Heinz Kammeier (Hrsg.) Maßregelvollzugsrecht de Gruyter Kommentar
Maßregelvollzugsrecht Kommentar 3., neu bearbeitete...
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Heinz Kammeier (Hrsg.) Maßregelvollzugsrecht de Gruyter Kommentar
Maßregelvollzugsrecht Kommentar 3., neu bearbeitete Auflage
Herausgegeben von Heinz Kammeier
De Gruyter
Es haben bearbeitet: Kap. A
Dr. Heinz Kammeier, Lehrbeauftragter für Recht im Gesundheitswesen an der Privaten Universität Witten/Herdecke GmbH
Kap. B, F
Dr. habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt in Bremen
Kap. C
Dr. Fritz Baur, Erster Landesrat und Kämmerer beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe
Kap. D
Dr. Bernd Wagner, Rechtsanwalt in Hamburg
Kap. E
Dr. Rolf Marschner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht in München
Kap. G
Dr. Wolfgang Lesting, Richter am Oberlandesgericht in Oldenburg
Kap. H
Dr. Dorothea Rzepka, apl. Professorin an der Universität Frankfurt am Main
Kap. J
Dr. habil. Helmut Pollähne, Rechtsanwalt in Bremen; Dr. Dorothea Rzepka, apl. Professorin an der Universität Frankfurt am Main
Kap. K
Carsten Gericke, Rechtsanwalt in Hamburg
Kap. L
Dr. Ulrich Kamann, Rechtsanwalt in Dortmund, Richter am Amtsgericht Werl i. R.
Zitiervorschlag: Baur in: Kammeier (Hrsg.), Maßregelvollzugsrecht, 3. Auflage Stand der Bearbeitung: 30. Dezember 2009
Die im Einband verwendete Kaltnadelradierung (im Original rot) trägt den Titel „Freundinnen“. Sie wurde 2005 von Frau G. D. im Offenen Atelier des LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt angefertigt.
ISBN 978-3-89949-049-7 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Datenkonvertierung: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Nachdem in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Bundesländer ihr Maßregelvollzugsrecht überarbeitet haben und die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, zur weiteren Klärung einiger wesentlicher bisher offener Fragen beigetragen hat, kann nunmehr eine neue und aktualisierte Auflage der Kommentierung des Maßregelvollzugsrechts vorgelegt werden. Alle erfassten und kommentierten Gesetze befinden sich auf den Stand vom 30. September 2009. Während des Korrekturdurchlaufs der Druckfahnen konnten vereinzelt noch allerneueste Literaturhinweise und Rechtsprechung eingearbeitet werden. Nicht mehr berücksichtigt wurden die nach dem Stichtag vorgenommene Änderung im MRVG und die neue Durchführungsverordnung zum MRVG des Landes Nordrhein-Westfalen. Die in den letzten Jahren erfolgten zahlreichen Änderungen im Bundesrecht wie in den Ländergesetzen zur Anordnung, zur Vollstreckung und zum Vollzug der Maßregeln nach den §§ 63, 64 StGB legten es nahe, nicht nur einige kommentierende Abschnitte neu zu fassen, sondern die Gesamtkonzeption des Kommentars zu erweitern. So ist das für die Anwendung des gesamten Maßregelvollzugsrechts grundlegende Kapitel „B“ „Verfassungsrechtliche Grundlagen“ unter Einbezug der Grundzüge des Verwaltungsverfahrens („J“ in der Vorauflage) und einiger früher im Kapitel „A“ stehender Einzelaspekte von Helmut Pollähne neu verfasst worden. Unter „J“ findet der Leser jetzt das von Helmut Pollähne und Dorothea Rzepka gemeinsam neu geschriebene Kapitel „Besondere Personengruppen“. Darin werden spezielle Probleme von in der Regel kleineren Gruppen von Menschen im Maßregelvollzug abgehandelt, die ansonsten in der Kommentierung kaum eigens in Erscheinung treten oder gebührend besprochen werden konnten. Für die Neubearbeitung des Kapitels „K“ zum „Rechtsschutz“ konnte Carsten Gericke gewonnen werden. Schließlich ist der Kommentar zum Vollzugsrecht um ein ausführliches Kapitel „L“ zum „Vollstreckungsrecht“, in das der Vollzug ja eingebettet ist, durch den Beitrag von Ulrich Kamann erweitert worden. Besonderer Dank ist Dorothea Rzepka für die Erstellung des Sachregisters und Helmut Pollähne für die Zusammenstellung der Gesetzestexte und der Nachweise im Fundstellenregister zu sagen. Autoren, Herausgeber und Verlag hoffen, mit dieser durchgängigen Neubearbeitung des Kommentars den Bedürfnissen und den Erwartungen aus der Praxis des Maßregelvollzugs in den Kliniken, den Verwaltungen, der Rechtspflege und der Wissenschaft wieder entsprochen zu haben. Für weitere Anregungen und für Kritik sind wir dankbar. Am Neujahrstag 2010
Heinz Kammeier
V
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V XXI XXVII
A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
I. Die Entstehung des Maßregelrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Diskussionen und Gesetzentwürfe im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Psychiatrie und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kriminalpolitik und Maßregellösung . . . . . . . . . . . . c) Gefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verminderte Zurechnungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . e) Institutionen für den Maßregelvollzug . . . . . . . . . . . f) Sanktions- oder Präventionsrecht . . . . . . . . . . . . . . g) Behandlung und Rassenhygiene . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933: Maßregelrecht und Maßregelvollzug im Nationalsozialismus . . . . . . . . . a) Gesetzliche Regelungen des Maßregelrechts . . . . . . . . b) Andere Regelungen des Gewohnheitsverbrechergesetzes . c) Recht und Praxis des Maßregelvollzugs . . . . . . . . . . . d) Typisch nationalsozialistisches Unrecht? . . . . . . . . . . e) Aufhebung nationalsozialistischen Unrechts . . . . . . . . II. Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche und faktische (Neu-)Aufstellung des Maßregelvollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kriminalpolitische Entwicklung am Ende des 20./Anfang des 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Recht, Rechtsprechung und Maßregelvollzug . . . . . . . . b) Dominanz des Sicherheitsdenkens . . . . . . . . . . . . . . c) Kriminal- als Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte . . . . . . .
23
I. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung der Geltungsbereiche von Grundrechten (Eingriff) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie . . . . . . . 3. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Wesensgehaltsgarantie 4. Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . 5. Grundrechte im „besonderen Arztgewaltverhältnis“ . . . . 6. Besondere Probleme bei der Auslegung der Landesgesetze . 7. Hoheitsrechte und Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderopfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßregelvollzug als Sonderopfer . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entschädigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. In dubio pro libertate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII
Inhaltsverzeichnis
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36 37 37 38 39 39 40
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42 42
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44 47 48 49 50 52 53 53 53 54 55 55 56 57 57 58 59 59 60 61 61 62 62 63 63 63
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung . . . . . . . . .
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I. Vollzugsgrundlagen (§§ 136 bis 138 StVollzG) . . . . . . . . . 1. Maßregelzweck und Vollzugsziele . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Maßregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vollzugsziele: Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . d) Landesrechtliche Zielbestimmungen . . . . . . . . . . 2. Vollzugsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Normalisierungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unselbständige Annexregelungen . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand der Maßregelvollzugsvorschriften (Anwendungsbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bundes- und Landesrecht (§ 138 I 1 StVollzG) . . . . . . . a) Bisheriges Bundesrecht und „Föderalismusreform I“ . .
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69 69 69 70 73 75 76 76 77
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77 78 78
IV. V.
VI. VII. VIII.
IX.
X.
VIII
1. Auslegungszweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsachenzweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wertungszweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unschuldsvermutung/Ungefährlichkeitsvermutung . . . . . . 1. Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ungefährlichkeitsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlung und Wiedereingliederung: Ansprüche und Abwehrrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behandlung und Therapie, Betreuung und Pflege . . . . . . 2. Wiedereingliederung und Rehabilitation, Resozialisierung und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Maß des Freiheitsentzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheit und Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsstaatliche Prinzipien fairer Verwaltungsverfahren . . . . 1. Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Form des Verwaltungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bevollmächtigte, Beistände, Vertreter . . . . . . . . . . . . 6. Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Entscheidungsvorbereitung; Sachaufklärung . . . . . . . . 8. Form und Inhalt von Vollzugsentscheidungen . . . . . . . . 9. Nebenbestimmungen; Rücknahme und Widerruf . . . . . . 10. Ermessen; unbestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . 11. Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Rechtsfolgen bei Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . Effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zugang zum Rechtsweg/Beschwerdemacht . . . . . . . . . 3. Richterliche Wahrnehmung des Kontrollauftrages . . . . . 4. Justizielle Verfahrensgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsschutz gegen Renitenz? . . . . . . . . . . . . . . . . Menschenrechtsschutz und Folterprävention . . . . . . . . . . 1. Materieller Menschenrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . 2. Instrumente des Menschenrechtsschutzes/der Folterprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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78 79 79 81 81 81 81 82 83 84 84 84
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85 87 87 89 89 90 90 90 91 92 92 92 93 94 94 94 95 95 96 96 97 97 97 103 103 104 104 104 105 105 105 106 106
D. Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III.
IV.
V.
VI.
VII.
b) Bundesgesetzgeberische Enthaltsamkeit . . . . . . . . . c) Gesetze der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich der Landesgesetze . . . . . . . . . . . 3. Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisation, Träger und Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine justizeigenen Sonderanstalten . . . . . . . . . . . b) Psychiatrische Sonderanstalt vs Allgemeinversorgung . . c) Bauplanungsrechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . d) Sicherheitsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßregelvollzug als staatliche Aufgabe . . . . . . . . . . b) Maßregelvollzug durch gewerbliche oder frei gemeinnützige Träger (sog „Privatisierung“)? . . . . . . . . . . . c) Einrichtung als Vollzugsbehörde . . . . . . . . . . . . . d) Bereitstellungspflicht – Platzmangel – Organisationshaft 3. Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personelle und sachliche Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Qualifizierung des Personals . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflegedienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Justizpersonal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Personalbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bauliche Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckung und Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsplan und Vollzug der Maßregeln . . . . . . . Kosten und Finanzierung; Pfändungsschutz . . . . . . . . . . . 1. Kostentragungspflicht der Länder . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit der Sozialleistungsträger . . . . . . . . . . . a) Krankenkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kostenbeitrag des untergebrachten Patienten . . . . . . . . a) Kostenbeteiligung nach § 138 II iVm § 50 StVollzG . . . . b) Landesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Pfändungsschutz (§ 138 I 2 StVollzG) . . . . . . . . . . . Besuchskommission, Beschwerden, Rechtsbehelfe . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besuchskommission im Maßregelvollzug . . . . . . . . . . 3. Tätigkeit der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berichtsnotwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Allgemeines Beschwerde- und Antragsrecht . . . . . . . . . 6. Dienstaufsichtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug . . . . . . . . . 1. Krankheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anlasskrankheit – sonstige Erkrankungen . . . . . . . . . b) Medizinischer Krankheitsbegriff – juristischer Krankheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IX
Inhaltsverzeichnis
c) Therapieorientierter Krankheitsbegriff für den Maßregelvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behandlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ärztlicher und juristischer Behandlungsbegriff . . . . . . . b) Öffentliches oder privates Behandlungsrecht . . . . . . . . c) Enger und weiter Behandlungsbegriff . . . . . . . . . . . . 3. Behandlungskonzepte und Rahmenbedingungen . . . . . . . a) Behandlung von Maßregelpatienten nach §§ 136, 137 StVollzG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Krankheitszentriert-ärztliches oder sozialpsychiatrischmultiprofessionelles Behandlungsverständnis . . . . . . . c) Stationär – ambulant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Behandlung als Resozialisierung . . . . . . . . . . . . . . . e) Behandlung im Rahmen eines Stufenvollzuges . . . . . . . f) Behandlung und Unterbringungsdauer . . . . . . . . . . . 4. Therapiemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Chirurgische Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Elektrokrampftherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Psychopharmaka und andere Medikamente . . . . . . . . . d) Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Milieutherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Sozialtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ergotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Heil- bzw sonderpädagogische Behandlung . . . . . . . . . 5. Behandlung von Patienten, die nicht nach §§ 63, 64 StGB untergebracht sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zu Behandlungszwecken in den Maßregelvollzug verlegte Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach § 126a und § 81 StPO Untergebrachte . . . . . . . . . c) Organisationshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Behandlung/Disziplinierung/Ordnung; Therapie als Deckmantel für andere Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Arzt-Patient-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufnahme, Eingangsuntersuchung, Information . . . . . . . . . 1. Die Problematik der Aufnahmesituation . . . . . . . . . . . . 2. Aufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Organisatorische Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Information und Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eingangsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Regelung und Rahmenbedingungen . . . . . . b) Untersuchung des allgemeinen Gesundheitszustandes . . . c) Psychiatrische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Untersuchung des sozialen Umfeldes . . . . . . . . . . . . e) Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Behandlungs- und Vollzugsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Drei Gründe für eine „planvolle Behandlung“ . . . . . . . . . 2. Erstellung von Behandlungs- und Vollzugsplänen . . . . . . . 3. Inhaltliche Anforderungen an Behandlungs- und Vollzugspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderproblem: Vollstreckungsplanung . . . . . . . . . . . . a) Ort und Rahmen der Behandlung . . . . . . . . . . . . . . b) Planung des Entlassungszeitpunktes . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X
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Inhaltsverzeichnis
IV. Recht der Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behandlungsanspruch – Behandlungspflicht . . . . . . . a) Behandlungsanspruch bei Anlasskrankheiten . . . . . b) Einschränkungen des Behandlungsanspruchs . . . . . c) Behandlungsanspruch bei sonstigen Krankheiten . . . d) Behandlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitwirkungs- und Duldungspflicht des Patienten . . . . . 3. Behandlungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das vollzugsrechtliche Behandlungsmodell . . . . . . . . 5. Die einverständliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . a) Aufklärung und Herstellung von Compliance . . . . . . b) Aktuelle und ausdrückliche Einwilligung des Patienten c) Frühere und mutmaßliche Einwilligung des Patienten . d) Beteiligung von Dritten bei der Einwilligung . . . . . . 6. Zwangsbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Notfallbehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ländergesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verlegung aus Behandlungsgründen . . . . . . . . . . . . 10. Dokumentation der Behandlung . . . . . . . . . . . . . . 11. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wiedereingliederungsgebot und Wiedereingliederungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begrenzungen des Gestaltungsspielraums des Maßregelkrankenhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesundheitsfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Behandlung zur Sicherung der sozialen Eingliederung . . . . 4. Arztwahl/Verlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesundheitshilfen während des Urlaubs . . . . . . . . . . . . 6. Zwangsbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schule, Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung . . . . . 1. Bildungsdefizite und gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . 2. Mindeststandards schulischer Angebote . . . . . . . . . . . . 3. Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beschäftigung, Arbeitstherapie, Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Beschäftigung oder Arbeit . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Organisationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitstherapie/Arbeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beschäftigung außerhalb der Einrichtung . . . . . . . . . . . V. Entlohnung/Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitsentgelt, Lohn, Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialversicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Taschengeld und sonstige finanzielle Angelegenheiten . . . . . . 1. Barbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besitz von Bargeld; Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
3. Eigengeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufwendungen während einer Beurlaubung 5. Überbrückungsgeld . . . . . . . . . . . . . VII. Entlassungsvorbereitungen . . . . . . . . . . .
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen) . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Juristische Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . b) Strafrechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verrechtlichung der Gnade . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Therapeutische Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . a) Therapiefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Motivationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erprobungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stufenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Risikoperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Risiko: Zwischenfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Risiko: Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kalkuliertes Risiko: Verantwortbarkeit . . . . . . . . d) Exkurs: Strafbarkeit der Vollzugsbediensteten bei Zwischenfällen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vollzugslockerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Maß des Freiheitsentzugs . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung: Vollstreckungsunterbrechung . . . . . c) Vollzugslockerungen: faktische Bestimmung . . . . . 2. Ausführung, Außenbeschäftigung, Ausgang . . . . . . . a) Landesrecht im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Außenbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pflegerausgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gruppenausgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Besucherausgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Einzelausgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Freigang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beurlaubung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urlaubsformen und -praxis . . . . . . . . . . . . . . 4. Offener Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Offene Unterbringung als Regelvollzug? . . . . . . . b) Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Praxis und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ambulante Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollzugsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Versagungsgründe (Anordnungsvoraussetzungen) . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfordernis gesetzlicher Normierung; Grundsätze der Lockerungsgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermessen/Beurteilungsspielraum – Gefahr/Prognose XII
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Inhaltsverzeichnis
c) Behandlungsplan . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missbrauchsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . a) Versagungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten . . c) Missbrauchs-Begriff . . . . . . . . . . . . . 3. Fluchtgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entweichungsvorsorge . . . . . . . . . . . . b) Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Therapiegefährdung? . . . . . . . . . . . . . . a) Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Befristung (des Urlaubs) . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Problematik . . . . . c) Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kettenbeurlaubung? . . . . . . . . . . . . . 6. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entziehungsanstalt . . . . . . . . . . . . . . b) Einstweilige Unterbringung . . . . . . . . . c) Strafe neben Maßregel . . . . . . . . . . . . V. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwaltungsverfahrensrecht . . . . . . . . . b) Zuständigkeiten und Verantwortung . . . . 2. Beteiligung des Patienten . . . . . . . . . . . . a) Antrag auf Vollzugslockerung . . . . . . . . b) Anhörung vor Entscheidung . . . . . . . . . c) Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . 3. Beteiligung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollstreckungsbehörde . . . . . . . . . . . . b) Alleinzuständigkeit der Einrichtung . . . . c) Anhörungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . d) „Benehmen . . . herstellen“ . . . . . . . . . . e) Zustimmungserfordernisse (Einvernehmen) f) Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . g) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dokumentation und Geheimhaltung . . . . . . a) Dokumentationspflicht . . . . . . . . . . . b) Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weisungen/Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwaltungsrechtliche Grundlagen . . . . . b) Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeit/Grenzen . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . VII. Widerruf/Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Widerrufsgründe im Landesrecht . . . . . . 3. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
VIII. Entlassungsvorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rehabilitationsauftrag . . . . . . . . . . . . . . b) Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wiedereingliederung und Vollzugslockerungen 2. Entlassungs-Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anregung der Aussetzung des Vollzugs . . . . . . . a) Prüfung der Entlassungsreife . . . . . . . . . . b) Stellungnahme der Einrichtung – Relevanz der Lockerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Externe Begutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesrecht: Grundlagen, Fristen, Verfahren . . c) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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G. Grundrechte und Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Persönlicher Besitz, Kleidung, Erwerb von Sachen, Aufbewahrung 1. Recht auf persönlichen Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb von Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorenthaltung und Entzug von Gegenständen . . . . . . . . . 4. Verbleib ausgeschlossener Gegenstände . . . . . . . . . . . . 5. Recht auf eigene Kleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Besuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht auf Besuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ablauf und Organisation der Besuche . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschränkungen des Besuchsrechts . . . . . . . . . . . . . . a) Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besuchsabbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besuchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Besondere Besuchergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schriftwechsel und Pakete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht auf Schriftverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkungen des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anhalten von Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schriftwechselverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überwachungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pakete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Telefongespräche und Telegramme . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte der Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Freizeit und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze der Freizeitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . a) Freizeitbeschäftigung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . b) Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung . . c) Einschränkungen bei der Freizeitgestaltung . . . . . . . . 2. Zugang zu den Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV
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Inhaltsverzeichnis
a) Zeitungen und Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . b) Radio und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Religionsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . a) Recht der Religionsgemeinschaften auf Betätigung . b) Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Patienten . . 2. Rechte der Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weltanschauungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . 4. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Patientenfürsprecher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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H. Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sicherheit und Ordnung im Maßregelvollzug . . . . . . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . c) Effektiver (Grund-)Rechtsschutz im/durch Verfahren . d) Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Akteneinsicht und Datenauskunft . . . . . . . . . . . . II. Durchsuchung und Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzel-Entkleidungsdurchsuchung . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Durchsuchung/Untersuchung aufgrund allgemeiner Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Festnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Landesrecht im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erkennungsdienstliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Sicherung des Maßregelvollzugs . . . . . . . . . . b) Auf der Grundlage strafprozess- und polizeirechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ermessenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
a) Anfertigung, Aufbewahrung und Übermittlung der Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vernichtung der Unterlagen . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sichere Unterbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Landesrecht im Überblick . . . . . . . . . . . . b) Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Besondere Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßnahmeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entzug/Vorenthaltung von Gegenständen . . . . . b) Beschränkung des Aufenthalts im Freien . . . . . . c) Absonderung von anderen Patienten . . . . . . . . d) Absonderung in einem besonders gesicherten Raum e) Beobachtung bei Nacht . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fesselung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Fixierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ruhigstellung durch Medikamente . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Landesrecht im Überblick . . . . . . . . . . . . b) Begriffserläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . d) Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anordnung der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . b) Dauer der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überwachung/Betreuung des Patienten . . . . . . . d) Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Unmittelbarer Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unmittelbarer Zwang gegenüber dem Patienten . . . . a) Rechtmäßigkeit der durchzuführenden Maßnahme b) Verhältnismäßigkeit des unmittelbaren Zwangs . . c) Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . d) Androhung des unmittelbaren Zwangs . . . . . . . e) Andere Regelungen zum unmittelbaren Zwang . . 4. Unmittelbarer Zwang gegenüber anderen Personen . . 5. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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J. Besondere Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351
I. Einführung, Überblick, Grundsätze . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterbringung im Maßregelvollzug zu anderen Zwecken als Maßregelvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterbringung zur Beobachtung . . . . . . . . . . . . . 2. Einstweilige Unterbringung . . . . . . . . . . . . . . . XVI
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K. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Effektiver Rechtsschutz als Programm . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . 2. Defizite und Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschränkung des Rechtsschutzes aus therapeutischen Gründen 4. Querulanz und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übersicht zum gerichtlichen Rechtsschutz nach der Unterbringungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßregelvollzugspatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sicherungsverwahrte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zu Behandlungszwecken nach § 65 StVollzG verlegte Gefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Jugendliche Strafgefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Untersuchungshäftlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Patienten mit Überhaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Einstweilig und zur Begutachtung Untergebrachte . . . . . . . III. Übersicht zu den Rechtsschutzmöglichkeiten für Maßregelvollzugspatienten nach §§ 63, 64 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außerstaatliche Konfliktschlichtung . . . . . . . . . . . . . . .
371 371 372 373 374
III.
IV.
V.
VI.
3. Sicherungsunterbringung . . . . . . . . . . . . 4. Wiederinvollzugsetzung . . . . . . . . . . . . 5. Freiwilliger Aufenthalt? . . . . . . . . . . . . . 6. Untersuchungshäftlinge . . . . . . . . . . . . 7. Strafgefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sicherungsverwahrte . . . . . . . . . . . . . . Patienten außerhalb des Maßregelvollzuges . . . . 1. Unterbringung in der Allgemeinpsychiatrie . . 2. Organisationshaft . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lockerungsvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . 4. ,Long stay‘-Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . 5. Überweisung in die Sicherungsverwahrung? . . 6. Verlegung in ein Anstaltskrankenhaus? . . . . Vikariierungs-, Fortsetzungs-, Erledigungsvollzug 1. Vikariierungsvollzug . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortsetzungsvollzug . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erledigungsvollzug . . . . . . . . . . . . . . . Patienten in der Entziehungsanstalt . . . . . . . . 1. Zielbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiede zu § 136 StVollzG . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsrechtliche Besonderheiten . . . 4. Vollzugsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . Personenbezogene Besonderheiten . . . . . . . . . 1. Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Jugendliche und Heranwachsende . . . . . . . a) Maßregelanordnung (§§ 7, 5 III JGG) . . . . b) Besonderheiten der Vollstreckung . . . . . . c) Jugendmaßregelvollzugsrecht . . . . . . . . 3. Patienten mit Migrationshintergrund . . . . . a) Maßregelanordnung . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten der Vollstreckung . . . . . . c) Vollzugsrechtliche Besonderheiten . . . . . 4. Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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375 375 375 375 376 376 376 376 377 377 377 XVII
Inhaltsverzeichnis
3. Beschwerderecht zur Krankenhaus- und Anstaltsleitung . 4. Dienstaufsichtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Petition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Menschenrechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gerichtlicher Rechtsschutz in Sonderfällen . . . . . . . . IV. Der gerichtliche Rechtsschutz nach §§ 109 ff StVollzG . . . . . 1. Gesetzeslage; sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich der §§ 109 ff StVollzG . . . . . . . . 3. Vorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Örtliche Zuständigkeit, Beteiligte des Verfahrens . . . . . 5. Form und Frist, Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . 6. Gegenstand des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Antragsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verfahrensgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Überprüfung von Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Überprüfung von therapeutisch begründeten Maßnahmen a) Stufe 1: Begründungskontrolle . . . . . . . . . . . . . b) Stufe 2: Ergebniskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verteidigung im gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . 1. Rahmenbedingungen/Honorierung . . . . . . . . . . . . 2. Wahlverteidigung/Pflichtverteidigung/Beiordnung . . . . 3. Mandatsverhältnis und Außenwirkung . . . . . . . . . . 4. Rechte der Verteidigung im Verfahren . . . . . . . . . . . 5. Rechtsschutz der Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . .
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L. Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Materielles Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafen und Maßregeln im Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollstreckungsreihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorabvollstreckung der Strafen . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderregelung Entziehungsanstalt . . . . . . . . . . . . . d) Vorabvollstreckung bei Ausländern . . . . . . . . . . . . . e) Aussetzung von Maßregeln im Urteil . . . . . . . . . . . . 3. Aussetzung des Vollzuges einer Maßregel nach Vorabvollzug von Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Späterer Maßregelvollzug ohne Vorabvollstreckung . . . . . . 5. Wechsel in der Vollstreckung von Strafen und Maßregeln . . . a) Nachträgliche Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge . . . b) Weitere Zulässigkeitsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überweisung in den Vollzug anderer Maßregeln . . . . . . 6. Aussetzung einer Reststrafe bei Vorabvollzug einer Maßregel . a) Die Täterprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Prognosefaktoren im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . c) Die Einwilligung des Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . 7. Dauer des Maßregelvollzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßregeln nach § 63 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßregeln nach § 64 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verlängerung der Unterbringung nach § 64 StGB bei zugleich erkannter Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII
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Inhaltsverzeichnis
8. Aussetzung der Maßregel nach Teilvollzug . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Erledigung von Maßregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Überprüfungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Anrechnung des Maßregelvollzuges auf Strafen . . . . . . . . a) Anrechnungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anrechnung auf vorläufige Freiheitsentziehungen . . . . . c) Berechnungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Organisationshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Die Maßregel der Führungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Führungsaufsicht kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . c) Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unbefristete Führungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . e) Mehrere Führungsaufsichten . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das Ende der Führungsaufsicht im Übrigen . . . . . . . . g) Beteiligte Personen und Institutionen bei der Führungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Die Ausgestaltung der Führungsaufsicht . . . . . . . . . . i) Die Krisenintervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Bewertung der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Der Widerruf der Aussetzung einer Maßregel . . . . . . . . . a) Allgemeine Voraussetzungen des Widerrufs . . . . . . . . b) Der Maßregelzweck als Widerrufsgrund . . . . . . . . . . c) Unbekannte Umstände bei der Aussetzung . . . . . . . . . II. Verfahren und formelles Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . 1. Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Strafvollstreckungskammer . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Jugendrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 2. Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidungen im Rahmen der Führungsaufsicht . . . . . b) Weitere Entscheidungen im Zusammenhang mit Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB . . . . . . . . . . . . . . . c) Verteidigung im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . d) Die Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren . . . . e) Die Beteiligung der Vollzugseinrichtung . . . . . . . . . . f) Die mündliche Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Gutachten im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . h) Der Sachverständige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer . . . . . j) Die sofortige Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Die Belehrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsmaßnahmen nach der Aussetzung einer Maßregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Sicherungshaftbefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses vor Entlassung aus dem Maßregelvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckungsbehördliche Entscheidungen in der formellen Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktionale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausstand und Aufschub bei der Vollstreckung . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
a) b) c) d)
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Fundstellenregister der kommentierten landesgesetzlichen Normen . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
625 637
6. 7.
8.
9.
10.
Aussetzung vor dem Vollzug einer Maßregel . . . . . . . Aussetzung nach Beginn des Vollzuges . . . . . . . . . . Der vorübergehende Vollstreckungsaufschub . . . . . . . Das Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsmittel der Vollstreckungsbehörde . . . . . . . . . . Verfahren bei Unklarheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unklare Vollstreckungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde . . . . . . . . . c) Anrechnungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formelle Vollstreckung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . a) Der Vollstreckungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abweichen vom Vollstreckungsplan . . . . . . . . . . . . c) Hilfsweise Geltung der StrVollstrO im Übrigen . . . . . . Zurückstellung nach dem BtMG . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungserhebliche Kriterien . . . . . . . . . . . . c) Zustimmung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anrechnung der Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Widerruf der Zurückstellung . . . . . . . . . . . . . Anrechnung andersweitiger Behandlung auf die Maßregel nach § 64 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafgesetzbuch: StGB . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafprozessordnung: StPO . . . . . . . . . . . 3. Jugendgerichtsgesetz: JGG . . . . . . . . . . . 4. Strafvollstreckungsordnung: StVollstrO . . . . 5. Strafvollzugsgesetz: StVollzG . . . . . . . . . . II. Gesetze der einzelnen Bundesländer . . . . . . . . 1. Baden-Württemberg (BW): UBG . . . . . . . . 2. Bayern (Bay): UnterbrG . . . . . . . . . . . . . 3. Berlin (Berl): PsychKG . . . . . . . . . . . . . . 4. Brandenburg (Bran): PsychKG . . . . . . . . . . 5. Bremen (Bre): PsychKG . . . . . . . . . . . . . 6. Hamburg (Hbg): MVollzG . . . . . . . . . . . . 7. Hessen (Hess): MRVG . . . . . . . . . . . . . . 8. Mecklenburg-Vorpommern (MeVO): PsychKG . 9. Niedersachsen (Nds): MVollzG . . . . . . . . . 10. Nordrhein-Westfalen (NW): MRVG . . . . . . . 11. Rheinland-Pfalz (RhPf): MVollzG . . . . . . . . 12. Saarland (Saar): MRVG . . . . . . . . . . . . . . 13. Sachsen (Sachs): PsychKG . . . . . . . . . . . . 14. Sachsen-Anhalt (SaAn): MVollzG . . . . . . . . 15. Schleswig-Holstein (SH): MVollzG . . . . . . . 16. Thüringen (Thü): PsychKG . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis aA aaO abgedr abl ABl Abs Abschn abw aE aF AG AGS-Prot AK allg; allgem allgM Alt aM amtl Begr ÄndG Anh Anl Anm ao Art Aufl ausdr ausf AusfBest Az; AZ AZP
anderer Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt ablehnend Amtsblatt Absatz Abschnitt abweichend am Ende alte Fassung Amtsgericht Protokoll des Ausschusses für Gesundheit und Soziales Alternativkommentar allgemein allgemeine Meinung Alternative anderer Meinung amtliche Begründung Gesetz zur Änderung (von) Anhang Anlage Anmerkung außerordentlich Artikel Auflage ausdrücklich ausführlich Ausführungsbestimmungen Aktenzeichen Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie
BAnz BÄK BauR BayObLG Bd, Bde Begr, begr Bek Bem ber bes betr BewHi BGB BGBl
Bundesanzeiger Bundesärztekammer Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Bayrisches Oberstes Landesgericht Band, Bände Begründung, begründet Bekanntmachung Bemerkung berichtigt besonders, besondere(r, s) betreffend Bewährungshilfe Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt, ohne Ziff = Teil I, mit II = Teil II, mit III = Teil III Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Strafsachen (zit nach Band + Seite)
BGH BGHSt
XXI
Abkürzungsverzeichnis
BGHZ BR-Drs Bsp BT BT-Drs BtMG BtPrax Buchst BVerfG BVerfGE BVerfGK BVerwG bzgl bzw
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen (zit nach Band + Seite) Bundesrats-Drucksache Beispiel Bundestag Bundestags-Drucksache Betäubungsmittelgesetz Betreuungsrechtliche Praxis Buchstabe Bundesverfassungsgericht amtliche Samlung der Entscheidungen des BVerfG (zit nach Band + Seite) Amtliche Sammlung der Kammerentscheidungen des BVerfG (zit nach Band + Seite) Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungsweise
CPT
committee for the prevention of torture and inhuman or degrading treatment (sog Anti-Folter-Komitee des ER)
DA DatSch(G) ders dgl dh dies diesbzgl diff DIMR DJ DÖV Drs dt; dtsch
Dienstanweisung Datenschutz(gesetz) derselbe dergleichen das heißt dieselbe(n) diesbezüglich differenzierend Deutsches Institut für Menschenrechte Deutsche Justiz Die Öffentliche Verwaltung Drucksache deutsch
E ebd Ed(s) EGMR Einf Einl EMRK engl entspr Entw ER ErgBd Erl et al etc EuGRZ exempl
Entwurf ebenda editor(s) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführung Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention englisch entsprechend Entwurf Europarat Ergänzungsband Erläuterung(en) et alii (und andere) et cetera (usw) Europäische Grundrechte-Zeitschrift exemplarisch
f, ff FamRZ
folgend, folgende Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht
XXII
Abkürzungsverzeichnis
Fn ForensPychiatrPsycholKriminol; FPPK FS
Fußnote Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie Festschrift; Forum Strafvollzug (Zeitschrift)
GA GBl geänd gem Ges GG ggf glA grundl GS GV GVBl
Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gesetzblatt geändert gemäß Gesetz Grundgesetz gegebenenfalls gleicher Ansicht grundlegend Gedächtnisschrift Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien) Gesetz- und Verordnungsblatt
Halbs; Hs Hdb Hg, hg HK hL hM
Halbsatz Handbuch Herausgeber, herausgegeben Heidelberger Kommentar (zur StPO) herrschende Lehre herrschende Meinung
idF idR idS iErg ieS im Allg inkl insbs; insbes insgs; insges iS(v) iVm iwS iZw
in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis in engerem Sinne im Allgemeinen inklusive insbesondere insgesamt im Sinne (von) in Verbindung mit in weiterem Sinne im Zweifel
JA JGG JMBl JNeurolNeurochirPsychiatr JR juris
Juristische Arbeitsblätter Jugendgerichtsgesetz Justizministerialblatt
JuS Justiz JVEG JVKostO JZ
Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie Juristische Rundschau Das Rechtsportal. Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland Juristische Schulung Justizministerialblatt Baden-Württemberg Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz Justizvollzugskostenordnung Juristenzeitung
Kap
Kapitel XXIII
Abkürzungsverzeichnis
KG Komm KrimJ KrimSozBiblio krit KritV
Kammergericht Kommentar Kriminologisches Journal Kriminalsoziologische Bibliographie kritisch Kritische Vierteljahreszeitschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft
lfd LG LK LR LS LSG lt LT LV
laufend Landgericht Leipziger Kommentar zum StGB Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO Leitsatz Landessozialgericht laut Landtag Literaturverzeichnis, Schrifttumsverzeichnis
m krit Anm m zust Anm mAnm maW max MBl MDR ME MedR missv(erst) MiStra MRK MRVG MschrKrim MVollzG mwN
mit kritischer Anmerkung (von) mit zustimmender Anmerkung mitAnmerkung (von) mit anderen Worten maximal Ministerialblatt Monatsschrift für Deutsches Recht Musterentwurf . . . Medizinrecht missverständlich Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (Europäische) Menschenrechtskonvention Maßregelvollzugsgesetz Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Maßregelvollzugsgesetz mit weiteren Nachweisen
Nachw nF NJW NK NK bzw NKP Nov Nr NStZ NVwZ
Nachweis(e) neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nomos-Kommentar (zum StGB) Neue Kriminalpolitik Novelle Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
o O oä oJ OLG oV
oben Ordnung oder ähnlich ohne Jahr Oberlandesgericht ohne Verfasser
PlenProt PNW probl
Plenarprotokoll Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift problematisch
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
Prot PsychiatPrax PsychKG
Protokoll Psychiatrische Praxis Psychisch-Kranken-Gesetz
RA RAussch RdA RdErl Rdschr RdVfG RE Reg Ri Rn Rpfleger RPflG RR Rspr R&P RuP
Rechtsanwalt Rechtsausschuss Recht der Arbeit Runderlass Rundschreiben Rundverfügung Rahmenentwurf . . . Regierung Richtlinie Randnummer (-ziffer) Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtsprechungsreport Rechtsprechung Recht & Psychiatrie Recht und Politik
sa so su S s SchlHA SGB Slg sog SozPsychInfo StA StAnz StGB StGH StPO str StraFo stRspr StV StVK StVollstrO StVollzG Sucht
siehe auch siehe oben siehe unten Seite, Satz siehe Schleswig-Holsteinische Anzeigen Sozialgesetzbuch Sammlung sogenannt(e) Sozialpsychiatrische Informationen Staatsanwalt(schaft) Staatsanzeiger Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Strafprozessordnung strittig, streitig Strafverteidiger Forum ständige Rechtsprechung Strafverteidiger (Zeitschrift) Strafvollstreckungskammer Strafvollstreckungsordnung Strafvollzugsgesetz Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Tz
Textziffer
u uä ua uam Überbl Übk U-Haft üM
unten und ähnliche unter anderem, und andere und anderes mehr Überblick Übereinkommen Untersuchungshaft überwiegende Meinung XXV
Abkürzungsverzeichnis
UN unstr unv uU UVollzO
United Nations (Vereinte Nationen) unstrittig unveröffentlicht unter Umständen Untersuchungshaft-Vollzugsordnung
v Vers VG VGH vgl VO Voraufl Vorbem VV VwGO VwVfG
vom Versicherung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Vorauflage Vorbemerkung Verwaltungsvorschrift(en) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz
WsFPP WZFP
Forensische Psychiatrie und Psychotherapie (Werkstattschriften) Werkstattschriften zur Forensischen Psychiatrie
zB ZfStrVo zit ZJJ ZRP ZStW zT zust zutr zZ zzgl
zum Beispiel Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe zitiert Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil zustimmend zutreffend zur Zeit zuzüglich
XXVI
Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis Adt M (1998) Schweigepflicht und die Entbindung von der Schweigepflicht, R&P 1998, 68 AK-GG-(Bearbeiter) Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Reihe Alternativkommentare, 2. Aufl 1989 AK-StVollzG-(Bearbeiter) = Feest J (Hg) Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, 5. Aufl 2006 Albrecht G (2003) Probleme der Prognose von Gewalt durch psychisch Kranke, Journal für Konflikt- und Gewaltforschung, 2003, 97 Albrecht H-J (1998) Kriminologische und rechtspolitische Desiderate in der Gestaltung der Forschungsperspektiven Forensischer Psychiatrie, in: Kröber/Dahle (Hg) Sexualstraftaten und Gewaltdelinquenz, 1998, 135 Albrecht H-J (1999) Die Determinanten der Sexualstrafrechtsreform, ZStW 1999, 863 Albrecht P-A (1978) Aspekte des Maßregelvollzugs im psychiatrischen Krankenhaus, MschrKrim 1978, 104 Albrecht P-A (2000) Jugendstrafrecht, 3. Aufl 2000 Albrecht P-A (2002/2005) Kriminologie, 2. Aufl 2002, 3. Aufl 2005 Alexy R (2006) Theorie der Grundrechte, 5. Aufl 2006 Amelung K (1983) Die Einwilligung des Unfreien, ZStW 1983, 1 Amelung K (1992) Über die Einwilligungsfähigkeit, ZStW 1992, 525 (Teil I) und ZStW 1992, 821 (Teil II) Andreßen-Klose A (2005) Behinderte im Strafvollzug, in: Burkhardt/Graebsch/Pollähne (Hg) Korrespondenzen in Sachen Strafvollzug. Rechtskulturen, Kriminalpolitik, Menschenrechte, 2005, 110 Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (1981) = AsJ-Musterentwurf (= ME) eines Maßregelvollzugsgesetzes, Frankfurter Rundschau Nr 59 und 60, 11./12. 3. 1981 [= Kammeier H/Tondorf G (1981a) s u] Arloth F (2008) Strafvollzugsgesetz. Kommentar, 2. Aufl 2008 Arzt G (1985) Die Aufklärungspflicht des Arztes aus strafrechtlicher Sicht, in: Wiegand (Hg) Arzt und Recht, 1985, 49 Aschaffenburg G (1912) Die Sicherung der Gesellschaft gegen gemeingefährliche Geisteskranke, 1912 Aschaffenburg G (1931) Einheitlichkeit der Sicherungsmaßnahmen, MschrKrim 1931, 257 Athen D (1985) Zur gegenwärtigen Situation der Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher, MschrKrim 1985, 34 Auernhammer H (1990) Zum Einsichtsrecht des Patienten in seine Krankenunterlagen, Datenschutz und Datensicherung 1990, 5 Babatz H (1988) Zielkonflikt des Maßregelvollzugs aus der Sicht der Staatsanwaltschaft, in: Böcker/ Weig (Hg) Aktuelle Kernfragen in der Psychiatrie, 1988, 455 Baer M S (2009) Gefahrenabwehrrechtliche Denkfiguren im Straf- und Maßregelvollzugsrecht, NStZ 2009, 529 Baltzer U (2008) Der Fall G. – zur Diskussion über die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach Erledigung der Unterbringung, R&P 2008, 146 Bammann K (2001) Die Unterbrechung der Strafvollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung, MschrKrim 2001, 91 Bargfrede H (1999) Enthospitalisierung forensisch-psychiatrischer Langzeitpatienten, 1999 Bargfrede et al (1995) = Bargfrede H/Horstbrink H/Leber C, Enthospitalisierung gem. § 63 StGB langzeituntergebrachter Patienten im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie, R&P 1995, 55 Bargfrede et al (1996) = Bargfrede H/Schmidt-Quernheim F/Braunisch S, Rehabilitations- und Nachsorgepraxis im Maßregelvollzug, in: Egg (Hg) Der Aufbau des Maßregelvollzugs in den neuen Bundesländern, 1996, 183 Bartmeier A (2006) Die Zulässigkeit der sog. „Organisationshaft“, NStZ 2006, 544 Batra et al (1999) = Batra A/Bartels M/Foerster K, Zur Frage der Genehmigungspflicht von Elektrokrampftherapie im Rahmen einer Betreuung (§ 1904 BGB) Der Nervenarzt 1999, 657 Bauer M (1974) Besprechung von: Göppinger/Witter (Hg) Handbuch der forensischen Psychiatrie, PsychiatPrax 1974, 137 Bauer M/Thoss P (1983) Die Schuldunfähigkeit des Straftäters als interdisziplinäres Problem, NJW 1983, 305 Baufeld S (2009) Zur Vereinbarkeit von Zwangseinweisung und -behandlung psychisch Kranker mit der UN-Behindertenrechtskonvention, R&P 2009, 167 Baumann G (2005) Petitionsverfahren nach Art 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen für den Bereich des Strafvollzugs, ZfStrVo 2005, 224
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LIV
I. Die Entstehung des Maßregelrechts
I. Die Entstehung des Maßregelrechts A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug Heinz Kammeier
A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug I.
Die Entstehung des Maßregelrechts
1.
Diskussionen und Gesetzentwürfe im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
Spezielle Literatur: Blasius 1980; ders 1986; Dörner 1988; Güse/Schmacke 1976; Kammeier 1996; Eb. Schmidt 1965.
a)
Psychiatrie und Gesellschaft
Das 19. Jahrhundert hat durch die fortschreitende Industrialisierung und wirtschaft- A 1 liche Prosperität entscheidend zum Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft beigetragen. Begleitet von Brüchen, Verwerfungen und einer allgemeinen Verunsicherung wurde die Gesellschaft in zwei Systeme gespalten: in ein Wirtschaftssystem der industriell brauchbaren und in ein Sozialsystem der industriell unbrauchbaren Menschen (Dörner 1988, 21 ff). Damit war die „Sociale Frage“ (Brockhaus 1898) gestellt, die die Eignung, die industrielle Brauchbarkeit, zur zentralen Norm des Arbeitsmenschen werden ließ. Auf der einen Seite bildete sich als Prototyp dieser geforderten Norm eine organisierte und selbstbewusst auftretende Arbeiterklasse heraus. Von ihr wurde auf der anderen Seite eine zunehmende Zahl von an diesem Maßstab gemessen Nichtleistungsfähigen, Minderwertigen, Entarteten und Untermenschen ausgegrenzt. An ihnen verschärfte sich die Soziale Frage zur „Wert-Frage“ (Dörner 1988, 28). Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, einer ökonomischen Krisenphase der Gesell- A 2 schaft (Blasius 1986, 94), traten sozialpsychologische Unsicherheiten und bürgerliche Ängste um den Erhalt des erreichten Sozialstatus besonders deutlich hervor. Revolutionsfurcht wurde zum Movens für Lösungsversuche der Sozialen Frage. Als politisch handelnder Repräsentant der bürgerlichen Schichten und als reagierender Exponent ihrer Ängste trat dabei zunehmend die Bürokratie auf den Plan. Vor allem sie setzte, teilweise gegen das allgemeine Volksempfinden, eine Zurückdrängung der häuslichen Familienpflege armer und geistig kranker Angehöriger durch und forcierte die Entfernung solcher Personen aus dem – ihrer Meinung nach – krank machenden Milieu (Blasius 1986, 92). Im Einklang mit den wissenschaftlichen Fortschritten der allgemeinen Medizin und der Medizinisierung der Psychiatrie wurde enorm in den Bau von Irrenanstalten investiert (Blasius 1980). Während zB in Preußen zwischen 1880 und 1910 die Bevölkerungszahl um 48% wuchs, stieg im gleichen Zeitraum die Häufigkeit der „Anstaltsfälle“ um 429% (Blasius 1980, 82). Die ordnungspolitische Linie der Verwaltung, die eigene Vorstellungen von der Bewältigung des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses hatte, ließ somit das Irrenhaus als Sanktionsmechanismus für nicht angepasstes Verhalten für immer mehr Menschen, nicht nur zu einer institutionalisierten Drohgebärde, sondern zur realen Erfahrung werden. Das Sicherheitskalkül des Staates nutzte die psychiatrischen Fürsorgeeinrichtungen, um soziale Probleme in „Pathologie“ (Blasius 1980, 104; Güse/Schmacke 1976) umzudeuten. An diesem Umdeutungsprozess beteiligte sich die nach fachwissenschaftlicher und gesellschaftlicher Anerkennung strebende Psychiatrie im ureigensten Interesse tatkräftig. Was sich an Krisen und Problemen im fürsorge- und ordnungspolitischen Bereich re- A 3 lativ zügig lösen ließ, erwies sich bei vergleichbaren Problemlagen im Bereich der Kriminalität durch Geisteskranke, Berufs- bzw Gewohnheitsverbrecher, Rückfalltäter und durch sog Psychopathen und Minderwertige angesichts normativer Strenge Heinz Kammeier
1
A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
des Strafrechts als sperriger. Mit dem von Juristen und Psychiatern als Argument ins Feld geführten Anstieg der allgemeinen Kriminalität, insbesondere durch eine zunehmende Rückfälligkeit, riefen beide Berufsgruppen gleichzeitig nach verstärktem Schutz der Öffentlichkeit durch das Strafrecht. Das geltende, vornehmlich an der Tat orientierte und generalpräventiv ausgerichtete Reichsstrafgesetzbuch von 1871 (RGBl I, 127) konnte die neuerdings notwendig erscheinende und geforderte Schutzfunktion der Strafe nicht erfüllen. So sprachen Juristen und Psychiater von einer „Lücke in der Gesetzgebung“. Die diesbezüglichen bürgerlichen Ängste ließen es deshalb für Kraepelin (1907, 265) gesellschaftlich unerträglich werden, wenn es vor gefährlichen Tätern und Verbrechern keinen anderen Schutz gebe, außer durch Auslieferung eines neuen Opfers. A 4 Nach geltendem Recht konnte und musste der Strafrichter nach § 51 RStGB einen – in damaliger Terminologie – unzurechnungsfähigen Täter freisprechen. Darüber hinaus verfügte er über keine gesetzliche oder administrative Möglichkeit, einen kranken und/oder gefährlichen Täter auch unterzubringen. Ebenso fehlten gesetzliche Regelungen, um einen nach § 203 RStPO wegen Geisteskrankheit außer Verfolgung gesetzten Beschuldigten oder einen im Strafvollzug psychiatrisch erkrankten Strafgefangenen einer Heil- und Pflegeanstalt (als Vorläufer des heutigen Psychiatrischen Krankenhauses) zuzuführen. Dies fiel nach § 10 II 17 ALR ausschließlich in die Zuständigkeit der Polizei. Die aber erfuhr nicht oder nur mit Verzögerungen vom Freispruch eines kranken und gefährlichen Täters oder über die Entlassung eines geistig erkrankten Strafgefangenen, hatte nur in seltenen Fällen Akten oder psychiatrische Gutachten vorliegen und beurteilte daher, auch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Kosten für die Kommunen und Provinzialverbände, die U nterbringungsnotwendigkeit anders, dh durchweg restriktiver als die Institutionen der Strafrechtspflege. A 5 Andererseits hatte die Polizei aber die Möglichkeit, nach ihrem Rechtsverständnis gefährliche oder auch nur die öffentliche Sicherheit oder Ordnung störende Personen auch dann in einer Heil- und Pflegeanstalt zu hospitalisieren, wenn sie nach psychiatrischer Ansicht eigentlich keiner stationären Behandlung bedurften. Aus dieser psychiatrischerseits vorgetragenen Ablehnung polizeilichen Handelns wurde in dem Moment eine gern in Anspruch genommene und geradezu herausgeforderte Hilfe, als die Polizei aufgrund der §§ 14 I, 15 I, II PrPolVwG vom 1. 6. 1931 (GBl, 77) die nunmehr gesetzlich definierte Aufgabe erhielt, die Unterbringung gefährlicher Geisteskranker, die dem ärztlichen Rat zu einer stationären Behandlung nicht freiwillig folgten, zwangsweise vorzunehmen (Creutz 1932). Aber auch hiermit war noch keine Lösung für das behauptete öffentliche Sicherheitsrisiko aufgrund der Insuffizienz des Vergeltungsstrafrechts gegenüber Rückfalltätern, Berufs- bzw Gewohnheitsverbrechern und sog Psychopathen und Minderwertigen gefunden. b)
Kriminalpolitik und Maßregellösung
A 6 Bereits 1882 hatte von Liszt in seiner Marburger Antrittsvorlesung mit der Einführung einer Zweckstrafe in das strafrechtliche Sanktionensystem einen Lösungsweg vorgeschlagen. Diese sollte als Schutzstrafe spezialpräventiv gegen drei Kategorien von Verbrechern angeordnet werden können: zum Zweck der Besserung für die besserungsfähigen und besserungsbedürftigen, zur Abschreckung der nicht besserungsbedürftigen und um die nicht besserungsfähigen Verbrecher auf Dauer unschädlich zu machen (von Liszt 1883, 36 ff). Darüber hinaus plädierte er für die Einfügung der „Gemeingefährlichkeit“ als Entmündigungstatbestand in den § 6 BGB (von Liszt 1905, 499 ff), mit der zwangsläufigen weiteren Rechtsfolge einer Unterbringungsanordnung in einer Heil- und Pflegeanstalt. A 7 Im Unterschied zu von Liszt konnten für den schweizerischen Juristen Stooß schuldangemessene Strafe und gesellschaftliches Präventionsbedürfnis in vielen Fällen nicht 2
Heinz Kammeier
I. Die Entstehung des Maßregelrechts
auf einen Nenner gebracht werden. Aber einig mit von Liszt im Ziel, eine wirksamere Bekämpfung des Verbrechens durch eine bessere Kriminalpolitik zu erreichen, schlug Stooß im Vorentwurf eines Schweizer StGB (Stooß 1893) erstmalig ein System sichernder Maßregeln vor. Indem er konsequent an tatschuldadäquater Strafe als dem Regelfall strafrechtlicher Sanktion festhielt, sicherte er sich damit die Basis zur Erweiterung des strafrechtlichen Reaktionssystems: Maßregeln konnten erst dann angeordnet werden, wenn Strafen nicht zum Zuge kamen. Nach seinem Entwurf sollte (1) der Unzurechnungsfähige von vornherein nicht strafbar sein, (2) von Strafe bei solchen Personen abgesehen werden, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit verwahrt werden mussten, (3) ebenso bei psychisch Kranken, die in Anstalten versorgt wurden, und (4) sollte bei zu verwahrenden zurechnungsfähigen Rückfalltätern durch gesetzliche Anordnung grundsätzlich auf einen Strafausspruch verzichtet werden. Damit war den Maßregeln ein subsidiärer Charakter zugewiesen. Deshalb erscheint es sinnvoll, dem Ausdruck Zweistufigkeit den Vorzug vor der Bezeichnung Z weispurigkeit zu geben. Die Vorschläge von von Liszt und Stooß führten zu lebhaften Diskussionen und teil- A 8 weise scharfen Gegensätzen zwischen Juristen und Psychiatern, aber auch innerhalb der beiden Disziplinen (vgl Eb. Schmidt 1965, 379 ff). Im sog Schulenstreit warfen die Klassiker um von Birkmeyer den ,soziologischen‘ Modernisten (von Liszt und anderen) nicht ohne zutreffende Wahrnehmungen vor, das Strafrecht von einem vergeltungsorientierten Tat- in ein an der Gefährlichkeit der Person ausgerichtetes Täterstrafrecht aufzulösen. Erst der Rückgriff auf die Vorschläge von Stooß in der Systematik der deutschen Strafrechtsreformentwürfe von 1909 bis 1930 ließ diesen Streit verstummen. Dabei erfuhren zahlreiche Fragen und Probleme letztlich keine genügend klare dogmatische Durchdringung. c)
Gefährlichkeit
Einer dieser Problembereiche ist mit dem Stichwort Gefährlichkeit bzw dem syn- A 9 onym verwendeten Begriff Gemeingefährlichkeit zu benennen. Trotz häufigen Gebrauchs dieser Ausdrücke durch Mediziner und Juristen kam es zu keiner als verbindlich anerkannten Definition. So galt Gefährlichkeit für die einen als Symptom geistiger Erkrankung (zB Aschaffenburg 1912, 275) oder wurde als dauernde Eigenschaft zu einem habituellen Charakter des Verbrechers (von Birkmeyer 1914, 84), andere (zB Mezger 1923, 158) hofften, die Gefährlichkeit auf einer wissenschaftlich gefestigten Lehre von biologisch bestimmbaren Verbrechertypen präzise fassen zu können. Diesen Versuchen stand ein auf Feuerbach zurückgehendes Verständnis von Gefährlichkeit als einer „rechtlichen Konstruktion“ gegenüber, die die Wahrscheinlichkeit künftigen kriminellen Verhaltens im Blick hatte. Für Exner (1914, 108, 61 f) war Gefährlichkeit weder etwas Reales in der Außenwelt noch etwas Habituelles einer Person, sondern völlig ,entmaterialisiert‘ potentielle Kriminalität, also ein reines Wahrscheinlichkeitsurteil Dritter. Auch polizeirechtlich blieb dieser Begriff undefiniert; praktische Verwendung fand A 10 durchgängig die polizeiliche Interventionsformel der gestörten öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Einzig das Königlich Preußische Oberverwaltungsgericht fand zu einer präzisen Definition der Gemeingefährlichkeit als rechtswidrigen Angriff gegen Rechtsgüter eines anderen, die „an sich“ straftatbestandsmäßig sind, deren Verfolgung aber aufgrund von Geisteskrankheit gesperrt ist (PrOVGE 77, 342). Der Begriff Gefährlichkeit tauchte in keinem der Reformentwürfe zum StGB zur Rechtfertigung der Maßregelunterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt oder einer Trinkerheilanstalt auf; stets war vom polizeirechtlich geprägten Erfordernis der öffentlichen Sicherheit als Anordnungsvoraussetzung die Rede (vgl auch Dessecker 2004a).
Heinz Kammeier
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A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
d)
Verminderte Zurechnungsfähigkeit
A 11 Ein anderes heftig diskutiertes Problem, das in jüngerer Zeit wieder an Aktualität zu gewinnen scheint (vgl Haffke 1991), betraf die Einführung der verminderten Zurechnungsfähigkeit ins StGB. Zunächst ist zur Verständigung über diesen Terminus festzuhalten, dass es sich hierbei um die Zurechnung zur strafrechtlichen Schuld im Sinne eines Maßes an quantifizierbarer Zumutbarkeit normgerechten Verhaltens handelt, nicht um eine Fähigkeit, eingeschränkte Fähigkeit oder Unfähigkeit des Täters und erst recht nicht des Zurechnenden. Unter der klaren Vorgabe eines Vergeltungsstrafrechts, das Strafe nur nach dem Maß der individuellen Schuld zuließ, erschien sowohl Juristen als auch Psychiatern die Scheidelinie zwischen der gesetzlich vorausgesetzten Zurechnungsfähigkeit und der in § 51 RStGB normierten Ausnahmeregelung der Unzurechnungsfähigkeit als zu krass. Von beiden Seiten wurde eine zweifache Ungerechtigkeit und Gefahr institutioneller Fehlzuweisung gesehen: nämlich dass einerseits kranke Täter, deren Beeinträchtigungen nicht die Schwelle des § 51 RStGB überschritten, trotz einzelner besonderer Strafmilderungsgründe zu hart bestraft würden und ihnen in der Strafhaft eine notwendige Behandlung vorenthalten blieb, während andererseits nicht auszuschließen war, dass dieselbe Kategorie von Tätern mit anwaltlicher und gutachterlicher Hilfe freigesprochen wurde, wobei dann weder eine notwendige Behandlung noch eine ggf erforderliche sichernde Verwahrung gewährleistet waren und ein bei dieser Konstellation entfallender Strafausspruch zu einem Gerechtigkeitsdefizit führte. Aber auch die Einführung der verminderten Zurechnungsfähigkeit mit der einzigen Folge einer generalisierten Strafmilderung stieß angesichts der Kriminalitätsentwicklung sowie von Frequenz und Schwere der Rückfälligkeit auf ein dann unerfüllt bleibendes gesellschaftliches Schutzinteresse. A 12 Strittig war auch die Frage, ob die Strafmilderung obligatorisch oder mit Blick auf eine nicht verantwortungsvoll wahrgenommene Lebensführung bzw auf die Persönlichkeit des Täters oder bei schweren und grausamen Taten nur fakultativ sein sollte. Alle Strafrechtsreformentwürfe vor 1933, außer dem Gegenentwurf 1911 (Kahl et al 1911) und dem E 1927, haben sich dabei in konsequenter Durchhaltung des Schuldstrafrechts für die obligatorische Strafmilderung entschieden. Diese Prinzipienreinheit war ein deutliches Zugeständnis an die klassische Schule und nur möglich, weil diese sich im Gegenzug mit der Einführung von Sicherungsmaßregeln für unzurechnungsfähige und vermindert zurechnungsfähige gefährliche Täter ins StGB und einer richterlichen Unterbringungsanordnung in eine Heil- und Pflegeanstalt bzw eine Trinkerheilanstalt einverstanden erklärte. Einzig im E 1927 war die bloße Z ulässigkeit der Unterbringung durch den Strafrichter vorgesehen. e)
Institutionen für den Maßregelvollzug
A 13 Unbestrittene Aufnahmeinstitution für die im medizinisch engeren Sinne geisteskranken und daher unzurechnungsfähigen Täter sollte, wie auch bei den nichtstraffälligen Geisteskranken, die Heil- und Pflegeanstalt sein, für Trinker die Trinkerheilanstalt. Heftig diskutiert wurde dagegen über die am besten geeignete Vollzugseinrichtung für die in erster Linie zu sichernden vermindert zurechnungsfähigen Täter. Da in dieser Kategorie überwiegend die sog Psychopathen und geistig Minderwertigen, die später als schwachsinnig bezeichneten, und Personen mit höherer Rückfallfrequenz erwartet wurden, schwankten die Ansichten zwischen besonderen Abteilungen im Strafvollzug, neu einzurichtenden Sonderanstalten ausschließlich für diesen Personenkreis und Unterbringung in der Heil- und Pflegeanstalt. Der Hinweis auf grundsätzlich vorhandene, im konkreten Fall nur eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit, zu der aber ein erhöhtes Sicherungsbedürfnis hinzutrat, ließ an Sonderabteilungen des Strafvollzugs denken. Die Zwischenstellung dieser Personengruppe zwischen den voll Zurechnungsfähigen im Strafvollzug und den typisch Geisteskranken in der Psychiatrie sprach für die Schaffung besonderer Spezialanstal4
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I. Die Entstehung des Maßregelrechts
ten der Justizverwaltung unter psychiatrischer Leitung. Dieser Linie folgten die Entwürfe von 1909, 1911, 1913 und 1919. Seit dem E 1922 (Radbruch 1922) sahen die Reformentwürfe nur noch die Heil- und Pflegeanstalt als Aufnahmeinstitution für alle im psychiatrischen Maßregelvollzug Unterzubringenden vor. f)
Sanktions- oder Präventionsrecht
Die anhaltende Diskussion um die ,richtigen‘ Vollzugsinstitutionen für die vorgese- A 14 henen Maßregeln der Besserung und Sicherung kann trotz der rund 50 Jahre dauernden Bemühungen um die Einführung eines Sicherungsrechts als Beispiel dafür genommen werden, dass die Theoriediskussion um den dogmatischen Ort von Maßregelrecht und Maßregelvollzug nicht zu Ende gebracht wurde. Letztlich wurde nicht grundsätzlich geklärt – bis heute nicht –, ob die Maßregeln der Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt bzw einer Trinkerheilanstalt eine Sanktion des Kriminalrechts anstelle von oder neben der Strafe sind, oder ob der Strafrichter bei gesperrter oder geminderter Strafbarkeit unter Beachtung des Erfordernisses der öffentlichen Sicherheit eine ansonsten polizeirechtlich vorzunehmende Unterbringung aus Anlass einer rechtswidrigen Tat, quasi in Ausübung einer Gefahrenabwehrfunktion, anzuordnen hatte. Für die zweite Alternative sprechen die E 1909 bis E 1919: Der Polizei bzw der Fürsorge- oder Gesundheitsverwaltung sollte qua Gesetz der Vollzug der Sicherungsmaßregeln zugewiesen werden. Bei vermindert Zurechnungsfähigen sollte dieser Vollzug erst nach Strafverbüßung oder -erlass (kumulativ) erfolgen. Die Polizei hatte über die Entlassung zu bestimmen. Eine über zwei Jahre hinausgehende Unterbringungsdauer musste vom Gericht genehmigt werden. Mit dem E 1922 trat eine Akzentverschiebung ein. Die Dauer der psychiatrischen Maßregel wurde bereits strafgesetzlich am Erfordernis ihres Zwecks, nämlich der öffentlichen Sicherheit, ausgerichtet, und die Unterbringung musste vom Richter e rneut angeordnet werden, wenn ihr Vollzug über drei Jahre hinausgehen sollte. Damit kam die Maßregel auf den Weg eines Äquivalents zum Erfordernis der öffentlichen Sicherheit bzw ihrer Kehrseite in Gestalt der personalen Gefährlichkeit, die sie als Kriminalsanktion, mindestens aber als Kriminalreaktion in die Parallele zum SchuldStrafe-Verhältnis bringen konnte. Die Gemeinsamkeit beider Varianten kann wohl am ehesten mit der Formel eines ins Strafgesetzbuch inkorporierten Segments des Polizeirechts beschrieben werden. g)
Behandlung und Rassenhygiene
Ebenso offen wie die nicht zuendegeführte Theoriediskussion über die Systematik des A 15 Maßregelrechts blieb am Ende der Weimarer Zeit auch die Frage, wie denn die Unterbringungen in der Heil- und Pflegeanstalt und der Trinkerheilanstalt zu gestalten, konkreter, wie außer zu sichern denn zu behandeln sei. Die Psychiatrie hatte um die Jahrhundertwende noch die Erwartung verbreitet, mit zunehmender Medizinisierung ihrer Disziplin, die eine Konzentration auf die biologisch-somatischen Vorgänge im Gehirn mit sich brachte (vgl Jervis 1978, 51 und Güse/Schmacke 1976, 129), wüchsen auch ihre Behandlungsmöglichkeiten. Doch bereits einige Jahre später gerieten diese Erwartungen und Versprechungen in eine tiefe Krise, da die erhofften Erfolge ausblieben. Resignation und „therapeutischer Nihilismus“ (Dörner/Plog 2000, 470 f) machten sich breit. In einer Gegenbewegung richtete sich das Interesse vieler Psychiater weg vom nicht heilbaren Subjekt und hin auf eine „Heilung der Gesellschaft“ durch Ausmerzung des kranken Individuums (Dörner/Plog 2000, 470 f). Die sich mit Kraepelin und anderen als fortschrittlich verstehende Psychiatrie suggerierte schließlich einen „Mythos der Heilbarkeit . . . auch der Sozialen Frage“ (Dörner 1988, 40). So fühlten sich zahlreiche, auch namhafte Psychiater zur Wahrnehmung eines „Kulturimperialismus“ (Stransky 1918, 35) verpflichtet, der, auch ohne die Konsequenz, zu der Binding/Hoche (1920) mit ihrem Programm zur „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ gekommen waren, eine Sterilisierung der Minderwertigen, Entarteten, Psychopathen und VerHeinz Kammeier
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A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
brecher als rassenhygienische Heilmaßnahme zur Gefahrenabwehr und zum Schutz der Gesellschaft einschloss. Aschaffenburg verlangte (1931, 257) angesichts einer „Hypertrophie der Fürsorge“ nach Abhilfemaßnahmen gegen die Gefahr einer „negativen Auslese“, während Kraepelins Reformvorstellungen (nach Güse/Schmacke 1976, 176) in dieser Zeit „bereits Züge der Blut- und Bodenmystik des Dritten Reiches“ trugen. 2.
Das Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933: Maßregelrecht und Maßregelvollzug im Nationalsozialismus
Spezielle Literatur: Exner 1934; Gruchmann 1988; Hellmer 1961; Hirsch et al 1984; Kammeier 1996; Klee 1985; Pfäfflin 1987; Rietzsch 1933; Schäfer et al 1934; Schmuhl 1987; von Weber 1934; Werle 1989.
a)
Gesetzliche Regelungen des Maßregelrechts
A 16 Nach über fünfzigjähriger Diskussion wurde im Rahmen des Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. 11. 1933 (RGBl I, 995) endlich das Maßregelrecht im StGB verankert. Es trat am 1. 1. 1934 in Kraft. A 17 Nach § 42b StGB-GewVbrG hatte der Strafrichter die Unterbringung in einer Heilund Pflegeanstalt anzuordnen, wenn jemand im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit oder der verminderten Zurechnungsfähigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hatte und die öffentliche Sicherheit seine Unterbringung erforderte. Die Einweisung in eine Trinkerheil- bzw Entziehungsanstalt regelte § 42c. Danach wurden gewohnheitsmäßige Rauschtäter oder wegen Volltrunkenheit Verurteilte dann neben einer Strafe dieser Maßregel unterworfen, wenn sie zur Gewöhnung an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben erforderlich war. A 18 Damit war die Anordnung der Maßregeln definitiv dem Strafrichter zugewiesen. Er hatte nunmehr die Aufgabe, die Volksgemeinschaft vor gemäß § 51 vermindert oder nicht zurechnungsfähigen gefährlichen Personen zu schützen, wenn weitere Angriffe auf strafrechtlich geschützte Güter irgendwelcher Art zu besorgen waren und die Gefahr auf andere Weise (Subsidiaritätsprinzip) nicht gebannt werden konnte (Reichs- u Staatsanzeiger Nr 277 vom 27. 11. 1933 = RuStA). A 19 Neugefasst wurde in diesem Zusammenhang auch § 51 StGB. Der Begriff Bewusstlosigkeit wurde durch den der Bewusstseinsstörung ersetzt. Diese Änderung folgte der herrschenden Rechtsprechung. Als neues Kriterium kam die Geistesschwäche hinzu. Die krankhafte Störung der Geistestätigkeit blieb unverändert im Text. Ein Ausschluss bzw eine Minderung der Zurechnungsfähigkeit lagen künftig dann vor, wenn der Täter aufgrund der genannten Kriterien unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Die lange umstrittene Problematik der Willensfreiheit war damit entschärft. Neben die Willensbeeinträchtigung trat jetzt gleichberechtigt die Beeinträchtigung des Verstandes. Das Unerlaubte, in das die Einsicht fehlen konnte, ging über den Bereich des Gesetz- bzw Rechtmäßigen hinaus. Nationalsozialistische Auffassung stellte Recht und Sitte weitgehend gleich (Rietzsch 1933, 747); deswegen genügte für eine Reduzierung der Zurechnungsfähigkeit bereits die mangelnde Einsicht in den Verstoß gegen das Sittengesetz. A 20 Ergänzt wurde § 51 um einen zweiten Absatz, der die verminderte Zurechnungsfähigkeit regelte. Mit einem „Kann“ stellte er diese Bestimmung, abweichend von allen Vorentwürfen außer dem GE 1911 und dem E 1927, in das Ermessen des Richters, die Strafe zu mildern. Nach der Begründung des Gesetzes war diese Ermessensfreiheit nach ärztlicher Erfahrung geboten, denn es sei verfehlt, Psychopathen durchweg milder zu behandeln als Gesunde (RuStA). Als Hauptanwendungsbereich des § 51 II StGBGewVbrG galten die abnorme krankhafte Persönlichkeitsentartung und die psychopathischen Seelenzustände (Schäfer et al 1934, 182). Letztere konnten nach Rietzsch (1933, 747) durch ernste Strafe vielfach nachhaltiger beeinflusst werden als durch Milde. 6
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I. Die Entstehung des Maßregelrechts
§ 42f StGB-GewVbrG regelte die U nterbringungs- bzw Vollzugsdauer. Sie war für die A 21 Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt nach § 42 f III an keine Frist gebunden und dauerte solange, bis der Zweck erreicht war. Damit wich das Gesetz von allen Vorentwürfen seit dem GE 1911 ab, in denen für die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt eine Befristung der Dauer auf zwei bzw drei Jahre vorgesehen war und nach deren Ablauf die Maßregel erneut angeordnet werden musste, wenn der Zweck es erforderte. Dagegen sahen die Nationalsozialisten nach dreijähriger Unterbringungsdauer nur eine Pflicht zur Prüfung, ob der Zweck erreicht sei, vor. Eine durch das Gericht auszusprechende Entlassung kam nur dann infrage, wenn die Zweckerreichung „positiv bejaht“ (RuStA) wurde. Dabei sollte im Zweifel nicht zugunsten des Untergebrachten, sondern zugunsten der gefährdeten Allgemeinheit (Schäfer et al 1934, 136) entschieden werden. Mit dieser Konstruktion nahm der nationalsozialistische Gesetzgeber, – seit dem ,Ermächtigungsgesetz‘ vom 24. 3. 1933 (RGBl I, 141) gab es kein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren mehr, sondern nur noch eine Beratung durch die Reichsregierung und die Gesetzesausfertigung durch den Reichskanzler –, gegenüber den Vorentwürfen eine folgenschwere Änderung der Perspektive und damit auch gleichsam eine Beweislastumkehr vor. Während nach den Vorentwürfen aus liberalen Rechtsstaatsgesichtspunkten heraus der Freiheitsentzug durch die Maßregel bei weiterbestehender Erforderlichkeit erneut durch einen Richter angeordnet werden musste, – Normalzustand nach Fristablauf: Freiheit; Nachweis für Erforderlichkeit der erneuten Anordnung: das öffentliche Sicherheitsinteresse –, galt nunmehr die Unfreiheit als unbefristeter Normalzustand des Untergebrachten, aus dem er nur durch positiven Nachweis der Freiheitsfähigkeit entlassen werden durfte. Nach § 42h galt eine Entlassung ohnehin nur als bedingte Aussetzung der Unterbringung, die vom Gericht widerrufen werden konnte. Durch § 8 VO vom 4. 9. 1941 (RGBl I, 541) wurde die dem Richter gemäß § 42f zustehende Feststellung der höchsten Verwaltungsbehörde übertragen; vorläufig aufgehoben durch Art I Nr 1 KRG Nr 55, endgültig durch 3. StRÄndG vom 4. 8. 1953 (BGBl I, 735). Die Unterbringung in einer Trinkerheil- oder Entziehungsanstalt war auf zwei Jahre A 22 begrenzt, § 42f II. In einem Ausführungsgesetz zum GewVbrG, ebenfalls vom 24. 11. 1933 (RGBl I, A 23 1000), wurde die Strafprozessordnung mit Blick auf die neuen Anforderungen des Maßregelrechts ergänzt. Als wichtigste Neuerungen sind hier die Einfügung des § 126a: Einstweilige Unterbringung, des § 246a: Hinzuziehung eines Arztes als Sachverständigen, der §§ 429a ff: Selbständiges Sicherungsverfahren und die Bestimmung des § 456b zu nennen, nach der eine Maßregel erst vollzogen wird, wenn die Freiheitsstrafe verbüßt, bedingt ausgesetzt oder erlassen ist. b)
Andere Regelungen des Gewohnheitsverbrechergesetzes
Eine Bewertung des durch die Nationalsozialisten ins Strafrecht eingefügten Maß- A 24 regelrechts ist nur sinnvoll, wenn auch die wichtigsten übrigen Neuerungen des GewVbrG sowie die Praxis des psychiatrischen Maßregelvollzugs in den Gesamtzusammenhang von Recht und Psychiatrie im Dritten Reich einbezogen werden. Mit dem GewVbrG wurde auch ein neuer § 20a ins StGB aufgenommen, der eine Strafschärfung für gefährliche Gewohnheitsverbrecher vorsah. Allerdings ging der NSGesetzgeber hierbei entschieden weiter als der E 1927. Nach dem Entwurf durfte der Richter die Strafe bei Erfüllung der Mindestvoraussetzungen schärfen, im Gesetz durfte der Richter auch in vielen anderen Fällen das Strafmaß erhöhen, bei Vorliegen der Mindestvoraussetzungen musste er es. Dienten die Bestimmungen im E 1927 dem Schutz des Angeklagten, so im Gesetz dem Schutz der Gemeinschaft. Waren im E 1927 Grenzen gegen eine unsachgemäße Schärfe des Richters gezogen, so wandten sich die Grenzen im Gesetz gegen eine unsachgemäße Milde (vgl bereits Exner 1934, 651). Die Rechtfertigung dieser „Mehr-Strafe“ (Werle 1989, 93) wurde mit der Gefährlichkeit des Heinz Kammeier
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A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
Täters begründet, tragender Strafgrund war die Verhütung künftiger Straftaten. Mit dieser „Sicherungsstrafschärfung“ erhielt der § 20a StGB-GewVbrG eine spezialpräventive Funktion, die nicht mehr der Tat, sondern dem Täter (Werle 1989, 93, 95) galt. Die Schuldadäquanz der Strafe war hier ebenso fraglich geworden wie beim § 51 II, bei dem offen blieb, warum den vermindert zurechnungsfähigen Täter die volle Strafe oder sogar mehr treffen konnte. Für solcherart nach § 20a als gefährliche Gewohnheitsverbrecher verurteilte Täter hatte das Gericht nach dem ebenfalls neu ins StGB aufgenommenen § 42e neben der Strafe die Sicherungsverwahrung als Maßregel anzuordnen, wenn die öffentliche Sicherheit dies erforderte. A 25 Über alle in den Vorentwürfen diskutierten Maßnahmen hinaus ging der NS-Gesetzgeber mit der Maßregel der zwangsweisen Entmannung ( Kastration) gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher in § 42k StGB-GewVbrG. Ursprünglich hatte dieser Eingriff schon im Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) vom 14. 7. 1933 mitgeregelt werden sollen, war dann aber aus ,optischen Gründen‘, um dort Anklänge an das Strafrecht zu vermeiden, abgetrennt worden (vgl RuStA und Schmuhl 1987, 159). c)
Recht und Praxis des Maßregelvollzugs
A 26 Zunächst ließ sich die Einführung des Maßregelrechts ins deutsche StGB durchaus als Maßnahme verstehen, die, lange gefordert, vom schwachen Weimarer Staat nicht zustande gebracht, nunmehr von der nationalsozialistischen „Bewegung“ und der sie unterstützenden Justiz tatkräftig realisiert worden war. Entsprechend den Vorentwürfen und dem Rechtsverständnis der Weimarer Zeit war es Aufgabe der Landesregierungen, Grundsätze über den Vollzug der Maßregeln entsprechend den Grundsätzen über den Vollzug von Freiheitsstrafen zu vereinbaren. Nachdem am 16. 2. 1934 die Rechtspflege auf das Reich übergeleitet worden war, verordnete der Justizminister am 14. 5. 1934 (RGBl I, 383) die Fortgeltung der aufgrund von Ländervereinbarungen entstandenen Vollzugsgrundsätze vom 7. 6. 1923 (RGBl II, 263) mit einigen Erweiterungen. Dogmatisch einwandfrei bezeichnete auch der neue § 122b StGB-GewVbrG die nach den §§ 42b und 42c Untergebrachten nicht als Gefangene, sondern als „behördlich Verwahrte“ (RuStA). Die Zahlen der rechtskräftigen Anordnungen nach § 42b sahen für die ersten Jahre folgendermaßen aus: 1934 = 506; 1935 = 579; 1936 = 757 und 1937 = 698, insgesamt 2540 Personen (Creutz 1939, 141). A 27 Hürten (1937, 322) berichtete über die ersten Unterbringungen in Eickelborn, dass sich von 125 Personen nur 13 im festen Bewahrhaus, 43 auf Wachabteilungen, aber 69 auf Nicht-Wachabteilungen befänden, ihr Zustand also eine fluchtsichere Unterbringung nicht immer erfordere. Dadurch aber genössen die Untergebrachten, an denen ja keine Strafe vollzogen werde, Vorteile wie Geisteskranke; das sei eine „Gleichsetzung, die das Rechtsgefühl verletzt“ (Hürten 1937, 262). Für die vermindert Zurechnungsfähigen schlug er deren Unterbringung in aufgelösten privaten Irrenhäusern vor. Auch Creutz war der Meinung, die Gruppe der antisozial leicht Schwachsinnigen und Psychopathen, die etwa 20% der Männer ausmachten, sei auf Dauer in der Heil- und Pflegeanstalt nicht tragbar; sie sollten von der Justiz abgenommen werden (1939, 165 f). Während Viernstein (1939, 7) zur „Behandlung vor allem der excedierenden Psychopathen“ die schärfste und rücksichtsloseste Anfassung für das beste Mittel hielt, forderte Creutz (1939, 167) für diesen Personenkreis einen s traffen Arbeitszwang bis zur Ermüdung, besser noch ein „gesichertes Arbeitslager“. A 28 Auch die auf Grund des GzVeN geforderten Meldungen erbkranker Rechtsbrecher wurden prompt erbracht. Nach Hürten (1937, 321) waren dies in Eickelborn 68%; aber nicht in jedem Fall sei ein Antrag auf Unfruchtbarmachung gestellt worden. Und wer tatsächlich behandelt wurde, für den war Gesundwerden Pflicht. Wie sehr dem nationalsozialistischen Staat an gesunden Menschen lag, belegt in diesem Zusammenhang auch eine Äußerung Carl Schneiders aus dem Jahre 1944, nach der es ihm richtig erschien, „das Widerstreben gegen die ärztliche Therapie und den mangelnden Ge8
Heinz Kammeier
I. Die Entstehung des Maßregelrechts
sundungswillen während der Therapie unter Strafe zu stellen“ (zit nach Klee 1985, 364). Wer im rassenhygienischen Sinne nicht gesund war und wessen Arbeitskraft nichts oder nichts mehr hergab, fiel der Vernichtung anheim. Die Meldebögen zur sog ,Euthanasieaktion‘ sahen deshalb auch die Nennung von Personen vor, die auf der Einweisungsgrundlage der §§ 42b, 51 StGB-GewVbrG in die Anstalten gekommen waren; ausgenommen von der Meldung waren nur solche Personen, die mit „positiven Arbeiten beschäftigt werden können“ (Mitscherlich/Mielke 1978, 189, 192). Deshalb war Arbeitsfähigkeit das ausschließliche Kriterium für die Bewahrung vor der ,Euthanasie‘ „und sonst nichts“ (ibid). Ab etwa 1942 wurden ,Asoziale‘ und nach § 42b untergebrachte Unzurechnungsfähige zur „Vernichtung durch Arbeit“ in die Konzentrationslager verlegt; am 2. 7. 1943 erließ der Justizminister eine entsprechende Anordnung (Klee 1985, 356 ff, 360). Nach Pfäfflin (1987, 136 mwN) waren diese Morde an psychiatrischen Patienten „integraler Bestandteil eines Psychiatrieprogramms, in dem Heilen und Vernichten wie Vorder- und Rückseite einer Medaille zusammengehörten“. Um es noch deutlicher zu formulieren: Die Psychiatrie hatte sich im Dritten Reich weitgehend aus eigenen, bereits präfaschistischen Intentionen heraus zum integralen Bestandteil nationalsozialistischer Rassenhygiene- und Ordnungspolitik entwickelt und betrieb schließlich Heilen als Vernichten. d)
Typisch nationalsozialistisches Unrecht?
Was brachte das Gewohnheitsverbrechergesetz Neues gegenüber den Strafrechtsre- A 29 formdiskussionen und -entwürfen der vorangegangenen Jahrzehnte? Der dogmatische Kern der psychiatrischen Maßregel nach § 42b StGB-GewVbrG, die Unterbringung eines unzurechnungsfähigen Täters, bei dem die Bestrafung aus Gründen des § 51 I mangels Schuld gesperrt ist, hielt die Kontinuität der vorangegangenen Entwürfe noch am reinsten ein. Mehr oder weniger deutliche Kontinuitätsbrüche (nach Hellmer 1961, 293 ist das GewVbrG ein nationalsozialistisches Gesetz und knüpft nicht an vorhergehende Entwicklungen an), die teilweise bereits präfaschistisch angelegt, zum größten Teil aber im Kontext nationalsozialistischer Ideologie, Kriminal- und Rassenpolitik durch die NS-Justiz einer Normierung im GewVbrG zugeführt wurden, lassen sich an folgenden Punkten aufzeigen: – Die „Kann“-Bestimmung des § 51 II StGB-GewVbrG zielte auf eine Erfassung ins- A 30 besondere der Psychopathen (vgl von Weber 1934, 669) und ihre Belastung mit einer kumulativ zur – erhöhten – Strafe hinzutretenden Maßregel. Damit wandelte sich die Vergeltungsstrafe quasi zur Schutzstrafe. – Im § 51 II rückte die Täterpersönlichkeit ins Zentrum der richterlichen Ermessensentscheidung. Diesen „Stellungswechsel“ vollzog später auch das Reichsgericht nach, indem es betonte, „von dem mit einer minderwertigen Anlage behafteten Täter müsse die Volksgemeinschaft verlangen, dass er durch erhöhte Kraftanstrengung seine gemeinschaftsgefährlichen Anlagen ausgleiche“ (Werle 1989, 104 mit zahlreichen Nachweisen). – Die Unterbringungsbefristung wurde durch eine bloße Prüffrist in § 42f III iVm der Aussetzungsmöglichkeit ausschließlich bei positivem Nachweis der Zweckerreichung (s o Rn A 21) ersetzt. – Das Rückwirkungsverbot bei der Maßregelanordnung wurde durch den neuen § 2a StGB-GewVbrG aufgehoben, wozu Exner 1934, 643 bemerkte, hierbei sei das Argument „Maßregel ist nicht Strafe“ weniger wichtig als das Überwiegen des dringenden Interesses der Gesamtheit gegenüber dem Individualinteresse (vgl hierzu die ausführliche Darstellung bei Naucke 1982). – Aufgelockert wurden die objektiven Voraussetzungen für die Möglichkeiten der Strafschärfung in § 20a und die Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 42e) sowie die Unbestimmtheit des Gewohnheitsverbrecherbegriffs, die einen Täter bestimmter Artung in den Mittelpunkt des § 20a stellte (Werle 1989, 90). Erst die Täterklassifizierung entschied über die Maßnahmen. Heinz Kammeier
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A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
– Absolut neu war die Einführung der zwangsweisen Entmannung (Kastration) als Maßregel nach § 42k StGB-GewVbrG, womit eine klare rassenhygienische Zielsetzung im Strafrecht verankert wurde (s o Rn A 25). – Eindeutig nationalsozialistischer Programmatik entsprang auch die Änderung der Maßregelbezeichnung (Entwürfe: Besserung und Sicherung) mit dem nunmehr ausgedrückten Vorrang der Sicherung vor der Besserung. In diesem Zusammenhang sprach Rietzsch (1933, 746) von einem „Wechsel der Grundanschauungen“, bei der der Schutz des Staates und der Gemeinschaft wichtiger sei als der des Individuums. Die neue Rechtsordnung wolle „Gemeinnutz vor Eigennutz durchsetzen“ (Rietzsch 1933, 745). – Bereits die Begründung des Gewohnheitsverbrechergesetzes rechtfertigte die neuen Maßnahmen mit dem erforderlichen „wirksamen Schutz der Volksgemeinschaft gegen verbrecherische Schädlinge“ (RuStA) und dem Kampf gegen die „Gefahr für die Volksgemeinschaft“ durch die „Belastung des Volkes mit einer minderwertigen Nachkommenschaft“ (ibid). – Mit dem GewVbrG wurde das Strafrecht durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber in entscheidender Weise zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung ausgerüstet, es wurde von einem Verletzungs- zu einem Gefährdungsstrafrecht (Gruchmann 1988, 843) verändert und erhielt eine Wendung zum „Tätertypenstrafrecht“, in dem der Keim für das spätere Unheil mit Begriffen wie „Volksschädling“, „Gewaltverbrecher“ ua (ibid) angelegt war. A 31 Als weitere Konsequenz dieser Rechtsentwicklung hatten die nationalsozialistischen Machthaber noch ein Gemeinschaftsfremdengesetz vorgesehen (Bundesarchiv, R 18/ 3386, abgedruckt bei Hirsch et al 1984, 536), das diejenigen, die nach Persönlichkeit und Lebensführung aus eigener Kraft nicht den Mindestanforderungen der Volksgemeinschaft genügten, oder arbeitsscheu, liederlich, unverträglich, streitlustig, Gemeinschafts- oder Neigungsverbrecher waren, folgenden Maßnahmen unterwerfen sollte: Arbeitslager mit Zwangsarbeit, Konzentrationslager, Gefängnis, Zuchthaus, Sterilisation, Entmannung und Todesstrafe. „Endziel war der jeder Form von Devianz entledigte ,Volkskörper‘„ (Frei 1989, 148), bzw die „Endlösung der Sozialen Frage“ (Dörner 1990, 35). Dieses Gesetz blieb Entwurf. „Praktisch hatte es längst seine Anwendung gefunden“ (Pfäfflin 1987, 136). e)
Aufhebung nationalsozialistischen Unrechts
A 32 Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurde die Maßregel der zwangsweisen Entmannung (Kastration), § 42k StGB-GewVbrG, durch Art 1 des KRG Nr 11 vom 30. 1. 1946 (ABl, 55) aufgehoben. A 33 Die Maßregel der Sicherungsverwahrung in der Fassung des § 42e StGB-GewVbrG galt unverändert bis zum 31. 3. 1970 weiter. Der strafschärfende § 20a war 1941 um die Rechtsfolge der Todesstrafe erweitert worden. Diese Erweiterung wurde durch Art 2 des KRG Nr 11 wieder beseitigt. Im Übrigen galt er ebenfalls weiter bis zum Inkrafttreten des 1. StrRG am 1. 4. 1970.
II.
Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland
Spezielle Literatur: Dessecker 2004a; Frisch 1990a; Kaiser 1990; Kammeier 1996; Müller-Dietz 1983; Volckart/Grünebaum 2009.
II. Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland
1.
Strafrechtsreform
A 34 Trotz des nationalsozialistischen Maßregel-Unrechts in Gesetzgebung und -gestaltung und seiner aktiven legitimatorischen und praktischen Unterstützung durch die forensische Psychiatrie, blieb der hier interessierende Kern des Maßregelrechts mit den 10
Heinz Kammeier
II. Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland
§§ 51 I und II, 42b, 42c, sowie 42f StGB in der Fassung des GewVbrG auch unter der Geltung des Grundgesetzes zunächst weiterhin in Kraft. Allerdings gerieten im Rahmen der in den 50er Jahren erneut einsetzenden Bemühungen um eine Reform des Strafrechts auch die ,empirischen‘ und normativen Voraussetzungen der Schuldfähigkeitsbeeinträchtigung – ab hier wird aus Gründen der Konvention auf den Begriff der Zurechnungsfähigkeit verzichtet – in das Gezerre unterschiedlicher Interessenlagen. Zum einen blieb es den Juristen nicht verborgen, dass auch die Nachkriegspsychiatrie A 35 keinen einheitlichen, allgemeingültig und -akzeptierten Krankheitsbegriff vorweisen konnte. Nach wie vor versuchten Psychiater, die teilweise schon im Dritten Reich in exponierten Stellungen tätig gewesen waren, die forensische Psychiatrie auf einen enggefassten s omatisch fundierten Krankheitsbegriff zu verpflichten. Ihre Abwehrhaltung galt dem Vordringen von Psychologie, Psychoanalyse und Sozialwissenschaften. Sie beschworen ein Ausufern der strafrechtlichen Schuldunfähigkeit herauf, mindestens aber der verminderten Schuldfähigkeit, „wenn alles entschuldet“. Immerhin hatten sich von 1954 bis 1974 die Verurteilungen nach § 51 II StGB vervierfacht (Rasch 1978, 41). Ihrer führenden Meinung nach sollte vor allem die sog Psychopathie nicht zum völligen Schuldausschluss führen dürfen, weil damit nicht nur das somatische Krankheitskonzept aufgebrochen, sondern auch eine erhebliche Zahl von Kriminellen in die psychiatrischen Krankenhäuser geströmt wäre, die dort, aus Sicht der Ärzte, nicht behandelbar erschienen und unerwünscht waren. Andererseits hatte die Rechtsprechung mit einigen Grundsatzentscheidungen zur A 36 Weiterentwicklung des juristischen Krankheitsbegriffs beigetragen. Bereits in einer frühen Entscheidung hatte der BGH (St 2, 194, 200) die Grundlage des strafrechtlichen Schuldvorwurfs durch Betonung der personalen Handlungsfreiheit dahingehend präzisiert, dass der Mensch auf freie, verantwortliche und sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt sei, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden und das rechtlich Verbotene zu vermeiden. Bei der Feststellung der Schuldfähigkeit komme es dann, so der BGH 1959 (BGHSt 14, 30, 33 f), „entscheidend“ auf die Einsichtsfähigkeit oder das Hemmungsvermögen des Angeklagten an, unabhängig von einer somatischen Betrachtungsweise. Damit war das von ihr selbst eingeforderte Definitionsmonopol der forensischen Psychiatrie in dreifacher Weise gebrochen: (1) Krankheit kann nur eine Ursache unter anderen sein, die auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit einwirkt; folglich gilt (2) nicht mehr „Krankheit entschuldet“, sondern nur Defizite der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit beeinträchtigen die Schuldfähigkeit; und schließlich spielt (3) nicht mehr der Krankheitswert einer Störung die entscheidende Rolle, da Maßstab für die Schuldzurechnung das Normale ist (vgl Bauer/Thoss 1983, 307). Dieses Normale im Prinzip der personalen Verantwortlichkeit bedeutet im straf- A 37 rechtlichen Verständnis Motivierbarkeit durch soziale Normen. Die relative Selbstbestimmtheit des Menschen stellt sich aber auf weiten Strecken „als Resultat psychosozialer Vermittlungsvorgänge von ziemlicher Komplexität“ (Bernsmann/Kisker 1975, 332) dar. Damit ist auch abweichendes Verhalten in seinen sozialen Dimensionen zu sehen. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn gerade die Einordnung der sog Psychopathen bzw der Psychopathie in die Neufassung der Schuldfähigkeitsbestimmungen am heftigsten umstritten war. Der unter Umständen erhebliche Einfluss der unter dem Sammelbegriff Psychopathie gefassten Störungen auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bis hin zum völligen Ausschluss konnte aber nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen werden. Nicht zuletzt aus Gründen der „Abschreckung“ (Moser 1971, 182), um einen „Dammbruch“ (so BT-Drs V/4095, 11) zu verhindern, bestand also die kriminalpolitische Notwendigkeit für einen neuen Krankheitsbegriff. Der E 1960 und der E 1962 hatten noch eine d ifferenzierte Lösung vorgesehen. Da- A 38 nach sollten die Psychopathie oder die Abartigkeit nur als Schuldminderungsmerkmal berücksichtigt werden, das nicht zum völligen Schuldausschluss führen Heinz Kammeier
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A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
kann. Mit Rücksicht auf die „Sorge um das Schuldprinzip“ (Lenckner 1972, 113) entschloss sich der Sonderausschuss des Bundestages dann aber doch für die Einheitslösung, die darin bestand, den drei sog biologischen Merkmalen als viertes die schwere andere seelische Abartigkeit hinzuzufügen. Dies schien umso eher akzeptabel, als zur Entlastung der psychiatrischen Krankenhäuser vor allem von den unerwünschten vermindert schuldfähigen Personen mit Neurosen und sexuellen Störungen als eigenständige Maßregel die Sozialtherapeutische Anstalt im § 65 StGB vorgesehen war. (Diese Maßregel trat aber nie in Kraft und wurde am 20. 12. 1984, BGBl I, 1654, wieder aus dem StGB gestrichen). A 39 Am 4. 7. 1969 verabschiedete der Bundesgesetzgeber das 2. StrRG (BGBl I, 717), das mit dem Allgemeinen Teil des StGB auch die Schuldfähigkeitsbestimmungen neu fasste. Es enthält in abschließender Aufzählung die vier Merkmale: A 40 – krankhafte seelische Störung: Sie ist gegenüber dem alten Ausdruck „Störung der Geistestätigkeit“ nun vom intellektuellen Bezug entbunden und auf die gesamte Psyche des Menschen bezogen. – tiefgreifende Bewusstseinsstörung: Dies Merkmal knüpft unmittelbar an § 51 I aF an. Mit der Erweiterung „tiefgreifend“ sollen bloß vorübergehende und noch im Bereich des Normalen liegende Störungen ausgeschlossen sein. – Schwachsinn: Er kann als Unterart des vierten Merkmals verstanden werden. Nach dessen Aufnahme in den § 20 wäre die Nennung des Schwachsinns eigentlich entbehrlich gewesen. – schwere andere seelische Abartigkeit: Damit sollen nur solche Störungen gemeint sein, die nicht ,somatisch‘-krankhaft im Sinne der ersten Alternative sind, aber doch eine vergleichbare Zerstörung des Persönlichkeitsgefüges herbeigeführt haben. Rasch hat (1982, 178) an der Wahl dieses Begriffsungetüms deutliche Kritik geübt und betont, dass dieser aus der wehrmachtsärztlichen Untersuchung stammende und nationalsozialistisch belastete Terminus durch seine Anklänge an Verfall, Degeneration und Minderwertigkeit die Ausgrenzung aus der beherrschenden Sicht der Benutzer fortsetzt. Schließlich ersetzte § 20 StGB das im § 51 aF stehende „Unerlaubte“ durch den Ausdruck „Unrecht“ der Tat, was deren materiellen Gehalt und nicht schon die bloße Sittenwidrigkeit meint. A 41 In der Bewertung des § 20 StGB blieben die Meinungen geteilt. Die einen sahen in dessen inhaltlichen Aussagen im Wesentlichen das, was Wissenschaft und Praxis bisher schon dem § 51 aF entnommen hatten (statt vieler Lenckner 1972, 114), für andere (beispielhaft die Psychiatrie-Enquete der Bundesregierung von 1975, BT-Drs 7/4200, 281) wurde die „Abkehr von einem ausschließlich am Somatischen orientierten Krankheitsbegriff eindeutiger als bisher vollzogen“. Eher noch überwog Skepsis. Nach Kargl (1975, 563) war mit einer „Ausweitung des Krankheitsbegriffs auf Psychopathen und Neurotiker wenig gewonnen, da soziale Probleme nur wiederum in das Individuum verlagert und dort behandelt werden.“ Auch Schreiber meinte (1981, 51), die neugefassten Bestimmungen hätten an den bestehenden Problemen wenig geändert; entscheidend werde nun der Beeinträchtigungsgrad des zweiten (psychologischen bzw normativen) „Stockwerks“. Und genau an dieser Stelle versuchte Rasch (1982, 182), die Bemühungen um eine eher empirisch nachvollziehbare und damit juristisch einwandfreiere Schuldfähigkeitsfeststellung aus der zirkulären Diskussion herauszuführen, indem er die Verwendung eines „ sozial-strukturellen Krankheitsbegriffs“ vorschlug, dem erheblich mehr an Kompatibilität zwischen den beiden „Stockwerken“ eigne, als die eng somatisch verstandenen Merkmale. Dieser Begriff umfasse leichter operationalisierbare Aspekte (oder sogar „Tatbestände“) wie Verminderung sozialer Handlungskompetenz, Herausfallen aus den gewohnten Bezügen, Einengung der Lebensführung, Stereotypisierung des Verhaltens und Häufung sozialer Konflikte auch außerhalb strafrechtlicher Relevanz. 12
Heinz Kammeier
II. Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland
Mit den neuen Bestimmungen über die Schuldfähigkeitsprüfung im 2. StrRG wurde A 42 letztlich nicht über die strafrechtstheoretischen Alternativen entschieden, ob es in diesem Prozess um Schuldffeststellung oder um Schuldz zuschreibung geht. Bei der ersten Alternative bräuchte man Disziplinen, die auf der Grundlage einer Theorie des Verstehens menschlicher Handlungen empirische Nachweise erbringen können, die dann die vorgesehenen Rechtsfolgen steuern. Bei der zweiten ist eine Legitimation des strafrechtlichen Konfliktregelungsverfahrens durch gesellschaftliche Belange wie zB Rechtsgüterschutz erforderlich; die naturwissenschaftliche Beglaubigung eines ,habituellen Zustandes‘ ist hierbei entbehrlich (vgl Kargl 1982, 225). Diese Problematik entfaltet ihre tiefere Bedeutung erst bei der G efährlichkeitsprüfung als Anordnungsvoraussetzung der Maßregel in § 63 StGB. Das 2. StrRG führte auch die Maßregel der F ührungsaufsicht ins StGB ein (vgl be- A 43 reits BT-Drs V/4095, 34). Gravierende Änderungen erfuhr sie durch das SexdelBekG vom 26. 1. 1998 (BGBl I, 160). Darüber hinaus wurde der Anwendungsbereich insofern mehrfach erweitert, als bei der Verwirklichung weiterer Delikte im Besonderen Teil des StGB Führungsaufsicht vorgesehen wurde. Eine weitere Neuerung bestand in der Einführung von Strafvollstreckungskam- A 44 mern (StVK) bei den Landgerichten. Sie wurden zum 1. 1. 1975 zeitgleich mit dem Inkrafttreten des 2. StrRG durch Einfügen der §§ 78a und 78b in das GVG (BGBl I [1974], 469) als vollzugsnahe Spruchkörper gebildet worden. Zunächst trafen sie aber nur Vollstreckungsentscheidungen. Seit dem Inkrafttreten des StVollzG waren sie dann auch im Bereich des Strafvollzugs für die gerichtliche Überprüfung von V ollzugsangelegenheiten zuständig. Die entsprechende Zuständigkeit für den Bereich des Vollzugs der Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB erhielten sie erst zum 1. 1. 1985 (BGBl I [1984], 97). Das Verfahrensrecht für diesen Bereich ist in den §§ 109 ff StVollzG geregelt (s u Gericke Rn K 32 ff). Seit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages (BGBl II, 957) am 3. 10. 1990 gelten A 45 die §§ 63, 64 StGB auch in den neuen Bundesländern. Davon betroffen sind auch Taten, die vor dem Beitritt begangen wurden. Gestützt wurde diese zurückwirkende Regelung auf § 2 VI StGB, der nach herrschender Meinung vom Rückwirkungsverbot des Art 103 II GG nicht berührt wird (vgl BGHSt 24, 106; zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Rückwirkungsverbots bei Maßregeln der Besserung und Sicherung vgl BVerfG NJW 2004, 739, 744). Es bleibt aber festzuhalten, dass diese Meinung, auch wenn sie auf dogmatische Unterschiede zwischen retrospektiv begründeter Strafe und prospektiv orientierter Maßregel hinweist, in der Kontinuität nationalsozialistischen Rechtsverständnisses (§ 2a StGB-GewVbrG) steht (zum Rückwirkungsverbot vgl Naucke 1982). Durch den Einigungsvertrag nicht geklärt wurde der weitere rechtliche Status der A 46 Personen, die gemäß §§ 15 II, 16 III StGB-DDR vom 12. 1. 1968 iVm § 11 EinweisGDDR vom 11. 6. 1968 (GBl I Nr 13, S 273) in stationäre psychiatrische Einrichtungen eingewiesen wurden. Einen konkreten Fall hierzu hatte das BVerfG seinerzeit als noch nicht der verfassungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich bezeichnet und damit eine definitive Entscheidung offengelassen (BVerfG R&P 1992, 142). Eine analoge Anwendung der §§ 63 ff StGB für nach § 15 II EinweisG-DDR untergebrachte Personen ist unzulässig, BVerfG NStZ 1995, 399. Zur Diskussion vgl auch Marschner 1991, 89 f und Volckart 1992, 32 ff. 2.
Rechtliche und faktische (Neu-) Aufstellung des Maßregelvollzugs
Die 1970er Jahre brachten aber nicht nur eine teilweise Neugestaltung des Allgemei- A 47 nen Teils des StGB und des materiellen Strafrechts. Endlich wurde auch der Strafvollzug normiert.
Heinz Kammeier
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A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
Im 19. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein herrschte in Rechtswissenschaft und -praxis die Auffassung vor, dass der Staat über solche Personen ein sog besonderes Gewaltverhältnis besitze, die in bestimmten Funktionen für ihn tätig, oder die ihm in speziellen Abhängigkeitsverhältnissen unterworfen sind. Hierzu zählten ua Militär- und Polizeiangehörige, Verwaltungsbeamte, Lehrer, aber auch Schüler, Strafgefangene und polizeirechtlich untergebrachte Insassen psychiatrischer Krankenhäuser. Das Rechtsverhältnis zwischen diesen Personen und dem Staat bedurfte nach damaliger Auffassung keiner gesetzlichen Regelung; vielmehr konnte der Staat obrigkeitlich nach seinen Zielvorgaben frei handeln und verfügen. Garantierte subjektive Rechte und Rechtsschutzmöglichkeiten bestanden für die dem sog besonderen Gewaltverhältnis Unterworfenen allenfalls rudimentär. A 48 Dennoch gab es bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert erste Ansätze, Teilbereiche des besonderen Gewaltverhältnisses auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Ein dem Reichstag 1879 vorgelegter Entwurf eines „Gesetzes über die Vollstreckung der Freiheitsstrafe“ erlangte allerdings noch nicht Gesetzeskraft. Erst 1923 einigten sich die Länder in einer Verwaltungsvereinbarung auf einheitliche „Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen“ (RGBl II, 263). Der Amtliche Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes von 1927 sah in Erwartung der Einführung des Maßregelrechts bereits in den §§ 273, 274 Vorschriften über die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt vor. Nach der Einführung des Maßregelrechts durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11. 1933 (RGBl I, 995) erließ der Reichsjustizminister am 14. 5. 1934 eine „Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafen und von Maßregeln der Sicherung und Besserung, die mit Freiheitsentzug verbunden sind“ (RGBl I, 383, 386). A 49 Erst unter der Geltung des Grundgesetzes, insbesondere im Blick auf die Art 20 und 19 IV GG, setzte in der Bundesrepublik eine Phase der Verrechtlichung des Strafund Maßregelvollzugs ein. 1960 wurden mit dem Inkrafttreten der VwGO (BGBl I, 17) die §§ 23 ff in das EGGVG eingefügt. Sie ermöglichten den aufgrund strafgerichtlicher Anordnung im Freiheitsentzug befindlichen Personen, einzelne sie betreffende Maßnahmen der Unterbringungseinrichtung gerichtlich überprüfen zu lassen. Für den Strafvollzug wurde 1962, wiederum als verwaltungsrechtliche Ländervereinbarung, die „Dienst- und Vollzugsordnung“ (DVollzO) erlassen. Erst 1967 wurde durch den Bundesjustizminister eine Strafvollzugskommission mit dem Auftrag berufen, ein Bundes-Strafvollzugsgesetz zu erarbeiten. Noch ehe ein beschlussreifer Gesetzentwurf vorlag, erklärte das BVerfG im Jahre 1972 die Rechtsfigur des sog besonderen Gewaltverhältnisses im Strafvollzug, aber mit Wirkung weit darüber hinaus, für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar (E 33, 1). Nur für eine kurze Übergangszeit könne dieser Zustand noch hingenommen werden. In einem weiteren Beschluss vom 29. 10. 1975 (BVerfGE 40, 276) setzte das BVerfG dem Gesetzgeber eine Frist zum Inkrafttreten eines Strafvollzugsgesetzes bis zum 1. 1. 1977 und betonte noch einmal, dass Eingriffe in Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können. Schließlich trat das StVollzG vom 16. 3. 1976 (BGBl I, 581) dann am 1. 1. 1977 in Kraft. Abgesehen von Rahmenvorschriften und Verweisungen enthielt es jedoch keine Regelungen für den Maßregelvollzug und den Rechtsschutz der in ihm Untergebrachten. A 50 Die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts hoben nicht nur die Geltung der Grundrechte auch im Straf- und Maßregelvollzug hervor. Getragen von einer Grundeinstellung der Behandelbarkeit psychisch kranker und persönlichkeitsgestörter Personen, von einigen später als „Behandlungseuphorie“ apostrophiert, rückte auch die (Re-) Sozialisierung in den Vordergrund der Bemühungen um Strafgefangene und psychisch kranke Menschen. Entsprechend dem Geist der neuen sozial-liberalen Ostpolitik und einem weithin entsprechenden gesellschaftlichen Klima, Annäherung nicht gegen, sondern mit dem politischen Kontrahenten im Osten zu versuchen, richteten sich die Resozialisierungsbemühungen darauf, Störende nicht einfach nur auszugrenzen und 14
Heinz Kammeier
II. Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland
wegzuschließen. Mit anderen Worten, Sicherheit sollte nun nicht mehr gegen, sondern mit dem Täter zusammen erreicht werden, ebenso sollten psychisch Kranke nicht mehr außerhalb der Städte in Großeinrichtungen kaserniert, sondern mitten in der Gesellschaft, im Rahmen einer Gemeindepsychiatrie, ihren Platz haben und ihre Hilfe finden. Im sog Lebach-Urteil von 1973 stellte das BVerfG diese neuen Prinzipien mit bemerkenswerter Klarheit heraus: Auch der Täter schwerer Straftaten bleibe Glied der Gemeinschaft mit einem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz seiner Individualität und auf die Schaffung von Bedingungen, die ihm die Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermögliche. Darüber hinaus müsse diese ihrerseits bereit sein, ihn wieder aufzunehmen (NJW 1973, 1226, 1231). Diese Judikatur setzte das BVerfG in seiner ersten großen Entscheidung vom 21. 6. 1977 zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe fort, indem es von einem durch Verfassungsrecht gebotenen sinnvollen Behandlungsvollzug und von einem Anspruch auf Resozialisierung sprach (BVerfGE 45, 187, 238 f). Im Jahr 1975 legte die Psychiatrie-Enquete der Bundesregierung (BT-Drs 7/4200) A 51 eine Bestandsaufnahme der bundesdeutschen Psychiatrie 30 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus vor. Darin wurde der forensischen Psychiatrie bzw dem Maßregelvollzug eine „absolute Schlusslichtposition“ im Versorgungsbereich bescheinigt (aaO 281). Insgesamt hatte dieser Enquetebericht einen nicht unwesentlichen Anteil am Aufbruch der allgemeinen Psychiatrie zu veränderten Versorgungsstrukturen, weg von den wohnortfernen Großeinrichtungen hin zur psychiatrischen Behandlung und Betreuung in den Regionen. Auch wenn Rasch speziell zur Situation des Maßregelvollzugs in Westfalen-Lippe (in: Landschaftsverband Westfalen-Lippe 1984) noch einige Jahre später am Beispiel der Klinik Eickelborn markante Defizite feststellen musste, so trug doch auch sein Bericht dazu bei, über strukturelle Änderungen zu einer deutlich verbesserten Versorgung zu gelangen. Obwohl sich hinsichtlich der Standortwahl und -verteilung für die forensische Psy- A 52 chiatrie zunächst kaum etwas änderte, blieb die Enquete doch auch für den Maßregelvollzug nicht ohne positive Auswirkungen. Nicht nur wurden die Unterbringungseinrichtungen baulich gründlich saniert und für einen zeitgemäßen Wohngruppenvollzug hergerichtet. Wichtiger erwies sich die erhebliche Zunahme der Ausweisung und Besetzung von Stellen mit therapeutischem Personal. So konnten allmählich erste Fortschritte in der Behandlung erzielt werden. Auch die Praxis und die Qualität forensischer Sachverständigengutachten zur Einweisung wie zur Entlassung erfuhren die Aufmerksamkeit wissenschaftlicher Beobachtung (Albrecht P-A 1978; Pfäfflin 1978; Heinz G 1982; Leygraf 1988). In der Folge vor allem dieser Faktoren wiesen schließlich die 80er Jahre die geringsten Bestandszahlen an forensischen Patienten nach § 63 StGB in der Bundesrepublik Deutschland auf (vgl Statistisches Bundesamt Fachserie 10, Reihe 4). Im Anschluss an die Psychiatrie-Enquete der Bundesregierung (BT-Drs 7/4200) legte A 53 der Arbeitskreis der Psychiatriereferenten der Länder und des Bundes auf der GrundRahmenentwurf zu einem lage der §§ 136 – 138 StVollzG im Jahre 1979 einen „R ,Gesetz über den Vollzug von Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt‘„ (BT-Drs 8/2565, 216 ff) vor. Dieser in seinem Aufbau dem StVollzG vergleichbare Entwurf wurde nicht einmal Gegenstand bundes-parlamentarischer Beratung. Als Alternative hierzu erarbeiteten Kammeier/Tondorf (1981a) für die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (AsJ) einen „M Musterentwurf eines Maßregelvollzugsgesetzes“, der später für NW und einige andere Bundesländer zum Vorbild eigener Landesgesetze wurde. Hess erließ im Dezember 1981, Nds im Juni 1982 je ein erstes Maßregelvollzugsgesetz, denen sich in den Folgejahren die anderen Länder anschlossen.
Heinz Kammeier
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A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
A 54 Obwohl die Länder mit ihren Normierungen – einige schufen ein eigenes Maßregelvollzugsgesetz, andere begnügten sich mit Ergänzungen zum Maßregelvollzug in ihrem PsychKG bzw UBG – teilweise sehr voneinander abweichende Wege gingen und inzwischen nicht nur deren Gesetze verfassungsrechtlich bedenklich divergieren, sondern auch die faktischen U nterbringungsbedingungen und Versorgungsstandards erhebliche Qualitätsdifferenzen aufweisen (vgl bereits Leygraf 1988; Kammeier 2007), hat der Bund lange an seinem Regelungsverzicht festgehalten und es bei den §§ 136 – 138 StVollzG belassen (vgl hierzu Baur 1988, 98 ff). Expressis verbis verweist § 138 I StVollzG für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt auf Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. Inzwischen ist mit der sog Föderalismusreform I vom 28. 8. 2006 (BGBl I, 2034) nicht nur die Regelungskompetenz für den Strafvollzug, sondern auch die für den Maßregelvollzug auf die Länder übergegangen, so dass dem Bund hier keine Normierungszuständigkeiten mehr verblieben sind. A 55 Zum Regelungsgehalt der §§ 136 – 138 StVollzG s Baur Rn C 22 ff und C 27 ff. 3.
