Richard A. Zahoransky
Energietechnik
Weitere Titel aus dem Programm
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Richard A. Zahoransky
Energietechnik
Weitere Titel aus dem Programm
Vieweg Handbuch Maschinenbau herausgegeben von A. Böge Technische Strömungslehre von L. Böswirth Handbuch Hochtemperatur-Werkstofftechnik von R. Bürgel Strömungsmechanik A – Z von H. Herwig Elektrische Energieversorgung von K. Heuck und K.-D. Dettmann Brennstoffzellentechnik von P. Kurzweil Thermodynamik für Ingenieure von K. Langeheinecke, P. Jany und G. Thieleke Prandtl – Führer durch die Strömungslehre herausgegeben von H. Oertel jr. Strömungsmechanik von H. Oertel jr. und M. Böhle
vieweg
Richard A. Zahoransky
Energietechnik Systeme zur Energieumwandlung. Kompaktwissen für Studium und Beruf 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage Mit 295 Abbildungen Unter Mitarbeit von Elmar Bollin, Helmut Oehler und Udo Schelling
Studium Technik
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage Juli 2002 2., überarbeitete und erweiterte Auflage November 2004 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage April 2007 Alle Rechte vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Imke Zander / Thomas Zipsner Der Vieweg Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vieweg.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Technische Redaktion: Hartmut Kühn von Burgsdorff, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0215-6
V
Vorwort zur dritten Auflage Es ist wenig verwunderlich, dass dieses Buch „Energietechnik“ schon innerhalb kurzer Zeit in der dritten Auflage erscheint. Es schließt eine Marktlücke, denn eine derart kompakte, jedoch umfassende Darstellung dieses hochaktuellen Themas gab es auf dem deutschen Sachbuchmarkt nicht. Die leichtverständliche aber korrekte Behandlung ist eine ideale Einführung für Studierende aller Hochschularten und Disziplinen in die Energietechnik. Insbesondere die Verknüpfung technischer Fragestellungen mit den wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Randbedingungen werden erkennbar. So begrüße ich in diesem Zusammenhang sehr die Erweiterung des Buches durch ein Kapitel zum Kyoto-Protokoll, denn die dort geschaffenen fiskalischen Instrumente nehmen auf die Techniken der Energieversorgung globalen Einfluss. Ich kann dieses Buch nicht nur Studierenden empfehlen, sondern auch jedem, der an aktuellen Fragestellungen der Energieversorgung Interesse hat. Im März, 2007
Prof. Dr.-Ing. Hans-Jörg Bauer Institut für Thermische Strömungsmaschinen Universität Karlsruhe (T.H.)
Vorwort des Autors zur dritten Auflage Das diesjährige Grünbuch der Europäischen Union zur Energiepolitik formuliert drei strategische Ziele: Eine sichere, konkurrenzfähige und nachhaltige Energieversorgung. Hierbei sind sich die Mitgliedsstaaten einig, dass alle möglichen Energiequellen und Umwandlungstechniken anzuwenden sind, wobei nur die Rolle der Kernenergie umstritten ist. Somit sind in diesem Werk wieder alle derzeit nutzbaren Energietechniken vertreten, wobei es einige Ergänzungen und Aktualisierungen gab. Die Umsetzung der Emissionsziele durch Limitierung der Treibhausgase, wie im Kyoto-Protokoll fixiert, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Deshalb kamen einmal das neue Kapitel zur Einführung zum Kyoto-Protokoll und zum andern die Konzepte zu emissionsfreien Kohlekraftwerken hinzu. Das Buch dient der Einführung in die Energietechnik, um Verständnis für deren Leistungsfähigkeit und Grenzen zu wecken und um ein tiefer gehendes Studium anzuregen. Einmal mehr sei dem Vieweg Verlag für die problemlose Realisierung und die Ratschläge gedankt. Sehr schätze ich die wertvollen Hinweise der kritischen Leser, die Tippfehler verringerten und zu vielen Verbesserungen führten. Im März, 2007
Prof. Dr.-Ing. Richard A. Zahoransky
VII
Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der verwendeten Formelzeichen und Abkürzungen ......................................
XV
1 Einleitung ...................................................................................................................... Literatur ..........................................................................................................................
1 3
2 Energietechnische Grundlagen ................................................................................... 2.1 Energieformen ....................................................................................................... 2.2 Energieerhaltung ................................................................................................... 2.3 Thermodynamische Kreisprozesse ........................................................................ 2.3.1 Carnot-Prozess ........................................................................................... 2.3.2 Technisch realisierbare Kreisprozesse ....................................................... 2.3.3 Irreversibilitäten ........................................................................................ 2.4 Erschöpfbares und nicht erschöpfbares (regeneratives) Energieangebot .............. 2.5 Primär- und Sekundärenergien .............................................................................. 2.6 Weltenergiebedarf ................................................................................................. Literatur .......................................................................................................................... Anhang ...........................................................................................................................
5 5 6 6 7 8 9 9 10 10 11 11
3 Überblick....................................................................................................................... 3.1 Nutz- und Prozesswärme....................................................................................... 3.2 Erzeugung elektrischer Energie............................................................................. 3.3 Kraft-Wärme-Kopplung ........................................................................................ 3.4 Kombinations-Kraftwerke..................................................................................... 3.5 Erneuerbare (regenerative) und unerschöpfbare Energiequellen .......................... Literatur ..........................................................................................................................
15 16 17 19 19 20 22
4 Konventionelle Dampfkraftwerke .............................................................................. 4.1 Thermodynamische Grundlagen............................................................................ 4.1.1 Clausius-Rankine-Vergleichsprozess......................................................... 4.1.2 Überhitzung des Frischdampfes ................................................................. 4.1.3 Zwischenüberhitzung ................................................................................. 4.1.4 Regenerative Speisewasser-Vorwärmung.................................................. 4.1.5 Wärmeauskopplung.................................................................................... 4.1.6 Regelung von Dampfkraftwerken .............................................................. 4.2 Aufbau von Dampfkraftwerken DKW .................................................................. 4.3 Wasserqualitäten in Dampfkraftwerken ................................................................ 4.3.1 Arbeitsfluid (Speisewasser)........................................................................ 4.3.2 Rückkühlwasser ......................................................................................... 4.3.3 Kühlwasser................................................................................................. 4.3.4 Heizwasser ................................................................................................. 4.3.5 Wasseraufbereitung.................................................................................... 4.4 Dampferzeuger ...................................................................................................... 4.4.1 Allgemeine Zusammenhänge ..................................................................... 4.4.2 Feuerung..................................................................................................... 4.4.3 Strömungsformen .......................................................................................
23 24 24 25 26 26 28 28 29 31 33 33 34 34 34 36 37 39 39
VIII
Inhaltsverzeichnis
4.4.4 Siedekrise 1. Art......................................................................................... 4.4.5 Großwasserraumkessel GWRK.................................................................. 4.4.6 Naturumlauf-Dampferzeuger ..................................................................... 4.4.7 Zwangumlauf-Dampferzeuger ................................................................... 4.4.8 Zwangdurchlauf-Dampferzeuger ............................................................... 4.4.9 Entwicklungstendenzen bei Dampferzeugern ............................................ 4.5 Regenerative Speisewasservorwärmung/Vorwärmstrecke.................................... 4.5.1 Niederdruckvorwärmer .............................................................................. 4.5.2 Mischvorwärmer (Speisewasserbehälter)................................................... 4.5.3 Hochdruckvorwärmer................................................................................. 4.6 Rauchgasreinigung ................................................................................................ 4.6.1 Entstickung................................................................................................. 4.6.2 Entstaubung................................................................................................ 4.6.3 Rauchgasentschwefelungsanlage REA ...................................................... 4.6.4 CO2-Abtrennung und Sequestrierung......................................................... 4.7 Kühlsystem ............................................................................................................ 4.7.1 Kondensator ............................................................................................... 4.7.2 Kühltürme................................................................................................... 4.7.2.1 Nasskühlturm (Naturzug-Kühlturm).......................................... 4.7.2.2 Trockenkühlturm........................................................................ 4.7.2.3 Hybridkühlturm.......................................................................... 4.8 Turbinen ................................................................................................................ 4.9 Pumpen .................................................................................................................. 4.10 Generatoren, Frequenzhaltung............................................................................... 4.11 Weitere Komponenten........................................................................................... 4.12 Leittechnik in Kraftwerken.................................................................................... 4.13 Entwicklungen ....................................................................................................... Literatur ..........................................................................................................................
41 42 42 44 45 47 47 48 48 49 50 50 52 52 54 55 55 56 56 57 57 57 58 59 60 60 61 63
5 Kernkraftwerke ............................................................................................................ 5.1 Kerntechnische Grundlagen .................................................................................. 5.1.1 Kernreaktionen ........................................................................................... 5.1.2 Energieumsatz bei Kernreaktionen............................................................. 5.1.3 Thermische und schnelle Neutronen .......................................................... 5.1.4 Moderation der Neutronen ......................................................................... 5.1.5 Brutprozesse ............................................................................................... 5.1.6 Kernbrennstoffe.......................................................................................... 5.1.7 Selbstregelverhalten, inhärente Sicherheit ................................................. 5.1.8 Biologische Strahlenauswirkungen und deren Maßeinheiten .................... 5.1.9 Radionuklidbildung in Reaktoren .............................................................. 5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors ......................................................................... 5.2.1 Brennelement.............................................................................................. 5.2.2 Leistungsverteilung .................................................................................... 5.2.3 Reaktorbehälter .......................................................................................... 5.3 Sicherheitsphilosophie........................................................................................... 5.4 Reaktortypen.......................................................................................................... 5.4.1 Übersicht der Reaktortypen........................................................................ 5.4.2 Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor ...................................................... 5.4.3 Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor .....................................................
65 65 65 67 70 72 73 74 76 76 78 79 79 80 82 84 86 86 86 91
Inhaltsverzeichnis
IX
5.4.4 CANDU Reaktor........................................................................................ 5.4.5 Schnelle Brüter .......................................................................................... 5.4.6 Gasgekühlte Reaktoren, Hochtemperaturreaktor ....................................... 5.4.7 Kernkraftwerke der 4. Generation.............................................................. 5.5 Entsorgung, Wiederaufbereitung, Transport ......................................................... 5.5.1 Wiederaufbereitung.................................................................................... 5.5.2 Entsorgung ................................................................................................. 5.5.3 Transport .................................................................................................... 5.6 Fusionskonzepte .................................................................................................... Literatur ..........................................................................................................................
94 95 96 98 99 100 101 101 103 105
6 Gasturbinen-Kraftwerke ............................................................................................. 6.1 Thermodynamische Grundlagen............................................................................ 6.1.1 Gasturbine mit isochorer Wärmezufuhr ..................................................... 6.1.2 Gasturbine mit isobarer Wärmezufuhr ....................................................... 6.1.3 Thermodynamische Varianten ................................................................... 6.1.3.1 Zwischenkühlung....................................................................... 6.1.3.2 Zwischenerhitzung..................................................................... 6.1.3.3 Luftvorwärmung ........................................................................ 6.1.4 Realer Gasturbinen-Prozess ....................................................................... 6.1.5 Umwelteinflüsse......................................................................................... 6.2 Aufbau moderner stationärer Gasturbinen ............................................................ 6.3 Verdichter.............................................................................................................. 6.4 Turbine in der Gasturbinenanlage ......................................................................... 6.5 Brennkammer ........................................................................................................ 6.5.1 Silobrennkammer ....................................................................................... 6.5.2 Ringbrennkammer...................................................................................... 6.5.3 Schadstoffminimierung .............................................................................. 6.6 Sonstige Komponenten.......................................................................................... 6.7 Jet-Gasturbinen, Aeroderivate............................................................................... 6.8 Mikro-Gasturbinen ................................................................................................ 6.9 Gasturbine mit getrennter Nutzleistungsturbine.................................................... 6.10 Gasturbinen mit geschlossenem Kreislauf............................................................. 6.11 Gasturbinen-Pumpspeicher-Kraftwerk.................................................................. 6.12 Gasturbine mit interner Kohleverbrennung........................................................... 6.12.1 Gasturbine mit Kohlestaubfeuerung........................................................... 6.12.2 Gasturbine mit Kohlevergasung................................................................. 6.13 Betriebsverhalten................................................................................................... 6.14 Entwicklungen....................................................................................................... Literatur .......................................................................................................................... Anhang ..........................................................................................................................
107 107 107 110 112 112 112 113 115 116 116 118 118 120 120 121 121 123 123 124 125 125 126 127 127 127 128 128 129 130
7 Kombinationskraftwerke............................................................................................. 7.1 Schaltungsmöglichkeiten....................................................................................... 7.2 Prinzipielle Zusammenhänge ................................................................................ 7.3 Eindruckprozess .................................................................................................... 7.4 Zwei- und Mehrdruckprozesse .............................................................................. 7.5 Gasturbine mit interner Abwärmenutzung (Cheng-Cycle).................................... 7.6 Abhitzekessel.........................................................................................................
133 134 135 137 141 142 145
X
Inhaltsverzeichnis 7.7 Regelung, Betriebsverhalten.................................................................................. 147 7.8 Entwicklungen ....................................................................................................... 148 Literatur .......................................................................................................................... 150
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz .............................................. 8.1 Otto-Motor............................................................................................................. 8.2 Diesel-Motor.......................................................................................................... 8.3 Stirling-Motor........................................................................................................ 8.4 Gasmotoren............................................................................................................ 8.4.1 Brenngase ................................................................................................... 8.4.2 Technische Besonderheiten des Gasmotors ............................................... 8.5 Notstromaggregate................................................................................................. 8.6 Emissionsminderung ............................................................................................. 8.6.1 Otto-Motor ................................................................................................. 8.6.2 Diesel-Motor .............................................................................................. 8.6.3 Gasmotoren ................................................................................................ 8.7 Motorregelung für energetische Zwecke ............................................................... Literatur ..........................................................................................................................
151 151 156 159 161 162 164 165 166 166 167 167 170 171
9 Brennstoffzellen (von Prof. Dr.-Ing. U. Schelling)....................................................... 9.1 Historie der Brennstoffzellen................................................................................. 9.2 Funktionsprinzip und Klassifizierung ................................................................... 9.3 Thermodynamische Grundlagen............................................................................ 9.4 Wirkungsgrad von Brennstoffzellen...................................................................... 9.5 Typisches Betriebsverhalten.................................................................................. 9.6 Anwendungsgebiete und Stand der Entwicklung .................................................. 9.6.1 Die Alkalische Brennstoffzelle, Typ AFC ................................................. 9.6.2 Die Polymer-Elektrolyt Brennstoffzelle, Typ PEFC .................................. 9.6.3 Die Phosphorsaure Brennstoffzelle, Typ PAFC......................................... 9.6.4 Die Schmelzkarbonat Brennstoffzelle, Typ MCFC ................................... 9.6.5 Die Oxidkeramische Brennstoffzelle, Typ SOFC ...................................... Literatur ..........................................................................................................................
173 173 174 175 177 179 180 183 184 186 188 190 193
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW .................................... 10.1 Wärmeauskopplung bei Dampfkraftwerken.......................................................... 10.1.1 Gegendruckbetrieb ..................................................................................... 10.1.2 Entnahme- und Anzapfbetrieb.................................................................... 10.2 Wärmeauskopplung bei Gasturbinen..................................................................... 10.3 Wärmeauskopplung bei Kombikraftwerken (GuD) .............................................. 10.4 Wärmeauskopplung bei Kolbenmotoren ............................................................... 10.5 Wärmeauskopplung bei anderen Prozessen........................................................... 10.6 Dimensionierung von BHKW ............................................................................... 10.7 Klimatisierung (Kälteerzeugung) durch Abwärme und Wärmepumpen ............... 10.7.1 Kompressions-Kältemaschinen .................................................................. 10.7.2 Absorptions-Kältemaschinen ..................................................................... 10.8 Wärmepumpen....................................................................................................... 10.9 Kraft-Wärme-Kälte-Verbund ................................................................................ Literatur ..........................................................................................................................
195 196 196 198 200 201 202 204 205 207 209 209 211 213 214
Inhaltsverzeichnis
XI
11 Wasserkraftwerke ........................................................................................................ 11.1 Nutzbare Wasserenergie........................................................................................ 11.2 Laufwasserkraftwerke ........................................................................................... 11.3 Speicherkraftwerke................................................................................................ 11.4 Pumpspeicher-Kraftwerke..................................................................................... 11.5 Kraftwerksketten ................................................................................................... 11.6 Turbinen für Wasserkraftwerke............................................................................. 11.6.1 Kaplan-Turbinen ........................................................................................ 11.6.2 Ossberger-Turbinen (Banki-Turbinen) ...................................................... 11.6.3 Francis-Turbinen ........................................................................................ 11.6.4 Dériaz-Turbinen ......................................................................................... 11.6.5 Pelton-Turbinen.......................................................................................... 11.7 Gezeiten-Kraftwerke ............................................................................................. 11.8 Meereswellen-Kraftwerke ..................................................................................... 11.9 Ozeanthermische Kraftwerke ................................................................................ Literatur .......................................................................................................................... Anhang 11.1 Herleitung Euler’sche Turbinenhauptgleichung ...................................... Anhang 11.2 Herleitung der Energie von Meereswellen ..............................................
215 215 217 219 220 222 222 224 225 226 227 227 228 231 232 233 234 235
12 Solartechnik (von Prof. Dr.-Ing. E. Bollin) .................................................................. 12.1 Überblick ............................................................................................................... 12.2 Solare Strahlung .................................................................................................... 12.2.1 Grundlagen................................................................................................. 12.2.2 Das Strahlungsangebot auf die Erde .......................................................... 12.2.3 Wichtige Begriffe und Größen im Umgang mit Solarstrahlung ................ 12.2.4 Messgeräte zur Erfassung der Globalstrahlung.......................................... 12.3 Solarthermische Energienutzung........................................................................... 12.3.1 Übersicht .................................................................................................... 12.3.2 Sonnenkollektoren...................................................................................... 12.3.3 Charakterisierung von Kollektoren oder die Bestimmung der Nutzleistungen und des Wirkungsgrades von Kollektoren ........................ 12.3.4 Kollektortestverfahren................................................................................ 12.3.5 Bauarten von Sonnenkollektoren ............................................................... 12.3.6 Solarthermische Systeme ........................................................................... 12.3.7 Solarthermische Großanlagen zur Trinkwarmwasserbereitung ................. 12.3.8 Spezifische Kennwerte von solarthermischen Anlagen zur Trinkwarmwasserbereitung........................................................................ 12.3.9 Beispiel einer solarthermischen Großanlage zur Trinkwasserbereitung .... 12.4 Photovoltaik........................................................................................................... 12.4.1 Einführung ................................................................................................. 12.4.2 Aufbau und Funktionsweise einer Solarzelle............................................. 12.4.3 Solarzellentechnologie ............................................................................... 12.4.4 Leistungsfähigkeit von Solarzellen ............................................................ 12.4.5 Verschalten von Solarzellen....................................................................... 12.4.6 Photovoltaische Systeme............................................................................ 12.4.7 Netzparallele PV-Anlagen.......................................................................... 12.4.8 Evaluation von PV-Systemen..................................................................... Literatur ..........................................................................................................................
237 237 239 239 239 242 243 245 245 246 248 250 250 251 251 253 255 258 258 259 259 260 262 266 266 267 268
XII
Inhaltsverzeichnis
13 Windenergie .................................................................................................................. 13.1 Grundlagen ............................................................................................................ 13.2 Windleistung und nutzbare Leistung ..................................................................... 13.3 Bauarten von Windkonvertern............................................................................... 13.3.1 Widerstandsläufer....................................................................................... 13.3.2 Auftriebsläufer ........................................................................................... 13.3.3 Darrieus-Rotor............................................................................................ 13.4 Charakteristik von Windturbinen .......................................................................... 13.5 Regelung und Netzeinbindung .............................................................................. 13.6 Konzepte, Entwicklungen...................................................................................... Literatur .......................................................................................................................... Anhang ...........................................................................................................................
269 269 270 271 271 271 274 275 276 277 277 278
14 Energetische Verwertung von Biomasse .................................................................... 14.1 Thermische Verfahren ........................................................................................... 14.1.1 Pyrolyse...................................................................................................... 14.1.2 Verbrennung............................................................................................... 14.1.3 Thermische Vergasung............................................................................... 14.2 Bakterielle Vergasung ........................................................................................... Literatur ..........................................................................................................................
281 282 282 282 284 285 287
15 Geothermie.................................................................................................................... 15.1 Potenzial der Geothermie ...................................................................................... 15.2 Geothermische Kraftwerkskonzepte, Überblick.................................................... 15.3 Direkte Dampfentspannung ................................................................................... 15.4 Flashprinzip ........................................................................................................... 15.5 Binärprinzip: ORC und KALINA ......................................................................... 15.5.1 Organic Rankine Cycles ORC.................................................................... 15.5.2 Kalina-Prozess............................................................................................ 15.6 Hot Dry Rock-Verfahren, HDR............................................................................. 15.7 Geokomprimierte nasse Felder .............................................................................. 15.8 Kraft-Wärme-Kopplung mit geothermischer Energiequelle ................................. 15.9 Hybridsysteme ....................................................................................................... 15.10 Rein geothermische Nutzung................................................................................ 15.11 Umweltaspekte...................................................................................................... Literatur ..........................................................................................................................
289 289 291 292 293 294 294 296 298 300 300 301 301 302 302
16 Energetische Müllverwertung ..................................................................................... 16.1 Müllkraftwerke mit traditionellen Öfen................................................................. 16.2 Pyrolyse ................................................................................................................. 16.3 Thermoselect-Verfahren ........................................................................................ 16.4 Schwel-Brenn-Verfahren....................................................................................... 16.5 Deponiegas/Klärgas-Kraftwerke ........................................................................... Literatur ..........................................................................................................................
303 304 305 306 307 308 309
17 Energieverteilung, Energiespeicherung...................................................................... 311 17.1 Energieverteilung................................................................................................... 311 17.1.1 Mineralöltransporte .................................................................................... 311
Inhaltsverzeichnis
XIII
17.1.2 Erdgastransporte......................................................................................... 17.1.3 Elektrische Verbundnetze .......................................................................... 17.1.4 Wärmetransporte ........................................................................................ 17.2 Energiespeicherung ............................................................................................... 17.2.1 Speicherung der Brennstoffe...................................................................... 17.2.1.1 Kohlelagerung............................................................................ 17.2.1.2 Flüssige Brennstoffe (Erdöl und Mineralölprodukte)................ 17.2.1.3 Gasförmige Brennstoffe............................................................. 17.2.2 Wärmespeicher........................................................................................... 17.2.2.1 Speicherung fühlbarer Wärme ................................................... 17.2.2.2 Speicherung latenter Wärme...................................................... 17.2.3 Elektrische Speicher................................................................................... Literatur ..........................................................................................................................
312 314 315 316 317 317 317 319 321 321 322 323 324
18 Liberalisierung der Energiemärkte (von Dipl.-Ing. H. Oehler) ................................. 18.1 Rahmenbedingungen ............................................................................................. 18.1.1 Die Struktur der Stromversorgung in Deutschland bis 1998 ..................... 18.1.2 Änderungen der Rahmenbedingungen seit der Liberalisierung ................. 18.2 Entwicklung seit 1998 ........................................................................................... 18.2.1 Preisentwicklung ........................................................................................ 18.2.2 Konsequenzen für die Unternehmen .......................................................... 18.3 Ausblick................................................................................................................. Literatur ..........................................................................................................................
325 325 325 327 331 331 332 335 335
19 Kyoto-Protokoll ............................................................................................................ 19.1 Globale Erwärmung und Treibhausgase GHG...................................................... 19.2 Geschichte des Kyoto-Protokolls .......................................................................... 19.3 Maßnahmen zur GHG Minderung......................................................................... 19.3.1 Emissionshandel......................................................................................... 19.3.2 Allokation der Emissionen ......................................................................... 19.3.3 Preis der Emissionszertifikate .................................................................... 19.3.4 Joint Implementation (JI) ........................................................................... 19.3.5 Clean Development Mechanism (CDM).................................................... 19.3.6 CO2-Senken, Landnutzung: LULUCF ....................................................... 19.4 Kontrolle und Zertifizierung.................................................................................. 19.4.1 Compliance Committee .............................................................................. 19.4.2 Ernannte Nationale Autoritäten „Designated National Authorities“ DNA ................................................... 19.4.3 Ernannte Operative Organisationen „Designated Operational Entities“ DOE .................................................... 19.4.4 Rolle der Weltbank .................................................................................... 19.5 Diskussion ............................................................................................................. Anhang ........................................................................................................................... Literatur .........................................................................................................................
337 337 338 339 340 340 341 341 341 342 343 343 344 344 344 344 345 346
Sachwortverzeichnis .......................................................................................................... 347
XV
Verzeichnis der verwendeten Formelzeichen und Abkürzungen Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
Teilweise sind einzelne Formelzeichen doppelt besetzt. Dies lässt sich bei dem weiten Gebiet der Energietechnik kaum vermeiden, wenn nicht auf die übliche Nomenklatur verzichtet werden soll. Im Text sind die verwendeten Formelzeichen jeweils erläutert. Kürzel
Erläuterung
Einheit
A A A1P
Atommassenzahl Fläche Annex 1 Parties (im Anhang 1 aufgeführte Vertragsparteien) Installierte Photovoltaik-Generatorfläche Alkalische Brennstoffzelle Alkaline fuel cell Außenhandelsverband Mineralöl und Energie Air Mass Relative Annuität Parameter des Windgeschwindigkeitprofils Abbremsfaktor Energiebezogener Abbrand Massenbezogener Abbrand Breite Magnetische Feldstärke; magnet. Induktion Freiwerdende mittlere Bindungsenergiedifferenz pro Nukleon Bundesverband der Deutschen Industrie Blockheizkraftwerk Bilanzkreisvertrag Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bundesnetzagentur Bundesverband neuer Energieanbieter Abbremsfaktor Effektiver spezifischer Kraftstoffverbrauch Leistungsbeiwert Max. Leistungsbeiwert, Betz-Faktor Clean Development Mechanism Certified Emission Reduction Conference of the Parties (Konferenz der Vertragsparteien)
kg/kmol m2
APV ABZ AFC AFM+E AM a a a aE aM B B BE BDI BHKW BKV BMWi BNA BNE b beff CP CPmax CDM CER COP
m2 1 1 1 1 W/kg 1 m T = Vs/m2 eV bzw. J -
1 kg/J 1 1
XVI
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
Kürzel
Erläuterung
Einheit
CPC CR c cA c, ci cp cpD cpGes
Parabolic Concentrator Konversionsrate Wärmekapazität (nur Tab. 2.1) Auftriebsbeiwert Geschwindigkeit, Absolutgeschwindigkeit Wärmekapazität bei konstantem Druck Wärmekapazität bei konstantem Druck für Dampf Wärmekapazität bei konstantem Druck für DampfRauchgas-Mischung Wärmekapazität bei konstantem Druck für Rauchgas Wärmekapazität für Wasser Umfangskomponente der Absolutgeschwindigkeit Wärmekapazität bei konstantem Volumen Wärmekapazität bei konstantem Volumen für Dampf Wärmekapazität bei konstantem Volumen für DampfRauchgas-Mischung Wärmekapazität bei konstantem Volumen für Rauchgas Widerstandsbeiwert Durchmesser Direct methanol fuel cell Nenndurchmesser Designated National Authority Designated Operational Entities Deutsche Verbundgesellschaft Solarer Zapf-Deckungsanteil Energie Elektrische Spannung (Kap. 9) Elektrisches Feld (Abschn. 4.13) Strahlungsintensität (Kap. 12) Elektrische Energie Spaltungsenergie von Atomen Fusionsenergie von Atomen Gesamter Energieinhalt Energieform, in die umgewandelt werden soll Kinetische Energie Maximale Spannung Potenzielle Energie Elektromagnetische Energie bzw. Strahlungsenergie Nutzbarer Sonnenenergieertrag
1 J/(kgK) 1 m/s J/(kgK) J/(kgK) J/(kgK)
cpRG cpW cu cv cvD cvGes cvRG cW D DMFC DN DNA DOE DVG DZ E E E E EEl EFis EFus EGes Ei EKin Emax EPot EQ EPV,use
J/(kgK) J/(kgK) m/s J/(kgK) J/(kgK) J/(kgK) J/(kgK) 1 m m
1 J V V/m W/m2/ȝm J J J J J J V J J J
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
XVII
Kürzel
Erläuterung
Einheit
ESol ERot ETh EZ E0 E0 Ex EEG EEX EFET EnWG ERU ETS EU EVU e
Eingestrahlte Sonnenenergie in Modul Rotationsenergie Thermische Energie Zündenergie zur Auslösung der Fusion Solarkonstante E0 = 1,367 kW/m2 +/- 1 % Thermodynamisch reversibel erreichbare Zellspannung Exergie Erneuerbare Energien Gesetz European Energy Exchange Leipzig European Federation of Energy Traders Energiewirtschafts-Gesetz Emission Reduction Unit Emission Trading System Europäische Union Energieversorgungsunternehmen massenspezifische Energie, Indizes wie bei o.g. Energietermen Kraft Faradaykonstante F = 96486 As/mol Auftriebskraft Umfangskraft Kraft in x-Richtung Widerstandskraft Freier Energiedienstleister Verband Beschleunigung eines Körpers, der auf der Erde frei im Vakuum fällt. Internationaler Standardwert g = 9,80665 m/s2. Der Wert hängt von der Erdposition ab. Greenhouse Gas, Treibhausgas Großwasserraumkessel Höhe Enthalpie Nutzbares Gefälle Brennwert (früher: oberer Heizwert) Heizwert (früher: unterer Heizwert) Enthalpie bei unterer Prozesstemperatur (nur Kap. 2) Verlusthöhe Hochdruck Hot Dry Rock Händlerrahmenvertrag
J J J J W/m2 V J -
F F FA Fu Fx FW FEDV g
GHG GWRK H H HN Ho Hu HU HVerl HD HDR HRV
-
J/kg N As/mol N N N N m/s2
m J m J J J m -
XVIII
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
Kürzel
Erläuterung
Einheit
h h h I IMPP ISc Iu I0 i IET IPCC J JI K K K KSBZ KWK KWKG ke
Spezifische Enthalpie Höhe Planck’sche Konstante; h = 6,625 · 10-34 Js Stromstärke Stromstärke im MPP Kurzschlussstrom Impuls in Umfangsrichtung Investitionskosten Spezifische Stromstärke International Emission Trading Intergovernmental Panel on Climate Change Stromdichte Joint Implementation Faktor Faktor Spezifische Nutzwärmekosten Karbonatschmelzen Brennstoffzelle Kraft-Wärme-Kopplung Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz Effektiver Multiplikationsfaktor für Neutronen im Reaktorvolumen Kennwert Kennwert Länge, Breite Flächenbezogenes Maß für Neutronenleckage (nur Abschn. 5.1.3) Leistungsdichte (nur Abschn. 5.2.2) Laufradschaufellänge Mindestluftbedarf (Volumenverhältnis) Longterm Certified Emission Reduction Liquid Natural Gas Land-use, Land-use Exchange and Forestry Hebelarm Moment Molmasse Rotor-Drehmoment Molten carbonate fuel cell Magnetohydrodynamischer Generator Maximum Power Point
J m Js A A A kg m/s € A/m2
k1 k2 L L L LLA Lmin LCER LNG LULUCF lA M M MA MCFC MHD MPP
A/m3 1 Nm/s €/kWh 1 W/K/m2 W/K2/m2 m m-2 W m-3 m 1 m Nm mol Nm -
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
XIX
Kürzel
Erläuterung
Einheit
MZ m mB = dm/dt m Anz = dmAnz/dt m Br = dmBr/dt m D = dmD/dt m FD = dmFD/dt m Ges = dmGes/dt m Heiz = dmHeiz/dt m id = dmid/dt m real = dmreal/dt m RG = dmRG/dt m V = dmV/dt m DT = dmDT/dt m
Methanzahl Masse des Körpers Masse des Brennstoffs Massenstrom m Anz Massenstrom einer Turbinenanzapfung m Massenstrom des Brennstoffs Massenstrom des Dampfes Massenstrom des Frischdampfes Gesamter Massenstrom Dampfmassenstrom für Heizzwecke Idealer Brennstoff-Massenstrom Realer Brennstoff-Massenstrom Massenstrom des Rauchgases Verdampfender Massenstromanteil Massenstrom durch Dampfkraftwerk eines Kombikraftwerks Massenstrom durch Gasturbine eines Kombikraftwerks Systemnutzungsgrad Anzahl von Atomkernen pro Volumen (nur Abschnitt 5.1.3) Anzahl von (instabilen) Atomkernen Anzahl von (instabilen) Atomkernen zum Anfangszeitpunkt Avogadro-Zahl Nationaler Allokationsplan Netzanschlussvertrag Netznutzungsvertrag Negotiated Third Party Access Drehzahl Drehzahlgröße Durchgangsdrehzahl Zahl von freigesetzten Elektronen Nenndrehzahl Neutron Molmassenstrom des Brennstoffs Niederdruck Oxidkeramische Brennstoffzelle Organic Rankine Cycle Ocean Thermal Energy Conversion Öleinheit; 1 ÖE = 42.000 kJ Oberer Totpunkt
1 kg kg kg/s kg/s kg/s kg/s kg/s kg/s kg/s kg/s kg/s kg/s kg/s kg/s
GT = dmGT/dt m N N N N0 NL NAP NAV NNV NTPA n na nD ne n0 n n Br = dnBr/dt ND OKBZ ORC OTEC ÖE o.T.
kg/s 1 m-3 1 1 Mol-1 Hz Hz Hz 1 Hz mol/s J -
XX
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
Kürzel
Erläuterung
Einheit
Peff Pel Pi Pkin Pm PN PPu PPV,peak PR PT Pt Pth Pu PV PWEK PZu PDT
Effektive Leistung Elektrische Leistung Indizierte Leistung Kinetische Leistung Mechanische Leistung Nutzleistung Antriebsleistung der Pumpe Installierte Generatorleistung unter STC Performance Ratio Leistung der Turbine (technische) Leistung thermische Leistung Umfangsleistung Antriebsleistung des Verdichters Leistung des Windenergiekonverters Zugeführte Leistung Abgegebene Leistung des Dampfkraftwerks eines Kombikraftwerks Abgegebene Leistung der Gasturbine eines Kombikraftwerks Phosphoric acid fuel cell Polymer electrolyte fuel cell Polymer Membran Brennstoffzelle Phosphorsaure Brennstoffzelle Photovoltaik Druck Drücke in Kreisprozessen Frischdampfdruck Druck des geokomprimierten Wassers Mittlerer indizierter Druck Wärme Wärmestrom Abgeführte Wärme Elektrische Ladung Nutzbare Wärme Zugeführte Wärme Nutzbarer Wärmestrom des Abgases Wärmestrom des Dampfes Gesamter Wärmestrom
W W W W W W W W 1 W W W W W W W W
PGT PAFC PEFC PMBZ PSBZ PV p pi pFD pGW pmi Q = dQ/dt Q Qab Qe QNutz Qzu Abh = dQ /dt Q Abh D = dQD/dt Q Ges = dQ /dt Q Ges
W Pa Pa Pa Pa Pa J W J C J J W W W
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen Kürzel Koll = dQKoll/dt Q Kühl = dQ Q Kühl/dt QKW = dQKW/dt N = dQ /dt Q N RG = dQ /dt Q RG S = dQS/dt Q umg = dQ /dt Q
Erläuterung
Gelieferte Wärmeleistung an Pufferkreis Kälteleistung Nutzbarer Wärmestrom des Kühlwassers Nutzwärmestrom Rauchgas-Wärmestrom Globalstrahlungsleistung auf Kollektorfeld Von Umgebung durch Wärmepumpe aufgenommener umg Wärmestrom Verl = dQ /dt Q Nicht nutzbarer Wärmestrom Verl Q WP = dQWP/dt Von Wärmepumpe abgegebener nutzbarer Wärmestrom zu = dQ /dt Q Zugeführter Wärmestrom zu Abgas Q Abgas = dQ /dt Abgas-Wärmestrom der Gasturbine eines Kombikraftwerks DT = dQDT/dt Q Dem Dampfkraftwerk zugeführter Wärmestrom im Rahmen eines Kombikraftwerks DT = dQ DT /dt Dem Dampfkraftwerk zugeführte Wärmeströme im Q ij ij Rahmen eines Kombikraftwerks GT = dQGT/dt Q Zugeführter Wärmestrom für Gasturbinenprozess eines Kombikraftwerks q Massenspezifische Wärme qab Dem Prozess abgeführte spezif. Wärme qAnz Durch regenerative Speisewasservorwärmung übertragene spezifische Wärme Flächenspezifischer Erdwärmestrom qF qK Spez. Konvektionsverlustleistung qN Spez. Nutzleistung qR,a Spez. Reflektionsverlustleistung am Absorber qS Spez. Solarstrahlung auf den Kollektor qS,a Spez. Solarstrahlung auf Absorber qspez Leistung pro Spaltstoffmasse qSt Stableistung qStr Spez. Strahlungsverlustleistung qT Spez. Transmissionsverlustleistung qzu Dem Prozess zugeführte spezif. Wärme qij Spezifische Wärmen von Kreisprozessen R Spezielle Gaskonstante R Elektrischer Widerstand R, Ri Radius R1 Reaktionsrate R2 Volumenbezogene Reaktionsrate RBW Radiobiologische Wirksamkeit
XXI Einheit
W W W W W W W W W W W W W W J/kg J/kg J/kg W/m2 W/m2 W/m2 W/m2 W/m2 W/m2 W/kg W/m W/m2 W/m2 J/kg J/kg J kg-1K-1 Ohm m s-1 m-3s-1 1
XXII
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
Kürzel
Erläuterung
RMU RTPA r r rem rpm S Si S SU SDV SKE SLV SOFC STC ST-2000 s s T T TFD TU T1/2 Ti TiD TiGes TiRG Tmin Tmax TiDT
Removal Units Regulated Third Party Access Radiale Koordinate Spezifische Verdampfungsenthalpie Roentgen Equivalent Man Umdrehungen pro Minute (revolutions per minute) Stromzahl (Kap. 10) Schwerpunkt Entropie Entropie bei unterer Prozesstemperatur Spezifischer Dampfverbrauch Steinkohleneinheit; 1 kg SKE = 29,3 MJ Stromliefervertrag Solide oxide fuel cell Standard Test Conditions Projekt Solarthermie 2000 des BMWi Massenspezifische Entropie Weg (nur Gl. 2.1) Temperatur Periodendauer Frischdampftemperatur Umgebungstemperatur Halbwertszeit Temperaturen in Kreisprozessen Dampftemperatur Mischtemperatur Rauchgastemperatur Minimale Prozesstemperatur Maximale Prozesstemperatur Temperaturen des Dampfkraftwerksprozesses eines Kombikraftwerks Temperaturen des Gasturbinenprozesses eines Kombikraftwerks Bezugstemperatur Temporary Certified Emission Reduction Third Party Access Zeit Messperiode Bezugszeit
TiGT T0 TCER TPA t td t0
Einheit
m J/kg rem min-1 1 J/K J/K kg/J J J/(kgK) m K (°C) s K K s K K K K K K K K K s s s
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
XXIII
Kürzel
Erläuterung
Einheit
x U U U Uges UMPP U0
Bezogene Kollektorübertemperatur Umlaufzahl (nur Abschnitte 4.4.6-4.4.8) Elektrische Spannung Innere Energie Mittlerer Wärmedurchgangskoeffizient Spannung im MPP Nullpunkt der inneren Energie (bei T = 273 K und p = 1013 mbar) Leerlaufspannung Union for the Coordination of Transmission of Electricity Ultra low emission vehicule United Nations Environment Program United Nations Framework Convention on Climate Change Umfangsgeschwindigkeit Umfangsgeschwindigkeit der Flügelspitze Unterer Totpunkt Volumen Hubvolumen Restvolumen bzw. schädliches Volumen Vollbelegungsperson Volumenstrom von Dampf Volumenstrom von Rauchgas Hubvolumen Restvolumen in o.T.-Stellung des Kolbens Volumen in einzelnen Punkten von Kreisprozessen in Kolbenmotoren Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e.V. Verband der Netzbetreiber Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft Verband Kommunaler Unternehmen Verteilnetzbetreiber Verbändevereinbarung Spezifisches Volumen Spezifisches Volumen des gesättigten Dampfes Geschwindigkeit Windgeschwindigkeit in 10 m Höhe Arbeit Wärmemehrbedarf Effektive Nutzarbeit
m2K/W 1 V J W/m2/K V J
U0C UCTE ULEV UNEP UNFCCC u uSp u.T. V Vh Vk Vp D = dVD/dt V VRG = dVRG/dt Vh Vk Vi VDEW VDN VIK VKU VNB VV v v´´ v v10 W WMB Weff
V
m/s m/s m3 m3 m3 1 m3/s m3/s m3 m3 m3 m3/kg m3/kg m/s m/s J 1 J
XXIV
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
Kürzel
Erläuterung
Einheit
Wel Wel,rev Wi WMech WN Wo WT WT,s Wt Wth WV WZu WEK WRC WÜ wi wi, wij wN wPumpe wTurb wt wt, id wu wverl Yf y, yi Z ZEV z, zi z z Į Į Įs Įs,max ĮS,s ȕi
Elektrische Arbeit Reversible elektrische Arbeit Indizierte Arbeit Mechanische Arbeit Nutzarbeit Wobbe-Zahl Turbinenarbeit Turbinenarbeit bei isentroper Zustandsänderung Technische Arbeit Arbeit des idealen Vergleichsprozesses Volumenänderungsarbeit Zugeführte Arbeit Windenergiekonverter World Radiation Center Wärmeübertrager Relativgeschwindigkeit Spezifische Arbeit von Kreisprozessen Massenspezifische Nutzarbeit Spezifische Antriebsarbeit für Pumpe Spezifische Arbeit der Turbine Massenspezifische technische Arbeit Ideale, verlustfreie spez. technische Arbeit Massenspezifische Umfangsarbeit Durch Verluste nicht nutzbare spezifische technische Arbeit Spezifischer Ertrag Koordinate, Abstand Realgasfaktor Zero emission vehicule Höhenlage; vertikale Position Axiale Koordinate Anzahl der Zylinder (Kap. 8) Flügel-Anstellwinkel Į-Strahlung (He-Kerne) Höhenwinkel der Sonne Maximaler Höhenwinkel der Sonne Absorptionskoeffizient der Absorberfläche Winkel ȕ-Strahlung (Elektronen-Strahlung) Empfängerflächen-Azimutwinkel
J J J J J 1 J J J J J J m/s J/kg J/kg J/kg J/kg J/kg J/kg J/kg J/kg 1 m 1 m m 1 Grad Grad Grad 1 Grad Grad
ȕ, ȕ-
Ȗ
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
XXV
Kürzel
Erläuterung
Einheit
Ȗ ȖS į ǻ ǻe ǻG ǻG0
Ȗ-Strahlung (Röntgen-Strahlung) Sonnen-Azimutwinkel Deklinationswinkel Differenz (Operator) Differenz der spezifischen Exergie Änderung der Gibbs´schen freien Energie Änderung der Gibbs´schen freien Energie im chemischen Standardzustand Reaktionsenthalpie Reaktionsenthalpie im chemischen Standardzustand Spezifische Enthalpiedifferenz einer isentropen Zustandsänderung Spezifische Enthalpiedifferenz einer isentropen Zustandsänderung in Turbine Grädigkeit eines Abhitzekessels zwischen den wärmeübertragenden Fluiden Rauchgas und Dampf Grädigkeit eines Abhitzekessels zwischen den wärmeübertragenden Fluiden Rauchgas und Flüssigkeit Winkelinkrement Energie, die bei vollständiger Spaltung von 1 g U-235 freigesetzt wird (Kap. 5) Verdichtungsverhältnis (Kap. 8) Verdichtungsverhältnis Leistungszahl (Leistungsziffer) Maximale Leistungszahl Ideale Leistungszahl Leistungszahl für Kühlprozesse Leistungszahl für Wärmepumpe Wirkungsgrad Abwärmenutzungsgrad des Abhitzekessels eines Kombikraftwerks Brennstoffnutzungsgrad Carnot Wirkungsgrad Effektiver Wirkungsgrad Auf elektrische Leistung bezogener Wirkungsgrad Elektrischer Systemwirkungsgrad Faraday-Wirkungsgrad Generator-Wirkungsgrad Gesamter Wirkungsgrad Wirkungsgrad für Generator und Transformator
Grad Grad J/kg J J
ǻH ǻH0 ǻhs ǻhT,s ǻTRG-D ǻTRG-fl ǻij İ İ İ İ İmax İC İK İW Ș ȘAK ȘBst ȘC Șeff Șel Șel,Sys ȘF ȘG ȘGes ȘGT
J J J/kg J/kg K K Grad J 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
XXVI
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
Kürzel
Erläuterung
Einheit
Șg Și ȘK ȘKoll ȘL ȘModul Șm ȘO Șs ȘT Șth Șthermod Șth,Ges ȘDT
Gütegrad Indizierter Wirkungsgrad Kollektorwirkungsgrad Kollektorkreisnutzungsgrad Leitungsbeiwert Modulwirkungsgrad Mechanischer Wirkungsgrad Optischer Wirkungsgrad Isentroper Wirkungsgrad Turbinenwirkungsgrad Thermischer Wirkungsgrad Thermodynamischer Wirkungsgrad Gesamter thermischer Wirkungsgrad des Kombikraftwerks Wirkungsgrad des Dampfkraftwerks eines Kombikraftwerks, bezogen auf die gesamte Abwärme der vorgeschalteten Gasturbine Thermischer Wirkungsgrad des Dampfkraftwerks eines Kombikraftwerks Thermischer Wirkungsgrad der Gasturbine eines Kombikraftwerks Umwandlungswirkungsgrad Zweiter Hauptsatz-Wirkungsgrad Zenitwinkel der Sonne Temperatur Mittlere Absorbertemperatur Stillstandstemperatur Tatsächliche Warmwassertemperatur Umgebungstemperatur Tatsächliche Kaltwassertemperatur Isentropenexponent Isentropenexponent der Mischung Zerfallskonstante (Kap. 5) Stöchiometriefaktor (Luftverhältnis) Wellenlänge Schnelllaufzahl Frequenz des Strahlers (nur Kap. 2) Anzahl von freigesetzten Neutronen bei Spaltung (nur Abschn. 5.1.3) Druckverhältnis Dichte
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
ȘthDT ȘthGT ȘUm Ș2 șz -a -a,0 -WW -u -KW ț țM Ȝ Ȝ Ȝ Ȝ Ȟ Ȟ ʌ ȡ
1 1 1 1 Grad K K K K K K 1 1 s-1 1 m 1 Hz 1 1 kg/m3
Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
XXVII
Kürzel
Erläuterung
Einheit
ȡL ȡR ȡS,a ı ıa ıel
Dichte der Luft Reaktivität Reflektionsgrad des Absorbers Kernquerschnitt (Kern-Wirkungsquerschnitt) Effektiver Kernquerschnitt für Neutronenabsorption Effektiver Kernquerschnitt für elastische Neutronenstreuung Effektiver Kernquerschnitt für Spaltung durch Neutronen Effektiver Kernquerschnitt für inelastische Neutronenstreuung Transmissionsgrad der Kollektorabdeckung Breitengradwinkel Neutronenfluss Höchstwert des Neutronenflusses Verbrennungsvolumenverhältnis Formfaktor Verbrennungsdruckverhältnis Winkelgeschwindigkeit Stundenwinkel
kg/m3 1 1 m-2 m-2 m-2
ıf ıin IJS,s ĭ ĭ ĭmax ij Ȥ ȥ Ȧ Ȧ
m-2 m-2 1 Grad m-2s-1 m-2s-1 1 1 1 s-1 Grad
1
1 Einleitung Mit der Beherrschung der Energie, zunächst des Feuers, schaffte sich die Menschheit die Basis zur technischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Energie in ihren verschiedenen Erscheinungsformen ist zur Nahrungszubereitung, zum Wohnen, zum Transport, zur Kommunikation, in der Technik, Industrie und in der Freizeit unverzichtbar. Energie gehört zu den Grundbedürfnissen.
Energieverbrauch in ÖE
Die natürlich vorkommenden Energieträger und der Energiebedarf sind global ungleich verteilt. Industrialisierte Länder haben einen ungleich höheren personenspezifischen Bedarf als Dritte-Welt-Länder. Der Energiebedarf korreliert mit der Wirtschaftskraft bzw. dem Bruttosozialprodukt. Bild 1.1 veranschaulicht für einige Länder den Pro-Kopf-Energiebedarf über dem realen Bruttosozialprodukt [1.1] des Jahres 1997, wobei das reale Bruttosozialprodukt auf der internationalen Kaufkraftparität der Landeswährung basiert. Die Kaufkraftparität gibt an, wie viel im jeweiligen Land in Landeswährung ein repräsentativer Warenkorb wert ist, der in den USA ein US $ kostet. 10000 8000 6000 4000 2000 0
0
10000
20000
30000
40000
Reales BSP in US $
Bild 1.1: Energiebedarf pro Kopf über dem realen Bruttosozialprodukt BSP
Ebenso zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Energiebedarf bzw. Bruttosozialprodukt und Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Analphabetentum und Kinderanzahl [1.2]. Als Maß für den Energieverbrauch ist international die Öleinheit ÖE oder Rohöleinheit gebräuchlich, die auf dem Heizwert von einem Kilogramm Erdöl beruht: 1 ÖE = 42000 kJ. Gegenüber dem Energiestrom der Sonne auf die Erde von etwa 5,6 · 1024 J/Jahr [1.3] ist der anthropogene Energiebedarf mit etwa 350000 PJ/Jahr gering. Allerdings schöpft die Menschheit diesen Energiebedarf zum allergrößten Teil aus den fossilen Energieträgern Kohle, Erdöl und Erdgas, die sich aus Biomasse über Millionen von Jahren gebildet haben. Der dadurch gebundene Kohlenstoff entzog über Photosynthese der Atmosphäre CO2. Aus zwei Gründen ist die Ausbeutung und Nutzung fossiler Energieträger problematisch, weil sie zukünftige Generationen beeinträchtigt: x Die Energiewandlung geschieht durch Verbrennung mit der unvermeidbaren Kohlendioxidproduktion und Freisetzung anderer Schadstoffe. Kohlendioxid gilt als Verursacher einer globalen Erwärmung.
2
1 Einleitung
x Der Abbau fossiler Energieträger übersteigt deren Neubildung, das bedeutet, dass die fossilen Rohstoffe irgendwann erschöpft sind. Die auf Kernspaltung basierende Energiewandlung ist umstritten. In vielen Ländern wird sie abgelehnt, in anderen wird zugebaut. Es herrscht jedoch weltweit Konsens und ist langfristiges Ziel, bei den Energiewandlungsprozessen von fossilen Brennstoffen auf andere Primärenergieträger umzusteigen, die sich natürlich erneuern, möglichst in dem gleichen Maße wie sie verbraucht werden. Darunter zählen die Solar-, Wind-, Wasser-, Biomasse- und geothermische Energie. Die sich in der Entwicklung befindliche Fusionstechnologie wäre ebenfalls für menschliche Vorstellungen unerschöpflich. In industrialisierten Ländern ist von gewissen Sparpotenzialen auszugehen, insbesondere wenn sich Verbrauchsgewohnheiten ändern lassen. Demgegenüber haben Schwellen- und Entwicklungsländer für die wirtschaftliche Entwicklung einen steigenden Energiebedarf. Der Zubau von Kraftwerken ist in jenen Ländern am höchsten, wobei nicht immer der ökologische Standard industrialisierter Länder erfüllt werden kann. Kraftwerke zur zentralen Stromerzeugung sind teure Investitionsgüter, die sich erst über Jahrzehnte rentieren. Bei der wirtschaftlichen Planung und technischen Auslegung sind weitgehende Annahmen über zu erwartenden Bedarf, Verbrauchsverhalten und Preisentwicklungen des auszuwählenden Brennstoffes zu treffen. Nach Inbetriebnahme ist es aus technischen Gründen kaum mehr möglich, auf andere Brennstoffe umzurüsten. Unwägbar sind die politisch bedingten Änderungen. So waren die deutschen Energieversorger bis Mitte der neunziger Jahre gezwungen, Kohlekraftwerke zu bauen, um das auferlegte Kohlekontingent zu verbrauchen (Kohleverstromung). Nach der politisch durchgesetzten Liberalisierung des Energiemarktes erweisen sich einige dieser Kohlekraftwerke als wenig konkurrenzfähig. Zunehmend setzt sich die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme durch. Dezentrale Blockheizkraftwerke geringerer Leistung werden nahe der Wärmeverbraucher installiert. Das individuelle Investitionsvolumen ist wesentlich geringer, damit auch das finanzielle Risiko. Große Kraftwerke sind teilweise ebenfalls zur Wärmeauskopplung eingesetzt, meist zur Versorgung von Fernwärmenetzen. Die elektrische Energie lässt sich großtechnisch nicht direkt speichern. Sie muss zeitgleich zum Verbrauch erzeugt werden. Neben der immer benötigten Grundlast ist die Mittellast tageszeitlichen Schwankungen unterworfen. Zu gewissen Zeiten verbrauchen die Abnehmer besonders viel elektrische Energie, die Spitzenlast, die jedoch nur kurze Zeit benötigt wird. Die Spitzenlast muss schnell bereitgestellt werden. Für die Grund-, Mittel- und Spitzenlast kommen unterschiedliche Kraftwerkstypen zum Einsatz. Die deutsche Gesetzgebung fördert erneuerbare Energien [1.4]. Dies führte zu vielen Kleinanlagen, z.B. Windanlagen, die ihre erzeugte Energie unkontrollierbar ins elektrische Netz einspeisen dürfen. Entsprechend müssen die regelbaren Kraftwerke die Differenz zwischen Verbrauch und Erzeugung ausgleichen. Der Strommarkt in industrialisierten Ländern wurde erst seit kurzem liberalisiert und dem Wettbewerb ausgesetzt. Zuvor gab es in den meisten Ländern Gebietsmonopole für die Stromerzeuger, was Planungssicherheit für den Bau von Kraftwerken und des Stromverteilungsnetzes gab. Die Auflösung der Gebietsmonopole lässt dem Verbraucher die Freiheit, die elektrische Energie bei einem beliebigen Anbieter zu beziehen. Diese Liberalisierung brachte weitreichende Vereinbarungen der Energiewirtschaft mit sich, die Durchleitungsrechte und Kosten über fremde Stromnetze, die Messwerterfassung sowie gewisse Voraussetzungen über Verbrauchsgewohnheiten regeln.
Einleitung
3
Die Energieversorgungsunternehmen mussten umstrukturiert werden, um der gesetzlichen Trennung in Stromerzeugungsunternehmen und Netzbetreibergesellschaften Genüge zu tun (Unbundling). Neue Unternehmen entstanden, Unternehmen der Energiebranche schlossen sich über nationale Grenzen hinweg zusammen, kauften andere oder wurden gekauft. Die Liberalisierung begann in Nordamerika und setzte sich in der Europäischen Union fort – die gesetzlichen Bedingungen sind sehr ähnlich. 5%
4% 22%
26%
26 %: 25 %: 22 %: 11 %: 5 %: 5 %: 4 %: 2 %:
Kernenergie Braunkohlen Steinkohlen Erdgas Übrige Wasserkraft Windkraft Mineralöl
25% 5% 11%
2%
Bild 1.2: Anteil der Energieträger an der Bruttostromerzeugung in Deutschland 2005 [1.5]
Bild 1.2 veranschaulicht die an der deutschen Bruttostromerzeugung aktuell beteiligten Energieträger [1.5]. Andere prozentuale Werte ergeben sich, wenn die Erzeugungskapazitäten (von den installierten Anlagen maximal erzeugbare Leistung) herangezogen werden. So ist die installierte Windkraftkapazität prozentual etwa um das Dreifache höher als die von Windkraftanlagen produzierte elektrische Energie. Dieses Buch ist eine Einführung in die Technik der Energiewandlung und stellt keine erschöpfende Behandlung des Themas dar. Die Kapitellänge muss nicht der Bedeutung der darin behandelten Technik für die Energieversorgung entsprechen. Nicht behandelt werden Fragen der Energiepolitik, Ethik oder zukünftige Energieszenarien. Einen Überblick der anzunehmenden globalen Energieentwicklungen gibt [1.6].
Literatur [1.1] Fischer Weltalmanach 2006, Herausgeb. M. von Baratta, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt a.M., 2006 [1.2] J. Goldemberg, Energy, Environment and Development, Earthscan Publications Ltd., London, 1996, Reprint, 1999 [1.3] H. Schaefer, Herausgeber, Nutzung regenerativer Energiequellen, Zusammenstellung von Daten und Fakten für die Bundesrepublik Deutschland, VDI Verlag, Düsseldorf, 1986 [1.4] EEG Erneuerbare Energiegesetz, Bundesgesetzblatt [1.5] www.bmwi.de: Energie Daten 2005, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Ref. Öffentlichkeitsarbeit, Bonn, 2006 [1.6] K. Heinloth, Die Energiefrage: Bedarf und Potenziale, Nutzung, Risiken und Kosten, 2. Auflage, Vieweg-Verlag, 2003
5
2 Energietechnische Grundlagen
2.1 Energieformen Energie tritt in verschiedenen Erscheinungsformen auf, eingeteilt gemäß Tabelle 2.1. Kinetische und potenzielle Energien zählen zur mechanischen Energie, magnetische, elektromagnetische, elektrische und Strahlungsformen der Energie zur elektrischen Energie. Unter chemischer Energie ist die freisetzbare Energie zu verstehen, die sich durch chemische Reaktionen (meist Verbrennung) oder kerntechnische Reaktionen (Kernspaltung, Kernfusion) ergeben können. Die thermische Energie ist am häufigsten anzutreffen. Sie wird als Wärme bezeichnet. Energie hat die Einheit Joule J. Tabelle 2.1: Energieformen (unvollständige Aufzählung) Energieform
Natürliche Form
Berechnung1
Kinetische Energie
Bewegung von Körpern und Fluiden
EKin = ½ m v2 bzw. ERot = M ǻij
Potenzielle Energie
Lageenergie
EPot = m g z
Elektrische Energie
Fluss von elektrischem Strom
EEl
Energie elektromagnetischer Wellen, Strahlungsenergie
Energie Mikrowellen, Radiowellen, Wärmestrahlung
EQ = h Ȟ (Energie des Strahlungsquantums)
Spaltungsenergie: Spaltung schwerer Atomkerne
Freisetzung der Bindungsenergie der Nukleonen2
EFis = A BE
Fusionsenergie: Verschmelzung leichter Atomkerne
Freisetzung der Bindungsenergie der Nukleonen
EFus = A BE
Thermische Energie
Innere Energie, Enthalpie (Wärme)
ETh = m c T
= U Qe = U Iǻt
Mit der Energie ist die Arbeit verwandt. Die klassische mechanische Arbeit W ist als Kraft F mal Weg s bekannt: WMech = F · s
Gl. 2.1
Die Arbeit hat wie die Energie die Einheit J = Nm. Durch Energieumwandlung kann Arbeit geleistet werden. Durch die Abnahme der potenziellen Energie einer Masse ǻEPot = m g ǻz < 0 lässt sich durch technische Maßnahmen mechanische Arbeit leisten, z.B. um ein Gewicht zu heben oder eine Feder zusammen zu drücken. Analog den Energieformen gibt es verschiedene Arbeitsformen.
1 2
Definition der Symbole im Verzeichnis der Formelzeichen Siehe Kapitel 5
6
2 Energietechnische Grundlagen
2.2 Energieerhaltung Der Energieerhaltungssatz ist allgemein akzeptiert: Energie kann weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur in andere Formen umgewandelt werden. Die Energieerhaltung wurde von Julius Robert von Mayer3 [2.1] postuliert und hat sich seither bestätigt. Der Mensch kann nur aus dem natürlich vorgegebenen Energieangebot schöpfen. In der Energieverfahrenstechnik erweist sich die thermodynamische Formulierung der Energieerhaltung, erster Hauptsatz der Thermodynamik genannt (1.HS), als besonders praktisch. Die Beziehungen sind im Anhang A2 hergeleitet. Der 1. HS behandelt Wärme, Energie und Arbeit als gleichwertig. Es ist jedoch nur eingeschränkt möglich, Wärme in Arbeit oder in eine andere, nicht thermische Energieform umzuwandeln. Demgegenüber lassen sich die hochwertigen mechanischen und elektrischen Energieformen fast beliebig ohne thermische Verluste in andere Energieformen umwandeln (siehe Kap. 3). Das Maß für die Umwandlungsfähigkeit einer Energieform in Arbeit mittels thermodynamischem Kreisprozess ist der Carnot-Wirkungsgrad ȘC (Herleitung in Abschnitt 2.3.1): ȘC = 1 – TU/T
Gl. 2.2
Thermodynamische Kreisprozesse nutzen die thermische Energiedifferenz zwischen zwei Temperaturniveaus. Falls auf weitere technische Maßnahmen verzichtet werden soll, ist das unterste Temperaturniveau durch die Umgebungstemperatur TU, entsprechend die Enthalpie und die Entropie durch HU bzw. SU, gegeben. Die obere Temperatur T ist durch die genutzte Wärmequelle (Verbrennung o.ä.) bestimmt. Damit lässt sich die maximal nutzbare Arbeit als Zustandsgröße „Exergie“ Ex, auch als „Arbeitsfähigkeit“ interpretierbar, gemäß Gl. 2.3 definieren (siehe beispielsweise [2.2]): Ex = H – HU – TU (S - SU)
Gl. 2.3
Liegt die thermische Energie Eth (Wärme) bei einer Temperatur T nahe der Umgebungstemperatur TU vor, so ist deren Carnot-Wirkungsgrad und deren Exergie gering. Die thermische Energie kann nur teilweise über einen Kreisprozess in Arbeit umgewandelt werden. Der nicht umwandelbare Anteil der thermischen Energie ist die Anergie. Die Energie ist die Summe der Exergie und Anergie.
2.3 Thermodynamische Kreisprozesse
Bild 2.1: Willkürlicher Kreisprozess im T,s-Diagramm
3
Julius Robert von Mayer, deutscher Mediziner, 1814-1878
2.3 Thermodynamische Kreisprozesse
7
Bei einem Kreisprozess durchläuft ein System, z.B. ein Fluid, thermodynamische Zustandsänderungen, die es letztlich wieder auf den ursprünglichen Zustand zurückführt. Kreisprozesse sind in Zustandsdiagrammen veranschaulichbar. Bild 2.1 zeigt einen willkürlichen Kreisprozess im T,s-Diagramm. Der 1. HS ergibt für eine Änderung in einem offenen, stationär durchströmten Systems (Anhang A2): q + wt = ǻh + ½ ǻc2 + g ǻz
Gl. 2.4
Damit ergeben sich die Zustandsänderungen zu den einzelnen Punkten in Bild 2.1: 1ĺ2:
q1,2 + wt1,2 = (h2 – h1) + ½ (c22 – c12) + g (z2 – z1)
2ĺ3:
q2,3 + wt2,3 = (h3 – h2) + ½ (c32–c22) + g (z3 – z2)
iĺi+1: qi,i+1 + wti,i+1 = (hi+1 – hi) + ½ (ci+12 – ci2) + g (zi+1 – zi)
Gln. 2.5
n-1ĺn: qn-1,n + wtn-1,n = (hn – hn-1) + ½ (cn2 – cn-12) + g (zn – zn-1) nĺ1:
qn,1 + wtn,1 = (h1 – hn) + ½ (c12–cn2) + g (z1 – zn)
Die Bilanz aller Zustandsänderungen von 1 zurück zu 1 ist die Addition aller Einzelschritte, d.h. Addition der Gleichungen 2.5. Die Zustandsgrößen der aufeinander folgenden Schritte haben entgegen gesetzte Vorzeichen, d.h. in der ersten Gleichung ist + h2 (positiv), in der zweiten – h2 (negativ), so dass die rechte Seite der summierten Gleichungen zu Null wird: q + wt = 0,
Gl. 2.6
bzw. q = – wt Weiterhin gilt für reversible Zustandsänderungen [2.2]: q = Tds
Gl. 2.7
Damit ist die Summe der gewinnbaren technischen Arbeit – wt, gleich dem Kreisintegral Tds im T,s-Zustandsdiagramm (schraffierte Fläche in Bild 2.1). Die Summe der technischen Arbeit ist negativ, dem System wird Arbeit entzogen. Da die Summe der Wärmen ein positives Vorzeichen aufweist, muss dem System Wärme zugeführt werden. Derartige Prozesse, aus denen Arbeit gewonnen wird, heißen rechtsläufige Prozesse. Es sind die für die Energietechnik interessierenden thermischen Prozesse. Bei linksläufigen Prozessen muss Arbeit aufgebracht werden, um Wärme (bzw. Kälte) zu gewinnen. Diese Prozesse liegen der Kältetechnik und Wärmepumpe zu Grunde. Es ist technische Aufgabe der Energietechnik, Kreisprozesse zu konzipieren, die die leicht verfügbare Wärme, z.B. durch Verbrennung, in technische Arbeit umwandeln.
2.3.1 Carnot-Prozess Der Carnot-Prozess ist ein formal einfacher Prozess, der aus vier Einzelschritten besteht. 1ĺ2: Isentrope Druckerhöhung 2ĺ3: Isotherme Wärmezufuhr 3ĺ4: Isentroper Druckabbau 4ĺ1: Isotherme Wärmeabfuhr
8
2 Energietechnische Grundlagen
Bild 2.2: Carnot-Prozess im T,s-Diagramm
Der Prozess ist in Bild 2.2 dargestellt. Die Summe der Wärmen ist mit Gln. 2.6 und 2.7: q = q2,3 + q4,1 = T2 . (s3 – s2) + T4 . (s1 – s4)
Gl. 2.8
Da s3 – s2 = – (s1 – s4), vereinfacht sich die Beziehung zu q = (T2 – T4) ¨s
Gl. 2.9
Unter umgekehrtem Vorzeichen ist dies gleichzeitig die gewinnbare technische Arbeit mit Gl. 2.6: – wt = (T2 – T4) ¨s
Gl. 2.10
Der thermische Wirkungsgrad, definiert als der Quotient aus der gewinnbaren technischen Arbeit und der zuzuführenden Wärme qzu, ergibt sich also zu: Șth = _wt_ / qzu
Gl. 2.11
Die Wärme wird von 2 nach 3 zugeführt, q2,3 ist positiv: qzu = q2,3 = T2 ¨s
Gl. 2.12
Dem gegenüber wird von 4 nach 1 dem System Wärme entzogen, da q4,1 negativ ist. Die spezifische Wärmeabfuhr ist also qab = q4,1. Mit Gln. 2.10, 2.11, 2.12 und T1 = T4: Șth = (T2 – T1) ¨s / (T2 ¨s) = 1 – T1/T2 = ȘC
Gl. 2.13
Der Carnot-Wirkungsgrad ȘC ist der durch einen thermischen Prozess maximal erreichbare thermische Wirkungsgrad. Der Carnot Prozess findet in der Energietechnik keine Anwendung, da er technisch praktisch nicht zu verwirklichen ist. Der ideale Stirling-Prozess weist allerdings den Carnot-Wirkungsgrad auf, wenn gleich die Prozessführung unterschiedlich ist (Kapitel 8).
2.3.2 Technisch realisierbare Kreisprozesse Insbesondere die isotherme Wärmezufuhr und die isotherme Wärmeabfuhr bereiten technische Probleme. Technische Prozesse sind Varianten des Carnot-Prozesses und weisen oft vier Teilschritte auf. Sie beginnen mit einer Druckerhöhung, die nur als Ideal isentrop ist, gefolgt von der Wärmezufuhr, die allerdings im Normalfall nicht isotherm ist. Danach kommt die Entspannung des Fluids, wobei die technische Arbeit freigesetzt wird, von der ein Teil für den ersten Prozessschritt, die Druckerhöhung, benötigt wird. Die Wärmeabfuhr schließt den Prozess ab. Diese Prozesse lassen sich durch weitere Schritte verfeinern. In den folgenden Kapiteln sind die energietechnisch wichtigen Kreisprozesse für Dampfkraftwerke (Clausius-Rankine-Prozess), Gasturbinen (Joule-Brayton-Prozess) und Kolbenmotoren (Otto-, Diesel-, oder Seiliger- und Stirling-Prozess) behandelt.
2.4 Erschöpfbares und nicht erschöpfbares (regeneratives) Energieangebot
9
2.3.3 Irreversibilitäten Die unter diesem Abschnitt hergeleiteten Beziehungen von Kreisprozessen gelten für ideale, reversible Zustandsänderungen. Irreversibilitäten ergeben sich durch Reibungseinflüsse und Wärmeabfuhr nach außen. Die Reibung von bewegter Strömung oder bewegter Teile an Wandungen ist die nicht umkehrbare Umwandlung kinetischer Energie in Wärme, was die Entropie erhöht. So lassen sich die isentrope Zustandsänderungen, z.B. von Zustand 1 nach 2 und von 3 nach 4 des Carnot-Prozesses technisch nicht realisieren. Über Reibungseinflüsse erhöht sich die Entropie, so dass s2 > s1 und s4 > s3. Nur durch eine gleichzeitige Wärmeabfuhr bei diesen Zustandsänderungen ließe sich die Entropie erniedrigen und eine isentrope Zustandsänderung annähern. Gelegentlich wird derartiges bei Kompressoren durch Zwischenkühlungen oder Wassereinspritzung (Nutzung der Verdampfungswärme) angewandt. Jedenfalls ist Gl. 2.7 bei irreversiblen Zustandsänderungen nicht mehr gültig und die technische Arbeit ist nicht mehr das Kreisintegral der von den einzelnen Zustandsänderungen umschlossenen Fläche im Zustandsdiagramm (schraffierte Fläche in Bild 2.1). Im 1. HS kann die nicht nutzbare Reibungsarbeit (Dissipation) explizit berücksichtigt werden, so dass sich mit j, der spezifischen Reibungsarbeit, aus Gl. 2.4 ergibt: q + wt + j = ǻh + ½ ǻc2 + g ǻz
Gl. 2.14
Damit ergibt sich aus einem Kreisprozess mit irreversiblen Zustandsänderungen analog Gl. 2.6: q + wt + j = 0,
Gl. 2.15
bzw. q = – wt – j Die Reibungsarbeit reduziert somit die nutzbare technische Arbeit wt.
2.4 Erschöpfbares und nicht erschöpfbares (regeneratives) Energieangebot Die Erde ist dem Energiestrom der Sonne in Form von Strahlung ausgesetzt. Diese auf die Erde entfallende Sonnenleistung, auf 5,6 · 1024 J/Jahr = 178 000 TW (T = 1012 ) abgeschätzt, teilt sich auf in x Reflektion an der Atmosphäre und Erdoberfläche, x Erwärmung der Atmosphäre und der Erdoberfläche, was wiederum die Verdampfung von Wasser (Wolkenbildung) und Winde bewirkt, x Umwandlung in Biomasse, wovon sich ein kleiner Teil in fossile Brennstoffe umwandelt. Der Energiestrom strahlt letztlich wieder in den Weltall zurück. Lediglich die in den organischen Substanzen und die von Menschen temporär gespeicherte Energie verbleiben. Etwa 10 TW verbraucht die Menschheit durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Die Energieanteile durch Erdwärme, Vulkane und Gezeiten sind verglichen mit der Sonneneinstrahlung vernachlässigbar. Bild 2.3 zeigt die Verhältnisse [2.3]. Etwa 3 TW der Sonnenenergie verbleiben als prinzipiell nutzbare Wasserkraft. Davon sind derzeit schätzungsweise knapp 10% zur Stromerzeugung genutzt. Wind und Wellen haben im Mittel eine kinetische Leistung um 370 TW.
10
2 Energietechnische Grundlagen
Sonnenenergie wie Wind-, Wasser- und Sonnenstrahlungsenergien sind regenerativ, da sie sich erneuern und für menschliche Verhältnisse unerschöpfbar sind. Ebenso ist die durch die Schwerkrafteinwirkung von Mond und Sonne hervorgerufene Gezeitenenergie unerschöpflich und die chemische Energie der Biomasse, falls nur soviel genutzt wird, wie nachwachsen kann. Weiterhin ist die geothermische Energie, der durch den heißen Erdkern, teilweise durch Kernzerfallsprozesse generierte Wärmestrom Richtung Erdoberfläche, unerschöpflich. Falls die Fusionsenergie nutzbar werden sollte, wäre eine weitere unerschöpfliche Energie erschlossen. Die Nutzung dieser regenerativen Energiequellen ist nicht in jedem Falle ökologisch unbedenklich. So erfordern Wasserkraftwerke Eingriffe in die Flussläufe oder das Anlegen von Wasserreservoiren, was Auswirkungen auf die aquatische Flora und Fauna hat. Auch regt sich Widerstand gegen das Aufstellen von Windturbinen. Demgegenüber werden die in den vergangenen Millionen Jahren gebildeten fossilen Energieträger Erdöl, Kohle, Erdgas derzeit schneller verbraucht, als sie sich nachbilden können. Einstrahlung der Sonne 178.000 TW: 100 % Erdwärme, Vulkane, Gezeiten 0,02 % PrimärenergieVerbrauch 0,006 %
Reflektion in der Atmosphäre Lufterwärmung 17,3 % Reflektion an Erdoberfläche 4,2 % Organische Substanzen 0,1 %
Konvektion 14,4 %
Bild 2.3: Sankey Diagramm der durch Sonneneinstrahlung bewirkten Energieströme
Meere 33 %
2.5 Primär- und Sekundärenergien Die natürlich vorkommenden Energieformen wie Rohöl, Kohle, Erdgas, Windenergie, Wasserenergie, die noch keine menschliche Veränderung erfahren haben, gelten als Primärenergieträger bzw. Primärenergien. Alle veränderten oder veredelten Formen sind die Sekundärenergieträger (z.B. Heizöl, Benzin, aufbereitete Kohle wie Briketts, Biogas, angereichertes Uran) oder Sekundärenergien (z.B. elektrische Energie, mechanische Energie).
2.6 Weltenergiebedarf Gegenüber dem konstanten Energiestrom der Sonne auf die Erde ist der anthropogene Energiebedarf gering. Allerdings schöpft die Menschheit diesen Energiebedarf fast ausschließlich aus den erschöpfbaren fossilen Energieträgern. Die Umwandlung geschieht durch Verbrennung mit der unvermeidbaren Kohlendioxidproduktion.
Literatur zu Kapitel 2
11
Eine umfassende, aktuelle Zusammenstellung der vorhandenen und nutzbaren Energieträger, des derzeitigen Weltenergiebedarfs, die Entwicklungstendenzen und Hochrechnungen des Energiebedarfs sind in [2.4] dargestellt.
Literatur zu Kapitel 2 [2.1] Julius Robert von Mayer, Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur, Liebigs Annalen, Band 42, 1842 [2.2] K. Langeheinecke, P. Jany and G. Thieleke, Thermodynamik, 6.Aufl., Vieweg Verlag, 2006 [2.3] H. Schaefer, Herausgeber, Nutzung regenerativer Energiequellen, Zusammenstellung von Daten und Fakten für die Bundesrepublik Deutschland, VDI Verlag, Düsseldorf, 1986 [2.4] K. Heinloth, Die Energiefrage: Bedarf und Potenziale, Nutzung, Risiken und Kosten, 2. Auflage, Vieweg Verlag, 2003 [2.5] M. J. Moran, H. N. Shapiro, Fundamentals of Engineering Thermodynamics, 2. Aufl., John Wiley & Sons, Inc., 1992
Anhang zu Kapitel 2 Erster Hauptsatz der Thermodynamik Der erste Hauptsatz (1. HS) ist der Energieerhaltungssatz, angewandt auf thermodynamische Systeme, der sich für energieverfahrenstechnische Prozesse als besonders praktisch erweist. Der erste Hauptsatz wird gemäß dem zu untersuchenden System formuliert. Die Analyse eines abgeschlossenen Systems in Ruhe bedingt andere Beziehungen als die Analyse von offen durchströmten Systemen. 1. HS für geschlossene Systeme in Ruhe Über die Systemgrenzen können nur Wärme und Arbeit treten, jedoch keine Massen oder Massenströme. Die einem geschlossenen thermodynamischen System (flüssiger, gasförmiger oder fester Körper) zugeführte Wärmemenge dQ kann Folgendes bewirken: – Erhöhung der inneren Energie um den Betrag dU – Abgabe von äußerer Arbeit des Betrages dW. Ebenso kann eine von außen zugeführte äußere Arbeit des Betrages dW die innere Energie ändern und/oder eine Wärmemenge dQ freisetzen. Die Energiebilanz, hier als 1. HS bezeichnet, lässt sich wie folgt schreiben: dQ + dW = dU
Gl. A2.1
Bei Zuführung der Wärmemenge Q12 und der Zustandsänderung des Gases von 1 nach 2 folgt aus Gl. A2.1: Q12 + W12 = U2 – U1
Gl. A2.2
Hierbei gilt x die dem System von außen zugeführte Wärmemenge und Arbeit werden positiv eingesetzt;
12
2 Energietechnische Grundlagen
x die innere Energie, ist die in einem Körper gespeicherte Energiemenge. Sie ist abhängig von der Temperatur. Da praktisch nur Differenzen der inneren Energie von Interesse sind, wird der Nullpunkt Uo = 0 willkürlich bei T = 273 K, p = 1013 mbar festgelegt; x die äußere Arbeit W12 wird bei der Volumenvergrößerung eines Systems nach außen abgegeben, d.h. W12 ist negativ anzusetzen. Bei der Volumenänderung dV eines Gases unter dem Druck p ist für umkehrbare (reversible) Zustandsänderungen die geleistete äußere Arbeit dW = – pdV. Expandiert ein Gas vom Druck p1 und dem Volumen V1 auf den Druck p2 und das Volumen V2, so ist: 2
2
1
1
W12 =−∫ p dV =−m ∫ p dv
Gl. A2.3
Diese Arbeit ist die Fläche unter der Zustandsänderung im p,V-Diagramm. Die innere Energie lässt sich durch die Enthalpie H substituieren, die sich aus der inneren Energie und der Verdrängungsarbeit pV zusammensetzt: H = U + pV
Gl. A2.4
Gl. (A2.4) lässt sich umformen und differenzieren zu dU = dH – pdV – Vdp
Gl. A2.5
Nach Gl. A2.3 gilt für die äußere Arbeit: dW = – pdV
Gl. A2.6
Die Beziehungen Gln. A2.5 und A2.6 in die Gl. A2.1 eingesetzt, ergibt eine andere Schreibweise des 1. HS: dQ = dH – Vdp
Gl. A2.7
bzw. Q12 = H2 – H1 – ³ V dp, oder mit dem Begriff der technischen Arbeit Wt: Q12 = H2 – H1 – Wt bzw. Q12 + Wt = H2 – H1 Hierbei ist die technische Arbeit Wt definiert als Wt = + ³ V dp
Gl. A2.8 Gl. A2.9
Sie kann wiederum als Fläche im p,V-Diagramm dargestellt werden. Sie kennzeichnet die in einer Maschine gewonnene Arbeit, wenn ein Gas oder ein Dampf mit der Enthalpie H1 einströmt und mit der Enthalpie H2 ausströmt. Zwischen W12 und Wt12 gilt die Beziehung: Wt12 = W12 + p1V1 – p2V2
Gl. A2.10
1. HS für bewegte, geschlossene Systeme Bewegt sich ein System oder Teile davon, so ändern sich von 1 nach 2 zusätzlich die kinetischen und potenziellen Energien und Gl. A2.8 ist zu ergänzen: Q = H2 – H1 – Wt + ½ m (c22 – c12) + m g (z2 – z1) bzw. Q + Wt = H2 – H1 + ½ m (c22 – c12) + m g (z2 – z1)
Gl. A2.11
1. HS für offene Systeme Offene Systeme: Neben Wärme und Arbeit tritt auch Masse über die Systemgrenzen. Ingenieurtechnische Anwendungen beschränken sich überwiegend auf stationär durchströmte Syste-
Anhang zu Kapitel 2
13
me, d.h. über die Systemgrenzen tritt ein gleichförmiger Massenstrom dm1 /dt = dm2 /dt = . Der 1. HS wird gerne auf den Massendurchsatz dm/dt = m bezogen. Mit massendm/dt = m wt werden Gl. A2.11 zu: spezifischen Größen sowie der Leistung Pt = m + Pt = m q+ m wt = Q (h2 – h1) + ½ m (c22 – c12) + m g (z2 – z1) = m
bzw. in kürzerer Schreibweise: + Pt = m ( ' h + ½ ' c2 + g ' z) Q q + wt = ' h + ½ ' c2 + g ' z
Gl. A2.12
Da die Umwandlung von Wärme in Arbeit nur beschränkt möglich ist, ist gleichzeitig der 2. Hauptsatz der Thermodynamik zu beachten [2.2].
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik Die Richtung spontan ablaufender Prozesse ist vorgegeben. Beispielsweise wird ein Körper mit einer über der Umgebungstemperatur liegenden Temperatur T > TU bei Umgebungskontakt abkühlen und seine Wärme an die Umgebung abgeben. Der umgekehrte Vorgang, dass der Körper seine Temperatur erhöht, in dem er Wärme von der Umgebung aufnimmt und diese abkühlt, widerspricht zwar der täglichen Erfahrung, jedoch nicht der Energieerhaltung, dem 1. Hauptsatz. Ein analoges Beispiel sind Druckbehälter, bei denen bei Öffnung des Ventils eine Entspannung stattfindet und keine Druckerhöhung aus der Atmosphäre durch abnehmenden Druck. Ebenso wenig können fallende Körper, die sich bei Auftreffen auf dem Boden durch Energieumwandlung erwärmen, ihre interne Wärme zum Aufsteigen benutzen. Insofern ist der 1. Hauptsatz durch den 2. Hauptsatz zu präzisieren bzw. einzuschränken. Unter den vielen möglichen Formulierungen des 2. Hauptsatzes sind für Ingenieure vielleicht die folgenden zwei praktisch. Formulierung von Clausius: „Ein System kann nicht so betrieben werden, dass das einzige Resultat eine Wärmeübertragung von einem kühleren zu einem wärmeren Körper wäre.“ Formulierung von Kelvin-Planck: „Ein System kann nicht mittels thermodynamischem Kreisprozess betrieben werden und eine Nettoarbeit an die Umgebung abgeben, indem es Energie durch Wärmeübertragung aus einem einzigen thermischen Reservoir aufnimmt.“ Das thermische Reservoir ist ein geschlossenes System, das seine konstante Temperatur beibehält, selbst wenn Energie hinzugefügt oder durch Wärmetransfer entzogen wird. Hinreichend große Systeme wie die Erdatmosphäre oder Ozeane können als derart idealisierte Reservoire angesehen werden. Eine tiefere Diskussion des 2. Hauptsatzes ist beispielsweise in [2.5] zu finden oder in jedem anderen guten Thermodynamik-Buch.
15
3 Überblick Die Energietechnik wandelt natürliche Energievorkommen in für den Menschen nutzbare Formen um. Die in vier Klassen einteilbaren Energieformen lassen sich alle umwandeln, wie Bild 3.1 veranschaulicht.
Bild 3.1: Energieformen und Umwandlungsmöglichkeiten
Zwar führen Energieumwandlungen zu keinen Energieverlusten, jedoch entstehen meist auch unerwünschte, nicht nutzbare Energieformen. Der Umwandlungswirkungsgrad KUm ist definiert zu KUm = Ei/Eges
Gl. 3.1
mit Eges: Gesamter Energieinhalt der in Ei umzuwandelnden Energieform Energieform, in die umgewandelt werden soll Ei: Tabelle 3.1 listet die derzeit maximal erreichbaren Umwandlungswirkungsgrade einiger energetisch interessierender Prozesse. Es sind Anhaltswerte, die je nach angewandter Technik und Investitionsaufwand stark variieren. Der Umwandlungswirkungsgrad ist nur einer von vielen Parametern, nach denen ein technischer Prozess für einen Anwendungsfall ausgewählt wird. So sind Wirtschaftlichkeit, Leistungsgröße, Akzeptanz der Bevölkerung, Ökologie, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der umzuwandelnden Energieform Grundlage von Investitionsentscheidungen.
16
3 Überblick
Tabelle 3.1: Derzeit maximal erreichbare Umwandlungswirkungsgrade Ursprüngliche Energieform Chemische Energie Chemische Energie Chemische Energie Chemische Energie
Umgewandelte Energieform Wärme Elektrische Energie Elektrische Energie Elektrische Energie
Technischer Prozess
Verbrennung Batterie Brennstoffzelle Kombi-Kraftwerk (Gas/Dampfturbinen) Chemische Energie Elektrische Energie Dampfkraftwerk Kernenergie Elektrische Energie Kernkraftwerke Chemische Energie Elektrische Energie GasturbinenKraftwerk Elektrische Energie Wärme Widerstand Elektrische Energie Mechanische Energie Elektromotor Mechanische Energie Elektrische Energie Generator
Direkt Direkt Direkt Indirekt
Max. Umwandlungswirkungsgrad 97 % 50 % 60 % 60 %
Indirekt Indirekt Indirekt
44 % 35 % 38 %
Direkt Direkt Direkt
100 % 98 % 98 %
Weg der Umwandlung
Ein hoher Umwandlungsgrad ist nicht gleichbedeutend mit hoher Wirtschaftlichkeit. Brennstoffzellen und Kombinationskraftwerke, die bei der Umwandlung von chemischer in elektrische Energie den höchsten Wirkungsgrad aufweisen, benötigen Erdgas, das deutlich teurer als der Festbrennstoff Kohle ist. Generell sind Energieformen mit hohem Exergieinhalt, d.h. mechanische und elektrische Energien, auch mit hohem Wirkungsgrad in andere Energieformen umwandelbar. Die Umwandlungswirkungsgrade nach Gl. 3.1 können natürlich 100 % nicht übersteigen. Bei der Anwendung der Brennwerttechnik, wo die Kondensatwärme des Rauchgases teilweise genutzt wird, sprechen manche industrielle Anbieter von Wirkungsgraden über 100 %. Dies rührt von dem benutzten Bezugswert „Heizwert“ (früher: Unterer Heizwert) Hu her, der den Energiegehalt des Brennstoffes ohne Berücksichtigung der im Rauchgas enthaltenen latenten Wasserdampfwärme angibt. Korrekte Bezugsgröße wäre der „Brennwert“ (früher: Oberer Heizwert) Ho, was den Wirkungsgrad wieder auf Werte unter 100 % senkt. In diesem Kapitel werden die wichtigsten energietechnischen Konzepte zusammengefasst dargestellt.
3.1 Nutz- und Prozesswärme Die erste anthropogene Energieumwandlung bestand in der Verbrennung von Biomasse wie Holz zur Nahrungszubereitung und zur Temperaturerhöhung des menschlichen Wohnraums. Ersteres wird heute als Prozesswärme und letzteres als Nutzwärme bezeichnet. Die Nutzwärme umfasst zusätzlich die Brauchwassererwärmung. Thermische Energie, gemeinhin als Wärme bezeichnet, wird zweckmäßigerweise direkt aus der exothermen Reaktion der Verbrennung gewonnen. Als Wärmeträger dienen Luft (Raumheizung), Wasser (Brauch- und Heizwasser) und Wasserdampf (für verfahrenstechnische Zwecke). Die Verbrennungs- und Wärmeübertragungsprozesse werden in dieser Schrift nicht separat behandelt, sondern in späteren Kapiteln lediglich als Bestandteil von anderen energietechnischen Anlagen.
3.2 Erzeugung elektrischer Energie
17
3.2 Erzeugung elektrischer Energie In den letzten Jahren des 19. Jahrhundert entstanden Wasserkraftwerke zur lokalen Stromversorgung. 1891 fand die erste Drehstromübertragung über die große Entfernung von 175 km vom Wasserkraftwerk Lauffen/Neckar nach Frankfurt/Main anlässlich der Frankfurter Elektrizitätsausstellung statt (zusammenfassende Darstellung in [3.1]). Nach diesem Meilenstein der Stromübertragung entstanden weltweit größere Kraftwerke und das Stromnetz. Anfangs dominierten Wasserkraftwerke. In Deutschland ergab sich erst in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts die Notwendigkeit, zur Abdeckung von Stromspitzen thermische Kraftwerke, zuerst Dampfkraftwerke, zu bauen. Innerhalb des letzten Jahrhunderts ist in Industriestaaten die zuverlässige Versorgung mit dieser Energieform zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Umwandlung von Primärenergieformen in elektrische Energie und deren Verteilung erfordert komplexe technische Anlagen, weshalb dies den Schwerpunkt dieses Buches bildet. Heute dominieren weltweit die thermischen Kraftwerke, wobei bevorzugt Kohle, Erdgas und Kernkraft als Wärmequelle dienen. Bild 3.2 veranschaulicht die Anteile der verschiedenen Kraftwerkstypen, aufgeteilt nach den genutzten Primärenergien Stein- und Braunkohle, Kernenergie, Wasserkraft und sonstige regenerative Energieanteile wie Windkraft, Biomasse, Geothermie, Müllverwertung1 und Solarenergie. Die Wasserkraft trägt in Deutschland zur Stromversorgung mit etwa 4 % bei, weltweit mit nahezu 10 %. Sie ist heute noch mit Abstand die bedeutendste erneuerbare (regenerative) Energiequelle. Die weiteren erneuerbaren Energiequellen tragen derzeit in Deutschland und global nur zu einem verschwindenden Teil zur Stromversorgung bei. In einzelnen Ländern mit besonders günstigen Gegebenheiten für Geothermie und Wasserkraft, wie beispielsweise in Island, skandinavischen Ländern oder Alpenländern, decken die regenerativen Energiequellen allerdings den Energiebedarf zu einem hohen Anteil. Die Windenergie hat derzeit in Deutschland sehr große Zuwachsraten. Kohlebefeuerte Kraftwerke haben unter den thermischen Kraftwerken in Deutschland den höchsten Anteil, gefolgt von Gasturbinen, die bevorzugt mit Erdgas betrieben werden. Gasturbinen gewinnen als Hauptkomponente in Kombikraftwerken, wo mit den heißen Abgasen der Gasturbine ein Dampfkraftwerk beheizt wird, zunehmend an Bedeutung.
2,1 %
16,1 % 39,8 %
39,8 %: 19,6 %: 16,1 %: 15,7 %: 6,7 %: 2,1 %:
Kohle Gase Wasserkraft Kernkraft Öl Andere
15,7 %
19,6 % 6,7 %
1
Bild 3.2: Weltweite Stromversorgung durch die verschiedenen Primärenergieträger [3.2] Stand 2004
Der Müll kann teilweise auch als fossile Energie bezeichnet werden, da dessen Energieinhalt zu einem großen Anteil aus Kunststoffen besteht.
18
3 Überblick
Die Kombianlagen, auch Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke genannt, erzielen den höchsten thermischen Wirkungsgrad mit derzeit 59 % [3.3] und gelten damit und durch das üblicherweise als Brennstoff eingesetzte Erdgas als besonders umweltfreundlich. Obwohl schon seit über einem Jahrzehnt in Deutschland keine Kernkraftwerke mehr gebaut wurden, sondern nur stillgelegt wurden, liefern sie mit etwa 30 % weiterhin einen hohen Anteil zur deutschen Stromversorgung. Da die direkte Speicherung der elektrischen Energie in Batterien für die großtechnische Anwendung schon allein aus Kostengründen illusorisch ist, muss diese Energieform zeitsynchron zum Verbrauch bereitgestellt werden. Dem Verbraucher wird die elektrische Energie als Wechselstrom (in Deutschland 50 Hz und 230 V für den Endverbraucher) zur Verfügung gestellt. Wird mehr elektrische Energie dem Stromnetz entnommen, so sinkt die Frequenz des Wechselstroms im gesamten Netz geringfügig, da alle Verbraucher und Erzeuger an dieser starren „elektrischen Welle“ angeschlossen sind. Die elektrische Welle verhält sich bei hohem Strombedarf wie ein Motor, dem zuviel Last abverlangt wird – die Drehzahl verringert sich. Größere Schwankungen im Netz sind für die Verbraucher nicht akzeptabel, da manche stromversorgte Anlagen für ihre Funktion eine konstante Drehzahl benötigen. Die Stromversorger müssen in ihrem Netz für eine konstante Frequenz mit geringen Abweichungen sorgen. Kraftwerke, die schnell starten können oder in kurzer Zeit hohe Lastwechsel erlauben (Spitzenlast-Kraftwerke), bedingen entweder hohe Investitionen oder sind in ihrem Betrieb teuer. Es ist nicht sinnvoll, die Stromversorgung allein auf diesen Kraftwerken aufzubauen, sondern durch eine wirtschaftliche Kombination von technisch unterschiedlichen Kraftwerken für Grund-, Mittel- und Spitzenlast. Deshalb hat sich eine Vielzahl von Kraftwerkstypen entwickelt. Laufwasser-, Kern- und Braunkohle-Kraftwerke müssen für einen wirtschaftlichen Betrieb lange Betriebszeiten aufweisen. Sie werden deshalb für die Abdeckung der nahezu konstanten Grundlast eingesetzt. Steinkohle-Kraftwerke sind in Deutschland für die Mittellast konzipiert, während schnell anlaufende Gasturbinen und Pumpspeicher-Kraftwerke für die Spitzenlast Verwendung finden. Gas- und Dampfturbinen-Kombinationskraftwerke können für alle Lastfälle eingesetzt werden. Ihr Wirkungsgrad ist so hoch, dass diese Anlagen mit GrundlastKraftwerken konkurrieren können, und sie sind technisch so flexibel, dass sie der Spitzenlast durch den isolierten Betrieb der Gasturbinen folgen können. Bild 3.3 zeigt den Tageslastgang (Belastungsgebirge) eines städtischen Versorgungsgebietes für elektrische Energie [3.4]. Die täglichen und jährlichen Lastgänge unterscheiden sich je nach Struktur der Stromabnehmer, Witterungsbedingungen, großen gesellschaftlichen Ereignissen sowie Werk- und Feiertagen.
100
Elektrische Leistung %
a
b
Bild 3.3: Belastungsgebirge eines deutschen Wohngebietes für elektrische Energie a: Arbeitstag b: Wochenende
0 0
12
24
3.4 Kombinations-Kraftwerke
19
3.3 Kraft-Wärme-Kopplung Thermische Kraftwerke können elektrische und thermische Energie liefern. Bei einfachen Gasturbinen und anderen Motoren mit innerer Verbrennung ist die Wärmeauskopplung praktisch ohne Einschränkung der Stromerzeugung möglich, da nur deren heißer Abgasstrom genutzt wird. Bei Dampfkraftwerken wird den Turbinen ein Teil des Dampfstromes in geeigneten Stufen mit gewünschtem Dampfzustand abgezogen. Der entnommene Dampfstrom wird dann in einem Wärmeübertrager enthitzt und kondensiert, wobei er seinen Wärmeinhalt über das Wärmeträgermedium an den Wärmeverbraucher abgibt. Deshalb ist bei Dampfkraftwerken die Stromabgabe etwas gemindert, da der für die Wärmeauskopplung abgezogene Dampfstrom keine Arbeit mehr an die Turbinenwelle abgeben kann bzw. es muss zum Ausgleich mehr Wärme zugeführt werden. Auch in diesem Fall ist die Kraft-Wärme-Kopplung energetisch sinnvoll, da durch die Nutzung der Kondensatwärme des Wasserdampfes der Brennstoffnutzungsgrad2 ηBst = (Q Nutz + Pel ) / Q zu höher ist als der auf die elektrische Leistung bezogene Wirkungsgrad ηel = Pel / Q zu . Der Brennstoffnutzungsgrad KBst ist nicht zu verwechseln mit dem thermischen Wirkungsgrad, der die Güte eines thermodynamischen Kreisprozesses zur Umwandlung von Wärme in rein me chanische Arbeit beschreibt und als ηth = PProz / Q zu definiert ist, mit PProz als der Leistung des thermodynamischen Kreisprozesses (Gl. 2.11). Die Kraft-Wärme-Kopplung ist ausbaufähig. Bei Kraftwerken zur Elektrizitäts-Versorgung dominieren in Deutschland Großkraftwerke mit 500 MWel und mehr Leistung, die meist entfernt von Wohngebieten und wärmeabnehmenden Industrien erstellt sind. Das große Potenzial der Wärmelieferung aus diesen Großkraftwerken kann deshalb noch nicht voll genutzt werden. Wärmelieferungen über hohe Entfernungen (Fernwärme) bedingen hohe Investitions- und Betriebskosten. Deshalb werden von vielen Kommunen kleinere, dezentrale Blockheizkraftwerke BHKW mit Gasmotoren oder kleinen Gasturbinen in unmittelbarer Nähe von Wohnsiedlungen und anderen Wärmeabnehmern gefördert. Der Betrieb der BHKW wird i.A. am lokalen Wärmebedarf ausgerichtet, d.h. sie werden wärmegeführt gefahren. Die erzeugte elektrische Energie wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die Netzregelung muss von anderen Kraftwerken übernommen werden. Für die Wirtschaftlichkeit von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ist der Wärmelastgang entscheidend. Generell wird im Sommer der Wärmebedarf geringer sein, so dass die Betriebszeiten der BHKW für Wirtschaftlichkeit zu gering sein können. Eine sorgfältige Dimensionierung der BHKW ist unumgänglich. In chemischen und verfahrenstechnischen Unternehmen, bei denen gleichzeitig Bedarf für Wärme und elektrischen Strom besteht, wird die Kraft-Wärme-Kopplung schon lange genutzt. Bei industriellen Prozessen ist der zeitliche Verlauf des Wärmebedarfs vorhersehbar und die Wirtschaftlichkeit besser kalkulierbar. Für manche Anwendungen sind Kraft-Wärme-KälteVerbundanlagen realisiert, die Absorptionskälteanlagen einsetzen.
3.4 Kombinations-Kraftwerke Die Kombination von Gasturbinen mit Dampfkraftwerken, auch GuD-Kraftwerke genannt [3.5], haben bei thermischen Kraftwerken zu einem Wirkungsgradsprung geführt. Die heißen 2
Q Nutz ist die genutzte Wärmeleistung, Pel die elektrische Leistung, Q zu der zuzuführende Wärmestrom
20
3 Überblick
Gasturbinenabgase dienen als Wärmequelle für den Dampfkraftwerksprozess. Neuere Kombianlagen sind so ausgelegt, dass auf eine Zusatzfeuerung des Dampfkraftwerkes verzichtet wird. Derartige Kombikraftwerke erreichen thermische Wirkungsgrade bis über 58 % [3.3] bei der reinen Stromerzeugung. Da die Gasturbinen dieser Kombi-Kraftwerke auch separat betreibbar sind, gewährleisten sie einen flexiblen Betrieb und versprechen für alle Lastfälle (Grund-, Mittel- und Spitzenlast) einen wirtschaftlichen Einsatz. Der STIG-Prozess (steam injected gas turbine) kann als weiteres Kombinationskraftwerk angesehen werden. Das heiße Gasturbinenabgas erzeugt im Abhitzekessel unter Druck stehenden Wasserdampf, der wiederum in die Gasturbinenanlage in deren Turbine eingespeist wird. Es handelt sich um eine prozessintegrierte Abwärmenutzung. Der Prozess ähnelt der Kombination von Gas- und Dampfturbinen, jedoch dient die Turbine der Gasturbinen-Anlage zur simultanen Entspannung beider Fluide. Wirkungsgrade von 50 % erscheinen möglich. Bis jetzt findet dieser Prozess in kleineren Anlagen Verwendung, wobei die kurzzeitige Leistungserhöhung durch den eingespeisten Wasserdampf im Vordergrund steht. Weitere Kombinationen energetischer Prozesse kommen bei der Meerwasserentsalzung oder bei industriellen Prozessen zum Einsatz.
3.5 Erneuerbare (regenerative) und unerschöpfbare Energiequellen Die meisten anthropogen genutzten Energiequellen sind solaren Ursprungs, auch die fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas. Nicht solar sind die Kernbrennstoffe und die Geothermie. Als erneuerbar gelten alle Energiequellen, die sich mindestens in dem Maße wiederbilden, wie sie verbraucht werden. Wenn das Energiereservoir so groß ist, dass sie in menschlichen Zeitvorstellungen nicht verbraucht werden, gelten sie als unerschöpfbar. So ist die Biomasse regenerativ, solange nicht mehr verbraucht wird, als nachwächst. Zwar bilden sich auch heute fossile Energieträger, doch werden sie von der Menschheit derzeit schneller verbraucht. Sie zählen nicht zu den regenerativen Quellen. Je nach Definition ließe sich unter Umständen noch der Kernbrutprozess zu den unerschöpfbaren Energiequellen zählen, da das Potenzial für mehrere Tausend Jahre nutzbar ist. Bei technischer Realisierung wäre die Kernfusion für die Menschheit ebenso eine unerschöpfbare Energiequelle. Der Anteil der erneuerbaren Energiequellen an der Energieversorgung hat, mit Ausnahme der Wasserkraft, weltweit untergeordnete Bedeutung (Bild 3.2), obwohl sie lokal durchaus von Bedeutung sein kann. Als erneuerbare bzw. regenerative Energiequellen gelten x Solarenergie, Nutzung über Solarkollektoren, Photovoltaikeffekt oder als Wärmequelle für Dampfkraftprozesse x Wasserkraft, mit ihren vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Laufwassers, über Speicherbecken, der Gezeiten, der Wellen, der Meeresströmungen und der Meerestemperaturgradienten x Windenergie x Geothermie x Biomasse, wobei diese für energetische thermische Prozesse über die Verbrennung, Fermentation, Pyrolyse oder Vergasung den Energieträger liefert [3.8] x Eventuell Müll.
3.5 Erneuerbare (regenerative) und unerschöpfbare Energiequellen
21
Müll lässt sich zu den regenerativen Energiequellen zählen, da er sich in einer Industriegesellschaft immer von neuem bildet. Falls Müllbestandteile zur Einordnung herangezogen wird, ist der Müll wegen des Kunststoffanteils nur teilweise erneuerbar. Die energetische Verwertung geschieht wie mit Biomasse entweder durch Nutzung der Deponiegase oder durch thermische Behandlung. Bei der Energiebereitstellung ist man weit von einer nachhaltigen Wirtschaft entfernt. Die exzessive Nutzung fossiler Energieträger verringert die natürlichen Vorräte bei einem Kohlendioxdausstoß, so dass viele Klimatologen vor einem globalen Treibhauseffekt mit unabsehbaren Folgen warnen. Die Menschheit verbraucht unwiderbringliche Ressourcen. Eine Verbrauchsreduzierung ist global nicht zu sehen, denn Schwellen- und Entwicklungsländer wollen sich weiterentwickeln, was einen höheren Energiebedarf bedingt. Gleichzeitig wird der Anteil der Kernenergie, die die fossilen Energieträger schonen und die CO2-Freisetzung vermindern könnte, in manchen Industriestaaten eher abgebaut. Die breite Nutzung erneuerbarer Energieträger scheitert derzeit an der fehlenden Wirtschaftlichkeit. Zwar sind regenerative Energiequellen oft kostenfrei verfügbar, doch sind die notwendigen Investitionen sehr hoch, was allein durch den Kapitaldienst den Energieabgabepreis zumindest derzeit nicht konkurrenzfähig werden lässt. Tabelle 3.2 listet die aktuellen Investitionskosten pro Leistungseinheit für die einzelnen Kraftwerke. Grund für die fehlende Konkurrenzfähigkeit ist die geringe Energiedichte der regenerativen Energieträger. Tabelle 3.3 stellt die notwendigen Massenströme verschiedener Energieträger für einen thermischen bzw. elektrischen Leistungsstrom von 100 MW gegenüber. Tabelle 3.2: Spezifische Investitionskosten pro Leistungseinheit für die einzelnen Kraftwerke und Energieträger Kraftwerkstyp
3
Leistung
Primärenergie
Bemerkung
1000 MWel
Steinkohle
Kohlekraftwerk
1000 MWel
Braunkohle
1.250 €/kWel
Gasturbine
300 MWel
Erdgas
400 €/kWel
Kombi-Kraftwerk
400 MWel3 1500 MWel4
Erdgas
500 €/kWel
Windturbine
3 MWel,p5
Windenergie
1.000 €/kWel,p
Vergaser
(30 MWel)6
Holz
Geothermisches Kraftwerk
(100 MWel)
Geothermie
Solarkraftwerk
(1 MWel,p)6
Solarkraftwerk
(25 MWel,p)
Kernkraftwerk
1500 MWel
1.250 €/kWel
Hot-Dry-Rock Photovoltaik
6
7.500 €/kWel,p
Solartower Kernbrennstoff
Leichtwasserreaktor
Blockleistung Mehrere Gasturbinen parallel geschaltet 5 Maximale Leistung (Peakleistung) 6 Werte in Klammern: Noch in Entwicklung, nur Anhaltswerte 7 Für Länder, wo die Kernkraft nicht politisch/gesellschaftlich behindert ist. 4
Investitionskosten
Kohlekraftwerk
2.500 €/kWel7
22
3 Überblick
Tabelle 3.3: Massenströme für eine elektrische Leistung von 100 MWel und spezifischer Flächenbedarf verschiedener Energieträger Kraftwerkstyp
Primärenergie
Massenstrom
Flächenbedarf [3.6, 3.7], Mittel
Bemerkung
Kernkraftwerk
Kernspaltung
4 · 10-6 kg/s
870 m2/GWel
Leichtwasserreaktor
Kohlekraftwerk
Steinkohle
8 kg/s
2400 m2/GWel
Dampfkraftwerk
Kohlekraftwerk
Braunkohle
31 kg/s
2400 m2/GWel
Dampfkraftwerk
2
Gasturbine
Erdgas
10 kg/s
< 1500 m /GWel
Kombi-Kraftwerk
Erdgas
6 kg/s
1500 m2/GWel
LaufwasserKraftwerk
Wasser, potenziel- 106 kg/s bei le Energie ǻz = 10 m
abhängig vom Gefälle
PumpspeicherKraftwerk
Wasser, potenziel20 · 103 kg/s le Energie
3.000.000 m2/GWel
Windturbine
Windenergie
27 · 106 kg/s
1.700.000 m2/GWel
Vergaser
Holz
38 kg/s
(2.000.000 m2/MWth mit Anbaufläche)
Wärmeerzeugung
Solarkraftwerk
Solarenergie
10.000.000 m2/GWel
Photovoltaik
Solarkraftwerk
Solarenergie
2
30.000.000 m /GWel
Gas- und Dampfturbinen
abhängig vom Gefälle
Solartower
Ergänzende Informationen zu diesem Kapitel und diesem Buch sind in [3.9, 3.10, 3.11] zu finden.
Literatur zu Kapitel 3 [3.1] Peter Kesselring, Bedeutung der Wasserkraft im Energieverbund, in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, Ed.: R. Zahoransky, Informationsschrift der VDIGET, ISBN 3-931384-17-9, 1998 [3.2] International Energy Agency: Key World Energy Statistics 2006, 2006 (www.iea.org/dbtw-wpd/textbase/nppdf/ free/2006/key2006.pdf) [3.3] Viktor Scherer, Neues Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Karlsruhe, in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, Ed.: R. Zahoransky, Informationsschrift der VDI-GET, ISBN 3-931384-17-9, 1998 [3.4] R. Finsterwalder, Kraft-Wärme-Kopplung im kommunalen Einsatz, in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, Ed.: R. Zahoransky, Informationsschrift der VDIGET, ISBN 3-931384-17-9, 1998 [3.5] GuD ist ein geschützter Begriff der Siemens AG, Geschäftsbereich Energieerzeugung KWU [3.6] W. Jensch, IFE-München, aus Siemens-KWU Grafik UB KWU/9 362, Rtr./Le./ 18.01.89 [3.7] F. Cap, Österreichische Zeitschrift für Elektrizitätswirtschaft, Jahrg. 45, Heft 12, 1992 [3.8] F. Czink, J. Hitz, Energetische Verwertung angebauter und anfallender Biomasse, in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, Ed.: R. Zahoransky, Informationsschrift der VDI-GET, ISBN 3-931384-17-9, 1998 [3.9] K. Kugeler, P.-W. Phlippen, Energietechnik, 3. Auflage, Springer Verlag, 2006 [3.10] K. Strauß, Kraftwerkstechnik, 5. Auflage, Springer Verlag, 2006 [3.11] E. Rebhan (Hrsg.), Energiehandbuch, Springer Verlag, 2002
23
4 Konventionelle Dampfkraftwerke Das Dampfkraftwerk beruht als thermisches Kraftwerk auf einem thermodynamischen Kreisprozess, der Wärme in technische Arbeit umwandelt. Die Arbeit wird mittels Elektrogenerator als elektrische Energie abgegeben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreichte die elektrische Energie den Verbraucher, wobei zunächst die Wasserkraft genutzt wurde. Mit der Kolbendampfmaschine beginnt im 18. Jahrhundert die Nutzung thermischer Prozesse. Anfang des 20. Jahrhunderts setzten sich Dampfturbinen durch. Zwischen 1965 und 1985 erfolgten in Deutschland vor allem Investitionen in Kernkraftwerke. Der heutige Zubau konzentriert sich auf Kombikraftwerke von Gasturbinen und Dampfkraftwerken. Mit thermischen Kraftwerken lässt sich nicht nur elektrische Energie erzeugen, sondern auch die Kraft-Wärme-Kopplung realisieren. Bei der Erzeugung elektrischer Energie dominieren weltweit die Dampfkraftwerke. Dieses Kapitel behandelt die fossilen Energieträger als wirtschaftlich bedeutendste und verbreitetste Wärmequelle für Dampfkraftwerke. Die anderen Wärmequellen wie Kernspaltung, Müll, Biomasse und Solarenergie sind separaten Kapiteln vorbehalten. Bild 4.1 gibt die historische Entwicklung der Leistungsgröße und des Frischdampfzustandes (Druck und Temperatur am Dampferzeugeraustritt) und Bild 4.2 des thermischen Wirkungsgrades wieder. In den letzten Jahren konnten allerdings neue, ferristische Stähle entwickelt werden, die Frischdampfzustände bis zu 620 °C und 280 bar erlauben. 300 Temperatur
550
bar Druck
500
150
450 400 350 300 1900
1925
1950
Jahr
2000
Frischdampfdruck
Frischdampftemperatur
°C
Bild 4.1: Entwicklung des Frischdampfzustandes von Dampfkraftwerken
Bild 4.2: Entwicklung des thermischen Wirkungsgrades von Dampfund Kombikraftwerken
24
4 Konventionelle Dampfkraftwerke
4.1 Thermodynamische Grundlagen 4.1.1 Clausius-Rankine-Vergleichsprozess Einfachsten Dampfkraftwerken liegt der Clausius-Rankine-Vergleichsprozess zu Grunde. Bild 4.3 veranschaulicht das Anlagenschema und Bild 4.4 den Zustandsverlauf im T,s-Diagramm. Dampferzeuger
Turbosatz 3
4
2 Kondensator
Speisepumpe
Bild 4.3: Wärmeschaltplan des einfachsten Dampfkraftwerks
1
Basis der thermodynamischen Analyse ist der 1. Hauptsatz der Thermodynamik für stationär durchströmte Systeme: q + wt = ǻh + ½ ǻc2 + gǻz
Gl. 4.1
Diese Beziehung vereinfacht sich für die einzelnen Zustandsänderungen. So kann bei der durch Pumpe oder Turbine hervorgerufenen Zustandsänderungen der spezifische Wärmeanteil q vernachlässigt werden, da die über die Systemgrenze zu- oder abgeführte Wärme unbedeutend ist (allenfalls bei der Turbine ergibt sich durch Wärmeübergang an die Umgebung ein geringer Wärmefluss). Gegenüber der Enthalpiedifferenz sind die Änderungen der kinetischen und potenziellen Energie vernachlässigbar. Phasengrenze
T 3*
1/2
3
4
s
Bild 4.4: Zustandsverlauf des einfachsten Clausius-RankineProzesses (Sattdampf-Prozess)
Die Zustandsänderungen des idealisierten Prozesses sind: 1o2: Isentrope Druckerhöhung des flüssigen, inkompressiblen Wassers durch die Speisewasserpumpe Gl. 4.2 wPumpe = ǻh12 = h2 – h1 = vdp = ǻp12/ȡ Damit ergibt sich auch die Enthalpie h2: h2 = h1 + ǻp12/ȡ 2o3*: Isobare Vorwärmung des flüssigen Wassers auf Sättigungstemperatur qzu* = h3* – h2 § cp (T3* – T2) cp = spezifische Wärme von flüssigem Wasser
Gl. 4.3
4.1 Thermodynamische Grundlagen
25
3*o3: Isobare Verdampfung Gl. 4.4 qzu = h3 – h3* = r r = Verdampfungsenthalpie, z.B. aus Dampftafel oder dem h,s-Diagramm für Wasser 3o4: Isentrope Entspannung des Dampfes in Turbine wTurb = 'h34 aus dem h-s-Diagramm abzulesen.
Gl. 4.5
4o1: Isobare Rückkühlung, Verflüssigung des Dampfes qab = h4 – h1 aus dem h-s-Diagramm abzulesen.
Gl. 4.6
Der Entspannungsendpunkt „4“ wird in das Zweiphasengebiet gelegt, um die Wärmeabfuhr auf tiefstes Temperaturniveau zu legen. Damit liegt eine ideale isotherme Wärmeabfuhr vor. Technisch ist in etwa ein minimaler Dampfgehalt von ca. x > 88 % vertretbar, ohne dass die Turbinenbeschaufelung im Dauerbetrieb Schaden nimmt. Der thermische Wirkungsgrad ergibt sich zu: Kth = 6~wi~/qzu = (wTurb+wPumpe)/qzu = (~wTurb~–~wPumpe~)/qzu
Gl. 4.7
Der Sattdampfprozess war in der Anfangszeit bei Kolbenmaschinen dominant, bevor Turbinen zum Einsatz kamen. Heute wird der Sattdampfprozess noch in Kernkraftwerken angewandt (Kapitel 5). Der thermodynamische Kreisprozess von modernen, mit fossilen Energieträgern befeuerten Dampfkraftwerken weist demgegenüber viele Verbesserungen auf.
4.1.2 Überhitzung des Frischdampfes Zwar hat der Sattdampfprozess Ähnlichkeit mit dem anzustrebenden Carnot-Prozess, doch wird die Wärme einmal bei tiefer Temperatur dem kalten Wasser zugeführt und das obere Temperaturniveau ist niedrig, was geringe thermische Wirkungsgrade ergibt. Eine isobare Überhitzung (Bild 4.5) des Dampfes führt zur Erhöhung des mittleren oberen Temperaturniveaus, bei dem die Wärme zugeführt wird, und zu einem höheren thermischen Wirkungsgrad. Zusätzlich steigt die spezifische Turbinenarbeit, was bei gegebenem Dampfmassenstrom eine höhere Kraftwerksleistung bedeutet. Die Überhitzung findet im Dampferzeuger statt. Der Entspannungsendzustand liegt bevorzugt im Nassdampfgebiet bei maximal 10 % Feuchte. Damit sind Frischdampftemperatur und -druck gekoppelt und nur in engen Grenzen variierbar. Generell steigt der thermische Wirkungsgrad mit höherer Temperatur, bei der die Wärme zugeführt wird. Um den Entspannungsendzustand 4 im Nassdampfgebiet zu halten, muss eine Erhöhung der Frischdampftemperatur (Zustand 3 in Bild 4.5) mit einer Erhöhung des Frischdampfdruckes einhergehen. T
3
1/2
4 s
Bild 4.5: Clausius-Rankine-Prozess mit Überhitzung
26
4 Konventionelle Dampfkraftwerke
Seit Jahrzehnten stagniert bei Dampfkraftwerken die Frischdampftemperatur bei 540 °C (813 K) und heute bei 600 °C (873 K). Eine höhere Temperatur würde den Einsatz von austenitischen Stählen (Edelstähle) im Überhitzerteil des Dampferzeugers bedingen. Dies führt bei den kilometerlangen Rohren, der schwierigeren Herstellung und Bearbeitung zu deutlich höheren Investitionskosten. Hinzu kommen fehlende Langzeiterfahrungen bei thermischen und mechanischen Wechselbeanspruchungen mit Edelstählen und deren schlechtere Wärmeleitung. Die gute Erfahrung mit zwar hochlegierten, aber immer noch ferritischen Stählen hält bei den kostspieligen Dampferzeugern von einem Wechsel zu austenitischen Stählen ab. Die thermodynamische Analyse ist analog der des Sattdampfprozesses, mit zusätzlicher Wärmezufuhr an den überhitzten Dampf.
4.1.3 Zwischenüberhitzung Die Zwischenüberhitzung lässt die mittlere obere Temperatur und die Turbinenleistung steigern. Hierzu wird der überhitzte Dampf in der Hochdruck-Turbine HDT auf einen Zwischendruck 4 entspannt, danach in den Dampferzeuger zur Zwischenüberhitzung energetisch auf Zustand 5 erhöht, und der Niederdruck-Turbine NDT zugeführt. Bild 4.6 stellt die Schaltung der Zwischenüberhitzung dar und Bild 4.7 das zugehörige T,s-Diagramm. Phasengrenze
5
3
T
4
1/2
6 s
Bild 4.6: Wärmeschaltplan mit Zwischenüberhitzung
Bild 4.7: h,s-Diagramm des Prozesses mit Zwischenüberhitzung
Die Zwischenüberhitzung ZÜ kann mehrfach angewandt werden. Um den Turbinenabdampf im Nassdampfgebiet zu halten, (günstige Wärmeabfuhr), ist der Frischdampfdruck bei mehrfacher ZÜ entsprechend zu erhöhen. Die Investitionskosten einer ZÜ sind hoch. Das wirtschaftliche Optimum hat sich bis jetzt bei einer ZÜ gehalten.
4.1.4 Regenerative Speisewasser-Vorwärmung Die Wärmezufuhr an das kalte Wasser nach der Speisewasserpumpe ist thermodynamisch ungünstig. Die Temperaturanhebung ist durch eine prozessinterne Wärmeverschiebung möglich. Ein Dampfteilstrom wird der Turbine bei geringem Druck, also geringer Exergie, entnommen (Turbinenanzapfung), um nach der Pumpe das kalte Wasser in einem Wärmeübertrager vorzuwärmen. Der Anzapfdampf kondensiert im Speisewasservorwärmer und gibt seine fühlbare und latente Wärme ab.
4.1 Thermodynamische Grundlagen
27
Bild 4.8: Schaltplan mit dreifacher regenerativer Vorwärmung a,b,c: Anzapfstellen
Bild 4.8 ist das Anlagenschema, bei dem an drei verschiedenen Stellen eine Vorwärmung gemacht wird. Niederdruckdampf der Leitung c wärmt das kalte Speisewasser in einem Oberflächen-Wärmeübertrager vor, Mitteldruckdampf b wird in den Mischvorwärmer eingeleitet und Dampf höheren Druckes a wärmt das Speisewasser in der Hochdruckleitung. Der Dampf kondensiert in den Oberflächen-Wärmeübertrager. Das Kondensat wird je nach Druck in den Kondensator oder den Mischvorwärmer geleitet oder mittels Pumpe in den Hochdruckstrang eingespeist. Es ist problematisch, mit der massenspezifischen Entropie Teilmengen in Zustandsdiagrammen abzubilden. Gleichwohl kann die Wärme qAnz des Teilstroms im T,s-Diagramm formal massenstromgewichtet dargestellt werden (Bild 4.9): Anz / m Ges ) Tds, q Anz = (m
Gl. 4.9
Bild 4.9: Darstellung der übertragenen Wärme a: Anzapfstellen
Diese Darstellung gibt jedoch den thermodynamischen Zustand der beteiligten Stoffströme nicht wieder. Der Restdampf durch die Turbine folgt nach wie vor der ursprünglichen Isentropen (im idealen Vergleichsprozess; in Realität: polytrope Zustandsänderung). Die der Turbine entnommenen Teilströme werden im Vorwärmer vollständig kondensiert und gegebenenfalls unterkühlt. Somit ist der Endzustand des Anzapfdampfes kondensiertes Wasser. Die regenerative Vorwärmung erniedrigt die Turbinenarbeit, jedoch überwiegt bei korrekter Auslegung die Wirkungsgraderhöhung. Es empfiehlt sich die exergetisch günstige, gestufte Vorwärmung: Dampf geringer Temperatur wird zur Erwärmung des kalten Speisewassers benutzt und Dampf höherer Temperatur, an anderen Stelle der Turbine entnommen, für die weitere Erwärmung. Neuere Dampfkraftwerke haben mehr als zehn separate Vorwärmstrecken, die als Oberflächen-Wärmeübertrager ausgeführt sind. Das Speisewasser strömt rohrinnenseitig. Zusätzlich ist ein Mischvorwärmer zwischengeschaltet, der mehrere Aufgaben hat. Um unerwünschtes Sieden im Mischvorwärmer zu vermeiden, muss der Druck des Speisewassers über dem Sättigungsdruck liegen. Deshalb fördert die Umwälzpumpe das Wasser aus dem Kondensator auf
28
4 Konventionelle Dampfkraftwerke
einen Druck von etwa 10 bar, bei dem die Niederdruck-Vorwärmstrecken angeordnet sind. Danach folgt der Mischvorwärmer, bevor die Speisewasserpumpe den Druck erhöht. Die Hochdruck-Vorwärmer sind vor Eintritt in den Dampferzeuger angebracht. Bild 4.10 zeigt die Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades in Anhängigkeit der Anzahl der Vorwärmstrecken. Bei dem gewählten thermodynamischen Beispiel ergeben mehr als zehn Vorwärmstrecken nur noch geringe Wirkungsgradsteigerungen. Das Maximum der Wirkungsgraderhöhung ist bei unendlicher Anzahl n von Vorwärmstufen bei der Sättigungstemperatur erreicht.
Bild 4.10: Wirkungsgraderhöhung durch Vorwärmung, qualitativ n: Anzahl der Vorwärmstufen
4.1.5 Wärmeauskopplung Dampfkraftwerke können auch Nutzwärme auskoppeln. Der „thermische” Wirkungsgrad wird nicht verbessert (Kapitel 3), doch wird der Brennstoff besser genutzt. Die Kraft-WärmeKopplung ist in Kapitel 10 abgehandelt.
