ihrerseits wieder feinere tubulofilamentöse Einschlüsse mit einem Durchmesser von ca. 17 nm. An der Grenze zu den normalen Myofibrillen liegt auf der linken Seite eine lang ge-
streckte, leicht gebogene und unterbrochene Terminalzisterne. Zwischen den einzelnen Tubuli sind stark bleizitratkontrastierte Glykogengranula eingestreut (Vergr. 29.000:1). d Danon-Myopathie mit granulovakuolären Einschlüssen, die hier am Rand der Muskelfaser getroffen sind. Sie sind von einer Basallamina ausgekleidet und zeigen eine exozytotische Tendenz. Neben granulären Komponenten sind auch feinvesikuläre und membranöse Strukturen in den Vakuolen enthalten (Vergr. 12.000:1). e Randzone eines Polyglukosankörpers, der nicht von einer Membran umgeben ist und aus teils granulären, teils filamentösen Komponenten besteht (Vergr. 13.000:1). f Membrangebundene Polyglukosankörper innerhalb eines Makrophagen, der in einer aufgespaltenen Muskelfaser liegt, aber noch von einer mit der Muskelfaser gemeinsamen Basalmembran eingeschlossen wird. Darüber und angrenzend an eine im Bild rechts oben getroffene Kapillare liegen fibroblastenähnliche Fortsätze, die ebenfalls membrangebundene Polyglukosankörper enthalten (Vergr. 6100:1)
708
Kapitel 30
•
30
•
•
•
Kardiomyopathien. Typisch sind „hyaline“ subsarkolemmale Myosinablagerungen. Eine neurale Komponente mit reichlich zu dünn myelinisierten Nervenfasern ist mit Hilfe einer Suralisbiopsie festgestellt worden [168]. Die krikopharyngeale distale Myopathie beruht auf Mutationen im MATR3-Gen, die zu Veränderungen des Matrin-3-Proteins führen [140]. Dabei kommt es zu einer Obstruktion des Schlunds durch den M. cricopharyngicus. Allerdings sind die Ätiologie und Pathogenese wahrscheinlich nicht einheitlich [33]. Ein autosomal-dominanter Erbgang ist beschrieben worden (Tabelle 31.2, Pos. 4.5, S. 725: Stimmband- und pharyngeale distale Myopathie) [48]. Die histopathologisch beobachteten Zeichen der Degeneration und Regeneration mit interstitieller Fibrose sind nach den bisherigen Untersuchungen zu uncharakteristisch, um eine genauere Klassifikation dieser Erkrankung zuzulassen. Zu der sog. Myopathia distalis tarda hereditaria [174] ist noch kein molekulargenetisches Korrelat gefunden worden. Diese auch Welander-Krankheit genannte autosomal-dominant erbliche Myopathie ist sehr eingehend untersucht. Die Erkrankung beginnt zumeist im Alter von 50 Jahren, seltener vor dem 40. Lebensjahr. Das Leiden ist langsam progressiv und hat keinen Einfluss auf die Lebenserwartung. Mikroskopisch finden sich bei der WelanderKrankheit anfangs mäßige Vermehrungen des interstitiellen Bindegewebes sowie Kaliberschwankungen, wobei langsame Zuckungsfasern dominieren und neurogene Einflüsse ein Rolle spielen [149]. Auch ist eine periphere Neuropathie nachweisbar [21]. Als Besonderheit sind die sog. zytoplasmatischen (oder sarkoplasmatischen) Körper mit intermediären Filamenten (Desmin) nachweisbar [44, 150]. Die Muskelfasern erscheinen z. T. abgerundet, die Zahl der Kerne ist vermehrt; zentrale Kerne kommen allerdings nur gelegentlich vor. In späteren Stadien werden die Muskelfasern fast vollständig vom Bindegewebe umhüllt. Die Kaliberschwankungen der Muskelfasern werden ausgeprägter, wobei zwischen extrem dünnen bis zu hypertrophischen Fasern alle Übergänge vorkommen. Auch Faseraufsplitterungen und Vakuolen sind gelegentlich zu finden. Myophagien sind in der Regel vorhanden. Gelegentlich sind perivaskuläre Rundzellen nachweisbar, die als reaktive Veränderungen anzusehen sind. In den Endstadien dominiert das Bindegewebe; gelegentlich resultiert eine Lipomatose, insbesondere in der Beinmuskulatur. Weitere distale Myopathien sind: die sog. distale Myopathie mit Pes cavus und Areflexie (auch wenig differenziert als „vakuoläre Neuromyopathie“ bezeichnet), deren genetische Grundlage noch nicht geklärt ist, die distale Myopathie aufgrund eines MyotilinDefekts,
Muskeldystrophien
• die distale Myopathie aufgrund eines NebulinDefekts, • die distale Myopathie aufgrund eines Caveolin-Defekts und • eine spät auftretende Myopathie (Markesberry-Griggs). • Die auf dominante Mutationen im Dynamin-2-Gen zurückzuführende Myopathie ist durch zentralständige Kerne charakterisiert (zentronukleäre Myopathie; CNM) und beruht nur manchmal auf Mutationen in der dem Pleckstrin homologen Gendomäne [74, 96] wie die für die allelische Neuropathie vom Typ CMTD1B verantwortlichen Mutationen [185] (s. dort). • Eine sog. Myopathia distalis juvenilis hereditaria [16, 17] ist vermutlich neurogen bedingt. Vereinzelt ist eine distale Betonung der Muskelschwäche oder -atrophie auch bei der Myopathie mit Neutralfettspeicherkrankheit aufgrund von PNPLA2-Mutationen beobachtet worden [118] (s. dort).
Okuläre Syndrome Eine Schwäche der äußeren Augenmuskeln kann allein oder in Verbindung mit einer generalisierten neuromuskulären Erkrankung oder als Teil komplexer Syndrome mit Beteiligung anderer Systeme auftreten.
Ursächlich kommen Veränderungen im Kerngebiet der Augenmuskelnerven, im Nerv selbst, an der neuromuskulären Endplatte oder im Muskel in Frage.
Bei der differentialdiagnostischen Abgrenzung der verschiedenen Ursachen einer Erkrankung der äußeren Augenmuskeln ist es wichtig, auf das Ausmaß der Augenbeteiligung zu achten, auf eine Verbindung mit Pupillenveränderungen, die eher auf eine neurale als auf eine myopathische Ursache hinweisen, auf die Verbindung mit einer Retinitis pigmentosa oder andere Pigmentstörungen der Retina, die Mitbeteiligung anderer Hirnnerven oder anderer Muskeln, das Vorhandensein einer Kardiomyopathie und die Verbindung mit Alterationen des Nervensystems oder anderer Systeme (s. Kearns-Sayre-Syndrom, Ophthalmoplegia plus), die auf eine mitochondriale Grundkrankheit hinweisen (s. dort). Eine äußere Augenmuskellähmung (Ophthalmoplegia externa) und Ptosis gehört nicht zu der Duchenne-, der Gliedergürtel- oder der faszioskapulohumeralen Muskeldystrophie oder zu den spinalen Muskelatrophien. Sie kommt jedoch häufig bei der Myasthenia gravis vor, bei der sie das einzige klinische Symptom sein kann, oft als Symptom auch bei der myotonischen Dystrophie sowie bei verschiedenen kongenitalen Myopathien wie der myo-
709
Kongenitale Muskeldystrophien
tubulären Myopathie und vor allem bei den mitochondrialen Myopathien (s. unten). Als weitere Ursachen einer Ophthalmoplegie kommen in Frage: eine Abetalipoproteinämie, ein RefsumSyndrom (Abb. 40.3g,h), bestimmte familiäre Ataxien und spastische Tetraplegien sowie die sog. lysosomale Neuromyopathie, von der bisher nur wenige Fälle diagnostiziert worden sind. Letztere ist durch massenhaft sekundäre lysosomale Einschlüsse in den Muskelfasern gekennzeichnet.
Autosomal-dominante okulopharyngeale Muskeldystrophie Bei diesem seltenen, eigenständigen, autosomal-dominant erblichen Krankheitsbild ist die okuläre Myopathie mit einer Dysphagie verbunden [18, 23, 24, 163, 179]. Molekulargenetisch ist die Krankheit auf kurze Expansionen des N-terminalen Polyalanin-Trakts aufgrund von Verlängerungen des Trinukleotids GCG von normalerweise 6 (GCG6) auf 7–13 Wiederholungen (GCG7–13) in dem Poly(A)-bindenden-nuclear-1-(PABPN1-)Gen zurückzuführen (s. Tabelle 30.1). Wiederholt sind auch GCA-Insertionen festzustellen, die wie die GCG-Insertionen über einen Pathomechanismus eingeschleust werden, der als „unequal crossing over“ bezeichnet wird [136]. Es gehört zur Gruppe der Proteinaggregationskrankheiten wie die Huntington-, Parkinson- und Alzheimer-Krankheit. Die klinische Ausprägung des Krankheitsbildes ist allerdings so variabel, dass Fälle vorkommen, die nur eine Dysphagie oder nur eine okuläre Symptomatik aufweisen. Einige Fälle haben eine Ptose ohne äußere Ophthalmoplegie, andere haben gleichzeitig eine Skelettmuskelschwäche. Neuartige Therapieversuche mit Intrakörpern („intrabodies“ = modifizierte Antikörper, die intrazellulär exprimiert werden und sich spezifisch mit Antigenen in subzellulärer Lokalisation reagieren) gegen PABPN1 sind zumindest am Drosophila-Modell der okulopharyngealen Muskeldystrophie erfolgreich gewesen [30]. Muskelbioptisch fallen fokale Degradationsherde mit Vakuolen und reichlich myelinähnlichen lamellierten Zytoplasmakörper auf (s. Abb. 30.3c,d). Diese sind unter anderem immunreaktiv für TDP-43 (s. hereditäre und andere Einschlusskörpermyopathien). In etwa 5% der Kerne kommen bei der dominant erblichen Form offensichtlich spezifische tubulofilamentöse Einschlüsse vor, die sich elektronenmikroskopisch identifizieren lassen und sich von denen bei der Einschlusskörpermyositis unterscheiden: Ihr Durchmesser ist mit 8,5 mm nur etwa halb so dick wie bei Letzterer [153] (s. Abb. 30.5b). Sie enthalten keine DNA, sondern Pol(A)-RNA, was sich durch In-situ-Hybridisierung nachweisen lässt [10, 26].
Autosomal-rezessive okulopharyngeale Muskeldystrophie Eine familiäre, offensichtlich autosomal-rezessiv erbliche Form der Muskeldystrophie mit vorwiegend okulärer und pharyngealer Symptomatik, aber zusätzlicher distaler Muskelbeteiligung und besonderen Kerneinschlüssen, die sich von denen bei der dominant erblichen Form unterscheiden, ist ebenfalls beschrieben worden [162]. Diese Kerneinschlüsse bestehen aus kompakten Bündeln von parallel ausgerichteten geraden oder helikal umeinander gewundenen 2–4 nm dünnen Filamenten, deren äußerer Durchmesser etwa 12–15 nm und deren Periodizität etwa 15 beträgt [137]. Abnorme Mitochondrien mit parakristallinen Einschlüssen kommen wie bei der dominant erblichen Form der okulopharyngealen Muskeldystrophie ebenfalls vor. Die Abgrenzung gegenüber einer als rezessiv erblich imponierenden, aber dominant erblichen Form der okulopharyngealen Muskeldystrophie [121] ist vorerst nur elektronenmikroskopisch möglich.
Autosomal-dominant erbliche Myopathie mit kongenitalen Kontrakturen, Ophthalmoplegie und autophagischen Vakuolen Diese geht ebenfalls mit okulären Symptomen einher, wird aber bei den kongenitalen Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien beschrieben (s. Kap. 31) [36].
Kongenitale Muskeldystrophien Die kongenitalen Muskeldystrophien sind eine heterogene Gruppe hereditärer Krankheiten, die sich bereits zum Zeitpunkt der Geburt oder bis zum Alter von 6 Monaten durch eine ausgeprägte Hypotonie und Muskelschwäche der Extremitäten, des Stammes und des Gesichts manifestieren [121]. Mutationen in mehr als 16 verschiedenen Genen kommen als Ursache in Frage, gegen deren entsprechende Proteine großenteils Antikörper verfügbar und die somit immunhistochemisch zu diagnostizieren sind [73] (genetische Details: siehe Pos. 2.1– 2.24 in der Tabelle 30.1). Bei einem Großteil der Fälle bestehen Kontrakturen in verschiedenen Muskeln bereits zum Zeitpunkt der Geburt (Arthrogryposis multiplex congenita bzw. fetale Akinesia-deformans-Sequenz, FADS), bei anderen entwickeln sich die Kontrakturen erst später. Früher wurden relativ benigne (Typ Batten-Turner) und maligne Verlaufsformen (Typ De Lange) der kongenitalen Muskeldystrophie unterschieden, die zwar klinisch, aber nicht zweifelsfrei morphologisch zu unterscheiden waren. In-
710
30
Kapitel 30
tellektuelle Störungen aufgrund von Fehlbildungen im Zentralnervensystem und Herzveränderungen kommen häufig vor und dienen zur genaueren Klassifikation, wobei in zunehmendem Maße molekulargenetische Befunde eine spezifische Differenzierung in gegenwärtig 24 Formen kongenitaler Muskeldystrophien erlauben. Diese sind kaum oder nur langsam progredient. Bei den übrigen Patienten, bei denen eine definitive Diagnose nicht gestellt werden kann, spricht man von „Merosin-positiver kongenitaler Muskeldystrophie“. Differentialdiagnose: Von den kongenitalen Muskeldystrophien müssen die sog. kongenitalen Myopathien (s. Kap. 31) und Myopathien mit kongenital manifesten Stoffwechselkrankheiten wie bestimmte Glykogenosen (z. B. Typ II und IV) und die große Gruppe der Mitochondriopathien abgegrenzt werden (s. Kap. 33). Zwischen Myopathien, die auf Krankheiten der extrazellulären Matrix beruhen oder damit in Verbindung stehen wie solche durch Defekte der Transmembranproteine (Dystroglykane, Sarkoglykane und Integrine), Laminin und Kollagene (Kollagen VI, XIII und XV) und anderen hereditären Bindegewebskrankheiten bestehen klinisch Überlappungen [165], z. B. zum Ehlers-Danlos-Syndrom, das als primär neuromuskuläre Krankheit fehlgedeutet werden kann [182]. Zu den kongenitalen Muskeldystrophien („muscle dystrophy, congenital“ = MDC) werden im Einzelnen folgende Krankheiten oder Syndrome gezählt, die – von drei Varianten der Bethlem-Myopathie abgesehen – alle autosomal-rezessiv vererbt werden (bzgl. weiterer Einzelheiten zur Genetik und zur Literatur s. Tabelle 30.1). 1. Kongenitale Muskeldystrophie mit Merosinmangel (MDC1A): Sie ist die häufigste der insgesamt seltenen kongenitalen Muskeldystrophien. Sie ist auf Mutationen im LAMA2-Gen zurückzuführen. Betroffen ist die Laminin-α2-Kette des Merosins (= Laminin-2) [152, 167]. Histochemisch lässt sich ein Fehlen des Laminin-2 nachweisen, auch pränatal in Trophoblasten [159], in Hautbiopsien am epidermal-dermalen Übergang, an sensorischen Nerven und Drüsen [143]. Mutationen in diesem Gen führen auch zu einer Neuropathie, die beim Menschen zu Hypo- und Hypermyelinisation mit Tomacula und fokal gefalteten, nichtkompaktierten Markscheiden, verkürzten Internodien und abnorm weiten Ranvier-Schnürringen führt (Literatur s. [37, 38, 49, 144]). Bei der vielfach dokumentierten allelischen Dystrophiemaus liegen die Axone in den Spinalnerven unmyelinisiert in Gruppen zusammen. 2. MDC1B: eine kongenitale Muskeldystrophie, deren Gen noch nicht identifiziert ist. 3. MDC1C: eine kongenitale Muskeldystrophie mit abnormer Glykosylierung von Dystroglykan aufgrund von Mutationen im FKRP-Gen, das ein Fukutin-related Protein kodiert. Diese ist allelisch zu LGMD2I, WWS und MEB (s. unten).
Muskeldystrophien
4. MDC1D: kongenitale Muskeldystrophie, ebenfalls mit abnormer Glykosylierung von Dystroglykan, beruht auf Mutationen im LARGE-Gen, das eine Glykosyltransferase kodiert (Tabelle 30.1). 5. FCMD: Dieser kongenitale Muskeldystrophie vom Typ Fukuyama mit Fehlbildungen im Zentralnervensystem liegen Mutationen im FCMD-Gen zugrunde mit dadurch bedingtem Fukutinmangel, wobei elektronenmikroskopisch Defekte der Basallamina der Muskelfasern und an der Membrana gliae limitans nachweisbar sind [13, 84, 94, 131, 173]. Diese ist allelisch zum WWS (s. unten). Immunhistochemisch ist bisher kein Nachweis gelungen. 6. Das Walker-Warburg-Syndrom (WWS) ist ein seltenes heterogenes, autosomal-rezessiv erbliches Krankheitsbild, das charakterisiert ist durch eine Typ-II-Lissenzephalie mit Agyrie, zerebellärer Malformation, obstruktivem Hydrozephalus, Retinadysplasie und kongenitaler Muskeldystrophie. 7. Da sich die Symptome des WWS partiell mit dem Fukuyama-Typ der kongenitalen Muskeldystrophie (FKMD) und der Muskel-Augen-Gehirn-Krankheit (MEBD, s. unten) überlappen, war es zeitweise ungewiss, ob die genannten Krankheiten auf einen gemeinsamen pathogenetischen Mechanismus zurückzuführen sind. Doch ist inzwischen geklärt, dass das WWS auf verschiedenen Gendefekten beruhen kann, in 20– 30% sind es die folgenden Gene: POMT1, POMT2, Fukutin, FKRP und LARGE [160]. In anderen Fällen mit dem typischen WWS sind Mutationen in den genannten Genen nicht nachweisbar [29] (s. unten). 8. Das WWS aufgrund von Mutationen im POMT1-Gen ist mit konsekutiven Veränderungen in der Protein-0Mannosyl-Transferase 1 assoziiert. Dieses kann mit einer Lippen- und Gaumenspalte verbunden sein [160]. 9. Das WWS aufgrund von Mutationen im POMT2-Gen ist mit konsekutiven Veränderungen in der Protein-0Mannosyl-Transferase 2 kombiniert. 10.WWS, allelisch zu MDC1C (s. oben). 11.WWS allelisch zur MDC1D (s. unten). Die folgenden kongenitalen Muskeldystrophien sind mit einer Beteiligung des ZNS und der Augen verbunden (Muskel-Augen-Gehirn-Krankheit, MEB). 1. Die Muscle-eye-brain-(MEB-)Krankheit beruht auf Mutationen im POMGNT1-Gen und führt zur Beeinträchtigung der 0-Mannose-β1,2-N-Acetylglucosaminyl-Transferase. Sie ist allelisch zur LGMD2O und einer weiteren MEB. 2. MEB-Krankheit allelisch zur LGMD2I, MDC1C und WWS aufgrund von Mutationen im FKRP-Gen. 3. MEB-Krankheit aufgrund von POMT2-Mutationen allelisch zu Punkt 9 (s. oben). Morphologie. Muskelbioptisch entsprechen die Veränderungen einem dystrophischen Prozess. Ein auffälliger
Literatur
Befund bei vielen Biopsien ist die ausgeprägte Fettvakatwucherung und die Proliferation des Bindegewebes, deren Ausmaß in der Regel von der Dauer der Erkrankung abhängt. Die Faserkaliber variieren beträchtlich. Fasernekrosen, Myophagien oder regenerierende Fasern finden sich jedoch nur vereinzelt. Immunhistochemisch ließen sich im Hinblick auf den Dystrophin-, Vimentin- und Desmingehalt keine sicheren Abweichungen von der Norm feststellen [88], obwohl andere Autoren bei einigen Fällen eine abnorme Dystrophinexpression beschrieben haben. Doch ist dabei zu beachten, dass regenerierende Fasern, wie sie bei nahezu allen Muskeldystrophien vorkommen, grundsätzlich eine vermehrte Expression zumindest von Desmin und Vimentin aufweisen [58].
Die Muskelbiopsie macht einen bösartigeren Eindruck, als es nach dem klinischen Bild zu erwarten wäre. Daher kann das Biopsiebild nicht zur Bestimmung des Schweregrads der Erkrankung oder für die Prognose herangezogen werden.
Weitere kongenitale Muskeldystrophien 1. „Rigid spine syndrome“ (RSMD1): Dieses ist u. a. auf Mutationen im SEPN1-(Selenoprotein-N1-)Gen zurückzuführen; es ist allelisch zur CFTD, Multiminicore-Krankheit und Desmin-abhängigen Myopathie mit Mallory-Körpern [1] (s. S. 728, Myofibrilläre Myopathien). SEPN1-Mutationen führen manchmal auch nur zu einer Fasertypendisproportion [31]. Ein Rigidspine-(Wirbelsäulenversteifungs-)Syndrom ist aber auch aufgrund von Mutationen des FHL1-Gens zu finden, das für die Reducing-body-Myopathie, die Xchromosomale skapuloperoneale Myopathie und die X-chromosomale Myopathie mit posturaler Muskelatrophie verantwortlich ist (s. Kap. 31). Darüber hinaus können FHL1-Mutationen den Typ 2 der X-chromosomalen Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie verursachen [61]. Immunhistochemisch ist eine Reduktion von SEPN1 bisher nur in Fibroblastenkulturen nachgewiesen worden. 2. Das Ullrich-Syndrom (UCMD) beruht auf Mutationen in verschiedenen Kollagen-Typ-VI-Typen [1], so im COL6A1-Gen (Kollagen Typ VI, Untereinheit α1) [86], wobei das Kollagen-VI-Defizit immunhistochemisch nachweisbar ist, sogar pränatal in den Villi des Chorions [25] oder 3. im COL6A2- oder 4. im COL6A3-Gen. 5. Die Bethlem-Myopathie aufgrund von Mutationen in COL6A1 ist allelisch zu UCMD;
711
6. die Bethlem-Myopathie aufgrund von Mutationen in COL6A2 ist allelisch zu Punkt 3 und 7. die Bethlem-Myopathie aufgrund von Mutationen in COL6A3 ist allelisch zu Punkt 4. 8. Die kongenitale Muskeldystrophie mit Integrinmangel beruht auf Mutationen im ITGA7-Gen mit Mangel an Integrin α7 (Tabelle 30.1).
Arthrogryposis multiplex congenita Dieses durch kongenitale Gelenkversteifungen charakterisierte Krankheitsbild, bei bestimmten Fällen als fetale Akinesia-deformans-Sequenz (FADS) bezeichnet, weil die Versteifungen und Deformierungen aufgrund der schwächebedingten Akinesie während der fetalen Entwicklung entstehen, ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Syndrom, das in der Mehrzahl der Fälle auf eine Erkrankung der Vorderhornzellen des Rückenmarks zurückzuführen ist und seltener auf einer primären Myopathie, einer Radikulopathie oder einer Entwicklungsstörung des Gehirns bzw. des Rückenmarks beruht. Banker (2004) [7] unterscheidet 20 neurogene und 7 myopathische Formen von 3 weiteren, die auf die motorischen Endplatten und 3, die auf Bindegewebskrankheiten zurückzuführen sind. Dabei ist sowohl eine dominante als auch eine rezessive Vererbung beobachtet worden; die Mehrzahl der Fälle tritt sporadisch auf. Typisches Kennzeichen sind symmetrische Kontrakturen, wobei die distalen Gelenke stärker betroffen sind als die proximalen. Distale Arthrogryposen konnten bereits verschiedenen TPM2-, MYH3-, MYH8-, TNNT2- und TNNT3Mutationen zugeordnet werden (http://www.musclegenetable.org, Pos. 16.7a–16.13). Auch an eine kongenitale Glykogenose vom Typ IV ist zu denken, ebenso an eine Amyelinisation peripherer Nerven (s. dort). Am häufigsten findet sich ein kongenitaler Klumpfuß (Talipes) in Equinovarusstellung oder eine Flexionsdeformität der Handgelenke. Ein Klumpfuß ist ebenfalls auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen. Kyphoskoliose, Brustkorbdeformitäten, abnorme Kopfhaltung und Adduktionsstellung der Gliedmaßen kommen hinzu. Der als Sprengel-Deformität (angeborener Schulterhochstand) beschriebene, zumeist einseitige Schulterhochstand ist ebenfalls von uneinheitlicher Pathogenese.
Literatur 1.
Allamand V, Richard P, Lescure A et al. (2006) A single homozygous point mutation in a 3’untranslated region motif of selenoprotein N mRNA causes SEPN1-related myopathy. EMBO Rep 7: 450–454
712
Kapitel 30
2. 3.
4.
30 5.
6.
7.
8.
9.
10.
11. 12.
13.
14.
15.
16. 17.
Amato AA, Shebert RT (1998) Inclusion body myositis in twins [see comments]. Neurology 51: 598–600 Anderson LV, Harrison RM, Pogue R et al. (2000) Secondary reduction in calpain 3 expression in patients with limb girdle muscular dystrophy type 2B and miyoshi myopathy (primary dysferlinopathies) [In Process Citation]. Neuromuscul Disord 10: 553–559 Askanas V, Engel WK (2008) Inclusion-body myositis: muscle-fiber molecular pathology and possible pathogenic significance of its similarity to Alzheimer’s and Parkinson’s disease brains. Acta Neuropathol 116: 583–595 Askanas V, Engel WK (1998) Sporadic inclusion-body myositis and hereditary inclusion-body myopathies: current concepts of diagnosis and pathogenesis. Curr Opin Rheumatol 10: 530–542 Balci B, Uyanik G, Dincer P et al. (2005) An autosomal recessive limb girdle muscular dystrophy (LGMD2) with mild mental retardation is allelic to Walker-Warburg syndrome (WWS) caused by a mutation in the POMT1 gene. Neuromuscul Disord 15: 271–275 Banker BQ (2004) Congenital deformities. In: Engel AG, Franzini-Armstrong C (eds) Myology. McGraw-Hill, New York, pp 1931–1960 Bashir R, Britton S, Strachan T et al. (1998) A gene related to Caenorhabditis elegans spermatogenesis factor fer-1 is mutated in limb-girdle muscular dystrophy type 2B. Nat Genet 20: 37–42 Baumeister SK, Todorovic S, Milic-Rasic V, Dekomien G, Lochmuller H, Walter MC (2009) Eosinophilic myositis as presenting symptom in gamma-sarcoglycanopathy. Neuromuscul Disord 19: 167–171 Becher MW, Kotzuk JA, Davis LE, Bear DG (2000) Intranuclear inclusions in oculopharyngeal muscular dystrophy contain poly(A) binding protein 2. Ann Neurol 48: 812–815 Becker PE, Kiener F (1972) Eine neue X-chromosomale Muskeldystrophie. Arch Psychiat Z Neur 193: 427–448 Beckmann JS, Spencer M (2008) Calpain 3, the „gatekeeper“ of proper sarcomere assembly, turnover and maintenance. Neuromuscul Disord 18: 913–921 Belpaire-Dethiou MC, Saito K, Fukuyama Y, Kondo-Iida E, Toda T, Duprez T, Verellen-Dumoulin C, Van den Bergh PY (1999) Congenital muscular dystrophy with central and peripheral nervous system involvement in a Belgian patient. Neuromuscul Disord 9: 251–256 Beltran-Valero de Bernabe D, Voit T, Longman C et al. (2004) Mutations in the FKRP gene can cause muscle-eyebrain disease and Walker-Warburg syndrome. J Med Genet 41: e61 Betz RC, Schoser BG, Kasper D et al. (2001) Mutations in CAV3 cause mechanical hyperirritability of skeletal muscle in rippling muscle disease. Nat Genet 28: 218–219 Biemond A (1955) Moypathia distalis juvenilis hereditaria. Acta Psychiat Scand 30: 25 Biemond A (1966) Myopathia distalis juvenilis. In: Kuhn E (Hrsg) Progressive Muskeldystrophie-Myotonie-Myasthenie. pp 95–100
Muskeldystrophien
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
Blumen SC, Brais B, Korczyn AD et al. (1999) Homozygotes for oculopharyngeal muscular dystrophy have a severe form of the disease. Ann Neurol 46: 115–118 Bonne G, Di Barletta MR, Varnous S et al. (1999) Mutations in the gene encoding lamin A/C cause autosomal dominant Emery-Dreifuss muscular dystrophy. Nat Genet 21: 285–288 Bonne G, Mercuri E, Muchir A et al. (2000) Clinical and molecular genetic spectrum of autosomal dominant Emery- Dreifuss muscular dystrophy due to mutations of the lamin A/C gene. Ann Neurol 48: 170–180 Borg K, Solders G, Borg J, Edstrom L, Kristensson K (1989) Neurogenic involvement in distal myopathy (Welander). Histochemical and morphological observations on muscle and nerve biopsies. J Neurol Sci 91: 53–70 Bornemann A, Anderson LV (2000) Diagnostic protein expression in human muscle biopsies [In Process Citation]. Brain Pathol 10: 193–214 Brais B, Rouleau GA, Bouchard JP, Fardeau M, Tome FM (1999) Oculopharyngeal muscular dystrophy. Semin Neurol 19: 59–66 Brais B, Xie YG, Sanson M et al. (1995) The oculopharyngeal muscular dystrophy locus maps to the region of the cardiac alpha and beta myosin heavy chain genes on chromosome 14q11.2- q13. Hum Mol Genet 4: 429–434 Brockington M, Brown SC, Lampe A et al. (2004) Prenatal diagnosis of Ullrich congenital muscular dystrophy using haplotype analysis and collagen VI immunocytochemistry. Prenat Diagn 24: 440–444 Calado A, Tome FM, Brais B, Rouleau GA, Kuhn U, Wahle E, Carmo-Fonseca M (2000) Nuclear inclusions in oculopharyngeal muscular dystrophy consist of poly(A) binding protein 2 aggregates which sequester poly(A) RNA. Hum Mol Genet 9: 2321–2328 Carbone I, Bruno C, Sotgia F et al. (2000) Mutation in the CAV3 gene causes partial caveolin-3 deficiency and hyperCKemia. Neurology 54: 1373–1376 Carboni N, Mura M, Marrosu G et al. (2008) Muscle MRI findings in patients with an apparently exclusive cardiac phenotype due to a novel LMNA gene mutation. Neuromuscul Disord 18: 291–298 Chadani Y, Kondoh T, Kamimura N et al. (2000) WalkerWarburg syndrome is genetically distinct from fukuyama type congenital muscular dystrophy [In Process Citation]. J Neurol Sci 177: 150–153 Chartier A, Raz V, Sterrenburg E, Verrips CT, van der Maarel SM, Simonelig M (2009) Prevention of oculopharyngeal muscular dystrophy by muscular expression of Llama single-chain intrabodies in vivo. Hum Mol Genet 18: 1849–1859 Clarke NF, Kidson W, Quijano-Roy S et al. (2006) SEPN1: associated with congenital fiber-type disproportion and insulin resistance. Ann Neurol 59: 546–552 Confalonieri P, Oliva L, Andreetta F et al. (2003) Muscle inflammation and MHC class I up-regulation in muscular dystrophy with lack of dysferlin: an immunopathological study. J Neuroimmunol 142: 130–136
Literatur
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40. 41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
Cruse JP, Edwards DA, Smith JF, Wyllie JH (1979) The pathology of a cricopharyngeal dysphagia. Histopathology 3: 223–232 Daniele N, Richard I, Bartoli M (2007) Ins and outs of therapy in limb girdle muscular dystrophies. Int J Biochem Cell Biol 39: 1608–1624 Danon MJ, Oh SJ, DiMauro S, Manaligod JR, Eastwood A, Naidu S, Schliselfeld LH (1981) Lysosomal glycogen storage disease with normal acid maltase. Neurology 31: 51–57 Darin N, Kyllerman M, Wahlstrom J, Martinsson T, Oldfors A (1998) Autosomal dominant myopathy with congenital joint contractures, ophthalmoplegia, and rimmed vacuoles. Ann Neurol 44: 242–248 Deodato F, Sabatelli M, Ricci E et al. (2002) Hypermyelinating neuropathy, mental retardation and epilepsy in a case of merosin deficiency. Neuromuscul Disord 12: 392–398 Di Muzio A, De Angelis MV, Di Fulvio P et al. (2003) Dysmyelinating sensory-motor neuropathy in merosindeficient congenital muscular dystrophy. Muscle Nerve 27: 500–506 Driss A, Amouri R, Ben Hamida C, Souilem S, GouiderKhouja N, Ben Hamida M, Hentati F (2000) A new locus for autosomal recessive limb-girdle muscular dystrophy in a large consanguineous Tunisian family maps to chromosome 19q13.3. Neuromuscul Disord 10: 240–246 Dubowitz V, Crome L (1969) The central nervous system in Duchenne muscular dystrophy. Brain 92: 805–808 Duclos F, Broux O, Bourg N et al. (1998) Beta-sarcoglycan: genomic analysis and identification of a novel missense mutation in the LGMD2E Amish isolate. Neuromuscul Disord 8: 30–38 Duggan DJ, Fanin M, Pegoraro E, Angelini C, Hoffman EP (1996) alpha-Sarcoglycan (adhalin) deficiency: complete deficiency patients are 5% of childhood-onset dystrophinnormal muscular dystrophy and most partial deficiency patients do not have gene mutations. J Neurol Sci 140: 30–39 Duggan DJ, Hoffman EP (1996) Autosomal recessive muscular dystrophy and mutations of the sarcoglycan complex. Neuromuscul Disord 6: 475–482 Edstrom L, Thornell LE, Eriksson A (1980) A new type of hereditary distal myopathy with characteristic sarcoplasmic bodies and intermediate (skeletin) filaments. J Neurol Sci 47: 171–190 Eisenberg I, Thiel C, Levi T, Tiram E, Argov Z, Sadeh M, Jackson CL, Thierfelder L, Mitrani-Rosenbaum S (1999) Fine-structure mapping of the hereditary inclusion body myopathy locus. Genomics 55: 43–48 Erb W (1884) Über die „juvenile Form“ der progressiven Muskelatrophie und ihre Beziehungen zur sogenannten Pseudohypertrophie der Muskeln. Dtsch Arch Klin Med 34: 467–519 Fanin M, Danieli GA, Vitiello L, Senter L, Angelini C (1992) Prevalence of dystrophin-positive fibers in 85 Duchenne muscular dystrophy patients. Neuromuscul Disord 2: 41–45
713
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
Feit H, Silbergleit A, Schneider LB et al. (1998) Vocal cord and pharyngeal weakness with autosomal dominant distal myopathy: clinical description and gene localization to 5q31. Am J Hum Genet 63: 1732–1742 Feltri ML, Wrabetz L (2005) Laminins and their receptors in Schwann cells and hereditary neuropathies. J Peripher Nerv Syst 10: 128–143 Fidzianska A, Niebroj-Dobosz I, Madej-Pilarczyk A, Duong NT, Wehnert M (2010) X-linked Emery-Dreifuss muscular dystrophy with lamin A deficiency and IBM inclusions. Clin Neuropathol 29: 78–83 Fidzianska A, Rowinska-Marcinska K, Hausmanowa-Petrusewicz I (2004) Coexistence of X-linked recessive Emery-Dreifuss muscular dystrophy with inclusion body myositis-like morphology. Acta Neuropathol 107: 197–203 Fidzianska A, Toniolo D, Hausmanowa-Petrusewicz I (1998) Ultrastructural abnormality of sarcolemmal nuclei in Emery-Dreifuss muscular dystrophy (EDMD). J Neurol Sci 159: 88–93 Filosto M, Tonin P, Scarpelli M et al. (2008) Novel mitochondrial tRNA Leu(CUN) transition and D4Z4 partial deletion in a patient with a facioscapulohumeral phenotype. Neuromuscul Disord 18: 204–209 Frankel KA, Rosser RJ (1976) The pathology of the heart in progressive muscular dystrophy: epimyocardial fibrosis. Hum Pathol 7: 375–386 Frosk P, Del Bigio MR, Wrogemann K, Greenberg CR (2005) Hutterite brothers both affected with two forms of limb girdle muscular dystrophy: LGMD2H and LGMD2I. Eur J Hum Genet 13: 978–982 Funakoshi M, Tsuchiya Y, Arahata K (1999) Emerin and cardiomyopathy in Emery-Dreifuss muscular dystrophy. Neuromuscul Disord 9: 108–114 Gache Y, Chavanas S, Lacour JP, Wiche G, Owaribe K, Meneguzzi G, Ortonne JP (1996) Defective expression of plectin/HD1 in epidermolysis bullosa simplex with muscular dystrophy. J Clin Invest 97: 2289–2298 Gallanti A, Prelle A, Moggio M, Ciscato P, Checcarelli N, Sciacco M, Comini A, Scarlato G (1992) Desmin and vimentin as markers of regeneration in muscle diseases. Acta Neuropathol 85: 88–92 Galluzzi G, Deidda G, Cacurri S et al. (1999) Molecular analysis of 4q35 rearrangements in fascioscapulohumeral muscular dystrophy (FSHD): application to family studies for a correct genetic advice and a reliable prenatal diagnosis of the disease [In Process Citation]. Neuromuscul Disord 9: 190–198 Goto I, Hayakawa T, Miyoshi T, Ino K, Kusunoki R (1973) Case of oculo-pharnygo-distal myopathy with cardiopathy. Rinsho Shinkeigaku 13: 529–536 Gueneau L, Bertrand AT, Jais JP et al. (2009) Mutations of the FHL1 gene cause Emery-Dreifuss muscular dystrophy. Am J Hum Genet 85: 338–353 Guglieri M, Straub V, Bushby K, Lochmuller H (2008) Limb-girdle muscular dystrophies. Curr Opin Neurol 21: 576–584
714
Kapitel 30
63.
64.
65.
30 66.
67.
68.
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
Hackman P, Marchand S, Sarparanta J et al. (2008) Truncating mutations in C-terminal titin may cause more severe tibial muscular dystrophy (TMD). Neuromuscul Disord 18: 922–928 Haravuori H, Makela-Bengs P, Udd B, Partanen J, Pulkkinen L, Somer H, Peltonen L (1998) Assignment of the tibial muscular dystrophy locus to chromosome 2q31. Am J Hum Genet 62: 620–626 Hauser MA, Horrigan SK, Salmikangas P et al. (2000) Myotilin is mutated in limb girdle muscular dystrophy 1A. Hum Mol Genet 9: 2141–2147 Hayashi YK, Matsuda C, Ogawa M et al. (2009) Human PTRF mutations cause secondary deficiency of caveolins resulting in muscular dystrophy with generalized lipodystrophy. J Clin Invest 119: 2623–2633 Hermanns B, Molnar M, Schroder JM (2000) Peripheral neuropathy associated with hereditary and sporadic inclusion body myositis: confirmation by electron microscopy and morphometry. J Neurol Sci 179: 92–102 Hijikata T, Murakami T, Imamura M, Fujimaki N, Ishikawa H (1999) Plectin is a linker of intermediate filaments to Z-discs in skeletal muscle fibers. J Cell Sci 112: 867–876 Hoffman EP, Brown RH Jr, Kunkel LM (1987) Dystrophin: the protein product of the Duchenne muscular dystrophy locus. Cell 51: 919–928 Ikeuchi T, Asaka T, Saito M et al. (1997) Gene locus for autosomal recessive distal myopathy with rimmed vacuoles maps to chromosome 9. Ann Neurol 41: 432–437 Jenne DE, Kley RA, Vorgerd M et al. (2005) Limb girdle muscular dystrophy in a sibling pair with a homozygous Ser606Leu mutation in the alternatively spliced IS2 region of calpain 3. Biol Chem 386: 61–67 Jennekens FG, ten Kate LP, de Visser M, Wintzen AR (1991) Diagnostic criteria for Duchenne and Becker muscular dystrophy and myotonic dystrophy [see comments]. Neuromuscul Disord 1: 389–391 Jimenez-Mallebrera C, Brown SC, Sewry CA, Muntoni F (2005) Congenital muscular dystrophy: molecular and cellular aspects. Cell Mol Life Sci 62: 809–823 Jungbluth H, Cullup T, Lillis S, Zhou H, Abbs S, Sewry C, Muntoni F (2009) Centronuclear myopathy with cataracts due to a novel dynamin 2 (DNM2) mutation. Neuromuscul Disord 20: 49–52 Kalimo H, Savontaus ML, Lang H, Paljarvi L, Sonninen V, Dean PB, Katevuo K, Salminen A (1988) X-linked myopathy with excessive autophagy: a new hereditary muscle disease. Ann Neurol 23: 258–265 Keramaris-Vrantsis E, Lu PJ, Doran T et al. (2007) Fukutin-related protein localizes to the Golgi apparatus and mutations lead to mislocalization in muscle in vivo. Muscle Nerve 36: 455–465 Klinge L, Dean AF, Kress W et al. (2008) Late onset in dysferlinopathy widens the clinical spectrum. Neuromuscul Disord 18: 288–290 Klinge L, Dekomien G, Aboumousa A, Charlton R, Epplen JT, Barresi R, Bushby K, Straub V (2008) Sarcoglycano-
Muskeldystrophien
79.
80.
81.
82.
83. 84.
85.
86. 87.
88.
89.
90.
91.
92.
93.
pathies: can muscle immunoanalysis predict the genotype? Neuromuscul Disord 18: 934–941 Koenig M, Hoffman EP, Bertelson CJ, Monaco AP, Feener C, Kunkel LM (1987) Complete cloning of the Duchenne muscular dystrophy (DMD) cDNA and preliminary genomic organization of the DMD gene in normal and affected individuals. Cell 50: 509–517 Koenig M, Monaco AP, Kunkel LM (1988) The complete sequence of dystrophin predicts a rod-shaped cytoskeletal protein. Cell 53: 219–226 Konieczny P, Fuchs P, Reipert S et al. (2008) Myofiber integrity depends on desmin network targeting to Z-disks and costameres via distinct plectin isoforms. J Cell Biol 181: 667–681 Kubisch C, Schoser BG, von During M et al. (2003) Homozygous mutations in caveolin-3 cause a severe form of rippling muscle disease. Ann Neurol 53: 512–520 Kuhn E, Schröder JM (1981) A new type of distal myopathy in two brothers. J Neurol 226: 181–185 Kumada S, Tsuchiya K, Takahashi M et al. (2000) The cerebellar and thalamic degeneration in Fukuyama-type congenital muscular dystrophy [In Process Citation]. Acta Neuropathol (Berl) 99: 209–213 Kusters B, van Hoeve BJ, Schelhaas HJ, Ter Laak H, van Engelen BG, Lammens M (2009) TDP-43 accumulation is common in myopathies with rimmed vacuoles. Acta Neuropathol 117: 209–211 Lampe AK, Bushby KM (2005) Collagen VI related muscle disorders. J Med Genet 42: 673–685 Leterrier F, Voit T (2008) First International „Institute of Myology Workshop“ on Facioscapulohumeral Muscular Dystrophy, Paris, May 22, 2007. Neuromuscul Disord 18: 514–518 Leyten QH, ter Laak HJ, Gabreels FJ, Renier WO, Renkawek K, Sengers RC (1993) Congenital muscular dystrophy. A study on the variability of morphological changes and dystrophin distribution in muscle biopsies. Acta Neuropathol 86: 386–392 Liu J, Aoki M, Illa I et al. (1998) Dysferlin, a novel skeletal muscle gene, is mutated in Miyoshi myopathy and limb girdle muscular dystrophy. Nat Genet 20: 31–36 Lo HP, Cooper ST, Evesson FJ et al. (2008) Limb-girdle muscular dystrophy: diagnostic evaluation, frequency and clues to pathogenesis. Neuromuscul Disord 18: 34–44 Manilal S, Sewry CA, Pereboev A, Man N, Gobbi P, Hawkes S, Love DR, Morris GE (1999) Distribution of emerin and lamins in the heart and implications for Emery-Dreifuss muscular dystrophy. Hum Mol Genet 8: 353–359 Martin PT, Shelton GD, Dickinson PJ et al. (2008) Muscular dystrophy associated with alpha-dystroglycan deficiency in Sphynx and Devon Rex cats. Neuromuscul Disord 18: 942–952 Mastaglia FL, Lord Walton of Detchant (1992) Skeletal muscle pathology. Churchill Livingstone, Edinburgh London Madrid
Literatur
94.
95.
96.
97.
98.
99.
100.
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
108.
Matsubara S, Mizuno Y, Kitaguchi T, Isozaki E, Miyamoto K, Hirai S (1999) Fukuyama-type congenital muscular dystrophy: close relation between changes in the muscle basal lamina and plasma membrane. Neuromuscul Disord 9: 388–398 Matsuda C, Hayashi YK, Ogawa M et al. (2001) The sarcolemmal proteins dysferlin and caveolin-3 interact in skeletal muscle. Hum Mol Genet 10: 1761–1766 Melberg A, Kretz C, Kalimo H et al. (2009) Adult course in dynamin 2 dominant centronuclear myopathy with neonatal onset. Neuromuscul Disord 20: 53–56 Mercuri E, Brown SC, Nihoyannopoulos P et al. (2005) Extreme variability of skeletal and cardiac muscle involvement in patients with mutations in exon 11 of the lamin A/C gene. Muscle Nerve 31: 602–609 Meredith C, Herrmann R, Parry C et al. (2004) Mutations in the slow skeletal muscle fiber myosin heavy chain gene (MYH7) cause Laing early-onset distal myopathy (MPD1). Am J Hum Genet 75: 703–708 Miller G (1992) Diagnostic criteria for Duchenne and Becker muscular dystrophy [letter; comment]. Neuromuscul Disord 2: 225 Minetti C, Tanji K, Bonilla E (1992) Immunologic study of vinculin in Duchenne muscular dystrophy. Neurology 42: 1751–1754 Mittelbronn M, Sullivan T, Stewart CL, Bornemann A (2008) Myonuclear degeneration in LMNA null mice. Brain Pathol 18: 338–343 Miura P, Jasmin BJ (2006) Utrophin upregulation for treating Duchenne or Becker muscular dystrophy: how close are we? Trends Mol Med 12: 122–129 Miyoshi K, Iwasa M, Kawai H, Sasaki N, Kusaka K, Yagita M, Hiasa M, Tada Y (1977) [Autosomal recessive distal muscular dystrophy – a new type of distal muscular dystrophy observed characteristically in Japan]. Nippon Rinsho 35: 3922–3928 Miyoshi K, Kawai H, Iwasa M, Kusaka K, Nishino H (1986) Autosomal recessive distal muscular dystrophy as a new type of progressive muscular dystrophy. Seventeen cases in eight families including an autopsied case. Brain 109: 31–54 Mizusawa H, Kurisaki H, Takatsu M, Inoue K, Mannen T, Toyokura Y, Nakanishi T (1987) Rimmed vacuolar distal myopathy: a clinical, electrophysiological, histopathological and computed tomographic study of seven cases. J Neurol 234: 129–136 Mokri B, Engel AG (1975) Duchenne dystrophy: electron microscopic findings pointing to a basic or early abnormality in the plasma membrane of the muscle fiber. Neurology 25: 1111–1120 Moreira ES, Wiltshire TJ, Faulkner G et al. (2000) Limbgirdle muscular dystrophy type 2G is caused by mutations in the gene encoding the sarcomeric protein telethonin. Nat Genet 24: 163–166 Muchir A, Bonne G, van der Kooi AJ, van Meegen M, Baas F, Bolhuis PA, de Visser M, Schwartz K (2000) Identifica-
715
109.
110.
111.
112.
113.
114.
115.
116.
117.
118.
119.
120.
121.
122.
123.
tion of mutations in the gene encoding lamins A/C in autosomal dominant limb girdle muscular dystrophy with atrioventricular conduction disturbances (LGMD1B). Hum Mol Genet 9: 1453–1459 Muntoni F, Bonne G, Goldfarb LG et al. (2006) Disease severity in dominant Emery Dreifuss is increased by mutations in both emerin and desmin proteins. Brain 129: 1260–1268 Muntoni F, Brockington M, Godfrey C et al. (2007) Muscular dystrophies due to defective glycosylation of dystroglycan. Acta Myol 26: 129–135 Muntoni F, Brockington M, Torelli S, Brown SC (2004) Defective glycosylation in congenital muscular dystrophies. Curr Opin Neurol 17: 205–209 Nicholson LV, Johnson MA, Bushby KM, Gardner-Medwin D (1993) Functional significance of dystrophin positive fibres in Duchenne muscular dystrophy. Arch Dis Child 68: 632–636 Nicholson LV, Johnson MA, Gardner-Medwin D, Bhattacharya S, Harris JB (1990) Heterogeneity of dystrophin expression in patients with Duchenne and Becker muscular dystrophy. Acta Neuropathol 80: 239–250 Nigro G, Comi LI, Politano L, Nigro G (2004) Cardiomyopathies associated with muscular dystrophies. In: Engel AG, Franzini-Armstrong C (eds) Myology. McGraw-Hill, New York, pp 1239–1255 Nigro V, de Sa Moreira E, Piluso G et al. (1996) Autosomal recessive limb-girdle muscular dystrophy, LGMD2F, is caused by a mutation in the delta-sarcoglycan gene. Nat Genet 14: 195–198 Nonaka I, Noguchi S, Nishino I (2005) Distal myopathy with rimmed vacuoles and hereditary inclusion body myopathy. Curr Neurol Neurosci Rep 5: 61–65 Ognibene A, Sabatelli P, Petrini S et al. (1999) Nuclear changes in a case of X-linked Emery-Dreifuss muscular dystrophy. Muscle Nerve 22: 864–869 Ohkuma A, Nonaka I, Malicdan MC et al. (2008) Distal lipid storage myopathy due to PNPLA2 mutation. Neuromuscul Disord 18: 671–674 Olive M, Goldfarb LG, Shatunov A, Fischer D, Ferrer I (2005) Myotilinopathy: refining the clinical and myopathological phenotype. Brain 128: 2315–2326 Olive M, Shatunov A, Gonzalez L, Carmona O, Moreno D, Quereda LG, Martinez-Matos JA, Goldfarb LG, Ferrer I (2008) Transcription-terminating mutation in telethonin causing autosomal recessive muscular dystrophy type 2G in a European patient. Neuromuscul Disord 18: 929–933 Orrel RW, Griggs RC (1999) Muscular dystrophies: Overwiew of clinical and molecular approaches. In: Schapira AHV, Griggs RC (eds) Muscle diseases. ButterworthsHeinemann, Boston Oxford, pp 59–82 Orrell RW, Tawil R, Forrester J, Kissel JT, Mendell JR, Figlewicz DA (1999) Definitive molecular diagnosis of facioscapulohumeral dystrophy. Neurology 52: 1822–1826 Passos-Bueno MR, Moreira ES, Vainzof M, Marie SK, Zatz M (1996) Linkage analysis in autosomal recessive limb-
716
Kapitel 30
124.
125.
30 126.
127.
128.
129.
130.
131.
132.
133.
134.
135. 136.
137.
girdle muscular dystrophy (AR LGMD) maps a sixth form to 5q33-34 (LGMD2F) and indicates that there is at least one more subtype of AR LGMD. Hum Mol Genet 5: 815–820 Peat RA, Gecz J, Fallon JR et al. (2008) Exclusion of biglycan mutations in a cohort of patients with neuromuscular disorders. Neuromuscul Disord 18: 606–609 Rajab A, Straub V, McCann LJ et al. (2010) Fatal cardiac arrhythmia and long-QT syndrome in a new form of congenital generalized lipodystrophy with muscle rippling (CGL4) due to PTRF-CAVIN mutations. PLoS Genet 6: e1000874 Rapaport D, Passos-Bueno MR, Takata RI et al. (1992) A deletion including the brain promoter of the Duchenne muscular dystrophy gene is not associated with mental retardation. Neuromuscul Disord 2: 117–120 Reilich P, Schramm N, Schoser B et al. (2010) Facioscapulohumeral muscular dystrophy presenting with unusual phenotypes and atypical morphological features of vacuolar myopathy. J Neurol 257: 1108–1118 Sabatelli P, Lattanzi G, Ognibene A et al. (2001) Nuclear alterations in autosomal-dominant Emery-Dreifuss muscular dystrophy. Muscle Nerve 24: 826–829 Saenz A, Leturcq F, Cobo AM et al. (2005) LGMD2A: genotype-phenotype correlations based on a large mutational survey on the calpain 3 gene. Brain 128: 732–742 Saito A, Higuchi I, Nakagawa M et al. (2000) An overexpression of fibroblast growth factor (FGF) and FGF receptor 4 in a severe clinical phenotype of facioscapulohumeral muscular dystrophy. Muscle Nerve 23: 490–497 Saito Y, Murayama S, Kawai M, Nakano I (1999) Breached cerebral glia limitans-basal lamina complex in Fukuyamatype congenital muscular dystrophy. Acta Neuropathol 98: 330–336 Saviranta P, Lindlof M, Lehesjoki AE, Kalimo H, Lang H, Sonninen V, Savontaus ML, de la Chapelle A (1988) Linkage studies in a new X-linked myopathy, suggesting exclusion of DMD locus and tentative assignment to distal Xq. Am J Hum Genet 42: 84–88 Schoser B, Goebel HH, Janisch I, Quasthoff S, Rother J, Bergmann M, Muller-Felber W, Windpassinger C (2009) Consequences of mutations within the C terminus of the FHL1 gene. Neurology 73: 543–551 Schoser BG, Frosk P, Engel AG, Klutzny U, Lochmuller H, Wrogemann K (2005) Commonality of TRIM32 mutation in causing sarcotubular myopathy and LGMD2H. Ann Neurol 57: 591–595 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Klossok T, Weis J (2011) Unequal crossing over in oculopharyngeal muscular dystrophy: Correlation to fine structure and mRNA expression levels of PABPN1. Clin Neuropathol 30: 94–103 Schröder JM, Krabbe B, Weis J (1995) Oculopharyngeal muscular dystrophy: clinical and morphological followup study reveals mitochondrial alterations and unique nu-
Muskeldystrophien
138.
139. 140.
141. 142.
143.
144.
145.
146.
147.
148.
149.
150.
151.
clear inclusions in a severe autosomal recessive type. Neuropathol Appl Neurobiol 21: 68–73 Schroder R, Warlo I, Herrmann H et al. (1999) Immunogold EM reveals a close association of plectin and the desmin cytoskeleton in human skeletal muscle. Eur J Cell Biol 78: 288–295 Selcen D, Engel AG (2004) Mutations in myotilin cause myofibrillar myopathy. Neurology 62: 1363–1371 Senderek J, Garvey SM, Krieger M et al. (2009) Autosomal-dominant distal myopathy associated with a recurrent missense mutation in the gene encoding the nuclear matrix protein, matrin 3. Am J Hum Genet 84: 511–518 Sewry CA (2010) Muscular dystrophies: an update on pathology and diagnosis. Acta Neuropathol 120: 343–358 Sewry CA, Brown SC, Mercuri E, Bonne G, Feng L, Camici G, Morris GE, Muntoni F (2001) Skeletal muscle pathology in autosomal dominant Emery-Dreifuss muscular dystrophy with lamin A/C mutations. Neuropathol Appl Neurobiol 27: 281–290 Sewry CA, Philpot J, Sorokin LM et al. (1996) Diagnosis of merosin (laminin-2) deficient congenital muscular dystrophy by skin biopsy. Lancet 347: 582–584 Shorer Z, Philpot J, Muntoni F, Sewry C, Dubowitz V (1995) Demyelinating peripheral neuropathy in merosindeficient congenital muscular dystrophy. J Child Neurol 10: 472–475 Snider L, Asawachaicharn A, Tyler AE et al. (2009) RNA transcripts, miRNA-sized fragments, and proteins produced from D4Z4 units: new candidates for the pathophysiology of facioscapulohumeral dystrophy. Hum Mol Genet 19: 2414–2430 Squarzoni S, Sabatelli P, Ognibene A et al. (1998) Immunocytochemical detection of emerin within the nuclear matrix. Neuromuscul Disord 8: 338–344 Sunohara N, Nonaka I, Kamei N, Satoyoshi E (1989) Distal myopathy with rimmed vacuole formation. A followup study. Brain 112: 65–83 Thomas PK, Schott GD, Morgan-Hughes JA (1975) Adult onset scapuloperoneal myopathy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 38: 1008–1015 Thornell LE, Edstrom L, Billeter R, Butler-Browne GS, Kjorell U, Whalen RG (1984) Muscle fibre type composition in distal myopathy (Welander). An analysis with enzyme- and immuno-histochemical, gel-electrophoretic and ultrastructural techniques. J Neurol Sci 65: 269– 292 Thornell LE, Edstrom L, Eriksson A, Henriksson KG, Angqvist KA (1980) The distribution of intermediate filament protein (skeletin) in normal and diseased human skeletal muscle--an immunohistochemical and electronmicroscopic study. J Neurol Sci 47: 153–170 Todorova A, Todorov T, Georgieva B, Lukova M, Guergueltcheva V, Kremensky I, Mitev V (2008) MLPA analysis/ complete sequencing of the DMD gene in a group of Bulgarian Duchenne/Becker muscular dystrophy patients. Neuromuscul Disord 18: 667–670
Literatur
152. Tome FM, Evangelista T, Leclerc A et al. (1994) Congenital muscular dystrophy with merosin deficiency. C R Acad Sci III 317: 351–357 153. Tomé FM, Fardeau M (1980) Nuclear inclusions in oculopharyngeal dystrophy. Acta Neuropathol 49: 85–87 154. Udd B, Haravuori H, Kalimo H et al. (1998) Tibial muscular dystrophy – from clinical description to linkage on chromosome 2q31. Neuromuscul Disord 8: 327–332 155. Udd B, Partanen J, Halonen P et al. (1993) Tibial muscular dystrophy. Late adult-onset distal myopathy in 66 Finnish patients. Arch Neurol 50: 604–608 156. Udd B, Vihola A, Sarparanta J, Richard I, Hackman P (2005) Titinopathies and extension of the M-line mutation phenotype beyond distal myopathy and LGMD2J. Neurology 64: 636–642 157. Vainzof M, Passos-Bueno MR, Canovas M et al. (1996) The sarcoglycan complex in the six autosomal recessive limb-girdle muscular dystrophies. Hum Mol Genet 5: 1963–1969 158. Vainzof M, Passos-Bueno MR, Pavanello RC, Marie SK, Oliveira AS, Zatz M (1999) Sarcoglycanopathies are responsible for 68% of severe autosomal recessive limbgirdle muscular dystrophy in the Brazilian population [In Process Citation]. J Neurol Sci 164: 44–49 159. Vainzof M, Richard P, Herrmann R et al. (2005) Prenatal diagnosis in laminin alpha2 chain (merosin)-deficient congenital muscular dystrophy: a collective experience of five international centers. Neuromuscul Disord 15: 588–594 160. Vajsar J, Baskin B, Swoboda K, Biggar DW, Schachter H, Ray PN (2008) Walker-Warburg Syndrome with POMT1 mutations can be associated with cleft lip and cleft palate. Neuromuscul Disord 18: 675–677 161. Van den Bergh PY, Bouquiaux O, Verellen C, Marchand S, Richard I, Hackman P, Udd B (2003) Tibial muscular dystrophy in a Belgian family. Ann Neurol 54: 248–251 162. van der Sluijs BM, ter Laak HJ, Scheffer H, van der Maarel SM, van Engelen BG (2004) Autosomal recessive oculopharyngodistal myopathy: a distinct phenotypical, histological, and genetic entity. J Neurol Neurosurg Psychiatry 75: 1499–1501 163. Victor M, Hayes R, Adams RD (1962) Oculopharyngeal muscular dystrophy. New Engl J Med 267: 1267–1272 164. Vielhaber S, Jakubiczka S, Schroder JM et al. (2002) Facioscapulohumeral muscular dystrophy with EcoRI/BlnI fragment size of more than 32 kb. Muscle Nerve 25: 540–548 165. Voermans NC, Bonnemann CG, Huijing PA et al. (2008) Clinical and molecular overlap between myopathies and inherited connective tissue diseases. Neuromuscul Disord 18: 843–856 166. Voermans NC, Guillard M, Doedee R et al. (2010) Clinical features, lectin staining, and a novel GNE frameshift mutation in hereditary inclusion body myopathy. Clin Neuropathol 29: 71–77 167. Voit T, Fardeau M, Tome FM (1994) Prenatal detection of merosin expression in human placenta. Neuropediatrics 25: 332–333
717
168. Voit T, Kutz P, Leube B et al. (2001) Autosomal dominant distal myopathy: further evidence of a chromosome 14 locus. Neuromuscul Disord 11: 11–19 169. Wahbi K, Meune C, Hamouda el H, Stojkovic T, Laforet P, Becane HM, Eymard B, Duboc D (2008) Cardiac assessment of limb-girdle muscular dystrophy 2I patients: an echography, Holter ECG and magnetic resonance imaging study. Neuromuscul Disord 18: 650–655 170. Walton JN, Nattrass FJ (1954) On the classification, natural history and treatment of the myopathies. Brain 77: 169–231 171. Wang JF, Forst J, Schröder S, Schröder JM (1999) Correlation of muscle fiber type measurements with clinical and molecular genetic data in Duchenne muscular dystrophy. Neuromusc Disord 9: 150–158 172. Weihl CC, Temiz P, Miller SE, Watts G, Smith C, Forman M, Hanson PI, Kimonis V, Pestronk A (2008) TDP-43 accumulation in inclusion body myopathy muscle suggests a common pathogenic mechanism with frontotemporal dementia. J Neurol Neurosurg Psychiatry 79: 1186–1189 173. Weiler T, Greenberg CR, Zelinski T et al. (1998) A gene for autosomal recessive limb-girdle muscular dystrophy in Manitoba Hutterites maps to chromosome region 9q31q33: evidence for another limb-girdle muscular dystrophy locus. Am J Hum Genet 63: 140–147 174. Welander L (1951) Myopathia distalis tarda herediatria, 249 examined cases in 72 pedigrees. Acta Med Scand 141: (Suppl) 265 175. Wilson KL (2000) The nuclear envelope, muscular dystrophy and gene expression. Trends Cell Biol 10: 125–129 176. Windpassinger C, Schoser B, Straub V et al. (2008) An Xlinked myopathy with postural muscle atrophy and generalized hypertrophy, termed XMPMA, is caused by mutations in FHL1. Am J Hum Genet 82: 88–99 177. Worman HJ, Bonne G (2007) „Laminopathies“: a wide spectrum of human diseases. Exp Cell Res 313: 2121– 2133 178. Wu RS, Gupta S, Brown RN et al. (2009) Clinical outcomes after cardiac transplantation in muscular dystrophy patients. J Heart Lung Transplant 29: 432–438 179. Xie YG, Rochefort D, Brais B et al. (1998) Restriction map of a YAC and cosmid contig encompassing the oculopharyngeal muscular dystrophy candidate region on chromosome 14q11.2-q13. Genomics 52: 201–204 180. Yamanouchi Y, Arikawa E, Arahata K, Ozawa E, Nonaka I (1995) Limb-girdle muscular dystrophy: clinical and pathologic reevaluation. J Neurol Sci 129: 15–20 181. Yates JR, Bagshaw J, Aksmanovic VM et al. (1999) Genotype-phenotype analysis in X-linked Emery-Dreifuss muscular dystrophy and identification of a missense mutation associated with a milder phenotype [In Process Citation]. Neuromuscul Disord 9: 159–165 182. Yis U, Dirik E, Chambaz C, Steinmann B, Giunta C (2008) Differential diagnosis of muscular hypotonia in infants: the kyphoscoliotic type of Ehlers-Danlos syndrome (EDS VI). Neuromuscul Disord 18: 210–214
718
30
Kapitel 30
183. Zatz M, Matsumura K, Vainzof M, Passos-Bueno MR, Pavanello RC, Marie SK, Campbell KP (1994) Assessment of the 50-kDa dystrophin-associated glycoprotein in Brazilian patients with severe childhood autosomal recessive muscular dystrophy. J Neurol Sci 123: 122–128 184. Zhang Q, Bethmann C, Worth NF et al. (2007) Nesprin-1 and -2 are involved in the pathogenesis of Emery Dreifuss muscular dystrophy and are critical for nuclear envelope integrity. Hum Mol Genet 16: 2816–2833 185. Züchner S, Noureddine M, Kennerson M et al. (2005) Mutations in the pleckstrin homology domain of dynamin 2 cause dominant intermediate Charcot-Marie-Tooth disease. Nat Genet 37: 289–294
Muskeldystrophien
Kapitel 31
Kongenitale Myopathien
31
J.M. Schröder Inhalt Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien . .
723
Myotubuläre Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . .
723
Hereditäre Einschlusskörpermyopathien (hIBM) . .
724
Marinesco-Sjögren-Syndrom (MSS; Nukleodegenerative Myopathie) . . . . . . . .
724
Myopathie mit selektiver Auflösung der Myosinfilamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
733
Neuromuskuläre Krankheit mit trilaminären Muskelfasern . . . . . . . . . . . . .
733
Myopathie mit fetalen Muskelfasern . . . . . . . . . .
733
Kongenitale Fasertypendisproportion . . . . . . . . . . .
733
Ferritinopathie („Granuläre Kerneinschlusskörperkrankheit“) . . . .
728
Mitochondriale Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . .
734
Myofibrilläre Myopathien und Zytoskelettmyopathien .
728
Myopathien mit tubulären Aggregaten . . . . . . . . . .
734
Central-core-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . .
728
Myopathien mit weiteren, besonderen feinstrukturellen Veränderungen . . . . . . . . . . . . .
735
Multicore-(Minicore-)Krankheit . . . . . . . . . . . .
728 Fingerabdruckkörpermyopathie . . . . . . . . . . . .
735
Nemalinmyopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
729 Sarkotubuläre Myopathie . . . . . . . . . . . . . . . .
735
Zebrakörpermyopathie . . . . . . . . . . . . . . . . .
736
Reduktionskörpermyopathie . . . . . . . . . . . . . .
736
Myopathie mit zylindrischen Spiralen . . . . . . . . .
736
Hypertrophia musculorum vera . . . . . . . . . . . .
736
Kongenitale Myopathien mit fataler Kardiomyopathie . .
736
Myopathie mit minimalen Veränderungen („minimal change myopathy“) . . . . . . . . . . . . . . .
736
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
737
Myopathie mit exzessiver Anhäufung von Aktinfilamenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
729
Myofibrilläre Myopathien (Zytoskelettmyopathien) mit Sphäroidkörpern und anderen Proteinaggregationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
730
Neuromyopathie mit myofibrillären Zytoplasmakörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
732
Myosinspeicherungsmyopathie (Myopathie mit „hyalinen“ Körpern) . . . . . . . . . Myopathie mit subsarkolemmal-segmentaler Myofibrillolyse („Kappenmyopathie“) . . . . . . . . .
732
733
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_31, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
720
31
Kapitel 31
Die kongenitalen Myopathien sind eine heterogene Gruppe neuromuskulärer Krankheiten, die auf der Grundlage der überwiegenden pathologischen Veränderungen in der Muskelbiopsie (z. B. Kernstellungsanomalien, Nemalin-Stäbchen, Cores u. a.) in verschiedene Untergruppen unterteilt werden [96]. Sie sind in der Regel wenig progressiv, doch gibt es Ausnahmen mit eindeutiger und manchmal relativ rascher Progredienz. Mit der Entwicklung elektronenmikroskopischer, enzym- sowie immunhistochemischer und schließlich molekulargenetischer Methoden in der Diagnostik der Muskelkrankheiten ist es gelungen, aus dem Sammeltopf unspezifischer klinischer Diagnosen wie „Amyotonia congenita“, „Myatonie“ (Oppenheim), „Myosklerose“, „Arthrogryposis multiplex congenita“, „kongenitale Muskeldystrophie“, „kongenitale Myopathie“, „universale Muskelhypoplasie“, „benigne kongenitale Hypotonie“, „floppy infant“ etc. eine Vielzahl – in der Tabelle 31.1 sind es 25 – mehr oder weniger klar definierte kongenitale Myopathien mit spezifischen oder charakteristischen strukturellen Veränderungen im Muskel abzugrenzen und definierten Genorten (Loci) oder schließlich Mutationen bestimmter Gene zuzuordnen. Es ist wahrscheinlich zweckmäßig, den Begriff „kongenitale Myopathien“ für die Gruppe als Ganzes aufrechtzuerhalten, obwohl nicht alle Fälle bereits Symptome zum Zeitpunkt der Geburt aufweisen und viele wesentlich später klinisch manifest erkranken. Wegen des angeblichen Fehlens struktureller Veränderungen im zentralen oder peripheren Nervensystem, werden diese Erkrankungen als Myopathien betrachtet, doch gibt es Hinweise darauf, dass einige strukturelle Veränderungen im Muskel das Ergebnis eines neuralen Pathomechanismus und nicht oder nicht ausschließlich einer primären Muskelkrankheit darstellen (z. B. bei der Fasertypendisproportion). Bestimmte Gene verursachen entweder eine Myopathie oder eine periphere Neuropathie (z. B. das DNM2Gen), andere sowohl eine Muskeldystrophie als auch eine periphere Neuropathie (z. B. das LAMA2- und das MYH7-Gen; s. jeweils dort). Die Klassifikation und Abgrenzung „kongenitaler Myopathien“ von den in Kap. 30 dargestellten 24 verschiedenen „kongenitalen Muskeldystrophien“ ist wegen ihrer Heterogenität problematisch. In Tabelle 31.1 wird mehrfach auf allelische Überschneidungen verschiedener klinischer Krankheitsbilder hingewiesen (z. B. bei den durch Mutationen des Titin- oder des Selenoprotein-N1Gens verursachten Krankheitsbildern). Genetik. Bei nukleärer Vererbung kommen nach Mendelschen Regeln autosomal-dominante und autosomal-rezessive Erbgänge vor, bei der myotubulären Myopathie auch ein X-chromosomal-rezessiver Erbgang. Dem steht bei primär mitochondrial vererbten Krankheiten ein maternaler Erbgang gegenüber, wobei nukleär vererbte mitochondriale Krankheiten wiederum nach Mendelschen Regeln vererbt werden. Die mitochondrialen Krankheiten
Kongenitale Myopathien
werden jedoch nicht mehr wie früher den kongenitalen Myopathien zugeordnet, sondern bilden eine eigene Gruppe (s. Kap. 33).
Bei gleichem Genotyp, sogar bei identischer Mutation, kann es stark unterschiedliche klinische Phänotypen geben (z. B. bei der mitochondrial vererbten typischen MELAS-Mutation), andererseits können klinisch gleichartige Krankheitsbilder auf unterschiedliche Gene zurückgeführt werden (z. B. bei der Nemalinmyopathie).
In der Regel führt ein und dieselbe Mutation bei heterozygotem Erbgang zu einer leichteren Erkrankung als bei homozygotem Erbgang (z. B. bei der Caveolinopathie), was auch für die Myopathien des Jugend- und Erwachsenenalters und viele andere Krankheiten gilt. Spontane (de novo) Mutationen und „gene silencing“ (epigenetische Genstilllegung) sind ebenfalls möglich. Klinik. Klinisch lassen sich die verschiedenen kongenitalen Myopathien vielfach nicht unterscheiden, da sie sich alle in einer ähnlichen, unspezifischen Weise manifestieren. Die Krankheit kann als hypotones Syndrom zum Zeitpunkt der Geburt oder in der frühen Kindheit oder später in Form einer Muskelschwäche auftreten. Bei einigen Kindern betrifft die Schwäche überwiegend die proximale Muskulatur und den Gliedergürtel, bei anderen ist die Schwäche mehr generalisiert und betrifft auch die Gesichtsmuskulatur. Bei einigen, wie den mitochondrialen Myopathien und der myotubulären Myopathie, sind die Augenmuskeln häufig mitbetroffen. Andere Myopathien, wie die Nemalin-Myopathie, zeigen häufig, wenn auch nicht regelmäßig, dysmorphe Aspekte als Begleitsymptom, z. B. Skelettdeformitäten wie längliches Gesicht, hoher Gaumen, kongenitale Hüftluxation, Skoliose und Wirbelsäulenversteifung („rigid spine“). Die Serumenzyme sind häufig normal, insbesondere die CK, was bei der geringen Progredienz auch nicht anders zu erwarten ist.
Der empfohlene Weg zur richtigen Diagnose ist die Muskelbiopsie, wobei jedoch häufig eine ausführliche Untersuchung mit histochemischen und oft auch elektronenmikroskopischen Methoden erforderlich ist, da die Veränderungen in routinemäßig hergestellten histologischen Präparaten nach Paraffineinbettung und HE-Färbung leicht übersehen werden. Eine molekulargenetische Analyse sollte erst in einem zweiten Schritt gezielt erfolgen, da die Zahl der in Frage kommenden Gene sonst in der Regel zu groß und die Untersuchungen gegenwärtig noch zu aufwendig erscheinen.
Kongenitale Myopathien
721
Tabelle 31.1 Kongenitale Myopathien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
3.1
Nemalinmyopathie (NEM1)
AD
1q21-q23
TPM3 (D-Tropomyosin 3)
191030 609284
Laing et al. (1992, 1995b) Tan et al. (1999) Wattanasirichagoon et al. (2002)
3.2
NEM2
AR
2q22
NEB (Nebulin)
161650 256030
Wallgren-Petterson et al. (1995, 2002) Pelin et al. (1999) Lehrokari et al. (2006)
3.3
NEM3, allelisch zu CFTD
AD
1q42.1
ACTA1 (Aktin, α1, Skelettmuskel)
102610 161800
Nowak et al. (1999)
3.4
NEM4
AD
9p13
TPM2 (Tropomyosin 2(β))
190990 609285
Donner et al. (2002)
3.5
NEM5
AR
19q13
TNNT1 (Troponin T1, Skelettmuskel, langsam)
191041 605355
Johnston et al. (2000)
3.6
NEM6
AD
15q
?
609273
Omans et al. (2003)
3.7
NEM7
AR
14q12
CFL2 (Cofilin 2)
610687
Agrawal et al. (2007)
3.8
Kongenitale Fasertypendisproportion (CFTD), allelisch zu NEM3
AD
1q42.1
ACTA1 (Aktin, α1, Skelettmuskel)
102610 255310
Clarke et al. (2003) Laing et al. (2004)
3.9
CFTD, allelisch zu RSMD1, Multiminicore-Krankheit, Desmin-abhängige Myopathie mit Mallory-Körpern
AR
1p36
SEPN1 (Selenoprotein N1)
255310 606210
Clarke et al. (2006)
3.10
CFTD
AR
1q21.2
TMP3 (Tropomyosin 3)
191030 255310
Clarke et al. (2008)
3.11
Myotubuläre Myopathie (MTM1)
XR
Xq28
MTM1 (Myotubularin 1)
300415 310400
Thomas et al. (1987) Laporte et al. (1996, 1997, 2000)
3.12
Zentronukleäre Myopathie (CNM); allelisch zu CMT?
AD
19p13.2
DNM2 (Dynamin 2)
602378
Bitoun et al. (2005)
3.13
CNM
AR
3p25.3
MTMR14 (Myotubularinrelated protein 14, hJumpy)
611089
Tosch et al. (2006)
3.14
CNM, rezessiv
AR
2q14
BIN1 (Amphiphysin)
601248
Nicot et al. (2007)
3.15
Central-core-Krankheit (CCD), allelisch zu CCD, MinicoreMyopathie mit externer Ophthalmoplegie und MHS1
AD
19q13.1
RYR1 (RyanodinRezeptor)
117000 180901
Kausch et al. (1991) Zhang et al. (1993) Quane et al. (1993) Robinson et al. (2002)
6
722
Kapitel 31
Kongenitale Myopathien
Tabelle 31.1 Fortsetzung
31
Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
3.16
CCD, rezessiv
AR
19q13.1
RYR1 (RyanodinRezeptor)
180901
Ferreiro et al. (2002a) Jungbluth et al. (2002)
3.17
Multiminicore-Krankheit mit externer Ophthalmoplegie
AR
19q13.1
RYR1 (RyanodinRezeptor)
180901 255320
Monnier et al. (2003) Jungbluth et al (2005)
3.18
Multiminicore-Krankheit, klassisch, allelisch zu RSMD1, Desmin-abhängige Myopathie mit Mallory-Körpern
AR
1p36
SEPN1 (Selenoprotein N1)
255320 606210
Ferreiro et al. (2002b, 2004)
3.19
Hyaline Körpermyopathie
AR
3p22.2p21.32
?
255160
Onengut et al. (2004)
3.20
Hyaline Körpermyopathie (Myosinspeichermyopathie), allelisch zu MPD1, CMH1, CMD1S
AD
14q12
MYH7 (Myosin, „heavy chain 7“, Herzmuskel, β)
160760 608358
Tajsharghi et al. (2003) Bohlega et al. (2004) Laing et al. (2005)
3.21
Myosinspeichermyopathie mit Kardiomyopathie, rezessiv; allelisch zu MPD1, CMH1
AR
14q12
MYH7 (Myosin, „heavy chain 7“, Herzmuskel, β)
160780
Tajsharghi et al. (2007a)
3.22
„Cap disease“, allelisch zu NEM4, distale Arthrogrypose 1 und 2B
AD
9q13
TPM2 (Tropomyosin 2, β)
190990
Tajsharghi et al. (2007b) Lethokari et al. (2007)
3.23
Kongenitale neuromuskuläre Krankheit mit uniformen Typ1-Fasern (CNMDU1), allelisch zur CDD, MultiminicoreKrankheit, MHS1
AD
9q31.1
RYR1 (RyanodinRezeptor 1)
180901
Sato et al. (2007)
3.24
Kongenitale Myopathie mit fataler Kardiomyopathie, allelisch zu LGMD2J
AR
2q31
TTN (Titin)
188840
Carmignac et al. (2007)
3.25
Kongenitale Skelettmuskelkrankheit mit fataler Kardiomyopathie, allelisch zu CMH4
AR
11p11.2
MYBPC3 (kardiales Myosin-bindendes Protein C)
600958
Tajshargi et al. (2008)
3.26
Kongenitale letale Myopathie
AR
12q11q12
CNTN1 (Contactin-1)
600016
Compton et al. (2008)
3.27
Sarkotubuläre Myopathie, allelisch zu LGMD2H
AR
9q31
TRIM32 (Tripartite motif containing 32; UbiquitinLigase)
602290
Schoser et al. (2005)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 77–78. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien
Differentialdiagnose. Abzugrenzen sind diese Erkrankungen von den sog. kongenitalen Muskeldystrophien, Glykogenosen und Lipidspeicherungskrankheiten, spinalen Muskelatrophien und peripheren Neuropathien sowie perinatalen Hirnschäden und anderen Syndromen mit früher Hypotonie wie Down-Syndrom, peroxisomalen Krankheiten wie dem okulozerebrorenalen und zerebrohepatorenalen Syndrom und den perinatalen Rückenmarksverletzungen. Die kongenitalen Myopathien sind keineswegs alle selten. Insbesondere die Mitochondriopathien (s. Kap. 33) werden in zunehmender Häufigkeit diagnostiziert, zumal es zwischen noch „normalen“, vermutlich altersbedingten strukturellen Anomalien der Mitochondrien und schweren kongenitalen mitochondrialen Myopathien alle Übergänge gibt. Die Kenntnis der Central-core-Krankheit ist wegen der gelegentlichen Verbindung mit einer malignen Hyperthermie [38] von besonderer praktischer Bedeutung, da die Patienten nach Applikation volatiler Anästhetika am „postoperativen Hitzschlag“ sterben können (s. Kap. 32).
Myopathien mit Kernoder Kernstellungsanomalien Myopathien aufgrund von Mutationen der Gene von Kernwandproteinen (Emerin, MAN1, Lamin A/C und Lamin-B-Rezeptor) wie z. B. bei der X-chromosomal erblichen Muskeldystrophie vom Typ Emery-Dreifuss (s. Kap. 30) werden als „nuclear envelopathies“ denen durch Mutationen im LMNA-Gen als „laminopathies“ gegenübergestellt [135]; sie werden in anderen Kapiteln behandelt. Zu einer weiteren Gruppe von Myopathien gehören hier die myotubulären oder zentronukleären Myopathien, die durch zentralständige Muskelfaserkerne charakterisiert sind. Die Bezeichnung „myotubuläre“ Myopathie beruht auf der irrigen Annahme, dass die Muskelfasern während der Entwicklung im Stadium der Myotuben stehen bleiben, obwohl das Dickenwachstum der Muskelfasern fortschreitet. Ausgeprägte qualitative Kernveränderungen treten manchmal bei der Marinesco-Sjögren-Krankheit auf (s. unten) sowie bei der sporadischen (nichthereditären also auch nichtkongenitalen) Einschlusskörpermyositis (sIBM) und der dominant oder rezessiv erblichen Einschlusskörpermyopathie (hIBM) (s. unten) sowie bei der okulopharyngealen Muskeldystrophie. Granuläre Kerneinschlüsse in perivaskulären Kernen kommen bei der Neuroferritinopathie vor, filamentöse Kerneinschlüsse in Zellen des ZNS bei der neuronalen intranukleären hyalinen Einschlusskrankheit (s. unten).
723
Myotubuläre Myopathien Zu unterscheiden sind autosomal-dominante, autosomal-rezessive und X-chromosomal-rezessive Formen der myotubulären Myopathie; sie sind häufiger als sporadische adulte Formen [92]. Die erblichen und sporadischen Formen haben klinische und strukturelle Gemeinsamkeiten. Die autosomal-dominante zentronukleäre Myopathie (CNM) beruht auf Mutationen im Dynamin 2-(DNM2-) Gen [10, 11]. Bemerkenswert ist in schweren Fällen eine Kombination mit Ptosis, externer Ophthalmoplegie und bilateralen Katarakten [75], wobei sich die Krankheit bereits kongenital manifestieren kann [89]. Sie ist allelisch zu einer dominant erblichen hereditären intermediären Form einer peripheren sensomotorischen Neuropathie (ID-CMT), die allerdings eher auf Mutationen in einem anderen Genbereich zurückzuführen ist, nämlich auf solche im Pleckstrin-homologen Abschnitt des DNM2-Gens (s. dort) [163]. Doch gibt es Überlappungen beider Formen [140]. Intramuskuläre Nervenfaszikel bei der myopathischen Variante wiesen disproportioniert dünne Markscheiden, Ausfälle an marklosen Axonen und Basallaminaveränderungen der Schwann-Zellen auf [73]. Die autosomal-rezessive zentronukleäre Myopathie wird durch Mutationen im Amphiphysin-Gen (BIN1) verursacht [95]. Hier sei angemerkt, dass Antikörper gegen Amphiphysin eine Neuromyotonie (Stiff-PersonSyndrom) auslösen können [136] (s. dort). Die X-chromosomale zentronukleäre Myopathie konnte auf Mutationen im Myotubularin-Gen (MTM1) zurückgeführt werden [12, 79, 80]. Die Jungen sind bereits zum Zeitpunkt der Geburt hypoton und ateminsuffizient, wobei sich ein Chylothorax entwickeln kann [134]. Allerdings sind solche Mutationen auch bei atypischen Fällen einer XLMTM nachgewiesen worden, also außer bei neugeborenen Jungen auch bei jungen Mädchen, manifestierenden Überträgerinnen und erwachsenen Männern. Ob es sich dabei um die ebenfalls X-chromosomale sog. myotubuläre Myopathie mit Typ-1-Faserhypotrophie handelt, bleibt zu bestimmen. Bei dieser zentronukleären Myopathie sind, wie der Name sagt, ausschließlich die Typ-1-Fasern betroffen, die zusätzlich hypotrophisch bzw. atrophisch sind [7]. Die Prognose war bei einzelnen Fällen infaust, bei anderen aber günstig. Bei einzelnen Familien seien Beziehungen zur vorher beschriebenen Form der zentronukleären bzw. myotubulären Myopathie festgestellt worden. Morphologie. Diese „myotubulären“ Myopathien sind gekennzeichnet durch zentralständige Kerne (Abb. 30.3e, f), kleine Typ-1- oder Typ-2-Fasern, zahlenmäßige Prädominanz der Typ-1-Fasern und gelegentlich vollständiges Ausbleiben einer Differenzierung von Typ-2-Fasern. Auf Längsschnitten erscheinen die zentralen Kerne in einiger-
724
31
Kapitel 31
maßen regelmäßigen Abständen hintereinander aufgereiht. Die Myofibrillen sind bei der durch DNM2-Mutationen bedingten Form angedeutet radiär ausgerichtet, ähnlich den Speichen eines Rades. Die Zahl der zentralständigen Kerne kann relativ gering sein. Die Zytoarchitektur der Muskelfasern bleibt im Hinblick auf die intermediären Filamente Desmin und Vimentin auf dem Stadium 8– 15 Wochen alter fetaler Myotuben sowohl bei X-chromosomalen als auch bei sporadischen Fällen bestehen. Bei vier Fällen mit MTM1-Mutationen ließ sich als Besonderheit in 4–20% der Fasern eine Verlagerung von Kernen in einen halsbandartigen basophilen Ring („necklace“) an der Peripherie der Fasern nachweisen [9]. Dadurch ähneln diese Fasern den früher als „trilaminär“ beschriebenen Muskelfasern [108, 116] („Kokardenfasern“ [115]; s. unten). Solche Fasern waren bei MTM1Mutationen im Alter zwischen 13 und 43 Jahren, aber nicht bei Fällen mit klassischer, neonataler XLMTM oder zentronukleären Myopathien vorhanden, die auf Mutationen im DNM2- oder BIN1-Gen beruhten [28]. Die meisten Fasern mit zentralständigen Kernen finden sich bei BIN1-Mutationen, wobei sowohl die großen als auch die kleinen Fasern betroffen sind. Immunfluoreszenzmikroskopisch lassen sich Anomalien der BIN1-Lokalisation und der Triadenorganisation nachweisen, die allerdings bei allen drei Formen zentronukleärer Myopathie ähnlich sind, also bei der autosomal-rezessiv erblichen Form (aufgrund von Mutationen im Amphiphysin 2 bzw. BIN1-Gen; der autosomal-dominanten Form (aufgrund von Mutationen im Myotubularin bzw. MTM1-Gen) und der X-chromosomalen Form (aufgrund von Mutationen des Dynamin bzw. im DNM2Gen) [147]. Differentialdiagnose. Vereinzelt sind zentronukleäre Fasern bei RYR1- und TTN-Mutationen zu beobachten. Bei vermehrten zentralständigen Kernen und dominantem Erbgang ist auch an eine myotonische Dystrophie vom Typ 1 zu denken.
Hereditäre Einschlusskörpermyopathien (hIBM) Diese heterogene, dominant oder rezessiv erbliche Gruppe von Myopathien (familiäre oder „hereditary inclusion body myopathy“, hIBM) ist wie die sporadische, entzündliche Form der Einschlusskörpermyositis („inclusion body myositis“; s. dort) unter anderem durch tubulofilamentöse Kern- und Sarkoplasmaeinschlüsse gekennzeichnet, wobei die nur elektronenmikroskopisch nachweisbaren tubulofilamentösen Strukturen Durchmesser von 15–21 nm aufweisen. Doch fehlen bei der hIBM zumindest in der Regel entzündliche Zellinfiltrate, und die Krankheit tritt familiär auf [63] (vgl. auch distale Einschlusskörpermyopathien).
Kongenitale Myopathien
Sonst gleichen sich die klinischen und histopathologischen Befunde in vieler Hinsicht, wozu auch eine relativ milde Beteiligung der peripheren Nerven gehört [64]. Eine autosomal-rezessive Variante mit distal betonter Myopathie beruht wie die distale Myopathie mit „rimmed vacuoles“ (Nonaka) auf Mutationen im GNE-Gen (Tabelle 31.2) [137]. Eine andere Form der hIBM, die mit frontotemporaler Demenz (FTD) und einer Paget-Krankheit des Knochens verbunden ist, lässt sich auf Mutationen im „Valosin-containing-protein“-Gen (VCP) zurückführen [91, 138, 155]. Diese Proteinaggregate in Muskelbiopsien sind ubiquiniert und enthalten wie bei Fällen mit hIBM und sIBM (s. dort) und wie die Einschlüsse in zentralen Neuronen bei der FTD auch das TAR-DNA-bindende Protein-43 (TDP-43) [156]. Wenn die Pyramidenbahn beteiligt ist, ähnelt das Krankheitsbild einer ALS [35]. Eine autosomal-dominant erbliche Myopathie mit kongenitalen Kontrakturen, Ophthalmoplegie und autophagischen Vakuolen ist eine Sonderform der familiären Einschlusskörpermyopathie und als eigenständiges Krankheitsbild mit proximaler Muskelschwäche abgegrenzt worden [34]. Feinstrukturell sind reichlich autophagische Vakuolen („rimmed vacuoles“) und Filamente sowohl im Zytoplasma als auch in den Kernen mit teils helikaler, teils tubulärer Struktur nachweisbar. Der Durchmesser der Filamente beträgt wie bei der Einschlusskörpermyopathie 15–21 nm. Diese Krankheit wird auch unter den distalen Myopathien aufgeführt.