Kriminalpolitische Entwicklung am Ende des 20./Anfang des 21. Jahrhunderts
a)
Recht, Rechtsprechung und Maßregelvollzug
A 56 Die in den 70er Jahren gewachsenen Erwartungen an Erfolge der Behandlung vor allem von persönlichkeitsgestörten Tätern erhielten Mitte der 80er Jahre einen spürbaren Dämpfer. Die mit dem 2. StrRG ins Strafgesetzbuch eingeführte Maßregel der Unterbringung in einer Sozialtherapeutischen Anstalt gemäß § 65 StGB wurde noch vor ihrem faktischen Inkrafttreten durch das StVollzÄndG vom 20. 12. 1984 (BGBl I, 1654) wieder aus dem StGB gestrichen. An ihre Stelle trat die sog Vollzugslösung im geänderten § 9 StVollzG, nach der nun die in Betracht kommenden Personen in Sozialtherapeutischen Anstalten innerhalb des Strafvollzugs eine Behandlung erfahren konnten. A 57 Im Maßregelvollzug wurde durch das 23. StrÄndG vom 13. 4. 1986 (BGBl I, 393) die Anrechnung der im Maßregelvollzug verbrachten Zeit auf die Strafe gegenüber der bisherigen Vollanrechnung auf zwei Drittel der Strafzeit begrenzt. Den Zweck dieser Änderung begründete der Gesetzgeber damit, Druck auf den im Maßregelvollzug Untergebrachten auszuüben, angesichts der nicht vollständig erledigten Freiheitsstrafe intensiv an seiner eigenen Rehabilitation mitzuwirken (vgl MüKo Maier § 67 Rn 16). A 58 Während die letzten der „alten“ Bundesländer gerade den Maßregelvollzug in ihrem Bereich gesetzlich regelten bzw geregelt hatten, kam nach der Wiedervereinigung diese Arbeit Anfang der 90er Jahre nun auch auf die „neuen“ Bundesländer zu. Zusätzlich mussten dort überhaupt erst die Voraussetzungen für einen Maßregelvollzug geschaffen werden, da die DDR nur eine einheitliche allgemeine Psychiatrie kannte, in der auch nach dem StGB (der DDR) Untergebrachte (s o Rn A 45 f) aufgenommen wurden. A 59 Nach Verfassungsbeschwerden aus dem Jahr 1988 und Vorlagebeschlüssen des OLG Celle aus dem Jahr 1990 brauchte das BVerfG bis zum 16. 3. 1994 (E 91, 1 = R&P 1994, 180), um sich grundsätzlich zum Vollzug der Entziehungs-Maßregel nach § 64 StGB zu äußern. Als Anordnungsvoraussetzung hatte danach zu gelten, dass eine hinreichend konkrete Aussicht bestehe, den Süchtigen zu heilen oder wenigstens über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in akutes Suchtverhalten zu bewahren. Dies machte eine Reihe von Bestimmungen der §§ 64, 67 und 67d StGB nichtig. A 60 Darüber hinaus betonte das BVerfG erneut die grundsätzlich unterschiedlichen Funktionen von Strafen und Maßregeln. Danach darf die Entziehungsmaßregel nur zur Suchtbehandlung angeordnet und der Sicherungsgedanke bei ihr nicht von der therapeutischen Funktion abgelöst werden. Der erstrebte Schutzzweck muss hier also gerade durch die Behandlung erreichbar sein. 16
Heinz Kammeier
II. Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland
Hiernach brauchte der Gesetzgeber dann noch einmal 13 Jahre, bis er am 16. 7. 2007 A 61 (BGBl I, 1327) die legislative Umsetzung dieses Richterspruchs zustande brachte. b)
Dominanz des Sicherheitsdenkens
Nach zahlreichen sexuell motivierten Kindestötungen Mitte der 90er Jahre in Bel- A 62 gien und in Deutschland und ihrer überproportionalen medialen Aufbereitung kam bundesweit ein Sicherheitsdiskurs in Gang, der zahlreiche legislative Aktivitäten von Bund und Ländern auslöste und nicht ohne Auswirkungen auf die Praxis des Straf- und Maßregelvollzugs blieb. Galten Häufigkeit und ausgiebige Dauer von Lockerungen lange Zeit als Kennzeichen A 63 und Ausweis eines fortschrittlichen rehabilitationsorientierten Maßregelvollzugs (Holtus 1991; Kobbé 1992; Welzel 1992; Pollähne 1994a), so änderte sich diese Praxis schlagartig. Als spektakulärste Reaktion dürfte die von einer Bürgerinitiative in Eickelborn bei der Landesregierung N W durchgesetzte Regelung anzusehen sein, nach der – bis heute – Patienten eines bestimmten Täterprofils die Klinik nur in einer 1-zu1-Begleitung zu Ausgängen verlassen bzw sich nur außerhalb eines rund 50 km großen Radius um die Klinik herum ohne Begleitung von Klinikpersonal frei bewegen dürfen. In der Folgezeit traten die tatsächlichen oder vermeintlichen Sicherheitsbedürfnisse A 64 der Allgemeinheit hinsichtlich der Gefährlichkeit psychisch kranker Täter wieder stärker in den Vordergrund der Vollzugsgestaltung. „Sicherheit vor Therapie“ wurde von einigen Bürgerinitiativen als Handlungsmaxime für den Maßregelvollzug ausgerufen. Sicherheit sollte nun nicht mehr gemeinsam mit dem Täter als einem der Gemeinschaft angehörenden und in sie wieder zu integrierenden Mitbürger erreicht werden, sondern gegen ihn, durch Ausschluss aus ihr. Die Lockerungspraxis wurde deutlich restriktiver gehandhabt, baulich wurden die Kliniken mit neuen und höheren Zäunen und Mauern aufgerüstet (vgl Schott 2002; Schott 2007). Die prägnanteste Zusammenfassung dieser neuen „Sicherheitsarchitektur“, insbesondere im Blick auf Sexualstraftäter, gelang wohl dem damaligen Bundeskanzler Schröder (Bild am Sonntag, 8. 7. 2001) mit seinem Diktum: „Ich komme mehr und mehr zu der Auffassung, dass erwachsene Männer, die sich an kleinen Mädchen vergehen, nicht therapierbar sind. Deswegen kann es nur eine Lösung geben: Wegschließen für immer.“ Auf die neu entdeckten Sicherheitslücken reagierte der Gesetzgeber vergleichsweise A 65 schnell. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. 1. 1998 (BGBl I, 160) wurde die Schwelle zur bedingten Aussetzung der Maßregel nach § 63 StGB durch eine Änderung in § 67d II StGB signifikant angehoben: Aus dem „sobald verantwortet werden kann, ob . . .“ wurde ein „wenn zu erwarten ist, dass . . .“, – wobei sich nicht nur dem juristisch geschulten Leser dieser Formulierung ein interpretierendes „eerst wenn . . .“ nahezu aufdrängt. Gleichzeitig wurde die Anordnung von Sicherungsverwahrung bei auch nur einem Anlassdelikt, insbesondere einem gegen die sexuelle Selbstbestimmung, durch einen neuen Absatz 3 in § 66 StGB zugelassen. Flankierend wurde die bis dahin auf 10 Jahre begrenzte Höchstfrist bei erstmaliger Anordnung von Sicherungsverwahrung aufgehoben (vgl BVerfG NJW 2004, 739). In der Folge wurde als nächstes auch ein Vorbehalt der Unterbringung in der Siche- A 66 rungsverwahrung durch Gesetz vom 21. 8. 2002 (BGBl I, 3344) eingeführt. Und nachdem der Versuch einiger Länder gescheitert war, auf landesrechtlicher Grundlage mit polizeirechtlich begründeten sog Straftäterunterbringungsgesetzen (vgl Ullenbruch 2001; Kinzig 2001; Rzepka 2003) gegen auch nach Verbüßung der Haftstrafe weiterhin als gefährlich erscheinende Personen vorgehen zu können (BVerfGE 109, 190 = NJW 2004, 750), führte der Bund mit Gesetz vom 23. 7. 2004 (BGBl I, 1838) auch noch die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der SicherungsHeinz Kammeier
17
A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
verwahrung ein. Inzwischen kann diese Maßregel auch gegen Jugendliche und junge Heranwachsende eingesetzt werden (G v 8. 7. 2008, BGBl I, 1212). A 67 Diese Entwicklung spielte sich vor einem breiteren Hintergrund ab. Bereits am Beginn des neuen Jahrtausends hatte Hassemer in der zeitgenössischen Kriminal- und Strafrechtspolitik „Die neue Lust auf Strafe“ (FR, 20. 12. 2000) ausgemacht. Schon zuvor waren in diesem Diskurs neue Töne zu hören gewesen. So hatte Jakobs (1985 und 2000) für eine künftige Unterscheidung eines Bürger- von einem F eindstrafrecht plädiert. Ein Feind aber ist zu bekämpfen, und wenn er bisher Mitglied der eigenen Rechtsgemeinschaft war, so wandelt er sich als „Feind“ von einem durch die Rechtsordnung geschützten Mitbürger zu einem Gegner, der ggf zu vernichten ist (vgl Hamm 2005). Beflügelt wurde diese offensichtliche Wandlung „Vom Rechtsstaat zum Sicherheitsstaat?“ (vgl Haffke 2005) durch die terroristischen Attacken am 9. 11. 2001 in New York. Spätestens in ihrem Gefolge erschien auch in Deutschland eine Vorverlagerung der polizeilichen Gefahrenabwehr zur Aufrechterhaltung der Sicherheit unumgänglich. Vorfeldermittlungen, Ausweitungen der Störervermutung, Rasterfahndungen und Lauschangriffe bestimmten als zentrale Begriffe die Diskussionen von Befürwortern und Kritikern der inneren Sicherheitsaufrüstung. Mit zahlreichen Gesetzen (vgl GHI/HU 2009) sollten ständig neu entdeckte Sicherheitslücken geschlossen und der Handlungsradius für präventive Sicherungsmaßnahmen, insbesondere im Bereiche der Online-Überwachung und -Durchsuchung, erweitert werden. Hier, wie zuvor bereits beim Luftsicherheitsgesetz (v 11. 1. 2005, BGBl I, 78; BVerfG NJW 2006, 751; Schenke 2006, 736), musste das BVerfG den Gesetzgeber zum Schutz von Menschenwürde, Selbstbestimmungsrecht, Recht auf Privatheit und vor breiter pauschaler Verdächtigung mehrfach zurückpfeifen (BVerfG NJW 2004, 999; BVerfG NJW 2005, 2603; BVerfG NJW 2008, 822). c)
Kriminal- als Fiskalpolitik
A 68 Die hier in aller Kürze nachgezeichnete kriminal- und strafrechtspolitische Entwicklung spiegelt sich – trotz unverändert gebliebenen Schuldfähigkeits- und Einweisungsvoraussetzungen im Bereich der psychiatrischen Maßregel und trotz richterlicher Unabhängigkeit von (kriminal-)politischen Einflüssen – auch in harten Zahlen wider. So stiegen und steigen die Zahlen der zur Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB Abgeurteilten seit Mitte der 1990er Jahre bis in die jüngste Zeit, abgesehen von einem kleineren Rückgang in den Jahren 2005 und 2006, kontinuierlich an, s ausschnittsweise einige Jahre in der folgenden Tabelle: Jahr
Anzahl der zur Unterbringung gemäß § 63 StGB abgeurteilten Personen
1994
551
1997
739
2000
758
2003
876
2006
796
2007*
1.023
Tabelle 1: zur Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB abgeurteilte Personen; alte Bundesländer einschl. Gesamt-Berlin; * ab 2007: Deutschland: alte und neue Bundesländer zusammen (Quelle: Statistisches Bundesamt)
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Heinz Kammeier
II. Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland
Den tendenziell ansteigenden Zuweisungszahlen korrespondierten in den zurück- A 69 liegenden rund 15 Jahren Änderungen von Maßregelvollzugsgesetzen und neu erlassene Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel, die Rücknahmen von Freiheitsbeschränkungen (Lockerungen) restriktiver zu handhaben. So wurde die Gewährung von Lockerungen durch die allein hierfür zuständige Maßregelvollzugsbehörde (sc das psychiatrische Krankenhaus bzw die Entziehungsanstalt) zunehmend an besondere Zustimmungsvoraussetzungen der Vollstreckungs- oder der Aufsichtsbehörde (vgl Pollähne Rn F 91 ff) gebunden. Offensichtlich, aber ohne dass es hierfür empirische Nachweise gäbe, legten in den vergangenen Jahren auch die Strafvollstreckungskammern – mit oder ohne entsprechende Stellungnahmen der Vollzugseinrichtungen (?) – im Hinblick auf die von ihnen zu treffenden Entscheidungen über eine bedingte Aussetzung der Maßregel nach § 63 StGB eine größere Zurückhaltung als früher an den Tag. So nimmt es nicht Wunder, dass nicht nur die durchschnittlichen Unterbringungsdauern im Vollzug der psychiatrischen Maßregel signifikant anstiegen. Die Kombination aus erhöhten Zuweisungs- und geringeren Entlasszahlen sowie längeren Unterbringungsdauern (vgl Koller 2005a, 181, 188; Heinz W 2006; Müller-Isberner et al 2007) führte schließlich zu einem überproportionalen Anstieg der Bestandszahlen der nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Personen. Bezogen auf die entsprechende Bevölkerungszahl stiegen damit auch die Prävalenzraten drastisch an. Als Beispiele werden in der folgenden Tabelle ausgewählte Daten der letzten Jahre dargestellt: Jahr
Einwohner in 1.000
Untergebrachte nach § 63 StGB
Untergebrachte je 100.000 Einwohner (Prävalenz)
1994
69.479
2.724
3,9
1995
69.813
2.902
4,2
1997
70.114
3.216
4,6
2000
70.522
4.098
5,8
2003
69.007
5.118
7,4
2005
69.093
5.640
8,2
2006
69.071
5.917
8,6
2007
69.081
6.061
8,8
2008
68.973
6.287
9,1
Tabelle 2: Einwohner – Untergebrachte – Prävalenz Alle Zahlen (Einwohner wie Untergebrachte) beziehen sich ausschließlich auf das frühere Bundesgebiet einschl. Gesamt-Berlin Quelle: Statistisches Bundesamt/www.destatis.de; Fachserie 10, Reihen 3 und 4.1; Maßregelvollzugsstatistik; Strafvollzugsstatistik; eigene Berechnungen
Insgesamt lässt sich hieraus von 1994 bis 2008 eine Z unahme der nach § 63 StGB in A 70 einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Personen um 231% errechnen. Die besondere Herausforderung dieser Entwicklung bestand und besteht für die Länder nach wie vor darin, für diese Zuwächse an zu sichernden und zu behandelnden Patienten die entsprechenden Plätze in ihren Unterbringungseinrichtungen sowie das zusätzlich benötigte Fachpersonal in ausreichendem Maße bereit zu stellen. Aus diesem Grund wurden in fast allen Bundesländern seit der Jahrtausendwende Heinz Kammeier
19
A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
Programme zur Schaffung weiterer Behandlungsplätze in Neu- oder Umbauten forensischer Kliniken realisiert. A 71 Die Befriedigung des Bedarfszuwachses an Behandlungsplätzen führte aber nicht nur zu einer Steigerung der Anteile für die baulichen Investitionen in den Maßregelvollzugsetats der Länder. Darüber hinaus trug insbesondere auch die infolge erhöhter Platzzahlen als auch der angestiegenen durchschnittlichen Unterbringungsdauern notwendige Personalaufstockung in den Kliniken zu einem signifikanten Anstieg der Gesamtaufwendungen (vgl Kammeier 2002b) für den Maßregelvollzug bei. So nimmt es nicht Wunder, dass etwa ab Mitte dieses Jahrzehnts die Kostenstruktur des Maßregelvollzugs nicht nur auf zahlreichen forensischen Fachtagungen (vgl Kammeier/Benkert 2005; Rupprecht 2007, 209; Saimeh 2007, 212, 224) plötzlich auf den Tagesordnungen erschien, sondern auch Gegenstand einiger empirischer Untersuchungen wurde, vgl PricewaterhauseCoopers 2005; Hiersemenzel 2008 (für Bayern); Kammeier et al 2006 (für Hamburg); Ceus/Fogs 2005 (für Rheinland-Pfalz). A 72 Dabei galt die Aufmerksamkeit sowohl den Betriebskosten als auch den Gesamtbzw Fallkosten des einzelnen Patienten bis zu seiner Entlassung. Angesichts eines Personalkostenanteils von rund 75% an den Betriebskosten richteten sich die Diskussionen und administrativen Bemühungen vorwiegend darauf, diese Positionen zu mindern und Personal insgesamt effektiver einzusetzen. So wurden beispielsweise in einigen Maßregelvollzugseinrichtungen bauliche Vorkehrungen für einen Nachteinschluss der Patienten geschaffen, um die Nachtwachen und -bereitschaften erheblich reduzieren oder ganz abschaffen zu können: – technische Sicherung statt persönlicher Betreuung. Nicht nur, aber auch unter dem Aspekt der Kostensenkung und des effektiveren Personaleinsatzes wurden in einigen Kliniken (Longstay-)Stationen für eine Unterbringung sog Langzeitpatienten eingerichtet (vgl Lindemann 2002; Braasch 2006; ders 2007), bei denen kaum Aussicht auf eine Entlassung infolge Behandlung mit einhergehender Gefährlichkeitsreduktion gesehen wird. Auf solchen gesicherten Stationen spiegelt dann auch der Personaleinsatz das reduzierte Behandlungs- und Betreuungsangebot in der Kostenstruktur wider. Trotz des hier angesprochenen Anteils am Kostendruck auf die öffentlichen Haushalte, ist eine nachhaltige Diskussion über den Einsatz, das Maß und dann auch über eine Begrenzung des fiskalischen Aufwandes für diese psychisch kranken Rechtsbrecher, denen um des Schutzes der Allgemeinheit willen ein Sonderopfer an Freiheitsentzug abverlangt wird, bisher nicht wirklich in Gang gekommen. A 73 Um die kostenintensiven stationären Aufenthalte forensischer Patienten zu verkürzen und um insbesondere solchen Patienten eine fachlich qualifizierte Unterstützung bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft anzubieten, die eine solche Hilfe nicht über die Strukturen der Allgemein- und Gemeindepsychiatrie erfahren können, wurden in den vergangenen Jahren in zahlreichen Bundesländern sog Forensische (Instituts-) Ambulanzen eingerichtet. Hess kann hier als herausragendes Beispiel genannt werden (vgl Freese 2003; ders 2004), insofern es solche Ambulanzen seit Jahren flächendeckend für das ganze Land betreibt. Nicht zuletzt auf die wirksame Arbeit der Ambulanzen dürfte in diesem Bundesland auch eine relativ konstante durchschnittliche Unterbringungsdauer zurückzuführen sein, da eine solche gut organisierte Nachsorge sowohl eine erforderliche Nach-Behandlung im Blick behalten als auch zu einer raschen Krisenintervention zur Verfügung stehen kann. Diese „preiswerte“ Arbeit trägt nicht nur zur Begrenzung der Fallkosten bei, sondern sie leistet auch einen erheblichen Anteil an Rückfallprävention und damit an der Vermeidung potentiell neuer Opfer (Müller-Isberner et al 2007). A 74 Einer der grundlegendsten strukturellen Veränderungsprozesse unter der Überschrift „Kriminal- als Fiskalpolitik“ ist jedoch durch eine flächendeckende Privatisierung von Krankenhäusern sowohl der Allgemeinpsychiatrie als auch und gerade des Maßregelvollzugs seit der Jahrtausendwende in Gang gebracht worden. Zunächst 20
Heinz Kammeier
II. Maßregelrecht und Maßregelvollzug in der Bundesrepublik Deutschland
hat SaAn im Jahr 2000 seine psychiatrischen Kliniken auf eine gemeinnützige GmbH übertragen, eine Gesellschaft, die sich zwar in hundertprozentigem Landesbesitz befindet, aber in der Rechtsform eines privaten Unternehmens die mit dem Maßregelvollzug verbundenen hoheitlichen Aufgaben wahrnimmt. Thü ging im Jahr 2002 noch einen Schritt weiter und verkaufte seine landeseigenen psychiatrischen Kliniken an drei private Betreiber, darunter eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Natürlich üben auch sie mit der Übernahme des Maßregelvollzugs nunmehr hoheitliche Befugnisse aus. Weitere Bundesländer verfuhren in den Folgejahren ebenso: Bran, Bre, Hbg, MeVo, Nds und SH (zur gerichtlichen Überprüfung der Zulässigkeit hier vgl OLG Schleswig R&P 2006, 37 m Anm Baur). Auf den ersten Blick scheinen diese Privatisierungen öffentlicher Einrichtungen dem A 75 Trend eines Rückzugs des Staates aus wirtschaftlichen Unternehmungen wie beispielsweise vorher schon bei der Lufthansa und der Post (einschl Post-Bank und Telekommunikation) zu folgen. Dennoch gilt es im Bereich des Maßregelvollzugs zu bedenken, ob nur der Staat diese mit der Anwendung unmittelbaren Zwangs verbundene hoheitliche Aufgaben wahrnehmen darf, oder ob die Durchführung dieser Aufgabe nicht auch Privaten auf gesetzlicher Grundlage mit einem Beleihungsakt übertragen werden kann. Somit sind vor den fiskalischen Überlegungen Fragen nach den notwendigen Staatsaufgaben, denen sich der Staat nicht entledigen kann, nach dem in Art 33 IV GG normierten Funktionsvorbehalt sowie nach der demokratischen Legitimation hoheitlichen Handelns unter Einschluss von notwendigen Grundrechtseingriffen bei den Patienten des Maßregelvollzugs zu stellen und zu beantworten. Während von einigen (Kammeier 2004; Scherer 2007) eine Privatisierung dieser Art, A 76 nämlich der privaten Durchführung einer in staatlicher Hand verbleibenden öffentlichen Aufgabe, grundsätzlich für zulässig gehalten wird – ohne damit eine Aussage über eine diesbezügliche politische Opportunität zu treffen –, äußern andere erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken (Grünebaum 2006; Willenbruch/Bischoff 2006; Broß 2007; Pollähne 2008c). Als Ergebnis eines Normenkontrollverfahrens hat der niedersächsische Staatgerichtshof die in N ds vorgenommene Privatisierung des Maßregelvollzugs unter anderem mit der Zulässigkeit einer Ausnahme vom Funktionsvorbehalt des Art 60 S 1 NV, Art 33 IV GG für zulässig erklärt, allerdings gesetzgeberische Nachbesserungen hinsichtlich der demokratischen Legitimation der hoheitlich handelnden Personen verlangt (Nds Staatsgerichtshof R&P 2009, 99 mit Anm Baur; zu Privatisierungsfragen insgesamt vgl auch Baur Rn C 60 ff). Erste gesetzgeberische Konsequenzen aus dieser Entscheidung hat das Land Bran in seinem neuen PsychKG (GVBl 2009, 134) gezogen (Hauk 2009). Außer in Ansätzen (Knecht 2007) liegen bisher noch keine Evaluationen über die Ent- A 77 wicklung von Struktur- und Ergebnisqualität sowie der Gewährleistung der Rechtssicherheit der Maßregelvollzugspatienten angesichts der inzwischen über 2.000 privatisierten Behandlungsplätze des Maßregelvollzugs vor. Dass mit dem Verkauf bisher landeseigener psychiatrischer Kliniken an Private wenigstens etwas frisches Kapital für den defizitären Landeshaushalt akquiriert werden sollte, hat die Landesregierung von Nds offen eingeräumt. Eine vergleichbare Motivation kann sicher auch anderen Bundesländern unterstellt werden. Darüber hinaus kann vermutet werden, dass ein in manchen Bundesländern entstandener Reformstau hinsichtlich dringend notwendiger Investitionen und der Herstellung einer zeit- und damit funktionsgemäßen Ausstattung psychiatrischer Krankenhäuser zu der Erkenntnis geführt hat, dieser könne allein durch fiskalische, dh im Haushalt bereitzustellende Steuermittel, nicht mehr abgebaut werden. Eine Auflösung des Reformstaus könne privaten Betreibern, die sich die erforderlichen Finanzmittel auf dem freien Kapitalmarkt besorgen könnten, leichter fallen. Dennoch ist einer solchen Argumentation mit Skepsis zu begegnen. Denn auch wenn Investitionskosten zunächst über den KaHeinz Kammeier
21
A. Entstehung und Entwicklung von Maßregelrecht und Maßregelvollzug
pitalmarkt zur Verfügung gestellt werden, wird der Staat als Kostenträger des Maßregelvollzugs nicht wirklich entlastet. Auch die privat vorfinanzierten Investitionsaufwendungen müssen schließlich über einen Aufschlag auf die Betriebskosten durch den Fiskus refinanziert werden. A 78 Auf einen anderen möglichen Zusammenhang zwischen Kriminal- und Fiskalpolitik weist Pollähne (2007c, 386 ff) hin. Danach habe der Bundesgesetzgeber sein „Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht (v 13. 4. 2007, BGBl I, 513) und das „Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt“ (v 16. 7. 2007, BGBl I, 1327) unter anderem mit einem wachsenden Belegungsdruck und der Absicht begründet, die Kapazitäten im Maßregelvollzug besser und zielgerichteter zu nutzen, um damit der Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung zu dienen (BT-Drs 16/1993, 1). Entsprechend verfolgt offensichtlich die gleichzeitige Änderung des § 64 StGB das Ziel, Blockaden von Behandlungsplätzen durch weniger geeignete Personen, zB auch durch „ausreisepflichtige“ Ausländer (Heinhold 2006, 187 ff), abzubauen. Ob allerdings eine solche „kapazitätsorientierte Revision des Maßregelrechts“ (Pollähne 2007c, 390) den Unterbringungs- und Behandlungsproblemen des Vollzugs wirklich gerecht wird, muss einstweilen offen bleiben. Als Vermutung bleibt, dass die Privatisierung psychiatrischer Krankenhäuser und damit auch die Durchführung des Maßregelvollzugs mit nicht unwesentlichen Motiven dem Ziel dient, politische und rechtliche Verantwortlichkeiten weg von den Staats- und Ministerebenen und hin auf private Dritte zu verlagern. Dass diesem Weg bald auch eine Verlagerung der Amts- und der Staatshaftung auf die privaten Klinikbetreiber folgen könnte, deutet sich bereits an (vgl Hauk 2009).
22
Heinz Kammeier
I. Grundrechte
I. Grundrechte B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
Helmut Pollähne
B.
Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
Im Maßregelvollzug stehen die Grundrechte der Untergebrachten in einem sehr B 1 umfassenden Sinn ,auf dem Spiel‘. Jenseits der gerichtlichen Grundentscheidung zur Legitimation der Freiheitsentziehung (Art 104 II GG) in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt (§§ 62–64 StGB) und deren ggf zwangsweiser Realisierung im Rahmen der Vollstreckung (ausf NK-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 1 ff; Kamann Kap L) stellt der Vollzug dieser Maßregeln die verfassungs- und konventionsrechtlich garantierten Grundfreiheiten und Menschenrechte strukturell und institutionell in Frage. Totale Institutionen (wie auch und gerade der Maßregelvollzug) in ihrer faktischen Ausgestaltung als „besondere Gewaltverhältnisse“ (vgl Kammeier Rn A 47 ff und u Rn B 27 ff) laufen gerade dann, wenn sie – wie im Kontext der freiheitsentziehenden Maßregeln – nicht nur der Besserung, sondern vor allem der Sicherung der Allgemeinheit verpflichtet sind, Gefahr, die individuellen Rechte der Untergebrachten hintan zu stellen. Das ist kein Vorwurf an die für den Maßregelvollzug Verantwortlichen und in ihm Tätigen, sondern eine Mahnung, dass die Grundrechtsgefährdung in der forensischen Psychiatrie strukturell angelegt ist: „In einem Bereich, der wie der Maßregelvollzug – in einem gewissen Maße zwangsläufig – durch ein besonders hohes Machtgefälle zwischen den Beteiligten geprägt ist, sind die Grundrechte der Betroffenen naturgemäß besonderer Gefährdung ausgesetzt“ (Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 461 unter Verweis auf BVerfGK 7, 168 und Blau/Kammeier 1984, 51 ff und 113 ff sowie Lindemann 2004, 68 ff). Bevor in den weiteren Kapiteln einzelne Regelungsbereiche des Maßregelvollzugs- B 2 rechts vertieft werden, sind einleitend (gewissermaßen vor der Klammer) Grundlagen und Gestaltungsprinzipien herauszuarbeiten, die sich aus geltendem Verfassungsrecht (insb in seiner Ausgestaltung durch das BVerfG) sowie aus einschlägigen Menschenrechten und internationalen Standards ergeben. Der Maßregelvollzug ist eben nicht ,nur‘ seinem gesetzlichen Auftrag (Besserung und Sicherung, vgl Baur Rn C 10 ff) verpflichtet, sondern hat immer auch die möglichst weitgehende Realisierung resp Realisierbarkeit der Grundrechte innerhalb seiner Mauern zu gewährleisten. Gerade weil diese Rechte strukturell permanent bedroht sind (s o), muss eine besondere Grundrechtsensibilität herrschen; und gerade weil das Maßregelvollzugsrecht Grundrechtseingriffe in erheblichem Umfang und besondere Tiefe zulässt (vgl auch NdsVerfGH R&P 2009, 99 ff), müssen die Rechtsanwender mit diesen Eingriffsbefugnissen sorgfältig und zurückhaltend umgehen und die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit (Funktionalität, Subsidiarität und Proportionalität, vgl u Rn B 16 ff) besondere Beachtung finden. Zunächst gilt es, einige Prinzipien für die Anwendung des Maßregelvollzugs- B 3 rechts herauszuarbeiten: Ausgangspunkt muss – wie bereits dargelegt – die Geltung der Grundrechte im Maßregelvollzug sein und eine Verständigung über die Grenzen ihrer Einschränkungen (I.), sodann sind zentrale Kategorien und Gestaltungsprinzipien aufzulisten: Die entschädigungsrechtliche Bedeutung des Sonderopfers für das Allgemeinwohl (II.), das Prinzip „in dubio pro libertate“ im Hinblick auf maßregelvollzugsrechtliche Auslegungs-, Tatsachen- und Wertungszweifel (III.) und die Relevanz der Unschulds- und Ungefährlichkeitsvermutung (IV.), nicht zuletzt im kriminalprognostischen Kontext. In einem weiteren Schritt sind diese Prinzipien in ihrer Bedeutung für zentrale Re- B 4 gelungsbereiche des Maßregelvollzugsrechts zu vertiefen: im Bereich von Behandlung und Wiedereingliederung in puncto Rechtsansprüche und Abwehrrechte (V.), Helmut Pollähne
23
B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
für das Maß des Freiheitsentzuges in puncto Vollzugslockerungen (VI.) und im Komplex Sicherheit und Ordnung in puncto Legitimation von Grundrechtsbeschränkungen (VII.). B 5 Schließlich geht es um prozedurale Garantien im Bereich des Verfahrensrechts (VIII.) und des Rechtsschutzes (IX.) und um den Schutz der Menschenrechte (X.). Alles in Allem ein anspruchsvolles Programm, das den Verantwortlichen für den Maßregelvollzug (in Politik und Justiz) und den dort Beschäftigten jenseits der fachlichen Herausforderungen (schwierige Klientel, komplexer Auftrag, problematische Arbeitsbedingungen etc) viel abverlangt: Besserung und Sicherung, Behandlung, Betreuung und Rehabilitation an den „lege artis“ der forensischen Psychiatrie auszurichten, bedeutet eben auch, den Maßregelvollzug mit normativen Standards in Einklang zu bringen! B 6 Die vom BVerfG für den (dem Anspruch nach ähnlich spezialpräventiv ausgerichteten) Jugendstrafvollzug herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Minima verdienen auch im Maßregelvollzug Beachtung: „Die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Vollzuges müssen . . . auf sorgfältig ermittelten Annahmen und Prognosen über die Wirksamkeit unterschiedlicher Vollzugsgestaltungen und Behandlungsmaßnahmen beruhen. Der Gesetzgeber muss vorhandene Erkenntnisquellen, zu denen auch das in der Vollzugspraxis verfügbare Erfahrungswissen gehört, ausschöpfen und sich am Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse orientieren. Auf eine den grundrechtlichen Anforderungen nicht genügende Berücksichtigung vorhandener Erkenntnisse kann es hindeuten, wenn völkerrechtliche Vorgaben oder internationale Standards mit Menschenrechtsbezug nicht beachtet beziehungsweise unterschritten werden“ (Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 454 unter Bezug auf BVerfGE 116, 69; vgl Goerdeler/Pollähne 2007, 70 f und Rn B 135). Dies wirke auch in die Zukunft, denn mit Rücksicht auf das besonders hohe Gewicht der grundrechtlichen Belange, die durch den Vollzug berührt werden, sei der Gesetzgeber zur Beobachtung und nach Maßgabe der Beobachtungsergebnisse zur Nachbesserung verpflichtet: „Der Gesetzgeber muss daher sich selbst und den mit der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen befassten Behörden die Möglichkeit sichern, aus Erfahrungen mit der jeweiligen gesetzlichen Ausgestaltung des Vollzuges und der Art und Weise, in der die gesetzlichen Vorgaben angewendet werden, und dem Vergleich mit entsprechenden Erfahrungen außerhalb der eigenen räumlichen Kompetenzbereichs zu lernen“ (Lübbe-Wolff/Lindemann aaO). B 7 Über allem steht die Würde des Menschen, denn sie „zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Art 1 I GG, vgl auch Art 1 UN-Behindertenrechtskonvention): Der öffentlichen Gewalt ist danach „jede Behandlung verboten, die die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt. Durch das Sozialstaatsprinzip bekräftigt, schließt die Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde die Pflicht zu aktiver Gewährleistung der materiellen Mindestvoraussetzungen menschenwürdiger Existenz ein“ (BVerfG R&P 2008, 67 mwN). Für den Vollzug bedeutet dies, dass „die Voraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins dem Gefangenen auch in der Haft erhalten bleiben müssen und der Staat zu den dafür erforderlichen Leistungen verpflichtet ist“, was für den Maßregelvollzug selbstverständlich gleichermaßen gilt: „Kann aufgrund der besonderen Verhältnisse in einem bestimmten psychiatrischen Krankenhaus den Anforderungen, die sich aus der Pflicht zum Schutz der Menschenwürde ergeben, einem Untergebrachten gegenüber nicht entsprochen werden, so ist dieser in ein anderes Krankenhaus zu verlegen“ (BVerfG aaO mwN zum Problem der Zumutbarkeit zwangsweiser gemeinschaftlicher Unterbringung).
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Helmut Pollähne
I. Grundrechte
I.
Grundrechte
Spezielle Literatur: Alexy 2006; Hesse 1999; Lübbe-Wolff/Lindemann 2007; Pieroth/Schlink 2009; Schnapp 1983
Die Grundrechte des Grundgesetzes und der Landesverfassungen sind zwar eminent B 8 wichtig für den Rechtsstatus der Betroffenen, doch sind sie keine Bastionen, keine normativen Festungen. Solche Bilder führen in die Irre, denn die meisten Grundrechte stehen unter einem Gesetzesvorbehalt, der den Gesetzgeber zu Eingriffen in ihren Geltungsbereich ermächtigt. Danach ist mit der Feststellung, dass eine Maßnahme (zB das Verbot Besuch zu empfangen) in den Geltungsbereich eines Grundrechts eingreift (dazu Rn B 9 ff), noch nicht über deren Rechtswidrigkeit entschieden: Sie kann vielmehr trotzdem rechtmäßig sein, jedoch nur wenn das Grundrecht unter einem Gesetzesvorbehalt steht (Rn B 13 ff), wenn das einschränkende Gesetz den Vorbehalt und alle weiteren Grenzen der Einschränkbarkeit von Grundrechten wahrt (Rn B 18 ff) und wenn die Maßnahme verfassungskonform auf das einschränkende Gesetz gestützt werden kann (vgl BVerfG R&P 2008, 223). Unter Umständen ist sogar der Eingriff in ein Grundrecht, das unter keinem Gesetzesvorbehalt steht, rechtmäßig (Rn B 26 ff). 1.
Bestimmung der Geltungsbereiche von Grundrechten (Eingriff)
Die Ermittlung des Norm- oder Geltungsbereichs von Grundrechten (Schutzbe- B 9 reich), also die Bestimmung ihres sachlichen Gehalts, ist die Vorbedingung jeder Rechtmäßigkeitskontrolle von Maßnahmen, die den Untergebrachten belasten. Diese Aufgabe der Grundrechtsinterpretation muss vor allem dann erfüllt werden, wenn das Grundrecht, in das eine Maßnahme möglicherweise eingreifen würde, unter keinem Gesetzesvorbehalt steht: Ist eine Maßnahme zB als Verletzung der Menschenwürde (Art 1 I GG), der Freiheit des Glaubens, des Gewissens oder des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses (Art 4 I GG) oder der Kunst (Art 5 III GG) zu qualifizieren, kann sie nicht aus Gründen der Ordnung, Sicherheit oder Behandlung (die zentralen Gründe zur Einschränkung von Grundrechten in den Landesgesetzen) gerechtfertigt werden. Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass auch vorbehaltlose Grundrechte unter Umständen (zB bei einer Kollision mit anderen Grundrechten) eingeschränkt werden können (dazu Rn B 26 ff). Doch auch auf der Basis dieser Auffassung ist es notwendig, zunächst den Normbereich des Grundrechts, dessen Verletzung infrage steht, zu bestimmen, um die Rechtfertigung der Maßnahme kontrollieren zu können. Unter dem Aspekt der Rechtfertigungslast ist es ein Unterschied, ob eine Maßnahme B 10 als rechtmäßig gelten soll, weil sie keinen grundrechtlichen Schutzbereich tangiert, oder weil sie zwar einen Normbereich betrifft, aber aufgrund eines Gesetzes oder gar – ausnahmsweise – ohne gesetzliche Grundlage erlaubt ist. Mit der Interpretation des Normbereichs ist oft die Frage verwoben, ob überhaupt von einem Eingriff gesprochen werden kann (vgl zur „Maßnahme“-Qualität iSd § 109 StVollzG auch Rn B 131). Dieser Begriff wird überwiegend weit gefasst: So ist nicht entscheidend, ob die Grundrechtsausübung absichtlich oder unabsichtlich versperrt oder behindert wird, ob die Sperre oder Behinderung unmittelbare oder nur mittelbare Folge staatlichen Handelns ist und ob dieses Handeln in Rechtsform (als Rechtsakt) vonstatten geht oder eine schlichte Tatsache bzw eine reale Handlung ist (Realakt, vgl Pieroth/ Schlink 2009, 62. Aufgrund dieser Weite des Begriffs kann sich die Frage, ob überhaupt von einem B 11 Eingriff zu sprechen ist (vgl auch BVerfG R&P 2007, 211: persönlichkeitsrechtsverletzender Stationsaushang), mit der Frage überschneiden, ob Grundrechte – neben ihrer klassischen Aufgabe der Abwehr ungesetzlichen Zwanges – auch Ansprüche auf Leistungen vermitteln können. In einem Beispiel: Einem Untergebrachten wird zwar nicht verboten Pakete zu verschicken, aber sein Eigengeld wird so knapp bemessen, dass er keine Waren zum Verschicken kaufen kann. Verneint man auch einen Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
Eingriff (in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art 2 I GG, im Sinne des BVerfG als „allgemeine Handlungsfreiheit“ verstanden), so kann der Untergebrachte doch einen Anspruch auf Leistungen haben, die ihm die Wahrnehmung des Grundrechts (Pakete zu verschicken) – zumindest in einem dem Wesensgehalt des Grundrechts (Art 19 II GG) entsprechenden Maße – überhaupt erst ermöglichen (dazu noch Rn B 20 ff). 2.
Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie
B 12 Kann von einem Grundrechtseingriff gesprochen werden, ist die weitere Frage, ob das Grundrecht unter einem Gesetzesvorbehalt steht. Das Grundgesetz enthält einfache und qualifizierte Vorbehalte; letztere legen inhaltliche Anforderungen an einschränkende Gesetze fest (zB Art 13 III GG). Anforderungen an den Regelungsgehalt des einschränkenden Gesetzes ergeben sich weiterhin aus der sog Wesentlichkeitstheorie, wonach der Gesetzgeber „in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst“ zu treffen hat (BVerfGE 61, 260, 275; unklar BVerfG NStZ-RR 2008, 389 bzgl Taschengeldgewährung zur Sicherung der „Mindestvoraussetzungen menschlicher Existenz“ im Maßregelvollzug und R&P 2008, 67 bzgl Haftraumbelegung), und zwar in einer Weise, die auch den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normenklarheit gerecht wird: „Diese Anforderung gilt unabhängig von den guten oder sogar zwingenden sachlichen Gründen, die für den Eingriff sprechen mögen“ (BVerfG R&P 2008, 46, vgl auch BVerfGK 8, 183 zur gesetzlichen Grundlage für Weisungen zur Schweigepflichtentbindung nach Entlassung aus dem Maßregelvollzug). Damit wird primär die Notwendigkeit parlamentarischer Legitimation politischer Entscheidungen über den Geltungsbereich von Grundrechten hinaus auf alle grundlegenden normativen Bereiche erstreckt, sofern diese Entscheidungen wesentlich sind. Insoweit ergänzt die Wesentlichkeitstheorie die speziell für Verordnungsermächtigungen geltenden Anforderungen nach Art 80 I 2 GG sowie das Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit von Gesetzen und wird damit zugleich für den engeren Bereich der Grundrechtswahrnehmung relevant: Das Parlament darf das einschränkende Gesetz nicht in der Weise fassen, dass die wesentlichen Entscheidungen letztlich an die „gesetzesausführende Verwaltung“ (hier: die Maßregelvollzugseinrichtungen, vgl BVerfG R&P 2008, 46) delegiert werden. B 13 Bemisst man im Falle von Grundrechtseinschränkungen die Wesentlichkeit der Entscheidungen nach der Intensität des Grundrechtseingriffs, die nach dem einschränkenden Gesetz maximal erlaubt ist (ähnlich Pieroth/Schlink 2009, 66 wird die Trias der Eingriffsrechtfertigungen Sicherheit, Ordnung und Behandlung besonders kritisch zu prüfen sein. So ist zB der Gesetzesbegriff der Ordnung strukturell eine Delegationsnorm, durch die die Aufgabe, die maßgeblichen Ordnungskonzepte zu bestimmen, auf die Verwaltung übertragen wird; Eingriffe, die unter Rekurs auf diesen Begriff begründet werden sollen, können wegen ihrer Intensität gleichwohl als „wesentlich“ zu qualifizieren sein mit der Folge, dass sie durch die Delegationsnorm nicht mehr adäquat legitimiert werden. B 14 Die Maßregelkrankenhäuser brauchen somit für alle Eingriffe in die Grundrechte der Patienten (vgl Rn B 10), die sie im Einzelfall für erforderlich halten, gesetzliche Ermächtigungen (missv BVerfG NStZ-RR 2002, 122); die Landesgesetzgeber haben denn auch versucht, dem nachzukommen. Wo sie darauf verzichtet haben, einen Eingriffstatbestand zu formulieren, ist der entsprechende Eingriff unzulässig (vgl Rzepka Rn H 8 ff, auch zur Problematik von Generalklauseln). Da die Landesgesetze zB keine Disziplinarmaßnahmen bei schuldhaftem Fehlverhalten vorsehen (Ausnahme jetzt Thü § 23 II, s Rzepka Rn H 3), dürfen solche Maßnahmen – die in der Regel mindestens einen Eingriff in das allgemeine Freiheitsrecht aus Art 2 I GG darstellen – auch nicht ergriffen werden (ausf Lindemann 2004, auch mit Vorschlägen de lege 26
Helmut Pollähne
I. Grundrechte
ferenda aaO S 280 ff; vgl BVerfGK 9, 460 und R&P 2008, 46). Dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip „Nicht mehr als nötig, so wenig wie möglich“ bei sämtlichen Eingriffen in die Rechte der Patienten zum Tragen kommt, macht es erforderlich, in den Landesgesetzen zum Maßregelvollzug nicht nur die Eingriffe sondern zugleich auch deren Voraussetzungen und Grenzen zu bestimmen. Entgegen der Gesetzessystematik zahlreicher Regelwerke und einer verbreiteten B 15 Binnenlogik totaler Institutionen werden auch den Maßregelvollzugs-Patienten (zum Strafvollzug AK-StVollzG-Feest/Lesting vor § 1 Rn 5) die Grundrechte weder von den Landesgesetzgebern noch gar von den Kliniken „gewährt“, sie werden vielmehr in die Kliniken „mitgebracht“ – ihre Ausübung steht grundsätzlich unter keinem Erlaubnisvorbehalt (vgl auch OLG Hamm R&P 2004, 167 m Anm Pollähne). Die Grundrechtsmündigkeit psychisch Kranker ist inzwischen (exempl für historisch überholte Debatten Zutt 1951, vgl Haddenbrock 1972, 1393 ff) weithin unbestritten, weshalb sie sich auch selbst gegen Eingriffe in diese Grundrechte verteidigen können (grundl BVerfGE 10, 302, vgl Dunz 1960 und OLG Koblenz R&P 1987, 147; diff OLG Hamm R&P 1987, 36 m abl Anm Volckart; vgl auch Marschner/Volckart 2001 Rn B 160). 3.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Wesensgehaltsgarantie
Durch die Wesentlichkeitstheorie wird die durch einen Gesetzesvorbehalt begründe- B 16 te Befugnis des Gesetzgebers zur Einschränkung von Grundrechten also ihrerseits eingeschränkt. Eine weitere Einschränkung (sog „Schranken-Schranke“) ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dessen Geltung ergibt sich nach dem BVerfG „aus dem Rechtsstaatsprinzip, im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur soweit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist“ (BVerfGE 19, 342, 349; ausf Dessecker 2004, 331 ff). Aus diesem Grundsatz werden gemeinhin drei Gebote abgeleitet: Eine staatliche B 17 Maßnahme, in diesem Fall ein grundrechtseinschränkendes Gesetz (zu Einzelmaßnahmen Rn B 19 ff), muss – als Mittel gedacht – zur Erreichung des mit diesem Mittel verfolgten legitimen Zwecks geeignet sein (Funktionalität); sie muss darüberhinaus erforderlich sein, also durch keine weniger intensive Einschränkung ersetzbar (Subsidiarität); schließlich muss ein angemessenes Verhältnis zwischen der Bedeutung (dem Rang bzw der Wertigkeit) des mit der Einschränkung bezweckten öffentlichen Interesses und der Einschränkung selbst bestehen (Proportionalität; vgl Schnapp 1983). Die verfassungsrechtlich fundierten Prinzipien der Verhältnismäßigkeit – Legiti- B 18 mität (Gesetzlichkeit), Funktionalität (Geeignetheit), Subsidiarität (Erforderlichkeit) und Proportionalität (Angemessenheit/Übermaßverbot) – beherrschen nicht nur die Anordnung der Unterbringung (partiell bestätigt und konkretisiert in § 62 StGB; grundl Dessecker 2004, vgl BVerfGE 109, 133, 157 ff) und deren Vollstreckung (grundl BVerfGE 70, 297 ff und Kruis 1998), sondern auch den Vollzug. Jenseits der Anordnung ist die Verhältnismäßigkeit im Maßregelrecht gerade durch das Verfahren und den Vollzug zu gewährleisten (BVerfG R&P 2005, 198), wobei Berücksichtigung finden muss, dass Maßregelanordnung, -vollstreckung und -vollzug als Sonderopfer für den Schutz der Allgemeinheit soziale Ausgleichsansprüche begründen (vgl Rn B 36 ff). Legitimität bedeutet insoweit nicht nur, dass Maßnahmen gegen den Willen des Be- B 19 troffenen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen (eindringlich das Sondervotum in BVerfGE 109, 190, 252 f), sondern im Schutzbereich des Art 104 II GG auch dem Richtervorbehalt unterliegen (vgl auch BVerfG StV 2006, 420 zur sog Organisationshaft). Dies muss sowohl im Vollzugsrecht Beachtung finden (vgl nur Pollähne Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
Rn F 54, 57, 78 f) als auch bei der Begrenzung vollstreckungsbehördlicher Kompetenzen. B 20 Die Funktionalität der jeweiligen Maßregel ist abstrakt durch den Gesetzgeber (dazu BVerfGE 109, 190, 240) und konkret durch das Einweisungsurteil nur ansatzweise vorab entschieden: Vorausgesetzt, dass das Sicherungsbedürfnis (iSv Einschließung) in allen freiheitsentziehenden Maßregeln gleichermaßen zu gewährleisten ist (zur Entweichungsvorsorge vgl Pollähne Rn F 72), kann sich im weiteren Vollstreckungsverlauf durchaus die Ungeeignetheit der angeordneten Unterbringung im Sinne optimaler Resozialisierung ergeben (Rn B 69 ff). Während der Gesetzgeber für diesen Fall die Erledigung einer Unterbringung nach § 64 StGB vorsieht (§ 67d V StGB), ermöglicht die nachträgliche Erledigung des § 63 StGB (gemäß § 67d VI StGB) nur eng begrenzte Korrekturen. In geeigneten Fällen kann sich daneben die Erforderlichkeit einer Überweisung in den „förderlicheren“ Maßregelvollzug ergeben (§ 67a StGB; ausf NK-Pollähne/Böllinger § 67a Rn 4 und 11 ff). Die konkrete und aktuelle Eignung der vollzogenen Maßregel ist beständig zu überprüfen, gerade auch durch die Behandler: Bei Zweifeln ist entweder nach maßregelinternen Optimierungen zu suchen (ggf qua Verlegung, vgl BVerfG R&P 2008, 67) oder nach externen Alternativen, denn der Vollzug einer zur Zweckerreichung ungeeigneten Maßregel erweist sich im weiteren Verlauf auch als unzumutbar (s u; vgl auch BVerfG NStZ-RR 2002, 122: mangels Erforderlichkeit könne die Vollstreckung der Begleitstrafe Vorrang genießen). Selbstverständlich sind auch im Vollzug – zumal gegen den Willen des Patienten – nur geeignete Maßnahmen (gemessen an dem jeweils legitimen Zweck) zulässig. B 21 Das Subsidiaritätsprinzip (allg Pollähne 2004c mwN) fordert beständig dazu auf, nach milderen Mitteln der Zweckerreichung zu suchen (Meier 2006, 300; Theune 2009, 242): Kam die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung zugleich mit der Anordnung noch nicht in Betracht (§ 67b StGB), stellt sich die Frage regelmäßig im Rahmen jeder sog Fortdauerentscheidung (§ 67e I StGB). Dabei geht es um die Beachtung des Übermaßverbots (s u) ebenso wie um die – materiell wie prozedural abzusteckenden – Grenzen des Zumutbaren (BVerfGE 109, 133, 159). Explizite Berücksichtigung findet das Subsidiaritätsprinzip auf der Anordnungsebene zudem bei der Prüfung einer etwaigen Verbindung von Maßregeln (§ 72 I StGB): Von „mehreren geeigneten Maßregeln [ist] denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren“ (vgl BayObLG NStZ-RR 2004, 295). Dieses eher versteckt angebrachte Prinzip (vgl auch § 54 II StVollstrO) verdient Beachtung nicht nur im gesamten Vollstreckungsrecht und insb im Abgleich strafrechtlicher mit außerstrafrechtlichen und stationärer mit ambulanten Maßnahmen (vgl BVerfGE 109, 190, 248), sondern auch im Vollzug: Eingriffe sind nicht primär im Sinne maximaler Zweckerreichung auszuwählen, sondern im Hinblick auf die Beschwernis im Sinne minimaler Erforderlichkeit. Auch hier ist der Vollzug beständig aufgefordert zu prüfen, ob und ggf in welchem Maß die Freiheitsentziehung in der konkreten Maßregel noch erforderlich ist, womit insb das Instrumentarium der Vollzugslockerungen in den Blick gerät (vgl Kap F). B 22 Die Proportionalität der Maßregeln (ausf Dessecker 2004) und ihrer Vollstreckung ist im Rahmen des Aktualitätsprinzips regelmäßig zu überprüfen, wobei mit zunehmender Unterbringungsdauer die Anforderungen an die anderen Parameter der speziellen Maßregel-Proportionalität – Bedeutung der Anlass- und Symptomtaten sowie Grad der Gefahr (§ 62 StGB) – steigen (grundl BVerfGE 70, 297 zur „je länger desto strenger“-Formel, vgl auch Kruis 1998, 96). Erweist sich die weitere Vollstreckung der Maßregel in dieser Hinsicht als nicht mehr a ngemessen und daher unverhältnismäßig (wobei die Anlasstaten nicht aus dem Blick geraten dürfen, probl insofern BVerfG R&P 2005, 79 m Anm Volckart), ist sie im Wege der Erledigung endgültig abzubrechen: Während dies nur für die Unterbringung nach § 63 explizit gesetzlich normiert wurde (§ 67d VI 1 Alt 2 StGB), ist im Übrigen auf § 67c II 5 StGB zurückzugreifen (vgl 28
Helmut Pollähne
I. Grundrechte
NK-Pollähne/Böllinger § 67c Rn 31 und zum Vorrang der Erledigung gegenüber der Aussetzung § 67d Rn 26). Als übergeordnetes Prinzip muss schließlich bei allen Vollstreckungsentscheidungen die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein (vgl speziell zum Widerruf Pollähne/Böllinger aaO § 67g Rn 13 ff), nicht zuletzt um einer „Maßlosigkeit“ des Maßregelrechts vorzubeugen (ebenso beeindruckend wie bedrückend die Fallstudie von Meyer-Mews 2005, vgl auch Rode et al 2007). Gerade die Unterbringung nach § 63 StGB läuft immer mehr darauf hinaus, länger vollzogen zu werden als eine tatschuldangemessene Freiheitsstrafe (bzw über den gesetzlichen Strafrahmen hinaus) und zugleich deutlich länger als die ggf indizierte stationäre Therapie (Dessecker 2004, 398, aktuelle Zahlen bei ders 2008). Der Vollzug ist beständig – und mit zunehmender Unterbringungsdauer verstärkt – aufgefordert, einer solchen Entwicklung (auch vollzugspolitisch, vor allem aber im Einzelfall) entgegenzuwirken; die Gerichte sind aufgefordert, ihm eine dahingehende Rechenschaft abzuverlangen! Der garantierte Wesensgehalt der Grundrechte (Art 19 II GG) ist eine weitere Gren- B 23 ze ihrer Einschränkbarkeit. Für die sog relative Theorie ist diese Garantie allerdings mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, dem Proportionalitätsprinzip, identisch, denn danach wäre der Wesensgehalt eines Grundrechts nur dann angetastet, wenn im Einzelfall in ein Grundrecht eingegriffen wird, obwohl dem Zweck dieses Eingriffs ein geringerer Rang als der Grundrechtsausübung zuzuerkennen ist (vgl Pieroth/Schlink 2009, 73). Die Wesensgehaltsgarantie ist aber, schon aus methodischen Gründen, in einer B 24 Weise zu interpretieren, die ihr eine selbständige Bedeutung sichert. Die Anerkennung einer objektiven Grenze der Relativierbarkeit von Grundrechten, also eines Kernbereichs, der von keinem öffentlichen Interesse aufgewogen werden kann, ist auch sachlich geboten: Grundrechte und Gemeinwohl sind keine Gegensätze, denn durch die vollständige Aufopferung von Grundrechten kann kein Gemeinwohl im Sinne des Grundgesetzes entstehen. Wie gegen eine Radikalisierung utilitaristischen Denkens wendet sich die Wesensgehaltsgarantie zugleich gegen eine vollends verwaltete Gesellschaft – für Personen in geschlossenen Einrichtungen („totale Institutionen“) von greifbarer Brisanz. In Verbindung mit einer Grundrechtsdogmatik, nach der Grundrechte nicht allein Abwehrrechte sind, sondern auch Schutzpflichten des Staates erzeugen und Ansprüche auf Teilhabe und Leistungen vermitteln können (vgl Alexy 2006, 395 ff), folgt aus der Wesensgehaltsgarantie das Gebot, einer Verkümmerung von Grundrechten in geschlossenen Einrichtungen entgegenzuwirken. Am Beispiel der Freiheit der Person (Art 2 II GG), des Grundrechts auf Bewegungsfreiheit: Ein Untergebrachter darf, auch wenn er als besonders gefährlich gilt, nicht in einem Kreislauf von Isolation, Fixierung und pharmakologischer Ruhigstellung verbleiben. Soweit es möglich ist, Bedingungen für eine freiere Lebensweise innerhalb der Einrichtung zu schaffen, sind die dafür nötigen materiellen und personellen Ressourcen bereitzustellen und einzusetzen, zumindest in dem Umfang, den die faktische Sicherung des Wesensgehalts des Grundrechts erfordert; dies wird um so vordringlicher, je länger die Unterbringung dauert (vgl Rn B 43 f). 4.
Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt
Fehlt ein Gesetzesvorbehalt (s Rn B 9 f), gibt es von Verfassungs wegen keine Mög- B 25 lichkeit der gesetzlichen Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen. Dem BVerfG zufolge sollen allerdings „kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte“ mit Rücksicht auf „die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung“ ausnahmsweise imstande sein, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen (BVerfGE 28, 243, 261). Soweit es um Grundrechtskollisionen geht, könnte man annehmen, dass der Wahrnehmung eines vorbehaltlosen Grundrechts allemal der Vorrang vor der Ausübung eines Grundrechts, das mit einem Vorbehalt versehen ist, Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
zukommt. Doch den Grundrechten sind Gesetzesvorbehalte offenbar allein in der Erwartung zugeordnet worden, dass mögliche öffentliche Interessen Einschränkungen rechtfertigen können, also nicht mit Blick auf mögliche Kollisionen mit anderen Grundrechten. Danach wird der Geltungsbereich vorbehaltloser Grundrechte im Einzelfall durch kollidierende Grundrechte eingeschränkt werden können, mag die Grenzziehung im konkreten Einzelfall auch schwierig sein. B 26 Weitaus problematischer ist es, auch für andere Rechtswerte mit Verfassungsrang diese einschränkende Wirkung anzuerkennen. Sofern es um Institutionen wie zB die Maßregelvollzugseinrichtungen geht, besteht die Gefahr, dass deren „Funktionsfähigkeit“ (so das BVerfG [s o] im Hinblick auf die Bundeswehr) zu einer immanenten Schranke vorbehaltloser Grundrechte wird, weil die F unktionsfähigkeit einer Einrichtung durch exekutive und politische Entscheidungen (vgl BVerfG StV 2008, 259: „vollzugspolitische Zweckmäßigkeiten“) determiniert wird. Der Geltungsbereich der Grundrechte wird jedoch nicht durch die politisch vorbestimmte Funktionsfähigkeit von Institutionen festgelegt, vielmehr haben diese die Wahrnehmung der Grundrechte und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Danach wäre es verfassungswidrig, unter Berufung auf den Gesetzesbegriff der „Ordnung der Einrichtung“ (s Rn B 94) in ein vorbehaltloses Grundrecht einzugreifen, in der Meinung, vermeintliche Notwendigkeiten ihrer Funktionsfähigkeit – als käme ihr ein eigener, gar gleichrangiger Verfassungsrang zu – könnten diesen Eingriff legitimieren. Gerade weil ,totale Institutionen‘ systemimmanent dazu tendieren, sich selbst zu verabsolutieren, indem ihre institutionelle Binnenlogik zum Maß der Dinge wird, drohen die Grundrechte ihrer Insassen dieser strukturellen Gewalt zu unterliegen; das Recht und die Justiz sind dazu berufen, dieser Gefahr zu begegnen, nicht zuletzt zur Legitimation solcher Institutionen in einem Rechtsstaat. B 27 In diesen Zusammenhang gehört auch die Lehre, nach der in sog Sonderstatusverhältnissen (früher: „besondere Gewaltverhältnisse“) Grundrechte implizit eingeschränkt, wenn nicht gar aufgehoben sein sollen: Nach der grundlegenden Entscheidung des BVerfG zu diesem Thema (E 33,1) ist klar, dass Grundrechte auch in diesen „Verhältnissen“ nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können, sofern sie unter einem Gesetzesvorbehalt stehen. Wenn gleichwohl die Auffassung vertreten wird, dass Sonderstatusverhältnisse, sofern sie zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören, vorbehaltlose Grundrechte immanent begrenzen (vgl Hesse 1999, 146 f), ist dies aus den oben genannten Gründen abzulehnen; die Rechtsfigur des Sonderstatusverhältnisses (oder besonderen Gewaltverhältnisses) ist und bleibt überflüssig und gefährlich. Entsprechendes gilt für die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes: Die Grundrechte der Untergebrachten „unterliegen zwar erheblich weiter gehenden Einschränkungen als die Grundrechte von Personen in Freiheit, weil und soweit es für solche Einschränkungen rechtfertigende sachliche Gründe gibt“, das ändert aber nichts an ihrer Grundrechtsträgerschaft „und den sich daraus ergebenden Anforderungen an den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Grundrechtseingriffe“; in seiner Eigenschaft als Träger von Grundrechten unterscheidet sich der Untergebrachte von Anderen jedoch „weder dadurch, dass seine Grundrechte von vorneherein einen engeren Schutzbereich hätten, noch hinsichtlich des Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage und ausreichender rechtfertigender Gründe für Eingriffe in seine Grundrechte“, denn das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für solche Eingriffe besteht „unabhängig von den guten oder sogar zwingenden sachlichen Gründen, die für den Eingriff sprechen mögen“ (Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 454 unter Verweis auf einschlägige BVerfG-Entscheidungen). 5.
Grundrechte im „besonderen Arztgewaltverhältnis“
B 28 Wenn psychisch Kranke den Therapeuten vertrauen und sich eigenverantwortlich und freiwillig auf die Behandlung einlassen, bedarf ihr Verhältnis keiner weiteren 30
Helmut Pollähne
I. Grundrechte
gesetzlichen Regelungen. Solche eigenverantwortliche Freiwilligkeit ist aber im Maßregelvollzug (wie auch bei anders begründetem psychiatrischen Freiheitsentzug, ausf Marschner/Volckart 2001, 65 ff und Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann 2005, 495 ff) die Ausnahme. Das Leben der Patienten ist über den bloßen Freiheitsentzug hinaus vielmehr durch zahlreiche Reglementierungen, Kontrollen und Eingriffsmöglichkeiten geprägt. Zumeist handelt es sich dabei um Eingriffe in Grundrechte: in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (vgl BVerfG StraFo 2009, 379 f), auf körperliche Unversehrtheit, zu freier Meinungsäußerung (BVerfG aaO) und freier Unterrichtung (vgl BVerfG StV 2008, 259 zur Nachtstromsperre, ebenso LG Stendal R&P 2005, 36 m Anm Wagner), gelegentlich das Recht auf ungehinderten Umgang mit Angehörigen (BVerfG R&P 2008, 223), auf Versammlungsfreiheit, Briefgeheimnis, Berufsfreiheit und – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – das Recht auf wirtschaftliche Privatautonomie (Artt. 2, 5, 6, 8, 10, 12, 14 GG; zur Umsetzung des Zitiergebots gemäß Art 19 I 2 GG in den Landesgesetzen Baur Rn C 46 f). Die erwähnten Grundrechtseingriffe – einschließlich einer evtl Zwangsbehandlung – B 29 brauchen eine rechtfertigende Grundlage in einem Gesetz (Gesetzesvorbehalt, s Rn B 12). Die früher zur Rechtfertigung herangezogene Rechtsfigur des „besonderen Gewaltverhältnisses“ mag die realen Zustände zwar bisweilen treffend beschreiben, hat sich aber längst als verfassungswidriger juristischer Kunstgriff erwiesen (s Rn B 27). Diese vom BVerfG für den Strafvollzug ausgesprochene Erkenntnis gilt auch für den Maßregelvollzug uneingeschränkt (Kammeier 1996, 182 und Lindemann 2004, 62 ff mwN, vgl auch Schöch 2004, 407 ff) und ebenso selbstverständlich für therapeutische Maßnahmen im engeren Sinn: Versuche, in Anknüpfung an die repressive Tradition der Psychiatrie ein „besonderes Arztgewaltverhältnis“ zu legitimieren, sind abzulehnen (vgl Lindemann aaO S 68 ff). Dass die Fixierung eines unruhigen Patienten ans Bett zB immer schon als „psychiatrische Behandlungsmethode“ galt, macht sie (noch) nicht zulässig – auch dafür wird eine gesetzliche Regelung gebraucht (dazu Rzepka Rn H 100 ff; zu begrenzten Ausnahmebefugnissen in Notfällen – insb §§ 32, 34, 323c StGB – vgl Volckart/Grünebaum 2009, 227 f und Wagner Rn D 150 f mwN). Existierende gesetzliche Regelungen müssen justiziabel sein, was gefährdet erscheint, wenn den ärztlich Verantwortlichen (vgl § 136 S 1 StVollzG) eine „Einschätzungsprärogative“ zugebilligt wird, um ihnen einen „Handlungsspielraum“ zu eröffnen, der „der strafrechtlichen Beurteilung entzogen“ ist, indem nurmehr darauf abgestellt wird, ob eine Maßnahme „aus erkennbar sachwidrigen Erwägungen ergriffen oder in ihrer Intensität objektiv willkürlich“ war (insoweit nicht unprobl OLG Hamburg R&P 2000, 41; exempl zur Justiziabilität auch OLG Karlsruhe R&P 2000, 140 m Anm Volckart und OLG Jena R&P 2004, 109). 6.
Besondere Probleme bei der Auslegung der Landesgesetze
Auch wenn die zuvor genannten Bedingungen einer zulässigen Einschränkung von B 30 Grundrechten im Einzelfall erfüllt sind, ist bei der Auslegung der Landesgesetze folgender Zusammenhang zu beachten: Die Gesamtheit der Grundrechte sollte als Leitbild sozialer Kompetenz verstanden werden. Sie spiegeln das Bild eines Bürgers wider, der sich in seinem Handeln sowohl von Tugenden des Gemeinsinns als auch von dem Wunsch nach einem privaten Leben und nach persönlicher Kommunikation leiten lässt. Jedem Kriterium, nach dem die Behandlungsbedürftigkeit eines Menschen bemessen wird, liegt unweigerlich eine normative Idee sozialer Kompetenz zugrunde. Entsprechendes gilt für die Begriffe der Ordnung und der Sicherheit der Einrichtung: Es kommt darauf an, wie die Entfaltung der sozialen Kompetenz des einen zugleich mit der aller anderen Menschen innerhalb der Einrichtung gewährleistet werden kann. Danach wäre es falsch, die Grundrechte als Hindernisse zu begreifen, die einer Be- B 31 handlung der Patienten und/oder der Ordnung der Einrichtung im Wege stehen. Im Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
Gegenteil: Die Grundrechte enthalten selbst das Leitbild, vor dem sich Behauptungen sowohl der Behandlungsbedürftigkeit als auch der Erforderlichkeit von Maßnahmen gegen eine Störung der Ordnung rechtfertigen müssen (vgl Rn B 91 ff). Wer sich als Untergebrachter auf sein Recht auf Kommunikation oder auf sein Recht auf Privatheit beruft, ist prima vista auf dem Weg der Besserung; soll diese Berufung aus Gründen der Behandlung zurückgewiesen oder der Grundrechtswahrnehmung die Ordnung der Einrichtung entgegenhalten werden, ist darzulegen, warum Behandlung resp Ordnung auch normativ geeignet sind, die grundrechtlich geschützten Individualinteressen hinter sich zu lassen. Durch das einschränkende Gesetz wird der Geltungsanspruch des Grundrechts allenfalls relativiert, nicht aber suspendiert, als käme es nur noch darauf an, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines Eingriffs erfüllt sind. Vielmehr ist wiederum der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere das Proportionalitätsprinzip, zu beachten: Das Interesse oder Rechtsgut, das in jenen Voraussetzungen benannt wird, ist nunmehr in seiner konkreten Gestalt daraufhin zu beurteilen, ob es so gewichtig ist, dass die Wahrnehmung des Grundrechts zurückstehen muss (zu daran ggf anknüpfenden Kompensationsansprüchen vgl Rn B 40 ff). B 32 Besondere Probleme der Grundrechtsgeltung im Maßregelvollzug resultieren aus der Interpretationsoffenheit zentraler Begriffe, mit denen die Gesetze die Gründe zur Legitimation von Grundrechtseingriffen beschreiben. So verweist der Begriff der Behandlung, wie erwähnt, auf theoretische und normative Konzepte, aus denen sich Kriterien für die Bestimmung der Behandlungsbedürftigkeit wie des Gelingens therapeutischer Prozesse ableiten lassen. Unter dem Gesichtspunkt der Legitimation eines Grundrechtseingriffs wird damit die Frage entscheidend, in welcher Weise die Interpretationsherrschaft organisiert ist, kraft derer sich eines von mehreren dieser Konzepte in der Praxis durchsetzen kann. Ein weiterer Typ von Problemen resultiert aus der Tatsache, dass die einschränkenden Gesetze nicht selten G efahreinschätzungen verlangen, zB die Feststellung einer Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen bei der Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen (räumliche Isolierung, Fesselung etc, dazu Rzepka Rn H 82, H 108 ff. Hier ist die Grundrechtsgeltung unmittelbar davon abhängig, nach welchen Kriterien – und in welchem Verfahren – einem Umstand die Eigenschaft zugesprochen wird, ein relevanter Indikator der jeweiligen Gefahr zu sein. Durch Verhinderung der Grundrechtsausübung wird dem Betroffenen zugleich verwehrt, die Indikator-Qualität zu bewahrheiten oder zu dementieren – ein Dilemma jeder grundrechtsrelevanten Prognoseentscheidung: Die Zuschreibung gefahrenprognostischer Relevanz zu Tatsachen bestimmter Art muss deshalb zumindest generell, also unabhängig vom Einzelfall erfolgen (vgl Kühl/Schumann 1989). 7.
Hoheitsrechte und Privatisierung
B 33 Beim Vollzug der Freiheitsentziehungen gemäß §§ 63, 64 StGB werden hoheitsrechtliche Befugnisse als ständige Aufgabe ausgeübt; Ausnahmen von der Regel, dass dies Beamten vorbehalten ist (Art 33 IV GG), lassen sich hier kaum begründen (vgl auch KG ZfStrVo 2002, 248, ausf Grünebaum 2006). Die Grundgedanken der §§ 155, 156 StVollzG sind auf die forensische Psychiatrie zu übertragen (vgl auch Baur Rn C 60 ff mwN). Erst recht problematisch ist eine Privatisierung des Maßregelvollzuges, so wie sie zB in Niedersachsen betrieben wurde (vgl R&P 2005, 158; zur Lage in den Ländern Kammeier 2004); in bestimmten Formen begegnet sie zudem erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken (zum Stand der Diskussion LG Flensburg ZJJ 2005, 208 einerseits und OLG Schleswig R&P 2006, 37 m Anm Baur andererseits sowie jüngst NdsVerfGH R&P 2009, 99 m Anm Baur, dazu Hauk 2009). So unproblematisch es einerseits sein dürfte, bestimmte Service-Bereiche in private Betriebsformen auszugliedern (zB Küche, Wäscherei etc) und therapeutische Spezialangebote privater Anbieter in Anspruch zu nehmen (vgl Baur Rn C 62 unter Verweis auf NW § 29 IV 32
Helmut Pollähne
II. Sonderopfer
sowie Prütting 2004 § 29 MRVG Rn 33 ff), erscheint es andererseits nicht vertretbar, den Maßregelvollzug flächendeckend im Wege der Beleihung zu privatisieren (Baur aaO Rn C 61 f, diff Kammeier 2004; ausf zum Beleihungsrecht Hauk aaO). Den verfassungsrechtlichen Bedenken mit einer isolierten Verbeamtung der therapeutischen Leitung zu begegnen, überzeugt nicht (zutr Grünebaum 2006), ebenso wenig der Hinweis darauf, die Unterbringung in privaten Kliniken sei „nach dem Wortlaut des Gesetzes in vielen Bundesländern nicht zulässig“, um sodann auf die „Ausnahmen“ in den Landesgesetzen von Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen zu verweisen (so aber – noch dazu unvollständig – S/B/J-Rotthaus/Freise § 136 Rn 3): Die landesgesetzliche Verankerung der Privatisierungsoption ist alleine nicht geeignet, die verfassungsrechtlichen Probleme (Grünebaum aaO und Pollähne 2008c) zu lösen, wohl aber dazu, den strukturellen Grundrechtsgefährdungen im Maßregelvollzug (s o) weitere hinzuzufügen. II. Sonderopfer
II.
Sonderopfer
Spezielle Literatur: Schulin 1981, 1989; Kammeier 1987b1
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts findet sich bei Dreyer (1911, 33) in einem Zitat B 34 von Landsberg der Hinweis, dass es sich bei der Sicherungsmaßregel um „Preisgabe, Opferung des Privatinteresses für das Allgemeinwohl“ handele. In den 60er Jahren tauchte der Gedanke der Maßregeln als Sonderopfer wieder auf, allerdings ablehnend (Mayer 1962, 42, Nowakowski 1963, 106). Erst in neuerer Zeit wird die Maßregelanordnung wieder mit dem Begriff „Sonderopfer“ in einen gedanklichen und rechtssystematischen Zusammenhang gebracht. Dabei wird auf der einen Seite die Zulässigkeit der Maßregelanordnung davon abhängig gemacht, dass die von dem Angeklagten erwarteten Taten so gravierend sind, dass sie einen unverschuldeten Freiheitsentzug rechtfertigen (LK-Schöch § 63 Rn 79 ff), weil das Gemeininteresse an der Verbrechensverhütung wichtiger sei als das Interesse des Individuums (exempl BVerfGE 45, 187; 109, 131 und 117, 71, vgl Pollähne 2009a, LK-Schöch vor § 61 Rn 38 ff und Wagner 1992a, 161 ff). Auf der anderen Seite wird post factum Maßregelanordnung dieser unverschuldete Freiheitsentzug des Einzelnen als Sonderopferleistung zum Schutz der Allgemeinheit konstatiert (vgl Müller-Dietz 1983, 148; Baur 1990a, 485), was für die sog „falschen Positiven“, die letztlich als Ungefährliche um der Sicherheit der Allgemeinheit willen in Freiheitsentzug genommen werden, um so mehr gilt (Kühl/Schumann 1989, 146; Volckart/Grünebaum 2009, 212 ff). Aus dem Verständnis der Maßregel als Sonderopfer wird der Vorrang der Besserung B 35 vor der Sicherung (LK-Schöch vor § 61 Rn 31 ff und § 63 Rn 2 ff), die „Verpflichtung zur Behandlung der Störung, damit dieses Opfer so kurz wie möglich bleibt“ (AKStVollzG-Pollähne vor § 136 Rn 3) bzw die Verpflichtung des Staates, Hilfen zur sozialen Wiedereingliederung zu ermöglichen (vgl Müller-Dietz 1983, 148), abgeleitet. Dort, wo sich hoheitliches Handeln unmittelbar schädigend auswirkt, ist die Grundvoraussetzung des Aufopferungstatbestandes auch bei Eingriffen in immaterielle Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Freiheit gegeben (grundlegend BGHZ 9, 83: Impfschadenfall). Wenn dieser Eingriff zum Wohl der Allgemeinheit vorgenommen wurde, kann eine „gesteigerte Verantwortlichkeit“ der Allgemeinheit für den Schaden nicht zweifelhaft sein (Schulin 1981, 111), wenn er über das durch das allgemeine Lebensrisiko zu erwartende Maß hinausgeht und gemessen an Art 3 I GG den Einzelnen ungleich stärker belastet (vgl auch Kammeier 1987b). In dieser knapp skizzierten Grundsystematik des Rechts von Aufopferung und sozia- B 36 ler Entschädigung ist zu prüfen, ob die Anordnung und der Vollzug der Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB für die Betroffenen (und besonders für die „falschen Positiven“ 1
Ausführlich – insb auch zur historischen Herleitung – Kammeier in der Vorauflage Rn A 99 ff. Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
unter ihnen) ein Sonderopfer darstellt, oder nur eine entschädigungslos hinzunehmende Rechtsfolge für die – wenn auch insoweit schuldlos begangene – rechtswidrige Tat. Damit konzentriert sich die Frage auf den für die Zuerkennung einer Entschädigung notwendigen Kausalzusammenhang zwischen der entschädigungsrechtlich relevanten Ursache und dem vorliegenden Schaden (hierzu Schulin 1989 Rn 705 ff), wobei es nicht um eine quasi-physikalische Kausalität von Ursache und Wirkung, sondern um die normative Zurechnung eines Schadens zum entschädigungsrechtlichen Schutzbereich geht. 1.
Maßregelvollzug als Sonderopfer
B 37 Unzweifelhaft ist, dass Anordnung und Vollstreckung von Maßregeln a ls hoheitliches Handeln in der Form richterlicher Entscheidungen in den individuellen Schutzbereich von Freiheit und personaler Integrität des Betroffenen eingreifen. Durch Freiheitsbeeinträchtigung und -entzug sowie durch erzwungenen Verzicht auf die Wahrnehmung und Gestaltung von Lebensmöglichkeiten entsteht dem Einzelnen im Vollzug der Maßregel ein Schaden, der nicht nur ein materieller ist. Für das Zurechnungsproblem stellt sich hiernach die Frage: Ist die Erwartung erheblicher rechtswidriger Taten infolge des Zustands des Täters (§§ 63, 64 StGB), deren komplexe rechtliche Konstruktion im Begriff der Gefährlichkeit zusammengefasst wird (ausf Dessecker 2004), dem Verantwortungsbereich des Betroffenen in der Weise zuzurechnen, dass er für den Eintritt der Schadensfolge selbst verantwortlich ist, oder sind ihm weder die Ursache (Gefährlichkeit) noch die Schadensfolge des Eingriffs in seinen persönlichen Schutzbereich (Anordnung und Vollzug der Maßregel) anzulasten? B 38 Der Eingriff in den personalen Schutzbereich wird wegen der zugeschriebenen Gefährlichkeit zum Wohl der Allgemeinheit, dh zu ihrer Sicherung, vorgenommen. Grundlage für die richterliche Annahme der Gefährlichkeit sind die fehlende (mindestens erheblich verminderte) Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit während einer rechtswidrigen Anlasstat. Aufgrund des Vorliegens von Merkmalen des § 20 StGB werden dem Betroffenen diese Fähigkeitsdefizite im Sinne personaler Verantwortlichkeit für ihr Vorhandensein und die dadurch sich ergebende schädigende Rechtsfolge nicht schuldhaft zugerechnet, was qua § 67 I StGB prinzipiell auch für Personen mit geminderter Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB gilt (woran das neue Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 67 II StGB nichts zu ändern vermag, krit Pollähne 2007c, 393 f). Das heißt nichts anderes, als dass Krankheit, Behinderung oder Störung transpersonale, schicksalhaft real in Erscheinung getretene und/oder juristisch-normativ konstruierte Tatbestände darstellen und als solche zusammen mit der ebenfalls nicht (resp nicht voll) schuldhaft zugerechneten Anlasstat in die Gesamtwürdigung von Täterzustand und Tat und in die Bewertung der Erwartbarkeit weiterer rechtswidriger Taten eingehen: Diese sog Gefährlichkeit ist dabei weder ein habituelles, vom Betroffenen verantwortlich handhabbares Persönlichkeitsmerkmal, noch eine unmittelbar zuzurechnende soziale Verhaltens- und Handlungskategorie. Da der Gefährlichkeit als Grundlage für eine Maßregelanordnung im geltenden zweistufigen strafrechtlichen Rechtsfolgesystem darüberhinaus nicht dieselbe Funktion zukommt wie der Schuld und der ihr personal zugerechneten Strafe, ist sie auch nicht mittelbar – etwa der Struktur der actio libera in causa oder des vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten Rausches (§ 323a StGB) gemäß – der personalen Verantwortung des Betroffenen zuzurechnen. Dies gilt erst recht im Blick auf die sog „falschen Positiven“, denen die Maßregelanordnung (und der fortdauernde Vollzug) gerade die Chance zum Nachweis ihrer Ungefährlichkeit nimmt. B 39 Maßregelanordnung und -vollzug als Schaden sind daher einer entschädigungsrechtlich relevanten transpersonalen Ursache – der Gefährlichkeit (s o) – normativ-wertend zuzurechnen: Dieser Schaden wird durch hoheitliches Handeln zum Wohl (zur 34
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II. Sonderopfer
Sicherung) der Allgemeinheit konstituiert. Er geht insofern über das allgemeine Lebensrisiko hinaus, als dieser Schaden nicht einfach eine Folge von Krankheit ist, wie ihn jedermann hinzunehmen hätte, sondern durch die Gefährlichkeit als realer und juristisch-normativer Konsequenz der Krankheit (Anlasstat plus Gefahrenprognose) begründet wird. Maßregelanordnung und -vollzug gehen damit über die Krankheit als einfache Schadensfolge hinaus und belasten so den Betroffenen als Person und gemessen an Art 3 I GG ungleich mehr als einen Kranken, bei dem keine Gefährlichkeit angenommen und keine freiheitsentziehende Maßregel angeordnet wird. Von daher opfert die wegen der ihr zugeschriebenen Gefährlichkeit mit einer Maßregel belegte Person ihre Freiheits- und Persönlichkeitsrechte intensiv und langfristig für die Allgemeinheit auf, sie erbringt ein Sonderopfer. 2.
Entschädigungsansprüche
Aus der Aufopferung für die Allgemeinheit ergeben sich Ansprüche auf soziale B 40 Entschädigung: „Die Leistungen der sozialen Entschädigung dienen ausschließlich der Schadensbeseitigung bzw dem Schadensausgleich“ (Schulin 1989 Rn 716). Als Restitutionsleistungen kommen dabei in erster Linie Maßnahmen der Heil- und Krankenbehandlung in Betracht, in zweiter Linie Rehabilitationsleistungen (s u Rn B 69 ff). Insoweit kann hierzu das System der psychosozialen Versorgung mit stationären, teilstationären und ambulanten Behandlungs- und Rehabilitationsinstitutionen herangezogen werden. Die Leistungen haben grundsätzlich den Charakter eines Angebots. Eine zwangsweise Durchführung von Behandlungsmaßnahmen, und sei es mit der Begründung, dadurch ließe sich das Sonderopfer (der Eingriffe in Freiheits- und Persönlichkeitsrechte) abkürzen, ist nicht gerechtfertigt, weil damit durch weitere Eingriffe in Persönlichkeitsrechte der Schaden aus der Aufopferung nur noch größer würde (vgl auch BVerfG NJW 2009, 2804). Vielmehr sind die Grundrechte in ihrem Verständnis als Leistungsrechte in der Maßregelvollzugsrealität erst einmal so zu konkretisieren und praktisch auszugestalten, dass Betroffene nicht mehr hinter anderen Leistungsberechtigten im System der sozialen Sicherung und psychosozialen Versorgung zurückstehen müssen (zur entsprechenden Grundrechtsauslegung vgl Rn B 63 ff). Zudem lässt sich das Problem unverhältnismäßig langer Unterbringungen eher dadurch relativieren, dass der mit Verfassungsrang ausgestattete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht nur horizontal auf die Dauer der Maßregel, sondern auch – quasi vertikal – auf den Grad der jeweils (noch) erforderlichen Eingriffsintensität bezogen wird (ausf dazu Kammeier in der Vorauflage Rn A 97, vgl Pollähne Rn F 7, F 30, F 59). Soweit Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen vom Leistungsberechtigten B 41 wegen seines Persönlichkeitszustandes nicht oder nicht mehr in Anspruch genommen werden können oder erfolglos bleiben, aber dennoch an der Aufopferung von Freiheits- und Persönlichkeitsrechten zur Sicherung der Allgemeinheit festgehalten werden muss, ist ein hierzu zwangsweise festgelegter Aufenthalts- und Lebensbereich über die von Art 1 I GG vorgegebenen Mindeststandards eines menschenwürdigen Vollzugs (BVerfG R&P 2008, 67, s Rn B 7; zu den CPT-Standards vgl auch Rn B 150) hinaus privilegiert auszugestalten (vgl BVerfGE 109, 133 Rn 83 ff; ausf Köhne 2003b, 2005 und 2009b zur Sicherungsverwahrung). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Anordnung, Vollstreckung und Vollzug von B 42 Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB aufgrund von Gefährlichkeit für den Betroffenen eine Aufopferung zum Wohl der Allgemeinheit darstellen. Sie sind aufgrund ihrer anders strukturierten Reaktion auf eine rechtswidrige Tat rechtssystematisch nicht an der Kategorie von Schuld und darauf basierender Strafe mit entsprechendem Justizvollzug zu messen (zum Maß des Freiheitszuges Rn B 77 ff), sondern nach dem System des Rechts der sozialen Entschädigung zu gestalten.
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
III. In dubio pro libertate Spezielle Literatur: Baumann 1966; Braum 2004; Frisch 1983; Marschner 1985; Wagner 1992a
III. In dubio pro libertate
B 43 „Die Notwendigkeit zu entscheiden reicht weiter als die Möglichkeit zu erkennen.“ Der Maßregelvollzug ist das Eldorado dieses Kant’schen Dilemmas. Wie soll über Vollzugslockerungen entschieden werden, wenn unsicher bleibt, ob neue Straftaten drohen? Kann eine Zwangstherapie angeordnet werden, wenn die Erfolgsaussichten zweifelhaft sind oder wenn sich die ,Schulen‘ über die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode streiten? Lassen sich e mpirische Unklarheiten bei der Gesetzesauslegung beheben? Ohne ein normatives Instrumentarium zum Umgang mit Erkenntnisdefiziten wären viele Vollzugsmaßnahmen nicht vertretbar; Unsicherheiten belasten solche Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen, und immer stellt sich die Frage: Wer hat die Last des Zweifels zu tragen? Wird sie der Allgemeinheit aufgebürdet oder gehen Zweifel zu Lasten des Untergebrachten, der der Gesellschaft mit dem von ihm hinzunehmendem Freiheitsentzug bereits ein – seinerseits prognoseabhängiges und deshalb ,dubioses‘ – Sonderopfer (vgl Rn 34 ff) für ihre Sicherheitsinteressen bringt? B 44 Der Lösungsansatz ist aus der Verfassung zu entwickeln: Soweit Vollzugsmaßnahmen in die Grundrechte eines Untergebrachten eingreifen, sind Grenzen einzuhalten, die durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Wesensgehaltsgarantie maßgeblich definiert sind. Ein Grundrechtseingriff ist danach nur zulässig, wenn er erforderlich und geeignet ist, einen höherrangigen legitimen Zweck zu erfüllen (Legitimität, Funktionalität, Subsidiarität, vgl Rn B 16 ff). Wo aber die tatsächlichen Voraussetzungen für einen solchen Eingriff ,dubios‘ sind, werden auch Geeignetheit und Erforderlichkeit der Zweckverfolgung zweifelhaft bleiben, deren Verfassungskonformität daher mangels Verhältnismäßigkeit schwindet. Bezogen auf die Freiheitsgrundrechte folgt aus diesem verfassungsrechtlichen Kontext der Grundsatz „ in dubio pro libertate“, der als besondere Ausprägung des Art 2 GG das Unterbringungsrecht beherrscht (Marschner 1985, 159; Baumann 1966, 93; vgl BVerfG NJW 1983, 2672 zum Vollstreckungsrecht). Da sämtliche Vollzugsentscheidungen immer auch die Freiheitsgrundrechte betreffen, entwickelt sich „in dubio pro libertate“ zum allgemeinen Vollzugsprinzip, dessen Anwendungsbereich wie folgt systematisiert werden kann: 1. Auslegungszweifel in Bezug auf Gesetze; 2. Tatsachenzweifel in Bezug auf Entscheidungsgrundlagen; 3. Wertungszweifel in Bezug auf prognostische und therapeutische Aspekte. 1.
Auslegungszweifel
B 45 Hier liegt – jenseits der rechtspolitischen Bedeutung (exempl Braum 2004 mwN) – der ursprüngliche Anwendungsbereich des Grundsatzes „in dubio pro libertate“ (Baumann 1966, 193). Gesetze sind verfassungskonform auszulegen. Je weiter sich Maßregelvollzugsgesetze von dem eigentlichen Zweck der Unterbringung, nämlich der Verhinderung weiterer Straftaten, entfernen, umso restriktiver sind sie anzuwenden. Insbesondere fürsorgerische (bessernde, therapeutisch begründete) Rechtsbeeinträchtigungen stehen unter dem Vorbehalt einer besonders strengen verfassungsrechtlichen Überprüfung (BVerfGE 22, 180, 218 f). Soweit die Ländergesetze solche Beschränkungen zB unter Hinweis auf das Ziel des Maßregelvollzugs zulassen, muss genau untersucht werden, ob dort statt Besserung und Sicherung nicht ausschließlich der Zweck der Maßregel, nämlich die Verhinderung weiterer Straftaten, gemeint ist (ausf Baur Rn C 4 ff). „In dubio pro libertate“ ist auch anzuwenden, wenn es um den nicht aufgelösten – weil tendenziell unauflösbaren – Zielkonflikt von Besserung und Sicherung geht: Im Zweifel ist den Gesetzen der Vorrang jener Eingriffsrichtung zu entnehmen, die den Freiheitsrechten eher gerecht wird. Dies wird in den meisten Fällen ,Besserung vor Sicherung‘, im Einzelfall aber durchaus auch einmal ,Sicherung 36
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III. In dubio pro libertate
vor Besserung‘ bedeuten können, wenn sich ein Patient zB gegen Psychopharmaka und bewusst (zur Frage der Einwilligungsfähigkeit resp Wirksamkeit entsprechender Willenserklärungen Wagner Rn D 129 ff) für Fesselung oder Einschluss in einem sog Kriseninterventionsraum entscheidet; die Legitimation von Zwangsbehandlung gerade auch mit dem Argument einer Abkürzung der Unterbringung (vgl Rn B 67) steht nicht zufällig auf dem Prüfstand des BVerfG (NJW 2009, 2804). 2.
Tatsachenzweifel
Wie im Strafrecht der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ gilt, so dürfen B 46 auch im Maßregelvollzug belastende Vollzugsmaßnahmen nur auf einer zweifelsfrei ermittelten Entscheidungsgrundlage getroffen werden (zum Vollstreckungsrecht NK-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 4 mwN): Ist die psychiatrische Diagnose nicht sicher, dann darf aufgrund dieser Unsicherheit keine Zwangsbehandlung erfolgen; bleiben Zweifel, ob der Untergebrachte ein Telefongespräch für ordnungsstörende Anrufe missbraucht, dann darf ihm das Telefonieren nicht verboten werden etc. Das sind rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten, die insbesondere bei Ermessensentscheidungen und Beurteilungsspielräumen penibel eingehalten werden müssen. Die Einschätzungs- und Auswahlkompetenz der Verwaltung ist erst eröffnet, wenn ein z weifelsfrei festgestellter Sachverhalt ermittelt ist: Verbleibende Zweifel sind im Sinne eines Verzichts auf den Eingriff zugunsten der Freiheit des Untergebrachten aufzulösen. Vor diesem Hintergrund erscheinen Eingriffe, die von Gesetzes wegen keinerlei einzelfallbezogene Voraussetzungen verlangen (zB verdachtsunabhängige Durchsuchungen), rechtsstaatlich äußerst fragwürdig (vgl Rzepka Rn H 38 ff, H 51); probl insoweit BVerfGK 2, 78 zur allg Postkontrolle in der Sicherungsverwahrung). In Bezug auf Prognosegrundlagen gilt nichts Anderes: Auch eine Prognose darf nur B 47 auf zweifelsfrei ermittelte Basistatsachen gestützt werden (Frisch 1983, 143; LKHubrach § 56 Rn 12; S/S-Stree § 56 Rn 16; diff SK-Horn § 56 Rn 12, jeweils zum materiellen Strafvollstreckungsrecht, vgl auch LK-Schöch vor § 61 Rn 65 ff zum Maßregelvollstreckungsrecht). Wenn also nicht sicher ist, ob ein Untergebrachter den Ausgang zu einer Straftat missbraucht hat, ob eine persönliche Freundschaft als Außenkontakt noch tragfähig ist oder ob er an einer aggressiven Auseinandersetzung beteiligt war, dann ist ein solch ,dubioser‘ Verdacht für die Kriminalprognose wertlos und muss zB bei der Entscheidung über einen neuen Ausgang unberücksichtigt bleiben (vgl auch NK-Pollähne/Böllinger § 67d Rn 24, ähnlich LK-Rissing van Saan/Peglau § 67d Rn 105). Dass sich ein Missbrauch „prinzipiell nicht mit letzter Sicherheit ausschließen lässt“, vermag die Versagung von Vollzugslockerungen ohnehin nicht zu rechtfertigen (BVerfG vom 26. 2. 2003 – 2 BvR 24/03 – juris; ausf u Rn B 50 f und F 58 ff). 3.
Wertungszweifel
Steht der Prognosesachverhalt zweifelsfrei fest, dann geht es darum, diese Basis- B 48 tatsachen in einer Prognoseentscheidung zu werten. Ob auch dann „in dubio pro libertate“ gilt, ist vor allem im Zusammenhang mit Kriminalprognosen unter dem Stichwort „in dubio pro reo“ erörtert worden. Dort wird die Anwendbarkeit des Zweifelsatzes oftmals von der Gesetzesformulierung abhängig gemacht und bei Kriminalprognosen überwiegend abgelehnt (SK-Horn § 56 Rn 12; LK-Hubrach § 56 Rn 12; diff LK-Schöch vor § 61 Rn 61 ff), immer häufiger wird offensiv „in dubio pro securitate“ propagiert (vgl Braum 2004), zum Teil wird aber auch die Anwendung von „in dubio pro reo“ gefordert (grundlegend Nowakowski 1963, 98, 117; zum Vollstreckungsrecht Schöch aaO Rn 65 ff, diff LK-Rissing-van Saan/Peglau § 67d Rn 105; zum Strafvollzug Dopslaff 1988, 591). Im Maßegelvollzug kommt „in dubio pro libertate“ zur Anwendung, wenn Zweifel herrschen, ob die Prognose eindeutig zu Lasten oder zu Gunsten der Patienten ausgeht (vgl Frisch 1983, 52, 154 ff). Bei den weit häufigeren Prognosen im sog „Mittelfeld“ (ebda) ist diese Entweder/Oder-Entscheidung aber geHelmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
rade nicht möglich, hier sind die Zweifel orientiert an dem materiellrechtlichen Gehalt jener Vorschrift aufzulösen, die die Prognose angefordert hat (ähnlich bereits Stree 1962, 96 ff). Im Maßregelvollzug wird dies in fast allen Fällen bedeuten, dass die Fraglich-Prognosen entsprechend dem Rangverhältnis von Besserung und Sicherung beurteilt werden müssen, weshalb sich Unsicherheiten über die Legalbewährung „im Zweifel“ dem Freiheitsrecht unterzuordnen haben. Dabei ist insbesondere zu beachten, welches Ausmaß an Unsicherheit bezüglich welchem Grad von Gefahr für welche Intensität einer Rechtsverletzung besteht, wobei auch die Dauer der bisherigen Sicherung und der Anlass der Unterbringung ins Verhältnis zu setzen sind (BVerfGE 70, 297, 313 ff; zu den Folgerungen für den Maßregelvollzug Marschner 1986, 18 f; zum Strafvollzug vgl AK-StVollzG-Lesting § 11 Rn 34 ff und Frisch 1988, 366). B 49 Im therapeutischen Zusammenhang kommt es oftmals auf den psychowissenschaftlichen Erkenntnisstand an: Solange hier keine einheitlichen Standards existieren, der Erkenntnisstand eingestandenermaßen als vorwissenschaftlich (Rasch/Konrad 2004, 386 f), experimentell und im Wandel begriffen beschrieben wird (Wagner 1989a, 49 ff; ders 1992a, 130, 148 ff), stehen auch t herapeutische Zwangsmaßnahmen unter dem Vorbehalt von „in dubio pro libertate“. Ist aus psychowissenschaftlicher Sicht zB streitig, ob ein Kommunikationsverbot therapeutisch nützlich oder schädlich ist, ob ein Besuchskontakt in bestimmten Behandlungszusammenhängen als antitherapeutisch abzulehnen oder sozialtherapeutisch begrüßenswert ist, ob im Einzelfall Elektrokrampf-, Pharmako- oder Psychotherapie das Mittel der Wahl ist, oder ob ein bestimmtes Krankheitsbild vorzugsweise oder nur im Notfall pharmakologisch zu behandeln ist, so ist „in dubio pro libertate“ jene Methode zu wählen, die die Freiheitsrechte des Patienten am meisten schont (Volckart 1999, 222; vgl AK-StVollzGPollähne vor § 136 Rn 21 und Kamann/Volckart § 115 Rn 69; Wagner 1990a, 58, 62 f und ders 1992a, 166 ff, 180 ff). 4.
Prognose
B 50 Den Ausführungen zur Kriminalprognose (zur Behandlungsprognose vgl NKPollähne/Böllinger vor § 67 Rn 56 mwN), die bereits für die Anordnung der freiheitsentziehenden Maßregeln zentrale Bedeutung erlangt (ausf Dessecker 2004, 182 ff mwN), ist im Kontext des besonderen Maßregelvollstreckungs- und -vollzugsrechts eigentlich nichts Wesentliches hinzuzufügen (spez zu Prognosegutachten Nedopil 2005, Dahle 2005, Nowara 2004 und 2006, Rasch/Konrad 2004, 388 ff, Kröber 1999 und ders et al 2006, 69 ff sowie Volckart 1997a; grundl zur Methodologie Pollähne 2008b, Dahle 2007, G. Albrecht 2003 und Kühl/Schumann 1989). Auffällig ist freilich, dass die politischen, normativen und empirischen Auseinandersetzungen um die Kriminalprognose in den letzten Jahren nahezu ausschließlich die sog Legal- oder Entlassungsprognose (zur Terminologie Pollähne 2006e, 223 ff mwN) problematisierten, wenn nicht – zumeist aus Anlass kriminalpopulistisch und -journalistisch aufgebauschter Einzelfälle – skandalisierten, während die gefährlichkeitsprognostische Begründung resp Fortdauer (vgl Art 104 II 1 GG) unbestimmter und unbefristeter Freiheitsentziehungen kaum mehr als rechtsstaatlich fragwürdig wahrgenommen wird (krit zum „neuen Kontrolldenken in der Kriminologie“ auch Strasser 2005 und Kunz 2006). Die davon Betroffenen, aber auch die Maßregelvollzugseinrichtungen werden weiterhin damit „leben“ müssen, dass die Allgemeinheit und ihr Kriminaljustizsystem meinen damit „leben“ zu können, Hunderte sog „falscher Positiver“ unter Verschluss zu halten, um mit den vermeintlichen Gefahren durch einzelne „falsche Negative“ nicht „leben“ zu müssen (Pollähne 2006e, vgl zu den Gerechtigkeitsproblemen Volckart 2004b, diff Kröber 1999a; zur Problematik des GefährlichkeitsBegriffs Horstkotte 2005 und Wolf 2006). B 51 Der Appell zur Entwicklung von Mindeststandards der Kriminalprognose (vgl BVerfGE 109, 133, 165) ist sicher berechtigt (vgl auch Nowara 2004, Tondorf 2004, Ley38
Helmut Pollähne
IV. Unschuldsvermutung/Ungefährlichkeitsvermutung
graf 2004 und Egg 2002), kann das Prognosedilemma aber allenfalls prozedural entschärfen (insoweit sicherlich hilfreich Boetticher et al 2006 und 2009, vgl Koller 2005, 250 ff und Konrad 2009, krit Bock 2007). Jeder Prognoseentscheidung wohnt „stets das Risiko der Fehlprognose“ inne (BVerfGE aaO, 158, vgl Cornel 2002): Der zu beurteilende Einzelfall bleibt immer der entscheidende Unsicherheitsfaktor (vgl Pollähne Rn F 25 ff mwN), denn auch weiterhin sind „Fortschritte eher im Bereich des Wissens darüber, welche Grenzen der Gefährlichkeitsprognose gesetzt sind“, zu erwarten (H.J. Albrecht 1999, 878, vgl auch G. Albrecht 2003). Wegen der „Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen” ist nicht nur Stellungnahmen aus Maßregelvollzugseinrichtungen sondern auch externen Gutachten (Tondorf 2000; vgl dazu HK-StPO-Pollähne § 454 Rn 24 ff und § 463 Rn 6 mwN) die „richterliche Kontrolle entgegenzusetzen“ (BVerfGE aaO, 164, zu Gutachtenmängeln Pfäfflin 2006), denn die Letztverantwortung für Prognoseentscheidungen obliegt nicht den Sachverständigen sondern den jeweiligen Gerichten (Pollähne 2006e, 228 ff mwN, Horstkotte 2005, 20; vgl zu § 246a StPO auch Maatz 2000, 25 f und Pollähne 2005b). Bei der Entlassungsprognose sind über die für die Anordnung relevanten Aspekte – die mit Zeitablauf freilich immer mehr an Bedeutung verlieren – hinaus u.a. zu beachten: Unterbringungsdauer, Vollzugsgeschehen, Längsschnitt- und Differentialdiagnostik, interne vs externe Wahrnehmungen (vgl auch Müller et al 2006), sozialer Empfangsraum incl ambulanter Rahmenbedingungen (dazu NK-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 53 mwN und § 67d Rn 15 ff). Dabei verdienen qualitative, individualprognostische Beurteilungen deutlich mehr Beachtung als quantitative, gruppenstatistische Zuschreibungen (Pollähne 2008b, ähnlich Bock 2007 und Tondorf 2006), vermeintlich ,neue‘ Psychopathie-Konstrukte (Pollähne 2010; vgl auch Horstkotte 2005, 19 f), psycho-kriminalistische Tat(ort)analytik (Kröber 2006, Köhler et al 2005 und 2007, Osterheider/Mokros 2006) und die Überbewertung sog „Tatverleugnung“ (Brettel 2007, Vanhoeck/vDaele 2007). IV. Unschuldsvermutung/Ungefährlichkeitsvermutung
IV.
Unschuldsvermutung/Ungefährlichkeitsvermutung
Schuld (resp Unschuld/verminderte Schuld) und Gefährlichkeit sind zentrale Katego- B 52 rien des Maßregelrechts als Bestandteil eines umfassenden Kriminalrechts. Während Fragen der „Schuld“, insb der aufgehobenen oder verminderten Schuldfähigkeit, auf der Ebene der Anordnungsvoraussetzungen (primär für §§ 63, 20, 21 StGB) und der Verhängung etwaiger Begleitstrafen von Bedeutung sind, zieht sich „ Gefährlichkeit“ (zum Begriff o Rn B 37) wie ein roter Faden durch das gesamte Maßregelrecht (vgl Kammeier 2009 und Dessecker 2004): Sie ist nicht nur letztlich ausschlaggebende Anordnungsvoraussetzung und beherrscht das Maßregelvollstreckungsrecht, sondern erlangt auch für zahlreiche Vollzugsfragen herausragende Bedeutung, etwa bei der Lockerungsgewährung (dazu Pollähne Rn F 4, F 15, F 25, F 62 ff) und im Zusammenhang mit Sicherungsmaßnahmen (vgl Rzepka Rn H 108 ff). Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Maßregelvollzugs soll es je- B 53 doch nicht um die Legitimationskategorien von Schuld und Gefährlichkeit gehen, sondern um die Limitationen, die aus den Vermutungen von Unschuld und Ungefährlichkeit resultieren: Während die Unschuldsvermutung geläufig ist, wenn auch hinsichtlich ihrer Relevanz für den Maßregelvollzug fraglich, ist die Kategorie einer etwaigen Ungefährlichkeitsvermutung alles andere als geläufig und im Hinblick auf ihre Vollzugsrelevanz erst recht fraglich. 1.
Unschuldsvermutung
„Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer B 54 Schuld als unschuldig“ (Art 6 II EMRK, vgl auch BVerfG 19, 342; 74, 358). Im Vollzug rechtskräftig angeordneter (und auf dieser Grundlage vollstreckter) Sicherungsmaßregeln erscheint die Relevanz dieser Unschuldsvermutung (ausf Stuckenberg 1998) auf den ersten Blick gering (zur Beachtung im Vollzug der einstweiligen UnterbrinHelmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
gung gem § 126a StPO vgl Pollähne/Rzepka Rn J 10 f mwN und zum Sicherungsvollzug gem § 453c StPO Rn J 12 f). Und doch muss die Unschuldsvermutung in ihrer speziellen Bedeutung für den Maßregelvollzug thematisiert werden, in zweierlei Hinsicht: B 55 Da es sich – einerseits – bei Sicherungsmaßregeln um schuldunabhängige Maßnahmen der (kriminalrechtlichen) Gefahrenabwehr handelt (vgl Rn B 37 ff), gilt praktisch für alle Bereiche der Vollstreckung und des Vollzuges eine Vermutung der ,Unschuld‘ (zumindest der Schuld-Indifferenz). Auch wenn dies mit Art 6 II EMRK offenkundig nicht gemeint ist, so ließe sich doch in Anlehnung daran formulieren: Mit dem gesetzlichen Beweis seiner Unschuld gilt der im Maßregelvollzug Untergebrachte – bis auf Weiteres (also etwa bis zum therapeutisch-diagnostischen Nachweis wiedererlangter Schuld-Fähigkeit) – als „unschuldig“! Was folgt daraus? Im Maßregelvollzug findet (ungeachtet einer ggf verhängten Begleitstrafe, vgl Pollähne Rn F 5) keine Tatschuldvergeltung statt, weder an dem Untergebrachten noch für die Allgemeinheit. So richtig es ist, die Anlass-Tat(en) nicht aus dem Blick zu verlieren (zumal in puncto Verhältnismäßigkeit, vgl Rn B 22), so sehr ist Tendenzen zu begegnen, ein vollzugsinternes – ob formelles oder informelles – deliktspezifisches Sonderrecht für bestimmte Tätergruppen zu schaffen (vgl auch Pollähne Rn F 67). Andererseits darf aber auch nicht in Vergessenheit geraten, dass sich der gesetzliche Beweis der ,Unschuld‘ auf den Tatzeitpunkt bezog und prognostisch auf vermutete zukünftige Tatsituationen bezieht: Damit geht keine Totalentmündigung einher, der Vollzug darf nicht ohne Weiteres davon ausgehen, die Patienten seien ,rund um die Uhr‘ schuldunfähig (freilich kann – etwa im Kontext ,disziplinarischer‘ Probleme – auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, sie seien durchweg voll verantwortlich). Werden Patienten vollzugsintern „Taten“ vorgeworfen, so verlangen primär daran anknüpfende Eingriffe selbstverständlich einen „gesetzlichen Nachweis“ (vgl zu Disziplinarmaßnahmen Rzepka Rn H 3 f), was im Übrigen für sonstige Tatbestandsvoraussetzungen von Grundrechtseingriffen gleichermaßen gilt (vgl auch Rn B 46 f zum Prinzip „in dubio pro libertate“). B 56 Andererseits: In einem Rechtsgebiet, das die kriminalprognostische Rückfallgefahr zum zentralen Steuerungsparadigma erhebt, darf nicht in Vergessenheit geraten, dass der Untergebrachte – so banal es klingen mag – die prognostizierten Taten noch nicht begangen hat, geschweige denn, dass sie ihm „gesetzlich nachgewiesen“ wären. Ungeachtet des gesetzlichen Nachweises der Gefährlichkeit (s u) gilt der Untergebrachte auch und erst recht im Hinblick auf mögliche Rückfälle als „unschuldig“ (zur Unschuldsvermutung im Kontext „Widerruf“ und bei Vollzugslockerungen vgl Rn F 129 und NK-Pollähne/Böllinger § 67g Rn 17 sowie HK-StPO-Pollähne § 453c Rn 2), er erleidet faktisch einen F reiheitsentzug auf Verdacht (zum damit verbundenen Sonderopfer Rn B 34 ff). 2.
Ungefährlichkeitsvermutung
B 57 ,Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Gefährlichkeit als ungefährlich.’ Ein solches Verständnis der Unschuldsvermutung ist nicht geläufig (vgl Stuckenberg 1998, 106, 422, 440, 562 f und Pollähne 2002, 237 mwN), und sollte sich doch in einem Rechtsstaat von selbst verstehen. Dies ist nicht der Ort, auf die verschiedenen „gesetzlichen Beweise“ von Gefährlichkeit einzugehen, die das Kriminalrecht bereit hält (neben §§ 63 ff StGB iVm 246a StPO auch § 126a StPO), und insbesondere auf deren Probleme (zu den strafrechtlichen Regeln der kriminalprognostischen Kunst vgl Pollähne 2008b). Hier geht es um die Bedeutung der Ungefährlichkeitsvermutung für den Maßregelvollzug: B 58 Mit Rechtskraft der Maßregelanordnung (dazu NK-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 2 ff) ist einerseits die Unschuldsvermutung im Hinblick auf die Anlasstat(en) widerlegt (s o), andererseits aber auch – bis auf weiteres – die Vermutung der Ungefährlichkeit. Der Verurteilte gilt von Gesetzes wegen als „gefährlich“ (zum Begriff Rn B 37 ff), das 40
Helmut Pollähne
IV. Unschuldsvermutung/Ungefährlichkeitsvermutung
maßnahmespezifische Gefährlichkeits-Urteil erwächst in Rechtskraft. Während jedoch der Nachweis der Anlasstäterschaft ewig währt, wenn er nicht im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens ausnahmsweise wieder aus der Welt geschafft wird, steht der gesetzliche Beweis der Gefährlichkeit permanent unter der auflösenden Bedingung künftiger Veränderungen. Die Rechtskraft des Gefährlichkeits-Urteils kann immer nur besagen, dass der Verurteilte zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Prüfung als „gefährlich“ iSd §§ 63, 64 StGB galt – nicht mehr und nicht weniger! Die diesem Urteil zugrundeliegende Gefahrenprognose kann jedoch schnell veralten. Für den Bereich des Maßregelvollstreckungsrechts gilt das A ktualitätsprinzip, demzufolge der Gefährlichkeits-Nachweis beständig auf den Prüfstand zu stellen ist (§ 67e StGB), denn die Gefahr künftiger Rückfälle kann immer nur in der Gegenwart attestiert werden (vgl auch EGMR StV 1993, 98 m Anm Trechsel): wohl unter Berücksichtigung zurückliegender (ggf sachverständiger) Beurteilungen, niemals aber lediglich unter Verweis auf rechtskräftige Feststellungen (vgl auch NK-Pollähne/ Böllinger vor § 67 Rn 27 ff; diff zu etwaigen Widerrufsvoraussetzungen aaO § 67g Rn 16 ff). Je länger der letzte gesetzliche (also: tatrichterliche, später vollstreckungsgerichtli- B 59 che) Gefährlichkeitsnachweis zurückliegt, je mehr lebt die Ungefährlichkeitsvermutung wieder auf. Daraus folgt auch, dass dem Verurteilten in regelmäßigen Abständen (vgl § 67e StGB) nachgewiesen werden muss, dass er (noch) als gefährlich einzustufen ist – es ist nicht seine Aufgabe, das Gegenteil zu beweisen (zu ,in dubio pro libertate‘ Rn B 43 ff); über die Geltung des Zweifelsgrundsatzes in diesem Kontext herrscht allerdings Streit (vgl NK-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 4 und Theune 2009, 242 mwN). Auch dem Gesetz ist die Ungefährlichkeitsvermutung aus rechtsstaatlichen Gründen aber durchaus bekannt: So darf etwa verspätet einsetzender Maßregelvollzug erst nach einer entsprechenden Vollstreckbarkeitserklärung beginnen (§ 67c StGB) und die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nach mehr als 10 Jahren (§ 67d III StGB) erst fortgesetzt werden, wenn die StVK sie ausnahmsweise nicht für erledigt erklärt hat (vgl Pollähne/Böllinger aaO § 67d Rn 50 und BVerfGE 109, 133 [161] sowie Braum 2004, 107 und Laubenthal 2004, 728). Mit dem Vollzug der prinzipiell vorab zu vollstreckenden freiheitsentziehenden Maßregeln gemäß §§ 63, 64 StGB und also mit der Behandlung jener Gefährlichkeit (ausf Kammeier 2009) kann – und darf, jedenfalls gegen den Willen des Betroffenen – erst begonnen werden, wenn die Anordnung der Zwangsunterbringung Rechtskraft erlangt hat. Die (rechtskräftige) Feststellung einer psychischen Krankheit resp Störung iSd § 20 B 60 StGB (zum Zeitpunkt der Tat und/oder der Entscheidung) ist für sich genommen nicht geeignet, die Ungefährlichkeitsvermutung zu widerlegen (Nedopil 2004), was zudem mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht zu vereinbaren wäre (vgl Rn B 152). Deshalb ist aber auch der Hinweis auf den vermeintlich unveränderten Krankheitszustand nicht dazu angetan, die Gefährlichkeitsprognose zu aktualisieren (zum Problem ,statischer‘ Prognosemerkmale Pollähne 2006e, 244 mwN). Was bedeutet all das für den Vollzug? Entscheidungen, die auf die „Gefährlichkeit“ B 61 des Patienten rekurrieren (insb Vollzugslockerungen, Sicherungsmaßnahmen, vgl Rn B 52), dürfen sich nicht mit dem Verweis auf das rechtskräftige Urteil und seine Feststellungen begnügen. Es ist Daueraufgabe der Einrichtungen (nicht nur, aber insb in den Stellungnahmen gemäß § 67e StGB, vgl auch N W § 16 II 3), sich über die aktuelle und konkrete Gefährlichkeit des Patienten und die Bedingungen ihrer Realisierung Gewissheit zu verschaffen (vgl auch Rn F 140). Der Hinweis, es habe sich an dem „Zustand“ nichts geändert, reicht keineswegs aus, die im Zeitablauf wiedererstarkende Ungefährlichkeitsvermutung zu widerlegen (zum damit verknüpften Prognose- und Begutachtungs-Dilemma Pollähne 2006e, 256); und die – ggf gesetzlich nachgewiesene – Gefahr möglicher Rückfalltaten außerhalb des Vollzuges in bestimmten Situationen und unter spezifischen Bedingungen ersetzt keineswegs die Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
vollzugsinterne Risikoanalyse für den Umgang mit dem Patienten im Stationsalltag und für das therapeutische Setting. V. Behandlung und Wiedereingliederung: Ansprüche und Abwehrrechte
V.
Behandlung und Wiedereingliederung: Ansprüche und Abwehrrechte
B 62 Im Vollzug der Maßregeln gemäß §§ 63, 64 StGB, für die von Gesetzes wegen „Besserung vor Sicherung“ rangiert und für die in den §§ 136, 137 StVollzG klare – wenn auch wenig konkrete und kaum justiziable – Vorgaben in puncto Behandlungsauftrag gemacht wurden (vgl AK-StVollzG-Pollähne § 136 Rn 4 ff und § 137 Rn 3 ff, ausf Kammeier 2009), sind Fragen der Behandlung und Wiedereingliederung auch verfassungsrechtlich zu verorten. Dabei geht es einerseits um die Verankerung von A nsprüchen auf Behandlung (Therapie, Betreuung, Pflege) und Wiedereingliederung (Rehabilitation, Resozialisierung, Integration), die zu erfüllen sind, um dem Grundgesetz gerecht zu werden; andererseits um die von Verfassungs wegen zu wahrenden Grenzen, wenn es gilt, den Behandlungs- und Wiedereingliederungsauftrag ggf auch gegen den Willen des Patienten durchzusetzen. 1.
Behandlung und Therapie, Betreuung und Pflege
B 63 Zahlreiche Landesgesetze zum Maßregelvollzug lassen die Behandlung des Patienten gegen seinen Willen zu, wenn auch nur unter gewissen Kautelen und mit bestimmten Begrenzungen (ausf Wagner Rn D 152 ff, vgl auch BVerfG NJW 2009, 2804). Das wird gelegentlich als generalklauselartige Ermächtigung missverstanden, um etwa disziplinwidriges Fehlverhalten wie Entweichungsversuche durch die „therapeutische Maßnahme“ eines Ausschlusses von Gemeinschaftsveranstaltungen oder vom Fernsehen zu ahnden, obwohl keines der Gesetze (Ausnahme jetzt T hü § 23 II) die Möglichkeit vorsieht, solche Disziplinarmaßnahmen zu verhängen (ausf Lindemann 2004, vgl auch Pollähne 1992, 47 und Rn F 76, 119, 130 sowie Rzepka Rn H 3 f, BVerfGK 9, 460 und R&P 2008, 46). Behandlung auf alle möglichen Maßnahmen des Krankenhauses auszudehnen (vgl KG R&P 1985, 34 m krit Anm Volckart), führt zu einer rechtlich bedenklichen H ypertrophie des Behandlungsbegriffs. Zwar sollte alles, was im Krankenhaus geschieht, von dessen therapeutischem Auftrag geprägt sein (vgl zu § 136 S 1 AK-StVollzG-Pollähne Rn 4 ff), ein Behandlungsbegriff, der alle Maßnahmen des Krankenhauses und alle auf den Patienten bezogenen Aktivitäten des Personals umfasst, ließe sich aber von Einzelmaßnahmen in anderen „besonderen Gewaltverhältnissen“ (zum StVollzG ua OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 122) nicht unterscheiden. Der Behandlungsbegriff des öffentlichen Heilberufsrechts als eines Zweiges des Verwaltungsrechts ist enger (Wagner Rn D 8 ff). Eine brauchbare Abgrenzung findet man bei Beantwortung der Frage: Welche Aufgaben des Krankenhauses könnten auch durch Bedienstete ohne psychiatrische und/oder psychotherapeutische Ausbildung erledigt werden? Besondere Sorgfalt erfordert diese Abgrenzung gerade im Bereich sozialtherapeutischer Maßnahmen oder sozio- und milieutherapeutisch qualifizierter Pflege (dazu Schmidt-Quernheim/Hax-Schoppenhorst 2008). Dies ermöglicht die begriffliche und damit auch rechtliche Aussonderung zB des gesamten Bereichs der Sicherheits- und Ordnungsmaßnahmen (vgl Rzepka Rn H 2) sowie der meisten Maßnahmen, die der Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebensspielraums für den Patienten dienen (Volckart/Grünebaum 2009, 144 ff), weil der Therapeut als solcher auf sie allenfalls durch seine prognostischen Beurteilungen einwirkt oder Einschätzungen darüber abgibt, ob sie seine therapeutischen Bemühungen gefährden (zu weitgehend etwa LG Marburg R&P 1992, 67; Übersicht zur „Behandlung als Repression“ bei Lindemann 2004, 68 ff). Soweit eine sachgerechte Behandlung im Maßregelvollzug die Einräumung therapeutischer Beurteilungsspielräume erfordert, berührt dies nicht „die grundsätzliche verfassungsrechtliche Notwendig42
Helmut Pollähne
V. Behandlung und Wiedereingliederung: Ansprüche und Abwehrrechte
keit einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für Grundrechtsbeschränkungen“ (BVerfG R&P 2008, 223 m Anm Lorenz StRR 2008, 236). Behandlung ist danach im öffentlichen Heilberufsrecht im Wesentlichen dasselbe B 64 wie nach bürgerlichem Recht aufgrund eines Vertrages mit dem Patienten (vgl auch BVerfGK 8, 183 zur Schweigepflicht). Aus der Unterbringungssituation ergeben sich nur wenige Behandlungsmaßnahmen ieS, die über das hinausreichen, was auch im Rahmen eines Vertrages mit dem Patienten vorkommen kann. An erster Stelle steht hier die zwangsweise Medikation (s u). Daneben kann es uU eine rein psychiatrische Entscheidung sein, bestimmte Patienten wegen ihrer psychischen Eigentümlichkeiten in derselben Wohngruppe unterzubringen. Auch kann die nähere Konkretisierung von Vollzugslockerungen, auf die Patienten Anspruch haben, wenn davon keine Gefahr ausgeht, ganz von therapeutischen Erwägungen bestimmt sein (dazu und zu den Grenzen Rn F 14 ff, 63, 74 ff). Aus den bundesrechtlichen Vorgaben – und nicht zuletzt aus §§ 136, 137 StVollzG B 65 (vgl AK-StVollzG-Pollähne § 136 Rn 6 und § 137 Rn 4) – folgt für die im Maßregelvollzug untergebrachten Patienten weiter ein A nspruch auf Behandlung (Wagner Rn D 105 ff; allg zur psychiatrischen Maßregelbehandlung Stolpmann 2001, 98 ff). Es ist keineswegs überflüssig, diese Selbstverständlichkeit besonders hervorzuheben. Wegen seines Anspruchs auf Behandlung ist es dem Unterzubringenden auch deshalb verfassungsrechtlich nicht zuzumuten, in sog ,Organisationshaft’ auf einen freien Therapieplatz warten zu müssen (BVerfG StV 2006, 420). Die Verbesserungen der Behandlungssituation, die etwa ab Mitte der 70er Jahre eingesetzt und bis in die 90er Jahre angedauert haben, waren sowohl durch vermehrte persönliche und sachliche Mittel als auch durch eine deutliche Verminderung der Patientenzahlen bei Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer ermöglicht worden, flankiert durch mutige sozialpsychiatrische und -therapeutische Konzepte und Rahmenbedingungen. Inzwischen hat die drastische Vermehrung der Patientenzahlen (vgl Kammeier Rn A 68 ff) infolge eines Wiedererstarkens des kriminalpolitischen Wunsches nach Einsperren (Rzepka 2003, 127, 191, vgl auch Pollähne 2005c) und einer fehlerhaften Auslegung der 1998 populistisch motivierten Umformulierung des § 67d II StGB viele der Verbesserungen zunichte gemacht: Die Krankenhäuser können häufig die Behandlung nicht leisten, die sie selbst für erforderlich halten, weil Personalmangel und Überbelegung bei zunehmender Sicherheitshypertrophie (und nicht zuletzt einer therapiewidrigen Innen- und Außenarchitektur, vgl Lohner et al 2005, 122 und Kammeier 1990, 2) es tatsächlich oder vermeintlich verhindern. „Es genügt nicht, solche Zustände nur als rückständig und veränderungsbedürftig zu beklagen: Sie bilden einen ständigen, skandalösen Rechtsbruch, der diesem Gemeinwesen zur Schande gereicht.“ Diese von Volckart bereits vor Jahren zum Ausdruck gebrachte Empörung (vgl nur AK-StVollzG, 3. Aufl §§ 136–138 Rn 16 aE) hat ihre Berechtigung keineswegs eingebüßt (vgl auch die „Gravamina“ von C/M-D § 138 Rn 2). Die mit diesem individuellen Behandlungsanspruch korrespondierende institutio- B 66 nelle Behandlungspflicht hat gelegentlich Grenzen. Setzt sie die Mitwirkung des Patienten voraus, wie es zumindest bei jeder Art von psychotherapeutischer Einflussnahme der Fall ist, und lehnen Patienten diese Mitwirkung ab, dann kann sie nicht erzwungen werden, ohne die Menschenwürde anzutasten (vgl auch Pollähne 2008d zu den Grenzen der Mitwirkungspflicht im Jugendstrafvollzug). Gelegentlich weisen aber auch alle vorhandenen Erkenntnismöglichkeiten darauf hin, dass die Behandlung bis auf Weiteres keinen Therapieerfolg verspricht. Bei Abhängigkeitskranken hängt der Bestand der Maßregel stets von einer „hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolgs“ ab (BVerfGE 91, 1, so jetzt auch § 64 S 2 StGB): Besteht diese Hoffnung nicht mehr, so hat die StVK die Maßregel zu beenden (vgl § 67d V StGB), das Krankenhaus hat darauf hinzuweisen (vgl Rn F 140 f). Eine solche „Aussichtslosigkeit“ kann sich aber auch bei anderen Patienten einstellen (vgl auch Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
BVerfG NStZ-RR 2002, 122), zB bei Alterskranken. In solchen Fällen hat „Behandlung“ aufzuhören. Der Kranke ist dann als der zu akzeptieren, der er ist; ihm ist zu helfen, so gut wie möglich mit seiner Krankheit zu leben. Das therapeutische Programm stur weiter durchzuziehen, ist nicht akzeptabel (zu § 136 S 3 StVollzG vgl AKStVollzG-Pollähne Rn 10 ff; zur „long stay“-Perspektive aaO vor § 136 Rn 41 mwN; zur Begutachtung der Behandlungsaussichten gemäß § 246a StPO Pollähne 2005b). B 67 Etwas Anderes kann gelten, wenn der Patient aus krankheitsbedingt fehlender Einsicht eine psychiatrische Maßnahme ablehnt, diese aber nach den Regeln der psychiatrischen Kunst zweifellos (vgl o Rn B 49) geboten ist und eine Abkürzung des Freiheitsentzuges durch früheres Erreichen der sog „Aussetzungsreife“ (§ 67d II StGB) erwarten lässt. Es steht dann zur Entscheidung, ob – wie der Patient will – das Grundrecht auf körperliche (und psychische) Unversehrtheit den Vorrang haben soll, oder ob es auf Grund einer therapeutischen Entscheidung zu Gunsten einer Abkürzung des Freiheitsentzuges zurückzutreten hat. Hier haben die Gesetzgeber eine Vorrangentscheidung getroffen: Die meisten Landesgesetze über den Maßregelvollzug weisen entsprechende Ermächtigungen auf, meist unter besonderen Kautelen zur Vermeidung unverhältnismäßiger und gefährlicher Eingriffe. Die Legitimität einer solchen Vorrangentscheidung steht allerdings beständig auf dem rechtsstaatlichen Prüfstand (vgl BVerfG NJW 2009, 2804): Ob die Vorgehensweise tatsächlich zu einer Abkürzung des Freiheitsentzuges geführt hat, ist kaum überprüfbar! Zudem besteht die Gefahr des Zirkelschlusses, wenn aus der Behandlungsverweigerung, für die der Patient (etwa wegen der „Risiken und Nebenwirkungen“) gute Gründe haben mag, auf fehlende Krankheitseinsicht geschlossen und die Verweigerung damit für unbeachtlich erklärt wird (vgl Marschner/Volckart 2001, 149 mwN und allg Heide 2001). B 68 Ohnehin ist nicht alles, was nach dem derzeitigen Stand der psychiatrischen Wissenschaft erlaubt ist und damit (noch) den „lege artis“ entsprechen mag, auch zwangsweise zulässig. Wer das vertritt (so noch OLG Hamm StV 1982, 125 m abl Anm Baur), verwechselt „notwendig“ mit „möglich“: Wo die Psychiatrie mehrere Möglichkeiten anerkennt – sei es schon bei der Diagnose oder im Falle eindeutiger Diagnose erst bei der Therapie – geht „in dubio pro libertate“ der Wille des Patienten vor (Wagner 1992a, vgl o Rn B 45, B 49). Psychiatrische Zwangseingriffe, insb durch die Verabreichung von Psychopharmaka, wiegen so schwer, dass sie nicht von dem Zufall abhängen dürfen, welcher Arzt für den Patienten gerade zuständig ist, welcher psychiatrischen Schule oder Denkrichtung er angehört und welche Maßnahmen ihm „lieber“ sind (ausf Wagner 1989a, 49 und 1990a, 58 sowie Rn D 141 ff und Gericke Rn K 58 ff). Ob in diesem Zusammenhang nur eine Betreuung weiterhilft, wenn der Patient nicht einwilligungsfähig ist (vgl BayObLG R&P 2004, 33 m abl Anm Volckart, zw auch Stalinski 2000, 59 ff, vgl Heide 2001, 127 ff), bedarf in Anbetracht aktueller Grundsatzentscheidungen eigentlich keiner weiteren Erörterung: Danach bietet das Betreuungsrecht auch für stationäre Zwangsbehandlungen (zur ambulanten vorab schon BGHZ 145, 297) keine ausreichende gesetzliche Grundlage (OLG Celle R&P 2005, 196 m zust Anm Marschner sowie ders 2005 mwN und zu OLG München R&P 2009, 149) – ob dazu durch Justiz und Gesetzgebung bereits das letzte Wort gesprochen ist, steht dahin (aA BGHZ 166, 141). Ungeachtet dessen muss aber sichergestellt sein, dass eine Einwilligung des Patienten rechtswirksam ist, da eine Behandlung andernfalls nur im engen Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften in Betracht kommt (Überblick bei Volckart/Grünebaum 2009, 223 f). 2.