4.1.6 Regelung von Dampfkraftwerken Im Vordergrund stehen die Regelung1 der Turbinen- und der Heizleistung. Wird eine geänderte Turbinenleistung gefordert, ist die Heizleistung entsprechend zu variieren. Die Heizleistung wird über den Brennstoffmassenstrom verändert. Hierzu werden einzelne Brenner im Dampferzeuger abgeschaltet oder, was Kohlebrenner nur bedingt erlauben, deren Feuerleistung gesteuert. Dadurch ändert sich die Frischdampftemperatur. Zur Steuerung von Dampfkraftwerksturbinen eignen sich x Drosselregelung x Massenstromregelung x Gleitdruckregelung Die erstgenannten Steuerungsarten geschehen durch Eingriffe in der Dampfleitung vor dem bzw. am Turbineneintritt und die letztere durch Änderung des Frischdampfdruckes. Bei der Drosselregelung wird der Frischdampfdruck auf einen niedrigeren Wert gedrosselt, der gleichzeitig den Massenstrom verringert. Für die Massenstromregelung wird der Dampfstrom vor der Hochdruckturbine um deren Beschaufelung segmentweise aufgeteilt, wobei der Strömungsquerschnitt jedes Segments individuell einstell- oder abstellbar ist. Die Turbine (2CRegelrad [4.1]) wird an ihrem Umfang nur noch teilbeaufschlagt. Beide dieser Regelungen gehen mit größeren Verlusten einher, weshalb sie in Großkraftwerken vermieden werden. 1
Es wird von Turbinenregelung gesprochen, obwohl es sich um eine Steuerung handelt.
4.2 Aufbau von Dampfkraftwerken DKW
29
Wegen ihrer geringen Verluste im Teillast hat sich die Gleitdruckregelung durchgesetzt. Über die Drehzahl der Speisewasserpumpe wird der Frischdampfdruck und der Massenstrom geändert. Durch Variation der Wärmezufuhr kann die gewünschte Frischdampftemperatur gefahren werden. Der Volumenstrom, der für die Geschwindigkeitsverhältnisse und die Strömungsverluste in der Turbine verantwortlich ist, bleibt hierbei näherungsweise konstant im günstigen Auslegungsfall der Turbine. Somit ist selbst in Teillast ein günstiger Wirkungsgrad erreichbar. Bei der Gleitdruckregelung erniedrigt sich die Enthalpiedifferenz in der Turbine in Teillast relativ wenig, entscheidender ist die Massenstromreduzierung.
4.2 Aufbau von Dampfkraftwerken DKW Ein Dampfkraftwerk umfasst mehrere verfahrenstechnische Prozessschritte: Brennstoffaufbereitung, Wasserentsalzung, Verbrennung, Wärmeübertragung, Vorwärmung, Verdampfung, Überhitzung, Entspannung, Kondensation, Druckerhöhung, Rauchgasreinigung, etc. Entsprechend gibt es viele apparative Komponenten. Die Energieumwandlungen sind in Bild 4.11 schematisiert.
Bild 4.11: Energieumwandlungen in einem Dampfkraftwerk
Im Dampferzeuger geht die chemisch gebundene Energie des Brennstoffs durch Verbrennung in innere Energie der Rauchgase über und durch Wärmeübertragung in das Arbeitsfluid. Das Arbeitsfluid wandelt seine innere Energie in der Turbine teilweise in kinetische, d.h. mechanische Arbeit der drehenden Welle um. Die Energie des kalten Abdampfes wird im Kondensator über das Kühlmedium an die Umgebung abgegeben. Die mechanische Arbeit wird im Generator in elektrische Energie gewandelt und zum Verbraucher geleitet. Ein DKW wird charakterisiert durch: x x x x
Elektrische Leistung Pel Thermodynamische Prozessgrößen: pFD, TFD, (Kth) Prozessführung Brennstoffe
Seit Jahrzehnten ist die thermodynamische Prozessführung eines DKW unverändert, da ferritische Stähle für den Dampferzeuger bevorzugt sind. Damit hat die thermodynamische Auslegung enge Grenzen (Tabelle 4.1). Wegen des apparativen und personellen Aufwands lohnen sich nur große Blöcke, die i.a. kohlebefeuert sind. Bild 4.12 ist der Wärmeschaltplan eines modernen Steinkohlekraftwerkes mit 750 MWel [4.2].
30
4 Konventionelle Dampfkraftwerke
Tabelle 4.1: Typische Daten moderner Dampfkraftwerke zur Erzeugung elektrischer Energie Elektrische Leistung
500 MW < Pel < 1000 MW
Brennstoff
Stein- oder Braunkohle (Erdöl, Erdgas, Biomasse, Kernenergie)
Arbeitsfluid
Wasser: flüssig und dampfförmig
Frischdampfzustand
540 °C < TFD < 600 °C; 180 bar < pFD < 280 bar
Kondensatorzustand
Temperatur 10 °C < TK < 60 °C mit entspr. Sättigungsdruck von 0,01 bar < pK < 0,2 bar
Zwischenüberhitzung
Einfach, bei ca. 40 bar auf TFD
Regenerative Speisewasservorwärmung
Mehrfach, auf ca. 250 °C, bis 14 Stufen von Niederdruck-, Misch- und Hochdruck-Vorwärmern
Mischvorwärmer (Speisewasserbehälter)
Bei ca. 10 bar Vorwärmer, Entgaser und Pufferbehälter
Dampferzeugertyp
In Deutschland praktisch nur Zwangdurchlauf
Turbinensatz
Hochdruckturbine, ein- oder doppelflutige Mitteldruckturbine, 2 bis 3 doppelflutige Niederdruckturbinen. Drehzahl 50 Hz2
Pumpen
Umwälzpumpen, mehrstufige Speisewasserpumpe
Generator
Synchrongenerator, zweipolig; Drehzahl 50 Hz
Wärmesenke
Flusswasser, Nass- oder Hybridkühlturm
Rauchgasreinigung
Denitrierung DeNOx nach dem SCR-Verfahren, Entstaubung mit Elektrofilter, Entschwefelung nach dem RC-Verfahren
Optionale Ausstattung
Fernwärme- und Prozessdampfauskopplung
In diesem Wärmeschaltplan ist auch die Hilfsturbine für die Speisewasserpumpe ersichtlich, nicht jedoch die Sicherheitseinrichtungen. Das Schnellschlussventil in der Frischdampfzufuhr der Dampfturbine muss zufahren, wenn die Turbinenleistung nicht mehr abgenommen wird (Stromabnahme fällt aus, wenn Generator vom Netz getrennt wird), um eine Überdrehzahl zu vermeiden. Dann bläst der Dampfstrom unter Umgehung der Turbine entweder über Dach ab oder über Drosselorgane direkt in den Kondensator. Der heiße Dampferzeuger ist trotz Unterbrechung der Brennstoffzufuhr noch einige Zeit durch Speisewasserzufuhr zu kühlen, da sich sonst die Rohre überhitzen könnten. Abweichend hiervon gibt es neben den Kernkraftwerken Dampfkraftwerke mit anderer thermodynamischer Prozessführung, die Sonderzwecken dienen: x Kombinationskraftwerk (Gas- und Dampfturbinen) x Organic-Rankine-Cycle (ORC) Kraftwerk (Nutzung von geothermischen oder anderen Niedertemperatur-Quellen) x Mit Biostoffen wie Stroh, Holz oder Torf befeuert x Industrie-Kraftwerke, zusätzlich zur Dampf- und Wärmeversorgung verfahrenstechnischer Prozesse x Heizkraftwerke, auf Wärmeleistung ausgelegt x Müllkraftwerke 2
In Ländern mit einem Stromnetz von 60 Hz drehen Turbine und Generator entsprechend mit 3600 U/min = 60 Hz
4.3 Wasserqualitäten in Dampfkraftwerken
31
Bild 4.12: Wärmeschaltplan des Kraftwerks Bexbach mit 750 MWel [4.2]
4.3 Wasserqualitäten in Dampfkraftwerken Wasser wird im Dampfkraftwerk vielfältig eingesetzt: x x x x
Arbeitsfluid des thermodynamischen Kreisprozesses Kühlwasser im Kondensator Rückkühlwasser bei Kühlturmbetrieb Wärmeträger für Heizwärme
Entsprechend des Einsatzgebietes muss das Wasser unterschiedlichen Reinheitsanforderungen genügen. Je höher die Temperatur und der Druck des Wassers bzw. des Dampfes sind, desto höher sind die Reinheitsanforderungen. Natürliches Wasser enthält etwa 0,2 bis 0,5 g Salz pro Liter. Über 60 °C scheiden sich die meisten der gelösten Salze aus. Es bildet sich Wasserstein (Kalkablagerungen), über 100 °C Kesselstein. Hauptbestandteile des Kesselsteins sind: Kalzi-
32
4 Konventionelle Dampfkraftwerke
umkarbonat (Kalk) CaCO3, Magnesiumkarbonat MgCO3, Kalziumsulfat CaSO4, Kalziumkarbonat CaCO3, Kalziumsilikat CaSiO3. Die Ablagerungen setzen sich an den Wandungen fest, behindern den Wärmeübergang, erzeugen Wärmespannungen und verengen den Strömungsquerschnitt. Ablösungen dieser Beläge führen zu Beschädigungen, insbesondere wenn sie in die Turbine gelangen. Die im Wasser enthaltenen Salze sind Verbindungen aus Erdalkali, Alkali und Schwermetallen mit (Bi-)Karbonat, Chlor und Nitrat. Der Gehalt der Erdalkali-Salze wurde früher summarisch mit der Maßeinheit Härte charakterisiert. Hierbei ist nach der Löslichkeit der Salze zu unterscheiden. Die Karbonatsalze, in Wasser als Ca(HCO3)2 gelöst, haben einen negativen Temperaturgradienten, d.h. die Löslichkeit nimmt mit der Temperatur ab und es fällt CaCO3 bei Erwärmung des Wassers aus. Es ergibt sich die Kalziumhydrokarbonat-Reaktion bei Erwärmung des Wassers Ca(HCO3)2 o CaCO3 + H2O + CO2. Die Nichtkarbonatsalze, Sulfate und Chloride der Erdalkalien haben einen positiven Temperaturgradienten der Löslichkeit und scheiden sich erst in der Dampfphase aus. Heute sind spezifische Angaben für die einzelnen Salzspezien in Mol pro Volumeneinheit mol/m3 vorgeschrieben. Die Konzentration der dissoziierten Wasserstoffatome H+ beträgt 10-7 (pH-Wert 7) bei neutralem Wasser unter Normbedingungen. Der pH-Wert des neutralen Wassers ist temperaturabhängig: Bei 300 °C ist Wasser mit einem pH-Wert von 5,6 neutral. Erst gelöste Salze machen reines Wasser leitend. Die Leitfähigkeit ist schnell und leicht zu messen und ist ein qualitatives Maß für den Salzgehalt und den Gehalt der gelösten Gase. Daraus lässt sich die Salzkonzentration für bekannte Salze bzw. bei Kenntnis derer Zusammensetzung, berechnen. Tabelle 4.2 listet die Umrechnung der genannten physikalischen Größen und Einheiten der Wasserqualität exemplarisch auf. Tabelle 4.2: Umrechnung von Größen der Wasserqualität [4.3] Bezeichnung Härte Karbonathärte Nichtkarbonathärte Kalziumhärte Magnesiumh.
Dimension °d °d °d °d °d
Neue Bezeichnung Summe Erdalkalien an HCO3 gebund. Erdalkalien nicht an HCO3 geb. Erdalkalien Kalziumgehalt Magnesiumgehalt
Dimension mmol/l mmol/l mmol/l mg/l bzw. mmol/l
Umrechnungen: °d = 0,36 mval/l = 0,18 mmol/l 1 °d entspricht 10 mg/l Calciumoxid CaO 1 °d entspricht 4,3 mg/l Magnesium Mg Leitfähigkeit 1 ȝS/cm entspr. ca. 0,5 mg/l NaCl bei 25°C
Kieselsäure H2SiO3 ist mit dem Dampf flüchtig und scheidet sich erst in der Turbine als Si(OH)4 bzw. SiO2 an Oberflächen ab, wobei die Ablagerung auf den Schaufeln besondere Probleme hervorruft (Verkieselung der Schaufeln). Da sie nur schwach dissoziiert, entzieht sie sich der Leitfähigkeitsmessung.
4.3 Wasserqualitäten in Dampfkraftwerken
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4.3.1 Arbeitsfluid (Speisewasser) Die höchste Reinheitsanforderung wird an das Arbeitsfluid gestellt, das bei hoher Temperatur und hohen Drücken in direktem Kontakt mit den Werkstoffen des Dampferzeugers und der Beschaufelung der Turbine ist. Ein Großkraftwerk von 500 MW elektrischer Leistung benötigt etwa 10 Tonnen vollentsalztes Wasser pro Tag. Das Rohwasser wird einem natürlichen Oberflächengewässer entnommen und mechanisch von Verunreinigungen (Partikel, Humide u.ä.) durch Rechen, Siebmaschine, gegebenenfalls Absetzbecken und Ausflockung befreit. Es folgt die Entkalkung, eventuell eine Vorentsalzung durch Umkehrosmose und abschließend die Vollentsalzung in Ionentauschern. Je nach Dampferzeugertyp sind unterschiedliche Anforderungen an das Speisewasser zu stellen. Der in Deutschland dominierende Zwangdurchlauf-Dampferzeuger erfordert weitestgehende Reinheit, da das Wasser in einem Rohrstrang vorgewärmt, verdampft und überhitzt wird. Die Salze lagern sich in den Wärmeübertragerrohren ab. Tabelle 4.3: Empfohlene Wasserqualität, für Hochdruck-Dampferzeuger [4.4] Einheit Allgemeine Anforderung Leitfähigkeit bei 25 °C, direkt & kontinuierlich gemessen Leitfähigkeit bei 25 °C, hinter stark saurem Kationentauscher pH-Wert bei 25 °C Sauerstoff O2 Gesamt-Eisen Fe Gesamt-Kupfer Cu Kieselsäure SiO2
ȝS/cm ȝS/cm
mg/l mg/l mg/l mg/l
Fahrweise alkalisch neutral klar und farblos nicht spezifi< 0,25 ziert < 0,20 < 0,20 >9 nicht spezif. < 0,02 < 0,003 < 0,02
> 6,5 > 0,05 < 0,02 < 0,003 < 0,02
Eine alkalische Wasserkonditionierung von 7 < pH < 9,5 hat sich als günstig gegen Korrosion erwiesen. Dadurch wird die Bildung einer festen schützenden Oxidschicht von Magnetit Fe3O4 gefördert, die sich aus der Reaktion 3 Fe + 4 H2O o Fe3O4 + 4 H2 ergibt. Bei der neutralen Fahrweise des Kessels muss Sorge für eine Stabilisierung dieser Schicht getragen werden, was durch eine Zudosierung geringer Mengen Sauerstoff erreicht wird. Bei neuen Kesseln wird die Magnetitschicht unter Freisetzung von Wasserstoff H2 gebildet. Wird bei alten Dampferzeugern eine Wasserstoffproduktion detektiert, weist dies auf einen Schaden hin, bei dem die Magnetitschicht zerstört wurde. Es gibt eine Vielzahl von Richtlinien [4.4] und Normen [4.5] über die empfohlene Qualität des Speisewassers. Daraus extrahieren die Hersteller und Betreiber von Dampferzeugern ihre Betriebsvorschriften. Tabelle 4.3 gibt einen Auszug aus der VGB-Richtlinie [4.4] für HochdruckDampferzeuger über 64 bar wieder.
4.3.2 Rückkühlwasser Bei Betrieb eines Nass- oder Hybridkühlturms ist ein separater Kühlkreislauf zwischen Kondensator und Kühlturm nötig. Dieses Wasser verdampft oder wird in Form von Mikrotröpf-
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
chen teilweise aus dem Kühlturm ausgetragen. Die Verunreinigungen konzentrieren sich im Kühlkreis langsam auf. Abhilfe schafft die Absalzung, die durch ein permanentes Ablassen eines Teils des Kühlwassers und entsprechende Frischwasserzufuhr geschieht. Es wird entkarbonisiertes (entkalktes) Wasser benutzt, damit im Kühlturm keine Ablagerungen erfolgen.
4.3.3 Kühlwasser Falls der Kondensator direkt mit Flusswasser gekühlt wird, muss das entnommene Wassers mechanisch gereinigt werden. Dies geschieht durch Rechen, denen eventuell ein Schwimmbalken vorgelagert ist.
4.3.4 Heizwasser Das eingesetzte Wasser soll keine Ablagerungen bilden. Bei den mäßigen Temperaturen genügt i.a. eine Entkarbonisierung. Die Richtlinien, z.B. [4.6], sind zu beachten.
4.3.5 Wasseraufbereitung Die Wasseraufbereitung nach der mechanischen Vorreinigung ist integraler Bestandteil von Dampfkraftwerken. Folgende Methoden der Entsalzung kommen je nach gewünschter Wasserqualität zur Anwendung. Die Vollentsalzung des Speisewassers erfordert sämtliche Methoden. Fällung und Flockung Partikuläre Verunreinigungen bis zu einem minimalen Durchmesser von etwa 1 Pm lassen sich durch mechanische Maßnahmen über Filter, Kiesfilter und Absetzbecken entfernen. Flockungsreaktionen entfernen kolloiddisperser Verunreinigungen wie Humine, Öle, Hydroxide mit einem Durchmesser unter 1 Pm. Durch Fällung geeigneter Verbindungen entstehen Flocken großer Oberflächen, die diese kleinen Partikel absorbieren. Die Flockungssalze wie Al2(SO4)3, FeCI3 und Na3AlO3 reagieren mit der Karbonathärte und fallen aus, z.B.: Al2(SO4)3 + 2Ca(HCO3)2 o 2Al(OH)3 + 3Ca SO4 + 6CO2
Gl. 4.10
Die Hydroxidflocken sind abzuschöpfen. Generierte Salze und Kohlendioxid sind nachfolgend zu entfernen. Entkarbonisierung Durch Kalkmilch Ca(OH)2 oder starke Säuren wird die Karbonathärte reduziert. Der „Kalk“ fällt in Form von Kalziumsalzen CaCO3, CaSO3 oder CaCl2 aus. Ca(HCO3)2 + Ca(OH)2 o 2 CaCO3 + H2O
Gl. 4.11
Mg(HCO3)2 + 2 Ca(OH)2 o 2 CaCO3 + H2O + Mg(OH)2
Gl. 4.12
Ca(HCO3)2 + H2SO4 o CaSO3 + 2 H2O + 2 CO2
Gl. 4.13
Ca(HCO3)2 + HCl o CaCl2 + 2 H2O + 2 CO2
Gl. 4.14
Das entstehende CO2 ist in einem Rieseler zu entfernen, bei dem das aufbereitete Wasser über oberflächenvergrößernde Einbauten zersprüht wird und dabei entgast.
4.3 Wasserqualitäten in Dampfkraftwerken
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Ionenaustausch Ionentauscher sind hochmolekulare Kunstharze, die mit Anionen oder Kationen beladen sind, also Säuren oder Laugen in fester Form darstellen. Die Harzpartikel haben einen Durchmesser um 1 mm. Ein oder zwei H+ bzw. OH- Ionen sind an ein Polymer, das stationäre Austauschmolekül (Aust.), gebunden. 2H = Aust. ist das Ausgangsmolekül des Kationentauschers und 2OH = Aust. oder OH-Aust. das des Anionentauschers. Zur Vollentsalzung sind Kationen- und Anionentauscher hintereinander geschaltet. Kationentauscher entfernen aus den im Wasser gelösten Salzen die Kationen (Metallionen) und substituieren diese durch H+ Ionen. Kationen höherer Valenz wie Ca++, Mg++ werden bevorzugt ausgetauscht. Die Reaktion ist für Ca++ und Mg++ analog: CaSO4 + 2H = Aust. o H2SO4 + Ca = Aust.
Gl. 4.15
Ist das Harz erschöpft (nicht mehr genügend 2H = Aust. vorhanden), so ergibt sich ein Schlupf der Salze und der Ionentauscher ist mit einer Säure zu regenerieren: Ca = Aust. + 2 HCl o 2H = Aust. + CaCl2
Gl. 4.16
Anstelle des Wasserstoffs ist ein Kationentauscher auch mit Natrium möglich: 2Na = Aust., als Na-Form bekannt. Anionentauscher substituieren die Salzreste wie SO4 - - oder Cl- gegen OH- Ionen. Schwach basische Anionentauscher substituieren die Anionen starker Säuren, wie sie nach dem Kationentauscher vorliegen: H2SO4 + 2OH = Aust. o SO4 = Aust. + 2H2O
Gl. 4.17
Stark basische Anionentauscher substituieren die Anionen schwacher Säuren, wie der Kieselsäure: H2SiO3 + OH – Aust. o HSiO3 – Aust. + 2H2O
Gl. 4.18
Die Regeneration erfolgt mit Natronlauge: SO4 = Aust. + 2 NaOH o 2OH = Aust. + Na2SO4
Gl. 4.19
Eine Vollentsalzung besteht aus der Schaltung von Kationen- und Anionentauschern. Zuerst wird das Metallion des Salzes gebunden, wobei eine Säure im Wasser entsteht. Der Anionentauscher bindet den Säurerest, wobei nur Wassermoleküle entstehen. Unter Berücksichtigung der notwendigen Regeneration der Ionentauscher entstehen für jedes aus dem Wasser entfernte Salzmolekül deren zwei, die als Oberflächenwasser abgeleitet werden. Der Mischbettfilter enthält stark saure Kationen- und stark basische Anionentauscher. Zum Regenerieren dieses Mischbettfilters werden die Kationen- und Anionenmassen getrennt (Anionenmasse ist leichter) und danach beide mit NaOH behandelt. Die Anionenmasse nimmt OHauf, während die Kationenmasse Na+ aufnimmt. Die Na+ Ionen werden über eine an den Trenngrenzen eingeführte HCl-Lösung durch H+ Ionen verdrängt. Zuletzt wird die Austauschmasse wieder durch Luftzufuhr vermischt. Umkehrosmose Die Osmose ist der natürliche Vorgang des Konzentrationsausgleichs durch eine semipermeable Membran (Molekularsieb), die nur für das Lösungsmitteln (hier Wasser), jedoch nicht für das Salz durchlässig ist. Hierbei steigt, wenn der ursprüngliche Raum durch eine feste
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
Membran geteilt ist, der Druck in der konzentrierten Lösung an, da Wasser in diesen Raum der höheren Salzkonzentration strömt. Die sich einstellende Druckdifferenz ist der osmotische Druck. Die Umkehrosmose kehrt diesen Vorgang um, in dem auf der Seite der höheren Konzentration ein Druck aufgeprägt wird, der den osmotischen Druck übersteigt. Unter dem Druckgefälle strömen die Wassermoleküle entgegen des Konzentrationsgefälles durch die Membran und die Salzmoleküle bleiben zurück. Die Standzeit ist durch Biofouling begrenzt, gerade wenn das Modul zur Vorreinigung des Wassers eingesetzt wird. Der Schlupf ist relativ hoch, weshalb mehrere dieser Membranen hintereinandergeschaltet werden müssen. Hierbei dringen einwertige Salzionen leichter durch die Membran als zweiwertige. Die Umkehrosmose ist eine sinnvolle, umweltschonende Vorstufe zu den Ionentauschern bei der Vollentsalzung [4.8, 4.9]. Es gibt viele Bauformen, so dass Bild 4.13 nur als Beispiel eines Umkehrosmose-Moduls zu verstehen ist.
Bild 4.13: Umkehrosmose-Modul [4.7]
4.4 Dampferzeuger Der Dampferzeuger ist die größte und teuerste Teilkomponente eines Dampfkraftwerks. Er hat die Aufgabe, die Wärme des Rauchgases auf das Speisewasser zu übertragen, um es vorzuwärmen, zu verdampfen und zu überhitzen. Anforderungen an moderne Dampferzeuger sind: x Vorwärmung des flüssigen Wassers, Verdampfung und Überhitzung großer Massenströme bei hoher Temperatur TFD und hohem Druck pFD x Hohe Laständerungsgeschwindigkeit (bis zu +/– 6 % der Last pro Minute) x Zulässigkeit von Lastsprüngen x Kurze Anfahrzeiten x Geringe Temperaturabweichungen r 3 °C bzw. 6 °C bei Laständerungen/-sprüngen x Geringe Druckschwankungen r 1 % pmax. bzw. 2 % bei Laständerungen/-sprüngen. x Hohe Wirkungsgrade x Lange Reisezeiten: Ununterbrochene Betriebszeit zwischen zwei Stillständen, die für notwendige Instandsetzungen erforderlich sind. Augenblicklich sind zwei Jahre üblich. Die Revisionszeit beträgt ein bis zwei Monate. x Hohe Verfügbarkeit: Zeit, in der die Anlage auf eine Zeiteinheit (1 Jahr) bezogen betriebsbereit ist. Die Dampferzeuger lassen sich in vier Typen unterteilen: Großwasserraumkessel, Naturumlaufkessel, Zwangumlaufkessel und Zwangdurchlaufkessel.
4.4 Dampferzeuger
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4.4.1 Allgemeine Zusammenhänge Dampferzeuger sind komplexe Wärmeübertrager, mit Sektoren für die unterschiedlichen Dampfzustände. So beinhaltet ein Dampferzeuger vier Sektoren: Economizer, Verdampfer, Überhitzer und Zwischenüberhitzer. Im Economizer, der für alle Dampferzeuger ähnlich ist, wird das flüssige Wasser auf Sättigungszustand erwärmt (Vorwärmung). Dessen Name rührt von der exergetisch günstigen und deshalb wirtschaftlichen Trennung der Vorwärm- von der Verdampferstrecke her. Die Vorwärmung des Wassers auf Verdampfungstemperatur geschieht mit Rauchgas geringer Temperatur. Die Wärmeströme für die einzelnen Phasen sind vom Fluiddruck abhängig. Je geringer der Druck, desto geringer der notwendige Wärmestrom für die Vorwärmung, desto größer ist er aber für die Verdampfung, da die latente Wärme entsprechend hoch ist. Bei einer Fahrweise mit kritischem Druck verschwindet die Verdampfungswärme. Bild 4.14 veranschaulicht diesen Zusammenhang, wobei die Wärmeleistung der einzelnen Strecken anteilig aufgezeichnet ist. Bei überkritischen Drücken ist nicht mehr zwischen Überhitzung und Vorwärmung zu unterscheiden. Bei deutlich überkritischer Fahrweise ist bei Frischdampftemperaturen um 550 °C eine zweite Zwischenüberhitzung nötig, um einen Entspannungsendpunkt (Kondensatorzustand) mit hohem Dampfgehalt x > 90 % zu erzielen.
Bild 4.14: Zusammenhang zwischen Wärmeanteilen und Frischdampfdruck
Bei modernen Dampferzeugern strömt das Wärmeträgerfluid in Rohren (Wasserrohrkessel). Die Wärme wird vom Rauchgas über die Rohrwandung durch Strahlung, Wärmeleitung und Konvektion auf das Wasser übertragen. Der Wärmeübergang hängt rohrinnenseitig vom Fluidzustand und von der Strömungsgeschwindigkeit ab. Beste Wärmeübergangszahlen ergeben sich, wenn die Rohrinnenseite von flüssigem Wasser benetzt ist, was bis zu hohen Dampfmassengehalten möglich ist. Da Stahl eine hohe Leitfähigkeit aufweist, liegt die Rohrtemperatur in der Verdampfer- oder Vorwärmstrecke nur wenig über der Wasser(dampf)temperatur. Wegen des hohen Wärmeübergangs, d.h. gute Rohrkühlung, kann die Verdampferstrecke in die Brennkammer, der heißesten Zone, gelegt werden, ohne dass die Rohre überhitzen. Dort sind die höchsten Wärmestromdichten. Überhitzter Dampf besitzt einen schlechten Wärmeübergang. Um die Rohrwandung unter deren Temperaturfestigkeit zu halten, sind die Überhitzerstrecken über dem Brennraum angebracht, wo moderate Temperaturen herrschen.
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
T
Temperatur
T(r)
Rauchgas
Rauchgas
Wasser
r
Bild 4.15: Radialer Temperaturverlauf in und um Verdampferrohr
Bild 4.16 veranschaulicht die Anordnung der einzelnen Wärmeübertragungsstrecken im Dampferzeuger und Bild 4.17 den Temperaturverlauf mit den Wärmestromdichten. Die Anordnung der Überhitzerstrecken und des Economizers kann vom Schema des Bildes 4.16 abweichen. Anstatt oberhalb des Brennraumes können die Überhitzerstrecken und der Eco auch auf gleicher Ebene daneben gebaut werden, wobei das Rauchgas nach unten geführt wird. Es ergibt sich dann ein niedriger Dampferzeuger, allerdings mit größerem Flächenbedarf. Die Brennkammerwandung ist bei allen Wasserrohrkesseln ähnlich gebaut. Die Rohre sind gasdicht zusammengeschweißt, um einen möglichst großen Wärmestrom zu gewährleisten. Hierzu können die Rohre direkt oder über Zwischenstege (Flossen) zusammengeschweißt sein.
Bild 4.16: Anordnung der Wärmeübertragerstrecken in einem Dampferzeuger
4.4 Dampferzeuger
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Dampferzeugerschaltungen unterscheiden sich durch den Verdampfungsendpunkt, der bei Großwasserraumkesseln, Naturumlauf- und Zwangumlauf-Dampferzeugern durch die Trommel konstruktiv vorgegeben ist. In der Trommel trennt sich der Sattdampf von der Flüssigkeit. Beim Zwangdurchlauf-Dampferzeuger gibt es keinen festen, konstruktiv bedingten Verdampfungsendpunkt.
4.4.2 Feuerung Rostfeuerungen sind nur für Sonderanlagen wie Müll- oder Biokraftwerke nötig. Bei großen Kraftwerken wird die Kohle fein vermahlen und dann mittels Gebläse luftgetragen zu den einzelnen Brennern auf mehreren Ebenen des Dampferzeugers geführt. Üblich sind Tangentialbrenner, bei denen die Flammen tangential in den Brennraum gerichtet sind oder Boxerbrenner, wo am Brennraumumfang die Flammen gegeneinander geführt sind.
ECO
spez. Wärmestrom Temperaturen: Luft Rauchgas Wasser/Dampf
Bild 4.17: Verlauf der Temperaturen T und Wärmestromdichten q in einem Dampferzeuger
4.4.3 Strömungsformen Im Verdampferteil findet der Phasenwechsel mit mehreren Strömungsformen statt: x
Unterkühltes Sieden: Obwohl die Flüssigkeit über dem Strömungsquerschnitt gemittelt noch unterkühlt ist, bilden sich an der etwas heißeren Rohrwandung durch lokale Überhitzung Blasen, die jedoch auf ihrem Weg in die Strömungsmitte wieder kondensieren.
x
Nettosieden oder Blasensieden: Falls die Flüssigkeit im Mittel die Sättigungstemperatur erreicht hat, ist eine entsprechende Blasenbildung zu erwarten.
x
Pfropfen- oder Kolbenströmung: Die Blasen wandern bei erhöhtem Dampfgehalt in die Strömungsmitte, wo sie große Blasen bzw. Pfropfen bilden.
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
x
Ring- oder Filmströmung: Bei höherem Dampfanteil verbleibt an der Rohrwandung die Flüssigkeit und die Kernströmung ist reiner Dampf.
x
Nebelströmung: Der Flüssigkeitsfilm trocknet aus (unvermeidbare Siedekrise 2. Art) und es verbleibt eine tropfenbeladene Nebelströmung. Die Tröpfchen wurden vorher aus dem welligen Film herausgerissen.
Bild 4.18: Strömungsformen bei der Rohrverdampfung
Bild 4.19: Ausbildung von Strömungsformen 1: Blasen; 2: Nebel; 3: Ring; 4: Pfropfen
In Bild 4.18 sind die Strömungsformen skizziert. Je nach Heizflächenbelastung, Massenstromdichte und Druck sind nicht alle Strömungsformen sichtbar. So kann sich nach dem unterkühlten Sieden übergangslos die Pfropfen- oder Ringströmung herausbilden. Bild 4.19 zeigt die Bereiche der Strömungsformen [4.12] bei ca. p = 100 bar, Bild 4.20 eine Pfropfenströmung [4.11].
Bild 4.20: Pfropfenströmung
4.4 Dampferzeuger
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4.4.4 Siedekrise 1. Art Wenn die Wärmestromdichte zu hoch ist, findet eine derart hohe Dampfbildung an der Rohrwandung statt, dass die Flüssigkeit in die Rohrmitte gedrängt wird. Die Dampfschicht an der Rohrinnenwand wirkt isolierend und erhöht die Rohrtemperatur drastisch. Die Auslegung geschieht i.A. nicht für diesen Störfall, weshalb eine Rohrüberhitzung mit Versagen (Rohrplatzer) zu befürchten ist. Dieser unerwünschte Betriebszustand wird als Siedekrise 1. Art oder im Angelsächsischen als Departure from Nucleate Boiling DNB bezeichnet. Es findet bei geringen Dampfgehalten im heißen Brennraum statt und führt zu entsprechendem Schaden. Demgegenüber ist die Siedekrise 2. Art, die Austrocknung des Flüssigkeitsfilmes an der Rohrinnenwandung, bei hohen Dampfgehalten > 90 % unvermeidbar. Dieser Austrocknungspunkt ist berechenbar und kann außerhalb des Brennraums gelegt werden. Zustand: Druck: 150 bar Massenstromdichte: 500 kg/(m2s) Wärmestromdichte: 300 kW/m2 Wasser Dampfblasen Tropfen
Bild 4.21: Temperaturerhöhung der Rohrwandung durch die Siedekrise 1. Art (DNB)
In Bild 4.21 ist die Temperaturerhöhung der Rohrwandung durch DNB aufgezeichnet [4.13]. Die Temperaturerhöhung beträgt in diesem Fall beim glatten Rohr bei einem Dampfgehalt von ca. 55 % über 150 °C. Demgegenüber zeigt das innenberippte Rohr, das in Bild 4.21 dem Glattrohr gegenübergestellt ist, keine Siedekrise 1. Art. Erst im Austrocknungspunkt (Siedekrise 2. Art) bei einem Dampfgehalt von über 90 % steigt die Temperatur des innenberippten Rohres an. Die Siedekrise 1. Art ist entweder durch eine geringere Wärmestromdichte, eine hohe Massenstromdichte oder andere Maßnahmen wie innenberippte Rohre zu vermeiden. Damit verwandt ist das Leidenfrost-Phänomen3: Wird eine Flüssigkeit auf eine stark erhitzte Heizplatte gegeben, bildet sich ein Dampfpolster, auf dem die Tröpfchen schweben. 3
Nach dem Mediziner Johann Gottlob Leidenfrost, 1715-1794
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
4.4.5 Großwasserraumkessel GWRK Dieser Dampferzeugertyp zählt zu den ältesten Bauarten. Er besteht aus einem zylindrischen, waagrechten Druckgefäß, das im Betriebszustand mit einem gesättigten Wasser-Dampfgemisch gefüllt ist. Am vorderen Boden ist das Flammrohr, i.A. wegen höherer Beulbelastbarkeit gewellt, angeschlossen und ragt in den Wasserraum. An der vorderen Wand ist der Brenner angebracht. Die hintere Flammrohrbegrenzung besteht aus einer Rohrplatte mit eingewalzten Rauchgasrohren, die in mehreren Zügen von den Rauchgasen durchströmt werden (Bild 4.22).
Bild 4.22: Großwasserraumkessel [4.14]
Dieser Dampferzeuger liefert Sattdampf. Der Dampfdom sorgt für die Abscheidung der Tröpfchen. Durch das große Volumen dämpfen sich Druckschwankungen gut aus. Das Flammrohr ist exzentrisch im Wasserraum angebracht, um eine stabile Umlaufströmung zu erzielen, wodurch Dampfblasen schnell an die Oberfläche gelangen und sich ein hoher Wärmeübergang ergibt. Der große Durchmesser des unter dem Frischdampfdruck stehenden Dampfkessels bedingt hohe Wandstärken, was während Anfahr- und Abkühlphasen thermische Spannungsspitzen ergibt. Deshalb werden GWKR nur bis zu einem Druck von ca. 25 bar und eine Dampfleistung von etwa 20 t/h gebaut. Die gespeicherte Wärme ist hoch, was selbst bei unterbrochener Wärmezufuhr die Dampflieferung aufrecht erhält. GWRK dienen nicht für Dampfkraftwerke, sondern für verfahrenstechnische Zwecke.
4.4.6 Naturumlauf-Dampferzeuger Bei dieser Bauart fließt das zu verdampfende Wasser in parallelen Rohren, die beheizt werden (Steigrohre). Zwischen Verdampfer- und Überhitzerstrecke ist die Trommel installiert, in der sich die flüssige von der dampfförmigen Phase trennt. In den Steigrohren ergibt sich durch die temperaturbedingten Dichteunterschiede eine Auftriebsströmung, bei der eine Teilverdampfung stattfindet. Der nicht verdampfte Wasseranteil wird in der Trommel abgeschieden und fließt im unbeheizten Fallrohr zurück zum Verteiler im Brennkammerunterteil, wo sich das Wasser auf die Verdampferrohre aufteilt (Bild 4.23).
4.4 Dampferzeuger
43
Bild 4.23 Prinzip des Naturumlaufs
Je nach Heizflächenbelastung (qWÜ Wärmestrom pro Wärmeübertragerfläche) stellt sich eine Gleichgewichtsströmung mit entsprechender Verdampfung ein. Der Betriebszustand ist mit der int / m V beschreibbar. Sie sagt aus, wie oft ein Massenelement im VerdampUmlaufzahl U = m ferteil intern im Mittel bis zur vollständigen Verdampfung umfließt (der interne Massenstrom int ist höher als der verdampfende Massenstrom m V ). Je nach Konstruktion (Rohrlänge, m -durchmesser), Verdampfungsdruck und Heizflächenbelastung stellen sich Umlaufzahlen von 5 bis 40 ein [4.3, 4.15]. Bei niederen Drücken ist die Verdampfungsenthalpie groß, was höhere Umlaufzahlen bedingt. Um für eine zuverlässige Abscheidung der Tröpfchen vom Dampf zu sorgen, sind in der großvolumigen Trommel Spritz-, Prall-, Umlenkbleche und Zyklone eingebaut. Naturumlaufkessel sind nur für unterkritische Drücke geeignet. In der Nähe des kritischen Punktes verschwinden die Dichteunterschiede zwischen Flüssigkeit und Dampf, was Phasentrennung und stabile Strömung unmöglich macht. Nachteile sind weiterhin die langsame Regelbarkeit, lange Anfahrzeiten und Gefahr von Strömungsinstabilitäten bei Druckabsenkung. Wird der Druck zu schnell gesenkt, kann es im Fallrohr zur Verdampfung kommen, was den Durchfluss durch die Siederohre, damit den Wärmeübergang vermindert und eventuell die Rohre durch Überhitzung zum Bersten bringt. Die großvolumige Trommel mit festigkeitsbedingt hohen Wandstärken erlaubt nur langsame Temperaturänderungen, um unzulässige thermische Spannungen zu vermeiden. Deshalb sind Naturumlaufkessel für die bevorzugte Gleitdruckregelung von Dampfkraftwerken wenig geeignet. Da der natürliche Auftrieb die Massenstromdichte limitiert, zwingt die begrenzte Heizflächenbelastung zu großen Heizflächen. Der Dampferzeuger wird großvolumig. Um Druckverluste in den Verdampfungsrohren gering zu halten, werden Rohre mit Außendurchmessern von 50 bis 85 mm eingesetzt. Vorteilhaft sind die geringen Betriebskosten, da keine Umwälzpumpen benötigt werden. Die stabile Strömung setzt schon bei geringen Temperaturunterschieden ein, was das Anfahren problemlos gestaltet. Ebenso werden alle Rohre, weitgehend unabhängig von fertigungs- oder ablagerungsbedingten Unterschieden, durch den thermischen Auftrieb stabil durchströmt, so dass eine Überhitzung einzelner Rohre unwahrscheinlich ist. Bild 4.24 ist ein Schnitt durch einen Naturumlauf-Dampferzeuger folgender Leistungsdaten: FD = 80,56 kg/s, Höhe H = 64,5 m, Breite B Pth = 245,7 MWth, pFD = 135 bar, TFD = 778 K, m = 29,5 m, Länge L = 33,15 m.
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
1: Verteiler 2: Verdampferteil 3: Überhitzerstrecken 4: Trommel
Bild 4.24: Schnitt durch einen Naturumlauf-Dampferzeuger [4.16]
4.4.7 Zwangumlauf-Dampferzeuger Die Schaltung des Zwangumlauf-Verdampfers, Bild 4.25, ist analog dem Naturumlauf, wobei die Strömung durch Pumpen unterstützt ist. Die größere Massenstromdichte führt zu einer höheren Heizflächenbelastung und damit zu einer verkleinerten Baugröße. Die Umlaufzahlen reduzieren sich entsprechend auf 3 < U(pFD) < 10 [4.15], da das Fluid pro Umwälzung mehr Wärme aufnimmt. Die Pumpe ist im Fallrohr installiert und drückt das Wasser in den Verteiler und von dort in die beheizten Steigrohre. Um Rohrüberhitzungen zu vermeiden, ist bei jedem Verdampferrohr ein individueller Abgleich auf den gewünschten Massenstrom durch ein vorgeschaltetes Drosselorgan vonnöten. Bild 4.25: Schaltung des Zwangumlauf-Dampferzeugers
4.4 Dampferzeuger
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Die einzelnen Rohre können durch unterschiedliche Längen, Ablagerungen oder Fertigungstoleranzen einen höheren Druckverlust aufweisen. Konstruktiv unterscheiden sie sich wenig von denen mit Naturumlauf. Jedoch ergeben sich mehr Freiheitsgrade in der Rohrführung, da die Verdampferrohre bereichsweise auch waagrecht oder sogar mit Fließrichtung nach unten montiert werden können. Übliche Rohraußendurchmesser sind 32 bis 38 mm. Der maximale Frischdampfdruck ist wieder auf Werte unterhalb des kritischen Drucks begrenzt, da die Förderfähigkeit der Pumpen auf Flüssigkeiten beschränkt ist. Dieser Dampferzeuger erlaubt schnellere Druck- und Laständerungen, allerdings wirkt die Trommel wieder behindernd. Eine Begrenzung der Teillast stellt die Befeuerung dar, die sich zwar generell durch Abschaltung einzelner Brenner reduziert lässt, jedoch am Ort der aktiven Brenner lokal immer noch hohe Temperaturwerte und damit hohe Wärmestromdichten aufweist. Denn die individuellen Kohlestaub-, Gas- oder Ölbrenner haben selbst nur einen eng begrenzten Regelbereich.
4.4.8 Zwangdurchlauf-Dampferzeuger Hier wird das Fluid in einem durchgehend beheizten Rohr vorgewärmt, verdampft und überhitzt. Es ist der Grenzfall der Umlaufzahl U = 1. Auf einen konstruktiv festgelegten Verdampfungsendpunkt ist verzichtet, die betriebstechnisch ungünstige, teure Trommel entfällt. Bild 4.26 gibt die formal einfache Schaltung wieder. Um Rohrüberhitzungen auszuschließen, ist dafür zu sorgen, dass: x Eine abgeglichene Strömung in den beheizten Rohren vorliegt und kein Rohr unterversorgt ist, x bei allen Betriebszuständen, auch bei Teillast, im Brennraum eine ausreichende Wärmeabfuhr, d.h. ausreichende Rohrkühlung stattfindet.
Bild 4.26: Schaltung eines Zwangdurchlauf-Dampferzeugers
Die Druckbeschränkung entfällt. Überkritische Dampfdrücke lassen sich fahren, da die Speisewasserpumpe das unterkühlte Wasser bei praktisch beliebigem Druck fördern kann. Der Zwangdurchlauf erzielt höchste Wärmestromdichten und entsprechend kompakte Bauweisen. Grenze ist die Siedekrise 1. Art (DNB). Deshalb ergeben sich große Rohrlängen für die Verdampfung, bzw. im Fall der überkritischen Fahrweise für die gewünschte Frischdampftemperatur. Eine senkrechte Rohranordnung ist mit üblichen Glattrohren kaum möglich. Das Rohrband, bei großen Anlagen mit beispielsweise 400 Rohren, wird schraubenförmig um den Brennraum gewickelt. Die Rohrschraube ist nicht selbsttragend und muss aufwändig über Schweißbänder mit einer äußeren Tragestruktur verbunden werden. Bild 4.27 ist der Schnitt durch den Zwangdurchlauf-Dampferzeuger des 800 MW Braunkohlekraftwerks Schwarze
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
FD = 2400 t/h = 667 kg/s, Gesamthöhe H = 161,5 m, Pumpe: pFD = 260 bar, TFD = 820 K, m Breite B = 100 m, 16 Haupt- und 8 Nachreaktionsbrenner.
Dieser Dampferzeuger ist für die günstige Gleitdruckregelung besonders geeignet. In Deutschland sind derzeit alle großen Kohlekraftwerke mit diesem Dampferzeuger ausgerüstet, womit der Mittellastbereich abgedeckt wird. Bekannteste Vertreter dieses Typs sind der Benson- und der Sulzerkessel, die sich nur geringfügig unterscheiden. Das aus dem Verdampferteil möglicherweise mitgerissene Restwasser wird beim Bensonkessel im Dampfverteiler und beim Sulzerkessel in kleinvolumigen Wasserflaschen (bei unterkritischem Druck) abgeschieden, die jeweils vor der Überhitzerstrecke geschaltet sind. Die Abscheideflaschen dienen auch zur Abscheidung von Unreinheiten.
Bild 4.27: Schnitt durch einen Zwangdurchlauf-Dampferzeuger [4.17]
Ein Betrieb bei zu geringer Teillast unter 50 % kann durch die einzelne Brenner zu lokalen Rohrüberhitzungen führen. Hier bietet sich eine übergelagerte Schwachlastumwälzung an, Bild 4.28, mit der die Umlaufzahl U geringfügig über Eins gehalten wird. Die sich einstellende höhere Massenstromdichte verhindert lokale Überhitzungen, jedoch wird bei unterkritischer Fahrweise in der Brennkammer nicht das gesamte Wasser verdampft. Eine kleine Abscheideflasche sorgt für die Trennung des wenigen Wassers, das über eine Umwälzpumpe wieder am Durchlauf durch die Brennkammerverrohrung teilnimmt.
4.5 Regenerative Speisewasservorwärmung/Vorwärmstrecke
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Bild 4.28: Zwangdurchlauf-Schaltung mit Schwachlast- bzw. Volllastumwälzung a): Strang für Normalbetrieb
Eine ähnliche Überlegung führt zur Volllastumwälzung. Um eine möglichst hohe Heizflächenbelastung ohne DNB zu erzielen, muss eine hohe Strömungsgeschwindigkeit vorgegeben sein. Diese extrem hohe Massenstromdichte kann dazu führen, dass wieder nicht das gesamte Wasser verdampft wird – deshalb wieder die Abscheideflasche. Mit derartiger Volllastumwälzung, Bild 4.28, ist die Rohrlänge verkürzbar und es lassen sich damit senkrecht berohrte Zwangdurchlauf-Dampferzeuger bauen.
4.4.9 Entwicklungstendenzen bei Dampferzeugern Die Entwicklung konzentriert sich auf den Zwangdurchlauftyp. Da die Rohrschraube aufwändig ist, wird versucht, Dampferzeuger mit senkrechter Berohrung zu ermöglichen. Nicht nur durch die betriebskostenintensive Steigerung der Massenstromdichte, sondern auch durch innengerippte Rohre steigt die zulässige Heizflächenbelastung. Die betriebstechnischen Vorteile der höheren Heizflächenbelastung kompensieren die höheren Kosten der Rohre, vor allem durch die senkrechte Rohrführung. Bild 4.21 stellt das glatte und innenberippte Rohr bei gleichen Bedingungen gegenüber [4.18]. Es zeigt sich beim Glattrohr die Siedekrise 1. Art bei ca. 55 % Dampfgehalt, die beim innenberippten Rohr nicht auftritt. Permanente Entwicklungsziele sind weitere Wirkungsgradsteigerungen und Emissionsreduktionen. Erreicht wird dies durch Optimierung der Rauchgasreinigungsmethoden, der Verbrennungstechnik, Wärmeverschiebesysteme und der Kraft-Wärme-Kopplung. Die Europäische Union fördert derzeit die Entwicklung von Kohlekraftwerken mit Frischdampftemperaturen von ca. 700 °C.
4.5 Regenerative Speisewasservorwärmung/Vorwärmstrecke Die regenerative Speisewasservorwärmung, die bis zur Sättigungstemperatur erfolgen kann, ist ein effektives Mittel der Wirkungsgraderhöhung (Abschn. 4.1.1.3). Das Speisewasser wird aus exergetischen Gründen in unterschiedlichen Druck- und Temperaturstufen vorgewärmt.
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
4.5.1 Niederdruckvorwärmer Die Umwälzpumpe fördert das Kondensat durch die Niederdruck-Vorwärmstrecke. Zur Vorwärmung wird Dampf aus den Turbinenendstufen geringen Druckes und geringer Temperatur entnommen, der eventuell schon gesättigt bzw. Zweiphasendampf ist. Üblich sind Gegen -Diastrom-Wärmeübertrager. Bild 4.29 ist das Temperatur-Wärmestrom-Diagramm ( T, Q gramm) für gesättigten Dampf. Der Dampf kann unterkühlt werden, wenn diese Zonen im Wärmeübertrager apparativ getrennt sind.
Bild 4.29: -Diagramm eines NiederdruckT, Q Vorwärmers, gespeist durch gesättigten Dampf
Bei den geringen Drücken sind Geradrohr-Wärmeübertrager bevorzugt. Der Dampf strömt rohraußenseitig. Die Rohre sind in einen Rohrboden eingeschweißt, der gegenüber dem Wärmeübertragermantel gleiten kann und für die spannungsfreie relative Wärmeausdehnung sorgt. Bei kurzen Ausführungen kann das aufzuwärmende Fluid nur in der einen Hälfte der Rohre strömen und wird hinter dem Rohrboden umgelenkt, um in der anderen Rohranzahlhälfte zurückzuströmen. Dies bedingt eine entsprechend aufgeteilte Dampfströmung für den Gegenstrom.
4.5.2 Mischvorwärmer (Speisewasserbehälter)
Bild 4.30: Mischvorwärmer (Speisewasserbehälter)
Der Mischvorwärmer wird bei etwa 10 bis 15 bar betrieben (Bild 4.12). Bei diesem Druck ist der großvolumige Mischvorwärmer installiert, der drei verschiedene Aufgaben erfüllt: x Regenerative Speisewasservorwärmung x Permanente Teilentgasung des Speisewassers x Pufferbehälter für Speisewasser zum An- und Abfahren
4.5 Regenerative Speisewasservorwärmung/Vorwärmstrecke
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Bild 4.31: Hochdruck-Vorwärmer mit Ent hitzer-, Kondensat- und Nachkühlsegment
Der Dampf wird in den wassergefüllten Behälter (Prinzipskizze Bild 4.30) über den Verteiler mit feinen Austrittsöffnungen gedüst, enthitzt sich und kondensiert dabei. Bei der Kondensation der Dampfblase verbleibt der nichtkondensierbare Gasrest (z.B. Luft). Zusätzlich diffundiert ein Teil des im flüssigen Wasser gelösten Gasanteils in die Blase, da an der Phasengrenze die Löslichkeit von Gasen gegen Null geht. Die verbleibenden nichtkondensierbaren Gasblasen sammeln sich im Dampfdom. Dort werden sie über eine kleine Lochblende permanent abgeblasen. Der mit entweichende Dampfanteil wird in Kauf genommen. In dem großen Dampfdom wird auch das zu erwärmende Speisewasser eingeführt und auf großer Oberfläche verrieselt, so dass es ausgasen kann.
4.5.3 Hochdruckvorwärmer Nach der Speisewasserpumpe, die das Wasser auf den oberen Prozessdruck von über 200 bar fördert, sind die Hochdruckvorwärmer eingebaut. Geeignet sind kleinvolumige Wärmeübertrager in Sammelbauweise. Die Wärmeübertragerrohre gehen vom Verteilerrohr ab und durchfließen den U-förmigen Wärmeübertrager, dessen Mantel einen geringen Durchmesser aufweist. Die Dampfströmung ist entlang den Rohren geführt. Der aus der Turbine zugeführte Dampf ist im überhitzten Zustand. Am Wasseraustritt des Wärmeübertragers findet die Enthitzung statt, danach folgt die Kondensation des wärmeabgebenden Dampfes. Das kondensierte Wasser sammelt sich im unteren Teil des Apparats und wird durch den Nachkühler am Speisewasser -Diagramm mit Enthitzung eintritt gedrückt (Bild 4.31). Bild 4.32 ist das entsprechende T, Q des überhitzten Dampfes, Kondensation und Nachkühlung.
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
Bild 4.32: -Diagramm eines Hochdruckvorwärmers T, Q
4.6 Rauchgasreinigung In erster Linie sollte die Entstehung von Schadstoffen vermieden werden, z.B. durch geringeren Stromverbrauch, höheren Wirkungsgrad der Anlagen, Nutzung erneuerbarer und CO2neutraler Energiequellen und Einsatz schadstoffarmer Brennstoffe. In Deutschland und anderen industrialisierten Ländern ist bei kohlebefeuerten Dampfkraftwerken die Rauchgasreinigung vorgeschrieben. Üblich sind: x Entstickung, x Entstaubung, x Entschwefelung. Stickoxide entstehen im Wesentlichen aus dem Luftstickstoff, der bei der Verbrennung je nach Temperatur und Verweilzeit in der heißen Zone teilweise oxidiert. Die Kohle hat mit 1 bis 1,5 Gewichts-% nur geringen Stickstoffanteil. Die Schwefeloxide entstammen der Kohle, die je nach Herkunft und Qualität 1 % Schwefelanteil oder höher aufweist. Bei der Verbrennung verbleibt der unverbrennbare Kohleanteil von 6 bis 15 % entweder als Schlacke oder als Flugasche. Bei einem 550 MW-Dampfkraftwerk sind die folgenden Massen- bzw. Volumenströme zu erwarten [4.20]: x Verbrennung von 160 t Kohle pro Stunde x 1,7 · 106 m3 Rauchgas pro Stunde bei ca. 150 °C x 10 t Ascherückstände pro Stunde, davon 1 t Grobasche im Kessel und 9 t Flugasche im Abgas Verschiedene physikalisch/chemische Methoden der Rauchgasreinigung sind bekannt. Nur das wirtschaftlich günstigste Verfahren für Bau und Betrieb setzt sich durch. Wichtig ist, wiederverwertbare oder wenigstens preiswert zu entsorgende Endprodukte zu erhalten. Nur der jetzige Stand der Technik wird abgehandelt. Die Abscheidung von CO2 ist angedacht, jedoch sind die Techniken noch nicht anwendungsreif [4.31].
4.6.1 Entstickung Bei Großanlagen hat sich die selektive katalytische Reduktion (Selective catalytic reduction) SCR durchgesetzt. Mit Hilfe des Reaktionspartners Ammoniak NH3 werden die Stickoxide NO und NO2 unter Einwirkung des preiswerten Katalysators TiO2 wieder zum unschädlichen N2 und Wasser reduziert. Die vereinfachten Grundreaktionen, die katalytisch am effektivsten im Temperaturbereich von ca. 320 °C bis 450 °C ablaufen, sind: 4 NH3 + 6 NO o 5 N2 + 6 H2O
Gl. 4.20
4.6 Rauchgasreinigung 8 NH3 + 6 NO2 o 7 N2 + 12 H2O 4 NH3 + 4 NO + O2 o 4 N2 + 6 H2O 4 NH3 + 2 NO2 + O2 o 3 N2 + 6 H2O 8 NH3 + 10 NO + O2o 9 N2 + 12 H2O 12 NH3 + 8 NO2 + O2 o 10 N2 + 18 H2O Ein gewisser Teil des Ammoniaks wird auch zerfallen: 4 NH3 + 3 O2 o 2 N2 + 6 H2O
51 Gl. 4.21 Gl. 4.22 Gl. 4.23 Gl. 4.24 Gl. 4.25 Gl. 4.26
Bei zu hohen Temperaturen über ca. 480 °C oxidiert Ammoniak allerdings selbst zu Stickoxiden: Gl. 4.27 4 NH3 + 5 O2 o 4 NO + 6 H2O 4 NH3 + 4O2 o 2 N2O + 6 H2O Gl. 4.28
Bild 4.33: Aufbau des DeNOx-Blockes für 550 MW Dampfkraftwerk [4.20]
Das aus dem Dampferzeuger kommende 320 bis 400 °C heiße Rauchgas durchströmt den meist auf keramischen, wabenförmig durchbrochenen Grundkörpern aufgebrachten Katalysator TiO2 (Weißpigment). Die gesamte Strömungsfläche und die Durchströmlänge sind hinreichend groß, um den Druckverlust minimal zu halten und die notwendige Reaktionszeit zu erzielen. Bild 4.33 zeigt Aufbau und Dimensionen des DeNOx-Blockes des 550 MW Dampfkraftwerkes in Karlsruhe [4.20]. Nach BIMSCH [4.21] darf in Deutschland derzeit die Stickoxidkonzentration 200 mg/m3 im Abgas nicht überschreiten.
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
4.6.2 Entstaubung Um die NOx-Bildung zu minimieren, wird die Verbrennungstemperatur durch Luftüberschuss relativ niedrig gehalten. Dadurch wird jedoch nur ein geringer Teil der Asche verschlackt. Die Schlacke findet im Straßenbau Verwendung. Der größte Ascheanteil liegt als Flugasche vor, die sich in der Bauindustrie als Beton-Zuschlagstoff verwenden lässt. In Großkraftwerken sind wegen den hohen Volumenströmen konventionelle Staubfilter auf Gewebebasis nicht sinnvoll. Wenig effektiv sind Zyklone für die feine Flugasche, deren Partikel im Durchmesserbereich um 1 ȝm zu erwarten sind. Durchgesetzt haben sich elektrostatisch arbeitende Abscheider (Elektrofilter). Die Entstaubung ist der DeNOx-Anlage nachgeschaltet. Die Partikel im Abgas durchlaufen nach Abkühlung im Verbrennungsluftvorwärmer oder einem anderen Wärmeverschiebesystem auf etwa 150 °C plattenförmige Elektroden, die hohe Potentialdifferenzen von 30 bis 80 kV aufweisen (Abscheidegassen). Über spitze Sprühelektroden treten Elektronen von der einen Platte zur anderen über, wobei sich die durchströmenden Staubpartikel negativ aufladen, sich Richtung Anode (Niederschlagselektrode) bewegen und dort ablagern. Der Stromfluss erreicht 0,2 bis 0,7 mA/m2. Eine mechanische Rüttelvorrichtung (Klopfwerk) entfernt den abgelagerten Staub (Bild 4.34). Die Abmessungen in einem 550 MWDampfkraftwerk [4.20] betragen 40 x 60 x 40 m3 mit einem Gewicht von 4200 t.
Bild 4.34: Elektrostatisch arbeitender Flugascheabscheider (Elektrofilter) [4.20]
Die Aschekonzentration im Rohgas beträgt etwa 6 g/m3. Die Staubabscheidung auf 50 mg/m3 im Normzustand entspricht einem Abscheidewirkungsgrad von über 99 %.
4.6.3 Rauchgasentschwefelungsanlage REA Stein- und Braunkohle haben einen gewissen Schwefelanteil, dessen Oxide sich in der feuchten Atmosphäre zu Schwefel- oder schweflige Säure umwandeln. Deshalb werden dem Rauchgas die Schwefelverbindungen entzogen. Unter mehreren Methoden ist das Research-CottrellVerfahren derzeit am verbreitetsten, Bild 4.35, weil bei relativ günstigen Betriebskosten ein wiederverwertbarer Gips entsteht.
4.6 Rauchgasreinigung
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Das Rauchgas wird mit Kalkmilch (CaCO3 bzw. 2Ca(HCO3)2 mit Wasser) besprüht und reagiert zur Gipsemulsion, die getrocknet wird. Der entstehende Gips ist hochwertig und findet als Baumaterial weite Verbreitung. Der Abscheidegrad von SOX beträgt über 90 %. Die wesentlichen Reaktionen sind: SO2 + CaCO3 ĺ CaSO3 + CO2
Gl. 4.29
Aus dem Kalziumsulfit CaSO3 wird mit Luftsauerstoff und Wasser Gips (CaSO4 · 2 H2O) erzeugt: 2 CaSO3 + 4 H2O + O2 ĺ 2 (CaSO4 · 2 H2O)
Gl. 4.30
Bild 4.35: Schema der Rauchgasentschwefelungsanlage [4.20]
Die Schritte der Rauchgasentschwefelung: x x x x x x x x x x
Abkühlen der Rauchgase (Wärmeverschiebung) Vorreinigen Absorption des gasförmigen SO2 in der Kalkmilch Chemische Bindung des gelösten SO2 zu CaSO3 Umwandlung dieses Zwischenprodukts zu CaSO4 Kristallisation des Sulfats zu Gips Filtration der Gipskristalle aus der Suspension und Trocknung Wiederaufheizung der gereinigten Rauchgase (mit Hilfe der Wärmeverschiebung) Endproduktbehandlung, Zwischenlagerung und Verwertung des Endprodukts Gips Wiederaufbereitung des Abwassers
Die Kalkmilchbehandlung kühlt das Rauchgas ab, so dass es wegen des fehlenden Auftriebs mittels eines Saugzugs durch den Kamin gedrückt werden muss. Sinnvoll sind Wärmeverschiebungssysteme, die das heiße Rauchgas nach der DeNOx-Anlage abkühlen und die Wärme dem Rauchgas wieder nach der REA vor dem Kamin zuführen, um die Kaminabströmung zu unterstützen.
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
4.6.4 CO2-Abtrennung und Sequestrierung Derzeit fördern die EU und mehrere Industriestaaten das CO2-freie Kohlekraftwerk. In Deutschland möchte die Vattenfall Europe AG schon Mitte 2008 ein weltweit erstes CO2freies Kohlekraftwerk im Pilotmaßstab in Betrieb nehmen [4.32]. Die Anlage nach dem Oxyfuel-Verfahren mit 30 MW wird am Standort Schwarze Pumpe realisiert. Die RWE AG plant für das Jahr 2014 ein kohlebefeuertes Großkraftwerk von 450 MW mit integrierter Kohlevergasung und nachgeschalteter CO2-Abtrennung und CO2-Speicherung [4.33]. Derzeit stehen folgende Verfahren der CO2-Abtrennung für Kraftwerke, die mit fossilen Energieträgern befeuert sind, in der Diskussion: a. b. c. d.
Rauchgaswäsche mit CO2-Lösungsmittel Adsorption Membran-Technik Oxyfuel-Technik
Zu a.: Die Lösungsmittel-Rauchgaswäsche zur Extraktion des CO2 wurde für die chemische und Öl-Industrie entwickelt und gehört nunmehr zum Stand der Technik. Oft werden Amine als Lösungsmittel genommen, meist Monoethanol-Amine MEA, jedoch werden weitere Amine für diesen Zweck entwickelt, um die Verluste und Degradationen zu reduzieren. Diese Amine absorbieren selektiv das CO2. Hierbei ist das Rauchgas zuerst abzukühlen und Partikel und sonstige Unreinheiten zu entfernen. Dieser Prozessschritt bietet sich also nach der Entschwefelungsanlage an. In einem Desorber werden die gesättigten Amine von ihrem CO2 wieder getrennt, indem die Temperatur auf ca. 120 °C erhöht und/oder der Druck reduziert wird. Dieses Verfahren erlaubt CO2 Reduktionen bis zu 98 % [4.34]. In den USA sind schon Kohlekraftwerke mit einem derartigen Verfahren ausgerüstet: Shady Point 320 MWel und Warrior Run 180 MWel. Ebenso das gasbefeuerte Kombi-Kraftwerk Bellingham Cogeneration Facility mit 320 MWel. Bei höheren CO2-Konzentrationen bzw. höheren Prozessdrücken bieten sich weitere Lösungsmittel wie Methanol, Propylenkarbonat etc. an. Zu b.: Einige Festkörper wie Zeolite und aktivierter Kohlenstoff können CO2 adsorbieren. Jedoch ist die Adsorptionskapazität und die Selektivität für CO2 gering, so dass diese Technik derzeit noch nicht für Kraftwerke als geeignet angesehen wird. Zu c.: Es sind Membranen bekannt, die über chemische oder physikalische Prozesse CO2 abtrennen können, in dem N2 und O2 bevorzugt durch die Membran passieren und CO2 zurückhält. Der Trenngrad ist derzeit noch zu erhöhen. Der Energiebedarf wird relativ hoch sein. Aber in kombinierten Gas-Dampfturbinen-Prozessen mit Trennung bei dem hohen Druck nach dem Kompressor von Gasturbinen könnte dieses Verfahren durchaus konkurrenzfähig werden, z.B. nach dem ALSTOM Konzept des Advanced Zero Emissions Power Plant AZEP [4.36]. Zu d.: Die Oxyfuel-Technik wird aktuell favorisiert, da sie am preiswertesten gilt. Vor der Verbrennung wird die Luft in N2 und O2 zerlegt. Die Verbrennung des fossile Energieträgers geschieht also mit reinem Sauerstoff, was neben den Verunreinigungen (Schwefel, Asche) reines CO2 und Wasserdampf erzeugt. Ebenso gibt es wegen des Fehlens des Stickstoffs praktisch kein NOx mehr, da der im Brennstoff gebundene Stickstoff vernachlässigbar ist. Das aus reinem CO2 (nach der Entstaubung, Entschwefelung bei Kohle und gegebenenfalls Trocknung, d.h. Wasserabscheidung) bestehende Rauchgas kann dann komprimiert und endgelagert werden. Zwar ist die Luftzerlegung aufwändig, doch wird diese schon bei Kohlevergasungsanlagen wie in dem Kombinations-Kraftwerk Puertollano [4.35] großtechnisch eingesetzt.
4.7 Kühlsystem
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Die Verbrennungstemperatur mit reinem Sauerstoff ist für die Dampferzeuger zu hoch, so dass ein Teil des Abgases in den Brennraum zurückzuführen ist (Rezirkulierung, Bild 4.36).
Kohleaufbereitung
Kohle
Luftzerlegungsanlage Sauerstoff Stickstoff u.a.
Dampferzeuger
Bis zu ca. ¾ CO2 Gehalt
Rauchgasrückführung
Reinigung, Trocknung
SOX, H2O u.a.
CO2Verdichtung
Nahezu reines CO2
Bild 4.36: Vereinfachtes Fließschema der Oxyfuel-Technik
Das abgeschiedene CO2 muss sicher eingelagert werden, denn nur ein Bruchteil kann industriell genutzt werden. Hierzu bieten sich Salzstöcke, ausgebeutete Öl- und Erdgasfelder an. Das Eindrücken von CO2 in Ölfelder erhöht sogar den Ausbeutegrad des Erdöls. Weiterhin wird die CO2-Verpressung in tiefen Felsformationen untersucht. Es wird davon ausgegangen, dass sich dort CO2 langfristig zu festen Karbonaten umbildet. Ebenso kann CO2 in Ozeanen verpresst werden. In großen Tiefen von mehr als 3000 m lagert sich CO2 in flüssiger Form am Meeresboden an und kann dort langfristig biologisch umgewandelt werden.
4.7 Kühlsystem 4.7.1 Kondensator Der Turbinenabdampf muss verflüssigt werden, um den thermodynamischen Kreislauf zu schließen. Der Kondensator ist wegen des hohen Volumenstroms des kalten Abdampfes bei den geringen Drücken um 0,05 bar großvolumig und direkt unterhalb der Niederdruckturbine angeflanscht. Das Kühlwasser strömt rohrinnenseitig und der Dampf kondensiert außenseitig. Die Kühlrohranordnung sorgt für eine gute Dampfdurchströmung, Bild 4.37. Im Kondensator sammeln sich auch nichtkondensierbare Gase. Deshalb ist der Kondensator an seiner kältesten Stelle, wo der nichtkondensierende Gasanteil am höchsten ist, mit einer permanent arbeitenden Absaugung ausgerüstet. Ansonsten würden diese Gase den Kondensatordruck erhöhen und die Turbinenleistung erniedrigen.
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
Bild 4.37: Schnitt durch Kondensator [4.22]
4.7.2 Kühltürme Ein tiefes Temperaturniveau im Kondensator ergibt eine große Enthalpiedifferenz für die Turbine, weshalb Flusswasserkühlung bevorzugt wird. Dies ist jedoch je nach behördlichen Vorschriften, basierend auf Grenzwerten für zulässige Temperaturerhöhung und Temperatur des Flusses, nicht immer zulässig. Abhilfe schaffen Kühltürme. Das im Kondensator erwärmte Kühlwasser strömt zum Kühlturm und wird dort rückgekühlt. Je nach Bauvorschriften kommen technisch unterschiedliche Kühltürme zum Einsatz. Bei den meisten neuen Großkraftwerken sind Kühltürme vorgeschrieben.
4.7.2.1 Nasskühlturm (Naturzug-Kühlturm) Das Rückkühlwasser wird auf unterschiedlichen Ebenen des Nasskühlturms versprüht und fließt über Einbauten, die die Oberfläche des Wasserflusses groß halten, in den Sumpf. Die Kühltürme sind unten für den Lufteintritt offen. Die Luft erwärmt sich an dem Rückkühlwasser und erhält damit seinen natürlichen Auftrieb. Beim Durchströmen des Kühlturmes belädt sich die Luft mit Wasser in Form von Dampf und Tröpfchen. Bei niedriger Außentemperatur wird der Taupunkt der gesättigten Luft am Austritt unterschritten, es bildet sich ein Nebelschwaden. Für die stabile Naturzugströmung ist ein günstiges Querschnitts/Höhen-Verhältnis zu wählen. Bei den notwendigen Kühlwärmeströmen großer Kraftwerke ergeben sich hohe Türme, die markante Landschaftspunkte darstellen. Das im Kühlturm nach unten rieselnde Kühlwasser wird durch die kältere Luft und durch die entzogene Verdunstungswärme (latente Verdampfungswärme) abgekühlt. Die Temperatur des Rückkühlwassers hängt von den Umgebungsbedingungen ab.
4.8 Turbinen
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4.7.2.2 Trockenkühlturm Werden die Auswirkungen eines Naturzug-Kühlturms nicht akzeptiert, kann ein Trockenkühlturm die technische Lösung sein. Das Rückkühlwasser steht nicht in direktem Kontakt mit der kühlenden Luft, sondern fließt in Wärmeübertragerrohren oder -platten. Die Luft tritt trocken aus dem Kühlturm. Der Naturzug muss i.A. für eine ausreichende Kühlung durch Gebläse unterstützt werden. Für Großkraftwerke sind Trockenkühltürme unwirtschaftlich.
4.7.2.3 Hybridkühlturm Hybridkühltürme sind eine technische Zwischenlösung beider vorgenannter Kühltürme. Im oberen Kühlturmbereich fließt das aus dem Kondensator kommende warme Wasser in Rohren und strömt erst im unteren Turmbereich frei aus. Damit kann der sich bildende Nebel am Kühlturmaustritt minimiert werden. Diese Kühltürme sind in dicht besiedelten Gebieten oder in Weinbaugegenden, wo die Abschattung durch Nebelschwaden aus Nasskühltürmen meist nicht toleriert wird, bevorzugt. Die Baugröße wird durch die erzwungene Luftströmung minimiert. Die Gebläse verursachen gewisse Betriebskosten.
4.8 Turbinen
Bild 4.38: Dampfturbogruppe mit einflutiger Hochdruckturbine 1, doppelflutiger Mitteldruckturbine 2 und zwei doppelflutigen Niederdruckturbinen 3,4 [4.24]
In den Turbinen entspannt sich der Frischdampf von ca. 200 bar, 550 °C auf Kondensatorzustand von beispielsweise 40 °C und zugehörigem Sättigungsdruck von 0,074 bar. Diese Dampfexpansion ist mit einer hohen Volumenzunahme verbunden. So ist das spezifische Volumen von Sattdampf bei 210 bar etwa v´´= 0,005 m3/kg und bei p = 0,074 bar mit v´´ = 19,55 m3/kg fast 4000fach größer. Entsprechend nehmen der Volumenstrom und der Platzbedarf der Strömung zu. Um größere Verluste durch Verdichtungsstöße zu vermeiden, wird die Strömungsgeschwindigkeit unter der Schallgeschwindigkeit gehalten. Allenfalls in den Kondensationsendstufen geht die Auslegung auch lokal auf Überschall. Da eine Vielzahl von Turbinen-
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
stufen für den Abbau des gesamten Enthalpiegefälles benötigt werden und der Volumenstrom enorm zunimmt, werden mehrere individuelle Turbine hintereinander und parallel geschaltet. Der Turbosatz moderner großer Dampfkraftwerke, siehe Bild 4.38, besteht aus der einflutigen Hochdruckturbine (Entspannung von pFd bis ca. 40 bar), einer oder zwei doppelflutigen Mitteldruckturbinen (ca. 40 bar bis ca. 7 bar) und bis zu vier doppelflutigen Niederdruckturbinen (Kondensationsturbinen; von ca. 7 bar bis Kondensationsdruck pS(TK) bis 0,03 bar). Jede Turbine ist vielstufig und in einem separaten Gehäuse untergebracht. Alle sind durch eine gemeinsame Welle mit dem Generator verbunden. Die Turbinendrehzahl entspricht in Westeuropa mit 3000 U/min der Netzfrequenz von 50 Hz. In anderen Ländern wird mit 3600 U/min = 60 Hz gefahren. Die Leistungsänderung der Turbine erfolgt über das Wellendrehmoment. Die isentropen Wirkungsgrade Șs = ǻh/ǻhs von neuesten Turbinen übersteigen 90 % (Bild 4.39). Gerade die Effizienz der Beschaufelung in den Kondensationsstufen konnte durch neue zwei- und dreidimensionale Berechnungsmethoden gesteigert werden, so dass sich oft ein Austausch der alten Beschaufelung lohnt [4.23].
Bild 4.39: Polytroper Entspannungsverlauf in der Turbine im h,s-Diagramm
4.9 Pumpen
Bild 4.40: Mehrstufige Speisewasserpumpe, Topfbauweise [4.25]
4.10 Generatoren, Frequenzhaltung
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Die Speisewasserpumpe (Kreiselpumpe) wird durch eine Hilfsturbine angetrieben. Wird im Kraftwerk die Gleitdruckregelung gefahren, so ist die Pumpe drehzahlvariabel. Da die Speisewasserpumpe ein hohes Druckverhältnis leisten muss, sind mehrere radiale Pumpenstufen hintereinandergeschaltet, Bild 4.40. Sonstige Kraftwerkspumpen kommen mit einer Stufe aus.
4.10 Generatoren, Frequenzhaltung In Großkraftwerken kommen zur Drehstromerzeugung Synchrongeneratoren zum Einsatz, meist als Innenpolmaschinen. Das Magnetsystem auf dem Rotor dreht bei stehender Nutzwicklung Die hohe Leistung bedingt eine Kühlung, üblicherweise durch Luft, unterstützt durch auf dem Rotor montierte axiale Gebläsebeschaufelung. Der Läufer hat einen zweipoligen Feldmagneten, wenn der Generator mit Netzfrequenz dreht. Bei halber Netzfrequenz laufende Generatoren, die bei kleineren Blockheizkraftwerken üblich sind, hat der Generator doppelte Polpaarzahl (vierpolig). Die Generatoren sind zur Minimierung der Abnutzung und der Wartung meist mit bürstenloser Erregung konzipiert. Wegen den zu erwartenden schnellen Laständerungen ist der zuverlässigen Regelung auf eine konstante Ausgangsspannung besondere Beachtung zu schenken. Bild 4.41 zeigt eine Ansicht eines großen Kraftwerksgenerators [4.26].
1: 2: 3: 4: 5: 6: 7: 8:
Grundrahmen Gehäuse Ständerwicklung Läufer Läuferwicklung Erregung Kühlung Stromdurchführungen
Bild 4.41: Teilschnitt durch KraftwerksGenerator [4.26]
Gibt die Turbine eine höhere Leistung ab, so erhöht sich die Drehzahl nicht merklich, da der Synchrongenerator an der elektrischen Welle des gesamten Stromnetzes angeschlossen ist. Die Leistungsabgabe des Generators muss für drehzahlkonstanten Betrieb natürlich dem Verbrauch entsprechen. Ist dies nicht mehr der Fall, erhöht (zu geringer Stromverbrauch) oder verlangsamt (zu hoher Stromverbrauch) sich die Drehzahl. Einige Dampfkraftwerke sind neben anderen schnell regelbaren Kraftwerken (Gasturbinen, Pumpspeicherkraftwerke) im Netz für die Frequenzhaltung vorgesehen. Sie laufen im Teillast und können ihre Leistung in einer gewissen Bandbreite schnell ändern. Die Schnelligkeit der Drehzahländerung hängt von der Größe des Stromnetzes ab. Im westeuropäischen Netz beträgt die Frequenzschwankung nur etwa
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
± 0,1 Hz. Tendenziell wird an Wochenenden bei geringerem Stromverbrauch die Drehzahl leicht über 50 Hz gehalten und werktags eher unter 50 Hz.
4.11 Weitere Komponenten Die vorige Liste von wichtigen Kraftwerkskomponenten ist unvollständig. So spielt u.a. das gesamte Brennstoffhandling mit Kohleentladung, -lagerung, Kohletransport, Kohletrocknung, Kohlemühlen, -gebläse und der Kohlebrenner eine wichtige Rolle.
4.12 Leittechnik in Kraftwerken Die Leittechnik hat die einzelnen Kraftwerkssysteme zu steuern, zu regeln, Messwerte erfassen, überwachen sowie Betriebsfehler und Gefahren rechtzeitig zu signalisieren bzw. auszuschließen und im Störfall sichere Regeleingriffe zu veranlassen. Ziel ist eine hohe Anlagenverfügbarkeit, hohe Betriebssicherheit und Entlastung von Betriebspersonal. Der spezifische Personalbedarf von Großkraftwerken sinkt mit verbesserter Leittechnik und vor allem mit der Erhöhung der Blockleistung stetig. Seit Jahrzehnten ist bei Dampfkraftwerken die zentrale Blockwarte Stand der Technik. Der gewünschte Automatisierungsgrad, nicht zuletzt auch durch die vielen Nebenanlagen wie Rauchgasreinigung, bedingt in einem Dampfkraftwerk eine Vielzahl ferngesteuerter Antriebe. Die Leittechnik ist entsprechend aufwändig. Üblich ist die Kompaktwartentechnik mit einer 24-V-Steuerebene, wobei dezentrale, bussystemverbundene Prozessrechner und Mikroprozessoren für die Datenverarbeitung und Steuerung/Regelung eingesetzt sind. Mit der einhergehenden benutzerfreundlichen Darstellung betriebstechnischer Daten wird das Personal entlastet und Störfälle sind leicht lokalisierbar. Die schnelle Entwicklung der Leittechnik mit ihren technischen und wirtschaftlichen Vorteilen macht eine Umrüstung älterer Kraftwerke auf eine neue Leittechnik durchaus sinnvoll [4.27].
Bild 4.42: Leittechnikstruktur mit Mikroprozessoren [4.27]
4.13 Entwicklungen
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Bild 4.42 zeigt die Struktur einer modernen Kraftwerksleittechnik, die für alle Kraftwerkstypen ähnlich ist und in den folgende Kapiteln deshalb nicht mehr behandelt wird. Das Bedienpersonal ist von Routinearbeiten entlastet, da der reguläre Leistungsbetrieb, das An- und Abfahren entsprechend des Anlagenzustandes (Kalt-, Warm-, Heißstart) sowie der Gleitdruckbetrieb zur Frequenzstützung entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Verbundgesellschaft DVG voll automatisiert werden kann [4.28]. Durch vorprogrammierte Kennlinienbegrenzungen kann bei vorhersehbaren gefährlichen Betriebsstörungen das Kraftwerk automatisch in einen betriebssicheren Zustand gefahren oder abgeschaltet werden. Die Leittechnik für sicherheitstechnisch relevante Einheiten wie Dampferzeuger sind in „FailSafe-Technik“ ausgeführt. Die Funktionen der Dampferzeuger-Sicherheitskette werden zweikanalig ausgeführt, wie im Kraftwerk Bexbach [4.28]. In jenem Kraftwerk werden rund 4.000 analoge und digitale Messwerte verarbeitet. Der installierte Prozessrechner hat verschiedene Aufgaben, die u.a. durch gesetzliche Vorgaben der kontinuierlichen Dokumentation, z.B. der Emissionswerte, über die der rein betriebstechnischen hinausgehen. Wesentliche Aufgaben sind: x Betriebszustandsanzeigen in der Blockwarte auf Bildschirmen und Hardcopygeräten, die Messwerte individuell oder gruppenweise anzeigen. x Ausgabe von Betriebsabläufen, Protokollen über Störungen, Bilanzen über gewisse Zeiteinheiten (Tages-, Monatsbilanzen), etc. x Ausgabe von Diagrammen x Langzeitüberwachung verschiedener Messwerte. Die Leittechnik (Bild 4.42) sieht eine Koppel- und Einzelleitebene über das Mikroprozessorsystem vor, was eine hohe Zuverlässigkeit verspricht. Die Gruppenleitebene ist redundant. Der Informationsaustausch zwischen den Automatisierungsgeräten der Gruppenleitebene erfolgt in der Kommunikationsebene über ein redundantes Anlagenbussystem. Zur Bedienung und Beobachtung in der Kraftwerkswarte (Prozessleitebene) sind Bildschirme mit Mikroprozessorsteuerungen vorgesehen. Die Bedienung erfolgt vom Bildschirm unterstützt. In der zentralen Blockwarte werden am Bedienpult sämtliche für den Betrieb erforderlichen Bedienfunktionen für die wesentlichen Komponenten wie Dampferzeuger, Turbogruppe und wichtige Nebenaggregate zusammengefasst. An den Wänden der Warte sind normalerweise die Sichttafeln mit integrierten Fließbildern und Anzeigen angebracht, die eine vollständige Überwachung der Betriebsabläufe des Kraftwerks sicherstellen. Meist sind auch Anfahr-, Nebenleit- oder Bedienstände separat vorhanden, die zum einen nur während des Anfahrvorgangs mitbedient bzw. beobachtet werden müssen und zum andern Einzelsteuerungen von Funktionsgruppen beinhalten, die im normalen Kraftwerks-Leistungsbetrieb nicht bedient werden müssen, wie z.B. für die Rauchgasreinigung, Speisewasser-Aufbereitung, Kühlturm-Wasseraufbereitung, Bekohlung, Be-/Entlüftung für Maschinen- und Kesselhaus etc. Weitere Tafeln veranschaulichen die Schalt- und Elektroanlagen des Blockes und die Verbindung zu den elektrischen Außenanlagen.
4.13 Entwicklungen Permanentes Entwicklungsziel sind Wirkungsgrad- und bei zentralen Kraftwerken meist auch Leistungssteigerungen. Die Wirkungsgrade der steinkohlenbefeuerten Dampfkraftwerke konnten in den letzten Jahren auf 45 % gesteigert werden. In Deutschland ging im Jahr 2003 das Braunkohle-Kraftwerk Niederaußem mit „optimierter Anlagentechnik“ BoA mit einer elektri-
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4 Konventionelle Dampfkraftwerke
schen Leistung von 965 MW und mit 43 % Wirkungsgrad in Betrieb. Dieses Kraftwerk ist unter Braunkohlen-Kraftwerken weltweit das größte und das mit dem höchsten Wirkungsgrad. Im Rahmen des deutschen Kraftwerkserneuerungsprogramms werden weitere neue Großkraftwerke die alten, kleineren Anlagen mit geringerem Wirkungsgrad ersetzen. So plant die RWE zwei neue BoA Braunkohlenkraftwerke mit je 1.100 MW und über 43 % Wirkungsgrad [4.33]. Vor der Inbetriebnahme des ersten neuen Kraftwerkes wird RWE sechs ältere Kraftwerke in Frimmersdorf mit je 150 MW stilllegen, die einen deutlich geringeren Wirkungsgrad aufweisen. Insofern gelten diese Kohlen-Kraftwerke als Maßnahme zur CO2-Reduzierung. Für Steinkohle-Kraftwerke werden Frischdampftemperaturen von 700 °C angestrebt. Hierzu sind die entsprechenden Stähle in Entwicklung. Mit geänderter Prozessführung bei dieser höheren Temperatur ist ein Wirkungsgrad von 50 % erreichbar. Die öffentliche Diskussion konzentriert sich derzeit auf den Klimaschutz, was bei der Energieversorgung im Wesentlichen auf die Minimierung der CO2-Emissionen hinausläuft. So wird derzeit in der Europäischen Union die Einführung von Emissionszertifikaten als Handelsgut als wesentliche Klimavorsorgemaßnahme gesehen. Zwar konzentriert sich die Energieforschung derzeit auf CO2-freie Kohlekraftwerke [4.29, 4.30, 4.31], jedoch sind diese noch in den ersten Entwicklungsstufen, siehe Abschnitt 4.6.4. Immer wieder ist der magnetohydrodynamische Generator (MHD-Generator) in der Diskussion, Bild 4.43. Bei dieser direkten Umwandlung von thermischer in elektrische Energie muss ein (teilweise) ionisiertes Gas senkrecht zu den Magnetfeldlinien durch ein Magnetfeld strömen. Zwischen den in der gleichen Ebene wie das Magnetfeld versetzt angeordneten Elektroden bewirken die Ionen eine elektrische Spannung. Die axiale Komponente des Vektorprodukts Stromdichte J mal Magnetfeld B erzeugt das nutzbare axiale elektrische Feld (Hall Feld) E. Mit zunehmender Temperatur ionisieren Gase. So bietet es sich an, durch eine Verbrennung bei hohem Druck die Verbrennungstemperatur auf ca. 3.000 K zu erhöhen, so dass die Abgase hinreichend ionisiert sind. Unter etwa 2.300 K ist der Ionisierungsgrad zu gering. Deshalb könnte für ein Dampfkraftwerk Kohlestaub bei höchster Temperatur verbrannt werden und das heiße Rauchgas in einer MHD-Generator Vorstufe bei Abgabe von elektrischer Energie auf ca. 2.500 K abgekühlt werden, bevor es den nachgeschalteten Dampferzeuger beheizt. Wirkungsgrade von über 50 % sollten dadurch erzielbar sein. Die Elektroden entlang des Strömungsweges des ionisierten Gases sind zu unterteilen, um den Stromfluss in Längsrichtung mit seinen hohen ohmschen Verlusten zu minimieren (Bild 4.43). Entsprechend ist die elektrische Verschaltung zu realisieren. Elektroden, Segmente Ax. Elektrisches Feld E
y z Gaseintritt
x
Geschwin -digkeit v Magnetfeld B
Gasaustritt
Elektrische Last
Bild 4.43: Prinzip des MHD-Generators
Literatur zu Kapitel 4
63
Literatur zu Kapitel 4 [4.1] W. Traupel, Thermische Strömungsmaschinen, 2 Bände, 4. Aufl., Springer Verlag, 2001 [4.2] H. Spliethoff, G. Abröll, Das 750-MW-Steinkohlekraftwerk Bexbach, VGB Kraftwerkstechnik, Heft 4, 1985, auch: ABB Druckschrift D KW 6209 92 D, 1992 [4.3] H. Netz, W. Wagner, Betriebshandbuch Wärme, 4. Aufl., Verlag Dr. Ingo Resch GmbH, Gräfelfing, 1996 [4.4] Verein Großkraftwerksbetreiber, VGB Richtlinien für Kesselspeisewasser, Kesselwasser und Dampf von Dampferzeugern über 68 bar zulässigem Betriebsüberdruck, 1988 [4.5] Technische Regeln Dampf TRD 611, Speisewasser und Kesselwasser von Dampferzeugern der Gruppe IV, 1994 [4.6] VdTÜV-Richtlinie für das Kreislaufwasser in Heißwasser- und Warmwasserheizungsanlagen (Industrie- und Fernwärmenetze, 1989 (VdTÜV/AGFW-Merkblatt) [4.7] PALL-Rochem, DT-Membranfiltration, Umkehrosmose System, Firmenprospekt PALL-ROCHEM Wassertechnik GmbH, Hamburg [4.8] J. Wasel-Nielen, N. Nix, Flußwasseraufbereitung durch Umkehrosmose mit NDWickelmodulen – Entscheidungskriterien und Versuchsergebnisse, VGB Kraftwerkstechnik 69, 369-372, 1989 [4.9] H. Weiler, H. Thiemann: Operating Experience with the Biggest Reverse Osmosis Plant in Eastern Germany, POWER-GEN 95 Europe, 16.-18.05.1995, Niederlande [4.10] H. Schlichting, K. Gersten, Grenzschicht-Theorie, 9. Aufl., Springer Verlag, 1997 [4.11] K. Kuderer, Inbetriebnahme der Zwangsdurchlaufverdampferstrecke und Visualisierung von Strömungsphänomenen, Studienarbeit Fachhochschule Offenburg, 1997 [4.12] K. Goldmann, H. Firstenberg, C. Lombardi, Burnout in Turbulent Flow – A Droplet Diffusion Model. Trans. ASME, Ser. C. , J. Heat Transfer 82, 1960 [4.13] Siemens, 94 PWR 118 KWU T12, J. Franke, R. Cossmann, H. Huschauer, BENSONDampferzeuger mit senkrechtberohrter Brennkammer – Praxisnaher Großversuch belegt Auslegungssicherheit, VGB Kraftwerkstechnik 75, Heft 4, 1995 [4.14] Fröling GmbH & Co., Öl/Gas Recitherm Kessel Dreizug-Flammrohr-Rauchrohrkessel mit Abgaswärmenutzung, Serie FH-NR, FH-KRK, Firmen-Produktinformation [4.15] R. Dolezal, Dampferzeugung, Springer Verlag (1985) [4.16] Babcock Lentjes Kraftwerkstechnik GmbH, Typenblatt Nr. 2009, KW GoldenbergWerk (J), 11/95, 1995 [4.17] M. Kehr, U. Gade, G. Gasteiger, J. Merz, 800-MW-Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe, VGB Kraftwerkstechnik, 79. Jg., 1996 [4.18] Siemens, Benson Boilers for Maximum Cost-Effectiveness in Power Plants, A96001S90-A469-V1-7600, 2000 [4.19] H.-J. Thomas, Thermische Kraftanlagen, 2. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, 1985 [4.20] Badenwerk AG, RDK 7 – umweltfreundliche Kohleverstromung, Fachbericht 88.1, 1988 [4.21] Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) mit Durchführungsverordnungen, Redaktion des Verlags C. H. Beck, dtv (neueste Ausgabe) [4.22] ABB Kraftwerke AG, Nachrüstmaßnahmen zur Wirkungsgradverbesserung fossilgefeuerter Kraftwerke, Druckschrift Nr. D KW 602590 D [4.23] Klaus Menny, Strömungsmaschinen, B.G. Teubner Verlag, 5. Aufl., 2006 [4.24] ABB, Die modulare Baureihe der ABB-Dampfturbinen mit Zwischenüberhitzung, ABB Kraftwerke AG, Publ. No. DKW 607393 D, 1993
64
4 Konventionelle Dampfkraftwerke
[4.25] KSB Aktiengesellschaft, Centrifugal pump, Lexicon, 3rd edition, KSB Aktiengesellschaft, Frankenthal, 1990 [4.26] Siemens AG, TLRI-Generatoren für KraftwerkeSiemens Bestell-Nr. A96001-U17A456-V2, 2000 [4.27] V. Siegmund, Die Modernisierung der Leittechnik macht den Kraftwerksbetrieb wirtschaftlicher, Siemens Power Journal, 2/94, 1994 [4.28] H. Spliethoff, G. Abröll, Das 750-MW-Steinkohlekraftwerk Bexbach, VGB Kraftwerkstechnik, Heft 4, 1985 [4.29] U. Koss, State of the Art Gas Technologies for Zero Emission IGCC´s, Lurgi Engineering, Workshop on CO2 Separation, Use and Disposal, Frankfurt, 3. Juli 2002 [4.30] P. Dechamps, An EU Research Strategy for the Mitigation of CO2 Emissions, Workshop on CO2 Separation, Use and Disposal, Frankfurt, 3. Juli 2002 [4.31] W. Keppel, Auf dem Weg zum CO2-freien Kraftwerk, Brennstoff-Wärme-Kraft, Bd. 56, 2004 [4.32] www.vattenfall.de, 2007 [4.33] www.rwe.com, 2007 [4.34] International Energy Agency IEA, CO2 Capture at Power Stations and Other Major Point Sources – Zero Emissions Technologies for Fossil Fuels, 2003 [4.35] Siemens AG, Bereich KWU, The Puertollano Integrated Coal Gasification CombinedCycle (IGC-GUD) Power Plant in Spain, Schrift A96001-U10-A292-X-7600, 1995 [4.36] D. Winkler, T. Griffin, M. Wolf, C. Appel und J. Mantzaras, Staged Catalytic Combustion Method for the Advanced Zero Emissions Gas Turbine Power Plant, ASME Turbo Expo, Vienna, Austria, Juni 2004
65
5 Kernkraftwerke Kernkraftwerke nutzen als Primärenergie die bei der Spaltung schwerer Atomkerne freiwerdende Energie, mit der ein Dampfkraftwerk betrieben wird. Nicht erst seit der ersten erfolgreichen kontrolliert ablaufenden, sich selbst erhaltenden Kernspaltung in einer Squash-Halle der Universität Chicago am 2.12.1942 unter der Leitung von Enrico Fermi versprach sich die Menschheit damit eine unversiegbare Energiequelle. In kürzester Zeit konnten verschiedene Kernkraftwerkstypen entwickelt werden, die alle bis dahin gebauten Kraftwerke in ihrer Leistung weit übertrafen. Fast zeitgleich wurden in der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1957 die ersten deutschen Versuchsreaktoren vollendet. Das erste marktnahe deutsche Kernkraftwerk zur Stromerzeugung wurde 1961 in Kahl mit 15 MWel eingeweiht. 1975 schon ging in Biblis das erste Kernkraftwerk mit einer elektrischen Leistungsabgabe von über 1200 MW in Betrieb. Dieses Kapitel strebt keine vollständige Wiedergabe aller möglichen Kernkraftwerkskonzepte an, sondern beschränkt sich auf die Erläuterung der für die Energiewirtschaft wichtigen Kernkraftwerkstypen. Während manche Länder ein Kernkraftwerksmoratorium beschlossen haben und keine neuen Kernkraftwerke mehr bauen oder bestehende sogar abschalten, setzen andere auf Zubau, um ihren wachsenden Energiebedarf mit zunehmendem Kernenergieanteil zu decken. Die Gründe für die unterschiedlichen Entscheidungen hängen von lokalen und nationalen gesellschaftspolitischen Gegebenheiten ab.
5.1 Kerntechnische Grundlagen Ohne auf kernphysikalische Details einzugehen, sind im Folgenden die Grundlagen des Spaltprozesses dargestellt, wie sie für das Verständnis des Reaktoraufbaus nötig sind. Eine umfassende Darstellung ist in [5.1] zu finden.
5.1.1 Kernreaktionen Das traditionelle Atommodell von Nils Bohr genügt zur qualitativen Erläuterung der Kernspaltung. Atomkerne bestehen aus positiv geladenen Protonen p+ sowie ladungsneutralen Neutronen n. Die Kerne sind von einer Elektronenhülle mit negativer Ladung umgeben. Bei chemischen Abläufen ist nur die Elektronenhülle beteiligt. Kernprozesse verändern demgegenüber den Atomkern. Modifikationen des Kerns wirken sich zwangsläufig auf die Elektronenhülle aus, doch sind letztere in ihrer energetischen Auswirkung vernachlässigbar. Kernreaktionen werden analog chemischen Gleichungen formuliert, wobei zusätzlich die Massenzahl A wichtig ist, um die Isotopen zu charakterisieren. So wird das Atom durch die tief gestellte Ordnungszahl Z, gleich der Protonenanzahl, seinem internationalen Kürzel und die hochgestellte Massenzahl A gekennzeichnet: 92U
235
bzw. U-235
Gl. 5.1
In der gewählten Schreibweise ist das Atom durch Elementkürzel und Ordnungszahl Z doppelt charakterisiert. Ebenso ist dieses Uranisotop durch Kürzel und Massenzahl, also U-235, eindeutig beschrieben.
66
5 Kernkraftwerke
Werden Stickstoffatome einem Strahl positiv geladener Protonen 1p1+ ausgesetzt, so kann der Stickstoffkern mit einem Proton verschmelzen, seine Kernladung erhöht sich und das Atom erhält eine höhere Ordnungszahl, womit sich ein Sauerstoffatom gebildet hat: 7N
14
+ 1p1+ o 8O15 + 'E
Gl. 5.2
Wie bei allen Bilanzgleichungen müssen auf beiden Seiten Masse, Ladung und Energie übereinstimmen. Obige Kernreaktion ist exotherm, d.h. der Energiegehalt des Sauerstoffisotops ist geringer als der der Ausgangsteilchen, so dass die Überschussenergie 'E > 0 freigesetzt wird. Elektronen e- sind in Kernbilanzgleichungen nicht aufgeführt, da diese Teil der Hülle sind und sich mit anderen Atomen der Umgebung austauschen. So ist in der Bilanzgleichung 5.2 die negative Ladung auf den beiden Seiten unterschiedlich. Korrekter ist: 7N
14
+ 1p1+ + e- o 8O15 + 'E
Gl. 5.3 n1
Ebenso lassen sich durch Bestrahlung mit Neutronen 0 neue Atome und Isotope generieren oder schwere Kerne spalten. Unterschiedliche Kernreaktionen sind bekannt, die teilweise über Zwischenschritte ablaufen können, bis ein hinreichend stabiles Atom entsteht. 8O
16
+ 0n1 o 7N16 + 1p1+ + e- + 'E
U238
92
+0
n1
o 94
Pu239
Gl. 5.4
+ 'E
Gl. 5.5
Kernspaltung von Uranisotop U-235: 92U
235
+ 0n1 o 2 kleine Atome + 2 bis 3 0n1 + 'E
Gl. 5.6 O17
zu seiner StabilisieGl. 5.4 beschreibt eine Reaktion, in der ein instabiler Zwischenkern 8 rung ein Proton (und ein Elektron) abgibt. In Reaktion Gl. 5.5 gibt es zunächst einen Zwischenkern 92U239, bis sich zwei Neutronen in je ein Proton 1p1+ und ein Elektron e- umwandeln, also streng genommen: 92U
238
+ 0n1 o 92U239 o 94Pu239 + 2 e- + 'E
Gl. 5.7
Die Elektronen verlassen den Kern mit einer so hohen kinetischen Energie, dass sie auch die Elektronenhülle verlassen. Es entsteht ein Elektronenstrahler, ß--Strahler genannt. Manche Bilanzgleichungen kennzeichnen die Strahlungsart: 92U
238
+ 0n1 o 94Pu239 + ß - + 'E
Gl. 5.8
Bei der Reaktion Gl. 5.6 kann der Zwischenkern 92U236 bei Aufnahme eines Neutrons so instabil werden, dass er in zwei kleinere Atome zerplatzt, wobei noch statistisch zwei bis drei Neutronen und Energie freiwerden. Diese Kernspaltung findet auch gelegentlich bei natürlich vorkommendem 92U235 statt, wobei das Spaltneutron dann natürlichen Ursprungs ist. Wenn sich leichte Atomkerne mit hinreichend großer kinetischer bzw. thermischer Energie treffen, können sie zu stabilen Kernen unter einer Netto-Energieabgabe 'E verschmelzen: 1H
2
+ 1H3 o 2He4 + 0n1 + 'E
Gl. 5.9
Das Beispiel Gl. 5.9 gibt die Verschmelzung der Wasserstoffisotopen Deuterium D = 1H2 und Tritium T = 1H3 zu Helium (Kernfusion) wieder. Beim radioaktiven Zerfall verändern sich instabile Kerne nach statistischen Regeln spontan ohne Zutun von außen. 84Po
218
o 82Pb214 + 2He4 + 'E
Gl. 5.10
5.1 Kerntechnische Grundlagen
67
Der Zerfall lässt sich, wenn von Eingriffen durch Bestrahlung mit Kernteilchen abgesehen wird, nicht beeinflussen. Der abgegebene He-Strom wird D-Strahlung genannt. Es gibt eine Vielzahl von Zerfallsreaktionen. So erhöht ein ß--Strahler die Ordnungszahl Z bei konstanter Massenzahl A (Gl. 5.8), ein D-Strahler erniedrigt die Ordnungszahl stufenweise um 2 und die Massenzahl in Inkrementen von 4 (Gl. 5.10). Ein Energieüberschuss wird oft durch J-Strahlung (Röntgenstrahlung) abgebaut, die weder Ordnungs- noch Massenzahl ändert. Die Schnelligkeit des radioaktiven Zerfalls wird durch die Halbwertszeit T1/2 beschrieben, nach der nur noch die Hälfte der ursprünglich vorhandenen zerfallbaren Masse oder Anzahl der betreffenden Atome übrig ist. Eine einfache Differentialgleichung beschreibt die Zerfallskinetik mit der Zerfallskonstante O und der vorhandenen Anzahl instabiler Kerne N: dN/dt = – O·N
Gl. 5.11
Je mehr instabile Kerne vorhanden sind, desto mehr Kerne werden in einem Zeitinkrement zerfallen. Die Lösung der Gl. 5.11 ist eine Exponentialfunktion mit N0 als Anfangszahl der zerfallenden Atome zur Zeit t = 0: N(t) = N0 exp(– O·t)
Gl. 5.12
Gemäß ihrer Definition ergibt sich die Halbwertszeit aus ½ N0 = N0 exp(-O·T1/2) zu T1/2 = ln(2)/O = 0,6931/O
Gl. 5.13 -
Wenn die schädliche Wirkung des zerfallenden Isotops durch D-, ß - oder J-Strahlungen interessieren, ist die gesamte Zerfallskette zu betrachten. Das erste Isotop kann über Zwischenstufen in ein weiteres oder mehrere instabile Isotope zerfallen, die wiederum Strahlungen emittieren. Dann ist die jeweilige individuelle, stoffspezifische Zerfallskonstante O der nachfolgenden radioaktiven Atomen zu berücksichtigen. Bei den natürlichen Radionukliden sind drei Ketten zu finden, die nach Elementen benannt sind, die am Anfang oder nahe dem Anfang der Zerfallskette stehen: Uran-, Aktinium- und Thorium-Reihe. Als Beispiel sei die Zerfallskette der Uran-Reihe aufgeführt [5.2]: U-238 o Th-234 o Pa-234 o U-234 o Th-230 o Ra-226 o Rn-222 o Po-218 o Pb-214 o Bi-214 o Tl-210 o Pb-210 o Bi-210 o Po-210 o Pb-206 (stabil)
Gl. 5.14
5.1.2 Energieumsatz bei Kernreaktionen Der Energieumsatz einer Kernreaktion ist über die für jedes Atom spezifische mittlere Bindungsenergie je Kernteilchen (Nukleon: Neutron oder Proton) im Kern bestimmbar. Bild 5.1 zeigt diese mittlere Bindungsenergie in der Einheit MeV (1 MeV = 106 eV = 1,602·10-13 J) als Funktion der Anzahl von Nukleonen (Atommassenzahl A). Kernprozesse, die zu einer höheren mittleren Bindungsenergie führen, setzen die Differenz der Bindungsenergien frei. Folgende Kernreaktionen sind nach Bild 5.1 exotherm: 1. Verschmelzung eines Nukleons mit einem Kern 2. Umwandlung instabiler Kerne in stabile Kerne mit höherer Bindungsenergie (radioaktiver Zerfall) 3. Verschmelzung sehr leichter Kerne 4. Spaltung sehr schwerer Kerne
68
5 Kernkraftwerke
Bild 5.1: Mittlere Bindungsenergie je Kernteilchen als Funktion der Atommassenzahl
Die Bindung eines Nukleons an einen Kern ist nur als Einzeleffekt zu realisieren. Da der radioaktive Zerfall nicht steuerbar ist, eignet er sich nicht zur großtechnischen Nutzung. Für besondere Anwendungen lässt sich damit durch thermoelektrische Konversion elektrische Energie erzeugen (Radionuklid-/Isotopenbatterie). Energieumsätze kerntechnischer Prozesse liegen im MeV-Bereich, während exotherme chemische Reaktionen im eV-Bereich um etwa 6 Größenordnungen pro Reaktionspartner weitaus geringer sind. An der technisch nutzbaren Fusion kleiner Kerne wird in vielen Staaten und in multinationalen Projekten gearbeitet. Besonders lohnend ist die Fusion zum sehr stabilen 2He4, das mit 7 MeV je Nukleon für seine geringe Atommasse eine herausragende mittlere Bindungsenergie aufweist. Mit den Reaktanden Deuterium und Tritium ist die spezifische Energiefreisetzung mit 3,5 MeV/Nukleon am höchsten (Gl. 5.9). Leichte Kerne müssen sich mit hoher Eigenenergie treffen, um zu verschmelzen. Erreicht wird dies für Einzelreaktionen durch Teilchenbeschleuniger. Für die gewünschte großtechnische Kettenreaktion muss die „Zündtemperatur“ um 108 Kelvin erreicht werden. Die lokale Erzeugung derart hoher Temperaturen ist gelungen, jedoch ist deren langfristige Beherrschung in technischen Strukturen für eine sich erhaltende Fusionsreaktion noch ein ungelöstes Problem. In der Energietechnik wird derzeit die durch Neutronen hervorgerufene Kernspaltung genutzt. Da eine Spaltung großer Kerne wieder Neutronen freisetzt (Gl. 5.6), ist eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion möglich. Die entstehenden Spaltprodukte, zwei kleinere Atome, haben eine höhere mittlere Bindungsenergie als der gespaltene schwere Kern, die Spaltung ist also exotherm. Die Spaltprodukte sind statistisch verteilt, wobei bei der Spaltung von 92U235 Massenzahlen um 95 und 140 am häufigsten sind. Bild 5.2 zeigt die höckerförmige Verteilung der Spaltprodukte des mit thermischen Neutronen bzw. schnellen Neutronen gespaltenen 92U235. Ganz ähnliche Verteilungen ergeben sich für andere Kernbrennstoffe, wobei die Energie der Spaltneutronen noch einen gewissen Einfluss hat [5.2]. Die mittlere Bindungsenergie der Spaltprodukte (Bruchstücke) ist, wie aus Bild 5.1 ersichtlich, um ca. 0,8 bzw. 1,0 MeV pro Nukleon höher als beim 92U235. Bei der Spaltung wird also pro Kernteilchen um 0,9 MeV gewonnen, was bei den 235 Nukleonen des 92U235 etwas über 200 MeV pro Spaltung freisetzt. Ein Teil der Energie wird als „Nachwärme“ beim nachfolgenden radioaktiven Zerfall der Bruchstücke zu stabilen Atomen freigesetzt. Diese Nachwärme ist bei
5.1 Kerntechnische Grundlagen
69
den zu lagernden abgebrannten Kernbrennstoffen zu beachten. Tabelle 5.1 listet die auf die einzelnen Spalt- und Reaktionsprodukte entfallenden Energieanteile für 92U235 auf. Da die Spaltprodukte eine statistische Verteilung aufweisen, Bild 5.2, variiert die Energiefreisetzung entsprechend den entstandenen Atomen.
Bild 5.2: Verteilung von Spaltprodukten des gespaltenen 92U235 Gespalten durch: Thermische Neutronen ––––– 14 MeV-Neutronen
–––
Tabelle 5.1: Energiefreisetzung bei der Spaltung von 92U235
Reaktionsprodukte
Energie
Zeitpunkt
Reichweite
Spaltprodukte, 2 Atome
167 MeV
prompt
unter 1 mm
Neutronen
5 MeV
größtenteils prompt
einige dm
E--Teilchen
8 MeV
verzögert, aus Spaltprodukten
mm bis cm
J-Strahlung
12 MeV
prompt und verzögert
dm bis m
Neutrinos
12 MeV
Gesamt
204 MeV ± 11 MeV
gegen unendlich
Die Energie liegt, von Neutrinos und J-Strahlung abgesehen, zunächst in kinetischer Form der Teilchen vor. Durch deren Abbremsung im umgebenden Reaktorstrukturmaterial entsteht Wärme. J-Strahlung hat eine große Reichweite, so dass deren Energie teilweise erst im biologischen Schild des Reaktors absorbiert wird und sich der Nutzung entzieht. Mehr als 5 % der freigesetzten Energie wird von Neutrinos, die praktisch keine Wechselwirkung mit Materie haben, aufgenommen und ungenutzt abgeführt. Es kann pro Spaltung etwa H = 192 MeV genutzt werden. In einem Gramm sind NL/235 = 2,56·1021 Atome 92U235 enthalten (Avogadrobzw. Loschmidt-Zahl NL = 6,02 · 1023/gMol). Also setzt die vollständige Spaltung von 1 g die folgende Energie frei: Eg U235)= 2,56 ·1021 ·192 MeV ·1,602 ·10-13 J/MeV = 7,88 ·10+10 J = 7,88 ·10+10 Ws = 21,5 ·103 kWh = 0,913 MWd1 U235
Gl. 5.15
setzt eine thermische Energie von nahezu eiMerkregel: Die Spaltung eines Gramms 92 nem Megawatttag frei. Andere Kernbrennstoffe haben vergleichbare Werte. Allerdings wird diese Wärme nicht vollständig am Ort und im Zeitpunkt der Spaltung freigesetzt, sondern entsprechend der Reichweite der Produkte in einem gewissen Raum um den Spaltort und ge1 MWd = MWTag = 24 MWh
70
5 Kernkraftwerke
mäß den Zerfallsreihen in zeitlicher Abstufung. Diese Nachwärme wirkt bei abgebrannten und dem Reaktor entnommenen Brennelementen nach. Ein modernes Kernkraftwerk mit 1000 MW elektrischer Leistung und 33 % Gesamtwirkungsgrad benötigt 3000 MW thermische Leistung, hat also etwa einen Verbrauch von 3 kg des starken Kernbrennstoffes 92U235 pro Tag oder etwa eine Tonne pro Jahr.
5.1.3 Thermische und schnelle Neutronen Wie aus Bild 5.1 ersichtlich, weist die mittlere Bindungsenergie der Nukleonen ein Maximum auf. Geringere Bindungsenergien bei schweren Kernen bedeuten auch geringere Stabilität. Dies rührt aus der kerninneren elektrostatischen Abstoßung der positiv geladenen Protonen her. Werden sehr schweren Kernen zusätzliche Energien zugeführt, so können diese so instabil werden, dass sie zerfallen. Diese Energieaufnahme kann durch Beschuss des Kernes mit verschiedenen Teilchen erzielt werden, am leichtesten mit Neutronen. Die in Tabelle 5.2 aufgezählten schweren Kerne benötigen unterschiedliche Anregungsenergien, um sich zu spalten. Wenn ein Neutron im Kern aufgenommen wird, wird die Bindungsenergie von etwa 1 MeV frei. Diese Energiefreisetzung im Kern genügt schon bei einigen sehr großen Kernen, um die Spaltung auszulösen. Teilweise bedarf es noch einer zusätzlichen kinetischen Energie des Neutrons, die in Tabelle 5.2 gelistet ist. Tabelle 5.2: Notwendige Neutronenenergie zur Spaltung schwerer Kerne Kern Neutronenenergie/MeV
232 90Th
233 92U
234 92U
235 92U
236 92U
238 92U
1,3
0
0,4
0
0,8
1,2
93Np
237
0,4
94Pu
0
239
94Pu
241
0
Bei der Aufnahme eines Neutrons in einem Kern entsteht für kurze Zeit vor dem Zerfall ein Zwischenkern mit gleicher Protonenzahl und einer um eins erhöhten Massenzahl: 92U
235
+ 0n1 o 92U236 o 2 kleinere Atome + 2 – 3 0n1 + 'E
Gl. 5.16
Die Spaltung über Zwischenkerne mit gerader Protonen- und Neutronenzahl bzw. Massenzahl A kommt mit der freiwerdenden Bindungsenergie des Neutrons aus, ohne zusätzliche kinetische Energie. Die durch langsame Neutronen (thermische Neutronen) spaltbaren Kerne wie 235 werden „starke Kernbrennstoffe“ genannt, die anderen, die schnelle Neutronen benöti92U gen, „schwache Kernbrennstoffe“, wie 92U238. Gebräuchlich sind zur Unterscheidung der beiden Kernbrennstofftypen auch die weniger exakten Begriffe „Spaltstoff“ und „Brutstoff“. Die Anzahl der bei einer Spaltung entstehenden Neutronen unterliegt einer statistischen Verteilung. Am häufigsten bilden sich 2 oder 3 Neutronen. Sie werden während des Zerfallsprozesses mit einer gewissen kinetischen Energieverteilung emittiert, wobei die Energie der Spaltneutronen im Mittel insgesamt etwa 5 MeV pro Spaltung 92U235 beträgt. Die einzelnen Neutronen können unterschiedlich Energien mitbekommen, deren Energieverteilung durch eine Maxwell-Verteilung mathematisch beschreibbar ist. Bei der 92U235–Spaltung liegt das Häufigkeitsmaximum um 0,8 MeV und fällt stetig, so dass Neutronen mit über 10 MeV wenig wahrscheinlich sind. Neutronen können verschiedene Kernreaktionen ausführen: x Elastische und unelastische Streuung an Kernen x Absorption von Kernen (Neutroneneinfang) ohne Spaltungsauslösung x Spaltung
5.1 Kerntechnische Grundlagen
71
Welche Art der Reaktion bei einer Neutronenkollision mit einem Kern stattfindet, hängt von der kinetischen Energie der Neutronen ab, welcher Kern getroffen wurde, in welchem Energiezustand der Kern ist und welche wirksame Fläche der Kern dem Neutron anbietet. Falls ein ruhender Kern einem differentiellen Neutronenfluss ) (Anzahl von Neutronen pro Flächenund Zeiteinheit) ausgesetzt wird, der senkrecht auf den Kernquerschnitt V trifft, so werden R1 Reaktionen pro Zeiteinheit stattfinden (Reaktionsfrequenz): R1 = V ) ; Einheit s-1
Gl. 5.17
Ebenso lässt sich die Anzahl R2 der Reaktionen pro Zeit- und Volumeneinheit mit N der Teilchenzahldichte (Anzahl von Atomkernen pro Volumeneinheit) ermitteln: R2 = N V ) ; Einheit m-3s-1
Gl. 5.18
V wird mikroskopischer Wirkungsquerschnitt genannt und hat die Dimension einer Fläche. Es ist üblich, die Einheit barn = 10-28 m2 zu benutzen. Der Wirkungsquerschnitt ist für eine betreffende Kernreaktion eine kernspezifische Kenngröße, die keine geometrische Kernabmessung ist, sondern ein Maß für die Wahrscheinlichkeit der Reaktion. Ein großer Wirkungsquerschnitt V bedeutet eine hohe Reaktionswahrscheinlichkeit. Es gibt also für die uns interessierenden oben gelisteten Kernreaktionen mit Neutronen verschiedene Wirkungsquerschnitte, d.h. Vel für die elastische und Vin für die inelastische Neutronenstreuung, Va für die Neutronenabsorption, Vf für die Kernspaltung durch Neutronen (f Fission). Die Wirkungsquerschnitte eines spezifischen Kerns sind nicht konstant, sondern von der Neutronengeschwindigkeit v bzw. von deren kinetischer Energie ½ v2 abhängig, also V = V(½ v2). Bild 5.3 zeigt den Verlauf der Kernspaltungs-Wirkungsquerschnitte für die starken Kernbrennstoffe 92U235, 94Pu239 und des schwachen Kernbrennstoffs 92U238 über der Neutronenenergie. Die höchste Spaltwahrscheinlichkeit mit Vf | 1000 barn bei den starken Kernbrennstoffen zeigen langsame Neutronen, während erst sehr schnelle Neutronen mit einer Energie im MeV-Bereich nennenswerte, jedoch deutlich geringere Spaltquerschnitte mit Vf | 1 barn bei schwachen Kernbrennstoffen aufweisen. Zwischen der Neutronenenergie 10 und 1000 eV zeigt sich bei starken Kernbrennstoffen ein Resonanzbereich in der Wechselwirkung zwischen Kern und Neutron. Für die gekoppelte kernphysikalische- und strömungstechnische Reaktorauslegung sind ebenso die Absorptions- und Streuquerschnitte der Strukturmaterialien wie das Brennstabhüllrohr und des Wärmeträgerfluids sowie die räumliche Anordnung der Brennstäbe von entscheidender Bedeutung. Eine Darstellung der Auslegungsgrundlagen ist in [5.1] zu finden. Bei der Spaltung von Kernbrennstoffen werden im Mittel zwischen Ȟ = 2 und 3 Neutronen freigesetzt. Diese können wieder Spaltungen und damit eine Kettenspaltreaktion auslösen. Im gesamten Reaktorbehälter muss zur Kettenreaktion die Neutronenproduktion mindestens gleich der Summe aus den Neutronenleckagen über die Reaktoraußenhüllfläche und der Neutronenabsorption im Reaktorvolumen sein. Ist die Neutronenproduktion gleich den Neutronenverlusten (Leckage und Absorption), wird von einem „kritischen Reaktor“ gesprochen, der einen konstanten Neutronenfluss und damit eine stationäre Leistungsabgabe aufweist.
72
5 Kernkraftwerke
U-235 U-238 -------- Pu-239
Bild 5.3:
Verlauf der Kernspaltungs-Wirkungsquerschnitte für nenenergie [5.2]
235 239 , 92U238 92U , 94Pu
über der Neutro-
Der effektive Multiplikationsfaktor ke für alle Neutronen im gesamten Reaktorvolumen V ist definiert zu: ke = Q ³ N Vf ) dV / {³ N Va ) dV +³ L dA} V
V
Gl. 5.19
A
= Neutronenproduktion / Neutronenverluste Ȟ ist die mittlere Zahl von Spaltungsneutronen und L ein Maß für die Neutronenleckage pro Flächeneinheit. Die Neutronen werden durch Spaltungen produziert. Neutronenverluste ergeben sich aus Neutronenabsorptionen an Atomen im gesamten Reaktorvolumen V und durch Neutronenleckagen über die Reaktoraußenfläche A. Die Anzahl von Neutronen bleibt durch Streureaktionen unverändert. Ein weiteres Maß für die Neutronenbilanz ist die Reaktivität UR: UR = (ke – 1) / ke
Gl. 5.20
Bei ke = 1 bzw. UR = 0 ist der Neutronenfluss stationär, der Reaktor ist kritisch. Bei ke < 1 bzw. UR < 0 nimmt der Neutronenfluss zeitlich ab, der Reaktor ist unterkritisch. Bei ke > 1 bzw. UR > 0 steigt der Neutronenfluss mit der Zeit, der Reaktor ist überkritisch.
5.1.4 Moderation der Neutronen Die bei einer Spaltung entstehenden Neutronen haben eine Gesamtenergie von etwa 5 MeV, die einzelnen Neutronen also über 1 MeV. Bild 5.3 zeigt, dass der Spaltquerschnitt bei derart schnellen Neutronen gering ist. Langsame Neutronen ergeben höhere Spaltwahrscheinlichkeiten, weshalb die Neutronen abzubremsen sind. Die Abbremsung erfolgt, wenn keine Absorption des Neutrons erfolgt, analog den mechanischen Stoßgesetzen. So kann ein gleichschweres Teilchen als Partner bei einem zentralen Stoß die gesamte Energie aufnehmen. Wasserstoff 1 1H mit der gleichen Massenzahl wie ein Neutron verspricht die beste Energieübertragung. Mit wenigen Stößen kann das Neutron seine Energie abgeben. Deshalb wird dieses kleinste Atom zur Abbremsung der Neutronen in Leichtwasserreaktoren benutzt. Die Abbremsung der Neutronen wird „Moderation“ genannt. Wegen seiner geringen Dichte ist gasförmiger Wasserstoff
5.1 Kerntechnische Grundlagen
73
als Moderator nicht brauchbar. Es wird vielmehr in flüssiger, gebundener Form als Wasser H2O eingesetzt. Dies hat den zusätzlichen Vorteil, dass dieser Moderator gleichzeitig als Wärmeträgerfluid genutzt werden kann. Größere Moderatorkerne bedingen mehr Stöße, bis das Neutron seine kinetische Energie abgegeben hat. Moderatoren dürfen nur eine geringe Neutronenabsorption (Va sehr klein) aufweisen und sollen keine Kernreaktionen ausführen, die ihre Eigenschaft ändern. Wasserstoff 1H1 zeigt eine gewisse Neutronenabsorption mit Umwandlung zu Deuterium 1H2: 1H
1
+ 0n1 o 1H2
Gl. 5.21
Deuterium ist zwar wegen seiner doppelten Masse ein etwas schlechterer Stoßpartner, jedoch hat es einen deutlich geringeren Absorptionsquerschnitt Va, da die Reaktion zu Tritium wenig wahrscheinlich ist: 1H
2
+ 0n1 o 1H3
Gl. 5.22
Bei der Neutronenbilanz schneidet Deuterium D als Moderator besser als Wasserstoff ab. Reaktoren mit schwerem Wasser D2O heißen „Schwerwasserreaktoren”, im Gegensatz zu den „Leichtwasserreaktoren”. Schwerwasserreaktoren kommen wegen dieser geringeren Neutronenabsorption mit einer geringeren Anreicherung des Brennstoffs mit starkem Kernbrennstoff aus, es kann sogar Natururan mit nur 0,7 Gew.-% 92U235 eingesetzt werden. Andere Reaktorkonzepte trennen Moderation und Kühlung. Bei gasgekühlten Reaktoren trägt das Wärmeträgergas wegen seiner geringen Dichte zur Neutronenmoderation wenig bei, weshalb ein separater Moderator nötig ist. Ebenso gibt es wassergekühlte Reaktoren mit Feststoffmoderator. Bei letzterem sind die Freiheitsgrade der Auslegung größer, da die kerntechnischen und strömungs-/wärmetechnischen Beziehungen weitgehend entkoppelt werden. Für diese Reaktoren hat sich Kohlenstoff in Form von Graphit als Moderator bewährt. Die Neutronen können bis auf die Energie ihrer thermischen Eigenbewegung abgebremst werden, sie werden dann als „thermische Neutronen“ bezeichnet. Reaktoren, bei denen die Spaltung durch die langsamen thermischen Neutronen dominiert wird, heißen „Thermische Reaktoren“. Die Reaktorleistung wird über den Neutronenfluss geregelt. Zur Kurzzeitregelung werden Neutronenabsorberstäbe (Steuerstäbe) zwischen die Brennstäbe eingefahren. Die Langzeitregelung geschieht über die Zugabe von Absorbern in das Kühlmedium oder über spezielle Absorberstäbe. Das Element Bor ist ein effizienter Neutronenabsorber, das in Form geeigneter chemischer Verbindungen (Borsäure) verwendet wird.