Marinesco-Sjögren-Syndrom (MSS; nukleodegenerative Myopathie) Dieses Syndrom ist heterogen und durch kongenitale Katarakte, zerebelläre Ataxie, Kleinwuchs und mentale Retardierung gekennzeichnet. Eine progrediente Myopathie und als Besonderheit rekurrierende Episoden einer akuten parainfektiösen Myopathie mit Myoglobinurie können dabei vorkommen [90]. Genetik. Dem autosomal-rezessiv erblichen MSS liegen Mutationen im SIL1-Gen zugrunde [6, 127]. SIL1 (auch BAP genannt) wirkt als Nukleotidaustauschfaktor für das Hsp70-Chaperon BiP, das ein Schlüsselregulator der Hauptfunktionen des endoplasmatischen Retikulums darstellt. Da das endoplasmatische bzw. sarkoplasmatische Retikulum mit dem perinukleären Raum zwischen äußerer und innerer Kernmembran zusammenhängt, ist evtl. zu verstehen, warum elektronenmikroskopisch die Kernmembranen bevorzugt und in offensichtlich einzigartiger Weise verändert sind. Epidemiologie. In Japan ist das MSS die dritthäufigste kongenitale Muskeldystrophie (3,3%) nach dem Fukuya-
Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien
725
Tabelle 31.2 Distale, myofibrilläre und andere Myopathien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
4.1
Distale rezessive Myopathie (Miyoshi) (MM), allelisch zu LGMD2B
AR
2p12-14
DYSF (Dysferlin)
254130 603099
Bejaoui et al. (1995) Bashir et al. (1998)
4.2
Tibiale Muskeldystrophie (TMD) (Udd), allelisch zu LGMD2J
AD
2q31
TTN (Titin)
188840 600334
Haravuori et al. (1998, 2001) Hackman et al. (2002)
4.3
Distale Myopathie mit „rimmed vacuoles“ (Nonaka) oder hereditäre Einschlusskörpermyopathie (IBM2 oder hIBM)
AR
9p1-q1
GNE (Glukosamin (UDPN-Acetyl)-2-Epimerase/N-Acetylmannosamin-Kinase)
603824 605820
Mitrani-Rosenbaum et al. (1996) Ikeuchi et al. (1997) Eisenberg et al. (2001)
4.4
Distale Myopathie (Laing, MPD1); allelisch zu Myosinspeichermyopathie, CMH1, CMD1S
AD
14q11.2
MYH7 (Myosin „heavy chain 7“, Herzmuskel beta)
160500 160760 164015
Laing et al. (1995) Mastaglgie et al. (2000) Meredith et al. (2004)
4.5
Stimmband- und pharyngeale distale Myopathie
AD
5q31
MATR3 (Matrin3)
606070
Feit et al. (1998) Senderek et al. (2009)
4.6
Adulte distale Myopathie
AD
8p22
?
610099
Haravuori et al. (2004)
4.7
Distale Myopathie, Typ Welander
AD
2p13
?
604454
Ahlberg et al. (1999)
4.8
Distale Myopathie mit Pes cavus und Areflexie (vakuoläre Myopahie)
AD
19p13
?
601846
Servidei et al. (1999)
4.9
Distale Myopathie mit Myotilindefekt; allelisch zu LGMD1A, MFM, Sphäroidkörpermyopathie
AD
5q31
MYOT (Myotilin)
604103
Penisson-Besnier et al. (1998, 2006)
4.10
Distale Myopathie mit Nebulindefekt, allelisch zu NEM2
AR
2q22
NEB (Nebulin)
161650
Wallgren-Pettersson et al. (2007)
4.11
Distale Myopahie mit Caveolindefekt, allelisch zu LGMD1C, HyperCKämie, RMD2, CMH
AD
3p25
CAV3 (Caveolin-3)
601253
Tateyama et al. (2002) Fulizio et al. (2005)
4.12
Spät auftretende distale Myopathie (Markesberry-Griggs), allelisch zu MFM
AD
10q22
LDB3 (ZASP) (LIM „domain binding-3“; „Z band alternatively spliced PDZ motif “)
605906
Griggs et al. (2007)
4.13
Dynamin-2-bedingte distale Myopathie, allelisch zu CNM und CMT1B
AD
19q13.2
DNM2 (Dynamin 2)
160150 602378
Fischer et al. (2006)
5. Andere Myopathien A) Myofibrilläre Myopathien 5.1
Myofibrilläre Myopathie (MFM), αB-Crystallin-bedingt
AD
11q22
CRYAB (αB-Crystallin)
123590 608810
Vicart et al. (1998) Selcen et al. (2003)
5.2
Myofibrilläre Myopathie, Desminbedingt
AD
2q35
DES (Desmin)
125660 601419
Goldfarb et al. (1998) Munoz-Marmol et al. (1998)
6
726
Kapitel 31
Kongenitale Myopathien
Tabelle 31.2 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
5.3
Desmin-bedingte Myopathie mit Mallory-Körpern, allelisch zu RSMD1, CFTD, MultiminicoreMyopathie
AD
1p36
SEPN1 (Selenoprotein N1)
602771
Ferreiro et al. (2004)
5.4
Myofibrilläre Myopathie (MFM), allelisch zu Markesberry-Griggs und CMD1C
AD
10q22
LDB3 = ZASP (LIM „domain binding-3; Z-band alternative spliced PDZ motif “)
605906 609452
Selcen u. Engel (2005)
5.5
Myofibrilläre Myopathie mit arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie (MFM/ARVC)
AD
10q22
?
–
Melberg et al. (1999)
5.6
Myofibrilläre Myopathie, Myotilinbedingt, allelisch zu LGMD1A, Sphäroidkörpermyopathie
AD
5q31
MYOT (= TTID) Myotilin (TitinImmunoglobulinDomäne-Protein)
604103 609200
Selcen u. Engel (2004)
5.7
Sphäroidkörpermyopathie, allelisch zu LGMD1A, MFM
AD
5q31
MYOT (= TTID) Myotilin (TitinImmunoglobulinDomäne-Protein)
182920 604103
Foroud et al. (2005)
5.8
Myofibrilläre Myopathie, FilamentC-bedingt
AD
7q32
FLNC (Filamin Cγ; Aktin-bindendes Protein 280)
102565 609524
Vorgerd et al. (2005)
5.9
Myofibrilläre Myopathie mit BAG3Defekt
AD
10q25q26
BAG3 (BCL2-assoziiertes Athanogen 3)
603883
Selcen et al. (2008)
31
B) Verschiedene Myopathien 5.10
Danon-Krankheit (GSD IIb)
XD
Xq24
LAMP2 (Lysosomal-assoziiertes Membranprotein 2)
300257 309060
Nishino et al. (2000) Musumeci et al. (2005)
5.11
Myopathie mit exzessiver Autophagie (MEAX; XMEA)
XR
Xq28
VMA21 (vakuoläres H+ATPase-Homolog; S. cerevisiae)
310440
Saviranta et al. (1988) Munteanu et al. (2008)
5.12
Okulopharyngeale Muskeldystrophie
AD
14q11.2q13
OPMD ( PABP2) (Poly(A)bindendes Protein 2)
164300 602279
Brais et al. (1995, 1998) Robinson et al. (2005)
5.13
Hereditäre Myopathie mit früher respiratorischer Insuffizienz (Edström-Myopathie), allelisch zu LGMD2J, kongenitale Myopathie mit fataler Kardiomyopathie; TMD, CMH9, CMD1G
AD
2q24-3
TTN (Titin)
188840 603689
Nicolao et al. (1999) Lange et al. (2005)
6
Myopathien mit Kern- oder Kernstellungsanomalien
727
Tabelle 31.2 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
5.14
Epidermolysis bullosa simplex in Verbindung mit spät einsetzender Muskeldystrophie (MD-EBS)
AR
8q24qter
PLEC1 (Plektin)
226670 601282
Gache et al. (1996) Smith et al. (1996) Wuyts et al. (1996)
5.15
Muskelhypertrophie
AR
2q32
MSTN (GDF8) (Myostatin; „growth differentiation factor 8“)
601788
Schuelke et al. (2004)
5.16
Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP)
AD
2q23q24
ACVR1 (Activin-A-Rezeptor, Typ 1)
102576 135100
Shore et al. (2006)
5.17
HyperCKämie, allelisch zu LGMD1C, RMD2, CMH
AD
3p25
CAV3 (Caveolin 3)
123320 601253
Carbone et al. (2000)
5.18
X-chromosomale Myopathie mit posturaler Muskelatrophie; allelisch zu Emery-Dreifuss-MD, X-chromosomal, Typ 2, Reduktionskörpermyopathie, XMPMA
XR
Xq26.3
FHL1 („four-and-a-half LIM domain 1“)
300695
Windpassinger et al. (2008)
5.19
Skapuloperoneale Myopathie
XD
Xq26.3
FHL1
300695
Quinzil et al. (2008)
5.20
Episodische Muskelschwäche
XR
Xp22.3
?
300221
Ryan et al. (1999)
5.21
Einschlusskörpermyopathie mit Paget-Krankheit der Knochen und frontotemporaler Demenz
AD
9p13p12
VCP („Valosin-containing protein“)
601023
Watts et al. (2004) Haubenberger et al. (2005)
5.22
Myopathie mit exzessiver Belastungsintoleranz
AR
12q24.1
ICSU („iron-sulfur cluster scaffold homolog“; E. coli)
611911
Mochel et al. (2008)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 78–79. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
ma-Typ (49,2%) und dem Kollagen-VI-Mangel (7,2%). In Europa sind bevorzugt Sinti und Roma betroffen. Morphologie. In einer beträchtlichen Zahl von Muskelfasern sind umschriebene Degenerationsherde mit („myelinähnlichen“) Phospholipidmembranausfällungen nachweisbar, in die häufig in einzigartiger Weise Sarkolemmkerne miteinbezogen sind: Die Lamina fibrosa der Kernwand erscheint dabei partiell separiert und verbreitert. Identische Veränderungen sind erstmalig bei einer kongenitalen, nichtprogressiven Multisystemkrankheit mit Myopathie, Kleinwuchs, Katarakt und Schwachsinn beschrieben worden, die seinerzeit nicht als MSS diagnostiziert worden war [116]; sie fanden sich später auch bei Fällen, die eindeutig dem Marinesco-Sjögren-Syndrom (MSS) zugeordnet werden konnten [62, 83, 127, 128, 141]. Andere Fälle, die allerdings molekulargenetisch nicht näher charakterisiert sind, wiesen in einzelnen feinstrukturell
untersuchten Muskelbiopsien bei einer größeren Familie nur geringfügige Phospholipidausfällungen in unmittelbarer Nachbarschaft von Muskelfaserkernen auf, ohne die typischen Kernveränderungen zu zeigen [162]. Differentialdiagnose. Ein Syndrom mit kongenitaler Katarakt, Gesichtsfehlbildungen, Ataxie und Neuropathie bietet ein ähnliches Krankheitsbild (auch als „congenital cataract facial dysmorphism neuropathy“, CCFDN, bezeichnet), das aber auf Mutationen im CTDP1-Gen auf Chromosom 18qter zurückzuführen ist. Es wird von Merlini [90] als „MSS 1“ bezeichnet und lässt sich molekulargenetisch zweifelsfrei vom typischen MarinescoSjögren-Syndrom („MSS 2“ laut Merlini) abgrenzen [127]. Doch gibt es sowohl typische als auch atypische „MSS“-Fälle, die sich molekulargenetisch noch nicht zuordnen lassen.
728
Kapitel 31
Ferritinopathie („granuläre Kerneinschlusskörperkrankheit“)
31
Hierbei handelt es sich um eine seltene, langsam progrediente Multisystemkrankheit des Erwachsenenalters mit Befall der Skelettmuskulatur sowie des zentralen und peripheren Nervensystems, die auf Mutationen des Ferritinlight-Polypeptid-(FLP-)Gens auf Chromosom 19q13.3 zurückzuführen ist. Es kommt zu Störungen im Eisenstoffwechsel mit abnormen Zellkerneinschlüssen vor allem in den Stammganglien des ZNS, aber auch in der Peripherie. So lässt sich eine definitive Diagnose ohne Autopsie bereits aus einer Muskelbiopsien stellen [114]. Zugrunde liegen offenbar gestörte C-terminale Polypeptide, die eine wichtige Rolle bei der eiseninduzierten Präzipitation und Formierung von Ferritin-Einschlusskörpern spielen [8]. Morphologie. Die Veränderungen sind lichtmikroskopisch durch homogene, „hyaline“, elektronenmikroskopisch granuläre Kerneinschlüsse gekennzeichnet [31, 33, 84, 114, 116, 120, 151]. Die Einschlusskörper sind ca. 5– 10 μm groß und liegen als homogene, lichtmikroskopisch leicht übersehbare Produkte mit oder ohne erhaltene Kernmembran zwischen den Muskelfasern. Sie weisen eine positive Eisen- und Ferritinreaktion auf. Sie unterscheiden sich dadurch von den filamentösen Kerneinschlüssen, die bei der neuronalen intranukleären hyalinen Einschlusskrankheit [139] und in ähnlicher Form bei den spinozerebellären Heredoataxien zu finden sind.
Myofibrilläre Myopathien und Zytoskelettmyopathien In dieser Gruppe lassen sich mindestens 19 verschiedene kongenitale Myopathien differenzieren, bei denen primär die Myofibrillen bzw. Komponenten davon betroffen sind, namentlich die Z-Bänder, Myosin- oder Aktinfilamente oder assoziierte Komponenten (s. Abb. 28.2; s. Tabelle 31.1+2, S. 721 u. 725). Wegen des recht unterschiedlichen Krankheitsverlaufs ist die Zuordnung zu den „kongenitalen Myopathien“ z. T. problematisch. Neun „myofibrilläre Myopathien“ im engeren Sinn werden weiter unten wegen ihrer histopathologischen Ähnlichkeiten unter diesem speziellen Oberbegriff gesondert herausgestellt.
Central-core-Krankheit Die dominant erbliche Central-core-Krankheit (CCD, Zentralfibrillenkrankheit) ist auf Mutationen im Ryanodin-Rezeptor-(RYR1-)Gen zurückzuführen [160]. RYR1
Kongenitale Myopathien
kodiert den wichtigen kalziumdurchlässigen Kanal des sarkoplasmatischen Retikulums mit entscheidender Bedeutung für die Exzitations-Kontraktions-Kopplung. Diese Krankheit ist allelisch zur jeweils rezessiv erblichen Multiminicore-Myopathie mit externer Ophthalmoplegie, zur transienten Multiminicore-Krankheit und zu einer dominant erblichen malignen Hyperthermie (MH1; s. Tabelle 31.1). Sie ist zu unterscheiden von der Multi-(Mini)core-Krankheit aufgrund von Mutationen im SEPN1-Gen (s. unten). Auch bei ACTA1-, TTN- und MYH7-Mutationen können „cores“ vorkommen. Morphologie. Die charakteristischen Muskelfaserveränderungen bestehen in fokalen, mehr oder weniger zentralen Läsionen, in denen die Mitochondrien und Anteile der Myofibrillen fehlen. Aufgrund der zumeist zentralen Anordnung dieser Herde hat die Erkrankung ihren Namen „central core disease“ (core = Kern, Mark, Innerstes) erhalten [133]. Am besten sind die Veränderungen in Gestalt herdförmiger Aufhellungen nach oxidativen Enzymreaktionen zu erkennen, weil hier die Mitochondrien fehlen. Die Cores erstrecken sich in Längsrichtung – im Unterschied zu Minicores (s. unten) – über zahlreiche Sarkomere. Wenn die Myofibrillen in den Cores noch gut erhalten sind, spricht man von „strukturierten“ Cores. In den unstrukturierten Cores fehlt die histochemische ATPase-Aktivität. In einzelnen Fällen bestehen die Muskeln fast ausschließlich aus Typ-1-Fasern. Gelegentlich sind nur noch vereinzelt atrophische Typ-2-Fasern zwischen den besser erhaltenen Typ-1-Fasern erhalten (s. Abb. 31.1d). Daraus lässt sich ableiten, dass die Typ-2-Motoneurone bei dieser Erkrankung geschädigt oder verändert sein dürften [69]. Bei einigen Fällen sind auch Stäbchen-(Nemalin-)Körper beobachtet worden. Das histopathologische Spektrum kann innerhalb einzelner Familien stark variieren, so dass sogar eine Verwechslung mit einer kongenitalen Muskeldystrophie möglich ist. Wenn auch bei der Central-core-Krankheit Nemalinkörper (s. unten) vorkommen können, handelt es sich doch grundsätzlich um verschiedene Krankheiten (s. Tabelle 31.1); allerdings sind beide gekennzeichnet durch einen progressiven Verlust der Typ-2-Fasern. Außerdem ist eine separate kongenitale Myopathievariante als „kongenitale neuromuskuläre Krankheit nur mit Typ-1-Fasern” beschrieben worden, die wie die oben beschriebene Central-core-Krankheit auf Mutationen im RYR1-Gen zurückzuführen ist [110].
Multicore-(Minicore-)Krankheit Bei der klassischen Form dieser rezessiv erblichen Myopathie finden sich Mutationen im Selenoprotein-N1(SEPN1-)Gen (Pos. 3.16 in Tabelle 31.1). Sie ist, wie be-
Myofibrilläre Myopathien und Zytoskelettmyopathien
reits erwähnt, zu unterscheiden von der ebenfalls rezessiv erblichen Central-core-Krankheit aufgrund von Mutationen im RYR1-Gen (s. oben). Eine Multiminicore-Myopathie kann auch mit einer atypischen periodischer Paralyse assoziiert sein [161]. Morphologie. Statt einzelner, zentral angeordneter Läsionen wie bei der Central-core-Krankheit sieht man mehrere kleine Herde mit fehlenden Mitochondrien, fokalem Z-Band-Strömen oder herdförmiger Auflösung zuerst der Z-Streifen, später auch der übrigen Myofibrillenanteile (s. Abb. 30.2d). Besonders augenfällig sind die Herde wiederum nach oxidativen Enzymreaktionen (Succinatdehydrogenase, NADH, Cytochromoxidase). Zudem findet sich eine fokale Verminderung des Glykogengehalts sowie der Phosphorylaseaktivität. Die Veränderungen sind allerdings nicht spezifisch. Differentialdiagnose. Minicores können auch bei der kongenitalen Muskeldystrophie vom Typ Ullrich aufgrund von Kollagen-VI- oder Titin-Mutationen vorkommen. Vereinzelt findet man etwas ähnliche Herde bei verschiedenen Formen der Muskeldystrophie, bei maligner Hyperthermie, bei Endokrinopathien, entzündlichen Myopathien und in bestimmten Stadien der Denervationsatrophie, außerdem nach Emetin- oder Glukokortikoidmedikation.
Nemalinmyopathien Wegen des Vorkommens charakteristischer stäbchenoder fadenförmiger Muskelfasereinschlüsse haben Shy et al. [132] diese allerdings recht heterogene Myopathie nach dem griechischen Wort „Nema“ = Faden bezeichnet [61]. Wegen der auch Stäbchen („rods“) genannten Einschlüsse ist ebenso der Begriff Stäbchenkörpermyopathie („rod body myopathy“) gebräuchlich. Die Einschlüsse sind auch als Myogranula bezeichnet worden. Genetik. Nemalinkörpermyopathien können auf Mutationen in folgenden 7 Genen bzw. Genorten zurückzuführen sein (s. Tabelle 31.1): 1. Eine dominant erbliche Form auf Tropomyosin 3 (TPM3) [145], 2. eine ähnliche auf Tropomyosin 2 (β) (TPM2), 3. eine rezessiv erbliche auf Nebulin (NEB) [101], die auch distal betont sein kann und dann keine Stäbchen enthält, 4. eine dominant oder rezessiv erbliche Form auf Mutationen im Aktin (ACTA1) [97, 98], zu der es eine allelische Form mit Fasertypendisproportion gibt, 5. eine autosomal-rezessive Form auf Troponin T, Typ 1 (skeletal, langsam; TNNT1; Amish-Typ der Nemalinmyopathie) [74],
729
6. eine autosomal-rezessive auf Cofilin 2 (Muskeltyp; CFL2) [1] und 7. eine autosomal-dominante auf Chromosom 15q, zu der noch kein Gen identifiziert worden ist [60]. Da sich das Alpha-Skelettmuskel-Aktin und das AlphaHerzmuskel-Aktin voneinander unterscheiden, gibt es keine Herzmuskelbeteiligung bei der ACTA1-Nemalinmyopathie [68]. Morphologie. Nach histochemischen, chemischen und ultrastrukturellen Kriterien ähneln die Stäbchen hinsichtlich ihrer Struktur und Zusammensetzung weitgehend den Z-Streifen. Die längsorientierten Stäbchen stehen offenkundig mit Aktinfilamenten in Verbindung, in der Regel von I-Bändern der angrenzenden Sarkomere. Die Nemalinkörper enthalten verschiedene Isoformen von α-Actinin, dazu Myotilin, Aktin und manchmal auch Myozenin sowie Nebulin. In einzelnen Fällen sind Nemalinkörper sowohl im Sarkoplasma als auch in Kernen nachweisbar [57, 66], was auf eine ACTA1-Mutation schließen lässt, die zudem eine Myopathie mit exzessiver Anhäufung von Aktinfilamenten [119] oder eine Fasertypendisproportion verursachen kann s. Tabelle 31.1, Pos. 3.3 und 3.8). Nach autoptisch-morphometrischen Untersuchungen an Vorderhornzellen des Rückenmarks eines Falles mit Nemalinmyopathie sind die Häufigkeitsgipfel der großen und intermediären Neurone im Histogramm in Richtung kleinerer Durchmesser verlagert; die Zahl der Neurone weicht jedoch nicht von derjenigen der Kontrollfälle ab [109]. Differentialdiagnose. Während die meisten Formen der Nemalinmyopathie als kongenital und fatal oder mittelschwer oder mild und nicht progressiv beschrieben werden, finden sich Nemalinkörper gelegentlich auch bei Patienten mit spätem Auftreten einer Muskelschwäche, die mit oder ohne Anzeichen einer andersartigen Muskelerkrankung verbunden sein kann.
Myopathie mit exzessiver Anhäufung von Aktinfilamenten Diese kongenitale Myopathie ist allelisch zur o. g. 4. Form der Nemalinmyopathie [98] sowie zu einer Variante der Fasertypendisproportion, die jeweils auf Mutationen im ACTA1-Gen zurückzuführen sind. Allerdings gibt es auch Fälle mit angehäuften Aktinfilamenten, die keine ACTA1-Mutation aufweisen. Morphologie. Zumeist findet sich eine subsarkolemmale, histochemisch und elektronenmikroskopisch identifizierbare (exzessive) Anhäufung von Aktinfilamenten in
730
Kapitel 31
den Muskelfasern [53, 58, 119]. Fatal verlaufende Fälle [15] sind allerdings eher den „kongenitalen Muskeldystrophien“ als den „kongenitalen Myopathien“ zuzuordnen. Bemerkenswerterweise sind die extraokulären Muskeln nicht betroffen, was vermutlich auf deren überwiegendem Gehalt an Herzmuskel-D-Aktin zurückzuführen ist, das von der Krankheit nicht betroffen ist [106]. Das gilt auch für homozygote Fälle, die zwar kein Skeletmuskelaktin, aber Herzmuskelaktin im Skelettmuskel aufweisen und dadurch überleben und sogar Nemalinkörper bilden können.
31 Myofibrilläre Myopathien (Zytoskelettmyopathien) mit Sphäroidkörpern und anderen Proteinaggregationen Myofibrilläre Myopathien im engeren Sinn sind seltene hereditäre oder sporadische progressive Myopathien mit beträchtlicher klinischer und genetischer Heterogenität. Sie sind morphologisch definiert durch Herde myofibrillärer Auflösung, Anhäufung myofibrillärer Abbauprodukte (Abb. 31.1) und ektopischer Expression multipler Proteine [30] und werden deshalb auch Proteinaggregationsmyopathien (PAM) genannt [55], oft in Form sog. Sphäroidkörper. Letztere sind vielfach ein histopathologisches Kennzeichen myofibrillärer Myopathien, deren Zuordnung zu den „kongenitalen Myopathien“ wegen ihres oft nicht gutartigen Verlaufs problematisch ist. Sie werden häufig begleitet von Kardiomyopathien, die aufgrund von Überleitungsstörungen im Herzen zu synkopalen Episoden oder plötzlichem Tod führen können. Auch Katarakte und Kontrakturen können vorkommen. Die myofibrillären Myopathien sind insgesamt klinisch schwer zu erkennen, zumal sie sowohl von einer Familie zur anderen als auch innerhalb der Familien variieren und auch nicht immer spezifische diagnostische Befunde, z. B. Desminablagerungen, in der Muskelbiopsie aufweisen. Myotilinopathien [99], Zaspopathien [125] und Bag3opathien [126] können mit einer peripheren Neuropathie und entsprechenden distalen Muskelatrophien verbunden sein. MRI-Untersuchungen sind hilfreich zur Bestimmung der beteiligten Muskelgruppen [113]. Biochemie. Desmin ist das wichtigste intermediäre Filament der Skelett- und Herzmuskulatur und hat ein Molekulargewicht von 52 kD. Es gewährleistet die strukturelle und funktionelle Integrität der Myofibrillen und wirkt als Zytoskelettprotein, das die Z-Bänder an die Plasmamembran bindet (s. Abb. 28.2). αB-Crystallin schützt die Desminfilamente vor stressinduzierten Schäden und verursacht im Fall einer Mutation seines Gens eine Myopathie im Sinne einer Desminopathie [150]. Die vielfältigen Verbindungen zwischen den Zytoskelettproteinen und den sarkolemmalen Proteinen sind vermutlich die
Kongenitale Myopathien
Ursache für die Beteiligung zahlreicher anderer Proteine in den erwähnten Ablagerungen, die sich in Muskelbiopsien immunhistochemisch nachweisen lassen. Dazu gehört Myotilin, das an Filamin C bindet, Xin und Xinrepeat-Protein 2 (XIRP2), ein Adapterprotein, das an Aktin und Filamin C bindet, Filamin C, das nur selten betroffen sei [130], Mena/VASP, D-Actinin, E-Catenin sowie neuerdings Myopodin, ein Myopodin-ähnliches Protein („Tripodin“) – alles Proteine, die mit den Z-Bändern in Verbindung stehen und somit für die Struktur und Funktion der Myofibrillen erforderlich und bei myofibrillären Myopathien betroffen sind [30]. Genetik. Als Ursache meist dominant erblicher myofibrillärer Myopathien kommen Mutationen in den folgenden 9 Genen (kursiv gedruckt) in Frage (bezüglich weiterer genetischer Details s. Tabelle 31.2): • CRYAB mit Störungen im Aufbau von αB-Crystallin, • DES mit Ablagerungen von Desmin, zur „Desminopathie“ führend, • SEPN1 mit primären Veränderungen des Selenoproteins N1, • LDB3 = ZASP mit Alterationen der LIM-3 bindenden Domäne des das Z-Band-alternativ-gespleißten PDZMotif enthaltenden Proteins [125], • MYOT (= TTID) mit primären Myotilin- (Immunglobulindomäne des Titins) Alterationen, • FLNC mit Filamin Cγ bzw. Aktin-bindenden Protein280-Veränderungen [82, 154], zur „Filaminopathie“ führend, • BAG3-Defekt mit Veränderungen des „BCL2-associated athanogene 3“, • FHL1 bzw. des „Four-and-a-half-LIM-Domain-1“Gens (auch SLIM1 oder KyoT-Gen bezeichnet, • VCP mit Veränderungen des „Valosin-containing protein“. Morphologie. Primäres diagnostische Kriterium für diese dominant erblichen Krankheiten ist der morphologische Nachweis abnormer und ektopischer Proteine, die hauptsächlich, aber nicht ausschließlich in den Typ-1Fasern vorkommen und mit einer Desintegration der ZStreifen verbunden sind bzw. von dort ihren Ausgang nehmen (Abb. 31.1) [36, 54, 56, 58, 59, 104, 121]. Am häufigsten sind Desminopathien. Bei den DES-Mutationen handelt es sich allerdings nur um eine Untergruppe der myofibrillären Myopathien, bei denen neben Desmin andere Proteine mit abgelagert sind, u. a. auch Dystrophin, Vimentin, β-Spectrin, Gelsolin [36] und Caveolin-3 [131]. Bestätigt wird die Desminvermehrung im Western Blot, definitiv ist eine Diagnose aber erst durch den Nachweis einer Mutation in einem der o. g. Gene zu stellen. Die meisten Ablagerungen liegen in zentraler oder subsarkolemmaler Position. Sie sind oft rundlich bis oval konfiguriert, 2–15 mm groß und gegenüber den angren-
731
Myofibrilläre Myopathien und Zytoskelettmyopathien
a
b
c
d Abb. 31.1a–d Desminopathie als relativ häufige Sonderform einer myofibrillären Myopathie; Biopsie aus dem Muskel einer 52-jährigen Frau. a Nach der HE-Färbung fällt ein verbreitertes Muskelfaserkaliberspektrum auf. Eine völlig atrophische Muskelfaser ist durch einen dünnen Pfeil gekennzeichnet, eine myophagische Reaktion mit basophilen regenerierenden Fasern durch einen dicken Pfeil. b Die immunhistochemische Desminreaktion ergibt reichlich Desminablagerungen unterschiedlicher Form und Größe. c Im längsorientierten, mit Paraphenylendiamin gefärbten Semidünnschnitt weisen die Pfeile auf myofibrilläres (Z-Band-)Strömen hin,
während der Pfeilkopf osmiophile, myelinähnliche (membranöse zytoplasmatische) Ablagerungen als Vorstufe autophagischer Vakuolen anzeigt. d Elektronenmikroskopisch sind reichlich granuläre (G) oder granulofilamentöse Ablagerungen als Substrat der Desminreaktion dargestellt (GF), die stellenweise noch mit Myofibrillen in Verbindung stehen (Pfeil). Im A-Band-Bereich quergeschnittene Myofibrillen (MF) sind noch regulär orientiert. Unterschiedlich große membranöse zyoplasmatische Körperchen (MCB) sind ebenfalls zu sehen
732
31
Kapitel 31
zenden Sarkomeren mehr oder weniger scharf abgegrenzt („Sphäroidkörper“). Sie bestehen u. a. aus intermediären (Desmin-)Filamenten mit einem Durchmesser von etwa 10 nm, wenn auch Aktin- und Myosinfilamente inkorporiert sein können, so dass die Abgrenzung von den sog. „myofibrillären Zytoplasmakörpern“ (s. unten) bei einigen Korpuskeln problematisch ist. Sphäroidkörper und granulofilamentöse Ablagerungen können bei Patienten mit molekulargenetisch bestätigter Desminopathie gleichzeitig vorkommen [102]. Speziell bei Desminopathien und DB-Crystallinopathien fehlt fokal die NADH-Reaktivität, weil hier die Mitochondrien verdrängt sind („ausradierte“ Fasern). Vermehrte Vakuolen kommen vor bei ZASPopathien, Myotilinopathien sowie DB-Crystallinopathien [107] und einzelne nekrotische Fasern mit entzündlichen Veränderungen sowie tubulofilamentösen Kerneinschlüssen bei Myotilinopathien [30]. Immunhistochemisch zeigen nur einzelne Proteine wie Filamin C und seine Liganden Myotilin und Xin eindeutige Verlagerungen, während andere Z-Band-Proteine wie D-Actinin, Myopodin, Tripodin und M-Band-Proteine keine abnorme Lokalisation aufweisen. Die geringen Unterschiede der immunhistochemischen Befunde bei den Untergruppen der myofibrillären Myopathien geben Hinweise auf mutierte Gene, reichen aber für eine eindeutige Diagnose nicht aus. Elektronenmikroskopisch finden sich bei Desminopathien und DB-Crystallinopathien elektronendichte granulofilamentöse Ablagerungen, wobei apoptotische Kernveränderungen für DB-Crystallinopathien sprechen. ZASPopathien sind demgegenüber durch Filamentbündel charakterisiert, die mit Myotilin-Antikörpern reagieren. Tubulofilamentöse Ablagerungen in Sarkoplasma und Kernen in Kombination mit Filamentbündeln sind typisch für Myotilinopathien [27, 30]. SEPN1-Mutationen verursachen drei allelische Myopathien: eine Myopathie mit Rigid-spine-Syndrom, eine Myopathie mit kongenitaler Fasertypendisproportion und eine Desmin-abhängige Myopathie mit MalloryKörpern (entsprechen Sphäroidkörpern; s. Tabelle 31.1, Pos. 3.9 und Tabelle 31.2, Pos. 5.3) [2, 46]. Filaminmutationen sind mit Zerstörungen der Myofibrillenstruktur und pleomorphen Ablagerungen verschiedener Proteine verbunden, darunter Filamin C, Desmin, Myofilin, Xin, Dystrophin und Sarkoglykane. Die Fasern sind teils Kongorot-positiv, teils Trichromrot, teils Trichrom-grün gefärbt und weisen teilweise eine saure-Phosphatase-positive Reaktion auf [77]. Die oxidativen Enzyme und ATPase-Reaktionen sind in den abnormen Faserabschnitten stark reduziert. Einzelne Fasern enthalten zahlreiche Sphäroidkörper, andere eher die sog. zytoplasmatischen Körper [82]. Elektronenmikroskopisch sind granuläre, granulofilamentöse und tubulofilamentöse Ablagerungen nachweisbar, darunter offensichtlich auch Desmin.
Kongenitale Myopathien
Es ist zu betonen, dass bisher nur etwa die Hälfte der „myofibrillären Myopathien“ auf Mutationen bestimmter Gene (s. oben) zurückgeführt werden konnten, dass nur wenige Fälle in ausführlicher Weise untersucht worden sind und dass die Ablagerungen von Muskel zu Muskel variieren.
Neuromyopathie mit myofibrillären Zytoplasmakörpern Diese Erkrankung ist auch als „Myopathie mit myofibrillären Aggregaten“ bezeichnet worden [76]. Die myofibrillären Zytoplasmakörper, deren fokale Anhäufung für diese Myopathie charakteristisch ist, bestehen aus drei konzentrischen Zonen: dem zentralen Körper, dem intermediären Saum und der äußeren Hülle. Nach immunhistochemischen Untersuchungen enthalten sie wie die Sphäroidkörper auch intermediäre Filamente (Desmin) [121]. Dabei sind selektiv die Typ-2-Fasern betroffen. Die zytoplasmatischen Körperchen sind allerdings nicht spezifisch für myofibrilläre Erkrankungen; vereinzelt kommen sie auch bei anderen Erkrankungen vor (z. B. bei myotonischer Dystrophie, periodischen Paralysen, neurogenen Muskelatrophien u. a.) [116, 117]. Elektronenmikroskopisch lassen sich diese Körperchen hypothetisch aus der Z-Scheibe ableiten, wobei ein dichtes filamentöses Zentrum und ein umgebender heller Ring mit vielfach radiär orientierten dünnen Filamenten nachweisbar sind [76]. Es ist zu vermuten, dass es sich bei der o. g. Neuromyopathie um eine Sonderform der myofibrillären Myopathien handelt.
Myosinspeicherungsmyopathie (Myopathie mit „hyalinen“ Körpern) Diese Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt und ist auf Mutationen im MYH7-Gen zurückzuführen, das das kardiale Schwerketten-7-Myosin (MyHC 7) kodiert [13, 14, 144]. Das Krankheitsbild ist sehr heterogen. Es kann beginnen mit einer neonatalen Hypotonie oder einer proximalen Myopathie im Erwachsenenalter oder einer Kardiomyopathie ohne Skelettmuskelbeteiligung im Neugeborenenalter [149]. Auch eine distale Variante mit geringgradiger peripherer Neuropathie vom demyelinisierenden Typ [153] (s. distale Myopathien) sowie eine rezessive Variante mit Kardiomyopathie kommen vor [143]. Eine seltene, dominant erbliche Myopathie aufgrund von Mutationen im MYH1-Gen, das die Myosin-Isoform MyHC IIa kodiert, ist ebenfalls beschrieben worden [87].
Kongenitale Fasertypendisproportion
Morphologie. Charakteristisch ist die segmentförmige Auflösung der Myofibrillen an der Peripherie der betroffenen Typ-1-Muskelfasern, wobei die myofibrilläre ATPase-Reaktion im sauren Bereich erhalten bleibt [55, 103]. Die Zonen der Myofibrillolyse erscheinen lichtmikroskopisch „hyalin“ und elektronenmikroskopisch homogen mit einem feinen granulofilamentösen Material gefüllt, das aus immunhistochemisch identifizierbaren Myosin-Filament-Komponenten besteht. Sie färben sich im PAS-, Trichrom- und Phosphorwolframsäurepräparat nur blass, während die Myofibrillen stark gefärbt sind. In einzelnen Fällen sollen diese Veränderungen auch in Typ-2-Fasern vorkommen. Atrophische Muskelfasern, autophagische Vakuolen, tubulovesikuläres Material und tubulofilamentöse Kerneinschlüsse mit einem Durchmesser von 15–20 nm kommen ebenfalls vor [149].
Myopathie mit subsarkolemmal-segmentaler Myofibrillolyse („Kappenmyopathie“) Von der Myopathie mit Speicherung von Myosin ist die autosomal-dominante „Kappenmyopathie“ abgrenzbar, die auf Mutationen im TPM2-Gen zurückzuführen ist, das Tropomyosin 2 kodiert [81, 142], oder auf Mutationen im ACTA1-Gen [65]. Morphologie. Diese Myopathie ist durch segmentförmige subsarkolemmale, scharf begrenzte Herde charakterisiert („cap myopathy“ = „Kappenmyopathie“ [47, 48]), in denen die Myofibrillen fragmentiert und desorientiert, aber noch nicht völlig aufgelöst erscheinen [116]. Entsprechend fällt hier die myofibrilläre ATPase-Reaktion negativ aus. Bei einigen Fällen bestehen offensichtlich pathogenetische Beziehungen zur Nemalinmyopathie [51]. Nemalinkörper kommen auch beim Escobar-Syndrom vor, das ebenfalls durch Mutationen im TPM2-Gen verursacht wird und durch angeborene Kontrakturen aufgrund fetaler Akinesie, Pterygia und respiratorische Insuffizienz gekennzeichnet ist [93]. Bei manchen Fällen findet sich statt einer Kappenmyopathie nur eine Fasertypendisproportion [16].
Myopathie mit selektiver Auflösung der Myosinfilamente Bei einer bestimmten kongenitalen Myopathie sind selektive, zumeist zentrale Defekte der Myosinfilamente nachgewiesen worden [158, 159]. Doch haben wir ähnliche Veränderungen auch bei einer ätiologisch ungeklärten interstitiellen Myositis beobachtet [116]. Der selektive Verlust der dicken Filamente lässt auf eine Aktivierung unspezifischer proteolytischer Enzyme analog denjeni-
733
gen für die Z-Bänder schließen und wird speziell nach intensivmedizinischer Behandlung mit Kortikoiden etc. beobachtet (s. Kap. 34).
Neuromuskuläre Krankheit mit trilaminären Muskelfasern Diese bei einem sporadischen [108] und einem familiären Fall [116] beschriebene, klinisch allerdings schwere Form einer Myopathie (nicht zweifelsfrei hier unter den kongenitalen Myopathien zu klassifizieren) ist durch sog. trilaminäre Muskelfasern gekennzeichnet („Kokardenfasern“ in eigener Nomenklatur). Darin zeigt die innerste Zone dichte Ansammlungen von Mitochondrien, Glykogen und elektronendichtem Material sowie einzelne Filamente. Die mittlere Zone besteht aus Myofibrillen mit auffälligem Z-Band-Strömen. Die äußere Zone ist fast frei von Myofibrillen. Die Veränderungen ähneln denen in sog. Halsband- („necklace“-)Fasern, die bei bestimmten Mutationen des MTM1-Gens als Ursache der spät auftretenden zentronukleären Myopathie (CNM) beobachtet worden [9], aber möglicherweise mit den vorher beschriebenen „trilaminären“ Fasern identisch sind [115].
Myopathie mit fetalen Muskelfasern Bei einzelnen hypotonen Kindern fiel ein subsarkolemmaler Saum ohne mitochondriale Dehydrogenaseaktivität in der Faserperipherie und ein zahlenmäßiges Überwiegen der Typ-2-Fasern auf bei weitgehendem Fehlen der Myofibrillen in der Faserperipherie [45]. Ob es sich um eine eigenständige Erkrankung handelt, ist noch nicht geklärt.
Kongenitale Fasertypendisproportion Die sog. Fasertypendisproportion ist keine eigenständige Myopathie, sondern heterogen, d. h., sie kann viele verschiedene Ursachen haben (s. Tabelle 31.3), so z. B. bei Mutationen im ACTA1-, SEPN1-, TPM3-, TPM2- und DMPK-Gen (s. oben), also auch bei der kongenitalen myotonischen Dystrophie, bei der keine Atrophie, sondern eine Hypotrophie der Typ-1-Fasern vorliegt [146]. Die kongenitale Fasertypendisproportion ist gewissermaßen das Kehrbild der selektiven Typ-2-Muskelfaseratrophie, die ebenfalls viele verschiedene Ursachen haben kann (Tabelle 31.4). Sie darf auch nicht verwechselt werden mit der selektiven Typ-1-Faseratrophie, die mit eindeutigen Faseratrophien verbunden ist und ebenfalls verschiedene Ursachen haben kann, so z. B. eine Immobilisation der Gelenke oder eine rheumatoide Arthritis.
734
31
Kapitel 31
Morphologie. Definitionsgemäß zeichnen sich diese Muskelbiopsien dadurch aus, dass die Kaliber der histochemischen Hauptmuskelfasertypen in unterschiedlicher Weise von der Norm abweichen [17–20]; der Unterschied der mittleren Fasergröße beträgt mindestens 12%, meist aber wesentlich mehr (heutiger Sollwert: 25%) [41]. In der Regel liegen die durchschnittlichen Kaliber der Typ1-Fasern nicht wesentlich unter den Normwerten der entsprechenden Altersstufe, wobei aber einzelne atrophische Typ-1-Fasern vorkommen. Demgegenüber sind die Typ-2-Fasern beträchtlich vergrößert (s. Abb. 28.1d); das gilt insbesondere für die Typ-2B-Fasern.
Tabelle 31.3. Muskelfasertypendisproportion. Klinische und/oder histologische Diagnosen bei 103 Fällen* Krankheit
Diagnosen [n]
Kongenitale Myopathien
Es ist wichtig, diese Patienten von denen mit einer Werdnig-Hoffmann-Krankheit zu unterscheiden, da sie eine wesentlich bessere Prognose haben.
Mitochondriale Myopathien Aufgrund der ungewöhnlich raschen Fortschritte bei der Erforschung der mitochondrialen Myopathien werden diese, anders als noch vor Jahren, nicht mehr in der ätiologisch und pathogenetisch weniger genau bestimmten Gruppe der „kongenitalen Myopathien“, sondern in der Gruppe der genetisch und biochemisch z. T. sehr genau analysierten mitochondrialen Myopathien und Lipidspeicherungsmyopathien aufgeführt (s. Kap. 33).
Reine Fasertypendisproportion Wahrscheinlich kongenitale Fasertypendisproportion (KFTD) <30 Jahre alt
33
Fasertypendisproportion (FTD) > 30 Jahre alt
26
Gut definierte myopathische Erkrankungen Mitochondriale Myopathien
3
Myotonische Dystrophie
2
Maligne Hyperthermie
2
Central-core- und Minicore-Myopathie
2
Gliedergürteldystrophie
1
Neurogene Erkrankungen Neurogene Atrophie
7
Neuropathie, axonaler Typ
7
Neuropathie, demyelinisierender Typ
3
Hydromyelie und Syringomyelie
2
Neurofibromatose
1
Entzündliche Erkrankungen Dermatomyositis
4
Vaskulitis
2
Verschiedene Erkrankungen Glykogenosen
3
Crampus-Syndrom
2
Eales-Syndrom
1
Wallenberg-Syndrom
1
Prader-Willi-Syndrom
1
*Aus: Schröder JM (1996) Congenital fibre type disproportion. In: Lane R (ed) Handbook of muscle diseases. Informa Healthcare, London, pp 195–200
Myopathien mit tubulären Aggregaten Einzelne tubuläre Aggregate unterschiedlicher Form als Derivate vermutlich des sarkoplasmatischen Retikulums kommen bei zahlreichen verschiedenen Myopathien, insbesondere bei myotonischen Krankheiten und Kanalkrankheiten vor [3, 25, 49, 94, 117, 118, 148] (s. Kap. 32). Auch kommen tubuläre Aggregate als Folge medikamentöser Einwirkungen sowie bei subklinischer alkoholischer Myopathie und bei Myostatinmangelmäusen vor [26]. In größerer Zahl können diese Veränderungen als pathognostisches Kennzeichen einer seltenen, offensichtlich eigenständigen, dominant [22, 86] oder vermutlich rezessiv erblichen Myopathie [37] gelten, die klinisch manchmal nur durch Steifheit und Myalgien auffällt. Die tubulären Aggregate sind eindeutig erst elektronenmikroskopisch zu identifizieren, oft aber schon aufgrund der starken NADH- und Adenosin-Monophosphat-Deaminase-(AMPDA-) Reaktion zu vermuten. Sie färben sich nach der Gomori-Trichrom-Methode rot, reagieren aber nicht nach der COX- und SDH-Reaktion. Immunhistochemisch können sie mit Antikörpern gegen die sarkoplasmatische Retikulum-ATPase (SERCA) markiert werden. Dysferlin [67] und Emerin [85] sind bemerkenswerterweise ebenfalls mit tubulären Aggregaten assoziiert. Elektronenmikroskopisch handelt es sich um hexagonal angeordnete Tubuli mit unterschiedlichem Durchmesser und einem inneren Tubulus oder einzelnen oder mehreren Filamenten [118]. Eine dominant erbliche Sonderform ist durch tubuläre Aggregate mit 1–21 feineren tubulofilamentösen Einschlüssen innerhalb der Tubuli gekennzeichnet [94, 152]. Eine ungewöhnliche, möglicherweise ebenfalls dominante, hexagonale Variante tubulärer Aggregate mit die einzelnen Tubuli verbindenden „Doppelspeichen“ zeigte
Myopathien mit weiteren, besonderen feinstrukturellen
735
Tabelle 31.4 Selektive Muskelfaseratrophien* Typ 1
Typ 2
• • • • • • • • • • • • • • •
• Unbehandelte Gefäßbindegewebserkrankungen (einschl. Polymyositis/ Dermatomyositis) • Cushing-Syndrom: chronische Kortikoidintoxikation • Parkinson-Krankheit • Pyramidenbahnläsionen • Perinatale Hirnschäden • Inaktivität, Immobilisation, Kachexie • Altersatrophie • Anorexia nervosa • Myasthenia gravis • Central-core-Krankheit (mit zahlenmäßiger Reduktion der Typ-2-Fasern) • Myopathie mit tubulären Aggregaten • Karzinoid • Hypothyreose • Hpoparathyreoidismus, Tetanie • Primärer und sekundärer Hyperparathyreoidismus • Diabetische Amyotrophie • Vitamin-E-Mangel • Hämophilie Typ 2B • Polymyalgia rheumatica (3 von 7 Fällen) • Evtl. bei Erkrankung zentraler Motoneurone • Parathyreoprive Tetanie
Familiäre Typ-1-Atrophie Kongenitale Fasertypendisproportion Myotubuläre Myopathie Nemalinmyopathie Evtl. bei Werdnig-Hoffmann-Krankheit Störungen des Reflexbogens Plötzliche, kurz dauernde Gelenkschmerzen Zerebral geschädigte Kinder Resektion des 1. und 2. sensorischen Kortexareals Spinozerebelläre Heredoataxie Metachromatische Leukodystrophie Globoidzellige Leukodystrophie Rigid-spine-Syndrom Myotonische Dystrophie Welander-Krankheit
*Aus: Schröder JM (1988) Muskel- und Nervenbiopsien. In: Schliack H, Hopf JC (Hrsg) Diagnostik in der Neurologie. Thieme: Stuttgart New York, S 147–148
histochemisch eine deutliche Caveolin-3-Immunreaktivität [78] sowie eine Immunreaktivität gegenüber Calsequestrin und Junctin [39]. Klinisch bestanden belastungsabhängige Muskelschmerzen und eine Muskelschwäche. Gene, die die genannten Proteine kodieren, waren nicht mutiert [29].
Myopathien mit weiteren, besonderen feinstrukturellen Veränderungen Feinstrukturell charakteristische oder spezifische Veränderungen, die bisher nur bei einzelnen Patienten oder in einzelnen Sippen beschrieben worden sind, gibt es immer noch, wenn auch in langsamer wachsender Zahl. Lichtmikroskopisch sind diese Myopathien nicht oder nicht mit Gewissheit zu diagnostizieren.
Fingerabdruckkörpermyopathie Eine benigne kongenitale Muskelerkrankung mit zahlreichen intrasarkoplasmatischen, fingerabdruckähnlichen
Einschlüssen haben Engel et al. [43] erstmalig beschrieben. Später fanden andere Autoren ähnliche Einschlüsse bei verschiedenartigen anderen Muskelerkrankungen, so beim Marfan-Syndrom [70]; doch besteht im Einzelfall an der Eigenständigkeit eines derartigen Krankheitsbildes kaum noch ein Zweifel [32, 44, 52, 123]. Die Fingerabdruckkörper liegen subsarkolemmal in Typ-1-Fasern. Sie bestehen aus feinen Lamellen mit einer Dicke von etwa 30 nm, die in fingerabdruckähnlichen Mustern gewunden zusammen liegen. Sie werden nicht von einer Membran umgeben. Vermutlich handelt es sich um abnorme Proteine.
Sarkotubuläre Myopathie Eine kongenitale, nichtprogressive Myopathie mit fokal vakuolig veränderten Muskelfasern, die elektronenmikroskopisch durch erweiterte und konfluierte Komponenten des sarkoplasmatischen Retikulums gekennzeichnet sind, haben Jerusalem et al. [72] beschrieben. Später sind bei diesen Fällen und bei Hutterer-Brüdern Mutationen im TRIM32-Gen gefunden worden, wo sich ein Founder-Effekt durchgesetzt hat [112, 157]. Diese
736
Kapitel 31
„sarkotubuläre“ Myopathie ist allelisch zur LGMD2H. Die Vakuolen führen zu einer leicht spindelförmigen Auftreibung der Muskelfasern und gelten dann als pathognomonisch. Primär sei die Mikro-RNA durch Mutationen im TRIM32-Gen betroffen.
Zebrakörpermyopathie
31
Diese Myopathie ist durch eine ungewöhnliche Anhäufung von sog. Zebrakörpern charakterisiert [52], bei denen es sich um die seit langem bekannten Leptomerfibrillen handelt. Letztere kommen normalerweise in intrafusalen und extraokulären Muskelfasern sowie in Herzmuskelfasern vor, intrafusal manchmal in exzessiver Menge und atypischer Form [123]. Sie entsprechen Wurzelfasern von Zilien und sind ausnahmsweise auch einmal in Schwann-Zellen zu finden [122].
Reduktionskörpermyopathie Bei dieser mehr oder weniger schwer verlaufenden Myopathie findet sich eine große Zahl besonderer Sarkoplasmaeinschlüsse, die Nitroblautetrazolium in Verbindung mit Menadion zu Formazan in einer nichtenzymatischen Reaktion reduzieren [21]. Mit Hilfe einer Laser-Mikrodissektions/Proteomics-Methode ließen sich sowohl X-chromosomal erbliche als auch spontane Mutationen im FHL1-(four-and-a-half-LIM-Domäne-1-)Gen (auch SLIM1 oder KyoT-Gen genannt) auf Chromosom Xq26.3 nachweisen, die zu dieser Form einer Proteinaggregationsmyopathie führen [111]. Sie ist allelisch zur X-chromosomalen Emery-Dreyfuss-Muskeldystrophie Typ 2, zur X-chromosomalen Myopathie mit posturaler Muskelatrophie (XMPMA) und X-chromosomalen skapuloperonealen Myopathie (XPMD; s. Tabelle 31.1). Alle drei Myopathieformen weisen eine Wirbelsäulenversteifung (Rigid-spine-Syndrom, RSS) auf, wobei sich allerdings unter 18 Patienten mit RSS nur einer mit einer Mutation im FHL1-Gen fand [129]. Elektronenmikroskopisch sind die reduzierenden Muskelfasereinschlüsse rundlich oder oval gestaltet; sie bestehen aus dicht liegenden, mäßig elektronendichten Partikeln, in denen Hohlräume vorkommen, die mit Glykogengranula gefüllt sind. Sie ähneln manchmal geschrumpften Kernen ohne Kernmembranen. Ihre Spezifität ist durch ihr Vorkommen auch beim kindlichen Saure-Maltase-Mangel in Zweifel gezogen worden [71].
Kongenitale Myopathien
Myopathie mit zylindrischen Spiralen In Muskelbiopsien von Patienten mit recht verschiedenartigen Erkrankungen sind charakteristische „zylindrische Spiralen“ beschrieben worden [24, 50, 88, 105, 116]. Diese Spiralen bestehen im Querschnitt aus Membranprofilen, die alternierend dunkle und helle Ringe aufweisen. Vermutlich handelt es sich um eine spiralig angeordnete membrangebundene Zisterne. Die einzelnen Zylinder sind etwa 1 μm breit und bis zu 10 μm lang. Ihre Ansammlungen sind 10–30 μm groß. Dadurch lassen sie sich bereits lichtmikroskopisch lokalisieren. Nach der modifizierten Trichromfärbung erscheinen sie hellrot auf dem Querschnitt und blau getönt, wenn sie schräg angeschnitten werden. Analoge Zylinder lassen sich in vitro erzeugen [100].
Hypertrophia musculorum vera Diese auf Mutationen im Gen für Myostatin bzw. den „Growth“-Differenzierungsfaktor 8 (GDF8) basierende Muskelhypertrophie ist rezessiv erblich [4, 5, 42, 124] und muss von anderen Formen einer Muskelhypertrophie, z. B. durch Muskelaktivität, Training, Doping oder bei bestimmten Krankheiten (z. B. Wadenhypertrophie bei einzelnen Fällen mit peripherer Neuropathie) oder von einer Pseudohypertrophie durch Fettvakatwucherung, z. B. bei der Duchenne-Muskeldystrophie, abgegrenzt werden. Histopathologisch fanden sich bei Myostatinmangelmäusen vermehrte Typ-IIb-Fasern, tubuläre Aggregate und verminderte mitochondriale DNA [4]. Die Kraft hatte in Relation zur Muskelmasse nicht zugenommen.
Kongenitale Myopathien mit fataler Kardiomyopathie Allelisch zur LGMD2J wird eine solche Myopathie abgegrenzt, die auf Mutationen im Titin (TNT) zurückzuführen ist [23]. Doch sei wegen der großen Zahl von im Januar 2009 bereits 43 molekulargenetisch abgrenzbaren Kardiomyopathien auf die einschlägige Spezialliteratur und die Muskelgentabelle verwiesen (http://www.musclegenetable.org).
Myopathie mit minimalen Veränderungen („minimal change myopathy“) Da sich auch nach dem Einsatz des gesamten Arsenals diagnostischer Methoden manche offensichtlich kongenitale Myopathien nicht differenzieren lassen, hat Dubo-
Literatur
witz [40] vorgeschlagen, für diese Gruppe, analog dem bewährten Begriff der „minimal change nephropathy“ die Bezeichnung „minimal change myopathy“ einzuführen. Muskelbioptisch sind keine oder nur geringe Veränderungen wie Faserkaliberschwankungen oder unspezifische elektronenmikroskopische Anomalien wie ein Verlust von Myofibrillen nachweisbar. Offensichtlich handelt es sich um Myopathien, die sich morphologisch im untersuchten Abschnitt nicht eindeutig manifestieren und einer molekularbiologischen Analyse bedürfen.
Literatur 1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
Agrawal PB, Greenleaf RS, Tomczak KK et al. (2007) Nemaline myopathy with minicores caused by mutation of the CFL2 gene encoding the skeletal muscle actin-binding protein, cofilin-2. Am J Hum Genet 80: 162–167 Allamand V, Richard P, Lescure A et al. (2006) A single homozygous point mutation in a 3’untranslated region motif of selenoprotein N mRNA causes SEPN1-related myopathy. EMBO Rep 7: 450–454 Alonso-Losada G, Cimas I, Pego R, La Torre P, Teijeira S, Navarro C (1998) Isolated progressive muscle weakness with tubular aggregates. Clin Neuropathol 17: 50–54 Amthor H, Macharia R, Navarrete R et al. (2007) Lack of myostatin results in excessive muscle growth but impaired force generation. Proc Natl Acad Sci USA 104: 1835–1840 Amthor H, Otto A, Vulin A et al. (2009) Muscle hypertrophy driven by myostatin blockade does not require stem/precursor-cell activity. Proc Natl Acad Sci USA 106: 7479–7484 Anttonen AK, Mahjneh I, Hamalainen RH et al. (2005) The gene disrupted in Marinesco-Sjogren syndrome encodes SIL1, an HSPA5 cochaperone. Nat Genet 37: 1309–1311 Askanas V, Engel WK, Reddy NB et al. (1979) X-linked recessive congenital muscle fiber hypotrophy with central nuclei: abnormalities of growth and adenylate cyclase in muscle tissue cultures. Arch Neurol 36: 604–609 Baraibar MA, Muhoberac BB, Garringer HJ, Hurley TD, Vidal R (2010) Unraveling of the E-helices and disruption of 4-fold pores are associated with iron mishandling in a mutant ferritin causing neurodegeneration. J Biol Chem 285: 1950–1956 Bevilacqua JA, Bitoun M, Biancalana V et al. (2009) „Necklace“ fibers, a new histological marker of late-onset MTM1-related centronuclear myopathy. Acta Neuropathol 117: 283–291 Bitoun M, Bevilacqua JA, Prudhon B et al. (2007) Dynamin 2 mutations cause sporadic centronuclear myopathy with neonatal onset. Ann Neurol 62: 666–670 Bitoun M, Maugenre S, Jeannet PY et al. (2005) Mutations in dynamin 2 cause dominant centronuclear myopathy. Nat Genet 37: 1207–1209
737
12.
13.
14.
15.
16. 17.
18.
19.
20.
21. 22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
Blondeau F, Laporte J, Bodin S, Superti-Furga G, Payrastre B, Mandel JL (2000) Myotubularin, a phosphatase deficient in myotubular myopathy, acts on phosphatidylinositol 3-kinase and phosphatidylinositol 3-phosphate pathway [In Process Citation]. Hum Mol Genet 9: 2223–2229 Bohlega S, Abu-Amero SN, Wakil SM, Carroll P, Al-Amr R, Lach B, Al-Sayed Y, Cupler J, Meyer BF (2004) Mutation of the slow myosin heavy chain rod domain underlies hyaline body myopathy. Neurology 62: 1518–1521 Bohlega S, Lach B, Meyer BF, Al Said Y, Kambouris M, Al Homsi M, Cupler EJ (2003) Autosomal dominant hyaline body myopathy: clinical variability and pathologic findings. Neurology 61: 1519–1523 Bornemann A, Petersen MB, Schmalbruch H (1996) Fatal congenital myopathy with actin filament deposits. Acta Neuropathol (Berl) 92: 104–108 Brandis A, Aronica E, Goebel HH (2008) TPM2 mutation. Neuromuscul Disord 18: 1005 Brooke MH, Engel WK (1969) The histographic analysis of human muscle biopsies with regard to fiber types. 1. Adult male and female. Neurology 19: 221–233 Brooke MH, Engel WK (1969) The histographic analysis of human muscle biopsies with regard to fiber types. 2. Diseases of the upper and lower motor neuron. Neurology 19: 378–393 Brooke MH, Engel WK (1969) The histographic analysis of human muscle biopsies with regard to fiber types. 3. Myotonias, myasthenia gravis, and hypokalemic periodic paralysis. Neurology 19: 469–477 Brooke MH, Engel WK (1969) The histographic analysis of human muscle biopsies with regard to fiber types. 4. Children’s biopsies. Neurology 19: 591–605 Brooke MH, Neville HE (1972) Reducing body myopathy. Neurology 22: 829–840 Cameron CH, Allen IV, Patterson V, Avaria MA (1992) Dominantly inherited tubular aggregate myopathy. J Pathol 168: 397–403 Carmignac V, Salih MA, Quijano-Roy S et al. (2007) Cterminal titin deletions cause a novel early-onset myopathy with fatal cardiomyopathy. Ann Neurol 61: 340–351 Carpenter S, Karpati G, Robitaille Y, Melmed C (1979) Cylindrical spirals in human skeletal muscle. Muscle Nerve 2: 282–287 Chariot P, Benbrik E, Schaeffer A, Gherardi R (1993) Tubular aggregates and partial cytochrome c oxidase deficiency in skeletal muscle of patients with AIDS treated with zidovudine. Acta Neuropathol 85: 431–436 Chui LA, Neustein H, Munsat TL (1975) Tubular aggregates in subclinical alcoholic myopathy. Neurology 25: 405–412 Claeys KG, Fardeau M, Schroder R et al. (2008) Electron microscopy in myofibrillar myopathies reveals clues to the mutated gene. Neuromuscul Disord 18: 656–666 Claeys KG, Maisonobe T, Bohm J et al. (2010) Phenotype of a patient with recessive centronuclear myopathy and a novel BIN1 mutation. Neurology 74: 519–521
738
Kapitel 31
29.
30.
31.
31
32.
33.
34.
35.
36.
37. 38.
39.
40. 41. 42.
43.
44. 45.
Claeys KG, Pellissier JF, Garcia-Bragado F et al. (2010) Myopathy with hexagonally cross-linked crystalloid inclusions: delineation of a clinico-pathological entity. Neuromuscul Disord 20: 701–708 Claeys KG, van der Ven PF, Behin A et al. (2009) Differential involvement of sarcomeric proteins in myofibrillar myopathies: a morphological and immunohistochemical study. Acta Neuropathol 117: 293–307 Crompton DE, Chinnery PF, Fey C et al. (2002) Neuroferritinopathy: a window on the role of iron in neurodegeneration. Blood Cells Mol Dis 29: 522–531 Curless RG, Payne CM, Brinner FM (1978) Fingerprint body myopathy: a report of twins. Dev Med Child Neurol 20: 793–798 Curtis AR, Fey C, Morris CM et al. (2001) Mutation in the gene encoding ferritin light polypeptide causes dominant adult-onset basal ganglia disease. Nat Genet 28: 350–354 Darin N, Kyllerman M, Wahlstrom J, Martinsson T, Oldfors A (1998) Autosomal dominant myopathy with congenital joint contractures, ophthalmoplegia, and rimmed vacuoles. Ann Neurol 44: 242–248 Davidson Y, Amin H, Kelley T et al. (2009) TDP-43 in ubiquitinated inclusions in the inferior olives in frontotemporal lobar degeneration and in other neurodegenerative diseases: a degenerative process distinct from normal ageing. Acta Neuropathol 118: 359–369 De Bleecker JL, Engel AG, Ertl BB (1996) Myofibrillar myopathy with abnormal foci of desmin positivity. II. Immunocytochemical analysis reveals accumulation of multiple other proteins. J Neuropathol Exp Neurol 55: 563–577 de Groot JG, Arts WF (1982) Familial myopathy with tubular aggregates. J Neurol 227: 35–41 Denborough MA, Dennett X, Anderson RM (1973) Central-core disease and malignant hyperpyrexia. Br Med J 1: 272–273 Di Blasi C, Blasevich F, Bellafiore E et al. (2010) Calsequestrin and junctin immunoreactivity in hexagonally crosslinked tubular arrays myopathy. Neuromuscul Disord 20: 326–329 Dubowitz V (1978) Muscle disorders in childhood. Major Probl Clin Pediatr 16: 1–282 Dubowitz V, Brooke MH (1973) Muscle biopsy: a modern approach. Saunders, London Philadelphia Toronto Dumonceaux J, Amthor H (2009) Current advances in the development of therapies for neuromuscular disorders based on myostatin signalling, 3rd International Institute of Myology Workshop, Paris, September 12th, 2008. Neuromuscul Disord 19: 797–799 Engel AG, Angelini C, Gomez MR (1972) Fingerprint body myopathy, a newly recognized congenital muscle disease. Mayo Clin Proc 47: 377–388 Fardeau M, Tome FM, Derambure S (1976) Familial fingerprint body myopathy. Arch Neurol 33: 724–725 Farkas-Bargeton E, Aicardi J, Arsenio-Nunes ML, Wehrle R (1978) Delay in the maturation of muscle fibers in infants with congenital hypotonia. J Neurol Sci 39: 17–29
Kongenitale Myopathien
46.
47. 48.
49.
50.
51.
52. 53.
54. 55. 56.
57.
58. 59. 60.
61.
62.
63.
64.
Ferreiro A, Ceuterick-de Groote C, Marks JJ et al. (2004) Desmin-related myopathy with Mallory body-like inclusions is caused by mutations of the selenoprotein N gene. Ann Neurol 55: 676–686 Fidzianska A (2002) „Cap disease“ – a failure in the correct muscle fibre formation. J Neurol Sci 201: 27–31 Fidzianska A, Badurska B, Ryniewicz B, Dembek I (1981) „Cap disease“: new congenital myopathy. Neurology 31: 1113–1120 Furui E, Fukushima K, Sakashita T, Sakato S, Matsubara S, Takamori M (1997) Familial limb-girdle myasthenia with tubular aggregates. Muscle Nerve 20: 599–603 Gibbels E, Henke U, Schadlich HJ, Haupt WF, Fiehn W (1983) Cylindrical spirals in skeletal muscle: a further observation with clinical, morphological, and biochemical analysis. Muscle Nerve 6: 646–655 Gibbels E, Kellermann K, Schadlich HJ, Adams R, Haupt WF (1992) Follow-up studies in a case of unusual congenital myopathy, suggestive of nemaline type. Acta Neuropathol 83: 371–378 Goebel HH (1998) Congenital myopathies with inclusion bodies: a brief review. Neuromuscul Disord 8: 162–168 Goebel HH, Anderson JR, Hubner C, Oexle K, Warlo I (1997) Congenital myopathy with excess of thin myofilaments. Neuromuscul Disord 7: 160–168 Goebel HH, D’Agostino AN, Wilson J et al. (1997) Spheroid body myopathy revisited. Muscle Nerve 20: 1127–1136 Goebel HH, Laing NG (2009) Actinopathies and myosinopathies. Brain Pathol 19: 516–522 Goebel HH, Muller J, Gillen HW, Merritt AD (1978) Autosomal dominant „spheroid body myopathy“. Muscle Nerve 1: 14–26 Goebel HH, Piirsoo A, Warlo I, Schofer O, Kehr S, Gaude M (1997) Infantile intranuclear rod myopathy. J Child Neurol 12: 22–30 Goebel HH, Warlo I (2000) Gene-related protein surplus myopathies. Mol Genet Metab 71: 267–275 Goebel HH, Warlo IA (2001) Surplus protein myopathies. Neuromuscul Disord 11: 3–6 Gommans IM, Davis M, Saar K, Lammens M et al. (2003) A locus on chromosome 15q for a dominantly inherited nemaline myopathy with core-like lesions. Brain 126: 1545–1551 Gonatas NK, Shy GM, Godfrey EH (1966) Nemaline myopathy. The origin of nemaline structures. N Engl J Med 274: 535–539 Goto Y, Komiyama A, Tanabe Y, Katafuchi Y, Ohtaki E, Nonaka I (1990) Myopathy in Marinesco-Sjogren syndrome: an ultrastructural study. Acta Neuropathol 80: 123–128 Griggs RC, Askanas V, DiMauro S, Engel A, Karpati G, Mendell JR, Rowland LP (1995) Inclusion body myositis and myopathies. Ann Neurol 38: 705–713 Hermanns B, Molnar M, Schröder JM (2000) Peripheral neuropathy associated with hereditary and sporadic inclusion body myositis: confirmation by electron microscopy and morphometry. J Neurol Sci 179: 92–102
Literatur
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76. 77.
78.
79.
Hung RM, Yoon G, Hawkins CE, Halliday W, Biggar D, Vajsar J (2010) Cap myopathy caused by a mutation of the skeletal alpha-actin gene ACTA1. Neuromuscul Disord 20: 238–240 Hutchinson DO, Charlton A, Laing NG, Ilkovski B, North KN (2006) Autosomal dominant nemaline myopathy with intranuclear rods due to mutation of the skeletal muscle ACTA1 gene: clinical and pathological variability within a kindred. Neuromuscul Disord 16: 113–121 Ikezoe K, Furuya H, Ohyagi Y, Osoegawa M, Nishino I, Nonaka I, Kira J (2003) Dysferlin expression in tubular aggregates: their possible relationship to endoplasmic reticulum stress. Acta Neuropathol 105: 603–609 Ilkovski B, Clement S, Sewry C, North KN, Cooper ST (2005) Defining alpha-skeletal and alpha-cardiac actin expression in human heart and skeletal muscle explains the absence of cardiac involvement in ACTA1 nemaline myopathy. Neuromuscul Disord 15: 829–835 Isaacs H, Heffron JJ, Badenhorst M (1975) Central core disease. A correlated genetic, histochemical, ultramicroscopic, and biochemical study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 38: 1177–1186 Jadro-Santel D, Grcevic N, Dogan S, Franjic J, Benc H (1980) Centronuclear myopathy with type I fibre hypotrophy and „fingerprint“ inclusions associated with Marfan’s syndrome. J Neurol Sci 45: 43–56 Jay V, Christodoulou J, Mercer-Connolly A, McInnes RR (1992) „Reducing body“-like inclusions in skeletal muscle in childhood-onset acid maltase deficiency. Acta Neuropathol 85: 111–115 Jerusalem F, Engel AG, Gomez MR (1973) Sarcotubular myopathy. A newly recognized, benign, congenital, familial muscle disease. Neurology 23: 897–906 Jeub M, Bitoun M, Guicheney P, Kappes-Horn K, Strach K, Druschky KF, Weis J, Fischer D (2008) Dynamin 2-related centronuclear myopathy: clinical, histological and genetic aspects of further patients and review of the literature. Clin Neuropathol 27: 430–438 Johnston JJ, Kelley RI, Crawford TO et a. (2000) A novel nemaline myopathy in the Amish caused by a mutation in troponin T1. Am J Hum Genet 67: 814–821 Jungbluth H, Cullup T, Lillis S, Zhou H, Abbs S, Sewry C, Muntoni F (2009) Centronuclear myopathy with cataracts due to a novel dynamin 2 (DNM2) mutation. Neuromuscul Disord 20: 49–52 Kinoshita M, Satoyoshi E, Suzuki Y (1975) Atypical myopathy with myofibrillar aggregates. Arch Neurol 32: 417–420 Kley RA, Hellenbroich Y, van der Ven PF et al. (2007) Clinical and morphological phenotype of the filamin myopathy: a study of 31 German patients. Brain 130: 3250–3264 Lach B, Tarnopolsky M, Nguyen C (2009) Sarcoplasmic hexagonally cross-linked tubular arrays immunostain for caveolin-3: an excess caveolinopathy? Acta Neuropathol 117: 339–341 Laporte J, Hu LJ, Kretz C et al. (1996) A gene mutated in X-linked myotubular myopathy defines a new putative ty-
739
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
88.
89.
90. 91.
92.
93.
rosine phosphatase family conserved in yeast. Nat Genet 13: 175–182 Laporte J, Kress W, Mandel JL (2001) Diagnosis of X-linked myotubular myopathy by detection of myotubularin. Ann Neurol 50: 42–46 Lehtokari V-L, Ceuterick-de Groote C, de Jonghe P, Martilla M, Laing NG, Pelin K, Wallgren-Petterson C (2007) Cap disease caused by heterozygous mutation of the beta-tropomyosin gene TPM2. Neuromuscul Disord 17: 433–442 Luan X, Hong D, Zhang W, Wang Z, Yuan Y (2010) A novel heterozygous deletion-insertion mutation (2695-2712 del/GTTTGT ins) in exon 18 of the filamin C gene causes filaminopathy in a large Chinese family. Neuromuscul Disord 20: 390–396 Mahjneh I, Anttonen AK, Somer M, Paetau A, Lehesjoki AE, Somer H, Udd B (2006) Myopathy is a prominent feature in Marinesco-Sjögren syndrome: A muscle computed tomography study. J Neurol 253: 301–306 Mancuso M, Davidzon G, Kurlan RM, Tawil R, Bonilla E, Di Mauro S, Powers JM (2005) Hereditary ferritinopathy: a novel mutation, its cellular pathology, and pathogenetic insights. J Neuropathol Exp Neurol 64: 280–294 Manta P, Terzis G, Papadimitriou C, Kontou C, Vassilopoulos D (2004) Emerin expression in tubular aggregates. Acta Neuropathol 107: 546–552 Martin JJ, Ceuterick C, Van Goethem G (1997) On a dominantly inherited myopathy with tubular aggregates. Neuromuscul Disord 7: 512–520 Martinsson T, Oldfors A, Darin N, Berg K, Tajsharghi H, Kyllerman M, Wahlstrom J (2000) Autosomal dominant myopathy: missense mutation (Glu-706 --> Lys) in the myosin heavy chain IIa gene. Proc Natl Acad Sci USA 97: 14614–14619 McDougall J, Wiles CM, Edwards RH (1980) Spiral membrane cylinders in the skeletal muscle of a patient with melorheostosis. Neuropathol Appl Neurobiol 6: 69–74 Melberg A, Kretz C, Kalimo H, Wallgren-Pettersson C, Toussaint A, Bohm J, Stalberg E, Laporte J (2009) Adult course in dynamin 2 dominant centronuclear myopathy with neonatal onset. Neuromuscul Disord 20: 53–56 Merlini L (2008) Marinesco-Sjogren syndrome, fanfare, and more. Neuromuscul Disord 18: 185–188 Miller TD, Jackson AP, Barresi R et al. (2009) Inclusion body myopathy with Paget disease and frontotemporal dementia (IBMPFD): clinical features including sphincter disturbance in a large pedigree. J Neurol Neurosurg Psychiatry 80: 583–584 Misra AK, Menon NK, Mishra SK (1992) Abnormal distribution of desmin and vimentin in myofibers in adult onset myotubular myopathy. Muscle Nerve 15: 1246–1252 Monnier N, Lunardi J, Marty I, Mezin P, Labarre-Vila A, Dieterich K, Jouk PS (2009) Absence of beta-tropomyosin is a new cause of Escobar syndrome associated with nemaline myopathy. Neuromuscul Disord 19: 118–123
740
Kapitel 31
94.
95.
96. 97.
31 98.
99.
100.
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
108.
109.
Müller HD, Vielhaber S, Brunn A, Schröder JM (2001) Dominantly inherited myopathy with novel tubular aggregates containing 1-21 tubulofilamentous structures. Acta Neuropathol (Berl) 102: 27–35 Nicot AS, Toussaint A, Tosch V et al. (2007) Mutations in amphiphysin 2 (BIN1) disrupt interaction with dynamin 2 and cause autosomal recessive centronuclear myopathy. Nat Genet 39: 1134–1139 North K (2008) What’s new in congenital myopathies? Neuromuscul Disord 18: 433–442 Nowak KJ, Sewry CA, Navarro C et al. (2007) Nemaline myopathy caused by absence of alpha-skeletal muscle actin. Ann Neurol 61: 175–184 Nowak KJ, Wattanasirichaigoon D, Goebel HH et al. (1999) Mutations in the skeletal muscle alpha-actin gene in patients with actin myopathy and nemaline myopathy. Nat Genet 23: 208–212 Olive M, Goldfarb LG, Shatunov A, Fischer D, Ferrer I (2005) Myotilinopathy: refining the clinical and myopathological phenotype. Brain 128: 2315–2326 Papahadjopoulos D, Vail WJ, Jacobson K, Poste G (1975) Cochleate lipid cylinders: formation by fusion of unilamellar lipid vesicles. Biochim Biophys Acta 394: 483–491 Pelin K, Hilpela P, Donner K et al. (1999) Mutations in the nebulin gene associated with autosomal recessive nemaline myopathy. Proc Natl Acad Sci USA 96: 2305–2310 Pica EC, Kathirvel P, Pramono ZA, Lai PS, Yee WC (2008) Characterization of a novel S13F desmin mutation associated with desmin myopathy and heart block in a Chinese family. Neuromuscul Disord 18: 178–182 Raheem O, Huovinen S, Suominen T, Haapasalo H, Udd B (2010) Novel myosin heavy chain immunohistochemical double staining developed for the routine diagnostic separation of I, IIA and IIX fibers. Acta Neuropathol 119: 495–500 Rappaport L, Contard F, Samuel JL, Delcayre C, Marotte F, Tome F, Fardeau M (1988) Storage of phosphorylated desmin in a familial myopathy. FEBS Lett 231: 421–425 Rapuzzi S, Prelle A, Moggio M et al. (1995) High serum creatine kinase levels associated with cylindrical spirals at muscle biopsy. Acta Neuropathol 90: 660–664 Ravenscroft G, Colley SM, Walker KR et al. (2008) Expression of cardiac alpha-actin spares extraocular muscles in skeletal muscle alpha-actin diseases – quantification of striated alpha-actins by MRM-mass spectrometry. Neuromuscul Disord 18: 953–958 Reilich P, Schoser B, Schramm N et al. (2010) The p.G154S mutation of the alpha-B crystallin gene (CRYAB) causes late-onset distal myopathy. Neuromuscul Disord 20: 255–259 Ringel SP, Neville HE, Duster MC, Carroll JE (1978) A new congenital neuromuscular disease with trilaminar muscle fibers. Neurology 28: 282–289 Robertson WC, Jr., Kawamura Y, Dyck PJ (1978) Morphometric study of motoneurons in congenital nemaline myopathy and Werdnig-Hoffmann disease. Neurology 28: 1057–1061
Kongenitale Myopathien
110. Sato I, Wu S, Ibarra MC et al. (2008) Congenital neuromuscular disease with uniform type 1 fiber and RYR1 mutation. Neurology 70: 114–122 111. Schessl J, Zou Y, McGrath MJ et al. (2008) Proteomic identification of FHL1 as the protein mutated in human reducing body myopathy. J Clin Invest 118: 904–912 112. Schoser BG, Frosk P, Engel AG, Klutzny U, Lochmuller H, Wrogemann K (2005) Commonality of TRIM32 mutation in causing sarcotubular myopathy and LGMD2H. Ann Neurol 57: 591–595 113. Schramm N, Born C, Weckbach S, Reilich P, Walter MC, Reiser MF (2008) Involvement patterns in myotilinopathy and desminopathy detected by a novel neuromuscular whole-body MRI protocol. Eur Radiol 18: 2922–2936 114. Schröder JM (2005) Ferritinopathy: diagnosis by muscle or nerve biopsy, with a note on other nuclear inclusion body diseases. Acta Neuropathol (Berl) 109: 109–114 115. Schröder JM (2009) „Necklace“ fibers as a late clue to the interpretation of the forgotten „trilaminar“ fibers. Acta Neuropathol 118: 317–318 116. Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York 117. Schröder JM, Adams RD (1968) The ultrastructural morphology of the muscle fiber in myotonic dystrophy. Acta Neuropathol (Berl) 10: 218–241 118. Schröder JM, Becker PE (1972) Anomalien des T-Systems und des sarkoplasmatischen Retikulums bei der Myotonie, Paramyotonie und Adynamie. Virchows Arch A Pathol Pathol Anat 357: 319–344 119. Schröder JM, Durling H, Laing N (2004) Actin myopathy with nemaline bodies, intranuclear rods, and a heterozygous mutation in ACTA1 (Asp154Asn). Acta Neuropathol 108: 250–256 120. Schröder JM, Kramer KG, Hopf HC (1985) Granular nuclear inclusion body disease: fine structure of tibial muscle and sural nerve. Muscle Nerve 8: 52–59 121. Schröder JM, Sommer C, Schmidt B (1990) Desmin and actin associated with cytoplasmic bodies in skeletal muscle fibers: immunocytochemical and fine structural studies, with a note on unusual 18- to 20-nm filaments. Acta Neuropathol 80: 406–414 122. Schröder JM, Thomas PK, Ballin RH (1970) Cross-striped fibrils in Schwann cells. Naturwissenschaften 57: 44 123. Schröder JM, Völker A, Dieler R (1990) Accumulation of abnormal leptomerfibrils in intrafusal muscle fibers. J Neurol Sci 98 (Suppl): 338 124. Schuelke M, Wagner KR, Stolz LE et al. (2004) Myostatin mutation associated with gross muscle hypertrophy in a child. N Engl J Med 350: 2682–2688 125. Selcen D, Engel AG (2005) Mutations in ZASP define a novel form of muscular dystrophy in humans. Ann Neurol 57: 269–276 126. Selcen D, Muntoni F, Burton BK, Pegoraro E, Sewry C, Bite AV, Engel AG (2009) Mutation in BAG3 causes severe dominant childhood muscular dystrophy. Ann Neurol 65: 83–89
Literatur
127. Senderek J, Krieger M, Stendel C et al. (2005) Mutations in SIL1 cause Marinesco-Sjogren syndrome, a cerebellar ataxia with cataract and myopathy. Nat Genet 37: 1312–1314 128. Sewry CA, Voit T, Dubowitz V (1988) Myopathy with unique ultrastructural feature in Marinesco-Sjögren syndrome. Ann Neurol 24: 576–580 129. Shalaby S, Hayashi YK, Goto K, Ogawa M, Nonaka I, Noguchi S, Nishino I (2008) Rigid spine syndrome caused by a novel mutation in four-and-a-half LIM domain 1 gene (FHL1). Neuromuscul Disord 18: 959–961 130. Shatunov A, Olive M, Odgerel Z et al. (2009) In-frame deletion in the seventh immunoglobulin-like repeat of filamin C in a family with myofibrillar myopathy. Eur J Hum Genet 17: 656–663 131. Shinde A, Nakano S, Sugawara M, Toyoshima I, Ito H, Tanaka K, Kusaka H (2008) Expression of caveolar components in primary desminopathy. Neuromuscul Disord 18: 215–219 132. Shy GM, Engel KW, Somers JE, Wanko T (1963) Nemaline myopathy, a new congenital myopathy. Brain 68: 793–810 133. Shy GM, Magee KR (1956) A new congenital non-progressive myopathy. Brain 79: 610–621 131. Smets K (2008) X-linked myotubular myopathy and chylothorax. Neuromuscul Disord 18: 183–184 135. Somech R, Shaklai S, Amariglio N, Rechavi G, Simon AJ (2005) Nuclear envelopathies – raising the nuclear veil. Pediatr Res 57: 8R–15R 136. Sommer C, Weishaupt A, Brinkhoff J, Biko L, Wessig C, Gold R, Toyka KV (2005) Paraneoplastic stiff-person syndrome: passive transfer to rats by means of IgG antibodies to amphiphysin. Lancet 365: 1406–1411 137. Stober A, Aleo A, Kuhl V, Bornemann A, Walter MC, Lochmuller H, Lindner A, Krause S (2010) Novel missense mutation p.A310P in the GNE gene in autosomal-recessive hereditary inclusion-body myopathy/distal myopathy with rimmed vacuoles in an Italian family. Neuromuscul Disord 20: 335–336 138. Stojkovic T, Hammouda el H, Richard P et al. (2009) Clinical outcome in 19 French and Spanish patients with valosin-containing protein myopathy associated with Paget’s disease of bone and frontotemporal dementia. Neuromuscul Disord 19: 316–323 139. Sung JH, Ramirez-Lassepas M, Mastri AR, Larkin SM (1980) An unusual degenerative disorder of neurons associated with a novel intranuclear hyaline inclusion (neuronal intranuclear hyaline inclusion disease). A clinicopathological study of a case. J Neuropathol Exp Neurol 39: 107–130 140. Susman RD, Quijano-Roy S, Yang N et al. (2010) Expanding the clinical, pathological and MRI phenotype of DNM2-related centronuclear myopathy. Neuromuscul Disord 20: 229–237 141. Suzuki Y, Murakami N, Goto Y, Orimo S, Komiyama A, Kuroiwa Y, Nonaka I (1997) Apoptotic nuclear degeneration in Marinesco-Sjogren syndrome. Acta Neuropathol (Berl) 94: 410–415
741
142. Tajsharghi H, Ohlsson M, Lindberg C, Oldfors A (2007) Congenital myopathy with nemaline rods and cap structures caused by a mutation in the beta-tropomyosin gene (TPM2). Arch Neurol 64: 1334–1338 143. Tajsharghi H, Oldfors A, Macleod DP, Swash M (2007) Homozygous mutation in MYH7 in myosin storage myopathy and cardiomyopathy. Neurology 68: 962 144. Tajsharghi H, Thornell L-E, Lindberg C, Lindvall B, Henriksson KG, Oldfors A (2003) Myosin storage myopathy associated with a heterozygous missense mutation in MYH7. Ann Neurol 54: 494–500 145. Tan P, Briner J, Boltshauser E, Davis MR, Wilton SD, North K, Wallgren-Pettersson C, Laing NG (1999) Homozygosity for a nonsense mutation in the alpha-tropomyosin slow gene TPM3 in a patient with severe infantile nemaline myopathy. Neuromuscul Disord 9: 573–579 146. Tominaga K, Hayashi YK, Goto K, Minami N, Noguchi S, Nonaka I, Miki T, Nishino I (2010) Congenital myotonic dystrophy can show congenital fiber type disproportion pathology. Acta Neuropathol 119: 481–486 147. Toussaint A, Cowling BS, Hnia K et al. (2010) Defects in amphiphysin 2 (BIN1) and triads in several forms of centronuclear myopathies. Acta Neuropathol 121: 253–266 148. Tulinius MH, Lundberg A, Oldfors A (1996) Early-onset myopathy with tubular aggregates. Pediatr Neurol 15: 68–71 149. Uro-Coste E, Arne-Bes MC, Pellissier JF et al. (2009) Striking phenotypic variability in two familial cases of myosin storage myopathy with a MYH7 Leu1793pro mutation. Neuromuscul Disord 19: 163–166 150. Vicart P, Caron A, Guicheney P et al. (1998) A missense mutation in the alphaB-crystallin chaperone gene causes a desmin-related myopathy. Nat Genet 20: 92–95 151. Vidal R, Ghetti B, Takao M et al. (2004) Intracellular ferritin accumulation in neural and extraneural tissue characterizes a neurodegenerative disease associated with a mutation in the ferritin light polypeptide gene. J Neuropathol Exp Neurol 63: 363–380 152. Vielhaber S, Schroder R, Winkler K et al. (2001) Defective mitochondrial oxidative phosphorylation in myopathies with tubular aggregates originating from sarcoplasmic reticulum. J Neuropathol Exp Neurol 60: 1032–1040 153. Voit T, Kutz P, Leube B et al. (2001) Autosomal dominant distal myopathy: further evidence of a chromosome 14 locus. Neuromuscul Disord 11: 11–19 154. Vorgerd M, van der Ven PF, Bruchertseifer V et al. (2005) A mutation in the dimerization domain of filamin c causes a novel type of autosomal dominant myofibrillar myopathy. Am J Hum Genet 77: 297–304 155. Weihl CC, Pestronk A, Kimonis VE (2009) Valosin-containing protein disease: inclusion body myopathy with Paget’s disease of the bone and fronto-temporal dementia. Neuromuscul Disord 19: 308–315 156. Weihl CC, Temiz P, Miller SE et al. (2008) TDP-43 accumulation in inclusion body myopathy muscle suggests a common pathogenic mechanism with frontotemporal dementia. J Neurol Neurosurg Psychiatry 79: 1186–1189
742
31
Kapitel 31
157. Weiler T, Greenberg CR, Zelinski T et al. (1998) A gene for autosomal recessive limb-girdle muscular dystrophy in Manitoba Hutterites maps to chromosome region 9q31q33: evidence for another limb-girdle muscular dystrophy locus. Am J Hum Genet 63: 140–147 158. Yarom R, Reches A (1980) Thick filament degeneration in a case of acute quadriplegia. J Neurol Sci 45: 13–22 159. Yarom R, Shapira Y (1977) Myosin degeneration in a congenital myopathy. Arch Neurol 34: 114–115 160. Zhang Y, Chen HS, Khanna VK et al. (1993) A mutation in the human ryanodine receptor gene associated with central core disease. Nat Genet 5: 46–50 161. Zhou H, Lillis S, Loy RE et al. (2010) Multi-minicore disease and atypical periodic paralysis associated with novel mutations in the skeletal muscle ryanodine receptor (RYR1) gene. Neuromuscul Disord 20: 166–173 162. Zimmer C, Gosztonyi G, Cervos-Navarro J, von Moers A, Schröder JM (1992) Neuropathy with lysosomal changes in Marinesco-Sjogren syndrome: fine structural findings in skeletal muscle and conjunctiva. Neuropediatrics 23: 329–335 163. Züchner S, Noureddine M, Kennerson M et al. (2005) Mutations in the pleckstrin homology domain of dynamin 2 cause dominant intermediate Charcot-Marie-Tooth disease. Nat Genet 37: 289–294
Kongenitale Myopathien
Kapitel 32
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
32
J.M. Schröder Inhalt Myotone Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
744
Myotonische Dystrophien (DM1 und DM2) . . . . .
744
Rippling-Muskelkrankheit . . . . . . . . . . . . . . .
748
Hypokaliämische periodische Paralyse (HOPP), Typ 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
749
Kalium-aggravierte Myotonie . . . . . . . . . . . .
750
Paramyotonia congenita . . . . . . . . . . . . . . .
750
Chondrodystrophische Myotonie (Schwartz-Jampel-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . .
748
Kalziumkanalstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
750
Brody-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
Hypokaliämische periodischen Paralyse, Typ 1 . . .
750
Ionenkanalkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
Kaliumkanalstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
750
Chloridkanalstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
748
Hypokaliämische periodischen Paralyse, Typ 3 . . .
750
Autosomal-dominante Myotonia congenita (Thomsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Episodische Ataxie/Myokymie . . . . . . . . . . . .
750
748 Periodische Paralyse bei Thyreotoxikose . . . . . . . . .
751
Rezessive generalisierte Myotonie (Becker) . . . . .
749 Maligne Hyperthermien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
751
Natriumkanalkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . .
749 Malignes neuroleptisches Syndrom . . . . . . . . . . . .
752
Hyperkaliämische periodische Paralyse (HYPP) . .
749 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
752
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_32, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
744
Kapitel 32
Myotone Syndrome
32
Definitionen. Die myotonischen Erkrankungen bestehen aus einer Gruppe von heterogenen, zumeist erblichen Krankheiten, denen das Symptom Myotonie gemeinsam ist (Tabelle 32.1). Einige davon werden jetzt den Ionenkanalkrankheiten zugerechnet, nämlich die dominant und die rezessiv erbliche Myotonia congenita, die Paramyotonia congenita sowie die hyper- und die hypokaliämischen periodischen Paralysen, wobei Letztere auch myotone Symptome aufweisen können. Demgegenüber beruht die myotonische Dystrophie auf einem Defekt der Myotoninproteinkinase, nicht aber primär auf einer Ionenkanalstörung. Davon abzugrenzen sind die lebensgefährlichen malignen Hyperthermien, die den Ionenkanalkrankheiten nur teilweise oder indirekt zugeordnet werden können und nicht mit myotonen Symptomen verbunden sind (s. unten). Die Myotonie ist durch verlangsamte Kontraktionen charakterisiert, die auf einer elektrischen Nachaktivität beruhen. Dieser Übererregbarkeit liegen verschiedene Mutationen bzw. Störungen zugrunde (s. Tabelle 32.1). Als aktive Myotonie wird eine verzögerte Erschlaffung der Muskulatur nach einer willkürlichen Kontraktion bezeichnet. Diese Myotonie lässt sich mechanisch durch Beklopfen des Muskels oder elektrisch durch Muskeloder Nervenreizung auslösen. Die myotonische Muskelstarre löst sich langsam durch wiederholte Muskelkontraktionen und verschwindet schließlich – wenn auch nur vorübergehend – ganz (Übungseffekt). Demgegenüber wird als paradoxe Myotonie eine Muskelstarre bezeichnet, die nach wiederholten Kontraktionen keinen Übungseffekt zeigt, sondern sich verstärkt. Eine besondere Form der paradoxen Myotonie ist die Paramyotonie; sie wird durch Kälte ausgelöst oder verstärkt. Abzugrenzen sind weiter die Pseudomyotonien oder myotonoiden Kontraktionen, die beim Myxödem und bei der Typ-II-Glykogenose vorkommen, sowie die Neuromyotonien, die auf Störungen wahrscheinlich der terminalen Innervation der Muskelfasern und auf demyelinisierende Krankheiten oder Antikörper gegen Amphiphysin („stiff person syndrome“; s. dort) zurückzuführen sind. Das myotonische Phänomen ist im Experiment durch Gabe von 20,25-Diazacholesterin und andere Cholesterinantagonisten sowie durch 2,4-Dichlorphenoxyazetat reproduzierbar (s. dort); außerdem kommt es bei myotonischen Ziegen vor.