Wiedereingliederung und Rehabilitation, Resozialisierung und Integration
B 69 Im Maßregelvollzug gilt ein umfassendes Wiedereingliederungsgebot: Rehabilitation und Resozialisierung sind nicht bloß abstrakte Vollzugsziele und lassen sich auch nicht auf eine Organisationspflicht des Krankenhauses reduzieren (zum ein44
Helmut Pollähne
V. Behandlung und Wiedereingliederung: Ansprüche und Abwehrrechte
schlägigen Landesrecht Marschner Rn E 2). Da Maßregelvollzugspatienten ein Sonderopfer erbringen (vgl o Rn 34 ff), ist der auferlegte Freiheitsentzug nur rechtmäßig, solange die Unterbringung aufgrund der rehabilitativ orientierten Angebote so kurz wie möglich gehalten wird. Die allgemeinen Vollzugszielbestimmungen konkretisieren sich damit zu einem Gewährleistungsgebot des Krankenhauses (s Rn B 72 ff) und zu einem allgemeinen Wiedereingliederungsanspruch des Patienten (vgl auch BVerfGE 109, 133 Rn 83 ff mwN sowie Köhne 2003b und 2009b zur Sicherungsverwahrung). Richten sich die rehabilitativen Bemühungen des Krankenhauses nicht nach den im B 70 Wesentlichen bundesrechtlich oder verwaltungsverfahrensrechtlich abzuleitenden Vorgaben (ausf Marschner Rn E 3 ff), wird der Freiheitsentzug rechtswidrig, denn eine dem fachlichen Standard nicht entsprechende Vollzugsorganisation verletzt unmittelbar Ansprüche der Patienten auf Gewährung aller bedarfsgerechten rehabilitativen Hilfen. Die Einführung einer fachgerechten Organisation dieser Hilfen lässt sich ggf über „Bescheidungsbeschlüsse” im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung nach den §§ 138 II, 109 ff StVollzG erreichen (Marschner Rn E 9 mwN; zu den Grenzen des Rechtswegs vgl BVerfG NStZ-RR 2008, 389 betr Taschengeld). „Das Erfordernis gesetzlicher Regelung betrifft über den Bereich der unmittelbar B 71 eingreifenden Maßnahmen hinaus auch die verfassungsrechtlich gebotene Ausrichtung des Vollzuges auf das Ziel der sozialen Integration“; dem kommt sicher nicht nur im Jugendstrafvollzug (BVerfGE 116, 69, vgl Rn B 6) besonderes Gewicht zu, sondern allemal im Maßregelvollzug. Der Gesetzgeber selbst ist verpflichtet, ein wirksames Resozialisierungskonzept zu entwickeln und den Vollzug darauf aufzubauen. Auch wenn er für die Ausgestaltung dieses Konzepts einen weiten Spielraum hat, muss er durch gesetzliche Festlegung hinreichend konkretisierter Vorgaben dafür Sorge tragen, dass „für allgemein als erfolgsnotwenig anerkannte Vollzugsbedingungen und Maßnahmen die erforderliche Ausstattung mit den personellen und finanziellen Mitteln kontinuierlich gesichert ist“ (Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 453). Maßregelvollzugskliniken haben demnach einen umfassenden Resozialisierungs- B 72 und Rehabilitationsauftrag (vgl BVerfG StV 2006, 420), der nicht auf die Erbringung medizinischer Behandlungsmaßnahmen im engeren Sinne beschränkt ist (Baur Rn C 5). Resozialisierung ist vielmehr jede Einwirkung auf den Untergebrachten, die unmittelbar oder mittelbar dazu beiträgt, dass er künftig ein Leben ohne Straftaten führen kann (LK-Rissing-van Saan/Peglau § 67a Rn 18 mwN). Der Begriff der Resozialisierung im Maßregelvollzug entspricht damit weitgehend dem der Rehabilitation im Sinne der §§ 10 SGB I und 4 SGB IX und umfasst Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation sowie der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft (§ 5 SGB IX); in lebenslauftheoretischer Perspektive geht es eher um Übergänge (Matt 2004; vgl auch N W § 1 III: Überleitung). Soweit die §§ 136, 137 StVollzG die Vollzugsziele auf die Heilung der Erkrankung oder zumindest auf ihre Besserung beziehen und im Übrigen bestimmen, dass sich die Behandlung nach ärztlichen Gesichtspunkten richtet, wird dadurch zwar der Vorrang der ärztlichen Verantwortung betont (zur Kritik hieran Mrozynski 1984, 215, vgl auch AK-StVollzG-Pollähne § 136 Rn 4 und § 137 Rn 4). Eine ständige ärztliche Verantwortung ist aber auch im Bereich der medizinischen Rehabilitation nicht in jedem Fall erforderlich (vgl § 15 II 2 SGB VI im Gegensatz zu § 107 II Nr 2 SGB V). Bestandteil der Leistungen der medizinischen Rehabilitation sind dementsprechend auch psychologische und pädagogische Hilfen (§ 26 III SGB IX). Die „ärztlichen Gesichtspunkte” im Sinne fachlicher Standards der psychiatrischen Wissenschaft bedingen daher einen umfassenden, nicht auf medizinische Maßnahmen im engeren Sinne zu beschränkenden B ehandlungsauftrag. Aus den Bestimmungen des StVollzG ergibt sich weitergehend, dass der Maßregelvollzug die umfassende psychosoziale Stabilisierung, also nicht nur die medizinisch-psychiatrische Behandlung, sondern gleichzeitig auch die notwendige Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
schulische, berufliche und soziale Förderung zum Ziel hat. Dies entspricht modernen sozialpsychiatrischen Behandlungskonzepten (vgl Stolpmann 2001 und SchmidtQuernheim/Hax-Schoppenhorst 2008, 93 ff. B 73 Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 2 II SGB I muss bei der Ausübung eingeräumten Ermessens sichergestellt werden, dass soziale Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Bereits nach allgemeinen Regeln ist es ermessensfehlerhaft, wenn die Nichtentscheidung auf einer unzureichenden diagnostischen Abklärung des Förderbedarfs beruht oder nach dem Stand der Wissenschaft mögliche Rehabilitationsangebote nicht beachtet werden. Dieser „Ermessensfehlgebrauch” (vgl Rn B 117) macht die Ablehnung beantragter Rehabilitationsmaßnahmen von vornherein rechtswidrig. Der Umfang der notwendigen Abklärung bestimmt sich auch hier nach dem Erkenntnisstand der jeweiligen Disziplinen. Der Behandlungs- und Wiedereingliederungsplan (vgl Rn B 76) muss deshalb die Mindestanforderungen an einen Gesamtplan zur Rehabilitation erfüllen, wie er nach §§ 58 SGB XII bzw 10 SGB IX vorgesehen ist. B 74 Eine Unterschreitung dieses Mindeststandards sozialer Dienstleistungen im Maßregelvollzug ist rechtswidrig (vgl Marschner Rn E 6). Schließlich ergeben sich – insbesondere für die schulische und berufliche Bildung sowie den Bereich der Arbeit – Ansprüche für geeignete Patienten in Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem Art 3 GG im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 37 ff StVollzG. Es widerspricht dem Gleichbehandlungsgebot (und wäre auch mit der UN-Behindertenrechtskonvention kaum vereinbar, vgl Rn B 152), wenn Maßregelvollzugspatienten, die für eine schulische Förderung geeignet sind, von der Teilnahme daran allein aus Gründen der unzureichenden Vollzugsorganisation ausgeschlossen werden, während sie für geeignete Strafgefangene gesetzlich vorgesehen sind. B 75 Ein Schlüsselbegriff sozialer und liberaler Kriminalpolitik (Überblick bei Hahn in Cornel et al 2009, 390; grundl Leyendecker 2002; zur verfassungsgerichtlichen Verankerung Kitlikoglu 2004, vgl auch Kammeier Rn A 50 und BVerfG StV 2006, 420 mwN) findet sich eher versteckt in § 67a StGB (vgl auch §§ 106 IV 1 JGG und 37 I 1 BtMG): Bei der Prüfung einer Überweisung des im Maßregelvollzug Untergebrachten in den Vollzug einer anderen Maßregel wird darauf abgestellt, ob dadurch seine Resozialisierung (vgl BVerfGE 109, 133, 151 ff) besser gefördert werden kann. Darin kommt letztlich nichts anderes zum Ausdruck als die Besserungskomponente des Maßregelzwecks (NKPollähne/Böllinger § 67a Rn 12), zugleich werden die §§ 136, 137 StVollzG im Hinblick auf § 2 StVollzG relativiert (vgl auch § 9 II 1 StVollzG für die Sozialtherapie). Um zu gewährleisten, dass sich die Maßregeln „entgegen den gesetzlichen Vorgaben“ nicht zum „reinen Verwahrvollzug gefährlicher Straftäter“ entwickeln, sind die Verantwortlichen daher zu „regelmäßiger nachvollziehbarer Überprüfung“ der Vollzugsrealität verpflichtet, damit auch „tatsächlich eine konkrete und realisierbare Chance“ auf Resozialisierung – insb Behandlungs-, Therapie- und Arbeitsmöglichkeiten – besteht (was sicher nicht nur für die Sicherungsverwahrung gilt, dazu BVerfGE 109, 133 [155 f]). Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang Angehörigenkontakten zu (BVerfG NStZ-RR 2006, 325 und R&P 2008, 223), woraus sich auch ein Verlegungsanspruch ergeben kann (vgl OLG Jena vom 29. 10. 2007 [1 Ws 344/07, juris] und Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 459 sowie aaO S 460 zu Art 6 GG in Bezug auf die U-Haft). B 76 Wegen seiner zentralen Bedeutung für die Realisierung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Vollzugsziels der Resozialisierung muss der V ollzugsplan verständlich sein und als Leitlinie für die Ausrichtung des künftigen Verhaltens dienen können (ausf Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 458 unter Verweis auf BVerfG StraFo 2006, 512). Diese für den Strafvollzug verfassungsgerichtlich entwickelten Minima (vgl Pollähne 2007d) sind auf den Maßregelvollzug zu übertragen. Hier kommt hinzu, dass eine längerfristige stationäre psychiatrische Behandlung auch ,de lege artis‘ einer verbindlichen Planung bedarf: Ein planloses ,Vorsichhinbessern‘ ist nicht akzeptabel und ver46
Helmut Pollähne
VI. Das Maß des Freiheitsentzuges
traut letztlich darauf, dass sich der Patient selbst bessert (was freilich im Einzelfall nicht ausgeschlossen ist). Eine verbindliche, transparente und justiziable Behandlungs- und Wiedereingliederungsplanung hat dabei nicht nur realisierbare therapeutische und resozialisierende Angebote zu umfassen, sondern auch konkrete Vorgaben zu Vollzugslockerungen und Entlassungsvorbereitungen aufzuweisen, denn der Plan beinhaltet die „Meilensteine auf dem Weg in die Freiheit“ (Volckart/Grünebaum 2009, 264). VI. Das Maß des Freiheitsentzuges
VI.
Das Maß des Freiheitsentzuges
Nicht nur der Freiheitsentzug an sich, der durch die Vollstreckung der rechtskräftigen B 77 Maßregelanordnung bewirkt wird (vgl NK-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 1 ff), bedarf einer verfassungsrechtlichen Legitimation (dazu BVerfG NStZ-RR 2002, 122 sowie StV 2006, 420 zur sog Organisationshaft): Auch das jeweils abgestufte Maß der Freiheitsentziehungen und -beschränkungen (Art 104 GG) im Vollzug dieser Maßregeln lässt sich im Einzelfall nur rechtfertigen durch den Nachweis der spezifischen Gefahr, die von dem Patienten (noch) ausgeht und einen bestimmten Grad der Sicherung erforderlich macht (ausf Kammeier in der Vorauflage Rn A 96). Anders als im Strafvollzug ist das rechtskräftige Urteil keine hinreichende Legitimationsgrundlage für ein Mindestmaß an F reiheitsentzug (in qualitativer wie quantitativer Hinsicht), so wie es im Maßregelvollzug auch keine Mindestverbüßungszeiten gibt (zu § 67 V StGB vgl NKPollähne/Böllinger Rn 23 ff). Nicht der Abbau von Freiheitsentzug und -beschränkung bedarf der Rechtfertigung gegenüber dem Richterspruch, sondern deren Aufrechterhaltung (vgl Pollähne Rn F 30), andernfalls geriete die Freiheitsentziehung um ihrer selbst willen zu einer illegitimen Bestrafung (zur Bedeutung der Begleitstrafe Pollähne Rn F 84 und Pollähne/Rzepka Rn J 27 ff). Nicht zuletzt hier werden das Prinzip „in dubio pro libertate“ (s Rn B 46 ff) und das Übermaßverbot wirksam (vgl Rn B 21 ff). Kein gemäß § 63 StGB Untergebrachter sitzt von vorneherein und im Wortsinne „le- B 78 benslänglich“ (auch wenn öffentliche Meinungen bisweilen dazu herausfordern, den Schlüssel wegzuwerfen, vgl Prittwitz 2003). Selbst wenn es das BVerfG als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft hat, den psychiatrischen Maßregelvollzug in Einzelfällen bis zum ,bitteren Ende‘ andauern zu lassen (vgl BVerfGK 2, 55, dazu Pollähne 2009a), so darf eine solche ,Perspektive‘ doch in keinem Fall die Vollzugsplanung bestimmen: Zunächst einmal gilt für jeden Maßregelvollzugspatienten, dass ihm die realistische Chance verbleiben muss, der Freiheit in absehbarer Zeit wieder „teilhaftig“ zu werden (vgl BVerfGE 45, 187). Das materielle Maßregelrecht des StGB hat auf das Maßregelvollzugsrecht entschei- B 79 dende Auswirkungen: Die Maßregeln sind ausschließlich dazu da, vor erheblichen rechtswidrigen Taten zu schützen, die von psychisch oder abhängigkeitskranken Tätern erneut verübt werden könnten. Sie sind geschaffen worden, um dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft auch dann genügen zu können, wenn Freiheitsstrafe nicht – oder jedenfalls nicht in dem für eine effektive Gefahrenabwehr erforderlichen Maße – verhängt werden kann (vgl BVerfG StraFo 2005, 499). Dieses strafrechtsdogmatische bundesrechtliche Prinzip der Erforderlichkeit (s o Rn B 21, vgl auch Pollähne 2004c zum Subsidiaritätsprinzip) gilt freilich nicht nur im Erkenntnisverfahren: Es bestimmt darüber hinaus die Ausgestaltung des Vollstreckungsrechts, denn einmal verhängte Maßregeln dürfen nicht (weiter) vollstreckt werden, wenn jene Gefahr nicht mehr in einem Ausmaß besteht, das eine stationäre Unterbringung erfordert (vgl §§ 67b, 67d II StGB und NK-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 41), und das Vollzugsrecht: Alles, was den Patienten im Maßregelvollzug belastet, steht unter der Grundregel „Nicht mehr als nötig – so wenig wie möglich“. Dieses Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt für alle belastenden Vollzugsmaßnahmen B 80 und insbesondere dort, wo es darum geht, das Maß des Freiheitsentzuges zu Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
bestimmen, also bei den sog Vollzugslockerungen (als Rücknahme von Freiheitsbeschränkungen; zur Terminologie Pollähne Rn F 29 ff). Hier liegt ein maßgeblicher Unterschied zwischen Straf- und Maßregelvollzug: Das auf Freiheitsstrafe lautende Urteil ordnet an, dass der Gefangene den Freiheitsentzug erleiden soll (sekundäre Vollzugsaufgabe, vgl AK-StVollzG-Feest/Lesting § 2 Rn 13 ff), weshalb zB der Urlaub nach § 13 I StVollzG zeitlich begrenzt wurde. Im Maßregelvollzug geht es dagegen nicht um den Freiheitsentzug um seiner selbst willen (s o Rn B 77), sondern ausschließlich um die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbringung und Behandlung jener Störungen, die als Ursache für die Gefahr zukünftiger erheblicher rechtwidriger Taten ausgemacht wurden (§§ 63, 64 StGB). Wenn diese Gefahr so weit zurückgedrängt ist, dass Lockerungen der stationären Unterbringung voraussichtlich nicht zu einschlägigen Rückfällen führen werden, dann haben Patienten A nspruch darauf, und zwar ohne zeitliche Begrenzung (vgl Volckart/Grünebaum 2009, 172 und Pollähne Rn F 13, 60, 109 f mwN; ebenso LG Freiburg R&P 2005, 165 m Anm Pollähne). Wird das nicht beachtet, dann wird die Maßregel statt allein zur Gefahrenabwehr um des Freiheitsentzuges willen vollzogen, dann handelt es sich unter dem Etikett der Maßregel tatsächlich um Freiheits-Strafe (ähnlich bereits Kohlrausch ZStW 1924, 21, 33 zur Sicherungsverwahrung; das LG Marburg hält eine gesetzliche Urlaubsbefristung gar für unvereinbar mit der Landesverfassung, Beschluss v. 25. 9. 2001 – 7 StVK 481/01; der HessStGH vom 13. 2. 2002 – PSt 1694/01 – hielt die Vorlage allerdings für unzulässig). Die Maßregelvollzugseinrichtung hat die Daueraufgabe (analog § 67e StGB, vgl NK-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 27 ff und § 67e Rn 2; vgl auch NW § 16 II 3), Patienten darauf zu überprüfen, ob die Gefahr der Flucht und der Begehung rechtswidriger Taten akut ist, weil andernfalls „kleine kontrollierte Freiheiten“ verantwortet werden können (vgl Waldliesborner Thesen StV 1985, 478 und BVerfGK 7, 168: „einzelne Freiheiten“) und deshalb – in Achtung ihrer Freiheitsrechte – auch verantwortet werden müssen (vgl auch BVerfG R&P 2007, 211 zu effektivem Rechtsschutz bei Vollzugslockerungen). B 81 Der besondere Zusammenhang zwischen der Gewährung von Vollzugslockerungen und der Vollstreckungsdauer ist häufig genug thematisiert worden (vgl nur Pollähne 2007a mwN): Das BVerfG wird zusehends ungeduldiger, wenn die Aussetzung der Vollstreckung unter Verweis auf die fehlende Erprobung in Lockerungen verwehrt wird, und Lockerungen zugleich abgelehnt werden unter Verweis auf das unabsehbare Vollstreckungsende (zuletzt BVerfG StraFo 2009, 236 zur Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe) und verbleibende Restrisiken: „Die bloße Tatsache, dass sich ein Missbrauch prinzipiell nicht mit letzter Sicherheit ausschließen lässt, vermag die Versagung von Vollzugslockerungen nicht zu rechtfertigen“ (BVerfG vom 26. 2. 2003 – 2 BvR 24/03 – juris, zur Sicherungsverwahrung und unter Verweis auf BVerfGE 70, 297, 313). Vollzugslockerungen sind keine ad hoc-Vergünstigungen zu gegebener Zeit, sondern müssen zum Gegenstand der Vollzugsplanung gemacht werden (dazu auch Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 458 mwN). VII. Sicherheit und Ordnung
VII. Sicherheit und Ordnung B 82 Ohne Regelungen zur Sicherheit und Ordnung werden die Institutionen des Maßregelvollzugs ihre Aufgabe kaum erfüllen können. Anders als bei der Sicherung, die als vollstreckungsrechtlicher Begriff die Sicherheit iSd des Schutzes der Allgemeinheit zum Zweck hat (vgl Baur Rn C 10 ff), beziehen sich die Begriffe Sicherheit und Ordnung ausschließlich auf die V ollzugsebene, also auf die praktische und institutionelle Ausgestaltung der Vollstreckung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt. B 83 Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung (zum unmittelbaren Zwang vgl Rzepka Rn H 125 ff von Sicherheit und Ordnung lassen keinen Zweifel daran, dass der Staat dem Patienten im Maßregelvollzug hoheitlich im Wege belastenden Verwal48
Helmut Pollähne
VII. Sicherheit und Ordnung
tungshandelns gegenübertritt. Um den Maßregelzweck eines angemessenen Schutzes der Allgemeinheit vor erheblichen rechtswidrigen Taten durchzusetzen, werden – ultima ratio – Mittel der Sicherung angewandt (Rzepka Rn H 2. Diese sind strikt zu trennen von Mitteln der Besserung durch Behandlung und Therapie, die – verfassungsrechtlich verankert – sichernden Maßnahmen vorgehen. Dass der Maßregelvollzug dem Patienten ein Sonderopfer abverlangt, verbietet zugleich eine Einebnung der Unterschiede zwischen Besserung und Sicherung durch die Übernahme eines weiten Behandlungsbegriffs, der selbst das auf die Wahrung von Sicherung und Ordnung ausgerichtete Handeln der Vollzugsbediensteten in den Dienst von Behandlung und Therapie stellt (vgl Wagner Rn D 11 ff mwN, vgl o B 63). Eine endgültige Absage an die Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses zugunsten einer kompromisslosen Beachtung des Gesetzesvorbehalts kann nur gelingen, wenn inhaltlich zwischen Sicherungs-/Ordnungsmaßnahmen einerseits sowie Behandlungs-/Therapiemaßnahmen andererseits differenziert wird, um so eine am rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit orientierte Auslegung der Eingriffsvoraussetzungen sowie eine faire Gestaltung des Verwaltungsverfahrens zu ermöglichen (Rzepka aaO, vgl u Rn B 95 ff). 1.
Sicherheit
Sicherheit ist ein schillernder Begriff, seine Domäne ist das Polizeirecht. Dort ist (öf- B 84 fentliche) Sicherheit im Sinne der Gefahrenabwehraufgabe die „Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und der sonstigen Träger der Hoheitsgewalt“ (Götz 2008, 18). Die in einigen Maßregelvollzugsgesetzen verwandten Termini „Sicherheit und/oder Ordnung“ bzw „Sicherheit der Einrichtung“ (zB Bre § 20 I 2; Hess § 36 I; MeVo § 22; Nds § 23 I) können nicht mit dem dritten Element jenes polizeirechtlichen Begriffs identifiziert werden. Allein der Hinweis, die Ungestörtheit oder Funktionsfähigkeit der Vollzugseinrichtung sei bedroht, kann eine Kontrolle oder ein Verbot nicht begründen. Andernfalls stünde die Geltung der Grundrechte der vom Maßregelvollzug Betroffenen unter dem Vorbehalt einer legislativ unbestimmten und judikativ unkontrollierbaren Generalklausel. Wo die Landesgesetze dennoch solche Generalklauseln normiert haben (zB Bre § 20 B 85 I 1; Hbg § 3 III; NW § 5; Saar § 4), sind sie unter Berücksichtigung der Zwecke und Mittel des Maßregelvollzugs eng dahingehend auszulegen, dass Beschränkungen unter Berufung auf Sicherheit und Ordnung nur dann in Betracht kommen können, wenn der Bereich des grundrechtlichen Freiheitsraumes des Untergebrachten erschöpft ist und therapeutisch bzw pädagogisch alles Erforderliche unternommen wurde, das beanstandete Verhalten zu beeinflussen (vgl auch Rzepka Rn H 9, H 15 ff). Neben diesen Grundsatz der Subsidiarität tritt das Übermaßverbot: Eine unter Berufung auf Sicherheit und Ordnung angeordnete Einschränkung muss von ihrer Art und ihrer Interventionsintensität her in angemessenem Verhältnis zu Anlass und angestrebtem Zweck stehen und darf den Betroffenen nicht stärker und nicht länger als notwendig beeinträchtigen (vgl insoweit auch § 81 II StVollzG; sehr weitgehend BVerfG NStZ-RR 2002, 122 im Fall ,Holst‘). Ebenso wenig wie eine Gefahr für die Ordnung in der Anstalt ohne konkrete Anhaltspunkte einfach unterstellt werden dürfe, so das BVerfG, könne es zulässig sein, „naheliegende schonendere Mittel der Gefahrenabwehr ohne konkrete Anhaltspunkte für ihre Untauglichkeit zugunsten schärferer Instrumente zu verwerfen“ (StV 2008, 259 zur Nachtstromsperre in der U-Haft). Danach ist nicht die Vollzugseinrichtung selbst das Rechtsgut, dessen Sicherheit zu B 86 gewährleisten ist. Der hier relevante Sicherheitsbegriff meint vielmehr die Unversehrtheit subjektiver Rechte und Rechtsgüter einzelner Personen in der Einrichtung oder die Unverletzlichkeit objektiver Rechtsnormen. Vornehmlich sollen also das Leben und die körperliche Integrität als elementare Rechtsgüter der Personen, die sich Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
in der Einrichtung aufhalten (Patienten, Mitarbeiter, Besucher . . .), durch die Gewährleistung der Sicherheit in der Einrichtung geschützt werden (vgl Rzepka Rn H 5); BVerfG NStZ-RR 2002, 122 stellt auf die „spezielle Umgebungsgefährdung“ ab). 2.
Ordnung
B 87 Kennzeichnend für den polizeirechtlichen Begriff der öffentlichen Ordnung ist der Umstand, dass die Regeln, die diese Ordnung konstituieren, keine Rechtsnormen (dann Sicherheit, s o), sondern soziale Normen sind (Götz 2008, 29). Gesetze, die diesen Begriff verwenden, sind also in ihrer Struktur Verweisungsnormen auf soziale Gegebenheiten, wobei zwei verschiedene Ordnungskonzepte zu erörtern sind: B 88 Der Sicherheitsanspruch der Allgemeinheit legitimiert materiell die Unterbringung. Die von diesem Zweck zu unterscheidenden Mittel des Schutzes der Allgemeinheit bestehen in der Sicherung und Besserung des Untergebrachten (zur Differenzierung Baur Rn C 4 ff). Es handelt sich zum einen also um Vorkehrungen gegen das Entweichen nach draußen (vgl Pollähne Rn F 72) und von dem Untergebrachten ausgehende Gefahren innerhalb der Einrichtung, dh um seine Sicherung. Zum andern geht es um die institutionellen Rahmenbedingungen und therapeutischen Angebote, von denen erwartet wird, dass sie zu einer wesentlichen Reduzierung der Disposition des Betroffenen zur Begehung erheblicher Straftaten beitragen, dh zur Aufhebung seiner Gefährlichkeit. Hiermit ist die Besserung gemeint. B 89 Dagegen ist es nicht Aufgabe des psychiatrischen Krankenhauses oder der Entziehungsanstalt, über diese beiden Mittel zur Erreichung des Zwecks der Unterbringung hinaus die Patienten zur Aneignung von Ideen eines guten Lebens oder zu einem – im Sinne der bürgerlichen Ordnung – ordentlichen Lebenswandel zu bewegen. Jede Berufung auf die Ordnung der Einrichtung birgt die Gefahr, soziale Regeln durchsetzen zu wollen, die sich weder unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Allgemeinheit noch zur Sicherheit der Einrichtung (vgl Rn B 84 ff) rechtfertigen lassen. So könnte unversehens ein Kanon sozialer Normen entstehen, deren Überwachung von der zentralen Frage ablenkt, ob die die Unterbringung rechtfertigende Gefährlichkeit des Betroffenen noch besteht oder bereits auf das Maß der Aussetzungsreife (§ 67d II StGB) reduziert ist. B 90 Der auf der Vollzugsebene relevante Oberbegriff verweist zum einen auf soziale Regeln, deren Einhaltung für die Erfüllung der Sicherungs- und/oder Besserungsaufgabe unerlässlich ist. Hier bilden vielfältige Regeln zur Verhaltenskoordination den normativen Rahmen, dessen Geltung notwendig ist, damit einzelne Maßnahmen der Sicherung oder Besserung überhaupt mit Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden können. Dieser Rahmen gehört zur Ordnung der Einrichtung. Er wird im Wesentlichen durch Normen konstituiert, die sicherstellen sollen, dass die Untergebrachten therapeutische Angebote wahrnehmen (können). Wer zB seine Mitpatienten dabei stört, solche Angebote in Anspruch zu nehmen, verletzt die Ordnung der Einrichtung. Diese Ordnung verletzt aber auch, wer an Mitpatienten adressierte Gebote und Verbote, die auf deren Sicherung abzielen, torpediert oder entsprechende organisatorische oder technische Vorkehrungen außer Kraft setzt. Auch Besucher oder Mitarbeiter der Einrichtung können in diesem Sinn Verletzer der Ordnung sein (Störer im polizeirechtlichen Sinne). B 91 Ein zweiter Typ von Ordnungsnormen regelt eine Vielzahl von Aktivitäten der Untergebrachten, die inhaltlich nicht den Kategorien Sicherung und Besserung zugeordnet werden können. Gemeint ist die F reiheit der Alltagsgestaltung einschließlich der Erfüllung elementarer Bedürfnisse wie Essen, Schlafen und Freizeit. Die hier angesprochene Gestaltungsfreiheit ist weder ein Teilbereich der Behandlung, noch wird sie durch Behandlungserfordernisse legitimiert. Jeder Untergebrachte besitzt sie vielmehr aufgrund der Grundrechte, die ihm die Verfassung gewährt. Diese Frei50
Helmut Pollähne
VII. Sicherheit und Ordnung
heit muss in einer „totalen Institution“, in einer Zwangsgemeinschaft wie dem psychiatrischen Krankenhaus oder der Entziehungsanstalt, aber geordnet werden, damit sie auch (und vor allem gleichberechtigt) wahrgenommen werden kann. Zu dieser Ordnung des Sozialverhaltens bedarf es koordinierender Regeln für diverse Aktivitäten, denn die Einrichtung muss ihre Aufgaben unter vertretbarem Aufwand wahrnehmen können. Der Kernbereich dieser Regeln wird bereits durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht definiert; der darüber hinausgehende Kanon sozialer Normen, die zur koordinierten Ausübung der individuellen Gestaltungsfreiheit notwendig sind, beinhaltet die Ordnungsnormen dieser zweiten Kategorie. Wo das Maßregelvollzugsrecht auf das „geordnete Zusammenleben“ abstellt (exempl B 92 NW §§ 7 I, III, 8 II, 9 II, vgl Rzepka Rn H 6), dessen Gewährleistung resp Aufrechterhaltung Rechtseingriffe legitimieren soll, ist die Gefahr besonders groß, dass die „Anstalt“ ihr bevormundendes Wesen als „totale Institution“ entfaltet. Auch deshalb bedürfen untergesetzliche Regelwerke (zu Haus- und Stationsordnungen vgl Rzepka Rn H 8 ff sowie historisch Pollähne 1994a, 15 f) einer besonderen Kontrolle. So fragwürdig es ist, das Zusammenleben der Patienten untereinander (und mit den Mitarbeitern) einseitig und ,von oben herab‘ zu ordnen, weshalb einer demokratischen Mitbestimmung in diesem Konfliktfeld eine große Bedeutung zukommt, so bedenklich wäre es freilich, die Freiheitsrechte einzelner Patienten dem Diktat der Mehrheit zu unterwerfen, wenn dabei gesetzliche Vorgaben und Grundrechtsschranken aus dem Blick geraten. Anstelle einer Ver-Ordnung des Zusammenlebens sollte eine Verständigung über diese Ordnung mit den Patienten im Allgemeinen und eine Vereinbarung mit einzelnen Patienten Vorrang genießen, und doch darf nicht in Vergessenheit geraten: Grundrechtseingriffe bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, der Verweis auf Vereinbarungen (Kontrakte oä) reicht keineswegs. Die Rigidität oder Liberalität der Ordnung im zuletzt genannten Sinn bemisst sich B 93 nicht, wenigstens nicht unmittelbar, nach den Erfordernissen von Sicherung und/ oder Besserung, sondern ergibt sich als Konsequenz aus den materiellen und personellen Ressourcen, mit denen das psychiatrische Krankenhaus oder die Entziehungsanstalt ausgestattet sind. Grundsätzlich kann jeder Untergebrachte frei entscheiden, wann er welche Mahlzeiten zu sich nehmen, wach sein oder sich zur Ruhe legen (vgl auch BVerfG StV 2008, 259 zur Nachtstromsperre sowie LG Stendal R&P 2005, 36 m Anm Wagner), schweigend meditieren, laut Musik hören oder ununterbrochen Fernsehen will (vgl zum Fernsehverbot des LG Marburg Pollähne 1992 und Kreuzer 1994): Dieses Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gilt prinzipiell auch im Maßregelvollzug. Manche Ausübung solcher grundrechtlichen Freiheiten wird aber dann zu einem Problem für Mitpatienten und damit zu einem Regelungsnormen erfordernden Ordnungsproblem, wenn den Untergebrachten zB keine Einzelzimmer zur Verfügung stehen. Die Ermöglichung eines Pluralismus von Lebensstilen in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs, der solche Ordnungsnormen weitgehend entbehrlich machte, setzt einen hohen materiellen und personellen Aufwand voraus. An diesem Punkt stellt sich die (hier nur anzusprechende, aber nicht zu beantwortende) Frage nach dem Verhältnis der von den Ländern für den Maßregelvollzug bereitzustellenden Haushaltsmittel (vgl Kammeier Rn A 71 f) zu den Beträgen, die zur Ausübung der Grundrechte durch die Betroffenen erforderlich wären: „Es ist Sache des Staates, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und nötig sind, um Verkürzungen der Rechte von Untersuchungsgefangenen zu vermeiden; die dafür erforderlichen sächlichen und personellen Mittel hat er aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen“ (BVerfG aaO) – dass dies für Maßregevollzugspatienten gleichermaßen (wenn nicht ,erst recht‘ in Anbetracht des aufgebrachten Sonderopfers, vgl Rn B 34 ff) zu gelten hat, versteht sich von selbst. Verfassungsrechtlich geht es um die Frage, ob die Grundrechte über ihre klassische Funktion als Abwehrrechte hinaus einen A nspruch auf soziale Leistungen vermitteln, hier konkret auf eine Ausstattung der Maßregelvollzugseinrichtungen, die den Untergebrachten inHelmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
dividuelle Lebensstile eröffnen und dabei allzu restriktive Ordnungsnormen weitgehend überflüssig machen (zur Begründung derartiger Leistungsansprüche nach dem Recht der sozialen Entschädigung aufgrund von Aufopferung s o Rn B 40 ff). Der Zusammenhang zwischen Ressourcen (Ausstattung etc) und Konflikten, die ggf Sicherungs-/Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen (sollen), zeigt sich besonders deutlich in Zeiten der Überbelegung (dazu Kammeier Rn A 68 ff mwN); in diesem Kontext sind auch Privatisierungsbestrebungen nicht unbedenklich (vgl Rn B 33). B 94 Aus allem ergibt sich folgender Prüfstein der Erforderlichkeit: Sofern eine Regel zur Verhaltenskoordinierung in einer Maßregelvollzugseinrichtung fallengelassen werden kann, ohne dadurch einen unangemessenen Aufwand für die Wahrnehmung resp Gewährleistung individueller Lebensstile der Untergebrachten nach sich zu ziehen, gehört diese Regel nicht zur Ordnung der Einrichtung, sondern allenfalls zum Leitbild einer ordentlichen Lebensführung, dessen Durchsetzung aber nicht zu den Aufgaben des Maßregelvollzugs gehört. VIII. Rechtsstaatliche Prinzipien fairer Verwaltungsverfahren
VIII. Rechtsstaatliche Prinzipien fairer Verwaltungsverfahren Spezielle Literatur: AK-StVollzG-Kamann vor § 108; Volckart 1987b; Volckart/Grünebaum 2009, 64 ff; Wagner 1992a, 168 ff
B 95 Die dargestellten verfassungsrechtlichen Gestaltungsgrundsätze können nur wirksam werden, wenn sie ggf im Rahmen effektiven Rechtsschutzes durchzusetzen sind (vgl u Rn B 122 ff und Gericke Kap K). Das erfordert wiederum die Einhaltung von Mindeststandards fairer Verwaltungsverfahren, die ihrerseits der Grundrechtsverwirklichung dienen und verfassungs- und menschenrechtliche Vorgaben zu beachten haben (ausf Rzepka Rn H 19 ff). Gerade im Kontext des Maßregelvollstreckungsrechts hat das BVerfG in den letzten Jahren die Erfordernisse prozeduraler Rechtssicherheit unterstrichen (ausf Pollähne 2009a mwN): Um so stärker das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, hier: zwischen Patient und Einrichtung, durch Sicherheitsrecht bestimmt wird, um so wichtiger wird das Korrektiv der Rechtssicherheit; dies gilt für den Maßregelvollzug gleichermaßen. B 96 Psychiatrisches Krankenhaus und Entziehungsanstalt neigen wie alle komplexen Organismen dazu, sich unter Umständen auch auf Kosten anderer selbst zu erhalten (was keineswegs als Vorwurf an die dafür Verantwortlichen und dort Tätigen gemeint ist). Diese Tendenz kann aus einem Krankenhaus eine t otale Institution werden lassen, in der Patienten ohne Selbstbestimmung einer höheren Gewalt ausgeliefert sind und als bloße Objekte der Psychiatrie und Anstaltsverwaltung behandelt werden (grundlegend Goffman 1973, 49 ff). Verwaltungstechnische Ordnungsmaximen drohen dann zum rechtlichen Werkzeug und die Vernunfthoheit bzw wohlmeinender Paternalismus eines ärztlichen Heilungsideals zum psychiatrischen Werkzeug einer solchen Institution zu werden. Der totalen psychiatrischen Anstalt kann vorgebeugt werden durch die Konzeption einer therapeutischen Gemeinschaft mit demokratischen Interaktionsstrukturen (vgl Psychiatrie-Enquete BT-Drs 7/4201, 24 unter 4.7); die totale Ordnungsanstalt ist zu verhindern, wenn Patienten als kompetente, handlungsfähige Personen und als Rechtssubjekte am Verwaltungsverfahren beteiligt werden. Die therapeutische Gemeinschaft und detaillierte rechtliche Verfahrensregelungen laufen so auf dasselbe hinaus und widersprechen sich keineswegs. Insbesondere werden therapeutische und menschliche Zuwendung durch Rechtsvorschriften nicht gestört. Denn erst wenn ein Machtgefälle vom Helfenden zum Hilfsbedürftigen die Rechte des Unterlegenen bedroht, greifen rechtliche Regeln als Machtverteilungsinstrumente ein (Wagner 1992a, 31 ff). Solange sich Krankenhauspersonal und Patienten im Anstaltsalltag begegnen, entsteht noch kein Verwaltungsverfahren, das durch Vorschriften geregelt werden könnte oder müsste. Erst wenn sich das Subordinationsverhältnis in Maßnahmen und Verhaltensanweisungen konkretisiert oder 52
Helmut Pollähne
VIII. Rechtsstaatliche Prinzipien fairer Verwaltungsverfahren
konkretisieren soll, wenn das Krankenhaus also Vollzugsmaßnahmen prüft oder trifft, handelt es sich begrifflich um ein – dann rechtlich geregeltes – Verwaltungsverfahren (vgl § 9 VwVfG des Bundes). 1.
Gesetzeslage
Die Gesetzgebungskompetenz für das Verwaltungsverfahren steht den Ländern B 97 zu. Sie haben diese Materie in ihren Gesetzen zum Maßregelvollzug jedoch weitgehend ungeregelt gelassen. Soweit bereichsspezifische Verwaltungsverfahrensvorschriften existieren, werden sie im jeweiligen Zusammenhang kommentiert (Pollähne Rn F 85 ff; Rzepka Rn H 19 ff). Im Übrigen wird vertreten, in allen Bundesländern seien die dortigen Verwaltungsverfahrensgesetze (LVwVfG) anwendbar, soweit Unterbringungen nach §§ 63 und 64 StGB, 7 JGG betroffen sind (Volckart 1987b, 104 ff; 1999, 36, 219). In der Tat ist in den VwVfGen der Länder nur die Verwaltungstätigkeit der Justizbehörden und -vollzugsanstalten (in Bremen auch bei Unterbringungen nach PsychKG gem LVwVfG § 2 II Nr 8) vom Geltungsbereich ausgenommen. Da der Maßregelvollzug weder bei den Justizressorts angesiedelt (vgl oben Baur Rn C 10) noch Justizvollzug ist (vgl § 138 I StVollzG, zur Abgrenzung Pollähne 1999 und 2000), müssten konsequenterweise die VwVfGe unmittelbar gelten. Möglich, dass es sich bei den genannten Ausschlussregeln um ein Redaktionsversehen handelt, denn auch die sachlich ähnlich gestalteten Unterbringungen durch die Justiz nach §§ 81, 126a, 453c iVm 463 StPO, 73 JGG fallen darunter, weshalb einiges für die Praxis spricht, die LVwVfG nicht unmittelbar sondern lediglich exemplarisch zur Lückenfüllung heranzuziehen (vgl Kopp/Ramsauer VwVfG § 1 Rn 32). Der Einfachheit halber werden hier die Vorschriften aus dem Bundes-VwVfG zitiert, dem die Ländergesetze nachgebildet sind. Inhaltlich kann weitgehend auf die einschlägigen Kommentierungen zum VwVfG verwiesen werden; für den Maßregelvollzug ist nur auf folgende Besonderheiten hinzuweisen (ausf Rzepka aaO): 2.
Form des Verwaltungsverfahrens
Das Verwaltungsverfahren ist einfach, zweckmäßig und – vorbehaltlich besonderer B 98 Vorschriften (davon zu unterscheiden: Dokumentationspflichten oder Schriftform bzw Begründungserfordernisse für Entscheidungen, vgl Rn B 112 ff) – formlos durchzuführen (§ 10 VwVfG; zu Antragserfordernissen zB Pollähne Rn F 88 f). Weder ist eine formalisierte Amtssprache noch ein unpersönlicher oder gar unfreundlicher Ton angebracht, sondern das einfühlsame, auch therapeutisch reflektierte Gespräch, selbst wenn die Verwaltung des Krankenhauses tätig wird. Das ist freilich kein Plädoyer für Informalitäten und Unverbindlichkeiten: Dass die Einrichtung dem Patienten ggf hoheitlich, nämlich als Behörde gegenüber tritt (s u), darf nicht therapeutisch und/oder fürsorglich verschleiert werden. 3.
Beteiligte
Am Verwaltungsverfahren beteiligt (§§ 11, 13 VwVfG) sind auf der einen Seite das B 99 Krankenhaus bzw die Entziehungsanstalt als Behörde (Baur Rn C 64), private Einrichtungen nur, wenn sie die Unterbringung in eigener Verantwortung als Beliehene durchführen (ansonsten ist ggf die verlegende öffentliche Einrichtung beteiligt, vgl auch Wagner Rn D 168), und auf der anderen Seite der Patient oder andere natürliche oder juristische Personen, deren Rechte jeweils durch den Vollzug betroffen sind (zB Angehörige; Besucher; Anwälte; Versicherungsunternehmen in Auskunftsangelegenheiten; Arbeitgeber; zum Betreuer vgl u Rn B 105). Soweit die Länder eine Mitwirkung anderer Behörden vorsehen (zB an Lockerungs- B 100 entscheidungen, vgl Pollähne Rn F 94 ff) sind diese nicht beteiligt iSd §§ 11, 13 VwVfG: Sie wirken nach den Regeln des sog mehrstufigen Verwaltungsaktes nur intern mit und ihre Entscheidungen werden vom Krankenhaus bzw der Entziehungsanstalt Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
nach außen vertreten. Andere Behörden (Ausländerämter, Führerscheinstellen etc) führen ggf eigene Verfahren, können aber nicht in den Maßregelvollzug ,hineinregieren‘ und das Vollzugsrecht unterlaufen (zur Rolle von Aufsichtsbehörden und Trägern Baur Rn C 60 und 70). B 101 § 13 II VwVfG sieht die Beteiligung mittelbar Betroffener vor, was insbesondere bei Besuchserlaubnis, Telefonverbot, Briefkontrolle, Lockerungsentscheidungen etc. praktisch werden kann. Diese Maßnahmen wirken sich nämlich nicht nur für Patienten, sondern ebenso für Briefpartner, Gesprächspartner oder die besuchte bzw zu besuchende Person aus. Werden diese Personen nach § 13 II VwVfG hinzugezogen, so hat die ergangene Verwaltungsmaßnahme auch für sie unmittelbare Wirkung (zum Rechtsschutz exempl BVerfGK 4, 305 zur Anhaltung eines von außen zugesandten Rechtsratgebers). 4.
Handlungsfähigkeit
B 102 § 12 VwVfG regelt die Handlungsfähigkeit und damit die Frage, wer als Beteiligter oder für diesen Verfahrenshandlungen vornehmen kann. Problematisch ist dies bei jugendlichen und solchen erwachsenen Patienten, die aufgrund ihrer psychischen Störung nicht geschäftsfähig sind, denn in § 12 VwVfG wird die Handlungsfähigkeit an die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit geknüpft. B 103 Nach § 7 JGG können J ugendliche ab 14 Jahren (vgl § 19 StGB) untergebracht sein. Sie sind nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig und deshalb nur unter den Voraussetzungen des § 12 I Nr 2 VwVfG beteiligungsfähig. Die danach erforderlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts, aus denen sich ihre Handlungsfähigkeit ergibt, stehen in der Verfassung, denn in einem Verwaltungsverfahren des Maßregelvollzugs geht es unmittelbar um ihre Grundrechte. Deshalb können Grundrechtsmündigkeit und verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit nicht voneinander getrennt werden. Weil (und soweit) den untergebrachten Jugendlichen die Grundrechtsmündigkeit zugestanden wird, haben sie auch die Handlungsfähigkeit, diese Grundrechte durchzusetzen (VG Köln NVwZ 1985, 218; Kopp/Ramsauer VwVfG § 12 Rn 6 ff; vgl aber auch Hohm 1986, 3107 ff). Dies ist unproblematisch im Verhältnis gegenüber dem Krankenhaus bzw der Anstalt, wo die Grundrechtsmündigkeit in aller Regel vorliegen wird (Einzelheiten bei Maunz-Dürig Art 19 III GG Rn 16); schwieriger (aaO Rn 17 ff) liegen die Dinge im Verhältnis zu den Eltern (Art 6 II GG) und sonstigen Erziehungsberechtigten, was virulent wird, sobald sich diese an der Vollzugsgestaltung beteiligen. Die Lösung hat in diesen Fällen aber nicht bei der Handlungsfähigkeit des Kindes, sondern bei der Sachentscheidung zu erfolgen, wo Erziehungsinteressen über Art 6 II GG einfließen müssen. Also sind jugendliche Maßregelvollzugspatienten in aller Regel handlungsfähig. B 104 Bei den erwachsenen Patienten wurde die Problematik mit dem Wegfall der Entmündigung durch das Betreuungsrecht entschärft. Die Geschäftsfähigkeit fehlt ihnen nur, wenn eine nicht nur vorübergehende „krankhafte Störung der Geistestätigkeit“ iSd § 104 Nr 2 BGB vorliegt. Aber auch dann sind die Patienten handlungsfähig. Dies ergibt sich aus dem aus Art 1 I GG abgeleiteten Grundsatz (vgl auch Art 12 II UN-Behindertenrechtskonvention, s Rn B 152), wonach psychisch Kranke in solchen Verfahren als handlungsfähig gelten müssen, in denen es um die Einschränkung ihrer Rechte gerade aufgrund der Krankheit geht (vgl § 316 FamFG sowie BVerfGE 10, 302 und BGHZ 52, 1; zum Ganzen AK-StVollzG-Kamann vor § 108 Rn 6 und Wagner 1992a, 67, 171) und entspricht der Rechtslage im gerichtlichen Verfahren, wo diesen Patienten die volle Prozessfähigkeit zuerkannt wird (OLG Koblenz ZfStrVo 1987, 109; OLG Hamm R&P 1987, 36). B 105 Also sind alle Maßregelvollzugspatienten im Vollzugsverwaltungsverfahren ungeachtet § 12 I Nr 1 VwVfG handlungsfähige Beteiligte. Über ihre Köpfe hinweg darf 54
Helmut Pollähne
VIII. Rechtsstaatliche Prinzipien fairer Verwaltungsverfahren
nicht entschieden und gehandelt werden. Wird jedoch – sofern im Einzelfall zulässig – ein Pfleger oder Betreuer im Verfahren hinzugezogen oder treten diese sonst für den Patienten auf, so gilt § 12 II VwVfG iVm § 53 ZPO und der Patient verliert seine Handlungsfähigkeit. Will er sie wiedererlangen, muss er gegen die Intervention von Pfleger oder Betreuer vorgehen (vgl Gericke Rn K 27). Allerdings ist die Bedeutung der Vorschrift gering, wie das LVwVfG von Bremen (§ 12 II) zeigt: Der Betreuer kann in das Verfahren nur eingreifen, wenn er gerade für dieses Verfahren bestellt ist oder wenn ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB eingerichtet ist, sich das Verwaltungsverfahren auf einen davon betroffenen Gegenstand bezieht und der Betreute aufgrund der Vorschriften des BGB ohne Einwilligung nicht handeln kann. Solche Fälle sind im Maßregelvollzug selten. Eine andere Frage ist, ob dritte Personen aus Fürsorge beteiligt werden müssen, wenn der Patient etwa das Verfahren nicht versteht oder seine eigenen Rechte nicht wahrnehmen kann. Dies ist ein Problem des Anspruchs auf rechtliches Gehör und damit des § 28 VwVfG (vgl Gericke Rn K 66 und u Rn B 107). Handlungsfähig auf Seiten der Maßregelvollzugseinrichtung ist gem § 12 I Nr 4 B 106 VwVfG der Behördenleiter, dessen Beauftragter oder Vertreter. Das ist die Grundlage für eine demokratische Durchbrechung des Hierarchieprinzips und ermöglicht Gremien- und Teamentscheidungen (zu den zT eingeschränkten Delegationsmöglichkeiten in den Ländern vgl Pollähne Rn F 87). Auch beliehene Privatunternehmen (vgl Hauk 2009) werden als Behörde tätig (vgl Baur Rn C 61 ff) und haben sich an die Vorgaben des VwVfG zu halten. 5.
Bevollmächtigte, Beistände, Vertreter
Vertreter, Beistände und sonstige Bevollmächtigte können neben oder anstelle von B 107 Beteiligten auftreten. Soweit zum Strafvollzug allerdings behauptet wird, es sei ausschließlich das Verteidigungsmodell der StPO (dazu Gericke Rn K 85 ff) anwendbar (hM; vgl nur Schwind/Böhm-Schuler § 108 Rn 3; AK-StVollzG-Kamann Rn 9 vor § 108), ist dies bereits dort (Nestler-Tremel/Prittwitz 1986) und insbesondere im Maßregelvollzug unzutreffend, was sich formal schon damit begründen lässt, dass hier anders als im Strafvollzug die §§ 14 ff VwVfG anwendbar sind (vgl o Rn B 97). Der entscheidende Grund liegt aber im besonderen Charakter des Verwaltungsverfahrens eines Krankenhauses bzw einer Entziehungsanstalt: Gerade in einer demokratisch strukturierten, kommunikativen therapeutischen Gemeinschaft (vgl Rn B 96) besteht zusätzlich ein dringendes praktisches Bedürfnis für Beistand, Begleitung und Vertretung durch solche Personen, die mit anderem Hintergrund als Rechtsanwälte oder Hochschullehrer (§ 137 I StPO) arbeiten. Solchen ggf therapeutisch orientierten Personen bliebe nach dem Verteidigungsmodell der Zugang versperrt, da ein zuständiger Richter für eine Genehmigung nach § 137 II StPO fehlt. Deshalb sind auch sonstige B evollmächtigte, Beistände und Vertreter nach Maßgabe der LVwVfGe, also insbesondere auch in der Form der Vertreter von Amts wegen (§ 16 I Nr 4 VwVfG) und der Massenvertreter bei gleichförmigen Eingaben (§§ 17 ff VwVfG), bis zum gerichtlichen Verfahren möglich. Bedenklich erscheint hingegen, wenn sich (zB privat betriebene) Kliniken im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertreten lassen, was leicht zu dem Missverständnis führen könnte, der Patient müsse in einen Privatrechtsstreit eintreten (s o Rn B 106, vgl Volckart/Pollähne/Woynar 2008 Rn 621). 6.
Befangenheit
Auf Seiten des psychiatrischen Krankenhauses bzw der Entziehungsanstalt sind be- B 108 stimmte Personen von der Mitwirkung im Verwaltungsverfahren ausgeschlossen. Der Ausschluss kann auf gesetzlich unwiderleglich vermuteter oder sonstiger Befangenheit (§§ 20, 21 VwVfG) beruhen, was für die Praxis des Maßregelvollzugs weitreichende Konsequenzen hat, die dort zu wenig Beachtung finden (Volckart 1987b, 104 ff). Die Ausschlussvorschriften sollen Festlegungen verhindern und einen offeHelmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
nen, unbefangenen Entscheidungsprozess garantieren; sie sind daher zB auf eine im Maßregelvollzug nicht selten vorkommende Konstellation anwendbar, in der Patienten von Ärzten behandelt werden, die bereits in der Hauptverhandlung das Gutachten zu Schuldfähigkeit und Unterbringung erstattet haben (vgl nur Leygraf 1988, 178 und Schumann 1987, 98 f; ausf dazu Wagner in der Vorauflage Rn J 17; zu externen Gutachten in der Vollstreckung vgl Tondorf 2000 und Pollähne Rn F 142, 144). Bei solcher Vorbefassung ist zunächst § 20 I Nr 6 VwVfG zu prüfen, wonach ausgeschlossen ist, wer außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft ein Gutachten in jener Angelegenheit abgegeben hat, die Gegenstand des aktuellen Verwaltungsverfahrens ist. Als Sachverständiger im Strafprozess tritt der Gutachter niemals in seiner amtlichen Eigenschaft (als MRV-Arzt) sondern persönlich auf; ihn trifft die Verantwortung für das, was er vorträgt (vgl auch § 839a BGB). Deshalb kann auch in Fällen einer strafprozessualen Begutachtung, die im Rahmen einer Unterbringung nach §§ 81 oder 126a StPO erfolgte, der Befangenheitstatbestand des § 20 I Nr 6 VwVfG erfüllt sein (diff Volckart 1987b, 106), jedenfalls aber kommt in diesen Fällen die Besorgnis der Befangenheit nach § 21 VwVfG in Betracht (Wagner 1992a, 172; zur Befangenheit der StVK vgl Pollähne Rn F 95 und Gericke Rn K 38). Wirkt eine befangene Person an einer Entscheidung mit, so ist diese zunächst trotzdem gültig (§ 44 III Nr 2 VwVfG), unter den weiteren Voraussetzungen des § 46 VwVfG aber ggf anfechtbar (Knack-Hennecke VwVfG § 44 Rn 48). 7.
Entscheidungsvorbereitung; Sachaufklärung
B 109 Die Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen ist in §§ 24, 26 und 28 VwVfG geregelt. Das Krankenhaus hat sich alle für eine Entscheidung oder Maßnahme nötigen Informationen und Unterlagen selbst zu besorgen (Untersuchungsgrundsatz) und insbesondere auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 24 II VwVfG). Im Hinblick auf zT ungesicherte Erkenntnisse der Psychowissenschaften bedeutet die Erfüllung des Untersuchungsgrundsatzes, einen möglichst offenen, die unterschiedlichen Auffassungen zur Geltung bringenden Prozess zu sichern, in dem Pluralität und Repräsentativität der Ansätze sichergestellt werden müssen, damit sich wissenschaftliche, disziplinäre, professionelle etc ,Befangenheiten‘ gegenseitig relativieren. Bleiben hier Fragen offen, so kann das Krankenhaus verpflichtet sein, den eigenen Sachverstand durch ein externes Gutachten zu erweitern (Hufen 1998, 126, vgl Pollähne Rn F 142 ff). B 110 Die Beteiligten, also in aller Regel zumindest der Patient, sind anzuhören (Einzelheiten zu den Ländergesetzen bei Rzepka Rn H 20 und Pollähne Rn F 88 ff). Ist dies aus Gründen der psychischen Störung oder aus anderen, zB sprachlichen Gründen nicht ohne weiteres möglich, dann müssen Personen beteiligt werden, die dem Mangel abhelfen. Angesprochen sind hier (vgl § 15 VwVfG) insbesondere Betreuer und gesetzliche Vertreter (Eltern, Pfleger, Vormund bei Jugendlichen, vgl o Rn 105; zu Fragen der Schweigepflicht vgl Gericke Rn K 55 ff). Auf die Mitwirkung eines Verteidigers bzw sonstigen Beistands hat die Behörde hinzuwirken, wenn zu befürchten ist, dass der Patient seine Rechte allein nicht wahrnehmen kann. Dies folgt aus Fürsorgepflichten (vgl o Rn B 105) und dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der im Verwaltungsverfahren aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Menschenwürde abgeleitet wird (vgl Rzepka Rn H 19 f). B 111 Bei ausländischen Beteiligten mit Sprachbarrieren muss ein Dolmetscher zugezogen werden. Die Kostenregelung des § 23 VwVfG, nach der die Übersetzungskosten der Beteiligte zu tragen hat, sind jedenfalls auf den Patienten selbst nicht anzuwenden, das ergibt sich aus dem Sonderopfercharakter der Unterbringung und der Kostentragungslast der Länder für den Maßregelvollzug (dazu Baur Rn C 45). Wie bei der Krankenhilfe nach § 48 SGB XII (zu § 37 BSHG aF: BVerwG NJW 1996, 3092) umfasst auch im Maßregelvollzug der Anspruch auf Hilfe und Behandlung die kostenlose 56
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VIII. Rechtsstaatliche Prinzipien fairer Verwaltungsverfahren
sprachliche Hilfeleistung durch einen Dolmetscher. Und ebenso wenig wie der Patient für einen Sprachkurs als Eingliederungsmaßnahme oder für die Bemühungen eines Therapeuten um eine Verständigung bezahlen muss, so wenig muss er dafür aufkommen, dass ihm die Hausordnung übersetzt oder eine Vollzugsmaßnahme mit Hilfe eines Dolmetschers verständlich gemacht wird (allg zum Maßregelvollzug bei Ausländern Pollähne/Rzepka Rn J 49 ff). 8.
Form und Inhalt von Vollzugsentscheidungen
Form und Inhalt von Vollzugsentscheidungen sind in §§ 35 bis 38 VwVfG geregelt B 112 (vgl Gericke Rn K 31 zum Rechtsschutz bei Formfehlern). Praxisrelevant ist dabei zunächst § 37 II 2 VwVfG, wonach eine mündliche B ekanntgabe bei berechtigtem Interesse schriftlich bestätigt werden muss. Der Unsitte, Entscheidungen mündlich und nebenbei zu eröffnen, kann damit begegnet werden. Ein schriftlicher Bescheid kann vom Patienten besser überdacht und von dritter Seite gründlicher überprüft werden. Dass nach § 38 VwVfG die Zusicherung einer Vollzugsmaßnahme nur schriftlich wirksam ist, darf nicht dazu verführen, bloß zur Beschwichtigung eine unwirksame mündliche Zusage zu geben (zu besonderen Formerfordernissen und Begründungspflichten nach den Ländergesetzen vgl Rzepka Rn H 24 ff und Pollähne Rn F 88 ff). Das Begründungserfordernis des § 39 I VwVfG ist angesichts der allgegenwärtigen B 113 Ermessensvorschriften besonders ernst zu nehmen. Erst wenn erkennbar wird, welche Gesichtspunkte das Ermessen geleitet haben, kann eine effektive Rechtskontrolle stattfinden. Die gebotene Würdigung der konkreten Umstände darf nicht durch eine Pauschalbetrachtung ersetzt werden (Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 459 zum Anspruch auf Verlegung zur Förderung von Angehörigenkontakten unter Verweis auf BVerfG NStZ-RR 2006, 325; probl BVerfGK 2, 78 zur Postkontrolle); nicht jede Vollzugsmaßnahme in der forensischen Psychiatrie kann als „Behandlung“ etikettiert werden, um sich einer justiziablen Begründung zu entziehen (vgl Wagner Rn D 17). 9.
Nebenbestimmungen; Rücknahme und Widerruf
Besonders praxisrelevant sind die Vorschriften über die Nebenbestimmungen (§ 36 B 114 VwVfG) und zu Rücknahme und Widerruf (§§ 48, 49 VwVfG) von Vollzugsverwaltungsakten (zu Besonderheiten der Ländergesetze im Zusammenhang mit Lockerungsentscheidungen Pollähne Rn F 111 ff). Hier genügt es darauf hinzuweisen, dass Nebenbestimmungen (wie Auflage, Befristung, Bedingung) nur zulässig sind, wenn die Maßregelvollzugsgesetze sie ausdrücklich vorsehen oder wenn allein die rechtlichen Voraussetzungen abgesichert werden sollen; insb dürfen sie dem Zweck des Verwaltungsakts nicht zuwiderlaufen (§ 36 III VwVfG, vgl Pollähne Rn F 78). Modifizierende Auflagen konkretisieren die Hauptentscheidung nicht, sondern verändern sie inhaltlich. Ein Urlaub mit der Auflage, die Nacht im Krankenhaus zu verbringen, wäre zB kein Urlaub sondern Ausgang; eine beantragte Gesprächstherapie wird uU nicht bewilligt, sondern abgelehnt, wenn sie mit der Auflage versehen wird, begleitend Psychopharmaka einzunehmen. Solche „Nebenbestimmungen“ sind selbständige Verwaltungsakte und können isoliert angefochten werden. Ein pauschaler Widerrufsvorbehalt iSd § 36 II Nr 3 VwVfG, wie ihn manche Länder- B 115 gesetze vorsehen (Pollähne Rn F 132), wird im allgemeinen Verwaltungsrecht nicht ohne weiteres für zulässig erachtet (vgl BVerwGE 66, 65 einerseits und 32, 12 andererseits). In der Praxis wirkt sich dies aber aus zwei Gründen nicht aus: Erstens müsste die Einrichtung begründen, weshalb ein Widerrufsvorbehalt beigefügt wurde (Knack/Henneke VwVfG § 36 Rn 8), und zweitens ließe dieser Vorbehalt einen Widerruf nur zu; ob er im Einzelfall auch begründet ist, entscheidet sich allein nach dem materiellen Vollzugsrecht. Mit dem Widerruf darf dem Patienten nicht genommen werden, worauf er von Gesetzes wegen einen Anspruch hat, zudem ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
10.
Ermessen; unbestimmte Rechtsbegriffe
B 116 § 40 VwVfG regelt die Ermessensausübung und damit ein zentrales Gestaltungsinstrument des Maßregelvollzuges (exempl Rzepka Rn H 40 ff, 53, 62, 69, 85, 115 und 134). Angesichts zahlreicher Ermessensvorschriften kommt es auf der Grundlage ein und desselben Gesetzes zu teilweise stark unterschiedlicher Vollzugsgestaltung in verschiedenen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten, womit prinzipiell der Schutzbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 I GG) berührt ist (zum Föderalismus Kammeier Rn A 54). Die zugelassene Vielfalt möglicher Entscheidungen nötigt den Verantwortlichen ganz besondere Umsicht bei der Ermessensausübung ab, denn diese Vielfalt darf nicht in den Dienst der Einrichtung (des Trägers, der Justiz, des Staates . . .) gestellt werden, sondern ist ausschließlich zur Verwirklichung einer Einzelfallgerechtigkeit einzusetzen (Obermayer VwVfG § 40 Rn 3). Die in der Praxis häufig anzutreffende Argumentation, eine von Fall zu Fall abweichende Ermessenausübung würde der Anstaltsordnung schaden, weil der Verwaltungsaufwand zu groß und der Begründungsaufwand – auch gegenüber anderen Patienten – zu aufwändig sei, missversteht Art 3 I GG letztlich und widerspricht dem Zweck des Ermessens vollständig: Seine Funktion ist vielmehr, einer dem Wohl der Menschen dienenden Verwaltung ein flexibles Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, welches die Besonderheiten des Einzelfalles erfassen und entsprechend behandeln kann. B 117 Bei der Ermessensausübung wie beim Ausfüllen unbestimmter Rechtsbegriffe muss das Krankenhaus bzw die Anstalt den Sachverhalt vollständig ermitteln, die richtigen Wertmaßstäbe und den zutreffenden Ermächtigungszweck zugrundelegen und übergeordnete Rechtsgrundsätze beachten (zur gerichtlichen Überprüfung Gericke Rn K 54 ff; zur Bedeutung der Akteneinsicht Rzepka Rn H 28, s u Rn B 119 f). Dabei sind folgende Ermessenfehler zu vermeiden: Wird der äußere Rahmen nicht eingehalten, indem die gesetzliche Grenze des Ermessens überschritten und eine in keinem Fall gedeckte Rechtsfolge gesetzt wird, dann liegt eine Ermessensüberschreitung vor. Wird umgekehrt gar nicht erkannt, dass bei einer Entscheidung Ermessen ausgeübt werden konnte, dann liegt ein Ermessensmangel vor; wird hingegen ein Ermessensspielraum angenommen, der rechtlich nicht vorgesehen ist (vgl Pollähne Rn F 60 f zu Vollzugslockerungen), oder übersehen, dass eine Ermessensreduzierung ,auf Null‘ vorlag, so mag von Ermessensanmaßung gesprochen werden. Werden schließlich die inneren Grenzen des Ermessens verletzt, indem gegen übergeordnetes Recht und allgemeine Rechtsgrundsätze verstoßen oder subjektiv ein unzulässiger Zweck verfolgt wird, dann spricht man von Ermessensmissbrauch. Während die ersten beiden Fehler seltener vorkommen, sind die anderen schwieriger zu vermeiden. Dies liegt teilweise an dem Bestreben von Verwaltungen, Ermessen eher zur eigenen Stabilisierung als zur Einzelfallgestaltung einzusetzen, und mag auch an der mangelnden Konkretisierung übergeordneter Rechtsgrundsätze liegen. Insbesondere sind bei jeder Ermessensausübung die Grundrechte, das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Rzepka Rn H 13) und auf der Ebene des Bundesrechts die §§ 136, 137 StVollzG zu beachten (dazu Baur Rn C 22 ff). Auch die dargestellten Vollzugsgrundsätze mit dem Verhältnis von Besserung und Sicherung und der Bestimmung von Zweck und Ziel (Baur Rn C 4 ff), der Bedeutung von Sicherheit und Ordnung (Rn B 82 ff) und dem Grundsatz in dubio pro libertate (Rn B 54 ff) geben den nach § 40 VwVfG maßgeblichen Rahmen für die Ermessensentscheidungen (vgl auch Marschner Rn E 5 zur Berücksichtigung sozialer Rechte). Hier sind auch die Verwaltungsvorschriften zu den Ländergesetzen anzusiedeln: Über den Gleichheitssatz des Art 3 I GG führen diese behördeninternen Anweisungen zur sog Selbstbindung der Verwaltung, die es gebietet, gleiche Sachverhalte gleich und damit nach dem Inhalt der Verwaltungsvorschriften zu entscheiden. Die Bindung reicht freilich nur bis zum gesetzlichen Rahmen, darf also dem Maßregelvollzugsrecht nicht widersprechen (vgl Pollähne Rn F 58a) und nicht zur ,Gleichheit im Unrecht‘ führen. 58
Helmut Pollähne
VIII. Rechtsstaatliche Prinzipien fairer Verwaltungsverfahren
Ein besonderes Problem der Rechtsanwendung stellt sich angesichts der lückenhaf- B 118 ten Rechtslage im Maßregelvollzug, denn in den Ländergesetzen sind viele Vollzugsfragen nicht geregelt (Wagner 1992a, 91); die Lücken können nur durch eine Konkretisierung von Verfassungsnormen unter Beachtung der §§ 136, 137 StVollzG geschlossen werden (ebda mit dem Beispiel OLG Hamm – 1 VAs 3/79 – juris). Beides kann nur zu g ebundenen und nie zu Ermessensentscheidungen führen, was insbesondere bei der Rechtskontrolle von Bedeutung ist (vgl Gericke Rn K 53). 11.
Akteneinsicht
Die Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren (§ 29 VwVfG) ist zunächst von der im ge- B 119 richtlichen Verfahren zu unterscheiden (Gericke Rn K 77 f). Dort gelten die §§ 138 II, 120 I StVollzG, 147 StPO mit dem unbegrenzten Einsichtsrecht in alle dem Gericht vorliegenden Akten. Im Verwaltungsverfahren, das mit dem strafprozessualen Vorverfahren nicht zu vergleichen ist, gilt diese Paragraphenkette nicht. Hier folgt das Recht auf Einsicht in die über den Patienten geführten Krankenakten (zur Dokumentation Wagner Rn D 169 f und Pollähne F 105) aus § 29 I VwVfG bzw aus den Maßregelvollzugsgesetzen (vgl Rzepka H 27 ff). Außerhalb eines Verwaltungsverfahrens, etwa um Schadensersatzansprüche vorzubereiten, ergibt sich das Akteneinsichtsrecht aus Art 2 I GG (BVerwG R&P 1989, 115; zur datenschutzrechtlichen Lage Auernhammer 1990, 5 ff und Geppert 1984, 157 ff). Wegen der Unterschiede zwischen öffentlichem und privatem Arztrecht (Wagner B 120 Rn D 10 und ders 1989b) können restriktive Entscheidungen der Zivilgerichte zu privatrechtlichen Behandlungsverträgen nicht einfach auf den Maßregelvollzug übertragen werden (BVerfGK 7, 168 m Anm Klatt JZ 2007, 95, Pollähne R&P 2006, 100 und Peter StV 2007, 425): Auch „fehlender Zugang zum Wissen Dritter über die eigene Person“ könne die von Art 2 I iVm Art 1 I GG geschützte individuelle Selbstbestimmung berühren; das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verschaffe seinem Träger auch Rechtspositionen, die „den Zugang zu den über ihn gespeicherten persönlichen Daten betreffen“ (BVerfG aaO Rn 22). Der Anspruch das Patienten gegenüber Arzt und Krankenhaus auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen gelte zwar nicht ohne Einschränkungen, finde seine Grundlage aber „im grundrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht des Patienten und (muss) daher nur zurücktreten, wenn ihm entsprechend gewichtige Belange entgegenstehen“ (aaO Rn 24), denn er habe „generell ein geschütztes Interesse daran, zu erfahren, wie mit seiner Gesundheit umgegangen wurde, welche Daten sich dabei ergeben haben und wie man die weitere Entwicklung einschätzt“ – dies gelte in gesteigertem Maße für Informationen über die psychische Verfassung (aaO Rn 26 mwN). Soweit das Akteneinsichtsrecht des Patienten aus therapeutischen Gesichtspunkten eingeschränkt werden soll (zu Bedenken vgl BVerfG aaO Rn 31 und Hinne 2005), ist dies in der Akte zu dokumentieren (vgl MeVo § 44 II); das Einsichtsrecht seines Bevollmächtigten kann freilich nicht eingeschränkt werden. 12.
Rechtsfolgen bei Verfahrensfehlern
Nach § 45 VwVfG können die meisten Verfahrensfehler geheilt werden und zwar bis B 121 zum Abschluss des Vorverfahrens bzw bis zur Erhebung der Klage, was hier allerdings nicht die „verwaltungsgerichtliche“, sondern jene nach §§ 138 III, 109 StVollzG bedeutet. Wird eine Vollzugsmaßnahme nicht begründet, so gilt eine Fristversäumnis für die Wiederaufnahme als nicht verschuldet. Ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften kann nur bei der Akteneinsicht unmittelbar und selbständig gerichtlich überprüft werden (OLG Celle NStZ 1982, 304); sonstige Verfahrensfehler werden im Zusammenhang mit der materiellen Entscheidung überprüft (vgl auch § 44a VwGO) und wirken sich nur aus, wenn die Sachentscheidung selbst anfechtbar ist (§ 46 VwVfG). Freilich werden sich formelle Fehler angesichts der allgegenwärtigen ErmesHelmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
sensausübung (vgl Rn B 116) oftmals auch als materielle Fehler niederschlagen (Wagner 1992a, 175). IX. Effektiver Rechtsschutz
IX. Effektiver Rechtsschutz Spezielle Literatur: Feest/Lesting 2009; Feest et al 1997; Lesting 2009; Lübbe-Wolff/Geisler 2004; LübbeWolff/Lindemann 2007; Pollähne 2006f; Wagner 1992a
B 122 „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen“ (Art 19 IV GG). Diese so bescheiden daherkommende rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit (vgl auch das in Art 13 EMRK verankerte Recht auf eine „wirksame Beschwerde“, dazu Gollwitzer 2005 MRK Art 13 Rn 20 ff) erhält gerade dann herausragende Bedeutung, wenn jemand nicht nur „durch die öffentliche Gewalt“ in seinen Rechten verletzt wird, sondern sich vollständig (wie im Rahmen der Freiheitsentziehung im Maßregelvollzug) „in“ jener öffentlichen Gewalt befindet. Im Rahmen eines solchen besonderen „öffentlichen Gewalt“-Verhältnisses können nicht nur die durch Art 19 IV GG geschützten Grundrechte besonders leicht und nachhaltig verletzt werden (vgl BVerfGK 7, 168 und Rn B 1), vielmehr gerät auch die Effektivität des verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzes ihrerseits in Gefahr. Dabei ist gerade in „Sonderstatus-Verhältnissen“ die Effektivität des Rechtsschutzes und die Offenheit des Rechtsweges zu unabhängigen Gerichten von ganz besonderer Bedeutung. B 123 Diesseits der Frage, ob bestimmte Vollzugsmaßnahmen als Grundrechtsverletzungen zu werten waren (Art 93 I Nr 4a GG, dazu Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 454 mwN), auch wenn sie durch die zuständigen Gerichte im „offenen Rechtsweg“ abgesegnet wurden, sah sich das BVerfG immer wieder veranlasst zu monieren, dass dem Betroffenen ein effektiver Rechtsschutz durch die dazu berufenen Gerichte überhaupt verweigert worden war: Der Zugang zu einer gerichtlichen Sachentscheidung dürfe durch die Auslegung und Anwendung des Prozessrechts nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden und die vorgesehenen Rechtsbehelfe für den, der davon Gebrauch machen will, leer laufen lassen (BVerfG R&P 2007, 211, Ls), was insb auch für die Prüfung eines (fort)bestehenden Rechtsschutzinteresses (BVerfG aaO; zur Verneinung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 StVollzG BVerfG R&P 2008, 46, vgl Gericke Rn K 82) wie für den Umfang der gebotenen Sachverhaltsaufklärung (BVerfGK 9, 460) gilt. B 124 Kann sich der Untergebrachte auf die Effektivität des Rechtsschutzes jedoch nicht verlassen, so droht das Vollzugsrecht selbst, das zuvörderst der Beschränkung des Zugriffs der öffentlichen Gewalt auf seine Person und ihrer Eingriffe in seine Rechte dient, zur Farce zu werden. Können sich die Maßregelvollzugseinrichtungen vielmehr – und das ist die Kehrseite dieser ,Medaille‘ – auf die Ineffektivität des Rechtsschutzes verlassen, so sind ihnen die Grundrechte der Patienten ausgeliefert, so wird das besondere Gewaltverhältnis in seiner ehedem propagierten normativen Funktion der Suspension von Grundrechten (vgl auch Günther 2000) hinterrücks wieder eingeführt. Gerade im Bereich des Maßregelvollzugs müsste der Rechtsschutz besonders effektiv sein – das Gegenteil ist (zu) oft der Fall! B 125 Die Effektivität des Rechtsschutzes, die Wirksamkeit der Beschwerdemöglichkeiten im Rechtsweg, erfordert zunächst eine gesetzliche Ausgestaltung, die den Rechtsweg zu unabhängigen Gerichten nicht nur „öffnet“, sondern auch zumindest theoretisch effektive und möglichst „lückenlose“ (vgl BVerfG R&P 2008, 46 mwN) Rechtsschutzmöglichkeiten überhaupt vorsieht (1.). Sodann sind Bemühungen darum, dass den Betroffenen dieser Rechtsweg eben nicht nur theoretisch offen steht, sondern auch praktisch beschritten werden kann, vonnöten (2.). Ferner müssen die dazu berufenen Gerichte die ihnen anvertraute „rechtsprechende Gewalt“ (Art 92 GG) in richterlicher Unabhängigkeit und nur dem Gesetz unterworfen (Art 97 I GG, vgl auch 60
Helmut Pollähne
IX. Effektiver Rechtsschutz
Art 20 III GG) tatsächlich ausüben, um ihrem Kontrollauftrag im Rahmen der Gewaltenteilung (Art 20 GG) gerecht zu werden (3.). Des Weiteren verdienen die justiziellen Verfahrensgarantien (rechtliches Gehör, Fairness . . .) hinreichend Beachtung (4.). Schließlich müssen rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen, mit denen der Patient seine Rechte gegen die Maßregelvollzugseinrichtung erfolgreich durchsetzen konnte, auch zu einer Änderung im Vollzug führen, also ggf gegen sie durchgesetzt/vollstreckt werden (können) (5.). 1.
Gesetzliche Ausgestaltung
Das Gesetz (§§ 138 III iVm 109 ff StVollzG) öffnet den Rechtsweg zur ,kleinen‘ StVK B 126 des für die jeweilige Maßregelvollzugseinrichtung örtlich zuständigen Landgerichts (ausf Gericke Rn K 32 ff, 41 ff; zur Voraussetzung einer „Maßnahme“ gem § 119 StVollzG exempl BVerfG R&P 2007, 211, vgl auch Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 454 und Rn B 131). Das in einigen Bundesländern noch immer vorgeschaltete Widerspruchsverfahren (vgl § 109 III StVollzG, dazu Volckart/Grünebaum 2009, 323 f) trägt wenig zur Effektivität dieses Rechtsweges bei, sorgt dafür aber umso mehr für Verzögerungen. Die restriktiven Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde zum OLG verkürzen den Rechtsweg in den allermeisten Fällen auf eine Instanz (krit Lesting 2009): Dass die Rechtsbeschwerde-Senate der jeweilige OLGe das Nadelöhr der Zulassungsentscheidung durch eine restriktive Auslegung des § 116 StVollzG noch einmal verkleinern (zur Einschränkung infolge der Föderalisierung des Vollzugsrecht: OLG Hamburg StV 2008, 599), ist vom BVerfG wiederholt zu Recht als Verweigerung effektiven Rechtsschutzes angeprangert worden (vgl nur R&P 2008, 46). Zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ gehört nicht zuletzt die Prüfung der „Grundrechtskonformität und Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG“ (StraFo 2009, 379). Von einer gesetzlichen Ausgestaltung, die effektiven Rechtsschutz zumindest theoretisch realisierbar erscheinen lässt (was selbstverständlich auch für den Eilrechtsschutz gelten muss: BVerfG vom 15. 3. 2006 – 2 BvR 1419/05), kann insoweit nur ansatzweise gesprochen werden (vgl aber auch Lübbe-Wolff/Geisler 2004, 486 mwN zu alternativen Formen der Streitbeilegung). Das gerichtliche Verfahren (§§ 112 ff StVollzG) ist seinerseits nicht optimal ausge- B 127 staltet: weitgehend auf Schriftlichkeit reduziert (§ 115 I 1 StVollzG, vgl Goerdeler/Pollähne 2007, 64 ff zum Jugendstrafvollzug), mit verkürzten Fristen (§ 112 I StVollzG, dazu Gericke Rn K 34), ohne aufschiebende Wirkung (Aussetzung nur ausnahmsweise, § 114 StVollzG, vgl Gericke Rn K 83 f) und in den gerichtlichen Begründungserfordernissen eingeschränkt (AK-StVollzG-Kamann/Volckart § 115 Rn 79 f), ist es nur bedingt dazu angetan, zur Effektivität des Rechtsschutzes beizutragen (vgl Lesting 2009 und Feest et al 1997; zum Eilrechtsschutz und zum Rechtsschutz nach Erledigung Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 455, 457 mwN). 2.
Zugang zum Rechtsweg/Beschwerdemacht
Der theoretisch „offen“ stehende Rechtsweg nutzt dem Untergebrachten wenig, der B 128 diesen praktisch nicht beschreiten kann, weil ihm die nötigen Voraussetzungen fehlen, weil er die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht kennt oder weil es ihm an der notwendigen Beschwerdemacht mangelt. Die faktischen Rechtschutzdefizite auf Seiten der Maßregelvollzugs-Patienten sind häufig beschrieben worden (Wagner 1992a, vgl auch Feest et al 1997 und Hohlfeld et al 1985), sie auszugleichen stände einem sozialen Rechtsstaat aber gerade in ,seinen‘ totalen Institutionen gut zu Gesicht: Hierbei geht es zunächst um eine erschöpfende und verständliche (schriftliche und B 129 mündliche) I nformation über bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten, zumindest im Rahmen der Aufnahmeprozeduren (ausf Wagner Rn D 62 ff), aber auch im weiteren Verlauf, weil anfechtbare Einzelentscheidungen hier nicht mit einer förmlichen Rechtsmittelbelehrung versehen werden müssen (Gericke Rn K 39). Ferner ist der beHelmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
schwerdewillige Patient in der Wahrnehmung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten zu unterstützen, auf Angebote der Rechtsberatung aufmerksam zu machen (die gerade im Maßregelvollzug freilich unterrepräsentiert ist, dazu auch Lübbe-Wolff/Geisler 2004, 482) und auf die Möglichkeit eines anwaltlichen Beistands und der Prozesskostenhilfe (auch wenn diese von den Gerichten allzu ,großzügig‘ verweigert wird, vgl AKStVollzG-Kamann/Volckart § 120 Rn 10 ff; ausf Gericke Rn K 85 ff). Zugesandtes juristisches Informationsmaterial zurückzuhalten, ist insoweit nicht nur kontraproduktiv, sondern kann auch eine Verletzung von Art 5 I GG bedeuten (vgl BVerfGK 4, 305, dazu Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 457). 3.
Richterliche Wahrnehmung des Kontrollauftrages
B 130 Vollzugsgerichtliche StVK-Entscheidungen, die sich darauf reduzieren, die Entscheidung der Klink „aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides“ abzusegnen, weil jene Gründe „nachvollziehbar“ seien (insoweit nicht unbedenklich BVerfG NStZ-RR 2002, 122), ohne sich mit den gesetzlichen Vorgaben, der dazu ergangenen aktuellen Rechtsprechung und einschlägiger Fachliteratur auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen, sind das Papier nicht wert, auf dem sie ausgefertigt werden (exempl die BVerfGK 9, 460 zugrundeliegende StVK-Entscheidung; vgl auch Lübbe-Wolff/Geisler 2004, 486 zu eklatanten Mängeln an Sorgfalt und Zeitaufwand). Gerade in einem Bereich, in dem die im Rahmen totaler Institutionen ohnehin vorherrschende hoheitliche Deutungs- und Definitionsmacht durch die ärztliche Dominanz verstärkt wird (vgl Wagner 1992a, ähnlich Hohlfeld et al 1985), müssen unabhängige Gerichte ihren rechtsstaatlichen Kontrollauftrag besonders ernst nehmen (vgl auch BVerfG R&P 2008, 46 zu den erforderlichen Maßstäben der Rechtskontrolle in puncto Gesetzesvorbehalt und Normenklarheit). Das heißt weder, dem rechtsschutzsuchenden Patienten alles zu glauben, noch sog „Querulanten“ aufzusitzen (davon ist die Realität ohnehin weit entfernt, vgl auch Gericke Rn K 10 mwN und BVerfG NJW 2001, 3615), das heißt aber, der institutionellen Darstellung effektive richterliche Kontrolle entgegenzusetzen, ggf unter Zuhilfenahme externen Sachverstands (vgl auch Pollähne 2007a, 489 zu OLG Dresden StraFo 2006, 214 sowie BVerfGK 7, 168 Rn 53). B 131 Ob es sich um eine anfechtbare „Maßnahme“ iSd § 109 I StVollzG handelt, müssen die Gerichte unter Berücksichtigung etwaiger Grundrechtsrelevanz wohlwollend im Sinne effektiven Rechtsschutzes prüfen (vgl BVerfG R&P 2007, 211), Ähnliches gilt für das Rechtsschutzinteresse (BVerfG R&P 2007, 211), selbstverständlich auch im Eilverfahren (BVerfG vom 15. 3. 2006 – 2 BvR 1419/05). Ob gesetz- und rechtmäßige Voraussetzungen für einen Grundrechtseingriff vorlagen und dessen Grenzen beachtet wurden (vgl auch BVerfG R&P 2008, 223), bedarf einer unabhängigen und umfassenden Sachverhaltsaufklärung (Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 455; BVerfGK 9, 460), die die Darstellungen der Einrichtung nicht ungeprüft übernimmt. Auch insoweit ist der Maßregelvollzug von einer effektiven Rechtsschutz-Kontrolle zT noch weit entfernt. 4.
Justizielle Verfahrensgarantien
B 132 Auch im vollzugsgerichtlichen Rechtsschutz sind – rechtsstaatlich selbstverständlich – justizielle Verfahrensgarantien zu beachten (ausf Gericke Rn K 53 ff), insb der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 I GG) in einem fairen Verfahren (analog Art 6 EMRK; ausf Rzepka 2004), das das Prinzip der Waffengleichheit möglichst weitgehend zur Geltung kommen lässt; dazu gehört insb auch das Recht auf Beistand (vgl Rn B 107, ausf Gericke Rn K 85 ff mwN). B 133 Auch der ggf längerfristig Untergebrachte hat Anspruch auf gerichtliche Überprüfung „in angemessener Frist“ (analog Art 6 I 1 EMRK), überlange Verfahrensdauer resp richterliche Untätigkeit kann Art 19 IV GG verletzen (Lübbe-Wolff/Lindemann 62
Helmut Pollähne
X. Menschenrechtsschutz und Folterprävention
2007, 455, freilich auch vor dem BVerfG, vgl EGMR StV 2009, 561 m Anm Krehl); formale Fehler, die der Justiz (hier: dem Maßregelvollzug) zuzurechnen sind, dürfen dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil geraten, ggf bedarf es einer Belehrung über Möglichkeiten der Wiedereinsetzung (aaO S 456 f mwN). Der Anspruch auf Akteneinsicht (Rn B 119 f) dient nicht ,nur‘ dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern erlangt besondere Bedeutung gerade für die Effektivität des Rechtsschutzes (BVerfGK 7, 168). 5.
Rechtsschutz gegen Renitenz?
Es sollte in einem rechtsstaatlichen System der Gewaltenteilung eine pure Selbstver- B 134 ständlichkeit sein, und ist es – so unglaublich einige der bekannt gewordenen Fälle sind (ausf Feest/Lesting 2009 mwN, vgl Pollähne 2006f) – doch nicht: Hat der Patient vor den zuständigen Gerichten (trotz der normativen und justiziellen Hindernisse, s o) einen Erfolg verbucht (vgl aber auch Lübbe-Wolff/Lindemann 2007, 456 zur ,Renitenz‘ der OLGe in puncto § 116 StVollzG, vgl Rn B 126), so muss er davon ausgehen dürfen, dass sich dieser Erfolg auch im Vollzug realisieren lässt, die festgestellte Rechtsverletzung also kompensiert wird, insb mit Wirkung für die Zukunft. Zeigt sich die Klinik (ggf mit Rückendeckung des Trägers und/oder der Aufsichtsbehörde) unwillig, muss sie zur Beachtung der richterlichen Anweisung notfalls gezwungen werden (können). Offenkundig bedarf es diesbezüglich – de lege ferenda – eines effektiven Vollzugsverwaltungs-V Vollstreckungsrechts (analog § 170 VwGO, vgl Pollähne aaO), wenn die Gerichte dem Recht und ihren Entscheidungen nicht in direkter Anwendung des Art 19 IV GG Geltung verschaffen wollen/können. X. Menschenrechtsschutz und Folterprävention
X.
Menschenrechtsschutz und Folterprävention
Spezielle Literatur: DIMR 2007; Feest 2006, 2007a, 2007b; Gollwitzer 2005; Pfäfflin 2005; Pollähne 2007b, 2007f, 2007g; Völlm et al 2007
Das BVerfG hat in seinem Grundsatzurteil zum Jugendstrafvollzug (E 116, 69) nicht B 135 nur die gesetzliche Regelungsbedürftigkeit des Vollzuges freiheitsentziehender Sanktionen betont, es hat im Hinblick auf dessen inhaltliche Ausgestaltung auch Mindeststandards formuliert (s Rn B 6) und dabei auf menschenrechtliche Vorgaben verwiesen – beides gilt für den Maßregelvollzug gleichermaßen: „Auf eine den grundrechtlichen Anforderungen nicht genügende Berücksichtigung vorhandener Erkenntnisse oder . . . nicht entsprechende Gewichtung der Belange der Inhaftierten kann es hindeuten, wenn völkerrechtliche Vorgaben oder internationale Standards mit Menschenrechtsbezug, wie sie in den im Rahmen der Vereinten Nationen oder von Organen des Europarates beschlossenen einschlägigen Richtlinien und Empfehlungen enthalten sind“, nicht beachtet beziehungsweise unterschritten werden (BVerfGE 116, 69 Rn 63 mwN = ZJJ 2006, 193, 197 m Anm Goerdeler/Pollähne aaO S 256 ff). Im Folgenden sollen einige dieser materiellen menschenrechtlichen Vorgaben und Standards Erwähnung finden, soweit sie für den Maßregelvollzug von Bedeutung sind (s u), bevor einschlägige Instrumente des Menschenrechtsschutzes und der Folterprävention dargestellt werden (Rn B 144 ff). 1.
Materieller Menschenrechtsschutz
Völkerrechtliche Vorgaben finden sich primär in der Europäischen Menschen- B 136 rechtskonvention von 1950 (EMRK; deutsche Neufassung von 2002, BGBl II, 1054), außerdem – im Rahmen der UN – in den Internationalen Pakten von 1966 über Bürgerliche und Politische Rechte (IPBPR; BGBl 1973 II, 1534, auch dazu Gollwitzer 2005) sowie über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (IPWSKR; BGBl 1973 II, 1570). Erwähnung verdienen zudem die UN-Kinderrechte-Konvention von 1989 (UN-KRK; BGBl 1992 II, 121) – soweit Jugendliche betroffen sind (ausf Pollähne 2007g Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
mwN) – und im vorliegenden Kontext insb die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 (UN-BRK; BGBl 2008 II, 1419, dazu Baufeld 2009, Marschner 2009, Lachwitz 2008 und Bielefeldt 2009). An diese Vorgaben mit Gesetzeskraft sind Exekutive und Judikative gemäß Art 20 III GG gebunden (zur Bindungswirkung von EMRK und EGMR-Rechtsprechung vgl BVerfGE 74, 358; 111, 307; 120, 180 sowie Gusy 2009a und Ruffert 2007 mwN). B 137 Als internationale Standards mit Menschenrechtsbezug verdienen im vorliegenden Kontext die CPT-Standards (dazu Pollähne 2007g, 145) und die Europäischen Gefängnisregeln (EPR, dazu Feest 2006) Beachtung, soweit sie auf den Maßregelvollzug übertragen werden können; von besonderer Bedeutung zudem die Empfehlungen des ER-Ministerrats zum „Schutz der Menschenrechte und der Würde von Personen mit psychischen Störungen“ vom 22. 9. 2004 (ER-Psychiatrie-Empfehlungen, Rec[2004]10, dazu Völlm et al 2007 mwN). Bei diesen Standards, Empfehlungen etc handelt es sich um sog „soft law“, völkerrechtlich nicht unmittelbar verbindlich und innerstaatlich ohne Gesetzeskraft (ausf Pollähne 2007g, 153 mwN), aber als Verpflichtungen, die die Bundesregierung (in diesem Fall: dem Europarat gegenüber) eingegangen ist, zweifellos mehr als nur die ,plakative Demonstration guten Willens‘: Es geht um die Etablierung sozial-moralischer allgemeinverbindlicher und in der Alltagspraxis dann durchweg auch einzuhaltender Grundbedingungen im Umgang mit Tätern und Opfern in einem geeinten Europa, wobei nicht vergessen werden darf, dass all dieses Instrumente ausdrücklich als Ausprägungen der grundlegenden Menschenrechts-Deklarationen und -Konventionen seit 1948 firmieren – damit handelt es sich um Maßstäbe, die bei der Auslegung nationaler Normen herangezogen werden sollten, und wer davon abweichen will, unterliegt einer ,faktischen Begründungspflicht‘ (Pollähne 2007g, 153 f mwN). Es handelt sich insgesamt um wichtige Beiträge zur Implementierung und Qualitätssicherung von Menschenrechtsstandards, grundlegende Policy-Richtlinien und Vorgaben für sog ,Best Pratice‘ (aaO S 154 mwN). B 138 „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden“ (Art 3 EMRK, vgl auch Art 7 IPBPR und Art 15 I 1 UN-BRK); jeder, dem seine Freiheit entzogen ist, muss „menschlich und mit Achtung vor der dem Menschen innewohnenden Würde behandelt werden“ (Art 10 I IPBPR, vgl Art 1 UN-BRK). Der Staat muss sich vergewissern, dass ein Gefangener „unter Bedingungen festgehalten wird, die mit der Achtung seiner Menschenwürde vereinbar sind, dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme ihn nicht Leid und Härten unterwerfen, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß des Leidens übersteigen, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse der Haft angemessen sichergestellt werden“; auch wenn Haftbedingungen nicht darauf abzielen, den Gefangenen zu demütigen oder zu erniedrigen, können sie doch gegen das Folterverbot in Art 3 EMRK verstoßen, wenn sie „erhebliches psychisches oder physisches Leid verursacht haben, die Menschenwürde beeinträchtigt und Gefühle von Demütigung und Erniedrigung erweckt haben“ (EGMR NVwZ 2005, 303, Ls; vgl auch BVerfG R&P 2008, 67 mwN zu den Grenzen gemeinschaftlicher Unterbringung). Der Staat hat Gefangenen auch zu gewährleisten, dass „ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen in Anbetracht der praktischen Anforderungen der Inhaftierung, unter anderem die Gewährung der erforderlichen medizinischen Unterstützung, angemessen gesichert werden“ (EGMR vom 13. 3. 2007 – 41559/06). Gefangene genießen „im Allgemeinen weiterhin alle in der Konvention garantierten Grundrechte und -freiheiten, außer dem Recht auf Freiheit“, soweit eine rechtmäßig verhängte Inhaftierung ausdrücklich in den Geltungsbereich von Art 5 EMRK falle; jede Beschränkung dieser anderen Rechte müsse gerechtfertigt sein, wobei sich eine solche Rechtfertigung „durchaus aus den Sicherheitserwägungen ergeben kann, die unweigerlich mit den Umständen der Inhaftierung verbunden sind, insbesondere die Verhütung von Straftaten und die Aufrechterhaltung der Ordnung“ (EGMR vom 22. 1. 2008 – 20579/04 mwN). Sicher sei die 64
Helmut Pollähne
X. Menschenrechtsschutz und Folterprävention
Gefängnisstrafe auch dazu da, die Gesellschaft zu schützen, es sei aber zugleich ein berechtigtes Ziel, durch „befristete Beurlaubung von Gefangenen ihre soziale Wiedereingliederung zu verbessern, auch wenn ein Häftling wegen Gewalttaten bestraft worden ist“ (EGMR NJW 2003, 3259). Dass diese Prinzipien, die für in Haft „Gefangene“ formuliert wurden, für im Maßregelvollzug „Untergebrachte“ gleichermaßen Geltung beanspruchen, versteht sich von selbst. Über Folter im engeren Sinn muss hier nicht gesprochen werden, aber dem Verbot B 139 unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (insb in staatlicher Obhut/Freiheitsentziehung gemäß Art 5 EMRK) gebührt im Maßregelvollzug eine besondere Beachtung. Dabei geht es weniger um die Frage, ob, wann und wo es nachweislich zu Fällen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gekommen ist und welche Konsequenzen dies ggf hatte (vgl DIMR 2007), sondern um die Vorbeugung: Das „Committee for the Prevention of Torture and inhuman or degrading punishment or treatment” (C C PT, das sog „Anti-Folter-Komitee“ des Europarates, dazu Feest 2006) hat auf der Grundlage der gleichnamigen Konvention von den ER-Mitgliedstaaten die Aufgabe erhalten, durch – möglichst unangemeldete – Besuche sog „Haftorte“ und öffentlich zugängliche Besuchsberichte der Folterprävention zu dienen (ausf Pfäfflin 2005). Solche Besuche erstrecken sich auf psychiatrische Einrichtungen und haben in Deutschland in den Jahren 2000 und 2005 auch Maßregelvollzugseinrichtungen erfasst (ausf Pollähne 2007f). Aus diesen Besuchen und Berichten hat das CPT Standards entwickelt, die – jenseits des nationalen Vollzugsrechts – eine Konkretisierung von Art 3 EMRK darstellen (dazu auch Gollwitzer 2005 Rn 22 ff), mit dem Ziel, künftigen Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, indem Bedingungen formuliert werden, die Folter und Misshandlung keinen Vorschub leisten (DIMR 2007, vgl auch Feest 2006). Es geht dem Komitee darum, den nationalen Behörden „im Voraus eindeutige Hinweise über seine Ansicht bezüglich der Behandlung solcher Personen zu geben“ (CPT-Standards Kap V Rn 25). Hier kann es nicht darum gehen, die einschlägigen CPT-Standards für den Maßre- B 140 gelvollzug – genauer: für die Psychiatrie, der das CPT den Maßregelvollzug allerdings zurechnet – zu präsentieren (vollständig unter www.cpt.coe.int/german.htm, dort Kap V, hier zitiert nach Rn), ein kurzer Überblick muss reichen (ausf Pollähne 2007f, 122): Erste Priorität genießt die Prävention von Misshandlung, wobei es auch darum geht, Patienten vor Übergriffen anderer Patienten zu schützen (Betreuungsdichte, Trennung), es müsse aber sichergestellt sein, dass „die therapeutische Rolle des Personals in psychiatrischen Einrichtungen nicht als zweitrangig gegenüber Sicherheitsüberlegungen betrachtet wird“ (Rn 27 ff). Es folgen konkrete Hinweise zu den Lebensbedingungen (Nahrung, Beheizung, Belüftung, Zimmergröße etc) und zur Behandlung (Planung, Angebotsbreite, Überprüfungen, Dokumentation, Akteneinsicht), wobei vor der Dominanz medikamentöser Therapien gewarnt und das Freiwilligkeitsprinzip betont wird (Rn 32 ff und 37 ff). Schließlich widmet sich das Komitee ausführlich dem Personal (Ausstattung, Aus- und Fortbildung, Haltung, externe Kontakte; Rn 42 ff). „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Woh- B 141 nung und ihrer Korrespondenz“ (Art 8 I EMRK, vgl Art 22 UN-BRK). Von Gesetzes wegen ist ein Eingriff nur zulässig, wenn er zB notwendig ist für die „öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“ (Art 8 II, dazu Gollwitzer 2005 MRK Art 8 Rn 1 ff). Der Staat ist verpflichtet, Personen, die einer psychiatrischen Behandlung bedürfen, das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit aus Art 8 EMRK zuzusichern, und kann sich seiner Verpflichtung „nicht dadurch entledigen, dass er seine Verpflichtungen in diesem Bereich auf private Stellen oder Private überträgt. Er bleibt vielmehr verpflichtet, private psychiatrische Klinken zu überwachen und zu kontrollieren.“ Dabei ist auch eine leichte BeeinHelmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
trächtigung der körperlichen Unversehrtheit einer Person als Eingriff in das R echt auf Achtung des Privatlebens nach Art 8 EMRK anzusehen, wenn er „gegen den Willen der betreffenden Person erfolgt. Es kommt dann auch nicht darauf an, ob die Person nach den Regeln der Kunst (de lege artis) behandelt worden ist“ (EGMR R&P 2005, 186 ff, vgl Cremer 2008, 572 ff). Vielmehr ist „das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit“ zu beachten (Art 12 I IPWSKR). Schließlich ist gerade in der Psychiatrie zu beachten, dass niemand „ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden“ darf (Art 7 S 2 IPBPR, dazu Gollwitzer 2005 MRK Art 3 Rn 25 ff; zT weitergehend § 40 I 3 Nr 4 AMG, vgl auch Koller 2008 zu Rechtsproblemen beim Einsatz triebdämpfender Medikation). B 142 Die meisten Patienten des Maßregelvollzuges werden als „Menschen mit Behinderung“ iSd Art 1 S 2 UN-BRK zu gelten haben, da sie „langfristige . . . seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“ (zur Definition Bielefeldt 2009, 8 ff, vgl Lachwitz 2008 und Baufeld 2009). Damit gebührt der Konvention über Art 20 III GG unmittelbar Beachtung in den Einrichtungen und mittelbar durch die Justiz. Vorrangige Beachtung verdient der Grundsatz, dass Rechtsbeschränkungen nicht allein aufgrund psychischer Störungen (vgl auch Art 4 II ER-Psychiatrie-Empfehlung) erfolgen dürfen und dem Verhältnismäßigkeitsgebot unterliegen (aaO Art 8); das Vorliegen einer Behinderung rechtfertigt in keinem Fall eine Freiheitsentziehung (Art 14 I b UN-BRK). Exemplarisch verdienen folgende Bestimmungen Erwähnung: – gleichberechtigte Rechts- und Handlungsfähigkeit (Art 12 II); – Meinungs- und Informationsfreiheit (Art 21, vgl auch Art 23 ER-PsychiatrieEmpfehlung); – Privatsphäre iSv Privatleben, Familie, Wohnung, Schriftverkehr und anderen Arten der Kommunikation (Art 22 I), wobei insb „willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe“ sowie „rechtswidrige Beeinträchtigungen ihrer Ehre oder ihres Rufes“ untersagt sind; – Vertraulichkeit von Informationen über die Person, die Gesundheit und die Rehabilitation (Art 22 II, vgl auch Art 13 I ER-Psychiatrie-Empfehlung). B 143 Es ist kein Zufall, dass sich die ER-Psychiatrie-Empfehlung in wesentlichen Punkten mit der UN-BRK deckt, was noch einmal deren weitgehende Anwendbarkeit unterstreicht. Über die Detail-Bestimmungen der Konvention hinaus (s o) verdienen Erwähnung: – individuelle Aufklärung über ihre „Rechte als Patienten“ (Art 6), bei unfreiwilliger Unterbringung oder Behandlung sollen sie „unverzüglich in mündlicher und schriftlicher Form über ihre Rechte und die möglichen Rechtsbehelfe belehrt werden“ (Art 22 I); – Grundsatz der Angleichung an „Umfeld und Lebensbedingungen . . . in der Gemeinschaft“ (Art 9 I), dabei sind „ihre gesundheitlichen Belange und die Sicherheitsinteressen Dritter“ zu berücksichtigen; – Anspruch auf Behandlung „auf der Grundlage eines angemessenen, auf den Einzelfall abgestimmten Behandlungsplans“ (Art 12 I); – Führung „klarer und umfassender Kranken- und ggf Verwaltungsakten“; die Voraussetzungen der Akteneinsicht sind „gesetzlich in eindeutiger Weise“ festzulegen (Art 13 II); – Kommunikations- und Besuchsrechte (Art 23) sollen „nicht unangemessen eingeschränkt werden“; – Sicherstellung der Möglichkeit, Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über unfreiwillige Unterbringung oder Behandlung einzulegen (Art 25); – Maßnahmen der Isolierung und Einschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit sollen nur in geeigneten Einrichtungen und mit dem Ziel vorgenommen 66
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X. Menschenrechtsschutz und Folterprävention
werden, drohende Schäden für die betroffene Person oder für Dritte zu vermeiden, wobei der Grundsatz der geringstmöglichen Einschränkung zu achten und die Verhältnismäßigkeit zu wahren ist, bezogen auf die mit der Situation verbundenen Risiken; solche Maßnahmen sollen zudem nur unter ärztlicher Aufsicht vorgenommen und angemessen dokumentiert werden (Art 27). 2.
Instrumente des Menschenrechtsschutzes/der Folterprävention
Um den materiellen menschenrechtlichen Vorgaben und Standards (s o) Geltung zu B 144 verschaffen, sind möglichst effektive Instrumente zur Implementation (Einführung, Durchführung, Durchsetzung) und zum Controlling (Aufsicht, Überwachung, Monitoring) vonnöten. Die existierenden Instrumente können hier nicht umfassend behandelt werden, verdienen aber jedenfalls Erwähnung, wobei solche des einzelfallbezogenen formellen und informellen Rechtsschutzes zu unterscheiden sind von fallunabhängigen Monitoring-Instrumenten: Formeller Menschenrechtsschutz besteht zunächst einmal ,nur‘ im Wege der Indi- B 145 vidualbeschwerde zum EGMR (gemäß Art 34 EMRK, ausf Gericke Rn K 24 f). Hierbei ist nicht nur das Prinzip der Subsidiarität (Rechtsweg-Erschöpfung unter Einbeziehung des BVerfG) von Bedeutung: Obwohl die EMRK von den jeweils zuständigen Gerichten des ,erschöpften‘ Rechtswegs selbstverständlich zu beachten ist (s o Rn B 136 zu Art 20 III GG), erwartet der EGMR von einem Beschwerdeführer, dass er in diesem Rechtsweg eine EMRK-Verletzung auch explizit geltend gemacht hat (ausf Gollwitzer 2005 MRK Verfahren Rn 35 ff). Ein vergleichbarer Rechtsschutz unter Berufung auf UN-Konventionen besteht nicht (aaO Verfahren IPBPR Rn 81 ff). Der Rekurs auf informellen Menschenrechtsschutz öffnet ein weites Feld: Im Kon- B 146 text völkerrechtlicher Vorgaben und internationaler Standards verdienen jene Monitoring-Instrumente (s u) Erwähnung, die zugleich als Beschwerdestellen tätig werden (zu den Besuchskommissionen vgl Pollähne 2007b, vgl auch den Abschlussbericht der Projekts „Förderstelle für unabhängige Beschwerdestellen in der Psychiatrie“ der DGSP in R&P 2008, 179). Gefangene und Untergebrachte können sich individuell an das CPT wenden, das den ,Fall‘ zwar nicht wie eine Beschwerde behandeln, sich die darin ggf zum Ausdruck kommende Problematik aber als Prüfauftrag für den nächsten Besuch notieren wird. In Fällen besonderer Dringlichkeit (insb bei Häufung gleichgelagerter Beschwerden) kann auch ein ad hoc-Besuch stattfinden. Selbstverständlich können auch andere Personen (Anwälte, Angehörige . . .) dem CPT entsprechende Mitteilungen zukommen lassen. Die im Aufbau befindlichen sog Nationalen Präventions-Mechanismen (NPM gemäß OPCAT, s u) könnten ähnliche Funktionen wahrnehmen – ob sie allein schon von der Ausstattung her dazu in der Lage sind, erscheint allerdings fraglich (auf ihrer homepage – www.antifolterstelle.de – wird ausdrücklich vermerkt, sie sei „keine Beschwerde- oder Beratungsinstanz für Einzelpersonen“). Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat im Auftrag der Bundesregierung eine Monitoring-Stelle für die UN-BRK eingerichtet; wie diese ggf mit eingehenden ,Individualbeschwerden‘ umgehen wird, steht noch dahin. Ungeachtet all dessen haben freilich auch die herkömmlichen Institutionen des informellen Rechtsschutzes (Beschwerdestellen, Besuchskommissionen, Petitionsausschüsse etc, vgl Pollähne 2007b, 154 ff mwN) von sich aus, erst recht aber bei Berufung der Beschwerdeführer auf völkerrechtliche Vorgaben und internationale Standards, diese zu berücksichtigen. Die besondere Bedeutung der Überwachung (Monitoring) von Orten der Freiheits- B 147 entziehung (dazu Pollähne 2007f, 121) findet sich in zahlreichen Dokumenten (vgl nur Art 16 III UN-BRK) und wurde vom EGMR gerade auch im Zusammenhang mit der psychiatrischen Unterbringung betont: Der Staat sei positiv verpflichtet, angemessene Maßnahmen zum Schutz seiner Bürger gegen einen Eingriff in ihre Rechte durch seine Amtsträger oder Private zu ergreifen, gerade wenn es um besonders Helmut Pollähne
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B. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Menschenrechte
schutzbedürftige Personen und um Fragen der Freiheitsentziehung und/oder der psychiatrischen Behandlung gehe; entsprechende Einrichtungen seien zu überwachen, wenn die vorhandenen Schutzvorkehrungen nicht ausreichen, bedürfe es ggf weitergehender, wie etwa durch Einrichtung von Besuchskommissionen (EGMR R&P 2005, 186 [192 f], dazu Cremer 2008). Jenseits der innerstaatlichen und institutionellen A ufsichtspflichten (dazu Baur Rn C 70) geht es insb um überstaatliche und unabhängige Monitoring-Instrumente: Bereits Erwähnung fand das CPT, eingerichtet vom Europarat zur Durchsetzung des Verbots unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und zur Prävention von Misshandlung und Folter (DIMR 2007). In Anlehnung an das CPT hat der UN-Menschenrechtsausschuss einen Unterausschuss mit vergleichbaren Aufgaben, freilich ohne vergleichbare Ausstattung, installiert, auch deshalb soll er flankiert werden (gemäß OPCAT) durch sog Nationale Präventions-Mechanismen (NPM, s o). Die in Wiesbaden eingerichtete Zentralstelle (bisher nur „Bundesstelle zur Verhütung von Folter“) kann dieser Aufgabe freilich von vorneherein nicht gerecht werden (vgl R&P 2007, 99), der Verweis auf vermeintlich bereits bestehende NPM überzeugt nicht (Pollähne 2007b); ob die gesamte Konstruktion konventionskonform ist, erscheint fraglich. Mit Inkrafttreten der UN-BRK im März 2009 hat die Bundesregierung im DIMR eine Monitoring-Stelle eingerichtet, deren Aufgaben und Ausstattung derzeit aber noch nicht absehbar sind (vgl www.institutfuer-menschenerechte.de/de/monitoring-stelle/). B 148 Die Implementation von Menschenrechten an und in Orten der Freiheitsentziehung muss schließlich scheitern, wenn sie nicht mit einer Schulung der dort Verantwortlichen und des Personals – aber auch entsprechender Unterrichtungen der Untergebrachten – einhergeht (vgl auch Art 13 II UN-BRK sowie CPT-Standards Kap V Rn 42 ff und Kap VIII, vgl Pollähne 2007f, 122, 126). Eine solche Schulung dürfte umso effektiver sein, je weniger sie in abstrakte ,Menschenrechtslyrik‘ und moralische Appelle verfällt, und je mehr sie exemplarisch und konkret riskante Situationen und Strukturen sowie Wege aufzeigt, diese zu vermeiden.
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I. Vollzugsgrundlagen (§§ 136 bis 138 StVollzG)
Fritz Baur C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung I. Vollzugsgrundlagen (§§ 136 bis 138 StVollzG)
I.
Vollzugsgrundlagen (§§ 136 bis 138 StVollzG)
Das Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden C 1 Maßregeln der Besserung und Sicherung (StVollzG) regelt entgegen seiner Bezeichnung von den freiheitsentziehenden Maßregeln nur die Sicherungsverwahrung (§§ 129 bis 135 StVollzG) abschließend. Die beiden anderen – wesentlich bedeutsameren – Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 63, 64 StGB) werden in den §§ 136–138 StVollzG nur oberflächlich angesprochen (Schwind/Böhm/Jehle-BöhmJehle 2009, § 1 Rn 10). Die genannten Vorschriften beschränken sich auf eine „rudimentäre Regelung“ (Arloth 2008, § 136 Rn 1; s u Rn C 39). § 136 StVollzG (psychiatrisches Krankenhaus) und § 137 StVollzG (Entziehungsan- C 2 stalt) normieren – ähnlich wie § 2 StVollzG für den Vollzug der Freiheitsstrafe – die Behandlungsziele der jeweiligen Unterbringung. Sie orientieren sich dabei ausdrücklich an den materiell strafrechtlichen Vorschriften der §§ 63, 64 StGB (Arloth 2008, § 136 Rn 1; § 137 Rn 1). Näheres dazu unten Rn C 22 ff und C 27 ff. § 138 I 1 StVollzG schreibt vor, dass die Unterbringung sich nach Landesrecht richtet, C 3 soweit nicht Bundesgesetze etwas anderes bestimmen. Auch nach dem Wechsel der Gesetzgebungskompetenz für den Straf- und Maßregelvollzug vom Bund auf die Länder gelten derzeit mangels Inanspruchnahme dieser Kompetenz die §§ 136 bis 138 StVollzG weiter (dazu unten Rn C 38 ff; Volckart/Grünebaum 2009, 62 f). Daneben enthält § 138 StVollzG Regelungen über den Pfändungsschutz von Überbrückungsgeld und Entlassungsbeihilfe (Abs 1 S 2; dazu unten Rn C 128 ff) sowie über die Erhebung eines Kostenbeitrages des Untergebrachten (Abs 2; dazu unten Rn C 101 ff). Schließlich wird für das gerichtliche Verfahren die entsprechende Anwendung der §§ 109 bis 121 StVollzG angeordnet (Abs 3; ausführlich: Gericke Rn K 32 ff). Ansonsten regelt das Strafvollzugsgesetz über die Durchführung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt nichts, es ist im Übrigen auch nicht entsprechend anwendbar (Schwind/Böhm/Jehle-Böhm 2009, § 1 Rn 10; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 138 Rn 1; AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 5, 7 vor §§ 136 bis 138). 1.
Maßregelzweck und Vollzugsziele
a)
Allgemeines
Maßnahmen des Vollstreckungs- und Vollzugsrechts müssen an deren Zweck gemes- C 4 sen werden (s u Rn C 10 ff). Daher ist zunächst eine Zweckbestimmung vorzunehmen. Die Maßregelverhängung und ihr Vollzug finden ihre innere Grundlage und Rechtfertigung im jeweils damit verfolgten Zweck, die Zwecke von Androhung und Verhängung einerseits sowie Vollstreckung und Vollzug (unten Rn C 9) andererseits unterscheiden sich voneinander (vgl zur Parallelproblematik „Strafe und Strafvollzug“: Arloth 2002, 280; Köhne 2003, 207; Wassermann 2003, 327). Wenn auch nichts ohne Grund getan wird, so ist menschliches Handeln prinzipiell C 5 dennoch nicht vom Grunde her und somit kausal, sondern vom zu erreichenden Ziel, also final bestimmt (Ehmann 2003, 702). Jedes Handeln – so auch das maßregelrechtliche –, findet seinen Grund im Ziel, es ist zweckvoll, damit an der c ausa finalis, also Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
dem Zweck, orientiert. Der Zweck ist der Grund des Handelns. Der Zweck verbindet Grund, Handeln und erstrebtes Ergebnis als Ziel des Handelns miteinander in einem einzigen Begriff. C 6 Generell ist unter Ziel alles zu verstehen, was man durch irgendeine Tätigkeit zu erreichen beabsichtigt. Es beschreibt einen gedanklich vorweg genommenen Zustand, der bewusst ausgewählt, festgelegt und als wünschenswert durch aktives Handeln herbeigeführt werden kann. In seine Richtung bewegt sich das Überführen von Etwas aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit. C 7 Zweck ist das in der Vorstellung Gemeinte, das realisiert zu werden verlangt und deshalb ebenfalls (Zweck-) Ursache des Handelns wird und die Richtung des ihm innewohnenden Zieles angibt. C 8 Somit ist im Zweck das Ziel enthalten. Im Unterschied zum Ziel spiegelt der Zweck die zu seiner Erreichung erforderlichen Mittel (die zweckgerichtete Tätigkeit) wider und verweist daher auch auf das Ziel des Handelns als dessen Ursache. Z weck ist zugleich Ziel und Ursache. Insofern bringt eine Unterscheidung zwischen Zweck und Ziel der Maßregeln keinen Gewinn, denn im Hinblick auf das gewollte Ergebnis sind sie identisch (Marschner/Volckart 2001, Kap B, Rn 166 sowie unten Rn C 17). C 9 Dem Zweck und somit auch dem Ziel steht das Mittel gegenüber, das deren Verwirklichung dient. Zweckmäßig ist deshalb ein Verfahren oder eine Tätigkeit, das die passenden Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks wählt. Dabei kann jedes Mittel auch zugleich selbst Zweck oder Ziel sein: Bei jeder Tätigkeit lässt sich nämlich eine ganze Reihe von Zwecken denken, in der immer ein Zweck als Mittel dem anderen untergeordnet ist, so dass es nächste und entferntere Zwecke gibt. Auch deshalb ist es wenig sinnvoll, nach Z weck und Ziel der Maßregeln zu unterscheiden. Zu fragen ist vielmehr nach dem Zweck und den zu dessen Erreichung erforderlichen Mitteln, die ihrerseits (Zwischen-) Ziele darstellen. Dieser Zusammenhang wird meistens dadurch indirekt hergestellt, indem vom Zweck der Maßregel und vom Ziel des Vollzugs gesprochen wird; dabei ist zu beachten, dass die Vollzugsziele zugleich Mittel zur Erreichung des Maßregelzwecks sind. b)
Zweck der Maßregeln
C 10 Allgemeiner Zweck der Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB ist die Verbrechensverhütung, die Gefahrenabwehr, die Verhütung weiterer erheblicher rechtswidriger Handlungen, kurzum: Gewährleistung von Sicherheit der Rechtsgemeinschaft (BVerfG NJW 1975, 893; BGHSt 28, 327, 332; BGH NJW 1986, 141; LK-Schöch § 63 Rn 1, § 64 Rn 1). Dieser Zweck wird vom Gesetz nicht absolut gesetzt. Aus § 67d II 1 StGB folgt, dass Zweck der Maßregeln nicht die absolute Straftatenverhütung im Sinne der dauernden Erreichung eines Zustandes völliger Ungefährlichkeit des Täters ist, sondern vielmehr die Herstellung eines Zustandes, in der die Erwartung der relativen Ungefährlichkeit des Täters seine Entlassung in Freiheit verantwortbar erscheinen lässt. Zweck ist somit die Gewährleistung angemessener Sicherheit vor erheblichen Straftaten (AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 3 vor §§ 136 bis 138; Arloth 2008, § 136 Rn 4; OLG Düsseldorf MDR 1980, 779; JMBlNW 1989, 214). C 11 Neben der erforderlichen Unterscheidung der Begriffe Zweck und Ziel im Maßregelund Maßregelvollzugsrecht bedarf es einer Differenzierung der Bezugsebenen zur Bestimmung des normativen Gehalts von „Sicherung und Besserung“: Bei der Anordnung der Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB ist das Problem der Legitimation freiheitsentziehender Maßregeln tangiert. Im Rahmen der Vollstreckung geht es primär um die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Zweck der Maßregel“; im Vollzug schließlich stehen Reichweite und Rangfolge gegenläufiger Vollzugsziele zur Diskussion. 70
Fritz Baur
I. Vollzugsgrundlagen (§§ 136 bis 138 StVollzG)
Der häufig behauptete Vorrang des Besserungsgedankens gegenüber der Sicherungs- C 12 komponente freiheitsentziehender Maßregeln (exemplarisch Ukena 1991 mwN) bedarf jedenfalls auf der Anordnungsebene einer Relativierung: Eine Freiheitsentziehung vorrangig zum Zweck der Besserung des Betroffenen begegnet (jedenfalls diesseits von Utopien, dazu Haffke 1975) erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Legitimation der zwangsweisen Unterbringung kann sich nur aus dem erforderlichen Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten ergeben. Insoweit korrespondiert das Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft mit der Sicherungskomponente der freiheitsentzeihenden Maßregeln. Eine Unterbringung ausschließlich zur Besserung ist unzulässig (BVerfGE 22, 180). Stellt der Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren, die vom Täter drohen, die ei- C 13 gentliche Legitimationsgrundlage der Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB dar, ist dies im Vollstreckungsrecht zu berücksichtigen, wenn auf den Zweck der Maßregel rekurriert wird. Inwieweit dieser Schutzzweck die zwangsweise stationäre Unterbringung erfordert, ist dabei streng zu trennen von der Frage, wie die Resozialisierung des Täters am besten gefördert werden kann (vgl § 67a I StGB). Im Übrigen belegt die Existenz nicht-freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr 4–6 StGB), dass Sicherung nicht zwangsläufig mit „gesicherter“ Unterbringung identisch sein muss. Nicht zuletzt aus § 67b I 1 StGB folgt, dass aus der Sicht des Gesetzgebers auch der C 14 Zweck freiheitsentziehender Maßregeln nicht notwendig – und unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität (vgl auch § 72 I StGB) nicht einmal vorrangig – die Einschließung des Betroffenen erfordert: Der Zweck kann oftmals ebenso gut ambulant durch die Aussetzung der Vollstreckung zugleich mit der Anordnung (BGH NStZ 1988, 309 f; StV 1988, 104; StV 1991, 514 f) erreicht werden. An die Stelle der stationären Unterbringung tritt dann Führungsaufsicht einschließlich etwaiger (Behandlungs-) Weisungen (§§ 67b II, 68b StGB; s u Pollähne Rn F 111 ff), die Bestellung eines Bewährungshelfers (§ 68a StGB) und implizit die Androhung des Widerrufs der Aussetzung (§ 67g StGB). Die Gewährleistung von Sicherheit erfolgt also nicht ausschließlich durch Sicherung, C 15 und Sicherung ist nicht ausschließlich gleichzusetzen mit geschlossener Unterbringung. Der Zweck der Maßregel nach § 63 StGB – Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen rechtswidrigen Taten – kann durch verschiedene Mittel erreicht werden. Auf dieser Ebene der Zweckerreichung steht die Besserung an erster Stelle. Dem Betroffenen soll eine adäquate Behandlung zuteil werden, um seine Gefährlichkeit soweit zurückzudrängen, dass Sicherungsmaßnahmen gegen ihn nicht mehr erforderlich sind. Soweit der Schutz der Allgemeinheit auf diesem Wege nicht bereits durch eine entsprechende therapeutische Betreuung sichergestellt werden kann, ist unterstützend das Mittel der Sicherung einzusetzen. Hier kann ein, je nach Schutzbedürfnis abgestuftes Maß an Freiheitsentzug erforderlich sein, um eine Kontrollintensität (iSv Betreuung, Aufsicht und Entwicklungsvorsorge) rund um die Uhr zu gewährleisten, ohne die die Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten besteht (vgl LG Hamburg NStZ 1987, 575 f). Den Betroffenen daran zu hindern, sich der Therapie zu entziehen, darf dabei jedoch allenfalls ein Effekt, nicht aber der Zweck der Freiheitsentziehung sein (zur Freiwilligkeit der Therapie im Maßregelvollzug vgl u Wagner Rn D 118, D 127 ff; Marschner Rn E 19). Die Gefahrenabwehr als genereller Maßregelzweck wird also in erster Linie durch die C 16 Unterbringung als solche erreicht. Das Z weckerreichungsmittel Unterbringung wiederum verfolgt eigene, notwendigerweise am Maßregelzweck ausgerichtete und ihm deshalb untergeordnete Zwecke (Ziele). Dies sind die Vollzugszwecke der Besserung und Sicherung, im Allgemeinen als Vollzugsziele bezeichnet. Die Besserung oder Sicherung des Täters sind also keinesfalls Zwecke der Maßregel, sondern sind Mittel (und als solche Vollzugsziele) des mit der Unterbringung verfolgten MaßreFritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
gelzwecks der Sicherheit der Allgemeinheit (BGH NJW 1986, 141; BGHSt 28, 332; LK-Schöch vor § 61 Rn 30 ff). C 17 Eine bloße Unterscheidung nach Zweck und Ziel (so etwa noch LK-Hanack vor § 61 Rn 21 ff; OLG Frankfurt NJW 1978, 2347) ist daher so lange verwirrend, wie nicht zugleich auch die allein entscheidende gedankliche Ebene bezeichnet wird, nämlich die Maßregel als solche (auf der Anordnungsebene) oder deren Vollzug (auf der Vollzugsebene): beide verfolgen unterschiedliche Zwecke, wobei der maßregelrechtlich bestimmte Zweck übergeordneten Charakter hat. Missverständlich sind deshalb auch Äußerungen, wonach Hauptzweck der Maßregel die Besserung, Nebenzweck die Sicherung sei (BGH NJW 1976, 1649; OLG Frankfurt NStZ 1983, 187). Diese Auffassung verkennt den geschilderten Zusammenhang zwischen dem Zweck und dem Mittel zur Zweckerreichung und führt deshalb in die Irre, weil dann in jedem Fall bei Nichterreichen des vermeintlichen Besserungszwecks der Sicherungszweck herangezogen werden könnte, um eine Verwahrung zu rechtfertigen. C 18 Eine Bemerkung zu der nach wie vor feststellbaren Konfusion um die Begriffe Zweck und Ziel der Maßregeln am Beispiel des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes. Dort heißt es in N W § 1 I, dass die Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt den untergebrachten Patienten durch Behandlung und Betreuung befähigen sollen, ein in die Gemeinschaft eingegliedertes Leben zu führen und die Allgemeinheit vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Tagen schützen sollen. Diese Feststellung genügt aussagelogischen Erfordernissen insoweit nicht, als hier – wie immer wieder (Nachweise bei Baur 1988, 219–223) – die Zielsetzungen des Vollzuges mit denen der Maßregeln überhaupt gleichgesetzt und damit zwei voneinander gedanklich zu trennende Ebenen vermischt werden (LK-Schöch vor § 61 Rn 30). Tatsächlich ist der generelle und einzige Maßregelzweck, die Allgemeinheit vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten zu schützen (o Rn C 10; ferner: BGH bei Holtz MDR 1996, 879; SK-StGB-Horn § 63 Rn 2, § 64 Rn 2; AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 3 §§ 136–138). Dieser Zweck wird mit den Mitteln der Besserung und Sicherung (also der Behandlung und der Einschließung) als den Vollzugszielen verfolgt (Baur 1990, 254). Die OLG-Spruchpraxis ist uneinheitlich (etwa OLG Nürnberg NStZ 1990, 253 m Anm Baur, gegen OLG Frankfurt StV 1992, 328). Arabeske am Rande: das thüringische Gesetz spricht in der Überschrift der insofern einschlägigen Vorschrift des Thü § 30 vom „Zweck der Maßregeln“, der Text bezieht sich dann jedoch nur noch ausdrücklich auf die „Ziele“ (ebenso Bre § 11). C 19 Der Gesetzgeber hat das Maßregelsystem mit einer nur schwer nachvollziehbaren Differenzierung belastet: Während die Anordnung der Unterbringung nach § 64 II StGB unterbleibt, wenn eine Entziehungskur von vornherein aussichtslos erscheint, soll § 63 StGB auch dann zur Anwendung kommen, wenn sich eine Besserung des Täters als nicht oder nicht mehr realisierbar erweist. „Auf fehlende Heilungsaussichten kommt es insoweit nicht an“ (BGH NStZ 1990, 224). Mit der gleichen Begründung entfällt auch eine spätere Erledigung (gemäß § 67c II 5 StGB analog). Was immer man davon halten mag: Die psychiatrischen Krankenhäuser werden auch weiterhin Personen aufzunehmen und in Gewahrsam zu halten haben, bei denen die Unterbringung oder deren Fortdauer ausschließlich mit dem Ziel der sicheren Verwahrung angeordnet wurde (Arloth 2008, § 136 Rn 4; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 1; zur damit zusammenhängenden Frage der Langzeitstationen s u Rn C 34). Der Sicherungs- und Verwahrungsauftrag ist in der Unterbringungsanordnung begründet, er ergibt sich nicht etwa aus § 136 S 3 StVollzG, wonach dem untergebrachten Patienten die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil wird (AK-StVollzGPollähne 2006, § 136 Rn 11 mwN; s u Rn C 26).