5.1.5 Brutprozesse Schwache Kernbrennstoffe wie 92U238 sind nur durch sehr schnelle Neutronen und mit geringer Wahrscheinlichkeit spaltbar. Höher ist für 92U238 die Wahrscheinlichkeit, das Neutron gemäß Reaktion Gl. 5.5 zu absorbieren und sich in den starken Kernbrennstoff Plutonium 239 oder Pu241 umzuwandeln. Folgende Reaktionskette ist nachgewiesen, wenn 3 Neut94Pu 94 ronen n1, n2, n3 sukzessive absorbiert werden: 92U
238
+ n1 o 92U239 o 93Np239 + E- o 94Pu239 + E- + n2 o 94Pu24° + n3 o 94Pu241 Gl. 5.23
Auch Thorium 90Th232 wandelt sich durch schnelle Neutronen in den starken Kernbrennstoff 233 um. Die Umwandlung in einen starken Kernbrennstoff wird als „Brüten“ bezeichnet. 92U Da dies mit schnellen Neutronen um 1 MeV stattfindet, heißen die entsprechenden Reaktoren
74
5 Kernkraftwerke
„Schnelle Brüter“. Bei diesen Reaktortypen ist eine Moderation der Neutronen nicht erwünscht, so dass Wasser als Wärmeträger nicht verwendbar ist. Es werden deshalb das Gas Helium oder flüssiges Natrium verwendet, die nur wenig moderieren und geringe Absorptionsquerschnitte aufweisen. Da die Spaltquerschnitte der Kernbrennstoffe bei schnellen Neutronen gering sind, müssen frische Brennstäbe eine relativ hohe Anreicherung aufweisen, um die Kettenreaktion zu ermöglichen. Der Anteil der starken Kernbrennstoffe steigt dann mit zunehmender Betriebsdauer durch die Brutprozesse an. Die Brennstäbe können allerdings nur eine begrenzte Zeit im Reaktor betrieben werden, da die radioaktiven Spaltprodukte, teilweise Gase, den Druck in der Brennstabhülle ansteigen lassen und das Hüllmaterial langfristig Schaden nimmt. Deshalb müssen die Brennstäbe mit den erbrüteten starken Kernbrennstoffen wiederaufbereitet werden. Die Konversionsrate CR ist Maß für die Brutrate: CR =
Anzahl erbrüteter starker Brennstoffkerne Anzahl zerstörter starker Brennstoffkerne
Gl. 5.24
Die Anzahl starker Kernbrennstoffkerne wird durch Spaltung, manchmal auch durch andere Kernreaktionen ohne Spaltung, wie Neutronenabsorption, verkleinert. Bei CR > 1 wird von Brutreaktoren gesprochen. Brutprozesse laufen auch in thermischen Reaktoren ab, da die Spaltungsneutronen zunächst eine hohe kinetische Energie haben und der Kernbrennstoff einen hohen Brutstoffanteil 92U238 aufweist. Allerdings ist wegen der Moderation und der stattfindenden Spaltung des erbrüteten Plutoniums bei jenen Reaktoren CR < 1.
5.1.6 Kernbrennstoffe Der einzige in der Natur2 vorkommende starke Kernbrennstoff ist 92U235. Natururan ist ein Isotopengemisch aus 99,289 Gewichtsprozent schwachen Kernbrennstoffs 92U238 und 0,711 Gewichtsprozent 92U235. Während die mit Schwerwasser moderierte Reaktorlinie CANDU3 mit Natururan Kritikalität erzielt, benötigen die am weitesten verbreiteten Leichtwasserreaktoren einen höheren Anteil 92U235, d.h. das Uran wird auf ca. 3 bis 4,5 Gew.-% 92U235 „angereichert”. Metallisches Uran als Brennstoff scheidet wegen zu großer Anschwellung durch die Spaltungsvorgänge und die heftige Reaktion bei Kontakt mit dem 300 °C heissen Wasser im Falle eines Hüllrohrschadens aus. Deshalb wird Urandioxid UO2 in gesinterter Form benutzt, das über lange Zeit bei hoher Temperatur stabil bleibt, ohne große Volumenzunahme viel Spaltprodukte aufnimmt und nicht mit Wasser reagiert. Die metallischen Brennstabhüllrohre, die an ihren Enden hermetisch mit einem Stopfen verschweißt sind, sind mit diesen UO2Tabletten (Pellets) von knapp 10 mm Durchmesser und etwa 10 mm Höhe gefüllt. Die Tabletten sind an den Stirnseiten leicht konkav ausgenommen (Dishing), um gewissen Raum für die thermische Verformung in dieser wärmsten Zentralzone zu lassen. Zwischen Hüllrohr und Tablettenstapel muss – trotz des dadurch verursachten schlechteren Wärmeflusses – ein Spalt gelassen werden, um das Anschwellen des Brennstoffes mit zunehmendem Abbrand ohne Spannungserhöhung zuzulassen. Bild 5.4 zeigt den schematischen Aufbau eines Brennstabes im Schnitt.
2
Es sind in der Erdkruste geringste Spuren von natürlichem Plutonium nachgewiesen worden [5.4].
3 CANada Deuterium Uranium
5.1 Kerntechnische Grundlagen
75
Bild 5.4: Aufbau eines Brennstabs
Schon nach relativ kurzer Zeit werden die Pellets durch die hohen Temperaturgradienten rissig (Bild 5.5). Bei zunehmendem Abbrand können die gasförmigen Spaltprodukt einen Zentralkanal (Bild 5.6) bilden [5.4].
Bild 5.5: Rissstruktur eines bestrahlten UO2-Pellets (links)
Bild 5.6: Hoch bestrahltes UO2-Pellet mit Zentralkanal
Ein geringer Teil des 92U238 wird durch sehr schnelle Neutronen gespalten und ein anderer Teil durch Neutroneneinfang in den starken Kernbrennstoff 94Pu239 umgewandelt4, der dann am Spaltprozess durch thermische Neutronen teilnimmt. Bei der Wiederaufbereitung wird dieses Plutonium extrahiert und als Kernbrennstoff aufbereitet. Aus diesem Grunde und weil für militärische Zwecke erbrütetes Plutonium nun für friedliche Zwecke verfügbar ist, bestehen heutige Brennstoffe meist aus Mischoxiden UO2 und PuO2. Brennstäbe bzw. ganze Brennelemente müssen nach einer gewissen Zeit im Reaktor ausgetauscht werden, um eine Beschädigung des Hüllrohrs durch zunehmende Materialversprödung (Strahlungsschäden), Innendruck und Anschwellen des Brennstoffes zu vermeiden. Ebenso bilden sich unerwünschte Spaltprodukte, die als Neutronenabsorber wirken. Ein Maß für die Standzeit eines Brennstabes ist sein Abbrand a, der unterschiedlich definiert sein kann.
4
Es lassen sich noch weitere Kernreaktionen nachweisen, die jedoch seltener sind.
76
5 Kernkraftwerke aM =
Verbrauchte Kernbrennstoffmasse Ursprünglich vorhandene Kernbrennstoffmasse
aE =
Erzeugte Energie durch Spaltung Ursprünglich vorhandene Kernbrennstoffmasse
Gl. 5.25
oder MWd / t
Gl. 5.26
Bei Spaltung von 1 g starker Kernbrennstoff wird die Energie von etwa 0,913 MWd freigesetzt. Damit: aE / aM = 0,913 · 106 MWd/t
Gl. 5.27
Der zulässige mittlere Abbrand in Leichtwasserreaktoren beträgt bei dem hohen technischen Stand der Brennstäbe derzeit im Mittel etwa 40 bis 50 und im maximalen Fall 80 MWd pro kgBSt [5.9]. Der Abbrand hängt wegen des ungleichförmigen Neutronenflusses von der Position des Brennstabes im Reaktor ab. Trotz Brennelementmanagement ergeben sich so unterschiedliche Abbrände in einzelnen Brennstäben. Die nutzbare Wärmeenergie geht über die Spaltenergie des starken Kernbrennstoffs in den neuen Brennstäben hinaus, da die ursprüngliche Anreicherung der Brennstäbe ca. 3 bis 4,5 %, d.h. 30 g bis 45 g pro kgBSt beträgt und somit knapp 30 bis 45 MWd/kgBSt freigesetzt werden könnte. Die höhere Energiefreisetzung resultiert aus der Spaltung des erbrüteten starken Brennstoffs und der gelegentlichen Spaltung von schwachem Kernbrennstoff durch schnelle Neutronen.
5.1.7 Selbstregelverhalten, inhärente Sicherheit Da menschliches und technisches Versagen nicht auszuschließen sind, wird vom Reaktor eine inhärente Sicherheit gefordert, d.h. der Reaktor soll bei einem Störfäll ohne menschliche oder technische Regeleingriffe selbsttätig zu einem ungefährlichen Zustand kommen. Wenn es sicherheitstechnisch zu dem größten denkbaren technischen Störfall, also zu einem Ausfall einer Hauptkühlmittelzufuhr kommen sollte (GAU: größter anzunehmender Unfall), wird das Wasser im Reaktorkern verdampfen. Damit sind die Neutronen jedoch nicht mehr moderiert, der Reaktor wird unterkritisch und schaltet sich ohne Regeleingriff ab. Selbst wenn bei einem hypothetischen Extremfall gleichzeitig noch der Totalausfall der Reaktornotkühlung eintreten würde und der Reaktorkern schmelzen sollte, ist bei der geringen Anreicherung in thermischen Reaktoren keine Konfiguration denkbar, die wieder zu einer Kettenreaktion führen könnte. Zusätzlich sind bei wassermoderierten Reaktoren die Reaktivitäts-Temperaturkoeffizienten negativ, wUR/wT < 0, d.h. eine Temperaturerhöhung des Kühlmittels lässt die Reaktivität UR (Gl. 5.20) sinken. Bei dem Tschernobyl-Reaktor RBMK-1000 (siehe Kap. 5.4) mit Graphitmoderator liegen andere Verhältnisse vor, da bei Verdampfen des Kühlmittels die Moderation anhält.
5.1.8 Biologische Strahlenauswirkungen und deren Maßeinheiten Die biologische Wirkung radioaktiver Strahlung beruht auf ihrer Eigenschaft, durch Energieübertragung Atome oder Moleküle zu ionisieren oder den Energiezustand der Elektronenhülle zu erhöhen [5.5]. Geladene Kernteilchen (Protonen, D-, E--Strahlung) treten unmittelbar mit den Elektronen in Wechselwirkung, während die J-Strahlung durch Photoeffekt Elektronen auf eine höhere Energieschale heben oder durch Compton- und Paarbildungseffekte E--Strahlung erzeugen kann. Neutronen können ihre kinetische Energie bei Zusammenstößen an Atome abgeben und indirekt ionisieren.
5.1 Kerntechnische Grundlagen
77
Der Körper nimmt Moleküle und Atome nach ihren chemischen Eigenschaften auf und unterscheidet nicht zwischen stabilen Atomen und deren strahlenden, ionisierenden Isotopen. Ionen und ionisierte Atome bzw. Moleküle spielen in Lebewesen beim Stoffwechsel und Zellaufbau eine große Rolle. Werden durch äußere Strahleneinwirkung unkontrolliert Ionen erzeugt, wird das biologische Gleichgewicht gestört oder es kommt zur Zerstörung funktioneller Moleküle wie den Proteinen. Die Bandbreite der biologischen Folgen von Strahlenschäden ist groß und hängt von vielen Faktoren ab (Art der Strahlenexposition, absorbierte Strahlenenergie, Energiedichte, Zeitraum der Bestrahlung, bestrahlte Organe, etc.). Es kann zur vorübergehenden Beeinträchtigung von Zellfunktionen bis hin zur dauerhaften Beschädigung durch Entstehung von Krebs und Veränderungen der Erbanlagen führen. Hierbei ist es unerheblich, ob diese Bestrahlung aus natürlichen oder künstlichen Quellen stammt. Die Radioaktivität ist durch menschliche Sinnesorgane nicht wahrzunehmen, sondern erst durch ihre negativen Auswirkungen. Als leichtverständliche Maßeinheit hat sich das Becquerel Bq eingebürgert, mit der die Anzahl der sich pro Sekunde umwandelnden Atomkernen verstanden wird. Die Atomumwandlung erzeugt einen Strahlungsimpuls, der direkt oder indirekt gemessen werden kann, beispielsweise mit einem Geiger-Müller-Zählrohr. Die Angabe der Aktivität in Becquerel ist nur sinnvoll, wenn die Bezugsgröße Masse oder Volumen bekannt ist, in der diese Aktivität gemessen wurde. Sie ist allerdings nur unvollständig zur Beurteilung der biologischen Wirkung geeignet, denn diese ist von der Strahlenart, der absorbierten Strahlenmenge pro betroffene Masse und der Expositionszeit abhängig. Deshalb ist zuerst die radiobiologische Wirksamkeit RBW einer bestimmten Strahlung zu ermitteln, indem diese in Bezug zu dem biologischen Effekt einer definierten Strahlung gesetzt wird: RBW = Definierte Dosis / Dosis der Strahlung
Gl. 5.28
Definierte Dosis: Dosis von 200 keV-Röntgenstrahlung, um einen bestimmten biologischen Effekt hervorzurufen. Dosis der Strahlung: Dosis der interessierenden Strahlung zur Erzielung des gleichen biologischen Effekts. Die RBW ist ein vergleichendes Maß für die biologische Schädlichkeit einzelner Strahlungsarten untereinander, sie ist Wichtungsfaktor für die Wirkung einer bestimmten Strahlung. Im Wesentlichen ist sie abhängig von der Weglänge im biologischen Material, in der die Strahlung ihre Energie abgibt. Große Kernteilchen wie Heliumkerne (D-Strahlung) oder gar Rückstoßkerne (Atomkerne mit kinetischer Energie aus einer Kernreaktion) geben im Gewebe innerhalb kurzer Wegstrecken ihre Energie ab und haben deshalb hohe RBW-Werte [5.3]. Diese RBW-Werte, multipliziert mit der Energiedosis rad ergeben die biologische Äquivalentdosis in rem (roentgen equivalent man). Dosis in rem = Dosis in rad mal RBW
Gl. 5.29
Die Energiedosis rad bezeichnet eine beliebige Strahlungsmenge, die in einem interessierenden Stoff zu einer Energieabsorption von 6,25·107 MeV führt. Hartes Gewebe wie Knochen absorbiert entsprechend mehr als weiches Gewebe, so dass die selbe Strahlung in Knochen zu höheren rad- und rem-Dosen führt. In Deutschland hat sich anstatt rem die Maßeinheit Sievert Sv eingebürgert: 1 Sv = 100 rem
Gl. 5.30
78
5 Kernkraftwerke
Somit können verschiedene Strahlungsarten in ihrer biologischen Wirkung miteinander verglichen werden. Gleiche Dosen in rem bzw. Sv lassen ähnliche Schäden in lebenden Wesen erwarten. Allerdings spielt die Zeit der Strahlenexposition eine große Rolle. Deshalb ist die Dosisleistung Millirem/Jahr bzw. Milli-Sievert/Jahr für die Beurteilung der Strahlenexposition üblich, wenn sie nicht gewisse Werte überschreitet. Die mittlere jährliche Strahlenbelastung des Menschen in Deutschland kann nach den einzelnen Strahlenquellen wie in Bild 5.7 gezeigt, aufgeschlüsselt werden. Kerntechnische Anlagen tragen mit weniger als 0,01 mSv/a zu der mittleren Strahlenbelastung des Menschen bei. Selbst die aus der Tschernobyl-Katastrophe herrührende Strahlung des Fallouts ist mittlerweile soweit abgeklungen, dass sie sich im Bereich dieser 0,01 mSv/a bewegt [5.7].
Bild 5.7: Mittlere jährliche Strahlenbelastung des Menschen in Deutschland [5.6, 5.13] Insgesamt ca. 3,5 mSv effektive Dosis
5.1.9 Radionuklidbildung in Reaktoren Der Betrieb eines Kernkraftwerkes setzt wegen dessen wirksamen Strahlenschutzbarrieren nur in geringstem Umfang radioaktive Produkte frei. Die Umgebung jedes deutschen Kernkraftwerks wird kontinuierlich messtechnisch kontrolliert. Der zulässige Höchstwert ist 0,3 mSv/a, wobei die reale Emission der einzelnen Anlagen unter 0,01 mSv/a liegt. Dies entspricht etwa dem Vierhundertstel der gesamten mittleren Strahlenbelastung in Deutschland. Die Brennstabhüllen halten die festen und flüchtigen Spaltprodukte zurück. Falls einzelne Hüllen undicht sein sollten, treten gasförmige Spaltprodukte in das Kühlwasser, wo sie bei Druckwasserreaktoren indirekt und bei Siedewasserreaktoren direkt über die Vakuumpumpen des Kondensators in sehr geringen Konzentrationen in den Abgaskamin kommen können. Die Rückhaltung gasförmiger Isotope wie I-129, I-131 und Kr-85 bedingen besonderen technischen Aufwand. Im Primärkreislaufwasser finden sich geringe Mengen des ß-Strahlers Tritium. Weiterhin ist das Kühlwasser durch Abrieb der Brennelementhüllen und Strukturmaterialien mit radioaktiven Partikeln verunreinigt. Der Radionuklidgehalt abgeleiteten Wassers muss der Trinkwassernorm entsprechen. Innerhalb der Brennstäbe sammeln sich eine Vielzahl radioaktiver Isotope an. Wesentliche, in Reaktoren entstehende Radionuklide sind in Tabelle 5.3 mit ihren Halbwertszeiten und Anlagerungsorten im menschlichen Körper gelistet. Wegen ihrer biologischen Wirkung seien die Radionuklide Tritium, I-131, Cs-137 und Sr-90 erwähnt, die alle ß-Strahler sind. Die aktiven Isotope Zirkonium-95, Niob-95, Ruthenium-106, Lanthanide, Urane und Transurane werden ebenfalls im Körper aufgenommen und sind dort sehr lange nachweisbar. Insbesondere PuO2 hält sich hartnäckig im Körper. Eine Übersicht der biologischen Wirkung ionisierender Strahlung ist in [5.4], basierend auf [5.5], gelistet.
5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors
79
Tabelle 5.3: Einige Radionuklide und deren Anlagerung im menschlichen Organismus Radionuklid Tritium Kohlenstoff
Kürzel 3
1H
14
6C
60
Halbwertszeit
Hauptablagerung; kritisches Organ
12,35 a
Körperwasser; Ganzkörper
5736 a
sämtliche Gewebe; Ganzkörper
Kobalt
27Co
5,2 a
Magen-Darm-Trakt; Ganzkörper
Krypton
85 36Kr
10,76 a
keine chem. Bindung; Haut, Ganzkörper
28,5 a
Skelett; Knochen
16 Mio a
Schilddrüse
Strontium
38Sr
90
53I
129
Jod
53I
131
8d
Schilddrüse
Cäsium
134 55Cs
2,1 a
Muskulatur; Ganzkörper
Cäsium
137 55Cs
Jod
Neptunium Plutonium
30,1 a
Muskulatur; Ganzkörper
237
2,1 Mio a
Skelett, Leber
239
24100 a
Skelett, Lunge, hoch toxisch
93Np 94Pu
5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors Der Kernreaktor hat mehrere technische Aufgaben zu erfüllen: x Aufrechterhaltung der Spaltungskettenreaktion x Abtransport der freigesetzten Wärme x Rückhaltung der entstehenden Spaltprodukte x Gutes Regelverhalten x Sicherer stabiler Langzeitbetrieb x Beherrschung von Störfällen
5.2.1 Brennelement Um die Spaltungswärme abführen zu können, muss der Brennstoff verteilt sein, damit die Wärme auf das Strömungsfluid übertragen werden kann. Durchgesetzt haben sich stabförmige Brennstoffstäbe von ca. 10 mm Durchmesser, bei denen in einem metallischen Hüllrohr einer Wandstärke von etwa 0,7 bis 0,8 mm der Kernbrennstoff in keramischer Form als Urandioxid UO2 tablettenförmig eingesetzt ist. Die Brennstablänge beträgt bei modernen wassergekühlten Leistungsreaktoren etwa 3 bis 4 m, kann jedoch bei einzelnen Reaktortypen deutlich davon abweichen. Mehrere Stäbe sind zu quadratischen Brennelementen gebündelt. In deutschen Reaktoren sind es oft 14 x 14 Stäbe, wobei einige Positionen in der Matrix für Regelstäbe (Neutronenabsorberstäbe, z.B. gefüllt mit Cadmium, Indium, Silber), die sternförmig im Brennelement angebracht und zentral zusammengefasst sind, freigehalten werden. Die Regelstäbe laufen in Führungsrohren, die in der Brennelementstruktur eingebracht sind. Die Brennstäbe sind durch federnde Abstandshalter separiert, die den Kontakt der Brennstäbe, der die Gefahr einer lokalen Überhitzung mit sich brächte, verhindert. Je nach Reaktortyp und Hersteller sind die Brennelemente unterschiedlich.
80
5 Kernkraftwerke Bild 5.8: 14 x 14 Brennelement mit Brennstäben und Steuerstäben
Bild 5.8 ist eine Skizze eines typischen Brennelements [5.8]. Eine besondere Werkstoffherausforderung stellte bei der Reaktorentwicklung das Hüllrohrmaterial der Brennstäbe dar, da es bei relativ hoher Temperatur hoher Strahlungsbelastung durch Neutronen und anderen subatomaren Partikeln ausgesetzt ist. Nötig ist ein Material mit ausreichender Festigkeit und geringer Neutronenabsorption, das durch die Bestrahlung nicht versprödet. In Druckwasserreaktoren westlicher Bauart hat sich die Zirkonium-Basislegierung Zircaloy-4 durchgesetzt, die zu 98 % aus Zirkonium und ca. 1,5 % aus Zinn besteht, in Siedewasserreaktoren Zircaloy-2. Die Zeitstandfestigkeit von Zircaloy nimmt wie bei allen Werkstoffen mit zunehmender Temperatur ab. Bei Temperaturen zwischen 800 °C und 900 °C, die nur bei sehr schweren Störfällen auftreten können, ist Zircaloy superplastisch, was bei dem inneren Spaltgasdruck zu einer Verformung führt (Aufblähung). Bei noch höherer Temperatur setzt die Zirkon-Wasser-Reaktion ein, wobei ein explosionsfähiges Knallgas entstehen könnte: Zr + 2 H2O o ZrO2 + 2 H2
Gl. 5.31
Die Temperatur der Brennelementhülle darf also gewisse Betriebstemperaturen nicht überschreiten.
5.2.2 Leistungsverteilung Der Neutronenfluss )(z,r) ist eine räumliche Funktion des Radius und der Höhe im Reaktorkern. An den Rändern des Reaktorkerns gehen die Neutronen verloren, was den Neutronenfluss absenkt. Im Zentrum herrscht der höchste Neutronenfluss. Damit ist auch gemäß Gl. 5.17 bzw. 5.18 die Anzahl der Spaltungen und die freigesetzte Wärme im Kernzentrum am höchsten. Unter stark vereinfachenden Annahmen lässt sich für einen idealen zylindrischen Reaktor, bei dem Brennstoff und Moderator homogen verteilt sind, für den Neutronenfluss in axialer und radialer Richtung eine Kosinus- und Besselfunktion J0 mit dem Argument (2,405 r/R) ermitteln [5.2]: )(z,r) = )max J0(2,405 r/R) cos(S·z/H)
Gl. 5.32
mit: )max maximaler Neutronenfluss im Zentrum bei r = 0 und z = 0, r und z radiale und axiale Koordinaten mit Ursprung im Reaktorzentrum, R Reaktorradius, H Reaktorhöhe. Der Neutronenflussverlauf ist nach Gl. 5.17 proportional der Spalthäufigkeit in einem Brennstab, so dass sich die räumliche Verteilung der stationären Leistungsdichteverteilung L(r,z) [kW/(m3)] ermitteln lässt: L(z,r) = N Vf H )(z,r)
Gl. 5.33
5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors
81
Da zwischen den Brennstäben keine Spaltung stattfindet, ist in Wirklichkeit die Leistungsverteilung im Reaktor unstetig. Die Bilder 5.9 und 5.10 veranschaulichen die Neutronenfluss- und Temperaturverläufe in einem zylindrischen Reaktorkern und einem Brennstab. Hierbei ist angenommen, dass das Strömungsfluid durch die Wärmeaufnahme keinen Phasenwechsel erfährt. Die höchste Temperatur der Brennelementhülle liegt bei etwa 2/3 ihrer Gesamtlänge.
Bild 5.9: Neutronenfluss- und Leistungsverlauf in einem zylindrischen Reaktor r: Radius des Reaktorkerns mit Brennstäben bei R1, R2, etc. 1: Brennstabhülle, 2: Brennstoff, 3: Spalt, 4: Kühlkanal, 5: Neutronenfluss, 6: Leistungsfluss
T
z=+
r1 r2 r3
(a)
T1
T3 T2
r
Moderator
Kühlmittel
Brennstoff
T
r
(b)
dz z z=0
z= -
Ǿ 2
Brennelement
Spalt Hülle
L
Ǿ 2
z
b0 H H
qst
-2 T3ma Kühlmittel zm qsto (Z)
-1 b0
T3 T qst
Bild 5.10: Leistungs- und Temperaturverläufe in und zwischen Brennstäben T3(z) Hülltemperaturverlauf; -(z) Temperaturverlauf im Brennstab a) radialer Leistungsverlauf L(r), b) radialer Temperaturverlauf T(r), c) axiale Stableistungs- und Temperaturverläufe qSt(z), T(z) bzw. -(z)
Übliche Parameter für Brennstäbe sind neben der Leistungsdichte L die Stableistung qst (Leistung pro Stablänge) und die spezifische Leistung qspez (Leistung pro Spaltstoffmasse). Mit vereinfachter Beschränkung auf gemittelte Werte: qst = S r12 L
Gl. 5.34 2
qspez = L / (U aM) = qst /(S r1 U aStKBst) U: Brennstoffdichte (U-235 + U-238); aStKBst Anreicherung mit starkem Kernbrennstoff.
Gl. 5.35
82
5 Kernkraftwerke
Der Flussformfaktor M ist das Verhältnis von mittlerem zu maximalem Neutronenfluss )max. Mit Beziehung Gl. 5.32 ergibt sich der Flussformfaktor M zu 0,274. Die mittlere Leistungsdichte ist also nur 27,4 % der maximalen Leistung im Zentrum. Um das Reaktorvolumen besser ausnutzen zu können, sollte der Flussformfaktor erhöht werden. Der Neutronenfluss ist vielfältig beeinflussbar. Die Neutronenverluste an den Enden können durch den Einbau von Neutronenreflektoren vermindert, die Leistungsüberhöhung im Reaktorzentrum durch Absorberstäbe reduziert oder der Reaktor zonenweise mit unterschiedlicher Anreicherung bestückt werden. Es ist zu berücksichtigen, dass die Reaktivität der Brennstäbe durch zunehmenden Abbrand zurückgeht und damit die Neutronenflussverteilung beeinflusst. Dem wird durch das Brennelement-Management abgeholfen. Falls ein möglichst konstanter Neutronenfluss gewünscht wird, kommen teilweise abgebrannte Brennelemente mit geringerem Anteil an spaltbarem Material in das Reaktorzentrum, während frische oder höher angereicherte Brennstäbe zunächst im Außenbereich positioniert werden. Mit zunehmendem Abbrand sind diese näher in die Reaktormitte zu setzen. Es werden dabei gleichzeitig die am stärksten abgebrannten Elemente, also die im Zentrum, ausgetauscht. Heute wird das Konzept der Neutronenleckagen-Minimierung bevorzugt. Hierbei werden die am meisten abgebrannten Brennelemente an den Außenrand des Reaktorcores gesetzt (Brutmantel) und die frischen bevorzugt in die Mitte. So gehen nur wenige Neutronen verloren, was gerade im Außenbereich zu einer höheren Brutrate, insgesamt zu einem höherem Abbrand und damit besserer Brennstoffausnutzung führt [5.9]. Andererseits ergibt sich zwangsläufig eine ungleiche Neutronenfluss- und Wärmeverteilung im Reaktor. Die Stäbe in der Mitte sind dadurch einem schnellerem Abbrand und höheren Temperaturbelastungen, jedoch immer noch im Rahmen der zulässigen Belastungen, ausgesetzt. Das Brennelementmanagement erfordert optimierte Umsetzzyklen, da mehrere wirtschaftliche, sich teilweise technisch widersprechende Ziele angestrebt werden: x Umsetzung sowie Be- und Entladung der Brennelemente soll möglichst selten erfolgen, da hierzu der Reaktor abgeschaltet und abgekühlt werden muss. x Die Brutrate und der mittlere Abbrand der Brennelemente sollen hoch sein, um den aus materialtechnischen Gründen erlaubten maximalen Abbrand möglichst überall zu erreichen, jedoch nirgends zu überschreiten. Um einen maximalen Abbrand aller Brennelemente zu erreichen, müsste oft umgesetzt werden. Dies widerspricht jedoch der ersten Anforderung, den Reaktor selten abzuschalten. So ist also das wirtschaftliche Optimum unter den technischen Einschränkungen zu finden.
5.2.3 Reaktorbehälter Der zylindrische Reaktorkern ist aus einer Vielzahl von parallel angeordneten Brennelementen aufgebaut. Das kalte Wärmeträgermedium wird durch Strömungsführungen zunächst von den Eintrittsstutzen radial verteilt und strömt an der Innenwandung des Reaktorbehälters nach unten, wo es umgelenkt wird. Alsdann strömt es längs zwischen den Brennstäben nach oben und erwärmt sich. Aus Sicherheitsgründen sind an den Reaktor mehrere Wasserkreisläufe angeschlossen. Das austretende erwärmte Wärmeträgerfluid gibt seinen Energieinhalt an den angeschlossen Dampfkraftwerksprozess ab.
5.2 Prinzipieller Aufbau des Reaktors
83
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Reaktordruckbehälter Dampferzeuger Pumpe Primärkreis Primärabschirmung Überströmplatten Sicherheits-Containment Betonhülle Nachkühler mit Pumpe Druckspeicher Sicherheits-Einspeisung Borwasser-Flutsystem Lokale Absaugungen Containment-Sumpf Nachkühl-Leitung Steuer-/Regelstäbe
Bild 5.11: Längsschnitt durch ein Containment eines Druckwasserreaktors [5.16]
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Reaktordruckbehälter Sicherheitscontainment Containment- Sprühsystem Reaktor-Sprühsystem Kondensationskammer-Kühlsystem Hauptkühlleitung Einspeise- & Nachkühlsystem Dampfleitung zur Notturbine Frischdampfleitung Kondensationskammer-Sprühsystem Kondensatrohre; Durchflussbegrenzer; Durchdringungsventile; Sumpf-Rückfördersystem; Regel-/Abschaltstäbe; Ringspaltabsaugung
Bild 5.12: Längsschnitt durch ein Containment eines Siedewasserreaktors [5.16]
Die Reaktorwandung besteht aus einem geschmiedeten ferritischen Behälter, an den die Rohrleitungsstutzen angeschweißt sind. Innen ist die Chrom-Nickel-Stahlplattierung von ca. 6-8 mm, um die dem Druck des Wärmeträgerfluids ausgesetzte Behälterstruktur vor Korrosion und Strahlung zu schützen. Das Reaktoroberteil ist deckelförmig angeflanscht. Zum Brennelementwechsel muss der Deckel abgenommen werden. Der Reaktorbehälter hat verschiedene Einbauten, die zur Aufnahme der Brennelemente und der Strömungsführung, der Steuerstäbe, sicherheitstechnischer Einrichtungen, Prüfvorrichtungen und je nach Typ anderer Elemente wie Dampftrockner dienen. Diese Einbauten können wieder aus Zirkoniumlegierungen oder, wenn die höhere Neutronenabsorption hingenommen werden kann, aus Edelstählen sein. Der Steuerstabantrieb geschieht von außen, so dass diese durch den Reaktorbehälter oder Behälterdeckel geführt werden müssen.
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5.3 Sicherheitsphilosophie Sicherheitsvorkehrungen gegen Personenschäden und gegen materielle Schäden sind bei allen technischen Anlagen zu treffen. Bei Kernkraftwerken sind wegen des potentiell hohen Gefahrenrisikos mit ihren weitreichenden räumlichen und zeitlichen Auswirkungen generell höhere Anforderungen an die Beherrschung von Störfällen gestellt. Als Störfall wird ein bei der Auslegung berücksichtigter und im Ereignisfall beherrschter technischer Fehler bezeichnet. Sicherheitsaspekte bei der Standortwahl sind international: x Die geologische Untergrundformation muss langfristig standsicher und nicht erdbebengefährdet sein. Das in näherer Umgebung in historischer Zeit bekannte Erdbeben ist als Auslegungserdbeben zugrunde gelegt. Alle Einrichtungen, die zur Abschaltung der Anlage, zur Abfuhr der Nachwärme dienen und das unkontrollierte Entweichen radioaktiver Stoffe verhindern, werden für ein Erdbeben ausgelegt, das eine Stufe über dem lokalen Auslegungserdbeben liegt. Bei Standorten, an denen bisher kein Erdbeben beobachtet wurde, muss eine Mindest-Erdbebenanforderung erfüllt sein. In Deutschland sind je nach Standort Bodenbeschleunigungen zwischen 50 und 300 cm/s2 zu berücksichtigen [5.10]. x Sicherheitsnachweise gegen andere Naturereignisse wie Hochwasser und Sturmflut sind zu erbringen. x Standort mit einer niederen Bevölkerungsdichte wird bevorzugt. In manchen Ländern gibt es Vorschriften über zulässige Bevölkerungsdichten. x Neuere deutsche Kernkraftanlagen sind gegen Flugzeugabstürze und gegen äußere Explosionen nach konservativen Stoßlast-Zeitdiagrammen, Bild 5.13, ausgelegt. Der hohe Sicherheitsstandard nach aktuellem Stand der Technik zwingt auch zur sicherheitstechnischen Nachrüstung älterer Anlagen. Die regelmäßige Schulung des in Kernkraftwerken eingesetzten Personals ist selbstverständlich. Der technische Zustand der Anlagen wird durch Kontrolluntersuchungen und wiederkehrende Prüfungen von Behörden und Überwachungsorganisationen überwacht. Hierbei kommen bevorzugt zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen des Reaktorbehälters, der Wärmeübertrager und Rohrleitungen, aber auch zerstörende Prüfungen von Testproben, die im Reaktorbehälter repräsentativen Neutronenflüssen ausgesetzt sind. Gp
a) Stoßlastverlauf Flugzeugabsturz b) Überdruckverlauf bei Explosion Bild 5.13: Vorgegebene, beherrschbare Last-Zeitdiagramme [5.10]
Eine kerntechnische Anlage muss jederzeit abschaltbar sein und die unvermeidliche Nachwärme ist an die Umgebung abzuführen. Um die negativen Auswirkungen eines nicht vollständig auszuschließendes technisches Versagens zu minimieren, haben sich für Kernkraftwerke Sicherheitsstrategien etabliert, die unter den Stichworten Mehrstufenprinzip, Redundanz, Diversität und Fail-Safe zusammenfassbar sind.
5.3 Sicherheitsphilosophie
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Gegenüber einem gefährlichen Unfall sind mehrere Sicherheitsbarrieren vorzusehen, „Mehrstufenprinzip“ genannt: x Die Komponenten des Kernkraftwerkes sind sorgfältig auszulegen und zu fertigen. x Die Komponenten des Kernkraftwerkes sind laufend oder periodisch zu warten und zu überwachen. x Als schadhaft erkannte Komponenten sind zu reparieren oder zu ersetzen. x Trotzdem wird ein Versagen von Komponenten angenommen. Die installierten Sicherheitseinrichtungen sollen dann gewährleisten, dass der Reaktorkern zuverlässig abgeschaltet und die Nachwärme sicher abgeführt wird. Selbst das Versagen von Sicherheitseinrichtungen wird unterstellt – auch für diesen entsprechend unwahrscheinlichen Fall muss Abschaltung und Nachwärmeabfuhr nachgewiesen sein. Generell verlässt man sich weder auf einzelne Komponenten noch auf einzelne Sicherheitseinrichtungen. Deshalb sind die Sicherheitseinrichtungen und die entsprechenden Mess- bzw. Regelsensoren nach dem „Redundanz-Prinzip“ mehrfach installiert. Redundante Einheiten werden je nach gewünschter Funktion hintereinander oder parallel geschaltet. Ist das Schließen einer Leitung die sicherheitsrelevante Funktion, so sind die hierfür mehrfach vorhandenen Ventile hintereinander zu schalten. Ist das Öffnen entscheidend, z.B. für die Notkühlung, so sind die Ventile parallel anzuordnen. Der Fall, dass die Sicherheitsbarrieren versagen, wird mit höherer Redundanz immer unwahrscheinlicher. Allerdings steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Sicherheitseinrichtung oder ein Sensor anspricht, wenn es nicht sein soll. Dies erschwert den Betrieb, da die Zuverlässigkeit der Anlage sinkt. Ein Kompromiss ist das „2-von-3-System“, das insbesondere für die sicherheitsrelevanten Messfühler und deren Signalverarbeitung zur automatischen Auslösung einer Funktion (z.B. Ventilöffnung) gerne angewandt wird. Ein Messfühlersignal wird nur berücksichtigt, wenn mindestens zwei aus den dreien das Gleiche anzeigen. So wirkt sich ein fehlerhafter Messsensor nicht negativ auf den Betrieb aus. Zusätzlich werden die einzelnen Sensoren und die Datenverarbeitung so geschaltet, dass ihr Versagen zu der Anzeige einer gefährlichen Situation führt („Fail-Safe“-Prinzip). Somit wirken die beiden verbleibenden Stränge echt redundant, d.h. bei Anzeige eines weiteren gefährlichen Wertes wird die Sicherheitsmaßnahme aktiviert. Da prinzipiell systematische Fehler in den redundanten Strängen denkbar sind, also dass Sicherheitseinheiten durch eine gleiche Störung außer Funktion gesetzt werden, wird die Redundanz durch das Prinzip der „Diversität“ ergänzt. Hierzu werden für die gleiche Sicherheits-, Mess- oder Datenverarbeitungsfunktion im redundanten Strang mehrere nach verschiedenen Prinzipien arbeitende Geräte eingesetzt. So kommen zum redundanten Pumpenantrieb Elektro-, Dieselmotor und Turbine in Frage. Zur Reaktorabschaltung wird beispielsweise neben den Absorberstäben diversitär die Boreinspritzung in das Kühlmittel angewandt. Mit Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie kann das Störfallrisiko quantitativ abgeschätzt werden. Mit der Ereignisbaum- und Fehlerbaum-Methode wird die Wahrscheinlichkeit eines technischen Versagens ermittelt. Die „Ereignisbaum“-Methode beginnt mit einem auslösenden Ereignis, das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit stattfinden kann, und verfolgt die dadurch denkbaren Folgen mit ihren einzelnen oder möglicherweise gleichzeitig stattfindenden, sich multiplizierenden Wahrscheinlichkeiten wie Ausfall der Pumpen, Ausfall des Notkühlsystems usw. So ist im Prinzip die kumulierte Wahrscheinlichkeit für eine Versagenskette unter Einschluss des Versagens von Sicherheitseinrichtungen mit ihren Folgen bis hin zu einer Reaktorschmelze berechenbar. Die „Fehlerbaum“-Methode geht bei der Analyse umgekehrt vor, in-
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dem die verschiedenen technischen Ursachen verfolgt werden, die zuerst geschehen müssen, um einen bestimmten Störfall herbeizuführen. Mit beiden Methoden lassen sich die Sicherheitseinrichtungen optimieren. In [5.11] ist eine detaillierte Wahrscheinlichkeitsuntersuchung zur Sicherheit amerikanischer Leichtwasserreaktoren (nach heutigen Sicherheitsstandards veraltet) unter Benutzung beider Methoden durchgeführt worden. In [5.12] sind die neuesten Sicherheitsphilosophien des geplanten europäischen Reaktors dargestellt.
5.4 Reaktortypen 5.4.1 Übersicht der Reaktortypen x Leichtwasser-Reaktoren, thermische Reaktoren: Normales flüssiges Wasser dient sowohl als Moderator und Kühlfluid. Hierzu zählen Siede- und Druckwasser-Reaktoren. x Schwerwasser-Reaktoren, thermische Reaktoren: Als Moderator kommt schweres Wasser mit Deuterium D = 1H2 (D2O) zum Einsatz, wobei ein anderes Medium als Kühlfluid gewählt wird. Dieses Prinzip ist im CANDU-Reaktor verwirklicht. x Graphitmoderierte Reaktoren, thermische Reaktoren: Bei diesen Reaktoren ist Graphit der Moderator und das Kühlfluid kann Wasser oder Gas sein. Zu diesen Typen zählt der als Tschernobyl-Reaktor bekannt gewordene RBMK 1000. x Brutreaktoren, schnelle Brüter: Diese Reaktoren haben eine Konversionsrate größer 1, d.h. es werden mehr starke Kernbrennstoffe erzeugt als verbraucht. Auf eine Moderation der Neutronen ist weitgehend verzichtet. Kühlfluide sind je nach Reaktorkonzept flüssiges Natrium oder Helium. Deutsche Vertreter sind der schnelle Brüter SNR 300 oder THTR 300. Die wichtigsten Reaktortypen werden nachfolgend kurz gefasst vorgestellt, wobei die bedeutenden Siede- und Druckwasser-Kernkraftwerke detaillierter beschrieben sind. Die Investitionen für den Bau von Kernkraftwerken bzw. der Kapitaldienst sind hoch. Heftig umstritten sind in verschiedenen Ländern die Brennstoffkosten, da über die wirklichen Langzeit-Kosten der Entsorgung oder Wiederaufbereitung je nach Kostenabgrenzung kein Konsenz besteht. Prinzipiell kann nur ein langer, ununterbrochener Betrieb zur Grundlastabdeckung die Wirtschaftlichkeit gewährleisten.
5.4.2 Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor Siedewasserreaktoren SWR (Boiling Water Reactor BWR) haben weite Verbreitung gefunden. Es sind Leichtwasser-Reaktoren, d.h. thermische Reaktoren mit Wasser als Moderator- und Wärmeträgerfluid. Zur Umwandlung der im Reaktor freigesetzten Wärme dient ein ClausiusRankine-Dampfprozess. Der Reaktor hat die Funktion des Dampferzeugers. Bilder 5.12 und 5.14 zeigen das Wärmeschaltbild und den Anlagenaufbau. Im Gegensatz zu den mit fossilen Energieträgern befeuerten Dampfkraftwerken wird ein Sattdampfprozess bei relativ geringem Frischdampfdruck von etwa 50 bis 70 bar und zugehörigen Sättigungstemperaturen unter 300 °C gefahren. Somit werden die Zircaloy-Brennstabhüllrohre aus Sicherheitsgründen nur mäßigen Temperaturen ausgesetzt. Wie im Kapitel 4 ausgeführt, ist der Wärmeübergang der Zweiphasenströmung geringen Dampfgehalts praktisch gleich hoch wie bei der Einphasenströmung mit flüssigem Wasser. Die Gefahr einer unkontrollierten lokalen Überhitzung der
5.4 Reaktortypen
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Hüllrohre ist gering, solange es nicht durch eine zu hohe Wärmestromdichte zur Siedekrise kommt. Deshalb wird bei Siedewasserreaktoren auf eine Überhitzung verzichtet und der Dampfgehalt im Kühlmedium klein gehalten, d.h. es werden hohe Umlaufzahlen in diesem Zwangumlauf-Dampferzeugersystem gefahren. Ein geringer Dampfgehalt ist auch aus neutronenphysikalischen Gründen angebracht, um eine ausreichende, gleichmäßige Moderation zu gewährleisten. Der entstehende Sattdampf wird über reaktorinterne Tropfenabscheider, die oberhalb den Brennstäben angebracht sind, der Turbine zugeführt. Thermodynamisch ist eine hohe Temperatur erwünscht, was bei gesättigtem Dampf entsprechend höheren Druck bedingt. Die Grenze wäre der thermodynamisch kritische Punkt von Wasser bei T = 374 °C und p = 221 bar. Derart hohe Frischdampftemperaturen ergeben jedoch in den Turbinen zu große Dampfnässen, die spezifische Arbeit als Kreisintegral der im T,s-Zustandsdiagramm umschlossenen Fläche ist klein und der Prozesswirkungsgrad zu gering. Frischdampftemperaturen um 300 °C haben sich bewährt.
Bild 5.14: Vereinfachter Wärmeschaltplan eines Siedewasserreaktors
Trotz regenerativen Speisewasser-Vorwärmstufen, Stufenentwässerung und leichter Zwischenüberhitzung sind so nur Gesamtwirkungsgrade von 35 % zu erreichen. Bei der Entspannung des Sattdampfes treten in den Turbinen hohe Dampfnässen auf. Bild 5.15 [5.17] veranschaulicht eine typische Turbinenentspannung im h,s-Zustandsdiagramm. Turbineninterne mechanische Entwässerungen halten den Entspannungsverlauf knapp über dem Dampfgehalt von 90 %, was im Dauerbetrieb für Turbinen tolerabel ist. Bei geringem Druck um 6 bar wird der Dampf der Turbine entnommen und mittels Frischdampf (siehe Bild 5.14) leicht auf etwa 200 °C überhitzt, um abschließend in den Niederdruckturbinen auf Kondensatorzustand entspannt zu werden. Für die großen Leistungseinheiten um 1000 MWel sind bei den geringen Frischdampfdrücken und -temperaturen mit ihren geringen Enthalpiedifferenzen entsprechend große Massen- und Volumenströme durch die Turbinen nötig. Der Turbosatz besteht deshalb aus mehreren mehrflutigen Turbinen. Tabelle 5.4 listet die Daten des Siedewasser-Kernkraftwerks Philippsburg I (KKP I) auf. Es zählt mit über 90 % Verfügbarkeit weltweit mit zu den zuverlässigsten Kernkraftwerken. Der Reaktor gibt in seinem Auslegungspunkt eine Wärmeleistung von 2575 MWth ab, die elektrische Bruttoleistung des Generators ist 900 MWel. Brennstoff ist gesintertes UranPlutonium Mischoxid (UO2, PuO2). Der Frischdampfmassenstrom in die Hochdruckturbine beträgt etwa 1270 kg/s. Der doppelflutigen Hochdruckturbine sind zwei parallele, doppelflutige Niederdruckturbinen nachgeschaltet. Der Turbosatz ist mit der Drehzahl von 1500 1/min
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nur für die halbe Netzfrequenz ausgelegt, was festigkeitstechnisch für die 1365 mm langen Turbinenendschaufeln von Vorteil ist. Der Drehstrom-Generator ist entsprechend vierpolig, um die Netzfrequenz von 50 Hz zu liefern. Turbinen neuerer Kernkraftwerke sind meist mit 3000 1/min volltourig ausgelegt. h [kJ/kg] Spez. Enthalpie
5,5 bar 250°C
50 bar
200°C 1 bar
100°C Sättigung x=95 % x=90 %
Spez. Entropie s Bild 5.15: Verlauf der Dampfentspannung in einer Sattdampfturbine von Siedewasserreaktoren
Wesentliche Sicherheitseinrichtung ist das Druckabbausystem, das bei dem als der größte anzunehmende Unfall (GAU) der anzunehmenden Druckerhöhung im Containment durch die Kühlwasserverdampfung entgegenwirkt, so dass keine unzulässig hohe Radioaktivität nach außen dringt. Nachteilig ist, dass selbst die Turbinenhalle zum radioaktiven Sicherheitsbereich gehört und somit ein entsprechender Überwachungs- und Sicherheitsaufwand anfällt. Der Siedewasserreaktor, zunächst die dominierende Reaktorlinie, wurde durch den Druckwasserreaktor abgelöst. Sämtliche Sicherheitseinrichtungen sind redundant und divers ausgeführt. Bild 5.12 zeigt den Schnitt durch das Gebäude des KKP I mit seinen verschiedenen Sicherheitseinrichtungen: x x x x x x x x x x x x x x
Fail-safe-Abschaltstäbe und zusätzliche diverse Abschaltmechanismen Inhärente Sicherheit Redundante Speisewasserpumpen Bypass- und Abblaseventile Doppelschaliger Sicherheitsbehälter (Containment) Druckabbausystem Notkühlsystem aus Reaktorflutsystem und Gebäudesprühanlage Durchflussbegrenzer Aufrechterhaltung eines Unterdrucks gegen Leckagen Absolutfilter Spaltgas-Verzögerungsstrecke Dichtes Turbinenhaus Regelmäßige Überwachung Katastrophenschutzmaßnahmen für Bevölkerung
5.4 Reaktortypen
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Tabelle 5.4: Siedewasser-Kernkraftwerk Philippsburg I (KKP I), Daten des Reaktordruckbehälters mit Kernaufbau und Dampfprozess [5.16] Thermische Leistung des Reaktors
2575 MW
Druck des Kühlmediums am Druckbehälteraustritt
69 bar
Eintrittstemperatur des Kühlwassers in Reaktorbehälter
215 °C
Austrittstemperatur des Dampf-Wassergemisches aus Reaktorbehälter
287 °C
Feuchte des aus Reaktorbehälter tretenden Dampf-Wassergemisches Massenstrom des Kühlwassers durch Reaktor (U = 7,5)
0,25 % 10361 kg/s
Austretender Massenstrom
1390 kg/s
Innendurchmesser des Reaktorzylinders
5850 mm
Wanddicke des Reaktorzylinders
146 mm
Gesamthöhe des Druckbehälters
21000 mm
Werkstoff des Druckbehälters Aktive Kernhöhe Anzahl der Brennelemente Brennelementgeometrie Brennstäbe pro Brennelement Anzahl der Steuerstäbe Gesamtlänge der Brennelemente Brennstabaußendurchmesser
20NiMoCr37 3660 mm 592 9 x 9 und 10 x 10 63 145 4470 mm 11,0 bzw. 9,6 mm
Werkstoff der Brennstabhülle
Zircaloy-2
Gewicht des Urans (starker und schwacher Kernbrennstoff)
108000 kg
Mittlere volumenspezifische Brennstoff-Leistung Mittlere massenspezifische Brennstoff-Leistung Mittlere Heizflächenbelastung der Brennstäbe Mittlerer Abbrand Innendurchmesser des Sicherheitsbehälters Wandstärke des Sicherheitsbehälters
51,1 MW/m3 25,5 kW/kg Uran 40,9 bzw. 47,7 W/cm2 50 MWd/kg Uran 27000 mm 16 bis 30 mm
Auslegungsdruck des Sicherheitsbehälters
3,8 bar
Elektrische Bruttoleistung des Turbosatzes
926 MW
Elektrischer Eigenbedarf im Frischwasser-Kühlbetrieb
36 MW
Elektrische Nettoleistung im Frischwasser-Kühlbetrieb
890 MW
Die Abschaltstäbe werden von unten hydraulisch in den Kern gefahren, mit redundanten und diversitären Antrieben, gespeist aus mehreren Druckbehältern. Zur sicheren Wärmeabfuhr im Falle des Ausfalls der Kühlsenke sind Turbinenbypassventil und Abblaseventile vorhanden, die den Druckaufbau im Kühlkreislauf verhindern und als Wärmesenke dienen. Bei schweren Störfällen sorgt die inhärente Sicherheit des Kühl- und Moderatorwassers durch negativen Temperaturkoeffizienten und im schlimmsten Fall durch das Verdampfen schnell zu einer unterkritischen Reaktivität und einem Abfall der Reaktorleistung. Bei dem GAU, dem Bruch einer Kühlmittelleitung, schließen Schnellschlussventile die Zuleitungen und Venturidüsen
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reduzieren die Ausströmgeschwindigkeit über die Schallgeschwindigkeit in deren engstem Querschnitt. Hintereinander geschaltete Schnellschlussventile verhindern bei einem Leitungsbruch auch außerhalb des Sicherheitsbehälters den Austritt radioaktiver Spaltprodukte in die Umgebung. Der Sicherheitsbehälter umschließt den Reaktordruckbehälter mit seinen Umwälzpumpen, nicht jedoch die Turbinen. Der bei einem Bruch der Kühlmittelleitung innerhalb des Sicherheitsbehälters austretende Dampf und die Dampfströme der Druckentlastungs- und Bypassventile werden in das torusförmige Wasserbecken geleitet und kondensieren dort. Zusätzlich gibt es ein Gebäudesprühsystem. Durch dieses Druckabbausystem hat das Containment nur einen relativ geringen Druck auszuhalten und braucht nicht so groß wie bei einem Druckwasserreaktor zu sein. Frühere Siedewasserreaktoranlagen hatten kugelförmige Containments, während sich später zylindrische Sicherheitsbehälter aus armiertem Beton als günstiger erwiesen, vor allem weil damit die sicherheitstechnisch wichtige Kondensationskammer stabil im tiefsten Gebäudepunkt eingebaut werden kann. Der Reaktorkern ist mit einer Notkühlung durch Reaktorflut- und Sprühsysteme mittels boriertem Wasser ausgestattet. Die Flutung des Reaktors und des Containments bewirkt auch die Bindung des bei einer Schädigung des Cores freigesetzten radioaktiven Jods im Wasser. Das Druckabbausystem, einschließlich der Notkühl- und Gebäudesprühsysteme, ist nicht auf das Stromnetz angewiesen. Der den Reaktor umschließende Sicherheitsbehälter ist von einer zweiten Hülle umgeben. Der Raum zwischen den beiden Schalen wird unter Atmosphärendruck p < patm gehalten. Die Gebläse dieses Raumes fördern diese Abluft in den inneren Sicherheitsbehälter, so dass keine radioaktiven Substanzen nach außen dringen. Im Turbinenhaus, das gegen die Außenatmosphäre dicht abgeschlossen ist, wird ein Unterdruck aufrechterhalten. Die Vakuumpumpe am Kondensator, die im Normalbetrieb zur Entgasung des Speisewassers benötigt wird, kann bei einem schweren Störfall freigesetzte radioaktive Partikel und Spaltgase fördern. Absolutfilter für Partikel und eine Verzögerungsanlage, in der die Spaltedelgase mehrere Tage abklingen können, minimieren eine Freisetzung in die Atmosphäre. Erst nach einer Luftverdünnung tritt das aus dem Kondensator geförderte Volumen über den Kamin in entsprechender Höhe in die Atmosphäre, was ein Überschreiten der für die allgemeine Bevölkerung zulässigen radioaktiven Dosisleistung verhindert. Nach 1980 gebaute Anlagen haben in Deutschland eine armierte Betonhülle, die den Reaktor gegen Einwirkungen von außen, wie Flugzugabstürze oder Explosionen in der näheren Umgebung, schützen. Von den zuständigen Behörden sind Katastrophenschutzpläne zum Schutz der Bevölkerung ausgearbeitet worden, die sich allerdings nicht allein auf denkbare extreme Unfälle durch Kernkraftwerke beschränken. Diese Pläne sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich, um beabsichtigt herbeigeführte Störungen oder Auslösung zu verhindern. Deutsche Studien einer neuen Generation von Siedewasserreaktoren der Leistung von 1000 MWel [5.12] berücksichtigen bisherige Erfahrungen und schlagen verbesserte Sicherheitskonzepte mit noch mehr Fail-safe-Vorrichtungen vor. Die weitergehende hypothetische Schadenspropagationen bis hin zu einer Kernschmelze wird sicherheitstechnisch beherrscht. Dem durch die Katastrophe von Tschernobyl bekannt gewordenen Siedewasserreaktor RBMK 1000 liegt ein anderer Aufbau zugrunde, bei dem die Moderation durch Graphit geschieht. Die Brennelemente sind in individuellen Bohrungen (Druckröhren) eines großen Graphitblocks eingelassen. Falls der Reaktor überkritisch wird, kann es bei Versagen der Regeleinrichtungen zu einer Leistungsexkursion kommen, die im Gegensatz zu Reaktoren westlicher Bauart nicht durch die Selbstregelung über das Verdampfen des Moderators zu einem unterkritischen Zustand und dann zum Abstellen führt. Wenn durch eine Leistungsexkursion das Kühlmedium im RBMK verdampft, wird die Neutronenmoderation und damit die Kernspaltung weiter auf-
5.4 Reaktortypen
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rechterhalten, da der feste Graphitmoderator weiterhin seine Funktion erfüllt. Dies führte letztlich zur bekannten Tschernobyler Katastrophe, bei der es zur Dampfexplosion und Graphitbrand unter Freisetzung des radioaktiven Materials gekommen ist. Allerdings wurden die automatischen Regel- und Sicherheitseinrichtungen, insbesondere das Notkühlsystem, unter Missachtung sämtlicher Vorschriften vom Bedienpersonal manuell bewusst außer Kraft gesetzt, um eine Versuchsreihe zu fahren.
5.4.3 Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor Druckwasserreaktor-Kraftwerke DWR (Pressurized Water Reactor PWR) als weitere Vertreter von Leichtwasser-Reaktoren, d.h. thermische Reaktoren, haben zwei getrennte Wasserkreisläufe (Bild 5.16). Der Primärkreislauf kühlt den Reaktorkern und gibt seine Wärme über Wärmeübertrager (Dampferzeuger) an den Sekundärkreis (Dampfkraftwerkspozess) ab. Aus den gleichen, im Vorkapitel beschriebenen Gründen, wird im Sekundärkreis ein Sattdampfprozess mit etwa 50 bar und 270 °C gefahren. Der Primärkreis mit etwa 150 bar verhindert im Reaktor das Sieden, so dass die Gefahr von Siedekrisen minimiert ist und die Moderation gleichmäßig ist. Druckwasserreaktoren haben üblicherweise drei bis vier getrennte Primärkreisläufe und damit auch drei bis vier separate Dampferzeuger. Die Frischdampfleitungen der Dampferzeuger speisen einen einzigen Turbosatz. Das den Reaktor umgebende Sicherheitscontainment ist so ausgelegt, dass es bei dem größten anzunehmendem Unfall das gesamte verdampfende Wasser des Primärkreises aufnimmt und zudem den Reaktor gegen äußere Einwirkungen – Erdbeben, Explosion, Flugzeugabsturz – schützt (Bild 5.11).
Bild 5.16: Vereinfachter Wärmeschaltplan eines Druckwasserreaktors
Da es eine Vielzahl verschiedener Hersteller und Baulinien von Druckwasserreaktoren gibt, wird exemplarisch der Aufbau des in Deutschland zuletzt gebauten Kernkraftwerks GKN II (Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar, zweiter Reaktor an diesem Standort) vorgestellt. Januar 1984 war der Baubeginn, schon im April 1989 wurde der kommerzielle Betrieb aufgenommen. Die Zuverlässigkeit dieses Kernkraftwerksblockes nimmt weltweit einen Spitzenplatz mit einer Verfügbarkeit von deutlich über 95 % ein [5.20]. Tabellen 5.5 und 5.6 listen die Hauptdaten des GKN II. Die elektrische Bruttoleistung im Auslegungspunkt ist 1365 MW. Der Primärkühlkreis besteht aus vier separaten Kreisläufen, die jeweils einen Dampferzeuger speisen. Der Reaktor, der Primärkreislauf und die vier Dampferzeuger sind im kugelförmigen Sicherheitscontainment untergebracht. Die derzeit genehmigte Anreicherung mit starkem Kernbrennstoff ist 4,5 %. 193 Brennelemente mit insgesamt 57.900
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Brennstäben und 4.632 Führungsrohren für Steuerstäbe (Absorberstäbe), Messsonden oder für andere Zwecke sind installiert. Tabelle 5.5: Druckwasserreaktor Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar II, GKN II; Primärkreislaufdaten und Reaktordruckbehälter mit Kernaufbau [5.20] Thermische Leistung des Reaktors Anzahl der Kühlkreisläufe Primärdruck Eintrittstemperatur des Kühlwassers in Reaktorbehälter Austrittstemperatur des Kühlwassers aus Reaktorbehälter Massenstrom des Kühlwassers Innendurchmesser des Zylinders Wanddicke des Zylinders Dicke der inneren Edelstahl-Plattierung Höhe des Behälterunterteils (ohne Deckel) Zahl der Deckelschrauben Werkstoff des Druckbehälters Anzahl der Brennelemente mit 14 x 14 Matrix Anzahl der Steuerelemente Aktive Länge der Brennelemente Brennstabaußendurchmesser Werkstoff der Brennstabhülle Gesamtgewicht eines Brennelements Gewicht des Brennstoffs (starker und schwacher Kernbrennstoff) Mittlere Stableistung Mittlere volumenspezifische Leistung
3850 MW 4 158 bar 291 °C 326 °C 17.672 kg/s 5.000 mm 250 mm 6 mm 9750 mm 52 20MnMoNi55 193 61 3900 mm 9,5 mm Zircaloy-4 826 kg 103.000 kg 16,7 W/mm 93 MW/m3
Tabelle 5.6: GKN II; Sekundärkreislauf und Dampferzeuger [5.20] Elektrische Bruttoleistung des Turbosatzes Elektrischer Eigenbedarf für Kühltürme, Pumpen usw. Elektrische Nettoleistung Anzahl der Dampferzeuger Wärmeleistung pro Dampferzeuger (die gesamte Leistung der Dampferzeuger ist größer als die Leistung des Reaktors) Heizfläche pro Dampferzeuger Anzahl der Heizrohre Werkstoff der Heizrohre Höhe der Dampferzeuger Durchmesser des Rohrbodens Frischdampfdruck am Austritt der Dampferzeuger Frischdampftemperatur am Austritt der Dampferzeuger Speisewassertemperatur am Eintritt der Dampferzeuger Massenstrom des Arbeitsfluids
1.365 MW 96 MW 1.269 MW 4 967 MW 5.400 m2 4.118 INCOLOY 800 21.500 mm 3.667 mm 63,5 bar 279 °C 218 °C 2.126 kg/s
5.4 Reaktortypen
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Der Sekundärkreis ist wieder ein Sattdampfprozess mit ähnlichen thermodynamischen Daten wie beim Siedewasserreaktor erläutert. Der Turbosatz besteht aus einer doppelflutigen Hochdruckturbine und zwei nachgeschalteten parallelen doppelflutigen Niederdruckturbinen. Sämtliche Sicherheitseinrichtungen sind redundant und divers ausgeführt. Bild 5.11 zeigt den Schnitt durch ein Druckwasserreaktor-Containment mit seinen verschiedenen Sicherheitseinrichtungen, wie sie beim GKN II realisiert sind: x x x x x x x x x x x x
Fail-safe-Abschaltstäbe und zusätzliche diverse Abschaltmechanismen Inhärente Sicherheit Redundante Speisewasserpumpen Bypass- und Abblaseventile im Sekundärkreis Druckfester Sicherheitsbehälter aus Stahl Trümmerschutz des gesamten Primärkreislaufs Notkühlsystem Gebäudesprühanlage Aufrechterhaltung eines Unterdrucks gegen Leckagen Filtersystem Regelmäßige Überwachung Betonschale gegen äußere Einwirkungen (Flugzeugabstürze)
Die Abschaltstäbe sind im Normalbetrieb aus dem Kern herausgezogen und dort durch Elektromagnete gehalten. Beim Abschalten der Magnete fallen die Stäbe nach dem Fail-safePrinzip bei einem Stromausfall in den Kern. Zusätzlich ist die Boreinspeisung in das Kühlmedium vorgesehen. Zur sicheren Wärmeabfuhr im Falle einer unerwünschten Leistungserhöhung des Reaktors oder des Ausfalls der Kühlsenke sind redundante Speisewasserpumpen in jedem Sekundärkreis, das Turbinenbypassventil und Abblaseventile vorhanden, die als Wärmesenke dienen und einen Druckaufbau verhindern. Die inhärente Sicherheit ist durch den negativen Reaktivitätskoeffizienten des Kühlmediums und die zurückgehende Moderation, was den Reaktor unterkritisch werden lässt, wenn das Kühlfluid verdampfen würde, gegeben. Wichtigstes Sicherheitselement bei westlichen DWR ist das druckfeste Containment aus Stahl, das die Freisetzung von radioaktivem Material verhindert und somit eine Vielzahl von unterschiedlichsten Störfällen bis hin zu schweren Kühlmittelverlusten absichert. Der Sicherheitsbehälter nimmt im Falle des GAU den gesamten Inhalt des Primärkreises und den eines Dampferzeugers des Sekundärkreises auf. Der Reaktor mit Primärkreis und Dampferzeuger ist mit einem Betonmantel als Trümmerschutz umgeben. Selbst Kabel- und Leitungsdurchdringungen, die durch Kammern mit einem separaten Absaugsystem geführt sind, werden kontinuierlich auf Dichtheit kontrolliert. Die Lüftungskanäle werden bei Aktivitäts- oder größerer Kühlmittelfreisetzung automatisch durch redundante Ventile geschlossen. Im Normalbetrieb herrscht im Containment ein leichter Unterdruck. Innerhalb des Containments ist das Notkühlsystem und das Gebäudesprühsystem untergebracht, bei deutschen Druckwasserreaktoren je vier redundante und diversitäre Systeme. Im Falle eines Kühlmittelverluststörfalls, der den GAU einschließt, aktiviert sich zuerst das Notkühlsystem, das sowohl mittels redundanten Pumpen als auch den unter Druck stehenden Speichern mit boriertem Wasser den Reaktorbehälter durch redundante Einspeisestellen kühlt, was bald den drucklosen Zustand im Reaktor einstellt. Das Gebäudesprühsystem senkt den durch die Dampffreisetzung aufgebauten Druck im Sicherheitscontainment ab. Gleichzeitig wird ein Großteil des bei einer Schädigung des Cores
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freigesetzten radioaktiven Jods vom Wasser aufgenommen. Die Notkühl- und Gebäudesprühsysteme sind nicht auf das Stromnetz angewiesen. Der Sicherheitsbehälter ist nochmals von einer bewehrten Betonschale umgeben, die als Strahlenabschirmung bei innerer Radioaktivitätsfreisetzung und gegen Einwirkungen von außen (Flugzeugabstürze, Explosionen) dient. Zwischen Stahlcontainment und äußerer Betonschale liegt ein durch Schleusen zugänglicher, begehbarer Schalenraum, um Wiederholungsprüfungen zu erlauben. Dieser Raum wird auf Unterdruck gehalten. Die notwendigen Gebläse fördern die Abluft über die Filterstrecke und den Abluftkamin. Somit werden bei schweren Störfällen und bei gleichzeitigen Leckagen im Containment Spalt- und Aktivierungsprodukte im Filter zurückgehalten. Nicht rückhaltbar sind Spaltedelgase, die mittels Kamin in großer Höhe freigesetzt, verteilt und verdünnt werden. Die Unterschiede in den Sicherheitseinrichtungen von Siedewasserreaktoren sind durch die höhere Leistungsdichte von etwa 100 MW/m3 bedingt. Die Sicherheitskonzepte des neukonzipierten Europäischen Druckwasserreaktors EPR gehen über den GAU (Vollbruch eines Kühlmittelstrangs) hinaus, indem noch konsequenter als bisher Fail-safe-Vorrichtungen zur Anwendung kommen sollen und die weitergehende hypothetische Schadenspropagation bis hin zu einer Kernschmelze mitberücksichtigt wird, mit entsprechenden zusätzlichen sicherheitstechnischen Maßnahmen (Kernschmelzbassin [5.12]). Der EPR ist eine Evolution auf den neuesten Stand der Technik. In der ehemaligen Sowjetunion wurden ebenfalls Druckwasserreaktoren entwickelt. Die WWER-Reaktoren haben hexagonal angeordnete Brennelemente, liegende Dampferzeuger und Hüllrohre aus Zirkonium-Niob-Legierung. Auf das druckaufnehmende Sicherheitscontainment wurde verzichtet und dafür ein Druckabbausystem mittels Notkühlung gewählt.
5.4.4 CANDU Reaktor CANDU (Canada Deuterium Uranium) ist ein schwerwassermoderierter Reaktor, dessen Brennstoff Natururan ist. Er ist ein Druckwasserreaktor mit Sicherheitscontainment und vier Dampferzeugern bei zwei parallelen Primärkreisen. Im Primärkreis strömt Wasser bei etwa 120 bar durch mehrere kurze Druckröhren, die ein Brennelement von 37 mit Natururan-Dioxid gefüllten Brennstäben beinhaltet. Die kleinen Druckröhren ersetzen den großen teuren Reaktordruckbehälter. Hunderte dieser Druckröhren sind horizontal in einem größeren Behälter, dem Kalander, untergebracht, der unter Atmosphärendruck (drucklos) mit Schwerwasser gefüllt ist und die Moderation ausführt. Das Moderatorwasser hat eine niedrige Temperatur. Die Regel- und Abschaltstäbe werden im Kalander zwischen die Druckröhren gefahren. Der Kalander mit dem gesamten Primärkreis und den Dampferzeugern ist in einem zylindrischen Sicherheitscontainment aus Beton, das ein Notkühlsystem für den Kühlmittelverlust-Störfall beinhaltet, installiert. Daneben besitzt das große Wasservolumen des Kalanders eine enorme Wärmekapazität und gilt deshalb auch als Sicherheitsbarriere. Der erzielbare Abbrand ist, da Natururan zum Einsatz kommt, mit weniger als 10 MWd/kgBst deutlich geringer als bei Leichtwasserreaktoren. Der Sekundärkreis ist wieder ein Clausius-Rankine-Prozess, bei dem die Turbinen mit Sattdampf beaufschlagt werden. Die Version CANDU 6 hat eine elektrische Leistung von 700 MW. Bild 5.17 zeigt das vereinfachte Schaltbild eines CANDU-Kraftwerkes [5.14].
5.4 Reaktortypen
95 Dampferzeuger
Sekundärkreis
Primärkreis
G Kalander
Primärkreis Moderatorfluid
Druckröhren Moderatorpumpe
Bild 5.17: Vereinfachte Wärmeschaltung CANDU
5.4.5 Schnelle Brüter Dieser Reaktor hat eine Konversionsrate größer Eins, d.h. es entsteht mehr starker Kernbrennstoff als durch Spaltung verbraucht wird. Brutstoffe sind i.a. 92U238 oder 90Th232, wobei letzteres 92U233 erbrütet. Um genügend schnelle Neutronen zu erhalten, ist auf die Moderation verzichtet. Als gering neutronen-absorbierende Kühlfluide kommen Gase oder flüssiges Natrium zum Einsatz. Der Reaktor ist in zwei Zonen unterteilt. Innen befindet sich die Spaltzone, die eine hohe Brennstoffdichte und hohe Anreicherung mit starken Kernbrennstoffen aufweist, um wenig Absorption und Abbremsung der Neutronen zu erhalten, um also schnelle, möglichst viele Neutronen für hohe Brutraten bei immer noch ausreichend hohen Spaltraten zu gewährleisten. Die äußere Zone ist der Brutmantel, der vorwiegend aus 92U238 oder 90Th232 besteht. Da in der inneren Spaltzone hohe Leistungsdichten erzielt werden, bietet sich Natrium wegen seiner hohen Leitfähigkeit als Kühlmittel an. Ein besonderes Problem bereitet die chemische Reaktion von Natrium und Wasser, die bei Leckagen zwischen Primär- und Sekundärkreislauf auftreten kann. Der deutsche SNR 300 hat insgesamt drei getrennte Kreisläufe. Über den Sekundärkreislauf, auch mit Natrium, gibt das Primärkühlfluid seine Wärme an den tertiären Clausius-Rankine-Dampfkraftwerksprozess ab, der mit Wasser betrieben wird. Bild 5.18 veranschaulicht das Prinzip des SNR 300 (Schneller natriumgekühlter Reaktor, 300 MWel). Um die Wasser-Natrium-Reaktion zu beherrschen, ist beim SNR-300 in Kalkar eine Stickstofffüllung des inneren Containments realisiert. Das äußere Containment ist in geringem Abstand von einer dichten Blechhaut umgeben. Im Spalt wird Unterdruck gehalten, um für eine gewisse Zeit nach einem Unfall eine Nullleckage zu erreichen. Weiterhin wird bei der sicherheitstechnischen Auslegung eine Kernschmelze unterstellt. Diese soll durch eine gekühlte Auffangvorrichtung, die die Nachwärme abführt und eine unterkritische Brennstoffanordnung herstellt, beherrscht werden.
96
5 Kernkraftwerke
Weltweit sind mehrere schnelle Brüter in Frankreich, Japan, Russland in Betrieb. Der deutsche SNR 300 ist demontiert.
Bild 5.18: Schnitt durch den Schnellen Brüter SNR 300 [5.15]
5.4.6 Gasgekühlte Reaktoren, Hochtemperaturreaktor In diesen Reaktoren wird Gas, d.h. Helium wegen seiner Stabilität im Neutronenfluss als Kühlfluid des Reaktorkerns eingesetzt. Da Gase wegen ihrer geringen Dichte nicht moderieren, wird Graphit als Moderator eingesetzt. Die Besonderheit der deutschen Entwicklung des Hochtemperaturreaktors sind seine kugelförmigen, tennisballgroßen Brennelemente aus Graphit, in denen kleine Brennstoffpartikel dispergiert sind (Bild 5.19). Diese Graphitkugeln bilden als Schüttung den Reaktorkern, weshalb diese Reaktorlinie als Kugelhaufenreaktor bekannt ist (Bild 5.20). Als Erfinder dieses Konzepts gilt Prof. Schulten [5.18]. Gegenüber Zircaloy-Hüllmaterialien erlauben die Graphitkugeln wesentlich höhere Kühlmitteltemperaturen. Im THTR 300 (Thorium-Hochtemperatur-Reaktor, 300 MWel [5.19], jetzt stillgelegt) wurde das Helium bei fast 40 bar im Primärkreis auf 750 °C erwärmt. Das Helium wird über Gebläse durch den Kugelhaufen gedrückt und übernimmt die Spaltungswärme. Zur Regelung werden Absorberstäbe in den Kugelhaufen gedrückt. Wegen Dichtigkeitsproblemen bei der mit Helium betriebenen, geschlossenen Gasturbine wurde davon Abstand genommen, einen Joule-Brayton-Prozess zu betreiben. Auch beim THTR wurde im Sekundärkreis über heliumerwärmte Dampferzeuger ein Dampfkraftwerksprozess betrieben (Bild 5.20). Entsprechend der gewünschten Konversionsrate ist die Anreicherung, die Brennstoffmasse und der Brutstoffanteil in den Brennstoffpartikeln zu variieren. Beim THTR 300 wurde als Brutstoff 90Th232 verwendet, der den starken Kernbrennstoff 92U233 erbrütet. Bei diesem Brutstoff, der in der Natur etwa fünfmal häufiger als Uran vorkommt, fällt bei der Aufbereitung weniger Plutonium an. Die Benutzung von Graphitkugeln erlaubt kontinuierlichen Brennelementwechsel: Frische Kugeln werden über Schleusen von oben eingebracht und Kugeln mit hohem Abbrand unten im trichterförmig zulaufenden Kugelhaufen ausgeschleust, ohne den Reaktorbetrieb unterbrechen zu müssen. Die Brennelementkugeln des THTR 300 (nahezu 700.000 Ku-
5.4 Reaktortypen
97
geln) brauchen erst nach einem Abbrand von etwa 110 MWd/kg entnommen zu werden. Dieser Wert liegt deutlich über dem anderer Reaktoren.
Bild 5.19: Aufbau der Brennelementkugel und eines dispergierten Brennstoffpartikels für THTR 300
Bild 5.20: Prinzipbild des Kugelhaufenreaktors THTR 300 [5.19]
Barrieren gegen das Austreten radioaktiver Stoffe sind: x Brennelemente mit in Graphitmatrix eingelagerten beschichteten einzelnen Brennstoffbzw. Brutstoff-Partikeln x Zylindrische Spannbetonbehälter, in dem der Reaktor mit Primärkreislauf einschließlich der sechs Dampferzeuger untergebracht ist. Innerer Durchmesser von fast 16 m, lichte Höhe von etwas über 15 m, Wandstärken für Boden und Decke über 5 m und für den zylindrischen Teil 4,5 m mit wassergekühltem Liner x Der Reaktor ist selbst bei Umgebungsdruck, also im Falle eines großen Lecks im Primärkreis, redundant gekühlt x Negativer Temperaturkoeffizient. Bei Temperaturerhöhung nimmt einmal die Neutronenabsorption des Thoriums zu und zum anderen verschiebt sich die Neutronenenergieverteilung zu geringerem Spaltquerschnitt. Deshalb gilt die Baulinie des Kugelhaufenreaktors als besonders sicher (inhärent sicher).
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5 Kernkraftwerke
5.4.7 Kernkraftwerke der 4. Generation Die Leichtwasser-Reaktoren der 50er und 60er Jahre zählen zur ersten Generation, deren Weiterentwicklung zu den großen Siede- und Druckwasserreaktoren werden als zweite Generation angesehen. Als dritte Generation gelten Konzepte wie der Europäische Druckwasserreaktor EPR (European Pressurized Water Reactor) mit seiner optimierten Technik und den weiter entwickelten passiven Sicherheitsstandards. Viele Industriestaaten wollen die Kernkraft vorantreiben. Deutschland beteiligt sich daran jedoch nicht, obwohl Deutschland für einige der Reaktorkonzepte durchaus die Grundlagen gelegt hat. Übergeordnete Ziele von Kernkraftwerken der vierten Generation sind: x x x x
Verringerte Investitions- und Betriebskosten Erhöhte Akzeptanz der Bevölkerung, z.B. durch erhöhte Sicherheitsstandards und kleinere Leistungseinheiten Reduktion des radioaktiven Mülls Verringerung der Proliferation nuklearen Materials
Derzeit werden verschiedene Reaktorlinien mit unterschiedlichem Entwicklungsaufwand und in unterschiedlichen Entwicklungsstufen verfolgt, die obige Ziele erreichen können. Folgende Konzepte lassen sich unterscheiden, deren sicherheitstechnische Auslegung, deren Brennstoffzusammensetzung und deren Brennstoffhandling gegenüber den aktuell betriebenen Kernkraftwerken entsprechend deutlich verbessert werden sollen: a. b. c. d. e. f.
Gas gekühlter schneller Brutreaktor (Gas cooled fast reactor GFR) Reaktor mit sehr hoher Temperatur (Very high temperature reactor VHTR) Überkritischer wassergekühlter Reaktor (Super critical water cooled reactor SCWR) Natrium gekühlter schneller Brutreaktor (Sodium cooled fast reactor SFR) Blei gekühlter schneller Brutreaktor (Lead cooled fast reactor LFR) Salzschmelze gekühlter Reaktor (Molten salt reactor MSR)
Zu a.: Hier ist an einen Helium gekühlten Reaktor gedacht. Das auf über 850 °C erhitzte Helium soll dann direkt über eine Gasturbine entspannt werden, wie es ursprünglich in Deutschland für den THTR vorgesehen war. Mehrere Brennelementtypen kommen in Frage, die diesen hohen Temperaturen widerstehen und die Spaltprodukte gut zurückhalten, z.B. keramische Verbundbrennstoffe, oder keramisch ummantelte Brennstoffmischungen. Der Reaktorkern kann aus prismatischen Blöcken bestehen, aus einem Kugelhaufen oder aus stab- oder plattenförmigen Anordnungen. Der Reaktortyp ist als Brutreaktor mit integriertem Konzept der Brennstoffaufbereitung vorgesehen. Zu b.: Dieser Reaktor ist mit Graphit moderiert und mit Helium gekühlt. Der Reaktor kann unterschiedlich aufgebaut sein, z.B. als Kugelhaufen oder als prismatischer Block. Eine Reaktoraustritts-Temperatur von 1000 °C ist angedacht. Dies erlaubt auch die Wärmelieferung für chemische Prozesse wie Wasserstoffproduktion. Dieses Reaktorkonzept lässt sich ebenfalls als eine Weiterentwicklung des THTR ansehen. Wie in Abschnitt 5.4.6 prinzipiell erläutert, lassen sich auch unterschiedliche Brutraten einstellen. Zu c.: Wasser als Kühlfluid in überkritischem Zustand, d.h. über 374 °C und 221 bar, ergibt drei große Vorteile. Einmal durchläuft das Kühlmedium keinen Phasenwechsel, was die Kühlund neutronenphysikalische Auslegung sehr vereinfacht. Zum andern kann der thermodynamische Prozess optimiert werden, insbesondere wenn es materialtechnisch gelingt, eine hohe Temperatur zu erzielen. Es ist hierbei an über 500 °C gedacht. Drittens kommt das Kernkraftwerk wie ein Siedewasserreaktor mit einem Kreis aus, d.h. das überkritische Fluid aus dem
5.5 Entsorgung, Wiederaufbereitung, Transport
99
Reaktor soll direkt in der Turbine entspannt werden. Ein Wirkungsgrad von 40 % und mehr wird erwartet. Das Neutronenspektrum kann durch die Konditionierung des Kühlfluids für eine Fahrweise als thermischer Reaktor oder als schneller Reaktor angepasst werden. Zu d.: Eine Weiterentwicklungsvariante des schnellen Brüters mit drei Kreisläufen basiert auf neuen metallischen Brennstofflegierungen aus Uran-Plutonium-Aktiniden-Zirkon, die eine kraftwerksintegrierte pyrometallische Wiederaufbereitung erlauben sollen. Die andere Entwicklungsvariante soll mit traditionellem Brennstoff aus Uran-Plutonium-Mischoxiden arbeiten, jedoch eine höhere Temperatur von etwa 550 °C für den Clausius-Rankine-Prozess erlauben. Allerdings ist dann an eine zentrale Wiederaufbereitung nach einem verbesserten PUREX-Verfahren für mehrere Kraftwerke gedacht. Wesentliche neue Sicherheitsinstallation ist das große, nahezu drucklose Primärsystem mit langsamer thermischer Reaktionszeit. Zu e.: Dieses innovative Brüterkonzept sieht einen primären Kreislauf mit Blei oder einer eutektischen Blei-Wismut Legierung vor. Die Reaktoraustrittstemperatur soll auf mindestens 550 °C gesteigert werden, eventuell bis auf 800 °C. Letzteres würde sogar für einen Gasturbinenbetrieb ausreichen und für Prozessdampf zum Betrieb thermochemischer HochtemperaturProzesse wie Wasserstoffproduktion geeignet sein. Der Reaktorkern soll als „Batterie“ zur Gänze austauschbar und für einen besonders hohen Abbrand, also eine sehr lange Betriebszeit von 15 bis 20 Jahren konzipiert sein. Dieses Batteriekonzept ist insbesondere für kleine Blockgrößen von 50 bis 150 MW vorgesehen und für Länder, die keine eigene Infrastruktur für Nuklearbrennstoffe aufbauen wollen. Größere Baugrößen können dieses Batteriekonzept allerdings nicht anwenden. Zu f.: Der mit einer Salzschmelze gekühlte Reaktor stellt das weit reichendste Konzept dar. Hier ist der Brennstoff Uranfluorid im zirkulierenden flüssigen Kühlmedium zusammen mit den Fluoridsalzen, insbesondere Natrium- und Zirkonfluorid sowie Lithium- und Berylliumfluorid, integriert. Beim Durchfluss durch den Moderator, den Graphitkern, wird das Brennstoff-Kühlgemisch kritisch. Über den Zwischenkreis wird die Wärme an den thermodynamischen Kreisprozess abgegeben. Angestrebt sind Temperaturen zwischen 700 und 800 °C. Die Salzschmelze erlaubt die Zugabe von Aktiniden wie Plutonium und vermeidet somit die Brennelementfertigung. Die erzeugten Aktinide und viele Spaltprodukte reagieren zu Fluoriden in der Schmelze. Um das Neutronengleichgewicht aufrecht zu erhalten, muss die Salzschmelze gereinigt werden, um unerwünschte Neutronenabsorber zu entfernen. Dies geschieht am besten permanent durch einen elektrochemischen Reinigungs- und Aufbereitungs-Bypass. Fluoridsalzschmelzen haben beste Wärmeleit- und Wärmeübergangseigenschaften bei sehr geringem Dampfdruck, was sehr geringe Betriebsdrücke ergibt. Allerdings besteht durch Verunreinigungen große Korrosionsgefahr. Wasser, beispielsweise, wird zur höchst korrosiven Fluorsäure HF umgewandelt. Dieses Reaktorkonzept wurde im Oak Ridge National Laboratory in den 70er Jahren mit einem Pilotreaktor von 7,4 MWth getestet. Erreicht wurden Temperaturen bis 700 °C. Eine kompakte Übersicht dieser Reaktortypen ist in der Website des Idaho National Laboratory [5.23] zu finden.
5.5 Entsorgung, Wiederaufbereitung, Transport Die Nutzung der Kernenergie wird in manchen Staaten von der Gesellschaftsmehrheit neben Sicherheitsbedenken auch wegen der Entsorgungs- oder Wiederaufbereitungskonzepte abgelehnt, da eine sichere Lagerung der langlebigen radioaktiven Spaltprodukte auch in geologisch stabilen Formationen bezweifelt wird. Katastrophen, die zu einer Freisetzung dieser Stoffe
100
5 Kernkraftwerke
führen, und unbefugte Entnahmen mit folgendem Missbrauch sind generell nicht auszuschließen. Die Wiederaufbereitung kann die radioaktiven Spaltprodukte nicht reduzieren. Bei der Wiederaufbereitung sollen die erbrüteten starken Kernbrennstoffe, also Plutonium- und Uranisotope, wiedergewonnen werden. Die notwendige Plutoniumwirtschaft, die das extrem toxische Plutonium zur Ware werden lässt, wird wegen des potentiellen Missbrauchs gefürchtet.
5.5.1 Wiederaufbereitung Zwar wurde in Deutschland durch die Stillegung der jahrelang betriebenen Karlsruher Pilotanlage die Wiederaufbereitung aufgegeben, doch ist sie in anderen Ländern integraler Bestandteil des Kernbrennstoffkreislaufs. Bild 5.21 zeigt neben der direkten Endlagerung die Schritte der Wiederaufbereitung. In den Kreislauf müssen frisches Uran eingespeist und die aktiven Spaltproduktisotopen ausgeschleust werden. Die Bestandteile der abgebrannten Brennelemente werden in der Wiederaufbereitungsanlage getrennt. Die extrahierten starken und schwachen Kernbrennstoffe werden zur Herstellung neuer Brennelemente genutzt, während die sonstigen radioaktiven Materialien wie Spaltprodukte, Hüll- und Strukturmaterialien in das Endlager kommen.
Bild 5.21: Kernbrennstoff-Kreislauf bzw. direkte Endlagerung
Für die Wiederaufbereitung der abgebrannten Brennelemente kommen wässrige Verfahren großtechnisch zum Einsatz. Die Brennelemente werden zuerst mechanisch zerkleinert und in Säure aufgelöst. Der feste Brennstoff wird durch Säuren in eine wässrige Lösung übergeführt, was im Anschluss die Abtrennung der Metalle Uran und Plutonium durch die chemischen Trennverfahren Fällung, Lösungsmittelextraktion und Ionenaustausch erlaubt.
5.5 Entsorgung, Wiederaufbereitung, Transport
101
Das PUREX-Verfahren (Plutonium, Uran, Reduktion, Extraktion) hat sich durchgesetzt [5.4], bei dem der Brennstoff zunächst durch siedende Salpetersäure in ein Metallnitrat umgewandelt wird: 2 UO2 + 6 HNO3 o 2 UO2(NO3)2 + NO2 + NO + 3 H2O
Gl. 5.36
Diese Uran- und Plutonium-Nitrate werden mit Tri-n-butylphosphat TBP über die Bildung stabiler Komplexe aus der Mutterlauge von anderen Stoffen extrahiert und chemisch weiterbehandelt. Die gasförmigen und leichtflüchtigen Spaltprodukte gelangen in den Abgasstrom und werden dort bis auf zulässige Konzentrationen ausgefiltert. Die festen Spaltprodukte fallen in wässriger Lösung an und werden durch Eindampfen abgetrennt. Bei der Wiederaufbereitung muss die Freisetzung der radioaktiven Produkte in die Umgebung verhindert werden. Hierbei sind insbesondere die flüchtigen langlebenden aktiven Produkte wie die Jodisotope I-129, I-131 und Tritium H-3, zurückzuhalten. Jod wird mittels Nasswäscher im Abgasstrom ausgewaschen oder an silberimprägnierten anorganischen Trägermaterialien abgeschieden. Das Tritium wird schon im ersten Extraktionszyklus zurückgewaschen und die beim Eindampfen des hochaktiven Flüssigabfalls anfallende tritiumhaltige Säure rezykliert. Durch eine Tieftemperatur-Rektifikation wird das Kryptonisotop Kr-85 abgeschieden.
5.5.2 Entsorgung Bei der Entsorgung wird zwischen schwach-, mittel- und starkaktiven Abfällen unterschieden. Schwach- und mittelaktive Abfälle fallen bei Reparatur oder Wartungsarbeiten als leicht aktive Metalle, kontaminierte Kleidung und Reinigungsmedien an. Das Volumen wird vor seiner Endlagerung durch verschiedene Prozesse wie Eindampfen, Pressung oder Verbrennung zuerst komprimiert, dann mittels Zement oder Beton gebunden und meist in Edelstahlfässer gefüllt. Die Strahlenemission und die Nachwärme der dem Reaktor entnommenen abgebrannten Brennelemente sind hoch. Die Brennelemente gelangen zuerst für mindestens ein Jahr in das Wasserabklingbecken des Kernkraftwerks, wobei die Nachwärme und die Radioaktivität entsprechend ihres exponentiellen Verhaltens deutlich abnehmen. Das Volumen der radioaktiven Brennelementbestandteile wird durch die Wiederaufbereitung komprimiert. Die flüssigen und festen hochaktiven Rückstandsstoffe lassen sich durch Einschmelzen in Glasblöcke langzeitstabil binden. Eine Pilotanlage ist im belgischen Forschungszentrum Mol seit Jahren in Betrieb. Nach mehreren Jahren Abklingzeit in wärmeabführenden Zwischenlagern können die Glasblöcke dann in tiefliegenden, geologisch stabilen Formationen wie Salzstöcken endgelagert werden. Falls wie in Deutschland auf Wiederaufbereitungsanlagen verzichtet wird, kommen die Brennelemente nach der Abklingzeit ohne weitere Behandlung in das Zwischenlager, z. B. in die Salzstöcke von Gorleben. Die Brennelemente verbleiben dabei in ihren Transportbehältern (CASTOR-Behälter).
5.5.3 Transport Die abgebrannten Brennelemente sind nach der Zwischenlagerung aus dem Kernkraftwerk abzutransportieren. Zu diesem Zweck wurden spezielle Behälter entwickelt, die bei ihrer Typprüfung extremen Belastungen standhalten müssen, die möglicherweise bei schweren Transportunfällen auftreten können.
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5 Kernkraftwerke
Hierzu zählen Fallversuche aus 9 m Höhe auf ein unnachgiebiges Fundament, Beschuss mit einer 1000 kg schweren Stahlmasse, Hitzetest bis 800 °C und natürlich Dichtheitsprüfungen in Tieftauchbecken. Die Behälter aus hochwertigem Gusseisen sind etwa 5 bis 6 m lang bei einem Durchmesser von ca. 2 m. Bei der Wandstärke von fast 0,5 m und der Wasserfüllung lässt sich die Strahlung auf unschädlich geltende Werte abschirmen. Die Rippenstruktur an der Behälteraußenseite führt die Nachwärme ab. Der Deckel und die Dichtungen sind doppelt ausgeführt. Die Behälter des Castor-Typs, Bild 5.22, werden mittels Eisenbahn und Lastkraftwagen befördert. Sie sind auch für die langfristige Lagerung der Brennelemente geeignet. Die Brennelemente werden unter Wasser im Abklingbecken in die Transportbehälter geladen. Das Wasser des Abklingbeckens ist durch Abriebpartikel und Tritium leicht aktiv. Selbst wenn der Behälter vor dem Eintauchen in eine Kunststofffolie gehüllt wird, ist eine Wasserkontamination der Behälteraußenseite nicht ganz ausgeschlossen. Nach Verschluss wird der Behälter durch Wasserduschen und manuellem Abtrocknen auf dem Kraftwerksgelände gereinigt. Die Radioaktivität der Behälteroberfläche darf lokal 4 Becquerel/cm2 nicht überschreiten. Diese geringe lokale Aktivität ist nicht direkt messbar. Die indirekte Messung geschieht mit dem Wischtest. Mit einem geeigneten Vlies werden einige Teilflächen des Behälters abgewischt und im Labor auf die aufgenommene Radioaktivität untersucht. Keine der Proben darf eine auf die Fläche, wo die Wischprobe entnommen wurde, umgerechnete Aktivität von 4 Bq/cm2 vor dem Transport überschreiten. Da die Oberfläche des Gussbehälters schon wegen den Rippen und Hinterschneidungen der Tragzapfen nicht glatt ist, halten sich in Vertiefungen kleine, eventuell kontaminierte Wasserreservoirs. Diese versteckten Wasserreservoirs können während des Transports freigesetzt werden, was als „Schwitzen“ bezeichnet wird. Dadurch können beim nachträglichen Wischtest am Bestimmungsort lokal höhere Aktivitätswerte gemessen werden. Die gemessenen Aktivitätswerte sind jedoch in Relation zu natürlichen Quellen zu setzen, denen wir permanent ausgesetzt sind. So haben, jeweils im Mittel, unsere üblichen Nahrungsmittel eine Aktivität von etwa 40 Bq/kg, die Luft im Freien hat 14 Bq/m3 und die in Wohnungen gar 50 Bq/m3. Wasser aus zugelassenen Heilquellen kann sogar Aktivitätswerte von mehreren Tausend Bq/Liter aufweisen.
Bild 5.22: Aufbau eines Transport- und Lagerbehälters, Typ Castor Ic [5.6]
5.6 Fusionskonzepte
103
5.6 Fusionskonzepte Die Fusion eines Deuterium- mit einem Tritiumkern zu 2He4 und einem Neutron setzt die Fusionsenergie EFus = 17,6 MeV frei. Die hierzu benötigte „Zündenergie“ beträgt etwa EZ = 10 keV. Unter allen Varianten der Heliumfusion ist das Verhältnis dieser Energien EF/EZ mit 1760 am höchsten und die Zündenergie am niedrigsten, was es als bevorzugte Reaktion auszeichnet. Das entstehende Hochenergie-Neutron hat 14,1 MeV und der Heliumkern 3,5 MeV. In einem Fusionsreaktor soll das schnelle Neutron im thermischen Mantel, der die Fusionskammer umgibt, abgebremst werden und seine Energie an einen thermischen Kreisprozess abgeben. Der Heliumkern soll seine Energie im Plasma selbst abgeben, um die hohe Plasmatemperatur aufrecht zu erhalten. Deuterium ist in natürlichem Wasser genügend vorhanden und relativ preiswert zu separieren. Das Tritium 1H3 soll im thermischen Mantel des Fusionsreaktors selbst aus Lithium 3Li6 oder 7 3Li durch den Neutronenstrom generiert werden: 7 3Li 6 3Li
+ schnelles 0n1 o 1H3 + 2He4 + 0n1 + langsames 0
n1
o1
H3
+2
He4
+ 4,8 MeV
Gl. 5.37 Gl. 5.38
Letztere Reaktion setzt mit 4,8 MeV noch eine nennenswerte Energie frei.
Bild 5.23: Schematischer Aufbau eines Fusions-Kraftwerks [5.21]
Bild 5.23 zeigt schematisch den Aufbau eines Fusions-Kraftwerks [5.21]. Um die Fusion aufrechtzuerhalten, ist diese zu isolieren, damit die erforderliche Plasmatemperatur (Zündtemperatur 108 K) nicht abkühlt. Stand der Technik ist, das Fusionsplasma magnetisch in der Schwebe zu halten. Die elektrisch geladenen Plasmateilchen orientieren sich entlang Magnetfeldlinien. Bild 5.24a) zeigt ungeordnete Teilchenbewegungen in einem unbeeinflussten Plasma, Bild 5.24b) mit angelegtem Magnetfeld, wo die Partikel eine schraubenförmige Bewegung um die
104
5 Kernkraftwerke
Feldlinien ausführen [5.21]. Nach diesem Prinzip sind die Fusionskammern konzipiert. In Bild 5.24c) ist das derzeit bevorzugte Magnetfeld in Form eines Torus gezeigt (TOKAMAKSystem). Das Konzept wurde ursprünglich in der ehemaligen UdSSR vorgeschlagen. Das JETProgramm (Joint European Torus) basiert auf diesem Prinzip. Die magnetischen Feldlinien sind spiralförmig um den Toruskern gelegt. Entsprechend werden die Plasmateilchen in diesem toroidalen Volumen gehalten. In der Praxis sind weitere magnetische Hilfsfelder nötig, um das Plasma stabil im Ring zu halten. Bild 5.24d) skizziert das alternative Spiegelkonzept. Wenn sich die Magnetlinien verengen, werden die Plasmapartikel reflektiert, womit sie sich ebenfalls in einem vorgegebenen Volumen halten lassen. Allerdings entkommen Partikel auf der zentralen Magnetlinie, was zusätzliche Spiegelkonfigurationen notwendig macht.
Bild 5.24: Prinzipien eines magnetisch gehaltenen Plasmas
Neben dem magnetischen Plasmaeinschluss wird der Trägheitseinschluss untersucht. Hierzu müssen die Fusionspartner zunächst in einer Hülle eingeschlossen werden. Diese Brennstoffkügelchen von etwa 1 mm Durchmesser werden einer plötzlichen extremen Wärmezufuhr ausgesetzt, was mittels mehreren, konzentriert gepulsten Laserstrahlen oder Partikel-Beschleunigern möglich ist. Das Hüllmaterial expandiert als Elektronen- und Ionenplasma radial nach außen und komprimiert als starke Stoßwelle nach innen. Der sich zum Zentrum konzentrierende Stoß kann im Kügelchen Temperaturen von 108 K und damit die Fusion hervorrufen. Ist erst einmal die Fusion in Gang gesetzt, wird der Brennstoffrest ebenfalls fusionieren, da alles in einem Zeitrahmen von 10–9 s abläuft. Bild 5.25 zeigt die zeitliche Abfolge dieses Prinzips [5.22]. Die schattierte Ringfläche stellt das Plasma des Hüllmaterials dar.
Literatur zu Kapitel 5
105 Auch Fusionsreaktoren garantieren keine saubere Energieumwandlung. Das langlebige Isotop Tritium wird in großen Mengen produziert und ist leicht flüchtig; hiergegen sind wieder verschiedene Barrieren zu schaffen. Die Fusion erzeugt große Mengen hochenergetischer Neutronen, die Kernreaktionen in den einzelnen Strukturen um das Plasma hervorrufen. Die meisten der durch Neutronen erzeugten radioaktiven Isotopen werden in den Strukturen zurückgehalten, während gasförmige wie C14, Ar- und N2-Isotope besondere Rückhaltebarrieren bedingen, um das Kraftwerkspersonal zu schützen. Der hohe Energieinhalt und die hohe Plasmatemperatur sowie die Kühlkreisläufe bedingen besondere sicherheitstechnische Maßnahmen. Ein quantitativer Vergleich mit anderen Zivilisationsrisiken ist noch nicht möglich.
Bild 5.25: Prinzip des Trägheitseinschlusses
Literatur zu Kapitel 5 [5.1] Dieter Smidt, Reaktortechnik 1, G. Braun-Verlag Karlsruhe, 2. Aufl. 1976 [5.2] Karl Wirtz, Vorlesung über Grundlagen der Reaktortechnik, Teil 1, Kernphysikalische Grundlagen, Lehrstuhl für Physik. Grundlagen der Reaktortechnik, TH Karlsruhe, 1966 [5.3] Dieter Smidt, Reaktortechnik 2, G. Braun-Verlag Karlsruhe, 2. Aufl. 1976 [5.4] C. Keller, H. Möllinger (Herausgeber), Kernbrennstoffkreislauf, Band 1 und Band 2, A. Hüthig Verlag Heidelberg, 1978 [5.5] B. Rajewski, Thieme Verl. 1956 u. G. Braun Verl. 1957 [5.6] J. Seidel, Kernenergie, ECON Verlag Düsseldorf, 1990 [5.7] Joint Research Centre JRC, Environmental Radioactivity in the European Community 1987-1990, ECSC-EC-EAEC, 1995 [5.8] Siemens „Hohe Verfügbarkeit und Sicherheit – Druckwasserreaktoren von Siemens“, Best.Nr. A96001-U50-A314 (1997) [5.9] W. Zaiss, Betriebserfahrungen mit Kernkraftwerken am Beispiel der GKN-Druckwasserreaktoren; in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, Ed. R. Zahoransky, Informationsschrift der VDI-GET, VDI Düsseldorf, 1998 [5.10] Sicherheitstechnische Regel des KTA: Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen, Teil 1, KTA 220 [5.11] Reactor Safety Study. An Assesment of Accident Risks in U.S. Commercial Nuclear Power Plants, WASH 1400 (draft), 1974 (sog. Rasmussen-Studie)
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5 Kernkraftwerke
[5.12] W. D. Krebs, Risikobeurteilung von Kernkraftwerken – Neue Konzepte; in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, Ed. R. Zahoransky, Informationsschrift der VDI-GET, VDI Düsseldorf, 1998 [5.13] BMU – Umwelt 4/1996, aus: Informationskreis Kernenergie Bonn, Kernenergie Grafiken 4/96, 1996 [5.14] J.F. Sobolewski, V.G. Snell, CANDU 6, Safety of CANDU Nuclear Power Stations, AECL-6329 (Atomic Energy of Canada Limited), 1992 [5.15] A. Wünschmann, Was ist nukleare Energie?, GTS-Druck GmbH, Kirchheimbolanden, 1991 [5.16] KKP Philippsburg, EnBW Kraftwerke AG, Redaktion Harald Bläske [5.17] A. Bald, H.U. Duroy, G. Lepie, Der Turbosatz und der Dampf-Speisewasserkreislauf des Kernkraftwerkes Obrigheim, Atom und Strom 13, S. 178 ff, 1967 [5.18] R. Schulten, D. Bedenig, W. Rausch, The control of fissile material flow in hightemperature pebble-bed reactors, IAEO-Symp. on Progress in Safeguards Techiques, Karlsruhe, 1970 [5.19] BBC, 300-MW-Kernkraftwerk mit Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR-300) der HKG in Hamm-Uentrop, BBC-Druckschrift D HRB 1141 89 D, 1989 [5.20] GKN, Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar, Block I und II, 2.Aufl. 1994 [5.21] R.A. Meyers (Editor), Handbook of energy technology and economics, Wiley-Interscience Publ., 1983 [5.22] Dingee, Chem. and Eng. News, Apr. 2, 1979 [5.23] http.//nuclear.inl.gov/gen4, 2006
107
6 Gasturbinen-Kraftwerke Stationäre Gasturbinen-Kraftwerke1 zur Stromerzeugung wurden zuerst von Holzwarth Anfang des 20. Jahrhunderts zur kommerziellen Reife entwickelt und bis zum 2. Weltkrieg hergestellt. Hierbei handelte es sich um Verpuffungs-Gasturbinen mit isochorer Wärmezufuhr [6.1]. 1939 präsentierte die Firma BBC auf der Zürcher Landesausstellung die erste stationäre Gasturbine mit isobarer Wärmezufuhr, nach deren Prinzip die heutigen Gasturbinen aufgebaut sind. Diese 4 MW Maschine ist noch heute in Neuchâtel betriebsbereit. Friedrich Stolze gilt als Erfinder dieser Gasturbinen-Bauweise. Seine erste, schon 1904 bei BBC gebaute Anlage erbrachte wegen zu geringen Maschinenwirkungsgraden und zu geringer Turbineneintrittstemperatur jedoch keine Nutzleistung [6.2]. Stationäre Gasturbinen erlangen für die Energiebereitstellung zunehmende Bedeutung als Spitzenlastanlage, in der Kraft-Wärmekopplung und in jüngerer Zeit als integrierter Bestandteil von Kombinationskraftwerken mit einem nachgeschalteten Dampfkraftwerk (siehe Kap. 7). Das Arbeitsmedium üblicher offener Gasturbinen ist Luft und Rauchgas. Das Wort Gasturbine rührt nicht vom Brennstoff her, der gasförmig, flüssig oder sogar fest sein kann, sondern vom gasförmigen Arbeitsmedium. Der Brennstoff wird dem angesaugten Arbeitsmedium Luft zugeführt, so dass eine innere Verbrennung stattfindet. Das Abgas wird in die Atmosphäre abgegeben.
6.1 Thermodynamische Grundlagen Zunächst wird die Holzwarth-Gasturbine wegen ihrer technischen und historischen Bedeutung behandelt.
6.1.1 Gasturbine mit isochorer Wärmezufuhr Holzwarth realisierte die erste kommerziell erfolgreiche Gasturbine, ausgeführt mit isochorer Wärmezufuhr. Bild 6.1 veranschaulicht den Wärmeschaltplan. Die einzelnen Prozessschritte sind: 1ĺ2: Luft von Umgebungszustand 1 wird mit einem Gebläse mit leichtem Überdruck in die Verpuffungskammern gefördert. Gleichzeitig wird der Brennstoff eingebracht, so dass im Zustand 2 ein zündfähiges Brennstoff-Luft-Gemisch vorliegt (Bild 6.2). 2ĺ3: Die Ventile der Verpuffungskammern werden geschlossen und das Gemisch gezündet. Bei dieser isochoren Wärmezufuhr steigen Druck und Temperatur. 3ĺ4: Bei höchstem Druck öffnen die Ausströmventile, das Rauchgas entspannt sich unter Arbeitsabgabe in der Turbine und strömt in die Atmosphäre aus: p4 = p1 = pAtm. 4ĺ1: Das heisse Rauchgas wird in der Atmosphäre isobar abgekühlt.
1 Diese werden abgekürzt mit „Gasturbinen“ bezeichnet, obwohl es ein Kraftwerk mit Verdichter,
Brennkammer, Turbine und gegebenenfalls Luftvorwärmer ist.
108
6 Gasturbinen-Kraftwerke
c 2
3 Bild 6.1: Wärmeschaltplan der HolzwarthGasturbine
b
a
d 1
a: Luftgebläse, b: Verpuffungskammer, c: Brennstoffpumpe d: Turbinenrad 1-4: Zustandspunkte
G 4
Bild 6.2 stellt den Prozess qualitativ im h,s-Zustandsdiagramm dar. Der idealisierte HolzwarthVergleichsprozess nimmt rein isentrope, isochore und isobare Zustandsänderungen ohne Verluste an, so dass er bei bekanntem Stoffverhalten, z.B. bei Vorliegen eines h,s-Zustandsdiagrammes, oder unter Annahme eines perfekten Gasverhaltens auf Grundlage des 1. HS einfach zu analysieren ist. Hierbei sind die kinetischen und potentiellen Anteile ½ ǻc2 und gǻz vernachlässigbar. Bei horizontaler Lage der Strömungsmaschinen ist ǻz = 0, bei anderer Lage ist gǻz sehr viel kleiner als die spezifischen Enthalpiedifferenzen ǻh. Ebenso ist bei stationären Anlagen ½ ǻc2 << ǻh. 1ĺ2: Isentrope Verdichtung mit Arbeitszufuhr w1,2 = h2 – h1 > 0
Gl. 6.1
2ĺ3: Isochore Wärmezufuhr qzu = q2,3 = h3 – h2 > 0
Gl. 6.2
3ĺ4: Isentrope Entspannung mit Arbeitsabgabe w3,4 = h4 – h3 < 0
Gl. 6.3
4ĺ1: Isobare Wärmeabfuhr qab = q4,1 = h1 – h4 < 0
Gl. 6.4
Bild 6.2: Zustandsänderungen des Holzwarth-Prozesses
Die spezifische Nutzarbeit wN ergibt sich nach dem 1. HS aus der Summe der spezifischen Arbeiten. wN = Ȉ wi = w1,2 + w3,4 = h2 - h1 + h4 – h3 < 0 Der thermische Wirkungsgrad ist
Gl. 6.5
6.1 Thermodynamische Grundlagen
109
Șth = – wN/qzu bzw. Șth = _wN_/q2,3
Gl. 6.6
Der thermische Wirkungsgrad von Kreisprozessen mit isochorer Wärmezufuhr ist bei vergleichbaren Zustandswerten generell höher als mit isobarer. Eine Holzwarth-Anlage vertikaler Bauart von 1000 PS ist in Bild 6.3 als Schnitt gezeigt [6.1]. In mehreren Kammern wird das Luft-Brennstoffgemisch gezündet. Bei einem Verbrennungsenddruck von etwa 5 bis 20 bar werden die Ausströmventile geöffnet und das Rauchgas entspannt sich im Turbinenrad auf Umgebungsdruck. Das heiße Abgas wurde in einem AbhitzeDampferzeuger genutzt, mit dessen Dampf die Luft- und Brenngas-Gebläse angetrieben wurden. Ein Druckzyklus ist in Bild 6.4 aufgezeichnet. Die Zyklusfrequenz war etwa 1 Hz. Als nachteilig kann die instationäre Betriebsweise mit den notwendigen Ventilen angesehen werden. Vorteilhaft ist sicher der erzielbare hohe Wirkungsgrad, bedingt durch die günstige isochore Wärmezufuhr.
Elektrischer Generator
Turbinenrad
Ventil Verpuffungskammern
Abgaskanal
Vordruckkammer Zündung
Einlassventil Luft
Einlassventil Gas
Bild 6.3: Schnittdarstellung einer Gasturbine nach Holzwarth [6.1]
Druck/bar
110
6 Gasturbinen-Kraftwerke
8 6
4
2 0 ca. 1 s
Zeit
Bild 6.4: Druckzyklus einer Holzwarth-Gasturbine [6.1]
6.1.2 Gasturbine mit isobarer Wärmezufuhr Heutige Gasturbinen arbeiten mit stationärer isobarer Wärmezufuhr. Der Wärmeschaltplan der einfachsten Anlage ist in Bild 6.5 skizziert. Die einzelnen Prozessschritte des Joule-BraytonVergleichsprozesses, den verlustfreien Idealfall darstellend, sind (Bild 6.6): 1ĺ2: Luft von Umgebungszustand 1 wird im Turboverdichter isentrop auf den oberen Prozessdruck 2 komprimiert. 2ĺ3: In der stationär durchströmten Brennkammer wird der verdichteten Luft Brennstoff zugegeben und das Gemisch verbrannt. 3ĺ4: Das heiße Rauchgas entspannt sich unter Arbeitsabgabe in der Turbine und strömt in die Atmosphäre. Der Gegendruck der Turbine ist der Umgebungsdruck p4 = p1. 4ĺ1: Die Atmosphäre kühlt das Abgas isobar ab. Brennkammer 2
Turbosatz
3
G 1
4
Bild 6.5: Schaltplan der einfachsten Gasturbine
Diese verlustfreien Zustandsänderungen sind in Bild 6.6 in einem h,s-Diagramm gezeichnet. Trotz strömungstechnischer Maßnahmen zur Kühlung der Turbinenschaufeln und Einsatz hochwarmfester Werkstoffe bis hin zu Einkristallen liegt die Grenze der oberen Prozesstemperatur T3 derzeit bei etwa 1250 °C. Da die Verbrennung mit hohem Luftüberschuss erfolgt, ist der Restsauerstoffgehalt des Rauchgases bei ca. 15 %. Für erste thermodynamische Analysen kann das Rauchgas deshalb näherungsweise als reine Luft angesehen werden. Gleichzeitig soll Luft als thermisch und kalorisch perfektes Gas mit h = h0 + cpT
Gl. 6.7
angesehen werden. Bei mehrstufigen Gasturbinen und Turboverdichtern sind kinetische und potentielle Energieanteile vernachlässigbar. Nur bei instationären Gasturbinen (FlugzeugGasturbinen) spielen die kinetischen Anteile eine große Rolle. 1ĺ2: Isentrope Verdichtung mit Arbeitszufuhr w1,2 = h2 – h1 > 0
Gl. 6.8
6.1 Thermodynamische Grundlagen 2ĺ3: Isobare Wärmezufuhr qzu = q2,3 = h3 – h2 = cp (T3 – T2) > 0
111
Gl. 6.9
3ĺ4: Isentrope Entspannung mit Arbeitsabgabe w3,4 = h4 – h3 < 0
Gl. 6.10
4ĺ1: Isobare Wärmeabfuhr qab = q4,1 = h1 – h4 = cp (T1 – T4) < 0
Gl. 6.11
Bild 6.6: Joule-Brayton-Gasturbinenprozess im T,s-Diagramm
Die spezifische Nutzarbeit wN ergibt sich aus der Summe der spezifischen Arbeiten: wN = Ȉ wi = w1,2 + w3,4 = h2 – h1 + h4 – h3 < 0
Gl. 6.12
Der thermische Wirkungsgrad ist Șth = – wN/qzu = |wN|/q2,3
Gl. 6.13
Umformungen, im Anhang A6.1 erläutert, zeigen, dass der thermische Wirkungsgrad unter o.g. Annahmen nur vom Druckverhältnis ʌ = p2/p1 = p3/p4 und dem Isentropenexponenten ț abhängig ist: Șth = 1 – ʌ (1-ț)/ț
Gl. 6.14
In Bild 6.11 ist der Verlauf von Șth über dem Druckverhältnis ʌ für ț = 1,4 (Luft) und ț = 1,67 (Edelgase). Die Temperaturen T3, T1 sind bei diesem Idealprozess für den Wirkungsgrad ohne Bedeutung. Der Wirkungsgrad lässt sich nur durch ein höheres Druckverhältnis vergrößern. Allerdings führt eine höhere Temperatur T3 zu einer größeren spezifischen Nutzarbeit wN. Bei ausgeführten, verlustbehafteten Gasturbinen hat die obere Prozesstemperatur T3 jedoch Einfluss auf den Wirkungsgrad. In geschlossenen Gasturbinen, siehe Abschnitt 6.10, ist das Arbeitsgas frei wählbar. Edelgase mit höherem Isentropenexponenten von ț = 5/3 = 1,67 ergeben höhere Wirkungsgrade. Um für eine gewünschte Leistung die kompakteste Anlage zu bekommen, ist die maximale spezifische Nutzarbeit unter gegebenen technischen und thermodynamischen Daten zu ermitteln. Wie im Anhang A6.3 hergeleitet, ergibt sich diese maximale Arbeit für eine Prozessführung, bei der sich T2 = T4 ergibt. Neben dem einfachen Gasturbinenprozess sind mehrere thermodynamische Verbesserungen denkbar. Ziel ist die Steigerung des Wirkungsgrades und der spezifischen Nutzarbeit. Weitere Ziele von Modifikationen können verbesserte Eignung für Kombinationsprozesse mit Dampfprozessen oder für die Kraft-Wärmekopplung sein. Übergeordnet ist immer eine verbesserte Wirtschaftlichkeit der Anlage. Nicht die Anlage mit thermodynamisch bestem Wirkungsgrad
112
6 Gasturbinen-Kraftwerke
wird auf dem Markt erfolgreich sein, sondern diejenige, die unter gegebenen Einsatzbedingungen über der gesamten Betriebszeit am kostengünstigsten betreibbar ist.
6.1.3 Thermodynamische Varianten 6.1.3.1 Zwischenkühlung Der Verdichter benötigt eine relativ hohe spezifische Antriebsarbeit. Mit einer Kühlung des zu verdichtenden Gases sinkt die spezifische Enthalpiedifferenz für die Druckerhöhung, da die Isobaren mit abnehmender Enthalpie konvergieren. Bild 6.7 zeigt den Sachverhalt bei einer Zwischenkühlung. Gegenüber einer direkten Verdichtung ist die Summe der spezifischen Enthalpien bei einer Verdichtung mit Zwischenkühlung geringer, womit sich die spezifische technische Verdichtungsarbeit verringert, was bei gleicher Turbinenarbeit eine Erhöhung der spezifischen Nutzarbeit ergibt. Demgegenüber erhöhen sich die Wärmezufuhr und Wärmeabfuhr. Bei einer neu entwickelten 100 MW Gasturbine, die erstmalig 2006 betrieben wurde, kam die Zwischenkühlung wieder zum Einsatz [6.17, 6.21].
Bild 6.7: Zwischenkühlung während Verdichtung
6.1.3.2 Zwischenerhitzung Analog erhöht die Zwischenerhitzung, Bild 6.8, während der Turbinenentspannung die spezifische Turbinenarbeit. Bei unbeeinflusster Verdichterarbeit steigt die Nutzarbeit. Ebenso steigt die Abwärmetemperatur T4 (T4ZÜ), was für Kombinationsprozesse [6.3] und Kraft-Wärme-Kopplungen durchaus Vorteile ergeben kann. Bild 6.9 zeigt eine moderne ausgeführte Anlage, die speziell für Kombinationsanlagen mit nachgeschaltetem Dampfkraftwerksprozess ausgelegt ist [6.8]. Die neueste Alstom GT26B hat eine Zwischenerhitzung und ein Druckverhältnis von 32 bei einer Turbinenaustrittstemperatur von etwa 630 °C im Auslegungszustand. Bild 6.8: Zwischenerhitzung während der Entspannung
6.1 Thermodynamische Grundlagen
113
Bild 6.9: Schnitt durch Gasturbine Alstom GT 26 mit Zwischenerhitzung [6.8]
6.1.3.3 Luftvorwärmung Bei mäßigen Druckverhältnissen und entsprechend hoher Turbineneintrittstemperatur kann T4 > T2 sein. Damit wird eine interne Wärmeverschiebung zur Vorwärmung der verdichteten Luft vor Eintritt in die Brennkammer sinnvoll. Das heiße Abgas erwärmt die verdichtete Luft mittels Wärmeübertrager (Luftvorwärmer Luvo), Bild 6.10. Die zu- und abzuführenden Wärmen verringern und der Wirkungsgrad erhöht sich. Der thermische Wirkungsgrad ist bei dieser Prozessführung neben dem Druckverhältnis auch vom Verhältnis der Temperaturen T1/T3 abhängig . Unter idealen Annahmen ergibt sich (siehe Anhang A6.2): Șth = 1 – (T1/T3) ʌ (ț-1)/ț
Gl. 6.15
Bild 6.10: Darstellung der im Luvo übertragenen spezifischen Wärme
Bild 6.11 stellt die Verläufe der idealen Vergleichsprozesse mit und ohne Luvo gegenüber. Die Gradienten sind gegenläufig. Bei geringen Druckverhältnissen ist Șth mit Luvo deutlich über den Werten des einfachen Joule-Brayton-Prozesses. Ab einem gewissen Druckverhältnis, abhängig von den Temperaturverhältnissen, ist der einfache Prozess überlegen. Im Schnittpunkt ist T2 = T4. Bei höheren Druckverhältnissen ist T2 > T4, d.h., die Abgastemperatur ist geringer als die Temperatur der verdichteten Luft, würde das Abgas unsinnig aufgeheizt werden.
6 Gasturbinen-Kraftwerke 1
114
0.8
Biatomare Gase (Luft)
0.6
ohne Luvo
0.4
mit Luvo
0.2
Therm. Wirkungsgrad Șth
Edelgase
T3 = 1473 K Luft T3 = 973 K Luft
0
T1 = 293 K 0
5
10
15
20
25
30
35
Druckverhältnis p2/p1
Bild 6.11: Verläufe von Șth(ʌ) für ideale Gasturbinenprozesse mit und ohne Luvo
Bei kleinen Gasturbinen wird die regenerative Luftvorwärmung teilweise noch angewandt, so bei der im Jahr 2004 angekündigten Mercury 50 mit 4,6 MW der Fa. Solar Turbines [6.18] oder bei Mikro-Gasturbinen [6.19], die ein geringes Druckverhältnis haben. In der Anfangszeit der Gasturbine, als nur geringe Druckverhältnisse und niedere Turbineneintrittstemperaturen bei schlechten Komponentenwirkungsgraden erzielbar waren, fanden alle diese Verbesserungen Anwendung. Beispiele sind BBC-Gasturbinen der ersten Generation, in Bild 6.12 die Anlage in Beznau/CH von 1948 [6.4]. Bei der Anlage Beznau kühlt die angesaugte Luft im Zwischenkühler nach dem Niederdruckverdichter ab und strömt nach dem Hochdruckverdichter durch den Luvo, bevor sie in der Hochdruckbrennkammer erhitzt wird. Das Rauchgas entspannt in der Hochdruckturbine und wird in der Niederdruckbrennkammer zwischenerhitzt und in der Niederdruckturbine auf Umgebungsdruck entspannt, um abschließend einen Teil seiner Abwärme im Luvo auf die verdichtete Luft abzugeben. Als technisch aufwändigste Gasturbine gilt die „Zentrale St. Denis“ in Paris, 1946 von Escher Wyss/Zürich entwickelt und 1960 zu voller Leistung gebracht. Die geschlossene Anlage von 12 MW Nutzleistung hatte 3 Zwischenkühlungen, Vorkühler, Zwischenerhitzer und Luftvorwärmer sowie Aufladegebläse und Abgasturbine. Der höchste Druck war 56 bar, das Druckverhältnis 12 [6.4].
6.1 Thermodynamische Grundlagen
115
Bild 6.12: Aufbau der Gasturbine Beznau, Jahr 1948 [6.4]
6.1.4 Realer Gasturbinen-Prozess Reale Prozesse sind verlustbehaftet. x Anstatt isentroper ergeben sich polytrope Zustandsänderungen in Verdichter und Turbine. Die Qualität der Maschinen ist durch den isentropen Wirkungsgrad Șs beurteilbar (siehe Bild 4.39). Bei Turbinen ist Șs = ǻh/ǻhs < 1,
Gl. 6.16
bei Verdichtern gilt Șs = ǻhs/ǻh < 1.
Gl. 6.17
x Die Strömung durch Brennkammer und andere Strömungskanäle, wie Ansaugkanal, ist mit einem Druckabfall verbunden. x Die Abströmung geht mit einem Verlust der kinetischen Energie einher. x In der Brennkammer ergeben sich Wärmeverluste und eventuell unvollständige Verbrennung, was durch den Brennkammerwirkungsgrad berücksichtigt wird. x Verluste durch die Schaufelkühlung. Die Verluste führen zu geringerer Turbinenleistung PT und höherer Verdichterleistung PV. Dadurch ergibt sich eine deutlich reduzierte Nutzleistung PN = PT – PV und ein verminderter thermischer Wirkungsgrad. Der reale Prozessverlauf mit kinetischen Energieanteilen ist in Bild 6.13 im h,s-Diagramm qualitativ skizziert, wobei die Verluste zur Veranschaulichung übertrieben sind.
116
6 Gasturbinen-Kraftwerke
h Enthalpie
i
d c 2
e
3
p3
p5 = p0 = p atm 5
p2 h
4
p0 = patm
0 b 1 a
g
p1 < patm Entropie
f
Verlustanteile: a: Strömungsverluste Einlauf: Entropieerhöhung, Druckabfall b: Kinetische Energie ½ c12 c: Polytrope Verdichtung d: Druckabfall in Brennkammer e: Polytrope Entspannung f: Verzögerung Turbinenaustritt ½ c42 g: Verluste durch Kamin, Schalldämmer h: ½ c22 i: ½ c32
s
Bild 6.13: Reale Zustandsänderungen in Gasturbinen
6.1.5 Umwelteinflüsse Die Ansaugbedingungen, d.h. Atmosphärenzustand, haben auf die Leistung und den Wirkungsgrad der Gasturbine großen Einfluss. Je niedriger die Verdichter-Eintrittstemperatur T1, desto höher der Massenstrom und damit die Leistung, da die Luftdichte mit geringer Temperatur ansteigt. Die Gasturbinendaten sind vom Hersteller für bestimmte Umgebungszustände gegeben, z.B. für 15 °C und 1,033 bar (Normzustand). Bei der Inbetriebnahme und Abnahme der Gasturbine wird dieser Umgebungszustand nicht vorliegen, weshalb auf den Normzustand umgerechnet werden muss. In der DIN 4341 sind die Zusammenhänge dargestellt [6.11].