Myotonische Dystrophien (DM1 und DM2) Zu differenzieren sind eine myotonische Dystrophie vom Typ 1 und Typ 2 (DM1 und DM2). Die klassische DM1 (Curschmann-Steinert-Krankheit) ist eine Multisystem-
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
erkrankung, die außer durch eine klinisch und/oder elektromyographisch nachweisbare Myotonie und einen progressiven Muskelschwund regelhaft auch durch eine Katarakt, Stirnglatze, Hodenatrophie und verschiedene endokrine Störungen, Kardiomyopathie mit Überleitungsstörungen und eine verminderte Intelligenz oder Demenz gekennzeichnet ist. Die DM2 unterscheidet sich von der DM1 vor allem genetisch, aber auch klinisch (Literatur s. [55]). Genetik. Die klassische Dystrophia myotonica (dystrophische Myotonie Typ 1; DM1) ist autosomal-dominant erblich. Genetisch liegt der Krankheit eine Expansion instabiler DNA-Sequenzen in dem Genfragment 19q13 zugrunde, nämlich eine Trinukleotid-(CTG-)Repetition an dem 3‘-Ende einer nichtkodierenden Region eines Transkripts, das eine Proteinkinase kodiert. Die Länge der Trinukleotidrepetition korreliert mit dem bei der myotonischen Dystrophie sehr variablen klinischen Schweregrad der Krankheit, wobei diese bereits pränatal [14–16] und sogar durch eine genetische Präimplantationsdiagnose [19] verifiziert werden kann. Von der DM1 ist die myotonische Dystrophie vom Typ 2 (DM2) abzugrenzen [7]. Die DM2 wird verursacht durch eine CCTG-Expansion mit durchschnittlich 5000 Wiederholungen im Intron 1 des Zink-Finger-Proteins-9(ZNF9-)Gens [24]. Die DM2 ist identisch mit einigen Fällen der sog. proximalen myotonischen Dystrophie (PROMM); doch kommen Fälle mit PROMM vor, die nicht dem Genort der DM2 auf Chromosom 3q zugeordnet werden können [21]. Vermutlich führen die Expansionen in der RNA zu den multisystemischen Aspekten der DM1 und DM2. Bemerkenswert ist die Antizipation in der Generationsfolge bei der DM1, aber nur ausnahmsweise bei der DM2. Die Antizipation sei auf die genetische Instabilität der DNA-Expansion zurückzuführen [26]. Epidemiologie, Klinik, Prognose. Die Häufigkeit der DM1 wird auf 1:8000 geschätzt. Somit handelt es sich um die häufigste Muskeldystrophie im Erwachsenenalter. Die Häufigkeit der DM2 ist noch nicht genau bestimmt, aber wohl annähernd gleich hoch [38]. Die DM1 beginnt oft zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, in mehr als der Hälfte der Fälle aber bereits im Kindesalter, nicht selten sogar im 1. Lebensjahr oder bald nach der Geburt, Letzteres jedoch nur bei mütterlicher Übertragung. Die DM1 ist in der Regel stärker ausgeprägt als die DM2. Es kommt zu Atrophien der distalen Muskelgruppen an der Hand, am Vorderarm und am Unterschenkel. Der Befall der Gesichtsmuskulatur (Ptose, Fazialisschwäche, gelegentlich äußere Ophthalmoplegie), besonders des M. temporalis, führt zum Bild der Facies myopathica, des sog. „Jammergesichts“. Die CK-Werte können bei Erwachsenen erhöht sein; in der Regel sind sie bei kongenitalen Fällen normal. Die Herzmuskulatur ist häufig mit betroffen. Im EKG sind Überleitungs- und Rhythmusstörungen
Myotone Syndrome
745
Tabelle 32.1 Myotonische Syndrome und Kanalkrankheiten, inkl. maligne Hyperthermien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
Myotonische Syndrome 6.1
Myotonische Dystrophie, Typ 1 (Steinert), DM1
AD
19q13
DMPK (Dystrophia-myotonica-Protein-Kinase)
160900 605377
Renwick et al. (1971) Friedrich et al. (1987) Harley et al. (1992) Buxton et al. (1992) Aslanidis et al. (1992) Mahadevan et al. (1992) Fu et al. (1992) Brook et al. (1992)
6.2
Myotonische Dystrophie, Typ 2 (DM2; PROMM)
AD
3q21
ZNF9 (Zink-Finger-Protein)
116955 602668
Ranum et al. (1998) Liquori et al. (2001)
6.3
Myotonia congenita, dominant (Thomsen)
AD
Siehe unter Ionenkanalkrankheiten
6.4
Myotonie, rezessiv (Becker)
AR
Siehe unter Ionenkanalkrankheiten
6.5
Rippling-Muskelkrankheit, dominant (RMD1), allelisch zu LGMD1C, HyperCKämie, CMH
AD
1q41
?
600332
Stephan et al. (1994)
6.6
Rippling-Muskelkrankheit, dominant
AD
3p25
CAV3 (Caveolin-3)
601253
Betz et al. (2001)
6.7
Rippling-Muskelkrankheit, rezessiv
AR
3p25
CAV3 (Caveolin-3)
601253 606072
Kubisch et al. (2003, 2005)
6.8
Schwartz-Jampel-Syndrom
AR
1p34-p36.1
HSPG (Heparan-Sulfat-Proteo-Glycan 2; Perlecan)
255800
Nicole et al. (1995, 2000)
6.9
Brody-Krankheit
AD, AR
16p12
SERCA1 (= ATP2A1) (SarkoplasmatischesRetikulum- Ca2+-transportierende ATPase; Herzmuskeltyp, rasch zuckend 1)
108730
Odermatt et al. (1996)
Ionenkanal-Krankheiten der Muskulatur A. Chloridkanal 7.1
Myotonia congenita, dominant (Thomsen) (THD), allelisch zur Becker-Myotonie
AD
7q35
CLCN1 (Muskelchloridkanal)
160800
Koch et al. (1992b) George et al. (1993)
7.2
Myotonie, rezessiv (Becker), allelisch zur Thomsen-Myotonie
AR
7q35
CLCN1 (Muskelchloridkanal)
255700
Koch et al. (1992b)
6
746
Kapitel 32
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
Tabelle 32.1 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
B. Natriumkanal 7.3
Hyperkaliämische periodische Paralyse (HyperKPP), allelisch zu HypoKPP, PMC und KAM
AD
17q23
SCN4A (Natriumkanal-DUntereinheit)
170500
Fontaine et al. (1990) Patacek et al. (1991a) Rojas et al. (1991)
7.4
Hypokaliämische periodische Paralyse (HypoKPP), allelisch zu HyperKPP, PMC und KAM
AD
17q23
SCN4A (Natriumkanal-DUntereinheit)
170500
Bulman et al. (1999)
7.5
Paramyotonia congenita (PMC), allelisch zu HypoKPP und KAM
AD
17q23
SCN4A (Natriumkanal-DUntereinheit)
168300
Ebers et al. (1991) Koch et al. (1992a) McClatchey et al. (1992) Ptacek et al. (1991b, 1993)
7.6
Kalium-aggravierte Myotonie (KAM), allelisch zu HypoKPP und PMC
AD
17q23
SCN4A (Natriumkanal-DUntereinheit)
168300
Heine et al. (1993) Lerche et al. (1993) Ptacek et al. (1994a)
7.7
Lange QT-Syndrome
32
Siehe unter Kardiomyopathien
C. Kalziumkanal 7.8
Hypokaliämische periodische Paralyse, Typ 1 (HypoPKK1)
AD
1q31-q32
CACNA1S (Kalziumkanal, spannungsabhängig, L-Typ, Alpha-1S-Untereinheit)
114208 170400
Fontaine et al. (1994) Ptacek et al. (1994) Jurkat-Rott et al. (1994)
7.9
Acetazolamid-responsive hereditäre paroxysmale Zerebelläre Ataxie (APCA)
AD
19p13
CACNA1A (Kalziumkanal-spannungsabhängige P/QTyp, alpha1A-Untereinheit
601011
Elbaz et al. (1995) Von Brederlow et al. (1995) Vahedi et al. (1995)
7.10
Episodische Ataxie, Typ 2
AD
19q13
CACNA1A
601011
Ophoff et al. (1996) Jodice et al. (1997)
D. Kaliumkanal 7.11
Hypokaliämische periodische Paralyse, Typ 3 (HypoKPP3)
AD
11q13
KCNE3 (Kalium-Volt-abhängiger Kanal, Isk-verwandte Familie, Mitglied 3)
170400 604433
Abbott et al. (2001)
7.12
Episodische Ataxie/ Myokymie
AD
12p13
KCNA1 (Kalium-Volt-abhängiger Kanal, Shaker-verwandte Unterfamilie, Mitglied 1)
160120
Browne et al. (1994) Adelman et al. (1995)
7.13
Periodische Paralyse, Kalium-sensitiv-kardiorhythmisch (Andersen-Syndrom)
AD
17p23-q24
KCNJ2 (Kalium-einwärts rektifizierender Kanal, Unterfamilie J, Komponente 2)
600681
Plaster et al. (2001)
6
Myotone Syndrome
747
Tabelle 32.1 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
Bezüglich weiterer Syndrome s. Kardiomyopathien (http://musclegenetable.org) Maligne Hyperthermien 8.1
Maligne Hyperthermie (MHS1), allelisch zu CCD, Minicore-Myopathie mit externer Ophthalmoplegie, CNMDU1
AD
19q31.1
RYR1 (Ryanodin-Rezeptor)
180901
MacLennan et al. (1990) McCarthy et al. (1990) Fujii et al. (1991) Gillard et al. (1991, 1992) Quane et al. (1993, 1994) Keating et al. (1994)
8.2
MHS2
AD
17q11.2q24
?
154275
Levitt et al. (1992) Moslehi et al. (1998)
8.3
MHS3
AD
7q21-q22
?
154276
Iles et al. (1994)
8.4
MHS4
AD
3q13.1
?
600467
Sudbrak et al. (1995)
8.5
MHS5, allelisch zu HypoKPP1
AD
1q31-q32
CACNA1S (Kalziumkanal, spannungsabhängig, L-Typ, α-1S-Untereinheit )
601887
Monnier et al. (1997)
8.6
MHS6
AD
5p
?
601888
Robinson et al. (1997)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 80-81. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
nachweisbar. Die meisten Patienten sterben um das 45. bis 50. Lebensjahr. Als Multisystemkrankheiten weisen die DM1 und die DM2 noch weitere Besonderheiten aus, die zur klinischen Differenzierung beitragen [55]. Morphologie der DM1. Muskelbioptisch finden sich ausgeprägte Kaliberdifferenzen mit besonders auffälligen und starken Vermehrungen der Sarkolemmkerne, die vielfach in langen Ketten hintereinander angeordnet sind, außerdem Ringbinden, sarkoplasmatische Massen an der Peripherie der Fasern mit fehlorientierten und zerstörten Myofibrillen (Abb. 30.1b, 30.2c) und eine geringe Anzahl nekrotischer bzw. degenerierender Fasern [48]. Das Binde- und Fettgewebe ist in wechselndem Ausmaß und in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung proliferiert. Bei subklinischen und kongenitalen Fällen lässt sich anfangs eine selektive Atrophie bzw. Hypotrophie der Typ-1-Fasern mit peripherem Myofibrillen-freien Saum („halo“) nachweisen, die zentrale Kerne aufweisen [57] und eine kongenitale Fasertypendisproportion [54] oder eine myotubuläre imitieren können. Letztere lässt sich durch Antikörper gegen das „Muscle-blind-Protein“ ausschließen, das sich an die expandierte CTG-Region binden würde [50]. Die Terminalzisternen des sarkoplasmatischen Retikulums sind z. T. dilatiert oder proliferiert, aber im Unterschied zu den sog. tubulären Aggregaten (Literatur s. [30]; s. Kap. 31) mit einem homogenen, fein-
granulären Material ausgefüllt; das T-System ist stellenweise honigwabenförmig proliferiert, und die Triaden sind abnorm konfiguriert [48]. Die Veränderungen am sarkoplasmatischen Retikulum stehen möglicherweise mit der dort lokalisierten Myotonin-Proteinkinase in Zusammenhang [51], deren Gen, das Dystrophia-myotonica-Protein-Kinase-(DMPK-)Gen, primär betroffen ist. Ausnahmsweise kommen sog. anulierte Lamellen vor. In den Kernen sind selten einmal tubulofilamentöse Einschlüsse mit einem Durchmesser ähnlich denen bei der Einschlusskörpermyositis und -myopathie u. a. nachweisbar [10]. Die motorischen Endplatten sind bei einigen Fällen deutlich vergrößert. In einigen Muskelbiopsien sind enorme Vermehrungen der intrafusalen Muskelfasern (bis zu 150 Fasern pro Spindel) beobachtet worden [10, 17, 27]. Ursache der geistigen Defekte bei der myotonischen Dystrophie sei eine pränatal erworbene Dysgenesie des Gehirns [41]. In Abhängigkeit vom Ausmaß der mit der myotonischen Dystrophie einhergehenden Demenz finden sich Pachygyrien und neuronale Heterotopien. Das Ventrikelsystem des Gehirns ist erweitert. Die Motoneurone des Rückenmarks zeigten jedoch keine signifikante Verminderung der Gesamtzahl, wenn auch die Zahl der Gliazellen bei Fällen mit myotonischer Dystrophie signifikant erhöht war. Bei 2 Patienten war
748
Kapitel 32
die Fläche der Zellkörper der Motoneurone beim Vergleich mit den Kontrollfällen reduziert [56]. Die Angaben über die Beteiligung der peripheren Nerven sind bisher widersprüchlich. In der Regel gehört eine periphere Neuropathie nicht zum Krankheitsbild [4, 34]; doch ist sie in einem Viertel der Fälle ausgeprägt [10].
32
Morphologie der DM2. Untersuchungen zur DM2 (PROMM) gibt es bisher nur relativ wenige; bei 2 Schwestern konnten wir erhebliche Kaliberdifferenzen der Muskelfasern mit stark vermehrten Kernen und vollständig atrophische Muskelfasern mit auffällig vielen pyknotischen Kernhaufen feststellen, aber keine sarkoplasmatischen Massen und Ringbinden, wie sie typischerweise bei der Dystrophia myotonica vom Typ 1 (DM1) vorkommen. Das ZNF9-Protein erscheint nach Immunoblot- und konfokalen Immunfluoreszenzuntersuchungen unauffällig [45]. Die atrophischen Muskelfasern exprimieren bei der DM2 nur die rasche MyosinIsoform (MxHC 2), bei der DM1 aber sowohl die rasche als auch die langsame Form (MyHC 2 und MyHC 7) [45, 55].
Rippling-Muskelkrankheit Diese ist autosomal-dominant [3] oder -rezessiv erblich [22] und allelisch zur LGMD1C, d. h. auf Mutationen im Caveolin-3-Gen (CAV3) zurückzuführen (s. dort). Klinisch manifestiert sich das Rippling-Phänomen in Form fokaler, wurmartig kriechender Kontraktionen z. B. nach Beklopfen mit dem Reflexhammer. Immunhistochemisch ist eine verminderte Caveolin-Reaktivität an der Oberfläche der Muskelfasern zu finden. Elektronenmikroskopisch dominiert eine Reduktion der Zahl pinozytischer Vesikel an der Oberfläche der Muskelfasern, die in starkem Gegensatz zur großen Zahl der pinozytotischen Vesikel in den angrenzenden Kapillarenendothelien steht [22].
Chondrodystrophische Myotonie (Schwartz-Jampel-Syndrom) Diese autosomal-rezessiv erbliche, mit Zwergwuchs, Skelettdeformitäten, ungewöhnlichen Gesichtsanomalien und Blepharospasmen einhergehende Erkrankung ist auf Mutationen im Perlecan-(Heparansulfat-Proteoglycan-2-)Gen (HSPG2) zurückzuführen [31, 32], aber bisher nur in relativ wenigen Fällen beschrieben worden [6, 33, 53]. Es resultieren verspätete Öffnungen der Natriumionenkanäle bei normaler Chloridionendurchlässigkeit.
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
Brody-Krankheit Diese kommt in einer autosomal-dominanten und einer rezessiven Form vor. Sie ist auf Mutationen im Gen der kalziumtransportierenden ATPase vom rasch zuckenden Herzmuskeltyp (ATP2A1) mit entsprechenden Störungen der sarkoplasmatischen Retikulum-Kalziumionen-ATPase (SERCA1) zurückzuführen (s. Tabelle 32.1). Klinisch ist die Krankheit charakterisiert durch schmerzlose Muskelkrämpfe und belastungsabhängige Beeinträchtigung der Muskelerschlaffung. Immunhistochemisch ist eine Verminderung der SERCA1-Aktivität nachweisbar. Eine normale Reaktion schließt jedoch nicht aus, dass zwar Protein vorhanden, dieses aber abnorm strukturiert ist.
Ionenkanalkrankheiten Hierzu gehören, wie bereits erwähnt, die Myotonia congenita (dominant und rezessiv erblich), die Paramyotonia congenita, die damit z. T. identischen hyper- oder hypokaliämischen periodischen Paralyse bzw. die Adynamia episodica hereditaria (s. Tabelle 32.1). Diese klassischen Symptome oder Syndrome lassen sich jetzt in komplexer Weise überschneidend den Chlorid-, Natrium-, Kalziumund Kaliumkanälen zuordnen. Ergänzend erwähnt seien hier als weitere Ionenkanalstörungen Krankheiten der neuromuskulären Endplatte, Krankheiten des Zentralnervensystems, nämlich episodische Ataxien, eine hemiplegische Migräne und einige Formen von Epilepsie, eine abnorme Kaliumionendurchlässigkeit bei verschiedenen QT-Überleitungsstörungen im Herzen sowie renale Ionenkanalkrankheiten, auf die hier nur am Rande verwiesen sei.
Chloridkanalstörungen Eine reduzierte Chloridionenkanaldurchlässigkeit besteht sowohl bei der dominant (Thomsen) als auch bei der rezessiv erblichen Myotonia congenita (Becker) und bei myotonischen Ziegen.
Autosomal-dominante Myotonia congenita ( Thomsen) Diese regelmäßig autosomal-dominant erbliche Krankheit kann sich bereits in der Kindheit manifestieren, manchmal kurz nach der Geburt. Bei vielen Patienten ist eine Muskelhypertrophie vorhanden, die einen athletischen Aspekt hervorruft. Die Patienten haben eine nor-
749
Ionenkanalkrankheiten
male Lebenserwartung. Die Häufigkeit wird auf 1:150.000 bis 1:300.000 geschätzt. Genetik. Die zugrunde liegende Störung beruht auf Mutationen im Gen für den Chloridkanal (CLCN1), wobei die dominant und die rezessiv erbliche Form der Myotonia congenita auf unterschiedlichen Mutationen in diesem Gen beruhen [20]. Bestimmte Mutationen führen in einigen Familien zur dominant erblichen Form, in anderen zur rezessiv erblichen, wobei die Letztere auf homozygote oder Compound-heterozygote Mutationen zurückzuführen ist. Eine bestimmte Genotyp/PhänotypKorrelation ist bisher nicht ersichtlich [5]. Pathogenese. Die Leitfähigkeit des Chloridkanals in der Membran der Muskelfasern ist herabgesetzt; dies führt zur Herabsetzung der Schwelle für die Auslösung eines Aktionspotentials und dadurch zu repetitiven Entladungen mit dem elektromyographischen Phänomen der myotonischen Salven. Histopathologie. Muskelbioptisch finden sich hypertrophische Fasern mit etwas vermehrten Kernen, vereinzelte Vakuolen und gelegentlich aufgespaltene Fasern. Enzymhistochemisch ist gelegentlich ein vollständiges Fehlen der Typ-2B-Fasern gefunden worden. Die beobachteten feinstrukturellen Veränderungen am Sarkolemm, TSystem und sarkoplasmatischen Retikulum [49] haben sich als unspezifisch erwiesen.
Rezessive generalisierte Myotonie (Becker) An dem Vorkommen einer rezessiven Form der Myotonia congenita bestehen seit den Untersuchungen von Becker keine Zweifel [23]. Diese Myotonie tritt im Unterschied zur dominanten Form nicht kongenital auf, sondern manifestiert sich erst im Alter von 5–15 Jahren, ist aber ebenfalls auf Veränderungen im Chloridkanal zurückzuführen [20], nachdem vorher der Natriumkanal als betroffen diskutiert worden war [18]. Sie ist häufiger als die dominante Form (1:23.000 bis 1:50.000). Die histopathologischen Veränderungen sind bei der rezessiven Form graduell etwas stärker ausgeprägt als bei der dominanten Form [49].
Natriumkanalkrankheiten Die 7 folgenden Myopathienformen (s. Tabelle 32.1) können durch unterschiedliche, autosomal-dominante Mutationen im Gen für den spannungsabhängigen („voltage-gated“) Natriumkanal Typ IVα (SCN4A) auf Chromosom 19q verursacht werden: die hyperkaliä-
mische periodische Paralyse (HYPP), die hypokaliämische periodische Paralyse (HOPP) vom Typ 2, die Paramyotonia congenita (PMC) einschließlich der periodischen paramyotonischen Paralyse [25] und die Kalium-aggravierte Myotonie einschließlich der Myotonia fluctuans und Myotonia permanens [46]. Diese Krankheitsbilder sind allelisch zueinander, wobei die Abgrenzung untereinander schwierig sein kann. Gestört ist jeweils die Durchlässigkeit des Natriumionenkanals. Klinik. Die sog. periodischen Paralysen sind heterogene seltene, nichtneurogene Erkrankungen der Skelettmuskulatur, bei denen die Patienten unter episodenhaft (nicht eigentlich periodisch) auftretender Muskelschwäche (nicht unbedingt Paralyse) der Extremitätenmuskulatur und in geringem Maß auch der übrigen Muskeln leiden. Die Patienten erholen sich von derartigen Anfällen in der Regel vollständig; doch kann sich langsam eine bleibende Muskelschwäche entwickeln.
Hyperkaliämische periodische Paralyse (HYPP) Bei den wenigen untersuchten Fällen mit dieser Krankheit fanden sich muskelbioptisch Erweiterungen der longitudinalen Komponenten des sarkoplasmatischen Retikulums, vermehrtes Glykogen und tubuläre Aggregate (s. Kap. 31), nicht aber die zahlreichen, bei der hypokaliämischen periodischen Paralyse beobachteten Vakuolen bzw. Erweiterungen des T-Systems [49]. Bei der normokaliämischen periodischen Paralyse, auch Adynamia episodica hereditaria genannt, handelt es sich um eine Variante der hyperkaliämischen periodischen Paralyse [42], die ebenfalls auf Mutationen im Natriumkanal SCNA4 zurückzuführen ist und auch als Paralysis periodica paramyotonia bezeichnet wird [25].
Hypokaliämische periodische Paralyse (HOPP), Typ 2 Die verschiedenen, molekulargenetisch unterscheidbaren Formen der periodischen Paralyse (s. Tabelle 32.1) sind noch nicht vergleichend pathomorphologisch untersucht worden. Mikroskopisch finden sich jedenfalls in Muskelfasern von Fällen, die klinisch als hypokaliämische Paralyse klassifiziert worden waren, einzelne oder mehrere, zumeist zentral liegende charakteristische Vakuolen [13, 47] (s. Abb. 30.2e,f). Außerdem kommen aufgespaltene Fasern vor. Die Vakuolen sind unterschiedlich weit und überwiegend auf Erweiterungen des T-Systems zurückzuführen. Sie sind zumeist leer oder mit einem granulären oder hyalinen Material gefüllt. Während anfangs angenommen wurde, dass sich die Vakuolen in den Mus-
750
32
Kapitel 32
kelfasern nur während der Anfälle entwickeln und in den anfallsfreien Intervallen zurückbilden, haben spätere Autoren eine anhaltende vakuoläre Myopathie bei Patienten beobachtet, die nach wiederholten paralytischen Anfällen eine andauernde Muskelschwäche entwickelten. Bei einigen Patienten jedoch, die eine anhaltende Muskelschwäche aufwiesen, fanden sich im paralysierten Muskel keine Vakuolen [13]. Die Vakuolen sind deshalb eher als Zeichen der andauernden Myopathie denn als Korrelat der akuten Lähmung anzusehen. Elektronenmikroskopisch fanden sich außerdem Erweiterungen des sarkoplasmatischen Retikulums, Proliferationen der longitudinalen Komponenten des sarkoplasmatischen Retikulums (tubuläre Aggregate) und honigwabenartig proliferierte Komponenten des TSystems. In einzelnen Fasern kommen von Membranen des sarkoplasmatischen Retikulums umgebene, konzentrisch geschichtete Kalksalz- bzw. Apatitablagerungen vor (s. Abb. 30.2e,f).
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
auch in kleinen Gruppen zwischen den normal großen Fasern. Manche sind nicht abgerundet, sondern auf dem Querschnitt abgeflacht. Das endomysiale Bindegewebe ist geringgradig vermehrt; die subsarkolemmalen Kerne und die Bindegewebszellkerne sind zahlreicher als im normalen Muskel; auch kommen in unterschiedlichem Ausmaß vermehrte zentralständige Kerne in den Muskelfasern vor. Einige atrophische Fasern enthalten irregulär angeordnete Myofibrillen und mehrere Kerne. In anderen Muskelfasern kommen leere und zentral angeordnete Vakuolen vor. Vereinzelt nur sieht man myofibrillenfreie sarkoplasmatische Massen in der Peripherie der Fasern, vermutlich an der Stelle tubulärer Aggregate, und Aufsplitterungen einzelner Fasern. Ringbinden sind nicht zu beobachten, akute Fasernekrosen nur ausnahmsweise [25, 49].
Kalziumkanalstörungen Hypokaliämische periodischen Paralyse, Typ 1
Kalium-aggravierte Myotonie Hier sind die milde Myotonia fluctuans, die schwere Myotonia permanens und die Acetazolamid-induzierte Myotonie zu differenzieren, die durch Belastung und Kälte sowie durch Kaliumgabe zu induzieren sind. Sie beruhen, wie bereits erwähnt, auf Mutationen im Gen für den muskulären Natriumkanal (s. oben; Tabelle 32.1). Muskelbioptisch bestehen geringe Kalibervariationen. Vereinzelt sind membranöse und tubuläre zytoplasmatische Strukturen in den Muskelfasern nachweisbar, die z. T. als Autophagolysosomen zu interpretieren oder dem T-System zuzuordnen sind [46].
Typ 1 der periodischen Paralysen beruht auf Mutationen im Gen für den spannungsabhängigen Kalziumkanal, LTyp, Untereinheit α1S (CACNA1A). Sie ist allelisch zur Acetazolamid-induzierbaren hereditären paroxysmalen zerebellären Ataxie, zur episodischen Ataxie vom Typ 2 und zu einer bestimmten Form der malignen Hyperthermie (MHS5). Es kommt zu Störungen der Kalziumionenkanaldurchlässigkeit.
Kaliumkanalstörungen Hypokaliämische periodischen Paralyse, Typ 3
Paramyotonia congenita Bei dieser seltenen, autosomal-dominant erblichen Krankheit folgt der kälteinduzierten Muskelstarre eine Adynamie. Die Krankheit ist auf eine erhöhte Na+-Permeabilität und ebenso wie die hyperkaliämische periodische Paralyse auf Mutationen im Natriumkanalgen für die gleiche Alpha-Untereinheit zurückzuführen [11, 35, 36] (Tabelle 32.1). Sie kann je nach Mutation unterschiedlich schwer verlaufen und mit einer Myotonie verbunden sein. Die früheren Meinungsverschiedenheiten über die Abgrenzung gegenüber den familiären Paralysen, insbesondere gegenüber der Adynamia episodica hereditaria, erscheinen dadurch beigelegt. Muskelbioptisch finden sich teilweise ausgeprägte Muskelfaserkaliberschwankungen. Neben hypertrophischen Fasern kommen auch reichlich völlig atrophische Fasern vor. Letztere liegen oft einzeln, z. T. aber
Diese Form der periodischen Lähmung beruht auf Mutationen im Gen für den spannungsabhängigen Kaliumkanal vom Typ der Isk-verwandten Familie, Komponente 1 (KCNE3).
Episodische Ataxia/Myokymie Diese Krankheit wird durch Mutationen im spannungsabhängigen Kaliumkanal (KCNA1) verursacht, wie sie auch bei einer mit Shaker-Familien verwandten Unterfamilie auftreten (Tabelle 32.1). Weitere hereditäre Kaliumkanalstörungen, z. B. eine kaliumsensitive kardiodysrhythmische periodische Paralyse (Andersen-Krankeit), und andere sind unter den Kardiomyopathien aufgeführt (s. http://www.musclegenetable.org).
Maligne Hyperthermien
Periodische Paralyse bei Thyreotoxikose Die bei der Thyreotoxikose auftretende periodische Paralyse ist ebenfalls mit Vakuolen, tubulären Aggregaten und anderen unspezifischen Veränderungen in den Muskelfasern verbunden, doch können diese Veränderungen auch fehlen [2, 39]. Die Muskelfasern zeigten hinsichtlich Aktionspotentialschwellen, Natrium-, Kalium- und Kalziumströmen bzw. -Leitfähigkeit ähnliche Werte wie bei der hypokaliämischen Paralyse (HOPP) vom Typ 1; der Ca2+-Gehalt der Muskelfasern war in beiden Situationen erhöht [37].
Maligne Hyperthermien Die malignen Hyperthermien sind familiäre, dominant erbliche Erkrankungen, bei denen evtl. tödlich verlaufende Hyperthermieanfälle mit Myoglobinurie durch volatile Narkosemittel, insbesondere Halothane, und depolarisierende Muskelrelaxanzien wie Suxamethonium (Succinylcholin) ausgelöst werden („postoperativer Hitzschlag“) [8, 9]. Die Häufigkeit der Anästhesiezwischenfälle aufgrund einer malignen Hyperthermie betrug etwa 1:15.000 bei Kindern und 1:50.000 bei Erwachsenen. Klinik. Während einer Allgemeinnarkose kommt es zu einem raschen und anhaltenden Temperaturanstieg (bis 43 °C), der mit einer generalisierten Muskelrigidität, Tachykardie, Tachypnoe, ausgeprägtem Schwitzen und Zyanose verbunden ist. Während des Anfalls steigt die Serum-CK auf Werte bis zu 50.000 IE/l oder mehr an. Zu den Komplikationen gehören eine Verbrauchskoagulopathie, Nierenfunktionsstörungen durch schwere Myoglobinurie, kardiale Arrhythmien und Herzstillstand. Die Mortalität der malignen Hyperthermie während oder unmittelbar nach einer Episode beträgt 63–73% [12]; durch Dantrolenmedikation lassen sich derartige Anfälle jedoch beherrschen. Histopathologie. Muskelbioptisch haben sich im Intervall bei den meisten Fällen keine spezifischen, sondern nur unspezifische strukturellen Veränderungen nachweisen lassen wie einzelne atrophische oder hypotrophische und degenerierende Fasern mit vermehrten zentralständigen Kernen und disseminierte kleine Herde mit reduzierter oxidativer Aktivität. Bei anderen Patienten besteht jedoch eine ausgeprägte Central-core- oder Multiminicore-Krankheit (s. unten) [12, 43]. Demgegenüber finden sich nach einem Anfall disseminierte Muskelfasernekrosen und, je nach dem Zeitpunkt der Untersuchung, regenerierende Fasern und verschiedene „degenerative“ Veränderungen wie tubuläre
751
Aggregate, myelinähnliche Figuren, Lipidtropfen und herdförmige Glykogenansammlungen. Feinstrukturell ließen sich im akuten Stadium Defekte der Plasmamembran mit Austritt der Glykogengranula in das Interstitium nachweisen. Gefrierätzuntersuchungen [44] ergaben Anhäufungen intramembranöser Partikel in der Plasmamembran. Einige Membranareale waren frei von Partikeln und pinozytotischen Caveolae. Die E-Fläche zeigte irreguläre Erhebungen mit korrespondierenden Defekten auf der P-Fläche. Die Diagnose muss wegen der Unspezifität zumindest der lichtmikroskopischen Veränderungen durch einen In-vitro-Kontraktionstest (Halothan-Koffein-Test) verifiziert werden, der allerdings nicht absolut verlässlich ist. Entscheidend ist dann der (molekulargenetische) Nachweis folgender Ursachen: • Maligne Hyperthermie aufgrund von Mutationen im Ryanodin-Rezeptor 1 (RYR1): Die Disposition zur malignen Hyperthermie beruht in ca. 50% der Fälle auf Mutationen im Gen für den Ryanodinrezeptor (RYR1). Der Erbgang ist autosomal-dominant mit variabler Penetranz. Diese Form ist allelisch zur Central-core-Krankheit (CCD), zur Minicore-Myopathie mit externer Ophthalmoplegie [28], zur kongenitalen neuromuskulären Krankheit mit uniformen Typ-1-Fasern (CNMDU1; s. Tabelle 32.1) und zu einer Multiminicore-Krankheit mit einer atypischer periodischer Paralyse [59]. • Maligne Hyperthermie aufgrund von Mutationen im CACNA1S-Gen: In diesem Teil der Fälle ist ein großes Protein betroffen, bei dem es sich um einen der beiden Kalziumkanäle im Muskel handelt, der dem sarkoplasmatischen Retikulum zugeordnet ist [29, 40, 42]. Diese Form ist allelisch zu der vorher beschriebenen Kalziumkanalstörung, nämlich der hypokaliämischen periodischen Paralyse vom Typ 1. Der Membrandefekt führt zu einem erhöhten Kalziumeinstrom in die Muskelfasern und dadurch, wie bei vielen anderen nekrotisierenden Myopathien, zur Aktivierung von Proteinasen als wesentlichem zellzerstörenden Faktor. • Weitere Ursachen einer malignen Hyperthermie: Es sind noch weitere Genorte bekannt, doch nicht die zugehörigen Gene (Tabelle 32.1, Pos. 8.2-8.4 und 8.6). Zudem kann eine Rhabdomyolyse auch bei anderen neuromuskulären Krankheiten auftreten, so bei Duchenne-Muskeldystrophie, myotonischer Dystrophie vom Typ 1, bei Denervationsatrophien und metabolischen Muskelkrankheiten [58] sowie beim King-Denborough-Syndrom, das durch eine langsam progressive Myopathie, Kleinwuchs, Trichterbrust, Kryptorchismus, Kyphoskoliose und charakteristische Gesichtsanomalien gekennzeichnet ist.
752
Kapitel 32
Malignes neuroleptisches Syndrom Beim sog. malignen neuroleptischen Syndrom, auch als Katatonie beschrieben [52], spielt eine erhöhte Empfindlichkeit des sarkoplasmatischen Retikulums eine wichtige Rolle [1], wobei dieses Syndrom, wie der Name sagt, zentral durch Neuroleptika ausgelöst wird.
Myotonische Erkrankungen und Ionenkanalkrankheiten
13.
14.
15.
Literatur 16.
32
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9. 10.
11.
12.
Araki M, Takagi A, Higuchi I, Sugita H (1988) Neuroleptic malignant syndrome: caffeine contracture of single muscle fibers and muscle pathology [see comments]. Neurology 38: 297–301 Bergman RA, Afifi AK, Dunkle LM, Johns RJ (1970) Muscle pathology in hypokalemic periodic paralysis with hyperthyroidism. I. High resolution light microscopic study of a case. Johns Hopkins Med J 126: 88–99 Betz RC, Schoser BG, Kasper D et al. (2001) Mutations in CAV3 cause mechanical hyperirritability of skeletal muscle in rippling muscle disease. Nat Genet 28: 218–219 Borenstein S, Noel P, Jacquy J, Flamentdurand J (1977) Myotonic dystrophy with nerve hypertrophy. Report of a case with electrophysiological and ultrastructural study of the sural nerve. J Neurol Sci 34: 87–99 Burgunder JM, Huifang S, Beguin P et al. (2008) Novel chloride channel mutations leading to mild myotonia among Chinese. Neuromuscul Disord 18: 633–640 Cao A, Cianchetti C, Calisti L, de Virgiliis S, Ferreli A, Tangheroni W (1978) Schwartz-Jampel syndrome. Clinical, electrophysiological and histopathological study of a severe variant. J Neurol Sci 35: 175–187 Day JW, Roelofs R, Leroy B, Pech I, Benzow K, Ranum LP (1999) Clinical and genetic characteristics of a five-generation family with a novel form of myotonic dystrophy (DM2). Neuromuscul Disord 9: 19–27 Denborough MA, Dennett X, Anderson RM (1973) Central-core disease and malignant hyperpyrexia. Br Med J 1: 272–273 Denborough MA, Lowell RRH (1960) Anesthetic death in a family. Lancet II: 45 Dieler R, Schröder JM (1990) Lacunar dilatations of intrafusal and extrafusal terminal cisternae, annulate lamellae, confronting cisternae and tubulofilamentous inclusions within the spectrum of muscle and nerve fiber changes in myotonic dystrophy. Pathol Res Pract 186: 371–382 Ebers GC, George AL, Barchi RL et al. (1991) Paramyotonia congenita and hyperkalemic periodic paralysis are linked to the adult muscle sodium channel gene. Ann Neurol 30: 810–816 Eng GD, Epstein BS, Engel WK, McKay DW, McKay R (1978) Malignant hyperthermia and central core disease in a child with congenital dislocating hips. Arch Neurol 35: 189–197
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23. 24.
25.
26.
27.
28.
Engel AG (1970) Evolution and content of vacuoles in primary hypokalemic periodic paralysis. Mayo Clin Proc 45: 774–814 Eriksson M, Ansved T, Edstrom L, Anvret M, Carey N (1999) Simultaneous analysis of expression of the three myotonic dystrophy locus genes in adult skeletal muscle samples: the CTG expansion correlates inversely with DMPK and 59 expression levels, but not DMAHP levels. Hum Mol Genet 8: 1053–1060 Fu YH, Pizzuti A, Fenwick RG Jr et al. (1992) An unstable triplet repeat in a gene related to myotonic muscular dystrophy. Science 255: 1256–1258 Harley HG, Brook JD, Rundle SA et al. (1992) Expansion of an unstable DNA region and phenotypic variation in myotonic dystrophy [see comments]. Nature 355: 545–546 Heene R (1973) Histological and histochemical findings in muscle spindles in dystrophia myotonica. J Neurol Sci 18: 369–372 Iaizzo PA, Franke C, Hatt H, Spittelmeister W, Ricker K, Rudel R, Lehmann-Horn F (1991) Altered sodium channel behaviour causes myotonia in dominantly inherited myotonia congenita. Neuromuscul Disord 1: 47–53 Kakourou G, Dhanjal S, Mamas T et al. (2008) Preimplantation genetic diagnosis for myotonic dystrophy type 1 in the UK. Neuromuscul Disord 18: 131–136 Koch MC, Steinmeyer K, Lorenz C et al. (1992) The skeletal muscle chloride channel in dominant and recessive human myotonia. Science 257: 797–800 Kress W, Mueller-Myhsok B, Ricker K et al. (2000) Proof of genetic heterogeneity in the proximal myotonic myopathy syndrome (PROMM) and its relationship to myotonic dystrophy type 2 (DM2) [In Process Citation]. Neuromuscul Disord 10: 478–480 Kubisch C, Schoser BG, von During M et al. (2003) Homozygous mutations in caveolin-3 cause a severe form of rippling muscle disease. Ann Neurol 53: 512–520 Kuhn E (1976) Myotonia. Dtsch Med Wochenschr 101: 1362–1364 Liquori CL, Ricker K, Moseley ML et al. (2001) Myotonic dystrophy type 2 caused by a CCTG expansion in intron 1 of ZNF9. Science 293: 864–867 Luan X, Chen B, Liu Y, Zheng R, Zhang W, Yuan Y (2009) Tubular aggregates in paralysis periodica paramyotonica with T704M mutation of SCN4A. Neuropathology 29: 579–584 Machuca-Tzili L, Brook D, Hilton-Jones D (2005) Clinical and molecular aspects of the myotonic dystrophies: a review. Muscle Nerve 32: 1–18 Maynard JA, Cooper RR, Ionaescu VV (1977) An ultrastructure investigation of intrafusal muscle fibers in myotonic dystrophy. Virchows Arch A Pathol Pathol Anat 373: 1–13 Monnier N, Ferreiro A, Marty I, Labarre-Vila A, Mezin P, Lunardi J (2003) A homozygous splicing mutation causing a depletion of skeletal muscle RYR1 is associated with multi-minicore disease congenital myopathy with ophthalmoplegia. Hum Mol Genet 12: 1171–1178
Literatur
29.
30.
31.
32.
33.
34. 35.
36.
37.
38.
39. 40.
41.
42.
43.
Monnier N, Procaccio V, Stieglitz P, Lunardi J (1997) Malignant-hyperthermia susceptibility is associated with a mutation of the alpha 1-subunit of the human dihydropyridine-sensitive L-type voltage-dependent calcium-channel receptor in skeletal muscle [see comments]. Am J Hum Genet 60: 1316–1325 Müller HD, Vielhaber S, Brunn A, Schröder JM (2001) Dominantly inherited myopathy with novel tubular aggregates containing 1-21 tubulofilamentous structures. Acta Neuropathol (Berl) 102: 27–35 Nicole S, Ben Hamida C, Beighton P et al. (1995) Localization of the Schwartz-Jampel syndrome (SJS) locus to chromosome 1p34-p36.1 by homozygosity mapping. Hum Mol Genet 4: 1633–1636 Nicole S, Davoine CS, Topaloglu H et al. (2000) Perlecan, the major proteoglycan of basement membranes, is altered in patients with Schwartz-Jampel syndrome (chondrodystrophic myotonia). Nat Genet 26: 480–483 Pavone L, Mollica F, Grasso A, Cao A, Gullotta F (1978) Schwartz-Jampel syndrome in two daughters of first cousins. J Neurol Neurosurg Psychiatry 41: 161–169 Pollock M, Dyck PJ (1976) Peripheral nerve morphometry in myotonic dystrophy. Arch Neurol 33: 33–39 Ptacek LJ, Gouw L, Kwiecinski H et al. (1993) Sodium channel mutations in paramyotonia congenita and hyperkalemic periodic paralysis. Ann Neurol 33: 300–307 Ptacek LJ, Trimmer JS, Agnew WS, Roberts JW, Petajan JH, Leppert M (1991) Paramyotonia congenita and hyperkalemic periodic paralysis map to the same sodium-channel gene locus. Am J Hum Genet 49: 851–854 Puwanant A, Ruff RL (2010) INa and IKir are reduced in Type 1 hypokalemic and thyrotoxic periodic paralysis. Muscle Nerve 42: 315–327 Raheem O, Huovinen S, Suominen T, Haapasalo H, Udd B (2010) Novel myosin heavy chain immunohistochemical double staining developed for the routine diagnostic separation of I, IIA and IIX fibers. Acta Neuropathol 119: 495– 500 Resnick JS, Dorman JD, Engel WK (1969) Thyrotoxic periodic paralysis. Am J Med 47: 831–836 Robinson RL, Monnier N, Wolz W et al. (1997) A genome wide search for susceptibility loci in three European malignant hyperthermia pedigrees. Hum Mol Genet 6: 953–961 Rosman NP, Rebeiz JJ (1967) The cerebral defect and myopathy in myotonic dystrophy. A comparative clinicopathological study. Neurology 17: 1106–1112 Rüdel R, Hanna MG, Lehmann-Horn F (1999) Muscle channelopathies: malignant hyperthermia, periodic paralyses, paramyotonia, and myotonia. In: Schapira AHV, Griggs RC (eds) Blue Books of Practical Neurology: Muscle Diseases 24: 135–175 Rueffert H, Wehner M, Ogunlade V, Meinecke C, Schober R (2009) Mild clinical and histopathological features in patients who carry the frequent and causative malignant hyperthermia RyR1 mutation p.Thr2206Met. Clin Neuropathol 28: 409–416
753
44.
45.
46.
47. 48.
49.
50. 51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
Schmalbruch H (1979) A freeze-fracture study of the plasma membrane of muscle fibres of a patient with chronic creatine kinase elevation suspected for malignant hyperthermia. J Neuropathol Exp Neurol 38: 407–418 Schoser BG, Schneider-Gold C, Kress W et al. (2004) Muscle pathology in 57 patients with myotonic dystrophy type 2. Muscle Nerve 29: 275–281 Schoser BG, Schroder JM, Grimm T, Sternberg D, Kress W (2007) A large German kindred with cold-aggravated myotonia and a heterozygous A1481D mutation in the SCN4A gene. Muscle Nerve 35: 599–606 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Adams RD (1968) The ultrastructural morphology of the muscle fiber in myotonic dystrophy. Acta Neuropathol (Berl) 10: 218–241 Schröder JM, Becker PE (1972) Anomalien des T-Systems und des sarkoplasmatischen Retikulums bei der Myotonie, Paramyotonie und Adynamie. Virchows Arch A Pathol Pathol Anat 357: 319–344 Sewry CA (2010) Muscular dystrophies: an update on pathology and diagnosis. Acta Neuropathol 120: 343–358 Shimokawa M, Ishiura S, Kameda N et al. (1997) Novel isoform of myotonin protein kinase: gene product of myotonic dystrophy is localized in the sarcoplasmic reticulum of skeletal muscle. Am J Pathol 150: 1285–1295 Shintani F, Izumi M, Fujimura N (2009) Neuroleptic malignant syndrome versus malignant disease: idiosyncratic or synchronous? Lancet 374: 90 Spranger J, Hall BD, Hane B, Srivastava A, Stevenson RE (2000) Spectrum of schwartz-jampel syndrome includes micromelic chondrodysplasia, kyphomelic dysplasia, and burton disease [In Process Citation]. Am J Med Genet 94: 287–295 Tominaga K, Hayashi YK, Goto K, Minami N, Noguchi S, Nonaka I, Miki T, Nishino I (2010) Congenital myotonic dystrophy can show congenital fiber type disproportion pathology. Acta Neuropathol 119: 481–486 Vihola A, Bachinski LL, Sirito M et al. (2010) Differences in aberrant expression and splicing of sarcomeric proteins in the myotonic dystrophies DM1 and DM2. Acta Neuropathol 119: 465–479 Walton JN, Irving D, Tomlinson BE (1977) Spinal cord limb motor neurons in dystrophia myotonica. J Neurol Sci 34: 199–211 Wang J-F, Schröder JM (1999) Comparative morphometric evaluation of peripheral nerves and muscle fibers in myotonic dystrophy. Acta Neuropathol 99: 39–47 Wieser T, Kraft B, Kress HG (2008) No carnitine palmitoyltransferase deficiency in skeletal muscle in 18 malignant hyperthermia susceptible individuals. Neuromuscul Disord 18: 471–474 Zhou H, Lillis S, Loy RE et al. (2010) Multi-minicore disease and atypical periodic paralysis associated with novel mutations in the skeletal muscle ryanodine receptor (RYR1) gene. Neuromuscul Disord 20: 166–173
Kapitel 33
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
33
J.M. Schröder Inhalt Kohlenhydratstoffwechselstörungen . . . . . . . . . . .
756
Punktmutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
763
Glykogenosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
756
Homoplasmische mtDNA-Mutationen . . . . . . . .
764
Typ II (Saure-Maltase-Mangel; Pompe) . . . . . . .
756
Mutationen nukleärer Gene . . . . . . . . . . . . . . .
764
Typ III (Debranching-Enzymdefekt) . . . . . . . . .
756
Klinische Aspekte der mitochondrialen Myopathien
765
Typ IV (Branching-Enzymmangel) . . . . . . . . . .
756
Myoadenylat-Deaminase-(MAD-)Mangel . . . . . . . .
768
Typ V (McArdle-Krankheit) . . . . . . . . . . . . .
759
Lipidspeichermyopathien . . . . . . . . . . . . . . . . .
768
Typ VII (Phosphofruktokinasemangel, Tarui) . . . .
759
Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
769
Typ VIII–XIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
760
Myopathien bei endokrinen Erkrankungen . . . . . . .
770
Danon-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
760
Erkrankungen der Schilddrüse . . . . . . . . . . . . .
770
Störungen der Glykolyse . . . . . . . . . . . . . . . .
761
Hyper- und Hypoparathyreoidismus . . . . . . . . . .
770
Mitochondriale Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . .
761
Hypophysenfunktionsstörungen und Doping . . . .
770
Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
771
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
771
Umfangreiche Umstellungen (Translokationen), partielle Deletionen oder Duplikationen der mtDNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
763
Mutationen der tRNA-Gene . . . . . . . . . . . . . .
763
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_33, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
756
Kapitel 33
Kohlenhydratstoffwechselstörungen
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
lung mit rekombinanter humaner D-Glukosidase zu berücksichtigen ist [63].
Glykogenosen
33
Die Glykogenspeicherkrankheiten oder Glykogenosen bilden eine Gruppe erblicher Stoffwechselkrankheiten, deren systematische Nummerierung durch Cori [20] sich weitgehend durchgesetzt hat, aber inzwischen ergänzt worden ist (Tabellen 33.1 und 33.2). Zeitlich nach Cori entdeckte Formen einer Glykogenose sind auf Enzymdefekte der Phosphoglycerat-Kinase und PhosphoglyceratMutase, der Laktatdehydrogenase-A, der Enolase oder auf multiple Enzymdefekte zurückzuführen [29]. Dabei können unterschiedliche Mutationen des zugrunde liegenden Gens zu einer unterschiedlichen klinischen Ausprägung des Krankheitsbildes führen, u. a. auch beim Phosphoglyceratkinasemangel [98].
Mindestens neun klar definierte Glykogenosen befallen die Skelettmuskulatur. Da es im Skelettmuskel keine Glukose-6-Phosphatase (Hexokinase) gibt, kann es beim Typ I, der von-Gierke-Krankheit, nicht zur Glykogenspeicherung im Muskel kommen. Gleiches gilt für den Leberphosphorylasemangel (Typ VI). Alle sind rezessiv erblich. Die Genorte und Genprodukte sind, wie bereits erwähnt, in der Tabelle 33.1 aufgelistet. Außerdem gibt es eine Reihe von Fällen mit ausgeprägter Glykogenvermehrung im Muskel, bei denen bisher kein Enzymdefekt nachgewiesen werden konnte.
Typ II (Saure-Maltase-Mangel; Pompe) Beim infantilen Saure-Maltase-(D-Glukosidase-)Mangel (sog. Pompe-Krankheit) finden sich die ausgeprägtesten Glykogenablagerungen im Muskel, weniger bei den spätinfantilen, juvenilen und adulten Verlaufsformen [96]. Die mit Glykogen überladenen Muskelfasern enthalten in globulären Korpuskeln innerhalb von Lysosomen vermehrt Kalzium, darstellbar sowohl mit der Glyoxal-bis-(2-Hydroxyanil-)Färbung als auch mit der energiedispersiven Röntgenmikroanalyse, das auch in einer erhöhten Dichte im CT-Bild zum Ausdruck kommt [55]. Im Erwachsenenalter können die Patienten klinisch unauffällig (asymptomatisch) sein [6]. Die juvenile Form kann sich als „Rigid-spine-Syndrom“ manifestieren [65]. Die Ausscheidung der sauren Maltase im Urin ist vermindert, auch bei heterozygoten Genträgern. Der Verlauf variiert erheblich [117], was besonders bei der Beurteilung von Therapieeffekten nach der Behand-
Typ III (Debranching-Enzymdefekt) Die Typ-III-Glykogenose (Amylo-1,6-Glukosidase-Mangel) ist die häufigste Glykogenose mit Muskelbeteiligung (Abb. 33.1a,b).
Typ IV (Branching-Enzymmangel) Dieser Typ liegt bestimmten Polyglukosankörperkrankheiten zugrunde. Polyglukosankörperkrankheiten sind gekennzeichnet durch Ablagerungen von abnormen Glukosepolymeren in Verbindung mit einer zusätzlichen Eiweißkomponente in verschiedenen Geweben und Organen (Abb. 30.1d,e, S. 695 und Abb. 30.5e,f, S. 707) [39, 100]. Die Polyglukosankörper gleichen denen bei der Lafora-Krankheit, den Corpora amylacea in Gliafortsätzen und den Ablagerungen bei der sog. basophilen Degeneration der Herzmuskelfasern. Bei der infantilen und juvenilen Form der Polyglukosankörperkrankheit fehlt das Branching-Enzym (s. Tabelle 33.1) aufgrund von Mutationen im zugehörigen Gen [70, 128]. Klinik. Zu unterscheiden sind folgende, insgesamt seltene Formen der Polyglucosankörperkrankheit: • perinatale (pränatale, kongenitale), • infantile und juvenile (Abb. 30.2e) und • adulte Formen (Abb. 30.5e,f). Die klinischen Symptome hängen vom Stadium der Erkrankung ab und werden dominiert von der Myopathie, Antriebsmangel, Leberzirrhose, Herzinsuffizienz mit Kardiomegalie und evtl. Neuropathie, je nachdem, um welche Form der Erkrankung es sich handelt. Morphologie. Bei diesen Krankheiten sind in Abhängigkeit von dem Schweregrad der Erkrankung neben uncharakteristischen, z. T. myopathischen, z. T. neurogenen Veränderungen charakteristische histochemische und feinstrukturelle Ablagerungen in den Muskelfasern zu beobachten: basophile, etwa 1–30 μm große rundlich bis ovale, im polarisierten Licht doppelbrechende Körper, die sich nach der PAS-Reaktion intensiv anfärben und durch Diastase nicht abgebaut werden. Elektronenmikroskopisch sind die Veränderungen bei der perinatalen Form extrem pleomorph [84]. Die typischen Polyglukosankörper bestehen zumeist aus granulären oder etwa 6–8 nm dünnen Filamenten, bei denen es sich um abnorm lange, unverzweigte Glukoseketten handelt, und ganz vereinzelt auch aus größeren osmiophilen Granula, die den
Kohlenhydratstoffwechselstörungen
757
Tabelle 33.1 Metabolische Myopathien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
Glykogenspeicherkrankheit Typ II (Pompe)
AR
17q25
GAA (α-Glucosidase)
232300 606800
Hers (1963) Martiniuk et al. (1990) Wokke et al. (1995)
Typ IIIa
AR
1p21
AGL (Amylo-1,6-Glukosidase; Glykogen-Debranching-Enzym)
232400 610860
Shen et al. (1996)
Typ IV
AR
3p12
GBE1 (Glykogen-(1,4-alpha)Branching-Enzym)
232500 607839
Brown et al. (1966) Bao et al. (1996)
Typ V (McArdle)
AR
11q13
PYGM (Glykogen-Phosphorylase, Muskeltyp)
232600 608455
Mommaerts et al. (1959) Schmidt and Mahler (1959) Lebo et al. (1984) Tsujino et al. (1993a)
Typ VII (Tarui)
AR
12q13
PFKM (Phosphofruktokinase, Muskeltyp)
232800
Tarui et al. (1965) Nakajima et al. (1991) Howard et al. (1996)
Typ IXd (vorher Typ VIII; Muskelphosphorylasekinasemangel)
XR
Xq13
PHKA1 (Phosphorylase-b-Kinase, α-Untereinheit)
311870
Wehner et al. (1994) Burwinkel et al. (2004)
Typ 0
AR
9q13
GYS1 Glykogensynthase 1
611556
Kolberg et al. (2007)
Glykogenspeicherkrankheit des Herzens, letal, kongenital, allelisch zu CMH6
AD
7q36
PRKAG2 (Proteinkinase, AMPaktiviert)
602743
Burwinkel et al. (2005)
Phosphoglycerate-KinaseMangel
XR
Xq13
PGK1 (PhosphoglyceratKinase)
311800
DiMauro et al. (1981 a, 1983) Rosa et al. (1982)
Phosphoglycerat-MutaseMangel
AR
7p12p13
PGAM2 (Phosphoglycerat-Mutase 2, Muskel)
261670
DiMauro et al. (1981 b) Edwards et al. (1989) Castella-Escola et al. (1990) Tsujino et al. (1993b)
Lactat-Dehydrogenase-AMangel
AR
11p15.4
LDHA (Laktat-Dehydrogenase A)
150000
Kanno et al. (1980) Scrable et al. (1990)
Enolase-Mangel
AD
17pterp12
ENO3 (muskelspezifische Enolase 3β)
131370
Comi et al. (2001)
A) Glykogenosen
B) Glykolytischer Abbau
6
758
Kapitel 33
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
Tabelle 33.1 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
C) Krankheiten des Lipidmetabolismus
33
Carnitin-PalmitoyltransferaseMangel
AR
1p32
CPT2 (Carnitin-PalmitoylTransferase 2)
255110 600650
DiMauro u. Melis-DiMauro (1973) Finocchiaro et al. (1991) Taroni et al. (1993) Gerella et al. (1994)
Primärer systemischer Carnitinmangel (CDSP)
AR
5q31
SLC22A5 (Solute carrier family 22, member 5)
212140 603377
Nezu et al. (1999)
Carnitin/Acylcarnitin-Translokase-Mangel
AR
3p21-31
SCL25A20 (Solute carrier family 25, member A20)
212138
Huizing et al. (1997) Ogawa et al. (2000)
Multipler Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD); Glutarazidurie, Typ IIA (GAIIA)
AR
15q23q25
ETFA (Elektron-Transfer-Flavoprotein, α-Polypeptid)
231680 608052
Indo et al. (1991) Freneaux et al. (1992)
GAIIB
AR
19q13.3q13.4
ETFB (Elektron-Transfer-Flavoprotein, β-Polypeptid)
130410 231680
Colombo et al. (1994)
GAIIC, allelisch zum Riboflavin-responsiven multiplen AcylCoA-Dehydrogenasemangel
AR
4q32q35
ETFDH (Elektron-Transfer-Flavoprotein-Dehydrogenase)
231680 231675
Beard et al. (1993)
Acyl(sehr langkettig)-CoA-Dehydrogenasemangel
AR
17p13
ACADVL (Acyl-Coenzym-A-Dehydrogenase, sehr langkettig)
609575
Aoyama et al. (1993, 1995) Strauss et al. (1995) Mathur et al. (1999)
Triglyzeridspeicherkrankheit mit gestörter Oxidation langkettiger Fettsäuren (ChanarinDorfman-Syndrom)
AR
3p25.3p24.3
ABHD5 (CGI-58) (α/β-HydrolaseDomäne 5)
604780
Lefevre et al. (2001)
Neutralfettspeicherkrankheit mit Myopathie ohne Ichthyose
AR
11p15.5
PNPLA2 (adipöse Triglyzeridlipase = Desnutrin)
610717
Fischer et al. (2007)
Riboflavin-responsiver multipler Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel, allelisch zu GAIIC-Lipidspeicherkrankheit
AR
(s. o.)
ETFDH (Elektron-Transfer-Flavoprotein-Dehydrogenase)
231675
Olsen et al. (2007)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 81–83. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
β-Partikeln des normalen Glykogens ähneln. Bei der Lafora-Krankheit sind die Polyglukosankörper im Muskel wie in den zentralen Neuronen membranbegrenzt, d. h., sie liegen innerhalb von Lysosomen und bestehen dann fast ausschließlich aus der filamentösen Komponente (Sequesterspeicherung). Bei den anderen Polyglukosankörperkrankheiten ist auch eine granuläre Komponente nachweisbar,
die zumeist membranbegrenzt ist und offensichtlich in den Lysosomen, nicht aber frei im Sarkoplasma liegt. Homogene, unterschiedlich osmiophile und parakristalline Ablagerungen kommen nur bei der besonders schwer ausgeprägten kongenitalen Form, nicht aber bei den weniger stark ausgeprägten juvenilen und adulten Formen der Polyglukosankörperkrankheit vor [84].
759
Kohlenhydratstoffwechselstörungen Tabelle 33.2 Glykogenosen: Klinische Symptome Typ
Enzymdefekt
Bezeichnungen
Symptome vonseiten der Skelettmuskulatur
Befall anderer Gewebe
I
Glukose-6-Phosphatase
von Gierke-Krankheit
–
Leber, Niere
II
Saure Maltase (saure D-1,4-Glukosidase)
Pompe-Krankheit
a) Schwere Form; generalisiert; ähnlich der infantilen spinalen Muskelatrophie b) Milde Form: ähnelt der Gliedergürteldystrophie
Herz, Nervensystem, Niere, Leukozyten
III
Amylo-1,6-Glukosidase („debranching enzyme“)
Grenzdextrinose; Forbes-Krankheit; Cori-Krankheit
Infantile Hypotonie; geringe Schwäche
Hepatische Hypoglykämie, Ketose, Leukozyten
IV
Amylo-1,4-1,6-Trans-Glukosidose („branching enzyme“, D-1,4- Glukan-6-Glykosyltransferase)
Amylopektinose; Anderson-Krankheit; Polyglukosankörperkrankheit
In der Regel keine Muskelsymptome; bei wenigen Schwäche oder Schwund; bei Neugeborenen letal
Hepatosplenomegalie, Leberzirrhose
V
Muskelphosphorylase
McArdle-Krankheit
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe, Ermüdbarkeit, Myoglobinurie
–
VI
Leberphosphorylase
Hers-Krankheit
–
–
VII
Phosphofruktokinase
Tarui-Krankheit
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe, Ermüdbarkeit, Myoglobulinurie
Erythrozyten
(VIII) IXd
Phosphorylase-b-Kinase
Belastungsintoleranz, Myalgien, Muskelkrämpfe, Schwäche
Leber, Herz
Phosphoglyceratkinase
Sehr variabel
Alle Gewebe und Zellen
Phosphoglyceratmutase
Belastungsintoleranz, Myalgien, Muskelkrämpfe, Myoglobinurie
–
Laktatdehydrogenase
Muskelkrämpfe und Myoglobinurie nach schwerer Belastung
Haut, Uterus
Differentialdiagnose. Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind ähnliche Polyglukosankörper bei der Myoklonuskörperepilepsie (Lafora), die auf Mutationen in anderen Genen zurückzuführen ist, nämlich EPM2A und NHLRC1 [41, 92, 104]. Außerdem kommen Polyglukosankörper, wie bereits erwähnt, als offenbar normales Alterungsphänomen in subpialen oder perivaskulären Astrozytenfortsätzen des Gehirns und Rückenmarks vor (Literatur s. [14]).
schnitten) nachweisen. Klinisch ist die Myopathie gekennzeichnet durch Belastungsschwäche, vorzeitige Ermüdung, elektromyographisch stumme, schmerzhafte Muskelkrämpfe, Myalgien, erhöhte Ruhewerte der CK und episodische Myoglobinurie. Als Ursache sind mehr als 67 verschiedene Mutationen im PYGM-Gen (s. Tabelle 33.1) bekannt [107].
Typ VII (Phosphofruktokinasemangel, Tarui) Typ V (McArdle-Krankheit) Der Muskelphosphorylasemangel ist eine der häufigsten Formen einer metabolischen Myopathie. Der Mangel an Myophosphorylase (D-1,4-Glucan-OrthophosphatGlycosyltransferase) lässt sich sowohl biochemisch als auch enzymhistochemisch (in unfixierten Kryostat-
Dieser Typ lässt sich ebenfalls sowohl biochemisch als auch enzymhistochemisch (an unfixierten Kryostatschnitten) nachweisen. Klinisch gehören belastungsabhängige, durch den Ischämietest auslösbare Schmerzen, evtl. Myoglobinurie und elektromyographisch stumme Kontrakturen zum Krankheitsbild. Beide Glykogenspeicherkrankheiten (VI und VII) sind histopathologisch vor
760
Kapitel 33
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
a
b
c
d
33
Abb. 33.1 a Amylo-1,6-Glukosidasemangel (Forbes-Krankheit; Glykogenose vom Typ III). Musculus vastus lateralis eines 21-jährigen Mannes. Subsarkolemmal und intermyofibrillär massenhaft Glykogen, das nach der PAS-Reaktion im Semidünnschnitt intensiv rot gefärbt und nicht von einer Membran begrenzt ist (Vergr. 270:1). b Gleicher Fall wie in a. Das subsarkolemmal und intermyofibrillär gespeicherte Glykogen ist ganz überwiegend diffus und frei, nicht vakuolär gebunden abgelagert (Vergr. 6700:1). c Lipidspeichermyopathie. Skelettmuskulatur eines 74-jährigen Mannes, der 15 Tage nach der Biopsie an einer Aspirationspneumonie verstorben ist. Viele Fasern weisen reichliche, manche Fasern exzessive Mengen an
allem durch subsarkolemmale, Letztere auch durch interund intramyofibrilläre Glykogenablagerungen gekennzeichnet.
Typ VIII–XIV Die Bezifferung dieser Glykogenosen ist uneinheitlich (s. OMIM). Sie sind histopathologisch, soweit untersucht, durch nur geringe Glykogenablagerungen im Skelettmuskel gekennzeichnet. Beim Typ IX sind außerdem mitochondriale Anomalien aufgefallen [98], beim Typ X tubuläre Aggregate [59].
Neutralfett auf. Die Neutralfetttropfen sind im Durchmesser bis zu 4 μm groß. Zwischen diesen Fasern liegt ein leerer Sarkolemmschlauch (Stern). Ausgeprägte Kaliberdifferenzen (Vergr. 480:1). d Elektronenmikroskopische Aufnahme, gleicher Fall wie in c. Nekrotische Muskelfaser unten rechts mit subsarkolemmal angehäuften Lipofuszinkörpern und einzelnen großen Vakuolen, die durch Extraktion der Neutralfette während der Präparation entstanden sind. Die Faser oben links enthält ebenfalls abnorm zahlreiche extrahierte, elektronenoptisch leere, nicht von einer Membran begrenzte „Lipidtropfen“ (Vergr. 8800:1)
Danon-Krankheit Diese vakuoläre erbliche Myopathie mit Herzmuskelbeteiligung und mentaler Retardierung, auch als Glykogenose ohne Saure-Maltase-Mangel (Glykogenose Typ IIb) oder Danon-Krankheit bezeichnet, ist auf einen primären Defekt des Lysosomen-assoziierten Membranproteins 2 (LAMP-2) zurückzuführen [82] (vgl. Tabelle 31.2, Pos. 5.10, S. 726). Ophthalmologische Symptome und Katarakte kommen ebenfalls vor. Wegen des X-chromosomaldominanten Erbgangs sind männliche Patienten stärker betroffen als weibliche. Die Kardiomyopathie ist häufig Todesursache.
Mitochondriale Myopathien
Morphologie. Immunhistochemisch lässt sich eine fehlende [115] oder auch nur verminderte, aber normal lokalisierte Expression von LAMP-2 nachweisen, was dann durch einen LAMP-2-Immunoblot zu bestätigen ist [23]. Viele Muskelfasern enthalten Vakuolen. Elektronenmikroskopisch sind in den Vakuolen spärlich Glykogengranula, aber reichlich amorphe osmiophile Substanzen und membranöse Körper nachweisbar. Die Vakuolen sind durch eine partielle Auskleidung mit einer Basallamina, durch Saure-Phosphatase-Aktivität und kleinere exozytotische Vesikel gekennzeichnet, ähnlich wie die Vakuolen bei der ebenfalls X-chromosomal, aber rezessiv erblichen allelischen Kalimo-Krankheit. Vermehrte Fetttropfen und einzelne Mitochondrien mit parakristalinen Einschlüssen kommen ebenfalls vor [115].
761
se oder des NADH-Dehydrogenase-CoQ-Zytochrom-bKomplexes.
Unter den „mitochondrialen Erkrankungen“ werden heute nur die Syndrome zusammengefasst, die mit einer Störung der oxidativen Phosphorylierung (OXPHOS) verbunden sind [126]. Sie werden nach klinischen oder genetischen Gesichtpunkten klassifiziert, wobei Korrelationen zwischen Klinik und Genetik besonders dadurch erschwert werden, dass gleiche genetische Störungen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern verbunden sein und umgekehrt gleiche klinische Krankheitsbilder auf unterschiedlichen Mutationen beruhen können. Zusätzlich wird die Diagnostik und Klassifikation dadurch kompliziert, dass die einzelnen Krankheitsbilder unterschiedlich früh und stark ausgebildet sein können, weil die Zahl mutierter Mitochondrien schon in der Eizelle unterschiedlich hoch und die Verteilung in den verschiedenen Zellen und Organen ungleichmäßíg sein kann (Heteroplasmie).
Molekularbiologische Grundlagen. Die Mitochondrien gelten als die „Kraftwerke“ der Zelle, da in ihnen über den Zitratzyklus, die Fettsäureoxidation und die oxidative Phosphorylierung (OXPHOS) ATP, der „Kraftstoff “ der Zelle, bereitgestellt wird. Eine fehlerhafte oxidative Phosphorylierung führt zu mitochondrialen Erkrankungen entweder aufgrund einer allgemeinen Funktionsstörung der sog. Atmungskette, die eine heteromultimere Struktur in der inneren Membran der Mitochondrien darstellt, oder durch einzelne oder multiple Defekte in den fünf Komplexen der Atmungskette. Die Atmungskette ist eine einzigartige Struktur, da sie durch zwei verschiedene genetische Systeme gebildet wird: das nukleäre und das mitochondriale Genom (nDNA bzw. mtDNA); denn die Mitochondrien haben ihr eigenes Genom, das ungefähr 1% der gesamten zellulären DNA ausmacht. Sie enthalten jeweils 2–10 Kopien eines kleinen doppelsträngigen zirkulären DNA-Moleküls mit 16.569 Basenpaaren (bp; Abb. 33.2), das nahezu ausschließlich maternal, also nicht nach den Mendelschen Gesetzen, vererbt wird (Literatur s. [26, 27, 30, 94, 126]. Nur ein Bruchteil der mtDNA kann vom Spermienhals in die mütterliche Eizelle gelangen und somit paternal vererbt werden [102]. Die humane mitochondriale DNA ist, wie bereits erwähnt, komplett sequenziert; sie enthält 37 Gene und kodiert 2 ribosomale RNAs (rRNA), 22 Transfer-RNAs (tRNA) und nur 13 Proteine als Komponenten der mitochondrialen Atmungskette und des oxidativen Phosphorylierungssystems: 7 Untereinheiten im Komplex I (NADH-Dehydrogenase); 1 Untereinheit im Cytochrom b (Komplex III); Untereinheit 1, 2, 3 der Cytochrom-c-Oxidase (COX; Komplex IV), und Untereinheit 6 und 8 der ATP-Synthetase (Abb. 33.2). Dabei dienen Koenzym Q und Cytochrom c als ElektronenShuttle zwischen den Komplexen. Der ganz überwiegende Teil der ca. 1500 mitochondrialen Proteine, die für Struktur und Funktion der Mitochondrien notwendig sind, werden nukleär (nDNA) kodiert, also nach Mendelschen Gesetzen vererbt, und über einen komplexen Mechanismus in die Mitochondrien importiert. Während inzwischen Hunderte von Mutationen in den Genen der mtDNA bekannt sind, befindet sich die Aufklärung der Mutationen nukleär kodierter mitochondrialer Proteine erst in den Anfängen. Diese sind essentiell für die Transkription, Translation und Replikation der mtDNA.
Häufigkeit, Verlauf, Prognose. Bei Erwachsenen im arbeitsfähigen Alter kommen Krankheiten aufgrund mutmaßlicher mtDNA-Mutationen mit einer Häufigkeit von 6,57/100.000 vor [17]. Die meisten mitochondrialen Myopathien sind nicht oder nur wenig progressiv, doch gibt es auch tödlich verlaufende infantile mitochondriale Myopathien mit einem Mangel an Cytochrom-c-Oxida-
Pathogenese. Gewebe mit hoher Stoffwechselaktivität wie das visuelle und auditorische System, ZNS und PNS, Herz, Skelettmuskel, endokrines Pankreas, Niere und Leber sind in dieser Reihenfolge gegenüber OXPHOS-Störungen besonders empfindlich. Dabei sind postmitotische Zellen wie die Skelettmuskelfasern und Nervenzellen bevorzugt betroffen, da sich Mutationen der mtDNA
Störungen der Glykolyse Ein Laktat-Dehydrogenase-A-Mangel ist auf Mutationen im LDHA-Gen zurückzuführen, ein Enolase-Mangel auf Mutationen im ENO3-Gen (s. Tabelle 33.1). Klinisch dominieren belastungsabhängige Myalgien ohne Laktatanstieg im Serum [19].
Mitochondriale Myopathien
762
Kapitel 33
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
33
Abb. 33.2 Zuordnung mitochondrialer Krankheiten zu Mutationen an verschiedenen Stellen des mitochondrialen Genoms. Die 16.569 Basenpaare umfassende mtDNA ist unterschiedlich gemustert entsprechend den proteinkodierenden Abschnitten für die 7 Untereinheiten von Komplex I (ND1-6), die 3 Untereinheiten der CytochromOxidase (CO1-3), Cytochrom b (Cyt b) und die beiden Untereinheiten der ATP-Synthetase (A 6 und 8), die 12S und 16S ribosomalen rRNAs und die 22 Transfer-RNAs (tRNA), die jeweils durch den Ein-Buchstaben-Kode für die korrespondierende Aminosäure gekennzeichnet sind. Abkürzungen: CM kongenitale Myopathie, ECM
Enzephalomyopathie, FBSN familäre bilaterale Striatumnekrose, KSS Kearns-Sayre-Syndrom, LHON Lebers hereditäre Optikusneuropathie, LS Leigh-Syndrom, M Myopathie, MELAS mitochondriale Enzephalomyopathie mit Laktatazidose und schlaganfallähnlichen Episoden, MERRF Myoklonusepilepsie mit Ragged-red-Fasern, MILS „maternal“ („inherited“) vererbtes Leigh-Syndrom, NARP Neuropathie, Ataxie, Retinitis pigmentosa, PEO progressive externe Ophthalmoplegie, PPK Pearson-Pankreas-Knochenmark-Syndrom, SIDS „sudden infant death syndrome“; sp sporadisch. (Mod. nach DiMauro u. Andreu 2000)
im Laufe des Lebens stärker anhäufen als in mitotisch aktiven Zellen, zumal Mutationen der mtDNA häufiger stattfinden als Mutationen der nDNA und auch die Reparaturmechanismen der mtDNA [95] weniger wirksam sind als die der nDNA. Während normalerweise nur eine einzige mtDNA-Spezies in den Zellen vorkommt (Homoplasmie), kann neben normaler mtDNA auch mutierte mtDNA vorkommen (Heteroplasmie), die während einer Mitose nach stochastischen Regeln auf die Tochterzellen vererbt werden, aber so zu ganz unterschiedlichen Ausprägungsformen einer Krankheit in den Organen, aber auch in aufeinander folgenden Generationen einer Familie führen kann. Allerdings manifestiert sich eine heteroplasmische Mutation erst, wenn ein bestimmter Schwellenwert (ca. 60%) überschritten wird, d. h. wenn die Zahl
der mtWild-Typ-DNA nicht mehr die Funktionsstörung durch die mutierte mtDNA kompensieren kann. Genetik. Ein weitgehendes Verständnis der extrem heterogenen mitochondrialen Krankheitsbilder ist erst seit der Entdeckung von mitochondrialen DNA (mtDNA)Deletionen bei Patienten mit mitochondrialer Myopathie [53] und von Punktmutationen der mtDNA als Ursache der LHON [120] ermöglicht worden. Seither sind mehr als 150 pathogene Punktmutationen und eine große Zahl an Translokationen (Rearrangements), partiellen und kompletten Deletionen und Duplikationen der mtDNA sowie Mutationen der nDNA beschrieben worden (Literatur s. [30]). Eine umfangreiche Liste von Erkrankungen, bei denen Mutationen im mitochondrialen Genom nach-
763
Mitochondriale Myopathien
gewiesen worden sind, ist unter http://www.mitomap.org verfügbar (vgl. Abb. 33.2). Allerdings sind die molekularen und zellulären Mechanismen, wie eine bestimmte mtDNA zu einem spezifischen klinischen Bild führt, noch weitgehend ungeklärt [125]. Die Mitochondriopathien lassen sich folgendermaßen klassifizieren:
Umfangreiche Umstellungen (Translokationen), partielle Deletionen oder Duplikationen der mtDNA Diese führen zu folgenden Erkrankungen: 1. einer selektiven mitochondrialen Myopathie [53], 2. einer sporadischen chronisch-progressiven externen Ophthalmoplegie (CPEO), die mit einer proximalen Myopathie und Belastungsintoleranz verbunden sein kann; 3. Multisystemerkrankungen wie dem Kearns-SayreSyndrom (KSS) mit folgenden Symptomen: chronischprogrediente externe Ophthalmoplegie mit Beginn vor dem 20. Lebensjahr und Pigmentatrophie der Retina; hinzu kommen möglicherweise ein zerebelläres Syndrom, Herzblock, erhöhter Proteingehalt des Liquor cerebrospinalis, Diabetes mellitus und Kleinwuchs. Patienten mit dieser Krankheit weisen stets auch „ragged red fibers“ (RRFs = „zerrissen-rote Fasern“) in der Muskelbiopsie auf; 4. dem seltenen Pearson-Syndrom (sideroblastische Anämie mit exokriner Pankreasinsuffienz; Tod in der Regel vor dem 3. Lebensjahr) [22]. Schon Neugeborene können klinische Zeichen eines KSS entwickeln, aber auch das Jugend- oder Erwachsenenalter erreichen. Die Mehrzahl der einzelnen großen Translokationen der mtDNA tritt sporadisch auf; das Erblichkeitsrisiko beträgt nur etwa 5% [17]. Je stärker die mtDNA-Veränderungen ausgeprägt sind, desto schwerer ist das klinische Bild: beginnend bei der PEO über das KSS bis zum Pearson-Syndrom. Das ist wichtig für die Diagnose: Während Deletionen bei der PEO auf den Muskel begrenzt sind, finden sie sich beim KSS und beim Pearson-Syndrom sowohl im Blut als auch im Muskel. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass sog. transmitochondriale Cybride („cybrids“), die man durch Injektion deletierter mtDNA in mtDNA-defiziente Rho0Zellen erhält, eine gestörte Zellatmung aufweisen [50].
Mutationen der tRNA-Gene Diese sind in der Regel mit Multisystemkrankheiten verbunden, selten aber auch einmal mit dem Befall nur einer
Gewebsart, meistens der Muskulatur, vor allem der Atemmuskulatur, entweder sporadisch [123, 124] oder maternal vererbt [73], zufällig auch einmal kombiniert mit einer fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie [36]. Letzteres ist ein Musterbeispiel für das, was im Englischen trefflich als „Double trouble“ bezeichnet wird.
Punktmutationen Punktmutationen sind vor allem bei den folgenden 6 Syndromen festgestellt worden (s. Abb. 33.2), die sich allerdings untereinander und mit weiteren Syndromen überlappen können: 1. der mitochondrialen Enzephalomyopathie mit Laktazidose und schlaganfallähnlichen Episoden (MELAS), die überwiegend, aber keineswegs ausschließlich auf einer heteroplasmischen Mutation in der tRNALeu(URR) beruht, einer A→G-Transition an Position 3243, die allerdings nicht ausschließlich zu einem MELAS-Syndrom führt, sondern auch andere klinische Bilder verursachen kann, z. B. eine CPEO oder einen sensorineuralen Hörverlust [4]; 2. der Myoklonusepilepsie mit „Ragged-red“-Fasern (MERRF), die meistens auf eine A→G-Transition im tRNALys-Gen an Position 8344 zurückzuführen ist [120], die aber auch mit einem Leigh-Syndrom, isoliertem Myoklonus, familiärer Lipomatose, isolierter Myopathie und einem Syndrom mit Ataxie, Myopathie, Hörverlust und Neuropathie verbunden sein kann; 3. einer maternal vererbten („inherited“) Myopathie und Kardiomyopathie (MIMyCa); 4. der Leberschen hereditären Optikusneuroretinopathie (LHON) [53]; 5. der Neuropathie mit Ataxie und Retinitis pigmentosa (NARP) (s. dort); und 6. der nekrotisierenden Enzephalopathie vom Typ Leigh (s. dort). Dabei verursachen Punktmutationen der mtDNA-RNAGene eine mitochondriale Enzephalomyopathie mit „Ragged-red“-Fasern im Skelettmuskel wie bei MELAS, MERRF, KSS, CPEO und MIMyCa, während Punktmutationen der proteinkodierenden mtDNA-Gene überwiegend zu Enzephalopathien führen wie beim maternal vererbten Leigh-Syndrom (MILS), bei LHON und NARP (s. Abb. 33.2). Punktmutationen werden in der Regel maternal vererbt, während umfangreiche und multiple Deletionen mit Umstellungen der mtDNA entweder sporadisch auftreten oder nach den Mendelschen Gesetzen, also nukleär vererbt werden (autosomal-dominant oder autosomal-rezessiv). Etwa 20% der Erwachsenen mit einer mitochondrialen Myopathie haben ähnlich betroffene
764
Kapitel 33
Verwandte, wobei das Verhältnis von maternaler (mitochondrialer) zu paternaler (nukleärer) Vererbung 9:1 beträgt [45].
Homoplasmische mtDNA-Mutationen
33
Diese sind überwiegend auf eine bestimmte Gewebeart begrenzt. Sie reichen nicht aus, um eine Krankheit zu induzieren, und müssen deshalb mit weiteren pathogenen mtDNAMutationen verbunden sein. Dazu gehören die LHON, der nichtsyndromale und Aminoglykosid-induzierte sensorineurale Hörverlust (SNHL) und andere Syndrome. Da diese nicht mit charakteristischen Muskelveränderungen verbunden sind, werden sie hier nicht näher dargestellt.
Mutationen nukleärer Gene Sie werden nach klinisch-genetischen Gesichtspunkten klassifiziert in Erkrankungen aufgrund von Gendefekten, die 1. die Stabilität der mtDNA verändern; 2. strukturelle Komponenten oder Assemblierungsfaktoren der OXPHOS-Komplexe betreffen; 3. Nicht-Protein-Komponenten der Atmungskette wie CoQ und Cardiolipin beeinflussen; oder 4. Proteine betreffen, die indirekt mit der OXPHOS in Zusammenhang stehen. Ad 1. Zu den nukleären Genen dieser Gruppe gehören • ANT1, das einen herzmuskelspezifischen mitochondrialen Translokator kodiert; • Twinkle, das eine mtDNA-Helikase kodiert und deren Defekte zu einer chronischen PEO mit oder ohne Multisystembefall mit COX-negativen Fasern in der Muskelbiopsie führen können [56]; und • POLG1, das eine katalytische Untereinheit der mtDNA-spezifischen Polymerase Gamma (DNA-Polymerase γ1) kodiert. Mutationen dieser Gene führen zu intergenomischen Signalstörungen, die die Zahl und Erhaltung der mtDNA direkt oder indirekt beeinflussen: POLG1-Defekte: Diese äußern sich äußerst heterogen als • dominant erbliche progressive externe Ophthalmoplegie (adPEO) mit multiplen mtDNA-Deletionen [127], • autosomal-rezessive PEO mit Multisystemerkrankung [13], • Alpers-Huttenlocher-Syndrom [93], • juveniles mitochondriales rezessives Ataxie-Syndrom ohne Ophthalmoplegie (MIRAS) mit oder ohne Epilepsie,
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
• PEO mit spät auftretendem pseudoorthostatischen Tremor und Parkinsonismus, wobei Ragged-redFasern und einige Fasern ohne COX-Aktivität auffallen [54], • prämature Ovarialinsuffizienz, Hypogonadismus und männliche Infertilität, • sensorische ataktische Neuropathie mit Dysarthrie und Ophthalmoparese (SANDO), wobei subsarkolemmale Anhäufungen von nur leicht veränderten Mitochondrien auffallen [77], oder als • MNGIE-ähnliches Krankheitsbild (s. unten). Sogar über eine Kombination von POLG1 und ANT1Mutationen ist berichtet worden, wobei anfangs nur eine PEO auftrat, später gefolgt von einer sensorischen und zerebellären Ataxie, peripherer Neuropathie, Parkinsonismus und Depression [38]. MNGIE: Hierbei handelt es sich um eine autosomalrezessive Multisystemkrankheit, die sowohl mit einer Depletion als auch mit multiplen Deletionen der mtDNA einhergehen kann. Namensgebend ist die mitochondriale neurogastrointestinale Enzephalopathie (MNGIE), bei der die PEO von ausgeprägten gastrointestinalen Symptomen mit Kachexie begleitet wird [7, 52]. Eine periphere Neuropathie gehört ebenfalls zum Krankheitsbild. Als Ursache der MNGIE sind Mutationen im nukleären Thymidin-Phosphorylase-(TYMP-)Gen identifiziert worden [83]. Durch eine Immunoblot-Analyse lässt sich ein Fehlen des TYMP-Proteins nachweisen [109]. MtDNA-Depletionssyndrom (MDS): Dieses umfasst eine heterogene Gruppe von Krankheiten, die durch eine Reduktion der Anzahl an mtDNA-Kopien ohne weitere Mutationen oder Umstellungen der mtDNA charakterisiert sind [80]. Das MDS ist mit Mutationen in mindestens 7 verschiedenen Genen in Verbindung gebracht worden, der • Thymidin-Kinase 2 (TK2) [69], • Deoxyguanosin-Kinase (DGUOK) [71], • POLG (s. oben), • Alpha- und Beta-Untereinheiten der mitochondrialen Succinatligase (SUCLA1 und SUCLA2), • p53-kontrollierte Ribonucleotid-Reductase (RRM2B) und MPV17 (MPV17), ein Protein mit unbekannter Funktion in der inneren Mitochondrienmembran [108]. Mutationen in TK2 und RR verursachen eine früh auftretende Myopathie mit oder ohne proximaler renaler Tubulopathie (DeToni-Fanconi-Syndrom) oder eine spinale Muskelatrophie. Mutationen in SUCLA1 und 2 führen zu einer enzephalomyopathischen Form des MDS; und Mutationen in POLG, DGUOK und MPV17 sind verantwortlich für die Kombination einer Enzephalopathie mit einem Leberversagen. Ad 2. Komplex I der Atmungskette umfasst 7 mtDNAkodierte und mindestens 39 kernkodierte Untereinheiten.
765
Mitochondriale Myopathien
Einige dieser 46 Gene sind identifiziert (NDUF1–4, 7, 8 u. a.). Mutationen führen in der Regel zu neurologischen Krankheiten mit Laktatazidose, zumeist einem Leigh-Syndrom, gelegentlich kompliziert durch eine Kardiomyopathie und Multisystemerkrankung. Allerdings sind noch Assemblierungsfaktoren und andere Genprodukte an der Bildung und Funktion von Komplex I beteiligt [106]. Komplex II umfasst 4 Proteinuntereinheiten, die alle nukleär kodiert sind (SDH-A, -B, -C, -D). Mutationen in SDHA verursachen auch ein Leigh-Syndrom oder spät einsetzende neurodegenerative Krankheiten. Besonders bemerkenswert ist die Assoziation von Defekten im Komplex II mit familiären Paragangliomen und nichtfamilären Tumoren wie dem Phäochromozytom [8]. Komplex-III-Defekte in der Untereinheit 7 konnten auf Mutationen im Gen für die Ubiquinol-Cytochrom-cReduktase (UQCRB) zurückgeführt werden. Zu den Genen, die Assemblierungsfaktoren der Atmungskette betreffen, gehören solche von Komplex IV (COX) und Komplex V (ATP-Synthetase). Klinisch manifestieren sich Defekte solcher Gene (z. B. SURF1, COX10, SCO1 und SCO2, wobei Letztere für den CuEinbau in das COX-Holoenzym zuständig sind) zumeist als Leigh-Syndrom, Kardiomyopathien oder komplexe Enzephalokardiomyopathien, wobei die extrafusalen Muskelfasern um Unterschied zu den weniger betroffenen inrafusalen großenteils atrophisch sind und COX-negativ reagieren [78]. Doch sind oft nur einzelne Fälle identifiziert und Muskelbiopsien nicht immer verfügbar. Ad 3. Coenzym Q10 (CoQ10) ist eine lipophile Komponente der Elektronentransportkette. Ein CoQ10-Mangel führt zu abnormer Ermüdbarkeit, langsam progressiver Muskelschwäche, Krampfanfällen und Myoglobinurie. RRFs kommen vor und sind durch eine starke Lipidvermehrung gekennzeichnet [85]. Ein Leigh-Syndrom im Erwachsenenalter ist ebenfalls mit einem CoQ10-Mangel in Verbindung gebracht worden.
Diese Fälle lassen sich durch CoQ10-Gabe bessern und müssen deshalb so früh wie möglich diagnostiziert werden.
Eine Anomalie des Cardiolipin-Metabolismus ist beim Barth-Syndrom festgestellt worden (X-chromosomal erbliche mitochondriale Myopathie, Kardiopathie, Neutropenie, Kleinwuchs und 3-Methylglutagon-Azidurie). Das Produkt des mutierten Gens heißt Taffazin und ist homolog zu Phospholipidtransferasen [10]. Cardiolipin ist eine wesentliche Komponente des Phospholipidmilieus der inneren Mitochondrienmembran, wo es die Aktivität mehrerer Komplexe der Atmungskette moduliert, einschließlich der Komplexe I und IV [116].