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Fritz Baur
I. Vollzugsgrundlagen (§§ 136 bis 138 StVollzG)
c)
Vollzugsziele: Bundesrecht
Wird die Anordnung der zwangsweisen Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB voll- C 20 streckt, ergibt sich die Aufgabenzuweisung für die Maßregelvollzugseinrichtung aus den §§ 136, 137 StVollzG. Die hier formulierten Vollzugsziele sind für die Einrichtungen bindend und gingen nach bisherigem Recht (dazu u Rn C 38 und 101) dem Landesrecht vor (AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136–138 Rn 2), gerade weil es sich insofern (nur) um „eine Wiederholung des dem Maßregelvollzug durch das Sanktionssystem des StGB vorgegebenen Programms“ handelt (so AK-StVollzG-Volckart 2000, §§ 136–138 Rn 2). Wichtig ist dieser Hinweis deshalb, weil die den psychiatrischen Maßregelvollzug betreffenden Normen des StVollzG im Lichte der §§ 62 ff StGB zu interpretieren sind (AK StVollzG-Pollähne 2006, Rn 16 f vor §§ 136–138; Arloth 2008, § 136 Rn 1; § 137 Rn 1). Der Zweck der Maßregel sagt noch nichts über die zu seiner Erreichung erforderli- C 21 chen Mittel im Einzelnen aus. Die Unterbringung als solche ist zwar das generelle Mittel der Maßregeln, jedoch werden mit der Unterbringung als dem Vollzug der Maßregeln eigenständige Ziele (Zwecke) verfolgt, die ihrerseits Mittel zur Erreichung des Maßregelzwecks sind (s o Rn C 17). Generelles Ziel des Maßregelvollzuges ist die frühestmögliche Entlassung zu Bewährung (AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 3 vor §§ 136–138 unter Hinweis auf § 67d II StGB), nicht hingegen die dauerhafte Verwahrung (mit der der Maßregelzweck ebenfalls erreicht werden könnte, Volckart/ Grünebaum 2009, 333 f). §§ 136, 137 StVollzG beschreiben die Vollzugsziele im Einzelnen. aa)
§ 136 StVollzG
Gemäß § 136 S 2 StVollzG soll der Untergebrachte in einem psychiatrischen Kran- C 22 kenhaus soweit möglich geheilt oder sein Zustand soweit gebessert werden, dass er nicht mehr gefährlich ist. Dieses „vorrangige“ Besserungsziel ist im Kontext der §§ 63, 67d II StGB dahingehend zu interpretieren, dass ein Zustand anzustreben ist, der zu der Erwartung führt, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (s u Rn C 32; kritisch zu dieser verschärften E ntlassungsformel: Schöch 1998, 1257). Nur im Idealfall wird diese sog Entlassungsreife mit einer Heilung im ärztlichen Sinne zusammentreffen, denn die Heilung des Untergebrachten ist nicht das vorrangige Ziel der Behandlung in der forensischen Psychiatrie. Heilung als anzustrebendes Idealziel mag zwar gelegentlich erreicht werden, ist aber C 23 in vielen Fällen – jedenfalls im engeren medizinischen Sinne – nicht möglich (AKStVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 8; Arloth 2008, § 136 Rn 3). Es geht dann um die „Zustandsbesserung“. Damit wird an den Zustand angeknüpft, der ursächlich für die Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB war und infolge dessen erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind („Symptomtaten“ – AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 8 mwN). § 136 S 2 StVollzG (zur Anwendbarkeit: u Rn C 38 und 101) rechtfertigt keine C 24 Zwangsbehandlung (s u Wagner Rn D 141; Marschner Rn E 19; KG NStZ 1997, 351; AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 9 mwN; Schwind/Böhm/Jehle-Rotthaus/Freise 2005, § 136 Rn 4). Diese richtet sich nach Landesrecht, § 138 I 1 (Arloth 2008, § 136 Rn 2). Der Konflikt zwischen dem kriminalrechtlichen Besserungs- und dem ärztlichen C 25 Heilauftrag liegt auf der Hand, darf aber im Maßregelvollzug nicht zu Lasten der Freiheitsrechte des Untergebrachten ausgetragen werden, auch wenn sich seine Behandlung grundsätzlich „nach ärztlichen Gesichtspunkten“ richtet. Das bedeutet nicht, dass das Vollzugsgeschehen sich insgesamt als eine ärztlich-medizinische VerFritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
anstaltung darstellt (unten Wagner Rn D 30; Arloth 2008, § 136 Rn 2). Denn nicht die Unterbringung, sondern lediglich die Behandlung als solche richtet sich nach ärztlichen Gesichtspunkten. Im Übrigen begründet sich diese Zielbestimmung aus der gesetzgeberischen Motivation einer bewussten und gewollten A bkehr vom „Justizvollzugsmodell“ (so zu Recht: AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 5; vgl dazu auch unten Rn C 50). Heutigen psychiatrischen Leitvorstellungen folgend sollte man daher besser von therapeutischen Gesichtspunkten sprechen (so etwa sinngemäß N W § 6 II). Damit ist zugleich ein genereller bloßer Verwahrvollzug (u Rn C 31) ausgeschlossen (Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 1; AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 11), vielmehr steht dem untergebrachten Patienten ein Anspruch auf Therapie zu (LG Paderborn R&P 2000, 42; Arloth 2008, § 136 Rn 2). Daraus folgt auch das Erfordernis und die Pflicht der Maßregelvollzugseinrichtung, eigenständige Behandlungskonzepte zu entwickeln, und zwar differenziert nach Täter- und Patientengruppen (Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 3 m zahlreichen Nachw). Dieses Erfordernis hat prägenden Einfluss auf die personelle und sachliche Ausstattung der Einrichtungen des Maßregelvollzuges (eingehend: AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 6 sowie unten Rn C 71 ff). C 26 Dass dem Untergebrachten im psychiatrischen Krankenhaus über die Behandlung hinaus und zusätzlich zu ihr die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege (eingehend: AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 10 bis 13) zuteil wird (§ 136 S 3 StVollzG, dazu Rn C 38 und 101), ist nach dem Gesagten selbstverständlich. Das ist der gesetzliche Mindestauftrag (Arloth 2008, § 136 Rn 4) des Maßregelvollzuges. Dabei erstreckt der Sicherungsauftrag sich darauf, den untergebrachten Patienten vor sich und anderen sowie andere vor ihm zu schützen (AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 11). Die Betreuungsnotwendigkeiten erstrecken sich auf alle mit Unterkunft und Verpflegung zusammenhängenden Fragen. Pflege im Krankenhaus ist Krankenpflege, hier im Besonderen forensische Pflege (ausführlich zur Pflege in der forensischen Psychiatrie: Hax-Schoppenhorst/Schmidt-Quernheim 2008 sowie unten Rn C 76 f). Besondere und eigenständige Bedeutung erlangt die Bestimmung für die Gruppe jener Untergebrachten, die mangels Besserungsaussicht nurmehr sicher verwahrt werden sollen (Callies/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 1; AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 41 vor §§ 136–138, § 136 Rn 11; oben Rn C 10 ff und unten Rn C 33 ff). Allerdings bleibt das psychiatrische Krankenhaus in jedem Fall dem therapeutischen Heilauftrag verpflichtet. Es darf nicht (wieder) soweit kommen, so genannte „U Unheilbare“ oder „Unverbesserliche“ aufzugeben. Der Maßregelvollzug lässt sich in keinem Fall auf bloße Aufsicht reduzieren („und“). bb)
§ 137 StVollzG
C 27 Bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt stellen sich die Probleme nicht wesentlich anders dar. Nach § 137 StVollzG (s u Rn C 38 und 101) besteht hier das Ziel der Behandlung darin, den Untergebrachten von seinem Hang zu heilen und die zugrundeliegende F ehlhaltung zu beheben (zur antiquierten Begrifflichkeit: AK-StVollzG – Pollähne 2006, § 137 Rn 1). Zwar wird damit der Therapiecharakter der Maßregel betont (Callies/Müller-Dietz 2008, § 137), die missglückte Formulierung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch hier vorrangig um das Erreichen der Entlassungsreife geht (AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 137 Rn 1). Dies gilt unabhängig davon, dass die Unterbringung nach § 64 StGB befristet ist (§ 67d I StGB: 2 Jahre, max 3 Jahre 4 Monate, str; vgl Fischer 2010, § 67d Rn 3a mwN) und nachträglich rückgängig gemacht werden kann. C 28 Ziel der Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist einzig die Besserung (BGH bei Holtz MDR 1989, 1052; AK-StVollzG – Pollähne 2006, § 137 Rn 3; Volckart/Grünebaum 2009, 278; BVerGE 91, 1). Dies folgt in erster Linie aus § 64 II StGB, wonach bei Aussichtslosigkeit der Entziehungskur eine Unterbringung nicht angeordnet werden 74
Fritz Baur
I. Vollzugsgrundlagen (§§ 136 bis 138 StVollzG)
darf. Die Unterbringung in der Entziehungsanstalt dient ausschließlich therapeutischen Funktionen (Arloth 2008, § 137 Rn 1; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 137; AKStVollzG-Pollähne 2006, § 137 Rn 3). Gleichwohl ist – mittelbar – Zweck der Maßregel des § 64 StGB die Gefahrenabwehr, jedoch ausschließlich mit Hilfe einer Unterbringung, die Besserung im Sinne einer therapeutischen Einwirkung zum Ziel hat. Ein eigenständiges Sicherungsziel kann demnach (anders als im Rahmen der Unterbringung nach § 63 StGB, § 136 StVollzG) mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht verfolgt werden (unzutreffend deshalb OLG Frankfurt NStZ 1983, 187 und OLG Nürnberg NStZ 1990, 254; wie hier: Arloth 2008, § 137 Rn 1). Auffällig ist, dass § 137 – anders als § 136 – nicht vorschreibt, dass die Behandlung C 29 des untergebrachten Patienten sich nach ärztlichen Gesichtspunkten zu richten hat; ebenso fehlt die Zielvorstellung der Gefährdungsbeseitigung und der Hinweis auf die Bereitstellung der nötigen Aufsicht, Betreuung und Pflege. Da aber die Suchtentwöhnung das ausdrückliche Behandlungsziel ist, gelten auch hier unausgesprochen die entsprechenden therapeutischen Maßstäbe wie in § 136. Das Ziel der „Entlassungsreife“ folgt aus §§ 64, 67d II StGB, muss deshalb nicht notwendig in § 137 StVollzG wiederholt werden. Aufsicht, Betreuung und Pflege können im Rahmen des § 137 keine eigenständige Funktion erlangen, sind aber als Sicherungs- und Behandlungsmittel integraler Bestandteil der Unterbringung (ebenso: AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 137 Rn 3 ff; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 137; Arloth 2008, § 137 Rn 1). cc)
Rangfolge der Maßnahmen
Sowohl beim Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als C 30 auch beim Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt besteht somit ein Vorrang bessernder vor sichernden Maßnahmen; dieser Vorrang stellt sich bei der Unterbringung nach § 63 StGB als ein relativer, bei der nach § 64 StGB als ein absoluter dar (verkannt von OLG Nürnberg NStZ 1990, 253 mit Anm Baur 1990b). d)
Landesrechtliche Zielbestimmungen Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– – – § 36 I § 11 §2 §7 § 12 II
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§2I §1I § 1 II §2 §§ 1, 38 I §2 §2 § 30
Alle Länder, die über eigenständiges Maßregelvollzugsrecht verfügen, sehen Rege- C 31 lungen über die Vollzugsziele vor. Die übrigen Länder treffen zwar zum Teil Aussagen zum Zweck der allgemeinen Unterbringung, verweisen allerdings in dem jeweiligen Maßregelvollzugsteil nicht auf die Vorschriften (etwa Bay Art 2; Berl § 9). Mindesterfordernisse in dieser Hinsicht ergeben sich aus den Vollzugszielregelungen der §§ 136, 137 StVollzG (s o Rn C 20). Dementsprechend verweisen einige Gesetze („überflüssigerweise“: AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 4 vor §§ 136–138, § 136 Rn 2) lediglich hierauf (B Bran § 36 I; Hess § 7, Nds § 2 I, SaAn § 2 I; RE § 11 I). Damit bleibt zwar auch landesrechtlich der medizinisch-therapeutische Primat des Vollzuges sichergestellt und ein genereller bloßer Verwahrungsvollzug (o Rn C 25; zur Problematik der Langzeitabteilungen u Rn C 34) ohne Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte unzulässig, jedoch kommt dann der gesellschaftsbezogene Ansatz leicht zu kurz. Dieser Gefahr beugt die Mehrheit der Länder durch entsprechende Konkretisierungen vor, indem auch auf die familiäre (H Hbg § 2; Nds § 2 II), soziale Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
und berufliche Eingliederung (B Bre § 11; H bg § 2; MeVo § 12 II; Nds § 2 II; N W § 1) abgestellt wird. Darüber hinaus ist (therapeutischen und) pädagogischen Erfordernissen Rechnung zu tragen (so ausdrücklich: Bre § 11; Hbg § 2; MeVo § 12 II; NW § 1; Saar § 3; SaAn § 2 II; RE § 11 I 2). – Bran praktiziert (auch) in der Zielbestimmung eine rigorose Geschlechtsneutralisierung und zieht sich dabei die eine oder andere Blessur zu (so „sollen die untergebrachten Personen soweit möglich . . . geheilt werden, dass er nicht mehr gefährlich ist“). C 32 Insgesamt ist der Vollzug so auszurichten, dass unter Beachtung des Schutzes der Allgemeinheit (ausdrücklich Hbg § 2; N W § 1; Nds § 2 I; RhPf § 1 II; Saar § 2; SaAn § 2 I) der untergebrachte Patient auf eine selbständige Lebensführung (u Rn C 33 f) außerhalb des Maßregelvollzuges vorbereitet wird (Eberhard et al § 1 Anm 2). Ziel des Vollzuges ist es, einen Zustand zu erreichen, bei dem zu erwarten ist, dass der untergebrachte Patient außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Tagen mehr begehen wird (§ 67d II StGB; s o Rn C 22). Bei diesem Zustand verbleibt ein vom Gesetz in Kauf genommenes Restrisiko (Kammeier in: Schmidt-Quernheim/HaxSchoppenhorst 2008, 40; OLG Düsseldorf JMBlNW 1989, 214; BGH NJW 1968, 141). Ziel des Vollzuges ist es also nicht, jedes denkbare Risiko und damit jedwede Gefährdung auszuschließen. Daran ändert auch die verschärfte Fassung des § 67d II StGB nichts (dazu: Schöch 1998, 1257) und Landesrecht kann dies nicht unterlaufen („konterkarieren“, AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 2). 2.
Vollzugsgestaltung Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
a)
§7 Art 12 § 28 §§ 16, 38 § 24 §§ 2, 8–22 – § 19 I
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§ 2 II §1I – §§ 3, 7–13 – §§ 2 II, 4, 9 § 2 II, §§ 4–21 § 11
Normalisierungsprinzip
C 33 Die Gestaltung des Vollzuges leitet sich von den damit verfolgten Zielen (s o Rn C 20 ff) ab. Hier ragt die Erreichung einer möglichst selbständigen und selbstverantworteten Lebensführung besonders heraus. Daher wird vielfach darauf abgestellt, den Vollzug so zu gestalten, dass eine weitgehende Angleichung an die allgeBerl § 28; Bran § 16 I; Bre § 24, Hbg § 2; meinen Lebensverhältnisse erreicht wird (B MeVo § 19 I; Nds § 2 II; N W § 1 I 3; Saar § 3; SaAn § 2 II; RE § 11 I 2; VolckartGrünebaum 2009, 80, 164). Was dies im Einzelnen bedeutet, bleibt offen (dazu: unten Rn C 25; C 80 ff). C 34 Das damit angesprochene Normalisierungsprinzip (Volckart/Grünebaum 2009, sprechen vom „Angleichungsgrundsatz“, S 80, 164) verbietet idR jedenfalls eine weitergehende und grundsätzliche Trennung und Differenzierung der verschiedenen Patientengruppen, etwa nach Geschlecht, Alter, Art der Erkrankung (Volckart/Grünebaum 2009, 299 ff). Allerdings nimmt die Zahl der therapeutisch auch langfristig nicht erreichbaren untergebrachten Patienten stetig zu (Osterheider 2002, 17). Dabei handelt es sich um Personen mit chronischen, psychotischen und P ersönlichkeitsstörungen (oft zusammen mit Alkohol- oder Drogenabhängigkeit), aber auch um geistig Behinderte mit Persönlichkeitsabweichungen und aggressiv-deviantem Verhalten (Lindemann 2002, 9 f). Wenn nach langer Verweil- und Behandlungsdauer und entsprechender therapeutischer Erkenntnis auch in absehbarer Zeit die Voraussetzungen einer 76
Fritz Baur
II. Gegenstand der Maßregelvollzugsvorschriften (Anwendungsbereich)
bedingten Entlassung nach § 67d II StGB nicht erreicht werden können (Volckart/ Grünebaum 2009, 306 ff: „Nicht Therapierbare“), so spricht vieles dafür, diese Personengruppe von den übrigen untergebrachten Patienten getrennt weiter zu betreuen, zu pflegen und zu beaufsichtigen (§ 136 S 3). Entsprechende Konzepte (auch unter Kostengesichtspunkten: Kammeier Rn A 72) dafür zu schaffender „Langzeitabteilungen“ sind in Holland entwickelt worden (Perik 2002, 23; Lindemann 2001, 21) und werden zum Teil zur Übernahme in die hiesige forensische Psychiatrie empfohlen (Volckart/Grünebaum 2009, 306 ff; Osterheider 2002, 17; ablehnend: Lindemann 2002, 8; AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 41 vor §§ 136–138). Soweit gewährleistet ist, dass der entsprechende Personenkreis hinreichend sicher bestimmt (Leygraf 2002, 3) und eine etwaige Behandlungswiederaufnahme (LK-Schöch § 63 Rn 24, 25) jederzeit ermöglicht werden kann, spricht vieles für die Einrichtung entsprechender Langzeitabteilungen (Warum derartige Abteilungen in der einschlägigen Literatur als „LongstayUnits“ gespreizt daher kommen müssen, erschließt sich wohl nur dem, der sich auch nicht mehr über die zunehmende Anzahl von „Untreatable Persons“ sowie „Medical Centres“, „Stroke-Units“ und „Public Health Institutes“ in deutschen Provinzstädtchen wundert). Originelle Einzelmeinung zur Thematik Langzeitbereiche u Rn C 51 am Ende. Hess (Ausführungsbestimmungen §§ 3 u 4) und N W (DV-MRVG § 1) treffen Rege- C 35 lungen zur Gliederung sowie zur räumlichen und personellen Ausstattung der Einrichtungen, die ebenfalls dem Normalisierungsprinzip folgen (unten Rn C 80). Ebenfalls der Förderung dienen Regelungen, die Rechte zur Mitwirkung des unter- C 36 gebrachten Patienten an der Gestaltung des Vollzuges und weitere Maßnahmen normieren (H Hbg § 3; N W § 1 I 3; Saar § 3 I; SaAn § 2 II 2; Berl § 28 I 3; RE § 11 II u III). b)
Unselbständige Annexregelungen
An dieser Stelle zeigen sich sehr deutlich die Nachteile einer gesetzlichen Regelung, C 37 die lediglich die Form eines Annexes an das Allgemeine Unterbringungsrecht hat (B BW, Bay, Berl, Bran, Bre, MeVo, Sa, Thü). In diesen Fällen fehlt eine Konkretisierung der Vollzugsgestaltung, insbesondere die notwendige Verbindung zwischen gedanklich vorausgesetztem Vollzugsziel und dessen Umsetzung in konzeptioneller, baulicher und personeller Sicht. Symptomatisch hierfür sind die lapidaren Feststellungen, wonach „die nach diesem Gesetz Untergebrachten . . . so untergebracht, behandelt und betreut (werden), dass der Unterbringungszweck bei geringstem Eingriff in die persönliche Freiheit erreicht wird“ (B BW § 7, Bay Art 12). Hier steht das reine Abwehrdenken im Vordergrund, die notwendige Teilhabe wird ausgeklammert. Dies ist ein schwerwiegender Mangel, der nur über eine eigenständige gesetzliche Regelung vermieden werden kann (ausführlich: unten C 42).
II.
Gegenstand der Maßregelvollzugsvorschriften (Anwendungsbereich) Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
§ 15 I Art 28 I § 1 I Nr 2b § 1 I 3b § 1 I Nr 4 §1 §1 § 1 I Nr 3b
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§1 § 35 §1I §1 §§ 1 I Nr 4 §1 §1 § 1 III
II. Gegenstand der Maßregelvollzugsvorschriften (Anwendungsbereich)
Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
1.
Bundes- und Landesrecht (§ 138 I 1 StVollzG)
a)
Bisheriges Bundesrecht und „Föderalismusreform I“
C 38 Die Bundeskompetenz zum Erlass des StVollzG unter Einschluss des Maßregelvollzuges folgte nach bisherigem Recht aus Artikel 74 I Nr 1 GG, wonach der Strafvollzug Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung war (BVerfG NJW 1992, 1555 = BVerfGE 85, 134). Auch wenn in dieser Vorschrift der Maßregelvollzug nicht ausdrücklich erwähnt wurde, so ist bislang nur vereinzelt bezweifelt worden, etwa in der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf eines niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes, (LT-Drs 9/2605, A I 1; neuerdings auch ohne weitere Begründung Grünebaum: Volckart/Grünebaum, 2009, 62), dass auch dieser Regelungsbereich hierher gehört (allgM: Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 2; Arloth 2008, § 136 Rn 1; AKStVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 1; früher bereits: Baur 1982a, 33; Müller-Dietz 1983, 205; Volckart 1984a, 3; Blau 1985, 1018; Baur 1980, 161, 162). – Seit dem Inkrafttreten der „Föderalismusreform I“ am 1. 9. 2006 obliegt der Strafvollzug nicht mehr der konkurrierenden Gesetzgebung des Art 74 I Nr 1 GG, sondern unterfällt der (allgemeinen) Gesetzgebungskompetenz der Länder, Art 70 I GG. Solange und soweit die Länder diese neue Kompetenzen nicht wahrnehmen, gilt bestehendes, nach Art 74 I GG erlassenes Bundesrecht als solches fort, Art 125a I GG. Derzeit existiert neues Landesrecht insoweit noch nicht (s u Rn C 101), somit sind die §§ 136 ff StVollzG weiterhin geltendes und damit anzuwendendes Recht (widersprüchlich: Volckart/Grünebaum 2009, 62). Entsprechendes gilt für § 50 StVollzG, s u Rn C 101 ff. Da nunmehr eine einheitliche Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Straf- und Maßregelvollzug gegeben ist, liegt es nahe, künftig in den Ländern einheitliche Vollzugsgesetze für Straf- und Maßregelvollzug zu schaffen. Diese Chance haben vorerst Bay, Hbg und Nds vertan, indem dort zwar eigene Strafvollzugsgesetze erlassen wurden, jedoch die daneben bestehenden Maßregelvollzugsregelungen in Sondergesetzen verbleiben und darüber hinaus die bundesrechtlichen Regelungen der §§ 136–138 StVollzG ausdrücklich unberührt bleiben (s u Rn C 101). b)
Bundesgesetzgeberische Enthaltsamkeit
C 39 Von der bisherigen (o Rn C 38) Zuständigkeit hat der Bundesgesetzgeber nur in sehr sparsamer Weise (Arloth 2008, § 136 Rn 1 und oben Rn C 1 ff) Gebrauch gemacht – er begnügt sich mit insgesamt drei Vorschriften (§§ 136 bis 138 StVollzG), welchen nichts über die eigentliche Durchführung des Vollzuges zu entnehmen ist (AKStVollzG-Pollähne 2006, Rn 4, 9 vor §§ 136–138 sowie § 138 Rn 3, 8). Diese gesetzgeberische Entscheidung vermag nicht zu überzeugen. Nach der amtlichen Begründung hätte eine detaillierte bundesgesetzliche Lösung dazu geführt, dass innerhalb ein und derselben Anstalt ein Teil der Patienten – die nach §§ 63 und 64 StGB untergebrachten – besonderen, von der allgemeinen Regelung abweichenden Vorschriften unterstellt wären (BT-Drs 7/918, 87, 90). Da das o rdnungsrechtliche Unterbringungsrecht der Gesetzgebungskompetenz der Länder zugewiesen sei, habe man die zu erwartenden Unzuträglichkeiten nur dadurch vermeiden können, indem man die Regelung des Vollzugs der Maßregeln nach §§ 63 und 64 StGB ebenfalls dem Landesrecht im Wesentlichen überlasse (vgl u Rn C 105). Diese Argumentation lässt außer Acht, dass die verschiedenen betroffenen Personenkreise in der Tat einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen und auch im Einzelfall unterschiedliche Sicherungsvorkehrungen erfordern. Diesem Sachverhalt muss jede gesetzliche Regelung Rechnung tragen. Eine bundesgesetzliche Regelung wäre daher nicht schädlich, sondern erwünscht gewesen (so bereits: LK-Hanack 1978, § 63 Rn 126; ferner Calliess/Müller-Dietz 2008, § 138 Rn 3). C 40 In einem speziellen Bereich des Maßregelvollzugsrechts sieht dies der Gesetzgeber ebenso. Die Erhebung der K osten der Unterbringung (dazu im Einzelnen unten Rn C 101 ff) richtet sich nach Bundesrecht (§ 138 II) mit der ausdrücklichen amtlichen 78
Fritz Baur
II. Gegenstand der Maßregelvollzugsvorschriften (Anwendungsbereich)
Begründung, dass auf diese Weise „d die grundsätzliche Gleichbehandlung aller im Straf- und Maßregelvollzug untergebrachten Gefangenen gewährleistet“ wird (BTDrs 14/6855, 33; früher bereits: BT-Drs VI/329, 26). Eine Gleichbehandlung der untergebrachten Patienten mit nach Landesrecht Untergebrachten sollte damit ausdrücklich ausgeschlossen werden, denn die landesrechtlichen Kostenvorschriften sehen durchweg eine Kostentragungspflicht der untergebrachten Personen selbst vor (vgl etwa § 32 PsychKG N W). „Es wäre nicht zu vertreten, dass ein Strafgefangener, der arbeitet, keine Kosten zu entrichten hätte, während ein in einer Trinkerheilanstalt Untergebrachter, auch wenn er arbeitet, Kosten zu entrichten hätte“ (BT-Drs VI/329, 26). Daher stellt das Bundesrecht den untergebrachten Patienten aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten in spezifizierter, aber vergleichbarer Weise wie den Strafgefangenen von den Kosten frei (unten Rn C 101 ff; vgl auch LG Itzehoe NStZ 2000, 559). Der hierin zum Ausdruck kommende Grundgedanke legt eine bundesrechtliche Regelung des gesamten Maßregelvollzugsrechtes nahe (ebenso: AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 4; Schwind/Böhm/Jehle-Rotthaus/Freise 2009, Rn 1 ff vor §§ 136–138; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 2). Diese Möglichkeit ist freilich nach der Neuregelung der Gesetzgebungszuständigkeiten des Grundgesetzes ausgeschlossen, s o Rn C 38. Soweit § 138 auf vorrangiges Bundesrecht verweist, ist damit neben §§ 136–138 aus- C 41 schließlich § 93a JGG gemeint (AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 8; s u Rn C 43 ff), wonach die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Einrichtungen zu vollziehen ist, in denen die für die Behandlung suchtkranker Jugendlicher erforderlichen besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zur Verfügung stehen. Anderes Bundesrecht existiert nicht. Zum Verhältnis zwischen Bundes- und Landesrecht s o Rn C 38. c)
Gesetze der Länder
Die Länder haben den ihnen zugewiesenen Rechtsraum gefüllt, so dass der noch An- C 42 fang der 80er Jahre beklagte gesetzlose Zustand (Tondorf 1980, 114) des Maßregelvollzuges heute dem Grundsatz nach überwunden ist (Kaiser/Schöch 2002, 419 mwN). Jedoch sind die Länder sehr unterschiedliche Wege gegangen, was eine Auseinanderentwicklung des Maßregelvollzugsrechts gefördert hat (Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 3; AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 4: „Bedauerliche Rechtszersplitterung“). Dies gilt nicht nur in konzeptionell-inhaltlicher Sicht, sondern betrifft auch die Frage der Gesetzesstruktur. Eine Reihe von Ländern hat e igenständige Maßregelvollzugsgesetze erlassen, die die Gesamtmaterie geschlossen und weitgehend lückenlos geregelt haben(H H bg, Hess, Nds, NW, RhPf, Saar, SaAn, SH). Die übrigen Länder regeln den Maßregelvollzug nicht eigenständig, sondern lediglich als Annex zum allgemeinen Unterbringungsrecht (B BW, Bay, Berl, Bran, Bre, MeVo, Sa, Thü). Diese Lösung arbeitet weitgehend mit Verweisungen auf das jeweilige Landesunterbringungsrecht und kann damit den besonderen Behandlungsbedürfnissen der Maßregelvollzugspatienten nicht gerecht werden (s o Rn C 37; dazu nach wie vor aktuell im Einzelnen: Baur 1984, 42; eingehend: Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 3). Im Übrigen werden vielfach die Lücken, Unzulänglichkeiten und Unverträglichkeiten des Landesrechts mit weiterhin anwendbarem (Rn C 38) Bundesrecht beklagt (AKStVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 6 mwN; vgl o Rn C 37). – Zu den bislang erlassenen (Landes-) Justizvollzugsgesetzen s o Rn C 38 und u Rn C 101. 2.
Anwendungsbereich der Landesgesetze
Während das – derzeit noch fortgeltende, Art 125a GG (s o Rn C 38) – Bundesrecht C 43 sich ausschließlich auf den Vollzug der Maßregeln nach §§ 63 und 64 StGB bezieht und damit eine unmittelbar bundesrechtliche Einbeziehung anderer, wenn auch ähnlicher Unterbringungsarten ausgeschlossen ist, gehen die Länder unterschiedliche Wege. Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
C 44 Zwar beziehen sich alle Landesgesetze auf §§ 63, 64 StGB, aber ein Teil beschränkt das Landesrecht ausdrücklich auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (B BW, Bay, Hbg, Hess, NdS, RhPf, SaAn, SH). Auch N W gehört zu dieser Gruppe, da es die Unterbringung nach §§ 81, 126a, 453c StPO ausdrücklich von der Geltung des Maßregelvollzugsgesetzes ausnimmt, hiervon jedoch eine Ausnahme im organisatorischen und finanziellen Bereich macht. Die Regelungen des Vollstreckungsplanes (N N W § 15), der Zuständigkeiten (N NW § 29) und der Kosten (N NW § 30) sollen für die genannten außermaßregelvollzuglichen Unterbringungen entsprechend gelten. Im Hinblick auf §§ 126a, 453c StPO ist dies zulässig (Länderkompetenz, s u Rn C 46 f), nicht hingegen in Bezug auf § 81 StPO (s u Rn C 48). Berl, Bran, Bre, C 45 Ein Teil der Länder erstreckt den Geltungsbereich auf § 7 JGG (B MeVo, Sachs, Thü). Damit findet das Maßregelvollzugsrecht auch Anwendung auf Personen, die zur Tatzeit jugendlich oder heranwachsend (§ 105 JGG) waren. Das ist sachgerecht, soweit jugendhilferechtliche Besonderheiten gewahrt bleiben (AKStVollzG-Pollähne 2006, Rn 42 vor §§ 136–138 mwN). Bran; SH nur, soweit nicht bundesrechtlich geregelt, § 2 II) beziehen C 46 Zwei Länder (B auch die einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO in den Geltungsbereich ihrer Maßregelvollzugsgesetze ein. Dies ist nach neuem Verfassungsrecht zulässig, obwohl insoweit bundesrechtliche Regelungen (§ 119 StPO) bestehen (Haecker 1979, 91; AKStVollzG-Pollähne 2006, Rn 24 vor §§ 136 bis 138; u Pollähne Rn F 83a). Der neue Art 74 GG weist die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Strafvollzuges (unter Einschluss des Maßregelvollzuges) und des Untersuchungshaftvollzuges den Ländern zu (s o Rn C 38). Bestehendes Bundesrecht wird durch Landesrecht ersetzt, Art 125a GG, und damit gegenstandslos, eine Bindung daran ist nicht mehr gegeben (aA Pollähne 2006, 222; Volckart/Grünebaum 2009, 70 f). – Soweit zu § 126a StPO Landesrecht nicht existiert, gilt folgendes: Der Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO ist seinem Wesen und seinem Zweck nach weder Maßregel- noch Untersuchungshaftvollzug (AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 24 vor §§ 136–138). Dennoch wird in der Praxis eine weitgehende Angleichung dadurch erreicht, dass der Richter in seinem Aufnahmeersuchen die UVollzO für anwendbar erklärt. Diese sieht in Nr 90 vor, dass für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung die V ollzugsvorschriften der Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB entsprechend gelten, soweit nicht Rücksichten auf das Verfahren entgegenstehen oder anderes bestimmt ist. Wegen der praktischen Ähnlichkeiten ist dies angezeigt und zulässig. Aus diesem Grunde schreibt S H § 1 II vor, dass für den Vollzug einer einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO das Gesetz nur insoweit gilt, als sich nicht aus Bundesrecht (nämlich § 126a II 1 StPO iVm § 119 StPO) etwas anderes ergibt. Diese Regelung ist wegen der neuen Gesetzgebungskompetenz (s o) nicht überflüssig, obwohl sich aus § 119 StPO immer etwas anderes ergibt (aA nach altem Recht: Volckart/Grünebaum 2003, 46: „Die Länder dürfen deshalb Einzelheiten der Unterbringung nach § 126a StPO regeln, so lange der Bund kein Untersuchungshaftvollzugsgesetz erlassen hat, das § 126a StPO einbezieht“). C 47 Als einziges Land bezog bisher Sachs die Sicherungsunterbringung nach §§ 453c iVm § 463 StPO in die ursprüngliche landesrechtliche Regelung mit ein. Wegen der grundlegenden Ähnlichkeit mit der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO ist das ebenfalls zulässig (folgerichtig auch hier aA nach altem Recht: Volckart/Grünebaum 2003, 47; nunmehr bejahend: Volckart/Grünebaum 2009, 71; u Pollähne Rn F 83a). Mit Änderung vom 16. 8. 2007 (GVBl 390) entfiel jedoch diese Regelung. Neuerdings erstreckt S H das Gesetz ebenfalls auf die Sicherungsunterbringung (S SH § 1), allerdings subsidiär zum Bundesrecht. Mit Novellierung des PsychKG bezieht Bran ebenfalls die Unterbringung nach § 453c StPO in den Geltungsbereich des Gesetzes ein. C 48 Als ebenfalls einziges Land bezieht Bran § 1 I 3 b die der gutachtlichen Untersuchung dienende U nterbringung nach § 81 StPO in das Landesrecht ein. Diese gehört aber 80
Fritz Baur
III. Organisation, Träger und Aufsicht
unter keinem Blickwinkel (Volckart/Grünebaum 2009, 72: „Rechtsirrig“) zu der Materie der maßregelrechtlichen Unterbringungen, da sie ausschließlich Beweiszwecken dient und gewährleisten soll, dass der Betroffene sich der Begutachtung nicht entzieht (Volckart/Grünebaum 2009, 72; u Pollähne Rn F 83a). Neuerdings wird vorgeschlagen, für diesen Bereich die Vorschriften der sog „Zivilhaft“ (Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft) gemäß §§ 171 ff StVollzG analog anzuwenden (AKStVollzG – Pollähne 2006, Rn 27 vor §§ 136 bis 138; dagegen mit beachtlichen Argumenten: Schwind/Böhm/Jehle-Böhm 2009, §§ 171 bis 175 Rn 2). Der Vollzug der Unterbringung nach § 81 StPO unterliegt mangels Einbeziehung in die Neuregelung der Gesetzgebungsverteilung zwischen Bund und Ländern (s o Rn C 38) weiterhin bundesrechtlicher Regelung. 3.
Personenkreis
Landesrecht kann zum betroffenen Personenkreis der Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB C 49 keine eigenständigen Regelungen treffen, da dies dem Bundesrecht vorbehalten bleibt, Art 74 I Nr 1 GG. Gleichwohl stellt Berl § 1 I Nr 2b auf den Personenkreis der „Psychischkranken“ ab, ebenso MeVo § 1 I 3 b. Hierbei kann es sich nur um ein Redaktionsversehen zu handeln, denn §§ 20, 21 StGB umfassen einen Personenkreis, der weit über den der Psychischkranken hinausgeht (BGH bei Holtz MDR 1989, 1051 mwN; früher bereits: BGHSt 14, 30; 19, 201; LK-Schöch § 63 Rn 5). Dem Landesrecht ist es verwehrt, die bundesgesetzlichen Voraussetzungen im Sinne einer Einengung (oder auch einer Erweiterung) zu ändern. III. Organisation, Träger und Aufsicht
III. Organisation, Träger und Aufsicht Kommentierte Normen: BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
§2 Art 23 AG-SGB XII § 10 §§ 36, 43 § 13 §§ 4, 5 §§ 2, 3, 5, 39 § 37 II
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
1.
Organisation
a)
Keine justizeigenen Sonderanstalten
§3 §§ 29, 31 §2 § 5 I, IV, § 28 §§ 2 I, 38 VI §3 §3 § 31 I
Die alte Streitfrage, ob der Vollzug der Maßregeln nach §§ 63 u 64 StGB innerhalb des C 50 bestehenden Krankenversorgungssystems durchzuführen sei oder ob hierfür justizeigene Sonderanstalten zu schaffen seien, hat das Gesetz verbindlich entschieden: Der Vollzug findet im psychiatrischen Krankenhaus bzw in einer Entziehungsanstalt und damit innerhalb des allgemeinen psychiatrischen Versorgungssystems statt (so auch: Bergener 1981, 172, 174, 186; Kaiser et al 1992, 310; Steinböck 1999, 17; Schwind/ Böhm/Jehle-Rotthaus/Freise 2009, § 136 Rn 7; AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 3; ebenso unter Hinweis auf § 139 StVollzG: LK-Schöch § 63 Rn 185; s o Rn C 25). Diese gesetzgeberische Entscheidung wurde durch die Konferenz der Gesundheitsminister des Bundes und der Länder positiv aufgenommen und bekräftigt (Bundesgesundheitsblatt 1979, 356). § 139 StVollzG bestimmt folgerichtig, dass von den Maßregeln der Besserung und Sicherung lediglich die Sicherungsverwahrung in Anstalten der Landesjustizverwaltung vollzogen werden. Daraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass die sonstigen freiheitsentziehenden Maßregeln in Anstalten außerhalb der Justizverwaltung zu vollziehen sind (vgl auch Rasch 1989, 9–11; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 139). – Der B egriff des psychiatrischen Krankenhauses im Sinne von § 63 StGB Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
iVm § 136 StVollzG ist nicht identisch mit dem des Krankenhausrechtes; vielmehr hat er sich historisch aus dem Begriff der Heil- und Pflegeanstalt entwickelt und bezieht sich auf das psychiatrische Versorgungssystem als Ganzes. Psychiatrische Krankenhäuser, die dem Maßregelvollzug dienen, sind deshalb auch keine „Plankrankenhäuser“, § 3 S 1 Nr 2, § 5 I 3b KHG (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 10. 4. 1991, BGBl I 886), die dort untergebrachten Patienten erhalten keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, § 16 I Nr 4 SGB V (Rn C 96, 99). Die Bundespflegesatzverordnung gilt nicht, § 1 II Nr 1 BPflVO. Die Grundsätze der allgemeinen Krankenhausfinanzierung sind nicht anwendbar (bayVGH, BayVBl 2008, 347. Das ändert nichts daran, dass der Maßregelvollzug fachlich-konzeptionell (nicht rechtlich) Bestandteil der psychiatrischen Gesamtversorgung ist (unten Rn C 51; Kammeier 2004, 79). Demgegenüber hat etwa Österreich einen anderen Weg beschritten und eine justizeigene Einrichtung für die Betreuung geistig abnormer Rechtsbrecher im Maßnahmenvollzug nach § 21 ÖStGB geschaffen (Sluga 1977, 134; Eder-Rieder 1985; Calliess/ Müller-Dietz 2008 § 136; Schwind/Böhm/Jehle-Rotthaus/Freise 2005, § 138 Rn 2). b)
Psychiatrische Sonderanstalt vs Allgemeinversorgung
C 51 Nachdem die Sachverständigenkommission zur Erarbeitung der Psychiatrie-Enquete zunächst noch von der Vorstellung geleitet wurde, dass der Maßregelvollzug im psychiatrischen Krankenhaus für das Ansehen psychisch Kranker in der Gesellschaft nicht zumutbar und das Vorhandensein gefängnisähnlicher „fester Häuser“ innerhalb eines psychiatrischen Krankenhauses nicht mit den Aufgaben eines liberalen und humanen Grundsätzen Verpflichteten sowie nach außen hin möglichst offenen Behandlungssystems in Einklang zu bringen sei (BT-Drs 7/1124), hat sich demgegenüber schließlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch der psychisch kranke Täter in erster Linie in fachärztliche Behandlung gehört (Ehrhardt 1974, 152, 158; Lauter 1978, 77), der Maßregelvollzug somit prinzipiell im Allgemeinen Zuständigkeitsbereich der psychiatrischen Versorgung durchzuführen ist (Psychiatrie-Enquete, Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland – BT-Drs 7/4200, 282; ebenso mwN: LK-Schöch § 63 Rn 186). Auch eine gemeinsame Behandlung mit allgemeinpsychiatrischen Patienten ist zulässig, eine Trennung dieser Patientengruppen voneinander ist nach dem Gesetz nicht geboten (Crome 2005, 51; Schwind/Böhm/Jehle-Rotthaus/Freise 2009, § 136 Rn 11; Volckart/Grünebaum 2009, 304). Neben dem überzeugenden medizinischen Argument sprach seinerzeit noch ein weiterer Grund für diese Entscheidung: Eine selbständige von der allgemeinpsychiatrischen Versorgung abgekoppelte Sonderanstalt würde keine Aussicht auf ausreichende Versorgung mit qualifiziertem Fachpersonal haben und daher den Besserungsauftrag kaum erfüllen können (Venzlaff 1974, 224 ff; LK11-Hanack § 63 Rn 126). Neuerdings ist wegen der inzwischen für notwendig erachteten besonderen Sicherungsmaßnahmen im Maßregelvollzug eine Tendenz zur Errichtung dezentraler ortsnah gelegener Sondereinrichtungen des Maßregelvollzuges zu verzeichnen. So plant allein N W den Neubau von insgesamt 6 reinen Sondereinrichtungen. Diese sich von der Allgemeinpsychiatrie emanzipierende Entwicklung hat auch konzeptionelle Gründe (unten Wagner Rn D 30 – allerdings nach wie vor keine rechtlichen, vgl unten Rn C 55 f; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 2). Eine „ Verschiebung“ von Patienten von der Allgemeinen Psychiatrie zur Forensischen Psychiatrie (wg der stark verkürzten Verweildauern in der Allgemeinen Psychiatrie) kann nicht festgestellt werden (Zinkler 2008, 102). Nach vereinzelter Meinung bietet die forensische Psychiatrie eine „vernünftige Wiederauflage der zu Recht abgeschafften L angzeitbereiche . . ., deren Unrecht im Wesentlichen in der Fehlplatzierung von Menschen lag“ (so: Kruse 2005, 34, der deshalb auch ein „Loblied auf die Forensik“ anstimmt, ebd S 33).
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Fritz Baur
III. Organisation, Träger und Aufsicht
c)
Bauplanungsrechtliche Probleme
Nachdem die Zahl der jährlichen Unterbringungen nach § 63 StGB (die zusammen C 52 mit der durchschnittlichen Verweildauer die notwendige vorzuhaltende Platzzahl bestimmt) sich bis etwa 1990 auf ein mittleres Niveau eingependelt hatte (rund 4.000), steigt diese seitdem von Jahr zu Jahr leicht an, entsprechendes gilt für die Zahl der untergebrachten Patienten (2007: 6061, altes Bundesgebiet). Ähnliche Tendenzen sind bei der 64er-Unterbringung zu beobachten (2007: 2603, altes Bundesgebiet). Aus alledem folgt ein steigender Bedarf an Maßregeltherapieplätzen (u Rn C 67),, dieses Phänomen findet steigendes Interesse in der wissenschaftlichen Diskussion (Heinz 2002; Saimeh 2003; Pollähne 2003; Dessecker 2005; Hausner et al 2006, 68; weitere Nachweise bei NK-StGB-Böllinger § 63 Rn 5 f, § 64 Rn 3 f). Diesem versucht man auf zweierlei Weise zu begegnen: Bau neuer und bauliche Erweiterung bestehender Einrichtungen einerseits sowie Einweisung oder Verlegung einzelner Maßregelvollzugspatienten i n psychiatrische Krankenhäuser, die der allgemeinen psychiatrischen Versorgung dienen, andererseits. Beide Vorgehensweisen stoßen auf erhebliche Hindernisse: Neubau und Erweiterung bedürfen regelmäßig der förmlichen Zustimmung der belegenen Gemeinde (§ 36 BauGB), welche in letzter Zeit auf politischen Druck der Öffentlichkeit zunehmend verweigert wird (Horstbrink 1997, 106; Steinböck 1999, 16, 26; van den Bergh et al 1996, 57). Allerdings können die Länder als Bauherren eine solche Weigerung unter Anwen- C 53 dung von § 37 BauGB überwinden, denn das Bauvorhaben „Maßregelvollzugseinrichtung“ weist eine besondere öffentliche Zweckbestimmung im Sinne der Vorschrift auf (VG Gelsenkirchen R&P 2005, m Anm Baur = NWVbl 2005, 146). Freilich reicht diese Voraussetzung für sich nicht aus, darüber hinaus muss die besondere öffentliche Zweckbestimmung es erforderlich machen, von den Vorschriften der §§ 30 ff BauGB abzuweichen, also insbesondere von der Bauleitplanung der belegenen Gemeinde – dem Vorhaben entgegenstehende bauplanungsrechtliche Festsetzungen würden dann gegenstandslos. Erforderlich ist ein Abweichen von städtebaulichen Vorschriften, wenn dies zur Erfüllung der besonderen öffentlichen Zweckbestimmung des Vorhabens vernünftigerweise geboten ist (Sieben 2004, 34 nimmt irrig an, Maßregelvollzugseinrichtungen unterfielen nicht § 37 BauGB). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Vorhaben gleichsam mit der Abweichung steht und fällt, die Abweichung also das einzig denkbare Mittel zur Verwirklichung des Vorhabens ist – vielmehr reicht es aus, wenn Bund oder Land als Bauherr in einem umfassenden Abwägungsprozess alle sachbezogenen Belange berücksichtigt haben und sodann zu einem nachvollziehbaren und schlüssigen Ergebnis gekommen sind (VG Gelsenkirchen aaO; bestätigt von BVerwG, R&P 2007, 200, m Anm Baur). Die Einweisung oder Verlegung forensischer Patienten in dafür geeignete psychiatri- C 54 sche Versorgungskrankenhäuser wird neuerdings ebenfalls mit den Mitteln des Baurechts bekämpft. Zwar setzt die bloße Verlegung keinerlei Baumaßnahmen voraus, jedoch wird das Vorliegen einer baurechtlich relevanten Nutzungsänderung behauptet. Mit Hilfe einer Veränderungssperre (§§ 14 ff BauGB) wird insoweit die angebliche Nutzungsänderung (§ 29 BauGB) förmlich untersagt und die Verlegung damit vorerst verhindert. Das Argument der N utzungsänderung wäre schlüssig, wenn dem psychiatrischen C 55 Maßregelvollzug spezielle Krankenhäuser außerhalb, neben und unabhängig von der allgemeinen Krankenhauspsychiatrie dienten. Wie oben (Rn C 51) gezeigt, ist dem aber nicht so: Nach § 63 StGB ordnet das Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Damit ist bundesgesetzlich festgelegt, dass der Vollzug dieser Maßregel im A llgemeinen psychiatrischen Krankenversorgungssystem der Länder stattfindet. In völliger Übereinstimmung hiermit ermöglicht § 138 I StVollzG (zur Anwendbarkeit s Rn C 38 und Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
C 101) den Landesgesetzgebern, dass die Maßregelvollzugspatienten in denselben Krankenhäusern wie die nach einem landesrechtlichen PsychKG untergebrachten Patienten behandelt werden und dort demselben Recht unterliegen (AK-StVollzGVolckart 2000, §§ 136–138 Rn 3; LK-Hanack § 63, Rn 126, 127, beide mwN; Scheffler 1998, 97 geht ohne Begründung von besonderen Maßregelvollzugseinrichtungen außerhalb der allg Psychiatrie aus; unentschlossen: Prütting 2004, § 29 Rn 9). C 56 Auch das argumentum e contrario aus § 139 StVollzG stützt diesen Befund (Schwind/ Böhm/Jehle-Böhm 2009 § 139 Rn 3). Eine besondere Bezeichnung wie etwa Maßregelvollzugskrankenhaus stellt den generellen Grundsatz nicht in Frage, sondern ist lediglich Ausdruck einer fachlichen Differenzierung. C 57 Daran ändern auch besondere bauliche Vorschriften für den Maßregelvollzug, wie N W, nichts. Soweit ein psychiatrisches Krankenhaus der allgeetwa § 3 DVO-MRVG-N meinen Versorgung diese baulichen Voraussetzungen erfüllt, kann ein Maßregelvollzugspatient nach dort verlegt werden. Eine Nutzungsänderung findet nicht statt. Baurechtliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verlegung gehen ins Leere. Unabhängig von der baurechtlichen Fragestellung ist selbstverständliche Voraussetzung für eine solche Verlegung die konzeptionelle, therapeutische, personelle und sicherungstechnische Geeignetheit des allgemeinen psychiatrischen Krankenhauses. Entsprechend dieser Sachlage spricht etwa N W § 30 von Einrichtungen, in denen Maßregelvollzugspatienten untergebracht sind und die weder vollständig noch mit Abteilungen für den Maßregelvollzug (generell) zur Verfügung stehen (ähnlich Bran § 36 II iVm § 1 I 3 b) und SH § 3 I). Dies ist aber eben keine Frage des Baurechts (zu den Folgen s Rn C 65). C 58 Öffentliche Krankenhäuser, auch solche in Trägerschaft einer Religionsgemeinschaft, bedürfen im Gegensatz zu Privatkrankenhäusern keiner Erlaubnis nach § 30 GewO. d)
Sicherheitsaspekte
C 59 Es sollte nicht verkannt werden, dass die psychiatrischen Krankenhäuser mit der Betreuung psychisch kranker und suchtkranker Täter dann überfordert sind, wenn ihnen Sicherungsmaßnahmen abverlangt werden, die den in den Justizvollzugsanstalten üblichen gleichkommen. Die forensische Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses ist demnach grundsätzlich den sonstigen Abteilungen des Krankenhauses – was äußeres Erscheinungsbild und innere Struktur angehen – gleichzustellen. Dieser Grundsatz darf nicht angesichts der nicht bestreitbaren Existenz einiger weniger psychisch kranker Gewalttäter, die der besonderen Sicherung bedürfen, in Frage gestellt werden. Es wird den psychiatrischen Krankenhäusern, die psychisch kranke und suchtkranke Täter betreuen, im Interesse der zu betreuenden Personen kein anderer Weg bleiben, als eine Station mit besonderen Sicherungsvorkehrungen vorzuhalten, die gefährdete Personen vorübergehend aufnimmt. Denkbar ist auch die Einrichtung besonderer K riseninterventionsräume in jeder Behandlungseinheit NW § 1 IV DV-MRVG). Allerdings ist die Tendenz, kleine, dezentrale hochgesicherte (N Sondereinrichtungen zu schaffen, unübersehbar. Rechtlich unzulässig ist das nicht (konkrete Vorschläge zur baulichen Sicherung in der Psychiatrie bei Böcker 2008, 407). 2.
Träger
a)
Maßregelvollzug als staatliche Aufgabe
C 60 Straf- und Maßregelvollzug gehören zur h oheitlichen Eingriffsverwaltung (Nds StGH, U v 5. 12. 2008 – StGH 2/08, R&P 2009, 99 m Anm Baur), der freilich maßgebliche Leistungselemente innewohnen, §§ 136, 137 StVollzG, vgl o Rn C 22 (Volckart/Grünebaum 2009, 294). Die Ausübung von Hoheitsbefugnissen ist grundsätzlich dem Staat und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorbehalten. Das gilt gleichermaßen für die Eingriffs- wie für die Leistungsverwaltung: Auch Leis84
Fritz Baur
III. Organisation, Träger und Aufsicht
tungsverwaltung ist (schlicht-) hoheitliches Handeln. Eigene Aufgaben ist der Staat grundsätzlich mit eigenen Mitteln wahrzunehmen verpflichtet (Gusy 1996, 573, 582). Daher ist jedenfalls eine Gesamtübertragung des Maßregelvollzugs auf private Träger verfassungsrechtlich unzulässig (so für den Strafvollzug: Bonk 2000, 435, 437; Wagner C 2000, 169, 171). Dementsprechend sind in allen Ländern öffentlich-rechtliche Organe für den Vollzug zuständig – entweder das Land selbst (B BW, Berl, Bran, Bay, Bre, Hbg, MeVo, Nds, RhPf, Saar, SaAn, SH) oder ein Kommunalverband (B Hess, Sachs). In N W ist das Land originär zuständig, hat aber im Wege der Organleihe die Durchführung auf die Landschaftsverbände als staatliche Verwaltungsbehörden übertragen. b)
Maßregelvollzug durch gewerbliche oder frei gemeinnützige Träger (sog „Privatisierung“)?
Zunehmend wird dem Vollzugsträger das Recht eingeräumt, die psychiatrischen C 61 Bre Krankenhäuser, in denen die Maßregel vollzogen wird, selbst zu bestimmen (B § 13; MeVo § 37 II 2) oder die Aufgabe auf Einrichtungen anderer Träger zu übertragen (B Bran § 36; Hbg § 4; Hess § 2; MeVo § 37 II; Nds § 3; NW § 29; RhPf § 2; Saar § 5; SaAn § 3; Sachs § 38 VI; SH § 3 Ia; Thür § 31 I). Damit ist also die umstrittene Frage aufgeworfen, ob die Maßregeln nach §§ 63 und 64 StGB ausschließlich in öffentlichen Einrichtungen vollzogen werden dürfen, oder ob hierfür auch g ewerbliche oder frei gemeinnützige Krankenhäuser herangezogen werden können (Kammeier Rn A 74 ff). Das StVollzG verbietet dies nicht; § 155 StVollzG (zur Geltung s o C 38), wonach die Aufgaben der Justizvollzugsanstalten von Vollzugsbeamten wahrgenommen werden und nur aus besonderen Gründen auch anderen Bediensteten oder nebenamtlich oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden können, findet auf den Maßregelvollzug keine unmittelbare Anwendung. Eine solche Heranziehung im Rahmen einer Teilübertragung im Wege der Beleihung unter fortbestehender staatlicher Gesamtverantwortung ist deshalb denkbar. Allerdings muss der beliehene Unternehmer als Amtswalter seine Bestellung aufgrund Gesetzes auf ein dazu legitimiertes Staatsorgan zurückführen können (BVerfGE 93, 37, 66). Damit ist ausgeschlossen, dass der Maßregelvollzug von gewerblichen oder frei gemeinnützigen Trägern i n eigener Verantwortung durchgeführt werden kann (LG Flensburg ZJJ 2005, 208; KG NStZ 2002, 528; offengelassen von OLG Schleswig, R&P, 2006, 37 m Anm Baur; Volckart/Grünebaum 2009, 294 ff; Pollähne 2001, 198; AK-StVollzGPollähne 2006, Rn 22 vor §§ 136–138; Prütting 2004, § 29 Rn 33; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 136 Rn 2). Dies wird im Übrigen auch von Art 33 IV GG nahe gelegt, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. § 2 III BRRG wiederholt diesen Grundsatz in fast wortgleicher Formulierung. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang (also der hoheitlichen Eingriffsverwaltung) nicht entscheidend auf die Trennung von Aufgabenträgerschaft und Durchführungsverantwortung an: Verwaltungshandeln, das in die Rechts- und Freiheitssphäre der Rechtsunterworfenen eingreift, obliegt ausschließlich dazu ermächtigten staatlichen Stellen. Deshalb ist zB die Ausführung aus dem Maßregelvollzug unter Fesselung hoheitliches Handeln, das nicht Jedermann – auch nicht Angehörigen eines privaten Sicherheitsdienstes –, sondern nur V ollzugsbeamten gestattet ist (KG NStZ 2002, 528), obwohl es sich hier um eine reine durchführende Maßnahme handelt. Hess § 2 S 5 sieht deshalb vor, dass auch bei beliehenen nichtöffentlichen Trägern diejenigen Entscheidungen, die in Grundrechte der Untergebrachten eingreifen, ausschließlich von Beschäftigten des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen getroffen werden dürfen. Eine besondere Regelung enthält Nds § 3: Danach sind von einer grundsätzlich zulässigen Beleihung ausgenommen insgesamt 21 enumerativ aufgezählte Aufgaben, Entscheidungen und Anordnungen (dazu u Rn C 63). Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
C 62 Weiterhin steht einem gewerblich oder frei gemeinnützig durchgeführten Maßregelvollzug die Tatsache entgegen, dass ein gerichtlich angeordnetes staatliches Zwangsverhältnis, das mit einschneidenden Beschränkungen des Betroffenen einhergeht und mit einer Vielzahl von grundrechtsrelevanten Eingriffen verbunden ist, ihm auch zugleich alle präventiv wirkenden rechtsstaatlichen Rechtsschutzgarantien offenhalten muss. Gerade das ist aber bei der eigenverantwortlichen Durchführung des Maßregelvollzuges durch private Einrichtungen nicht gewährleistet (eindringlich: Volckart/Grünebaum 2009, 295), insbesondere fehlt es an öffentlich-rechtlichem Dienst- und Treueverhältnis (o Rn C 61). Der Maßregelvollzug hat daher in der Verantwortung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen stattzufinden (für die U nterbringung zur Beobachtung gemäß § 81 StPO ist das völlig hM: LR, 25. A, § 81 Rn 30; KMR 1989 ff, Stand 2002, § 81 Rn 32; Meyer-Goßner 2009, § 81 Rn 19, jeweils mwN). Das schließt nicht aus, dass verschiedene T eilmaßnahmen im Rahmen leistender Verwaltungstätigkeit außerhalb des räumlichen Bereichs der Einrichtungen erfolgen – solange nur die Endverantwortlichkeit bei der Einrichtung selbst verbleibt (Kaiser/Schöch 2002, 419; AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 22 vor §§ 136–138). Unter dieser Prämisse ist auch eine Verlegung des untergebrachten Patienten etwa unter dem Gesichtspunkt einer dem Fortgang der Rehabilitationsbemühungen angemessenen besonderen, von der Einrichtung selbst nicht zu leistenden Betreuung möglich (etwa NW § 29 IV; zum Schutz vor willkürlichen Verlegungen u Rn C 89). Demzufolge kommt es nicht entscheidend auf den tatsächlichen Ort des Vollzuges, sondern allein auf die bei der öffentlich-rechtlichen Maßregelvollzugseinrichtung verbleibende Verantwortung an (Legitimation). Diese eingeschränkt flexible Handhabung findet nicht zuletzt auch darin ihre Begründung und Bestätigung, dass die Allgemeine (Zwangs)-Unterbringung völlig unbestritten seit eh und je auch von nicht-öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt wird. Die Allgemeinen Unterbringungsgesetze stellen nur auf das Kriterium des psychiatrischen Krankenhauses ohne Bezug auf die Trägerschaft ab (zur Privatisierungsdebatte auch: Kruis 2000, 1; ausführlich und bejahend: Kammeier 2004, 61 ff; Scherer 2007, 617 ff; ferner Mühlenkamp 2008, 525; Sellmann 2008, 817; Sonderheft „Forum Strafvollzug“ 5/2007). Über den bloßen Freiheitsentzug hinausgehende Eingriffe sind auch in diesem Rahmen weiterhin ausschließlich den dazu befugten staatlichen Stellen vorbehalten. Dies wird von Nds § 3 grundsätzlich anerkannt, indem von der Übertragung auf Dritte hoheitliche Eingriffe weitestgehend ausgenommen werden (u Rn C 63). Demgegenüber lassen einige Länder sogar eine einschränkungslose Aufgabenübertragung zu (M MeVo § 37 II; Saar § 5; SaAn § 3; Thür § 31 I), das dürfte nach dem Gesagten verfassungswidrig sein. Bran § 36 III iVm § 10 lässt eine Beleihung zu, die sich nicht nur auf den Träger, sondern (bei nichtöffentlichen Krankenhäusern) auf jeden Beschäftigten beziehen muss. Die ärztliche Leitung darf nur von einer in einem öffentlich-rechtlichen Dienst – und Treueverhältnis stehenden Person ausgeübt werden, § 36 V 3 (zur Regelung in Bran im Einzelnen: Hauk 2009). C 63 Das BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats) hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung, sämtliche Landeskrankenhäuser unter Einschluss derjenigen in denen der Maßregelvollzug stattfindet, zu privatisieren, nicht angenommen mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei nicht schon durch den angegriffenen Beschluss der niedersächsischen Landesregierung unmittelbar und gegenwärtig betroffen, da noch keine konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der Privatisierungsabsichten getroffen worden seien (Beschl v 21. 9. 2005 – 2 BvR 1338/05, Pressemitteilung Nr 93/2005, abgedruckt in: NVwZ 2005, 1401). – Der Nds StGH hatte über die Verfassungsmäßigkeit der im niedersächsischen Maßregelvollzugsrecht vorgesehenen Möglichkeit der Beleihung von juristischen Personen des Privatrechts zu entscheiden (R&P 2009, 99 m Anm Baur). Danach ist eine Beleihung grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Die Durchführung des Maßregelvollzuges erfordert allerdings nicht nur die Beleihung des Trägers, sondern die 86
Fritz Baur
III. Organisation, Träger und Aufsicht
Beleihung aller Bediensteter, die mit dem Vollzug der Maßregel befasst sind. Die nach dem Demokratieprinzip gebotene Legitimationskette darf keine Lücken aufweisen. Der N ds StGH hat die Frage offengelassen, ob für Fälle schwerwiegender Grundrechtseingriffe ebenfalls eine Beleihung zulässig ist oder ob hier Personen eingesetzt werden müssen, die in einem öffentlich rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Nach hier vertretener Ansicht gilt folgendes: Im Rahmen des Maßregelvollzuges über den bloßen Freiheitsentzug und die damit untrennbar verbundenen unmittelbaren Grundrechtseingriffe hinausgehende, insbesondere sicherungsbezogene Eingriffe sind ausschließlich dazu ermächtigten staatlichen Stellen vorzubehalten. Als Anhaltspunkt kann der Vorbehaltskatalog von Nds § 3 I 4 dienen. Insofern ist der Privatisierung des Maßregelvollzuges eine doppelte Beschränkung auferlegt: Zum Einen muss die staatlich verliehene Befugnis auf einer ununterbrochenen Legitimationskette bis zur Person des Bediensteten beruhen (Demokratiegebot), zum Anderen bleiben schwerwiegende, über die bloße Freiheitsentziehung hinausgehende Grundrechtseingriffe öffentlich-rechtlichen Stellen vorbehalten (Staatsvorbehalt). c)
Einrichtung als Vollzugsbehörde
In der Vollzugshierarchie stellen die psychiatrischen Krankenhäuser die untere Ebene C 64 dar, sie sind untere Vollzugsbehörde (Albrecht P-A 2002, 277; Eberhard et al § 22 Anm 4; Volckart 2001, 175; Volckart/Grünebaum 2009, 264; Kammeier 2002, 143; zur Behördeneigenschaft von öffentlichen Krankenhäusern: BVerwG DVBl 1991, 642; aA Prütting 2004, § 31 Rn 6). Das hat zur Folge, dass die psychiatrischen Krankenhäuser zum Erlass von Verwaltungsakten formell befugt sind. Diese bedürfen allerdings nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen einer materiellen Ermächtigungsgrundlage und unterliegen nach den Regeln der §§ 109 ff StVollzG und des Verwaltungsverfahrensrechtes (Volckart/Grünebaum 2009, 64, 322; AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 21) der Überprüfung. Ausdrücklich geregelt ist dies etwa in N W § 29 V, wonach für die im Vollzug zu treffenden Maßnahmen d ie therapeutische Leitung (zum Begriff: AK-StVollzGPollähne 2006, § 136 Rn 4 mwN) der Einrichtung zuständig ist. Ähnlich weisen die „Grundsätze“ des bayrischen Innenministeriums vom 3. 6. 1987 (I B 1 – 3011–1/12) darauf hin, dass die Bezirkskrankenhäuser die Verantwortung für den gesamten Vollzug tragen und deshalb in eigener Zuständigkeit über alle im Rahmen des Vollzuges zu treffenden Maßnahmen entscheiden (vgl auch Bre §§ 13, 19; Hbg § 5; Hess § 5; RhPf § 2; Saar § 28; RE § 4 I). Zur Aufsicht: unten Rn C 70. d)
Bereitstellungspflicht – Platzmangel – Organisationshaft
In der Praxis wird nicht selten Klage geführt, dass Plätze zur Unterbringung psy- C 65 chisch kranker oder suchtkranker Täter fehlen (o Rn C 52). In diesen Fällen trifft den zuständigen Aufgabenträger die Pflicht zur Schaffung entsprechender Kapazitäten. Wenn das Gesetz bestimmte Einrichtungen vorsieht, muss die dafür zuständige Verwaltung diese bereitstellen (LG Hamburg MDR 1981, 778, unter Hinweis auf BGHSt 28, 329). So wie es Aufgabe der Justizbehörden ist, in ausreichendem Umfang Haftplätze vorzuhalten (OLG Hamburg NStZ 2006, 58), müssen die Maßregelvollzugsbehörden entsprechende Vollzugsplätze bereitstellen. Gelegentlich wurde von Gerichts wegen auf „schwerwiegende Mängel“ in diesem Be- C 66 reich hingewiesen, die dazu führen, „dass das Gesetz (§§ 64 StGB, 93a JGG) in großen Teilen des Landes nicht vollzogen werden kann“ (LG Bonn NJW 1977, 345). Derartige Missstände können nicht hingenommen werden, bei Untätigsein der zuständigen Behörde muss die (Rechts-)Aufsichtsbehörde eingreifen. Zur Belegungsdichte: u Rn C 83. Folge des sich derzeit verschärfenden Platzmangels (Trennhaus 1999, 511; weitere C 67 Nachweise oben Rn C 52) ist eine zunehmende „Verhängung von OrganisationsFritz Baur
87
C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
haft“ – das ist der Freiheitsentzug, den der rechtskräftig zu Freiheitsstrafe und Unterbringung Verurteilte, bei dem die Unterbringung vor der Strafe vollzogen wird (regelmäßig nach § 67 I StGB), in der Justizvollzugsanstalt erleidet, weil in der Maßregelvollzugseinrichtung noch kein Platz frei ist (Schwind/Böhm-Jehle-Böhm 2009, § 1 Rn 3; Volckart/Grünebaum 2009, 55: „Wartezeit“; empirische Angaben bei: Bartmeier 2006, 544). Abgesehen davon, dass eine solche gesetzlich nicht vorgesehene Freiheitsentziehungsmaßnahme nicht zu einer Verlängerung des effektiven Freiheitsentzuges führen darf (Kamann 2009, Rn 21; BVerfG NStZ 1998, 77; LG Bonn StV 2003, 34; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2006, 251; OLG Celle NStZ 2007, 407; aA noch: OLG Hamm NStZ-RR 1996, 381), ist fraglich, ob eine solche Freiheitsentziehung überhaupt zulässig ist. Dies wird entgegen der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung (zahlreiche Nachweise bei Trennhaus 1999, 511) von der Literatur überwiegend verneint (Volckart 2004, 179; Volckart 2000, 153; Trennhaus 1999, 511; Ostermann 1993, 52; dagegen wiederum: Lemke 1998, 77; unentschieden: Pohlmann/Jabel/Wolf 2001, § 44a Rn 3). Das BVerfG hat sich im Zusammenhang mit der Anrechnungsproblematik dieser Frage im Rahmen eines obiter dictum befasst. Es bezeichnet die Organisationshaft als „gesetzlich nicht vorgesehen“ (so auch Laubenthal 2008, Rn 761), die entsprechende Haftzeit als „regelwidrig“ – freilich ohne ein Verbot wegen Unzulässigkeit auszusprechen (BVerfG NStZ 1998, 77 = RPfl 1998, 80 m Anm Blechinger). Die Organisationshaft a us Platzmangel ist tatsächlich unzulässig, da der damit verbundene Freiheitsentzug ohne Rechtsgrundlage einen Verstoß gegen Art 104 l 1, II 1 GG darstellt (so mit überzeugender Begründung: OLG Brandenburg NStZ 2000, 500, m Anm Rautenberg = R&P 2000, 150, m Anm Volckart; Volckart/ Grünebaum 2009, 54 ff; AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 36 vor §§ 136–138; unten Wagner Rn D 49; unten Kamann Rn L 34). C 68 Neuerdings sieht auch das OLG Hamm in ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung (MDR 1980, 952) eine Organisationshaft mangels Rechtsgrundlage für unzulässig an (StV 2004, 274). Damit verwarf es die mit durchaus beachtlichen Gründen versehene gegenteilige Äußerung der Generalstaatsanwaltschaft Hamm: „Mit der weiteren Inhaftierung wird einer der beiden mit der angeordneten Maßregel der Besserung und Sicherung verfolgten Zwecke, nämlich die Sicherung der Allgemeinheit erreicht, während „nur“ die angeordnete gerichtliche Entscheidung missachtet wird, den Verurteilten während der Freiheitsentziehung zu behandeln. Am Fehlen einer Behandlung ändert sich indessen auch im Falle einer Entlassung des Verurteilten nichts, jedoch wird auch noch die gerichtliche Entscheidung missachtet, dem Verurteilten wegen seiner Gefährlichkeit die Freiheit zu entziehen.“ (OLG Hamm aaO). Dagegen zutreffend u Wagner Rn D 49: Organisationshaft ist wegen Verletzung des Anspruchs auf Behandlung rechtswidrig. C 69 Aber auch Karlsruhe hat inzwischen wegen des in Vollstreckungssachen bestehenden Beschleunigungsgebotes und des Richtervorbehaltes des Artikels Art 104 II GG die Organisationshaft auf den für die Aufnahme des Vollstreckungsbeginns u nabdingbar notwendigen Zeitaufwand begrenzt (BVerfG NJW 2006, 427 ff; dazu ausführlich: Bartmeier 2006, 544). Zwar sei es nicht geboten, dass bereits (exakt) im Zeitpunkt des im Einzelfall nicht vorhersehbaren Vollstreckungsbeginns ein für den jeweiligen Verurteilten geeigneter Platz in einer Maßregeleinrichtung vorgehalten werde, jedoch müsse die Vollstreckungsbehörde auf den konkreten, von der Rechtskraft des jeweiligen Urteils abhängigen Behandlungsbedarf unverzüglich reagieren und in beschleunigter Weise die Überstellung des Verurteilten in eine geeignete Einrichtung, auch außerhalb des Bundeslandes, herbeiführen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bereits in der StPO aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen eine durch Anrechnung auszugleichende zeitliche Verzögerung der Vollstreckung angelegt sei: Ausstellung der Vollstreckungsbescheinigung gem § 451 StPO; Vollstreckungshindernisse gem §§ 455 ff StPO; Überstellung des Verurteilten. Daraus resultiere eine gewisse, von der StPO notwendigerweise in Kauf genommene Verzögerung. Reiner Platzmangel sei je88
Fritz Baur
IV. Personelle und sachliche Ausstattung
doch kein Grund für weitere Verzögerungen (zustimmend: Bartmeier 2006, 544). Zur Funktion des Beschleunigungsgebotes bei der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO: OLG Koblenz, R&P 2007, 38, m Anm Pollähne; OLG Celle, R&P 2008, 167. – Daher sind die Länder aufgerufen, dem Platzmangel unverzüglich abzuhelfen. Gerichtlich erzwungen werden kann dies freilich nicht, da die Anwendung von Zwangsmitteln nach §§ 170, 172 VwGO ausscheidet und sich auch aus Art 19 IV GG kein Zwangsmitteleinsatz ableiten lässt (OLG Karlsruhe, ZfStrVO 2004, 315 = NStZRR 2005, 95 mwN). – Zum Rechtsschutz im Zusammenhang mit Organisationshaft: u Gericke Rn K 30. LG Stade bewertet die Zeit der Organisations-Haft als „Aufopferung von Straferledigung“ (R&P 1995, 95), woraus ein Aufopferungsanspruch in Form von Schadensersatz durch Naturalrestitution (Anrechnung der Haftzeit) entsteht (Volckart/Grünebaum 2009, 55 f mwN). 3.
Aufsicht Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– Art 23 AG-SGB XII – § 43 § 13 I § 4 IV §§ 3, 5 § 37 II + IV
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§ 3a § 31 iVm ZustVO §§ 2, 26 §§ 28, 36 § 38 VI §3 §3Ic § 31 I
Zwar sind die Maßregeln der Besserung und Sicherung wegen der Anknüpfung an C 70 eine begangene rechtswidrige Tat dem Strafrecht zugeordnet, jedoch hat der Vollzug, wie vor allem §§ 136, 137 StVollzG zeigen, eine klare medizinisch-therapeutische Zielrichtung (vgl oben Rn C 20 ff). Daher ist die Entscheidung der weit überwiegenden Zahl der Länder, den Sozial- oder Gesundheitsministerien die Fachaufsicht zu übertragen, sachgerecht (so auch: Schwind/Böhm/Jehle-Böhm 2005, § 1 Rn 9; AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 6 vor §§ 136–138). § 151 StVollzG findet keine Anwendung. Lediglich in MeVo ist das Justizministerium für einen Teilbereich, die Sicherheit gegen Entweichungen, zuständig (kritisch dazu: Pollähne 2001, 195). Da der Maßregelvollzug eine Staatsaufgabe (s o Rn C 60) ist und damit nicht zu den kommunalen Angelegenheiten zählt, erstreckt sich die Fachaufsicht auch in den Ländern, die hiermit Kommunalverbände beauftragt haben, auf allgemeine und Einzelweisungen (B Bay; Hess; N W; Sachs). Für die übrigen Länder ist dies im Rahmen der Landesorganisation selbstverständlich.
IV.
Personelle und sachliche Ausstattung Kommentierte Normen:
BW Bay
– –
Nds NW
Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– – § 13 V § 4 II § 39 I § 37 III
RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§ 3 II §§ 2, 3 III, 30 III 1 Nr 2; DV MRVG § 1; FinVo § 3 – § 5 II + III – §4 – –
IV. Personelle und sachliche Ausstattung
Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
1.
Allgemeines
C 71 Von zentraler Bedeutung für die Durchführung eines den gesetzten Zielen (oben Rn C 20 ff) gerecht werdenden Vollzuges ist die hinreichende Ausstattung der Einrichtung in sachlicher und personeller Hinsicht. Häufiger als detaillierte Regelungen, die kaum Fragen offen lassen (insbesondere in Hess und NW), finden sich generalartige Klauseln, wonach die für die Behandlung der Patienten erforderlichen Fachkräfte sowie die darüber hinaus zur Erreichung des Vollzugszieles benötigten Mitarbeiter der verschiedenen Berufsgruppen vorzusehen sind und wonach die Einrichtungen so zu gliedern und auszustatten sind, dass eine auf die unterschiedlichen Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Behandlung ermöglicht und die Eingliederung der Patienten gefördert wird (so Bre § 13 V und M eVo § 13 III, der über § 37 III anzuwenden ist, der freilich versehentlich auf § 13 IV verweist). Mit solchen Klauseln ist nicht viel gewonnen, sie bedürfen der konkretisierenden Ausfüllung. Eine solche aber orientiert sich in der Praxis mangels eindeutiger Gesetzesvorgaben leicht an f inanzpolitisch geprägten Opportunitätsgesichtspunkten. Das stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken: Die personelle und sachliche Ausstattung hat sich an Zweck und Ziel des Verzuges (o Rn C 4 ff) zu orientieren, nicht an der Zufälligkeit der jeweiligen finanziellen Lage des Trägers. 2.
Fehlende Regelungen
C 72 Besonders krass ist die Situation in den Ländern, die über kein eigenständiges Maßregelvollzugsrecht verfügen (oben Rn C 37 und Rn C 42): Dort findet sich keine Aussage zu den S tandards des Maßregelvollzuges. Dies ist nicht hinnehmbar, stellt vielmehr eine Negierung der bundesgesetzlichen Vorgaben der Vollzugsziele der §§ 136, 137 StVollzG (zur Anwendbarkeit: o Rn C 38) dar und ist somit verfassungswidrig. 3.
Qualifizierung des Personals
C 73 Besonderer Erwähnung bedarf ein Aspekt, der in der Vergangenheit häufig beklagt wurde, nämlich der der fachlichen Qualifizierung des im Maßregelvollzug tätigen Personals (eingehend dazu: NK-StGB-Böllinger § 63 Rn 16). C 74 Das Gelingen der Aufgabe des Maßregelvollzuges – Besserung und Sicherung der dort Untergebrachten – hängt in entscheidender Weise von dem dafür zur Verfügung stehenden Personal ab, und zwar sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Dabei setzt die Eigenart der Maßregelvollzugseinrichtung als Krankenhaus und zugleich Sicherungsanstalt Vorgaben, die sich im Personalbereich notwendig widerspiegeln: Neben der Heil- und Besserungsaufgabe als helfender und gewährender Tätigkeit („therapeutische Erfordernisse“: AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 6) steht die Sicherungsaufgabe als eingreifende und einschränkende Tätigkeit (eingehend o Rn C 20). C 75 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die umfassende, auf lange Sicht angelegte Betreuung und Versorgung der untergebrachten Patienten nicht allein von den klassischen medizinischen und pflegerischen Berufen des Krankenhausbereichs geleistet werden kann, sondern – je nach besonderer Aufgabenstellung – den Einsatz hierfür besonders qualifizierten Personals: („therapeutische Erfordernisse“: AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 13) erfordert. Es finden sich daher in den Maßregelvollzugseinrichtungen neben Psychiatern und Pflegerinnen (es gibt demnächst keine Krankenschwestern mehr: § 1 iVm § 23 II KrPflG v 16. 7. 2003, BGBl I, 1442; dazu Baur 2004, 80) und Pflegern weitere Professionen, so etwa Psychologen, Sozialarbeiter, Arbeitsund Beschäftigungstherapeuten, Pädagogen. Daher kommt auch dem Gebot der Zusammenarbeit eine wachsende Bedeutung zu. Besonders wichtig ist eine laufende Fortbildung (Volckart/Grünebaum 2009, 199). 90
Fritz Baur
IV. Personelle und sachliche Ausstattung
4.
Pflegedienst
Der Pflegedienst nimmt im Maßregelvollzug – wie generell in der Psychiatrie – eine C 76 zentrale Position ein. Dies wird schon äußerlich durch die Zahlenverhältnisse dokumentiert (Schmidt-Quernheim/Hax-Schoppenhorst 2008, 225: „größte Berufsgruppe“). Hinzu kommt, dass das Pflegepersonal – im Gegensatz zu allen sonstigen Mitarbeitern – in ständigem täglichem Kontakt mit den Patienten arbeitet. Schwestern und Pfleger verbringen von allen Berufsgruppen die meiste Zeit mit den Patienten (Schmidt-Quernheim/Hax-Schoppenhorst 2008, 225). Schließlich entspricht es einer Erfahrungstatsache, dass das übrige therapeutische Personal – insbesondere Ärzte, aber auch Psychologen – oft das Krankenhaus durchläuft, entweder zum Zwecke der Ausbildung oder um alsbald Leitungspositionen einzunehmen. Das Pflegepersonal hingegen bleibt. Es gibt wenig Aufstiegsmöglichkeiten, und die Mitglieder des Pflegepersonals laufen Gefahr, ebenfalls „Dauerinsassen der Institution“ (so: SchmidtQuernheim/Hax-Schoppenhorst 2008, 232) zu werden. Daher kommt der fachlichen Qualifikation gerade des Pflegepersonals eine überragende Bedeutung zu. Dies wird in einigen Gesetzen ausdrücklich anerkannt (B Bre § 13 V; Hbg § 4; Saar § 5 III; SaAn § 4; RE § 8 II), sollte aber generell gelten (Streitbürger/Trampe 1990, 121; AK-StVollzGPollähne 2006, § 136 Rn 13). Wenn das Pflegepersonal im Maßregelvollzug keine auf seine speziellen Aufgaben zugeschnittene Zusatzausbildung erhält, erstreckt sich dessen Tätigkeit auf der Station überwiegend auf ordnende und administrative Aufgaben. Es rücken die rein kustodialen Funktionen (Schmidt-Quernheim/Hax-Schoppenhorst 2008, 226) des Pflegepersonals in den Vordergrund. Der Pflegedienst soll Entweichungen verhindern und Übergriffen vorbeugen. Aus Furcht vor Entweichungen, die als Nachlässigkeit und mangelnde Aufsicht qualifiziert werden, ist der Pfleger oft so sehr dem Sicherungsgedanken verhaftet, dass diesem Betreuungs- und Behandlungsaspekte untergeordnet werden (Horn 1983, 487). Nötig ist demgegenüber im Rahmen einer speziellen forensischen Pflege insbesondere die Durchführung milieuund soziotherapeutischer Maßnahmen (AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 136 Rn 13). Diese Rollenzuschreibung wird durch die Tendenz verstärkt, dass neben Ärzten und Psychologen für die Betreuung der Patienten zunehmend Spezialisten wie Sporttherapeuten, Beschäftigungstherapeuten, Motopäden eingesetzt werden, wodurch die potentiellen (und früheren) Betätigungsfelder des Pflegepersonals wieder eingeschränkt werden. Mit dem Erreichen des Behandlungszieles wird der Pfleger unter diesen Umständen C 77 kaum befasst, er wird auf k ustodiale und administrative F unktionen reduziert. Dementsprechend liegt auch die Erfolgskontrolle seiner Berufstätigkeit weniger im Erreichen eines bestimmten Behandlungszieles, als in der Verhinderung von Entweichungen und Übergriffen. Aus dieser Rollensituation heraus kann er die theoretischen Forderungen nach aktivierender Betreuung der Patienten kaum erfüllen. Anders gewendet: Die lästige, behandlungshindernde Überwachung und Sicherung obliegt immer weniger dem übrigen therapeutischen Personal, diese Aufgabe wird auf das Pflegepersonal abgewälzt und bestimmt dessen Tätigkeit. Demgegenüber muss es Aufgabe des Pflegedienstes sein, den Patienten bei der Bewältigung und Gestaltung des Alltags zu unterstützen, die Alltagsbalance herzustellen und bei der Vermittlung „sozial anerkannter Normen und Werte“ eine aktive Rolle zu übernehmen (Stuckmann 2008, 253). Darüber hinaus unterstützt das Pflegepersonal die Behandlung der Patienten. Zu diesem Zweck müssen die Schwestern und Pfleger in das therapeutische Geschehen aktiv einbezogen werden. Zusatzausbildung und Fortbildung sind deshalb zwingend erforderlich: Der Träger der Einrichtung hat die Fortbildung der Fachkräfte zu gewährleisten. Dies muss wegen der überragenden Bedeutung dieses Aspektes auch in den Ländern gelten, die keine entsprechenden gesetzlichen Vorschriften haben.
Fritz Baur
91
C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
5.
Justizpersonal
C 78 Wenn auch das Justizpersonal (Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger) mit dem unmittelbaren Vollzug der Maßregeln nicht befasst ist, so ist auch hier eine fachspezifische Fortbildung schon allein wegen der Zuständigkeit für eine Reihe von Vollstreckungsmaßnahmen erforderlich (so auch N W LT-Drs 10/5251 v 19. 2. 1990, 67). 6.
Personalbedarf
C 79 Quantitative Aussagen zur personellen Ausstattung werden in keinem Gesetz getroffen. Wünschenswert wäre hier eine bundesweite Regelung entsprechend der Personalbedarfsverordnung Psychiatrie (BGBl I, 1990, 2930). NW verfügt über eine Verordnung hinsichtlich der Maßstäbe und Grundsätze des Personalbedarfs, N W § 30 III 1 Nr 2 iVm § 3 FinVo. Danach sollen diese sich an der Systematik des § 3 Psych-PV orientieren und dabei den unterschiedlichen Behandlungs- und Sicherungsbedarf der Patienten unter Beachtung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Rechnung tragen. 7.
Bauliche Ausstattung
C 80 Die baulich-räumliche und technische Ausstattung der Maßregelvollzugseinrichtungen folgt unmittelbar aus den Anforderungen an Behandlung und Betreuung und der Forderung, therapeutischen und pädagogischen Erfordernissen Rechnung zu tragen (Eberhard et al § 2 Erl 1). Eine Unterbringung, die über die bloße Verwahrung hinausgehen will, die also das Ziel der Eingliederung des Patienten in die Gesellschaft verfolgt, muss der gesamten Betreuung das Normalisierungsprinzip (s o Rn C 33 f) zugrunde legen. Auch im Hinblick darauf, dass die Maßregelvollzugspatienten mit wesentlich längeren Unterbringungsdauern (dazu: Volckart/Grünebaum 2009, 214 und oben Rn C 52) zu rechnen haben als etwa die nach den Unterbringungsgesetzen zu behandelnden Patienten, muss besonderer Wert auf die Normalisierung des Wohnumfeldes gelegt werden (hierzu eingehend: Kammeier 1990 und oben Rn C 34). Dazu gehören auch Mindestanforderungen an Größe und Ausgestaltung der Ruhe- und Freizeiträume; entsprechendes gilt für Gemeinschafts- und Besuchsräume (vgl § 144 StVollzG). C 81 Diesen zentralen Forderungen tragen nur wenige Gesetze Rechnung. Meist begnügt man sich mit der abstrakten und selbstverständlichen, daher nichtssagenden Formel, dass die Einrichtungen für den Vollzug der Maßregeln so zu gliedern und auszustatten sind, dass eine auf die unterschiedlichen Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Behandlung ermöglicht und die Eingliederung der Patienten gefördert wird (B Bre § 13 V; Hbg § 4; Nds § 3; SaAn § 4). Überhaupt keine Aussagen treffen RhPf und Saar. Gleichwohl gelten auch für diese Länder als Ausfluss der §§ 136, 137 StVollzG die folgenden Ausführungen. C 82 In beachtlicher Weise werden N W (§ 2 und DV-MRVG § 1) und Hess (39 I und Geschäftsordnung § 3) den an einen gesetzeskonformen Maßregelvollzug zu richtenden Anforderungen gerecht. Eine Maßregelvollzugseinrichtung hat mindestens Aufenthalts-, Besuchs-, Behandlungs- und Schlafräume getrennt voneinander vorzuhalten (N NW DV-MRVG § 1). Die Wohn-, Schlaf- und Aufenthaltsräume sind so auszugestalten, dass nach Möglichkeit die individuellen Lebensbedürfnisse der Patienten Berücksichtigung finden und die Gestaltung eines therapeutischen Milieus begünstigt wird (H Hess Geschäftsordnung § 3). Insgesamt sind die Räume wohnlich zu gestalten, der Patient muss seinen persönlichen Besitz angemessen aufbewahren können (N NW DV-MRVG § 1; Hess Geschäftsordnung § 3). Um zu verhindern, dass ein überhöhter Sicherheitsstandard die gesamte Einrichtung überzieht und damit weniger sicherungsbedürftige Patienten über das notwendige Maß hinaus in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt werden, muss die Maßre92
Fritz Baur
V. Vollstreckungsplan
gelvollzugseinrichtung über abgestufte Freizügigkeiten verfügen: gesicherte Einzelunterbringung, geschlossene Stationen, offene oder fakultativ offene Stationen und Möglichkeiten für den offenen Vollzug (so ausdrücklich Hess Geschäftsordnung § 3). N W DV-MRVG § 1 sieht hier lediglich vor, dass die Sicherheitsvorkehrungen den Anforderungen der besonders gesicherten, der geschlossenen und der gelockerten Unterbringung zu genügen haben. Konkretisiert und erweitert wurde diese „Sicherheitstrias“ durch die frühere Fassung von NW DV-MRVG § 1: danach sollten die Patienten über geschlossenen Vollzug, teiloffene und offene Maßnahmen befähigt werden, ein in die Gemeinschaft eingegliedertes Leben zu führen. Für die offenen Maßnahmen sollten auch dezentralisierte Übergangseinrichtungen zur Förderung der Eingliederung von Patienten in ihr Lebensumfeld nach Beendigung der Unterbringung vorgehalten werden. Diese Vorschrift ist ersatzlos gestrichen worden (allg zur Baukonzeption: Boklage 2002, 5 ff, und Echelmeyer 2002, 21 ff). In der Vergangenheit ergaben sich große Probleme aus der Belegungsdichte der C 83 Maßregelvollzugseinrichtungen. Daher hat N W DV-MRVG § 1 eine Regelung getroffen, wonach Wohnräume der Nutzung von bis zu 3 Personen dienen sollen; Nachteinschluss ist nur bei einer Nutzung durch bis zu 2 Personen zulässig. Diese in keinem anderen Bundesland anzutreffende, angesichts der untragbaren Wohnverhältnisse der Vergangenheit allerdings unverzichtbare Regelung geht unmittelbar zurück auf RE § 9 II. In den anderen Bundesländern kann freilich nichts anderes gelten, da auch Beschränkungen der allgemeinen Lebensführung das unumgängliche Maß nicht überschreiten dürfen (§ 62 StGB). Zum Platzbedarf: o Rn C 52, C 67. Befürchtungen, wonach vielfach wegen der Versäumnisse und Unterlassungen der C 84 Vergangenheit die genannten baulichen Vorbedingungen nur mit kaum erbringbaren finanziellen Leistungen geschaffen werden können, lässt sich begegnen, indem bestimmte Anpassungs- und Übergangsfristen eingeräumt werden. Im StVollz wird immer wieder Klage über menschenunwürdige Unterbringungs- C 85 verhältnisse geführt (beispielhaft: BVerfG NJW 2002, 2699; BGH NJW 2005, 58; Kretschmer 2005, 25), was Folge der chronischen Überbelegung zahlreicher Justizvollzugsanstalten ist (Lesting 2005, 35 = Anm zu BGH R&P 2005, 34 – mit zahlreichen Nachweisen). Entsprechendes lässt sich im Maßregelvollzug nicht feststellen. Kann im Einzelfall den Anforderungen, die sich aus der Pflicht zum Schutz der Menschenwürde ergeben, nicht entsprochen werden, so ist der untergebrachte Patient in ein anderes Krankenhaus zu verlegen. Eine gemeinsame Unterbringung von bis zu drei Personen als solche ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, R&P 2008, 67). – Der „Tätigkeitsbericht der Beschwerdekommission Maßregelvollzug für das Jahr 2008“ des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe weist zwar eine Reihe von Beschwerden aus, von denen sich aber lediglich ein verschwindend geringer Anteil auf die räumliche Ausstattung bezog (LWL-Drs 12/1650 vom 8. 6. 2009 – www.lwl. org). – Generell zu Beschwerden vgl u Rn C 131 ff.
V.
Vollstreckungsplan Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– (Art 24 AG-SGB XII) – § 36 II §§ 43, 44 (§ 4) §4 § 37 II
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§5 § 15 §3 §6 § 2 II 2, § 42 I § 5 I–III § 3 II § 31 II
V. Vollstreckungsplan Fritz Baur
93
C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
1.
Vollstreckung und Vollzug
C 86 Vollstreckung bedeutet die Einleitung der durch Urteil angeordneten Unterbringung und die generelle Überwachung Ihrer Durchführung (Pohlmann/Jabel/Wolf 2001, Einleitung Rn 1; Müller-Dietz 1981, 61). Der Vollzug beinhaltet demgegenüber die eigentliche Durchführung der Maßregel im psychiatrischen Krankenhaus oder in der Entziehungsanstalt. Es gilt die Kurzformel: Vollstreckt wird das Urteil, die Maßregel wird vollzogen (u Kamann Rn L 1 ff). 2.
Zuständigkeit
C 87 Die Auswahl der konkreten Anstalt, die die Maßregel zu vollziehen hat, wird nicht vom erkennenden Gericht vorgenommen, sie ist als Einleitungsmaßnahme Bestandteil der Urteilsvollstreckung, für die die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zuständig ist, § 463 I StPO (BGH bei Dallinger MDR 1972, 196). Diese Maßnahme hat (mittelbare) Auswirkungen auf den Vollzug (s u Rn C 89). C 88 Allerdings bleibt der Staatsanwaltschaft die Auswahl der Anstalt nicht überlassen, vielmehr bestimmt § 53 I StVollstrO, dass sich die für den Einzelfall zuständige Anstalt aus dem Vollstreckungsplan ergibt. Der Vollstreckungsplan – für den Strafvollzug von § 152 StVollzG verbindlich vorgeschrieben – wiederum wird auf der Grundlage von § 22 StVollstrO von der Landesjustizverwaltung erlassen, stellt also eine die Staatsanwaltschaft (nicht die Gerichte) bindende (u Kamann, Rn L 95) Verwaltungsanordnung dar (Volckart/Grünebaum 2009, 32), die nicht anfechtbar ist (Arloth 2008, § 152 Rn 6). Die aufzunehmende Anstalt ist grundsätzlich an die Auswahlentscheidung der Staatsanwaltschaft gebunden (zur daraus resultierenden A ufnahmepflicht skeptisch: Volckart 2004a, 179). Diese findet ihre Grenze bei nicht nur vorübergehender Überbelegung (Rechtsgedanke aus § 146 StVollzG). Auch an die Möglichkeit des § 455a StPO ist zu denken, der dem Anstaltsleiter die Eilkompetenz einräumt, die Vollstreckung bei Überlegung vorläufig zu unterbrechen, wenn überwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit nicht entgegenstehen. Ansonsten ist er gehalten, dem Vollstreckungsersuchen nachzukommen, den Betroffenen also auch bei Überbelegung aufzunehmen (Volckart 2004a, 184; so auch für den StVollzG: OLG Hamburg, NStZ 2006, 58). Die meisten alten Bundesländer (mit Ausnahme von BW, Bay) sowie Bran, Thür und SaAn haben für ihren Vollstreckungsplan eine gesetzliche Grundlage geschaffen. – Gegen die Strafantrittsladung der Staatsanwaltschaft in eine bestimmte Einrichtung ist der Rechtsweg nach §§ EGGVG (Justizverwaltungsakt) eröffnet (Arloth 2008, § 152 Rn 6 mwN). Bei einer Verlegung richtet sich der Rechtsweg nach §§ 109 ff StVollzG (OLG Ffm NStZ-RR 2006, 253 – für StVollz). 3.
Vollstreckungsplan und Vollzug der Maßregeln
C 89 Der Vollstreckungsplan hat nicht bloß eine organisatorische Funktion im Sinne der Ermöglichung einer gleichmäßigen Verteilung der untergebrachten Patienten auf die dafür in Frage kommenden Einrichtungen. Darüber hinaus wird mit dem Vollstreckungsplan rechtsstaatlichen Erfordernissen Rechnung getragen (Art 20 III GG), indem der Verurteilte aus ihm ablesen kann, welche Einrichtung für ihn zuständig ist und er auch vor willkürlichen Verlegungen (s u Wagner Rn D 173) geschützt ist (Volckart/Grünebaum 2009, 32; gl M für den StVollz: Schwind/Böhm/JehleKoepsel 2005, § 152 Rn 2). Der Vollstreckungsplan hat auch eine entscheidend i nhaltliche Zielrichtung (s u Wagner Rn D 95 ff), indem er die Aufgaben der einzelnen Maßregelvollzugseinrichtungen nach Diagnosegruppen, Therapieangeboten und Sicherungsmaßnahmen aufeinander abzustimmen hat (Eberhard et al § 13 Erl 2). Dabei spielen auch Gesichtspunkte der Ortsnähe eine Rolle. Bei der Entwicklung des Vollstreckungsplanes ist deshalb besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass die erforderlichen Therapieangebote nicht nur zentralisiert, sondern landesweit gedeckt 94
Fritz Baur
VI. Kosten und Finanzierung; Pfändungsschutz
werden. Dies gebieten nicht nur humanitäre Gründe, sondern lässt sich unmittelbar aus der therapeutischen Zielrichtung der Maßregeln ableiten (Normalisierungsprinzip, s o Rn C 34). Diejenigen Länder, die über eine gesetzliche Grundlage für den Vollstreckungsplan C 90 verfügen, sehen ausnahmslos auch Möglichkeiten vor, von dem Plan im Einzelfall abzuweichen (Haecker 1979, 91; Isak/Wagner 2004, Rn 330). Dies ist im Sinne einer auf den Einzelfall zugeschnittenen Maßnahme sachgerecht und notwendig. Die Abweichung bedarf einer materiellen Begründung, die entweder in der Person des untergebrachten Patienten (Behandlungs- und Sicherungsaspekt) oder in äußeren Umständen (Vollzugsorganisation) liegen kann, § 26 StVollstrO. Willkürliches Abweichen ist nicht zulässig (oben Rn C 89). S auch u Kamann Rn L 96. Sofern die Länderregelungen auch Verlegungen vorsehen, versteht man darunter die C 91 Zuordnung eines untergebrachten Patienten zu einem anderen für den Maßregelvollzug geeigneten Krankenhaus (Prütting 2004, § 15 Rn 21). Zum Rechtsweg s o Rn C 88.
VI.
Kosten und Finanzierung; Pfändungsschutz Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– (Art 24 AG-SGB XII) – § 51 § 51 § 38 § 12 § 45 II
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§ 25 § 14 II, § 30 § 25 I § 29 I § 38 V 1 § 29 § 24 a § 40
VI. Kosten und Finanzierung; Pfändungsschutz
1.
Kostentragungspflicht der Länder
Der Gesamtaufwand für den Maßregelvollzug gemäß § 63, 64 StGB lag im Jahre 2000 C 92 bei rund 500 Mio Euro. Die entsprechenden Tagessätze erstreckten sich von 115 Euro bis 236 Euro (Kammeier 2002, 171; Volckart/Grünebaum 2009, 320; ein Haftplatz im StVollz kostet rd 30.000 € pro Jahr, das sind rd 80 € pro Tag, Kretschmer 2005, 255). Da Bundesgesetze von den Ländern als eigene Angelegenheiten ausgeführt werden (Art 83 GG), haben diese auch die Kosten der Ausführung des Maßregelvollzuges zu tragen (Baur 1996, 69). Entsprechende Regelungen haben getroffen: Bay, Bran, Bre, Hbg, Hess, MeVo, Nds, RhPf, Sachs, SH, Thür, Saar, SaAn (Vorschläge zur Kostendämpfung machen: Kammeier/Benkert 2005, 118 bis 127). Vgl auch unten Rn C 106. In einigen Ländern sind Kommunalverbände mit der Durchführung dieser Auf- C 93 gabe betraut worden (B Bay, H ess, Sachs, NW). Da es sich gleichwohl nicht um eine kommunale freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe (Eberhard et al 1988, § 22 Erl 2; o Rn C 70) handelt, verbleibt die grundsätzliche K ostentragungspflicht auch in diesen Fällen beim Land (OVG Münster FEVS 29, 50; zur Kostentragung bei auswärtiger Unterbringung: BVerwG VR 1991, 311). Dies bedeutet freilich nicht ohne weiteres, dass die den Maßregelvollzug durchfüh- C 94 renden Kommunalverbände einen Anspruch auf vollständige Erstattung der damit verbundenen Kosten gegen das Land hätten. Nach allgemeiner Auffassung besteht keine Pflicht des Landesgesetzgebers, den Selbstverwaltungskörperschaften die Kosten der bestehenden Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung stets in vollem Umfang zu erstatten (VerfGH NW, DVBl 1998, 1280; OVG Münster DVBl 1980, 763). Vielmehr genügt es, wenn die Abgeltung der Kostenpauschale im Rahmen eines allgemeinen Finanzausgleichs erfolgt, solange den kommunalen Körperschaften insgesamt noch hinreichende Mittel zur eigenverantwortlichen Verwendung (im SelbstFritz Baur
95
C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
verwaltungsbereich) verbleiben. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass den kommunalen Körperschaften insoweit verfassungsrechtlich eine angemessene Finanzausstattung zur Erfüllung aller ihrer Aufgaben nur als Gesamtvolumen gewährleistet ist (VerfGH NW DVBl 1985, 685; OVG Münster NWVBl 1992, 283; aA: Schmidt-Jortzig/ Makswit 2005, 15). C 95 Diese Auffassung ist letztlich nicht überzeugend (Schmidt-Jortzig/Makswit 2005, 16, 22). Daher haben nahezu alle Länder in ihrer Verfassung einen „entsprechenden Finanzausgleich“ vorgesehen – allerdings beschränkt auf neu übertragene Aufgaben (dazu ausführlich: Henneke 2008, 137 ff). Das trifft auf den Maßregelvollzug nicht zu. Hier gilt vielmehr Folgendes: Unter Verwendung des Rechtsgedankens, der Art 104a II und V GG im Verhältnis des Bundes zu den Ländern zugrunde liegt, können die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften nur dann auf eine finanzpolitische Richtlinie reduziert werden, wenn damit allein die bei der Durchführung der weisungsgebundenen Aufgaben anfallenden Verwaltungsausgaben gemeint sind. Die Zweckausgaben sind vom aufgabenübertragenden Land gemäß der für den Verwaltungsbereich bindenden Finanzierungsregelung in Art 104a II GG stets in voller Höhe zu decken (Schmidt-Jortzig/Makswit 2005, 15). Zweckausgaben sind aber alle durch den Vollzug (= Zweck) entstehenden Kosten. Insofern interessengerecht die Regelung in NW und Sachs; nach Sachs § 38 V trägt das Land die (vollen) Kosten, die dem sozialen Kommunalverband Sachsen durch den Maßregelvollzug entstehen. In NW ist Aufgabenträger das Land selbst (N N W § 29 I), es hat lediglich die Durchführung der Aufgabe auf die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe übertragen: Aufgaben- und Kostenträger sind hier identisch, dementsprechend werden die notwendigen Kosten des Maßregelvollzuges vom Land getragen, NW § 30 I 1 (dazu Prütting 2004, § 30 Rn 1 ff). 2.
Zuständigkeit der Sozialleistungsträger
a)
Krankenkassen
C 96 Obwohl die Maßregeln nach den §§ 63, 64 StGB in Krankenhäusern (zum Begriff: s o Rn C 50) vollzogen werden, übernehmen die Krankenkassen die dort entstehenden Kosten für den einzelnen untergebrachten Patienten nicht. Dies wird ausdrücklich bestimmt in § 16 I Nr 4 SGB V (bis zum 31. 12. 1988: § 216 RVO, diese Vorschrift wird von Isak/Wagner 2004, Rn 334 nach wie vor als geltendes Recht zitiert), wonach die Leistungen der Krankenversicherung dem Maßregelvollzugspatienten nicht zustehen. Vielmehr ruht der grundsätzliche Anspruch des versicherten Patienten auf Leistungen, solange gegen ihn eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird und er Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem StVollzG hat oder sonstige Gesundheitsfürsorge erhält. Unabhängig von dieser Regelung handelt es sich bei der Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB vom Grundsatz her schon nicht um eine Krankenbehandlung im Sinne des Krankenversicherungsrechtes, auf die ein versicherter untergebrachter Patient nach §§ 39, 108 SGB V einen Rechtsanspruch hätte. Zwar besteht ein Anspruch auf Behandlung, dieser folgt aber aus §§ 136, 137 StVollzG (zur Anwendbarkeit Rn C 38 und C 101) iVm dem Landesrecht (AK-StVollzG-Pollähne 2006, Rn 18 vor §§ 136–138) und ist gegen den Träger des Maßregelvollzuges gerichtet (u Marschner Rn E 11; Wagner Rn D 119). C 97 Eine Verbindung zum Recht der Krankenversicherung (SGB V) besteht folgerichtig nur insofern, als es sich nicht um die für den Maßregelvollzug typische medizinische Behandlung, sondern um eine während des Vollzuges eintretende (sog interkurrente) Erkrankung handelt (Eberhard et al 1988, § 10 Erl 1; Volckart/Grünebaum 2009, 166; unten Marschner Rn E 15; Wagner Rn D 119). Daher ausdrücklicher Hinweis auf SGB V in Sachs § 38 V. Bran § 41 gewährt dem untergebrachten Patienten hinsichtlich der Behandlung interkurrenter Erkrankungen einen Anspruch gegen den Träger der 96
Fritz Baur
VI. Kosten und Finanzierung; Pfändungsschutz
Vollzugseinrichtung. Die damit verbundenen Kosten gehören zu den Kosten der Unterkunft iSv Bran § 51, dazu u Rn C 101 ff. An diesem Rechtszustand ändert auch die durch § 190 StVollzG vorgesehene Neufas- C 98 sung der einschlägigen Vorschriften grundsätzlich nichts, abgesehen davon, dass diese Vorschrift durch ein besonderes Bundesgesetz (§ 198 StVollzG) erst noch in Kraft gesetzt werden muss (zur Geltung des StVollzG: s o Rn C 38). Die nur scheinbar entgegenstehende Auffassung von Mrozynski (1987, 87) stellt auf Überlegungen de lege ferenda ab, daher entbehren die Regelungen einzelner Länder, wonach die Kosten nur soweit von Staats wegen übernommen werden, wie nicht ein Sozialleistungsträger zur Gewährung gleichartiger Leistungen verpflichtet ist, jeglicher Grundlage (so etwa: Bran, Bre, Hbg, Hess, Nds, RhPf, SaAn, Sachs). Dementsprechend geht die amtliche Begründung zu H bg § 34 (Bürgerschaftsdrucksache 13/1544 vom 19. 4. 1988, 31) zutreffend davon aus, dass diese Regelung zunächst keine praktische Bedeutung habe (aA Volckart/Grünebaum 2009, 166, 321: die Länder können hinsichtlich interkurrenter Erkrankungen ihren Nachrang hinter der Krankenversicherung bestimmen). Ein Erlass des hessischen Sozialministers vom 4. 5. 1982 führt zutreffend aus, dass die Kosten des Maßregelvollzuges nicht von den Krankenkassen übernommen werden, der Vorbehalt zu Lasten von Sozialleistungsträgern im hessischen Gesetz daher vorerst lediglich die Möglichkeit von deren Beteiligung nach einer etwaigen künftigen Änderung der (bundesgesetzlichen) Rechtsgrundlagen ermöglicht (Hess StAnz 1982, 984). Hiermit korrespondiert die Regelung des § 5 I 3 b KHG (oben Rn C 50). Dort heißt es, C 99 dass nach diesem Gesetz nicht gefördert werden Einrichtungen in Krankenhäusern für Personen, die im Maßregelvollzug aufgrund strafrechtlicher Bestimmungen untergebracht sind. b)
Sozialhilfe
Die Kosten des Maßregelvollzuges rechnen auch nicht zu den Leistungen der Sozi- C 100 alhilfe. Zwar ist anerkannt, dass der Vollzug einer Maßregel nach den §§ 63, 64 StGB der Leistung von Sozialhilfe grundsätzlich nicht entgegensteht (BVerfG, Beschl v 24. 7. 2008 – 2 BvR 840/06, NStZ – RR 2008, 389; BVerwGE 51, 28; OVG Münster FEVS 29, 50; 38, 473; OLG Celle, R&P 2006, 214; Grube/Wahrendorf 2008, § 35 SGB XII, Rn 7; unten Marschner Rn E 55 ff; aA für StVollz: Dauber, in Mergler/Zink, SGB XII, § 35 Rn 90; auch Lippert, in Mergler/Zink, SGB XII, § 13 Rn 50: Maßregelvollzugsanstalt keine Einrichtung). Dennoch wird ein spezifischer Anspruch auf Gesundheitsfürsorge verneint (BVerwG FEVS 21, 187). Begründet wird dies zutreffend mit der vorrangigen Verpflichtung der Vollzugsbehörden zur Sicherung der Lebensbedürfnisse des untergebrachten Patienten. Damit verbleibt es dabei, dass die Vollzugskosten aus den allgemeinen Haushaltsmitteln bestritten werden und eine Entlastung durch andere öffentliche Träger nicht vorgesehen ist. 3.