6.2 Aufbau moderner stationärer Gasturbinen Gasturbinen werden bevorzugt x zur Abdeckung von Spitzenlast und x in Kombinationskraftwerken eingesetzt. In Ölförderländern, wo viel Gas entsteht, laufen Gasturbinen auch in Grundlast. Bei Einsatz als Spitzenlastkraftwerk mit kurzen Laufzeiten von wenigen Stunden pro Tag wird der Preis der erzeugten elektrischen Energie von den Investitionskosten bestimmt. Deshalb setzen sich einfache Anlagen durch, die auf dem einfachsten Prozess beruhen und i.A. auf maximale spezifische Nutzarbeit ausgelegt sind, bei denen T4 § T2 ist. Bei Druckverhältnissen über 10 und einer Turbineneintrittstemperatur im Bereich 1000 bis 1200 °C ergeben sich Turbinenaustrittstemperaturen über 500 °C. Diese Temperaturen sind für den Betrieb von nachgeschalteten Dampfkraftwerken gut geeignet (Kombinationskraftwerke). Tabelle 6.1 listet Datenbereiche aktueller Gasturbinen auf. Zunehmend werden auch Mikro-Gasturbinen mit Leistungen unter 100 kW gebaut.
6.2 Aufbau moderner stationärer Gasturbinen
117
Tabelle 6.1: Anhaltswerte thermodynamischer und technischer Daten aktueller stationärer Gasturbinen Elektrische Leistung
1 MW < Pel < 300 MW Mikro-Gasturbinen: Pel < 100 kW
Brennstoffe
Erdgas, Öl
Arbeitsfluid
Luft/Rauchgas
Turbineneintrittszustand
1000 °C < T3 < 1250 °C (1380 °C); 10 bar < p3 < 32 bar (42 bar); Werte in Klammern: Jet-Gasturbine
Turbinenaustrittszustand
450 °C < T4 < 630 °C p4 = patm
Zwischenerhitzung
Bei einer großen Gasturbine angewandt [6.8]
Zwischenkühlung
Teilweise bei Jet-Gasturbinen angewandt [6.17]
Luftvorwärmung
Bei kleinen Gasturbinen noch angewandt [6.18]
Brennkammer
Silo- oder Ring-Brennkammer
Turbine
Mehrstufige axiale Turbine in einem Gehäuse, Drehzahl: 50 Hz (Europa) bzw. 60 Hz (USA), (einstufig bei kleinen Gasturbinen)
Verdichter
Mehrstufiger axialer Turboverdichter, (einstufig bei kleinen Gasturbinen)
Getriebe
Bei Gasturbinen kleiner und mittlerer Leistung
Generator
Synchrongenerator
Wärmesenke
Atmosphäre
Rauchgasreinigung
Keine; brennkammerinterne Schadstoffminimierung
Optionale Ausstattung
Abhitzekessel für nachgeschalteten Dampfprozess (Kap. 7), zur Fernwärme- und Prozessdampferzeugung oder zur Leistungserhöhung (STIG-Prozess, Abschnitt 7.5)
Bild 6.14: Halbschnitt durch eine große stationäre Gasturbine [6.5]
Bild 6.14 zeigt eine große stationäre Gasturbine mit zwei Silobrennkammern [6.5]. Verdichter, Turbine und Generator sind auf einer Welle. Der Generator ist am kalten Ende, d.h. am Verdichtereinlauf, angebracht. Durch Umpolung dient er gleichzeitig als Anfahrmotor. Luftansaugkanal und Abgasschornstein sind unvollständig gezeigt.
118
6 Gasturbinen-Kraftwerke
Bei Gasturbinen kleiner und mittlerer Leistung sind noch Untersetzungsgetriebe üblich, so dass die Turbogruppe mit höherer Drehzahl als der Generator ausgelegt werden kann. Durch Austausch des Getriebes kann die gleiche Gasturbine sowohl für den 50 als auch 60 Hz Markt genutzt werden.
6.3 Verdichter Zur Druckerhöhung des großen Luftvolumenstroms hat sich der Turboverdichter bewährt (siehe Bild 6.14). Axiale Hochleistungsverdichter erzielen ein Druckverhältnis bis zu 1,3 pro Stufe bei der Netzfrequenz 3000 U/min. Für einen hohen Maschinenwirkungsgrad, der den Gesamtwirkungsgrad und die Nutzleistung stark beeinflusst, ist eine sorgfältige Stufenauslegung [6.6] nötig, z.B. mit dreidimensionalen Rechenprogrammen. Isentrope Wirkungsgrade bis 90 % werden erreicht. in Bild 6.15 zeigt die LiDas qualitative Kennfeld eines Axialverdichters im π , V-Diagramm nien konstanter Drehzahl. Mit abnehmendem Volumenstrom V bei konstanter Drehzahl n steigt der Verdichterenddruck bis zur Pumpgrenze steil an. Bei Überschreiten der Pumpgrenze gibt es Strömungsabriss in den Stufen, der Druck kann nicht gehalten werden und es kommt zu zyklischen Rückströmungen, bei der die Maschine Schaden erleidet.
Bild 6.15: Qualitatives Kennfeld eines Axialverdichters
In Bild 6.15 ist zusätzlich die Kennlinie der Turbine gezeichnet. Beim Anfahrvorgang im Bereich geringer Drehzahlen kann die Turbinenkennlinie die Pumpgrenze übersteigen. Deshalb sind beim Anfahren der Gasturbine Maßnahmen gegen dieses gefährliche instationäre „Pumpen“ zu treffen. Einfachst geschieht dies durch Abblasen in den entsprechenden Verdichterstufen, was den Betriebspunkt zu höherem Volumenstrom verschiebt. Gelegentlich wird bei kleineren Verdichtern durch Einspritzen von kaltem vollentsalztem Wasser der Wirkungsgrad und die Leistung erhöht. Das Wasser verdampft und führt dadurch zu einer internen Zwischenkühlung.
6.4 Turbine in der Gasturbinenanlage Das Druck- und Volumenverhältnis ist bei Gasturbinen deutlich geringer als bei Dampfturbinen, so dass eine eingehäusige Turbine mit wenigen Stufen genügt. Turbinenstufen haben bei guter Auslegung einen hohen isentropen Wirkungsgrad von 90 % oder mehr. Das StufenDruckverhältnis ist etwa 2.
6.4 Turbine in der Gasturbinenanlage
119
Der thermische Wirkungsgrad realer Prozesse und die spezifische Nutzarbeit steigen mit zunehmender Turbineneintrittstemperatur T3 an (TIT: Turbine Inlet Temperature). Es ist deshalb Ziel, hochwarmfeste Werkstoffe und effiziente Kühlungsmechanismen für die Schaufeln der ersten Turbinenstufen zu entwickeln. Keramische Schaufeln, die höchste Temperaturen weit über 1000 °C bei nahezu konstanter Festigkeit aushalten, konnten erst in kleinen FahrzeugGasturbinen erfolgreich eingesetzt werden. Bei stationären Gasturbinen sind metallische Werkstoffe Stand der Technik. Die Anforderungen an die hochwarmfesten Stähle sind bei den hohen Temperaturen und Spannungen, thermischen und mechanischen Wechselbeanspruchungen und eventuell vorhandenen Schadstoffen im Rauchgas extrem hoch. Zunehmend werden Schaufeln mit gerichtet erstarrter Kristallstruktur (Fadenkristalle in Hauptbelastungsrichtung) und Einkristalle für die erste Schaufelreihe eingesetzt. Um Verzunderung, Korrosion und Wärmestrahlungsbelastung zu vermindern, werden die Oberflächen der Schaufeln, Gehäuse und Welle im Bereich hoher Temperaturen von einigen Herstellern beschichtet.
Bild 6.16: Kühlungsarten von GasturbinenSchaufeln a) Konvektion b) Film c) Effusion
Bei der hohen Turbineneintrittstemperatur müssen die Schaufeln der ersten Turbinenstufen und deren Befestigung durch Luft aus dem Verdichter, die an der Brennkammer vorbeigeleitet wird, gekühlt werden. Angewandt werden konvektive und Filmkühlung. Die Effusionskühlung ist in Entwicklung. Bild 6.16 zeigt die Kühlungsarten im Schaufelschnitt. Die Kernströmung im Schaufelkanal verbleibt bei der hohen Temperatur, während die Grenzschicht um die Schaufeloberfläche kälter ist. Erst stromab ergibt sich eine Vermischung der Temperaturen. Je nach Turbineneintrittstemperatur und Turbinenauslegung sind Kühlluftströme von bis zu 20 %
120
6 Gasturbinen-Kraftwerke
des gesamten Massenstromes nötig. Bestreben ist es, den Kühlluftstrom gering zu halten, da sich sonst der Wirkungsgrad wieder reduziert. Die Kombination mit einer nachgeschalteten Dampfturbine zur Nutzung der GasturbinenAbgase, bietet die Möglichkeit der Schaufelkühlung mittels Dampf (siehe Abschnitt 7.8).
6.5 Brennkammer Die Anforderungen an die Brennkammer sind: x Stabile, vollständige Verbrennung x Schadstoffarme Verbrennung x Zeitlich und räumlich gleichmäßige Temperatur am Austrittsquerschnitt (Turbineneintritt).
6.5.1 Silobrennkammer
1: Brenner 2: Brennstoffdüse 3: Drallgitter 4: Brennkammer-Wandsegmente
Bild 6.17: Schnitt durch eine Silobrennkammer [6.16]
Silobrennkammer, Bilder 6.14 und 6.17, dominierte bei den stationären Gasturbinen in der Vergangenheit. Die verdichtete Luft strömt im Ringraum des Silos um die Verbrennungszone zu den einzelnen Brennern. Damit verbleibt die unter Druck stehende Wandung der großvolumigen Brennkammer auf niederer Temperatur. Ein Teilstrom der Luft tritt durch die Sekundärluftbohrungen durch die innere Wandung der Flammzone und vermischt sich mit dem Rauchgas, um es auf die der Turbinenbeschaufelung erträgliche Temperatur zu kühlen. Damit lässt sich gleichzeitig die Verbrennungsluft für eine stabile Flamme dosieren. Flüssiger Brennstoff wird in den Brennern zerstäubt. Gasförmiger Brennstoff, meist direkt aus Gaspipelines, ist auf das vorhandene Druckniveau zu drosseln.
6.5 Brennkammer
121
6.5.2 Ringbrennkammer Brennkammern der neuen Gasturbinengenerationen weisen oft ringförmige Brennkammern auf, die denen von Flugzeugtriebwerken ähneln. Bild 6.18 ist ein Schnitt durch eine neue Gasturbine mit Ringbrennkammer [6.8]. Viele kleine Brenner sind ringförmig um die Welle vor der Turbine angeordnet. Der Sekundärluftstrom wird um diese Brenner geleitet und vor der Turbine zugemischt. Auf kurzen Distanzen müssen Brennstoff-Vormischung, vollständige Verbrennung und Vermischung stattfinden.
6.5.3 Schadstoffminimierung Neueste Gasturbinen mit Ringbrennkammer 1: 2: 3: 4: 5: 6: 7: 8: 9: 10:
Mannloch EV-Brenner Brennraumbereich 1 Brennraumbereich 2 Innenliner Außenliner Brennstoff-Verteiler Brennstoff-Lanze Verdichter-Gehäuse Brennkammer-Turbinen-Gehäuse
Bild 6.18: Gasturbine mit Ringbrennkammer [6.8]
Wegen den hohen Volumenströmen in den Gasturbinen würde eine Rauchgasreinigung teuer zu stehen kommen. Deshalb sind die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte der emittierten Schadstoffe durch verbrennungstechnische Maßnahmen am Ort der Entstehung einzuhalten. Da wegen des hohen Luftüberschusses überstöchiometrisch verbrannt wird, kann von einer vollständigen Verbrennung ausgegangen werden: x Die Rußbildung ist selbst bei Ölverbrennung minimal, bei Erdgasfeuerung nicht existent. x Kohlenmonoxid CO und unverbrannte Kohlenwasserstoffe werden praktisch nicht emittiert. x Die Schwefeloxidemission hängt vom eingesetzten Brennstoff ab. Schwefelfreies Erdgas, der bevorzugte Brennstoff, hat keine SOx-Emission. x Wegen der vollständigen Verbrennung ist jedoch mit Stickoxidbildung zu rechnen. NOx ist der einzige Schadstoff bei Gasturbinen, der zu begrenzen ist. NOx entsteht aus dem Luftstickstoff an Stellen hoher Temperatur bei genügend langer Reaktionszeit. Temperatur und Verweilzeit in heißen Zonen sind zu verringern. Die Flammkühlung durch Wasser- bzw. Dampfzugabe zum Brennstoff hat sich bewährt (nasse Entstickung). Bild 6.19 demonstriert die Effizienz dieser Maßnahme. Bei einem Mischungsverhältnis Brennstoff/Wasserdampf von 1:1 tritt bei dem untersuchten Brenner eine NOxReduktion von 80 % ein. Der notwendige Einsatz von teuerem vollentsalztem Wasser, um Verzunderung und Korrosion der Turbinenbeschaufelung zu vermeiden, führt bei dieser Methode zu höheren Betriebskosten.
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6 Gasturbinen-Kraftwerke
Neuere Brenner nutzen eine intensive Vormischung von überstöchiometrischer Luftmenge und Brennstoff, um bei der Verbrennung lokale Übertemperaturen durch Brennstoff-Konzentrationsunterschiede zu vermeiden (trockene Entstickung). Hierbei wird auf eine gleichförmige Strömungsführung Wert gelegt, um z.B. Rückströmgebiete zu vermeiden, wo sich eine lange Verweilzeit der Luft ergeben könnte. Ebenso haben unterschiedliche, sukzessiv angeordnete Verbrennungszonen, wie fett-mager Zonen, gute Ergebnisse erbracht.
Bild 6.19: NOx-Minderung durch Zugabe von Wasser und Wasserdampf
In Bild 6.20 ist beispielhaft der EV-Brenner von Alstom, vormalig ABB [6.9], gezeigt, der ohne Wasserdampf besonders niedere NOx-Werte emittiert (EV: Environmental; trockene Entstickung). Der gasförmige Brennstoff wird durch feine Bohrungen um die trichterförmige tangential eingeblasene Sekundär- und Verbrennungsluft eingebracht und vermischt sich gleichförmig. Alternativ ist auch flüssiger Brennstoff in diesem Hybridbrenner nutzbar. Der Luftdrall hindert die Flamme daran, in die Wirbelschicht einzudringen. Die Verbrennung findet hinter dem Wirbelabriss etwa am Trichterausgang statt. Durch die gute Vormischung können sich keine lokalen Temperaturspitzen, die viel NOx bilden würden, ergeben.
Bild 6.20: EV-Brenner von Alstom [6.9]
6.7 Jet-Gasturbinen, Aeroderivate
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6.6 Sonstige Komponenten Die eingesetzten Generatoren entsprechen denen, die im Kapitel 4 kurz erläutert sind. Abhitzekessel zur Wärmenutzung des heißen Abgases (Kraft-Wärmekopplung, Kombinationskraftwerke) sind in Kapitel 7 und 10 beschrieben. Die für die Anwohner wichtigen Schalldämmer und sonstigen Einrichtungen werden hier nicht behandelt; siehe z.B. [6.2].
6.7 Jet-Gasturbinen, Aeroderivate Bei Gasturbinen für Flugzeugantriebe dient die Turbine ausschließlich zum Antrieb des Verdichters. Deshalb endet die Entspannung am Turbinenaustritt bei einem höheren Druck. In der Schubdüse entspannt und beschleunigt das Abgas auf Atmosphärendruck. Die mit hoher Geschwindigkeit austretenden Gase erzeugen den Schub S: (c4 − c0 ) S=m
Gl. 6.18
mit c0 der Fluggeschwindigkeit und c4 der Abströmgeschwindigkeit.
Bild 6.21: Kompakte aeroderivate Gasturbine (Jet Gasturbine): LM6000 PD Sprint (TM), hergestellt durch General Electric Co. USA [6.15]
Einige Flugzeug-Gasturbinen werden in großen Stückzahlen gebaut. Es bietet sich an, diese zu stationären Gasturbinen umzubauen. Hierzu ist ein Generator anzukuppeln, Schalldämmer vorzusehen und die Turbine um eine oder mehrere Niederdruckstufen zu ergänzen, um die Entspannung auf Atmosphärendruck bei hohem Wirkungsgrad zu erzielen. Diese zusätzlichen Turbinenstufen können auf der vorhandenen, verlängerten Welle montiert werden oder als Zweiwellenanlagen separat mit dem Generator verbunden sein. Flugzeug-Gasturbinen haben meist mehrere Wellen, z.B. eine Welle, mit der die Niederdruckstufen von Verdichter und Turbine verbunden sind und eine zweite, mit der die Hochdruckteile laufen. Dadurch lässt sich die Auslegung optimieren, so dass sich mit relativ wenigen Verdichterstufen hohe Druckverhältnisse erzielen lassen.
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6 Gasturbinen-Kraftwerke
Derartige aus Flugzeug-Gasturbinen abgeleitete Anlagen werden als aeroderivate Gasturbine oder als Jet-Gasturbinen bezeichnet. Sie werden kompakt als Containeranlagen angeboten. Die Firma General Electric hat im Jahr 2006 ihre erste LMS100 Jet-Gasturbine mit VerdichterZwischenkühlung in Betrieb genommen. Sie erreicht nach Firmenangabe bei einem Druckverhältnis von 42 und einer Turbineneintrittstemperatur von 1380 °C eine Leistung von 100 MW bei einem thermischen Wirkungsgrad von über 46 %. In der SPRINT-Version (Spray Intercooled), d.h. mit Dampfinjektion in den Kompressor zur Zwischenkühlung wird sogar eine Leistung von 110 MW bei einem Wirkungsgrad von bis zu 50 % erzielt [6.17, 6.21]. Das in Bild 6.21 gezeigte Beispiel ist eine Version aus der erfolgreichsten Jet-Gasturbinenreihe LM6000 von General Electric mit etwa 50 MW elektrischer Leistung [6.15].
6.8 Mikro-Gasturbinen Unter dieser Bezeichnung versteht man kleine Gasturbinen bis zu etwa 100 kW elektrischer Leistung. Sie dienen zur gebäudeintegrierten Versorgung mit elektrischer und thermischer Energie. Als Vorteile gegenüber kleinen Kolbenmotoren gelten höhere Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit, geringerer Platzbedarf und schnelle Regelbarkeit. Ob der geringere thermische Wirkungsgrad ein Nachteil ist, hängt vom Bedarf der einzelnen Energieformen ab.
Bild 6.22: Mikro-Gasturbine Capstone C60 [6.17]
Der Markt dieser Mikro-Gasturbinen steigt stark an, da in Ländern mit längeren Stromausfällen größere Liegenschaften wie Hotels von der öffentlichen Versorgung unabhängig werden wollen. Mikro-Gasturbinen sind einfache Einwellenanlagen mit meist nur einer Kompressor-Stufe. Trotz hohen Drehzahlen bis etwa 100.000 U/min wird nur ein moderates Druckverhältnis erzielt, was den Einsatz einer regenerativen Luftvorwärmung notwendig macht. Bild 6.22 zeigt eine kompakte Anlage mit 60 kW elektrischer Leistung. Der Rekuperator (reg. Luftvorwärmer) ist platzschonend um die Brennkammer angeordnet.
6.9 Gasturbine mit getrennter Nutzleistungsturbine
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6.9 Gasturbine mit getrennter Nutzleistungsturbine Der elektrische Generator hat die vorgegebene Netzfrequenz zu liefern. Bei Synchrongeneratoren gibt die Drehzahl und Polpaarzahl die Frequenz vor. Große Gasturbinen drehen den Generator mit Netzfrequenz, in Europa mit 50 Hz, in USA mit 60 Hz. Damit ist auch die Drehzahl des Verdichters gegeben, da er auf der Turbinen-Generator-Welle montiert ist. Schon im vorigen Abschnitt 6.3, Bild 6.15 ist die Anfahrproblematik aufgezeigt. Für Anlagen, die flexibel in einem weiten Leistungsbereich zu betreiben sind, ist es wünschenswert, die Verdichterdrehzahl von der des Generators und Turbine zu entkoppeln. Bild 6.23 ist der Wärmeschaltplan einer Anlage mit getrennter Nutzleistungsturbine, die den Generator mit konstanter Drehzahl antreibt, und einem Gaserzeugersatz, der den Verdichter und nur die ihn antreibende Turbine und Brennkammer umfasst.Gemäß den Kennlinien stellt sich die Betriebsdrehzahl des Gaserzeugersatzes entsprechend der zugeführten Wärme ein. Die Gaserzeugerturbine dient nur zum Antrieb des Verdichters. Das Enthalpiegefälle wird vom ersten Turbinenrad nur teilweise ausgenutzt, die verbleibende Enthalpiedifferenz wird in der Nutzleistungsturbine umgesetzt. Dieser Anlagentyp weist ein sehr günstiges Teillastverhalten auf und eignet sich gut für den energetischen Inselbetrieb [6.13]. Bild 6.23: Anlage mit getrennter Nutzleistungsturbine
6.10 Gasturbinen mit geschlossenem Kreislauf Der Verlauf des thermischen Wirkungsgrades des Joule-Brayton-Prozesses hängt neben dem Druckverhältnis S noch vom Arbeitsfluid über dessen Isentropenexponenten ț ab. Je höher ț, desto höher Șth bei gleichem ʌ. Edelgase liefern mit ț = 1,67 höchste Werte. Der Kreislauf ist zu schließen und das entspannte Arbeitsgas nach der Turbine über einen Wärmeübertrager zu kühlen. Die Erhitzung des Gases muss indirekt im Gaserhitzer erfolgen. Bild 6.24 zeigt den Wärmeschaltplan einer geschlossenen Gasturbine [6.10]. Da bei der geschlossenen Gasturbine Wärmeübertrager zu installieren sind, bietet sich die Abwärmenutzung des Kühlwassers an.
1: 2: 3: 4: 5: 6: 7:
Niederdruck-Verdichter Zwischenkühlung Hochdruck-Verdichter Indirekte Gaserhitzung Vorwärmung des Arbeitsfluids Turbine Rückkühlung
Bild 6.24: Schaltplan einer geschlossenen Gasturbine
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6 Gasturbinen-Kraftwerke
Die geschlossene Gasturbine weist Vorteile auf: x Freie Wahl des Arbeitsfluids x Freie Wahl des Druckniveaus x Freie Wahl des Brennstoffs, selbst Festbrennstoffe und Kernenergie. Das Druckniveau kann durch Ablassen oder Einpumpen des Arbeitsgases geändert werden. Damit weisen Teil- oder Überlast nahezu konstanten Wirkungsgrad auf. Die geschlossene Gasturbine in Oberhausen diente als Pilotanlage für deren Anwendung in gasgekühlten Hochtemperaturreaktoren. Wegen der Neutronenresistenz kommt für den nuklearen Einsatz als Arbeitsmedium nur Helium in Frage. Dichtprobleme des höchst leichtflüchtigen Heliums, das selbst durch Gussgehäuse diffundiert, haben den Einsatz in Kernkraftwerken verhindert.
6.11 Gasturbinen-Pumpspeicher-Kraftwerk Falls ein großer Druckluftspeicher vorhanden ist, kann die Gasturbine ohne Verdichter betrieben werden. Da der Verdichter etwa 2/3 der Turbinenleistung benötigt, ergibt sich dadurch eine hohe Leistungsabgabe. Der hohe Luftverbrauch von Gasturbinen macht großvolumige Druckspeicher nötig, die nur durch geeignete stabile geologische Kavitäten realisierbar sind. Das weltweit einzige Gasturbinen-Luftspeicher-Kraftwerk in Huntorf, stark vereinfachter Anlagenaufbau in Bild 6.25, nutzt zwei aus Salzstöcken ausgewaschene Kavitäten mit je 150.000 m3 Volumen, die auf 60 bar ausgelegt sind. Damit ist eine Volllastleistung von 290 MW über 2 Stunden möglich. Analog den Pumpspeicher-Wasserkraftwerken nutzt der unabhängig betriebene Verdichter preiswerten Nachtstrom, um die Kavitäten mit Druckluft zu füllen. Verdichter und Turbine sind nicht miteinander verbunden, sie arbeiten unabhängig. Zu Zeiten hohen Strombedarfs wird die über die Brennkammer erhitzte Druckluft direkt der Turbine zugeführt, wobei der Kavitätendruck abnimmt. Die Anlage in Huntorf besteht aus Hoch- und Niederdrucksystem mit zwei Verdichtern, zwei Turbinenteilen und zwei Brennkammern.
Bild 6.25: Pumpspeicher-Gasturbine, vereinfacht
Möglich sind auch Festdruckspeicher, die hierzu eine Wasservorlage nutzen [6.2]. Das Wasser eines oberirdischen Sees ist mit der Kaverne verbunden. Die Höhe der auf den unterirdischen Druckluftspeicher wirkenden Wassersäule bestimmt den Speicherdruck. Das Wasser wird bei der Luftbefüllung hinausgedrückt.
6.12 Gasturbine mit interner Kohleverbrennung
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6.12 Gasturbine mit interner Kohleverbrennung Nur geschlossene Gasturbinenprozesse sind über den Lufterhitzer (Wärmeübertrager) mit beliebigen Brennstoffen beheizbar. Ist der Festbrennstoff Kohle für Gasturbinen mit interner Verbrennung vorgesehen, so gibt es zwei Möglichkeiten: x Kohlestaubfeuerung x Kohlevergasung mit Verbrennung des Synthesegases Mit Kohle befeuerte Gasturbinen benötigen längere Anfahrzeiten, so dass sie sich eher für Grundlastbetrieb eignen. Deshalb sind sie bevorzugt als Kombinationsanlagen ausgeführt [6.14], um einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen (siehe Kapitel 7).
6.12.1 Gasturbine mit Kohlestaubfeuerung Für Gasturbinen wird z.B. von der Fa. ALSTOM die Kohlestaubfeuerung mit druckaufgeladener Wirbelschicht angeboten. Feingemahlene Kohle wird in der Wirbelschicht, gespeist mit Verbrennungsluft des Gasturbinenverdichters bei oberem Prozessdruck verbrannt und das heiße Rauchgas in der Turbine entspannt. Damit die Turbinenbeschaufelung durch die Aschepartikel und die Schadstoffe wie Schwefelverbindungen oder Schwermetalle keinen Schaden nimmt, ist eine entsprechende Heißgasreinigung vorzusehen, die wenigstens aus einem Zyklon für die Feststoffpartikel besteht und einer Entschwefelung, die derzeit durch Kalkzugabe in der Wirbelschicht geschieht. Die Gasturbinen mit Kohlestaubfeuerung fahren Turbineneintrittstemperaturen um 900 °C, unterhalb der Ascheerweichungstemperatur. Damit sind die Partikel leichter abzuscheiden, da sie weder flüssig noch klebrig sind. Trotz Zyklonabscheider ist mit einer hohen korrosiven Partikelbelastung der ersten Turbinenstufe zu rechnen. Bild 6.26 zeigt das vereinfachte Anlagenschema einer Gasturbine mit aufgeladener Kohlewirbelschicht.
Bild 6.26: Gasturbine mit aufgeladener Kohlewirbelschicht
6.12.2 Gasturbine mit Kohlevergasung Eine aufwändigere Lösung stellt die Kohledruckvergasung dar. Unter Sauerstoffmangel wird die Kohle im Wesentlichen zu Kohlenmonoxid CO vergast (siehe Abschnitt 13.1.2), in Gegenwart von Wasser auch in geringerem Umfang zu Methan CH4, wobei auch Wasserstoff H2 entsteht. Störend ist der hohe Stickstoffanteil der Luft, der als Ballast die Temperatur erniedrigt. Deshalb wird in der Anlage von Puertollano/Spanien [6.14] nach der Verdichtung der Kohledruckvergasung eine Luftzerlegung vorgeschaltet. Der verdichtete Stickstoff N2 wird der Turbine direkt zugeführt. Die Temperatur wird über der Verflüssigungstemperatur der Asche gehalten, um eine effiziente Heißgasreinigung zu erzielen. Eine derart aufwändige Anlage kann sich nur bei langer Laufzeit amortisieren, weshalb sie als Kombianlage mit nachgeschalteter Dampfturbine für möglichst kontinuierlichen Betrieb gebaut wurde. Bild 7.18 in Kapitel 7 veranschaulicht stark vereinfacht das Anlagenschema mit Kohledruckvergasung.
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6 Gasturbinen-Kraftwerke
6.13 Betriebsverhalten Die Leistungsregelung einer Gasturbine erfolgt über die Brennstoffzufuhr. Mehr Brennstoff erhöht bei konstanter Verdichterdrehzahl die Turbineneintrittstemperatur und damit die Enthalpiedifferenz in der Turbine. Die Nutzleistung steigt bei konstanter Verdichterantriebsleistung.
Bild 6.27: Normal- und Schnellstart einer Gasturbine, nach [6.5]
Gasturbinen eignen sich für kurze Anfahrzeiten und schnelle Lastwechsel. Bild 6.27 zeigt die Anfahrdynamik im Normalstart einer modernen Gasturbine von Stillstand im kalten Zustand auf Volllast. 15 Minuten hierfür sind Stand der Technik. Schnellstarts innerhalb 9 Minuten auf Volllast, wie in Bild 6.27 parallel veranschaulicht, erniedrigen die Lebenserwartung der Gasturbine, beziehungsweise erhöhen den Wartungsaufwand.
6.14 Entwicklungen Als universelle Kraftmaschine erobert sich die Gasturbine immer weitere Anwendungen. Neben den generellen Entwicklungszielen wie höhere Wirkungsgrade (Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur, höhere Druckverhältnisse, andere Werkstoffe) und geringere Schadstoffemissionen (verbrennungstechnische Optimierungen) dienen Neukonstruktionen der Optimierung an neue Einsatzgebiete. Dabei sind für stationäre Zwecke zu nennen: Einsatz in kombinierten Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (i.A. große Leistung der Gasturbine, angepasste Turbinenaustrittstemperatur, siehe Kapitel 7), als Blockheizkraftwerk (kleine Leistung) und als gebäudeintegrierte Energiezentrale (Mikroleistung). Darüber hinaus dient die Gasturbine als Antrieb für Kompressorstationen von Pipelines und als Bestandteil von Meerwasserentsalzungsanlagen. Die mobilen Einsatzgebiete sind nicht Gegenstand dieses Buches. Ein Überblick über den aktuellen Stand der Gasturbinen ist in [6.20] zu finden.
Literatur zu Kapitel 6
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Literatur zu Kapitel 6 [6.1] H. Holzwarth, Die Gasturbine, Verlag R. Oldenbourg, München und Berlin, 1911 [6.2] R. Kehlhofer, N. Kunze, J. Lehmann, K.-H. Schüller, Gasturbinenkraftwerke, Kombikraftwerke, Heizkraftwerke und Industriekraftwerke, Buch 7 Handbuchreihe Energie, Hrsg. T. Bohn, Technischer Verlag Resch, Verlag TÜV Rheinland, 1984 [6.3] V. Scherer, M. Brandauer, Neues Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Karlsruhe, in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, Editor: R. Zahoransky, Informationsschriften der VDI-GET, VDI Düsseldorf, 1998 [6.4] H.U. Frutschi, Die neuen Gasturbinen GT24 und GT26 – historischer Hintergrund des „Advanced Cycle Systems“, Sonderdruck aus ABB Technik 1/94, Druckschrift-Nr. PGT2123 94 D, 1994 [6.5] Siemens Energieerzeugung, Gasturbinen und Gasturbinenkraftwerke, Best.-Nr. A19100-U111-A210 (1991) [6.6] W. Traupel, Thermische Strömungsmaschinen, 2 Bände, 4. Aufl., Springer Verlag, 2001 [6.7] W.E. Keppel, J.B. Jansen, Erste Betriebserfahrungen mit der 600-MW-Kombianlage in Amsterdam und ihrer Vorschaltgasturbine GT13E, VGB Kraftwerkstechnik, Heft 6/90, 1990 [6.8] Die Gasturbine GT26 – Advanced Cycle System, der Technik-Sprung für niedrige Stromerzeugungskosten, P.-No. PGT 2106 93 D, 1993 [6.9] ABB AG, GTC8C – The improved low emission gas turbine with enhanced efficiency and output, ABB Publ.-No. PGT 2073 93 E, 1993 [6.10] B. Biele, K.H. Bode, H.U. Frutschi, K.U. Schneider, Abwärmenutzung bei Kernkraftwerken mit Hochtemperaturreaktor und Heliumturbinen für die Fernwärmeversorgung, Brennstoff-Wärme-Kraft, 31, 1979 [6.11] DIN 4341, Abnahmeregeln für Gasturbinen [6.12] H.-Chr. Herbst, P. Maaß, Das 290-MW-Luftspeicher-Gasturbinenkraftwerk Huntorf, VGB Kraftwerkstechnik 60, Heft 3, 1980 [6.13] ABB STAL, Gasturbine GT 10, Firmenschrift 836 E 09.89-3000, 1989 [6.14] Siemens AG, Bereich KWU, The Puertollano Integrated Coal Gasification CombinedCycle (IGC-GUD) Power Plant in Spain, Siemens Schrift A96001-U10-A292-X-7600, 1995 [6.15] General Electric, LM6000 PD Sprint Gas Turbine, 2004 (www.gepower.com/) [6.16] ABB Gas Turbines for Power and Cogeneration Plants, ASEA Brown Boveri, Publ. No. CH-KW 2006 88 E [6.17] K. Wicker, New Block on the Skids: GE´s LMS100, platts POWER, Vol. 148, 2004 [6.18] D. Adams, K. Kalyanaran, 1-20 MW Gas Turbines, Turbomachinery, Vol. 45, 2004 [6.19] CAPSTONE, Micro-Gasturbine C60, Public Domaine www.capstone.com , 2004 [6.20] C. Lechner, J. Seume (Hrsg.), Stationäre Gasturbinen, Springer Verlag, 2003 [6.21] M.J. Reale, New High Efficiency Simple Cycle Gas Turbine – GE´s LMS100TM, GE Energy, GER-4222A (0604), 2004
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6 Gasturbinen-Kraftwerke
Anhang 6 A6.1 Herleitung der Beziehung Șth = f(ʌ) für den Joule-Brayton-Prozess Die Indizierung erfolgt gemäß Bild 6.6 Kth = aN/qzu = (qzu + qab) / qzu = 1 + qab/qzu = 1 + (h1 – h4) / (h3 – h2) = 1 – (T4 – T1) / (T3 – T2) mit h = cp T und cp = konstant (perfektes Gasverhalten) Mit Erweiterungen: Kth = 1 – (T4 – T1) /{T3 (1 – T2 / T3)} = 1 – (T4/ T3 – T1/ T3) / (1- T2 / T3) Mit den Isentropenbeziehungen (pi/pk)(ț-1/ț) = Ti/Tk und p1 = p4, p2 = p3 ergibt sich T1/T2 = T4/T3
Gl. A6.1
Gl. A6.2 Gl. A6.3 Gl. A6.4
Damit lässt sich weiter umformen: Kth = 1 – {T4/ T3 – (T1/ T2) (T2/ T3)} / (1 – T2 / T3) = 1 – {T1/ T2 – (T1/ T2) (T2/ T3)} / (1 – T2 / T3) = 1 – (T1/ T2){(1 – T2/ T3) / (1- T2 / T3)} Kth = 1 – T1/T2
Gl. A6.5
Mit der Isentropenbeziehung und dem Druckverhältnis ʌ = p2/p1 ist Kth = 1 – T1/T2 = 1 – (p1/p2)(ț-1/ț) = 1 – (1/ʌ)(ț-1/ț)
Gl. A6.6
Es ergibt sich letztlich die im Text erwähnte Beziehung (Gl. 6.14): Kth = 1 – ʌ(1-ț/ț)
Gl. A6.7
A6.2 Herleitung der Beziehung Șth = f(ʌ) für den idealen Gasturbinenprozess mit Luftvorwärmung Kth = wN/qzu = (qzu + qab) / qzu = 1 + qab/qzu = 1 – (h4a – h1) / (h3 – h2a) = 1 – (cp T4a – cp T1) / (cp T3 – cp T2a)
Gl. A6.8
Zu den Bezeichnungen: Siehe Bild 6.10 Mit der Annahme eines idealen, vollkommenen Wärmeübertragers T4a = T2 und T4 = T2a, mit cp = konstant und der oben gezeigten Beziehung sowie Gl. A6.4 folgt: Kth = 1 – (T2 – T1) / (T3 – T4) = 1 – {T1 (T2 / T1 – 1)} / {T4 (T3 / T4 – 1)} Kth = 1 – T1/T4 Gl. A6.9 Mit der Isentropenbeziehung T4 = T3 ʌ(1-ț/ț) ergibt sich Gl. 6.15: Kth = 1 – (T1/T3) ʌ(ț-1/ț)
Gl. A6.10
Anhang 6
131
A6.3 Maximale (spezifische) Nutzarbeit Je höher die spezifische Nutzarbeit, desto höher die Nutzarbeit bei gegebenem Massenstrom. Die spezifische Nutzarbeit wN ist beim reversiblen Kreisprozess für den offenen JouleBrayton-Prozess ohne regenerative Luftvorwärmung und bei perfektem Gasverhalten: wN = qzu + qab = (h3 – h2) + (h1 – h4) = cp (T3 – T2 + T1 – T4)
Gl. A6.11
Das Druckverhältnis ʌ ist konstruktiv vorzugeben. Dadurch ist beim offenen Prozess auch T2 festgelegt und somit ein Maß für ʌ. T1 ist die konstruktiv nicht beeinflussbare Umgebungstemperatur, T3 ist durch die Brennstoffzufuhr vorgegeben und somit nicht von T2 abhängig. T4 ist jedoch vom Druckverhältnis und somit von T2 abhängig. Aus Gl. A6.4 folgt T1T3 = T2T4 bzw. T4 = T1T3/T2. Gl. A6.12 Also: wN = cp (T3 – T2 + T1 – T1T3/T2) Die maximale spezifische Arbeit ergibt sich somit aus der zu Null gesetzten Ableitung wwN/wT2 = 0: wwN/wT2 = cp (–1 + T1T3/T22) = 0 Gl. A6.13 Gl. A6.14 Daraus: T2 = (T1T3)1/2 bzw. T22 = T1T3 Mit Gl. A6.4: Gl. A6.15 T22 = T1T3 = T2T4 Damit ist die Bedingung für maximale spezifische Arbeit: Gl. A6.16 T2 = T4 Der einfache Joule-Brayton-Prozess ergibt also die höchste spezifische Nutzarbeit, wenn die Verdichteraustritts-Temperatur T2 gleich der Turbinenabgas-Temperatur T4 ist. Bei Umgebungstemperatur und werkstoff-/kühlungstechnisch bedingter maximaler Turbineneintrittstemperatur ist damit auch das Druckverhältnis bei realen Gasturbinen mit derzeit etwa S = 15 festgelegt. Die auf maximale spezifische Nutzarbeit ausgelegte Gasturbine stellt die für den jeweiligen Massenstrom kompakteste Gasturbine dar. Der gewählte Massenstrom ergibt die geometrische Größe der Komponenten (Rohrdurchmesser, Länge der Beschaufelung der Turbomaschinen, etc.).
133
7 Kombinationskraftwerke (Gas- und Dampf-Kraftwerke) Die Gründe, aus denen Energieversorgungsunternehmen zunehmend Kombinationskraftwerke aus Gasturbinen und Dampfkraftwerken (auch Kombikraftwerke oder Gas- und Dampfturbinen GuD®1 genannt) beim Zubau von Kraftwerkskapazitäten bevorzugen, sind vielfältig: x Höchste thermische Wirkungsgrade bis 60 % x Geringe CO2-Emission x Geringe Brennstoffkosten trotz Einsatz der hochwertigen fluiden Brennstoffe Erdgas oder Heizöl x Geringe spezifische Investitionskosten x Kurze Bauzeiten x Leistungseinheiten von ca. 50 MW bis über 1000 MW x Hohe Flexibilität x Geringe Schadstoff- und Lärmemissionen x Hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung Bei Dampfkraftwerken ist das obere Temperaturniveau derzeit aus wirtschaftlichen und thermodynamischen Gründen auf etwa 550 °C bis 600 °C beschränkt. Demgegenüber erreichen moderne stationäre Gasturbinenanlagen Turbineneintrittstemperaturen von deutlich über 1000 °C, was Abgastemperaturen über 500 °C ergibt. Es bietet sich an, mit dem Abgasstrom der Gasturbine einen Dampfkraftwerksprozess mittels eines Abhitzekessels zu „beheizen“. Bild 7.1 zeigt die prinzipielle Schaltung einer Anlage, bei der der Dampfkraftwerksprozess allein durch die Gasturbinenabgase beheizt wird.Ein derartiges Kombikraftwerk vereinigt den thermodynamischen Vorteil der Gasturbine, d.h. Wärmezufuhr bei hoher Temperatur, mit dem des Dampfkraftwerks, also Wärmeabfuhr bei niedriger Temperatur. Der wärmeabgebende Prozess wird im angelsächsischem Sprachraum mit Topping Cycle und der wärmeaufnehmende mit Bottoming Cycle bezeichnet. Bild 7.1: Prinzipieller Wärmeschaltplan eines Kombinationskraftwerkes
Alte Dampfkraftwerke können mit der Umrüstung durch Gasturbinen und Abhitzekessel zu Kombikraftwerken konvertiert werden. Dies wurde beispielsweise bei dem nicht fertiggestellten und umgebauten Kernkraftwerk in Midland (Michigan/ USA) gemacht, wo 12 Gasturbinen
1 GuD eingetragenes Warenzeichen der Siemens AG, Geschäftsbereich KWU
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7 Kombinationskraftwerke
mit jeweils 85 MWel über Abhitzekessel den damals fertiggestellten Dampfturbosatz speisen, der 360 MWel liefert. Die elektrische Volllastleistung dieses großen Kombikraftwerks beträgt 1.380 MWel. Die Gasturbinen der Kombikraftwerke werden zunehmend mit Erdgas befeuert und sind deshalb umweltfreundlich, da Erdgas zum einen hohen Wasserstoffanteil hat und zum anderen diese Kombianlagen einen hohen thermischen Wirkungsgrad aufweisen, was eine besonders geringe spezifische CO2-Emission ergibt. Gasturbinen sind derzeit relativ preiswert, was spezifische Anlagenkosten für Kombianlagen um 500 Euro pro installiertem elektrischem Kilowatt erreichen lässt (1999). Kombikraftwerke eignen sich auch zur Kraft-Wärme-Kopplung und zur Meerwasserentsalzung. Insbesondere, wenn mehrere Gasturbinen in einem Kombikraftwerk Verwendung finden, ist eine höchst flexible Betriebsweise realisierbar.
7.1 Schaltungsmöglichkeiten
Bild 7.2: Weitere Schaltungen von Gas- und Dampfkraftwerken
Es gibt eine Vielzahl von Schaltungsmöglichkeiten, wie Bild 7.2 als Ergänzung zu Bild 7.1 nur unvollständig andeutet. In Bild 7.2 a) ist der Dampferzeuger in der Gasturbinenbrennkammer integriert. Man spricht vom aufgeladenen Dampferzeuger. Das Rauchgas gibt einen Teil seines Wärmeinhalts zur Dampferzeugung und Überhitzung ab und tritt dann in die Gasturbine ein. Da die Turbineneintrittstemperatur für einen guten Wirkungsgrad der Gasturbine hoch sein muss, ist eine hohe Temperaturspreizung mit Exergieverlust bei der Dampferzeugung in Kauf zu nehmen. Falls die heissen Abgase der Gasturbine wie in Bild 7.2 a) nur für die Speisewasservorwärmung genutzt werden, ergeben sich weitere Exergieverluste. Die Kosten eines aufgeladenen Dampferzeugers sind hoch, weshalb derzeit nur Pilotanlagen realisiert sind.
7.2 Prinzipielle Zusammenhänge
135
Im Beispiel Bild 7.2 b) dient das heiße Gasturbinenabgas als Sauerstofflieferant für die Kohleverbrennung in einem Dampferzeuger. Das Gasturbinenabgas hat ca. 16 % Vol.-% Sauerstoffgehalt, was für Verbrennungsvorgänge ausreicht. Die Leistungsaufteilung von Gasturbine zu Dampfkraftwerk beträgt etwa 1:4. Die Verbesserung des gesamten Wirkungsgrades um 1 % ist gering. Diese Schaltung hat wenig Bedeutung. Bei der Anlage gemäß Bild 7.2 c) wird das Abgas der Gasturbine zur Speisewasservorwärmung einer Dampfanlage genutzt. Hierbei wird zwar die Abgasenergie genutzt, aber durch die hohe Temperaturspreizung zwischen Speisewasser und Abgas ist die Erhöhung des Gesamtwirkungsgrades wegen des Exergieverlustes gering. Die Leistung der Gasturbine ist hier gegenüber dem Dampfkraftwerk niedrig. Die Kohlevorräte sind ungleich größer als die der fluiden fossilen Energieträger, so dass versucht wird, Kohle als Brennstoff für Kombikraftwerke einzusetzen. Bild 7.2 d) ist eine Schaltung mit einer aufgeladenen Wirbelschichtfeuerung für Kohle. Der Dampferzeuger ist in der Druck-Wirbelschicht integriert, vgl. Bild 7.2 a). Die Rauchgase müssen vor Eintritt in die Gasturbinenbeschaufelung von Partikeln (Asche) und gasförmigen Schadstoffen wie Schwefel und Metallverbindungen befreit werden. Diese Heissgasreinigung ist die technische Herausforderung, die es bei der Kohlenutzung für Gasturbinen zu bewältigen gilt. Die Nutzung der Kohle in Gasturbinen ist in Kap. 6 näher erläutert. In Bild 7.2 e) wird die Dampfturbine mit einem konventionell befeuerten Dampferzeuger und dem Abhitzekessel einer Gasturbine gespeist [7.2]. Eine derartige Kombination, auch als Verbundprozess bezeichnet, bietet eine höchst flexible Fahrweise insbesondere für die KraftWärme-Kopplung. Da die in Bild 7.2 gezeigten Schaltungen trotz hohem technischem Aufwand keine überragenden Verbesserungen des thermischen Wirkungsgrades erwarten lassen, werden sie nicht weiter vertieft. Allerdings sind derartige Anlagen für die Kraft-Wärme-Kopplung und für Verbesserungen bestehender Anlagen bedeutend. Nur die für die reine Stromerzeugung wirtschaftlich bedeutende Kombination, bei der das Gasturbinenabgas als Wärmequelle für das Dampfkraftwerk entsprechend Bild 7.1 dient, wird im Folgenden behandelt.
7.2 Prinzipielle Zusammenhänge Der Gesamtwirkungsgrad Kth,Ges einer Kombianlage ohne Zusatzfeuerung, bei der nur die =Q GT ), führt auf Gasturbinenabwärme zur Beheizung des Dampfkraftprozesses dient ( Q zu GT + PGT / Q GT = PDT / Q GT + KthGT = PDT / Q Kth,Ges = (PDT + PGT) / Q zu
Gl. 7.1
Die isolierte Betrachtung der beiden Prozesse liefert für den thermischen Wirkungsgrad der Gasturbine KthGT
GT = ( Q GT – Q Abgas ) / Q GT KthGT = PGT / Q
Gl. 7.2 Abgas beheizt, so dass für den WirDie Dampfturbine wird durch den Abgaswärmestrom Q kungsgrad ȘDT des Bottoming Cycles die Definition eingeführt wird: Abgas KDT = PDT / Q
Gl. 7.3 DT
Dieser so definierte Wirkungsgrad ist nicht mit dem thermischen Wirkungsgrad Kth des Abgas ist nicht die dem Prozess zugeführte Clausius-Rankine-Prozesses zu verwechseln, denn Q
136
7 Kombinationskraftwerke
Abgas ist größer als der dem nachgeschalteten Dampfkraftwerk zugeführte WärmeWärme. Q DT strom Q zu , da nur ein Teil des Abgas-Wärmestroms der Gasturbine als Wärme für den Bottoming Cycle genutzt wird. Aus Gl. 7.2 folgt Abgas = Q GT (1 – KthGT) Q
Gl. 7.4
Gln. 7.4 und 7.3 führen auf: GT (1 – KthGT)], umgeformt: KDT = PDT / [ Q GT = KDT (1 – KthGT) PDT / Q
Gl. 7.5
Gl. 7.5 in Gl. 7.1 eingesetzt führt auf Kth,Ges = KDT (1 – KthGT) + KthGT , umgeformt auf Kth,Ges = KthGT + KDT (1 – KthGT)
Gl. 7.6
Der thermische Wirkungsgrad der Gasturbinenanlage KthGT hat direkten Einfluss auf den Gesamtwirkungsgrad Kth,Ges, wobei sich durch die unterschiedlichen Vorzeichen ein gegenläufiger Effekt einstellt. Eine Verbesserung von Kth,Ges ist nur zu erwarten, wenn die Ungleichung der partiellen Ableitung Kth,Ges/KthGT > 0
Gl. 7.7
erfüllt ist (Bild 7.3). Die Ableitung ist leicht durchzuführen: Kth,Ges/KthGT = 1 + dKDT/dKthGT (1 – KthGT) + KDT (– 1)
Gl. 7.8
Damit folgt die Ungleichung: – KDT/KthGT < (1 – KDT) / (1 – KthGT)
Gl. 7.9
Bild 7.3: Thermischer Gesamtwirkungsgrad Kth = Kth,Ges über dem der Gasturbine KthGT
Solange diese Ungleichung eingehalten ist, steigt der thermische Gesamtwirkungsgrad Kth,Ges. Eine Verbesserung von KthGT ist also nur sinnvoll, wenn ȘDT nicht zu stark sinkt. Eine Verbesserung von KthGT geht oft mit der Senkung der Abgastemperatur T4 einher. Daraus folgt, dass die Frischdampftemperatur TFD und der Frischdampfdruck pFD des DKW reduziert werden, d.h. ȘDT sinkt. Beispiel:
Wie bekannt ist, steigt der thermische Wirkungsgrad KthGT des Joule-Brayton-Prozesses durch Erhöhung des Druckverhältnisses S. Andererseits sinkt, wie in Bild 7.4 veranschaulicht, durch die Druckerhöhung bei gleichem T3,max die Abgastemperatur T4´ der Gasturbine GT. Eine höhere Abgastemperatur T4ZE ist allerdings durch eine zusätzliche Zwischenerhitzung ZE selbst mit hohem Druckverhältnis erreichbar. Je höher die Abgastemperatur T4 der GT ist,
7.3 Eindruckprozess
137
desto besser ist es für den Dampfprozess und somit für ȘDT. Die Zwischenerhitzung ist bei den GT 26 und GT 24 realisiert [7.3, 7.4], was sie in besonderer Weise für Kombianlagen geeignet machen.
Bild 7.4: Zusammenhang zwischen Druckverhältnis bzw. Zwischenüberhitzung und Abgastemperatur
7.3 Eindruckprozess Das heiße Abgas der Gasturbine soll ohne Zusatzfeuerung die Speisewasservorwärmung, Verdampfung und Überhitzung für das nachgeschaltete Dampfkraftwerk bewältigen. Für den Abhitzekessel bietet sich das Gegenstromprinzip an. Das Abgas darf wegen seines Taupunktes und des noch notwendigen Auftriebs im Kamin eine gewisse Temperatur, abhängig vom Schwefelgehalt des Brennstoffs, nicht unterschreiten. Um diese Temperatur nicht zu unterschreiten, ist eventuell eine regenerative Speisewasservorwärmung wie bei konventionellen Dampfkraftwerken vorzusehen. Bild 7.5 zeigt das idealisierte Temperatur-Wärmestrom-Diagramm im Abhitzekessel.
Bild 7.5: Temperatur-WärmestromDiagramm im Abhitzekessel ohne Zusatzfeuerung DT: Dampfprozess GT: Gasturbinenprozess
Der Druckverlust in der Verdampferstrecke mit entsprechender Abnahme der Sättigungstemperatur ist nicht berücksichtigt. Das Wasser durchläuft einen Phasenwechsel. Für die Auslegung ist der Eckpunkt des Verdampfungsbeginns entscheidend, an dem die Temperaturspreizung zwischen den wärmeübertragenden Fluiden minimal ist. Die Zwangumlaufschaltung, Bild 7.6, dominiert, wobei auch Naturumlauf oder Zwangdurchlauf realisiert sind. Bei Befeuerung mit schwefelhaltigem Öl ist der Taupunkt zu beachten. Dann ist je nach SpeisewasserVorwärmtemperatur die Abhitzekesselschaltung zu modifizieren, damit der Taupunkt nicht unterschritten wird. Unter den Annahmen konstanter spezifischer Wärmekapazitäten und konstanten Drucks im Abhitzekessel gestalten sich die Wärmebilanzen einfach. Für das Gasturbinenabgas gilt: GT = m GT cpRG ǻT = m GT cpRG (T 4GT – T1GT) = Q Q max
Gl. 7.9
Indexbezeichnungen: GT Gasturbine, DT Dampfturbine, RG Rauchgas (Abgas GT), D Dampf, W Wasser.
138
7 Kombinationskraftwerke
Der Verdampfungsprozess ist zweckmäßig in Vorwärmung, Verdampfung und Überhitzung aufzuteilen. 23DT = m DT cpW (T 3DT – T2DT) Gl. 7.10 Für die Vorwärmung: Q
34DT = m DT · r, mit r = h3 – h4 Für die Verdampfung: Q
Gl. 7.11
(Verdampfungsenthalpie r aus Dampftafel zu entnehmen) 45DT = m DT cpD (T5DT – T4DT) Für die Überhitzung: Q
45DT = m DT (h5DT – h4DT) bzw. Q
Gl. 7.12
Der für die gesamte Dampferzeugung zu erbringende Wärmestrom ist die Summe o.g. Wärmeanteile DT = Q 25DT = Q 23DT + Q 34DT + Q 45DT Q
Gl. 7.13
Bild 7.6: Dampferzeugerschaltung, Zwangsumlauf, Eindruckprozess
Sind die Grädigkeiten (minimale Temperaturdifferenzen) im Abhitzekessel zwischen den wärmeübertragenden Fluiden mit ǻTRG-fl (zwischen Rauchgas und Wasser) und ǻTRG-D (zwischen Rauchgas und Dampf) bekannt, so gelten die beiden Ungleichungen: T4“GT t T3DT + 'TRG-fl T4
GT
t T5
DT
+ 'TRG-D
Gl. 7.14 Gl. 7.15
Letztere Ungleichung führt zu: 45DT + Q 34DT GTcpRG(T4GT – T3DT – 'TRG-fl) t Q m
Gl. 7.16
Moderne stationäre Gasturbinen, i.A. für den Spitzenlasteinsatz vorgesehen, werden nach maximaler Leistungsdichte mit maximal erreichbaren Turbineneintrittstemperaturen konzipiert. Bei den üblichen Druckverhältnissen von 10 bis 20 ergeben sich Abgastemperaturen um etwa 500 °C. Für Kombianlagen werden diese Gasturbinen „von der Stange“ verwendet und nur der nachgeschaltete Clausius-Rankine-Prozess optimiert. Zunehmend werden auch Gasturbinen angeboten, die für Kombikraftwerke entwickelt wurden [7.3, 7.4].
7.3 Eindruckprozess
139
Bei Kombianlagen ist hoher Frischdampfdruck nicht gleichbedeutend mit höherem Wirkungsgrad. Es ist nicht Ziel, den Dampfkraftprozess hinsichtlich seines thermischen Wirkungsgrades KthDT zu optimieren, sondern er soll gleichzeitig die Abwärme optimal nutzen. KthDT steigt zwar bis zu einem gewissen Grad2 mit höheren Drücken an, es lässt sich dann nicht mehr soviel Abwärme nutzen und der Wirkungsgrad der Kombianlage Kth,Ges sowie deren Leistungsabgabe sinken. Entscheidend ist bei gegebenem KthGT das maximale Produkt aus dem Abwärmenutzungsgrad KAK und KthDT, wobei die Anpassung über den Frischdampfdruck pFD gesucht wird. Das Optimum für den Eindruck-Prozess bei Gasturbinen mit T3 § 1100 °C und ʌ § 15 liegt um pFD § 25 bar. Der Abwärmenutzungsgrad KAK ist definiert zu DT/ Q Abgas KAK = Q
Gl. 7.17
DT
Kth hat bei relativ hohem pFD sein Maximum, während KAK bei geringem pFD seinen Extremwert durchläuft. KDT ist das Produkt der beiden Wirkungsgrade KDT = KAKKthDT,
Gl. 7.18
Es ist das Optimum für KDT zu suchen, wie in Bild 7.7 prinzipiell veranschaulicht. Es gilt: DT = PDT/( Q Abgas KAK) KthDT = PDT/ Q
Gl. 7.19
DT / Q Abgas und KAK = Q
Gl. 7.20
Abgas = KAKKthDT. Dadurch ist Gl. 7.18 gegeben: KDT = PDT / Q -Diagramms, Bild 7.8, ist diese Optimierung leicht zu verstehen. Bei der Mit Hilfe des T, Q Variation des Frischdampfdrucks wird jeweils der optimale Massenstrom dergestalt ermittelt, dass man die für den Abhitzekessel minimalen Grädigkeiten (in Bild 7.8 'T) ausnutzt.
Bild 7.7: Wirkungsgradverläufe in Abhängigkeit vom Frischdampfdruck pFD
In Sonderfällen ist vom optimalen Frischdampfdruck abzuweichen. So kann es bei Anlagen mit Luftkondensator (keine Möglichkeit der Wasserkühlung in heißen Ländern) wirtschaftlich sein, den Frischdampfdruck über das Optimum zu erhöhen, um den Abwärmestrom des Dampfkraftwerkes gering zu halten. Das ergibt eine kleinere Kühllast. 2 Da die Gasturbine eine feste Abgastemperatur hat und somit die Frischdampftemperatur begrenzt ist,
durchläuft der thermische Wirkungsgrad des einfachen Clausius-Rankine-Prozesses bei steigendem Frischdampfdruck auch ein Maximum.
140
7 Kombinationskraftwerke
Bild 7.8: Kombiprozesse im T, QDiagramm bei verschiedenen Frischdampfdrücken
Bild 7.9: GuD-Prozess im T, SDiagramm
Die beiden Kreisprozesse der Kombianlage lassen sich im Temperatur-Entropie-Zustandsdiagramm darstellen. Zu beachten ist, dass es sich um Prozesse mit verschiedenen Arbeitsfluiden und unterschiedlichen Massenströmen handelt. Deshalb eignet sich die spezifische Entropie s ⋅s [kJ/(kgK)] nicht, sondern nur die Entropie S = m · s [kJ/K] bzw. der Entropiestrom m [kJ/(sK)], mit denen sich die unterschiedlichen Fluide und Massenströme in einem Diagramm, wie in Bild 7.9, eintragen lassen. Mit dem Integral TdS sind dann die interessierenden zubzw. abzuführenden und zu übertragenden Wärmen ermittelbar. Höchste thermische Wirkungsgrade werden bei optimierten Kombiprozessen ohne Zusatzfeuerung erzielt. Abhitzekessel mit integrierten Zusatzfeuerungen oder Schaltungen nach Bild 7.2e bieten demgegenüber höchste Betriebsflexibilität, die schnelle Wechsel im Kraft-WärmeBetrieb erlauben [7.2]. Sie werden hier nicht diskutiert, da für jeden Kraft-Wärme-Lastfall eine thermodynamische Optimierung vonnöten ist. Früher, als die Gasturbine noch nicht verbreitet war, gab es Kombikraftwerke, die auf Dampfprozessen beruhten. In den USA waren zwischen 1922 und 1949 mehrere kombinierte Quecksilber/Wasserdampf-Kraftwerke in Betrieb. Bei damals hoher Temperatur um 540 °C wurde als Topping Cycle ein Sattdampfprozess mit Quecksilber betrieben [7.6]. Da der Quecksilberdampfdruck bei dieser Temperatur nur etwa 8 bar aufweist und die hohe Dampfdichte geringe Rohrdurchmesser erlaubt, war diese hohe Temperatur beherrschbar. Die Kondensatabwärme des Quecksilberkreislaufs von ca. 230 °C bei etwa 0,1 bar diente als Wärmezufuhr eines nachgeschalteten Wasserdampfprozesses (Bild 7.10). Regenerative Speisewasser-Vorwärmung und evtl. eine Zusatzfeuerung zur Dampfüberhitzung vervollständigten die Kombianlage. Bei den werkstoffbedingten geringen Frischdampfzuständen der damaligen Zeit ergab sich mit der Vorschaltung des QuecksilberProzesses eine deutliche Wirkungsgradsteigerung.
7.4 Zwei- und Mehrdruckprozesse
141
Bild 7.10: Quecksilber-Wasserdampf Kombiprozess
7.4 Zwei- und Mehrdruckprozesse Bei Eindruckprozessen geht ein relativ großer Wärmestrom des Gasturbinen-Abgases verloren und sattdampfseitig zeigt sich eine große Temperaturspreizung. Diese Energie-/Exergieverluste sind durch einen Dampfprozess mit zwei oder mehreren Verdampfungsdrücken minimierbar. In Bild 7.11 ist ein Zweidruckprozess im Vergleich zum Eindruckprozess dargestellt. Mit einem zweiten Verdampfungsdruck ist die Temperaturspreizung und damit der Exergieverlust geringer. Wird noch der untere Verdampfungsdruck reduziert, so lässt sich auch mehr Wärme des Gasturbinenabgases nutzen.
Bild 7.11: Ein- und Zweidruck-Kombipro -Diagramm zesse im T, Q
Es läuft auf eine Optimierung von zwei Frischdampfdrücken und deren Massenstromaufteilung hinaus. Bei einer Abgastemperatur der Gasturbine von ca. 550 °C ist der Bereich von 2 bis 3 bar für den Niederdruck und 60 bis 80 bar für den Hochdruck optimal (ohne Zwischenüberhitzung, ohne Überhitzung des Niederdruckdampfes). Diese Drücke sind deutlich geringer als bei üblichen Dampfkraftwerken. Wenn Abgastemperaturen der Gasturbine von 600 °C oder höher vorliegen, kann ein wesentlich höherer Frischdampfdruck optimal sein, wie Bild 7.12 der Karlsruher Kombianlage zeigt [7.8]. Diese Anlage hat einen Zwangdurchlauf-Dampferzeuger, in dem Speisewasser bei zwei Druckniveaus (zwei Verdampfungsdrücke) verdampft und überhitzt wird. Zusätzlich findet eine Zwischenüberhitzung bei einem drittem Druck statt.
142
7 Kombinationskraftwerke
1 2 3, 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Gasturbine Hochdruck-Turbine Mitteldruck-Turbinen Niederdruck-Turbinen Hochdruck-Erhitzer Zwischenüberhitzer Hochdruck-Verdampfer Hochdruck-Economizer Niederdruck-Überhitzer Niederdruck-Verdampfer Niederdruck-Economizer Speisewasser-Vorwärmer Speisewasser-Behälter Hochdruck-Pumpe Niederdruck-Pumpe Umwälzpumpe
17
Bild 7.12: Vereinfachter Wärmeschaltplan der Karlsruher Kombianlage RDK 4S
Drei oder noch mehr Verdampfungsdrücke erlauben weitere Wirkungsgradsteigerungen. Dreidruckprozesse, nach Anzahl der Verdampfungsdrücke gezählt, sind Stand der Technik [7.9], ebenso die Einwellenanlage, bei der Dampf-, Gasturbine und Generator auf einer Welle montiert sind [7.8, 7.9]. Eine tiefere Behandlung aktueller Techniken von kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken ist in [7.16] zu finden.
7.5 Gasturbine mit interner Abwärmenutzung (Cheng-Cycle) Diese Bauvariante der Gasturbine gestattet eine interne Abwärmenutzung, indem der in einem Abhitzekessel erzeugte Dampf unmittelbar in die Gasturbine gespeist wird. Diese Gasturbine mit Dampfinjektion wird STIG-Prozess (Steam Injected Gasturbine) oder Cheng3-Cycle genannt. Schon in den dreißiger Jahren hat Bosnjakovic [7.11] in Deutschland auf diese vorteilhafte Prozessvariante hingewiesen. Im Abhitzekessel wird Wasser bei etwas höherem Druck als der Gasturbinen-Verdichterenddruck vorgewärmt, verdampft und eventuell überhitzt. Dieser Wasserdampf wird in oder nach der Brennkammer eingespeist (Bild 7.13). Hiermit steigt einmal die Turbinenleistung und der thermische Wirkungsgrad Kth verbessert sich. Ebenso ist die Einspeisung des Dampfes vor der Brennkammer möglich, was noch eine NOx-Reduzierung ergibt. Es sind Wirkungsgrade des Cheng-Cycles von etwa Kth = 50% errechenbar [7.12].
3 Prof. Cheng gilt in den USA als Erfinder dieses Prozesses.
7.5 Gasturbine mit interner Abwärmenutzung (Cheng-Cycle)
143
Bild 7.13: Schematischer Aufbau des Chengbzw. STIG-Prozesses
Prinzipiell ist die Wasserdampfeinspeisung bei allen Gasturbinen möglich, da die Turbinen höhere Massenströme ohne große Wirkungsgradeinbußen verarbeiten. Der Betriebspunkt der Arbeitsmaschine Verdichter und der Kraftmaschine Turbine verändert sich geringfügig, wie im -Diagramm von Bild 7.14 veranschaulicht. Der Massenstrom durch die Turbine steigt π, V durch die Dampfeinspeisung deutlich an. Der Betriebspunkt der parabolischen Turbinenkenn -Diagramm verschiebt sich zu seinem neuen Volumenlinie bei konstanter Drehzahl im π, V strom VRG + VD , wodurch auch das Druckverhältnis bzw. der Turbineneintrittsdruck ansteigt.
Bild 7.14: Änderung des Betriebspunktes BP beim Cheng-Prozess im S, VDiagramm
Der Verdichter muss diesen höheren Druck aufbringen, d.h. das Verdichterdruckverhältnis muss ansteigen. Bei den Anlagen zur Stromerzeugung mit konstanter Drehzahl bedingt diese . Da die KennDruckerhöhung ein geringes Absinken des geförderten Volumenstroms auf V Ch linie der Axialverdichter steil ist, ist diese Volumenstromminderung im Verdichter oft vernachlässigbar. Der Dampf hat wie bei Dampfkraftwerken Speisewasserqualität aufzuweisen, damit die Gasturbine im Dauerbetrieb ohne Schäden betreibbar ist. Die hohe Temperatur macht die Turbinenbeschaufelung reaktiv. Bei Verunreinigungen mit Salzen kommt es zu Korrosion und Verzunderung. Die Wasserdampfeinspeisung wird wegen den hohen Kosten des Speisewassers derzeit weniger im Dauerbetrieb der Gasturbine sondern eher zur kurzzeitigen Leistungssteigerung angewandt.
144
7 Kombinationskraftwerke
Bild 7.15: Skizze zur Wärmemischbilanz
Thermodynamische Behandlung: Das Dampf-Rauchgas-Gemisch ist mittels der Gasmischungsbeziehungen zu behandeln, Bild 7.15. Da bei dem STIG-Prozess nur Dampf geringen normierten Druckes benutzt wird, der nach der Vermischung mit dem Rauchgas deutlich überhitzt ist, ist für eine Abschätzung die Annahme perfekten Gasverhaltens hinreichend genau. Zur Berechnung werden die Gasmischwerte benötigt, die sich aus der adiabaten Energiebilanz, Gl. 7.22 ergeben: RG + Q D= Q ges, d.h. Q RG cpRG TRG + m D cpD TD = m Ges cpGes TGes m Gl. 7.22 Ges = m RG + m D ist die spezifische Wärme des Gemisches bei konstantem Druck Mit m cpGes zu ermitteln: RG/ m Ges) cpRG + ( m D/ m Ges) cpD cpGes = ( m
Ebenso für cv
Gl. 7.23
Ges:
RG/ m Ges) cvRG + ( m D/ m Ges) cvD cvGes = ( m
Gl. 7.24
Der gemittelte Isentropenexponent țM der Mischung ist somit țM = cpGes/cvGes
Gl. 7.25
Angenommen, die Dampfeinspeisung geschehe vor der Turbinenbeschaufelung am Zustandspunkt 3. Aus der Bilanzgleichung nach Gl. 7.22 ergibt sich für die Mischtemperatur T3,Ges: RG/ m Ges) · (cpRG/cpGes) · T3RG + ( m D/ m Ges) · (cpD/cpGes) · T3D Gl. 7.26 T3Ges = ( m Mit der Isentropenbeziehung für perfektes Gasverhalten ist daraus die Turbinenaustrittstemperatur berechenbar, wenn der Austrittsdruck p4 bekannt ist. Bei der offenen Gasturbine ist p4 = patm § 1 bar, somit T4Ges = T3Ges (p4/p3)(ț–1/ț)
mit ț = țM
Gl. 7.27
Daraus sind die interessierenden Arbeiten und Leistungen berechenbar. Die spezifische Turbinenarbeit (kinetische und potentielle Anteile wie üblich bei mehrstufigen Turbinen vernachlässigt) für ideale isentrope Zustandsänderung ist damit: wT,s = ǻhT,s = cpGes (T3Ges – T4Ges)
Gl. 7.28
Die spezifische Turbinenarbeit aT der realen Zustandsänderung ist durch den experimentell zu bestimmenden isentropen Wirkungsgrad Șs berechenbar: wT = ǻhT,s· Șs
Gl. 7.29
Die reale Turbinenleistung PT umfasst zusätzlich die mechanischen Verluste, ausgedrückt durch den Wirkungsgrad Șm: · wT · Șm Gl. 7.30 PT = m Die Nutzleistung: PN = PT – PV – PPu
Gl. 7.31
7.6 Abhitzekessel
145
Die Pumpleistung PPu ist die Leistung, die benötigt wird, um das Wasser auf den Brennkammerdruck der Gasturbine zu heben und die Druckverluste im Abhitzekessel zu überwinden. Wegen des inkompressiblen flüssigen Wassers ist PPu relativ zu den Verdichter- und Turbinenleistungen klein.
7.6 Abhitzekessel Wesentliches Bauteil einer Kombianlage ist der Abhitzekessel, der die beiden Prozesse thermisch koppelt. Wie bei üblichen Dampfkraftwerks-Kesseln ist er entsprechend dem Verlauf der Abgastemperatur in räumlich getrennt angeordneten Economizer-, Verdampfer-, Überhitzer- und gegebenenfalls Zwischenüberhitzerstrecken aufgeteilt. Bei Mehrdruckprozessen sind diese Strecken auch mehrfach vorhanden. Es sind drei Typen zu unterscheiden: x Reiner Abhitzekessel x Abhitzekessel mit geringer Zusatzfeuerung x Abhitzekessel mit maximaler Zusatzfeuerung (Dampferzeuger, der auch die Nutzung des Abhitzestroms erlaubt)
Abhitzekessel lassen alle Schaltungen zu: x Naturumlauf x Zwangumlauf x Zwangdurchlauf.
Zwangumlauf und Zwangdurchlauf erlauben eine kompakte Bauweise, rasches Anfahren und schnelle Lastwechsel. Abhitzekessel haben verschiedene Bedingungen zu erfüllen: a) b) c) d) e)
Hoher Abwärmenutzungsgrad Zulässigkeit hoher dampfseitiger Druckgradienten Zulässigkeit hoher rauchgasseitiger Temperaturgradienten Geringe Druckverluste, insbesondere rauchgasseitig Geringe Korrosionsneigung
Die Forderungen a) und d) stehen in Widerspruch. Bei den niederen Temperaturen unter 600 °C findet der Wärmeübergang vor allem konvektiv statt. Zudem sollen für guten Ausnutzungsgrad und geringe Exergieverluste zwischen wärmeauf- und abgebenden Medien nur geringe Temperaturdifferenzen auftreten. Beides bedingt große Wärmeübertragerflächen, die entsprechend hohe Druckverluste hervorrufen, wenn die Baugröße kompakt gehalten werden soll. Gewisse Abhilfe versprechen Rippenrohre mit kleinen Durchmessern. In den dünnen Rohren kompakter Wärmeübertrager ist nur eine minimale Wassermenge im Abhitzekessel, was schnelle Laständerungen erlaubt. Heute werden Abhitzekessel mit geringen rauchgasseitigen Druckverlusten von 25 bis 30 mbar bei sehr guten Grädigkeiten (Pitch-Point) von nur 8 bis 10 °C gebaut.
146
7 Kombinationskraftwerke
5
4
12
9 10
13
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3
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7 8 6
1: Gasturbinen-Abgas 2: Abgaskamin 3: Niederdruck-Trommel und Mischvorwärmer 4: Mitteldruck-Trommel 5: Hochdruck-Trommel 6: Speisewasser-Vorw. 7: Economizer 8: NiederdruckVerdampferstrecke 9: Hoch- & Mitteldruck-Verdampferstrecke 10: Mitteldruck-Verdampf. 11: Hochdruck-Eco 12: Hochdruck-Verdampfer 13: Hochdruck-Überhitzer
1
Bild 7.16: Naturumlauf-Abhitzekessel mit Dreidruckprozess [7.13]
Die Auslegung des Abhitzekessels ist ein technisch-ökonomisches Optimierungsproblem. Die Kosten sind im Wesentlichen durch die installierte Wärmeübertragerfläche bestimmt. Maß für die technische Güte ist die Grädigkeit, die die Abwärmeausnutzung bestimmt. Die Wärmeübertragerfläche des Dampferzeugers nimmt bei Verminderung der Grädigkeit exponentiell zu [7.5], die Wärmeausnutzung verbessert sich jedoch nur linear. Kommt es bei der Wirtschaftlichkeitsanalyse auf einen hohen Wirkungsgrad an (lange Betriebszeiten), so werden Grädigkeiten von 10 bis 15 °C angestrebt, ansonsten können auch preiswertere Abhitzekessel mit größeren Grädigkeiten bis zu 30 °C wirtschaftlich sein. Große Wärmeübertragerflächen ergeben höhere Druckverluste, so dass Leistungsverluste der Gasturbine die Verbesserungen des Dampfprozesses übertreffen können. Ein Druckverlust von 10 mbar im Abgas ergibt bei der Gasturbine eine Leistungs- und Wirkungsgradverminderung von etwa 0,8 % [7.5], da die Turbinenentspannung bei höherem Druck und höherer Temperatur endet. Im Normalbetrieb wird für Teillast auf Gleitdruckregelung übergegangen. Der Frischdampfdruck sinkt bei Teillast, so dass das Wasser schon im Economizer teilverdampft. Um diese Ausdampfung in Grenzen zu halten, wird der Economizer eher unterdimensioniert, damit das Wasser bei Volllast an dessen Austritt leicht unterkühlt ist. Bild 7.16 zeigt einen Naturumlauf-Abhitzekessel im Schnitt [7.13] eines Dreidruck-Prozesses für eine 226 MW Gasturbine. Der Abgasstrom wird horizontal eingeleitet. Der Speisewasserbehälter dient gleichzeitig als Niederdrucktrommel.
Tieftemperaturkorrosion ist auszuschließen. Die Temperatur der dem Abgas ausgesetzten Oberflächen soll über dem Säuretaupunkt (bei schwefelfreien Brennstoffen: Wassertaupunkt) liegen. Die geringsten Temperaturen liegen im Economizer vor (Bild 7.8). Wasserseitig ist der
7.7 Regelung, Betriebsverhalten
147
Wärmeübergang etwa hundertfach besser als rauchgasseitig und die Wärmeleitung durch die dünnwandigen Rohre ist ebenfalls hoch. Deshalb ist die Rohraußentemperatur praktisch gleich der des rohrinnenseitigen Wassers. Selbst bei hohen Rauchgastemperaturen sollte die Wassertemperatur an keiner Stelle im Economizer oder Verdampfer unterhalb des Taupunktes sein. Das Speisewasser ist gegebenenfalls regenerativ vorzuwämen, obwohl dies thermodynamisch bei Kombikraftwerken nicht sinnvoll ist. Der Säuretaupunkt hängt vom Schwefelgehalt des Brennstoffs, dem Luftüberschuss der Verbrennung, dem Wassergehalt der Abgase und dem Umsetzungsgrad von Schwefeldioxid SO2 in Schwefeltrioxid SO3 ab. Als Richtwerte für die minimale Economizer-Eintrittstemperatur können gelten [7.5]: Heizöl als Brennstoff mit einem Schwefelgehalt über 2 %: 140 bis 145 °C Heizöl als Brennstoff mit einem Schwefelgehalt unter 2 %: 120 bis 130 °C Schwefelfreies Erdgas: 40 bis 50 °C
7.7 Regelung, Betriebsverhalten Kombikraftwerke werden wegen ihres hohen Wirkungsgrades oft zur Abdeckung der Grundlast eingesetzt. Da die vorgeschalteten Gasturbinen i.A. einen separaten Abluftkamin besitzen, über den das Abgas unter Umgehung des Abhitzekessels geleitet werden kann, sind sie zudem separat zur Abdeckung der Spitzenlast einsetzbar. Falls mehrere Gasturbinen einen Dampfturbosatz speisen, können zur Lastregelung die Gasturbinen geregelt beziehungsweise ganz abgeschaltet werden, während die anderen in ihrem Auslegungspunkt bei maximalem Wirkungsgrad weiter laufen. Üblicherweise wird der Dampfprozess im Gleitdruck der verminderten Wärmezufuhr nachgefahren, was Lastwechsel relativ schnell erlaubt und seinen Wirkungsgrad ebenfalls nur geringfügig sinkt. So ist die Kombianlage genauso für die Mittellast geeignet.
Bild 7.17: Teillastwirkungsgrad; Kombianlage ohne Zusatzfeuerung mit drei Gasturbinen
Der Teillast-Wirkungsgrad folgt einem sägezahnartigen Verlauf bei hohem Niveau. Bild 7.17 verdeutlicht den Verlauf bei einem Kombikraftwerk mit drei Gasturbinen. Für den Lastbereich zwischen 2/3 und 100 % werden alle drei Gasturbinen in geringem Teillastbereich gefahren. Bei ca. 2/3 der Volllast wird eine Gasturbine ganz abgeschaltet und die zwei verbleibenden fahren im Auslegungslastpunkt bei optimalem Wirkungsgrad. Dies ergibt den Wirkungsgradsprung. Entsprechend werden im Teillastbereich zwischen ca. 1/3 und 2/3 die zwei Gasturbinen im Teillast betrieben, bis wieder eine ganz abgeschaltet wird, usw. Die Wirkungsgradsprünge sind etwa bei 1/3, 2/3 und 100 % der Volllast, da in erster Näherung auch der Dampfprozess im Gleitdruck linear mit dem Gasturbinenabgasstrom abnimmt [5.14]. Der Wirkungsgrad ist leicht höher, wenn die Gasturbinen einen einzigen Dampfturbosatz speisen können (Linie ---- in Bild 7.17).
148
7 Kombinationskraftwerke
Die kombinierte Gleitdruck-/Gleittemperatur-Fahrweise des Dampfkreises, die die wirtschaftlichste ist, erfolgt praktisch ungeregelt. Die Frischdampfdaten stellen sich durch den Abgaswärmestrom (Massenstrom und Abgastemperatur) über die Schluckfähigkeit der Dampfturbine ein. Bei sinkendem Druck steigt der Volumenstrom entsprechend an. Dies führt zu nahezu gleichbleibenden Strömungsgeschwindigkeiten in der Turbine, was den Turbinenwirkungsgrad nicht verändert. Bei gleicher Temperatur bleibt auch der thermische Wirkungsgrad konstant, was zusammen mit der einfachen technischen Realisierung die Gleitdruckregelung so attraktiv macht. Bei Anlagen ohne Zusatzfeuerung wird nur die Leistung der Gasturbinen durch die Brennstoffzufuhr geregelt. Die Leistung des Dampfturbosatzes passt sich automatisch dem Abgaswärmestrom der Gasturbinen an. Nur bei einer Zusatzfeuerung wird die Dampfturbine analog eines konventionellen Dampfkraftwerks geregelt, also z.B. über Turbineneinlassventil. Die Zusatzfeuerung mit ihren weitergehenden Regelmöglichkeiten ist sinnvoll, wenn die Kombianlage für schnelle Laständerungen ausgelegt ist. Die Lastsprünge können dann teilweise von der Dampfturbine übernommen werden. Bei Anlagen ohne Zusatzfeuerungen sind im Dampfprozess praktisch nur Sicherheitsbegrenzungen oder Sekundärregelungen installiert. Üblich ist ein Dampfturbinen-Bypass, um kurze Anfahrzeiten und flexiblen Betrieb zu gewährleisten. Der Dampfbypass erlaubt den alleinigen Betrieb der Gasturbinen ohne Rücksicht auf die wesentlich längere Anfahrzeit der Dampfanlage. Er ist ökonomischer als eine Dampfabblasleitung. Damit kann eventuell auf den teuren Rauchgasbypass verzichtet werden, wie in der Karlsruher Kombianlage [7.8].
7.8 Entwicklungen Um Standard-Gasturbinen für Kombianlagen einsetzen zu können, wurden bisher die Gasturbinen und Dampfturbinen auf separaten Wellen mit jeweils einem individuellen Generator montiert. Seit den neunziger Jahren werden Einwellenanlagen angeboten, bei denen eine oder mehrere Gasturbinen und der Dampfturbosatz auf einer Welle mit dem Generator montiert sind. Der Dampfturbosatz kann über eine Kupplung vom Gasturbosatz getrennt werden, um weiterhin einen getrennten Betrieb der Gas- und Dampfturbinen insbesondere für den Anfahrvorgang zu erlauben. Der Generator ist zwischen Gas- und Dampfturbine angeordnet. Einwellenanlagen versprechen eine gewisse Wirkungsgraderhöhung und geringere Herstellkosten, da nur ein Generator benötigt wird [7.14, 7.15]. Die Gasturbinen werden nunmehr auch für Kombikraftwerke optimiert, wie die Alstom Gasturbinen GT24 bzw. GT 26 [7.3, 7.8] mit Zwischenüberhitzung zeigen. Generell bietet der nachgeschaltete Dampfkraftwerksprozess für die Gasturbine neue Möglichkeiten der Schaufelkühlung durch Dampf. Da bei Hochleistungs-Gasturbinen über 10 % der Verdichterluft zur Kühlung benötigt wird, ergäbe diese Maßnahme eine Wirkungsgraderhöhung, da der Dampf durch die Abwärme erzeugt wird und nicht durch den Verdichter. So hat General Electric seine erste Gasturbine des Typs 9H mit einer Dampfkühlung der ersten beiden Gasturbinenstufen für eine Kombianlage ausgeliefert. Der thermische Netto-Wirkungsgrad soll 60 % erreichen [7.17]. Die 9H Gasturbine hat einen geschlossenen Dampfkühlkreis, d.h. der Kühldampf wird nicht mit der Heißgasströmung in der Gasturbine vermischt. Dies hat den Vorteil, dass das Kühlmedium sich nicht mit der Hauptströmung vermischt. Somit wird die Hauptströmung nicht unerwünscht abgekühlt. Die Kühlung der Brennkammerwandung, speziell des Heißgaskanals zur Turbinenbeschaufelung, mittels Dampf aus der Mitteldruckstufe
7.8 Entwicklungen
149
des Dampfkraftwerks ist bei der Mitsubishi 200 MW Gasturbine 501G und der SiemensWestinghouse 250 MW Gasturbine W501G seit kurzem realisiert [7.21, 7.22]. Für die Anfahrphase, bis der Dampfprozess seinen Betriebszustand erreicht hat, ist entweder noch eine temporär zuschaltbare Luftkühlung oder ein Hilfs-Dampferzeuger installiert. Einige Kombianlagen mit vorgeschalteter Kohlevergasungsanlage sind in Betrieb [7.20]. In Puertollano, Spanien, ist das derzeit größte derartige Kraftwerk mit 300 MWel [7.18]. Bild 7.18 zeigt das vereinfachte Anlagenschema. Die Synthesegastemperatur soll oberhalb der Ascheerstarrungstemperatur von ca. 1300 °C sein, damit die Asche nicht an den Wandungen anklebt. Das Hauptproblem ist bei den hohen Temperaturen die Synthesegasreinigung und deren Überwachung im laufenden Betrieb. Die metallische Gasturbinenbeschaufelung erträgt nur geringe Verunreinigungen. Einfacher gestaltet sich die der Gasturbinen-Brennkammer vorgeschaltete Kohlestaubfeuerung in einer Druckwirbelschicht, Bild 7.2 d). Allerdings sind auch wieder die Aschepartikel zuverlässig vor der Turbine abzuscheiden. Die Anlage in Cottbus [7.19] fährt mit geringen Turbineneintrittstemperaturen um 900 °C unterhalb der Ascheerweichungstemperatur, was das Problem der Schaufelkorrosion vermindert. 1: Kohlezufuhr 2: Vergasung 3: Rohgaskühlung mit Speisewasser 4: Gasreinigung 5: Schwefel-, Staubabfuhr 6: Hochdruckdampf 7: Speisewasser-Teilstrom 8: Reines Synthesegas 9: Luft 10: Luftzerlegung 11: Stickstoff 12: Brennkammer 13: Abhitzekessel
Bild 7.18: Kombianlage mit Kohledruckvergasung [7.18]
150
7 Kombinationskraftwerke
Literatur zu Kapitel 7 [7.1] Siemens AG, Bereich KWU, Kombinierte Gas-/Dampfturbinen-Prozesse, Grundschaltungen, Blatt KWU/F1, 02.92-26 [7.2] Bernhard Lehmann, Technik und Umweltschutz im neuen Heizkraftwerk 2 der Neckarwerke Stuttgart AG am Standort Altbach/Deizisau; in: Informationsschrift der VDI-GET, Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, R. Zahoransky (Editor), VDI Düsseldorf, 1998 [7.3] ABB, GT26 Advanced Cycle System, the innovative answer to lower the cost of electricity, Druckschrift P.-No. PGT 2106 93 E [7.4] H. Walter, D. Scherer, V. Scherer, Die Gasturbine GT 26 im kombinierten GasDampfturbinenkraftwerk, VGB Kraftwerkstechnik 76, Heft 8, 1996 [7.5] R. Kehlhofer, N. Kunze, J. Lehmann, K.-H. Schüller, Gasturbinenkraftwerke, Kombikraftwerke, Heizkraftwerke und Industriekraftwerke, Band 7 Handbuchreihe Energie (Hrs. T. Bohn, Techn. Verlag Resch Gräfelfing, 1984 [7.6] K. Wark, Thermodynamics, McGraw-Hill, 1966 [7.7] E.L. Harder, Fundamentals of Energy Production, John Wiley & Sons, Inc., 1982 [7.8] Viktor Scherer, M. Brandauer, Neues Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Karlsruhe; in: Informationsschrift der VDI-GET, Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, R. Zahoransky (Editor), VDI Düsseldorf 1998 [7.9] Fritz Berrevoets, Edwin Wolt, The Tapada do Outeiro Power Plant Employing the Innovative Siemens Single-Shaft Concept as the Most Cost-Effective Solution, Schrift A96001-U18-A488-X-7600, Siemens AG, Bereich KWU, 1997 [7.10] D.J. Cheng, Parallel-compound dual-fluid heat engine, US Patent 3978661, 1976 [7.11] Fr. Bosnjakovic, Technische Thermodynamik, 1935 bzw. Fr. Bosnjakovic, Technische Thermodynamik, Verlag T. Steinkopf, Dresden, 1948 [7.12] U. Franke, Der Gasturbinenprozeß mit Dampfeinblasung, BWK 44, Nr.1/2, S. 32/34, 1992 und U. Franke, H.-J. Sponholz, Die Gasturbinenkühlung bei Einsatz unterschiedlicher Kühlmedien, BWK 45, Nr. 7/8, 1993 [7.13] Firma NEM bv/NL, Schnittzeichnung Naturumlauf Abhitzekessel, 2001 [7.14] L. Balling, M. Fränkle, E. Wolf, A. Feldmüller, Operating Experience with the Latest Combined Cycle Technology using Advanced Gas Turbines, Schrift A9001-U18-A486X-7600, Siemens AG, Bereich KWU, 1997 [7.15] H. Dörr, Die neue Generation der leistungsstarken Gasturbinen für den Einsatz in GuD/Kombi-Kraftwerken in Einwellenanordnung, BWK 48, Nr.1/2, 1996 [7.16] R. Doležal, Kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke, Springer Verlag, 2001 [7.17] D. Smith, H System Steams On, Modern Power Systems, Vol. 24, 2004 [7.18] Siemens AG, Bereich KWU, The Puertollano Integrated Coal Gasification CombinedCycle (IGC-GUD) Power Plant in Spain, Schrift A96001-U10-A292-X-7600, 1995 [7.19] Pär Almhem, Lynne Anderson, Cottbus setzt auf neues PFBC-Heizkraftwerk, Firmenschrift: ABB ALSTOM Power/Mannheim Deutschland und ABB Carbon AB/Finspong Schweden [7.20] J. Wang, R. Leithner, Konzepte und Wirkungsgrade kohlebefeuerter Kombianlagen, BWK 47, Nr. 1/2, 1995 [7.21] R. Farmer, 730 MW combined cycle on 24-hr dispatch logging 97 % availability, Gas Turbine World, Vol. 34, 2004 [7.22] E. Jeffs, A 1200 MW Combined Cycle Plant Blossoms in Rural Philippines, Turbomachinery, Vol. 45, 2004
151
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz Kolbenmotoren finden in der Energieversorgung vielfältig Verwendung als Notstromaggregate, als Antrieb für Pumpen in Großkraftwerken und in dezentralen Blockheizkraftwerken BHKW. Motoren für Notstromaggregate und zum Antrieb von Arbeitsmaschinen werden meist mit Diesel-Kraftstoff betrieben. In BHKW dominieren Gasmotoren, wobei Erdgas, Deponie- oder Klärgas bevorzugt sind. Die wesentliche Thermodynamik der Otto-, Diesel- und Stirling-Motoren wird in Kürze behandelt, während die Gasmotoren tiefere Behandlung finden. Die Motoren für die Energieversorgung stammen i.A. von mobilen Anwendungen ab und werden an die energietechnischen Anwendungen angepasst. Technische Details der Motoren sind in der Fachliteratur zu finden, z.B. [8.1]. Die hier nicht behandelten, altbekannten Kolbendampfmaschinen finden in der Energietechnik vereinzelt Anwendung bei geringer Leistung und geringen Temperaturniveaus, z.B. in ORCAnlagen oder für die Erdgasentspannung [8.2, 8.3].
8.1 Otto-Motor Otto-Motoren1 lassen sich auch für die Energieversorgung einsetzen, obwohl nunmehr Dieselund Gasmotoren dominieren, da sie im Betrieb preiswerter sind und als umweltschonender2 gelten. In einem durch die Zylinder- und Kolbenwandung abgeschlossenen, sich periodisch verkleinernden und vergrößernden Raum wird ein thermodynamischer Kreisprozess verwirklicht. Das Arbeitsgas strömt über Ventile periodisch in und aus dem Zylinderraum. Die Wärmezufuhr geschieht durch interne Verbrennung eines Benzindampfes im Zylinderraum. Der Otto-Motor, dessen idealisierter thermodynamischer Vergleichsprozess im p,V-Zustandsdiagramm in Bild 8.1 als Viertaktmotor dargestellt ist, durchläuft folgende Schritte: 1ĺ2: Isentrope Verdichtung eines brennbaren Kraftstoff-Luft-Gemisches. Hierzu wird der Kolben bei geschlossenen Ventilen vom unteren Totpunkt (u.T.), Zustand 1, zum oberen Totpunkt (o.T.), Zustand 2, durch äußere Arbeitsaufnahme bewegt. 2ĺ3: Im Bereich des o.T. (Zustand 2) wird das Gemisch mittels Zündkerze gezündet. Das Kraftstoff-Luft-Gemisch verbrennt explosionsartig und die Wärmefreisetzung führt zum schlagartigen Druckanstieg auf Zustand 3. In erster Näherung kann die Wärmezufuhr als isochor (Gleichraumverbrennung) angesehen werden, d.h. bis sich der Kolben zurückbewegt, ist die Wärmefreisetzung abgeschlossen. 3ĺ4: Der Kolben wird durch den hohen Druck isentrop in Richtung u.T. bewegt und leistet dabei Arbeit. Druck- und Temperatur im Verbrennungsgas fallen. 4ĺ1: Im u.T., Zustand 4, werden die Auslassventile geöffnet und die Abgase entweichen, was als eine isochore Wärmeabfuhr aufgefasst werden kann3. Im Falle eines Viertakt1 2
3
Nikolaus Otto, 1832-1892 Die Umweltauswirkungen des Dieselmotors sind in Diskussion. Mit dem hohen Wirkungsgrad ist er als umweltschonend anzusehen, da er weniger CO2 emittiert, jedoch gelten die emittierten Partikel als gesundheitsschädlich. Beim Ausströmen in die Atmosphäre nimmt das absolute und spezifische Volumen des über Atmosphärendruck stehenden Abgases zu, weshalb der Abkühlvorgang nicht isochor ist. Allerdings saugt
152
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz motors schiebt der Kolben bei offenem Auslassventil durch seine neuerliche Bewegung von u.T. nach o.T. (Zustand 0, Bild 8.1 b) die Restgase aus. Im o.T. wird das Auslassventil geschlossen und das Lufteinlassventil zur Ansaugung der Frischluft geöffnet, indem der Kolben wieder auf seine Position in u.T. läuft (Zustand 1). Der Kreislauf ist komplett. Da dieser Ausschiebetakt (Leertakt) von 4 nach 0 und nach 1 im Idealfall keine Arbeit leistet, ist er im idealen thermodynamischen Zustandsdiagramm, Bild 8.1 a), nicht eingezeichnet.
Der ideale Otto-Vergleichsprozess kann in erster Näherung mit den Annahmen eines perfekten Gases für das Arbeitsfluid analysiert werden, um die wesentlichen Einflussparameter zu extrahieren. Bei Gleichraumprozessen ist das Verdichtungsverhältnis İ wichtigster Parameter: İ = V1/V2 = V4/V3 = (Vk+Vh)/Vk
Gl. 8.1
Vk = V2 ist das Restvolumen bei der o.T.-Stellung des Kolbens und Vh = V2 – V1 das Hubvolumen (Bild 8.1). Die Verdichtung von 1 ĺ 2 und die Entspannung von 3 ĺ 4 sind im Idealfall isentrop, d.h. T2/T1 = İț-1
Gl. 8.2
İț-1
Gl. 8.3
T3/T4 =
Damit gilt auch T2/T1 = T3/T4 = (T3 – T2)/(T4 – T1)
Gl. 8.4
Die spezifischen, isochor zu- und abgeführten Wärmen: qzu = q23 = cV (T3 – T2) > 0
Gl. 8.5
der Motor wieder Frischluft bei V1 = V4 an, so dass sich für den Kreisprozess dies als (fiktive) isochore Wärmeabfuhr darstellt.
8.1 Otto-Motor
153
qab = q41 = cV (T1 – T4) < 0
Gl. 8.6
Die spezifische Arbeit des idealen Prozesses: w = wi = w12 + w34 < 0
Gl. 8.7
w = qi = qzu + qab
Gl. 8.8
Mit w12 > 0 und w34 < 0.
Gl. 8.9
wi = pidv sind die spezifischen Volumenänderungsarbeiten. Die Verdichterarbeit w12 ist positiv und die Expansionsarbeit w34 negativ. Da |w34| > w12, ist die Arbeit des Gesamtprozesses w < 0, es wird somit Nutzarbeit nach außen abgegeben. Die Volumenänderungsarbeiten Wi = m.wi = pidV sind im p,V-Diagramm die Flächen unter den Isentropen. Die Nutzarbeit ist die im p,V-Diagramm von den Zustandsänderungen eingeschlossene Fläche. Der thermische Wirkungsgrad errechnet sich mit Gln. 8.2 bis 8.4 zu Șth = (qzu + qab)/qzu = 1 + qab/qzu = 1 + (T1 – T4)/ (T3 – T2) = 1 – İ1-ț
Gl. 8.10
Der thermische Wirkungsgrad des idealen Otto-Prozesses für ein perfektes Gas hängt nur vom Verdichtungsverhältnis ab. Der Wirkungsgrad steigt mit dem Verdichtungsverhältnis (Bild 8.2). Bei zu hohem Verdichtungsverhältnis übersteigt jedoch die Temperatur des verdichteten brennbaren Luft-Benzin-Gemischs seine Zündtemperatur und führt zur unkontrollierten Verbrennung, deutlich bevor der Kolben die o.T.-Stellung erreicht hat. Diese Selbstzündung zur Unzeit wird, zumindest wenn sie zu einem sehr steilen Druckanstieg führt, mit Klopfen bezeichnet. Ebenso kann eine zu früh vor o.T. eingestellte Zündung Klopfen verursachen. Klopfen vermindert die Motorleistung, ruft Geräusche hervor und kann bis zur mechanischen Zerstörung des Motors reichen. Somit hat die Verdichtung bei Otto-Motoren ihre Grenzen. Die Klopffestigkeit des Kraftstoffs wird durch Zusätze erhöht. Normalbenzin ist nicht so klopffest wie Superbenzin, das ein höheres Verdichtungsverhältnis erlaubt. Diese Zusätze beeinflussen jedoch den Heizwert nicht, der bei etwa Hu = 43 bis 44 MJ/kg liegt.
Bild 8.2: Abhängigkeit des thermischen Wirkungsgrades vom Verdichtungsverhältnis
Da bei den offenen Anlagen der Isentropenexponent ț durch die Luft bzw. die Rauchgase bestimmt ist, ist ț bei Otto-Motoren nicht zu beeinflussen. Es kann mit cV = 1,1 und ț = 1,35 gerechnet werden. Bei Otto-Motoren wird schon allein bedingt durch den Katalysator zur Abgasbehandlung ein stöchiometrisches Kraftstoff-Luftgemisch gefahren. Deshalb besteht das Rauchgas im Wesentlichen aus einem Gasgemisch aus Kohlendioxid, Wasserdampf und Stickstoff. Deren Stoffwerte wie cV und ț sind nicht mehr mit denen des Kraftstoffdampf-Luftgemisches identisch. Hinzu kommen Druck- und vor allem Temperatureinflüsse. Deshalb ist obige Analyse eine grobe Näherung. Genauere Stoffwerte sind der Literatur zu entnehmen [8.8].
154
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz
Reale Motoren weichen vom idealen Vergleichsprozess deutlich ab. So ist die Wärmefreisetzung nicht streng isochor und die Verdichtung bzw. Entspannung nicht isentrop. Ein realistischer Prozessverlauf ist in Bild 8.1 neben dem idealen Verlauf eingezeichnet. Die reale Nutzarbeit ist geringer. Diese Realeffekte lassen sich durch Messungen an ausgeführten Motoren erfassen. Aus dem mit schnellen piezoelektrischen Druckaufnehmern gemessenen p,VDiagramm eines realen Motors lässt sich die thermodynamisch geleistete Nutzarbeit W, mit innerer oder indizierter Arbeit Wi bezeichnet, errechnen. Wird die indizierte Arbeit Wi auf das Hubvolumen Vh bezogen, so ergibt sich die Dimension eines Druckes. Die so definierte Größe ist der mittlere indizierte Druck: pmi = |Wi|/Vh
Gl. 8.11
Der mittlere indizierte Druck pmi entspricht der Höhe eines auf der Grundlinie des Hubvolumens Vh aufgetragenen Rechtecks, das mit der im p,V-Diagramm umfahrenen Fläche der indizierten Arbeit Wi flächengleich ist. Das Verhältnis der realen indizierten Arbeit Wi zur Arbeit des idealen Vergleichsprozesses Wth ist der Gütegrad Șg: Șg = |Wi|/|Wth| < 1
Gl. 8.12
Der indizierte Wirkungsgrad Și ist das Produkt aus dem Gütegrad Șg und dem thermischen Wirkungsgrad Șth: Și = Șg Șth = |Wi|/Qzu
Gl. 8.13
Die Wärmezufuhr resultiert aus der Kraftstoffmasse mB und ihren Heizwert Hu: Și = |Wi|/(mB Hu), B Hu) bzw. in Leistungsgrößen Și = |Pi|/ ( m
Gl. 8.14
B. mit Pi der indizierten Leistung und dem Kraftstoffmassenstrom m
Außerhalb des Zylinderraumes treten mechanische Verluste durch Reibung sowie Antriebe der Hilfsaggregate auf, die im mechanischen Wirkungsgrad Șm erfasst sind: Șm = |Weff|/|Wi| = |Peff|/|Pi| < 1
Gl. 8.15
Weff ist die effektive Nutzarbeit (Peff effektive Leistung), die an der Abtriebswelle des Motors gemessen wird. Der effektive Wirkungsgrad setzt sich damit aus den einzelnen Wirkungsgraden zusammen: Șeff = Șg Șth Șm
Gl. 8.16
Die effektive Nutzarbeit resultiert zu: |Weff| = |Wi| Șm = |Wth| Șg Șm = Qzu Șeff = mB Hu Șeff
Gl. 8.17
Die effektive Nutzleistung für den Einzylindermotor: Șeff = m B Hu Șeff = pmi Vh na Șm |Peff| = |Weff| na = Q zu
Gl. 8.18
Für die elektrische Leistung Pel geht letztendlich noch der Generatorwirkungsgrad ȘG ein: |Pel| = |Peff| ȘG
Gl. 8.19
Besteht der Motor aus mehreren Zylindern, so ist die einzelne Zylinderleistung entsprechend der Zylinderzahl z zu multiplizieren: |Peff,z|= z pmi Vh na Șm
Gl. 8.20
8.1 Otto-Motor
155
Die Drehzahlgröße na ist die Frequenz der Arbeitsspiele. Bei einem Viertaktmotor tritt nur bei jeder zweiten Umdrehung ein Arbeitsspiel auf, so dass na der halben Drehzahl n entspricht, während die Zweitaktmotoren bei jeder Umdrehung einen Arbeitstakt aufweisen. Bei Viertaktmotoren: na = ½ n
Gl. 8.21
Bei Zweitaktmotoren: na = n
Gl. 8.22
Aus der Beziehung Gl. 8.18 ist der effektive spezifische Brennstoffverbrauch beff ableitbar. Es wird ein möglichst geringer Wert von beff angestrebt. B / |Peff| = (Hu Șeff)–1 beff = m
Gl. 8.23
Tabelle 8.1 listet Daten moderner Otto-Motoren auf.
Tabelle 8.1: Anhaltswerte wichtiger energetischer Parameter moderner Otto-Motoren Verdichtungsverhältnis İ
6 bis 11
Verdichtungsenddruck p2
10 bis 20 bar
Höchstdruck p3
40 bis 50 bar
Thermischer Wirkungsgrad des idealen Vergleichsprozesses Șth
0,47 bis 0,57
Gütegrad Șg
0,70 bis 0,85
Mechanischer Wirkungsgrad Șm
0,8 bis 0,85
Nur zur Stromproduktion: Generator-Wirkungsgrad ȘG
0,85 bis 0,95
Effektiver Wirkungsgrad Șeff
0,26 bis 0,32
Gesamter Wirkungsgrad zur Stromproduktion ȘGes
0,23 bis 0,30
Die Nutzleistung Peff eines Otto-Motors kann durch verschiedene Maßnahmen erhöht werden: x Höheres Verdichtungsverhältnis İ (in den Grenzen eines klopffreien Betriebs) x Aufladung des Kraftstoff-Luftgemisches durch Abgasturbolader oder Kompressor (siehe Kap. 8.2) x Höhere Drehzahl n x Größerer Hubraum Vh durch mehrere Zylinder oder größeres Zylindervolumen x Minimierung mechanischer und thermischer Verluste x Gute Ventilkonfiguration und Mehrfachventile, zur verlustarmen Zu- und Abströmung des Gases x Optimierte Ausführung der Brennkammerkonfiguration und der Gemischzufuhr Für die Kraft-Wärme-Kopplung ist neben der mechanischen Nutzleistung die nutzbare thermische Leistung von Interesse, die mit unterschiedlichen Anteilen im Kühlwasser, im Abgas und als Strahlungswärme auftritt. Bei dem effektiven Wirkungsgrad des Otto-Motors mit etwa 30 % gehen 70 % der bei der motorischen Verbrennung entstandenen Wärme in die Umgebung. Das Wasser des Motorblock-Kühlkreises ist ohne Aufwand direkt oder mittels Wärmeübertrager nutzbar. Die günstige Kühlwassertemperatur von etwa 90 °C (Wasser aus dem Motorblock austretend), ist als Vorlauftemperatur für Raumheizungen unmittelbar geeignet.
156
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz
Die Rücklauftemperaturen in den Motorblock sollten jedoch 60 °C nicht unterschreiten, um thermische Spannungen im Motorblock niedrig zu halten. Das Abgas tritt mit einem Druck von über 3 bar und einer Temperatur über 1000 °C aus. Durch die Entspannung auf Atmosphärendruck sinkt die Temperatur entsprechend der Abgaskonzeption auf etwa 300 °C bis 600 °C. Die Nutzung dieses Abgaswärmestroms mittels Abhitzekessel erlaubt die Produktion von Dampf für industrielle Zwecke.
8.2 Diesel-Motor Diesel-Motoren4 sind für mobile Zwecke zum Antrieb von Schiffen, Personen- und Nutzfahrzeugen, aber auch für stationäre Zwecke zum Antrieb von Arbeitsmaschinen und Stromgeneratoren weltweit verbreitet. Für die Energieversorgung in Blockheiz-Kraftwerken waren zunächst die aus dem Schiffsbau abgeleiteten Großmotoren von Bedeutung. In Deutschland wird die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung gefördert, so dass ein Bedarf von kleinen Anlagen entstand. Heute werden Diesel- und Gasmotoren für kleine BHKW ab etwa 5 kW elektrischer Leistung kommerzialisiert. Weltweite Verbreitung finden Diesel-Motoren in Notstromaggregaten und Stromgeneratoren für mobile Anwendungen und für entlegene Siedlungsgebiete ohne Stromanschluss. Der thermodynamische Prozess eines Diesel-Motors ist dem eines Otto-Motors ähnlich. Beim Diesel-Motor wird jedoch lediglich Luft verdichtet und der flüssige Kraftstoff durch eine Hochdruckpumpe nahe des oberen Totpunktes des Kolbens eingespritzt, wobei der Kraftstoff in kleine Tröpfchen zerstäubt wird und sich dabei selbst entzündet. Da nur Luft verdichtet wird, unterliegt das Verdichtungsverhältnis des Diesel-Motors keinen thermodynamischen Einschränkungen. Der Diesel hat keine Zündkerze. Es muss bei diesem Selbstzünder also eine so ausreichend hohe Temperatur durch die Verdichtung, mit İ- Werten deutlich über denen von Otto-Motoren erzielt werden, damit der eingespritzte Kraftstoff zündet. Der Seiliger5-Prozess6 beschreibt in idealisierter Form den Diesel-Kreislauf, Bild 8.3. Der reale Prozess weicht davon ab, analog wie in Bild 8.1 skizziert. 1ĺ2: Der Dieselmotor verdichtet mit seiner Kolbenbewegung bei geschlossenen Ventilen vom unteren Totpunkt u.T. (Zustand 1) zum oberen Totpunkt o.T. (Zustand 2) reine Luft. 2ĺ3: Im Bereich des o.T. wird der Diesel-Kraftstoff eingespritzt. Durch die hohe Verdichtung auf etwa 12 bis 22 bar hat die Lufttemperatur die Zündtemperatur überstiegen, der feine Kraftstoffnebel verbrennt sofort und die Wärmefreisetzung führt zum schlagartigen isochoren Druckanstieg (Zustand 3). 3ĺ3´: Da die Verbrennung der Kraftstofftröpfchen eine gewisse Zeit benötigt, bewegt sich der Kolben bei anhaltender Wärmefreisetzung zurück. Näherungsweise ist mit einem konstanten Druck zu rechnen. 3´ĺ4: Der Druck fällt nach Abschluss der Verbrennung im Idealfall unter Abgabe von Arbeit isentrop ab.
4 5 6
Rudolf Diesel, 1858-1913 Von Moritz Seiliger 1922 vorgeschlagen Der Seiliger Prozess beschreibt ebenso den Otto-Kreisprozess realitätsnaher, da ein Gleichdruckanteil auch bei der Verbrennung im Otto-Motor vorliegt.
8.2 Diesel-Motor
157
4ĺ1 Im u.T. (Zustand 4) werden die Auslassventile geöffnet und die Abgase entweichen. Im Falle eines Viertaktmotors schiebt der Kolben bei offenem Auslassventil durch seine neuerliche Bewegung von u.T. nach o.T. (Zustand 0, Bild 3.1 b) die Restgase aus. Im o.T. wird das Auslassventil geschlossen und das Lufteinlassventil zur Ansaugung der Frischluft geöffnet, indem der Kolben wieder auf seine Position in u.T. läuft (Zustand 1). Da dieser Ausschiebetakt (Leertakt) von 4 nach 0 und nach 1 im Idealfall keine Arbeit leistet, ist er im idealen thermodynamischen Zustandsdiagramm, Bild 8.3, nicht eingezeichnet. Bild 8.4 stellt den Seiliger-, Otto- und Joule-Brayton-Prozess im T,s-Zustandsdiagramm dar. Im Unterschied zum Otto-Prozess ist beim Diesel-Prozess mit einem Anteil einer Gleichdruckverbrennung zu rechnen. Frühe Dieselmotoren hatten eine Kraftstoffzerstäubung bei niedrigen Drücken, was große Tropfen und damit eine langsame Verbrennung mit hohem Gleichdruckanteil und vernachlässigbarem Gleichraumanteil7 ergab.
Bild 8.3: Idealer Seiliger-Vergleichsprozess im p,V-Diagramm
a) Seiliger-Prozess b) Otto-Prozess c) Joule-Brayton-Prozess
Bild 8.4: Seiliger-, Otto- und JouleBrayton-Vergleichsprozesse im T,s-Diagramm
Die Zusammenhänge des Seiliger-Kreisprozesses sind durch die isochore und isobare Wärmezufuhr erschwert: qzu = q23 + q33´ = cV (T3 – T2) + cp (T3´ – T3) > 0
Gl. 8.24
In der Gleichdruckverbrennungsphase leistet der Kolben schon Arbeit, was drei Arbeitsanteile ergibt: w = wi = w12 + w33´ + w3´4 < 0 7
Gl. 8.25
Teilweise wird der Prozess mit isentroper Verdichtung, Gleichdruckverbrennung, isentroper Entspannung und isochorer Wärmeabfuhr auch als Diesel-Prozess bezeichnet.
158
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz bzw. w = qi = q23 + q33´ + q41 = qzu + qab
Gl. 8.26
Neben dem Verdichtungsverhältnis sind zwei weitere dimensionslose Kennzahlen für den Seiliger-Prozess nötig: Verbrennungsdruckverhältnis
ȥ = p3/p2
Gl. 8.27
Verbrennungsvolumenverhältnis
ij = V3´/V3
Gl. 8.28
Der thermische Wirkungsgrad ist beim Seiliger-Prozess neben İ von ȥ und ij abhängig und durch Einfügen eines Faktors K = K(ȥ, ij) analog Gl. 8.10 darstellbar: Șth = 1 – K · İ1–ț Mit K = (ȥ
ijț
Gl. 8.29
– 1)/[ ȥ – 1 + ț ȥ (ij – 1)]
Gl. 8.30
ij = 1 ist der Grenzfall des Otto-Prozesses. Damit wird K = 1. ȥ = 1 ist die reine Gleichdruckverbrennung. Kreisprozesse mit Gleichraumverbrennung ergeben höhere thermische Wirkungsgrade Șth als die mit Gleichdruckverbrennung bei gleichen Temperaturniveaus, da die Wärmezufuhr mit geringerer Entropiezunahme geschieht (Isochoren sind im T,s-Diagramm steiler als Isobaren). Je geringer das Verbrennungsvolumenverhältnis ij, desto höher Șth, um bei ij = 1 den Wert des Otto-Prozesses zu erreichen. Der Otto-Prozess hat bei gleichem Verdichtungsverhältnis İ höchstes Șth. Allerdings ist wegen Klopfens (unkontrollierte Selbstzündung) das Verdichtungsverhältnis auf maximal 12 begrenzt. Die reine Gleichdruckverbrennung ȥ = 1 ergibt geringste Șth. Diesel-Motoren ohne Fremdzündung arbeiten mit hohen Verdichtungsverhältnissen İ > 12, damit das Tropfen-Luft-Gemisch selbst zündet. Moderne Dieselmotoren sind meist mit einem Abgas-Turbolader ausgestattet. Das unter Druck stehende Abgas wird über ein Turbinenrad geleitet, welches ein auf der gleichen Welle angebrachtes radiales Verdichterlaufrad antreibt. Dieser Verdichter saugt die Umgebungsluft an und drückt sie mit etwa 2 bar in den Zylinderraum. Dadurch wird einmal eine höhere Leistung und, da es eine Abgasnutzung darstellt, ein höherer Gesamtwirkungsgrad erzielt. Gleichzeitig verbessern sich die Emissionswerte. Tabelle 8.2: Anhaltswerte wichtiger energetischer Parameter moderner Diesel-Motoren Verdichtungsverhältnis İ
12 bis 22
Verdichtungsenddruck p2
30 bis 55 bar
Höchstdruck p3
70 bis 110 bar
Thermischer Wirkungsgrad des idealen Vergleichsprozesses Șth
0,56 bis 0,65
Gütegrad Șg
0,70 bis 0,85
Mechanischer Wirkungsgrad Șm
0,8 bis 0,85
Nur zur Stromproduktion: Generator-Wirkungsgrad ȘG
0,85 bis 0,95
Effektiver Wirkungsgrad Șeff
0,32 bis 0,45
Gesamter Wirkungsgrad zur Stromproduktion ȘGes
0,30 bis 0,40
Dass Diesel-Motoren höhere Wirkungsgrade als Otto-Motoren aufweisen, liegt also nicht an deren thermodynamisch überlegenem Kreislauf, sondern in erster Linie an den möglichen höheren Verdichtungsverhältnissen. Heutige Motoren arbeiten mit sehr hohen Einspritz-
8.3 Stirling-Motor
159
drücken von teilweise deutlich über 1000 bar, die eine effektive Kraftstoffzerstäubung zu sehr kleinen Tropfengrößen ergibt. Das Luft-Kraftstofftropfen-Gemisch reagiert dadurch äußerst schnell. Gegenüber früheren Motoren ist der Gleichdruckanteil der Wärmezufuhr bei modernen Dieselmotoren klein, was den Wirkungsgrad deutlich verbessert. Tabelle 8.2 listet einige Werte ausgeführter Diesel-Motoren. Diesel-Motoren, mit raffinierten Pflanzenölen wie Rapsöl oder Palmöl als Kraftstoff, werden für den Kraft-Wärme-Betrieb in Deutschland durch die finanzielle Förderung über das Erneuerbare Energiegesetz EEG und das Kraft-Wärmekopplungsgesetz interessant [8.20].
8.3 Stirling-Motor Der Stirling8-Motor arbeitet mit äußerer Verbrennung, d.h. das Arbeitsgas wird indirekt von außen durch eine Wärmeübertragungsfläche beheizt. Damit sind Brennstoffe, auch Festbrennstoffe, frei wählbar oder die direkte thermische Nutzung der Solarenergie möglich. Das Stirling-Prinzip wird auch oft bei Tieftemperatur-Kältemaschinen angewandt. Für die Solaranwendung stehen stationäre Motoren kleiner Leistung im Vordergrund [8.6]. Der Zylinder des Stirling-Motors ist in einen Kalt- und Warmraum unterteilt. Im Kaltraum findet die Wärmeabfuhr und im Warmraum die Wärmezufuhr statt. Neben dem Arbeitskolben ist ein Verdrängerkolben eingebaut, der das Arbeitsgas periodisch zwischen beiden Zylinderräumen verschiebt, so dass das Arbeitsgas den thermodynamischen Kreisprozess durchläuft. Der Verdrängerkolben ist auch unter Regenerator bekannt, da er die Wärme kurzfristig zwischenspeichert. a: b: c: d: e: f:
Arbeitskolben Verdrängerkolben Kalt-, Warmraum Kühlung Heizung
Bild 8.5: Bewegungsphasen eines Stirling-Motors
Bild 8.6: p,V- und T,s-Zustandsdiagramme des idealen Stirling-Vergleichsprozesses 8
Robert Stirling, schottischer Geistlicher, 1790-1878
160
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz
1ĺ2: Im linken Teilbild I haben der Arbeitskolben a und der Verdränger b ihre Extremlagen eingenommen. Das Arbeitsgas ist im Kaltraum c des Zylinders und hat die niederste Prozesstemperatur T1. Der nach oben schiebende Arbeitskolben (Arbeitsaufnahme) verdichtet das Gas bei gleichzeitiger Kühlung über die Wandung des Kaltraums zum Punkt 2 (isotherme Verdichtung; Teilbild II). 2ĺ3: Der Arbeitskolben verharrt in o.T., der Verdrängerkolben fährt in Richtung des Arbeitskolbens (Teilbild III). Dadurch strömt das kalte Arbeitsgas durch den Verdränger in den Warmraum über, mit regenerativer Wärmezufuhr in den Verdränger-Strömungskanälen (isochore Wärmezufuhr). Temperatur und Druck des Arbeitsgases erhöhen sich. 3ĺ4: Das Arbeitsgas bewegt den Arbeitskolben. Der Verdränger folgt dem Arbeitskolben in den Kaltraum, so dass das Arbeitsgas unter anhaltender Wärmezufuhr und mit Arbeitsabgabe im Warmraum auf Zustand 4 entspannt (Teilbild IV). Diese Zustandsänderung kann bei guter Auslegung des Motors mit konstanter Temperatur erfolgen. 4ĺ1: Der Verdränger wird im Kaltraum abgekühlt. Zuletzt fährt der Verdrängerkolben in den Warmraum, während der Arbeitskolben in u.T. verharrt, bis wieder die Ausgangslage der beiden Kolben in ihrer Extremlage erreicht ist. Das entspannte, warme Arbeitsgas strömt hierbei durch den erkalteten Verdränger in den Kaltraum, wobei es seine Wärme abgibt (isochore Wärmeabfuhr). In seiner Warmraumposition o.T. erhitzt sich der Verdrängerkolben wieder und die Ausgangslage I von Bild 8.5 ist erreicht, der Kreis geschlossen. Die Kolbenbewegungen müssen mittels Kurbeltrieben synchronisiert werden. Für ein kalorisch und thermisch ideales Gas ist der Vergleichsprozess einfach zu analysieren. Bild 8.6 zeigt die Zustandsänderungen im p,V- und T,s-Diagramm. Die spezifische Nutzarbeit wth resultiert aus den isothermen Verschiebearbeiten der Verdichtung und Entspannung (R: spezielle Gaskonstante): wth = w12 + w34 = Ȉ pdv = Ȉ (RT/v)dv = – RT1ln(v2/v1) – RT3ln(v4/v3)
Gl. 8.31
Da die Gasvolumina in den Zustandspunkten 1 und 4 sowie 2 und 3 gleich sind, lässt sich vereinfachen: Wth = – mR(T3 – T1) ln(V4/V3)
Gl. 8.32
Die Wärmezufuhr geschieht bei den Zustandsänderungen 2-4 und 3-4 und die Wärmeabfuhr bei 4-1 und 1-2: 3
4
2
3
1
2
4
1
qzu = q23 + q34 = ∫ Tds + ∫ Tds = cv (T3 – T2) + T3ǻs34
qab = q41 + q12 = ∫ Tds + ∫ Tds = cv (T1 – T4) + T1ǻs12
Gl. 8.33 Gl. 8.34
Die isochoren Wärmezufuhranteile q23, q41 sind gleich: Gl. 8.35 q23 = – q41 Das thermodynamische Kreisintegral ist im T,s-Diagramm ein gekrümmtes Parallelogramm (die Isochoren sind nicht gerade, s. Bild 8.6). Da der Abwärmeanteil q41 prozessintern über den Verdrängerkolben als Wärmezufuhr q23 genutzt wird, reduziert sich die externe Wärmezufuhr auf q34 = T3 ǻs34 > 0, ebenso reduziert sich die abzuführende Wärme auf q12 = T1 ǻs12 < 0. Der thermische Wirkungsgrad des Stirling-Prozesses ist damit mit dem maximalen, dem CarnotWirkungsgrad identisch:
8.4 Gasmotoren
161
Șth = (qzu + qab) / qzu = 1 + qab / qzu = 1 + q12 / q34 = 1 + T1 ǻs12 / (T3 ǻs34) Mit ǻs12 = –ǻs34 ergibt sich der Carnot-Wirkungsgrad9: Șth = 1 – T1 ǻs34 / (T3 ǻs34) = 1 – T1 / T3
Gl. 8.36 1: 2: 3: 4: 5: 6: 7:
Arbeitskolben Verdrängerkolben Brennkammer, Warmraum Warmraum-Überströmung Regenerator (thermischer Speicher) Kühlung Kurbelwelle
Bild 8.7: Schnittbild durch Stirling-Motor SOLO, Modell 161 mit separaten Arbeits- und Kompressionszylindern [8.7]
Wegen der indirekten Wärmezufuhr und des hohen Wirkungsgradpotenzials ist der StirlingMotor höchst erfolgversprechend. Probleme bereitet die hinreichend schnelle Wärmeverschiebung. Der Verdrängerkolben muss die Wärme schnell aufnehmen und abgeben können, sowie eine genügende Wärmekapazität bei geringen Strömungsverlusten und langer Standzeit aufweisen, was nur ungenügend zu erfüllen ist. Deshalb wird vom Carnot-Wirkungsgrad abgewichen. Die ungenügende interne Wärmeverschiebung erhöht die abzuführende Wärme, die jedoch in einem Kraft-Wärme-Kopplungsbetrieb genutzt werden kann. Bild 8.7 zeigt das Schnittbild durch einen aktuellen Stirling-Motor mit den Daten: Arbeitsvolumen 160 cm3; Leistung: 3 bis 10 kW bei Nenndrehzahl 1500 rpm; Arbeitsgas ist Helium, mittlerer Arbeitsdruck 30 bis 150 bar (Leistung ist druckgesteuert).
8.4 Gasmotoren Gasmotoren haben in der Energieversorgung breite Anwendung gefunden, da sie für viele Gase einsetzbar sind. Wegen der Bedeutung in der Energietechnik sei den Gasmotoren hier ein separater Abschnitt gewidmet. 9
Bei isothermer Verdichtung und Entspannung gilt für perfekte Gase: 's12 = R lnV2/V1 bzw. 's34 = R lnV4/V3. Da V2 = V3 sowie V1=V4 sind, ist 's12 = -'s34.