Ad 4. Andere neurodegenerative Erkrankungen sind auf Mutationen in mitochondrialen Proteinen zurückzuführen, die nicht direkt mit OXPHOS-Defekten in Verbindung stehen, sondern indirekt die Atmung und Energieproduktion beeinflussen. Zu dieser Gruppe gehört • Paraplegin, eine mitochondriale Metalloproteinase, deren Defekte zur autosomal-rezessiven spastischen Paraplegie führen; • ABC7, ein mitochondrialer Eisenexporter, der für eine X-chromosomale sideroblastische Anämie mit Ataxie verantwortlich ist; • Frataxin, ein mitochodriales Protein, das vermutlich dem Eisenmetabolismus und dem Eisen-SchwefelProtein-Gleichgewicht dient und dessen Genmutationen die Friedreich-Ataxie verursacht; und • DDP1 („deafness-dystonia peptide 1“), das Gen TIMM8a kodiert, eine Komponente des mitochondrialen Protein-Translokase-Komplexes, und das für das Xchromosomale Taubheits-Dystonie-Syndrom (MohrTranebjaerg-Syndrom) zuständig ist [2]. Mutationen in OPA1, einem Gen, das ein Dynamin-ähnliches Protein in der inneren Mitochondrienmembran kodiert, sind bei der autosomal-dominanten Optikusneuropathie vom Kjehr-Typ nachgewiesen worden. Missense-Mutationen in MFN2, einem Gen, das Mitofusin 2 kodiert, führen zur häufigen, dominant erblichen Neuropathie vom Typ CMT2A [130] (s. Kap. 23). Mitofusine sind GTPase-Proteine, die die Fissions-FusionsDynamik des mitochondrialen Netzwerkes regulieren und somit eine fundamentale Rolle in der Biogenese der Mitochondrien spielen [15, 42]. Sie gewährleisten ein einheitliches Membranpotential der Organellen und sorgen so für eine gleichmäßige Energieverteilung über die gesamte Zelle [126]. Auch das Gangliosid-assoziierte Protein A1 ist in den Mitochondrien lokalisiert. Mutationen dieses Gens (GDAP1) führen zu einer intermediären, teils axonalen, teils demyelinisierenden Neuropathie [89] (s. Kap. 23). Zahlreiche Befunde weisen darauf hin, dass der Muskelschwund (Sarkopenie) im Alter und bei neurodegenerative Krankheiten wie M. Alzheimer und Parkinson (s. Abb. 33.2) mit einer Wechselwirkung im Sinne eines Teufelskreises zwischen oxidativem Stress und Schäden an mitochondrialen Proteinen und der mtDNA in Zusammenhang stehen [51, 62].
Klinische Aspekte der mitochondrialen Myopathien Entsprechend der Komplexität der mitochondrialen Genetik und Biochemie sind die klinischen Manifestationen extrem heterogen. Unter der Bezeichnung „okulokraniosomatische neuromuskuläre Krankheit“ hatten
766
33
Kapitel 33
Olson et al. [35] eine progressive Ophthalmoplegia externa beschrieben, die auch mit anderen Symptomen verbunden sein konnte (deshalb als „Ophthalmoplegia plus“ [31] oder Kearns-Sayre-Syndrom [61] bezeichnet). Insbesondere gehören dazu: bestimmte neurodegenerativen Veränderungen wie Kleinhirnataxie, Pigmentdegeneration der Retina („Retinitis pigmentosa“), Optikusatrophie, Herzüberleitungsstörungen, Funktionsstörungen vonseiten des VIII. Hirnnerven (Hypakusis), vestibuläre Anomalien, Dysphagien, Dysphonien, Heiserkeit, Fazialisschwäche, Mikroglossie, abnormes EEG, Spastizität, proximale Gliedergürtelschwäche, distale Schwäche, Sensibilitätsstörungen (Polyneuropathie) u. a. Die Laktat- und Pyruvatwerte im Serum sind aufgrund der insuffizienten Mitochondrienfunktion schon in Ruhe erhöht; insbesondere der Laktatwert steigt z. B. beim Ischämietest unter Fahrradergometerbelastung abnorm an (detaillierte Werte s. [58]). Dabei ist ein fehlender Laktat- oder Pyruvatanstieg kein sicheres Ausschlusskriterium für eine mitochondriale Myopathie, weil die Mitochondrien u. U. nur in einzelnen Segmenten der Muskelfasern betroffen sind (Heteroplasmie) und die Funktionsstörung unterschwellig bleibt. Diagnostik. Die mitochondrialen Zytopathien sind, wie bereits betont, eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die vielfach durch strukturell, numerisch oder funktionell abnorme Mitochondrien speziell in den Skelettmuskelfasern gekennzeichnet sind. Sie sind gentechnisch bzw. molekularbiologisch durch den Nachweis mitochondrialer oder nukleärer DNA-Mutationen und licht- oder elektronenmikroskopisch durch abnorm strukturierte, vergrößerte, vermehrte und irregulär angeordnete Mitochondrien manchmal nur fokal in einzelnen Typ-1-Muskelfasern zu diagnostizieren (Abb. 33.3). Die meisten sind mit einer Mitochondrienvermehrung und Lipidspeicherung in den Muskelfasern („Ragged-red“-Fasern; s. unten), viele mit einer Ophthalmoplegia externa und einige mit zerebralen Symptomen im Sinne einer Enzephalomyopathie mit oder ohne gastrointestinale u. a. Störungen verbunden. Allerdings sind keineswegs alle Mutationen der mtDNA pathogen. So gibt es inzwischen eine lange Liste mit Unregelmäßigkeiten der mtDNA, d. h. Polymorphismen, die nicht zur Erkrankung führen und deshalb bei der mtDNA-Diagnostik berücksichtigt werden müssen (vgl. www.mitomap.org). Die Zahl der bekannten pathogenen Mutationen und der klinischen Bilder ist inzwischen so groß (vgl. Abb. 33.2), dass es sich wegen des manchmal nicht endenden molekulargenetischen Aufwands empfiehlt, bei entsprechender klinischer Symptomatik (s. oben) zuerst eine Muskelbiopsie durchzuführen und erst auf deren Basis eine Suche nach einer Mutation zu beginnen, zumal der Gendefekt bei ca. 50% der biochemisch und morphologisch eindeutig nachgewiesenen mitochondrialen Krankheiten Erwachsener ungeklärt bleibt [126]. Die Zahl der genetisch undiagnostizierten pädiatrischen Fälle beträgt
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
80–90%. Da weltweit bereits die Sequenzierung der gesamten mtDNA erfolgt, ist damit zu rechnen, dass die meisten ungeklärten Fälle mit OXPHOS-Störungen auf Mutationen im nukleären Genom zurückzuführen sein werden. Eine pränatale Diagnose ist bei MELAS und MERRF wegen mitotischer Segregation problematisch, bei maternal vererbtem Leigh-Syndrom jedoch aussichtsreich [26]. Morphologie. Die mitochondrialen Myopathien werden in Paraffin-eingebetteten HE-Präparaten leicht übersehen (Abb. 33.3a). Das wichtigste morphologische Kennzeichen mitochondrialer Myopathien besteht in der Transformation unregelmäßig verteilter Muskelfasern zu sog. „ragged red fibers (RRFs)“ [33, 34], die im Trichrompräparat durch rot gefärbte, „fuchsinophile“ Aggregate abnormer Mitochondrien, vermehrte feine Lipidtropfen und Glykogenvermehrungen zumeist unter dem Sarkolemm, aber auch intermyofibrillär charakterisiert sind (Abb. 33.1c). (Die Bezeichnung „Ragged-red-Fasern“ hat sich auch im Deutschen eingebürgert, weil sich die wörtliche Übersetzung „zerrissene rote“ Fasern nicht hat durchsetzen können.) Die RRFs sind zumeist kleiner als normale Fasern und oft auffällig eingedellt und unregelmäßig konturiert; daran sind sie bereits in HE-Präparaten zu vermuten (Abb. 33.3a). Die Mitochondrienaggregation lässt sich histochemisch durch oxidative Enzymreaktionen, insbesondere die Succinatdehydrogenase-(SDH-)Reaktion (Komplex II der Atmungskette) und die NADH-Reaktion (Komplex I der Atmungskette) darstellen, zwei für die Atmungskette spezifische Enzyme (Abb. 33.3b,d). Im Unterschied zur NADH wird das mitochondriale Enzym Succinatdehydrogenase (SDH; Abb. 33.3) ausschließlich nukleär kodiert, was für die molekulargenetische Diagnostik der mitochondrialen Erkrankungen richtungsweisend ist: Wenn die SDH-Reaktion der mitochondrialen Aggregate trotz verstärkter NADH-Reaktion negativ ausfällt, ist die Krankheit wahrscheinlich auf eine Deletion, bedingt durch eine Mutation im nuklären Genom, zurückzuführen, also nukleär, nicht primär mitochondrial (maternal) verursacht bzw. vererbt. Die entsprechenden Phosphorylierungskomplexkomponenten lassen sich auch immunhistochemisch differenzieren [21]. Eine weitere enzymhistochemische Reaktion, die Cytochrome-Oxidase-(COX-)Reaktion (Abb. 33.3c) fällt negativ oder nur schwach aus, wenn Proteine aufgrund von Mutationen der Gene defekt sind, die die Untereinheiten im Komplex IV der Atmungskette kodieren; von deren 13 Untereinheiten werden 3 mitochondrial kodiert (Abb. 33.2), die übrigen nukleär. Entsprechend der ungleichmäßigen Verteilung (Heteroplasmie) der pathologisch veränderten Mitochondrien auf die verschiedenen Zellen sind dabei meistens nur einzelne, disseminierte Muskelfasern betroffen, und diese auch nicht über die gesamte Länge der einzelnen Faser.
767
Mitochondriale Myopathien
a
b
c
d
e
f
Abb. 33.3 Mitochondriale Veränderungen bei der 35-jährigen Tochter blutsverwandter türkischer Eltern (Kusine/Vetter 2. Grades, a–d), bei einer 50-jährigen Frau mit Polymyositis (e) und bei einem 5-jährigen Mädchen mit infantiler mitochondrialer Myopathie (f). a–d In Kryostatschnitten einer Muskelbiopsie fällt nach der HEFärbung (a) nur eine einzige teilatrophische anguläre Faser auf (Pfeil). Nach der Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Dehydrogenase-(NADH)- (b), Cytochrom-Oxidase-(COX)- (c) und Succinatde-
hydrogenase-(SDH)-Reaktion (d) ist jedoch in mehreren Fasern subsarkolemmal eine für mitochondriale Myopathien charakteristische Verstärkung der jeweiligen Enzymreaktion zu erkennen. In mehreren Fasern fehlt die SDH-Reaktion (d). e, f Elektronenmikroskopisch sind extreme Vergrößerungen und Strukturveränderungen der Mitochondrien nachweisbar (M). Mehrere Mitochondrien enthalten parakristalline Einschlüsse in ihrer verbreiterten Matrix (Pfeile). Der Kern (K) ist unregelmäßig konturiert
768
33
Kapitel 33
Allerdings können die typischen Zeichen einer mitochondrialen Myopathie bei eindeutig nachgewiesenen mitochondrialen Krankheiten fehlen, so bei LHON, NARP („Neuropathie, Ataxie und Retinitis pigmentosa“) und bei vielen pädiatrischen Fällen wie dem Leigh-Syndrom, das genetisch außerordentlich heterogen ist [126]. Beim MELAS-Syndrom fällt die COX-Reaktion in der Regel positiv aus, weil der Schwellenwert nicht unterschritten wird [26]. Betroffen sind meist nur etwa 1– 5%, manchmal 8–18% der Fasern, wobei beide Fasertypen alteriert sein können. Die veränderten Fasern liegen in der Regel isoliert und enthalten herdförmig, überwiegend subsarkolemmal angehäufte oxidative Enzymaktivitäten. Die COX-Reaktion fällt in Fasern bei Fällen mit COX-Mangel manchmal nur in bestimmten Segmenten negativ aus, da der mitochondriale Gendefekt oft nur einen Teil der Mitochondrien innerhalb einer Muskelfaser betrifft [44, 45]. Während die COX-Reaktion in RRFs bei A3243G-MELAS erhalten bleibt, fehlt sie bei A8344G-MERRF regelmäßig. RRFs kommen auch bei der adPEO, Twinkel-Gen-Mutationen und MNGIE (s. oben) vor, fehlen aber, wie bereits betont, bei LHON und NARP. Bei RRM2B-Mutationen finden sich reichlich Raggedred-Fasern und eine starke Vermehrung des endomysialen und perimysialen Bindegewebes [11]; in anderen Fällen besteht demgegenüber eine Lipidspeichermyopathie bei fehlender COX-Reaktion [64]. Elektronenmikroskopie. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt durch den elektronenmikroskopischen Nachweis abnormer Mitochondrien, die außerordentlich vielgestaltige Formen mit irregulär angeordneten Cristae und parakristallinen oder amorphen rundlichen homogenen osmiophilen Einschlüssen aufweisen können. Die parakristallinen Einschlüsse (s. Abb. 33.3e,f) beruhen auf Ausfällungen eines Proteins, der mitochondrialen Kreatinkinase [105]. Wegen der auffälligen Größe und der vermehrten Zahl der Mitochondrien führten Shy et al. [103] die Bezeichnung „megaconial“ und „pleoconial myopathy“ ein. Wegen der gleichzeitigen Anhäufung von Lipiden und Glykogen bei bestimmten Formen dieser Erkrankungen sind auch deskriptive Bezeichnungen wie „Mitochondrien-Lipid-Glykogen-Erkrankungen des Muskels“ [57] oder „sudanophile mitochondriale Erkrankung“ [43] vorgeschlagen worden. Differentialdiagnose. Vereinzelt kommen parakristalline mitochondriale Einschlüsse in Abhängigkeit vom Alter auch bei normalen Kontrollpersonen [46], insbesondere in den äußeren Augenmuskeln [129], oder sekundär aufgrund anderer Erkrankungen vor (Literatur siehe z. B. 79, 98, 122). Nur eine deutliche Vermehrung und Vergrößerung abnormer Mitochondrien in mehr als 0,5% der Fasern zeigt einen pathologischen Prozess an (Hilton et al. 2010; Brain Pathol 20, Suppl. 1, p. 93).
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
Myoadenylat-Deaminase-(MAD-)Mangel Die Myoadenylat-Deaminase (MAD) katalysiert die Desaminierung von Adenosinmonophosphat (AMP) in Inosinmonophosphat (IMP) und Ammoniak während körperlicher Arbeit. Die Muskelisoform des Enzyms wird durch das AMPD1-Gen kodiert. Zwei Prozent der Gesamtbevölkerung sind homozygot für die C34T-Nonsense-Mutation in diesem Gen, die zu einem kompletten, enzymhistochemisch nachweisbaren Verlust der AMPDAktivität führt. Somit ist der MAD-Mangel der häufigste metabolische Defekt im Muskel [110]; doch sind die Symptome mild und bestehen, wenn überhaupt, aus uncharakteristischen Schmerzen und Muskelkrämpfen bei Belastung. Die CK-Werte sind normal oder leicht erhöht. Da jedoch schon bei normalen Personen schon so häufig eine Mutation des Gens vorkommt, ist der Nachweis des Enzymdefektes von zweifelhaftem Wert [47]. Dennoch wird empfohlen, die enzymhistochemische Reaktion routinemäßig bei jeder Muskelbiopsie durchzuführen [110].
Lipidspeichermyopathien Schon in Ruhe, insbesondere aber bei lang dauernder Belastung sowie beim Fasten, wenn die Glykogenreserven in der Leber und im Muskel erschöpft sind, wird der Energiebedarf des Skelettmuskels vor allem durch den Lipidstoffwechsel gedeckt [24, 114]. Manche Lipidspeichermyopathien sind auf mitochondriale Stoffwechselstörungen zurückzuführen. Sowohl der COX- als auch der Muskelcarnitin- und Carnitinpalmitoyltransferase-(CPT-)Mangel lässt sich den mitochondrialen Myopathien zuordnen [72], wobei allerdings beim CPT-Mangel keine Lipidvermehrung nachweisbar ist.
Die Unterscheidung ist wichtig, weil beim Carnitinmangel eine orale L-Carnitin-Therapie [12] und diätetische Maßnahmen auch bei anderen Lipidstoffwechselstörungen des Muskels wirksam sind [67].
Die in Tabelle 33.1 aufgeführten 10 hereditären Lipidstoffwechselstörungen, die zu Myopathien führen, sind autosomal-rezessiv erblich, werden also nicht maternal vererbt. Eine ausgeprägte Lipidspeicherung in den Muskelfasern (Abb. 33.1c,d) findet sich jedoch nur bei 4 Krankheitsbildern, die auf Mutationen in folgenden 6 Genen beruhen: SLC22A5 beim primären Carnitinmangel (PCD), ETFA, ETFB und ETFDH beim multiplen CoA-Dehydrogenasemangel (MADD), ABHD5 bei der Neutralfettspeicherkrankheit mit Ichthyose (NLSDLI; Chanarin-Dorfman-Syndrom) und PNPLA2 bei der Neutralfettspeicher-
Lipidspeichermyopathien
krankheit mit Myopathie (NLSDM) ohne Ichthyose [87] (Tabelle 33.1; s. unten). Allerdings fand sich nur bei 9 von 37 Fällen mit histopathologisch nachgewiesener Lipidspeichermyopathie ein solcher genetischer Defekt; bei den anderen blieb die Ursache unbekannt [86]. Der Carnitinpalmitoyltransferase-(CPT-)I- und -IIMangel ist häufig Ursache einer Myoglobinurie, die durch Schmerzen charakterisiert und durch Fasten oder Muskelarbeit ausgelöst wird [28], aber nicht mit einer Lipidspeicherung in den Muskelfasern verbunden und daher histopathologisch nicht zu verifizieren sind. Auch die Muskelcarnitinwerte sind normal. Daher ist eine biochemische Untersuchung der Muskelbiopsie oder der Nachweis von Mutationen im CPT-Gen zur Diagnose erforderlich [60, 119]. Der primäre systemische Carnitinmangel (CDSP) ist unter den bekannten metabolischen Störungen des Fettsäurekatabolismus mit einer Schwäche und einer Triglyzeridakkumulation in den Muskelfasern verbunden [32]. Er ist, wie bereits erwähnt, auf Mutationen im Gen für den natriumabhängigen Carnitintransporter (SLC22A5) zurückzuführen [81]. Der Carnitin/Acyl-Carnitin-Translocase-Mangel ist auf Mutationen im Gen der Carnitin/Acyl-Carnitin-Translocase (SLC25A20) zurückzuführen. Der multiple Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD; Glutarsäureazidurie, Typ IIA; GAIIA) ist auf Mutationen im Gen für das Elektron-Transfer-Flavoprotein-AlphaPolypeptid (ETFA) zurückzuführen. Diese Form ist allelisch zum Riboflavin-responsiven multiplen Acyl-CoADehydrogenasemangel (Tabelle 33.1). Der multiple Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD; Glutarsäureazidurie, Typ IIB; GAIIB) ist auf Mutationen im Gen für das Elektron-Transfer-Flavoprotein-Beta-Polypeptid (ETFB) zurückzuführen. Der multiple Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD; Glutarsäureazidurie, Typ IIC; GAIIC) ist auf Mutationen im Gen der Elektron-transferrierenden Flavoprotein-Dehydrogenase (ETFDH) zurückzuführen. Der AcylCoA-(sehr lange Ketten)-Dehydrogenasemangel ist auf Mutationen des entsprechenden Gens (ACADVL) zurückzuführen. Die Triglyzeridspeicherkrankheit mit beeinträchtigter Oxidation langkettiger Fettsäuren (Chanarin-DorfmanSyndrom) ist eine multisystemische Lipidspeicherkrankheit mit nichtbullöser kongenitaler ichthyosiformer Erythrodermie und Steatorrhoe (Chanarin-Krankheit) [16], die auf Mutationen im „α/β-Hydrolase Domain containing 5“- (ABHD5-) bzw. CGI-58-Gen beruht [68]. Lipidtropfen sind dabei nicht nur in den Muskelfasern, sondern in nahezu allen Geweben nachweisbar. Sofern die Lipidspeicherung auch die Magenschleimhaut und das vegetative Nervensystem (im Sinne einer Multisystemkrankheit betrifft, können starke Magenschmerzen auftreten [101]. Die Neutralfettspeicherkrankheit mit Myopathie ohne Ichthyose (NLSDM) ist auf Mutationen im Gen (PNPLA2)
769
für die zytoplasmatische Adipose-Triglyzerid-Lipase (ATGL; Desnutrin) zurückzuführen [37], die klinisch asymptomatisch sein kann, aber mit erhöhten CK-Werten im Blut verbunden ist [3]. Die distale Muskulatur kann bevorzugt betroffen sein. Die Herzmuskulatur ist in unterschiedlichem Ausmaß mitbetroffen. Histopathologisch finden sich zusätzlich zu einer ausgeprägten Neutralfettspeicherung zahlreiche autophagische Vakuolen („rimmed vacuoles“) [87], wenn auch nicht in allen Fällen. Diagnostisch von spezieller Bedeutung ist die Lipidspeicherung in peripheren Granulozyten aus dem Blut sowie in kultivierten Fibroblasten aus der Haut. Zwei Gene, die Lipidtropfen-assoziierte Proteine kodieren, nämlich Perilipin A und Adipophilin, erwiesen sich als normal [3]. Morphologie. Bei den typischen Lipidspeicherkrankheiten finden sich, wenn auch nicht selektiv, in nahezu allen histochemischen Typ-1-Fasern zahlreiche 1–4 μm große Lipidtropfen bzw. ehemals mit Neutralfett gefüllte „Vakuolen“, die auf einem Extraktionsartefakt beruhen und nicht von einer Membran umgeben sind. Denn wenn ein Lipidlösungsmittel während der Einbettung oder der Färbung verwendet wird, erscheinen die Räume optisch leer, so dass der Eindruck einer vakuolären Myopathie entsteht. Einige Fasern sind durch Lipidtropfen in exzessiver Menge charakterisiert (Abb. 33.1c,d). Etwa ein Drittel dieser Fasern ist deutlich atrophisch und leicht entrundet. Doch sei hier noch einmal betont, dass bei dem Carnitinpalmitoyltransferasemangel keine Lipidspeicherung im Muskel nachweisbar ist, obwohl es sich um eine Störung des Lipidkatabolismus handelt. Dieser ist dann ausschließlich biochemisch zu verifizieren. Auch der lang- oder kurzkettige Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel [25, 111], die Glutarsäureazidurie und der enzymhistochemisch nachweisbare, evtl. nur einige Muskelfasern betreffende partielle Cytochrom-c-Oxidase-(COX-)Mangel sind mit einer Triglyzeridakkumulation in den Muskelfasern verbunden.
Sonderformen Für einige Sonderformen einer Lipidspeicherungsmyopathie gibt es bisher keine biochemischen Analysen und keine weiteren Angaben zur Pathogenese, so z. B. für eine sog. myotubuläre Lipidspeicherungsmyopathie mit Verkalkungen [96]. Abnorme Ablagerungen nicht von Neutralfetten, sondern von Gangliosiden in Satellitenzellen kommen bei der GM1-Gangliosidose vor [112], bei der Fabry-Krankheit auch abnormes Speichermaterial in den Skelettmuskelfasern [113] und, wie bei der Sandhoff-Krankheit, in Gefäßwandzellen [97]. Eine abnorme Vermehrung von Zeroidpigment in den quergestreiften Muskelfasern findet sich bei der Abetalipoproteinämie (Synonyme: Bassen-Kornzweig-
770
Kapitel 33
Syndrom; Neuroakanthozytose) [49, 66] und den neuronalen Zeroidlipofuszinosen (CLN) [40, 92]. Letztere lassen sich durch eine Saure-Phosphatase-Reaktion, genauer allerdings erst durch eine elektronenmikroskopische Untersuchung u. a. auch einer Muskel- oder Nervenbiopsie, namentlich durch den Nachweis der sog. kurvilinearen Körper, der Fingerabdruckkörper oder der granulären osmiophilen Ablagerungen (GRODs) diagnostizieren, endgültig aber erst molekulargenetisch. Derzeit sind 8 verschiedene Formen zu differenzieren (CLN1, 2, 3, 5, 6, 7, 8 und 10). Nur zu CLN9 ist noch keine Mutation gefunden worden.
33
Myopathien bei endokrinen Erkrankungen Myopathien kommen bei verschiedenartigen endokrinen Erkrankungen vor. Die Muskelbeteiligung ist vielfach nur eine Nebenlokalisation der Erkrankung; in anderen Fällen stehen die Muskelsymptome im Vordergrund und können zur Diagnose der zugrunde liegenden Krankheit, z. B. einer Thyreotoxikose, führen. Eine Behandlung der hormonellen Grundkrankheit führt in der Regel zu einer vollständigen Wiederherstellung der Muskelfunktion [1, 5, 96].
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
75]. Gelegentlich kann es auch zu einer ausgeprägten peripheren Neuropathie mit entsprechenden Zeichen einer Denervationsatrophie im Muskel kommen. Bei der Hyperthyreose sind die skelettmuskelbioptischen Befunde uncharakteristisch und in der Regel wenig ausgeprägt; doch sind die äußeren Augenmuskeln bei der exophthalmischen Ophthalmoplegie von mononukleären Zellinfiltraten durchsetzt [96].
Hyper- und Hypoparathyreoidismus Auch beim primären und sekundären Hyperparathyreoidismus ließ sich eine selektive Typ-2-Faseratrophie nachweisen [88]. Beim tertiären Hyperparathyreoidismus sind feinstrukturell im muskulären Abschnitt der motorischen Endplatte ungewöhnliche konzentrisch gegliederte Ablagerungen von Kalziumsalzen nachweisbar [96, 99]. Die Veränderungen beim Hypoparathyreoidismus einschließlich der Tetanie sind nur unvollständig untersucht (Verminderung des Glykogengehalts und der Phosphorylaseaktivität); sie sind reversibler Art.
Hypophysenfunktionsstörungen und Doping Erkrankungen der Schilddrüse Mehr oder weniger schwere Myopathien können sowohl bei der Thyreotoxikose als auch beim Myxödem vorkommen: • bei der Thyreotoxikose eine − chronische oder akute Myopathie, − Myasthenia gravis, − periodische Paralyse und − exophthalmische Ophthalmoplegie (endokrine Orbitopathie) [1, 91]; • beim Myxödem − eine Gliedergürtelmyopathie, − das Kocher-Debré-Semelaigne-Syndrom (sowie das davon nicht immer abgrenzbares HoffmannSyndrom) und − eine Neuromyopathie [96]. Bei der hypothyreotischen Myopathie ließen sich mit Hilfe perkutaner Nadelbiopsien aus dem M. vastus lateralis eine selektive Typ-2-Faseratrophie und eine zahlenmäßige Reduktion dieses Fasertyps sowie eine vermehrte Anzahl zentraler Kerne nachweisen. Sowohl die Typ-2Faseratrophie als auch die zahlenmäßige Verringerung der Typ-2-Fasern und die vermehrte Zahl zentralständiger Kerne bildeten sich während der Behandlung mit L-Thyroxin in Richtung der Normalwerte zurück [74,
Sie sind oft mit Störungen der Nebennierenrindenfunktion verbunden, so dass die Myopathie beim Cushing-Syndrom, bei der Addison-Krankheit und der Steroidtherapie manchmal schwer abzugrenzen sind. Während es bei der Hypophysenunterfunktion zu einer allgemeinen Muskelatrophie kommt, ohne weitere Zeichen einer Myopathie, sind bei der Hypophysenüberfunktion (Hyperpituitarismus) verschiedene Zeichen einer Myopathie beobachtet worden als Folge vermehrter Kortikosteroide und von Testosteron. Bei der Kortikosteroidmyopathie findet sich u. a. eine selektive Typ-2-Faseratrophie [18, 90]. Die experimentelle Applikation von Testosteron und Anabolika, die zum Doping im Sport verwendet werden, führt vor allem zu einem raschen Anstieg der Gesamtmengen an kontraktilem Protein bei deutlicher Vermehrung der Ribosomen. Eine Kastration verursacht demgegenüber im Experiment vor allem eine Verminderung der paranukleären Ribosomen [48]. Die subkutane Injektion von 2 mg/Tag Wachstumshormon über einen Zeitraum von 8 Wochen führt zu einer Steigerung der Sprintgeschwindigkeit um 3,9 (0,0– 7,7)%, nicht aber zu einer Kraftvermehrung; zusammen mit Testosteronspritzen kommt es zu einer Leistungssteigerung, die sich innerhalb von 6 Wochen zurückbildet [76]. Als Nebenwirkungen wurden Schwellungen durch extrazelluläre Speicherung von Körperflüssigkeit und Muskelschmerzen beobachtet.
771
Literatur
Diabetes mellitus Die sog. diabetische Amyotrophie ist überwiegend als Folge einer diabetischen Polyneuropathie anzusehen (s. dort); doch gibt es experimentelle Hinweise auf eine unmittelbar diabetisch bedingte Myopathie [9, 118, 121]. Auch sind hier die auffälligen Verbreiterungen der Basallamina um die Muskelkapillaren als Ausdruck der diabetischen Angiopathie zu nennen, da sie bereits lichtmikroskopisch (zumal in Semidünnschnitten) gut zu erkennen sind. Perikapilläre Basallaminaverbreiterungen und -reduplikationen sind allerdings nicht spezifisch; sie kommen bei zahlreichen verschiedenen Prozessen vor, insbesondere bei entzündlichen Erkrankungen, namentlich Gefäßbindegewebserkrankungen, bei Hypothyreose, Alkoholismus sowie spinalen und neuralen Muskelatrophien [96]; sie sind aber wichtige Indikatoren einer Mikroangiopathie.
Literatur
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15. 16.
1. 2.
3.
4.
5. 6.
7.
8.
Adams RD (1975) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Aguirre LA, Perez-Bas M, Villamar M, Lopez-Ariztegui MA, Moreno-Pelayo MA, Moreno F, del Castillo I (2008) A Spanish sporadic case of deafness-dystonia (Mohr-Tranebjaerg) syndrome with a novel mutation in the gene encoding TIMM8a, a component of the mitochondrial protein translocase complexes. Neuromuscul Disord 18: 979–981 Akman HO, Davidzon G, Tanji K et al. (2010) Neutral lipid storage disease with subclinical myopathy due to a retrotransposal insertion in the PNPLA2 gene. Neuromuscul Disord 20: 397–402 Alston CL, Bender A, Hargreaves IP et al. (2010) The pathogenic m.3243A>T mitochondrial DNA mutation is associated with a variable neurological phenotype. Neuromuscul Disord 20: 403–406 Anagnos A, Ruff RL, Kaminski HJ (1997) Endocrine neuromyopathies. Neurol Clin 15: 673–696 Ausems MG, ten Berg K, Beemer FA, Wokke JH (2000) Phenotypic expression of late-onset glycogen storage disease type II: identification of asymptomatic adults through family studies and review of reported families [In Process Citation]. Neuromuscul Disord 10: 467–471 Bardosi A, Creutzfeldt W, DiMauro S et al. (1987) Myo-, neuro-, gastrointestinal encephalopathy (MNGIE syndrome) due to partial deficiency of cytochrome-c-oxidase. A new mitochondrial multisystem disorder. Acta Neuropathol 74: 248–258 Baysal BE (2002) Hereditary paraganglioma targets diverse paraganglia. J Med Genet 39: 617–622
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24. 25.
Bestetti G, Zemp C, Probst D, Rossi GL (1981) Neuropathy and myopathy in the diaphragm of rats after 12 months of streptozotocin-induced diabetes mellitus. A light-, electron- microscopic, and morphometric study. Acta Neuropathol 55: 11–20 Bione S, D’Adamo P, Maestrini E, Gedeon AK, Bolhuis PA, Toniolo D (1996) A novel X-linked gene, G4.5. is responsible for Barth syndrome. Nat Genet 12: 385–389 Bornstein B, Area E, Flanigan KM et al. (2008) Mitochondrial DNA depletion syndrome due to mutations in the RRM2B gene. Neuromuscul Disord 18: 453–459 Campos Y, Huertas R, Lorenzo G et al. (1993) Plasma carnitine insufficiency and effectiveness of L-carnitine therapy in patients with mitochondrial myopathy. Muscle Nerve 16: 150–153 Carrozzo R, Hirano M, Fromenty B et al. (1998) Multiple mtDNA deletions features in autosomal dominant and recessive diseases suggest distinct pathogeneses. Neurology 50: 99–106 Cavanagh JB (1999) Corpora-amylacea and the family of polyglucosan diseases. Brain Res Brain Res Rev 29: 265–295 Chan DC (2006) Mitochondrial fusion and fission in mammals. Annu Rev Cell Dev Biol 22: 79–99 Chanarin I, Patel A, Slavin G, Wills EJ, Andrews TM, Stewart G (1975) Neutral-lipid storage disease: a new disorder of lipid metabolism. Br Med J 1: 553–555 Chinnery PF, Johnson MA, Wardell TM et al. (2000) The epidemiology of pathogenic mitochondrial DNA mutations. Ann Neurol 48: 188–193 Clark AF, Vignos PJ, Jr. (1979) Experimental corticosteroid myopathy: effect on myofibrillar ATPase activity and protein degradation. Muscle Nerve 2: 265–273 Comi GP, Fortunato F, Lucchiari S et al. (2001) Beta-enolase deficiency, a new metabolic myopathy of distal glycolysis. Ann Neurol 50: 202–207 Cori GT (1957) Biochemical aspects of glycogen deposition disease. In: Hottinger A, Hauser F, Berger H (eds) Modern prolems in pediatrics. Karger, Basel, pp 344–358 De Paepe B, Smet J, Lammens M et al. (2009) Immunohistochemical analysis of the oxidative phosphorylation complexes in skeletal muscle from patients with mitochondrial DNA encoded tRNA gene defects. J Clin Pathol 62: 172–176 de Vries DD, Buzing CJ, Ruitenbeek W et al. (1992) Myopathology and a mitochondrial DNA deletion in the Pearson marrow and pancreas syndrome. Neuromuscul Disord 2: 185–195 Di Blasi C, Jarre L, Blasevich F, Dassi P, Mora M (2008) Danon disease: a novel LAMP2 mutation affecting the premRNA splicing and causing aberrant transcripts and partial protein expression. Neuromuscul Disord 18: 962–966 Di Mauro S, Trevisan C, Hays A (1980) Disorders of lipid metabolism in muscle. Muscle Nerve 3: 369–388 DiDonato S, Gellera C, Peluchetti D, Uziel G, Antonelli A, Lus G, Rimoldi M (1989) Normalization of short-chain
772
Kapitel 33
26. 27. 28.
29.
30.
33
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
acylcoenzyme A dehydrogenase after riboflavin treatment in a girl with multiple acylcoenzyme A dehydrogenase-deficient myopathy. Ann Neurol 25: 479–484 DiMauro S (2000) Introduction: mitochondrial encephalomyopathies. Brain Pathol 10: 419–421 DiMauro S (1992) Mitochondrial encephalomyopathies. Brain Pathol 2: 111–112 DiMauro S, DiMauro PM (1973) Muscle carnitine palmityltransferase deficiency and myoglobinuria. Science 182: 929–931 DiMauro S, Haller RG (1999) Metabolic myopathies: substrate use defects. Butterworth-Heinemann, Boston Oxford DiMauro S, Hirano M (2005) Mitochondrial encephalomyopathies: an update. Neuromuscul Disord 15: 276–286 Drachman DA (1968) Ophthalmoplegia plus. The neurodegenerative disorders associated with progressive external ophthalmoplegia. Arch Neurol 18: 654–674 Engel AG, Angelini C (1973) Carnitine deficiency of human skeletal muscle with associated lipid storage myopathy: a new syndrome. Science 179: 899–902 Engel AG, Gomez MR, Groover RV (1971) Multicore disease. A recently recognized congenital myopathy associated with multifocal degeneration of muscle fibers. Mayo Clin Proc 46: 666–681 Engel WK, Cunningham CG (1963) Rapid examination of muscle tissue: An improvedtrichrome stain method for fresh-frozen biopsy sections. Neurology 13: 919–923 Fenichel GM, Kibler WB, Olson WH, Dettbarn WD (1972) Chronic inhibition of cholinesterase as a cause of myopathy. Neurology 22: 1026–1033. Filosto M, Tonin P, Scarpelli M et al. (2008) Novel mitochondrial tRNA Leu(CUN) transition and D4Z4 partial deletion in a patient with a facioscapulohumeral phenotype. Neuromuscul Disord 18: 204–209 Fischer J, Lefevre C, Morava E et al. (2007) The gene encoding adipose triglyceride lipase (PNPLA2) is mutated in neutral lipid storage disease with myopathy. Nat Genet 39: 28–30 Galassi G, Lamantea E, Invernizzi F et al. (2008) Additive effects of POLG1 and ANT1 mutations in a complex encephalomyopathy. Neuromuscul Disord 18: 465–470 Goebel HH, Shin YS, Gullotta F et al. (1992) Adult polyglucosan body myopathy. J Neuropathol Exp Neurol 51: 24–35 Goebel HH, Zeman W, Pilz H (1975) Significance of muscle biopsies in neuronal ceroid-lipofuscinoses. J Neurol Neurosurg Psychiatry 38: 985–993 Gomez-Garre P, Gutierrez-Delicado E, Gomez-Abad C et al. (2007) Hepatic disease as the first manifestation of progressive myoclonus epilepsy of Lafora. Neurology 68: 1369–1373 Guillery O, Malka F, Frachon P, Milea D, Rojo M, Lombes A (2008) Modulation of mitochondrial morphology by bioenergetics defects in primary human fibroblasts. Neuromuscul Disord 18: 319–330
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
Gullotta F, Stefan H, Mattern H (1976) Pseudodystrophic muscle glycogenosis in adults. (Acid maltase deficiency syndrome) (author’s transl). J Neurol 213: 199–216 Haginoya K, Miyabayashi S, Iinuma K, Tada K (1990) Mosaicism of mitochondria in mitochondrial myopathy: an electronmicroscopic analysis of cytochrome c oxidase. Acta Neuropathol 80: 642–648 Hammans SR, Sweeney MG, Brockington M, MorganHughes JA, Harding AE (1991) Mitochondrial encephalopathies: molecular genetic diagnosis from blood samples [see comments]. Lancet 337: 1311–1313 Hammersen F, Gidlof A, Larsson J, Lewis DH (1980) The occurrence of paracrystalline mitochondrial inclusions in normal human skeletal muscle. Acta Neuropathol 49: 35–41 Hanisch F, Joshi P, Zierz S (2008) AMP deaminase deficiency in skeletal muscle is unlikely to be of clinical relevance. J Neurol 255: 318–322 Hanzlikova V, Gutmann E (1978) Effect of castration and testosterone administration on the neuromuscular junction in the levator ani muscle of the rat. Cell Tissue Res 189: 155–166 Hardie RJ, Pullon HW, Harding AE et al. (1991) Neuroacanthocytosis. A clinical, haematological and pathological study of 19 cases. Brain 114: 13–49 Hayashi J, Ohta S, Kikuchi A, Takemitsu M, Goto Y, Nonaka I (1991) Introduction of disease-related mitochondrial DNA deletions into HeLa cells lacking mitochondrial DNA results in mitochondrial dysfunction. Proc Natl Acad Sci USA 88: 10614–10618 Hiona A, Leeuwenburgh C (2008) The role of mitochondrial DNA mutations in aging and sarcopenia: implications for the mitochondrial vicious cycle theory of aging. Exp Gerontol 43: 24–33 Hirano M, Silvestri G, Blake DM et al. (1994) Mitochondrial neurogastrointestinal encephalomyopathy (MNGIE): clinical, biochemical, and genetic features of an autosomal recessive mitochondrial disorder. Neurology 44: 721–727 Holt IJ, Harding AE, Morgan-Hughes JA (1988) Deletions of muscle mitochondrial DNA in patients with mitochondrial myopathies. Nature 331: 717–719 Invernizzi F, Varanese S, Thomas A, Carrara F, Onofrj M, Zeviani M (2008) Two novel POLG1 mutations in a patient with progressive external ophthalmoplegia, levodoparesponsive pseudo-orthostatic tremor and parkinsonism. Neuromuscul Disord 18: 460–464 Ishigaki K, Mitsuhashi S, Kuwatsuru R et al. (2010) Highdensity areas on muscle CT in childhood-onset Pompe disease are caused by excess calcium accumulation. Acta Neuropathol 120: 537–543 Jeppesen TD, Schwartz M, Colding-Jorgensen E, Krag T, Hauerslev S, Vissing J (2008) Phenotype and clinical course in a family with a new de novo Twinkle gene mutation. Neuromuscul Disord 18: 306–309 Jerusalem F, Angelini C, Engel AG, Groover RV (1973) Mitochondria-lipid-glycogen (MLG) disease of muscle.
Literatur
58. 59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72.
A morphologically regressive congenital myopathy. Arch Neurol 29: 162–169 Jerusalem F, Zierz S (1991) Muskelkrankheiten. Klinik – Therapie – Pathologie. Thieme, Stuttgart New York Joshi PR, Knape M, Zierz S, Deschauer M (2009) Phosphoglycerate mutase deficiency: case report of a manifesting heterozygote with a novel E154K mutation and very late onset. Acta Neuropathol 117: 723–725 Kaufmann P, el-Schahawi M, DiMauro S (1997) Carnitine palmitoyltransferase II deficiency: diagnosis by molecular analysis of blood. Mol Cell Biochem 174: 237–239 Kearns TP, Sayre GP (1958) Retinitis pigmentosa, external ophthalmoplegia, and complete heart block: Unusual syndrome with histologic study in one of two cases. Arch Ophthalmol 60: 280 Klopstock T, Bender A (2008) Mitochondrien: von der frühen Evolution zu den altersassoziierten Erkankungen des Menschen. Neuroforum 3: 224–232 Kobayashi H, Shimada Y, Ikegami M et al. (2010) Prognostic factors for the late onset Pompe disease with enzyme replacement therapy: from our experience of 4 cases including an autopsy case. Mol Genet Metab 100: 14–19 Kollberg G, Darin N, Benan K, Moslemi AR, Lindal S, Tulinius M, Oldfors A, Holme E (2009) A novel homozygous RRM2B missense mutation in association with severe mtDNA depletion. Neuromuscul Disord 19: 147–150 Kostera-Pruszczyk A, Opuchlik A, Lugowska A, Nadaj A, Bojakowski J, Tylki-Szymanska A, Kaminska A (2006) Juvenile onset acid maltase deficiency presenting as a rigid spine syndrome. Neuromuscul Disord 16: 282–285 Kott E, Delpre G, Kadish U, Dziatelovsky M, Sandbank U (1977) Abetalipoproteinemia (Bassen-Kornzweig syndrome). Muscle involvement. Acta Neuropathol (Berl) 37: 255–258 Laforet P, Vianey-Saban C, Vissing J (2010) 162nd ENMC International Workshop: Disorders of muscle lipid metabolism in adults 28-30 November 2008, Bussum, The Netherlands. Neuromuscul Disord 20: 283–289 Lefevre C, Jobard F, Caux F et al. (2001) Mutations in CGI58, the gene encoding a new protein of the esterase/lipase/ thioesterase subfamily, in Chanarin-Dorfman syndrome. Am J Hum Genet 69: 1002–1012 Lesko N, Naess K, Wibom R et al. (2010) Two novel mutations in thymidine kinase-2 cause early onset fatal encephalomyopathy and severe mtDNA depletion. Neuromuscul Disord 20: 198–203 Lossos A, Meiner Z, Barash V et al. (1998) Adult polyglucosan body disease in Ashkenazi Jewish patients carrying the Tyr329Ser mutation in the glycogen-branching enzyme gene. Ann Neurol 44: 867–872 Mancuso M, Salviati L, Sacconi S et al. (2002) Mitochondrial DNA depletion: mutations in thymidine kinase gene with myopathy and SMA. Neurology 59: 1197–1202 Mastaglia FL, Lord Walton of Detchant (1992) Skeletal Muscle Pathology. Churchill Livingstone, Edinburgh London Madrid
773
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
McFarland R, Swalwell H, Blakely EL et al. (2008) The m.5650G>A mitochondrial tRNAAla mutation is pathogenic and causes a phenotype of pure myopathy. Neuromuscul Disord 18: 63–67 McKeran RO, Slavin G, Andrews TM, Ward P, Mair WG (1975) Muscle fibre type changes in hypothyroid myopathy. J Clin Pathol 28: 659–663 McKeran RO, Slavin G, Ward P, Paul E, Mair WG (1980) Hypothyroid myopathy. A clinical and pathologaical study. J Pathol 132: 35–54 Meinhardt U, Nelson AE, Hansen JL, Birzniece V, Clifford D, Leung KC, Graham K, Ho KK (2010) The effects of growth hormone on body composition and physical performance in recreational athletes: a randomized trial. Ann Intern Med 152: 568–577 Milone M, Brunetti-Pierri N, Tang LY et al. (2008) Sensory ataxic neuropathy with ophthalmoparesis caused by POLG mutations. Neuromuscul Disord 18: 626–632 Mobley BC, Enns GM, Wong LJ, Vogel H (2009) A novel homozygous SCO2 mutation, p.G193S, causing fatal infantile cardioencephalomyopathy. Clin Neuropathol 28: 143–149 Molnar M, Schröder JM (1998) Pleomorphic mitochondrial and different filamentous inclusions in inflammatory myopathies associated with mtDNA deletions. Acta Neuropathol (Berl) 96: 41–51 Moraes CT, Shanske S, Tritschler HJ et al. (1991) mtDNA depletion with variable tissue expression: a novel genetic abnormality in mitochondrial diseases. Am J Hum Genet 48: 492–501 Nezu J, Tamai I, Oku A et al. (1999) Primary systemic carnitine deficiency is caused by mutations in a gene encoding sodium ion-dependent carnitine transporter. Nat Genet 21: 91–94 Nishino I, Fu J, Yamada T et al. (2000) Primary LAMP-2 deficiency causes vacuolar cardiomyopathy, myopathy and mental retardation (Danon’s disease). Nature 406: 906–910 Nishino I, Spinazzola A, Hirano M (1999) Thymidine phosphorylase gene mutations in MNGIE, a human mitochondrial disorder. Science 283: 689–692 Nolte KW, Janecke AR, Vorgerd M, Weis J, Schröder JM (2008) Congenital type IV glycogenosis: the spectrum of pleomorphic polyglucosan bodies in muscle, nerve, and spinal cord with two novel mutations in the GBE1 gene. Acta Neuropathol 116: 491–506 Ogasahara S, Engel AG, Frens D, Mack D (1989) Muscle coenzyme Q deficiency in familial mitochondrial encephalomyopathy. Proc Natl Acad Sci USA 86: 2379–2382 Ohkuma A, Noguchi S, Sugie H et al. (2009) Clinical and genetic analysis of lipid storage myopathies. Muscle Nerve 39: 333–342 Ohkuma A, Nonaka I, Malicdan MC et al. (2008) Distal lipid storage myopathy due to PNPLA2 mutation. Neuromuscul Disord 18: 671–674
774
Kapitel 33
88.
89.
90.
91.
92.
33 93.
94.
95.
96. 97. 98.
99.
100.
101.
102. 103.
104.
Patten BM, Bilezikian JP, Mallette LE, Prince A, Engel WK, Aurbach GD (1974) Neuromuscular disease in primary hyperparathyroidism. Ann Intern Med 80: 182–193 Pedrola L, Espert A, Wu X, Claramunt R, Shy ME, Palau F (2005) GDAP1, the protein causing Charcot-Marie-Tooth disease type 4A, is expressed in neurons and is associated with mitochondria. Hum Mol Genet 14: 1087–1094 Pleasure DE, Walsh GO, Engel WK (1970) Atrophy of skeletal muscle in patients with Cushing’s syndrome. Arch Neurol 22: 118–125 Ponto KA, Pitz S, Pfeiffer N, Hommel G, Weber MM, Kahaly GJ (2009) Endokrine Orbitopathie. Lebensqualität und berufliche Belastung. Dtsch Arztebl IInt 106: 283–289 Ramachandran N, Girard JM, Turnbull J, Minassian BA (2009) The autosomal recessively inherited progressive myoclonus epilepsies and their genes. Epilepsia 50 Suppl 5: 29–36 Sandbank U, Lerman P (1972) Progressive cerebral poliodystrophy--Alpers’ disease. Disorganized giant neuronal mitochondria on electron microscopy. J Neurol Neurosurg Psychiatry 35: 749–755 Schapira AHV, DiMauro S (1994) Mitochondrial disorders in neurology. Butterworth Heinemann, Oxford London Boston Schmitz C, Axmacher B, Zunker U, Korr H (1999) Agerelated changes of DNA repair and mitochondrial DNA synthesis in the mouse brain. Acta Neuropathol 97: 71–81 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Dodel R, Weis J, Stefanidis I, Reichmann H (1996) Mitochondrial changes in muscle phosphoglycerate kinase deficiency. Clin Neuropathol 15: 34–40 Schröder JM, Krämer G, Rothmund M, Hopf HC (1981) Selektive Kalksalzablagerungen in der motorischen Endplatte bei Hyperparathyreoidismus. Akt Neurol 8: 124–126 Schröder JM, May R, Shin YS, Sigmund M, Nase-Hüppmeier S (1993) Juvenile hereditary polyglucosan body disease with complete branching enzyme deficiency (type IV glycogenosis). Acta Neuropathol (Berl) 85: 419–430 Schröder JM, Weber R, Weyhenmeyer S, Lammers-Reissing A, Meurers B, Reichmann H (1991) Adult onset lipid storage in gastric mucosa and skeletal muscle fibers associated with gastric pain, progressive muscle weakness and partial deficiency of cytochrome C oxidase. Pathol Res Pract 187: 85–95 Schwartz M, Vissing J (2002) Paternal inheritance of mitochondrial DNA. N Engl J Med 347: 576–580 Shy GM, Gonatas NK, Perez M (1966) Two childhood myopathies with abnormal mitochondria. I. Megaconial myopathy. II. Pleoconial myopathy. Brain 89: 133–158. Singh S, Ganesh S (2009) Lafora progressive myoclonus epilepsy: a meta-analysis of reported mutations in the first decade following the discovery of the EPM2A and NHLRC1 genes. Hum Mutat 30: 715–723
Metabolisch und hormonell bedingte Myopathien
105. Smeitink J, Stadhouders A, Sengers R, Ruitenbeek W, Wevers R, ter Laak H, Trijbels F (1992) Mitochondrial creatine kinase containing crystals, creatine content and mitochondrial creatine kinase activity in chronic progressive external ophthalmoplegia. Neuromuscul Disord 2: 35–40 106. Smeitink J, van den Heuvel L, DiMauro S (2001) The genetics and pathology of oxidative phosphorylation. Nat Rev Genet 2: 342–352 107. Sohn EH, Kim HS, Lee AY, Fukuda T, Sugie H, Kim DS (2008) A novel PYGM mutation in a Korean patient with McArdle disease: the role of nonsense-mediated mRNA decay. Neuromuscul Disord 18: 886–889 108. Spinazzola A, Massa V, Hirano M, Zeviani M (2008) Lack of founder effect for an identical mtDNA depletion syndrome (MDS)-associated MPV17 mutation shared by Navajos and Italians. Neuromuscul Disord 18: 315–318 109. Taanman JW, Daras M, Albrecht J et al. (2009) Characterization of a novel TYMP splice site mutation associated with mitochondrial neurogastrointestinal encephalomyopathy (MNGIE). Neuromuscul Disord 19: 151–154 110. Teijeira S, San Millan B, Fernandez JM et al. (2009) Myoadenylate deaminase deficiency: clinico-pathological and molecular study of a series of 27 Spanish cases. Clin Neuropathol 28: 136–142 111. Tein I, De Vivo DC, Hale DE et al. (1991) Short-chain L-3hydroxyacyl-CoA dehydrogenase deficiency in muscle: a new cause for recurrent myoglobinuria and encephalopathy. Ann Neurol 30: 415–419 112. Tomé FM, Fardeau M (1976) Ultrastructural study of a muscle biopsy in a case of GM1 gangliosidosis type I. Pathol Eur 11: 15–25 113. Tomé FM, Fardeau M, Lenoir G (1977) Ultrastructure of muscle and sensory nerve in Fabry’s disease. Acta Neuropathol (Berl) 38: 187–194 114. Trevisan CP, Reichmann H, DeVivo DC, DiMauro S (1985) Beta-oxidation enzymes in normal human muscle and in muscle from a patient with an unusual form of myopathic carnitine deficiency. Muscle Nerve 8: 672–675 115. Tunon T, Guerrero D, Urchaga A et al. (2008) Danon disease: a novel Lamp-2 gene mutation in a family with four affected members. Neuromuscul Disord 18: 167–174 116. Valianpour F, Wanders RJ, Overmars H et al. (2002) Cardiolipin deficiency in X-linked cardioskeletal myopathy and neutropenia (Barth syndrome, MIM 302060): a study in cultured skin fibroblasts. J Pediatr 141: 729–733 117. Van der Beek NA, Hagemans ML, Reuser AJ, Hop WC, Van der Ploeg AT, Van Doorn PA, Wokke JH (2009) Rate of disease progression during long-term follow-up of patients with late-onset Pompe disease. Neuromuscul Disord 19: 113–117 118. Vassilopoulos D, Lumb EM, Corrall RJ, Emery AE (1976) Muscle karyometry in diabetic neuropathy. J Neurol 213: 257–261 119. Verderio E, Cavadini P, Montermini L et al. (1995) Carnitine palmitoyltransferase II deficiency: structure of the
Literatur
120.
121.
122.
123.
124.
125. 126. 127.
128.
129.
130.
gene and characterization of two novel disease-causing mutations. Hum Mol Genet 4: 19–29 Wallace DC, Singh G, Lott MT et al. (1988) Mitochondrial DNA mutation associated with Leber’s hereditary optic neuropathy. Science 242: 1427–1430 Weis J, Dimpfel W, Schröder JM (1995) Nerve conduction changes and fine structural alterations of extra- and intrafusal muscle and nerve fibers in streptozotocin diabetic rats. Muscle Nerve 18: 175–184 Weis J, Schröder JM (1988) Adult polyglucosan body myopathy with subclinical peripheral neuropathy: case report and review of diseases associated with polyglucosan body accumulation. Clin Neuropathol 7: 271–279 Zanssen S, Molnar M, Buse G, Schröder JM (2000) Novel cluster of tRNALeu(UUR) mutations in a sporadic case of infantile myopathy restricted to muscle tissue [In Process Citation]. Neuropediatrics 31: 93–96 Zanssen S, Molnar M, Schröder JM, Buse G (1997) Multiple mitochondrial tRNA(Leu[UUR]) mutations associated with infantile myopathy. Mol Cell Biochem 174: 231–233 Zeviani M, Carelli V (2003) Mitochondrial disorders. Curr Opin Neurol 16: 585–594 Zeviani M, Di Donato S (2004) Mitochondrial disorders. Brain 127: 2153–2172 Zeviani M, Servidei S, Gellera C, Bertini E, DiMauro S, DiDonato S (1989) An autosomal dominant disorder with multiple deletions of mitochondrial DNA starting at the D-loop region. Nature 339: 309–311 Ziemssen F, Sindern E, Schröder JM et al. (2000) Novel missense mutations in the glycogen-branching enzyme gene in adult polyglucosan body disease. Ann Neurol 47: 536–540 Zintz R (1966) Dystrophische Veränderungen in den äußeren Augenmuskeln und Schultermuskeln bei der sog. progressiven Graefeschen Ophthalmoplegie. In: Kuhn E (ed) Progressive Muskeldystrophie, Myotonie, Myasthenie. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 109–114 Züchner S, Mersiyanova IV, Muglia M et al. (2004) Mutations in the mitochondrial GTPase mitofusin 2 cause Charcot-Marie-Tooth neuropathy type 2A. Nat Genet 36: 449–451
775
Kapitel 34
Myoglobinurien, Myositis ossificans, nutritive, toxische und paraneoplastische Myopathien, Amyloidosen
34
J.M. Schröder Inhalt Myoglobinurien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
778
Paraneoplastische Myopathien . . . . . . . . . . . . . . .
781
Myositis ossificans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
778
Amyloidosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
781
Nutritive Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
779
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
782
Toxische Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
779
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_34, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
778
Kapitel 34
Myoglobinurien
34
Myoglobin im Urin weist auf eine schwere Muskelschädigung hin, deren morphologisches Substrat in der Regel aus mehr oder weniger zahlreichen segmentalen oder ausgedehnteren Einzelfasernekrosen (Rhabdomyolyse) besteht. Bei besonders stark ausgeprägter Rhabdomyolyse kommt es zur sog. paroxysmale Myoglobinurie. Das Myoglobin (MG 17000) ist normalerweise in der I-Band-Region lokalisiert, kann aber unter pathologischen Bedingungen auch im erweiterten Lumen des inneren Membransystems und frei im Sarkoplasma zu finden sein [16]. Von dort wird es in den extrazellulären Raum abgegeben und als relativ kleines Molekül gut durch die Niere ausgeschieden; doch können übergroße Mengen an Myoglobin zu einer tubulären Insuffizienz führen. Eine Myoglobinurie tritt in der Regel erst etwa 24 h nach einer akuten Muskelschädigung in Erscheinung. Nach stärkeren Belastungen kann sie auch schon einmal beim Muskelgesunden vorkommen. Ätiologie und Pathogenese. Bei einigen Fällen von Myoglobinurie sind die Ursachen bekannt, bei anderen sind die auslösenden Ursachen nicht ersichtlich („idiopathische“ Rhabdomyolyse): • Eine metabolische Myoglobinurie findet sich sowohl bei bestimmten Glykogenosen (Typ V und VII) als auch bei Lipidstoffwechselstörungen, mitochondrialen Myopathien, insbesondere dem Carnitinpalmitoyltransferase-I- und -II-Mangel, und bei der malignen Hyperthermie sowie gelegentlich einmal bei einer Gliedergürteldystrophie. • Toxische Myoglobinurien sind bei der epidemisch aufgetretenen Haffkrankheit und vor allem auch nach Alkohol beobachtet worden, außerdem nach Barbituraten, Heroin, Kohlenmonoxid, Amphotericin B, Hornissengift u. a. (s. unten). • Traumatische Myoglobinurien sind vor allem in Zusammenhang mit Quetschtraumen nach Luftangriffen beschrieben worden. Im Übrigen gibt es eine Fülle experimenteller Untersuchungen zu verschiedenen Arten von Muskeltraumen und zur Regeneration des Muskelgewebes (durch Satellitenzellen oder mit Hilfe von Stammzellen [22a]). Als besondere Art einer traumatischen Muskelschädigung gilt auch der Muskelkater (= „delayed onset muscle soreness“, DOMS; s. dort). • Ischämische Myoglobinurien finden sich als Folge eines arteriellen oder venösen Gefäßverschlusses. In diesem Zusammenhang sei auf experimentell-embolische Mikroinfarkte verwiesen [26]. Die Diagnose einer „idiopathische Rhabdomyolyse“ (familiäre, exerzitionelle oder toxische Form) sollte heute nicht mehr gestellt werden; in jedem Fall sollte nach spezifischen Ursachen gesucht werden (s. oben).
Myoglobinurien, Myositis ossificans
Mikroskopisch finden sich im akuten Stadium segmentale oder ausgedehntere Nekrosen einzelner Muskelfasern, die ungleichmäßig verteilt zwischen den intakten Muskelfasern liegen. Verschiedene Stadien der Nekrose sowie der Regeneration und Phagozytose (Myophagie) sind evtl. nebeneinander nachweisbar.
Myositis ossificans Diese ungewöhnliche Erkrankung ist durch eine Knochenbildung im Bindegewebe des Muskels gekennzeichnet. Es handelt sich weder um eine Myopathie noch um eine Entzündung [5]. Zu unterscheiden sind 2 Formen: • eine lokalisierte Form, die Myositis ossificans circumscripta, die in der Regel traumatisch oder druckbedingt ist (z. B. „Exerzierknochen“), und • eine generalisierte Form, die spontan auftritt (Synonyme: Fibrodysplasia ossificans progressiva; generalisierte „pseudomaligne“ Myositis ossificans progressiva; Münchmeyer-Krankheit). Bei der Letzteren handelt es sich um eine generalisierte Bindegewebserkrankung; denn betroffen sind nicht nur das interstitielle Gewebe der Muskeln, sondern auch der Sehnen, Ligamente, Faszien und sogar der Haut („Fibrodysplasia ossificans multiplex progressiva“) [2, 5, 26]. Die Krankheit ist dominant erblich und auf Mutationen im Gen für den Activin-A-Rezeptor Typ 1 (ACVR1) zurückzuführen [31]. Die Krankheit ist nicht nur mit erheblichen Behinderungen, sondern auch mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung verbunden [15]. Eine Myopathia lipofibrocalcarea ist davon nicht sicher abzugrenzen. Schwere generalisierte Verkalkungen kommen auch bei der juvenilen Dermatomyositis vor [11], die sich allerdings von der Fibrodysplasia ossificans progressiva unterscheidet (s. dort). Morphologie. Mikroskopisch findet sich nichtblastomatöses, neu gebildetes Knochengewebe im interfaszikulären Bindegewebe des Muskels. Der Pseudotumor ist durch verschiedene Zonen gekennzeichnet: Die innere Zone besteht aus proliferierenden Fibroblasten, die mittlere aus Osteoid und die äußere aus reifem Knochengewebe. Die Knochenbälkchen sind dabei nicht notwendigerweise konzentrisch angeordnet, doch liegen die zellulären Areale in der Regel zentral, während die knöcherne Schale peripher angeordnet ist [27]. Das Interstitium enthält in der Regel junges Bindegewebe mit massenhaft Grundsubstanz, die reich an sauren Mukopolysacchariden ist, und spärliche Infiltrate aus Histiozyten, Plasmazellen und vor allem Lymphozyten [2, 17, 33]. In Verbindung mit den klinischen Daten lässt sich die Diagnose bereits durch eine Nadelaspiration stellen [4].
Toxische Myopathien
Differentialdiagnose. Differentialdiagnostisch sind die • noduläre Fasziitis (oder pseudosarkomatöse Fasziitis), • proliferative Fasziitis und die • proliferative Myositis (s. dort) abzugrenzen, gutartige Veränderungen, die nicht mit Sarkomen verwechselt werden dürfen [8, 26]. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Veränderungen, die durch oberflächlich angeordnete, rasch wachsende Knötchen gekennzeichnet sind, die sich zumeist innerhalb von 1–16 Wochen spontan zurückbilden. Histopathologisch findet sich ein zellreiches polymorphes Muster mit auffälligen Ganglienzell-ähnlichen Zellen. Nur wenige Fälle weisen Granulom-ähnliche oder myxoide Veränderungen auf. Eine Feinnadelbiopsie erspart den Patienten in der Regel eine Operation [37].
Nutritive Myopathien Ätiologie und Pathogenese. Aufgrund verschiedenartiger Diätmangelsituationen kann es zu ernährungsbedingten Myopathien kommen. Myopathien, die durch einen Mangel an Kalium, Magnesium, Phosphat, Thiamin und Vitamin C hervorgerufen werden, sind sowohl bei Menschen als auch bei Tieren beobachtet worden. Experimentell lassen sich außerdem Myopathien durch Mangel an Vitamin E, Cholin oder Biotin, Selen oder Jod und schwefelhaltigen Aminosäuren, namentlich Methionin und Zystin, hervorrufen [24]. Die praktisch wichtigste und häufigste ernährungsbedingte Myopathie ist nach der Hungeratrophie zweifellos die akute und chronische alkoholische Myopathie oder Muskelatrophie [9, 14]. Auf die zahlreichen Untersuchungen zur Pathogenese kann hier nicht eingegangen werden; denn mehr als 400 Gene und deren Proteinprofile (das Proteom) im Muskel sind betroffen; oxidative Schäden, erhöhte Lipidperoxidation, reduzierte Serumwerte einiger Antioxidanzien, Apoptose und erhöhte pro- sowohl wie antiapoptotische Regulationsmechanismen werden diskutiert [10]. (Bezüglich der alkoholischen Neuropathie sei auf den Kap. 21 verwiesen; bzgl. der Wirkungen auf das ZNS siehe [6]. Morphologie. Histopathologisch findet sich bei der akuten alkoholischen Myopathie ein gleichförmiges Bild mit Muskelfasernekrosen und interstitiellen Reaktionen. Im chronischen Stadium überwiegen neurogene Muskelfaseratrophien und andere Veränderungen aufgrund einer alkoholischen Polyneuropathie. Die Muskelproteinsynthese ist gestört [20].
779
Toxische Myopathien Zu den toxischen Substanzen, die eine Myopathie auslösen können, gehören, wie bereits erwähnt, Alkohol und zahlreiche Medikamente (Tabelle 34.1) (Details s. Kap. 14). Schwere medikamentös ausgelöste Myopathien sind selten; dazu gehören die rasch progredienten Myopathien bei intensivmedizinisch mit zahlreichen Medikamenten, vor allem aber Kortikoiden, behandelten, schwerkranken („critically ill“) Patienten [3]. Die „Critical-illness“-Myopathie ist oft mit einer „Critical-illness“-Neuropathie kombiniert [25] (vgl. Kap. 21), wobei bei beiden vermutlich ein „systemisches inflammatorisches Reaktionssyndrom“ (SIRS) eine wesentliche Rolle spielen dürfte [4a]. Doch kommen mildere Erkrankungsformen vermutlich häufiger vor, als allgemein angenommen wird, z. B. nach Glukokortikoidgabe [22]. Kortikosteroide führen anfangs zu einer Typ-2-Faseratrophie mit Myosinfilamentverlust. Auch medikamentös bedingte Neuropathien (Kap. 21) führen zu einer Muskelschwäche. Außerdem gibt es Substanzen, die sowohl eine Neuropathie als auch eine Myopathie, also eine Neuromyopathie, induzieren (z. B. Chloroquin, Vincristin, Perhexilinmaleat, Amiodaron, Alkohol u. a.) [19, 26, 34]. Eine fokale Myopathie lässt sich durch intramuskuläre Injektionen auslösen („Nadelmyopathie“). Eine fokale Muskelfibrose mit Kontrakturen kann schließlich auch aus der Injektion von Opiaten und Antibiotika resultieren. Muskelfasernekrosen und -degenerationszeichen werden nach Clofibrat, Epsilonaminokapronsäure, Emetin, Heroin, Statinen (z. B. Lipobay) und Alkohol beobachtet. Statine führen insbesondere zu einer nekrotisierenden Myopathie, evtl. mit Myoglobinurie und Nierenversagen, wenn gleichzeitig bestimmte andere Medikamente gegeben werden, so z. B. Fibrate, oder wenn eine Disposition vorliegt, so aufgrund von Mutationen im SLCO1B1-Gen, das das organische Anion-transportierende Polypeptid kodiert (OATP1B1), das seinerseits die Aufnahme von Statinen in der Leber reguliert [21]. Die Nebenwirkungen der Statine auf den Muskel seien auf eine mitochondriale Funktionsstörung zurückzuführen, ebenso die Nebenwirkungen auf andere Organe oder Systeme wie kognitive Störungen und eine periphere Neuropathie [13]. Eine vakuoläre Myopathie mit Nekrosen und Regenerationszeichen lässt sich durch Diuretika, Purgativa, Süßholzextrakte, Carbenoxolon und Amphotericin B auslösen. Eine außerordentlich pleomorphe mitochondriale Myopathie wird durch Zidovudin induziert, wobei auch ungewöhnliche Kernveränderungen vorkommen [28, 29]. Myasthenische Syndrome sind durch Aminoglykoside, Polymyxin, Tetrazykline, Succinylcholin, D-Penizillamin, Propranolol, Practolol und andere Betablocker auszulösen. Ein myotonisches Syndrom lässt sich durch 20,25Diazacholesterin, Suxamethonium, Propranolol und 2,4Dichlorphenoxyazetat induzieren. Mikroskopisch lassen
780
Kapitel 34
Myoglobinurien, Myositis ossificans
Tabelle 34.1 Wichtige medikamentös bedingte Myopathien Erkrankung
Pharmaka
Klinische Symptome
Serumenzyme
Myoglobinurie
Histopathologie
Fokale Myopathie
Intramuskuläre Injektion
Leicht erhöht
–
Muskelfibrose mit Kontrakturen
Pethidin (Opiate und andere Suchtmittel), Antibiotika
Indurationsnarbe und Kontraktur im injizierten Muskel
In der Regel normal
Fokale Nekrosen („Nadelmyopathie“) Ausgeprägte Fibrose und myopathische Veränderungen in der injizierten Region
Akute/subakute schmerzhafte proximale Myopathie
Clofibrat, E-Aminokapronsäure, Emetin, Heroin, Alkohol
Muskelschmerz, Schlaffheit, proximale oder generalisierte Schwäche; Reflexe erhalten
Mäßig erhöht
Nekrosen, Regeneration
Vincristin
Proximale Schmerzen, Atrophie; Schwäche; Reflexe fehlen
?
Hypokalämieauslösende Pharmaka: Diuretika, Purgativa, Süßholzextrakte, Carbenoxolon, Amphotericin B
Evtl. periodische Schwäche; Reflexe können vermindert sein oder fehlen
Mäßig erhöht
+/–
Vakuoläre Myopathie, Nekrosen/Regeneration
Clofibrid, Isotherin, Danazol, Cimetidin, Metolazon, Bumetanid, Lithium, Zytotoxine
Myalgien, Muskelkrämpfe, Myokymien, Schwäche
?
?
?
Akute Rhabdomyolyse
Heroin, Amphetamin, Phencyclidin, Alkohol, Statine
Starke Muskelschmerzen, Schlaffheit, Schwellungen, schlaffe Tetraparese, Areflexie, starke Myoglobinurie, Niereninsuffizienz
Stark erhöht
+++
Subakute/chronische Myopathie
Kortikosteroide
Vorwiegend proximale Muskelschwäche
Normal
–
Typ-2-Faseratrophie
Proximale Myopathie
Chloroquin, Alkohol, Heroin, Perhexilin, Amiodaron
Reflexe können ausgefallen sein aufgrund einer gleichzeitigen Neuropathie
Normal
–
Vakuoläre Myopathie, lysosomale, myopathische Veränderungen
Medikamente, die eine Hypokaliämie verursachen
Evtl. periodische Schwäche, Reflexe können abgeschwächt sein oder fehlen
Mäßig erhöht
+/–
Vakuoläre Myopathie, Nekrosen/Regeneration
Aminoglykoside, Polymyxine, Tetrazykline, Succinylcholin, D-Penizillamin, Propranolol, Practolol Andere Betablocker? Phenytoin, Chlorpromazin, Procainamid, Trimethadon
Postoperative Apnoe; okulobulbäre und Extremitätenparalyse; typische Myasthenia gravis; Auslösung einer klassischen Myasthenia gravis
Normal
–
?
34
Myasthenische Syndrome
6
Amyloidosen
781
Tabelle 34.1 Fortsetzung Erkrankung
Pharmaka
Klinische Symptome
Serumenzyme
Myoglobinurie
Histopathologie
Polymyositis/ Dermatomyositis
D-Penizillamin
Proximale Muskelschmerzen, Schwäche, Hautveränderungen
Mäßig erhöht
–
Nekrosen, Regeneration, entzündliche Infiltrate
Myotonisches Syndrom
20,25-Diazacholesterin, Suxamethonium, Propranolol (u. a. Beta-Blocker?), 2,4-Dichlorphenoxyacetat
Myotonie
Normal
–
Einzelfasernekrosen u. a.
Maligne Hyperthermie
Suxamethonium, Halothan, Diethyläther, Zyklopropan, Chloroform, Methoxyfluran, Ketamin, Enfluran, Psychotropika
Rigidität, Hyperpyrexie, Azidose, Hyperkaliämie, disseminierte intravaskuläre Koagulation, Nierenversagen
Stark erhöht (leicht erhöht bei Risikopatienten)
+++
Nekrosen (verschiedenartige Anomilien bei Risikopatienten, z. B. „Central cores“)
sich dabei u. a. unspezifische Einzelfasernekrosen feststellen. Auf die Auslösung einer durchaus lebensgefährlichen malignen Hyperthermie durch bestimmte Anästhetika wurde oben bereits hingewiesen.
Paraneoplastische Myopathien Bestimmte neuromuskuläre Syndrome sind auf nichtmetastatische Karzinomwirkungen verschiedener Art zurückzuführen. Die häufigste Muskelkrankheit, die in Verbindung mit einem Karzinom auftritt, ist wahrscheinlich das pseudomyasthenisch-myopathische Syndrom (Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom, LEMS) [18]. Pathogenetisch ist die kalziumabhängige Acetylcholinabgabe durch Nervenimpulse gestört (s. dort). Gleichzeitig oder unabhängig davon kann eine paraneoplastische Kleinhirndegeneration auftreten [7]. Die Kombination mit einer paraneoplastische Neuropathie (s. dort) ist wohl möglich. Das gleichzeitige Vorkommen einer destruktiven Muskelläsion zusammen mit einer Dermatomyositis bei malignen Neoplasmen ist ebenfalls beobachtet worden (s. dort), gelegentlich auch eine denervationsbedingte Atrophie. Davon abzugrenzen sind Fälle mit akuter nekrotisierender Myopathie [32, 36].
Amyloidosen Die Skelettmuskulatur wird in der Regel nur von der seltenen, sog. primären (beim Myelom oder bei benignen Gammopathien bzw. der Waldenström-Paraglobulinä-
mie oder Paramyloidose auftretenden) und lediglich ausnahmsweise einmal von der häufigeren sog. sekundären (bei chronischen Entzündungsprozessen auftretenden) Amyloidose betroffen [12, 35]. Bei den verschiedenen familiären Formen der Amyloidose ist die Muskulatur durch die im Vordergrund stehende Erkrankung des peripheren Nervensystems (S. 598), d. h. durch eine Denervationsatrophie, mitbetroffen. Die primäre Amyloidose tritt sporadisch auf. Sie befällt das mesodermale Gewebe in den peripheren Nerven, im kardiovaskulären System, die glatte und die quergestreifte Muskulatur sowie die Lymphknoten und Lungen. Demgegenüber befällt die sekundäre Amyloidose vor allem Leber, Milz, Nieren und Nebennieren. Davon sind die Amyloidtumoren (Amyloidome) abzugrenzen (Literatur s. [27]). Morphologie. Der wichtigste mikroskopische Befund besteht in der generalisierten Ablagerung von Amyloid im interstitiellen Gewebe der Muskulatur. Das Ausmaß der Amyloidablagerungen variiert von Fall zu Fall und hängt auch von der Sorgfalt ab, mit der man danach sucht [1, 35]. Der färberische Nachweis gelingt vor allem durch die Kongorotfärbung, die das Amyloid blassrot darstellt und im polarisierten Licht zu einem charakteristischen, pathognostischen grünlichen Farbwechsel (Dichroismus) führt. Das Amyloid ist fleckförmig oder diffus im retikulären und kollagenen Bindegewebe des Muskels abgelagert. Dadurch kommt es zu einer Dissoziation der Muskelfasern. Auch knötchenförmige Amyloidmassen können vorkommen. In den meisten Fällen ist die Ablagerung des Amyloids zwischen den glatten Muskelfasern der Media kleiner Arterien, Arteriolen und kleiner Venen ausgeprägter als im endomysialen Bindegewebe.
782
Kapitel 34
Die Amyloidfibrillen zeigen eine charakteristische, elektronenmikroskopisch nachweisbare Feinstruktur: Amyloidfilamente mit einem Durchmesser von etwa 7,5–8 nm, die aus Amyloidprotofibrillen (2,5–3,5 nm breit) und Amyloidsubprotofibrillen (1–1,5 nm breit) bestehen [30]. Die Pathogenese der Paramyloidose aufgrund von Myelomen (s. S. 667) und deren molekulargenetische Entstehungsbedingungen (chromosomale Rearrangements: Translokationen, Deletionen etc. im Genom der B-Lymphozyten) können hier aus Platzgründen nicht weiter erörtert werden (vgl. [23] u. a.). Bezüglich der monoklonalen Gammopathien unbekannter Signifikanz (MGUS) sei auf Kap. 27 verwiesen.
Myoglobinurien, Myositis ossificans
11.
12.
13.
14.
15.
Literatur
34
16. 1. 2. 3.
4.
4a.
5. 6.
7.
8. 9.
10.
Adams RD (1975) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Azmy A, Benstedt JPM, Eckstein HB (1979) Myositis ossificans progressiva. Z Kinderchir 26: 252–258 Barohn RJ, Jackson CE, Rogers SJ, Ridings LW, McVey AL (1994) Prolonged paralysis due to nondepolarizing neuromuscular blocking agents and corticosteroids. Muscle Nerve 17: 647–654 Barwad A, Banik T, Gorsi U, Dey P (2011) Fine needle aspiration cytology of myositis ossificans. Diagn Cytopathol 39: 432–434 Baum P, Bercker S, Günther P, Wagner A, Hermann W (2009) Elektromyo- und -neurografische Untersuchungen bei Sepsis-/SIRS-Patienten zur Verlaufsbeurteilung einer Critical-Illness-Myopathie und -Neuropathie (CRIMYN). Akt Neurol 36: 111–116 Becker PE, Kiener F (1964) Myopathien. Thieme, Stuttgart Carter JJ, Tong M, Silbermann E, Lahousse SA, Ding FF, Longato L, Roper N, Wands JR, de la Monte SM (2008) Ethanol impaired neuronal migration is associated with reduced aspartyl-asparaginyl-beta-hydroxylase expression. Acta Neuropathol 116: 303–315 Clouston PD, Saper CB, Arbizu T, Johnston I, Lang B, Newsom-Davis J, Posner JB (1992) Paraneoplastic cerebellar degeneration. III. Cerebellar degeneration, cancer, and the Lambert-Eaton myasthenic syndrome. Neurology 42: 1944–1950 Enzinger FM, Weiss SW (1995) Soft tissue tumors. Mosby, St. Louis Baltimore Berlin Faris AA, Reyes MG (1971) Reappraisal of alcoholic myopathy. Clinical and biopsy study on chronic alcoholics without muscle weakness or wasting. J Neurol Neurosurg Psychiatry 34: 86–92 Fernandez-Sola J, Preedy VR, Lang CH et al. (2007) Molecular and cellular events in alcohol-induced muscle disease. Alcohol Clin Exp Res 31: 1953–1962
17.
18.
19. 20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
Genth E, Kaufmann S, Schröder JM, Hartl PW (1985) Zum Krankheitsbild der juvenilen Dermatomyositis. Medwelt 36: 1302–1311 Glenner GG, Page DL (1976) Amyloid, amyloidosis, and amyloidegenesis. In: Richter GW, Epstein MA (ed) International review of experimental pathology. Academic Press, New York, pp 1–92 Golomb BA, Evans MA (2008) Statin adverse effects : a review of the literature and evidence for a mitochondrial mechanism. Am J Cardiovasc Drugs 8: 373–418 Juntunen J, Teravainen H, Eriksson K, Larsen A, Hillbom M (1979) Peripheral neuropathy and myopathy. An experimental study of rats on alcohol and variable dietary thiamine. Virchows Arch A Pathol Pathol Anat 383: 241–252 Kaplan FS, Zasloff MA, Kitterman JA, Shore EM, Hong CC, Rocke DM (2010) Early mortality and cardiorespiratory failure in patients with fibrodysplasia ossificans progressiva. J Bone Joint Surg Am 92: 686–691 Kawai H, Sebe T, Nishino H, Nishida Y, Saito S (1991) Light and electron microscopic studies on localization of myoglobin in skeletal muscle cells in neuromuscular diseases. Muscle Nerve 14: 342–347 Lagier R, Cox JN (1975) Pseudomalignant myositis ossificans. A pathological study of eight cases. Hum Pathol 6: 653–665 Lambert EH, Eaton LM, Rooke ED (1956) Defect of neuromuscular conduction associatedwith malignant neoplasms. Amer J Physiol 187: 612–613 Lane RJ, Mastaglia FL (1978) Drug-induced myopathies in man. Lancet 2: 562–566 Lang CH, Frost RA, Vary TC (2008) Acute alcohol intoxication increases REDD1 in skeletal muscle. Alcohol Clin Exp Res 32: 796–805 Link E, Parish S, Armitage J, Bowman L, Heath S, Matsuda F, Gut I, Lathrop M, Collins R (2008) SLCO1B1 variants and statin-induced myopathy--a genomewide study. N Engl J Med 359: 789–799 Massa R, Carpenter S, Holland P, Karpati G (1992) Loss and renewal of thick myofilaments in glucocorticoid-treated rat soleus after denervation and reinnervation. Muscle Nerve 15: 1290–1298 Morozova-Roche LA, Zurdo J, Spencer A et al. (2000) Amyloid fibril formation and seeding by wild-type human lysozyme and its disease-related mutational variants. J Struct Biol 130: 339–351 Rosman NP, Schapiro MB, Haddow JE (1978) Muscle weakness caused by an iodine-deficient diet: investigation of a nutritional myopathy. J Neuropathol Exp Neurol 37: 192–211 Schorl M, Röhrer S, Valerius-Kukula S, Kemmer T (2009) Critical-illness-Polyneuropathie: Inzidenz und Auswirkung auf di Beatmungsdauer bei Patienten in der Frührehabilitation nach Schweren neurologischen und neurochirurgischen Erkrankungen. Akt Neurol 36: 168–173 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York
Literatur
27. 28.
29.
30.
31.
32. 33.
34.
35.
36.
37.
Schröder JM (1999) Pathologie peripherer Nerven. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Bertram M, Schnabel R, Pfaff U (1992) Nuclear and mitochondrial changes of muscle fibers in AIDS after treatment with high doses of zidovudine. Acta Neuropathol 85: 39–47 Schröder JM, Kaldenbach T, Piroth W (1996) Nuclear and mitochondrial changes of co-cultivated spinal cord, spinal ganglia and muscle fibers following treatment with various doses of zidovudine. Acta Neuropathol (Berl) 92: 138–149 Shirahama T, Cohen AS (1967) High-resolution electron microscopic analysis of the amyloid fibril. J Cell Biol 33: 679–708 Shore EM, Xu M, Feldman GJ et al. (2006) A recurrent mutation in the BMP type I receptor ACVR1 causes inherited and sporadic fibrodysplasia ossificans progressiva. Nat Genet 38: 525–527 Shy GM, Silverstein I (1965) A study of the effects upon the motor unit by remote malignancy. Brain 88: 515–528 Song GA, Kim HJ, Woo KM, Baek JH, Kim GS, Choi JY, Ryoo HM (2010) Molecular consequences of the ACVR1(R206H) mutation of fibrodysplasia ossificans progressiva. J Biol Chem 285: 22542–22553 Spencer PS, Schaumburg HH (eds) (2000) Experimental and clinical neurotoxicology. Oxford University Press, New York Oxford Spuler S, Emslie-Smith A, Engel AG (1998) Amyloid myopathy: an underdiagnosed entity. Ann Neurol 43: 719– 728 Urich H, Wilkinson M (1970) Necrosis of muscle with carcinoma: myositis or myopathy? J Neurol Neurosurg Psychiatry 33: 398–407 Wong NL, Di F (2009) Pseudosarcomatous fasciitis and myositis: diagnosis by fine-needle aspiration cytology. Am J Clin Pathol 132: 857–865
783
Kapitel 35
35
Fehlbildungen
J.M. Schröder Inhalt Angeborene Muskeldefekte oder -aplasien . . . . . . . .
786
Hetero- oder Ektopien quergestreifter Muskelfasern . .
786
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_35, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
786
786
Kapitel 35
Angeborene Muskeldefekte oder -aplasien
Fehlbildungen
3. 4.
35
Sie sind zu unterscheiden von inkonstant vorkommenden Muskeln wie z. B. dem Palmaris longus oder dem Achselbogen von Langer in der Axilla [4] oder dem M. abductor digiti minimi accessorius [3] und anderen überzähligen Muskeln [7] (sog. Muskelvarietäten), die sich funktionell nicht bemerkbar machen, aber bei chirurgischen Interventionen von Bedeutung sein können. Angeborene Muskeldefekte treten in der Regel einseitig und fast immer sporadisch auf. Am häufigsten fehlt der M. pectoralis. Doch kann nahezu jeder Muskel fehlen [2]. Meist fehlt nur ein Teil des Muskels. Defekte der Bauchmuskulatur (vgl. „Dörrpflaumenbauch“) und des Zwerchfells können schwerwiegende Folgen haben. Echte Defekte sind in der Regel einseitig und meistens als Aplasien anzusehen; doppelseitige ,,Defekte“ beruhen vermutlich auf fetalen Atrophien. Vereinzelt sind familiäre Fälle beschrieben worden. Angeborene Defekte im Bereich der Gesichtsmuskulatur können, müssen aber nicht, auf einer Aplasie der zugehörigen motorischen Hirnnervenkerne beruhen (vgl. Möbius-Syndrom). Verschiedene Muskeldefekte sind gelegentlich mit anderen Fehlbildungen vergesellschaftet (z. B. einseitiges Fehlen der Mamma bei Aplasie des M. pectoralis) [1]. Im Übrigen gibt es eine große Zahl von Mitteilungen über die molekularen Grundlagen der Entwicklungsstörungen von Muskelfasern, z. B. [7], auf die hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden kann.
Hetero- oder Ektopien quergestreifter Muskelfasern Sie kommen nur selten vor und bleiben asymptomatisch, wenn sie nicht in Verbindung mit Rhabdomyomen oder Rhabdomyosarkomen auftreten. So sind quergestreifte Muskelfasern z. B. in den Leptomeningen beobachtet worden. Als Ursprungsgewebe werden undifferenzierte perivaskuläre Mesenchymzellen diskutiert, oder man nimmt einen „dysembryogenetischen“ Prozess bzw. eine Metaplasie aus glatten Muskelzellen an. Es ist sogar gelungen, Muskelfasern aus neuronalen Stammzellen [5] oder Synovialzellen [6] zu züchten.
Literatur 1. 2.
Adams RD, Denny-Brown D, Pearson CM (1965) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Becker PE, Kiener F (1964) Myopathien. Thieme, Stuttgart
5.
6.
7.
Curry B, Kuz J (2000) A new variation of abductor digiti minimi accessorius. J Hand Surg [Am] 25: 585–587 Daniels IR, della Rovere GQ (2000) The axillary arch of Langer – the most common muscular variation in the axilla. Breast Cancer Res Treat 59: 77–80 Galli R, Borello U, Gritti A et al. (2000) Skeletal myogenic potential of human and mouse neural stem cells [In Process Citation]. Nat Neurosci 3: 986–991 Meng J, Adkin CF, Arechavala-Gomeza V, Boldrin L, Muntoni F, Morgan JE (2009) The contribution of human synovial stem cells to skeletal muscle regeneration. Neuromuscul Disord 20: 6–15 Nogueira A, Martinez MJ, Iglesias F (2000) Supernumerary muscle belly in ulnar artery forearm flap elevation [letter]. Br J Plast Surg 53: 82–88
Kapitel 36
Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen
36
J.M. Schröder Inhalt Myalgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
788
Anämischer Muskelinfarkt . . . . . . . . . . . . . . . . .
789
Muskelkater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
788
Claudicatio intermittens . . . . . . . . . . . . . . . . . .
791
Fibromyalgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
788
Ischämische (Volkmann-)Kontraktur . . . . . . . . . . .
791
Muskelkrämpfe (Crampi) . . . . . . . . . . . . . . . .
789
Tortikollis (Schiefhals) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
791
Muskelquetschung und Kältetrauma . . . . . . . . . . .
789
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
791
Muskelriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
789
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_36, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
788
Kapitel 36
Myalgien Muskelschmerzen sind ein häufiges Phänomen unterschiedlichster Ätiologie. Zu unterscheiden sind Spontanschmerzen von Belastungs- oder überlastungsabhängigen Schmerzen, Letztere z. B. beim sog. „Muskelkater“.
Muskelkater
36
Die häufigste subjektive Folge einer mechanischen Muskelschädigung stellt wahrscheinlich der sog. Muskelkater dar. Die frühere Auffassung, der Muskelkater sei auf eine Anhäufung von sauren Stoffwechselprodukten im Muskel nach einer Überanstrengung zurückzuführen, ist überholt; denn die anfallenden Salze der Milchsäure verschwinden spätestens nach 1 h vollständig aus dem Muskel und aus dem zirkulierenden Blut. Vielmehr seien Bradykinin und der Nervenwachstumsfaktor (NGF) die entscheidenden Faktoren bei der letztendlichen Entstehung der Hyperalgesie im Sinne des Muskelkaters, der typischerweise ein verzögerter Muskelschmerz ist („delayed onset muscle soreness“, DOMS) und zumeist bei untrainierten Personen 24–48 h nach exzentrischen Kontraktionen auftritt [23]. Als exzentrische Belastungen werden Verlängerungskontraktionen bezeichnet, z. B. beim Bergablaufen im Unterschied zu Verkürzungskontraktionen beim Bergsteigen. Die „DOMS“ ist mit einer wesentlichen Verringerung der Kraft und Kontraktionsgeschwindigkeit („rate of velocity development“) verbunden [24]. Vielfältige Untersuchungen zu den Entstehungsbedingungen des verzögerten Muskelschmerzes dienen zur differenzierten Optimierung von Trainingsbedingungen (Literatur siehe z. B. [6, 19] u. a.). Systematische Untersuchungen an Gewichthebern („bench press“) haben proportional zu den Muskelschmerzen („Muskelkater“) nach einer unterschiedlich dosierten Belastung eine Erhöhung der Kreatinkinase(CK-)Werte im Plasma und der Prostaglandin-(PGE2-) Werte im Serum ergeben; IL1-Beta, IL-6 und TNF-alpha waren nicht erhöht [33]. Die erhöhten Muskelenzyme und Proteine im Blut können zum Nierenversagen führen. Der Höhepunkt der Werte im Blut ist nach 4 Tagen erreicht; es kann 7 Tage dauern, bis sich die Werte normalisiert haben; diese Kenntnis ist wichtig, damit nicht irrtümlich eine Muskelkrankheit oder Schädigung z. B. durch Statine angenommen wird [13]. Bei ausgeprägtem Muskelkater ist im Urin eine vermehrte Ausscheidung von Prolin und Hydroxyprolin nachweisbar als Zeichen für eine gesteigerte Bindegewebstransformation im Sinne von Heilungsprozessen [1], wobei vermutlich ischämische Faktoren [4] und freie Radikale [9] eine Rolle spielen.
Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen
Morphologie. Als feinstrukturelles Korrelat des Muskelkaters (= DOMS) lassen sich etwa 48–96 h nach exzentrischen Kontraktionen über eine halbe Stunde bei 8 km/ h in einem Laufrad Veränderungen am Z-Band in 20% der Sarkomere nachweisen: als geringste Schädigung eine Aufspaltung einzelner Z-Bänder, bei stärkerer Schädigung eine Zerrüttung und schließlich eine Auflösung des Z-Bandes über die gesamte Breite der Sarkomere [25]. Nach elektrischer Reizung in einem Dynamometer fiel die Muskelschädigung wesentlich stärker aus als nach einer Belastung mit z. B. 210 exzentrischen Kontraktionen, wenn auch der Muskelkater (DOMS) als gleich stark empfunden wurde: Die Desminreaktion vieler Muskelfasern war verloren gegangen. 40% der Z-Bänder waren zerrüttet, im Unterschied zu willkürlichen Kontraktionen, nach denen nur 10% der Z-Bänder geschädigt waren. Es kam zu einem Anstieg myogener Wachstumsfaktoren wie Myogenin und einem Anstieg der Satellitenzellmarker N-CAM und Pax-7 („paired-box transcription factor“). Das intramuskuläre Bindegewebe (Tenascin C) war unter beiden Versuchsbedingungen in gleicher Weise vermehrt [10]. Ob die myofibrillären Veränderungen allein oder in Kombination mit einem entzündlichen Prozess im Epimysium oder Veränderungen in der Faszie [12] zu den Muskelschmerzen führen, ist noch immer nicht geklärt. Auch eine Flüssigkeitsvermehrung im Sinne eines Ödems spielt eine Rolle. Jede Mikroverletzung ist vermutlich mit einem umschriebenen Ödem, entzündlichen Zellinfiltraten [17] und reaktiven Spasmen der umgebenden Muskelfasern verbunden, was wiederum zu Versteifungen und Schmerzen in der betroffenen Muskelgruppe führt.
Fibromyalgie Die „Fibromyalgie“ [15] ist keine eigenständige Krankheit, sondern wird als ein Syndrom mit Schmerzen in mehreren Körperregionen definiert, dessen Prävalenz in bevölkerungsbasierten Studien mit 1–5 und 7–11% angegeben wird. Klassifikation und Therapie des Beschwerdekomplexes sind zwischen den verschiedenen medizinischen Fachgebieten wie auch unter den Betroffenen umstritten [14]. Während anfangs von einem „Weichteilrheumatismus“ oder einer „generalisierten Insertionstendopathie“ die Rede war, sprechen andere von einem „rheumatologischen Krankheitskonstrukt“ in der Muskulatur und im Bindegewebe, bei dem zentralnervöse funktionelle Veränderungen vorliegen, muskelbioptisch aber keine charakteristischen Befunde zu erheben sind.
789
Anämischer Muskelinfarkt
Muskelkrämpfe (Crampi) Als Sekunden bis Minuten andauernde Funktionsstörung ohne bekanntes morphologisches Substrat sind die sog. Crampi (Muskelkrämpfe) anzusehen, die als schmerzhafte, unwillkürliche Kontraktionen umschriebener Muskelgruppen überwiegend in der Wade oder im Fußgewölbe, zumeist in der Nacht oder nach starker Belastung unter Hitze u. a. auftreten. Sie werden von intramuskulären Anteilen efferenter Axone ausgelöst und von hochfrequenten Aktionspotentialen begleitet, wobei afferente (spinale) Mechanismen (über die Muskelspindeln bzw. Dehnungsrezeptoren in Muskeln und Sehnen) beteiligt seien (Literatur s. [22]). Die Schwelle für die minimale elektrische Reizfrequenz ist bei disponierten Personen erniedrigt [21].
Muskelquetschung und Kältetrauma Durch eine Muskelquetschung kann es zu einer fokalen Nekrose kommen, in deren Nachbarschaft sich sog. Kontraktionsknoten aus kontrahierten Myofibrillen im angrenzenden Abschnitt der geschädigten Muskelfasern ausbilden. Der nekrotische Bezirk wird anschließend von „Entzündungszellen“ infiltriert und phagozytiert. Nachdem in den ersten 2 Tagen die Hauptteile des nekrotischen Materials abtransportiert worden sind, finden sich Zeichen einer regenerativen Aktivität. Ein Teil der „Entzündungszellen“ entsteht durch mitotische Teilung der Satellitenzellen an der Peripherie der Muskelfasern. Bereits 3–4 Tage nach einer Verletzung sind in diesen Zellen verschiedene Stadien der Myofibrillenneubildung zu erkennen. In der Nachbarschaft der Läsionen erscheinen die Kerne der Muskelfasern vergrößert; sie zeichnen sich durch einen großen Nukleolus aus. Anhaltspunkte für eine Neubildung von Kernen im perinukleären Sarkoplasma bestehen nicht; bisher sind keine Mitosen der Muskelfaserkerne, sondern nur Mitosen der Satellitenzellen beobachtet worden [31]. Die aus den Satellitenzellen entstandenen Myoblasten vermehren sich weiter mitotisch und bilden innerhalb von 3–4 Tagen nach der Verletzung durch Fusion vielkernige Myotuben, die sich wiederum durch Fusion der Plasmamembranen mit der geschädigten, präexistenten Muskelfaser verbinden [26–28]. Die Vermehrung der Muskelfaserkerne in den Sarkoplasmaknospen am Rand einer Schädigungszone ist durch Wanderung und nicht durch eine amitotische Kernvermehrung zu erklären, denn pro Millimeter finden sich schon normalerweise etwa 80–90 Kerne in einer Muskelfaser; davon gehört etwa 1/10 zu den Satellitenzellen. Wenn die Ausdehnung der Nekrose nicht zu groß ist, verbinden sich viele der auswachsenden Muskelknospen
der einen Seite innerhalb der ursprünglichen Basallamina mit denen der anderen Seite der Lücke, • so dass nach 3 Wochen ein großer Teil der Verletzung ausgeheilt ist. • Wenn die Kontaktführung durch die endomysialen Schläuche, d. h. durch die Basallaminae mit dem umgebenden endomysialen Bindegewebe, gestört ist, resultiert eine Beeinträchtigung der regenerierenden Muskelfasern. Mehrere Sprosse können sich durch die Lücke hindurch mit der Gegenseite verbinden. Wenn solche Fasern reifen, entsteht der Eindruck einer Aufsplitterung in Tochterfasern. Die erfolgreichen Zweige der Muskelknospen füllen sich mit Myofibrillen, während erfolglose Zweige degenerative Veränderungen zeigen und vakuolisiert werden (Abb. 36.1f), Kernpyknosen aufweisen und resorbiert werden [2]. • Nach 6 Wochen sind die neu gebildeten Muskelfasern im Mittel normal dick; doch ist die Abweichung der Faserdurchmesser vom Mittelwert erhöht, und zentrale Kerne sowie Aufsplitterungen und Verzweigungen bleiben als Zeichen einer vorausgegangenen Schädigung bestehen. Über positive Effekte von Stammzellen aus Synovialzellen nach einem experimentellem Kältetrauma berichten Meng et al. [20].
Muskelriss Muskelrisse treten am häufigsten auf nach stärkeren Belastungen untrainierter Personen oder bei heftigen Kontraktionen bestimmter Muskeln (Abb. 36.1e,f). Durch die Vorwölbung des Muskelbauchs bei einem Riss in der darüber gelegenen Faszie und im Epimysium können Muskelhernien entstehen, die sich als ein weicher elastischer Tumor unter der Haut bemerkbar machen [2].
Anämischer Muskelinfarkt Ein Infarkt des Skelettmuskels allein, ohne Gangrän, ist ausgesprochen selten, vermutlich wegen der reichlichen Versorgung des Muskels mit Kollateralgefäßen [3], kommt jedoch in seltenen Fällen, z. B. in Zusammenhang mit einem Diabetes mellitus vor [11]. Klinisch stehen ein plötzlicher Schmerz und eine Schwellung des infarzierten Muskels im Vordergrund. Mikroskopisch finden sich im ischämischen Herd nekrotische Muskelfasern mit zerfallenden Kernen und fragmentierten Myofibrillen. Auch die Kerne des Endomysiums gehen zugrunde, während das Bindegewebsgerüst aus Basallaminae und kollagenen Fasern erhalten bleibt (Abb. 36.1c,d). Auf die Nekrose folgen ein Ödem
790
Kapitel 36
Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen
a
b
c
d
e
f
36
Abb. 36.1 a Eosinophile Myositis. Im Interstitium und auf die Muskelfasern übergreifend stellenweise massive granulozytäre Infiltrate, die ganz überwiegend aus Eosinophilen bestehen (Vergr. 230:1). b Gleicher Fall wie in a. Muskelfasern in verschiedenen Stadien der Nekrose und Infiltration mit eosinophilen Granulozyten (Vergr. 430:1). c Tibialis-anterior-Syndrom. Musculus tibialis anterior eines 24-jährigen Mannes mit fraglicher Venenthrombose 16 Tage nach einem Trauma. Am Rand der Muskelnekrose Proliferation des endomysialen Bindegewebes mit zellreichen Kapillaren zwischen nekrotischen Muskelfasern; die Kerne der Letzteren sind aufgelöst
oder entfärbt. Am Bildrand links bereits myophagische Reaktionen (HE; Vergr. 128:1). d Gleicher Fall wie in c. Zwischen den nekrotischen Muskelfasern in einer hämorrhagischen Zone reichlich Erythrozyten. In 2 Fasern beginnende myophagische Reaktion (Sterne; Vergr. 300:1). e Muskelriss im M. vastus lateralis eines 22-jährigen Mannes ca. 1 Monat nach einem Trauma. Frustran gegen eine Barriere von Granulationsgewebe regenerierende Muskelknospen mit zahlreichen Kernen und Vakuolen (HE; Vergr. 104:1). f Gleicher Fall wie in e. Eine Muskelknospe mit zahlreichen Kernen, irregulär angeordneten Myofibrillen und einer Vakuole (Vergr. 416:1)
Literatur
des endomysialen Gewebes und später eine Invasion durch eine große Zahl neutrophiler Leukozyten und einiger Histiozyten. Die Zellinfiltrate treten zuerst an der Grenze zwischen nekrotischem und normalem Muskel auf. Es folgt eine massive Phagozytose der kontraktilen Substanzen der abgestorbenen Muskelfasern und eine Proliferation der Fibroblasten. Die neuen Muskelfasern wachsen entlang der endomysialen Schläuche vor und ersetzen die abgestorbenen in gleichem Maße wie diese aufgelöst und phagozytiert werden. Experimentellembolische Mikroinfarkte heilen bemerkenswert rasch (in ca. 1–2 Wochen) aus [29]. Detaillierte IschämieReperfusions-Experimente haben jedoch noch nach 56 Tagen eine verzögerte Wiederherstellung der Struktur und Funktion ergeben [34].
Die longitudinale Wachstumsgeschwindigkeit der regenerierenden Fasern wird mit 1–1,5 mm/Tag angegeben [2].
791
schluss zurückzuführen mit Infarktnekrose des Muskels und späterer Fibrose. Doch gibt es zahlreiche andere Ursachen für die Entstehung eines Schiefhalses (Schonhaltung, Affektionen der Halswirbelsäule, Tumoren des Nervensystems, psychogener Schiefhals, Dystonie im Sinne eines Torticollis spasmodicus etc.) [5]. Bemerkenswert häufig sind beim Torticollis spasmodicus die zur Therapie neurochirurgisch exzidierten dorsalen Halsnerven (zur Indikation s. [8, 16]) „degenerativ“ verändert, möglicherweise in Abhängigkeit von der vorausgehenden Botulinumtoxininjektion oder aufgrund einer Druckschädigung durch die Schiefhaltung [30].
Literatur 1. 2. 3.
Claudicatio intermittens In Muskelbiopsien aus den unteren Extremitäten von Patienten mit Claudicatio intermittens fanden sich vielfach hypertrophische, atrophische, nekrotische und phagozytierte Fasern sowie andere Formen mikroskopisch erkennbarer Faserdegenerationen nebeneinander. Der Schweregrad der pathologischen Veränderungen korrelierte mit dem klinischen Schweregrad der Claudicatio [18, 32].
4.
5. 6.
7. 8.
Ischämische (Volkmann-)Kontraktur Die sog. ischämische Volkmann-Kontraktur wird auf eine Unterbrechung der arteriellen Blutversorgung durch enge Bandagen oder Schienen zurückgeführt. Sie sei selten und träte nur bei 8 unter 21.000 Frakturen auf, würde dann aber häufig verkannt. Auch venöse Gefäßverschlüsse sind als Ursache diskutiert worden (Literatur s. [7, 29]); das gilt zweifellos für hämorrhagische Nekrosen. Am häufigsten ist der M. tibialis anterior betroffen. Der Muskel ist allseitig von Knochen bzw. Faszien umschlossen. Man spricht daher auch von einem Muskellogensyndrom (Abb. 36.1c,d).
9.
10.
11.
12.
Tortikollis (Schiefhals) 13.
Auch der Tortikollis ist in seiner kongenitalen Form vermutlich auf einen arteriellen oder venösen Gefäßver-
Abraham WM (1977) Factors in delayed muscle soreness. Med Sci Sports 9: 11–20 Adams RD (1975) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Banker BQ, Chester CS (1973) Infarction of thigh muscle in the diabetic patient. Neurology 23: 667–677 Barlas P, Walsh DM, Baxter GD, Allen JM (2000) Delayed onset muscle soreness: effect of an ischaemic block upon mechanical allodynia in humans. Pain 87: 221–225 Bolthauser E (1976) Differentialdiagnose des Torticollis im Kindesalter. Schweiz Med Wschr 106: 1261–1264 Bottas R, Nicol C, Komi PV, Linnamo V (2009) Adaptive changes in motor control of rhythmic movement after maximal eccentric actions. J Electromyogr Kinesiol 19: 347–356 Brey JM, Castro MD (2008) Salvage of compartment syndrome of the leg and foot. Foot Ankle Clin 13: 767–772 Chinnapongse R, Pappert EJ, Evatt M, Freeman A, Birmingham W (2010) An open-label, sequential dose-escalation, safety, and tolerability study of rimabotulinumtoxinb in subjects with cervical dystonia. Int J Neurosci 120: 703–710 Close GL, Ashton T, McArdle A, Maclaren DP (2005) The emerging role of free radicals in delayed onset muscle soreness and contraction-induced muscle injury. Comp Biochem Physiol A Mol Integr Physiol 142: 257–266 Crameri RM, Aagaard P, Qvortrup K, Langberg H, Olesen J, Kjaer M (2007) Myofibre damage in human skeletal muscle: effects of electrical stimulation versus voluntary contraction. J Physiol 583: 365–380 Ergun T, Lakadamyali H (2010) Diabetic muscle infarction: an unusual cause of acute calf pain. Acta Clin Belg 65: 204 Gibson W, Arendt-Nielsen L, Taguchi T, Mizumura K, Graven-Nielsen T (2009) Increased pain from muscle fascia following eccentric exercise: animal and human findings. Exp Brain Res 194: 299–308 Gojanovic B, Feihl F, Gremion G, Waeber B (2009) Muscle enzyme activity and exercise. Praxis (Bern 1994) 98: 133–139
792
Kapitel 36
14.
15. 16.
17.
18.
19.
36
20.
21.
22. 23.
24.
25.
26.
27. 28.
29. 30.
Häuser W, Eich W, Herrmann M, Nutzinger DO, Schiltenwolf M, Hennigsen P (2009) Fibromyalgiesyndrom. Klassifikation, Diagnose und Behandlungsstrategien. Dtsch Ärztebl 106: 383–391 Hench PK (1976) Nonarticular rheumatism. Rheum Rev 22: 1081–1088 Huh R, Han IB, Chung M, Chung S (2010) Comparison of treatment results between selective peripheral denervation and deep brain stimulation in patients with cervical dystonia. Stereotact Funct Neurosurg 88: 234–238 MacIntyre DL, Reid WD, Lyster DM, McKenzie DC (2000) Different effects of strenuous eccentric exercise on the accumulation of neutrophils in muscle in women and men. Eur J Appl Physiol 81: 47–53 Mäkitie J, Teravainen H (1977) Histochemical changes in striated muscle in patients with intermittent claudication. Arch Pathol Lab Med 101: 658–663 McCurdy K, Langford G, Ernest J, Jenkerson D, Doscher M (2009) Comparison of chain- and plate-loaded bench press training on strength, joint pain, and muscle soreness in Division II baseball players. J Strength Cond Res 23: 187–195 Meng J, Adkin CF, Arechavala-Gomeza V, Boldrin L, Muntoni F, Morgan JE (2009) The contribution of human synovial stem cells to skeletal muscle regeneration. Neuromuscul Disord 20: 6–15 Miller KC, Knight KL (2009) Electrical stimulation cramp threshold frequency correlates well with the occurrence of skeletal muscle cramps. Muscle Nerve 39: 364–368 Miller TM, Layzer RB (2005) Muscle cramps. Muscle Nerve 32: 431–442 Murase S, Terazawa E, Queme F et al. (2010) Bradykinin and nerve growth factor play pivotal roles in muscular mechanical hyperalgesia after exercise (delayed-onset muscle soreness). J Neurosci 30: 3752–3761 Nguyen D, Brown LE, Coburn JW, Judelson DA, Eurich AD, Khamoui AV, Uribe BP (2009) Effect of delayed-onset muscle soreness on elbow flexion strength and rate of velocity development. J Strength Cond Res 23: 1282–1286 Nurenberg P, Giddings CJ, Stray-Gundersen J, Fleckenstein JL, Gonyea WJ, Peshock RM (1992) MR imagingguided muscle biopsy for correlation of increased signal intensity with ultrastructural change and delayed-onset muscle soreness after exercise. Radiology 184: 865–869 Reznik M (1969) Origin of myoblasts during skeletal muscle regeneration. Electron microscopic observations. Lab Invest 20: 353–363 Schmalbruch H (1976) The morphology of regeneration of skeletal muscles in the rat. Tissue Cell 8: 673–692 Schmalbruch H (1976) Muscle fibre splitting and regeneration in diseased human muscle. Neuropath Appl Neurobiol 2: 3–19 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Huffmann B, Braun V, Richter HP (1992) Spasmodic torticollis: severe compression neuropathy in
Myalgien, traumatische und ischämische Muskelläsionen
31.
32.
33.
34.
rami dorsales of cervical nerves C1-6. Acta Neuropathol 84: 416–424 Shafiq SA, Gorycki MA, Milhorat AT (1967) An electron microscopic study of regeneration and satellite cells in human muscle. Neurology 17: 567–574 Teravainen H, Makitie J (1977) Striated muscle ultrastructure in intermittent claudication. Arch Pathol Lab Med 101: 230–235 Uchida MC, Nosaka K, Ugrinowitsch C, Yamashita A, Martins E Jr, Moriscot AS, Aoki MS (2009) Effect of bench press exercise intensity on muscle soreness and inflammatory mediators. J Sports Sci 27: 499–507 Vignaud A, Hourde C, Medja F, Agbulut O, Butler-Browne G, Ferry A (2010) Impaired skeletal muscle repair after ischemia-reperfusion injury in mice. J Biomed Biotechnol 2010: 72491
Kapitel 37
Entzündliche Myopathien
37
J.M. Schröder Inhalt Infektiöse Myositiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
794
Fokale Myositis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
800
Virusmyositiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
794
Myositis orbitalis (Pseudotumor orbitae) . . . . . . .
800
Bakterielle Myositiden . . . . . . . . . . . . . . . . . .
794
Eosinophile Polymyositis . . . . . . . . . . . . . . . .
800
Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
794
Polymyalgia rheumatica . . . . . . . . . . . . . . . . .
800
Myositiden durch Parasiten . . . . . . . . . . . . . . .
795
Granulomatöse und weitere Myositiden . . . . . . . . .
801
Trichinose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
795
Morbus Boeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
801
Sonstige Muskelparasitosen . . . . . . . . . . . . . .
796
Proliferative Myositis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
801
Wahrscheinlich immunpathogenetische, „idiopathische“ Myositiden . . . . . . . . . . . . . . . .
Makrophagenmyofasziitis . . . . . . . . . . . . . . . . .
801
796 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
801
Polymyositis, Dermatomyositis und Einschlusskörpermyositis, interstitielle Myositiden . . . . . . . .
796
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_37, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
794
Kapitel 37
Unter den entzündlichen Erkrankungen der Skelettmuskulatur sind die infektiösen, durch Viren, Bakterien, Parasiten und andere Erreger bedingten von den wesentlich häufigeren, offenkundig nichtinfektiösen, im Rahmen von Autoaggressionskrankheiten oder anderen immunpathogenetischen Erkrankungen auftretenden Prozessen zu unterscheiden (Polymyositis, Einschlusskörpermyositis und Dermatomyositis; interstitielle Myositiden bei Vaskulitiden, Gefäß-Bindegewebs-Erkrankungen resp. Kollagenosen; fokale Myositis, Myositis orbitalis, eosinophile Myositis, Polymyalgia rheumatica u. a.). Außerdem sind seltene, granulomatöse Entzündungen und andere, mit entzündlichen Begleitphänomenen einhergehende Erkrankungen ungeklärter Ätiologie (proliferative Myositis) abzugrenzen, die zumindest histopathologisch wohldefiniert sind.
Infektiöse Myositiden
37
Die Skelettmuskeln sind relativ resistent gegenüber Infektionen, so dass z. B. bakterielle Infektionen erst auftreten, wenn eine Verletzung vorausgegangen ist [18]. Doch gibt es ein weites Spektrum von Erregern.
Virusmyositiden Neben zweifelsfrei durch Virusinfektionen ausgelösten Myositiden wie die Bornholm-Krankheit bzw. die Coxsackie-Virus-B-Infektion, die Influenza-, Zytomegalie-, HTLV- und HIV-Virusmyositis (Abb. 37.1a–c) gibt es solche, bei denen zwar elektronenmikroskopisch virusähnliche Korpuskel nachgewiesen worden sind, bei denen aber bis heute kein Virus durch Isolation, Immunfluoreszenz, wiederholte Tierpassagen oder Gewebekulturen identifiziert werden konnte, so bei: • Myositiden mit filamentösen Einschlüssen: – Myxoviren? [15] – Paramyxoviren? [28] • Myositiden mit granulären Einschlüssen: – Papovaviren? [7] – Picornaviren? [33]. Bei AIDS-Patienten ist bemerkenswert häufig (in 46% der Fälle nach etwa 2-jähriger Krankheitsdauer) eine Zytomegalievirusinfektion von Muskel und Nerv nachweisbar [16]; diese wird evtl. von einer neurogenen Muskelatrophie aufgrund der zytomegaliebedingten peripheren Neuropathie und oft zusätzlich von einer therapeutisch induzierten Myopathie durch Zidovudine (= Azidothymidin; AZT) [68] überlagert. Immunhistochemisch und durch die Polymerasekettenreaktion (PCR) konnte auch eine HTLV-1-Infektion und eine
Entzündliche Myopathien
kombinierte HIV- und HTLV-1-Infektion im Muskel nachgewiesen werden [23]. Auch die Kombination einer HIV-Infektion mit einer Einschlusskörpermyositis kommt vor [19]. Spätfolgen einer Poliomyelitisvirusinfektion werden als Postpoliomyelitissyndrom bezeichnet, das auf nachlassende Kompensationsmechanismen im Alter bei vorausgehender „Kinderlähmung“ zurückzuführen sein dürfte. Dabei handelt es sich nicht um eine Infektion des Muskels selbst, sondern um eine infektiöse Erkrankung vor allem der Vorderhörner des Rückenmarks, in deren Folge es zur Denervationsatrophie im Muskel kommt. Die zusammengerückten, hochgradig atrophischen, kernreichen Muskelfasern (Abb. 37.1d) dürfen dabei nicht mit einem entzündlichen Zellinfiltrat verwechselt werden.
Bakterielle Myositiden Das normale Muskelgewebe ist gegenüber einer bakteriellen Infektion resistent, so dass eitrige Myositiden selten sind. Auch hämatogene Abszesse bei Septikämie bzw. durch septische Emboli sind im Muskel im Unterschied zu den Abszessen in zahlreichen anderen Organen extrem selten. Andererseits können sich durchaus eitrige Myositiden in der Nachbarschaft eines Dekubitus oder infizierter Wunden entwickeln. Spritzenabszesse sind in der Regel auf Staphylokokken oder Streptokokken zurückzuführen [1]. Mikroskopisch findet sich im akuten Stadium eine eitrige Myositis mit einem Ödem und zelliger Infiltration vor allem durch neutrophile Leukozyten. Später treten zunehmend mehr Lymphozyten und Plasmazellen hinzu, vereinzelt auch eosinophile Leukozyten, außerdem Makrophagen, proliferierende Fibroblasten und Kapillaren. Der entzündliche Prozess kann sich phlegmonös als eitrige interstitielle Entzündung ausbreiten oder es kommt durch bindegewebige Kapselbildung zu einem Abszess, der gegenüber dem benachbarten Muskelgewebe abgegrenzt ist.
Sonderformen Als Sonderformen einer bakteriellen Myositis sind die tuberkulöse, die lepromatöse und syphilitische Myositis sowie die Myositis beim M. Whipple abzugrenzen. Als weitere bakterielle, durch anaerobe Clostridien ausgelöste schwere Erkrankungen mit Beteiligung des Skelettmuskels sind neben Gasbrand (Clostridium perfringens, Novyi et septicum), der Tetanus (Clostridium tetani) und der Botulismus (Clostridium botulinum) zu nennen.
Infektiöse Myositiden
795
a
b
c
d
Abb. 37.1a–c Nekrotisierende Myopathie, laut klinischen Angaben ca. 4 Wochen nach einem schweren Grippeinfekt („Influenzamyositis“). a Im HE-Präparat sind zahlreiche Muskelfasernekrosen (Pfeil) in annähernd gleichem Stadium der myophagischen Reaktion und Regeneration getroffen. Sie sind bemerkenswert gleichmäßig über den gesamten Muskelausschnitt verteilt. Die proliferierenden Satellitenzellen bilden die neuen Myoblasten und Muskelfasern; ihre starke Basophilie zeigt einen hohen Gehalt an Ribosomen an. Wesentliche perivaskulär-entzündliche mononukläre oder granulo-
Das Toxin des Clostridium tetani wirkt wahrscheinlich vorwiegend auf die Vorderhörner des Rückenmarks, das Toxin des Clostridium botulinum auf die neuromuskuläre Endplatte (s. unten).
Sowohl der Tetanus als auch der Botulismus sind aber im Unterschied zum Gasbrand nicht mit einer Myositis verbunden. Beide Erkrankungen sind auf Wirkungen des von den jeweiligen Clostridien unter anaeroben Bedingungen abgegebenen Toxins zurückzuführen.
zytäre Zellinfiltrate sind nicht vorhanden. b Die Saure-PhosphataseAktivität ist aufgrund der erhöhten myophagischen Aktivität stark erhöht. c In vielen nekrotischen Muskelfasern (Pfeile) ist das Sarkoplasma schon weitgehend aufgelöst und die Myophagen und Satellitenzellen oder Myoblasten erheblich vermehrt. d Postpoliomyelitissyndrom laut klinischen Angaben bei einem 67-jährigen Mann. Die große Zahl zusammengerückter Kerne in den alt-atrophischen Muskelfasern, deren Kerne pyknotisch (inaktiv) sind, darf nicht mit einem entzündlichen Zellinfiltrat verwechselt werden
Myositiden durch Parasiten Am häufigsten ist die durch einen Fadenwurm (Nematodenart), die Trichinella spiralis, verursachte Trichinose.
Trichinose Epidemiologie. Erkrankungen an Trichinose sind in Deutschland selten geworden, seit auf Virchows Betreiben (1877) die Trichinenschau gesetzlich obligat gewor-
796
Kapitel 37
den ist. Dennoch traten im letzten Jahrhundert etwa in jedem Dezennium eine kleinere oder größere Epidemie auf (etwa 23 Erkrankungen pro Jahr) [50].
Das Wildschwein stellt derzeit das größte Infektionsreservoir für die Menschen dar [72].
Ätiologie, Pathogenese. Die Trichinen werden durch rohes, geräuchertes oder gesalzenes (nicht aber durch gekochtes oder gebratenes) Fleisch oral übertragen. Im Magensaft lösen sich die Kapseln auf. Im Darm entwickeln sich innerhalb von 2 Tagen die geschlechtsreifen Würmer, wobei die Weibchen mit 3–4 mm Länge größer sind als die 1,5 mm langen Männchen. Nach der Begattung dringt die Trichine in die Darmwand, von wo aus die Larven in die Chylusgefäße, in den Blutstrom und wieder in den Muskel gelangen. Weshalb die Trichinen bevorzugt in das Muskelgewebe eindringen, ist nicht geklärt.
37
Klinik. Die Inkubationszeit beträgt etwa 5–31 Tage. Im Erkrankungsfall kommt es zu einem rheumatismusähnlichen Muskelschmerz, typhusähnlicher gastrointestinaler Symptomatik und anderen Symptomen. Etwa 30% der Erkrankungen verlaufen tödlich. Morphologie. Die wichtigste Methode für die endgültige Diagnose ist der histopathologische Nachweis der eingedrungenen oder eingekapselten Trichinella-spiralisLarven im Skelettmuskel. Zusätzlich zu den üblichen histopathologischen Schnitten lassen sich auch Quetschpräparate vom Muskel verwenden. In der Regel sind Trichinenkonzentrationen von mehr als 1000/g Muskelgewebe tödlich [20]. Die Trichinen sind mikroskopisch an ihrer spiraligen Struktur gut zu erkennen. Sie werden von einer durch den Wirtsorganismus gebildeten Kapsel umhüllt, die im Verlaufe von Monaten verkalken kann. Dann sind die Trichinen bereits makroskopisch sichtbar. Um die Kapsel finden sich stellenweise geringfügige entzündliche Zellinfiltrate mit einzelnen Fremdkörperriesenzellen.
Beim Menschen bleibt die Larve lange Zeit am Leben; autoptisch sind lebende Larven noch 31 Jahre nach einer Infektion beobachtet worden.
Sonstige Muskelparasitosen Gelegentlich kann es zu einem Befall des Muskels durch besondere Sporozoen kommen (Sarkosporidien); die Erkrankung wird als Sarkosporidiose bezeichnet. Sie weist
Entzündliche Myopathien
Beziehungen zur Toxoplasmose auf. Auch die durch Trypanosomen auslösbare Chagas-Krankheit ist hier zu erwähnen [1].
Wahrscheinlich immunpathogenetische, „idiopathische“ Myositiden
Die idiopathischen Myositiden sind eine heterogene Gruppe von systemischen „rheumatischen“ Erkrankungen, die durch eine chronische Muskelschwäche und mononukleäre Zellinfiltrate im Muskel gekennzeichnet sind.
Zu dieser relativ häufigen Gruppe von Erkrankungen, die etwa 1/7 des üblichen muskelbioptischen Untersuchungsgutes ausmacht, gehören einerseits die Polymyositis, Dermatomyositis und Einschlusskörpermyositis sowie die interstitiellen Myositiden („Vaskulitiden“), die bei verschiedenen Kollagenosen als muskuläre Begleiterkrankung auftreten können, und andererseits seltenere Erkrankungen, die als fokale Myositis, Myositis orbitalis, eosinophile Myositis und Polymyalgia rheumatica bezeichnet werden.
Polymyositis, Dermatomyositis und Einschlusskörpermyositis, interstitielle Myositiden Klinik. Während die Patienten mit einer Einschlusskörpermyositis bioptisch zu diagnostizieren und durch signifikant häufigere asymmetrische und distale Muskelschwäche, Fallneigung und Atrophie gekennzeichnet sind, unterscheiden sich die verschiedenen anderen Myositiden klinisch signifikant nur durch wenige Symptome. Eine vorwiegend distale Lokalisation des Muskelbefalls schließt jedenfalls eine Polymyositis, die üblicherweise eher proximal lokalisiert ist, nicht aus [25]. Bei der Polymyositis und Dermatomyositis sei der serologische (immunogenetische) Autoantikörperstatus, der durch den Nachweis myositisspezifischer Antikörper bestimmt wird, zu einer Abgrenzung geeignet [37, 53, 70]: • Patienten mit Antiaminoacyl-tRNA-Synthetase-Autoantiköpern [Histidyl-(Jo1-), Alanyl-(PL12-), Isoleucyl-(OJ-), Threonyl-(PL7-), Glycyl-(EJ-) u.a. tRNASynthetasen] haben signifikant häufiger einen akuten Krankheitsbeginn, Arthritis, Fieber, eine interstitielle Lungenkrankheit mit Dyspnoe bei Anstrengungen, Arthritis, „Mechanikerhände“, sind HLA-DR-3- und -Drw-52-positiv, benötigen höhere Kortikoiddosen, erhalten häufiger Zytostatika und weisen eine höhere Sterberate auf.
Wahrscheinlich immunpathogenetische, „idiopathische“
• Patienten mit Antisignalrekognitionspartikel-(SRP-) Antikörpern sind durch ein abruptes Auftreten einer ausgeprägten Schwäche mit Zittern, Herzbeteiligung, Myalgien, positivem HLA-DRw 52 und häufig -Drw 5, Behandlungsresistenz mit schlechter Prognose und ebenfalls höhere Todesrate gekennzeichnet. • Patienten mit Anti-Mi-2-Antikörpern haben klinisch eine Dermatomyositis, häufig „V-Ausschnitt“- und „Schal“-Erytheme („rash“), Hautverdickungen, sind HLA-DR-7- sowie -DRw53-positiv und reagieren gut auf die Therapie. • Patienten mit Anti-MAS-Antikörpern haben klinisch eine Polymyositis und sind die einzigen, deren Myositis sich im Anschluss an eine alkoholische Rhabdomyolyse entwickelte und die einen insulinabhängigen Diabetes aufwiesen bei positivem HLA-B 60, -C 3, -DR 4 und –Drw 53. • Patienten mit Antikörpern gegen weitere Antigene (KJ, FER, JP u. a.) ließen sich bisher nicht einer bestimmten HLA-Gruppe zuordnen. • Allerdings haben die immunogenetischen Befunde noch keinen Eingang in die Routinediagnostik gefunden. Der Phänotyp und die Aktivierungsmarker der mononukleären Zellen im peripheren Blut unterscheiden sich bei der Polymyositis und der Einschlusskörpermyositis nicht, während bei der Dermatomyositis ein erhöhter Anteil von CD20+- und CD20+DR+- sowie ein verminderter Anteil an CD3+DR+- und TLiSA1+-Zellen vorkommt [56]. Bei klinisch aktiver Krankheit haben die Myositispatienten signifikant erniedrigte Anteile von CD8+Zellen und einen größeren Anteil mononukleärer Zellen, die mit Antikörpern gegen DR, CD3–DR, CD14–DR, Interleukin-2-Rezeptoren und die T-Zell-Spätaktivierungsmarker CD26 und TLiSA1 reagieren. Bei verminderter Krankheitsaktivität ist der Anteil der Zellen reduziert, die MHC-Klasse-II-Antigene und den späten T-Zell-Aktivierungsmarker aufweisen. Die Einschlusskörpermyositis sei die häufigste entzündliche Muskelkrankheit im Alter über 50 Jahren [3], während im eigenen Untersuchungsgut Vaskulitiden unterschiedlicher Art mit Abstand an erster Stelle stehen. Die Erkrankung ist in der Regel langsam progredient [63] und nicht mit malignen Neoplasmen korreliert. Das männliche Geschlecht ist bevorzugt betroffen. Es besteht eine starke Assoziation mit Allelen der HLA-DR und -DQ-Haplotypen und häufig mit anderen Autoimmunerkrankungen [48, 49]. Hauptsymptom ist die Schwäche ohne Schmerzen. Eine Dysphagie ist nur bei einzelnen Fällen beobachtet worden. Hautveränderungen oder andere Zeichen einer Gefäß-Bindegewebs-Erkrankung oder immunologischen Veränderungen kommen nicht vor und Kortikoide sind in der Regel unwirksam [13]. Morphologische Aspekte. Polymyositis: Histopathologisch ist diese durch mononukleäre Zellinfiltrate und
797
eine Invasion nichtnekrotischer Muskelfasern durch derartige Zellen sowie eine Nekrose mit oder ohne Regeneration von einzelnen Muskelfasern innerhalb der Faszikel (nicht perifaszikulär) charakterisiert [13]. Viele Infiltratzellen sind immunreaktiv für Lymphotoxin, einige auch für Perforin und Fas-Liganden [22, 52]; mononukleäre Zellen im umgebenden Endomysium sind hauptsächlich positiv für Lymphotoxin-mRNA und CD4, während Zellen, die nichtnekrotische Muskelfasern infiltrieren, zwar ebenfalls Lymphotoxin-mRNA enthalten, aber CD8-positiv sind. Die Polymyositis ist im Unterschied zur Dermatomyositis nicht mit einer Verminderung der Zahl der Kapillaren verbunden, und in den Endothelien sind keine „undulierenden Tubuli“ zu finden. Dermatomyositis: Im Unterschied zur Polymyositis ist die Dermatomyositis muskelbioptisch nicht nur durch entzündliche Infiltrate aus B-Zellen, T-Helfer-Zellen und dendritischen Zellen [54] (Abb. 37.2a), sondern auch durch ein abnormes Kapillarnetz mit aktiver Destruktion der Gefäße charakterisiert [13]. Kapillaren exprimieren den Membranattackenkomplex C5b-9 der Komplementkaskade [27]. Nahezu alle Fälle haben elektronenmikroskopisch nachweisbare „undulierende Tubuli“ in den Endothelzellen. Die Dermatomyositis tritt im Kindesalter, aber auch im Erwachsenenalter auf, häufiger bei Frauen als bei Männern. Im Kindesalter fällt häufig ein perifaszikuläres Muster der Muskelfaseratrophien auf [11]. Die herdförmige Verteilung der Muskelfaserschäden spricht für progressive Ischämieffekte. Auch die bei älteren Patienten in Zusammenhang mit malignen Tumorerkrankungen auftretende Dermatomyositis weist derartige Veränderungen auf [31]. In manchen kindlichen Dermatomyositisfällen tritt eine massive Calcinosis cutis auf, so dass die Patienten wie in einem Panzer eingeschlossen erscheinen [34]. Nicht alle Patienten mit Hautveränderungen müssen myopathische Symptome aufweisen [65]. Einschlusskörpermyositis: Demgegenüber finden sich bei der sporadischen Einschlusskörpermyositis („sporadic inclusion body myositis“ = sIBM) Makrophagen, dendritische Zellen und CD8+-zytotoxische T-Zellen, die nichtnekrotische, MHC-I-Klasse-Antigen exprimierende Muskelfasern umgeben und diese segmental infiltrieren (Literatur s. [54]). Die Basallamina der Muskelfasern bleibt hier überwiegend erhalten, sogar wenn die Muskelfasern an dieser Stelle aufgespalten sind. Die geschädigten Muskelfasern enthalten, wenn auch nicht immer [14], verschiedenartige abnorme Einschlüsse: 1. Zusammen mit autophagischen Vakuolen oder unabhängig davon kommen charakteristische intranukleäre oder/und intrasarkoplasmatische tubulofilamentöse Einschlüsse mit einem Durchmesser von 15–21 nm vor [12, 57]. Diese tubulofilamentösen Strukturen sind typischerweise irregulär, wirr, manchmal aber auch parallel zueinander angeordnet und weisen ein helles Zentrum auf. Sie sind allerdings nicht völlig spezifisch; denn sie sind vereinzelt auch einmal
798
Kapitel 37
Entzündliche Myopathien
a
b
c
d
e
f
37
Abb. 37.2 a Dermatomyositis. M. biceps brachii eines 59-jährigen Mannes. Ausgeprägte perivaskuläre und endomysiale mononukleäre Zellinfiltrate mit Schädigung, Infiltration oder Atrophie einzelner benachbarter Muskelfasern. Die Zahl der Kapillaren zwischen den Muskelfasern ist fokal reduziert (Vergr. 150:1). b Interstitielle Myositis im M. quadricpes eines 66-jährigen Patienten. Spärliche perivaskuläre mononukleäre Zellinfiltrate, stellenweise auch zwischen den Muskelfasern. Letztere sind aber nur vereinzelt geschädigt, aber nicht von Lymphozyten infiltriert. Perizyten um das Gefäß im Bild unten rechts sind z. T. pyknotisch (Vergr. 480:1). c Granulomatöse Myositis bei M. Boeck. Im Interstitium ein Granulom mit spärlichen Lymphozyten, einzelnen Plasmazellen und reichlich Epitheloidzellen; einzelne mehrkernige Riesenzellen vom Langhans-Typ sind durch Pfeile gekennzeichnet (Vergr. 260:1). d Lym-
phoblastisches Lymphom. 5-jähriges Mädchen mit multiplen bläulichen subkutanen Herden und Muskelschmerzen. Interstitielle Infiltrate aus lymphoblastischen Zellelementen mit recht unterschiedlich großen und verschieden dichten Kernen zwischen gut erhaltenen Muskelfasern (Vergr. 240:1). e Hämangiom vom gemischten Typ mit kleinen und großen Gefäßen in der Oberschenkelmuskulatur eines 8-jährigen Mädchens. Zwischen dissoziierten Muskelfasern unterschiedlich große Blutgefäße, reichlich Fettzellen und mehrere große Lymphfollikel (Vergr. 58:1). f Embryonales Rhabdomyosarkom in der Orbita eines 6-jährigen Jungen. Ausgeprägte Zellpolymorphie mit überwiegend länglichen oder spindelförmigen Zellen, oft in Zügen verschiedener Richtung angeordnet. Vereinzelt mehrkernige Tumorzellen. Querstreifung nur elektronenmikroskopisch nachweisbar (Vergr. 330:1)
Wahrscheinlich immunpathogenetische, „idiopathische“
2.
3.
4.
5.
6.
unter anderen Bedingungen zu beobachten, so z. B. in Kernen bei der myotonischen Dystrophie [24], beim systemischen Lupus erythematodes u. a. Außerdem sind Ansammlungen paarig-helikal umeinander gewundener Filamente (PHF) analog zu den Neurofibrillen bei der Alzheimer-Krankheit nachweisbar, die licht- und immunelektronenmikroskopisch mit AT8-Antikörpern reagieren und die deshalb als phosphoryliertes Tau interpretiert werden [4]. Zudem finden sich intrazellulär 6–10 nm dünne Amyloid-ähnliche Fibrillen oder amorphes oder flockiges Material, das mit Antikörpern gegen Aβ-AmyloidVorläufer-Protein reagiert, speziell mit der Aβ42-Form des Peptids, dem eine wichtige Bedeutung in der Pathogenese der sIBM zukäme [74]. Allerdings lässt sich Aβ-Amyloid auch bei der experimentellen Chloroquin-Myopathie nachweisen, die gleichfalls mit der Bildung autophagischer Vakuolen mit myelinähnlichen Phospholipid-Ausfällungen verbunden ist [44]. Demnach ist dies ebenfalls ein unspezifisches Phänomen. Außer diesem Protein und phosphoryliertem Tau sind α1-Antichymotrypsin und Apolipoprotein E nachweisbar, dessen allelischen Varianten allerdings keine genetische Schlüsselfunktion in der weiterhin unklaren Ätiologie der sIBM zukommt [36]. Das gilt auch für die Anhäufung von TDP-43, einem nukleären Protein, dem eine regulatorische Rolle bei der Genexpression zugesprochen wird [51, 75] und das zuerst in neuronalen Einschlüssen bei der ALS sowie bei der temporofrontalen lobären Demenz oder der Kombination aus beiden gefunden worden ist, aber auch in den Vakuolen verschiedener anderer hereditärer Myopathien vorkommt, so bei der hIBM, der okulopharyngealen Muskeldystrophie und der distalen Myopathie mit „rimmed vacuoles“ (s. dort). Weiter ist LAMP-2 in den Vakuolen der Einschlusskörpermyositis nachweisbar; dieses ist aber ebenso bei der distalen Myopathie mit „rimmed vacuoles“ überexprimiert [73]. Die Vakuolen in den Muskelfasern würden von der Kernmembran ihren Ursprung nehmen, wobei das nukleäre Histon H1 von Bedeutung sei [59]. Bei der Desintegration der Kerne und der Vakuolenbildung würde auch Lamin A und Emerin eine Rolle spielen [29]. Ungeklärt ist, wie unspezifisch die verschiedenen Substanzen sind, die sich in solchen autophagischen Vakuolen anhäufen. Das gilt auch für Prionproteine. Die Vakuolen erscheinen nur in histochemischen und Paraffinpräparaten als leere Vakuolen; in optimal für die Elektronenmikroskopie fixierten Präparaten enthalten die Vakuolen membranöse („Myelin-ähnliche“) zytoplasmatische Körperchen („membranous cytoplasmic bodies“ = MCBs), die enzymhistochemisch Saure-Phosphatase-positiv reagieren und somit einem allgemeinen, nämlich dem lysosomalen Abbausystem der Zellen zuzuordnen sind (Autophagolysosomen) [8, 57, 61].
799
7. In unmittelbarer Nachbarschaft der autophagischen Vakuolen kommen in den Muskelfasern mit einiger Regelmäßigkeit abnorme Mitochondrien mit parakristallinen Einschlüssen vor [57, 62, 69]. Nicht zum typischen Bild der Einschlusskörpermyositis gehören degenerierende Kapillaren und tubuloretikuläre Strukturen („undulierende Tubuli“) in den Endothelien, wie sie für die Dermatomyositis charakteristisch sind; sie sind bisher nur bei einem 83-jährigen Patienten mit IBM gefunden worden [47]. Die Zahl der Kapillaren ist, wenn auch nicht immer, vermehrt. In der Regel sind neurogene Muskelfaseratrophien aufgrund einer begleitenden peripheren Neuropathie vorhanden [42, 69]. Ätiologie, Pathogenese. Zahlreiche Befunde sprechen dafür, dass bei der Polymyositis, Dermatomyositis und sporadischen Einschlusskörpermyositis (sIBM) gestörte Immunmechanismen im Sinne einer Autoaggressionskrankheit eine Rolle spielen. Die häufig positive Reaktion auf eine Behandlung mit Kortikosteroiden und Immunosuppressiva zumindest bei der Dermatomyositis und der Polymyositis, wenn auch nicht bei der sIBM, sowie der gelegentliche Zusammenhang mit Gefäßbindegewebskrankheiten (Kollagenosen) unterstützten diese Hypothese. Vermutlich werden Autoantigene durch MHC-Klasse-I-Moleküle an der Oberfläche von Muskelfasern präsentiert und von T-Zell-Rezeptoren auf zytotoxischen T-Zellen erkannt. Die Identität der postulierten Autoantigene ist jedoch nicht bekannt. Bestimmte Haplotypen humaner Leukozytenantigene (HLA) sowie Polymorphismen in T-Zell-Rezeptorgenen hätten einen Einfluss auf die individuelle Suszeptibilität. Gleiches gilt für Polymorphismen in den Genen bestimmter Zytokine [70]. Die experimentelle Reproduktion eines myositischen Prozesses mit Lymphozyteninfiltraten nach Immunisierung mit heterologem Muskelgewebe zusammen mit Freund-Adjuvans [21] und der Nachweis, dass Lymphozyten dieser Tiere [46] und von Patienten mit Polymyositis in Gewebekulturen Muskelgewebe zerstören [38] sowie die Übertragbarkeit dieser experimentell allergischen Polymyositis durch Lymphozyten aus dem Ductus thoracicus auf normale Ratten des gleichen Stammes sind Anhaltspunkte dafür, dass zumindest der Polymyositis ein zellgebundener Immunmechanismus zugrunde liegt. Nach bisher nicht bestätigten Experimenten wirkt als Auslöser der experimentell allergischen Myositis zumindest bei dem SJL/J-Mäusestamm die sog. Myosin-B-Fraktion von Kaninchenmuskeln, die Aktin, Myosin, Tropomyosin und viele andere Proteine enthält, zusammen mit Freund-Adjuvans [55]. Diese Form der Myositis könne auf gesunde Mäuse durch Injektion von Serum-IgG übertragen werden. Bei der sIBM werden pathogenetisch persistierende klonale Restriktionen des T-Zell-Rezeptors, nämlich der
800
37
Kapitel 37
VE6-Gen-Familie, in der CDR3- determinierenden Region der autoinvasiven CD8+-T-Zellen als Ursache der anhaltenden entzündlichen Infiltrate diskutiert [3]. Genetische Einflüsse, Geschlechtsunterschiede, virale Mechanismen und Alterseffekte spielen ebenfalls eine Rolle [60]. Analogien des in den Muskelfasern nachweisbaren Amyloids mit dem Amyloid bei der Alzheimer-Krankheit [5, 6] lassen weniger an eine immunogenetische als an eine „degenerative“ Ursache der sIBM denken. Eine zur Alzheimer-Krankheit analoge, spezifische Bedeutung von Apolipoprotein-H-(APOE-)Allelen als Ursache einer möglichen erhöhten Suszeptibilität gegenüber der sIBM ist diskutiert, aber inzwischen ausgeschlossen worden, wenn auch ein statistisch nicht signifikanter Trend zu einem früheren Krankheitsbeginn vorzuliegen scheint [60]. Interstitielle Myositis: Im Unterschied zu diesen 3 verschiedenen „idiopathischen“ Myositisformen sind die sog. interstitiellen Myositiden durch perivaskuläre entzündliche Zellinfiltrate gekennzeichnet, die nicht auf die Muskelfasern übergreifen und somit auf das Interstitium begrenzt sind (Abb. 37.2b). Sie sind in der Regel nichtmuskelspezifischen Autoimmunerkrankungen zuzuordnen, namentlich dem systemischen Lupus erythematodes, dem rheumatischen Fieber, der rheumatoiden Arthritis, der progressiven Sklerodermie, der Polyarteriitis nodosa, dem Sjögren-Syndrom usw. In einer Zusammenstellung von Peter [64] sind 20 primäre und 24 sekundäre Vaskulitiden aufgeführt, bei denen die Muskulatur allein betroffen oder im Sinne einer „interstitiellen Myositis“ beteiligt sein kann. Die interstitiellen Zellinfiltrate bestehen überwiegend aus perivaskulären mononukleären Zellen, vorwiegend Lymphozyten, Monozyten und Plasmazellen (siehe auch „Vaskulitiden“ in Kap. 25).
Fokale Myositis Unter dieser Bezeichnung wird eine klar von der Myositis ossificans und der proliferativen Myositis abgrenzbare klinisch-pathologische Krankheitseinheit bezeichnet, die durch einen benignen entzündlichen Pseudotumor des Skelettmuskels charakterisiert ist. Histopathologisch finden sich lymphozytäre Infiltrate in den perimysialen und endomysialen Spalträumen, disseminierte Fasernekrosen und -regenerationen sowie in fortgeschrittenen Stadien eine interstitielle Fibrose. Der Prozess bleibt auf eine einzelne Region begrenzt, Zeichen einer Systemerkrankung werden nicht beobachtet. Makroskopisch können Verwechslungen mit Tumoren vorkommen. Der Prozess rekurriert nicht. Die Ätiologie ist unklar [39–41, 45].
Entzündliche Myopathien
Myositis orbitalis (Pseudotumor orbitae) Der entzündliche Prozess ist hier auf die äußeren Augenmuskeln begrenzt [17]. Meistens sind auch Gewebsanteile der Orbita befallen, einschließlich des Fettgewebes, der Muskelhüllen, der extraokulären Nerven und des N. opticus, gelegentlich sogar die Sklera und die uvealen Anteile des Auges. Histopathologisch kommt es darauf an, den gutartigen entzündlichen Pseudotumor von den nach eigenen Erfahrungen unter den Orbitatumoren keineswegs seltenen primären malignen Lymphomen der Orbita zu unterscheiden. Wenn (eosinophile) Granulozyten und Plasmazellen im Zentrum des Prozesses zu finden sind, ist eher ein Pseudotumor als ein malignes Lymphom anzunehmen. Differentialdiagnostisch ist an eine eosinophile Myositis orbitalis beim Churg-Strauß-Syndrom [32] und an eine hyperthyreotische Ophthalmoplegie zu denken, wobei Letztere auch mit lymphatischen Zellinfiltraten in der Orbita einhergehen kann und pathogenetisch von der Myositis orbitalis schwer abgrenzbar ist [67]. Zudem ist eine Lähmung des 6. Hirnnerven auszuschließen [30].
Eosinophile Polymyositis Ungewöhnlich zahlreiche Muskelfasernekrosen und regenerierende Fasern mit massenhaft eosinophilen Granulozyten (Abb. 36.1a,b) finden sich gelegentlich ohne irgendeinen Hinweis auf eine parasitäre Erkrankung beim sog. „hypereosinophilen Syndrom“ [67], das zumindest in einem Teil der Fälle auf eine Tryptophanmedikation zurückzuführen ist [9] (s. S. 586). Doch ist eine eosinophile Myositis auch im Frühstadium einer J-Sarkoglykanopathie beobachtet worden [10], gelegentlich auch bei der Calpainopathie und der Muskeldystrophie vom Becker-Typ.
Polymyalgia rheumatica Dieses nosologisch unklare Krankheitsbild wird heute als ätiologisch ungeklärte entzündliche, gut auf Kortikoide ansprechende, somit gutartige, verschiedene Organe befallende Erkrankung des Präseniums und Seniums angesehen, die häufig mit einer klinisch inapparenten oder manifesten Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis, entzündliches Aortenbogensyndrom) einhergeht. Muskelbioptisch sind in aller Regel keine entzündlichen Gefäßveränderungen nachweisbar, weil nur größere Blutgefäße als die im Muskel vorhandenen betroffen sind; doch kommen ausgeprägte perikapilläre Basallaminaverdickungen sowie eine selektive Typ-2- (manchmal nur 2B)-Faseratrophie vor [26, 67] (s. Tabelle 31.4, S. 735).
801
Literatur
Granulomatöse und weitere Myositiden Grundsätzlich können alle granulomatösen Entzündungsprozesse auf den Muskel übergreifen; die tuberkulöse, die lepromatöse und die syphilitische Myositis wurden bereits bei den bakteriellen Myositiden erwähnt. Ebenso sind Pilzgranulome und eine Myositis beim M. Whipple zu nennen.
Morbus Boeck Doch gibt es eine nicht durch bekannte Erreger ausgelöste granulomatöse Myositis, die durchaus und manchmal sogar bevorzugt den Muskel befällt: Das BoeckSarkoid (Sarkoidose; Boeck-Besnier-Schaumann-Krankheit) ist charakterisiert durch die Bildung knötchenförmiger oder plaqueähnlicher Herde unter anderem auch im Muskel. Die Sarkoidose des Muskels ist relativ häufig, doch kann sie klinisch inapparent verlaufen. Die Läsionen sind spärlich verteilt, so dass Serienschnitte erforderlich sein können, um ein Granulom nachzuweisen. Neben asymptomatischen Formen und Formen mit tastbaren Knötchen gibt es Myopathien mit oder ohne Beteiligung anderer Organe [1]. Histopathologisch bestehen die typischen Granulome aus gut abgegrenzten Knötchen mit Histiozyten und Epitheloidzellen, die von Bindegewebe umgeben sind. Eine Lymphozyteninfiltration ist in der Regel vorhanden, aber geringfügig. Langhans-Riesenzellen sind häufig, aber Verkäsungsherde, wie sie bei der Tuberkulose gefunden werden, und Tuberkelbazillen sind nicht nachweisbar [43]. Die Mehrkernigkeit der Riesenzellen ist manchmal recht unscheinbar. Die Granulome liegen im Bindegewebe des Muskels und verdrängen die Muskelfasern (Abb. 37.2c). Degenerative Muskelfaserveränderungen sind nur gelegentlich nachweisbar.
Proliferative Myositis Ähnlich der Fasciitis nodularis findet sich auch im Muskelgewebe ein ähnlicher Prozess, der ein tumorartiges Wachstumsmuster aufweist [43]. Es finden sich • fibroblastenähnliche Zellelemente, die meist spindelförmig gestaltet oder sternförmig verzweigt sind, und • charakteristische große Zellen, einkernige oder doppelbzw. mehrkernige Riesenzellen mit breitem, deutlich basophilen Zytoplasma und einem Kern, der bei relativ heller Chromatinstruktur einen meist prominenten Nukleolus aufweist („ganglioide Zellen“). Derartige Zellen sind als Myofibroblasten zu deuten [66].
Monströse Riesenzellen kommen nicht vor, Mitosen nur ganz vereinzelt. Auffällig sind perivaskulär akzentuierte Lymphozyteninfiltrate, die bei den verschiedenen Fällen in wechselnder Zahl auftreten. Die interzelluläre Grundsubstanz zeigt im PAS-Astrablaupräparat eine deutliche Blaufärbung als Zeichen einer ausgeprägten Schleimbildung. Es sind sowohl neutrale als auch saure Mykopolysaccharide vermehrt. In der Peripherie ist gelegentlich eine Zone osteoiden Gewebes mit guter Differenzierung und organoidem Aufbau zu erkennen (vgl. Abbildung in [67]). Eine histogenetische Ableitung der charakteristischen Zellen, insbesondere der Riesenzellen, aus Myoblasten ist bisher nur vermutungsweise möglich [71]. Andere Autoren nehmen einen fibroblastischen Ursprung an. Wie bei der nodulären Fasziitis werden auch Myofibroblasten als typische Zellkomponenten diskutiert [76]. Eine kombinierte Vimentin- und alpha-S-Aktin-Expression ist immunhistochemisch in den Zellen nachweisbar [2]. Der Prozess ist gutartig und kommt von selbst zum Stillstand. Wichtig ist vor allem die Abgrenzung gegenüber einem mehr oder weniger differenzierten Sarkom, das radikal operiert werden müsste. Pathogenetisch sollen Traumen eine Rolle spielen.
Makrophagenmyofasziitis Diese tritt als Impfreaktion vor allem bei Säuglingen, aber auch bei Erwachsenen auf. Histopathologisch sind Makrophagen vor allem im Perimysium nachweisbar, die für Aluminium typische Spiculae enthalten. Die Infiltrate werden offensichtlich durch das manchen Impfstoffen beigefügte Aluminiumhydroxid verursacht. Doch gibt es auch eine generalisierte Form mit Symptomen ähnlich dem „Chronic-fatigue“-Syndrom“ [35]. Sie ist außerdem in Verbindung mit einer Merosinopathie und einer Dystrophinopathie beobachtet worden [58].
Literatur 1. 2.
3.
4.
Adams RD (1975) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Alex O, Wiethege T, Muller KM (1998) Myositis proliferans: a pseudosarcomatous lesion in soft tissue. Pathologe 19: 308–312 Amemiya K, Granger RP, Dalakas MC (2000) Clonal restriction of T-cell receptor expression by infiltrating lymphocytes in inclusion body myositis persists over time: studies in repeated muscle biopsies [In Process Citation]. Brain 123: 2030–2039 Askanas V, Engel WK (2008) Inclusion-body myositis: muscle-fiber molecular pathology and possible pathogenic
802
Kapitel 37
5.
6.
7.
8.
9.
10.
37
11.
12. 13.
14.
15. 16.
17.
18. 19.
20.
21.
significance of its similarity to Alzheimer’s and Parkinson’s disease brains. Acta Neuropathol 116: 583–595 Askanas V, Engel WK (1998) Sporadic inclusion-body myositis and hereditary inclusion-body myopathies: current concepts of diagnosis and pathogenesis. Curr Opin Rheumatol 10: 530–542 Askanas V, Engel WK, Alvarez RB, Frangione B, Ghiso J, Vidal R (2000) Inclusion body myositis, muscle blood vessel and cardiac amyloidosis, and transthyretin Val122Ile allele. Ann Neurol 47: 544–549 Banker BQ (1975) Dermatomyostis of childhood, ultrastructural alteratious of muscle and intramuscular blood vessels. J Neuropathol Exp Neurol 34: 46–75 Bartz-Bazzanella P, Christoph R, Weiner E, Mugler M, Schroder JM, Genth E (1997) [Diffuse fasciitis after Borrelia infection – a case report]. Z Rheumatol 56: 214–221 Bartz-Bazzanella P, Genth E, Pollmann HJ, Schröder JM, Völker A (1992) Eosinophilie-Myalgia-Syndrome mit Fasziitis und interstitieller Myositis nach L-Tryptophan-Einnahme (see comments). Z Rheumatol 51: 3–13 Baumeister SK, Todorovic S, Milic-Rasic V, Dekomien G, Lochmuller H, Walter MC (2009) Eosinophilic myositis as presenting symptom in gamma-sarcoglycanopathy. Neuromuscul Disord 19: 167–171 Bäumli HP, Mumenthaler M (1977) The perifascicular atrophy factor. An aid in the histological diagnosis of polymyositis. J Neurol 214: 129–136 Carpenter S (1996) Inclusion body myositis, a review. J Neuropathol Exp Neurol 55: 1105–1114 Carpenter S, Karpati G, Heller I, Eisen A (1978) Inclusion body myositis: a distinct variety of idiopathic inflammatory myopathy. Neurology 28: 8–17 Chahin N, Engel AG (2008) Correlation of muscle biopsy, clinical course, and outcome in PM and sporadic IBM. Neurology 70: 418–424 Chou SM (1967) Myxovirus-like structures in a case of human chronic polymyositis. Science 158: 1453–1455 Cornford ME, Ho HW, Vinters HV (1992) Correlation of neuromuscular pathology in acquired immune deficiency syndrome patients with cytomegalovirus infection and zidovudine treatment. Acta Neuropathol 84: 516–529 Costa RM, Dumitrascu OM, Gordon LK (2009) Orbital myositis: diagnosis and management. Curr Allergy Asthma Rep 9: 316–323 Crum-Cianflone NF (2008) Bacterial, fungal, parasitic, and viral myositis. Clin Microbiol Rev 21: 473–494 Dalakas MC, Rakocevic G, Shatunov A, Goldfarb L, Raju R, Salajegheh M (2007) Inclusion body myositis with human immunodeficiency virus infection: four cases with clonal expansion of viral-specific T cells. Ann Neurol 61: 466–475 Davis MJ, Cilo M, Plaitakis A, Yahr MD (1976) Trichinosis: severe myopathic involvement with recovery. Neurology 26: 37–40 Dawkins RL (1965) Experimental myositis associated with hypersensitivity to muscle. J Pathol Bacteriol 90: 619–625
Entzündliche Myopathien
22.
23.
24.
25.
26. 27.
28. 29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
De Bleecker JL, Meire VI, Van Walleghem IE, Groessens IM, Schröder JM (2001) Immunolocalization of FAS and FAS ligand in inflammatory myopathies. Acta Neuropathol (Berl) 101: 572–578 Dickoff DJ, Simpson DM, Wiley CA, Mendelson SG, Farraye J, Wolfe DE, Wachsman W (1993) HTLV-1 in acquired adult myopathy. Muscle Nerve 16: 162–165 Dieler R, Schröder JM (1990) Lacunar dilatations of intrafusal and extrafusal terminal cisternae, annulate lamellae, confronting cisternae and tubulofilamentous inclusions within the spectrum of muscle and nerve fiber changes in myotonic dystrophy. Pathol Res Pract 186: 371–382 Dimitri D, Dubourg O, Maisonobe T et al. (2008) Distal inflammatory myopathy: unusual presentation of polymyositis or new entity? Neuromuscul Disord 18: 493–500 Dubowitz V, Brooke MH (1973) Muscle biopsy: A modern approach. Saunders, London Philadelphia Toronto Emslie-Smith AM, Engel AG (1990) Microvascular changes in early and advanced dermatomyositis: a quantitative study. Ann Neurol 27: 343–356 Fidzianska A (1973) Virus-like structures in muscle in chronic polymyositis. Acta Neuropathol 23: 23–31 Fidzianska A, Glinka Z, Kaminska A, Niebroj-Dobosz I (2008) Altered distribution of lamin and emerin in muscle nuclei of sIBM patients. Clin Neuropathol 27: 424–429 Fischer M, Kempkes U, Haage P, Isenmann S (2009) Recurrent orbital myositis mimicking sixth nerve palsy: diagnosis with MR imaging. AJNR Am J Neuroradiol 31: 275–276 Fujii K, Moriya Y, Fujita S, Akasu T, Miyake H, Nakanishi Y, Saito T (2000) Dermatomyositis accompanied by rectal cancer: report of a case. Surg Today 30: 302–304 Fujii T, Norizuki M, Kobayashi T, Yamamoto M, Kishimoto M (2009) A case of eosinophilic orbital myositis associated with CSS. Mod Rheumatol 20: 196–199 Fukuhara N (1979) Electron microscopical demonstration of nucleic acids in virus-like particles in the skeletal muscle of a traffic accident victim. Acta Neuropathol (Berl) 47: 55–59 Genth E, Kaufmann S, Schröder JM, Hartl PW (1985) Zum Krankheitsbild der juvenilen Dermatomyositis. Medwelt 36: 1302–1311 Gherardi RK, Coquet M, Cherin P et al. (2001) Macrophagic myofasciitis lesions assess long-term persistence of vaccine-derived aluminium hydroxide in muscle. Brain 124: 1821–1831 Gossrau G, Gestrich B, Koch R et al. (2004) Apolipoprotein E and alpha-1-antichymotrypsin polymorphisms in sporadic inclusion body myositis. Eur Neurol 51: 215–220 Gunawardena H, Betteridge ZE, McHugh NJ (2008) Newly identified autoantibodies: relationship to idiopathic inflammatory myopathy subsets and pathogenesis. Curr Opin Rheumatol 20: 675–680 Haas DC, Arnason BG (1974) Cell-mediated immunity in polymyositis. Creatine phosphokinase release from muscle cultures. Arch Neurol 31: 192–196
Literatur
39. 40.
41. 42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
Heffner RR Jr, Armbrustmacher VW, Earle KM (1977) Focal myositis. Cancer 40: 301–306 Heffner RR Jr, Barron SA (1980) Denervating changes in focal myositis, a benign inflammatory pseudotumor. Arch Pathol Lab Med 104: 261–264 Heffner RR Jr, Barron SA (1981) Polymyositis beginning as a focal process. Arch Neurol 38: 439–442 Hermanns B, Molnar M, Schroder JM (2000) Peripheral neuropathy associated with hereditary and sporadic inclusion body myositis: confirmation by electron microscopy and morphometry. J Neurol Sci 179: 92–102 Hewlett RH, Brownell B (1975) Granulomatous myopathy: its relationship to sarcoidosis and polymyositis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 38: 1090–1099 Ikezoe K, Furuya H, Arahata H, Nakagawa M, Tateishi T, Fujii N, Kira J (2009) Amyloid-beta accumulation caused by chloroquine injections precedes ER stress and autophagosome formation in rat skeletal muscle. Acta Neuropathol 117: 575–582 Isaacson G, Chan KH, Heffner RR Jr (1991) Focal myositis. A new cause for the pediatric neck mass. Arch Otolaryngol Head Neck Surg 117: 103–105 Kakulas BA (1966) Destruction of differentiated muscle cultures by sensitised lymphoid cells. J Pathol Bacteriol 91: 495–503 Katzberg HD, Munoz DG (2010) Tubuloreticular inclusions in inclusion body myositis. Clin Neuropathol 29: 262–266 Koffman BM, Rugiero M, Dalakas MC (1998) Immunemediated conditions and antibodies associated with sporadic inclusion body myositis. Muscle Nerve 21: 115– 117 Koffman BM, Sivakumar K, Simonis T, Stroncek D, Dalakas MC (1998) HLA allele distribution distinguishes sporadic inclusion body myositis from hereditary inclusion body myopathies. J Neuroimmunol 84: 139–142 Kurup A, Yew WS, San LM, Ang B, Lim S, Tai GK (2000) Outbreak of suspected trichinosis among travelers returning from a neighboring island. J Travel Med 7: 189–193 Kusters B, van Hoeve BJ, Schelhaas HJ, Ter Laak H, van Engelen BG, Lammens M (2009) TDP-43 accumulation is common in myopathies with rimmed vacuoles. Acta Neuropathol 117: 209–211 Liang Y, Inukai A, Kuru S, Kato T, Doyu M, Sobue G (2000) The role of lymphotoxin in pathogenesis of polymyositis. Acta Neuropathol (Berl) 100: 521–527 Love LA, Leff RL, Fraser DD, Targoff IN, Dalakas M, Plotz PH, Miller FW (1991) A new approach to the classification of idiopathic inflammatory myopathy: myositis-specific autoantibodies define useful homogeneous patient groups. Medicine (Baltimore) 70: 360–374 Lundberg IE, Grundtman C (2008) Developments in the scientific and clinical understanding of inflammatory myopathies. Arthritis Res Ther 10: 220 Matsubara S, Shima T, Takamori M (1993) Experimental allergic myositis in SJL/J mice immunized with rabbit my-
803
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66. 67. 68.
69.
70.
71.
osin B fraction: immunohistochemical analysis and transfer. Acta Neuropathol 85: 138–144 Miller FW, Love LA, Barbieri SA, Balow JE, Plotz PH (1990) Lymphocyte activation markers in idiopathic myositis: changes with disease activity and differences among clinical and autoantibody subgroups. Clin Exp Immunol 81: 373–379 Molnar M, Schröder JM (1998) Pleomorphic mitochondrial and different filamentous inclusions in inflammatory myopathies associated with mtDNA deletions. Acta Neuropathol (Berl) 96: 41–51 Müller HD, Landeghem FK, Schmidt PF, Sommer C, Goebel HH (2009) Macrophagic myofasciitis plus (distinct types of muscular dystrophy). Neuropediatrics 40: 174–178 Nakano S, Shinde A, Fujita K, Ito H, Kusaka H (2008) Histone H1 is released from myonuclei and present in rimmed vacuoles with DNA in inclusion body myositis. Neuromuscul Disord 18: 27–33 Needham M, Hooper A, James I, van Bockxmeer F, Corbett A, Day T, Garlepp MJ, Mastaglia FL (2008) Apolipoprotein epsilon alleles in sporadic inclusion body myositis: a reappraisal. Neuromuscul Disord 18: 150–152 Oldfors A, Moslemi AR, Fyhr IM, Holme E, Larsson NG, Lindberg C (1995) Mitochondrial DNA deletions in muscle fibers in inclusion body myositis. J Neuropathol Exp Neurol 54: 581–587 Oldfors A, Moslemi AR, Jonasson L, Ohlsson M, Kollberg G, Lindberg C (2006) Mitochondrial abnormalities in inclusion-body myositis. Neurology 66: S 49–55 Peng A, Koffman BM, Malley JD, Dalakas MC (2000) Disease progression in sporadic inclusion body myositis: observations in 78 patients. Neurology 55: 296–298 Peter HH (1991) Vasculitiden. In: Gerok W, Hartmann F, Schustger HP (eds) Klinische Immunologie. Band 9, Innere Medizin der Gegenwart. Urban & Schwarzenberg, München, S 637 Plamondon S, Dent PB (2000) Juvenile amyopathic dermatomyositis: results of a case finding descriptive survey [In Process Citation]. J Rheumatol 27: 2031–2034 Rosenberg AE (2008) Pseudosarcomas of soft tissue. Arch Pathol Lab Med 132: 579–586 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Bertram M, Schnabel R, Pfaff U (1992) Nuclear and mitochondrial changes of muscle fibers in AIDS after treatment with high doses of zidovudine. Acta Neuropathol 85: 39–47 Schröder JM, Molnar M (1997) Mitochondrial abnormalities and peripheral neuropathy in inflammatory myopathy, especially inclusion body myositis. Mol Cell Biochem 174: 277–281 Shamim EA, Rider LG, Miller FW (2000) Update on the genetics of the idiopathic inflammatory myopathies. Curr Opin Rheumatol 12: 482–491 Stiller D, Katenkamp D (1975) The subcutaneous fascial analogue of myositis proliferans: electron microscopic ex-
804
Kapitel 37
72.
73.
74.
75.
76.
37
amination of two cases and comparison with myositis ossificans localisata. Virchows Arch A Pathol Anat Histol 368: 361–371 Stumpf J, Kaduk B, Undeutsch K, Landgraf H, Gofferje H (1978) Trichinose: Epidemiology, KliniK und Diagnose. Dtsch Med Wochenschr 103: 1556–1558, 1561–1552 Tsuruta Y, Furuta A, Furuta K, Yamada T, Kira J, Iwaki T (2001) Expression of the lysosome-associated membrane proteins in myopathies with rimmed vacuoles. Acta Neuropathol 101: 579–584 Vattemi G, Nogalska A, King Engel W, D’Agostino C, Checler F, Askanas V (2009) Amyloid-beta42 is preferentially accumulated in muscle fibers of patients with sporadic inclusion-body myositis. Acta Neuropathol 117: 569–574 Weihl CC, Temiz P, Miller SE et al. (2008) TDP-43 accumulation in inclusion body myopathy muscle suggests a common pathogenic mechanism with frontotemporal dementia. J Neurol Neurosurg Psychiatry 79: 1186–1189 Wirman JA (1976) Nodular fasciitis, a lesion of myofibroblasts: an ultrastructural study. Cancer 38: 2378–2389
Entzündliche Myopathien
Kapitel 38
38
Tumoren
J.M. Schröder Inhalt Tumoren der Skelettmuskelfasern . . . . . . . . . . . . .
806
Granularzelltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
807
Rhabdomyome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
806
Alveoläre Weichteilsarkome . . . . . . . . . . . . . . .
808
Rhadomyosarkome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
806
Tumoren des interstitiellen Gewebes . . . . . . . . . . .
808
Juveniles Rhabdomyosarkom . . . . . . . . . . . . .
807
Hämangiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
808
Embryonales Rhabdomyosarkom . . . . . . . . . . .
807
Desmoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
808
Adultes Rhabdomyosarkom . . . . . . . . . . . . . .
807
Metastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
810
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
810
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_38, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
806
Kapitel 38
Unter den Muskeltumoren sind die Tumoren der Muskelzellen selbst von Tumoren des interstitiellen Binde-, Gefäß-, Fett- und Nervengewebes (ausführliche Darstellung siehe [4, 28] sowie von den hier extrem seltenen Metastasen zu unterscheiden. Obwohl die Skelettmuskulatur etwa 45% des Körpergewichts ausmacht, ist die Zahl der vom quergestreiften Muskelgewebe selbst ausgehenden Tumoren unverhältnismäßig gering. Unter 83.000 Biopsien wurden nur 30 Tumoren gezählt, die von der Skelettmuskulatur ausgegangen waren [18]. Andererseits zählen maligne Tumoren mit quergestreiften Muskelfasern (Rhabdomyosarkome), wenn man auch die hinzurechnet, die nicht in der Skelettmuskulatur entstehen, zu den häufigsten bösartigen Tumoren des mesenchymalen Gewebes im Alter unter 15 Jahren.
Tumoren der Skelettmuskelfasern
38
Unter den Tumoren der quergestreiften Skelettmuskelfasern lassen sich die seltenen benignen Rhabdomyome von den malignen Rhabdomyosarkomen unterscheiden. Ob auch die Granularzelltumoren („Granularzellmyoblastome“) hierher gehören, ist umstritten; sie wurden zeitweise als Abkömmlinge von Schwann-Zellen angesehen. Gleiches gilt für die „malignen Granularzelltumoren“, die auch als alveoläre Weichteilsarkome bezeichnet werden, doch sind sie nach molekulargenetischen Untersuchungen myogenen Ursprungs (s. unten).
Rhabdomyome Die Rhabdomyome bilden eine sehr seltene Gruppe benigner Tumoren, die nur ausnahmsweise dort zu finden sind, wo man sie eigentlich erwartet, nämlich in der Skelettmuskulatur [1, 8]. Sie können vorkommen in der Lippe, in der Zunge, im weichen Gaumen, in der Nackenmuskulatur und im Herzen, hier öfter im Rahmen der tuberösen Sklerose, sowie an Stellen, die zum Teil gar kein quergestreiftes Muskelgewebe enthalten, so in Blase, Niere, Hoden, Prostata, Vagina, wahrscheinlich im Uterus, im Gastrointestinaltrakt, im Ösophagus und im Nasen-Rachen-Raum. Außerdem sind sie gelegentlich in Teratomen zu finden. Histopathologisch sind sie durch unterschiedlich gestaltete und verschieden große Zellen charakterisiert, die im Bereich differenzierter Areale Bündel parallel ausgerichteter oder verflochtener quergestreifter Muskelfasern enthalten [12, 17, 25]. Eine Sonderstellung nehmen die kongenitalen Rhabdomyome des Herzens ein, die als Missbildungstumoren aufzufassen und auf Mutationen im TSC1-Gen zurückzuführen sind [26]. Sie sind durch
Tumoren
große Zellen mit vakuolisiertem Zytoplasma charakterisiert, wobei die Vakuolen durch die Herauslösung umfangreicher Glykogenanhäufungen während der üblichen histologischen Bearbeitung entstehen. Quergestreifte Myofibrillen sind gelegentlich konzentrisch um den Kern herum oder zwischen den Vakuolen angeordnet („Spinnenzellen“) [1].
Rhadomyosarkome Die Rhabdomyosarkome gelten als die häufigsten bösartigen Tumoren der Weichteilgewebe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen [28]. Elektronenmikroskopische [15], molekulargenetische und immunhistochemische Untersuchungen helfen bei der Differenzierung [3, 9]. Für die Lokalisation gilt das Gleiche wie für die Rhabdomyome, d. h., sie kommen auch an Stellen vor, an denen keine quergestreiften Muskelfasern vorhanden sind. Vermutlich entstehen sie aus undifferenzierten Mesenchymzellen. Alters- und Geschlechtsverteilung. Eine Untersuchung von Kindern ergab eine doppelgipflige Altersverteilung: ein Gipfel kurz nach der Geburt und ein weiterer zwischen dem 15. und 19. Lebensjahr. Der 1. Gipfel beruht vorwiegend auf Tumoren im Bereich des Kopfes, des Nackens und des Urogenitaltrakts; der Gipfel im späten Adoleszentenalter ist demgegenüber auf Tumoren der Hoden und benachbarter Strukturen zurückzuführen. Rhabdomyosarkome des Magens sind sehr selten und überzufällig häufig mit einem Adenokarzinom des Magens kombiniert [11]. Die Geschlechtsverteilung beträgt bei Tumoren des Urogenitaltraktes 2,0 (M/F) und bei den Rhabdomyosarkomen im Kopf-Nacken-Bereich 1,2. An den Extremitäten scheint die Häufigkeit in Relation zur Muskelmasse zu stehen [19]. Klassifikation. Die Rhabdomyosarkome lassen sich in eine embryonale, eine alveoläre und eine pleomorphe Tumorform einteilen, wobei das juvenile Rhabdomyosarkom dem embryonalen und alveolären Typ und das adulte dem pleomorphen Rhabdomyosarkom entspricht. Allerdings kommen embryonale Formen auch im Erwachsenenalter vor [27]. Morphologie. Das makroskopische Erscheinungsbild der Rhabdomyosarkome ist uncharakteristisch und durch den anatomischen Sitz bestimmt. Sie wachsen diffus infiltrierend, haben auf der Schnittfläche eine grauweißliche Farbe und eine je nach Fasergehalt unterschiedlich feste Konsistenz. Submukös in Hohlorganen wachsende Tumoren, so z. B. im Urogenitaltrakt, im Gal-
807
Tumoren der Skelettmuskelfasern
lengang, im Pharynx, in der Nasenhöhle, in der Orbita und im Hörkanal, können traubenförmig-polypös wachsen; das hat zu der Bezeichnung botryoides Sarkom geführt. Prognose. Der juvenile und der adulte Typ des Rhabdomyosarkoms unterscheiden sich zwar im Hinblick auf die Lokalisation und das histologische Erscheinungsbild, kaum jedoch hinsichtlich der Malignität. Beide führen in der Regel zum Tod. Metastasen sind zum Zeitpunkt der Diagnose bereits in etwa 20% der Fälle vorhanden [28]. 74 von 94 Patienten mit einem alveolären Rhabdomyosarkom sind während des ersten Jahres gestorben, meistens mit Metastasen in den regionalen Lymphknoten und in der Lunge [10]. Als wichtigstes prognostisches Kriterium des alveolären Rhabdomyosarkoms gilt das Alter der Patienten und eine Lymphknotenmetastasierung [23]. Entsprechend zeigt der embryonale Typ des Rhabdomyosarkoms einen frühen Mortalitätsgipfel – besonders früh, wenn der Tumor im Bereich des Urogenitaltrakts auftritt (im Vergleich zur primären Lokalisation am Kopf und im Nacken). Die mittlere Überlebenszeit betrug 8 3/4 Monate.
Juveniles Rhabdomyosarkom Morphologisch ist diese Form des Rhabdomyosarkoms durch ein alveoläres oder embryonales Wachstumsmuster gekennzeichnet (in Hohlorganen auch traubenförmigpolypös, „botryoid“, wachsend). Die alveolären Rhabdomyosarkome bestehen aus differenzierten Rhabdomyoblasten und multinukleären Riesenzellen mit randständigen Kernen. Solide und medulläre Anteile eines undifferenzierten Tumors können malignen Lymphomen ähneln, was etwa bei der Hälfte der Fälle vorkommt. Charakteristisches diagnostisches Kennzeichen ist das pseudoalveoläre Wachstumsmuster. In der Mehrzahl der Fälle ist es vorhanden; doch gelegentlich wird es durch eine ausgedehnte Fibrose überlagert, die zu einem dichten, schwammartigen Netzwerk hyalinisierter fibröser Gewebsteile führt. Ein solides Wachstumsmuster geht vermutlich dem pseudoalveolären voraus. Weniger charakteristisch, wenn auch wichtig für die Diagnose, ist das Vorkommen differenzierter Myoblasten mit einem fibrillären oder feingepunktelten, intensiv eosinophilen Zytoplasma. Rhabdomyoblasten mit klar erkennbarer Querstreifung sind nur bei 1/3 der Fälle nachweisbar. Chromosomale Translokationen t(2;13) (q35;35; q14) und das Genfusionsprodukt PAX3-FKHR seien für das alveoläre Rhabdomyosarkom von diagnostischer Bedeutung [16].
Embryonales Rhabdomyosarkom Gegenüber dem juvenilen Typ sind die embryonalen Rhabdomyosarkome teils wenig (Abb. 37.2f), teilweise aber auch recht gut differenziert. Feinstrukturell finden sich undifferenzierte Zellen, die große Mengen an ungeordnet im Sarkoplasma liegenden Aktinomyosinfilamenten enthalten. Neben den reifen oder unreifen rhabdomyoblastenähnlichen Zellen finden sich auch undifferenzierte mesenchymale Tumorzellen und Tumorzellen mit intermediären Filamenten. Feinstrukturelle Untersuchungen haben zu der Auffassung geführt, dass der Tumor aus undifferenzierten mesenchymalen Tumorzellen entsteht. Nur bei etwa 1/3 der Tumoren ist lichtmikroskopisch eine Querstreifung erkennbar, doch können bei den übrigen Fällen elektronenmikroskopisch auch noch die Vorstufen der Myofibrillen in Gestalt einzelner Aktinund Myosinfilamente nachweisbar sein [5, 15].
Adultes Rhabdomyosarkom Im Gegensatz zu den anderen beiden Formen sind die adulten Rhabdomyosarkome eher pleomorph gestaltet. Es finden sich vor allem 3 verschiedene Zellformen: • abgerundete oder streifenförmige Zellen mit 2 oder mehr tandemartig hintereinander angeordneten Kernen; • tennisschlägerförmige Zellen mit einem einzelnen Kern am erweiterten Ende und einem zugespitzten Leib, der einen Ausläufer bildet, oder • abgerundete kleinere Zellen mit einem Kern oder größeren Zellen mit mehreren Kernen. Das Zytoplasma ist eosinophil und kann in wechselnder Menge Myofibrillen enthalten. Wenn der HE-mikroskopische, immunhistochemische oder elektronenmikroskopische Myofibrillennachweis nicht gelingt, ist die Diagnose nicht einfach.
Granularzelltumoren Die Granularzelltumoren („Granularzellmyoblastom“, Abrikossoff-Tumor) kommen nicht nur im Muskel vor, sondern auch in verschiedenen anderen Geweben: Haut, Schleimhäute, Verdauungskanal, Brust, Orbita, Larynx, Blase, Uterus, Vulva, Omentum, Retroperitoneum, Hypophysenstiel, ZNS und kleine Nerven. Ihre enge Beziehung zu peripheren Nerven und ihre immunhistochemischen Eigenschaften weisen auf einen neurogenen, nicht aber, wie ursprünglich von Abrikossoff angenommen, auf einen myogenen Ursprung hin [28]. 10% der Tumoren treten bei Kindern auf (in der Regel an der
808
Kapitel 38
Brust, am Rücken und an den oberen Extremitäten). Bei 8–10% der Patienten finden sich multiple Granularzelltumoren. Nur 2% sind maligne. Mikroskopisch zeichnen sie sich durch große Zellen mit kleinen Kernen aus (Abb. 38.1a). Die Zellen werden einzeln oder in kleinen Gruppen von einem Retikulinfasergerüst umhüllt (Abb. 38.1b). Im Zytoplasma finden sich reichlich Granula, die dem Tumor seinen Namen gegeben haben. Diese Granula sind z. T. azidophil und zeigen eine positive PAS-Reaktion; sie sind vermutlich lysosomalen Ursprungs. Die Granularzelltumoren werden zytogenetisch zumeist von Schwann-Zellen abgeleitet, da sie eine positive Immunreaktion für Protein S-100 aufweisen, Granularzellen am Hypophysenstiel wiederum von Pituizyten und solche im ZNS von Astrozyten oder Histiozyten aufgrund ihrer immunhistochemischen Reaktion mit Antikörpern gegen GFAP, CD68 und α-1-Antitrypsin. Doch gilt für sie vermutlich das Gleiche wie für die alveolären Weichteilsarkome (s. unten). Elektronenmikroskopisch erkennt man in diesen Zellen charakteristische granuläre, z. T. von Membranen umgebene, also intravakuoläre Einschlüsse (Abb. 38.1c), die sich von denen beim alveolären Weichteilsarkom unterscheiden (Abb. 38.1d–f). Außerdem kommen intermediäre Filamente vor, insbesondere in der Peripherie; doch lassen sich daraus keine weiteren zytogenetischen Schlüsse ziehen.
38
Tumoren
gegenüber Diastaseverdauung resistent. Elektronenmikroskopisch zeigen die Granula im Unterschied zu denen der benignen Granularzelltumoren parakristalline Strukturen mit parallelgeschichteten Lamellen (Abb. 38.1d,f). Diese Strukturen sind pathognomonisch für den Tumor. Die malignen Granularzelltumoren metastasieren leicht, insbesondere in das Zentralnervensystem [7].
Tumoren des interstitiellen Gewebes Zu diesen Tumoren gehören Lipome, Liposarkome, Fibrome, Fibrosarkome, Myxome, myxoide Liposarkome, Neurinome, Neurofibrome, Angiome, Angiolipome, Hämangioperizytome (solitäre fibröse Tumoren), Synovialome, Ganglien, Desmoidtumoren u. a. Sie unterscheiden sich größtenteils nicht von den gleichnamigen Tumoren anderer Organe.
Hämangiome Gefäßgeschwülste treten besonders häufig auf, wobei ein Typ mit kleinen Gefäßen, einer mit großen Gefäßen und ein solcher vom gemischten Typ (Abb. 37.2e) zu unterscheiden sind [2].
Alveoläre Weichteilsarkome Diese Tumoren, früher auch als „maligne Granularzelltumoren“ bezeichnet, kommen an Stellen vor, an denen auch die gutartigen Granularzelltumoren auftreten. Nach RTPCR-Untersuchungen der Expression von MyoD1 und Myogenin sowie verschiedener mRNAs von Actinfilamenten seien die Tumorzellen myogenen Ursprungs [20]. Lichtmikroskopisch unterscheiden sie sich gegenüber den Letzteren u. a. durch ihre größeren Kerne. Ihr organoides Wachstum (Abb. 38.1e) ähnelt dem in nichtchromaffinen Paragangliomen. Die kleinen Gruppen abgerundeter Zellen werden von einem Gefäßbindegewebsgerüst umgeben; sie enthalten Granula, die teils azidophil, teils neutrophil oder amphophil reagieren. Sie sind PAS-positiv, aber
Abb. 38.1a–f Granularzelltumor in der Orbita eines 57-jährigen Mannes. a Kleine Haufen oder Gruppen eng zusammen liegender zytoplasmareicher granulierter Zellen werden von reichlich Bindegewebe umgeben (Vergr. 830:1). b Die Retikulinfaserimprägnation nach Gomori ergibt ein alveoläres Fasergerüst, das die meist in Gruppen zusammen liegenden Tumorzellen umhüllt (Vergr. 140:1). c Im Zytoplasma der Tumorzellen reichlich pleomorphe Granula, die oft von einer Membran umgeben sind und ihrerseits wieder in unterschiedlicher Dichte reichlich feingranulierte Sub-
Desmoide Desmoide können sporadisch vorkommen, aber auch als extraintestinale Manifestation im Rahmen der sog. familiären adenomatösen Polypose (FAP), der Mutationen im APC-Gen zugrunde liegen [6]. Diese Tumoren ähneln hyperplastischem Narbengewebe, infiltrieren aber die Umgebung, insbesondere das benachbarte Muskelgewebe, so dass es nach Exzisionen leicht zu Rezidiven kommen kann. Sie metastasieren aber nicht. Durch Umwachsen wichtiger Nerven und Arterien kann es zu erheblichen Beschwerden kommen, so z. B. in der Achselhöhle oder in der Kniekehle. Sie kommen besonders häufig in
stanzen enthalten. Zelloberfläche im Bild links, Kern rechts (mäßige Gewebserhaltung aufgrund initialer Formalinfixation; Vergr. 28.000:1). d–f Alveoläres Weichteilsarkom in der Orbita eines 19-jährigen Mannes. d Typische parakristalline Einschlüsse im Zytoplasma. Eine Granulierung wie in c ist in diesen Zelleinschlüssen nicht nachweisbar (Fixation wie in c; Vergr. 20.000:1). e Lichtmikroskopischer Ausschnitt (Vergr. 460:1). f Stärkere Vergrößerung der parakristallinen Einschlüsse in d (Vergr. 29.000:1)
809
Tumoren des interstitiellen Gewebes
a
b
c
d f
e
810
Kapitel 38
der Bauchwandmuskulatur von Frauen nach der Schwangerschaft vor (2/3 der Desmoide [1, 28].