Kostenbeitrag des untergebrachten Patienten
a)
Kostenbeteiligung nach § 138 II iVm § 50 StVollzG
Die Heranziehung der im Maßregelvollzug untergebrachten Patienten nach §§ 63, 64 C 101 StGB ist (ebenso wie im gesamten Geltungsbereich des StVollzG) mit § 138 II StVollzG mit Wirkung vom 15. 12. 2001 neu geregelt worden; dies geschah – auch von der interessierten Fachöffentlichkeit fast unbemerkt – mit dem „Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation“ vom 10. 12. 2001 (BGBl I 3422, 3432). Zugleich wurde die bis dahin geltende Regelung des § 10 JVKostO mWv 15. 12. 2001 aufgehoben. Das Vorgehen des Gesetzgebers war derart arkano-sekretisch, dass es bis heute von Prütting 2004, (§ 14 Rn 16) und Isak/Wagner 2004, (Rn 335) sowie einigen Landesgesetzgebern (N Nds – inzwischen bereinigt durch Gesetz vom Fritz Baur
97
C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
25. 1. 2007, GVBl 51 –, NW, Sachs – ebenfalls bereinigt durch Gesetz vom 16. 8. 2007, GVBl 390 –, SaAn und Thü – bereinigt durch Gesetz vom 5. 2. 2009, GVBl 10) nicht bemerkt wurde (s u Rn C 125). Ein solches gesetzgeberisches Geheim-Vorgehen wird deshalb zu Recht als „eine Unsitte“ angesehen (so ausdrücklich: Volckart 2002, 262). – Seit 1. 9. 2006 unterfällt zwar der Strafvollzug einschließlich dem Maßregelvollzug insgesamt der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Solange und soweit diese jedoch keinen Gebrauch machen, verbleibt es bei den bundesrechtlichen Vorschriften (s o Rn C 38). Diejenigen Länder, die von ihrer neuen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht haben (Bay, Hbg, Nds), nehmen die §§ 136 bis 138 StVollzG (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt) ausdrücklich aus (Art 208 BayStVollzG, § 31 HmbStVollzG, § 1 NJVollzG). § 138 II StVollzG ist daher in allen Ländern unmittelbar geltendes Recht (o Rn C 3 und C 38). C 102 In materieller Hinsicht hat die Neuregelung des § 138 II iVm § 50 StVollzG die früher beklagte Wirrnis (Keck 1989, 309; Oestreich 1982, 462; Volckart 1996, 70) zum Teil beseitigt (Volckart/Grünebaum 2009, 314). Der Gesetzeswortlaut gibt weiterhin zu Missverständnissen Anlass (AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 19; Arloth 2008, § 138 Rn 4; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 138 Rn 2). aa)
Übersicht
C 103 Grundlage der Erhebung des Unterbringungskostenbeitrages sind §§ 464a, 465 StPO, folgerichtig geht § 50 I 1 StVollzG (o Rn C 38, C 101) deklaratorisch davon aus, dass die Kosten der Haft, die den Kosten der Unterbringung dem Grunde nach gleichgestellt werden, Teil der Kosten der Vollstreckung der Rechtsfolgen der Tat sind. C 104 Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift des § 138 II 1 StVollzG („Erhebung der Kosten der Unterbringung“) geht es nur um einen Kostenbeitrag, der mehrfachen Beschränkungen zugunsten des untergebrachten Patienten unterworfen ist, die sich aus der Kombination der §§ 50 und 138 StVollzG ergeben: x Nicht die tatsächlichen Kosten, sondern die nach der Sachbezugsverordnung pauschal festgesetzten werden in Ansatz gebracht (§ 50 II 1 StVollzG), u Rn C 111 ff. x Der Kostenbeitrag darf nicht zu Lasten unterhaltsberechtigter Angehöriger angesetzt werden (§ 50 II 5 StVollzG). x Ausgenommen von der Kostenbeitragspflicht bleibt monatlich ein Betrag, der dem sozialhilferechtlichen Barbetrag (Taschengeld) entspricht (§ 138 II 1 StVollzG), u Rn C 116 ff. x Der arbeitende oder Arbeitstherapie leistende untergebrachte Patient ist von jeder Kostenbeitragspflicht freigestellt (§ 50 I 2 iVm § 138 II 1 StVollzG), u Rn C 107 ff. x Von der Geltendmachung des Anspruchs ist abzusehen, soweit die Wiedereingliederung dadurch gefährdet würde (§ 50 I 5 StVollzG), u Rn C 107. C 105 Wegen dieser zahlreichen Einschränkungen und Ausnahmen wird der maßregelrechtlich untergebrachte Patient wesentlich besser gestellt als der nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen zwangsweise eingewiesene Patient. Letzterer muss in aller Regel die Kosten der Unterbringung in voller Höhe selbst tragen (etwa § 32 PsychKG NW; dazu: Dodegge/Zimmermann 2003, § 32 Rn 1 ff). Damit wird die ansonsten von § 138 I 1 StVollzG intendierte generelle Gleichstellung (oben Rn C 39) mit sonstigen psychischkranken Untergebrachten durchbrochen zugunsten des in dieser Hinsicht günstigeren Status „Strafgefangener“; seltsamerweise wird diese Umkehrung wiederum durchbrochen zugunsten des Leitbildes „psychisch Untergebrachter“ beim zu verbleibenden monatlichen Schonbetrag (Barbetrag) sowie bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit, denn dort sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzuges (gegenüber dem Strafvollzug) zu berücksichtigen, § 138 II StVollzG. – In der Praxis trifft die Zahlungspflicht im Wesentlichen den nicht arbeitenden Rentner, u Rn C 121. 98
Fritz Baur
VI. Kosten und Finanzierung; Pfändungsschutz
bb)
Die Regelungen im Einzelnen
(1) Kosten der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entzie- C 106 hungsanstalt drücken sich im jeweiligen Tagessatz und in den Nebenkosten aus (Volckart/Grünebaum 2009, 318, 320; Isak/Wagner 2004, Rn 331). Sie bewegten sich im Bundesgebiet im Jahre 2000 je nach Bundesland zwischen 115 € und 236 € pro Tag (Kammeier 2002, 168). Vergleichbar zu den Kosten des Strafvollzuges s Arloth 2008, § 50 Rn 2 (Spannbreite zwischen ca 62,00 € und 106,00 € täglich). Dazu gehören alle im Vollzug anfallenden Personal- und Sachkosten. Kosten des Probewohnens im Rahmen einer Dauerbeurlaubung sind nicht Bestandteil der Unterbringungskosten (OLG Celle R&P 2006, 214; Vorinstanz: LG Göttingen, ebenda). Diese sind im Bedürftigkeitsfalle vom zuständigen Sozialhilfeträger zu übernehmen, § 29 SGB XII. Vgl auch o Rn C 92. Zu den Aufwendungen bei Vollzugslockerungen zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten: u Pollähne Rn F 108; dort auch zu den Kosten infolge einer Weisung und unerlaubten Entfernens. Kosten einer externen Begutachtung: u Pollähne Rn F 147. In der Regel findet eine Eigenbeteiligung an den Kosten einer (interkurrenten) Behandlung nicht statt, vgl u Marschner Rn E 13. (2) § 138 II 1 StVollzG schreibt die entsprechende Anwendung des § 50 StVollzG (zur C 107 Geltung: s o Rn C 38 u C 101) mit verschiedenen Maßgaben vor. Danach entsteht dem Grunde nach eine Zahlungspflicht bei s chuldhafter Arbeitsverweigerung; das folgt aus dem Umkehrschluss, wonach ein Kostenbeitrag nicht erhoben wird, wenn der Untergebrachte zugewiesene oder ermöglichte Arbeit verrichtet (§ 138 II 1 iVm § 50 I 2 Nr 1 StVollzG). Dies gilt dem Wortlaut nach unabhängig davon, dass es eine ausdrückliche Arbeitspflicht, wie sie § 41 StVollzG für den Justizvollzug vorschreibt, im psychiatrischen Krankenhaus oder der Entziehungsanstalt nicht gibt (u Rn C 110). Diese Zahlungspflicht entsteht abstrakt, dh unabhängig davon, ob der untergebrachte Patient über Einkommen oder Vermögen verfügt. Freilich gilt auch hier die Privilegierung des § 50 I 5 StVollzG hinsichtlich der Nichtgefährdung der Wiedereingliederung des untergebrachten Patienten (LG Celle NStZ-RR 2008, 294 – Strafvollzug). Allerdings führt allein das Vorhandensein von Verbindlichkeiten nicht dazu, dass nach der Wiedereingliederungsklausel des § 50 I 5 StVollzG von der Erhebung eines Haftkostenbeitrages abzusehen wäre (OLG Hamm, Beschl v 6. 5. 2008 – 1 Vollz >Ws@ 154/08, NStZ 2009, 218 – Strafvollzug). Bei Verrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit wird uneingeschränkt ein Haftkostenbeitrag nicht erhoben. Das gilt auch dann, wenn ein Rentenbezieher derartige Arbeiten verrichtet mit der Folge, dass ihm die Rente unbeschadet sonstiger Ansprüche voll zusteht (OLG Schleswig SchlHA 2004, 273), s auch u Rn C 111. Wer ohne Verschulden nicht arbeitet, muss den Kostenbeitrag nur dann entrichten, C 108 soweit er auf diese Zeit entfallende (sonstige) Einkünfte hat; auf vorhandenes Vermögen kommt es hier nicht an, so dass auch der vermögende untergebrachte Patient bei längerem schuldlosem Nichtarbeiten keinen Kostenbeitrag zu erbringen hat. Zeitweise Ablösung von der Arbeit aufgrund der Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen führt nur dann zur Annahme schuldhafter Nichterfüllung der Arbeitspflicht, wenn der faktische Ausschluss von der Arbeit sich als notwendige und für den Betroffenen ohne weiteres vorhersehbare Folge der Sicherungsmaßnahme darstellt (OLG Karlsruhe, Beschl v 11. 4. 2005 – 1 Ws 506/04, NStZ 2006, 63 – Strafvollzug). Unter Arbeit im Sinne von § 50 StVollzG ist dabei jede regelmäßige und zeitlich C 109 nicht völlig geringfügige Tätigkeit zu verstehen, welche einen sinnvollen Nutzen für Dritte herbeiführt, also der Befriedigung eines Fremdbedarfes dient (LG Itzehoe NStZ 2000, 558; OLG Schleswig SchlHA 2004, 273). Dies gilt auch, wenn das psychiatrische Krankenhaus oder die Entziehungsanstalt die Tätigkeit selbst als Arbeitstherapie oder arbeitstherapeutische Beschäftigung bezeichnet (Volckart/Grünebaum 2009, 316). Das folgt auch daraus, dass bei der Bewertung einer Beschäftigung als ArFritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
beit die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzuges zu berücksichtigen sind, § 138 II 2 StVollzG (AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 20). Arbeitstherapie ieS dagegen wird ärztlich verordnet und dient – zeitlich befristet – der Behandlung der Anlasserkrankung (dazu u Wagner Rn D 2 f), sie ist keine Arbeit (s u Marschner Rn E 36). Auf den Umfang der Arbeit, Arbeitstherapie oder arbeitstherapeutischen Beschäftigung kommt es nicht an, da das Gesetz keine Mindestarbeitsleistung anordnet (KG, Beschl v 11. 8. 2005 – 5 Ws 341/05 Vollz). C 110 Der Wegfall des Haftkostenbeitrages im Falle mangelnder Arbeitspflicht im Sinne von § 41 StVollzG ist im Maßregelvollzug nicht einschlägig, da dort eine Arbeitspflicht im engeren Sinne nicht besteht (Volckart/Grünebaum 2009, 157; AK-StVollzGPollähne § 138 Rn 20). Wohl aber bleibt es bei der (existenziell vorgegebenen) Pflicht eines jeden, seinen und seiner Angehörigen Lebensunterhalt – wenn nötig durch Arbeit – selbst sicherzustellen (Eicher/Spellbrink 2008, § 10 Rn 24 ff). C 111 (3) Die Höhe des Kostenbeitrages richtet sich nach § 50 II StVollzG. Danach wird der Betrag erhoben, der nach § 17 I Nr 3 SGB IV durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Damit wird die Zahlungspflicht beschränkt auf die Aufwendungen, die durch den Lebensunterhalt, die Unterkunft und Verpflegung des untergebrachten Patienten verursacht werden. Die sonstigen Kosten des Vollzuges, insbesondere die durch ärztlich-therapeutische Leistungen (u Marschner Rn E 13), Pflege, Betreuung und Aufsicht entstehen, sind daher nicht Gegenstand des Unterbringungskostenbeitrages (KG, Beschl v 11. 8. 2005 – Ws 341/05 Vollz – unter Hinweis auf Calliess/Müller-Dietz 2008, § 50 Rn 2 und Keck 1989, 309). C 112 Das Bundesministerium der Justiz stellt den genannten Durchschnittsbetrag (o Rn C 111) für jedes Kalenderjahr nach dem am 1. Oktober des vorhergehenden Jahres geltenden Bewertungen der Sachbezüge fest und macht ihn im Bundesanzeiger bekannt (s u C 114). Dabei ist für den Wert der Unterkunft die festgesetzte Belegungsfähigkeit maßgebend, so dass unterschiedliche Beiträge erhoben werden, je nachdem, ob es sich um eine Einzelunterbringung oder um eine Belegung mit 2, 3 oder mehr untergebrachten Patienten handelt. C 113 Die Sachbezugsverordnung sieht Monatsbeträge jeweils für die Unterbringung und die Verpflegung vor, bei tageweiser Berechnung ist ein Dreißigstel dieser Beträge zugrunde zu legen (Arloth 2008, § 50 Rn 10), vgl u Rn C 114 aE. C 114 Für das Jahr 2010 ergeben sich folgende Höchstbeträge der Unterbringungskosten (Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz vom 9. 10. 2009 – Az: 45152435/2009 –, BAnz Nr 159/2009, 3616): Für das gesamte Bundesgebiet einheitlich: I. Für Unterkunft: 1. für Gefangene bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und für Auszubildende: bei Einzelunterbringung 142,80 € bei Belegung mit zwei Gefangenen 61,20 € bei Belegung mit drei Gefangenen 40,80 € bei Belegung mit mehr als drei Gefangenen 20,40 € 2. für alle übrigen Gefangenen: bei Einzelunterbringung 173,40 € bei Belegung mit zwei Gefangenen 91,80 € bei Belegung mit drei Gefangenen 71,40 € bei Belegung mit mehr als drei Gefangenen 51,00 € II. für Verpflegung: Frühstück 46,00 € Mittagessen 82,00 € Abendessen 82,00 € 100
Fritz Baur
VI. Kosten und Finanzierung; Pfändungsschutz
Alle Beträge beziehen sich jeweils auf einen Monat. Für kürzere Zeiträume ist für jeden Tag ein Dreißigstel der aufgeführten Beträge zugrunde zu legen. Der Unterbringungskostenbeitrag ist nach der Verwaltungsvorschrift zu § 50 C 115 StVollzG im Hinblick auf den Unterkunftskostenanteil auch dann zu erheben, wenn sich der untergebrachte Patient wegen Urlaubs oder aus sonstigen Gründen vorübergehend nicht in der Einrichtung aufhält. Wegen der Mietfunktion dieses Kostenbestandteils ist das gerechtfertigt (Arloth 2008, § 50 Rn 10; Schwind/Böhm/Jehle/ Laubenthal 2009, § 50 Rn 7). Im Rahmen der Erhebung des Kostenbeitrages ist zu berücksichtigen, dass dem un- C 116 tergebrachten Patienten ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem B arbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfänger zur persönlichen Verfügung erhält, § 138 II StVollzG. Damit wird auf § 35 II 2 SGB XII verwiesen, wonach der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung umfasst. Dieser beträgt mindestens 27% des Eckregelsatzes nach § 2 der Regelsatzverordnung vom 3. 6. 2004 (BGBl I, 1067, geändert durch VO vom 20. 11. 2006, BGBl I, 2657). Die Regelsätze werden von den Ländern festgesetzt, § 28 II SGB XII. Danach ist etwa in NRW mit Wirkung vom 1. 7. 2009 als Eckregelsatz festgesetzt: 359 €. Die übrigen Länderregelungen weichen nur unwesentlich davon ab. Entsprechend beträgt am Beispiel NRW der Barbetrag zur persönlichen Verfügung C 117 96,93 €. Dieser Betrag wird bei der Erhebung des Unterbringungskostenbeitrages abgesetzt, dh freigelassen – er verbleibt dem untergebrachten Patienten (unzutreffend und unbeachtlich daher Hess § 12 I Nr 1, wonach dem Untergebrachten monatlich mindestens ein Betrag von 30,00 DM >!@ als Hausgeld verbleibt).Hiervon zu trennen ist die Frage, inwieweit ein mittelloser untergebrachter Patient Anspruch auf Auszahlung des Barbetrages hat (dazu u Marschner Rn E 55; Volckart/Grünebaum 2009, 123; vgl auch T hür § 34 I und Hess § 11). § 138 II 1 StVollzG spricht von dem Barbetrag, den ein Sozialhilfeempfänger erhält, C 118 der einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst trägt. Damit ist der sog Zusatzbarbetrag des § 21 III 4 BSHG in der bis zum 31. 12. 2004 geltenden Fassung angesprochen. Danach erhielt der einen Teil der Kosten des Aufenthalts in der Einrichtung selbst tragende Sozialhilfeempfänger einen zusätzlichen Barbetrag iHv 5% seines Einkommens, höchstens jedoch in Höhe von 15% des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes (Eckregelsatz). Diese Vorschrift wurde in das geltende Recht, § 35 SGB XII, nicht übernommen, so dass der Verweis auf den Zusatzbarbetrag zunächst ins Leere geht. Jedoch enthält das neue Recht eine Besitzstandsklausel für Personen, die nach altem Recht am 31. 12. 2004 einen Anspruch auf den zusätzlichen Barbetrag hatten. Für diese Personen („Altfälle“) wird diese Leistung in der für den vollen Kalendermonat Dezember 2004 festgestellten Höhe unverändert weiter erbracht, § 133a SGB XII. Untergebrachte Patienten, denen im Dezember 2004 ein solchermaßen erhöhter Betrag verblieben war, bleiben somit weiterhin im Genuss dieses erhöhten Absetzungsbetrages. Diese Personen behalten also einen Betrag, der sich aus dem Barbetrag (96,93 €) und dem (ehemaligen) Zusatzbarbetrag (bis zu 44,40 €) zusammensetzt, insgesamt also bis zu 141,33 €. Die iRv § 133a SGB XII aufgeworfenen Zweifelsfragen – insbesondere zur zeitlichen Dauer bei Zahlungsunterbrechungen und zur Akzessorietät bei Änderung der Zahlungshöhe – treten auch hier auf (Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, § 133a Rn 3; Armborst in: LPK-SGB XII 2008, § 35 Rn 14). Klarheit kann hier nur der Gesetzgeber selbst oder aber etwaige Rechtsprechung bringen. Darüber hinaus ist unklar, ob dem (Strafvollzugs-)Gesetzgeber dieser Zusammenhang überhaupt bewusst war, dh ob eine Erstreckung der sozialhilferechtlichen Besitzstandsklausel auf den untergebrachten Patienten gewollt war. Fritz Baur
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
C 119 Da auf § 50 StVollzG insgesamt verwiesen wird, gelten die allgemeinen Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO nicht, § 50 II 5 StVollzG (Calliess/Müller-Dietz 2008, § 138 Rn 2; AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 18; unten Marschner Rn E 47). Deshalb darf der Unterbringungskostenbeitrag auch vom unpfändbaren Teil der Einkünfte des untergebrachten Patienten einbehalten werden, nicht aber zu Lasten des Hausgeldes (wohl aber zu Lasten des Eigengeldes, s u Rn C 130) und der Ansprüche unterhaltsberechtigter Angehöriger. Freilich geht der Hinweis auf das Hausgeld ins Leere, da der insoweit einschlägige § 47 StVollzG idF des § 199 Nr 2 StVollzG von § 138 StVollzG nicht in Bezug genommen wird. Stattdessen kann auf den k leineren Barbetrag des § 90 II Nr 9 SGB XII (sog Schonvermögen für Sozialhilfeempfänger) zurückgegriffen werden. Danach verbleibt einem Sozialhilfeempfänger als kleinerer Barbetrag eine Summe von 1.600 € in Form eines Grundbetrages, der je nach Personenstand, Alter und Unterhaltspflichten des untergebrachten Patienten um bestimmte Zusatzbeträge zT geringfügig, zT erheblich erhöht wird (Einzelheiten dazu in der VO zur Durchführung des § 90 II Nr 9 SGB XII, BGBl 2003, 3022, 3060). C 120 Der Natur der Sache nach kommt auch keine Inanspruchnahme des Ü berbrückungsgeldes und der Entlassungsbeihilfe (soweit diese landesrechtlich vorgesehen sind, s u C 128) in Betracht (Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal 2009, § 51 Rn 10; Arloth 2008, § 51 Rn 10 und u Rn C 128). C 121 Nach alle dem wird der dem Grunde nach bestehende Kostenbeitragsanspruch nur in wenigen Fällen tatsächlich erhoben, da nahezu jeder untergebrachte Patient im Maßregelvollzug arbeitstherapeutischer Beschäftigung iwS (o Rn C 109) nachgeht. Dies allein schließt jede Zahlungspflicht auch dann aus, wenn der untergebrachte Patient im Einzelfall über außervollzugliche Einnahmen in welcher Höhe auch immer verfügt (so für das Arbeitslosengeld I nach SGB III in Höhe von 973,72 € monatlich: KG, Beschl v 11. 8. 2005 – 5 Ws 341/05 Vollz); das Gleiche gilt für beliebige Vermögensgegenstände. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der arbeitende Patient gänzlich unabhängig von seiner sonstigen Einkommens- und Vermögenslage keinerlei Beiträge zu den Kosten seiner Unterbringung leisten muss. Dieses Ergebnis ist nicht sachgerecht, wegen der eindeutigen Gesetzeslage aber unausweichlich. Demnach trifft in der Praxis die Zahlungspflicht den nicht arbeitenden Rentner, weil dieser über außervollzugliche Einkünfte verfügt (LG Celle, NStZ-RR 2008, 294); dabei bleibt ihm allerdings immer noch ein Betrag frei, der dem mittleren Arbeitsentgelt in den Vollzugsanstalten des jeweiligen Landes entspricht, § 50 I 3 StVollzG (im Falle OLG Celle, Beschl v 13. 10. 2007 – 1 Ws 377/07 , NStZ – RR 2008, 294: € 222,18), s auch o Rn C 107 aE. cc)
Abweichendes Landesrecht?
C 122 Die Regelung des § 138 II StVollzG (zur Anwendbarkeit: Rn C 38 und C 101) ist abschließend, auch was die Besonderheiten des Maßregelvollzuges angeht (§ 138 II 2 StVollzG). Außer in den genannten Fällen darf der untergebrachte Patient daher nicht an seinen Unterbringungskosten beteiligt werden. Nach altem Recht blieb kein Raum für abweichendes Landesrecht (Volckart/Grünebaum 2003, 231; AK-StVollzGPollähne 2006, § 138 Rn 19; aA ohne nähere Begründung noch: Arloth 2008, § 138 Rn 4). Seit Inkrafttreten der „Föderalismusreform I“ (1. 9. 2006) liegt die Kompetenz für den Straf- und Maßregelvollzug und damit auch für die damit zusammenhängenden Kostenfolgen bei den Ländern (o Rn C 38), die insoweit aber keinen Gebraucht gemacht haben (o Rn C 101). dd)
Zuständigkeit und Rechtsmittel
C 123 Zuständig für die Festsetzung und Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehörde und damit die Staatsanwaltschaft. Landesrecht kann durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen – davon sollte in dem Sinne Gebrauch gemacht 102
Fritz Baur
VI. Kosten und Finanzierung; Pfändungsschutz
werden, dass das jeweilige Maßregelvollzugskrankenhaus hierfür zuständig gemacht wird (entsprechend der Regelung des § 50 I 1 StVollzG, wonach die Vollzugsanstalt von dem Gefangenen den Haftkostenbeitrag erhebt). Die Landesregierungen können gemäß § 50 V StVollzG durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen, etwa das Krankenhaus selbst für zuständig erklären (Volckart/Grünebaum 2009, 317). Der Kostenbeitrag wird nach § 138 II 4 auch dann als Justizverwaltungsabgabe er- C 124 hoben, wenn dies durch andere als Justizbehörden geschieht. Damit findet auch in diesen Fällen die Justizbeitreibungsordnung Anwendung (§ 1 I Nr 6 JBeitrO). Gegen die Festsetzung des Kostenbeitrages ist die Erinnerung zum Landgericht gegeben (s u Gericke Rn K 26 mwN). b)
Landesrechtliche Regelungen
Nunmehr gilt: Der gesamte Straf- und Maßregelvollzug unterliegt der Gesetzge- C 125 bungskompetenz der Länder (Rn C 38), die jedoch insoweit keinen Gebrauch davon gemacht (Rn C 122), sondern vielmehr §§ 136 bis 138 StVollzG für weiterhin anwendbar erklärt haben (Rn C 101). Gegenstandslose Verweise auf den mit Wirkung vom 15. 12. 2001 – also vor rund C 126 8 Jahren – außer Kraft gesetzten § 10 JVKostO finden sich nach wie vor in NW § 14 II und SaAn § 29 (vgl o Rn C 101).. Eine Kostenbeitragsregelung eigener Art normieren Bran § 51, Bre § 51, Hbg § 34, C 127 MeVo § 45, N W 30 II, RhPf § 25, Saar § 29, Sachs § 38, SaAn § 34: Danach trägt das jeweilige Land die Kosten, soweit nicht der Patient zu den Kosten beizutragen hat. Diese Regelungen sind wegen § 138 II StVollzG überflüssig, darüber hinaus auch insoweit irreführend, als ein Kostenbeitrag des untergebrachten Patienten nicht die Kostenpflicht, sondern lediglich die Kostenlast des Landes beschränkt (o Rn C 92 f). c)
Pfändungsschutz (§ 138 I 2 StVollzG)
Überbrückungsgeld und Entlassungsbeihilfe (so Rn C 120) sind gemäß § 138 I 2 C 128 StVollzG unpfändbar (u Pollähne Rn F 108). Überbrückungsgeld soll den notwendigen Lebensunterhalt des entlassenen Patienten und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten 4 Wochen nach der Entlassung sichern, § 51 I StVollzG. Soweit in dieser Hinsicht Bundesrecht nicht vorhanden ist – das ist der Fall –, können die Länder entsprechende Regelungen herbeiführen (s u Marschner Rn E 65 ff; AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 18). Machen die Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch, so greift der genannte Pfändungsschutz, ansonsten geht die Vorschrift ins Leere. Entsprechendes gilt für die Entlassungsbeihilfe, die ein Gefangener erhält, soweit C 129 seine eigenen Mittel nicht ausreichen. Sie umfasst eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie eine Überbrückungsbeihilfe und erforderlichenfalls ausreichende Kleidung, § 75 I StVollzG. Soweit entsprechende landesrechtliche Regelungen nicht existieren (u Marschner Rn E 69), geht auch diese Pfändungsschutzregelung ins Leere (Arloth 2008, § 138 Rn 3) Der Anspruch eines untergebrachten Patienten auf Auszahlung seines Eigengeldes C 130 ist nach § 51 IV 2 StVollzG pfändbar (s o Rn C 119). Soweit das Eigengeld aus Arbeitsentgelt für eine Beschäftigung gebildet worden ist, finden die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO und der Pfändungsschutz gemäß § 850k ZPO keine Anwendung (BGH ZfStrVo 2004, 369 = StV 2004, 558; o Rn C 119; u Marschner Rn E 47).
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C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
VII. Besuchskommission, Beschwerden, Rechtsbehelfe Kommentierte Normen: BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– Art 21 §§ 38, 40 §§ 32, 33, 48, 49 §§ 36, 37 § 48 § 39 II 1 Nr 5 §§ 31, 37
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§ 24 § 32 § 23 §§ 26, 27 – § 32 § 16 §§ 24, 25, 39 I
VII. Besuchskommission, Beschwerden, Rechtsbehelfe
1.
Allgemeines
C 131 Nur wenige Bereiche, in denen staatlicher Zwang ausgeübt werden kann, zeichnen sich durch eine so tiefgreifende Eingriffsintensität aus wie der Maßregelvollzug (Volckart/Grünebaum 2009, 295; BVerfG, Beschl v 9. 1. 2006 – 2 BvR 443/02). Neben dem Freiheitsentzug sieht der untergebrachte Patient sich mit einer Vielzahl weiterer Beschränkungen konfrontiert (u Lesting Rn G 72). C 132 Diese können nahezu jeden Lebensbereich betreffen: Wohnen, Kleidung, Ernährung, Besitz von Sachen, Binnen- und Außenkontakte, Beschäftigung und Arbeit. Darüber hinaus sieht er sich aber auch Forderungen nach Mitwirkung an der eigenen Rehabilitation ausgesetzt. Die damit verbundenen Eingriffe, Beschränkungen und Anforderungen gewinnen dadurch noch erheblich an Bedeutung, dass sie sich über Jahre, nicht selten Jahrzehnte erstrecken. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass die Durchsetzungskraft und Selbstbehauptungsmöglichkeit der untergebrachten Patienten oft beschränkt sind (Widmaier-Berthold et al 1998, 28; Lesting 1998, 33; NK-StGBBöllinger § 63 Rn 19; Stolz/Lochmann 1995, 12). C 133 Aus alledem folgt, dass eine Rechtsaufsicht im klassischen Sinn allein nicht in der Lage ist, die Einrichtungen sach- und fachgerecht zu überwachen und die Rechte der untergebrachten Patienten zu wahren. Auch der individuelle formale Rechtsschutz führt faktisch selten zum Erfolg (Lesting 1998, 33 mwN). Daher hatte sich schon früh die Überzeugung gebildet, dass im Rahmen der (psychiatrischen) Unterbringung auch andere Formen der Kontrolle gesucht werden müssen. Sie wurden gefunden in dem Instrument der „Besuchskommission“ (zur Notwendigkeit solcher Möglichkeiten der Konfliktschlichtung: u Gericke Rn K 19 f). Im Übrigen gewinnt der Gedanke zur Errichtung (unabhängiger) Beschwerdestellen in der Psychiatrie an Raum (Uebele 2008, 179; Hamann et al 2008, 122). C 134 Im Strafvollzug bestimmt § 108 StVollzG, dass der Gefangene Gelegenheit erhält, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden. Dieses strafvollzugliche Beschwerderecht ist mangels Verweises im Maßregelvollzug nicht anwendbar (AK-StVollzG-Pollähne, § 138 Rn 25). Allerdings haben einige Länder (B Bran, Bre, Hess, Saar) ein eigenständiges Beschwerderecht vorgesehen, dazu unten Rn C 140). 2.
Besuchskommission im Maßregelvollzug
C 135 Soweit ersichtlich finden sich die ersten rechtlichen Grundlagen für die Tätigkeit einer Besuchskommission im NWPsychKG von 1969. Inzwischen hat diese Form der „Aufsicht“ weite Verbreitung in der psychiatrischen Versorgung gefunden und erstreckt sich in fast allen alten Ländern (Ausnahme: Berl, Hess, BW) und in Bran, Bre, SaAn, Thür und MeVo auch auf den Bereich des Maßregelvollzuges. Die Begrifflichkeiten sind unterschiedlich; wenn auch meist von Besuchskommission die Hbg), Ausschuss Rede ist, so finden sich auch Begriffe wie A ufsichtskommission (H 104
Fritz Baur
VII. Besuchskommission, Beschwerden, Rechtsbehelfe
für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung, Besuchskommissionen (N Nds und SaAn), oder Beratende Kommission (B Berl). Im Folgenden wird der Begriff „Besuchskommission“ generell verwandt. Berl, Bran, SH und Thür haben darüber hinausgehend für geschlossene Einrichtun- C 136 gen das Institut des Patientenfürsprechers geschaffen (näheres dazu u Lesting Rn G 72 und ders 1989, 33). 3.
Tätigkeit der Kommission
Allgemeiner Zweck der Besuchskommission ist es, die Einrichtungen dahin zu C 137 überprüfen, ob die mit dem Maßregelvollzug verbundenen Aufgaben erfüllt und die Rechte der Patienten gewahrt werden (Bran; Bre; Hbg; Nds; RhPf; Saar; SaAn; Bay; MeVo; Thür). Dies kann sich erstrecken auf – die Ü berprüfung der stationären Unterbringung, die Verpflegung und Kleidung psychisch Kranker sowie die hygienischen und allgemeinen Verhältnisse, – die Entgegennahme mündlicher und schriftlicher Anregungen, Wünsche und Beschwerden von Patienten, Überprüfung und Auswertung sonstiger schriftlicher Anregungen, Wünsche und Beschwerden von Patienten – Berichte über die Durchführung von Maßnahmen zur Versorgung psychisch Kranker und die Anregung erforderlicher Maßnahmen. Dabei wird Wert darauf zu legen sein, dass diese Überprüfung nicht auf dem schrift- C 138 lichen Berichtsweg stattfindet, sondern im Rahmen von Besuchen und p ersönlicher Inaugenscheinnahme durchgeführt wird. Dies sehen sämtliche einschlägigen Regelungen vor. Dem Zweck der Überprüfung entsprechend muss die Kommission ihre Besuche regelmäßig (in Abständen von 1 bis 2 Jahren) und auch ohne Anmeldung durchführen. Nur dann kann ein einigermaßen objektives Bild von der Qualität der Aufgabenerfüllung gewonnen werden. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Recht auf Einsicht in die Patientenunterlagen und die Pflicht der Einrichtung, gewünschte Auskünfte zu erteilen und Stellungnahmen abzugeben. 4.
Berichtsnotwendigkeit
Die Funktion der Besuchskommission darf sich aber nicht in den genannten Einzel- C 139 positionen erschöpfen. Die von ihr erhobene Bestandsaufnahme muss, um Wirksamkeit entfalten zu können, in einen Bericht an die zuständigen Stellen einfließen. Dies sollte mindestens die A ufsichtsbehörde (B Bran; NW; SH; RhPf; Berl, Thür), besser noch die parlamentarische Vertretung (B Bre; Hbg; Saar; Bay; MeVo) sein. So ist sichergestellt, dass die Öffentlichkeit beteiligt wird und festgestellte Mängel beseitigt werden (s auch oben Rn C 85). 5.
Allgemeines Beschwerde- und Antragsrecht
Einige Länder (B Bran, Bre, Hess, Saar) räumen den untergebrachten Patienten die Ge- C 140 legenheit oder gar das Recht ein, sich mit ihren Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Leitung der Einrichtung zu wenden (s auch o Rn C 85). Aber auch in den übrigen Ländern haben die untergebrachten Patienten aus Art 17 GG und entsprechenden Bestimmungen der Länderverfassungen das Recht, sich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Dieses subjektiv-öffentliche Recht richtet sich auf sachliche Prüfung und Erteilung eines schriftlichen Bescheides. Darüber hinaus ergibt sich ein j ederzeitiges Antragsrecht aus allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht (§§ 24 ff VwVfG; AK-StVollzG-Pollähne § 138 Rn 25; weitere Einzelheiten dazu unten Gericke Rn K 20 – K 22).
Fritz Baur
105
C. Vollzugsgrundlagen, Organisation und Finanzierung
6.
Dienstaufsichtsbeschwerde
C 141 Jeder untergebrachte Patient kann sich unabhängig von einem förmlichen Rechtsbehelf oder von der formellen Beschwerde mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde (ausdrücklich Bran § 32 III) an eine übergeordnete Behörde wenden mit der Anregung zur Nachprüfung eines Vorgangs oder zum Einschreiten gegen ein beabsichtigtes oder vollzogenes Vorgehen. Auch dieses Recht bedarf keiner ausdrücklichen Normierung (unten Gericke Rn K 21; AK-StVollzG-Pollähne 2006, § 138 Rn 25) und gilt auch im Maßregelvollzug. 7.
Rechtsbehelfe
C 142 § 138 III StVollzG (zur Geltung s Rn C 38 und C 101) schreibt für das g erichtliche Verfahren die entsprechende Anwendung der §§ 109–121 StVollzG vor (dazu ausführlich unten: Gericke Rn K 33 ff).
106
Fritz Baur
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug D. Behandlung Bernd Wagner
D. Behandlung I.
Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
Spezielle Literatur: Schumann/Dimmek 1987; Baur 1988, 174 ff; Jockusch 1990; Holtus 1991.
1.
Krankheitsbegriff
Die Behandlung setzt Klarheit über ihren Gegenstand voraus. Der Krankheitsbegriff D 1 ist im Maßregelvollzug zum Teil juristisch geprägt, zum Teil psychiatrisch und nicht immer identisch mit der Alltagsbedeutung (ausführlich Marschner/Volckart 2001 Rn A 98 ff). a)
Anlasskrankheit – sonstige Erkrankungen
Wegen der unterschiedlichen Bedingungen für die Behandlung ist es zunächst wich- D 2 tig, zwischen sog Anlasskrankheiten und sonstigen Krankheiten zu unterscheiden (Baumann J 1980, 1874; Baur 1982b, 126; Volckart/Grünebaum 2009, 225 ff). Anlasskrankheiten bilden den Anlass für die Unterbringung. Sie sind damit Gegenstand der Behandlung im engeren Sinne (vgl Rn D 11 ff). Nicht alle psychischen Störungen oder Suchterkrankungen sind Anlasskrankheiten, sondern nur dann, wenn sie der Grund für die Unterbringung waren. Dabei kommt es allerdings nicht auf die Diagnose im Urteil oder in dem dort zugrunde liegenden Sachverständigengutachten an, sondern auf das im Urteil beschriebene und psychiatrisch zu definierende Phänomen, welches die Gefahr von Straftaten begründet. Die Anlasskrankheit kann Veränderungen während des Vollzuges unterworfen sein, so dass auch das uU wesentlich geänderte Krankheitsbild als Anlasskrankheit gilt, solange der weiteren Vollstreckung nicht die Grundlage entzogen ist, weil die Anlasskrankheit als geheilt und eine evt bestehende weitere Gefährdung nicht mehr auf dem Sachverhalt beruht, der dem Einweisungsurteil zugrunde liegt. Sonstige Krankheiten sind zunächst alle jene Gesundheitsbeeinträchtigungen, unter denen der Untergebrachte wie jeder andere Mensch leidet (sog interkurrente Erkrankungen). Das können Alltagsbeschwerden wie Zahnschmerzen und Kopfweh, Verletzungen und Knochenbrüche aber auch lebensbedrohliche Erkrankungen sein (zur Aids-Problematik vgl Rn D 70); bei Letzteren stellt sich allerdings die vollstreckungsrechtliche Frage der Vollzugstauglichkeit (Rn D 66 – vgl auch OLG München StV 1997, 262). Psychische Störungen und Suchterkrankungen, die mit der Unterbringung nichts zu tun haben, etwa weil sie ausschließlich zur Selbstgefährdung führen, zählen ebenso zu den sonstigen Krankheiten wie solche, die erst während des Maßregelvollzugs entstehen (zu sog Hospitalisierungschäden vgl Finzen 1974). Diese Krankheiten werden nicht nach dem Behandlungsrecht im engeren Sinne sondern nach den allgemeinen Vorschriften zur Gesundheitsfürsorge behandelt (Marschner Rn E 11 ff). Eine besondere Form von „Anlasskrankheit“ liegt vor, wenn Patienten aus einer an- D 3 deren Form des Freiheitsentzugs in den Maßregelvollzug z ur Behandlung verlegt werden (Gericke unten Rn K 13–15). Dann bildet die psychische Störung oder Sucht zwar den Anlass für die Verlegung und damit für den Aufenthalt in der Maßregelvollzugseinrichtung. Für die zur Behandlung verlegten Patienten handelt es sich aber um eine sonstige Krankheit, die mit dem Grund ihres Freiheitsentzugs nichts zu tun hat. Diese Krankheiten werden also nach den Regeln für die sonstigen Krankheiten behandelt. Bernd Wagner
107
D. Behandlung
b)
Medizinischer Krankheitsbegriff – juristischer Krankheitsbegriff
D 4 Die Unterbringung im Maßregelvollzug setzt ein psychiatrisches Gutachten voraus (§ 246a StPO). Das Urteil muss in den Gründen angeben, welche psychische Störung iSd §§ 20, 21 StGB vorliegt. Deshalb liegt jeder Unterbringung zunächst einmal der in § 20 StGB Gesetz gewordene sog j uristische Krankheitsbegriff zugrunde (Kammeier oben Rn A 40 ff). Wegen dessen Unzulänglichkeit für die psychiatrische Begutachtung wird das Krankheitsbild in den Gutachten und Urteilen aber oftmals mit anderen Kategorien beschrieben. Die Psychiatrie definiert die Krankheitsbilder häufig nach vereinheitlichten Diagnosebegriffen. Gebräuchlich ist das von der WHO herausgegebene ICD (International Codification of Diseases) zur Verschlüsselung von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung (ICD-10-GM Version 2008). Verwendung findet auch das DSM IV R Manual der American Psychiatric Association (in deutsch von Saß et al 2003). Diese Klassifizierungen haben für die strafrechtliche Begutachtung keine verbindliche aber doch eine gewisse Bedeutung (BGH StV 1991, 428; BGH R&P 1992, 144; BGH R&P 1997, 182). Der traditionelle psychiatrische Krankheitsbegriff klassifiziert vor allem nach körperlich begründbaren und anderen psychischen Störungen (Haddenbrock 1972, 1388 ff; Bräutigam 1985, 5, 53; Göppinger Hans 1980, 181 ff). c)
Therapieorientierter Krankheitsbegriff für den Maßregelvollzug
D 5 Der den §§ 20, 21 StGB zugrunde gelegte juristische ist ebenso wie der traditionelle psychiatrische Krankheitsbegriff für den Maßregelvollzug unbrauchbar (Rasch 1982, 182; Leygraf 1988, 45). Der juristische zielt auf die normativ zu bestimmende Schuldfähigkeit und gibt damit keine Grundlage für Behandlungsansätze. Der traditionelle psychiatrische Krankheitsbegriff grenzt alle Konfliktreaktionen, Neurosen, Persönlichkeitsstörungen als Spielarten des menschlichen Wesens aus der Zuständigkeit der Psychiatrie weitgehend aus (Göppinger Hans 1980, 183, 204 ff; zur Kritik Mrozynski 1985, 5 f; Bauer 1974) und erklärt die Psychiatrie damit als unzuständig für eine Patientengruppe, die über die sogenannten seelischen Abartigkeiten des § 20 StGB in den Maßregelvollzug gelangen und dort fast die Hälfte der Untergebrachten ausmacht (vgl zum Problem Athen 1985, 40). D 6 Ein für Diagnostik und Therapie zugleich geeigneter strukturell-sozialer Krankheitsbegriff wurde von Rasch entwickelt (1982, 182 ff; ähnlich zuvor Venzlaff 1977a, 255; ausführlich auch Marschner/Volckart 2001 Rn A 102 ff), der an der Art und am Grad der Verminderung sozialer Handlungskompetenz ansetzt, psychologische Erkenntnisse mit einbezieht, die Abweichung in ihrem sozialen Kontext betrachtet und so die Grundlage für die Entwicklung von Behandlungskonzepten bietet. Es ist wünschenswert, dass sich dieser Krankheitsbegriff in den Sachverständigengutachten und im Maßregelvollzug durchsetzt (vgl Baur 1988, 191). D 7 Für die Bedürfnisse des Maßregelvollzugs sollten die psychischen Störungen zumindest nach folgenden Gruppen unterschieden werden (in Anlehnung an Leygraf 1988, 14; vgl auch Schumann 1987, 27 f): – hirnorganische Störungen – schizophrene Psychosen einschließlich der paranoiden Syndrome – affektive Psychosen – Persönlichkeitsstörungen ohne Minderbegabung – Persönlichkeitsstörung mit Minderbegabung – intellektuelle Behinderung mit deutlichen Verhaltensstörungen – primäre Suchterkrankungen. Weitere Differenzierungen sind für die Behandlungsplanung nötig (Rn D 89), weil zB therapeutische Konzepte für Heroinabhängige anders lauten als für Alkoholkranke und eine sexuelle Devianz unter Umständen anders zu behandeln ist als eine narziss108
Bernd Wagner
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
tische Persönlichkeit. Zu überlegen ist, ob eine therapeutisch orientierte Klassifikation auch Aussagen zu Art und Ausmaß der Gefährdung und zu dem Maß an Dissozialität enthalten muss (vgl Schumann 1993, 16 f in Spalte 2), wobei aber Vorsicht geboten ist, weil solche Etikettierungsprozesse zu unberechtigten Verfestigungen neigen. 2.
Behandlungsbegriff
a)
Ärztlicher und juristischer Behandlungsbegriff
Der ärztliche Behandlungsbegriff erfasst alle medizinischen oder psychotherapeu- D 8 tischen Maßnahmen, die auf die Ursachen oder Symptome einer Krankheit einwirken können. Das ärztliche Handlungsideal orientiert sich am Wohl des Kranken, dessen Beschwerden gelindert, gebessert oder geheilt werden sollen (Seidler 1979, 79; Illhardt 1985, 13, 71, 88 ff; Marschner/Volckart 2001 Rn B 183 ff). Demgegenüber wird der juristische Behandlungsbegriff mit anderen Kategorien D 9 ausgefüllt. Mit dem therapeutischen Begriff ist nur die Tendenz der Einwirkung identisch: Behandlung soll die Situation des Patienten verbessern. Die Art der Behandlung kann im juristischen Verständnis aber über ärztliche Maßnahmen hinausgehen und der rechtlich definierte Behandlungsgegenstand ist nicht notwendigerweise eine Krankheit. Wie im Strafvollzug kann die Behandlung auch auf soziale Rehabilitation im Sinne einer Resozialisierung ausgerichtet sein; dann ist die Behandlung eher Sozialarbeit als Medizin. Juristisch betrachtet kann auch die Beseitigung der Gefahr weiterer Straftaten oder Ordnungsstörungen als Ziel der Behandlung definiert werden. Eine Behandlung im Maßregelvollzug ist danach schon erfolgreich und der Patient entlassungsreif (vgl § 67d II StGB), wenn er gelernt hat, sein Verhalten zu steuern, obgleich er weiterhin schmerzlich unter der Krankheit und ihren Symptomen leidet. Damit steht fest, dass der Behandlungsbegriff im Maßregelvollzug nicht medizinisch oder psychowissenschaftlich sondern rechtlich definiert wird. b)
Öffentliches oder privates Behandlungsrecht
Der Grund für das juristische Verständnis des Behandlungsbegriffs liegt im Unter- D 10 schied zwischen den Bedingungen der Behandlung nach öffentlichem und nach privatem Arztrecht (dazu Wagner B 1992a, 105 ff). Findet Behandlung als Ausübung staatlicher Gewalt und damit im Subordinationsverhältnis statt, wird sie wegen des Gesetzesvorbehalts stärker durch rechtliche Regeln bestimmt als bei der privatrechtlichen Behandlung im Verhältnis juristisch gleichberechtigter Vertragspartner. Wer sich seinen Arzt selbst aussucht und bei der Behandlung mitbestimmt, hat sich für den ärztlichen Behandlungskontext entschieden. Wem dagegen die Behandlung durch staatliche Gewalt aufgezwungen wird, der befindet sich im staatlichen und damit juristischen Behandlungskontext. Je mehr die Behandlung im öffentlichen Unterbringungsrecht wurzelt, um so mehr Behandlungszwang muss sich der Patient gefallen lassen und um so mehr ist der Therapeut rechtlichen Regeln verpflichtet. Umgekehrt erklärt sich dann auch, dass sich der juristische und der ärztliche Behandlungsbegriff um so mehr decken, wie die Behandlung im Maßregelvollzug dem gleichgeordneten privatrechtlichen Behandlungsverhältnis angeglichen wird. Allerdings bleibt es unter den organisatorischen Bedingungen des Maßregelvollzugs stets beim Regime des öffentlichen Maßregelvollzugsrechts, selbst wenn sich der Patient aus seiner Sicht dort freiwillig aufhält. Dies gilt auch für Haftungsfragen (BGH NJW 2008, 1444; BGHZ 38, 49). c)
Enger und weiter Behandlungsbegriff
Der rechtlich definierte Behandlungsbegriff entscheidet über den Umfang, die Art D 11 und die Zulässigkeit von Einwirkungen auf den Patienten, um seine Situation zu Bernd Wagner
109
D. Behandlung
verbessern. Der enge Behandlungsbegriff bezieht sich auf die Therapie der Anlasskrankheit; dies ist gemeint, wenn die Ländergesetze von „Heilbehandlung“ sprechen. Er steht dem weiten Behandlungsbegriff gegenüber, der wie im Strafvollzug das gesamte Feld der Interaktion und Kommunikation zwischen dem Untergebrachten und seinen Bezugspersonen umfasst (vgl Marschner 1982, 177; Calliess/Müller-Dietz StVollzG § 4 Rn 6). Keine Behandlung sondern unmittelbarer Zwang sind Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung, auch wenn sie mit therapeutischen Mitteln erfolgen (dazu Rzepka unten Rn H 36, H 49 ff). D 12 Kategorisch lässt sich Folgendes sagen: Soweit es um den Anspruch der Patienten auf Behandlung geht, leitet sich dessen Inhalt aus den Gesichtspunkten des Sonderopfers (dazu Pollähne oben Rn B 34 ff) und des Sozialstaatsprinzips ab. Deshalb umfasst die Behandlung im Anspruchskontext all jene Maßnahmen, die dem Patienten das Sonderopfer der Unterbringung erträglicher machen. Dann kann Behandlung also nicht nur die Therapie der Anlasskrankheit und ihrer Symptome bedeuten, sondern erfasst darüber hinaus die allgemeine Krankenfürsorge und die Rehabilitation bzw resozialisierende Behandlung. Lockerungen können aus „Behandlungsgründen“ nötig sein, obwohl sie den eigentlichen Heilungsprozess nicht fördern sondern uU nur der Integration/Rehabilitation dienen. Hier gilt also der w eite Behandlungsbegriff (vgl Pollähne unten Rn F 14 ff). D 13 Dagegen ist Behandlung gegen den Willen des Patienten und damit jene, die in Rechte des Patienten eingreift, eng zu verstehen und erfasst nur die Behandlung von Anlasskrankheiten mit dem Ziel der Herstellung der Entlassungsreife nach § 67d II StGB. Auch dies ergibt sich aus der Rechtfertigung des Maßregelvollzugs als Sonderopfer. Eingriffe lassen sich nur aus dem Zweck des Maßregelvollzugs ableiten. Danach sind solche Straftaten zu verhindern, die ihren Grund in der Sucht oder psychischen Störung haben. Behandlungseingriffe sind also grundsätzlich n ur zur Therapie der Anlasskrankheit zulässig. Dies gilt vor allem für jene „Behandlungen“, die ihrer Form nach Ordnungsmaßnahmen, Sicherungsmaßnahmen oder Lockerungsmaßnahmen sind (Pollähne Rn B 32, B 63). Wird unter Behandlungsgesichtspunkten eine Lockerung versagt, ein Besuch abgelehnt, ein Brief nicht weitergegeben, der Patient gefesselt oder ins Zimmer eingesperrt, so können damit verfolgte therapeutische Ziele nur solche sein, die mit der Anlasskrankheit zusammenhängen (unten Rn D 50 sowie Pollähne unten Rn F 74 ff; Lesting Rn G 29). Alle diese Eingriffe sind also von vorneherein unzulässig, soweit sie sich allein auf eine rehabilitative, resozialisierende, eingliedernde oder allgemein gesundheitsfördernde Behandlung berufen. Würde man hier den weiten Behandlungsbegriff zulassen, wie er im Strafvollzug gilt (BT-Drs 7/918, 45; Calliess/Müller-Dietz StVollzG § 4 Rn 6; zur Kritik AK-StVollzG-Feest/Lesting vor § 2 Rn 6), so wären die Grenzen des Sonderopfers gesprengt. Im Strafvollzug wird der Zwang zur Resozialisierung als eine der Belastungen gerechtfertigt, die mit Strafe verbunden sind (vgl BVerfGE 35, 202, 235; 33, 7 f; Calliess/Müller-Dietz StVollzG § 2 Rn 6). Diese Rechtfertigung lässt sich auf den Maßregelvollzug nicht übertragen, da die Unterbringung keine Strafe sein darf. Dies gilt umso mehr, als sich herausgestellt hat, dass der weite Behandlungsbegriff ein modernes Repressionsinstrument geworden ist und sich unter seiner Herrschaft Disziplinierung und Therapie nicht mehr unterscheiden lassen (Mrozynski 1984, 139; Volckart 1985a, 32; AK-StVollzG-Feest/Lesting vor § 2 Rn 13 ff). Resozialisierende Zwangsbehandlung oder die zwangsweise Behandlung von allgemeinen Erkrankungen (außerhalb § 101 StVollzG bzw der entsprechenden Landesgesetze) oder Zwangsrehabilitation ist deshalb weder unmittelbar noch in Verknüpfung mit Einschränkungen sonstiger Rechte der Patienten möglich, selbst wenn die Maßnahme nach ärztlichem Verständnis eine Behandlungsmaßnahme sein soll (vgl Pollähne 1992, 47 ff zu LG Marburg R&P 1992, 67 f; BVerfG – 2 BvR 882/09 B v 22. 6. 2009). Soweit in einzelnen Landesgesetzen bei der Zwangsbehandlung nicht zwischen Anlass- und sonstigen Krankheiten unterschieden sondern allgemein auf die „Behandlung“ abgestellt (S SaAn § 8 I) und auch die Re110
Bernd Wagner
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
habilitation aufgeführt wird (B Bay Art 13 I 2; Berl §§ 46 iVm 30 I 1), gilt nichts anderes. Zur missverständlichen Bezeichnung von Rehabilitations- und Eingliederungsmaßnahmen als „Heilbehandlung“ in § 8 I 2 B W und Art 13 I S 2 Bay vergleiche Rn D 105. Zu der Frage, inwieweit Behandlungsgründe überhaupt Freiheitsbeschränkungen ermöglichen vergleiche unten Rn D 50 und Pollähne Rn F 74 ff. 3.
Behandlungskonzepte und Rahmenbedingungen
a)
Behandlung von Maßregelpatienten nach §§ 136, 137 StVollzG
Es ist missverständlich, wenn nach § 136 StVollzG ärztliche Gesichtspunkte domi- D 14 nieren sollen. Nur soweit die Behandlung im Maßregelvollzug auf freiwilliger Basis und im Einklang mit dem geäußerten und tatsächlichen Interesse des Patienten erfolgt und also mit der privatrechtlichen Behandlung vergleichbar ist, spielen die ärztlichen Gesichtspunkte eine maßgebliche Rolle. § 136 StVollzG bezieht sich dabei nur auf die Behandlung von Anlasskrankheiten D 15 und nicht auf sonstige Erkrankungen, die mit dem Unterbringungsgrund nichts zu tun haben. Solche Krankheiten werden aus sozialstaatlicher Fürsorgepflicht gegenüber den Untergebrachten in Anlehnung an die Regeln des privaten Arztrechtes behandelt (zur Zwangsbehandlung vgl Rn D 146 ff). Es gilt also im Wesentlichen der medizinische Behandlungsbegriff und dasselbe wie im Strafvollzug, der in diesem Zusammenhang ebenfalls ohne § 136 StVollzG auskommt. Durch einen Vergleich mit dem Strafvollzug wird zudem deutlich, dass § 136 D 16 StVollzG auch nicht jene (re-) sozialisierenden Maßnahmen erfasst, die dort den sog Behandlungsvollzug konkretisieren. Im Maßregelvollzug wird diese Form der Eingliederungshilfe als Rehabilitation bezeichnet, die weit mehr mit Sozialpädagogik und Sozialarbeit zu tun hat als mit Medizin. Und schließlich darf mit § 136 StVollzG nicht jedwede Vollzugsmaßnahme als Be- D 17 handlung bezeichnet werden (Beispiele bei KG R&P 1985, 34 ff mit abl Anm von Volckart; Wagner B 1992a, 97, 156 ff). § 136 StVollzG verführt geradezu zum Etikettenschwindel (vgl Rn D 50). Würde man den gesamten Vollzug als ärztliche Maßnahme begreifen, hätte man anstelle des abgeschafften besonderen juristischen Gewaltverhältnisses ein ebenso grundrechtsvernichtendes ärztliches Gewaltverhältnis geschaffen (Volckart/Grünebaum 2009, 227; Wagner B 1992a, 102 ff). Die verschiedenen Eingriffsziele müssen streng auseinandergehalten werden, weil Sicherungs-, Ordnungsund Behandlungsmaßnahmen unterschiedliche Voraussetzungen haben (vgl BVerfG R&P 2007, 211; BVerfG R&P 2008, 227; OLG Hamburg R&P 2007, 203). Wird im Interesse der Umwelt des Patienten gehandelt, so handelt es sich um Sicherungsmaßnahmen. Wird im Interesse der Anstalt gehandelt, so liegt eine Ordnungsmaßnahme vor. Wird im Interesse einer Eingliederung gehandelt, so handelt es sich um Rehabilitation. Ob diese Interessen mit therapeutischen Mitteln verfolgt werden, kann mit der Frage ergründet werden, inwieweit die konkrete Maßnahme auch ohne spezielle Kenntnisse der Psychowissenschaften getroffen werden konnte (AK-StVollzG-Pollähne § 136 Rn 12), was oftmals mit einer gedanklichen Verlagerung des Falles in den Strafvollzug plastisch wird. § 136 StVollzG ordnet also keineswegs die Hypertrophie der „ärztlichen“ Gesichtspunkte für den gesamten Maßregelvollzug an, sondern formuliert den Anspruch, dass der Maßregelzweck nicht mit dem Handlungsarsenal des Sicherheitsinspektors sondern in erster Linie mit t herapeutisch reflektierten Maßnahmen erreicht werden soll. Insofern ist unter der „Behandlung“ iSd § 136 StVollzG nur die Einwirkung auf die Anlasskrankheit zu verstehen und unter den „ärztlichen“ Gesichtspunkten nicht lediglich die medizinischen und psychiatrischen, sondern jene, welche sich als therapeutische Ansätze in den gesamten Psychowissenschaften zum Umgang mit psychischen Störungen entwickelt haben (neuere Übersichten bei Pfäfflin Bernd Wagner
111
D. Behandlung
1997, 59; Staudinger 1997, 467; Scholz 1998, 177; Schalast/Leygraf 1999, 485). Die „ärztlichen“ Gesichtspunkte reduzieren die Therapielandschaft also nicht auf somatisch orientierte Methoden der Psychiatrie und Nervenheilkunde, sondern meinen insbesondere auch Psychotherapie, Verhaltenstherapie, Ergotherapie, Heilpädagogik sowie Sozial- und Milieutherapie (vgl Rn D 36–D 44). D 18 Die Bedeutung des Behandlungsauftrages für den Maßregelvollzug in einer Entziehungsanstalt nach § 137 StVollzG ergibt sich aus dem Anordnungsrecht und dem Vollstreckungsrecht (§§ 64 und §§ 67d V StGB). Diese Maßregel dient ausschließlich der Besserung und sie erledigt sich, wenn die Behandlung keinen Erfolg verspricht (BVerfGE 91,1,31). Die Einrichtungen nach § 64 StGB müssen diesen unbedingten Therapieauftrag mit den besonderen Kompetenzen einer Suchtfachklinik (vgl § 30,31 Thü und 37 Hess) erfüllen. Das Instrumentarium eines Psychiatrischen Krankenhauses reicht dafür in aller Regel nicht aus. Im übrigen gelten für die 64erPatienten aber keine behandlungsrechtlichen Sondervorschriften. Die Rechtsanwendungsprobleme formen sich nur unterschiedlich aus. Während Zwangsbehandlung in der Praxis der Suchttherapie nur selten diskutiert wird, weil eine zwangsweise Suchttherapie nur schwer vorstellbar ist (Volckart/Grünebaum 2009, 287), treten die Probleme verhaltenstherapeutischer Methoden unter den Stichwörtern „negative Verstärker“ und „Leidensdruck“ in den Vordergrund (vgl unten Rn D 37 ff). b)
Krankheitszentriert-ärztliches oder sozialpsychiatrischmultiprofessionelles Behandlungsverständnis
D 19 Obwohl sich § 136 StVollzG entgegen seinem Wortlaut nicht am „ärztlichen Behandlungsmodell“ ausrichtet (Rn D 17), herrscht in den Einrichtungen die ärztliche Leitung mit hierarchischen Entscheidungsstrukturen vor. Die Abweichung vom Normalen wird ärztlich diagnostiziert und behandelt, wobei der Arzt von anderen und nachgeordneten Berufsgruppen unterstützt wird. Einige Ländergesetze zementieren diese Hierarchie unter den Therapeuten, indem Sie Zwangsbehandlungen ausschließlich dem ärztlichen Personal vorbehalten. Dieses Modell wurde schon von der Psychiatrie-Enquete kritisiert und an seiner Stelle eine demokratisch-kooperative Entscheidungsstruktur im Rahmen einer therapeutischen Gemeinschaft verlangt (BT-Drs 7/4201, 24 unter 4.7). D 20 Das sozialpsychiatrische Modell löst diese Forderung ein mit einem multiprofessionellen Behandlungsteam aus Sozialarbeitern, Ergotherapeuten, Pflegepersonal, Psychologen und Ärzten, die auf die Krankheit dadurch eingehen, dass sie sich in einer gesamtheitlichen Betrachtung auch mit dem Patienten und seinem sozialen Umfeld beschäftigen. Milieu-, sozio- und familientherapeutische Methoden stehen damit mindestens gleichberechtigt neben medikamentösen oder Psychotherapien. Die Sozialpsychiatrie arbeitet nach folgenden Grundregeln (Ciompi 1985, 119 f): 1. Systematischer Einbezug des sozialen Umfeldes in die Behandlung; 2. Erarbeitung von konkreten, erreichbaren Behandlungszielen gemeinsam mit dem Patienten, seinen Betreuern und wichtigsten Bezugspersonen; 3. „Polarisierung“ des relevanten sozialen Umfeldes auf die genannten Ziele hin; 4. Aufrechterhaltung einer optimalen personellen und konzeptuellen Kontinuität über genügende Zeiträume; 5. Herstellung einer optimalen Klarheit und Einfachheit im Ganzen sozialen Umfeld des Kranken. Zu den Kommunikationsproblemen im multiprofessionellen Behandlerteam vgl Gerstemann 2008. c)
Stationär – ambulant
D 21 Der rechtliche Rahmen ordnet für den Maßregelvollzug die stationäre Behandlung als Regelbehandlung an. Dies hängt mit der Trennung von Vollzugs- und Vollstreckungsrecht zusammen und ist tatsächlich liberaler als eine ambulante Vollzugskonzeption. Sobald nämlich eine nur noch ambulante Behandlung verantwortet werden kann und der Patient nicht mehr einer stationären Unterbringung bedarf, ist anstelle 112
Bernd Wagner
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
einer Lockerung des Vollzugs die Unterbringung nach § 67d II StGB auszusetzen (vgl auch Freese 2003, 52 ff). Ambulante Therapie ist daher zunächst bei der Nachsorge anzusiedeln (Egg 2004). D 22 Hier können seit der Reform der F ührungsaufsicht zum 13. 4. 2007 gem § 68b I Nr 10 und 11, II StGB gezielt therapeutische Weisungen erteilt werden, bei deren Umsetzung neu eingerichtete forensische Ambulanzen helfen sollen (§ 68a II StGB). Auch stehen für eine ambulante Nachsorge bei nicht übersehbaren Versorgungsdefiziten inzwischen durchaus Einrichtungen wie etwa b etreutes Wohnen in Übergangseinrichtungen zur Verfügung (Wienberg et al 2005 für § 64-Patienten in NRW; Steinböck et al 2004; Dönisch-Seidel/Hollweg 2003, 14 ff für NRW; Bargfrede 1999; Dimmek/Burgfredle 1996; Nawara 1992, 27 f; Warmuth 1990, 110; Stojevic et al 1989, 67). Dort wo Kapazitäten für die Nachsorge vorhanden sind, scheitern mögliche Entlassungen in zahlreichen Fällen aber an einer fehlenden Organisation des Übergangs in diese Nachsorgeeinrichtungen (Mauthe 2003, 149). Dies führt zu Konstellationen, in denen sich die „Unterbringung“ auf eine ambulante Behandlung in der Maßregelvollzugseinrichtung beschränkt (offener Vollzug; Freigang; Langzeitbeurlaubung), weil die Infrastruktur für eine angemessene ambulante Behandlung außerhalb des Maßregelvollzugs nicht besteht (Heinz/Jöckel 1989, 91) oder man die Unterbringung so lange fortdauern lässt, bis die Anschlussstrafe ausgesetzt werden kann (zum therapeutischen Problem Rasch 1991b, 112 f; Wycisk/Noeres 1991, 114; vgl auch Rn D 95 ff). Die Tendenz darf nicht in der Entwicklung ambulanter Behandlungskonzepte unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs liegen, sondern in der Entwicklung geeigneter Nachsorgestrukturen, in die die Patienten entlassen werden können (zu tagesklinischer Intensivbehandlung Heinz/Mayrl 1988, 250 ff; zur gemeindepsychiatrischen Nachsorge bei nach § 64 StGB untergebrachten Patienten Schmitz 1992, 89). Dies ist die Schnittstelle des Maßregelvollzugs zur Gemeindepsychiatrie (Rosemann 2003, 10 ff), wie sie den Empfehlungen der Expertenkommission und der Stellungnahme der Bundesregierung (Bundesminister für Jugend 1988, 621 ff; BT-Drs 11/8494, 7 f) zugrunde liegt. Zur Nachsorge von Maßregelvollzugspatienten in Familienpflege vgl Becker 2008. Zur Wirkungsforschung ambulanter gemeindenaher rückfallpräventiver Therapiekonzepte vgl Lau 2003, 119 ff. Der Vorrang der Entlassung vor der ambulanten Therapie bedeutet aber keines- D 23 falls eine strikte Behandlung in Unfreiheit. Vielmehr sind Lockerungen zumindest als Erprobungsphase ein wesentlicher Bestandteil aller Therapiekonzepte. Insofern ist der Maßregelvollzug über die Lockerungspraxis mit externen rehabilitativen, resozialisierenden und therapeutischen Einrichtungen zu vernetzen. Dies gilt insbesondere für Abhängigkeitskranke, wo die Qualität des Therapieverbunds ein wesentliches Erfolgskriterium ist (BT-Drs 11/8494 S 22; Kühne 1984, 384 f). Ohne vernetzte Behandlung innerhalb und außerhalb der Mauern einer Anstalt ist keine Suchttherapie erfolgreich. Die nachsorgende Behandlung muss im Vollzug als Entlassungsvorbereitung organisiert und in die Wege geleitet werden. Der offene Vollzug ist zulässig, weil er rechtlich als Freiheitsentzug gilt (Bernardi 1994, 11). d)
Behandlung als Resozialisierung
Aus der Untersuchung von Leygraf (1988, 40, 100, 106; ebenso Schalast 1994, 2 ff; Scholz D 24 1998, 177; Müller-Isberner 2004) ergibt sich, dass bei zahlreichen Untergebrachten nicht nur therapeutische Konzepte der Psychiatrie sondern auch r esozialisierende Maßnahmen nötig werden können, wie sie aus dem Strafvollzug bekannt sind. Dort ist der Behandlungsvollzug allerdings in Verruf geraten (AK-StVollzG-Feest/Lesting vor § 2 Rn 6 ff), und der Fehler, aus Behandlungsmethoden Repressionsinstrumente werden zu lassen (vgl Rn D 13), muss im Maßregelvollzug vermieden werden. Ganz auf derartige Maßnahmen beschränken sich Unterbringungskonzepte für therapeutisch angeblich nicht mehr erreichbare Untergebrachte in sog L ongstay-AbteilunBernd Wagner
113
D. Behandlung
gen (vgl Lindemann 2001, 21 und 2002, 8; Osterheider 2002; Muysers 2002; vgl auch oben Rn D 114 und Baur Rn C 34). D 25 Entsprechend dem weiten Behandlungsbegriff soll ein Angebots- oder Chancenvollzug stattfinden (AK-StVollzG-Feest/Lesting § 4 Rn 2 f; vor § 2 Rn 19 f), der Sozialisationsdefizite ausgleichen kann, zB mit Angeboten an die Patienten, an sozialen Trainingskursen, an Ausbildungsmaßnahmen, an Sport- und Freizeitveranstaltungen teilzunehmen. D 26 Zur resozialisierenden Behandlung kann auch eine medizinische Vorsorgung gehören. Wie im Strafvollzug (§ 63 StVollzG; AK-StVollzG-Boetticher/Stöver § 63 Rn 1 ff) sollen Tätowierungen beseitigt, Gebisse reguliert, körperliche Gebrechen durch orthopädische Maßnahmen gelindert, Sprachstörungen beseitigt werden, wenn dies zur Eingliederung erforderlich ist, der Patient dies wünscht oder soweit er einwilligt (Volckart/Grünebaum 2009, 267). e)
Behandlung im Rahmen eines Stufenvollzuges
D 27 Die Grundkonzeption der Behandlung in fast allen Maßregelvollzugseinrichtungen beruht auf einem sogenannten Stufenplan (Leygraf 1988, 156), wonach den Patienten in abgestuften Schritten zunehmend Lockerungen erteilt werden (Pollähne unten Rn F 22). Diese Konzepte sind sowohl aus juristischer (Volckart 1984a) wie aus therapeutischer Sicht (Rasch 1986a) ernstzunehmenden Bedenken ausgesetzt (zusammenfassend Baur 1988, 199 ff). Die Probleme beginnen bei der Bezeichnung als „Behandlung“. Stufenvollzug hat zunächst keine unmittelbare psychotherapeutische Konzeption sondern betrifft die Lockerungen des Vollzuges. Dies ist zu bedenken, wenn mit therapeutischer Begründung Lockerungen abgelehnt werden. Tatsächlich geht es meist nicht um Therapie sondern um das Spannungsverhältnis von Sicherheit und Behandlung. Das zur Rechtfertigung bemühte pädagogische bzw lerntheoretische Konzept des Stufenplans (Binder et al 1981; Gretenkord 1981, 358 f; dazu Rasch 1984a, 35) entlarvt sich oftmals als einfache „Versuchs-Irrtum-Methode“ (Rasch 1986) ohne jede verhaltenstherapeutische Absicherung. Insbesondere fehlt in aller Regel die Verhaltensanalyse als Grundvoraussetzung einer Verhaltenstherapie und die Einbettung in ein individuelles Therapieprogramm (vgl Baur 1988, 202). Ohne diese therapeutisch notwendige und im Maßregelvollzug in aller Regel nicht geleistete Absicherung handelt es sich beim Stufenvollzug um nichts anderes als um ein Instrument, das verwaltungstechnisch einfach zu handhaben ist und Ruhe und Ordnung bewahrt, weil den Patienten keine unterschiedliche Behandlung erklärt zu werden braucht (Schott 1989, 17). Insofern ist es verständlich aber nicht richtig, wenn das Stufenkonzept als unentbehrlich bezeichnet wird (Venzlaff/Schreiber 1981; Leygraf/ Heinz 1984). Therapiefeindlich sind Konzepte, die für jede Stufe einen neuen Organisationsrahmen vorsehen und die Patienten immer wieder aus dem bisherigen Rahmen heraus reißen (vgl zum Konzept in Haina bei Kammeier 1993, 196 ff; Pollähne 1992, 47 ff; anders Kreuzer 1994). Unzulässig ist das Stufenkonzept, sobald es als Disziplinierungsmittel eingesetzt wird (Volckart 1984a). Antitherapeutisch und gegen § 136 StVollzG verstoßend ist der Stufenplan, wenn er unflexibel und starr gehandhabt wird. Es gibt Patienten, die von Anfang an Lockerungen erhalten können, zB weil ihre Psychose unter medikamentöse Kontrolle gebracht ist oder ihre Persönlichkeitsstörung sich nur in bestimmten Konfliktsituationen zeigt, die bei begleiteten Ausgängen nicht auftreten können. D 28 Vom Stufenvollzug zu unterscheiden sind verschiedene Behandlungsphasen, wie sie vor allem bei der Suchtbehandlung üblich sind. Zwar sind auch dort die Phasen mit unterschiedlichen Lockerungsstufen verknüpft, was bei Drogentherapien aber durchaus einem anerkannten Konzept zur Einübung der Therapieerfolge in Freiheit entsprechen kann. Allerdings sind die Verhältnisse dann wie oben zu bewerten, wenn die Phasen nicht in einem Therapieablauf hintereinander geschaltet sind, sondern 114
Bernd Wagner
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
ein beliebiges Auf- und Abstufen zum Zweck der Belohnung und Strafe ermöglichen. f)
Behandlung und Unterbringungsdauer
Da der Patient entlassen werden muss, wenn sich sein Zustand soweit gebessert hat, D 29 dass von ihm keine Gefahr für andere mehr ausgeht, müsste sich in der U nterbringungsdauer die therapeutische Potenz des Maßregelvollzugs ablesen lassen. Die therapeutisch schwer beherrschbaren Persönlichkeitsstörungen müssten zu eher langen Unterbringungszeiten, die therapeutisch gut zugänglichen Psychosen zu kürzeren Unterbringungs- und Behandlungszeiten führen. Die Rechtstatsachen geben aber ein umgekehrtes Bild (Leygraf 1988, 111; in der Tendenz vergleichbar sind die neuen Zahlen aus der Rhein. Landeskliniken bei Höhner 1993, 83 ff). Das kann auf einen untherapeutischen Maßregelvollzug hinweisen. Daraus könnte aber auch der Schluss gezogen werden, dass die Vollstreckungsentscheidungen sich weniger an den Krankheitsbildern als an den drohenden Delikten orientieren, die bei den trotz guter Therapiechancen länger untergebrachten schizophren Erkrankten in der Regel schwerer wiegen, als bei den schwerer therapierbaren Patienten mit Persönlichkeitsstörungen. Letzteres wäre das Grab eines fortschrittlichen, behandlungsorientierten Maßregelvollzugs und es beruhigt, dass Höhner (1993, 85 f) keinen Zusammenhang zwischen Delikt und Unterbringungsdauer feststellen konnte. 4.
Therapiemethoden
Die Psychowissenschaften bieten kein allgemeingültiges Konzept zur Therapie D 30 von Maßregelvollzugspatienten an. Die Unsicherheiten bei Diagnose und Therapie sind noch größer als in der Allgemeinpsychiatrie (Athen 1985, 40), und in einem führenden Lehrbuch der forensischen Psychiatrie steht der Satz: „Angesichts der Entwicklung der Psychologie und Psychiatrie in den letzten Jahrzehnten lässt sich unschwer voraussagen, dass die derzeit gängige Praxis im Umgang mit psychisch gestörten Rechtsbrechern in absehbarer Zeit als vorwissenschaftlich abgetan wird“ (Rasch 1999, 386). Auf der einen Seite werden die Behandlungsmethoden der Allgemeinpsychiatrie als D 31 unzureichend für den Maßregelvollzug beschrieben, wo es um die Zusammenhänge zwischen Geisteskrankheit und Kriminalität geht (Horn 1983, 490; Foerster 1983, 2053; Athen 1985, 40; Leygraf 1988, 106). Auf der anderen Seite wird vielerorts nicht einmal der Standard der Allgemeinpsychiatrie erreicht (Leygraf 1988, 213; Schumann 1993, 14). Das Behandlungsklima in vielen Anstalten ist schlecht. Leygraf fand die Feststellung von Rasch (1984a, 43) bestätigt, dass bei den „Therapeuten“ im Maßregelvollzug eine therapiefeindliche Grundeinstellung herrsche (Leygraf 1988, 155). Andererseits sind spätestens seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts erhebliche Anstrengungen erkennbar, durch Sozialpolitik (Schumann 1993, 13), engagierte Behandlungskonzepte (vgl Übersicht bei Jockusch 1990, 17 ff; Rasch 1989b 115 ff) und Qualifizierungsprogramme für das Personal (Hinz 1992, 128 ff; Streitbürger/Trampe 1990, 121) die Situation zu verbessern. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Maßregelvollzug der Bundesrepublik ein wissenschaftlich ernst zu nehmendes, differenziertes, die vorhandenen therapeutischen Möglichkeiten integrierendes, pluralistisches Therapiekonzept allenfalls in Ansätzen verwirklicht ist. Der Standard wird nach wie vor durch eine medizinisch pharmakologische Einwirkung im Rahmen eines Stufenvollzugs gesetzt (Eickmann 1984, 59), was die Bezeichnung „Therapie“ oft nicht verdient. Pharmakologische Therapie und Stufenvollzug dienen Sicherheits-, Ordnungs- und Verwaltungsinteressen mehr als dem Ziel, eine psychische Störung mit den Erkenntnissen der Psychowissenschaften effektiv zu behandeln. Zum schlechten Zustand der Suchttherapie bei § 64-StGB-Patienten vgl Marneros et al 1993, 169 ff; Schalast 1994, 2 ff; Staudinger 1997, 467; Rebsam-Bender 1995, 158; WagBernd Wagner
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D. Behandlung
ner B 1993, 305; optimistischer Pfaff et al, 1993, 606 ff. Zur Therapie von Sexualstraftätern vgl Kolb 2007; Fontao et al 2006. Zur Differenzierung der Behandlungskonzepte vgl Bauer/Kielsch 2004. Tatsächlich kommen folgende Behandlungskonzepte für den Maßregelvollzug in Betracht (vgl Stolpmann, 2001; Müller-Isberner 2004; Steinböck 2005; Nedopil 2007, 302 ff; Lackinger et al 2008; Müller-Isberner/Eucker 2009. Eine nach Tätergruppen getrennte Darstellung der Behandlungsansätze versucht Leygraf in Kröber et al 2006, 254 ff; aus jur Sicht Holtus 1991, 29–37): a)
Chirurgische Eingriffe
D 32 Chirurgische Eingriffe spielen im Maßregelvollzug nur eine untergeordnete Rolle und haben allenfalls noch bei der Behandlung von Triebstörungen eine gewisse Bedeutung (zur Kastration vgl Wille 1986; Heim 1985, 149; Schumann 1987, 100 f). Die früher zur Behandlung dieser Störungen eingesetzten stereotaktischen Eingriffe werden heute nicht mehr durchgeführt (Schumann 1987, 100), und sollen nach Dörner/Plog (2000, 550) in einigen Ländern sogar gesetzlich verboten sein. Ein interner Sachverständigenbericht zu Hirnoperationen und Röntgenkastrationen in der Nervenklinik Waldheim vom 26. 9. 1990 dokumentiert für die Jahre 1982 bis 1990 drei Fälle von Röntgenkastrationen (Radio-Menolysen), drei Fälle von Lobotomien, sechs Fälle von stereotaktischen Operationen. Insgesamt wurden an neun Patienten zwölf Eingriffe vorgenommen, die in keinem Fall Besserung brachten aber in fast allen Fällen gravierende schädigende Wirkungen hatten. Im Maßregelvollzug sind solche Eingriffe unzulässig (OLG Hamm NJW 1976, 2311 zu stereotaktischen Eingriffen im Strafvollzug). Erhebliche Praktische Bedeutung gewinnt die (nach dem Kastrationsgesetz) den chirurgischen Eingriffen gleichgestellte sog chemischen Kastration (dazu Koller 2008, 190 ff). b)
Elektrokrampftherapie
D 33 Die heute als E lektrokrampftherapie bezeichneten Elektroschocks werden zT als Alternative zur pharmakologischen Behandlung gesehen (Leygraf 1988, 163; LG Hamburg R&P 1995, 49; zu § 1904 BGB LG Hamburg, R&P 1999, 42) und insbesondere bei akut schizophrenen und depressiven Krisen (Batra et al 1999) oder Verfestigungen diskutiert (Dörner/Plog 2000, 546). Diese Therapieform gewinnt wieder an Bedeutung. Über die Situation in Deutschland berichtet Schott, K (1992, 422 ff) in einer Studie über die Behandlung von 45 Patienten, bei denen diese Therapie in Tübingen zwischen 1976 und 1990 angewandt wurde. Nur in den seltenen Fällen akuter perniziöser Katatonien half der Elektroschock. Bei schizoaffektiven Psychosen war die Therapie völlig erfolglos um den Preis nicht unerheblicher Verwirrtheitszustände und Störungen der Merkfähigkeit. Damit scheidet diese Methode jedenfalls zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug aus (vgl Stellungnahme Berliner Nervenärzte in R&P 1983, 30). Offener inzwischen Marschner/Volckart (2001, 189) in Anlehnung an die grundlegende Standortbestimmung der Therapieform bei Zinkler/Schneeweiß (2000, 12). c)
Psychopharmaka und andere Medikamente
D 34 Die Verabreichung von Psychopharmaka ist die am häufigsten anzutreffende Einwirkung auf die Anlasskrankheiten (Schumann 1987, 100: 46,2% regelmäßig und 8,7% gelegentlich; Leygraf 1988, 163: 43,5%; Leygraf/Heinz 1984, 48 ff; Holtus 1991, 13). Die Wirkungsweise von Psychopharmaka ist immer noch weitgehend ungeklärt. Das heilende Phänomen besteht in einer Bekämpfung der Symptome einer psychischen Störung, indem Verhalten, Stimmungen und Gefühle gesteuert werden. Die unerwünschten Nebenwirkungen sind beachtlich und reichen von kurzzeitigen Beeinträchtigungen (zB Müdigkeit, Herzklopfen, Bewegungsarmut, Schwindel, Schweiß116
Bernd Wagner
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
ausbrüche, Gewichtszunahme, Impotenz) über organische und Blutbildveränderungen bis zu schwerwiegenden Langzeitschäden (zB Spätdyskinesien). Deshalb müssen Psychopharmaka entgegen einer hin und wieder noch anzutreffenden Praxis sorgfältig ausgewählt, sorgfältig dosiert und vor allem nur bei strengen Indikationen verabreicht werden (Finzen 1987/1992, 14, 22, 244; Holtus 1991, 94 ff, 147; eine informative Zusammenstellung unter dem Gesichtspunkt des § 1904 BGB gibt Schreiber 1991, 1014). In modernen Behandlungskonzepten spielt der Einsatz sogenannter atypischer Neuroleptika eine immer bedeutendere Rolle. Um den Preis noch nicht ganz erforschter möglicher Langzeitwirkungen und ständig zu überwachender organischer Belastungen sollen mit diesen Medikamenten ua die typischen Nebenwirkungen wie Dyskinesien verringert werden. Es sind nach wie vor Zweifel angebracht, ob Psychopharmaka immer im Rahmen ei- D 35 nes sorgfältig erarbeiteten therapeutischen Konzeptes verabreicht werden (Stolz 1985, 132; Wullweber 1985, 122 ff; vgl auch die Beispiele bei Leygraf 1988, 164 f) und ob der Nutzen gegenüber den unerwünschten Folgen genügend abgewogen wird (instruktives Beispiel bei LG Berlin R&P 1993, 39 ff). Nach der Untersuchung von Leygraf wurden 92% der schizophrenen Langzeitpatienten mit Neuroleptika behandelt, obgleich wissenschaftliche Forschungen erwiesen haben, dass diese Psychopharmaka dauerhaft nur bei jedem zweiten schizophrenen Patienten notwendig sind (Leygraf 1988, 163; Woggon 1979, 55 f). Die pharmakologische Behandlung von Persönlichkeitsstörungen oder gar Minderbegabungen (Schanze 2007, 181 ff) ist häufig eher eine unzulässige Ordnungsmaßnahme oder ein Kunstfehler und wohl nur in Ausnahmefällen ernst zu nehmende Therapie (Leygraf 1988, 164; selbstentlarvend zB Stüttgen 1987: „vertrauensbildende Maßnahme“; Muyers 2007). Alarmierend waren die von Leygraf erhobenen Zahlen, wonach bundesweit 26,4% der intellektuell behinderten Patienten und 20,7% der persönlichkeitsgestörten Patienten Psychopharmaka erhalten haben (1988, 164). Zu vorzugswürdigeren anderen Therapieansätzen bei intelligenzgeminderten Patienten vgl Schanze 2007. Vorsichtig zu beurteilen sind daher optimistische Berichte zu pharmakologischen Behandlungsansätzen wie etwa mit atypischen Neuroleptika gegen Agressionsstörungen (Stadtland et al 2007). Zu den besonderen Voraussetzungen der sog chemischen Kastration mit triebdämpfenden Medikamenten vgl Koller 2008, 190 ff. Die Gabe von Antiandrogenen zur Triebdämmung bei sexuell gestörten Patienten ist therapeutisch umstritten und nach herrschender Auffassung allenfalls zur Stützung einer Psychotherapie indiziert (Sigusch 1980; Schorsch 1993, 475; vgl auch Eher et al 2008). Zur psychotherapeutisch begleiteten medikamentösen – antiandrogenen – Behandlung von Triebstörungen bei Sexualstraftätern vgl Berner et al 2007, insb. 31 ff; Häßler/Schläfke 2004. Zur Behandlung mit sog LH-RH-Agonisten vgl Bussmann/Finger 2009, 129 ff. d)
Psychotherapie
Psychotherapie ist ein Sammelbegriff für psychische Einwirkungen auf den Patien- D 36 ten mit dem Ziel, sein Erleben oder Verhalten zu ändern, indem Störungen der seelischen Entwicklung korrigiert werden. (Lamott/Pfäfflin 2009, 245 ff). Die Formen sind vielfältig; häufig findet Psychotherapie als Gesprächstherapie, Gruppentherapie, Rollenspiel, Psychodrama und Gestalttherapie statt (Tetzlaff 1987, 143 ff; Schott M 1987, 89 ff; Holtus 1991, 30 ff, 73 ff). Insbesondere auch psychoanalytische Verfahren haben ihren Stellenwert im Behandlungskonzept des Maßregelvollzugs (Duncker 1988b, 381 ff; 1993, 65; Schott M 1987, 89; Hoffmann et al 1999; Fehlenberg 1997, 159), auch wenn der Aufwand zB bei Einzeltherapie hoch ist (Mika 2004; Schott 2009) und sie das Schicksal anderer kognitiver Therapien teilen, dass sie eine ausreichende Sprachfähigkeit voraussetzen (zur Gruppenpsychotherapie für pädosexuelle Männer vgl Preuss/Lietz 2004 und van Beek/Bullens 2004). Gute Erfolge werden bei der Behandlung von Borderlinepersönlichkeiten mit dem psychoanalytischen Konzept der übertragungsfocussierten Psychotherapie TFP berichtet, Lackinger et al 2008 und DammBernd Wagner
117
D. Behandlung
mann/Janssen 2007. Zu den Behandlungsbedingungen der TFP bei Persönlichkeitsstörungen Lackinger/Dammann 2005, 103 ff. Zur Therapie von intelligenzgeminderten Patienten Schanze 2007. Die Behandlung von (aggressiven) Sexualstraftätern erfolgt heute oft nach manualisierten Programmen, in denen verhaltentherapeutische, psychoedukative und psychodynamische Elemente enthalten sind (Steinböck 2005; Feil/Knecht 2007). Allen psychotherapeutischen Konzepten ist gemeinsam, dass sie auf der freiwilligen Mitarbeit von Patienten beruhen, was im Maßregelvollzug nicht leicht herstellbar ist (Baur 1988, 196). Zu den rechtlichen Grenzen der Psychotherapie vgl Wolfslast 1985 (zu den besonders problematischen Encountergruppen S 100 ff. e)
Verhaltenstherapie
D 37 Hinter verhaltenstherapeutischen Konzepten steht ein lerntheoretischer Ansatz, mit negativen oder positiven Verstärkern konformes Verhalten anzutrainieren und nonkonformes Verhalten abzutrainieren (Reinecker 1986, 43 ff, 64 ff). Der Erfolg hängt davon ab, ob es gelingt, die Trainingssituation an die reale Lebenssituation möglichst nah anzupassen, was im Maßregelvollzug nur schwer herstellbar ist. Zu Verhaltenstherapie bei Sexualstraftätern van Beek/Kröger 2004 und Pfäfflin 1997, 59 mit Vorbehalten. Zu den Behandlungserfolgen eines verhaltenstherapeutischen Gruppentrainings mit aggressiven Maßegelvollzugspatienten vgl Lewrick-Gönnecke et al 2009, 1 ff. D 38 Oftmals wird vollmundig von einem „verhaltenstherapeutischen Konzept“ gesprochen, wenn den Patienten Rechtsbeschränkungen als „n negative Verstärker“ zugemutet werden (D 50; vgl BVerfG R&P 2008, 46 ff; zu einem Fallbeispiel Pollähne 1992, 49 f; Kreuzer 1994). Ein Beispiel ist der Stufenvollzug (dazu Rn D 27 f), der oft nichts weiter leistet als an die Stelle von Zuckerbrot und Peitsche ein Mehr oder Weniger an Freiheiten zu setzen. Die Grundvoraussetzung ernst zu nehmender Verhaltenstherapie ist dadurch nicht eingelöst, nämlich die genaue Analyse und Bearbeitung der individuellen Verhaltensstrukturen (Jockusch 1990, 16 ff). Das kann und soll mit einem für alle Patienten geltenden Stufenplan schon im Ansatz nicht geleistet werden. D 39 Dagegen kann individuell eingesetzte Verhaltentherapie ein wirksames ergänzendes Behandlungsmittel im Maßregelvollzug sein (Stephan 1987, 115 ff) und ist Bestandteil vieler Suchttherapien (Kühne 1985, 140, 143, 147, 154). Sanktionen oder „negative Verstärker“ dürfen aber nicht als im Maßregelvollzug unzulässige Disziplinarmaßnahmen missbraucht werden. Der in suchttherapeutischen Konzepten immer wieder anzutreffende „L Leidensdruck“ zur Herstellung einer Therapiebereitschaft hat einer empirischen Untersuchung nicht standgehalten (Schalast 2000c). Darauf gestützte Behandlungsmaßnahmen sind daher kritisch zu würdigen. Gleichwohl nehmen verhaltentherapeutische Konzepte einen großen Raum in der Therapielandschaft der Maßregelvollzusgeinrichtungen ein. Dies beruht auch auf der wissenschaftlich vielfältig untersuchten These, kriminaltherapeutische Konzepte, wie sie etwa bei der Resozialisierungsbehandlung im Strafvollzug angewandt werden, seien auch im Maßregelvollzug hilfreich (Müller-Isberner 2004, 423 ff; MüllerIsberner/Eucker 2009). Aus rechtlicher Sicht kommt darin zum Ausdruck, dass auch weiterhin kranke Patienten aus dem Maßregelvollzug schon dann entlassen werden müssen, sobald von ihnen keine erheblichen Straftaten mehr zu erwarten sind. Insofern gleichen sich Therapie und Rehabilitation einander an. Die eher starren und generellen kriminaltherapeutischen Konzepte müssen im Maßregelvollzug aber differenziert und auch auf die Anlasskrankheit bezogen werden. Eine ausschließlich auf das Symptom Devianz bezogene Therapie löst Behandlungsanspruch und Behandlungspflicht (Rn D 105 ff, D 111 f) idR nicht ein. Zum verhaltenstherapeutisch begründeten Stufenvollzugs vgl Rn D 27.
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Bernd Wagner
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
f)
Milieutherapie
Die Milieutherapie ist weniger die Beschreibung konkreter Behandlungsmaßnah- D 40 men als eine Folge der Erkenntnis, dass oftmals erst ein therapiefreundliches Milieu den Zugang zum Patienten und diesem den Zugang zu seiner psychischen Krankheit eröffnet (Eickmann 1984, 67 ff). Zu einem therapeutischen Milieu gehört im Ausstattungsbereich zB eine geeignete Architektur (Giese 1989, 319; Kammeier 1990, 7), eine menschengerechte Unterbringung und sinnvolle Freizeitmöglichkeiten. Die organisatorischen Imperative dieses Konzeptes sind: Teambildung, Konferenzsystem, Hierarchieabbau, offene Kommunikation, von zwischenmenschlicher Wärme geprägtes nondirektives Verhalten des Personals, keine Überreglementierung, Öffnung nach außen (Konkretisierungen bei Duncker 1988a, 57 ff; Kobbé 1988, 199 ff). Umgekehrt müssen entmündigende Tagesabläufe (Leygraf 1988, 150 mit einem StundenplanBeispiel) und schematische Stufenpläne vermieden werden, weil sie die schädlichen Effekte einer intramuralen Behandlung vergrößern (van den Bergh et al 1983, 164 f). Die milieutherapeutischen Angebote können anspruchslose Freizeitveranstaltungen (vgl die Aufzählung bei Holtus 1991, 43) ebenso wie anspruchsvolle Musik- oder sporttherapeutische Konzepte beinhalten. g)
Sozialtherapie
Sozialtherapie wird zT im Sinne der Milieutherapie verstanden. Sinnvollerweise be- D 41 zeichnet sie aber die therapeutischen Möglichkeiten, die Beziehungen des Patienten zu seinem sozialen Umfeld zu gestalten (Dörner/Plog 2000, 511 ff). Eine ausschließlich pharmakologische oder psychotherapeutische Wahrnehmung des Patienten wird unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs nur höchst selten zu Erfolgen führen, weil er sich unter ganz anderen, nämlich unter den Bedingungen der Freiheit bewähren soll. Dort und nicht im Krankenhaus führte die psychische Störung zum strafbaren Verhalten. Die Einbeziehung der Familie, der Freunde und Partner des Patienten unter Umständen auch in der Form einer Familien- oder Partnertherapie ist deshalb ein Merkmal der Sozialtherapie. Soziales Verhalten soll erlebt, reflektiert und erlernt, die Verhältnisse zu anderen Personen geklärt werden. Sozialtherapie ist gerade auch für Patienten mit Sozialisationsdefiziten und damit für jene Gruppe gedacht, die in dem inzwischen aufgehobenen § 65 StGB für sozialtherapeutische Anstalten vorgesehen waren und die im Strafvollzug nach § 9 StVollzG in solchen Sonderanstalten untergebracht werden können. Die dortigen Erfahrungen können für den Maßregelvollzug genutzt werden (vgl die Auswertung des „sozialtherapeutischen Arrangements“ des LKH Moringen von Holtus 1991, 33 ff, 87 ff). h)
Ergotherapie
Mit den verschiedenen Formen der Ergotherapie (Beschäftigungstherapie, Arbeits- D 42 therapie, Belastungserprobung; Sporttherapie, Musiktherapie) können Grundleistungen (Ausdauer, Belastbarkeit, Zeiteinteilung, Konzentrationsfähigkeit etc), soziale Funktionen (Initiative, Selbstvertrauen, Verantwortung) und geistige Funktionen (Sprachlogik, numerisches Verständnis, Abstraktionsfähigkeit) beeinflusst werden. Die Behandlung erfolgt durch soziales Training (zB eigenständige Haushaltsführung; Umgang mit Behörden und Institutionen), berufsbezogenes Training (zB Ausbildung der Feinmotorik) und Training zur Förderung der Grundleistungen (vgl Reuster/Bach 2002; Stolpmann 2001, 155 ff). Ergotherapie ist also in erster Linie weniger eine psychiatrische als eine kriminologische Behandlung zur Wiedereingliederung, wie sie aber vor allem bei Persönlichkeitsstörungen notwendig und sinnvoll ist. Dort kann die Ergotherapie eine wesentliche Aufgabe des Maßregelvollzuges sein. Sie dient der Eingliederung in Arbeitsprozesse und wird im Erfolgsfall nach wenigen Monaten in ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis übergehen (vgl OLG Schleswig SchlHA 2004, 273). Allerdings tragen ergotherapeutische Konzepte derzeit oftmals Bernd Wagner
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D. Behandlung
noch sozialtherapeutische Züge, indem sie den Vollzugsalltag gestalten (Benz 2009, 107 ff). D 43 Von der Arbeitstherapie zu unterscheiden ist die Vollzugsarbeit, welche nur insofern therapeutisch wirkt, als sie die Arbeitsfähigkeit erhält. Bei der Neigung im Maßregelvollzugs alles als Therapie zu etikettieren, können unter dem Etikett der Ergotherapie arbeitende Patienten um ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt, um ihren Sozialversicherungsschutz (BSGE 81, 162 ff) und insbesondere um die Rechte des § 168 III AFG gebracht werden (Mrozynski 1986b, 288; Volckart/Grünebaum 2009, 165; AKStVollzG-Pollähne § 138 Rn 14 f; AK-StVollzG-Brühl §§ 194, 195 Rn 2), weil die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht abgeführt werden. Geschieht dies vorsätzlich, so ist das nach § 266a StGB strafbar. i)
Heil- bzw sonderpädagogische Behandlung
D 44 Die heil- bzw sonderpädagogische Behandlung richtet sich vor allem an m inderbegabte und geistig behinderte (sog intelligenzreduzierte) Patienten (Schanze 2007) und damit an die große Patientengruppe mit intellektuellen Störungen (nach der Übersicht bei Leygraf, 1988, 211 liegt deren Anteil zwischen 30 und 50%). Deshalb sind Sonderpädagogen im Maßregelvollzug unverzichtbar (Ehrhardt 1977, 388). Für diese Patienten verfügen sie über eine größere therapeutische Kompetenz als das ärztliche Personal (zur medikamentösen Behandlung dieser Gruppe vgl oben Rn D 35). 5.
Behandlung von Patienten, die nicht nach §§ 63, 64 StGB untergebracht sind (vgl auch Kap J)
a)
Zu Behandlungszwecken in den Maßregelvollzug verlegte Patienten
D 45 Erweist sich die von Gerichts wegen bestimmte Vollzugsform (Strafvollzug, Maßregelvollzug) in einem konkreten Behandlungsfall oder insgesamt als therapeutisch ungeeignet, so sehen die Ländervollzugsgesetze die vollzugsrechtliche Verlegung von Gefangenen oder Untergebrachten/Sicherungsverwahrten nach § 65 I StVollzG bzw den entsprechenden Ländergesetzen zum Jugendstrafvollzug bzw Untersuchungshaftvollzug oder die vollstreckungsrechtliche Verlegung nach § 67a StGB vor. Zum ungekehrten Fall der Verlegung eines Maßregelvollzugspatienten in eine andere Einrichtung vgl Rn D 96 und D 168. D 46 Bei der zu Behandlungszwecken in den Maßregelvollzug verlegten Gefangenen und Untergebrachten (v vollzugsrechtliche Verlegung; zu deren Situation im Justizvollzug Konrad 2003, 5 ff) bestimmt sich das Behandlungsrecht nach den Rechtsgrundlagen, die f ür den ursprünglichen Vollzug gelten. Es gibt also rechtlich bei diesen Patienten keine massregelvollzugsspezifische Behandlung von „Anlasskrankheiten“ sondern nur die Behandlung interkurrenter Erkrankungen (zur Unterscheidung vgl Rn D 2) nach den Regeln des ursprünglichen Vollzugsrechts. Eine mit körperlichen Eingriffen verbundene Zwangsbehandlung ist also nur in den Grenzen des § 101 StVollzG zulässig und das auch nur dort, wo diese Vorschrift gilt. Zwangsweise Psychotherapie ist ein Kunstfehler und unzulässig. Im Umfang der Verlegung wird aber die Maßregelvollzusgeinrichtung organisatorisch zuständig, Sie trifft die ihr übertragenen Vollzugsmaßnahmen in eigener Verantwortung. Volckart (1984a, 61 f), Volckart/Grünebaum (2009, 303) und Lesting (1992, 85) sind anderer Ansicht und sehen hier einen Fall der Amtshilfe. Dies ist – wie der Vergleich mit der Verlegung in ein justizeigenes Anstaltskrankenhaus zeigt – nicht zwingend und wegen der aufgeworfenen Strafzeitberechnungsprobleme (Lesting 1992, 85 f) und wegen des Kostenproblems abzulehnen aus folgenden Gründen. Bei der Verlegung in ein justizeigenes Vollzugskrankenhaus nach 65 I StVollzG liegt eine originäre Zuständigkeit des Aufnahmekrankenhauses und keine Amtshilfe vor, was sich schon aus den Vollstreckungsplänen ergibt. Nun ist die Maßregelvollzugseinrichtung, in die der Strafge120
Bernd Wagner
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
fangene zu Behandlungszwecken verlegt wird, keine Einrichtungen der Justizverwaltungen und deshalb in deren Vollstreckungsplänen nicht vorgesehen. Gleichwohl sind sie „Vollzugsanstalten“ iSd § 65 I StVollzG und keine externen Krankenhäuser der Allgemeinversorgung nach § 65 II StVollzG. Deshalb erfolgt die vollzugsrechtliche Verlegung aus dem Strafvollzug/Jugendstrafvollzug/Untersuchungshaftvollzug in eine Maßregelvollzugseinrichtung nach § 65 I StVollzG. Deshalb haben auch die Maßregelvollzugseinrichtungen eine durch die Verlegung begründete originäre Zuständigkeit, deren Umfang sich wie bei der Verlegung in ein justizeigenes Anstaltskrankenhaus aus der Verlegungsanordnung selbst ergibt. Diese kann sich auf die konkreten Behandlungsmaßnahmen beschränken, etwa wenn es um eine kurzfristige Krisenintervention bei Psychosen oder um den körperlichen Entzug bei Sucht geht. Dann bleibt es hinsichtlich sonstiger Vollzugsmaßnahmen bei der Zuständigkeit der ursprünglichen Vollzugsanstalt. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen eine solche Trennung unsinnig wäre, etwa weil sich resozialisierende und psychiatrische Behandlung praktisch nicht trennen lassen. Das wird immer dann der Fall sein, wenn die Behandlung längere Zeit in Anspruch nimmt. Dann kann das Maßregelvollzugskrankenhaus für sämtliche Vollzugsmaßnahmen zuständig sein. Unbestritten ist jedenfalls, dass sich die Vollzugsgrundlage für die Verlegten nicht ändert, also jenes Vollzugsrecht anwendbar bleibt, das vor der Verlegung galt. Auch bei der aus Behandlungsgründen erfolgten vollstreckungsrechtlichen Über- D 47 weisung aus Sicherungsverwahrung in den Maßregelvollzug nach § 67a II StGB wird der Vollzug durch das ursprüngliche Vollzugsrecht (StVollzG) bestimmt (AKStVollzG-Pollähne Vorb. zu §§ 136–138 Rn 39), da es nicht um den Austausch der rechtlichen Instrumente sondern um die Verbesserung der therapeutischen Kompetenzen geht. b)
Nach § 126a und § 81 StPO Untergebrachte
Problematisch ist die Situation bei den nach §§ 126a (vgl ausführlich Pollähne 2003b; D 48 Pollähne/Rzepka Rn J 10 f) und 81 StPO Untergebrachten. Für § 126a StPO gilt das Recht des U-Haftvollzugs entsprechend (§§ 126a II iVm 119 StPO) was wegen des kursorischen regelungsinhaltes nur wenig weiterhilft und darüber hinaus (vgl LG Itzehoe R&P 2008, 66 f m Anm Pollähne) die Ländergesetze, soweit sie dazu Regelungen getroffen haben (§§ 1 IIIb, 36 III 5 Bran auch zu 81 StP0; § 1 II SH nur zu § 126a StPO), Für die nach § 81 StPO Untergebrachten kann in Ermangelung von Landesrecht das Vollzugsrecht der Zivilhaft herangezogen werden (§§ 171 ff; vgl AKStVollzG-Pollähne § Vorb. zu §§ 136–138 Rn 25). In beiden Regelungsgebieten findet sich dort kein Behandlungsrecht und es gibt insbesondere keine Ermächtigung für Zwangsbehandlung, die deshalb unzulässig ist Vor allem bei § 126a StPO produzieren die Instanzen aber ein Klima, das den Rechtsbruch herausfordert. Die Patienten werden zT über sehr lange Zeiten mit unsicherem Rechtsstatus in den Krankenhäusern verwahrt (Volckart 1990c, 73; Jabel 1988, 184) mit der Folge, dass ein Bedürfnis nach uU zwangsweiser fürsorglicher Behandlung entsteht. Diese Patienten dürfen aber nur auf eigenen Wunsch oder mit ihrem Einverständnis behandelt werden Dies folgt aus der Unschuldsvermutung des Art 6 II MRK und dem vorläufigen Charakter der Unterbringung, die allein der Sicherheit und Sicherung des gerichtlichen Verfahrens dienen soll. Diese Zwecke dürfen nur durch das Einsperren und durch verfahrenssichernde Maßnahmen verfolgt werden (Baur 1982a, 36; Juchart 1983, UBG BW § 18 Anm 2.2; Volckart/Grünebaum 2009, 70 f; aA Rüping 1982, 746; unklar Baumann 1980, 1878 hinsichtlich einer Zwangsbehandlung von Anlasskrankheiten, die aber in diesem Verfahrensstadium noch gar nicht feststehen können). Die an diesen Patienten vorgenommenen Zwangsbehandlungen sind deshalb strafbare Körperverletzungen oder Nötigungen, wenn nicht ganz ausnahmsweise eine Rechtfertigung nach § 34 StGB (dazu Wagner B 1990b; Zilkens 1986, 3447 ff) in Betracht kommt. Einen Unglücksfall iSd § 323c StGB werden die Anlasskrankheiten nur in extremen AusnahBernd Wagner
121
D. Behandlung
mefällen darstellen, da sie nicht plötzlich auftreten sondern sich in einem langen Prozess entwickeln (Volckart/Grünebaum 2009, 228). Nach OLG Hamm soll eine Zwangsbehandlung bei § 126a StPO aber ausnahmsweise nach §§ 101, 178 StVollzG bei schwerwiegender Gefahr für ihre oder die Gesundheit anderer zulässig sein (OLG Hamm v. 7. 8. 2001 – 3 Ws 250/01 = R&P 2002, 188 ff m Anm Wagner; zum Behandlungsrecht bei Beteiligung von gesetzlichen Vertretern vgl AG Jena v. 23. 4. 2003 – 3 XVII 149/03). Die allgemeine Krankenversorgung von vorläufig Untergebrachten richtet sich nach denselben Grundsätzen, wie sie auch in der Untersuchungshaft gelten (Nr 56 UVollzO – die anstehenden Ländergesetze zum Untersuchungshaftvollzug werden entsprechende Regelungen aufweisen). Aus dem Fürsorgegrundsatz hat der Untergebrachte einen Anspruch auf ärztliche Versorgung durch den Arzt seiner Wahl (LRHilger StPO § 119 Rn 131), der allerdings anders als ein Anstaltsarzt in aller Regel vom Patienten selbst bezahlt werden muss. Zuständig für die Genehmigung einer Behandlung durch einen externen Arzt ist der Richter. c)
Organisationshaft
D 49 Wird ein rechtskräftig zu Strafe und Unterbringung Verurteilter aus organisatorischen Gründen nicht in eine Maßregelvollzugseinrichtung verlegt, so verbüßt er Strafhaft (BGHSt 38, 63). Kein Strafvollzug sondern Maßregelvollzug verbüßt derjenige zu Unterbringung nach §§ 63 oder 64 StGB Verurteilte, bei dem zB wegen völligen Schuldausschlusses keine Freiheitsstrafe verhängt wurde. In beiden Fällen nimmt man dem Maßregelvollzugspatienten durch den falschen Ort des Freiheitsentzuges (meist Untersuchungshaftanstalt) seinen Anspruch auf Therapie. Dies wirft bei Strafhaft neben Unterbringung vollstreckungsrechtliche Probleme auf, weil dadurch Nachteile bei der Anrechnung nach § 67 IV StGB entstehen, die ausgeglichen werden müssen (BVerfG StV 1997, 476; OLG Zweibrücken NStZ 2001, 54 = R&P 1997, 179; Ullenbruch 2000, 289). Die Organisationshaft ist rechtswidrig (vgl Baur Rn C 67 ff). Denn der Untergebrachte hat einen Anspruch auf angemessene Benhandlung. Diese ist unter den Bedingungen der Untersuchungshaft, die meist den äußeren Rahmen der Organisationshaft bildet, nicht möglich. Unzulässig wäre auch, einen in die Entziehungsanstalt nach § 64 StGB eingewiesenen Verurteilten wegen dortigen Platzmangels zunächst im Psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen (OLG Celle R&P 1995, 87). In all diesen Fällen findet der Freiheitsentzug an einem Ort statt, der eine Therapie nicht zulässt. Dies verstößt gegen Art 5 I lit e) der MRK (vgl EGMR EuGRZ 1986, 8 ff) und gegen den Behandlungsanspruch (vgl Rn D 105 und D 109). Im Hinblick auf das Freiheitsgrundrecht ist es verfassungsrechtlich geboten, dass die Vollstreckungsbehörden „unverzüglich“ auf den Behandlungsbedarf reagieren und die Verlegung in eine geeignete Einrichtung beschleunigt herbeiführen (BVerfG v. 26. 9. 2005 – 2 BvR 1019/01). Deshalb muss diese Haft nach Ablauf einer im Einzelfall zu bestimmenden Organisationsfrist beendet werden (OLG Hamm StV 2004, 272; OLG Celle v. 19. 8. 2002 – 1 Ws 203/02; OLG Brandenburg NStZ 2000, 500, 504 – zum Rechtsschutz vgl Gericke Rn K 30). 6.
Behandlung/Disziplinierung/Ordnung; Therapie als Deckmantel für andere Zwecke
D 50 Der therapeutische Rahmen verstellt immer wieder den Blick auf den eigentlichen Zweck einzelner Vollzugsmaßnahmen. Wird in Patientenrechte mit therapeutischer Begründung eingegriffen, liegt oftmals ein „Etikettenschwindel“ vor (vgl oben Rn D 17 und Gericke Rn K 58). Jede Sanktion lässt sich als „negativer Verstärker“ mit einem verhaltenstherapeutischen Mäntelchen bekleiden). Das Verbot von Disziplinarmaßnahmen könnte somit leicht umgangen werden (vgl das therapeutische F ernsehver122
Bernd Wagner
I. Grundsätze der Behandlung im Maßregelvollzug
bot im Fall des LG Marburg R&P 1992, 67 ff und dazu Pollähne 1992; ausführlich zur Problematik Lindemann 2004; Kreuzer 1994; zu einem angeblich therapeutisch schädlichen Familienbesuchsrecht BVerfG R&P 2008, 223 ff). Deshalb verlangt das BVerfG in solchen Fällen die exakte Prüfung der Voraussetzungen einer (Zwangs-) Behandlungsmaßnahme anhand der Behandlungsvorschriften (BVerfG R&P 2008, 48 f für Zimmerarrest; BVerfG NStZ-RR 2007, 92 f. für E ntzug persönlicher Gegenstände; dazu auch OLG Hamburg R&P 2007, 203 ff mit Anm Lindemann). Einer therapeutisch begründeten und im Wege einer Allgemeinverfügung erlassenen N achtstromsperre hat das LG Stendal einen Riegel vorgeschoben (LG Stendal R&P 2005, 36 m Anm Wagner). Gegen ein auch therapeutisch begründetes generelles Rauchverbot im Hessischen Maßregelvollzug OLG Frankfurt R&P 2009, 155 f. Das Thüringer Oberlandesgericht (R&P 2004, 109 ff = NStZ-RR 2003, 348) versagte dem Krankenhaus die therapeutisch begründete Kontrolle des Schriftverkehrs. Dagegen hat das LG Berlin eine therapeutisch begründete Einkaufsverbot im Versandhandel für zulässig erachtet (LG Berlin v. 8. 3. 2007 – 544 StVK (Vollz) 835/06). Die s edierende Wirkung von Psychopharmaka verführt zum Missbrauch, wenn Patienten aus Ordnungs- und Sicherheitsgründen ruhiggestellt werden müssen, wenn aus Ordnungsgründen das sexuelle Verlangen gedämpft werden soll oder wenn Behandlung als Instrument der Disziplinierung eingesetzt wird (Finzen 1987/1992, 19). Teils geschieht dieser Missbrauch offen, teils heimlich und verdeckt (von Eicken et al 1990, 16, 48 f, 69 f). Was im Strafvollzug eindeutig als Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung gilt, wird im Maßregelvollzug immer wieder als „Therapie“ bezeichnet (Wagner B 1990a, 59; 1992a, 147, 158; zum Rechtschutz bei Etikettenschwindel vgl Gericke unten Rn K 72 ff). Dieser Missbrauch von Medikamenten und Behandlungsbegriff ist unzulässig. Medikamente dürfen nur zu heiltherapeutischen Zwecken eingesetzt werden (Calliess/Müller-Dietz StVollzG § 95 Rn 2; 101 Rn 6; Geppert 1976, 29 ff, 32). Verdeckte und heimliche Handlungen sind schon mit dem Verwaltungsverfahren nicht zu vereinbaren. „Behandlung“ wird per Verwaltungsakt angeordnet, der zu seiner Wirksamkeit zugehen muss, was die Möglichkeit der Kenntnisnahme voraussetzt. Selbst wenn man eine Zwangsbehandlung als Realakt auffasst, muss der Patient die Chance haben, dagegen rechtlich mit der vorbeugenden Unterlassungsklage vorzugehen (OLG Zweibrücken R&P 2009, 152). Wer nichts von Rechtsverletzungen weiß, kann sich nicht dagegen wehren. Nur bei Gefahr im Verzug kann in Ausnahmefällen die nachträgliche Information genügen. Schließlich wird die Menschenwürde verletzt, wenn Psychopharmaka heimlich und deshalb in unzulässiger Weise (Volckart/Grünebaum 2009, 232; Geppert 1976, 33 f; einschränkend Baur 1983, 160) verabreicht werden. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn die Heimlichkeit therapeutisch motiviert ist (vgl auch Rn D 128). Arzneimittelversuche und Therapieforschung sind keine Behandlung, da die Ge- D 51 eignetheit der Maßnahme erst erwiesen werden soll. Die in § 45 H bg und § 32 Saar vorgesehene Unterstützung wissenschaftlicher Forschungen bezieht sich nur auf die Weitergabe von Daten und nicht auf Behandlungsforschung. Die Arzneimittelprüfung ist nach § 40 I Nr 3 AMG unzulässig, und zwar auch dann, wenn der Patient oder der gesetzliche Vertreter zustimmt (so ausdrücklich § 17 VI Bran, § 22 V Bre, § 10 IV Hbg; Volckart/Grünebaum 2009, 274; BT-Drs 11/4528; vgl auch Holzhauer 1992, 2325 ff mit Meinungsstand; zu forschungsfreundlich Bork 1985, 659). Wegen Verstoß gegen höherrangiges Bundesrecht ist deshalb § 5 V SH unwirksam, wonach Behandlungsversuche bei Patienteneinwilligung oder stellvertretender Einwilligung zulässig sein soll. Bei Heilungsversuchen kann dies im Einzelfall anders beurteilt werden (§ 41 Nr 2 AMG; Amelung 1983, 29). 7.
Arzt-Patient-Verhältnis
Jede Behandlung im Maßregelvollzug, mag sie Anlass- oder sonstige Krankheiten be- D 52 treffen, mag sie konsentiert oder zwangsweise erfolgen, lässt ein rechtlich besonders Bernd Wagner
123
D. Behandlung
geschütztes Verhältnis zwischen Arzt und Patient entstehen (grundlegend Volckart 1990a, 158 ff; ders 1999a, 173 ff; Geppert 1983; Marx 1983, 160 ff). Die behandelnden Ärzte und das therapeutische Personal haben eine weitreichende Schweigepflicht aus § 203 StGB und ein korrespondierendes prozessuales Schweigerecht aus §§ 53 I Nr 3, 53a, 76 StPO; beides gilt dem Grundsatz nach auch in vollstreckungsrechtlichen und anderen mit dem Maßregelvollzug verknüpften Verfahren (zu Einzelheiten Volckart 1990a, 158 ff, Volckart/Grünbaum 2009, 251 ff und unten Gericke Rn K 55 ff). In diesen geschützten Raum kann auch nicht über den Umweg einer gerichtlichen Weisung zur Befreiung der Ärzte von der Verschwiegenheitspflicht eingegriffen werden (BVerfG Beschluss v. 6. 6. 2006 – 2 BvR 1349/05. D 53 Der Behandlung liegt kein Vertragsverhältnis auf der Grundlage des bürgerlichen Rechts sondern ein öffentlich-rechtliches Subordinationsverhältnis zugrunde. Diese Zuordnung des Arzt-Patient-Verhältnisses zum öffentlichen Arztrecht hat erhebliche Auswirkungen auf die Rechtslage (Wagner B 1992a, 105). Dabei werden die Rechte des Patienten zT gegenüber dem privaten Arztrecht eingeschränkt (etwa bei der Zwangsbehandlung) aber auch ausgeweitet (zB bei der Akteneinsicht; BVerfG vgl auch BVerwG R&P 1989, 115). Zum privaten Arztrecht ergangene Entscheidungen können jedenfalls nicht ohne weiteres auf den Maßregelvollzug übertragen werden (Wagner B 1989b, 157). D 54 Das Behandlungspersonal ist an Recht und Gesetz (Art 20 III GG) gebunden; an die übergeordnete Dienststelle nur, soweit es sich nicht um den Kernbereich ärztlicher bzw therapeutischer Tätigkeit handelt, der dem beamtenrechtlichen Grundverhältnis zuzurechnen ist (OVG Lüneburg NJW 1975, 2263). Freilich ist dieser Kernbereich im Maßregelvollzug auf jene Behandlungsmaßnahmen im Einzelfall beschränkt, die der Arzt unter Beachtung der ärztlichen Ethik als Gewissensentscheidung trifft. Außerhalb dieses Bereiches ist das Therapiepersonal an die grundlegenden therapeutischen Entscheidungen wie zB an das Therapiekonzept einer Einrichtung gebunden (vgl Volckart/Grünebaum 2009, 270). Konflikte im Weisungsverhältnis soll § 3 II H ess vermeiden, wo aufsichtsbehördliche Maßnahmen im Einzelfall auf Gesetzwidrigkeiten begrenzt sind. II. Aufnahme, Eingangsuntersuchung, Information
II.
Aufnahme, Eingangsuntersuchung, Information
Spezielle Literatur: Goffman 1973, 25 ff; Kaiser/Schöch 2003. Kommentierte Normen: BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
1.
§§ 7 V; 8 II Art 3; 4 §§ 2; 28 I 3; 44 §§ 15 I; 37 I, III; 38 II; 56; 57 §§ 12; 18 I; 21 I; 25; 46 ff §§ 3 I, II 2; 4 III; 8; 40 ff; 42 I Nr 4 §§ 6 I, 14 §§ 2; 18 I; 19 I 4; 43
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§§ 2 III; 4; 6 I, III 2; 19 IV; 26 §§ 1 II; 6 §§ 1 III; 4; 18 III; 32–36 §§ 3 III; 7; 31 § 19 III §§ 6; 7; 22 §§ 2 II 2; 4 I; 5 I; 36 ff §§ 2; 10 III; 11 I; 13 II
Die Problematik der Aufnahmesituation
D 55 Die Anforderungen an den Maßregelvollzug sind in der Aufnahmephase besonders hoch. In kurzer Zeit müssen die verwaltungstechnischen Maßnahmen, die allgemeinärztliche, psychiatrische und soziale Eingangsuntersuchung und die Information des Patienten vorgenommen werden. Und zudem muss das Personal der außergewöhnlich schwierigen Situation der aufgenommenen Menschen gerecht werden, die mit einem völlig neuen Umfeld und einer Vielzahl organisatorischer Maßnahmen konfrontiert sind. Wenn die Patienten nicht bereits nach § 81 und § 126a StPO untergebracht waren, werden sie die Aufnahmesituation häufig als Schock erleben. Des124
Bernd Wagner
II. Aufnahme, Eingangsuntersuchung, Information
halb ist ganz besondere Rücksicht und Einfühlung geboten, um den organisatorischen Ablauf der Aufnahme nicht zu D egradierungsritualen verkommen zu lassen (Goffman 1973, 25). Zu solchen wird es aber schnell kommen, wenn ohne integrierte Gesamtkonzeption die Patienten mit Handzettel die einzelnen Stationen abhaken müssen. Deshalb sollten die Einrichtungen besondere Mühe und Sorgfalt darauf verwenden, die Aufnahmephase psychologisch und therapeutisch reflektiert zu gestalten (Kaiser/Schöch § 13 Rn 7 f; Schwind/Böhm/Jehle-Wischka StVollzG § 5 Rn 9). Doch darf ein so gestalteter A ufnahmevollzug nicht dazu führen, dass die Patienten D 56 zunächst auf das Abstellgleis gestellt werden (Weber 1986, 47 ff zum Strafvollzug). Er hat vielmehr die Aufgabe, effektiv und schnell die nötigen Behandlungs- und Eingliederungsmaßnahmen vorzubereiten. Zu Haftungsfragen vgl BGH NJW 1993, 2927. 2.
Aufnahmeverfahren
Ein spezielles Aufnahmeverfahren wurde von keinem Bundesland gesetzlich geregelt. D 57 Im Organisationsplan der Anstalten und Krankenhäuser kann aber ein Aufnahmebereich vorgesehen sein (zu Berlin: Giese 1989, 319), der mit der Eingangsuntersuchung und Behandlungsplanung ähnliche Funktionen erfüllt wie die Einweisungsabteilungen im Strafvollzug (vgl § 152 II StVollzG). Die Mindestvoraussetzungen des Aufnahmeverfahrens sind exemplarisch in § 6 D 58 der Ausführungsbestimmungen zu § 39 II 2 Hess (Staatsanzeiger 1983, 1681) geregelt: Es muss geprüft werden, ob die Unterbringungsvoraussetzungen vorliegen; die Identität ist zu überprüfen; die Aufnahme ist durch den Leiter oder einen von ihm beauftragten Arzt schriftlich festzustellen; der Patient ist ärztlich zu untersuchen, was dem Patienten erläutert wird; der Patient ist über seine Rechte und Pflichten zu informieren; ihm sind das Maßregelvollzugsgesetz und die Ausführungsbestimmungen bekannt zu geben; persönliche Sachen außerhalb der Anstalt sind sicherzustellen; dem Patienten ist bei der Erledigung dringender häuslicher oder familiärer Aufgaben zu helfen. Damit sind bei der Aufnahme drei Aufgabenbereiche zu erledigen: 1. Organisatorische Aufnahme; 2. Information und Unterrichtung; 3. Eingangsuntersuchung. 3.
Organisatorische Aufnahme
Von den zahlreichen Maßnahmen, die von A wie Aufnahme an der Pforte bis Z wie Zimmerzuweisung zu erledigen sind, werden hier nur jene mit rechtlicher Relevanz dargestellt. Daten der Patienten sind für die Verwaltung zu erfassen, was nach dem Volkszäh- D 59 lungsurteil eine rechtliche Grundlage erfordert (BVerfGE 65, 1 ff), die in § 44 Berl, §§ 56 f Bran, §§ 46 ff Bre, §§ 40 ff Hbg, § 43 MeVo, § 26 N W, § 18 III R hPf iVm §§ 32– 36 PsychKG Rh-Pf, § 31 Saar, §§ 22 ff SH und §§ 36 ff Thü geschaffen wurde. In den übrigen Ländern können Daten also nur insoweit gesammelt und verarbeitet werden, als sie zur Erreichung des Maßregelzwecks unmittelbar erforderlich sind. Forschungsvorhaben gehören nicht dazu. Soweit erkennungsdienstliche Maßnahmen zugelassen sind (vgl Rzepka unten Rn H 63 ff) sollten diese nicht in der Aufnahmesituation erfolgen. Zur Identitätsfeststellung (§ 6 I 2 der o g Ausführungsbestimmungen Hess) genügt zunächst ein Ausweisdokument und für Lichtbilder und Fingerabdrücke ist, soweit sie überhaupt erforderlich sind, auch noch in der zweiten Vollzugswoche Zeit. Überhaupt soll die Aufnahme zwar unverzüglich aber gleichwohl behutsam und nicht überfallartig und übereilt erfolgen. Falls die in der Freiheit zurückgelassenen Tiere, Habseligkeiten oder Besitztümer D 60 noch nicht versorgt sind oder sonstige eilige Angelegenheiten erledigt werden müssen (zB Konto sperren; fristgebundene Kündigungen aussprechen; zu den BenachBernd Wagner
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D. Behandlung
richtigungen nahestehender Personen weiter unten bei Rn D 65), hat der Vollzug die Patienten bei der Besorgung ihrer persönlichen Angelegenheiten zu unterstützen (zu Haftungsfragen vgl BGH NJW 1993, 2927). UU muss der Sozialdienst eingeschaltet werden. In § 6 III N W und § 7 III Saar ist diese Hilfe bei notwendigen Vorkehrungen ausdrücklich vorgesehen. In Bremen ist dies ein Aufgabengebiet der begleitenden Hilfen nach § 25 Bre. In Rheinland-Pfalz regelt dies § 4 VI RhPf. Ansonsten ergibt sich diese Verpflichtung aus dem Fürsorgegrundsatz, der in Art 4 B ay, § 2 Berl, § 2 MeVo und § 2 Thü kodifiziert ist und sonst aufgrund des Sozialstaatsprinzips gilt. D 61 Der U mgang mit eingebrachten Sachen ist in § 14 Hess, § 19 IV Nds geregelt. In den anderen Ländern ergibt sich dies aus den allgemeinen Vorschriften zur persönlichen Habe. Diese Sachen sind, sofern sie nicht als persönliche Gegenstände auf das Zimmer mitgenommen werden dürfen, so weit als möglich für den Untergebrachten zu verwahren oder nahe stehenden Personen zu übergeben, ansonsten einzulagern oder im Einverständnis mit dem Patienten zu versilbern (vgl im Einzelnen Lesting unten Rn G 9). 4.
Information und Unterrichtung
D 62 Die Information und Unterrichtung bei der Aufnahme wird in § 37 I Bran, § 12 Bre, § 8 I Hbg, § 2 III Nds, § 6 I N W, § 4 II RhPf, § 7 I Saar, 19 II Sach, § 7 I S 1 SaAn § 4 I SH, § 10 III Thü geregelt. In Nordrhein-Westfalen findet sich zudem eine Regelung in § 4 der Durchführungsverordnung vom 4. 10. 1986 (GVBl. 1986, 669). In den anderen Ländern ergibt sich die Informationspflicht bei der Aufnahme aus dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 1 I GG. Um zu verhindern, dass die Untergebrachten als bloße Objekte des Vollzugs hospitalisiert werden, muss ihnen gleich zu Beginn in geeigneter Form die Information gegeben werden, die sie zu anteilnehmenden, gestaltenden und selbstbestimmten Menschen im Vollzug macht (AK-StVollzG-Feest/Joester § 5 Rn 1, 10 ff; Eberhard et al MRVG NW § 4 Erl 1, 3). Die Konfrontation mit den zahlreichen Pflichten erweckt all zu schnell den Eindruck vollständiger Machtlosigkeit und verhindert die Bereitschaft zur Mitwirkung. Dabei sind die Informationen in geeigneter Weise anzubringen. Bei der gebotenen Information über die R echte und Rechtsschutzmöglichkeiten ist ein langer mündlicher Vortrag oder die kommentarlose Aushändigung einer Vorschriftensammlung wenig hilfreich. Informationsbroschüren in verständlicher Form, gegebenenfalls in ausländischer Sprache, sind zusammen mit Gesetzestexten jedenfalls in groben Zügen zu erläutern und die Patienten in den Stand zu setzen, ihre Recht wahrzunehmen (§ 37 I Bran). Wichtiger als die Konfrontation mit den Pflichten und Restriktionen einer Hausordnung ist in dieser Anfangsphase die Information über die formellen Rechtsschutzmöglichkeiten. Hinsichtlich sämtlicher Informationen ist in Rechnung zu stellen, dass es mit der Eingangsinformation in aller Regel nicht getan ist, sondern eine für die gesamte Unterbringungszeit bestehende Informationspflicht besteht (entsprechend § 73 StVollzG). In manchen Ländern soll die Information nur erteilt werden, soweit das der Gesundheitszustand des Patienten erlaubt (§ 37 III Bran, § 12 Bre, § 19 II Sach; § 10 III Thü). Damit kann niemals eine therapeutische Einschränkung wegen der Anlasskrankheit gemeint sein (vgl unten D 85 und zum Rechtsschutz Gericke Rn K 7 ff), sondern nur vorübergehende körperliche oder seelische Zustände. In diesen Fällen muss die Information unverzüglich nachgeholt werden, sobald dieser Zustand beendet ist (so ausdrücklich § 10 III 2 Thü). D 63 Eine besondere Informationspflicht ist in § 6 II N W, § 7 II Saar vorgesehen, wo der Patient mit dem Leiter der Einrichtung bekannt zu machen ist. Die Gesetze formulieren dies als „Vorstellung“. Ebenso wichtig aber nicht geregelt ist die V orstellung des Patienten in seiner neuen Abteilung, bei dem therapeutischen und Pflegepersonal und bei seinen Mitpatienten.