162
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz
8.4.1 Brenngase Gasmotoren arbeiten i.A. nach dem Otto-Prinzip. Anstelle des Kraftstoffvergasers ist für das brennbare Gas und die Verbrennungsluft ein Gasmischer installiert. Wieder ist die Verdichtung wegen der Klopfgefahr begrenzt. Maßzahl für die Klopffestigkeit der Brenngase ist die Methanzahl MZ. Die Gase werden mit reinem Methan, das sehr klopffest ist, und Wasserstoff, das klopffreudig ist, verglichen. Methan hat die MZ von 100, Wasserstoff 0. Tabelle 8.3 listet Methanzahlen und andere energetisch relevante Stoffwerte wie Molzahl M und Mindestluftbedarf für stöchiometrische Verbrennung Lmin für einige Gase auf. Schwachgase mit einem hohen Anteil nicht brennbarer Gase wie CO2 und N2 können MZ-Werte über 100 aufweisen. Tabelle 8.3: Methanzahlen und andere Stoffdaten unterschiedlicher Gase [8.8] Gas Wasserstoff H2 Kohlenmonoxid CO Methan CH4 Ethan C2H6 Propan C3H8 Erdgas, bestehend aus N2 CH4 C2H6 C3H8 C4H10 Klärgas, best. aus N2 H2 CO2 CH4 Deponiegas, best. aus N2 O2 CO2 CH4 Kokereigas, best. aus N2 H2 O2 CO CO2 CH4 Holzgas, best. aus N2 H2 CO CO2 CH4 C2H6
Anteile % 100 100 100 100 100
M kg/kmol 2 28 16 30 44 17,8
Ho MJ/kmol 286 283 890 1560 2220 903
Hu MJ/kmol 242 283 802 1428 2044 815
25,2
543
28,5
Hu kWh/mN3 3 3,5 10 17,9 25,9 10,1
Lmin mN3/mN3 2,38 2,39 9,56 16,86 24,37 9,71
MZ 1 0 62 100 44 34 80
489
6,1
5,81
130
445
401
5
4,73
149
10,2
456
404
5
4,42
41
28,2
123
116
1,4
1,15
132
5 88,5 4,7 1,6 0,2 5 3 32 60 9 1 40 50 3,8 55 1 8 1,2 31 56 7 17 15 3 2
8.4 Gasmotoren
163
Um Motorschäden zu vermeiden, ist ein längerer Betrieb mit klopfender Verbrennung, hörbar als Geräusch hochfrequenter Druckschwingungen, zu vermeiden. Falls das Brenngas eine niedrige Methanzahl aufweist, müssen die Last zurück genommen werden (Teillast) oder konstruktive Maßnahmen wie Kühlung des Gas-Luftgemisches und Verringerung des Verdichtungsverhältnisses (Wirkungsgradminderung) ergriffen werden. In öffentlichen Versorgungsnetzen sind verschiedene Brenngase, auch Flüssiggas-Luft Beimischungen zulässig. Zumischungen bewirken, dass für den Verbraucher der Heizwert oder die Wobbe-Zahl Wo = Ho/(Dichte/Dichte von Luft)0,5, die den Energiestrom charakterisiert und für die Zählergenauigkeit entscheidend ist, erhalten bleibt. Zumischungen wie Propan-Luft und Butan-Luft senken die Methanzahl teilweise deutlich. Bei hochentwickelten Gasmotoren ergibt dies eventuell Probleme, die zur temporären Lastabsenkung zwingen. Meist sind jedoch große Gasmotoren im Gasnetz vor den Zumischstellen installiert, so dass sie mit einem Erdgasstrom näherungsweise konstanter Methanzahl gespeist werden. Die Zusammensetzung der Klär-, Deponie- und Biogase variiert je nach Herkunft. Sie können korrosive Chlor-, Schwefel-, und Fluoranteile enthalten. Sie wandeln sich bei der motorischen Verbrennung zu schwefliger Säure, Salz- und Fluorsäure um, und sind für das Triebwerk, die Ölstandzeit, das Abgassystem und den Abhitzekessel schädlich. Deponiegase enthalten zusätzlich Siliziumverbindungen, die im Motor abrasiv wirken. Um beim Kaltstart Kondensation im Motor auszuschließen, ist der Wasserdampfgehalt im Brenngas zu begrenzen. Der Staub hat Einfluss auf die Ölqualität und ist zu überwachen. Dämpfe höherer Kohlenwasserstoffe sind wegen der Methanzahl, der Teerbildung im Ansaugtrakt und der Rußemission zu vermeiden. Großmotoren-Hersteller geben folgende Grenzen für Dauerbetrieb an: x x x x x x
Gesamt-Schwefelgehalt kleiner als 2200 mg pro Normkubikmeter Methan [8.9, 8.10] Schwefelwasserstoff < 0,15 Vol.-% [8.10] Chlorgehalt < 100 mg/mN3 CH4 [8.10] Fluorgehalt < 50 mg/mN3 CH4 [8.10] Siliziumverbindungen < 10 mg/mN3 CH4 [8.11] Staubgehalt < 50 mg/mN3 CH4.
Bei Schwachgasen sind CO2 und N2 einerseits zur Erhöhung der Methanzahl willkommen, doch verlangsamen sie andererseits die Verbrennung. Dies führt zu einer anhaltenden Wärmefreisetzung während der Expansionsphase, was den Gleichdruckanteil der Verbrennung erhöht. Die Spitzentemperatur sinkt, die Abgastemperatur steigt, der Wirkungsgrad fällt. Bei Gasmotoren ist der Mindestluftbedarf entsprechend des Brenngases, Tab. 8.3, eine wichtige Kenngröße. Der Gasmischer muss so eingestellt werden, dass der Mindestluftbedarf in jedem Betriebspunkt gewährleistet oder zur Schadstoffemissionsminderung – im Rahmen der Zündgrenze – überschritten wird. Die Berechnung des Mindestluftbedarfs erfolgt nach den elementaren chemischen Beziehungen [8.8].
164
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz
8.4.2 Technische Besonderheiten des Gasmotors Gasmotoren arbeiten nach dem Otto-Prinzip. Große Gasmotoren entsprechen Schiffdieseln, wobei Modifikationen wie spezielle Werkstoffe für Ventile, Sitzringe sowie eine Zündung nötig sind. Ventilüberschneidungen werden vermieden, um eine vorzeitige Zündung auszuschließen. Das Verdichtungsverhältnis ist der Methanzahl angepasst. Der Zündfunken muss entsprechend der Gasart und des gefahrenen Luftüberschusses energiereich sein. Die Position der Zündkerze im Zylinder und der Zündzeitpunkt sind durch Optimierungen hinsichtlich Schadstoffemission, Leistung, Wirkungsgrad, Laufruhe etc. zu finden. Günstig sind digital gesteuerte Zündzeiten, die in Abhängigkeit der Drehzahl, der Last und der Gasart einstellbar sind. Der Zündzeitpunkt ist kurz vor o.T. Der Gasmischer hat für alle Betriebszustände und gegebenenfalls bei Gasdruckschwankungen das Mischungsverhältnis aufrecht zu halten. Wegen des einfachen Aufbaus und der günstigen Charakteristik hat sich der Venturi-Mischer durchgesetzt. In einem Venturi-Rohr mit seiner Querschnittsverengung, Bild 8.8, wird Luft zugeführt und beschleunigt. Im engsten Querschnitt, wo der Luftdruck am geringsten ist, wird das Brenngas angesaugt. Danach ist die Drosselklappe für die Motorregelung angeordnet. Das Mischungsverhältnis bleibt beim Venturi-Mischer nahezu unabhängig von der Drosselstellung. Mit dem Stellventil in der Gaszufuhrleitung wird das gewünschte Mischungsverhältnis entsprechend dem Brenngas vorgegeben, das selbst im laufenden Betrieb [8.4] einstellbar sein kann.
Bild 8.8: Venturi-Gasmischer [8.4]
Voraussetzung für konstantes Mischungsverhältnis ist ein gleichbeibender Vordruck von Luft und Gas. Der Membran-Druckregler, Bild 8.9, regelt den Differenzdruck zwischen Gasstrom und Atmosphärendruck über eine flexible Membran aus. Luft und Gas sind auf den verschiedenen Seiten der Membran. Wenn der Gasdruck sich verändert, verschiebt die ausbeulende Membran ein auf die Gasströmung wirkendes Drosselglied, was den Druck korrigiert. 1: 2: 3: 4: 5: 6:
Ausgangsdruck Messmembran Einstellfeder Stellglied Eingangsdruck Messleitung
Bild 8.9: Gasdruck-Regelgerät [8.4]
8.5 Notstromaggregate
165
Die Gaszufuhr mit redundanten Überwachungs- und Regeleinheiten setzt sich aus der Vorregelstrecke zur Konditionierung des Hochdruckgases aus dem Erdgasnetz sowie der unmittelbar vor dem Venturi-Mischer installierten Niederdruckgas-Regelstrecke zusammen. Falls die Motorleistung oder die Zündfähigkeit mit Schwachgasen ungenügend ist, wird zusätzlich eine kleine Menge an Dieselkraftstoff bei o.T. eingespritzt. Die Verdichtung der Gasmischung mit erhöhter Luftmenge für den zusätzlichen Dieselkraftstoff wird für die Selbstzündung hoch genug gewählt. Diese Variante ist als Feuer- oder Zündstrahlmotor bekannt.
8.5 Notstromaggregate Generatoren in Notstrom-Aggregaten werden meist durch Diesel-Motoren mit Abgas-Turboladern angetrieben. Sie sind in Krankenhäusern und bei anderen, auf eine unterbrechungsfreie Stromversorgung angewiesenen Verbrauchern, notwendig. Die notstromberechtigten Verbraucher müssen mit bestimmter Stromqualität hinsichtlich Unterbrechungsdauer, Lastübernahme, Wechselstrom- bzw. Drehstromfrequenz und Spannung versorgt werden. Aus Sicherheitsgründen sind zwei unabhängige Notstromaggregate üblich. Eine Synchronisationseinrichtung mit dem öffentlichen Stromnetz gewährleistet, unterbrechungslos auf die Netzversorgung zurückschalten zu können. Die Dimensionierung des Notstrom-Aggregats erfolgt nach DIN 6280 [8.12]. Basis der Aggregatgröße ist die Summe der Notstrom-Verbraucher mit Stromverbrauch, elektrischen Wirkund Scheinleistungen und den Einschaltcharakteristiken. Der Gleichzeitigkeitsfaktor der Lasten führt zur gesamten Scheinleistung, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Anlaufs großer Elektromotoren. Die passenden Dieselmotoren müssen im begrenzten Dauerbetrieb definierte Lastsprünge versorgen, wobei nur geringe Drehzahleinbrüche erlaubt sind. So wird in [8.12, Teil 13] für Krankenhäuser gefordert, dass das Aggregat nach 15 s schon 80 % der gesamten Verbraucherleistung in höchstens zwei Stufen und nach weiteren 5 s die volle Verbraucherleistung liefert, wobei die Frequenz innerhalb 10 % der 50 Hz bleiben muss. Bild 8.10 zeigt das zeitliche Verhalten des 550 kWel Diesel-Motors Deutz MWM TBD 616 V12 mit Abgasturbolader [8.13].
Bild 8.10: Verhalten eines Diesel-Motors als Notstrom-Aggregat bei Lastaufschaltung (Hochlaufphase, die 3 bis 4 s dauert, ist nicht eingezeichnet)
Gasmotoren sind in Notstrom-Aggregaten ebenfalls zugelassen. Der Betrieb während des Stromausfalls darf keine Beeinträchtigung der Gasversorgung nach sich ziehen, was eventuell eine zweite, getrennte Gasversorgung bedingt. Die durch Lastsprünge hervorgerufenen Drehzahleinbrüche können Gasmotoren nicht so schnell wie Diesel-Motoren ausregeln, da deren Gaszufuhr wegen den Emissionsanforderungen (Abschnitte 8.6 und 8.7) genau geregelt wer-
166
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz
den muss, was eine gewisse Regelzeit bedingt. Deshalb ist der Gasmotor leistungsstärker auszulegen, um den transienten Anforderungen zu genügen. Wegen der Genehmigungs- und Versorgungssicherheit werden vielfach Diesel-GasmotorenAggregate eingesetzt. Dies sind Gasmotoren mit Zündung durch Dieseleinspritzung (Zündstrahlmotor), die auch unterbrechungslos auf vollen Dieselbetrieb umschaltbar sind. Die Emissionsgrenzwerte bedingen hierbei einen aufwändigen SCR-Abgaskatalysator (Abschnitt 8.6). Es bietet sich an, das ohnehin vorhandene Notstrom-Aggregat als Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK-Betrieb/BHKW) zu nutzen, da neuere Diesel-Motoren die Emissionsanforderungen nach der TA-Luft bzw. BIMSCH erfüllen. Hindernisse sind hierbei der besteuerte Kraftstoff. Erst wenn die Anlage im KWK-Betrieb einen Jahresnutzungsgrad von über 60 % hat, ist der Kraftstoff nach dem Mineralölsteuergesetz [8.14] steuerbegünstigt. Dies ist nur bei kontinuierlich anfallendem Wärmebedarf möglich. Ein KWK-Betrieb mit versteuertem Kraftstoff ist unwirtschaftlich. Um bereits bestehende BHKW-Anlagen als Notstromaggregate zu nutzen, wird das im Dauerbetrieb arbeitende Aggregat im Notstromfall vom Netz getrennt und auf die Notstromschiene umgeschaltet. Stillstehende Anlagen werden gestartet und auf die laufenden synchronisiert.
8.6 Emissionsminderung Die Brennstoffe bestehen aus Kohlenwasserstoffen, die sich bei Verbrennung zu CO2 und H2O umwandeln. Nur durch eine Steigerung des Gesamtwirkungsgrades ist eine CO2-Verminderung möglich. Dies ist erstes Ziel, da sich hierdurch gleichermaßen ökologische und ökonomische Vorteile durch geringeren Brennstoffverbrauch ergeben. Logischerweise ergeben wasserstoffreiche Brennstoffe wie Methan geringere CO2-Emissionen. Bei unvollständiger Verbrennung sind Kohlenmonoxid CO und unverbrannte Kohlenwasserstoffe CmHn zu erwarten. Eine bessere Verbrennung (höhere Verbrennungstemperaturen) verursacht andererseits eine erhöhte Oxidation des Stickstoffs, der vor allem aus der Luft rührt, zu NOx oder N2O. Dieser Schadstoff, der nach jetzigem Kenntnisstand zur Vergrößerung des Ozonlochs und saurem Niederschlag beiträgt, kann durch verschiedene Maßnahmen verringert werden. Weitere Schadstoff-Emissionen sind durch die Zusammensetzung des Brennstoffs bedingt. So setzen Schwefelverbindungen im Brennstoff zunächst SOx und durch Reaktion mit Wasser schweflige Säure frei. Chlor und Fluor bewirken analoge Reaktionen. Bei letzteren sind die Rekombinationen zu Dioxinen und Furanen während der Abgasabkühlung zu verhindern. Schwermetalle sind in Schwer- und Rückstandölen zu finden. Bei dezentralen Kraft-WärmeKopplungsanlagen ist die Nutzung derart unreiner Brennstoffe wegen ihrer Installation in unmittelbarer Nähe von Besiedlungsgebieten nicht erlaubt.
8.6.1 Otto-Motor Bei benzinbetriebenen Otto-Motoren findet der Katalysator in Dreiwegetechnik mit O-Sonde zur Reduzierung der CO, NOX und unverbrannten Kohlenwasserstoffe breite Verwendung. Die Kraftstoffzufuhr wird mittels der im Abgas angebrachten O-Sonde so gesteuert, dass sich die für die katalytische Umwandlung günstigste stöchiometrische Verbrennung einstellt. Die O-Sonde ist ein Zeolith, der im Abgas im Bereich der stöchiometrischen Verbrennung einen Spannungssprung liefert. Die Luftzufuhr wird um diesen Sprung der O-Sonde geregelt, siehe
8.6 Emissionsminderung
167
Bild 8.11. Die Abgasreaktionen im Platin-Rhodium-Katalysator sind Stickstoffreduktion und Oxidationen der unvollständig verbrannten Komponenten durch die in der Reduktion freigesetzten Sauerstoffmoleküle. In vereinfachter Form: 2 NO2 o N2 + 2 O2
Gl. 8.37
2 CO + O2 o 2 CO2
Gl. 8.38
CmHn + (m+n/4) O2 o m CO2 + 1/2n H2O
Gl. 8.39
Bild 8.11: Kennlinie der O-Sonde
8.6.2 Diesel-Motor Bei Diesel-Motoren gelten zusätzlich zu den gasförmigen Emissionen die im Abgas vorhandenen Rußpartikel, die je nach Partikeldefinition einen Durchmesser von etwa 10 nm bis ca. 600 nm aufweisen [8.15-8.17] als Gesundheits- und Umwelt-Problem. Sie entstehen durch lokale unvollständige Verbrennung, obwohl normalerweise eine überstöchiometrische Verbrennung von O > 1,2 eingestellt wird. Abhilfe schafft der Oxidationskatalysator, in dem die Rußpartikel weiter abgebrannt werden. Weiterhin werden bei größeren Diesel-Motoren Rußfilter eingesetzt. Die abgeschiedene Rußlast wird von Zeit zu Zeit im Filter direkt verbrannt, meist unterstützt durch katalytisch wirkende Additive, die die Verbrennungstemperatur senken. CO- und CmHn-Anteile sind bei Diesel-Motoren wegen der überstöchiometrischen Verbrennung kein Problem. Der NOx-Anteil wird bei modernen Dieselmotoren durch eine Abgasrückführung verringert. Dadurch ergibt sich ein erhöhter CO2-Gehalt im Brennraum mit höherer Wärmekapazität des Gemisches, so dass die Verbrennungstemperatur gesenkt wird, was die Oxidation des Stickstoffs vemindert. Bei Großmotoren findet auch das SCR-Prinzip durch Ammoniak- bzw. Harnstoffeinspritzung Anwendung (vergleiche Abschnitt 4.6.1) [8.4, 8.18]. Erfolgversprechend hat sich der Zusatz von Wasser zum Kraftstoff erwiesen (siehe Abschnitt 6.5.3) [8.5]. Wegen der Verbrennungsdynamik hat die Ausbildung des Brennraums und die Kraftstoffeinspritzung (Druck, Steuerung) großen Einfluss auf die Schadstoffemission. Die neue Common-Rail-Technik verspricht ein großes Potential der Schadstoffreduktion. Neuere Dieselmotoren werden meist digital gesteuert (Motormanagement) und sind mit einem elektronischen Gaspedal ausgestattet, um jedem Lastpunkt einen optimalen Einspritzzeitpunkt zuordnen zu können, nicht zuletzt, um niedrige Emissionen zu erreichen [8.19].
8.6.3 Gasmotoren Die zulässigen Emissionen sind in Deutschland durch das Bundesimmissions-Schutzgesetz BIMSCH, dessen Novellen, Verordnungen und die TA-Luft limitiert. Tabelle 8.4 gibt einen Überblick der 1998 in Deutschland für Gasmotoren geltenden Grenzwerte. Andere Staaten haben vergleichbare Verordnungen, z.B. Clear Air Act in den USA.
168
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz
Motor
Schadstoff
Max. Konz. im trockenen Abgas
Technische Maßnahmen
Otto Gasmotor 4-Takt
NOx CO CmHn
0,5 g/mN3 0,65 g/mN3 0,15 g/mN3
3-Wege Kat. bzw. Magerverbrennung u. Aufladung
Otto Gasmotor 2-Takt
NOx CO CmHn
0,8 g/mN3 0,65 g/mN3 0,15 g/mN3
SCR und Oxidationskatalysator
Diesel Gasmotor (Zündstrahl) 4-Takt
NOx CO CmHn Staub, Ruß
0,5 g/mN3 0,65 g/mN3 0,15 g/mN3 0,05 g/mN3
SCR und Oxidationskatalysator, evtl. Rußfilter
Tabelle 8.4: Für Gasmotoren geltende Grenzwerte im trockenen Abgas (Deutschland, Stand 1998) Werte für NOx und CO sind auf 5 % O2 im Abgas bezogen
a. Drei-Weg-Katalysatortechnik Durch die Drei-Weg-Katalysatortechnik mit genauer Verbrennung bei O = 1 ist eine effiziente Schadstoffreduktion zu erreichen, wie Bild 8.12 zeigt. Der Katalysator ist nahe des Motorblocks anzubringen, da hohe Temperaturen nötig sind. Temperaturen über 600 °C können den Katalysator allerdings schädigen. Der Katalysator besteht aus einer Keramik- oder StahlfolienMatrix mit vielen engen Strömungskanälen. Die Wandungen sind mit einer oberflächenvergrößernden Schicht versehen, in die die Katalysatoren Platin und Rhodium eingelagert sind. Schwefel, Phosphor, Zink, Arsen, Chlor oder Fluor sind Katalysatorgifte, die im Brenngas nicht enthalten sein dürfen. Auch ist nur das vom Hersteller vorgeschriebene lÖzu verwenden, um Katalysatorschäden auszuschließen. Ebenso wirken unverbrannte Gase schädigend. Gute Pflege der Motoren inklusive Kerzenpflege ist Grundlage gegen Zündaussetzer, selbst wenn elektronische Überwachungseinheiten (z.B. Klopfsensor, der i.A. ein piezoelektrischer Beschleunigungssensor ist, der Körperschall am Motorgehäuse misst) vorhanden sind.
Bild 8.12: Umwandlungen im 3-WegeKatalysator [8.4] Drehzahl n = 1500 min-1 Mitteldruck pmi = 7 bar
b. Magerverbrennung Bei Gasmotoren ist die Magerverbrennung vorteilhaft, die ohne Katalysatoranlage die Schadstoffe im Abgas senkt. In Bild 8.13 sind die Schadstoffkonzentrationen im Abgas über dem Luftverhältnis aufgezeichnet. Im Bereich zwischen 1,5 < O <1,6 sind niederste Konzentrationen aller drei Schadstoffe CO, NOx und CmHn zu erwarten, mit denen die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Zusätzlich ist der Wirkungsgradverlauf eingezeichnet.
8.6 Emissionsminderung
169
Abgasemissionen: NOX, CO, HC
Wirkungsgrad, he
Ein Luftüberschuss führt gegenüber der stöchiometrischen Verbrennung zu einer niedrigeren Flammtemperatur. Ist der Luftüberschuss zu hoch, verlangsamt der Luftballast die Verbrennung und der Anteil der unverbrannten Bestandteile im Abgas steigt wieder an, wie Bild 8.13 ab O > 1,6 zeigt. Sind extrem niedrige NOx-Konzentrationen gefordert, kann mit noch höheren O-Werten gefahren und ein Oxidationskatalysator nachgeschaltet werden, um die CO- und CmHn-Anteile zu reduzieren. Zu hoher Luftüberschuss lässt die Zündgrenze unterschreiten. Die Regelung hat für einen zuverlässigen Betrieb ohne Zündaussetzer präzise im Magerfenster zu sorgen. Die Lambda- und Magerfenster sind von der Brennraumkonfiguration abhängig und von einer guten Vormischung. Die notwendigen Zündenergien der Magermischung sind höher. Das Magerverfahren ist auf alle Gase einschließlich Bio-, Klär-, Deponie- und Grubengas anwendbar.
NOX
Bild 8.13: Schadstoffkonzentrationen im Abgas über dem Luftverhältnis [8.4]
Ein preiswerter on-line Stickoxid-Sensor ist noch nicht verfügbar. Deshalb muss die Regelung des Luft-Brenngas-Gemisches über andere, für die Emissionen charakteristische Größen erfolgen. Als Regelgröße dient der Sauerstoffgehalt, gemessen mittels ZrO2-Pt-Sensor. Alternativ ist auch die Temperatur im Brennraum großer Motoren als Regelgröße nutzbar. c. SCR-Verfahren Falls bei Diesel-Motoren und Diesel-Gasmotoren (Zündstrahlmotoren) weder der 3-WegeKatalysator noch das Magerverfahren ausreichende Erfolge für NOx ergeben, wird das SCRVerfahren (“Selective catalytic reduction”) angewandt. Hierzu wird Ammoniak oder Harnstoff in das stickoxidbeladene heiße Abgas eingespritzt. Harnstoff (NH2)2CO erzeugt zunächst durch Thermolyse, Gl. 8.39, und Hydrolyse, Gl. 8.40, Ammoniak NH3, das mit einem Titandioxid-Katalysator Stickoxide im Temperaturbereich von etwa 370 °C bis 450 °C zu Stickstoff reduziert wird (Abschnitt 4.6.1 beschreibt die Reaktionen). (NH2)2CO ĺ NH3 + HNCO
Gl. 8.39
(NH2)2CO + H2Oĺ NH3 + CO2
Gl. 8.40
170
8 Stationäre Kolbenmotoren für energetischen Einsatz
Die kostengünstige TiO2-Katalysatorbeschichtung, auf geeigneten Grundkörpern, ist robust gegen Schadstoffe und Partikel im Abgas. Der Verbrauch von Ammoniak erhöht die Betriebskosten. Darüber hinaus könnte auch das SNCR (Selective non-catalytic reduction) angewendet werden. Hier wird Harnstoff oder Ammoniak direkt in den Motorbrennraum eingespritzt. Diese Technik ist allerdings nur für Großmotoren Erfolg versprechend.
8.7 Motorregelung für energetische Zwecke Bei der Regelung der Motoren zur Erzeugung elektrischer Energie sind zwei Einsatzgebiete zu unterscheiden: x Inselbetrieb: Notstromaggregate und vom Netz unabhängige Versorgungsgebiete x Netzparalleler Betrieb.
Beim Diesel-Gasmotor ergeben sich mit der Dieseleinspritzung und der Luft-Gas-Drosselung zwei Regelmöglichkeiten. Im Normalfall wird über die Drossel geregelt und die DieselEinspritzmenge für alle Lastzustände konstant gehalten. Im Teillastbetrieb steigt der Dieselanteil proportional an, da nur über die Gaszufuhr geregelt wird. a. Inselbetrieb Für Inselbetrieb sind die Motoren mit einer Drehzahlregelung ausgestattet, um die Wechselstromfrequenz einzuhalten. Bei Gasmotoren wird dies durch die Drosselklappe erreicht. Wird im Inselbetrieb mehr elektrische Leistung vom Generator gefordert, so steigt das Generatordrehmoment und die Drehzahl des Motors wird absinken. Dem wirkt die Drehzahlregelung entgegen, die die Drosselklappe soweit öffnet, bis die gewünschte Drehzahl wieder erreicht wird. Beim Start zieht der batteriegespeiste Anfahrmotor den Motor zunächst ohne Kraftstoffzugabe auf gewisse Drehzahl hoch, bevor die Zündung und das Brenngas zugeschaltet werden. Der Motor wird bei geöffneter Drossel unter Vollgas hochgefahren. Bei Erreichen der Nenndrehzahl wird der Generator belastet (entsprechend Bild 8.10). b. Netzparalleler Betrieb Bei Einspeisung in das öffentliche Netz ist die Drehzahl durch die Netzfrequenz vorgegeben. Synchrongeneratoren drehen starr mit der Netzfrequenz, so dass nur eine Leistungsregelung sinnvoll ist. Ähnliches gilt für Asynchrongeneratoren. Meist werden die Motoren in BHKW eingesetzt, die entsprechend dem Wärmebedarf gefahren werden. Eine Minderung der mechanischen Leistung verringert auch die Abwärmeleistung. Der hierbei erzeugte Strom wird unabhängig vom Bedarf des Stromabnehmers ins große öffentliche Netz gespeist. Beim Start wird der Synchrongenerator über die Drehzahlregelung des Motors langsam an die Synchrondrehzahl geführt, um die elektrische Aufschaltung bei exakter Drehzahl und Phasenlage mit dem Netz zu ermöglichen. Bei einem Asynchrongenerator gestaltet sich der Start einfacher. Danach übernimmt die Leistungsregelung. Der Regelkreis der Motoren besteht aus (siehe auch [8.19]): x Drehzahlmessung (Anfahr- und Inselbetrieb) x Gegebenenfalls elektrische Leistungsmessung x Regler mit Soll-/Istwertvergleich von Drehzahl und evtl. Last sowie Datenübertragung an das Stellglied x Stellglied: Angetriebene Drosselklappe
Literatur zu Kapitel 8
171
x Unabhängige Regler für den schadstoffarmen Betrieb und Hilfsfunktionen wie Kühlkreis, Schmieröl bis hin zur Raumbelüftung.
Literatur zu Kapitel 8 [8.1] Robert Bosch GmbH (Herausgeber), Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, 26. Aufl. 2007, Vieweg Verlag, Wiesbaden [8.2] R. Zahoransky, P. Knöringer, U. Schelling, S. Wittig, Anmerkungen zum Einsatz und Wirkungsgrad kleiner Kraftmaschinen – Turbinen, Dampfmotor und Schraubenexpander, Wärme 91, Heft 4, 1983 [8.3] Firmenschriften Firma Spilling Energie Systeme, D-20457 Hamburg [8.4] Firmenschrift Deutz-MWM, D-68140 Mannheim „Information Gasmotoren“, Verfasser Dr.-Ing. F. Zacharias, 1993 [8.5] W. Lausch, F. Fleischer, L. Maier, Möglichkeiten und Grenzen von NOx-Minderungsmaßnahmen bei MAN-B&W-Viertakt-Großdieselmotoren, Motortechnische Zeitschrift MTZ, Bd. 54, 1993 [8.6] SOLO Kleinmotoren GmbH, D-71050 Sindelfingen, Firmensprospekt SOLO Stirling 161, 2001 [8.7] SOLO Kleinmotoren GmbH, D-71050 Sindelfingen, Werks-Schnittzeichnung des Stirlingmotors 161, 2001 [8.8] F. Zacharias, Gasmotoren, Vogel-Verlag, 2001 [8.9] DVGW Technische Regeln, Arbeitsblatt G260 [8.10] Deutz MWM Betriebsstoffvorschriften 029752299 [8.11] H. Küttenbaum, P. Kesselring, R. Zahoransky, CO2-Bilanz von gasbefeuerten Block(heiz)kraftwerken, Brennstoff-Wärme-Kraft BWK, Bd. 51, 1999 [8.12] DIN 6280: Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren, Neueste Ausgaben 1983-1995, Beuth-Verlag, Berlin [8.13] F. Zacharias, Der Notstromdiesel als Sicherheitsstromquelle, Broschüre Deutz-MWM, D-68140 Mannheim [8.14] Novellierung des Mineralölsteuergesetzes, 1992 [8.15] U. Pfeiffer, S. Zarske, W. Samenfink, R. Dittmann, E. Laile, R.A. Zahoransky, Optisches Multiwellenlängen-Extinktionsverfahren – angewandt zur on-line Messung der Größe und Partikelkonzentration von Partikeln im Abgas von Dieselmotoren, VDI Berichte Nr. 1189, S. 285-300, VDI-Verlag, 1995 [8.16] M.S. Nikitidis, A.G. Konstandopoulos, R.A. Zahoransky, E.Laile, Correlation of measurements of a new long optical path length particle sensor against gravimetric an electrical mobility based particle measurements in diesel exhaust, SAE_NA Technical Paper Series 2001-01-073, 2001 [8.17] M.S. Nikitidis, T. Manikas, D. Zarvalis, N. Divinis, C. Altiparmakis, A.G. Konstandopoulos, Collection efficiency of various filter media in diesel exhaust, SAE_ NA Technical Paper Series 2001-01-075, 2001 [8.18] K. Stellwagen, Versuchsmitteilungen im Haus MWM, 1991 [8.19] M. Glöckner, I. Bach, Digital Control of Diesel Engines, Die Bibliothek der Technik, Band 244, Verlag Moderne Industrie, 2003 [8.20] A. Weis, Konzipierung eines Pflanzenöl-Blockheizkraftwerks für die Diakonie Korte, Diplomarbeit der Hochschule Offenburg, 2007
173
9 Brennstoffzellen 9.1 Historie der Brennstoffzellen Obwohl Brennstoffzellen erst seit wenigen Jahren in aller Munde sind, begann ihre Entwicklungsgeschichte schon vor dem Einsatz der Verbrennungskraftmaschinen. Sir Humphry Davy (1778-1829) experimentierte um 1802 mit galvanischen Elementen und spürte nach dem Experiment einen elektrischen Schlag, ohne diesen Effekt einordnen zu können. Die ersten reproduzierbaren Versuche führte in Basel der deutschstämmige Forscher Christian Friedrich Schönbein (1799-1868) und fast gleichzeitig in London Sir William Robert Grove (1811-1896) durch, denen 1838/39 die gezielte Umkehr der H2/O2-Elektrolyse gelang [9.1]1, [9.2]2, [9.3]. In den folgenden Jahren wurden viele Brennstoffzellentypen untersucht. Insbesondere die Möglichkeit der direkten Umwandlung von Kohle weckte große Euphorie; hierfür wurden Patente erteilt und bald schon sollten Brennstoffzellen die Dampfmaschinen in Ozeandampfern verdrängen [9.4]. Die Entwicklung der Brennstoffzelle wurde von einzelnen Forschern weitergeführt. Langer und Mond [9.5] führten Gips, Asbest, Pappe, etc. als Träger für den Elektrolyten ein und ermittelten den Zusammenhang zwischen Heizwert und Zellspannung, (Bild 9.1). Auf theoretischem Gebiet ist insbesondere Wilhelm Ostwald [9.6] zu erwähnen, der das hohe technische Potential der 1894 Brennstoffzelle im Vergleich zur Wärmekraftmaschine3 erkannte.
Bild 9.1: DRP 32 927, 1896 1889, Langer und Mond entwickeln Vorläufer der Gasdiffusionselektrode
In Folge der 1866 von Werner von Siemens erfundenen Dynamomaschine wurde jedoch die edelmetallintensive Stromerzeugung mit Brennstoffzellen nicht mehr intensiv weiterverfolgt und industrielle Arbeiten wurden weitgehend eingestellt. 1 Schönbein schrieb die im Februar 1839 veröffentlichte Abhandlung im Dezember 1838. 2 Grove schrieb den die Brennstoffzelle betreffenden Teil der Abhandlung als Post-Scriptum erst im
Januar 1839 3 Dampfmaschinen hatten aufgrund der geringen Temperatur deutlich unter 10% Wirkungsgrad, wäh-
rend mit Brennstoffzellen schon über 50% erreicht wurden.
174
9 Brennstoffzellen
Erst mit Beginn der Raumfahrt wurden wieder Anforderungen an eine Stromquelle gestellt, die mit Batterien oder Wärmekraftmaschinen nicht zu erfüllen waren. Dies führte zur Wiederaufnahme der industriellen Brennstoffzellenentwicklung und dann ab 1963 zum Einsatz bei den Gemini- und Apollo-Raumkapseln (Bild 9.2) und bis jetzt beim Spaceshuttle-Programm.
Bild 9.2: Gemini-Brennstoffzelle. Quelle [9.8]
Der nächste wesentliche Entwicklungsanstoß kam mit der durch die kalifornische Gesetzgebung Anfang der 90er Jahre geforderten Verkaufsquote von ULEV- und ZEV-Fahrzeugen (Ultra-Low-Emission- bzw. Zero-Emission-Vehicles), die jeder Fahrzeughersteller zu erfüllen hat4. Dies war der Anstoß für ein amerikanisches Brennstoffzellenentwicklungsprogramm [9.7]. Seitdem macht die Brennstoffzellenentwicklung international große Fortschritte sowohl für mobile wie auch für stationäre Anwendungen. Für bestimmte Anwendungen werden einige Brennstoffzellentypen heute schon kommerziell angeboten; die meisten Typen befinden sich jedoch noch im z. T. fortgeschrittenen Entwicklungsstadium.
9.2 Funktionsprinzip und Klassifizierung Das Funktionsprinzip einer Brennstoffzelle ist die direkte Umwandlung der im Brennstoff gespeicherten chemischen Energie in elektrische Energie, indem der Brennstoff an den Elektroden mit oder ohne Zusatz eines Katalysators in Ionen umgewandelt wird, die den dazwischen liegenden Elektrolyten (Ionenleiter) durchdringen (Bild 9.3). Die leichter beweglichen Elektronen werden über die Elektroden ab- bzw. zugeführt und können wegen der bei der Ionisation entstehenden Spannungsdifferenz einen elektrischen Verbraucher antreiben. Die Elektroden müssen porös und elektrisch leitend sein, um einerseits die Zufuhr und Abfuhr der Reaktanden5 und Reaktionsprodukte von den Gaskanälen zu den Reaktionsflächen zu ermöglichen und andererseits den Transport der erzeugten Elektronen von bzw. zur nächsten
4 Inzwischen mehrfach geändert und durch insgesamt 9 Emissionsklassen ersetzt, die über „Anrech-
nungsfaktoren“ verrechnet werden können. Ab 2008 ist nun ein Verkaufsanteil von 4 % ZEV gefordert. 5 Brennstoff bzw. Oxidator
9.3 Thermodynamische Grundlagen
175
Zelle und letztendlich zum Verbraucher zu gewährleisten. Durch die Porosität wird gleichzeitig eine erhebliche Vergrößerung der Reaktionsoberfläche erreicht. Last
Brennstoff
e-
e-
Luft / Sauerstoff
Ionen
Anode
Elektrolyt Kathode
Der Elektrolyt muss gasdicht sein, kann aber eine Flüssigkeit, eine Schmelze oder ein Festkörper (Bild 9.4, Nafion6) sein. Der verwendete Elektrolyt bestimmt die notwendige Zelltemperatur, was als Hauptmerkmal bei der Klassifizierung von Brennstoffzellen verwendet wird: x Niedertemperaturbrennstoffzellen bis ca. 100 °C x Mitteltemperaturbrennstoffzellen um ca. 200 °C x Hochtemperaturbrennstoffzellen oberhalb ca. 600 °C. Daneben werden Brennstoffzellen nach dem verwendeten Elektrolyten in fünf Typen unterteilt, die jeweils unterschiedliche Systeme erfordern (vgl. Kapitel 9.6).
Bild 9.3: Prinzipaufbau einer Brennstoffzelle
Bild 9.4: Schnitt durch eine PEFC-Zelle
9.3 Thermodynamische Grundlagen Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik beschreibt die Energieerhaltung und ist nach entsprechender Erweiterung auch für Brennstoffzellen anwendbar. Für geschlossene Systeme bilanziert er die Änderung der inneren Energie U und die über die Oberfläche ausgetauschten Energiearten Wärme Q und Arbeit W. ∆ U = ∑ Q+ ∑ W 6 Firmenname einer speziellen Kunststofffolie
(9.1)
176
9 Brennstoffzellen
Der 1. Hauptsatz kann auch auf die elektrochemische Reaktion in der Brennstoffzelle angewendet werden, wobei als Arbeitsterm nun neben der Volumenänderungsarbeit (Gl. 9.2) auch die elektrische Arbeit zu betrachten ist, während i.d.R. kinetische und potentielle Energien vernachlässigt werden können. WV = ∫ p⋅dV
(9.2)
Da Brennstoffzellen eine Gleichspannung liefern, ist die elektrische Arbeit das einfache Produkt von Strom I, Spannung E und Zeitintervall. Wel = E⋅I⋅∆ t
(9.3)
Bei Annahme eines stationären Betriebs und nach mehreren Umformungen entspricht die reversible elektrische Arbeit dann der Änderung der Gibbs'schen freien Enthalpie (Gl. 9.4). Wel,rev = ∆ G = ∆ H − T⋅∆ S
(9.4)
Nach den Faraday'schen Gesetzen wird der Stromfluss I und die Spannung E einer elektrochemischen Zelle durch die Gleichungen (9.5) und (9.6) beschrieben. Hierbei ist ne die Zahl der bei der Reaktion freigesetzten Elektronen und F die Faradaykonstante, F = 96486 As/mol. I = n Br ⋅n e ⋅F
(9.5)
−∆ H n e ⋅F
(9.6a)
E=
Da für einen gegebenen Zustand, z.B. den chemischen Standardzustand, die Reaktionsenthalpie 'H0 und die Gibbs'sche freie Enthalpie 'G0 festliegen (s. Tabelle 9.1), ist auch die theoretisch maximal erreichbare Zellspannung Emax festgelegt, Gl. 9.6b. E max =
−∆ H 0 n e ⋅F
(9.6b)
Bei der Wasserstoff-Sauerstoffreaktion beträgt diese theoretische Spannung 1,482 V. Gemäß Gl. 9.4 kann jedoch nicht die gesamte Reaktionsenthalpie 'H, sondern nur die freie Enthalpie 'G in elektrische Arbeit umgesetzt werden. Dementsprechend ergibt sich eine thermodynamisch reversibel erreichbare Zellspannung E0, die auch bei idealer Zelle nicht überschritten werden kann, s.a. Kap. 9.5. E0 =
−∆ G 0 n e ⋅F
(9.7)
Diese ideale Zellspannung liegt bei der H2/O2-Reaktion im Standardzustand bei 1,229 V. Die Zellspannung E0 sinkt mit steigender Temperatur und steigt mit zunehmenden Druck. In [9.13] sind bei der Knallgasreaktion hierfür – 0,85 mV/K bzw. + 44 mV/dec angegeben, wenn das Reaktionswasser flüssig anfällt.
9.4 Wirkungsgrad von Brennstoffzellen
177
Tabelle 9.1: Mögliche Brennstoffe für Brennstoffzellen, Daten nach [9.8] Theoretische reversible Zellspannung (E°rev) und maximaler Wirkungsgrad (Șthermod) für verschiedene Brennstoffzellen-Reaktionen bei Standardbedingungen bei 25 °C ne
–'H°(1)
–'G°(1)
E°rev(2)
H2 + 0.5 O2 o H2O(fl)
2
286,0
237,3
1,229
82,97
H2 + Cl2 o 2 HCl(aq)
2
335,5
262,5
1,359
78,33
H2 + Br2 o 2 HBr(aq)
2
242,0
205,7
1,066
85,01
Brennstoff
Reaktion
Wasserstoff
%
Methan
CH4 + 2 O2 o CO2 + 2 H2O(fl)
8
890,8
818,4
1,060
91,87
Propan
C3H8 + 5 O2 o 3 CO2 + 4 H2O(fl)
20
2221,1
2109,3
1,093
94,96
Dekan
C10H22 + 15.5 O2 o 10 CO2 + 11 H2O(fl)
66
6832,9
6590,5
1,102
96,45
Kohlenmonoxid
CO + 0.5 O2 o CO2
2
283,1
257,2
1,066
90,86
Kohlenstoff
C + 0.5 O2 o CO
2
110,6
137,3
0,712 124,18
C + O2 o CO2
4
393,7
394,6
1,020 100,22
Methanol
CH3OH + 1.5 O2 o CO2 + 2 H2O(fl)
6
726,6
702,5
1,214
96,68
Formaldehyd
CH2O(g) + O2 o CO2 + H2O(fl)
4
561,3
522,0
1,350
93,00
2
270,3
285,5
1,480 105,62
Ameisensäure HCOOH + 0.5 O2 o CO2 + H2O(fl) Ammoniak
NH3 + 0.75 O2 o 1.5 H2O(fl) + 0.5 N2
3
382,8
338,2
1,170
88,36
Hydrazin
N2H4 + O2 o N2 + 2 H2O(fl)
4
622,4
602,4
1,560
96,77
Zink
Zn + 0.5 O2 o ZnO
2
348,1
318,3
1,650
91,43
Natrium
Na + 0.5 H2O + 0.25 O2 o NaOH(aq)
1
326,8
300,7
3,120
92,00
(1) (2)
1 kJ/mol (1 kJ/mol = 4,184 kcal/mol Volt
23,06 kcal/elektron = 1 V)
9.4 Wirkungsgrad von Brennstoffzellen Zur Beschreibung der Qualität einer Brennstoffzelle sind mehrere Wirkungsgraddefinitionen üblich, die teils einen Vergleich mit Wärmekraftmaschinen ermöglichen, teils auf die Besonderheiten der Brennstoffzelle Rücksicht nehmen. Während der maximale Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen durch den Carnot-Faktor (Gl. 9.8) begrenzt ist, entfällt diese Beschränkung bei der direkten Energieumwandlung. ηC =1−
Tmin Tmax
(9.8)
Analog kann hier der thermodynamische Wirkungsgrad Kthermod definiert werden (Gl. 9.9), der die thermodynamisch nicht änderbaren Verluste durch reversiblen Wärmeaustausch mit der Umgebung beschreibt.
178
9 Brennstoffzellen
ηthermod =
Wel,rev ∆H
=
−∆ G −∆ H
(9.9)
Das Minuszeichen in Gl. 9.9 wird eingeführt, weil 'G und 'H jeweils negativ sind, s. Tabelle 9.1. Da sowohl der Reaktionsenthalpie 'H (entspricht dem Begriff Brennwert) als auch der freien Enthalpie 'G elektrische Spannungen zuzuordnen sind (Gl. 9.6 und 9.7), kann der thermodynamische Wirkungsgrad auch durch Spannungen ausgedrückt werden (Gl. 9.10). ηthermod =
E0 E max
(9.10)
Bei der H2/O2-Reaktion kann somit gemäß den Stoffdaten ein thermodynamisch maximaler Wirkungsgrad von 82,9% erreicht werden. Wie aus Tabelle 9.1 ersichtlich ist, sind auch Wirkungsgrade über 100% möglich. Nimmt bei der elektrochemischen Reaktion die Zahl der gasförmigen Moleküle zu, so wird auch die Reaktionsentropie ∆ S positiv und nach Gl. 9.4 wird die Nutzenergie größer als die zur Wirkungsgraddefinition herangezogene Reaktionsenthalpie. Die Zelle kühlt sich ab und nimmt aus der Umgebung Wärme auf. Daneben sind weitere Definitionen sinnvoll, welche die Abweichung von der „idealen Technik“ erfassen. Hierzu gehört der „elektrische Wirkungsgrad“ Kel (9.11) der Brennstoffzelle, der die Güte der Zelle beschreibt und neben dem elektrochemischen Aufbau auch wesentlich durch die Betriebstemperatur und den Betriebsparameter Stromdichte i = I/A beeinflusst wird, s. Kap. 9.5. ηel =
E
(9.11)
E0
Dieser „elektrische Wirkungsgrad“ ist nicht zu verwechseln mit dem „elektrischen Systemwirkungsgrad“, der die elektrische Nutzleistung des gesamten Brennstoffzellensystems incl. Hilfsaggregaten mit dem Brennstoffeinsatz vergleicht (9.12). ηel,Sys =
Pel,Nutz Br ⋅∆ H m
(9.12)
Hier ist bei einem Vergleich zu beachten, ob 'H auf den (physikalisch relevanten) Brennwert bezogen ist oder – wie bei Wärmekraftmaschinen noch üblich – auf den Heizwert. Hier ist die Diskussion über eine einheitliche Definition noch im Gange.7 Weiterhin ist bei Brennstoffzellen der Faraday-Wirkungsgrad KF (9.13) von Interesse, der den unvollständigen Brennstoffumsatz beschreibt und ebenso durch Auslegung als auch durch Betriebsparameter beeinflusst wird. ηF =
id m n = id real n real m
(9.13)
7 Da der Unterschied zwischen Heizwert und Brennwert bei Wasserstoff ca. 18% beträgt, ist ein eindeu-
tiger Bezug zwingend notwendig, da sonst bei einer künftigen Wasserstoffwirtschaft die „Energiekette“ von der Quelle bis zum Verbraucher (well-to-wheel) nicht zweifelsfrei bewertet werden kann.
9.5 Typisches Betriebsverhalten
179
9.5 Typisches Betriebsverhalten Einer der wesentlichen Vorteile von Brennstoffzellen im Vergleich mit Verbrennungskraftmaschinen ist neben der Geräusch- und Emissionsarmut der hohe Wirkungsgrad schon bei kleinen und kleinsten Leistungen und ebenso das gute Teillastverhalten. Dieses gute Teillastverhalten eines Brennstoffzellensystems ist dadurch bedingt, dass der Wirkungsgrad der elektrochemischen Zelle bei sinkender Last steigt (Bild 9.5 und 9.6). E [V] 1,482 = T · ∆S / ηe · F 1,229 ≈ 1,1
Ohm’sche Verluste Elektrodenaktivierungsverluste
Ionendiffusionsverluste
Bild 9.5: Spannungsverluste in einer Zelle
i = I/A [A/cm2 ]
Die Spannungsverluste8 in einer Zelle können im Wesentlichen in drei Gruppen zusammengefasst werden. Dies sind neben den Ohm'schen Verlusten9 durch den Elektronenfluss in den Elektroden hauptsächlich die sog. Überspannung zur Elektrodenaktivierung. Weiterhin wirken sich Ionendiffusionsverluste durch die hohe Ionendichte aus, die allerdings erst bei hohen Stromdichten zum Tragen kommen, so dass dieser Bereich bei manchen Zellen nicht mehr vermessen wird. Hierdurch ergibt sich ein typisches Strom-Spannungs-Diagramm einer Zelle, das mit der maximalen „Leerlaufspannung“ von ca. 1V bei Nulllast beginnt und bei hohen Stromdichten zum völligen Zusammenbruch der Zellspannung führt (Bild 9.5). Gemäß Gleichung (9.11) entspricht der Spannungsverlauf gleichzeitig qualitativ dem Verlauf des Wirkungsgrades der Zelle, so dass der höchste Zell-Wirkungsgrad bei Nulllast erreicht wird. Bei dem kompletten Brennstoffzellensystem fällt dann bei niedriger Teillast, bedingt durch den Energiebedarf der Hilfssysteme und eine evtl. notwendige Heizung des Zellstapels, der Wir-
8 Der mit T 'S gekennzeichnete Spannungsabfall ist kein Spannungsverlust, der der Zelle zuzuordnen
ist, sondern kennzeichnet den thermodynamischen Wirkungsgrad entsprechend dem reversiblen Wärmeaustausch mit der Umgebung. 9 Teilweise werden darunter auch alle weiteren stromflussproportionalen Anteile der Aktivierung oder Diffusion subsummiert.
180
9 Brennstoffzellen
kungsgrad doch ab. Dennoch bleibt bei gut ausgelegten Systemen der Vorteil des im Vergleich mit Verbrennungskraftmaschinen insgesamt hohen Teillastwirkungsgrades erhalten. Da die elektrische Zellleistung das Produkt von Strom und Spannung der Zelle ist, ergibt sich das Leistungsmaximum kurz vor dem rapiden Anstieg der Diffusionsverluste (Bild 9.6). Somit muss bei der Systemauslegung bei den Brennstoffzellen ebenso wie bei den Anlagen der konventionellen Energieerzeugung ein Kompromiss zwischen hoher Leistungsdichte und hohem Wirkungsgrad gesucht werden.
ηZelle
Pel
Bild 9.6: Wirkungsgrad und Leistung einer Zelle als Funktion der Stromdichte
0 i [A/cm2]
0
9.6 Anwendungsgebiete und Stand der Entwicklung Für Brennstoffzellen sind vielfältige Anwendungsmöglichkeiten (Bild 9.7) denkbar und in Prototypen schon als Ladegerät für Handys mit wenigen Watt (ISE, Freiburg, 1998, Typ PEFC), Fahrradantrieb, Motorradantrieb (Prof. Kordesch, 1967) bis zu Kraftwerken im Megawatt-Bereich (1983, Ichihara, bei Tokyo, Typ PAFC) realisiert worden. Ausgereifte Technik zeigten Brennstoffzellen bei den Gemini-Missionen (1963, Typ PEFC), bei den Apollo-Mondflügen (1968, Typ AFC) und zzt. beim Spaceshuttle-Programm (seit 1981, Typ AFC) und als erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk (seit 1995, Typ PAFC). Die U-Boote der neuen Klasse 212A der deutschen Marine werden nach der Erprobungsphase seit Herbst 2004 serienmäßig mit Brennstoffzellen-Antrieben vom Typ PEFC indienstgestellt. Ausführliche Darstellungen der Entwicklung der verschiedenen Brennstoffzellentypen finden sich in [9.8], [9.9], [9.10] und [9.13]. Brennstoffzellen werden neben dem Temperaturbereich vor allem nach dem Elektrolyten unterschieden. Zurzeit werden fünf Elektrolyte eingesetzt, wofür sich folgende Bezeichnungen durchgesetzt haben: x x x x x
Kalilauge Kunststoff-Folien Phosphorsäure Karbonatschmelzen dotierte Keramik
AFC, PEFC, PAFC, MCFC, SOFC,
Alkaline Fuel Cell Polymer Electrolyte Fuel Cell Phosphoric Acid Fuel Cell Molten Carbonate Fuel Cell Solid Oxide Fuel Cell
9.6 Anwendungsgebiete und Stand der Entwicklung
181
Bild 9.7: Anwendungsbeispiele von Brennstoffzellen a) Prototypen von mW-Bereich (Fraunhofer-ISE, 2002) bis MW-Bereich (Toshiba, 1996)
Die optimale Betriebstemperatur der Zellen richtet sich entscheidend nach der temperaturabhängigen Ionenleitfähigkeit des Elektrolyten und variiert von ca. 70 °C bis 1000 °C (Tabelle 9.2). Ebenso unterscheiden sich die Typen in der Art von Ionen, für die sie leitfähig sind, vgl. Bild 9.8. PAFC und PEFC leiten den Wasserstoff in Form von Protonen (H+) von der Anode zur Kathode, wo diese mit dem Sauerstoff zu Wasser reagieren. Daher wird bei diesen Typen das Produktwasser auch in der Regel auf der Kathoden- (Luft-) Seite abgeschieden. Wegen des Diffusionstransports von Wasserstoffprotonen werden diese Typen manchmal auch – leicht irreführend – als „Wasserstoff-Brennstoffzellen“ bezeichnet. Bei den analog manchmal als „Sauerstoff-Brennstoffzellen“ bezeichneten Typen AFC, MCFC und SOFC wandert der Sauerstoff in Ionenform von der Kathoden- (Luft-) Seite zur Anoden(Brenngas-) Seite, so dass das „Abgas“ in Form von Produktwasser bei diesen Typen auf der Anodenseite anfällt. Bei der AFC diffundieren einfach negativ geladene Hydroxidionen (OH)durch den Elektrolyt, bei der MCFC sind es doppelt negativ geladene Karbonationen (CO3) 2und bei der SOFC sind es reine Sauerstoffionen O 2-.
182
9 Brennstoffzellen
Tabelle 9.2: Klassifizierung von Brennstoffzellen Klasse
Brennstoffzellen- Elektrolyt Typ
Niedertemperatur BZ
Mitteltemperatur BZ
*
Alkalische BZ ABZ / AFC
KOH
Membran BZ PMBZ / PEFC
Protonen- 60 °C leitende 80 °C Membran
Phosphorsaure BZ H3PO4 PSBZ / PAFC
Hochtemperatur BZ
Temp. (Zelle)
Herstelltechnik
60 °C 100 °C
Polymer-/ Kunststofftechnik
Brenn- Oxida- Kommentar gas tor H2
O2
CO2- & COempfindlich
H2, O2, Methanol Luft
CO-empfindlich*
160 °C 220 °C
Polymer-/ Kunststofftechnik
H2, Erdgas
O2, Luft
CO-empfindlich
Karbonatschmelzen BZ KSBZ / MCFC
Li2CO3 + 600 °C 660 °C K2CO3
HAT-Materialtechnik (Stähle, Keramik)
H2, CO, O2, Erdgas, Luft Kohlegas
CO2 muss im Kreislauf geführt werden
Oxidkeramische BZ OKBZ / SOFC
ZrO2
H2, Erdgas, Kohlegas
evtl. ohne Reformierung von Brenngas
800 °C 1000 °C
z.B. aus Methanol-Reformierung
Last
eunverbranntes H2 / (CO) und Reaktionsgas
SOFC
1000°C
MCFC 650°C
PAFC 200°C
PEFC 80°C
AFC
80°C
nicht umgesetztes O2 / N2 und Reaktionsgas H2 CO CO2 H 2O H2 CO CO2 H2 O
O2(CO3)2-
H2
H+
H2
H+
O2 O2 CO2 O2 H 2O
H2 H 2O
(OH)-
O2 H 2O O2
Brennstoff
O2 / Luft Anode
Elektrolyt
Bild 9.8: Brennstoffzellentypen
Kathode
Die verschiedenen Brennstoffzellentypen haben unterschiedliche Entwicklungsstadien erreicht, s.a. [9.11] und [9.13].
9.6 Anwendungsgebiete und Stand der Entwicklung
183
9.6.1 Die Alkalische Brennstoffzelle, Typ AFC Aufgrund der niedrigen Betriebstemperatur läuft die elektrochemische Reaktion nicht von selbst an. Daher wird, wie bei allen anderen Niedertemperaturbrennstoffzellen, ein Katalysator eingesetzt, meist Platin10. Bei alkalischen Brennstoffzellen ist der Elektrolyt eine alkalische Lauge, meist mit Wasser verdünnte Kalilauge. Daher ist die AFC sehr empfindlich gegenüber Kohlendioxid. Dies erfordert bei mobilen Anwendungen den Einsatz hochreiner Reaktanden oder bei stationärem Betrieb mit Erdgas einen dreistufigen Konvertierungs- und Reinigungsprozess, Bild 9.9. Hierbei wird in einem Reformer zuerst unter Zufuhr von Wasserdampf das Erdgas in Wasserstoff und Kohlenmonoxid umgewandelt. Das nachfolgende Shiften des CO zu CO2 und die Trennung des CO2 vom H2 müssen vollständig erfolgen, da CO für den Platinkatalysator und CO2 für den Elektrolyt ein Gift darstellen. Die AFC kann als System mit mobilem11 oder mit immobilisiertem Elektrolyt gebaut werden. In beiden Fällen muss das Reaktionsprodukt Wasser aus der Kalilauge durch Verdampfen entfernt werden. Bei immobilisiertem Elektrolyt kann das an der Anode entstehende Produktwasser (vgl. Bild 9.8) auf dieser Seite abgeschieden werden (sinnvoll bei Betrieb mit reinem Sauerstoff) oder auf der Kathodenseite (sinnvoll bei Luftbetrieb). Ein Teil des Produktwassers wird zur Befeuchtung des Oxidators auf der Kathodenseite verwendet, Bild 9.9.
CO, CO2
Brennstoffzelle K
Luft ElektrolytAufbereitung
E
H2 Scrubber
A ShiftKonverter
Reformer
H2 CO2
H2 CO
H2
Rückführung von H2O
CO2
Erdgas
Brenner
H 2O Abgas
H2O-Abscheider
Bild 9.9: Hauptkomponenten eines AFC-Systems
10 In den sechziger Jahren noch ca. 10 mg Platin pro cm² Zellfläche, heute schon teilweise bei nur 0,5
mg/cm² oder weniger 11 Man unterscheidet die Begriffe:
– mobile Brennstoffzelle: mobile Anwendung in der Elektrotraktion, BZ-Typ beliebig – mobiler Elektrolyt: flüssiger Elektrolyt wird in einem Kreislauf durch die Zelle geführt
184
9 Brennstoffzellen
Anwendung findet die AFC-Technik hauptsächlich in Nischen (bemannte Raumfahrt, Militär), bei denen ein sehr hoher Wirkungsgrad12 notwendig ist, reiner Wasserstoff und reiner Sauerstoff zur Verfügung steht und das Produktwasser sinnvoll genutzt werden kann (z.B. Trinkund Kühlwasser in der Raumfahrt). Die hohe Empfindlichkeit gegenüber CO und CO2 und die komplexe Regelung des Wasserhaushalts sind prinzipielle Nachteile im Vergleich mit anderen Typen. Daher haben die meisten industriellen Forschungsgruppen die Produktentwicklung auf dem AFC-Gebiet eingestellt und konzentrieren sich auf die PEFC-Technologie. Dennoch entwickeln einzelne Firmen die AFC-Technik erfolgreich weiter, da neben dem guten Wirkungsgrad auch die Betriebsfähigkeit bei Frost einen Vorteil darstellen.
9.6.2 Die Polymer-Elektrolyt Brennstoffzelle, Typ PEFC Wie die alkalische Brennstoffzelle ist auch die saure PEFC empfindlich für CO, da Kohlenmonoxid als Gift für den wegen der niederen Temperatur notwendigen Platin-Katalysator wirkt. Wie alle sauren Brennstoffzellen ist die PEFC nur für Protonen (H+) leitfähig und kann daher nur Wasserstoff verarbeiten. Das bei der Reformierung von Erdgas oder Methanol durch Zufuhr von Wasserdampf entstehende CO wird nachfolgend in einer zweiten Stufe weitgehend zu CO2 geshiftet, wofür die PEFC nicht so empfindlich ist. Shift-Konverter und selektive katalytische Oxidation müssen das Kohlenmonoxid vollständig (ppm-Bereich) aus dem Brenngas entfernen. Weiterhin ist eine Rückführung eines Teils des Produktwassers notwendig (Bild 9.10), um ein Austrocknen des Polymer-Elektrolyten zu verhindern. Ein Austrocknen verursacht zuerst eine Reduktion der Leitfähigkeit des Elektrolyten und u.U. eine Zerstörung der Membran.
CO
Brennstoffzelle K
Luft Rückführung von H2O zur Membranbefeuchtung
H2
E A
Selektive ShiftOxidation Konverter
H2
autotherm. Reformer
H2 CO2
H2 CO Brenner
CO2
H2O Abgas
Erdgas
H2O-Abscheider
Bild 9.10: Hauptkomponenten eines PEFCSystems
12 Alkalische Zellen erreichen die höchsten Wirkungsgrade, da die Kinetik der Sauerstoffreduktion hier
schneller abläuft als in sauren Medien. Systemwirkungsgrade größer 60 % sich auch bei geringer Leistungsgröße möglich.
9.6 Anwendungsgebiete und Stand der Entwicklung
185
Der saure Elektrolyt ist eine feste teflonähnliche Kunststoff-Folie, in der die Säuregruppen (SO3H)- und (CO2H)- chemisch eingebunden sind. Die Folie ist beidseitig mit Platin und mit einer porösen Kohleschicht belegt. Damit das Produktwasser, das wegen der geringen Betriebstemperatur noch in der Zelle kondensieren kann, die Kapillaren nicht verstopft, müssen die Elektroden z.T. hydrophobiert werden („Gasdiffusionselektrode“). Für eine hohe Leistungsdichte kann die Zelle nicht „dead end“ betrieben werden, sondern muss durchströmt werden. Der im Anodenabgas (gestrichelte Linie in Bild 9.10) noch enthaltene Wasserstoff reduziert zwar den Faraday-Wirkungsgrad (Gleichung 9.13) und somit den elektrischen Systemwirkungsgrad, kann aber für die Heizung des Reformers verwendet werden, was den Gesamtnutzungsgrad bei Kraft-Wärme-Kopplung wieder erhöht. Auf der Anodenseite der Zelle geben die H2-Moleküle ihre Elektronen an die elektrisch leitfähige Elektrode ab (vgl. Bild 9.2 und 9.5), wandern als Protonen H+ durch den Festkörperelektrolyt und werden unter Aufnahme eines Elektrons, das durch den elektrischen Verbraucher von der Anode zur Kathode transportiert wurde, zu atomarem Wasserstoff. Dieser oxidiert sofort mit dem Sauerstoff zu dem Reaktionsprodukt Wasser, das dann mit der Abluft abgeführt wird. Die günstigste Betriebstemperatur liegt meist bei ca. 60-80 °C; darunter sinkt die Leitfähigkeit des Elektrolyten, darüber leidet die Stabilität der Kunststoff-Folie. Seit 2004 ist jedoch auch eine Variante auf dem Markt, die Betriebstemperaturen bis 200 °C erlaubt. Diese höhere Temperatur vereinfacht einerseits das Kühlsystem, was besonders für Kfz-Anwendungen einen Vorteil bietet, und reduziert andererseits die Empfindlichkeit der Katalysatormaterialien gegenüber Kohlenmonoxid (CO).
Bild 9.11: 250 kW PEM-BHKW Typ P2B. [Quelle: Alstom-Ballard]
Die PEFC hat insgesamt die größte Palette an Anwendungsmöglichkeiten. Dies beginnt bei Kleinstanwendungen im Bereich von wenigen Watt oder Milli-Watt, die bei Raumtemperatur betrieben werden, wie z.B. Ladegeräte für Handys oder Stromversorgung für Laptops oder
186
9 Brennstoffzellen
Videokameras. Im mittleren Leistungsbereich von einigen Hundert Watt bis einigen kW befinden sich beispielsweise Stromversorgungen für mobile Anwendungen (Notbeleuchtung, Campingmobile) und Notstromversorgungen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV). Das obere Leistungsende stellen momentan Blockheizkraftwerke mit 250 kWel dar (Bild 9.11). Im mobilen Bereich sind hier Brennstoffzellen für PKW's und Busse mit 250 kW und U-BootAntriebe zu nennen. Alle diese Anwendungen sind schon seit Jahren als Prototypen realisiert und in der Phase der Optimierung- und Kostenreduzierung. Fast alle Automobilhersteller entwickeln zurzeit in unterschiedlichen Kooperationen Brennstoffzellen auf PEFC-Basis. DaimlerChrysler entwickelte seit 1994 ca. 30 Erprobungsträger und hat seit Ende 2004 ca. 100 Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb im Alltagsbetrieb im Einsatz13. Opel/GM wollen bis 2010 für das Brennstoffzellenantriebsystem spezifische Kosten von 50 US-$/kW erreicht und eine „signifikante Anzahl“ von Brennstoffzellenfahrzeugen auf den Markt haben. BMW setzt mehr auf den Wasserstoffmotor, erprobt aber den Einsatz einer 5 kW-PEFC14 als Batterieersatz und für den motorunabhängigen Antrieb der Klimaanlage und künftiger Systeme. Weiterhin wird seit einigen Jahren verstärkt auch eine Variante der PEFC erforscht, die die aufwendige Reformierung von Methanol zu Wasserstoff erübrigt, die Direct Methanol Fuel Cell (DMFC). Die DMFC kann entweder mit einer flüssigen Methanol-Wasser-Mischung arbeiten oder mit einem Methanol-Wasserdampf-Gemisch. Die Flüssig-Variante erreicht höhere Leistungsdichten, die Dampf-Variante höhere Zellspannungen. Beide Varianten leiden jedoch noch unter zu hohem Methanol-Durchtritt, was im Vergleich zu H2-Zellen eine insgesamt zu geringe Zellspannung, schlechten Faraday-Wirkungsgrad und eine geringere Leistungsdichte zur Folge hat. Ein weiterer Ansatz zur Vereinfachung von PEFC-Systemen ist die Entwicklung von „trockenen“ Membarnen15, die nicht mehr auf hohen Wassergehalt für den Protonentransport in der Membran angewiesen sind. Mit diesen Membranen wären Brennstoffzellen oberhalb von 100 °C möglich, die dennoch bei Atmosphärendruck betrieben werden können.
9.6.3 Die Phosphorsaure Brennstoffzelle, Typ PAFC Die PAFC gehört wie die PEFC zu den „Wasserstoff-Brennstoffzellen“, bei denen der Elektrolyt (verdünnte Phosphorsäure) nur für Wasserstoffkerne (H+) leitfähig ist, vgl. Bild 9.8. Somit kann die PAFC nur Wasserstoff verarbeiten und der im Erdgas enthaltene Kohlenstoffanteil muss, wie bei der PEFC, in einem vorgeschalteten Reformer unter Wasserzufuhr (Bild 9.12) zu CO2 umgewandelt werden, wobei weiterer Wasserstoff entsteht. Die Phosphorsäure ist, wie die Kalilauge bei der AFC, in eine poröse Matrix eingebunden, z.B. Platten aus Asbest, Graphit oder Siliziumcarbid. Da die Reaktion bei der typischen Betriebs-
13 Seit Ende 2003 sind im Rahmen des CUTE-Programms (Clean Urban Transport in Europe) 30 Citaro-
Busse in zehn europäischen Städten im Linieneinsatz, in 2004 und 2006 folgten drei weitere Busse nach Perth/Australien und Beijing/China. Eine Kleinserie von 60 „F-Cell“ PKW's wurde 2004 in Kundenhand ausgeliefert. 14 Ein SOFC-System befindet sich im Forschungsstadium. 15 Diese Membranen verwenden heterozyklische Verbindungen, die sowohl als Protonendonor als auch als -akzeptor fungieren und damit auch ohne Wasser hohe Leitfähigkeiten erreichen. Entsprechende Membranen befinden sich jedoch noch im Forschungsstadium.
9.6 Anwendungsgebiete und Stand der Entwicklung
187
temperatur von ca. 200 °C noch nicht allein anläuft, wird auch bei der PAFC Platin als Katalysator eingesetzt.
CO
Brennstoffzelle K
Luft ElektrolytAufbereitung
H2
E A
H2 CO2 Wärmeübertrager mit H2OAbscheider
Erdgas
Shift-Konverter Reformer
H2 CO
H2O
Abgas
Brenner
Bild 9.12: Hauptkomponenten eines PAFC-Systems
Weil das im Reformer entstehende CO den Platinkatalysator vergiftet, muss die Shift-Reaktion vollständig durchgeführt werden. Das entstandene Gemisch aus H2/CO2 kann dann von der Zelle problemlos verarbeitet werden. Der im Anodenabgas noch enthaltene Wasserstoff reduziert analog zur PEFC den elektrischen Systemwirkungsgrad, kann aber für die Heizung des Reformers verwendet werden. Wie die AFC und die PEFC benötigt auch die PAFC Kühlelemente zwischen den Zellen, da – von Kleinstanwendungen abgesehen – die Abwärme nicht allein über die Oberfläche des Zellstapels und durch die Abgase abgeführt werden kann. Die PAFC ist der erste16 Brennstoffzellentyp, der die Grenze zum wirtschaftlichen Einsatz annähernd erreicht hat. Die Firma ONSI (South Windsor, USA) hat von ihren Typ PC2517 weltweit schon über 260 Prototypen im Einsatz mit einer Leistung von 200 kWel und 220 kWth und einem elektrischen Wirkungsgrad von ca. 40 % (Bild 9.13). Die Kosten werden mit ca. 3.000 $/kWel angegeben, die Verfügbarkeit der neueren Generation übertrifft mit ca. 95 % die motorischer BHKW's deutlich. Ebenso gibt es neben mehreren anderen Prototypen eine tragbare 1 kW Anlage von Sanyo als Notstromaggregat, das sechs Stunden lang aus einem Hydridspeicher versorgt werden kann. Da die Betriebstemperatur der PAFC mit ca. 200 °C schon relativ hoch liegt, kann die Abwärme nicht nur für Heizzwecke, sondern auch für Prozessdampf genutzt werden und wurde auch schon als Antrieb einer Absorptionskältemaschine für einen Kraft-Wärme-Kälte-Verbund realisiert.
16 Abgesehen von militärischen und Raumfahrt-Anwendungen, bei denen kein echter kommerzieller
Markt besteht. 17 Inzwischen unter dem Namen UTC-Pure Cell 200.
188
9 Brennstoffzellen
Die PAFC hat schon einen relativ hohen Entwicklungsstand erreicht. Dennoch wird sie möglicherweise von den anderen Typen verdrängt werden, die aufgrund ihrer deutlich niedrigeren bzw. deutlich höheren Temperatur jeweils spezifische konstruktive oder betriebsbedingte Vorteile aufweisen.
Bild 9.13: PAFC-Heizkraftwerk
9.6.4 Die Schmelzkarbonat Brennstoffzelle, Typ MCFC Bei der MCFC besteht der Elektrolyt aus einer eutektischen Karbonatschmelze, meistens einer Mischung aus 62 % Lihiumkarbonat und 38 % Kaliumkarbonat. Diese Mischung wird oberhalb 500 °C flüssig und ist dann für Karbonationen (CO3)2- leitend. Die typische Betriebstemperatur liegt bei 650 °C. Die Karbonationen wandern von der Kathode zur Anode (vgl. Bild 9.8), wo sie unter Abgabe von zwei Elektronen in CO2 und ein Sauerstoffatom zerfallen. Der atomare Sauerstoff oxidiert das Brenngas, wobei nun im Unterschied zur PEFC neben Wasserstoff auch Kohlenmonoxid CO direkt in der Zelle „elektrochemisch“ verbrannt werden kann.
9.6 Anwendungsgebiete und Stand der Entwicklung
189
An der Kathode muss zur Nachbildung der Karbonationen, die an der Anode verbraucht wurden, neben Luft auch Kohlendioxid zugeführt werden, Bild 9.14. Hierfür wird in der Regel das CO2- und methanhaltige Anodenabgas nach einer Nachverbrennung wieder der Kathode zugeführt.
Brennstoffzelle K Rückführung von CO2 zur Kathode
E A H2 und CO CO2
Nachbrenner
Reformer
H2 CO
Wärmeübertrager mit Abscheider für CO2 und H2O Abgas
Luft
H2O
Erdgas
Bild 9.14: Hauptkomponenten eines MCFC-Systems
Die Elektrolytmatrix der MCFC besteht aus einer ca. 0,5 mm dicken Folie aus Lithiumaluminat (LiAlO2), die im Foliengießverfahren hergestellt wird und die in ihren feinen Poren den flüssigen Elektrolyt enthält. Maßnahmen zur Vermeidung von unerwünschtem Elektrolytverlust und Materialforschung zur Reduzierung von Schäden durch den korrosiven Elektrolyten bilden zurzeit noch Schwerpunkte bei der Entwicklung der MCFC-Technologie. Im Vergleich zu Nieder- und Mitteltemperaturbrennstoffzellen hat die MCFC den Vorteil, dass sie neben der Stromproduktion auch zur Erzeugung von hochwertigem Prozessdampf18 eingesetzt werden kann. Da die MCFC auch CO verarbeitet, kann auf den bei Niedertemperatur- und Mitteltemperaturbrennstoffzellen notwendigen Shift-Konverter verzichtet werden. Allerdings ist weiterhin noch vor Eintritt in die Zelle eine teilweise Reformierung des Erdgases bzw. dessen Anteilen an höheren Kohlenwasserstoffen mit Wasserdampf zu Kohlenmonoxid notwendig. Durch die eher geringe Leistungsdichte der MCFC und ihr hohes Gewicht kommt ihr Einsatz für mobile Anwendungszwecke kaum in Betracht. Es ist zu erwarten, dass die MCFC wegen ihres hohen Gesamtwirkungsgrades bis zu 90% (davon ca. 50% elektrisch) hauptsächlich als BHKW eine Marktchance finden wird. Bisher wurden Demonstrationsanlagen bis 2 MW in den USA erstellt, die meisten Anlagen decken jedoch den Bereich um 250 kW ab (Bild 9.15). Davon wurden bisher ca. 2 Dutzend Anlagen in Deutschland gebaut und im Feld getestet. Die Planungen der Hersteller sehen vor, 18 Eine Kombination mit einer Dampfturbine zur Stromerzeugung ist bei den momentan favorisierten
geringen Leistungseinheiten noch nicht sinnvoll.
190
9 Brennstoffzellen
dass ab 2007 die Zellkomponenten der MCFC in Kleinserie gefertigt werden können. Ab diesem Zeitpunkt werden dann auch Preissenkungen erwartet.
Quelle: CFC-Solutions
Bild 9.15: 250 kWel MCFC „Hot Module“ von CFC-Solutions
9.6.5 Die Oxidkeramische Brennstoffzelle, Typ SOFC Der Elektrolyt der SOFC ist ein keramischer Festkörper, meist bestehend aus Zirkonoxid, das mit ca. 20 % Yttriumoxid dotiert ist. Hierdurch wird die Keramik ab ca. 700 °C für Sauerstoffionen leitfähig. Die Anode besteht meist aus einem Nickel-Zirkonoxid-Cermet, die Kathode aus Lanthan-Strontium-Manganat. An der Kathode wird der Luftsauerstoff durch Aufnahme von zwei Elektronen ionisiert, durch den Elektrolyt zur Anode geleitet und reagiert dort nach Abgabe der Elektronen mit dem Wasserstoff oder Kohlenmonoxid des Brenngases.
9.6 Anwendungsgebiete und Stand der Entwicklung
191
Aufgrund der hohen Betriebstemperatur von typisch 800 °C - 1000 °C kann die chemische Umwandlung des Brennstoffs zum größten Teil direkt in der Zelle erfolgen. Bei Erdgas und anderen flüssigen Kohlenwasserstoffen ist u.U. eine gewisse Vor-Reformierung (Bild 9.16) notwendig, um die elektrochemische Reaktion in der Zelle zu beschleunigen oder um ein Cracken der höheren Kohlenwasserstoffe in der Zelle und die damit verbundenen Kohlenstoffabscheidung zu vermeiden.
Luft
Brennstoffzelle K H2, CO, CH4
E A
Nachbrenner
Lufterhitzer
Vorreformer
H2 CO
Erdgas
Wärmetauscher Abgas
Bild 9.16: Hauptkomponenten eines SOFC-Systems
Das Reaktionsprodukt Wasser und Kohlendioxid wird auf der Anoden- (Brenngas-) Seite abgeführt, s.a. Bild 9.8. Noch unverbrannte Brenngase werden wie bei der MCFC in einem Nachbrenner verbrannt und zur Beheizung des Zellenstapels oder des Vorreformers verwendet. Dies reduziert zwar den Faraday-Wirkungsgrad und somit den elektrischen Systemwirkungsgrad, nicht jedoch den Gesamtnutzungsgrad einer als BHKW ausgeführten SOFC. Die SOFC hat somit im Vergleich zu den anderen Brennstoffzellentypen einen relativ einfachen Systemaufbau, Bild 9.16. Die hohe Temperatur und die damit verbundenen Wärmedehnungen und -spannungen stellen besondere Anforderungen an den Zellaufbau. Daher hat sich bei den SOFC neben dem üblichen planaren Konzept (Bild 9.17), wie er bei fast allen anderen Brennstoffzellentypen verwendet wird, noch ein tubulares Konzept als sinnvoll herausgestellt (Bild 9.18).
Bild 9.17: SOFC mit planaren Zellen. (Quelle: Hexis)
192
9 Brennstoffzellen
Hierbei werden die einzelnen Zellen nicht flach aufeinander gestapelt und durch Verbindungsstücke, sog. bipolare Platten, mit Brenngas bzw. Luft versorgt, sondern sie bilden einen Verbund von einseitig geschlossenen Röhren, die innen mit Brennluft und außen mit Brenngas versorgt werden, Bild 9.18. Dieses Röhrenkonzept wird z.Z. von der Siemens AG zum sog. Flachröhrenkonzept weiterentwickelt, mit dem höhere Leistungsdichten und geringere Fertigungskosten zu erzielen sind. Kathode
Kathode
Brenngas Luft
Luft
Luft
Filz
Luft
Luft
Anode
Luft
Interconnector Brenngaselektrode Elektrolyt Luftelektrode
Anode
Bild 9.18: SOFC mit tubularen Zellen (Quelle: Siemens AG)
Aufgrund der hohen Betriebstemperatur eignet sich die SOFC sowohl als BHKW zur Prozessdampferzeugung, wie auch als „elektrische Brennkammer“ für den Antrieb einer Gasturbine oder eines Kombikraftwerks. Ein erster 220 kW-Prototyp mit Gasturbine wurde von der Siemens AG Mitte 2000 in Kalifornien realisiert. Die notwendige lange Aufheizzeit der SOFC stellt einen prinzipiellen Nachteil für die Anwendung im mobilen Bereich dar. Dennoch gibt es auch Entwicklungen zum Einsatz der SOFC im Kfz-Bereich, da dann u.U. auf eine aufwändige Änderung der Treibstoff-Versorgungsstruktur verzichtet werden kann. Die Markteinführung der SOFC wurde von einigen Herstellern Ende dieses Jahrzehnts erwartet. Sulzer Hexis führte erste Feldtests seiner 1 kWel-Hausheizanlage ab 1998 durch und begann 2001 mit der Auslieferung einer Vorserie (insgesamt 110 Stck.) Nachdem sich Sulzer 2005 aus der Brennstoffzellenentwicklung zurückzog entwickelt ein verkleinertes Team mit gestrecktem Zeitplan das System weiter. Die Siemens AG testete seit 1986 bisher mehr als 25 Demoanlagen (3kW – 250 kW) bei verschiedenen externen Kunden. Eine 100 kW Anlage (Bild 9.19) wird schon seit über 34.000 Betriebsstunden erfolgreich betrieben. Ursprünglich wurde diese Anlage in den Niederlanden bei EDB/ELSAM gestartet, danach abslovierte sie eine kurze Betriebspahse bei RWE in Essen und seit 2005 läuft sie bei TurboCare in Turin mit geringer Degradation und einer hohen Verfügbarkeit von > 99%. Weitere 125 kW Feldversuchsanlagen (Typ SFC-200, Bild 9.20) sind für 2007 vorgesehen, u.a. bei den Stadtwerken Hannover sowie bei BP in Alaska.
Literatur zu Kapitel 9
193
Quelle: Siemens AG
Bild 9.19: 100 kW-SOFC-System
Die spezifischen Kosten der SOFC von Siemens sollen im Jahr 2010 auf ein Preisniveau von 1.500 €/kW gebracht werden. Für das Jahr 2012 wurde in einer gemeinsamen Mitteilung von EnBW und der Siemens AG eine neue Hybrid-Anlage im MW-Bereich angekündigt.
Bild 9.20: Typ SFC-200 (125 kW), Enercity Hannover. (Quelle: Siemens AG)
Literatur zu Kapitel 9 [9.1] Schönbein, C.F.: On the Voltaic Polarization of certain Solids and Fluid Substances; The London and Edinburgh philosophical magazine and journal of science, Ser. 3, Vol 14, No. 86, p. 43-45, Feb. 1839 [9.2] Grove, W.R.: On Voltaic Series and the Combination of Gases by Platinum; The London and Edinburgh philosophical magazine and journal of science, Ser. 3, Vol 14, No. 86, p. 127-130, Feb. 1839 [9.3] Bossel, Ulf: The Birth of the Fuel Cell; European Fuel Cell Forum, 2000 [9.4] Jacques, W.W.: Electricity direct from coal; Harpers New Monthly Magazine, 96, p.144-150, 1896 [9.5] Mond, L.; Langer, C.: A new Form of Gas Battery; Proc. Roy. Soc., 46, p. 296-305, 1889
194
9 Brennstoffzellen
[9.6] Ostwald, W.: Die wissenschaftliche Elektrochemie der Gegenwart und die technische der Zukunft; Z. für Elektrotechnik und Elektrochemie, 3, S. 81-84 und 122-125, 1894 [9.7] DOE: National Program Plan Fuel Cells in Transportation; DOE/CH-9301a, Febr. 1993 [9.8] Blomen, L.; Mugerwa, M.: Fuel Cell Systems; Plenum Press, 1993 [9.9] Euler, K.-J.: Entwicklung der elektrochemischen Brennstoffzellen; Thiemig, 1974 [9.10] Kordesch, K.: Brennstoffbatterien; Springer, 1984 [9.11] Dienhart, H.; Pehnt, M.; Nitsch, J.: Analyse von Einsatzmöglichkeiten und Rahmenbedingungen verschiedener Brennstoffzellensysteme in Industrie und zentraler öffentlicher Stromversorgung; DLR-Bericht, Nov. 1999 [9.12] Bossel, U., Eliasson, B., Taylor, G.: The Future of the Hydrogen Economy: Bright or Bleak?: www.efcf.com/reports, 2003 [9.13] Kurzweil, P.: Brennstoffzellentechnik; Vieweg Verlag, 2003
195
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW Die thermischen Wirkungsgrade von Kraftwerken zur Stromerzeugung sind relativ gering. Beispielsweise erreichen moderne Kohlekraftwerke heute bis etwa 45 %, Gasturbinen maximal 40 % und Diesel-Motoren nicht über 50 %. Kombinations-Kraftwerke, Gas- und Dampfturbinen-Prozesse können an die 60 % thermischer Wirkungsgrad bei der Umwandlung der zugeführten Wärme in mechanische bzw. elektrische Energie erzielen. Ein ähnlich hoher Wert wird in Zukunft von den Brennstoffzellen erwartet. Der nicht in Arbeit umgewandelte Anteil der zugeführten Wärme fällt als Abwärme an und geht ungenutzt in die Umgebung. Ein Teil dieser Abwärme lässt sich durch entsprechende Installationen bei allen Kraftwerksprozessen zur Wassererwärmung oder zur Dampferzeugung für industrielle Zwecke nutzen. Für Heizzwecke genügt eine Temperatur der Abwärme von 60 °C bis 80 °C, während die Erzeugung von Industriedampf deutlich höhere Temperaturen voraussetzt. Wird neben der mechanischen Energie auch Wärme als Nutzen angesehen, so reicht der ther zu nicht mehr zur Beschreibung der Prozessgüte aus. mische Wirkungsgrad Kth = Pmech/ Q Nutz gleichwertig zur Zweckmäßig ist der Brennstoffnutzungsgrad KBst, der die Nutzwärme Q elektrischen bzw. mechanischen Arbeit setzt: 1 KBst = ( Q Nutz + Pel)/ Q zu
Gl. 10.1
bzw.2 KBst = ( Q Nutz + Pmech)/ Q zu
Gl. 10.2
Der Brennstoffnutzungsgrad ist zur Beurteilung der Güte einer Anlage nicht geeignet. Die Stromzahl S ist eine notwendige zusätzliche Kenngröße, um eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ausreichend zu beschreiben: S = Pel/ Q Nutz
Gl. 10.3
Sie gibt an, wie die beiden Nutzleistungen Pel und Q Nutz im Verhältnis zueinander stehen. Bei S = 0 liegt eine reine Feuerung vor, die nur Wärme erzeugt. Bei einem Kraftwerk zur ausschließlichen Stromerzeugung ist S ĺ .
Alternativ findet zur Stromzahl S der Wärmemehrbedarf WMB zur Stromerzeugung Verwen als zusätzlichem Wärmestrom, um Strom zu erzeugen: dung, mit ∆ Q zu / Pel WMB = ∆ Q zu
Gl. 10.4
Der Zusammenhang zwischen WMB, Kth und S ist bei vollständiger Nutzung der Abwärme: Q Nutz = Q zu − ∆ Q zu
−∆Q ): und S = Pel / (Q zu zu
/ P −∆Q / P )−1 = ( Q / P − WMB)−1 S = (Q zu el zu el zu el
Gl. 10.5
Nutz ist die genutzte Wärmeleistung, Pel die elektrische Leistung, Pmech die mechanische Leistung, 1 Q zu der über den Brennstoff dem Kreisprozess zugeführte Wärmestrom. Q
2 Da der Wirkungsgrad großer Generatoren über 95 % liegt, ergibt sich nur ein geringer Unterschied der
beiden Definitionen Gl. 9.1 und 9.2.
196
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW
Da Pel bei großen Anlagen mit gutem Generatorwirkungsgrad fast Pmech entspricht, genügt meist: S § (1/Kth – WMB)–1
Gl. 10.6
Mit der vollständigen Abwärmenutzung, ausgedrückt durch Q Nutz = Q zu − Pel ergibt sich:
S § (1/Kth – 1)-–1
Gl. 10.7
Die Nutzung von Abwärmen aus thermischen Prozessen zur Erzeugung von Kälte bzw. Klimatisierung durch Absorptions-Kältemaschinen oder zur Temperaturanhebung für Heizzwecke durch Wärmepumpen wird ebenfalls in diesem Kapitel behandelt.
10.1 Wärmeauskopplung bei Dampfkraftwerken Die Abwärme von Kondensations-Dampfkraftwerken fällt bei der Temperatur der Wärmesenke (direkte Flusswasser- oder Kühlturm-Kühlung) nur wenig über Umgebungstemperatur an. Damit ist das im Kondensator nur gering erwärmte Kühlwasser als Nutzwärme nicht geeignet. Versuche, diese Niedertemperaturwärme zur Beheizung nahegelegener Gewächshäuser, Ackerböden oder Fischteiche zu nutzen, sind unwirtschaftlich. Trotzdem bieten Dampfkraftwerke Möglichkeiten, Wärmeströme wirtschaftlich auszukoppeln.
10.1.1 Gegendruckbetrieb Der Dampf in der Turbine wird zur Wärmeauskopplung nur bis zur gewünschten Temperatur entspannt und bei dem zugehörig höheren Sättigungsdruck kondensiert. Es wird hierzu eine “Gegendruck-Turbine“ benutzt, die im Gegensatz zur Kondensations-Turbine einen höheren Entspannungsenddruck aufweist. Damit wird allerdings die Turbinenleistung vermindert. Das heiße Kühlwasser, das aus dem erhöhten Kondensatordruck resultiert, wird dem Verbraucher zugeführt. Damit lässt sich die gesamte Abwärme nutzen. Der Brennstoffnutzungsgrad KBst erreicht nur wegen den Verlusten der Feuerung und des Dampferzeugers keine 100 %. Ebenso sind Ausführungen üblich, bei denen der Turbinenabdampf direkt dem Verbraucher für industrielle Zwecke zugeführt oder in eine Dampfsammelschiene gespeist wird. Derartige Anlagen lassen sich für Sommer- und Winterbetrieb durch einen separaten, abkoppelbaren Kondensations-Turbosatz (Niederdruck-Turbine) konzipieren. In den Sommermonaten wird keine Wärme benötigt und der Turbosatz arbeitet im Kondensationsbetrieb mit einer Wärmesenke bei möglichst geringer Temperatur. Es wird die maximale elektrische Energie erzeugt. Im Winter, wenn Wärme verlangt wird, wird der Kondensationsteil des Turbosatzes abgekoppelt und der heiße Abdampf aus der Mitteldruck-Turbine dem Verbraucher zugeführt, wo er kondensiert und der Speisewasserpumpe zurückgeführt wird. Bild 10.1 zeigt den Wärmeschaltplan eines Dampfkraftwerks zur KWK mit Abkopplung der NiederdruckKondensationsturbine.
10.1 Wärmeauskopplung bei Dampfkraftwerken
197
Bild 10.1: Wärmeschaltplan eines Dampfkraftwerks zur KWK im Gegendruckbetrieb für Sommerund Winterbetrieb
Die Erzeugung von elektrischer und thermischer Energie mit der Gegendruckturbine ist starr gekoppelt. Wird mehr Wärme gefordert, muss der Dampfstrom durch die Turbine erhöht werden. Dadurch wird gleichzeitig mehr Strom generiert. Dies ist durchaus von Vorteil, da in Zeiten erhöhten Wärmebedarfs oft auch der Strombedarf steigt. Dampfkraftwerke mit Gegendruckturbinen sind gut zur Bereitstellung von Dampf für industrielle Verfahren geeignet. Die Anlage kann hinsichtlich des Bedarfs von Strom und Wärme für den Industriebetrieb optimiert werden. Dampferzeuger, befeuert mit fossilen Energieträgern, liefern Dampfdrücke, die für verfahrenstechnische Prozesse meist zu hoch sind. Der benötigte Druck muss also erniedrigt werden. Aus exergetischen und ökonomischen Gründen ist eine Drosselung meist ungünstig. Bevorzugt geschieht die Druckabsenkung mit angepassten Industriedampfturbinen, die im Gegendruckbetrieb arbeiten.
Frischdampfdruck/Abdampfdruck
Somit wird bei der notwendigen Druckabsenkung elektrische Energie erzeugt. Große Industriefirmen unterhalten Dampfnetze verschiedener Drücke. Hierzu bietet es sich an, Industrieturbinen einzusetzen, die den Frischdampf entweder direkt auf die verschiedenen Dampfdrücke reduzieren, oder dies kaskadenförmg realisieren, indem zwischen den einzelnen Dampfschienen die Turbinen eingebaut sind, die bedarfsorientiert einspeisen. Bild 10.2 gibt einen Überblick des Programms eines deutschen Herstellers von Industrie-Dampfturbinen für die verschiedenen Drücke und Leistungen. Zur Auswahl der Maschine für die individuelle Anforderung ist das gewünschte Dampfdruckverhältnis über dem Verhältnis von Leistung zu Turbineneintrittsdruck eingezeichnet. Jede der angebotenen Turbinen hat ihren begrenzten Einsatzbereich.
BF4/ 50
100
CF8 10
BF2,5
BF3,5
CF4
BF4/ 80
CF5
BF 4/125 1 0,1
1
10
100
Leistung/Frischdampfdruck kW/bar
Bild 10.2: Programm eines Herstellers von Industrie-Dampfturbinen, Auszug [10.1]
198
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW
Bild 10.3 ist das einfache Verfahrensfließbild einer Anlage zur Dampfbereitstellung in der Lebensmittelindustrie, z.B. zur Herstellung von Palmöl [10.1]. Eine oder mehrere Gegendruckturbinen 2 werden durch den Dampferzeuger 1 mit Frischdampf beaufschlagt. Der Abdampf wird in einem Dampfspeicher 4 bei gefordertem Gegendruck gesammelt. Bild 10.4 zeigt das zugehörige Sankey-Diagramm. 70 bis 80 % der Brennstoffenergie werden als Nutzwärme und elektrische Energie genutzt. 1: Dampferzeuger 2: Gegendruckturbine 3: Sicherheitsreduzierventil 4: Dampfspeicher 5: Dampfabnahme 6: Dampfverbraucher 7: Wasseraufbereitung Bild 10.3: Verfahrensfließbild einer Anlage zur Dampfbereitstellung
Bild 10.4: Sankey-Diagramm einer KWKAnlage zur Palmölherstellung [10.1]
10.1.2 Entnahme- und Anzapfbetrieb Dampfturbinen erlauben die Entnahme von Dampf bei verschiedenen Zuständen zwischen den entsprechenden Turbinenstufen (Kap. 4). Dieser Anzapfdampf eignet sich zu Heizzwecken. Diese Lösung ist bei großen Dampfkraftwerken bevorzugt, da für die Wärmeauskopplung die für die regenerative Speisewasser-Vorwärmung schon bestehende Installation benutzt werden kann. Bild 10.5 zeigt den vereinfachten Wärmeschaltplan eines Großkraftwerks mit den der Speisewasser-Vorwärmung parallelgeschalteten Wärmeauskopplungen bei verschiedenen Temperaturen. Ein Teil des Anzapfdampfes wird auf die Wärmeübertrager des Heizkreises
10.1 Wärmeauskopplung bei Dampfkraftwerken
199
geleitet. Um eine exergetisch günstige Erwärmung des Heizwassers zu erzielen, wird der kalte Rücklauf zuerst durch Anzapfdampf geringer Temperatur vorgewärmt, dann sukzessive weiter durch Anzapfungen höherer Temperatur erhitzt. In Bild 10.5 sind die üblichen drei Vorwärmstufen des Heizwassers eingezeichnet. Auf konventionelle Heizkessel kann wegen der Versorgungssicherheit selbst bei Großkraftwerken nicht verzichtet werden.
Bild 10.5: Vereinfachter Wärmeschaltplan eines Dampfkraftwerks mit Wärmeauskopplung durch Turbinenanzapfungen
Eine solche Wärmeauskopplung erlaubt die weitgehend unabhängige Erzeugung von elektrischer und thermischer Energie. Wird mehr Wärme verlangt, so kann die SpeisewasserVorwärmung reduziert werden, was den thermischen Wirkungsgrades etwas senkt. Die Wärmeleistung des Dampferzeugers ist entsprechend zu erhöhen. Diese Wärmeauskopplung aus einem Großkraftwerk ist höchst flexibel. Nachteilig ist die Ferne der Großkraftwerke von Besiedlungsgebieten, weshalb der Wärmeträger Heißwasser (z.B. bei 130 °C, 5 bar [10.2]) über größere Entfernungen gepumpt werden muss. Im Versorgungsgebiet der Neckarwerke Stuttgart tritt bei über 12 km Wärmeschienenlänge lediglich 3 °C Temperaturabfall auf [10.2]. Wird der Dampf der Turbine ungeregelt entnommen, so liegt eine Anzapfung vor. Wird der Dampf über eine Regelventil entnommen, das den Druck in der Abströmleitung konstant hält, so handelt es sich um eine Dampfentnahme. Bei Teillast im Gleitdruckbetrieb sinkt der Druck und die Temperatur des Anzapfdampfes. In diesem Falle kann auf die nächste Anzapfstelle mit höherer Temperatur umgeschaltet werden, um dem Wärmeverbraucher weiterhin die notwendige Temperatur zu liefern. Man spricht von einer Wanderanzapfung. Das Regelventil der Entnahmestelle drosselt demgegenüber entsprechend dem Teillastbetrieb den Druck mehr oder weniger. Das Regelventil verursacht zwar Exergieverluste, gewährleistet dem Verbraucher jedoch eine gute Druckkonstanz, was eine Wanderanzapfung nicht leistet. Das qualitative Entnahmediagramm, Bild 10.6 gilt für eine Dampfentnahme konstanten Druckes an einer Turbinenstufe. Aufgetragen ist der Dampfmassenstrom über der Turbinen Heiz . Bei m Heiz = 0 hanleistung. Parameter ist der entnommene spezifische Massenstrom m delt es sich um den reinen Kondensationsbetrieb zur Stromerzeugung, bei gesamter Entnahme des Dampfstromes aus einer Turbinenstufe liegt der Grenzfall der Gegendruckturbine vor, bei dem kein Dampf mehr durch den Kondensator geht. Es lassen sich Gegendruck- und Anzapfbetrieb zur Wärmeauskopplung kombinieren, in dem aus exergetischen Gründen an mehreren Anzapfstellen der Turbine Dampf entnommen wird und der gesamte Restdampf bei noch hinreichend hoher Temperatur vor dem Kondensator dem Verbraucher überlassen wird.
200
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW
100 % Volle Wärmeauskopplung . . mHeiz = mHeiz max
Konstante Heizmassenströme Keine Wärme-. auskopplung mHeiz = 0
0 0
Elektrische Leistung Pel
100 %
Bild 10.6: Qualitatives Entnahmediagramm; Turbinenleistung bei Dampfentnahme an einer bestimmten Turbinenstufe
10.2 Wärmeauskopplung bei Gasturbinen Die Temperatur der Abgase von Gasturbinen ist hinreichend hoch, um ohne Einschränkung2 der Stromerzeugung direkt Nutzwärme oder gar Prozessdampf zu erzeugen. Das Turbinenabgas, das bei neuen Gasturbinen eine Temperatur von etwa 500 °C bis 600 °C aufweist, wird hierfür durch einen Abhitzekessel geleitet, der Wasser erhitzt oder Dampf erzeugt. Der Abhitzekessel entspricht entweder einem Heizwasserkessel oder einem Dampferzeuger mit seinen einzelnen Strecken (Economiser, Verdampfer, Überhitzer und Zwischenüberhitzer), der rohr -Diagramm eines außenseitig mit dem Turbinenabgas beaufschlagt ist. Bild 10.7a) ist das T, Q Abhitze-Heizwasserkessel, Bild 10.7b) das Diagramm eines Abhitzekessels zur Erzeugung überhitzten Dampfes. Die Abhitzekessel sind Wärmeübertrager im Gegenstromprinzip. In Kap. 7 sind Schaltungen von Abhitzekesseln näher erläutert. Als andere Abwärmequellen sind die Generatorkühlung und die Kühlung für die Lagerschmierung zu nennen.
Bild 10.7: -Diagramme von AbhitzekesT, Q seln a) Heizwasserkessel b) Erzeugung überhitzten Dampfes
Viele Gründe haben dazu geführt, dass die Gasturbine mit Abhitzekessel die traditionellen Dampfkraftwerke zur Strom- und Dampferzeugung in der Industrie verdrängt: x Geringe Investitionskosten x flexibler Betrieb x kurze Anfahrzeiten 2 Der Abhitzekessel setzt der Abgasströmung einen Widerstand entgegen. Der Druck am Turbinenaus-
tritt ist deshalb etwas höher als bei der direkten Abströmung über Schalldämmer in die Atmosphäre, was eine geringe Leistungseinbuße bei der Stromerzeugung bedingt.
10.3 Wärmeauskopplung bei Kombikraftwerken (GuD) x x x x x x x
201
hohe Laständerungsgeschwindigkeiten reine Stromerzeugung möglich (Spitzenlastabdeckung) geringe Baugröße hohe Zuverlässigkeit, hohe Verfügbarkeit geringer Wartungs- und Unterhaltungsaufwand Erdgas als sauberer und per Pipeline problemlos verfügbarer Brennstoff keine Brennstoffvorhaltung mit entsprechendem Platz- und Finanzbedarf
Bild 10.8 schematisiert eine Gasturbine mit Auskopplung von Industriedampf. Zur Versorgungssicherheit ist noch ein konventioneller Dampferzeuger, der den gesamten Wärmebedarf des Betriebes übernehmen kann, installiert. Eine Reserveeinheit zur Wärmebereitstellung ist notwendig, um Produktionsausfälle zu vermeiden.
Bild 10.8: Gasturbine mit Abhitzekessel
Stationäre Gasturbinen werden mit elektrischen Leistungen von etwa 30 kW bis 300 MW angeboten. Die kleinen Gasturbinen, die komplett in Blockbauweise in Containern geliefert werden, sind deshalb auch als Heizzentralen geeignet. Ein BHKW kann nicht nur einen Kolbenmotor, sondern auch eine kleine Gasturbine beinhalten.
10.3 Wärmeauskopplung bei Kombikraftwerken (GuD) Bei Kombikraftwerken (Kap. 7) stehen mehrere Optionen zur Wärmeauskopplung zur Verfügung. Die Wärme kann dem Gasturbinen-Abgas aus dem Abhitzekessel entnommen werden oder der Dampfturbine nach dem Gegendruck- oder Anzapfprinzip. Falls eine sehr flexible Strom- und Wärmeversorgung beabsichtigt ist, ist von der auf den Wirkungsgrad optimierten Kombianlage ohne Zusatzfeuerung abzuweichen. Der Block 2 des Heizkraftwerks in Altbach/Deizisau wurde als Verbundprozess gemäß Bild 7.2e ausgelegt, bei dem das Gasturbinenabgas im reinen Strombetrieb nur das Speisewasser des Dampfkraftwerkes vorwärmt, während die Verdampfung und Überhitzung des Dampfes im Kohlekessel geschieht. Bild 10.9 zeigt die Wärmeschaltung. Die beiden Prozesse können unabhängig voneinander gefahren werden, und eine Fernwärmeauskopplung ist sowohl bei reinem Dampfturbinenbetrieb (Anzapfturbine) als auch bei reinem Gasturbinenbetrieb (Abhitzekessel) möglich. Damit lassen sich für die einzelnen Betriebsarten die in Tabelle 10.1 gelisteten Leistungsdaten für Stromund Wärmelieferungen erzielen. Die maximale Leistung des Verbundprozesses im reinen Strombetrieb beträgt im Auslegungsfall 381 MWel, bei 44 % thermischem Wirkungsgrad. Die
202
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW
maximale Wärmeleistung ist 280 MWth. Die überragende Flexibilität der Anlage zeigt sich, wenn sowohl maximale Wärme- als auch elektrische Leistung gefordert wird. Die elektrische Leistung des Verbundprozesses sinkt bei der Abgabe von 280 MWth nur geringfügig auf 334 MWel. Der Brennstoffnutzungsgrad ist 70 %. Der reine Gasturbinenbetrieb, der zur Abdeckung von elektrischer Spitzenlast interessant ist, erreicht mit maximaler Wärmeauskopplung sogar einen Brennstoffnutzungsgrad von über 80 %. Tabelle 10.1: Betriebsarten und Leistungsdaten des Blocks 2 des Verbundkraftwerks Altbach/Deizisau [10.2]
Fernwärme MWth
thermischer Wirkungsgrad
BrennstoffNutzungsgrad
Verbundbetrieb, nur Strom 381 Strom und Wärme 334
0 280
44 % –
44 % 70 %
Dampfkraftwerk allein, nur Strom Strom und Wärme
303 248
0 280
41 % –
41 % 72 %
Gasturbine allein, nur Strom Strom und Wärme
65 63
0 87
35 % –
35 % 83 %
Betriebsart
Strom MWel
Bild 10.9: Wärmeschaltplan eines Verbundkraftwerkes mit Wärmeauskopplung (vereinfacht)
10.4 Wärmeauskopplung bei Kolbenmotoren Auch bei Kolbenkraftmaschinen ist die Temperatur des Abgases mit über 500 °C für eine direkte Wärmeauskopplung oder Dampferzeugung mittels Abhitzekessel ausreichend. Einen noch größeren Abwärmeanteil erbringt die interne Zylinder- und Motorblockkühlung. Im Allgemeinen wird der Massenstrom des Kühlwassers so geregelt, dass dessen Temperatur am Kühlerauslass etwa 90 °C beträgt, weshalb es direkt zu Heizzwecken geeignet ist. Der Wärmeübertrager ist kostengünstig, da das wärmeauf- und -abgebende Fluid flüssiges Wasser ist.
10.4 Wärmeauskopplung bei Kolbenmotoren
203
Der Wärmestrom des Kühlwassers übersteigt den des Abgases, wie Bild 10.10 für einen Gasmotor zeigt. Der Ölkühler lässt sich durch einen weiteren flüssig-flüssig Wärmeübertrager nutzen. Große Generatoren haben Wirkungsgrade um 95 %, was wenig zur Abwärme beiträgt. Der Wirkungsgrad sehr kleiner Generatoren ist allerdings geringer, so dass das Generatorkühlwasser durchaus noch als Nutzwärme Verwendung finden kann. Nur das Abgas hat das Temperaturniveau, um mittels Abhitzekessel Dampf für industrielle Zwecke zu erzeugen, während das Kühlwasser für Brauchwasser und Raumheizung beschränkt bleibt. Das Kühlwasser gibt seine Wärme üblicherweise in einem einfachen Gegenstrom-Wärmeübertrager an das Brauchwasser ab. Bild 10.11 zeigt die Wärmeauskopplung eines Gasmotors.
Bild 10.10: Abwärmeanteile bei einem Gasmotor [10.3] a: Brennstoffleistung b: Kühlwasserwärmestrom c: Abgaswärmestrom, auf 120 °C abgekühlt d: Ölkühlstrom e: mech. Motorleistung
Bild 10.11: Wärmeschaltplan eines BHKW mit Kolbenmotor, vereinfacht, nach [10.3]
204
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW
Übliche BHKW-Motoren, meist mit Erdgas betrieben, werden im Leistungsbereich zwischen 5 kWel und 1 MWel angeboten, wobei der nutzbare Abwärmeanteil entsprechend des thermischen Wirkungsgrades, der bei sehr kleinen Motoren geringer ist, zwischen 12,5 kWth und 1,3 MWth liegt. BHKW größerer Leistung basieren auf Konstruktionen von Schiffsdieselmotoren [10.3, 10.4]. Die Förderung über das Erneuerbare Energiegesetz EEG und das Kraft-WärmeKopplungsgesetz macht Pflanzenöle als Kraftstoffe für Dieselmotoren-BHKW wirtschaftlich attraktiv, insbesondere wenn das preiswerte Palmöl genutzt wird. Die Dieselmotoren benötigen hierzu jedoch Modifikationen zur Aufwärmung des Pflanzenöls (Viskositätsreduzierung) vor dem Einspritzsystem. Für Leistungen über 1 MWel werden wegen den Kosten und des Platzbedarfs kleine Gasturbinen bevorzugt. Zuverlässige Stirling-Motoren sind erst seit kurzem als Aggregate für BHKW erhältlich [10.12].
10.5 Wärmeauskopplung bei anderen Prozessen Brennstoffzellen sind eine Alternative zu thermischen Anlagen der Stromerzeugung. Je nach Technik als Nieder-, Mittel- oder Hochtemperaturzelle, mit oder ohne vorgeschalteten Reformer, fällt Abwärme unterschiedlich hoher Temperatur an. Wärmeträger ist das die Zelle verlassende warme Kühlwasser, die Produktgase oder das Reformergas-Kühlwasser. Für eine industrielle Dampferzeugung sind nur Hochtemperaturzellen geeignet (Kap. 9). Bild 10.12 zeigt das vereinfachte Fließschema einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle nach [10.5]. Die Abgase hoher Temperatur und hohen Druckes der Hochtemperatur-Brennstoffzelle können sogar zum Betrieb einer Gasturbine verwandt werden. Pilotanlagen sind derzeit in Vorbereitung. Kraft-Wärme-Kopplung ist ebenso bei einigen regenerativen und unerschöpflichen Energiequellen möglich, z.B. bei der Geothermie und bei der Nutzung biologisch generierter gasförmiger oder flüssiger Brennstoffe. Dies wird in separaten Kapiteln diskutiert. Bei solaren Kraftwerken mittels thermodynamischem Prozess ist die Wärme- oder Dampfauskopplung möglich, doch meist fehlt es in den entsprechenden Breitengraden an Wärmeverbrauchern. Bei industriellen Prozessen, die Kühlstrecken benötigen oder bei denen Abwärme mit hoher Temperatur anfällt, wird die prozessinterne Wärmerückgewinnung oder Wärmenutzung dann angewandt, wenn sie wirtschaftlich oder ökologisch geboten ist. Die Vielfalt der Möglichkeiten ist groß. Besondere Möglichkeiten ergeben sich bei den hohen Temperaturen der Stahlerzeugung [10.6]. Die industriellen Dampfschienen unterschiedlicher Drücke werden meist in Kraft-Wärmekopplung aus Dampfkraftwerken oder Gasturbinen gespeist.
Bild 10.12: Wärmeschaltplan einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle mit Wärmeauskopplung, vereinfacht
10.6 Dimensionierung von BHKW
205
10.6 Dimensionierung von BHKW Die Wärmeauskopplung bei Großkraftwerken ist oft zur Abdeckung des Wärmebedarfs großer Versorgungsgebiete ausreichend, ohne die Stromversorgung wesentlich einzuschränken (Tab. 10.1). Trotzdem sind für betriebs- oder reparaturbedingte Kraftwerksausfälle vorzusorgen. In große Fernwärmenetze speisen mehrere Kraftwerke ein, so dass auf eine Notversorgung verzichtet werden kann. Bei nur einem Wärmelieferanten ist jedoch ein Reservekessel vorzusehen, der den Wärmebedarf voll abdeckt. Anders stellt sich die Situation bei der dezentralen Versorgung kleiner Gebiete, wie z.B. von Neubausiedlungen, dar. Da der optimale Betrieb von BHKW-Anlagen i.A. nicht gleichzeitig den Bedarf von Wärme und elektrischer Energie abdecken kann, muss entschieden werden, welche der beiden Energieformen verbrauchsorientiert zu erzeugen ist. Bei Unterdeckung der anderen Energieform muss diese extern bezogen oder separat bereitgestellt werden. Entsprechendes gilt bei Überschuss, der entweder ungenutzt bleibt oder in andere Versorgungsgebiete zu leiten ist. Die Mehrzahl der BHKW ist wärmegeführt, die Installation dient zur bedarfsorientierten Wärmeversorgung. Der fehlende bzw. überschüssige Strom ist über das Stromnetz problemlos und kostengünstig ausgleichbar. Durch Einspeiserecht und Mindestpreise für die eingespeiste Energie werden BHKW derzeit in Deutschland durch das Energieeinspeisungsgesetz gefördert. Der Verbraucher ist an einer preisgünstigen und sicheren Energieversorgung interessiert. Nur langsam beginnt die Bereitschaft, für ökologisch günstige Energien freiwillig einen höheren Preis zu bezahlen. Die Entscheidung über Investitionen in die dezentrale Energieversorgung durch BHKW beruht in erster Linie auf wirtschaftlichen Erwägungen. Die VDI-Richtlinie 2067 beschreibt die exakte Wirtschaftlichkeitsanalyse gerade für BHKW [10.7, 10.8]. Grundlage hierfür ist die Kenntnis des Energiebedarfs und der Investitionskosten.
Wärmeleistung
Für die Auslegung wärmegeführter Anlagen dient die Wärmebedarfs-Jahresdauerlinie. Entweder ist diese bekannt oder sie kann in Kenntnis der vorgesehenen Bauten und Abnehmerstruktur abgeschätzt werden [10.10]. Eine typische Jahresdauerlinie des Wärmebedarfs für Raumheizung und Brauchwasser zeigt Bild 10.13, wobei die Werte geglättet sind (über einige Tage gemittelt). Daraus ist die geordnete Jahresdauerlinie zu ermitteln, bei der die Wärmeleistung über der Jahresstundenzahl geordnet aufgetragen wird. Eine geordnete Jahresdauerlinie zeigt Bild 10.14 [10.9]. Es fällt ein vom Spitzenbedarf nahezu exponentiell abfallender Verlauf auf, d.h. hohe Wärmeleistungen sind nur für kurze Zeit gefordert. kW 600 400 200 0
Jan
Sommer
Dez
Bild 10.13: Jahresdauerlinie einer Wohnsiedlung
206
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW
Je länger die Betriebszeit der BHKW, desto wahrscheinlicher ist ein wirtschaftlicher Betrieb. Ein BHKW, deren Wärmeleistung sogar die Wärmespitzen abdeckt, wird nur ganz kurz in seinem optimalen Auslegungspunkt betrieben werden können, ansonsten abgeschaltet sein oder im Teillast mit ungünstigem Wirkungsgrad arbeiten. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist bei derartiger Auslegung nicht zu erwarten. Die Laufzeit von BHKW ist wesentlich höher, wenn deren thermische Leistung nur ein Teil des gesamten Wärmebedarfs abdeckt. In Bild 10.14 sind vier BHKW angepasster Leistung in die Jahresdauerlinie eingetragen, die ausreichende Laufzeiten versprechen [10.9].
Bild 10.14: Geordnete Jahresdauerlinie einer reinen Wohnsiedlung mit vier eingepassten BHKW [10.9]
Ein BHKW läuft mit über 8000 Stunden pro Jahr statistisch praktisch rund um die Uhr, das zweite 6300 Stunden, das dritte über 4500 Stunden. Selbst das vierte BHKW läuft noch nahezu 4000 Stunden. Mit den vier BHKW werden knapp 30 % des Spitzenwärmebedarfs abgedeckt. Der Rest ist von einem Spitzenlastkessel abzudecken, der gleichzeitig der Reservekessel ist. Die Leistung dieses konventionellen Kessels muss aus Sicherheitsgründen, um den Ausfall eines oder mehrerer BHKW ausgleichen zu können, mindestens 70 % des Spitzenwärmebedarfs betragen. Die Kosten werden nicht in erster Linie von der Größe des konventionellen Kessels bestimmt, so dass er eher überdimensioniert werden sollte. Die Installation von Wärmespeichern verlängert die Laufzeit der BHKW. So können die Module für gewisse Zeit ohne Rücksicht auf die aktuelle Wärmeabnahme betrieben werden, z.B. um zu Zeiten elektrischen Spitzenbedarfs Strom zu erzeugen. Die generierte Wärme wird gespeichert. Eine derartige Fahrweise, wenn es noch durch das lokale Energieversorgungsunternehmen in Zeiten hohen Strombedarfs ferngesteuert gestartet werden darf, erhöht die Vergütung der Stromeinspeisung beträchtlich. Nur eine Wirtschaftlichkeitsanalyse kann zeigen, ob sich die Investition thermischer Speicher lohnt. Vielversprechend ist die Versorgung von Wirtschaftsbetrieben, Sportanlagen oder Freibädern. Deren Wärmebedarf ist meist gleichförmig und vorhersehbar. Die Beheizung eines Freibads bringt eine Vergleichmäßigung der Wärmeabnahme über das Jahr, da das Freibad in den Sommermonaten betrieben wird, wenn keine sonstige Wärmeabnahme vorliegt [10.11]. Die Wirtschaftlichkeit von BHKW wird wegen des theoretisch hohen Brennstoffnutzungsgrades, der aber wegen des fehlenden gleichmäßigen Wärmebedarfs über das Jahr nicht erreicht wird, überschätzt. Die Installation eines BHKW zur Versorgung von Wohngebieten verspricht nur bei Anschlusszwang der betreffenden Häuser einen wirtschaftlichen Erfolg. Bei nachträglicher Installation in Altbaugebieten kann derzeit ein Anschlusszwang nicht erwirkt werden, es würde zu
10.7 Klimatisierung (Kälteerzeugung) durch Abwärme und Wärmepumpen
207
finanziellen Härten führen, da schon individuelle Heizungen installiert sind. Für die Nahwärmeversorgung durch BHKW ist mit hohen Investitionen zu rechnen, die aus der Verlegung des Verteilungsnetzes und den individuellen Wärmeübertragungsstellen resultiert. Auch ist mit Wartungs- und Reparaturaufwand zu rechnen. Als Faustregel für den wirtschaftlichen Betrieb von BHKW mit Kolbenmotoren ist festzuhalten: x Mehrere – mindestens drei – unabhängig betreibbare Module, um die Wirtschaftlichkeit bei Ausfall einzelner BHKW sicherzustellen x Die statistische Laufzeit des einzelnen Modul sollte mindestens 40 % über das Jahr betragen. Dies entspricht bei den charakteristischen Jahresdauerlinien von Wohngebieten einer Abdeckung des Spitzenwärmebedarfs von weniger als 50 %. x Der Spitzenlastkessel ist so zu dimensionieren, dass selbst bei Ausfall einzelner BHKW der Spitzenwärmebedarf bereitgestellt werden kann. x Wirtschaftlichkeitsanalyse zur Installation thermischer Speicher, um die Laufzeit zu erhöhen und um hoch vergüteten Spitzenlaststrom zu erzeugen x Anschlusszwang der Wärmeverbraucher im Versorgungsgebiet x Möglichst Einbindung von Gewerbe- und Industriebetrieben, Sportanlagen und Freibädern
10.7 Klimatisierung (Kälteerzeugung) durch Abwärme und Wärmepumpen Gegenstand dieses Textbuches sind rechtslaufende thermodynamische Kreisprozesse, wie der Clausius-Rankine- oder der Joule-Brayton Prozess, die durch Wärmezufuhr Arbeit nach außen abgeben. Bei linkslaufenden Kreisprozessen kehren sich die Vorzeichen von Wärme und Arbeit um, d.h. es wird Arbeit zugeführt und Wärme nach außen abgegeben; bei oberer Prozesstemperatur wird Wärme abgeführt und bei unterer Temperatur Wärme aus der Umgebung zugeführt. Dadurch wird Wärme niederen Temperaturniveaus durch Arbeitszufuhr in Wärme höherer Temperatur umgewandelt, d.h. die Exergie der Wärme wird erhöht. Derartige Prozesse, bevorzugt mit Phasenwechsel, da dann Zustandsänderungen bei konstanter Temperatur ablaufen, werden sowohl als Wärmepumpen zu Heizzwecken (Nutzung der Wärmeabfuhr) als auch zur Kühlung (Nutzung des Wärmeflusses aus der Umgebung bei niederer Temperatur) genutzt. Bild 10.15 veranschaulicht einen linkslaufenden Prozess mit Phasenwechsel. Zwar lassen sich die Kälteprozesse mit Wasser als Arbeitsfluid betreiben, doch werden aus Dichtheitsgründen bei den geringen Temperaturen bevorzugt Fluide mit höheren Dampfdrücken eingesetzt. Es handelt sich bei diesen Kältemitteln meist um teilfluorierte oder teilchlorierte Kohlenwasserstoffe, deren Ozonschädigungspotential verglichen zu den früheren Fluorkohlenwasserstoffen gering ist. Früher kam auch Ammoniak zum Einsatz. Ein umgekehrter Carnot-Prozess könnte prinzipiell im Zweiphasengebiet gemäß Bild 10.16 realisiert werden. Es scheitert jedoch an der auftretenden Phasentrennung von Flüssigkeit und Dampf während der Verdichtung, d.h. es wird nur Dampf mit geringem Feuchteanteil oder aber leicht überhitzt verdichtet.
208
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW Bild 10.15: Kälteprozess (linkslaufend) im T,s-Zustandsdiagramm 1-2 Wärmezufuhr 2-3 Verdichtung 3-4 Wärmeabfuhr 4-1 Drosselung
Bild 10.16: Idealer Kälteprozess (linkslaufend) im T,s-Zustandsdiagramm
Bei einer Wärmepumpe ist die Leistungszahl HW für reversible adiabate Prozesse: HW = ¸Qab¸ /³dQ bzw. ¸Qab¸ /(¸Qab¸ - ¸Qzu¸) > 1
Gl. 10.8
Qab ist die nutzbare Heizwärme. Für reale, verlustbehaftete Wärmepumpen ist die Leistungszahl mit der zugeführten Arbeit Wzu zu bilden: HW = ¸Qab¸ /Wzu
Gl. 10.9
Für Kühlprozesse ist die der Umgebung entzogene Wärme, also dem Kreisprozess zugeführte Wärme der Nutzen, was folgende Definition für die Leistungszahl HK ergibt: HK = ¸Qzu¸ /³dQ bzw. ¸Qzu¸ /(¸Qab¸ – ¸Qzu¸) bzw. HK = ¸Qzu¸ /Wzu
Gl. 10.10
Qzu ist die dem zu kühlenden Medium entzogene Wärme, die „Kälte“. Diese Kennzahlen sind entsprechend auch mit Leistungen und Wärmeströmen berechenbar. Im Gegensatz zu Wirkungsgraden ist die Leistungszahl bei Wärmepumpen größer Eins. Der ideale Fall nach Bild 10.16 führt zu den Carnot’schen Leistungszahlen HW = T3/(T3 – T1)
Gl. 10.11a
HK = T1/(T3 – T1)
Gl. 10.11b
Mit T1 < T3 ist die Leistungszahl des gleichen Prozesses im Heizbetrieb generell größer als im Kühlbetrieb: HW > HK
Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik gilt für beide Verwendungen: = Q + Pzu Qab = Qzu + Wzu bzw. Q ab
zu
Gl. 10.12
dem zugeführten Wärmestrom. mit Pzu der zugeführten mechanischen Leistung und Q zu
10.7 Klimatisierung (Kälteerzeugung) durch Abwärme und Wärmepumpen
209
10.7.1 Kompressions-Kältemaschinen Bei üblichen Kältemaschinen, Bild 10.17, verdampft das bei geringer Temperatur siedende Kältemittel unter Aufnahme der Verdampfungswärme aus der Umgebung. Ein Verdichter erhöht den Druck und die Temperatur des Dampfes. Bei dem druck- und temperaturerhöhten Zustand kondensiert das Fluid unter Abgabe der Kondensationswärme an die Umgebung. Die Entspannung erfolgt bei einfachen Aggregaten mittels Drosselventil. Kompressions-Kältemaschinen mit mechanischem Antrieb sind nicht direkt für die Abwärmenutzung geeignet.
Bild 10.17: Anlagenschaltung Kompressions-Kältemaschine
10.7.2 Absorptions-Kältemaschinen Kompressions-Kältemaschinen erfordern eine beträchtliche mechanische Leistung für die Dampfverdichtung. Wenn das Arbeitsfluid in flüssigem Zustand auf höheren Druck gebracht wird, ist die notwendige mechanische Leistung nur ein Bruchteil. Dies ist möglich, wenn das Arbeitsfluid in einer Trägerflüssigkeit bei tiefer Temperatur absorbiert und danach auf den hohen Druck gepumpt wird. Bei oberem Prozessdruck ist es von der Trägerflüssigkeit zu trennen, damit über die Drossel entspannt werden kann. Geeignete Stoffpaare sind beispielsweise Ammoniak oder Lithiumbromid [10.4] als Arbeitsfluid und Wasser als Trägerflüssigkeit. Ammoniakdampf (das folgende gilt auch für andere geeignete Arbeitsfluide) wird bei niederer Temperatur gut von flüssigem Wasser absorbiert. Die Löslichkeit von Ammoniak nimmt bei hoher Temperatur über 100 °C stark ab, so dass sich die Arbeitsfluide bei oberem Druckniveau wieder trennen lassen. Bild 10.18 zeigt die einfachste Anlagenschaltung, während Bild 10.19 das Fließbild einer kommerziell hergestellten Absorptions-Kältemaschine wiedergibt.