Tumoren
7. 8.
Metastasen
38
Eigentümlicherweise metastasieren die meisten häufigen malignen Tumoren des menschlichen Körpers nur sehr selten in die Skelettmuskulatur. Unter 500 autoptisch untersuchten Krebspatienten fanden sich nur 4 Fälle mit Metastasen im Skelettmuskelgewebe [1]. Darunter befanden sich zwei Epidermoidkarzinome aus dem Kopf- und Nackenbereich sowie zwei Schilddrüsenkarzinome. Einzelfallberichte gibt es jedoch immer wieder einmal, z. B. diffuse Skelettmuskelmetastasen bei einem Urothelkarzinom [29], eine vom Ursprungsort weit entfernte Skelettmuskelmetastase bei einem intrahepatischen Cholangiokarzinom [21] oder eine Bizepsmetastase bei einem Zervixkarzinom [14], um nur einige zu nennen. Ob es sich dabei jeweils um eine vom angrenzenden Bindegewebe ausgehende Metastase gehandelt hat, bleibt dahingestellt; so konnten wir z. B. eine Muskelinfiltration durch ein benachbartes Meningeom dokumentieren [24]. Die Ursache für die Seltenheit von Metastasen im Muskel ist unklar. In Kokulturen hätten aber myogene Zellen einen hemmenden, zytostatischen und zytotoxischen Effekt auf metastatische Melanom- und Karzinomzellen, wobei der Transkriptionsfaktor MiTF eine Rolle spielen soll, der ein Hauptregulator der Melanozytenentwicklung und ein Melanomonkogen darstellt [22].
9.
10. 11.
12. 13.
14.
15.
16. 17.
18.
Literatur 1. 2. 3.
4.
5.
6.
Adams RD (1975) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Allen PW, Enzinger FM (1972) Hemangioma of skeletal muscle. An analysis of 89 cases. Cancer 29: 8–22 Bridge JA, Liu J, Weibolt V et al. (2000) Novel genomic imbalances in embryonal rhabdomyosarcoma revealed by comparative genomic hybridization and fluorescence in situ hybridization: an intergroup rhabdomyosarcoma study. Genes Chromosomes Cancer 27: 337–344 Cardesa A, Mentzel T, Rudolph P, Slootweg PJ (eds) (2009) Kopf-Hals-Region, Weichgewebstumoren, Haut. Springer, Berlin Heidelberg New York Churg A, Ringus J (1978) Ultrastructural observations on the histogenesis of alveolar rhabdomyosarcoma. Cancer 41: 1355–1361 Couture J, Mitri A, Lagace R et al. (2000) A germline mutation at the extreme 3’ end of the APC gene results in a severe desmoid phenotype and is associated with overexpression of beta- catenin in the desmoid tumor. Clin Genet 57: 205–212
19.
20.
21.
22.
23.
24. 25.
Dehner LP (1975) Pediatric surgical pathology. Mosby, Saint Louis Di Sant’Agnese PA, Knowles DMd (1980) Extracardiac rhabdomyoma: a clinicopathologic study and review of the literature. Cancer 46: 780–789 Dias P, Chen B, Dilday B et al. (2000) Strong immunostaining for myogenin in rhabdomyosarcoma is significantly associated with tumors of the alveolar subclass. Am J Pathol 156: 399–408 Enzinger FM, Shiraki M (1969) Alveolar rhabdomyosarcoma. An analysis of 110 cases. Cancer 24: 18–31 Fox KR, Moussa SM, Mitre RJ, Zidar BL, Raves JJ (1990) Clinical and pathologic features of primary gastric rhabdomyosarcoma. Cancer 66: 772–778 Gad A, Eusebi V (1975) Rhabdomyoma of the vagina. J Pathol 115: 179–181 Hiona A, Leeuwenburgh C (2008) The role of mitochondrial DNA mutations in aging and sarcopenia: implications for the mitochondrial vicious cycle theory of aging. Exp Gerontol 43: 24–33 Karunanithi G, Sethi P, Reddy KS, Rani PR (2010) Skeletal muscle metastasis from carcinoma cervix: a case report. J Gynecol Oncol 21: 196–198 Kastendieck H, Böcker W, Hüsselmann H (1976) Zur Ultrastruktur und formalen Pathogenese des embryonalen Rhabdomyosarcoms. Z Krebsforsch 86: 55–68 Katenkamp K, Katenkamp D (2009) Weichgewebstumoren. Dtsch Arztebl Int 106: 632–636 Marquart KH (1978) Intracristale lineare Einschlüsse in Mitochondrien menschlicher Rhabdomyomzellen. Virchows Arch A Pathol Pathol Anat 378: 133–141 McClemont JM, Webb JN (1976) Tumours arising in skeletal muscle in adults. J Pathol 118: 113–120 Miller RW, Dalager NA (1974) Fatal rhabdomyosarcoma among children in the United States, 1960–69. Cancer 34: 1897–1900 Nakano H, Tateishi A, Imamura T et al. (2000) RT-PCR suggests human skeletal muscle origin of alveolar soft-part sarcoma. Oncology 58: 319–323 Park SK, Kim YS, Kim SG et al. (2010) Detection of distant metastasis to skeletal muscle by (18)F-FDG-PET in a case of intrahepatic cholangiocarcinoma. Korean J Hepatol 16: 325–328 Parlakian A, Gomaa I, Solly S, Arandel L, Mahale A, Born G, Marazzi G, Sassoon D (2010) Skeletal muscle phenotypically converts and selectively inhibits metastatic cells in mice. PLoS One 5:e9299 Reboul-Marty J, Quintana E, Mosseri V, Flamant F, Asselain B, Rodary C, Zucker JM (1991) Prognostic factors of alveolar rhabdomyosarcoma in childhood. An International Society of Pediatric Oncology study. Cancer 68: 493–498 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Scrivner D, Meyer JS (1980) Multifocal recurrent adult rhabdomyoma. Cancer 46: 790–795
Literatur
26.
27.
28. 29.
Smith M, Sperling D (1999) Novel 23-base-pair duplication mutation in TSC1 exon 15 in an infant presenting with cardiac rhabdomyomas. Am J Med Genet 84: 346–349 Waring PM, Newland RC (1992) Prostatic embryonal rhabdomyosarcoma in adults. A clinicopathologic review. Cancer 69: 755–762 Weiss SW, Goldblum JR (2008) Soft Tissue Tumors. Mosby Elsevier Ying-Yue J, Shen SH, Wang JH (2010) Unusual presentation of urothelial carcinoma of the bladder with noncontiguous rectal and diffuse muscular skeletal metastases. J Urol 184: 1163–1164
811
Kapitel 39
Erkrankungen der motorischen Endplatten und Muskelspindeln
39
J.M. Schröder Inhalt Myasthenia gravis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
814
Neonatale Myasthenie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
817
Toxische und medikamentöse Störungen der neuromuskulären Überleitung . . . . . . . . . . . .
819
Botulismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
819
Myasthenische Syndrome und symptomatische Myasthenien . . . . . . . . . . . .
817
Tetanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
819
Lambert-Eaton-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . .
817
Tierische Gifte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
819
Kongenitale myasthenische Syndrome (KMS) . . . .
817
Cholinesteraseinhibitoren . . . . . . . . . . . . . . . .
820
Präsynaptische Syndrome . . . . . . . . . . . . . . .
817
Veränderungen an den Muskelspindeln . . . . . . . . .
820
Postsynaptische Syndrome . . . . . . . . . . . . . .
818
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
820
Symptomatische Myasthenien . . . . . . . . . . . . .
818
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_39, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
814
Kapitel 39
Verschiedene Erkrankungen werden primär durch Störungen der neuromuskulären Überleitung bzw. Veränderungen an der motorischen Endplatte verursacht (Tabelle 39. 1 und 39.2). Abzugrenzen von den Erkrankungen der motorischen Endplatte sind Krankheitsbilder wie das „Stiff-man“-Syndrom [36] (Neuromyotonie [34]; „Syndrom der kontinuierlichen Muskelfaseraktivität“ [25]) und andere mit erhöhter Erregbarkeit der Motoneurone verbundene Krankheitsbilder. Das Stiff-man-Syndrom, das besser als Stiff-personSyndrom bezeichnet wird, weil es Männer und Frauen in gleicher Weise betrifft, ist inzwischen als zentralnervöses paraneoplastisches Syndrom gedeutet worden, das auf IgG-Antikörper gegen Amphiphysin zurückzuführen ist und sich passiv auf Ratten übertragen lässt [54, 55]. (Zu den verschiedenen Myotonien hat das Stiff-person-Syndrom keine pathogenetische Beziehung, auch wenn es, wie bereits erwähnt, als „Neuromyotonie“ beschrieben worden ist.)
Erkrankungen der motorischen Endplatten
Myasthenia gravis Die generalisierte Myasthenia gravis ist eine chronische Autoimmunkrankheit, die in 80–85% der Fälle durch Autoantikörper gegen den nikotinischen Acetylcholinrezeptor (AChR-Ab) verursacht wird. 40% der Patienten ohne AchR-Ab haben Antikörper gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase (MuSK), ein postsynaptisches Protein. Eine Myasthenia gravis ohne Antikörper gegen weder den AchR noch die MuSK wird als „seronegative Myasthenia gravis“ bezeichnet. Klinik. Es handelt sich um eine spezifische Muskelkrankheit, die durch eine abnorme Muskelschwäche in willkürlich innervierten Muskeln nach wiederholter Aktivierung und längerer Anspannung gekennzeichnet ist; die Muskelkraft erholt sich in der Regel nach einer Zeit der Ruhe und Inaktivität und verminderter Muskelspannung. Manche Autoren rechnen auch die positive Reaktion auf Anticholinesterasemittel (Prostigmintest) zur Definition [52, 53].
Tabelle 39.1 Erkrankungen und Blockade der neuromuskulären Endplatte A.
Erkrankungen der motorischen Endplatte I.
39
Präsynaptisch (terminales Axon) a) b)
II.
Postsynaptisch (muskulärer Teil der motorischen Endplatte) a) b) c)
B.
Lambert-Eaton-Syndrom („myasthenisches Syndrom“) D-Penizillamin-induzierte Myasthenie
Myasthenia gravis Transitorische neonatale Myasthenie Kongenitale myasthenische Syndrome (s. Tabelle 39.2)
Blockade der neuromuskulären Endplatte Angriffspunkte I.
Präsynaptisch a) b) c) d)
II.
Agenzien
Hemmung der Transmittersynthese Hemmung der ACh-Freisetzung Lyse-synaptischer Vesikel Verringerung der Ca++-Kanäle
Hemicholinium Botulinustoxin, DTB Insekten- (Spinnen-), Schlangengifte Polyklonale IgG-Antikörper (Lambert-Eaton-Syndrom)
Postsynaptisch a)
b)
Hemmung der AChE – reversibel – irreversibel
Tensilon, Neostigmin Organophosphate (E605 = Parathion; Sarin, Soman, Tabun und 50.000 andere)
Rezeptorblockade – membranstabilisierend – membrandepolarisierend – toxisch (irreversibel) – immunologisch
Curare Succinylcholin D-Bungarotoxin Antikörper gegen AChR
Myasthenia gravis
815
Tabelle 39.2 Kongenitale myasthenische Syndrome (CMS)* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
11.1
Myasthenie aufgrund des langsamen nikotinischen Rezeptorkanals (Slow-channel-kongenitales Myastheniesyndrom; SCCMS), allelisch zu FCCM (11.5)
AD
2q24-q32
CHRNA1 (= AChRD-Untereinheit)
100690 601462
Sine et al. (1995) Engel et al. (1996b) Croxen et al. (1997)
11.2
SCCMS, allelisch zu 11.8 (608931)
AD
17p11-p12
CHRNB1 (AChRE1-Untereinheit, Muskel)
100710 601462
Engel et al. (1996 b) Gomez et al. (1996)
11.3
SCCMS, allelisch zu FCCMS (11.6)
AD
2.q33-q34
CHRND (AChRδ-Untereinheit)
100720 601462
Gomez et al. (2002)
11.4
SCCMS, allelisch zu FCCMS (11.7 und 11.10)
AD, AR
17p13
CHRNE (AChRH-Untereinheit)
100725 601462
Ohno et al. (1995) Gomez et al. (1995) Engel et al. (1996 b) Croxen et al. (2002)
11.5
Fast-channel-Syndrom (FCCMS), allelisch zu SCCMS 11.1
AR
2q24-q32
CHRNA1 (AChRα1-Untereinheit)
100690 608930
Wang et al. (1999) Shen et al. (2003)
11.6
FCCMS, allelisch zu SCCMS (11.3)
AR
2q33-q34
CHRND (AChRδ-Untereinheit)
100720 608930
Brownlow et al. (2001)
11.7
FCCMS, allelisch zu SCCMS (11.4)
AR
17p13
CHRNE (AChRH-Untereinheit)
100725 608930
Ohno et al. (1996)
11.8
Acetylcholin-Rezeptor-Mangel, allelisch zu SCCMS 11.2
AR
17p11-p12
CHRNB1 (AChRE1-Untereinheit, Muskel)
100710 608931
Quiram et al. (1999)
11.9
Acetylcholin-Rezeptor-Mangel, allelisch zu SCCMS (11.4) und FCCMS (11.6)
AR
2q33-q34
CHRND (AChRδ-Untereinheit)
100720 608931
Shen et al. (2002)
11.10
Acetylcholin-Rezeptor-Mangel, allelisch zu SCCMS (11.4) und FCCMS (11.7)
AR
17p13
CHRNE (AChRH-Untereinheit)
100725 608931
Engel et al. (1996a) Ohno et al. (1997)
11.11
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit Rapsynmangel
AR
11p11
RAPSYN (Rapsyn)
601592 608931
Ohno et al. (2002, 2003) Dunne et al. (2003)
11.12
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit Cholin-AcetylTransferase-Mangel
AR
10q11.2
CHAT (Cholinacetyltransferase)
118490 254210
Ohno et al. (2001) Maselli et al. (2003)
11.13
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit Endplatten-Acetylcholinesterase-Mangel (EAD)
AR
3p24.2
COLQ (Collagen-like-tail-Untereinheit der asymmetrischen AChE)
603033 60334
Donger et al. (1998) Ohno et al. (2000)
11.14
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit MuSK-Mangel
AR
9q31-q32
MUSK (muskelspezifische Rezeptor-Tyrosin-Kinase)
601296 254300
Chevessier et al. (2004)
11.15
Kongenitales myasthenisches Syndrom mit Agrinmangel
AR
1pter-p32
AGR (Agrin)
103320
Huzé (2009)
6
816
Kapitel 39
Erkrankungen der motorischen Endplatten
Tabelle 39.2 Fortsetzung Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
11.16
Kongenitalenmyasthenisches Syndrom, Typ 1a1
AR
17p13
?
605809
Christodoulou et al. (1997)
11.17
Familiäre Gliedergürtelmyasthenie
AR
4p16.2
DOK7 (Docking-Protein 7)
254300 610285
Beeson et al. (2006) Selcen et al. (2008)
11.18
Natriumkanalmyasthenie, allelisch zu HOKPP2, HYPP, PMC, Kalium-aggravierter Myotonie
AR
17q23
SCN4A (Natriumkanal, Typ 4α)
603967 608931
Tsujino et al. (2003)
11.19
Escobar-Syndrom (multiples Pterygiumsyndrom)
AR
2q22-q44
CHRNG (cholinerger Rezeptor, nikotinisch, gamma)
100730 265000
Hoffmann et al. (2006) Morgan et al. (2006)
11.20
Myasthenisches Syndrom, Myopathie und Epidermolysis bullosa; allelisch zu MDEBS
AR
8q24-qter
PLEC1 (Plektin)
601282
Banwell et al. (1999)
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 20 (2010): 85–86. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
39
Epidemiologie. Die Prävalenzraten liegen zwischen 1:10.000 und 1:50.000. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Genetische Faktoren stellen wahrscheinlich nur Risikofaktoren für Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen dar [41]; im Übrigen tritt die Myasthenia gravis sporadisch auf. Disposition. Häufig haben die Patienten ein HL-A8Antigen, das als Marker einer defekten Suppressorwirkung der T-Zellen gilt. Doch ist die Vererbung des HLA8-Antigens keineswegs eine notwendige Voraussetzung zur Entwicklung einer Myasthenia gravis. Auf welche Weise eine derartige genetische Disposition zur Manifestation der Myasthenie führt, ist ungeklärt. Die Myasthenie ist unverhältnismäßig häufig mit anderen Erkrankungen kombiniert, die mit einer Störung im Immunsystem verbunden sind. Der Thymus ist histologisch in 80% der Fälle verändert [53]. In 10–15% der Myastheniagravis-Fälle liegt ein Thymom vor, das meistens, wenn auch nicht immer mit AChR-Antikörpern im Serum verbunden ist [32]. Morphologie. Die für die klinischen Symptome wichtigsten Veränderungen betreffen die motorische Endplatte. Vor allem der muskuläre Abschnitt ist verändert: Die postsynaptische Region erscheint abnorm einfach; sekundäre synaptische Spalten sind nur spärlich vorhanden, flach, abnorm weit, oder sie fehlen ganz. Regenerierende Axone kommen gelegentlich vor. Der Durchmesser und die Zahl der synaptischen Vesikel pro Areal liegen im Normbereich [20]. Angesichts der Veränderungen an den motorischen Endplatten erscheint es verständlich, dass die Muskel-
fasern verschiedene Formen der Schädigung oder eine Denervationsatrophie aufweisen können. Die neurogene Muskelatrophie ist bei der mit AChR-Antikörpern im Serum assoziierten Myasthenie stärker ausgeprägt als bei der durch MuSK-Antikörper verursachten. Andererseits finden sich myopathische und mitochondriale Veränderungen in den Muskelfasern eher bei Letzterer [33]. Der normalerweise relativ hohe Gehalt der extraokulären Muskeln an Mitochondrien könnte wiederum erklären, warum die okulobulbäre Muskulatur (sowie die NackenSchulter- und Atemmuskulatur) bei der MusK-Variante der Myathenia gravis bevorzugt betroffen ist. Pathogenese. Im Vordergrund steht eine Zerstörung des Acetylcholinrezeptors als Folge einer Autoimmunreaktion. Dabei löst die IgG-Bindung an den Rezeptor mit C3 die Aktivierungsphase der Komplementreaktionsfolge aus; die nachfolgende Aktivierung von C5 bis C9 vervollständigt dann die Schädigungsphase und die lytische Zerstörung der postsynaptischen Membran [15, 16, 19, 38, 43]. Die dadurch bedingte Störung der neuromuskulären Überleitung ist auch für die Schwäche der MuSKpositiven Patienten entscheidend [42]. Vermutlich ist ein früher vielfach als nebensächlich erachteter Befund hervorzuheben, nämlich herdförmige lymphozytäre Infiltrate („Lymphorrhagien“). Angesichts der heute gut fundierten immunologischen Hypothese zur Entstehung der Myasthenia gravis und angesichts der experimentellen Ergebnisse über einen Immunmechanismus, der bei der experimentellen Autoimmunmyasthenia gravis (EAMG) zur Zerstörung der Endplatten führt [38, 39] erscheinen diese gelegentlich nachweisbaren Lymphorrhagien von besonderer Bedeutung.
817
Myasthenische Syndrome und symptomatische Myasthenien
Wenn auch die Pathogenese der Myasthenia gravis durch das Modell der EAMG weitgehend aufgeklärt erscheint, ist die eigentliche Ursache, wie es zur Auslösung des krankmachenden Immunmechanismus kommt, ungeklärt.
Neonatale Myasthenie Die seltene neonatale Myasthenia gravis wird in der Regel durch mütterliche AChR-Antikörper über die Plazenta auf den Föten übertragen, was bei durchschnittlich einem von sieben lebend geborenen Kindern myasthener Mütter zu Symptomen führt. Vereinzelt kommen dafür Antikörper gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase (MuSK) in Frage [4]. Diese neonatalen Myasthenien sind von den kongenitalen Formen des myathenischen Syndroms zu unterscheiden (s. unten).
Myasthenische Syndrome und symptomatische Myasthenien Lambert-Eaton-Syndrom
Ein pseudomyasthenisch-myopathisches Syndrom, das in Zusammenhang vor allem mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom auftreten kann, wird als Lambert-Eaton-Syndrom bezeichnet [28]. Es handelt sich um das Musterbeispiel eines ätiologisch geklärten paraneoplastischen Syndroms. Die Kardinalsymptome bestehen in einer Schwäche und vorzeitigen Ermüdbarkeit der proximalen Extremitätenmuskeln. Die von Hirnnerven versorgten einschließlich der Augenmuskeln bleiben ausgespart.
Die Erkrankung unterscheidet sich von der Myasthenia gravis nicht nur klinisch und elektromyographisch, sondern auch feinstrukturell (Literatur s. [23, 40]. Elektronenmikroskopisch findet sich an der motorischen Endplatte eine Vergrößerung des Areals mit dem postsynaptischen Faltenapparat einschließlich der sekundären synaptischen Falten, allerdings ohne Verlängerung der mit Antikörpern gegen den Acetylcholin-Rezeptor reagierenden postsynaptischen Membran [20]. Durch Gefrierätzuntersuchungen ließ sich an der präsynaptischen Membran eine Verringerung der 10–12 nm großen intramembranösen Partikel nachweisen, die normalerweise parallel in Doppelreihen angeordnet sind und in den aktiven Zonen die mutmaßlichen spannungsabhängigen Kalziumkanäle der Membran an der Nervenendigung darstellen [18, 22]. Diese werden, wie im Experiment be-
stätigt [21], durch zirkulierende Antikörper zumindest partiell zerstört.
Kongenitale myasthenische Syndrome (KMS) Die kongenitalen Myasthenien sind im Unterschied zur konnatalen (neonatalen) Myasthenie, die vorübergehend bei Neugeborenen von Müttern mit einer Myasthenia gravis auftritt, eine heterogene Gruppe von hereditären Krankheiten, die so genannt werden, obwohl sie sich in der Mehrzahl nicht schon bei der Geburt manifestieren. Sie unterscheiden sich hinsichtlich Erbgang, klinischer Symptomatik und Prognose (s. Tabelle 39.2, Pos. 11.1–11.16).
Die Differenzierung der kongenitalen Myasthenien erfordert komplizierte Untersuchungen an den motorischen Endplatten, die bisher zumeist an der Interkostalmuskulatur oder dem M. anconeus mit enzym- und immunhistochemischen sowie immunelektronenmikroskopischen, morphometrischen und molekulargenetischen Methoden, aber auch mit elektrophysiologischen Techniken einschließlich der „Patch-clamp“-Technik durchgeführt worden sind, so dass diesbezüglich auf die Spezialliteratur verwiesen werden muss [14, 15, 17, 23, 27, 30, 35, 40, 51].
Präsynaptische Syndrome Cholin-Acetyltransferase-Mangel. Ursache sind autosomal-rezessiv erbliche Mutationen im Gen für die Acetylcholin-Transferase (CHAT; Pos. 11.12 in Tabelle 39.2). Die Folge ist ein Mangel an Acetylcholin in den primären synaptischen Spalten, die auf eine mangelhafte Bereitstellung oder Abgabe dieses Neurotransmitters zurückzuführen ist. Klinisches Hauptsymptome sind plötzliche Episoden mit schwerer Dyspnoe und bulbäre Schwäche, die zur Apnoe führen, ausgelöst durch Infektionen, Fieber oder Erregung. Dieses Syndrom wurde früher vermutlich als familiäre infantile Myasthenie (Typ Ia) mit abnormen synaptischen Vesikeln beschrieben [27]. Sie ähnelt dem kongenitalen Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom. Beide Krankheiten zeigen bei Nervenreizung mit niedriger Frequenz (2 oder 3 Hz) eine Erniedrigung des zusammengesetzten Muskelaktionspotentials. Reizung mit hohen Frequenzen (20–50 Hz) führt zur langsamen Erholung der Transmitterabgabe und Besserung des Aktionspotentials. Therapeutisch wirksam ist in beiden Fällen eine Vermehrung des Acetylcholins im synaptischen Spalt, im ersteren Fall durch Hemmung der Acetylcholi-
818
Kapitel 39
nesterase (durch Cholinesterasehemmer), im zweiten Fall durch Stimulation der Abgabe (mit 4-Aminopyridin). Elektronenmikroskopisch erscheinen die synaptischen Vesikel kleiner als normal, während kein AChRMangel besteht und postsynaptisch keine strukturellen Anomalien nachweisbar sind. Synaptischer Endplatten-AChE-Mangel. Die Acetylcholinesterase fehlt nach histochemischen, immunzytochemischen und elektronenmikroskopisch-zytochemischen Untersuchungen aufgrund rezessiver Mutationen im Gen des Kollagens Q (COLQ; Pos. 11.13 in Tabelle 39.2). Wegen des ungenügenden Abbaus von Acetylcholin resultiert ein exzessiver Effekt von Acetylcholin. Die terminalen Nervenendigungen sind abnorm klein. Sie sind oft partiell oder vollständig von der postsynaptischen Region durch Schwann-Zell-Fortsätze getrennt.
Postsynaptische Syndrome Diese sind alle, mit Ausnahme des KMS aufgrund eines Plektinmangels [3], auf Mutationen in Genen für die Untereinheiten des AChR zurückzuführen (CHRNA1 – CHRNE; Pos. 11.1–11.10 in Tabelle 39.2).
39
Syndrome mit langsamem Kanal. Diese werden verursacht durch dominante Mutationen in den Genen von drei verschiedenen Untereinheiten des Acetylcholinrezeptors mit Funktionsgewinn („gain of function“; Pos. 11.1–11.3 in Tabelle 39.2), der durch eine verlängerte Öffnungszeit des Ionenkanals dieses Rezeptors gekennzeichnet ist und zu einer übermäßigen Wirkung des normalerweise verfügbaren Acetylcholins führt („Syndrom des langsamen Kanals“). Die Folge ist eine doppelte oder dreifache Reaktion des Muskels auf eine supramaximale Nervenreizung. Die klinischen Phänotypen variieren erheblich. Manche beginnen früh im Leben, andere erst im Erwachsenenalter. Verformungen der Wirbelsäule und respiratorische Probleme sind häufig. Die Veränderungen an der Endplatte ähneln denen beim AChE-Mangel: Die synaptischen Falten sind degeneriert und der synaptische Spalt ist erweitert. Er enthält massenhaft globuläre Reste der synaptischen Falten und Reste der zugehörigen Basallamina. Durch die Erweiterung des synaptischen Spalts verringert sich das Acetylcholin, das die postsynaptische Membran erreichen kann, durch Dilution. Außerdem kann vermehrt ACh durch die AChEsterase abgebaut werden. Endplattenkerne sind apoptotisch, und es kommen Vakuolen neben der Endplatte vor [17]. Syndrome mit schnellem Kanal. Diese sind rezessiv erblich (Pos. 11.5–11.7 in Tabelle 39.2) und mit Funktions-
Erkrankungen der motorischen Endplatten
verlust („loss of function“) verbunden. Es resultieren abnorm kurze Aktivierungsperioden des ACh-RezeptorKanals. Betroffen sind die Affinität des Rezeptors für ACh, die Durchlässigkeit des Kanals und die Stabilität der Kanalkinetik. Die klinischen Symptome ähneln denen der Autoimmunmyasthenia gravis, doch sind die Symptome mild, wenn die Effizienz der Kanaldurchlässigkeit betroffen ist, mäßig schwer, wenn die Kanalkinetik instabil ist, und schwer, wenn die Affinität zu ACh oder beides, Affinität und Kanalöffnungseffizient, betroffen sind. Nervenreizung mit niedriger Frequenz führt dabei zur Verminderung des motorischen Aktionspotentials. Therapeutisch hilft eine Anreicherung des Acetylcholins im synaptischen Spalt durch Cholinesterase-hemmende Medikamente. Die strukturellen Veränderungen hängen vom Schweregrad der Funktionsstörung ab. Bei leichter Schädigung bleibt die Struktur der postsynaptischen Region erhalten. Bei stärkerer Schädigung ist die Zahl der AChR pro Endplatte verringert, multiple kleine Endplatten sind über eine längere Strecke der Faseroberfläche verteilt, einige postsynaptische Regionen sind simplifiziert und die Expression des AChR in den synaptischen Falten ist fleckförmig und abgeschwächt. AChR-Mangel mit oder ohne geringe kinetische Anomalien. Milde und schwere klinische Phänotypen können gleichermaßen vorkommen. Die am schwersten betroffenen Patienten haben eine ausgeprägte okuläre, bulbäre und respiratorische Muskelschwäche von Geburt an; sie müssen beatmet werden und per Sonde ernährt werden. Die Zahl der Endplatten ist vermehrt, aber die AChR-Expression vermindert und fleckförmig verteilt. Die synaptischen Falten sind erhalten, aber einige Endplatten sind simplifiziert und kleiner als normal. Ob es sich bei dem darüber hinaus gefundenen kombinierten Mangel an Acetylcholin-Esterase und AcetylcholinRezeptor [27] um eine primäre Erkrankung oder um eine sekundäre Erkrankungsform handelt, bleibt zu klären.
Symptomatische Myasthenien Sie können in Verbindung mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen auftreten, so beim systemischen Lupus erythematodes, der Polymyositis und der Dermatomyositis. Eine ähnliche Muskelermüdbarkeit wie bei der Myasthenia gravis kann auch aus verschiedenen anderen prä- und postsynaptischen Gründen auftreten. Einige Patienten mit Erkrankungen der peripheren motorischen Neurone können ebenfalls eine myasthene Reaktion zeigen [53]. Das Penicillamin-induzierte myasthenische Syndrom tritt fast ausschließlich während der Behandlung von Auto-
819
Toxische und medikamentöse Störungen der neuromusku-
immunopathien in Erscheinung, insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis [49]. Daher wird ein immunpharmakologischer Block des Acetylcholin-Rezeptors durch Penicillamin als Ursache der Erkrankung diskutiert.
Toxische und medikamentöse Störungen der neuromuskulären Überleitung Verschiedene, z. T. extrem toxische Substanzen verursachen Störungen oder Schädigungen der neuromuskulären Überleitung. Dazu gehören 1. das Exotoxin des Clostridium botulinum und andere Gifte wie 2. das Zeckengift, 3. das Notoxin der australischen Tigerschlange, 4. das Gift einer Spinne, der „Schwarzen Witwe“, sowie 5. Cholinesterasehibitoren.
Todesfälle im Kindesalter haben im Zusammenhang mit gehäuftem Nachweis von Botulinumtoxin in den Fäzes zu Vermutungen über Zusammenhänge mit dem Clostridium botulinum geführt [2].
Das von den Erregern gebildete Exotoxin gehört zu den giftigsten Substanzen, die bekannt sind. Die letale Dosis für den Menschen liegt wahrscheinlich bei 1 μg.
Spezielle pharmakologische Präparationen des Botulinumtoxins werden zur Behandlung der Spastik und vieler anderer Krankheiten, aber auch in der Kosmetik verwendet. Die Zahl der Arbeiten zum Thema geht in die Zehntausende. Neuerdings ist beim Menschen durch Bildgebungsverfahren (CT, MRT), elektrophysiologisch und muskelbioptisch ein 12 Monate lang anhalternder Denervationseffekt nachgewiesen worden [48].
Botulismus Tetanus Diese Krankheit beruht auf einer Intoxikation durch Nahrungsmittel, die das Toxin des anaerob wachsenden grampositiven Erregers, des Clostridium botulinum, enthalten. Die Erreger sind weltweit verbreitet; sie lassen sich in der Erde, gelegentlich auch in tierischen und menschlichen Fäzes nachweisen. Sie bilden Sporen, die Temperaturen um 100 °C über mehrere Stunden tolerieren. Die verschiedenen Toxintypen, die während der Vermehrung und Autolyse der Keime freigesetzt werden, sind thermolabile großmolekulare Proteine, die durch Erhitzen auf 100 °C innerhalb von 10 min zerstört werden. Die Latenzzeit zwischen oraler Toxinaufnahme und Beginn der ersten neurologischen Symptome beträgt im Allgemeinen 12–36 h, selten bis zu 14 Tagen. Die typischen neurologischen Symptome sind auf die Toxinwirkung einerseits an den motorischen Endplatten und andererseits an den Synapsen der efferenten parasympathischen Nerven zurückzuführen.
In der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin erkranken pro Jahr etwa 26–86 Personen an dieser seit 1961 meldepflichtigen Krankheit. Als häufigste Ursache kommt heute der Genuss von zu Hause unzureichend konservierten Lebensmitteln in Frage.
Mikroskopisch sind beim Botulismus nur im Experiment spezielle pathologische Veränderungen der Endplatte beobachtet worden, nicht aber beim Menschen [1, 12]. Das Bild des Säuglingsbotulismus ist bisher fast ausschließlich in den USA beschrieben worden. Plötzliche
Anders als der Botulismus ist der Tetanus eine Infektionskrankheit, die durch das Toxin des Bazillus Clostridium tetani ausgelöst wird. Das klinische Bild ist durch schmerzhafte Spasmen oder Krämpfe der quergestreiften Muskulatur gekennzeichnet, einschließlich der Kaumuskeln (Trismus). Die Erkrankung folgt meistens einer oft nur minimalen Verletzung, bei der Tetanusbazillen in die Wunde gelangen. Die Inkubationszeit beträgt 4 bis 20 Tage [13]. Mikroskopisch haben sich trotz des eindrucksvollen neurologischen Krankheitsbildes beim Menschen bisher nur spärliche Veränderungen im Bereich der neuromuskulären Endplatte nachweisen lassen. Im Experiment kommt es jedoch zu ausgeprägten Veränderungen an den motorischen Endplatten, die an den langsamen Muskelfasern früher und stärker ausgeprägt sind als an den schnellen [10]. Die klinisch beobachteten Spasmen sind wahrscheinlich auf spinale Wirkungen des Exotoxins des Tetanusbazillus zurückzuführen, das eines der wirksamsten löslichen Gifte ist: 0,22 mg sind für den Menschen tödlich.
Tierische Gifte Besonders eindrucksvolle morphologische Veränderungen sind unter experimentellen Bedingungen an den motorischen Nervenendigungen als Folge der Einwirkung des oft tödlichen Giftes einer Spinne, der „Schwarzen Witwe“, beobachtet worden: Es kommt in den moto-
820
Kapitel 39
rischen Nervenendigungen zu einem Verlust der synaptischen Vesikel [11]. Auch Schädigungen bzw. Schwellungen der Ranvierschen Schnürringe im peripheren Nerven durch Spinnengift sind beschrieben worden [31]. Ähnlich ausführliche Untersuchungen über Veränderungen durch Schlangengift [24] liegen bisher nicht vor; doch ist die Störung der neuromuskulären Überleitung offensichtlich der wichtigste Effekt dieser Toxine.
Cholinesteraseinhibitoren Auf die große Zahl an Insektiziden bzw. Pestiziden und ihre Wirkungen auf die Nerven und Nervenendigungen wurde bereits im Nervenkapitel hingewiesen. Die zugehörigen pathologischen Veränderungen am Muskel [5, 29] wurden nur bei relativ wenigen genauer untersucht. Di-Isopropyl-Fluorophosphat (= DFP), Carbun, Paraoxon und Parathion führen zu segmentalen Muskelfasernekrosen, die dort lokalisiert sind, wo die Endplatten liegen.
Erkrankungen der motorischen Endplatten
gehören umfangreiche Anhäufungen Leptomerfibrillenähnlicher Strukturen, die wir bei neurogenen Muskelatrophien haben beobachten können [47]. Doch befindet sich die Erforschung der feinstrukturellen Pathologie der Muskelspindeln als Ursache von Funktionsstörungen wegen ihrer außerordentlichen Komplexität und wegen ihrer relativ schweren Auffindbarkeit noch in den Anfängen.
Literatur 1. 2.
3.
4.
Veränderungen an den Muskelspindeln
39
Eigenständige Krankheiten, die durch Alterationen der Muskelspindeln selbst ausgelöst werden, sind bisher nicht bekannt, obwohl diese nach Auge und Ohr das komplizierteste Rezeptororgan darstellen (Literatur s. [45]). Doch gibt es eine Vermehrung von Muskelspindeln bei einem komplexen kongenitalen Syndrom mit hypertrophischer Kardiopathie, Organomegalie und kongenitalem Neuroblastom [50] sowie beim Noonan-Syndrom mit progressiver hypertrophischer Kardiomyopathie. Außerdem sind bei bestimmten peripheren Neuropathien des Menschen und bei Mäuse- und Rattenmutanten Aplasien oder Hypoplasien der großen Spinalganglienzellen bzw. der großen markhaltigen sensorischen Nervenfasern beschrieben worden [37], die sich auf die Muskelspindeln auswirken [26, 44]. Auffälligerweise gibt es bei einigen Fällen mit myotonischer Dystrophie enorme Vermehrungen der intrafusalen Muskelfasern von normalerweise 1 bis 16 auf mehr als 150 pro Spindel (Literatur s. oben und [8]). Diese ausgeprägte Veränderung ist bisher bei keiner anderen Myopathie beschrieben worden, wenn auch experimentell Vermehrungen intrafusaler Muskelfasern durch eine Denervation, insbesondere auch durch wiederholte Denervationen hervorgerufen werden können, allerdings in weit geringerem Ausmaß [46]. Auch alle anderen Komponenten der Muskelspindeln können morphologische Veränderungen aufweisen und bei zahlreichen verschiedenen Erkrankungen in unterschiedlicher Ausprägung miterkrankt sein [6, 7, 9]. Dazu
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
Adams RD (1975) Diseases of muscle. A study in pathology. Harper & Row, New York Arnon SS, Midura TF, Damus K, Thompson B, Wood RM, Chin J (1979) Honey and other environmental risk factors for infant botulism. J Pediatr 94: 331–336 Banwell BL, Russel J, Fukudome T, Shen XM, Stilling G, Engel AG (1999) Myopathy, myasthenic syndrome, and epidermolysis bullosa simplex due to plectin deficiency. J Neuropathol Exp Neurol 58: 832–846 Behin A, Mayer M, Kassis-Makhoul B et al. (2008) Severe neonatal myasthenia due to maternal anti-MuSK antibodies. Neuromuscul Disord 18: 443–446 De Bleecker JL, De Reuck JL, Willems JL (1992) Neurological aspects of organophosphate poisoning. Clin Neurol Neurosurg 94: 93–103 Dieler R, Schröder JM (1990) Abnormal sensory and motor reinnervation of rat muscle spindles following nerve transection and suture. Acta Neuropathol 80: 163–171 Dieler R, Schröder JM (1990) Increase of elastic fibres in muscle spindles of rats following single or repeated denervation with or without reinnervation. Virchows Arch A Pathol Anat Histopathol 417: 213–221 Dieler R, Schröder JM (1990) Lacunar dilatations of intrafusal and extrafusal terminal cisternae, annulate lamellae, confronting cisternae and tubulofilamentous inclusions within the spectrum of muscle and nerve fiber changes in myotonic dystrophy. Pathol Res Pract 186: 371–382 Dieler R, Volker A, Schröder JM (1992) Scanning electron microscopic study of denervated and reinnervated intrafusal muscle fibers in rats. Muscle Nerve 15: 433–441 Duchen LW (1973) The effects of tetanus toxin on the motor end-plates of the mouse. An electron microscopic study. J Neurol Sci 19: 153–167 Duchen LW (1973) The local effects of tetanus toxin on the electron microscopic structure of skeletal muscle fibres of the mouse. J Neurol Sci 19: 169–177 Duchen LW, Strich SJ (1968) The effects of botulinum toxin on the pattern of innervation of skeletal muscle in the mouse. Q J Exp Physiol Cogn Med Sci 53: 84–89 Edmondson RS, Flowers MW (1979) Intensive care in tetanus: management, complications, and mortality in 100 cases. Br Med J 1: 1401–1404
Literatur
14.
15. 16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
Engel AG (1994) Myasthenic syndromes. In: Engel AG, Franzini-Armstrong C (eds) Myology. McGraw-Hill, New York St. Louis, pp 1798–1835 Engel AG, Franzini-Armstrong L (eds) (2004) Myology Basic and Clinical. McGraw-Hill, New York Engel AG, Lambert EH, Gomez MR (1977) A new myasthenic syndrome with end-plate acetylcholinesterase deficiency, small nerve terminals, and reduced acetylcholine release. Ann Neurol 1: 315–330 Engel AG, Lambert EH, Mulder DM, Torres CF, Sahashi K, Bertorini TE, Whitaker JN (1982) A newly recognized congenital myasthenic syndrome attributed to a prolonged open time of the acetylcholine-induced ion channel. Ann Neurol 11: 553–569 Engel AG, Nagel A, Fukuoka T et al. (1989) Motor nerve terminal calcium channels in Lambert-Eaton myasthenic syndrome. Morphologic evidence for depletion and that the depletion is mediated by autoantibodies. Ann N Y Acad Sci 560: 278–290 Engel AG, Sakakibara H, Sahashi K, Lindstrom JM, Lambert EH, Lennon VA (1979) Passively transferred experimental autoimmune myasthenia gravis. Sequential and quantitative study of the motor end-plate fine structure and ultrastructural localization of immune complexes (IgG and C3), and of the acetylcholine receptor. Neurology 29: 179–188 Engel AG, Santa T (1971) Histometric analysis of the ultrastructure of the neuromuscular junction in myasthenia gravis and in the myasthenic syndrome. Ann N Y Acad Sci 183: 46–63 Fukunaga H, Engel AG, Lang B, Newsom-Davis J, Vincent A (1983) Passive transfer of Lambert-Eaton myasthenic syndrome with IgG from man to mouse depletes the presynaptic membrane active zones. Proc Natl Acad Sci USA 80: 7636–7640 Fukunaga H, Engel A, Osame M, Lambert EH (1982) Paucity and disorganization of presynapticmembrane active zones in the Lambert-Eaton syndrome. Muscle Nerve 5: 686–687 Giovannini F, Sher E, Webster R, Boot J, Lang B (2002) Calcium channel subtypes contributing to acetylcholine release from normal, 4-aminopyridine-treated and myasthenic syndrome auto-antibodies-affected neuromuscular junctions. Br J Pharmacol 136: 1135–1145 Harris JB, Johnson MA (1978) Further observations on the pathological responses of rat skeletal muscle to toxins isolated from the venom of the Australian tiger snake, Notechis scutatus scutatus. Clin Exp Pharmacol Physiol 5: 587–600 Isaacs H (1967) Continuous muscle fibre activity in an Indian male with additional evidence of terminal motor fibre abnormality. J Neurol Neurosurg Psychiatry 30: 126– 133 Jacobs JM, Scaravilli F, Duchen LW, Mertin J (1981) A new neurological rat mutant „mutilated foot“. J Anat 132: 525– 543
821
27.
28.
29.
30. 31.
32.
33.
34. 35.
36.
37.
38. 39.
40.
41. 42.
Jennekens FG, Hesselmans LF, Veldman H, Jansen EN, Spaans F, Molenaar PC (1992) Deficiency of acetylcholine receptors in a case of end-plate acetylcholinesterase deficiency: a histochemical investigation. Muscle Nerve 15: 63–72 Lambert EH, Eaton LM, Rooke ED (1956) Defect of neuromuscular conduction associatedwith malignant neoplasms. Amer J Physiol 187: 612–613 Laskowski MB, Olson WH, Dettbarn WD (1977) Initial ultrastructural abnormalities at the motor end plate produced by a cholinesterase inhibitor. Exp Neurol 57: 13–33 Lindstrom J (2002) Autoimmune diseases involving nicotinic receptors. J Neurobiol 53: 656–665 Love S, Cruz-Hofling MA (1986) Acute swelling of nodes of Ranvier caused by venoms which slow inactivation of sodium channels. Acta Neuropathol 70: 1–9 Maggi L, Andreetta F, Antozzi C, Confalonieri P, Cornelio F, Scaioli V, Mantegazza R (2008) Two cases of thymomaassociated myasthenia gravis without antibodies to the acetylcholine receptor. Neuromuscul Disord 18: 678–680 Martignago S, Fanin M, Albertini E, Pegoraro E, Angelini C (2009) Muscle histopathology in myasthenia gravis with antibodies against MuSK and AChR. Neuropathol Appl Neurobiol 35: 103–110 Mertens HG, Zschocke S (1965) Neuromyotonie. Klin Wochenschr 43: 917–925 Middleton LT (1999) Disorders of the neuromuscular junction. In: Schapira AHV, Griggs RC (eds) Musclediseases. Butterwoth-Heinemann, Boston Oxford Auckland, pp 251–297 Moersch FP, Woltman HW (1956) Progressive fluctuating muscle rigidity and spasm („stiff-man“ syndrome): Report of a caseand someobservatios in 13 other cases. Proc Mayo Clin 31: 421–427 Müller HD, Mugler M, Ramaekers VT, Schröder JM (2000) Hereditary motor and sensory neuropathy with absence of large myelinated fibers due to absence of large neurons in dorsal root ganglia and anterior horns, clinically associated with deafness, mental retardation, and epilepsy (HMSN-ADM). J Periph Nerv Sys 5: 1–11 Patrick J, Lindstrom J (1973) Autoimmune response to acetylcholine receptor. Science 180: 871–872 Patrick J, Lindstrom J, Culp B, McMillan J (1973) Studies on purified eel acetylcholine receptor and anti-acetylcholine receptor antibody. Proc Natl Acad Sci USA 70: 3334–3338 Pinto A, Iwasa K, Newland C, Newsom-Davis J, Lang B (2002) The action of Lambert-Eaton myasthenic syndrome immunoglobulin G on cloned human voltage-gated calcium channels. Muscle Nerve 25: 715–724 Robertson WC, Chun RW, Kornguth SE (1980) Familial infantile myasthenia. Arch Neurol 37: 117–119 Rostedt Punga A, Ahlqvist K, Bartoccioni E et al. (2006) Neurophysiological and mitochondrial abnormalities in MuSK antibody seropositive myasthenia gravis compared to other immunological subtypes. Clin Neurophysiol 117: 1434–1443
822
Kapitel 39
43.
44.
45. 46.
47.
48.
49.
50.
39
51.
52.
53.
54.
55.
Sahashi K, Engel AG, Lambert EH, Howard FM Jr (1980) Ultrastructural localization of the terminal and lytic ninth complement component (C9) at the motor end-plate in myasthenia gravis. J Neuropathol Exp Neurol 39: 160– 172 Scaravilli F, Jessell TM, Dodd J, Chimelli L (1990) Monoclonal antibodies against sensory neuron specific antigens define the extent of neuronal abnormality in the mf mutant rat. Brain 113: 677–689 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM, Kemme PT, Scholz L (1979) The fine structure of denervated and reinnervated muscle spindles: morphometric study of intrafusal muscle fibers. Acta Neuropathol (Berl) 46: 95–106. Schröder JM, Völker A, Dieler R (1990) Accumulation of abnormal leptomerfibrils in intrafusal muscle fibers. J Neurol Sci 98 (Suppl): 338 Schroeder AS, Ertl-Wagner B, Schröder JM et al. (2009) Muscle biopsy substantiates long-term MRI alterations one year after a single dose of Botulinum toxin injected into the lateral gastrocnemius muscle of healthy volunteers. Mov Disord 24: 1494–1503 Schumm F, Stohr M (1978) Myasthenic syndrome during penicillamine treatment (author’s transl). Klin Wochenschr 56: 139–144 Selcen D, Kupsky WJ, Benjamins D, Nigro MA (2001) Myopathy with muscle spindle excess: A new congenital neuromuscular syndrome? Muscle Nerve 24: 138–143 Sieb JP, Dorfler P, Tzartos S et al. (1998) Congenital myasthenic syndromes in two kinships with end-plate acetylcholine receptor and utrophin deficiency Neurology 50: 54–61, erratum 838 Simpson JA (1978) Myasthenia gravis: a personal view of pathogenesis and mechanism, part 1. Muscle Nerve 1: 45–56 Simpson JA (1978) Myasthenia gravis: a personal view of pathogenesis and mechanism, part 2. Muscle Nerve 1: 151–156 Sommer C, Weishaupt A, Brinkhoff J, Biko L, Wessig C, Gold R, Toyka KV (2005) Paraneoplastic stiff-person syndrome: passive transfer to rats by means of IgG antibodies to amphiphysin. Lancet 365: 1406–1411 Wessig C, Klein R, Schneider MF, Toyka KV, Naumann M, Sommer C (2003) Neuropathology and binding studies in anti-amphiphysin-associated stiff-person syndrome. Neurology 61: 195–198
Erkrankungen der motorischen Endplatten
Kapitel 40
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
40
J.M. Schröder Inhalt Spinale und bulbäre Muskelatrophien . . . . . . . . . . .
824
Progressive Bulbärparalyse . . . . . . . . . . . . . . .
827
Möbius-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
828
Anorektale Inkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . .
828
Abdominalmuskelaplasie . . . . . . . . . . . . . . . .
828
Muskelveränderungen bei Schädigungen, Erkrankungen und Reizungen peripherer Nerven, Inaktivitätsatrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
828
Nervenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
828
Periphere Neuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . .
832
Elektrostimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
832
Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
833
Inaktivitätsatrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
833
Erkrankungen des zentralen und peripheren motorischen Neurons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
833
Amyotrophische Lateralsklerose (ALS) . . . . . . . .
833
Erkrankungen des zentralen motorischen Neurons .
834
Störungen der zentralen Tonusregulation . . . . . . .
834
Psychosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
835
Erkrankungen des Zentralnervensystems, die sich mit Hilfe einer Muskelbiopsie spezifisch diagnostizieren lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
835
Zerebrale, autosomal-dominante Angiopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukoenzephalopathie (CADASIL) . . . . . . . .
835
Neuroferritinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
835
Zeroidlipofuszinosen und spezielle Lipidosen . . . .
835
Unklassifizierte Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . .
835
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
836
W. Paulus und J.M. Schröder (Hrsg.), Pathologie, Neuropathologie DOI: 10.1007/978-3-642-02324-8_40, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
824
Kapitel 40
Die Einflüsse des Nervensystems auf den Skelettmuskel sind vielfältig. Heredodegenerative Erkrankungen des peripheren motorischen Neurons mit progressiver „spinaler“ oder „neuraler“ Muskelatrophie sind zu unterscheiden von nichthereditären, traumatischen, entzündlichen u. a. Schädigungen des peripheren motorischen Neurons. Auch Schädigungen des peripheren und zentralen Neurons oder nur des zentralen motorischen Neurons sowie des extrapyramidalmotorischen Systems bzw. übergeordneter Zentren der Tonusregulation bewirken Veränderungen im Muskel. Außerdem bleiben Störungen der sensorischen Afferenz, d. h. der peripheren und zentralen reflektorischen Kontrollmechanismen, nicht ohne Auswirkungen. Umgekehrt führen Muskelfasernekrosen und andere Veränderungen an den Muskelfasern selbst zu Rückwirkungen auf das Nervensystem, insbesondere auf die Nervenendigungen und die sog. terminale und ultraterminale Innervation. Schließlich kommt es bei Regenerations- und Reinnervationsvorgängen zu komplexen funktionellen und strukturellen Wechselwirkungen zwischen Nervensystem und Muskel, die noch nicht in allen Details aufgeklärt sind.
Spinale und bulbäre Muskelatrophien
40
Unter den Systematrophien oder Systemdegenerationen des Nervensystems gibt es solche, die nahezu selektiv am • peripheren (= zweiten) motorischen Neuron (spinale und bulbäre Muskelatrophien), • am ersten und zweiten motorischen Neuron (amyotrophische Lateralsklerose), • nur am zentralen (= ersten) motorischen Neuron (spastische Spinalparalyse) oder • am peripheren motorischen Neuron und an den Spinalganglienzellen oder an den peripheren Markscheiden der motorischen, sensorischen und autonomen Nerven („neurale“ Muskelatrophien) angreifen (s. periphere Neuropathien, Kap. 23). Die Systematrophien des Nervensystems sind vielfach durch einen atrophisierenden Prozess („ Abiotrophie“) mit nukleodistalem Beginn charakterisiert, d. h., die Nervenzellen beginnen zuerst in ihrem am weitesten distal gelegenen Axonabschnitt zu degenerieren („Dying-back“Phänomen). Einem derartigen, distal akzentuierten Degenerationsprozess der Nervenzellen kann eine große Zahl verschiedenartiger Schädigungsmechanismen zugrunde liegen. Bei einem raschen Verlauf spricht man besser von Degeneration, bei einem langsameren Prozess von Atrophie der motorischen Vorderhornzellen oder anderer Neuronensysteme. Das distal akzentuierte Ausfallsmuster („dying back“) ist nicht die einzige Schädigungsform, die zu einem progressiven Ausfall von Axonen und Nerven-
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
zellen führt (vgl. Tabelle auf S. 555). Auch bevorzugte Schädigungen proximaler Axonabschnitte oder am Perikaryon selbst sind zumindest experimentell nachgewiesen worden. Letztere werden besser als „neuronale“ Neuropathien (oder Neuronopathien) bezeichnet und den axonalen Neuropathien (oder Axonopathien) gegenübergestellt; grundsätzlich ist immer das gesamte Neuron betroffen, wenn auch in den verschiedenen Abschnitten und an den verschiedenen Organellen unterschiedlich stark. Unter den „neuralen“ Muskelatrophien sind demgegenüber periphere Neuropathien zusammengefasst, die entweder primär durch eine neuronale bzw. axonale Schädigung oder primär durch eine demyelinisierende Schädigung der Markscheiden (letzteres bei relativ gut erhaltenen Axonen) charakterisiert sind. Die axonale Form der Schädigung ist wiederum von einem bevorzugten Verlust der markhaltigen gegenüber den marklosen Nervenfasern zu unterscheiden. Klassifikation. Die verschiedenen Einteilungsversuche der neuronalen Systemerkrankungen mit Muskelatrophien richten sich • nach genetischen Gesichtspunkten (X-chromosomaldominant oder -rezessiv, autosomal-dominant oder -rezessiv oder maternal erbliche Formen), • nach der Topographie (okuläre, bulbäre, bulbospinale, spinale, proximale und distale, peroneale und skapuloperoneale Muskelatrophien), • nach der klinischen Progredienz (rasche, intermediäre oder langsame Verlaufsformen) oder • nach dem Erkrankungsalter (fetale, perinatale, konnatale, infantile, juvenile, adulte und Spätformen). Ein Klassifikationsschema, das gleichzeitig Genetik, Topographie, Progredienz, Erkrankungsalter und Geschlecht berücksichtigt, gibt es bisher nicht. Bei infantilem Beginn dauert die Erkrankung im Durchschnitt 10 Jahre, bei juvenilem Beginn 13 Jahre und beim Beginn im Erwachsenenalter 12–13 Jahre; bei 8–28% der Patienten dauerte die Erkrankung jedoch über 20 Jahre und bei 17–28% weniger als 5 Jahre. Genetik. Nach genetischen Aspekten werden 34 verschiedene spinale Muskelatrophien unterschieden (s. Gentabelle in http://www.musclegenetable.org; Neuromuscular Disorders 20: 72–88, 2010; vgl. Kapitel 9). Die zitierte Gentabelle umfasst neben 8 autosomal-rezessiven, weitere 10 autosomal-dominante und 2 X-chromosomal-rezessive Formen der spinalen Muskelatrophie, die sich nach den betroffenen Genen oder Genorten unterscheiden lassen. Hinzu kommen 9 dominant oder rezessiv erbliche Formen der amyotrophischen Lateralsklerose und 3 kongenitale Kontraktursyndrome (Literatur siehe z. B. [14, 19, 26, 73]). Mutationen des „Survival-motor-neuron-protein“(SMN1-) und des „Neuronale-Apoptose-inhibitorischen-
Spinale und bulbäre Muskelatrophien
Protein“-(NAIP-)Gens stehen im Zentrum der Diskussion. Die primäre Ursache der Krankheit ist in 95% der Fälle ein homozygoter Verlust der telomerischen Kopie des SMN1-Gens, während nur ein kleiner Teil der SMAKrankheits-Allele eine Missense-Mutation am Carboxylende aufweist [13]. Etwa die Hälfte der Fälle hat zudem einen Verlust des NAIP-Gens und eine reduzierte Fraktion des basalen Transkriptions-Faktor-p44-Untereinheit-(BF2p44-)Gens [90]. Der Verlust von NAIP und evtl. anderer Faktoren würden dann den Schweregrad der Krankheit bestimmen. Über ein möglicherweise modifizierendes Gen berichten auch Scharf et al. [63]. Nach Lorson et al. [41] besteht eine direkte Korrelation zwischen der modularen Oligomerisation aufgrund einer Domäne im Exon 6 des SMN1-Gens und dem klinischen Typ. Des Weiteren kommen folgende Gene in Frage: IGMBP2, PLEKHG5, HSPB8, HSBP1, GARS, BSCL2 und DCTN1. Die weiteren in der Gentabelle aufgeführten Gene sind der amyotrophischen Lateralsklerose (s. unten), der Kennedy-Krankheit (s. unten) sowie drei seltenen letalen Kontraktursyndromen zugeordnet. Die infantile progressive spinale Muskelatrophie (Werdnig-Hoffmann-Krankheit) und die später auftretende und milder verlaufende juvenile spinale Muskelatrophie (Wohlfart-Kugelberg-Welander) sowie die adulte Form
825
der spinalen Muskelatrophie sind auf Mutationen im gleichen Gen, dem telomerischen „Survival-motor-neuron-1-(SMN1-)Gen zurückzuführen und somit allelisch zueinander [26]. Die molekulargenetischen Grundlagen zur Unterscheidung der infantilen Form der spinalen Muskelatrophie in eine frühe und eine spätinfantile (= intermediäre) Manifestationsform sind allerdings umstritten. Von Bedeutung ist dabei vermutlich die Differenzierung einer homozygoten Deletion von Exon 7 oder eine heterozygote Deletion von Exon 7 und 8 bei der infantilen spinalen Muskelatrophie [19]. Die X-chromosomal gebundene Erwachsenenform der bulbospinalen Muskelatrophie beruht auf einer Amplifikation einer polymorphen Tandem-CAG-Untereinheit im Androgenrezeptorgen; dabei ist der Beginn und die Progredienz der Krankheit von der Zahl der vermehrten CAG-Trinukleotide abhängig (40–55 [14]), wobei offensichtlich weitere Faktoren den Schweregrad bestimmen [73]. Morphologie. Mikroskopisch ist die infantile progressive spinale Muskelatrophie (SMA1, Werdnig-Hoffmann) in fortgeschrittenen Stadien durch die Atrophie ganzer Muskelfaserbündel (faszikuläre Atrophie) gekennzeichnet, die umso ausgeprägter ist, je rascher die Krankheit
Tabelle 40.1 Spinale Muskelatrophien* Krankheit
Vererbungsmodus
Genort
Symbol (Genprodukt)
MIM
Schlüsselzitate
Spinale Muskelatrophie, Typ Werdnig-Hoffmann
AR
5q11-q13
SMA = SMN (Survival-Motoneuron-Protein)
253300
Gilliam et al. (1990) Melki et al. (1990 a, 1994) Lefebvre et al. (1995) Bussaglia et al. (1995) Rodrigues et al. (1995) Roy et al. (1995) Hahnen et al. (1997)
Spinale Muskelatrophie, Typ Kugelberg-Welander
AR
5q11-q13
SMA = SMN
253400
Brzustowicz et al. (1990) Melki et al. (1990 b) Lefebvre et al. (1995)
Spinale Muskelatrophie, distal mit Betonung der oberen Gliedmaßen
AD
7p
SMARD1
600794
Christodoulou et al. (1995)
11q13-q21
SMARD1
604320
Grohmann et al. (1999)
AD
21q22
ALS1 (= SOD1) (Cu/Zn SuperoxidDismutase)
105400
Siddique et al. (1991) Rosen et al. (1993)
AR
2q33-q35
ALS2
205100
Hentati et al. (1994 a)
XR
Xq13
SBMA (Androgenrezeptor)
313200
Fischbeck et al. (1986) La Spada et al. (1991)
Diaphragmatische spinale Muskelatrophie mit Atemnot Familiäre amyotrophische Lateralsklerose
Kennedy-Krankheit
*Modifiziert nach Neuromuscular Disorders 19 (2009): 77–98. Schlüsselzitate s. OMIM oder PubMed
826
Kapitel 40
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
a
b
c
40
d Abb. 40.1a–e Infantile progressive spinale Muskelatrophie (Typ Werdnig-Hoffmann). a M. vastus lateralis eines 12 Monate alten Jungen, b M. gastrocnemius eines 5 Monate alten Jungen (Vergr. jeweils 300:1). Gruppenförmige oder faszikuläre Muskelatrophie mit einzelnen atrophischen Fasern auch zwischen den erhaltenen oder hypertrophischen Fasern. In b ist das perimysiale Bindegewebe hochgradig vermehrt, in geringerem Maß auch das endomysiale („Myosklerose“). c Gleicher Fall wie in a. Die Basallaminae ragen fokal faltenförmig über die Kontur der atrophischen Muskelfasern hinaus (Pfeile). Eine erhaltene Satellitenzelle ist annähernd so groß wie die zugehörige atrophische Muskelfaser. Die Myofibrillen und Mitochondrien sind erheblich verkleinert, wenn auch bemerkens-
e wert gut erhalten. Das Glykogen ist vor allem subsarkolemmal mäßiggradig vermehrt (Vergr. 10.000:1). d,e Amyotrophische Lateralsklerose. d M. deltoideus eines 64-jährigen Mannes. Nach der myofibrillären ATPase-Reaktion, pH 9,4, fällt die bevorzugte, fast vollständige Atrophie der (dunklen) Typ-2-Fasern auf. Doch sind auch zahlreiche Typ-1-Fasern atrophisch. Die atrophischen Fasern sind „netzförmig“ verteilt (Vergr. 40:1). e M. deltoideus eines 52-jährigen Mannes. Im Bild sind atrophische Fasern zu sehen, die bemerkenswert stark abgeflacht oder angulär konfiguriert sind. Die starke Abflachung der Fasern, die überwiegende Einzelfaseratrophie und die fehlende Bindegewebsreaktion weisen auf eine rasche Progredienz hin (Vergr. 610:1)
Spinale und bulbäre Muskelatrophien
fortschreitet (Abb. 40.1a–c). Bei den langsamer verlaufenden Varianten findet man gut erhaltene Muskelfasern neben vollständig atrophischen [23]. Andere Muskelfasern zeigen eine kompensatorische Hypertrophie.
Zur Bestimmung der Muskelfaserkaliber ist insbesondere bei Biopsien im frühen Kindesalter eine sorgfältige Messung und genaue Kenntnis der Entnahmestelle erforderlich. Artifiziell gequetschte und gestauchte Muskelfasern können die Messwerte verfälschen.
Das Bindegewebe ist unterschiedlich stark vermehrt (Abb. 40.1c), in der Regel abhängig von der Chronizität des Prozesses. Die intermediäre spinale Muskelatrophie (SMA2) ist histopathologisch nicht eindeutig vom Typ 1 zu unterscheiden. Bei der juvenilen progressiven spinalen Muskelatrophie (SMA3; Wohlfart-Kugelberg-Welander) finden sich oft nur kleine Gruppen atrophischer Muskelfasern. Außerdem kommt es bei den chronisch verlaufenden Formen zu einer zunehmenden Vermehrung des endomysialen Bindegewebes, zu einer Unschärfe des faszikulären Atrophiemusters und zu strukturellen Veränderungen auch in den nichtatrophischen Muskelfasern. Darüber hinaus kommen ausgeprägte Faserhypertrophien vor. Bemerkenswert ist, dass die atrophischen Muskelfasern bei frühem Krankheitsbeginn und akutem Verlauf auf dem Querschnitt rund und nicht abgeflacht oder eingedellt erscheinen, wie es bei den chronischeren Verlaufsformen und späterem Erkrankungsbeginn der Fall ist. In der Regel sind die Muskelfaserkerne nicht zentralständig. Die Entwicklung der Muskelfasern bleibt also nicht auf dem Stadium der Myotuben stehen, sondern schreitet wie die Myofibrillendifferenzierung fort, wenn auch die Dickenzunahme der Muskelfasern z. T. ausbleibt. Das durchschnittliche Faserkaliber der atrophischen Fasern liegt bei 5–10 μm. Pyknotische Kernhaufen in atrophischen Fasern kommen mehr in chronisch verlaufenden Fällen vor, gelegentlich auch Core- und Targetfasern [66]. Histochemisch lässt sich gelegentlich eine selektive Atrophie der Typ-1-Fasern oder der Typ-2-Fasern nachweisen. In der Regel sind sowohl die Typ-1-Fasern als auch die Typ-2-Fasern betroffen. Die hypertrophischen Fasern sind häufig 3- bis 4-mal so dick (>80 μm) wie es normalerweise nach dem Alter des Patienten zu erwarten wäre. Histochemisch unterscheiden sich diese Riesenfasern von den normalen Muskelfasern: Nach der üblichen ATPase-Reaktion bei pH 9,4 erscheinen sie hell, nach der Reaktion auf oxidative Enzyme oder auf Phosphorylase jedoch teils dunkel, teils hell. Vermutlich handelt es sich z. T. um reinnervierte Fasern, die kollateral von den überlebenden und aussprossenden Nervenfasern innerviert worden sind.
827
In sehr frühen Stadien der Erkrankung kann das typische Bild, je nach dem untersuchten Muskel und dem ausgewählten Areal, fehlen und nur eine allgemeine Atrophie, evtl. mit einer bevorzugten Atrophie der Typ1-Fasern vorkommen. Bei den chronischen Verlaufsformen findet sich oft eine Fasertypengruppierung, d. h. eine gruppenförmige Anordnung von Fasern des gleichen histochemischen Typs [34]. Ein zahlenmäßiges Überwiegen der Typ-2-Fasern kommt häufig vor. Riesenfasern, wie sie bei der akuten Verlaufsform auftreten, gehören nicht zum typischen Bild. Doch sind myofibrilläre Architekturstörungen wie zentrale Fibrillenveränderungen, Target-Fasern oder Fasern mit wirbelförmigen Fibrillenveränderungen ein häufiger Befund. Fasern mit zentral verlagerten Kernen und einzelne degenerierte Fasern sowie Aufsplitterungen sind gelegentlich zu beobachten. Doch stehen diese „myopathischen“ Veränderungen keineswegs im Vordergrund.
Es ist davor zu warnen, aus dem histopathologischen Bild Rückschlüsse auf den klinischen Schweregrad der Erkrankung und die Prognose der spinalen Muskelatrophien zu ziehen, da sich die Bilder von Areal zu Areal erheblich unterscheiden können.
Differentialdiagnostisch ist vor allem die Beckersche Gliedergürtelform der Muskeldystrophie abzugrenzen. In den Fällen, bei denen die Unterscheidung schwierig ist, handelt es sich um chronische, relativ benigne Erkrankungen des Erwachsenen, bei denen die Unterscheidung evtl. „nur von akademischem Interesse“ ist. Außerdem sind Spätstadien der Poliomyelitis abzugrenzen (Abb. 40.2e,f) [76, 77]. Periphere Neuropathien lassen sich aufgrund des Fehlens sensorischer und autonomer Symptome ausschließen, bei Vorliegen einer Nervenbiopsie auch durch den Nachweis fehlender Nervenfaserausfälle. Allerdings ist bei allen Systematrophien mit einem gewissen Übergreifen von Ausfällen auf weitere Systeme zu rechnen, also auch mit einem spärlichen Ausfall von Nervenfasern z. B. im N. suralis. Pathogenese. Nach Simic (2008) [74] erfolgt die Degeneration der Motoneurone in 10 Schritten. Bezüglich besonderer basophiler und anderer Einschlüsse im Perikaryon der Motoneurone sei hier auf die Spezialliteratur verwiesen [24].
Progressive Bulbärparalyse Das Krankheitsbild wird auch nach Fazio und Londe benannt, da sie die ersten familiären Fälle, wenn auch nicht die ersten Fälle überhaupt, beobachtet hatten. Die infan-
828
Kapitel 40
tile Form ist wahrscheinlich autosomal-rezessiv erblich und kommt nur selten vor. Die Mehrzahl der adulten Fälle tritt sporadisch auf, wenn auch Fälle mit dominantem und X-chromosomal [14] rezessivem Erbgang (X-chromosomale, rezessiv erbliche bulbospinale Neuronopathie, Kennedy-Alter-Sung-Syndrom) beschrieben worden sind. Dabei korreliert der Schweregrad der letztgenannten Krankheit mit der Größe der Tandem-Trinukleotid (CAG)-Wiederholungsabschnitte im Androgenrezeptorgen (s. oben). Die Abgrenzung gegenüber der familiären amyotrophischen Lateralsklerose ist molekulargenetisch möglich, bei den sporadischen Fällen jedoch schwierig. Immunhistochemisch ist ein Fehlen des Androgenrezeptors u. a. in der Skrotalhaut nachweisbar [43].
Möbius-Syndrom
40
Es handelt sich dabei nicht um eine Krankheitseinheit, sondern um eine Gruppe von Erkrankungen, die durch eine kongenitale Diplegia facialis und bilaterale Abduzenslähmung charakterisiert sind. Doch haben einige Autoren diese Definition erweitert und auch eine kongenitale einseitige Fazialislähmung in das Syndrom aufgenommen. Meist tritt das Syndrom sporadisch auf, doch sind auch familiäre Fälle mitgeteilt worden. Nach den spärlichen, bisher vorliegenden autoptischen Untersuchungsergebnissen lassen sich vier Gruppen differenzieren: solche mit • Hypoplasie oder Atrophie der Hirnnervenkerne, • primär peripherer Nervenerkrankung, • fokalen Nekrosen im Hirnstamm [56] und • primär myopathischer Grundkrankheit, bei denen keine Veränderungen im Hirnstamm oder an den Hirnnerven zu beobachten waren [85] (s. auch mitochondriale Myopathien). Demnach handelt es sich bei dem Möbius-Syndrom um eine heterogene Gruppe kongenitaler bzw. konnataler neuromuskulärer Erkrankungen unterschiedlicher und oft ungeklärter Ätiologie.
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
fahrungen ebenfalls vor. Aufgrund der Beziehungen zum Johanson-Blizzard-Sndrom werden als Ursache Mutationen im Ubiquitin-Protein-Ligase-E3-Komponente-NRecognin-1-(UBR1-)Gen diskutiert [22, 55].
Abdominalmuskelaplasie Die kongenitale Abdominalmuskelaplasie wird auch als Fröhlich- oder Obrinsky-Syndrom, „Dörrpflaumenbauch“ oder „prune belly syndrome“ bezeichnet [1, 3, 36, 72]. Dabei besteht eine vollständige oder partielle Aplasie der Bauchmuskulatur, insbesondere der lateralen Bauchmuskelgruppe, mit verschiedenen Anomalien im Urogenitalbereich. Es besteht Androtropie. Als Ursache wird eine Deletion des Hepatozyten-Kern-Faktors-1-Beta-Gens auf Chromosom 17q12 diskutiert [31].
Muskelveränderungen bei Schädigungen, Erkrankungen und Reizungen peripherer Nerven, Inaktivitätsatrophie
Die Veränderungen im Muskel nach einer Denervation durch Unterbrechung der zugehörigen motorischen Nerven gelten allgemein als Musterbeispiel einer Atrophie schlechthin.
Komplizierter als nach einer einfachen Nervendurchschneidung sind die Veränderungen im Muskel bei einer chronischen peripheren Neuropathie. Denn ein Nebeneinander von Nervenfaserdegeneration und -regeneration, -demyelinisation und -remyelinisation kann im Laufe von Monaten und Jahren zu vielfältigen Veränderungen führen, die alle Komponenten des Muskels mehr oder weniger stark verändern.
Nervenverletzungen Anorektale Inkontinenz Im äußeren M. sphincter ani, M. puborectalis und Levator ani fanden sich bei Patienten mit anorektaler Inkontinenz vielfach morphologische Anzeichen einer neurogenen Erkrankung [5]. Dabei bleibt zu klären, ob es sich um eine Systemdegeneration der entsprechenden motorischen Vorderhornzellen oder um eine Erkrankung der zugehörigen peripheren Nerven handelt. Zumeist sind hier primär neurogene von primär myogenen oder reaktiven Veränderungen schwer gegeneinander abzugrenzen. Fälle mit abnormen Mitochondrien kommen nach eigenen Er-
Die wichtigste Veränderung nach einer Muskeldenervation durch eine Nervendurchschneidung besteht in der Atrophie der Muskelfasern, die zu einer erheblichen Reduktion des Gewichts im denervierten Muskel führt.
Während des ersten Monats verringert sich das durchschnittliche Faserkaliber um ein Drittel, während des zweiten und dritten Monats um ungefähr 60% und nach
Muskelveränderungen bei Schädigungen, Erkrankungen
829
a
b
c
d
e
f
Abb. 40.2a, b Frühes Stadium einer dominant erblichen neuralen Muskelatrophie (Typ Charcot-Marie-Tooth 1A = HMSN Ia). a M. peroneus eines 14-jährigen Jungen, bei dem die Muskelfasern im HEPräparat bemerkenswert unauffällig erscheinen, von isolierten Haufen pyknotischer Kerne in vollständig atrophischen Muskelfasern abgesehen (Vergr. 370:1). b Die myofibrilläre ATPase-Reaktion nach Präinkubation bei pH 4,2 ergibt eine ausgeprägte zahlenmäßige Dominanz der Typ-1-Fasern mit herdförmiger Gruppierung der wenigen verbliebenen Typ-2-Fasern (Vergr. 40:1). c,d Ausgeprägte akute bis subakute neurogene Muskelatrophie bei hochgradiger, rasch progredienter alkoholischer Polyneuropathie. c Es besteht eine auffällige Fasertypengruppierung, wobei Muskelfasern gleichen histochemischen Typs in größeren oder kleineren Gruppen unmittelbar nebeneinander liegen. Die Muskelfasern in einigen dieser Gruppen
sind normal groß, andere nahezu vollständig atrophisch. Viele dunkle Typ-1-Fasern weisen eine zentrale Aufhellung auf: Targetfasern (Succinatdehydrogenasereaktion; Vergr. 150:1). d Kleine Gruppen atrophischer Fasern neben normal großen oder leicht hypertrophischen Fasern, einige mit zentralen myofibrillären Veränderungen im Sinne von Targetfasern (Pfeile). Endomysiales Bindegewebe noch nicht vermehrt. Übergänge zwischen stark atrophischen und teilatrophischen Fasern als Zeichen der Progredienz (Vergr. 400:1). e,f Zustand nach Poliomyelitis im Kindesalter bei einer 34-jährigen Frau. Neben Feldern mit erhaltenen Muskelfasern Gruppen atrophischer Fasern. Dazwischen ist das Fettgewebe im Sinne einer Vakatwucherung vermehrt (Vergr. 260:1). f In dieser Region sind nur noch spärliche Muskelfasergruppen erhalten. Der Rest des Muskelgewebes ist durch Fettgewebe ersetzt (Vergr. 260:1)
830
Kapitel 40
acht Monaten um 70%, wenn man die Faserkaliber mit denen normaler Muskeln vergleicht. Der Gewichtsverlust im denervierten Muskel beträgt bei der Ratte schon nach drei Monaten 70–80% [79]. Doch gibt es Speziesdifferenzen und Unterschiede in Abhängigkeit von der Art des untersuchten Muskels.
Die Zahl der Muskelfasern ändert sich nach der Denervation anfänglich nur geringfügig, nach 15 Monaten aber auf etwa die Hälfte der Faserzahl im Kontrollmuskel [30].
40
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
Wenn das Axon, das eine Muskelfaser versorgt, ausfällt, wird eine umfangreiches Genexpressionsprogramm ausgelöst, das u. a. die Proteine Jun, Fos, MyoD1 und Myogenin betrifft [91]. Dieses dient über chemotaktische Mechanismen dazu, die regenerierenden Nervenfasern zu den denervierten Muskelfasern zurückzuleiten [10, 92].
Eine Reinnervation des denervierten Muskels ist noch nach langen Zeiträumen möglich; doch scheint die bindegewebige Einscheidung der Muskelfasern nach etwa 2 Jahren so weit fortgeschritten zu sein, dass klinisch mit keiner sinnvollen Reinnervation, etwa durch eine Nerventransplantation, zu rechnen ist.
Parallel zur Reduktion der Faserkaliber findet sich eine Verringerung des Durchmessers der einzelnen Myofibrillen. Aber auch die Mitochondrien verkleinern sich. Das sarkoplasmatische Retikulum erscheint allerdings zumindest relativ vermehrt. Die Verringerung der Myofibrillengröße resultiert aus einer Abspaltung einzelner Filamente an der Peripherie der Myofibrillen. Diese Filamente zerfallen dann in den intermyofibrillären Räumen, wobei im ersten Stadium der Atrophie ein „degenerativer autolytischer Prozess“ in den Fasern zu beobachten ist. Im zweiten längeren Stadium setzt dann die sog. „einfache“ Atrophie ein [52]. Ein bestimmtes Faserkaliber von 3 μm wird allerdings in aller Regel nicht unterschritten [66]. Sonstige degenerative Faserveränderungen bestehen in vakuoligen Veränderungen, selten einmal in einer vollständigen Degeneration mit Phagozytose und Kernpyknosen. Die Satellitenzellen vermehrten sich als Reaktion auf eine Denervation [37]. Die Typ-2-Fasern atrophieren rascher als die Typ-1Fasern. In allen Fasertypen verringert sich nach der Denervation die Aktivität der Enzyme. Hinsichtlich der oxidativen Enzymaktivität sind die Fasertypenunterschiede schließlich fast vollständig aufgehoben; hinsichtlich der myofibrillären ATPase-Aktivität bleiben aber noch monatelang Unterschiede erhalten.
Bei orthotoper Reinnervation ist im reinnervierten Muskel in der Regel eine Fasertypengruppierung nachweisbar, sofern eine komplette Nervendurchtrennung vorausgegangen ist. Nach einer Nervenquetschung ist eine solche Gruppenbildung bestenfalls in angedeuteter Form nachweisbar. Nach einer sog. Kreuzinnervation, d. h. wenn ein denervierter langsamer Muskel mit dem abgetrennten Nerven eines raschen Muskels reinnerviert wird, ändern sich der Muskelfasertyp in histochemischer, biochemischer und physiologischer Hinsicht im Sinne des reinnervierenden Neurons [9, 29], d. h. es kann zu einer Umwandlung der histochemischen Fasertypen kommen. Eine Fremdinnervation eines Muskels mit intakter Innervation führt zu keiner funktionellen muskulären Verbindung, auch wenn die Nervenfasern in den Muskel einwachsen. Erst wenn der zum Muskel gehörende Nerv durchschnitten wird, bilden sich funktionelle Kontakte zwischen dem fremden Nerv und den Muskelfasern.
Abb. 40.3a–f Panarteriitis nodosa mit ausgeprägter Polyneuropathie und neurogener Muskelatrophie bei einem 56-jährigen Mann. a Im Epineurium des N. suralis zeigen zahlreiche Blutgefäße ausgeprägte perivaskuläre und auch in der Gefäßwand liegende mononukleäre Zellinfiltrate. Eine mittelgroße Arterie ist obliteriert (A); HE, (Vergr. 590:1). b Nervenfaszikel mit starker Reduktion der Zahl großer und kleiner markhaltiger Nervenfasern und mit vielen Markscheidenabbauprodukten (Vergr. 112:1). c M. gastrocnemius mit umschriebenen perivaskulären mononukleären Zellinfiltraten, die nicht auf das angrenzende Muskelgewebe übergreifen. Die Muskelfasern zeigen gruppenförmige Atrophien ohne Nekrosen oder myophagische Reaktionen (Vergr. 184:1). d Succinatdehydrogenasereaktion mit fleckförmigen Aufhellungen in einzelnen dunklen Typ-1Muskelfasern (Vergr. 195:1). e Myofibrilläre ATPase-Reaktion nach
Präinkubation bei pH 9,4. Die dunklen Fasern (Typ 2) sind nahezu sämtlich atrophisch, nur vereinzelt auch die Typ-1-Fasern. Sowohl die hellen als auch die dunklen Fasern zeigen eine Fasertypengruppierung (Vergr. 112:1). f Die denervationsatrophischen Fasern liegen in kleinen Gruppen zusammen und sind oft stark abgeflacht oder „angulär“ konfiguriert. Das endomysiale Bindegewebe ist noch kaum vermehrt, 460:1. g,h Refsum-Krankheit. g N. suralis mit ausgeprägter Reduktion der Zahl großer und kleiner markhaltiger Nervenfasern. Markscheidenabbauprodukte sind nur vereinzelt zu finden. Ausgeprägte Proliferation der Schwann-Zellen, die stellenweise in größeren Haufen zusammen liegen (Pfeil; Vergr. 300:1). h Ausgeprägte neurogene Muskelatrophie mit gruppenförmig angeordneten atrophischen Fasern, die von vermehrtem endomysialen Bindegewebe umgeben sind (Vergr. 150:1)
831
Muskelveränderungen bei Schädigungen, Erkrankungen
a
b
c
d
e
f
g
h
832
Kapitel 40
Von einer kollateralen Reinnervation spricht man, wenn aussprossende Axone von erhaltenen Nervenfasern, wie so häufig, benachbarte denervierte Muskelfasern reinnervieren, wodurch in der Regel eine Fasertypengruppierung resultiert. Nichtcholinerge Nervenfasern (des Sympathikus oder der Spinalganglien) führen nicht zu einer funktionsfähigen Innervation, resp. Reinnervation quergestreifter Skelettmuskelfasern.
Periphere Neuropathien In der im Kap. 19 zitierten Klassifikation der neuromuskulären Erkrankungen sind die kongenitalen oder genetisch determinierten, metabolischen, traumatischen, toxischen, entzündlichen, blastomaösen oder neoplastischen und ätiologisch unklaren Erkrankungen der Spinalnerven und der peripheren Nerven in 271 Einzelpositionen aufgeschlüsselt. Inzwischen sind allein unter den hereditären Neuropathien 61 Positionen aufgelistet (s. Kap. 23, S. 597).
40
Zur Präzisierung der Diagnose ist dann manchmal eine kombinierte Nervmuskelbiopsie anzuraten [67, 92], insbesondere wenn eine Krankheit primär die peripheren Nerven und die Skelettmuskulatur betrifft, z. B. bei Vaskulitiden, Sarkoidose, bestimmten Amyloidosen, der Glykogenose vom Typ IV sowie bei Mutationen des Lamin-A/C- und Dynamin-2Gens (s. jeweils dort).
Morphologie. Muskelbioptisch findet sich bei chronischen Neuropathien vom axonalen oder neuronalen Typ ein Nebeneinander von typischen Denervations- und Reinnervationszeichen wie von reaktiven Veränderungen, die als „myopathisch“ oder als „Begleitmyopathie“ [47] gedeutet werden. Charakteristisch sind: • Kleine Gruppen atrophischer Fasern, die zumeist auf dem Querschnitt abgeflacht oder eckig (angulär; „angulated“; Abb. 40.2c,d; 40.3e,f,h), nicht rund, wie bei der infantilen spinalen Muskelatrophie, erscheinen (Abb. 40.1a–c). Diese partiell oder vollständig atrophischen Fasern gehören zumeist sowohl dem Typ 1 als auch dem Typ 2 an, wenn auch der Typ 2 etwas stärker betroffen sein kann. Der Grad der Muskelatrophie hängt von dem untersuchten Stadium des Prozesses ab. Gelegentlich ist eine netzförmige Verteilung der Muskelfaseratrophien über den gesamten Muskelquerschnitt zu finden, wie sie typischerweise bei der amyotrophischen Lateralsklerose vorkommt [54, 66] (Abb. 40.1d,e). Bei 3/4 der Patienten besteht eine Hypertrophie der Typ-1-Fasern.
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
• Eine Fasertypengruppierung, als Zeichen einer vorausgegangenen kollateralen Reinnervation denervierter Muskelfasern. Dabei müssen etwa 50, mindestens aber 15 Fasern gleichen histochemischen Typs zusammen liegen [6, 46]. In frühen Stadien findet sich u. U. ausschließlich eine Fasertypengruppierung. In späten Stadien können neben kleinen auch große Gruppen atrophischer Fasern nachweisbar sein (Abb. 40.2c, 40.3e). • Zentralständige Kerne und pyknotische Kernhaufen in vollständig atrophischen Fasern. Nur gelegentlich sind Fasernekrosen, Myophagien oder regenerierende Fasern nachweisbar, z. T. mit endomysialer Bindegewebsvermehrung. Typischerweise kommen auch Target- und Targetoid-Fasern vor [21, 64] (Abb. 40.2c,d), ebenso wirbelförmige Myofibrillenveränderungen und „Mottenfraßherde“ in den Muskelfasern (Abb. 40.3d). Die hypertrophischen Fasern erscheinen oft aufgespalten. Auch finden sich häufig atrophische Fasern in enger Nachbarschaft von hypertrophischen Fasern. In fortgeschrittenen Stadien fällt die Fett- und Bindegewebsvermehrung im Sinne einer Vakatwucherung auf, die von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Bei selektiv demyelinisierenden Polyneuropathien, namentlich bei den hypertrophischen Neuropathien vom Typ CMT3 (Dejerine-Sottas), besteht zumindest in frühen Stadien eine auffällige Diskrepanz zwischen dem ausgeprägten Befund am peripheren Nerven und den relativ geringfügigen Veränderungen am Muskel (Abb. 40.2a,b): Hier finden sich nur vereinzelt kleine Gruppen atrophischer Fasern, gelegentlich einmal eine Targetfaser. Die Faserdurchmesser sind aber insgesamt auffallend schmächtig [66]. Später können die Axone bei wiederholter De- und Remyelinisation schließlich in zunehmender Zahl degenerieren, so dass es zur progressiven Denervationsatrophie der Muskelfasern, evtl. mit den Komplikationen einer kollateralen Reinnervation und Fasertypengruppierung als Vorstufe einer Atrophie größerer Gruppen und Felder von Muskelfasern kommen kann.
Elektrostimulation Durch kurzfristige elektrische Reizung einzelner motorischen Nervenfasern (indirekte Reizung) lässt sich eine Reduktion des Glykogen- und Phosphorylasegehalts der Muskelfasern induzieren, die u. a. zur Bestimmung der Zahl von Muskelfasern in einzelnen motorischen Einheiten verwendet worden ist (ca. 160 im M. tibialis anterior der Ratte [18]).
833
Erkrankungen des Neurons
Durch langdauernde Stimulation des intakten Nerven mit einer Reizfrequenz, die derjenigen in einem langsamen Muskel entspricht (10 Hz = 10 Impulse/s), lässt sich ein rascher Muskel in einen langsamen umwandeln [50, 61].
Diese Transformation schließt nicht nur die physiologischen Parameter des Muskels ein, sondern auch die histochemischen, biochemischen und ultrastrukturellen Eigenschaften [58]. Auch das kollagene Bindegewebe wird beeinflusst [39]. Auch durch eine direkte Reizung eines denervierten Muskels lässt sich bis zu einem gewissen Grade eine Umwandlung von Fasertypen bei entsprechender Reizfrequenz induzieren [50]. Bezüglich der Wechselwirkungen zwischen Nerven, Muskeln und Prothesen durch Stimulation in der einen oder anderen Richtung über bioelektronische Brücken sei auf die Spezialliteratur verwiesen (z. B. bei Kochleaoder Retinaimplantaten, Handprothesen; Reizelektroden, Mikrostimulatoren; Polyimidregenerativelektroden usw.; vgl. Neurobiotics u. a.; Literatur s. [49].
[66]. Eine Wadenhypertrophie bei peripherer Neuropathie kann paradoxerweise ebenfalls vorkommen [81, 87].
Inaktivitätsatrophie In Abhängigkeit von der Art der Inaktivität sind die verschiedenen Muskelfasertypen in unterschiedlicher Weise betroffen. Bei mäßiger Beeinträchtigung der Gehfähigkeit kommt es zu einer Atrophie der raschen Zuckungsfasern. Bei hochgradiger Bewegungseinschränkung (Immobilisation) findet sich sowohl eine Atrophie der raschen als auch der langsamen Zuckungsfasern. Bei schmerzhaften Kniegelenkserkrankungen fand sich demgegenüber eine isolierte Atrophie der langsamen Zuckungsfasern [15, 78]. Diesen verschiedenen Atrophieformen liegt vermutlich eine Störung der Quantität und Qualität in der Aktivierung der entsprechenden motorischen Einheiten zugrunde.
Erkrankungen des zentralen und peripheren motorischen Neurons Amyotrophische Lateralsklerose (ALS)
Training
Es gibt zum Komplex des sportlichen Trainings und Dopings eine schier unübersehbare Literaturfülle [32].
Bei dieser Krankheit (im angloamerikanischen Sprachraum missverständlich schlicht „motor neuron disease“ genannt, obwohl dann auch die selektiven Erkrankungen der Vorderhornzellen, also ausschließlich des 2. motorischen Neurons, also die sog. spinalen Muskelatrophien und die „motorischen Neuropathien“ hinzuzurechnen wären) ist sowohl das zentrale (1.) als auch das periphere (2.) motorische Neuron erkrankt, d. h. sowohl die motorischen Zellen im Cortex cerebri als auch im Hirnstamm und im Rückenmark (s. Kap. 9). Als Ausschlusskriterium dient in der Regel eine Mitbeteiligung des peripheren sensorischen Systems; doch gibt es Ausnahmen mit schwerer sensorischer Neuronopathie [89]. Im Übrigen gilt generell, dass Systematrophien nicht absolut auf ein einziges System begrenzt sind. Zu unterscheiden sind sporadische von familiären Formen der amyotrophischen Lateralsklerose (ALS).