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Bernd Wagner
II. Aufnahme, Eingangsuntersuchung, Information
Ausgerechnet Baden-Württemberg, das ein Informationsrecht des Patienten nicht D 64 geregelt hat, schreibt umgekehrt eine Auskunftspflicht des Patienten über seine Verhältnisse vor (§ 7 V BW). Weil Daumenschrauben zur Erzwingung von Informationen abgeschafft sind, erscheinen die Regelungen in § 28 I 3 B erl, § 38 II Bran, § 3 I und II 2 Hbg, § 19 I 4 MeVo, § 2 II 2 SH, § 13 II Thü realitätsnäher, die dazu auffordern, die Mitarbeit des Patienten und sein Verständnis für Vollzugsmaßnahmen zu fördern. Die Unterrichtung von Dritten ist unter dem Gesichtspunkt des Daten- und Ge- D 65 heimnisschutzes nicht unproblematisch und darf grundsätzlich nur in Abstimmung mit dem Patienten und bei entsprechender Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht erfolgen. Zu nahen Angehörigen und Vertrauenspersonen wird dies geregelt in § 18 I Bre, § 6 I 2 N W, § 31 VI Saar und § 7 I 3 SaAn (vgl auch § 4 II der oben bei Rn D 62 genannten Durchführungsverordnung N W; zum ähnlichen Problem bei der Behandlungsplanung vgl unten Rn D 86). Der Patient ist darauf anzusprechen und einem entsprechenden Wunsch ist unverzüglich nachzukommen. Nur die zur Aufenthaltsbestimmung berechtigten gesetzlichen Vertreter oder Betreuer mit gerade diesem Aufgabenkreis können auch ohne Einverständnis informiert werden (§ 4 II 2 RhPf; § 7 I 2 S aar; § 7 I 2 SaAn). Dasselbe gilt für a ndere Personen, wenn ein größerer Schaden abgewendet werden soll (exemplarisch § 42 I Nr 4 Hbg, § 31 VI Nrn 6 und 7 Saar). Dieser Notstandsgedanke ist aber wegen des hohen Rangs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der daraus fließenden informationellen Selbstbestimmung, die das BVerfG immerhin aus Art 1 I und 2 I GG herleitet, nur selten anwendbar (vgl Wagner B 1990b, 166 ff; grundlegend Fabricius 1999). Ansonsten ist der Kontakt zu nahe stehenden Personen schon unter sozialtherapeutischen und Wiedereingliederungs Gesichtspunkten zu fördern und gegebenenfalls auf die entsprechende Einsicht beim Patienten hinzuwirken. 5.
Eingangsuntersuchung
a)
Gesetzliche Regelung und Rahmenbedingungen
Die Aufnahmeuntersuchung ist in § 15 I Bran, § 21 I Bre, § 8 II Hbg, § 18 I MeVo, § 6 I D 66 Nds, § 6 II NW, § 4 I RhPf, § 7 II Saar, § 7 II SaAn, § 5 I SH und in § 11 I Thü gesetzlich geregelt. Für Hessen ist sie in § 6 I Hess vorausgesetzt und in § 6 der Ausführungsbestimmung zu § 39 Hess (Staatsanzeiger 1983, 1681) geregelt. In den übrigen Ländern ergibt sich die Notwendigkeit zur ärztlichen Untersuchung schon aus § 455 StPO, weil die Vollzugstauglichkeit festgestellt werden muss (vgl auch Art 5 V MRK und BGH NJW 1993, 2927). Darüber hinaus ist sie eine Folge der fürsorglichen Verantwortung für die Gesundheit der Untergebrachten, die sich aus dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 II GG herleitet. Die Notwendigkeit einer psychiatrischen Eingangsuntersuchung und der Erhebung von Sozialdaten folgt aus der Pflicht, einen Behandlungsplan aufzustellen (dazu Rn D 78) und dem Gebot, die Behandlung so effektiv und schonend wie möglich zu gestalten, was nur mit den aus einer umfassenden Aufnahmeuntersuchung gewonnenen Erkenntnissen möglich ist. Obwohl in den Gesetzen oftmals von „ärztlichen“ Untersuchungen die Rede ist D 67 (§ 15 I Bran; § 21 I Bre; § 8 II Hbg; § 18 I MeVo; § 6 I Nds; § 4 I RhPf; § 7 II Saar; § 7 II SaAn; § 5 I SH; § 11 II iVm I Thü), geht es nicht nur um eine rein medizinische sondern um eine Untersuchung, die sich auf – den allgemeinen Gesundheitszustand, – auf die psychiatrischen Anamnesedaten und – auf die darin nicht enthaltenen Daten zur sozialen Situation des Untergebrachten erstreckt. Dies ergibt sich aus dem engen sachlichen Zusammenhang mit der Vollzugsund Behandlungsplanung. Alles was für den ersten Vollzugs- und Behandlungsplan nötig ist, muss bei der Aufnahmeuntersuchung festgestellt werden (§ 15 I 2, 3 B ran; § 8 II 2 Hbg; § 6 I 1 Nds; § 4 III 1 RhPf; § 7 II 2 SaAn; § 5 I 1 SH). Dabei können die bisheriBernd Wagner
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D. Behandlung
gen Gutachten und die Feststellungen im Urteil nur eine – meist sogar unzureichende – Grundlage für ein persönliches Gespräch mit dem Untergebrachten sein. D 68 Soweit in Hamburg die Eingangsuntersuchung „spätestens innerhalb von 24 Stunden“ (§ 8 II 1 Hbg) erfolgen soll, ist von dieser Frist nur die Untersuchung auf die Vollzugsfähigkeit betroffen. Diesbezüglich ist in der Tat tunlichste Beeilung angebracht. Angemessen erscheint auch die Formulierung in dem insofern geänderten § 6 II 1 NW und in § 7 II Saar, wo diese Untersuchung „unverzüglich“ also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss (ebenso: § 6 I 1 Nds; § 4 I 1 RhPf; § 7 II 1 SaAn; § 5 I 1 SH). Personelle Engpässe sind oftmals verschuldete Organisationsfehler und rechtfertigen dann keine Verzögerung. Hinsichtlich der sonstigen Gegenstände muss die Eingangsuntersuchung so rasch erfolgen, dass die Vollzugs- und Behandlungspläne ohne Verzögerung erstellt und in die Tat umgesetzt werden können. b)
Untersuchung des allgemeinen Gesundheitszustandes
D 69 Diese Untersuchung betrifft zunächst die Vollzugsfähigkeit nach § 455 StPO. Sie muss von einem Arzt durchgeführt werden. Bei der Unterbringung nicht vollzugsfähiger Patienten drohen erhebliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus Art 5 V MRK (BGH NJW 1993, 2927 zu einer Rückenmarkserkrankung; zur Vollzugsfähigkeit bei Aids Bruns 1987, 507; zu psychischen Störungen Volckart et al 2008, 13 ff). Aus dieser Untersuchung kann sich ergeben, dass der Patient zunächst in einer anderen Einrichtung behandelt werden muss (Entzugsprobleme bei § 63-StGBPatienten; akute psychische Störungen bei § 64-StGB-Patienten; Erkrankungen, die eine Behandlung in einer Spezialklinik erfordern. Vgl zu diesen Verlegungen Rn D 173). Schließlich können sich Rückschlüsse für den allgemeinen Vollzug (zB diätische Nahrung; besondere orthopädische Hilfsmittel) wie für mögliche pharmakologische Therapien ergeben (Herz- und Nierenerkrankungen als Kontraindikationen). D 70 Die Patienten haben die U ntersuchungen zu dulden bzw daran mitzuwirken, wenn dies in den Ländergesetzen vorgesehen ist (§ 8 II 2 B W; § 6 III 2 N ds). Das gilt nicht für körperliche Eingriffe (Umkehrschluss aus § 101 StVollzG), was etwa bei Urinkontrollen zur Überwachung des Suchtverhaltens eine Rolle spielt, weil diese Kontrollen weder zwangsweise durchgesetzt werden können noch die Verweigerung sonst wie „bestraft“ werden darf (zur U-Haft OLG Saarbrücken ZfStrVo 1994, 121; anders bzgl. Disziplinarmaßnahmen im Strafvollzug OLG Koblenz NStZ 1989, 551). Ein Aids-Test ist nur mit Zustimmung möglich (AK-StVollzG-Brühl § 101 Rn 27; AKStVollzG-Lesting vor § 56 Rn 31; OLG Koblenz ZfStrVo 1989, 182; aA Eberbach 1988, 252). Anderslautende Verwaltungsanordnungen sind rechtswidrig. Vollzugsbedienstete dürfen diese Anordnungen nicht ausführen und müssen bei dem Dienstvorgesetzten remonstrieren. c)
Psychiatrische Untersuchung
D 71 Die psychiatrische Untersuchung sollte von einem entsprechenden Facharzt vorgenommen werden, wobei wegen der gegebenenfalls überlegenen Therapiekompetenz andere Berufsgruppen einbezogen werden müssen. Hier liegt das Hauptproblem bei der kritischen Überprüfung des Unterbringungsgutachtens bzw des Urteils. Nach der Untersuchung von Leygraf mussten immerhin 28,5% der Diagnosen aus den Unterbringungsgutachten im Vollzug revidiert werden (1988, 178). Deshalb darf diese psychiatrische Eingangsuntersuchung nicht von den Personen vorgenommen werden, die schon im gerichtlichen Verfahren mitgewirkt haben. Die psychiatrische Eingangsuntersuchung ist die Grundlage für den Behandlungsplan. Fehler haben hier also eine besondere Tragweite. Die auf die Merkmale des § 20 StGB abgestellte Einweisungsdiagnose muss im Hinblick auf die Behandlung überprüft und fortgeschrieben werden (B Behandlungsdiagnose). Das Attribut „Persönlichkeitsstörung“ 128
Bernd Wagner
III. Behandlungs- und Vollzugsplanung
oder „Minderbegabung“ bzw „intelligenzreduziert“ nützt im Behandlungskontext wenig. Bislang unterbliebene Differenzierungen sind hier also zu leisten. d)
Untersuchung des sozialen Umfeldes
Die Erhebung der für die Eingliederung erheblichen sozialen Daten sollte in der D 72 Hand von dafür besonders kompetenten Sozialarbeitern liegen. Sie haben die fachliche Qualifikation und die organisatorischen Fertigkeiten, etwa einen Hausstand aufzulösen, sich um den Unterhalt der Familie des Untergebrachten zu kümmern, einen Anwalt zu vermitteln. Sie können etwa die Krankheits- und Eingliederungshilfen nach §§ 48, 54 f SGB XII im Auge behalten. Sie können ausloten, inwieweit Kontakte zu nachsorgenden Organisationen zu knüpfen sind oder inwieweit eine Berufstätigkeit über Lockerungen erhalten oder gefördert werden kann. An sie richtet sich auch die Zusammenarbeitsklausel in Art 3 Bay, § 4 III Hbg, § 4 Nds, § 1 II NW; § 1 III RhPf, § 3 III Saar und § 6 SaAn. e)
Dokumentation
Diese drei Untersuchungsergebnisse bilden nicht nur die Grundlage für den Be- D 73 handlungs- und Vollzugsplan. Sie sind auch Bestandteil der Krankenakten und müssen deshalb so geführt werden, dass Patienten oder ihre Vertreter (Anwälte) jederzeit Einsicht nehmen können (ausf. Unten Rn D 174; vgl auch Eberhard et al 1988, MRVG NW § 4 Erl 5 mit Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfes zum damaligen § 4 N W – jetzt § 6 N W). 6.
Rechtsdurchsetzung
Die Ansprüche auf die nötigen Untersuchungen, auf deren Dokumentation, auf die D 74 Unterstützung bei der Erledigung dringender Angelegenheiten, auf die Sicherung von Vermögenswerten, auf Informationen zum Vollzugsablauf und auf die Gesetzestexte zum Maßregelvollzug (OLG Celle NStZ 1987, 44 zum Strafvollzug) können mit der Verpflichtungsklage durchgesetzt werden. In Eilfällen hilft § 114 StVollzG. Gegen Ruppigkeiten und Verletzungen der Intimsphäre bei der Aufnahmeuntersuchung steht die allgemeine Leistungsklage (gegebenenfalls Feststellungsklage) zur Verfügung. Werden im Zuge der Unterbringung Vermögensbestandteile des Patienten schuldhaft beschädigt, etwa weil keine Möglichkeit eingeräumt wurde, den Hausrat oder den PKW zu versorgen etc, kann ein Amtshaftungsanspruch gegeben sein. Werden bei der körperlichen Untersuchung Krankheiten schuldhaft nicht erkannt, dann kommen auch unter dem Aspekt des Art 5 V MRK Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Betracht, die gegebenenfalls vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden können (BGH NJW 1993, 2927; zur Bewertung von Diagnosefehlern als Behandlungsfehler vgl BGH R&P 1991, 42). III. Behandlungs- und Vollzugsplanung
III. Behandlungs- und Vollzugsplanung Spezielle Literatur: Volckart 1987b, 139 f; ders 1991, 181 f; Wycisk/Noeres 1991. Kommentierte Normen: BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– – § 30 I § 15 II, IV §§ 22 VII; 23 §§ 3 I; 7 I 3, II; 9 §6 §§ 18 I 2; 23 I 4, 5
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
Bernd Wagner
§§ 7; 8 VI § 16 § 4 III, IV §8 §§ 21 I 3, II; 38 II, III §§ 8 II–IV; 11 § 5 II–IV §§ 12 V; 13 I 4
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D. Behandlung
1.
Drei Gründe für eine „planvolle Behandlung“
D 75 Würden die Patienten ohne Vollzugs- und Behandlungsplanung verwahrt, so könnten Richter bei den Überprüfungen nach § 67e StGB nur die Folgen der mangelhaften Behandlung feststellen und müssten den Freiheitsentzug wegen der andauernden Gefährlichkeit fortdauern lassen. Dies wäre verfassungswidrig. Freiheitsentzug kann nach Art 104 II GG nur durch richterliche Entscheidungen angeordnet und aufrechterhalten werden. „Hängt eine positive Kriminalprognose auch von einer zeitgerechten Entlassungsvorbereitung ab, bedarf es verfahrensrechtlicher Vorkehrungen, die unter diesem Gesichtspunkt eine planmäßige Entlassungsvorbereitung gewährleisten. Geschieht dies nicht, besteht die Möglichkeit, dass die Entlassung durch vollzugsbehördliche Entscheidungen verzögert wird mit der Folge, dass der Richter nicht mehr in dem ihm vom Gesetz übertragenen Umfang Herr der gebotenen Vollstreckungsentscheidung ist“ (BVerfGE 86, 288, 328 zu § 57a StGB). Daraus ergibt sich die rechtsstaatliche Begründung einer detaillierten Behandlungs- und Vollzugsplanung, die darauf abzielt, eine Entlassung rechtzeitig vorzubereiten. D 76 Die Unterbringung im Maßregelvollzug ist ein Sonderopfer, das möglichst gering auszufallen hat (Pollähne Rn B 34 ff) und deshalb eine qualitätsvolle Behandlung erfordert. Ein geplanter Vollzug mit durchdachter Behandlung dient in diesem Zusammenhang der Qualitätssicherung. Vollzug und Behandlung sind an den erreichbaren Therapie-, Eingliederungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten auszurichten. Was die Anstalt nicht selbst leisten kann, muss sie uU mit externen Infrastrukturen ausgleichen. Insofern ist der Maßstab nicht das vollzugsintern Machbare sondern das insgesamt Erreichbare. Einerseits dürfen mit den leichter zu schreibenden als später umzusetzenden Plänen nicht irreale Hoffnungen geweckt und Frustrationen vorprogrammiert werden. Andererseits sollen mit den Plänen anspruchsvolle Ziele gesteckt und Ansprüche von einiger Verbindlichkeit formuliert werden (OLG Celle NStZ 1982, 136; OLG Koblenz NStZ 1986, 72; KG StV 1982, 372 f), die für das Krankenhaus wie für den Patienten uU nur mit Anstrengungen zu erreichen sind. Dafür ist eine sorgfältige Diagnose zu erstatten. Das Behandlungsziel muss für den konkreten Einzelfall definiert werden. Der Behandlungs- und Vollzugsverlauf ist ständig zu überprüfen und fortzuschreiben. Und schließlich dienen Vollzugs- und Behandlungspläne der Transparenz für die Mitarbeiter im Vollzug, für den Patienten, für die Gerichte in Vollzugsangelegenheiten und vor allem für die regelmäßigen Vollstreckungsentscheidungen bei den halb- bzw jährlichen Überprüfungen nach § 67e StGB. Vollzug und Behandlung dürfen nicht an ungeschriebenen Konzepten einzelner Therapeuten ausgerichtet sondern müssen in einem fortgeschriebenen Plan dokumentiert werden. Formal und inhaltlich muss der Plan so gestaltet sein, dass er als Entscheidungsgrundlage für Behandlungsmaßnahmen und für gerichtliche Überprüfungen in Vollstreckungs- und Vollzugsverfahren taugt. Deshalb hat der Plan auch darüber Auskunft zu geben, ob und wie die geplanten Maßnahmen durchgeführt wurden. D 77 Von dem auch mit rechtlicher Tragweite versehenen Behandlungs- und Vollzugsplan zu unterscheiden sind therapeutische Konzepte, die auf eine Therapievereinbarung oder einen Therapievertrag (sog Compliancevereinbarung) hinzielen (Zimprichova 2008; Lackinger/Dammann 2005, 107). Dort sind Patientencompliance und Therapieversprechen Bestandteil der Therapie und nicht deren Voraussetzung oder Planungsgrundlage. Wie sich der Vollzug und die Behandlung gestalten kann ist also für das Verwaltungsverfahren als Behandlungs- und Vollzugsplan vor allem rechtlich verbindlich in groben Zügen festzuschreiben. Für das therapeutische Setting erfolgt eine Verständigung als Compliance und kann viel tiefer und konkreter in therapeutische Einzelheiten eintauchen. Dieser Unterschied muss dem Patienten deutlich gemacht werden, um keine falschen Hoffnungen etwa zur rechtlichen Durchsetzbarkeit zu wecken (vgl Rn D 104). 130
Bernd Wagner
III. Behandlungs- und Vollzugsplanung
2.
Erstellung von Behandlungs- und Vollzugsplänen
Die Erstellung eines Vollzugs- und Behandlungsplanes ist vorgesehen in § 30 I 3 D 78 Berl, § 15 II Bran, § 23 Bre, § 9 Hbg, § 6 Hess, §§ 18 I 2, 23 I 4, 5 MeVo, § 7 Nds, § 16 NW, § 4 III und IV RhPf, § 8 Saar, §§ 21 I 3, 38 II und III Sachs, §§ 8 II, 11 SaAn, § 5 II SH sowie § 13 I 4 Thü. In den übrigen Ländern (B Baden-Württemberg; Bayern) ergibt sich seine Notwendigkeit aus dem bei Rn D 75–D 77 dargelegten Sachzusammenhang. Damit besteht in allen Ländern ein Anspruch auf die Erstellung des Vollzugs- und Behandlungsplanes. Hinsichtlich der Frist, in der ein Plan zu erstellen ist, besteht ein Zielkonflikt zwi- D 79 schen möglichst rascher und möglichst sorgfältiger Planung. In Bremen (§ 23 I 1) und im Saarland (§ 8 I) ist ein (vollständiger) Plan innerhalb von sechs Wochen nach der Aufnahme zu erstellen. In Brandenburg stehen dafür vier Wochen zur Verfügung (§ 15 II Bran). Demgegenüber wird in § 6 I Hess („alsbald“) und in § 7 I Nds, § 4 III RhPf, § 5 II 2 SH („unverzüglich“) der Schnelligkeit der Vorrang gegeben. Die dabei zu kurz gekommene Gründlichkeit soll dort erst bei der Fortschreibung des Planes erreicht werden. In Niedersachsen und in Rheinland-Pfalz wird erst zu diesem Zeitpunkt ein Vollzugsplan verlangt. Bis zur ersten Fortschreibung soll ein Behandlungsplan ausreichen (§ 7 II Nds, § 4 IV RhPf). Diese Abschichtung ist nur dann unbedenklich, wenn die sechsmonatige Fortschreibungsfrist (Rn D 81) nicht ausgeschöpft wird. Vorbildlich ist die Regelung in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen, wo unverzüglich nach der Eingangsuntersuchung ein vorläufiger Behandlungsplan (§ 9 I Hbg, § 16 I 1 NW) und spätestens sechs Wochen nach der Aufnahme der endgültige Behandlungsund Vollzugsplan (§ 7 II H bg, § 16 I 2 N W) erstellt werden muss. Dies kann auch als Leitlinie für die Länder ohne gesetzliche Regelung gelten. Das Recht auf einen rechtzeitigen Behandlungsplan ist jedenfalls verletzt, wenn D 80 sechs Wochen nach Vollzugsbeginn verstrichen sind. In Einzelfällen können diese Fristen aber auch deutlich kürzer zu bemessen sein. Maßstab ist die zu erwartende Behandlungs- oder Unterbringungszeit. So wäre zB in der Entziehungsanstalt oder bei einer voraussichtlichen Unterbringungsdauer von 2 Jahren oder bei gewaltlosen Eigentumsdelikten ein erst nach sechs Monaten erstellter Vollzugsplan idR verspätet und rechtswidrig. Die Überprüfung und Fortschreibung der Pläne ist in § 9 III Hbg, § 6 III Hess, § 7 II D 81 Nds, § 16 II 2 NW, § 4 III 3 RhPf, § 8 III Saar, § 11 I SaAn nach jeweils längstens sechs Monaten vorgeschrieben. § 5 II 5 SH verlangt die ,regelmäßige‘ Überprüfung. In der Anfangs- und Schlussphase des Vollzugs wird in aller Regel eine kürzere Frist angemessen sein. In der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist der sechsmonatige Rhythmus bedenklich, weil bei den kurzen Unterbringungszeiten in der Entziehungsanstalt die Behandlungsplanung ihre steuernde Funktion verlieren kann. Veränderungen werden nicht schnell genug erfasst und ein veraltetes Konzept könnte in Übereinstimmung mit dem Plan zu lange weiter verfolgt werden. Nicht von ungefähr sind hier auch die gerichtlichen Überprüfungsfristen halb so lang wie bei der Maßregel nach § 63 StGB (vgl § 67e StGB). Deshalb sind bei der Unterbringung nach § 64 StGB kürzere Fortschreibungsfristen erforderlich, die in der Anfangsphase bei längstens drei Monaten und in der Schlussphase von Therapien auch deutlich darunter liegen können. Die Dreimonatsfrist in Brandenburg (§ 15 II 4 Bran) ist deshalb sachgerecht. Die Vollzugs- und Behandlungspläne bleiben wie im Strafvollzug auch bei einer Ver- D 82 legung des Patienten bestehen (OLG Koblenz NStZ 1986, 92; OLG Zweibrücken NStZ 1988, 431) und sind deshalb in der neuen Anstalt anzupassen und fortzuschreiben. Dies darf aber nicht dazu führen, dass ursprünglich vorgesehene Behandlungsmaßnahmen gestrichen werden und der Plan faktisch durch einen neuen ersetzt wird. Bernd Wagner
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D. Behandlung
D 83 Grundlage der Überprüfungen und Fortschreibungen sind zunächst Berichte, Aufzeichnungen und Gutachten des Vollzugspersonals. Darüber hinaus müssen aber auch sämtliche andere Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden und zB in Absprache mit dem Patienten auch jene Personen befragt werden, die ihn außerhalb der Einrichtung oder bei Besuchen erleben. Schließlich muss von Zeit zu Zeit auch ein e xternes Gutachten in Auftrag gegeben werden. Nur so können eventuell verfestigte Fehldiagnosen aufgedeckt werden (Eberhard et al 1988, MRVG NW § 14 Anm 5). Diese Gutachten haben zunächst Bedeutung für die Überprüfung nach § 67e StGB. Darüber hinaus soll der externe Sachverstand aber auch für die Überprüfung des Behandlungs- und Vollzugsplanes genutzt werden. Nach § 11 II SaAn ist mindestens alle vier Jahre ein externes Gutachten einzuholen. § 5 IV SH, § 8 IV Saar, 16 III N W haben mit der Dreijahresfrist Vorbildfunktion für die anderen Länder, in denen die Einholung eines externen Gutachtens im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht. D 84 Die schriftlich (§ 15 IV Bran; §§ 7 II, 9 V H bg) festzuhaltenden Pläne sind möglichst unter Mitwirkung des Patienten zu erstellen (§ 15 II 5 Bran, § 3 I Hbg), jedenfalls aber mit dem Patienten zu e rörtern (§ 30 I Berl, § 15 II 6 Bran, § 23 I Bre, § 9 I Hbg, § 6 II Hess, § 23 I 5 MeVo, § 7 III Nds, § 16 I 3 N W, § 4 IV RhPf, § 8 I S aar, § 21 II Sachs, § 8 III SaAn, § 5 III SH, § 12 V T hü), wozu ihm (und nicht nur dem gesetzlichen Vertreter, vgl § 7 I 3 Hbg) eine Abschrift oder Kopie zu übergeben ist. Hinsichtlich der Behandlungsplanung ist dies eine therapeutische Selbstverständlichkeit, weil die Behandlung psychischer Störungen wesentlich auf der Kommunikation zwischen Therapeuten und Patienten beruht. Insofern ist diese Erörterungspflicht nur ein Teilaspekt einer möglichst umfassenden Einbeziehung und Mitwirkung des Untergebrachten bei der Vollzugs- und Behandlungsgestaltung (ausdrücklich § 3 I Hbg) und gilt deshalb auch in den Ländern, die eine Erörterung nicht geregelt haben. Die Erörterung soll sich nicht darauf beschränken, den Patienten mit einem fertigen Plan zu konfrontieren. Es geht vielmehr darum, die Stellungnahme und die Bedenken des Patienten aufzunehmen, zu dokumentieren, dessen Vorschläge zu berücksichtigen und auf diese Weise einen gemeinsamen Plan zu erstellen, der dann nicht nur eine rechtliche Autorität gegenüber der Einrichtung sondern auch eine Autorität gegenüber dem Patienten besitzt. Die Erörterung ersetzt nicht die Aushändigung des aktuellen Planes (LG Landau StV 2007, 426 f = R&P 2007, 41 ff; vgl auch unten Rn D 104) D 85 Nach § 15 II 7 Bran, § 9 I 2 H bg, § 8 III 1 SaAn und § 5 III 2 SH soll diese Erörterung aus „ärztlichen“ bzw therapeutischen Überlegungen unterbleiben können. Diese Regelung ist problematisch (vgl zur ähnlichen Problematik beim Rechtsschutz Gericke unten Rn K 7 ff) und erfasst zunächst nicht die Erörterung der geplanten Maßnahmen, die der Patient ohnedies zu spüren bekommt. Die rechtswidrige Alternative wäre, dass der Patient über den wirklichen Charakter der Maßnahmen getäuscht wird (Psychopharmaka im Tee; heimliche „Verhaltenstherapie“ durch Strafe und Belohnung). Ein solches Lügengebäude wäre niemals eine tragfähige Behandlungsgrundlage. Also kommt überhaupt nur die Vorenthaltung der anamnestischen und diagnostischen Grundlagen des Planes in Betracht. Nun mag es Fälle geben, in denen vorübergehend solche Informationen vorenthalten werden müssen. Diese Teile des Behandlungsplanes aber während der gesamten Unterbringungszeit vor dem Patienten geheim zu halten, wäre unzulässig. Es sei denn, man kann sich Patienten vorstellen, die irgendwann entlassen werden, ohne je gewusst zu haben, weshalb sie Jahre im Maßregelvollzug zugebracht haben. D 86 In § 30 I Berl, § 15 II 6 Bran, § 23 II 2 Bre, § 9 VI 3 Hbg, § 6 II Hess, § 23 I 5 MeVo, § 7 III Nds, § 16 I 3 NW, § 4 IV 2 RhPf, § 8 I Saar, § 8 III SaAn, § 5 III 1 SH ist darüber hinaus auch die Erörterung mit den gesetzlichen Vertretern vorgesehen. Ginge es dabei um die therapeutische Einbeziehung des sozialen Umfeldes, so wären anstelle 132
Bernd Wagner
III. Behandlungs- und Vollzugsplanung
der gesetzlichen Vertreter V ertrauenspersonen aus dem sozialen Umfeld des Patienten anzusprechen. Tatsächlich kann und soll mit diesen Klauseln aber gewährleistet werden, dass sich gesetzliche Vertreter mit dem Aufenthaltbestimmungsrecht auch ort informieren gegen den Willen des Patienten über den vorgesehenen Aufenthaltso können. Insofern knüpft diese weitere Information des gesetzlichen Vertreters an die Unterrichtung in der Aufnahmesituation an (oben Rn D 65). Ansonsten kommt eine Information der gesetzlichen Vertreter oder Dritter wegen der therapeutischen Schweigepflicht nur mit Zustimmung des Patienten in Betracht, wie dies für Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich geregelt ist (§ 30 I 3 Berl, § 23 I 5 MeVo). Dies wird in aller Regel selbst dann gelten, wenn ein Betreuer mit dem Aufgabenbereich der Gesundheitsfürsorge bestellt ist. Denn auf diesen kommt es erst an, wenn die Ländergesetze dessen Zustimmung zu Behandlungsmaßnahmen verlangen oder wenn die Einwilligungsfähigkeit des Patienten fehlt oder eingeschränkt ist (vgl unten D 135 ff). Die Erörterung des Behandlungsplanes mit Angehörigen oder nahe stehenden D 87 Personen ist im Rahmen von (Familien-; Sozial-)Therapie in Absprache mit dem Patienten zulässig (vgl Rn D 65). Zu kurz greifen § 30 I Berl und § 23 I 5 MeVo, wo der Patient sich die Erörterung mit dem „gesetzlichen Vertreter“ wünschen kann. Diese Vorschrift ist auf nahestehende Personen entsprechend anzuwenden. Die Erörterung des Behandlungsplanes mit dem Patienten und dessen Compliance D 88 ersetzt nicht dessen rechtlich erforderliche Einwilligung in einzelne Behandlungsmaßnahmen, sondern bereitet diese nur vor. Eine Einwilligung muss also auf der Grundlage einer speziellen Aufklärung für jede Behandlungsmaßnahme erneut eingeholt werden. Dies gilt auch für die in einem therapeutischen Konzept angelegte sog Therapievereinbarung, die in erster Linie auf eine therapeutische Verlässlichkeit beider Seiten abzielt (vgl Rn D 77). Praktisch wird dies vor allem bei der Behandlung mit Psychopharmaka, wo für jedes einzelne Medikament und jede Behandlungsphase die Einwilligung vorliegen muss. Die „Zustimmung“ in § 8 III SaAn ist also nicht mit einer Behandlungseinwilligung gleichzusetzen. 3.
Inhaltliche Anforderungen an Behandlungs- und Vollzugspläne
Die Pläne müssen eine Anamnese, eine Diagnose, eine Behandlungsplanung, eine D 89 Vollzugsplanung und sinnvoller Weise eine gesonderte Planung zur Rehabilitation und Eingliederung enthalten. Sie müssen Fortschreibungen und Anpassungen dokumentieren und Auskunft darüber geben, welche der geplanten Maßnahmen wie umgesetzt wurden. Die Ländergesetze haben die inhaltlichen Anforderungen an die Vollzugs- und Behandlungspläne unterschiedlich stark (detaillierte Regelungen in § 9 II Hbg, § 5 II SH) aber in keinem Fall abschließend konkretisiert. Deshalb gelten unabhängig von der gesetzlichen Detaillierung folgende inhaltliche und formale Mindestvoraussetzungen: Bei der Sozialanamnese müssen mindestens die Persönlichkeit, das Alter, der Ent- D 90 wicklungsstand und die Lebensverhältnisse des Patienten dargestellt werden. § 7 I Nds sieht ergänzende Feststellungen aus „human- und sozialwissenschaftlichen Erhebungen“ vor. Im Übrigen wird hier das Ergebnis der psychiatrischen und sozialen Eingangsuntersuchung dokumentiert (Rn D 71 f). Zur Diagnose vgl Rn D 4 ff. Die Behandlungsplanung muss sich auf medizinische, heilpädagogische, psycho- D 91 therapeutische, sozialtherapeutische, arbeits- und beschäftigungstherapeutische Maßnahmen erstrecken und Auskunft darüber geben, wo bzw durch wen diese Behandlungsmaßnahmen erfolgen sollen. Die Vollzugsplanung muss Auskunft über die Form der Unterbringung, die Zuwei- D 92 sung zu einer Behandlungsgruppe, das Maß des Freiheitsentzuges, über Arbeit, Schule, Ausbildung und Freizeitgestaltung geben (vgl Pollähne Rn F 63). Bernd Wagner
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D. Behandlung
D 93 Die Rehabilitation- und Eingliederungsplanung muss Maßnahmen zur medizinischen und sozialen Rehabilitation sowie die Eingliederungsmaßnahmen aufführen. Rechtzeitig vor der Entlassung müssen auch konkrete Entlassungsmaßnahmen und die Kontaktaufnahme zu nachsorgenden Einrichtungen wie zur beruflichen und sozialen Integration geplant werden. D 94 Der Plan muss individuell erstellt werden. Eine Vollzugsplanung, die sich auf die Beschreibung des allgemeinen Stufenprogramms beschränkt, erfüllt diesen Anspruch nicht. Die geplanten Maßnahmen müssen so konkret aufgeführt werden, dass sie als Maßstab für eine spätere Überprüfung ihrer Umsetzung dienen können. Falls bestimmte Maßnahmen nur außerhalb der Einrichtung erfolgen können, muss der Plan Auskunft darüber geben, ob der Patient zu diesem Zweck verlegt wird (Rn D 173) oder ob eine vollstreckungsrechtliche Lösung beabsichtigt ist (Rn D 96). 4.
Sonderproblem: Vollstreckungsplanung
D 95 Entlassungsvorbereitungen mit Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche, die Einbindung in Nachsorge oder Therapiekette, die Planung von Behandlungs- und Bewährungsphasen hängen vom Entlassungszeitpunkt ab (vgl zum Vollstreckungsrecht Kamann Rn L 7 ff). Bei einem Nebeneinander von Maßregel und Freiheitsstrafe muss die Vollstreckung so gesteuert werden, dass nicht für den Strafvollzug sondern für die Freiheit therapiert wird. Wenn sich herausstellt, dass eine Therapie in anderem Rahmen besser geeignet ist, so muss die Maßregel uU dort vollstreckt werden. Mit solchen Problemen der Vollstreckung müssen sich die Vollzugseinrichtungen weit mehr auseinandersetzen, als dies bisher Praxis ist (Baur Rn C 86 ff). Zwar fallen Vollstreckungsentscheidungen in die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörden und der Strafvollstreckungskammern. Die Probleme treten aber nicht dort sondern im Vollzug auf und bleiben letztendlich so lange unbewältigt, wie sich niemand an die Vollstreckungsbehörde oder an die Vollstreckungskammer wendet. Da die Patienten nur in seltenen Fällen die nötige Handlungskompetenz besitzen, um entsprechende Anträge zu stellen, ist die therapeutisch orientierte Vollstreckungsplanung eine zwingende Vollzugs- und Planungsaufgabe (Volckart et al 2008, 165; Volckart/Grünebaum 2009, 48 sowie 2009, 282 ff und 2009, 35 ff). Im Einzelfall kann dies auch die Beratung über Rechtsmittel beinhalten, da das Krankenhaus nur Anregungen an die Vollstreckungsbehörde oder die Strafvollstreckungskammer geben kann und selbst keine Rechtsmittel zur Verfügung hat (zu den Rechtsschutzmöglichkeiten bei den unten angesprochenen Vollstreckungsmaßnahmen vgl Volckart 1990b, 227 ff). Inhaltlich geht es um zwei Problemlagen, nämlich einmal um die Auswahl des Behandlungsortes und zum anderen um die Abstimmung von Therapie-Ende und Entlassungszeitpunkt. a)
Ort und Rahmen der Behandlung
D 96 Stellt sich bei der Eingangsuntersuchung, bei der Behandlungsplanung oder bei deren Fortschreibung heraus, dass der Patient in einer anderen Maßregel oder Einrichtung besser behandelt werden kann, so kommt als Vollzugslösung eine Verlegung (zB § 22 VII Bre; § 8 VI Nds; vgl auch Rn D 173) oder eine vollstreckungsrechtliche Überweisung nach § 67a I StGB in Betracht. Jeweils behalten die Maßregelvollzugspatienten ihren rechtlichen Status. Dies gilt vor allem für § 63 StGB-Patienten mit einer massiven Suchtproblematik, die in einer Entziehungsanstalt besser behandelt werden kann. Daneben gibt es die Aussetzungslösung: Ist die Behandlung im Rahmen einer Unterbringung nach dem Unterbringungsrecht der Länder (PsychKG oder Unterbringungsgesetz) besser geeignet, so bietet § 67d II StGB die Möglichkeit, die Maßregel auszusetzen und die anderweitige Unterbringung zur Bewährungsauflage zu machen (Kamman Rn L 26; LK-Hanack StGB § 63 Rn 113). Auch zugunsten einer Betreu134
Bernd Wagner
III. Behandlungs- und Vollzugsplanung
ungsunterbringung nach § 1906 BGB kann gem § 67d II StGB ausgesetzt werden (aA OLG Düsseldorf JMBlNW 1979, 167). Weil die Unterbringung nach den Unterbringungsgesetzen bzw PsychischKrankenGesetzen der Länder oder die zivilrechtliche Unterbringung nach § 1906 I Nr 2 BGB weniger stigmatisieren und deshalb regelmäßig für den Patienten günstiger sind, ist also eine A ussetzungsplanung nach § 67e StGB nötig (BGH R&P 2007, 201 ff). Für Drogenabhängige ist der Maßregelvollzug oftmals der schlechtere Behandlungsrahmen innerhalb der Therapielandschaft (Rasch 1991b, 109 ff; Wycisk/Noeres 1991, 114 ff). Hier ist an die Z urückstellung der Maßregelvollstreckung zugunsten einer Behandlung nach § 35 BtMG zu denken (Wagner B 1993, 304 f). Zur Verlegung als Vollzugsmaßnahme. Insgesamt zu Konkurrenz und Verhältnis der Unterbringungsformen Marschner/ Volckart 2001 Rn A 131, 142 ff). b)
Planung des Entlassungszeitpunktes
Behandlungskonzepte, insbesondere wenn sie auf guter Planung beruhen, haben D 97 keine beliebige Dauer. Dies gilt nicht nur für Suchttherapie in der Entziehungsanstalt sondern ebenso für verhaltenstherapeutische und psychotherapeutische Konzepte im psychiatrischen Krankenhaus. Auch eine pharmakologische Behandlung verläuft in Phasen und die planlose Langzeitmedikamentation ist eher Kunstfehler als Therapie. Also kann das voraussichtliche Ende einer stationären Behandlung in vielen Fällen vorausgesehen werden. Stellt sich bei der Behandlungsplanung heraus, dass zu jenem Zeitpunkt eine Entlassung des Patienten aus rechtlichen Gründen nicht möglich sein wird, muss die Vollstreckungsplanung beginnen. Andernfalls würde der erreichte Therapieerfolg im anschließenden Strafvollzug oder in einem nur noch verwahrenden Maßregelvollzug wieder verspielt (Rasch 1991b, 109 ff; Wycisk/Noeres 1991, 114 ff). Deshalb ist es eine wesentliche Aufgabe der Vollzugs- und Behandlungsplanung, das Ende der stationären Therapie mit der Entlassungsreife in Einklang zu bringen (Volckart/Grünebaum 2009, 10 ff). Im Maßregelvollzug nach § 64 StGB müssen zudem §§ 35 und 36 BtMG beobachtet werden (vgl Kamann Rn L 97 ff). Der Entlassungszeitpunkt bei der Unterbringung nach § 63 StGB ist gem § 67d D 98 StGB von der krankheitsbedingten Gefährlichkeit abhängig (Kamann Rn L 25). Deshalb bedingen sich hier Entlassung und Therapie-Ende gegenseitig und die Harmonisierung sollte kein Problem sein. Nach der Rechtsprechung des BVerfG findet die Unterbringungsdauer aber ihre Begrenzung durch das V erhältnismäßigkeitsprinzip (BVerfGE 70, 297; vgl Pollähne Rn B 77 ff). Deshalb ist insbesondere bei schwer therapierbaren Persönlichkeitsstörungen eine Entlassung vor Therapie-Ende möglich. Die Bestimmung dieses Zeitpunktes obliegt der Strafvollstreckungskammer. Der Vollzug muss darauf hinwirken, dass diese Grenze einer verhältnismäßigen Unterbringungsdauer möglichst rasch im Verfahren nach § 67e StGB festgestellt wird. Anhaltspunkte für diese Abstimmung zwischen Vollzug und Vollstreckung enthält die Entscheidung des BVerfG zu § 57a StGB (E 86, 288, 328; StV 1992, 470 ff; Wagner B 1992c, 133 f). Bei Langzeituntergebrachten muss das Vollstreckungsende zB mit einer Therapie zur Enthospitalisierung vorbereitet werden (vgl Bargfrede et al 1995, 55). Inzwischen schreiben die Strafvollstreckungskammern auch im Aussetzungsverfahren entsprechende Therapiemaßnahmen vor (OLG Koblenz NJW 1999, 876). Der späteste E ntlassungszeitpunkt bei der Unterbringung nach § 64 StGB steht D 99 durch die Zweijahresgrenze des § 67d I 1 StGB zunächst fest, kann sich aber nach § 67d I 3 StGB um die auf die Freiheitsstrafe angerechnete Unterbringungsdauer auf bis zu 4 Jahre verlängern (vgl Kamann Rn L 24). Diese Berechnung muss im Vollzug nachvollzogen, nachgeprüft und bei der Planung berücksichtigt werden. Auswirken dürfte sich die Verlängerung eigentlich nur in dem eher seltenen Fall, dass für eine Langzeittherapie mehr als 2 Jahre stationäre Behandlung vorgesehen sind. Eine VerBernd Wagner
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D. Behandlung
zögerung wegen „Therapieresistenz“ dürfte angesichts § 67d V StGB nicht vorkommen (vgl aber zur gegenläufigen Praxis Schalast 1994, 4). Nach dieser praktisch wichtigen Regelung ist die Unterbringung nach § 64 StGB bei Aussichtslosigkeit der Therapie nicht weiter zu vollziehen. Die Behandlungsaussicht muss deshalb insbesondere in den beiden ersten Fortschreibungen streng geprüft werden. Die Verwahrung im Maßregelvollzug widerspricht § 137 StVollzG, führt zur Verlängerung des Freiheitsentzuges, weil diese Zeit nicht angerechnet wird und belastet das therapeutische Klima der Einrichtung (Rasch 1991b, 112). D 100 Bei Patienten, die nach dem zu erwartenden Behandlungsabschluss noch eine Anschlussfreiheitsstrafe verbüßen müssen, ist der Handlungsbedarf besonders groß. Sollen die Therapieerfolge nicht durch den anschließenden Strafvollzug gefährdet werden, muss eine Lösung gefunden werden, die die gleichzeitige Aussetzungsreife von Strafe und Maßregel herbeiführt: D 101 Werden Maßregel und Strafe in einem Urteil angeordnet, so wird grundsätzlich die Maßregel vor der Strafe vollzogen und bei erfolgreichem Therapieabschluss und dementsprechender Aussetzungsreife wird die Therapiezeit auf die Strafe angerechnet und deren Rest zur Bewährung ausgesetzt (§ 67 StGB). Das klappt aber nur bei kurzen Freiheitsstrafen oder langen Therapien, weil die Strafe erst ausgesetzt werden kann, wenn mindestens deren Hälfte durch Vollzug oder Anrechnung erledigt ist. In allen anderen Fällen muss die Vollstreckungsreihenfolge so geändert werden, dass nach § 67 III StGB jener Teil der Strafe vorweg vollzogen wird, der zusammen mit der anschließenden Therapiezeit im Maßregelvollzug die Hälfte der Strafe ausmacht. D 102 Wenn S trafe und Maßregel in unterschiedlichen Urteilen verhängt wurden, wird § 67 StGB von einigen Gerichten nicht entsprechend angewendet (vgl Übersicht bei LK-Hanack StGB § 67 Rn 12). In diesem Fall kann die Strafe nach § 44b StVollStrO vorwegvollzogen werden. Die Anrechnungsmöglichkeit entfällt allerdings. Um diesen Nachteil zu beseitigen, bleibt nur der Gnadenweg (SK-Horn StGB § 67 Rn 3; Lackner/Kühl StGB § 67 Rn 1) oder die Verlegung aus dem Strafvollzug nach § 65 StVollzG, um den Patienten im psychiatrischen Krankenhaus behandeln zu lassen. Verläuft die Behandlung erfolgreich, kann die Strafe zur Hälfte oder zum Zweidrittelzeitpunkt zusammen mit der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt werden (§§ 57, 67d II; vgl auch § 67c II StGB). D 103 Wenn dieser Weg nicht beschritten werden kann, muss sofort mit der Therapie begonnen und entsprechend der Therapieplanung von der stationären zur ambulanten Behandlung, von der Therapie zur Bewährungsphase übergegangen werden. Die Vollzugsplanung muss ab diesem Zeitpunkt offene Unterbringungsformen bis zur Aussetzungsreife vorsehen. Unzulässiger Verwahrvollzug wäre es, mit der Therapie solange abzuwarten, bis deren Ende mit dem Entlassungszeitpunkt zusammenfallen kann. 5.
Rechtsdurchsetzung
D 104 Der Anspruch auf einen (rechtzeitigen, aussagefähigen, vollständigen, fortgeschriebenen, schriftlichen) Behandlungs- und Vollzugsplan und auf dessen E rörterung kann mit der Verpflichtungsklage durchgesetzt werden. Da ein Anspruch auf Aushändigung eines Planes besteht (AK-StVollzG-Feest/Joester § 7 Rn 28; Calliess/MüllerDietz StVollzG § 7 Rn 1; Schwind et al StVollzG § 7 Rn 5; OLG Hamm ZfStrVo 1979, 63; LG Landau v. 10. 5. 2006 – 2 StVK 60/06 = R&P 2007, 41 ff = StV 2007, 426; aA OLG Karlsruhe ZfStrVo 1980, 184; offen gelassen von BVerfG NStZ 2003, 620 f), stellt sich das Problem des Akteneinsichtsrechts hier nicht. Die Patienten können unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes einen Anspruch auf D urchführung der geplanten Maßnahmen haben (OLG Celle NStZ 1982, 136; AK-StVollzG-Feest/Joester § 7 Rn 29). Der Patient kann dann gegen p lanwidrige Maßnahmen mit der Anfech136
Bernd Wagner
IV. Recht der Behandlung
tungsklage vorgehen. Im Plan vorgesehene begünstigende Maßnahmen genießen Vertrauensschutz und können nur unter den engen Voraussetzungen für Widerruf oder Rücknahme solcher Verwaltungsakte aufgehoben werden (KG NStZ 1997, 207 zu § 14 II 2 StVollzG). Schwierig ist die Abgrenzung zwischen solcher verwaltungsverfahrensrechtlicher Behandlungsplanung und dem sog Therapievertrag bzw der Therapievereinbarung (Rn D 77), die bereits Behandlung sind und nicht erst deren Planung (den Unterschied nicht erfasst hat OLG Karlsruhe R&P 2008, 231 f). Dort kann sich ein Behandlungsanspruch aus dem Behandlungsrecht selbst ergeben, etwa wenn die Verweigerung der vereinbarten Therapie willkürlich erfolgt oder sonst ein Behandlungsanspruch ableitbar ist (Rn D 105 ff). Ein Anspruch auf A ufnahme bestimmter Maßnahmen in den Plan besteht, wenn die Maßnahme selbst verlangt werden könnte (zum Behandlungsanspruch vgl Rn D 105 ff). Eine solche Wechselwirkung von Vollzugsmaßnahme und Behandlungsplan ergibt sich ausdrücklich aus §§ 38 II und III Sachs, wonach Rehabilitation und Vollzugslockerungen „entsprechend dem Behandlungsplan“ vorgesehen sind. Dies bedeutet freilich nicht, dass ein Anspruch auf Rehabilitation oder Lockerung über den Umweg eines Behandlungsplanes eingeklagt werden müssten; vielmehr kann ein Anspruch auf solche Vollzugsmaßnahmen auch dann mit dem Verpflichtungsantrag unmittelbar durchgesetzt werden, wenn sie im Plan noch nicht vorgesehen sind. Dann muss der Antrag beschieden werden. Die Aufnahme der begehrten Maßnahme in den Plan reicht nicht (OLG Dresden NStZ 2000, 464 zum Strafvollzug). Aus der Wechselwirkung von Plan und Maßnahme ergibt sich umgekehrt, dass jede einzelne in den Plan aufgenommene Maßnahme gerichtlich angefochten werden kann, da schon die Planung selbst eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung darstellt (vgl KG ZfStrVo 1984, 370; OLG Hamm ZfStrVo 1979, 63 zum Strafvollzug). Auch die im Behandlungs- und Vollzugsplan festgelegte Frist zur Prüfung von Vollzugslockerungen ist nach § 109 StVollzG überprüfbar (OLG Koblenz ZfStrVo 1992, 321 f zum Strafvollzug). Der Plan kann insgesamt angefochten werden, wenn er über die Rechtsbeeinträchtigung durch Einzelmaßnahmen hinaus in seiner Gesamtheit rechtsverletzenden Charakter hat (AK-StVollzG-Feest/Joester § 7 Rn 33 und Calliess/Müller-Dietz StVollzG § 7 Rn 2; übersehen von OLG Koblenz NStZ 1986, 92). IV. Recht der Behandlung
IV.
Recht der Behandlung
Spezielle Literatur: Göppinger, Hans 1956; Bockelmann 1968; Geißl 1980; Göppinger, Horst 1980, 856 ff; Wolfslast 1985; Marschner 1985; ders 1988; ders 1990; vgl auch vor Rn D 1. Kommentierte Normen: BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
§8 Art 13 § 30 §§ 17; 18 §§ 22; 43 II 1 §§ 4 I 2; 7; 9 V; 10; 11 §§ 7; 28 § 23
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§8 §§ 12 I; 15 II; 17 §5 §§ 9; 10 § 21 §§ 5 II 1; 8 §§ 5; 6 II § 12
1.
Behandlungsanspruch – Behandlungspflicht
a)
Behandlungsanspruch bei Anlasskrankheiten
Die im Maßregelvollzug untergebrachten Patienten haben einen Anspruch auf Un- D 105 tersuchung und Behandlung der Anlasskrankheit. Dies ergibt sich bereits aus der Rechtfertigung der Maßregel als Sonderopfer (vgl Pollähne Rn B 34 ff) und aus §§ 136 und 137 StVollzG (Volckart/Grünebaum 2009, 222 f). In § 8 I BW, Art 13 I Bay, § 30 I Berl, § 18 I Bran, § 22 I Bre, § 10 I Hbg, § 7 I Hess, § 23 I MeVo, § 8 I Nds, § 17 I N W, Bernd Wagner
137
D. Behandlung
§ 5 I RhPf, § 9 I Saar, § 21 I Sachs, § 8 I SaAn, § 5 II SH und § 12 I Thü ist dieses Recht darüber hinaus ausdrücklich erwähnt. Der Behandlungsanspruch bezieht sich mindestens auf die in Rn D 34–D 44 dargestellten Therapiemethoden. Die Einschränkung in § 22 I Bre auf die im Krankenhaus vorhandenen therapeutischen Angebote ist nur zulässig iVm der Verlegungsmöglichkeit in eine andere, besser geeignete Einrichtung nach § 44 I Bre zur Durchführung der erforderlichen Therapie (vgl Rn D 109 f). D 106 In Baden-Württemberg und in Bayern werden auch Rehabilitations- und Eingliederungsmaßnahmen als „Heilbehandlung bezeichnet (§ 8 I 2 BW; Art 13 I 2 Bay), was an dem Rechtscharakter solcher Maßnahmen nichts ändert. Rehabilitation und Eingliederung sind nur ausnahmsweise ärztliche Maßnahmen (vgl Rn D 14–D 18; D 24–D 26) und die Vorschriften zur Zwangsbehandlung sind darauf nicht anwendbar (Rn D 13). D 107 Soweit eine Behandlung gegen den erklärten Patientenwille aufgrund einer stellvertretenden Einwilligung Dritter zugelassen ist (Rn D 138), kann der Behandlungsanspruch durch diese geltend gemacht werden. Soweit die Maßregelvollzugsgesetze eine Zwangsbehandlung gegen Patienten- und Vertreterwille vorsehen, beruht dies auf Fürsorgegesichtspunkten. Rechtlich kann ein Anspruch auf diese Fürsorge bestehen, wenn das diesbezügliche Ermessen auf Null reduziert ist und die Einrichtung zwangsbehandeln muss; das kann für Haftpflicht- und Strafverfahren Bedeutung haben. b)
Einschränkungen des Behandlungsanspruchs
D 108 Juristische Probleme: Die Ländergesetze formulieren den Umfang der Behandlung zwar unterschiedlich (§ 8 II B W: „notwendig“; Art 13 I Bay: „notwendig“; § 30 I Berl: „notwendig“; § 18 I Bran: „zweckmäßig, notwendig und dem Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechend“; § 23 II Bre: „dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechend, notwendig und angemessen“; § 10 I Hbg: „geboten“; § 7 I Hess: „erforderlich“; § 23 I MeVo: „notwendig“; § 8 I Nds: „geboten“; § 17 I NW: „erforderlich“; § 5 RhPf: „umfassend“; § 9 I Saar: „erforderlich“; § 21 I Sachs: „notwendig“; § 8 I SaAn: „nach anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst geboten“; § 5 II S H: „notwendig“, § 12 I Thü: „notwendig“). In der Sache geht es aber jeweils um dasselbe: Es besteht kein Anspruch auf eine einzelne konkrete Maßnahme sondern nur auf eine dem Stand der Wissenschaft (lex artis; Regeln der ärztlichen Kunst) entsprechende Behandlung (kritisch im Zusammenhang mit Psychotherapie Wolfslast 1985, 64 f). Allerdings räumen die Ländergesetze den Therapeuten kein Ermessen ein, sondern machen die Behandlung von den oben genannten unbestimmten Rechtsbegriffen abhängig. Deren Ausfüllung ist durch übergeordnete Grundsätze weitgehend vorgegeben und gerichtlich voll überprüfbar. Dadurch ergibt sich in der Praxis in aller Regel doch ein Anspruch auf eine bestimmte Behandlungsmaßnahme, die durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip mit der Ausprägung in dubio pro libertate (vgl Pollähne Rn B 43 ff) sowie durch den Selbstbestimmungsgrundsatz konkretisiert wird (Wagner B 1990a, 58 ff und 1992a, 102 ff, 152 ff; vgl auch Gericke Rn K 54 ff). Kein Behandlungsanspruch besteht auf gesetzwidrige (vgl Kastrationsgesetz) oder sittenwidrige Maßnahmen, selbst wenn dazu die Einwilligung erteilt wird (vgl § 228 StGB). D 109 Praktische Probleme: Gewichtiger als die juristischen sind die Ressourcenprobleme der Praxis (Saimeh 2007). Oftmals können die erforderlichen Behandlungen und Therapien wegen infrastruktureller Mängel nicht durchgeführt werden (Osterheider 2002, 17; zur Organisationshaft vgl Rn D 49). Architektur, Personalmangel, fehlende Spezialisierung und Ausbildung, vollstreckungsrechtliche Rahmenbedingungen und fehlende Übergangseinrichtungen können einen rechtlich anerkannten Behandlungsanspruch faktisch vernichten. Dies ist unzulässig und rechtswidrig (Baur 138
Bernd Wagner
IV. Recht der Behandlung
Rn C 65 ff). Der Behandlungsanspruch bestimmt sich nach den Bedürfnissen des Patienten und nicht nach den Möglichkeiten der Anstalt (zu den vermeintlichen Einschränkungen in Bremen vgl Rn D 105). Dieser Grundsatz ist im Vollstreckungsrecht im Zusammenhang mit § 64 II und § 67 I StGB (BGHSt 28, 327, 329 und BGHSt 36, 199, 202; BGH NStZ 1981, 492 und 1982, 132) wie auch im Haftungsrecht (OLG Hamm R&P 1993, 203 ff) anerkannt. Wenn die Gerichte Maßregelvollzugspatienten in infrastrukturell ungeeignete Einrichtungen einweisen (müssen), dann ist dies nur erträglich und mit dem Gebot zur Achtung der Menschenwürde (Art 1 I GG) vereinbar, wenn dort ein durchsetzbarer Anspruch auf eine geeignete Infrastruktur, notfalls auf Verlegung in eine geeignete Einrichtung besteht. Andernfalls würden Patienten zum Objekt des Staates gemacht, der sie in die Verwahrung durch eine nutzlose aber grundrechtsbeschränkende Einrichtung zwingt. Also kann der juristische Behandlungsanspruch (auch in Bremen) gegen die mangelhafte Infrastruktur durchgesetzt werden. Es bieten sich folgende A uswege aus dem Dilemma: Zunächst ist bei der Behand- D 110 lungsplanung anstelle des anstaltsintern Machbaren das Erreichbare zugrunde zu legen (vgl Rn D 76). Externe Therapiemöglichkeiten sind einzubeziehen, Verlegungsund Überweisungsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen, vollstreckungsrechtliche Lösungen müssen ausgearbeitet werden (Rn D 95 ff, D 105, D 168). Kann die psychische Störung im Krankenhaus oder in der Anstalt nicht behandelt D 111 werden, dann müssen externe Therapeuten in den Vollzug eingebunden werden, was rechtlich und tatsächlich möglich ist und – in allerdings zu wenigen Fällen – auch praktiziert wird (Leygraf 1988, 166; vgl auch OLG Nürnberg NStZ 1999, 479 zum Strafvollzug). Dies kann insbesondere auf Spezialgebieten die realistischere und auch kostengünstigere Lösung sein als ein intern verfügbares breitgefächertes Spezialistenangebot (Kröber et al 2006, 199). Kommt die externe Therapie nicht zum Patienten, dann kommt dessen Verlegung oder Überweisung in eine andere Einrichtung in Betracht (Rn D 105, Rn D 173). Sachliche Ausstattungsmängel müssen uU mit gerichtlicher Hilfe (Gericke unten Rn K 3) oder durch die Aufsichtsbehörde (Baur oben Rn C 64 ff) beseitigt werden. c)
Behandlungsanspruch bei sonstigen Krankheiten (vgl auch Marschner Rn E 11 ff)
Der Anspruch auf eine angemessene (allgemeine) Gesundheitsfürsorge zur Be- D 112 handlung sog interkurrenter Erkrankungen (Rn D 2) ist ausdrücklich geregelt in § 11 Hbg, § 28 Hess, § 8 VII iVm StVollzG Nds, § 12 I N W, § 5 I 2 iVm StVollzG RhPf, § 10 Saar, § 8 X iVm StVollzG SaAn. In Baden-Württemberg (§ 8 I), Bayern (Art 13 I), Berlin (§ 30 I), Brandenburg (§ 18 I), Bremen (§ 22 I) Mecklenburg-Vorpommern (§ 23 I), Sachsen (§ 21 I), Schleswig-Holstein (§ 5 II) und Thüringen (§ 12 I) wird nicht unterschieden zwischen Anlasskrankheiten und sonstigen Erkrankungen, so dass dort die Regelungen aus Rn D 108 gelten. Damit gibt es drei Regelungskonzepte in den Ländern: 1. Das Behandlungsrecht ist für alle Erkrankungen gleich, allenfalls mit Besonderheiten bei der Zwangsbehandlung von interkurrenten Erkrankungen (§ 5 VI 2 SH). 2. Für sonstige Erkrankungen wird auf die Regelungen zum Strafvollzug verwiesen (§ 8 VII Nds; § 5 I 2 RhPf; § 8 X SaAn), wobei die Länder ersichtlich (noch) nicht die Ländergesetze zum Strafvollzug im Blick haben. 3. Für die sonstigen Erkrankungen wird auf das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen (§ 11 Hbg; 28 Hess; 12 I N W; § 10 Saar). Der Behandlungsanspruch leitet sich im übrigen bei den interkurrenten Krankheiten zudem aus dem Sonderopfergedanken und der Fürsorgepflicht einer freiheitsentziehenden Institution ab, die einen Ausgleich dafür zu schaffen hat, dass der Untergebrachte sich nicht wie ein freier Bürger um seine Gesundheit kümmern kann. Die Bernd Wagner
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D. Behandlung
Rechtslage entspricht derjenigen im Strafvollzug (dazu Calliess/Müller-Dietz StVollzG § 56 Rn 1; BT-Drs 7/918, 72). Zur medizinischen Behandlung aus Gründen der Wiedereingliederung vgl Rn D 26. Zur medizinischen R ehabilitation und zum Anspruch auf medizinische Hilfsmittel vgl Marschner Rn E 11 ff. Zum Anspruch auf geschlechtsangleichende Operation OLG Karlsruhe R&P 2007, 207. D 113 Die Einschränkungen gegenüber der medizinischen Versorgung in Freiheit sind vielfältig. Es gibt keine freie Arztwahl sondern nur den Anspruch auf die Behandlung durch den zuständigen Anstaltsarzt bzw durch das zur Behandlung bestimmte Krankenhaus. Weil die angemessene und notwendige Behandlung verlangt werden kann, besteht allerdings wie bei den Anlasskrankheiten ein Anspruch auf einzelne Behandlungsmaßnahmen, wenn die Voraussetzungen dieser gerichtlich voll überprüfbaren Rechtsbegriffe vorliegen (OLG Karlsruhe R&P 2007, 207 f zur geschlechtsangleichenden Operation). Notwendige Behandlungen dürfen – wie im Strafvollzug – nicht aus Kostengründen abgelehnt werden (OLG Karlsruhe aaO und NJW 2001, 3422 ff). Das Ob und Wie der Behandlung bestimmt sich allerdings nicht nach dem Wunsch des Patienten sondern nach den a nerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Ob der Patient also zB. eine komplette Zahnsanierung während des Maßregelvollzuges verlangen kann, entscheidet sich nach der medizinischen Notwendigkeit. Zu den Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung von interkurrenten Erkrankungen vgl Marschner unten Rn E 19. d)
Behandlungspflicht
D 114 Von einer Verpflichtung der Maßregelvollzugseinrichtung zur Behandlung kann sinnvoller Weise nur gesprochen werden, wenn diese Pflicht vollzugsrechtlich, zivilrechtlich oder strafrechtlich durchgesetzt werden kann. Jede Behandlungspflicht endet bei einer von Rechts wegen zu beachtenden Selbstbestimmung des Patienten (Rn D 118). D 115 Vollzugsrechtlich folgt die Behandlungspflicht spiegelbildlich aus dem Recht auf Behandlung. Wo die Ländergesetze einen Anspruch definieren, begründen sie gleichzeitig eine Behandlungspflicht gegenüber dem Patienten. Dieser Pflicht dürfen sich die Einrichtungen nicht durch die Definition von „Untherapierbaren“ entledigen. Tatsächlich werden auch für schwierige Patientengruppen neue Therapiekonzepte entwickelt, die Hoffnung machen (Konrad 1995, Eisenberg 2004; Braasch 2007; Schalast et al 2007; zu Longstay-Einrichtungen vgl oben Rn D 24 und Baur Rn C 34). Aus den in § 101 StVollzG Gesetz gewordenen Rechtsgrundsätzen, die im Maßregelvollzug aufgrund Verweisung oder entsprechender Regelungen der Ländergesetze oder kraft ihrer grundgesetzlichen Ableitung (Geißl 1980, 270 ff) auch im Maßregelvollzug gelten, ergibt sich selbst bei Lebensgefahr keine Behandlungspflicht (vgl zB § 6 III RhPf), solange der Patient seinen Willen frei bestimmen kann. Ist der freie Wille nicht vorhanden, muss uU zwangsbehandelt werden (vgl Marschner unten Rn E 19). D 116 Die strafrechtliche Hilfeleistungspflicht des § 323c StGB spielt bei Krankheiten und insbesondere bei den Anlasskrankheiten eine nur ganz untergeordnete Rolle, weil diese nur in ganz seltenen Fällen als plötzliches, unvorhergesehenes Ereignis auftreten (SK-Rudolphi/Stein StGB § 323c Rn 5c; Volckart/Grünebaum 2009, 227). Ein Unglücksfall iSd § 323c kommt zB bei plötzlich auftretenden katatonen Zuständen in Betracht oder bei akuten Komplikationen nach Gabe von Psychopharmaka. Nach Auffassung der strafgerichtlichen Rechtsprechung soll § 323c StGB auch bei einem Suizidversuch eingreifen (BGHSt 32, 367; ablehnend: S/S-Eser StGB § 323c Rn 7 mwN). Eine Behandlungspflicht kann sich auch als Garantenpflicht im Zusammenhang mit der Strafandrohung in den §§ 223 ff iVm § 13 StGB ergeben. Die dafür erforderliche Garantenstellung kann sich als Behandlungspflicht aus den Maßregelvollzugsgesetzen und in Einzelfällen auch aus einer Übernahme der Behandlungsverantwortung ergeben (S/S-Stree StGB § 13 Rn 28a). 140
Bernd Wagner
IV. Recht der Behandlung
Im Zusammenhang mit Haftpflichtprozessen werden Behandlungspflichten bis- D 117 weilen (meist geht es um Sicherheitsvorkehrungen; BGHZ 38, 49; OLG München VersR 1960, 571) als allgemeine Sorgfaltspflichten definiert (Finzen 1989, 184 ff; Wolfslast 1985, 128 f). Dann geht es jeweils um die Frage, ob sich aus einem bestehenden Behandlungsverhältnis die Pflicht zu konkreten Maßnahmen ableiten lässt. Da sich im Maßregelvollzug solche Sorgfaltspflichten nicht aus einem Rechtsgeschäft sondern allenfalls aus dem Unterbringungsverhältnis ableiten lassen, sind die zum privaten Arztrecht entwickelten Pflichten nicht übertragbar und es gilt Folgendes: Solange die Patienten (oder stellvertretend die gesetzlichen Vertreter) eine Behandlung verlangen, ergibt sich die Sorgfaltspflicht als Umkehrung aus dem Behandlungsanspruch. Solange eine solche Behandlung rechtswirksam abgelehnt wird und sich aus den obigen Darlegungen keine vollzugsrechtliche Behandlungspflicht ergibt, können auch keine haftungsrechtlichen Behandlungspflichten entstehen. 2.
Mitwirkungs- und Duldungspflicht des Patienten
Eine Pflicht des Patienten sich im Hinblick auf die Anlasskrankheit therapieren zu D 118 lassen kann es nicht geben, weil mit einer Pflicht der Durchsetzungszwang korrespondiert und nur äusseres Verhalten erzwungen werden kann. Bei den Therapien im Maßregelvollzug geht es aber um die Herstellung einer Behandlungscompliance, einer freiwilligen Mitwirkung, die auch die seelische Verfasstheit zum Gegenstand hat. Diese ist Teil der Menschenwürde und also unantastbar (Volckart/Grünebaum 2009, 231 f). Auch die Mitwirkung von Patienten bei der allgemeinen Gesundheitspflege oder gesundes bzw hygienisches Verhalten (zB Sport, Ernährung, Körperpflege) können aus regelmäßig nur sehr eingeschränkt durchgesetzt werden (zur Duldung einer Zwangsbehandlung vgl Marschner/Volckart 2001 Rn B 208). Denn im Maßregelvollzug dürfen keine Disziplinarmaßnahmen verhängt werden, weil sie gesetzlich nicht vorgesehen sind (AK-StVollzG-Pollähne § 136 Rn 5). Wenn ein Patient zB die Körperpflege vernachlässigt, die Sportangebote schwänzt oder sich systematisch falsch ernährt, kann er nicht bestraft werden. Insofern laufen die in den Ländern vorgesehenen Mitwirkungspflichten weitgehend leer, zumal die erzwungene Anwesenheit bei Psycho-, Sozial-, Ergo- und Verhaltenstherapie als therapeutisch nutzlos gilt (BT-Drs 11/4528, 70 f; zur Entzugstherapie krit Jürgens 1986, 349). Denkbar wäre unmittelbarer Zwang. Der führt aber nicht zur Mitwirkung sondern zur Erduldung von Gesundheitsfürsorge und ist am Selbstbestimmungsrecht als grundrechtlich geschütztem Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu messen. Unvernunft, die nur der eigenen Allgemeingesundheit abträglich ist, muss auch im Maßregelvollzug hingenommen werden. Wie bei vernachlässigten Vorsorgeuntersuchungen können durch ein unvernünftiges Gesundheitsverhalten aber Behandlungsansprüche eingeschränkt werden. Diese Vorschriften haben also insofern Bedeutung, als sie Obliegenheiten für einen Behandlungsanspruch begründen, der eben nur soweit besteht, wie der Patient zur Mitwirkung bereit ist (Rn D 108 ff). Untersuchungen zur Gesundheitspflege ohne körperlichen Eingriffe können zwangsweise durchgeführt werden (Rn D 70; dort auch zu Urinkontrolle und Aidstest; vgl auch Rzepka unten Rn H 36 ff, H 49 ff). Verbote zur Durchsetzung der allgemeine Gesundheitspflege, wie etwa ein Rauchoder Alkoholverbot kommen bei vorhandenen Lungen- bzw Leberschäden in Betracht. Hier muss allerdings genau geprüft werden, ob eine dringende therapeutische Notwendigkeit besteht (Rn D 50). Das allgemeine Selbstbestimmungsrecht im Hinblick auf den legalen Konsum von Tabak und Alkohol bleibt auch im Maßregelvollzug erhalten (vgl OLG Frankfurt R&P 2009, 155 f). Weitere Konsumeinschränkungen sind hier denkbar aus Ordnungsgründen und aus Gründen der Behandlung von Anlasskrankheiten (etwa einer Suchterkrankung). Bernd Wagner
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D. Behandlung
Ein Tätowier- oder Piercingverbot kommt aus Gründen der allgemeinen Gesundheitspflege in Betracht, wenn die nötigen hygienischen Voraussetzungen nicht vorliegen (Infektionsrisiko bei gegenseitigem Tätowieren mit heißen Nadeln). Ein Verbot aus ästhetischen oder Rehabilitations Gründen scheitert dagegen am Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Erzwingbare Mitwirkungspflichten des Patienten an der Behandlung der Anlasskrankheiten gibt es nur im Rahmen des Zwangsbehandlungsrechts (Rn D 118). Insofern muss das Krankenhaus auch mit dem Phänomen der therapiefähigen aber therapieunwilligen Patienten zurechtkommen (vgl oben D 24). Bei der Unterbringung nach § 64 StGB kommt allerdings die Erledigung der Maßregel in Betracht. Die damit verbundenen Rechtsnachteile im vikariierenden System bei der Strafzeitberechnung können bei sachgerechter Aufklärung und Information unter Umständen Behandlungsbereitschaft herstellen. 3.
Behandlungskosten
D 119 Die Heilbehandlung der Anlasskrankheiten in der Maßregelvollzugseinrichtung ist kostenfrei und wird von den Kostenträgern der Einrichtungen bezahlt. Wird eine Behandlung während einer Lockerungsmaßnahme nötig, so gilt die Kostenfreiheit nur, wenn sich der Patient in der Maßregelvollzugseinrichtung behandeln lässt oder wenn die Behandlung mit deren Genehmigung anderweitig erfolgt. Werden in Notfällen andere Ärzte und Krankenhäuser tätig, so ist die Vollzugsbehörde bzw der Kostenträger nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag kostenpflichtig (zu § 60 StVollzG: Calliess/Müller-Dietz StVollzG § 60 Rn 1; VG Schleswig und AG Schleswig und wNw bei Hartwig 1992, 223; zu weiteren Fragen der Kostenpflicht vgl Eberhard et al 1988, MRVG NW § 10 Erl 4 ff; Baur oben Rn C 92 ff; Marschner unten Rn E 13). Die Behandlung sonstiger (interkurrenter) Krankheiten erfolgt bei sozialversicherten Patienten in freien Beschäftigungsverhältnissen (BSGE 81, 162) auf Kosten der Krankenkasse, wenn dies die Ländergesetze wegen des in § 16 I Nr 4 SGB V normierten Nachrangs der Krankenversicherung anordnen, ansonsten der Vollzugseinrichtung. 4.
Das vollzugsrechtliche Behandlungsmodell
D 120 Nach dem Grundmodell jeder Therapie wirkt ein aufgeklärter, in die Behandlungsplanung einbezogener Patient selbstbestimmt und frei an seiner Behandlung mit, in die er zuvor eingewilligt hat. Zivilrechtlich beurteilt sich diese Behandlung nach dem rechtsgeschäftlich ausgehandelten Dienstvertrag. Strafrechtlich stellt sich die Frage, ob ein in §§ 239, 240, 223 ff StGB geschütztes Rechtsgut mit oder ohne Rechtfertigungsgrund, schuldlos oder schuldhaft verletzt wurde. Im öffentlichen Recht des Maßregelvollzugs wird die Heilbehandlung nach der E rmächtigungsgrundlage beurteilt, die für den Eingriff in die Rechte des Patienten nötig ist. Ein und dieselbe Behandlungsmaßnahme kann unter den verschiedenen Fragestellungen durchaus unterschiedlich behandelt werden. Harmonisiert wird dieses System allerdings durch das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung. Was unterbringungsrechtlich zulässig ist, rechtfertigt immer auch strafrechtlich und schließt einen Amtshaftungsanspruch aus. Deshalb kommt es hier nur auf die vollzugsrechtliche Betrachtung der Heilbehandlung an (vgl auch Geppert 1976, 17). D 121 Eine Heilbehandlung kann die körperliche Unversehrtheit (Art 2 II 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art 1 I, 2 I GG) beeinträchtigen. Als b elastende Verwaltungsmaßnahme ist sie wegen des Gesetzesvorbehalts nur mit einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage zulässig. Erfolgt die Heilbehandlung aber mit wirksamer Einwilligung des Patienten, so verwirklicht sie dessen Behandlungsanspruch und gilt verwaltungstechnisch als begünstigende Maßnahme. In diesem Fall setzt sich das Selbstbestimmungsrecht aus Art 1 I, 2 I GG durch. Also beurteilt sich 142
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IV. Recht der Behandlung
das vollzugsrechtliche Behandlungsmodell im Fall der konsentierten, also einverständigen Heilbehandlung nach der Reichweite des Selbstbestimmungsrechts und im Fall der Zwangsbehandlung nach der Reichweite einer gesetzlichen Ermächtigung. Eine Behandlung ist zulässig, soweit der Patient mit ihr einverstanden ist oder soweit ein Gesetz andere Rechte bzw Interessen höher bewertet (Geißl 1980, 275 f, 308 ff). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist zunächst auf eine freiwillige Behandlung D 122 hinzuwirken (ähnlich Geppert 1976, 9, 15). Erst wenn dies scheitert, kommt eine Vorrang der konsentierten vor der ZwangsbeZwangsbehandlung in Betracht (V handlung/Compliance statt Zwang). Dies entspricht den therapeutischen Bedürfnissen, weil die konsentierte Behandlung erfolgversprechender ist als die aufgezwungene (Finzen et al 1993). Deshalb sind auch die durch das Betreuungsrecht vorgesehenen Modalitäten zur Aufklärung des Patientenwillens auszuschöpfen, bevor es zur Zwangsbehandlung kommt (dazu BayOLG R&P 2004, 33; aA offenbar Volckart/Grünebaum 2009, 235 f; vgl auch unten vor Rn D 127), Behandlungsmethoden, die als Heilmethoden ungeeignet oder unverhältnismäßig D 123 sind, scheiden als Zwangsbehandlung (zu den Elektroschocks vgl Rn D 33) und mit folgender Überlegung auch trotz einer Einwilligung aus: Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten beschränkt sich auf die eigenen Rechtsgüter. Es kann deshalb eine menschenunwürdige und ungeeignete also unverhältnismäßige Behandlungsleistung von anderen nicht erzwingen. Deshalb enthalten zB § 30 IV Berl, § 22 V Bre und § 8 III Nds ein absolutes Verbot für Behandlungen, die zu Persönlichkeitsveränderungen im Kernbereich führen können (gemeint sind damit insbesondere gehirnchirurgische Eingriffe; OLG Hamm 1976, 2311). In den anderen Ländern ergibt sich dies aus Art 1 I, 19 I GG (Marschner 1988, 22). An dieser Verfassungshürde scheitert Art 13 II Bay. Arzneimittelversuche und Behandlungsforschung sind nach § 40 AMG selbst mit Einwilligung nicht möglich (vgl Rn D 51). Der mit dem Betreuungsrecht geschaffene § 1905 BGB zur S terilisation ist auch für jene Fälle beachtlich, in denen keine Betreuung eingerichtet ist (vgl zur vorherigen Rechtslage OLG Hamm NJW 1983, 2095; zur Diskussion um § 1905 BGB Schumacher/Jürgens 1988, 2 ff). Für Kastrationen und in ihrer Wirkung vergleichbare medizinische Eingriffe (vgl § 4 KastG) ist das KastG vom 15. 8. 1969 idF vom 23. 11. 1973 (BGBl. I 1969, 1143 und 1973, 1725) mit seinen absoluten Grenzen in § 2 KastG zu beachten (vgl Marschner 1990, 68 f; Koller 2008, 190 ff). Die Frage der Reichweite einer Einwilligung stellt sich auch bei dem von Amelung D 124 (1983, 1 ff, 30 f) aufgeworfenen Problem, inwiefern angesichts der Zwangssituation der Gefangenschaft die Patienten überhaupt zu einer selbstverantwortlichen freien Entscheidung in der Lage sind. Einwilligungen, welche nur deshalb abgegeben wurden, um schwereren Eingriffen zu entgehen (zB längerer Freiheitsentzug), mögen psychologisch als unfreiwillig gelten. Juristisch werden solche „ eingriffsmildernden“ Einwilligungen grundsätzlich anerkannt (Amelung 1983, 15 f mit Einschränkungen und weiteren Voraussetzungen). Dagegen macht die Drohung mit Zwangsbehandlung eine daraufhin abgegebene Einwilligung unwirksam, weil der Patient sich nicht entscheidet sondern fügt. Das vollzugsrechtliche Behandlungsmodell kennt verschiedene Grundlagen der D 125 Behandlung. Eine freiwillige Behandlung liegt vor, wenn der aufgeklärte, den Sachverhalt zutreffend erfassende und urteilsfähige Patient sich mit der Behandlung ausdrücklich einverstanden erklärt. Ist der Patient in der konkreten Behandlungssituation zwar nicht kommunikationsfähig, hatte er aber zuvor sein Selbstbestimmungsrecht für die jetzige Situation ausgeübt und in die Behandlung eingewilligt (vorausgehende Einwilligung; psychiatrisches Testament), so gilt auch diese antizipierte Einwilligung wie die aktuell erklärte als mutmaßliche Einwilligung fort. Dasselbe gilt, wenn der Patient sich in der konkreten Behandlungssituation nicht äuBernd Wagner
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D. Behandlung
ßern kann, aber sein Behandlungswille sich aus seinen Lebensumständen ergibt. Eine Zwangsbehandlung liegt vor, wenn der Patient gegen seinen Willen therapiert wird. Verweigert der Patient die Einwilligung ausdrücklich und wird er trotzdem behandelt, dann liegt für den Patienten auch in jenen Fällen eine Zwangsbehandlung vor, in denen eine stellvertretende Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters oder Sorgeberechtigten eingeholt wurde. Die Ländergesetze behandeln diesen Fall in der Regel aber außerhalb der Zwangsbehandlungsvorschriften als Unterfall der Einwilligung. Dass dies falsch ist, zeigt sich spätestens bei der Durchsetzung der Behandlung mit unmittelbarem Zwang. Eine Notfallbehandlung liegt vor, wenn aus Gründen der dringenden Gefahrenabwehr die Zeit nicht reicht, um die erforderlichen Voraussetzung des Maßregelvollzugsrechts für eine Behandlung zu schaffen. Wenn in solchen Fällen allgemein gültige Rechtsregeln zur Behandlungspflicht bei Unglücksfällen eingreifen, hat die Behandlung nichts mit Maßregelvollzug zu tun. Bei der stellvertretenden Einwilligung spielt mit dem Betreuungsrecht und dem familienrechtlichen Sorgerecht des Bürgerlichen Gesetzbuches das Bundesrecht in den landesrechtlich geregelten Maßregelvollzug herein (näher bei Rn D 135 ff). Bei der Personensorge für Minderjährige sind dies die §§ 1626 ff, 1666, 1693, 1705 und 1800 BGB (dazu Hoffmann 2007). Für Betreute gelten insbesondere die §§ 1901–1904 BGB und in Eilfällen die §§ 1908i iVm 1846 BGB mit nicht unerheblichen Problemen für das Behandlungsrecht (vgl unten Rn 135 ff). Diese Bundesregelungen setzen sich gegen die Regelungen der Ländergesetze durch, weil insofern eine Regelungskompetenz der Länder fehlt (OLG Hamm NJW 2003, 2392; Marschner 2005; vgl auch Marschner Rn E 21). D 126 Zusammengefasst ergibt sich damit folgendes Behandlungsmodell im Maßregelvollzug mit vier Grundkonstellationen: – Einwilligung liegt vor (Normalfall) Der einwilligungsfähige Patient willigt in die konkrete Behandlung wirksam ein. Dies ist der unter allen Umständen anzustrebende Normalfall der Behandlung im Maßregelvollzug (Rn D 137 ff). Auf die zusätzliche Einwilligung durch Dritte kommt es nur an, wenn das Sorgerecht bzw Elternrecht aus Art 6 II GG neben dem Selbstbestimmungsrecht des nur teilweise einwilligungsfähigen Kindes steht. – Der nicht einwilligungsfähige Patient wehrt sich nicht gegen die Behandlungsmaßnahme (Fall der mutmaßlichen oder stellvertretenden Einwilligung) Der in der konkreten Behandlungssituation nicht einwilligungsfähige Patient will oder kann sich der Behandlungsmaßnahme nicht widersetzen. Dann ist entsprechend dem antizipierten oder mutmaßlichen Patientenwillen vorzugehen (Rn D 132 ff). Bei minderjährigen oder betreuten Patienten ist hier Raum für eine stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (Sorgeberechtigter oder Betreuer – vgl Rn D 138 ff). – Patient wehrt sich gegen die Behandlungsmaßnahme (Fall der Zwangsbehandlung) Der Patient, gleich ob einwilligungsunfähig oder einwilligungsfähig, wehrt sich gegen die Behandlung. Hier ist nur Raum für eine Zwangsbehandlung im Rahmen der gesetzlichen Grenzen. Die in manchen Ländergesetzen für diese Fälle vorgesehene ersetzende Einwilligung des Betreuers läuft leer und hat keine Bedeutung (Rn D 145 ff)! – (Notfallbehandlung) Kann bei Gefahr im Verzug eine Einwilligung bzw stellvertretende Einwilligung nicht rechtzeitig beigebracht werden und liegen die Voraussetzungen der Zwangsbehandlung nicht vor, bleibt in engen Grenzen die allgemeinrechtliche Notfallbehandlung (Rn D 155 f).
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IV. Recht der Behandlung
5.
Die einverständliche Behandlung
Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hat Verfassungsrang. „Das Erfordernis der Einwilligung auch zu diagnostischen, zu vorbeugenden und zu Heileingriffen hat seine normative Wurzel in den grundlegenden Verfassungsprinzipien, die zu Achtung und Schutz der Würde und der Freiheit des Menschen und seines Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit verpflichten . . . Die Bestimmung über seine leiblich-seelische Integrität gehört zu dem ureigensten Bereich der Personalität des Menschen. In diesem Bereich ist er aus der Sicht des Grundgesetzes frei, seine Maßstäbe zu wählen und nach ihnen zu leben und zu entscheiden“ (BVerfGE 52, 131 ff, 173). Dieses Selbstbestimmungsrecht des Patienten hat in dem zum 1. September 2009 in Kraft getretenen Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts mit der Patientenverfügung seinen eindrucksvollen und verbindlichen Niederschlag gefunden. Daran ist auch das Behandlungsmodell des Maßregelvollzugs auszurichten (vgl Rn D 135 ff) mit der Maßgabe des Vorrangs der Herstellung einer Behandlungscompliance (vgl oben Rn D 122) und der sorgfältigen Ergründung des Patientenwillens. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Rechtslage und zwingt zur Neukommentierung wesentlicher Teile des Behandlungsrechts (vgl insb Rn D 132 ff). Nicht zuletzt werden die Hürden vor einer Zwangsbehandlung erhöht (Rn D 142). a)
Aufklärung und Herstellung von Compliance
Die Einwilligung als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechtes setzt Kenntnis über das D 127 voraus, worüber bestimmt wird. Diese Kenntnis über Diagnose, Behandlungsmethode, Risiken und Alternativen muss durch Aufklärung verschafft werden. Die Herstellung des Einvernehmens (B Behandlungscompliance) oder zumindest die konsentierte Behandlung als Normalfall wird geregelt in § 8 II 1 BW, § 30 II 1 Berl, § 18 II 1 Bran, § 22 II 1 Bre, § 10 V H bg, § 23 II MeVo, § 17 I 1 N W, § 5 II RhPf, § 9 I 2, II 1 Saar, § 21 II Sachs, § 5 II 2 SH und § 12 II Thü. § 7 I 2 Hess ignoriert die verfassungsrechtlichen Vorgaben (oben vor Rn D 127) und erklärt die fehlende Einwilligung zum Normalfall! Dies ist wie (bei den missverständlich formulierten § 8 I 2, II Nds, § 8 I 3, III 2 SaAn) verunglückte Gesetzgebungstechnik und ändert an dem Verfassungsgrundsatz vom Vorrang der konsentierten vor der Zwangsbehandlung nichts. Die Aufklärungspflicht folgt aus der Notwendigkeit, in jedem Fall zunächst eine Einwilligung in die beabsichtigte Behandlung zu erhalten. Auch – vermeintlich – einwilligungsunfähige Patienten müssen aufgeklärt werden (vgl Hoffmann 2005, 52 ff). Eine Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Behandlung wäre jedenfalls unverhältnismäßig, wenn der aufgeklärte aber einwilligungsunfähige Patient die Behandlung geschehen lassen würde (vgl Rn D 142). Diese Aufklärung darf auch nicht durch Tricks und Heimlichkeiten (Mörsern von Tabletten; Beimischungen; falsche Erklärungen) überflüssig gemacht oder umgangen werden. Der Umfang der Aufklärung ist im Einzelfall zu entscheiden. Hier ist nicht der Ort, D 128 die äußerst vielfältigen Stellungnahmen und Judikate darzustellen (vgl S/S-Eser StGB § 223 Rn 41 ff; Holtus 1991, 133 ff; Giesen 1983, 47 ff; Bockelmann 1968, 25 ff). Mindestens die Diagnose, die nach dem Stand der Wissenschaft möglichen Behandlungsmethoden, die Risiken der Behandlung und Nichtbehandlung müssen so angesprochen werden, dass der Patient in die Lage versetzt wird, Bedeutung und Folgen seiner Entscheidung abzuschätzen. Eine Einschränkung der Aufklärung aus therapeutischen Gründen ist nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig (zur heimlichen Therapie vgl Rn D 50). Oft geht es gar nicht darum, ob der Patient aufgeklärt werden kann, sondern darum, wie er mit der Diagnose und den Behandlungsfolgen vertraut gemacht wird. Und dabei geht es nicht um die Aufklärung als solche sondern um einen therapeutisch reflektierten zeitlichen und kommunikativen Rahmen (zum ähnlich gelagerten Problem im gerichtlichen Verfahren vgl Gericke Rn K 7 ff). Da die Aufklärung nicht nur für die Wirksamkeit der Einwilligung Bedeutung hat, sondern auch Bernd Wagner
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D. Behandlung
Teil des Behandlungsmodells zur Herstellung von Compliance ist, liegt hier eine der wichtigsten Aufgaben in der Kommunikation zwischen Einrichtung und Patient. Die Teilnahme des Patienten oder eines von diesem bestimmten Vertrauten an Behandlungskonferenzen oder an Besprechungen zur Behandlungsplanung ist Teil einer solchermaßen therapeutisch reflektierten Aufklärung. b)
Aktuelle und ausdrückliche Einwilligung des Patienten
D 129 Die Einwilligung setzt eine Willensäußerung voraus. Sie muss für die konkrete Behandlung abgegeben werden. Wird vom Patienten im Rahmen der Behandlungsplanung eine generelle Compliance und Zustimmung eingeholt (vgl § 8 III SaAn), muss diese für eine konkrete Behandlungssituation aktualisiert werden. Sonst hat sie allenfalls Bedeutung für die sog mutmaßliche Einwilligung aufgrund antezipierter Erklärung. Da sie als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts zu verstehen ist, kommt es für die Einwilligungsfähigkeit nicht auf die rechtsgeschäftlichen Vorschriften des Zivilrechts (Geschäftsfähigkeit) und auch nicht auf die Einwilligungsdogmatik des Strafrechts an (zu den Unterschieden Bockelmann 1968, 24 ff). Sie bestimmt sich im Maßregelvollzug vielmehr danach, inwieweit einem Menschen die Fähigkeit zugesprochen wird, gemäß seinem Selbstbestimmungsrecht über das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Art 2 II GG) und über seinen seelischen Zustand zu bestimmen (BVerfGE 10, 302, 309; umfassend zur Einwilligungsfähigkeit Amelung 1992, 526 ff, 821 ff; ders 1995, 20). D 130 Diese sog Grundrechtsmündigkeit zur Einwilligung fehlt, wenn ein Patient zur Artikulation oder Kommunikation gar nicht mehr in der Lage ist (zB Bewusstlosigkeit; Apathie; extremer Autismus; katatoner Stupor). Bei kommunikations- und artikulationsfähigen Patienten fehlt die Grundrechtsmündigkeit für Art 2 I und II GG und damit die Einwilligungsfähigkeit, wenn sie keinen Zugang zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt finden. Einwilligungsfähig ist also, wer hinsichtlich der Diagnose, der therapeutischen Möglichkeiten einschließlich der denkbaren Alternativen sowie hinsichtlich der jeweiligen Chancen und Risiken den Wert der von der Entscheidung betroffenen Güter und Interessen erfassen und sein Verhalten nach dieser Einsicht richten kann. D 131 Schwierig sind die Fälle zu beurteilen, in denen sich die Patienten aus therapeutischer Sicht „unvernünftig“ entscheiden. Es gibt die Freiheit oder das Recht zur Krankheit (vgl Seitz 1998). Die Praxis operiert hier allzu schnell mit dem Begriff der „ fehlenden Krankheitseinsicht“. Oft verbirgt sich dahinter ein klassischer Zirkelschluss (Beispiel bei OLG Schleswig R&P 1994, 37): die Frage, ob eine wirksame Behandlungsverweigerung vorliegt, wird danach entschieden, ob die Behandlung verweigert wurde. Deshalb ist das Etikett „krankheitsuneinsichtig“ eher Bewertung als Beschreibung. Wenn Patienten ihr Verhalten wahrnehmen und lieber daran als an den Medikamenten leiden, sind sie in ganz außergewöhnlichem Maße selbstbestimmt. Damit ergeben sich Parallelen zu dem, was im Strafrecht oder bei der Einwilligung von Kindern und Jugendlichen in Heilbehandlungen als „natürliche Einsichts- und Willensfähigkeit“ (BHSt 4, 119) bezeichnet wird (Amelung 1992, 558; S/S-Lenckner StGB Vorbem §§ 32 ff Rn 39 f; Maunz/Dürig GG Art 19 III Rn 24). Auch psychisch Kranken fehlt diese Fähigkeit nur ausnahmsweise (BGHZ 29, 46, 51; Bockelmann 1968, 24 f; Göppinger Hans 1956, 98 ff; Göppinger Horst 1980, 858 f). Auch die Unvernunft ist zu respektieren, wenn sie Ausfluss einer selbstbestimmten Entscheidung ist (S/S-Lenckner StGB Vorbem §§ 32 ff Rn 40). c)
Frühere und mutmaßliche Einwilligung des Patienten
D 132 Schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen kann eine f rühere Einwilligung des Patienten als mutmaßlicher Wille fortwirken. Wurde eine Einwilligung vor der Behandlung erteilt und fällt die Einwilligungsfähigkeit zum Behandlungszeitpunkt 146
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IV. Recht der Behandlung
weg, so gilt die frühere Erklärung weiterhin (BGH VersR 1954, 98), was bei der Operation eines narkotisierten Patienten unmittelbar einleuchtet. Da für den Bereich der einverständigen Behandlung insofern keine Wesensunterschiede zwischen Maßregelvollzugsrecht und privatem Behandlungsrecht bestehen (vgl Rn D 10, D 52 f, D 120), gilt auch hier die durch BGHSt 32, 379 begründete Rechtslage bei uneinholbarer Einwilligungserklärung, wie sie in BGHSt 40, 257, 263 zusammengefasst wird: Entscheidend ist der mutmaßliche Wille des Patienten im Behandlungszeitpunkt, wie er sich nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände darstellt. Hierbei sind frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Kranken ebenso zu berücksichtigen wie seine religiöse Überzeugung, seine sonstigen persönlichen Wertvorstellungen . . . Objektive Kriterien, insbesondere die Beurteilung einer Entscheidung als gemeinhin „unvernünftig“ oder „normal“ sowie den Interessen eines verständigen Patienten üblicherweise entsprechend, haben keine eigenständige Bedeutung; sie können lediglich Anhaltspunkte für die Ermittlung des individuellen hypothetischen Willens sein.
Dieser Rechtszustand wurde vom BGH fortentwickelt für den Fall, dass ein Betreuer bestellt wurde (BGHZ 154, 205 und BGHZ 163, 195): Ist für den einwilligungsunfähigen Patienten ein Betreuer bestellt und erreichbar, vermag der mutmaßliche Patientenwille allein einen Eingriff in die persönliche Integrität des Patienten nicht länger zu rechtfertigen. Mit der Bestellung des Betreuers ist die rechtliche Handlungsfähigkeit des Patienten wiederhergestellt; Arzt und Pflegepersonal können deshalb nicht mehr unmittelbar auf den Willen des einwilligungsunfähigen Patienten „durchgreifen“.
Dies bedeutet, dass mit der Betreuerbestellung ein verbindliches Verfahren zur Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens nach Maßgabe des Betreuungsrechts einzuhalten ist. Mit dieser Entscheidung wurde auch die Bedeutung einer antezipierten Entscheidung gefestigt. Dies war Ausgangspunkt für die seit dem 1. 9. 2009 geltenden Rechtslage zur Patientenverfügung. Nun liegen mit § 1901a bis 1904 BGB Regelungen zur Bestimmung des mutmaß- D 133 lichen Patientenwillens vor. Obgleich im Gesetzgebungsverfahren vor allem die Ablehnung lebensverlängernder Behandlungsmaßnahmen diskutiert wurde, gilt die Patientenverfügung für jede Art von Heilbehandlung in jedem Krankheitsstadium (§ 1901a III BGB; BT-Drs 16/8442, 12, 14, 16; 16/13314, 19). Die in der Form des § 1901a BGB verfasste Patientenverfügung gilt also auch im Maßregelvollzug. Danach ist eine schriftliche Patientenverfügung bindend. Der Betreuer, der Beauftragte (§ 1901a V BGB) oder – entsprechend – der gesetzliche Vertreter von Minderjährigen hat lediglich zu prüfen, ob diese Patientenverfügung auf den konkreten Behandlungsfall anzuwenden ist (§ 1901a I BGB). Falls ja liegt eine wirksame Einwilligung vor, an die sich alle halten müssen. Liegt keine Patientenverfügung des aktuell nicht einwilligungsfähigen Patienten vor, so muss der mutmaßliche Patientenwille aufgrund konkreter Anhaltspunkte erforscht werden (§ 1901a II BGB). Nur in diesem Fall kann der Betreuer oder der Beauftragte oder der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen eine eigene Entscheidung zur anstehenden Behandlung treffen. Die Patientenverfügung nach § 1901a BGB ist auch als sog psychiatrisches Testament oder sog psychiatrische Behandlungsvereinbarung bindend und setzt somit einen Schlussstrich unter die bislang geführte Diskussion zur Verbindlichkeit solcher Erklärungen (Dietz et al 1998; Rickmann 1987, 144; Deutsch 1979, 1905 ff; Szasz 1987; Lehmann 1993, 253 ff; Rolshoven/Rudel 1993, 282 ff; zur rechtlichen Verbindlichkeit nach altem Recht Marschner 1995 und 1997). Der Grund ist kein formaler sondern die Hypothese, dass ein sorgfältig bedachter und erklärter Wille nicht ohne weiteres wieder umgestoßen wird. Reicht ein Patient ein schriftlich verfasstes psychiatrisches Testament zu den Akten, aus dem sich ergibt, dass er bei einem neuen Krankheitsausbruch zB keine pharmakologische Behandlung wünscht, so ist dies als Selbstbestimmung verbindlich, wenn es zu einer Zeit verfasst wurde, in der der Patient einwilligungsfähig war und wenn sich aus seinem Inhalt ergibt, dass es auch für die aktuelle Situation gelten soll. Die antizipierte Selbstbestimmung kann sich unmittelbar aus dem Testament selbst oder aus der Anordnung einer Botenmacht ergeben. Bestimmt das Testament nämlich, dass die Entscheidung von einer ganz bestimmten Bernd Wagner
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D. Behandlung
Person getroffen werden soll (Beauftragung), so begründet dies zunächst nur den Auftrag zur Botenschaft, dass jene Person authentisch die frühere Selbstbestimmung des Patienten referiert (§ 1901a I BGB). Eine verfügte Stellvertretung im Willen richtet sich nach § 1901a II, V BGB. d)
Beteiligung von Dritten bei der Einwilligung
D 134 Das Selbstbestimmungsrecht ist eine höchstpersönliche Angelegenheit. Nur dann, wenn dem Patienten die nötige Einwilligungsfähigkeit fehlt, können Dritte in den Behandlungsprozess eingebunden sein. Die Art und Weise einer solchen Drittbeteiligung ist durch das nun Gesetz gewordene verbindliche Verfahren zur Feststellung und Umsetzung einer mutmaßlichen Einwilligung (oben Rn D 133) auch im Maßregelvollzug anwendbar. aa)
Verbindliche Patientenverfügung
Liegt von dem in der konkreten Situation einwilligungsunfähigen Patienten eine Patientenverfügung in der Form des § 1901a I BGB vor, so ist diese verbindlich. Ist bereits ein Betreuer bestellt, so wird die Verbindlichkeit im Verfahren nach §§ 1901a ff BGB festgestellt. Ist noch kein Betreuer bestellt, so muss von den Therapeuten nur dann eine Betreuung beantragt werden, wenn von der Patientenverfügung abgewichen werden soll, weil unsicher ist, inwieweit diese Patientenverfügung für den konkreten Behandlungsfall bindet. Der zu bestellende Betreuer wird dann die Verbindlichkeit nach § 1901a Abs 1 in dem dafür vorgeschriebenen Verfahren feststellen. bb)
Mutmaßliche Patienteneinwilligung mit Zustimmung Dritter
D 135 Fehlt beim Einwilligungsunfähigen eine frühere schriftliche Willenbestimmung und ist bereits ein Betreuer bestellt, so wird dieser nach § 1901a II BGB den wirklichen Willen aufgrund konkreter Anhaltspunkte erforschen und danach seine Entscheidung über die anstehende Behandlung treffen. Fehlt beim Einwilligungsunfähigen eine frühere schriftliche Willenbestimmung und ist noch kein Betreuer mit dem Aufgabengebiet der Gesundheitsfürsorge bestellt, so ist die Selbstbestimmung des Patienten von den Therapeuten aus dessen Lebenszusammenhängen aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ergründen und diese Entscheidung zu Grunde zu legen (m mutmaßliche Einwilligung). Die Kriterien für die Mutmaßung sind nicht objektiv im Sinne der Therapie sondern subjektiv im Sinne des Patienten zu bestimmen (Amelung 1992, 546 f). Hat sich ein Patient schon früher stets in die Macht der Ärzte begeben, dann wird mangels anderer Anhaltspunkte die Selbstbestimmung mit dem „medizinisch Vernünftigen“ übereinstimmen. Frühere Behandlungsverweigerungen oder eine kritische Haltung gegenüber der Schulmedizin können in die andere Richtung weisen. Dabei kann das Krankenhaus nahestehende Personen befragen, inwieweit ihnen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, wie sich der Patient in der konkreten Situation verhalten würde (BGH NJW 1966, 1855; Parensen 1972, 315). Dies ist freilich nur in den Grenzen der Verschwiegenheitsverpflichtung möglich (vgl Volckart/Grünbaum 2009, 255). Fehlt die entsprechend wirksame Entbindungserklärung und liegt kein – eher seltener – Fall der rechtfertigenden Pflichtenkollision vor (Fabricius 1999, 111 ff), wird es schwierig sein, von den dann unaufgeklärten Dritten (Angehörigen) eine maßgebliche Aussage zum mutmaßlichen Willen zu erhalten. Konkrete Anhaltspunkte können sich des weiteren aus früheren Behandlungsentscheidungen, aus Briefen und sonstigen Stellungnahmen des Patienten ergeben. Die bestimmenden konkreten Anhaltspunkte sind jedenfalls exakt zu dokumentieren. 148
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IV. Recht der Behandlung
Gelingt es, die Selbstbestimmung des Patienten (auch mit Hilfe privater Dritter) im Sinne einer mutmaßlichen Einwilligung aufzuklären, so kommt es auf eine weitere Zustimmung durch Dritte nicht mehr an (S/S-Lenckner StGB Vorbem §§ 32 ff Rn 41 f). Dennoch sehen manche Ländergesetze eine Zustimmung von Dritten vor (Rn D 138). Das können Sorgeberechtigte bzw gesetzliche Vertreter sein (bei Jugendlichen: beide Eltern, ein allein sorgeberechtigter Elternteil, die Mutter bei nichtehelichen Kindern, Pfleger oder Vormund; bei Erwachsenen: Betreuer mit dem Aufgabenkreis der gesundheitlichen Personensorge). Wenn einige Ländergesetze diese zusätzliche Erklärung der gesetzlichen Vertreter/Sorgeberechtigten verlangen, soweit der einwilligungsfähige Patient in seiner bürgerlich-rechtlichen Geschäftsfähigkeit beschränkt ist (vgl Rn D 138), laufen sie (weitgehend: vgl Rn D 136) leer. Denn einerseits kommt es für die Behandlungseinwilligung nicht auf die Geschäftsfähigkeit an (Rn D 131), so dass eine Behandlungsbetreuung gar nicht zulässig wäre. Zudem kann sich ein Betreuer über die wirksame Selbstbestimmung des Patienten niemals hinwegsetzen, weil ihm keine eigene Sachentscheidung zusteht. Er hat kein Vetorecht! Das gilt im Grundsatz auch bei Jugendlichen. Nur ganz ausnahmsweise (S/S-Lenckner StGB Vorbem §§ 32 ff Rn 42) kann das Eltern- D 136 recht aus Art 6 II GG eine eigene Entscheidungsmacht neben der Selbstbestimmung des Kindes gewähren und nur in diesen, im Maßregelvollzug extrem seltenen Fällen, kann die zusätzliche Einwilligung einen Sinn machen (Amelung 1992, 828, 832; Göppinger Horst 1980, 859 f insb bei Fn 74 ff; Maunz/Dürig GG Art 19 III Rn 18 zu 5 a und Rn 22 zu d). Die Beteiligung von Dritten, die in einem besonderen Fürsorgeverhältnis zum Pati- D 137 enten stehen, ist deshalb allenfalls eine zusätzliche verfahrenstechnische Absicherung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Dahinter steht die Einsicht, dass Behandlungen ohne eine aktuelle Einwilligungserklärung unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs problematisch sind. Das Vertrauensverhältnis ist gefährdet, die Verletzung von Patientenrechten möglich, die (auch rechtliche) Unsicherheit der Therapeuten bedeutsam. Zudem kommt bei den hiervon betroffenen besonders schwerwiegenden Eingriffen ein von Amelung (1983, 1 ff) überzeugend herausgearbeitete Einschränkung der Willensfreiheit bei eingesperrten Menschen zum Tragen. Allerdings setzt diese Absicherung voraus, dass bereits eine Betreuung eingerichtet ist. Denn eine nur zu diesem Zweck beantragte neue Betreuung wäre unzulässig (vgl sogleich Rn D 138). cc)
Stellvertretende Einwilligung durch Dritte
Von der Zustimmung Dritter zu einer Behandlung aufgrund mutmaßlicher Ein- D 138 willigung (Rn D 135) streng zu unterscheiden ist der Fall der stellvertretenden Einwilligung durch Dritte. In diesen Fällen soll der Behandlungsentscheidung keine Willensbekundung des Patienten, sondern diejenige seines gesetzlichen Vertreters zugrunde gelegt werden. Dies betrifft vor allem die Fälle, in denen eine Behandlungsverweigerung des „krankheitsuneinsichtigen“ Patienten durch eine Betreuereinwilligung ersetzt werden soll. Die Gesetzeslage in den Bundesländern ist verwirrend und klärungsbedürftig. Die Ländergesetze sehen unterschiedliche Möglichkeiten vor, Dritte bei der Behandlungsentscheidung zu beteiligen (vgl Rn D 157 ff). Sie knüpfen dabei an den bundesrechtlichen Vorgaben zur gesetzlichen Stellvertretung bei Betreuten und Minderjährigen an (oben Rn D 125). Zum Teil wird auch an der Geschäftsfähigkeit angeknüpft. Nun ist seit dem 1. 9. 2009 die Rechtslage zwingend durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts bereinigt. Dies betrifft zunächst die Frage, ob und wann eine Betreuerbestellung zur Gesundheitsfürsorge im Maßregelvollzug zulässig und erforderlich ist. Damit verknüpft ist das Problem der zwangsweisen Durchsetzung einer solchermaßen gegen den natürlichen Patientenwillen ergangenen Betreuereinwilligung (dazu auch unten Rn D 144). Im Einzelnen: Bernd Wagner
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D. Behandlung
D 139 Auch im Maßregelvollzug ist eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge möglich, wenn der Patient nicht selbst dazu in der Lage ist, in seine Behandlung wirksam einzuwilligen (BayObLG v. 14. 10. 2002 – 3 Z BR 172–173/02 = R&P 2004. 33 m Anm Volckart). Die Betreuung soll nach OLG Schleswig (v. 20. 6. 2007 – 2 W 134/07 = R&P 2008, 38 ff m Anm Lesting) aber nie die Behandlung von Anlasskrankheiten betreffen können. Das ist mit dieser Grundsätzlichkeit nicht richtig (vgl oben Rn D 135 f, 137 aE), weil es auch auf diesem Gebiet in seltenen Fällen Behandlungsbedürfnisse bei einwilligungsunfähigen Patienten gibt, denen ohne Betreuereinwilligung nicht entsprochen werden könnte (KG v. 29. 8. 2007 – 2 Ws 66/07 = BtPrax 2007, 259 ff = R&P 2008, 39 ff m Anm Lesting und OLG Hamm NStZ 1987, 144, die eine Betreuerbestellung für diesen Aufgabenbereich voraussetzen). Allerdings liegt idR eine interkurrente Behandlung vor, wenn ein Patient bewusstlos oder sonst körperlich nicht in der Lage ist, einen Widerstand gegen eine Behandlung aufzubauen. Die Herstellung der Ansprechbarkeit, des Bewusstseins, die Beendigung von Ohnmacht/Koma ist interkurrente Behandlung (Rn D 2 und Marschner Rn E 19). Dies gilt selbst dann, wenn diese Zustände durch die Anlasskrankheit hervorgerufen sind (etwa katatoner Stupor bei Schizophrenie). Zu den Voraussetzungen einer Betreuerbestellung für die Behandlung interkurrenter Erkrankungen im Maßregelvollzug (Zahnbehandlung) vgl OLG Hamm NJW 2003, 2392 f und unten Marschner Rn E 21. D 140 Voraussetzung für eine Betreuerbestellung f ür die Behandlung von Anlasskrankheiten ist, dass dem Patienten die Einwilligungsfähigkeit fehlt und zudem absehbar ist, dass er sich der Behandlung nicht widersetzt. Bei jeder irgendwie gearteten Behandlungsverweigerung des Patienten scheidet eine Betreuerbestellung dagegen von vorne herein aus, weil sie aus rechtlichen Gründen nie zur Überwindung der Behandlungsverweigerung führen kann. Das Betreuungsrecht kennt nämlich k eine Ermächtigung des Betreuers für Zwangsbehandlungen. Für die ambulante Zwangsbehandlung hat dies der Bundesgerichtshof im Jahre 2000 entschieden (BGHZ 145, 297). Für Zwangsbehandlungen während der vom Betreuer veranlassten zivilrechtlichen Unterbringung nach § 1906 I Nr 2 BGB war dies zunächst umstritten (vgl Vorlagebeschluss des OLG Celle R&P 2005, 196), ist seit der Entscheidung des BGH v. 1. 2. 2006 (BGH R&P 2006, 141 mit Anm Hoffmann) aber geklärt. Danach umfasst die Unterbringungsbefugnis zur Behandlung nach § 1906 I Nr 2 BGB „ausnahmsweise“ auch das Recht zum Zwang, jedenfalls wenn die Art der Behandlung im Unterbringungsbeschluss des Vormundschaftsgerichts angegeben ist (BGH aaO; OLG Karlsruhe R&P 2007, 195 m krit Anm Marschner; vgl auch Marschner 2007). Es gibt aber keine Ermächtigung des Betreuers für stationäre Zwangsbehandlungen in anderen Unterbringungsformen, denen keine Einweisungsentscheidung nach § 1906 I Nr 2 BGB zugrunde liegt. Der Betreuer könnte im Maßregelvollzug zwar an Stelle des Patienten nach §§ 1901 IV 1, 1901a Abs 2, 1902, 1904 BGB einer konkreten Behandlungsmaßnahme zustimmen. In die Zwangsmaßnahme bei der Durchführung der Behandlung darf er aber nicht einwilligen. Dies führt im Ergebnis zu einem Vetorecht des Patienten. Mit anderen Worten: Das Betreuungsrecht kann die Voraussetzungen der Zwangsbehandlung nach den Maßregelvollzugsgesetzen nicht umgehen (OLG München R&P 2009, 149 m. zustimmender Anm Marschner). D 141 Für Minderjährige gilt nichts anderes (Hoffmann 2007, 175). Im Maßregelvollzug stehen sich das Elternrecht und das Selbstbestimmungsrecht des Kindes schon wegen dessen Alter von mindestens 14 Jahren (§§ 1 II, 7 JGG) in aller Regel so gegenüber, dass sie kumulativ zu beachten sind. Dann haben beide Seiten ein Vetorecht. Die konsentierte Behandlung setzt in diesen Fällen also regelmäßig eine doppelte Einwilligung von Kind und Sorgerechtsinhaber (idR beide Eltern; § 1629 II 2 BGB) voraus. D 142 Da weder das Betreuungsrecht noch das Sorgerecht die Selbstbestimmung und das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit der Patienten beseitigen will, kommen im Maßregelvollzug Behandlungen nach stellvertretenden Einwilligungen also nur 150
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IV. Recht der Behandlung
dann in Frage, wenn sie keinen Zwang erfordern, der Patient sie also freiwillig erduldet, mitmacht oder sich nicht widersetzen kann. In allen anderen Fällen bleiben nur die Ermächtigungsgrundlagen der Maßregelvollzugsgesetze zur Zwangsbehandlung (so prinzipiell OLG Schleswig R&P 2008, 38 m Anm Lesting). Insofern hilft die stellvertretende Einwilligung von Betreuern oder Personensorgeberechtigten nicht über die Behandlungsverweigerung des Patienten hinweg (Vetorecht des Patienten) und erlaubt die Behandlung nur, wenn sich dieser gegen die vom Dritten abgesegnete Behandlung nicht wehrt. dd)
Ersetzende Einwilligung durch Dritte?
Dem eben dargelegten Verbot der Behandlung bei Betreuereinwilligung gegen den D 143 Widerstand des Patienten setzt der 2. Strafsenat des Kammergerichts Berlin mit einer Leitentscheidung das Konzept der ersetzenden Einwilligung entgegen (KG v. 29. 8. 2007 – 2 Ws 66/07 = BtPrax 2007, 259 ff = R&P 2008, 39 ff m Anm Lesting). Nach diesem Konzept könne allein schon bei dem faktischen Vorliegen einer Betreuereinwilligung auch gegen den Willen des Patienten zwangsbehandelt werden, wenn dies in den Maßregelvollzugsgesetzen vorgesehen sei. Das KG knüpft an die Entscheidung des OLG Hamm NStZ 1987, 144 an. Danach habe der Landesgesetzgeber dem behandelnden Arzt eine Sonderermächtigung zur Zwangsbehandlung erteilt, die für Berlin nach § 30 II 1 Berl immer dann greife, wenn ein gesetzlicher Vertreter die Einwilligung erteile. Diese Einwilligung ersetze voraussetzungslos die des Patienten. In Berlin sei die Zulässigkeit dieser stellvertretenden Einwilligung zudem nur vom Vormundschaftsgericht zu überprüfen und sei vollzugsrechtlich wirksam unabhängig von der Frage, ob der Patient einwilligungsfähig sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Das Betreuungsrecht, soweit es überhaupt für Anlasskrankheiten anwendbar ist, setzt sich wegen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegen die Ländergesetze durch (vgl oben Rn D 125). Das Landesrecht kann der Betreuereinwilligung daher keine größere Rechtswirkung beimessen, als ihr nach Landesrecht zukommt (Art 31 GG). Mit der vom KG geforderten Anerkennung einer nach BGB in jedem Fall und ausnahmslos (!) unzulässigen Betreuereinwilligung in Zwangsbehandlungsmaßnahmen würde sich das Landesrecht über das Bundesrecht erheben. Die behandelnden Ärzte und Therapeuten dürfen einer derart rechtswidrigen Einwilligung zur Zwangsbehandlung nicht folgen, weil sie die Dritteinwilligung wie die Einwilligung des Patienten jeweils auf ihre rechtfertigende Wirkung überprüfen müssen. Und schließlich würden mit der ersetzenden Betreuereinwilligung die einschränkenden Regelungen zur Zwangsbehandlung ausgehebelt, was die von jeder Zwangsbehandlung berührten Grundrechte des Patienten verletzen würde. ee)
Sonderproblem: Wer überprüft die Drittentscheidung?
Es wird behauptet, die Zustimmung bzw Einwilligung eines Betreuers (oder gesetz- D 144 lichen Vertreters) zur Behandlung sei für das Krankenhaus wie auch für die Gerichte bei der Überprüfung der Behandlungsmaßnahme bindend. Die Entscheidung des Betreuers könne nur vom Vormundschaftsgericht überprüft werden (Volckart/Grünebaum 2009, 235 f; KG Berlin R&P 2008, 39 ff m Anm Lesting). Dem kann nicht gefolgt werden. Es geht um den Eingriff in fundamentale Grund- und Menschenrechte des Patienten (vgl vor Rn D 127 bei 5.). Deren Verletzung würde dem Therapeuten bei einer falschen Entscheidung des Betreuers aufgezwungen. Dies widerspricht allen Rechtsgrundsätzen. Betreuereinwilligung oder Zustimmung entfaltet also keine Bindungswirkung und D 145 das Krankenhaus bzw der Behandler ist nach wie vor ausschließlich dem Patientenwillen und nicht der Betreuerentscheidung verpflichtet. Ebenso wie in Fällen der vom Patienten selbst abgegebenen Erklärung darf die Behandlung auch im Betreuungsfall Bernd Wagner
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D. Behandlung
nur auf eine materiell wirksame stellvertretende Einwilligung oder Zustimmung gestützt werden. Der Behandler muss deshalb überprüfen, ob die stellvertretende Einwilligung auch tatsächlich wirksam ist und der mutmaßlichen Selbstbestimmung des Patienten entspricht. Gesetzliche Vertreter und Sorgeberechtigte machen mit der Einwilligung keinen eigenen Willen geltend (Bockelmann 1968, 23; zum Elternrecht aus Art 6 II GG vgl Rn D 136, D 141). Für Einwilligungen/Zustimmungen von Betreuern gelten insb §§ 1901a, 1901b, 1904 BGB. Bei Minderjährigen geht es ausschließlich ums Kindeswohl. Die einbezogenen dritten Personen haben also nicht zu entscheiden, ob sie selbst eine Einwilligung abgeben würden oder nicht. Vielmehr müssen sie versuchen, dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten gerecht zu werden. Sie sind an den mutmaßlichen Patientenwillen etwa in Form der Patientenverfügung gebunden und müssen für ihre Entscheidung konkrete Anhaltspunkte zum Patientenwillen zur Kenntnis nehmen. Dort endet die Entscheidungsbefugnis der gesetzlichen Vertreter. Zur Einwilligung in eine Zwangsbehandlung fehlt den Betreuern und Sorgeberechtigten die Ermächtigungsgrundlage (vgl oben Rn D 138 ff). Stellvertretende Einwilligungen in Zwangsbehandlungen sind im Maßregelvollzug also materiell rechtswidrig und dürfen nicht beachtet werden. Schließlich dürfen sich die stellvertretenden Einwilligungen auch nicht über die Untergrenzen des Zwangsbehandlungsrechtes in den Ländergesetzen hinwegsetzen. Schreibt das Maßregelvollzugsrecht also für eine Zwangsbehandlung Mindestvoraussetzungen vor (Rn D 145), so können diese Untergrenzen nicht durch eine stellvertretende Einwilligung umgangen werden (BayObLG R&P 2004, 33). Dies wird in der Entscheidung OLG Hamm R&P 1987, 36 – mit abl Anm Volckart – verkannt, was Marschner 1990, 66 ff nachweisen konnte. Wie vormundschaftliche und betreuungsrechtliche Befugnisse durch Vorschriften des öffentlichen Rechts (vgl umfassend Pardey 1989) und insbesondere bei Kastration, Sterilisation und bei Arzneimittelversuchen durch öffentlichrechtliche Vorschriften beeinflusst werden, begrenzen auch die Maßregelvollzugsgesetze die stellvertretende Behandlungseinwilligung (Marschner 1990, 68 ff). Geht eine stellvertretende Einwilligung über die unten dargestellten Grenzen der Zwangsbehandlung hinaus oder widerspricht die Einwilligung einer beachtlichen Selbstbestimmung des Patienten (frühere Erklärung, psychiatrisches Testament), so ist die stellvertretende Einwilligung bzw Behandlungszustimmung unbeachtlich und darf nicht befolgt werden. Dementsprechend ist die Wirksamkeit dieser Dritterklärungen inzident auch im Rechtsschutzverfahren gegen Vollzugsmaßnahmen voll überprüfbar (vgl Gericke Rn K 27). 6.