Bild 10.18: Absorptions-Kältemaschine, einfachste Anlagenschaltung
Bei der Anlage Bild 10.19 strömt Ammoniak vom Verdampfer, der die Kühlleistung erzeugt, in den Absorber, wo es sich mit dem Trägerfluid Wasser, das vom Trenn-Dampferzeuger zurückfließt, vermischt und bei der niederen Temperatur absorbiert wird. Die Pumpe fördert
210
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW
diese „starke“ Lösung auf das hohe Druckniveau in den Trenngenerator, der durch externe Wärmezufuhr auf 100 bis 150 °C gehalten wird, wobei die Mischung zunächst flüssig ist. Die hohe Temperatur im Dampferzeuger treibt das Ammoniak dampfförmig aus dem Wasser aus. Das abgetrennte Wasser (mit einem geringen Ammoniakanteil: „schwache“ Lösung) fließt über einen Wärmeübertrager zur Wärmerückgewinnung in den Absorber zurück. Aus dem Dampferzeuger strömt der Ammoniakdampf (mit gewissem Wasseranteil) durch den Restwasser-Trennkondensator, den Ammoniak-Kondensator, über das Entspannungsventil und den Verdampfer zurück in den Absorber.
Bild 10.19: Fließbild einer üblichen AbsorptionsKältemaschine (Beispiel mit Ammoniak)
Mittels eines dem Trenngenerator nachgeschalteten Analysators wird die Ammoniaktrennung und somit der Kälteprozess verbessert. Der aus dem Generator kommende heiße WasserAmmoniak-Dampf strömt hierzu durch einen Spray kälterer, starker Lösung. Dadurch kondensiert noch ein beträchtlicher Teil Wasserdampf, wobei zusätzlich auch Ammoniak aus der starken Lösung verdampft. Nach dem Analysator wird dem Kondensator ein Rektifizierer, ein wassergekühlter Wärmeübertrager, vorgeschaltet, in dem das nach dem Analysator verbliebene Restwasser aus dem Ammoniakdampf auskondensiert, so dass nahezu reiner Ammoniakdampf kondensiert und entspannt wird. Das ausgetriebene Wasser wird in den Analysator oder Absorber zurückgeführt. Da sich Ammoniak gut in Wasser löst, kann die Kältemaschine in einem weiten Zustandsbereich betrieben werden. Der mechanische Leistungsbedarf der Absorptionsanlage ist gering, jedoch fällt eine beträchtliche Wärmezufuhr im Dampferzeuger an. Diese Kältemaschinen sind dann wirtschaftlich, wenn Dampf oder eine andere Wärmequelle im Temperaturbereich von 100 bis 150 °C zur Verfügung steht. Sie eignen sich zur Abwärmenutzung aus industriellen thermischen Prozessen (z.B. werden Abwärme der Brüdendämpfe in Brauereien zur Kälteerzeugung genutzt) und Kraftwerksprozessen (Anzapfdampf von Dampfturbinen, Dampf aus Abhitzekesseln etc.). Diese Kältemaschine ist ideal zur Nutzung der Solarwärme, da in sonnenbegünstigten Breiten Klimatisierungs- und Kühlbedarf besteht. Neben Absorptionsfluiden können auch Adsorptionsmedien, d.h. Feststoffe, verwendet werden (Adsorptions-Kälteanlagen).
10.8 Wärmepumpen
211
10.8 Wärmepumpen Mit Wärmepumpen kann durch Zufuhr mechanischer Arbeit thermische Energie auf ein höheres Temperaturniveau gehoben werden. Damit kann Niedertemperaturwärme, die sonst nicht nutzbar ist, auf eine Temperatur gehoben werden, bei der sie nutzbar ist. Da der Antrieb von Wärmepumpen meist über elektrische Motoren erfolgt, sollte für einen ökonomisch und ökologisch sinnvollen Einsatz von Wärmepumpen die Leistungszahl, Gl. 10.8, etwa 3 oder größer sein. Dies ergibt sich, weil der mittlere thermische Wirkungsgrad zur Stromerzeugung, einschließlich Spitzenlasterzeugung und Verteilungsverluste 33 % nicht übersteigt. Die Schaltung und der zugehörige idealisierte Vergleichsprozess in T,s- und p,hZustandsdiagrammen des einfachsten Wärmepumpenprozesses ist in Bild 10.20 dargestellt.
Bild 10.20: Schaltung einer Wärmepumpe und Vergleichsprozess in T,s- und p,h-Zustandsdiagrammen
Der Arbeitsmitteldampf wird im Idealfall isentrop verdichtet (Änderung 1 o 2), im Kondensator anschließend bei hoher Temperatur isobar verflüssigt (2 o 3). Die abgegebene Kondensationswärme ist die nutzbare Wärme. Im nachgeschalteten Expansionsventil erfolgt die Entspannung isenthalp unter Entropiezunahme (3 o 4). Danach verdampft das Zweiphasenfluid bei niederer Temperatur (4 o 1), wobei die Verdampfungswärme der Niedertemperaturwärmequelle (z.B. Umgebungsluft) entzogen wird. Die maximale Leistungszahl eines linkslaufenden Prozesses ist nach Gl. 10.11b der reziproke Carnot-Wirkungsgrad: HC = Hmax = TO/(TO – TU) = 1/KC
Gl. 10.13
mit TO der oberen und TU der unteren Prozesstemperatur. HC ist die theoretische Leistungsziffer des Wärmepumpenprozesses. Zwar steigt die Leistungsziffer mit abnehmender Temperatur TU, doch kann sich trotzdem eine Nutzwärme bei geringerer Temperatur ergeben, so dass zu prüfen ist, ob die resultierende Wärme noch nutzbar ist.
212
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW Kälteprozesse und Wärmepumpen werden in log p, h-Diagrammen dargestellt, da dort die aufzuwendende spezifische Arbeit sowie die zu- und abgeführten spezifischen Wärmen direkt als Enthalpiedifferenzen abgelesen werden können, was direkt auf die Leistungsziffer führt: H = (h2 – h3) / (h2 – h1)
Gl. 10.14
Reale Wärmepumpenprozesse weichen aus bekannten Realeffekten vom idealen Carnot-Prozess ab. Die erreichbaren Leistungsziffern H erreichen etwa 50 bis 60 % von HC. Bild 10.21 zeigt den Schaltplan eines Wärmepumpenprozesses zu Heizzwecken. Der Kreisprozess entspricht dem von Bild 10.20, jedoch wird das obere Temperaturniveau zu Heizzwecken genutzt.
Bild 10.21: Schaltplan einer Wärmepumpe
Abwärmeströme aus thermischen Prozessen oder anderen Wärmequellen niederer Temperaturen (Außenluft, Geothermie, etc.) können durch relativ geringe Zufuhr mechanischer Energie auf ein Temperaturniveau für eine sinnvolle Nutzung angehoben werden. So ist es lohnend, die Wärmepumpe durch einen Verbrennungsmotor anzutreiben, Bild 10.22, weil dessen Abwärme ebenfalls zu Heizzwecken nutzbar ist. Die Gesamtwärmebilanz in einem derartigen Fall ist, ausgehend vom unteren Heizwert des Kraftstoffs: B H U = Pm + Q m KW + Q Abh + Q Verl
Gl. 10.15
mit Q KW der nutzbaren Wärmeleistung des Motorkühlwassers, Q Abh nutzbarer Wärmestrom des Abhitzekesels, Pm mechanische Motorleistung gemäß Bild 10.22. Die Motorleistung dient zum Wärmepumpenantrieb, so dass gilt:
(
)
Gl. 10.16 ε= Q WP / Pm = Q umg + Pm / Pm wobei Q WP der von der Wärmepumpe abgegebene Nutzwärmestrom und Q umg der von der Wärmepumpe aufgenommene Umgebungswärmestrom ist. Der Brennstoffnutzungsgrad KBst ergibt sich damit zu:
BH U ) ηBst = ( Q KW + Q Abh + Q WP ) / ( m
Gl. 10.17
Bild 10.22: Wärmepumpenantrieb durch Verbrennungsmotor mit Abwärmenutzung
10.9 Kraft-Wärme-Kälte-Verbund
213
Die nutzbaren Wärmeanteile Q KW und Q Abh eines Verbrennungsmotors betragen mit gutem Abhitzekessel etwa 40 % bis 50 % und die mechanische Leistung Pm eines guten Motors etwa 40 % der eingesetzten Kraftstoffenergie mB HU. Mit einer Leistungsziffer von H = 3 ergibt sich B · HU und damit aus Gl. 10.17: KBst = 1,6. Es wird also aus Gl. 10.16 Q WP = 3 · Pm = 1,2· m mehr Nutzwärme abgegeben, als Energie über den Kraftstoffstrom zugeführt wird. Da von der Wärmepumpe Energie einer Niedertemperatur-Wärmequelle entzogen wird, widerspricht dies nicht dem ersten Hauptsatz. Konventionelle Heizungen, selbst Brennwert-Kessel, sind bei weitem von diesem hohen Wert entfernt. Unter Annahme steigender Brennstoffpreise haben Wärmepumpen ein hohes Zukunftspotential.
10.9 Kraft-Wärme-Kälte-Verbund Anlagen mit Verbrennungskraftmaschine, Elektrogenerator und Wärmeübertrager für Heizzwecke und Absorptionskälteanlage an einer Wärmeschiene, Bild 10.23, lassen Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung zu. Somit können generelle jahreszeitliche Lastverläufe wie in Bild 10.24 qualitativ skizziert, für diese unterschiedlichen Energiearten umfassend erfüllt werden. Insbesondere setzen sich derartige Anlagen bei industriellen Anwendungen durch, wo alle diese Energiearten benötigt werden, wie beispielsweise in Brauereien.
Bild 10.23: Kraft-Wärme-Kälte-Verbund
Bild 10.24: Qualitative Lastprofile für elektrische, thermische und Kälte-Leistung
214
10 Kraft-Wärmekopplung und Blockheiz-Kraftwerke BHKW
Literatur Kapitel 10 [10.1] Aktiengesellschaft Kühnle, Kopp & Kausch, Steam Turbines for Power Generation in the Palm Oil Industry, Firmenschrift KKK 01-04953 E1 1.82 RD [10.2] Bernhard Lehmann, Technik und Umweltschutz im neuen Heizkraftwerk 2 der Neckarwerke Stuttgart AG am Standort Altbach/Deizisau; in: Informationsschrift der VDI-GET, Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, R. Zahoransky (Editor), VDI Düsseldorf, 1998 [10.3] Deutz MWM, Gasmotor TBG 616/Technische Daten, Firmenschrift 0031 4300, 5/94 [10.4] MAN dezentrale Energiesysteme GmbH, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und Generator-Aggregate mit Gasmotoren für dezentrale Energiesysteme, Firmenschrift 900 122 bb 97043 d [10.5] D. Bettmann, W. Drenckhahn, K. Reiter, Blockheizkraftwerke – vom Gasmotor bis zur Brennstoffzelle, Power Journal 2, 1993 [10.6] R. Kehlhofer et al., Gasturbinenkraftwerke, Kombikraftwerke, Heizkraftwerke und Industriekraftwerke, Handbuchreihe Energie, Band 7 (Hrsg. T. Bohn), Techn. Verlag Resch/Verlag TÜV Rheinland, 1984 [10.7] VDI Richtlinie 2067, neueste Ausgabe, zu beziehen durch Beuth Verlag GmbH, Berlin [10.8] R. Zahoransky, Vorlesung Planung und Kosten energietechnischer Anlagen; Korrektur „11.3 Berechnungsbeispiel für eine BHKW- oder Kesselanlage“ und 11.3.1 Wirtschaftlichkeitsberechnung nach der Kapitalwertmethode“ aus VDI 2067, 1996 [10.9] K. Schätzle, Auslegung eines Blockheizkraftwerkes und Emissionsvergleich zwischen der gekoppelten und getrennten Strom- und Wärmeerzeugung am Projekt Kreuzberg IV der Stadtwerke Crailsheim GmbH, Diplomarbeit FH Offenburg, 1995 [10.10] M. Jülg, Entwicklung eines Nahwärmekonzeptes für das Stoelckerareal in Ettenheim, Diplomarbeit FH Offenburg, 1996 [10.11] R. Hirt, Energiekonzept zur Erweiterung des Blockheizkraftwerkes Freibad Markwasen, Diplomarbeit FH Offenburg, 1995 [10.12] SOLO Kleinmotoren GmbH, SOLO Stirling 161 Firmenprospekt, 2001
215
11 Wasserkraftwerke Die Wasserkraft ist derzeit die einzige erneuerbare Energiequelle von Bedeutung für die Stromversorgung. Sie hat in Deutschland einen Anteil von etwa 5 % der gesamten Stromerzeugung (Bild 1.2). In Norwegen und in Island, beispielsweise, basiert die Stromerzeugung ausschließlich auf der Wasserkraft. In Industrieländern sind Speicher- oder Pumpspeicherkraftwerke als Regel- und Spitzenlastkraftwerke und Laufwasserkraftwerke für die Grundlast im Einsatz. Die Nutzung der Wasserkräfte lässt sich noch in Asien (z.B. Drei-SchluchtenProjekt in Sanxia/China, das sich in Vollendung befindet), Südamerika und Afrika nennenswert ausbauen. Dem Ausbau stehen Naturschutzbedenken entgegen. Bestehende Stauseen genießen andererseits ökologische Wertschätzung und werden als Naherholungsgebiete genutzt. In den USA wurden als Beschäftigungsprogramm in der Wirtschaftsdepression der dreißiger Jahre große Wasserkraftwerke angelegt, die bekanntesten am Colorado-River. Obwohl keine Brennstoffkosten1 anfallen, ist nicht immer die Wirtschaftlichkeit gegeben, da die Investitionskosten der Wasserbauten hoch sind. Die Mischkalkulation in Kombination mit der Schiffbarmachung, Verhinderung von Überschwemmungen, Anlegen von Trinkwasserreservoirs verbessert die Konkurrenzfähigkeit. Die Wasserkraft wird schon seit dem Altertum zur Erzeugung mechanischer Energie genutzt. Mit den Windrädern sind es die einzigen Energieanlagen, die bis in die heutige Zeit positiv angesehen werden und romantische Gefühle hervorrufen. Zum Einsatz kamen damals unterund oberschlächtige Wasserräder. Unterschlächtige Wasserräder nutzen die kinetische Energie eines fließenden Gewässers, oberschlächtige im Wesentlichen die potenzielle Energie. Die Wirkungsgrade dieser Wasserräder sind gering. In der Anfangszeit der Elektrifizierung waren die Wasserkraftwerke dominant. In Europa spielten zunächst beim Ausbau des internationalen Stromverbundnetzes die Kraftwerke am Hochrhein die führende Rolle [11.1].
11.1 Nutzbare Wasserenergie Bei modernen Wasserkraftwerken, die mit Turbinen in Leistungsgrößen von wenigen Kilowatt bis nahezu 1000 MWel gebaut werden, wird potenzielle Energie von Wasser zwischen zwei unterschiedlichen Spiegelhöhen zunächst im Turbinenzulauf in kinetische Energie umgewandelt, die die Turbine in mechanische und mittels Generator in elektrische Energie umwandelt. Wegen der höheren Dichte des Fluids weisen Wasserturbinen im Vergleich zu Dampf- oder Gasturbinen wesentlich höhere Leistungsdichten auf. Da die in Wasserturbinen abzubauende spezifische Arbeit gering ist, benötigen Wasserturbinen nur eine Stufe. Betrachtet werden in Bild 11.1 zwei Wasserreservoirs unterschiedlichen Niveaus 1 und 2 mit den Spiegelhöhen z1 und z2, gegebenenfalls unterschiedlicher Drücke p1, p2 und verschiedener Strömungsgeschwindigkeiten c1, c2.
1 In einigen Ländern gibt es Ausnahmen, so der „Wasserpfennig“ in Deutschland
216
11 Wasserkraftwerke
Bild 11.1: Zur Analyse eines Laufwasserkraftwerks
Die nutzbare spezifische technische Arbeit wt berechnet sich nach dem ersten Hauptsatz für stationär strömende, inkompressible Medien (v = 1/ȡ = konst.): q + wt = vǻp + gǻz + ½ ǻc2
Gl. 11.1
Wärme wird weder zu- noch abgeführt und die Reibungswärme vernachlässigt, d.h. q = 0. Wenn die in Bild 11.1 gezeichneten Kontrollraumgrenzen auf den offenen Wasserspiegeln bei nicht zu hohen Niveauunterschieden ǻz gewählt werden, herrscht Atmosphärendruck p1 = p2 = patm, also ǻp = 0. Ebenso wird sich der Wasserspiegel nicht schnell heben oder senken, so dass deren Geschwindigkeiten vernachlässigbar sind: c1 § c2 § 0. Bei so günstig gewählten Kontrollraumgrenzen reduziert sich die spezifische technische Arbeit im verlustlosen Fall zu2 wt, id = g ǻz = g (z1 – z2) < 0
Die technische Arbeit ist negativ, da dem System diese Arbeit entzogen wird. Im verlustbehafteten Fall ist der Absolutwert der technischen Arbeit geringer: wt = g ǻz + wverl
Gl. 11.3
Anschaulicher kann mit nutzbarem Gefälle HN und Verlusthöhen HVerl gerechnet werden: Nutzbares Gefälle HN = ǻz + Hverl = wt/g < 0
Gl. 11.4
Die Verlusthöhe umfasst alle durch die Leitungen, Einbauten und Armaturen vor und nach der Turbinen hervorgerufenen Verluste. Anmerkung: Es ist üblich, Gefällhöhen H generell positiv anzugeben. Wird mit absoluten Werten gerechnet, so ergibt sich entsprechend ¸ HN¸ = ¸ ǻz¸ – ¸ Hverl¸ = ¸ wt¸ /g. Die Verluste der Zuströmung lassen sich alternativ durch den Leitungsbeiwert ȘL < 1 erfassen: HN = ȘL ǻz
Gl. 11.5
ȘL hängt von den Rohrlängen bzw. den dimensionslosen Parametern zur Berechnung der Strömungsverluste ab.
2 Wenn die Kontrollraumgrenzen anders gelegt werden, z. B. unmittelbar vor und nach der Turbine,
müssen die dort herrschenden Drücke p1, p2 und Geschwindigkeiten c1, c2 mit berücksichtigt werden.
11.2 Laufwasserkraftwerke
217
Die verlustbehaftete spezifische Turbinenarbeit wT ergibt sich mit dem Turbinenwirkungsgrad ȘT < 1: wT = ȘT wt = ȘT (g ǻz + wverl) = ȘT HN g = ȘT ȘL g ǻz
Gl. 11.6
Bei großen Wasserturbinen ist der Wirkungsgrad ȘT bis zu 90 %, während ȘT von kleinen Anlagen geringer ist. Damit ist die Turbinenleistung: wT = ȘT ȘL m g ǻz PT = m
Gl. 11.7
Mit dem Generatorgütegrad ȘG ist die Elektroleistung: Pel = ȘG PT = ȘG ȘT ȘL m g ǻz
Gl. 11.8
Der Gesamtwirkungsgrad für die elektrische Leistung ist damit ȘGes = ȘG ȘT ȘL
Gl. 11.9
Je nach Fallhöhe ǻz werden die Kraftwerke in Hochdruck-, Mitteldruck- und Niederdruckanlagen eingeteilt. Hochdruckanlagen bis zu ǻz = – 1000 m sind nur in Gebirgen zu realisieren. Mitteldruckanlagen haben Fallhöhen ǻz von ca. – 15 bis – 150 m und Niederdruckanlagen ǻz > – 15 m. Ebenso ist die Unterscheidung nach deren energietechnischem Einsatz üblich in x Laufwasserkraftwerke (Niederdruckanlagen) x Speicherkraftwerke (meist Mitteldruckanlagen) x Pumpspeicheranlagen (Hochdruckanlagen). Hauptkomponenten der Wasserkraftwerke sind: x Wasserspeicheranlage, OW Oberwasser x Entnahmeanlage (Rechen, Überlauf, Schütze) x Druckleitung (bei längeren Leitungen ist ein offenes Wasserschloss als Druckstoßsicherung zur Aufnahme von Wassersäulenschwingungen bei schnellen Regelvorgängen zwischengeschaltet) x Maschinenhaus mit Wasserturbine, Generator und Hilfsaggregate x Rückgabeanlage, UW Unterwasser x Elektrische Anlagen. Sonderform Kavernenkraftwerk: Hier ist die Druckleitung und die Turbine im Fels eingebaut.
11.2 Laufwasserkraftwerke Laufwasserkraftwerke werden in Flussläufe oder Seitenkanäle integriert, bei denen ein Wasseraufstau nicht möglich ist oder nur ein geringes Gefälle vorliegt. Die Betriebsweise dieser Niederdruckanlagen richtet sich nach dem Wasserangebot und nach anderen Kriterien wie der Schifffahrt. Die Leistungsabgabe erfolgt verbrauchsunabhängig, die Kraftwerke sind Grundlastkraftwerke.
218
11 Wasserkraftwerke
Das Stauwerk dient zum Fassen und Anstauen des Flusslaufs und um den Oberwasserspiegel unabhängig von der Wasserführung auf einem konstanten Niveau zu halten. Bei Stauanlagen und insbesondere bei Laufwasserkraftwerken ist die Spiegelkurve des aufgestauten Flusses nicht horizontal, sondern entsprechend der Fließgeschwindigkeit näherungsweise parabelförmig, Bild 11.2. Das gesamte natürliche Flussgefälle ist nicht ausnutzbar.
Bild 11.2: Spiegelkurve eines gestauten Flusses
Die Turbinen von Laufwasserkraftwerken werden nicht nach dem größtmöglichen Wasservolumenstrom, sondern aus wirtschaftlichen Gründen nach einem Mittelwert ausgelegt. Das Stauwehr ist mit Überläufen versehen, über die das überschüssige Wasser, das die Turbinen nicht mehr schlucken können, abläuft. Bei Hochwasser sinkt das nutzbare Gefälle, da durch die erhöhte Wassermenge das Spiegelniveau des Unterwassers ansteigt, während das Niveau des Oberwassers unverändert bleibt. Bei kleineren Werken ist das Maschinenhaus noch direkt im Stauwehr integriert. Bei großen Dämmen ist das Maschinenhaus mit dem Turbosatz separat, jedoch über kurze Rohrleitungen verbunden. Vor dem Turbineneintritt sind Rechen und andere Vorrichtungen angebracht, die grobe Feststoffe zurückhalten, um die Turbine zu schonen. Bei schiffbaren Flüssen ist eine separate Schleusenanlage vorhanden. Um Fischwanderungen zu erlauben, sind bei neueren Anlagen Fischtreppen in das Stauwehr integriert. Bei Laufwasserkraftwerken mit hohem Volumenstrom und geringem Gefälle ergibt die Kaplan-Turbine, siehe Kap. 11.6.1, die besten Ergebnisse. Tabelle 11.1: Anhaltswerte für große Laufwasseranlagen
Turbinen-Wirkungsgrad
KT | 0,85 bis 0,95
Wirkungsgrad für Generator und Transformator
KGT | 0,95 bis 0,99
Wirkungsgrad für Strömungsführung (Rohrleitungen, Ventile)
KL | 0,9 - 0,99
Gesamter Wirkungsgrad
KGes | 0,75 bis 0,93
Beispiel: Kaplan-Turbinen, Iffezheim = 1000 m3/s; KGes | 90 %; g = 9,81 m/s2; Dichte des Wassers ȡ = 1000 kg/m3; ǻz = – 11 m; V damit nach Gl. 11.8: Pel = 0,9 · 1000 m3/s · 1000 kg/m3 · 9,81 m/s2 · (– 11 m) | – 97 MWel Die Anlage Iffezheim besteht aus 4 Turbinen mit einer Nennleistung von jeweils etwa Pel = – 25 MW. Der Schaufelraddurchmesser beträgt d | 4,5 m. Die Anordnung der Turbine ist
11.3 Speicherkraftwerke
219
horizontal, wie in Bild 11.11 gezeigt. Der Generator ist in einem gondelartigen Maschinenhaus untergebracht, das vom Wasser umspült wird.
11.3 Speicherkraftwerke Bei Speicherkraftwerken ist ein natürlich fließendes Gewässer zu einem großen Wasserreservoir aufgestaut. Derartige Kraftwerke erlauben zu einem gewissen Grad die verbrauchsorientierte Stromerzeugung. Hierbei variiert der Oberwasserspiegel. Da das Gefälle ¸ ǻz¸ typischer Anlagen etwa 100 m beträgt, wirken sich übliche Spiegelabsenkungen wenig auf die Leistung aus. Bekannte Beispiele sind die Stauseen Assuan in Ägypten, Itaipú in Brasilien-Uruguay und das in Bau befindliche Drei-Schluchten-Projekt in China. Die großen Stauseen dienen zusätzlich als Trinkwasserreservoir und zur Flussregulierung, um Überschwemmungen zu verhindern. Das Wasserkraftwerk Itaipú ist mit installierten 12.600 MWel (18 Francis-Turbinen zu je 700 MWel) derzeit das weltweit größte Kraftwerk überhaupt. Das Maschinenhaus mit den Turbinen ist direkt flussabwärts am Damm angebaut, Bild 11.3.
Bild 11.3: Luftbildskizze der Dammanlage Itaipú [11.2]
220
11 Wasserkraftwerke
Bild 11.4 zeigt den Querschnitt der Anlage. Der Hauptdamm ist 1234 m lang mit maximaler Höhe von 190 m. Die Niveaudifferenz zwischen Ober- und Unterwasser ist etwa 120 m. Der Fluss Paraná ist zu einem See von etwa 600 km Länge aufgestaut. Der mittlere Wasserfluss des Paraná von etwa 8450 m3/s am Damm übersteigt den des Rheins bei Köln um das Achtfache. Das derzeit im Bau befindliche Kraftwerk im Drei Schluchten Gebiet am Fluss Yangtse in China soll mit 26 Francis-Turbinen zu jeweils Pel = 700 MW ausgestattet werden, was eine gesamte installierte elektrische Leistung von Pel,Ges = 18,2 GW ergeben wird. Der Hauptdamm soll 185 m hoch und 2,3 km lang sein. Für Fallhöhen um 100 m ist die Francis-Turbine am besten geeignet (siehe Abschn. 11.6.3).
Bild 11.4: Querschnitt durch das Maschinenhaus und den Damm von Itaipú [11.2]
11.4 Pumpspeicher-Kraftwerke Bei Pumpspeicher-Kraftwerken in Gebirgen, Bild 11.5, wird das zufließende Wasser aufgestaut und nur kurzzeitig zur Deckung von Spitzenlast über die Turbine abgelassen. Da der große Speicher meist einen zu geringen Zufluss hat, wird bei Bedarf Wasser in das künstliche oder natürliche Oberbecken gepumpt, wozu nachts der preiswerte Grundlaststrom dient. Somit können sowohl Stromspitzen abgedeckt als auch Verbrauchstäler aufgefüllt werden.
11.4 Pumpspeicher-Kraftwerke
221
Bild 11.5: Prinzipschema eines Pumpspeicher-Kraftwerks
Bild 3.3 stellen normierte Summenkurven des Leistungsbedarfs eines Versorgungsgebietes über 24 Stunden an Werk- und Wochenendtagen dar. Erkenntlich ist, dass die Spitze des Strombedarfs nur kurzzeitig anfällt, jedoch hohe Leistungen erfordert. Hydraulische Spitzenlastkraftwerke bedingen deshalb eine große Fallhöhe 'z. Sehr gute Pumpspeicherkraftwerke haben einen Gesamtwirkungsgrad von über 70 %, der sich durch die summierten Verluste des Hochpumpens und der des Turbinenbetriebs ergibt. Bild 11.6 zeigt das Sankey-Diagramm mit der Aufschlüsselung der Verlustanteile [11.3].
Rohrleitung
Rohrleitung 1%
Pumpe
Turbine
10 %
8% 2% 0,5 %
0,5 %
Motor
Generator
3% 0,5 %
Transformator
77 %
100 %
Elektr. Spitzenlast
Zugeführte elektrische Arbeit
Transformator
Bild 11.6: Energiebilanz eines PumpspeicherKraftwerkes mit Drei-MaschinenSatz
Für Pumpspeicher-Kraftwerke gibt es prinzipiell folgende technische Anordnungen: x Vier-Maschinen-Satz, d.h. Turbine mit separatem Generator, Pumpe mit separatem Motor x Drei-Maschinen-Satz, d.h. Turbine und Pumpe mit gemeinsamem Motor-Generator (siehe Bild 11.7) x Zwei-Maschinen-Satz, d.h. reversible Pump-Turbine mit Motor-Generator. Hinzu kommt in einigen Fällen eine kleine Anfahrturbine, die die Großturbine auf die Synchronisationsdrehzahl hochfährt, bevor diese mit Wasser beaufschlagt wird.
222
11 Wasserkraftwerke 1: Francisturbine 2: Synchronmaschine (Generator- oder Motorbetrieb) 3: Anwurf-Turbine 4: Pumpe
Bild 11.7: Drei-Maschinen-Satz für Pumpspeicher-Kraftwerk [11.4]
= 38 m3/s, 90 < PT < 104 MW, zweiflutige, zweistuFrancis-Turbine – 265 > ǻz > – 290 m, V fige Speicherpumpe 67 < PPu < 76 MW
Für hohe Fallhöhen und geringe Volumenströme weist die Pelton-Turbine (Abschn. 11.6.5) die höchsten Wirkungsgrade auf. Bei mittleren Fallhöhen, wie im Pumpspeicher-Kraftwerk Vianden, Bild 11.7, hat die Francis-Turbine Vorteile. Beide Turbinentypen erlauben ein schnelles Anfahren auf Volllast zur kurzfristigen Spitzenlastabdeckung in wenigen Minuten.
11.5 Kraftwerksketten In geeigneten Gebirgsgegenden werden ganze Ketten von Wasserkraftwerken mit unterschiedlichen potenziellem Niveau angelegt, Bild 11.8. Das Unterwasser des oberen Kraftwerks wird zum Oberwasser des nachgeschalteten. Mit größerem Kopf- und unterem Ausgleichsspeicher, ist ein flexibler, verbrauchsangepasster Betrieb möglich.
Bild 11.8: Kraftwerkskette, schematisch
11.6 Turbinen für Wasserkraftwerke Je nach Wasserfallhöhe und Volumenstrom wurden angepasste Turbinen entwickelt. Bild 11.9 zeigt den Einsatzbereich der dominierenden Typen Kaplan-, Francis- und Pelton-Turbinen im Fallhöhe-Volumenstrom-Diagramm [11.4]. Die Ossberger-Turbine rundet den unteren Leistungsbereich ab. Ein Problem bei Wasserturbinen stellt die Kavitation, d.h. die permanente Entstehung von kleinen Dampfblasen und deren Implosion bei der Umströmung der Beschaufelung dar. Dampfblasen entstehen bei der Umströmung der Schaufeln durch lokale Unterschreitung des Sättigungsdampfdrucks, bevorzugt bei der Strömungsbeschleunigung um die
11.6 Turbinen für Wasserkraftwerke
223
Schaufeloberflächen. Im weiteren Strömungsverlauf kann der Druck wieder zunehmen und die Dampfblasen kondensieren wieder, was zu Wasserschlägen auf die Oberfläche des betroffenen Bauteils führt. Im Dauerbetrieb kann es zur Schaufelzerstörung kommen. Um Kavitation zu vermeiden, soll der Druck in der Wasserturbine möglichst hoch sein, weshalb diese bevorzugt unter dem Niveau des Unterwassers installiert wird, so wie in Bild 11.1 gezeigt. Nicht nur aus Kavitationsgründen ist eine Aufstellung der Wasserturbine unterhalb des Unterwassers angebracht. Bei einer Aufstellung oberhalb würde auf der Turbinensaugseite (Turbinenauslass) ein Druck unter Atmosphärendruck auftreten. Wenn diese saugseitige Wassersäule durch Lufteinbruch abreißen würde, fiele die Turbinenleistung ab, da nicht mehr die gesamte Druckdifferenz zur Verfügung stünde. Wasserturbinen drehen nicht mit der Netzfrequenz, sondern mit Drehzahlen um 100 U/min. Der Generator ist entsprechend mehrpolig ausgelegt, um die 50 Hz Ausgangsfrequenz zu liefern. Eine Turbine mit einer Drehzahl von 107,14 U/min hat einen 28-poligen Generator (3000 U/min /28 = 107,14 U/min). Wasserturbinen benötigen nur eine einzige Stufe, um die spezifische Arbeit wt = g ǻz zu verarbeiten. Selbst bei hohen Gefällen von ǻz = – 1000 m ergibt sich unter Vernachlässigung der Verluste nur wt = – 0,982 kJ/kg. Dies ist problemlos mit einer Pelton-Turbinenstufe zu verarbeiten. Die pro Turbinenstufe verarbeitbare spezifische Umfangsarbeit lässt sich mit der Eulerschen Turbinenhauptgleichung abschätzen. Im verlustfreien Fall ist die Umfangsarbeit gleich der umgesetzten spezifischen Arbeit.
Bild 11.9: Einsatzbereich der einzelnen Turbinentypen
Turbinenhauptgleichung (Herleitung in Anhang 11.1): wu = ǻ(u · cu)
Gl. 11.10
u Umfangsgeschwindigkeit, cu Komponente der absoluten Strömungsgeschwindigkeit in Umfangsrichtung. Bei schnellen Regelvorgängen in Wasserkraftanlagen spielt die Durchgangsdrehzahl der Turbinen eine Rolle. Die Turbinendrehzahl steigt schnell an (sie „geht durch“), wenn das Lastmoment ausbleibt und die Regelung noch nicht eingreifen kann (schlagartiger Abwurf des Generators). Der Turbinenläufer und die angekoppelten rotierenden Teile müssen diese Durchgangsdrehzahl auch bei größtmöglichem Gefälle solange aushalten, bis die Regelung
224
11 Wasserkraftwerke
wirksam wird. Das Verhältnis Durchgangsdrehzahl nD zu Nenndrehzahl n0 nimmt Werte um zwei an [11.4]: x Pelton-Turbinen: 1,8 < nD/n0 < 1,9 x Francis-Turbinen: 1,6 < nD/n0 < 2,1 x Kaplan-Turbinen: 2,2 < nD/n0 < 2,8. Da das Strömungsfluid inkompressibel ist und eine hohe Dichte hat, muss bei TurbinenSchnellschlüssen durch das Regel- und Sicherheitsventil die verursachte dynamische Belastung der nachdrängenden Wassersäule in der Druckleitung beachtet werden. Bei längeren Druckleitungen ist deshalb eine offene Ausgleichsleitung („Wasserschloss“) installiert, um die Strukturen zu schonen.
11.6.1 Kaplan-Turbinen Bei den geringen Gefällen und den großen Volumenströme von Laufwasserkraftwerken ergeben Kaplan-Turbinen höchste Wirkungsgrade. Die Verstellmöglichkeiten des Leit- und Laufrades lassen die Kaplan-Turbinen den Volumenstromschwankungen gut folgen. Über weite Volumenstrombereiche zeigt die Kaplan-Turbine deshalb hohe Teillastwirkungsgrade, Bild 11.10 [11.4]. Einfache Axialturbinen mit unverstellbarer Beschaufelung – Rohrturbinen – sind nur für kleine Anlagen sinnvoll.
Turbinentypen 1: Pelton 2: Ossberger 3: Kaplan 4: Francis 5: Rohrturbinen
Bild 11.10: Wirkungsgradverlauf guter Wasserturbinen
Die Kaplan-Turbine sieht aus wie eine umgedrehte Schiffsschraube, Bilder 11.11 und 11.12. Sie ist mit relativ wenig Schaufeln ausgestattet, um die Reibungsverluste gering zu halten. Die Zuströmung des Laufrades kann radial über eine Wasserspirale oder axial erfolgen. Der Einbau der Turbine findet bei großen Anlagen strömungsgünstig in horizontaler Anordnung statt. Hierbei befindet sich der Generator in einem wasserumflossenen torpedoähnlichen Maschinenhaus.
Bild 11.11: Prinzipschema einer Kaplan-Turbine (horizontale Anordnung)
11.6 Turbinen für Wasserkraftwerke
225
Bei großem Gefälle ist die Blattbreite zu erhöhen, um der höheren Belastung Rechnung zu tragen. Im Leitapparat wird die Wasserströmung axial gerichtet und auf das Laufrad geleitet. Die Verstellung der Laufschaufeln, um veränderten Strömungsverhältnissen bei Volumenstromvariationen Rechnung zu tragen, erfolgt über einen Hydraulik-Servomotor, der am oberen Wellenende oder in der Laufschaufelnabe untergebracht ist. Regelgröße ist die Drehzahl, Stellgröße ist die Schaufelstellung, als Störgrößen treten die Belastung und der Wasserstand (Gefälle) auf. Die optimale Zuordnung von Leit- und Laufrad-Stellung erfolgt kennfeldgesteuert über einen Prozessrechner. Das Kennfeld für jeweils optimalen Wirkungsgrad muss vorab experimentell als Funktion des Volumenstroms ermittelt werden.
6
1: 2: 3: 4: 5: 6:
Laufrad Leitrad Saugrohr Zulauf-Ringkanal Leitradverstellung Laufradverstellung (Hydraulik) 7: elektr. Generator
7
5
4
2
1 3
4 Bild 11.12: Kaplan-Turbine in vertikaler Anordnung [11.5], LLA = 9,5 m P = 172,5 MW H = 21 m
Bei Hochwasser sinkt das nutzbare Gefälle, da das Unterwasser ansteigt, während das Oberwasserniveau durch das Wehr unverändert bleibt. Das über das Wehr strömende Wasser kann in die Saugleitung der Turbine geleitet werden, was den Saugdruck durch die höhere Strömungsgeschwindigkeit erniedrigt und die Turbinenleistung erhöht. Die Methode nennt sich Injektor-Leerschuss. Die Lauf- und Leitschaufeln spezieller Kaplan-Turbinen sind so verstellbar, dass sie für den Durchfluss in beiden Richtungen geeignet sind. Sie sind für Pumpbetrieb oder für Gezeitenkraftwerke (Abschn. 11.8) geeignet, um die verschiedenen Fließrichtungen bei Ebbe - Flut zu nutzen.
11.6.2 Ossberger-Turbinen (Banki-Turbinen) Bei Niederdruckanlagen in den Bereichen U < 7 m3/s; – 1< ǻz < – 200 m mit kleinen Leistungen bis 1 MW haben sich Ossberger-Turbinen (nach dem deutschen Fabrikanten) bewährt. Flache Freistrahlen durchströmen ein trommelförmiges Laufrad von außen nach innen und dann von innen nach außen (Bild 11.13). Davor ist eine Leitschaufel angebracht. Die Teilbeaufschlagung ist wegen des Gleichdrucks gut möglich, so dass sie für variierende Volumenströme (Aufteilung in Laufradzellen) geeignet ist.
226
11 Wasserkraftwerke
1: Einlauf 2: Leitkasten 3: Zylindr. Laufrad 4: Auslauf 5: Gehäuseabdeckung
Bild 11.13: Ossberger-Turbine [11.6]
11.6.3 Francis-Turbinen Für Fallhöhen um 100 m ist die Francis-Turbine am besten geeignet (Bild 11.14 [11.7]). Deren Bauweise reicht von der reinen Radialturbine bis zur halbaxialen; entsprechend weit ist der Einsatzbereich (Bild 11.9). Die Turbinen werden von außen nach innen durchströmt, was die höchste spezifische Umfangsarbeit wu ergibt.
5
2
3
1: Laufrad 2: Verstellb. Leitrad 3: Einlauf 4: Saugrohr 5: Flansch zum elektrischen Generator 3
1
4
Bild 11.14: Francis-Turbine [11.7] P = 535 MW H = 111,7 m D = 7,2 m
Der statische Druck am Laufradeintritt ist größer als am Laufradaustritt. Die Einlaufspirale führt das Wasser axialsymmetrisch ins Laufrad. Die profilierten, verstellbaren Leitschaufeln verschließen in ihren Endstellungen den Strömungsquerschnitt oder geben ihn praktisch ganz frei. Bei Fallhöhen bzw. Volumenstromschwankungen wird die Leitschaufelreihe über einen Verstellring mit hydraulischen Servomotoren synchron bewegt. Bei einer Abweichung vom Nennbetriebspunkt ist die Abströmung drallbehaftet, was eventuell instationäre Strömungszustände mit mechanischen und akustischen Schwingungen ergibt.
11.6 Turbinen für Wasserkraftwerke
227
11.6.4 Dériaz-Turbinen In den GUS-Staaten gibt es einige Dériaz-Turbinen in hohen Leistungseinheiten. Dies sind Halbaxialturbinen, die den Francis-Turbinen ähneln, jedoch darüber hinausgehend auch ein verstellbares Laufrad aufweisen. Sie eignen sich als Reversturbinen auch für Pumpbetrieb.
11.6.5 Pelton-Turbinen Für hohe Fallhöhen und geringe Volumenströme weist die Pelton-Turbine die höchsten Wirkungsgrade auf. Sie ist eine Freistrahlturbine. Das zulaufende Wasser wird in einer regelbaren Düse beschleunigt. Der Wasserstrahl trifft auf eine als Doppelbecher ausgeführte Laufschaufel, wie in Bild 11.15 veranschaulicht (Freistrahlturbine).
Bild 11.15: Prinzipschema der Peltondüse und -schaufel
Durch den geteilten Becher fließt der Wasserstrahl ohne Interferenz mit dem Düsenstrahl ab. Das Wasser wird in den Düsen auf Atmosphärendruck entspannt und dadurch stark beschleunigt. Der Massenstrom wird durch die axial verschiebbare Nadel zur Leistungsregelung gesteuert. Für eine gute Strahlqualität muss der Krümmungsradius der Zuleitungen zu den einzelnen Düsen hinreichend groß sein. Pelton-Turbinen kleiner Leistung sind mit horizontaler Achse ausgeführt und haben ein bis zwei Freistrahldüsen. Große Turbinen haben wegen der Belastung eine vertikale Achse und bis zu sechs Freistrahldüsen, Bild 11.16. 1: Laufrad 2: Düse mit Steuerung der Düsennadel 3: Strahlablenker 4: Ringleitung 5: Absperrorgan
1
4
2 3
5
Bild 11.16: Pelton-Turbine mit 6 innengesteuerten Düsen [11.8] P = 75,4 MW H = 257 m D = 4,2 m
228
11 Wasserkraftwerke
Die am Düsenausgang angebrachten Strahlablenker erlauben eine schnelle Abschaltung der Maschine, damit es nicht zu Wassersäulenschwingungen in der Druckleitung kommt. Der Strahlablenker lenkt das Wasser von der Beschaufelung weg, so dass die Rotorleistung schnell sinkt. Bei langsamen Regelvorgaben kann auf die schonende Regelung mittels Düsennadel übergegangen werden. Die Wirkungsweise und Arbeitsumsetzung dieser Maschine wird exemplarisch gezeigt. Die Geschwindigkeiten sind in Bild 11.15 und 11.17 eingezeichnet.
Bild 11.17: Geschwindigkeits-Dreiecke an der Pelton-Turbinenschaufel
Für die spezifische Umfangsarbeit gilt nach Gl. 11.10 die Turbinenhauptgleichung bei konstanter Umfangsgeschwindigkeit: wu = uǻcu. Die Umfangsleistung daraus: uǻcu Pu = m
Gl. 11.11
Um die Austrittsverluste der Strömung gering zu halten, sollte die Absolutgeschwindigkeit c2 in rein axialer Richtung abströmen. Damit wird die Umfangskomponente von c2 zu Null: c2u = 0. Wird gleichzeitig der Winkel E2 konstruktiv klein gewählt, so gilt | w2 | cos ȕ2 § | w2 | § | u |. In der Laufbeschaufelung gibt es keine Beschleunigung, also | w2 | = | w1 | = u. Die Anströmgeschwindigkeit c1 zeigt in Umfangsrichtung, somit c1 = c1u und mit obiger Beziehung c1u = 2 u, und mit c2u = 0 ergibt sich wu = uǻcu = 2· u2
Gl. 11.12
Die Umfangsleistung Pu ist abschließend u2 Pu = 2 m
Gl. 11.13
Durch Verluste ist die reale Turbinenleistung geringer. Pumpspeicher-Kraftwerke mit ihren großen Fallhöhen benötigen in der Zuleitung (Druckleitung) eine offene Ausgleichsleitung („Wasserschloss“), das die beim Schließen der langen Zuleitung generierten Druckstöße aufnehmen kann. Diese Druckstöße führen je nach Fallhöhe zu Wassersäulenschwingungen von mehreren Metern Höhe bei schnellen Regelvorgängen.
11.7 Gezeiten-Kraftwerke Wassermühlen, die die Tidenhübe nutzten, lassen sich in England und Frankreich bis ins 10. Jahrhundert nachweisen [11.9]. Das Wasser wurde bei Flut mittels Kanälen im Oberbecken gesammelt. Bei Ebbe wurde der Beckeneinlass wieder geöffnet und ein konventionelles Wasserrad konnte für einige Stunden angetrieben werden. Eine der größten Gezeiten-Mühlen gab es 1880 in Hamburg für Bewässerungszwecke. Noch bis vor kurzem war die 1734 gegründete Slade‘s Mill in Chelsea, Mass./ USA mit etwa 100 PS in Betrieb. Sie ist als Industriedenkmal erhalten.
11.7 Gezeiten-Kraftwerke
229
Ebbe und Flut wird durch die Anziehung des Mondes und zu einem geringeren Teil durch die Sonne verursacht. Stehen Sonne und Mond auf der gleichen Erdseite, verstärkt sich die Flut zur Springflut. Stehen Sonne und Mond auf verschiedenen Seiten der Erde, so vermindert sich der Tidenhub. Der mittlere, globale Gezeitenhub ist mit etwa 1 m gering und für eine wirtschaftliche Nutzung ungeeignet. Demgegenüber ergeben sich an manchen Küsten durch Resonanzeffekte und lokale Wind- und Meeresströmungen sehr hohe Gezeitenunterschiede, die sich zur energetischen Nutzung mittels Turbinen eignen. Während der Mondumlaufzeit von 24 h 50 min gibt es zwei Flut- und Ebbezeiten. In Frankreich, bei Saint Malo an der Rance-Mündung, ist der mittlere Gezeitenhub etwa 8,5 m. Nur durch einen hohen Volumenstrom wird eine nennenswerte Leistung erzielt. Hierzu sind große Becken vonnöten, die zur Einfassung natürlicher Buchten zwingt. Beispiel zur Beckengröße: Ein Kraftwerk, das 1000 MWel bei einem mittleren nutzbaren Gefälle ǻz = – 4,5 m abgeben soll und einen Gesamtwirkungsgrad von 80 % aufweist, benötigt einen Volumenstrom von ca. 2,8 · 104 m3/s. Soll sich der Wasserspiegel des Beckens nur um 1 m heben und senken, so ist bei etwa 6 Stunden Betriebszeit (nahezu halbe Zykluszeit, siehe Bild 11.18) eine Beckenfläche von 600 km2 nötig.
a) einfach wirkendes Becken b) Turbine mit Reversbetrieb
Bild 11.18: Gezeitenzyklen, zeitlicher Verlauf der nutzbaren Gefällhöhe ǻz(t) bei Einbeckenbetrieb; ohne Pumpbetrieb, mit Pumpbetrieb
Die Gezeiten-Kraftwerke sind nur begrenzt regelbar, sie sind als Grundlastkraftwerke einzustufen. Da das nutzbare Gefälle variiert, bedingt es besonderen Aufwand, um die Stromproduktion zu vergleichmäßigen oder gar dem Strombedarf anzupassen. Mehrere technische Konzepte bieten sich zur großtechnischen Nutzung der Gezeiten an: x Oberbecken für Betrieb bei Ebbe Prinzip der historischen Gezeiten-Mühlen. Das Oberbecken wird während der Flut gefüllt. Bei Ebbe fließt das Wasser ins Meer zurück und treibt die Turbine an. Bild 11.18 a) gibt den Verlauf der Höhendifferenz ǻz wieder. Ist ¸ ǻz¸ hinreichend groß, kann die Turbine Arbeit abgeben. Es sind allenfalls Betriebszeiten von 2 · 6 h = 12 Stunden pro Tag zu erwarten.
230
11 Wasserkraftwerke
x Unterbecken für Betrieb bei Flut Prinzipiell ist es möglich, bei Ebbe den Beckeneinlauf zu schließen. So ist bei Flut das Meer Oberbecken und Wasser fließt über die Turbine zurück. x Einzelbecken für Revers- und Pumpbetrieb Mit speziellen Kaplan-Turbinen, die verstellbare Schaufeln für den Durchfluss in beide Richtungen aufweisen (Abschn. 11.6.1), ist ein Betrieb sowohl bei Ebbe- als auch bei Flut erzielbar. Wie in Bild 11.18 b) gezeigt, ist eine deutliche Erhöhung der Leistungsabgabe gegenüber der einfach wirkenden Beckenanlage bei verlängerter Betriebszeit zu erwarten. Darüber hinaus kann um den Fluthöhepunkt die Reversturbine durch Nutzung von Fremdenergie auf Pumpbetrieb umschalten und das Oberbecken weiter füllen. Dieses Zusatzwasser, das bei ganz geringem Gefälle in das Becken gepumpt wird, lässt sich umgekehrt bei Ebbe mit wesentlich höherem Gefälle zur Stromerzeugung nutzen. Eine gleichmäßige Stromabgabe ist zwar nicht erzielbar, doch sind die Stillstandszeiten kurz. Das Kraftwerk an der Rance-Mündung arbeitet nach dieser Betriebsweise. Mit dem Leitrad der KaplanTurbinen kann der Beckenzufluss abgesperrt werden, was die Anpassung der Stromproduktion an den Verbrauch erlaubt. x Zweibecken Ebbe-Flut-System Die zwei Ebben pro Tag dauern je etwa 6 Stunden, so dass also bei einem Oberbecken für Ebbe-Betrieb die Stromproduktion auf die Hälfte des Tages beschränkt ist. Falls jedoch zusätzlich ein zweites, parallel angeordnetes Becken im Flut-Betrieb betrieben wird, liefern die beiden abwechselnd Strom, dessen Leistung zwar noch fluktuiert, aber unterbrechungslos geliefert wird. Das Prinzip Zweibecken Ebbe-Flut-System verspricht die gleichmäßigste Stromproduktion. Die Anlage umfasst zwei benachbarte Becken mit unterschiedlichen Spiegelniveaus. Das Oberbecken füllt sich bei Flut, und das Unterbecken entleert sich bei Ebbe. Die Turbine ist zwischen den Becken installiert und wird durch das kontinuierlich vom Oberbecken in das Unterbecken fließende Wasser angetrieben. Bei entsprechender Abstimmung des Volumenstroms durch die Turbine und die Beckenvolumina bzw. Spiegeloberflächen, ist eine nahezu gleichförmige Stromabgabe erzielbar. Bild 11.19 veranschaulicht den zeitlichen Verlauf von Tidenhub, Ober- und Unterbeckenniveau sowie die Leistungsabgabe dieser Anlage. Höhe z(t) Unter- bzw. Oberwasser z(t) Meereshöhe P(t) Leistung
Bild 11.19: Zeitlicher Verlauf von Tidenhub, Beckenspiegelniveaus und Abgabe elektrischer Leistung einer Ober-/Unterbeckenanlage
11.8 Meereswellen-Kraftwerke
231
Prinzipiell ist bei Gezeitenkraftwerken die konträre Tendenz der beiden Optimierparameter „Maximale Stromproduktion“ und „Verbrauchsangepasste Fahrweise“ zu beachten. Bei einer verbrauchsangepassten Fahrweise verringert sich die Stromproduktion, da dann nicht mehr die maximalen Höhenunterschiede nutzbar sind. Es sind einige kleinere Gezeitenanlagen zu Testzwecken realisiert. Bei Saint Malo an der Rance-Mündung ist die einzige Großanlage mit Einzelbecken für Revers- und Pumpbetrieb, die seit 1966 in Betrieb ist. Der große mittlere Tidenhub und der natürlich enge Beckeneinlass, was eine geringe Dammlänge ergibt, waren günstige Voraussetzungen. 24 reversible KaplanTurbinen erbringen eine Spitzenleistung von 240 MWel. Die Turbinen weisen trotz des aggressiven Salzwassers durch geeignete Werkstoffauswahl eine lange Lebensdauer auf. Die elektrische Jahresarbeit beläuft sich auf etwa 500 bis 550 GWh. Im Damm sind Maschinenhaus, Wasser- und Schiffsschleusen untergebracht. Die Dammlänge ist ca. 750 m bei einer maximalen Höhe von etwa 20 m. Es gibt weltweit eine Vielzahl geeigneter Küstenstrukturen. So wurden Standorte in der Fundy-Bay im Grenzgebiet zwischen Massachusetts und New Brunswick/Nova Scotia intensiv untersucht, was Mitte der 80-er Jahre im Bau eines 20 MW-Pilotkraftwerkes mündete. Eine kleine Anlage unter 1 MW wird nördlich von Murmansk an der Barents-See betrieben. Hindernisse für die Realisierung sind wirtschaftliche Gründe, da die Investitionskosten enorm sind. Naturschutz-Bedenken, die im Zuge eines Genehmigungsverfahrens zu kostspieligen Ausgleichsauflagen führen, sind zu erwarten.
11.8 Meereswellen-Kraftwerke Von den drei Meereswellenarten, seismische Wellen, Brandungswellen und Windwellen lassen sich nur die letzteren technisch nutzen. Windwellen entstehen durch Einwirkung der Luftströmung. Auf der Wasseroberfläche wechseln potenzielle und kinetische Energie stetig ab. In der Welle wird die Wassermasse m, abhängig von der Wellenhöhe H angehoben. Die höchste potenzielle Energie ist Epot = m g H. Die Masse ist m = Ȥ ȡ A H, mit A Wellengrundfläche, ȡ der Wasserdichte und Ȥ < 1 als Formfaktor der Welle. Der Formfaktor weist in etwa Werte zwischen 1/10 und 1/20 auf. Im Anhang 11.2 ist eine modellhafte Abschätzung zu finden. Damit ist die maximale potenzielle Energie proportional dem Quadrat der Wellenhöhe H Epot / A = Ȥ ȡ g H2
Gl. 11.12
Die Periodendauer T der Wellen bestimmt die Leistung. Mit der Periodendauer T = 6 Sekunden und H = 1,5 m als typische Werte in der Nordsee und Ȥ = 1/16 ergeben sich: Ppot/A = Epot / (A · T) = 230 W/m2
Gl. 11.13
Auf die Wellenfront bezogen sind dies mit einer Wellenlänge Ȝ = 64 m etwa Ppot Ȝ / A = 15 kW/m. Wenn die gesamte Küstenlänge der deutschen Nordsee von etwa l = 150 km auf einer Breite von Ȝ = 64 m durch ein Wellenkraftwerk belegt wäre, ergäbe sich bei 50 % Gesamtwirkungsgrad eine Leistung von Pel = Ș Epot / (A · T) · A = Ș 230 W/m2 · l · Ȝ = 1100 MWel Unter Berücksichtigung der Größe und des technischen Aufwandes ist diese Leistung eher gering.
232
11 Wasserkraftwerke
Es lassen sich mehrere technische Konzepte zur Nutzung der Wellenenergie entwickeln, einteilbar in vier Klassen: x Schwimmer, deren periodische Auf- und Abbewegungen oder Kippbewegungen mechanisch einen Generator antreiben x Unterwasseranlagen, die die periodischen Druckänderungen zum Pumpen eines Arbeitsfluids nutzen, was dann eine Kraftmaschine antreibt. Hierdurch wird schon die Stromversorgung von Bojen im geringen Leistungsbereich unter 1 kW bewerkstelligt. x Konische Kanäle an der Küste, mit denen die Wellen in ein Oberbecken geleitet werden. Das auf- oder rücklaufende Wasser kann Turbinen antreiben. x Indirekter Antrieb von luftbetriebenen Turbinen. In einem auf dem Wasseroberflächenniveau fest verankerten Gehäuse wird ein Luftvolumenstrom durch die Wellenbewegung angesaugt bzw. ausgestoßen und treibt Turbinen an. Das erste kommerziell gebaute Wellenkraftwerk von 2 MW nutzte letzteres Prinzip, Bild 11.20. Es wurde an der schottischen Küste installiert, wo Wellen bis zu 30 m Höhe auftreten, [11.10]. Ebenfalls nach dem Prinzip der Luftverdrängung arbeitet seit dem Jahr 2000 das Wellenkraftwerk LIMPET (Land Installed Marine Powered Energy Transformer) mit einer Maximalleistung von 500 kW auf der schottischen Insel Islay. Ein Vertreter des erstgenannten Prinzips wurde im Jahr 2006 an der schottischen Küste in Betrieb genommen [11.14]. Schwimmende Zylinder sind über Scharniere miteinander verbunden, damit die Bewegung der Scharniergelenke Öl durch hydraulische Motoren zum Antrieb eines Generators pumpt. Diese Installation, genannt Palamis P-750, soll 750 kW elektrische Energie erzeugen. Sie ist 120 m lang, hat 3,5 m Zylinderdurchmesser und ein Gewicht von 750 t [11.15]. Der Prototyp des „Wave Dragon“, der Wellen reflektiert und damit Meereswasser über eine Rampe in ein Sammelbecken über Meereshöhe drängt, ist im dänischen Nordseefjord Nissum Bredning installiert. Mittels Kaplan-Turbinen erzeugt der Wasserfluss zwischen Meer und Sammelbecken elektrische Energie [11.16].
Bild 11.20: Prinzip einer Wellenkraftanlage mit luftbetriebenen Turbinen
11.9 Ozeanthermische Kraftwerke Die Nutzung des vertikalen Temperaturgradienten in Meeren zur Stromerzeugung wurde schon im 19. Jahrhundert von D‘Arsonval [11.11] vorgeschlagen. Einer seiner Schüler baute auf eigene Kosten eine kleine Anlage 1930 in Kuba [11.12]. 1979 wurde in Hawaii ein Schiff mit einer derartigen Anlage ausgestattet, das die Temperaturdifferenz an der Meeresoberfläche
Literatur zu Kapitel 11
233
von 24 °C und in 660 m Tiefe von 4 °C nutzte und 10 kWel als Nettoleistung lieferte. 1980 ging eine Anlage mit 1 MW elektrischer Leistung in Hawaii in Testbetrieb. Die Anlagen werden OTEC (Ocean Thermal Energy Conversion) genannt. In tropischen Ozeanen ist das Temperaturgefälle zwischen Oberfläche und 1000 m Tiefe etwa 20 bis 24 °C [11.13]. Der Clausius-Rankine-Sattdampfprozess bietet bei diesen geringen Temperaturdifferenzen Vorteile, da er nicht zu sehr vom Carnot-Prozess abweicht. Die Anlagen in Hawaii arbeiten mit Ammoniak, so dass der Betriebsdruck über dem der Atmosphäre liegt, um unerwünschte Wassereinbrüche zu vermeiden. Bei ǻT = 20 K und 30 °C Oberflächentemperatur ist der Carnot-Wirkungsgrad gerade noch ȘC = 6,6 %. Reale Anlagen mit Sattdampfprozess lassen den Wirkungsgrad bei den Apparateverlusten unter 5 % sinken. Die Investitionen sind extrem, da die Wärmeübertrager bei den geringen Temperaturdifferenzen äußerst großflächig auszuführen sind.
Literatur zu Kapitel 11 [11.1] P. Kesselring: Bedeutung der Wasserkraft im Energieverbund; in: Informationsschrift der VDI-GET, Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, R. Zahoransky (Editor), VDI Düsseldorf, 1998 [11.2] Siemens AG (Siemens Power Generation), Itaipú – 12,600 Megawatts from the Rio Paraná, Firmenschrift A96001-U14-A252-X-7600, 1996 [11.3] U. Wagner, L. Rouvel, H. Schaefer: Nutzung regenerativer Energien, ife Schriftenreihe, Heft 1, Lehrstuhl für Energiewirtschaft und Kraftwerkstechnik, TU München, 8. Aufl., 1997 [11.4] H. Siekmann: Wasserturbinen; in: Dubbel interaktiv, das elektronische Taschenbuch für den Maschinenbau, Hrsg. W. Beitz, K.-H. Grote, Springer Verlag, 1999 [11.5] Voith-Siemens Hydro Kraftswerkstechnik GmbH & Co. KG, Kaplan Turbine Yacyreta, Argentinien/Paraguay, 1988 [11.6] Ossberger GmbH + Co., D-91781 Weissenburg, Firmeninformation, 2001 [11.7] Voith-Siemens Hydro Kraftswerkstechnik GmbH & Co. KG, Francis Turbine Xingo, Brasilien, 1982 [11.8] Voith-Siemens Hydro Kraftswerkstechnik GmbH & Co. KG, Pelton Turbine Restitución, Peru, 1980 [11.9] L.E., Harder: Fundamentals of Energy Production, John Wiley & Sons, Inc., 1982 [11.10] Siemens Stromthemen 11, 1995 [11.11] J.A. D‘Arsonval, Revue Scientifique, Paris, Sept. 17, 1881 [11.12] G. Claude, Mechanical Engineering 52 (1930) [11.13] R.H. Douglas, Handbook of Energy Technology and Economics Ed. R.A. Meyers, J.Wiley & Sons (1983) [11.14] http://www.wavegen.co.uk/what_we_offer_limpet_islay.htm [11.15] http://www.oceanpd.com/Pelamis/default.html [11.16] http://www.wavedragon.net/
234
11 Wasserkraftwerke
Anhang 11.1 Herleitung Euler’sche Turbinenhauptgleichung Geschwindigkeiten: ci: Absolutgeschwindigkeit u: Umfangsgeschwindigkeit wi: Relativgeschwindigkeit, die ein mit der Schaufel bewegter Beobachter wahrnimmt Vektoren sind unterstrichen ȕ2: Öffnungswinkel der Schaufel
Index 0: Strömung vor der Laufschaufel (Austritt Düse) Index 1: Strömung an der Laufschaufelvorderkante Index 2: Strömung an der Laufschaufelhinterkante Index u: Strömung in Umfangsrichtung Index ax: Strömung in Axialrichtung
Bild A11.1: Geschwindigkeitsverhältnisse in einer Peltonturbine
Es gilt für die Geschwindigkeiten einer Peltonturbine (axial durchströmte Turbine) mit u1 = u2 = u im Relativ- und Absolutsystem die Vektoraddition, siehe Bild A11.1, mit i = 1, 2: ci = wi + u
Gl. A11.1
Arbeit wird durch Impulsübertragung geleistet. Der Turbinenrotor kann nur in seiner Umfangsrichtung (Drehrichtung) Arbeit leisten, d.h. der Strömungsimpuls ist mit der Strömungsgeschwindigkeit in Umfangsrichtung cu zu bilden. Der Strömungsimpuls Iu in Umfangsrichtung ist: Iu= m · cu
Gl. A11.2
Die zeitliche Differentiation des Impulses gibt die auf die Schaufel wirksame Impulskraft FImp: FImp = d Iu/dt = cu dm/dt + m dcu /dt
Gl. A11.3
rbeit wird durch Impulsübertragung geleistet. Der Turbinenrotor kann nur in seiner Umfangsrichtung (Drehrichtung) Arbeit leisten, d.h. der Strömungsimpuls ist mit der Strömungsgeschwindigkeit in Umfangsrichtung c u zu bilden. Der Strömungsimpuls Iu in Umfangsrichtung ist: Iu= m · c u
Gl. A11.2
Die zeitliche Differentiation des Impulses gibt die auf die Schaufel wirksame Impulskraft FImp: FImp = d Iu/dt = c u dm/dt + m dc u /dt
Gl. A11.3
= konst.: Für stationäre Strömungen gilt u = konst., d.h. dc u/dt = 0, und dm/dt = m ·cu damit FImp = d Iu/dt = c u dm/dt = m
Gl. A11.4
Der Turbinenrotor leistet nur in seiner Drehrichtung Arbeit, d.h. die resultierende Umfangskraft Fu durch die Strömung ergibt sich aus der Differenz der Impulse zwischen Ein- und Austritt des Rotors: · c u) = m ǻc u = m (c u2 – c u1) Fu = ǻFImp = ǻ( m
Gl. A11.5
Anhang 11.2 Herleitung der Energie von Meereswellen
235
Daraus folgt die vom Rotor abgegebene Leistung Pu (Umfangsleistung) direkt durch Multiplikation mit dem Betrag der Umfangsgeschwindigkeit u u ǻcu Pu = Fu · u = m
Gl. A11.6
Die aus Gl. A11.6 ableitbare spezifische Umfangsarbeit Wu ergibt die Turbinenhauptgleichung für Axialmaschinen: = u ǻcu Wu = Pu / m
Gl. A11.7
Anhang 11.2 Herleitung der Energie von Meereswellen Um die Berechnungsmethodik zu erleichtern, wird von einer Modellwelle aus zwei Dreiecken, deren Ausdehnung in Querrichtung groß ist, ausgegangen. Die Berechnung kann an andere geometrische Formen angepasst werden. Die potenzielle Energiedifferenz der sich bewegenden Masse ist zu bestimmen. Hierzu grenzt die Wellenkontur bzw. gestrichelte Linie ein Volumenelement ein, das sich bewegt. Masse der eingegrenzten Volumenelemente der einzelnen Halbwellen: m = 3/8 H L Ȝ ȡ
Gl. A11.8
Fläche, die die Welle einnimmt: A = Ȝ L
Gl. A11.9
Bild A11.2 Definitionen Wellenkontur: H Wellenamplitude L Breite der Welle in z-Richtung Ȝ Wellenlänge ȡ Dichte des Wassers S1, S2 Schwerpunkte der Halbwelle
Potenzielle Energiedifferenz Epot der Welle, wenn sich der Schwerpunkt der Wellenfläche von S1 nach S2 verlagert, d.h. Höhenunterschied ist ǻy = y1 – y2. Die oben definierten Schwerpunktabstände y1 und y2 zur Nulllinie sind: y1 = -1/9 H; y2 = -11/18 H ; ǻy = y1 – y2 = H/2 Diese Verlagerung ist eine Energiedifferenz von ǻEPot = m g ǻy = 3/8 H L Ȝ ȡ g H /2 ǻEPot = 3/16 ȡ g L Ȝ H2 ~ H2
Gl. A11.10
Die interessierende flächenbezogene potenzielle Energiedifferenz ist dann: ǻEPot/A= 3/16 ȡ g H2
Gl. A11.11
Oder allgemein: ǻEPot/A= Ȥ ȡ g H2
Gl. A11.12
237
12 Solartechnik 12.1 Überblick Die Erde ist ein Strahlungsempfänger für kosmische Strahlungen. Sie empfängt nur einen winzigen Bruchteil der von der Sonne ausgesendeten elektromagnetischen Strahlung. Dieser Bruchteil ist im Wesentlichen bestimmt durch den Abstand zwischen Sonne und Erde und durch das Verhältnis der Durchmesser von Erde und Sonne. Außerhalb der Erdatmosphäre, also extraterrestrisch, werden vom World Radiation Center WRC je Quadratmeter horizontaler Empfängerfläche 1,367 kW/m2 +/– 1 % konstant übers das gesamte Jahr gemessen. Mit dieser Energie werden auf der Erde eine Vielzahl von Prozessen in Gang gehalten. Von jeher verbinden die Menschen mit der Sonne Gesundheit und Leben. Nicht zuletzt liefert die Sonne Energie für das Gedeihen der Biosphäre. Die Sonne treibt die atmosphärischen Prozesse wie Verdunstung, Wind, Wellen und Meeresströmungen des Planeten Erde an. Sie wirkt über den Treibhauseffekt der Erdatmosphäre direkt auf die Gleichgewichtstemperatur der Erde ein und ermöglicht oder verhindert so Randbedingungen für das menschliche Leben. Schon Echnaton und Nofretete verehrten den Sonnengott Aton als Lebensspender 1350 vor Christus (Bild 12.1).
Bild 12.1: Echnaton und Nofretete 1350 v. Chr.
Jährlich strahlen 1,5 1018 kWh auf die gesamte Erdhülle. Der heutige Weltenergieverbrauch von 11,7 109 t SKE oder 9,5 1013 kWh (lt. BMWi für das Jahr 1995) entspricht gerade mal 0,07 Promille der eingestrahlten Sonnenenergie. Beachtlich ist, dass der gesamte derzeit ökonomisch gewinnbare Anteil an fossilen Energieressourcen (Öl, Gas, Kohle) gerade mal 5 Promille der jährlich eingestrahlten Sonnenenergie beträgt. Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass nur ca. 53 % der Solareinstrahlung die Erdoberfläche erreichen und die Erde nur zu 35 % aus Landfläche besteht! Bei der Gestaltung einer nachhaltigen Energiewirtschaft kommt der Sonnenenergienutzung wegen ihrer Ökoeffizienz und Schonung der fossilen Energieressourcen eine herausragende Rolle zu. Hier beeindruckt die Sonne als unerschöpfliche und deshalb erneuerbare Energiequelle, bei deren Nutzung keine Emissionen in Form von Schadstoffen anfallen!
238
12 Solartechnik
Obwohl die Sonne als mittel- und unmittelbare Energiequelle für eine Vielzahl von energierelevanten Prozessen verantwortlich ist, wird aus Platzgründen in den folgenden Kapiteln lediglich die solarthermische Nutzung (Kap. 12.3) und die photovoltaische Nutzung (Kap. 12.4), also die direkte Umwandlung von Sonneneinstrahlung in elektrischen Strom, behandelt. Bei der zukünftigen Energieversorgung wird jedoch die regenerative Nutzung der Windenergie, der Laufwasser und Wellenenergie bei der Stromerzeugung, sowie der Biomasse bei Antriebs-, Heizenergie und Stromerzeugung eine bedeutende Rolle zukommen. Die solare Energienutzung ergänzt hier diesen regenerativen Anteil. Laut einer Studie der deutschen Shell-AG sollen die regenerativen Energietechniken im Jahre 2060 mehr als 60 % des Primärenergie-Verbrauchs der Welt decken. Nach dieser Studie verdreifacht sich der Weltenergieverbrauch bis zum Jahr 2060! Ohne regenerative Energienutzung lässt sich der zukünftige Energiebedarf nicht mehr decken! Allein die Solarenergienutzung übernimmt demnach 18% der Energieversorgung (Bild 12.2). Im Süden Europas steht eine erheblich größere jährliche Einstrahlungssumme (in Sizilien ca. zweifache von Freiburg) mit einem hohen Anteil direkter Strahlung für die Konzentration auf einen Receiver zur Verfügung. Primärenergieverbrauch Mrd. t SKE/a
Bild 12.2: Vergleich Weltenergieverbrauch und Deckungsanteile der versch. Energieträger (2060 lt. [12.7];. eine t SKE entspricht 8140 kWh).
Bild 12.3: Solarthermisches Kraftwerk „Solar One“ in Kalifornien. Die nachhaltige Energiewirtschaft der Zukunft erfordert den Stromimport aus solaren Kraftwerken nach Deutschland.
12.2 Solare Strahlung
239
12.2 Solare Strahlung 12.2.1 Grundlagen Die Solarstrahlung wird in unterschiedlichen Kategorien auf der Erde „gehandelt“. Sie trifft als Einstrahlungsleistung in den Einheiten kW/m2 auf Solarwandler oder als Energiemenge z.B. in den Einheiten kWh/m2/Jahr bei der Bilanzierung solarer Systeme auf. Physikalisch wird vom solaren Strahlungsspektrum mit einer Intensitätsverteilung in Wellenlängenbereich 0,3 bis 2,5 Pm gesprochen. Für die Vorstellung der Solarstrahlung steht ein Korpuskularmodell, mit Photonen als Träger der Energie, oder ein Wellenmodell, mit elektromagnetischen Wellen unterschiedlicher Wellenlänge und Intensität, zur Verfügung. Den Photonen werden dabei folgenden Eigenschaften zugeschrieben: x Sie sind unteilbar. x Jedes Photon trägt nur eine bestimmte „Energiemenge“. x Die Intensität der Strahlung entspricht bei Photonen gleicher Wellenlänge der Anzahl der Photonen. x Treffen Photonen auf Materie können diese ihre Energie als Stoß auf die Materie übertragen. Danach existieren diese Photonen nicht mehr. x Je kürzer die Lichtwellenlänge desto hochenergetischer die Strahlung. Das Solarspektrum entspricht in dieser Modellvorstellung einem Photonengemisch. Von jedem Betrachter wahrnehmbar ist die Sonnenscheindauer, die Dauer der direkten Einstrahlung. Sie wird mit Hilfe eines Sonnenscheinautographen gemessen. Der Sonnenstand bezeichnet die Position der Sonne in Relation zum Betrachter. Der zeitliche Verlauf des Sonnenstandes wird auch scheinbare Sonnenbahn genannt.
12.2.2 Das Strahlungsangebot auf die Erde Strahlungsintensität E in W/m2/Pm
Extraterrestrisch Terrestrisch
Wellenlänge O in Pm
Außerhalb der Erdatmosphäre, also extraterrestrisch, kann von der in Bild 12.4 dargestellten spektralen Verteilung der Intensität der Solarstrahlung ausgegangen werden. Sie erstreckt sich vom ultravioletten (0,25 0,38 Pm) über den sichtbaren (0,38 0,78 Pm) bis in den nahen infraroten Spektralbereich (0,78 - 2,5 Pm).
Bild 12.4: Sonnenspektrum bei AM 1 nach [12.8]
240
12 Solartechnik
48 % der Intensität werden von der Sonne im sichtbaren und ca. 46 % im nahen infraroten Bereich abgegeben. Die Solarkonstante E0, also die extraterrestrische Einstrahlungsleistung auf eine horizontale Empfängerfläche außerhalb der Erdatmosphäre, berechnet sich mit: E0 =
∞
∫
λ=0
E( λ)dλ
Gl. 12.1
E0 entspricht der Fläche unterhalb der spektralen Intensitätsverteilung E(O) in Bild 12.4 und beträgt: E0 = 1,367 kW +/– 1 % (lt. WRC). Das Solarspektrum, das an der Erdoberfläche gemessen wird, also das terrestrische Solarspektrum, weist erhebliche Intensitätseinbußen auf. Beim Durchgang der Solarstrahlung durch die Erdatmosphäre kommt es zu Streueffekten (Rayleigh-Streuung, Mie-Streuung) an Luft-, Wasser- und Staubmolekülen. Vor allem Moleküle wie O3, H2O und CO2 absorbieren in bestimmten Wellenlängenbereichen die Solarstrahlung, je nach Strahlengang und Wetterlage mehr oder weniger (siehe hierzu Bild 12.4). Bei klarem Himmel kann terrestrisch eine Leistung von immerhin 1000 kW/m2 gemessen werden. Je länger der Weg der Strahlung durch die Atmosphäre desto größer deren Schwächung. Als Maß für diese Weglänge wird Air Mass (AM) verwendet: AM =
1 . cosΘ z
Gl. 12.2
mit 4z als dem Zenitwinkel der Sonne (z.B.: 4z = 60°: AM = 2, d.h. doppelte Weglänge der Strahlung im Vergleich zu 4z = 0° am Äquator), siehe auch Bild 12.5.
Bild 12.5: Air Mass 1.5
AM wird auch als Standard für eine Qualität von Einstrahlung, je nach Aufstellungsort bzw. Breitengrad verwendet. In Zentraleuropa hat man sich für Testzwecke auf AM 1,5 geeinigt. Dies entspricht einem Zenitwinkel von ca. 48° d.h. im Vergleich zu AM 1 muss hier die Solarstrahlung die 1,5-fache Weglänge durch die Atmosphäre zurücklegen. Bild 12.4 zeigt die spektrale Verteilung der Solarstrahlungsintensität für AM 1! Der Sonnenstand kann auf einfache Weise für unterschiedliche Standorte (Breitengrade) und Tageszeiten berechnet werden. Daraus ergeben sich so genannte Sonnenstandskurven, mit denen die Sonnenhöhe für einen beliebigen Tag n im Jahre und für eine beliebige Uhrzeit bestimmt werden kann. Bild 12.6 zeigt eine Sonnenstandskurve für den 47. nördlichen Breitengrad als Horizontoscopaufnahme.
12.2 Solare Strahlung
241
Bild 12.6: Sonnenstandskurven mit Horizont für den 47. Breitengrad
Der Zenitwinkel der Sonne 4z kann wie folgt berechnet werden: cos Θ z = sin δ⋅sin φ + cos δ⋅cos φ ⋅cos ω
Gl. 12.3
mit : 4z I Z G
= = = =
Zenitwinkel der Sonne Winkel des Breitengrades Stundenwinkel Deklinationswinkel.
Z kann mit 15° je Stunde berechnet werden, wobei die Vormittagsstunden negativ und die Nachmittagsstunden positiv gezählt werden (z.B. 10:00 Uhr Vormittags entspricht Z = – 30°). Die Deklination kann nach Cooper [12.9] wie folgt berechnet werden: ⎛ 284 + n ⎞ ⎟. δ = 23, 45°⋅sin⎜360 ⎝ 365 ⎠
Gl. 12.4
Die Deklination gibt die Winkelposition der Sonne um 12:00 Uhr Solarzeit bezogen auf die Äquatorebene an. Dabei ist mit n der n-te Tag im Jahr einzusetzen (z.B. der 21.2. entspricht n = 52). Bei dieser Berechnung wird von der „Solarzeit“ ausgegangen, d.h. Zeitzone und Längengradeinflüsse bleiben hier unberücksichtigt.
Bild 12.7: Geometrische Konstruktion zur Ermittlung des Sonnenstandes
242
12 Solartechnik
Vereinfachend lässt sich der höchste Sonnenstand an einem beliebigen Standort an einem beliebigen Tag im Jahr auch mit Hilfe einer einfachen geometrischen Konstruktion ermitteln. Bild 12.7 zeigt, wie der höchste Sonnenstand für den 21.6., 23.9., 21.3. und 21.12. am Standort Freiburg geometrisch hergeleitet werden kann. Der maximale Höhenwinkel der Sonne Ds,max berechnet sich hierbei wie folgt: αs,max =180°− φ − 90°+ δ
Gl.12.5
Für den 21.3. und den 23.9. gilt: G = 0°. Am 21.6. bzw. 21.12. beträgt G + 23,45° bzw. – 23,45°. Daraus folgt für den Standort Freiburg am 21.6.: Ds,max = 180° – 48° – 90° + 23,45° = 65,45°.
12.2.3 Wichtige Begriffe und Größen im Umgang mit Solarstrahlung Direkte Strahlung: Gerichtete Solarstrahlung, also nicht gestreute Solarstrahlung. Diffuse Strahlung: Ungerichtete Solarstrahlung, also gestreute Solarstrahlung. Globalstrahlung: Summe aus direkter und diffuser Strahlung. Typische Werte für Solarstrahlung: Maximale Leistung (terrestrisch): 1000W Jahressumme de Globalstrahlung auf eine horizontale Empfängerfläche: x x x x
in Süddeutschland: in Norddeutschland: in Helsinki: in Sizilien:
1100 kWh/m2 1000 kWh/m2 700 kWh/m2 2000 kWh/m2.
Tagessumme der Globalstrahlung auf eine horizontale Empfängerfläche in Süddeutschland: x im Juli: 5 kWh/m2 x im März: 3,5 kWh/m2 x im Januar: 1 kWh/m2. Winkeldefinitionen, Bild 12.8 I -
Breitengradwinkel
G -
Deklinationswinkel
E - Neigungswinkel der Empfängerfläche gegenüber der Horizontalen J
- Empfängerflächen Azimutwinkel: Gibt die Orientierung der Empfängerfläche bezogen auf die Himmelsrichtung an (Süd: 0°, Ost: negativ, West: positiv)
Z - Stundenwinkel
12.2 Solare Strahlung
243
4z - Zenitwinkel: Winkel zwischen den Vertikalen und der direkten Einstrahlung auf eine Empfängerfläche Ds - Sonnenhöhenwinkel: Korrespondierend zu 4z Js - Sonnen Azimutwinkel: Abweichung der Sonnenposition bezogen auf Süden (östlich: negativ; westlich: positiv).
Bild 12.8: Winkeldefinitionen
12.2.4 Messgeräte zur Erfassung der Globalstrahlung Für die Messung der Globalstrahlung werden in der Regel Pyranometer nach Moll-Gorzynski, auch Solarimeter (Bild 12.9) genannt, eingesetzt. Sie ermöglichen einen Strahlungsleistungsmessung mit weniger als 3% Fehler. Das Messsignal ist propotional zur Strahlungsleistung der Sonne und liegt als Spannung im PV-Bereich vor. Dies erfordert in der Regel einen zusätzlichen Messsignalverstärker.
Bild 12.9: Messgeräte zur Erfassung der Strahlungsleistung der Sonne (zwei Pyranometer und eine kalibrierte Solarzelle).
244
12 Solartechnik
Eine kostengünstigere Variante ist die Verwendung einer kalibrierten Silizium-Solarzelle für die Messung der Globalstrahlung. Diese Messmethode wird bevorzugt bei der Vermessung von Photovoltaik-Generatoren gewählt. Die selektive Empfindlichkeit von Solarzellen führt in der Regel zu größeren Messfehlern bei der Bestimmung der Globalstrahlung im Vergleich zum Pyranometer. Bild 12.10 zeigt den Jahresverlauf der Tagessummen der Globalstrahlung auf eine horizontale Fläche am Standort Freiburg für das Jahr 2000. In der Jahressumme ergaben sich eine Globalstrahlung von 1131 kWh/m2. In Deutschland ist im Mittel von einem Anteil der Diffusstrahlung an der Globalstrahlung von 55 % auszugehen, während am Standort Sizilien der Diffus-Anteil lediglich 30 % beträgt. Bild 12.11 zeigt den Einfluss der Neigung der Empfängerfläche bei Südorientierung (Azimutwinkel J = 0°) auf die Einstrahlungssummen als Mittelwert von verschiedenen deutschen Wetterstationen. Optimaler Neigungswinkel E wäre hier 30°. Generell lässt sich feststellen, dass für Empfängerflächen in Deutschland ein Neigungswinkel zwischen 20° und 40° bei einem Azimutwinkel zwischen – 45° und + 45° als Einstrahlungsoptimum angesehen werden kann. Dadurch ergibt sich für die Aufstellung von Sonnenkollektoren und Photovoltaik-Generatoren ein großer Spielraum! Tagessumme der Globalstrahlung in kWh/m2/Tag
Bild 12.10: Jahresverlauf der Tagessummen der Globalstrahlung auf eine horizontale Fläche am Standort Freiburg für das Jahr 2000 (Messwerte). Die Jahressumme der Globalstrahlung horizontal betrug 1131 kWh/m2.
Mittlere Tagessume der Globalstrahlung in Wh/Tag
Bild 12.11: Einfluss des Neigungswinkels E bei Südorientierung (J = 0°) auf die Einstrahlungssummen als Mittelwert von verschiedenen deutschen Wetterstationen. (Quelle: Fraunhofer-Institut ISE Freiburg).
12.3 Solarthermische Energienutzung
245
12.3 Solarthermische Energienutzung 12.3.1 Übersicht In Deutschland werden 40 % der Endenergie im Niedertemperaturbereich bei Temperaturen unterhalb 60 °C verwendet! Niedertemperaturwärme wird vor allem bei der Gebäudeheizung, bei der Trinkwasserbereitung aber auch bei der Schwimmbadwassererwärmung benötigt. Mit Hilfe von Sonnenkollektoren kann Solarstrahlung mit hohem Wirkungsgrad in Niedertemperaturwärme umgewandelt und z.B. für Heizzwecke zur Verfügung gestellt werden. 100 %
Heizleistung
Gebäudeheizung
Solarer Energiegewinn einer 6 m2 Anlage
Trinkwarmwasser
Bild 12.12: Schematische Darstellung der saisonalen Phasenverschiebung des Energiebedarfs für Gebäudeheizung und des Energieangebots einer solarthermischen Anlage.
0% Jan
Dez
Dabei kommt es in der Regel zu einer Phasenverschiebung zwischen solarem Energieangebot und Heizenergiebedarf. Diese Phasenverschiebung kann im Laufe eines Tages auftreten, bei der Gebäudeheizung tritt sie sogar saisonal auf, weshalb solare thermische Systeme in der Regel nicht ohne Energiespeicherung auskommen. Bild 12.12 zeigt schematisch die saisonale Phasenverschiebung zwischen dem Heizenergiebedarf eines Niedrigenergiehauses und solaren Energieertrag einer 6 m2 großen nach Süden ausgerichteten Kollektorfläche. Im Vergleich dazu ist der Trinkwarmwasserbedarf eines Vier-Personen-Haushaltes aufgetragen, der über das Jahr nahezu konstant verläuft. Die solare Trinkwarmwasserbereitung ist in Deutschland weit verbreitet. Mit ca. 6 m2 Kollektorfläche kann der Trinkwasserbedarf im Sommer zu 100 % gedeckt werden. Übers Jahr betrachtet deckt eine derartige Anlage ca. 60 % des Trinkwarmwasserbedarfs. Bei der Schwimmbadwassererwärmung kann von einem Phasengleichlauf gesprochen werden. Bei entsprechendem Solarangebot wird das Beckenwasser direkt in den so genannten „Absorbermatten“ erwärmt und ohne Zwischenspeicherung dem Schwimmbecken wieder zugeführt. Eine äußerst wirtschaftliche Solarmaßnahme! Solare Gebäudeheizung kann jedoch auch direkt, das heißt ohne den Umweg über den Sonnenkollektor, allein durch bauliche oder architektonische Maßnahmen erfolgen. Man spricht hier im Gegensatz zu aktiven, das heißt pumpen-basierten Kollektorsystemen, von passiver Sonnenenergienutzung. Beispiele hierfür sind ein Wohnraum mit Fenstern oder die transparente Wärmedämmung einer Gebäudeaußenwand. Neuerdings wird durch das architektonische
246
12 Solartechnik
Gebäudekonzept „Passivhaus“ auf die passiven Maßnahmen bei der Reduktion der Wärmeverluste in Form einer Superwärmedämmung und die solare Nutzung hingewiesen. Derartige Wohngebäude weisen spezifische Heizenergieverbräuche unter 15 kWh/m2-Wohnfläche pro Jahr auf ! Dies entspricht etwa 33 % des Verbrauches eines Niedrigenergiehauses.
12.3.2 Sonnenkollektoren Sonnenkollektoren sind solarthermische Wandler. Je nach Ausführung und Betriebsart können im Kollektor Temperaturen von bis zu 300 °C entstehen, ohne dass dabei eine Konzentration der Solarstrahlung erfolgen muss. Kollektoren können mit Flüssigkeit oder mit Luft gekühlt sein. Sie können nahezu masselos (Luftkollektor) oder sehr massiv (Speicherkollektor) ausgeführt sein. Schon anno 1892 wurden Sonnenkollektoren zur Verbesserung des Wohnkomforts angeboten. Heute existieren Hunderte von Kollektorbauarten auf dem Weltmarkt. Der prinzipielle Aufbau eines flüssiggekühlten Sonnenkollektors ist in Bild 12.13 dargestellt. Zentrales Bauelement des Kollektors ist die Absorberplatine, der eigentliche solarthermische Wandler. Sie absorbiert an ihrer schwarzen Oberfläche je nach Oberflächenbeschaffenheit bis zu 95 % der einfallenden kurzwelligen Solarstrahlung. Die absorbierte Solarstrahlung erwärmt die gut leitende, metallische Absorberplatine gleichmäßig, je nach Strahlungsleistung mehr oder weniger stark. Über Flüssigkeitskanäle, die entweder in die Platine eingelassen sind (Rollbondverfahren) bzw. angelötet oder eingepresst sind (Sunstrip) kann der Absorber gekühlt, oder besser, die entstehende Wärme einem Nutzer zugeführt werden.
Bild 12.13: Prinzipieller Aufbau eines Sonnenkollektors
Für die Erhöhung der Effizienz bei der Umwandlung von solarer Einstrahlung in nutzbare Wärme in einem Kollektor werden verschiedene Techniken eingesetzt: 1. Hochtransparente Kollektorabdeckungen: Damit möglichst viel Solarstrahlung zum Absorber gelangen kann, sollte die frontseitige Glasabdeckung möglichst wenig Reflexions- und Absorptionsverluste aufweisen. Heute sind durch Einsatz von eisenfreien Gläsern mit Antireflexbeschichtung Transmissionsgrade von über 95 % möglich! 2. Minimierung der Wärmeverluste an die Umgebung. Hier sind die Möglichkeiten, je nach Bauweise, sehr vielfältig:
12.3 Solarthermische Energienutzung
247
x Einsatz einer hochwertigen, rückseitigen und randseitigen Wärmedämmung mit Mineralwolle und PU-Schaum x Evakuierung des Kollektorinnenraumes: zum Beispiel Vakuumröhrenkollektor x Evakuierung der transparenten Kollektorhülle: „Prinzip Thermoskanne“, Bild 12.14 x Selektive Beschichtung der frontseitigen Absorberoberfläche zur Minimierung der Strahlungsverluste. Selektiv heißt hier, dass die Absorberbeschichtung im Bereich der kurzwelligen Solarstrahlung ca. 95 % absorbiert, im Bereich der langwelligen Wärmestrahlung jedoch lediglich einen Emissionsgrad von ca. 5 % aufweist. x Konvektionsunterdrückung im Kollektor durch transparente Wärmedämmung der Frontseite oder inerte Gasfüllung. 3. Optimierung des Wärmeübergangs von der Absorberplatine an das Wärmeträgermedium in den Flüssigkeitskanälen. Die Geschichte des Kollektorbaus ist die Geschichte der Variation dieser unterschiedlichen Maßnahmen zur Erhöhung der Kollektoreffizienz.
Bild 12.14: Der CPC-Kollektor. (CPC = Compound Parabolic Concentrator.)
Bild 12.15: Flachkollektor
248
12 Solartechnik
12.3.3 Charakterisierung von Kollektoren oder die Bestimmung der Nutzleistungen und des Wirkungsgrades von Kollektoren Für den Kollektor kann entsprechend Bild 12.16 eine Bilanz der spezifischen Energieströme aufgestellt werden. qS,a = qN + qK + qStr + qT + qR.a
Gl. 12.6
mit qS,a qN qK qStr qT qR,a
spez. Solarstrahlungsleistung auf den Absorber spez. Nutzleistung spez. Konvektionsverlustleistung spez. Strahlungsverlustleistung spez. Transmissionsverlustleistung spez. Reflexionsverlustleistung am Absorber.
Bild 12.16: Bilanz der Energieströme am Absorber
Die Verlustströme können zusammengefasst werden zu qV: qV = qK + qStr + qT = Uges · (-a – -u) Uges mittlerer Wärmedurchgangskoeffizient des Kollektors in -a mittlere Absorbertemperatur -u Umgebungstemperatur.
Gl. 12.7 W/m2/K
qS,a ergibt sich aus: qS,a = WS,s · qS.
Gl. 12.8
mit WS,s Transmissionsgrad der Kollektorabdeckung qS
Einstrahlung auf den Kollektor.
qR,a ergibt sich aus: qR,a = US,a · WS,s · qS mit US,a Reflexionsgrad des Absorbers.
Gl. 12.9
12.3 Solarthermische Energienutzung
249
Durch Einsetzen der einzelnen Terme in Gl. 12.6 und Auflösen nach qN ergibt sich nach Division durch qS die Gleichung für den Kollektorwirkungsgrad KK: ηK = τS,s ⋅ αS,s − U ges ⋅
ϑa − ϑu qS
Gl. 12.10
Dabei ist: DS,s
der Absorptionskoeffizient der Absorberoberfläche
WS,s · DS,s der so genannte optische Wirkungsgrad, der auch mit K0 bezeichnet wird. Mit Hilfe von Gleichung (12.10) lässt sich eine Kollektorkennlinie herleiten, die zur Charakterisierung von Kollektoren dient und den Vergleich der unterschiedlichen Bauarten ermöglicht. Dabei wird der Wirkungsgrad KK über x, die bezogene Kollektorübertemperatur, aufgetragen, wobei: x=
ϑa − ϑu qS
Gl. 12.11
Bild 12.17 stellt die Kollektorkennlinie KK = f(x) dar. Daraus können folgende charakteristische Größen eines Kollektors unmittelbar abgelesen werden: x K0 bzw. die optischen Verluste x Uges-Wert der Kollektorbauart, wobei Uges der Steigung der Kennlinie entspricht x Die Stillstandstemperatur -a,0: bei einer maximalen Einstrahlungsleistung von 1000 W/m2, -u = 20 °C und x0 = 0,17 m2 · K/W folgt -a,0 = 190 °C x Kollektorwirkungsgrad KK,A in einem definierten Betriebspunkt A (z.B. Trinkwarmwasserbereitung im Sommer: -u = 20 °C, -a,A = 60 °C, qs = 800 W/m2: mit xA = 0,05 K · m2/W folgt K0,05).
Bild 12.17: Kollektorkennlinie KK = f(x)
250
12 Solartechnik
12.3.4 Kollektortestverfahren Im Testverfahren nach DIN 4757 Teil 4 wird festgeschrieben, dass die Kollektorkennwerte bei 3 m/s Windbeaufschlagung ermittelt werden. Je Betriebspunkt x werden mehrere Messungen durchgeführt. Mit Hilfe eines Ausgleichspolynoms werden die Kennwerte K0, k1 und k2 ermittelt. Der Kollektor-Wirkungsgrad ergibt sich dann wie folgt: ηK = η0 − k1 ⋅
ϑa − ϑu ( ϑ − ϑu )2 −k2 a . qS qS
Gl. 12.12
In der Darstellung ist dann qS der Parameter jeweils unterschiedlicher Kennlinien, wobei qS = 800 W/m2 als Standard benutzt wird. Im Bild 12.18 sind die Kollektorkennlinien für vier unterschiedliche Bauarten bei qS = 800 W/m2 dargestellt.
(-a – -u) in K
Bild 12.18: Wirkungsgradkennlinien unterschiedlicher Kollektortypen bei Einstrahlung 800 W/m2, wobei folgende Kennwerte zugrunde liegen: Absorber K0 = 0,95, k1 = 15,00 W/Km2, k2 = 0,01 W/K2m2 Flachkollektor: K0 = 0,82, k1 = 5,00 W/Km2, k2 = 0,01 W/K2m2 Heatpipe: K0 = 0,80, k1 = 1,90 W/Km2, k2 = 0,001 W/K2m2 CPC: K0 = 0,65, k1 = 0,64 W/Km2, k2 = 0,008 W/K2m2
12.3.5 Bauarten von Sonnenkollektoren Stellvertretend für die Vielzahl der Kollektorbauarten sind in Bild 12.20 und 12.14 der CPCKollektor, der nach dem „Prinzip Thermoskanne“ arbeitet, und in Bild 12.19 und 12.15 ein Flachkollektorfeld dargestellt. Vorteilhaft sind großflächige Elemente mit variablen Anschlussmöglichkeiten. Im Low-Flow-Betrieb werden derartige Kollektoren mit 10 - 12 l/m2Kollektorfläche durchströmt. Der CPC-Vakuum-Kollektor ist im Zentrum eines Compound Parabolic Concentrator (CPC)Spiegels angeordnet. Der Absorber besteht aus u-förmig gebogenem Kupfer mit kreisförmig gebogenen Wärmeleitblechen. Die doppelwandige, evakuierte Glasröhre wird über den Absorber geschoben und schützt, ähnlich einer Thermoskanne, den Absorber vor Wärmeverlusten.
12.3 Solarthermische Energienutzung
251
Dabei ist die Innenoberfläche der inneren Glasröhre selektiv beschichtet. Auch dieser Kollektor kann im Low-Flow-Verfahren betrieben werden.
Bild 12.19: Flachkollektorfeld
Bild 12.20: CPC-Kollektor in Aufdachmontage ausgeführt
12.3.6 Solarthermische Systeme Solare Wärme wird für unterschiedliche Prozesse benötigt: x für die Gebäudeheizung in wasser- oder luftgeführten Heizungssystemen x für die Trinkwassererwärmung x für die Gebäudeklimatisierung durch Bereitstellung von Kühlenergie x für die Bereitstellung von Prozesswärme in Produktionsprozessen, für Kraftwerksprozesse oder in der Verfahrenstechnik zum Beispiel bei der solaren Meerwasserentsalzung. Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Solarthermie-2000“ (kurz ST-2000) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie BMWi wird seit 1993 die Nutzung der Sonnenenergie im Niedertemperaturbereich in Deutschland untersucht. Das Teilprogramm 1 befasste sich mit dem Langzeitverhalten von thermischen Solaranlagen. Ergebnis dieser Untersuchung ist unter anderem der Befund, dass bei Kollektoranlagen von einer Lebensdauer von 25 Jahren ausgegangen werden kann [12.1]. Im Teilprogramm 2 soll eine Vielzahl von Demonstrationsanlagen (bisher ca. 60 Anlagen) zur Trinkwassererwärmung gebaut werden. Die Anlagen werden zumeist auf öffentlichen Gebäuden errichtet und weisen mindestens 100 m2 Kollektorfläche auf [12.2]. Im Teilprogramm 3 werden Anlagen zur solaren Nahwärmeversorgung gefördert [12.3]. Im Folgenden soll beispielhaft auf die solare Trinkwassererwärmung eingegangen werden.
12.3.7 Solarthermische Großanlagen zur Trinkwarmwasserbereitung Für die hydraulische Verschaltung der solaren Anlagenkomponenten kommen in Großanlagen zur Trinkwarmwassererwärmung derzeit vor allem zwei Varianten zum Einsatz: Systeme mit Vorwärmespeicher und Direkt-Erwärmungssysteme (siehe Bild 12.21 und 12.22).
252
12 Solartechnik
Bild 12.21: Hydraulik-Variante mit Vorwärmespeicher. Mit P sind Umwälzpumpen bezeichnet und mit WT die Wärmeübertrager.
Beiden ist gemeinsam, dass sie aus drei hydraulischen Kreisen aufgebaut sind: Dem Solarkreis mit Wasser/Glykol-Füllung, dem Pufferkreis mit Heizwasserfüllung und dem Trinkwasserkreis mit dem zu erwärmenden Trinkwasser. Die Kreise sind durch Plattenwärmetauscher getrennt. Spezielle Regler sorgen für die Speicherbe- und -entladung im Bedarfsfall.
Zusatzheizung
M1 Kaltwasser P1
WT1
P2
P3
WT2
Bild 12.22: Hydraulik-Variante mit direkter Erwärmung
Neben den konventionellen Aufgaben zur Auslegung der Pumpen, Rohre, Ausdehnungsgefäße und Sicherheitseinrichtungen sind vom Planungsingenieur die erforderliche Kollektorfläche, das Puffer- bzw. Vorwärmespeichervolumen und die Wärmetauscher zu dimensionieren.
12.3 Solarthermische Energienutzung
253
12.3.8 Spezifische Kennwerte von solarthermischen Anlagen zur Trinkwarmwasserbereitung Kennwerte sind hilfreich bei der Auslegung von Solaranlagen. Sie dienen aber auch der wirtschaftlichen und energetischen Bewertung des Anlagenbetriebs. Im Folgenden werden einzelne wichtige Kennwerte beschrieben. x Die Kollektorauslastung: Die Kollektorauslastung entspricht dem Verhältnis von täglichem Trinkwarmwasserbedarf zur installierten Kollektorfläche. Beim Einsatz von Flachkollektoren für die Trinkwassererwärmung in Großanlagen wird eine Auslastung von 70 Liter pro m2-Kollektorfläche empfohlen. Dies gilt für die Erwärmung von Kaltwasser von ca. 14 °C auf 60 °C. Im Rahmen einer umfangreichen Simulation mit dem Programm TSOL wurde am Zentrum für Solartechnik ZfS in Hilden für ein fiktives Wohngebäude mit einem sommerlichen Trinkwarmwasserverbrauch von 11 m3/d der Einfluss der Flachkollektorfläche auf den Nutzungsgrad N, den Zapfdeckungsgrad DZ (Zapfdeckungsanteil) und die solaren Nutzwärmekosten K untersucht. Wie Bild 12.23 zeigt, weisen die spezifischen solaren Nutzwärmekosten K bei dieser Auslastung ein Minimum auf. Diese Werte haben sich in der Praxis des ST-2000 Projektes weitgehend bestätigt. Für die Dimensionierung des Pufferspeichers in Anlagen diesen Typs kann von 40 Liter Speichervolumen pro m2-Kollektorfläche ausgegangen werden. 60 50 40 30 20 10 0 0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
Kollektorfläche in m² Nutzungsgrad [%]
Zapf-Deckungsanteil [%]
Kosten [Pf/kWh]
Bild 12.23: Einfluss der Flachkollektorfläche auf den Nutzungsgrad N, den Zapfdeckungsgrad DZ und die solaren Nutzwärmekosten K für ein fiktives Wohngebäude mit einem sommerlichen Trinkwarmwasserverbrauch von 11 m3/d in Anlehnung an [12.2].
Wie Bild 12.24 zeigt, bringt eine Überdimensionierung des Speichers nur wenig Effizienzgewinn. Ein Optimum läge hier bei 3 ÷ 4 m3 .
254
12 Solartechnik
N in % 50 40 30 20 10 0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Pufferspeichervolumen in m3 Bild 12.24: Einfluss des Pufferspeichervolumens auf den Systemnutzungsgrad N für ein Mehrfamilienhaus bei einer Auslastung von 70 Liter pro m2-Kollektorfläche in Anlehnung an [12.2].
Liter
Bild 12.25: Trinkwarmwasserverbrauch eines Studentenwohnheims für Werktage (Zapfprofil bei -WW = 60°C).
Typische Trinkwarmwasserverbrauchswerte bei 60 °C können für Krankenhäuser und Seniorenheime mit 30 bis 35 Liter/Vp/d (Vp entspricht Vollbelegungsperson, d.h. ganztägige Nutzung durch eine Person), für Studentenwohnheime, Bild 12.25 und Wohngebäude mit 20 bis 25 Liter/Vp/d angenommen werden. Bei bestehenden Gebäuden empfiehlt es sich in jedem Fall über mehrere Wochen in Schwachlastzeiten im Sommer eine Verbrauchsmessung durchzuführen. Wird das Trinkwasser mit weniger als 60 °C bereitgestellt, so müssen die Verbrauchswerte entsprechend korrigiert werden: Verbraucheff. = Verbrauchgem. (-WW -KW)/46 K. Mit -WW tatsächliche Warmwassertemperatur -KW tatsächliche Kaltwassertemperatur
Gl. 12.13
12.3 Solarthermische Energienutzung
255
x Der Kollektorkreisnutzungsgrad KKoll Der Kollektorkreisnutzungsgrad Kkoll gibt an, wieviel Wärmeleistung Q Koll pro eingestrahlter Solarstrahlungsleistung am Wärmetauscher an den Pufferkreis geliefert wird: Q ηKoll = Koll ⋅100% . QS
Gl. 12.14
Dieser Kennwert dient der Bewertung der Kollektoreffizienz. Hierzu ist es erforderlich, die zu messen. Globalstrahlungsleistung auf das Kollektorfeld Q S x Der Systemnutzungsgrad N N bewertet die Effektivität der Solaranlage zur Trinkwassererwärmung: Q N = N ⋅100% QS
Gl. 12.15
wird dabei im Trinkwasserkreis am Wärmetauscher gemessen. Der Nutzwärmestrom Q N
x Der solare Zapf-Deckungsanteil DZ (Zapfdeckungsgrad) DZ gibt an, welchen Leistungsanteil die Solaranlage zur Trinkwassererwärmung effektiv beisteuert. Q Gl. 12.16 DZ = N ⋅100% Q WW
Dabei ist Q WW der für die Erwärmung des Trinkwassers auf Solltemperatur erforderliche Wärmestrom. Die Zirkulationsverluste werden hier nicht berücksichtigt, da nur in Ausnahmefällen eine solare Erwärmung der Zirkulationsleitung wegen der hier erforderlichen hohen Arbeitstemperatur nicht sinnvoll erscheint.
x Die spezifischen Nutzwärmekosten K Die spezifischen Nutzwärmekosten K berechnen sich wie folgt: a ⋅I K= O QN
Gl. 12.17
mit: a = relative Annuität IO = Investitionskosten. Für die relative Annuität werden im ST-2000 Projekt 8,72 % (20 Jahre Lebensdauer bei 6 % Kapitalverzinsung) zugrunde gelegt und für die Investitionskosten werden die solaren wird der Jahresertrag der Solaranlage in kWh/a eingeAnlagenkosten angesetzt. Für Q N setzt. Dies kann bei realisierten Anlagen ein Messwert sein, bei den zu planenden Anlagen wird hier ein Schätz- oder Garantiewert eingesetzt. Die solaren Nutzwärmekosten sind ein wichtiger Kennwert für den Vergleich mit einer konventionellen Wärmeerzeugung auf Gas- oder Ölbasis! Im St-2000 Vorhaben werden Nutzwärmekosten unter 0,13 €/kWh angestrebt.
12.3.9 Beispiel einer solarthermischen Großanlage zur Trinkwasserbereitung 1999 wurde im Studentendorf Vauban in Freiburg eine solarthermische Anlage zur Trinkwassererwärmung in Betrieb genommen, Bild 12.26. Insgesamt stehen im Studentendorf 580 Betten zur Verfügung. Im Rahmen einer Solarthermie-2000 Förderung wurde eine Solaranlage mit 143 m2 Kollektorfläche und 6 m3 Pufferspeichervolumen installiert. Die Hydraulik wurde
256
12 Solartechnik
entsprechend der Variante mit Direkterwärmung (siehe Bild 12.22) gewählt. Um die Kondensationswärme des Gasheizkessels zu nutzen, wird bei dieser Anlage das Kaltwasser zu Rauchgaskühlung genutzt. Vor Beginn der Planung wurde der Warmwasserverbrauch über 8 Monate gemessen. In den Semesterferien im Sommer wurden ca. 10000 Liter/Tag gemessen. Bei einer empfohlenen Auslastung von 70 l/m2 Kollektorfläche ergaben sich 143 m2 Kollektorfläche. Bei diesen Randbedingungen brachte eine Hochrechnung mit dem Programm TSOL [12.10] einen solaren Jahresertrag QN von 81400 kWh bei einem Systemnutzungsgrad N von 42,5 %, Bild 12.27. Die solaren Anlagenkosten beliefen sich inklusive Planungskosten und MwSt. auf 111000 €. Daraus ergibt sich ein spezifischer Anlagenpreis von 778 €/m2-Kollektorfläche. Die spezifischen solaren Nutzwärmekosten K ergeben sich damit zu 0,12 €/kWh, Bild 12.28. Dieser Wert war von Anlagenersteller zu garantieren. Die Anlage wurde vom 1.8.99 bis 31.7.00 vermessen und bewertet. Dabei hat sich gezeigt, dass die Kollektorauslastung aufgrund eines erhöhter Warmwasserverbrauchs verdoppelt wurde. Als Folge davon ergab sich der Systemnutzungsgrad N zu 50,3 %. Der Jahresertrag konnte gegenüber der Vorausrechnung auf 93036 kWh erhöht werden, was die spezifische solaren Nutzwärmekosten auf K = 0,11 €/kWh verringerte. Der solare Jahres-Zapfdeckungsanteil DZ betrug aufgrund der hohen Auslastung lediglich 17,3 %. Somit kann hier von einem solaren Vorwärmesystem gesprochen werden.
Bild 12.26: Ansicht des Studenten Wohnheims Vauban in Freiburg mit einem Flachkollektorfeld mit 143 m2.
12.3 Solarthermische Energienutzung
257
Bild 12.27: Aufteilung der solaren Anlagenkosten im ST-2000 Projekt Studentendorf Vauban
Planung Montage und Inbetriebnahme Sonstige Komponenten Regelung Verrohrung Aggregate Keller Solare Pufferspeicher Wärmetauscher Verrohrung Kollektoren / WT Aufständerung Kollektoren inkl. Montage 0
50
100
150
200
250
300
350
Bild 12.28: Spezifische Kosten in [€/m2] ohne MWSt. Messergebnisse aus dem ST-2000 Projekt Studentendorf Vauban mit 143 m2 Kollektorfläche im Zeitraum 1.8.1999 bis 31.7.2000.
258
12 Solartechnik
12.4 Photovoltaik 12.4.1 Einführung Das Faszinierende an der Photovoltaik ist, dass es mit Hilfe einer Solarzelle möglich ist, Solarstrahlung auf direktem Wege in elektrischen Strom umzuwandeln, Bild 12.29. Ohne Zwischenprozesse, ohne Turbinen und rotierende Teile werden in der Solarzelle unmittelbar bewegliche Ladungsträger generiert und getrennt, also ein elektrisches Spannungspotential erzeugt. Faszinierend an der Photovoltaik ist aber auch ihre kurze Erfolgsgeschichte. Bild 12.29: Solarzelle unter Sonneneinstrahlung.
Entdeckt wurde der „Photovoltaische Effekt“ schon 1839 von einem französischen Physiker namens Becquerel und 1930 wurde sie von Schottky theoretisch analysiert. Doch erst in den 1950er Jahren wurde die Solarzelle für die Stromversorgung von Satelliten im Wettstreit der Nationen für die extraterrestrische Anwendung entwickelt. Im Laufe der 1970er Jahre wurden erste terrestrische Anwendungen erwogen. 1983 wurde von Fraunhofer-Institut ISE eine der ersten wissenschaftlich begleiteten PV-Anlagen im netzparallelen Betrieb in München („Haus Richter“) installiert. Heute ist Photovoltaik in Deutschland mit Hilfe des 100 000-DächerProgramms und des Energieeinspeisegesetzes EEG von 1999 nicht nur etabliert, sondern auch politisch erwünscht. Der Name Photovoltaik oder kurz PV ist eine Kombination aus dem griechischen Wort für Licht „Photo“ und dem Nachnamen des italienischen Pioniers der Elektrotechnik „Volta“. Von 1954 bis 2000 haben sich die Zellenwirkungsgrade von wenigen Prozentpunkten über heutige Standardzellen mit 15 - 17 % bis hin zu Rekordzellen mit wenigen cm2 Oberfläche mit Wirkungsgraden von bis zu 24 % entwickelt. Weltweit betrachtet kommt der PV vor allem bei der netzfernen Stromversorgung eine überragende Bedeutung zu. So genannte photovoltaische „Stand-Alone-Systeme“ versorgen abgelegene Funkstationen, spucken Parkscheine aus, pumpen Wasser in Vorratsbehälter und liefern Energie für die Beleuchtung und Telekommunikation für „Solar Home Systeme“. Hier ist die PV nahezu unschlagbar, da für den Betrieb der Solarsysteme keine Primärenergie wie Öl oder Gas, sondern eben nur Sonne benötigt wird. Ein entscheidendes Hemmnis bei der flächendeckenden Einführung der PV sind die derzeit noch relativ hohen Investitionskosten. Obwohl sich der Modulpreis von anfänglich 28 US$/Wpeak in 1978 inzwischen auf 3-4 US-$/Wpeak (Maximalleistung) verringert hat, liegen die
12.4 Photovoltaik
259
Stromgestehungskosten beim netzparallelen Betrieb um den Faktor 5-10 über den Preisen konventioneller Stromerzeugung. Übrigens bedeutete eine Steigerung der Modulproduktion um eine 10-er Potenz jeweils eine Halbierung der Modulpreisen. Im Bereich der ländlichen Elektrifizierung kann ein Solar Home System für ca. 1000 US-$ durchaus mit den Investitionskosten für einen konventionellen Stromanschluss konkurrieren. Allein der Preis von 1000 US-$ ist für die anvisierten Käufergruppen zu hoch. Hier müssen zusätzliche Finanzierungsangebote geschaffen werden. Mit jährlichen Zuwachsraten von ca. 20 % boomt der PV-Markt und die Zell- und Modulhersteller werden demnächst 1 Milliarde US$ Jahresumsatz erreichen. Im Jahre 2000 wurden weltweit 255 MWpeak ausgeliefert!
12.4.2 Aufbau und Funktionsweise einer Solarzelle Solarzellen werden heute zumeist aus Silizium (Si) hergestellt. Silizium ist ein besonders geeignetes Halbleitermaterial und kommt als zweithäufigstes Element auf der Erde in Form von Quarz und Quarzsand vor.
Bild 12.30: p-n-Silizium
Für Solarzellen wird hochreines Si verwendet. Eine Si-Solarzelle besteht aus zwei Schichten, die durch gezielte Verunreinigung von Si mit z.B. Bor und Phosphor entstehen. Jede Schicht hat unterschiedliche elektrische Eigenschaften: es gibt eine p-Siliziumschicht (Basis) und eine n-Siliziumschicht (Emitter), Bild 12.30. An der Grenzschicht zwischen den beiden Schichten wirken elektrische Feldkräfte. Bei Beaufschlagung der Si-Solarzelle mit Solarstrahlung entstehen im p-n-Silizium bewegliche Ladungsträger: Elektronen mit negativer Ladung und „Löcher“ mit positiver Ladung. Durch die Feldkräfte an der Grenzschicht werden die Ladungsträger getrennt. In Folge der Ladungstrennung baut sich zwischen den beiden Schichten eine elektrische Spannung auf, die über Metallkontakte abgegriffen und an einen Verbraucher angeschlossen werden kann. Fließt ein elektrischer Strom über den Verbraucher, wandern Elektronen vom Emitter in die Basis und rekombinieren dort mit den „Löchern“. Der Vorgang der Ladungstrennung kann nun von Neuem beginnen. Bei der Ladungstrennung und Rekombination wird kein Material verbraucht oder verschlissen. Photovoltaik stellt somit eine beliebig wiederholbare, nachhaltige Art der Stromerzeugung dar!
12.4.3 Solarzellentechnologie Bei monokristiallinen Si-Zellen (runde Form) wird Quarzsand (SiO2) geschmolzen und gereinigt. Aus der Schmelze wird ein Einkristall mit einem Durchmesser von ca. 10 cm gezogen. Das Solarsilizium weist dabei einen Reinheitsgrad von 99,99998 % auf, das heißt unter 10 Millionen Si-Atomen sind 2 Fremdatome. Aus dem Einkristall werden schließlich 300 bis 500 Pm dicke Si-Scheiben gesägt, die so genannten Wafer.
260
12 Solartechnik
Polykristallines Si wird in Blöcken gegossen und durch Trennschleifen in Si-Wafer zerlegt. Die polykristalline Struktur ist deutlich an der Oberfläche der quadratischen Zellen erkennbar. Bedingt durch die höhere Verunreinigung des Si vor allem an den Korngrenzen, weisen polykristalline Si-Solarzellen gegenüber den mono-Si-Zellen einen geringeren Wirkungsgrad auf. Tab. 12.1: Wirkungsgrade marktrelevanter Solarzellentypen [12.5]. Bezeichnung
Kristallin
Dünnschicht
Maximaler ZellWirkungsgrad im Labor (1-4 cm2)
Maximaler Zell-Wirkungsgrad Serienfertigung (100-150 cm2)
Monokristallines Silizium
X
25%
15-17,5%
Polykristallines Silizium
X
21%
14-15% 5-7%
Amorphes Silizium
X
12%
Kupfer-Indium-Selenid CIS (CIGS
X
11-18%
Cadmium-Tellurid (CdTe)
X
8-15%
8-9% Pilotproduktion
Galliumarsenid (GaAs)
X
23-30%
Kleinserienproduktion (Weltraumnutzung)
10-13% Pilotproduktion
Si kann auch als amorphes, also nicht kristallines Material, sogenanntes a-Si, für Solarzellen benutzt werden. Da a-Si im Unterschied zu kristallinem Si eine direkte Absorption der Solarstrahlung ermöglicht, können hier sehr dünne Si-Schichten verarbeitet werden. In der Regel wird a-Si mit einer Schichtdicke von wenigen Mikrometern auf ein Substrat wie Glas aufgetragen. Dadurch sind die Abmaße der Zellen nicht fest vorgegeben wie bei kristallinem Si. Typische Anwendungsfelder für a-Si sind Kleingeräte wie Uhren, Taschenrechner oder Ladegeräte. Der Zellenwirkungsgrad liegt mit 4 bis 8 % deutlich unter dem für kristallines Si. Zu den Dünnschicht-Solarzellen zählen auch die hocheffizienten GaAs-Zellen und KalkopyritVerbindungen wie CuInSe2 (CIS-Zellen). Beide Materialien ermöglichen die direkte Lichtabsorption und die Solarzellen können als Dünnschichtzellen ausgeführt werden. Während die hocheffiziente GaAs-Zelle (bis zu 28 % Zellenwirkungsgrad) eher im extraterrestrischen Bereich bei der Versorgung von Satelliten und Raumstationen Anwendung findet, werden heute in Deutschland CIS-Zellen für den Konsumentenmarkt produziert. Durch neuartige Fertigungsprozesse und flexible Bauformen bei einem Modulwirkungsgrad von bis zu 15 % kann auf diesem Wege eine Alternative zur Si-Technologie entstehen.
12.4.4 Leistungsfähigkeit von Solarzellen Bei voller Sonneneinstrahlung (1000 W/m²) fallen auf eine Zelle mit 10 x 10 cm Oberfläche 10 W Strahlungsleistung. Eine marktgängige kristalline Si-Solarzelle dieser Größe liefert dann ca. 1 - 1,5 Watt-elektrisch oder 1 bis 1,5 Wattpeak. Der Zusatz „Peak“ bedeutet hier „Spitzen“-Leistung.
Bild 12.31: Solarzellen-Kennlinie bei unterschiedlichen Einstrahlungen
12.4 Photovoltaik
261
Dies entspricht 10 bis 15 % Zellenwirkungsgrad. Eine hocheffiziente Rekordzelle gleichen Typs liefert im Labor bis zu 2,3 Wattpeak. Bei halbierter Einstrahlung gibt die Solarzelle auch die halbierte elektrische Leistung ab! (siehe Bild 12.31) Bild.12.32: Versuchsaufbau zur Untersuchung einer Solarzelle in Anlehnung an [12.4].
R = 0 Ohm (Kurzschluss): U = 0 V, I = ISC = 2 A, P = 0 Watt. R = 0,13 Ohm: U = 0,25 V, I | ISC, P = 0,48 Watt. R = 0.3 Ohm: I = 1,7 A = IMPP, U = 0,5 V = UMPP, P = Pmax = 0,85 Watt. R = 1 Ohm: I = 0,57 A, U = 0,57 V | UOC, P = 0,32 Watt. R = f (offener Verbraucherstromkreis bzw. Leerlauf): I = 0 A, U = UOC = 0,6 V, P = 0 Watt.
262
12 Solartechnik
Eine detaillierte Betrachtung der Leistungsfähigkeit der Solarzelle ermöglicht die Darstellung des Verlaufs des elektrischen Stroms I in Abhängigkeit der Spannung an der Solarzelle bei Bestrahlung mit Sonnenenergie: die I-U-Kennlinie. Mit Hilfe eines „geistigen Experiments“ kann das elektrische Verhalten einer beleuchteten Solarzelle anhand der I-U-Kennlinie nachvollzogen werden. Bild 12.32 zeigt einen Versuchsaufbau zur Untersuchung einer Solarzelle. Durch Verstellen des Verbraucherwiderstandes R und Ablesen von Strom I und Spannung U kann die I-U-Kennlinie zur Charakterisierung der Solarzelle erstellt werden (siehe Bild 12.32). Bild 12.32 zeigt die I-U-Kennlinie einer Si-Solarzelle bei Beleuchtung. Dabei ist UOC die Leerlaufspannung, also die maximale Spannung bei geöffnetem Verbraucherkreis. ISC stellt den Kurzschlussstrom, also den maximalen Strom bei kurzgeschlossenem Verbraucher dar. Die Solarzelle sollte möglichst im MPP-Betriebspunkt (Maximum Power Point) betrieben werden, da hier das Produkt, UMPP x IMPP maximal ist. Dabei liegt IMPP bei ca. 0,85 – 0,95 ISC und UMPP bei ca. 0,75 – 0,9 UOC. Die Krümmung der Kurve ist bedingt durch den Verlauf der I-U-Kennlinie sowie durch herstellungsbedingte Faktoren. Sowohl I als auch U sind von der Zellentemperatur abhängig. Während der Strom ISC bei SiZellen einen positiven Temperaturkoeffizienten aufweist (kI = 0,07 %/K) ist der Temperaturkoeffizient für die Spannung UOC negativ und relativ hoch (kU = 0,4 %/K). Entsprechend nehmen die Verlustströme bei hohen Zellentemperaturen zu und die Zellenleistung ab. Die Kenndaten von Solarzellen, bzw. Solarmodulen werden bei STC-Bedingungen (Standard Test Conditions) angegeben. STC meint: x 25 °C Zellentemperatur x 1000 W/m2 Einstrahlung x AM 1,5. Mit AM 1,5 wird die Schichtdicke bzw. der Strahlungsdurchgang der Sonnenstrahlung durch die Erdatmosphäre in Mitteleuropa berücksichtigt. Die Modulleistung wird entsprechend in Wattpeak (Wp), also Maximalleistung bei STC angegeben.
12.4.5 Verschalten von Solarzellen Da Solarzellen relativ geringe Lehrlaufspannungen UOC aufweisen (mono-Si-Zellen: 0,6 V) werden sie zur Nutzung in Solargeneratoren zu Modulen verschaltet. Bei einer Serienverschaltung addieren sich die Spannungen der einzelnen Zellen, während der Strom durch jede Zelle gleich ist. Dabei bestimmt die schlechteste Zelle den Strom und damit die Leistung der gesamten Reihenschaltung, Bild 12.33. Entsprechend addieren sich bei einer Parallelschaltung die Ströme durch die einzelnen Zellen und die anliegende Spannung ist bei allen Zellen gleich, Bild 12.33. In Solarmodulen liegen Parallel- und Reihenschaltungen von Solarzellen vor.
12.4 Photovoltaik
263
Serienschaltung
Parallelschaltung
Serienschaltung
Parallelschaltung
Bild 12.33: Verschalten von Solarzellen
264
12 Solartechnik
Durch diese Verschaltung können Probleme entstehen. Fällt zum Beispiel bei einer Reihenschaltung eine Zelle aus (Abschattung, Abdeckung durch ein Blatt) wird die ausgefallene Zelle zum Stromverbraucher. Bei niedrigen Spannungen weist sie einen hohen Innenwiderstand auf. Liegt eine hohe Spannung an der Zelle an, wird die Zelle leitend und es entsteht Wärme („Hot Spot“). Die Wärmeentwicklungen kann zu bleibenden Schäden in Solarmodulen führen. Als Schutzmaßnahmen gegen „Hot Spots“ werden vom Modulhersteller Bypassdioden parallel zu den Zellen geschaltet (siehe Bild 12.34). Die Modulherstellung selbst ist sehr aufwändig und auf eine große Standzeit des Solargenerators ausgerichtet. Heute geben Modulhersteller Leistungsgarantien von bis zu 25 Jahren. Die verschalteten Zellen werden in Kunststoff eingebettet und verglast. Das PV-Modul verfügt in der Regel über einen Metallrahmen und eine Anschlussdose an der Rückseite, vgl. auch Tab. 12.2. Entsprechend der Verschaltung von Solarzellen können auch PV-Module zu PVGeneratoren verschaltet werden.