Differentialdiagnose. Diese Form der Aktivitätshypertrophie ist zu unterscheiden von einer echten Hypertrophie der Muskeln (Hypertrophia musculorum vera), die als Folge von Mutationen im Myostatingen (GDF8) vorkommt (Pos. 5.15 in Tabelle 31.2; Kap. 31), von einseitigen Hypertrophien ganzer Körperhälften mit Muskelhypertrophie sowie von fokalen Muskelhypertrophien [53] und der sog. hypertrophischen branchialen Myopathie, die durch eine selektive Vergrößerung der Kaumuskulatur gekennzeichnet ist (idiopathische Masseterhypertrophie)
Genetik, Klinik, Epidemiologie. Die Erkrankung tritt in der Regel sporadisch auf (SALS). Seltene familiäre Formen, eine besondere Form, die mit Parkinsonismus, und eine weitere, die mit Demenz kombiniert ist, und andere Syndrome müssen abgegrenzt werden (Pos. 12.19–12.29 in der Gentabelle, Neuromusc Dis: S. 87–88, 2010; s. Kap. 9). Die Erkrankung beginnt am häufigsten zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Doch können andere Lebensaltersstufen betroffen sein. Sofern vorwiegend die zentralen motorischen Neurone betroffen sind, wird das klinische
Beim sportlichen Training sind die Auswirkungen einer kurzfristigen raschen Belastung oder Trainingsaktivität, etwa bei Sprintern, von denen einer Dauerbelastung, etwa bei Langläufern (Ausdauertraining), und von denen bei Gewichthebern (Kraftsporttraining) zu unterscheiden [28]. • Beim Ausdauertraining vergrößern sich die Mitochondrien. Die SDH-Aktivität sowie die Volumendichte der intrazellulären Triglyzeridtropfen und die Zahl der Kapillaren pro Muskelareal nimmt zu [17]. • Demgegenüber kommt es beim Krafttraining zu einer selektiven Typ-2-Faserhypertrophie mit Verminderung der SDH-Aktivität.
834
Kapitel 40
Bild von der Spastizität und Hyperreflexie geprägt. Die Erkrankung der peripheren Neurone führt zur Atrophie und Schwäche der betroffenen Muskeln, die vielfach ausgeprägte Faszikulationen aufweisen. Die Inzidenz und Mortalität beträgt weltweit, von bestimmten Regionen im Westpazifik abgesehen, etwa 1 (0,8 bis 1,5) auf 100.000 Personen [40]. Nur bei einem Viertel der Fälle ist eine relativ benigne Variante zu beobachten [8].
40
Morphologie. Mikroskopisch bestehen, auch wenn klinisch noch keine Schwäche nachweisbar ist, nahezu regelmäßig in allen untersuchten Muskeln pathologische Veränderungen. Dazu gehört vor allem eine Atrophie von Typ-1und Typ-2-Fasern, wobei die Typ-2-Fasern zuerst und bevorzugt betroffen sind. Die atrophischen Fasern sind auf dem Querschnitt stark abgeflacht und manchmal in charakteristischer, wenn auch unspezifischer Weise in allen untersuchten Regionen annähernd gleichmäßig verteilt, so dass sie netzförmig zwischen den normal großen, erhaltenen Fasern angeordnet sein können (vgl. Abb. 40.1d,e) [20, 54]. Im Unterschied zur infantilen spinalen Muskelatrophie sind die atrophischen Fasern vielfach abgeflacht oder angulär konfiguriert; ihr kleinerer Querdurchmesser liegt zwischen 6 und 18 μm. Hypertrophische Fasern kommen ebenfalls häufig vor, wobei in frühen Stadien überwiegend Typ-1-Fasern hypertrophieren. Eine Fasertypengruppierung [23] gehört nicht zum charakteristischen Bild, wenn auch eine Anordnung der atrophischen Fasern in kleinen Gruppen charakteristisch ist [51]. Unter den Kernveränderungen fallen tigroide Formen auf. Zentral verlagerte Kerne sind nur selten nachweisbar. Degenerative und regenerative Veränderungen an den Muskelfasern kommen aber vor, myophagische Reaktionen oder Faserregenerationen schließen jedenfalls die Diagnose einer amyotrophischen Lateralsklerose nicht aus. Target- oder Targetoidfasern sind nur selten gehäuft nachweisbar, zumeist nur vereinzelt. Das Bindegewebe ist wegen des in der Regel raschen, malignen Verlaufs nicht wesentlich vermehrt. Eine endomysiale Fibrose oder Gefäßreaktionen gehören jedenfalls nicht zum typischen Bild. Ätiologie. Die Ursache der amyotrophischen Lateralsklerose ist, wenn man einmal von den erblichen Ausnahmefällen absieht, nicht geklärt. Diskutiert werden u. a. endogene und exogene Toxine, insbesondere Aluminium, Viren und endogene biochemische Anomalien der Neurone, insbesondere Defekte der DNA-ReparaturMechanismen, Ionenkanalfunktionsstörungen und immunologische Hypothesen [7, 38, 75]. Die bei der familiären ALS gefundenen Mutationen z. B. im Kupfer/Zink-Superoxid-Dismutase-1-Gen (s. oben) lassen sich manchmal bei der sporadischen Form der ALS nachweisen, so dass auch eine genetische Disposition zur Diskussion steht [33, 57, 71, 86].
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
Prognose. Die Prognose ist in der Regel ungünstig. Innerhalb von Monaten bis zu wenigen (in der Regel 2–3–5) Jahren nach Beginn der Symptome führt die akute Form der Krankheit bei voller geistiger Klarheit der Patienten letztlich durch die Atemlähmung zum Tode [33].
Erkrankungen des zentralen motorischen Neurons Das zentrale motorische Neuron kann bei zahlreichen verschiedenartigen Prozessen mehr oder weniger selektiv geschädigt sein, so z. B. nach Schlaganfällen und Traumen (kortikal und spinal) sowie bei Systematrophien (den verschiedenen Formen der spastischen Spinalparalyse bzw. der hereditären Paraplegien, bei denen derzeit 41 Formen unterschieden werden; http://www.musclegenetable.org). Bei den „Systematrophien“ ist grundsätzlich – zusätzlich zu dem dominierenden Befall des namengebenden Systems – mit einer geringen Nebenlokalisation des pathologischen Prozesses in weiteren Systemen zu rechnen. Morphologie. Das Vorkommen eines Muskelschwunds in den betroffenen Extremitäten hemiplegischer Patienten ist sei langem bekannt. Mikroskopisch lässt sich dabei anfangs eine überwiegende Typ-2-Faseratrophie nachweisen [2, 16]. Da auch Targetfasern vorkommen können, die als Denervationszeichen gelten, ist zu vermuten, dass später eine transsynaptische (transneuronale) Degeneration der distalen (peripheren) Motoneurone auftritt, nachdem die kortikospinalen Fasern degeneriert sind. Pathogenetisch sind als Ursache der hemiplegischen Muskelatrophie verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, so eine gewisse Inaktivität trotz einer zunehmenden Spastik, außerdem Störungen der Blutversorgung, möglicherweise auch eine Atrophie sowie Störungen vonseiten des Gyrus postcentralis, wo ein „trophisches“ Zentrum für die Muskulatur lokalisiert sein soll [44]. Eine suprasegmentale „Kordotomie“, d. h. eine Durchtrennung des Rückenmarks, führt im Experiment zu einer mäßiggradigen Atrophie beider histochemischer Fasertypen mit zusätzlichen „Myopathie-ähnlichen“ Veränderungen [37]. Bei der Bestimmung der verschiedenen Myosintypen lassen sich sog. Hybridfasern mit mehreren Schwerkettenmyosinformen (MHC-I, -IIa, -IIb und -IIx) nachweisen [80].
Störungen der zentralen Tonusregulation Hierzu gehören vor allem die Parkinson-Krankheit, das Parkinson-Syndrom resp. der Parkinsonismus (s. Kap. 8)
835
Unklassifizierte Krankheiten
und die Multisystemerkrankung bzw. die Synukleinopathien und andere neurodegenerative Proteinopathien des Zentralnervensystems, die über eine Miterkrankung der peripheren Nerven (autonome Nerven, spinale Ganglien) [89] indirekt zu Veränderungen am Muskelgewebe führen können. Außerdem sind hier Auswirkungen von Rigor und Tremor bei der Parkinson-Krankheit und weiterer Tremorformen zu nennen, ebenso die Folgen einer Dezerebellierung oder Deafferentierung [66] sowie heredodegenerative und andere Erkrankungen der spinozerebellären Systeme, darüber hinaus aber auch Auswirkungen von Myklonien (vgl. Mitochondriopathien; s. Kap. 33) und Myokymien. Auch Dystonien, die u. a. auf Mutationen in 5 verschiedenen mitochondrialen Genen (vgl. MELAS und MERRF) [25] sowie 17 nukleären Genen zurückgeführt werden können [48], und speziell die Spastik haben Auswirkungen auf die Struktur des Muskelgewebes, ohne dass diese allerdings bisher mit modernen Methoden genauer analysiert worden wären. Morphologie. Mikroskopisch findet sich z. B. beim Parkinsonismus neben einer Verringerung des mittleren Faserkalibers eine bevorzugte Atrophie der Typ-2-Fasern. Außerdem besteht eine geringe zahlenmäßige Dominanz der Typ-1-Fasern auf Kosten der Typ-2a-Fasern [16]. Bei pontozerebellärer Hypoplasie vom Typ 2 sind Folgen einer Rhabdomyolyse mit verschiedenen myofibrillären Veränderungen, Zellnekrosen, Unregelmäßigkeiten der NADH-Reaktion und Ablagerungen konzentrischer laminierter Körper zu finden [4]. Viele Störungen der Tonusregulation sind jedoch noch nicht hinreichend im Hinblick auf histopathologische Muskelveränderungen untersucht.
Erkrankungen des Zentralnervensystems, die sich mit Hilfe einer Muskelbiopsie spezifisch diagnostizieren lassen Zerebrale, autosomal-dominante Angiopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukoenzephalopathie (CADASIL) Perivaskuläres granuläres osmiophiles Material (GOM) lässt sich elektronenmikroskopisch als spezifische Ablagerung nicht nur im Zentralnervensystem, sondern auch um kleinere Blutgefäße im Muskel und in peripheren Nerven sowie der Haut nachweisen [35, 59, 60, 69, 70, 84].
Neuroferritinopathie Eine vorher unter den „unklassifizierten neuromuskulären Erkrankungen“ aufgeführte „neuromuskuläre Krankheit mit granulär-hyalinen Kerneinschlüssen“, bei der pathognonomische Kerneinschlüsse eine Diagnose erlauben [66, 68], ist inzwischen als Neuroferritinopathie identifiziert worden. Nach klinischen Befunden sind aber weniger die Muskulatur, sondern vor allem das Stammgangliengebiet des zentralen Nervensystems mit Parkinsonismus-ähnlichen Symptomen betroffen. Zugrunde liegen Mutationen im Gen für das „Ferritin light chain“ (FTL) auf Chromosom 19q13.3 [11, 12, 42, 65, 88].
Zeroidlipofuszinosen und spezielle Lipidosen Psychosen Ob eine wiederholt bei Psychosen – insbesondere von akut schizophrenen Patienten – beschriebene Myopathie in die Gruppe der Erkrankungen bzw. Störungen der zentralen Tonusregulation zu rechnen ist oder nicht, lässt sich gegenwärtig noch nicht entscheiden. Doch ließen sich wiederholt reichlich Nemalinkörper und Atrophien der Typ-2-Fasern nachweisen, die zumindest auf eine zentrale, neurogene Pathogenese sowohl der Typ-2Faseratrophie als auch der Nemalinkörper hinweisen [45]. Am Vorkommen mitochondrialer Funktionsstörungen bei neuropsychiatrischen Krankheiten besteht jedoch kein Zweifel; dazu gehören Demenzen, stärkere Depressionen, bipolare Krankheiten und Schizophrenien [62]. Die verschiedenen Formen mitochondrialer Enzephalomyopathien, die u. a. über eine Muskelbiopsie zu diagnostizieren sind, werden im Kap. 33 dargestellt.
Angesichts der schweren Krankheitsformen, die mit den Zeroidlipofuszinosen verbunden sind, erscheint die Beteilung der Skelettmuskulatur geringfügig; dennoch lassen sich muskelbioptisch zweifelsfrei Diagnosen stellen, sofern die charakteristischen kurvilinearen Zytosomen enzymhistochemisch mit Hilfe der Sauren-PhosphataseReaktion und elektronenmikroskopisch durch den Nachweis der spezifischen Sarkoplasmaeinschlüsse identifiziert werden [27, 66]. Ähnliches gilt auch für bestimmte Lipidosen wie der Fabry-Krankheit [83] und GM1-Gangliosidosen [82] u. a. (s. Kap. 6).
Unklassifizierte Krankheiten Angesichts unklassifizierbarer bzw. noch unklassifizierter Fälle in Literatur und Praxis ist damit zu rechnen, dass in Zukunft weitere Probleme der Nosologie und der Klassifikation zu lösen sind, bevor eine Rubrik „unklassifizierte
836
Kapitel 40
Erkrankungen“ ausgelassen werden kann, auch wenn an dieser Stelle nicht der Platz ist, um detailliert Beispiele aufzuführen (vgl. z. B. nukleär bedingte mitochondriale Krankheiten).
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
15.
16.
Literatur 1.
2.
3.
4.
5.
6.
40
7.
8. 9.
10.
11.
12.
13.
14.
Afifi AK, Rebeiz J, Mire J, Andonian J, Kaloustian VMd (1972) The myopathology of the Prune belly syndrome. J Neurol Sci 15: 153–165 Ashby P, Verrier M (1976) Neurophysiologic changes in hemiplegia. Possible explanation for the initial disparity between muscle tone and tendon reflexes. Neurology 26: 1145–1151 Balaji KC, Patil A, Townes PL, Primack W, Skare J, Hopkins T (2000) Concordant prune belly syndrome in monozygotic twins. Urology (Online) 55: 949 Barth PG, Ryan MM, Webster RI, Aronica E, Kan A, Ramkema M, Jardine P, Poll-The BT (2008) Rhabdomyolysis in pontocerebellar hypoplasia type 2 (PCH-2). Neuromuscul Disord 18: 52–58 Beersiek F, Parks AG, Swash M (1979) Pathogenesis of ano-rectal incontinence. A histometric study of the anal sphincter musculature. J Neurol Sci 42: 111–127 Black JT, Bhatt GP, Dejesus PV, Schotland DL, Rowland LP (1974) Diagnostic accuracy of clinical data, quantitative electromyography and histochemistry in neuromuscular disease. A study of 105 cases. J Neurol Sci 21: 59–70 Bostock H, Sharief MK, Reid G, Murray NM (1995) Axonal ion channel dysfunction in amyotrophic lateral sclerosis. Brain 118: 217–225 Brooke MH (1977) A clinican’s view of the neuromusular diseases. Williams & Wilkins, Baltimore Bullen AJ, Eccles JC, Eccles RM (1960) Interactions between motoneuronesand muscles in respect of the characteristic speed of their responses. J Physiol (Lond) 150: 417–439 Buonanno A, Cheng J, Venepally P, Weis J, Calvo S (1998) Activity-dependent regulation of muscle genes: repressive and stimulatory effects of innervation. Acta Physiol Scand 163: S 17–26 Crompton DE, Chinnery PF, Fey C et al. (2002) Neuroferritinopathy: a window on the role of iron in neurodegeneration. Blood Cells Mol Dis 29: 522–531 Curtis AR, Fey C, Morris CM et al. (2001) Mutation in the gene encoding ferritin light polypeptide causes dominant adult-onset basal ganglia disease. Nat Genet 28: 350–354 Cusco I, Barcelo MJ, del Rio E, Baiget M, Tizzano EF (2004) Detection of novel mutations in the SMN Tudor domain in type I SMA patients. Neurology 63: 146–149 Doyu M, Sobue G, Mukai E, Kachi T, Yasuda T, Mitsuma T, Takahashi A (1992) Severity of X-linked recessive bulbospinal neuronopathy correlates with size of the tandem CAG repeat in androgen receptor gene. Ann Neurol 32: 707–710
17. 18.
19.
20. 21. 22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
Edstrom L (1970) Selective atrophy of red muscle fibres in the quadriceps in long- standing knee-joint dysfunction. Injuries to the anterior cruciate ligament. J Neurol Sci 11: 551–558 Edström L (1970) Selective changes in the sizes of red and white muscle fibres in upper motor lesions and Parkinsonism. J Neurol Sci 11: 537–550 Edström L, Grimby L (1986) Effect of exercise on the motor unit. Muscle Nerve 9: 104–126 Edström L, Kugelberg E (1968) Histochemical composition, distribution of fibres and fatiguability of single motor units. Anterior tibial muscle of the rat. J Neurol Neurosurg Psychiatry 31: 424–433 Eggermann T, Eggermann K, Elbracht M, Zerres K, Rudnik-Schoneborn S (2008) A new splice site mutation in the SMN1 gene causes discrepant results in SMN1 deletion screening approaches. Neuromuscul Disord 18: 146–149 Engel AG, Franzini-Armstrong C (1994) Myology. McGraw-Hill, New York Engel WK (1961) Muscle target fibers, a newly recognized sign of denervation. Nature (Lond) 191: 60–79 Fallahi GH, Sabbaghian M, Khalili M, Parvaneh N, Zenker M, Rezaei N (2011) Novel UBR1 gene mutation in a patient with typical phenotype of Johanson-Blizzard syndrome. Eur J Pediatr 170: 233–235 Fidzianska A (1976) Morphological differences between the atrophied small muscle fibres in amyotrophic lateral sclerosis and Werdnig-Hoffmann disease. Acta Neuropathol (Berl) 34: 321–327 Fujita K, Ito H, Nakano S, Kinoshita Y, Wate R, Kusaka H (2008) Immunohistochemical identification of messenger RNA-related proteins in basophilic inclusions of adult-onset atypical motor neuron disease. Acta Neuropathol 116: 439–445 Gal A, Pentelenyi K, Remenyi V, Pal Z, Csanyi B, Tomory G, Rasko I, Molnar MJ (2009) Novel heteroplasmic mutation in the anticodon stem of mitochondrial tRNA(Lys) associated with dystonia and stroke-like episodes. Acta Neurol Scand 122: 252–256 Gilliam TC, Brzustowicz LM, Castilla LH et al. (1990) Genetic homogeneity between acute and chronic forms of spinal muscular atrophy. Nature 345: 823–825 Goebel HH, Zeman W, Pilz H (1975) Significance of muscle biopsies in neuronal ceroid-lipofuscinoses. J Neurol Neurosurg Psychiatry 38: 985–993 Gollnick PD, Armstrong RB, Saltin B, Saubert CWt, Sembrowich WL, Shepherd RE (1973) Effect of training on enzyme activity and fiber composition of human skeletal muscle. J Appl Physiol 34: 107–111 Gutmann E, Hnik P (1962) Denervation studies in research of neurotrohic relationships. In: Gutmann E (ed) The denervated muscle. Publishing House of Czechoslovak Academy of Science, Prague, pp 31–56 Gutmann E, Zelená J (1962) Morphological changes in denervated muscle. In: Gutmann E (ed) The denervated
Literatur
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44. 45.
muscle. Publishing House of Czechoslovak Academy of Science, Prague, pp 57–102 Haeri S, Devers PL, Kaiser-Rogers KA, Moylan VJ, Jr., Torchia BS, Horton AL, Wolfe HM, Aylsworth AS (2010) Deletion of hepatocyte nuclear factor-1-beta in an infant with prune belly syndrome. Am J Perinatol 27: 559–563 Hamilton MT, Booth FW (2000) Skeletal muscle adaptation to exercise: a century of progress. J Appl Physiol 88: 327–331 Jackson M, Al-Chalabi A, Enayat ZE, Chioza B, Leigh PN, Morrison KE (1997) Copper/zinc superoxide dismutase 1 and sporadic amyotrophic lateral sclerosis: analysis of 155 cases and identification of a novel insertion mutation. Ann Neurol 42: 803–807 Jennekens FG, Meijer AE, Bethlem J, Van Wijngaarden GK (1974) Fibre hybrids in type groups. An investigation of human muscle biopsies. J Neurol Sci 23: 337–352 Joutel A, Favrole P, Labauge P et al. (2001) Skin biopsy immunostaining with a Notch3 monoclonal antibody for CADASIL diagnosis. Lancet 358: 2049–2051 Kabakus N, Serhatlioglu S, Akfirat M, Kazez A, Aydinoglu H, Ozercan I, Aygun AD (2000) Prune-belly syndrome associated with extra-abdominal abnormalities in a 7year-old boy. Turk J Pediatr 42: 158–161 Karpati G, Engel WK (1968) Correlative histochemical study of skeletal muscle after suprasegmental denervation, peripheral nerve section, and skeletal fixation. Neurology 18: 681–692 Kerkhoff H, Hassan SM, Troost D, Van Etten RW, Veldman H, Jennekens FG (1994) Insulin-like and fibroblast growth factors in spinal cords, nerve roots and skeletal muscle of human controls and patients with amyotrophic lateral sclerosis. Acta Neuropathol (Berl) 87: 411–421 Koskinen SO, Kjaer M, Mohr T, Sorensen FB, Suuronen T, Takala TE (2000) Type IV collagen and its degradation in paralyzed human muscle: effect of functional electrical stimulation. Muscle Nerve 23: 580–589 Kurztke JF (1982) Epidemiologie of amyotrophic lateralsclerosis. In: Rowland LP (ed) Human motor neuron disease. Raven, New York, pp 281–302 Lorson CL, Strasswimmer J, Yao JM et al. (1998) SMN oligomerization defect correlates with spinal muscular atrophy severity. Nat Genet 19: 63–66 Mancuso M, Davidzon G, Kurlan RM, Tawil R, Bonilla E, Di Mauro S, Powers JM (2005) Hereditary ferritinopathy: a novel mutation, its cellular pathology, and pathogenetic insights. J Neuropathol Exp Neurol 64: 280–294 Matsuura T, Demura T, Aimoto Y, Mizuno T, Moriwaka F, Tashiro K (1992) Androgen receptor abnormality in Xlinked spinal and bulbar muscular atrophy. Neurology 42: 1724–1726 McComas AJ (1977) Neuromuscular function and disorders. Butterworths, London Boston Meltzer HY, McBride E, Poppei RW (1973) Rod (nemaline) bodies in the skeletal muscle of an acute schizophrenic patient. Neurology 23: 769–780
837
46.
47. 48. 49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
60.
61.
Meltzer HY, Rastogi S, Ellison J (1976) Quantitative histochemical evaluation of normal human skeletal muscle. Neurology 26: 849–852 Mittelbach F (1966) Die Begleitmyopathie bei neurogenen Atrophien. Springer, Berlin Heidelberg New York Müller U (2009) The monogenic primary dystonias. Brain 132: 2005–2025 Navarro X, Krueger TB, Lago N, Micera S, Stieglitz T, Dario P (2005) A critical review of interfaces with the peripheral nervous system for the control of neuroprostheses and hybrid bionic systems. J Peripher Nerv Syst 10: 229–258 Nix WA, Reichmann H, Schröder MJ (1985) Influence of direct low frequency stimulation on contractile properties of denervated fast-twitch rabbit muscle. Pflugers Arch 405: 141–147 Patten BM, Zito G, Harati Y (1979) Histologic findings in motor neuron disease. Relation to clinically determined activity, duration, and severity of disease. Arch Neurol 36: 560–564 Pellegrino C, Franzini C (1963) An elctron microscope study of denervation atrophy inred and white skeletal muscle fibers. J Cell Biol 17: 327–349 Pihko H, Lehtinen I, Tikkanen H, Harkonen M, Rapola J, Lamminen A, Sahlman A, Somer H (1993) Progressive unilateral hypertrophic myopathy: a case study [see comments]. Muscle Nerve 16: 63–68 Pongratz D (1976) Differentialdiagnose der Erkrankungen der Skelettmuskulatur an Hand von Muskelbiopsien. Enzymhistochemische und histometrische Untersuchungen zur besonderen Vulnerabilität der Typ-II-Fasern. Thieme, Stuttgart Rezaei N, Sabbaghian M, Liu Z, Zenker M (2011) Eponym: Johanson-Blizzard syndrome. Eur J Pediatr 170: 179–183 Rorke LB (1992) Anatomical features of the developing brain implicated in pathogenesis of hypoxic-ischemic injury. Brain Pathol 2: 211–221 Rouleau GA, Clark AW, Rooke K et al. (1996) SOD1 mutation is associated with accumulation of neurofilaments in amyotrophic lateral sclerosis. Ann Neurol 39: 128–131 Rubinstein N, Mabuchi K, Pepe F, Salmons S, Gergely J, Sreter F (1978) Use of type-specific antimyosins to demonstrate the transformation of individual fibers in chronically stimulated rabbit fast muscles. J Cell Biol 79: 252–261 Ruchoux MM, Guerouaou D, Vandenhaute B, Pruvo JP, Vermersch P, Leys D (1995) Systemic vascular smooth muscle cell impairment in cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy. Acta Neuropathol (Berl) 89: 500–512 Ruchoux MM, Maurage CA (1998) Endothelial changes in muscle and skin biopsies in patients with CADASIL. Neuropathol Appl Neurobiol 24: 60–65 Salmons S, Vrbova G (1969) The influence of activity on some contractile characteristics of mammalian fast and slow muscles. J Physiol (Lond) 201: 535–549
838
Kapitel 40
62. 63.
64.
65.
66. 67. 68.
69.
70.
71.
72.
40 73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
Scaglia F (2010) The role of mitochondrial dysfunction in psychiatric disease. Dev Disabil Res Rev 16: 136–143 Scharf JM, Endrizzi MG, Wetter A et al. (1998) Identification of a candidate modifying gene for spinal muscular. Nat Genet 20: 83–86 Schotland DL (1969) An electron microscopic study of target fibers, target-like fibers and related abnormalities in human muscle. J Neuropathol Exp Neurol 28: 214–228 Schröder JM (2005) Ferritinopathy: diagnosis by muscle or nerve biopsy, with a note on other nuclear inclusion body diseases. Acta Neuropathol (Berl) 109: 109–114 Schröder JM (1982) Pathologie der Muskulatur. Springer, Berlin Heidelberg New York Schröder JM (1998) Recommendations for the examination of peripheral nerve biopsies. Virchows Arch 432: 199–205 Schröder JM, Kramer KG, Hopf HC (1985) Granular nuclear inclusion body disease: fine structure of tibial muscle and sural nerve. Muscle Nerve 8: 52–59 Schröder JM, Sellhaus B, Jörg J (1995) Identification of the characteristic vascular changes in a sural nerve biopsy of a case with cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy (CADASIL). Acta Neuropathol (Berl) 89: 116–121 Schröder JM, Züchner S, Dichgans M, Nagy Z, Molnar MJ (2005) Peripheral nerve and skeletal muscle involvement in CADASIL. Acta Neuropathol (Berl) 110: 587–599 Shaw CE, Enayat ZE, Chioza BA, Al-Chalabi A, Radunovic A, Powell JF, Leigh PN (1998) Mutations in all five exons of SOD-1 may cause ALS. Ann Neurol 43: 390–394 Shimada K, Hosokawa S, Tohda A, Matsumoto F, Johnin K (2000) Histology of the fetal prune belly syndrome with reference to the efficacy of prenatal decompression. Int J Urol 7: 161–166 Shimada N, Sobue G, Doyu M et al. (1995) X-linked recessive bulbospinal neuronopathy: clinical phenotypes and CAG repeat size in androgen receptor gene. Muscle Nerve 18: 1378–1384 Simic G (2008) Pathogenesis of proximal autosomal recessive spinal muscular atrophy. Acta Neuropathol 116: 223–234 Smith RG, Kimura F, Harati Y, McKinley K, Stefani E, Appel SH (1995) Altered muscle calcium channel binding kinetics in autoimmune motoneuron disease. Muscle Nerve 18: 620–627 Sorenson EJ, Daube JR, Windebank AJ (2006) Electrophysiological findings in a cohort of old polio survivors. J Peripher Nerv Syst 11: 241–246 Sorenson EJ, Daube JR, Windebank AJ (2006) Motor unit number estimates correlate with strength in polio survivors. Muscle Nerve 34: 608–613 Staudte HW, Brussatis F (1977) Selective changes in size and distribution of fibre types in vastus muscle from cases of different knee joint affections. Z Rheumatol 36: 143–160 Stonnington HH, Engel AG (1973) Normal and denervated muscle. A morphometric study of fine structure. Neurology 23: 714–724
Neurogene Muskelveränderungen und -erkrankungen
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
87.
88.
89.
90.
91.
92.
Talmadge RJ, Roy RR, Edgerton VR (1999) Persistence of hybrid fibers in rat soleus after spinal cord transection. Anat Rec 255: 188–201 Thomas PK, Marques W Jr, Davis MB et al. (1997) The phenotypic manifestations of chromosome 17p11.2 duplication. Brain 120: 465–478 Tomé FM, Fardeau M (1976) Ultrastructural study of a muscle biopsy in a case of GM1 gangliosidosis type I. Pathol Eur 11: 15–25 Tomé FM, Fardeau M, Lenoir G (1977) Ultrastructure of muscle and sensory nerve in Fabry’s disease. Acta Neuropathol (Berl) 38: 187–194 Tournier-Lasserve E, Joutel A, Melki J et al. (1993) Cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy maps to chromosome 19q12. Nat Genet 3: 256–259 Towfighi J, Marks K, Palmer E, Vannucci R (1979) Mobius syndrome. Neuropathologic observations. Acta Neuropathol (Berl) 48: 11–17 Trotti D, Rolfs A, Danbolt NC, Brown Jr. RH, Hediger MA (1999) SOD1 mutants linked to amyotrophic lateral sclerosis selectively inactivate a glial glutamate transporter. Nat Neurosci 2: 427–433 Uncini A, Di Muzio A, Chiavaroli F et al. (1994) Hereditary motor and sensory neuropathy with calf hypertrophy is associated with 17p11.2 duplication. Ann Neurol 35: 552–558 Vidal R, Ghetti B, Takao M et al. (2004) Intracellular ferritin accumulation in neural and extraneural tissue characterizes a neurodegenerative disease associated with a mutation in the ferritin light polypeptide gene. J Neuropathol Exp Neurol 63: 363–380 Wakabayashi K, Mori F, Tanji K, Orimo S, Takahashi H (2010) Involvement of the peripheral nervous system in synucleinopathies, tauopathies and other neurodegenerative proteinopathies of the brain. Acta Neuropathol 120: 1–12 Wang CH, Carter TA, Das K, Xu J, Ross BM, Penchaszadeh GK, Gilliam TC (1997) Extensive DNA deletion associated with severe disease alleles on spinal muscular atrophy homologues. Ann Neurol 42: 41–49 Weis J (1994) Jun, Fos, MyoD1, and myogenin proteins are increased in skeletal muscle fiber nuclei after denervation. Acta Neuropathol 87: 63–70 Weis J, Nikolin S, Nolte K (2009) Neurogene Muskelatrophien und selektive Muskelfaseratrophien: Wegweisende Befunde in der Biopsiediagnostik neuromuskulärer Erkrankungen. Pathologe 30: 379–383
Sachverzeichnis
A
A-Delta-Faser 627 Abbausystem, lysosomales 799 ABC-Score 204 ABC1-Gen 610 ABC7-Gen 765 Abdissoziation von glatten Muskelzellen 654 Abdominalmuskelaplasie 828 Abduzenslähmung, bilaterale 828 Abetalipoproteinämie 610, 621, 709, 769 ABHD5-Gen 758, 768, 769 Abiotrophie 824 Ablagerung – amorpher Substanzen 632, 704 – granuläre osmiophile (GROD) 152, 770 – granulofilamentöse 732 – immunotaktoide 668, 670 – myelinähnliche (membranöse zytoplasmatische) 731 – ubiquinierte 629 – von IgM 670 Abrikossoff-Tumor 807 Abszess 311, 794 – epiduraler 312 – hämatogener 794 Acäruloplasminämie 184 Acatalasämie 611 Acetylcholin (ACh) 818 – Abgabe 781 – Esterase (AChE) 814, 818 – Aktivität 583 – Collagen-like-tail-Untereinheit (COLQ) 815, 818 – Freisetzung 814 – Rezeptor (AChR) 681, 816, 818 – α-Untereinheit 815 – Ab 814 – Antikörper 816, 817 – β1-Untereinheit 815 – CHRNA1 815 – CHRNB1 815 – CHRND 815 – CHRNE 818 – CHRNG 816 – δ-Untereinheit 815 – ε-Untereinheit 815
– Kanal 818 – Mangel 815 – Mangel mit oder ohne geringe kinetische Anomalien 818 – nikotinischer 814 Achselbogen 786 Acquired immune deficiency syndrome (AIDS) 38, 316, 318, 326, 327, 531, 794 – Neuropathie 643 – Prä-AIDS-Phase 643 Acrylamid 376, 582 Actin, siehe Aktin Actinin-α 678, 729, 730, 732 Action-Myoclonus-Renal Failure-Syndrom 153 Activin-A-Rezeptor, Typ 1 (ACVR1) 727, 778 Acyl-Coenzym-A – Dehydrogenase, sehr langkettig (ACADVL) 758, 769 – Dehydrogenasemangel 758 – multipler 758, 769 – Riboflavin-responsiver multipler 758 – Oxidasemangel 611 Addison-Krankheit 770 ADEM, siehe Enzephalomyelitis, akute disseminierte Adenosinmonophosphat (AMP) 768 – AMPD1-Gen 768 – Deaminase-(AMPDA-)Reaktion 734 Adenosintriphosphat (ATP) 761 – 2A1 745, 748 – 7A 183 – 7B 181 – Bindung 680 – Hydrolyse 680 – Synthetase 762, 765 Adenosintriphosphatase (ATPase) 680 – kalziumtransportierende 748 – myofibrilläre Reaktion 680, 826 – Reaktion 680 – Technik 680 Adhalin 678, 692 – Mangelmyopathie 705 Adie-Syndrom 629 Adipophilin 769 Adipose-Triglyzerid-Lipase (ATGL) 769 Adoptive-Transfer EAN 646
840
Sachverzeichnis
Adrenoleukodystrophie (ALD) 155, 157, 602, 609, 611 – neonatale (NALD) 155, 611 – Pseudo-NALD 611 – X-chromosomale (X-ALD) 157 Adrenomyeloneuropathie (AMN) 157, 611 Adriamycin 582 Adynamia episodica hereditaria 749, 750 Afferenz, sensorische 824 Aganglionose 624 Agenesie des Corpus callosum 626 – mit peripherer Neuropathie (ACCPN) 603, 626 Aggregat – fuchsinophiles 766 – mikrotubuläres 668 – tubuläres 687, 734, 736, 750, 751 – hexagonale Variante 734 Agrin (AGR) 681, 815 – Mangel 815 Agyrie 710 Ahornsirupkrankheit 174 AHS, siehe Ammonshornsklerose Aicardi-Syndrom 459 AIDP, siehe Polyradikuloneuropathie, akute inflammatorische demyelinisierende AIDS, siehe Acquired immune deficiency syndrome Akanthozytose 610 Akinesia-deformans-Sequenz, fetale (FADS) 709, 711 Akinesie, fetale 733 Akranie 76 Akrodermatitis chronica atrophicans 645 Akromegalie 594 Aktin 678, 679, 680, 687, 721, 729 – D 679 – D1 (ACTA1) 721, 728, 729 – Gen 733 – Nemalinmyopathie 729 – Filament 729 Aktin-Myosin-Komplex 678 Aktivitätshypertrophie 833 Akustikusneurinom 528, 536 ALD, siehe Adrenoleukodystrophie Alkohol 380, 779, 780 – Dehydrogenase 381 – Entzug 382 – Intoxikation 381, 382 – Missbrauch 381 Alkoholsyndrom, fetales 77, 78 Alkyl-DHAP-Synthase-Mangel 611 Allelverlust – 19q 488, 507 – 1p 488, 507 Allodynie 627, 643 Alpers-Huttenlocher-Syndrom 167, 764 Alpers-Syndrom 165, 167, 460 Alpha-S-Aktin-Expression 801 Alter 768
Altersatrophie 735 Alterspigment 152 Altersveränderungen 194 Aluminium 368, 393, 583, 801, 834 – Enzephalopathie 368 – Hydroxid 801 Alzheimer-Krankheit 200, 629, 799 – Alzheimer-I-Glia 392 – Alzheimer-II-Glia 183, 391 – Neurofibrillenveränderungen 195 – Plaque-prädominant 207 – Typ-II-Astrozyten 14, 16 Alzheimersche Neurofibrillenveränderung (NFT) 195 AMAN, siehe Neuropathie, akute motorische axonale Ameisensäure 339 Aminoglykosid 779, 780 E-Aminokapronsäure 780 Aminosäure 171 Amiodaron 585, 616, 779, 780 Ammonshornsklerose (AHS) 453 AMN, siehe Adrenomyeloneuropathie Amöbe 320 AMP, siehe Adenosinmonophosphat Amphetamin 387, 780 Amphiphysin 721, 744, 814 – Gen 723 Amphotericin B 779, 780 AMSAN, siehe Neuropathie, akute motorischsensorische axonale Amyelinisation 711 – kongenitale 624, 629 Amylo-1,4-1,6-Trans-Glukosidose 757, 759, 760 Amylo-1,6-Glukosidase (AGL) 757 Amyloid 706, 800 – Ablagerungen 781 – Angiopathie 282 – Fibrillen 605, 782 – Neuropathie 598, 603 – P-Komponente (AP) 598 – Protofibrillen 782 – Subprotofibrillen 782 – Vorläuferprotein (APP) 196, 201 – β-Protein (Aβ) 196, 202 – Ausfällung 585 – Aβ42-Form 799 – Vorläufer-Protein 799 Amyloidangiopathie, zerebrale (CAA) 282 Amyloidom 606 Amyloidose 603, 667, 781 – AL-Typ 606 – Andrade-Typ 603 – hereditäre (familiäre) 598 – lokalisierte 606 – primäre 598, 606, 781 – sekundäre 598, 781 Amylopektinose 759
Sachverzeichnis
Amyotonia congenita 720 Amyotrophie – diabetische 592, 771, 735 – hereditäre neuralgische (HNA) 603, 630 Anabolika 770 Analphalipoproteinämie 610 Anasarka 667 Anästhesiezwischenfall 751 Anästhetikum 584 Anastomose 253 Anderson-Krankheit 613, 746, 759 Androgenrezeptor 825, 828 – Gen 825, 828 Anenzephalie 53 Aneurysma 273 – arteriosklerotisches 274 – disseziierendes 275 – entzündliches 275 – mykotisches 275 – sakkuläres 273 Anfall, paralytischer 750 Angiogenese 262 Angiogliom 506 Angiokeratoma corporis diffusum 140 Angiolipom 527, 808 Angiom 808 – kavernöses 537 Angiopathie – diabetische 771 – kongophile 282 Anhidrose 627, 628, 644 Ankyrin 558 Anoctamin 5 (ANOS) 692 Anomalie, dentatooliväre 72 Anorexia nervosa 735 Anti-GQ1b-IgG-Antikörper 646 Anti-Hu 666 Anti-MAG-Neuropathie 647 Anti-MAS-Antikörper 797 Anti-Mi-2-Antikörper 797 Antiaminoacyl-tRNA-Synthetase-Autoantiköper 796 Antibiotikum 780 α1-Antichymotrypsin 799 Antikonvulsivum 460 Antikörper – Anti-GQ1b-IgG 646 – Anti-MAS 797 – Anti-Mi-2 797 – anti-Neutrophilen zytoplasmatische (ANCAs) 658 – antineuraler 666 – gegen die Hypophyse 667 – Myeloperoxidase-antineutrophiler zytoplasmatischer 657 – myositisspezifischer 796 Antimalariamittel 585 Antioxidanzien 779
Antiphospholipid-Syndrom (APS) 286 Antisignalrekognitionspartikel-(SRP-)Antikörper 797 Apatitablagerung 750 APC-Gen 808 Apert-Syndrom 76 Aplasie – der Bauchmuskulatur 828 – der kleinen sensorischen und autonomen Neurone 628 – des Musculus pectoralis 786 Apnoe 780 Apochlor 584 Apolipoprotein (APO) 603 – AI (APOA1) 603, 605 – B 611 – E (Apo-E) 182, 202, 643, 799 – Allel 800 – ε4 643 – Genotyp 421 Apoptose 779 APP, siehe Amyloidvorläuferprotein Aprosenzephalie 62, 76 APS, siehe Antiphospholipid-Syndrom APUD-System 662 Aquäduktstenose 74, 90 Aquaporin-4 360 Arachnoidalzotten 26 Arachnoidalzyste 71, 534 Arachnoidea mater 25, 26 Arbovirus 325 Areflexie 725 Argyrophilic grain 216 Arnold-Chiari-Anomalie 58 Arrhythmie, kardiale 751 Arsen 369, 580 Artefakt 682 Arteria meningea media 408 Arterie 256 – persistente 46 Arteriitis temporalis 285, 800 Arteriole 256 Arteriolosklerose 272, 278 Arteriosklerose 276, 654 Arthritis 645, 796 – chronische rheumatoide 654 – rheumatoide 656, 657, 733, 800, 819 Arthrogrypose 1 722 Arthrogryposis multiplex congenita 624, 709, 720 Arylsulfatase-A-ASA-Gen 132 ASKIN-Tumor 662 Aspartoazylase 180 Aspartylglukosaminurie 146 Aspergillose 317 Asphyxie 98 Aspirationspneumonie 760 Ästhesioneuroblastom 516
841
842
Sachverzeichnis
Ästhesioneuroepitheliom 516 Astroblastom 511 Astrocytic plaques 246 Astrogliose 13 Astrozyten 11 – reaktive 11 – thorn-shaped 17, 200, 215 Astrozytom – anaplastisches 503 – desmoplastisches infantiles 502 – fibrilläres 496 – gemästetzelliges 499 – pilomyxoides 501 – pilozytisches 499 – protoplasmatisches 498 Asymbolie für Schmerzen 628 AT8-Antikörper 799 Ataxia telangiectasia 236, 613 Ataxia-telangiectasia-mutated-(ATM-)Gen 237 Ataxie 233, 727, 764 – Acetazolamid-responsive hereditäre paroxysmale zerebelläre (APCA) 746 – episodische 746 – familiäre 709 – hereditäre 686 – spinozerebelläre (SCA) 236, 237, 630 – zerebelläre 724 Ataxie-Syndrom – fragiles 238 – mitochondriales rezessives (MIRAS) 764 Atelenzephalie 62, 76 Atemlähmung 646, 834 Atemmuskulatur 816 Athanogen 3, BCL2-assoziiertes 726, 730 Atmungskette 161, 761 – Komplex I 762, 764, 766 – Komplex II 765, 766 – Komplex III 765 – Komplex IV 765, 766 – Komplex V 765 ATPase, siehe Adenosintriphosphatase Atresie der Seitenventrikel 72 Atrophie 676, 686, 824 – der Muskelfasern 828 – der Typ-2-Fasern 835 – faszikuläre 825 – olivopontozerebelläre 246 Auerbach-Plexus myentericus 629 Aufsplitterung 789, 827 Augenmuskeln 720, 800 – äußere 676, 708, 768, 770 – Lähmung 614 Aurodetoxintherapie 654 Ausdauer 681 Ausdauertraining 833 Ausfall kleiner Nervenfasern 627
Ausheilungsbilder 567 Autismus 476 Autoaggressionskrankheit 642, 646, 794, 799 Autoantikörperstatus 796 Autoimmunerkrankung 797, 800 Autoimmunmyasthenia gravis, experimentelle (EAMG) 816, 817 Autoimmunreaktion 816 Autolyseveränderung 8 Autophagie 121 Autophagolysosomen 799 Autoregulation 257 Axon 5, 7, 556 – anterograder Transport 556 – Auftreibung 195, 632 – dystrophische Veränderungen 630 – markloses 618 – vegetatives 681 – proximale Abschnitte 824 – Schwellung 11 – sensorisches 681 Axonopathie 824 Axonotmesis 566, 568 Axonschäden 407 Azidämie, hyperpipekolische 611 Azidothymidin 794 Azidurie, glykolische 613 B
B-Lymphozyten 782 B-Zelle 797 Bag3-Protein 678, 679, 726, 730 Bag3opathien 730 Bakterien 794 Balkenmangel 65 Ballonzelle 457 Band, transversales 625 Bandage 791 Bandheterotopie 69 Barotrauma 437, 648 Barth-Syndrom 699, 765 Basalganglienhämatom 424 Basallamina 557, 592, 654, 678, 707, 761, 771, 789, 797, 826 – Defekte 710 – Permeabilitätsstörungen 654 – Veränderungen der Schwann-Zellen 723 – Verbreiterungen 592, 687 – perikapilläre 771 – Zwiebelschalenformationen 621, 625 Basedow-Paraplegie 593 Basophilic inclusions body disease (BIBD) 219 Basophilie 795 Bassen-Kornzweig-Syndrom 610, 769 Bauchwandmuskulatur 810 Bazillen 644 BDNF, siehe brain-derived growth factor
Sachverzeichnis
Becker-Dystrophie, siehe auch Muskeldystrophie 690, 745, 749 – Typ A 676, 677 – Typ B 677 Bell’sche Lähmung 642, 647 Bergkrankheit 438 Bergmann-Gliazelle 12 Bergmann-Gliose 15 Berührungsempfindlichkeit 627 Betablocker 779, 780 Bethlem-Myopathie 694, 710, 711 BIBD, siehe Basophilic inclusions body disease Biceps brachii 682 Bielschowsky-Körperchen 169 Bilirubin-Enzephalopathie (Kernikterus) 112 BIN1-Gen 721, 723, 724 Bindegewebe – des Muskels 681 – endomysiales 827 – endoneurales 618 – perimysiales 826 – Proliferation 711 – Vermehrung 832 Bindegewebskrankheit, hereditäre 710 Binswanger-Krankheit 279 Biogenese – der Mitochondrien 765 – peroxisomale (PBK) 611 – Pseudo-PBK 611 Biomechanik 418 Biondi-Körper 22 Biopsie – falsch-negative 657 – stereotaktische 490 Biotin 779 Biphenyle, polychlorierte 584 Bis-(mono-Acyl)-Glycerophosphat 609 Bismut 369 Bizepsmetastase 810 Blasenschwäche, atonische 646 Blausäure 375 Blei 369, 581 Blepharospasmus 748 Blickparese 614 – progressive supranukleäre (PSP) 215, 244 Blitzschlag 434 Blockade der neuromuskulären Endplatte 814 Blut-Hirn-Schranke 13, 27, 291 Blut-Liquor-Schranke 27 Blut-Nerven-Schranke 585, 644, 656, 667 Blutgefäß, epineurales 656 Blutung – in die Schädelhöhle 270 – intraventrikuläre 110, 423 – intrazerebrale 423 – retinale 412
Boeck-Besnier-Schaumann-Krankheit 801 Boeck-Sarkoid 801 Bornholm-Krankheit 794 Borrelia burgdorferi 645 Borreliose 314 Botulinumtoxin 814, 819 – Injektion 791 Botulismus 794, 795, 819 Boxen 424 Braak-Stadium 203, 204, 205 Brachyury 528 Bradykinin 788 BRAF-Gen 489, 501, 502, 513 Brain-derived growth factor (BDNF) 568 Brain-Net 225 Branching-Enzym 757, 759 – 4-alpha 757 – Defekt 170 – Mangel 756 Brandeinwirkung 431 Brandhämatom 432 Brody-Krankheit 745, 748 Bronchialkarzinom 666 – kleinzelliges 817 Brücke, bioelektronische 833 Brückenblutung 427 Brückenvene 408 Brustkorbdeformität 711 Bulbärparalyse, progressive 827 Bulbärsyndrom 427 Bumetanid 780 α-Bungarotoxin 814 Büngner-Band 567, 568, 616, 621 Bunina-Körper 230 Burning-feet-Syndrom 592, 627 C
C-Faser 592, 627, 628 C-Protein 678 C-Waffen 583 CACNA – 1A-Gen 746, 750 – 1S-Gen 746, 747, 751 CADASIL 281, 630, 656, 835 Cadmium 581 CAG – Trinukleotide 825 – Wiederholungsabschnitte 828 Caisson-Trauma 425, 437 Cajal-Retzius-Zelle 48, 451 Calcinosis cutis 797 Calpain – 1 678 – 2 678 – 3 (CAPN3) 678, 692, 703 – Familie 703
843
844
Sachverzeichnis
Calpain – l-Calpain 678 – m-Calpain 678 Calpainopathie 697, 701, 703, 800 Calpstatin 678 Calretinin-Neuron 654 Calsequestrin 678, 735 Calumin 678 Campylobacter 647 – jejuni 646 Canavan-Krankheit 165 Canavan-van Bogaert-Bertrand-Krankheit 180 Candida 317 Cannabinoid 387 Cap disease 722 Capsaicin-Rezeptor 627 Caput succedaneum 112 CapZ 678 Carbenoxolon 779, 780 Carbun 820 Cardiolipin 764, 765 Carney-Komplex 529 Carnitin – L-Carnitin-Therapie 768 Carnitin-Palmitoyl-Transferase 2 (CPT2) 758 Carnitin/Acylcarnitin-Translokase-Mangel 758, 769 Carnitinmangel, primärer 768 – systemischer (CDSP) 758, 769 Carnitinpalmitoyltransferase-(CPT-)Mangel 758, 768, 769 – I 769 – II 769 Catenin – β 730 Cauda-equina-Syndrom 643 Caveolae, pinozytotische 751 Caveolin 678, 679, 708 – 1 558 – 3 (CAV3) 687, 691, 698, 702, 725, 727, 730, 745, 748 – Defekt 702 – Gen 702, 748 – Immunreaktivität 735 – Mangel 703 – Verminderung 702 – Reaktivität 748 Caveolinopathie 720 Cavin 698 – 1 691 Cavum – septi pellucidi 73 – Vergae 73 CCFDN 603, 623, 727 CCT5-Gen 626, 629 CD, siehe cluster of differentiation CDSP, siehe Carnitinmangel, primärer systemischer
Central Core 677, 781 – Fasern 687 – Krankheit (CCD) 676, 721, 723, 728, 729, 735, 747, 751 – Myopathie 734 CERAD 204 – Klassifikation 206 Cerebral palsy 99 Ceroid-Lipofuszinosen 609 CGI-58-Gen 758, 769 Chagas-Krankheit 642, 644, 796 Chanarin-Dorfman-Syndrom 758, 768, 769 Chaperon 679 – Protein 630 Charcot-Arthropathie 628 Charcot-Marie-Tooth-Neuropathie (CMT) 615, 616 – CMT1 599, 615 – CMT1A 593, 599, 615, 618, 619, 829 – CMT1B 599, 725 – CMT1C 599, 619 – CMT1D 599, 619 – CMT1E 599, 619 – CMT1F 599, 619 – CMT2 600, 615, 619 – CMT2A 600, 621, 765 – CMT2B 600, 621 – CMT2B1 600, 698, 702 – CMT2B2 600 – CMT2C 600, 621 – CMT2D 600, 621 – CMT2E 600, 621 – CMT2F 600, 623, 629 – CMT2G 600, 623 – CMT2H 600, 623 – CMT2I 600, 623 – CMT2J 600, 623 – CMT2K 600, 619, 623, 625 – CMT2L 600, 623, 629 – CMT3 601, 624, 832 – CMT4 615, 625 – CMT4A 601, 619 – CMT4B1 601, 625 – CMT4B2 601, 625 – CMT4C 601, 625 – CMT4D 625 – CMT4E 601, 625 – CMT4F 602, 625 – CMT4G 602, 625 – CMT4H 602, 625 – CMT4J 602, 625 – dominant intermediäre (CMTDI) 623 – CMTDIA 599, 623 – CMTDIB 599, 623, 694 – CMTDIC 599, 623 – CMTDID 599, 623
Sachverzeichnis
– X-linked (CMTX) 626 – CMTX1 602, 626 – CMTX2 602, 626 – CMTX3 602, 626 – CMTX4 602, 626 – CMTX5 602, 626 Chaslin-Gliose 16 Chemikaliensensitivitäts-Syndrom, multiples 587 Chemikalienunverträglichkeit, multiple 376 Chemodektom 662 Chiari-Anomalie – Typ 1 58 – Typ 2 58 Chloridkanal 678, 745, 749 – Leitfähigkeit 749 – Störungen 748 Chloroform 781 Chlorophen 584 Chloroquin 379, 585, 779, 780, 799 2-Chloroprocain 584 Chlorpromazin 780 Chlostridium – botulinum 390 – tetani 390 Cholangiokarzinom 810 Cholestanolose 609 Cholesterin 609 – Antagonisten 744 – Ester 610 – Granulom 511 Cholin 779 Cholinacetyltransferase (CHAT) 815 – Mangel 815, 817 Cholinesterasehibitoren 819, 820 Chondrodysplasia punctata, rhizomelische (RCDP) 155, 611 – Typ II 611 – Typ III 611 Chordom 527 – chondroides 527 Chorea – Akanthozytose 241 – minor 241 – Sydenham 241 Chorionkarzinom 532 Chromatolyse 9, 621 Chromosomenanomalie 77 – X0, X/XX 690 Chronic Wasting Disease 341 Chronic-fatigue-Syndrom 801 Churg-Strauss-Syndrom 656, 657, 800 Chylothorax 723 Cimetidin 780 Cisplatin 371, 582 Cisternae subarachnoideae 26 CJD, siehe Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Claudicatio intermittens 791 Claudin 557 CLCN1-Gen 745, 749 Clioquinol 379 Clofibrat 779, 780 Clofibrid 780 Clostridium – botulinum 794, 795, 819 – perfringens 794 – tetani 794, 795, 819 Cluster of differentiation (CD) – CD14-DR-Antikörper 797 – CD20+-Zellen 797 – CD20+DR+-Zellen 797 – CD26 797 – CD3+DR+-Zellen 797 – CD34 455 – CD4+ 797 – T-regulatorische Zellen 646 – CD68 23 – CD8 797 – CD8+-T-Zellen 797, 800 – CD99 530 CMD – CMD1A 698 – CMD1C 726 – CMD1G 692, 706, 726 – CMD1N 705 – CMD1S 722, 725 – CMD4D 601 – Fukuyama-Typ 693 CMH 725, 727, 745 – CMH1 722, 725 – CMH9 706, 726 CO-Intoxikation 373 CoA-Dehydrogenasemangel, multipler 768 Coasting-Phänomen 579, 586 Cockayne-Syndrom 609 Coenzym (CoQ) 764 – CoQ10 765 Cofilin 2 (CFL2) 678, 721, 729 Cogan-Syndrom 647, 648 Coiled bodies 19, 200, 215, 244, 246 Coma – diabeticum 289 – vigile 427 Commotio cerebri 422 Congenital cataract facial dysmorphism neuropathy 727 Congenital disorders of glycosylation (CDG) 184 Connexin-32 (Cx-32) 557, 615, 623, 626 Contactin-1 (CNTN1) 722 Contre-coup 419 Contusio cerebri 422 Core 720, 728
845
846
Sachverzeichnis
Corefaser 827 Cori-Krankheit 759 Corpora – amylacea 10, 17, 169, 621, 756 – arenacea 22 Corpus-callosum-Agenesie 626 Cortex cerebri 833 Corynebacterium diphtheriae 391, 645 Cotton-wool-Plaque 207 Cowden-Syndrom 513 Cowdry-Typ-A-Einschluss 10 COX, siehe Cytochrom-Oxidase Coxsackie-Virus-B-Infektion 794 Crack 387 Crampi 789 Crampus-Syndrom 734 Creutzfeldt-Astrozyten 16 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) 341 – Autopsien bei CJD-Verdacht 346 – Brownell-Oppenheimer-Variante 342 – Dekontamination 346 – genetische 343 – Heidenhain-Variante 342 – iatrogen übertragene 345 – panenzephalopathische Variante 342 – sporadische – Klassifikation 344 – Subtypen 343 – Variante (vCJD) 345 Creutzfeldt-Peters-Zellen 16 CRINET 511 Critical-illness-Myopathie 594, 779 Critical-illness-Polyneuropathie 594 Crow-Fukase-Syndrom 667, 670 Cryptococcose, siehe Kryptokokkose Crystallin – αB (CRYAB) 678, 679, 725, 730 Crystallinopathie αB 732 CTDP1-Gen 603, 623, 727 CTG-Region, expandierte 747 Cu/Zn-Superoxid-Dismutase 825 Curare 814 Curschmann-Steinert-Krankheit 744 Cushing-Syndrom 735, 770 Cybride 763 Cysteinprotease 678 Cysticercus 320 Cytochrom – b 762 – c 761 – Oxidase (COX) 761, 762, 767, 768 – 10 765 – Aktivität 764 – negative Fasern 764, 765 – Reaktion 766, 768 Cytotactin 558
D
Danazol 780 Dandy-Walker-Syndrom 60 Danon-Krankheit 153, 699, 726, 760 Danon-Myopathie 707 – granulovakuoläre Einschlüsse 707 Dantrolenmedikation 751 Dark neuron 8, 265 Darmfunktion 627 Darmwand 643 Daumas-Duport 503 De-Morsier-Syndrom 66 Deafferentierung 835 Deafness-dystonia peptide 1 (DDP1) 765 Debranching Enzyme 759 – Defekt 756 Defäkationsproblem 629 Degeneration – basophile 756 – granulovakuoläre 10, 195 – hepatolentikuläre 181 – hyaline 687 – kolloide 268 – kortikobasale (CBD) 214, 245 – striatonigrale 246 – transsynaptische 9, 834 Dejerine-Sottas-Syndrom (DSS) 601, 615, 616, 624, 832 Dekompressionstrauma 437 Dekubitus 794 Delayed onset muscle soreness (DOMS) 778, 788 Delirium tremens 382 Deltaaminolävulinsäure-(ALA)-Dehydratase-Mangel 606 Deltafaser 687 Deltaläsion 695 Deltoideus 682 Dementia pugilistica 246, 424 Demenz 744, 747, 833, 835 – frontotemporale 724, 727 – mit Lewy-Körperchen (DLB) 210 – temporofrontale lobäre 799 – vaskuläre 279 Demyelinisation – paranodale 566, 645 – segmentale 566, 645 – sekundäre 619 Dendriten 5 Denervation 820, 828 Denervationsatrophie 729, 751, 816, 832 Denervationszeichen 832, 834 Dentato-Rubro-Pallido-Luys-Atrophie (DRPLA) 238 Deoxyguanosin-Kinase (DGUOK) 764 Depression 474, 835 Dermalsinus 56 Dermatom 642
Sachverzeichnis
Dermatomyositis 734, 735, 781, 794, 796, 797, 798, 818 – juvenile 778 Dermatopathie, restriktive 698 Dermoidzyste 56, 534 Desantis-Cacchione-Syndrom 613 Desert hedghog homolog (DHH) 614 Desmin (DES) 678, 679, 687, 725, 730 – Ablagerungen 730, 731 – Filamente 679 – Reaktion 731, 788 Desminopathie 730, 731, 732 Desmoid 808 – Tumor 808 Desmosom 557 Desnutrin 758, 769 Desoxyribonukleinsäure (DNA) 744 – Analyse 697 – defekte Reparatur 613 – doppelsträngiges zirkuläres Molekül 761 – Expansion – genetische Instabilität 744 – instabiler Sequenzen 744 – mitochondriale (mtDNA) 614, 736 – Depletionssyndrom (MDS) 764 – Duplikationen 762, 763 – homoplasmische Mutation 764 – proteinkodierendes Gen 763 – nDNA 761 – Sequenzierung 686 DeToni-Fanconi-Syndrom 764 Dextran 587 Dezerebellierung 835 DGUOK, siehe Deoxyguanosin-Kinase DHAP-Acyltransferase-Mangel 611 Di-Isopropyl-Fluorophosphat (DFP) 820 Diabetes mellitus 288, 393, 615, 654, 763, 771, 789 Dialyseenzephalopathie 368, 393 Diaminoproprionitril 583 Diastaseverdauung 808 Diastematomyelie 57 Diathese, hämorrhagische 656 20,25-Diazacholesterin 744, 779, 781 Dicephalus 80 Dichlorbenzol 584 Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) 584 2,4-Dichlorphenoxyazetat 744, 779, 781 Dichlorphenoxyessigsäure 584 Dichroismus 781 Didanosin 643 Dieterle-Methode 315 Diethyläther 781 Differenzierung, retrogressive 45 Diffusionsbarriere 559 Dihydroxycholestanolmangel 611 Diphenylhydantoin 379, 460 Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Vakzination 645
Diplegia facialis 828 Diplomyelie 57 Disease-related group (DRG) 646 Dissociation cyto-albuminique 646 Diuretika 779, 780 Divertikel 74 DMPK, siehe Dystrophia-myotonica-Protein-Kinase DNA, siehe Desoxyribonukleinsäure Docking-Protein 7 (DOK7) 816 Doping 736, 770 Doppelkortexsyndrom 66 Doppelspeiche 734 Dörrpflaumenbauch 786, 828 Dottersacktumor 532 Double trouble 626, 698 Doublecortin 68 Down-Syndrom 77, 201, 723 Drainage, venöse 255 Dravet-Syndrom 462 DRG, siehe Disease-related group 646 Drosophila-Modell 709 DRPLA, siehe Dentato-Rubro-Pallido-Luys-Atrophie Drucklähmung 668 Druckschädigung 791 Duchenne-Muskeldystrophie 676, 691, 695, 696, 751 Duffy-Blutgruppe 615 Dura mater 25, 405 Dürck-Granulom 319 Dying-back 643, 824 Dynamin (DNM) 765 – 2 (DNM-2) 599, 615, 623, 694, 721, 725 – Gen 708, 720, 723, 832 – Mutationen 724 Dynamometer 788 Dynein 556 Dys-2 695 Dysästhesie 643 Dysautonomie, familiäre 628 Dysferlin (DYSF) 687, 692, 703, 725, 734 – Mangelmyopathie 703 Dysferlinopathie 701, 703, 704 Dysgenesie – des Gehirns 747 – gonadale 614 Dysglobulinämie 656, 667 Dysmorphie, faziale 623 Dysphagie 709, 797 Dysplasie – fibromuskuläre 287 – fokale kortikale (FCD) 457 – Klassifikation 457 – mandibuloakrale 698 – septooptische 66 – thanatophore 76 – zerebrookuläre 68, 69 Dyspnoe 796
847
848
Sachverzeichnis
Dysproteinämie 642, 667 Dysraphie 51 – rektozerebelläre 60 Dystonie 791, 835 Dystrobrevin 679, 681 Dystroglycan-related protein 2 (DRP2) 558 Dystroglykan (DAG) – D (DAG1) 678, 703, 705 – Glykosylierung 703 – β 678, 681, 703 – Komplex 679, 701 Dystroglykanopathie 703 Dystrophia-myotonica-Protein-Kinase (DMPK) 745 – Gen 733, 747 Dystrophie – infantile neuroaxonale 630 – kongenitale myotonische 733 – myotonische (DM) 626, 695, 696, 697, 708, 732, 734, 735, 744, 745, 820 – vom Typ 1 724, 744, 745, 747, 751 – vom Typ 2 744, 745, 748 – neuroaxonale 622 – proximale myotonische (PROMM) 744, 748 – reflexsympathetische (RSD) 629 – Xp21 690 Dystrophiemaus 710 Dystrophin (DYS) 678, 679, 687, 690, 691, 695, 701, 730 – Antikörper 695 – Glykoproteinkomplex (DGK) 678, 701, 703 – Reaktionen 697 – negative 687 Dystrophinopathie 690, 697, 701, 801 E
E-Cadherin 557 E-Fläche 751 E-Selektin 594 E200K-Mutation 345 Eales-Syndrom 734 Early growth response 2 (EGR-2) 599, 601, 619, 624 Ebstein-Barr-Virus (EBV) 642, 643 EBV, siehe Ebstein-Barr-Virus Ecchordosis physaliphora 528 Echinokokkus 321 EDH, siehe Epiduralhämatom Edström-Myopathie 726 Edwards-Syndrom 78 Ehlers-Danlos-Syndrom 710 Einschluss – glialer 199 – mitochondrialer 687 – parakristalliner 767, 768 – tubulofilamentöser 706, 709, 734, 747, 797
Einschlusskörper 10 – Myopathie 217 – hereditäre (hIBM) 706, 723, 724, 725, 799 – Myositis 707, 723, 794, 796, 797 – sporadische (sIBM) 723, 797, 799 Einschlusskrankheit, neuronale intranukleäre hyaline (INIBD) 629, 723, 728 Einzelfaseratrophie 826 Einzelfasernekrose, segmentale 778 Eisen – Ablagerung 656 – Defekt 181 – Inkrustierung 8 – Reaktion 728 – Stoffwechsel 630 Eiskristallbildung 682 Ekbom-Syndrom 614 Elektromyographie 559 Elektron-Transfer-Flavoprotein 758 – α-Polypeptid (ETFA) 758, 768, 769 – β-Polypeptid (ETFB) 758, 768, 769 – Dehydrogenase (ETFDH) 758, 768 Elektrostimulation 832 Elektrotrauma 432 Elzholz-Körper 607 Embolie 654 Embolus, septischer 794 Embryonal tumor with abundant neuropil and true rosette (ETANTR) 519 Embryonalleben 676 Embryopathie, alkoholische 386 Emerin (EMD) 679, 687, 691, 698, 723, 734, 799 – Gen 698 Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie (EDMD) 691, 697, 711, 723, 727 – autosomal-dominant (EDMD-2/4/5) 691, 697 – autosomal-rezessiv (EDMD3) 691, 697 – Typ 2 736 – X-chromosomal (EDMD1/6) 697 Emetin 779, 780 – Medikation 729 Empyem, subdurales 304, 312 Endangitis obliterans 285 Endarterie 253 Endokrinopathie 667, 729 Endomysium 681 Endoneurium 558 Endorgan, sensorisches 681 Endothelien 799 Endothelzellen 654 – Einschlüsse 656 Endplatte 818 – Acetylcholinesterase-Mangel (EAD) 815, 818 – Kerne 818 – motorische 682 – Präparation 682
Sachverzeichnis
– neuromuskuläre 681, 819 Enfluran 781 Enolase – Mangel 757, 761 – muskelspezifische 3β (ENO3) 757 – Gen 761 – neuronspezifische (NSE) 492 Entamoeba histolytica 320 Entmarkung 279, 355 – kortikale 357 Entwicklungsalter 49 Entwicklungsparameter 49 Entzündung – eitrige interstitielle 794 – granulomatöse 656, 794 Enzephalitis – limbische 459, 541, 666 – phlegmonöse 304 Enzephalokardiomyopathie 765 Enzephalomalazie, ischämische – Erweichung 266 Enzephalomyelitis – akute disseminierte (ADEM) 361 – diffuse 666 Enzephalomyelopathie, subakute nekrotisierende 166 Enzephalomyopathie 762, 766 – gastrointestinale Störungen 766 – mitochondriale 835 – mit Laktatazidose und schlaganfallähnlichen Episoden 762, 763 – neurogastrointestinale (MNGIE) 162, 168, 614, 764, 768 Enzephalopathie 764 – bovine spongiforme (BSE) 340 – hepatische 391 – hypertonische 270 – hypoglykämische 393 – ischämische 412 – multizystische 107 – nekrotisierende vom Typ Leigh 763 – neonatale 98 – pankreatische 393 – transmissible spongiforme (TSE) 332 – urämische 392 Enzephalozele 55 Eosinophilie-Myalgie-Syndrom 586 Ependymitis granularis 20 Ependymoblastom 509, 519 Ependymom 507 – anaplastisches 509 – klarzelliges 508 – myxopapilläres 509 – papilläres 508 – tanyzytisches 508 Ependymopathia granularis 20
Ependymzellen 19 Epidermal growth factor (EGF) 487 – Rezeptor (EGFR) 505 Epidermoid 662 – Karzinom 810 – Zyste 534 Epidermolysis bullosa 816 – simplex 706, 727 Epiduralblutung 428 Epiduralhämatom (EDH) 407 Epilepsie – genetisch determinierte 461 – Klassifikation 448 – rolandische 462 Epilepsiechirurgie 452 Epimysium 681 Epineurium 558 Episode, synkopale 730 Epitheloidzellen 798, 801 EPM2A-Gen 170, 759 EPO 667 Epsilonaminokapronsäure 779 Epstein-Barr-Virus 531, 642, 647 Erkrankung – bipolare 472, 835 – endokrine 770 – entzündliche 687, 794 – lymphoproliferative 667 – lymphoretikuläre 666 – lysosomale 121 – mitochondriale 160, 614, 761, 762 – monogene neuromuskuläre 686 Erythema migrans 645 Erythrodermie, ichthyosiforme 769 Erythrozytophagen 36 Escobar-Syndrom 733, 816 Ethylenoxid 583 Eulenaugen – Einschluss 643 – Zellen 325 Exenzephalie 53 Exerzierknochen 778 Exotoxin 819 – des Tetanusbazillus 819 Exozytose 687 Extrazellulärmatrix 487, 679, 710 Exzitations-Kontraktions-Kopplung 678, 728 Exzitotoxizität 261, 367 F
Fabrin-Gen (FGD4) 602, 625 Fabry-Krankheit 140, 610, 656, 769, 835 Facies myopathica 744 Fadenwurm 795 Fahr-Syndrom 287 Fahrradergometerbelastung 766
849
850
Sachverzeichnis
β-Faltblattstruktur 668 Falte, synaptische 817, 818 Faltenapparat, postsynaptischer 817 Farber-Krankheit 141, 609 Fas-Ligand 797 Fasciculi graciles 621 Fasciitis nodularis 801 Faser – atrophische 832 – Aufsplitterung 687 – basophile 697 – betamotorische 681 – Durchmesser 789, 832 – gammamotorische 681 – hybride 680 – hypertrophische 702, 827, 834 – intramuskuläre Unterschiede der Zusammensetzung 680 – Kaliber 676, 827 – Spektren 676 – kollagene 789 – kortikospinale 834 – opake 697 – regenerierende 711 – reinnervierte 827 – schnelle, mitochondrienarme, weiße, Typ 2 678 – teilatrophische 829 – anguläre 767 – Typen – Disproportion 677, 711, 720, 729, 733 – Gruppierung 827, 829, 830, 832, 834 Faseratrophie – Typ-1 733 – Typ-2 770, 800 Faserdurchmesser, mittlerer 677 – Normalwerte 677 Fasertypendisproportion – kongenitale (CFTD) 676, 694, 711, 721, 726, 732, 733, 734, 735 – myotubuläre 747 Fast-channel-Syndrom (FCCM) 815 Fasten 769 Fasziitis – noduläre 666, 779 – proliferative 779 – pseudosarkomatöse 779 Faszikel – sekundärer 681 – tertiärer 681 Faszikelzahl 560 Faszikulation 834 Fatal familial insomnia (FFI) 347 Fazialislähmung 647 – kongenitale einseitige 828 Fazialisschwäche 744 FCCM, siehe Fast-channel-Syndrom
Ferritin 630 – Einschlusskörper 728 – Ferritin-light-Polypeptid-(FLP-)Gen 728 – light chain (FTL) 835 – Reaktion 728 Ferritinopathie 728 Ferroportin 630 Ferrugination 8 Fetopathie, alkoholische 386 Fettembolie 425 Fettgewebe 829 Fettsäurekatabolismus 769 Fettsäuren, langkettige 613 Fettvakatwucherung 687, 711, 736 FFI, siehe fatal familial insomnia FGF-2 568 Fibrat 779 Fibrillen – Amyloid-ähnliche 799 – β-Fibrillen 598 – wirbelförmige Veränderung 702, 827 Fibroblast 769 – endoneuraler 621 Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP) 727, 778 Fibrom 808 Fibromyalgie 788 Fibrosarkom 808 Fibrose 687, 697 – interstitielle 800 – myokardiale 697 Fieber, rheumatisches 800 Fieberkrampf 451 FIG4-Gen 602, 625 Filament, intermediäres 630, 679, 706, 732 – in den Endothelzellen 656 Filamentanhäufung 632 Filamin – C 678, 679, 730, 732 – Cγ (FLNC) 726, 730 Filaminopathie 730 Fingerabdruck – Muster 670 – Profile 152 Fingerabdruckkörper 609, 687, 770 – Myopathie 735 Fische 676 Fissions-Fusions-Dynamik 765 Fistel, arteriovenöse 256, 295 Fleck, kirschroter 121 Flexner-Rosette 520 Floppy infant 720 FMR1-Gen 238, 629 Foix-Alajouanine-Syndrom 295 Foix-Chavany-Marie-Syndrom 70 FOP, siehe Fibrodysplasia ossificans progressiva Forbes-Krankheit 759, 760
Sachverzeichnis
Formaldehydlösung 561 Founder-Effekt 735 Four-and-a-half-LIM-Domäne-1 (FHL1) 691, 698, 727, 730 – Gen 698, 711, 736 Fraktur 791 – wachsende 420 Frataxin (FRX) 235, 630, 765 FRDA-Gen 235 Freund-Adjuvans 799 Friedreich-Ataxie 235, 616, 630 Fröhlich-Syndrom 828 Frostschaden 573 FSHD, siehe Muskeldystrophie, fazioskapulohumerale FTD, siehe Demenz, frontotemporale Fukosidose 146 Fukutin (FKTN) 693, 703, 710 Fukutin-related protein (FKRP) 692, 693, 694, 701, 703, 705, 710 – Gen 710 Fukuyama-Typ der CMD 693 Funikulus 559 Funktion, vegetative 627 Funktionsstörung – pure autonome (PAF) 629 – unterschwellige 766 – vestibuloauditorische 649 FUS-Protein 213, 219 G
GAA-Trinukleitid 630, 757 Galaktosämie 186 Galaktosialidose 132, 143 Galaktosidase – α-Galaktosidase A 140 – β-Galaktosidase I 129 Galaktosylzeramidlipidose 607 Galaktozerebrosidose 134 GALC-β-Galaktozerebrosidase 134 Galeablutung 112 Gammopathie – monoklonale 667 – benigne 781 – von unbekannter Signifikanz (MGUS) 668, 670, 782 Ganglien 662, 808 – parasympathische 628 – spinale 835 – sympathische 628 Ganglienzellnekrose, eosinophile 7 Ganglienzellveränderung, ischämische 7 Gangliogliom 455, 512 – anaplastisches 513 – desmoplastisches infantiles 503, 514 Ganglioneurom 662 Ganglioneuropathie 627
Ganglionitis, sensorische 643 Ganglioradikuloneuritis 666 Gangliosid 769 – GD1a 646 – GD1b 558, 668 – GM1 558 – GQ1b 558 – GT1a 646 Gangliosid-induced differentiation-associated protein 1 (GDAP1) 600, 601, 615, 619, 623, 625, 765 Gangliosidose – GM1 129, 609, 646, 668, 769, 835 – GM2 128, 609 – Aktivator-Gen 129 – GM2A-Gen 142 Gangliozytom 513, 662 – dysplastisches des Kleinhirns 513 Gap junctions 557 GARS-Gen 600, 619, 621 Gasbrand 794, 795 Gastrocnemius 682 Gaucher-Krankheit 136, 609 Gaumen, hoher 720 Gaumenspalte 710 GBA-Gen 136 GBE1-Gen 170, 613, 757 GBS, siehe Guillain-Barré-Syndrom GCA-Insertion 709 GCG-Trinukleotid-Insertion 709 GCI, siehe glial cytoplasmic inclusion GDAP1, siehe gangliosid-induced differentiationassociated protein 1 GDF, siehe growth differentiation factor GDNF, siehe glial cell line-derived neurotrophic factor Gefäßbindegewebskrankheit 648, 656 Gefäßerkrankung 630, 648, 654 Gefäßspasmus 275 Gefäßverletzung 425 Gefäßverschluss, venöser 791 Gefrierätzuntersuchung 751, 817 Gehfähigkeit 833 Gehhilfe 697 Gehirnerschütterung 422 Gehirngewicht der Feten 47 Gelenkerkrankung 658 Gelenkversteifung, kongenitale 711 Gelsolin (GSN) 603, 730 Gen – ABC1 610 – ABC7 765 – ABHD5 758, 768, 769 – APC 808 – Arylsulfatase-A-ASA 132 – Ataxia-telangiectasia-mutated (ATM) 237 – BIN1 721, 723, 724
851
852
Sachverzeichnis
Gen – BRAF 489, 501, 502, 513 – CCT5 626, 629 – CGI-58 758, 769 – CLCN1 745, 749 – CTDP1 603, 623, 727 – EPM2A 170, 759 – FGD4 602, 625 – FIG4 602, 625 – FMR1 238, 629 – FRDA 235 – GARS 600, 619, 621 – GBA 136 – GBE1 170, 613, 757 – GJB1 602, 626 – GLA 140 – GLB1 129 – GNE 706, 724, 725 – GNPTAB 143 – HE1 139 – HEXB 129 – HSBP8 619 – HSN2 627 – IDH1 489, 498 – INI1 511, 519 – IT15 239 – ITGA7 694, 711 – KIAA0274 602 – KIAA1985 625 – KyoT 730, 736 – L1CAM 94 – LAMA2 625, 626, 693, 710, 720 – LARGE 693, 703, 710 – LMNA 600, 626, 698, 723 – MAN1 723 – MATR3 708, 725 – MCOLN1 145 – MFN2 600, 619, 621, 765 – MGMT 505 – mitochondriales 835 – modifizierendes 825 – MYH – NAIP 825 – NDUF1 765 – NHLRC1 759 – NPC1 607 – NPC2 609 – NTRK1 626, 628 – nukleäre 835 – OPA1 765 – PABPN1 709 – PAHX 159 – Perlecan-(Heparansulfat-Proteoglycan-2-) 745, 748 – PEX 611 – PNPLA2 708, 758, 768, 769 – POLG1 167, 764
– POMGNT1 693, 694, 703, 705, 710 – PSAP 142 – RAB7 600, 621, 626 – SCO1/2 765 – SIL1 724 – SIMPLE 619 – SLCO1B1 779 – SLIM1 730, 736 – SMARCB1 511, 519 – SOD1 229, 825 – SOX10 624, 629 – SPTL1 626 – SUMF-1 134 – SURF1 765 – SYNE1 691, 698, 699 – SYNE2 691, 698, 699 – TAZ 699 – TMEM16E 692 – TNNI2 711 – TNNT1 721, 729 – TNNT3 711 – TPM2 711, 721, 722, 729, 733 – TPM3 721, 729, 733 – TRIM32 692, 705, 722, 735 – TSC1 536, 806 – TSC2 536 – TYMP 764 – UBR1 828 – WNK1 602, 626, 627 – YARS 599, 615, 623 Gene Silencing 720 Genfusionsprodukt PAX3-FKHR 807 Genom – mitochondriales 161, 762 – nukläres 766 Genstilllegung, epigenetische 720 Germinom 40, 532 Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) 347 Gesichtsanomalie 727, 748 Gesichtsmuskulatur 720 Gesichtsschwitzen, gustatorisches 627 Gewebe, osteoides 801 Gewicht 676, 828 Gewichtheber 788 Gewichtsverlust 830 GFAP, siehe glial fibrillary acidic protein Gift, tierisches 819 Gigaxonin (GAN) 603 – 1 603, 630 GJB1-Gen 602, 626 GLA-Gen 140 Glasgow-Koma-Skala 418 Glasgow-Kontusionsindex 418 Glia – periphere 555 – radiäre 13
Sachverzeichnis
Glial cell line-derived neurotrophic factor (GDNF) 568 Glial cytoplasmic inclusion (GCI) 19, 246 Glial fibrillary acidic protein (GFAP) 12, 491 Gliedergürteldystrophie 734 – autosomal-dominant erbliche Formen 702 Gliedergürtelmyasthenie, familiäre 816 Gliedergürtelmyopathie 770 Glioblastom 504 – mit oligodendroglialer Komponente 507 – multiformes 504 – primäres 505 – sekundäres 505 Gliofibrom 506 Gliom – angiozentrisches 512 – des dritten Ventrikels, chordoides 512 – heterotopes 512 – malignes 496 – niedriggradiges 496 Gliomatose, diffuse 506 Gliomatosis cerebri 506 Gliosarkom 505 Gliose 13 – piloide 15, 16 – subpiale 16 Globoidzellleukodystrophie 134, 607, 735 Globose tangles 244 Glomus jugulare 517 Glukokortikoidmedikation 729 Glukose-6-Phosphatase 759 Glukosekette, unverzweigte 756 Glukosepolymere 756 Glukosidase – 6-Glukosidase 757, 759 – Mangel 760 – α 757 – rekombinante humane 756 – α-1,4 – saure 759 – β 136 β-Glukozerebrosidase 136 Glutarazidurie 175, 611, 758 – Typ IIA (GAIIA) 758, 769 – Typ IIB (GAIIB) 758, 769 – Typ IIC (GAIIC) 758 Glutarsäureazidurie 769 Glutathionmangel 179 Glutathionurie 179 Glykogen 826 – 1 757 – β-Partikel 758 – Branching Enzym 613 – Debranching Enzym 757 – Phosphorylase 757 – Stoffwechselstörungen 613
– Synthase 1 757 – Vermehrungen 766 – im Muskel 756 Glykogen-Phosphorylase, Muskeltyp (PYGM) 757, 759 Glykogenablagerung, intramyofibrilläre 760 Glykogengranula 707 Glykogenose (GSD) 710, 723, 734, 756, 757, 760 – klinische Symptome 759 – Typ Ib 699 – Typ II 152, 744, 756 – Typ IIb 726 – Typ III 760 – Typ IV 170, 695 – Typ IV 613, 711 – Typ VII Tarui 170 Glykogenspeicherkrankheit 757 Glykogensynthase 1 (GYS1) 757 Glykolisierung 184, 692 Glykoprotein 701 – dystrophinassoziiertes (DAG) 690, 701 – myelinassoziiertes (MAG) 356, 557, 668 Glykoproteinose 145 Glykosphingolipid 610 Glyoxal-bis-(2-Hydroxyanil-)Färbung 756 GNE-Gen 706, 724, 725 GNPTAB-Gen 143 Gold 582 Golgi-Rezeptor 681 GOM, siehe Material, granuläres osmiophiles Gower-Zeichen 690 Gradierungshilfe 503 Granula 808 – μ-Granula 607 – π-Granula 592 Granularzellmyoblastom 806, 807 Granularzelltumor 534, 662, 806, 807, 808 – maligner 806 Granulationsgewebe 790 Granulom 798, 801 Granulomatose, allergische 656 Granulozyten 648 – eosinophile 37, 790, 800 – neutrophile 37 Greis 616 Grenzdextrinose 759 Grenzzoneninfarkt 268 Grinker’s disease 374 Grippeinfekt 795 GROD, siehe Ablagerung, granuläre osmiophile Growth differentiation factor 8 (GDF8) 727, 736, 833 Growth-Differenzierungsfaktor, siehe growth differentiation factor 8 GSN, siehe Gelsolin 603 GSS, siehe Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
853
854
Sachverzeichnis
GTPase-Protein 765 Guam 230 Guillain-Barré-Syndrom (GBS) 580, 622, 642, 643, 646–648, 658 – axonale Form 668 Gummata 314 Gürtelrose 642 Gyrus postcentralis 834 GYS1, siehe Glykogensynthase 1 H
H-Reflex 559 Haemophilus influenzae 305 HAES, siehe Hydroxyaethylstärke Halothan 751, 781 – Koffein-Test 751 Halsband-Faser 733 Halsnerv 791 Hämangioblastom 526, 536, 662 – kapilläres 526 Hämangiom 662, 798, 808 Hämangioperizytom 526, 808 – anaplastisches 526 Hamartom – fibrolipomatöses 530 – neuromuskuläres 530 – neuronales 516 Hämatomyelie 293 Hämophilie 735 Handprothese 833 HARD+E-Syndrom 68 Hartnup-Syndrom 179 Haschisch 387 Hashimoto-Thyreoiditis 594 Haubenmeningitis 306 Hautbiopsie 119, 561, 568, 627, 648, 657, 710 Hautfleckung 628 Hautrötung 627 Hautstanzbiopsien 560 HDL, siehe High-density-Lipoprotein HE1-Gen 139 Heat-shock Protein (HSPB) – 1 (HSPB1) 600, 619, 623, 629 – 8 (HSPB8) 600, 603, 623, 629 Hemicholinium 814 Hemimegalenzephalie 75 Heparan-Sulfat-Proteo-Glycan (HSPG) 745 – 2 (HSPG2) 745, 748 Hepatitis-B-Schutzimpfung 622 Hepatitisvirus 647 Hepatosplenomegalie 609 Herdenzephalitis, metastatisch-septische 310 Hereditary inclusion body myopathy 724 Hereditary neuropathy with liability to pressure palsies 616 Heredoataxie, spinozerebelläre 728, 735
Herniation 407, 489 Heroin 388, 587, 779, 780 Herpes Zoster 642 Herpes-simplex-Virus (HSV) 324, 642 – HSV-1 642 – HSV-2 642 – latenter 642 Herpesenzephalitis 324 Herpesvirusinfektion 642 Hers-Krankheit 759 Herz 695, 698 Herzbeteiligung 697 Herzblock 763 Herzerkrankung, koronare 610 Herzfehler 113 Herzmuskel-α-Aktin 729, 730 Herzmuskelzelle 698 Herzmuskulatur 676, 744 Herzrhythmusstörungen 646 Herzstillstand 751 Herztod, plötzlicher 697 Herztransplantation 697 Heteroplasmie 161, 762, 766 Heterotopie 69 – laminäre 69 – neurogliale 70 – neuronale 747 – noduläre 69 Heubner-Arteriitis 314 Hexacarbon 582 Hexachlorophen 377, 584 2,5-Hexandion 583 HEXB-Gen 129 β-Hexosaminidase A 129 HHH-Syndrom 176 Hiatushernie 490 hIBM, siehe Einschlusskörpermyopathie, hereditäre High-density-Lipoprotein (HDL) 610 Hinterstrangdegeneration 630 Hinterstränge 616 – des Rückenmarks 621 Hippokampussklerose 451, 453 Hirano-Körper 10, 195 Hirnabszess 310 Hirnbiopsie 120 Hirndruckzeichen 483 Hirndurchblutung 257 Hirninfarkt 266 Hirnlymphom 531 Hirnmetastase 492, 539 Hirnnerv 593, 708 – III 593 – Erkrankungen 643 Hirnödem 291, 367 Hirnprellung 422
Sachverzeichnis
Hirnsand 22 Hirnschaden – parasagittaler 106 – perinataler 723, 735 Hirnschädigung, alkoholspezifische 383 Hirntod, intravitaler 8, 265 Hirntumor, Häufigkeit 484 Hirnverletzung – gedeckte 417 – offene 414 Hirnwarze 70 Hirsch-Peiffer-Färbung 133, 607 Hirschsprung-Syndrom 624, 629 Histidinämie 179 Histiozyten 791, 801 – seeblaue 139 Histon, nukleäres H1 799 Hitzekollaps 431 Hitzeschaden 573 Hitzeschockprotein (HSP), siehe auch Heat-shock Protein 678 – αB-Crystallin 679 Hitzschlag 431 – postoperativer 723, 751 HIV, siehe humanes Immundefizienzvirus HLA, siehe Leukozytenantigen, humanes HMERF 692, 705, 706 HMSN, siehe Neuropathie, hereditären motorischsensorische HNA, siehe Amyotrophie, hereditäre neuralgische HNPP, siehe Neuropathie, hereditäre mit Neigung zu Drucklähmungen Hochspannungskontakt 434 Hodenatrophie 744 Hodgkin-Lymphom 666 Hoffmann-Syndrom 770 Höhenkrankheit 438 HOKPP2 816 Holoprosenzephalie 62 Homeobox D10 (HOX10) 599 Homer-Wright-Rosette 508, 518 Homokarnosinose 179 Homoplasmie 762 Homozystinurie 177 Honigwabenstruktur 506 HOPP, siehe Paralyse, hypokaliämische periodische Hörstörung 626 Hörsturz 647 Hörverlust 699 – sensorineuraler (SNHL) 764 HOX10, siehe Homeobox D10 HSBP8-Gen 619 HSN2-Gen 627 HSP, siehe Paraparese, hereditäre spastische/Hitzeschockprotein Hsp70-Chaperon BiP 724