Zwangsbehandlung
D 146 Die Zwangsbehandlung der Anlasskrankheiten ist ein massiver Eingriff in die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit und der körperlichen Unversehrtheit (Art 2 I und II 1 GG). §§ 136, 137 StVollzG oder §§ 63, 64 StGB geben keine Rechtsgrundlage (KG R&P 2008, 300 ff. = NStZ-RR 2008, 92 ff; OLG Jena R&P 2004, 109, 111; KG NStZ-RR 1997, 351 f; aA noch OLG Hamm NStZ 1987, 144; seit der 6. Auflage wie hier unter Aufgabe der aA Volckart/Grünebaum 2009, 127 ff). Deshalb müssen die Ländergesetze spezielle Ermächtigungen zur Zwangsbehandlung vorsehen. Ohne eine besondere Ermächtigung ist eine Zwangsbehandlung unzulässig (KG R&P 1998, 109; OLG Stuttgart Die Justiz 1974, 465 und NJW 1981, 638; Tondorf 1982, 373; Marschner 1985, 5; Wolfslast 1987; Rinke 1988; Hartmann 1997; Marschner/Volckart 2001, Rn B 208; Volckart/Grünebaum 2009, 229; aA Baumann 1980, 1878; Baur 1982b, 125 f; 1983, 158 ff, die §§ 136, 137 StVollzG heranziehen, was wegen der inzwischen allein bei den Ländern liegenden Gesetzgebungskompetenz veraltet ist; zur Zwangsbehandlung bei interkurrenten Erkrankungen vgl Marschner Rn E 16). D 147 Die Ländergesetze können in die besagten Grundrechte nicht unbegrenzt durch Zwangsbehandlung eingreifen. Die Behandlung muss vielmehr einem übergeordne152
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IV. Recht der Behandlung
ten Zweck dienen, der wiederum vom Maßregelzweck bestimmt wird. Eine Zwangsbehandlung ist deshalb nur zur Einwirkung auf die Anlasskrankheit zulässig und nicht zur Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung (vgl aber Art 21 II Bay; zur Zwangsbehandlung interkurrenter Krankheiten Marschner Rn E 19). Jede Zwangsbehandlung muss verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und das angemessene, also zumutbare Mittel sein (Baur 1982b, 125 und 1983, 158 ff; Holtus 1991, 123 ff, 137 ff; Rinke 1988, 10 ff; Wagner B 1992a, 165). Dies bedeutet eine ganz erhebliche Einschränkung gegenüber der bisher üblichen Praxis der Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug. Wegen des Vorrangs des Patientenwillens sind alle Möglichkeiten zur Herstellung einer Compliance auszuschöpfen (C Compliance statt Zwang Rn D 122; BayObLG R&P 2004, 33). Falsch ist deshalb die Behauptung von Volckart/Grünebaum (2009, 235), die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung hänge nicht davon ab, dass zuvor erfolglos versucht worden sei, eine Einwilligung zu erlangen. Das Gegenteil ist richtig. Der vorschnelle, am Patientenwillen vorbei initiierte Zwang zur Durchführung einer Behandlung ist nicht erforderlich und deshalb unzulässig. Dies gilt sowohl für den einwilligungsfähigen wie für den einwilligungsunfähigen Patienten. Es müssen einer Zwangsbehandlung wegen des Vorrangs der Selbstbestimmung also insbesondere vorausgegangen sein: x Gründliche Diagnose unter Behandlungsgesichtspunkten. x Intensive Aufklärung des Patienten und der von diesem benannten nahen Angehörigen bzw Vertrauten über Diagnose, Therapiemöglichkeiten, Therapiemethoden, Therapiechancen, Therapierisiken, Therapiealternativen. x Aufstellung eines daraus entwickelten Behandlungsplanes unter Einbeziehung des Patienten und der von diesem benannten nahen Angehörigen bzw Vertrauten. x Anregung zum Verfassen einer Patientenverfügung im Zustand der Einwilligungsfähigkeit. x Intensive Bemühung um Compliance unter Einbeziehung der vom Patienten benannten nahen Angehörigen bzw Vertrauten. Bei fehlender aktueller Einwilligungsfähigkeit: x Aufklärung und Einbeziehung konkreter Anhaltspunkte zur Bestimmung einer mutmaßlichen Einwilligung einschließlich der Befragung von Dritten entsprechend §§ 1901a Abs 2, 1901b BGB (unter Einhaltung der Verschwiegenheitspflichten). x Erhebung einer Patientenverfügung und Behandlung nach oder entsprechend § 1901a Abs 1 BGB. x Einbeziehung eines bestellten Betreuers bzw der gesetzlichen Vertreter bei Minderjährigen. x Zurückstellung aufschiebbarer Zwangsbehandlungen zur Herstellung einer späteren Compliance. Psychotherapien unter Zwang sind in aller Regel ungeeignet (vgl die Auswertung D 148 der Literatur bei Holtus 1991, 75 ff; Rn D 122). Und die pharmakologischen Behandlungen werden intensiv und kritisch diskutiert (Finzen 1992, 89 ff,; 149 ff; Holtus 1991, 94 ff, 137; Stolz 1985; Volckart 1991, 108; Wagner B 1992a, 176 ff; Wullweber 1985). Oftmals sind sie nur zur Begleitung oder Vorbereitung von Psychotherapie geeignet, oder sie sind nicht erforderlich, weil weniger schädliche Therapiekonzepte zur Verfügung stehen. Manchmal sind sie unangemessen angesichts fraglicher Behandlungserfolge zum Preis schwerwiegender, unerwünschter Nebenfolgen (vgl LG Berlin R&P 1993, 39 ff). Eine soweit ersichtlich erste Untersuchung zur pharmakologischen Zwangsbehandlung im psychiatrischen Alltag ergab, dass in einer Vielzahl der Fälle die Zwangsbehandlung sich als therapeutisch nachteilig erwiesen hat und in der Mehrzahl hätte vermieden werden können (Finzen et al 1993, 131 ff, 158 ff). Es kann also durchaus gesagt werden, dass die pharmakologische Zwangsbehandlung in den meisten Fällen ungeeignet oder nicht erforderlich, damit unverhältnismäßig und unzulässig ist. Bernd Wagner
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D. Behandlung
D 149 Unabhängig von der Ausgestaltung der Ländergesetze ist die Zwangsbehandlung nur zwischen einer U ntergrenze und einer Obergrenze zulässig (Marschner 1988, 19 ff). Die Untergrenze regelt, welche Voraussetzungen für eine Behandlung gegen den Patientenwillen erfüllt sein müssen. Die Obergrenzen verbieten eine Zwangsbehandlung, selbst wenn diese Untergrenze überschritten ist. D 150 Untergrenze: Eine Zwangsbehandlung kommt erst in Betracht bei Lebensgefahr oder einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit des Patienten, weil erst dann das für den Grundrechtseingriff notwendige höhere Interesse vorliegt (Rn D 142). Zwangsbehandlung, die allein am Vollzugszweck angeknüpft wird und damit als Heileingriff stets möglich wäre, ist im Maßregelvollzug unzulässig (wie hier Heide 2001, 230, 235; Ukena 1992, 202 ff; weitergehend Helle 1993, 135 ff; vgl Rn D 13 und BVerfG – 2 BvR 882/09 B v 22. 6. 2009 zum Meinungsstand). Bei einer Gefährdung Dritter kann in den Grenzen des § 34 StGB zwangsbehandelt werden. Soweit die Länder auch diese Notstandssituation für den Maßregelvollzug geregelt haben, gehen jene Regelungen vor. Dies hat erhebliche praktische Konsequenzen, wenn die Länder den Zwang nur bei Gesundheitsgefahren für Dritte vorgesehen haben. Dann kann zB bei einer Gefahr für fremdes Eigentum gegen den Patientenwillen nicht behandelt werden und es sind gegebenenfalls Ordnungs- und Sicherungsmaßnahmen anzuwenden. D 151 Obergrenze: Eine Zwangsbehandlung scheidet zunächst bei den oben genannten absoluten Behandlungsgrenzen aus (Rn D 123). Unzulässig sind aber auch Zwangsmaßnahmen, wenn die Behandlung nur mit Einwilligung erfolgen darf. Dies ist der Fall, wenn die Behandlung – eine Lebensgefahr – die Gefahr erheblicher Gesundheitsschäden – dauerhafte Persönlichkeitsveränderungen – einen operativen Eingriff verursacht. In diesen Fällen käme es allerdings dann zur Zwangsbehandlung, wenn eine ausdrücklich erklärte Behandlungsverweigerung wegen fehlender natürlicher Einsichtsfähigkeit des Patienten durch eine Vertretereinwilligung ersetzt würde, was unzulässig ist (Rn D 138 ff, D 143). D 152 Bei Zwangsbehandlungen müssen die Gefahren der Therapie zu den Gefahren, die ohne Behandlung drohen, i ns Verhältnis gesetzt werden. Es ist ein schwerwiegendes Versäumnis des Unterbringungsrechts, dafür bisher keine Abwägungsmethode entwickelt zu haben. Die Praxis half sich mit dem Vertrauen in das Heilungsideal der Therapeuten, das via mutmaßliche Einwilligung oder Zustimmung durch dritte Personen (Bockelmann 1968, 23 f) oder mit der Figur der fehlenden Krankheitseinsicht (Göppinger Hans 1956, 99 ff) den Abwägungsprozess regelmäßig in Richtung Zwangsbehandlung ausgehen ließ. Zum Teil wurde schlichtweg behauptet, Rechte und Interessen der Patienten seien aufgrund der höheren Kompetenz der Ärzte für die Gesundheit nicht schützenswert oder psychisch Kranke seien zur inneren Freiheit gar nicht fähig (vgl Zutt 1951, 432; Haddenbrock 1972, 1393 ff). Die Justiz und die Wissenschaft haben die Folgen solcher F reifahrscheine für Zwangsbehandlungen lange gestützt oder in Kauf genommen (vgl bei Wagner B 1992a, 96 ff). Inzwischen ist es aber ganz herrschende Auffassung, dass die Abwägung zwischen den bei einer Zwangsbehandlung betroffenen Interessen sorgfältig und unter ganz besonderer Beachtung der Patientenrechte und insbesondere des Selbstbestimmungsrechts vorgenommen werden muss (LG Berlin R&P 1993, 39 zu § 1904 BGB; LG Arnsberg R&P 1990, 49; Baur 1982b, 125 und 1983, 158 ff; Holtus 1991, 123 ff, 137 ff; Rinke 1988, 10 ff; Wagner B 1992a, 155 ff; Wullweber 1985; vgl auch BVerwG R&P 1989, 114 im Zusammenhang mit der Akteneinsicht). Es gibt keine Vernunfthoheit der Ärzte über die Patienten (Baumann 1966, 23; BVerfG NJW 1982, 693) und das ärztlich Vernünftige muss nicht in jedem Fall auch das tatsächlich Richtige sein (Arzt 1985, 70; Giesen 1987, 282; Wagner B 1992a, 32 f). Deshalb muss in jedem Einzelfall das Selbstbe154
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IV. Recht der Behandlung
stimmungsrecht in die konkrete und individuelle Abwägung mit einbezogen werden. Eine dafür gut geeignete Abwägungsmethode bietet das Strafrecht zu § 34 StGB an. D 153 Dort geht es wie hier nicht um eine abstrakte Gegenüberstellung von Rechtsgütern, sondern um eine Interessenabwägung in der konkreten Situation. Da bei der Abwägung insbesondere Ursache und Grad der Gefahr, die Schutzwürdigkeit der Interessen und die Selbstbestimmung berücksichtigt werden müssen (S/S-Lenckner StGB § 34 Rn 23, 25, 27, 33, 34, 38) ist uU sogar eine Lebensgefahr nicht immer höher zu bewerten als eine Gesundheitsgefahr. Dies wirkt sich bei der Anwendung der Ländergesetze bei der Auslegung der Ober- und Untergrenzen aus („erhebliche“ „Gefahr“ für die „Rechtsgüter“ „anderer Personen“ oder „des Patienten“; vgl zum Ganzen Wagner B 1990b, 169). Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der allgemeinen Gesundheitsfürsorge (inter- D 154 kurrente Behandlungen) unterliegen eigenen Regeln (vgl § 101 StVollzG und Marschner unten Rn E 19). 7.
Notfallbehandlungen
Sowohl bei Anlass- wie bei sonstigen Krankheiten können Situationen entstehen, die D 155 ein rasches Handeln erfordern und die vorgesehene Einbeziehung dritter Personen oder langwierige Aufklärungen und Einwilligungsverfahren nicht mehr zulassen. Die auf das private Arztrecht gemünzte Geschäftsführung ohne Auftrag passt im Unterbringungsrecht nicht (Göppinger Horst 1980, 858). Notbehandlungen sind also außerhalb der Behandlungsvorschriften bei Unglücksfällen (§ 323c StGB; vgl oben Rn D 116) zulässig. Der praktisch wichtigste Fall ist aber die Behandlung aufgrund mutmaßlicher Einwilligung, wenn beim einwilligungsunfähigen Patienten ein gesetzlicher Vertreter (Betreuer; Sorgeberechtigter) oder die Genehmigung des Betreuungsgerichts/Vormundschaftsgerichts (§ 1904 BGB) nicht schnell genug erreicht werden kann und eine zur Lebens- oder Gesundheitsrettung dringend erforderliche Notbehandlung nicht zurückgestellt werden kann. Dies kann bei sog katatonen Zuständen (Stupur) der Fall sein, wenn die Erstarrung lebensbedrohlich wird oder bei suizidalen bzw massiven selbstschädigenden Handlungen. Dann gelten die für den Fall der Betreuung vorgesehenen Kriterien zur Erforschung des Patientenwillens für das Behandlungsteam entsprechend (insb. die Maßgeblichkeit einer Patientenverfügung, BT-Drs 16/8442, 7). Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB ist außerhalb der Vorschriften zur Zwangsbe- D 156 handlung möglich, wenn überwiegende Rechtsgüter anderer Personen geschützt werden müssen oder wenn die Selbstbestimmung des Patienten nicht aufgeklärt werden kann. Kollidieren objektive Gesundheitsinteressen des Patienten aber mit dessen Selbstbestimmung, so bietet die Notstandsvorschrift keinen Ausweg. Die dabei notwendige Abwägung zweier Interessen ein und derselben Person setzt § 34 StGB nämlich voraus und löst sie nicht. Die Bewertung ist deshalb dem Maßregelvollzugsrecht und damit den Vorschriften zur Zwangsbehandlung zu entnehmen. Lassen diese den Zwang nicht zu, liegt auch keine Notstandssituation vor (Wagner B 1990b, 168; ähnlich Zilkens 1986; Volckart/Grünebaum 2009, 229). 8.
Ländergesetze
An dieser Stelle werden die Gesetze auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen vorgestellt. Probleme und Begründungen sind im Sachzusammenhang kommentiert, auf den verwiesen wird. Kommentierungen zu den Ländergesetzen sind vorangestellt. Baden-Württemberg (Juchart/Warmbrunn 1992): Die als polizeirechtliches Unterbrin- D 157 gungsgesetz entstandene und fortgeschriebene Rechtslage hat keine speziellen RegeBernd Wagner
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D. Behandlung
lungen zur Behandlung von Maßregelvollzugspatienten. § 8 I gewährt einen Anspruch auf Heilbehandlung (Rn D 105 ff), die auch Eingliederungs- und Rehabilitationsmaßnahmen erfassen soll (dazu Rn D 15, D 106). § 8 II sieht problematische Duldungs- und Mitwirkungspflichten vor, die mangels Durchsetzbarkeit leer laufen (Rn D 118). Entgegen der verfehlten Gesetzessystematik ist die einverständige Behandlung der gebotene Normalfall (Rn D 122, D 127 ff). § 8 II erlaubt eine Zwangsbehandlung nur ausnahmsweise und insoweit, als sie nicht mit operativen Eingriffen oder erheblicher Gefahr für Leben und Gesundheit verbunden ist (Rn D 145 ff). In diesen Fällen ist nach § 8 III eine Einwilligung erforderlich (Rn D 127 ff). § 8 IV 2 sieht eine zusätzliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters für die Fälle vor, in denen der Patient zwar eine wirksame Einwilligung abgeben kann, aber nach bürgerlichem Recht Geschäftsunfähigkeit oder beschränkte Geschäftsfähigkeit vorliegt. Diese Regelung ist sinnlos, da sie dem grundgesetzlich hergeleiteten Selbstbestimmungsrecht widerspricht, für das es auf die Geschäftsfähigkeit unter keinem Gesichtspunkt ankommt (Rn D 135 ff). Die Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters ohne Zustimmung des Patienten verstößt in solchen Fällen gegen die Verschwiegenheitspflicht. Nach § 8 IV 1 kommt es bei fehlender Einwilligungsfähigkeit des Patienten auf die stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters an (Rn D 138 ff), dessen Zustimmung nur dann zur Behandlung führt, wenn sich der Patient nicht dagegen wehrt (Rn D 140–D 143). Eine Untergrenze der Zwangsbehandlung formuliert das Gesetz nicht, so dass die allgemeinen Grundsätze von Rn D 150 gelten. D 158 Bayern: Art 13 I räumt einen Anspruch auf Heilbehandlung ein (Rn D 105 ff), der auch Maßnahmen der Rehabilitation/Resozialisierung umfasst (dazu Rn D 15, 106). Trotz der misslungenen Gesetzessystematik in Art 13 II ist der Normalfall die einverständliche Behandlung (Rn D 122, D 127 ff). Zum sinn von Duldungspflichten vgl Rn D 118. Eine Zwangsbehandlung ist nur ausnahmsweise zugelassen (dazu Rn D 146 ff). Die in Art 13 II 1 2. Alt geregelte Duldungspflicht zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung wäre als Zwangsbehandlung verfassungswidrig (Rn D 13, D 146). Diese Vorschrift regelt deshalb nicht die Heilbehandlung sondern unsystematisch (Abs 2 Satz 2 gehört in den Zusammenhang von Art 19) die problematische Möglichkeit eines unmittelbaren Zwangs mit ärztlichen Mitteln („Spritze statt Fesselung“; Rn D 50). Als Obergrenze (Rn D 151) verbietet Art 13 III eine Zwangsbehandlung, die mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden ist oder die Persönlichkeit in ihrem Kernbereich verändern kann. Fehlt dem Patient die Einwilligungsfähigkeit, so ist die stellvertretende Einwilligung des Sorgeberechtigten maßgeblich (Rn D 138 ff), dessen Zustimmung nur dann zur Behandlung führt, wenn sich der Patient nicht dagegen wehrt (Rn D 140–D 143). Eine Untergrenze der Zwangsbehandlung formuliert das Gesetz nicht, so dass die allgemeinen Grundsätze von Rn D 150 gelten. D 159 Berlin: (Siegel 2001) Nach § 30 II ist jede Behandlung mit dem Patienten oder dem gesetzlichen Vertreter abzusprechen. Gemeint ist damit, dass deren Einwilligung herbeizuführen ist (Rn D 122, D 127 ff). Die stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist nur im Fall der fehlenden Einwilligungsfähigkeit des Patienten nötig (Rn D 138 ff). und führt nur dann zur Behandlung, wenn sich der Patient nicht dagegen wehrt (Rn D 140–D 143). Zwangsbehandlung (Rn D 145 ff) ist bei „unaufschiebbaren“ Behandlungsmaßnahmen möglich. „Unaufschiebbar“ bezieht sich auf die Herstellung des Einvernehmens und statuiert eine zeitliche Untergrenze für die Zwangsbehandlung. Die Obergrenze wird in Abs 3 formuliert, wo bei lebensgefährlicher und mit erheblicher Gesundheitsgefahr verbundener Behandlung eine Einwilligung des Patienten vorausgesetzt wird. Ist der Patient einwilligungsunfähig, so ist die stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters maßgeblich (Rn D 138 ff), dessen Zustimmung nur dann zur Behandlung führt, wenn sich der Patient nicht dagegen wehrt (Rn D 140–D 143). Abs 4 enthält das absolute Verbot von Behandlungen, die den Kern der Persönlichkeit verändern (Rn D 123). Ein bestellter Rechtsanwalt muss über jede Zwangsbehandlung informiert werden (§ 30 II 3). In schwerwiegenden 156
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IV. Recht der Behandlung
Fällen gebietet die Fürsorgepflicht also, auf die Bestellung eines Verteidigers hinzuwirken. Brandenburg: Gem § 18 I hat der Patient einen Anspruch auf eine zweckmäßige, D 160 notwendige Behandlung lege artis mit dem Vorrang der freiwilligen Behandlung in § 18 II 1. Unaufschiebbare Behandlungen der Anlasskrankheit durch einen Arzt hat der Patient nach § 18 II 4 zu dulden. „Unaufschiebbar“ bezieht sich auf die Herstellung des Einvernehmens und statuiert eine zeitliche Untergrenze für die Zwangsbehandlung. Zwangsuntersuchungen sollen sogar ohne weiteres auch als Hygienemaßnahmen zulässig sein. Zum Sinn von Duldungspflichten vgl Rn D 118. Ansonsten werden weder Untergrenzen noch Obergrenzen der Zwangsbehandlung geregelt, so dass die allgemeinen Grundsätze und Grenzen gelten (Rn D 150, 151). Immerhin sind Behandlungsverbote in Abs 4 und 5 aufgeführt ua mit dem absoluten Verbot der Arzneimittelerprobung. Ausführlich wird in Abs 2 und 3 die gesetzliche Vertretung geregelt und aus Vorschriften im BGB zitiert. Dies ist wegen Art 31 GG wenig sinnvoll und verschleiert die vom Landesgesetzgeber nicht änderbare Rechtslage, wie sie oben Rn D 138 bis D 143 beschrieben ist. Insbesondere kann eine stellvertretende Einwilligung nie den aktuellen Widerstand des Patienten gegen die Behandlung überwinden (Rn D 140–D 143). Ein bestellter Rechtsanwalt muss über jede Zwangsbehandlung informiert werden (§ 18 II 6), was beim gewählten Verteidiger auch unter dem Gesichtspunkt der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht in der Regel unproblematisch sein wird. Dagegen ist die Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters ohne Zustimmung des Patienten unzulässig, solange der Patient selbst einwilligungsfähig ist. Bremen: Die Beschränkung des Behandlungsanspruchs auf Methoden des Kranken- D 161 hauses (§ 22 I) findet ihre Ausweitung in § 22 VII. Danach ist der Patient in eine andere Einrichtung zu verlegen, wo die erforderliche Behandlung gewährleistet ist. § 22 II 1 sieht die einverständliche Behandlung als Normalfall vor (Rn D 122, D 127 ff). Bei Minderjährigen soll es aber stets auf den Personensorgeberechtigten ankommen (§ 22 II 2), was zu rechtswidrigen Körperverletzungen führt, wenn man darauf gestützt die Behandlungsweigerung des einwilligungsfähigen Patienten übergeht. Landesrecht kann das grundgesetzlich hergeleitete Selbstbestimmungsrecht nicht aus den Angeln heben. Es kommt also auch in Bremen auf die spezifische Einwilligungsfähigkeit an, die auch von der Bedeutung des Eingriffs und vom Reifegrad des Jugendlichen abhängt. Bei Erwachsenen mit angeordneter Gesundheitsbetreuung soll es auf die Einwilligung des Betreuers ankommen (§ 22 II 3). Zur Behandlung führt dies aber nur dann, wenn sich der Patient nicht widersetzt (Rn D 140 bis D 143). Eine Notfallbehandlung ist nach § 22 III zugelassen bei Lebensgefahr und schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des Patienten oder anderer Personen. Dies wird durch § 22 VI für Zwangsernährungsfälle ergänzt. Darüber hinaus sollen Zwangsbehandlungen auch zum Erreichen des Unterbringungszwecks zulässig sein (§ 22 IV). Dies geht zu weit! (vgl dazu OLG Zweibrücken R&P 2009, 152 und die dagegen und zugunsten des Patienten ergangene Einstweilige Anordnung des BVerfG 2 BvR 882/09 Beschluss v. 22. 6. 2009). Solange das Gesetz keine inhaltlichen Grenzen definiert, läuft der Rechtsschutz leer. Da nützt auch der Genehmigungsvorbehalt des Vormundschaftsgerichtes (der für Maßregelvollzugspatienten nicht gelten kann) und der Hinweis auf die §§ 109 ff StVollzG nicht. Die erhoffte Einschränkung der Zwangsbehandlung durch rechtliche Kontrolle findet nur anhand inhaltliche Kriterien statt, die das Gesetz nicht vorgibt. Also gelten die allgemeinen Regeln mit dem Verbot der Zwangsbehandlung, soweit sie allein der Besserung dienen soll. Dies mag das Vormundschaftsgericht in jedem Fall feststellen. § 22 V regelt das absolute Behandlungsverbot zu Forschungszwecken und wenn der Kernbereich der Persönlichkeit verändert würde (Rn D 123). Hamburg: Das Gesetz trennt vorbildlich zwischen der Behandlung von Anlasskrank- D 162 heiten (§ 10) und von sonstigen Erkrankungen (§ 11), formuliert das Compliancekonzept aber wenig sinnvoll als einseitige Aufforderung an den Patienten (Rn D 122 und Bernd Wagner
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D. Behandlung
vor D 127). Eine Zwangsbehandlung ist nach § 10 II nur bei Lebensgefahr und schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des Patienten, nicht bei Gefahr für Dritte zulässig (sog Untergrenze, vgl Rn D 150). Zur Abwendung von Drittgefahren gelten die allgemeinen Regeln (Rn D 145 ff). Zwangsmaßnahmen dürfen außer in Notfällen und erster Hilfe nur unter ärztlicher Leitung vorgenommen werden (§ 10 III). § 10 IV regelt die absoluten Behandlungsgrenzen (Rn D 123). Ansonsten wird die Behandlung nur mit der Einwilligung des Patienten vorgenommen (Rn D 122, D 127 ff). Ist der Patient einwilligungsunfähig, so ist nach § 10 II 2 die stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters maßgeblich (Rn D 138 ff), deren Zustimmung nur dann zur Behandlung führt, wenn sich der Patient nicht dagegen wehrt (Rn D 140–D 143). D 163 Hessen: Trotz der missglückten Gesetzesformulierung in § 7 I 2 ist die einverständliche Behandlung der Normalfall (Rn D 122, D 127 ff). Operative Eingriffe, Behandlungen, die mit Lebensgefahr oder erheblicher Gesundheitsgefahr verbunden sind, die Persönlichkeit tiefgreifend verändernde Maßnahmen und schließlich psychotherapeutische Maßnahmen setzen nach § 7 II 1, 2 und 3 für Erwachsene zwei und für Jugendliche drei Einwilligungen voraus: 1. die des Patienten und zwar ungeachtet seiner Einwilligungsfähigkeit; 2. die des gesetzlichen Vertreters und 3. bei Jugendlichen die des Vollstreckungsleiters. Fehlt eine dieser Einwilligungen, so sind Zwangsmaßnahmen nur als Notfallbehandlung möglich (Rn D 155 f). Liegt die wirksame Einwilligung eines einwilligungsfähigen Patienten vor, so wären entgegenstehende Verweigerungen der anderen Personen allerdings unbeachtlich. Und auch beim Einwilligungsunfähigen nützen diese drei Zustimmungen nichts, wenn der Patient sich aktuell der Behandlung widersetzt (Rn D 140 bis D 143). Eine Untergrenze der Zwangsbehandlung formuliert das Gesetz nicht, so dass die allgemeinen Grundsätze von Rn D 145 gelten. Die Rechtsverordnung nach § 7 III kann die Mindestvoraussetzung der Eingriffe und Behandlungen festlegen. Da es aber in der Sache um den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und um Grundrechte geht, können im Einzelfall weitergehende Einschränkungen der Zwangsbehandlung erforderlich sein. Insoweit wirkt eine nach Abs 3 erlassene Rechtsverordnung nur verwaltungsintern und ist gegenüber dem Patienten weder bindend und nicht abschließend. D 164 Mecklenburg-Vorpommern: Behandlungen bedürfen nach § 23 II 1 der Einwilligung des Patienten (Rn D 122, D 127 ff). Nur scheinbar gleichberechtigt daneben stellt die Vorschrift die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (Rn D 135 ff). Tatsächlich ist damit eine stellvertretende Einwilligung gemeint, die nur maßgeblich ist, wenn eine wirksame Selbstbestimmung des Patienten fehlt; dies ergibt sich aus Abs 2 Satz 2 1. Alt, wonach eine Behandlung ohne Einwilligung (gemeint ist: des Patienten) nur zulässig ist, wenn ihm die Einwilligungsfähigkeit fehlt und aus allgemeinen Grundsätzen (Rn D 138 ff). Die Vertretereinwilligung kann sich aber selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Die Zwangsbehandlung aufgrund einer stellvertretenden Einwilligung oder gar ohne jede Einwilligung ist nur möglich, wenn die Behandlung keine Gefahr für Leben oder Gesundheit des Patienten begründet oder umgekehrt ohne Behandlung eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Patienten oder Dritter besteht (sog Ober- und Untergrenzen nach Rn D 150 und D 151). Abs 3 formuliert absolute Behandlungsgrenzen bei psychochirurgischen und die Persönlichkeit im Kernbereich verändernden Maßnahmen (Rn D 123). Ein bestellter Rechtsanwalt muss über jede Zwangsbehandlung informiert werden (§ 23 II 3), was beim gewählten Verteidiger auch unter dem Gesichtspunkt der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht in der Regel unproblematisch sein wird. D 165 Niedersachsen: Die einverständliche Behandlung soll nach § 8 II der Normalfall sein (Rn D 122, D 127 ff), auch wenn nach § 8 I 3 wenig sinnvolle Duldungs- und Unterstützungspflichten statuiert werden (Rn D 118). Bei operativen Eingriffen, für Leben und Gesundheit des Patienten gefährliche Behandlungsmaßnahmen und bei dauer158
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IV. Recht der Behandlung
haft oder wesentlich persönlichkeitsverändernden Maßnahmen ist eine Einwilligung eine unabdingbare Voraussetzung (Abs 3; sog Obergrenze der Zwangsbehandlung; Rn D 151). Abs 4 regelt das absolute Behandlungsverbot bei Maßnahmen, die den Kernbereich der Persönlichkeit verändern (Rn D 123). Fehlt dem Patienten die Einwilligungsfähigkeit, dann ist die stellvertretende Einwilligung des Personensorgeberechtigten bzw des dafür bestellten Betreuers einzuholen (Abs 5; Rn D 138 ff). Die Vertretereinwilligung kann sich aber selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Eine Untergrenze der Zwangsbehandlung formuliert das Gesetz nicht, so dass die allgemeinen Grundsätze von Rn D 145 gelten. Nordrhein-Westfalen (Prütting 2004): Behandlungen bedürfen nach § 17 II 1 grund- D 166 sätzlich der Einwilligung des Patienten (Rn D 122, D 127 ff). Ist der Patient nicht einwilligungsfähig, so ist die stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters maßgeblich (Abs 2 Satz 2; Rn D 138 ff). Die Vertretereinwilligung kann sich aber selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Eine Zwangsbehandlung ist bei Lebensgefahr und schwerwiegender Gesundheitsgefahr für den Patienten oder bei Gesundheitsgefahr für Dritte zulässig (Abs 3; sog Ober- und Untergrenzen, vgl Rn D 150 f). Für Zwangsbehandlungen außerhalb von Notsituationen ist in Abs 5 die exklusive Anordnungszuständigkeit der therapeutischen Leitung der Einrichtung bestimmt. In § 17 III 2, 3 wird die Fesselung als „Behandlungsmaßnahme“ geregelt. Da Behandlungsmaßnahmen nur solche sind, die bessernd auf die Anlasskrankheit einwirken können, handelt es sich in der Sache um eine Regelung zum unmittelbaren Zwang (vgl auch Rn D 50). Rheinland-Pfalz: In § 5 wird der Normalfall einer einverständlichen Behandlung ge- D 167 regelt (Rn D 122, D 127 ff). § 6 regelt die Zwangsbehandlung (Rn D 145 ff). Diese ist zulässig bei Lebensgefahr und Gesundheitsgefahr für den Patienten oder bei Gesundheitsgefahr für Dritte (§ 6 I 1). Diese Grenze wird durch den nachfolgenden Abs 1 Satz 2 aber relativiert. Danach ist eine Einwilligung nur für Operationen und für solche Behandlungsmaßnahmen erforderlich, die für den Patienten gesundheitsbzw lebensgefährlich wären. Ansonsten soll jede Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels erlaubt sein. Das geht zu weit. Verfassungskonform ausgelegt kommt eine Missachtung der Selbstbestimmung des Patienten durch eine Zwangsbehandlung nur in Betracht, wenn ein besonderes Bedürfnis für eine Zwangsbehandlung besteht. Das Besserungsziel allein reicht dafür nicht aus; es gilt die allgemeine Untergrenze (Rn D 150; vgl dazu OLG Zweibrücken R&P 2009, 152 und die dagegen und zugunsten des Patienten ergangene Einstweilige Anordnung des BVerfG 2 BvR 882/09 Beschl v 22. 6. 2009 = R&P 2009, 213). Fehlt dem Patienten die Einwilligungsfähigkeit, so ist die stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters maßgeblich (§ 6 IV 4; Rn D 138 ff). Die Vertretereinwilligung kann sich aber selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Fehlt dem Patienten die bürgerlichrechtliche Geschäftsfähigkeit, so verlangt § 6 IV 2 die zusätzliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Diese Regelung ist sinnlos, da sie dem grundgesetzlich hergeleiteten Selbstbestimmungsrecht widerspricht, für das es auf die Geschäftsfähigkeit unter keinem Gesichtspunkt ankommt (Rn D 135 ff). Die Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters ohne Zustimmung des Patienten verstößt in solchen Fällen gegen die Verschwiegenheitspflicht. In § 6 V wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Rn D 123, D 142) betont. § 6 V 3 regelt die Ausnahme von der ärztlichen Exklusivkompetenz bei Notmaßnahmen (Rn D 155 f) und sieht dafür eine Benachrichtigungspflicht gegenüber dem gesetzlichen Vertreter vor. Nach § 6 VI sind die Aufsichtsbehörde, ein dazu eigens bestimmter Arzt und der gesetzliche Vertreter von jeder Zwangsbehandlung zu unterrichten, was unter dem Gesichtspunkt der Verschwiegenheitspflicht problematisch ist, wenn sich der Patient dagegen verwahrt hat. Bernd Wagner
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D. Behandlung
D 168 Saarland: Eine Behandlung ist nach § 9 II 1 grundsätzlich nur mit Einwilligung des Patienten erlaubt (Rn D 122, D 127 ff). Birgt die Behandlung eine Gefahr für Leben und Gesundheit des Patienten ist die Einwilligung unverzichtbar (§ 9 II 2; sog Obergrenze der Zwangsbehandlung; Rn D 151). Bei fehlender Einwilligungsfähigkeit kommt es auf die stellvertretende Einwilligung der gesetzlichen Vertreter an (§ 9 II 3; Rn D 138 ff). Die Vertretereinwilligung kann sich aber selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Eine Zwangsbehandlung ist in den Grenzen des § 9 III und eine Zwangsuntersuchung in den Grenzen des § 9 IV zulässig. Dabei wird für die Zwangsbehandlung die Untergrenze gesetzt, dass ohne Behandlung eine Lebens- oder schwerwiegende Gesundheitsgefahr für den Patienten oder eine Gesundheitsgefahr für Dritte droht (Rn D 150). In § 9 V wird für andere als Notbehandlungen die exklusive Zuständigkeit eines Arztes und die Anordnungskompetenz des Leiters der Einrichtung vorgeschrieben. D 169 Sachsen: Nach § 21 II ist die konsentierte Behandlung der Normalfall (Rn D 122, D 127 ff). Sämtliche Behandlungsmaßnahmen sind nur nach umfassender Aufklärung und nur auf Anordnung und unter unmittelbarer Leitung eines Arztes (§ 22 IV) zulässig. Als absolute Behandlungsgrenze schließt § 22 IV entwürdigende Maßnahmen aus. Damit sind insbesondere die oben bei Rn D 123 angesprochenen dauernd persönlichkeitsverändernden gehirnchirurgischen Eingriffe und der Zwang zu besonders entwürdigenden Psychotherapieformen (zB Encountergruppen; sog heißer Stuhl) angesprochen. Die Obergrenze der Zwangsbehandlung (Rn D 151 f) wird in § 22 II formuliert. Danach soll eine Zwangsbehandlung mit stellvertretender Einwilligung des gesetzlichen Vertreters beim einwilligungsunfähigen Patienten möglich sein, sobald durch sie eine erhebliche Gesundheitsgefahr oder Lebensgefahr droht oder sie in einem chirurgischen Eingriff besteht. Darunter fallen neben den Schockbehandlungen auch bestimmte medikamentöse Therapien. Die Gesetzesbegründung nennt ausdrücklich Clozapin. Allerdings kann sich auch hier die Vertretereinwilligung selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Eine Untergrenze der Zwangsbehandlung sieht das Gesetz in § 22 I 2 entsprechend den bei Rn D 150 entwickelten allgemeinen Grundsätzen vor. Ohne Einwilligung des dazu fähigen Patienten, oder beim einwilligungsunfähigen Patienten ohne stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist danach allenfalls eine Notfallbehandlung möglich. Diese setzt Gefahr im Verzug für Leben oder Gesundheit des Patienten voraus. Dabei handelt es sich um eine Notstandsabwägung, die das durch die Behandlung bedrohte Selbstbestimmungsrecht sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit gegen die bei einer Nichtbehandlung bedrohten Gesundheitsinteressen abwägen muss (Rn D 150 f). Die in § 22 I in Bezug genommene gerichtliche Entscheidung über die Behandlung nach § 16 gilt im Maßregelvollzug nicht. D 170 Sachsen-Anhalt (Reckers 1993):: Trotz der missverständlichen Formulierung in § 8 I 3 ist die einverständliche Behandlung der Normalfall (Rn D 122, D 127 ff). Eine dem Wortlaut zu entnehmende allgemeine Duldungspflicht bei Behandlungsmaßnahmen würde (vorbehaltlich der Ausnahmen in Abs 5) jedwede Zwangsbehandlung zulassen. Diese Auslegung wäre aber verfassungswidrig, da eine Behandlung gegen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nur zur Verfolgung höherrangiger Interessen zulässig ist. Zum fehlenden Sinn solcher Duldungspflichten vgl Rn D 118. Insofern gilt auch hier die oben dargestellte Untergrenze der Zwangsbehandlung (Rn D 145). Die Einwilligung ist nach Abs 5 unverzichtbar bei Operationen oder bei einer Gefahr für Leben oder Gesundheit des Patienten oder wenn die Behandlung mit einer dauernden oder wesentlichen, nachteiligen Persönlichkeitsveränderung verbunden ist (sog Obergrenze der Zwangsbehandlung; vgl Rn D 151). Fehlt dem Patienten in diesem Fall die Einwilligungsfähigkeit, so kommt es auf die stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters an (Rn D 138 ff). Allerdings kann sich auch hier die 160
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IV. Recht der Behandlung
Vertretereinwilligung selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Ist die bürgerlich-rechtliche Geschäftsfähigkeit zumindest eingeschränkt oder ein Betreuer bestellt, so soll eine zusätzliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich sein (§ 8 VI 2 und 3). Diese Regelung ist sinnlos, da sie dem grundgesetzlich hergeleiteten Selbstbestimmungsrecht widerspricht, für das es auf die Geschäftsfähigkeit unter keinem Gesichtspunkt ankommt (Rn D 135 ff). Die Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters ohne Zustimmung des Patienten verstößt in solchen Fällen gegen die Verschwiegenheitspflicht. Schleswig-Holstein (Müller-Lucks 2000): Die konsentierte Behandlung ist nach § 5 II D 171 2 der Normalfall (Rn D 122, D 127 ff). Eine Zwangsbehandlung ist nach § 5 VI bei einer nicht anders abwendbaren Gefahr einer erheblichen Gesundheitsbeschädigung oder bei einer Lebensgefahr für den Patienten zugelassen (sog Untergrenze der Zwangsbehandlung gem Rn D 150). Gem § 5 V dürfen mit Lebensgefahr oder erheblicher Gefahr für die Gesundheit des Patienten verbundene Eingriffe nur mit Einwilligung des Patienten vorgenommen werden (sog Obergrenze der Zwangsbehandlung gem Rn D 151). Fehlt diesem die Einwilligungsfähigkeit, so ist die stellvertretende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters maßgeblich (Rn D 138 ff). Die Formulierung des Gesetzes ist an dieser Stelle zweifach auslegungsbedürftig. Zum einen wird nach dem Wortlaut des § 5 V 2 bei Minderjährigen die verfassungsrechtlich zwingende Bindung an das Selbstbestimmungsrecht des Patienten missachtet, wenn für sie stets und ungeachtet einer vorhandenen Einwilligungsfähigkeit der gesetzliche Vertreter bestimmen soll (Rn D 123, D 129 ff). Der Vertreter kann bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit nur zusätzlich gefragt werden (Rn D 135 ff). Zum anderen soll bei den stellvertretenden Einwilligungen (Rn D 138 ff) „der Wille des gesetzlichen Vertreters“ maßgebend sein. Tatsächlich kommt es aber nicht auf dessen Wille an, sondern nur auf dessen Erklärung über den mutmaßlichen Willen des Patienten. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten wird nicht inhaltlich sondern nur formal auf den Vertreter übertragen. Schließlich kann sich die Vertretereinwilligung selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Thüringen: § 12 I gewährt einen Anspruch auf Heilbehandlung, der sich auch auf in- D 172 terkurrente Krankheiten bezieht und bei Anlasskrankheiten sämtliche therapeutische Konzepte einschließt. Der Vorrang der freiwilligen Behandlung ist in § 12 II hervorgehoben. Die Zwangsbehandlung ist nach § 12 III zugelassen bei gegenwärtiger Lebens- oder Gesundheitsgefahr für den Patienten oder Dritte (sog Untergrenze der Zwangsbehandlung nach Rn D 150). Fehlt diesem die Einwilligungsfähigkeit, so ist eine stellvertretende Einwilligung des Sorgeberechtigten nötig (Rn D 138 ff). Dabei kann sich die Vertretereinwilligung selbst beim einwilligungsunfähigen Patienten nie über dessen aktuellen Widerstand hinwegsetzen (Rn D 140 bis D 143). Die Obergrenze der Zwangsbehandlung wird durch das absolute Behandlungsverbot in § 12 IV gesetzt, wonach Behandlungen mit der Gefahr tiefgreifender Persönlichkeitsveränderungen und erheblicher Gesundheitsgefahren in keinem Fall zulässig sind. 9.
Verlegung aus Behandlungsgründen
Kann der Patient in der Einrichtung selbst nicht sachgerecht behandelt werden, so D 173 kommt neben der vollstreckungsrechtlichen Lösung im Verfahren nach § 463 StPO (§ 67a I StGB; vgl Rn D 96) auch die organisatorisch einfachere v ollzugsrechtliche Verlegung in eine andere staatliche oder private Einrichtung in Betracht (Marschner Rn E 16 f; vgl auch § 65 StVollzG;. Dies ist ausdrücklich vorgesehen in § 17 Bran, § 22 VII und 43 II 1 Bre, § 4 I 2 Hbg, § 28 II Hess, § 8 VI Nds, 15 II N W, § 5 III RhPf und § 5 II 1 SaAn. Private Einrichtungen können in solchen Fällen mit öffentlichen Aufgaben beliehen werden und üben stellvertretend staatliche Gewalt aus (vgl etwa § 4 Bernd Wagner
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D. Behandlung
Hbg; einschränkend OLG Schleswig R&P 2008, 70). Staatliche Einrichtungen können im Wege der A mtshilfe oder Kraft originärer Zuständigkeit (Rn D 46 f) vollzugliche Aufgaben wahrnehmen. Für kurzfristige Behandlungsmaßnahmen empfiehlt sich, der Empfangseinrichtung nur die Behandlungs- und Sicherungsmaßnahmen zu übertragen und die sonstige Vollzugsverwaltung (zB Geldverwaltung) bei der verlegenden Einrichtung zu belassen. Bei längerfristigen Verlegungen empfiehlt sich die vollständige Übertragung des Unterbringungsverhältnisses auf die neue Anstalt. Auf jeden Fall muss sich der Umfang aus der Verlegungsanordnung ergeben, damit der Patient über die Zuständigkeiten unterrichtet ist. Zur gerichtlichen Zuständigkeit in diesen Fällen vgl Gericke Rn K 35. Eine Anlasskrankheit kann nie zur Vollzugsunfähigkeit führen. Bei unbehandelbaren sonstigen Erkrankungen, zu denen auch psychische gehören können, muss anstelle einer Behandlungsverlegung aber stets geprüft werden, ob die Maßregel noch vollstreckt werden kann (zum Strafvollzug OLG München StV 1997, 262). Zur Unterbringung nach § 126 a StPO außerhalb einer Maßregelvollzugseinrichtung vgl Scheffler 1998. 10.
Dokumentation der Behandlung
D 174 Die Behandlung ist zunächst bei der Fortschreibung des Behandlungsplanes zu dokumentieren (Rn D 81 ff) und dann auch in jedem Einzelfall (ausdrücklich § 18 VII 1 Bran; §§ 7,, 9 V Hbg). Die Dokumentation ist zur Patientenakte zu nehmen (§ 18 VII 2 Bran). Die Patientenakten müssen so geführt werden, dass sie zur Akteneinsicht freigegeben werden können, ohne dem Therapeuten oder dem Patienten zu schaden (zustimmend in Anlehnung an diese Kommentierung BVerfG R&P 2006, 94 mit Anm Pollähne und jetzt auch Volckart/Grünebaum 2009, 244 f; zum ähnlichen Problem bei Gutachten Pfäfflin 1983, 19 f). Die objektiven und objektivierbaren Befunde sind vollständig darzustellen. Die s ubjektiven Befunde sind ebenfalls zu dokumentieren, wobei höchstpersönliche Aufzeichnungen des Therapeuten nicht in die Akten gehören (vgl Baur 1983, 12 unter VII; Dörner 1983, 13). Was in den getrennt geführten höchstpersönlichen Aufzeichnungen des Therapeuten steht, unterliegt nicht dem Akteneinsichtsrecht des Patienten. Dann dürfen diese Aufzeichnungen aber auch weder dem Vollzug noch den Gerichten zugänglich gemacht werden und haben für die Vollzugsgestaltung keine Bedeutung. Mit anderen Worten: die höchstpersönlichen Aufzeichnungen des Therapeuten haben ausschließlich für dessen höchstpersönlichen Verhältnisse eine Bedeutung. Werden diese Aufzeichnungen dagegen in die Patientenakten aufgenommen oder im Vollzug oder vor Gericht verwertet, sind sie der Akteneinsicht zugänglich. Zu den Folgen einer solchen d oppelten Aktenführung vgl OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008, 186 f (= Rückläufer nach der Entscheidung des BVerfG R&P 2006, 94). D 175 Problematisch ist der Umgang mit höchstpersönlichen Mitteilungen des Patienten im Rahmen eines besonderen Vertrauensverhältnisses. Nimmt der Therapeut diese Informationen zu den Akten, so könnten sie im Vollzug von zahlreichen Personen eingesehen werden und auch bei Gericht vor ein Forum geraten, das nicht mehr angemessen mit diesen Mitteilungen umgehen kann. Deshalb werden diese Informationen von der persönlichen S chweigepflicht des Therapeuten erfasst (Rn D 52). Sie gehören nicht in die allgemeinen Vollzugsakten und können nur mit Zustimmung des Patienten (Entbindung von der Schweigepflicht) anderen Personen zugänglich gemacht werden. Der Patient selbst hat freilich ein unbeschränktes Einsichtsrecht, da die Informationen von ihm selbst stammen (so jetzt auch Volckart/Grünebaum 2009, 244 f). D 176 Zum Umfang der Dokumentation: Neben Anamnese, Diagnose und Therapieverlauf muss die Aufklärung des Patienten detailliert aufgezeichnet, dessen Reaktion bzw Einwilligung vermerkt, die Erörterung mit und die Benachrichtigung von dritten Personen festgehalten und schließlich Zwangsbehandlungen und Eilmaßnahmen begründet werden. 162
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IV. Recht der Behandlung
11.
Rechtsdurchsetzung
Die Durchsetzung eines konkreten Behandlungsanspruchs scheitert oftmals an den D 177 in den Ländergesetzen vorgesehenen unbestimmten Rechtsbegriffen der Notwendigkeit bzw Gebotenheit bzw Erforderlichkeit der Behandlung (Rn D 108). Die damit zum wesentlichen Entscheidungskriterium erhobenen Regeln der ärztlichen Kunst sind allerdings gerichtlich voll nachprüfbar (Wagner B 1992a, 96–110; 155 ff; ders 1990a, 58 ff). Erfolgversprechend ist eine Verpflichtungsklage, wenn sie auf den Behandlungsplan gestützt werden kann (vgl Rn D 104). Anfechtungsklagen und Unterlassungsklagen gegen Behandlungsmaßnahmen haben in der Praxis nur dann Erfolg, wenn die Gerichte bereit sind, ärztliche Maßnahmen in der auch sonst üblichen Überprüfungsdichte zu kontrollieren (dazu Gericke unten Rn K 58 ff). Eine rechtswidrige Behandlung kann Nötigung und Körperverletzung sein und damit strafrechtliche wie schadensrechtliche Folgen für den Therapeuten und die Einrichtung haben. Instruktive Muster für Antragsschriftsätze, die Behandlungsmaßnahmen zum Gegenstand haben, finden sich bei Lesting/Kammeier 2010. Stellvertretende oder zusätzliche Einwilligungen Dritter können nach §§ 109 ff StVollzG überprüft werden (Volckart Anm zu OLG Hamm R&P 1987, 36; Gericke unten Rn K 27 mit weiteren Rechtsschutzmöglichkeiten; vgl auch oben Rn D 144).
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D. Behandlung
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I. Allgemeines
E. Rehabilitation I. Allgemeines
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E. Rehabilitation I.
Allgemeines Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
1.
– Art 3, 12 III § 28 § 36 I, 38 II §§ 11, 24 §§ 2, 4 II – § 12 II
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§§ 2 I, II, 3 II §§ 1 I, 2 I § 1 II §§ 2, 5 II – §§ 2 II, 4 II – § 13
Wiedereingliederungsgebot und Wiedereingliederungsanspruch
Maßregelvollzugskliniken haben einen umfassenden Resozialisierungs- und Re- E 1 habilitationsauftrag, der nicht auf die Erbringung medizinischer Behandlungsmaßnahmen im engeren Sinne beschränkt ist (Baur Rn C 5). Resozialisierung ist vielmehr jede Einwirkung auf den Untergebrachten, die unmittelbar oder mittelbar dazu beiträgt, dass er künftig ein Leben ohne Straftaten führen kann (LK-Horstkotte § 67a Rn 14). Der Begriff der Resozialisierung im Maßregelvollzug entspricht damit weitgehend dem Begriff der Rehabilitation im Sinn der §§ 10 SGB I, 4 SGB IX und umfasst Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation sowie der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft (§ 5 SGB IX). Soweit die §§ 136, 137 StVollzG die Vollzugsziele auf die Heilung der Erkrankung oder zumindest auf ihre Besserung beziehen und im Übrigen bestimmen, dass sich die Behandlung nach ärztlichen Gesichtspunkten richtet, wird dadurch zwar der Vorrang der ärztlichen Verantwortung betont (zur Kritik hieran vgl Mrozynski 1984, 215). Eine ständige ärztliche Verantwortung ist aber auch im Bereich der medizinischen Rehabilitation nicht in jedem Fall erforderlich (vgl § 15 II 2 SGB VI im Gegensatz zu § 107 II Nr 2 SGB V). Bestandteil der Leistungen der medizinischen Rehabilitation sind dementsprechend auch psychologische und pädagogische Hilfen (§ 26 III SGB IX). Die „ärztlichen Gesichtspunkte“ im Sinn der fachlichen Standards der psychiatrischen Wissenschaft bedingen daher einen umfassenden, nicht auf medizinische Maßnahmen im engeren Sinne zu beschränkenden Behandlungsauftrag. Aus den Bestimmungen des StVollzG ergibt sich weitergehend, dass der Maßregelvollzug die umfassende psychosoziale Stabilisierung, also nicht nur die medizinisch-psychiatrische Behandlung, sondern gleichzeitig auch die notwendige schulische, berufliche und soziale Förderung zum Ziel hat. Dies entspricht modernen sozialpsychiatrischen Behandlungskonzepten. Im Maßregelvollzug gilt damit ein umfassendes Wiedereingliederungsgebot (s Vol- E 2 ckart/Grünebaum 2009, 2). Die meisten Landesgesetze greifen dies als Organisationspflicht des Krankenhauses auf (B Berl § 10 III; Bran § 38 II; Bre § 11; Hbg § 4 II iVm § 2; Nds § 3 II iVm § 2 II; N W § 2 I iVm § 1 I; Saar § 5 II iVm § 2; SaAn § 4 II iVm § 2 II; SH § 2 I; Thü § 13). Rehabilitation und Resozialisierung sind aber nicht bloß abstrakte Vollzugsziele. Maßregelvollzugspatienten erbringen ein Sonderopfer (s Pollähne Rn B 37 ff mwN). Nur wenn die Unterbringung aufgrund der rehabilitativ orientierten Angebote so kurz wie möglich gehalten wird, ist der auferlegte Freiheitsentzug noch rechtmäßig. Die allgemeinen Vollzugszielbestimmungen konkretisieren sich Rolf Marschner
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E. Rehabilitation
damit zu einem Gewährleistungsgebot des Krankenhauses und einem allgemeinen Wiedereingliederungsanspruch des Patienten. 2.
Begrenzungen des Gestaltungsspielraums des Maßregelkrankenhauses
E 3 Die fehlende Konkretisierung des allgemeinen Wiedereingliederungsanspruches auch im Hinblick auf Maßnahmen der beruflichen und schulischen Rehabilitation und der Strukturierung der Entlassungsvorbereitungen ist ein Mangel aller Landesgesetze. Diese Lücken der Landesgesetze führen aber nicht dazu, dass konkrete und konkretisierbare Ansprüche der Patienten auf Leistungen der Rehabilitation und Maßnahmen der Resozialisierung fehlen. Vielmehr ist der den Maßregelvollzugskrankenhäusern auf den ersten Blick eingeräumte Gestaltungsspielraum in vielfacher Weise rechtlich begrenzt. E 4 § 136 StVollzG verpflichtet die Maßregelvollzugskrankenhäuser, ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes fachliches Angebot vorzuhalten. Eine Vollzugsorganisation, die hinter den Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten des Faches Psychiatrie zurückbleibt, verstößt gegen § 136 StVollzG. Was „möglich“ ist, richtet sich nach den Behandlungsmöglichkeiten in der Psychiatrie. Gem § 136 StVollzG müssen sämtliche Förderangebote am individuellen Bedarf des Patienten ausgerichtet sein. Dem können nicht in der Vollzugsorganisation liegende Gründe der Nichtverfügbarkeit von Fördermöglichkeiten entgegengehalten werden. Bei organisatorischen Problemen haben Vollzugs- und Vollstreckungsbehörde Abhilfe zu schaffen (LG Paderborn R&P 2000, 42). Nur dann, wenn die Ermessensentscheidungen des Maßregelvollzugskrankenhauses an diesem bundesgesetzlichen Zweck der Ermächtigung ausgerichtet sind, sind sie rechtmäßig. Die fachlich entwickelten Standards zur Rehabilitation psychisch Kranker haben damit direkten Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Einzelentscheidungen des Krankenhauses. E 5 Ebenso ergeben sich aus den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder und insbesondere aus den Bestimmungen zur rechtmäßigen Ausübung des Ermessens weitere Konkretisierungen (§ 40 VwVfG). Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 2 II SGB I muss bei der Ausübung eingeräumten Ermessens sichergestellt werden, dass soziale Rechte weitgehend verwirklicht werden. Bereits nach allgemeinen Regeln ist es ermessensfehlerhaft, wenn die Nichtentscheidung auf einer unzureichenden diagnostischen Abklärung des Förderbedarfs beruht oder nach dem Stand der Wissenschaft mögliche Rehabilitationsangebote nicht beachtet werden. Dieser „Ermessensfehlgebrauch“ macht die Ablehnung beantragter Rehabilitationsmaßnahmen von vornherein rechtswidrig. Der Umfang der notwendigen Abklärung bestimmt sich auch hier nach dem Erkenntnisstand der jeweiligen Disziplinen. Der Behandlungs- und Wiedereingliederungsplan muss deshalb den Mindestanforderungen an einen Gesamtplan zur Rehabilitation erfüllen, wie er nach § 58 SGB XII bzw § 10 SGB IX vorgesehen ist. E 6 Inhaltlich ist der Umfang der Gewährleistungspflichten zur Sicherung des Wiedereingliederungsanspruchs durch die Leistungsstandards des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) und des SGB XII (Sozialhilfe) bestimmt. Das neue SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) gilt nicht für Personen, die sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten (§ 7 IV SGB II). Dazu gehören auch Einrichtungen des Maßregelvollzugs. Ansprüche nach dem SGB II können daher nur von Freigängern beansprucht werden (LSG Berlin-Brandenburg FEVS 57, 464; BSG FEVS 59, 305 = R&P 2009, 46; FEVS 59 344). Entscheidend ist allein, ob die Struktur der Einrichtung es zulässt, drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zwar handelt es sich in der Regel nicht um direkte sozialrechtliche Ansprüche gegenüber einem Sozialleistungs- bzw Rehabilitationsträger. Das SGB XII normiert aber das staatlich garantierte Mindestmaß der Ansprüche auf Hilfe 166
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I. Allgemeines
zum Lebensunterhalt bzw auf Hilfe für behinderte Menschen sowie zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, das auch im Maßregelvollzug nicht unterschritten werden darf (s Berl § 28 III). Eine Unterschreitung dieses Mindeststandards sozialer Dienstleistungen im Maßregelvollzug ist rechtswidrig. Dies ist für den notwendigen Lebensunterhalt entschieden (vgl OVG Münster FEVS 29, 50 und OLG Hamm R&P 1989, 28 zur Hilfe zum Lebensunterhalts nach dem BSHG) und gilt auch für alle Maßnahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53, 54 SGB XII und damit für den gesamten Bereich der medizinischen, der beruflichen und der sozialen Rehabilitation. Unmittelbare Ansprüche nach dem SGB XII gegen den Sozialhilfeträger können neben den Ansprüchen gegen die Einrichtung des Maßregelvollzugs bestehen (BVerfG NStZ-RR 2008, 389) zB auf Gewährung eines Taschengeldes (BVerwG FEVS 44, 225) oder Übernahme der Kosten für die Beibehaltung einer Wohnung oder für die Einlagerung der Möbel (OVG Lüneburg FEVS 52, 274; LPK-SGB XII § 29 Rn 15 und § 42 Rn 16). Voraussetzung ist aber in der Regel eine kurzfristige oder zumindest absehbare Freiheitsentziehung, was im Fall der Unterbringung nach § 63 StGB nur selten zutreffen dürfte. Schließlich ergeben sich – insbesondere für die schulische und berufliche Bildung E 7 sowie den Bereich der Arbeit – Ansprüche für geeignete Patienten in Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem Art 3 GG im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 37 ff StVollzG. Es widerspricht dem Gleichbehandlungsgebot, wenn Maßregelvollzugspatienten, die für eine schulische Förderung geeignet sind, von der Teilnahme an schulischer Förderung allein aus Gründen der unzureichenden Vollzugsorganisation ausgeschlossen werden, während sie für geeignete Strafgefangene gesetzlich vorgesehen sind. § 46 I Bran legt ausdrücklich fest, dass im Maßregelvollzug untergebrachte Personen bezüglich Ausbildung, Arbeit und Unterricht nicht schlechter gestellt werden dürfen als im Strafvollzug untergebrachte Personen. Dies gilt für alle Bundesländer und alle Rehabilitationsmaßnahmen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung. Patienten des Maßregelvollzugs haben eine Reihe individualrechtlicher Sozialleis- E 8 tungsansprüche nach dem SGB gegenüber den Sozialleistungsträgern im Sinn des Sozialgesetzbuches. Das Krankenhaus ist im Rahmen seiner Wiedereingliederungspflicht gehalten, die Realisierung dieser Ansprüche (zB die Ansprüche auf Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nach dem SGB III) sicherzustellen, indem die organisatorischen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsträgern des § 6 SGB IX geschaffen werden. Liegt eine Behinderung im Sinn des § 2 SGB IX vor, empfiehlt sich eine Vorstellung bei einer gemeinsamen Servicestelle oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation (siehe § 61 SGB IX). Derartige Zusammenarbeitspflichten – die sich im Übrigen nicht nur auf die Erfüllung individualrechtlicher Sozialleistungsansprüche beziehen, sondern insgesamt die Erweiterung der rehabilitativen Angebote im Maßregelvollzug zum Ziel haben – sehen eine Reihe der Landesgesetze vor (vgl Bran § 29 II; Hbg § 4 III; Nds § 4; N W § 1 II, III; RhPf § 1 III; Sa § 38 IV; S aar § 3 III; SaAn § 6; Bay Art 3 II; MeVo § 35 I). Richten sich die rehabilitativen Bemühungen des Krankenhauses nicht an diesen be- E 9 reits im wesentlichen bundesrechtlich oder verwaltungsverfahrensrechtlich abzuleitenden Vorgaben, wird der Freiheitsentzug rechtswidrig. Eine dem fachlichen Standard nicht entsprechende Vollzugsorganisation verletzt unmittelbar Ansprüche der Patienten auf Gewährung aller bedarfsgerechten rehabilitativen Hilfen. Die Einführung einer fachgerechten Organisation der rehabilitativen Hilfen lässt sich in weit stärkerem Maß auch über „Bescheidungsbeschlüsse“ im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung nach den §§ 138 II, 109 ff StVollzG erreichen, als dies bislang praktiziert wird (s zB LG Paderborn R&P 2000, 42).
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167
E. Rehabilitation
3.
Mitwirkungspflichten
E 10 Dem Anspruch der Patienten steht keine mit Zwangsmitteln durchsetzbare M itwirkungspflicht der Patienten entgegen. Soweit die Landesgesetze (vgl BW § 7 V) Mitwirkungsgebote der Patienten normieren, handelt es sich um bloße „Obliegenheiten“, bei deren Nichtbeachtung „Rechtsfolge“ allein die Verlängerung der Unterbringung aus Gründen einer weiter bestehenden Gefährlichkeit der Patienten sein kann. Anders verhält es sich nach §§ 60 ff SGB I, wenn Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch beansprucht oder bezogen werden. Insoweit ist der Patient verpflichtet, alle für die Leistung erheblichen Tatsachen anzugeben und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Dies gilt entsprechend für die Darlegung der Bedürftigkeit als Voraussetzung des Taschengeldbezugs (OLG Celle R&P 2009, 107).
II.
Gesundheitsfürsorge Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– – – – – § 11 I §§ 28, 29 –
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§§ 8 VII, 15 VII §§ 12, 17 IV § 5 I 2, IV § 10 § 38 V § 8 VII, X – –
II. Gesundheitsfürsorge
1.
Leistungen
E 11 Leistungen des Gesundheitsfürsorge bzw Krankenbehandlung sind unmittelbar durch das Maßregelvollzugskrankenhaus zu gewähren, selbst wenn der Untergebrachte sich in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befindet und Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlt (zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung siehe Rn E 49 ff). Für Maßnahmen der Krankenbehandlung sieht § 16 I Nr 4 SGB V das Ruhen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Zweck dieser Vorschrift ist die Vermeidung von Doppelleistungen. Eine § 62a StVollzG entsprechende Vorschrift fehlt in den Maßregelvollzugsgesetzen. Entscheidend ist, dass der Untergebrachte Leistungen der Gesundheitsfürsorge tatsächlich erhält. E 12 Der Leistungsumfang der Krankenbehandlung richtet sich dabei grundsätzlich nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig davon, welche Konkretisierung die Landesgesetze getroffen haben. Einige Landesgesetze sehen die entsprechende Anwendung des Leistungskataloges des SGB V vor (H Hbg § 11 I; Hess § 28; NW § 10; Sachs § 38 V; Saar § 10; SaAn § 8 X). Soweit Landesgesetze das Nds § 8 VII; RhPf § 5 I) für entsprechend anwendbar erklären, gilt Strafvollzugsgesetz (N auch hier grundsätzlich der gleiche Leistungsrahmen. Der Leistungskatalog des § 58 StVollzG stellt die Ansprüche nach dem StVollzG weitgehend den Ansprüchen von in der Gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten gleich (siehe § 61 StVollzG). Der Anspruch auf Krankenbehandlung nach §§ 27 ff SGB V umfasst ua 1. ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, 2. zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz, 3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, 4. medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation sowie Belastungserprobung, Arbeitstherapie und Soziotherapie. 168
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II. Gesundheitsfürsorge
Der in § 42 SGB V geregelte Nachrang des Krankenversicherungsträgers bezüglich der Belastungserprobung und der Arbeitstherapie bezieht sich nur auf andere Träger der Sozialversicherung. Allerdings ergeben sich die Ansprüche auf Belastungserprobung und Arbeitstherapie bereits aus dem allgemeinen Behandlungsanspruch der Anlasserkrankung im Maßregelvollzug. Die nach § 27 SGB V vorgesehenen Hilfen der häuslichen Krankenpflege und Haushaltshilfe sind im Maßregelvollzug nicht anwendbar. 2.
Kostenbeteiligung
Eine Eigenbeteiligung des Patienten an den Behandlungskosten entfällt. Die Auf- E 13 wendungen für Gesundheitshilfen sind Kosten des Vollzugs. Insoweit gilt für die Kostenbeteiligung § 138 II iVm § 50 StVollzG. Es besteht auch keine Verpflichtung zur Zahlung einer sog. Praxisgebühr (OLG Koblenz NStZ 2006, 700 = StV 2006, 538). Bei Zahnersatz besteht zwar nach dem SGB V ggf nur ein Anspruch auf einen Zuschuss zu den Kosten. Nach § 60 StVollzG können bei der Versorgung mit Zahnersatz die Kosten auch ganz übernommen werden. Dies gilt entsprechend für Patienten im Maßregelvollzug. Dabei muss die Frage der Kostenübernahme an der Bedürftigkeit und damit den Einkommens- und Vermögensgrenzen des SGB XII ausgerichtet sein. Nur Patienten, die über entsprechende Einkünfte oder Vermögen verfügen, können auf einen teilweisen Zuschuss verwiesen werden. 3.
Behandlung zur Sicherung der sozialen Eingliederung
Ärztliche Behandlungen zur Sicherung der sozialen Eingliederung sind nicht im- E 14 mer Maßnahmen der Gesundheitshilfe. Es kann sich hierbei um die Behandlung auffälliger körperlicher Eigenschaften, Anomalien etc handeln. Soweit die Behebung dieser Auffälligkeiten allerdings bereits vom Leistungskatalog des SGB V erfasst wird, handelt es sich um einen Anspruch auf Gesundheitshilfe. Dies gilt beispielsweise für die Durchführung logopädischer Behandlungen. Nicht als sonstige Gesundheitshilfe ist damit ausschließlich die Beseitigung von stigmatisierenden Auffälligkeiten anzusehen, die nicht krankheitsbedingt sind oder keine psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert zur Folge haben (zB im Einzelfall Tätowierungen). Soweit Landesgesetze das StVollzG für entsprechend anwendbar erklären, ergibt sich ein Anspruch aus § 63 StVollzG. Im Übrigen leitet sich der Anspruch auf die Behandlung derartiger, die Wiedereingliederung behindernder Auffälligkeiten – unabhängig von der positiv rechtlichen Normierung in Landesgesetzen – aus einer Konkretisierung des allgemeinen Wiedereingliederungsgebotes (s Rn E 2) ab. Wenn derartige Auffälligkeiten die Wiedereingliederung erschweren, muss – mit Zustimmung des Patienten – alles geschehen, um den Freiheitsentzug abzukürzen, so dass im Einzelfall auch aufwendige kosmetische Operationen durchgeführt werden müssen. Soweit die Landesgesetze die Anwendbarkeit des § 63 StVollzG nicht ausdrücklich vorsehen, ist eine Kostenbeteiligung bei diesen Maßnahmen ausgeschlossen. Regelmäßig sind die psychiatrischen Kliniken nicht auf die Durchführung sämtli- E 15 cher i nterkurrenter Behandlungsmaßnahmen eingerichtet. Sie haben daher durch den Abschluss entsprechender Verträge diese interkurrenten Behandlungen sicherzustellen. Die vom psychiatrischen Krankenhaus beauftragten Ärzte stehen daher ausschließlich in einem Vertragsverhältnis zum Krankenhaus. Ein Behandlungsvertrag mit dem Patienten entsteht nicht. Behandlungsfehler sind gem § 839 BGB als Amtshaftungsanspruch gegenüber der Maßregelvollzugsklinik geltend zu machen. 4.
Arztwahl/Verlegung
Der Patient hat in der Regel keinen Anspruch auf Behandlung durch einen Arzt oder E 16 Therapeuten seiner Wahl (s OLG Nürnberg NStZ 1999, 479 = R&P 2000, 39; KG NStZ 2006, 699 für die Behandlung durch Psychotherapeuten eigener Wahl im StrafvollRolf Marschner
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E. Rehabilitation
zug). Allerdings steht die Auswahl der behandelnden Ärzte im pflichtgemäßen Ermessen der Einrichtung. Bei der Entscheidung sind auch berechtigte Interessen des Patienten zu beachten. Da der Behandlungserfolg regelmäßig vom Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient abhängig ist, sollte daher ein Arzt des Vertrauens hinzugezogen werden, wenn nicht Vollzugs- oder kostenmäßige Aspekte entgegenstehen. Derartige im Vollzug begründete Aspekte können beispielsweise vorliegen, wenn der Arzt der Wahl nicht mit den Besonderheiten des Vollzuges vertraut ist oder besondere Sicherungsaspekte dem Wunsch entgegenstehen oder wenn bereits durch Vertragsärzte das Behandlungsangebot sichergestellt wird. Wenn der Patient im Einzelfall ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als Freigänger eingegangen ist, ruhen zwar weiterhin gem § 16 I Nr 4 SGB V die Leistungsansprüche gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung, allerdings ist das Auswahlermessen der Einrichtung bei Freigängern in aller Regel weitgehend an den Interessen des Patienten auszurichten. E 17 Kann die Behandlung nicht in der Maßregelvollzugseinrichtung selbst sichergestellt werden, ist der Patient in ein anderes Krankenhaus zu verlegen. Dieses Krankenhaus kann sowohl ein allgemeines Versorgungskrankenhaus, aber auch beispielsweise ein Justizkrankenhaus des Strafvollzugs sein. Ausdrücklich sehen dies zwar nur Hess § 28 II und Bre § 22 VII vor. Der Rechtsstatus des Patienten bleibt bei einer derartigen Verlegung aber unverändert. Die dadurch entstehenden Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung von Sicherungsaufgaben durch die Strafvollzugsanstalt lassen sich nicht vollständig durch die Übertragung der Sicherungsaufgaben im Wege der „Amtshilfe“ beseitigen (vgl hierzu Lesting 1992). Amtshilfe ist eine lediglich ergänzende Hilfe, Eingriffe in Rechte Dritter im Außenverhältnis sind nur möglich im Rahmen einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung. Diese fehlt in allen Landesgesetzen. Auch bei einer Verlegung in ein Justizvollzugskrankenhaus ist daher der Kernbereich der Sicherungsaufgaben weiterhin durch Bedienstete des Maßregelvollzugs wahrzunehmen. Eine vollständige Übertragung dieser Aufgaben auf Bedienstete des Strafvollzugs widerspricht den Grundsätzen der Amtshilfe. 5.
Gesundheitshilfen während des Urlaubs
E 18 Ist der Patient beurlaubt, sehen einige Landesgesetze entsprechend § 60 StVollzG vor, dass während des Urlaubs Anspruch auf Krankenbehandlung nur in der für ihn zuständigen Vollzugseinrichtung besteht (H Hess § 28 III; N W § 12 II; RhPf § 5 IV). Auch in den Ländern, in denen diese Frage nicht ausdrücklich geregelt ist, besteht nur Anspruch auf die Gesundheitshilfen, die das Maßregelvollzugskrankenhaus organisiert hat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Anspruch auf Gesundheitshilfen unabdingbar nur in den Maßregelvollzugseinrichtungen realisiert werden kann. Bei akuten Notfällen, wenn eine Rückkehr nicht zumutbar ist, kann der nächsterreichbare Arzt oder das nächsterreichbare Krankenhaus vom Patienten aufgesucht werden (so ausdrücklich § 12 II N W). In diesen Fällen besteht ein Anspruch der behandelnden Ärzte gegenüber dem Maßregelvollzugskrankenhaus auf Kostenerstattung. Im Übrigen sollte auch bei einer längeren Beurlaubung das Maßregelvollzugskrankenhaus die Behandlung durch einen Arzt am Beurlaubungsort im Einzelfall zugelassen werden. Sucht der Patient den Arzt ansonsten ohne Genehmigung der Maßregelvollzugseinrichtung auf, ist er selbst zur Kostentragung verpflichtet. In diesen Fällen besteht kein Kostenerstattungsanspruch des Arztes gegenüber dem Krankenhaus. 6.
Zwangsbehandlung
E 19 Die Fragen der Zulässigkeit der Zwangsbehandlung sonstiger Krankheiten werden nur in einigen Landesgesetzen eigenständig geregelt. Hbg (§ 11 II), Hess (§ 29) und RhPf (§ 6 I) sehen die Behandlung sonstiger Krankheiten bei Lebensgefahr für den Patienten oder bei der Gefahr einer erheblichen Gesundheitsschädigung vor. SaAn 170
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III. Schule, Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung
(§ 12 VII) will die Zwangsbehandlung bei jeder akuten Erkrankung erlauben. Dies verstößt gegen das Übermaßverbot. Berl (§ 30), Bran (§ 40 II) und Thü (§ 13 III) regeln ausdrücklich nur Fragen der Behandlung der Anlasserkrankung. Dies gilt auch für BW § 8. Auch Nds sieht für sonstige Gesundheitshilfen nur einen Anspruch vor (§ 8 VII). Bre (§ 22 III), N W (§ 17 III) Sachs (§ 22 I), Saar (§ 9 III) und SH (§ 5 V) stellen Zwangsbehandlung der Anlasserkrankung und der sonstigen Erkrankungen unter gleiche Voraussetzungen (Lebensgefahr oder erhebliche Gesundheitsgefahr für sich oder andere). Bay (Art 13 II) sieht die Zwangsbehandlung auch zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung vor. Dies ist schon deswegen unzulässig, weil eine Behandlung keine geeignete Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung ist (siehe Wagner Rn D 142). Einige Landesgesetze sehen darüberhinaus die Duldung von Maßnahmen des vor- E 20 beugenden Gesundheitsschutzes und damit verbundene Untersuchungen vor (vgl NW § 17 IV, Hbg § 2 II, Hess § 29 I und II, RhPf § 6 I, Saar § 9 IV). Eine Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers für Fragen der Zwangsbehand- E 21 lung sonstiger Erkrankungen besteht nicht (vgl Volckart/Grünebaum 2009, 232 f und Marschner 1988). Diese besteht nur für die Behandlung der Anlasskrankheit, die zur Unterbringung geführt hat. Zwar gehört zu den nach §§ 136, 138 StVollzG zulässigen landesgesetzlichen Regelungsinhalten die Bestimmung des Umfangs der Fürsorgepflichten des Maßregelkrankenhauses. Dazu zählt aber nicht die Behandlung sonstiger Krankheiten. Die Behandlung sonstiger Krankheiten des Untergebrachten ist daher nur mit dessen E 22 Einwilligung oder auf betreuungsrechtlicher Grundlage möglich. Dies bedeutet, dass bei fehlender Einwilligungsfähigkeit des Untergebrachten gem § 1896 BGB ein Betreuer mit dem entsprechenden Aufgabenkreis bestellt werden muss, der gegebenenfalls die Einwilligung unter Berücksichtigung der Wünsche (§ 1901 III BGB) des Betroffenen erteilen kann. Zusätzlich ist § 1904 BGB zu beachten, wonach bei gefährlichen Behandlungsmaßnahmen die Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen ist. Eine Behandlung gegen den körperlichen Widerstand des Betroffenen ist aber auch auf betreuungsrechtlicher Grundlage nicht möglich (BGH NJW 2001, 888 = R&P 2001, 46; OLG Hamm NJW 2003, 2392 für den Fall einer Zahnbehandlung bei einem im Maßregelvollzug untergebrachten Patienten). Die vom BGH bei einer Unterbringung nach § 1906 I Nr 2 BGB ausnahmsweise zugelassene Zwangsbehandlung durch den Betreuer (BGH NJW 2006, 1277 = R&P 2006, 141) ist auf die Behandlung im Maßregelvollzug nicht übertragbar (siehe Wagner Rn D 138). Allerdings kann bei lebensbedrohlichen Erkrankungen eine Hilfspflicht nach § 323c StGB bestehen (Marschner/Volckart 2001 B 183). III. Schule, Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung
III. Schule, Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung Kommentierte Normen: BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
1.
– – – § 46I § 41 §§ 12 II, III, 13 – § 20 III
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§9 § 11 §7I § 11 I § 38 II § 10 – § 33 III
Bildungsdefizite und gesetzliche Regelungen
Die Defizite der schulischen und beruflichen Qualifikation der Patienten des Maßre- E 23 gelvollzugs sind gravierend. Knapp 60% haben keine abgeschlossene SchulausbilRolf Marschner
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E. Rehabilitation
dung, 13,6% sind Analphabeten. 3/4 aller Patienten verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung (vgl Leygraf 1988). Nach der Untersuchung von Hennicke sind 13% der forensischen Patienten Analphabeten, besitzen 43% keinen allgemein bildenden Schulabschluss und sind 65% ohne Berufsausbildung (1999, 65). Schumann (1987), Volckart (1999, 107) und Hennicke (1999, 65) fordern deshalb zu Recht, schulische und berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Wiedereingliederungschancen in besonderer Weise auszubauen. Hennicke weist darauf hin, dass 67,1% der forensischen Patienten die Teilnahme am Unterricht in Schulen wünschen. Die tatsächlichen Bedingungen sind demgegenüber fast überall nicht ausreichend. Zum Zeitpunkt der Erhebung von Leygraf befanden sich nur 1,2% der Patienten ohne Hauptschulabschluss in einem qualifizierenden Schulbesuch, nur 0,3% der Patienten befanden sich in beruflicher Weiterbildung. In keinem Krankenhaus wird die berufliche Weiterbildung krankenhausbezogen organisiert, nur wenige Maßregelvollzugskliniken verfügen über eigenes Lehrpersonal für die Durchführung von qualifizierendem Schulbesuch. Diese Mängel der Vollzugsorganisation im Maßregelvollzug sind um so gravierender, als sie weit hinter dem erreichten Standard des Strafvollzugs zurückbleiben. E 24 Bre (§ 41 III), Sachs (§ 38 II) und Hbg (§ 13) greifen den Anspruch auf eine den Fördermöglichkeiten entsprechende angemessene Schulbildung des Patienten noch am weitestgehenden auf. Patienten, die keinen Hauptschulabschluss erreicht haben, soll danach Unterricht in den zum Hauptschulabschluss führenden Fächern oder Gelegenheit gegeben werden, einen behinderungsgerechten Unterricht zu besuchen. NW (§ 11 I) stellt den Unterricht unter den Vorbehalt der organisatorischen Möglichkeiten der Einrichtung, RhPf (§ 7 I), Saar (§ 11 I) und S aAn (§ 10) wollen nur „Gelegenheiten“ zum Schulbesuch geben bzw den Schulbesuch nach „Möglichkeit“ gestatten. In den anderen Ländern sind schulische Fördermöglichkeiten nicht erwähnt. E 25 Dem Wiedereingliederungsgebot des Maßregelvollzugs entsprechen diese gesetzlichen Regelungen nicht. Sie verletzen angesichts der wesentlich differenzierteren Regelungen und Angebote im Strafvollzug den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 GG (hierzu Rn E 7). Die Maßregelvollzugskliniken sind verpflichtet, die durch pädagogische und schulische Maßnahmen mögliche Förderung der Patienten in einem Mindestumfang zu gewährleisten. Hierzu gehört, dass Schulunterricht grundsätzlich unabhängig vom Lockerungsstatus möglich sein muss und nicht nur die Teilnahme an externen Kursen gestattet wird. Gerade in den Phasen geschlossener Behandlung sind deshalb interne trainierende Kursangebote und auf Bildungsabschlüsse vorbereitender Schulunterricht vorzuhalten (vgl im Einzelnen Limpinsel 1992). 2.
Mindeststandards schulischer Angebote
E 26 Die Schulungsangebote im Maßregelvollzug müssen sowohl Elementarangebote wie Alphabetisierungskurse als auch abschlussbezogenenen Schulunterricht aufweisen. Die Organisationspflicht des Maßregelkrankenhauses beinhaltet weiter, entsprechend dem Lockerungsstatus der Patienten auch die Teilnahme an externen Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen. Die Teilnahme am Schulunterricht darf nicht in zeitliche Konkurrenz zu Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten treten. An Bildungstätigkeiten teilnehmende Patienten müssen von der Teilnahme an Arbeitstherapie, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten freigestellt werden. Patienten, die am Schulunterricht teilnehmen, müssen die gleichen Zuwendungen erhalten, wie sie bei einer Teilnahme an Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten erhalten könnten. Die Organisation der Bildungsangebote selbst muss die Defizite der Patienten hinsichtlich Durchhaltevermögen und Eigenmotivation aufgreifen und berücksichtigen. Das bloße Zurverfügungstellen von Bildungsangeboten, die bei den Teilnehmern ein hohes Maß von Eigenmotivation voraussetzen (zB VHS-Kurse oder Abendschulen), ist 172
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III. Schule, Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung
unzureichend. Nur wenn von der Maßregeleinrichtung ein ausreichendes Angebot an schulischen Hilfen organisiert und zur Verfügung gestellt wird, das nicht nur für einen kleinen Teil der förderungswilligen Patienten geeignet ist, sind Einzelentscheidungen über die Teilnahme am Schulunterricht nicht von vornherein rechtsfehlerhaft. Aus den erlangten Abschlusszeugnissen darf nicht erkennbar sein, dass die Schulausbildung während eines Freiheitsentzuges erlangt worden ist (so ausdrücklich § 40 StVollzG sowie die Regelungen in N W § 11 II, RhPf § 7 I, Saar § 11 III und SaAn § 10 II). 3.
Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung
Ähnlich sind die Vollzugsdefizite im Maßregelvollzug bei der Förderung der beruf- E 27 lichen Bildung. Keiner Maßregelvollzugseinrichtung für erwachsene psychisch kranke Straftäter sind betriebliche Ausbildungsstätten angegliedert, Maßnahmen der beruflichen Bildung sind in aller Regel nur für Freigänger verfügbar. Auch die Länder Hbg (§ 12 II), Sachs (§ 38 II) und Bre (§ 41 II) sehen ebenso wie Nds (§ 9) und Saar (§ 11 I) lediglich vor, dass den Patienten „Gelegenheit“ zur beruflichen Förderung gegeben werden soll. N W (§ 11 I), RhPf (§ 5 I) und SaAn (§ 10 I) stellen diese Möglichkeit noch zusätzlich unter den Vorbehalt der organisatorischen Möglichkeiten der Einrichtungen. Ein Hinweis auf institutionelle Mindestbedingungen der beruflichen Förderung im Maßregelvollzug fehlt überall. Organisatorische Unzulänglichkeiten rechtfertigen in keinem Fall den Verzicht auf E 28 die berufliche Förderung geeigneter Patienten. Dies gilt umso mehr, als individuelle Leistungsansprüche nach dem SGB III (Arbeitsförderung) auf Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung auch für Maßregelvollzugspatienten prinzipiell bestehen und ihre Realisierung gegenüber der Arbeitsverwaltung häufig nur wegen der tatsächlichen Bedingungen des Maßregelvollzuges scheitert. Patienten des Maßregelvollzugs können nicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen des SGB II (insbesondere § 16 SGB II) verwiesen werden (§ 7 V SGB II, siehe Rn E 6). Insoweit greift der Anspruchsausschluss des § 22 IV SGB III nicht. Auf Sozialleistungen besteht ein Rechtsanspruch, soweit nicht nach den besonderen E 29 Teilen des SGB die Leistungsträger ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu handeln (§ 38 SGB I). Ein Rückgriff auf allgemeine Formeln wie die Belange des Vollzugs bewirkt demgegenüber keine Einschränkung sozialer Rechte (ausführlich Mrozynski 1984 und ders 1986a und 1986b, anders aber ausdrücklich § 35 IV SGB VII für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Unfallversicherung). Allerdings kann die Ausübung sozialer Rechte an den tatsächlichen Bedingungen des Maßregelvollzugs scheitern. Dies gilt insbesondere für die Ansprüche der Maßregelvollzugspatienten auf Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB III. In Betracht kommen Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (§§ 59 ff SGB III) sowie Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (§§ 77 ff SGB III). Für diese ist nach § 77 I SGB III Voraussetzung, dass – die Weiterbildung notwendig ist, um die Teilnehmer bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden, oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, – die Vorbeschäftigungszeit erfüllt ist, – vor der Beginn der Maßnahme eine Beratung durch die Arbeitsagentur erfolgt ist und – die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. Wird die Vorbeschäftigungszeit nicht erfüllt, können die Weiterbildungskosten übernommen werden. Die vorgenannten Leistungen kommen grundsätzlich auch für Rolf Marschner
173
E. Rehabilitation
Patienten des Maßregelvollzugs in Betracht, wenn ihnen nach der Entlassung Arbeitslosigkeit droht oder wenn aufgrund des fehlenden Berufsabschlusses (hierzu Rn E 23) die Vermittlungschancen beeinträchtigt sind. Weil Leistungsansprüche nach dem SGB III auf berufliche Aus- und Weiterbildung oft erst zum Ende der Behandlungszeit im Maßregelvollzug realisierbar sind, müssen Patienten, die die Fähigkeit für eine weitere Förderung haben, in Beachtung des vollzugsrechtlichen Wiedereingliederungsgebotes (s Rn E 2 ff) zum frühest möglichen Zeitpunkt die entsprechenden Angebote der beruflichen Bildung durch das Krankenhaus selbst zur Verfügung gestellt bekommen. Es widerspricht der Pflicht, die Zeit des Freiheitsentzugs auf das unabdingbare Maß zu beschränken, wenn die für die Wiedereingliederung notwendigen Voraussetzungen der beruflichen Bildung der letzten Zeit vor der Entlassung oder der Zeit nach der Entlassung vorbehalten werden. Am geeignetsten erscheint hier die Einbeziehung der Bildungsträger für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung in Angebote der Maßregelvollzugsklinik. 4.
Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben
E 30 Neben den Ansprüchen auf Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung bestehen Ansprüche der im Sinn des § 2 SGB IX behinderten Patienten des Maßregelvollzugs auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33 ff SGB IX iVm §§ 97 ff SGB III, 9 ff SGB VI, 35 ff SGB VII, 54 I Nr 1–4 SGB XII). Die Unterbringung im Maßregelvollzug verhindert nicht das Entstehen dieser Ansprüche. Die Feststellung der Behinderung als individuelle Leistungsvoraussetzung hat ausschließlich nach den Kriterien des Sozialrechts zu erfolgen (§§ 2 SGB IX, 19 SGB III). Die bestehende Gefährlichkeit ist demgegenüber kein Hinderungsgrund für die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (ausführlich Mrozynski 1984 und ders 1986a und 1986b). Für psychisch kranke Straftäter können die Teilhabeleistungen von Bedeutung sein, die in ihrem Anforderungsprofil unterhalb der Ausbildung mit einem förmlichen Abschluss angesiedelt sind. Dies sind insbesondere Maßnahmen der Berufsfindung und Arbeitserprobung sowie Trainingsmaßnahmen. Daneben kommt die organisatorisch abzusichernde Einbeziehung der Angebote einer Werkstatt für behinderte Menschen in der Maßregeleinrichtung in Betracht. Auch hier ergeben sich aus der Zusammenarbeitsverpflichtung des Krankenhauses mit anderen Organisationen vielfältigere Möglichkeiten, als sie bislang wahrgenommen werden. E 31 Ein Maßregelvollzugskrankenhaus, das nicht ein Mindestangebot an beruflichen Bildungsmöglichkeiten im Sinn der §§ 53, 54 SGB XII vorhält, verletzt die Gewährleistungspflicht, die organisatorischen Voraussetzungen für eine wirksame berufliche Wiedereingliederung zu schaffen (siehe Rn E 6).
IV.
Beschäftigung, Arbeitstherapie, Arbeit Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
§ 7 IV Art 12 III § 30 I § 46 I I §§ 24 IV, 41 I § 12 I §6I §§ 20 III, 23 I
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
IV. Beschäftigung, Arbeitstherapie, Arbeit
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§§ 8 I, 9 I § 14 I §7I § 11 II § 38 II § 10 I – § 33
IV. Beschäftigung, Arbeitstherapie, Arbeit
1.
Anspruch auf Beschäftigung oder Arbeit
Anders als im Strafvollzug besteht im Maßregelvollzug keine Arbeitspflicht der Pa- E 32 tienten. Die Teilnahme an Arbeits- und Beschäftigungsangeboten des Krankenhauses ist freiwillig. Keines der Landesgesetze hat folgerichtig eine Arbeitspflicht eingeführt. Eine Arbeitspflicht der Patienten kann auch nicht über den Umweg der Zuweisung bestimmter Tätigkeiten auf der Grundlage des Behandlungs- und Wiedereingliederungsplanes begründet werden. Soweit Landesgesetze dies vorsehen, handelt es sich um den bloßen Hinweis auf die Obliegenheiten des Patienten, die Dauer des Freiheitsentzugs aufgrund der bestehenden Gefährdung der Allgemeinheit durch eigene Beteiligung an den rehabilitativen Angeboten so kurz wie möglich zu halten. Patienten, die ihnen angebotene Arbeit nicht verrichten, haben lediglich die bundesrechtlichen Kostenfolgen zu tragen (vgl Baur Rn C 39 ff). Die Weigerung, an indikationsgerechten arbeitstherapeutischen Angeboten teilzunehmen, vermag diese Kostenfolge nicht auszulösen, da es sich hierbei um ein medizinisches Angebot handelt. Andererseits besteht ein Anspruch des Patienten auf Zuweisung einer seinen Fähig- E 33 keiten entsprechenden Beschäftigung oder Arbeit oder zumindest beschäftigungs- bzw arbeitstherapeutischer Angebote. Der Wiedereingliederungsanspruch beinhaltet, dass Patienten, für die eine schulische oder berufliche Förderung oder eine medizinische Behandlung nicht vorrangig zu realisieren ist, eine ihren Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit angeboten bekommen (vgl Bay Art 12 III; BW § 7 III; Bre § 41 I; Hbg § 12 I; Saar § 11 II). Nicht ausreichend ist dieser Anspruch in den Landesgesetzen NW (§ 11 I) und SaAn (§ 10 I) geregelt, wenn hier die Realisierung des Anspruchs den organisatorischen Möglichkeiten des Krankenhauses vorbehalten ist (s LG Paderborn R&P 2000, 42). Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte sind aufgrund des Angleichungsgebotes in größtmöglicher Annäherung an die Arbeitsbedingungen außerhalb des Krankenhauses zu gestalten. 2.
Umfang der Organisationspflicht
Dem subjektiv-öffentlichen Recht der Patienten entspricht die Gestaltungs- und Or- E 34 ganisationspflicht des Krankenhauses, eine an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Patienten ausgerichtete Förderung zu ermöglichen. Fehlt es an einer den fachlichen Standards entsprechenden Organisation im Krankenhaus, ist bereits allein deshalb die Zuweisung zu bestimmten Beschäftigungsmöglichkeiten ermessensfehlerhaft. Die sachgerechte Organisation der Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten muss folgende Mindestvoraussetzungen erfüllen: – das Vorhalten arbeitsdiagnostischer Abklärungsmöglichkeiten, – das Vorhalten arbeitstherapeutischer Angebote und des Arbeitstrainings, – das Vorhalten von Arbeitsangeboten, die nach Qualität und Anforderung auf die Vermittlungsfähigkeit für die Zeit nach der Entlassung ausgerichtet sind, – das Vorhalten interner beschützender Arbeitsmöglichkeiten und externer Arbeitsmöglichkeiten, ggf unter Gewährleistung begleitender Hilfen im Arbeitsleben, – beschützende und freie Beschäftigungsangebote zur Tagesstrukturierung. Die Entwicklung und Förderung der Patienten in den Arbeitsfeldern muss ausreichend dokumentiert und im Rahmen der Fortschreibung der Behandlungs- und Wiedereingliederungsplanung zeitnah berücksichtigt werden. 3.
Arbeitstherapie/Arbeitstraining
Eine ausreichende Arbeitsdiagnostik setzt die Anamnese der bisherigen beruflichen E 35 Entwicklung, der gegebenen Leistungsdefizite und der behinderungsbedingten Einschränkungen voraus. Die Auswahl entsprechender Arbeitsfelder nach den spezifischen Anforderungsprofilen der Arbeitsplätze muss diese Erkenntnisse berücksichtiRolf Marschner
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E. Rehabilitation
gen. Hierbei sollten die für die berufliche Eingliederung Behinderter entwickelten Methoden verwandt werden (vgl hierzu beispielsweise Pfleging 1991). E 36 Nicht jede Arbeit der Patienten des Maßregelvollzugs kann als Arbeitstherapie qualifiziert werden. Vielmehr ist von einem engen Begriff der Arbeitstherapie auszugehen. Arbeitstherapie in diesem Sinne sind dabei nur die medizinischen ärztlich verordneten und verantworteten Maßnahmen, die zeitlich befristet der Behandlung der Anlasserkrankung und ihrer Symptome im Arbeitsverhalten dienen (s § 42 SGB V). Arbeitstherapie dient insbesondere dem Abbau krankheitsbedingter Verhaltensstörungen, die sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken, mit dem Ziel der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess. Die notwendigen Überprüfungen, ob das Ziel der Arbeitstherapie erreicht ist, müssen in kurzen Zeitabständen erfolgen. Patienten, denen eine in diesem engen Sinne arbeitstherapeutische Beschäftigung zugewiesen ist, bedürfen unabhängig von der Unterbringung im Maßregelvollzug der Behandlung im Krankenhaus und sind in der Regel nicht arbeitsfähig (vgl Mrozynski 1986a; Volckart/Grünebaum 2009, 161). Sie unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht (hierzu Rn E 49 ff). E 37 Arbeitstraining ist demgegenüber nicht auf die Beseitigung krankhafter Störungen, sondern auf die Stärkung, Erhaltung und Förderung der gesunden Anteile des Patienten im Hinblick auf seine Grundarbeitsfähigkeiten und sein Durchhaltevermögen ausgerichtet. Das Arbeitstraining hat die Wiedereingliederung auf Arbeitsplätze des allgemeinen bzw besonderen Arbeitsmarktes zum Ziel. Es entspricht inhaltlich den Angeboten der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nach den §§ 33 ff SGB IX, 97 ff SGB III. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung liegt bei Patienten, die sich im Arbeitstraining befinden, unabhängig von der Unterbringung im Maßregelvollzug in der Regel nicht mehr vor. Wegen der spezifischen Nähe zur Arbeitstherapie kann im Einzelfall die Abgrenzung zwischen Arbeitstrainingsangeboten und arbeitstherapeutischen Angeboten schwierig sein (vgl hierzu Mrozynski 1984 und ders 1986a). Kriterien für die Abgrenzung arbeitstherapeutischer Angebote von denen des Arbeitstrainings können beispielsweise die der Entlohnung unter Leistungsaspekten, der Berücksichtigung des Umfangs der wirtschaftlichen Wertschöpfung im Verlauf des Arbeitstrainings und die Zeitdauer der Trainingsmaßnahme sein. Wegen der Nähe zu den Angeboten der beruflichen Förderung sind Arbeitstrainingsmaßnahmen in der Regel längerfristig (bis zu 2 Jahren) ausgerichtet und haben die dauerhafte Stabilisierung des Patienten zum Ziel. Sie können – vergleichbar mit der Eingangsphase in der Werkstatt für behinderte Menschen – in Kooperation mit Werkstätten für behinderte Menschen angeboten werden, sie können aber auch entsprechend der Förderung Behinderter für den allgemeinen Arbeitsmarkt (zB Berufsfindung und Arbeitserprobung) organisiert werden. 4.
Arbeit
E 38 Das Wiedereingliederungsgebot und das Recht der Patienten auf angemessene Arbeit verpflichtet die Maßregelvollzugskrankenhäuser aber nicht nur zu fachlichen Mindeststandards genügenden Angeboten der Arbeitstherapie und des Arbeitstrainings, sondern auch zum Vorhalten differenzierter „Normalarbeitsplätzen“ vergleichbarer Arbeitsangebote. Das Krankenhaus darf sich daher nicht darauf beschränken, im Wesentlichen nur krankenhausbezogene Hilfstätigkeiten zu organisieren, sondern muss gewerblich-industriell ausgerichtete Eigenbetriebe vorhalten und Arbeitsmöglichkeiten in Fremdbetrieben selbst organisieren. E 39 Mit Ausnahme der freien Beschäftigungsverhältnisse sind sämtliche Arbeitsangebote als Vollzugsarbeitsverhältnis ausgestaltet (zur Frage der Sozialversicherungspflicht s u Rn E 49 ff). E 40 Arbeitsangebote auf beschützenden oder nicht beschützenden Arbeitsplätzen dienen nicht einer speziellen therapeutischen Förderung, sondern sollen die allgemeine Ar176
Rolf Marschner
V. Entlohnung/Sozialversicherung
beitsfähigkeit erhalten. Beschützende Arbeitsplätze entsprechen den Arbeitsplätzen einer Werkstatt für behinderte Menschen im Arbeitsbereich, nicht beschützende Arbeitsplätze sollen im Hinblick auf die spätere Vermittelbarkeit den Arbeitsanforderungen und Arbeitsangeboten des allgemeinen Arbeitsmarktes weitestgehend angeglichen werden. Neben der Erhaltung der Arbeitsfähigkeiten ist die wirtschaftliche Wertschöpfung gleichberechtigtes Ziel für die Tätigkeit der Patienten. Sie muss deshalb auch im Entgelt der Patienten Berücksichtigung finden. Diese Arbeitsangebote können sowohl krankenhausintern in speziellen Arbeitsbetrieben als auch krankenhausextern in der Form eines vom Krankenhaus organisierten Arbeitsfeldes in Fremdunternehmen („Leiharbeitsverhältnis“) vorgehalten werden. 5.
Beschäftigung außerhalb der Einrichtung
Bei f reien Beschäftigungsverhältnissen tritt der Patient direkt in ein privatrechtli- E 41 ches Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitgeber. Das Eingehen freier Beschäftigungsverhältnisse mit Zustimmung der Einrichtung sehen SaAn § 10 III, Bre § 41 II, Hbg § 12 III, NW § 11 III, S aar § 11 II und Thü § 33 III ausdrücklich vor. Derartige freie Beschäftigungsverhältnisses können auch für Arbeitsverhältnisse auf dem „zweiten Arbeitsmarkt“ beispielweise bei Selbsthilfefirmen, Beschäftigungsinitiativen für Langzeitarbeitslose etc vermittelt werden. Das Maßregelvollzugskrankenhaus muss sowohl mit den Anbietern dieser Arbeitsmöglichkeiten als auch mit der Arbeitsverwaltung eng kooperieren. Beschützende und freie Beschäftigungsangebote zur Tagesstrukturierung dienen E 42 anders als die Arbeitsangebote nicht der wirtschaftlichen Wertschöpfung und der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Sie kommen vor allen Dingen für Patienten in Frage, bei denen auch eine Förderung auf Plätzen des besonderen Arbeitsmarktes zeitweise nicht möglich oder eine derartige Förderung nicht mehr erforderlich ist. Sie haben im wesentlichen die Tagesstrukturierung und die Förderung kreativer Fähigkeiten der Patienten zum Ziel. Im Hinblick auf die Erweiterung der Angebote der Werkstätten für behinderte Menschen gerade auch für schwerer behinderte Menschen und unter Berücksichtigung des geringen Stellenwertes bloßer Beschäftigungsmöglichkeiten zur Tagesstrukturierung für die Verbesserung der Wiedereingliederungschancen sollte hiervon nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. V. Entlohnung/Sozialversicherung
V.
Entlohnung/Sozialversicherung Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
1.
– Art 12 III 2 – § 46 § 42 § 36 – § 20 III
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§ 12 I, II § 14 I § 11 § 23 § 38 II § 12 – § 33
Arbeitsentgelt, Lohn, Zuwendung
Nur einige Landesgesetze unterscheiden bei der Entlohnung der Patienten zwischen E 43 Bre § 42 I; Vollzugsarbeitsverhältnissen und arbeitstherapeutischer Beschäftigung (B Hbg § 36; NW § 14 I; MeVo § 20 III; RhPf § 11; Saar § 23; SaAn § 12). Bay (Art 12 III 2) und Sachs (§ 38 II) sehen nur für geleistete Arbeit ein Entgelt vor, E 44 enthalten aber keine Bestimmungen über Entlohnungen im Rahmen der Arbeitstherapie. Nds (§ 12) spricht undifferenziert von Zuwendungen, die übrigen Landesgesetze enthalten keine Regelungen zur Entlohnung von Patienten. Rolf Marschner
177
E. Rehabilitation
E 45 Die Landesgesetze, die keine differenzierten Regeln über die Art der Zuwendung für geleistete Arbeit enthalten, missachten, dass § 43 StVollzG den vollzugsrechtlichen Anspruch auf ein angemessenes Arbeitsentgelt vorsieht und die Maßregelvollzugsgesetze insoweit durch Art 3 GG gebunden sind (ebenso Volckart/Grünebaum 2009, 120 ff). R hPf § 11 II, Saar § 23 I, SaAn § 12 III und Bran § 46 II greifen das Gleichbehandlungsgebot ausdrücklich auf. E 46 Danach gilt – unabhängig von der landesrechtlichen Konkretisierung – folgendes: Soweit Patienten innerhalb des Vollzugsarbeitsverhältnisses Arbeitsleistungen erbringen, die im weitesten Sinn wirtschaftlich verwertbar sind, haben sie einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Vom Arbeitsentgelt sind der Arbeitslohn einerseits und (Arbeits-) Prämien bzw (A Arbeits-) Belohnungen/Zuwendungen andererseits zu unterscheiden. Arbeitslohn erhalten nur die Patienten, die im Rahmen eines freien Beschäftigungsverhältnisses mit einem dritten Arbeitgeber beschäftigt sind. (Arbeits-) Prämien/(Arbeits-)Belohnungen/Zuwendungen erhalten die Patienten, die im Rahmen einer arbeitstherapeutischen Maßnahme oder anderer fördernder Maßnahmen beschäftigt werden. Entlohnungen für die Teilnahme an Arbeitstrainingsmaßnahmen bzw Maßnahmen der beruflichen Förderung sind deshalb nicht Arbeitsentgelt. Eine Ausbildungsbeihilfe wird in den Maßregelvollzugsgesetzen in der Regel als eine Zuwendung für die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Förderung angesehen. Richtigerweise besteht auch im Maßregelvollzug ein Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe entsprechend § 44 StVollzG (Volckart/Grünebaum 2009, 122). Für Strafgefangene ist in § 22 III SGB III geregelt, dass Leistungen der Arbeitsagentur im Rahmen der Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung der Ausbildungsbeihilfe nach § 44 StVollzG vorgehen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Die Leistungen dürfen aber die Höhe der Ausbildungsbeihilfe nicht übersteigen. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung dürfte diese Regelung auf den Maßregelvollzug nicht übertragbar sein. Dies ändert aber nichts an der Verpflichtung, im Maßregelvollzug unabhängig von dem Vorliegen einer gesetzlichen Regelung Ausbildungsbeihilfe zu gewähren. E 47 Arbeitsentgelt und Arbeitslohn sind grundsätzlich pfändbar. Soweit das Eigengeld des Untergebrachten (s Rn E 62 f) aus Arbeitsentgelt für eine zugewiesene Beschäftigung gebildet worden ist, ist es nach Maßgabe des § 51 IV 2 StVollzG pfändbar; die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO und der Pfändungsschutz des § 850k ZPO finden keine Anwendung (BFH NJW 2004, 1344 (LS); BGH StV 2004, 558). Der Anspruch auf Beköstigung und Unterbringung besteht unabhängig von der Teilnahme an Arbeit; die Berücksichtigung derartiger Naturalleistungen als Teil des Arbeitsentgeltes ist damit unzulässig (BVerfG NJW 1998, 3337 ff = R&P 1998, 155 mit Anm Volckart; Volckart 1997a, 77 f). E 48 § 43 StVollzG regelt auch für den Maßregelvollzug die Mindestvergütungssätze für geleistete Arbeit. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bemessung des Arbeitsentgelts im Strafvollzug für zu gering und damit verfassungswidrig angesehen und den Gesetzgeber aufgefordert, das Arbeitsentgelt bis 31. 12. 2000 angemessen zu erhöhen (BVerfG NJW 1998, 3337 ff = R&P 1998, 155 mit Anm Volckart). Nach der Neuregelung der §§ 43 II, 200 StVollzG zum 1. 1. 2001 sind der Bemessung des Arbeitsentgelts 9% der monatlichen Bezugsgröße des § 18 SGB IV (2010: 2555 € West, 2170 € Ost) zugrundezulegen, was von dem Bundesverfassungsgericht als gerade noch dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot entsprechend angesehen wird und ständig zu überprüfen ist (BVerfG NStZ 2003, 109). Dies gilt entsprechend für das Arbeitsentgelt im Maßregelvollzug. Im Übrigen hat sich die Höhe des Arbeitsentgeltes im wesentlichen an dem Grad der wirtschaftlichen Wertschöpfung der Arbeit zu orientieren. Dies bedeutet allerdings nicht, dass ein dem Grad der wirtschaftlichen 178
Rolf Marschner
V. Entlohnung/Sozialversicherung
Wertschöpfung im Einzelfall entsprechendes Arbeitsentgelt für jeden Patienten individuell zu bemessen ist. Ebenso besteht nicht die Pflicht, die Erträge aus den Arbeitsleistungen vollständig an die arbeitenden Patienten wieder auszuschütten. Vielmehr gehen auch § 138 II iVm 50 StVollzG davon aus, dass Patienten, die zugewiesene oder ermöglichte Arbeit verrichten, über die wirtschaftliche Wertschöpfung einen Beitrag zu den Unterbringungskosten leisten. Nur deshalb werden nicht arbeitende Patienten zu einem gesonderten Vollzugskostenbeitrag herangezogen. Zur Arbeit im Sinn der vorgenannten Vorschriften zählen im Maßregelvollzug auch die arbeitstherapeutische Tätigkeit und die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen sowie die erlaubte Selbstbeschäftigung (Volckart 2002, 262). Das Krankenhaus muss aber die Arbeitsentgelte so bemessen, dass der Charakter einer Gegenleistung bestehen bleibt. Gerade die Gestaltung der Entlohnungssätze gäbe Anlass für die Mitwirkung der Patienten. Nur Nds § 12 II und Thü § 13 III sehen dies ausdrücklich vor. 2.
Sozialversicherungspflicht
Maßregelvollzugspatienten sind von der Einbeziehung in das Sozialversicherungs- E 49 recht nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Lediglich für die Krankenversicherung ist gemäß § 16 I Nr 4 SGB V das Ruhen der Ansprüche festgelegt (hierzu Rn E 11). Unzweifelhaft liegt Sozialversicherungspflicht nur bei Patienten vor, die sich in einem freien Beschäftigungsverhältnis oder in einer Berufsausbildung befinden. Darüber hinaus ist die Einbeziehung der Maßregelvollzugspatienten, die einer Arbeit nachgehen, in die Sozialversicherung umstritten, aber in größeren Umfang möglich als bisher in der Praxis umgesetzt (vgl zur Begründung ausführlich Mrozynski 1984; ders 1986a; ders 1987 und Volckart/Grünebaum 2009, 164). Dabei ist zwischen den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu differenzieren. Versicherungsplicht in der Arbeitslosenversicherung besteht nach § 26 I Nr 4 SGB E 50 III für Gefangene, die Leistungen nach §§ 43 bis 45, 176, 177 StVollzG (Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung) erhalten. Gefangene sind nach der Legaldefinition auch Personen, die im Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen der Besserung und Sicherung oder einstweilig nach § 126a StPO untergebracht sind. Dazu gehören unzweifelhaft die im Maßregelvollzug nach §§ 63, 64 StGB Untergebrachten (so auch BSG R&P 1999, 84 zu § 168 III AFG). Diese beziehen aber keine Leistungen nach §§ 43 ff StVollzG. Insoweit ist durch die Neuregelung des SGB III keine sachliche Änderung eingetreten (siehe BT-Drs 13/4941 S 158). Die Vorschriften der §§ 43 ff StVollzG sind unmittelbar aber nur auf in der Sicherungsverwahrung Untergebrachte anzuwenden (§ 130 StVollzG). Gemäß § 138 I 1 StVollzG kann der Landesgesetzgeber bei Bezug von Arbeitsentgelt nach dem Maßregelvollzugsgesetz die Sozialversicherungspflicht und die Abführung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vorsehen. Dies ist nur in SachsenAnhalt ausdrücklich geschehen (S SaAn § 12 III). Eine entsprechende Verpflichtung zur Abführung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung lässt sich aber auch dem ausdrücklichen Gleichbehandlungsgebot in Bran § 46 II, RhPf § 11 II und Saar § 12 III entnehmen. Weitergehend ist aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 GG eine entsprechende Verpflichtung für alle Patienten im Maßregelvollzug abzuleiten, die Arbeit im Sinn einer wirtschaftlichen Wertschöpfung leisten (s Rn E 38 ff) und dafür ein Arbeitsentgelt erhalten (aA wohl BSG R&P 1999, 84 mit Anmerkung Mrozynski, wobei es im zu entscheidenden Fall aber um eine Arbeitsbelohnung für die Teilnahme an der Arbeitstherapie ging; wie hier unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 26 I Nr 4 SGB III Volckart/Grünebaum 2009, 164 ff). Nach anderer Ansicht ist die Frage der Sozialversicherungspflicht grundsätzlich nach allgemeinen sozialrechtlichen Grundsätzen (im Arbeitsförderungsrecht Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 25 I SGB III) zu beurteilen (LSG Nordrhein-Westfalen R&P 1995, 76 mit zustimmender Anmerkung Mrozynski; aA BSG Rolf Marschner
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E. Rehabilitation
R&P 1999, 84 mit Anmerkung Mrozynski). Das Bundessozialgericht vertritt dagegen die Auffassung, dass nicht nur die arbeitstherapeutische Beschäftigung im Maßregelvollzug keine Sozialversicherungspflicht begründet, sondern dass die Beschäftigung im Maßregelvollzug im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Sonderrechtsverhältnisses erfolgt und nicht die Merkmale eines auf den Austausch von Arbeit und Lohn gerichteten, die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisses erfüllt. Das Bundessozialgericht hat aber die streitigen Fragen letztlich nicht geklärt, da in dem zu entscheidenden Fall der betroffene Patient im Rahmen des Behandlungsplans in der Arbeitstherapie beschäftigt war. Da die Unterbringung im Maßregelvollzug allein aus Gründen der bestehenden Gefährlichkeit erfolgt, ist nach der vorgenannten Auffassung für die Frage der Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung als Ausschlusskriterium zunächst zu prüfen, ob die Patienten unabhängig von der Unterbringung im Maßregelvollzug der Behandlung im Krankenhaus bedürfen. Nur für Patienten, die an Maßnahmen der Arbeitstherapie im engeren Sinne teilnehmen, wird dieses Kriterium zu bejahen sein. Insoweit besteht Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Für alle übrigen Patienten kommt es für die Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung darauf an, ob es sich bei der Arbeit um eine „Beschäftigung“ iSv §§ 7 I SGB IV, 25 I SGB III handelt. Beschäftigung ist danach jede nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Es reicht aus, dass der Arbeitende die Arbeit freiwillig leistet und der Arbeitgeber weisungsbefugt ist. Ob dies in den Formen des öffentlichen Rechts erfolgt, ist unmaßgeblich, soweit nicht der Ausschluss aus der Sozialversicherungspflicht positiv-rechtlich normiert ist (§ 31 SGB I). Das bedeutet gleichzeitig, dass ein Rückgriff auf das sog „besondere Gewaltverhältnis“ für die Begründung des Ausschlusses von Maßregelvollzugspatienten aus der Pflichtversicherung nicht möglich ist (siehe Mrozynski 1999, 87 ff). Gerade die Freiwilligkeit der Arbeit im Maßregelvollzug ist der entscheidende Unterschied zu der Arbeit im Strafvollzug (§ 41 StVollzG). Einer ausdrücklichen gesetzlichen Einbeziehung der Maßregelvollzugspatienten bedarf es deshalb nach dieser Auffassung nicht. Ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 I SGB IV ist jedoch auch dann nicht anzunehmen, wenn Tätigkeiten im Rahmen des Arbeitstrainings absolviert werden. Bei Arbeitstrainingsmaßnahmen stehen die Aspekte der rehabilitativen Förderung gegenüber denen der wirtschaftlichen Wertschöpfung durch Arbeitsleistung so im Vordergrund, dass die Teilnahme nicht mehr als Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren ist. Für die Praxis bedeutet dies, dass von einer gesetzlich abgesicherten Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung nur für die Länder Brandenburg, RheinlandPfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt auszugehen ist. In den anderen Bundesländern muss auf den Gleichbehandlungsgrundsatz oder allgemeine sozialrechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden. Zur Absicherung der Versicherungspflicht in diesen Bundesländern empfiehlt sich der Abschluss von Arbeitsverträgen und die Abführung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung entsprechend der Vorschrift des § 12 III SaAn, solange keine eindeutigen gesetzlichen Regelungen vorliegen. Die Beitragspflicht im Einzelnen richtet sich nach §§ 345 Nr 3, 347 Nr 3, 349 V SGB III. E 51 Für die Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung fehlt eine § 26 I Nr 4 SGB III vergleichbare Regelung. Auch Strafgefangene, die Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe beziehen, sind nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert (siehe § 198 II StVollzG). Gesetzliche Regelungen der Bundesländer fehlen. Für die Versicherungspflicht im Maßregelvollzug lässt sich daher nicht an den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 GG anknüpfen. Außerhalb von freien Beschäftigungsverhältnissen besteht Versicherungspflicht nur dann, wenn man der Auffassung folgt, dem Bezug von Arbeitsentgelt im Maßregelvollzug liegen Beschäftigungsverhältnisse im Sinn des Sozialversicherungsrechts (für die Rentenversicherung gemäß §§ 7 I SGB IV, 1 Nr 1 SGB VI) zugrunde (LSG Nordrhein-Westfalen R&P 180
Rolf Marschner
VI. Taschengeld und sonstige finanzielle Angelegenheiten
1995, 76; Mrozynski 1999, 87 ff; siehe zum ganzen Rn E 50). Ein Versicherungspflicht kann nach § 1 Nr 2b SGB VI außerdem dann vorliegen, wenn behinderte Menschen in Einrichtungen eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten entspricht, wozu auch Dienstleistungen für die Einrichtung gehören können (Mrozynski 1995, 76). Aber auch hier besteht die Problematik der Überlagerung durch das vom Bundessozialgericht angenommene Sonderrechtsverhältnis im Maßregelvollzug. Dies gilt entsprechend für die Gesetzliche Krankenversicherung. Besteht Versiche- E 52 rungspflicht auf Grund eines freien Beschäftigungsverhältnisses oder geht man bei Bezug von Arbeitsentgelt im Maßregelvollzug von einem Beschäftigungsverhältnis nach §§ 7 I SGB IV, 5 I Nr 1 oder 8 SGB V aus, ruht der Anspruch auf Leistungen nach § 16 I Nr 4 SGB V (hierzu Rn E 11). Ausdrücklich geregelt ist die Einbeziehung in die Gesetzliche Unfallversicherung E 53 für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung wie Beschäftigte tätig werden (§ 2 II 2 SGB VII). Dies betrifft Patienten des Maßregelvollzugs, die Arbeit leisten, auch wenn kein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt (s Kasseler Kommentar-Ricke § 2 SGB VII Rn 120). Für arbeitende Patienten sind deshalb nach richtiger Auffassung Beiträge zur Sozial- E 54 versicherung abzuführen. Für die Arbeitslosenversicherung ergibt sich dies aus den oben genannten gesetzlichen Regelungen, dem Gebot der Gleichbehandlung und aus allgemeinen sozialrechtlichen Grundsätzen, für die Renten- und Krankenversicherung aus den beschriebenen allgemeinen sozialrechtlichen Grundsätzen. VI. Taschengeld und sonstige finanzielle Angelegenheiten
VI.
Taschengeld und sonstige finanzielle Angelegenheiten Kommentierte Normen:
BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
1.
– – § 28 III § 47 § 26 §§ 35, 37 §§ 11, 12 § 20 I
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§§ 11, 12 III, IV, 13 § 14 III, IV, V §§ 9 IV, 12, 13 §§ 22, 24, 25 § 39 §§ 12 IV, V, 27 – § 34
Barbetrag
Patienten des Maßregelvollzuges haben bei Bedürftigkeit Anspruch auf den Barbe- E 55 trag wie andere, nicht strafrechtlich untergebrachte Patienten. Die Höhe des Barbetrags bestimmt sich mindestens nach § 35 II 2 SGB XII unabhängig davon, ob die Maßregelvollzugsgesetze der Länder diese Bestimmung für entsprechend anwendbar erklären (vgl OVG Münster FEVS 29, 50 und 38, 473 zu § 21 III BSHG). Der Barbetrag nach dem SGB XII ist der Mindestbetrag, der auf jeden Fall dem Patienten verbleiben muss. Dieser Barbetragsanspruch besteht unabhängig davon, ob ein Patient einer Arbeit nachgeht. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet, dass in Bayern das durch die Einrichtung des Maßregelvollzugs zu gewährende Taschengeld auf die Hälfte des Betrages nach § 35 II SGB XII abgesenkt worden ist, den Betroffenen aber gleichzeitig auf die Geltendmachung des Existenzminimums gegenüber den Sozialleistungsträgern verwiesen (BVerfG NStZ-RR 2008, 389 = R&P 2009, 114). Der Barbetrag ist zweckbestimmt. Er dient zur Befriedigung der kleineren Bedürf- E 56 nisse des täglichen Lebens, soweit sie nicht zum Unterhalt, der durch das Krankenhaus zu gewährleisten ist, zählen. Aus dem Barbetrag sind deshalb beispielsweise grundsätzlich keine Aufwendungen für Bekleidung zu finanzieren. Rolf Marschner
181
E. Rehabilitation
E 57 Patienten, die nicht bedürftig sind, haben diesen Anspruch nicht, es sei denn, das Landesgesetz verzichtet auf diese Beschränkung (so Saar § 22 II 2). Die Bedürftigkeit muss dargelegt werden (OLG Celle R&P 2009, 107). Bei der Prüfung der Bedürftigkeit haben die einkommensfreien Bestandteile nach § 82 SGB XII unberücksichtigt zu bleiben, dies gilt auch für eine Grundrente nach dem BVG (aA Volckart/Grünebaum 2009, 124). Für einen maßregelvollzugsspezifischen Begriff der Bedürftigkeit in Abweichung von den Bestimmungen des SGB XII gibt es keinen Anlass. Patienten, die eine anrechenbare Rente beziehen oder deren Vermögen nach § 90 SGB XII einzusetzen ist, können demgegenüber auf ihre eigenen Mittel verwiesen werden. Arbeitsprämien bzw Zuwendungen für die Teilnahme an der Arbeitstherapie bzw am Arbeitstraining sind Leistungen, die gemäß § 83 SGB XII aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden. Sie dienen anderen Zwecken als der Barbetrag. E 58 Bezieht der Patient Arbeitsentgelt aus einer Arbeit im Vollzug, ist er ebenfalls nicht bedürftig. Die Höhe des Arbeitentgelts ist daher so zu bemessen, dass sie auch in der Grundvergütung über den Barbetragsätzen nach dem SGB XII und den Sätzen der Arbeitsbelohnung der Einrichtung für eine Beteiligung an der Arbeitstherapie liegt (s Rn E 48). 2.
Besitz von Bargeld; Verfügungsbeschränkungen
E 59 Ohne landesgesetzliche Regelung kann der Besitz von Bargeld innerhalb der Einrichtung nur für nicht geschäftsfähige Patienten nach Bestellung eines Betreuers mit entsprechendem Aufgabenkreis nach § 1896 BGB und ggf Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB beschränkt werden. Problematisch ist insoweit Bre § 26 II, weil der richtige Weg die Bestellung eines vorläufigen Betreuers ist. E 60 NW § 10 III DVO-MRVG sieht ausdrücklich die Auszahlung, dh Barbesitz innerhalb der Einrichtung vor. SaAn § 12 V gestattet ebenfalls die uneingeschränkte Verfügung über Barbetrag und andere vollzugliche Einkünfte. Die Beschränkung des Bargeldbesitzes ist nur in den Ländern Bre (§ 26 I), Hbg (§ 35 II), Nds (§ 11), MeVo (§ 20 II) RhPf (§ 12 II) Sachs (§ 39 I) und Saar zugelassen. E 61 In allen anderen Ländern sind Bargeldbeschränkungen unzulässig, es sei denn, dass allgemeine Regelungen zur Beschränkung des Sachbesitzes gelten und anwendbar sind. Weitergehende Verfügungsbeschränkungen als die Begrenzung des Bargeldbesitzes lässt keine landesgesetzliche Regelung zu. Insbesondere kann durch Landesgesetz nicht die Verfügungsbefugnis geschäftsfähiger Patienten beschränkt werden. Auch in den Ländern, in denen die Verfügungsbefugnis beschränkt ist, kann der Patient weiterhin Gegenstände vollzugsextern bestellen. Die Einrichtung kann lediglich die Benutzung dieser Sachen untersagen (s Lesting Rn G 3). Dies gilt auch für die Hausgeldregelungen der Länder RhPf (§ 12 II) und Hess (§ 11 II). Sie beschränken lediglich die Höhe des vollzugsintern zulässigen Bargeldempfangs in der Einrichtung. 3.