Bild 12.34: Schutzmaßnahme Bypassdiode gegen „Hot Spot“.
12.4 Photovoltaik Tab. 12.2: Datenblatt PV-Modul (aus Herstellerunterlagen Siemens Solar GmbH)
265
266
12 Solartechnik
12.4.6 Photovoltaische Systeme PV-Generatoren werden in einer Vielzahl von Energieversorgungssystemen eingesetzt: x Direkte Gleichstromversorgung: Einfache Antriebe, Pumpen, Ventilatoren, etc. x Direkte Gleichstromversorgung mit Anpasswandler: Großpumpen, Elektrolysenanlagen x Direkte Wechselstromversorgung mit Wechselrichter: Wechselstromgeräte, Netzparallelbetrieb mit Einspeisezähler und Netzüberwachung x Aufwendige Inselsysteme mit Akkumulatoren Laderegler und Zusatzgeneratoren (Windoder Dieselgeneratoren) und Wechselrichter: Stromversorgung von Alpenhütten, Solar Home Systeme Messstationen, Telekommunikationseinrichtungen. Die Einsatzgebiete sind äußerst vielfältig. Während in Deutschland, mit einem gut funktionierenden Stromnetz der Netzparallelbetrieb dominiert, ist bei weltweiter Betrachtung gerade die netzferne Versorgung mit Solarstrom von großer Bedeutung. Vielerorts ersetzen PV-Generatoren Dieselgeneratoren, deren Versorgung mit Dieselöl aufwendig und kostenintensiv ist. PVPumpen unterstützen die Landwirtschaft und Solarstrom ermöglicht die Beleuchtung abgelegener Dörfer sowie deren Anschluss an die Außenwelt durch solarversorgte Telekommunikationseinrichtungen. Für die Dimensionierung von PV-Inselanlagen (Stand Alone Systems) stehen heute zahlreiche Simulationsprogramme zur Verfügung. Damit können alle Arten von PV-Inselsystemen, von der netzfernen Messanlage mit der Forderung nach 100 %-er Versorgungssicherheit, bis hin zur energieautarken Alpenhütte optimal dimensioniert werden. In Deutschland haben sich solarversorgte Kleingeräte in Nischenanwendungen wie Parkuhren und Staumeldern an Autobahnbrücken etabliert. Ein Netzanschluss derartiger Geräte wäre im Vergleich zur PV-Versorgung zu teuer.
12.4.7 Netzparallele PV-Anlagen Seit Anfang 2000 sorgt in Deutschland das 100 000-Dächer-Förderprogramm zusammen mit dem Energieeinspeisegesetz EEG für eine Aufbruchstimmung auf den PV-Markt mit jährlichen Zuwachsraten von 50 %. Das EEG garantiert Betreibern von PV-Generatoren, die ihren Solarstrom ins Netz einspeisen, eine annähernd kostendeckende Vergütung der eingespeisten kWh mit einem Preis 0,574 € pro kWh für Aufdachanlagen bis 30 kW, bei Installation im Jahre 2000. Bei späterer Installation fällt dieser Preis pro Jahr um 5 % ab. Das 100000-Dächer-Förderprogramm finanziert die Investition mit günstigen Krediten. Kostenrechnungen zeigen, dass sich durch diese Maßnahmen netzparallele PV-Anlagen nach 12 bis 14 Jahren amortisieren können. Der Systemaufbau einer netzparallelen PV-Anlage ist in Bild 12.35 dargestellt. Daraus geht hervor, dass ein derartiges System über zwei Stromzähler verfügt: den Bezugs- und den Einspeisezähler. Entsprechend kann der eingespeiste und der bezogene Netzstrom gesondert mit dem jeweiligen Energieversorgungsunternehmen EVU abgerechnet werden. Seit 1983 gibt es in Deutschland netzparallel betriebene PV-Anlagen. Für die Anpassung des Solarstromes an die Netzbedingungen mit 230 V Wechselspannung bei 50 Hz sind in netzgekoppelten PV-Systemen Wechselrichter erforderlich. Während anfänglich nur wenige, meist ineffiziente Wechselrichter für die Netzeinspeisung zur Verfügung standen, steht heute eine Vielzahl hocheffizienter Wechselrichter zur Verfügung. Um einen hohen Systemwirkungsgrad zu erhalten, müssen die Wechselrichter auch im Teillastbetrieb mit hoher Effizienz arbeiten.
12.4 Photovoltaik
267
Bild 12.35: Systemaufbau PV im Netzverbund
Ein Maß hierfür ist der so genannte europäische Wirkungsgrad. Er berücksichtigt die Verteilung der Solarstrahlung in Mitteleuropa und gewichtet entsprechend die Betriebspunkte des Wechselrichters. Der europäische Wechselwirkungsgrad sollte über 90 % liegen.
Bild 12.36: Wechselrichter-Symbol
Der Wechselrichter führt den Betrieb des PV-Generators. Im Wechselrichter sorgt ein MPPRegler („MPP-Tracker“) für die Anpassung des Wechselrichters an den Punkt der maximalen Leistung. Wechselrichter dürfen bei einem Netzausfall nicht ungehindert ins Netz einspeisen. Mit so genannten ENS-Schaltungen überwacht der Wechselrichter automatisch das Netz und schaltet ab, wenn eine Störung im Netz vorhanden ist. Netzparallele PV-Anlagen mit ENSWechselrichter benötigen daher keine technische Vorort-Abnahme durch das örtliche EVU. Der ENS-Standard bzw. die Einhaltung der VDEW-Richtlinien sorgen hier für einen sicheren Betrieb.
12.4.8 Evaluation von PV-Systemen Zum Vergleich von PV-Anlagen mit PV-Generatoren unterschiedlicher Hersteller und für unterschiedlichster Anwendungen wird die Kennzahl Final Yield Yf (Spezifischer Ertrag) gebildet: Yf =
E PV,use PPV,peak ⋅ t d
Gl. 12.18
268
12 Solartechnik
mit: EPV,use PPV,peak td
nutzbarer Solarenergieertrag (gemessen) installierte Generator Leistung unter STC lt. Hersteller Messperiode (i.d.R. ein Jahr).
Bei netzparallelen Systemen in Deutschland wurden im Rahmen des 1000-Dächerprogrammes Yf -Werte um 800 kWh/ kW/Jahr gemessen [12.6]. Optimal installierte Anlagen erreichen 900 - 1000 kWh/kW/Jahr. PV-Inselanlagen ohne Zusatzgeneratoren erreichen, bedingt durch die ungünstige Auslastung, Yf -Werte 130 - 220 kWh/ kW/Jahr. Mit Hilfe der Performance Ratio PR kann die Ausnutzung des vom Modulhersteller in Form des Modulwirkungsgrades vorgegebenen Potentials gegenüber dem Realbetrieb überprüft werden.
PR =
E PV,use ηModul ⋅ESol ⋅A PV
Gl. 12.19
mit: PR KModul ESol APV
Performance Ratio Modulwirkungsgrad Summe der eingestrahlten Sonnenenergie in Modulebene pro m2 installierte PV-Generatorfläche
Bei netzparallelen PV-Anlagen werden hier PR-Werte um 78 % erreicht, während PV-Inselanlagen ohne Zusatzgeneratoren PR-Werte um 7 - 32 % aufweisen. Das Potential kann also bei Inselanlagen nur zum Teil ausgeschöpft werden. Dafür erhöht sich die Versorgungssicherheit.
Literatur zu Kapitel 12 [12.1]
Peuser, F. A., et al., Langzeiterfahrungen mit thermischen Solaranlagen, ZfS-GmbH Hilden, 1997 [12.2] Peuser, F. A., et al., Solare Trinkwassererwärmung mit Großanlagen – ein Informationspaket, Hrsg. FIZ Karlsruhe, TÜV-Verlag Köln, 1999 [12.3] Fisch, N., et al., Solarstadt, Kohlhammer Verlag Stuttgart, 2001 [12.4] Ladener, H., Solare Stromversorgung, ökobuch Verlag Staufen, 1995 [12.5] BINE-Infodienst bildung&energie 3, Photovoltaik, FIZ Karlsruhe, 1999 [12.6] BINE-Profi Info-Service, MuD Programm, FIZ Karlsruhe, 1993 [12.7] Shell-AG Hamburg, Energie im 21 Jahrhundert, aktuelle Wirtschaftsanalysen 5, Heft 25, 1995 [12.8] Iqbal, M., An Indroduction to Solar Radiation, Academic Press, Toronto, 1983 [12.9] Cooper, P.I.,The Absorption of Solar Radiation in Solar Stills, Solar Energy, 12, 3, 1969 [12.10] Valentin Energiesoftware, www.valentin.de
269
13 Windenergie Die Griechen bauten wahrscheinlich schon im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung Windmühlen. Ab dem Jahr 600 n. Chr. sind sie mit vertikalen Drehachsen in Persien bekannt. Weit früher wurde die Windenergie zum Antrieb von Schiffen verwendet. Die Niederlande nutzten im 17. und 18. Jahrhundert Windmühlen, um ihre Landflächen durch Leerpumpen eingedeichter Flächen zu vergrößern. In Deutschland bewirkte das EEG einen enormen Zuwachs an Windanlagen, da es die in das öffentliche Netz eingespeiste elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen hoch vergütet. Im Jahr 2003 waren in Deutschland 14.600 MW an Windkraftanlagen installiert (11,7 deutschen % der Stromerzeugungskapazität), deren abgegebene Energie mit 4,3 % zur deutschen Stromerzeugung beigetragen hat [1.5].
13.1 Grundlagen Luftströmungen werden durch Temperatur- und Druckunterschiede in der Atmosphäre hervorgerufen. Die Solarstrahlung führt je nach Oberflächenstruktur zur lokal und regional unterschiedlichen Erwärmung der Erdoberfläche. Die entstehenden Temperaturunterschiede rufen über Auftriebseffekte eine Strömung und Druckdifferenzen hervor. Sekundäre Einflüsse sind die kontinentalen Erhebungen. In Höhen über 1000 m sind weitgehend stabile Windsysteme, die geostrophen Winde, nachweisbar, die sich der energetischen Nutzung entziehen.
Bild 13.1: Relative Häufigkeit der Windgeschwindigkeit an verschiedenen Standorten in Deutschland
Schätzungsweise 2 % der auf die Erde eingestrahlten Sonnenleistung wird in kinetische Energie der Luft umgewandelt. Dies ist eine Leistung von ca. 3,5 · 109 MW [13.1]. Nur bodennahe Luftströmungen lassen sich energetisch nutzen. Die mittleren Windgeschwindigkeiten wurden in Deutschland flächendeckend in einer Standardhöhe von 10 m vermessen, was die Windtopologie ergibt, wo Zonen hoher Windgeschwindigkeiten markiert sind [13.2]. Hohe Windgeschwindigkeiten treten in Gebirgen und an der Küste auf. In Küstengebieten tritt tagsüber ein anlandiger Wind auf, da sich das Festland stärker als die Wasseroberfläche erwärmt. Die warme Luft steigt über der Bodenfläche auf und zieht die kalte Luft vom Meer an. Nachts hinge-
270
13 Windenergie
gen kühlt die Festlandoberfläche stärker ab, so dass die Luft über dem Wasser aufsteigt – es gibt ablandigen Wind. Die Windgeschwindigkeiten unterliegen saisonalen, täglichen und örtlichen Unterschieden. Zur Beurteilung eines Standorts sollten mehrjährige Messwerte vorliegen. Mittelwerte der Windgeschwindigkeiten sind für energetische Zwecke bedingt aussagekräftig, da die Windleistung proportional der dritten Potenz der Geschwindigkeit ist (Abschn. 13.2). Bild 13.1 zeigt die relative Häufigkeit der Windgeschwindigkeit an drei verschiedenen Standorten [13.3] in 10 m Höhe. An der Küste ist die häufigste Windgeschwindigkeit 4 m/s und im Mittelgebirge etwa 2 m/s. Nicht ersichtlich sind die zeitlichen Variationen der Windgeschwindigkeiten. So können sich die Windgeschwindigkeiten abrupt ändern, was von Windturbinen verkraftet werden muss. Durch Grenzschichteffekte in der rauen Erdoberfläche nimmt die Strömungsgeschwindigkeit mit zunehmendem Abstand z von der Erdoberfläche zu. Näherungsweise kann das höhenabhängige Windprofil durch einen Potenzansatz beschrieben werden [13.4]: c(z) = c10 · (z/10 m)a
Gl. 13.1
c10 ist die Windgeschwindigkeit in z = 10 m über der Erdoberfläche, a ein dimensionsloser Parameter, abhängig von Bodenrauigkeit und lokalen Gegebenheiten. Übliche Werte: 0,15 < a < 0,4. Raue Oberflächen ergeben geringe a-Werte. Solche Beziehungen sind nur für geringe Höhendifferenzen um den Bezugspunkt zuverlässig. Bild 13.2 ist typisch für einen Küstenstandort. Dies zeigt, dass die Rotoren in möglichst großer Höhe aufgestellt werden sollten.
Bild 13.2: Windprofil über der Höhe, berechnet mit a = 0,35 und c10 = 6 m/s
13.2 Windleistung und nutzbare Leistung Die spezifische kinetische Energie ekin einer Strömung ist: ekin = ½ c2
Gl. 13.2
R der Luft, die durch die StrömungsfläDie Windleistung ergibt sich mit dem Massenstrom m che A, normal zur Strömungsrichtung, strömt. Da der Einfachheit halber nur stationäre, eindimensionale Strömungen betrachtet werden, ist die Kontinuitätsgleichung: = c · ȡ· A m
ȡ ist die Dichte der Luft (1,2 d ȡ d 1,3
Gl. 13.3 kg/m3).
Damit ist die gesamte Windleistung P · ekin = ½ ȡ· A · c3 P= m
Gl. 13.4
13.3 Bauarten von Windkonvertern
271
Die Windleistung ist also proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit c. Die Leistung nach Gl. 13.4 bedingt eine Abbremsung auf c = 0. Das ist nicht möglich, da die Luftmasse abströmen muss. Die gewinnbare Windleistung PW ist aus der Differenz der kinetischen Energien ǻekin zu berechnen, mit den Geschwindigkeiten vor und nach dem Windenergiekonverter WEK c1 bzw. c2: PW = m· ǻekin = ½ ȡ· A · c · ǻc2
Gl. 13.5
Es hat sich bewährt, die Leistung von ausgeführten Windenergiekonvertern WEK nach Gl. (13.4) mit einem Leistungsbeiwert CP < 1 zu beschreiben: PWEK = ½ CP · ȡ· A · c3
Gl. 13.6
Der Leistungsbeiwert CP ist Maß für die Güte eines WEK. Mit der Potentialtheorie für reibungsfreie Strömung lässt sich die maximal nutzbare Windleistung bzw. der maximale Leistungsbeiwert CP herleiten: CPmax = 16/27 § 0,59
Gl. 13.7
Dieser Wert wird Betz-Faktor genannt. Der Beiwert realer Windkonverter ist geringer, da Reibungs-, Ablöse-, Widerstands- und mechanische Verluste hinzukommen. Die Herleitung von Betz [13.5] ist im Anhang erläutert.
13.3 Bauarten von Windkonvertern Die Anlagengröße ist stetig angewachsen. Zur Zeit sind Windkonverter von 5 MW im kommerziellen Angebot. Dominierend sind Auftriebsläufer mit horizontaler Rotorachse, meist mit drei Flügeln.
13.3.1 Widerstandsläufer Für die Energieversorgung sind Widerstandsläufer ohne Bedeutung, sie werden nur der Vollständigkeit halber aufgeführt. Bekannteste Vertreter sind Geschwindigkeitsanemometer, Bild 13.3, mit Halbkugeln. Die hohle Halbkugel hat auf der konkaven Seite einen geringeren Strömungswiderstand als auf ihrer hohlen, konvexen Seite. Savonius-Rotoren sind aus zwei zylindrischen Halbschalen zusammengesetzt, Bild 13.4. Widerstandsläufer weisen geringe Wirkungsgrade auf, selbst wenn die gegen den Wind drehende Seite abgedeckt ist.
Bild 13.3: Widerstandsläufer mit Halbkugeln
Bild 13.4: Savonius-Rotor
13.3.2 Auftriebsläufer Beste Wirkungsgrade weisen die Auftriebsläufer auf, bei denen die Flügel zur Windströmung unter einem Winkel angestellt werden. Der entstehende Auftrieb bewegt den Flügel um seine horizontale Achse. Bild 13.5 zeigt vertraute dreiflüglige Windturbinen.
272
13 Windenergie
Bild 13.5: Dreiflüglige Auftriebsläufer in einem Windpark
Bild 13.6 skizziert die Geschwindigkeitsverhältnisse (Geschwindigkeitsdreiecke) an einer Stelle r (Abstand von Nabenmitte) eines sich mit der Umfangsgeschwindigkeit u=Ȧr=2ʌnr
Gl. 13.8
drehenden Flügels. Hierbei ist Ȧ die Winkelgeschwindigkeit, n die Drehzahl. Vektoren sind unterstrichen. Die absolute Windgeschwindigkeit (Flügel-Anströmgeschwindigkeit1) c1 ist die vektorielle Summe der Umfangsgeschwindigkeit u und der relativen Anströmgeschwindigkeit w1 des Flügels, wie ihn ein mitdrehender Beobachter bemerkt: c1 = u + w1 (Vektoraddition)
Gl. 13.9
Die absolute Abströmung c2 hat eine Richtungsänderung und eine Verzögerung gegenüber der Anströmung c1 erfahren. Die Differenz der kinetischen Energie wurde in mechanische Energie des Rotors umgesetzt.
Bild 13.6: Geschwindigkeitsverhältnisse am drehenden Flügel
Der Flügel ist zur relativen Anströmung angestellt, was ihm Auftrieb gibt und ihn dreht. In Nabennähe sind die Beträge von r und damit von u gering. So ergeben sich unterschiedliche relative Anströmungen über der Flügellänge, wie in Bild 13.7 verdeutlicht. Um entlang des 1 Die absolute Anströmung der Flügel ist geringer als die Windgeschwindigkeit, da der Wind schon
abgebremst wurde. Die optimale Windgeschwindigkeit in Rotorebene ist ca. 2/3 der ungestörten Windgeschwindigkeit (siehe Anhang zu diesem Kapitel).
13.3 Bauarten von Windkonvertern
273
Flügels hohen Auftrieb zu erzielen, muss dieser über seiner Höhe verdreht sein. In Nabenmitte ergeben sich hohe Umlenkungen. Um Strömungsablösung zu vermeiden, ist das Flügelprofil für eine sanfte Umlenkung breit. An der Spitze ist die Umlenkung bei hohem u gering, so dass keine Ablösegefahr herrscht und dort eine geringe Flügelbreite ausreicht.
Bild 13.7: Strömungsverhältnisse in Nabennähe N, Flügelmitte M und Flügelspitze Sp mit zugehöriger örtlicher Flügelblattstellung
Bild 13.8: Auftriebsparameter
2
Auftriebsbeiwert CA
12 0 10 0
Die Auslegung geschieht mit Hilfe des Polardiagramms für Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte CA, CW, Bild 13.9, wobei die relative Anströmgeschwindigkeit w1 auf den Flügel wirkt. CA = FA/(ȡAw12/2) CW = FW/(ȡAw1
1 α=
2/2)
Gl. 13.10 Gl. 13.11
Mit w1 relative Anströmung, FA, FW Auftriebs- bzw. Widerstandskraft, wobei FA senkrecht zu w1 und FW in Richtung w1 zeigt, A Strömungsfläche des Flügels, ȡ Dichte des Strömungsfluids (Bild 13.8).
50
00 0 – 50 10 5 15·10 –3 Widerstandsbeiwert C W
Bild 13.9: Charakteristisches Polardiagramm für ein Flügelprofil, Į: Flügel-Anstellwinkel
Der Auftriebsbeiwert hängt von der Anstellung zur Anströmung, im Falle des rotierenden Flügels zur Relativgeschwindigkeit w1, ab. Größere Anstellwinkel Į erhöhen den Auftrieb. Bei zu großem Anstellwinkel reißt die Strömung ab und der Auftrieb nimmt ab, siehe Bild 13.9 und Bild 13.8. Deshalb ist bei der Auslegung für Normalbetrieb ein Anstellwinkel Į in hinrei-
274
13 Windenergie
chendem Abstand zum Strömungsabriss zu wählen. Dieser Strömungsabriss kann andererseits zur Regelung eingesetzt werden. Das Polardiagramm ist je nach Flügelprofilierung unterschiedlich. Reynolds- und Turbulenzwerte haben untergeordnete Einflüsse. Die Flügelprofile, z.B. Göttinger- oder NACA-Profile, sind katalogisiert und systematisch untersucht. Hütter untersuchte schon früh die Charakteristik verschiedener Profile für Windturbinen [13.6]. Der Turbinenrotor muss in die Windanströmung gerichtet werden. Nur bei kleinen Anlagen sind Windfahnen angebracht, bei großen wird das Maschinenhaus auf einem Zahnkranz dem Wind motorisch nachgefahren. Bei mittelgroßen Anlagen kann das Nachfahren auf dem Zahnkranz auch durch ein Seitenwindrad bewirkt werden.
13.3.3 Darrieus-Rotor Der Darrieus-Rotor ist ein besonderer Auftriebsläufer. Die geraden oder gekrümmten Flügel drehen um eine horizontale Achse. Bild 13.10 zeigt eine Anlage der Fa. Dornier, 30 kW, 12 m Durchmesser. Ein Analogon als Arbeitsmaschine ist der Voith-Schneider-Schiffspropeller [13.7]. Die Flügel des Darrieus-Rotors erfahren einen Auftrieb FA, der exzentrisch des Drehmittelpunktes mit dem Hebelarm lA angreift und damit ein Drehmoment MA erzeugt, wie in Bild 13.11 veranschaulicht. Ebenso bewirkt die Widerstandskraft FW ein Moment MW, das je nach momentaner Flügelposition antreibend oder bremsend wirken kann. Die Geschwindigkeitsdreiecke sind in Bild 13.11 skizziert. Die ausgeführten Anlagen haben keine aktive zyklische Flügelverstellung wie der Voith-Schneider-Propeller (für Schiffsantriebe eingesetzt), was bessere Wirkungsgrade ergeben würde.
Bild 13.10: Darrieus-Rotor, Fa. Dornier
13.4 Charakteristik von Windturbinen
275
c1: Absolute Windanströmung w1: Relative Flügelblattanströmung u: Umfangsgeschwindigkeit des Flügels Į: Anstellwinkel Ȧ: Winkelgeschwindigkeit FA: Auftriebskraft FW: Widerstandskraft lA: Hebelarm MA: Rotor-Drehmoment durch FA
Bild 13.11: Geschwindigkeits- und Kräfteverhältnisse eines Darrieus-Rotors
13.4 Charakteristik von Windturbinen Die Relation von Umfangs- zu Anströmgeschwindigkeit, Schnelllaufzahl Ȝ genannt, bestimmt die Flügelanzahl: Gl. 13.12 Ȝ = uSp/c0 Hierbei ist uSp die maximale Umfangsgeschwindigkeit an der Flügelspitze. Mit systematischen Untersuchungen zeigte zuerst Hütter [13.8] den Zusammenhang von Leistungsbeiwert CP und Schnelllaufzahl, der in Bild 13.12 für verschiedenartige Windrotoren widergegeben ist. Bild 13.12 gilt nur für optimal ausgelegte Rotoren. Auftriebsläufer hoher Schnelllaufzahl (Schnellläufer) haben hohe Leistungsbeiwerte. Rotoren mit wenigen Flügeln müssen schnell drehen, um möglichst alle die Rotorfläche passierenden Strömungselemente umzulenken und für den Auftrieb zu nutzen. Demgegenüber laufen Vielflügler wie die Western Mill bei geringen Drehzahlen und mit hohem Drehmoment an, so dass diese in Gegenden mit geringer Windgeschwindigkeit vorzuziehen sind.
Bild 13.12: Leistungsbeiwert als Funktion der Schnelllaufzahl
276
13 Windenergie
13.5 Regelung und Netzeinbindung Die Nennleistung von Windturbinen ist deren maximale Leistung, die i.A. bei einer Windgeschwindigkeit von 12 m/s erreicht ist. Die Anlage wird bei darüber hinaus gehenden Geschwindigkeiten abgeregelt, Bild 13.13. Als Leistungsbegrenzung haben sich zwei Methoden bewährt: x Passive Stallregelung x Aktive Pitchregelung
Elektrische Leistung
Stall
Pitch
0
12 m/s 24 Windgeschwind. c1
Bei der Stallregelung, bei starren Flügeln und konstanten Drehzahlen (Synchrongenerator) angewandt, wird der natürliche Strömungsabriss an den Flügeln bei starker Abweichung vom Auslegungspunkt genutzt. Zu beachten ist deren starke Hysterese und deren geringe Zuverlässigkeit bei Böen. Bei der Pitchregelung werden die Flügel verstellt und damit die Leistung gedrosselt. Deren Regelkurve ist exakter. Andere Methoden sind in den Flügeln eingebaute Bremsen und Klappen, die bei einer gewissen Windgeschwindigkeit ausgefahren werden. Bei sehr hohen Windgeschwindigkeiten c0 von etwa 20 bis 25 m/s müssen die Windturbinen aus dem Wind gedreht werden. Bild 13.13: Leistungscharakteristik; Pitch- und Stallregelung
Die zur Stromerzeugung eingesetzten Windturbinen müssen Wechselstrom bei konstanter Netzfrequenz liefern. Bei drehzahlstarrem Betrieb kann ein Synchrongenerator angeschlossen werden, wobei wegen der geringen Drehzahl ein Getriebe und/oder ein mehrpoliger Generator nötig ist. Neuere Großanlagen werden zunehmend mit Getriebe angeboten. Für guten Wirkungsgrad empfiehlt sich die motorische Schaufelblattverstellung entsprechend der Windgeschwindigkeit. Sie erlaubt sogar die Ausregelung von Böen. Deshalb haben derzeit zumindest die neuen großen Anlagen diese Regelung. Bekannt sind auch Generatoren mit umschaltbarer Polpaarzahl für zwei schaltbare Drehzahlen. Asynchrongeneratoren sind wegen der notwendigen Fremderregung und fehlenden Regelbarkeit nur für Netzparallelbetrieb geeignet. Jedoch sind diese drehzahltolerant und bei kleineren Turbinen bevorzugt. Bei drehzahlvariabler Fahrweise wird ein Gleichstrom- bzw. Synchrongenerator mit Gleichstromzwischenkreis angetrieben, dem ein Wechselrichter nachgeschaltet ist, Bild 13.14. Generator und Netz sind getrennt, so dass die Turbine immer mit optimaler Drehzahl arbeiten kann.
Bild 13.14: Synchrongenerator mit Gleichstromzwischenkreis (Frequenzumrichter)
13.6 Konzepte, Entwicklungen
277
Probleme bereiten neben den windverursachten Leistungsschwankungen die periodischen durch Turmschatten- und Turmstaueffekte auf die Flügel. Hinzu kommen Netzrückwirkungen, wenn große Windkonverter zu- oder abgeschaltet werden. Generatoren mit Wechselrichteranlagen tragen Oberschwingungen und eventuell eine unsaubere Sinuswelle ins Netz, die es zu minimieren gilt.
13.6 Konzepte, Entwicklungen Eine detaillierte Marktübersicht der Windturbinen ist in [13.9] und eine umfassende, aktuelle Darstellung von Windkraftanlagen in [13.10] zu finden. Für den Einsatz in der Energieversorgung sind nur große Anlagen über 500 kW sinnvoll. Die durchschnittliche installierte Leistung eines neu errichteten WEK des Jahres 2003 betrug in Deutschland schon 1.500 kW. An windexponierten Standorten bietet sich die Installation vieler Windturbinen an, man spricht von Windparks. Die WEK sind so anzuordnen, dass sie möglichst der ungestörten Windanströmung ausgesetzt sind. Der minimale Platzbedarf eines WEK entspricht ihrer Rotorfläche. An den Küsten liegen vorhersehbare Windbedingungen vor. Tagsüber herrschen anlandige Winde, nachts ablandige. Insbesondere skandinavische Länder gehen die Installation großer Offshore-Windparks an, wobei Einzelanlagen mit mindestens 5 MW vorgesehen sind. Bei Horns Rev/Dänemark wurde im Jahr 2002 der bisher größte Offshore-Windpark in einem Abstand zwischen 14 bis 20 km von der Nordseeküste installiert. Insgesamt 80 Windturbinen der 2 MW Klasse sind dort errichtet. In Deutschland hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie einige Offshore-Projekte mit bis zu 1.200 MW installierter Leistung genehmigt. Derzeit ist noch keines der deutschen Projekte in der Bauphase. Nach Vorschlägen von Greenpeace soll in Deutschland im Jahr 2025 mindestens 25 % der Elektrizitätserzeugung mittels Windkraft erzeugt werden, wovon der größte Teil aus OffshoreAnlagen in der Nord- und Ostsee stammen wird und aus der Umrüstung (Repowering) älterer Anlage an existierenden Standorten. Der Wind ist nicht beeinflussbar. Die bedarfsgerechte Bereitstellung der elektrischen Energie bei hohem Windkraftanteil ist durch schnell anfahrende und regelbare Gasturbinen oder Pumpspeicher-Kraftwerke zu gewährleisten. Eventuell können unvorhersehbare Stromeinspeisungen aus Windkraftanlagen das Netz lokal und sogar überregional überlasten – dies wurde bei dem europäischen Black-out im Herbst 2006 vermutet. Zukunftsweisende Konzepte ziehen die Vergleichmäßigung der einspeisenden Windenergie durch Energiespeicher über Pumpspeicher oder durch elektrolytisch hergestellten Wasserstoff in Betracht.
Literatur zu Kapitel 13 [13.1] J. Fricke, Physik in unserer Zeit, 6, 1981 [13.2] Deutscher Wetterdienst, Zentralamt (Herausgeber), Mittleres Jahresmittel der Windgeschwindigkeit in der Bundesrepublik Deutschland in freien Lagen in 10 m Höhe über Grund, Offenbach, 1991 [13.3] TRY, Entwicklung von Testreferenzjahren (TRY) für Klimaregionen der Bundesrepublik Deutschland, BMFT Forschungsbericht FB-86-051, Forschungsvorhaben 03E-5280A, Juli 1986
278
13 Windenergie
[13.4] E. Hau, Große Windkraftanlagen – Technologie und Projekte –, MAN Sonderdruck, 3. Aufl., München, 1983 [13.5] A. Betz, Die Windmühlen im Lichte neuer Forschung, Die Naturwissenschaften 15 (1927) [13.6] U. Hütter, Optimum Design Concept for Windelectric Converters, Workshop on Advanced Wind Energy Systems, Stockholm (1974) [13.7] H. Siekmann, in: Dubbel interaktiv, Das elektronische Taschenbuch für den Maschinenbau, W. Beitz, K.-H. Grote (Hrsg.), Springer Verlag (1999) [13.8] U. Hütter, Windkraftmaschinen, Des Ingenieurs Taschenbuch, Hütte IIA, Berlin (1954) [13.9] Bundesverband WindEnergie Service GmbH, Windenergie 2003, Osnabrück, 2003 [13.10] S. Heier, Windkraftanlagen, 4. Aufl., B.G. Teubner Verlag 2005
Anhang ca. c 0 c0
p(x)
p0 c0
A0
0
Stromröhre
c1
1
A2 c2
p2 = p0
2
∆p
p0
p2 = p0 x
1
0
2
Bild A13.1: Zum Windenergiekonverter zugehörige Stromröhre und Druckverlauf
Die Herleitung des maximalen Leistungsbeiwertes CP stammt von Betz aus den 20er Jahren [13.5]. Die Skizze Bild A13.1 veranschaulicht das Gedankenmodell. In der Stromröhre sind alle Fluidelemente, die durch den Windenergiekonverter WEK strömen, erfasst. Der WEK stellt einen Strömungswiderstand dar, die Geschwindigkeit verringert sich. Aus Kontinuitätsgründen nimmt der Platzbedarf der Strömung zu, die Stromröhre weitet sich auf. Weit vor dem Konverter, Ebene 1 in Bild A13.1, herrscht die ungestörte Windgeschwindigkeit c0 und der Atmosphärendruck p0 = pa. Unmittelbar vor dem Rotor, Ebene 1, ist der Druck größer als der der Atmosphäre, p1 > pa und die Luftgeschwindigkeit c1 ist geringer: c1 = c0· (1 – a) < c0
Gl. A13.1
Mit Abbremsfaktor a < 1. Die Bernoulli-Gleichung für inkompressible Medien in Ebenen 0 und 1 ergibt: (p0 – p1)/ȡ = ½(c
1
2
– c02) = ½c
0
2
(1 – a)2 – ½c
0
2
= – ½a
2
c02
Gl. A13.2
Der Druck ist hinter dem WEK in Ebene 2 durch den Energieentzug abgefallen, p2 < p1. Stromab nimmt die Windgeschwindigkeit weiter ab, bis in Ebene 2 wieder Atmosphärendruck erreicht ist, p2 = p0. In Ebene 2 ist die Geschwindigkeit geringer als in der Anströmung.
Anhang
279
c1 = c0 · (1 – b) < c0
Gl. A13.3
Es ist auch plausibel, dass c2 kleiner als c1 ist, d.h. c2 < c1 und damit b > a. Die BernoulliBeziehung, angewandt auf die Ebenen 1 und 2: (p1 – p2)/ȡ = ½(c
2
2
– c12) = ½c
0
2
(1 – b)2 – ½c
0
2
(1 – a)2
Gl. A13.4
Mit p0 = p2 = patm ergibt sich aus Gln. A13.2 und A13.3: p0 – p1 = ½ ȡ c02[1 – (1 – b)2]
Gl. A13.5
Aus der Impulserhaltung für die stationäre Strömung lässt sich die auf den Rotor wirkende Kraft Fx in Strömungsrichtung, die gleich der Druckkraft ist, herleiten: (c0 – c2) Fx = m
Gl. A13.6
durch die Rotorfläche (Strömungsquerschnitt A) In der Rotorebene 1 ist der Massenstrom m klar definiert: = ȡ· A · c 0 · (1 – a) m
Gl. A13.7
Zusätzlich mit Gl. A13.3 ist Fx = ȡ· A · c 0 · (1 – a)[c0 – c0 (1 – b)]
Gl. A13.8
Gl. A13.6 mit Gl. A13.8 gleichgesetzt zeigt, dass gilt: b = 2·a
Gl. A13.9
Die gesamte kinetische Leistung Pkin ist aus der Differenz in den Ebenen 0 und 2 berechenbar: ǻekin = ½ m (c22 – c02) = ½ ȡ· A · c 0 · (1 – a) [c02(1 – 2a)2 – c02] Pkin = m
Gl. A13.10
Die von der Windturbine an den Generator abgegebene Leistung PWEK ist im betrachteten verlustfreien Fall negativ zu Pkin, also PWEK = – Pkin. Gl. A13.9 führt zu: PWEK = – Pkin = 2 ȡ· A · c03 · a · (1 – a)2
Gl. A13.11
Der Extremwert der WEK-Leistung ergibt sich aus der zu Null gesetzten Ableitung nach a: dPWEK/da = K · d [a(1 – a)2]/da = 0
Gl. A13.12
3
mit K = 2 ȡ· A · c0 und der Lösung von Gl. A13.12: a = 1/3
Gl. A13.13
b ist dann 2/3, die Windgeschwindigkeit in der Rotorebene ist c1 = 2/3c0 und in der Abströmung c2 = 1/3c0. Der maximale Leistungsbeiwert CP folgt gemäß Gl. (13.6): CP = 16/27 § 0,59 Dieser Wert wird Betz-Faktor genannt.
Gl. A13.14
281
14 Energetische Verwertung von Biomasse Etwa 0,1 % der Solarenergie wandelt sich durch Photosynthese aus dem Kohlendioxid der Luft in Biomasse um. Die Biomassen sind als Festbrennstoff nutzbar oder zu gasförmigen Brennstoffen weiterverarbeitbar. Zwei Arten von Biomassen sind zu unterscheiden: x Anfallende Biomasse x Angebaute Biomasse
Bild 14.1: Überblick der energischen Nutzung von Biomasse
Als anfallende Biomassen gelten Hölzer der Forstwirtschaft und holzverarbeitenden Industrie, sowie landwirtschaftliche Abfall- und Nebenprodukte wie Stroh und Fäkalien. Langfristige Projekte propagieren den Anbau von Energiepflanzen, die als Festbrennstoff oder als Ausgangsmaterial für flüssige und gasförmige Brennstoffe dienen. Als angebaute Biomassen kommen schnellwachsende Gräser (C4-Pflanzen), Raps und Miscanthus in Frage. Anfallende Biomasse, also Abfallbiomasse, ist deutlich preisgünstiger als angebaute Biomasse. Bild 14.1 gibt den Überblick zur energetischen Nutzung. Wegen des geringen volumenbezogenen Heizwertes der Biomassen sind Transportwege zu minimieren. Nur kleine, dezentrale Anlagen am Ort des Biomassenanfalls sind sinnvoll, die Leistungen bis in den unteren Megawattbereich aufweisen. Zunehmende Bedeutung gewinnt in Deutschland die Produktion von Biodiesel, der meist aus Rapsölmethylester besteht. Auch raffinierte Pflanzenöle in Speisequalität kann in entsprechend
282
14 Energetische Verwertung von Biomasse
umgerüsteten Dieselmotoren verwendet werden, wobei allerdings die meisten Automobilhersteller ihre Motoren hierfür nicht freigeben. In steigendem Umfang werden Pflanzenöle in stationären BHKW genutzt, da dies durch das Erneuerbare Energiegesetz EEG und das KraftWärme-Kopplungsgesetz gefördert wird. Derzeit kann man von sehr schnellen Amortisationsraten ausgehen, insbesondere beim Einsatz von Palmöl. An der Fischer-Tropsch-Synthese von Kraftstoffen aus Biomassen in großtechnischem Maßstab wird in Deutschland intensiv geforscht. Die so hergestellten Kraftstoffe werden als Sun Fuel bezeichnet. Die Herstellung von biogenen Kraftstoffen ist nicht Gegenstand dieses Buches. Die energetische Nutzung der Biomassen weist in Deutschland hohe Wachstumsraten auf. Einen Überblick der Entwicklung in Deutschland gibt [14.5].
14.1 Thermische Verfahren Analog der thermischen Verwertung von Kohle sind drei Verfahren bei kohlenstoffreichen Biomassen anwendbar, die sich durch die Sauerstoffzufuhr, bzw. die Luftzahl Ȝ unterscheiden: Verfahren der thermischen Behandlung: x Pyrolyse x Vergasung x Verbrennung. Tabelle 14.1: Vergleich der Feuerungstechniken für stückige Biomasse Rostfeuerung
Unterschubfeuerung
Einblasfeuerung
Wirbelschichtfeuerung.
Vergaser/ Vorofenfeuerung
Leistung/MW
0,1 bis 80
0,1 bis 5
1 bis 10
über 5
bis 1
Brennstoffstückgröße
50-150 mm Kantenlänge
10-50 mm
10-20 mm
ca. 50 x 50 mm
Pellets, 10-20 mm
Vorteile
Breites Brennstoffspektrum
Bst.spektrum, Regelbarkeit, einfache Tech- Emissionen nik
Regelbarkeit, Ausbrand, Zugaben
geringe Emissionen
Nachteile
Schmutz, Hohe Investition
Regelung, Entaschung
NOx-Emissionen Anfahren, gleichbleibende Brennstoffqualität
hohe Investitions- und Betriebskosten
14.1.1 Pyrolyse Bei der Pyrolyse erfolgt die thermische Konversion des Bio-Brennstoffs unter Sauerstoffausschluss. Dabei werden Wasserdampf, Wasserstoff, Methan und andere Gase freigesetzt. Übrig bleibt als Festbrennstoff nutzbarer kohlenstoffreicher Koks. Für Biomassen ist dieses Verfahren nicht üblich.
14.1.2 Verbrennung Die Verbrennung erfolgt mit Luftüberschuss und oxidiert die organischen KohlenwasserstoffVerbindungen zu H2O und CO2. Die freiwerdende Wärme ist direkt oder als Wärmequelle für
14.1 Thermische Verfahren
283
Dampfkraftwerke nutzbar. Die Leistungen der Biomasse-Kraftwerke sind entsprechend gering, ebenso die Frischdampfwerte mit pFD = 40 bar, TFD = 420 °C [14.1] niedrig. Aus wirtschaftlichen Gründen wird die Kraft-Wärme-Kopplung mittels Gegendruck- oder Entnahmeturbine angestrebt. Die Schaltung ist einfach und die Verbrennungstechnik der Biomasse angepasst. Tabelle 14.1 zeigt den Stand der Feuerungstechnik für Biomasse im Vergleich.
Bild 14.2: Prinzip einer Rostfeuerung (Schrägrost oder beweglicher Rost)
Die Rostfeuerung (Bild 14.2) ist am verbreitetsten. Die feste Biomasse verbrennt auf dem Rost, die Verbrennungsluft wird von unten zugeführt. Rostfeuerungen erlauben die zuverlässige Verbrennung von Biomassen unterschiedlicher Feuchte und schwankender Heizwerte. Holz wird als Hackschnitzel oder als Abfallstücke der holzverarbeitenden Industrie zugeführt, während Stroh oder andere lose Biomassen vorab pelletiert werden. Die Abgase weisen Staub, CO und NOx auf, die entsprechend den jeweiligen Verordnungen oder Gesetzen zu reinigen sind. Tabelle 14.2 gibt die derzeit in Deutschland gemäß Bundes-Immissionsschutz-Gesetz [14.2] geltenden Grenzwerte für die einzelnen Leistungsgruppen wieder. Tabelle 14.2: Grenzwerte für Emissionen aus thermischen Biomasseanlagen [14.1, 14.2] Thermische Leistung
Verordnung
kW
Bezugs Sauerstoff
Staubgehalt
KohlenOrgan. Stoffe Stickoxide monoxid CO Ges. C NOx
Vol.%
mg/m3
mg/m3
mg/m3
mg/m3
10-15
1. Bim-SchV
13
150
4.000
–
–
50-100
1. Bim-SchV
13
150
2.000
–
–
150-500
1. Bim-SchV
13
150
1.000
–
–
500-1.000
1. Bim-SchV
13
150
500
–
–
1.000-5.000
4. Bim-SchV A-Luft
11
150
250
50
500
5.00050.000
4. Bim-SchV TA-Luft
11
50
250
50
500
284
14 Energetische Verwertung von Biomasse
14.1.3 Thermische Vergasung Die thermische Vergasung von Holz war in Deutschland bis vor 50 Jahren weit verbreitet. Die Anlagen sind kompakt herzustellen, so dass sie selbst mobil in Fahrzeugen als Brenngaslieferant für Ottomotoren dienten. Wie bei der Kohlevergasung wandelt sich der Kohlenstoff über unvollständige Verbrennungsvorgänge in das brennbare Gas CO um. In deutlich geringerer Konzentration wird über das Wasser Wasserstoff H2 und Methan CH4 erzeugt: C +O
2
ĺ CO2
Gl. (14.1)
(exotherme Reaktion zur Aufheizung des Kohlenstoffs C) C +CO
2
ĺ 2 CO
C +H 2O ĺ CO +H C +2 H
2
Gl. (14.2) 2
ĺ CH4
Gl. (14.3) Gl. (14.4)
Weitere Reaktionen sind nachweisbar. Da die Luft viel N2 enthält und sich CO2 im Synthesegas vorfindet, ist der Heizwert gering (Schwachgas). Mehrere technische Ausführungen sind bekannt: x Schachtvergaser mit seinen Untervarianten – aufsteigende Vergasung – absteigende Vergasung x Wirbelschichtvergaser x Flugstromvergaser. Für kleine Einheiten ist der Schachtvergaser üblich. Betriebstechnisch ist stückige Biomasse günstig, also Holz, Hackschnitzel oder pelletierte Biomasse, die auch eine kontinuierliche Zufuhr erlauben.
Bild 14.3: Imbert-Vergaser im Schnitt
14.2 Bakterielle Vergasung
285
Der klassische Imbert-Abstromvergaser, Bild 14.3, ist wärmetechnisch optimiert. Die Vergasungsluft wird durch das abströmende heiße Synthesegas vorgewärmt und strömt ringförmig in die verengte Reaktionszone. Die exotherme Verbrennung zu CO2 bringt das darüber befindliche Holz zum Glühen. Der glühende Kohlenstoff reagiert bei dem eingestellten Sauerstoffmangel gemäß Gleichungen 14.2 bis 14.4. Die Verengung verhindert ein zu schnelles Nachrutschen des Holzes. Die Verengung ist an die zu vergasende Biomasse und deren Stückgröße anzupassen. Für das Nachrutschen der stückigen Biomasse ist zu sorgen. Das Synthesegas entweicht durch die untere heiße Zone über den Brennstoff- und Luftvorwärmer durch eine Kühlfalle und einen Filter, in denen sich Teere und Kondensat abscheiden. Die Abkühlung ist für den hinreichenden Füllgrad des Ottomotors nötig. Beim Aufstrom-Vergaser strömt das Synthesegas durch die obere Brennstoffschüttung und kühlt sich etwas ab. Das so geführte Gas enthält mehr Teeranteile, was diese Variante uninteressant macht. Das teerarme Synthesegas eignet sich für den Betrieb von Ottomotoren, da es wegen des N2Ballastes sehr klopffest ist. Die Leistung des mit kühlem Holzgas betriebenen Ottomotors beträgt etwa ein Drittel verglichen zum regulären Benzinbetrieb. Eine Leistungssteigerung und Erhöhung der Zuverlässigkeit ist durch den Zündstrahlbetrieb möglich (Kap. 8). Wirbelschichtvergaser und Flugstromvergaser sind größeren Leistungseinheiten vorbehalten, die für Biomasseanlagen wegen den langen Brennstoff-Transportwegen unwirtschaftlich sind.
14.2 Bakterielle Vergasung Im Gegensatz zur thermischen Vergasung benötigt die anaerobe Vergasung Biomassesubstrate mit einem Feuchtegehalt von mindestens 90 %. Hierfür geeignet sind: x Fäkalien aus der Landwirtschaft x Klärschlämme aus der Abwasserreinigung x Organische Abfälle aus der Nahrungsmittelindustrie. Die umweltschonende Entsorgung steht hier im Vordergrund. Anaerobe Biogasanlagen bestehen aus dem luftdichten, wärmeisolierten Faulbehälter, der mit Hilfsaggregaten zur Zuführung, Beheizung, Entladung des ausgefaulten Dungs versehen ist und dem Gasspeicher. Bild 14.4 zeigt die schematisierte Schnittdarstellung einer anaeroben Biogasanlage. Ideale Gasproduktion findet bei 30 bis 55 °C statt. Diese Temperatur kann sich je nach Witterungsbedingungen oder nach Substratzusammensetzung bei hinreichender Isolierung durch die mikrobiellen Prozesse im Faulbehälter selbst einstellen. Gegebenenfalls ist der Behälter zu erwärmen, sinnvollerweise durch das erzeugte Biogas selbst. Das Faulgas besteht vorwiegend aus Methan (55 bis 85 %), wobei der Anteil von der Substratzusammensetzung abhängt [14.3]. Das Gas wird über die Methangärung durch ein Bakteriengemisch unter Sauerstoffabschluss erzeugt. Die Methangärung kann durch drei Prozessstufen beschrieben werden [14.3]: 1. Hydrolyse, d.h. Auftrennung komplexer Moleküle wie Proteine, Fette, Kohlehydrate in niedermolekulare Verbindungen. 2. Säureaufschluss, d.h. säurebildende Bakterien formen diese Verbindungen in einfache Moleküle wie CO2, H2, H2S, NH3, Säuren, Salze, Alkohole um. 3. Synthese, d.h. mikrobielle Umwandlung dieser Moleküle in Biogas CO2 und CH4.
286
14 Energetische Verwertung von Biomasse
Bild 14.4: Aufbau einer anaeroben Biogasanlage
Die Reaktionen und somit Gasproduktion, Gaszusammensetzung und Rückstände werden von den wässrigen Ausgangsstoffen beeinflusst. Schwefelhaltige Biomassen erzeugen natürlich viel H2S. Lignin ist mikrobiell nur langsam abbaubar, so dass ligninhaltige Stoffe (Holz, faserhaltige Pflanzen, Kot von Wiederkäuern) geringe Gasausbeute und lange Faulzeiten ergeben. Höhere Gasausbeuten ergeben Exkremente von Nutztieren wie Schweinen (Tabelle 14.3 [14.3]). Tabelle 14.3: Gasproduktion und Faulzeit bei 30 °C Biomasse
Gesamte Gasmenge1
Faulzeit
CH4-Gehalt
Gasmenge, Bezug zu Gesamtmenge in Tagen
cm3/g
Tage
%
10 Tage
15 T.
20 T.
Rinderkot
315
117
80
24
36
48
Schweinekot
415
115
81
40
57
68
Kartoffelkraut
606
53
75
85
90
92
Zuckerrübenblätter
501
14
85
99
100
100
Gras
557
24
84
87
96
99
Eine vollständige Ausfaulung benötigt Zeit. Die Gasproduktion ist in den ersten Tagen heftig und fällt asymptotisch ab. Deshalb wird oft auf die vollständige Ausfaulung verzichtet, um einen größeren Durchsatz bzw. vernünftige Baugrößen zu erzielen. Als Anhaltswert kann eine Reaktorleistung von 1 m3 Gas pro Tag und pro m3 Faulraum mit einem Heizwert von 6 kWh/m3 gelten, wobei in Deutschland noch 20 - 30 % Gaseigenverbrauch zur Faulbehälterheizung abgehen [14.4].
1
Die gesamte Gasmenge (vollständige Ausfaulung) ist auf die organische Trockenmasse bezogen
Literatur zu Kapitel 14
287
In der kalten Jahreszeit ist mit einem höheren Eigenverbrauch zur Aufrechterhaltung der günstigen Gärtemperatur einzuplanen. Dies ist ein energietechnischer Nachteil, denn im Winter herrscht ein höherer Energiebedarf.
Literatur zu Kapitel 14 [14.1] F. Czink, J. Hitz, Energetische Verwertung angebauter und anfallender Biomasse, in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, R. Zahoransky (Editor), Informationsschriften der VDI-GET, 1998 [14.2] Bundesimmissions-Schutz-Verordnungen: 1. BimSchV, 4. BimSchV, TA Luft [14.3] W. Baader, E. Dohne, M. Brenndörfer, Biogas in Theorie und Praxis, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V., KTBL-Schrift Nr. 229, 1978 [14.4] U. Wagner, L. Rouvel, H. Schaefer, Nutzung regenerativer Energien, 8. Auflage, IfE Schriftenreihe, Heft 1, TU München, Vertrieb E&M Energie und Management mbH, 1997 [14.5] Statusreport des VDI-GET Fachausschusses „Regenerative Energien: Regenerative Energien in Deutschland, BWK (Brennstoff-Wärme-Kraft) 6, Springer VDI Verlag, 2006
289
15 Geothermie Mit zunehmender Tiefe nimmt die Erdtemperatur zu. Im flüssigen inneren Erdkern herrschen Temperaturen von 3000 bis 6000 K. Durch Wärmeleitung entsteht ein Wärmestrom zur kalten Erdoberfläche. Nur an wenigen Stellen in der oberen Erdkruste wird Erdwärme durch Wasserund Dampfströmungen an die Oberfläche befördert. Die vom Erdkern abgegebene Wärme wird zu etwa 60 % durch den im Kern ablaufenden radioaktiven Zerfall, im Wesentlichen der Elemente Thorium, Kalium und Uran, gespeist. Langfristig kühlt sich die Erde ab. Die Geothermie ist eine stetig verfügbare, von Witterungseinflüssen, Tages- und Jahreszeiten unabhängige Energiequelle, was sie von anderen unerschöpflichen Energien unterscheidet. a: Bei starker Abkühlung durch Seen, Flüsse, etc. b: Bei starker Sonneneinstrahlung
Bild 15.1: Temperaturgradient an Erdoberfläche
15.1 Potenzial der Geothermie Der flächenspezifische Erdwärmestrom ist im globalen Mittel mit qF = 60 mW/m2 gering und gegenüber der solaren Wärmeeinstrahlung zu vernachlässigen. In der oberen Erdkruste ist der mittlere Temperaturgradient etwa dT/dz = 29 K/km. Allerdings gibt es Gegenden mit geothermischen Anomalien, bei denen der Temperaturgradient deutlich über 100 K/km liegt oder wo heißes Wasser bzw. Heißdampf an der Erdoberfläche austritt. Bild 15.1 veranschaulicht den Temperaturgradienten, der in oberflächennahen Bereichen von Sonneneinstrahlung, Sickerund Grundwasser beeinflusst ist. Bei starker Sonneneinstrahlung kann an der Erdoberfläche tagsüber auch ein negativer Temperaturgradient dT/dz < 0 auftreten. In Europa werden in Island und in der Toskana die höchsten Temperaturgradienten erreicht. Der gesamte geothermische Wärmestrom durch die Erdoberfläche liegt mit 1021 J/a um über 3 Größenordnungen unter der Sonneneinstrahlung, jedoch um das Dreifache über dem Weltenergieverbrauch von 1995 mit etwa 3,3 · 1020 J/a. Eine Übersicht der genutzten Geothermie geben [15.1] und [15.2]. Derzeit ist die energetische Nutzung von Vulkanen, Lavaströmen und Lavaseen wegen zu hohen Temperaturen kaum möglich. In Hawai wurde versuchsweise ein Wärmeübertrager in flüssiges Magma eingelassen. Die Wärmedurchgangszahlen waren mit 93 kW/m2 sehr hoch. Um eine Überhitzung der Wärmeübertragungsflächen zu vermeiden, muss ein sehr hoher spezifischer Massenstrom durchgepumpt werden. Das Anbohren mit wassergekühlter Technik von flüssigen Lavamassen kann zu heftigen Dampfexplosionen und Lavaeruptionen führen. In Island wird allerdings ein schon weitgehend abgekühlter Lavastrom genutzt, indem mittels eines eingelegten Wärmeübertragers das örtliche Heiznetz gespeist wird.
290
15 Geothermie
Die wassergebundene geothermische Energie kann nach ihren Nutzungsmöglichkeiten eingeteilt werden: x Thermalwasserfelder mit einer Temperatur T 100 °C, hauptsächlich zu Bade-, Kur- und Heilzwecken genutzt. Teilweise auch zur Raumheizung einsetzbar. x Nassdampffelder, bei denen ein Wasser-Dampfgemisch mit T > 100 °C zu gewinnen ist. Die lokale Gesteinstemperatur ist kleiner als die Sättigungstemperatur TS, die eine Funktion des Grundwasserdruckes pGW ist. Bei der Anbohrung entspannt sich das Wasser p < pGW und verdampft. Neben Heizzwecken ist das entweichende Wasser-DampfGemisch auch zur Krafterzeugung nutzbar. x Heißdampffelder, bei denen überhitzter Dampf vorliegt. Wasser trifft auf Hot Spots hoher Temperaturen T > TS und bildet Dampf bei dem Grundwasserdruck pGW. In undurchlässigen Schichten können sich Dampflager bilden. Die Entspannung liefert überhitzten Dampf, der sich zur Stromerzeugung anbietet. x Geokomprimierte Heißwasserfelder, bei denen heißes Wasser unter hohem Druck T < TS(pGW) vorliegt. Oft ist dabei eine Koexistenz mit Erdgas zu finden. Durch Entspannung ist dieses Wasser zur Stromerzeugung nutzbar. Nasse Vorkommen bilden die Ausnahmen, da Aquiferen, d.h. durch dichte geologische Formationen abgeschlossene wasserführende Schichten, auf geothermische Anomalien treffen müssen. Bild 15.2 zeigt eine derartige geologische Gegebenheit. Das größte Potenzial befindet sich im trockenen Tiefengestein. Die Investitionen zu deren energetischen Nutzung sind hoch. Nur hinreichend große Temperaturgradienten dT/dz > 100 K/km erlauben wirtschaftlich betreibbare geothermische Kraftwerke. Die Potenziale sind demgegenüber enorm. So setzt die Abkühlung einer Gesteinskugel von 1 km Radius um 80 K schon eine Wärme von 2 · 105 MWh frei.
a: Magmaanomalie („Hot spot“ nahe an Erdoberfläche) b: Undurchlässiger Felsen c: Poröse, wasserführende Schicht (Aquifere) d: Undurchlässige Schicht
Bild 15.2: Prinzipielle geologische Formation eines nassen geothermischen Vorkommens
15.2 Geothermische Kraftwerkskonzepte, Überblick
291
Geothermie ist nach der Wasserkraft die bedeutendste unerschöpfliche Energiequelle. Weltweit waren 1998 in 25 Staaten etwa 250 Wärmekraftwerke mit einer elektrischen Leistung von mindestens 7.000 MWel in Betrieb [15.1]. Lokal kann die Geothermie bedeutend sein. So deckt sie in Island die Raumheizung praktisch vollständig. In Italien erzeugen geothermische Kraftwerke in Larderello und Travale mit 655 MWel etwa 5 % des nationalen Strombedarfs. In Larderello wurde 1904 das erste kommerzielle Geothermie-Kraftwerk mit 15 kWel in Betrieb genommen und schon 1913 durch eine Anlage mit 250 kWel ersetzt. Einen bedeutenden Beitrag zur nationalen Stromerzeugung mit einem Anteil von 30 % und mehr liefert die Geothermie in den Philippinen, San Salvador, Nicaragua, Mexiko, Kenia und Indonesien. Die USA sind bei der Stromerzeugung aus Geothermie mit 3000 MWel noch führend. Das größte Feld „The Geysirs“ mit einer Vielzahl von kleinen, ferngesteuerten Anlagen bis zu einer Blockleistung von 150 MWel versorgt San Francisco. In Wairakei/Neuseeland ist das drittgrößte geothermisch genutzte Feld. Die Geothermie bietet sich zur Raumheizung an. 1995 waren global 8.550 MWth installiert, wobei China allein 1.900 MWth nutzte [15.1]. Bei geringen Temperaturgradienten haben sich Erdwärmesonden, die mittels einer Wärmepumpe die Niedertemperaturwärme auf ein nutzbares Temperaturniveau anheben, zur Raumheizung von Privathäusern bewährt. In Deutschland überwiegen geothermische Anlagen zur Bereitstellung von Niedertemperaturwärme, teilweise in Kombination mit einer balneologischen Nutzung. Demgegenüber ist die Stromerzeugung aus deutscher geothermischer Energie gering [15.5]. Der Oberrheingraben gilt in Deutschland als das Gebiet mit größtem geothermischen Potenzial [15.2].
15.2 Geothermische Kraftwerkskonzepte, Überblick Bei geothermischen Anomalien mit Wasser- oder Dampflagen hohen Druckes nahe der Oberfläche kann der Dampf direkt zum Antrieb einer Dampfturbine genutzt werden. Die Lagerstätten lassen sich durch Bohrungen erschließen. Im Larderello-Feld ist die mittlere Bohrtiefe etwa 600 m und die tiefste 1600 m, während es beim Feld „The Geysirs“, 1500 m bis 2900 m sind. Je nach Qualität und thermodynamischem Zustand des geothermischen Wärmeträgers kommen verschiedene Techniken für deren Nutzung in Frage. Um Verluste gering zu halten, sind Kraftwerke meist in unmittelbarer Nähe des Bohrloches installiert. Deshalb haben große geothermische Felder mehrere kleine Kraftwerke, die ohne Aufsicht fernüberwacht laufen. Der Abstand der Bohrungen und der entnommene DampfWasserstrom muss der Ergiebigkeit, dem nachfließbaren Wasserstrom und dem Wärmestrom der geothermischen Anomalie angepasst sein. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Wirkungsgrad der Umwandlung von geothermischer Energie in mechanische zu definieren. Wird die Umwandlung als thermodynamischer Kreisprozess angesehen, so ist der thermische Wirkungsgrad Kth = w/qzu,
Gl. 15.1
wobei w die abgegebene spezifische Arbeit bezeichnet und qzu die zugeführte spezifische Wärme. Letztere berechnet sich aus der Enthalpiedifferenz des flüssigen Wassers bei Umgebungs- bzw. Kondensatortemperatur und des Zustandes des geothermischen Dampfes. Hierbei wird die geothermische Wärmezufuhr als Aufwand angesehen. Bei den meist vorliegenden niederen Dampftemperaturen unter 200 °C ist Kth gering. Der Carnot-Wirkungsgrad ist bei
292
15 Geothermie
einer Frischdampftemperatur To = 150 °C = 423 K und einer unteren Prozesstemperatur Tu = 25 °C = 298 K lediglich 29,5 %, der reale Wirkungsgrad ist noch geringer. Dieser Wirkungsgrad eignet sich nicht zur Beurteilung der technischen Installation. Besser ist es, die mechanische Arbeit in Bezug auf die Exergiedifferenz ǻex des geothermischen Dampfes, also der theoretisch maximal möglichen Arbeit zu setzten. Er lässt sich als „Zweiter Haupsatz-Wirkungsgrad K2“ bezeichnen: K2 = w/ǻex,
Gl. 15.2
mit ǻex = ho – hu – Tu(so – su), wobei ho, so, die spezifische Enthalpie bzw. Entropie des geothermischen Frischdampfes sind und hu, su die spezifische Enthalpie, spezifische Entropie des gesättigten Wassers bei der Temperatur Tu der Umgebung bzw. der Wärmesenke sind, z.B. bei Tu = 25 °C = 298 K. K2 ist ein Maß für die Güte der technischen Installation und unabhängig von den jeweiligen, nicht beeinflussbaren thermodynamischen Zuständen der geothermischen Quelle. Ebenso gebräuchlich ist der spezifische Dampfverbrauch SDV: / P, SDV = m
Gl. 15.3
dem Massenstrom durch die Turbine und P der mechanischen Turbinenleistung. Allermit m dings geht hier wieder in erster Linie der thermodynamische Zustand ein. Je höher deren Temperatur, desto niedriger der spezifische Dampfverbrauch SDV, d.h. für eine gegebene Leistung wird ein geringerer Dampfmassenstrom benötigt. Generell ist wegen des niederen Temperaturniveaus der Massenstrom geothermischer Kraftwerke wesentlich höher als konventioneller Dampfkraftwerke mit einer Frischdampftemperatur von über 500 °C. Dies bedingt einen großen Kondensator.
Neben den o.g. thermodynamisch geprägten Wirkungsgraden ist bei Nutzung von Wärme im Vergleich zum angeboübertragern (Binärprinzip) noch der übertragene Wärmefluss Q zu tenen geothermischen Wärmefluss QGeo zu berücksichtigen, was wieder zum Abwärmenutzungsgrad KAK (siehe Gl. 7.17) führt: zu / Q Geo KAK = Q
Gl. 15.4
15.3 Direkte Dampfentspannung „The Geysirs“ haben am Bohrloch trockenen, gesättigten Dampf mit einer Enthalpie von 2800 kJ/kg bei einem Druck von 31 bis 33 bar [15.3]. Der Totaldruck sinkt entsprechend des Entnahmestromes je nach dessen Bohrlochergiebigkeit. Hinzukommen die Verluste in den Leitungen, Einbauten und Armaturen. Am Turbineneintritt ist mit leicht überhitztem Dampf von etwa 4,5 bis 6,9 bar bei 180 °C zu rechnen. Bild 15.3 zeigt den einfachsten Wärmeschaltplan. Der dem Bohrloch entströmende Dampf wird direkt in der Dampfturbine entspannt. Der Kondensator hält den Turbinengegendruck unter Atmosphärendruck und sorgt für eine hohe Enthalpiedifferenz. Das kondensierte geothermische Fluid lässt sich wieder in das Erdreich zurückpumpen oder wird, wenn es die Mineralbeladung erlaubt, in ein Oberflächengewässer geleitet. Das in das Feld zurückgepumpte Wasser darf die Dampfentwicklung der einzelnen Bohrungen nicht beeinflussen. Meist treten bei derartigen Kraftwerken zwei Probleme auf:
15.4 Flashprinzip
293
x Hoher, nicht kondensierbarer Gasgehalt im Wasserdampf x Aggressive Bestandteile und Partikel im Dampf Ersteres führt zu einem nur geringen Unterdruck im Kondensator. Abhilfe schafft eine Vakuumpumpe, meist eine Dampfoder Wasserstrahlpumpe. Das Abpumpen der Gase verursacht eine deutliche Verringerung der Wirkungsgrade. Aggressive oder abrasive Bestandteile sind bei der direkten Entspannung in Dampfturbinen generelles Problem. Bei den energetisch genutzten Quellen variiert die Festpartikelkonzentration zwischen 1 und 20 g/kg. Dies verursacht Erosion und bei sauren Wasserkonditionen Korrosion der Turbinenbeschaufelung bis hin zu Brüchen. Die Turbinen bedürfen adäquater Überwachung und kurzer Wartungsintervalle.
Bild 15.3: Einfachster Wärmeschaltplan eines geothermischen Dampfkraftwerks
15.4 Flashprinzip Nasse geothermische Vorkommen liefern meist Zweiphasendämpfe, die aufzubereiten sind. Der Abscheider trennt Wassertröpfchen und Partikel, so dass Sattdampf entsteht, der in die Hochdruckturbine gespeist wird. Das abgeschiedene Wasser kann bei seinem hohen Druck in einer Drossel entspannt werden, was zur teilweisen Verdampfung führt. Der dem zweiten Separator entströmende Sattdampf wird im Niederdruckteil der Turbine zugeführt, das Wasser wieder ins Erdreich gedrückt. Bild 15.4 zeigt dieses Arrangement. Das kondensierte geothermische Wasser kann über einen offenen Sprühkondensator (Direktkontakt-Kondensator) zur Kühlung genutzt werden. Bild 15.5 veranschaulicht die Zustandsänderungen qualitativ in einem h,s-Diagramm.
a
a: Geotherm. Nassdampf b: Separierter Sattdampf c: Flasheinheit: Drossel und Abscheider d: Sattdampf aus Flasher e: Turbosatz mit Hoch- und Niederdruckturbine f: Reinjektion g: Direktkontakt-Kondensator h: Kühlkreis mit geotherm. Wasser
e
b
G d g
c
h f
f Bild 15.4: Beispiel eines geothermischen Dampfkraftwerks mit Flash
294
15 Geothermie
a: Phasengrenze, b: Zustand des geothermischen Dampfes, c: Hochdruck-Frischdampf, d: Abgeschiedenes Wasser, e: Flash (h = const.), f: NiederdruckFrischdampf, g: Abgeschiedenes Wasser, h: Turbinenendzustand (Mischpunkt) Bild 15.5: Zustandsänderungen eines Zweidruckprozesses mit Flash im h,s-Diagramm
15.5 Binärprinzip: ORC und KALINA Beim Binärprinzip gibt das heiße geothermische Fluid seine Wärme in einem Dampferzeuger (Gegenstrom-Wärmeübertrager) ab. Ziel ist es, einen thermodynamischen Kreisprozess auszuwählen, der den maximal möglichen Gesamtwirkungsgrad unter den gegebenen thermischen Bedingungen und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Machbarkeit ergibt. Nur ClausiusRankine-Kreisprozesse sind für die Nutzung der geothermischen Niedertemperaturquellen sinnvoll.
15.5.1 Organic Rankine Cycles ORC Das niedrige geothermische Temperaturniveau führt bei Wasser als Arbeitsfluid zu geringen Drücken unter Atmosphärendruck. Dies verursacht im Dauerbetrieb Probleme durch Lufteinbrüche mit entsprechend sich verringerndem Wirkungsgrad bis hin zur Abschaltung. Deshalb wird meist einem Organic Rankine Cycle mit einem höhersiedenden Medium den Vorzug gegeben.
T
Geothermisches Fluid GF
T GF ∆Ta TFD
T GFaus
ORC Fluid
T2 ORC
Nicht nutzbar
EKO
Verdampfung
Überhitzung
. Q
Bild 15.6: Diagramm der Fluide im T, Q Wärmeübertrager: Dampferzeuger des ORC
15.5 Binärprinzip: ORC und KALINA TFD =
T3 Temperatur des ORC Frischdampfes
TGF
Temperatur des geothermischen Fluids am Wärmeübertrager-Eintritt
TGFaus T2ORC:
Temperatur des geothermischen Fluids, Wärmeübertrager-Austritt
295
ORC Fluid am Wärmeübertrager-Eintritt
ǻT, ǻTa: Grädigkeiten im Dampferzeuger des geothermischen Fluids, d.h. minimale Temperaturdifferenzen. Als Vorteile von ORC-Binäranlagen sind zu nennen: x Kleinere und preiswertere Turbinen x Betriebsvorteile, da die Turbine keinen Erosions- oder Korrosionseinflüssen ausgesetzt ist x Nutzung geringerer Temperaturen. Wesentliche Nachteile sind: x Höhere Kosten durch den Wärmeübertrager x Korrosions- und Foulingprobleme am Wärmeübertrager. -Diagramm des Wärmeübertragers (siehe auch Abschn. 7.3). Bild 15.6 zeigt das T, Q Die geringsten Temperaturdifferenzen zwischen den Fluiden im Wärmeübertrager treten am heißen Ende des Wärmeübertragers auf (Grädigkeit oder Pitch Point ǻTa) und am Verdampfungsbeginn (ǻTa). Diese Grädigkeiten bestimmen den übertragbaren Wärmefluss vom geothermischen Fluid auf den ORC. Aus Bild 15.6 ist ersichtlich, dass das geothermische Wasser nicht vollständig auf Umgebungstemperatur abgekühlt warden kann, d.h. der ORC kann nicht die gesamte geothermische Wärme nutzen. Dies ist vor allem der Grädigkeit am Verdampfungsbeginn zuzuschreiben. Ebenso ist klar, dass geothermische Quellen begrenzte Energieflüsse aufweisen, so dass das geothermische Fluid im Wärmeübertrager abgekühlt wird. Deshalb steht dem ORC die ursprüngliche geothermische Temperatur nicht für den gesamten Kreisprozess zur Verfügung. Weiterhin ist die hohe Temperaturdifferenz am Verdampfungsende zwischen geothermischem und ORC-Fluid ein unerwünschter Exergieverlust. Organische Fluids haben verglichen mit Wasser eine relative geringe Verdampfungsenthalpie. Dies ist ein weiterer Grund für deren Nutzung, da die mittlere Temperaturdifferenz im Wärmeübertrager geringer ist. Es gibt mehrere Möglichkeiten, den ORC thermodynamisch zu verbessern. So können Mehrdruckprozesse eingesetzt werden, die die mittlere Temperaturdifferenz im Wärmeübertrager reduzieren und dem geothermischen Fluid mehr Wärme entziehen können. Die Zusammenhänge sind analog denen, die in Kap. 7 bei Abhitzekesseln von Kombikraftwerken diskutiert wurden. Auf weitere Darstellungen wird hier verzichtet (siehe auch [15.4]). Es gilt bei der Auslegung abzuwägen, ob der durch eine aufwändige Anlagentechnik erhöhte Wirkungsgrad die höhere Investition rechtfertigt, also ob die Anlage noch wirtschaftlich betreibbar ist. Bild 15.7 ist der vereinfachte Wärmeschaltplan des 1980 gebauten binären geothermischen Kraftwerks Raft River [15.3] mit 5 MWel. Das geothermische Wasser tritt mit 143 °C aus und wird mit dem Volumenstrom von 0,142 m3/s flüssig entnommen. Das Wasser wird drei Förderbohrungen von 1525 m Tiefe entnommen und in zwei Injektionsbohrungen von etwa 1200 m mit 60 °C rückgepumpt. Seine Wärme geht mittels vier hintereinander geschaltete Wärmeübertrager an die ORC-Anlage. Zuerst fließt es durch den Hochdruck-Dampferzeuger, den Hochdruck-Vorwärmer, danach durch den Niederdruck-Dampferzeuger und Vorwärmer.
296
15 Geothermie
Nach dem Niederdruck-Vorwärmer wird das Arbeitsfluid Isobutan in zwei Ströme aufgeteilt, einen Niederdruckstrang ND mit ca. 13,9 bar, Ts = 81 °C und einen Hochdruckstrang HD mit 26,2 bar, Ts = 115 °C. Die Turbinen werden jeweils mit Sattdampf beaufschlagt. a: b: c: d: e: f: g: h: i:
Geotherm. Dampf Hochdruck-Ver-dampfung Niederdruck-Verd. Hochdruck-Pumpe Niederdr.-Pumpe Hochdruck-Turbine Niederdr.-Turbine Kondensator Reinjektion
Bild 15.7: Geothermisches Kraftwerk Raft River nach dem Zweidruck-Binärprinzip
Weltweit sind mittlerweile eine beträchtliche Zahl von ORC-Anlagen in Betrieb. Da die Technik und die zu erwartenden Probleme ähnlich denen von konventionellen Dampfkraftwerken sind, ist i.A. ein zuverlässiger Betrieb gewährleistet. Probleme bereiten die Wärmeübertrager, da geothermische Gewässer hohe Salzgehalte aufweisen. Die Sedimentation und Salzablagerungen an den Wärmeübertragerflächen sind zu minimieren. Üblicherweise wird das geothermischen Wasser im Wärmeübertrager auf einem so hohen Druck gehalten, dass die Löslichkeitsgrenze nicht unterschritten wird. Trotzdem, das “Fouling” (Ablagerungen) im Wärmeübertrager ist eine permanente Herausforderung.
15.5.2 Kalina-Prozess In den siebziger Jahren machte der russische Wissenschaftler Alexander Kalina den Vorschlag, Niedertemperaturquellen wie geothermische Quellen mit einem Kreisprozess, der ein Zweistoffgemisch als Arbeitsmedium nutzt, effizienter zu nutzen. Das binäre Fluid weist keine isotherme Verdampfung auf, sondern eine Verdampfung mit zunehmender Temperaturerhöhung, da das verdampfende Gemisch seine Zusammensetzung ändert. Zudem ist die Kondensation nicht isotherm. Bild 15.8 gibt das vereinfachte T,sDiagramm wieder. Zum Vergleich ist noch der einfache ORC eingezeichnet, um die Unterschiede aufzuzeigen. Hierbei wurde fiktiv angenommen, dass das Phasendiagramm identisch sei. Das Kreisintegral des Prozesses T ds ist die spezifische Arbeit, welche der thermodynamische Prozess liefert. Der Kalina-Prozess liefert eine höhere spezifische Arbeit und deshalb einen höheren Wirkungsgrad mit größerer Wärmenutzung unter vergleichbaren Bedingungen. Derzeit wird das Ammoniak-Wasser Gemisch bevorzugt, nicht zuletzt, weil es bestens untersucht ist. Durch die niedrigere Temperatur des Verdampfungsbeginns im Vergleich zum ORC kann zudem dem geothermischen Fluid noch mehr Wärme entzogen werden, wie Bild 15.9 veranschaulicht. Ebenso ist aus analogem Grund die Kühlung effizienter. Allenfalls ein MehrdruckORC (mit mehreren Verdamfungsdrücken) könnte einen ähnlich guten Wirkungsgrad erzielen, jedoch wären die Investitionskosten ungleich höher.
15.5 Binärprinzip: ORC und KALINA
297 ORC Kalina-Prozess Höhere spez. Arbeit durch Kalina-Prozess Geringere Arbeit durch Kalina-Prozess unter diesen Annahmen
Bild 15.8 Vereinfachter Vergleich zwischen ORC mit Überhitzung und Kalina-Prozess im qualitativen T,s-Diagramm (unter fiktiver Annahme eines gleichen Phasendiagramms)
T
Geotherm. Fluid
ORC Kalina
Bild 15.9: -Diagramm der WärmeT,Q Kühlwasser . . DQ/QGeo
. . Norm. Wärmefluss Q/Q Geo
100 %
übertrager mit binärem Fluid (Kalina Prozess) im qualitativem Vergleich mit einfachem ORC
Die Vorteile zeigen sich aus den Bildern 15.8 und 15.9 klar: x Geringere Temperaturdifferenzen in den beiden Wärmeübertragern Dampferzeuger und Kondensator, d.h. es sind sowohl höhere thermische als auch exergetische Wirkungsgrade (2. Hauptsatz-Wirkungsgrad) zu erwarten. x Die bessere Kühlung führt zu einer niedrigeren unteren Temperatur des Prozesses, was eine höhere spezifische Arbeit w und höheren Wirkungsgrad Șth ergibt. x Höheres mittleres oberes Temperaturniveau des Prozesses, was ebenfalls zu höheren w und Șth führt. Geo kann besser genutzt, also tiefer x Die zur Verfügung stehende geothermische Wärme Q abgekühlt werden, was durch den höheren Ausnutzungsgrad ȘAK wiederum eine höhere Arbeit gibt.
298
15 Geothermie
x Geringere Investitionskosten verglichen mit einem Mehrdruck-ORC, der ähnliche Charakteristiken liefern könnte. Die Zusammensetzung des binären Fluids ist ein weiterer Optimierungsparameter. So lässt sich der Drucklevel durch die Zusammensetzung anpassen. Ein ammoniakreiches Fluid liefert einen höheren mittleren Verdampfungsdruck, der zu einer höheren spezifischen Enthalpie führen kann und zu einer höheren Turbinenarbeit. Analog lässt sich der mittlere Kondensatordruck durch eine wasserreiche Lösung reduzieren, der ebenfalls eine höhere Turbinenarbeit erzielt. Deshalb wurden Kalina-Prozesse mit interner Rektifikation vorgeschlagen, um eine ammoniakreiche Lösung zu verdampfen und eine ammoniakarme zu kondensieren, Bild 15.10. Da der Turbinenabdampf dann höher als die Speisewassertemperatur ist, kann der Abdampf noch zur regenerativen Speisewasser-Vorwärmung genutzt werden, wie in Bild 15.10 ausgeführt. Noch sind nur wenige Kalina-Anlagen in Betrieb, hauptsächlich Test- und Pilotanlagen mit geringer Leistung.
Geothermisches Fluid
Dampferzeu-
Turbine
G
Separator
Rekuperator
Wärmesenke
Absorber 1 Wärmesenke
Absorber 2
Kühlkreis 2
Kühlkreis 1
Grundlösung Ammoniakreiche Lös. Ammoniakarme Lös. Hohe Ammoniakkonz. Bild 15.10: Kalina-Prozess mit interner Rektification (nach [15.6])
15.6 Hot Dry Rock-Verfahren, HDR Großes geothermisches Potenzial ist in heißem, trockenen Tiefengestein zu finden. In das Gestein werden Risse eingebracht, durch die das Wasser fließen kann, Bild 15.11. In die Injektionsbohrung wird Wasser gepumpt, das sich im rissigen Gestein erwärmt, gegebenenfalls
15.6 Hot Dry Rock-Verfahren, HDR
299
verdampft und an der Produktionsbohrung austritt. Je nach Dampf-/Wasserqualität und thermodynamischem Zustand kann direkt in der Dampfturbine entspannt oder ein Binärsystem betrieben werden. Die erste HDR-Versuchsanlage war in den Jemez Mountains, New Mexico, wo das Tiefengestein etwa 200 °C warm ist. Die zwei Bohrungen in etwa 3000 m Tiefe haben 75 m Abstand. Kaltes Wasser wird mit einem Druck von etwa 62 bis 69 bar in die Injektionsbohrung gepumpt. An der Förderbohrung hat das ausfließende Wasser ca. 130 °C. Das Kraftwerk ist eine Binäranlage. Der Primärkreis wird unter Druck gehalten, um Dampfbildung mit erhöhter Mineralablagerung zu verhindern. Die künstlich zu schaffenden Gesteinsrisse und die Positionierung der Förderbohrung sind eine technische Herausforderung. Zunächst muss eine geologische Untersuchung die Lage eines heißen Tiefengesteins, deren Ausbreitung und Textur ergeben. In die Injektionsbohrung wird dann Wasser hohen Druckes gepumpt. Die Bohrung ist ausgekleidet, so dass der Wasserdruck erst am Austritt in der gewünschten Tiefe auf das Gestein wirkt. Die im Gestein schon vorhandenen Risse werden durch das eingepresste Wasser soweit geweitet, dass sie wasserdurchlässig werden. Die Rissbildung setzt vorhandene Spannungen im Tiefengestein frei, so dass sich die Risshälften etwas versetzen und gewisse Rissabstände bleiben. Die freigesetzte Gesteins-Spannung bei der Fracturing Aktion in Kleinhüningen/Schweiz bei Basel in 5.000 m Tiefe rief am 8. Dezember 2006 sogar ein in der Region merkbares Erdbeben der Stärke von 3,4 auf der Richterskala hervor. Die Methode wird Fracturing genannt. Für die zweite Bohrung ist die Kenntnis der Ausbreitungsrichtung der Risse nötig. Mit Hilfe einer sensiblen Detektion kann an der Oberfläche über die bei der Rissbildung entstehenden Geräusche und Erschütterungen (kleine Erdbeben) diese Risspropagation verfolgt und die geeignete Stelle für die Förderbohrung festgelegt werden [15.7].
a: Geothermischer Dampf aus Produktionsbohrung b: Dampferzeuger, indi-rekte Beheizung des Arbeitsfluids, i.A. ORC c: Turbine d: Kondensator e: Speisewasser-Pumpe f: Reinjektion
Bild 15.11: Geothermisches Kraftwerk nach dem Hot-Dry-RockVerfahren
300
15 Geothermie
In Soultz-sous-Forêt/Elsaß ist die größte europäische HDR-Anlage im Bau [15.8]. Die Bohrungstiefe zu der dortigen geothermischen Anomalie beträgt zwischen 2800 und 3800 m. Der Bohrungsabstand ist mit 450 m die weltweit längste unterirdische Zirkulationsstrecke. Das Wasser wird mit 140 °C gefördert. Es ist an eine binäre ORC-Pilotanlage von etwa 1 MWel gedacht.
15.7 Geokomprimierte nasse Felder Es existieren unterirdische poröse Felsformationen, die mit heißem Salzwasser unter hohem Druck gesättigt sind. Ein derartiges Feld erstreckt sich entlang der texanisch/louisianischen Golfküste, mit einer Fläche von etwa 400.000 km2, in einem Streifen ca. 150 km landeinwärts und 150 km unterhalb des Meeres, bei einer Dicke von 3 bis 15 km. In 5000 m Tiefe wird bei einem Druck bis zu 850 bar eine Temperatur von 125 °C bis 180 °C vermutet [15.3]. In dem Salzwasser sind große Mengen Erdgas gelöst. Sollte die Förderung wirtschaftlich werden, so ist dies nur als kombinierte Anlage zur Gewinnung geothermischer Wärme und Erdgas denkbar, Bild 15.12. Das Salzwasser wird in zwei Druckniveaus separiert, da die Erdgaslöslichkeit im Wasser mit abnehmendem Druck und Temperatur geringer wird. Das Hochdruckwasser, das an der Oberfläche immer noch einige Hundert bar aufweist, soll gemäß Bild 15.12 nach dem Erdgas-Hochdruckseparator zuerst über eine Wasserturbine entspannt und flüssig in den Niederdruckseparator geleitet werden, bevor es seine Wärme an den Sekundärkreis abgibt und in das Feld zurückgepumpt wird. a: b: c: d: e: f: g: h:
Geothermisches Salzwasser mit gelöstem Erdgas Hochdruck-Separator Wasserturbine Niederdruck-Separator Kondensator Dampfturbine (ORC) Zur Erdgas-Pipeline Wasser-Reinjektion
Bild 15.12: Geothermisches Kraftwerk und Erdgasseparation von geokomprimiertem Salzwasser mit gelöstem Erdgas
15.8 Kraft-Wärme-Kopplung mit geothermischer Energiequelle Bild 15.13 ist das stark vereinfachte Wärmeschaltbild des Heizkraftwerks von Svartsengi/ Island (nach [15.9]). Zwei 1 MWel Gegendruckturbinen werden mit geflashtem Dampf gespeist. Ein Großteil des Dampfstromes wird jedoch Wärme- übertragern zugeführt, die das Heizwärmenetz speisen. Ebenso kann die Geothermie für eine Absorptionskälteanlage genutzt werden.
15.9 Hybridsysteme
301 WÜ: Wärmeübertrager a: Zufuhr heiße Quelle b: Zufuhr kalte Quelle c: Flash/Separator d: Direktkontakt-WÜ e: Turbine f: WÜ/Kondensator g: Entgaser h: Hochtemperatur-WÜ i: Wärmeverteilung j: Reinjektion
Bild 15.13: Vereinfachter Wärmeschaltplan des geothermischen Heizkraftwerks in Svartsengi/ Island.
15.9 Hybridsysteme Da geothermisch nutzbare Quellen nur mäßige Temperaturen liefern, sind hybride Systeme denkbar, die durch Brennstoffzufuhr das Temperaturniveau anheben. Das geothermische Wasser kann die Vorwärmstrecke eines Dampfkraftwerkes beheizen, während die Verdampfung und Dampfüberhitzung durch eine Zusatzfeuerung erfolgt. Ebenso kann die externe Wärmezufuhr auf die Überhitzung beschränkt bleiben. Es bieten sich Mehrdruckprozesse an (Kap. 7), wobei die geothermische Wärme die Niederdruckstränge bis zur Sattdampferzeugung bedient. Die technisch und wirtschaftlich optimale Lösung hängt von der gewünschten Kraftwerksleistung und der Ergiebigkeit der geothermischen Quellen ab. Wo keine geothermische Anomalie vorliegt, hat sich zur Beheizung einzelner Häuser die Kombination von Erdwärmesonden und Wärmepumpen bewährt. Die Erdwärmesonde besteht aus einer Erdbohrung von gewöhnlich 30 bis 200 m Tiefe mit einem Durchmesser von etwa 100 bis 150 mm, in das ein oder mehrere Rohre U-förmig oder als konzentrische Rohre eingelegt werden, Bild 15.14. Die Rohre sind meist aus Kunststoff HDPE mit 28 bis 50 mm Durchmesser. Bis etwa 100 m Tiefe beträgt die Temperatur im Erdreich jahreszeitlich unverändert ca. 10 bis 15 °C. Das durchfließende Wasser erwärmt sich im Erdloch entsprechend und wird anschließend einer Wärmepumpe zur Temperaturanhebung des sekundären Heiz- und Brauchwassernetzes zugeführt. Während der Heizperiode kühlt das Erdreich um die Bohrung leicht aus, die heizfreie Sommerperiode gleicht dies aus. Erdwärmesonden-Systeme können in normalen geologischen Formationen betrieben werden. In der Schweiz sind sie mit über 6000 Anlagen (Stand 1998 [15.1]) sehr beliebt. Im Sommer sind Erdwärmesonden auch für Kühlzwecke einsetzbar.
Bild 15.14: Erdwärmesondenanlage
302
15 Geothermie
15.10 Rein geothermische Nutzung Schon im Altertum fand Thermalwasser Verwendung. So wird seit jeher auf Neuseeland das geothermisch erhitzte Wasser von den Ureinwohnern, den Maoris, zum Kochen von Speisen, zum Wäschewaschen und zu Badezwecken benutzt. Technisch wird Thermalwasser je nach Temperatur zur direkten Wohnheizung, zur Bodenbeheizung von Straßen, Parkplätzen, Gehwegen oder von landwirtschaftlichen Böden, zur Erwärmung von Gewächshäusern und zu aquakulturellen Zwecken, d.h. zum schnellen Wachstum von Fisch-, Muschel- und Krustentieren in warmen Gewässern, eingesetzt.
15.11 Umweltaspekte Die Nutzung geothermischer Energiequellen kann lokal Probleme aufwerfen und zu einer Umweltbelastung führen. So sind im geothermischen Wasser Salze (Mineralien) und Gase gelöst, die teilweise giftig sind. Oft vorhandene Schwefelwasserstoffgase verursachen Geruchbelästigungen, tragen zur atmosphärischen Schwefelbelastung bei und gelten als ozonschädigend. Die Beladung des Wassers mit Partikeln und Salzen verbietet eventuell eine Ableitung in Oberflächengewässer. Dann ist der Abdampf zu kondensieren und das Kondensat wieder in das Feld zurückzupressen, was Anlagenleistung und Wirkungsgrad verringert. Problematisch ist die hohe abzuführende Wärme der geothermischen Kraftwerke, die durch die niedrigen Wirkungsgrade bedingt sind.
Literatur zu Kapitel 15 [15.1] H. Tenzer, Geothermie – die Ganzjahresenergie, in: Entwicklungtendenzen in der Energieversorgung, Informationsschriften des VDI-GET, R. Zahoransky (Editor), 1998 [15.2] R. Zahoransky (Editor), Geothermal opportunities in the Upper Rhine Valley, Informationsschrift der VDI-GET (2006) [15.3] H.A. Sorenson, Energy Conversion Systems, Verlag: John Wiley & Sons, Inc., 1983 [15.4] R. Zahoransky, Geothermal Surface Installation-Adjusted Power Plant Technologies, in: Geothermal opportunities in the Upper Rhine Valley, R. Zahoransky und I. Wolfer (Editoren), Informationschrift der VDI-GET (2006) [15.5] S. Schneider, D. Falkenberg, M. Kaltschmitt, Erneuerbare Energien, BWK (BrennstoffWärme-Kraft) 4, Springer VDI Verlag, 2004 [15.6] O.M. Ibrahim and S.A. Klein, Absorption Power Cycles, Energy 21/1 (1996) [15.7] Geothermische Vereinigung e.V., Druckschrift HDR [15.8] N. Cuenot, Deep enhanced geothermal systems – Soultz project, in: Geothermal opportunities in the Upper Rhine Valley, R. Zahoransky (Editor), Informationschrift der VDIGET (2006) [15.9] S. Thorhallson, Combined Generation of Heat and Electricity from a Geothermal Brine at Svartsengi in S.W.Iceland, Geothermal Resources Council Transactions, Vol. 3, 1979, S. 733-736
303
16 Energetische Müllverwertung In den 1970er Jahren entstand in der Bundesrepublik Deutschland das Bewusstsein für die Problematik von Mülldeponien mit ihren Sickerwässern und entweichenden Gasen. Die lokalen Müllkippen wurden zugunsten weniger zentraler, überwachter Anlagen geschlossen (Faustregel: Eine Zentraldeponie pro Landkreis). Abfall darf in Deutschland nur deponiert werden, wenn er unter 5 % an brennbaren Stoffen enthält [16.1] und nach [16.2] sind Abfälle so zu behandeln und zu lagern, dass schädliche Auswirkungen auf Boden und Grundwasser verhindert werden. Diese Auflagen können nur durch eine thermische Behandlung des Mülls erfüllt werden. Es bietet sich an, den Müll zu verbrennen und die Wärme über einen Dampfkraftprozess in elektrische Energie zu wandeln. Jetzt schon erreichen Müllkraftwerke in Deutschland bei der Stromerzeugung einen Anteil von über 1 %. Im Vordergrund steht allerdings nicht die energetische Nutzung, sondern die umweltschonende Entsorgung des Mülls. Müllkraftwerke wurden schon früh gebaut, beispielsweise im 19. Jahrhundert in San Francisco und Hamburg. Je nach Herkunft sind die Zusammensetzung und der Heizwert des Mülls unterschiedlich. Beim deutschen Hausmüll ist mit der in Bild 16.1 gezeigten Zusammensetzung zu rechnen. 1000 kg deutscher Hausmüll weist einen Heizwert von etwa 250 Liter Heizöl auf.
Bild 16.1: Zusammensetzung von Hausmüll in Massenanteilen [16.3]
Um Hausmüll zuverlässig verbrennen zu können, ist eine Aussortierung großer unbrennbarer Anteile zu empfehlen. Die Rauchgase sind zu reinigen (Denitrierung, Entstaubung, Entschwefelung). Zusätzlich verdient die Entfernung von Dioxinen und Furanen, die durch Rekombination der Bestandteile Chlor, Kohlen- und Wasserstoff bei der Abkühlung des Rauchgases entstehen, und von Schwermetallen (Quecksilber), besondere Aufmerksamkeit. Die Verordnung über Abfallverbrennungsanlagen [16.4] bestimmt Grenzwerte der Dioxine und Furane von 0,1 · 10–6 g/m3 Rauchgas. Moderne Müllverbrennungsanlagen sind Schadstoffsenken, d.h. es werden dem Ökosystem Schadstoffe entzogen. Eine moderne Hausmüllverbrennungsanlage scheidet bei einem Durchsatz von 200.000 Tonnen Müll etwa 50 Tonnen Zink und 3 Tonnen Kupfer, Kadmium und Quecksilber ab. In den 200.000 Tonnen Hausmüll sind ca. 10 g Dioxin enthalten; weniger als 0,1 g wird emittiert. In den alten Bundesländern wird schon ein Drittel des Mülls verbrannt. Im Durchschnitt der EU sind es 20 %, in der Schweiz 80 % und in Japan 65 %.
304
16 Energetische Müllverwertung
Derzeit sind drei unterschiedliche thermische Müllverwertungsprozesse realisiert: x Reine Verbrennung (traditionelle Öfen) x Thermoselect-Verfahren x Schwel-Brenn-Verfahren. Dominant sind Müllkraftwerke mit reiner Verbrennung. Die reine Pyrolyse hat sich nicht durchgesetzt, jedoch ist sie bei den Thermoselect- und Schwel-Brenn-Verfahren ein integrierter Verfahrensschritt.
16.1 Müllkraftwerke mit traditionellen Öfen Der Müll wird mittels Rostfeuerung, i.A. mit beweglichen Rosten, verbrannt. Die erreichbare Temperatur von 800 bis 1200 °C zerstört die meisten Schadstoffe einschließlich Dioxinen und Furanen. Das Restvolumen beträgt lediglich noch ein Zehntel, das Gewicht weniger als ein Drittel. Die Reststoffmenge geht großteils in den Straßenbau.
a: Müllbunker, b: Rostfeuerung und Dampferzeugung, c: Turbosatz mit Wärmeauskopplung, d: Elektrofilter, e: Kalkreaktor (Säureabscheidung), f: Aktivkohlefilter (Dioxin/Furan und Schwermetall-Abscheidung), g: SCR Anlage (Entstickung), h: Desorption Aktivkoks, i: Schwermetallausschleusung, j: Rauchgasreinigungs-Reststoffe, k: Reaktionsprodukte aus Kalkreaktor, l: Ammoniakwasser (zur Entstickung), m: Schlacke, n: Schrott Bild 16.2: Schematischer Schnitt durch ein Müllkraftwerk mit Rostfeuerung [16.5]
16.2 Pyrolyse
305
In der Müllverbrennungsanlage spielen sich fünf thermische Prozessschritte ab: x x x x
Trocknen Entgasen Vergasen Verbrennen (mindestens 850 °C, um organische Schadstoffe wie Dioxine/Furane zu zerstören; der Heizwert des Restmülls reicht i.A. aus, um diese Temperatur ohne Zusatzheizung zu erzielen) x Ausbrennen. Die Verbrennungsluft kommt aus dem Müllbunker, in dem sie einen Unterdruck erzeugt und dadurch Geruchs- und Staubemissionen verhindert. Im Dampferzeuger ist die Rostfeuerung integriert. Wie in einem Kohlekraftwerk wird das Rauchgas von Staub, SOx und NOx befreit. Zusätzlich müssen die Salz- und Flusssäuren sowie die Schwermetalle entfernt werden. Die Dioxine/Furane werden durch Aktivkohlefilter rückgehalten. Die mit Dioxinen/Furanen angereicherte Aktivkohle wird durch Erhitzung regeneriert und die desorbierten Schadstoffe in die Verbrennungszone rückgeführt. Nur ein Bruchteil des ursprünglichen Mülls fällt als Sondermüll in Form von Flugasche und Schlamm an, die beide viel Schwermetalle enthalten. Ansonsten sind die Verbrennungsrückstände und die Rauchgasreinigungsprodukte wiederverwertbar. Die Daten der neuesten Hamburger Müllverwertungsanlage [16.3]: x x x x x x x
320.000 t/a Müll 80.000 MWhth Fernwärme (ausreichend für fast 20.000 Wohnungen) 3.000 t Gips (Bauindustrie) 96.000 t Verbrennungsschlacke (Straßen- und Wegebau) 10.000 t Eisenschrott (Stahlindustrie) 5.000 t Salzsäure (Chemische Industrie) 10.000 t = 3 % des ursprünglichen Mülls ist Flugasche und Schlamm (Sondermüll-Deponie)
16.2 Pyrolyse Die Pyrolyse ist Bestandteil der nachfolgenden Verfahren. Der Abfall wird praktisch ohne Sauerstoff erhitzt, wobei 1 kg Hausmüll etwa 0,6 kg Schwelgas und 0,4 kg feste Rückstände (1/10 des ursprünglichen Volumens) ergeben. Das Schwelgas muss eventuell mit Wasserdampf, Luft oder Sauerstoff veredelt werden (CO- und H2-Bildung), so dass ein Gasmotor angetrieben werden kann. Vorteil der Pyrolyse sind: x Minimale Schadgase x keine Rekombination von Dioxinen/Furanen, da kein Sauerstoff vorhanden ist. Wegen der unterschiedlichen Müllzusammensetzung ist die Pyrolyse schwierig. Der rückbleibende Pyrolyse-Koks kann wegen seines unkalkulierbaren Gehalts an anorganischen Schadstoffen i.A. nicht verwertet werden, sondern muss deponiert werden.
306
16 Energetische Müllverwertung
16.3 Thermoselect-Verfahren Dieses Verfahren ist eine Kombination von Pyrolyse, Vergasung und Verbrennung (Bild 16.3). Der Müll wird zunächst mechanisch verdichtet, dann im Verdichtungskanal unter Luftabschluss verschwelt. Das kohleartige Koksprodukt wird bei ca. 2000 °C vergast (siehe Kap. 13). Diese hohe Temperatur wird durch unvollständige Verbrennung (unterstöchiometrische Verbrennung) mit reinem Sauerstoff erreicht. Bei dieser hohen Temperatur schmelzen die unbrennbaren Bestandteile wie Keramiken, Steine und Metalle. Die erkaltete Schlacke wird von den Metallen getrennt und findet im Straßenbau Verwendung. Der Anfall an toxischen Reststoffen soll besonders gering sein. Die Neubildung von Dioxinen wird durch eine Schockkühlung des Synthesegases nach der heißen Vergasungszone verhindert, durch die das Temperaturfenster, in dem sich Dioxine rekombinieren können, schnell durchfahren wird. Das brennbare Synthesegas durchströmt eine Reinigungsstrecke, bevor es entweder zur Wärmeerzeugung direkt verbrannt wird oder einen Gasmotor mit Generator antreibt und dabei Strom erzeugt. Gegebenenfalls ist nach der Verbrennung wieder eine Rauchgasreinigung vorzusehen. Tabelle 16.1 zeigt die Zusammensetzung der durch das Thermoselect-Verfahren entstehenden Reststoffe in Gewichtsprozenten. Die größte Masse ist im nutzbaren Synthesegas akkumuliert. Die bei der hohen Temperatur entstehenden mineralischen und metallischen Granulate haben eine erdkrustennahe Zusammensetzung, sind selbst in gemahlenem Zustand stabil (geringste Eluatwerte) und haben eine günstige Korngrößenverteilung, die sich für die industrielle Verwendung eignet. Die Schwermetallkonzentrate Zink und Blei, die Mischsalze sowie der Schwefel finden nach [16.6] industrielle Verwendung. Tabelle 16.1: Zusammensetzung der Reststoffe in Massenanteilen Synthesegas
H2O
Mineralgranulat
Metallgranulat
Salze
Zn, Pb
S
59,1 %
23,5 %
14,2 %
1,8 %
0,8 %
0,5 %
0,1 %
Bild 16.3: Aufbau der Thermoselect-Anlage in Karlsruhe, nach [16.7]
16.4 Schwel-Brenn-Verfahren
307
Derzeit gibt es neben der Pilotanlage in Verbania/Italien ein großtechnisches ThermoselectKraftwerk in Karlsruhe mit folgenden Daten [16.6, 16.7]: Mülldurchsatz: 225 000 Tonnen/Jahr Fernwärmeauskopplung: 25 MW Elektrische Leistungsabgabe: 5 MW Nach den aufgelaufenen hohen Verlusten wurde die Karlsruher Anlage stillgelegt.
16.4 Schwel-Brenn-Verfahren
a: Müllbunker, b: Zerkleinerung, c: Schweltrommel, d: Feuerung und Dampferzeugung, e: Elektrofilter, f: Rauchgas-Nasswäsche, g: SCR Anlage (Entstickung), h: Aktivkohlefilter (Dioxin/Furan-Abscheidung) mit Desorption, i: Salze; j: Adsorbens, k: Trennung unbrennbarer Stoffe, l: Filterstaub, m: Schmelzgranulat, n: Turbosatz mit Wärmeauskopplung Bild 16.4: Aufbau der Schwel-Brenn-Anlage in Fürth [16.5]
Hier handelt es sich um eine Kombination von Pyrolyse und Verbrennung. Zuerst werden die Abfälle zerkleinert und danach bei 450 °C in reduzierender Atmosphäre thermisch behandelt (Schweltrommel). Die groben Bestandteile des Pyrolyse-Kokses, d.h. Metalle, Steine, Glas können entfernt und verwertet oder deponiert werden. Da die Metalle die reduzierende Atmosphäre durchlaufen haben, sind sie blank, ohne Rostschichten. Der Rest mit einer Korngröße von unter 5 mm enthält etwa 30 % Kohlenstoff und wird zusammen mit den Schwelgasen im Dampferzeuger verbrannt. Bei Verbrennungstemperaturen um 1300 °C, die so hoch ist, weil die unbrennbaren Müllbestandteile entfernt sind, entsteht eine glasartige Schlacke. Auch die schadstoffhaltigen Filterstäube aus der Rauchgasreinigung können in diese Hochtemperaturbrennkammer eingeleitet werden, um sie zu verglasen. Die Schlacke gilt als verwertbar, da sie
308
16 Energetische Müllverwertung
chemisch sehr stabil ist. Dieses Verfahren verspricht den höchsten energetischen und stofflichen Verwertungsgrad des Mülls. Nur 2,5 % des ursprünglichen Müllgewichts bleiben als Salze übrig, die als Sondermüll deponiert werden müssen [16.5, 16.8]. Die Firma Siemens als alleiniger Anbieter hat nach einem Unfall in Fürth (Verpuffung in der Schweltrommel) dieses Müllverwertungskonzept aufgegeben.
16.5 Deponiegas/Klärgas-Kraftwerke Mülldeponien entwickeln vorwiegend durch anaerobe Gärungsprozesse Methan/CO2-Gase mit Anteilen von Wasserstoff, Schwefelwasserstoffen, Stickstoff, Sauerstoff und Kohlenmonoxid. Diese Gase verdrängen den für das Pflanzenwachstum nötigen Sauerstoff im Boden, so dass sich Mülldeponien schlecht bepflanzen lassen. Zudem sind Verpuffungen, Explosionen und Brände zu erwarten. Deshalb sammelt man diese Gase in mehreren Gasbrunnen, die in die Deponie eingetrieben werden. Wirkungsvoll ist eine aktive Absaugung. Die Gasbrunnen werden zusammengeführt und entweder zentral abgefackelt oder zum Betrieb von Heizanlagen oder Gasmotoren verwendet, Bild 16.6. Da Methan ozonschädigender als Fluorkohlenwasserstoffe ist, muss das Deponiegas verbrannt werden. Die Gasproduktion und deren Zusammensetzung hängt von dem deponierten Material ab und vom Alter. Bild 16.5 zeigt einen prognostizierten Verlauf der nutzbaren Gasproduktion [16.9]. Bei einer neuen Deponie steigt die Gasproduktion schnell an und steigert sich mit zunehmendem Aufbau. Nach Schließung der Deponie reduziert sich die Gasentwicklung. Das Bild 16.5 veranschaulicht auch, welche Motormodule sinnvoll betrieben werden können. Von den gesamten Deponiegasen können etwa 40 % erfasst und genutzt werden. Bei den in Bild 16.5 eingepassten Gasmotoren wurde von einem Gesamtwirkungsgrad von 31 % ausgegangen, bei einem Heizwert von 16 MJ/m3, was ca. 45 % Methananteil entspricht. Bei den Motormodulen für Deponiekraftwerke ist mit einer mittleren Lebensdauer von etwa 10 Jahren zu rechnen [16.10]. Für einen zuverlässigen Betrieb von Gasmotoren sollte ein Methangehalt von mindestens 40 % vorhanden sein, was nicht alle Deponien erreichen.
Bild 16.5: Verlauf der Gasproduktion einer Deponie [16.9]
Zusammensetzung des Gases der Deponie Lachengraben (Wehr-Öflingen) [16.10]: x 40 % Methan x 30 % Kohlendioxid x 2 % Sauerstoff x 28 % Stickstoff und Rest.
Literatur zu Kapitel 16
309
Bei dieser Deponie bereiten die Siliziumverbindungen mit ca. 82 mg/m3 im Gas Probleme. Die Siliziumverbindungen wandeln sich im Verbrennungsraum in SiO2 (Korund, Sand) um. Silizium kommt über Klärschlamm in die Deponie und stammt im wesentlichen von cremeartigen Pflegemitteln. Eine effektive Gasreinigung ist unerlässlich, da Motorhersteller zum Betrieb der Gasmotoren nur eine Konzentration von 10 mg/m3 Siliziumverbindungen erlauben. Die Ölabsorption hat sich zur Abscheidung der Siliziumverbindungen bewährt. Beispiel Mülldeponie in Gaggenau-Oberweier „Hintere Dollert“ [16.11]: x x x x x x
Inbetriebnahme 1987 12 Zyl. Gasmotor (Jenbacher Werke AG) 150 kWth 300 kWel Deponiegasbedarf: ca. 240 m3/h Betriebsstunden/a: 6000 bis 7000/a
Bild 16.6: Schematische Darstellung eines Deponiekraftwerkes
I.A. sind Deponiegas-Blockheizkraftwerke (Bild 16.6) schwierig zu verwirklichen, da es kaum Wohnungen in Nähe von Mülldeponien gibt und somit Abnehmer für die Heizwärme fehlen. Deshalb sind nur Blockkraftwerke installiert. Analog lassen sich die methanhaltigen Klärgase aus der biologischen Abwasserbehandlung motorisch nutzen. Meist reicht der Ertrag zur Deckung des Eigenbedarfs dieser Kläranlagen (Rührer, Pumpen, Schöpfwerke). Wegen der hohen Konzentration der Siliziumverbindungen ist bei Klärgasen den Motoren eine Ölabsorptionsanlage vorzuschalten.
Literatur zu Kapitel 16 [16.1]
[16.2]
Dritte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz, Technische Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen, TA Siedlungsabfall, Bundesanzeiger, 1993 Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen, BGBl. Nr. 66, 1994
310 [16.3]
16 Energetische Müllverwertung
Abfall nutzen und entsorgen, Strombasiswissen Nr. 114, IZE Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft e.V., Frankfurt [16.4] 17. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (17.BImSchV), Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe, 1990, in: Bundes-Immissionsschutzgesetz, Beck-Texte im dtv, 1994 [16.5] Abfallwirtschaft Foliensammlung, IZE, Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft e.V., 1995 [16.6] R. Stahlberg, Unterbrechungsloses Hochtemperaturrecycling – Abfallveredelung durch Thermoselect, in: Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, R. Zahoransky (Editor), Informationsschriften der VDI-GET, 1998 [16.7] Thermoselect-Anlage Karlsruhe, Broschüre der Thermoselect Südwest GmbH, Karlsruhe [16.8] Siemens AG, TWR – Thermal Waste Recycling Plant, 1997 [16.9] I. Weingarten, B. Roth, Energie aus Müll Deponiegas-Blockkraftwerke, Fachbericht 86.2, Badenwerk AG, 1990 [16.10] H. Küttenbaum, P. Kesselring, R. Zahoransky, CO2-Bilanz von gasbefeuerten Block(heiz)kraftwerken, Brennstoff-Wärme-Kraft BWK, Bd. 51, 1999 [16.11] Badenwerk AG, Broschüre „Deponiegasverwertung Gaggenau-Oberweier“
311
17 Energieverteilung, Energiespeicherung
17.1 Energieverteilung Dem Verbraucher muss die Energie in Form von Primär- und Sekundärenergieträgern geliefert werden. Fluide Brennstoffe Gase, Erdöl, Fernwärme sowie elektrische Energie sind in entsprechenden Leitungen kontinuierlich transportierbar, während Festbrennstoffe wie Kohle mit Fahrzeugen (Schiff, Bahn, LKW) transportiert werden. Leitungsgebundene Energietransportsysteme sind an die geografische Lage der Energievorkommen und der Verbraucherschwerpunkte angepasst. Zur vergleichenden Beurteilung des Energietransports dienen folgende spezifische Kenngrößen: x Transportkapazität; förderbarer Energiestrom pro Leitung in kW x Entfernungsspezifischer Wirkungsgrad; abnehmerseitig nutzbare Energie (eingespeiste Energie abzüglich Transportenergie) bezogen auf die eingespeiste Energie und Entfernungseinheit, z.B. in %/km. x Spezifische Förderkosten; Kosten bezogen auf transportierte Energie und Entfernung in €/(kJ · m). Diese spezifischen Förderkosten lassen sich in spezifische Investitions- und Betriebskosten aufschlüsseln. x Spezifische Investitionskosten; Baukosten bezogen auf transportierbare bzw. transportierte Energie und Länge in €/(kJ · m) x Spezifische Betriebskosten; Kosten des Betriebs (Unterhalt, Wartung, Reparatur, Messung, Energieverluste beim Transport, ...) bezogen auf transportierte Energie und Länge in €/(kJ · m)
17.1.1 Mineralöltransporte Mineralöl wird in Pipelines von den Seehäfen, wo es aus dem Förderland angeschifft wird, zu den Raffinerien transportiert. Westeuropa ist von einem dichten Erdölpipelinenetz durchzogen. Die Leckagen durch Beschädigungen oder Korrosion der Rohrleitungen sind mit etwa 0,5 ppm gering [17.1]. Die Rohölversorgung der deutschen Raffinerien erfolgt über deutsche Häfen wie Karlsruhe und Duisburg, über Rotterdam und Antwerpen sowie über italienische Häfen. Die deutschen Pipelines haben Rohrdurchmesser von bis zu 40 Zoll, d.h. etwas über 1 m. Beispielsweise betragen die Daten der Transalpine-Pipeline TAL [17.3]: x Triest-Ingolstadt, 464 km, Durchmesser: 40 Zoll (ca. 100 cm), Kapazität: 54 · 106 t/Jahr, Anfangsinvestition: ca. 400 · 106 €. Die aufzuwendende Pumpenergie des näherungsweise inkompressiblen Rohöls hängt von der Reibungsenergie, diese wieder von der Transportgeschwindigkeit und der Viskosität, und vom Höhenunterschied ab. Der Druckverlust ist mit den Methoden der Strömungslehre über Reynoldszahl und Colebrook-Diagramm zu berechnen (z.B. [17.2]). Der Druckabfall ist näherungsweise proportional dem Quadrat der Strömungsgeschwindigkeit. Während die spezifi-
312
17 Energieverteilung, Energiespeicherung
schen Fixkosten mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit fast linear abfallen, steigen die Betriebskosten (im wesentlichen Energiekosten für die Pumpen) mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. Die Strömungsgeschwindigkeit, die die spezifischen Förderkosten minimiert (Bild 17.1), ist zu berechnen.
Bild 17.1: Verlauf der spezifischen Förderkosten
Der Innendruck der Rohrleitung ist durch die Pumpen und die geodätische Höhe gegeben. Die Fließfähigkeit ist gegebenenfalls durch Heizstationen und wärmeisolierte Rohrleitungen aufrechtzuerhalten, denn die Ölviskosität nimmt mit abnehmender Temperatur zu. Durch Metallpfropfen (Trennmolche) lassen sich in einer Leitung verschiedene Ölqualitätschargen voneinander trennen und hintereinander befördern. Weiterhin dienen diese Molche zur Reinigung, Lecksuche nach dem Ultraschallverfahren, zur Korrosionsprüfung und zur Absperrung. Bei großen Anlagen sind Kreiselpumpen, ansonsten Verdrängerpumpen eingesetzt. Als Antrieb kommen alle Kraftmaschinen in Frage.
17.1.2 Erdgastransporte Erdgas lässt sich bei Umgebungstemperatur in gasförmigem Zustand durch Pipelines fördern oder in tiefgekühlter, verflüssigter Form mittels Tankwagen oder Tankschiffen. Letztere Erdgastransportform ist mit LNG (liquid natural gas) bezeichnet. Einige Erdgaspipelines werden aus LNG-Schiffen gespeist. Allein in Deutschland ist das Erdgasnetz über 300 000 km lang. Gespeist wird das deutsche Netz neben der Inlandsproduktion von Pipelines aus den GUS-Staaten und Förderländern der Nordsee-Anrainer, wie Niederlande und Norwegen. Als Beispiel sei die Transeuropa-Naturgas-Pipeline (TENP) [17.4] genannt: x Von Trente/NL nach Italien und Schweiz x Volumenstrom ges.: 6,5 · 109 m3/Jahr x 830 km, davon 500 km in Deutschland x Rohrdurchmesser: 86 – 97 cm x 5 Verdichterstationen zu je 10,7 MW, angetrieben durch Gasturbine x Investition der deutschen Strecke allein: ca. 270 · 106 € Rohrleitungen für andere Gase (Kokereigas, Deponiegas, Faulgas) sind allenfalls lokal oder betriebsintern bedeutend. Die Kompressibilität der Gase hat auf die Pipelineauslegung großen Einfluss. So nimmt der Druck durch Reibung in Förderrichtung ab, was das Volumen gemäß Gasgesetz ansteigen lässt: pV = mZRT
Gl. (17.1)
Bei den üblich hohen Drücken bis 80 bar ist mit einer Gasgleichung zu rechnen, die das Realgasverhalten berücksichtigt, z.B. durch den Realgasfaktor Z(p,T) 1.
17.1 Energieverteilung
313
Der Druckverlust ist durch Kompressorstationen mit Turboverdichtern oder Kolbenkompressoren auszugleichen. Angetrieben werden diese durch Gasmotoren oder bei großen Erdgasleitungen meist durch Gasturbinen. Bei höheren Druckverhältnissen ist eine Kühlung des zu fördernden Gasstroms nötig, um unzulässige Temperaturspannungen der Rohre zu vermeiden, wobei meist eine Kraft-Kältekopplung wirtschaftlich ist. Ebenso erhöht die Kühlung den Volumenstrom. Verdichterstationen sind in Abständen von etwa 150 km erforderlich. Übliche Druckverhältnisse der Kompressorstationen liegen zwischen 1,2 und 1,8, der Austrittsdruck ist etwa 80 bar. Bei der Erdgasleitung von Ekofisk/Norwegen nach Emden ist der Austrittsdruck über 130 bar. Übliche Durchmesser sind 800 bis 1200 mm. In Bild 17.2 ist der Aufbau der Pipeline Ekofisk-Emden gezeigt, die in der Nordsee verlegt ist; um den Auftrieb auszugleichen, wurde eine Betonummantelung gewählt, die bei Erdverlegung entfällt.
Bild 17.2: Aufbau der Nordsee-Pipeline
Neben dem unteren bzw. oberen Heizwert Hu oder Ho ist bei Brenngasen deren Wobbe-Zahl entscheidend: Wo = Ho(ȡL/ȡ)0,5 oder Wu = Hu(ȡL/ȡ)0,5
Gl. 17.2
Die Wobbe-Zahl setzt den auf das Normalvolumen bezogenen Heizwert des Gases Ho bzw. Hu [kJ/mN3] in Verhältnis zu einem sinnvollen Dichteverhältnis. ȡ ist die Gasdichte, ȡL die Luftdichte. Die Wobbe-Zahl ist eine Maßzahl, mit dem der gemessene Volumenstrom des Gases in einen Energiestrom umgerechnet wird und für Brenner eine wichtige Auslegungsgröße ist. Das Erdgas ist je nach Qualitätsanforderung in pipelineinternen Aufbereitungsstationen von Wasser und Schwefelverbindungen zu befreien. In Übergabestationen wird das Hochdruckgas in Endverbrauchernetze geleitet. Sie beinhalten Druck-, Regel-, Reduzier- und Messeinheiten und Durchleitschleusen. Bei starken Drosselungen ist gegen die Vereisung bzw. Hydratbildung ein Gaserhitzer installiert. Die Energiemengen werden über den Heizwert, Volumenstrom, Druck und Temperatur gemessen. Um dem Verbraucher, bei dem nur vereinfacht gemessen wird, Gas mit konstantem Heizwert und Wobbe-Zahl zu liefern, sind gegebenenfalls Fremdgase zuzugeben. Die Deregulierung der europäischen Gasmärkte und die neuen Kombinationskraftwerke mit erdgasbefeuerten Gasturbinen zwingt zum Ausbau der Verbund- und Verteilnetze. Mit technischem Fortschritt bezüglich Werkstoffen, Herstellverfahren, Konservierung und Überwachung werden die Pipelinedrücke und die Durchmesser weiter erhöht werden, um die Transportkosten zu senken und die Übertragungskapazität zu steigern. Die Absicherung des Ausfallrisikos wird mit zunehmender Übertragungskapazität komplexer. Deshalb sind zeitparallel Erdgasspeicher und andere technische Maßnahmen zur Abdeckung der Ausfallzeiten und winterlichen Lastspitzen zu realisieren.
314
17 Energieverteilung, Energiespeicherung
17.1.3 Elektrische Verbundnetze 1891 fand die erste bedeutende Drehstromübertragung bei 25 kV und 24 Hz von Lauffen am Neckar nach Frankfurt/Main über eine Distanz von 175 km mit einem Wirkungsgrad von 75 % statt, die historisch die Grundlage des heutigen Verbundbetriebes darstellt. Damit konnte die wirtschaftliche Energieverteilung über größere Strecken demonstriert werden. In der Anfangszeit der Elektrifizierung dominierten die standortgebundenen Wasserkraftwerke in den Alpen und Mittelgebirgen, so dass zunächst das Problem der Übertragung der elektrischen Energie zu den Industriestandorten zu lösen war. Als Ausgangspunkt des europäischen Verbundnetzes gelten die Kraftübertragungswerke Rheinfelden (heute Fa. Energiedienst) durch die AEG unter der Führung von Emil Rathenau [17.5]. Das deutsche Verbundnetz basiert auf 50 Hz mit 380 bzw. 220 kV mittels Freiluftleitungen, die die Luftisolation nutzen. Unterirdische Kabel sind die Ausnahme. Durch Mehrfachleitungen, z.B. mit vier 380-kV-Stromkreisen auf einem Mast werden die verfügbaren Trassen optimal genutzt. Der Leitungsabstand hängt von der Spannung ab. Es ist anzunehmen, dass der EU-Binnenmarkt langfristig höhere Spannungen erfordert. Regionale Energieversorger haben meist Verteilnetze mit 110 kV. Für den Verbraucher stehen Wechselspannungen von 230 V bzw. für Industrieabnehmer 380 V Drehstrom zur Verfügung. Für Hochspannungsleitungen werden Verbundseile eingesetzt, die aus einem Seil verzinkter Stahldrähte zur mechanischen Stabilität bestehen, mit einem Mantel aus mehreren Lagen Aluminiumdrähten, die im Wesentlichen den Strom führen. Der Leiter wird meist in Bündel aufgeteilt, so dass die Einzelseile relativ leicht sind und die Oberfläche des Leiterseils möglichst groß, um die Feldstärke unterhalb der Luft-Durchbruchfeldstärke zu halten. Über die Deutsche Verbundgesellschaft (DVG) koordinieren die großen Energieversorger (Verbundunternehmen) alle mit dem Verbundnetz zusammenhängenden Aufgaben. Durch den Parallelbetrieb der Netze ist ein Belastungsausgleich zwischen den einzelnen Versorgungsgebieten gesichert. Ebenso lassen sich unregelbar einspeisende erneuerbare Energiequellen ausgleichen. Die Versorgungssicherheit ist damit gewährleistet. Seit 1995 sind die Neuen Bundesländer und Berlin über das VEAG-Netz in das westeuropäische UCPTE-Netz (Union für Koordinierung der Erzeugung und des Transportes elektrischer Energie) integriert, das von Dänemark bis Portugal und Süditalien reicht. Die nationalen Netze sind zusammengeschaltet, so dass alle Kraftwerke Westeuropas mit der Frequenz von 50 Hz fahren. Großbritannien und Skandinavien sind über Hochspannungs-Gleichstrom-Anlagen mittels Seekabelverbindungen an das UCPTE-Netz angeschlossen. Die nationalen Lastverteiler arbeiten im westeuropäischen Verbundnetz gleichrangig ohne zentrale europäische Lastverteilung. Bei Ausfällen von Großkraftwerken wird der Energiemangel über die parallelbetriebenen Kraftwerke in Europa schnell ausgeglichen und die Frequenzeinbrüche sind minimal. Das große und dadurch träge reagierende Verbundnetz ist ein Speicher zum Ausgleich kurzer Energiebedarfsspitzen. Innerhalb der Deutschen Verbundgesellschaft fahren einige Großkraftwerke zur Frequenzhaltung nur etwa 90 % Last, damit unvorhergesehene Ausfälle durch die schnell mögliche Leistungserhöhung ohne merkbaren Frequenzabfall ausregelbar sind. Die zusammengeschalteten Höchstspannungsnetze haben neben dem reinen Transport also vielfältige Versorgungsaufgaben.
17.1 Energieverteilung
315
Hochspannungs-Gleichstrom Übertragungen werden bei längeren Seekabeln und zur Kopplung asynchroner Netze wie den osteuropäischen VES/EES-Netzen eingesetzt, wo Drehstromübertragungen aufwendiger wären.