HSPB, siehe Heat-shock Protein HSPG, siehe Heparan-Sulfat-Proteo-Glycan HTLV-1-Infektion 794 Hüftluxation 720 Humanes Immundefizienzvirus (HIV) 326, 647 – Enzephalopathie 327 – Infektion 643, 794 – Virusmyositis 794 Hungeratrophie 779 Hunter-Krankheit 613 Huntingtin 239 Huntington-Krankheit 238 – Westphal-Variante 239 Hurler-Syndrom 613 Hurst-Syndrom 361 Hutterer-Brüder 705, 735 Hyalinose 272, 278 Hyaluronectin 558 Hyaluronsäure 558 Hybridfasern 834 Hydranenzephalie 108 Hydrocephalus – aresorptivus 421 – hypersecretorius 91 α/β-Hydrolase-Domäne 5 758 Hydrolethalus-Syndrom 72 Hydromyelie 74, 734 Hydroxyaethylstärke (HAES) 587 4-Hydroxybutyrazidurie 179 Hydroxyprolin 788 Hydrozephalus 710 – kommunizierender 91 – nichtkommunizierender 89 Hygrom 410 – subdurales 410 Hyperalgesie 788 Hyperammonämie 176 HyperCKämie 702, 725, 727, 745 Hyperglykämie 393 Hyperglyzinämie 175 Hyperkaliämie 781 HyperKPP, siehe Paralyse, hyperkaliämische periodische Hypermyelinisationsneuropathie 622 – kongenitale 625 Hyperoxalurie 611 – primäre 613 Hyperparathyreoidismus 735 – primärer 770 – sekundärer 770 – tertiärer 770 Hyperphenylalaninämie 178 Hyperpituitarismus 770 Hyperprolinämie 179 Hyperpyrexie 781
855
856
Sachverzeichnis
Hyperreflexie 834 Hypersensitivitätsangiitis 656 Hypertension 628 – arterielle 646 Hyperthermie, maligne (MH) 431, 723, 728, 729, 734, 744, 745, 747, 751, 781 – MH1 728 – S1 721, 722, 747 – S2 747 – S3 747 – S4 747 – S5 747, 750 – S6 747 Hyperthyreose 593, 770 Hypertonus 270 Hypertrophia musculorum vera 736, 833 Hypertrophie 676, 686 – kompensatorische 827 – villöse 91 Hypertyrosinämie 179 Hypoglykämie 288 HypoKPP, siehe Paralyse, hypokaliämische periodische Hypomyelinisationsneuropathie 621, 622 – kongenitale 624, 625 Hyponatriämie 385 Hypoparathyreoidismus 735, 770 Hypophyse 78 – Funktionsstörungen 770 – Überfunktion 770 – Unterfunktion 770 Hypoplasie 686 – des Kleinhirns 71 – pontozerebelläre 835 Hypothermie 430 Hypothyreoidismus 593 Hypothyreose 593, 735 Hypotonie 709 – benigne kongenitale 720 – orthostatische 646 Hypotrophie der Typ-1-Fasern 733 Hypoxie 258 I
I-cell disease 143 ICD-10 686 Ichthyose 758 ICSU, siehe Iron-sulfur cluster scaffold homolog IDH1-Gen 489, 498 IgG-k-Leichtketten, monoklonale 670 ILAE-Klassifikation 448 Iminodiproprionitril 583 Immobilisation 735, 833 – der Gelenke 733 Immunglobulin (Ig) – Ablagerungen 667, 668
– IgA 667 – Paraproteine 670 – IgG 667 – Ablagerungen 668 – Gammopathien 668, 670 – Rezeptor-IIa-Allele 647 – IgM 667 – Gammopathie 619, 668 – k 670 – Paraproteinämie 668 – Paraproteine 670 Immunhistochemie 491, 625, 687 Immunkomplexerkrankung 643 Immunmechanismus, zellgebundener 799 Immunreaktion, T-Zell-ausgelöste 646 Immunsuppressivum 586 Immunvaskulitis 667 IMP, siehe Inosinmonophosphat Impfreaktion 801 Impfstoff 801 IMS, siehe Syndrom, intermediäres In-situ-Hybridisierung 709 In-vitro-Kontraktionstest 751 Inaktivität 735, 834 Inaktivitätsatrophie 828, 833 Incidental Lewy body disease 243 Infarkt 266, 656, 789 – hämorrhagischer 269 – lakunärer 269 Infektion – bakterielle 305 – opportunistische 327, 643 – virale 321 Infiltrat 778 – entzündliches 630 – eosinophiles 703 – granulozytäres 643, 790 Influenza 794 Influenzamyositis 795 INH, siehe Isonikotinsäurehydrazid Inhibitor des Kappa-B-Kinase-Komplex-assoziierten Proteins (IKBKAP) 602, 626, 628 INI1-Gen 511, 519 INIBD, siehe Einschlusskrankheit, neuronale intranukleäre hyaline Inienzephalie 62 Inkontinenz, anorektale 828 Innervation – terminale 824 – ultraterminale 824 Innervationsrelation, terminale (TIR) 681 Inosinmonophosphat (IMP) 768 Insektengift 814 Insektizid 377, 820 Insertionstendopathie 788 Insolation 431
Sachverzeichnis
Insomnie, letale familiäre 347 Insuffizienz, respiratorische 726, 733 Insulinüberdosierung 593 Insult 266 Integrin 678 – D7 687, 694, 711 – Mangel 694, 711 Intelligenz, verminderte 744 Intelligenzstörungen 697 Interkostalmuskulatur 817 Interleukin (IL) – IL-1 644 – Beta 788 – IL-2-Rezeptoren 797 – IL-6 788 Intermediärfilament-Einschlusskörper-Krankheit, neuronale (NIFID) 219 Internodien 556 Intimaödem 277 Intrakörper 709 Intussuszeption 622, 668 Inzidenz 646, 647 Ionenkanalkrankheit 744, 745, 748 Iridozyklitis 649 Irismuskel 676 Iron-sulfur cluster scaffold homolog (ICSU) 727 Ischämie 258, 654 – der Nerven 670 – globale 263 – Reperfusions-Folgen 656 Ischämieffekt 797 Ischämietest 766 Isoniazid 578, 585, 656 – Neuropathie 656 Isonikotinsäurehydrazid (INH) 585 Isotherin 780 IT15-Gen 239 Itai-Ita-Krankheit 581 ITGA7-Gen 694, 711 Itidocain 584 J
Jammergesicht 744 JC-Virus 328 JNK, siehe Kinase, c-Jun-NH2-terminale JNK1-Aktivierung 619 Jod 779 Johanson-Blizzard-Syndrom 828 Joubert-Syndrom 60 Juckreiz 627 Junctin 735 Junctophiline 678
K
k-Leichtketten 668 Kachexie 735, 764 Kaliberspektrum 676 Kalimo-Krankheit 699, 761 Kalium 779 Kalium-einwärts rektifizierender Kanal 746 Kaliumkanal 678, 746 – KV1,5 558 – Störungen 750 Kalksalzablagerung 656, 750 Kälte 744 Kältetrauma 789 Kalzium 756 Kalziumeinstrom 690 Kalziumkanal 678, 746, 817 – Störungen 750 Kalziumsalz 696 KAM, siehe Myotonie, Kalium-aggravierte Kampfstoff 378 Kanachlor 400 584 Kanal – Kalium-einwärts rektifizierender – Unterfamilie J, Komponente 2 (KCNJ2) 746 – Kalium-Volt-abhängiger (KCNA) – Isk-verwandte Familie, Mitglied 3 (KCNE3) 746, 750 – Shaker-verwandte Unterfamilie, Mitglied 1 (KCNA1) 746, 750 – kalziumdurchlässiger 728 Kanalisation 45 Kanalkinetik 818 Kanalkrankheit 734, 745 Kannibalismus 347 Kapillar 256, 592, 798 Kapillare – degenerierende 799 – endoneurale 654 – Fenestrationen 654 – epineurale 654 Kapillaritis 656 Kapillarnetz 797 Kapillarproliferation 654, 670 Kappenmyopathie 733 Kardiomyopathie 699, 708, 730, 736, 744, 765 – familiäre hypertrophische 702 – fatale 726 – hereditäre 686 Kardiopathie, hypertrophische 820 Karditis 645 Karnosinämie 179 Karpaltunnel 667 Karpaltunnelsyndrom 571, 645 Karzinogen 486 Karzinoid 662, 735
857
858
Sachverzeichnis
Karzinom, embryonales 532 Kastration 770 Katarakt 623, 626, 723, 724, 730, 744, 760 – kongenitale 727 Katatonie 752 Katecholamingranulum 609 Kationenkanal 627 Kaumuskulatur 680, 819 Kavernom 537, 662 Kavitation 419 Kayser-Fleischer-Ring 182 KCC3 603 Kearns-Sayre-Syndrom (KSS) 162, 165, 168, 614, 708, 762, 763, 766 Keimzelltumor 532 Kennedy-Alter-Sung-Syndrom 828 Kennedy-Krankheit 699, 825 Kephalhämatom 112 Kephalhydrozele 421 Keratin 706 Keratinozyten 706 Keratitis 649 Kern 679, 789 – zentralständiger 832 – zerebriformer 658 Kerneinschluss 687 – Fe-haltiger 656 – filamentöser 728 – granulärer 728 – tubulofilamentöser 724, 732, 733 Kerneinschlusskörperkrankheit, granuläre 728 Kernhaufen, pyknotischer 748, 827, 832 Kernhaufenfaser 681 Kernikterus 112 Kernkettenfaser 681 Kernmembran 698 Kernohan-Kerbe 490 Kernplaque 198 Kernpyknose 789, 830 Kernstellungsanomalie 720 Kernveränderung, apoptotische 732 Kernwandprotein 723 Ketamin 781 Ki-67-Antigen 493 KIAA0274-Gen 602 KIAA1985-Gen 625 Kiemenregionmuskulatur 676 Kinase, c-Jun-NH2-terminale (JNK) 568 – JNK1-Aktivierung 619 Kinderlähmung 794 Kindesmisshandlung 111, 412 Kindling-Phänomen 451 Kinesin 556 King-Denborough-Syndrom 751 Klasmatodendrose 15, 392 Kleinhirn 225
– Blutungen 110 – Degeneration 781 – Fehlbildungen 52 – umgekehrtes 58 Kleinhirnatrophie, alkoholtoxische 383 Kleinhirnrinde 227 Kleinhirntonsillendruckkonus 490 Kleinwuchs 724, 763 Klippel-Feil-Syndrom 62 Klumpfuß, kongenitaler 711 KMS, siehe Syndrom, kongenitales myasthenisches Knalltrauma 436 Kniegelenkserkrankung 833 Knochenbildung im Bindegewebe des Muskels 778 Knochenfraktur 628 Knochengewebe, reifes 778 Koagulation, intravaskuläre 781 Koagulationsnekrose 268 Koaktation 73 Kocher-Debré-Semelaigne-Syndrom 770 Kohlenhydratstoffwechselstörung 756 Kohlenmonoxid 373, 431, 582 Kohlenstoffdisulfid 583 Kohlenwasserstoff 376 – aliphatischer 582 – chlorierter 583 Köhlmeier-Degos-Arteriitis 657 Kokain 387 Kokardenfaser 724, 733 Kolik 668 Kollagen – Typ VI 687, 694, 710, 711 – Mutation 729 – Untereinheit α1 (COL6A1) 694, 711 – Untereinheit α2 (COL6A2) 694, 711 – Untereinheit α3 (COL6A3) 694, 711 – Typ XIII 710 – Typ XV 710 Kollagenfibrille 649 Kollagenfilament 618 Kollagenose 794, 796 Kollateralgefäß 789 Kolliquationsnekrose 266 Kolloidzyste 534 Kompartmentsyndrom 654 Komplementkaskade 646, 667, 797 Komplementreaktionsfolge 816 Kompression 654, 667 Kompressionsneuropathie 613 Konditionierung 262 Konduktorinnen 690 Kongorotfärbung 197, 732, 781 Konjunktiva 119 Konjunktivalbiopsie 561 Kontaktinsektizid 584
Sachverzeichnis
Kontinuitätsunterbrechung 571 Kontraktion – myotonoide 744 – willkürliche 788 Kontraktionsgeschwindigkeit 680, 788 Kontraktionsknoten 789 Kontraktionsmechanismus 678 Kontraktionsstrecke 681 Kontraktionszyklus 678, 680 Kontraktur 699, 709, 730, 733, 759, 779, 780 Kontraktursyndrom, letales 825 Kontrollmechanismus, reflektorischer 824 Kopfhaltung, abnorme 711 Koproporphyrie, hereditäre 606 Kordotomie 834 Körnerzelldispersion 455 Körnerzellnekrose, akute 225 Körper – adaxonaler membranöser zytoplasmatischer 618 – eosinophiler granulärer 16, 501 – im polarisierten Licht doppelbrechender 756 – konzentrischer 687 – kurvilinearer 770 – laminierter 835 – membranöser zytoplasmatischer 706, 707, 799 – parakristalliner 687 – tubulofilamentöser 687 Körpermyopathie, hyaline 722 Korpuskel, myelinähnliche 707 Kortikoid 733, 779, 797 Kortikoidintoxikation 735 Kortikosteroid 779, 780 Kortikosteroidmyopathie 770 Kosmetik 819 Krabbe-Leukodystrophie 134, 607, 609 Kraft 736, 788 Kraftschlag 680 Kraftsporttraining 833 Krafttraining 833 Kraftvermehrung 770 Krampf 819 Kraniopharyngeom 532 Krankheit, siehe auch Erkrankung – allergische 667 – hereditäre mitochondriale 686 – kongenitale neuromuskuläre mit uniformen Typ-1-Fasern (CNMDU1) 722, 747 – meldepflichtige 819 – neuromuskuläre mit trilaminären Muskelfasern 733 – neuropsychiatrische 835 – okulokraniosomatische neuromuskuläre 765 – peroxisomale 154, 723 – X-chromosomal erbliche 690 Krankheitskonstrukt, rheumatologisches 788
Kreatinkinase 768 – Reaktion 690 Kreatinphosphokinase (CK) 690 Kreatinurie 690 Kriblüren 271 Krox20 619 Kryoglobulinämie 654, 656, 657, 670 – essentielle 670 – sekundäre 670 Kryostatschnitt 681 Kryptokokkose 34, 316 KSS, siehe Kearns-Sayre-Syndrom Kugelberg-Welander-Krankheit 232 Kugelblutung 272 Kühlkette 682 Kupfer/Zink-Superoxid-Dismutase-1-Gen 834 Kupferdefekt 181 Kupferstoffwechsel 180 Kuru 347 – Plaques 337 KyoT-Gen 730, 736 Kyphoskoliose 628, 711 L
L-Carnitin-Therapie 768 L-System 678 L-Tryptophan 586 L1CAM-Gen 94 Lafora-Krankheit 169, 613, 756, 758, 759 Laktat-Dehydrogenase A (LDHA) 757, 759, 761 – Mangel 757, 761 Laktatwert 766 – im Serum 766 Laktazidose 614 Lakune 271 LAMA2-Gen 625, 626, 693, 710, 720 Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) 781, 814, 817 Lamelle, anulierte 747 Lamin – A 679, 691, 698, 702, 723, 799, 832 – B-Rezeptor 723 – B1 698 – B2 698 – C 679, 691, 698, 702, 723, 832 Lamina fibrosa der Kernwand 727 Laminin 678, 710 – 2 625, 679, 710 – α2 678, 687 – Kette 710 – β2 681 – Erkrankungen 625 Laminopathie 723 – α2 701 Langhans-Riesenzellen 801 LARGE-Gen 693, 703, 710
859
860
Sachverzeichnis
Larve 796 Lateralsklerose – amyotrophische (ALS) 229, 629, 706, 824, 825, 826, 832, 833 – ALS1 825 – ALS2 825 – familiäre 825 – sporadische (SALS) 833 – primäre 233 Laufrad 788 Leber’sche hereditäre Optikusneuropathie (LHON) 162, 614, 762, 763, 764, 768 Leberglia 16 Leberphosphorylase 759 Leberversagen 764 Leichtketten 668 – vom l- und k-Typ 667 – λ-Leichtkettentyp 606 Leigh-Syndrom 165, 166, 762, 765, 768 – maternal vererbtes (MILS) 762, 763 Leitungsblock, multifokaler 668 Lektin 678, 706 LEMS, siehe Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom Lepra 642 – lepromatöse 643, 644 – tuberkuloide 643, 644 Leprominhauttest 644 Leptomeninx 25, 26 Leptomerfibrillen 736, 820 Lesch-Nyhan-Syndrom 187 Leukämie 667 – lymphatische 667 Leukenzephalitis, akute hämorrhagische nekrotisierende (AHLE) 361 Leukenzephalopathie – progressive multifokale (PML) 328 – telenzephale 105 Leukoaraiosis 280 Leukodiapedese 648 Leukodystrophie – globoidzellige 134, 607, 735 – metachromatische 132, 606, 609, 735 – spongiöse 180 Leukoenzephalopathie, diffuse 541 Leukomalazie, periventrikuläre (PVL) 103 – hämorrhagische 105 Leukozyten, neutrophile 791 Leukozytenantigen, humanes (HLA) – HLA-8-Antigen 816 – HLA-B 60 797 – HLA-C 3 797 – HLA-DQ-Haplotypen 797 – HLA-DR 797 – 4 797 – 7 797 – HLA-Drw 53 797
Levator ani 828 Lewy body-like inclusions 230 Lewy-Körperchen 210, 242, 629 – Demenzen 210 – Krankheit 241 Lewy-Neuriten 210 Lewy-Plaques 199 Leyden-Möbius 701 LGMD, siehe limb girdle muscular dystrophy Lhermitte-Duclos-Krankheit 513 LHON, siehe Leber’sche hereditäre Optikusneuropathie Lidlipom 614 Liesegang-Ring 696 LIM domain binding-3 (LDB3) 725, 726, 730 Limb girdle muscular dystrophy (LGMD) 701 – 1A 691, 701, 702, 725, 726, 730 – 1B 691, 698, 701, 702 – 1C 691, 698, 701, 702, 725, 727, 745, 748 – 1D 701, 702 – 1E 701, 702 – 1F 702 – 1G 702 – 2A 692, 701, 702, 703 – 2B 692, 701–703, 706, 725 – 2C 692, 701–703 – 2D 692, 701–703, 705 – 2E 692, 701–703, 705 – 2F 692, 701–703, 705 – 2G 692, 701–703, 705 – 2H 692, 701–703, 705, 722, 736 – 2I 692, 693, 701–703, 705, 710 – 2J 692, 702, 703, 705, 706, 722, 725, 726, 736 – 2K 692, 693, 702, 703, 705 – 2L 692, 693, 702, 705 – 2M 693, 702, 705 – 2N 693, 702, 705 – 2O 693, 705, 710 Lindan 377 Lindau-Tumor 526 Lipidmetabolismus 758 Lipidose 835 Lipidperoxidation 779 Lipidspeicherkrankheit 723 Lipidspeichermyopathie 760, 768 Lipidspeicherung 766 Lipidspeicherungsmyopathie, myotubuläre mit Verkalkungen 769 Lipidstoffwechselstörung 606 Lipidthesaurismose 585 Lipidtropfen 621, 760, 766, 769 Lipobay 779 Lipodystrophie – Berardinelli-Seip kongenitale 2 (BSCL2) 629 – familiäre partielle 698 – membranöse 609
Sachverzeichnis
Lipofuszin 5, 10, 152, 194 Lipofuszinkörper 760 Lipogranulomatose, disseminierte 141 Lipohyalinose 278 Lipom 527, 808 Lipomatose 527, 609 Liponeurozytom 515 – zerebelläres 515 Lipopolysaccharid-induzierter TNF-Faktor (LITAF) 599, 619 Liposarkom 808 – myxoides 808 Lippenspalte 710 Liquor cerebrospinalis 21, 88, 763 Liquorfistel 414 Liquorüberproduktion 91 Liquorzytologie 491 Lissauer-Trakt 628 Lissenzephalie – I 66 – II 68, 710 Listeria monocytogenes 307 LITAF, siehe Lipopolysaccharid-induzierter TNF-Faktor Lithium 780 Livedo retikularis 286 LMNA-Gen 600, 626, 698, 723 Lobärdegeneration, frontotemporale (FTLD) 212, 706 – FUS 219 – NI (no inclusions) 220 – Tau 213, 216 – familiäre (FTDP-17T) 216 – TDP 216 Locked-in-Syndrom 427 Lokalanästhetikum 682 Loss of heterozygosity 488 Lösungsmittel 388 Lowe-Syndrom 153 LSD, siehe Lysergsäurediäthylamid Lückenschädel 58 Luftembolie 425, 438 Lupus erythematodes, systemischer (SLE) 284, 657, 658, 800, 818 Lyme-Borreliose 642, 645 Lymphfollikel 798 Lymphom 531, 662, 666 – lymphoblastisches 798 – lymphoplasmazelluläres 606 – malignes 800 – primäres 662 Lymphorrhagie 816 Lymphotoxin 797 – mRNA 797 Lymphozyten 119, 618 Lymphozyteninfiltrat 801
Lyodura 345 Lysergsäurediäthylamid (LSD) 388 Lysosom 585, 613 M
M-Band-Protein 732 MAG, siehe Myelin-assoziiertes Glykoprotein Magenschleimhaut 769 Magenschmerz 769 Magnesium 779 Major Histocompatibility Complex (MHC) – I 834 – IIa 834 – IIb 834 – IIx 834 – Klasse-I-Antigen 797 – Klasse-I-Molekül 799 – Klasse-II-Antigen 797 Makroglia 11 Makrophagen 25, 618, 707 – seeblaue 609 Makrozephalie 75, 92 Malaria 319 Malformation – arteriovenöse 538 – venöse 538 – zerebelläre 710 Mallory-Körper 694, 711, 721, 732 Maltase, saure 759 Mamma 786 MAN1-Gen 723 Mangan 370 Mannosidose 146 – β-Mannosidasemangel 613 Mantelvene 255 MAP2-Protein 455 Marburg-Krankheit 358 Marchiafava-Bignami-Syndrom 386 Marfan-Syndrom 735 Marihuana 387 Marinesco-Körper 10, 199 Marinesco-Sjögren-Syndrom (MSS) 723, 724, 727 – atypisches 727 Markblutung 423 Markesberry-Griggs-Myopathie 708, 726 Markscheide 556 – Abbauprodukte 567, 616, 830 – Entwicklung 48 – g-Wert 556 – Lamelle 557 Markscheidenprotein – P0 557–559, 615, 646 – Mutation 621 – P2 646 – sensibilisierte T-Zellen 646
861
862
Sachverzeichnis
Markscheidensegment, interkaliertes 556 Markschlinge 625, 668 – terminale 609 Maroteaux-Lamy-Krankheit 147 Maserneinschlusskörperenzephalitis 323 Masernvirus 323 Masse, sarkoplasmatische 687, 695, 696, 747 Massenblutung 270 Massenverschiebung 490 Masseterhypertrophie, idiopathische 833 Maßnahme, diätetische 768 Material – granuläres osmiophiles (GOM) 281, 835 – granulofilamentöses 733 – tubulovesikuläres 733 MATR3-Gen 708, 725 Matrin3 725 Matrix 47, 109 – verbreiterte 767 Matrixblutung 109 – subependymale 109 Matrixmetalloproteinase (MMP) 644 Matrixzellheterotopie 70 McArdle-Krankheit 757, 759 McKeith-Kriterien 212 McLeod-Syndrom 241 MCOLN1-Gen 145 MDEBS-Krankheit 816 MEBD, siehe Muskel-Augen-Gehirn-Krankheit Mechanikerhände 796 Meckel-Gruber-Syndrom 60 Meckel-Syndrom 60 Mediaverkalkung 656 Medikament, ototoxisches 648 Medulloblastom 40, 517 – desmoplastisches 518 Medulloepitheliom 518 Medullomyoblastom 518 Megakolon 645 Megalenzephalie 75 Megaösophagus 645 Meissner-Plexus myentericus 629 Melanomonkogen 810 Melanozyten 26 Melanozytenmigration 624 Melanozytom 521 Melanozytose, diffuse 522 MELAS 162, 165, 167, 614, 762, 763, 766, 768, 835 – Mutation 720 Membran-Attacke-Komplex (MAC) 704 Membran, postsynaptische 817 Membrana – gliae limitans 710 – limitans 13 Membranantigen, epitheliales (EMA) 492, 508
Membranattackenkomplex C5b-9 797 Membranfiltration 35 Membranous cytoplasmic bodies (MCBs) 799 Membranprotein, lysosomal-assoziiertes 2 (LAMP-2) 699, 726, 760, 761, 799 Mena/VASP 730 Mendelsche Regeln 720 Meningeoangiomatose 539 Meningeom 522, 810 – anaplastisches 525 – angiomatöses 522 – atypisches 525 – chordoides 524 – fibröses 522 – klarzelliges 524 – lymphozyten- und plasmazellreiches 524 – meningotheliomatöses 522 – metaplastisches 524 – mikrozystisches 522 – papilläres 525 – psammomatöses 522 – rhabdoides 525 – sekretorisches 524 – transitionales 522 Meningeosis – blastomatosa 30, 38 – carcinomatosa 30, 31, 39 Meningitis – bakterielle 305 – basale 308 – tuberkulöse 308 Meningomyelozele 56 Meningopolyneuritis 645 Meningozele 55, 56 Meningozystozele 56 Menkes-Krankheit 183 Meperidin 379 Mepivacain 584 Meralgia paraesthetica 571 Merkel-Zell-Tumor 662 Merlin-Protein 662 Merosin 626, 678, 679 – Mangel 625, 710 Merosinopathie 801 MERRF 162, 165, 168, 614, 762, 763, 766, 835 Mesaxon 557, 668 Metall 368, 580 Metamphetamin 387 Metaplasie 786 Metastasen 539, 806, 810 – von Hirntumoren 539 Methionin 779 Methionin-(M-)Valin-(V-)Polymorphismus 333 Methotrexat 380, 541 Methoxyfluran 781
Sachverzeichnis
Methylalkohol 377 Methylchlorid 376 Methylmalonazidurie 175, 177 Metolazon 780 Mevalonat-Kinase-Mangel 611 MFM, siehe Myopathie, myofibrilläre 725, 726 MFN2-Gen 600, 619, 621, 765 MGMT-Gen 505 – Methylierungsstatus 488 MGUS, siehe Gammopathie, monoklonale von unbekannter Signifikanz MHC, siehe Major Histocompatibility Complex MIB1-Antikörper 493 Mikro-RNA 736 Mikroaneurysma 272, 278 Mikroangiopathie 272, 278 Mikrodysgenesie 70 Mikroembolisation 654 Mikroenzephalie 75 Mikrofilament 556 Mikroglia 269 – Knötchen 24 – perivaskuläre 23 – ramifizierte 23 – Zellen 23 Mikrogliose 24 Mikroinfarkt 791 Mikrokolumnen 458 Mikropolygyrie 69 Mikrorosette 508 Mikrosatellit 488 Mikrostimulator 833 Mikrotubulus 556 Mikrovaskulitis 654, 656 Mikroverletzung 788 Mikrovilli 557 Mikrozephalie 75 Milchsäure 788 Mild cognitive impairment (MCI) 201 Miller-Dieker-Syndrom 68 Miller-Fisher-Syndrom 646 MILS, siehe Leigh-Syndrom, maternal vererbtes Mimikry, molekulares 646, 647 Mineralisation 102 Minicore 729 – Fasern 687 – Krankheit 728 – Myopathie 734 – mit externer Ophthalmoplegie 721, 747 Minifaszikel 567, 571, 614, 662 Minigemistozyten 506 Minikolumne 476 Minimal change myopathy 736, 737 Minimata-Krankheit 372 Mischdemenz 206 Mischgliom, oligoastrozytäres 507
Mitochondrien 556, 593, 612, 614, 826, 830 – Biogenese 765 – geschwollene 621 – Matrix 630 – mit parakristallinen Einschlüssen 799 – Vermehrung 766 Mitochondriopathie 614, 621, 625, 710 Mitofusin 765 Mitose 789 Mitsugumine 678 Mittelhirnsyndrom 427 Mittelohrentzündung 648 MLPA, siehe multiplex ligation-dependent probe amplification MMP, siehe Matrixmetalloproteinase 644 Möbius-Syndrom 72, 103, 786, 828 Molekulargenetik – Diagnostik 766 – Methoden 686 Mönckeberg-Mediaverkalkung 656 Mononeuritis, hypertrophische 662 Mononeuropathie, digitale 658 Mononukleose, infektiöse 643 Morbus – Alzheimer 765 – Boeck 798 – Hodgkin 647 – Leigh 614 – Meniére 648 – Whipple 801 Motoneuron – exzitatorisches 654 – zentrales 735 Mukosulfatidose 134 Multicore-Krankheit 676, 677, 728 Multiinfarktdemenz 279 Multiinfarktenzephalopathie 279 Multiminicore-Krankheit 694, 696, 711, 721, 751 – transiente 728 Multiminicore-Myopathie 726 – mit externer Ophthalmoplegie 728 Multiorganversagen 594 Multiple Sklerose (MS) – axonaler Schaden 356, 423 – früh aktive Läsionen 356 – Klassifikation von MS-Läsionen 358 – Subtypen 359 Multiple Systematrophie (MAS) 629 Multipler Acyl-CoA-Dehydrogenasemangel (MADD) 758, 768, 769 Multiples Chemikaliensensitivitäts-(MCS-)Syndrom 587 Multiplex ligation-dependent probe amplification (MLPA) 690 Multisystemerkrankung 744, 763, 835
863
864
Sachverzeichnis
Münchmeyer-Krankheit 778 MURF, siehe muscle-specific RING finger Muscle-blind-Protein 747 Muscle-Eye-Brain-(MEB-)Krankheit, siehe MuskelAuge-Gehirn-Krankheit Muscle-specific RING finger (MURF) 678 Musculus – abductor digiti minimi accessorius 786 – anconeus 817 – biceps brachii 798 – deltoideus 826 – gastrocnemius 826, 830 – masseter 676 – pectoralis 786 – peroneus 829 – longus 696 – puborectalis 828 – quadriceps 676, 798 – femoris 682 – sartorius 676 – sphincter ani 828 – temporalis 744 – tibialis anterior 682, 706, 790, 791 – vastus lateralis 678, 696, 826 Muskel – Aktivität 736 – Atrophie 621 – Biopsie 720 – Carnitin-Mangel 768 – Chloridkanal 745 – denervierter – direkte Reizung 833 – Diagnostik 676 – Ermüdbarkeit 818 – extraokulärer 730, 816 – exzentrische Kontraktion 788 – Fibrose 779, 780 – Hernien 789 – Hypertrophie 727 – inkonstant vorkommender 786 – Logensyndrom 791 – Nekrose 790 – Phosphorylase 759 – Mangel 759 – Quetschung 789 – Schmerzen 770, 780 – Stütz- und Bindegewebe 681 – Varietäten 786 Muskel-Auge-Gehirn-Krankheit 693, 694, 703, 705, 710 Muskelaplasie, angeborene 786 Muskelarbeit 769 Muskelatrophie – bulbäre 824 – bulbospinale 699, 825 – diaphragmatische spinale mit Atemnot 825
– – – – – – – – – – – – –
faszikuläre 826 hemiplegische 834 infantile progressive spinale 825, 826 infantile spinale 834 intermediäre spinale 827 juvenile spinale 825 kongenitale distale spinale 621 neurale 824, 829 neurogene 686, 687, 732, 829, 830 posturale 727 progressive 699 skapuloperoneale spinale 621 spinale (SMA) 232, 701, 824, 825, 832, 833 – adulte Form 825 – distale (DSMA) 629 – intermediäre (SMA2) 827 – juvenile progressive (SMA3) 827 Muskelbiopsie – Auswahl des Muskels 682 – Entnahmestelle 827 – Technik 682 Muskeldefekt, angeborener 786 Muskeldystrophie 676, 690, 691 – Beckersche Gliedergürtelform 827 – faszioskapulohumerale (FSHD) 677, 691, 697, 699, 700 – Gliedergürtelform 701 – kongenitale (MDC) 693, 709, 710, 720 – 1A 625, 693, 710 – 1B 693, 710 – 1C 693, 703, 705, 710 – 1D 693, 703, 710 – Fukuyama-Typ (FCMD) 693, 705, 710 – Typ Batten-Turner 709 – Typ De Lange 709 – Merosin-positive kongenitale 710 – mit Epidermolysis bullosa simplex (MD-EBS) 727 – okulopharyngeale (OPMD) 626, 697, 700, 707, 709, 723, 726, 799 – tibiale (TMD) 692, 705, 706, 725, 726 – Typ Becker 691, 697, 800 – Typ Duchenne 676, 690, 691, 695, 696, 751 – Typ Emery-Dreifuss – X-chromosomal erbliche 698 – Typ Fukuyama 68, 710 – vom Gliedergürteltyp, siehe auch limb girdle muscular dystrophy (LGMD) 701, 702 – autosomal-rezessiv erbliche Formen 702 – pelvifemoraler Typ 701 Muskelfaser 676 – Abflachung 826 – atrophische 731, 826, 827 – elektronenmikroskopische Untersuchungen 682 – Entwicklung 676
Sachverzeichnis
– – – – –
Erschlaffungsphase 678 extrafusale 680 histochemische 680 Histogramme 676 intrafusale 680, 681, 747, 820 – Vermehrungen 747, 820 – Kaliber 827 – Spektren 676 – Kerne 789 – langsame 678, 680 – Nekrose 654, 760, 789, 795 – normale – Feinstruktur 678 – quergestreifte – Hetero- oder Ektopie 786 – Regeneration 687 – revertierte 687, 695 – schnelle 680 – trilaminäre 733 – Typ-1 676, 680, 701, 723, 728, 734, 769, 826, 830 – Typ-2 676, 728, 732, 734, 830 – Typ-2A 680 – Typ-2B 680, 734, 736 – Typ-2C 680 – Typen 734 – Disproportion 734 Muskelfaseratrophie – netzförmige Verteilung 832 – perifaszikuläres Muster 797 – selektive 735 – Typ-2 733 Muskelfasereinschluss, tubulofilamentöser 707 Muskelfasernekrose 687 Muskelgewebe – heterologes 799 – Regeneration 687, 778, 795 Muskelhypertrophie, athletischer Aspekt 748 Muskelhypoplasie, universale 720 Muskelinfarkt, anämischer 789 Muskelkater 778, 788 Muskelknospe 789, 790 Muskelkrampf 748, 759, 789 Muskelkrankheit, metabolische 751 Muskelmasse 736 Muskelrelaxanzien, depolarisierende 751 Muskelrigidität, generalisierte 751 Muskelriss 789, 790 Muskelschwäche 709 – bulbäre 818 – okuläre 818 – respiratorische 818 Muskelschwund 834 Muskelspindel 681, 789, 820 – Vermehrung 820 Muskelzellen, glatte 654, 676
Muskulatur – nervöse Versorgung 681 – normale 676 – okulobulbäre 816 – viszerale 676 Mutation 762 – Compound-heterozygote 749 – in den Genen der mtDNA 761 – nukleärer Gene 764 – spontane 720 Myalgie 759, 788 – belastungsabhängige 761 Myasthenia gravis 708, 735, 770, 780, 814 – seronegative 814 Myasthenie 815 – D-Penizillamin-induzierte 814 – familiäre infantile (Typ Ia) 817 – konnatale (neonatale) 817 – symptomatische 818 – transitorische neonatale 814 Myastheniesyndrom, slow-channel-kongenitales (SCCMS) 815 MYBPC3, siehe Protein, kardiales Myosin-bindendes C Mycobacterium – leprae 643 – tuberculosis 308 Myelin 17 – lockeres 668, 670 – nichtkompaktiertes 668 – Ovoide 656 Myelin-assoziiertes Glykoprotein (MAG) 356, 557, 668 Myelin-basisches Protein (MBP) 355, 356, 557, 558 Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) 356 Myelinisation 48 Myelinisationsgliose 49 Myelinolyse, zentrale pontine 385 Myelinprotein – peripheres 558 – P22 615 – PMP-22 557, 599, 601, 615, 624, 646 – Zero 599 – Zero 558, 615 Myelitis 642, 666 Myelom 605, 662, 667, 670, 781, 782 – osteosklerotisches 667 Myelomalazie 293 Myelopathie 429 – alkoholische 386 – angiodyskinetische nekrotisierende 295 – vakuoläre 327 Myeloschisis 56 MYH-Gen – MYH1 680, 681, 732 – MYH2 680, 681 – MYH3 711
865
866
Sachverzeichnis
MYH-Gen – MYH7 680, 706, 720, 722, 725, 728, 732 – MYH8 711 Myklonie 835 Mykoplasma 647 Mykopolysaccharid 801 Myoadenylat-Deaminase-(MAD-)Mangel 768 Myoblasten 676, 687, 789, 795 MyoD1-Protein 808 Myofibrillen 676, 724, 826 – Defekte 696 – Differenzierung 827 – Durchmesser 830 – Neubildung 789 Myofibrillogenese 705 Myofibrillolyse 687, 733 – hyaline Zonen 733 Myofibroblasten 801 Myogenin 778, 788, 808 Myoglobinurie 724, 751, 769, 778, 780 – episodische 759 – ischämische 778 – metabolische 778 – paroxysmale 778 – toxische 778 – traumatische 778 Myogranula 729 Myokard 629 Myoklonusepilepsie – juvenile 461 – mit Ragged-red-Fasern 762, 763 Myoklonuskörperepilepsie 759 Myokymie 780, 835 Myopalladin 678 Myopathia – distalis tarda hereditaria 708 – lipofibrocalcarea 778 Myopathie 686, 706, 762 – akute 770 – alkoholische 386, 734, 779 – chronische 770 – distale 706, 725 – autosomal-dominante Typ Laing 706 – autosomal-rezessive vom Typ Miyoshi 704, 706, 725 – mit „rimmed vacuoles“ 706, 724, 725, 799 – mit Pes cavus und Areflexie 708 – rezessive 725 – entzündliche 729 – hereditäre myofibrilläre 705 – hypertrophische branchiale 833 – hypothyreotische 770 – infantile mitochondriale 695 – fuchsinophile (rötliche) Ablagerungen 695 – kongenitale 701, 708, 710, 720, 721, 734, 762 – mit fataler Kardiomyopathie 736
– – – – –
krikopharyngeale distale 708 maternal vererbte 763 Merosin-negative kongenitale 697 Merosin-positive 697 metabolische 757 – glykolytischer Abbau 757 – mit besonderen tubulären Aggregaten 707 – mit exzessiver Autophagie 726 – mit exzessiver Autophagie (MEAX) 726 – mit fetalen Muskelfasern 733 – mit hyalinen Körpern 732 – mit Kern- oder Kernstellungsanomalien 723 – mit minimalen Veränderungen 736 – mit myofibrillären Aggregaten 732 – mit Neutralfettspeicherkrankheit 708 – mit selektiver Auflösung der Myosinfilamente 733 – mit subsarkolemmal-segmentaler Myofibrillolyse 733 – mit tubulären Aggregaten 734, 735 – mit zylindrischen Spiralen 736 – mitochondriale 614, 643, 709, 720, 734, 761, 763, 765, 767, 828 – klinische Aspekte 765 – myofibrilläre (MFM) 702, 705, 725, 726, 728, 730 – myotubuläre 699, 700, 708, 720, 721, 723, 735 – nekrotisierende 795 – nukleodegenerative 724 – nutritive 779 – okuläre 709 – parainfektiöse 724 – paraneoplastische 781 – pharyngeale distale 708, 725 – primäre 686 – sarkotubuläre 705, 722, 735, 736 – skapuloperoneale 698, 727, 736 – spät auftretende 708 – toxische 779 – vakuoläre 725, 750 – X-chromosomale – mit posturaler Muskelatrophie (XMPMA) 698, 711, 727, 736 – skapuloperoneale 711, 736 – zentronukleäre (CNM) 694, 708, 721, 723, 725, 733 Myophagen 795 Myophagie 687, 731, 778, 790, 795 Myopodin 678, 730, 732 Myosin 678, 679, 680, 687, 722 – B-Fraktion 799 – Filament – Komponenten 733 – Verlust 779 – heavy chain 680, 725 – MyHC-7 732, 748
Sachverzeichnis
– MyHC-fetal 680 – MyHC-I 680 – MyHC-IIA 680, 681 – MyHC-IIa 732 – MyHC-IIX 680 – MyHC-kardial α 680 – Speichermyopathie 706, 722, 732 Myosinfilament – Defekte 733 Myosinkopf 680 Myositis 686 – bakterielle 794 – beim M. Whipple 794 – eitrige 794 – eosinophile 790, 794, 796 – fokale 794, 796, 800 – granulomatöse 798, 801 – idiopathische 796 – infektiöse 794 – interstitielle 648, 733, 794, 796, 798, 800 – lepromatöse 794, 801 – orbitalis 794, 796, 800 – eosinophile 800 – ossificans 778, 800 – circumscripta 778 – progressiva, generalisierte pseudomaligne 778 – proliferative 779, 794, 800, 801 – syphilitische 794, 801 – tuberkulöse 794, 801 Myosklerose 720, 826 Myostatin 727, 736 Myostatingen 833 Myostatinmangelmäuse 734 Myotilin (MYOT) 678, 679, 691, 702, 708, 725, 726, 729, 730, 732 Myotilinopathie 730, 732 – distale 702 Myotom 676 Myotonia – congenita 744, 745 – autosomal-dominante 748 – fluctuans 749, 75 – permanens 749, 750 Myotonie 720, 744, 745, 781 – Acetazolamid-induzierte 750 – aktive 744 – Kalium-aggravierte (KAM) 746, 749, 816 – paradoxe 744 – Proteinkinase 744 – rezessive generalisierte 749 Myotuben 676, 687, 723, 789, 827 Myotubularin – 1 721 – Gen 723 – Myotubularin-related protein 14 721
Myozenin 729 Myozyten 676, 687 Myxödem 744, 770 Myxofibrom 662 Myxom 662, 808 N
N-MYC downstream regulated gene 1 (NDRG1) 601, 603, 625 Nackenmuskulatur 816 Nadelaspiration 778 Nadelbiopsie 682 Nadelmyopathie 779 NADH, siehe Nicotinamid-Adenin-DinukleotidDehydrogenase Naegleria fowleri 320 Nageotte-Residualknötchen 666 NAIP-Gen 825 NALD, siehe Adrenoleukodystrophie, neonatale Narkosemittel, volatiles 751 NARP (Neuropathie, Ataxie, Retinitis pigmentosa) 162, 614, 762, 763, 768 Nasu-Hakola-Krankheit 609 Natriumionenkanal 748 Natriumkanal 558, 678, 746 – α-Untereinheit (SCN4A) 746, 749, 816 – Gen 750 – Krankheiten 749 – Myasthenie 816 – Nav1.7 628 NCL, siehe Zeroid-Lipofuszinose, neuronale NDUF1-Gen 765 Near-total-Asphyxie 107 Nebulin (NEB) 678, 708, 721, 725, 729 Necklace-Faser, siehe Halsband-Faser Negri-Körper 326 Neisseria meningitidis 305 Nekrose 687, 778, 789 – fibrinoide 278, 648, 656 – hämorrhagische 791 – pontosubikuläre 102 – regenerative Aktivität 789 – segmentale 687 Nemalin – Myopathie 720, 721, 729, 735 – Amish-Typ 729 – dysmorphe Aspekte 720 – NEM1 721 – NEM2 721, 725 – NEM3 721 – NEM4 721, 722 – NEM5 721 – NEM6 721 – NEM7 721 – Stäbchen 720 Nemalinkörper 687, 728, 729, 835
867
868
Sachverzeichnis
Nematoden 795 Neoplasmus, maligner 781 Neostigmin 814 Nerv – autonomer 835 – efferenter parasympathischer 819 – epikardialer 629 – extraokulärer 800 – peripherer 567, 832 – Schädigungsformen 567 Nerv-Muskel-Biopsie 616 – kombinierte 561, 682, 832 Nerve growth factor (NGF) 568, 788 – Beta-Polypeptid (NGFB) 603, 626, 628 Nervenbiopsie 560, 562, 656, 827 – Indikationen 562 – Komplikationen 562 Nervenendigung, terminale 818 Nervenerregungsleitungsgeschwindigkeit (NLG) 559, 623 Nervenfaser 555 – alphamotorische 681 – Aδ-Faser 628 – Deafferentierung 592 – demyelinisierte 618 – markhaltige 556, 616, 626, 627, 630 – subtotaler Aplasie 627 – marklose 560, 627, 628 – Entwicklungsstörungen 627 – motorische – indirekte Reizung 832 – regenerierte 619 – remyelinisierte 618 – sensorische 820 – subterminale 681 – terminal verzweigte 681 – tomakulöse 622 Nervenfaserzahl 560 Nervenfaszikel 559 Nervenkampfgift 583 Nervenkompression, chronische 568 Nervenläsion, traumatische 566 Nervenleitgeschwindigkeit 619, 621, 668 Nervenscheidenmyxom 530 Nervenscheidentumor, maligner peripherer 529, 662 Nervensystem – autonomes 629 – komplexe Syndrome 629 – vegetatives 769 Nerventransplantat 571 Nervenüberstreckung 573 Nervenverletzung 828 Nervenwachstumsfaktor 788 Nervenzelle – ballonierte 214 – des CA1-Sektors 453
– dysmorphe 457 – heterotope 70 Nervenzelltod, verzögerter 264 Nervenzellvakuolisierung 9 Nervus – cochlearis 624 – facialis 642, 645 – medianus 667 – opticus 800 – suralis 560, 616, 827, 830 – Biopsie 648 – trigeminus 628 Nesprin – 1 691, 699 – 2 691, 699 Netz, mitochondriales 621 – Fusion und Fission 621 Neugeborenes 676 NeuN-Protein 492 – Immunreaktivität 654 Neuralplatte 45 Neuralrinne 45 Neuralrohr 45 – Defekt 51 – orales 45 Neuraminidase 585 Neurapraxie 566 Neurilemmom 662 Neurinom 528, 662, 808 – Antoni-Anteil 528 – malignes 662 – zelluläres 530 Neurit 5 Neuritis, experimentell-allergische (EAN) 646 – Adoptive-Transfer (AT-EAN) 646 Neuroakanthozytose 241, 610, 770 Neurobiotics 833 Neuroblastom 516, 662 – kongenitales 820 – olfaktorisches 516 – zerebrales 516 Neuroborreliose 314 Neuroferritinopathie 629, 630, 656, 723, 835 Neurofibrillary tangles 195 Neurofibrillenveränderung, Alzheimersche (NFT) 195 Neurofibrom 529, 662, 808 – plexiformes 529 Neurofibromatose (NF) 662, 734 – NF1 529, 535, 662 – NF2 529, 536, 662 Neurofibrosarkom 662 Neurofilament 6, 492, 556, 624, 668 – Anhäufungen 630 – light polypeptid 68 kDa (NEFL) 599, 600, 619, 621, 623
Sachverzeichnis
Neurogenese 262, 450 Neurographie 559 Neuroleptika 752 Neurolues 313 Neurom 530, 571, 662 Neuromelanin 5 Neuromyelitis optica (NMO) 360 Neuromyopathie 770, 779 – lysosomale 709 – vakuoläre 708 Neuromyotonie 723, 744, 814 Neuron – balloniertes 245 – bipolares 5 – intestinales 654 – präganglionäres 628 – unipolares 5 – zentrales motorisches 834 Neuronopathie 627, 824 – akute sensorische 646 – bulbospinale 828 – sensorische 833 Neuronophagie 8 Neuropathia pseudocystica 662 Neuropathie 727 – akute motorisch-sensorische axonale (AMSAN) 646 – akute motorische axonale (AMAN) 646 – alkoholische 579, 779 – Ataxie, Retinitis pigmentosa 762, 763 – autonome 643 – axonale 824 – bei Lebererkrankungen 593 – bei Vaskulitiden 656 – diabetische 592 – diphtherische 645 – distale hereditäre motorische (dHMN) 629 – II 603, 629 – V 629 – distale sensorische 658 – hereditäre 598, 615, 621, 686, 832 – Datenbank 615 – mit Neigung zu Drucklähmungen (HNPP) 599, 615, 616 – hereditäre sensorische und autonome (HSAN) 602, 626, 629 – Typ 1 (HSAN1) 602, 627 – Typ 1B (HSAN1B) 602 – Typ 2 (HSAN2) 602, 616, 626, 627 – Typ 3 (HSAN3) 602, 628 – Typ 4 (HSAN4) 627, 628 – Typ 5 (HSAN5) 603, 627, 628 – hereditäre motorisch-sensorische (HMSN) 615 – I 599 – Ia 615, 618, 829 – Ib 615
– II 619 – III 615, 624 – L 603, 625 – P 600, 623 – V 626 – VI 614 – X 626 – hypertrophische 616, 618, 832 – infektiöse 642 – karzinomatöse 666 – sensorische 666 – Klassifikation 554 – lepröse 643 – lokalisierte hypertrophische 662 – mit exzessiven Markschlingen 622 – Multiplextyp 656 – mutilierende sensorische 629 – neurofibromatöse 662 – neuronale 824 – paraneoplastische 781 – paraproteinämische 668 – periphere 720, 730, 732, 748, 764, 799, 824, 827, 832 – Begleitmyopathie 832 – sensomotorische, hereditäre intermediäre Form (ID-CMT) 723 – postdiphtherische 645 – progressive multifokale 658 – periphere 657 – pseudosyringomyelische 592 – sensorische ataktische mit Dysarthrie und Ophthalmoparese (SANDO) 764 – subakute sensorische 666 – tomakulöse 6115, 616, 622, 668 – X-chromosomal-rezessive sensorische 629 – X-chromosomale 602 Neuropathy-Target-Esterase (NTE) 583 Neuropilfaden 195 Neuroprotektion 262 Neurosarkoidose 309 Neurotmesis 566, 568 Neurotrophin – NT-3 568 – NT-4 568 Neurozystizerkose 320 Neurozyten 9 Neurozytom 514 – extraventrikuläres 514 – zentrales 514 Neurulation 45 Neutralfettspeicherkrankheit – mit Ichthyose (NLSDLI) 768 – mit Myopathie 768, 769 – ohne Ichthyose 768 Neutralfetttropfen 760 Nexus 557 NG2-Zelle 22
869
870
Sachverzeichnis
NGF, siehe Nerve growth factor 568, 788 NHLRC1-Gen 759 NIA-AA-Kriterien 204 Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Dehydrogenase (NADH) 767 – Dehydrogenase 761 – Reaktion 766 Niemann-Pick-Krankheit 137, 607, 609 – Typ C 138 – Typ D 139 Niere 778 Nierenfunktionsstörung 751 Niereninsuffizienz 780 Nierenversagen 781, 788 NIFID, siehe Intermediärfilament-EinschlusskörperKrankheit, neuronale Nikotinamid 578 Nikotinsäure 578 Nissl-Substanz 5 Nitrit 375 Nitrosegas 375 Nogo-A 507 Nomenklatur 554 Nonaka-Myopathie 706 Noonan-Syndrom 820 Normaldruckhydrozephalus 91 Notch 3 281 Notochordal split syndrome 57 Notoxin 819 Novyi et septicum, Clostridium 794 Nozizeptor 628 Nozizeptorzellen 627 NPC1-Gen 607 NPC2-Gen 609 NTRK1-Gen 626, 628 Nuclear envelopathies 723 Nucleus Onufrowicz 230 Nukleolus 789 O
Obrinsky-Syndrom 828 Obscurin 678 Occipital-horn-Syndrom 183 Ödem 291, 788, 789 – endoneurales 585, 616, 656 Okinawa-Typ 623 Oktarepeat 335 Okularmikrometer 676 Olfaktoriusaplasie 64 Oligodendrogliom 488, 506 – anaplastisches 507 Oligodendrozyt 17 Oligomerisation, modulare 825 Oligosaccharidose 126, 145 Olivenhypertrophie 9 Ölsyndrom, spanisches toxisches 584, 648
Online Mendelian Inheritance in Man (OMIM) 686 OPA1-Gen 765 Opalski-Zelle 392 Ophthalmoplegia – externa 708, 766 – progressive 765 – plus 708, 765 Ophthalmoplegie 623 – äußere 709, 744 – chronisch-progressive externe (CPEO) 763 – dominant erbliche progressive externe (adPEO) 764, 768 – exophthalmische 770 – externe 723 – hyperthyreotische 800 – progressive externe (PEO) 762, 763, 764 – gastrointestinale Symptome 764 Opiate 780 Opsoklonus 540 Optico-cochleo-dentatum-Degeneration 611, 612 Optikusatrophie 621 Optikusneuropathie vom Kjehr-Typ 765 Orbita 798, 800, 808 Orbitopathie, endokrine 770 Organ, zirkumventrikuläres 27 Organomegalie 667, 820 Organophosphat 583, 814 Organtransplantation 393 Orthostase 629 Osteoid 778 Oxalatkristall 613 Oxalose 613 β-Oxidation 156 Oxoprolinurie 179 P
P-Fläche 751 PABPN1-Gen 709 Pacchioni-Granulation 25, 26, 89 Pachygyrie 66, 68, 747 Pachymeningitis hypertrophicans 309 Pachymeninx 25 Pacini-Körperchen 681 PAF, siehe Funktionsstörung, pure autonome Paget-Krankheit des Knochens 724, 727 PAHX-Gen 159 Paired-box transcription factor (Pax-7) 788 Pale bodies 243 Pallister-Hall-Syndrom 516 Palmaris longus 786 PAM, siehe Proteinaggregationsmyopathie Panarteriitis 656 – nodosa 283, 654, 656, 657, 830 Pandysautonomie 646 – akute 627 Panenzephalitis, subakute sklerosierende (SSPE) 323
Sachverzeichnis
Panenzephalopathie, perinatale 104 Pantothensäure 578 Papulosis atrophicans maligna 657 Paraffineinbettung 682 Paragangliom 517, 662, 808 Paralyse – hypokaliämische periodische (HOPP) 479, 696, 744, 746, 749, 751, 816 – Typ 1 746, 747, 750, 751 – Typ 2 749 – Typ 3 746, 750 – neuromuskuläre 646 – normokaliämische periodische 749 – periodische 729, 732, 770 – bei Thyreotoxikose 751 – paramyotonische 749 – progressive 314 – supranukleäre 244 Paramyloidose 606, 781, 782 Paramyotonia congenita (PMC) 744, 746, 749, 750, 816 Paramyotonie 744 Paraneoplasie 540 Paraoxon 820 Paraparese, hereditäre spastische (HSP) 233, 234 Paraplegie – hereditäre 686, 834 – spastische 629 Paraplegin 765 Paraprotein 668 Paraproteinämie 642, 667 – benigne monoklonale 668 Parasit 794, 795 Parathion (E605) 377, 583, 814, 820 Paraxon (E600) 583 Parenchymnekrose, elektive 263, 269 Parkinson-Krankheit 241, 629, 735, 765, 834 – mit Demenz (PDD) 210 Parkinsonismus 621, 833, 834, 835 – postenzephalitischer 246 – vaskulärer 246 Partikel, intramembranöser 751 Pätau-Syndrom 78 Patch-clamp-Technik 817 Pathoklise 260, 367 Pathologie, duale 453 Patient, hemiplegischer 834 Pearson-Pankreas-Knochenmark-Syndrom (PPK) 762 Pearson-Syndrom 763 Penicillamin 818, 819 – D-Penicillamin 779, 780, 781 Pentachlorphenol 584 Penumbra 260 PEO, siehe Ophthalmoplegie, progressive externe Perforin 797
Perhexilin 780 Perhexilinmaleat 779 Periaxin (PRX) 601, 602, 624, 625 Perikaryon 4, 824 Perilipin A 769 Perimysium 681 Perineuralzelle 626, 649 – dysplastische 626 – EMA-positiv 662 Perineuriom 530, 648, 662 Perineuritis 586, 648, 670 – granulomatöse 648 – sensorische 642, 648 Perineurium 558 Periodizität, abnorme 670 Perizyten 649, 654, 798 Perkussionsverletzung 571 Perlecan-(Heparansulfat-Proteoglycan-2-)Gen 745, 748 Peroneus 682 Peroxisom 154, 611 Pes cavus 621, 725 Pestizid 583, 820 PET-blot-Verfahren 340 Pethidin 780 PEX-Gen 611 Pflanzenschutzmittel 584 Phagozytose 778, 791, 830 Phantomschmerz 571 Phäochromozytom 662, 765 Pharmakoresistenz 450 Phencyclidin 780 Phenochlor 584 Phenylketonurie 178 Phenytoin 780 Phosphat 779 Phosphatase, alkalische 558 Phosphofruktokinase 757, 759 – Defekt 170 – Muskeltyp (PFKM) 757 Phosphoglycerat – Kinase (PGK1) 757, 759 – Mangel 757 – Mutase 759 – 2 (PGAM2) 757 – Mangel 757 Phospholipidmembranausfällung 727 Phospholipidprotein 585 Phosphoribosyl-Pyrophosphat-Synthase 1 (PRPS1) 602 Phosphorsäureester 377 Phosphorverbindung, organische 583 Phosphorylase-b-Kinase 757, 759 – α-Untereinheit (PHKA1) 757 Phosphorylierung, oxidative (OXPHOS) 621, 761, 764 Phytansäure 157, 159, 612
871
872
Sachverzeichnis
Phytansäurespeicherkrankheit 611 Pia mater 25, 26 Pick-Körperchen 214 Pick-Krankheit 214 Pick-Zelle 214 Pigmentatrophie der Retina 763 Pigmentierungsstörung 667 Pilzgranulom 801 Pilzinfektion 315 Pinealisregion 520 Pinealiszyste 521 Pineoblastom 520 Pineozytom 520 Pinozytose 687 – Vesikel 667, 702 Pionierfaser 568 Pituizytom 535 Plagiozephalie 76 Plaque – astrozytärer 215 – astrozytischer 17 – diffuser 198 – florider 338 – multizentrischer 338 – neuritischer 197 – Score 204 – seniler 196 Plasma-Gelsolin 605 Plasmazelle 670, 798, 800 Plasmazellkrankheit 606 Plasmodium falciparum 319 Plasmozytom 667, 670 Platelet-derived growth factor D (PDGFR-D) 487, 568 Platin 371, 582 Pleckstrin 708 Plektin (PLEC1) 678, 679, 687, 706, 727, 816 – Filament 679 – Mangel 818 – Myopathie 706 Plektinmyopathie 705 Pleozytose 36 Plexus choroideus 21, 88 Plexus-brachialis-Neuropathie, familiäre 603, 630 Plexuskarzinom 510 Plexuspapillom 510 – atypisches 510 PNPLA2-Gen 708, 758, 768, 769 POEMS-Syndrom 667 POLG1-Gen 167, 764 Poliomyelitis 322, 829 – Spätstadien 827 – Virusinfektion 794 Polyalanin-Trakt 709 Polyarteriitis nodosa 800 Polycythaemia vera rubra 667
Polyglukosankörper 613, 707, 756, 758 Polyglukosankörperkrankheit 695, 710, 756, 759 Polyglukosankörpermyopathie 695 Polyimidregenerativelektrode 833 Polymerase I und transcript release factor (PTRF) 691 Polymikrogyrie 69 Polymyalgia rheumatica 735, 794, 796, 800 Polymyositis 701, 735, 767, 781, 794, 796, 797, 818 – eosinophile 800 – experimentell allergische 799 Polymyxin 779, 780 Polyneuritis cranialis 646 Polyneuropathie – alkoholische 829 – chronische inflammatorische demyelinisierende (CIDP) 622, 642, 647, 648, 670 – hypertrophische Veränderungen 647 – chronische rekurrierende 642 – demyelinisierende 647 – diabetische 771 – urämische 593 Polypose, familiäre adenomatöse (FAP) 808 Polyradikuloneuritis 587, 642, 668 Polyradikuloneuropathie, akute inflammatorische 646 – demyelinisierende (AIDP) 646 Polystyrenkugel 654 Polyvinylpyrrolidon 587 POMGNT1-Gen 693, 694, 703, 705, 710 Pompe-Krankheit 153, 756, 757, 759 Porenzephalie 70, 106 Porphyrie 606 – hepatische 606 Postpoliomyelitissyndrom 794, 795 Postpoliosyndrom 231 Präalbumin 603 Practolol 779, 780 Prader-Willi-Syndrom 734 Präimplantationsdiagnose 744 Prämyelinfaser 624 Präparationstechnik 560 Präzipitat, konzentrisches 696 Presenilin 196 – 1 201 Primärfurche 47 Prion 332 Prionprotein 334, 799 – Gen (PRNP) 332 – PrPSc 334 – Ablagerungen 339 – zelluläre Isoform (PrPC) 332 Pristansäure 613 Probst-Bündel 65 Procain 584 Procainamid 780
Sachverzeichnis
Progerie-Syndrom 609, 698 Progonom, melanotisches 530 Progranulin 217 Prolin 788 PROMM, siehe Dystrophie, proximale myotonische Propionazidurie 175 Propranolol 779, 780, 781 Prosaposin 132, 142 – Mangel 136 Prosom 678 Prostaglandin, PGE2 788 Prostigmintest 814 Proteasom 678 Protein – 14-3-3-Protein 341 – C-reaktives 598 – D-bifunktionales 611 – Gangliosid-assoziiertes A1 765 – kardiales Myosin-bindendes C (MYBPC3) 722 – mitochondriales 761 – myelinbasisches (MBP) 355, 356, 557, 558 – neuronales Apoptose-inhibitorisches 824 – Poly(A)bindendes 2 (PABP2) 726 – PABP2 726 – TAR-DNA-bindendes 43 (TDP-43) 213, 216, 629, 706, 709, 724, 799 – Proteinopathie 629 – transmembranöses – NPC1 138 – NPC2 139 – Valosin-containing 727 Protein-O-Mannosyl-Transferase (POMT) – POMT1 692, 693, 703, 705, 710 – POMT2 693, 694, 703, 705, 710 Proteinaggregationskrankheit 709 Proteinaggregationsmyopathie (PAM) 730, 736 Proteinase K 339 Proteinkinase 744, 757 – AMP-aktivierte (PRKAG2) 757 – extrazellulär regulierte (ERK) 568 Proteinmangel, bifunktionaler 611 Proteinopathie, neurodegenerative 835 Proteolipidprotein (PLP) 356 Prune-belly-syndrome 828 PSAP-Gen 142 Pseudo-Arylsulfatase-A-Mangel 132 Pseudo-Hurler-Polydystrophie 143 Pseudohypertrophie 624, 686, 690, 736 Pseudoinklusion 698 Pseudomyotonie 744 Pseudopsammomkörper 524 Pseudorosette 507 Pseudotumor 778 – benigner entzündlicher 800 – entzündlicher 800 – orbitae 800
Pseudozyste 662 PSP, siehe Blickparese, progressive supranukleäre Psychose 835 Psychosin 134 Psychotropika 781 Pterygia 733 Pterygiumsyndrom, multiples 816 Ptosis 623, 708, 723, 744 Punktmutation 762, 763 – der mtDNA-RNA-Gene 763 Pupillenveränderung 708 Purgativa 779, 780 Purkinjeom 513 Purpura – allergica 667 – cerebri 425 – thrombozytopenische 656 PVL, siehe Leukomalazie, periventrikuläre PXA, siehe Xanthoastrozytom, pleomorphes PYGM, siehe Glykogen-Phosphorylase, Muskeltyp Pylorusstenose 629 Pyramidenbahnläsion 735 Pyridoxal 578 Pyridoxamin 578 Pyridoxin 578, 585 Pyruvatcarboxylase 169 Pyruvatdehydrogenase 169 Pyruvatwerte im Serum 766 Q
Quecksilber 371, 581, 582 Querbrückenbindung 680 Querstreifung 807 Quetschpräparat 491, 796 Quetschung 568 R
RAB7-Gen 600, 621, 626 Rabies 326 Rachischisis 56 Radikulopathie 642 Ragged-red-Faser (RRF) 163, 614, 763, 766 Randzonengliose 16 Ranvier-Knoten 558 Ranvier-Schnürring 668 Rapsöl 657 Rapsyn 681, 815 Rasmussen-Enzephalitis 459 Rathke-Zyste 534 Rauschdroge 387 Reaktion, gemischtzellige 37 Reaktionssyndrom, systemisches inflammatorisches (SIRS) 779 Reducing-body-Myopathie 711 Reduktionskörper 687 – Myopathie 691, 698, 727, 736
873
874
Sachverzeichnis
Reelin 451 Reflexbogenstörungen 735 Refsum-Krankheit 155, 158, 611, 612, 709, 830 – infantile 611, 612 Region, postsynaptische 816, 818 Reinnervation – anisomorphe 571 – kollaterale 832 Reinnervationsvorgang 824 Reinnervationszeichen 832 Reizelektroden 833 Reizfrequenz 833 – minimale elektrische 789 Rektumbiopsie 119, 561, 605, 609 Remak-Faser 624 Remak-Zelle 556 Remyelinisierung 355, 357 Renaut-Körper 571, 662 Reperfusion 654 Replikation 761 Resochin 585 Restless-legs-Syndrom 592 Retardierung, mentale 626, 699, 724 Retikulinfasergerüst 808 Retikulinfaserimprägnation 808 Retikulum-Kalziumionen-ATPase, sarkoplasmatische (SERCA) 734 – SERCA1 745, 748 – Aktivität 748 Retikulum, sarkoplasmatisches (SR) 678, 728, 735, 830 Retinadysplasie 710 Retinaimplantat 833 Retinitis pigmentosa 708 Reverse cerebellum 58 Reye-Syndrom 177 Rezeptor 681 Rezeptorblockade 814 Rezeptorkanal, langsamer nikotinischer 815 Rezeptororgan 820 Rezeptortyrosinkinase, muskelspezifische (MuSK) 681, 814, 815, 817 – Antikörper 816 – Mangel 815 Rhabdomyoblasten 807 Rhabdomyolyse 780, 835 – idiopathische 778 Rhabdomyom 786, 806 – kongenitales des Herzens 806 Rhabdomyosarkom 786, 806 – adultes 806, 807 – alveolärer Typ 806 – embryonaler Typ 798, 806, 807 – juveniles 806, 807 – pleomorphes 806 Rho-Guanine-Nucleotid-Exchange-Factor-10 (ARHGEF10) 599
Rhombenzephalosynapsis 64 Rhombenzephalozele 58 Riboflavin 578 Ribonucleotid-Reductase, p53-kontrollierte (RRM2B) 764 – Mutationen 768 Ribonukleinsäure (RNA) – Pol(A)-RNA 709 – ribosomale rRNAs 762 Ribosom, paranukleäres 770 Riesenaxonneuropathie 622, 630 Riesenfaser 827 Riesenzell-Glioblastom 505 Riesenzellarteriitis 285, 657, 800 Riesenzellastrozytom, subependymales 501, 536 Riesenzellen 649, 801 – vielkernige 678 – vom Langhans-Typ 798 Rigid-spine-Syndrom (RSMD) 694, 711, 732, 735, 736, 756 – RSMD1 711, 721, 722, 726, 730 Rigor 835 – mortis 678 Riley-Day-Syndrom 602, 628 Rimmed vacuoles 706, 707, 769 Rindenblutung 407 Ringbinde 687, 696, 702, 747 Rippling-Muskelkrankheit 702, 745, 748 – dominante (RMD1) 745 RNA, siehe Ribonukleinsäure Rods 729 Rollstuhlabhängigkeit 697 Rosenthal-Faser 15, 16, 500 Rosette, ependymale 508 Rosettentumor, glioneuronaler 514 Roussy-Levy-Syndrom 615, 626 RSD, siehe Dystrophie, reflexsympathetische RSMD, siehe Rigid-spine-Syndrom RSS, siehe Rigid-spine-Syndrom Rubella 323 Rückenmark 833 – Fehlbildungen 53 – Infarkt 293 – Verletzung 427 – perinatale 723 Ryanodin-Rezeptor (RYR1) 678, 721, 722, 728, 747, 751 – Gen 729 – Mutationen 724 S
S100 492 – negativ 662 SAB, siehe Subarachnoidalblutung Sakralganglien 642 Salizylat 379
Sachverzeichnis
Salla-Krankheit 143 Sandhoff-Krankheit 128, 656, 769 Sanduhrgeschwulst 528 Sanfilippo-Syndrom 613 – Typ A 609 SAP, siehe Serumamyloidprotein Saposin – B 132 – C 136 Sarin 378, 583, 814 Sarkogliom 505 Sarkoglykan 687, 703, 732 – α 678, 692, 705 – β 678, 692, 705 – γ 678, 692 – δ 692 – ε 703 – ζ 703 – Komplex (SGK) 678, 679, 701, 703 Sarkoglykanopathie 697, 701, 703 – α 705 – β 705 – γ 703, 800 – δ (SGDC) 705 Sarkoidose 309, 642, 801 – des Muskels 801 Sarkolemm 678, 679 – Kerne 696, 727 Sarkolemmin – Defekte 687 – Invaginationen 687 Sarkom 527 – botryoides 807 – granulozytäres 662 Sarkomerorganisation 678 Sarkomerverkürzung 680 Sarkopenie 765 – senile 686 Sarkoplasmaeinschluss, tubulofilamentöser 724 Sarkoplasmaknospe 789 Sarkosporidien 796 Sarkosporidiose 796 Satellitenzelle 676, 687, 778, 789, 795, 826, 830 Satellitenzellproliferation 687 Satellitose, perineuronale 18 Säuglingsbotulismus 819 Säuglingstod 114 – plötzlicher, siehe sudden infant death syndrome Saure Phosphatase 799 – Aktivität 761, 795 – Reaktion 732, 770, 835 Saure-Maltase-(α-Glukosidase-)Mangel 756 – kindlicher 736 Sayk’sche Sedimentationskammer 35 SBMA 825 SCA, siehe Ataxie, spinozerebelläre
SCCMS, siehe Myastheniesyndrom, slow-channelkongenitales Schädelbruch 405 Schaden – geburtstraumatischer 112 – oxidativer 779 Schädigung, diffuse axonale 420 Schaffer-Spielmeyer-Prozess 125 Schal-Erythem 797 Scheie-Syndrom 147, 613 Scheitel-Steiß-Länge 50 Schiefhals 791 – psychogener 791 Schiefhaltung 791 Schilddrüse 770 – Karzinom 810 Schilders diffuse Sklerose 360 Schindler-Kanzaki-Krankheit 146 Schistosoma 321 Schizenzephalie 106 Schizophrenie 470, 835 Schläfenlappenepilepsie 452 Schlaganfall 420, 834 – neonataler 106 Schlangengift 814, 820 Schlauch, endomysialer 789 Schleimbildung 801 Schleudertrauma 429 Schmerz 627, 769 – neuropathischer 627 Schmerzempfindung 627, 644 Schmerzfaser 681 Schmerzmodalität 627 Schmidt-Lanterman-Inzisur 558 Schnürring 621 Schoenlein-Henoch-Purpura 667 Schulterhochstand, angeborener 711 Schultermuskulatur 816 Schussverletzung 415 Schütteltrauma 409, 412 Schwann-Zelle 556, 557, 668, 736, 808, 830 – Einschlüsse 613 – Hirschgeweih-förmige 625 – zytoplasmatische Einschlüsse 626 Schwannom 528, 662 Schwannomatose 529 Schwannomin 662 Schwartz-Jampel-Syndrom 745, 748 Schwarze Witwe 819 Schwefelkohlenstoff 377, 582 Schwefelwasserstoff 375 Schweißbildung 627 Schwellenwert 762 Schwerkettenmyosin 732, 834 Schwindel 648 Schwitzen, exzessives 628
875
876
Sachverzeichnis
SCO1/2-Gen 765 Seckel-Syndrom 75 Sehne 676 – Ansatz 687 – Ende 676 – Fibrillen 676 Sehnenreflex 628 Seipinopathie 629 Sekretase 196 Sekundärfurche 47 Selbstverstümmelung 628 Selen 779 Selenoprotein – N1 (SEPN1) 694, 711, 720, 721, 722, 726, 728, 730, 733 – Mutationen 732 – N2 (SEPN2) 678 Sensibilitätsverlust 627, 643 Sepsis 594 Septikämie 794 Septin 9 (SEPT9) 603, 630 Sequesterspeicherung 758 Serine palmitoyltransferase long chain base subunit 1 (SPTLC1) 602, 627 Serumamyloidprotein (SAP) 598 Serumenzym 690 Serumkreatinkinase 751 Serumkreatinphosphokinase 690 Serumpyruvatkinase 690 SET-binding factor (SBF) 625 – SBF2 601 SH3-domain and tetratricopeptide repeats 2 (SH3TC2) 601, 625 Shadow plaques 358 Shah-Waardenburg-Syndrom 624, 629 – PCWH-Variante 624 Shaken baby syndrome 111 Shunt 94 Shy-Drager-Syndrom 246 Sial-Krankheit 144 Sialidose 143 Sialinsäuresynthese 706 Sialsäurespeicherkrankheit 143 Siderophagen 36 SIDS, siehe sudden infant death syndrome SIL1-Gen 724 Silberkornkrankheit 216 Silver-Syndrom 629 SIMPLE-Gen 619 Sinus 255 – durae matris 25 – Thrombose 289 Sjögren-Larsson-Syndrom 187 Sjögren-Syndrom 657, 658, 800 Skein-like inclusions 230 Skelettdeformität 720, 748
Skelettmuskel-Aktin D 729 Skelettmuskelerkrankung – Klassifikation 686 Skelettmuskelmetastase 810 Sklera 800 Sklerodermie 654, 658 – progressive 800 Sklerose – Balos-konzentrische 358 – diffuse 360 – progressive systemische 657, 658 – tuberöse 501, 536, 806 Skolex 321 Skoliose 621, 720 Skrapie 340 Skrotalhaut 828 SLCO1B1-Gen 779 SLIM1-Gen 730, 736 Sly-Neufeld-Krankheit 147 Small fiber neuropathy 627 Small vessel disease 278 SMARCB1-Gen 511, 519 Smith-Lemli-Opitz-Syndrom 64 SNCA-Duplikation 629 Sneddon-Syndrom 286 SOD1-Gen 229, 825 Solute carrier – family 12 (SLC12) – A6 603, 626 – family 22 (SLC22) – A5 758, 768, 769 – family 25 (SLC22) – A20 (SCL25A20) 758 Soman 583, 814 Sommer-Sektor 453 Sonnenstich 431 SOX10-Gen 624, 629 Spalt, synaptischer 818 Spasmus 819 Spastik 819, 834, 835 Spastizität 834 Spectrin 558 – β 730 – Reaktion 687 Spermienhals 761 SPG 234 Sphäroid 11, 195, 230 Sphäroidkörper 687, 730, 732 – Myopathie 702, 725, 726 Sphingolipid 124 Sphingolipidaktivatorproteindefekt 142 Sphingolipidose 122, 124 Sphingomyelin 609 Sphingomyelinase 137 Spina bifida 56 Spinalatrophie, elektrotraumatische 434
Sachverzeichnis
Spinalerkrankung, funikuläre 391 Spinalganglien 560, 666 – Zellen 616, 630, 820 Spinalnerv 832 Spinalparalyse, spastische 233, 824, 834 Spinalparese, spastische 626 Spinaltrauma 428 Spinalwurzelausriss 573 Spindelzellonkozytom der Adenohypophyse 535 Spingomyelinphosphodiesterase-(SMPD1-)Gen 607 Spinnengift 814, 819, 820 Spinnenzelle 806 Spirale, zylindrische 736 Spirochäten 645 – Infektion 313 Spongioblastom, polares 516 Spontanschmerz 627 Sporozoen 796 Sprengel-Deformität 711 Sprintgeschwindigkeit 770 Spritzenabszess 794 SPTL1-Gen 626 SSPE, siehe Panenzephalitis, subakute sklerosierende Stäbchenkörpermyopathie 729 Stammganglien 225, 226 Stammmuskulatur 676 Stammzelle 262, 778, 789 – neuronale 786 Staphylokokken 794 Statin 779, 780, 788 Status – marmoratus 49, 102 – myelinisatus 49 – spongiosus 163, 337 Stavudin 643 Steatorrhoe 769 Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom 244 Steroidtherapie 770 Stichverletzung 414 Stiff-person-Syndrom 540, 723, 744, 814 Stimmband-Myopathie 708 Stirnglatze 744 Stoffwechselaktivität, hohe 761 Stoffwechselstörung, peroxisomale 611 Störung – endokrine 744 – metabolische 598 Stoßkanalblutung 423 Strahlen, ionisierende 435 Strahlenmyelopathie 435 Strahlennekrose 435, 541 Strahlenschaden 435, 574 Strahlungstrauma 435 Streptococcus pneumoniae 305 Streptokokken 794
Stress, oxidativer 765 Striatumnekrose, familäre bilaterale 762 Stromschaden 574 Stromunfall 432 Struktur – bilaminäre 612 – kurvilineare 609 – parakristalline 808 – trilaminäre 612 – tubuloretikuläre 799 – tubulovesikuläre 340 Sturge-Weber-Krankheit 537 Sturz 419 Stützgewebe des Muskels 681 Subarachnoidalblutung (SAB) 37, 111, 413 Subarachnoidalzisterne 26 Subduralblutung 111, 428 Subduralhämatom (SDH) 408, 767 – akutes 410 – chronisches 410 – subakutes 410 Subependymom 510 Substanz, amorphe, Ablagerung 632 Succinatdehydrogenase-(SDH-)Reaktion 766 Succinatligase, mitochondriale (SUCLA) – SUCLA1 764 – SUCLA2 764 Succinylcholin 751, 779, 780, 814 Sudden infant death syndrome (SIDS) 114, 762 Sudden unexpected death in epilepsy (SUDEP) 460 Sulfitoxidasemangel 178 Sulkusformation 47 SUMF-1-Gen 134 Superfaser, histochemische 681 SURF1-Gen 765 Survival motor neuron (SMN) 232, 825 – Protein 824, 825 Süßholzextrakt 779, 780 Suxamethonium 751, 779, 781 SV40-Virus 486 Sympathikogoniom 662 Sympathikusfaser 629 Synapse 7 Synaptophysin 492 Syncoilin 679 Syndrom – der kontinuierlichen Muskelfaseraktivität 814 – hypereosinophiles 657, 800 – hypotones 720 – intermediäres (IMS) 583, 586 – kongenitales myasthenisches (KMS) 814, 815, 817 – mit Rapsynmangel 815 – malignes neuroleptisches 752 – mit langsamen Kanal 818 – mit schnellen Kanal 818 – myasthenisches 779, 780, 814
877
878
Sachverzeichnis
Syndrom – myotonisches 745, 779, 781 – okuläres 708 – okulozerebrorenales 153, 723 – paraneoplastisches 459, 657, 814, 817 – postsynaptisches 818 – präsynaptisches 817 – pseudosyringomyelisches 610 – skapuloperoneales 701 – zerebelläres 763 – zerebrohepatorenales 155, 723 SYNE1-Gen 691, 698, 699 SYNE2-Gen 691, 698, 699 Synostose 76 Synovialom 808 Synovialsarkom 530 Synovialzelle 786, 789 Syntrophin 679 Syntrophinkomplex 681, 701 α-Synuklein 210, 228, 242, 246 – Einschlüsse 629 Synukleinopathie 835 Syringobulbie 74 Syringomyelie 74, 734 System – extrapyramidalmotorisches 824 – spinozerebelläres 835 – transversales tubuläres 678 Systematrophie 827, 833, 834 – des Nervensystems 824 – multiple (MAS) 246, 629 – nukleodistaler Beginn 824 Szésary-Syndrom 658 T
T-Helfer-Zellen 797 T-Lymphozyten 622 T-System 678, 687, 747, 750 – Erweiterung 749 T-Zell-Rezeptor 799 T-Zelle, zytotoxische 799 Tabes dorsalis 314 Tabun 583, 814 Taenia solium 320 Tafazzin 699 Takayasu-Arteriitis 287 Talipes 711 Tandem-CAG-Untereinheit, polymorphe 825 Tangier-Krankheit 610, 621 Tangle-predominant Alzheimer’s disease 207 Tangles 195 Tanyzyten 20, 511 Targeted Therapies 487 Targetfasern 687, 827, 829, 832, 834 Targetoidfasern 832, 834 Tarui-Krankheit 759
Tau 6, 196, 200, 213, 216, 228 – phosphoryliertes 799 Taxol 585 Tay-Sachs-Krankheit 128 TAZ-Gen 699 Teleangiektasie, kapilläre 537 Telethonin 678, 687, 692, 703, 705 Temozolomid 488 Temperaturempfindung 627, 644 Temperaturfaser 681 Temperaturregulation 628 Temporallappenepilepsie 453 – mesiale 450 Temporallappensklerose, mesiale 453 Tenascin 558 – C 788 Tensilon 814 Teratom 532, 806 Terminalzisterne 678, 707 – des sarkoplasmatischen Retikulums 747 Testosteron 770 Testosteronspritzen 770 Tetanie 735, 770 – parathyreoprive 735 Tetanus 794, 795 Tethered cord 56, 57 Tetracain 584 Tetrachlorkohlenstoff 376, 583 Tetraethylblei 370 Tetraplegie 645 – spastische 709 Tetrazykline 779, 780 Thal-Phase 203, 206 Thalidomid 586 Thallium 372, 581 Therapie, zytotoxische 642 Thévenard-Syndrom 627 Thiamin 779 – Mangel 383 Thioflavin S 197 Thiolasemangel 611 Thomsen-Myopathie 745, 748 Thrombangiitis 667 – obliterans 285, 654 Thrombose 289 – venöse 289 Thrombozytenfunktion 667 Thymidin-Kinase 2 (TK2) 764 Thymom 816 Thymus 816 Thyreotoxikose 593, 751, 770 Tibialis-anterior-Syndrom 654, 790 Tic douloureux 647 Tigerschlange, australische 819 Tight junctions 557, 654 Tigrolyse 8, 264
Sachverzeichnis
Tinnitus 647 Titin 678, 687, 692, 703, 705, 722, 725, 726, 728, 730, 736 – Cap (TCAP) 692, 705 – Defekt 705 – Gen 720 – Mutationen 706, 724, 729 Titin-Immunoglobulin-Domäne-Protein (TTID) 726, 730 TLiSA1+-Zellen 797 TMEM16E-Gen 692 TNF-Faktor, Lipopolysaccharid-induzierter (LITAF) 599, 619 TNNT1-Gen 721, 729 TNNT2-Gen 711 TNNT3-Gen 711 Tod, plötzlicher 730 Tollwut 326 Toluol 376 Tonsille 610 Tonusregulation 835 – zentrale 834 Torpedos 11 Torticollis spasmodicus 791 Tortikollis 791 Toxic-oil-Syndrom 586 Toxin 795 – des Corynebacterium diphtheriae 580 – Typen 819 Toxoplasmose 38, 318, 796 TPM2-Gen 711, 721, 722, 729, 733 TPM3-Gen 721, 729, 733 Training 736, 833 Trainingsbedingungen 788 Tränenbildung 628 Transfer-RNA (tRNA) 762 – Gen 763 – Synthetase 796 – tRNAL-Gen 763 – tRNALeu(UR) 763 6-Transglukosidose 759 Transkription 761 Transkriptionsfaktor – MiTF 810 – p44-Untereinheit-(BF2p44-) Gen 825 – thyreoidaler 1 (TTF1) 31 Translation 761 Translokation 762 – chromosomale 807 Transmantle sign 458 Transmembranprotein 710 Transmittersynthese 814 Transplantation 627 Transport, retrograder 556 Transportzeit 682 Transthyretin (TTR) 603
Trauma 790, 801, 834 – akustisches 436, 648 – gedecktes 404 – offenes 404 – thermisches 430 – und Tumor 486 Tremor 621, 835 Treponema pallidum 313 Triade 678, 747 Triadenprotein 678 Triadin 678 Triarylphosphat 583 Trichinella spiralis 795 – Larve 796 Trichinen 796 Trichinenkonzentration 796 Trichinenschau 795 Trichinose 795 Trichlorethylen 376, 583 Trichromfärbung 695 – grün 732 – rot 732 Triethylzinn 373 Trigeminusganglien 642 Trigeminusneuralgie 647, 648 Triglyzeridakkumulation 769 Triglyzeridlipase, adipöse 758 Triglyzeridspeicherkrankheit 758 Trihydroxycholestanolmangel 611 TRIM32-Gen 692, 705, 722, 735 Trimethadon 780 Trimethylzinn 373 Trinukleotid-(CTG-)Repetition 744 Triorthokresylphosphat 583 Tripartite motif containing 32 722 Tripodin 678, 732 Trismus 819 Trisomie – 13 78 – 18 78 – 21 77 Tritontumor 530 Tritopodin 730 Trockeneis 682 Tropheryma whipplei 312 Trophoblasten 710 Tropomyosin 678 – 2 733 – β 721, 722 – α-Tropomyosin 3 721 Troponin 678 – T 729 – T1 721 TRPV1 627 TRPV4 621 Trypanosoma cruzi 644
879
880
Sachverzeichnis
Tryptophan 379, 586, 657 – L-Tryptophan 586 – Medikation 800 TSC1-Gen 536, 806 TSC2-Gen 536 TSE, siehe Enzephalopathie, transmissible spongiforme Tuber 536 Tuberkulom 309 Tuberkulose 308 Tubuli – hexagonal angeordnete 734 – undulierende 797, 799 Tuffstein-Körper 607 Tufted astrocytes 17, 200, 215, 244 Tumor – atypischer teratoider/rhabdoider (AT/RT) 519 – dysembryoplastischer neuroepithelialer (DNT) 455, 515 – glioneuronales Element 515 – embryonaler – mit mehrschichtigen Rosetten (ETMR) 519 – mit Neuropilinseln 519 – epilepsieassoziierter 455 – melanotischer 521 – neuroektodermaler 530 – papillärer – der Pinealisregion (PTPR) 521 – glioneuronaler 513 – primitiver neuroektodermaler (PNET) 517 – peripherer 530 – rosettenformender glioneuronaler (RGNT) 514 – des vierten Ventrikels 514 – WHO-Klassifikation 494, 497 Tumor growth factor (TGF) – TGFβ2 568 Tumorerkrankung, maligne 797 Tumornekrosefaktor (TNF) 644 – alpha 647, 788 Tumorsuppressorgen TP53 498, 499, 505 Twinkel-Gen-Mutation 768 Twinkle 764 TYMP-Gen 764 Typ-1-Faser-Dominanz 829 Tyrosinkinase, muskelspezifische 814, 817 U
Überleitung, neuromuskuläre 814, 819 Überleitungsstörung 744 Überstreckung 687 Ubiquinol-Cytochrom-c-Reduktase (UQCRB) 765 Ubiquitin 678, 706 – Ligase 722 – Proteasom-System 678 UBR1-Gen 828 Übungseffekt 744 Ulegyrie 101, 106
Ullrich-Syndrom (UCMD) 694, 711 Ultraschalltrauma 436 Ulzeration, neuropathische 627 Unithalamus 66 Unkushernie 490 Unkusschnürfurche 489 Urothelkarzinom 810 Urtikaria 667 Utrophin 681 – Reaktion 690 V
V600E 502, 513 Vakuolen 682, 696, 709, 732, 736, 749, 751, 769, 799 – autophagische 687, 706, 707, 731, 733, 797 – intrazytoplasmatische 613 – konfluierende 337 Valosin-containing-protein-Gen (VCP) 217, 724, 727 Valproat 460 Varizella-zoster-Virus (VZV) 324, 642 Varizellavirus 647 Varizen 538 Vasa nervorum 670 Vaskulitis 283, 642, 648, 654, 670, 734, 794, 796 – primäre 656 – sekundäre 656 Vasospasmus 275 VEGF 487 Vena Galeni 290, 538 Vene 256 Venenthrombose 790 Venolen 256 Ventrikel 88 Veränderung – spongiöse 337 – ulzeromutilierende 621 Verbrauchskoagulopathie 751 Verkalkung 656 – der Pallidumgefäße 287 Verkürzungskontraktion 788 Verlängerungskontraktion 788 Verletzung 789 Versican 558 Versilberung 195, 197 Versorgungsgebiet, arterielles 253 Vesikel – exozytotische 761 – pinozytisches 748 – synaptischer 816 Vigabatrin 460 Vimentin 492, 730 – Expression 801 Vinblastin 380 Vincristin 380, 779, 780 Vinculin 690 Virus 794
Sachverzeichnis
Virusmyositis 794 Vitamin – B1-Mangel 578 – B2-Komplex-Mangel 578 – B6 578 – Mangel 578 – Überdosierung 578 – B12 – Mangelneuropathie 579 – Hypovitaminose 391 – C 779 Vitamin – E 779 – Mangel 611, 735 – Mangelneuropathie 578, 579 VMA21 726 Volkmann-Kontraktur, ischämische 791 von-Gierke-Krankheit 759 von-Hippel-Lindau-Krankheit 526, 536 von-Recklinghausen-Krankheit 662 Vonsattel-Gradierung 240 Vorderhornzellen 616, 628 – des Rückenmarks 666, 729 Vorderwurzel 666 Vulnerabilität 260 W
Waardenburg-Syndrom 624 Wachstumsgeschwindigkeit 791 Wachstumshormon 770 Wachstumsmuster, pseudoalveoläres 807 Wadenhypertrophie 736, 833 Waldenström-Makroglobulinämie 605, 667, 670 – intermediäre Linien 670 Waldenström-Paraglobulinämie 781 Walker-Warburg-Syndrom (WWS) 68, 186, 692, 693, 703, 705, 710 Wallenberg-Syndrom 734 Waller-Degeneration 18, 568, 654 Wasserscheide 658 Wegener-Granulomatose 285, 657, 658 Weichteilrheumatismus 788 Weichteilsarkom, alveoläres 806, 808 Welander-Krankheit 708, 725, 735 Werdnig-Hoffmann-Krankheit 232, 734, 735, 825, 826 Wernicke-Korsakow-Syndrom 381, 383 West-Syndrom 462 Western-Blot 702 Whartin-Starry 315 Whipple-Krankheit 312 Wildschwein 796 Wilson-Krankheit 181 Windpocken 642 Winiwarter-Bürger-Krankheit 285, 654 Wirbelsäulenversteifung 711, 720 WNK1-Gen 602, 626, 627
Wohlfart-Kugelberg-Welander 825 Wolman-Krankheit 153, 609 Wurzelfaser von Zilien 736 X
X-Tremor-Syndrom, fragiles 629 Xanthoastrozytom, pleomorphes (PXA) 502 Xanthogranulom der Sellaregion 533 Xanthomatose, zerebrotendinöse 186, 609 Xeroderma pigmentosum 613 Xin-repeat-Protein 2 (XIRP2) 730 Y
YARS-Gen 599, 615, 623 Z
Z-Band 678, 679, 788 – alternatively spliced PDZ motif (ZASP) 678, 725, 726, 730 – Strömen 687, 731 Z-Scheibe 732 Zalcitabin 643 ZASPopathie 730, 732 Zebrakörper 607, 687 – Myopathie 736 Zeckenbiss 645 Zeckengift 819 Zeckenparalyse 645 Zelladhäsionsmolekül, neurales (N-CAM) 558, 788 Zelle – dendritische 797 – Ganglienzell-ähnliche 779 – ganglioide 801 – Kraftstoff 761 – perivaskuläre 23 – postmitotische 614, 761 Zellinfiltrat, reaktiv-entzündliches 702 Zellsedimentation 35 Zellveränderung, homogenisierende 8 Zellweger-Syndrom 155 – zerebrohepatorenales 611 Zentralfibrillenkrankheit 728 Zentralnervensystem (ZNS) 630 – Angiitis 283 – Fehlbildungen 710 – Gefäße 252 Zentrum, trophisches 834 Zephalopagus 80 Zephalothorakopagus 80 Zeramidase 141 – Gen (ASAH/A) 141 Zerebellitis 324 Zerebralparese 99 Zerebritis 312 Zeroidlipofuszinose, neuronale (NCL) 147, 149, 609, 770, 835
881
882
Sachverzeichnis
Zeroidpigment 769 Zervixkarzinom 810 Zidovudin 643, 779, 794 Ziege, myotonische 744 Ziehl-Neelsen-Färbung 308 Zink-Finger-Protein 745 – 9 (ZNF9) 744, 745, 748 Zinn 373 Zonulae occludentes 557, 654 Zoster 325, 642 Zuckungsgeschwindigkeit 681 Zunge, fungiforme Papillen 628 Zweittumor 541 Zwerchfell 786 Zwergwuchs 748 Zwiebelschalenformation 616, 618, 647, 662 Zyanid 375 Zyanwasserstoff 375 Zyklopie 62 Zyklopropan 781 Zyklostomen 676 Zystathioninurie 178
Zyste 532, 662 – enterogene 534 – glioependymale 534 – neurenterische 57 – respiratorische 534 Zystin 779 Zystinose 153 Zystizerkus 321 Zytokeratin 492 Zytomegalie 794 Zytomegalievirus (CMV) 325, 642, 643, 647, 794 Zytoplasmakörper – myelinähnlicher lamellierter 709 – myofibrillärer 732 Zytoplasmaveränderung, eosinophile 264 Zytoskelett 6 Proteine 679 Zytoskelettmyopathie 728 Zytosom, kurvilineares 609, 835 Zytostatika 380, 585, 796 Zytotoxin 780 Zytozentrifugenpräparation 35