Eigengeld
E 62 Eigengeld ist das Geldvermögen des Patienten, das das Krankenhaus für ihn verwaltet. Das Eigengeld bildet sich aus vollzugsfreien Einkünften und den Ansparbeträgen während des Vollzugs. Es gleicht einem privaten Sparkonto. Das Krankenhaus kann Forderungen gegenüber dem Patienten mit dem Eigengeldguthaben aufrechnen, es kann von Gläubigern eines Patienten gepfändet werden (hierzu Rn E 47) und der Patient kann über das Eigengeldkonto frei verfügen, soweit nicht anderweitige Verfügungsbeschränkungen getroffen wurden. E 63 Es handelt sich hierbei um eine bloße Verwaltungsbefugnis und Aufbewahrungspflicht des Krankenhauses über die vollzugsinternen Gelder, nicht verknüpft ist damit ein Verbot, außerhalb des Vollzugs Konten anzulegen. Soweit die Landesgesetze 182
Rolf Marschner
VI. Taschengeld und sonstige finanzielle Angelegenheiten
die Verfügungsbefugnis über das Eigengeldkonto allgemein von der Zustimmung der Einrichtung abhängig machen wollen (vgl N ds §§ 12 III, 13), ist dies bei geschäftsfähigen Patienten nicht möglich. 4.
Aufwendungen während einer Beurlaubung
RhPf (§ 9 IV) sieht als einziges Bundesland vor, dass der Patient bei Lockerungen des E 64 Vollzugs seine Aufwendungen selbst tragen muss. Diese Bestimmung ist angesichts der abschließenden Regelungen des § 138 II iVm § 50 StVollzG unzulässig. Lockerungen des Vollzugs unterbrechen nicht den Vollzug. Aufwendungen im Zusammenhang mit Vollzugslockerungen sind damit weiterhin Vollzugskosten, es sei denn, dass eine Kostenbeteiligung des Patienten im Rahmen der Zweckbestimmung des Barbetrags nach § 35 II 2 SGB XII (zB Veranstaltungsbesuch) gegeben ist. 5.
Überbrückungsgeld
Das Überbrückungsgeld ist ein gesetzliches Zwangssparen für die Zeit nach der E 65 Entlassung und damit eine Verfügungsbeschränkung über die vollzuglichen Einkünfte. Es dient der Finanzierung des Lebensunterhalts des Patienten und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen in der unmittelbaren Zeit nach der Entlassung. Das Überbrückungsgeld kann nur dann verpflichtend angespart werden, wenn dies landesgesetzlich vorgeschrieben ist. Dies sehen die Landesgesetze NW (§ 14 III–V), Sachs (§ 39 III), Saar (§ 24), RhPf (§ 13), Nds (§ 12 IV), Hess (§ 12), Hbg (§ 37), Thü (§ 34 III, IV), Bran (§ 47 II) und SaAn (§ 27) vor. In allen anderen Ländern ist das zwangsweise Ansparen eines Überbrückungsgeldes ausgeschlossen. Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist nach § 138 I 2 iVm § 51 IV, V StVollzG grundsätzlich unpfändbar und damit sowohl dem Zugriff außenstehender Gläubiger als auch der Aufrechnung durch das Krankenhaus beispielsweise mit Schadensersatzansprüchen entzogen. Die Regelung des Landes Hess, die die Verwendung des Überbrückungsgeldes auch für Zeiten der Beurlaubung vorsieht, ist missverständlich. Auch während der Zeit der Beurlaubung, die den Maßregelvollzug nicht unterbricht, hat der Patient Anspruch auf Gewährleistung des für den Lebensunterhalt Notwendigen. Dieser Anspruch ist gegenüber dem Einsatz des Überbrückungsgeldes vorrangig. Vollzugsfreies Vermögen des Patienten kann für das Überbrückungsgeld nicht herangezogen werden. Es kann nur aus vollzugsinternen Einkünften, also Arbeitslohn, Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe und Arbeitsbelohnung gebildet werden. Das Überbrückungsgeld ist verzinslich anzulegen, unabhängig davon, ob einzelne Landesgesetze diese Verzinsung vorschreiben. Die Gesetze in N W (§ 14 III iVm § 8 II DVO-MRVG NW) und Saar (§ 22 I) sehen vor, E 66 dass die Höhe des Ansparbetrages den notwendigen Lebensunterhalt für die ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern soll, begrenzt durch die Vermögensschongrenze nach § 1 I Nr 1b der VO zu § 90 II Nr 9 SGB XII (früher § 88 II Nr 8 BSHG). Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in voller Höhe bedarfsmindernd ohne die Schongrenze des § 90 II Nr 9 SGB XII zu berücksichtigen ist (BVerwG FEVS 41, 1 zu § 88 II Nr 8 BSHG). Alle anderen Länder sehen einen Betrag vor, der zur Deckung des Lebensunterhalts in einem Zeitraum von vier Wochen nach der Entlassung bestimmt ist, und haben keine hinreichenden Bestimmungen zur Höhe der monatlichen Ansparbeträge getroffen. Hier gilt, dass die monatlichen Ansparbeträge unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Vollzugsdauer und der Höhe der Vollzugseinkünfte festzusetzen sind. Ist von vornherein absehbar, dass die Unterbringung längere Zeit dauert, sind die Ansparraten für das Überbrückungsgeld so festzusetzen, dass der Überbrückungsgeldbetrag kontinuierlich angespart wird. Wird der Patient aus dem Strafvollzug in den Maßregelvollzug verlegt, ist das im E 67 Strafvollzug angesparte Überbrückungsgeld in vollem Umfang auf das ÜberbrüRolf Marschner
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E. Rehabilitation
ckungsgeldkonto der Maßregelvollzugseinrichtung zu überweisen. Der Patient hat für die Zeit des Maßregelvollzuges über diese Gelder keine freie Verfügungsbefugnis. Umgekehrt ist Überbrückungsgeld, das in der Zeit des Maßregelvollzugs angespart worden ist, mit dieser Zweckbestimmung auf das entsprechende Konto der Justizvollzugsanstalt zu überweisen, wenn sich im Anschluss an die Maßregelunterbringung eine weitere Strafhaft anschließt. Dies gilt auch dann, wenn höhere Ansparbeiträge im Maßregelvollzug vorgesehen sind. Im Übrigen ist das Überbrückungsgeld nach der Entlassung dem Patienten auszuhändigen. Lediglich Unterhaltsberechtigte können im Rahmen der Zweckbindung zu diesem Zeitpunkt das Überbrückungsgeld in Grenzen pfänden lassen (siehe § 138 I 2 iVm § 51 V StVollzG). VII. Entlassungsvorbereitungen
VII. Entlassungsvorbereitungen Kommentierte Normen: BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
– – § 28 II – – § 28 § 12 § 34
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
§ 16 II – § 14 § 8 V, VI § 38 IV § 26 – § 32
E 68 Alle Untersuchungen zur Legalbewährung von entlassenen Maßregelvollzugspatienten belegen, dass entscheidende Bedingung zur Minderung des Rückfallrisikos die Strukturierung des Entlassungsumfeldes und die Organisation begleitender Hilfen für die Zeit nach der Entlassung ist. Das Rückfallrisiko ist im ersten Jahr nach der Entlassung am höchsten (vgl Leygraf/Windgassen 1988). Bei fast der Hälfte der Patienten, bei denen die bedingte Aussetzung der Maßregel widerrufen wird, erfolgt dies im ersten Jahr nach der Entlassung. Eine langjährige Unterbringung in den festen, die Hospitalisierung fördernden Bedingungen und Strukturen des Maßregelvollzugskrankenhauses lässt eben keine ausreichende Vorbereitung auf die weitaus offeneren und belastenderen Bedingungen nach der Entlassung zu. E 69 Entscheidender Mangel aller Landesgesetze ist es, auf fachliche Standards für die Strukturierung der Entlassungsvorbereitung zu verzichten und dadurch die Überleitung in ambulante und komplementäre Versorgungsangebote zu verhindern. Es reicht für die Strukturierung des Entlassungsumfeldes gerade nicht aus, erst dann tätig zu werden, wenn die Entlassung bevorsteht (S Sachs § 38 IV, SaAn § 26 II, Hbg § 28 I, Saar § 8 V). Eine ausreichende Entlassungsvorbereitung ist ebensowenig dadurch gewährleistet, dass die Vollzugseinrichtung dem Patienten – unverbindlich – helfen soll, für die Zeit nach der Entlassung Arbeit und persönlichen Beistand (vgl Hbg § 28 I und Saar § 8 V) oder eine geeignete Unterkunft zu finden. Selbst die finanziellen Unterstützungsleistungen des Strafvollzugs – die Entlassungsbeihilfe nach § 75 StVollzG – sind nur in Hess (§ 12) und R hPf (§ 14) vorgesehen. Bedürftige Patienten geraten damit nach der Entlassung je nach Erwerbsfähigkeit unmittelbar in den Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II oder Hilfe zum Lebensunterhalt bzw Grundsicherung nach dem SGB XII. E 70 Dabei sind die Mindeststandards der strukturierten Entlassungsvorbereitung umfangreich beschrieben und erprobt (vgl zB Dimmek/Bargfrede 1992; Dimmek et al 1992; Leygraf/Windgassen 1988; Nowara 1992 und Schmitz 1992; Freese 2003, 54; Seifert et al 2005, 125; Boetticher 2005, 417; Wienberg et al 2005, 132; Schmidt-Quernheim 2005, 140). Eine strukturierte Entlassungsvorbereitung setzt bereits während des Maßregelvollzuges die Einbeziehung entsprechender komplementärer Einrichtungen (zB Über184
Rolf Marschner
VII. Entlassungsvorbereitungen
gangswohnheime, ggf Tageskliniken, Betreutes Wohnen in Familien vgl Rasch 1989b; Jockusch 1990; Rosemann 2003, 10; Becker 2008, 27), in die die Patienten beurlaubt werden oder Ausgang erhalten, sowie nach Entlassung ambulante Nachbetreuungsmöglichkeiten zB in Form forensischer Ambulanzen (Warmuth 1990, 109; Steinböck 1999, 16; Dönisch-Seidel/Hollweg 2003, 14, Steinböck et al 2004, 199) voraus (s jetzt §§ 68a VII, 68b I Nr 11 StGB). Strukturierte Entlassungsvorbereitungen setzen weiter verbindliche Vereinbarungen über die Betreuungsleistungen mit den Institutionen der gemeindepsychiatrischen Versorgung vor Ort voraus (zur Problematik Schmidt-Qernheim 2007, 218). Die Einrichtungen der komplementären psychiatrischen Versorgung müssen soweit möglich auch den aus dem Maßregelvollzug entlassenen Patienten zur Verfügung stehen. Daneben sind aber besondere forensische Wohngemeinschaften für einen Teil der aus dem Maßregelvollzug entlassenen Patienten erforderlich. Inhaltlich gehört zu dem notwendigen Leistungsangebot der Maßregelvollzugseinrichtung daher – die durch Personal der Maßregeleinrichtung begleitete Überleitung der Patienten in die Entlassregion, – die Beachtung datenschutzrechtlicher Regelungen (hierzu G 75 f), – die Erschließung der bedarfsgerechten Leistungen für die Patienten abgesichert durch generelle Leistungsabsprachen mit den Einrichtungen der komplementären Versorgung vor Ort, – die „Fallsupervision“ und Fortbildung der beteiligten psychosozialen und psychiatrischen Fachkräfte vor Ort einschließlich der Führungsaufsicht und gegebenenfalls des Bewährungshelfers (vgl im Einzelnen Dimmek/Bargfrede 1992). Die Kosten der Nachsorge im Rahmen der komplementären psychiatrischen Versorgung sind für die Zeit nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug in der Regel als Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff SGB XII bzw Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff SGB XII zu erbringen. Diese Leistungen sind gegenüber den Angeboten der Führungsaufsicht nicht grundsätzlich nachrangig (OVG Lüneburg FEVS 51, 84) und auch zu gewähren, wenn die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Unterbringung zum Schutz der Allgemeinheit von der Aufrechterhaltung bestimmter Sicherungsvorkehrungen in der Betreuungseinrichtung abhängig macht (OVG Lüneburg FEVS 53, 230). Leistungen vor der Entlassung (zB im Fall der Beurlaubung in ein Übergangswohnheim) oder während einer befristeten Wiederinvollzugsetzung nach § 67h StGB gehören zu den Kosten des Maßregelvollzugs (zu den sozialrechtlichen Ansprüchen siehe E6). Die Finanzierung forensischer Fachambulanzen erfolgt in der Regel als Mischfinanzierung durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 118 SGB V und die Bundesländer (Dönisch-Seidel/Hollweg 2003, 14; Steinböck et al 2004, 199). Um die Tätigkeit forensischer Ambulanzen langfristig abzusichern und Kostenstreitigkeiten zu vermeiden, ist eine gesetzliche Finanzierungsgrundlage erforderlich (Boetticher 2005, 417, 423). Der Entlassungsvorschlag des Maßregelkrankenhauses muss auf diesen Entlassungs- E 71 vorbereitungen aufbauen und sie über Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht (§ 68b StGB) absichern. Ohne diese Strukturierung verletzt das Maßregelkrankenhaus die ihm obliegende Pflicht zur Gewährleistung ausreichender Hilfen zur Wiedereingliederung.
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E. Rehabilitation
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Rolf Marschner
I. Einleitung
F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen) I. Einleitung
Helmut Pollähne
F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen) I.
Einleitung
In diesem Abschnitt ist von jenem praktisch äußerst bedeutsamen Behandlungsge- F 1 schehen die Rede, das gängigerweise unter dem Begriff der Vollzugslockerungen abgehandelt wird (Volckart/Grünebaum 2009, 171). Es geht darum, dem untergebrachten Patienten ,kleine Freiheiten‘ wie Ausgänge und Beurlaubungen zu ermöglichen, bevor das Gericht die Vollstreckung förmlich aussetzt. Nach richtigem Verständnis handelt es sich dabei um den jeweils noch vertretbaren Umfang der Freiheitsbeschränkungen in der forensischen Psychiatrie, mit anderen Worten um das Maß des Freiheitsentzugs im Maßregelvollzug (ausf Rn F 30). Dabei soll nicht der Eindruck vermittelt werden, die Patienten seien vorrangig im F 2 Maßregelvollzug untergebracht, um Vollzugslockerungen zu erhalten (Rasch 1986, 100). Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die gesicherte Unterbringung in ,festen Häusern‘, die mehr denn je das Bild der forensischen Psychiatrie prägt (vgl Rückert 2008: „Lebensversickerungsanstalten“), zugleich eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer ebenso effektiven wie humanen Therapie im Maßregelvollzug darstellt (Schwind/Böhm/Jehle-Rotthaus/Freise § 136 Rn 3). Je länger die Einschließung in der totalen Institution ,Forensik‘ anhält, je mehr überlagern die Folgeprobleme der Prisonierung und Hospitalisierung jene psycho-sozialen Probleme, deretwegen der Patient einst eingewiesen wurde; dies gilt in besonderem Maße für die unbefristete Unterbringung (Laubenthal 1990, 368) mit ihrer fatalen Tendenz zum „Wegschließen für immer“ (Rautenberg 2001, vgl auch Schüler-Springorum 2005). Leitidee der folgenden Ausführungen sei daher in Anlehnung an die idealisierte Programmatik der Psychiatrie-Reform ebenso knapp wie undifferenziert: Freiheit heilt! – in Ergänzung der zentralen Prämisse liberaler und sozialer Kriminalpolitik: in dubio pro libertate (Pollähne Rn B 46 ff) und gegen den mainstream hypertropher Sicherheitspolitik, die sich der therapie- und rehabilitationsfeindlichen Prämisse „in dubio pro securitate“ verschrieben hat (vgl nur Tondorf 2008, Mushoff 2008, 542 ff und Schott 2007, 105). II. Allgemeine Grundsätze
II.
Allgemeine Grundsätze
1.
Juristische Konzeption
Eine adäquate Handhabung des rechtlichen Instrumentariums der Vollzugslo- F 3 ckerungen und eine korrekte Auslegung der entsprechenden Vorschriften ist nicht möglich, ohne verfassungs- und kriminalrechtliche Grundlagen zu beachten: Ungeachtet der jeweiligen vollzugsrechtlichen Ausgestaltung von Lockerungsmaßnahmen in den Landesgesetzen hat der Patient unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Verminderung des Freiheitsentzugs. Angesichts der U neinheitlichkeit des Landesrechts (Welzel 1990b, 256; Pollähne 1994a, 91 ff; vgl Frisch 1990c, 784 f mwN) ist eine Rückbesinnung auf das Bundesrecht dringend erforderlich, nicht zuletzt um dem verfassungsrechtlichen Anspruch der Patienten auf Gleichbehandlung gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang verdienen auch internationale Standards verstärkt Beachtung (exempl Pollähne 2007 f und Völlm et al 2007 mwN, vgl Rn B 135 ff).
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
a)
Verfassungsrechtliche Grundlagen
F 4 Die verfassungsrechtlichen Grundlagen für Verhängung, Vollstreckung und Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln (vgl Kap B) erlangen eine besondere Bedeutung, wenn es um Vollzugslockerungen geht. Nicht nur der Freiheitsentzug an sich, der durch die Vollstreckung der Maßregel bewirkt wird, bedarf einer verfassungskonformen Legitimation (vgl Art 104 II GG): Auch das jeweils abgestufte Maß der Freiheitsentziehungen und -beschränkungen im Vollzug lässt sich im Einzelfall nur rechtfertigen durch den Nachweis einer konkreten G efahr, die unter spezifischen Bedingungen von dem Patienten ausgeht und einen bestimmten Grad der Sicherung erforderlich macht (Frisch 1990c, 787 ff; Welzel 1990b, 254; Pollähne 1994a, 45; vgl Saar-Drs 9/2239, 8; Hbg-Drs 13/1544, 27). Anstelle des stigmatisierenden Persönlichkeitsmerkmals der „Gefährlichkeit“ (vgl auch Böllinger 2007), so wie es etwa in den §§ 63 und 66 StGB zum Ausdruck kommt (ausf Dessecker 2004), ist daher von spezifischen „Gefahren“ zu sprechen, die sich auf zukünftige erhebliche rechtswidrige Taten beziehen (OLG Karlsruhe ZfStrVo 2004, 108, ähnlich §§ 62, 64 S 1, 68 I StGB; dazu Kobbé 1996, 100 ff, NK-Böllinger/Pollähne § 61 Rn 58 sowie Kammeier Rn A 9 f mwN und ders 1996 zur historischen Entwicklung der Begrifflichkeiten; krit zum Stigmatisierungstrend Schott 2007, 102 ff). F 5 Da den Maßregeln kein Strafcharakter zukommt (zu den grundsätzlichen Unterschieden Frisch 1990c, 769 f), ist die Aufrechterhaltung der gesicherten Unterbringung unzulässig, wenn sie über das durch die konkreten Gefahren indizierte Maß hinausgeht, etwa um der Schwere der Tat „gerecht“ zu werden, einen Schuldausgleich zu bewirken oder gar Vergeltung zu üben. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn neben der Maßregel Freiheitsstrafe verhängt worden ist, deren Vollstreckung sich an den Maßregelvollzug anschließen soll (Volckart/Grünebaum 2009, 181, vgl Rn F 84; zum Vikariierungsvollzug Pollähne/Rzepka Rn J 27 ff; zur Frage der Versagung oder des Widerrufs einer Lockerungsmaßnahme zur Disziplinierung Rn F 76, F 119, F 130). F 6 Unzulässig ist von Verfassungs wegen ferner die Begründung oder Aufrechterhaltung der F reiheitsentziehung aus Gründen der Behandlung, wenn auf Seiten des Patienten auch außerhalb des Maßregelvollzugs keine krankheitsbedingten erheblichen Straftaten (mehr) drohen (vgl Baur Rn C 12 ff und zu § 67d II StGB Rn F 11 und 140 f). Grundsätzlich ebenso problematisch ist es, Vollzugslockerungen vorrangig aus therapeutischen Gründen zu verweigern (ausf Rn F 74 ff). F 7 Bei Verhängung und Vollstreckung sowie im Vollzug der Maßregeln ist schließlich der verfassungsrechtlich begründete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (grundlegend BVerfGE 70, 297, 311; Bernsmann 1984, 146 ff; Dessecker 2004; ausf Pollähne Rn B 16 ff), der gebietet, die Unterbringung „nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck dieser Maßregel es unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen – im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung – nicht genügen“ (OLG Düsseldorf NStZ 1991, 104, vgl auch OLG Karlsruhe NStZ 1999, 37; zum Subsidiaritätsprinzip Rn F 9). Je länger die Dauer der Unterbringung, umso strenger werden die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges (BVerfGE 70, 315, vgl auch BVerfG R&P 2000, 197 f zur prognostischen Bedeutung). Ebenso wie die Anordnung bzw die weitere Vollstreckung der Unterbringung zu unterbleiben haben, wenn sie sich als unverhältnismäßig erweisen (zu § 67d II StGB vgl Rn F 11 und Kruis 1998), sind Freiheitsentziehungen und -beschränkungen im Vollzug unzulässig, die außer Verhältnis zu den von dem Patienten drohenden Gefahren stehen (OLG Celle NStZ 1989, 589 f; vgl AK-StVollzG-Pollähne vor § 136 Rn 16 f), wobei sich die Prüfung der Verhältnismäßigkeit umso eher aufdrängt, wenn es um Taten „aus dem Bereich mittlerer Kriminalität“ geht (BGH StV 1999, 489), die knapp oberhalb der Erheblichkeitsschwelle liegen – noch darunter liegende Delikte können den Maßregelvollzug (oder 188
Helmut Pollähne
II. Allgemeine Grundsätze
gar dessen Fortdauer, vgl OLG Karlsruhe R&P 2006, 149) ohnehin nicht legitimieren (vgl OLG Hamm R&P 2004, 42 m Anm Pollähne)! Im Vorfeld einer Erledigung aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit (§ 67d VI StGB, dazu NK-StGB-Pollähne/Böllinger § 67d Rn 58) kann sich ein Anspruch auf Verlegung (ThürOLG R&P 2005, 203) oder auf Einholung eines externen Gutachtens zu den weiteren Unterbringungs- und Behandlungsbedingungen ergeben (OLG Dresden R&P 2007, 92 LS). Einrichtungen und Gerichte bleiben aufgefordert, dem Untergebrachten eine Entlassungsperspektive aufzuzeigen (BVerfG vom 29. 1. 2004, 2 BvR 1820/03, juris; zur Bedeutung der Therapieplanung Rn F 63 und F 137 ff). b)
Strafrechtlicher Rahmen
Der Aufenthalt in der forensischen Psychiatrie wird bestimmt durch gerichtliche F 8 Entscheidungen und strafrechtliche Vorschriften über Verhängung und Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregeln. Die Voraussetzungen der Unterbringung nach §§ 62 – 64 StGB (ausf Kommentierung bei LK12-Schöch und NK-Böllinger/ Pollähne) sind für das Vollzugsgeschehen ebenso bedeutsam wie die Grundsätze der Vollstreckung in den §§ 67 ff StGB (Überblick bei Volckart/Grünebaum 2009, 31 ff und 339 ff, Tondorf 2002, 812 ff, Isak/Wagner 2004 Rn 321 ff und NK-Pollähne/ Böllinger vor § 67, vgl auch Volckart/Pollähne/Woynar 2008, 116 ff, 202 ff und Kamann Rn L 1 ff). Die unbefristete U nterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß F 9 § 63 StGB ist nur zulässig, wenn von dem Täter „infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist“. Dabei sind die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit (Rn F 7) und S ubsidiarität besonders zu beachten (ausf Pollähne 2004c mwN, Dessecker 2004, 345 ff): Die sichere Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung der forensischen Psychiatrie darf immer nur das letzte zulässige Mittel darstellen (ultima ratio), um die Allgemeinheit vor den Gefahren zu schützen, die durch den Täter drohen (BT-Drs 5/4094, 23: „äußerstes Mittel der Kriminalpolitik“, vgl OLG Celle NStZ 1989, 590). Kann dieser Zweck auch durch Maßnahmen erreicht werden, die den Täter weniger belasten, haben sie Vorrang (§§ 67b I 1, 72 I StGB; allg LK12-Schöch Vor § 61 Rn 74 ff; Rüping 1988, 407; zu § 67b NK-Pollähne/Böllinger Rn 1 ff und BGH R&P 2007, 201). Dieses allgemein gültige Prinzip staatlichen Handelns gilt innerhalb der forensischen Psychiatrie gleichermaßen und hat für das Maß des Freiheitsentzugs essentielle Bedeutung. Als „andere Maßnahmen“ kommen insbesondere anderweitige Unterbringungen in Betracht (exempl BGH MDR 1985, 979, NStZ 1990, 225, R&P 1997, 183, StV 1999, 489, R&P 2001, 41), etwa weil sie sich „– auch im Hinblick auf Vollzugslockerungen – als günstiger für die Heilung und Pflege des Beschuldigten“ erweisen (BGHSt 34, 317, vgl auch BGH NStZ 2002, 590), ebenso „betreutes Wohnen“, wenn die regelmäßige Einnahme von Medikamenten gewährleistet ist (BGH NStZ 2000, 470 f). Ferner können Weisungen nach §§ 68b II iVm 56c StGB Vorrang haben, die den Verurteilten zu freiwilligen Maßnahmen anhalten (BGH NStZ 1988, 309 f, 1991, 479; zur Praxis des § 67b StGB vgl Konrad 1991). Zu prüfen ist auch, ob bestimmte tatrelevante Konflikthintergründe (zB ausländerrechtliche Probleme, vgl BGH StV 1999, 489) anderweitig beseitigt werden können. Für die U nterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB gilt im Prin- F 10 zip nichts anderes (vgl Rn F 82 und AK-StVollzG-Pollähne § 137 Rn 1 ff). Allerdings hat der Gesetzgeber – im Unterschied zu § 63 StGB (vgl Baur Rn C 19, zu den verfassungsrechtlichen Problemen Kruis 1998, 95 f, diff Pollähne 2005b) – hervorgehoben, dass die Anordnung auch dann zu unterbleiben hat, wenn eine Entziehungskur „aussichtslos“ erscheint (§ 64 II StGB aF, vgl Penners 1987). Wird dies (ggf nachträglich) festgestellt, darf die Freiheitsentziehung auch dann nicht als Selbstzweck angeordnet (OLG Köln StV 1993, 316 f mwN, insofern missverständlich BGH NStZ 2000, Helmut Pollähne
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
190) bzw fortgeführt werden (OLG Frankfurt StV 1992, 328 f; vgl Pollähne 1994b mwN), wenn erhebliche rechtswidrige Taten drohen (zu den damit in Zusammenhang stehenden Fragen des Vikariierungsprinzips Rn F 84). Nach der Entscheidung des BVerfG vom 16. 3. 1994 ist die Unterbringung nach § 64 StGB bereits dann unzulässig, „wenn eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht besteht“ (BGBl I 1994, 3012, dazu Müller-Dietz 1995, Müller-Gerbes 1996 und Schalast 2000b sowie Schalast/Leygraf 1999 und Gerl/Bischof 2001 zu den praktischen Auswirkungen dieser Änderung, vgl auch Pollähne/Kemper 2007 und zu den Grenzen BGH StV 2000, 614). Mit der Neufassung des § 64 StGB 2007 (zu BT-Drs 16/1110 vgl Pollähne 2007c, 391) ist jene Klausel nahezu unverändert – endlich – Gesetz geworden: „Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen“ (§ 64 S 2 StGB nF, dazu Schneider 2008, 69 und Spiess 2008, 161); die Erledigungsregelung des § 67d V 1 StGB nimmt darauf nun unmittelbar Bezug (dazu LK12Rissing-van Saan/Peglau Rn 31 ff). F 11 Soweit der Maßregelvollzug nicht gesetzlich befristet ist (§ 67d I StGB für die Unterbringung nach § 64 StGB, dazu Frisch 1990c, 780 ff), erfolgt die Anordnung der Unterbringung grundsätzlich unbefristet (krit dazu Bernsmann 1984, 145 ff; Baur 1990a; Laubenthal 1990; Haffke 1991, 101 f; Kammeier 1996, 232 ff; vgl Pollähne 1994a, 24 mwN; auch noch die BMJ-Arbeitsgruppe 1997, aber aufgegeben in BT-Drs 16/1110, vgl Pollähne 2006g, 17 ff). Die Fortdauer der Unterbringung muss in regelmäßigen Abständen gerichtlich überprüft werden (§ 67e StGB, vgl Art 104 II 1 GG); die weitere Vollstreckung ist zur Bewährung auszusetzen, „wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird“ (§ 67d II 1 StGB). Diese – zumal wegen §§ 463 III iVm 454 II StPO – heftig kritisierte Fassung der Vorschrift (dazu Nedopil 1998, Volckart 1998, Schüler-Springorum 1998 und Pollähne 1999 mwN sowie Maier et al 2000, 81 f zu den praktischen Auswirkungen; zu den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen Jäger 2001 und Kobbé/Pollähne 1999) hat die vormalige ,Verantwortungs- und Erprobungsklausel‘ abgelöst, behält freilich im wahrsten Sinne des Wortes ihre Schlüsselfunktion für die forensische Psychiatrie (zur Auslegung NK-Pollähne/Böllinger § 67d Rn 1, 15 ff), denn sie stellt – jedenfalls für den Bereich des § 63 StGB – konzeptionell den regulären Weg aus dem Maßregelvollzug dar (ausf Laubenthal 1990). Bei Vorliegen dieser sog Entlassungsreife ist der Vollzug sofort auszusetzen (Frisch 1990c, 766 ff). Vorrangige Aufgabe der Maßregelvollzugseinrichtungen ist es, diese Entlassungsreife ,herzustellen‘ (Schüler-Springorum et al 1996, 189; zu § 136 StVollzG vgl Baur Rn C 21 ff und AK-StVollzG-Pollähne § 136 Rn 8). In diesem Zusammenhang kommt den Vollzugslockerungen eine doppelte Funktion zu: Sie sind unerlässlich auf dem Wege zur Erreichung des Vollzugsziels (ausf zu den therapeutischen Funktionen Rn F 14 ff) und stellen zugleich weitgehend unverzichtbare Vorbereitungsmaßnahmen für die Entlassung dar (dazu Rn F 136 ff). Die unbefristete Unterbringung ist verfassungsrechtlich allenfalls dann zu verantworten (vgl auch BVerfGE 109, 133, krit Mushoff 2004), wenn „alles getan wird, um die Dauer des Freiheitsentzugs auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken“ (Nds-Drs 9/2601, 15): „Der Maßregelvollzug ist so zu gestalten, dass die Vollzugsziele in möglichst kurzer Zeit erreicht werden“ (S SH § 2 II 4, vgl Volckart/Grünebaum 2009, 189 sowie LG Heilbronn Justiz 1998, 43 und OLG Karlsruhe ZfStrVo 2004, 108). c)
Verrechtlichung der Gnade
F 12 Lange Zeit wurden Vollzugslockerungen – wenn überhaupt – nur im Wege der Gnade gewährt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen vermeintlich fehlten (berechtigte Kritik bei Volckart 1982, 500 f). Eines der vorrangigen Anliegen der Maßregelvollzugsreform in den 1970er-Jahren war daher die Schaffung gesetzlicher Grundlagen 190
Helmut Pollähne
II. Allgemeine Grundsätze
für die dringend notwendige Öffnung des Vollzugs (exempl Venzlaff 1977). Die 80erJahre waren folgerichtig gekennzeichnet durch eine umfassende Verrechtlichung der forensischen Psychiatrie (ausf Pollähne 1994a, 3 ff); das Landesrecht gem § 138 I StVollzG hat dem Maßregelvollzug (wenn auch nicht immer adäquat, vgl Kammeier Rn A 54) überall gesetzliche Grundlagen verschafft. Die Gewährung von Lockerungen wurde durchweg vollzugsrechtlich abgesichert (dazu im Einzelnen Rn F 29 ff, 58 ff), so dass Gnadenentscheidungen ihre praktische Bedeutung nahezu eingebüßt hatten (vgl Pohlmann et al § 36 Rn 6, 8). Auseinandersetzungen über die Rechtmäßigkeit von Lockerungsmaßnahmen ohne ausdrückliche landesgesetzliche Grundlage beschränken sich daher auf verbliebene Regelungslücken (vgl Rn F 36): Insoweit ist mit Volckart (1997a, 99 f) davon auszugehen, dass die Gewährung von Ausgängen und Beurlaubungen auch ohne ausreichende landesgesetzliche Grundlage nicht nur zulässig, sondern unter bestimmten Voraussetzungen sogar geboten ist (Rn F 13). Die „Gnade der Verrechtlichung“ hat aber eine Kehrseite, die gerade in jüngster Zeit immer sichtbarer wird: Eine tendenziell „gnadenlose“ Sicherheitspolitik (s Rn F 2; zur zunehmenden Maßlosigkeit des Maßregelvollzugs Rode et al 2007, 145 ff) verrechtlicht die zunehmende Schließung des Vollzuges durch formelle und materielle Verschärfungen der Lockerungsregelungen (zum Strafvollzug Feest/Lesting 2005, exempl zur vorauseilenden Praxis die bei Tondorf 2005, 304 ff dokumentierte Auseinandersetzung); umso wichtiger wird die Besinnung auf unhintergehbare bundesrechtliche Grundlagen und internationale Standards (vgl Rn F 3)! d)
Rechtsanspruch
Aus den dargelegten bundesrechtlichen Vorgaben folgt für den Maßregelvollzug F 13 (zum Strafvollzug AK-StVollzG-Lesting § 11 Rn 54 ff) ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Vollzugslockerungen (grundlegend Volckart 1984a; vgl Welzel 1990b, 261 f, Frisch 1990c, 787, ders 1996, 29, Lesting/Kammeier 2010, 891, Busam/Hoffmann 2002, jeweils mwN, diff Nedopil 2005, 137; aA Bre-Drs 15/490, 33 für die Beurlaubung, weil sie „im Rahmen der ärztlichen Behandlung erproben soll, ob Patienten den Anforderungen des Lebens außerhalb der Einrichtung bereits wieder gewachsen“ sind und insoweit „von der ärztlichen Prognose abhängig ist“, mE auf der Grundlage eines Missverständnisses). Der Patient hat einen verfassungsrechtlich begründeten und gerichtlich durchsetzbaren (Rn F 60, F 109 f) Anspruch auf die Rücknahme bzw Aufhebung solcher Freiheitsentziehungen und -beschränkungen, die nicht (mehr) durch die Gefahren indiziert sind, die von ihm ausgehen (zu den damit korrespondierenden Grenzen des Ermessens Rn F 60 ff; vergleichbar der Rechtsanspruch auf Verlegung in weiterführende Station, vgl LG Paderborn R&P 2000, 42): „Wird ihm das vorenthalten, dann wird die Maßregel nicht mehr zur Vorbeugung, sondern um des Freiheitsentzuges willen vollzogen. Es handelt sich dann unter dem Etikett der Maßregel tatsächlich um Strafe“ (Volckart 1984a, 4, ähnlich Volckart/Grünebaum 2009, 172, relativierend SchülerSpringorum 2005, 229). Selbstverständlich darf dabei – dieser Hinweis erscheint angebracht, um Missverständnissen vorzubeugen – nicht in Vergessenheit geraten, dass die Patienten noch nicht ,entlassungsreif‘ sind (Rn F 11), weil im Sinne des § 67d II StGB für ein Leben „außerhalb des Maßregelvollzuges“ weiterhin eine Kriminalprognose gestellt wird, die noch nicht ,günstig genug‘ ist: Das dadurch indizierte Gefahrenpotenzial muss – gerade auch im Rahmen von Lockerungen – durch besondere Vorkehrungen „innerhalb des Vollzuges“ kompensiert werden (zur Spezifik der Lockerungsprognose Rn F 20 ff und 62 mwN, zur besonderen Überwachungsverantwortung Rn F 27, F 48, F 62, F 122, F 133). 2.
Therapeutische Konzeption
Ungeachtet anhaltender Auseinandersetzungen über schlüssige therapeutische Kon- F 14 zepte zur Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher (vgl Wagner Rn D 30 ff; diff Müller-Isberner 1998 mwN, vgl auch Stolpmann 2001 und Pfäfflin 2006, 267 ff), beinhalHelmut Pollähne
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
ten alle diskutierten Konzeptionen und praktizierten Modelle Vollzugslockerungen als integrale Behandlungsmaßnahmen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen (OLG Karlsruhe R&P 2006, 152) und sich durch ein erhebliches Maß an Vieldeutigkeit auszeichnen (grundlegend Rasch 1986; zur Empirie Pollähne 1994a, 107 ff, 141 ff und Stübner/Nedopil 2005, vgl auch Frenz 2005, 50). a)
Therapiefunktion
F 15 Vollzugslockerungen ermöglichen das Einüben sozialer Fertigkeiten in – begrenzter und kontrollierter – Freiheit; dem Patienten werden „andere Erlebnis- und Lernfelder“ geboten (Rasch 1985, 314, ähnlich Duncker 1998, 135) und sind damit wichtige Rahmenbedingungen für ein soziales Training (Volckart/Grünebaum 2009, 175, vgl Schüler-Springorum et al 1996, 162 f, 189 f). Die Praxis kann zudem nicht die Augen davor verschließen, dass jede noch so professionell konzipierte Therapie in Unfreiheit mit den Risiken und Nebenwirkungen der totalen Institution Psychiatrie einhergeht (Rn F 2). Deshalb ist effektive Hospitalismus-Prävention geboten (Pollähne 1994a, 37 mwN). Jeder therapeutische Versuch, die von den Patienten ausgehenden Gefahren zurückzudrängen, muss immer auch neuen Gefährdungen vorbeugen, die der Vollzug selbst produziert (Albrecht 1978, 124; Müller-Dietz 1987, 52; exempl der Fall BVerfGE 70, 321, dazu Fabricius/Wulff 1984). Hier kommt den Vollzugslockerungen eine wichtige Funktion zu, denn „offene Behandlung wirkt Hospitalisationsstörungen entgegen“ (OLG Karlsruhe R&P 2006, 152; vgl Leygraf 1988, 157; vgl Heinz/ Jöckel 1989, 89 sowie Dolde 1994, 110 für den Strafvollzug), auch wenn Lockerungen für den Therapieerfolg „weder zwingend noch selbstverständlich“ sein mögen (OLG Oldenburg StV 2001, 25). Aber „alle intramuralen Behandlungsmaßnahmen mit dem Ziel des sozialen Lernens laufen Gefahr, durch die Bedingungen der totalen Institution durchkreuzt zu werden. Denn der totale Freiheitsentzug fördert nicht nur fatalistische, autoritätshörige Anpassung, sondern auch unangemessene, im freien Leben unhaltbare Techniken, Probleme und Konflikte mit anderen zu bewältigen“ (Volckart/Grünebaum 2009, 173; vgl Wolf 2006, 184). F 16 Soweit das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen außerhalb der Angleichungsgrundsatz, vgl § 3 I StVollzG Mauern nicht angeglichen werden kann (A und RE § 11 I 2; ebenso Saar § 3 II, dazu Petry 1989, 27 f, M eVo §§ 37 iVm 19 I, Sachs § 38 I 1, SaAn §§ 2 II 3, 9 I 1, Thü §§ 31 I iVm 13 I 1 und Bre § 24 I; vgl auch Lesting 1988 und Knahl 1997, 34 zum Prinzip der ,Normalisierung‘), ist den schädlichen Folgen insbesondere langen Freiheitsentzuges – Hospitalisierung, Deprivation, Prisonierung, Abbruch sozialer Beziehungen etc. – entgegenzuwirken (B Bran § 38 III und Drs 4/6975, 67, vgl Bre-Drs 15/490, 38). Dieser Gegenwirkungsgrundsatz aus § 3 II StVollzG (vgl AK-StVollzG-Lesting § 11 Rn 1) ist auch unter dem Aspekt eines Ausgleichs für das Sonderopfer, das die Patienten im Maßregelvollzug erbringen (RhPfDrs 10/1669, 19; vgl Pollähne Rn B 36 ff), ohne Weiteres auf die forensische Psychiatrie zu übertragen (Welzel 1990a, 17). In diesem Kontext erfüllen gerade die Vollzugslockerungen eine zentrale Aufgabe (Laubenthal 2008 Rn 524 ff, 863, vgl auch OLG Celle NStZ 1989, 589 f sowie OLG Hamm StV 2000, 215). b)
Motivationsfunktion
F 17 Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Lockerungen in der forensischen Psychiatrie ist ihre Motivationsfunktion mit dem Ziel therapeutischer Kooperation. Die weitaus meisten psycho- und soziotherapeutischen Ansätze basieren zwar auf dem Prinzip der Freiwilligkeit (zu den Grenzen Wagner Rn D 114 ff), kollidieren im Vollzug jedoch mit dem Grundwiderspruch der Behandlung in Unfreiheit, denn eine „radikale Angebotsstruktur“ ist im Rahmen des behandlungsorientierten Freiheitsentzuges nicht realisierbar (Scheerer 1985, 8). Deshalb besteht eine der schwierigen Aufgaben des therapeutischen Personals im Maßregelvollzug darin, die Kooperationsbereit192
Helmut Pollähne
II. Allgemeine Grundsätze
schaft der Patienten in Bezug auf die geplante Therapie zu wecken bzw. zu fördern (vgl § 4 I StVollzG; allg Dahle 1997b, 150 ff, Schalast 2000b, 2000c Vanhoeck 2000, Jäger 2001). Es ist „wenig sinnvoll, eine psychologische Behandlung anzuordnen. Sinnvoll ist, per Anordnung Voraussetzungen zu schaffen, um die Motivation zur Behandlung zu erarbeiten“ (Schumacher 1988, 463), und das ist grundsätzlich eine Aufgabe des Maßregelvollzugs (BGH NStZ 1990, 225 und 1991, 479 zu § 67 II StGB). Dass diese Motivation zur Kooperation aus Krankheitseinsicht folgt, ist allerdings eher ein Idealfall und setzt unter Umständen ein hohes Maß an authentischem L eidensdruck voraus – sei es als Folge der psychischen Erkrankung, sei es als Folge der Unterbringungsbedingungen (allg dazu Streng 1987 und LK12-Schöch § 67 Rn 70 ff mwN). Nicht selten befindet sich der Patient, der gegen seinen Willen untergebracht ist, in einer nachvollziehbaren – und nicht per se krankheitsbedingten – Abwehrhaltung gegenüber der institutionellen therapeutischen Erwartungshaltung (Pollähne 1994a, 39 f mwN; ohne Verständnis BW-Drs 9/5120, 98 f). Die angestrebte therapeutische Kooperation liegt im beiderseitigen Interesse: Das In- F 18 teresse des Patienten an frühestmöglicher Entlassung ist unter den Bedingungen der unbefristeten Unterbringung (Rn F 11) eng verknüpft mit der Einschätzung der Therapeuten von dem Erfolg ihrer bzw seiner Therapie (krit Marschner 1982, 178, vgl Bre-Drs 15/290, 12 und Winchenbach 2000, 277). Dem Ziel der Entlassung ist das legitime Interesse vorgelagert, weitgehend freizügige Formen des Vollzuges „genießen“ zu können (Walter 1999, 431); das Streben nach möglichst frühen und weitreichenden Vollzugslockerungen ist von daher ein ebenso vorrangiges wie nachvollziehbares Anliegen der meisten Patienten im Maßregelvollzug (Welzel 1990b, 253). Aber auch in der Erlangung dieser „kleinen Freiheiten“ sind sie von dem positiven Votum der Therapeuten abhängig (zum Problem dieser Doppelrolle Rn F 87). Für die Verwirklichung eigener Interessen gibt es daher kaum eine Alternative zur Kooperation (ähnlich für den Strafvollzug Dolde 1994, 111), die zugleich im Interesse des therapeutischen Stabes liegt (vgl Walter 1999, 428 ff), der die ihm zugewiesenen Aufgaben im Klima der Konfrontation kaum wird erfüllen können (vgl auch OLG Karlsruhe NStZRR 2005, 122), von den negativen Impulsen einer erzwungenen Behandlung ganz zu schweigen (dazu Wagner Rn D 141 ff; vgl Bernsmann 1984, 159 f; Rasch 1986, 101; die Nachhaltigkeit der Erfolge „konfrontativer“ Therapeutik steht ohnehin in Frage, vgl auch Schott 2007, 108). In der Praxis hat sich überdies gezeigt, dass eine liberale Lockerungspraxis auch ein „friedliches und geordnetes Zusammenleben“ erleichtert (Volckart/Grünebaum 2009, 174) und insgesamt für „Entspannungen“ sorgt (Straube 1988, 329, vgl auch Schott 2007, 104 ff). Die Alternative schlichten Verwahrvollzuges im Falle therapeutischer Verweigerung mag zwar normativ bestehen (zu § 136 S 3 StVollzG Pollähne in AK-StVollzG Rn 10 ff und ders 2005b; krit zur ,long stay‘Stationierung Schott aaO, vgl auch Mushoff 2008, 484 ff), dürfte jedoch mit den professionellen Ansprüchen des therapeutischen Personals und den Leitvorstellungen einer humanen und sozialen Psychiatrie nur schwer zu vereinbaren sein (Horn 1983, 493; Waldliesborner Thesen 1985, 119; Rüping 1988, 410; vgl BT-Drs 7/918, 90). Die Neoproblematisierung sog ,Untherapierbarkeit‘ (exempl Hilgers 1999, vgl Kobbé 1997b, Wessel 2000, Steinböck 2005, 248 ff, Schalast et al 2007) ist nicht geeignet, diese Qualitätsstandards infrage zu stellen (vgl Lindemann 2001 zu Erfahrungen aus den Niederlanden; zu verfassungsrechtlichen Aspekten Kruis 1998; ausf Eisenberg 2004, Pollähne 2005b, Leygraf 2008). Allerdings ist nicht zu übersehen – und insofern ist die Kritik an dieser gängigen Kon- F 19 zeption nicht unberechtigt – dass der Tausch: Freiheit gegen Kooperation die Gefahr eines „korrumptiven Arrangements“ beinhaltet (Rasch 1986, 101 ff). Der therapeutische Effekt einer Motivation, die vornehmlich als Gegenleistung für gewährte „Vergünstigungen“ zu werten ist, muss hinterfragt werden. Es wird zu Recht davor gewarnt, aus solchermaßen ,erkaufter‘ Kooperation schon auf die Abnahme jener Gefahren zu schließen, die die Unterbringung veranlasst haben (Rasch 1984b, 135 f; FankHelmut Pollähne
193
F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
hauser 1986, 135 f), und über das Aushandeln von Lockerungen anti-therapeutischen Kriterien Einzug in den Maßregelvollzug zu gestatten (vgl Volbert 1986, 346). Dahinter dürfte sich allerdings auch die Angst vor der Verrechtlichung der TherapeutenPatienten-Beziehung verbergen. Zudem ist die Versuchung nicht zu unterschätzen, den Umgang mit Vollzugslockerungen disziplinarisch zu instrumentalisieren (Pollähne 1994a, 41; Lindemann 2004, 186 ff; vgl Welzel 1990a, 22 ff). Trotz allem wird der Maßregelvollzug in diesem alltäglichen Konfliktfeld kaum die eigene tendenziell antitherapeutische Realität (Rasch 1989b, 118) negieren können. Die problematischen Strukturen der unbefristeten Unterbringung sind ebenso wenig zu übersehen wie die – auch daraus ableitbaren – Motivations- und Kooperationsmängel der Patienten (Baur 1990a, 484 f; Laubenthal 1990, 368). Wie dem auch sei, Wege aus der therapeutisch-merkantilen Ambivalenz der Vollzugslockerungen sind kaum in Sicht (Pollähne 1994a, 41; vgl Walter 1999, 428 ff; zu ambulanten Perspektiven Rn F 55 ff): Auch für das therapeutische Personal dürfte eine durch Aushandlungsprozesse erreichte Motivation zur Kooperation immer noch besser sein, als weder Motivation noch Kooperation (zur Bedeutung der Supervision in diesem konfliktträchtigen Praxisfeld vgl die Beiträge in R&P 1/2007). c)
Erprobungsfunktion
F 20 Die Gefahrenprognose bleibt das „ungelöste, vielleicht unlösbare Problem“ der forensischen Psychiatrie (Rasch 1985, 311; ausf Rn F 25). Bei der Stellungnahme zur Verantwortbarkeit einer bedingten Entlassung nach § 67d II StGB (Rn F 140 f) ist das Krankenhaus aufgefordert, eine Vorhersage über das Legalverhalten „außerhalb des Maßregelvollzugs“ abzugeben. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, das extramurale Verhalten eines Patienten quasi-intramural zu erproben, bevor er tatsächlich entlassen wird (BT-Drs 8/2565, 233; Hbg-Drs 13/1544, 27 f). In diesem Sinn erfüllen die Vollzugslockerungen eine wichtige Erprobungsfunktion (BVerfG vom 29. 1. 2004, 2 BvR 1820/03, juris; vgl Mende/Schüler-Springorum 1989, 328 und Frisch 1990c, 775 ff, 791 sowie Pollähne 1994a, 42 f und Endres 2000, 81 mwN) auch im Hinblick auf die Behandlung selbst, denn der Verlauf der Lockerungen ist zugleich „Prüfstein dafür, ob die Therapie tatsächlich den angenommenen Erfolg gehabt hat oder ob Korrekturen erforderlich sind“ (Hbg-Drs 13/1544, 28, vgl auch Tondorf 2008, 792 mwN). Die ,Lockerungsgeschichte‘ eines Patienten stellt „eine wichtige Grundlage für die günstige Verhaltensprognose“ dar, von der später die bedingte Entlassung abhängt (Schüler-Springorum et al 1996, 189 f, ähnlich Bran-Drs 4/6975, 67), weshalb auch explizit von „extramuralen Belastungserprobungen“ (B B W § 15 IV) und von „Realerprobungsphasen“ die Rede ist (LG Koblenz StraFo 2006, 469). F 21 Die Gefahr, auf diese Weise die geforderte Prognose durch eine Versuch-IrrtumMethode (Rn F 26) zu ersetzen, ist freilich kaum zu übersehen (Leygraf 1988, 157). Würden Diagnostik und Prognostik ganz aufgegeben zugunsten eines „nihilistischen Herumexperimentierens“, wäre „die hierin liegende Gefährdung der Bevölkerung nicht zu verantworten“ (Rasch 1985, 314, 319). Das Erprobungskonzept birgt zudem therapeutische Risiken, denn es kann sowohl zur Überforderung des Patienten in der Lockerungssituation führen als auch – im Falle daraus resultierender Zwischenfälle (dazu Rn F 24) – zur Erfahrung erneuten Scheiterns (Rasch 1986, 104; ders 1987, 34; vgl Frisch 1990c, 790). Angesichts des prognostischen Dilemmas (Rn F 25) werden die Verantwortlichen im Maßregelvollzug (und in der Justiz, vgl OLG Hamm StV 1988, 115 m Anm Pollähne) auf Vollzugslockerungen in ihrer Funktion als Belastungserprobungen jedoch kaum verzichten können, wollen sie verantwortbare Entlassungsentscheidungen treffen (vgl Frisch 1988, 361 f; ders 1990c, 791; Rasch 1991a, 105), wenngleich solche Erprobungen weder zur zwingenden Voraussetzung der bedingten Entlassung (OLG Köln StV 1991, 568; OLG Karlsruhe StV 1993, 260; OLG Düsseldorf StV 2000, 685) noch zum monokausalen Prognosekriterium werden dürfen (insofern berechtigte Kritik bei Kröber 1999, 598) und mit einer zu starken Orien194
Helmut Pollähne
II. Allgemeine Grundsätze
tierung auf „Alltagsbelastungen“ (ThürOLG vom 22. 2. 2006, 1 Ws 49/06, juris) die Schwelle nicht zu hoch ansetzen sollten. Erst recht kann der Hinweis auf ausstehende – ggf unterlassene, gar verweigerte – E ntlassungsvorbereitungen nicht die Fortdauer einer im Übrigen unverhältnismäßigen Maßregelvollstreckung legitimieren (OLG Karlsruhe NStZ 1999, 37; KG StV 2007, 432 f), so wie Lockerungen nicht unter Verweis darauf versagt werden können, in Anbetracht der nicht absehbaren Entlassung bedürfe es noch keiner Erprobung (OLG Karlsruhe R&P 2006, 152; zur Mitverantwortung der Vollstreckungsgerichte BVerfG NStZ-RR 2006, 189 mwN, diff OLG Hamm vom 11. 1. 2007, 1 Ws [L] 897/06, juris). d)
Stufenmodell
Ein vorherrschendes Strukturprinzip im Maßregelvollzug vertretener therapeuti- F 22 scher Konzepte ist das Stufenmodell (Leygraf 1988, 156 ff; Jöckel 1988, 52 ff; Stübner/Nedopil 2005, 179; Pollähne 1994a, 43 f mwN; vgl auch BGH NStZ 2000, 529, LG Koblenz StraFo 2006, 469 und ThürOLG vom 22. 2. 2006, 1 Ws 49/06, juris). Es soll „differenzierte Reaktionen auf Fortschritte, aber auch auf Rückschritte des einzelnen Patienten“ ermöglichen und diene dem Erproben und Bewähren (Heinz/Leygraf 1984, 50). Entsprechende Rückstufungen bedeuten dabei in aller Regel auch Rückverlegungen auf eine höher gesicherte Station, womit diese Modelle in die Nähe eines subtilen Disziplinierungsinstrumentariums geraten (Hohlfeld et al 1985, 90; krit auch Streng 2002 Rn 361; Mende/Schüler-Springorum 1989, 328; Rasch 1984b, 132 f; vgl Wagner Rn D 27 f, 38) und – rigide gehandhabt – allenfalls „einem sehr schlichten verhaltenstherapeutischen Ansatz“ entsprechen (Rasch 1991a, 18, 106; krit auch Fabricius 1991, 206, Schott 1989, 17, Steinböck 2005, 251 f, Schüler-Springorum 2005, 229). Gleichwohl ist das Stufenmodell eng mit dem Erprobungskonzept (vgl Rn F 20 f) verknüpft und kann unter Umständen sogar eine pragmatische Vorbedingung sorgfältiger Lockerungs- und Entlassungsentscheidungen darstellen: „Nur so wird das R isiko überhaupt kalkulierbar“ (Grünebaum 1990, 250; vgl OLG Celle StV 1988, 349 f m Anm Frisch 1988 und ThürOLG vom 22. 2. 2006, 1 Ws 49/06, juris). Der Patient soll „in die Lage versetzt werden, die Belastungen der nächsten Lockerungsstufe zu bewältigen und den Verlockungen in dieser Lockerungsstufe zu widerstehen“ (Nedopil 2005, 137). Eine solche Strukturierung kann schließlich auch „Verlässlichkeit und Gerechtigkeit“ herstellen und für die Patienten zugleich „unter dem Prinzip der Gleichbehandlung von großer Bedeutung“ sein (Schott 1989, 17; zum ,Gerechtigkeits‘-Postulat in diesem Zusammenhang auch Fabricius aaO sowie Schneider NStZ 1999, 158 zu BVerfG NStZ 1998, 430 f). 3.
Risikoperspektiven
Mit der Öffnung der forensischen Psychiatrie geraten Zwischenfälle, bei denen es F 23 in der zu schützenden Allgemeinheit zu schwerwiegenden rechtswidrigen Taten von Patienten kommt, in ein Licht der Verantwortungslosigkeit und können Strafverfolgungsmaßnahmen nach sich ziehen (vgl Rn F 28). Von den Verantwortlichen im Maßregelvollzug wird allgemein erwartet (vgl Pollähne 1999), dass sie „gefährliche Rechtsbrecher“ allenfalls dann in die Freiheit entlassen, wenn deren Ungefährlichkeit „mit Sicherheit“ attestiert werden kann (zur Legalbewährung entlassener Maßregelvollzugspatienten Pollähne 1996, Dessecker 1996, Dimmek/Duncker 1996 sowie Leygraf 1998 und 1999, Dimmek 1999, Bischof 2000 und Treichl et al 2001, jeweils mwN; allg zur Evaluation der Straftäterbehandlung Lösel/Bender 1997). Dabei sehen sich die Entscheidungsträger in dem Dilemma, alltäglich riskante Prognoseentscheidungen treffen zu sollen, wohl wissend, dass es gerade für den Einzelfall keine verlässlichen Prognoseverfahren gibt, deren Wahrscheinlichkeiten auch nur „an Sicherheit“ grenzen (vgl Rn F 25; ausf Pollähne 2008b).
Helmut Pollähne
195
F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
a)
Risiko: Zwischenfälle
F 24 Die schrittweise Aufhebung von Sicherungsvorkehrungen und die korrespondierende Wiedergewährung von Freiheiten an die untergebrachten Patienten gehen zwangsläufig einher mit dem Risiko, dass sich der Patient dem weiteren Vollzug entzieht und – schlimmstenfalls – schwerwiegende Wiederholungstaten begeht (HbgDrs 13/1544, 28; OLG Hamm StV 2000, 682: „Erprobungsrisiko“). Solche Z wischenfälle sind es, die den Maßregelvollzug, dem sonst kaum öffentliche Beachtung zuteil wird, in die Schlagzeilen bringen (Rasch 1985, Dolde 1994, 114, Pollähne 1999, 45, Steinböck 2005, 243; vgl auch Hax-Schoppenhorst 1999 und Stübner/Nedopil 2005). Ohne die gravierenden Folgen verharmlosen zu wollen, die die Opfer solcher „sozialen Unfälle“ (Rasch 1985, 310) zu tragen haben (vgl Weißer Ring 1990; krit zu dessen Vorschlag einer erweiterten S taatshaftung – dazu OLG Hamburg R&P 1997, 183 und LG Karlsruhe R&P 2001 – allerdings Schöch 1990 und Walter 1999, 432 f; ausf Pollähne 2004d), kann auf die insgesamt positive Bilanz der Lockerungspraxis im Maßregelvollzug verwiesen werden (vgl auch Lietz/Gretenkord 1985): Demnach erweisen sich gravierende Delikte im Verlaufe von E ntweichungen (dazu Gretenkord/Müller-Isberner 1991, Mahler et al 2000) oder Vollzugslockerungen als seltene Ausnahme (Pollähne 1994a, 163 ff, Seifert/Leygraf 1997, 242 f, Steinböck 1997, 74 f, Orlob et al 2000, Schanda et al 2000), selbst bei sog. „Hochrisikopatienten“ (Nedopil 2005, 139 f), so dass pauschale Vorwürfe an einen zu liberalen Maßregelvollzug, der zu einer unverantwortlichen Gefährdung der Öffentlichkeit führe (vgl Feller 1991, 4; zu dem öffentlichen Druck, der deshalb auf den Einrichtungen und insbesondere auf den MitarbeiterInnen ruht, Volckart 1998, 219 und Nowara 1999), keineswegs gerechtfertigt sind (vgl die Übersicht über den Forschungsstand bei Pollähne 1994a, 52 ff und Stübner/Nedopil 2005, 179 ff mwN sowie Mahler 2000 zum Zusammenhang zwischen Dezentralisierung und Zwischenfällen; zum Strafvollzug Dolde 1994, 115 ff, v Harling 1997 und Walter 1999, 431 f mwN). b)
Risiko: Prognose
F 25 Die Verantwortlichen im Maßregelvollzug stehen in der Praxis vor dem Dilemma, prognostisch fundierte Lockerungsentscheidungen treffen zu sollen (Mende/SchülerSpringorum 1989, 324, 328), eine treffsichere Prognose des Legalverhaltens im Zuge einer Lockerungsmaßnahme aber letztlich nicht bieten zu können: Die Gefahrenprognose „ist stets mit einer unaufhebbaren Restunsicherheit behaftet“ (BVerfG vom 26. 2. 2003, 2 BvR 24/03, juris). Dies liegt weniger an einer unzureichenden prognostischen Methodik (Überblick bei LK12-Schöch Vor § 61 Rn 56 ff sowie Volckart 1997a und Volckart/Grünebaum 2009, 195 mwN) oder Prognosedogmatik (so aber Frisch 1983; dagegen Kühl/Schumann 1989, 136 ff; vgl Baur 1990a, 477 ff) als an der immer wieder sowohl theoretisch wie empirisch nachgewiesenen Unmöglichkeit einer verlässlichen Gefährlichkeitsprognose im Einzelfall (Horstkotte 1986, 333 f; Kögler 1988, 106; Laubenthal 1990, 364 ff, Dahle 1997a, 122 ff, Steinböck 1997; vgl Pollähne 1994a, 58 ff und ders 2008b mwN sowie Rn F 62). Die Ungelöstheit wenn nicht Unlösbarkeit (Rasch 1985, 311; vgl Stangl 1984, 143 ff; diff Endres 2000 und inzwischen Dahle 2005) mag zwar zu beklagen sein, das Ziel, begründete prognostische Aussagen zu machen, die über die Darlegung mehr oder weniger allgemein gehaltener Äußerungen hinausgehen, bleibt jedoch „fast utopisch“ (Foerster 1987, 382; vgl Kerner 1980, 309, Kobbé 1996, 83 ff). Alle Versuche, die Validität wissenschaftlich begründeter Prognosen in der Realität zu testen, führen allenfalls zu statistischen Näherungswerten (Albrecht G 2003, vgl auch Bliesener 2007): Der zu beurteilende Einzelfall bleibt immer der entscheidende Unsicherheitsfaktor (Hinz 1986, 126 und 1987b, 74 ff; vgl Venzlaff 1989, 167 f; Leppmann 1991, 137 ff; Albrecht P-A 1998, 144 f), wobei diese Unsicherheit oft zu Lasten der untergebrachten Patienten geht (Nedopil 2005, 160 ff mwN), denn die Praxis tendiert zu einer Ü berschätzung von Gefährlichkeit (Welzel 1990b, 260 f mwN; krit Kröber 1999, 599). Der Maßregelvollzug wird sich auch weiterhin mit einem 196
Helmut Pollähne
II. Allgemeine Grundsätze
„hausgemachten“ Mehrfaktorenansatz behelfen und darum bemühen müssen, sich bei einer kaum lösbaren Aufgabe „durchzuwurschteln“ (Jung 1986, 254; zur prognostischen Relevanz bestimmter Beurteilungskriterien in der Praxis der Lockerungsgewährung Pollähne 1994a, 274 ff, 294 ff, vgl Stübner/Nedopil 2005, 184). Bei der Mehrzahl aller Probanden ist „kaum mehr möglich als eine Gegenüberstellung von positiven und negativen Indizien“ (Jockusch/Baljer 1989, 11), wobei situative Aspekte stärkere Beachtung verdienen (so bereits LK10-Horstkotte § 67c Rn 49 mwN, vgl Endres 2000, 82) als zB tat(ort)analytische (exempl Köhler et al 2005, krit dazu Pollähne 2008b mwN, vgl auch Fehlenberg 2003 und Brettel 2007 zur Relevanz der sog Tatverleugnung). c)
Kalkuliertes Risiko: Verantwortbarkeit
Als Ausweg aus dem beschriebenen Praxisdilemma hat Rasch das Konzept des kalku- F 26 lierten Risikos in die Fachdiskussion eingebracht: Angesichts einer zu beobachtenden Kriterien-Reduktion bei der prognostischen Beurteilung im Maßregelvollzug (Rasch 1984b) erfolgten Lockerungsgewährungen letztlich nach einer VersuchIrrtum-Methode (Rn F 21). Das Mindeste sei die Berücksichtigung aller wesentlichen Dimensionen der Prognosestellung: Tatkomplex (Situation vs Persönlichkeit), Persönlichkeitsquerschnitt bzw aktuelle Krankheitssymptomatik, das bislang in der Unterbringung beobachtete Verhalten sowie die sozialen Perspektiven im Falle der Durchführung der Lockerungen (Rasch 1985, 317 ff; ausf Nedopil 2005, 143 ff, 184, 203 ff; zum „Gebot bestmöglicher Sachaufklärung“ auch BVerfG R&P 2000, 197 f sowie ausf Rn F 61). „Ein von therapeutischen Intentionen geleitetes kritisches Durchdenken der möglichen Gefahren in diesen Dimensionen dürfte zwar nicht eine Patentlösung bieten, die jede Fehlprognose ausschließt. Das Risiko würde jedoch nicht blind und zufällig eingegangen, sondern kalkuliert“ (Rasch 1986, 106 f). Zutreffend wurde von juristischer Seite darauf hingewiesen, dass die Kalkulation möglicher Risiken die notwendige Entscheidung über deren Grenzen nicht ersetzen könne (Babatz 1988, 456, der dabei vor allem das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit vor Augen hatte). Die Figur des vertretbaren Risikos impliziert jedoch zugleich, dass es zwar ein kalkuliertes (und demnach existentes) Risiko gibt, dass dies aber – nicht zuletzt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – eingegangen werden kann und daher (mangels Entscheidungsermessen, dazu Rn F 60 f) eingegangen werden muss (vgl Hbg-Drs 13/1544, 28), um den Freiheitsrechten des Patienten gerecht zu werden (Pollähne 1994a, 67, vgl Horstkotte 1986, 340 f; eher krit zur Risiko-Perspektive Baur 1990a, 474 f). Dass sich ein Missbrauch mit letzter Sicherheit nicht ausschließen lässt, vermag die Versagung von Lockerungen jedenfalls nicht zu rechtfertigen (BVerfG vom 26. 2. 2003, 2 BvR 24/03, juris, mwN). Es ist letztlich „unvermeidlich, ein gewisses Risiko bei der Entlassungsvorbereitung einzugehen. Sichere Prognosen gibt es nun einmal nicht, absolute Sicherheit gäbe es nur, wenn niemand mehr entlassen würde“, was freilich mit rechtsstaatlichen Essentials unvereinbar wäre (Jehle 2006, 225). Angesichts der Fehlbarkeit von Gefährlichkeitsprognosen einerseits und der Konse- F 27 quenzen von Fehlprognosen – oft zu Lasten der Untergebrachten, seltener zu Lasten der Allgemeinheit (Kühl/Schumann 1989; Welzel 1990b; Nedopil 2005; Pollähne 2008b; diff Endres 2000 und Kröber 1999) – andererseits ist eine Verknüpfung fachwissenschaftlicher und juristischer Komponenten bei der Entscheidung über Lockerungen im Maßregelvollzug unausweichlich (so auch Rasch 1988, 419). Es gilt, die Lockerungsgewährung als Prognoseentscheidung eigener Art herauszuarbeiten (vgl Brettel 2007, 169 mwN): Ausschlaggebend ist nicht die zu diagnostizierende generelle Gefährlichkeit eines Patienten (Rn F 4, vgl Böllinger 2007, probl Endres 2005), sondern die Verantwortbarkeit einer bestimmten Lockerungsmaßnahme in einer spezifischen Behandlungssituation (vgl Leygraf 1988, 174, Schüler-Springorum 2005, 229 f, ähnlich OLG Karlsruhe ZfStrVo 2004, 108). Die statistische Indentifizierung sog Helmut Pollähne
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
„Hochrisikopatienten“ kann hilfreich sein (Nedopil 2005, 141 ff), ersetzt aber keine individualprognostische Einzelfallentscheidung; mit der Summe von Risikofaktoren alleine kann eine ungünstige Individualprognose nicht legitmiert werden (Boetticher 2005, 29). Notwendig ist eine angemessene ,Risikoverteilung‘ in einem Konzept kalkulierter Verantwortbarkeit (ähnlich bereits Volckart 1991, 99; Grünebaum 1990, 247; Welzel 1990b, 263, Warmuth 1995, 18), denn Lockerungsentscheidungen sind selbst dann Entscheidungen „im Zweifelsfall“ (Horstkotte 1986, 338), „wenn auf der Grundlage aller denkbaren Abwägungen ein vernünftiger Zweifel an ihrer Vertretbarkeit nicht mehr begründet ist“ (Schüler-Springorum et al 1996, 150). Dabei muss dem Verfahren der Prognosestellung – auch unter Gerechtigkeitsaspekten – verstärkte Bedeutung zukommen (ebd 191 f; vgl Jung 1986, 255 f), nicht zuletzt um das notwendige gegenseitige Vertrauen zu ermöglichen (Schott 1989, 17; zur Frage der Vereinbarkeit von Therapie und Prognose Rn F 87 und F 142). In Anbetracht der institutionellen Mitverantwortung für ,gescheiterte’ Prognosen sollten sich die Einrichtungen darum bemühen, günstige Prognosen „herzustellen“ (Laubenthal 1990, 367), etwa indem der „soziale Empfangsraum“ mitgestaltet wird (Jockusch/Baljer 1989, 9; Mende/Schüler-Springorum 1989, 324, 331 f), und deren Verwirklichung soweit möglich zu kontrollieren (vgl auch Steinböck 2005, 244 f). Bei aller berechtigten Kritik an der Versuch-Irrtum-Methode (Rn F 21 ff) sollte bei Prognoseentscheidungen immer deren mögliche Korrektur mitbedacht werden (Jung 1986, 261; ähnlich Schüler-Springorum et al 1996, 190). Gerade im Vollzug kann das flexible Widerrufsinstrumentarium (Rn F 122 f) die Angst vor der Fehlprognose abbauen, vorausgesetzt, dem Verlauf einer Lockerungsmaßnahme wird mindestens so viel Aufmerksamkeit gewidmet, wie ihrer Anordnung (Volbert 1986, vgl auch Pierschke 2001): Noch wichtiger als die präventive Missbrauchs-Prognose ist die observative Verlaufskontrolle (Pollähne 1994a, 285 ff, 298, ähnlich Warmuth 1995, 18 f; vgl Rn F 62) im Rahmen der den Einrichtungen obliegenden Ü berwachungsverantwortung (Waldliesborner Thesen 1985, 120, vgl Rn F 48, 122 und 133). Nur so werden die Maßregelvollzugs-Einrichtungen im Kontext der Vollzugslockerungen dem an sie gerichteten Anspruch auf Q ualitätssicherung gerecht (zu N W § 3 vgl Drs 12/3728, 31 f, 34 und 12/4025 sowie allg Stolpmann 1996, Schüler-Springorum et al 1996, 178 ff und Pollähne 2003d, vgl auch Stübner/Nedopil 2005, 184 f). d)
Exkurs: Strafbarkeit der Vollzugsbediensteten bei Zwischenfällen?
F 28 Die mal mehr, mal weniger zaghafte Öffnung der forensischen Psychiatrie wird in der Folge vereinzelter gravierender Zwischenfälle im Zuge von Vollzugslockerungen begleitet von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (zur Frage der Strafvereitelung wegen Nichtanzeige begangener Straftaten Rn F 106; zur zivilrechtlichen bzw StaatsHaftung vgl LG Bremen R&P 2001, 159 einerseits und LG Karlsruhe aaO S 158 andererseits, sowie Rn F 24; ausf Pollähne 2004d). Die Vorwürfe reichen von Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) über Vollstreckungsvereitelung (§ 258 StGB) bis zur Mitverantwortung für die von den Patienten begangenen Delikte in Form fahrlässiger Körperverletzung bzw Tötung (§§ 222, 230 StGB), in einzelnen Fällen erfolgten entsprechende Verurteilungen (exemplarisch LG Göttingen NStZ 1985, 410; Überblick bei Grünebaum 1996, Verrel 2001, Schöch 2006 und Wolf 2008, jeweils mwN; außergewöhnlich die Fallgestaltung in BGHSt 49, 1 = JR 2004, 427 m Anm Pollähne = StV 2004, 484 m Anm Roxin und JZ 2004, 975 m Anm Saliger). Letztlich sollte man jedoch das Kriminalisierungsrisiko nicht überbewerten: „Das Risiko des sorgfältig handelnden Therapeuten, für eine fehlgeschlagene Lockerung selbst strafrechtlich haftbar zu sein, geht praktisch gegen Null“ und kann damit keinesfalls „als Alibi dafür herangezogen werden, im Einzelfall gebotene und gerechtfertigte Lockerungen zu versagen“ (Grünebaum 1996, 148; vgl auch Horstkotte 1986, 340 f, StA Paderborn NStZ 1999, 51 m Anm Pollähne, Schöch 2004, 414 und Mushoff 2008, 355).
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Helmut Pollähne
III. Vollzugslockerungen
III. Vollzugslockerungen III. Vollzugslockerungen
Kommentierte Normen: BW Bay Berl Bran Bre Hbg Hess MeVo
§ 15 Art 28 II iVm 22 I, 23 §§ 46 iVm 36, 37 I §§ 38 IV, 39 §§ 13 V, 29 II, III, 41 II, 45 II, III §§ 23, 24 §§ 8, 9 I §§ 37 iVm 23 I, 28, 30
Nds NW RhPf Saar Sachs SaAn SH Thü
1.
Allgemeines
a)
Das Maß des Freiheitsentzugs
§§ 5 IV, 15 I–IV § 18 I, II §§ 4 V, 9 I, II § 12 II §§ 38 I–III, 29 §§ 5 IV, 22 – 25 § 17 § 31 IV
Eine juristische Definition der Vollzugslockerung existiert nicht; der Begriff wird F 29 weder in den Landesgesetzen zum Maßregelvollzug noch im Schrifttum einheitlich verwandt (vgl Volckart 1997a, 156 f). Erstmalig in Sachs § 38 III 2 wurde eine Legaldefinition aufgenommen, wonach „jeder Aufenthalt des Patienten außerhalb des Geländes der Einrichtung ohne Beaufsichtigung durch einen Bediensteten“ eine Vollzugslockerung darstellen soll (Umkehrschluss probl). Im Übrigen weisen die einschlägigen Vorschriften zumeist Regelbeispiele auf und greifen zurück auf die Terminologie der §§ 11 ff StVollzG, wo zwischen Außenbeschäftigung und Freigang sowie zwischen Ausführung und Ausgang differenziert wird (die zu den Vollzugslockerungen gerechnet werden, vgl Schwind/Böhm/Jehle-Ullenbruch § 11 Rn 6 ff; zur Unterscheidung AK-StVollzG-Lesting § 11 Rn 5 und § 13 Rn 2, 6) und verschiedene Formen des Urlaubs vorgesehen sind (vgl Freimund 1990, 28 ff). Systematik und Konzeption der Lockerungen im Strafvollzug (vgl AK-StVollzG- F 30 Lesting § 11 Rn 1 ff, 5 ff) lassen sich jedoch nur eingeschränkt auf den Maßregelvollzug übertragen. Die Vorstellung, dem Patienten kämen in einem gewissen Rahmen Vollzugserleichterungen zugute, wird – zumindest terminologisch – der juristischen Konzeption nicht gerecht (Rn F 4 ff, missverst Bre-Drs 15/420, 38: „Begünstigungen“; es geht auch nicht um „Rechtswohltaten“, dazu Jäger/Jacobsen 1990 und OLG Düsseldorf NStZ 1999, 478 zu § 57 StGB). Anders als im Strafvollzug bedarf nicht die Lockerung der Unterbringung einer Legitimation, sondern der jeweilige Umfang von Freiheitseinschränkungen im Maßregelvollzug, mit anderen Worten: das Maß des Freiheitsentzugs (wegweisend Kammeier/Tondorf 1981a/b; vgl Rn F 1, F 13 und F 59). In einigen Landesgesetzen wurden die Vollzugslockerungen konsequent in diesen rechtlichen Kontext gestellt (offenbar in Anlehnung an ME § 17 I, vgl Bre § 45; Hbg § 23 I; Saar § 12 I – dazu Saar-Drs 9/2239, 8 – und SH § 17 I; noch treffender N W § 18 I: „Dauer und Umfang des Freiheitsentzuges“), der sich auch in der Fachliteratur durchgesetzt hat (Welzel 1990a, 71; Frisch 1990c, 787; Pollähne 1994a, 46; Wolf 2006, 184; diff Schöch 2004, 401). Den Abbau illegitimer Freiheitsentziehungen und -beschränkungen nicht mehr als „Vergünstigung“ zu werten (Nds-Drs 9/2605, 37), die zur „Belohnung für Wohlverhalten im Vollzug“ dient (Volckart/Grünebaum 2009, 175), könnte mit dazu beitragen, die gefängnisähnlichen Strukturen der forensischen Psychiatrie zurückzudrängen (vgl Rn F 2). b)
Abgrenzung: Vollstreckungsunterbrechung
Während die Vollzugslockerung als Bestandteil der Durchführung des Maßregelvoll- F 31 zugs Gegenstand des Vollzugsrechts ist, bildet die Vollstreckung einen davon klar abgrenzbaren normativen Regelungsbereich mit eigenen Zuständigkeiten und Aufgabenzuweisungen (vgl § 3 II StVollstrO; umfassend Volckart 1982, ders 1990b, 227 f, Volckart/Grünebaum 2009, 31 und Pollähne 2007a, 404 f sowie Isak/Wagner 2004 Rn 2 ff Helmut Pollähne
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
und NK-StGB-Pollähne/Böllinger vor § 67 Rn 15). Jenseits der Vollzugslockerungen besteht auch im Maßregelvollzug grundsätzlich die Möglichkeit einer Vollstreckungsunterbrechung aus besonderen Gründen (§§ 463 I, V, 455 ff StPO, §§ 53 IIa, 45 ff StVollstrO; vgl dazu Hbg-Drs 13/1544, 28 und Pohlmann et al § 45 Rn 4, 14 ff), freilich mit geringer praktischer Relevanz (vgl aber auch Heimann 2001 zu § 456 StPO und Heinhold 2006 zu § 456a StPO sowie HK-Pollähne § 463 Rn 14). F 32 Während Ausgänge unstreitig vollzugsinterne Maßnahmen darstellen, wurden Beurlaubungen aus dem Maßregelvollzug bisweilen als Vollstreckungsunterbrechungen behandelt (vgl Pollähne 1994a, 33 mwN). Soweit auch die meisten Landesgesetze weiterhin zwischen V ollzugslockerungen einerseits und Beurlaubungen andererseits unterscheiden (unklar Bran § 39 III) und letztere zudem von der Zustimmung der Vollstreckungsbehörde abhängig machen (ausf Rn F 100 ff), scheint der juristische Streit über die Zuordnung noch immer nicht abgeschlossen (missverst auch SaAn-AusfBest Nr 1.3, wo Urlaub definiert wurde als „befristete, einen Kalendertag überschreitende Aufhebung des amtlichen Gewahrsams“). In NW § 18 wurde die Beurlaubung ausdrücklich als Vollzugslockerung eingestuft (ähnlich SH § 17 II) und eine dem § 13 V StVollzG (dazu AK-StVollzG-Lesting § 13 Rn 9 ff) entsprechende Vorschrift aufgenommen, wonach „die Beurlaubung aus Behandlungsgründen“ die Vollstreckung grundsätzlich nicht unterbricht (krit Volckart 1999b, 103; vgl auch Saar § 12 II, III und RhPf § 9 III 3; ähnlich S achs § 38 III 5: Vollzug „erfolgt auch während . . . Vollzugslockerungen“, eher widersprüchlich T hü §§ 31 IV, 32 sowie Bre-Drs 15/490, 33, 38). Es ist zwar richtig, dass der Landesgesetzgeber für eine solche eigenständige Regelung nicht zuständig ist, da das Vollstreckungsrecht eine bundesrechtliche Materie darstellt (Nds-Drs 9/2605, 39), andererseits sind landesrechtliche Regelungen dann unschädlich, wenn lediglich Rechtsnormen bekräftigt werden, die sich ohne weiteres aus Bundesrecht ergeben. Die rechtliche Einordnung von Beurlaubungen erlangt im Maßregelvollzug – anders als im Strafvollzug – aber letztlich nur untergeordnete Bedeutung (Nds-Drs 9/2605, 39: zu Fragen der Kostenträgerschaft und der Entscheidungszuständigkeit vgl Rn F 107 f und 94 ff), weshalb der Streit von eher akademischem Wert sein mag (zur Fristberechnung nach § 67d I StGB vgl §§ 53 II iVm 37 ff StVollstrO; zur Notwendigkeit der Abgrenzung für den Rechtsweg: OLG Schleswig SchlHA 2007, 343). Soweit allerdings unter Berufung auf die Rechtsqualität der Beurlaubung als Vollstreckungsunterbrechung die Entscheidungszuständigkeit der Vollstreckungsbehörden verteidigt werden soll, ist dem entgegenzutreten: Wie im Strafvollzug (vgl § 13 V StVollzG) gibt es auch im Maßregelvollzug keinen sachlichen Grund dafür, Beurlaubungen als Unterbrechung der Vollstreckung einzuordnen, um auf diesem Umwege eine Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörden zu begründen, die in der Sache ebenso wenig zu rechtfertigen ist (vgl Rn F 104), ganz zu schweigen von dem Gebot der Trennung von Vollstreckung und Vollzug. Nicht unproblematisch – zumal in der praktischen Anwendung – ist es schließlich, die Beurlaubung dann als Vollstreckungsunterbrechung zu werten, wenn der Patient sie zu rechtswidrigen Taten missbraucht (berechtigte Kritik zu N W § 18 VII bei Volckart 1999b, 103, nicht gesehen von Prütting 2004 MRVG § 19 Rn 61 f). c)
Vollzugslockerungen: faktische Bestimmung
F 33 Der Vollzug wird nicht schlechthin gelockert, sondern nur dessen Sicherungsfunktion zurückgefahren (vgl Dessecker 2004, 350). Vorrangige Aufgabe baulicher und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen ist die Gewährleistung von „Vorkehrungen gegen Entweichungen“ (vgl § 141 II StVollzG; anschaulich LG Hamburg NStZ 1987, 575 f). Daneben treten institutionelle und personelle Kontrollmechanismen, mit denen einer Realisierung der prognostizierten Gefahren vorgebeugt werden soll, die von dem Patienten ausgehen (vgl Baur 1988, 220 f). Im Rahmen von Vollzugslockerungen werden diese Sicherungs- und Kontrollvorkehrungen schrittweise zurückgenommen, die stationäre Einschließung des Patienten wird zeitweilig aufgehoben, in ambulante 200
Helmut Pollähne
III. Vollzugslockerungen
Kontrollen umgewandelt und schließlich vollständig abgebaut: Die „physisch wirkende Bewachung (wird) zugunsten psychischer Bewachungsmittel aufgelockert“ (Kusch 1985, 386; vgl Baur 1984, 39 und Schüler-Springorum et al 1996, 169). Die unmittelbare Beaufsichtigung und Überwachung des Patienten wird durch mittelbare Kontrollmechanismen abgelöst (OLG Celle NStZ 1989, 590: „kontrollierte Freiheit“, vgl Kammeier et al 1998, 118), die zum Teil auf Personen außerhalb des Vollzuges (Verwandte, freie Helfer etc; zu ambulanten Perspektiven Rn F 55 ff) übertragen oder zeitweilig von Mitpatienten übernommen werden. Die Verantwortung für die Sicherheit der Allgemeinheit, eingangs des Vollzuges noch vollständig in den Händen der Maßregeleinrichtung, wird nach und nach an den Patienten und seine Umwelt zurückgegeben, mit dem Ziel, ihn schließlich aus dieser staatlichen Verantwortung in die – ggf ambulant betreute und kontrollierte (zu den Befugnissen der Führungsaufsichtsstelle: HK-Pollähne § 463a Rn 1 ff, vgl auch Hahn 2007) – Eigenverantwortung entlassen zu können. Regelmäßige Durchsuchungen nach Rückkehr in die Einrichtung können insofern kontraproduktiv sein, haben sich aber jedenfalls nach den gesetzlichen Voraussetzungen zu richten (dazu Rzepka Rn H 33 ff; diff für bloßes Absonden mittels Metalldetektor: OLG Hamburg vom 21. 11. 2001, 3 Vollz [Ws] 95/01, juris). Die einzelnen Stufen einer schrittweisen Lockerung der Sicherungs- und Kontroll- F 34 vorkehrungen lassen sich damit – nicht immer trennscharf – wie folgt darstellen (anschaulich auch Schüler-Springorum et al 1996, 166 ff): – Abbau stationärer (baulich-technischer) Kontrollen, wobei die Vorkehrungen gegen Entweichungen durch begleitendes Pflegepersonal wahrgenommen werden; – Rücknahme institutioneller Kontrollen, indem die Beaufsichtigung durch informelle Kontrollstrukturen ersetzt wird; – Wegfall formeller Kontrollen, also die Möglichkeit zu einem eigenständigen, unbeaufsichtigten Verlassen der Einrichtung, wobei kurzfristige (Einzelausgang), mittelfristige (mehrtägiger Urlaub) und langfristige Maßnahmen (Freigang und/ oder mehrwöchiger Urlaub sowie schließlich offene Unterbringung und Dauerbeurlaubung) zu differenzieren sind. 2.
Ausführung, Außenbeschäftigung, Ausgang
a)
Landesrecht im Überblick
Im Folgenden werden verschiedene Formen des Ausgangs beschrieben, die mit in- F 35 stitutioneller (Ausführung, Pflegerausgang, Pflegergruppenausgang) oder informeller (Besucherausgang, Gruppenausgang ohne Pfleger) und schließlich ohne jede Begleitung stattfinden (Einzelausgang ohne Aufsicht); hinzu treten unterschiedliche Formen der Außenarbeit mit mehr oder weniger Beaufsichtigung bis hin zum Freigang (Überblick bei Volckart/Grünebaum 2009, 182). Wo das Landesrecht nur Urlaubsregelungen vorsieht, Ausgänge aber nicht ausdrück- F 36 lich regelt (in MeVo §§ 37 iVm 28 V wird die „stundenweise Beurlaubung“ als Ausgang definiert), dürfen letztere „erst recht“ angeordnet werden; zum Teil folgt dies auch aus dem Grundsatz der offenen Unterbringung, die „nach Möglichkeit aufgelockert und weitgehend in freien Formen durchgeführt werden“ soll (B Berl §§ 46 iVm 36 I, ähnlich Thü §§ 31 I iVm 13 I 3; zur Möglichkeit des freien Ausgangs gem Bay Art 28 II iVm 23 vgl Rn F 44). Soweit in Anlehnung an das StVollzG auf den allgemeinen Begriff der Vollzugslockerungen Bezug genommen wird (B BW § 15; Bran § 39; Sachs § 38 IV), sind damit alle Formen des Ausgangs umfasst. Die meisten LandesgeBre § 45 II; H bg § 23 II; Hess § 8 setze sehen zudem „insbesondere“-Regelungen vor (B II; Nds § 15 II; NW § 18 II; R hPf § 9 II; Saar § 12 II; SaAn § 23 I), so dass auch solche Lockerungen zulässig sind, die das jeweilige Gesetz nicht ausdrücklich benennt (NdsDrs 9/2605, 37), wie z B Gruppen- und Besucherausgänge (Rn F 41 f).
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
b)
Ausführung
F 37 Nach dem Sprachgebrauch des § 11 I Nr 2 StVollzG stellt jedes Verlassen der JVA unter Aufsicht eine Ausführung dar, während nur das unbegleitete Verlassen als Ausgang bezeichnet wird. Im Maßregelvollzug werden die Begriffe nicht einheitlich gehandhabt. Zumeist wird die Terminologie des StVollzG übernommen (H Hbg § 23 II; Hess § 8 II; MeVo §§ 37 iVm 28 VI; Nds § 15 II; N W § 18 II Nr 1; RhPf § 9 II; SaAn § 23 I; SH § 17 II Nr 2; Thü §§ 31 IV 1 Nr 2), zum Teil wird lediglich von Ausgang bzw Bay Art 28 II vom Verlassen der Einrichtung mit oder ohne Begleitung gesprochen (B iVm 23 I; Bre § 45 II Nr 3; Saar § 12 II). F 38 In einigen Landesgesetzen wurde schließlich eine besondere Kategorie von Ausgängen eingeführt, die zur „E Erledigung familiärer und geschäftlicher Angelegenheiten, zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen oder aus anderen wichtigen Gründen bewilligt werden“ können (so Bre § 45 III, ähnlich N W § 18 I und SaAn § 23 II in Anlehnung an R E § 21 I 2; vgl Hbg 23 IV und R hPf § 9 I 2 sowie §§ 35, 36 StVollzG; zur Ausführung zum Zwecke des Aufsuchens einer externen Rechtsberatungsstelle oder eines Anwalts gemäß § 73 StVollzG vgl KG NStZ [Matzke] 1997, 427, ähnlich Bre § 37 S 2). Findet ein solcher zweckgebundener Ausgang in Begleitung statt, sollte von einer Ausführung gesprochen werden (§ 35 III StVollzG; gemäß H bg §§ 24 I iVm 23 IV auch auf die Beurlaubung erstreckt), die eigentlich keine Vollzugslockerung im Sinne einer integrierten Behandlungsmaßnahme darstellt (N NW § 18 I 5: für „Patienten, die aus Gründen des Behandlungszweckes keine Lockerungen erhalten können“). Vielmehr sind solche Ausführungen durch einen spezifischen wichtigen Grund geboten (Gerichtstermin, Arztbesuch, Heirat etc), zeichnen sich oft durch erhöhte ambulante Sicherheitsvorkehrungen aus (zB Fahrzeugtransport, mehrere Begleiter; zur Fesselung Bre § 31 I Nr 4, Thü §§ 31 I iVm 14 I Nr 5 und Sachs § 38 I 2 iVm 31 III: “wenn erhöhte Fluchtgefahr besteht“, sowie LG Hamburg NStZ 1987, 576 f, LG Heilbronn ZfStVollz 1988, 368 und KG ZfStVollz 2002, 248 [nicht privatisierbar]; vgl auch Rzepka Rn H 100 ff sowie AK-StVollzG-Lesting Rn 12 zu § 35 III und VV Nr 2) und könnten sogar gegen den Willen des Patienten durchgeführt werden: Das Zustimmungserfordernis, wie es etwa in Bre § 45 IV ausdrücklich als Voraussetzung für die Anordnung von Vollzugslockerungen festgelegt wurde (vgl im Übrigen Rn F 91 f), gilt für die vorgenannten Ausführungen gerade nicht (siehe auch § 12 StVollzG und RE § 21 V). c)
Außenbeschäftigung
F 39 Im Zusammenhang mit der Arbeit(stherapie) im Maßregelvollzug (allg Marschner Rn E 32 ff) steht als Lockerungsmaßnahme die Außenbeschäftigung (B Bay Art 28 II iVm 23 II 1; Bre § 45 II Nr 1; Hbg § 23 II Nr 1a; H ess § 8 II Nr 1; Nds § 15 II Nr 1; N W § 18 II Nr 3; RhPf § 9 II Nr 1; Saar § 12 II Nr 2; SaAn § 23 I Nr 1; SH § 17 II Nr 1a; Thü §§ 31 IV 1 Nr 1; in Anlehnung an R E § 21 II Nr 1), bei der der Patient außerhalb der Einrichtung einer regelmäßigen Beschäftigung unter Aufsicht von Vollzugsbediensteten nachgeht (vgl AK-StVollzG-Lesting § 11 Rn 11). In der Praxis dürften die Übergänge zur Arbeit in freien Beschäftigungsverhältnissen (zum Freigang Rn F 45 f) fließend sein, zumal der Begriff der Beschäftigung weit gefasst werden kann (Lesting aaO Rn 13). In Sachs § 38 II wurde ausdrücklich geregelt, dass Ausbildungs-, Umschulungs-, Berufsförderungs- und Arbeitsmaßnahmen auch „außerhalb des Krankenhauses gestattet werden können, soweit es dem Zweck der Unterbringung dient“ (ähnlich Bre § 41 II 2); freilich muss das Recht auf Unterricht auch innerhalb der Einrichtung und unabhängig vom jeweiligen Lockerungsstatus gewährleistet bleiben (Marschner Rn E 25, Volckart/Grünebaum 2009, 162).
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III. Vollzugslockerungen
d)
Pflegerausgang
Der Einzelausgang in Begleitung von einem oder mehreren Pflegern (zur Ausfüh- F 40 rung Rn F 37 f) bildet in der Regel die erste Möglichkeit für den Patienten, die sichere Unterbringung einer geschlossenen Einrichtung zu verlassen. Angesichts einer knappen Personallage wird der Rahmen für solche begleiteten Einzelausgänge begrenzt bleiben; das darf jedoch kein Grund sein, dem Patienten Ausgänge, die unter Abwägung der Missbrauchs- und/oder Fluchtgefahr (Rn F 62 ff) ohne weiteres vertretbar wären, gänzlich zu verweigern (für einen entsprechenden Rechtsanspruch Holtus 1991, 147 ff; diff Frisch 1990c, 787 mwN). Insofern erscheint es auch bedenklich, für Ausgänge deliktisch bestimmter Patientengruppen – ungeachtet konkreter Gefahren im Einzelfall – grundsätzlich eine ,1:1-Begleitung‘ vorzuschreiben (so geschehen als ,lex Eickelborn‘ im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt, vgl Schüler-Springorum et al 1996, 182 f sowie NW-Drs 12/1370). Es spricht jedoch nichts dagegen, die Pflegerausgänge in die allgemeine Behandlungsplanung des Hauses und in den spezifischen Behandlungsplan des Patienten einzubinden (vgl Rn F 63). Ziel solcher Ausgänge ist es im Übrigen nicht vorrangig, dem Patienten ,frische Luft‘ zu verschaffen, auch wenn dieser Aspekt nicht zu vernachlässigen ist (vgl Sachs §§ 38 I 2 iVm 19 V und T hü §§ 31 iVm 13 I 2): Sollen ihm „andere Erlebnisund Lernfelder“ (Rn F 15) geboten werden, ist es mit begleiteten oder unbegleiteten Ausgängen auf dem abgeschlossenen Krankenhausgelände nicht getan (vgl auch Bran § 39 III) – solche Freistunden (vgl RhPf § 7 III und Bre § 24 III sowie LG Landau R&P 2004, 34 m Anm Pollähne) sind keine Vollzugslockerungen (missverst SH-Drs 14/2158, 24, vgl auch ThürOLG vom 22. 2. 2006, 1 Ws 49/06, juris). e)
Gruppenausgang
Der Gruppenausgang mit mehreren Patienten kann ebenfalls mit oder ohne Pfleger- F 41 begleitung stattfinden. Gegenüber dem Pflegerausgang bietet der Pflegergruppenausgang nur geringfügig mindere Sicherheitsvorkehrungen und stellt daher eine wichtige Alternative dar, wenn Einzelausgänge mit Begleitung aus Personalmangel nicht in dem erforderlichen Umfang gewährleistet werden können. In der Praxis werden die Gruppen aus Gründen der Übersichtlichkeit 3 – 5 Patienten umfassen und von zwei Pflegern begleitet; denkbar sind jedoch auch geschlossene Ausflüge mit größeren Gruppen (zB Teilnahme an Veranstaltungen). Der Gruppenausgang ohne Begleitung bietet gegenüber dem freien Einzelausgang (Rn F 43) ein höheres Maß an Beaufsichtigung, als es auf den ersten Blick scheint (vgl auch Volckart 1997a, 155), denn wie die Praxis zeigt, findet eine wechselseitige Kontrolle der Patienten untereinander statt, wenn die Gruppen sorgfältig ausgesucht werden. Diese therapeutisch überaus sinnvollen Lockerungsmaßnahmen (eher krit Petrovic 1984, 70 f) sind auch dort zulässig, wo es das Gesetz nicht ausdrücklich vorsieht (vgl Rn F 36). f)
Besucherausgang
Bei der Durchführung von Besucherausgängen wird die Begleitung durch institu- F 42 tionsfremde Vertrauenspersonen wahrgenommen, insbesondere E ltern oder andere Verwandte, aber auch Pfarrer, Betreuer oder vergleichbare Personen; hier liegt ein wichtiges Einsatzfeld für sog Laienhelfer (Volckart/Grünebaum 2009, 184; zu ambulanten Perspektiven Rn F 55 ff). Entscheidend ist, dass diese Begleitpersonen aus der Sicht des verantwortlichen Behandlungspersonals und im Hinblick auf die Beaufsichtigung des Patienten während des Ausgangs sowie die Einhaltung etwaiger Absprachen zuverlässig sind. Es muss zu erwarten sein, dass sie eine Entweichung oder andere besondere Vorkommnisse unverzüglich melden (vgl SH-Drs 14/2158, 25) bzw bei Hinzutreten bestimmter Umstände (insbes psychische Verhaltensänderungen) den Ausgang sofort abbrechen und den Patienten umgehend in die Einrichtung zurückbringen (Petrovic 1984, 67 f). Diesbezüglich sollten vor der erstmaligen GewähHelmut Pollähne
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
rung des Besucherausgangs und im weiteren Verlauf intensive Gespräche mit den Begleitpersonen stattfinden (vgl Pollähne 1994a, 142 f; wenig vertrauensfördernd wären allerdings Anweisungen, nach denen die Begleitpersonen eine Belehrung unterzeichnen sollen, in der sie auch auf die Strafbarkeit einer Gefangenenbefreiung nach § 120 StGB hingewiesen werden). Der Besucherausgang stellt gerade unter dem Aspekt des Angleichungs- und Gegenwirkungsgrundsatzes eine besonders zweckmäßige Lockerungsmaßnahme dar (Rn F 16) und hat sich in der Praxis als erfolgreich erwiesen (Lietz/Gretenkord 1985, 233); er ist auch dort zulässig, wo er im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen wurde (Rn F 36; im Zweifel kommt der Besucherausgang als „stundenweise“ Beurlaubung mit Begleitung in Betracht). g)
Einzelausgang
F 43 Erstmals bei einem Einzelausgang wird dem Patienten gestattet, die Einrichtung ,für eine bestimmte Zeit innerhalb eines Tages‘ ohne jede Begleitung zu verlassen (B Bre § 45 II Nr 3; Hbg § 23 II Nr 2b; Hess § 8 II Nr 2; Nds § 15 II Nr 2; N W § 18 II 1; RhPf § 9 II Nr 2; Saar § 12 II Nr 3; S aAn § 23 I Nr 2; SH § 17 II Nr 2b; Thü §§ 31 IV 1 Nr 2; in Anlehnung an RE § 21 II Nr 2); der Patient hält sich faktisch ohne unmittelbare instiBran § 39 II: tutionelle Kontrolle außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung auf (B „unbeaufsichtigter Ausgang“). Eine mittelbare Aufsicht ist dadurch zu erzielen, dass genaue Zeitabsprachen mit Rückkehrfrist sowie Vereinbarungen über Weg und Ziel getroffen werden; in diesem Zusammenhang sind auch W eisungen/Auflagen von großer Bedeutung (Rn F 116 f). Bei der konkreten Planung und Durchführung der Einzelausgänge verdienen therapeutische Belange Beachtung: In der Regel sieht der Tages- und Wochenplan einer Station bestimmte Ausgangszeiten vor; auf den Patienten kann auch eingewirkt werden, bestimmte therapeutische Angebote (zB Gesprächstermine) wahrzunehmen (vgl Gabbert 1987, 83 f; zu den Grenzen, Lockerungsmaßnahmen aus Behandlungsgründen abzulehnen, Rn F 74 ff). Als Vorstufe dieser – gerade auch im Vorfeld von Beurlaubungen – praktisch bedeutsamsten Lockerungsmaßnahme kommen gezielte Einzelausgänge in Betracht, die es dem Patienten ermöglichen sollen, kurze Wege mit einem festgelegten Ziel selbständig wahrzunehmen (Pollähne 1994a, 143); hier ist insofern eine höhere institutionelle Kontrolle gewährleistet, als jederzeit festgestellt werden kann, ob der Patient das Ziel erreicht hat. F 44 Gemäß Bay Art 28 II iVm 23 I ist auf den ersten Blick ein freier Einzelausgang nicht vorgesehen, denn ausdrücklich geregelt wurde nur der Ausgang in Begleitung. Allerdings geht das Gesetz in Art 22 II 3 davon aus, dass einem Patienten Urlaub „für einen Zeitraum bis zu 24 Stunden gewährt“ werden kann, der dann lediglich der Kreisverwaltungsbehörde mitzuteilen ist. Dass dieser Satz im Maßregelvollzug „keine Anwendung“ finden soll (Art 28 II Nr 1), kann nur heißen, dass eine Mitteilung an die Vollstreckungsbehörde bei diesen Kurzurlauben entbehrlich ist, nicht aber, dass sie überhaupt nicht vorgesehen sind. So unsystematisch es erscheinen mag, Ausgänge als Kurzurlaube zu charakterisieren (vgl MeVo §§ 37 iVm 28 V und Rn F 36), so wenig ist davon auszugehen, der bayrische Gesetzgeber habe Einzelausgänge ohne Begleitung im Maßregelvollzug für unzulässig erklären wollen. h)
Freigang
F 45 Eine erweiterte Form des freien Einzelausgangs stellt in der Praxis der Freigang dar. Dabei handelt es sich gemäß § 11 I Nr 1 StVollzG um eine regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten, so wie sie auch in den meisten Landesgesetzen vorgesehen ist (B Bay Art 28 II iVm 23 II 2; Bre § 45 II Nr 1; Hbg § 23 II Nr 1b; Hess § 8 II Nr 1; Nds § 15 II Nr 1; NW § 18 II Nr 3; RhPf § 9 II Nr 1; Saar § 12 II Nr 2; SaAn § 23 I; SH § 17 II Nr 1b; Thü §§ 31 IV 1 Nr 1; in Anlehnung an RE § 21 II Nr 1). In der Regel kann der Patient täglich selbständig 204
Helmut Pollähne
III. Vollzugslockerungen
eine Arbeitsstelle aufsuchen und im Anschluss daran in die (zumeist offene, vgl Rn F 51 ff) Einrichtung zurückkehren (zu Mischformen Volckart/Grünebaum 2009, 184); vom Begriff der Beschäftigung dürfte auch eine regelmäßige ambulante Therapie oder Bildungsmaßnahme erfasst sein (vgl auch Thü § 33 III; zum entgegengesetzten Modell der Tagesklinik Rn F 53). Für die Länder, die den Freigang nicht ausdrücklich als Lockerungsmaßnahme vorgesehen haben, gilt das eingangs Ausgeführte (Rn F 36). Die Vorschriften setzen im Übrigen nicht voraus, dass eine Aufsicht durch den Be- F 46 trieb gewährleistet wird (zu § 11 StVollzG vgl Calliess/Müller-Dietz § 11 Rn 6); denkbar sind auch schriftliche Vereinbarungen mit den Verantwortlichen des Betriebes über die unverzügliche Benachrichtigung der Einrichtung im Fall b esonderer Vorkommnisse, insbes der Entweichung oder Abwesenheit des Patienten (vgl VV Nr 2 I zu § 11 StVollzG). Auch wenn dies therapeutisch sinnvoll erscheinen mag, wird es praktisch schwierig und angesichts der möglichen Konflikte kaum vertretbar sein, dass Patienten außerhalb der Einrichtung in einem Betrieb arbeiten, der über die Unterbringung nicht informiert wurde; allerdings wäre hierzu die Einwilligung der Patienten einzuholen (zu Fragen der Geheimhaltung Rn F 106). Zu eng erscheint die Regelung in Bay Art 28 II iVm 23 II 2, derzufolge „nach der Organisation des Betriebes gewährleistet (sein muss), dass der Untergebrachte nicht unbemerkt entweichen kann oder der Unterbringungszweck nicht auf sonstige Weise gefährdet wird“. Warum der Patient nicht – wie bei der Beurlaubung – auf eigene Verantwortung in einem im Übrigen ungesicherten Betrieb soll arbeiten können, ist nicht einzusehen. Die therapeutisch so wichtigen Bemühungen um eine Wiedereingliederung in (möglichst) freie Arbeitsverhältnisse (vgl dazu Hügel/Hupe 1984, 89 f sowie Horstkotte 1997 zu berufsbildenden Maßnahmen; zu Entlassungsvorbereitungen Rn F 136 ff) dürfen nicht durch zu restriktive Anforderungen an die Sicherheitsbedingungen unterlaufen werden. 3.
Beurlaubung
a)
Allgemeines
Die Beurlaubung stellt die aus der Sicht der geschlossenen Unterbringung weitestge- F 47 hende Lockerungsmaßnahme dar, da die unmittelbare Kontrolle des Patienten durch die Einrichtung für einen bestimmten Zeitraum – zum Teil über Wochen und Monate hinweg – vollständig aufgehoben wird. Auch wenn hier der Eindruck entstehen mag, es finde kein Vollzug mehr statt (vgl KG NStZ-RR 2009, 31: kein Haftzuschlag bei Verteidigergebühren, vorher LG Berlin StRR 2007, 280 m Anm Burhoff) stellt die Beurlaubung dennoch keine Vollstreckungsunterbrechung dar (Rn F 31 f, missverst Thü-Drs 4/4221, 46 zu § 32 II, vgl auch SH-Drs 16/1440, 43). Es handelt sich nicht um eine für den Patienten frei verfügbare Erholungszeit, während der er tun und lassen kann, was er will (das allein muss allerdings einem Auslandsaufenthalt im Rahmen der Beurlaubung nicht zwingend entgegen stehen, vgl die krit Anm von Blau zu OLG Hamm JR 1997, 435). Die Planung solcher Beurlaubungen als integrale Behandlungsmaßnahmen legen es vielmehr nahe, während der Urlaubszeit von der „Fortsetzung des Maßregelvollzugs mit anderen Mitteln“ zu sprechen (Pollähne 1994a, 145; vgl Sachs § 38 III 5; gemäß Bre § 37 S 2 hat der Patient ausdrücklich auch das Recht, sich im Rahmen eines Urlaubs an externe Stellen zu wenden, die seine Interessen wahrnehmen, also zB Patientenbeschwerdestellen, vgl Bre-Drs 15/490, 36 sowie Hbg §§ 24 I iVm 23 IV). Die mittelbare Kontrolle der Vollzugseinrichtung über den Patienten während sei- F 48 ner Abwesenheit wird gewährleistet durch diejenigen Personen und Stellen, bei denen er in dieser Zeit quasi ,untergebracht‘ ist: Den Patienten während der Zeit der Beurlaubung nicht ,sich selbst‘ zu überlassen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein, ohne deren Beachtung solche Beurlaubungen der Allgemeinheit gegenüber nicht zu Helmut Pollähne
205
F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
legitimieren, aber auch dem Patienten gegenüber kaum zu verantworten wären. Die offenbar verbreitete Praxis, den örtlichen Polizeidienststellen Mitteilung über beurlaubte Patienten zu machen, erscheint unter Aspekten der ärztlichen S chweigepflicht und des Datenschutzes (Rn F 106) nicht unbedenklich; zurückzuweisen ist jedenfalls die Forderung der Polizei, beurlaubte Patienten steckbrieflich an das jeweilige Landeskriminalamt zu melden (dazu Jockusch 1990, 15; zu den Befugnissen der Führungsaufsichtsstellen gemäß § 463a StPO vgl HK-Pollähne). Seit 2004 haben Verletzte der Anlasstaten unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Mitteilung über die erstmalige Gewährung von Vollzugslockerungen (§ 406d II StPO, dazu Ferber 2004, 2563). Davon unabhängig wird eine langfristige Beurlaubung nur erfolgen, wenn die Einrichtung sich darauf verlassen kann, dass die jeweiligen Kontaktpersonen (Eltern, Kontaktfamilie, Betreuer etc.) etwaige Entweichungen, Zwischenfälle oder sonstige besondere Vorkommnisse und gravierende Veränderungen (insbes im psychiatrischen Zustandsbild) umgehend melden. Auch in dem Bemühen, günstige Prognosen ,herzustellen‘ (Rn F 27), dürften regelmäßig vorbereitende Maßnahmen im häuslichen Umfeld – ggf in Zusammenarbeit mit dem sozialpsychiatrischen Dienst und anderen Stellen, die rechtzeitig unterrichtet werden müssten – angezeigt sein (vgl Bran §§ 52 f, Anwendbarkeit fraglich; Thü § 22 III gilt nicht mehr für den Maßegelvollzug, vgl aber § 32 II). Diesbezüglich sollten vor, im Rahmen der sog Überwachungsverantwortung (Rn F 27, F 122 und F 133) aber auch während und nach einzelnen Beurlaubungen intensive Gespräche stattfinden (Lietz/Gretenkord 1985, 235; vgl Rn F 42 zum Besucherausgang), ferner sollten die äußeren Bedingungen der Urlaubsdurchführung, insbes was Art und Zeit der An- und Abreise betrifft, in Absprache mit dem Patienten festgelegt und etwaige Weisungen (Alkoholverbot, Aufenthaltsbeschränkungen etc., vgl Rn F 116 ff) vereinbart werden. Es bietet sich an, jedem beurlaubten Patienten einen Urlaubsschein auszuhändigen, mit dem er sich öffentlichen Stellen gegenüber legitimieren kann (vgl Schwind/Böhm/JehleUllenbruch § 13 Rn 40, VV 8 I zu § 13 StVollzG). Die Einrichtung muss jederzeit in der Lage sein, die Beurlaubung abzubrechen (zu den Voraussetzungen Rn F 122 ff), weshalb auch durchgehend Gewissheit darüber bestehen muss, wo und in wessen Begleitung der Patient sich befindet und wie er bzw die Kontaktpersonen erreichbar sind. b)
Urlaubsformen und -praxis
F 49 Der Kurzurlaub von wenigen Tagen Dauer dient vorrangig zur (Wieder-)Herstellung oder Aufrechterhaltung persönlicher, insbes familiärer Beziehungen (vgl S aAn § 9 II) und wird oft in Zusammenhang mit besonderen Anlässen (Geburtstage, Feiertage etc) gewährt. Daneben erfüllt er wichtige Funktionen bei der Einleitung von Maßnahmen der Entlassungsvorbereitung, zB als Antrittsbesuch (Probewohnen, vgl SH-Drs 16/1440, 42 f) in einer Übergangseinrichtung (Rn F 136 ff); in Betracht kommen aber auch regelmäßige Wochenendheimfahrten (Bre-Drs 15/490, 33). Ein Langzeiturlaub von mehreren Wochen oder Monaten dient zumeist der konkreten Entlassungsvorbereitung (so ausdrücklich Hess § 9 I, aber nicht zwingend, vgl OLG Karlsruhe R&P 2006, 152) und findet regelmäßig in der eigenen oder einer Kontaktfamilie, ggf in adäquaten Übergangseinrichtungen statt (Pollähne 1994a, 146, Spellmeyer 2005). Solche Langzeitbeurlaubungen sollten – wie Vollzugslockerungen überhaupt (vgl Rn F 63) – in den Behandlungs- und Wiedereingliederungsplan (allg Wagner Rn D 75 ff) integriert sein, denn sie stellen konzeptionell die direkte Vorstufe zur Entlassung des Patienten aus dem Maßregelvollzug dar (zum Entlassungsurlaub vgl Rn F 139). Für das erfolgreiche Ende dieser langfristigen (zum Fristproblem Rn F 78 f) Lockerungsmaßnahmen sollte bereits eine positive Stellungnahme nach § 67e StGB ins Auge gefasst werden mit dem Ziel einer E ntlassung nach § 67d II StGB, für die die Beurlaubung oft die letzte E rprobung darstellt (dazu OLG Hamm StV 1988, 115 m Anm Pollähne; Schumann 1989, 3; Rotthaus 1985, 443; zur Erprobungsfunktion Rn F 20 f, vgl BW § 15 IV). Die langfristige Beurlaubung soll es dem Betroffenen ermöglichen, sich über einen 206
Helmut Pollähne
III. Vollzugslockerungen
längeren Zeitraum außerhalb der Einrichtung in relativer Selbständigkeit zu bewähren (Berl-Drs 9/1226, 17; zum Anspruch auf Krankenpflege im Urlaub Marschner Rn E 18; zum Anspruch auf Sozialhilfe im ,Probewohnen‘ VG Göttingen vom 23. 4. 1997 zu Nds §§ 15 I, 16 II sowie OLG Celle und LG Göttingen R&P 2006, 214 ff), und stellt damit häufig das Mittel dar, mit dem „der Maßregelzweck am besten und frühesten erreicht werden kann“ (LG Heilbronn Justiz 1998, 43; zum Urlaub in Familienpflege Becker 2008). In allen Landesgesetzen sind – auch längerfristige – Beurlaubungen grundsätzlich F 50 vorgesehen, allerdings werden zum Teil unterschiedliche Befristungen (zumeist 2 oder 4 Wochen, vgl Rn F 77 ff und zur Frage der Kettenbeurlaubung Rn F 81) und vollstreckungsbehördliche Zustimmungserfordernisse (Rn F 94 ff) vorgeschrieben: BW § 15 II, III, Bay Art 22, 28 II, Berl § 37, Bran § 39 I-III, Bre § 29 II, III, Hbg § 24, Hess § 9, M eVo §§ 37 I, 28, Nds § 15, N W § 18 II, VI, R hPf § 9, Saar § 12, SaAn § 25, SH § 19 I, Thü §§ 31 IV, 32 III, vgl auch Sachs § 38 III. 4.
Offener Vollzug
a)
Offene Unterbringung als Regelvollzug?
Gemäß § 141 II StVollzG sehen Anstalten des offenen Vollzuges „keine oder nur ver- F 51 minderte Vorkehrungen gegen Entweichungen“ vor (vgl AK-StVollzG-Huchting/Lehmann § 141 Rn 9 ff); dieser Sprachgebrauch wurde in einige Landesgesetze überBerl §§ 46 iVm 36 II; Hess § 8 I; Nds §§ 5 IV, 3 II 2; RhPf § 4 V; Saar § 12 II nommen (B Nr 1; SaAn §§ 5 IV, 22, 24; in Anlehnung an RE § 20 I), zum Teil ist von „offener UnBre § 13 V 2; insofern widersprüchlich N W § 18 II Nr 4 einerterbringung“ die Rede (B seits und § 16 II 3 andererseits). In Hbg § 23 III wird der offene Maßregelvollzug ausdrücklich definiert als „eine nicht geschlossene Vollzugseinrichtung“ (ähnlich Thü § 31 IV 2). Nur vereinzelt erscheint die offene Unterbringung als Regelvollzug, wenn es heißt: „Um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, soll die Unterbringung nach Möglichkeit aufgelockert und weitgehend in freien Formen durchgeBerl §§ 46 iVm 36 I, offenbar in Anlehnung an § 91 III JGG, diff Berlführt werden“ (B Drs 9/1226, 16; zum Widerstand der Vollstreckungsbehörde gegen eine entsprechende Praxis vgl Warmuth 1989) oder „in offenen und freien Formen erfolgen, soweit der Zweck der Unterbringung dies zulässt“ (S Sachs §§ 38 I 2 iVm 29; ähnlich jetzt SaAn § 22 I und Thü §§ 31 I iVm 13 I 3, dazu Dessecker 1996, 81 f); in MeVo „sollen“ die Patienten unter bestimmten Voraussetzungen „offen untergebracht werden“ (§§ 37 iVm 30 I in Anlehnung an § 10 I StVollzG, vgl auch Thü-Drs 4/4221, 33 zu § 31 I). Versteht man die Form der Unterbringung – gemessen am Grad ihrer ,Geschlossenheit‘ – als das M aß des Freiheitsentzugs (Rn F 30), das sich nach dem Krankheitsbild des Patienten richtet, so folgt aus den bundesrechtlichen Vorgaben (Rn F 4 ff) eine Verpflichtung zur offenen Unterbringung, sobald die Gefahrenprognose für den Patienten dies verantwortbar erscheinen lässt (Pollähne 1994a, 94); insofern ließe sich durchaus der Regelvollzug offen gestalten (anders Nds-Drs 9/2605, 26; zu §§ 10 I, 201 Nr 1 StVollzG vgl AK-StVollzG-Lesting § 10 Rn 4 ff; zu den Grenzen Rn F 54 ff), zumal Untersuchungen gezeigt haben, dass prinzipiell jeder Patient dafür ,geeignet‘ ist (Jöckel 1988, 65 f, vgl auch Stolpmann 1997). Zum Teil wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass folgerichtig – zumal im Lichte des § 67b StGB (s Rn F 55) – auch eine „Einweisung“ in den offenen Vollzug bereits zu Beginn der UnRhPf § 4 V, dazu RhPf-Drs 10/1669, 21; Saar § 12 II terbringung zulässig sein muss (R Nr 1, dazu Saar-Drs 9/2239, 8; allg zur ,freiheitsentziehenden Unterbringung‘ auf einer offenen Station Bernardi 1994). b)
Landesrecht
Auch in den Bundesländern, deren Landesgesetze offenen Vollzug nicht ausdrück- F 52 lich vorsehen, ist dieser grundsätzlich zulässig (Volckart 1997a, 156): Soweit statt eiHelmut Pollähne
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F. Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)
nes abschließenden Katalogs von Vollzugslockerungen eine „insbesondere“-Regelung besteht (Rn F 36), kommt neben den genannten Maßnahmen in jedem Fall auch die Öffnung der Unterbringung als Lockerung des Vollzuges in Betracht; schwieriger dürfte es sein, den offenen Vollzug schlechthin unter den Begriff der Vollzugslockerung zu subsumieren (etwa in BW § 15 II, dazu BW-Drs 9/289, 6; vgl Volckart/ Grünebaum 2009, 169; anders Saar § 12 II Nr 1 und ausdrücklich N W § 18 II). In BW §§ 15 I iVm 7 I und Bay Art 28 II iVm 12 I 1 wird jedoch aus der allgemeinen Psychiatrie der Grundsatz in den Maßregelvollzug übernommen, die Patienten so unterzubringen, „dass der Unterbringungszweck bei geringstem Eingriff in die persönliche Freiheit erreicht wird“, woraus sich jedenfalls die generelle Zulässigkeit des offenen Vollzuges ableiten ließe. In BW § 15 IV wurde zusätzlich die „extramurale Belastungserprobung“ aufgenommen, ohne dass ganz klar wäre, welche Lockerung damit gemeint ist (vgl auch LG Freiburg R&P 2007, 208). Soweit diese Formen der Unterbringung mit bestimmten Lockerungsmaßnahmen verknüpft sind (insbes Freigang), bleiben allerdings die jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu beachten (Rn F 43 ff und F 58 ff). Gemäß Sachs § 38 III gehört der offene Vollzug nicht zu den Vollzugslockerungen, so dass die übrigen Voraussetzungen für deren Anordnung hier keine Anwendung finden (vgl Rn F 97). c)
Praxis und Grenzen
F 53 In der Praxis ist der offene Vollzug – soweit er überhaupt praktiziert wird (vgl Volckart/Grünebaum 2009, 169 f) – oft gekoppelt mit dem Freigang (Rn F 45 f) und beschränkt sich zumeist darauf, dass die Patienten in der letzten Behandlungsphase vor der Entlassung innerhalb des Vollzuges in einer Art Übergangshaus leben und von dort tagsüber selbständig zur Arbeit gehen (sog Nachtklinik; vgl Halek 1988; Prütting 2004 MRVG § 18 Rn 26). Selbständige offene Einrichtungen (wie im Strafvollzug, dazu AK-StVollzG-Huchting/Lehmann § 141 Rn 9 f) sind aus dem Maßregelvollzug bisher kaum bekannt (zur früheren Berliner Praxis vgl Gabbert 1987, sowie Warmuth 1989, 14 zum Modell einer Wochenendklinik im Rahmen von Kettenbeurlaubungen; zur hess Tradition Heinz/Jöckel 1989 und Heinz et al 1996; zu Nds Dohne 1997). Laut Bre § 45 II Nr 2 kann dort quasi ein ,umgekehrter‘ offener Vollzug stattfinden, indem der Patient „außerhalb der Einrichtung wohnt, tagsüber jedoch an den therapeutischen Maßnahmen der Einrichtung teilnimmt“ (sog Tagesklinik, vgl dazu Bre-Drs 10/1078, 23; zu weiteren Möglichkeiten einer ambulanten Versorgung im Maßregelvollzug Rn F 55 ff). Die Offenheit des Begriffs bietet den Einrichtungen die Möglichkeit, „die Durchführung der offenen Unterbringung eigenverantwortlich zu gestalten und den damit gegebenen Spielraum dazu zu nutzen, Formen und Möglichkeiten der offenen Unterbringung zu erproben“ (SaAn-Drs 1/749 zu § 24); dabei darf auch die Öffnung ,nach innen‘ nicht vernachlässigt werden (Walter 1999, 422; vgl aber auch BGH R&P 2001, 42 zur Notwendigkeit besonderer Sicherungen auf einer offenen Station in der Allgemeinpsychiatrie). F 54 Der Stellenwert der offenen Unterbringung im Maßregelvollzug ist ambivalent. Zweifellos kommt ihr eine wichtige Funktion bei der Angleichung an die allgemeinen Lebensverhältnisse zu (BT-Drs 8/2565, 233; vgl Rn F 16): „Dem Behandlungsziel einer baldigen Wiedereingliederung entspricht es, die mit der Unterbringung verbundenen Beschränkungen möglichst frühzeitig zu lockern und die Behandlung in einem offenen Rahmen fortzuführen und abzuschließen“ (Sachs-Drs 1/4384, 26 zu § 29). Es wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass vor der Verlegung in den offenen Vollzug sehr sorgfältig geprüft werden müsse, ob nicht bereits eine Aussetzung des Vollzugs gemäß § 67d II StGB zu verantworten sei (vgl Volckart/Grünebaum 2009, 169). Keinesfalls darf die bei E ntlassungsreife zwingende Aussetzung (vgl