17.1.4 Wärmetransporte Die in Deutschland geförderte Kraft-Wärmekopplung befindet sich im Ausbau. Dabei ist das Wärmeverteilnetz mit hohen investiven und betrieblichen Kosten verbunden. Die Wärmeverteilnetze lassen sich in x Fernwärmenetze x Nahwärmenetze unterteilen. Industrielle Abnehmer wie die Verfahrenstechnik benötigen oft überhitzten Dampf oder Sattdampf bei unterschiedlichen Temperatur- und Druckniveaus. Diese Dampfversorgung wird hier nicht behandelt. Der Wärmeträger zur Raumheizung ist meist flüssiges Wasser, wobei Fernwärme bei etwa 130 °C (110 bis 180 °C) unter Druck und Nahwärme mit einer Vorlauftemperatur unterhalb 100 °C bei Atmosphärendruck geliefert wird. Der Wärmeverbraucher wird durch die Übergabestation (Wärmeübertrager) an das Nah-/Fernwärmenetz angeschlossen. Die abgenommene Wärmeleistung wird über Massenstrom und Temperaturdifferenz erfasst. Fernwärmenetze, die viele Kilometer lang sind, werden durch Großkraftwerke versorgt, deren Standort sich in entsprechender Entfernung zu Wohngebieten befindet. Die Leitungsdurchmesser überschreiten oft die Metergrenze. Meist genügen zwei Rohre, eine Vor- und eine Rücklaufleitung. Für die industrielle Versorgung ist oft eine konstante Vorlauftemperatur über das ganze Jahr zu garantieren, was eine dritte Leitung sinnvoll macht. Nahwärmenetze sind entweder aus dem Fernwärmenetz oder aus dezentralen Blockheizkraftwerken BHKW in Wohngebietsnähe gespeist. Die Leitungsdurchmesser der Nahwärmenetze zur Versorgung abgeschlossener Wohn-, Sport- oder Erholungsgebiete sind an die Verbraucher angepasst. Die Verästelung zu den einzelnen Verbrauchern führt zu immer geringeren Rohrdurchmessern. Zu gewährleisten ist, dass auch die entferntesten Verbraucher mit ausreichender Temperatur versorgt werden. Bild 17.3 zeigt den Schnitt durch eine große Fernwärmetransportleitung, wie sie in Berlin verlegt ist. In Westeuropa hat sich das Kunststoff-Mantelrohr bei der Erdverlegung von Fern- und Nahwärmenetzen bis DN 1000 durchgesetzt. Diese Rohre sind entsprechend zu isolieren, wobei Polyurethan-Hartschaum PUR mit einem Polyäthylen-Außenmantel üblich ist. Die Leckagendetektion geschieht mittels Leitfähigkeitmessung an der Rohr-Außenwandung, mit der über das Widerstandsverhalten der Leckageort zugeordnet wird. Die Verlegung der Wärmerohre kann auf drei Arten erfolgen: x Verlegung im Kanal x kanalfreie Erdverlegung x oberirdische Verlegung Wegen niedrigen Kosten wird zumindest bei Nahwärmenetzen die kanalfreie Erdverlegung bevorzugt. Die Rohrstücke werden im Rohrgraben verschweißt und nachisoliert. Für geringe Nennweiten gibt es flexible Wärmerohre, die schon fertig isoliert und mit Korrosionsschutz
316
17 Energieverteilung, Energiespeicherung
versehen auf Trommeln angeliefert werden. Bei der kanalfreien Verlegung im Boden ist auf sorgfältige Ausführung und Kompensation der Wärmeausdehnung zu achten, um langen leckfreien Betrieb zu gewährleisten.
R: Rücklauf DN 1000, 2 Leitungen H: Vorlauf Heizung, DN 1000 K: Vorlauf Konstant, DN 600 Betonrohr-Innendurchmesser: 4,1 m.
Bild 17.3: Schnitt durch Fernwärmetransportleitung
17.2 Energiespeicherung Der Endverbraucher erwartet die Energielieferung direkt an den Verbrauchsort. Er unterhält für die elektrische Energie und das Erdgas keine Vorratshaltung, weshalb diese bedarfsgleich geliefert werden müssen. Energiespeicher entkoppeln die Primärenergiegewinnung, z.B. im Bergbau, und die Energieumwandlung beim Versorger einerseits und des Energieverbrauchs mit seinen zeitlichen Variationen andererseits: x Anlagen zur Energieumwandlung und des Energietransports können wirtschaftlicher dimensioniert und betrieben werden. x bessere Nutzung erneuerbarer Energiequellen, die nicht steuerbar sind. x Erhöhung der Versorgungssicherheit. Die Energieformen sind unterschiedlich speicherbar: x materiell, in Form des Brennstoffs x zustandsbezogen als Latentwärme, fühlbare Wärme, potentielle, kinetische oder chemische Energie. Kennzahlen der Energiespeicher sind dementsprechend: x Massen- oder volumenbezogene Energiedichte [kWh/kg oder kWh/m3] x Leistungsdichte für Ein- und Ausspeicherung [kW/kg oder kW/m3] x Zugriffszeit
17.2 Energiespeicherung
317
x spezifische Energieverluste, d.h. Energieverluststrom bezogen auf die gespeicherte Energie [%/Jahr] x Energierückgewinnungsfaktor bzw. Nutzungsfaktor, d.h. Verhältnis der eingespeicherten bezogen auf die wieder ausspeicherbare Energie x Eignung als Momentan-, Minuten-, Stunden-, Wochenreserve bis hin zu Saisonspeicher x spezielle Aufgaben zur Versorgungsqualität: Frequenzhaltung, Leistungsregelung x wirtschaftliche Kenngrößen: spezifische Anschaffungskosten, Betriebskosten [€/kWh], etc.
17.2.1 Speicherung der Brennstoffe Beim Speichern von Brennstoffen treten nur geringe Verluste auf, z.B. durch Leckagen und Oxidation. Allerdings sind besondere Maßnahmen gegen Unfälle zu treffen (Ölaustritt, Gasexplosion, Schwelbrände auf Kohlehalden). Die entsprechenden Verordnungen, Normen und Richtlinien sind zur sicheren Lagerung zu beachten.
17.2.1.1 Kohlelagerung Kohle wird auf Halden in Nähe der Kohlekraftwerke gelagert. Die Haldenhöhe muss begrenzt sein, um Selbstentzündungen zu vermeiden bzw. Brandherde schnell abräumen zu können. Bei Kohlehalden sind Feuerlöschstraßen anzulegen, Temperaturmessstellen zu installieren und die Halde regelmäßig abzugehen, um dabei Dampfschwaden und Heißluftschlieren zu erkennen, die Brandherde anzeigen. Die Staubentwicklung ist durch Verdichten und ständiges Befeuchten der Oberfläche zu minimieren.
17.2.1.2 Flüssige Brennstoffe (Erdöl und Mineralölprodukte) Neben den privaten Heizöltanks und denen der Straßentankstellen dienen die Erdöl- und Mineralölspeicher bei Raffinerien als Puffer zwischen der per Pipeline angelieferten Erdölmenge, der Produktionskapazität und der Verbrauchernachfrage, die saisonal stark variiert. Hinzu kommen strategische Speicher im nationalen Interesse. Flüssige Brennstoffe sind in Behältern zu speichern, wobei es zwei Arten gibt: x Speicherung in konventionellen Tanks x Speicherung in Erdformationen (Kavernen). Konventionelle Tanks sind meist aus Stahlblech. Durch Auffangwannen oder doppelte Wände ist gegen Leckagen Vorsorge zu treffen. Große oberirdische Tanks können ein Festdach aufweisen oder ein auf dem Öl schwimmendes Dach, Bild 17.4. Bei Festdachtanks ergibt sich bei Be-und Entfüllung ständig ein Luftaustausch, was zu Geruchsbelästigung und Verdunstungsverlusten führt. Schwimmdachtanks mit Folienabdeckung oder aufschwimmender Abdeckung vermindern dies. Ab einer gewissen zu speichernden Öl- oder Erdgasmenge, teils vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sind die Kosten für Stahlbehälter zu hoch. Folgende Untergrundformationen kommen für eine Speicherung prinzipiell in Frage: x x x x x
Bergwerke Aquiferen Felskavernen Ausgebeutete Öl- und Gasfelder Salzkavernen.
318
17 Energieverteilung, Energiespeicherung
Bild 17.4: Tank mit schwimmendem Dach
Typische Daten für Kavernen sind: x Volumen: 300.000 m3 x Nutzvol.: 250.000 m3 x Form: Zylindrisch bzw. birnenförmig x Durchmesser: ca. 50 m x Höhe: ca. 300 m In Deutschland wird die Speicherung in ausgebeuteten Erdöl- oder Erdgasfeldern und in Salzstöcken bevorzugt, da diese für Erdöl und Erdgas undurchlässig sein können und keine chemischen Reaktionen mit den Wandungen hervorrufen. Bei Salzstöcken, wie in der Norddeutschen Tiefebene, ergeben sich weitere Vorteile: x Leichte Herstellung der Kavernen durch Ausspülung und Abfuhr der Sole ins Meer. x Transportgünstige Lage zu den norddeutschen Einfuhrhäfen und zu Raffinerien. Üblich sind in großen Salzstöcken mehrere Kavernen, die mit einem Sicherheitsabstand nebeneinander ausgesolt sind (Kavernenfeld). Die Aussolung der Salzstöcke geschieht über konzentrische Ringrohre mit drei Leitungen, Bild 17.5. Dieses Rohr wird später zum Be- und Entladen genutzt. Die Aussolung mit Süß- oder Meerwasser dauert 2 bis 3 Jahre. Das Frischwasser wird im Zentralrohr zum Boden der zu bildenden Kaverne gepumpt. Beim Aufstieg des Wassers zum höhenversetzten Einlass des Ringrohrs reichert es sich mit Salz an. Die Sole fließt ins Meer. Damit der Kavernenabschluss (Kappe) nicht zu weit nach oben ausgespült wird, wird über das zweite Ringrohr eine Schutzflüssigkeit geringerer Dichte als Wasser eingespeist, die sich an der Kavernenkappe ansammelt und die weitere Salzausspülung verhindert. Unlösliche Stoffe lagern sich im Sumpf an und verkleinern das Kavernenvolumen.
a: b: c: d:
Schutzflüssigkeit (geringere Dichte) Sumpf Anker Futterrohr
Bild 17.5: Salzkaverne mit Be-/Entladerohr
17.2 Energiespeicherung
319
Im späteren Be- und Entladebetrieb wird in der äußeren Ringleitung, wo zur Aussolung die Schutzflüssigkeit eingepumpt wurde, das einzulagernde Brennstofffluid eingebracht. Dabei wird die Sole durch die innere Ringleitung, die in dieser Betriebsweise bis zum Kavernenboden verlängert ist, herausgedrückt. Zur Entleerung wird über das Zentralrohr Solewasser oder Frischwasser eingepumpt, um den eingespeicherten Brennstoff durch das äußere Ringrohr auszutreiben. Nicht nutzbare Hohlräume ergeben sich durch Ausbuchtungen im Bereich der Kavernenkappe, wo das Fluid beim vollständigen Herausdrücken von der Sole eingeschlossen wird.
17.2.1.3 Gasförmige Brennstoffe Da kleine Gasverbraucher mit Ausnahme für Flüssiggas keine Gasspeicher unterhalten, sind zentrale Kurz- und Langzeit-Gasspeicher unabdingbar. Die Gasnachfrage für Heizzwecke und Kraftwerke weist starke tageszeitliche und saisonale Schwankungen auf, wohingegen die Lieferungen aus den Erdgasfeldern nur wenig steuerbar sind. Gasbehälter Die frei aufgestellten Gasbehälter dienen zum Ausgleich kurzzeitiger Nachfragespitzen. Für Niederdruckgas bis 100 mbar über Atmosphärendruck sind Glocken- und Scheibenbehälter üblich, während für höhere Drücke kugelförmige oder Röhren-Speicher zum Einsatz kommen. Der Glockenbehälter besteht aus teleskopartig aufgebauten Elementen, die sich dem Speichervolumen anpassen, Bild 17.6. Das Gewicht der ringförmigen Wandelemente sorgt für konstanten Gasdruck. Der Scheibenbehälter ist ebenfalls zylindrisch mit einer internen kolbenförmigen Trennscheibe, Bild 17.7, die durch ihr Gewicht wieder den konstanten Gasdruck ergibt. Das Speichervolumen dieser Behälter beträgt mehrere Tausend Kubikmeter.
Bild 17.6: Prinzip des Teleskop-Glocken-Gasbehälters
Bild 17.7: Prinzip des Scheiben-Gasbehälters
Die Ferngasversorgung wird bei hohen Drücken durchgeführt. Die in einem Volumen speicherbare Gasmenge steigt mit zunehmendem Druck. Über Druckreduzierstationen wird aus Hochdruckbehältern in das örtliche Verteilnetz eingespeist. Aus Festigkeitsgründen bietet sich die Kugelform an. Zunehmend werden unterirdische Rohrbündel als Gaspeicher genutzt. Durch Einsatz von Pipelinerohren sind diese einfach und wirtschaftlich. Daten des kugelförmigen Hochdruckspeichers, Dortmund x Betriebsdruck: 12 bar x Innendurchmesser: 33,7 m
320
17 Energieverteilung, Energiespeicherung
x Wandstärke: ca. 35 mm x Geometrisches Volumen: 20 000 m3 x Gewicht: 1 100 t Unterirdische Gasspeicher Die geologische Formationen ausnutzenden Speicher sind Langzeitspeicher, die saisonale Nachfrageschwankungen bei konstantem Bezug über das Jahr ausgleichen, Bild 17.8. Als geologische Speicherarten lassen sich Kavernen und Porenspeicher nutzen. Kavernen sind im vorigen Abschnitt der Ölspeicherung erläutert. Porenspeicher bestehen aus porösen, durchlässigen Gesteinsschichten, die von einer gasdichten Schicht umgeben sind. Bei den Porenspeichern sind wieder zwei Arten zu unterscheiden x Aquiferen: Das eingebrachte Gas verdrängt das Wasser aus seinen natürlichen Poren. x Leergeförderte Erdgas- und Erdölfelder: Das nach Förderende eingedrungene Wasser wird wieder durch das Speichergas verdrängt.
Bild 17.8: Saisonaler Ausgleich durch Langzeitspeicher
Bei natürlichen Speichern kann aus geologischen (Wassereinbruch, Wandeinbrüche durch wechselnde Drücke und Temperaturen) und betriebstechnischen Gründen (minimaler Ausspeicherdruck, d.h. Druck der Ferngasleitung), nicht das gesamte Gas entnommen werden. Das verbleibende Gas wird Kissengas genannt. Richtwerte für das Verhältnis von Arbeits- zu Kissengas sind [17.6]: x Ausgebeutetes Gasfeld: 50/50 x Aquifere: 30/70 x Salzkaverne: 60/40 Aquiferen schneiden bei diesem Vergleich ungünstig ab. Die Untertagespeicher werden aus Erdgasleitungen und einem Endverdichter gespeist, wobei das verdichtete Gas zu kühlen ist, um unzulässig hohe Temperaturen der Leitungen und Komponenten zu verhindern. Die Ausspeicherung in die Fernleitung umfasst Wasserabscheider, Vorwärmer (um Vereisung/Hydratbildung im Druckregler auszuschließen), Druckregler, Trockner, Messstrecke. Flüssiggas-Speicher Gase in flüssiger Form haben höhere Energiedichten. Für tiefkalte Gase wie LNG (liquified natural gas, –161 °C bei leichtem Überdruck) sind ober- und unterirdische Speicher üblich, wobei auf gute Isolierung zu achten ist. LPG (liquid petroleum gas, Propan und Butan) wird in zylindrischen und kugelförmigen Behältern gelagert.
17.2 Energiespeicherung
321
17.2.2 Wärmespeicher Wärme ist als fühlbare und latente Wärme speicherbar.
17.2.2.1 Speicherung fühlbarer Wärme Kurzzeitspeicher Der Wärmeträger wird erhitzt und in isolierter Umgebung auf hoher Temperatur gehalten. Wärmeträger sind Wasser für Raumheizungen, und Thermoöle bis hin zu Metallschmelzen für höhere Temperaturen. Verdrängungsspeicher für Wasser, Bild 17.9, erlangen in ihrer modifizierten Form als Schichtspeicher, Bild 17.10, zunehmende Bedeutung für solarthermische Anlagen. Haushalts-Warmwasserspeicher mit integrierter Beheizung werden hier nicht behandelt. z
T(z,t)
c
b b
t > t0 t = t0
aa
a: Ursprüngliche Grenzschicht, b: Einlaufeinbauten, c: Vorlauf (Be- und Entladestrang), d: Rücklauf, T: Temperatur, t: Zeit
T d
Bild 17.9: Verdrängungsspeicher mit Temperaturverlauf
Der Verdrängungsspeicher nutzt die temperaturabhängige Dichte. Das heiße Wasser wird oben in einen zylindrischen Behälter derart eingespeist, dass es zu keiner Vermischung mit den schon im Behälter befindlichen kälteren Wasserschichten kommt. Die kälteren unteren Wasserschichten werden verdrängt und rausgedrückt. Es bildet sich eine Temperaturschichtung. Das Warmwasser wird wieder oben entnommen (Entladung).
d
a: Einspeicherung von Warmwasser aus solarthermischer Anlage b: Verteiler mit unterschiedlichen Auslässen c: Einspeisung bei entsprechender Temperatur (Dichtegleichheit) d: Ausspeicherung e: Einspeisung bzw. Verdrängung von kaltem Wasser
e
Bild 17.10: Prinzip des Schichtenspeichers für solarthermische Anwendungen
b c
a
322
17 Energieverteilung, Energiespeicherung
Die Temperatur solar erwärmten Wassers ist je nach Tagesgang und Jahreszeit unterschiedlich. Bei den Schichtenspeichern für solare Anwendung sind deshalb unterschiedliche Einspeisestellen im Speicher je nach der herrschenden Temperaturschichtung vorgesehen. Die Einspeisung des Wassers in die korrespondierende Temperaturschicht erfolgt wieder unter Nutzung der Wasserdichte. Von unten zugeführtes warmes Wasser kann nur über die mit einer Klappe versehenen Zuleitungen in diejenige Wasserschicht einfließen, die die gleiche Dichte, also gleiche Temperatur aufweist, Bild 17.10. Sehr heißes Wasser fließt ganz oben ein, während weniger warmes Wasser schon weiter unten in den Speicher strömt. Feststoffspeicher Feststoffe wie Kupfer, Stahl, Granit, Schamottsteine als Speichermedien erlauben die Einspeicherung höherer Temperaturen. Die Temperaturerhöhung (Einspeisung) des Feststoffes erfolgt über einen fluiden Wärmeträger, ebenso die Ausspeisung. Langzeitspeicher Warmwasserspeicher für Zeiträume von Wochen bis zu einem Jahr sind vereinzelt realisiert. Hierbei sollen im Sommer mit Solarenergie große Wassermengen im Untergrund oder in Speicherseen erwärmt werden, um sie in der kalten Jahreszeit nutzen zu können.
17.2.2.2 Speicherung latenter Wärme Bei diesen Speichern wird neben der fühlbaren Wärme vor allem die latente Wärme beim Phasenwechsel flüssig-dampf oder fest-flüssig ein- bzw. ausgespeichert. Ruths-Speicher Dieser Latentwärmespeicher nutzt den flüssig-dampf Phasenwechsel, wobei der Wärmeträger Dampf ist. Energieeinspeisung: In einen großen Behälter wird Dampf in eine Flüssigkeitsvorlage gespeist, wobei dieser kondensiert, die Flüssigkeitstemperatur und den Behälterdruck (Sättigungszustand) erhöht. Ausspeisung: Aus dem Dampfraum wird Dampf (Heizdampf) entnommen. Hierbei sinkt der Druck und die zugehörige Sättigungstemperatur, was das gesättigte Wasser zum Kochen, also zur Dampferzeugung bringt. Ruths-Speicher wurden mit mehreren hundert Kubikmetern und für Drücke um 20 bar gebaut. Sie finden in Fernwärmenetzen und als Kurzzeitspeicher für industrielle Produktionsprozesse Verwendung. Ebenso können Ruths-Speicher eine Momentanreserve für Dampfturbinen darstellen. Solche Anlagen werden nur selten gebaut, da sie großvolumig und deshalb kostenaufwendig sind. Fest-Flüssig Latentwärmespeicher (Schmelzwärmespeicher) Die Schmelztemperatur ist für jeden Stoff unterschiedlich. So lassen sich für fast alle Speichertemperaturen geeignete Stoffe, von Wasser mit 0 °C, über Natrium mit 98 °C bis zu Salze, wie NaCl mit 810 °C finden. Bei passiven Latentwärmespeichern befindet sich das Speichermedium in Ruhe. Bei der Ausspeicherung erstarrt das Medium um die Wärmeaustauschflächen, so dass die Wärmeleitfähigkeit diesen Vorgang bestimmt. Das Medium schmilzt bei der Einspei-
17.2 Energiespeicherung
323
cherung, gleichfalls dominiert durch die Leitfähigkeit. Aktive Systeme halten zur besseren Austauschdynamik das Speichermedium während der Erstarrung in Bewegung. Als Wärmeübertrager bieten sich berippte Rohre und Ringspaltrohre an. Ebenso kann das Speichermedium in Folien als kleine Kissen eingeschweißt sein, wobei das Wärmeübertragerfluid durch diese Schüttung strömt, was ebenfalls die Dynamik erhöht. Chemische Speicher Reversible chemische exothermische/endothermische Reaktionen eignen sich ebenso zur Speicherung von thermischer Energie. Eine Vielzahl von Reaktionen sind denkbar, doch müssen die Produkte gefahrlos speicherbar sein und die Reaktionen müssen kontrolliert ablaufen. Die chemische Reaktion CH4 + H2O + 60 kWh/kmol
ĺ
CO + 3H2
Gl. (17.3)
wurde vom Forschungszentrum Jülich als „Adam und Eva“ intensiv untersucht. Sie läuft bei einer Temperatur von ca. 1 000 °C unter Hilfe eines Katalysators, z.B. dem teuren Rhenium, ab. Die Produkte CO und H2 sind wegen ihrer hohen Reaktionsschwelle sicher zu beherrschen. Zur Rückreaktion bei Temperaturen bis zu relativ niederen 500 °C ist ebenso ein Katalysator zu verwenden: CO + 3H2
ĺ
CH4 + H2O + 50 kWh/kmol
Gl. (17.4)
Andere einfache Reaktionen wie CH4 + CO2
ĺ
2CO + 2H2
Gl. (17.5)
kommen mit preiswerteren Katalysatoren aus. Das Beispiel Gl. 17.5 mit Nickel.
17.2.3 Elektrische Speicher Elektrische Energie kann direkt als magnetische Feldenergie in Spulen oder als elektrische Feldenergie in Kondensatoren gespeichert werden. Von Bedeutung in der Energiewirtschaft ist die indirekte Speicherung über eine andere Energieart wie x x x x x x
elektrochemische Speicher (Batterien, Akkus) Pumpspeicherkraftwerk Schwungradspeicher Druckluftspeicher-Gasturbine Dampfspeicher (Ruths-Speicher) für Dampfturbine elektrische Speicherheizung.
Großtechnisch sind die Pumpspeicherkraftwerke für die effiziente Abdeckung der Spitzenlast in Verbundnetzen unabdingbar. So ist das Hornbergbecken bei Wehr im Südschwarzwald für die schnelle Bereitstellung von 900 MWel ausgelegt (Kap. 11). Die einzige realisierte Druckluftspeicher-Gasturbine mit 290 MWel ist in Kap. 6 beschrieben. Akkumulatoren unterschiedlicher Bauarten und chemischer Systeme sind zur Notstromversorgung, für dezentrale Photovoltaiksystem und sonstige kleine Energieanlagen wichtig. Die elektrischen Speicherheizungen, die Festkörperspeicher durch Grundlaststrom nachts aufheizen, sind in elektrischen Verbundsystemen interessant, in denen zuviel Grundlaststrom angeboten wird, der wenig regelbar ist. Damit lässt sich der Stromverbrauch vergleichmäßigen.
324
17 Energieverteilung, Energiespeicherung
Literatur zu Kapitel 17 [17.1] A. Mareske, Energietechnik, in: Dubbel interaktiv, Das elektronische Taschenbuch für den Maschinenbau, W. Beitz, K.-H. Grote (Herausgeber), Springer Verlag, 1999 [17.2] J. Zierep, K. Bühler, Strömungsmechanik, Springer Verlag, 1991 [17.3] D. Nagel, Die ökonomische Bedeutung der Mineralölpipelines, Deutsche Shell AG, Hamburg, 1968 [17.4] D.P. Shaub, TENP – Europas längste Erdgasleitung. OEL – Zeitschrift für die Mineralölwirtschaft, 1974 [17.5] P. Kesselring, Bedeutung der Wasserkraft im Energieverbund, in: R. Zahoransky, Editor, Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, VDI-GET, Düsseldorf, ISBN 3-931384-17-9, 1998 [17.6] E. Sauer, Energietransport, -speicherung und -verteilung, Handbuchreihe Energie, Herausg. T. Bohn, Tech. Verlag Resch, 1982
325
18 Liberalisierung der Energiemärkte In der Phase steigender Strom- und Gaspreise richtet sich die Aufmerksamkeit der öffentlichen Diskussion wieder verstärkt auf das Thema Liberalisierung der Märkte für leitungsgebundene Energieträger, nachdem es im Anschluss an die bewegte Zeit kurz nach der Marktöffnung wieder nahezu völlig aus dem öffentlichen Fokus geraten war. Hierbei werden häufig einerseits Ursachen und Wirkung vermischt, andererseits aber auch völlig verfehlte Erwartungen an die Liberalisierung, die Unternehmen sowie das Kundenverhalten gestellt. Zu beobachten ist außerdem, dass die gewünschten Schwerpunkte bei den erhofften Effekten des Wettbewerbs Schwankungen unterliegen, je nachdem welche Interessen gerade meinungsbestimmend sind, z.B. Versorgungssicherheit oder Preise. Dabei wird häufig übersehen, welche tiefgreifenden Änderungen seit Marktöffnung in der gesamten Branche stattgefunden haben. Ein derart hoher Änderungsdruck wird in Branchen erzielt, die sich im Transformationsprozess vom jahrzehntelangen Monopol in eine Wettbewerbsumgebung befinden, wie dies zuvor z.B. bereits in der Telekommunikationsbranche stattgefunden hat. Insbesondere in den Unternehmen der Stromversorgung hat seit Inkrafttreten des novellierten Energiewirtschaftsgesetzes 1998 ein Wandel eingesetzt, welcher von kaum einem Branchenkenner sowohl hinsichtlich der Geschwindigkeit als auch des Grades an Strukturveränderungen zuvor prognostiziert wurde. Nicht nur die Unternehmen der Versorgungswirtschaft, sondern das komplette Umfeld der Branche sieht sich durch die Liberalisierung neuen Fragestellungen ausgesetzt. Dies gilt beispielsweise für die Strom- und Gasbeschaffung von Unternehmen genau so wie insbesondere auch für die Rechtssprechung und die Kartellbehörden oder die Hersteller energietechnischer Anlagen und Systeme. Ziel einer jeden Liberalisierung ist es, über den durch den Wettbewerb hervorgerufenen Preisdruck Kostenvorteile für die Kunden und eine insgesamt höhere Effizienz der Leistungserbringung der jeweiligen Dienstleistung zu erhalten. Im Folgenden werden die strukturellen Ausgangsbedingungen der Stromversorgung in Deutschland, der gewählte Weg der Marktöffnung und die Ergebnisse vor dem Hintergrund der Entwicklung innerhalb der EU dargestellt und eine kurze Bewertung vorgenommen.
18.1 Rahmenbedingungen 18.1.1 Die Struktur der Stromversorgung in Deutschland bis 1998 Die Zeit vor der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte wurde durch das Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahr 1935 geregelt. Das alte EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) ermöglichte den EVU durch Demarkation der Versorgungsgebiete und Schutz vor Wettbewerb eine sichere Monopolrendite auf das eingesetzte Kapital. Die Strompreise wurden auf Kostenbasis kalkuliert und mussten durch Aufsichtsbehörden (in der Regel die Landeswirtschaftsministerien) überprüft und genehmigt werden. Ergänzt wurde das Gesetz durch die sog. AVBEltV und die Konzessionsabgabenverordnung (KAV). Gründe für das staatlich gesicherte Monopol waren einerseits die Bedeutung einer gesicherten Energieversorgung für die Volkswirtschaft
326
18 Liberalisierung der Energiemärkte
und andererseits die hohe Kapitalintensität und die langen Abschreibungsdauern z.B. im Kraftwerksbau. Der größte Teil der öffentlichen Stromerzeugung in Deutschland (ca. 80 %) erfolgt nach wie vor in den Großkraftwerken der überregionalen Verbundunternehmen (RWE, EON, EnBW, Vattenfall Europe), den Rest teilen sich Regionalversorger und Stadtwerke [18.9]. Um den erzeugten Strom über größere Entfernungen zu den Verbrauchsschwerpunkten transportieren zu können, aber auch um im Störungsfall national wie international eine sichere Versorgung mit Strom gewährleisten zu können, bilden die Leitungen mit einer Betriebsspannung von 220 KV und 380 KV das sog. Höchstspannungsnetz. Es ist ein Teil des internationalen UCTE-Netzes (Union for the Coordination of Transmission of Electricity), über das sich die Versorger über Ländergrenzen hinweg gegenseitig Reserve stellen und darüber hinaus die Stromerzeugung wirtschaftlich optimieren. Als Spannungsebene des regionalen Transports gilt die 100 KV-Ebene des Hochspannungsnetzes. In dieser Spannungsebene wird die Energie über kürzere Entfernungen zu den Verbrauchszentren transportiert und hat sowohl Transportals auch Verteilfunktion. Innerhalb kleinerer Regionen geschieht die Verteilung durch das Mittelspannungsnetz (10-, 20- oder 30 KV). Haushalte-, Gewerbe- und kleinere Industriekunden werden über das Niederspannungsnetz (400 Volt) an das Mittelspannungsnetz angeschlossen. Der Stromverbrauch der allgemeinen Versorgung im Jahr 2005 betrug in Deutschland 519,8 TWh (Mrd. kWh), und gliedert sich auf die einzelnen Kundengruppen entsprechend folgender Tabelle [18.5]. Industrie
42
Haushalte
28
Dienstleistungen, Gewerbe, Handel
27
Verkehr
3
Bei der Erzeugung dominieren neben der Kernenergie fossile Energieträger, vor allem Braunund Steinkohle.
Bild 18.1: Anteil der Primärenergieträger an der Stromerzeugung
Die gesamte Kraftwerksleistung betrug in 2005 119 400 MW, wobei am Tag der höchsten Last einem Bedarf von 76 700 MW eine gesicherte, einsetzbare Leistung von 82 700 MW gegenüberstanden [18.9].
18.1 Rahmenbedingungen
327
Die meisten Unternehmen der Stromversorgung sind in einem oder mehreren Verbänden organisiert, welche ihre Interessen gegenüber Politik, Gesellschaft und anderen Verbänden vertreten. Der Hauptverband der deutschen Stromwirtschaft ist der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW). Er umfasst unabhängig von der Struktur ca. 750 Unternehmen von den Branchenriesen bis zum kleineren Stadtwerk. Daneben sind einige weitere Verbände aktiv, wie der VKU (Verband Kommunaler Unternehmen), der VDN (Verband der Netzbetreiber), VIK (Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft), BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) usw. Neu hinzugekommen sind seit der Liberalisierung folgende Vertretungen, da viele neue Marktteilnehmer ihre Interessen von den etablierten Verbänden nicht ausreichend vertreten sehen: x EFET (European Federation of Energy Traders), 1999 neugegründeter Verband internationaler Energiehändler x BNE (Bundesverband Neuer Energieanbieter), Zusammenschluß von Netznutzern, zumeist neue Anbieter x AFM+E (Aussenhandelsverband für Mineralöl und Energie), Verband mittelständischer Mineralölhändler, die seit der Liberalisierung im Stromgeschäft aktiv werden.
18.1.2 Änderungen der Rahmenbedingungen seit der Liberalisierung Die europäische Richtlinie zur Liberalisierung der nationalen Strommärkte trat am 19.2.97 in Kraft und musste bis zum 19.2.99 in nationales Recht umgesetzt werden [18.11]. Den einzelnen Nationalstaaten wurde in der Direktive viel Spielraum bei der Umsetzung gelassen, z.B. hinsichtlich des Grades der Marktöffnung. Das Ziel der Direktive war es, Wettbewerb in der Stromerzeugung und um den Kunden bei gleichzeitiger Monopolstellung des Netzbetriebes europaweit einzuführen. Weiterhin sieht die Direktive für überregionale Unternehmen das sog. Unbundling vor, die Trennung der Wertschöpfungsstufen Netzbetrieb und Handel/Vertrieb. Die Umsetzung der europäischen Direktive in deutsches Recht erfolgte durch das novellierte Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vom 24.04.1998, welches das alte Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahr 1935 ablöste [18.12]. Folgende Grundsätze sollten durch das novellierte EnWG umgesetzt werden: x das Diskriminierungsverbot, d.h. die Netzbetreiber müssen den externen Lieferanten die gleichen Konditionen für den Netzzugang bieten wie ihrem eigenen Vertrieb. x die sofortige Marktöffnung, d.h. alle Kunden sind von Beginn an zum Wettbewerb zugelassen. Konkrete Bestimmungen, wie die einzelnen Vorgaben umzusetzen sind, enthielt das Gesetz nicht. Vielmehr wurden die Verbände VDEW, VIK und BDI vom Bundeswirtschaftsministerium aufgefordert eine freiwillige Vereinbarung über die Regeln zum Netzzugang zu erarbeiten. Die 1. Verbändevereinbarung (VV) beinhaltete erste Regelungen zur Netznutzung und zum Lieferantenwechsel, weshalb sie, trotz aller Kritik, den Wettbewerb mit in Gang brachte. Bis 2002 wurden die Verbändevereinbarungen für Strom in 3 Versionen weiterentwickelt [18.1], [18.2], [18.3]. Eines der Hauptprobleme war die Tatsache, dass sie keine gesetzliche Verbindlichkeit hatte. Dies betraf insbesondere die Punkte Unbundling und diskriminierungsfreier Netzzugang. Zwar fand die Verbändevereinbarung als „gute fachliche Praxis“ 2003 Eingang ins Energiewirtschaftsgesetz, lief aber Ende 2003 ohne Fortsetzung aus, da bereits die EUBeschleunigungsrichtlinie in Kraft getreten war [18.13].
328
18 Liberalisierung der Energiemärkte
Als Ergänzung zu der Verbändevereinbarung wurden von den Netzbetreibern Regelwerke erarbeitet, welche Bestimmungen zu folgenden Fragestellungen enthalten: x Grid Code: x Distribution Code: x Metering Code:
Zugang Hochspannungsnetz und Fahrpläne Zugang Verteilnetz Zählerwesen
Die europäische Richtlinie zur EU-weiten Öffnung des Strommarktes von 1996 wurde im Jahr 2003 durch eine sogenannte Beschleunigungsrichtlinie mit dem Ziel ergänzt, den Öffnungsprozess europaweit zu harmonisieren und zu intensivieren (EU-Richtlinie Elektrizitätsbinnenmarkt 2003/54/EG vom 26. Juni 2003, [18.13]). Vorausgegangen waren sowohl auf EU-Ebene (2. Benchmarkbericht [18.14]) als auch im Bundeswirtschaftsministerium (Monitoringbericht [18.15]) Untersuchungen, die die Entwicklung des deutschen und des europäischen Strommarktes analysierten. Wesentliche Neuerungen der Beschleunigungsrichtlinie sind: x x x x x
EU-weite Marktöffnung für alle Geschäftskunden ab 01. Juli 2004 EU-weite Marktöffnung für alle Privatkunden ab 01. Juli 2007 Verpflichtung zum regulierten Netzzugang (Regulated Third Party Access RTPA) Verpflichtung zur Einrichtung einer nationalen Regulierungsbehörde Verpflichtung zur Entflechtung (Unbundling) von integrierten EVU ab 01. Juli 2004 (Mindestzahl an Kunden: 100 000) x Umsetzung der Richtlinie bis Ende in nationales Recht der Mitgliedsstaaten Das neue EnWG, das am 13. Juli 2005 in Kraft trat, setzt die Vorgaben der Richtlinie um. Wesentliche Punkte in dem Gesetz sind [18.16], siehe auch Bild 18.2: x Einrichtung einer Regulierungsbehörde für Strom und Gas innerhalb eines Jahres. Deutschland war bis dahin das einzige Land in der EU ohne Regulierungsbehörde für Elektrizität. Die Aufgabe wird von der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation übernommen, die in Bundesnetzagentur (BNA) umbenannt wurde. Die Regulierung für Netzbetreiber mit weniger als 100 000 Kunden kann von den Landesregulierungsbehörden übernommen werden. x Die Netznutzungsentgelte müssen zuvor (ex ante) von den Regulierungsbehörden überprüft werden. x Liberalisierung des Messwesens x Die Bundesnetzagentur wird nach einem Jahr das Konzept für die Einführung einer Anreizregulierung vorlegen. x Die Tarifpreisaufsicht der Länder wird 2 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes entfallen. Das Energiewirtschaftsgesetz wird von folgenden Rechtsverordnungen flankiert: x x x x
Netzzugangsverordnung Netzentgeltverordnung Niederspannungsanschlussverordnung Grundversorgungsverordnung
18.1 Rahmenbedingungen
329
Durch die gesetzlichen Grundlagen soll erreicht werden, dass das Netz als regulierter Monopolbereich erhalten bleibt, sich aber im Bereich der Erzeugung, des Handels und des Vertriebes Wettbewerbskräfte entfalten können.
Erzeugung
Übertragung
Handel
Wettbewerb
Vertrieb
Verteilung
Wettbewerb
Regulierung
Bild 18.2: Nur der Netzbereich wird reguliert
Hierbei wird davon ausgegangen, dass sich in den Wettbewerbsbereichen die Preise über Marktprozesse bilden und bei entsprechender Höhe genügend Anreize für den Neubau von Kraftwerken geben. Die Umsetzung des Netzzugangs in Deutschland ist in der Praxis ein komplexes Geflecht unterschiedlichster Vertragsbeziehungen. Bei Vorliegen eines integrierten Stromlieferungsvertrages (SLV) zwischen Lieferant und Kunde, der sowohl die Energie als auch die Netznutzung beinhaltet, muss der Lieferant einen Netznutzungsvertrag (NNV) mit dem Netzbetreiber abschliessen. In der Regel hat der Lieferant zuvor bereits einen Händlerrahmenvertrag (HRV) mit dem Netzbetreiber abgeschlossen, was den Aufwand im Einzelfall eines Netznutzungsvertrages signifikant vermindert. Überdies muss der Kunde noch einen sog. Netzanschlussvertrag (NAV) oder Netzanschlussnutzungsvertrag abschließen, welcher die Rechten und Pflichten von Netzbetreiber und Kunde in Bezug auf den unmittelbaren Netzanschluss regelt. Darüber hinaus muss der Lieferant mit dem Betreiber des jeweiligen Übertragungsnetzes (ÜNB Höchstspannungsnetz) eine Vereinbarung über die Bilanzierung der unvermeidbaren Mehr- und Mindermengen, den Bilanzkreisvertrag (BKV) abgeschlossen haben. Bild 18.3 zeigt die gesamte Struktur im Überblick.
BK
ÜNB
V
SLV Lieferant Watt D GmbH
HR V&
VNB
NN
V
NB
Kunde
V NN
&N
AV
Bild 18.3: Zur Belieferung eines Kunden in fremden Netzen notwendige Vertragsbeziehungen
330
18 Liberalisierung der Energiemärkte
Das Erneuerbarenergien-Gesetz (EEG) vom 29. März 2000 und vom 21. Juli 2004 hat zum Ziel, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung bis zum Jahr 2010 auf 12,5 und bis 2020 auf 20 % zu erhöhen. Dazu wurden für jede Erzeugungsart aus Erneuerbaren Quellen (Sonne, Wind, Biomasse, Wasser usw.) eine bundeseinheitliche Vergütung festgelegt. Diese Vergütung hat jeder Netzbetreiber, an die in sein Netz einspeisenden Erzeuger regenerativen Stroms zu bezahlen. Die Kosten werden auf alle Netznutzer umgelegt, indem jeder Lieferant eine bestimmte Quote an EEG-Strom zu den festgesetzten Preisen aufnehmen muss. Das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) vom 12. Mai 2000 und vom 19. März 2002 hat zum Ziel, den Anteil von Strom aus Anlagen, die als Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen betrieben werden (Blockheizkraftwerke, Heizkraftwerke), an der Stromerzeugung in Deutschland zu erhöhen. Jeder Erzeuger von Strom aus geförderten Anlagen erhält eine garantierte Mindestvergütung. Die Kosten werden auf alle Netznutzer umgelegt. Im EnWG wurde verankert, dass das System der Netzentgeltgenehmigung nach der KostenMethode (voraussichtlich 2008) durch die so genannte Anreizregulierung abgelöst wird. Hierzu wird die Bundesnetzagentur Obergrenzen für die Erlöse aus der Netznutzung vorschreiben, die jährlich sinken. Schafft es ein Unternehmen, seine Kosten unter dieses Niveau zu senken, steigert sich der Gewinn, daher der Begriff Anreizregulierung.
Kosten/Erlöse
Ausgangsniveau
Genehmigte Erlöse
Gewinn Kosten
Dauer der Regulierungsperiode
Bild 18.4: Prinzip der Anreizregulierung
Nach zwei ersten Regulierungsperioden, in der die sogenannte CAP-Regulierung sich an den Kosten des effizientesten Unternehmen der Branche orientiert, kommt in der dritten Periode die Yardstick-Regulierung zur Anwendung, bei der die Erlösobergrenzen ausschließlich nach Vergleichsmaßstäben festgelegt werden. Um die im Kyoto-Protokoll festgelegten Ziele zu erreichen, muss die EU die Emission von Treibhausgasen bis 2008, bezogen auf 1990, um 8 % senken. Deutschland hat sich verpflichtet, im gleichen Zeitraum eine Reduktion von 21 % zu realisieren. Ein wesentlicher Baustein des Maßnahmenkataloges ist die Einführung eines europaweiten Handelssystems für Emmissionsrechte. In der ersten Handelsperiode von 2005 bis 2007 und in der 2. Handelsperiode von 2008 bis 2012 werden im Rahmen von nationalen Allokationsplänen (NAP) an die emittieren-
18.2 Entwicklung seit 1998
331
den Industrie bestimmte Mengen an CO2-Emmissionen in Form von Zertifikaten zugestanden. Diese Zertifikate können gehandelt werden, d.h. derjenige, der weniger CO2 emittiert, kann seine Zertifikate verkaufen und die Akteure, die zusätzlich emittieren, müssen sich die entsprechende Menge an Zertifikaten zukaufen. Somit sind wirtschaftliche Anreize zur Reduktion von CO2-Emissionen gegeben, z.B. durch den Einsatz von Brennstoffen mit spezifisch geringeren CO2-Emissionen wie Ergas im kurzfristigen oder Investitionen in effizientere Technologien im langfristigen Bereich. [18.17] Die Auswirkung des CO2-Handels auf die Großhandelspreise für Strom war anfangs umstritten. In der Zwischenzeit ist anerkannt, dass sie Eingang in die Preiskalkulationen am Großhandelsmarkt finden, da sie einen Wert an sich darstellen, der z.B. bei Nichtproduktion eines Kraftwerkes durch Verkauf realisiert werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Zuteilung der Zertifikate kostenlos erfolgt.
18.2 Entwicklung seit 1998 Die Auswirkung der Marktöffnung wird oftmals nur an den Preisen erläutert. Tatsächlich sind die Unternehmen, die Mitarbeiter und die Kunden betroffen.
18.2.1 Preisentwicklung Die ersten 2 Jahre nach Marktöffnung waren gekennzeichnet von einem massiven Verfall der Preise für Endkunden und für weiterverteilende Unternehmen. Die Gründe hierfür waren x die Reaktion der etablierten Unternehmen auf Angebote an ihre Kunden, in fast allen Fällen Gegenangebote mit niedrigeren Preisen, x die relative Unerfahrenheit der gesamten Branche, mit der Wettbewerbssituation umzugehen, x ausreichend Kraftwerkskapazität, kein Neubaubedarf, x ein sich erst langsam entwickelnder Großhandelsmarkt als Preisreferenz. 190 180
VIK-Strompreisindex Mittelspannung
170
Januar 2002 = 100
160 150 140 130 120 110 100
Ja n. M 02 rz . M 02 ai . Ju 02 l. Se 02 p. N 02 ov . Ja 02 n. M 03 rz . M 03 ai .0 Ju 3 l. Se 03 p. N 03 ov . Ja 03 n. M 04 rz . M 04 ai .0 Ju 4 l. Se 04 p. N 04 ov . Ja 0 4 n. M 05 rz . M 05 ai .0 Ju 5 l. Se 05 p. N 05 ov . Ja 0 5 n. M 06 rz . M 06 ai . Ju 06 l. Se 06 p. N 06 ov . Ja 0 6 n. 07
90
Bild 18.5: VIK-Strompreisindex
332
18 Liberalisierung der Energiemärkte
Im Jahr 2000 erfolgte die Trendumkehr, nachdem die Preise für Industriekunden teilweise um bis zu 50 % gesunken waren. In den Folgejahren kam es zu teilweisen massiven Preisanstiegen, siehe Bild 18.5. Die politische Diskussion um diese Preissteigerungen mündete im Jahr 2006 und 2007 in Vorschläge, die Preisaufsicht, die mit dem EnWG von 2005 abgeschafft (ab 2007) wurde, zu verlängern, da der Hauptgrund die zu hohe Marktmacht der großen Konzerne sei. Tatsächlich lassen sich folgende Gründe für den Preisanstieg ausmachen: x Die Preise, die noch im Jahr 2000 realisiert wurden, waren Resultat von ausschließlich absatzorientierten Vertriebstrategien, mit der Konsequenz einer Preisspirale nach unten. Nach Abzug aller sonstigen Kosten waren sie in vielen Fällen nicht einmal ausreichend, die Brennstoffkosten der Kraftwerke zu decken. Einen derart ruinösen Preiswettbewerb zu stoppen war unausweichlich. x Zusatzbelastung durch EEG und KWKG sowie Stromsteuer. Der Staat hat mit der Einführung und Erhöhung von EEG, KWKG und Stromsteuer einen ganz wesentlichen Anteil an der Preiserhöhung. x Der Wettbewerbsdruck hat sich aufgrund des Verschwindens der meisten neuen Anbieter und dem Trend zur Konzentration abgeschwächt. x Der Anstieg der Preise für Öl und Gas x Der Zubaubedarf an Kraftwerksleistung. Aufgrund des Ausstiegsbeschlusses aus der Kernenergie und der Alterstruktur des deutschen Kraftwerkparks sind derzeit in Deutschland gemäß dem Verband der Großkesselbesitzer PowerTech e.V. (VGB Power Tech) ca. 28 000 MW Kraftwerksneubau in Planung. x Der Emissionshandel. Die Preise für CO2-Emissionszertifikate haben Einfluss auf die Preisbildung an den Großhandelsmärkten.
18.2.2 Konsequenzen für die Unternehmen Ein neues Gewicht bekamen in den Energieversorgungs-Unternehmen (EVU) die Vertriebsbereiche, da die Vertriebsaktivitäten im Monopol naturgemäß von untergeordneter Bedeutung waren. Für die Kunden zeigten sich die Folgen der Liberalisierung neben den Preissenkungen am deutlichsten in den Werbeaktivitäten sowohl der überregionalen Anbieter als auch der lokalen Versorger, was in Bild 18.6 anhand der jährlichen Werbeaufwendungen der Branche in illustriert ist.
Bild 18.6: Werbeausgaben der EVU
18.2 Entwicklung seit 1998
333
In den Jahren nach der Marktöffnung versuchte eine Vielzahl neuer Unternehmen auf dem Strommarkt Fuß zu fassen, darunter Niederlassungen ausländischer Versorger, Tochtergesellschaften deutscher EVU sowie Initiativen, die nicht aus der Branche kamen. Der größte Teil dieser Neugründungen hat sich zwischenzeitlich wieder vom Markt verabschiedet, nachdem ihnen aufgrund des harten Preiswettbewerbs, der geringen Wechselquoten und der unzureichend geregelten Netzzugangsbedingungen der Markterfolg verwehrt blieb. Auch wenn die Preissenkungen für Endkunden nur von kurzer Dauer waren, profitieren die Kunden auch heute von einer größeren Kundenorientierung der Lieferanten, einer hohen Produktvielfalt und der Möglichkeit zum Lieferantenwechsel. Insbesondere im Haushaltsbereich wird in Deutschland von dieser aber relativ wenig Gebrauch gemacht [18.18]. Aufgrund des Marktdrucks waren und sind alle Stromversorger gezwungen, ihre internen Prozesse möglichst effizient zu gestalten, was u.A. zum Verlust von Arbeitsplätzen führt. Der Rationalisierungsdruck zeigt sich auch in geänderten Unternehmensstrukturen, die zum einen durch das Unbundling gefordert, zum anderen Ergebnis der Anstrengungen darstellen, die Unternehmensprozesse entlang der Wertschöpfungskette zu optimieren.
Bild 18.7: Wechselquoten von Industrie- und Haushaltskunden in einigen Ländern [18.18]
Die großen, überregionalen Unternehmen wurden schon sehr früh in Holdingstrukturen überführt, wobei die Struktur der Konzerngesellschaften die Wertschöpfungskette ErzeugungÜbertragung-Stromhandel-Vertrieb abbildet und somit das Unbundling realisiert. Aufgrund des Marktdrucks und der gesetzlichen Anforderungen führen auch Regionalunternehmen und Stadtwerke ähnliche Organisationsstrukturen ein, wobei in zahlreichen Fällen Kooperationen mit ähnlichen Unternehmen eingegangen werden, um weitere Effizienzvorteile durch Größendegression zu gewinnen, z.B. gemeinsame Netzgesellschaften mehrer Stadtwerke. Bereits zu Monopolzeiten gab es einen Stromgroßhandelsmarkt, der jedoch nur den Übertragungsnetzbetreibern zugänglich war. Mit der Liberalisierung hat sich für Strom ein Großhandelsmarkt für deutlich mehr Teilnehmer entwickelt, an dem im Spotmarkt z.B. Strom für den nächsten Tag gehandelt wird, wobei für jede der 24 Stunden des Tages ein unterschiedlicher Strompreis resultiert. Aber auch längerfristige, standardisierte Produkte, wie z.B. Jahrebänder (d.h. eine Lieferung mit konstanter Leistung während eines ganzen Jahres) wechseln jeden Tag mehrmals die Besitzer. Der Handel standardisierter Produkte über die Börsen, z.B. die Europe-
334
18 Liberalisierung der Energiemärkte
an Energy Exchange (EEX) in Leipzig, eröffnet allen Marktpartnern ein hohes Maß an Transparenz, da z.B. die Preise für zukünftige Lieferungen, die sich aus dem Börsenhandel ergeben, (Futures, siehe Bild 18.8) im Internet veröffentlicht werden und somit als Preisindizes z.B. für Verträge mit Industriekunden zur Verfügung stehen. Zur Absicherung der Risiken, die diese neue Art der Strombeschaffung ebenfalls beinhalten, wurden Produkte in die Stromwirtschaft übernommen, wie sie aus dem Börsenhandel bekannt sind, wie z.B. Preisoptionen oder Wetterderivate.
Bild 18.8: Preisentwicklung von Futures an der EEX
Alles in allem hat die Liberalisierung des Strommarktes also für alle Beteiligten erhebliche Veränderungen bewirkt. Sind aber die mit der Marktöffnung verbundenen Erwartungen erfüllt worden? Diese Frage wird sehr kontrovers diskutiert. Für diejenigen, die ausschließlich sinkende Preise erwartet haben ist das Ergebnis sicher enttäuschend. Man darf aber nicht vergessen, dass ein großer Teil der Preise staatlich induziert sind und außerdem die Strompreise von den Brennstoffpreisen, aber auch z.B. von den CO2-Preisen abhängig sind. Aber auch die meisten Befürworter des Wettbewerbsgedankens in der Stromversorgung sehen die Defizite, die nach wie vor bestehen. Z.B. sind nach wie vor große Unterschiede bei den Preisen für die Netznutzung zu konstatieren, auch nach der ersten Runde der Kostenregulierung durch die Bundesnetzagentur. Bild 18.9 zeigt die Variation der Netznutzungsentgelte deutscher Netzbetreiber in der Niederspannungsebene. Die Differenzen betragen bis zu 100 % [18.4].
Bild 18.9: Netznutzungsentgelte auf Niederspannung bei 1600 Bh
18.3 Ausblick
335
Sicher hat der Trend zur Konzentration und die abnehmende Zahl von Anbietern, die außerhalb ihrer angestammten Versorgungsgebiete aktiv werden, Auswirkungen auf die Wettbewerbsintensität. Aber auch hier werden oft Ursache und Wirkung verwechselt. Einerseits werden gute Unternehmensergebnisse der EVU als Indiz für fehlenden Wettbewerb gewertet. Andererseits werden keine zusätzlichen Wettbewerber den Marktplatz betreten, so lange keine ausreichenden Gewinnaussichten vorhanden sind. Dies gilt in gleicher Weise für die Erzeugung und den Vertrieb. Sehr unterschiedliche Interpretationen finden regelmäßig die geringen Quoten der wechselnden Kunden. Die einen sehen darin einen Beleg für eine überaus große Kundenzufriedenheit, andere ein Indiz für einen Wettbewerb, der im Vergleich zu anderen Ländern noch nicht sein volles Potenzial entfaltet.
18.3 Ausblick Die weitere Entwicklung der Märkte für Strom und Erdgas in Deutschland wird entscheidend davon abhängen, wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden. Insbesondere die Frage, ob bestehende Wettbewerbshemmnisse abgebaut werden und damit ein Engagement für neue Anbieter attraktiv bleibt, wird die Preise der Zukunft mitbestimmen. Hierbei wird von besonderer Bedeutung, sein, dass die Rahmenbedingungen für tatsächlichen Wettbewerb geschaffen werden, und nicht aus kurzfristigen Erwägungen über regulatorische Eingriffe, z.B. durch Festsetzen der Endkundenpreise, die Marktkräfte unterbunden werden.
Literatur zu Kapitel 18 [18.1]
VV I: Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Durchleitungsentgelten vom 22. Mai 1998, BDI, VIK, VDEW
[18.2]
VV II: vom 13. Dezember 1999, BDI, VIK, VDEW, ARE, VKU, DVG
[18.3]
VV II +: vom 13. Dezember 2001, BDI, VIK, VDEW, ARE, VKU, DVG
[18.4]
VIK: Vergleich der Netznutzungsentgelte bundesdeutscher Netzbetreiber 2001
[18.5]
AG Energiebilanzen e.V, www.ag-energiebilanzen.de
[18.6]
VDEW: Grid Code
[18.7]
VDEW: Distribution Code
[18.8]
VDEW: Metering Code
[18.9]
VDN-Verband der Netzbetreiber: Leistungsbilanz der Stromversorgung 2005
[18.10] Länderarbeitskreis Energiebilanzen, www.lak-energiebilanzen.de [18.11] Europäische. Direktive 96/92/EG [18.12] Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 [18.13] EU-Richtlinie Elektrizitätsbinnenmarkt 2003/54/EG vom 26. Juni 2003 [18.14] Third benchmarking report on the implementation of the internal electricity and gas market
336
18 Liberalisierung der Energiemärkte
[18.15] Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an den Deutschen Bundestag über die energiewirtschaftlichen und wettbewerblichen Wirkungen der Verbändevereinbarungen [18.16] Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 20. Mai 2003 [18.17] FICHTNER Plattform für Emissionshandel www.emissionshandel-fichtner.de [18.18] European Commission: Conclusions of the 2005 Report on the functioning of the electricity and gas markets [18.19] Energierecht, Gesetzessammlung, VDEW, 3. Ausgabe 2001
337
19 Kyoto-Protokoll
19.1 Globale Erwärmung und Treibhausgase GHG In den letzten 100 Jahren hat sich die mittlere Temperatur der Erdoberfläche um etwa 0,6 bis 0,80C erhöht, Bild 19.1. Diese Temperatur korreliert mit der Zunahme der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre. CO2 sowie verschiedene andere Gase erzeugen eine Erwärmung der Atmosphäre, da diese das sichtbare Licht (kurzwellige elektromagnetische Wellen) in Wärme umwandeln (längerwellige elektromagnetische Wellen, Infrarot-Strahlung), die weniger gut in das Weltall abgestrahlt wird und somit die Atmosphäre langfristig erwärmt. Dieser Effekt wird für die solare Erwärmung der Gewächshäuser bzw. Treibhäuser (Greenhouses) angewandt. Tabelle 19.1 listet die im Kyoto-Protokoll aufgeführten hauptsächlichen Treibhausgase (GHG), die anthropogenen Ursprungs sind und deren Emissionen deshalb beeinflussbar sind. Der nicht aufgeführte Wasserdampf hat gleichfalls ein sehr hohes Treibhauspotenzial. Da der globale Wasserhaushalt kaum anthropogen veränderbar ist, findet dieses Gas im KyotoProtokoll keine Erwähnung. Sehr wohl wird im Rahmen einer globalen Erwärmung durch die Schmelze von Gletschern und Polkappen mehr Wasser verdampfen und in die Atmosphäre gelangen, was zu einer Beschleunigung der Erwärmung beiträgt.
Temperatur-Anomalie
0,5 0,4
Jährliches Mittel 5 Jahres-Mittel
0,2 0 -0,2
Bild 19.1: Entwicklung der mittleren Temperaturabweichung der Erde [19.1]
-0,4 -0,6
1860
1880
1900
1920
1940
1960
1980
2000
Die Treibhauswirkung, d.h. das Erwärmungspotenzial der GHG wird auf das CO2 bezogen. Das das am meisten produzierte GHG ist (CO2-Äquivalent). Verschiedene Modellrechnungen versuchen die zu erwartende globale Erwärmung bei verschiedenen Szenarien der CO2-Zunahme in der Atmosphäre zu prognostizieren. Das optimistisch geltende Modell DICE99, das moderate CO2-Reduktionsmaßnahmen annimmt, ermittelt folgende globale Temperaturerhöhungen, verglichen mit den derzeitigen Mitteltemperaturen: x x x
3,3 °C (Unsicherheit zwischen 1,4 und 5,8 °C) bis zum Jahr 2100, 5,5 °C bis zum Jahr 2200 7,3 °C bis zum Jahr 2300.
338
19 Kyoto-Protokoll
Tabelle 19.1: GHG des Kyoto-Protokolls, deren Wirkung und Konzentrationen [19.2]
Gas
Vorindustrielle Konzentration ppbv
Konzentration im Jahr1994 ppbv
Globales Erwärmungspotenzial GWP
Kohlendioxyd CO2
278.000
358.000
1
Methan CH4
700
1.721
21
Stickoxyd N2O
275
311
310
Fluorkohlenwasserstoffe HFC
0
Bsp. CFC-12: 153 Bsp. HCFC-22: 503
6.200-7.100
0
1.300-1.400
Perfluorkarbonate PFC
0
0,070
6.500
Schwefelhexafluorid SF6
0
0,032
23.900
ppbv = parts per billion volume 1 Billion in englischer Sprache entspricht 1 Milliarde in deutscher Sprache 1 ppbv CO2 in der Erdatmosphäre sind 2,13 Millionen Tonnen [19.3]
Die Auswirkungen der globalen Erwärmung werden sich in einer Meerspiegelerhöhung durch abschmelzende Gletscher und Polkappen manifestieren. Als Folge davon werden viele Inseln und dicht besiedelte Küstengebiete überflutet werden. Ebenso werden häufigere Wetterkatastrophen wie Hurrikane, Überflutungen und Dürreperioden erwartet. Dies alles kann neben den menschlichen Katastrophen in weiten Landstrichen, die insbesondere in Meeresnähe und heißen Gebieten liegen, bis zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten führen. Allenfalls Länder der nördlichen Hemisphäre könnten durch die höhere Temperatur im Laufe der globalen Erwärmung geringfügige Vorteile erlangen. Weitere Informationen zu diesem Thema in [19.4, 19.5, 19.6]. Da das Kyoto-Protokoll weltweit Anwendung findet, werden im Folgenden die gebräuchlichen Fachausdrücke und Abkürzungen in englischer Sprache beibehalten.
19.2 Geschichte des Kyoto-Protokolls 1988 wurde das „Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC“ von der „World Meteorological Organization“ und vom „United Nations Environment Program“ UNEP gegründet [19.7, 19.8]. Diese Organisation sah als gesichert an, dass die globale Erwärmung, Bild 19.1, hauptsächlich den anthropologisch verursachten Treibhausgasemissionen zuzuschreiben ist („Greenhouse Gases“ GHG) und drängte auf schnelle globale Aktionen, um die zu erwarteten negativen Auswirkungen zu mildern. Als Ergebnis wurde das „United Nations Framework Convention on Climate Change“ UNFCCC aufgebaut. Das oberste Gremium der UNFCCC ist die Konferenz der Vertragsparteien (Conference of the Parties COP), die jedes Jahr zusammen tritt (z.B. COP 1 in Berlin, COP 3 in Kyoto, COP 4 in Buenos Aires, COP 7 in Marrakesh,…).
19.3 Maßnahmen zur GHG Minderung
339
Die Verhandlungen unter Leitung des Botschafters Raúl Estrada-Oyuela aus Argentinien führten schon im Jahr 1992 auf der „United Nations Conference on Environment and Development“ in Rio de Janeiro, populär als „Earth Summit“ bekannt, zu einem unterschriftsreifen Entwurf für eine internationale Vereinbarung. Die Reihe der Folgekonferenzen kumulierte 1997 in Kyoto mit dem Abschlussprotokoll. Das Kyoto-Protokoll, das auf den Erkenntnissen der UNFCCC baut, setzt international bindende, gesetzliche Ziele und Zeithorizonte zur Reduktion der emittierten GHG durch die industrialisierten Länder und Länder, die sich im Übergang zur Marktwirtschaft befinden (Tranformationsländer: Transition Economies). Das Kyoto-Protokoll trat am 16. Februar 2005 in Kraft. Die im Anhang I des Protokolls aufgeführten Vertragsparteien (Annex I Parties A1P; Anhang dieses Kapitels A19.1) verpflichten sich zur individuell spezifizierten Limitierung bzw. Reduzierung ihrer GHG. Nur im UNFCCC organisierte Länder, die auch durch Unterschrift (oder Akzeptanz, Zustimmung) Vertragsparteien des Kyoto Protokolls (Parties to the Protocol) wurden, sind an die formulierten, gesetzlichen Verpflichtungen gebunden. Die individuellen Ziele für A1P sind im Anhang B des Kyoto-Protokolls gelistet (Anhang A19.2). Diese summieren sich zu einer totalen Verringerung der GHG Emissionen von mindestens 5 % des Levels von 1990 in der ersten Verpflichtungsperiode von 2008 bis 2012 [19.10]. Entwicklungs- und Schwellenländer, selbst große Nationen wie z.B. die Volksrepublik China, Indien und Brasilien, sind keine A1P (Non-Annex 1 Parties). Sie verpflichten sich nicht zu Emissionsminderungen, können jedoch an gewissen Mechanismen des Protokolls partizipieren. Die Entwicklung der ärmeren Länder sollte nicht behindert werden. Dies ist gerade bei China, Indien und Brasilien mit ihrem hohen Wirtschaftswachstum bei stark steigenden GHG Emissionen kritikfähig. Deshalb ratifizierte die USA das Kyoto-Protokoll bis zum Erscheinungsjahr dieses Werkes nicht (siehe Abs. 19.5). Das Kyoto-Protokoll ist von seiner Bedeutung mit der Schaffung der UNO selbst zu vergleichen. Es wurden freiwillig kostenträchtige Maßnahmen akzeptiert, um die globale Erwärmung mit seinen erwarteten katastrophalen Auswirkungen in 50 bis 300 Jahren zu reduzieren. Die wissenschaftlichen Prognosen der globalen Erwärmung, deren Auswirkungen und vor allem deren globalwirtschaftliche Kosten differieren beträchtlich. Trotz der vielen Kritikpunkte ist die weit reichende Selbstverpflichtung der teilnehmenden Staaten eine Meisterleistung der internationalen Politik.
19.3 Maßnahmen zur GHG Minderung Um ihre Ziele zu erreichen, müssen A1P nationale Maßnahmen vorgeben. Das Protokoll liefert eine Liste von Vorschlägen für nationale Maßnahmen und Vorgaben, um den Klimawandel abzuschwächen und um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Alternativ zur Emissionsminderung können Länder auch Ihre Emissionen durch Schaffung so genannter „CO2-Senken“ im Sektor der Landnutzung, Änderung der Landnutzung und in der Forstbewirtschaftung (land use, land-use change and forestry LULUCF) kompensieren. Jedoch sind nur gewisse Aktivitäten zugelassen. Das Protokoll etablierte drei weitere Instrumente, die mit Joint Implementation JI, Clean Development Mechanism CDM und Emissionshandel bezeichnet werden. Diese Instrumente sollen A1P helfen, die Kosten ihrer Emissionsziele zu senken. Damit können die in anderen Ländern durch geringere Kosten erbrachten CO2-Einsparungen angerechnet werden. Allerdings müssen die methodologischen und Berichts-Verpflichtungen des Protokolls eingehalten werden. Zu-
340
19 Kyoto-Protokoll
dem muss nachgewiesen werden, dass die Nutzung o.g. Instrumente zusätzlich zu eigenen, nationalen Anstrengungen erfolgt. Unternehmen, Umweltorganisationen und andere gesetzliche oder private Organisationen können diese Instrumente nutzen, jedoch unter Verantwortung ihrer Regierungen. Die Kernkraft ist bei einigen Instrumenten, z.B. dem CDM, ausgeschlossen.
19.3.1 Emissionshandel Das in Kraft getretene Kyoto-Protokoll setzt individuelle Grenzwerte der GHG Emissionen für die einzelnen industrialisierten Staaten. Hierbei ist anzunehmen, dass einzelne Länder ihren Verpflichtungen besser nachkommen und ihre Grenzwerte unterschreiten, während andere weniger erfolgreich ihre Selbstverpflichtung vielleicht nicht einhalten können. Das Protokoll erlaubt den A1P, die ihre Grenzwerte unterschreiten, die ihnen zugewiesenen, jedoch nicht genutzten Emissionen, an andere Länder zu verkaufen, die ihre Grenzwerte nicht einhalten konnten. Es wird vom „CO2-Markt“ („Carbon Market“) gesprochen, weil alle anderen GHG als CO2-Äquivalent erfasst und gezählt werden. Die Emissionsreduktionseinheiten (Emission Reduction Unit) ERU ist die handelbare Ware [19.9]. Die Details des internationalen Emissionshandels („International Emissions Trading“ IET) konnten im Jahr 2001 in Marrakesh ausgehandelt werden („Marrakesh Accord“). Das Konzept des Emissionshandels ist prinzipiell einfach, doch sind die Probleme eines derart fiktiven Handelsgutes offensichtlich. In einer globalen Handelsbörse können Emissionswerte prinzipiell gekauft und verkauft werden. Hierzu werden die aktuellen GHG-Emissionen in den einzelnen A1Ps zuerst dokumentiert, überwacht und die Werte garantiert. Weiterhin ist der getätigte Emissionshandel präzise zu erfassen. Deshalb wurden Register – analog Bankkonten der nationalen Emissionen eingeführt, zusammen mit Rechnungswesen-Vorschriften („Accounting Procedures“), einem internationalen Transaktionsregister („International Transactions Log“) und Teams von Überwachungsexperten („Expert Review Teams“), um die Einhaltung der Regeln zu gewährleisten. Es haben sich schon Handelsbörsen wie die das EU Emissions Trading System ETS, UK ETS, New South Wales Trading System und Chicago Climate Exchange etabliert. Da JI, CDM und CO2-Senken erlaubt sind, entstehen mehr handelbare Emissionseinheiten als aktuell vorhanden bzw. zugewiesen sind. Diese Emissionseinheiten können entweder gehandelt oder für die spätere Nutzung gesammelt werden.
19.3.2 Allokation der Emissionen Da die Emissionsziele relativ zu denen des Jahres 1990 zu werten sind, erhalten alle A1P zunächst die im Jahr emittierten Mengen von GHG als zulässige Emissionen pro Jahr zugewiesen (nationale Allokation). Jedes Land erklärte sich bereit, diese Emissionen ab 2005 zu verringern. In Europa wies jedes A1P ihren großen, GHG emittierenden Unternehmen (Elektrizitätsversorgungsunternehmen, Zement- und Beton-Industrie, etc.) CO2-Zertifikate zu, die sie emittieren dürfen (individuelle Allokation). Falls das zugewiesene Emissionsvolumen überschritten wird, müssen diese Unternehmen Emissionszertifikate zukaufen oder eine in den Ländern der Europäischen Union vereinbarte Strafe in Höhe von 40,- € pro überschrittener Tonne CO2Äquivalent bezahlen. Im Falle des Unterschreitens können die nicht genutzten Zertifikate verkauft oder für die Nutzung in späteren Jahren gespart werden.
19.3 Maßnahmen zur GHG Minderung
341
Bis jetzt sind allerdings die beträchtlichen Emissionen des Verkehrs –was als ein weiterer Schwachpunkt des Protokolls angesehen werden kann- weder in der Allokation berücksichtigt, noch können die in diesem Sektor erzielten Einsparungen am Emissionshandel teilnehmen.
19.3.3 Preis der Emissionszertifikate Der Preis der Emissionszertifikate wird vom Handel bestimmt, wobei in Europa die Obergrenze durch die o.g. Strafe von 40,- € pro Tonne CO2-Äquivalent gegeben ist. Je nach Wirtschaftlage des jeweiligen Landes, und der Länder, mit denen IJ und CDM Projekte gemacht werden können, wird der Preis variieren. Neben der Wirtschaftslage spielen Wetter und Preise der fossilen Energieträger eine Rolle. Erhöht sich beispielsweise der Erdgaspreis, wird global tendenziell auf die preiswertere Kohle als Brennstoff umgestiegen, die mehr CO2 freisetzt und deshalb den Emissionspreis ansteigen lassen dürfte. Kaltes Wetter wird mehr Heizwärme verlangen und die CO2-Emission ansteigen lassen. Ebenso kann Trockenheit die Lieferung von Elektrizität aus Wasserkraftwerken verringern, die durch Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen ausgeglichen werden muss. Der Preis von Emissionszertifikaten variierte im Jahr 2006 in Deutschland etwa zwischen 10 und 20 € pro Tonne CO2-Äquivalent. Anfang 2005 war der Preis bei etwa 6 €, schoss jedoch Juni 2005 kurzzeitig auf 29 € pro Tonne CO2.
19.3.4 Joint Implementation (JI) Der „Joint implementation“ Mechanismus erlaubt A1P den interstaatlichen Ausgleich von zugewiesenen Emissionsrechten [19.11]. Industrialisierte Länder können ihre Emissionsziele erreichen, in dem Projekte in anderen A1P finanziert werden, die dort die Emissionen reduzieren. Die reduzierten Emissionenseinheiten ERU werden dem Land, bzw. dem Unternehmen gutgeschrieben, das das Projekt im anderen Land realisierte. So kann man dort CO2Reduktionen hervorrufen, wo es am preiswertesten ist, z.B. in Ländern der vormaligen UdSSR, die dem Protokoll beigetreten sind. Die finanzierende Seite erwirbt handelbare Emissionsrechte ERU und das andere Land erhält Auslandsinvestitionen und neue Technologien.
19.3.5 Clean Development Mechanism (CDM) Die GHG-Emissionen in den sich entwickelnden Länder oder in Entwicklungsländern, für die das Kyoto-Protokoll keine Limitierung ansetzt, speziell in China und Indien mit ihren wachsenden Industrien, steigen ebenso an wie in A1P. Da sich die GHG in der Atmosphäre global verteilen, sind CO2-Verminderungen in der ganzen Welt von Interesse. Deshalb erlaubt das Protokoll, dass GHG Verminderungsmaßnahmen auch in Ländern unterstützt werden, die nicht zu den A1P gehören. Diese Maßnahmen in nicht A1P – sollen sie zu handelbaren Emissionswerten führen – sind im CDM streng reglementiert. Die Idee ist ähnlich der des JI [19.12]: A1P bezahlen für Projekte, die in ärmeren Ländern Emissionen vermindern, und erhalten dafür handelbare Emissionswerte. Dies hat mehrere Effekte. Zum einen werden natürlich GHGEmissionen reduziert, zum andern können die Maßnahmen in anderen Ländern preiswerter sein als die Emissionsminderung im eigenen Land, und schlussendlich erhält das ärmere Land neue Technologien. Insofern ist es auch als eine neue Art der Entwicklungshilfe anzusehen. Bild 19.2 zeigt wie die Zuordnung erfolgt.
342
19 Kyoto-Protokoll Gastland im Anhang B des Kyoto-Protokolls ? Ja
Nein JI
CDM
Erfüllt Gastland Artikel 5, 7, 8 des Kyoto-Protokolls ? Ja Ver fahren 1
Nein Ver fahren 2
Ist es ein Kleinprojekt nach COP 7 ? Ja Normales Ve rfahren
Nein Vereinfachtes Verfahren
Bild 19.2: Zuordnung zu CDM und JI
CDM ist ein Finanzierungsinstrument, das insbesondere für private Unternehmen und Investoren von Interesse ist. Diese können den zuständigen Zertifizierungsorganisationen der Geberund Nehmer-Länder individuelle CDM-Projekte vorschlagen. Die geprüften Emissionsreduktionen werden als zertifizierte Emissionsreduktionen CER gutgeschrieben (Certified Emissions Reduction CER). Diese CER sind genauso handelbar wie andere Emissionszertifikate. Für Privatunternehmen aus dem CO2-Nehmerland bietet sich die Chance, über CDM ihre Technologie zu exportieren und teilweise zu finanzieren. Ebenso bietet sich für das CO2-Geberland an, die Modernisierung ihrer CO2 produzierenden Industrie durch CDM zu finanzieren. Der CDM wird durch ein zentrales „Executive Board“ überwacht, das eine Reihe von Methoden für CDM-Projekte entwickelte. CDM-Projekte müssen durch alle involvierten Parteien (A1P und Geberland) anerkannt werden. Diese haben einen messbaren und langfristigen Effekt der Emissionsminderung aufzuweisen. Ebenso ist nachzuweisen, dass CDM-Projekte zu einer zusätzlichen GHG-Verminderung führen, die ansonsten nicht von selbst, z.B. durch wirtschaftlich notwendigen Routine-Ersatz von unwirtschaftlich gewordenen Altanlagen, eintreten würden. Dies ist der wesentliche Unterschied zu JI-Projekten zwischen A1P. Bei JI bekommt jede emissionssenkende Maßnahme handelbare Emissionskredite – bei CDM-Projekten ist allerdings zusätzlich nachzuweisen, dass ohne die fremde Finanzierung diese CO2-Verminderung nicht eingetreten wäre. Die bürokratischen Anforderungen der CDM-Projektzertifizierung sind hoch. So werden Anpassungen zur Entbürokratisierung für kleinere Projekte und die Aufnahme von Projekten der Aufforstung oder Wiederaufforstung diskutiert. Trotzdem entstanden schon in kurzer Zeit eine Vielzahl von CDM-Projekten in Schwellen- und Entwicklungsländern [19.13].
19.3.6 CO2-Senken, Landnutzung: LULUCF Der Term CO2-Senke wird von Klimatologen für ausgedehnte Wälder oder andere Grünflächen benutzt, da diese für das Wachstum der Atmosphäre das dominierende GHG, das CO2 entziehen. Es ist eine zeitlich befristete CO2-Bindung, da es bei der Holznutzung früher oder später wieder durch Verbrennung oder natürlichen Zerfall wieder freigesetzt wird. So hat eine permanente Waldrodung, speziell die Brandrodung, einen doppelten Effekt der Emissionserhöhung: Einmal wird der in den Bäumen gebundene Kohlenstoff als CO2 freigesetzt und der Effekt des Baumes als CO2-Senke geht verloren. Die UNFCCC definiert „Emissionssenken“
19.4 Kontrolle und Zertifizierung
343
als diejenigen Prozesse, Aktivitäten oder Mechanismen, welche GHG, Aerosole oder Vorstufen von GHG aus der Atmosphäre entfernen. Im Protokoll sind diese Maßnahmen unter „Land-use, Land-use change and Forestry“ LULUCF definiert [19.14]. So kommen für Emissionszertifikate Aufforstungen nur dort in Frage, wo zum Stichtag 1. Januar 1990 keine Bewaldung war. In der Marrakesh Übereinkunft (COP 7) kamen Forst-, Frucht- und Weideland-Management sowie Wiederbepflanzung dazu. Die Änderung des Ackerbaus kann ebenso die Freisetzung von CO2 reduzieren. Als Beispiele sind zu nennen: x Der im Boden gespeicherte Kohlenstoff kann oft gehalten oder sogar erhöht werden, indem Ackerbau aufgegeben oder zu extensivem Ackerbau übergegangen wird, was die Zersetzungsrate der organischen Materialien im Boden vermindert. x In Reisfeldern kann die Emission von Methan, einem starken Treibhausgas, reduziert werden, indem spezielle Bodenbearbeitungspraktiken, Wassermanagement und Fruchtfolge Anwendung finden. Die sorgfältige, effiziente Nutzung von Stickstoffdüngern reduziert die Emission von Stickoxyden, einem weiteren starken Treibhausgas. Industrialisierten Ländern wird unter dem Kyoto-Protokoll die Möglichkeit geboten, ihre Emissionsziele durch Schaffung von CO2-Senken, z.B. über Beiträge zur Aufforstung und zur Sicherung von Forstgebieten in fremden Ländern zu erreichen. Die durch die zugelassenen CO2-Senken entfernten GHG erzeugen „Removal Units“ RMUs. Bei diesem Mechanismus werden temporäre „Certified Emission Reduction“ tCER Einheiten und langfristige lCER nach Prüfung ausgegeben. tCER haben eine Laufzeit von 30 Jahren, während lCER zunächst auf 20 Jahre vergeben werden, mit zweimaliger Verlängerungsmöglichkeit bis zu maximal 60 Jahre. Probleme derartiger Senken sind die letztlich nur ungenau messbaren CO2-Effekte, die Auswirkungen von Waldbränden oder die Interessen der ansässigen Bevölkerung.
19.4 Kontrolle und Zertifizierung Auf der 7. COP in Marrakesh einigten sich die A1P auf die Kontrollinstrumente, die als die umfassendsten und strengsten innerhalb internationaler Vereinbarungen gelten. Diese definieren, fördern und sichern die Maßnahmen der Vereinbarungen des Kyoto Protokolls.
19.4.1 Compliance Committee Das oberste Gremium ist das Einhaltungskommittee („Compliance Committee“), das aus zwei Abteilungen besteht, der Förderabteilung („Facilitative Branch“) und der Exekutivabteilung („Enforcement Branch“). Die eine Abteilung soll durch Beratung und Unterstützung die Einhaltung der Verpflichtungen fördern, während die andere die Befugnis hat, Konsequenzen für A1P festzulegen, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten. Beide Bereiche bestehen aus 10 Mitgliedern: Je ein Vertreter aus den fünf offiziellen UN Regionen (Afrika, Asien, Lateinamerika und Karibik, Zentral- und Osteuropa sowie Westeuropa und andere), einer von den Kleininsel-Schwellenländer und je zwei aus A1P und Nicht-A1P.
344
19 Kyoto-Protokoll
19.4.2 Ernannte Nationale Autoritäten „Designated National Authorities“ DNA Länder, die an CDM-Projekten teilnehmen wollen, müssen eine nationale Autorität ernennen, die diesen Protokollmechanismus überwacht. In Deutschland ist dies das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktortechnik.
19.4.3 Ernannte Operative Organisationen „Designated Operational Entities“ DOE Jedes an CDM-Projekten teilnehmendes Land ernennt Organisationen (Designated Operational Entities) DOE, die CDM-Projekte evaluieren und die Anfragen zur Projektregistrierung einreichen. Diese DOE müssen für die entsprechenden CDM-Projekte akkreditiert sein. In Deutschland sind dies z.B. TÜV Industrie Service GmbH, TÜV SÜD GRUPPE, RWTÜV Systems GmbH.
19.4.4 Rolle der Weltbank Die Weltbank schätzt, dass sich Emissionszertifikate bei einem Preis von 5 bis 10 US$ pro Tonne CO2-Äquivalent bis zum Jahr 2012 durch CDM, JI und IET zu einem Finanztransfer von 12,5 bis 25 Milliarden US$ aus A1P an Entwicklungs- und Schwellenländer summiert haben könnten. Deshalb sieht es die Weltbank als eine ihrer Aufgaben an, dass Entwicklungs- und Schwellenländer von den Mechanismen des Kyoto-Protokolls profitieren können. Sie unterstützt den Handel mit Emissionszertifikaten speziell deren Kauf aus diesen Ländern [19.15, 19.16, 19.17].
19.5 Diskussion Eine derart weitreichende internationale Vereinbarung über eine globale Aktion, die freiwillig zustande kam und wobei sich einzelne Länder hohe Selbstverpflichtungen mit Kosten aufbürdeten, kann als beispiellos in der neueren Geschichte genannt werden. Dies umso mehr, als sich die zu erwartenden Auswirkungen des prognostizierten Treibhauseffekts nur mit großen Unsicherheiten abschätzen lassen. Um überhaupt von den teilnehmenden Ländern akzeptiert zu werden und um in Kraft treten zu können, mussten Kompromisse geschlossen werden, da einige Länder ihre Interessen hart verteidigten. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn das Protokoll auch in der Kritik steht. Die USA war zwar aktiv an den Verhandlungen des Protokolls beteiligt, hat dieses jedoch nicht ratifiziert. Eingewandt wird grundsätzlich, dass die Kosten des Kyoto-Protokolls die Kosten zur Behebung des später eintretenden Schadens der globalen Erwärmung – der jetzt nur ungenau abzuschätzen ist – übersteigen könnten. Dies umso mehr, wenn noch der Zinseffekt berücksichtigt wird. Heutiges Vermögen hätte ja in 100 Jahren durch die Verzinsung einen vielfach höheren Wert und könnte dann eventuell zur Schadensbegrenzung effizienter eingesetzt werden. Die USA-Regierung und andere kritisieren insbesondere, dass die Entwicklungsländer und viele Schwellenländer sich nicht dem Protokoll anschlossen und deshalb keinen Reduzierungen ihrer Treibhausgasemissionen unterliegen. So fehlen mit China und Indien die beiden bevölkerungsreichsten Länder, deren Wirtschaft hohe Wachstumsraten aufweisen und deren CO2-Emissionen analog stark ansteigen. Viele Regierungen befürchten, insbesondere die USA, dass ihre Wirtschaftsentwicklung durch die hohen Kosten der verbindlich festgelegten
Anhang
345
Emissionsreduzierungen Schaden erleiden könnte. Prinzipiell kann es zu wirtschaftlichen Wanderungsbewegungen von emissionsträchtigen Industrie- bzw. Produktionszweigen aus Industrieländern in die Entwicklungsländer, die vielleicht wenig strenge Emissionsgesetze kennen und dem Kyoto-Protokoll nicht verpflichtet sind, kommen. Dies liefe der globalen Emissionsminderung entgegen und wäre ein wirtschaftlicher Schaden für die Industrieländer. Die Entwicklungsländer fürchten andererseits, dass der CDM genutzt wird, um die nun gewährte Entwicklungshilfe zu ersetzen, so dass sie später schlechter dastehen als heute. Eingewandt wird weiterhin, dass die Industrieländer unverändert ihre GHG emittieren und über CDM ihre Emissionszertifikate auf preiswerte Weise zu Lasten der Entwicklungsländer erwerben. Manche Politiker aus Entwicklungsländern äußern unberechtigterweise, dass sie somit gewissermaßen zu „Abfallländern“ werden. Heftig umstritten sind die „Carbon Sinks“ durch Aufforstungsmaßnahmen. Hier wird die vernachlässigte Zukunftsvorsorge von Ländern, die durch Raubbau die zwingend notwendige Nachhaltigkeit für kommende Generationen vernachlässigt haben, belohnt. Andere Länder mit einer funktionierenden nachhaltigen Forstwirtschaft, die nun keine zusätzlichen Emissionssenken mehr schaffen können, werden benachteiligt. Ein besonderes Problem stellen die sich im wirtschaftlichen Wandel befindlichen Staaten des ehemaligen Ostblocks, speziell der ehemaligen UdSSR dar. Diese Länder haben hohe Emissionsraten zugewiesen bekommen, die noch aus der Zeit des Kommunismus mit ihrer uneffizienten, ressourcenfeindlichen Planwirtschaft resultieren. Derzeit sind diese Industrien jedoch weitgehend zusammen gebrochen und die Emissionen sind entsprechend zurückgegangen. Somit gibt es jetzt einen Überschuss an Emissionszertifikaten, die diese Länder handeln können. Diese überhöhte Allokation („Heiße Luft“ genannt) schafft über den Handel sogar höhere erlaubte Emissionen an anderer Stelle. Von diesem rein wirtschaftlich bedingtem Rückgang hat nach der Wiedervereinigung auch die Bundesrepublik Deutschland im Sinne des KyotoProtokolls profitiert: Ohne weitere Anstrengungen gingen die Emissionen zurück. Die „Bubble-Bildung“ der Europäischen Union EU rief ebenfalls Kritik hervor. Die EU verpflichtete sich in Summe zu einer Emissionsreduktion und erlaubt durch spezielle Maßnahmen den EU-internen Ausgleich der Emissionen. Es wird befürchtet, dass somit auf undurchsichtige Weise sich einige EU-Länder ihren national eingegangenen Verpflichtungen entziehen könnten. Unbefriedigend ist auch, dass die beträchtlichen Emissionen des Verkehrs weder in der Allokation berücksichtigt sind, noch können die in diesem Sektor erzielten Einsparungen am Emissionshandel teilnehmen.
Anhang A19.1 Annex 1 Länder A1P Die CO2-Ziele, d.h. Änderungen der CO2-Emissionen, beziehen sich auf das Jahr 1990. Einigen Ländern, die kaum CO2 emittieren wie Island, wurde zugebilligt, sogar mehr GHG zu emittieren. Manchen Staaten wie der Russischen Föderation (Länder im Übergang zur Marktwirtschaft „Transition Economies“) wurden keine Emissionsminderungen auferlegt, um deren wirtschaftliche Entwicklung nicht zu behindern.
346
19 Kyoto-Protokoll
Tabelle A19.1: Annex 1 Länder und ihre CO2-Ziele
Annex 1 Länder
CO2 Ziele
EU-15, Bulgarien, Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Liechtenstein, Monaco, Rumänien, Slovakei, Slovenien, Schweiz
–8%
USA
–7%
Kanada, Ungarn, Japan, Polen
–6%
Kroatien
–5%
Neuseeland, Russische Föderation, Ukraine
Bemerkungen
USA hat Prot. nicht ratifiziert
0
Norwegen
+1%
Australien
+8%
Island
+ 10 %
Literatur zu Kapitel 19 [19.1] [19.2] [19.3] [19.4] [19.5] [19.6] [19.7] [19.8] [19.9] [19.10] [19.11] [19.12] [19.13] [19.14] [19.15]
[19.16] [19.17]
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347
Sachwortverzeichnis O-Sonde 166 D-Strahlung 67 ß–-Strahler 66 1. HS 7, 11 A Abbrand 75 f., 82, 97 Abgasbehandlung 153 Abgasnutzung 158 Abgasturbolader 155, 158 Abhitzekessel 133, 135, 137, 140, 142, 145 f., 156, 200 ff. Abklingbecken 102 Absalzung 34 Abscheideflasche 46 Absetzbecken 34 Absolutsystem 234 Absorber 209 f. Absorption 70 Absorptions-Kälteanlage 19, 213 – -Kältemaschine 196, 209 Abwärme 195, 207 Abwärmenutzung 210 Abwärmenutzungsgrad 139, 292 Accounting Procedure 340 Adam und Eva 323 Adsorptions-Kälteanlage 210 AFC 180 AFM+E (Aussenhandelsverband für Mineralöl und Energie) 327 Air Mass 240 Aktivkohlefilter 305 Allokationsplan, nationaler 330 Ammoniaktrennung 210 Ammoniak-Wasser Gemisch 296 Anfahrmotor 170 Anionentauscher 35 Annex I Parties A1P 339 Anomalie, geothermische 289 Anreicherung 76, 81, 96 Anreizregulierung 328 Anschlusszwang 207 Anzapfbetrieb 198 f.
Anzapfdampf 26 f., 198 Anzapfturbine 201 Anzapfung 199 Aquifere 290, 317, 320 Äquivalentdosis, biologische 77 Arbeit 5, 7, 11 f., 23 –, indizierte 154 Arbeitsgas 159 Arbeitskolben 159 f. Arbeitsspiel 155 Atomkern 65 Aufladung 155 Auftrieb 273 Auftriebsbeiwert 273 Auftriebsläufer 271, 274 Auftriebsparameter 273 Aussolung 318 Ausspeicherung 316 Ausstiegsbeschluss 332 Axialverdichter 118 B Banki-Turbine 225 BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) 327 Benchmarkbericht 328 Bensonkessel 46 Beschichtung, selektive 247 Betriebskosten 311, 317 Betriebstemperatur 181 Betriebsverhalten 147 Betz-Faktor 271, 279 BHKW 19, 156, 166, 170, 201, 204 ff., 315 Bilanzkreisvertrag 329 BIMSCH 51 Binärprinzip 292, 294 Bindungsenergie 67 ff. Biodiesel 281 Biogasanlage 285 Biomasse 1, 281 –, anfallende 281 –, angebaute 281
348 Black-out 277 Blockbauweise 201 Blockheizkraftwerk 2, 19 Blockheiz-Kraftwerk BHKW 195 Blockwart 61 BNE (Bundesverband Neuer Energieanbieter) 327 Bor 73 Börsenhandel 334 Bottoming Cycle 133 Boxerbrenner 39 Brauchwasser 203 Brennelement 75, 79, 82, 96 Brennelementkugel 96 f. Brenngas 162 Brennkammer 110, 120 –, elektrische 192 Brennraum 38 Brennstab 73 Brennstoff 311 Brennstoffnutzungsgrad 19, 195, 202, 212 Brennstoffumsatz, unvollständiger 178 Brennstoffzelle 16, 204 –, mobile 183 Brennstoffzufuhr 148 Brüten 73 Brutmantel 95 Brutprozess 73 Brutrate 95 Brutstoff 74 Bruttosozialprodukt 1 Bubble-Bildung 345 Bundes-Immissionsschutz-Gesetz 283 Bundesnetzagentur 328 C C4-Pflanze 281 CANDU 74 – -Reaktor 94 CAP-Regulierung 330 Carbon-Market 340 – -Sinks 345 Carnot-Prozess 7 f., 25 – -Wirkungsgrad 6, 8, 161 CASTOR 101 Certified Emissions Reduction, CER 342 Cheng-Cycle 142 Chicago Climate Exchange 340
Sachwortverzeichnis Chloride 32 CIS-Zelle 260 Clausius-Rankine Dampfprozess 86 Clausius-Rankine Prozess 8, 94, 138 Clean Development Mechanism, CDM 339 CO2-Äquivalent 337 – -Senke 339 Compliance Committee 343 Conference of the Parties, COP 338 Containment 93 D Dampfdom 49 Dampfentnahme 199 Dampferzeuger 25, 29, 36, 134 –, aufgeladener 134 Dampfinjektion 142 Dampfkraftwerk 8, 17, 19, 23, 29, 133 Dampfnetz 197 Dampfsammelschiene 196 Dampfschiene 204 Dampfspeicher 198 Dampfturbine 135 Dampfturbinen-Kraftwerk 18 Dampfverbrauch 292 Darrieus-Rotor 274 f. Deklination 241 Deponie 308 Deponiegas 21, 151, 308 – -Kraftwerk 308 Dériaz-Turbine 227 Designated National Authorities, DNA 344 – Operational Entities, DOE 344 Deuterium 66, 68, 73, 103 Deutsche Verbundgesellschaft 314 Diesel 151 – -Motor 151, 156 – -Prozess 8 Dioxin 303 ff. Diskriminierungsverbot 327 Distribution Code 328 Diversität 84 DNB 41 Drehzahlregelung 170 Dreidruckprozess 146 Drei-Maschinen-Satz 221
Sachwortverzeichnis Drei-Schluchten-Projekt 219 Dreiwegetechnik 166 Drei-Weg-Katalysatortechnik 168 Drosselglied 164 Drosselklappe 164, 170 Drosselorgan 44 Drosselregelung 28 Drosselventil 209 Druck, mittlerer indizierter 154 Druckabbausystem 88, 90 Druckleitung 217 Druckluftspeicher-Gasturbine 323 Druckröhre 94 Druckwasserreaktor 88, 91 f. Druckwirbelschicht 149 Dünnschicht-Solarzelle 260 Durchgangsdrehzahl 223 Durchleitungsrechte 2 E Earth Summit 339 EFET (European Federation of Energy Traders) 327 Eindruck-Prozess 137, 139 Einkristall 110, 119 Einspeicherung 316 Einspritzdruck 159 Einwellenanlage 148 Economiser 200 Economizerstrecke 145 Elektrode 174 Elektrodenaktivierung 179 Elektrofilter 52 Elektrolyse 173 Elektrolyt 174 f., 180 –, mobiler 183 Elektronenhülle 65 Elektronenstrahler 66 Emil Rathenau 314 Emission Reduction Unit, ERU 340 Emissionssenke 342 Emissionswert 158 Emissionszertifikat 332, 340 Emissionsziel 341 Emmissionsrecht 330 Endlager 100 Endlagerung 101 Energie, chemische 5, 15 f.
349 –, elektrische 5, 15 f. 23 –, erneuerbare 2 –, geothermische 2, 10 –, innere 12 –, kinetische 5 –, mechanische 15 f. –, potentielle 5 –, thermische 5, 15 –, unerschöpfliche 10 Energieangebot 9 Energiebedarf 1, 10 –, anthropogener 1 Energiebilanz 11 Energiedichte 21, 316 Energieerhaltung 6 Energieerhaltungssatz 6 Energieform 15 Energienutzung, regenerative 238 Energiepflanze 281 Energiequelle, erneuerbare 17, 20 –, regenerative 10, 17, 20 –, unerschöpfbare 20 Energiespeicherung 311, 316 Energiestrom der Sonne 1 Energieträger 1, 3 –, fossiler 10 Energietransport 311 Energietransportsystem, leitungsgebundenes 311 Energieumwandlung 5, 15 Energieverbrauch 1 Energieversorgung, dezentrale 205 Energieverteilung 311 Energiewandlung 2 Energiewirtschaft, nachhaltige 237 Energiewirtschaftsgesetz 325 Enforcement Branch 343 ENS-Wechselrichter 267 Enthitzung 49 Entkarbonisierung 34 Entnahmebetrieb 198 Entnahmediagramm 199 Entsalzung 34 Entschwefelung 50 Entsorgung 99, 101 Entstaubung 50, 52 Entstickung 50 –, nasse 121
350 –, trockene 122 EPR 94 Erdalkali-Salz 32 Erdbeben 299 Erdgas 1, 10, 151, 312 Erdgasentspannung 151 Erdgaspipeline 312 Erdgasspeicher 313 Erdgastransport 312 Erdkruste 289 Erdöl 1, 10 Erdölpipelinenetz 311 Erdölspeicher 317 Erdtemperatur 289 Erdwärme 9, 289 Erdwärmesonde 291, 301 Erdwärmestrom 289 Ereignisbaum-Methode 85 erster Hauptsatz der Thermodynamik 6, 11, 13 Erwärmung, globale 337 EU Emissions Trading System, ETS 340 EU-Beschleunigungsrichtlinie 327 Euler'sche Turbinenhauptgleichung 223, 234 EU-Richtlinie Elektrizitätsbinnenmarkt 328 European Energy Exchange (EEX) 334 EV-Brenner 122 Executive Board 342 Expansionsarbeit 153 Expert Review Team 340 F Facilitative Branch 343 Fahrweise 206 Fail Safe 84 – – Technik 61 Fallhöhe 217 Fallrohr 42 f. Fällung 34 Faradaykonstante 176 Faraday-Wirkungsgrad 178 Faulbehälter 285 Faulzeit 286 Fehlerbaum-Methode 85 Feld, geokomprimiertes nasses 300 Felskaverne 317
Sachwortverzeichnis Ferngasversorgung 319 Fernwärme 19, 201 Fernwärmenetz 205, 315 Fernwärmenetz 2, 315 Festbrennstoff 159 Festpartikelkonzentration 293 Feststoffspeicher 322 Final Yield 267 Fischer-Tropsch-Synthese 282 Fischtreppe 218 Flächenbedarf 22 Flashprinzip 293 Flockung 34 Flugasche 50, 52 Flügel 272 Flügelprofil 274 Flugstromvergaser 284 Flugzeugderivat 124 Flugzeug-Gasturbine 123 Fluid, binäres 296 Flussformfaktor 82 Flüssiggas-Speicher 320 Flusssäure 305 Förderkosten 311 f. Fouling 296 Fracturing Aktion 299 Francis-Turbine 219 f., 222, 226, 265 Freiluftleitung 314 Freistrahlturbine 227 Fremdgas 313 Fremdzündung 158 Frequenzhaltung 59, 314, 317 Frischdampf 23 Frischdampfdruck 25, 136, 139 Frischdampftemperatur 25, 136 Frischdampfzustand 23 Furane 303, 305, 307 Fusion 68, 103 Fusionsenergie 5, 10 Fusionstechnologie 2 G GaAs-Zelle 260 Gärtemperatur 287 Gärungsprozess, anaerober 308 Gasausbeute 286 Gasbehälter 319 Gasbrunnen 308
Sachwortverzeichnis Gasdiffusionselektrode 185 Gaserzeuger 125 Gas-Luftgemisch 163 Gasmarkt, Deregulierung 313 Gasmischer 162, 164 Gasmotor 19, 151, 161, 165 Gasproduktion 285 Gasspeicher 320 Gasturbine 8, 17, 19, 21 ff., 96, 107, 133 ff., 204 –, geschlossene 126 Gasturbinen-Kraftwerk 18 GAU 76, 88 f., 93 f. Gebäudeheizung, solare 245 Gebietsmonopol 2 Gefälle, nutzbares 216 Gefällhöhe 216 Gegendruckbetrieb 196, 199 Gegendruckturbine 196 f. Gegenstromprinzip 200 Generator 59 Generatorwirkungsgrad 154, 196 Geothermie 17, 20, 204, 289, 291 Gesamtwirkungsgrad 217 Gesteinsriss 299 Gezeiten 9 Gezeitenenergie 10 Gezeitenhub 229 Gezeitenkraftwerk 225, 228 Gips 53 Gleichdruckverbrennung 157 f. Gleichdruckverbrennungsphase 157 Gleichraumanteil 157 Gleichraumverbrennung 151, 158 Gleichspannung 176 Gleichstromgenerator 276 Gleichstromzwischenkreis 276 Gleitdruck 147 Gleitdruckregelung 28 f., 43, 146 Globalstrahlung 242 Glockenbehälter 319 Grädigkeit 295 Graphit 90, 96 Greenhouse Gas 338 Grenzschichteffekt 270 Grid Code 328 Großhandelsmarkt 333 Großkraftwerk 205
351 Großwasserraumkessel 42 Grundlast 2, 18, 20 Grundlastkraftwerk 217 Grundversorgungsverordnung 328 GuD 133, 201 – -Kraftwerk 19 Gütegrad 154 H Hackschnitzel 283 Halbwertszeit 67 Händlerrahmenvertrag 329 Härte 32 Hausmüll 303 HDR 298, 300 Heißdampffelder 290 Heissgasreinigung 135 Heißwasserfeld, geokomprimiertes 290 Heizflächenbelastung 43 f. Heizkraftwerk 30 Heizwasser 34 Heizwasserkessel 200 Heizwert 163 –, oberer 16 –, unterer 16 Heizzentrale 201 Helium 74 Hochdruckanlage 217 Hochdruckturbine 26 Hochdruckvorwärmer 28, 49 Hochspannungsnetz 326 Höchstspannungsnetz 314, 326 Hochtemperaturreaktor 96 Hochtemperaturzelle 204 Hochwasser 225 Hornbergbecken 323 Hot Dry Rock 299 – – – -Verfahren, HDR 298 Hot Spot 264, 290 Hüllrohr 74 f., 79 Hütter 274 Hybridkühlturm 33, 57 Hybridsystem 301 Hydratbildung 313 Hydrolyse 285 hydrophobiert 185 Hydroxylion 181
352 I Imbert-Vergaser 284 Impulskraft 234 Impulsübertragung 234 Industriedampf 201 Industrie-Kraftwerk 30 Injektor-Leerschuss 225 Inselsystem 266 Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC 338 International Emissions Trading, IET 340 International Transactions Log 340 Investitionskosten 311 Ionendichte 179 Ionendiffusionsverlust 179 Ionenleitfähigkeit 181 Ionentauscher 33, 35 Ionisation 174 Isentropenexponent 111, 144 Isotop 74 Itaipú 219 I-U-Kennlinie 260 J Jahrebänder 333 Jahresdauerlinie 205 –, geordnete 205 Jemez Mountains 299 JET 104 Jet-Gasturbine 123 Joint Implementation, JI 339 Joule-Brayton 110 f. – – -Prozess 8, 96, 157 K Kalander 94 Kalilauge 180 Kalina-Prozess 296 Kälte 7 Kälteerzeugung 207 Kältemaschine 159 Kältemittel 207 Kälteprozess 207 Kältetechnik 7 Kaltraum 159 f. Kaplan-Turbine 218, 230 f. Karbonation 181 Karbonatsalz 32
Sachwortverzeichnis Karbonatschmelze 180 Katalysator 153, 166 Kationentauscher 35 Kaufkraftparität 1 Kaverne 317, 320 Kavernenfeld 318 Kavernenkraftwerk 217 Kavitation 222 Kennfeld 118 Keramik, dotierte 180 Kernbrennstoff 74 –, schwacher 70 f. –, starker 70 f. Kernenergie 16, 21 Kernfusion 5, 20 Kernkraftwerk 18, 22, 65 Kernquerschnitt 71 Kernreaktion 70 Kernspaltung 2, 5, 65 f., 71 Kesselstein 31 Kettenreaktion 68 Kieselsäure 32 Kiesfilter 34 Klärgas 151 – -Kraftwerk 308 Klimatisierung 196, 207 Klopfen 153, 158 Klopffestigkeit 153, 162 Klopfsensor 168 Kohle 1, 10 Kohlekraftwerk 2, 21 f. Kohlelagerung 317 Kohlendioxid 1 Kohlenwasserstoff, teilfluorierter, teilchlorierter 207 Kohlestaubfeuerung 127, 149 Kohlevergasung 127 Kohlevergasungsanlage 149 Kohleverstromung 2 Koks 282 Kolbendampfmaschine 151 Kolbenmotor 8, 151, 202 Kollektorauslastung 253 Kollektorkennlinie 249 Kollektorwirkungsgrad 249 Kombikraftwerk 17, 21 ff., 133 f., 138, 201
Sachwortverzeichnis
353
Kombinationskraftwerk 16, 19, 23, 30, 133 Kompressions-Kältemaschine 209 Kompressor 155 Kompressorstation 313 Kondensation 29 Kondensations-Turbine 58, 196 Kondensator 27, 55 Kontrollinstrument 343 Kontrollraumgrenze 216 Konversionsrate 74, 96 Kraftstoff-Luft-Gemisch 151 –, stöchiometrisches 153 Kraftübertragungswerk Rheinfelden 314 Kraft-Wärme-Betrieb 140 – – -Kälte-Verbund 213 – – -Kopplung 19, 23, 28, 134 f., 155, 195, 204, 283 – – -Kopplungsanlage 19 Kraftwerk 17 –, geothermisches 21 –, ozeanthermisches 232 –, solares 238 Kraftwerkskette 222 Kraftwerkswart 61 Kreisprozess 7 –, linkslaufender 207 –, rechtslaufender thermodynamischer 207 –, thermodynamischer 6 kritisch 72 Kugelhaufenreaktor 96 f. Kühlturm 56 Kühlung 110, 119 Kühlwasser 34, 202 Kunststoff-Mantelrohr 315 Kurzzeitspeicher 321 Kyoto-Protokol 337
Lastspitze 313 Lastsprung 165 Lastwechsel 147 Last-Zeitdiagramm 84 Latentwärmespeicher 322 Laufschaufel 225 Laufwasserkraftwerk 22, 215, 217 Laufzeit 206 Lavamasse 289 Leckagendetektion 315 Leerlaufspannung 179 Leichtwasserreaktor 72 f., 76 Leistung, effektive 154 –, spezifische 81 Leistungsbeiwert 271, 275, 278 Leistungsdichte 81, 316 Leistungsregelung 170 Leistungszahl 208, 211 Leitapparat 225 Leitfähigkeit 32 f., 185 Leittechnik 60 Leitungsbeiwert 216 Liberalisierung 2, 325 Liberalisierung des Energiemarktes 2 LIMPET (Land Installed Marine Powered Energy Transformer) 232 liquid natural gas 312 liquid petroleum gas 320 Lithiumaluminat 189 LNG 320 Löslichkeit der Salze 32 Löslichkeitsgrenze 296 Lösung, schwache 210 –, starke 210 Luftüberschuss 169 Luftvorwärmer 113 Luftvorwärmung 113 Luftzerlegung 127
L land use, land-use change and forestry LULUCF 339 langfristige lCER 343 Langzeitspeicher 320, 322 Lanthan-Strontium-Manganat 190 Larderello 291 Laständerung 148 Lastprofil 213
M Magnetit 33 Marrakesh Accord 340 Massenstromdichte 41, 44 Massenstromregelung 28 Maximum Power Point 262 MCFC 180 Meereswelle 231, 235 Meereswellen-Kraftwerk 231
354 Mehrdruckprozess 141, 145, 295 Mehrstufenprinzip 84 Membran-Druckregler 164 Metering Code 328 Methangärung 285 Methanzahl 162 Mineralölspeicher 317 Mineralöltransport 311 Miscanthus 281 Mischbettfilter 35 Mischoxid 87 Mischvorwärmer 27, 48 Mitteldruckanlage 217 Mittellast 2, 18, 20 Mittelspannungsnetz 326 Mitteltemperaturzelle 204 Modell DICE99 337 Moderation 72, 90, 95 Moderator 96 Mond 10 Monitoringbericht 328 Müll 21 Mülldeponie 308 Müllkraftwerk 30, 303 f. Müllverwertung 303 N Nachkühler 49 Nachwärme 68 Nahwärmenetz 315 Nahwärmeversorgung 207 Nassdampffeld 290 Nassdampfgebiet 25 Nasskühlturm 33, 56 Natrium 74, 95 Naturschutzbedenken 215 Naturumlauf 137, 145 – -Dampferzeuger 42 f. Naturumlaufkessel 36 Natururan 73 f., 94 Naturzug-Kühlturm 56 Nenndrehzahl 224 Netz, elektrisches 2 Netzanschlussvertrag 329 Netzbetreibergesellschaft 3 Netzeinbindung 276 Netzentgeltverordnung 328 Netznutzungsvertrag 329
Sachwortverzeichnis Netzregelung 19 Netzzugang 327 Netzzugangsverordnung 328 Neutrino 69 Neutron 65 –, schnelles 70, 73 –, thermisches 70, 73 Neutronenabsorberstab 73 Neutronenenergie 71 Neutronenfluss 71, 80, 82 Nichtkarbonatsalz 32 Niederdruckanlage 217, 225 Niederdruckturbine 26 Niederspannungsanschlussverordnung 328 Niederspannungsnetz 326 Niedertemperaturbereich 245 Niedertemperaturwärme 211 Normalbenzin 153 Normzustand 116 Notkühlung 90 Notstromaggregat 151, 156 Nukleon 67 Nutzarbeit 108, 111, 116 –, effektive 154 Nutzleistung 115 Nutzleistungsturbine 125 Nutzungsfaktor 317 Nutzwärme 195, 212 Nutzwärmekosten 255 O Oberbecken 229 f. Oberrheingraben 291 Oberwasser 217 Offshore-Windpark 277 Ölabsorption 309 Öleinheit 1 ORC 30, 295, 300 ORC-Anlage 151 Organic Rankine Cycle ORC 30, 294 Ossberger-Turbine 225 OTEC (Ocean Thermal Energy Conversion) 233 Otto-Motor 151, 284 f. – -Prozess 8, 157 Oxidationskatalysator 167, 169 Ozonschädigungspotential 207
Sachwortverzeichnis P PAFC 180 Palmöl 198, 282 PEFC 180 Pellet 74 f. Pelton-Turbine 222, 227 Performance Ratio 268 Periodendauer 231 Pflanzenöl 281 Phasenverschiebung 245 Phasenwechsel 39 Phosphorsäure 180, 186 Photon 239 Photosynthese 281 Photovoltaikeffekt 20 photovoltaischer Effekt 258 pH-Wert 33 Pipeline 311 f. Pitch Point 295 Pitchregelung 276 Platte, bipolare 192 Plutonium 73 p-n-Silizium 259 Polardiagramm 273 f. Polymer-Elektrolyte 184 Porenspeicher 320 Preisaufsicht 332 Preisindizes 334 Preisoption 334 Primärenergie 22 Primärenergie 10 Primärenergieträger 2, 311 Primärkreis 91 Primärkreislauf 91 Produktgas 204 Produktwasser 181, 184 Pro-Kopf-Energiebedarf 1 Proton 65 Prozess, linkslaufender 7, 211 –, rechtsläufiger 7 Prozessdampf 187, 200 Pufferspeicher 253 Pumpbetrieb 230 Pumpe 118 Pumpgrenze 118 Pumpspeicheranlage 217 Pumpspeicherkraftwerk 18, 22, 126, 215, 220, 228, 323
355 PUREX 101 PV-Anlage, netzparallele 266 – -Inselanlage 266 – -Generator 266 – -Modul 264 Pyranometer 243 Pyrolyse 20, 282, 304 ff. – -Koks 305 Q Quecksilber/Wasserdampf-Kraftwerk 140 R radioaktiver Zerfall 66, 68 Radioaktivität 77 radiobiologische Wirksamkeit 77 Rance-Mündung 230 Rapsölmethylester 281 Rauchgasreinigung 29, 121, 306 Raumheizung 203 RBMK-1000 76, 90 REA 52 Reaktand 174 Reaktivität 72, 76 Reaktor 79, 83 –, gasgekühlter 73, 96 –, thermischer 73, 86 Reaktorbehälter 82 Realgasverhalten 312 Reduktion, selektive katalytische 50 Redundanz 84 – -Prinzip 85 Reformer 204 Regellastkraftwerk 215 Regelstab 79 Regelung 28, 147 Regelventil 199, 224 Regenerator 159 Regulated Third Party Access 328 Regulierungsbehörde 328 Rektifikation, interne 298 Relativsystem 234 rem 77 Removal Unit, RMU 343 Research Cottrell Verfahren 52 Reservekessel 205 f. Reversbetrieb 230 Reversturbine 227
356 Rieseler 34 Ringbrennkammer 121 Rissbildung 299 Risspropagation 299 Rohöleinheit 1 Röhren-Speicher 319 Rohr, innenberipptes 41 Rohrschraube 45 Rohrturbine 224 Röntgenstrahlung 67 Rostfeuerung 39, 283, 304 f. Rückkühlwasser 33, 56 Rußfilter 167 Rußpartikel 167 Ruths-Speicher 322 S Saint Malo 231 Salzkaverne 317 Salzsäure 305 Salzstock 101, 318 Sammelbecken 232 Sankey-Diagramm 10, 221 Sattdampfprozess 25, 86, 91, 93, 233 Sauerstoffion 181 Säureaufschluss 285 Savonius-Rotor 271 Schachtvergaser 284 Schaltungsmöglichkeit 134 Schaufelkühlung 115 Scheibenbehälter 319 Schichtenspeicher 321 f. Schlacke 50, 52 Schmelzwärmespeicher 322 schneller Brüter 74 Schnellläufer 275 Schnelllaufzahl 275 Schnellschluss 224 Schnellschlussventil 30 Schwachgas 162, 284 Schwachlastumwälzung 46 Schwel-Brenn-Verfahren 304 Schwelgas 305 Schweltrommel 307 Schwerwasserreaktor 73 Schwimmer 232 SCR 50, 166 ff., 307 Seiliger-Prozess 8, 156
Sachwortverzeichnis Sekundärenergie 10 Sekundärenergieträger 311 Sekundärkreis 91, 93 Sekundärkreislauf 95 Selbstverpflichtung 339 Selbstzünder 156 Selbstzündung 153, 158 Sicherheit 84 –, inhärente 76 Sicherheitsbarriere 85 Sicherheitsbehälter 90 Sicherheitscontainment 91 Sicherheitseinrichtung 85, 88, 93 Sicherheitsventil 224 Siedekrise 40 f., 45, 87 Siederohr 43 Siedewasserreaktor 86, 88 Sievert 77 Silizium 259 Siliziumverbindung 309 Silobrennkammer 117, 120 Si, polykristallines 260 Si-Zelle, monokristialline 259 SNR 300 95 SOFC 180 Solar Home System 258 solare Trinkwassererwärmung 251 solares Kraftwerk 238 Solarenergie 2, 159, 281 solarer Zapf-Deckungsanteil 255 solares Strahlungsspektrum 239 Solarimeter 243 Solarkonstante 240 Solarkraftwerk 21 f. solarversorgtes Kleingerät 266 Solarzeit 241 Sommerbetrieb 196 Sonne 10 Sonnenenergie 9, 10 Sonnenenergienutzung, passive 245 Sonnenkollektor 246 Sonnenleistung 269 Sonnenscheinautograph 239 Sonnenscheindauer 239 Sonnenspektrum 239 Sonnenstand 242 Sonnenstandskurve 240 Soultz-sous-Forêt 300
Sachwortverzeichnis Spaltprodukt 68, 74 Spaltprozess 65 Spaltquerschnitt 74 Spaltung 70 Spaltungsenergie 5 Spannbetonbehälter 97 Spannungsverlust 179 Speicher, chemischer 323 –, elektrischer 323 Speicherkraftwerk 215 ff. Speisewasser 33 Speisewasserpumpe 30, 59 Speisewasservorwärmung 26 –, regenerative 47, 198 Spitzenlast 2, 18, 20 Spitzenlastkessel 206 f. Spitzenlastkraftwerk 18, 215 Spitzenlaststrom 207 Spitzenwärmebedarf 206 f. Spotmarkt 333 Sprühkondensator 293 Stableistung 81 Stahlerzeugung 204 Stallregelung 276 Standard Test Conditions 262 Stausee 215 Stauwehr 218 Steigrohr 42 Steuerstab 73 STIG-Prozess 20 Stirling-Prozess 8 – -Motor 151, 159, 161, 204 Stoffpaar 209 Stolze, Friedrich 107 Störfall 84 Strahlablenker 228 Strahlenbelastung 78 Strahlenschaden 77 Strahlung, diffuse 242 –, direkte 242 –, elektromagnetische 237 Strahlungsenergie 5 Strahlungsform 5 Strahlungsspektrum, solares 239 Streuung 70 Stromdichte 179 Stromerzeugung 9 Stromerzeugungsunternehmen 3
357 Stromgenerator 156 Stromlieferungsvertrag 329 Stromnetz 18 Stromröhre 278 Stromsteuer 332 Strömungsablösung 273 Strömungsform 39 Strömungsimpuls 234 Stromzahl 195 Sulfat 32 Sulzerkessel 46 Sun Fuel 282 Superbenzin 153 Svartsengi 300 Synchrondrehzahl 170 Synchrongenerator 170, 276 Synthesegas 285 Synthesegasreinigung 149 Systemgrenze 11 T Tageslastgang 18 Tangentialbrenner 39 Tank 317 f. Tarifpreisaufsicht 328 Taupunkt 137 Teer 285 Teilbeaufschlagung 225 Teillast 29, 179, 206 Teillastbetrieb 199 Teillastwirkungsgrad 224 Temperaturgradient 289 temporäre Certified Emission Reduction, tCER 343 The Geysirs 291 Thermalwasser 302 Thermalwasserfeld 290 Thermoselect 306 f. Thermoselect-Verfahren 304 Thorium-Hochtemperatur-Reaktor 96 THTR 300 96 f. Tidenhub 229 Tiefengestein 290 TOKAMAK 104 Topping Cycle 133, 140 Trägerflüssigkeit 209 Transalpine-Pipeline 311 Transeuropa-Naturgas-Pipeline 312
358 Transition Economies 339, 345 Transportkapazität 311 Travale 291 Treibhauseffekt 21, 237 Treibhausgas 337 Treibhauswirkung 337 Trenngenerator 210 Trennkondensator 210 Trennmolch 312 Trinkwassererwärmung, solare 251 Tritium 66, 68, 73, 103 Trockenkühlturm 57 Trommel 39, 42 ff. Tschernobyl 76, 90 f. Turbine 57, 118 Turbinenabgas 200 Turbinenanzapfung 26 Turbinenhauptgleichung 223 Turbinenleistung 217 Turbosatz 58 Turboverdichter 110 U Überhitzer 200 Überhitzerstrecke 145 Überhitzung 25, 29, 36 überkritisch 72 UCPTE-Netz 314 UCTE-Netz 326 Umfangsarbeit 235 –, spezifische 223 Umkehrosmose 33, 35 Umlaufzahl 43 f., 87 Unbundling 3, 327 United Nations Conference on Environment and Development 339 United Nations Environment Program, UNEP 338 United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCC 338 Unterbecken 230 unterkritisch 72 Untertagespeicher 320 Unterwasser 217 Unterwasseranlagen 232 Urandioxid 74
Sachwortverzeichnis V Vakuumröhrenkollektor 247 VDEW, Verband der Elektrizitätswirtschaft 327 VDN (Verband der Netzbetreiber) 327 Verband mittelständischer Mineralölhändler 327 Verbändevereinbarung 327 Verbrauchstal 220 Verbrennung 282, 306 f. –, äußere 159 Verbrennungsdruckverhältnis 158 Verbrennungsvolumenverhältnis 158 Verbundanlage 19 Verbundnetz 314, 323 –, elektrisches 314 Verbundprozess 135, 201 Verbundunternehmen 326 Verdampfer 200 Verdampferrohr 42 Verdampferstrecke 145 Verdampfung 29, 36 Verdampfungsendpunkt 45 Verdichter 118 Verdichterarbeit 153 Verdichtungskanal 306 Verdichtungsverhältnis 152 f., 156, 158, 163 Verdränger 160 Verdrängerkolben 159 Verdrängungsspeicher 321 Vergärung 20 Vergaser 21 f. Vergasung 20, 282, 284, 306 –, anaerobe 285 –, bakterielle 285 Vergütung, bundeseinheitliche 330 Verlusthöhe 216 Verpflichtungsperiode 339 Verpuffungs-Gasturbine 107 Verpuffungskammer 107 Versorgungssicherheit 325 Vianden 222 Vielflügler 275 Vier-Maschinen-Satz 221 Viertaktmotor 151 f., 157 VIK (Verband der Industriellen Energieund Kraftwirtschaft) 327
Sachwortverzeichnis VKU (Verband Kommunaler Unternehmen) 327 Voith-Schneider-Schiffspropeller 274 Vollentsalzung 33, 35 Volllastumwälzung 47 Volumenänderungsarbeiten 153 Vordruck 164 Vormischung 122 Vorwärmstrecke 28, 48 Vorwärmung 29, 36, 113 –, regenerative 27 W Wairakei/Neuseeland 291 Wanderanzapfung 199 Wärme 5 ff., 11 f., 16, 23 –, fühlbare 321 –, latente 321 f. Wärmeabfuhr 8 Wärmeauskopplung 2, 28, 202 Wärmebedarf 19, 205 f. Wärmebedarfs-Jahresdauerlinie 205 wärmegeführt 19, 205 Wärmekraftwerk 291 Wärmemehrbedarf 195 Wärmepumpe 7, 196, 207 f., 211 f., 301 Wärmepumpenprozess 211 Wärmerückgewinnung 204 Wärmeschaltplan 30, 31 Wärmeschiene 213 Wärmespeicher 206, 321 Wärmestrom 289 Wärmestromdichte 38, 41, 87 Wärmetransport 315 Wärmeübertrager 48 Wärmeverschiebung 161 Wärmeverteilnetz 315 Wärmezufuhr 8 Warmraum 159 f. Warmwasserspeicher 322 Wasser 31 Wasserabklingbecken 101 Wasseraufbereitung 34 Wasserdampfeinspeisung 143 Wasserenergie 2 Wasserentsalzung 29 Wasserflasche 46 Wasserkonditionierung 33
359 Wasserkraft 17, 20 Wasserkraftwerk 215 Wasserschloss 217, 224, 228 Wasserspiegel 216 Wasserstein 31 Wasserturbine 215 Wave Dragon 232 Wechselrichter 266, 276 Welle 9 –, elektrische 18 –, Formfaktor 231 Wellenenergie 232 Wellenfront 231 Wellenhöhe 231 Wellenkraftwerk 232 Weltbank 344 Weltenergiebedarf 10 Wetterderivat 334 Widerstandsbeiwert 273 Widerstandsläufer 271 Wiederaufbereitung 75, 100 f. Wiederaufbereitungskonzept 99 Wind, geostropher 269 Windenergie 2, 17, 20, 22, 269 Windgeschwindigkeit 269 Windkraftanlage 269 Windleistung 270 Windmühle 269 Windpark 272, 277 Windprofil 270 Windtopologie 269 Windturbine 21 Windwelle 231 Winterbetrieb 196 Wirbelschicht 127 Wirbelschichtfeuerung 135 Wirbelschichtvergaser 284 Wirkung, biologische 76 Wirkungsgrad, effektiver 154 –, indizierter 154 –, isentroper 118 –, mechanischer 154 –, thermischer 8, 19, 25, 109, 111, 115, 136, 154, 291 –, thermodynamischer 177 Wirtschaftlichkeitsanalyse 205 Wischtest 102 Wobbe-Zahl 163, 313
360 World Meteorological Organization 338 Y Yardstick-Regulierung 330 Yttriumoxid 190 Z Zapf-Deckungsanteil, solarer 254 Zellenwirkungsgrad 258 Zelltemperatur 175 Zerfall, radioaktiver 66, 68 Zerfallskette 67 Zerfallskonstante 67 Zertifikat 331 Zircaloy 80 – Brennstabhüllrohre 86 Zirkonium 80 Zirkonoxid 190 Zirkon-Wasser-Reaktion 80 Zündaussetzer 168 Zündenergie 103 Zündgrenze 169 Zündkerze 151, 156 Zündstrahlbetrieb 285
Sachwortverzeichnis Zündtemperatur 68, 156 Zusatzfeuerung 135, 137, 140, 145 Zustandsänderung, polytrope 115 Zustandsdiagramm 7 Zwangdurchlauf 137, 145 – -Dampferzeuger 33, 45, 141 Zwangumlauf 145 – -Dampferzeuger 44 – -Schaltung 137 – -Verdampfer 44 Zweibecken 230 Zweidruckprozess 141 Zwei-Maschinen-Satz 221 Zweistoffgemisch 296 Zweitaktmotor 155 zweiter Haupsatz-Wirkungsgrad 292 Zweiwellenanlage 123 Zwischenerhitzung 112 Zwischenkühlung 112 Zwischenlager 101 Zwischenüberhitzer 200 Zwischenüberhitzerstrecke 145 Zwischenüberhitzung 26